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Ulrich Middeldorf
Mirabilia Romae.
Die Mirabilia Romae.
In der Geschichte des Buchdrucks nehmen die Block-
bücher, d, h. diejenigen Bücher, welche von geschnittenen
Holztafeln abgedruckt sind, eine besondere Stellung ein.
Früher als Vorläufer des Buchdrucks angesehen, sind sie
nach den neueren Untersuchungen als gleichzeitig mit den
Typenfrühdrucken erkannt worden; lediglich wegen der
'mechanischen Art der Vervielfältigung und der Zeit nach,
nicht aber als Repräsentanten einer Entwickelungsstufe
des Typendrucks gehören sie mit diesem zusammen.
Unter diesen Blockbüchern ist das deutsche Büchlein,
welches mit einem unrichtigen, aber fast allgemein an-
genommenen Namen als Mirabilia Romae bezeichnet wird,
ebenso wertvoll wegen seiner Seltenheit als interessant
wegen seiner Form und seines Inhalts.
Nur sechs Exemplare sind dem besten Kenner dieser
Werke des Holzschnitts und ihrer Literatur, F.W.Schrei-
ber, bekannt geworden. Je eins befindet sich jetzt im
Britischen Museum, in Manchester, in München, in Gotha,
in St. Gallen ; wo ein früher in Parma vorhandenes jetzt
aufbewahrt wird, ist unbekannt. Das in unserem Fak-
similedruck vervielfältigte ist das der Herzoglichen Biblio-
thek zu Gotha. Die Literatur über die Blockbücher hat
W. L. Schreiber in seinem vortrefflichen Manuel de l'ama-
teur de la gravure sur bois et metal au XV^ siecle (Leip-
zig 1902) IV p. XI ff. vollständig zusammengestellt; nur
sein eigener, einen ausgezeichneten Überblick über die
Geschichte der Blockbücher gebender Aufsatz über »Die
Vorstufen der Typographie« in der »Festschrift zum fünf-
hundertjährigen Geburtstage von Johann Gutenberg<
(Mainz 1900) S. 25— 58 ist nachzutragen.
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Der Name Mirabilia Romae ist, ähnlich wie der der
BibHa pauperum, von einem Buche, das inhalth'ch an sich
nichts mit dem unseren zu tun hat, auf dieses übertragen
worden. Die eigentHchen Mirabiha Romae nämhch, deren
erste Abfassung ins XII. Jahrhundert zurückreicht, gaben
eine Periegese der Trümmerstätte des heidnischen Roms
unter Hinzufügung der »für den neugierigen Wanderer
interessantesten Kapitel der christlichen Topographie«.
Unser Buch beschäftigt sich in seinem topographischen
Teil nur mit den christHchen Kirchen, und zwar nicht,
um sie zu beschreiben, sondern um die Pilger über ihre
religiöse Wichtigkeit, die in ihnen verwahrten »Heil-
tümer« und den in ihnen zu gewinnenden Ablaß zu be-
lehren. Oft im XV. Jahrhundert^) gedruckt finden sich
diese eigentlichen Mirabilia mehrfach mit der lateinischen
Bearbeitung unseres Buches, so z. B. in zwei Münchener
Exemplaren (Hain *11189 + *11180 und *11194 + *11181)
und in einem Zwickauer Sammelband, in einem Einband
vereinigt, so daß, abgesehen davon, daß an sich die Be-
zeichnung durchaus nicht unpassend war, auch durch
diesen Umstand die Übertragung sich leicht einführte.
Da das Buch selbst weder in der deutschen noch in der
lateinischen Ausgabe einen Titel hat, so empfiehlt es sich
der Kürze halber — der ihm mehrfach beigelegte »Das
weltliche und geistliche Rom< oder »Historia et descriptio
Romae« ist ebenso willkürhch — , ebenso wie für die
BibHa pauperum die nun einmal rezipierte Bezeichnung
beizubehalten.
Die Zeit unseres Blockbuchs wird im allgemeinen be-
stimmt durch das auf dem Holzschnitt des letzten Blattes
1) Siehe Hain, Repertor. typogr. n. 11174 — 11188; Copinger,
Supplem. to Hain's Rep. typ. n. 4045—4052.
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unter dem Bilde vom Schweißtuch der Veronika sich fin-
dende Papstwappen, welches (vgl. Bonanni, Numismata
pontificum I 49 ff.) das eines Rovere ist. Da Julius II.
(1503 — 1513) nicht in Betracht kommen kann, so ist damit
Herstellung unter Sixtus IV. (1471—1484) erwiesen. Eine
genauere Zeitbestimmung wird sich schwer gewinnen
lassen. Weit verbreitet, zuletzt auch von Schreiber wieder-
holt, ist die Meinung, daß das Büchlein zum Jubiläumsjahr
1474/75 gedruckt sei, da für dieses ein gewaltiger Zuzug
nach der heiligen Stadt zu erwarten war, wie zweifelsohne
andere Blockbücher für solche besonderen Feste herge-
stellt sind und wahrscheinlich auch Gutenberg seine Spie-
gel für die große Aachener Heiltumsfahrt angefertigt hat.
Der größte Forscher über das christliche Rom, Gianb. de
Rossi (LaRomasotterranea I 163), scheint für die deutsche
Bearbeitung, die er fälschlich als Typendruck bezeichnet,
mit dem Münchener Katalog und Hain als Abfassungsjahr
1472 anzunehmen; wenn derselbe Gelehrte die Editio
princeps der lateinischen Schrift in das Jahr 1475 setzt,
so kann sich dies nur auf den Rom 1475 erschienenen
Druck der Indulgentiae principalium ecclesiarum urbis
Romae — Hain *9176 beziehen, der selbst freilich schwer-
lich der erste ist.
Der lateinische Text, dessen älteste Exemplare nicht
das Wappen Sixtus' IV., sondern das Innozenz' VIII.
(1484—1492) tragen, enthält folgende Stelle: Etiani miiltis
per totam iirbern Romanam (imago beate Marie virgüiis,
qiie inter omnes quas sanctas Lucas depinxit satis figiira
exlstit) clarait nüraciilis tempore Innocentii pape VIII Anno
doniini nostri lesii chrlsti M.CCCC.LXXXV: damit ist,
in Übereinstimmung mit demWappen, seine Zeit bestimmt.
Diese Stelle gibt aber vielleicht auch einen Terminus ante
quem für das deutsche Blockbuch. Es ist in ihr die Rede
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von der Kirche San Agostino, die erst 1479 — 1483 vom
Kardinal d'Estoutville erbaut ist. Das lateinische Buch
sagt von ihr: Ad sanctam Trip ho nein est ecclesia contigna
ecclesie sancti Augiistini . . Ad sanctam Aagastinam in
regio ne canipi niartis. Est ana ecclesia nova nunc a funda-
mentis pulchre erecta et constructa, tiic est sepultura sancie
Monice, Im deutschen Blockbuch lautet die Stelle so:
Za scind crisono (1. trifone) ist ayn closter augustiner orden
Do leyt Scta Monica ...zu sand Augustin ist do nahet Die
Kirche besingen auch die Augustiner Do ist auch vil
heyltum vnd ablas Der neue Prachtbau, den der latei-
nische Text ervi^ähnt, ist an Stelle einer alten Kirche des
heiligen Augustin errichtet worden;^) die Reliquien der
heiligen Monika, die die alte noch nicht hatte, werden
aus St.Tripho in die neue übertragen sein. Ich glaube
daher, dieses alte Kirchlein erwähnt das Blockbuch , das,
wenn meine Vermutung richtig ist, vor 1479 verfaßt wäre,
ohne daß dadurch Beziehung auf das Jubiläumsjahr not-
wendig wird. Denn mit keinem Wort ist von den großen
von Sixtus IV. für das Jubiläumsjahr unternommenen
Kirchenbauten (Pastor, Gesch. d. Päpste II 482 ff.), nicht
einmal von der Erneuerung des im Blockbuch doch er-
wähnten Hospitals von San Spirito die Rede; erst die
lateinische Ausgabe von 1491 hat an dieser Stelle den
Zusatz quod hospitale Sixtus papa IUI. de novo a fun-
damento niaximis structuris renovavit!^) Freilich werden
die großen Bauten Sixtus' IV. auch in den der Zeit nach
1) Vgl. Armellini , Le chiese di Roma S. 471 ; Plattner, Gesch. der
Stadt Rom III 3, 311 ; Reumont, Gesch. der Stadt Rom III 1, 256. 408.
Wohl nach Piatina, Vita di Sisto IV: Egli spianb da^ fondameiiti
lo Jpedale di sau Spirito, ch^ eva per V antichitä quasi tutto in niiua,
e con bellissiuü edificii V anipliö & in niigliore e piii vaga forma il
riduffe.
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sicher in das Jubiläumsjahr gehörigen Drucken der Indul-
genzien (s. u. S.23) nicht hervorgehoben. Da aber das
Blockbuch das Haus ayti reychs spltale nennte so kann sich
das nur auf das von Sixtus erneuerte Haus beziehen;
doch gewinnen wir auch damit noch keinen sicheren
Hinweis auf das Jubiläumsjahr, weil der Bau (vgl. Pastor,
Gesch. d. Päpste II 629) erst 1482 beendet worden ist:
immerhin kann das Epitheton sehr gut das noch im Um-
bau begriffene Gebäude bezeichnen , so daß wir auch da-
durch auf die siebziger Jahre gewiesen würden.^) In diese
aber fallen auch eine Reihe anderer, sicher datierter Block-
bücher: so ist die erste deutsche Armenbibel 1470, die
zweite 1471, die zweite Ausgabe des Entkrist 1472, die
erste Ausgabe des Defensorium beatae Mariae 1470, die
zweite 1471, die Sporersche Ars moriendi 1473 datiert.
Von diesen Büchern gehören die an 2., 3. und letzter
Stelle genannten sicher nach Nürnberg, und nach Nürn-
berg gehört wahrscheinlich, wie schon Schreiber ver-
mutet hat, auch unser Buch. In der Sprache, die nach
fachmännischem Urteil einen entschieden bayerischen, von
allemannischen Formen freien Dialekt aufweist, und in
der Form der Buchstabenplatten, die denen der Sporer-
schen Armenbibel und besonders des Entkrist sehr ähnlich
sind, findet diese Vermutung eine Stütze.
Innerhalb der uns erhaltenen Blockbücher selbst aber
stehen die Mirabilia in einer auffallenden Weise für sich
allein. Nicht sowohl wegen ihres Inhalts; denn auch sie
sind berechnet für den >ungelehrten Mann« ; sie sollen
den gewöhnlichen Pilger begleiten und geleiten, der nach
Rom wallfahrtet, um Erlösung von seinen Sünden zu er-
langen. Ein praktischer, nicht ein gelehrter Zweck aber
^) Vgl. das bei Pastor zitierte Gedicht aus dem Jahre 1477.
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lag auch allen übrigen Blockbüchern zugrunde : sie sind
verfaßt zur Selbstbelehrung, zum Unterricht, zur Erbauung
für Kirche, Schule und Haus und hergestellt, im Gegen-
satz zu den teuren illuminierten Handschriften, zur An-
schaffung für das große, nach dem veranschaulichenden
Bild neben dem Text verlangenden Publikum. Wohl aber
wegen seiner Form. Entstanden in Nachahmung der
Miniatur, haben die ältesten Blockbücherplatten geschnit-
tene Schrift fast gar nicht geboten ; der erklärende Text,
selbst der der Bandrollen , wurde handschriftlich (in eini-
gen seltenen Fällen typographisch) hinzugefügt; seine
Herstellung war im Anfang Sache des vom Holzschneider
zugezogenen Schreibers. Die lateinischen Armenbibeln
geben den Text auf der Bildfläche. Schon die deutschen
Armenbibeln aber, der Entkrist, das Defensorium beate
Marie u. a. haben einen xylographischen Text über oder
unter der Bildfläche auf besonders abgeteiltem Raum,
während die Ars moriendi und Ars memorandi volle Text-
seiten auf den den Bildtafeln gegenüberstehenden Seiten
bieten und ebenso, um Bücher gleichen Formats wie die
Mirabilia zu nennen, die Passio domini (s. Schreiber,
Manuel VII pl. LXI) und die Septem vitia mortaha (Schrei-
ber pl. LXIII) ; der Entkrist hat am Anfang eine, am Ende
zwei volle Textseiten auf einseitig bedruckten Blättern, die
Meinradslegende dagegen schon (Schreiber VII pl. LXIX.
IV 385) am Anfang zwei, am Ende elf aufeinanderfol-
gende Textseiten auf zweiseitig gedruckten Blättern. Daß
aber beide Blattseiten eines ganzen Blockbuches mit Text
bedruckt sind, findet sich nur in den Mirabilia, die sich
dadurch dem durch Typendruck geschaffenen Buche am
meisten nähern und dadurch, daß der Bildschmuck ganz
zurücktritt, sich von der ursprünglichen und naturgemäßen
Verwendung des Holzschnitts für bildliche Reproduktion
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am meisten entfernt haben. Bei der Schwierigkeit des
Buchstabenholzschnitts gegenüber der raschen und leich-
ten Herstellung jedes beliebigen Textes mit beweglichen
Lettern und beider immer weiteren Verbreitung der Typo-
graphie kann man sich nicht wundern, wenn der Versuch
auf unser Buch beschränkt geblieben ist
Die einzelnen Seiten haben, wie in den ältesten
Drucken, weder Kustoden noch Signaturen noch Blatt-
oder Seitenzahlen, und ebensowenig findet sich, wenn
man von dem Papstwappen absieht, irgend ein Hinweis
auf Ort und Zeit. Das Papier, obschon im Gothaer und
Münchener Exemplar von verschiedener Stärke , stammt
doch, wie das gleiche Wasserzeichen der in einen Kreis
eingeschlossenen, senkrecht durchstrichenen Krone er-
weist,^) aus ein und derselben Fabrik; Interpunktionen
finden sich nicht.
Von den beigegebenen Bildern zeigt das auf S. 2 die
Vorweisung des Tuches der Veronika durch einen von
zwei kerzentragenden Diakonen begleiteten Priester,
während eine dichtgedrängte Menge von Mönchen und
Laien die Kanzel umsteht. S. 4 ist auf dem, wie schon
Schreiber betont, auf italienische Vorlage hinweisenden
Holzschnitt rechts Rea Silvia dargestellt, y^die langkfraii
als sie was in dem tempel vesto des abtgocz <, Hnks im
Vordergrund die Wölfin mit den Knaben und oben das
Kapitol. Auf der folgenden Textseite erscheinen oben
drei Wappen: in der Mitte das von der Tiara ohne Kreuz
gekrönte päpstliche, rechts das die Inschrift S(enatus)
P(opulus) Q(ue) R(omanus) tragende, ROMA über-
schriebene römische, links das kaiserliche Wappen mit
1) Goth. Ex. Bl. 159/60 vgl. Maßmann im Serapeum II (1842) 310;
die übrigen Wasserzeichen im Gotliaer Exemplar bleiben unsicher.
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dem doppelköpfigen Adler mit der Überschrift IMP(er)-
IVM. Auffallend ist die in den Überschriften verwen-
dete, auch in der Schlußschrift des Büchleins wieder-
kehrende Form des M, welche vollständig mit der ita-
lienischen Form der entsprechenden griechischen Ma-
juskel, wie sie z.B. in der zu Florenz 1488 gedruckten
Editio princeps des Homer verwendet ist, übereinstimmt.
Die von der Initiale R ausgehende, den Text dieser Seite
auf drei Seiten umgebende Rankendekoration erinnert an
die entsprechenden Ornamente des Ulmer Druckers Joh.
Zeiner bzw. an dessen Vorlagen; eine ähnliche findet sich
auf dem oberen Seitenrand und im Anschluß an die, wie
häufig bei Miniaturen, in ein Quadrat gesetzte, mit dem
Bild des Papstes Silvester geschmückte S- Initiale S. 53.
Auf der Innenseite des Schlußblatts hat der Holzschneider
unter dem von zwei Engeln gehaltenen Veronikatuch
drei ähnlich wie S. 5 verbundene Wappen angebracht:
der unter der hier mit dem Kreuz geschmückten Tiara
stehende Schild enthält die Eiche der Rovere (s. o. S.5),
links steht das römische, rechts das päpstliche Wappen.
In der Reihenfolge der Bilder unterscheiden sich die
einzelnen erhaltenen Exemplare, und Schreiber vermutet
aus diesem Umstand mit Recht, daß verschiedene Aus-
gaben des Buches hergestellt worden sind.
Das Münchener Exemplar hat das Blatt mit dem Ro-
vere wappen nach S. 52, also am Schluß des historischen
Teils, das von Graesse (Tresor de livres rares IV 535)
beschriebene, jetzt im Britischen Museum befindliche hat
an dieser Stelle das Blatt mit dem das Veronikatuch zei-
genden Priester und nach S.109 das Wappenblatt, wäh-
rend das Panzersche Exemplar (s. Panzer, Annalen der
ält. deutschen Litt. S.45) wie das Münchener und Gothaer
mit dem großen Veronikabild anfängt, aber mit dem
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Wappenbild schließt. Das St. Galler hat sowohl die An-
fangs- wie die Schlußblätter verloren, hat aber am Schluß
der römischen Geschichte keine Lücke; es steht demnach
wohl fest, daß auch dieses ursprünglich Holzschnitte nur
am Anfang und am Schluß gehabt hat; denn um die
Holzschnitte zu gewinnen, wird irgend ein Sammler An-
fangs- und Schlußblätter weggenommen haben. Ebenso
müssen die Holzschnitte im Gothaer Buch verteilt ge-
wesen sein: zuerst das große Veronikabild, dann Rea
und die Wölfin, am Schluß das Veronikatuch mit dem
Papstwappen; dieses fehlt jetzt: aber deutliche Reste
zeigen , daß das Schlußblatt ausgerissen worden ist. Ich
habe in dem Faksimiledruck, der, wie schon bemerkt,
das Gothaer Buch wiedergibt, dieses Blatt ans Ende
setzen lassen, wo es, wie ich glaube, als eine Art bild-
lichen Kolophons auch sachlich seine richtigste Stelle hat.
Auffallend ist die zweimalige Darstellung des Veronika-
tuchs, da dieses zwar in den Legenden unseres Büchleins
mehrfach (s. S.20. 76) erwähnt, aber nicht besonders be-
handelt wird, wie dies in den lateinischen Ausgaben
allerdings geschieht, wo vor der Aufzählung der Indul-
genzien der Hauptkirchen die Veronikasequenz Salue
sancta facies nostri redemptoris (s. Acta Sanctorum febr. 1,
452 ff.) samt Versen und Gebet abgedruckt ist: für diese
Feier ist allerdings das jetzt ohne inneren Zusammen-
hang mit dem Buche stehende erste Bild eine passende
Illustration; bemerkenswert ist es auch, daß keins der
beiden Veronikabilder das Antlitz mit der Dornenkrone
zeigt. Weiter ist auffallend, daß genau dieselben Holz-
schnitte, die das Blockbuch hat, in der ältesten, wohl
bei Stephan Planck in Rom (vgl. R. Proctor, An index
of the early printed books in the Brit. Mus. I 242) ge-
druckten Ausgabe wiedererscheinen, nur die beiden Ini-
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tialen und die Randornamente sind weggelassen. In
dem Gothaer Exemplar dieser Ausgabe es muß späte--
stens 1489 gedruckt sein, da der Rubrikator am Schluß
diese Jahreszahl eingetragen hat — ist auf dem das Papst-
wappen unter dem Veronikabild zeigenden Blatte die Tiara
und der Eichbaum der Rovere beseitigt und statt des letz-
teren das Wappenzeichen der genuesischen Cibo, d. h.
Innocenz' VIII., mit der Hand eingezeichnet, ein unwider-
sprechlicher Beweis dafür, daß hier ein älterer Schnitt für
die neue Ausgabe verwendet ist. Es ist demnach zweifel-
los, daß derselbe Holzstock von dem Verfertiger des deut-
schen Blockbuchs und des italienischen Druckes verwendet
ist, und wahrscheinlich, daß die Veronikabilder geschnit-
ten sind für eine Fassung, in der diese Legende eine
besonders hervortretende Behandlung gefunden hatte.
Die ältesten deutschen Druckausgaben, d. h. die
von Hans Awrl 1481 (= Hain *11209 vgl. K. Burger,
Deutsche und Ital. Inkunabeln Taf. 50, 2) an einem un-
bekannten Druckort und die von Hans Schauer 1482
(= Hain *11210 vgl. K. Burger, Taf. 143, 1) in München,
und zwar als erstes Druckwerk Münchens gedruckten,
haben keine Bilder: bei dem veränderten Format — sie
sind in Quart gedruckt — paßten die Schnitte nicht. Die
lateinischen Ausgaben, die ich außer dem Gothaer Exem-
plar kenne,^) haben neue Schnitte: die Planckschen Aus-
gaben bieten das Romulus- und Veronikablatt in engem
Anschluß, die Silbersche wenigstens in unverkennbarer
Anlehnung an die oben beschriebenen Bilder; keine der
Ausgaben hat das Blatt mit dem Papstwappen unter dem
Veronikatuch und keiner hat die Rankenornamente über-
1) Unter Innocenz VIII.: Hain *11190, Proctor 3775: St. Planck
O.J., Hain*11194: St. Planck Rom 1491; unter Alexander VI. : Hain
*11189: Eucharius Silber, Rom nach 1492.
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nommen; dagegen bieten alle über dem Anfang der römi-
schen Geschichte die drei Wappenschilde, nur ist das
Wappenzeichen des mittleren, die päpstlichen Schlüssel,
ersetzt durch das der Cibo bzw. der Borgia. Am An-
fang der Indulgenzien der Nebenkirchen hat die ältere
Plancksche Ausgabe (Hain -11190) einen St. Peter und
St. Paul darstellenden Holzschnitt, die von 1491 an der-
selben Stelle die heil. Jungfrau auf dem Halbmond in
Strahlen, die Silbersche vor den Indulgenzien der Haupt-
kirchen St. Johannes, dann St. Peter und St. Paul, die
Mutter Gottes auf dem Halbmond in Strahlen, St. Lorenz,
St. Sebastian, Jesus am Kreuz mit Maria und Johannes.
Das genauere Verhältnis der deutschen typographi-
schen Ausgaben zum Blockbuch ist schwer zu bestimmen ;
im allgemeinen haben sie genau denselben Text. Daß
beide auf das engste zusammengehören, erweist schon
die Einleitung zum zweiten Teil, wo in beiden Texten
zu lesen ist : Sandus Silvester der schreibt in seiner Co-
ronica (diese Form hat auch die Ausgabe der Indul-
genzien von 1475) das zu Rome (roni) sein gebest (ge-
wesen) tausend (taasent) vnd CCCC vnd V(fünf) kyrchen
(kirchen) der sein (send) vil zerbrochen worden (die ein-
geklammerten Formen sind die des Druckes), während
der lateinische Text, mit dem die Ausgaben der Indul-
genzien stimmen, die Zahl der Kirchen übereinstimmend
auf 1505 angibt. Ebenso fehlt in der Aufzählung der
Kirchen im Blockbuch wie in den Drucken die Erwäh-
nung von St. Vitalis, welche die lateinischen Texte mit
folgenden Worten geben: Ad sanctuni Vitalem est una
ecclesia per papani Sixtani qiiartam Pontificeni niaximam
restaarata tempore siio anno Jubilei, est statio titulus Car-
dinalis. Nicht weniger belehrend ist folgende Stelle in
der Beschreibung von Sta. Bibiana, wo das Blockbuch und
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die ältesten Drucke folgendes bieten : Do stet ayn (ain)
staindor (Dar) in ist gehaven die geschrift also Hicfuenint
sepulti tpe (tempore) anthoni Imperatoris qainqe Milia
duceta et sexaginta sex Milia absque parfalis (paruu-
lis) et mulier ihaSy während der Text des lateinischen Buches
so lautet: Fiierunt in isto loco sepelita quinque milia corpora
sanctoruni martyrum absque parvulis et mulieribus. Es ist
interessant zu bemerken, daß das deutsche Buch mit der
Angabe, daß eine Inschrift vorhanden sei, recht hat (vgl.
Armelhni, Chiese di Roma S. 806), daß aber seine An-
gabe (auch ohne das unsinnige zweite Milia) ebenso
falsch ist wie die des lateinischen: denn die Inschrift
lautete in quo cimeterio requiescunt quatuor millia et
CCL VII corpora Sanctoruni exceptis parvulis et mulieribus.
Und das gleiche, d. h. die enge Zusammengehörig-
keit des Blockbuchs und des deutschen Drucks gegen-
über dem lateinischen Text, erweist, um noch ein Bei-
spiel anzuführen, die Art und Weise, in der die drei
Kirchen St. Anastasius (die deutschen Texte nennen die
Kirche Sta Anastasia), Sta Maria in scala celi und Ad de-
capitationem S. Pauli (vgl. Armellini p. 938 ff.) im Gegen-
satz zum lateinischen Buch aufgezählt und beschrieben
werden.
So viel steht also fest, daß ein und dieselbe Quelle
dem Holzschneider und Awrl, dem ersten Drucker des
deutschen Textes, vorgelegen hat; der Druck Schauers
kann für diese Frage ausscheiden, da er eine, Seite für
Seite in den Anfangs- und Schlußworten genau stim-
mende Wiederholung des Awrlschen Druckes ist: es
gilt für diese beiden Ausgaben der Mirabilia genau das-
selbe wie für die Mainzer 48zeiligen Bibeln von 1462 und
1472. Aber wahrscheinlicher scheint mir doch, daß Awrl
unter Einsetzung vielfacher sprachlicher, besonders dia-
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lektischer Änderungen und der Verbesserung mancher
offenkundiger Versehen (so schreibt er z. B. statt Excel-
sas richtig Geisas und statt Sta Maria yniolata, St. Maria
inviolata gleich dem lateinischen Text, was freilich selbst
ein fast komischer Fehler ist statt Sta Maria in Via lata,
vgl. Armellini, Chiese di Roma 472) doch das Blockbuch
selbst als Vorlage benutzt hat. Ich will für diese Ver-
mutung nur eine Stelle anführen. In der bekannten Er-
zählung von der Päpstin Johanna, in der nebenbei be-
merkt die lateinische und die deutsche Fassung in we-
sentlichen Punkten nicht zusammen stimmen (vgl. auch
J. DöUinger, Die Papst- Fabeln des Mittelalters S. 26),
heißt es im Blockbuch : Do sie ging in pebstlicheni wesen
mit allen den Cardinalen in der processe vnd vil Volkes
Bey der kyrch || (Schluß der Seite) sie des kyndes. Es ist
klar, daß die Worte ausgefallen sind: was, do genas , . .
Der Druck gibt folgenden Text: Da si gieng in pebst-
lichen wesen mit allen den cardinalen in der proceß vnd
vil Volkes pey der kirch si des kindes genaß. Hätte diese
Fassung in einer gemeinsamen Vorlage sich gefunden,
so wäre das Versehen des Holzschneiders unerklärlich
und ebenso das Auffallende in der Konstruktion und im
Ausdruck Awrls.
Das Buch zerfällt inhaltlich in drei Teile: einen ge-
schichtlichen, einen periegetischen und in einen mit dem
zweiten eng zusammenhängenden sakralen. Im ersten
wird die Geschichte Roms von Gründung der Stadt bis
Konstantin mit besonderer Hervorhebung der für die Ge-
schichte der christlichen Kirche wichtigen Tatsachen der
Kaiserzeit erzählt; der zweite behandelt zunächst die sie-
ben Hauptkirchen Roms — dieses Stück ist durch die
Unterschrift Also haben die Syben hawbt kyrchen ayn ende
Got vns allen vnsern kiüner wende Amen als besonderer Ab-
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schnitt hervorgehoben — , dann die übrigen Heiltum-
kirchen der Papststadt. Diese Aufzählung beginnt mit
Trastevere, führt über die Tiberinsel auf das Hnke Tiber-
ufer, dann über S. Nicolo in carcere nach Süden zum
Fluß zurück, von da über den Aventin nach S. Balbina,
dann nach Norden über Colosseum und Forum bis zum
Corso, um nach einem Abstecher nach rechts den nörd-
Hchsten Punkt in S. Maria del popolo zu erreichen. Ein
neuer Giro beginnt bei S. Bibiana bei Porta S. Lorenzo
im äußersten Osten: dieser wendet sich zunächst nach
Nordwest nach S. Prassede und S. Lorenzo in Panisperna,
gelangt über S. Maria in ara celi nach dem Pantheon (S.
Maria rotunda), von da südlich nach S. Maria in Monti-
celli, biegt von da nach Norden zurück zum Campo di
Fiore und seiner Umgebung und erreicht bei S. Pancra-
zio auf dem Janiculus die Gegend, von der der erste Giro
ausgegangen war. Im ganzen werden außer den sieben
Hauptkirchen noch zweiundachtzig Kirchen im deutschen
Text erwähnt; der lateinische, der noch S.Vitalis nennt,
hat dreiundachtzig.
Der letzte Teil unseres Buches bietet nach einigen ein-
leitenden Bemerkungen über Heiltümer im allgemeinen
ein nach den Wochenbuchstaben geordnetes, mit Ascher-
mittwoch beginnendes Verzeichnis der Fastenstationen,
dem sich ein zweites anschließt, das die Stationen nach
Ostern und in der Adventszeit enthält. Unter Stationen
sind diejenigen Zusammenkünfte der Gläubigen zu ver-
stehen, in denen an bestimmten Tagen (meist an den
Kirchweihtagen oder den Tagen der betreffenden Heili-
gen) prozessionsmäßig in die betreffenden Kirchen, die
sogenannten Stationskirchen, zur feierlichen Messe ge-
zogen und ein besonders reicher Ablaß erteilt wird.
Auch das Stationenverzeichnis schließt mit dem Verse:
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Also hat das puch ayti end ihs vns allen kumer wend
Darunter steht ein A (wohl gleich Amen) und darunter
. P{raese)NS • P(raeten) TVM • FVTVR VM
Die Bestimmung des Buches für den gewöhnhchen
Rompilger ist am Schluß der Aufzählung der Ablaßkirchen
deutlich ausgesprochen: Es sind noch vll kyrchen vnd
Capel in Rome in verspertten clostern vnd in Cardinal
hofe vnd in grosser her(re)n heuser do pilgrani nicht ein
magen geen Daß das Buch einem in weiten Kreisen ge-
fühlten Bedürfnis entgegenkam, zeigen die zahlreichen
Auflagen, die es bis ins XVI. Jahrhundert erlebt hat
(Hain 11211-M1219, Copinger II 4056 f.). Unzähligen
wird es als Führer gedient haben, keinem berühmteren
und keinem, der mit inbrünstigerem Verlangen nach Seelen-
heil die heiligen Stätten aufgesucht hatte, als Martin
Luther, der nach dem Nachweis Hausraths (Martin Luthers
Romfahrt, Berlin 1894, S. XII ff.) bei seiner Reise nach
Rom und vielleicht auch später unser Pilgerbuch in irgend-
einer seiner vielen Bearbeitungen benutzte. Mit beson-
derem Interesse werden viele deshalb die Legende von
S.Maria del popolo (S. 129 ff.) lesen, bei deren Kirche
das Augustinerkloster lag, in dem Luther während seines
Aufenthaltes in Rom gewohnt hat.
Auch in polemischer Absicht ist das Büchlein verwertet
worden: so ließ es noch 1571 Johannes Petrejus, Super-
attendent zu Mühlhausen, nach der noch jetzt in der
Ratsbibliothek zu Zwickau aufbewahrten Nürnberger Aus-
gabe von 1491 (Hain 11212) mit Weglassung des geschicht-
lichen Teils abdrucken unter dem Titel Ablas Büchlein,
Erzellinge des MeilthumbSy Gnade vnd Ablaß, aller Kirchen
in Rom, Ein altes Büchlein, fiir 90. Iharn zu Rom Latei-
nisch, vndhernachmalsziiNiirnbergDeiitzschaiisgangen. —
letzt aber zu Dienst f romer Christen, auffs new gedruckt.
2
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Ebenso findet sich eine Ausgabe des ganzen Buches
von 1594, in der die Plancksche Ausgabe von 1500 wieder-
holt ist, mit dem Titel Mimbilia Vrhis Roniae. Das ist:
Die wundersame verwunderliche Wunder^ so in der Stat
Rom, dem grossen Römischen Binnkorb zufinden, mit er-
zehlung derselben Zellinen vnnd Hülinen, Auch was für
Binnenkönig, von anfang desselben, biß auff die grosse
Huihel Syluestrum, /. In dem regiert den besessen vnd jnn
gehabt haben ClD.lD.LXXXXlllL Diese Neuaus-
gabe gehört zusammen mit der in demselben Jahr er-
schienenen Ausgabe der Übersetzung von J. Calvins be-
rühmten Advertifsement tresutile du grand proffit qui re-
viendroit ä la chrestiente sUl faisoit inventoire de tous les
Corps sainctz et reliques quisont tant en Italie qu^en France,
Allemagne, Hespaigne, et autres royaumes et pays\ diese
Übersetzung selbst aber hat folgenden Titel Der heilig
Brotkorb der h. Römischen Reliquien, oder Würdigen Heil-
thumbs Procken: Das ist, loannis Calvini Notwendige
vermanung, von der Papisten Heiligthumb : Darauß zu
sehen, was damit für Abgötterey vnnd Betrug getrieben
worden, dem Christlichen Leser zu gute verteutscht. Sam.pt
beigethanen Wunders Wundern, in der Stadt Rom . Getruckt
zu Christiingen, Bei Ursino Gutwino. 1594. Die ver-
schiedenen Ausgaben dieses Buches selbst selbst sind meist
zusammengebunden mit Ausgaben von Marnix-Fischarts
Bienenkorb deß heil. Röm. Imenschwarms s. Graesse, Tre-
sor II 587. IV408. — Das lateinische Buch hat 1722 G.Tent-
zel in Arnstadt unter dem Titel Historia Romana usw. neu-
drucken lassen; von ihm sind auch italienische Übersetzun-
gen bekannt, s. Hain 11220, Copinger II n.4058 (Rom 1490).
Daß der Verfasser der deutschen Bearbeitung selbst
in Rom war, ergibt sich aus den zahlreichen Ortsangaben,
die sich bei ihm genauer als im römischen Texte finden.
19
In der Stoffverteilung, der Anordnung innerhalb der Teile,
vor allem in der Reihenfolge der Kirchen und dem Haupt-
sächlichsten der Beschreibung stimmt das deutsche Buch
vollständig mit dem lateinischen überein; nur hat es außer
dem auf die heil. Veronika bezüglichen Stück (s. o. S. 1 1 ) die
für deutsche Leser unbrauchbaren Merkverse für die Sta-
tionen weggelassen und die allgemeinen Bemerkungen
über die Reliquien eingeschoben. Vollständig verschieden
aber ist in beiden Büchern die Fassung, die Absicht und
die Stoffauswahl; von einer Übersetzung aus dem Latei-
nischen kann gar nicht die Rede sein.
Der deutsche Verfasser verzichtet vollständig auf jedes
gelehrte Beiwerk, das der Verfasser des lateinischen Buches
in zahlreichen Zitaten aus den Klassikern , aus Rufin, aus
Leonardus Aretinus, Jacobus de Voragine, Piatina vitae
pontificum einstreut: diese Schrift wurde 1474 oder 1475
(s. Pastor, Gesch. der Päpste II 618) vollendet und 1479
(Hain *1 3045) zuerst gedruckt. Bemerkenswert und wichtig
für die Frage nach der Persönlichkeit des Verfassers sind
die Verweisungen prout scripsi eodem libro virgiliicapitiilo,
R (reqiiire) eodem IL virg, iibi scripsi de Constantino, Ii
plene illiid scriptum in sexto capitiilo para. qiiod edidi super
dante. Der Stoff, den der Deutsche vor allem heranzieht,
ist die Legende, die fromme Sage, die sich an die ein-
zelnen Orte anknüpft, und neben den christlichen Legen-
den hat er auch heidnische eingesetzt, wie die drastische
von dem mutwillig iungling genant martin, der an Stelle
des römischen Curtius getreten ist, und die vom Zauberer
Virgilius, den er nicht weniger als dreimal (S. 63. 116. 130)
erwähnt hat, während der lateinische Text nichts von
ihm weiß.
Die Quellen, die für das deutsche Blockbuch benutzt
sind, lassen sich in der Hauptsache noch jetzt nachweisen.
20
Für den geschichtlichen Teil gibt der Verfasser selbst S. 8
einen Quellenvermerk in den Worten als vns die romisch
Cronica sagt. Daß hier nicht ein lateinisches Geschichts-
werk, sondern eine Kaiserchronik, eine Chronik von > te-
serfiy bebesten vnd vil andern Dingen«^ gemeint sei, lag
nahe zu vermuten, und in der Tat entspricht, v\^as von
da an erzählt wird, meist fast wörtlich der im XV. Jahr-
hundert handschriftHch weitverbreiteten Chronik des Ja-
kob Twinger von Königshofen, dessen Werk nach der
Heidelberger Handschrift zum ersten Male in Augsburg
etwa 1474 (Hain *9791) von Johannes Bämler und zum
zweiten Male, unter Weglassung des ersten Kapitels, be-
ginnend mit der römischen Geschichte, also mit demselben
Anfang wie das Blockbuch, von demselben Augsburger
Drucker 1476 (Hain *9792) herausgegeben worden ist mit
der Überschrift hie nach volget ein Cronica vö allen
kay\sern vn kiinigen die seyder xpi gepurd geRe\giert vnd
gereychßnet habe welich Cronica gar \ Imrczweylig nüczlich
vn lieplich zu hören ist; jetzt ist das für die deutsche
Geschichtsschreibung des ausgehenden Mittelalters be-
sonders wertvolle Werk am bequemsten zu benutzen in
der trefflichen Ausgabe C. Hegels im 8. Band der Chro-
niken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert.
Der Erzählung Twingers, die in weitgehendster Weise
den Wünschen und Interessen des Verfassers des im
Blockbuch wiedergegebenen Textes für seine Leser ent-
gegenkam, ist dieser fast durchaus gefolgt. Während
das lateinische Buch unmittelbar an die Königsgeschichte
die Aufzählung der Kaiser anknüpft, hat das deutsche
im Anschluß an Twinger auch einige Mitteilungen aus
der Zwischenzeit; auch die Erzählung von Curtius-Martin
ist ihm entnommen. Ich will wenigstens eine Stelle zur
Vergleichung anführen, um die Art, wie der Verfasser
21
seine Quelle benutzt, an einem Beispiel zu veranschau-
lichen. Der Bericht über Casars Kämpfe in Gallien und
Germanien lautet im Blockbuch so : Item vor xps gebärd
L VIII iar ward Julias gemacht der burg(er)malster ayner zu
rome vtid sy santten in mit grossem volk in lampartten . . .
vnd es ging im gluklich bezwang lampartten vnd für darnach
in teutsche land vnd gesigt peymund vnd yngram die zwen
großmechtigen herczogen von payern vnd norkau die sich gen
iulio erhebt hetten die huldtten im dor nach zoch Julius fuer
thrier fuer die haubtstat in teutschen landen die stat bracht
er auch vnder sich vnd gewan koln vnd mayncz vnd stros-
burgk . . . Dasselbe erzählt Twinger nach der Bämlerschen
Chronik von 1476 mit folgenden Worten : Da nun zalt von
der stat Rom anfang VII. hundert jar minder VII iar das
was vor gottes gepurd L VIII jar, vnd wart Julius gemachet
der meister einer zu Rome . . vnd als die Römer zu disen
zeytten hetten alle land bezwungen an teutsche land lamp arten
vnd franckreich Do sandten die römer disen frumen streyt-
pern man julium auß, mit einem grossen volck .... vnd
beczwang zu dem ersten lamp arten alles miteinander. Dar-
nach für er in tewtsche landt, do zogen die zwen herc-
zogen von beyrn genandt Peymunt vnd Yngram (über
den der bayerischen Überlieferung entsprechenden Zusatz
des Blockbuchs vnd norkau vgl. Maßmann, Kaiserchronik
III 473) mit einem grossen volck gegen Julio, vnd thetten
einen grossen streyt mit im das fast vil volcks ward er-
schlagen, doch überkam lulius das im die herczogen vnter-
tänig wurden Darnach für er gen trier vnd vmblöget die
stat wann es die haubtstat was in teutschen landen, die
von Tryer wartent sich fast gegen im. Doch gewan er die
stat . . vnd belib zu Trier piß des im kölen mencze speyr
straßpurg vnd die andern stötte alle in tewtschen landen
vndertänig wurden mit guttem willen.
22
Von alledem steht im lateinischen Büchlein nichts.
Der, der den deutschen Text für den Holzschneider ver-
faßte, hat, um diesem die Arbeit zu erleichtern, gekürzt,
so sehr er konnte ; aber die Vorlage selbst ist trotzdem
in der Hauptsache und selbst im Ausdruck noch ohne
weiteres erkennbar.
Sehr merkwürdig und belehrend ist die Stelle, in der
das Blockbuch von der Krankheit des Kaisers Tiberius,
seiner Heilung durch das Tuch der Veronika (nur diese
erwähnt der lateinische Text) und der Bestrafung des
Pilatus erzählt. Hier berichtet Königshofen (S. 340 der
Hegeischen Ausgabe) nur, Tiberius habe den Pilatus ge-
fangen nach y>Lugdune in Burgondiem' gesandt und dort
habe sich dieser erstochen; doch setzt er hinzu: Wer Pila-
tus leben welle gantz wissen ^ der suche es in lompartica
historia von dem Karfritage. Und in Jacobus de Vora-
gine Legenda aurea oder Lombardica historia c. 51 wird
nicht nur des Pilatus Tod ganz übereinstimmend er-
zählt,^) sondern auch alles andere, was sonst an dieser
Stelle des Blockbuchs von frommer Legende berichtet
ist! So finden sich auch sonst noch Ergänzungen zu
Königshofen im Blockbuch und ebenso Mißverständ-
nisse und Abweichungen; einmal (S. 38f.) spricht es
der Verfasser selbst aus, daß er die Darstellung seiner
Vorlage (es ist Königshofen S. 359 bei Hegel) kürze:
Zu Rome vnd zu Mayland wurden getoet zu iren czeitten
Der edel ritter sand Jorg sota Agatha vnd scts Criso-
gonus vnd vll ander genenyger {derjenigen!) heyligen
^) Jacobus de Voragine : audiens hoc pilatus culteUo proprio se
necavit . . mole ingenti alligatiir et in tyberim fliiuiiim immergitiir \
Blockbuch : do pylatus vernani das er wos vernrtaylt da stach er sich
zu tode da warf man in in die typer (vgl. W. Creizenacli in Paul und
Braunes Beiträgen I 91).
23
(Awrl ander vil heiligen) die ich von kitrcze vndenvegen
lasse.
Die Neigung für die Legende bleibt auch, wie be-
sonders hervorgehoben werden muß, in den beiden Auf-
zähhmgen des zweiten Teils, wo die lateinischen Bear-
beitungen die Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis
nahelegen.
Es fallen für die Quellenuntersuchung des zweiten
Teils ganz aus die Indulgenzbeschreibungen Hain *9174
*9176, die, wie die Zeit ihrer Drucklegung ergibt (*9174 ist
undatiert, stammt aber den Typen nach aus der Druckerei
Adam Rots in Rom, für die datierte Drucke nur bis
1474 nachzuweisen sind; *9176 hat die Unterschrift Finis
Indalgentiarum Rome . Anno . M . CCCC . LXXV. Prima
februarii . Deo gratias.), für das Jubeljahr 1475 verfaßt,
nur die Heiltümer der sieben Hauptkirchen und in einem
kurzen Anfang nur die hauptsächlichsten anderen Princi-
pales ecclesiae behandeln. Dieses Verzeichnis ging, bis
auf den Anhang, in erweiterter Gestalt in die lateinische
Bearbeitung über; für die deutsche ist über diese hinaus
nichts zu gewinnen.
Die Zusammengehörigkeit des deutschen und lateini-
schen Textes für die Kirchenbeschreibungen ergibt außer
der Gemeinsamkeit des Stoffes vielfach Übereinstimmung
im Inhalt, ja auch im Ausdruck und vor allem in der
Reihenfolge. Aber da sich nirgends über längere Strecken
eine stark hervortretende Beziehung nachweisen läßt,
wohl aber, abgesehen von der Verschiedenheit des Grund-
charakters der Bearbeitungen und der ungleich größeren
Ausführlichkeit des Deutschen, auch in der Darstellung
— man vergleiche nur den Eingang der Erzählungen
über San Giovanni in Laterano — entschiedene und auf-
fallende Unterschiede sich finden, so glaube ich, daß eine
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auch von dem lateinischen Bearbeiter benutzte Fassung
dem Verfasser des deutschen Blockbuchs vorgelegen hat:
in ihr fand er das Schema und das Gerippe für seine
Arbeit. Seinen Text aber hat er nach der lokalen, an
Ort und Stelle ihm bekannt gewordenen Überlieferung
und der kirchlichen Legende ausgestaltet, so daß man
von einer über die angedeutete Benutzung hinausgehenden
Abhängigkeit seiner Arbeit von jener Vorlage nicht reden
kann.
Das dem Faksimile zugrunde gelegte Original ist für
die Gothaer Bibliothek im Auftrage des Herzogs Ernst II.
von Sachsen- Gotha -Altenburg 1801 von Schlichtegroll,
dem bekannten Verfasser des Nekrologs und späteren
Sekretär der Akademie der Wissenschaften in München,
in Erfurt von dem bekannten Erfurter Gelehrten und
Schriftsteller Lossius gekauft; weiter läßt sich seine Ge-
schichte nicht zurückverfolgen. Das Schlußblatt (s. o. S. 1 1 )
ist nach dem betreffenden Blatt des Münchener Exemplares
hergestellt worden. Faksimiliert sind die Mirabilia schon
einmal worden von M. Berjeau, aber nur in zwölf Exem-
plaren, von denen das eine oder das andere gelegentlich
auch in den Handel gekommen ist. Wir hoffen, daß das
nach so vielen Seiten hin merkwürdige Büchlein eine
willkommene Gabe für alle BibHophilen sein wird.
Gotha.
R. Ehwald.
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