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in 2018 with funding from
University of Illinois Urbana-Champaign Alternates
https://archive.org/details/mikroskopischepfOObrei
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Vorwort©
Wenn hüben behauptet, dass Anschauungen
mit Kindern (und wir fügen hinzu : auch zum Theil
mit erwachseneren Schülern) ebenso oft wiederholt
werden müssen, wie Worte, wenn sie sich tief
einprägen und Nutzen bringen sollen; so pflichten
wir ihm in seiner Behauptung nicht nur bei, son¬
dern äussern zugleich unser Bedauern, dass es
leider um diese „wiederholte Anschauung“ bei dem
Unterrichte noch an vielen Orten schlimm aussieht.
Anschauung ist aber ganz besonders bei einem
erspriesslichen naturwissenschaftlichen Unterrichte
die erste Bedingung. Obgleich die Naturwissen¬
schaften sich im Allgemeinen als Unterrichtsgegen¬
stand einer besseren Aufnahme erfreuen, so werden
sie doch noch hin und wieder in einer starren,
trocknen, langweiligen, rein systematischen Weise
gelehrt. Noch heutzutage wissen Lehrer Mineralogie
ohne Mineraliensammlung, Botanik ohne Zuziehung
von wirklichen Pflanzen und Zoologie ohne zoolo¬
gische Sammlungen zu unterrichten. Wir beneiden
sie ob dieses Kunststückes nicht, haben aber Mitleid
mit den Schülern , die einer solchen Hantirung
unterworfen sind und Tag für Tag Theorie und
nichts als Theorie vorgesetzt finden; denn: „Grau
ist alle Theorie , doch grün des Lebens goldner
Baum.“
Vorliegende „Mikroskopische Pflanzenbilder“
haben den Zweck, ein Scherflein zur Veranschau¬
lichung über den inneren Bau der Pflanzen beizu¬
tragen. Die Bilder, wie sie uns das Mikroskop
> zeigt, sind und bleiben immer die beste Anschauung.
Da aber nicht alle Schulen, in denen Botanik ge¬
lehrt wird , im Besitze eines solchen Instrumentes
sind, oder, wenn solches der Fall ist, sich nicht
jeder betreffende Lehrer zu einem „mikroskopischen
Kleinigkeitskrämer“ wegen Mangel an Geschicklich¬
keit eignet, oder, wenn Mikroskop und Geschick¬
lichkeit des Lehrers auch vorhanden sind , doch
die Zeit, um ein und dasselbe Präparat zum wie¬
derholten Male für Viele herzustellen, selten zu
finden und die Fixirung eines mikroskopischen
Bildes durch Zeichnen nicht Jedermanns Sache
ist, so dürften vielleicht vorliegende Pflanzenbilder
bei manchem Lehrer einem Bedürfniss Befriedigung
gewähren.
Am besten ist es, wenn einige Fertigkeit im
Zeichnen und Geschicklichkeit im Mikroskopiren
sich vereinigt finden, so dass der Lehrer (nament¬
lich bei Anfängern) vor der Betrachtung des be¬
treffenden Pflanzenschnittes das mikroskopische Bild,
wenn auch nur in ganz einfachen Strichen , auf
der Wandtafel entwerfen und besprechen kann,
um besonders auf das aufmerksam zu machen, um
das es sich handelt. Nach solchen Winken wird
der angehende Beobachter sich viel besser im Seh¬
felde zurecht zu finden wissen. Die in Rede
stehenden Pflanzenbilder sind Abbildungen wirklicher
Pflanzenschnitte und da jedesmal angegeben ist,
aus welchen Pflanzen dieselben herzustellen sind,
so vermag der Lehrer leicht, jene zu präpariren
und falls er kein Zeichner ist, diese Bilder vorher
zur Orienlirung und später als Erinnerung
(wiederholte Anschauung) an das mikroskopische
wirkliche Bild zu gebrauchen.
In den meisten Fällen wurde die wirkliche
Grösse des Objects in Zahlen angegeben, wodurch
man bei der Schätzung der stärkeren Vergrüsserung
sich zurecht finden wird. Eine noch bedeutendere
Vergrüsserung der Abbildungen würde der Natur
der mikroskopisch kleinen Dinge eher zuwider sein,
aber namentlich die Herstellungskosten eines solchen
Werkes so sehr vergrössert haben, dass dadurch
die Anschaffung bei Vielen erschwert worden wäre.
Für den öffentlichen Schulgebrauch werden am
zweckmässigsten die Tafeln aufgezogen und diese
nach dem jeweiligen Bedürfnisse zur Betrachtung
ausgewählt.
Obgleich es uns wohl bekannt ist, dass die
Literatur der Anatomie und Physiologie der Pflanzen
nicht nur reichhaltig , sondern diese Disciplinen
sowohl in wissenschaftlicher, als populärer Dar¬
stellung ihre ausgezeichnetsten Bearbeiter (Schleiden,
Mohl, Schacht, Seubert, Rossmässler u. A.J ge¬
funden haben, so konnten wir uns doch nicht dazu
verstehen, in Manier eines umherziehenden Bänkel¬
sängers nur zu sagen, was auf jedem Bilde „zu
schauen“ sei, sondern geben die Erläuterungen der
Bilder in einem Grundriss der Anatomie und
Physiologie der Pflanzen. Der Lehrer kann an
diesen seine weiteren Erörterungen nach Belieben
und Bedürfnis anreihen ; für den Privatgebrauch
aber wird der Grundriss das Wesentlichste zu einem
richtigen Verständniss über den inneren Bau der
Usingen 1856.
Pflanzen enthalten und für den Gebrauch ein¬
schlagender ausführlicher Werke vorbereiten können.
Dass wir uns bei Beschreibung mancher Or¬
gane und ihrer Lebenserscheinungen, deren genaue
Kenntniss wir nur dem unermüdlichen Forschen
einzelner Männer verdanken , oder über welche
nur Hypothesen gar noch in getheilten Ansichten
herrschen, die Worte der betreffenden Gewährs¬
männer direkt anzuführen erlaubten, wird Männer
von Fach nicht befremden.
Möge dieses Werkchen dem beabsichtigten
Zwecke entsprechen!
Der Verfasser.
Grundriss
der
Anatomie und Physiologie der Pflanzen
zur
Erläuterung der Abbildungen.
Jiin kostbares und unentbehrliches Werkzeug des
Naturforschers ist das Mikroskop. Und welcher Gebildete
der Jetztzeit, in welcher die Naturwissenschaften nicht bloss
zur Mode, sondern in formeller wie in materieller Hinsicht
zum wahren Bedürfniss geworden, hätte nicht genanntes In¬
strument schon gesehen oder wenigstens von ihm und seinen
Erstaunen erregenden Bildern gehört! Längst ist das Mikro¬
skop nicht mehr das alleinige Eigenthum der Cabinete und
Laboratorien der Gelehrten , sondern gehört es auch dem
Inventarium weiterer Kreise an , und bei der immer allge¬
meiner werdenden Billigkeit dieses Vergrösserungsglases steht
wohl zu erwarten, dass es sich in kürzester Zeit noch viele,
viele Freunde in Stadt und Land erwerben werde. Denn
„gerade ist die Mikroskopie das mächtigste Mittel, um einem
denkenden Menschen Achtung , Ehrfurcht und Liebe einzu-
1. Zolle und
(Taf. 1-
Wenn wir bei einer Pflanze Wurzel, Stengel, Blatt,
Blüthe <fcc. als Organe bezeichnen, insofern sie zur Verrich¬
tung bestimmter Funktionen dienen, so sind die erwähnten
Werkzeuge, wenn sie auch noch so klein auftreten, doch
keine einfachen Organe. Das bewaffnete Auge des Botanikers
zeigt uns , dass sich der kleinste Theil der Pflanze noch in
eine zahllose Menge kleinerer Theile , Zellen (cellulae) ge¬
nannt, zerlegen lässt, die aber eine weitere Theilung in
selbstständige Organismen nicht mehr zulassen. Mit der
Zelle hebt jedwedes Pflanzen- und Thiergebilde an; sie ist
die Grundform der organischen Welt. Der unansehnliche
Schimmel, wie die stattliche Palme, das winzige Infusions-
thierchen, wie der kolossale Elephant sind aus einer zahl¬
losen Masse von Zellen zusammengesetzt. Der Riesenbovist
(Lycoperdon bovista L.) zeugt in einer Minute 20,000 Zellen,
und auf eine einzige Hautschicht der ganzen Oberfläche des
menschlichen Körpers gehen, wie man genau berechnet haben
will, ll/3 Milliarden von Hornzellen!
Taf. 1. Sind die Zellen, Elementarorgane } lose neben und über
Kugelförmige einander gelagert, so erblicken wir sie in der Regel in ihrer
Zellen. ursprünglichen Gestalt , nämlich in der Kugelform. Taf. 1
stellt solche kugelförmige Zellen stark vergrössert dar , wie
man sie unter der Schale einer reifen Beere der Schneebeere
(Symphoricarpos racemosa Pursh.) als weisse , glänzende
Körperchen findet. Ein ganz ähnliches Bild von kugelförmi¬
gen Zellen erhält man , wenn die lockere Masse aus einem
Blatte der gemeinen Hauswurz (Sempervivum tectorum L.)
unter das Mikroskop gebracht wird. Leicht lässt sich dieses
flössen für die schöne, so viel verketzerte Naturheimath, der
wir Alle angehören.“
Wem ist es unbekannt, dass wir die Kenntniss von dem
innern Baue der Pflanzen nur der Mikroskopie zu verdanken
haben, dass wir nur durch sie in den Stand gesetzt sind,
hinter den Vorhang der unaufhörlich wirkenden Natur einiger-
massen schauen zu können, um noch mehr mit Staunen und
Bewunderung erfüllt zu werden? Hat uns nicht das Mikro¬
skop eine neue Welt von Thieren vor die Augen geführt,
indem es uns in einem Wassertropfen Millionen sonst nie
gekannter Geschöpfe zeigt? Wer ahnt, dass eine starke
Vergrösserung uns den Namenszug der Verlobten auf der
Visitenkarte über lauter thierische Gräber gezogen erblicken
lässt?
Zellengewebe.
-24 incl.J
Präparat auch darstellen , wenn man die Oberhaut von dem
Blatte der Gartenrose abnimmt und das darunter sich befind¬
liche grüne, weiche Gewebe in Wasser zertheilt der Ver¬
grösserung unterwirft.
Taf. 2, Fig. A und B (nach Schleiden) zeigt uns ein- Taf. 2.
zelne vollständige Zellen der Schneebeere. Die Zelle er- Einzelne Zellen,
scheint uns als kleines, meist rundliches, häutiges, durch¬
sichtiges Bläschen, das bei einer genaueren Betrachtung die
Zellenmembran («), den Zelleninhalt (6) mit dein Kern oder
Cytoblasl (c) und dem Kernkörperchen (d) im Innern des
Kerns erkennen lässt. Nach Schleiden besteht die Zelle zu
äusserst aus einer zarten, wasserhellen Haut, der eigentlichen
Zellwand ; innerhalb derselben liegt eine zweite halb schleimige
Haut, die wir mit Rücksicht auf ihre Bedeutung für das
Zellcnleben den Primordialschlauch nennen : an ihn schliesst
sich noch eine geringe Menge zäh - flüssigen stickstoffhaltigen
Stoffes , welcher in kleinen , immer wechselnden Strömchen
sich an der Wand hin bewegt; der übrige Raum wird von
einer wässerigen Flüssigkeit, dem Zellsafte , erfüllt. Der
Primordialschlauch wird deutlicher , weil er gerinnend sich
zusammenzieht und von der Wand ablöst, wenn man die
Zelle mit einer Lösung von Jod in Chlorzink befeuchtet, wo¬
durch zugleich die Zellwand zart bläulich und die stickstoff¬
haltige Substanz gelb gefärbt wird, Fig. B. Ueber die Ent¬
stehung der Zelle ist man noch keineswegs völlig im Reinen;
so viel ist gewiss, dass dabei ein eigentümliches , dem
Primordialschlauch angehöriges Körperchen , der Zellenkern
1
2
Taf. 3.
Elliptische
Zellen, und
Taf. 4.
Polyedrische,
punktirte Zellen.
Taf. 5.
Netzförmige
Zellen.
genannt, vielleicht auch der Priinordialschlauch selbst, eine
sehr wesentliche Rolle spielt.
Durch die Vereinigung mehrerer Zellen zu einer zusam¬
menhängenden Masse entsteht das Zellgewebe (contextus
cellulosus). Je nachdem die Zelle in diesem Gewebe einem
grösseren oder geringeren Drucke ausgesetzt ist , der ent¬
weder ziemlich gleichmässig von allen Seiten oder vorzugs¬
weise von einer Richtung her wirkt, wird jene mehr oder
weniger von ihrer ursprünglichen Kugelgestalt abweichen.
Eine massig aufgeblasene Schweinsblase wird , so bald sie
von rechts und links einen Druck erleidet , eine elliptische
Gestalt annehmen; übereinander gelagerte, weiche Thonkugeln
werden zu Vielflächnern, Polyeder, wenn man sie mit der
flachen Hand leise zusammendrückt. Aehnlich ist es mit der
Zelle im Zellgewebe. Taf. 3 zeigt uns das Zellgewebe aus
der Oberhaut eines Blattes vom gemeinen Löwenzahn (Leon-
todon taraxacum L.J; die einzelne Zelle hat eine länglich
runde Gestalt. Polyedrische Zellen sehen wir in dem Zell¬
gewebe, Taf. 4, aus dem Marke des gemeinen Hollunders
(Sambucus nigra L.). Der Querdurchschnitt lässt hier die
Zellen als ziemlich regelmässige Sechsecke erscheinen. Zellen,
welche, wie in vorliegendem Bilde, kleine Punkte auf der
Zellhaut haben, nennt man punktirte Zellen.
Merenchym ist ein Zellgewebe, dessen Zellen die ur¬
sprüngliche Form beibehalten haben; ein Zellgewebe mit
langgestreckten Zellen heisst Prosenchym , und ein Zellgewebe,
das aus polyedrischen Zellen zusammengesetzt ist, führt den
Kamen Parenchym.
ln der Zelle findet keinesweges Ruhe statt, der kleine
Organismus ist vielmehr in steter Thätigkeit begriffen , neue
Stoffe zu bilden , wodurch entweder das YVachsthum der
Zellenwandungen befördert wird oder andere Bedürfnisse
Befriedigung finden. Aus der Zellenflüssigkeit lagert sich
wiederholt der Membranstoff in Schichten an die innere Wand
ah, so dass im Laufe der Zeit die ursprünglich einfache,
dünne Zellwandung verdickt wird. Diese Verdickung findet
aber nicht immer regelmässig an der ganzen inneren Wand
statt, häufig bleiben einzelne Stellen der Zellhaut davon be¬
freit, wodurch die Zellen als punktirt erscheinen, wie die
in Taf. 4. Die punktirten Zellen Porenzellen zu nennen,
weil man früher diese Punkte für wirkliche Löcher hielt,
dürfte nicht zu billigen sein.
Sehr charakteristisch sind die in ähnlicher, eben ange¬
deuteter Weise entstandenen sogenannten getüpfelten Zellen
der Nadelhölzer, wie solche der Schnitt in Taf. 36 von einer
gemeinen Kiefer darstellt, und auf dessen weitere Erklärung
wir bei Betrachtung der Holzstruklur zurückkominen. Hier
sei nur noch bemerkt, dass an dieser originellen Zellenform
der mit dem Mikroskope Vertraute erkennt, ob ein schon
vor Jahrtausenden in die Tiefe der Erde verschütteter Baum¬
stamm (Steinkohlen — Braunkohlen) den Coniferen angehört
oder nicht. Ja, noch mehr: Man vermag sogar aus einem
Holzspänchen mittelst des Mikroskopes die Gattung zu be¬
stimmen, welcher der Baum angehörte; denn die Zahl der
eine Markstrahlenlage bildenden Zellen, sowie die Zahl der
Tüpfelreihen ist wohl für verschiedene Gattungen der Nadel¬
hölzer variirend, aber für eine Gattung constant. „Nur durch
die Beobachtung jener Verhältnisse im Zellenbaue gelang es,
dass man bis jetzt schon etwa 36 verschiedene Gattungen
vorweltlicher Nadelhölzer und mit Berücksichtigung von
Nadeln, Zapfen und anderen Kennzeichen gegen 21 1 Arten in
den Kohlenschichten der Erde entzifferte.“
Werden von der erwähnten Ablagerung der Zellenflüssig¬
keit kleinere Streifen der Membran verschont, so erhält die
Zelle ein netzartiges, oder, wenn die freigelassenen Stellen
bandförmig gewunden sich gestalten, ein spiralartiges Ansehen.
Taf. 5, Fig. A ist eine netzförmige Zelle aus dem jungen
Gewebe des gemeinen Hollunders und Fig. B ein Zellgewebe
netzförmiger Zellen aus dem gelben Bliithenblatte des durch¬
stochenen Johanniskrautes (Hypericum perforatum L.).
Befolgt die Zelle bei ihrem Wachsthnme vorzugsweise Taf. 6.
eine Richtung, ist dabei der gegenseitige Zellendruck eigen- Sternförmige
thümlicher Art ; so kann es sein, dass sie von der häufigeren Zelleo.
kugelförmigen, cylindrischen oder polyedrischen Gestalt ab¬
weicht und eine sehr abnorme Form annimmt, wie wir dies
in dem sternförmigen Zellgewebe des lockeren Markes der
Sau-Wicke , Buf bahne (Vicia faba L.), Taf. 6, sehen. Auch
das Mark eines Binsenhalmcs enthält solches sternförmige
Zellengebilde.
Die Zelle ist in ihrem Leben nicht blos auf sich be¬
schränkt , sie gehört einem grösseren Organismus an und
muss zur Erhaltung und zum W'achsthume des Ganzen ihr
Scherflein beitragen. Jedermann weiss, dass die Pflanze ihre
Nahrung mit den Wurzelfasern einsaugt und dass jene, wollen
die Blätter, Blüthen und Früchte sich eines ordentlichen Ge¬
deihens erfreuen , von Zelle zu Zelle weiter wandern muss.
Wie aber, wenn wir hören, dass die Zellenhaut nirgends
Löcher oder Spalten hat, dass gar durch die schon genannte
Verdickung der Zellwand die Elemenlarorgane an diesem
Orte nicht mehr saftleitungsfähig sind , wie wollen wir jene
Erscheinung erklären? Wir kommen gar häufig in Verlegen¬
heit , irgend eine Erscheinung nicht erklären zu können;
allein die Natur kennt dies peinliche Gefühl nicht, um Mittel
und Wege zur Erreichung ihrer Zwecke ausfindig zu machen.
Die Haut der Schweinsblase hat ebensowenig Poren und
Spalten, als die der Zelle. Hängen wir aber zwei solcher
Blasen, von denen die eine mit Wasser, die andere mit
Zuckerwasser gefüllt ist, so aneinander, dass sie einander
berühren, so werden wir nach kurzer Zeit finden, dass die
mit Wasser gefüllte Blase süsses und die mit Zuckerwasser
gefüllte weniger süsses Zuckerwasser enthält. Offenbar muss
das Wasser der einen Blase in das der andern und das
Zuckerwasser dieser in die erste Blase gedrungen sein.
Dutrochet, ein französischer Naturforscher, beobachtete diese
Erscheinung zuerst und half so glücklich aus einer empfind¬
lichen Verlegenheit. Dieses Ein- und Auswandern der Flüssig¬
keiten, diese gegenseitige Durchdringung nennen die Botaniker
Endosmose und Exosmose. Sie findet überhaupt statt bei
ungleich dichten Flüssigkeiten, die in einander berührende,
geschlossene Membrane gefüllt sind, und zwar dauert diese
Thätigkeit so lange, bis in den Flüssigkeiten gleiche Dichtig¬
keit hergestellt ist. Auch der Saft in den Zellen ist von
verschiedener Dichtigkeit; die Endosmose und Exosmose
findet auch hier statt und ermöglicht so die Wanderung der
Zellenflüssigkeit. Für den Fall aber, dass durch allzu starke Taf. 7.
Verdickung der Zellwand die genannte Thätigkeit vermindert Communicirende
oder gar an dieser Verdickung gänzlich unterbrochen werden Tiipfelkanäle.
kann, hat die Natur für eine andere Communicalion Sorge
getragen, die wir in Taf. 7, Fig. A , einem Längsschnitte
und Fig. B , einem Querschnitte der Zellen einer steinigen
Winterbirne veranschaulicht finden. Die concentrischen Ringe
in Fig. A stellen die Verdickungsschichten dar, welche aber
an einzelnen Stellen: a, b, c unterbrochen sind, so dass
vom Innern der Zelle bis an die ursprüngliche Zellwand
Kanäle, Tüpfelkanüle genannt, gebildet werden. Dadurch
aber, dass diese Tüpfelkanäle der einen Zelle auf die der
benachbarten Zelle treffen, (siehe aa , bb, cc!) ist eincCoin-
municalion derselben hergestellt. Die Endosmose und Exos-
3
mose erleidet somit keine Unterbrechung und die Zelle kann
vor wie nach für sich und das Ganze ihre Schuldigkeit thun.
Taf. 8. Begreiflicher Weise können die Elementarorgane, deren
Baumwollen- ii. sjch s0 unzählig viele auf einem kleinen Raume schaaren,
Flachsze lle. ]4ejne bedeutende Grösse haben. „Die Zellen sind im klein¬
sten Falle '/^a Pariser Linie im Durchmesser gross. Man
wird sich eine deutlichere Vorstellung von dieser Grösse
machen können, wenn man weiss, dass solcher Zellen 3600
auf der Breite des Daumens in einer Reihe neben einander
gelegt werden können. Das ist die geringste Grösse, die
bei den Zellen beobachtet worden ist. Die bedeutendste
Grösse ist die Länge einer Baumwollenfaser , Taf. 8, Fig. A.
Jede Baumwollenfaser ist eine einzige langgestreckte Zelle,
derartige bedeutende Streckungen kommen nur nach einer
Richtung vor, d. h. solche langgestreckte Zellen sind immer
haardünn; — die im günstigen Falle 2 Zoll lange Baum¬
wollenzelle ist höchstens '/21 Linie im Durchmesser dick.“
Sehr verschieden von dieser dünnwandigen Baumwollenzelle,
die trocken einen platten Streifen bildet, ist die Bastzelle.
Sie hat dicke, biegsame Wände und bildet trocken einen
cylindrischen , gleichdicken Faden. Taf. 8 , Fig. B ist eine
Zelle des Flachses. Diese erwähnten Merkmale der Baum¬
wollenzelle und Bastzelle des Flachses sind so charakteristisch,
dass man sofort die Vermischung des Leinens mit Baumwolle
unter dem Mikroskope erkennt.
Taf. 9. So wenig ein mit Erbsen gefülltes Gefäss überall von
Intercellular- diesen angefüllt ist, vielmehr Lücken zwischen den nicht
berührenden Theilen stattfinden , eben so wenig füllen auch
die Zellen in den Pflanzen den Raum dieser vollständig aus.
Mag das Zellgew'ebe kugelförmige, cylindrische, polyedrische
oder sternförmige Zellen haben , immer finden sich Stellen,
wo die Zellen mehr oder weniger einander nicht berühren.
Die dadurch gebildeten Räume, welche keine eigene Wan¬
dung besitzen, sondern von der Membran der eigentlichen
Zellen begrenzt werden, stehen in Verbindung und durch¬
ziehen das Innere der Pflanze. Solche Gänge führen den
Kamen Zwischenzeiten oder Intercellulargänge. Der Quer¬
schnitt vom Kohlstrunk , Taf. 9, zeigt, wie sich die Zellen
nicht überall berühren und desswegen Intercellulargänge («)
entstehen.
Taf. 10. Zuweilen sind die Inlercellulargänge nur mit Luft, manch-
iMilchftaftgefiss.mal aber auch mit dem die Zelle ursprünglich umgebenden
Taf. 11. Safte angefüllt. Häufig sind die genannten Kanäle erweitert
SM°nUnSf deS Un<^ enl*la^en e'nen schon mehr verarbeiteteren, consistenleren
Saft, der, wenn er gefärbt ist, den Kamen Milchsaft führt,
Milchsaftgefässe. Ein Schnitt aus dem gemeinen Schöllkraut
(Chelidonium majus L.), Taf. 10 , gibt das Bild des von
ätzendem , oranggelbem Safte gefüllten Milchsaftgefässes.
Taf. 11 (nach 0. Volger) gibt die sehr vergrösserte Dar¬
stellung eines netzförmig verbundenen Gewebes von Milch-
saftgefässen des Schöllkrautes. Die Pfeile deuten die be¬
obachtete Richtung von Saftströmungen an. Beiläufig sei
hier noch erwähnt, dass der Milchsaft mancher Pflanzen
narkotisch ist, wie bei dem Mohne (Papaver; Gewinnung
des Opiums aus demselben), während der Milchsaft anderer
Pflanzen , wie vorzugsweise der Wolfsmilcharten (Euphor-
biaceae) das in unsern Tagen so wichtig gewordene Kaout-
schouck mehr oder weniger enthält. Als winzige Kügelchen
ist es in dem Milchsäfte vorhanden, die sich bei längerem
Stehen, ähnlich wie die Butterkügelchen der Milch, an der
Oberfläche sammeln und nicht mehr in ihren isolirlen Zu¬
stand zurückgeführt werden können. Durch Verbindung des
Kaoutschouck mit Schwefel entsteht das sogenannte vulcani-
sirte Kaoutschouck, das durch seine bedeutend grössere Ela-
sticität und durch die Beständigkeit in fast jedem Temperatur¬
wechsel eine erstaunlich mannichfaltige Anwendung ermöglicht.
Zur Gewinnung des Kaoutschouck eignet sich vorzugsweise
der zur Familie der Wolfsmilcharten gehörende Kaoutschouck-
bäum oder ächte Federharzbaum (Siphonia elastica L.) , der
in Brasilien und Guiana wächst und eine Höhe von 50 — 60
Fuss erreicht.
Wer kann sich genug ergötzen an der Fülle und Far¬
benpracht , wenn im Frühling das niedliche Schneeglöckchen,
das bescheidene Veilchen, die goldene Primel, das in Sainmt
gehüllte Aurikelchen, wenn im Sommer die in weissem Atlas
geschmückte Lilie, die mit Himmelbläue gezierte Glockenblume
und die in Morgenröthe gekleidete Königin der Blumen, wenn
uns im Herbste die zierliche Aster und die rosenfarbene
Herbstzeitlose scheidend noch den letzten Gruss entgegen
winken? Müssen wir nicht mit dem Dichter ausrufen:
„Wer hat die Blumen nur erdacht,
Wer hat sie so schön gemacht,
Gelb und rolh und weiss und blau,
Dass ich meine Ltist dran schau?“
Blüthen und Früchte der Pflanzen wetteifern im herrlichsten Taf. 12, 13,
Farbenspiele. Wie wäre dies aber möglich, wie könnte die 14 u. 15.
sonst düstere Rinde der Erde sich in ein solches Panorama Verschiedene
verwandeln, wenn nicht viele Zellen einen gefärbten Zellen- b'arbungen der
saft enthielten, der sich durch die durchsichtige Zellenmem¬
bran leicht bemerkbar macht! Auf diese Weise erscheint
das eine Blumenblatt roth , das andere gelb, ein drittes blau &c. »
Taf. 12, 13, 14 und 15 bieten die hier nöthige Veranschau¬
lichung dar. Wer der Meinung ist, dass dieser Farbstoff in
dem Zellensafte immer vollständig gelöst sei, der irrt ge¬
waltig. Das Mikroskop zeigt vielmehr, wie hier als ziemlich
allgemein angenommen werden darf, dass die Farben der
gelben Farbenreihe (Gelb, Orang, Zinnoberroth) , als sehr
kleine Kügelchen in dem wasserhellen Zellensafte umher
schwimmen und diesem dadurch die betreffende Farbe mit¬
theilen, während die Farben der blauen Farbenreihe (Blau,
Violett, Carminroth) vollkommen in dem Zellensafte aufgelöst
sind. Den Farbstoff der ersten Farbenreihe nennt man An-
thoxunthin (Blumengelb) und den der letzten Anthocyan
(Blumenblau). Auf Taf. 12 sehen wir ein Zellgewebe aus
dem gelben Blatte der Randblume vom gemeinen Löwetizahn
(Leontodon taraxacum L.). Das Blumenblatt erscheint gelb,
weil die einzelnen in dem Safte sich vorfindenden gelben
Kügelchen die Zellen gelb erscheinen lassen. Die Richtigkeit
des Gesagten in Betreff der blauen Farbenreihe finden wir
in Taf. 13 bestätigt. Der Schnitt ist aus dem gefleckten
Knabenkraut (Orchis maculata L.) und zwar aus dem ge¬
fleckten Blüthenblatte. Die Zellen sind veilchenblau gefärbt,
lassen aber nirgends Farbekügelchen erkennen. Verschiedene
Zellen eines Gewebes können aber auch verschieden gefärbte
Zellenflüssigkeit enthalten , so dass ein Blatt verschiedene
Farben und Küancirung einer Farbe zeigen kann. Taf. 14
und 15 (nach Rossmässler vergrössert und dessen Erklärung
wir uns hier erlauben) geben hiervon ein Beispiel. Taf. 14
„ist ein kleines Präparat aus einem Apfel. Es ist ein dünnes,
schmales Streifchen , welches von der Schale herein von
einem durchschnittenen Apfel abgeschnitten ist. Zu oberst
bemerken wir die Zellen der querdurchschnittenen Oberhaut.
Ein Apfel hat eine lederartige, glänzende Schale; diese ist
es nicht, welche den Farbstoff enthält; die äussere Wand der
Oberhautzellen ist ausserordentlich verdickt, dagegen die
Seitenwände und die unteren Wände sind dünn. Die Haut
der zunächst unter der Oberhaut liegenden Zellen ist auch
ziemlich verdickt, und diese selbst enthalten einen rothen
1*
4
Taf. 16, 17
und 18.
Zellen mit
Chlorophyll-
kügelcben.
Farbstoff. Darunter befindet sicli eine dritte Zellschicht, und
in dieser gelbe kleine Farbenkügelchen. Zwei gelben Saft
enthaltende Zellen sind noch tiefer in eine vierte Zellschicht
abgetreten, deren übrige Zellen Stärkmehl enthalten. Taf. 15
sind einige Zellen von einem Tulpenblumenblatte (Tulipa
Gesneriana L.). Jede von diesen Zellen ist der Schauplatz
eines besonderen chemischen Prozesses; denn die einzelnen
Zellen enthalten bald Farbestoff der blauen Farbenreihe,
canninroth, in verschiedener Sättigung; bald solchen der
gelben; ja, die eine enthält Farbstoff aus beiden Farbenreihen
zugleich, nämlich zinnoberrothe Farbkügelchen im carminroth
gefärbten Zellsafte.“
In dem .Marke mancher und in der Oberhaut der meisten
Pflanzen schwindet die ursprünglich farblose Zellenflüssigkeit.
Das Zellgewebe des ersteren siebt daher in grösserer Masse
weiss und das des letzteren farblos, durchsichtig aus. Einen
Farbstoff der weissen Farbe scheint es desswegen nicht zu
geben , man kann wenigstens aus weissen Pflanzentheilen
einen solchen nicht darstellen. In Betreff der schwarzen
Farbe ist man noch in Ungewissheit. Manche halten sie nur
für „eine sehr dunkele und gesättigte Schattirung einer
andern Farbe, namentlich der violetten.“
Die vorherrschende Farbe im Pflanzenreich ist das dem
Auge so wohlthuende Grün, die Farbe der Hoffnung. Wie
sehnt sich das Ilerz in den öden Wintertagen nach den üppig
grünenden Wiesen, nach dem verjüngten, grünen Walde des
Frühlings! Wie behaglich ruhet der Müde auf dem Saminet-
teppich des Mooses, welches mit seinem „phosphorescirenden
Grün“ den Boden des Waldes so herrlich decorirt! Die
Ursache dieser grünen Farbe ist das sogenannte Blattgrün.
oder Chlorophyll , das in Form kleiner Kügelchen in dem
farblosen Zellensafte sich vorfindet. Woraus das Blattgrün
besteht, ist noch unbekannt, doch soll es Stickstoff enthalten.
Es lässt sich als eine dunkelgrüne, erdige Masse dar¬
stellen, die eine Temperatur von 200° C. erträgt, ohne zu
schmelzen oder zersetzt zu werden. Wohl aber hat man
beobachtet, dass ohne Licht kein Chlorophyll sich entwickelt.
Je mehr und je länger dasselbe einwirken kann, desto grüner
wird der Pflanzentheil, weil sich desto mehr Blattgrünkügel¬
chen entwickeln. Namentlich soll durch Abnahme des
chemisch darin gebundenen Wassers vom Frühlinge bis zum
Sommer das Grün an Intensität zunehmen, wie wir dies am
Laube des Waldes leicht gewahren können. Pflanzentheile,
die des Lichtes entbehren , werden bleichsüchtig. Der ver¬
dächtigen Familie der Schwämme, diesen „lichtscheuen Kin¬
dern der Finsterniss“ fehlt daher die schöne grüne Farbe.
Die Keime der Kartoffeln im dunkeln Keller, die Grashalmen
unter einem darüber gestülpten Fasse werden weisslich gelb
aussehen. Die Hausfrau bindet die Blätter der Endivie zu¬
sammen , das Licht wird dadurch von den inneren Theilen
abgehalten; sie werden gelb, weil die Blattgrünentwickelung
gehemmt ist. Wir lieben die sogenannten „gelben Herzchen“
im Gemüsekohl, die, von den äussern Blättern geschützt,
frei von dem Einflüsse des Lichtes kein Chlorophyll ent¬
wickeln konnten. — In Taf. 16 erblicken wir ein Zellgewebe
aus dem Blatte der Schwertlilie (Iris germanica L. ) , in den
Zellen befinden sich Blattgrünkügelchen. Taf. 17, Fig. A
und B sind einzelne Zellen aus dem unter der Oberhaut
liegenden grünen Gewebe des Blattes der gewöhnlichen Gar¬
tennelke (Dianthus caryophyllus L.). „Man entdeckt bald
die Ursache der grünen Färbung, indem die ganze Zelle mit
lebhaft grün gefärbten Körnchen gefüllt erscheint, Fig. B.
Stellt man aber das Mikroskop so, dass man weder die
obere, noch die untere Fläche der Zelle, sondern nur die
Mitte derselben deutlich sehen kann , so überzeugt man sich
bald, dass der innere Raum der Zelle von grünen Körnern
frei ist, und dass diese ausschliesslich an die innere Fläche
der stickstoffhaltigen Auskleidung angeklebt liegen, Fig. A.“
Eine andere verschiedenartige Gruppirung der Chlorophyll¬
kügelchen ist noch in Taf. 18, Fig. A (lose, zerstreut) und
Fig. B (klumpenförmig) ersichtlich. —
Ausser dem Zellkern , Farbstoff und Blattgrün kann die Taf. 19, 20,
Zelle noch einen anderen, für das Leben der Menschen und 21, 22 u. 23.
Thiere höchst wichtigen Stoff beherbergen, es ist das Stärke- Stirkemehlhal -
mehl (Amylum). Getreide und Kartoffeln , diese so reich- <lge z,ellen-
haltig Stärkemehl enthaltenden Pflanzen, spielen als Nahrungs¬
mittel die wichtigste Rolle. Kartoffeln, Brod, dazu etwas
Kaffee, diese drei Verbündeten fristen allein das Leben des
Proletariers. In reichlicher Menge ist das Amylum in der
Frucht der Getreide, der Hülsenfrüchtler, den Knollen man¬
cher Pflanzen (Kartoffeln, Orchideen &c.), den Zwiebeln und
im Marke mancher Pflanzen (Sagopalme) u. A. enthalten.
Dieser mehr erwähnte Zelleninhalt kommt als rundliche
Körnchen von der inannichfaltigsten Gestalt in den Zellen
vor. Im Allgemeinen wird die Grösse des Durchmessers
eines Stärkmehlkörnchens als schwankend von ’/600 bis */2l)
Linie angegeben. Die grössten sind die Kartoffelstärkmehl-
körner, weit kleiner sind die Stärkekörner der Getreidearten.
Aus stärkemehlhalligen Pflanzentheilen erhält man das Stärk¬
mehl durch Zerreiben der Zellen und Auswaschen mit Wasser.
Das Amylum sinkt als Körnchen zu Boden, die getrocknet
„als weisses , ziemlich hartes, zwischen den Fingern knir¬
schendes Pulver“ erscheinen. Dieses ist in kaltem Wasser
und Weingeist unlöslich. „In heissem Wasser quillt das
Stärkemehl auf und vertheilt sich darin so fein, dass man es
für eine Lösung halten könnte; wenn man aber das Wasser
frieren lässt, so scheidet sich das fein vertheilte Stärkemehl
in feinen Häuten ab: ein Beweis, dass es nicht gelöst war.
Die dicke Flüssigkeit, welche man durch Kochen von Stärke¬
mehl und Wasser erhält, ist unter dem Namen Kleister be¬
kannt.“ (Regnault.) In der 19. Taf. sehen wir, Fig. A,
drei Zellen aus einer Kartoffel mit Stärkemehlkörnchen ge¬
füllt. Im Durchschnitt liegen in einer solchen Zelle 15 — 20
kleinere und grössere Körnchen. Zugleich gewahrt man,
dass das Amylum sich stets schichten weise, schalenartig um
einen Punkt, Kernpunkt oder Nabel fleck genannt, der aber
nicht in der Mitte des Körpers, sondern mehr nach einer
Seite hin liegt, ablagert. Trotz der verschiedenen äusseren
Form des Stärkemehls bleibt die Struktur desselben doch so
charakteristisch, dass eine Stärkemehlverfälschung unter dem
Mikroskope zu entdecken ist. Fig. B, C und D sind Ab¬
bildungen der runden oder länglich runden Stärkemehlkörner
von Erbse, Linse und Bohne. Es lassen sich bei ihnen nur
die äusseren Lagerungen wahrnehmen; im Innern ist bei
derartigen trocknen Stärkekörnern, wie aus den Figuren er¬
sichtlich , eine sternförmige Höhle zu erkennen. Taf. 20,
Fig. A, II und C geben die Ansicht der Stärkekörner von
dem gewöhnlichen Getreide. Durch ihre linsenförmige Ge¬
stalt sind sie leicht von den Kartoffelstärkkörnern zu unter¬
scheiden , ausserdem ist alle Getreidestärke glanzlos. Eine
besondere Abbildung bietet Fig. E von der Haferstärke,
die eine ziemliche Kugelgestalt besitzt und auf der Oberfläche
eine charakteristische netzförmige Zeichnung hat. Die Slärke-
körner des Mais, Fig. D, liegen gruppenweise zusammen
und haben durch den gegenseitigen Druck eine polyedrische
Form. Gruppenweise zusammen gewachsen findet man die
Stärkekörnchen in der Herbstzeitlose, im westindischen Arrow-
Root und in den Markzellen der Sagopalme. Die Güte der
5
Kartoffeln schätzt man im gewöhnlichen Leben nach ihrem
„Mehligwerden“ beim Kochen, was daher rührt, dass sich
bei diesem Vorgänge die einzelnen Zellen trennen, und die
in denselben enthaltenen Stärkekörner anschwellen. Auf der
Oberfläche der letzteren entsteht ein netzartiges Gewebe,
Fig. F, welches durch geronnenes Eiweiss gebildet ist.
Bringt man ein Stärkekorn, zwischen zwei Glasplättchen
zerdrückt, unter das Mikroskop, so sieht man, wie jenes
von dem sogenannten Kernpunkte oder Nabelfleck aus in
Stücke zerspringt , Taf. 21 , Fig. A. Ein solches Präparat
lässt auch die erwähnte Schichtenbildung leicht sehen; am
deutlichsten kann man diese aber beobachten, wenn ein Kar¬
toffelstärkekorn bis zu 200 0 C. erhitzt wird , in welchem
Falle, wie Fig. B veranschaulicht, sich die einzelnen Schich¬
ten von einander los legen. — Noch haben wir einer sehr
charakteristischen Eigenschaft des Amylums zu gedenken,
nämlich der, dass es durch eine Jodtinktur violett gefärbt
wird, Taf. 22 (Kartoffelstärke), wodurch die Gegenwart des
Stärkemehls sich sofort ermitteln lässt; umgekehrt dient auch
dieses als Reactionsmittel auf Jod. Merkwürdiger Weise
verschwindet die violette Farbe des Stärkemehls beim Er-
w'ärmen desselben und kommt beim Erkalten wieder zum
Vorschein. — Schliesslich geben wir noch in Taf. 23 die
Ansicht von dem Amyluin in polarisirtem Lichte betrachtet,
wenn zwischen das Auge und das Objekt zugleich ein islän¬
discher Doppelspath gebracht ist. „Man sicht dann ein
schwarzes Kreuz, dessen Mittelpunkt mit dem Nabelfleck
zusammenfällt.“
Als Zellinhalt sind endlich noch die Krystalle zu er¬
wähnen , deren einzelne Bedeutung für das Pflanzenleben
bis jetzt noch nicht ermittelt ist. Die Gestalt dieser Körper¬
chen ist sehr verschieden , übertreffen jedoch die Grösse
eines kleinen Sandkörnchens nicht. Ihr Vorkommen ist am
häufigsten in saftreichen Pflanzen , wie der Cactus- und
Aloe-Arten, in der Binde, dem Marke, den Stengeln, seltener
in den Blättern der Pflanzen, wie z. B. in denen der Balsa¬
mine und des Weinstockes. In Taf. 24, Fig. A, a. enthalten
die Markzellen aus dem Blattstiele der Porcellanblume (Hoyo
carnosa) würfelförmige , drüsenartig zusammengehäufte Kry¬
stalle (nach Rossm.) : h. einzelne Würfel. In ähnlicherWeise
enthalten die Zellen der Runkelrübe gruppenweise Krystalle.
Fig. B zeigt nadelförmige Krystalle aus der Oberhaut eines
Aloestengels (nach Rossm.); Fig C veranschaulicht spindel-
und oktaederförmige Krystalle.
II. Gcfiiss und Gefässbündel.
(Taf. 25 — 28 incl.J
Taf. 25, 26, Die mikroskopische Untersuchung hat dargethan , dass
27 u. 28. ausser den Zellen noch andere einfache Organe in der Pflanze
Verschiedene zu finden sind, nämlich die Gefüsse (vasa). Es sind röhren-
Gefassformen. art|-ge Gebilde , ohne innere Querwände und die, sofern sie
nach der Ansicht Schleiden’s sich aus reihenweise überein¬
ander gelagerten Zellen durch Resorption ihrer Zwischen¬
wände bilden, wodurch sie in freie Verbindung treten, als
abgeleitete Elementarorgane zu betrachten sind. Andere
Physiologen lassen es noch dahin gestellt sein, ob die Gefässe
immer durch Umbildung der Zellenreihe hervorgehen. Ueber
die Funktion der Gefässe ist man noch nicht im Reinen;
doch will man beobachtet haben, dass sie meistens mit Luft
angefüllt sind (nach Schleiden’ s Ansicht immer!) oder dass
sie rohen Nahrungssaft fortleilen, seltener, dass sie Bildungs¬
saft enthalten. So viel ist aber gewiss, dass diese abgeleite¬
ten Organe nur bei Pflanzen höherer Ordnung Vorkommen,
so dass darnach das Pflanzenreich in zwei grosse Gruppen
zerfällt, nämlich in Zellenpflanzen (plantae cellulares), die
nur aus Zellengewebe gebildet sind , zu denen die Pilze,
Algen und Moose gehören und Gefüsspflanzen (plantae vas-
culares), die aus Zellen und Gefässen bestehen. Die wich¬
tigsten Formen der Gefässe sind folgende: 1) Die Spiralge-
füsse , bei denen wir wieder dichtgewundene , Taf. 25, Fig. A,
und lockergeioundene , Fig. B, unterscheiden. Sie haben das
Ansehen, wie die Windungen einer Schraube, wesshalb sie
auch häufig den Namen Schraubengänge führen. Die Spiral¬
fäden sind dadurch entstanden, dass die schon oben erwähnte
Verdickung regelmässig statt fand und so eine fortlaufende
Faser bildete, die bald dichter, bald lockerer aufgerollt ist.
Sie erscheinen als vveisse, zarte, elastische Fäden von ‘/i00
— '/ioo Linie Durchmesser. Leicht lassen sich die Spiralge-
fässe aus den Fiederblättchen der Rose, indem man jene
vorsichtig trennt , unter dem Mikroskope betrachten. Selbst
mit dem unbewaffneten Auge kann man zuweilen die spinnen¬
webartigen Fäden der Spiralgefässc erkennen. Selten ist
ihr Vorkommen in den Wurzeln. 2) Die Ringgefiisse, Taf. 26.
Sit; lassen sich am bequemsten aus Getreidehalmen präpariren.
In vorliegendem Bilde sind in den beiden letzten Ringgefässen
Ringe durch Spiralfäden mit einander verbunden, was ihre
nahe Verwandtschaft zu diesen erkennen lässt. Manche
Physiologen sind über die Entstehung der Ringgefässe noch
im Unklaren, andere wollen sie aus den Spiralgefässcn her¬
leiten und zwar dadurch , dass sie behaupten eine unge¬
wöhnlich rasche Verlängerung des Gefässes zerreisse die
Spiralfäden in Stücke , welche sich nachher zu Ringen er¬
gänzten. 3) Die Netzgefässe , Taf. 27, Fig. A, wie sie sich
aus der Balsamine, der Kapuzinerkresse &c. darstellen lassen.
Durch die unregelmässigen Verzweigungen der Spiralfaser
gewinnen diese Gefässe ein netzartiges Aussehen. 4) Die
Treppengefässe , Taf. 27, Fig. B, welche in den Stielen der
Farnkräuter und in den Weinreben sehr schön Vorkommen.
Von der regelmässigen Verdickung, Ablagerung von innen
bleiben Stellen der ursprünglichen Gefässhatit verschont, die
das Ansehen von übereinander gelagerten Stufen, Treppen
erhalten. 5) Die Tüpfelgefässe , Taf. 28, Fig. A, kommen
vorzugsweise in den Wurzeln monokotyledonischer Pflanzen
vor. Die von der Ablagerung frei gebliebenen Stellen der
Gefässhaut bilden runde oder länglich runde Figuren. 6) Die
punktirten Gt fasse (Porengefässe ?) unterscheiden sich von
den vorhergehenden nur dadurch , dass die nicht verdickten
Stellen der Gefässhaut als Punkte (Poren?) sich ausnehmen.
Taf 28, Fig. II zeigt punktirte Gefässe in Verbindung mit
netzförmigen aus der Weinrebe. Besonders erkenntlich sind
die punktirten Gefässe der Eiche. (Vergl. Taf. 37, b!)
Durch die Vereinigung von Gefässen entstehen die so¬
genannten Gefässbündel (fasciculi vasorum), die sowohl von
Parenchym-, als Prosenchymzellen begleitet sein können.
Macht man einen Schnitt durch einen Maisstengel , parallel
mit seiner Achse , so sieht man auf der Schnittfläche weiss-
liche Streifen, es sind Gefässbündel. Es ist nichts Schwie¬
riges unter dem abgelällenen , verfaulten Laube der Wald¬
bäume solche Blätter zu finden , die nur noch ein feines,
Taf. 24.
Zellen mit
Kryslallen.
6
netzartiges Gewebe bilden, die ausfüllende Masse ist zerstört,
verwest, die noch vorhandenen Reste sind wiederum Gefäss-
bündel. Sie bleiben als die festeren Theile zurück, wie die
Knochen nach dem Verfaulen des Fleisches und bilden , wie
diese, das Skelett. Die Gefässbündel durchziehen die Pflanze
der Länge nach, sind dünne, zähe Stränge und erscheinen
auf dem Durchschnitt des Stengels einer monokotyledonischen
Pflanze zerstreut (vergl. Taf 34. und 35! j, während sie auf
dem Querschnitt einer dikotyledonischen Pflanze eine kreis¬
förmige Linie bilden. In der Wurzel und dem Stengel finden
sich die Gefässhiindel in zahlreicher Menge; an der Basis
der Blätter treten sie einzeln und in den Blattstielen ver¬
einigt auf, von wo aus sie sich als Blattadern und Blattnerven
in der Blattspreite bemerklich machen. Da das Holz durch
die innige Vereinigung der Gefässhiindel gebildet wird, so
führen letztere auch den Namen Holzbündel; die Festigkeit
derselben und somit die des Holzes wird durch die sehr
starke Verdickuug der Gefässwände bedingt. In jungen
Pflanzentheilen sind die Gefässhiindel aus Bastzellen und
Spiral-, Ring- und Netzgefässen gebildet. Ein bedeutender
Unterschied herrscht zwischen dem Gefässbündel , der erst
ein Jahr alt ist und dem, der sich zu Holz umgewandelt hat
und mehrere Jahre existirl. Bei der Untersuchung der Ge¬
fässbündel hat man daher vorzugsweise sein Augenmerk zu
richten auf die ursprünglichen oder primären Gefässbündel,
auf die zu Holz umgewandelten Gefässhiindel und auf das
sogenannte Bildungsgewebe ; ein zartes Gewebe, was inmitten
der Gefässe auftritt und die eigentliche Stätte des Wachs¬
thums ist, indem hier neue Zellen sich entwickeln, die für
neue Theile verwendet werden.
III. Die Oberhaut und ihre Bekleidung*.
(Taf. 29—33 incl.)
Betrachten wir nun, nachdem uns das Vorstehende mit
den inneren Organen und ihren Verrichtungen im Wesent¬
lichen bekannt gemacht hat, das Aeussere, die Oberfläche
der Pflanzen. Bei einiger Vorsicht ist es hei vielen Pflanzen¬
theilen ein Leichtes, die äusserste, farblose Schicht, Oberhaut
(epidermis) genannt , in kleineren oder grösseren Stücken
abzuziehen. Nicht möglich ist dies bei den Zellenpflanzen
(Kryptogamen), den jugendlichen Gefässpflanzen, der Wurzel
und der Blüthennarbe, welchen beiden letzteren Pflanzentheilen,
deren beziehungsweise Verrichtung Aufnahme der flüssigen
Nahrung und Aufnahme des Pollenstaubes ist, der erwähnte
Ueberzug in ihren Funktionen hinderlich sein könnte. Bringt
man ein Stückchen Oberhaut unter das Mikroskop, so ge¬
wahrt man im Allgemeinen, dass die Zellen derselben meistens
flach gedrückt, manchmal auch höher oder niedriger neben
einander stehend sind, was besonders ein Querschnitt erkennen
lässt. Sicht man die Zellen von der Fläche an, so erscheinen
Taf. 29, 30 sie bald in langgestreckter, bandartiger Form, Taf. 29 Zellen-
und 31. gewebe aus der Oberhaut der gemeinen Schwertlilie , bald
Spaltöffnungen. jn regelmässig sechseckiger Form, Taf 30, b Zellengewehe
der Epidermis son der oberen Blattfläche eines schwimmenden
Blattes des Wasserhahnenfusses (Ranunculus aquatilis L.),
bald in irregulärer Form , Taf. 31 Zellengewebe aus der
Epidermis des gemeinen Gartenampfers (Rumex patientia L.).
Vergebens wird man in diesen Zellgeweben Intercellulargänge
suchen, denn die Zellen schliessen überall dicht an einander;
wohl aber erblickt man hin und wieder gewisse Lücken, in
denen Oberhautzellen zu fehlen scheinen, die aber von zwei
halbmondförmigen Zellen, welche mit ihren concaven Seiten
zugekehrt sind, desswegen einen freien Raum, Spalten in
der Oberhaut bilden und daher den Namen Spaltöffnungen
(stomata) führen, ausgefüllt sind. Siehe Taf. 29, 30 und 31
bei al Es sind sehr kleine , V„ - 7,00 Linie grosse , ei¬
förmige OefFnungen, welche den Zweck haben, die Commu-
nication, Wechselwirkung zwischen dem Innern der Pflanze
und der Atmosphäre zu ermöglichen. Wenn auch der Bau
der SpaltölFnungen im Allgemeinen ein übereinstimmender
ist, so findet doch eine Verschiedenheit in der von den beiden
Spaltöffnungszellen und Oberbautzellen gebildeten Lücke statt.
Die Spaltöffnung liegt nämlich bald am obern , bald am
unteren Rande und bald in der Mitte der Lücke, und mündet
zugleich in die unterhalb liegenden Intercellulargänge, wo¬
durch die mehr genannten Spalten eine Hauptrolle bei der
Einsaugung und Ausdünstung spielen. Die Epidermis ist,
wie schon erwähnt, eine durchsichtige, farblose Hülle ohne
Chlorophyllkügelchen, die aber in den Spaltöffnungszellen
vorhanden sind. Zuweilen aber ist der Saft der Oberhaut
gefärbt, wodurch ein buntes Ansehen bewirkt wird. Durch
die Verdickung der Oberhautzellen wird manchen Blättern
eine lederartige Beschaffenheit gegeben. Vorzugsweise sind
die Spaltöffnungen auf allen grün gefärbten Pflanzentheilen,
besonders auf der unteren Seite der Blätter; bei den niederen
Pflanzen kommen sie nur bei einigen Moosen vor; nie aber
sind sie auf den Wurzeln anzutreffen. Auf einer einen
Quadratzoll grossen Epidermis kann man manchmal über
1000 Spaltöffnungen zählen. Oefters sind die Spaltöffnungs-
zellen mehr herabgesenkt, so dass ein gewisser Vorhof zur
Spaltöffnung gebildet wird. Die im Allgemeinen zum Schutze
des zarten, weichen Pflanzengewebes dienende Oberhaut hat
bei manchen Pflanzentheilen, besonders den Blüthenblättern
ein sammetartiges, glänzendes Aussehen, was dadurch be¬
wirkt wird, dass die Oberhautzellen aufrecht stehen, oben
kegelartig geformt sind oder kleine Hügel bilden , die das
Licht reflectiren und so einen Glanz verbreiten. — Betrachtet
man den Querschnitt einer Oberhaut genauer, so findet man
bei mancher 3 verschiedene Schichten. Die oberste, äusserste
Lage, Wachsschicht, besteht aus lauter feinen Körnchen,
welche manchen Blättern , z. B. denen des blauen Kohls,
manchen Früchten, wie der Pflaume ein „bereiftes“ Aussehen
geben. Diese Körnchen sind Wachs, welches durch Eintauchen
eines Blattes in Aelher verschwindet. Die zweite Lage ent¬
hält eine klare, dem Zellstoff ähnliche Substanz, die von
den Oberhautzellen abgesondert wird , Absonderungsschicht.
Sie ist bei manchen Pflanzen nur als ein fettiger Ueberzug
zu erkennen, der von Wasser nicht benetzt wird. Die Dicke
der Absonderungsschicht ist verschieden; sie fehlt gänzlich
den in den Knospen noch eingeschlossenen jungen Pflanzen¬
theilen, bildet sich aber allmählig, sowie die genannten Theile
mit der Luft in Berührung treten. Die dritte Schicht bilden
die bereits besprochenen Oberhautzellen.
Bevor wir die Bekleidung der Oberhaut besprechen,
haben wir hier noch der Ausdünstung , Transspirution und
Alhmung, Respiration der Pflanzen zu gedenken. Das Thier
nimmt durch den Mund die Nahrung auf, verdaut diese in
dem Magen, assimilirt, d. h. verwandelt zum Theil die ein¬
genommenen Stoffe in die ihm ähnlichen und scheidet Alles
7
ihm nicht zur Nahrung dienende aus. Auch die Pflanze muss
zu ihrer Ernährung, d. i. die Lebensthätigkeit, durch welche
ihre Erhaltung und Vergrösserung bewirkt wird , Stoffe von
aussen aufnehmen , diese assirniliren und Unbrauchbares aus-
scheiden. Aus diesen Thätigkeiten resultirt das Wachsthum,
d. h. die Erhaltung und Vermehrung der Elementarorgane
der Pflanze. Die diesen Thätigkeiten entsprechenden Organe
des Thieres, als: Mund, Magen, Darmkanal, Adersystem &c,
finden wir in der Weise nicht bei der Pflanze; die Art der
Thätigkeiten ist eine andere. Die Nahrung der Pflanze muss
entweder flüssig oder luftförmig sein , niemals kann sie im
festen Zustande, wie bei den Thieren, Eingang finden. Zur
Aufnahme der flüssigen Nahrung, welche aus Wasser mit
den in demselben aufgelösten Substanzen besteht, dienen die
Endzeilen der Wurzelfasern. Anders ist es bei den Zellen¬
pflanzen , welche zum Theil mit den ganzen Wurzelhaaren
oder wie bei den Krustenflechten mit der ganzen Oberfläche
aus der Luft die nöthige Nahrung einsaugen. Die Aufsaugung
selbst geschieht durch Endosmose; nicht aber, wie Manche
glauben in der Art, wie ein Schwamm die Flüssigkeit ein¬
zieht, denn nirgends lassen sich ,, Wurzelschwämmchen <e er¬
kennen. Die aufgenommene Flüssigkeit wandert nun durch
den Stengel zu den Aesten, Zweigen, Blättern bis zu den
entlegensten Theilen der Pflanze. Diese Wanderung geschieht
von Zelle zu Zelle, niemals aber durch die Gefässe (vergl.
pag. 5!). Denn einmal, behaupten die zu dieser Ansicht
Gehörenden , Hessen die sorgfältigsten und häufigsten Beob¬
achtungen keinen Nahrungssaft in den Gefässen erkennen,
„zudem ist bekannt, dass in die sich neu entwickelnden
Knospen, die doch gewiss viel Saft in Anspruch nehmen,
noch gar keine Gefässe hinreichen , dass bei grossen Paren¬
chymmassen oft Tausende von Zellen beisammen lebhaft ve-
getiren , ohne dass jene von Gefässen durchzogen werden,
dass ferner die Druckkraft des Saftes sehr bedeutend ist
und dennoch nicht derselbe in einem Strahle hervorspringt,
was sich erwarten Hesse, wenn die Bewegung des Saftes
durch Gefässe ging. Anderseits ist die Vorstellung ganz
einfach und der Wirklichkeit entsprechend, dass eine Zelle
endosmolisch von einer andern die Nahrungsflüssigkeit auf¬
nehme.“ Andere Physiologen sind dagegen der Ansicht,
dass die Pflanzengefässe sowohl Luft, als auch Saft führen,
mithin im letzteren Falle zur F"ortleitung des Nahrungsstoffes
dienen können, und wollen ihre Behauptung auf die Erfah¬
rung stützen, „dass allerdings in den älteren Theilen des
Stengels resp. Stammes, wenn erst der Strom des Frühlings¬
saftes vorüber ist, in den Gefässen nur noch Luft vorhanden
sei, da nach jener Periode die jüngsten Schichten zur Auf¬
nahme des aufsteigenden Saftes hinreichen, weil derselbe
dann zum grössten Theile in’s Parenchym der noch kraut¬
artigen Theile aufgenommen werde. Zur Zeit der grössten
Saftfülle im F'rühjahre sei auch das ältere Holz vom Safte
durchdrungen. Darnach enthielten die Gefässe den grössten
Theil des Jahres hindurch nur Luft , aber nicht immer.“
Bekennen wir uns zu der ersten Ansicht und merken wir
uns noch, dass, sobald die rohe Nahrung, vorzugsweise in
Wasser, Kohlensäure, Ammoniak und Salzen bestehend, in
die Pflanzen eingetreten ist, sich mit den löslich organischen
Stoffen, die sie auf ihrem Wege antrifft, verbindet. Jede
Zelle trägt zur Verarbeitung, Assimilirung des durchwandern¬
den Nahrungsstofl'es das Ihrige bei, so dass, je höher der
Nahrungssaft in die Pflanze gestiegen , desto mehr assimilirt
ist. Abgeschnittene Birken- und Weinrebenzweige lassen
den Nahrungssaft im Frühlinge, Erühlingssaft, in Menge aus-
fliessen. Nach Haies Versuchen ist die Kraft , mit welcher
der Saft in den Pflanzen emporsteigt, so stark, dass sie mit¬
unter einer 43 Fuss hohen Wassersäule das Gleichgewicht
hält. Die Hauptursache der Saftbewegung ist die schon
früher kennen gelernte Endosmose, untergeordnet wirkt
hierbei die Haarröhrchenkraft, Capillarität. Jene wird aber
fortwährend dadurch hervorgerufen, dass der von den Wur¬
zelspitzen aufgesogene Saft von Zelle zu Zelle bis zu den
entferntesten Theilen gelangt, hier an der Oberfläche der
Pflanzentheile in den letzten Zellen abermals endosmotisch
wirkt, somit, da keine andern Zellen sich weiter anreihen,
die wässerigen Theile dunstförmig in die Atmosphäre aus¬
scheidet, wodurch der Saft concentrirter und das Nachrücken
des Saftes von den unteren Zellen bedingt wird. Man nennt
diesen physikalischen Prozess di e Ausdünstung, Transspiralion
der Pflanzen. Wenn auch dieselbe fürs Gewöhnliche nicht
bemerkbar ist, so kann man sich doch leicht von der Wirk¬
lichkeit dieses Vorganges überzeugen, wenn man beblätterte
Pflanzentheile unter ein Glasgefäss bringt, die Wände des¬
selben werden bald von einer Menge von Dunstbläschen be¬
deckt. Die Organe der Ausdünstung sind die bereits erwähnten
Spaltöffnungen ( Taf. 29, 30 und 31). Je zahlreicher diese
auf der Oberfläche der Pflanzentheile sich vorfinden, desto
stärker findet die Transspiration statt; darum ist sie auf der
unteren Blattfläche bedeutender, als auf der oberen; Pflanzen
mit lederartigen Blättern und fleischigen Theilen dünsten
weniger aus und können somit noch in wasserarmen Orten
vegetiren und doch verhältnissmässig saftiger sein, als andere
Pflanzen. Die Stärke der Ausdünstung hängt aber auch von
einer schon mehr oder weniger mit Feuchtigkeit gesättigten
Atmosphäre und von der Temperatur ab. Die Menge des
von den Pflanzen in einer gewissen Zeit ausgedünsteten
Wassers ist mitunter erstaunlich. Haley will berechnet haben,
„dass die von einem Morgen Wiesenland täglich verdunstende
Quantität Wasser nicht weniger als 6 Millionen Pfund beträgt!“
Dass die grössere oder geringere Verdunstung einen mehr
oder weniger raschen Saftlauf hervorruft, und dass durch
die bedeutendere Ausdünstung mancher Theile auch die Rich¬
tung des Saftlaufes bedingt wird, ist sehr begreiflich; denn,
wo viel Flüssigkeit ausgeschieden wird, dahin strömt wieder
andere Flüssigkeit. Das Innere der Pflanzen vermag aber
nicht blos durch den mehr genannten Prozess Stoffe auszu¬
scheiden, sondern auch aus der Atmosphäre, je nachdem es
das Bedürfniss erheischt, Stoffe aufzunehmen. Es findet eine
Wechselwirkung statt. Verwelkte Blätter und Pflanzen leben
in feuchter Atmosphäre wieder auf, wesswegen man vor-
theilhaft bei Excursionen leicht hinfällige Pflanzen vor dem
Vertrocknen bewahrt, wenn man ein mit Wasser getränktes
Stück Löschpapier in die ßotanisirbiiehse legt. Die Pflanzen
erquicken sich, indem sie das verdunstende Wasser aus der
Luft durch die Spaltöffnungen einziehen. Pflanzentheilen,
die sich stets unter Wasser befinden, also von der Luft ab¬
gesperrt sind, fehlen die Spaltöffnungen gänzlich; Blätter,
die auf dem Wasser schwimmen, haben solche auf der der
Luft zugekehrten Seite, nicht auf der unteren und machen
in diesem Falle von dem gewöhnlichen Vorkommen der
Spaltöffnungen eine Ausnahme. Aus diesen Wahrnehmungen
ist aber zu schliessen , dass die Spaltöffnungen vorzüglich
zum Aus- und Eintritt der gasförmigen Körper dienen.
Manche wollen beobachtet haben , dass die Spaltöffnungen
sich bei trockener Luft ölfneu und bei feuchter schliessen,
die Natur also selbst eine zu grosse Verdünnung des Nali-
rungsstoffes durch Aufnahme von feuchter und eine zu starke
Conccntration des Saftes durch Ausscheidung der wässerigen
Theile nach dem Bedürfniss regulire. — Setzt man frische
8
Blätter oder andere grüne Pflanzentheile in Wasser unter-
getauclit, etwa in einem einerseits verstopften, mit Wasser
gefüllten und durch Wasser abgesperrten Glastrichter dem
Lichte aus, so sammeln sich in der Spitze des Trichters nach
und nach eine Menge kleiner Luftbläschen an. Die nähere
Prüfung zeigt, dass die sich angesammelte Luft reines Sauer-
stoffgus ist. In der That scheiden alle grüne Pflanzentheile
unter item Einflüsse des Lichtes Sauersto/T aus ; während
sie der Luft Kohlensäure entziehen. Diesen gegenseitigen
Austausch der gasförmigen Stoffe der Pflanzen und der der
Atmosphäre nennt man den Athmungsprocess oder die Re¬
spiration der Pflanzen. Diese bereichern die Luft an Sauer¬
stoff, während die Thiere denselben aus der Luft wegnehmen
und Kohlensäure aushauchen, die von den Pflanzen wieder
eingesogen wird. Ein Reich dient so zur Erhaltung des
andern; ökonomisch geht auch die Natur in ihrem grossen
Haushalte zu Werke! Bei der Abwesenheit des Lichtes, in
der Nacht, findet der Athmungsprozess in umgekehrter Weise
statt, indem die Pflanzentheile Sauerstoff aufnehmen und ge¬
ringe Kohlensäuremenge aushauchen. Darum ist das Schlafen
in einem Zimmer, in welchem Blumenstöcke stehen, nacli-
theilig. Alle nicht grünen Pflanzentheile, also immerhin der
kleinste Theil der Pflanzen, stimmen in ihrer Respiration mit
der der Thiere überein. Während man über den Grund,
warum die Respiration der grünen Pflanzentheile sich bei
Abwesenheit des Lichtes verändert, noch nicht völlig im
Klaren ist, gibt man als Ursache der Aushauchung des Sauer¬
stoffs Folgendes an: Die Nahrung der Pflanzen besteht haupt¬
sächlich, wie schon angegeben, aus Wasser, Kohlensäure
und Ammoniak. Diese Stoffe in Hinsicht ihrer chemischen
Zusammensetzung mit den Substanzen, welche die Pflanze
bilden, als: Zellstoff, Stärkemehl, Zucker &c., in welche
sich doch die rohe Nahrung im Laufe der Zeit umwandeln
muss, verglichen, zeigt, da Zellstoff, Stärkemehl, Zucker <fcc.
hauptsächlich aus KohlenstolF, Wasserstoff und Sauerstoff be¬
stehen, dass ein beträchtlicher Ueberschuss an Sauerstoff
gebildet, der in die Luft abgeschieden wird.
Taf. 32 u. 33. Zum Schlüsse haben wir bei Betrachtung der Oberhaut
Haare, Drüsen- noch ihrer Bekleidung , ihrer Anhänge oder Fortsätze zu er-
haare^ Brenn- wähnen. Es ist etwas sehr Bekanntes, dass sich manche
Oberhaut Pflanzentheile glatt, andere rauh, wollig, haarig, borstig,
filzig &c. anfühlen. Schon das blosse Auge erkennt die
Ursache hiervon, indem es bei genauerem Zusehen die Ober¬
fläche der Pflanzen mit Haaren, Borsten dcc. mehr oder
weniger bedeckt findet. Diese Organe bilden die Anhänge
oder Fortsätze oder die Bekleidung der Epidermis. Man
unterscheidet Papillen, Haare, Drüsen, Drüsenhaare, Brenn¬
haare, Borsten, Stacheln und Warzen. Der Papillen, welche
als hervorragende Zellen erscheinen , wurde schon früher
Erwähnung gethan ; sie finden sich meistens auf Blumen¬
blättern , wodurch diese den Sammetglanz erhalten. Inte¬
ressanter erscheint für uns die mikroskopische Betrachtung
der Haare, Drüsenhaare und Brennhaare. Die Haare können
aus einer einzigen, aus der Oberhaut hervorgezogenen Zelle
oder aus mehreren bestehen und die verschiedenartigsten
Formen haben. Sammeln sich am oberen abgestumpften
Ende des Haares besondere Stoffe (ätherische Oele) an, so
nennt man solche Haare Drüsenhaare. Die Figuren der
Taf. 32 und 33 bieten hinlängliche Anschauung von den
mannichfaltigsten Formen und dem inneren Baue der Drüsen¬
haare und Haare dar. Taf. 32, Fig. A, ein einzelliges Drü-
senhaar eines Kreuzhlülhlers ; Fig. B ein einzellig zweifach
verästeltes Drüsenhaar eines Kreuzhlüthlers ; Fig. C ein
mehrfach verästeltes Drüsenhaar eines Kreuzhlüthlers ; Fig. D
ein Drüsenhaar von dem Bliithenstiele des Löwenmauls (An-
tirrhinum), a Zellen der Oberhautschicht; Fig. E mehrfach
verästeltes Drüsenhaar von einem Lippenblüthler . Taf. 33,
Fig. A ein Brennnesselhaar ; Fig. B ein Stück Oberhaut von
dem Blatte der Nachtkerze (Gaura biennis L.) mit zwei
Haaren ; Fig. C ein Haar von der gemeinen Zaunrübe
(Bryonia alba L.) ; Fig. D ein rosenkranzförmiges Haar von
einem Nelkenblülhler. Die Zellen der Haare sind in der
Regel mit Luft oder farblosem, selten mit gefärbtem Safte
angefüllt. Dem sehr eigenthümlichen Baue der Brennhaare,
wie sie die Brennnessel hat, dürfte noch einige Aufmerksam¬
keit zu schenken sich lohnen. Wen hat die Nessel nicht
schon gezüchtigt! „Wenn die Kinder hinaus wallfahrten an
die grüne Hecke, um Veilchen zu suchen oder purpurne
Erdbeeren, — so brennt die böse Nessel die Eifrigen an
Hände und Gesicht, rothe Bläschen entstehen auf der Haut
und der heftige Schmerz will oft tagelang nicht vergehen!“
Man kann die Nesseln die Schlangen des Pflanzenreichs
nennen. „Das Gift unserer einheimischen Nesseln und Schlan¬
gen ist nur unbedeutend; aber je mehr wir uns den Tropen
nähern , desto häufiger und gefährlicher werden beide. Wo
die glühende Sonne Indiens das Gift der furchtbaren Brillen¬
schlange kocht, da wachsen auch die gefährlichsten Nesseln.
Keine Ahnung haben wir von den Qualen, welche die Nesseln
in Ostindien hervorrufen.“ Wie Taf. 33, Fig. A zeigt, wird
dieses Brennhaar aus einer einzelnen langen Zelle gebildet,
die oben in ein kleines Köpfchen endet. Am Grunde ist das
Haar sackförmig erweitert und enthält in dieser Erweiterung
ein ätzendes Gift. Die geringste Berührung reicht hin , um
das sackförmige Köpfchen oben abzubrechen, wodurch das
Haar geöffnet und in die weichem Theile eingedrungen, in
Folge des Druckes, „der durch den Widerstand beim Ein¬
dringen auf das Säckchen ausgeübt wird ein Theil des
Giftes in die Wunde strömen lässt und so den Schmerz ver¬
ursacht.
IV. Der innere Dan des Stengels.
(Taf. 34—37 incl.)
So ausserordentlich verschieden auch der Stengel im
Aeussern für das Auge erscheinen mag, so bietet das Innere
dieses Theiles bei vielen Pflanzen ein überraschendes Ueber-
einstimmende dar. Der Stengel, der je nach der Form und
Masse bald Stamm, Halm, Strunk &c. heissen kann und der¬
jenige Theil ist, der sich aus der Wurzel entwickelt und
Anhangsorgane treibt, ist bei jeder Pflanze im jugendlichen
Zustande im Innern von Zellen gebildet, aus denen im Laufe
der Zeit Gefässe und Gefässbiindel entstehen , die dem ge¬
nannten Pflanzentheile eine grössere oder geringere Festig¬
keit verleihen. Führen wir einen Schnitt, senkrecht zur
Axe des Stengels , so gibt uns der so erhaltene Querschnitt
durch die sehr charakteristische Gruppirung der Gefässbündel
schon Aufschluss, ob die betreffende Pflanze zu der Gruppe
der ohn-, ein- oder zweisamlappigen Pflanzen (Akotylcdonen,
Monokotyledonen, Dikotyledonen) gehört. —
9
schnitte mono-
kotyledonischer
Pflanzen.
Taf. 34, Steigen wir von den unvollkommneren Pflanzen zu den
Fig. A u. B. vollkommneren und betrachten wir zuerst einen Querschnitt
Stengeidurch- des Stengels der akotyledonischen Pflanze, so sehen wir,
«chniiieakotyle- j . ^ Fio. A um / ß (]ass jn ejnem solchen Stengel alle
«tonischer Pflan- - , , , , . . , . ,
zen Gefässbündel gemeinschaftlich und in der mitte, wie bei den
Schachtelhalmen , Lykojwdien und .Voosen, Fig. A, oder in
einzelnen grösseren Partieen zusammengestellt sind , wie bei
den Farnkräutern , Fig. B. Ein charakteristisches Merkmal
der Akotyledonen ist noch, dass die Gefässbündel nur an der
Spitze durch Ansetzen neuer Theile wachsen.
Taf. 34, Taf. 34, Fig. C and D zeigen zwei Querschnitte von
Fig. C u. D. Monokotyledonen , der erstere von einem Spargelstengel, der
Stengeidurch- letztere von einer Palme. Charakteristisch für den Bau
dieser Stengel ist, dass die geschlossenen Gefässhündel ohne
Ordnung im Zellgewebe vertheilt erscheinen. Das Wachs-
thum w'ird meistens dadurch bewirkt, dass neue Gefässhündel
im Umfänge des Stengels auftreten und sich bis zur Spitze
desselben verlängern. Wenn auch die Mitte der hierher ge¬
hörenden Stengel von Gelässbündeln manchmal befreit sein
kann, so wird diese doch niemals, wie wir dies bei den
Dikotyledonen sehen werden, von dem Gefässbündelkreis
scharf und regelmässig abgeschlossen auftreten. Einen ganz
besonders eigenthümlichen Bau zeigt in dieser Hinsicht der
Stengel (Hahn) der Gräser. Indem nämlich hier die Gefäss-
bündel immer gegen den Umfang des Halmes zusammenge¬
drängt werden, isolirt sich das Zellgewebe im Innern des
Halmes, verschwindet mit der Zeit gänzlich und bildet eine
Höhlung mit Ausnahme der Knotenstellen, wo die Gcfäss-
bündcl zweier Stengelglieder „queriiberlaufen“ und dadurch
eine Scheidewand bilden. Ungeachtet des an und für sich
leichten Baues der Grashalme besitzen dieselben doch ver-
hältnissmässig eine ziemliche Stärke und Festigkeit, die ganz
besonders durch die Ablagerung von Kieselerde in der Ober¬
haut bewirkt wird. Eine Holzbildung besitzen nur die riesigen
Gräser der Tropenländer. Unter allen monokotyledonischen
Pflanzen repräsentirt vorzugsweise die Palme die eigentliche
Holzbilduny. Der cylindrische oder bauchförmige Stamm
derselben hat von aussen ein schuppenartiges Ansehen, wel¬
ches durch die Blattnarben der abfallenden Blätter hervor¬
gebracht wird. Der Querschnitt eines Palmenstammes , Taf.
34, Fig. D zeigt , dass wenige , aber grössere Gefässhündel
gegen die Mitte, dahingegen mehr, aber kleinere Gefässhündel
gegen den Umfang des Stammes liegen. Die Festigkeit und
Stärke des Palmenholzes nimmt daher nicht, wie bei dem
Holze der Dikotyledonen (unsere Waldbäume) von aussen
nach innen , sondern von innen nach aussen zu. Bei der
Sagopalme fehlen im Innern des Stammes die Gefässhündel,
dasselbe ist mit Mark angefüllt, in welchem sich reichlich
Stärkemehl (Sago) abgelagert vorfindet. Aus dem Längs¬
schnitte eines Palmenstammes ersehen wir, dass die Gefäss-
bündel in den Blattnarben oder den endständigen Blättern
endigen , von diesem Endpunkte nach unten aber zuerst sich
dem Innern des Stammes zuwenden und dann bogenförmig
nach aussen, ziemlich parallel mit der Oberfläche des Stammes
verlaufen. Zugleich nehmen die Gefässhündel bei ihrem
weiteren Heruntertreten an Dicke ab. Hieraus erklärt sich,
warum die Gefässhündel, Fig. V, in der Mitte grösser und
weniger auftreten, als am Bande; denn die in der Milte ge¬
legenen Gefässhündel sind mehr nach oben , also wo sie
grösseren Durchmesser haben , durchschnitten.
^ 35. Wenden wir uns nun zum Stengel einer diko/ylet/onischen
Querdurciisciimit pf]an7e wozu die Stämme unserer Waldbäume gehören,
de* Summe* ’ ° ’
einer dikotyledo- Taf. 36, so finden wir hier als charakteristisches Merkmal,
niachen Pflanze, dass die Gefässbündel regelmässig in Kreise gestellt sind.
„Das Wachsthum findet sowohl an der Spitze der Gefäss¬
bündel statt, als auch dadurch, dass neue Kreise von Ge-
fässbiindel im Umfange sich einschieben.“ In dem Stengel
der krautartigen Dikotyledonen herrscht besonders das Mark
vor, das mit der Zeit auch vertrocknet, auch ganz ver¬
schwindet und eine Höhlung im Innern zurücklässt (Dolden¬
gewächse). Ganz besondere Aufmerksamkeit verdient der
innere Bau des Stammes unserer Bäume und Sträucher. Sie
sind nicht, wie viele andere zu dieser Gruppe gehörenden
Pflanzen bald hinfällig, sondern durchleben eine Reihe von
Jahren. Während dieser langen Zeit wird das anfangs zarte
innere Gewebe mehr und mehr in ein dichteres, festeres
Gefüge, in eine holzige Masse verwandelt. Der Saft, der
ehedem das Innere durchzog, verschwindet in der Folge,
indem er an die Wandungen sich ablagert, diese also verdickt
und so die Prosenchymzellen erstarkt, dass sie mit Recht
den Namen Holzkellen verdienen. Sie sind in den holzigen
Theilen Herr geworden; spärlich finden sich noch Treppen-
gefässe und punktirte Gefässe vor. In den jüngeren Theilen
des Stengels sind noch Netz-, Ring- und Spiralgefässe;
durch ihre Umwandlung scheint vorzugsweise die Verholzung
bewirkt zu werden. Die Stengelmasse der dikotyledonischen
Pflanzen lässt mehr oder weniger 3 Theile erkennen , näm¬
lich : die Rinde , das Holz und das Mark.
a. Die Rinde (cortexj.
Sie besteht, Taf. 35, b, aus der Oberhaut, der äusseren
Zellschicht , der inneren Zellschicht und dem Baste. Die
Epidermis ist der äusserste Theil , überzieht das Ganze bei
noch jüngeren Pflanzen und besteht aus dem schon erwähn¬
ten gleichförmigen Zellgewebe, das bei krautartigen Pflanzen
mit Spaltöffnungen versehen und die genannten Bekleidungs¬
organe besitzt. Durch das Einschieben neuer Gefässbündel
um die Axe des Stengel gewinnt dieser an Ausdehnung,
wodurch die Oberhaut zerspringt, der Verwesung preisgegeben
wird und so nach und nach verschwindet. — Die äussere
Zellschicht verdickt sich beim Zerreissen der Oberhaut, vor¬
her besteht sie aus einem mauerförmigen Zellgewebe. Zur
Korkschicht wird die äussere Zellschicht, wenn die durch
fortwährendes Wachsthum erzeugte Zellenbildung wieder
nach und nach abstirbt. Deutlich ist die Korkbildung bei
unserm Massholder (Acer campestris) und ganz besonders
bei der in Südeuropa vorkommenden Korkeiche (Quercus
suber) zu sehen. Viele Pflanzen haben auf der Rinde eigen-
thümliche Erhöhungen, Rindenhückerchen (Lenticellen) ge¬
nannt. Sie entstehen durch Anhäufung lockerer, unter der
Oberhaut liegender Zellen, die später die Epidermis durch¬
brechen. Die Oberhaut der Pappeln und Birken haben solche
in Menge. — Schabt man an einem Hollunderzweige die
obere gräuliche Haut weg, so kommt man auf eine darunter
liegende grüne Haut , sic ist die innere Zellschicht , deren
Zellen häufig mit Chlorophyll angefüllt sind. Auch diese
Schicht zeugt gleich der vorigen gern neue Zellschichten
und wird Ursache der sogenannten „Borkenbildung“. Die
rauhe Borke der Eiche und des Birnbaums entsteht dadurch,
dass die Rinde am älteren Stamme, welche der Ausdehnung
des Holzes nicht entspricht, zerrcisst. An den Spaltungen
aber wirft sich die Rinde in die Höhe, wird jedoch noch
mit neuen Zcllenanlagerungcn versehen , die nach und nach
absterben und dem Stamme so das rauhe Ansehen geben. —
Als vierte Schicht der Rinde zählt man in der Regel den
Bast (über), der zwischen der Rinde und dem Holze liegt,
wiewohl er eigentlich nicht zur Rinde zu zählen ist , weil
2
10
er aus Gefässbiindeln gebildet wird , auch keine Saftgänge,
wie die eigentliche Rinde, enthält. Die Bnstschicht erscheint
auf dem Querschnitte eines Stammes als ein von den Mark¬
strahlen unterbrochener Ring. Der Bildungssaft oder das
Cambium, Taf. 35, d, tritt im Frühling zwischen dem Baste
und der äussersten Holzschichte auf, ist ein sich entwickeln¬
des Zellgewebe, das von trüber Flüssigkeit angefüllt, sich
Jahr für Jahr nach aussen in Bast, nach innen in Holz ver¬
wandelt. Durch diesen Vorgang entstehen eoncentrische
Ringe (Jahresringe), die man auf einem Querschnitt eines
Stammes leicht bemerkt und die, da sie sich alljährlich um
einen vermehren, das Alter eines Stammes angeben. Auch
der Bast besteht aus verschiedenen Schichten, von denen die
nach innen liegende die jüngste, während beim Holze dies
die äussersle ist.
b. Das Holz (lignumj.
Taf. 36. Es besteht aus gestreckten Prosenchymzellen und mehr
Schnitt aus dem oder weniger punklirten Gelassen. Taf. 36 stellt einen
Holz der Kiefer Längsschnitt durch das Mark der gemeinen Kiefer dar, um
y j. g-, die eigentlichen langgestreckten Holzzellen zu zeigen , die
Schnitt aus dem hier das eigenthümliche, schon erwähnte, getüpfelte Ansehen
Holz der Eiche, haben. Taf. 37 ist die Abbildung eines Längsschnittes aus
Eichenholz , a. Holzzellen, b. punktirle Gefässe. Der Ent¬
stehung der Prosenchym- oder Holzzellen haben wir oben
schon Erwähnung gethan. Mit jedem Jahre entstehen neue
Holztheile, indem die mehr Gefässe haltigeren Gewebe sich
grosstentheils verholzen und ein geringer Theil von ihnen
als solche bestehen bleibt. Das in jedem Jahre gebildete
Holz ist leicht an den schon erwähnten Jahresringen zu er¬
kennen , die man zur Bestimmung des Alters am zweck-
mässigsten am unteren Ende des Stammes zählt. Die
äussersten Jahresringe bestehen noch aus einer weicheren,
V. Die Befruchtungsorgane un
(Taf. 38-
Nachdem wir in dem Vorhergehenden uns von dem
Baue und der Verrichtung der einfachen Organe einer mehr
oder weniger ausgebildeten Pflanze wenigstens im Wesent¬
lichen eine Vorstellung verschafft haben, bleibt uns nun noch
die Betrachtung der Organe übrig, wodurch die Befruchtung
einer Pflanze bewirkt wird und in Folge derer der Same
zur Fortpflanzung sich entwickelt.
Unter der Fortpflanzung einer Pflanze verstehen wir die
Erzeugung ihres Gleichen aus dem Samen, wenn diesem die
zur Entwicklung günstigen Einflüsse zugeführt werden.
Wohl zu unterscheiden ist die Vermehrung einer Pflanze
durch Knollen, Zwiebeln, Knospen, Ableger, Stecklinge <fcc.
in welchem Falle ein Pflanzentheil selbsständig wird und
nicht nur die wesentlichen, sondern auch zufälligen Eigen¬
schaften der Mutterpflanze beibehält, während die Fortpflan¬
zung ein Individuum erzeugt, dessen wesentlichen Theile
schon angedeutet im Keimlinge des Samens liegen, und das
nur in den charakteristischen Merkmalen der Mutterpflanze
übereinstimmt.
Die Kryptogamen oder biiilhenlosen Pflanzen, denen wir
hier nur eine vorübergehende Aufmerksamkeit schenken
können, pflanzen sich durch Keimkürner, Sporen fort. Diese
Fortpflanzungsorgane sind, namentlich bei den niederen
Kryptogamen , nur einzelne Zellen oder eine Vereinigung
saftigeren Holzmasse , während die der inneren hart und
vollständig verholzt ist ; daraus erklärt sich die schon ge¬
machte Angabe, dass das Holz der üikotyledonen hinsichtlich
der Festigkeit von aussen nach innen zunimmt. Auch durch
die Farbe unterscheiden sich die Jahresringe, indem die
äusseren heller gefärbt sind , als die inneren. Jene bilden
den Splint , diese das Kernholz. Sehr deutlich tritt dieser
Farbenunterschied bei der Buche hervor, indem der weissliche
Splint sehr bedeutend gegen das braunröthliche Kernholz ab¬
sticht. Da die Vegetationskraft der Pflanze mit zunehmendem
Alter abnimmt, in gleichem aber der Stamm in seiner Peri¬
pherie zunimmt, so können die letzten Jahresringe nicht mehr
die Dicke besitzen , wie die älteren.
c. Das Mark (medulla).
Es nimmt den innersten Theil des Stammes ein, Taf. 35, Taf. 35.
a, wird in der Regel von kugelförmigen Zellen gebildet und Weitere Erklä-
ist durch den Gefässbündelkreis der Holzmasse scharf abge- rung <JerselbeB-
grenzt. Meistens tritt das Mark als lockeres, leichtes,
schwammiges Gewebe auf, das ehedem Saft enthielt, diesen
aber im Laufe der Zeit verlor und nun mit Luft erfüllt ist.
Dadurch, dass das Mark sich zwischen den einzelnen Ge-
fässpartieen bis zur Rinde fortsetzt, wird eine Communication
zwischen dieser und dem Marke hergestellt. Mit dem Wachs-
thume der Gefässpartieen rücken diese jedoch näher aneinan¬
der, wodurch das eingeschobene Markgewebe zusammenge¬
presst mehr oder weniger als dünne Platten sich der Länge
nach durch den Stamm zieht, auf dem Querdurchschnitte aber
als sogenannte Markstrahlen (Taf. 35, c) , welche vom
Mittelpunkte des Stammes strahlenförmig auslaufen , zu be¬
merken sind. Die Markschichten selbst zeigen sich durch
einen besonderen Glanz aus und führen den Namen Spieyel-
fasern.
die Entwicklung des Samens.
42 incl.J
mehrerer Zellen, welche ohne einen besondern Akt der Be¬
fruchtung sich gebildet haben, in denen die Anlage zur neuen
Pflanze nicht angedeulet ist und aus denen, von der Mutter¬
pflanze sich gelöst, neue Individuen emporkeimen. Der
Zelleninhalt theilt sich, die entstandenen Theile wiederholen
die Thätigkeit, so dass auf diese Weise neue Pflanzen ent¬
stehen. Die grosse Analogie zwischen dieser Art Fort¬
pflanzung und der Vermehrung der Phanerogamen lässt sich
offenbar nicht verkennen. Anders verhält es sich schon bei
den höher stehenden Kryptogamen, den Moosen und Farn¬
kräutern , deren Fortpflanzung durch Keimfrüchte oder Spo-
rangien bewirkt wird. Sie bilden keinen integrirenden Theil,
und wenn auch hier von keiner eigentlichen Befruchtung
die Rede ist, so stimmen diese Gebilde in ihrem Habitus
schon mehr mit der Frucht höherer Pflanzen überein. In
den Sporangien , die kapselartig gebildet sind , entwickeln
sich die zur Fortpflanzung nöthigen Keimkörner. In ihrer
Nähe linden sich Antheridien , so genannt, weil ihr Inhalt,
die sogenannten Samenthierchen , den befruchtenden Theil
ausmacht, also in der F'unktion mit den Antheren der sicht¬
bar blühenden Pflanzen übereinstimmt. Wenigstens haben
die Beobachtungen bis jetzt vermuthen lassen , dass durch
die fadenförmigen Samenthierchen, die zwar noch nicht voll¬
kommen untersucht, aber doch nichts Thierisches , sondern
11
im ausgebildeten Zustande nur eine rasche, drehende,
schlangenartige Bewegung erkennen lassen, die Entwickelung
der Sporen bedingt ist.
Bei weitem wichtiger für uns ist die Kenntniss von dem
inneren Baue und den Funktionen der Befruchtungswerkzeuge
der sichtbar blühenden Pflanzen , der Pluinerogamen. Die
Blüthe, „die schöne, schmuckvolle Werkstätte,“ birgt in sich
den wundervollen Vorgang der Samenbildung. Wer sich die
geringe Mühe nimmt, ein Paar Blüthen näher anzusehen,
wird finden, dass sich bei der Blüthe meistens 4 verschiedene
Abtheilungen blaltartiger, kreisförmig angeordneter Theile,
Blatlkreise, unterscheiden lassen. Sie heissen : Kelch (calix),
Blumenkrone (corolla) , Staubgefüsse (stamina) und Stempel
(pistilluni). Die beiden ersten Kreise dienen zur Beschützung
der zarten, inneren Organe, führen den Namen Bliilhendecken,
können entweder vollständig getrennt als Kelch und Blumen¬
krone, oder zu einer Blüthenhülle (Perigon) vereinigt auf-
trelen und sind, da sie Nichts zur eigentlichen Fortpflanzung
beitragen, sogar gänzlich fehlen können, in welchem Falle
man die Blüthe nackt nennt, als unwesentliche Bliilhentheile
anzusehen. Die beiden inneren Blattkreise müssen, wenn
eine Befruchtung und Samenbildung statt haben soll, noth-
wendig vorhanden sein und heissen darum wesentliche Blü—
thentheile.
a. Staubgefässe (stamina).
Dass man sie als zum Befruchtungsakte umgewandelte
Blumenkronenblätter ansehen kann , davon überzeugen uns
viele Pflanzen, in welchen die Staubgefässe noch ein ent¬
schieden blattartiges Aussehen haben. In der That lassen
sich aber auch die fadenförmigen Staubgefässe mancher
Blüthen in Blumenkronenblätter zurückführen , wodurch die
Blüthe voller (gefüllt) wird, wie dies unsere Gartenblumen
sattsam beweisen. An den Staubgefässen unterscheiden wir
3 Theile: die Staubfäden oder Staubträger ( filamenta), faden¬
förmige, stielartige Gebilde; die Staubbeutel oder Staubkolben
(antherae), kleine, häutige, meist zweifächerige Säckchen,
und den Blüthenstaub oder Pollen (pollinariuin) , welcher
den Inhalt der Antheren ausmacht und den wesentlichen
Theil des Staubgefässes bildet. Die Verschiedenheit in Zahl,
Länge, Verwachsung, Anheftung und andere Verhältnisse der
Staubgefässe zu berücksichtigen, ist Aufgabe der Pflanzen-
Morphologie, wir beschränken uns hier auf den inneren Bau
und die Funktionen genannter Organe. — Da von den Staub¬
gefässen die Befruchtung angeregt wird, sie also den activen
Theil ausmachen, so nannte sie schon Linne die männlichen
Blüthenwerkzeuge , im Gegensatz zu den aufnehmenden , die
weitere Entwicklung des Embryo’s befördernden Theilen
oder weiblichen Bliithenwerkzeugen , die wir im vierten
Blatlkreise oder dem Stempel kennen lernen. Die zwei-
fächerigen Säckchen der Antheren lassen sich meistens leicht
durch ein Querschnitt deutlich erkennen (Tulpe). Sobald
der Pollen reif geworden , springen diese Querschnitte auf
und streuen den Pollen aus. Das Aufspringen selbst ist ver¬
schieden, da es entweder in Längsspalten, oder durch Löcher
an der Spitze, oder durch Klappen slattfmden kann. Dieser
Blüthenstaub oder Pollen, den wir schon als den wichtigsten
Theil der Staubgefässe bozeichneten, besteht aus einer Menge
kleiner Körnchen, die uns als Staub erscheinen, und in ihrer
natürlichen Grösse im Durchmesser von — %00'" schwan¬
ken. Zu den grössten Pollenkörnern sind die der Schwert¬
lilien und Lilienarten zu rechnen ; sie lassen sich schon mit
unbewaffnetem Auge unterscheiden. Die Menge , in welcher
die Pollenkörner auftrelen, ist mitunter sehr erstaunlich, wie
wohl doch in den meisten Fällen eine weit geringere Anzahl
zur eigentlichen Befruchtung hinreicht. „Die Natur hat aber
schon im Voraus den Untergang so vieler gleich bei der
Anlage mit in Rechnung gebracht. Die Gefahren, welche
ihrem Untergänge auf dem Wege von den Staubgefässen
bis zum aufnehmenden Fruchtorgan herbeiführen können,
sind berücksichtigt und zwar sind stets um so mehr im
Ueberfluss vorhanden , je grösser die Schwierigkeiten des
Uebertragens sind. Eine Blüthe der Wunderblume (Mirabilis
Jalapa) hat 293 Körnchen Blüthenstaub und bedarf zur Be¬
fruchtung nur 3; eine Blüthe der Dreistundenblume (Hibiscus
trionum) erzeugt 5863 Körnchen und 50 sind hinreichend.
Noch grösser ist die Anzahl der überzähligen Pollenkörnchen
bei denjenigen Pflanzen, bei welchen die eine nur Pollen-
blüthen, die andere nur Samenblüthen hervorbringt. Förm¬
liche Wolken von Blüthenstaub schweben aus den dicken
Blüthenbiischeln der Kiefer und Weide und werden von dem
Luftzuge weiter getragen, bis sie zu den Samenpflanzen ge¬
langen.“ (Herrn. Wagner.) Diese ungeheuren Mengen von
gelben Pollenkörnern , welche im Frühjahre aus den Kiefer¬
waldungen in die Luft kommen , sind die Veranlassung zu
dem bei dem Volke bekannten „Schwefelregen“; ein starker
Regen schlägt die Staubwolken zu Boden und spült die
schwefelgelben Massen zusammen. Die Pollenkörner treten
meistens getrennt, selten in Aggregaten auf; aber so winzig
sie dem blosen Auge Vorkommen, so sind diese Körnchen doch
häufig mit den prachtvollsten mikroskopischen Verzierungen
ausgestattet. Taf. 38, 39 und 40 geben uns zu dem Ge¬
sagten die Belege. Hinsichtlich der Totalform der Pollen¬
körner herrscht eine grosse Mannichfaltigkeit, indem sie bald
kugelig, bald elliptisch, dreieckig, vieleckig &c. sind. Auf
Taf. 38 sind Pollenkörner der Feuerlilie (Lilium bulbiferum
L.) abgebildet. Taf. 39, Fig. A ist eine Abbildung der sehr
abnormen Bildung des Fichtenpollenkorns , das aus zwei
grösseren Zellen besteht , die durch eine dritte verbunden
sind; Fig. B, Pollenkorn von der dreifarbigen Winde (Con-
volvulus tricolor L ); Fig C, Pollenkorn der gemeinen Weg¬
warte oder Cichorie (Cichorium intybus L.), dieses Pollenkorn
ist, wie alle Pollenkörner der Compositeen, durch die zier¬
liche polyedrische Gestalt charakterisirt. Taf. 40, Fig. A
veranschaulicht ein Pollenkorn vom gemeinen Kürbis (Cucur¬
bita pepo L.). — Im jugendlichen Zustande bilden die Antheren
ein maschiges Zellgewebe; später entwickelt sich eine trüb¬
schleimige Flüssigkeit an dem Orte, den nachher die Pollen¬
körner einnehmen. Anfänglich entstehen 2, dann 4 Zellkerne,
die von einer andern Zelle, der Pollenzelle umhüllt werden.
Demnach sind vier Pollenzellen von einer Mutterzelle um¬
geben, die Membran derselben erscheint zu dieser Zeit durch
wiederholte, schichtenweise Anlagerung ziemlich verdickt.
Wenn aber darauf die Mutterzelle sich auflöst, so bildet ihre
Substanz durch Ablagerung auf die äussere Fläche der
Pollenzellen die äussere Pollenhaut. In Folge ihrer Ent¬
stehungsweise ist sie nicht als zusammenhängende Membran
anzusehen , wie das von der inneren Pollenhaut gesagt
werden kann , die von der bisher beherbergten Pollenzelle
gebildet wird. Die äussere Pollenhaut ist in der Regel fester,
härter, meistens gefärbt, manchmal warzig, körnig, stachelig
oder mit zierlichen Figuren geschmückt. Taf. 38 die gelb¬
lich gefärbte , mit regelmässigen Figuren gezeichnete Haut
ist die äussere Pollenhaut ; die innere Pollenhaut ist dünn,
zart und farblos, olme besondere Struclur. Die letztgenannte
Membran schliesst eine schleimige Flüssigkeit , Fovilla ge¬
nannt , ein , in welcher mikroskopisch kleine Körnchen
2*
Taf. 38, 39
und 40.
Abbildungen
verschiedener
Pollenkörner.
)F 'ILLo UÜr
12
schwimmen. Taf. 38, die matt gräulich gezeichneten Theile
stellen diese trübschleimige Flüssigkeit mit vielen kleinen
Körnchen dar, welche durch das Zerquetschen aus den
Pollenkörnern ausgetreten ist. Die winzigen Körperchen
sind ölartig oder Stärkemehl- und schleimartig, und ihre
Bewegung ist nach R. Brown nicht als eine thierische, son¬
dern als eine rein molekulare anzusehen, die an allen Kör¬
perchen, welche im ausserordentlich fein zertheilten Zustande
existiren und von einer Flüssigkeit getragen werden, wahr¬
zunehmen ist. Selbst der Pollen von Pflanzen, die lange
Zeit im Herbario gelegen haben , zeigt die erwähnte Be¬
wegung und man sucht den bis jetzt unbekannten Grund
dieser Bewegung in electrischen Spannungen und Ausglei¬
chungen. „Unger und Werneck bemerkten jedoch (832 an
den ellipsoidischen Körnchen des Befruchtungsstoffes von
Malva sylvestris und von andern Pflanzen bald eine fort¬
schreitende, bald rückschreitende, bald seitliche, bald wälzende
Bewegung, wobei die Körperchen in Wasser auf- und unter¬
tauchten , wie ein Heer von Monaden. Bei aufgetrocknetem
und wieder befeuchteten oder mit etwas Alkohol besprengten
Pollenkörnern verlor sich diese Beweglichkeit gänzlich, was
wohl gegen die Annahme einer blossen Molekularbewegung
spricht. Die genannten Beobachter halten desshalb diese
Körperchen, deren Länge nur etwa den 5 — lOtausendsten
Theil einer Linie beträgt, geradezu für Samenthierchen !“
(Leunis, Synopsis.) — Nur bei einigen Pflanzenfamilien, wie
hei den Asclepiadeen und Orchideen tritt der Polleninhalt
nicht als staubartige, sondern als weiche, wachsartige Masse
zum Vorschein und hat alsdann am untern Ende einen Stiel,
Halter , mit welchem klebrigen Organ die Pollenmasse sich
leicht anheftet.
Taf 40 Fio\ B. Schliesslich haben wir noch der merkwürdigen Erschei-
Abbüdung eines nung zu gedenken, dass die Pollenkörner schlauchartige Ver-
Pollenkoms mit längerungen , Pollenschläuche , treiben, die manchmal über
Pollenschlaucli. jQpma| s0 ]ang sjn(] a|s jer Durchmesser des Pollenkorns.
Taf. 40, Fig. B gibt ein Bild von einem Pollenschlauch der
Walderdbeere (Fragaria vesca L.). Die Fovilla tritt durch
diese Schläuche aus dem Pollenkorn heraus, was aber um
so rascher geschieht, wenn die Pollenkörner in Wasser oder
eine Gummilösung gebracht werden. Wie oben angedeutet,
so muss der befruchtende Pollen in Berührung mit dem
vierten Blatlkreise treten , soll eine wirkliche Befruchtung
stattfinden , und grade muss die Pollenflüssigkeit durch die
Pollenschläuche in das weibliche Organ eingeführt werden,
weil, wenn der Pollenstaub blos auf der Oberfläche des
weiblichen Organs liegen bleibt, keine Befruchtung bewirkt
wird. Tritt desswegen zur Zeit der Blüthe starkes Regen¬
wetter ein, so haben wir dies in der Regel durch eine
Missernte zu beklagen, weil dem Pollenkorn durch die zu
grosse Wassermenge, die in dasselbe dringt, nicht Zeit ge¬
lassen wird, die wesentlichen Pollenschläuche zu treiben,
vielmehr zerplatzt und die Pollenflüssigkeit auf der Oberfläche
des weiblichen Organs zerstreut. Noch bei weitem fühlbarer
würde uns diese Erscheinung werden, hätte nicht die Natur
viele Pflanzen so geschaffen, dass sie bei anhaltendem Regen¬
wetter die Blüthendecken schliessen und so den Akt der
Befruchtung beschützten. Um aber die Einwirkung des
Pollens vermittelst der Pollenschläuche auf das weibliche
Blüthenorgan , den Stempel, recht kennen zu lernen, haben
wir uns zunächst die Kenntniss von dem inneren Baue dieses
Organs zu verschaffen.
b. Stempel (pistilluin).
Den vierten und letzten Blattkreis der Blüthe bilden die
Frucht- oder Carpellarblälter , Stempel oder Pistill. Ge¬
nannter Blattkreis steht in der Mitte der Blüthe, am Ende
der Axe und beschliesst den Trieb durch die Hervorbringung
der Frucht. Wie die Staubgefässe blattartige Organe sind,
so ist der Stempel auch als ein aus einem Blatte hervorge¬
gangener Theil anzusehen , indem nämlich die Ränder des
Blattes sich nach innen biegen , verwachsen und der Mittel¬
nerv des Blattes nach oben zu einem längeren Stiele sich in
der Regel ausbildet. Da, wo die Blattränder zusammen
wachsen, entsteht die sogenannte Naht, an deren Innenseite
wir später die Samenknospen anlreffen werden. Entfernen
wir an einer Blüthe vorsichtig die 3 äusseren Blattkreise,
als Kelch, Blumenkrone und Staubgefässe, in welchem Falle
die Blüthe in Bezug auf die beiden ersten Blattkreise eine
vollständige und in Bezug auf die Gegenwart der Staubgefässe
eine Zwitterblüthe genannt wird, so bleibt uns das weibliche
Blüthenorgan, die Stätte, wo die Frucht gebildet werden
soll, übrig. In den meisten Fällen kann schon das unbewaff¬
nete Auge die verschiedenen Theile des Stempels erkennen.
Die 4 Theile desselben sind {Taf. 41): 1) der Fruchtknoten
(germen) oder Eierstock (ovarium), er ist der unterste Theil
des Stempels und ist an seiner Verdickung leicht zu erkennen.
2) Die Eierchen oder Samenknospen (ovula), welche in der
Höhlung des Fruchtknotens enthalten sind und aus welchen
sich der zur Fortpflanzung bestimmte Samen durch die Be¬
fruchtung entwickelt. Die Samenknospen sind im Anfänge
kleine, zarte, weiche Bläschen, welche bald mehr oder
weniger zahlreich in dem Eierstockc Vorkommen, aber stets
vor der Befruchtung, zur ßliithezcit erscheinen. Sie sind
mittelst des Nabelstranges, einer stielartigen Verlängerung
auf dem wulstigen Mutterkuchen , oder der Samenleiste be¬
festigt oder sitzen bei fehlendem Naheistrange unmittelbar
auf der Samenleiste. An der Samenknospe sind folgende
äussere Theile wahrzunehmen (vergl. die Erläuterung der
Taf. 42!): der Eimund, eine „erweiternde Oeffnung auf
dem Scheitel der Samenknospe“ ; der erwähnte Nabelstrang,
welcher zur Befestigung des Eies an die Samenleiste dient;
der Nabel oder die Keimgrube, der Ort, wo sich der Nabel¬
strang entfaltet; der Nabel/leck, Keimfleck oder Hage! fleck
ist die am Grunde des Kerns gefärbte Stelle des Samens,
wo der Nabelstrang in das Innere des Samens mündet; die
Samennaht , der manchmal wahrzunehmende Streifen vom
Nabel bis zum Hagelfleck und schliesslich die Nabel- oder
Keimwarze, auch Schwammwulst genannt, die durch beson¬
dere Färbung ausgezeichnete Erhöhung in der Gegend des
Nabels. Was das Innere der Samenknospe anlangt, so
unterscheidet man hier 3 Theile: die äussere Eiliaut, die
innere Eiliaul und den Eikern. Die zweite Haut ist die
Ausbreitung der Nabelstranggefässe und wird von der
äusseren Haut geschützt; der von beiden Häuten einge¬
schlossene Inhalt bildet den Eikern. Die äussere und innere
Eihaut sind von dem Keimmunde (micropyle), einer Oeffnung
an der Spitze, durchsetzt. 3) Der Griffel, Stanbweg (Stylus),
ein fadenförmiger, rühriger Theil, der den Stiel des Frucht¬
blattes darstellt und als solcher, wie auch bei andern Blättern,
fehlen kann. Er ist als die hervorgezogene Spitze des
Fruchtblattes anzusehen und hat den Zweck, den Frucht¬
knoten mit 4) der Narbe (stigma) , dem obersten Theile des
Stempels zu verbinden.. Die Narbe ist ein drüsenartiger,
wulstiger Körper, der zur nächsten Aufnahme des Pollens
bestimmt ist und darum, wie bei der Besprechung der Ober-
Taf. 41.
Abbildung des
Längsdurch¬
schnittes durch
einen Stempel.
13
Taf. 41.
Abbildung des
Längsdurch¬
schnittes durch
einen Stempel.
haut gelegentlich schon angedeutet wurde, keine Epidermis
besitzt. Von der verschiedenen äusseren Bildung der Narbe
kann hier nicht die Rede sein, es sei nur noch angedeulet,
dass in dem Falle, wo der Griffel fehlt, die Narbe direkt
auf dem Fruchtknoten sitzt. Die genannten 4 Tlieile des
Pistills veranschaulicht lins Taf, 41 (nach Schleiden ); sie
enthält eine Abbildung von dem Längsdurchschnitte durch
den Stempel des Garlenstief mütterchens (Viola tricolor L.).
Der untere, bauchförmig erweiterte Theil ist der Fruchtknoten,
in dessen Höhlung 3 Samenknospen angedeutet, welche
mittelst eines Nabelstranges an der Samenleiste angeheftet
sind; die über dem Fruchtknoten sichtbare Verengung bildet
den Griffel oder Staubweg, dessen obere, kopfförmige Bil¬
dung die Narbe ist, in deren Höhlung eine Menge Fort¬
pflanzungszellen (Blüthenstaub) liegen, welche aus den auf¬
gesprungenen Staubbeuteln hierher versetzt wurden.
Wir haben uns nun die innere Einrichtung der männlichen
und weiblichen Blüthenorgane betrachtet und schulden noch
die Beantwortung der Frage: Wie wirken beide Theile zu¬
sammen, damit die Befruchtung und ihr zufolge die Samen¬
entwicklung von statten geht? — Es wurde schon erwähnt,
dass der Pollen unmittelbar in Berührung mit der Narbe
kommen müsse, um die Befruchtung einzuleiten. Die Natur
hat, so schwierig auch die sich entgegenstellenden Hindernisse
zur Vereinigung gedachter Theile manchmal zu beseitigen
erscheinen , doch überall mütterlich Sorge getragen , dass
jedes Pflänzchen seines Gleichen erzeuge , wenn auch die
Opfer häufig auf verschwenderische Weise gezollt werden
müssen. Es dürfte wohl nichts Interessanteres in der Pflan¬
zenwelt geben, als zuzusehen, unter welchen Bedingungen
die Verbindung von Pollen und Narbe herbeigeführt wird.
Die meisten Pflanzen tragen Zwitterblüthen , d. h. Blüthen
in denen männliche und weibliche Blüthenorgane vereinigt
Vorkommen: damit nun bei Oeffnung der Antheren der Inhalt
derselben auf die Narbe gelangt, welcher Vorgang zur Zeit
der vollständigen Entfaltung der Blüthe geschieht, stehen
die Staubgefässe in vielen Blüthen höher als die Narbe und
zwar, wenn der Staubgefässe viele sind, kreisförmig geordnet
um den Stempel. Sicherlich werden von den vielen Pollen¬
körnern einige an den Ort ihrer Bestimmung gelangen.
Sollte die Pflanze hängende Blüthen haben, so würde die
eben beschriebene Einrichtung ihren Zweck verfehlen. Wir
finden darum in solchen Fällen, dass die Staubgefässe kürzer
als der Stempel sind , so dass beim Ausstreuen des Blumen¬
staubes dieser doch auf die Narbe kommt. Wir finden aber
auch Pflanzen , in deren Blüthen die Narbe wirklich weit
über die Staubgefässe hinweg ragt, wie bei den Compositeen,
Campanulaceen und Doldengewächsen } wo es also offenbar
unmöglich scheint, dass der Pollen den Ort seiner Bestimmung
erreichen kann ! Das Bestäuben der Narbe geschieht alsdann
schon in der Blüthenknospe, also vor der eigentlichen Ent¬
faltung der Blüthe. Die männlichen und weiblichen Blüthen¬
organe haben dann noch eine gleiche Länge, so dass die
Antheren unmittelbar das weibliche Organ berühren können
und die Befruchtung eingeleitet ist. Erst nach der Befruch¬
tung und Entfaltung der Blüthe übertrifft der Griffel durch
fortgesetztes Wachsen die Staubgefässe. — Bei den Storch¬
schnabelarten , der Gartenraute , der Sumpf- P arnassie , man¬
chen Steinbrecharien , Liliaceen u. A. findet sogar eine An¬
näherung der Staubgefässe an die Narbe statt. Die Staub¬
gefässe der Parnassie biegen sich der Reihe nach über die
Narbe, um ihren Blumenstaub über die Narbe entleeren zu
können, und nehmen nach Beendigung dieses Vorganges ihre
frühere Stellung wieder ein. — Bei dem Sauerdorn sind gar
noch die Staubgefässe von der Narbe abgewendet, eine
Berührung des Pollens mit der Narbe ist also nicht denkbar;
allein ein mechanischer Reiz ist schon hinreichend , um auch
hier die erwünschte Vereinigung zu bewerkstelligen. Durch
das Berühren mit einer Nadel, eines Insektes &c. am Grunde
auf der inneren Seite des Staubfadens schnellt derselbe
zurück und pudert den Stempel mit Blüthenstaub Aehnliche
Erscheinungen finden wir bei der Passionsblume , den Big-
nonien , dem Johanniskraut tfcc. Jedem Blumenfreunde ist
bekannt, dass die Nelkenarten sich am Morgen öffnen und
am Abend schliessen. Durch diesen Vorgang werden jedes¬
mal die Staubgefässe dem weiblichen Organe nabe gebracht
und wird die Befruchtung, die sonst nicht stattfinden könnte,
begünstigt. Bei allen aufgezählten Fällen gilt natürlich immer
die Bedingung, dass Staubgefässe und Stempel in ihrer Ent¬
wicklung auf gleicher Stufe stehen. Bei manchen Pflanzen
ereignet sich’s aber, dass die Staubgefässe in ihrer Entwick¬
lung der des Pistills vorangeeilt sind oder umgekehrt, eine
Befruchtung kann also wohl nicht möglich sein. Letztere
wird dann dadurch befördert , dass in der Nähe stehende
Pflanzen von gleicher Entwicklung sich befruchten , indem
z. B. der Pollen dieser durch den Wind zu der auf gleicher
Stufe der Ausbildung stehenden Narbe der andern Pflanze
geführt wird. So viel von den Zwitterblüthen. Wie aber
ist ein Zusammentreffen des Blumenstaubes mit der Narbe
möglich, wenn männliche und weibliche Bliithentheile auf
einer Pflanze (inonöcische Pflanzen) getrennt sind, oder wohl
gar die Staubgefässe nur auf einer Pflanze und die Stempel
nur auf einer andern Pflanze (diöcisch) Vorkommen ? Elfte¬
res ist z. B. der Fall bei dem Welschkorn und wir finden
die Erreichung des Zweckes dadurch ermöglicht, dass die
männlichen Blüthen über den weiblichen stehen , diese also
von dem Blüthenslaube jener überschüttet und somit be¬
fruchtet werden. Bei andern monöcischen und den diöcischen
Pflanzen müssen zu diesem Zwecke Winde und Insekten die
Beförderungsmittel der Befruchtung sein, und da bei diesem
Transporte allerdings manches Stäubchen, ohne sein Ziel zu
erreichen, zu Grunde geht, so hat Mutter Natur, wie wir
schon hörten, in reichlicher Menge für Blumenstaub gesorgt.
Jedermann kennt die im Mai aus Kiefern und Weiden kom¬
menden Wolken von Blüthenstaub, der oft weithin getragen
werden muss, um zu den Samenpflanzen zu kommen. „Die
Mehrzahl geht zu Grunde, hinreichende Mengen langen aber,
trotz der scheinbaren Unsicherheit des Zusammenkommens,
doch glücklich an. Ausser dass eine so bedeutende Anzahl
lebendiger Zellen dem Untergange geweiht sind , wird be¬
sonders auch bei den zuletzt erwähnten Bäumen eine ansehn¬
liche Menge organischer Stoffe zum Wolile der zu bildenden
jungen Pflänzchen dadurch geopfert, dass die blühenden
Gewächse Honig, meist in besonderen Drüsen am Grunde,
produziren. Jedermann kennt den starken Honiggeruch,
durch welchen sich die blühenden Weiden im Frühjahr schon
von Ferne bemerklich machen. Durch diesen Duft gelockt,
naht sich die Schaar der rauhhaarigen Bienen und Fliegen.
Sie tragen den Blüthenstaub von den Pollenblüthen nach den
Pflanzen , welche die Samenknospen bereiteten. Der Honig
ist der Botenlohn, welcher im Haushalte der Gewächse ver¬
ausgabt werden muss, um die Kindlein in geeignete Pension
zu bringen.“ (Herrn. Wagner , der Tod.) Zum Schlüsse er¬
wähnen wir noch die ausserordentlich merkwürdige Beweg¬
lichkeit der schraubenförmigen Vallisnerie (Vallisneria spiralis
L.) zur Zeit der Befruchtung. Diese sonderbare Pflanze
wächst in Tyrol und Italien, und zwar hier auf dem Boden
der Kanäle mittelst welchen die Reissfelder gewässert werden.
14
Die weiblichen Bliilhen haben einen in dichten Schrauben¬
linien gewundenen Stiel , welcher sich , sobald die Befruch¬
tungszeit eintritl, so lange auseinander rollt, bis die Blüthe
die Oberfläche des Wassers erlangt und sich nun vollkommen
entwickeln kann. Die kurzgestielten Blüthenknöpfchen der
männlichen Vallisnerie, die bis jetzt auch am Boden ver¬
harrten, trennen sich vom Stiele, kommen ebenfalls zur
Oberfläche des Wassers und befruchten die weiblichen Blü—
then , indem sie , unter diesen umherschwimmend , den
Bliithenstaub ausstreuen. Ist dieser Akt der Vereinigung
beendet, dann rollen die weiblichen Pflanzen ihre Stiele
wieder spiralförmig zusammen , sinken unter und bringen
unter dem Wasser die Frucht zur Beife.
Aus diesen aufgeführten Beispielen haben wir uns sicher¬
lich hinreichend überzeugt und vergewissert, dass unter
allen Umständen die Natur Sorge getragen hat, damit die
erste Bedingung zur Befruchtung, nämlich die Vereinigung
von Pollenkörnern mit der Narbe erfüllt wird. Nachdem
wir nun in Vorstehendem Staubgefässe , Stempel und das
Zusammentreffen beider kennen gelernt , verfolgen wir
nun noch :
c. Die Entwicklung des Samens.
Die auf die Narbe gekommenen Pollenkörner werden
durch die Beschaffenheit der Narbenoberfläche festgehalten
und treiben , da sie mit einer gummihaltigen , schleimartigen
Flüssigkeit in Verbindung treten, die schon kennen gelernten
Pollen schlauche ( Taf . 40, Fig. B, Pollenschlanch der Wald¬
erdbeere). Die eigentlichen Pollenkörner bleiben auf der
Narbe liegen, werden aber auf derselben befestigt, gleichsam
angesteckt, indem der Schlauch (manchmal auch mehrere),
den ein Körnchen treibt, sich in das Zellgewebe des Griffels
hinein arbeitet. Mit Recht sagt daher Senbert : „Man könnte
eine Narbe um diese Zeit etwa mit einem Kissen , in das
Stecknadeln eingesteckt sind, vergleichen, wobei eben die
Körner des Blüthenstaubes deren Köpfe darstellen.“ Welchen
Einfluss eine zu grosse Narbenflüssigkeitsmenge oder von
aussen zugeführte Flüssigkeit auf die Entwicklung der Pollen¬
körner ausübt, haben wir bereits gehört. Die Pollenschläuche,
welche sich durch das lose Zellgewebe des Griffels hindurch¬
arbeiten , um mit den Samenknospen auf der Samenleiste,
die stets in unmittelbarer Verbindung mit dem zuerst ge¬
nannten Zellgewebe steht, zusammenzutrelTen, haben je nach
der Länge des Griffels manchmal einen bedeutenden Weg zu
durchdringen und somit selbst eine beträchtliche Länge her¬
vorzubringen. Offenbar kann das Pollenkorn allein nicht
die nöthige Nahrung zu einer solchen raschen Entwickelung
des Pollenschlauches herbeiführen , es muss vielmehr der
Pollenschlauch die zu seiner üppigen Vegetation erforderliche
Nahrungszufuhr aus den benachbarten Zellen beziehen. Die
nun in diesem Falle beobachteten Strömungen des Pollen¬
inhaltes, der Fovilla, sind nur als Folge einer erhöhten
Taf. 41. Thätigkeit der Pflanzenzellen anzusehen. Auf Taf. 41, der
Erörterung der Abbildung vom Längsdurchschnitt durch den Stempel eines
Pollenschlauche. Gartenstiefmütterchens, sehen wir oben in der kopflormigen,
hohlen Stempelmündung eine Menge Forlpflanzungszellen
(Blüthenstaub). Dieselben haben sich sämmtlich in lange
Schläuche ausgedehnt., welche durch den Kanal des Staub¬
weges herab bis in den Fruchtknoten kriechen und hier
theilweise in die zahlreich vorhandenen Samenknospen ein-
treten. — Erinnern wir uns der Theile der Samenknospe,
und merken wir uns nun noch, dass vor der Befruchtung
durch Vergrüsserung einer beim Samenmundc gelegenen
Zelle auf Kosten der benachbarten Zellen der Keimsack oder
Embryosack entsteht. Derselbe hat eine kugelförmige oder
elliptische Gestalt, ist von einer Flüssigkeit angefüllt und
liegt stets so am Ende des Eikerns, dass durch den Samen¬
mund ein Zutritt zu ihm gestattet ist. In dem Momente
nun, wo der durch das Innere des Griffels und die Samen¬
leiste gedrungene Pollenschlauch durch den Keimmund ein¬
getreten ist, dass also die Spitze des Pollenschlauches in
unmittelbare Berührung mit dem Embryosack tritt, in diesem
Momente ist die Befruchtung geendet. Von nun an beginnt
die Entwicklung des Keimlings, darüber ist kein Zweifel.
Durch das Eindringen des Pollenschlauches wird der Keim¬
sack in manchen Fällen etwas eingestülpt; die Anregung
zur Entwicklung des Keimlings beginnt von jetzt, es ent¬
stehen neue Zellen, Embryokiigelchen. Allein so gewiss
man nun überzeugt ist, was von dem Momente des Zusam¬
mentreffens von männlicher und weiblicher Fortpflanzungs¬
zelle weiter geschieht, so schlummert doch über das Wie?
ein gewisses Dunkel, weil die ersten Anlagen des Embryo
als sehr zarte, hinfällige, schwer zu präparirende, mikrosko¬
pisch kleine Theile eine Untersuchung ausserordentlich er¬
schweren. Die Ansichten über diesen Gegenstand sind daher
getrennt, von denen sich’besonders 2 zur Geltung zu bringen
suchen; eine, deren Vertreter wir in Schleiden, und eine
andere, deren Vertreter wir in Amid, Hugo Itlohl , Meyer
u. A. finden. Schleiden, der durch sein unermüdliches For¬
schen sich um die Wissenschaft ein grosses Verdienst er¬
worben hat, bringt nach seinen Untersuchungen folgende
Ansicht zur Geltung: Die ersten Zellen des Embryo entstehen
in der Spitze des eingedrungenen Pollenschlauches, welche,
nachdem dieselbe durch den Keimmund gedrungen ist, sich
abschniirt, während der bei weitem grössere Theil des
Pollenschlauches, der ausserhalb des Keimmundes liegt, ab¬
stirbt. Die eigentliche Grundlage für das künftige Pflänzchen
wäre darnach ein Theil der Pollenzelle, das Keimbläschen
also identisch mit dem Ende des Pollenschlauches. In Bezug
auf die angeführte Ansicht sagt Schleiden selbst : „Der
Pollenschlauch, der in die Samenknospe gekommen ist, trifft
entweder sogleich auf den Keimsack , oder dringt durch die
Intercellulargänge des um diese Zeit durch eine Absonderung
etwas aufgelockerten Zellgewebes der Kernwarze, bis er
den Keimsack erreicht. Demnächst erscheint das Ende des
Pollenschlauches innerhalb des Keimsacks als ein längerer
oder kürzerer, cylindrischer oder eiförmiger Schlauch, der
nach der Höhle zu rund geschlossen ist, nach der Spitze des
Keimsacks offen in den Pollenschlauch ausläuft; das Ende
schwillt bald an, dass das hieraus hervorgehende Bläschen
(Keimbläschen) der ganze im Innern des Keiinsacks enthaltene
Theil des Schlauches ist , oder so , dass zwischen diesem
Bläschen und der Spitze des Keimsacks noch ein längeres
oder kürzeres, cylinderisches Stück, der Keim- oder Embryo¬
träger (filamentum Suspensorium) zurückbleibt. Sodann bildet
sich im Innern des Pollenschlauches Zellgewebe , indem
Cytoblasten entstehen und auf diesen sich Zellen entwickeln.
Dadurch, dass in diesen Zellen neue Zellen entstehen und so
fort, wird das Keimbläschen zuletzt, unter allmähliger Vo-
lumenvergrösserung und unter Resorption der Mutterzellen,
zu einem kleinen kugeligen oder eiförmigen zelligen Körper¬
chen. Zugleich schnürt sich der Pollenschlauch aussen am
Keimsacke gewöhnlich ab und wird resorbirt und häufig wird
auch, wo kein Embryolräger vorhanden ist, das Keimbläs¬
chen selbst abgeschnürt und liegt dann völlig frei in der
Spitze des Keimsacks.“ — Die andere, besonders von Hugo
Blohl in dieser Beziehung vertretene Ansicht ist folgende:
15
Die Bildung des Keimlings geht innerhalb des Embryosackes
vor sich. Der Pollenschlauch ist nur in so weit betheiligt,
als durch sein Eintreffen die Entwicklung des Keimlings
hervorgerufen wird, dieser aber selbst kein Theil des Pollen¬
schlauches, sondern ein Produkt des Fruchtblattes ist. Nach¬
dem nämlich der Pollenschlauch zum Embryosack gekommen,
sammelt sich eine Flüssigkeit in demselben in der Gegend
des Keimmundes, in welcher sich die Keimbläschen entwickeln.
Später bildet sich vorzugsweise ein Keimbläschen auf Kosten
der andern aus; es entsteht ein kugelförmiges oder elliptisches
Gebilde, das die erste Anlage des Embryo darstellt. Auf
welche Weise nun der Pollenschlauch hier anregend wirkt,
ist noch nicht ermittelt. Eine Durchdringung der Fovilla
durch die Haut des Pollenschlauchs , des Embryosackes und
des Keimbläschens steht wohl zu vermuthen. — In wie weit
die beiden hier angedeuteten Ansichten im Recht stehen,
muss die Zukunft lehren, so viel ist aber gewiss, dass nach
der letzten Ansicht die Befruchtung und Entwicklung des
Samens der Pflanzen mit der im Thierreiche dann eine ana¬
loge ist und wir mit Recht dann die Staubgefässe als die
männlichen Blüthenorgane , die nur anregend, befruchtend
wirken und die Stempel als die weiblichen Blüthenorgane,
die aufnehmen und die Stätte der Entwicklung des Keimlings
sind, bezeichnen können.
Der Embryo entwickelt sich allmählig weiter, der Samen¬
keimling kommt zur Reife, indem er sich vorerst durch
Zellenanlagerung vergrössert, je nach der Art der Pflanze
eine eigenthümliche Gestalt erhält, den dem Keimmunde zuge¬
wendeten Theil zum Ende des Stengelchens, auch Würzelchen
hier genannt, abrundet und das entgegengesetzte Ende zu
den Anfängen eines Blattgebildes verwandelt. Während das
Wurzelende des Embryo’s immer dem Keimmunde anliegen
muss, ist sowohl die Zahl der Samenlappeny Kotyledonen ,
als auch die Lage derselben gegen das Wurzelende (diesem
nämlich entweder gegenüberstehend oder neben dasselbe
zurückgebogen) verschieden. Die Samenlappen oder Keim¬
blätter sind fleischige, blattartige Theile des Keimes, welche
die ersten Blattgebilde entwickeln und, ehe das Keimen be¬
ginnt, sowohl das Würzelchen, als Blaltfederchen ganz oder
theilweise umgeben. Eine gequollene Erbse zeigt das Wür¬
zelchen , Blattfederchen und die Samenlappen sehr deutlich.
In Rücksicht auf Vorhandensein und Zahl der Kotyledonen
theilt man die Pflanzen in 3 grosse Gruppen , nämlich :
1) Dikolyledones , zweisamenlappiye Pflanzen , auch Blutt-
keimer genannt, sie keimen mit zwei oder wie die Nadel¬
hölzer mit mehreren Samenlappen. Hierher gehören die
meisten Pflanzen , z. B. Laubhölzer , Hülsenfrüchtler <fcc.
2) Monokotyledones , einsarnenlappige Pflanzen oder Spitz-
keimer mit einem Samenlappen oder einem fadenförmigen
Triebe. Hierher gehören die Orchideen, Lilien, Palmen,
Gräser <fcc. 3) Akolyledones , ohnsnmlappige oder sarnen¬
lappenlose Pflanzen oder Nacklkeimer } sie keimen ohne
Samcnlappen. Dahin gehören alle Kryptogamen. — Je nach¬
dem nun in dem Samen noch Eiweiss enthalten ist oder
nicht, je nachdem füllt der Keimling den ganzen Raum der
Samenfülle aus oder nicht. Dieses Eiweiss kann hervorge¬
gangen sein aus dem Zellgewebe des schon gedachten Ei¬
kerns, mithin ausser dem Bereiche des Keimlingssackes, in
welchem Falle das Eiweiss den Namen Perisperrn führt, oder
das Zellgewebe des Eikerns verschwindet auf Kosten einer
stattfindenden Füllung von Parenchymen im Keimsacke, in
diessem Falle heisst das Eiweiss Endosperm , denn es ist
innerhalb des Keimsackes entstanden. Diese Art der Eiweiss¬
bildung findet am häufigsten statt. Taf. 42 (nach 0 Volger) Taf. 42.
ist die sehr vergrösserte Darstellung des senkrechten Durch- Darstellung der
Schnittes durch das Samenkorn der weissen Seerose (Nym- 'olIsla'1<l1lf’<len
Samenbildung.
phaca alba L.), als Beispiel der vollständigsten Bildung eines
Samens im Pflanzenreiche. Erklärung: f Nabelstrang; h
Nabelpunkt; r die Naht, Nabellinie an der Samenknospe;
c der Knospengrund der Samenknospe, welche sich völlig
umgekehrt hat; m Keimmund, Mikropyle; a die äussere,
vom Nabelstrange nachgewachsene Samenhülle, welche das
Samenkorn bis zur Hälfte umhüllt; t die Samenschale, aus
der äusseren Samenknospendecke gebildet ; mi innere Samen¬
haut, aus der inneren Samenknospendecke gebildet; n Peri-
sperm, äusseres Saineneiweiss, aus dem Gewebe des Knospen¬
kerns gebildet; se Endosperm, inneres Saineneiweiss, im
Keimsäckchen gebildet; e Embryo, im Endosperm eingebettet.
Im weiteren Verlaufe der Entwicklung des Samenkorns
wird mehr Nahrung zugeführt , als dasselbe im Momente
nöthig hat; darum lagert sich eine bedeutende Masse Zellen
als Vorrathsmagazine von Stärkemehl, Oel oder Zellstoff um
jenes und bilden so die Mitgift von mütterlicher Seite. Denn
sobald das Samenkörnchen sich von der Mutterpflanze trennt
und als selbstständiger Organismus auftreten soll, ist es dem
zart angelegten Würzelchen und Blättchen noch nicht mög¬
lich, Nahrung aus den umgebenden Mitteln zu ziehen, son¬
dern zehren erst das auf, was ihnen zur ersten Peiiode
ihres selbstständigen Lebens mitgegeben worden ist. Wäh¬
rend dieser Zeit erstarkt das zarte Pflänzchen , dehnt sich
nach oben und unten, und kann nun sein eigener Ernährer
sein. Der Kelch, die oft schön gefärbte Blumenkrone, die
zierlich gestalteten Staubgefässe welken bei der immer wei¬
teren Fortbildung des Samens nach und nach hin, der Same
trennt sich, nachdem zu seiner vollkommnen Reife die ver¬
schiedenen inneren und äusseren Theile den nöthigen Grad
der Ausbildung erlangt haben, von der Mutterpflanze; die
ehedem stattlich ausgeschmückte Bildungsstätte des Samens
stirbt ab ; aber der Same birgt den Keim zu neuem Lehen
in sich, der, günstigen Entwicklungsverhällnissen ausgesetzt,
sich entfaltet, blüht und wieder seines Gleichen erzeugt.
Der Kreislauf beginnt von neuem; Abslerben und Geboren¬
werden reichen auch hier, wie allerwärts in der Natur,
einander die Hand!
Buchdruckerei von H. Brill in Darmstadt.
Taf.l
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