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MICHELANGELO
IN
ROM
1508—1512.
MICHELAlS^aELO
IN ROM
1508 — 1512
ANTON SPRINGER.
LEIPZIG
YEELAG VON S. HIEZEL
1875.
V
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Das Uebersetzungsreclit ist vorbehalten.
1.
Der Höhepunkt in Michelangelo's Leben fällt in
die letzten Jahre des Pontificates Julius II. Grosse
Pläne und gewaltige Entwürfe hatten den Meister auch
in früheren und späteren Zeiten beschäftigt. An das
Hiesendenkmal Julius II. legte er die erste Hand be-
reits 1505. Dem reifsten Mannesalter wieder gehören
die grossen Bauunternehniungen von San Lorenzo in
Florenz und der römischen Peterskirche an. Yon
dem Papstgrabe aber sagte Michelangelo selbst, dass
es ihm statt des Dankes nur Hass und Schande ge-
bracht und seine ganze Jugend vergällt hätte. Und
auch die Baupläne der späteren Jahre wurden in dürf-
tiger, verkümmerter Weise verkörpert. Eine vollendet
grosse That dagegen, in der Ausführung noch ungleich
grösser als im ersten Gedanken schuf Michelangelo in
den Deckenbildern der Sixtinischen Capelle, an welchen
er in den Jahren 1508 — 1512 arbeitete. Hier allein
entfaltete er frei seine beinahe unbegrenzt reiche künst-
lerische Kraft, nur in diesem Bilderkreise kamen seine
Absichten völlig ungehindert zur Geltung. Wer die
Fresken an der Decke der Sixtina kennte kennt bei-
nahe den ganzen Michelangelo, wer sie nicht kennt,
besitzt keinen klaren EinbKck in die Natur des Meisters,
und wären seinen Augen aucli alle plastisclien Werke
desselben geläufig. Es ist begreiflich, dass wir einem
Zeiträume, der in Miclielangelo's Leben so bedeutsam
dastebt, unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden
und jede neue Kunde, die wir über denselben empfangen,
mit heller Freude begrüssen, zumal, da unser Wissen
von Michelangelo's Thätigkeit in den Jahren 1508 — 1512
bis jetzt nicht nur ziemlich dürftig, sondern auch viel-
fach in sich widerspruchsvoll war.
Kein erwünschteres Festg:eschenk zur Feier des
„quarto centenario" konnte uns daher gegeben wer-
den, als Michelangelo's bis jetzt im Archivio Buonarroti
eifersüchtig bewachten Briefe. Sie liegen, vereinigt
mit jenen im Britischen Museum bewahrten, gegen-
wärtig in einer Prachtausgabe vor uns, welche den
geschätzten Namen Gaetano Milanesi als Herausgeber
an der Stiine trägt. Die Briefe sind nach den Adres-
saten geordnet und in zwei grössere Gruppen geglie-
dert. Den „lottere alla famiglia", an den Yater
Lodovico, an die Brüder Buonarroto, Giovan Simone,
Gismondo und an den Neffen Lionardo gerichtet, folgen
153 lottere a diversi. Hätte dem Herausgeber die
Eintheilung nach der Zeitfolge behebt, gleichviel ob
der Brief für die Familie oder für einen Fremden be-
stimmt gewesen, so wären gewiss die Fehler in der
Datirung unterblieben, welche jetzt den Weg des
Forschers namentlich für die Periode 1506 — 1512
dornig machen und die vertrauensvolle Benutzung der
neu entdeckten Quellen vielfach verhindern. Unleug-
bar hätten auch Eegister und Inhaltsangaben die
— 7 —
Bequemliclikeit des Gebrauches vermehrt. Ihre Ab-
wesenheit ist aber noch weniger zu beklagen als die
Beschränkung der Jubelausgabe ausschliesslich auf die
von Michelangelo geschriebenen Briefe. Die an ihn
gerichteten tragen nicht selten zur Kenntniss seines
Lebens und zum Yerständniss seiner Wirksamkeit eben
so viel und noch mehr bei als die eigenen Episteln.
Zum Glücke hat Äurelio Gotti in seiner ebenfalls als
Festgabe dargereichten „Yita di Michelangelo Buo-
narroti narrata con l'aiuto di nuovi documenti" diese
Lücke einigermassen ausgefüllt und uns in den Stand
gesetzt, mit ziemlicher Sicherheit und in der üeber-
zeugung, dass das vollständige Material schon vorliegt,
Michelangelo 's Leben während der letzten Jahre des
Pontificates Julius IL zu erzählen.
2.
•Michelangelo kam in seinen späteren Jahren zu
wiederholten Malen auf seine Stellung zum Papste
Julius IL und auf seine Thätigkeit während dessen
Pontificates zurück. Den Anlass dazu bot ihm die
„Tragödie" seines Lebens, das Papstdenkmal. Da er
mit den Erben des Papstes sich in einen argen Streit
verwickelt sah und schlimme Eeden über seine Wort-
brüchigkeit und Habsucht hören musste, suchte er sich
vor den Freunden und Gönnern zu rechtfertigen und
legte ihnen die wahre Sachlage vor, wie das alles im
Laufe der Jahre gegen seinen Willen so gekommen sei
— 8 —
und wie er an den leidigen Vertröstungen und Ver-
schleppungen nicht die geringste Schuld trage. Etwa
im J. 1542 verfasste er eine Denkschrift, welche weit-
läufig die Schicksale des Denkmales und des Künstlers
persönliches Verhältniss zu Papst Julius II. schildert,
uns aber, wie es scheint, nur in einer wenig geschickten
Bearbeitung erhalten blieb, i) Ungleich wichtiger ist
ein von Michelangelo an Giovan Francesco Fattucci
(bis 1522 cappellano in Santa Maria del Fiore in
Florenz, später in den Diensten Clemens VII. in Eom)
ungefähr 1524 gerichteter Brief. In demselben nem-
lich behandelt Michelangelo nicht allein den unmittel-
baren Gegenstand des Streites, sondern giebt auch
von seinem ganzen Thun und Treiben während der
Hegierung Julius II, genaue Rechenschaft. Er lautet
(Milanesi cccLxxxin) folgendermassen:2)
Herr Giovan Francesco!
„In Euerem Briefe verlangt Ihr Auskunft, wie es
„mit meinen Angelegenheiten das Grabmal Julius II.
„betreffend wohl stehe. Ich kann Euch nur sagen, dass^
„wenn ich alle Einbussen und dann die Zinsen zurück-
1) Zuerst von CiamiDi 1834 herausgegeben, dann von Alfred
Beumont (Ein Beitrag zum Leben Michelangelo Buonarotis) über-
setzt. G-aye (Carteggio II, 83) bezweifelte die Aechtheit des Schrift-
stückes; jedoch mit Unrecht. Dasselbe ist vielfach interpolirt, die
Nachschrift von einem Dritten redigirt, doch liegt dem Ganzen un-
bestreitbar ein Originalbrief Michelangelo's als Kern zu G-runde.
2) Messer Giovanni Francesco. Voi mi ricercate per una vostra
come stanno le cose mie con papa JuHo. Jo vi dico che se potessi
domandar damii e interessi, piü presto stimerei avere avere, che
avere a dare.
— 9 —
„fordern dürfte, ich viel eher noch Geld herauszu-
„bekommen, als solches herauszugeben hätte.
„Als der Papst um mich nach Florenz sandte, was
„ich glaube im zweiten Jahre seines Pontificates ge-
„schah, hatte ich die Hälfte des Rathssaales, nemlich
„seine Ausmalung übernommen. Dafür hatte ich 3000
„Ducaten erhalten und da der Carton wie ganz Florenz
„weiss, bereits fertig war, so schienen sie mir schon
„halb gewonnen. Und von den 12 Aposteln, welche
„ich für Santa Maria del Fiore zu arbeiten hatte, war
„einer angelegt, wie man noch jetzt sehen kann und
„der grössere Theil der Marmorblöcke herbeigeschafft.
„Dadurch, dass mich Papst Julius von Florenz weg-
„nahm, hatte ich nun nichts von der einen und von
„der anderen Arbeit.
„Dann als ich mit dem Papste in E.om war und
„er sein Grabmal bei mir bestellte, auf welches für
„tausend Ducaten Marmor ging, liess er sie mir aus-
„zahlen und schickte mich um die Steine nach Carrara.
„Ich blieb dort acht Monate, liess die Steine behauen
Perclie quando mandö per me a Firenze, che credo fussi
el secondo anno del suo Pontificato, io avevo tolto a fare la
meta della sala del Consiglio di Firenze, cioe a dipignere, che
n'avevo tre mila ducati, e di gia era fatto el cartone, come e noto
a tutto Firenze; che mi parevon mezzi guadagnati. E de dodici
Apostoli che ancora avevo a fare per Santa Maria del Fiore n'era
bozato uno, come ancora si vede, e di giä avevo condotti la maggior
parte di marmi. E levandomi papa Julio di qua, non ebbi ne dell'
una cosa ne dell' altra niente. Dipoi sendo io a Eoma con detto
papa Julio, e avendomi allogato la sua sepultura, neUa quäle andava
miUe ducati di marmi, me gli fece pagare e mandomi a Carrara per
10
„und brachte sie fast alle auf den Petersplatz; nur
„ein Theil blieb auf der ßipa zurück.
„Nachdem ich die Fracht für die Marmorblöcke
„bezahlt hatte und die für das Werk empfangenen
„Gelder nicht ausreichten, stattete ich das Haus, das
„ich auf dem St. Petersplatze besass, aus meinem
„Gelde mit Betten und Geräthe aus, in der Hoffnung
„auf das Grabdenkmal und liess Gehilfen aus Florenz
„kommen, von welchen einige noch am Leben sind,
„um die Arbeit zu beginnen. Auch diese zahlte ich
„vorläufig aus meinem Seckel.
„In dieser Zeit änderte Papst Julius seinen Ent-
„schluss und wollte nicht, dass an dem Denkmal weiter
„gearbeitet werde. Da ich dieses nicht wusste und
„zu ihm ging, Geld zu fordern, wurde ich aus dem
„Palaste herausgeworfen. Ueber diesen Schimpf ver-
„liess ich sogleich Rom. Was ich in meinem Hause
„hatte, verdarb und die Marmorblöcke, die ich zuge-
„führt hatte, blieben bis zur Krönung Papst Leo's
„auf dem Petersplatze liegen. Also hatte ich da und
essi, dov' io stetti otto mesi a fargli bozzare, e coudussi quasi tutti in
sulla piazza di Santo Pietro, e parte ne rimase a Eipa.
Dipoi finito di pagare i noli di detti marmi e mancandomi e' danari
ricevuti per detta opera, forni' la casa che io avevo in sulla piazza
di Santo Pietro di letti e masserizie del mio, sopra la speranza
della sepultura, e fe' venire garzoni da Firenze, che ancora n'e vivi,
per lavorare; e detti loro danari inanzi del mio. — In questo tempo
papa Juho si mutö d'oppenione e non la volse piü fare: e io non
sapiendo questo, andandogh a domandare danari, fui cacciato di
Camera: e per questo isdegno mio parti subito di Roma; e andö male
ciö che io avevo in casa; e e'detti marmi ch'io avevo condotti, stettono
insino alla creazione di papa Leone in sulla piazza di Santo Pietro;
— 11 —
„dort grossen Schaden. Unter anderem, was ich be-
„weisen kann, erwähne ich, dass mir zwei Blöcke,
„einer 41/2 Ellen gross, von der Eipa durch Agostino
„Chigi entwendet wurden, die mehr als 50 Ducaten
„Geld kosten und die zurückerstattet werden könnten,
„da sich dafür Zeugen finden. Doch um auf die
„Marmorsteine zurückzukommen: Von dem Zeitpunkte,
„dass ich sie holen ging und in Carrara mich auf-
„hielt bis zu meiner Vertreibung aus dem Palaste,
„verstrich mehr als ein Jahr. In dieser ganzen Zeit
„erhielt ich nichts und steckte noch einige Dutzend
„Ducaten hinein.
„Dann als Papst Julius das erste Mal nach Bologna
„ging, wurde ich gezwungen, dorthin zu wandern mit
„dem Stricke um den Hals, seine Verzeihung zu er-
„bitten. Da gab er mir seine Statue in Erz zu
„machen, die sitzend etwa 7 Ellen hoch war. Er
„fragte nach den Kosten derselben, und als ich ihm
„antwortete, ich glaubte den Gruss mit 1000 Ducaten
e dell' Tina parte e dell' altra n'and.5 male assai. Fra gli altri di
quel ch'io posso provare, me iie fu tolti dua pezzi di quatro brazzia
e mezzo l'uno da Ei^Da da Agostino Grliigi, che m'erano costi a me
piü di cinquanta ducati d'oro, e questi si potrebbon risquotere, perche
ci e testimoni. Ma per tomare a' marmi, dal tempo che io andai per
essi e che io stetti a Carrara, insino a che io fui cacciato di Palazo,
v'andö piü d'un anno: del quäl tempo uon ebbi mai nulla, e messovi
parecchi decine di ducati.
Dipoi la prima volta che papa Juho andö a Bolognia, mi
fu forza andare la con la coreggia al coUo a chiedergH perdo-
nanza; ende lui mi dette a fare la figura sua di bronzo, che
fu alta a sedere circa a sette braccia. Domandandomi che spesa
la sarebbe, io gli risposi che credero gittarla con mille Ducati, ma
— 12 —
„bestreiten zu können, die Giesskunst sei aber nicht
„meine Sache und ich könnte mich zu nichts ver-
„pflichten, sagte er: Geh, arbeite und giesse sie so
„oftmal bis sie gelingt und wir werden dir so viel
„geben, dass du zufrieden sein wirst. Um es kurz zu
„machen: die Statue wurde zweimal gegossen, und am
„Ende der 2 Jahre, die ich mich dort aufhielt, fand
„ich, dass mir 41/2 Ducaten erübrigten. Und in dieser
„Zeit hatte ich nichts anderes, und alle Auslagen in
„den genannten zwei Jahren bestritt ich von den 1000
„Ducaten, von denen ich sagte, dass ich mit ihnen
„die Gusskosten zu decken hatte und die mir in
„mehreren Raten von Herrn Antonio Maria da Legniame
„ausgezahlt wurden.
„Nachdem die Statue an der Fagade von San
„Petronio aufgestellt und der Papst nach Rom zu-
„rückgekehrt war, wollte er auch jetzt nicht, dass ich
„an dem Grabmale arbeite, sondern wies mich an,
„die Decke der Sixtina auszumalen, und wir kamen
„über die Zahlung von 3000 Ducaten überein. Der
die e non era mia arte e clie io non mi volevo obrigare, mi rispose :
,,Va, lavora e gitterella tante volte che la venga, e daremti tanto
che tu Sarai contento". Per abreviare, la si gittö dua volte, e in
capo di du' anni ch'io vi stetti, mi trovai avanzati quattro ducati e
mezzo. E di q-uesto tempo non ebbi mai altro; e le spese tutte
ch'io feci, ne' detti dui anni furno de' mille ducati con che io avevo
ditto che la ri gitterebbe: e' quali mi furono pagati in piü volte da
messere Antonio Maria da Legnia(me) bolognese.
Messo SU la figura nelle facciata di San Petronio e tomato a
Borna, non volse ancora papa Juho che io facessi la sepultura, e
missemi a dipignere la volta di Sisto, e facemo e' patti tre müa
ducati. E'l disegno primo di detta opera furono dodici Apostoli
— 13 —
„erste Entwurf zu diesem Werke zeigte die 12 Apostel
„in den Bogenfeldern und im übrigen mit Ornamenten
„angefüllte Felder, wie das so üblich ist. Als ich
„das Werk anfing, schien es mir, dass es ein ärm-
„liches Ding werden würde und ich sagte dem Papste,
„wie es mir vorkomme, dass die Apostel allein einen
„ärmlichen Eindruck machen; und als erfragte warum?
„antwortete ich, weil sie selbst arm waren. Darauf gab
„er mir einen neuen Auftrag, ich möge machen, was ich
„wolle; er werde mich zufrieden stellen und ich solle
„die Decke malen bis zu den unteren Historienbil-
„dern. In dieser Zeit, als die Decke beinahe fertig
„war, begab sich der Papst Y>deder nach Bologna.
„Daher ging ich zweimal dorthin der Gelder wegen,
„die ich zu empfangen hatte. Ich that nichts und
„verlor diese ganze Zeit, bis er nach Rom zurück-
„kehrte. In Rom wieder angekommen machte ich
„mich daran, die Cartons für das genannte Werk zu
„zeichnen, nemlich für die Schmal- und Langseiten
„rings um die Capelle, wobei ich immer hofPte Geld
nelle lunette, e'l resto im certo partimento ripieno d'adomamenti come
si usa, Dipoi comiaciata detta opera, mi parve riuscissi cosa povera, e
dissi al Papa, come facendo"^i. gli Apostoli soll mi parea che riuscissi
cosa povera. Mi domandö perch.e: io gli dissi, perche furon poveri
anche loro. Allora mi dette nuova commissione ch'io facessi ciö
cla'io volevo, e che mi contenterebe, e che io dipignessi insino alle
storie di sotto. In questo tempi quasi finita la volta, el Papa ritornö
a Bologna: ond'io v'andai dua volte per darnari che io uveva avere,
e non feci niente e perde' tutto questo tem^DO, finche ritornö a E,oma.
Eitomato a Eoma, mi missi a far cartoni per detta opera, cioe per
le teste e per le faccie attorno di detta cappella di Sisto; e sperando
— 14 —
„zu bekommen und die Arbeit zu endigen. Da ich
„nichts erreichen konnte und mich eines Tages gegen-
„über dem Herrn Bernardo da Bibbiena und Atalante
„beklagte, wie meines Bleibens in Rom nicht mehr
„wäre und ich in Gottesnamen weiter wandern müsste,
„sagte Herr Bernardo zu Atalante: er möge ihn
„daran erinnern, er Avolle mir jedenfalls zu meinem
„Gelde verhelfen. Er liess mir 2000 Ducaten (ducati
„di Camera) auszahlen. Das sind jene 2000. die mir
„mit jenem ersten Tausend für die Marmorblöcke in
„die Rechnung des Grabmales gestellt werden, von
„welchen ich glaubte, dass ich sie mehr für die ver-
„lorene Zeit bekam, als für die geleistete Arbeit.
„Und von diesem Gelde schenkte ich, da sie mir
„wieder zum Leben verholfen hatten, dem Herrn Ber-
„nardo 100 und Atalante 50 Ducaten.
„Dann kam der Tod des Papstes. Im Anfange des
„Pontificates Leo X, da der Cardinal von Agens
„das Grabmal grösser haben wollte, ein grösseres
aver danari e finire l'opera. Non potetti mai ottenere niente: e dolendomi
un di con messer Bernardo da Bibbiena e con Attalante, com' io non
potevo piu stare a Roma e che mi bisogniava andar con Dio ; messer
Bernardo disse a Attalante che gniene ramentassi, che mi voleva
far dare danari a ogni modo. E fecemi dare du' mila ducati di
Camera, che son queUi con que' primi müle de' marmi ch'e' mi mettono
a conto della sepultura; e io stimavo aveme aver piü pel tempo
perduto e iDer l'opere fatte. E de' detti danari, avendo messer Ber-
nardo et Attalante risucitatomi, donai a l'uno cento ducati, all' altro
cinquanta.
Dipoi venne la morte di papa Julio: e a tempo nel prencipio
di Leone, Aginensis volendo accrescere la . sua sepultura, cioe far
— 15 —
„Werk nemlicli als nach der Zeiclinimg, die ich da-
„von anfangs gemacht, so wurde ein neuer Vertrag
„geschlossen. Da ich aber nicht wollte, dass die
„empfangenen 3000 Ducaten mit auf die Rechnung
„gesetzt würden, weil mir viel mehr gebühre, sagte mir
„der Cardinal, ich wäre ein Betrüger."
Michelangelo's Brief wirft auf die Geschichte seiner
beiden Hauptwerke, des päpstlichen Grabmales und
der Fresken in der Sixtina ein helles Licht. Er gibt
uns den Zeitpunkt an, in welchem er nach Rom ge-
rufen wurde. Dieses geschah im Winter 1504 — 1505,
wenn wir ihn bei dem Worte nehmen, nicht vor dem
1. November 1504. Sein Auftrag bezog sich auf das
Grabdenkmal des Papstes. Da er acht Monate in
Carrara blieb, im April 1506 bereits aus Rom üoh,
so konnte er unmöglich das Werk selbst namhaft vor-
wärts bringen. Die folgenden Jahre aber der Re-
gierung Julius II. wurde er eingeständHch von der
Arbeit an dem Grabmale abgehalten, so dass erst die
Erben des Papstes 1513 die Angelegenheit wieder in
Fluss brachten. Ein neuer Vertrag, von Milanesi
p. 635 mitgetheilt, wurde abgeschlossen, ein genaues
maggiore opera che il disegno cli'io avevo fatto prima, si fece imo
contratto. E non volendo io ch' e' vi mettesino a conto della sepul-
tura i detti tre mila ducati cli'io avevo ricievuti, mostrando ch'io
avevo avere molto piü; Aginensis mi disse, che io ero un ciunnadore.
— 16 —
Modell entworfen. Nach der herrschenden Meinung,
die sich auf Condivi beruft, war dieses Modell, dieser
zweite Entwurf einfacher, kleiner als die ursprüngliche
Zeichnung. Diese Ansicht nun straft Michelangelo' s
Brief unumwunden Lügen. Bei Condivi (cap. xxxix)
heisst es: die Erben trugen ihm einen neuen Entwurf
auf ,^parendo loro il primo disegno impresa troppo
grande}^ Michelangelo dagegen gibt als Grund des
neuen Contractes den Wunsch der Erben an: ^^accrescere
la sepultura, cioe far maggiore opera che il disegno
cJiHo avevo fatto prima'-^. So steht Behauptung gegen
Behauptung. Welcher von beiden die grössere Auto-
rität zukomme, darüber kann kein Zweifel herr-
schen. Michelangelo berichtet über das Werk zu
einer Zeit, während er noch an demselben arbeitet;
erst 25 Jahre später, nachdem das Denkmal in der
traurig abgekürzten und beschnittenen Form, über
welche sich schliesslich die Parteien — die Erben und
der Künstler — vereinigt hatten, längst aufgestellt
war, hebt Condivi's Erzählung an. Sein Irrthum ist
an sich schon viel wahrscheinlicher, zumal er auch
sonst sich keineswegs als ein unbedingt zuverlässiger
Zeuge offenbart und der Nachweis, dass er nur die
spätesten reducirten Entwürfe vor Augen hatte, mit
ziemlicher Sicherheit geführt werden kann. Die wahre
Sachlage, wie sich dieselbe nach den bei Milanesi
publicirten Urkunden herausstellt, ist folgende:
Grleich nach dem Tode Julius II. gingen die
Testamentsexecutoren an die Ausführung des so lange
schon hinausgeschobenen Werkes. .Michelangelo ver-
— 17 —
pflichtete sich zur Vollendung desselben binnen sieben
Jahren, gab die Zusage, keine grössere Arbeit bis
dahin zu übernehmen, und legte ein Modell des Grab-
males vor. Als Gegenleistung wurden ihm 16,500
Ducaten in Gold zugesprochen.
Das Grabdenkmal sollte nach dem Modell von 1513
sich an die Mauer anlehnen, also nur drei Fronten
bilden, deren jede zwei Tabernakel in sich schloss und
über dem ringsum laufenden Sockel in reichem archi-
tectonischen Schmuck, mit Pfeilern, Architraven, Friesen
und Karniesen prangte. In jedem Tabernakel befan-
den sich zwei Statuen und ebenso sollte vor jedem
Pfeiler, welche das Tabernakel einfassten, eine Statue
errichtet werden, also im Ganzen, da es sechs Taber-
nakel und zwölf Pfeiler gab, 24 Statuen am Unter-
baue allein. Derselbe trug den Sarkophag mit der
Figur des Paptes und vier Statuen in doppelter Lebens-
grösse. An den Seiten des Sarkophages sassen auf
vorspringenden Würfeln sechs ebenso mächtige Figuren.
Im Hintergrunde endlich, da, wo das Grabmal an die
Mauer anstiess, erhob sich noch zuoberst eine kapellen-
artige Nische mit 5 Statuen, welche, weil sie vom
Auge am weitesten entfernt waren, an Grösse alle
anderen Bildsäulen überragten. Auch Reliefs, Histo-
rien, sollten zwischen je zwei Tabernakeln in Marmor
oder in Erz angebracht werden.
Im Gegensatze zu diesem Programm gibt Condivi's
Beschreibung dem Denkmale die Form eines voll-
kommenen Freibaues mit vier Fronten. Man darf
nicht glauben, dass das Monument dadurch sich
— 18 —
mächtiger und gewaltiger gestaltet hätte. Im Gegen-
theil. Da der plastische Schmuck der gleiche ist
— die von Condivi hervorgehobene Zahl von 40 Sta-
tuen rechnet man auch auf dem Entwürfe von 1513
zusammen — sich aber auf 4 Seiten vertheilt, so muss
der Eindruck viel dürftiger erscheinen, als wenn der
Sculpturenreichthum sich auf drei Fronten zusammen-
drängt. Davon abgesehen, baut sich aber das Denk-
mal nach dem Entwurf von 1513 ungleich grossartiger
und überdiess auch organischer auf. Es ist zweifel-
haft, ob die Rossellinische Tribuna in der Peters-
kirche, in welcher nach Condivi das Grabdenkmal
aufgestellt werden sollte, den ausreichenden Eaum
für einen Freibau gewährt hätte ; es ist dagegen sicher,
dass der (wie frühe?) gefasste Entschluss, auch diese
aus der Zeit Nicolaus Y. stammende Tribuna oder
Apsis zu Gunsten des Bramante'schen Neubaues zu
entfernen, auf den Plan des Grabdenkmales grossen
Einfluss üben musste.
Das Ergebniss der Untersuchung lautet also ganz
zu Gunsten des Entwurfes von 1513. Von allen Ent-
würfen, die wir kennen, ist er entschieden der gross-
artigste und reichste. Dieses gilt sowohl in Bezug
auf den bei Condivi beschriebenen Plan, wie auf die
anderen Entwürfe, von welchen die in ursprünglicher
Fassung erhaltenen Verträge vom 8. Juli 1516, vom
29. April 1532 und vom 20. August 1542 sprechen, i)
1) Alle diese Verträge sind bei Milanesi (Contratti artistici
p. 635 — 715) im lateinischen Originaltexte und in der itaüenischen
— 19 —
Während nacli Michelangelo' s eigenem Geständniss
Papst Julius ursprünglich die Summe von 10,000
Ducaten für sein Grabmal bestimmte,^) erhöhten 1513
die Testamentsexecutoren dieselbe auf 16,500 Ducaten.
Der Eückschluss von der Höhe der Kosten auf die
Grösse des Denkmales erscheint gewiss nicht unstatt-
haft. Kommt nun noch hinzu, dass Michelangelo selbst
zu wiederholten Malen 2) den nach dem Tode Julius II.
entworfenen Plan als den grösseren bezeichnet, so
Uebersetzung abgedruckt. Dem ersten imd zweiten Vertrage (1513
und 1516) fügte der Künstler eine genaue Beschreibung des Modelles
bei, aus welcher hervorgeht, dass der Entwurf von 1516 noch immer-
hin eine grosse Pracht und eine Fülle des plastischen Schmuckes
entfaltete. Die reducirte Form empfängt das Grabmal erst 1532.
Nachdem die Auflösung aller früheren Contracte ausgesprochen ist,
heisst es in dem Vertrage vom 29. April 1532 weiter: „Magister
Michael Angelus promisit facere et dare novum modellum seu de-
signum dicti sepulchri ad sui hbitum, in quo et illius compositione
ponet et dabit prout dare promisit idem magister Michael Angelus
sex statuas marmoreas inceptas et nondum perfectas, Eome vel
Florentie existentes, hie Eome sua manu et opere perfectas, nee
non aha quecumque ad dictum sepulchrum parata." Erst im Con-
tracte vom 20. August 1542 treten Francesco d'Urbino (für das
Ornamentale) und Eafaelo da Montelupo in den Vordergrund. Von
letzteren rühren her: una nostra donna con il putto in braccio, quäle
di giä in tutto e finita; una Sibyüa, uno Profeta, una Vita attiva et
una Vita contemplativa, bozzate et quasi finite di mano di Michel-
agnolo. Nur die Mosesstatue ist eine eigenhändige Arbeit des
Meisters.
1) Milanesi CCCLXXXTV. Ne' primi anni di papa Juho dopo
molti disegni della sua sepultura, uno g-niene piacque sojDra '1 quäle
facemo el mercato e tolsila a fare per dieci mila ducati.
2) Auch in der Denkschrift vom J. 1542 bei Ciampi u. Milanesi
(CDXXXV) heisst es: „Poi dopo la morte di Juho Aginensis volse
seguitare detta sepultura, ma maggior cosa.
2*
— 20 —
kann das Urtheil über die Bedeutung des Entwurfes
vom Jahre 1513 nicht schwanken. Ereilich wird die
Ansicht aufgestellt, der grössere Maassstab, von dem
geprochen wird, sei nur in Bezug auf die schliessliche
reducirte Ausführung gemeint. Der Zusammenhang
der Sätze beweisst aber, dass der grössere Maass-
stab von dem Entwürfe vom Jahre 1513 behauptet
werde und zwar behauptet im Verhältniss zum ersten
Plane, zur ursprünglichen Zeichnung. „A tempo nel
prencipio di leone Aginensis volendo accrescere la sua
sepultura, cioe far maggiore opera, che il disegno
ch'io avevo fatto prima, si fece uno contratto."
Nach der Feststellung der Thatsachen darf nun
auch ihr Werth für die Biographie Michelangelo's be-
tont werden. Die aufsteigende Linie in der Ent-
wickelung des Meisters wird um mehrere Jahre ver-
längert. Nach der bisher gangbaren Ansicht feiert
Michelangelo seine glänzendste Zeit in dem ersten
Jahre seines römischen Aufenthaltes. Er geniesst das
volle Vertrauen des Papstes, das Werk, das er be-
gonnen hat, verheisst ihm unsterblichen Ruhm und
sagt seiner innersten Natur vollkommen zu. Grosse
und kühne Gedanken leben in seinem Kopfe und wer-
den auch bald im Marmor leben. Aber nur eine
kurze Spanne währt das Glück wahrhaft freien, grossen
Schaffens. Schon die Berufung in die Sixtina er-
scheint als Abfall. Die Malerei^ zu deren Ausübung
er gezwungen wird, droht ihn von dem rechten Wege
abzulenken, vollends der Plan des Grabdenkmales ver-
schleppt sich nicht allein Jahrzehnte lang, sondern
— 21 —
schrumpft auch mit jedem neuen Vertrage und jedem
neuen Entwürfe mehr zusammen. So die gewöhnliche
Meinung. Jetzt behaupten wir, auf die Urkunden ge-
stützt: Nicht der erste Entwurf, — bei der Kürze der
Zeit, welche Michelangelo zunächst dem Werke wid-
men konnte, schwerlich zu greifbarer Gestalt gediehen
— sondern der zweite, erst nach dem Tode des
Papstes festgestellte, zeigt uns das Grabdenkmal in
seiner mächtigsten Form, den Künstler auf seiner
grössten Höhe. Die Malerei in der Sixtina aber be-
deutet keinen Abfall, sondern vollendet die Reife des
Meisters und wirft, da sie dem Entwürfe von 1513
vorangeht, auf die Gestalt, welche das Grabdenkmal
in demselben annimmt, ihren Schatten.
Ueber die allgemeine Form des Grabdenkmales
lässt uns der Wortlaut des Vertrages vom J. 1513
nicht im Zweifel, keine vollkommene Gewissheit gibt
er über die Gegenstände der plastischen Darstellung.
Wir sind auf Vermuthungen angewiesen und nehmen
an, dass Michelangelo im Laufe der Zeit wohl die
Zahl der Statuen verringert, aber den ursprünglichen
Inhalt derselben nicht verändert habe. Die im letzten
Entwürfe (1542) angeführten Statuen sind Fragmente,
aus welchen sich also das Ganze der Schilderung er-
rathen lässt. Nach dem Vertrage vom 20. August
1542 wurden dem Eaffaelo da Montelupo fünf Statuen,
welche Michelangelo bereits angelegt und begonnen
hatte, zur Vollendung übergeben. Sie werden genauer
bezeichnet: Eine Madonna mit dem Christkinde auf
dem Arme, eine Sibylle, ein Prophet, das beschauliche
— 22 —
und das thätige Leben. Ausserdem verpflichtete sich
Michelangelo, die eigenhändig gearbeitete Statue des
Moses aufzustellen.
Mit der landläufigen Bezeichnung: Allegorie für
diese Statuen und für die ebenfalls zum Grabmale
Julius II. gehörigen Sclavenfiguren im Louvre und im
Garten Boboli ist es nicht gethan. Michelangelo müht
sich nicht ab, abstracte Vorstellungen mit lockerem
Fleische zu bekleiden und dünnes Blut in dieselben
zu giessen, so dass sie äusserlich den Schein persön-
lichen Lebens gewinnen. Er hat sein Ziel vielmehr
darauf gerichtet, ursprünglich fest abgegrenzte histo-
rische Gestalten der unmittelbaren Persönlichkeit zu
entkleiden, sie zu allgemeinen menschlichen Typen zu
erheben. Sie werden von einer einzigen Empfindung,
einer einzigen Seelenbewegung durchströmt, welche
sich den . ganzen Leib unbedingt unterwirft, so dass
er dem Ausdruck jener Empfindung und Seelen-
bewegung ausschliesslich dient. Wir werden in eine
Welt eingeführt, die anfangs fremdartig und fast be-
drückend auf den Beschauer wirkt, deren elementaren
Gewalten aber niemand auf die Dauer widerstehen
kann. Ihre Schöpfung ist dem Genius Michelangelo's
eigenthümlich. Fragen wir aber, ob diese Gestalten,
so mächtig bewegt, und aus dem innersten Kerne ihrer
Natur heraus erregt, so herbe und ungeheuerlich in
der Erscheinung, dem plastischen Formenkreise ur-
sprünglich angehörten; ob der Meister dieselben er-
sonnen hättO; auch wenn er ausschliesslich die Sculptur
gepflegt und geübt, so wird die Antwort schwerlich
— 23 —
zustimmend lauten. So sehr wir auch die Grenzen
der plastischen Darstellung für eine Natur erweitern,
wie sie Michelangelo besass, immer werden wir glau-
ben, dass der Künstler erst durch einen gewaltsamen
Eingriff den Widerstand der spröden Sculptur über-
wunden hat. In der That wurde auch Michelangelo
der Vorwurf nicht erspart, dass er das Maass des
plastisch Darstellbaren nicht selten überschritten habe.
Niemand wird dagegen bestreiten, dass die Malerei
über reichere Mittel verfüge, solche Träume eines
B-iesengeistes zu verkörpern. Die lebensvolle Farbe
verleiht ihnen ein mehr greifbares, sinnliches Dasein,
sie mildert, indem sie zu einer auch auf das Einzelne
eingehenden Schilderung zwingt, das Schroffe und ge-
stattet leise Uebergänge im Ausdruck wie in den
Formen, welche die sonst abstracten Typen dem indivi-
duellen und persönlichenWesen nähern. Das Uebermäch-
tige, Gewaltige empfängt eine menschlichere Fassung,
die innerhalb der Grenzen der Plastik vielleicht nicht
ganz zulässige Bewegtheit der Linien ihr volles Recht.
Lässt sich da der Schluss abweisen, dass ein solcher
Gestaltenkreis in der Kunstgattung zuerst ausgeführt
wurde, in welcher die Ausführung am natürlichsten
und leichtesten erscheint? Wir gewahren ähnliche
Figuren, wie sie das päpstliche Grabdenkmal nach
dem Programm vom J. 1513 schmücken sollen, auch
an der Decke der Sixtinischen CapeUe. Die Prophe-
ten und Sibyllen begleiten hier die Mittelbilder, die
Historien aus dem alten Testamente ; an sie schliessen
sich dann Gruppen an, welche gewöhnlich als die
— 24 —
Vorfahren Christi bezeichnet werden, die in Wahr-
heit aber namenlos sind, und zunächst nur dem Drange
des Künstlers, eine Empfindung und Seelenstimmung
in energischer Weise zum Ausdrucke zu bringen,
ihren Ursprung verdanken. Sie gehören demselben
Gedankenkreise an, wie das „beschauliche und thätige
Leben" am Grabdenkmale, an welchem auch formale
Motive, z. B. die auf Würfelsteinen sitzenden Figuren
wiederkehren, welche wir an der Decke der Sixtina
bemerken. Unbestreitbar ist die Verwandtschaft zwi-
schen den Einzelgestalten und Gruppen in der Sixtina
und am Grabmale Julius II. So fest wurzelt diese
Vorliebe für diese geheimnissvoll blickenden von einer
einzigen gewaltigen E-egung belebten Wesen, dass
Michelangelo sie noch bei einem dritten Werke fest-
hält. Die Figuren zu beiden Seiten der Medicäer-
sarkophage in S. Lorenzo gehören derselben Ordnung
der Gedanken an, wie die Nebenbilder in der^ Sixtina
und der plastische Schmuck des Grabdenkmales.
Der Zusammenhang der drei Hauptwerke des Meisters
in dieser Beziehung ist unbestreitbar. Es entsteht
nur die Frage: wurde die geschilderte Gedankenreihe
in Michelangelo geweckt, als er sich mit plastischen
Entwürfen beschäftigte und dann erst auf das male-
rische Gebiet übertragen, oder hat er derselben zuerst
in der Malerei Ausdruck geliehen und an derselben
auch festgehalten, als er seine längere Zeit unter-
brochene Thätigkeit als Bildhauer wieder fortsetzte?
Gar manches spricht zu Gunsten der letzteren Vor-
aussetzung: Es schmiegen sich die Gestalten viel enger
— 25 —
an den malerisclien als an den plastischen Stoff, sie
lassen sicli in jenem leichter als in diesem verkörpern,
drängen sich demnach auch eher dem Maler als dem
Bildhauer auf. Die Malerei in der Sixtina geht dem
Entwürfe zum Grabdenkmale vom J. 1513 zeitlich
voran, war vollendet, ehe Michelangelo wieder Hand
an das plastische Werk legte. Die Yergrösserung
desselben, die urkundlich beglaubigt ist, bezieht sich
höchst wahrscheinlich auf den plastischen Schmuck
und nicht auf den architectonischen Theil, der gewiss
den Künstler zuerst beschäftigt hat, und dessen Maasse,
wenn Condivi nicht falsch berichtet hat, keineswegs
1513 eine Erweiterung erfuhren, i) Dass Michelangelo
das Werk über die architectonische Grundlage hinaus
in dem einen Jahre, an welchem er vor 1513 daran
arbeitete, gefördert hatte, dagegen spricht zunächst
schon die Kürze der Zeit, dann der Umstand, dass
er fast den halben Zeitraum in Carrara zubrachte und
der Zustand der behauenen Blöcke, die von Agostino
Chigi an sich gerissen und für andere Zwecke ver-
wendet wurden. Lässt man diese Gründe gelten, dann
rücken die Malereien in der Sixtina geradezu in den
Mittelpunkt der Kunstthätigkeit Michelangelo's und
erweisen sich grundlegend und bestimmend auch für
seine Arbeiten auf dem Gebiete der Plastik.
1) Die Maasse des Denkmales nach dem Entwürfe von 1513
waren: die Frontseite 20 Palmen breit und 14 Palmen hoch; die
Langseiten bei gleicher Höhe 35 Palmen breit; nach dem Entwurf
von 1516 hat die Fronte „brachia undeci fiorentine vel circa" nach
Condivi's Beschreibung sollten die beiden Fronten 12, die Langseiten
18 Ellen besitzen.
26
4.
An der Hand des an Fattucci gerichteten Briefes
wollen wir nun auch die Geschichte der Decken-
gemälde in der Sixtina kennen lernen. Wir verbinden
mit jener Epistel noch einige andere theils bei Milanesi,
theils bei Gotti abgedruckte Schreiben.
Eine Episode voll dramatischer Wirkung bildet
bekanntlich Michelangelo 's Elucht aus Rom im Früh-
linge 1506. Während wir bis jetzt nur auf die Rela-
tionen Yasari's und Condivi's und andere im Greisen-
alter Michelangelo's niedergeschriebene Berichte ange-
wiesen waren, besitzen wir nun über das Ereigniss
gleichzeitige Kunde und diese von Michelangelo's Hand.
Am 2. Mai 1506, also nur wenige Tage nach seiner
Flucht, richtete er an Giuliano da San Gallo, den
päpstlichen Baumeister, folgenden i) Brief:
„Ich habe aus Euerem Briefe ersehen, dass der
„Papst meinen Weggang übel nimmt, und dass Seine
„Heiligkeit gewillt sei, nach unserer Verabredung zu
„verfahren und dass ich nur zurückkehren und an
„nichts zweifeln solle. Was nun meinen Weggang be-
„trifft, so ist es wahr, dass ich am Charsamstag den
1) Milanesi CCCXLIII. „Guliano! Jo ö iuteso per una vostra
„come '1 Papa auto a male la mia partita, e come sua Santita e per
„dipositare e fare quanto fumo d'accordo; e che io tomi e uon dubiti
„di cosa nessuna."
,,Della partita mia, egli e vero che io udi dire el Sabato Santo
^,al Papa, parlando con uno goelliere a tavola e col maestro delle
„ceremonie, che non voleva spendere piü im baioco ne in pietre
— 27 —
„Papst bei Tische zu einem Goldschmiede und zum
„Ceremonienmeister sag-en hörte: Er wolle keinen
„Pfennig mehr hergeben, nicht für grosse und nicht
„für kleine Steine. Ich wunderte mich darüber nicht
„wenig. Doch ehe ich mich entfernte, verlangte ich
„einen Theil der Gelder, deren ich bedurfte, um das
„Werk fortzusetzen. Seine Heiligkeit beschied mich
„auf den Montag. Und so kam ich denn Montag, und
„kam Dienstag, Mittwoch und Donnerstag, und er
„sah mich immer und zuletzt am Freitag Morgen wurde
„ich herausgeschickt, also weggejagt. Und der mich
„herausschickte, sagte, dass er mich wohl kenne, dass
„er aber dazu den Befehl hätte. Darüber, was ich
„am Sonnabend gehört hatte, und wie ich jetzt die
„Wirkungen davon sah, gerieth ich schier in Yer-
„zweiflung. Doch war dieses nicht die einzige Ur-
„sache meines Wegganges. Mich vertrieb noch etwas
„anderes, was ich aber nicht schreiben will. Genug
„picole ne in grosse: ond'io ne j^resi amirazioiie assai; pure icanzi
„che io mi partissi, gli domandai parte del Ibisognio mio per seguire
„l'opera. La sua Santita mi rispose, ch'io tomassi lunedi: et vi
„tornai lunedi e martedi e mercoledi e giovedi; come quella vide.
„Air ultimo el venerdi mattina io fui mandato fuora, ciö e cacciato
„via; e quel tale che me ne mandö, disse che mi conoscieva, ma
„che aveva tal commissione. Ond' io avendo udito il detto sabato
„le dette parole, e veggendo poi l'effetto, ne venni in grau dispe-
„razione. Ma questo solo non fu cagione interamente della mia
„partita; ma fu pure altra cosa, la quäle non vogKo scrivere; basta
„ch' ella mi fe pensare s'i' stavo a Roma, che fussi fatta prima la
„sepultm*a mia, che quella del Papa." Im weiteren Verlauf des
Briefes macht Michelangelo den Vorschlag, das Grabmal in Florenz
fertig zu arbeiten.
— 28 —
„dass ich glauben musste, bliebe ich länger in Rom,
„so würde eher noch mein Grab fertig, als das des
„Papstes."
Was war wohl „dieses andere", was ihn zur Flucht
aus Rom bewog? Wir besitzen aus diesen Tagen einen
an Michelangelo gerichteten Brief, der darüber vielleicht
Auskunft ertheilt. Er rührt von dem nahe befreunde-
ten Maurermeister Pietro Rosselli her und ist von Gotti
(I. 46) publicirt worden. Diesem Pietro Rosselli wer-
den wir noch einmal in Michelangelo's Leben begeg-
nen. Ihm hatte der Meister zwei Jahre später die
Bewerfung und Zurüstung der Sixtinischen Decke zur
Aufnahme der Fresken (die scialbatura e arricciatura)
übertragen. Von seinen engen Beziehungen zu Michel-
angelo und seiner Ergebenheit gibt auch der Brief
vom 10, Mai Zeugniss.
Die Vermittlung, um welche Michelangelo den
päpstlichen Baumeister Griuliano da San Gallo in seinem
Briefe vom 2. Mai angesprochen hatte, war von diesem
in der That durchgeführt worden. Er hatte den Papst
begütigt und rüstete sich, Michelangelo von Florenz
abzuholen. Dieses theilte Julius II. dem Bramante
mit, in Gegenwart Rosselli's, welche beide zu dem
Papste beschieden waren, ihm Zeichnuiigen vorzulegen,
lieber den weiteren Erfolg der Unterredung mag
Rosselli selbst sprechen. j,Bramante antwortete dem
„Papste: Heiliger Vater, Michelangelo wird nicht zu-
1) „(El Papa) mandö per Bramante e dissegli: El Sangallo va
domatina a Firenze e rimenera in süe Michelagnolo. Bispose Bra-
mante al Papa e disse: Santo Padre, e' non ne fara nulla, perche
— 29 —
„rückkehren. Ich kenne ihn gut genug; er hat mir
„oft gesagt, dass er mit der Kapelle nichts zu thun
„haben wolle und dass Ihr ihn gerade dort zu be-
„schäftigen gesonnen seid; er aber wolle Euch dienen
„bei dem Grabdenkmale und nicht in der Malerei.
„UndBramante sagte femer: Heiliger Vater, ich glaube,
„er hat keinen Muth, denn er hat noch nicht viele Fi-
„guren gemalt und besonders Figuren an derDecke und
„in der Verkürzung. Das ist aber ein ganz anderes Ding
„als die Malerei auf ebenem Boden. Da antwortete der
„Papst : Wenn er nicht käme, thäte er mir einen Schimpf
„an, und darum wird er jedenfalls kommen. Nun hielt
„ich aber nicht länger zurück. Ich trat vor und fuhr
„ihn in Gegenwart des Papstes grob an. Ich sprach,
„wie Ihr für mich gesprochen haben würdet, so dass er
„nicht wusste, was zu antworten und sich entschuldigte.
„Und ich sagte überdiess: Heiliger Vater, er hat nie
„mit Michelangelo verkehrt und wenn etwas von dem
„was er soeben gesagt hat, wahr ist, so möget Ihr
io öne pratico Michelagnolo assai e ammi detto piü e piü volte nonue
volere attendere alla capella ; e che voi gli volevi dare cotesto carico ;
e clie per tanto voi non volevi attendere se non a la sepoltora e
non alla pittura. E disse: Padre Santo, io credo che a lui non li
basti l'animo perche lui non ha fatto troppo di figinre, e massimo le
figure sono alte e in iscorcio: ed ene altra cosa che a dipingere in
terra. AUora rispose el Papa e disse: Se lui non vi ene, e' mi fä
torto, perche io credo tornerä a ogni modo.
„Allotta io mi iscopersi e dissigh una villania grandissima, pre-
„sente el Papa; e dissigh quello credo aresti detto voi per me; • e
„per tanto non seppe quello si rispondere, e parvegh avere mal
„detto. E dissi pure oltre: Santo Padre, lui non parlö mai a Michel-
„agnolo, e di quello v' äne detto ora, se gü e vero, vogho mi
— 30 —
„mir den Kopf abhauen lassen, denn er hat nie mit
„Michelangelo gesprochen nnd ich glaube, dass dieser
„jedenfalls zurückkehren wii'd, sobald es Eurer Heilig-
„keit gefällt. Somit endete die Sache."
Wie ganz anders, einfach und natürlich stellt sich
nach beiden Briefen, jenem Rosselli's und dem an Giu-
liano da San Gallo gerichteten das Ereigniss der Flucht
JMichelangelo's aus E-om dar. In viel späteren Jahren
umrankte die Legende den historischen Kern so dicht,
dass derselbe fast ganz verdeckt blieb. Da liebte man
es, die Kühnheit des Künstlers zu betonen, und wie
dieser doch eig-entUch dem Kirchenfürsten ebenbürtig
gegenüberstand, mit Stolz hervorzuheben. Wir hören
von fünf Courieren, die ihm Juhus II. schleunigst nach-
sendete, und die ihn merkwürdiger Weise aUe fünf
erst jenseits der Grenze in Poggibonsi zur selben
Stunde erreichten, und von drei päpsthchen Breven,
welche ihn zur Bückkehr mahnten. Sein Gehen oder
Bleiben bauscht sich zu einer Haupt- und Staatsaction
auf, bildet den Gegenstand der Verhandlungen zwi-
schen dem Papste und dem Gonfaloniere, welcher in
Michelangelo's Weigerimg derEückkehr eine Gefahr für
Florenz fürchtete. „Wir wollen deinetwillen keinen
Elrieg mit dem Papste anfangen", lässt ihn Condivi
sagen. Xichts von alledem in den Briefen, die unter
dem unmittelbaren Eindrucke der Ereignisse geschrie-
ben sind und allein als glaubwürdige Quellen erschei-
„mozziate el capo, che lui non gli parlö mai a ZiJQchelagDolo ; e credo
„clie lui tomerä a ogni modo, quando la vostra Santitä rorrä. E
„qui fini le cose."
— 31 —
nen. Durch einen Kunstgenossen erfährt Michelangelo
den Zorn des Papstes, und empfängt die Aufforderung
zur Eückkehr. GiuKano da S. Gallo hat die Absicht,
ihn in Florenz abzuholen und nach Rom zurückzu-
bringen. Die Umstände, welche die Ausführung dieses
Planes vereitelten, Michelangelo's Aufenthalt in Flo-
renz bis zum Spätherbst verlängerten, sind nicht be-
kannt. Jedenfalls verliefen aber die ersten Tage und
Wochen nach seiner Flucht nicht so dramatisch be-
wegt, wie die mythenbildende Phantasie vier Jahr-
zehnte später sie ausmalte.
Nun aber das Wichtigste : Bereits 1506 bestand
der Plan, die Ausmalung der Decke in der Sixtini-
schen Capelle Michelangelo zu übergeben. Bramante
spricht davon in der Unterredung mit dem Papste als
von einer bekannten Sache und wird von Rosselli nur
Lügen gestraft, weil er eine nähere Bekanntschaft mit
Michelangelo und die Unlust des Künstlers zur Rück-
kehr behauptet. Und was den letzteren Punkt betrifft,
so erscheint es fraglich, ob Rosselli nicht besonders
dadurch als Freund Michelangelo's in Harnisch ge-
bracht wurde, dass Bramante den von Michelangelo
selbst verheimhchten Grund seines Wegganges in
schroffer Weise enthüllte. Hier finden wir den feind-
lichen Gegensatz zwischen Michelangelo und Bramante
zum ersten Male erwähnt und entdecken die Wurzel^
welcher alle späteren Erzählungen Condivi's und Ya-
sari's von dem Zwiespalte zwischen den beiden Künst-
lern entstammen. Wir legen aber gleichzeitig auch
den Finger auf die Entstellungen, welche falsche Pie-
— 32 —
tat und Eifersucht der Schüler auf den Ruhm des
Meisters sich im Laufe späterer Jahre erlaubte i). Von
einer Einwirkung Bramante's auf den Papst, um die-
sen von der Ausführung des Grabmales abzubringen,
ist in den Briefen keine B;ede. Und wenn nachmals
behauptet wurde, Bramante hätte Michelangelo eine
Falle legen wollen, indem er ihn dem Papste für die
Malereien in der Sixtina empfahl, so müssen wir nach
dem Wortlaute der Urkunden jetzt sagen: Ungeschick-
ter und täppischer konnte Bramante die Sache nicht
anfangen. Er will . aus Neid gegen den Bildhauer den
Papst bewegen, dass der den Künstler in einem wie er
insgeheim wusste, diesem fremden Fache beschäftige
und betont laut vor dem Papste die Unzulänglichkeit
des Mannes, verringert seine Leistungskraft! Vollends
aus dem Wege geräumt erscheint endlich das weitere
Motiv, welches spätere Schriftsteller, Zeiten und Dinge
1) Nach Condivi's Bericht (c. XXY, XXXIII und XXXVIII)
fürchtete Bramante Michelangelo's Kritik des Petersbaues und lag in
dieser Furcht das Motiv seiner feindseligen Gesinnung. Seltsam, dass
er glauben konnte, durch gehässige Beden seinerseits den Gegner
zum Schweigen zu bringen. Michelangelo warf ihm vor, dass er die
Mauern von schlechtem Material herstelle und auch nicht fest und
sicher genug im Vergleich zu ihrer Höhe und Dicke; sodann dass
er beim ISTiederreissen des alten S. Petersdomes die schönen Säulen
zu Boden geworfen hätte, welche im Scliiffe aufgestellt waren, un-
bekümmert, dass sie in Stücke gingen. Geymüller hat (Zeitschr. f.
b. K. 1875 S. 252) gezeigt, dass der letztere Vorwurf ganz unbe-
gründet war. Die Gegenüberstellung Michelangelo's und Bramante's
vor dem Papste bei Condivi erinnert an die von Bosselli erzählte Scene.
Es mag Condivi vielleicht von dieser gehört und sie dann nach
seiner Tendenz arrangirt haben.
— 33 —
verwirrend dem Bramante unterschoben, der Wunsch,
Rafael an Michelangelo's Stelle emporzubringen. Im
Jahre 1506 wussten nur wenige um Raphael, der in
Florenz weilte, und seine ganze Kraft anspannte, sich
aus der engen Gedanken- und Formenwelt seines Leh-
rers und seiner ersten Schule herauszulösen. Fest
steht nur die Thatsache: Michelangelo war bereits in
den ersten Jahren seines römischen Aufenthaltes als
Maler der Decke in der Sixtinischen Capelle auser-
sehen.
Verfolgen wir nun weiter das Schicksal der Ma-
lereien in der Sixtina. Zunächst blieb dieser Plan
eben so still ruhen wie die Entwürfe zum Grrabmale.
Julius II. zog im August 1506 nach dem Norden, um
sich Bologna zu unterwerfen. Am 11. November durch-
schritt er triumphirend die ihm nach der Flucht Ben-
tivoglio's freiwillig geöffneten Thore. Ihm folgte we-
nige Wochen später Michelangelo, i) Die Arbeit,
1) Der G-eleitbrief Soderini's (Gaye II. 91) ist vom 27. November
1506 datirt, der erste uns erhaltene Brief Michelangelo's scas, Bologna
an seinen Bruder Buonarroto trägt das Datum 19. Dec. 1506. Lange
konnte Michelangelo, als er den Brief schrieb, nicht in Bologna an-
wesend sein, denn er lebt noch in provisorischen Zuständen, schläft
zu vieren in einem Bette in einer schlechten Stube. Dass der Gron-
faloniere in seinem Greleitsbriefe Michelangelo's Arbeit am Sclilacht-
carton und den 12 Apostelstatuen, als wäre der Künstler gegenwärtig
an denselben beschäftigt , erwähnt , ist auffallend. Hatte . Michel-
angelo diese Werke nach seiner Flucht aus Rom wieder in Angriif
genommen? "Wir wissen aus dem Briefe an Griuliano da S. Gallo von
seinem Vorhaben, sich in Florenz niederzulassen.
3
— 34 —
welche zu seiner Berufung nach Bologna Anlass ge-
geben, statt dass ihm die Rückkehr nach Rom wäre
befohlen worden, begann er gleich nach seiner An-
kunft, Der Papst, veränderlich in seiner Kunstliebe,
gab ihm seine Erzstatue in Auftrag, die über dem
Eingange zur Kirche des h. Petronius aufgestellt wer-
den sollte. Da Michelangelo der Gusstechnik unkun-
dig war, so musste er diesen Theil des Werkes einem
andern überlasseuo Der aus Florenz herbeigeholte
Gussmeister Bernardino d' Antonio, ein Lombarde, war
aber trotz seiner grösseren Erfahrung nicht glücklicher
in dem Unternehmen. Michelangelo hatte am 6. JuU 1507
seinem Bruder Buonarroto zu melden, der Guss wäre
misslungen, die Statue durch die „ignoranza oder dis-
grazia" Bernardino's nur bis zur Hüfte herausgekom-
men. So musste das Werk wiederholt werden. Der
zweite Guss gelang besser, doch verlangte die Reini-
gung und Vollendung der Statue noch so viel Zeit
und Arbeit, dass sie erst im Februar 1508 auf ihren
Standort gebracht werden konnte. So lange verweilte
auch Michelangelo auf Befehl des Papstes in Bologna.
Seine Hände waren diese ganzen fünfzehn Monate über
(Michelangelo rechnet in Pausch und Bogen 2 Jahre
von der Flucht aus Rom bis zur Rückkehr dahin)
schwerlich viel mit anderen Dingen beschäftigt, als
mit der Papststatue. Tag und Nacht, schreibt er
seinem Bruder, arbeite er an dem Werke, so dass er
kaum noch die Mühsehgkeiten ertrage. Seine Gedan-
ken aber hafteten gewiss nicht ausschliesslich an der
Gegenwart. Die Verbindung mit Rom hält er auf-
— 35 —
reclit; schon im Juli 1507 sendet er einen Brief an
Giuliano da San Gallo und lässt in den nächsten Mo-
naten noch weitere Schi^eiben folgen. Im December
1507 bittet er seinen Bruder Buonarroto, einen an den
Cardinal von Pavia gerichteten Brief, der sehr wichtig
sei, nach Kom zu befördern und benutzt die Vermitt-
lung des Bruders zu gleichem Zwecke noch im Febraar
1508. Da alle diese Briefe verloren gingen, so er-
scheint jede Yermuthung über ihren Inhalt müssig.
Nur den einen Umstand müssen wir bemerken j dass
es der Cardinal von Pavia war, mit welchem Michel-
angelo im Mai 1508 den Vertrag über die Malereien
in der Sixtina abschloss.
Derselbe kurze eigenhändige Vermerk, aus dem wir
diese Nachricht schöpfen, belehrt uns auch über den
Anfang der Arbeit in der Sixtina und die erste Ab-
schlagszahlung, welche er empfing. Am 10. Mai 1508
begann Michelangelo das Werk, am gleichen Tage
vnirde ihm das erste Honorar im Betrage von 500 Du-
caten — der sechste Theil des Gesammthonorars über-
wiesen. Aus dem Briefe an Fattucci erfahren wir zu
unserem Staunen, dass es sich nach dem ersten Ent-
würfe um ein wesentlich decoratives Werk handelte,
der figürliche Theil der Malerei auf die zwölf Apo-
stelbilder beschränkt bleiben sollte. Man sieht, die
Schilderungen sind so knapp und kurz als mög-
lich gehalten. Was später die berühmten Teppiche
Rafaels, an den unteren Wandtheilen aneinander ge-
reiht, in breiten Zügen und in höchst gespannten dra-
matischen Tone aus der Apostelgeschichte erzählten,
— 36 —
das wird nur flüchtig dadurch angedeutet, dass die
einzehien Apostel vor das Auge gebracht werden ; die
Vorgeschichte der Erlösung in den Zeiten der Ur-
väter, Patriarchen und Propheten fällt ganz aus. Die
Gegenüberstellung Moses und Christi auf den Wand-
gemälden aus dem fünfzehnten Jahrhunderte genügte
vorläufig, den Zusammenhang zwischen dem alten und
neuen Testamente festzustellen und die Lehre zu ver-
kündigen, dass in den Rettungen des israelitischen
Volkes die Erlösung der Menschheit vorbildlich ge-
schaut werde.
Die grossartige Erweiterung des Bilderkreises ist
aus Michelangelo's freiem Entschlüsse hervorgegangen.
Wir bewundern aber nicht minder als den Schvmng
seiner Phantasie und die Mächtigkeit der Formen, den
weisen Verstand, welcher die nachträglich ersonnenen
Bilder den bereits geschaffenen so organisch einord-
net, dass sie eine geschlossene Einheit bilden und nie-
mand die allmälige Entstehung bemerkt, i)
1) Die Vergieichung des an Fattucci gerichteten Briefes mit der
Erzählung bei Condivi (c. XXXYIII) gestattet uns einen guten
Einblick in die Quellenbenützung Condivi's. Michelangelo warf die
Armuth der Apostel als Scherzwort liin, um die Aermhclikeit der
Malerei, die nur die 12 Apostelbilder bringen sollte, zu schildern.
Bei Condivi bekommt das Scherzwort einen moralish-enden Beige-
schmack. Papst Julius verfangt noch, eine Eetouche der Figuren
mit Grold, und als der Künstler sich dessen weigert, meint der Papst,
es werde sich sonst die Malerei ärmhch machen. „Die da aufge-
malt sind", antwortete Michelangelo, „waren auch ärmlich." Offen-
bar hatte Condivi von IMichelangelo's Aeusserung eine dunkle Ahnung
und legte sich jene so gut er konnte zurecht. Condi\i erfindet nicht
vollständig, fasst aber die Dinge meistens falsch auf.
— 37 —
Von dem thätigen Eifer, mit welchem Michelangelo
alsbald an das Werk schritt, legen der Vertrag mit
Pietro Rosselli schon am 11. Mai 1508, den Kalkbe-
wurf der Decke betreffend, der Ankauf von Farben
in Florenz auf seine Rechnung — bei den Gesuaten-
mönchen bestellt er Azurfarben, Francesco Granacci
oder irgend ein anderer Maler soll ihm eine Unze
Lack kaufen — und die Berufung von fünf erfahrenen
Gehilfen aus Florenz Zeugniss ab. Doch erlahmte gar
bald der Eifer und stockte das Werk. An seinen
Yater richtete er einen Klagebrief (Milanesi x.), in
welchem es heisst: „Auch ich habe den Kopf ganz
„voll. Denn es ist schon ein Jahr her, dass ich vom
„Papst auch nicht einen Groschen erhalten habe und
„fordere auch nichts, weil meine Arbeit nicht so weit
vorangeht, dass sie Bezahlung zu verdienen scheint;
„daran trägt die Schwierigkeit der Arbeit die Schuld
„und dann dass sie nicht mein Beruf ist. So verliere
„ich nur meine Zeit ohne Nutzen. Gott helfe mir."i)
Der Brief ist vom 27. Januar datirt; als das Jahr
wird 1509 vermuthet. Damit stimmt nun freilich nicht,
dass Michelangelo sich beklagt, bereits ein Jahr lang
vom Papste ohne Bezahlung gelassen zu sein, da er
erst vor sieben Monaten 500 Ducaten empfing. Auf
1) „lo ancora sono in fantasia grande, perche e gia uno anno
clie io non ö avuto uno grosso da questo Pal^a, e none chiego,
perche el lavoro mio non va inanzi i' modo che a me ne paia meritare.
E questa e la difficolta del lavoro e ancora el non esser mia pro-
fessione. E pur perdo el tempo mio sanza frutto. Idio m' ainti."
— 38 —
der anderen Seite kann aber nicht füglich ein späte-
res Jahr angenommen werden. Es ist nicht unmög-
lich, dass Michelangelo seine eigene Geldnoth über-
trieb, um den steten Geldforderungen seiner Familie
auszuweichen, seine Behauptung also nicht wörtlich
genommen zu werden braucht. Wir begreifen den
langsamen Fortgang der Arbeit und finden eine aus-
reichende Erklärung dafür in der Erweiterung des
Bilderkreises, in der Entzweiung Michelangelo's mit
seinen florentiner Gehülfen ^) und der nur langsamen
technischen Einübung des Meisters. Um so wunder-
barer erscheint die Vollendung des "Werkes in der ge-
wöhnlich angegebenen kurzen Frist von zwanzig Mona-
ten, die auf einen noch kleineren Zeitraum zusammen-
schmilzt, wenn man trotz dem späten Anfange des
Werkes — im Januar 1509 war er noch kaum nen-
nenswerth — den Schluss desselben bereits auf den
Allerheiligentag 1509 ansetzt.
In Michelangelo's Briefen wird die Malerei in der
Sixtina noch öfter erwähnt. Ein leider undatirter
Brief an seinen Yater (Milanesi xii) enthält folgende
Stelle: „Ich werde dorthin (nach Florenz) jedenfalls
„kommen, sobald ich hier meine Malerei vollendet
1) Diese Entzweiung wird durch den Brief Michelangelo's an
seinen Bruder Buonarroto v. 27. Januar 1509 (Milanesi X) urkund-
lich erhärtet, wenigstens in Bezug auf einen der fünf Grehilfen,
welche er angenommen hatte, den Jacopo detto 1' Indaco, einen
Schüler Domenico Ghirlandajo's, über dessen persönliche Beziehungen
zu Michelangelo Näheres bei Vasari (ed. Lemonnier VI. 133) nach-
gelesen werden kann. Auch Vasari weiss von einer Entzweiung,
legt ihr aber einen verunglückten Spass als Grund unter.
— 39 —
„habe, was in zwei bis drei Monaten geschehen wird."i)
Ebenfalls einem nndatirten Briefe (Milanesi xrrr), der
aber bald nach dem soeben erwähnten geschrieben
sein muss , entlehnen wir fast gleichlautende Worte :
„Ich denke hier in zwei Monaten fertig zu sein und
gehe dann dorthin." 2) In einem dritten, leider auch
undatirten Briefe (Milanesi xv) kündigt er dem Va-
ter die Vollendung der Arbeit an. „Ich habe die
Capelle vollendet, welche ich gemalt habe und der
Papst war sehr zufrieden. Andere Dinge gelingen
mir nicht so gut als ich hoffte. Ich klage die Zeit-
läufte an, die unserer Kunst gar abhold sind. Diese
Allerheiligen werde ich nicht dorthin kommen, weil
ich nicht habe, was ich brauche, um das zu schaffen,
was ich schaffen will. Auch ist noch nicht Zeit
dazu." 3)
Alle diese Briefe verlegt Milanesi in das Jahr 1509
und thut dasselbe auch mit dem folgenden (Milanesi
Lxxxi) an den Bruder Buonarroto gerichteten Schreiben,
in welchem es in Bezug auf die Deckenbilder in der Six-
tina heisst: „Ich befinde mich wie gevv^öhnlich ; werde
1) „lo veno Costa a ogni modo come ö finito qua la mia pittura,
che sara infra dua o tre mesi."
2) lo stimo aver finito qua iufra dua mesi e poi verrö o tornerö
Costa." Die von Michelangelo aufgestellte Alternative des „Kommens
oder Zurückkehrens" nach Florenz ist nicht klar.
3) „lo ö finita la capella che io dipignievo: el Pape resta assai
ben sodisfatto: e l'altre cose non mi riescono a me come stimavo;
incolpone e' tempi che sono molto contrari aU' arte nostra. Io non
verrö costä questo Ogni Santi, perche non ö quello che bisognia a
far quello che vogUo fare e ancora non e tempo da ciö."
— 40 —
meine Malerei zu Ende nächster Woche vollendet haben,
nemlich den Theil, den ich angefangen; und sobald ich
sie enthüllt habe, denke ich Geld zu bekommen und
werde mich beeilen, einen Urlaub von einem Monat
für dort zu erhalten." i) Die einzige Zahlung nach
der ersten am 10. Mai 1508 geleisteten, von welcher
Michelangelo seitdem Kunde gibt, fällt aber erst in
den Herbst 1510. In einem ausnahmsweise datirten
Briefe vom 26. October 1510 (Milanesi lxxxii) mel-
det er seinem Bruder : „Ich erhielt gestern 500 Du-
caten vom Datarius des Paptes." 2) Kein Zweifel,
dass diese Anzahlung sich auf Michelangelo's Arbeit
in der Sixtina bezieht. Mit Sehnsucht hatte sie der
Künstler erwartet. Denn er befand sich in diesen
Herbsttagen 1510 abermals in einer schlimmen Lage.
Julius II. hatte bereits im August Eom verlassen, um
seinen grossen Plan in das Werk zu setzen, die Fran-
zosen aus Italien zu verjagen, dieses zu befreien. Er
befand sich abermals in Bologna, der arme Michel-
angelo aber war in Born ohne Geld und ohne Anwei-
sungen zurückgeblieben. Bitter beklagte er in zwei
Briefen (Milanesi xx und xxi) vom 5. und 7. Sep-
tember 1510 an seinen Yater seine Lage. „Ich habe
„beim Papste noch 500 Ducaten zu Gute und eben
• 1) „lo mi sto qua all' usato e arö finita la mia pittura per tutta
quest' altra settimana, ciö e la parte che io cominciai; e com' io l'ö
scoperta, credo che io arö danari e ancora m'ingiegnierö d'aver
licenza per costa per un mese."
2) jjio ebbi ieri cinque ciento ducati d'oro di camera dal Datario
del Papa."
— 41 —
„soviel muss er mir geben, um das Gerüste aiifzu-
„zuschlagen und die andere Hälfte meiner Arbeit fort-
„ zusetzen. Nun ist er abgereist und hat keinen Auf-
„trag zurückgelassen."!) Aus dem Briefe vom 26. Octo-
ber haben wir ersehen, dass seine Geldnoth bald ein
Ende erreichte, und ihm vom Datarius 500 Ducaten
ausbezahlt wurden. Doch fand es Michelangelo, wie
der Brief an Fattacci beweist, angemessen, sich selbst
nach Bologna zu begeben und die weiteren Geldfor-
derungen persönlich zu betreiben. Die Dauer seines
Aufenthaltes in Bologna lässt sich nicht genau be-
stimmen; lange kann er nicht gewährt haben, da er
am 15. Januar 1511 bereits wieder aus Bom an seinen
Bruder (Milanesi lxxxv) schreibt. Nach seiner Bück-
kehr ging Michelangelo, wie wir aus dem Briefe an
Fattucci weiter erfahren, daran, Cartons für die Ma-
lerei in der Sixtina zu schaffen. Für welchen Baum
in der Capelle? „Die Wölbung war beinahe fertig;"
die Cartons können also nicht für dieselbe bestimmt
gewesen sein. Michelangelo hebt jeden Zweifel, indem
er hinzufügt, „nemlich für die Schmalseiten und Lang-
seiten rings um die Capelle." Yasari scheint die nä-
here Erläuterung dazu zu geben. Er versichert, dass
Papst Julius die Wandbilder herunterschlagen lassen
1) „Aviso vi come io resto avere qua dal Papa ducati Cinquecento
guadagnati e altrettanta me ne doveva dare per fare el ponte e
seguitare l'altra parte dell' opera mia. E lui s'e partito di qua ie
non m'a lasciato ordine nessuno." Michelangelo hat Lust zu einer
Heise nach Florenz, fürchtet aber, wenn er Kom ohne Erlaubniss
des Papstes verlässt, die Ungnade desselben.
— 42 —
wollte, welche frühere Meister zur Zeit des Papstes
Sixtus gemalt und erzählt an einer anderen Stelle,
Michelangelo habe die Entwürfe und Zeichnungen für
das jüngste Gericht schon viele Jahre vorher gefertigt, i)
"Was die letzten Worte bedeuten, erfahren wir wieder
besser aus Condivi (cap.Li). Michelangelo hat den Carton
zu dem jüngsten Gerichte, welches Werk er erst unter
Paul III. 1541 ausführte, bereits unter 'Clemens VII.
gezeichnet. Diese Entwürfe haben also mit der Fort-
setzung der Malerei in der Sixtina 1511 nichts zu
schaffen, zumal die letztere als „ringsum" gehend be-
schrieben wird. Dem bekannten durchfahrenden Sinne
des Papstes hätte es an sich keine üeberwindung ge-
kostet, ältere Bilder zu Gunsten neuer ihm mehr zu-
sagender von der Mauer herunterschlagen zu lassen.
In den Stanzen wurde ja in dieser Weise vorgegangen.
Da aber die älteren Wandbilder bis zu dieser Stunde
sich erhalten haben, so liegt nichts näher, als der
Schluss, dass der Papst seine Absicht aufgab, Michel-
angelo seine Arbeit schon im Herbste 1510 abschloss,.
kein weiteres Bild mehr in Angriff nahm. So nahe-
liegend, eben so falsch wären aber diese Schlüsse. Wir
besitzen aus dem Jahre 1512 mehrere sicher datirte
Briefe — der Adressat, Michelangelo 's Bruder, merkte
1) Vasari ed. Lemonnier XII. p. 189. „Volse il papa che si
guastassi le facciate che avevano giä dipinto al tempo di Sisto i
maestri innanzi di kii." Die Summe von 15,000 Ducaten, die Yasari
als Honorar angibt, wird in dieser Höhe nirgends sonst genannt.
Wahrscheinlich hegt eine Verwechslung mit dem Grabdenkmale zu
G-runde.
— 43 —
den Empfangstag auf denselben an — aus welchen
hervorgeht, dass Michelangelo noch im Herbste 1512
in der Sixtina thätig war.
Am 24. Juli 1512 kündigt er seinen Besuch in
Florenz an (Milanesi lxxxvii) und fügt hinzu: „Ich
plage mich mehr als sich jemals ein Mensch geplagt
hat, bin auch leidend, doch habe ich Geduld, um nur
zu dem erwünschten Ende zu kommen." i)
Deutlicher spricht sich Michelangelo in dem Briefe
vom 21. August (Milanesi lxxxix) aus: „Ich kann
„nicht kommen, bis ich mein Werk vollendet habe,
„was, wie ich glaube, am Ende September geschehen
„dürfte, aber es ist ein so grosses Stück Arbeit, dass
„ich den Schluss nicht auf vierzehn Tage vorher be-
„zeichnen kann. Jedenfalls komme ich vor Aller-
„heiligen, wenn ich nicht bis dahin gestorben bin. "2)
Die Zusage , zu Allerheiligen nach Florenz sich auf-
zumachen, wiederholt er in dem Briefe vom 18. Sep-
tember (Milanesi xci), doch ist auch jetzt das Werk
noch nicht vollendet. 3) „Ich habe keinen Groschen und
„bin bloss und nackt, denn ich kann den Rest der
„Gelder nicht bekommen, bis ich die Arbeit zu Ende
1) „lo stento piü che uomo che fussi mai; mal sano e con
grandissima fatica; e pure ö pazienza per venire al fine desiderato."
2) „Del mio tornare costa, io non posso tornare, se io non finisco
l'opera, la quäle stimo ÖBire per tutto settembre; vero e che e si
gran lavoro, che io non mi so aporre a quindici di. Basta che
nanzi Ognisanti sarö costa a ogni modo, se io non muöio in questo
mezo."
3) „Non ö un grosso e sono si puö dire scalzo e gnudo e non
posso avere el mio resto, se io non ö finita l'opera."
— 4:4: —
„geführt." Dass er sein Vorhaben nicht ausführen
konnte, die Reise nach Florenz unterliess, sagt uns
der an den Vater gerichtete Brief, welchen Milanesi
(xv) in das Jahr 1509 setzt, der aber folgerichtig
in den October 1512 eingestellt werden muss.
Erst gegen Allerheiligen 1512 wurden demnach die
Malereien in derSixtina abgeschlossen, die auf den „teste
e faccie" beabsichtigten Bilder ebenfalls noch ausgeführt.
Condivi nennt in seiner Beschreibung der Sixtinischen
Decke (cap. xxxiv) den Propheten Jonas „posto
nella testa delle volta." Vasari spricht von der Glie-
derung der Seiten der Decke durch Tragsteine „sei
per banda e uno nel mezzo delle facce de pie e de
capo", auf welchen die Propheten und Sibyllen ange-
bracht sind. 1) Diese Angaben klären uns über die
räumliche Anordnung der Bilder an den Schmal- und
Langseiten rings um die Capelle auf. Michelangelo
versteht unter denselben die Gruppen und Einzelfigu-
ren, zunächst die Propheten und Sibyllen, welche die
Mittelbilder begleiten, theilweise bis an die Fenster
herabreichen und in der That schon zu den Seiten der
Capelle gerechnet werden können. Die Gemälde am
Gewölbe schränkt er in seinen Briefen auf die neun
Mittelbilder ein, welche dem Auge horizontal gespannt
erscheinen und allerdings in einem räumlichen Gegen-
satze zu den vertical gedachten Seitengruppen und
Seitenfiguren stehen.
1) Yasari ed. Lemonnie XII. 193.
— 45 —
Die Briefe Michelangelo 's, die einzige mit den Er-
eignissen gleichzeitige Quelle, führen zu folgenden
Kesultaten. Nirgend ist von der Vollendung der Bilder
in der Sixtina im Herhste 1509, von ihrer Enthüllung
am Tage [AUerheihgen 1509 die Bede. Der letztere
Tag '.wird wohl erwähnt, und in seine Nähe fällt auch
die Vollendung des Werkes, aber erst 1512. Es er-
gibt sich ferner, dass bis zum Beginn des Jahres 1509
die Malerei in der Sixtina keinen erheblichen Fort-
schritt gemacht hatte, dass im Herbste 1510 die Wöl-
bung, d. h. die Mittelbilder beinahe fertig gemalt waren^
dass nach der Bückkehr Michelangelo 's aus Bo-
logna im Winter 1510 — 11 auch die seitlichen Bilder
in Angriff genommen wurden, und endlich, dass das
ganze Werk erst im October 1512 den Abschluss fand.
Alle Angaben Condivi's und Vasari's, die diesen durch
Michelangelo' s Briefe festgestellten Thatsachen wider-
sprechen, müssen als Irrthümer zurückgewiesen wer-
den. Sie fanden leider nur zu lange unbedingten
Glauben.
6.
Die Deckenbilder der Sixtina wurden zur hohen
Schule für Bafael. So lautet das allgemeine ürtheil,
das sich auf die Aussprüche Michelangelo's und seiner
Zeitgenossen stützt. „Was Bafael von der Kunst
wusste, wusste er durch mich", heisst es in der oft
citirten Denkschrift vom J. 1542, i) die wir freilich
1) „(Eaffaelo) ciö che aveva dell' arte, l'aveva da me."
— 46 —
nicht mehr in der ursprünglichen Form besitzen. In
derselben Tonart spielen natürlich Condivi und Ya-
sari auf. „Kafael, der mit der grössten Leichtigkeit
fremde Manieren annahm, änderte, sobald er die Bilder
gesehen hatte, die seinige." i) Glaubwürdig erschienen
diese Aeusserungen allen, die bisher das Yerhältniss
der beiden Meister zu einander erörtert haben, ob-
gleich bei scharfem Zusehen die Verwandtschaft und
Oleichartigkeit sich darauf einschränkt, dass Rafael
auch einmal Propheten und Sibyllen darstellt. In dem
Farbenauftrag und den Grrundlagen des Colorits, in
der Zeichnung der Gewänder, in dem Ausdruck der
Köpfe, in der "Wahl der Typen wird man schwerlich
das unmittelbare Vorbild Michelangelo's entdecken.
Wie sollte man sich aber dem Glauben an die Rich-
tigkeit jener Behauptungen entziehen, da man für sie
das Zeugniss Papst Julius II. und ein Schriftstück
von ganz anderem Gewichte anrufen kann, als die viel-
leicht durch Eifersucht und falsche Pietät gefärbten
Sätze Condivi's und Vasari's?
Das Gerede von E-afaePs Abhängigkeit geht wesent-
lich auf den Brief zurück, welchen Sebastian del Piombo,
der bekannte aus Venedig nach Rom zugewanderte
Maler an Michelangelo gerichtet hatte, und der zuerst
in Gaye's Carteggio (ii. 487) unter dem Titel: Giuho IL,
1) „Baffaelo, che era molto eccellente in imitare, vistola (nem-
lich. die Decke in der Sixtina) mutö subito maniera e fece a un
tratto, per mostrar la virtü sua, i Profeti e le Sibylle deU' opera
della Pace." Vasari a. a. 0. p. 191.
Raffaelo, Michelangelo publicirt wurde. Er führt da-
selbst das Datum: Rom 15. October 1512. An die-
sem Datum wurde unverbrüchlich festgehalten , aus
demselben weitgehende Schlüsse gezogen. Es ist rich-
tig: ein Urtheil über Rafael von Julius II. gefällt, zu
einer Zeit verbreitet, in welcher der Künstler noch
lebte, sich vertheidigen, den Irrthum aufdecken konnte,
besitzt ein nicht geringes Ansehen. Dieses Ansehen
ist aber durchaus erborgt. Mit aller Schärfe und
Sicherheit, welche in historischen Dingen überhaupt zu
erreichen ist, kann bewiesen werden, dass der Brief
Sebastian del Piombo's nicht zu Lebzeiten E,afael's,
sondern erst nach seinem Tode, nicht im Jahre 1512,
sondern im Jahre 1520 geschrieben wurde.
Die Wiedergabe seines Wortlautes erscheint nicht
überflüssig. Er ist nach der trefflichen Uebersetzung
Guhl's (Künstlerbriefe I. 316) folgender:
„Mein liebster Gevatter! Wundert Euch nicht, dass
„ich Euch seit vielen Tagen nicht geschrieben, noch
„auf Euren letzten Brief geantwortet habe. Denn ich
„bin viele Tage im Palaste gewesen, um S. Heil, un-
„seren Herrn zu sprechen und niemals habe ich jene
„Audienz erhalten können, die ich mir wünschte."
„Endlich habe ich ihn denn gesprochen und S. Heil,
„hat mir ein so günstiges Gehör geliehen, dass er alle,
„die im Zimmer zugegen waren, wegschickte und ich
„mit unserem Herrn und einem Kammerdiener, auf
„den ich mich verlassen kann, allein blieb und ihm
„also meine Sache ruhig vortragen konnte."
— 48 —
„Und er hörte micli mit Wohlwollen an; denn ich
„stellte S. Heil, mich zugleich mit Euch zu jeder Art
„Dienst und wie es ihm gut dünken würde, zu Gebote
„und fragte nach den Gegenständen und den Maassen
„und allem Uebrigen. S. Heil, erwiderte mir folgendes :
„Bastiano, Juan delF Aquila hat mir gesagt, dass in
„dem unteren Saale (sala d'abasso) sich nichts Gutes
„machen lässt wegen der Wölbung, die sie gemacht
„haben, indem da, wo die Wölbung ausläuft, gewisse
„Lunetten entstehen, die fast bis zur Mitte der Fläche
„gehen, auf welche die Bilder kommen sollen."
„Und dann sind auch die Thüren da, die nach den
„Zimmern des Monsignor de' Medici führen. So dass
„es^also nicht angehe, ein Bild für je eine Wand zu
„machen, wie es eigentlich sein müsste; wohl aber
„würde sich für je eine Lunette ein Bild machen las-
„sen, denn diese sind je 18 und 20 Palmen breit und
„man kann ihnen die erforderliche Höhe geben. In-
„dess würden in einem so grossen Gemach jeneFigu-
„ren. zu klein erscheinen. Und noch sagte mir S.Heil.,
„dass jener Saal sehr zugänglich sei. Und alle diese
„Reden kommen von Juan Baptista dell' Aquila her
„und von anderen Personen, die mich lieber nicht in
„diesem Palaste sehen möchten."
„Aber, Gevatter! auf Treue und Glauben und unter
„uns gesagt; wie ich von gewissen Personen im Palast
„angesehen werde, so müsste es scheinen, als ob ich
„der Teufel selbst wäre oder als ob ich diesen ganzen
„Palast verschlingen sollte. Aber Gott sei Dank, ich
„habe noch einige Freunde und zuletzt werden sie sich
— 49 —
„von allem überzeugen. Darnach sagte mir unser
„Herr: Bastiane, auf mein Gewissen, mir gefällt das
„nicht, was jene machen, noch hat es irgend jemand
„gefallen, der das Werk gesehen hat. In Zeit von
„vier bis fünf Tagen will ich mir die Arbeit ansehen
„und wenn sie nichts besseres machen als das, mit
„dem sie angefangen, so will ich, dass sie nicht weiter
„daran arbeiten sollen. Ich werde ihnen irgend etwas
„anderes zu thun geben, und das, was sie gemacht
„haben, herunterschlagen lassen und ich werde dann
„jenen ganzen Saal Euch geben, denn ich habe die Ab-
„ sieht, ein schönes Werk zu machen, oder ich lasse
„ihn mit Damastmustern ausmalen."
„Ich antwortete ihm, dass ich mir mit Eurer Hülfe
„Wunderdinge zu machen getraute, worauf er antwor-
„tete : Daran zweifle ich nicht, denn Ihr alle habt von
„ihm gelernt. Und auf Treu und Glauben und unter
„uns gesagt: S. Heil, sagte mir ferner : Betrachte doch
„die Werke Rafael's, wie er die Werke Michelangelo's
„gesehen, hat er plötzlich die Weise des Perugino ver-
„lassen und sich, soviel er konnte, der des Michel-
„angelo genähert. Der aber ist ja fürchterlich, wie du
„selbst siehst und es lässt sich gar nicht mit ihm um-
„gehen. ^) Worauf ich S. Heil, erwiderte, dass Eure
„Furchtbarkeit keinem Menschen Schaden thäte und
„dass Ihr nur so schrecklich erscheint aus Liebe zu der
1) „Gruarda l'opere cli Eafaelo che come ^dde le opere di Michel-
agnolo subito lassö la maniera del Perosino et quanto piü poteva
si accostava a quella di Michelagnolo ; ma e terribile, come tu vedi,
non si pol praticliar con lui."
4
— 50 —
„Wichtigkeit des grossen Werkes, das Ihr vorhättet und
„noch Manches andere, was mitzutheilen nicht nöthig
„ist, indem es von keinem grossen Gewichte war."
„Ich habe nun diese vier Tage gewartet, und habe
„mich erkundigt, ob S= Heil, die Arbeit besucht hat.
„Ich höre ja und dass man noch nichts sehen und
„beurtheilen könne, ehe nicht gewisse Hauptfiguren,
„die angefangen und halb fertig sind, ganz vollendet
„wären, und dass je weiter jene fortschritten, es dem
„Papste um so mehr missfiele. Doch will er jenen
„jungen Leuten zu gefallen noch vierzehn Tage oder
„drei Wochen warten, bis sie jene Figuren vollendet
„haben. Und dies ist Alles, was hier vorgefallen ist,
„seitdem ich Euch nicht geschrieben habe."
Die Aechtheit des Briefes, dessen Original sich im
Archivio Buonarroti befindet, ist unanfechtbar. Dass
er aber im Jahre 1512 geschrieben worden wäre,
machen viele Grründe nicht bloss in hohem Grade un-
wahrscheinlich, sondern geradezu unmöglich. Kann
man annehmen, dass Sebastian del Piombo schon so
frühzeitig in eine ausgesprochen feindselige Stellung
Itafael gegenüber, in eine so nahe Beziehung zu Michel-
angelo getreten sei? Yasari erzählt uns, dass der vene-
tianische Maler durch Agostino Chigi nach Bom
gelockt wurde und seine ersten Kunstproben in der
Farnesina ablegtCo Das muss ungefähr in der Zeit ge-
wesen sein, in welcher der Brief an Michelangelo an-
geblich verfasst ist. Sebastian befand sich in einem
Rafael befreundeten Kreise und daher schwerlich in
der Stimmung j wie sie der Brief voraussetzt.
— 51 —
Sebastian begrüsst Micbelangelo als seinen lieben
Gevatter. Gevatter stand aber Michelangelo bei Se-
bastians Kinde erst im Jahre 1519. i)
Der Pfipst spricht in dem Briefe von „zoveni",
von jungen Leuten, die im vaticanischen Palaste mit
Malereien beschäftigt sind. Solche kann man daselbst
1512 nicht nachweisen. Sind darunter, wie nicht be-
zweifelt werden kann, Schüler Rafaels gemeint, so
muss schon aus diesem Grunde ein späteres Jahr an-
gesetzt werden; denn 1512 gab es noch keine selb-
ständig thätigen Schüler Rafaels.
Die „sala dabasso", um welche es sich handelt, ist
der grosse Saal im Appartamento Borgia, welcher erst
unter Leo X. von Perino del Yaga und Giovanni
da Udine mit Deckenbildern (sieben Planeten) ge-
schmückt wurde. Dieser E-aum steht, wie der Papst
in Sebastiano's Brief sich äussert, mit den Kammern
des Monsignor de' Medici in Verbindung. Spielt die
Unterredung Sebastiano's mit dem Papste im Jahre
1512, so war unter dem Monsignor de' Medici der spä-
tere Papst Leo X. zu verstehen. Dieser residirte vor
seiner Thronbesteigung niemals im vaticanischen Pa-
laste, sondern im Pal. Madama^), wohl aber hatte
unter dem' Pontificate Leo's der Cardinal Giulio de'
Medici hier seine Wohnung.
Sebastian legt dem Papste das geflügelte Wort
„terribile", auf Michelangelo angewendet, in den Mund.
i) Vgl. Brief an Michelangelo vom 29. Dec. 1519 bei Bottari
(Eacc. VIII. 42), wo er nur falsch datirt ist.
2) Nach gütiger Mittheilung des Herrn von Eeumont.
4*
— 52 —
Von Julius II. ausgesprochen bleibt dieses Urtbeil un-
verständlich. Denn nicht Michelangelo, sondern der
Papst hatte sich als „terribile" erwiesen, und den Ver-
kehr beschwerlich gestaltet. Sein Wille allein galt.
Von einem starken Widerspruche Michelangelo's ist
weder in den Urkunden noch in den Briefen die Rede.
Die von Vasari mitgetheilten Anecdoten sind offenbar
später erfunden worden, um den in Künstlerkreisen
umlaufenden Beinamen an Exempeln zu erhärten und
da passte der stahlharte Julius II. als Folie besser
als der weichliche, vornehme, verzogene Leo X. Nach
der heimlichen Flucht aus Rom 1506 wagt sich Michel-
angelo nicht in die Nähe des Papstes; er sei der-
massen in Schrecken gesetzt, schreibt Soderini von
ihm, dass es besonderer Mittel bedürfen werde, um
ihm Muth einzuflössen. Und auf dem Wege nach Bo-
logna fühlte er den Strick um den Hals. Später als
er weder Geld empfängt, noch auch die Erlaubniss,
das Grabdenkmal fortzusetzen, beklagt er sich wohl
gegen andere, dass er aber auch dem Papste gegen-
über schroff aufgetreten sei, davon verlautet keine
Kunde. Ganz anders stand Michelangelo zu Leo X.
Auch Papst Leo hielt den Künstler von seiner Haupt-
aufgabe beharrlich zurück, liess ihn nicht das Grab-
denkmal Julius IL fortsetzen^^ndern beschäftigte ihn
mit Plänen für die Fagade von S. Lorenzo, wobei für
Michelangelo nichts herauskam als eine mehrjährige
Plage in den Steinbrüchen von Serravezza, um passende
Marmorblöcke zu gewinnen. Schwer empfand Michel-
angelo die Unterbrechung seines Berufes. Diesesmal
— 53 —
macht er seinen Zorn nicht in halblauten Klagen kund,
er überhäuft den Papst mit Vorwürfen, verhandelt
mit ihm auf dem Fusse gleichberechtigter Macht,
stellt ihm geradezu ein Ultimatum. Wer das (nicht
an Sebastian del Piombo gerichtete) Schreiben,
welches Äiichelangelo in den ersten Wochen (vor dem
10. März) 1520 ^ verfasste und an einen einflussrei-
chen Hofbeamten nach Rom sandte, bei Milanesi
(cccLxxxiv) durchliest, zweifelt keinen Augenblick,
dass Leo X,, nachdem er von demselben Kenntniss
genommen, ausrufen konnte: „ma e terribile, non si
pol pratichar con lui." Es war bei diesem Anlasse,
dass Sebastian den Papst bei Michelangelo 2) zu ent-
schuldigen suchte, dessen gute G-esinnung hervorhob
und das geflügelte Wort des Papstes erläuterte : Ihr
macht, dass Euch alle Welt fürchtet, sogar der Papst.
„Ma fate paura a ognuno, insino a' Papi."
Die einzelnen gegen das Briefdatum 1512 ange-
führten Gründe wiegen verschieden schwer, alle zu-
sammen aber doch genug, um die Glaubwürdigkeit des-
selben zu erschüttern. Das Entscheidende aber in der
Sache ist, dass Michelangelo im October 1512 ruhig
in Rom lebte, also nicht aus Rom an ihn gerichtete
Briefe empfangen konnte. Im Herbste 1512 hatten
die Florentiner Optimaten die Hückberufung der Me-
1) Am 10. März 1520 wurde der Vertrag-, welcher den Künstler
an den Bau von S. Lorenzo band, gelöst und er von allen weiteren
Verpflichtungen und auch von der Kechnungsablage befreit. Milanesi
p. 581.
2) Das Brieffragment ist bei Gotti I. 190 abgedruckt.
— 54 —
dici erzwungen, die Verfassung gestürzt, ein Gewalt-
regiment eingeführt. Unter den Kriegsstürmen, welche
den toskanischen Boden bewegten, hatten auch Michel-
angelo's Angehörige zu leiden, der Yater verlor sogar
das kleine Amt, das er bekleidet. Mit sorglichem
Blicke verfolgte Michelangelo in Rom die Ereignisse
in seiner Vaterstadt. Auf die erste Nachricht hin
gibt er den Eath, es zu machen wie bei dem Aus-
bruche der Pest: alles im Stiche lassen und fliehen.
Später beruhigt er sich etwas. Die Flucht sei nicht
nöthig, doch warnt er vor unvorsichtigen Gesprächen
und politischen Aeusserungen. „Kümmert Euch nur
um Eure eigenen Angelegenheiten!" Was diese be-
trifft, so mahnt er zur Geduld und vertröstet auf Gottes
E-athschläge ; doch will er mit Giuliano de' Medici wegen
des seinem Vater entzogenen Amtes reden und weist,
um der Noth vorzubeugen, dem Vater eine Geldsumme
an. Gerade in diesen Herbstwochen steht er, wie die
bei Milanesi abgedruckten Briefe zeigen, in regem
Verkehr mit seiner Familie. Dass ihn die öffentlichen
Zustände in Florenz nicht zum Besuche reizten, kann
aus den angeführten Briefstellen entnommen werden.
Und wenn er auch (vor dem Ausbruche der florentiner
Revolution) das Versprechen gegeben hatte, vor Aller-
heiligen nach Florenz zu kommen, so gab er doch
später den Plan auf. Ein bei Milanesi allerdings falsch
datirter Brief (xv) sagt unumwunden. „Diese Aller-
heiligen komme ich nicht nach Florenz." Damit ist
der herkömmlichen Datirung des Briefes Sebastian del
Piombo's: 1512 jede Stütze geraubt.
— 55 —
Bei der Prüfung des Briefes musste es überhaupt auf-
fallend erscheinen, dass der Gegensatz zwischen den An-
hängern Michelangelo's und Bafael's schon in so früher
Zeit feste Formen angenommen und zu geschlossener
Parteiung geführt hätte. Vielleicht fühlte sich Michel-'
angelo schon damals dem jüngeren Künstler entfrem-
det. Hatte er doch, eigentlich so lange er lebte, stets
unter dem leidigen Künstlerstreite gelitten, sich über
die Genossen zu beklagen Ursache gehabt und selbst
auch zu Klagen Anlass gegeben. Schwerlich aber war
es schon 1512 zwischen ihm und Bafael zu einem
offenen Kampfe gekommen, welchen die Schüler fort-
zusetzen und zu steigern sich verpflichtet wähnten.
Bereits in Bologna, während er an der Erzstatue
des Papstes arbeitete, trennte sich Michelangelo von
seinen Gehilfen in Unfrieden. Die Briefe an Yater
und Bruder aus dem Anfang 1507 sind voll von die-
sen Werkstattgeschichten, die natürlich nur wegen
Michelangelo's Persönlichkeit unser Interesse erregen.
Sonst Hesse uns das Treiben des Lapo d' Antonio di
Lapo und des Ludovico di Guglielmo del Buono, —
so hiessen die beiden von Michelangelo weggejagten
Gesellen — vollständig gleichgiltig. Auch mit dem
Giesser der Papststatue, mit Meister Bernardino d' An-
tonio unterhielt er keine warme Freundschaft. In
Eom sodann, wohin er mehrere Maler aus Florenz
berufen hatte, um ihm bei den Deckenbildern in der
Sixtina beizustehen, brach abermals schon nach kurzer
Zeit Streit und Zank aus. Der Maler Indaco kehrte
im Anfang 1509 nach Florenz zurück, hier, wie Michel-
— 56 —
angelo (Milanesi x) fürchtet, arge Dinge über die ihm
widerfahrene Behandlung verbreitend. Ob er gerech-
ten Grund zur Klage hatte, können wir nicht mehr
entscheiden. In einem andern Falle erblicken wir in
Michelangelo das Opfer leichtgläubiger Gutmüthigkeit
und begreifen, dass allmälig finsteres Misstrauen in
seiner Brust sich festsetzen musste. Luca Signorelli
gewann sein Ohr durch das Vorgeben, er sei ein
Opfer der politischen Parteiung, die Anhänglichkeit
an die Medici habe sein Leben in Florenz in Gefahr
gebracht und nachdem er bei Michelangelo (1513) eine
stattliche Anleihe aufgenommen, verschwindet er nicht
allein aus der Stadt, sondern behauptet auch, zur
Rückzahlung gemahnt, lügenhaft, dieselbe schon gelei-
stet zu haben. Unfasslich ist uns nur, dass dieser
„grandissimo ribaldo" Luca Signorelli hiess, schwer
fällt es uns mit dieser Anklage zusammenzureimen,
was wir sonst von dem nächsten Geistesverwandten
Michelangelo' s wissen, und den gerühmten Eigenschaf-
ten des Mannes, seiner „reinen Gesinnung", seinem
edlen Wohlwollen auch den Zug " gemeiner Betrug-
sncht anzufügen. Und doch kann unter dem „maestro
Luca da Cortona,pittore" niemand anderer gemeint
sein, als der Schöpfer des jüngsten Gerichtes in der
Cathedrale zu Orvieto. i) In der Eeihe der Gegner
Michelangelo's finden wir sodann den Bildhauer Ja-
copo Sansovino. Bei dem Baue der Fagade von
1) Die Klag-schrift gegen Luca Signorelli ist bei Gotti II. 53
abgedraekt.
— 57 —
S. Lorenzo, wie er meint durch Michelangelo's Scliuld,
übergangen, überschüttete er denselben mit Schmähun-
gen, die an die berühmten Invectiven der alten Hu-
manisten erinnern und wie diese auch nicht auf eine
genaue Wage gelegt werden dürfen, i)
ISTach den von Condivi und Yasari gesammelten
Atelieranecdoten müsste der Ausbruch der Feindselig-
keiten zwischen Michelangelo und Rafael gleich nach
Ankunft des letzteren in E,om begonnen haben. Die
Wahrscheinlichkeit spricht nicht dafür. lieber zwei
Dinge führte Michelangelo zu Lebzeiten Julius II. die
schärfste Klage : dass er von der Arbeit am Grrabdenk-
male abgezogen wurde und dass er für sein^ Arbeiten
kein Geld empfing. Weder auf das eine noch auf das
andere übte nachweissbar ßafael irgend welchen Ein-
fluss. Dagegen mochte sich der ältere Meister wäh-
rend dem Pontificate Leo X. gegen den jüngeren
Genossen zurückgesetzt fühlen. Gegenüber der Fülle
von Werken, welche Rafael von 1513 bis 1520 in
das Leben ruft, welche Schöpfungsacte lassen sich
in der gleichen Zeit von Michelangelo verzeichnen?
Er ist gezwungen, den Staub der Steinbrüche zu
athmen und sich mit Vorbereitungen zu Arbeiten
abzuplagen, die niemals durchgeführt werden. Und
wenn auch die eigene Eifersucht geschväegen hätte,
so konnte er doch nicht verwehren, dass ihm die
Freunde ähnliche Gedanken zuflüsterten, ihn in der
1) Gotti I. 136. „Ogn' ora dite no e si, come vi venga bene
e utile."
58
schlimmsten Weise gegen Rafael verhetzten. In wel-
chem Umfange das geschah, ersehen wir erst jetzt voll-
kommen aus den von Gotti mitgetheilten Briefen. Se-
bastian del Piombo und Leonardo di Compagno, ein
Florentiner, der in Rom als Sattler in Banco di Bor-
gherini ansässig war und in regem Verkehr mit Michel-
angelo stand, scheinen insbesondere die Ohrenbläserei
als Geschäft zu betreiben. Sie senden keinen Brief ab,
welcher nicht einen Nadelstich gegen Eafael enthielte
oder in welchem sie sich nicht schadenfroh über den
vermeintlichen Niedergang des Bafaelischen Sterns äus-
serten. „Aufgepasst!" rief Leonardo (22. Nov. 1516)
Michelangelo zu. „Eafael hat das Thonmodell zu einer
Kinderfigur für Pietro d'Ancona gemacht und dieser
beinahe in Marmor vollendet. Die Leute sagen, das
Ding sei gut ausgefallen." i) Offenbar soll Eafael ver-
dächtigt werden, als wolle er mit Michelangelo auf
dessen eigenstem Boden wetteifernd kämpfen. „Der
Fürst der Synagoge", heisst er im Briefe (2. Juli 1518)
Sebastiano's. „Schade, dass Ihr die beiden nach Frank-
reich gesendeten Bilder des Fürsten der Synagoge
nicht gesehen habt. Ich sage nichts anderes als dass
1) „A fatto un modello di tera a Pietro d' Ancona d' un putino,
e lui l'a presso che finito di marmo, e dichono sta asai bene; sievi
aviso." Gotti II. 59. Unter dem puttino dürfte wohl der todte
Knabe auf dem Delphin gemeint sein, welche Marmorfigur die
Eremitage in S. Petersburg besitzt. In diesem Falle wäre der An-
theil Eafaels genau festgestellt; er machte das ThonmodeU, der sonst
unbekannte Pietro d' Ancona führte das Modell in Marmor aus.
— 59 —
die Figuren alle im Eauche gesteckt zu haben schei-
nen." 1)
Der arme ßafael. Auch was er sonst malt, ge-
winnt nicht den Beifall des buonarrotischen Kreises;
die Leistungen Sebastiano's werden dagegen in den
Himmel erhoben. Leonardo Sellaio schreibt (1. Ja-
nuar 1518): „Bastiane hat sein Bild (Auferweckung
des Lazarus) beinahe vollendet. Es ist ihm so gut
gelungen, dass alle Kenner ihn weit über Bafael stel-
len. Die Deckenbilder des Agostino Chigi (in der Far-
nesina) wurden aufgedeckt, für einen grossen Meister
eine schlechte Arbeit, viel schlechter als die letzte
Stanze (der Burgbrand) im Palaste, so dass Bastiano
nichts fürchtet." 2) Sebastiano ist derselben Ansicht.
Als sein Bild fertig war und ausgestellt wurde, fand es,
wie er versichert^ allgemeinen Beifall. Er selbst ur-
theilt (29. December 1519) darüber so : „Ich glaube,
meine Tafel ist besser gezeichnet als das Tapetenzeug,
1) „Duöl mi nel animo non sette stato in Eoma a veder dua
quadri, die son iti in Franza del Principe dela Sinagoga, che credo
non vi possete imaginär cosa piü contraria a la opinion vostra, de
quello havaresti visto in sitml opera. lo non vi dirö altro, che
pareno figure che siano state al fumo. Qotti II. 56. Es sind
Eafaels grosse h. Familie (im Louvre) und die h. Margaretha (eben-
dort) gemeint.
2) Gotti II. 56. „Bastiano ä presso e finito e riesce di modo
che quanti intendenti ci sono, lo mettono di grandissima lunga sopra
a Eafaello. E scoperta la volta d' Agostino G-hisi: chosa vituperösa
a un gran maestro: pegio che 1' ultima stanza di palazzo asai; di
modo che Bastiano non teme di niente."
— 60 —
das aus Flandern gekommen." i) Unter dem Tapeten-
zeug müssen die nacli den Rafaelschen Cartons ge-
wirkten Teppiche verstanden werden.
So lange Eafael lebte, blieben natürlich alle Ver-
suche, ihn von der Arbeit zu verdrängen, erfolglos.
Nach seinem Tode hätten aber die Schüler Michel-
angelo's sich gern in die Hinterlassenschaft getheilt.
Sie suchten die besten Aufträge an sich zu reissen
und hofften insbesondere, dass nicht den bisher bevor-
zugten Jüngern Rafaels, sondern ihnen die Fortsetzung
der vaticanischen Arbeiten werde überwiesen werden.
Michelangelo' s Theilnahme dafür zu gewinnen , wurde
ihnen nicht schwer. In einem Briefe an den Cardinal
Bernardo Dovizi (Juni 1520) empfahl er dringend den
Sebastian del Piombo. Der Ton des Briefes (Milanesi
cccLxxin) soll scherzhaft sein, klingt aber in "Wahr-
heit bitter ironisch und zeigt nur allzudeutlich, wie
wenig Michelangelo seine vermeintliche Zurücksetzung
verschmerzte. Nicht als Freund oder Diener erbittet
er die Vermittlung des Cardinais, denn er sei unwür-
dig, das eine oder das andere zu heissen. Aber ge-
radeso wie Zwiebeln der Abwechslung halber gut
schmecken, wenn man Kapaunen satt bekommen hat,
so mag auch manchmal ein Dienst, der einem armen
Teufel oder Narren erwiesen wird, nicht unangenehm
1) Gotti I. 126: „Credo che la mia tavola sia meglio disegnafca
che non sono i panni ed arazzi che sono veautd da Fiandra." Der
Brief war schon früher von Bottari (Eacc. VIII. 42) publicirt worden.
— öl —
sein. 1) Sebastian selbst überreichte den Brief dem
Cardinal y dessen Antwort jedocb den Wünschen des
Bittstellers nicht vollständig entsprach. Zwei Säle
harrten noch zur Zeit des Todes Eafaels des maleri-
schen Schmuckes. Beide führten den Namen sala
de' Pontifici, lagen übereinander und wurden als sala
da basso und sala di sopra von einander unterschie-
den. Heute führen sie den Namen: sala Borgia und
sala di Constantino. Die Arbeiten in letzterer nun,
erzählte der Cardinal, wären bereits vergeben. „Der
„Papst hatte sie den Gehilfen Rafaels überwiesen und
„diese zur Probe eine Figur in Oel auf die Mauer
„gemalt so schön, dass kein Mensch mehr die von
„Eafael selbst gemalten Kammern ansehen wird. Dieser
„Saal wird alle Welt erstaunen machen und das präch-
„tigste werden, was seit dem Alterthum bis jetzt in
„der Malerei geleistet wurde." 2) Sonach blieb nur
die „sala da basso" noch übrig. Und in der That wurde
dieselbe auch Sebastiane zur Bemalung angetragen.
1) „lo prego la vostra Beverendissima Signoria, non come amico
o servo, perche io non merito esser ne l'uno ne Taltifo: ma come
omo vile, povero e matto, clie facci che Bastiano Veneziano pittore
abi, poi ch'e morto Eaffaelo, qualche parte de' lavori di Palazzo."
2) „Lui (il Cardinale) mi disse, che '1 Paj)a haueva dato la Sala
de Pontifici a li garzoni di EaiDhaello e costoro hauea facto una
mostra de une figura a oho in muro ch'era una beUa cosa, de sorta
che persona alcuna non guarderia le camere che ha facto Eaphaello ;
che questa salla stupefaria ognicosa et che non sara la piü bella
opera facta da h antichi in qua de pictura. Milanesi p. 413. Dar-
nach rührt der Versuch, im Constantinssaal auf die Mauer mit Oel
zu malen, nicht von Eaphael, sondern von seinen Schülern her.
— 62 —
Er weigerte sich zunächst darauf einzugehen. Ent-
rüstet sagte er dem Unterhändler, er sei nicht schlech-
ter als die Gehilfen Rafaels und wolle nicht einen
Keller malen, während man jenen die Goldgemächer
überlasse." ^ Dem Papste gegenüber trat Sebastiane
nicht so schroff auf, wohl aber hatten seine und Michel-
angelo's Freunde den ersteren dahin gebracht, dass
dieser, der nur für Rafaels Gehilfen entschieden hatte
des lieben Friedens willen, nun selbst den unteren
Saal für wenig passend erklärte und sich geneigt zeigte,
den oberen, den Constantinssaal, dem Sebastiane zu über-
lassen, insbesondere, wenn Michelangelo selbst sich
an der Arbeit betheiligen würde. Von der Unter-
redung mit dem Papste, in welcher darüber verhan-
delt wurde, berichtet der bis jetzt fälschlich in das
Jahr 1512 versetzte Brief. Das richtige Datum ist
der 15. October 1520. So erst bekommt er volle
Klarheit, so allein auch die wahre Bedeutung.
Nun versteht man, was es heisst: der Papst sei
unzufrieden mit dem was die garzoni angefangen haben,
und habe Lust alles herunterschlagen zu lassen. Nun
begreift man, wie Sebastiane antworten konnte: Mit
Michelangelo's Hilfe getraue er sich AVunderdinge zu
machen. In das Jahr 1512 gestellt enthält der Brief
Sebastiano's nur Unsinn ; im Zusammenhange dagegen
mit dem Schreiben, welches Sebastiane am 3. Juli
1520 an Michelangelo richtete und dem folgenden vom
27. October 1520 gelesen und zwischen diese beiden
1) Gotti I. 137,
gelegt, wird er frei von allen inneren Widersprüclien.
Die Kunde, die er giebt, ist wohl auch dann neu, ^ie
steht aber im Einklänge mit allen anderen authen-
tischen Nachrichten.
Nachdem der Papst dafür gewonnen war, den Schü-
lern ßafaels den Abschied zu geben und die Aus-
malung des Constantinsaales Michelangelo und dessen
Genossen zu übergeben, setzte Sebastiano alles daran,
den Meister zur Theilnahme zu bewegen. „Es kann
keinen ehrenvolleren Auftrag in der Welt geben,"
schreibt er ihm am 27. October 1520. „Das wäre
eine prächtige Gelegenheit, sich für alle erlittenen Un-
bilden zu rächen und die Schwätzer zum Schweigen
zu bringen. Die schönsten Geschichten lassen sich
in dem Saale malen. Da ist zuerst die Geschichte
von Constantin dem Grossen, dem ein feuriges Kreuz
in den Lüften erscheint, dass er in diesem Zeichen
siegen werde und wie er einen König erschlägt; dann
an der grösseren Wand eine Schlacht, ein Waffen-
gang und auf der anderen Seite die Schilderung, wie
dem Kaiser Gefangene vorgeführt werden. Endlich
an der letzten Wand die Vorbereitung zum Blutbade
der Kinder, wobei die Mütter und die Kinder und
die Schergen, welche die Kinder tödten sollen, um
dem Kaiser das Bad zu bereiten, auftreten. Yon
diesen Geschichten, sagte mir der Papst, hätten die
Schüler Zeichnungen von Eafaels Hand. Mir scheint,
nachdem ich die Geschichten gelesen habe, dass man
nichts besseres machen und auswählen könne. Wenn
man es kann, so thut es, denn was Ihr bestimmt^
— 64 —
soll geschehen. Und ich bitte Euch, Gevatter, um
der Liebe willen, die zwischen uns herrscht, seid so
gut und antwortet mir, damit ich weiss, was ich zu
thun habe. Ich werde von allen gescholten, besonders
vom Papste, weil ich ihnen nichts zu antworten weiss.
Es gilt doch Euere Ehre ebensogut wie meine." i)
Die Antwort Michelangelo's, falls überhaupt eine
Antwort von dem einsam grollenden Achilles kam,
lautete offenbar ablehnend. Die Schüler Rafaels wur-
den aus dem Constantinssaale nicht vertrieben, son-
dern blieben mit der Ausmalung desselben betraut.
Doch haben sie das von Sebastiano mitgetheilte Pro-
gramm theilweise verändert. Das ist nicht die einzige
überraschende Kunde, die wir aus Sebastiano's Briefen
schöpfen. Bisher wurde angenommen , Bafael von
Bramante angestachelt, hätte gern Michelangelo's
Arbeit an sich gerissen und sich um die Fortsetzung
der von Michelangelo begonnenen Malerei in der Six-
tina eifrig beworben. Von diesen Schritten Eafaels
1) Qotti I. 138. „Non e nel mondo la piü onorevole impresa
di questa; qui ve vendicate de tutte le ingiurie v' e state fatte et
farete tacere le cicale che non gridarano piü, perche in questa
stancia e' v' a le piü belle istorie che si possi depegne." JSTach Auf-
zählung des Inhaltes der Wandbilder fährt er fort: „Queste istorie,
me disse el Papa, che le voleano et che costoro aveano e' disegni de
mano de Baifaello. Et io li resposi quello vi scrissi ne l'altra. A
me pare che per letione de estorie non si posso far meglio, ne"
elegere megho; si che, fate voi: tanto quanto ordinarete sare ser-
vito. Et pregovi, compar mio, per Tamore e tra nui, degnatevi a
rispondermi, a ciö sappi quello io abbi a fare; perche io sono
vituperato con tutti costoro, massime col papa, perche io non so che
responderhj perche li va cossi l'onore vostro come el mio."
— 65 —
und Bramante's schweigen die Urkunden vollständig.
Dagegen erfahren wir, dass Michelangelo nach Rafaels
Tode hart angegangen wurde, die Schüler des letzteren
zu verdrängen und an ihrer Stelle die Malerei in den
vaticanischen Stanzen zu vollenden. Ist nicht aus
dieser Thatsache mit Verwechslung der handelnden
Personen die von Condivi und Yasari erzählte Legende
entstanden? Unmöglich wäre es nicht, da wir wissen,
in welchem Grade die mythenbildende Phantasie schon
in Condivi's und Yasari's Zeitalter wirksam war. Und
wäre es nur ste.ts bei der blossen Erweiterung des
historischen Kerns geblieben. Gar häufig werden aber
die Ereignisse im parteiischen Tone erzählt und in
tendenziösem Sinne geförbt. Man empfängt ungefähr
denselben Eindruck, welchen die Schilderung des Ver-
hältnisses zwischen Goethe und Schiller aus dem
Kotzebue — Schlegelschen Kreise hervorruft.
Das Studium der Briefe Michelangelo's hat unser
Wissen von diesem Meister in überraschender Weise
vermehrt und geläutert. Aber wenn wir auch diesen
Gewinn nicht erworben hätten, wenn ihr Studium nur
die Folge hätte, dass es die namentlich Condivi ent-
gegengetragene Vertrauensseligkeit in engere Schranken
bannte, so wäre dasselbe fruchtbar gewesen und müsste
uns zum Danke für die endliche Ausgabe der Briefe
verpflichten.
ANHANG.
Die Zeitordnung der Briefe Michelangelo'».
(1506—1512.)
Die Frage, nach der richtigen Zeitfolge der Briefe Michel-
angelo's wurde in der vorhergehenden Abhandlung zu wieder-
holten Malen angeregt und erörtert. Es zeigte sich die
Nothwendigkeit, die überheferten oder angenommenen Brief-
daten in mehreren Fällen zu ändern; es wurde die von
Milanesi in seiner Ausgabe der „Letter e di Michelagnolo
Buonarroti'^ behebte Ordnung öfter bestritten. Die Un-
sicherheit und das schwankende "Wesen in der Chronologie
der Briefe Michelangelo's erklärt sich nur gar zu gut aus
der Gewohnheit Michelangelo's, seine Briefe ausnahmsweise
zu datiren, so dass aus ihrem Inhalte allein die Zeit der
Absendung errathen werden kann. Auch der Umstand, dass
Michelangelo das Jahr nach Florentiner Sitte mit dem 25. März
beginnen lässt, erschwert die Datirung, da es keineswegs
als ausgemacht gelten darf, dass Michelangelo sich un-
wandelbar an die Florentiner Zeitrechnung hielt. Ein-
mal, das lässt sich beweisen, wich er von derselben ab,
nahm die römische Zeitrechnung an. "Was er einmal that,
hat er dieses nicht öfter wiederholt? Es erscheint aus diesen
Grründen begreiflich, dass Milanesi nicht immer und gleich
das richtige traf, es muss vielmehr unsere Bewunderung er-
regen und verdient volle Anerkennung, dass in so vielen
Fällen sein Scharfsinn sofort das wahre Datum erkannte.
Auch das muss hervorgehoben werden, dass die meisten und
grössten Irrthümer nicht in den Briefen nachweisbar sind,
welche im Florentiner Archivio Buonarroti bewahrt und von
Milanesi zuerst publicirt werden, sondern in jenen Schrift-
stücken, welche vor einiger Zeit nach London in das britische
Museum gekommen sind.
Folgende Briefe heischen nach unserer Ueberzeugung eine
Aenderung des Datums:
Milan. Nr. III. An den Vater Lodovico aus Bom ge-
richtet und 31. Januar 1507 datirt. (Brit. Museum).
Das Datum ist falsch und muss 31. Januar 1506 lauten.
Zu dieser Correctur hätte die einfache historische Erwägung
führen müssen, dass Michelangelo im Januar 1507 sich gar
nicht in Rom, sondern in Bologna befand. Greradezu komisch
wirkt es, am Fusse dieses Briefes ausnahmsweise die ge-
naue Datirung von Michelangelo's Hand zu lesen: „a di
trentuno di gennaio mille cinque cento sei." Natürhch
glaubte man diese Angabe in die Flor entinis che Zeitrech-
nung umsetzen zu müssen und verbesserte die Jahreszahl.
Der launige Zufall wollte aber, dass Michelangelo die rö-
mische Zeitrechnung gebrauchte.
Die Prüfung des Inhaltes bestätigt die Annahme, dass
der Brief bereits 1506 geschrieben sei. Michelangelo ist
offenbar kurz vorher (aus Carrara) in Bom angekommen,
erwartet mit Sehnsucht die Marmorblöcke, welche er in
Oarrara für das Grrabdenkmal des Papstes Julius XI. hat
brechen lassen und ist noch voll guter Hoffnungen zu dem
raschen Grelingen des Werkes. „Ancora non ö potuto
5*
— 68 —
cominciare a far niente e pure do parole al Papa e tengolo
in buona speranza, perclie e' non si crucci meco, sperando
che '1 tempo s'acconci ch' io cominci presto a lavorare."
So konnte er nur im ersten Jahre seines römischen Aufent-
haltes schreiben. Dass Michelangelo erst kurz vorher in
E;om sich niedergelassen hatte, zeigt auch die Bitte, ihm
die in Florenz zurückgelassenen Zeichnungen durch einen
Fuhrmann zu senden, eine Küste sicher aufheben und ein
Marmorbild der Madonna vorläufig niemand zu zeigen.
Die aus dem Briefe vom Januar 1506 sprechende Sorge um
die Sicherheit seiner Habe und seiner Zeichnungen wird
noch in einem anderen Briefe laut, den wir aus diesem
Grrunde in die gleiche Zeit versetzen möchten:
Milan. Nr. XXIII, An den Täter Lodovico aus Rom ge-
richtet und 3. Od. 1510 datirt. (Brit. Museum.)
Das Monatsdatum ist richtig. Der nächstfolgende Brief
Nr. XXiy, welcher den gleichen Gregenstand (Sendung einer
Greldsumme durch das Bankhaus Altoviti) behandelt, trägt
die Unterschrift „a di undici d'ottobre". Das Jahresdatum
dagegen muss verworfen werden. Der Brief fängt an: io
andai martedi parlare al Papa. Der Papst befand sich
aber im October 1510 nicht in Bom, sondern seit Anfang
September auf dem Wege nach Bologna, wo er den ganzen
Herbst und Winter verweilte. Ein fernerer Grrund das
Jahresdatum zurückzuweisen hegt in der daselbst gegebenen
Nachricht, er habe vom Papste 400 Ducaten empfangen.
Nun sagt aber Michelangelo in einem eigenhändig datirten
Briefe vom 26. October 1510 (Milanesi LXXXII) aus, er habe
vom Datarius die Summe von 500 Ducaten erhalten. Dass
er im Herbste 1510 zweimal nacheinander in seinen Greld-
forderungen wäre befriedigt worden, widerspricht allen an-
deren Nachrichten, die wir aus dieser Zeit besitzen.
— 69 —
Ein Resultat steht fest: Der Brief rührt nicht aus dem
Jahre 1510 her; in welches Jahr wir ihn zu verlegen hätten,
dazu giebt uns vielleicht der letzte Satz einen Fingerzeig.
„lo vi scrissi che le mie cose o disegni o altro non fussino
toche da nessuno. Non me ne avete risposto niente. Par
che voi non legiate le mie lettere. Pregate Idio, che io
abi onore qua e che io contenti el Papa, perche spero se
lo contento, averö qualche bene da lui: e ancora pregate
Dio per lui." In diesen Worten klingt die Stimmung an,
in welcher er sich naturgemäss am Anfange seines römi-
schen Aufenthaltes, in den Tagen ungetrübter HoflPtiungen
befand; er bewegt sich in demselben Gredankenkreise wie
in dem Briefe vom 31. Januar 1506. Es liegt nahe, auch
ihn in die erste Zeit seines römischen Lebens, in eine noch
frühere Periode, als den Januarbrief zu verlegen: in den
October 1505.
Milan. Nr. V. An den Vater Lodovico aus Born gerichtet
und Juni 1508 datirt. (Brit. Museum.)
Bedenken gegen das angenommene Datum regt folgende
Stelle im Briefe an: „Io attendo a lavorare quanto posso.
Non ö avuto danari giä tredici mesi fa dal Papa." Nun
hat aber Michelangelo, wie aus seinen Kicordi (Milanesi
p. 563) ersichthch, am 10. Mai 1508 die Summe von 500
Ducaten vom Papste empfangen. Ein Irrthum des Schrei-
bers, eine Yerrechnimg um volle zwölf Monate ist kaum
denkbar; somit bliebe nichts anderes übrig, als den Brief
jünger (Herbst 1509?) zu datiren.
Milan. Nr. IX. An den Vater Lodovico aus Born gerichtet
und 5. November 1508 datirt. (Brit. Museum.)
Das Monatsdatum steht von Michelangelo 's Hand unter
dem Briefe: a di cinque di novembre. Gregen das Jahres-
— 70 —
datum werden Bedenken laut. Michelangelo bittet, ihm einen
Jungen, der die Hausarbeit verrichtet, später die Kunst
erlernen könnte, aus Florenz zu senden. Denn in Rom
„non si trova se non tristi." lieber den Ausgang dieses
Greschäftes belehrt uns der Brief Nr. XYIII. Der Junge
ist in Kom angekommen, aber nicht genug, dass Michel-
angel5 dem Fuhrmann, der ihn gebracht, einen hohen Lohn
zahlen musste, zeigte sich auch der Junge zur Arbeit un-
fähig. Michelangelo sendet ihn daher wieder zurück. Dieser
^rief trägt bei Milanesi das Datum Januar 1510. Man
kann nicht füglich annehmen, dass über ein Jahr verging,
bis der gesuchte Junge in Florenz gefunden wurde. Im
anderen Falle muss man die Daten beider Briefe näher an
einanderrücken. In welcher Hichtung, ob die Zeitangabe in
dem einen oder in dem anderen die richtige sei, können
wir, da uns der Inhalt keine weitere Handhabe bietet, nicht
entscheiden.
Milan. Nr. XII. An den Vater Loiovico aus Rom ge-
richtet; nur mit der Jahreszahl 1509 datirt. (Brit. Museum.)
Die Zeitbestimmung des Briefes hängt von dem IJrtheile
ab, welches man von Condivi's Grlaubwürdigkeit hegt. "Wer
die Meinung mit Condivi theilt, dass Michelangelo die
Deckenbilder in der Sixtina in 20 Monaten, also schon im
Herbste 1509, vollendet habe, wird diesen Brief in das
Jahr 1509 setzen. Denn am Schlüsse desselben heisst es:
lo verrö costä a ogni modo come ö finito qua la mia
pittura, che sarä infra duo ö tre mesi. Wer dagegen die
Ueberzeuguug gewonnen hat, dass Condivi's Angaben den
wirklichen Thatsachen widersprechen und den Schluss der
Malereien in den Herbst des Jahres 1512 setzt, wird auch
diesen Brief erst im Jahre 1512 geschrieben annehmen.
Zur Bekräftigung der letzteren Ansicht dient noch folgendes.
— 71 —
Wir besitzen aus dem Jahre 1512 eine Reihe sicher datirter
Briefe. Sie sind an den Bruder Buonarroto gerichtet,
welcher die löbhche Gewohnheit besass, den Empfangstag
der Briefe eigenhändig zu vermerken und bei Milanesi
Nr. LXXXVII bis XC abgedruckt. In denselben werden
dieselben Gregenstände behandelt wde in Nr. XII. Es wird
die nahe Beendigung der Malerei in der Sixtina ange-
kündigt, die Möghchkeit baldiger Abreise nach Florenz in
Aussicht gestellt, über die Vortheile und Nachtheüe des
Ankaufes eines gewissen Grrundstückes gesprochen.^) Aus
denselben Gründen muss auch das Datum des nächstfolgen-
den Briefes Nr. XIII aus dem Jahre 1509 in das Jahr 1512
umgeschrieben werden.
Milan. Nr.XY. An den Vater Lodovico aus Rom gerichtet
und Octoher 1509 datirt. (Brit. Museum.)
Die Hauptstelle in diesem Briefe ist die Mittheilung,
dass die Eresken in der Sixtina zum Abschlüsse gekommen
sind und die Zufriedenheit des Papstes gewonnen haben.
Der Besuch in Elorenz zu Allerheihgen wird abgesagt, über
die geringe Gunst, welche „unsere Kunst" erfährt, Klage
geführt. Unter „arte nostra" versteht Michelangelo wohl
die Sculptur. Der ganze Inhalt weist auf den Herbst 1512
hin und lässt ihn in die Reihenfolge nach Nr. XXXYI
verlegen.
Milan. Nr. XVII. An den Vater Lodovico aus Rom ge-
richtet und 5. Januar 1510 datirt. (Brit. Museum.)
Tag und Monat stehen von Michelangelo 's Hand im
Briefe, die Jahreszahl ist gerathen. Mit diesem Briefe steht
der an den Bruder Buonarroto gerichtete Nr. LXXXV im
1) Vgl. auch die Briefe Nr. XXVTH u. XXIX aus dem J. 1512.
— 72 —
unmittelbaren Zusammenhange. Bruder Buonarroto will
heiraten, um seine materielle Lage zu verbessern. Die bei-
den Briefe Michelangelo 's enthüllen uns nun seine Gredanken
über den Heiratsplan, seine Mahnung, sich nicht zu über-
eilen. Nur der eine Brief ist aber sicher datirt, nämlich
der an den Bruder gerichtete. Auf diesem hat Michelangelo
den Tag der Absendung: „a di dieci di genaio", der
Bruder den Tag des Empfanges: „1510 da Eoma; a di 15 di
gennaio ricevuta" vermerkt. Da sich Buonarroto an die
florentinische Zeitrechnung hält, so lautet das umgesetzte
Datum: 10. Januar 1511, und so hat auch Milanesi den aus
dem Archivio Buonarroti geschöpften Brief datirt. Dann
muss aber auch der Brief Nr. XVII diesem Datum folgen.
Jeden Brief einem anderen Jahre zutheilen, erscheint un-
statthaft.
Milan. Nr, LXXXIV. An Buonarroto di Lodovico aus
Born gerichtet und 11. Ja^iuar 1511 datirt. (Brit. Museum.)
Diesem Briefe lässt Milanesi einen vom Tage vorher,
den 10. Januar 1511, datirten Nr. LXXXV. folgen. Das
Datum des letzteren ist durch die Bescheinigung des Em-
pfanges sichergestellt. Es kann auffallen, dass Michelangelo
seinem Bruder an zwei unmittelbar auf einander folgenden
Tagen schreibt und in dem am 11. Januar gesendeten auch
nicht mit einer Silbe auf den 24 Stunden vorher abge-
schickten Bezug nimmt. Doch entscheidend für die Zeit-
frage ist folgendes. Der Eingang des Briefes vom 10. Januar
lautet: lo ebi piü giomi fä una tua lettera, per la quäle ö
inteso l'animo tuo apunto etc. Das setzt jedenfalls voraus,
dass Michelangelo sich mehrere Tage bereits in Bom be-
fand. Am folgenden Tage, den 11. Januar aber schreibt
Michelangelo: „lo gunsi qua martedi sera a salvamento,
Idio grazia." Mit dieser Nachricht hätte doch Michelangelo
— 73 —
den Brief vom Tage vorher beginnen müssen. Es erscheint
daher rathsam, den Brief vom 11. Januar anders zu datiren.
Als Wegweiser dient uns der Schlusssatz, der ausser einem
Grrusse an den Gronfaloniere die Mahnung enthält: Tieni
serrato il cassone, che e' mie' panni non sieno rubati come
a Grismondo. Aehnhche Sorgen um seine in Florenz zu-
rückgelassene Habe sprechen die Briefe aus dem Jahre
1506 aus und so gehen wir vielleicht nicht irre, wenn wir
auch dieses Schreiben in den Anfang des römischen Lebens
Michelangelo 's versetzen.
Druck von W. Drugulin in Leipzig.
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