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Full text of "Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung"

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MITTHEILUNGEN 


DES 


I 


ii 


INSTITUTES 


IN  ATHEN. 


SECHSTER  JAmWtGAJKG» 

Mit  sechzehn   1''areln,    zwoelf  Oella^en  und  vielen 
Bolaeschnitten   Im  Xext« 


ATHEN, 

IN  COMMISSION   BEI   KARL  WILBERQ. 

1881 


Inhalt. 


II.  BoßRMANN,  Neue  Untersuchungen   am   Ereclitheion 

zu  Athen    

W.  DoERPFELD,  Untersuchungen  am  Parthenon 
A.  FüunvAENCLER,  Zwei  Thongefasse  aus  Athen 


» 


Marmore  von  der  Akropolis 


L.  GuRLiTT,  Ein  Rriegerrelief  aus  Kleitor     . 

U.  KoEHLER,  Aus  den  attischen  Seeurkunden 

»  »  Die  Mimze  der  Kleruchen  auf  Delos 

»         »  Der  Plutos  des  Kephisodot.     . 


K.  Lange,  Die  Athena  Parthenos 
1)       »        Tempelsculpturen  von  Sunion. 

Spyr.  P.  Lambros,  Eine  Inschrift  aus  Chalkis 

G.  LoEscHCKE,  Mittheilungen  aus  Kameiros    . 

H.  G.  LoLLixG,  Mittheilungen  aus  Rleinasien.  I.  Eh- 
rendecrete  aus  Lampsakos.  II.  Aus 
dem  Thal  des  Rhodios.  HI.  Inschrift 
aus  Zeleia 95 

A.  MiLCHHOEFER,    Inschrlftcn    aus   Kleitor  und   Orcho- 
menos 


372 
283 
106 
174 
154 

21 
238 
363 

56 

233 

167 

1 


217 


J.  H.  MoRDTMANN,  Zur  Epigraphik  von  Kyzikos.     .  40. 
»  »  Inschriften  aus  Kallipolis. 

M.  Ohnefalsch-Richter,  Von  den  neusten  Ausgrabun- 
gen in  der  cy prischen  Sa- 
lamis      191. 


303 
121 
256 


244 


IV  INHALT 

Seite 

A.  IlAnAAonorAOE  KEPAMErs,   'ETrtypapzl    e^  'Iwvia;    Jtai  Au- 

SCx; 266 

K.  PuRcoLD,  Nike  aus  Meg.ira 275 

JoH.  Schmidt,  Aus  Konstantinopel  und  Kleinasien  .     .  132 

»          »         Mittheilungen  aus  Griechenland    .     .     .  338 
G.  Treu,  Fragmente  aus  den  tegeatischen  Giebelgrup- 

peu  des  Skopas .  393 

R.  Weil,  Die  Familie  des  C.  Julius  Eurykles     ...  10 

jo       »       Das  Bündniss  der  Athener  mit  Mithradates  .  315 


MISCELLEN. 

F.  von  DuHN,  Zu  den  Amazonenreliefs  von  Patras  und 

dem  Fries  von  Phigalia 306 

ü.  KoEHLER,  Aegyptisches  Gewicht  in  Athen     .     .     .  424 

H.  G.  LoLLiNG,  Die  Insclirift  aus  Kebrene     .     .     .     .  118 

»  »  Altar  aus  Sestos 209 

»  »         Nachträge  zum  ersten  Decret  aus  Lam- 

psakos 212 

»  »  Inschriften  aus  dem  Peiraieus   .      .     .  309 

H.  SwoBODA,  Inschrift  des  Arkadius  und  Honorius.     .  312 

Sitzungsprotocolle 215 

Ernennungen 216 


Mitlheilungen  aus  Kameiros. 

(Aus  der  Nekropolis  von  Kameiros.) 


Unter  allen  Nekropolen  des  griechischen  Mutterlandes,  die 
systematisch  durchforscht  worden  sind,  ist  die  von  Kameiros 
weitaus  die  umfangreichsle.  Dem  Erfolge  der  dortigen  Aus- 
grabungen und  der  wissenschaftlichen  Bedeutung  der  Fund- 
gegenstände entsprach  die  Pracht,  mit  der  man  die  Puhlica- 
tion  derselben  begann:  die  60  Tafeln  von  A.  Salzmanns 
Necropole  de  Cameiros  sind  als  Ganzes  betrachtet  ein  Werk 
einzig  in  seiner  Art.  Um  so  mehr  ist  zu  bedauern,  dass  der 
Text,  der  das  Journal  des  fouiUes  enthalten  sollte,  ausgeblieben 
ist,  ein  Mangel,  der  die  wissenschaftliche  Nutzbarkeit  der  Ab- 
bildungen auf's  Empfindlichste  beeinträchtigt*.  Unter  diesen 
Umständen  wird  Jeder,  dem  die  Erkenntniss  griechischer  Sitte 
und  griechischer  Kunst  am  Herzen  liegt,  es  Herrn  C.  T.  New- 
ton ganz  besondern  Dank  wissen,  dass  er  die  Veröffentlichung 
der  folgenden  Mittheilungen  über  Kameiros  in  liberalster  Weise 


'  Salzmann  hat  nur  einige  allgemeine  Angaben  gemacht  über  die  Aas- 
grabungen  der  ersten  Jahre  in  der  Hev.  arcli.  N.  S.  IV  8.  467  11.  VIII  S.  1  H". 
Vergl.  VI  S.  264  (Rertrand).  Auch  Longpörier  zum  Mm^e  Napoleon  III,  der 
manche  Monumente  treuer  publicirt  als  Salzmann,  giebt  keine  genauen 
Fundnotizen.  Diese,  wie  alle  weiteren  Angaben  über  das  Mus^e  Napolion, 
das  hier  nicht  vorhanden  ist,  verdanke  ich  der  hilfsreiohen  Freundlichkeit 
von  G.  Kieserilzky.  der  die  auf  Kameiros  bezüglichen  Abschnitte  für  mich 
excerpirte. 

MITTH.D.  ARCH.IN8T.V1.  1 


2  MITTHEILUNGEN  AUS  KAMEIROS 

gestattet,  Herrn  A.  S.  Murray,  dass  er  sie  mit  viel  Aufwand 
von  2eit  und  Geduld  gefördert  hat.  Diese  beruhen  auf  Com- 
binatiüu  meiner  Beobachtungen  an  den  Monumenten  mit  Be- 
richten des  Herrn  A,  Biliotti,  früher  englischem  Vice-Consul 
auf  Rhodos,  jetzt  in  Trapezunt.  Biliotti  hat  während  der  gan- 
zen Dauer  der  Ausgrabungen  1859-65  gemeinsam  mit  Salz- 
mann  gearbeitet,  erfreut  sich  im  britischen  Museum  des  gröss- 
len  Vertrauens  und  erweist  sich  in  seinen  Berichten  als  ge- 
wissenhafter und  scharfer  Beobachter;  Archäolog  von  Fach 
ist  er  nicht  und  daraus  erklärt  sich  die  irrige  Beschreibung 
und  Benennung  mancher  Fundgegenstände,  die  deren  Iden- 
tificirunü;  bisweilen  sehr  erschwert.  Vom  October  1863  bis 
April  1864  führte  B.  ein  im  Br.  Museum  befindliches  Tage- 
buch, in  dem  er  Stück  für  Slück  den  Inhalt  von  etwa  800  Grä- 
bern verzeichnete.  Aus  den  früheren  Jahren  kenne  ich  nur 
summarische  Berichte,  wie  er  sie  auch  später  noch  neben  dem 
Tagebuch  an  das  Foreign  Office  eingesendet  hat;  unter  diesen 
sind  besonders  lehrreich  die  vom  30.  Juli  1859  und  vom  15. 
Januar  und  27.  Juli  1864. 

Die  Stadt  Kanieiros*  lag  an  der  N  W.  Küste  von  Bhodos 
am  Vorgebirge  MuAxv-tz  iSteph.  B.  s.  u.J,  dem  heutigen  Cap 
Minas,  etwa  3  engl.  Meilen  s.  w.  vom  Dorfe  Calavarda.  Unter 
dem  Wasser  sind  an  dei'  Ostseite  des  Vorgebirges  noch  die  Re- 
ste der  antiken  Hafenbauten,  zu  erkennen  und  auch  der  mit- 
telalterliche Leuchtturm  stehtaufaiten  Fundamenten.  AlsÄkro- 
polis  diente  eine  halbmondförmige  Höhe  etwa  ^/^  Meile  land- 
einwärts. An  dieser  haftet  bis  heut  der  antike  Name  der  Stadt, 
diese  selbst  aber  lag  in  einer  flachen  Talmulde,  die  sich  von 
dem  Nordabhang  des  ßurghügels  zum  Meere  erstreckt.  Das 
umfangreichste  Bauwerk,  das  sich  erhalten  hat,  ist  ein  Canal, 
der  von  Osten  und  Westen  in  die  Seiten  des  Hügels  hinein- 


'  Der  im  V.  HaruJe  der  Mitllieilungen  des  Instituts  auf  Tafel  XflT  milge- 
tlieille  Plan,  der  die  Iblu'enden  Angaben  verdeutlichen  soll,  ist  nacli  ßiner 
Sl<izzc  Biliotlis  gezeiclinel  unter  VergJeicliung  der  engl.  Admiralitaelskarte, 
deren  Benutzung  icli  der  Venniltlung  von  M.  Franke!  verdankte. 


MITTHEILUNGEN  AUS  KAMEIROS  3 

führt.  3  Fnss  hocl»  und  ]  i/g  Fuss  weit  ist  er  teils  in  den  na- 
türlichen Fels  gehauen,  teils,  wie  nebenstehende  Skizze  zeigt, 

aus  f^^lalt  behanenen  Steinen  er- 
baut. Vermutlich  war  es  eine  Was- 
serleitung, die  das  Quell wasser  der 
umliegenden  Hügel  von  zwei  Sei- 
ten her  dem  Centrum  der  Stadt  zu- 
fiihrte.  Die  Gräber  der  Kamireer 
finden  sich  am  Zahlreichsten  an 
den  Abhängen  einer  Hügelkette,  die  in  geringer  Entfernung 
den  Lauf  der  Akrupulis  im  Osten,  Süden  und  Südwesten  be- 
gleitet und  deren  einzelne  Teile  die  Namen  Kehraki,  Cazviri 
und  Fikellura  führen.  Auch  die  Papasiloures  genannte 
Felskuppe,  die  südöstlich  von  der  Burg  steil  aus  dem  Tale 
aufsteigt,  ist  über  und  über  mit  Grabanlagen  bedeckt.  Schon 
S.  und  B.  haben  erkannt,  dass  man  zuerst  das  nahe  bei  der 
Stadt  gelegene  Terrain  verwendete  und  erst  als  dieses  besetzt 
war,  notgedrungen  entfernlere  Begräbnissplälze  aufsuchte. 
In  den  Gräbern  von  Kehraki  und  Papasiloures  fanden  sieb  fast 
ausschliesslich  hocharchaische  Gegenstände,  bereits  im  VI. 
Jahrhundert  scheint  man  aufgehört  zu  haben  hier  regelmässig 
zu  bestatten.  Wo  man  in  der  ersten  Hälfte  des  V.  Jahrhunderts 
begrub,  wissen  wir  zur  Zeit  noch  nicht.  Den  letzten  Jahrzehn- 
ten dieses  Jahrhunderts  und  dem  Anfang  des  folgenden  ge- 
hören aber  sicher  die  Gräber  von  Cazviri  und  Fikellura  an, 
die  bereits  weiter  von  der  Stadt  abliegen  als  die  oben  genann- 
ten. Am  Entferntesten  endlich  und  kaum  vor  ihv  Zeil  Alexan- 
ders benutzt  ist  das  Todtenfeld  östlich  von  Kehraki,  wo  man 
die  Thelisvase  gefunden  hat.  — Diese  Verschiebung  der  Nekro- 
polis  vollzieht  sich  so  stätig,  dass  für  die  allerältesten  Gräber 
in  Kameiros  die  am  Burgfelsen  selbst  gellen  müssen.  Kammern 
und  Troggräber,  über  deren  Inhalt  Nichts  bekannt  ist,  die  in 
ihrer  Anlage  aber  den  archaischen  Grabstätten  auf  den  öst- 
lichen Hügeln  entsprechen  sind  zahlreich  in  die  Abhänge 
gehauen.  Aber  auch  auf  dem  Gipfel  hat  B.  wenigstens  ein 
Grab  unversehrt  entdeckt  und  zwar  unter  Umständen,  die  das 


4  MITTHEILUNGEN  AUS  KAMKIROS 

hohe  Alter  desselben  völlig  verbürgen  (s.  unten).  Der  Gipfel 
des  Hügels  ist  ganz  flach  und  mit  Thonscherben  *  und  Mar- 
morsplittern aller  Art  bedeckt.  Befestigt  war  er  nie,  wol  aber 
trägt  er  zahlreiche  Mauerzüge,  die  zur  Umgrenzung  heiliger 
Bezirke  und  Fundamentirung  von  Tempeln  gedient  haben  mö- 
gen. Am  VVestende  ist  der  Fels  sorgfältig  geglättet  und  nur 
einen  einzelnen  Block  von  wenigen  Fiiss  Umfang  hat  man  ab- 
sichtlich stehen  gelassen,  den  Salzmann  nicht  ohne  Wahr- 
scheinlichkeit für  den  Rest  eines  Altars  hält.  Denn  rings  um 
den  Stein  sind  in  den  geglätteten  Felsboden  längliche  und 
runde  Löcher  von  ^g"^  ^"-'^^  Durchmesser  ausgehöhlt,  die, 
mit  Steinplatten  verschlossen,  vereinzelt  Schmucksachen  aus 
Gold_,  Bronze  und  Glass,  Steinmesser  und  kleine  Thongefässe^, 
regelmässig  aber  und  in  grossen  Mengen  kleine  Vasen  und  Fi- 
guren aus  ägyptischem  Porzellan  enthalten.  Da  weder  B.  noch 
S.  je  den  Fund  von  Knochen  oder  Asche  in  diesen  Felslöchern 
erwähnen,  so  scheint  die  Vermutung  des  letzteren,  dass  wir 
es  hier  mit  einer  eigentümlichen  Form  der  Deposition  von 
Weihgeschenken  zu  tun  haben,  nicht  abzuweisen  {Bev.  arch. 
IV  472). 

Für  das  Verständniss  der  Ausgrabungen  an  einer  andern 
Stelle  des  Hügels  (1863-64),  ist  zu  bedauern,  dass  ein  Plan 
der  Akropolis,  den  B.  entworfen  hatte  und  auf  den  er  sich 
forllaufend  bezieht,  nicht  mit  in's  Br.  M.  gelangt  ist.  Da  er 
sich  aber  hoffentlich  im  Foreign  Office  wird  auflinden  lassen, 
so  behalte  ich  die  von  B.  zur  Markiruui?  verwendeten  Buch- 
Stäben  bei. 

Zwischen  den  Mauern  D  und  E  liegt  4  Fuss  in  den  harten 
Lehmboden  eingeschnitten,  die  Grundfläche  mit  grobem  weis- 
sen Stuck  überzogen  und  eingefasst  [an  den  2  andern  Seiten 
eines  Vierecks?]  von   den   Mauern  K  und  L,  eine  offenbar 


'  Hier  fand  sich  auch  ein  Ziegel  mit  dein  Stempel  Nn]3*1  IM  AX  (Ab- 
schrirt  von  BilioUi). 

2  Nach  S.  a.  a.  O.  sind  diese  dun  travail  et  d'un  dessiv  d'unc  admirahle 
peffccl'ion.  Es  wäre  von  grosser  Wichligkeil  für  die  Dalirung  dieser  Anlage, 
wenn  die  betreflenden  Vasen  sich  iiix  Louvre  identiliciren  Hessen. 


MITTHEILUNGEN  AUS  KAMEIR08  5 

ziemlich  umfangreiche  Verliefung.  Es  ist  dies  derselbe  Raum, 
den  Salzmann  in  der  ÜLerschrift  zu  seinen  Tafeln  als  Plateau 
sacre  bezeichnet. 

Hier  fanden  sich  teils  in  Haufen  zusammenliegend  teils  ver- 
streut—manches Tagewerk  ergab  nur  ein  Dutzend  Numern  — 
hunderte  von  kleinen  Altertümern.  Es  wurden  z.  B.  nach  dem 
Tagebuch  am  5.  April  64  gefunden  :  die  Gruppe  eines  orien- 
talischen Mannes —der  Bart  ist  assyrisch  frisiert  — derauf  einem 
Kamel  sitzt,  das  sich  auf  die  Knie  niedergelassen  hat,   und 
Speerspitzen  aus  Bronze.  Aus  Porzellan  :  ein  liegender  Löwe 
und  3  Statuetten;  aus  Terracotta:  eine  Statuette,  der  Kopf 
einer  Statuette  und  ein  Spindeiring,  endlich  2  kleine  Näpfe 
mit  dunkeln  Streifen  und  Tieren  auf  gelbem  Grund.  Gold  fand 
sich  ganz  wenig  und  scheintnurzufällig  hierher  geraten  zu  sein, 
Elfenbein  nach  Biliottis  ausdrücklichem  Zeugniss  gar  nicht. 
Auch  Bronzetiere  und  gemalte  Vasen  werden  selten  erwähnt, 
unter  letzteren  die  bei  Salzmann  29  abgebildeten  Platten.  Be- 
zeichnend sind  vielmehr  für  diesen  Fundort  neben  den  in  Ka- 
meiros  überall  auftretenden  Scarabäen,  ägyptischen  Götter- 
biidchen  und  heiligen  Tieren  (Löwe,  Katze,  Affe,  Sperber)  in 
Porzellan*,  ursprünglich  bemalle  Statuetten  aus  weissem  Kalk- 
stein  oder  wie  B.  es  nennt  hartem,   weissen  Thon.   Die  im 
Guide  to  the  second  Vase  Rooni  IIS.  43  ff.  verzeichneten  Figu- 
ren dieser  Art  stammen  zum  kleinsten  Teil  aus  Gräbern  von 
Kameiros,  wie  dort  angegeben  ist,  sondern  meist  von  dem 
plateau  sacre.  Sicher  ist  dies  bei  dem  Manne,  der  den  Löwen 
am  Bein  und  Schwanz  hält  [Guide  3,  Salzmann  10,  2),  der 
Figur  mit  dem  Steinbock  auf  der  Hand  (G.  8.  S.  9,  I),  der 
Frau  mit  dem  Reh(?)  [G.  9.  S.  10,  1}  und  den  pseudoägyp- 
tischen Sphinxen  (G.  17-19).  Eine  typische  Terracottafigur 
von  dort  hat  S.  auf  Taf;  15  abgebildet.  Vergl.  Guide  S.  60.  Da 
die  Gegenstände   häufig  zerbrochen   gefunden   wurden   ohne 
dass  es  gelungen  wäre  die  fehlenden  Teile  nachträglich  zu 


'  Guide  to  the  second  Vase  Room  I  S.  69  fl".,  .Salzmann  4.  5  (S.  5,  1.  3.  2. 
5  —  Musee  Napoleon  XLIX  1.  2.  3.  4). 


6  MITTHRILUNÜEN  AUS  KAMEIROS 

entdecken,  so  miiss  man  annehmen,  dass  sie  bereits  defect 
hier  deponiert  wurden.  Die  kellerartige  Verliefiing  wird  zu 
einem  jener  Magazine  gehört  haben,  die  wol  hei  keinem  Hei- 
ligtum fehlten  und  in  denen  man  zerhrochene  oder  werllose 
Weihgesohenke  unterbrachte,  um  für  Schöneres  und  Wert- 
volleres in  den  Tempeln  Platz  zu  gewinnen.  Die  einzelnen 
Objecle  könnten  in  Folge  dessen  sehr  verschiedenen  Perioden 
angehören,  doch  zeigen  sie  durchgängig  den  Charakter  einer 
ägyptisch-orientalischen  Mischkunst  und  ist  mir,  abgesehen 
vielleicht  von  den  2  Vasen  mit  Tierfiguren,  die  ich  nicht  iden- 
tificircn  konnte,  kein  Stiick  bekannt,  das  man  zunächst  für  die 
Arbeit  eines  Griechen  halten  möchte. 

Nachdem  B.  das  Depot  völlig  ausgeräumt  hatte,  liess  er  den 
Stuck  des  Fussbodens  durchschlagen  und  entdeckte  hier  das 
oben  erwähnte  Grab.  In  einem  steinernen  Trog,  der  mit  hori- 
zontal gelegten  Platten  zugedeckt  war,  fanden  sich  die  Kno- 
chen eines  Kindes,  ein  «Aryballos»  mit  dunkeln  Ornament- 
bändern, ein  zweihenkliges  Gefäss  «ägyptischen  Stils»  mit. 
engem  Hals  und  weiter  Mündung  — eine  Oenochoe  nennt  B.  es 
fragweise  —  mit  dunkeln  Linien  und  Bändern  auf  grauem 
Grund,  ferner  ein  ßronzering  und  Porzellanornamente  zum 
Anreihen.  Alle  Versuche  weitere  Gräber  auf  dem  Gipfel  des 
Hügels  zu  finden,  blieben  erfolglos.  Da  es  nun  sehr  geringe 
Wahrscheinlichkeit  hat,  dass  man  einzig  ein  Kind  hier  bestat- 
tet habe,  abseits  von  der  gewöhnlichen  Nekropolis,  so  möchte 
ich  vermuten,  dass  die  übrigen  Gräber,  die  sich  etwa  noch 
auf  der  Burghöhe  befanden,  entfernt  wurden  als  man  diese 
zu  sacralen  Zwecken  weihte  und  reinigte.  Die  kleine,  unter 
glatten  Steinen  gut  verborgene  Ö'^vcyi  blieb  bei  dem  Bau  des 
Heiligtums  unenldeckt  und  muss  für  das  älteste  Grab  gelten, 
das  sich  in  Kameiros  unversehrt  erhalten  hat.  Um  so  mehr 
ist  zu  bedauern,  dass  der  unscheinbare  Inhalt  desselben  sich 
aus  den  Schätzen  des  Br.  M.  noch  nicht  wieder  hat  heraus-, 
sondern  lassen. 

Eine  ähnliche  nur  viel  umfangreichere  Anhäufung  von  An- 
ticaglien  entdeckte  ß.    im  Frühjahr  1864    in   einer  Gisterne 


MITTHEILUNGEN  AUS  KAMEIROS  7 

(•well)  auf  der  Burg.  Wie  sich  bei  Ausräumung  derselben  ergab 
war  sie  30  yards  tief  in  den  Fels  getrieben,  die  hinabgefallene 
Erde  und  hinunter  geworfene  Allerliimer  halten  sie  aber  fast 
bis  oben  ausgefüllt.   Auch  hier  wieder  treten  die  Poizelianfi- 
guren  in  Masse  auf,  die  Figuren  aus  weissem  Kalkstein  feh- 
len aber  gänzlich.  Dafür  Avurden  gradezu  zahllose  Fragmente 
von  Hörn-  und  Flfenbeinschnilzereien  aufgelesen,  deren  wich- 
tigste im  Sccond  Vase  Room  Tab.  Case  G.  ausgestellt  und  im 
Guide  S.  71  IT.  beschrieben  sind.  Die  Gegenstände:  z.  B.  Sta- 
tuetten nackter  Frauen  [G.  1  ff.)  und  ein  Löwe  mit  imitirter 
Keilschrift  unter  der  Basis  (G.  16)  neben  Plättchen  mit  ein- 
gravirlen  Köpfen  ägyptischer  Gottheiten  [G.  JO  f.)  und  nach- 
geahmten Scarabäen  (G.  27  ^W)  beweisen  ebenso  deutlich  wie 
der  Stil,  dass  diese  Schnitzereien  einer  jener  Mischculturen  an- 
gehören, die  wir  jetzt  noch  ungesondert  mit  dem   Sammel- 
namen «Phönikisch»  bezeichnen.   Zur  Ornamentirung  wird 
ein  geometrisches  System  von  Zickzacklinien  und  untangirten 
concentrischen  Kreisen  mit  Zirkelpunkt  verwendet,  die  auch 
zum  assyrischen  Doppelband   zusammentreten.   Die  wenigen 
Vasen,  die  sich  fanden,  bezeichnet  B,  nur  ganz  aligemein  wie 
die  des  Kindergrabes  grau  mit  braunen  Bändern  u.  s.  w.  Wir 
kennen  aber  wenigstens  eine  Vase  die  von  hier  stammen  wird. 
Im  VI.  Schrank  des  First  VaseHoom  steht  eine  Kanne  — etwa  der 
Form  bei  Coliignon  27,  nur  ohne  die  Halsringe  —  mit  der  Marke 
Gamiros  9,  sie  ist  also  auf  der  Burg  gefunden.  Auf  gelblichen 
Grund  sind  mit  graubraunem  Firniss  Quadrate  gemalt,  die  in 
vier  kleine  Quadrate  zerfallen  von  denen  je  zwei  in  der  Dia- 
gonale liegende  mit  sich  kreuzenden   Linien  ausgefüllt  sind. 
So  wenig  ich  diese  Vase  einer  der  bekannten  Gattungen  zuzu- 
teilen weiss,  so  sicher  ist  ihr  hohes  Alter.  Terracotten  und 
Bronzen  werden  im  Tagebuch  seilen  genannt,  die  Porzellan- 
figuren vertreten  sie.  Auffallend   zahlreicher  als  in  DE  KL 
sind  aber  die  Überreste  von  Schmucksachen  ;  Electriimplätt- 
chen  und  ein  Eleclrumstirnband,  BronzePibulae,  zum  Teil  mit 
Gold  plattiert,  Cylinder  und  linsenförmige  geschnittene  Steine, 


8  MITTHEILUNGEN  AUS  KAMEIROS 

viel  Glass-Porzellan-  und  Ainbraperlen,  aach  Eberzähn«  und 
Muscheln,  unter  diesen  das  Fragment  der  Tridacua  s(jummsa 
mit  Gravierung,  Guide  S.  71  n.  6.  Von  einzelnen  Funden  er- 
wähne ich  noch  einen  polierten  Basallhammer  und  die  Bron- 
zestatuette eines  gelagerten  Ziegenbocks,  die  den  Typus  einer 
entsprechenden,  nur  leider  schlecht  erhaltenen  Figur  aus  den 
karischen  Gräbern  in  Jalysos  in  weiterer  Entwicklung  zu  ver- 
treten scheint,  Knochen  fanden  sich  nicht,  auch  dieser  Schutt 
stammt  also  aus  Tempeln,  nicht  aus  Gräbern.  Die  Tatsache 
aber,  dass  in  der  Cisterne  viel  Elfenbein  aber  kein  Kalkstein, 
in  dem  andern  Depot  Kalkstein  abar  kein  Elfenbein  gefunden 
wurde,  beweist,  dass  die  Abfälle  von  verschiedenen  Heilig- 
tümern mit  verschiedenem  Ritus  herrühren.  Der  Inhalt  der 
Cisterne  hatte  sich  wahrscheinlich  in  einem  Astatte-Tempel 
angesammelt,  dafür  sprechen  die  Bildchen  der  nackten  Göttin 
und  die  mit  diesen  entdeckten  Schmucksachen.  Der  andere  Be- 
zirk wird  nach  den  Kalksleinstatuetten  zu  urteilen  einer  tier- 
pflegenden Gottheit  etwa  nach  Weise  der  griechischen  Artemis 
fje weiht  gewesen  sein. 

Das  genauere  Alter  der  Funde  auf  der  Burg  würde  sich  nur 
durch  die  Specialuntersuchung  eines  Aegyptologen  feststellen 
lassen.  Doch  ist  der  terminus  ante  quem  ziemlich  sicher  dadurch 
gegeben,  dass  sie  noch  einen  rein  phönikischen  Charakter 
tragen.  Von  den  Elfenbeinschnitzereien  wurde  dies  schon  be- 
merkt, aber  auch  die  Porzellanfiguren  vs^erden  mit  wenigen 
Ausnahmen,  die  äg}'ptisch  sein  mögen,  für  phönikisches  Fa- 
bricat  gelten  müssen.  Das  assyrische  Element  tritt  allerdings 
sehr  bei  ihnen  zurück,  erscheint  aber  doch  z.  B.  in  der  Gruppe 
des  Mannes,  der  2  Vögel  würgt,  die  in  der  Cisterne  gefunden 
wurde,  und  in  der  Beflügelung  der  Sphinx.  Die  Gefässsta- 
tuelten  aus  Porzellan,  wie  sie  auch  in  Aegina,  Melos  und  At- 
tika  vorkommen,  sind  ihrer  Erfindung  nach  sichtlich  jünger 
als  die  Vollfiguren,  aber  auch  sie  gehören  nach  dem  Cliarakter 
der  gravierten  Inschrift  PVeEÜEMI,  die  ein  in  den  Grä- 
bern von  Kameiros  gefundenes  Exemplar  trägt,  in's  VI.  Jahr- 


MITTHEILUNGEN  AUS  KAME1R08  9 

hnndp.rt.   Auf  den  Anticaglien  von  der  Burg  fand  sich  keifi 
griechischer  Buchstabe*. 

Da  der  Zusammenbruch  der  pliönikischen  Herrschaft  auf 
Rhodos  in  der  ersten  Hälfte  des  VlII.  Jahrhunderts  erfolgt  zi; 
sein  scheint,  so  darf  man  die  umfassende  Reinigung  der  Tem 
pel  von  phönikischen  Weihgeschenken,  wie  sie  durch  B.  's, 
Funde  bezeugt  ist,  vielleicht  in  Verbindung  setzen  milder 
Einführung  griechischen  Cultgebrauchs  und  in  eben  jene  Zeit 
hinaufrückeri. 

Dorpat. 

G.  LOESC.HCKE. 


'  Millh.  IV  S.  366  Taf.  XIX  (Koehler);   Rev.  arch.  N.  S.  VT  Tf.  XVII; 
Hirschfeld  Arch.  Zeit.  1873  S.  108;  Salzmann  4, 


Die  Familie  des  C.  Julius  Eurykles. 


In  den  letzten  Bewegungen  eines  politischen  Lebens  in  Sparta, 
wie  sie  während  der  römischen  Bürgerkriege  zu  Tage  treten, 
ist  nur  Eurykles  eine  hervorragendere  Rolle  zugefallen;  es 
darf  darum  erwartet  werden.,  dass  eine  Zusammenstellung 
dessen,  was  über  ihn  und  seine  Familie  vorliegt, -wenigstens 
einigen  Aufscbluss  über  diese  späteste  Zeit  spartanischer  Ge- 
schichte ergeben  könne.  Das  literarische  Material,  welches 
hierfür  vorhanden  ist,  ist  freilich  ein  derartiges,  dass  eine 
klare  Anschauung  über  Eurykles  Wirksamkeit  sich  nicht  da- 
raus entnehmen  lässt,  und  was  an  Inschriften  bisher  gefunden 
worden  ist,  hat  auch  nur  sehr  unvollkommenen  Ersatz  bieten 
können,  da  sich  dieselben  vorzugsweise  auf  Eurykles  Nach- 
kommen oder  Anverwandte  beziehen. 

Noch  im  zweiten  Jahrhundert  n,  Chr.  haben  Nachkommen 
des  Eurykles  die  angesehensten  spartanischen  Aemter  inne- 
gehabt, sein  Urenkel  Lakon  ist  eponymer  Patronom  unter 
Hadrian,  sein  Enkel  Eurykles  Herklanos  erscheint  in  der  rö- 
mischen  Beamtenlaufbahn,   und  unter  Trajan  ist  er  lebens- 


DIE  FAMILIE  DES  C.  JULIUS  EURYKLES  ll- 

länglicher  ap^^tsps-j?  der  Sebasteia.  Ihre  Zugehörigkeit  zu  den 
altspartanischen  Adelsgeschlechtern  ergibt  sich  ans  dem  in 
der  Familie  erblichen  Priesterlhum  der  Dioskuren^,  dessen 
Generalionen  gezählt  werden,  offenbar  mit  dem  Anspruch  einer 
direkten  Ztirüekführung  der  Ahnenreihe  auf  die  Heroen,  wie 
in  einem  andern  spartanischen  Tlanse,  demjenigen  des  Tih. 
Claudius  Äristokrates,  das  Poseidonpriesferthum  vererbt  und 
Poseidon  selbst  als  Stammvater  gilt^, 

Des  Eurykles  Vater  Lachares  hatte  der  Triumvir  Antonius 
wegen  l-ziT-reix  hinrichten  lassen  (Plut.  Anton.  67).  Bei  der 
Sonderstellung,  in  welcher  Lakonien  während  des  letzten  Bür- 
gerkriegs seinen  Nachbarlandscbaften  gegenüber  steht,  wird 
man  dabei  wohl  an  eine  in  politischem  Interesse  ins  Werk 
gesetzte  Unternehmung  denken  können.  Foucart  hat  ihn  mit 
dem  in  einer  Inschrift  von  Gjthion  bei  Le  Bas  Voyage  archeol. 
Inscr.  \\  part^  2.  sed.  4  n.  242  a  als  Strategen  der  Eleuthero- 
lakonen  vorkommenden  Lachares  identificiren  wollen,  doch 
liesse  sich  damit  die  von  Waddington  gegebene  Datirung  der 
Inschrift  in  die  sullanische  Zeit^  schwer  vereinigen.  Auffallig 
bleibt,  dass  in  den  auf  Angehörige  des  Eurykles  bezüglichen 
Inschriften  bis  jetzt  erst  einmal  ein  Lachares  vorkommt  inder 
Gerontenliste  bei  Milchhöfer-Dressel ,  Mittheil.  II  S.  436  n.  10, 
Aaj^ccp/Yi?  'H[p])t>,[«vou].  Den  Tod  seines  Vaters  Lachares  zu  rä- 
chen, bedrängt  Eurykles  den  von  Action  fliehenden  Antonius 
mit  leichten  liburnischen  Schiffen  ;  diesem  gelingt  es  aber  mit 
Verlust  des  einen  Ädmiralschiffs  und  eines  anderen  reich  mit 
Prachtgeräth  beladenen  nach  Taenaron  zu  enlkomm.en  (An- 
ton. 67). 


*  C.  I.  G.  I  n.  1390.  Le  Bas  Voyage  arcliM.  Inscr.  vol.  11  part.  2.  sect.  4  n. 
245  b. 

2  Ü.  f.  G.  I  n.  !374.  Vergl.  Böclcti  zu  C.  I.  G.  n.  1340. 

5  In  die  Zeit  des  2.  Triumvirats  hatte  sie  bringen  wollen  Sauppe,  Nach- 
richten der  Göttinger  Gesetlsch.  der  Wiss.  1865  S.  461,  1867  S.  156  ff.  Pbi- 
lologiis  25. S.  557  IT.—  Ein  älterer  I^achares,  S.  des  Eperatos.  hat  mit  2  an- 
dern Lakedaemoniern  wohl  in  Folge  einer  Gesandlschaft  die  Proxenie  der 
Akarnanen  erhalten,  gegen  Ende  des  3.  Jahrhunderts  (Kumanudes '.^eijvaiov 
I  S.  253  =  Le  Bas  n.  194  d). 


12  DIE  FAMILIE  DES  G.  JULIUS  EURYKLES 

Eurykies  selbst  erscheint  im  Besitz  der  Insel  Kythera,  und 
eines  gewaltigen  Privatvermögens,  das  er  im  Sinne  jener  Zeit 
zu  glänzenden  Prunk  bauten  benutzte.  In  Sparta  errichtete  er 
das  eine  der  beiden  Gymnasien  im  Dromos  (Paus.  III  14,  6), 
in  Lechaion  bei  Rorinth  unweit  des  Meeres  eine  wegen  reicher 
Ausschmückung  mit  grünem  krokealischem  Marmor  berühmte 
Badeanlage  (Paus.  11  3,  5).  Seine  Stiftung  war  auch  das  Fest 
der  Eurykleia,  die  noch  in  der  Zeit  der  Anlonine  neben  den 
Sebasteia  fürden  vornehmsten  Agon  in  Sparta  gegolten  haben*. 
Wegen  einer  Schenkung,  aus  welcher  der  Oelbedarf  im  Gy- 
mnasien bestritten  werden  sollte,  errichtet  ihm  die  Eleuthe- 
rolakonenstadtKyparissia  eine  Statue^.  Sein  und  seines  Sohnes 
Deximachos  Bildniss  halten  die  Athener  auf  der  Burg  aufge- 
stellt (C.  /.  AU.  lil  801  ab). 

Bezeichnend  für  das  Ansehen,  welches  Eurykies  besass,  ist 
die  Aufnahme,  welche  ihm  am  judaeischen  und  kappadoki- 
schen  Königshofe  zu  Theilwird,  wo  ihn  llorodes  und  Arche- 
laos als  ihnen  gleichstehend  behandeln  3.  Durch  unzeitige  Ein- 
mischung in  die  Familienstreitigkeiten  am  Hof  des  Herodes 
hat  er  allerdings  das  Ende  der  beiden  Prinzen  aus  hasmo- 
naeischem  Stamme  (um  7  v.  Chr.)  nur  beschleunigen  helfen, 
aber  die  Schilderung,  welche  Josephus  bei  dieser  Gelegenheit 
von  seinem  Charakter  und  seinem  Auftreten  gibt,  ist  offenbar 
karrikirt. 

Bei  Strabo  S.  .3(>3  heisst  Eurykies  6  y.x^' i^^Stq  tüv  Aajce^oet- 
(jiovicjv  7iYS[ji,(ov,  und  S.  366  ist  die  Rede  von  einer  swicTaaia, 


1  6'  /.  G.  l  1378.  Le  Bas  n.  168  (.  Jünger  sind:  C.  I.  G.  n.  1239.  t240.  In 
C.  f.  G.  n.  1425  =  Le  Bas  n.  166  werden  sie  (jieyiXa  EupuxXsT«  genannt,  vie  sonst 
die  SjßxaiEra.  Einen  iVlas-ssUb,  wie  bet rächt! ieiie  Kapitalien  für  eiaen  derar- 
tigen Agon  erforderlich  waren,  gibt  aus  dem  Anfang  des  zweiten  vorchrist- 
lichen Jahrhunderts  da.s  Testament  des  Kaiydoniers  Alkeäippos,  Sohnes  des 
Butheras  mit  der  SUClung  der  Alkesippeia  in  Delphi :  Wescher-Foucart  fn- 
scriptiofi'!  de  Delphex  n.  436. 

*  Leake  Travels  inMorea  I  S.  223  inscr.  n.  23  (PhinikioUka  Kalyvia)  = 
Le  Bas  n.  237  a,  wo  durch  Foucart  die  von  Keil,  Analccla  epip^apliica  S.  96 
beanslanriete  Lesung  Leake's  ivflfvta  to  ^Xaiov  s';  tov  a'djv«  besläUgt  wird. 

^  Josephus  Anliijuil.  XVI  10,  1  ;  Bell,  .hidaic.  I  26,  1-4. 


DIE  FAMILIE  DES  G.  JULIUS  EURYKLES  13 

die  dadurch  ein  rasches  Ende  genommen,  dass  Eiirykles  das 
ihm  vom  Kaiser  geschenkte  Vertrauen  missbraucht,  sein  Sohn 
aber  dasselbe  völlig  verloren  habe*.  Der  Ausdruck  eTrKjTsj-jix, 
an  sich  betrachtet  ziemlich  unbestimmt,  erhält  von  einer  an- 
dern Seite  seine  Erläuterung. 

Auf  den  späten  spartanischen  Kupfermünzen  werden  die 
Namen  der  Beamten  entweder  abgekürzt  auf  die  Anfangsbuch- 
staben, oder  ausgeschrieben  in  der  Nominativform  2  — von  den 
beiden  Namen,  welche  hier  eine  Ausnahme  machen,  wird 
sogleich  die  Rede  sein.  Aus  der  vollständigeren  Aufschrift  einisp 
in  Paris  befindlichen  Münze  (Mionnet  Descript.  cl.  mklailles 
ant.  W  S.  218  n.  26,  Peilerin  Rec.  <L  med.  suppl.  IV  S.  43 
Tf.  IV  n.  3)  E<t>OPO?  TIMAPICTOC  hat  man  folgern 
wollen 3,  nicht  nur  hier,  sondern  auch  auf  allen  übrigen  spar- 
tanischen Münzen  werde  unter  dem  Beamten  ein  Ephor,  und 
zwar  der  eponyme  des  Jahres  zu  verstehen  sein.  Mag  diese 
Annahme  richtig  sein  oder  nicht,  jedenfalls  sind  von  diesen 
Münzen  mit  ihrem  offenbar  jährlich  wechselnden  Beamten  ab- 
zusondern die  im  Folo;enden  beschriebenen  Münzen'*. 

1.  Kopf  des  Octavianus  r.  KAI  C  (AP  Es.  Adler  stehend 
r.  EniEYPYKAE02  AA  Br.  0,019-0,022'".— 
Eckhel  D.  N.  II  S.  283.  MionnQi Suppl.  IV  S.  224  n.  30. 


*  Strabo  366:  vswot'i  8' EipuxXvi^  aJ»tou;  l'Apa^t  3(55»?  (J^O^/^priaaisSai  x^  Kat- 
aapo?  9'."A.ta  n=pa  toy  (letpJcu  jrpo;  tf,v  l;:i<jtaa(av  aJiTCüV,  Inaiaaro  5'  ^  ^pyj]  t«- 
yiw;,  ixEivou  (lev  r.apay^uyp-^'ia.vzoi  et;  rö  y.peiöVi  ^°'^  5' u'oü  T:r,v  tpiXiav  (iTOaxpap.- 
\xivov  triv  TO'.auiTiv  Tcaaav.  Josepiius  Anliqiiit.  XVI  10.  l  bezeichnet  ihn  luir 
als  E5puxXTi5  0.7.0  AnxEÖaipiovo;,  otx  ccarifio;  Tä>v  ixsi, 

2  Die  Aufscliiift  MAZANIIZOY  auf  dem  von  Haym  Thrsaur.  Brüann. 
II  S.  157  und  von  Mionnet  II  S.  217  n.  9  beschriebenen  lakonischen  Trio- 
bol,  der  oflenbar  identisch  ist  mit  dem  von  Leake  Num.  Hellen.  Eur.  S.  56 
beschriebeneu,  gehört  keinem  spartanischen  Magistrat  an;  vielmehr  ist  die 
Münze  überprägt  und  der  Name  nur  Rest  des  früheren  Gepräges  (Eekhel 
D.  N.  II  S.  279),  aber  die  Aufschrift  ist,  wie  schon  Mionnet  andeutet,  kei- 
neswegs unverdächtig;  vielleicht  zurecht  gemacht  aus  einem  AAEHANAPOY?- 

3  Neuerdings  noch  Lenormant,  La  monnaie  dans  lanliquiU  \[\  S.  100. 

*  Die  Münzbeschreibungen  nach  Exemplaren  des  Berliner  Münzkabiuels, 
ausser  bei  n.  6. 


14  DIE  FAMILIE  DES  G.  JULIUS  EURYKLES 

2.  Kopf  des  Agrippa  r.  ATP  Rs.  Kerykeion  aufrecht  AA 

EYP  YK  AE  (P  Y  in  Ligaliir)  B.  0,018.— Vgl.  Mion- 
net 11  S.  221  n.  56.  Suppl.  IV  S.  221  n.  11. 

3.  Bärtiger  Kopf,   Zeus  ähnlich^,   r,  Rs.  Keule  AA   Etil 

EYPYKAEOIZ  (AE  in  Ligatur)  im  Lorbeerkranz 
Br.  0,022.  -  Abgebildet  oben  S.  10.  Eckhel  S.  281. 
Mionnel  I!  S.  218  n.  24,  25. 

4.  Weiblicher  Kopf  mit  langem  Lockenhaar  1.  5:nAPTH 

Rs.  Zwei  Diüskuren  zu  Boss  r.  eilend,  über  ihnen 
die  beiden  Sterne  AA  EniEYPYKAEO£(AE  in 
Ligatur).  Das  Ganze  im  Lorbeerkranz.  Br.  0,025. — 
Eckhel  S.  280.  Mionnet  11  S.  221  n.  55. 

5.  Bärtiger  Kopf  r.  AA  Rs.Die  beiden  Dioskurenköpfe  ne- 

ben einander  [tetesaccolees),  darüber  die  beiden  Sterne 
eniAAKUÜNOC  Br.  0^022.  —  Abgebildet  oben 
S.  10.  M'wnnel  Suppl .  IV  S.-222  n.  21. 

6.  Bärtiger  Kopf  r.  Iifs.  Eni  AAKQNO^   AA  in  2  Zeilen 

dazwischen  quer  die  Keule  Br.  0,022. —  Leake  JSum. 
Hell  SuppL  S.  130. 

7.  Kopf  des  Kaisers  Claudius  r.  KAA)YAI02:KAi5:APAYT 

Rs.  Die  Dioskurenhüle,  dai-uber  die  Sterne  EfllAA- 
KUUN02   Br.  0,027.  —  Abgebildet  Eckhel  S.  281. 
Mionnet  II  S.  222  n.  65.  Vgl.  oben  S.  10. 
Eckhel  Doc/r.  Num.  II  S.  281    halte  bereits  darauf  hinge- 
wiesen, dass  der  Eurykles  dieser  Münzen  derselbe  sei  wie  der 
bei  Strabo  erwähnte,  und  Leake  Num.  Hell.  Eur.  S.  56  in  La- 
ken Eurykles  Sohn  erkannt.  Wie  schon  die  Aufschriften  Im 
Ei)puy.*X£o; ,  CTti  Aaxovo<;  erkennen  lassen,  bekleiden  Eurykles 
sowohl  als  Lakou  nicht  nur  eine  ganz  andere  Stellung  als  die 
auf  den  übrigen  lakonischen  Münzen  vorkommenden  Beamten, 
sondern  haben  dieselbe,  wieaus  der  Manchfaltigkeit  ihrer  Ty- 
pen und  der  grossen  Menge  ihrer  Münzen  erhellt,  aucli  für  ge- 


'  Gewöhnlich  als  Herakles  bezeichnet,  obwohl  er  nur  wenig  abweicht  von 
(Jem  L^kurgos-Kopf  dt^r  Tiniarislos-Serie.  Die  älteren  lakonischen  Münzen 
habt^n  allerdings  den  Herakles-Kopf,  bald  mit,  bald  ohne  Löwenfeil. 


DIE  FAMILIE  DES  C.  JULIUS  EÜRYKLES  15 

räume  Zeit  innegoliabt.  Wir  erhalten  damil  eine  urkundliche 
Besliiligung  zu  Slrabo's  Angabe,  dass  Eurykles  nicht  bloss  sel- 
ber eine  Art  Dynastenslellung  eingenommen  hat,  sondern  dass 
dieselbe  auch  noch  auf  seinen  Sohn  übereesaniren  ist. 

Das  damalige  Achaia  hat  kein  zweites  Beispiel  hierfür  auf- 
zuweisen, wogegen  in  den  nördlichen  Provinzen,  wenigstens 
in  Tbracien  sich  eins  der  älteren  Herrschergeschlechter,  die 
Sapaeerdynastie  von  Bizya,  hat  behaupten  können.  Lakonien 
hat  freilich  auch  während  der  letzten  2  Jahrhunderte  vor  Chri- 
stus eine  Sonderentwickelung  gehabt.  Unter  den  peloponne- 
sischen  Landschaften  halte  es  sich  seine  Voikskraft  noch  am 
besten  bewahrt,  die  soweit  sie  im  Inland  keine  ausreichende 
Verwendung  mehr  fand,  sich  im  Söldnerdienst  dem  Ausland 
zuwandte.  Die  Bergbevölkerung  des  Taygetos  und  Parnon, 
aus  weicher  Machanidas  und  Nabis  den  besten  Theil  ihrer 
Streitkräfte  entnommen  hatten,  war  um  Lakonien  dem  achaei- 
schen  Bund  gegenüber  unschädlich  zu  machen,  von  Sparta 
abgetrennt  worden.  Aber  ungeachtet  die  alle  lykurgische  Ver- 
fassung mit  dem  Aufhören  des  achaeischen  Bundes  in  Sparta 
wiederhergestellt  wurde  und  die  Landschaft  in  zwei  von  einan- 
der unabhängige  Gemeinwesen  gelheilt  blieb,  scheint  sich  der 
anfangs  so  schroffe  Gegensatz  zwischen  den  frei  gewordenen 
^ehemaligen  Heloten  und  der  Hauptstadt  allmählig  ausgeglichen 
zu  haben.  Dass  sie  allein  unter  den  Peloponnesiern  durch  die 
Römer  als  Itberae  civitates  anerkannt  worden  waren,  mag  hier- 
auf nicht  ohne  Einfluss  geblieben  sein.  Mit  Gewalt  halte  sich 
Archelaos  den  Anschluss  [.akoniens  an  die  mithradatischen 
Bundesgenossen  erzwungen',  bei  Philipp!  fallen  am  1,  Schlacht- 
tage, als  Brutus  Octavians  fiager  erslürmt,  2000  Lakedaemo- 
nier.  Und  ihre  Anhänglichkeit  an  Octavian  haben  die  Lake- 
daemonier  bewahrt,  bei  Aktion  kämpfen  sie  auf  seiner  Seite, 
während  sich  die  übrigen  Peloponnesier  bis  auf  die  Manti- 
neer  wie  im  2.  Bürgerkrieg  den  Gegnern  angeschlossen  hat- 


'  Memnon  c.  32.  Vgl.  Hertzberg  Gesell.  Griechenlands  unter  den  Römern  I 
S.  359. 


16  DIE  FAMILIE  DES  C.  JULIUS  EUl\YKLES 

len.  Von  Antonius  war  an  der  peloponnesischen  Küste  Atra- 
tinus  als  Flotten präfect  stationirt  worden,  der  als  solcher  in 
Lakonien  Münzen  mit  dem  Bildniss  seines  Triumvirn*  hatte 
prägen  lassen.  Atratinus'  Abfall  scheint  auch  für  die  lakoni- 
schen Schiffe  das  Zeichen  zum  Anschliiss  an  Oclavian  gegeben 
zu  haben. 

Zwischen  der  Schlacht  bei  Aktion  und  dem  Beginn  der  Epi- 
slasie  des  Eurykles  muss  noch  ein  wenn  auch  nur  kurzer  Zeit- 
raum verstrichen  sein,  indem  ausser  den  Octavianus-Münzen 
mit  dem  Namen  des  Eurykles  (oben  n.  1)  auch  noch  solche 
mit  dem  Anfang  eines  andern  Magistratsnamens ^,  und  zwar 
offenbar  vor  denjenigen  des  Eurykles  in  Sparta  geprägt  wor- 
den sind,  beide  Serien  gehören  aber  noch  vor  das  Jahr  27  v. 
Chr.  3  Für  Eurykles'  Vater  Lachares  wird  man  eine  ähnliche 
Stellung,  wie  sie  der  Sohn  inne  hat,  nicht  voraussetzen  kön- 
nen, auf  den  zahlreichen  der  Schlacht  bei  Aktion  voraufge- 
henden lakonischen  Münzen  wird  er  nirgends  genannt.  Dage- 
gen liesse  sich  vielleicht  für  die  Existenz  einer  Epistasie  in 
Sparta  bereits  in  früherer  Zeit  Appian  Bell.  civ.  II  70  anfüh- 
ren, wo  er  die  Spartaner  dem  Pompeius  zu  Hülfe  ziehen  lässt 
67:0  Toi;  iSiot?  ßaTi^sOfft  xxTfföjxsvoi,  doch  verhehle  ich  mir  nicht 
die  Unsicherheit  dieser  Vermulhung. 

Ihrer  eifrigen  Parlheinahme  für  Oclavian  und  dem  Um- 
stände, dass  Oclavians  Gemahlin  Livia'*  v^^ährend  des  perusi- 
nischen  Krieges  bei  ihnen  ein  Unterkommen  gefunden,  hatten 
es  die  Spartaner  zu  danken,  dass  ihnen  die  Proedrie  für  die 
Feier  der  Aktia  ertheilt  wurde  (Strab.  325),  und  was  wichli- 


'  Eckhel  II  S.  282. 

2  Vorderseite:  wie  diejenige  des  Eurylclesn.  1,  Ketirseite:  Adler  rechtshin 
AA  und  als  Beamtcnnamen  E  AA  (  A A  in  Ligatur;  im  Berliner  Kabinet). 

^  Nach  den  mir  vorliegenden  Kxemi)laren  ist  die  Inschrift  KAICAP  voll- 
ständig, und  es  hat  nicht  etwa  noch  ein  Se6aotö;  dahinter  gestanden,  wie 
man  nach  Caronni's  Beschreibung,  Musee  Ueäervar  S.  165  n.  4105  vermu- 
then  konnte. 

♦  Ti.  Claudius  Drusus  Nero,  ihr  erster  Gemahl,  hatte  mit  ihr  und  dem 
jugendlichen  Tiberius  dort  Schutz  gesucht,  weil  die  Lakedaemonier  in  der 
Tutel  der  Claudier  standen  (Suelon.  Tiber.  6.  Cassius  Dio  LIV  7). 


DIE  FAMILIE  DES  C.  JULIUS  EURYKLES  17 

ger  war,  dass  Oclavian  die  von  Antonius  in  Betreff  des  den- 
theiiatischen  Gebietes  gefüllten  Entscheidungen  nickgiingig 
machte;  Pharae  und  Thuria  wurden  wieder  Lakonien  /;ugespro- 
chen*,  durch  die  Einräumung  von  Kardamyle  die  Landschaft 
auch  mit  einem  Hafen  ausgestattet,  und  ihr  die  Insel  Kythera 
zurückgegeben.  Diese  Entscheidungen,  sowie  der  Besuch  Spar- 
tas durch  Aügustus,  der  dabei  auch  an  den  Syssitien  theilnahm, 
fallen  unter  Eurykles'  Epistasie^.  In  Rom  stand  Eurykles  in 
grossem  Ansehen,  und  selbst  als  seine  Machtstellung,  die  er 
im  Vertrauen  auf  die  Gunst  des  Aügustus  selbstsüchtig  rniss- 
brauchte,  in  Achaia  zu  Unruhen  Anlass  gab,  bedurfte  es  einer 
zweimaligen  Anklage,  bis  es  gelang  ihn  zu  stürzen  und  aus 
Lakonien  zu  verbannen  2.  Lnter  seinen  Gegnern  wird  ein  Bra- 
sidas*,  noch  ein  Abkömmling  des  alten  Feldherrn  namhaft 
gemacht,  dessen  Familie  während  des  1.  und  2.  Jahrliunderts 
nach  Christus  die  vornehmsten  spartanischen  Aemter  beklei- 
det. An  Eurykles'  Verbannung  schliesst,  wie  ich  glaube,  die 
Münzserie  an,  welcher  der  schon  genannte  Timarislos  ange- 
hört. Der  Typus  der  Vorderseite  ist  ein  ähnlicher  Kopf,  wie 
bei  den  Euryklesmünzen  n.  3,  nur  wird  derselbe  regelmässig 


*  Moruinseii  in  Neubauers  Aufsatz  über  die  Olympische  Inschrift  n.  16, 
Archaeol.  Zeitung  34  (1876)  S.  138  Anm.  t6. 

2  Die  lüschrift  vonüythionbei  LeBas  n.  287,  worin  ein -^5  Aaxipo»?  olo; 
genannt  ist  und  einer  Bekämpfung  von  Räubern  Erwähnung  geschieht  (xrt]Ti 
•rwv  [X»j]oxcüv  r[«]oXif*7i<j[ev),  bat  P'oucart  auf  Eurykles  beziehen  wollen;  es 
wäre  dies  das  erste  inschriflliche  Zeugniss  aus  seiner  ollentlichen  Wirksam- 
keit. Doch  ist  von  der  Urkunde  zu  wenig  erhallen,  als  dass  sich  ilir  Inhalt 
verwerlhen  liesse. 

3  Joscphus  Aaliqu.  XVI  lü,  l  EipuxXtii  [^h  ouv  ooSl  Iv  t^i  AnxeSaifiovi  nau- 
oajitvo;  ttvcii  [i.o-fßT\p6t,f  It:\  koXXoTs  douiiixoaiv  ir.ioxip/firi  zr^i  naTpt3o{.  Bell.  Ju- 
daic.  I  26,  4  Siapa;  e'i;  x\t  'EXXiSa  X'n4  Ix  xax'iv  xxr.OeTa-.v  et;  Ofioia  xaTEx.p»l<iato- 
Sl?  Y^'^v  ^''i  K 4(001005  y.(».Tr,Yopr,f)c';  lui  xü  otiaew;  l^.-!ikr^-i(t\.  xr^v  ^k^^a.^a.'^  xat  ne- 
piSieiv  xi«  j:(5X5(4  ^M-^a.li'iixa.\.  xinEivov  fxb  oöxws  i\  'Apioxo6o6Xou  xa'i  'AXs^ivSpov 
1tOlvf^  TceptY]X&e», 

<  Plutarch  Apophtk.  Roman.  Aug.  14.  Nicht  ihm,  sondern  erst  einem  sei- 
ner Nachkommen  vielleicht  in  Hadrians  Zeit  gehört  die  mit  der  Inschrift 
KXou.  Bpao'iSav  xov  nax^p»  versehene  Marmorstatue  (Milchhöfer-Üressel  n. 
142;  Mittheil.  II  S.  362)  an,  welche  im  heutigen  Sparta  zu  unverdienter 
Ehre  gelangt  ist. 

UITTH.D.  ARCH.INST.VI.  •^ 


18  DIE  FAMILIE  DES  G.  JULIUS  EURYKLES 

durch  Beischrift  als  AYKOYPTOC  bezeichnet,  derjenige 
der  Kehrseite  gibt  die  in  ein  Kerykeion  aaslaufende  Keule, 
milhia  eine  Vereinigung  der  Kehrseiten  von  n.  2  und  3  der 
Euryklesmünzen.  Die  ßeamtennamen  dieser  Serie  (Mionnet  II 
S.  217  n,  11-23)  sind  immer  abgekürzt  bis  auf  den  Ec|)0- 
P  O  [C]  T  I  M  A  P  I  C  T  O  C ,  wo  sogar  in  der  Anordnung  der 
Buchstaben  die  Kehrseite  der  Euryklesmünze  n.  3  copirt  ist. 
Danach  gewinnt  es  den  Anschein,  als  habe  man  des  Eurykles 
Sturz  für  ein  Wiedererstehen  des  lykurgischen  Spartas  ausge- 
ben ^vollen, 

Übrigens  kann  durch  das  Exil  die  Herrschaft  des  Eurykles 
nur  eine  Unterbrechung,  nicht  ihren  x4bschluss  gefunden  ha- 
ben, indem  aus  Strabos  Bericht  (S.  366),  in  welchem  der  Ver- 
bannung keine  Erwähnung  geschieht,  soviel  mit  Sicherheit 
hervorgeht,  dass  Eurykles'  Sohn  seinem  Vater  nach  dessen 
Tod  unmittelbar  im  Amte  gefolgt  ist.  Dieser  aber,  C.  Julius 
Lakon  —  ein  Name  der  hier  wohl  an  Stelle  des  grossväter- 
lichen Lachares  in  die  Familie  eingeführt  Avurde,  nachdem 
Eurykles  das  römische  Bürgerrecht  erhalten  hatte  —  verstand 
es  nicht  sich  die  Gunst  des  Kaisers  zu  bewahren,  und  hatte 
bereits  als  Strabo  mit  der  Abfassung  seiner  Geographie  beschäf- 
tigt war,  also  spätestens  im  Jahre  18  nach  Christus  die  von  sei- 
nem Vater  überkommene  Epistasie  verloren.  Dieser  Zeit  sind 
auch  die  auf  Seite  14  unter  n.  5  und  6  beschriebenen  Münzen 
des  Lakon  zuzuweisen,  die  sich  als  eine  Fortsetzung  der  Prä- 
gung des  Eurykles  zu  erkennen  geben,  die  eine  durcli  gleiche 
Vorder- und  Kehrseite  wie  n.  3  des  Eurykles,  die  andere  we- 
nigstens durch  Beibehaltung  des  Typus  der  Hauptseite,woge- 
gen  die  Rückseite  die  vereinigten  Diosku renköpfe  zeigt.  Da- 
gegen lehrt  die  unter  n.  7  beschriebene  Münze,  dass  Lakon 
unter  Kaiser  Claudius  nochmals  die  früher  von  ihm  bekleidete 
Epistasie  innegehabt  hat,  und  setzt  damit  seine  Restituirung, 
mag  dieselbe  nun  schon  vorher  oder  erst  durch  Claudius  er- 
folgt sein,  ausser  Zweifel.  Das  hohe  Ansehen,  welches  Eury- 
kles in  Achaia  genossen,  musste  sich  von  selbst  auch  auf  La- 
kon übertragen ,   und  findet  in  einigen  auf  ihn  bezüglichen 


DIE  FAMILIE  DES  C.  JULIUS  EURYKLES  19 

Denkmälern  seinen  Ausdruck.  So  errichteL  ihm  das  xoiv^v  der 
Eleutlierolakonen  als  seinem  Wolillljjiler  eine  Statue  in  Kai- 
nepolis  bei  Taenaron  ( Leake  Tr.  in  Morea  Inscr.  n.  83  =  C.  /.  G. 
n.  1389),  in  Olympia  ein  vornelimer  Eleer,  M.  Antonius  Pi- 
sanos,  (xpj^tspeu;  beim  Zeuslieiligtluim,  eine  solche  ebenfalls  als 
seinem  suspYST/i;  vor  der  Osllront  des  Zeustempels  ( Arch,  Zeit. 
1877  S.  40  n.  41). 

Ein  Bruder  Lakons,  C.  Julius  Deximachos,  ist  erst  durch 
die  Basisinschrift  auf  der  Akropolis  (Kumanudes,  'A9r,vaiov 
1875  S.  207  =C.  /.  AU.  111  n.  801  6).  bekannt  geworden.  Da- 
nach wird  man  nicht  anstehen  dürfen,  den  in  C.  I.  G.  1  n. 
1299  =  C.  /,  L.  \\[  1  n.  494  vorkommenden  C.  Julius  Dexima- 
chos,  Sohn  des  Pratolaos,  als  einen  Verwandten  und  hervor- 
ragenden Parteigenossen  des  Eurykles  zu  betrachten,  wahr- 
scheinlich sogar  als  dessen  Schwiegervater;  er  ist  dort  als  Trped- 
(?u;  der  Vereinigung  der  Agrippiasten  genannt  auf  einer  dem 
Agrippa  in  Sparta  errichteten  Ehrenbasis,  deren  Stiftung  wohl 
ebenso  wie  die  Pi'ägung  der  Euryklesmünze  n.  2  mit  dem 
Agrippa-Bildniss  in  die  Zeit  von  Agrippas  zweitem  Aufenthalt 
im  Orient,  zwischen  die  Jahre  17  bis  13  fällt.  Einen  Angehö- 
rigen desselben  Geschlechts, den  P.Memmius  Deximachos,  Sohn 
des  Pratolaos,  erwähnt  denn  auch  die  Inschrift  C.  1.  G.  I  n. 
1340  als  Dioskurenpriester,  ^.^'  ocizh  AtoGxoupov,  in  der  Zeit 
der  Antonine. 

Lakons  Sohn,  C.  Julius  Eurykles  Herklanos,  war  soweit 
ersichllich  der  erste  seines  Hauses,  welcher  in  die  römische 
Beamtenlaufbahn  eingetreten  ist.  Nachdem  ev  qucestor  pro  prce- 
lore  in  Achaia  gewesen  war,  alsdann  Aedililät  und  Praetui* 
bekleidet  hatte,  wurde  er  Legat  in  dev  provi?icia  Bcotica  und 
Legat  bei  der  3.  Legion,  zum  Consulat  ist  er  dagegen  nicht 
gelangt.  Als  Dioskurenpriester  und  (ip^^ispeu;  toO  twv  Se^x^Töv 
oho\)  hat  er  nach  Inschriften  aus  Gythion  (Le  Bas  n.  245  6) 
und  Kythera  (C.  7.  G.  I  n.  1306*)  noch  unter  Traian  in  seiner 


1  Den  Namen  dieses  jüngeren  Eurykles  hat  Foucart  festgestellt  in  dea 
Explications  S.  130  zu  Le  Bas  n.  245,  wonach  auf  dem  Stein  von  Kylhera  zu 


20  DIE  FAMILIE  DES  C.  JULIUS  EÜRYKLES 

Vaterstadt  fungirt.  Sein  Sohn  wahrscheinlich  ist  unter  Hadrian 
cponymer  Patronom  gewesen  (6'.  /.  G.  I  1317).  Weitere  Nach- 
kommen von  Euryklegi  sind  bis  jetzt  nicht  nachzuweisen,  im 
Priesterthum  der  Dioskuren  erscheinen  nun  Namen,  die  sich 
mit  denjenigen  der  vorangegangenen  Generationen  nicht  mehr 
in  Verbinduno;  briiia;en  lassen.  Erhalten  hat  sich  aber  die  Feier 
der  E'jp-A.\zXx,  die  noch  zu  Ende  des  '2.  Jahrhunderts  in  glän- 
zender Weise  begangen  werden  konnten. 

Schliesslich  mag  hier  noch  das  Stemma  eine- Stelle  finden, 
wie  es  sich  nach  der  vorangegangenen  Erörterung  für  die  Fa- 
milie des  Eurykles  gestaltet  hat: 

Lachares  C.  Julius  Deximachos  S.  des  Pratolaos 

1  I 

C,  Julius  Eurykles  x 


C.  Julius  Lakon  I  C.  Julius  Deximachos 

1 

C.  Julius  Eurykles  Herklanos 

I 

C.  Julius  Lakon  IL 

Berlin.  11.  WEIL. 


lesen  ist  Z.  5-G  :  lr.\  (?pj(tspio:  Sia  ß'oy  twv  [Ss]C[a]aa[T]wv  (piAOOsßäootou  ts  xal 
(piXonitpiöoi;  xa"i  y.T|8£|jiüvo5  -^r^i  TiöXeuj;  [T.]  'louXiou  Eti[pu]«-.X^ou3;  'UpxXavoü.  Aut 
denselben  Euijklcs  bezieht  sich  wahrscheinlich  auch  C.J.G.  n.  l.'^08=.Le 
Bas  n.  184. 

*  Für  die  von  Ross,  Archaeol.  Aufsätze  IS.  123  ausgesprochene  Vermu- 
thung,  dass  der  C.  Julius  Sparliatikos  der  athenischen  Inschrift  lorifji,  ipx'^io- 
Xoy.  n.  12\  =  C.  I.AU.  III  n.  805  ein  Nachkonunc  des  Eurjkles  sei,  hat  sich 
bisher  noch  keine  Bestätigung  ficfunden,  mit  gleichem  üecht  könnte  man 
auch  an  einen  Sohn  oder  Enkel  des  Deximachos  denken.  Die  Inschrift,  in 
welclier  der  erste  lebenslängliche  «Jp/^tepeu?  twv  SsGaoxüv  für  das  xo-.vov  lii; 
'Ayo'fa^  erwähnt  wird,  ist  nach  Diltenberger  unter  Nero  zu  setzen. 


Aus  den  attischen  Seeurkunden. 

1.  In  den  Mitth.  IV  S.  79  habe  ich  gelegentlich  darauf  hin- 
gewiesen, dass  die  Seeurkunde  V  bei  Böckh  (S.  332  fY.)  von 
Ross  unvollständig  abgeschrieben  ist  und  dass  ein  viel  später 
gefundenes  Fragment  ('E©.  ap;^.  3662)  zu  dieser  Platte  gehört. 
Zwar  hat  Pittakis  in  dem  Wiederabdruck  des  von  Böckh  edir- 
ten  Stückes  ('E9.  ap;^.  3175)  gesucht  die  Lesung  zu  vervoll- 
ständigen, aber  in  so  ungenügender  Weise,  dass  ein  Versuch 
der  Herstellung  nach  dem  von  ihm  gegebenen  Text  vergeblich 
sein  würde;  in  dem  von  Ross  gelesenen  Theil  kehren  die  von 
diesem  Gelehrten  begangenen  Versehen  wieder.  Leider  ist  der 
Stein  jetzt  so  ungünstig  aufgestellt  (in  einem  dunkeln  Winkel 
des  sog.  Theseion),  dass  auch  meine  Lesung  vielleicht  an  eini- 
gen Stellen  noch  wird  ergänzt  werden  können. 

Das  später  gefundene  Fragment  bildete  die  obere  linke  Ecke 
der  Platte  und  vervollständigt  die  Inschrift  der  linken  Schmal- 
seite nach  oben  zu.  Die  Inschrift  der  Schmalseite  ist  von  der 
Inschrift  der  Flauplseite  nicht  zu  trennen  ,  sondern  gehört  der- 
selben Urkunde  an,  die  hier  abschloss. 

Die  Zeit  der  Urkunde  hat  Böckh  richtig  bestimmt;  sie  war 
verfasst  von  den  Aufsehern  der  Werfte,  die  am  Ende  des  Jah- 
res Ol.  106,  4.  35  3/2  ^^'^  ^^^^  Amte  schieden.  Das  lesbare 
Stück  der  Vorderseite  enthält  den  Schluss  des  Verzeichnisses 
der  im  Hafen  Munichia  stationirten  Schifte  und  ein  Fragment 
der  Schiffe  von  Zea.  Ich  s-ehe  auf  diesen  Theil  nicht  weiter  ein 
mit  Ausnahme  einer  Stelle,  auf  die  ich  mich  im  Folgenden 
beziehen  werde.  Den  Passus,  wo  die  Summe  der  Schiffe  von 
Munichia  gezogen  war  (Col.  b.  Z.  17-21)  giebt  Böckh  (und 
Pittakis)  nach  Ross  folgendermassen :  y.s(px>.xtov  -rpiinpwv  töv 

M0UVtJ(^i3C'7'.V*  TÖV  TUpWTtOV   -  "  ,  TCÜV  SeUTSpWV  P,  TWV  TpiTCi)V  AAAPL 

Stattdessen  stehtauf  dem  Stein  :  xs<px>.ociov  rp'.-inpojv  r.M.  tGjv  Trpw- 
To)v  x.y.1  Tciv  ^ö'jTspwv  Kocl  Twv  TpiTcov  AAAPI.  Dic  Gcsammtzahl 


22  AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEURKUNDEN 

der  in  Munichia  liegenden  Schiffe  betrug  nicht  über  sechs  und 
achtzig,  sondern  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  sechs  und 
dreissig,  von  denen  7  der  dritten,  wahrscheinlich  12  der  er- 
sten und  also  17  der  zweiten  Classe  angehörten. 

Ich  wende  mich  zu  dem  auf  der  Schmalseite  stehenden  Theil 
der  Inschrift.  Derselbe  zerfällt  in  4  Abschnitte,  von  denen  der 
erste  ein  Verzeichniss  von  rpt-^pei?  ^ioc^e^t>ta(y}X6vizt  nebst  Ge- 
räth;  der  zweite  ein  solclies  von  hängendem  Geräthe,  welches 
in  den  Jahren  Ol.  106,2-106,  4  für  die  v^e?  s^ocipsTot  ange- 
schafft worden  war;  der  dritte  ein  gleiches  von  erbeutetem  Ge- 
räth;  der  vierte  endlich  die  Gesammtsummen  der  von  der  Be- 
hörde übernommenen  und  über2;ebenen  Schiffe  und  Geräthe 
enthielt.  Die  Herstellung  wird  dadurch  erschwert,  dass  der 
Stein  bald  am  rechten  bald  am  linken  Rande  beschädigt  ist 
und  dass  die  Zeilen,  wie  in  der  Regel  auf  den  Schmalseilen 
der  Platten,  nicht  dieselbe  Länge  und  Buchstabenzahl  hatten. 

Erster  Abschnitt  Z.  1-75: 

aTTo]  to[u]t(i)v  [touct^s  ev]  Tto  St5C(Z(y-C7i[pit«)  (kTzoiT:e](^zuy6xxt;  5t«l  7:[a- 

pzSövTa;  TSC  cxeu]'/]  sv  t^  (Ttt^X*/]  [7U5:pe]^0[;.ev* 

TpiiQpTiC;  2yv]Ta^i<;*  Tp'.'^pxp;;(_[oi  'Ijspwv  29'i1ttio;,  [4>]xv6- 
CTpacTO?  FizpyioCTTio;)'  [töJv  )tpsj/.«(7TCL)v  ootoi  [ij]Quai.^'  utco- 
^cü[AXTa,  [ujzo^l'/i^x,  xxxx^Iti^Ix,  TcJxpappujAöcxoc  "kziiAx,  [ttx]- 
pxppu{j!.(XT«  Tpi;(i(vx),  [(j]iQ\\ix  (XY5tupstx  IUI,  [xyl-zcupoci;' 
[Tptj'/ipv)?  Opxoreix,  'E7i:r/«[pi]'^ou  epyov*  Tp',-»ipap[/_o]i  'E^y]- 
xeaTi^'/);  Koö(i>(xi§'/i;),  [n]o>^u[;.v7iGTo;  nxtxv(i£u;)*  [xjwv  ^u- 
>iv(i)v  ouToi  &yo[\jai]  rappov,  twv  Ss  y.ps[[;.x]'7T0)v  uTTO^waxT«, 
[Tj(^]otviz,  ayx,'jpx(;* 

[Tpijvop'/]?  KuTuj^'iQ?,   [Au]crty,>ei5ou   e'pypV  [Tptji^pxppi   <I>t- 
>.i7:7i;i5yi[;  nx]ix(vtsu;),  Avip-oaGswi?  UxtCavieu:;)'  [twv  ^u]>.ivo)v 
O'JToi  ep['jTi  rvi^x'Xia,  i(JtJ)v  (j!.8y«v,  xspxixi;  a>cxT(siQU!;)*  töv 
OS  xpsjxxTTcöv  lOi-riov]* 
[Tpi]-op-/i?    A6y;(vi* 

[xuTxi]  e;£T£iT0v]'7[xv  xt  Tpi]-/opEi[;]" 
[t  p]  i  •/)  p  7)  ?  Kx>.Xig[t-'  txuJtti?  Tt(;.6^v)a[o<;  tx  crx,eu7j  s/_eO* 


AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEURKUNDEN  23 

[ai  Sjs  §uo  ToiriOSiC;  atSs]  e[-ll  AtoTi[-/.o'j  [^'.sjJ'./.ztO'/itzv  x[j:1  eSo- 

Tpr/ipv5;  EuTu[)(_ii>j,  'E-tysvJo'j?  efpyov*  cpi-^[pxpy^ot  'ETcjtys- 
vv]5  KuS«0(YiV{X'.eu;),  [Ka"X]Xi[z]5  Assjattto^'j;* 
[Tpr/)]p'/i?  Srpy,  T •/)",' t?,  ['A(Xuv]tou  epyov*  Tp!.Yip7.p[-/_oi  -«]v(^po; 
2cp*flTTio?,  ['AiToll^o^f'ipo?  BxT*75Öev,  [floXlijöy-aa;  As'j/.ovoe'j;* 
[töv]  ^u"Xivo)y  Tappo; ,  [rr'/j^zlXtoc ,  /.ytjjLzxi^ei,  [x.ovtJoi,  ttx- 
px<7T(XT«(;,  [Urbv]  p-syxv,  y,z^'/.1:x\.  ^.t[yx\x:],  ictto;  ax.ocTeio;* 
[tüv  54]  KpaiAxaTCiv  [•jxo'(]o')[;.y,TX,  ittiov,  '!tz35Jf[o'j(x]zT(3C  >euxsc, 
:rxpy.ppuiJt.a[Toc  tpjiyivz* 
[ÄpiBaö;]  rpt^pojv  yt,x\  [gäsuwJv  töv  5t5:r^eSi)C«;c[[Xsvti)]v' 

TpC'^pSt?   PI  I' 

[rappol]  II,  r-zi^yAiy.  vxu'jI  II,  [;tov]Tot,  [y.]>^[{H-]^"'4(5£;,  rxpx- 
[<JTK?at],  JiTTol  aeyrAot  II,  [-/.spscilxi  p-ey^T-äCt  v/i'o,  [■'^spxijzi 
axxTetot,  Uto?  oc-Ax-7zio^'  [t(ov  5e]  x.psaK'J'rojv  [uTroi^wJaocT«:  vjcu- 
<Txv  III,   [i5-:tx]  v;C'j7iv  II,  u7:6€>. •/)(/,[;«,  •/C3£Ta§]l'/)[X3c ,    Trapxpo'j- 

p,[«-:iX     >.s]'J>ta    VZ'JtIv    II,     [TTXp^JppjuiXSStJJ    Tpi)(^lV5C    [vxuTiv    II], 

ffj^otvix  v/il',  [a;y)4tjpsu]  IUI,  Ky/,6py.;  [vicü-Tiv  II J. 

Die  Geräthe  der  Triere  Eutu/yi;  sind  in  der  Lücke,  wo  die  bei- 
den Fra2fmente  zusammenstossen,  wes^iebrochen ;  die  Er2;än- 
zung  ergiebt  sich  aus  der  Vergleichiing  der  Einzelposten  mit 
den  Summen. 

Der  Abschnitt  enthält  ein  Verzeichniss  von  beschädigt  ein- 
gelaufenen Trieren,  deren  Trierarchen  in  der  Diadikasie  von 
der  Verpflichtung  der  Reparatur  oder  des  Neubaues  frei  ge- 
sprochen ^vorden  waren;  und  des  bei  den  Schiffen  befindlich 
gewesenen  Geräthes.  Aus  den  Eingangsworten  ist  zu  scliliessen, 
dass  ein  Verzeichniss  sämmtliclier  Trierarchen,  welche  die 
SchifTe  in  unbrauchbarem  Zustande  zurückgebracht  und  ver- 
muthlich  auch  alle  gegen  jene  Verpflichtung  beim  Gericht 
Einsprache  erhoben  hatten,  vorausgegangen  war.  Über  die 
zwei  zuletzt  genannten  Trieren  war  im  Jahre  des  Archon  Dio- 
timos,  d.  h.  Ol.  106,  3  abgeurtheilt  worden,  bei  den  fünf  vor- 
ausgehenden Schiffen  ist  die  Zeit  nicht  angegeben;  über  diese 
war  also  das  ürtheil  während  des  Amtsjahres  der  Behörde  ge- 


24  AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEURKUNDEN 

fallen,  welche  die  Urkunde  ausgestellt  haL  Den  ersten  vier 
Trieren  ist  der  Vermerk  beigefügt  [aury.-.]  ^^sTei'i6yj'r[xv  «i  rpij'fl- 
psi[?].  Daraus  ist  zu  folgern,  dass  die  Reparatur  dieser  Schiffe 
verfügt,  worden  war,  denn  auf  was  sollte  sich  sonst  die  Zah- 
lung beziehen?  Die  Zahlung  aber  war  nicht  von  den  Trierar- 
chen geleistet  worden,  da  diese  ja  von  der  Verpflichtung  zur 
Reparatur  frei  gesprochen  worden  waren;  also  vom  Staat  oder 
Fiscus.  Der  Scliiffshau  und  die  Aufbringung  der  dafür  erfor- 
derlichen Gelder  gehörte,  wie  Böckh  S.  55  IT.  ausgeführt  hat, 
nicht  zum  regelmässigen  Geschäftskreis  der  Werflbehörde,  die 
folglich  auch  nicht  darüber  Rechenschaft  abzulegen  halte.  Der 
Zahlungsvermerk  in  der  Urkunde  ist  also  ein  beiläufiger;  da- 
her sind  auch  weder  die  gezahlten  Summen  namhaft  gemacht 
noch  die  Personen,  an  welche  die  Zahlungen  geleistet  waren. 

Das  Gerälh,  welches  sie  erhalten,  hatten  die  Trierarchen 
abgeliefert.  Dies  muss  ihnen  also  von  den  Gerichten  auferlegt 
worden  sein,  während  sie  von  der  drückenderen  Verpflichtung 
die  Schifte  herzustellen  frei  gesprochen  worden  waren.  Man 
darf  dagegen  nicht  geltend  machen  wollen,  dass  es  dann  in 
den  Verzeichnissen  zl^ti^  hoissen  müsse;  dieselbe  üncorrectheit 
findet  sich  in  andern  Seeurkunden  und  erklärt  sich  aus  dem 
Zurückgehen  auf  ältere  Aclenstücke,  vgl.  Mitth.  IV  S.  85  z. 
Z.  35-19.  Das  Geräth  der  Triere  Kxl>.i<T[T-/)]  oder  wie  nun  das 
Schiff  hiess,  hatte  Timodemos  übernommen,  wir  wissen  nicht, 
ob  als  Trierarch  oder  als  VVerftbeamteter;  die  Trierarchen  der 
Aoyy-fl  und  EOtu;^;«  hatten  entweder  kein  Gerälh  erhalten  oder 
waren  von  der  Verpflichtung  dasselbe  abzuliefern  entbunden 
worden,  weil  es  nach  dem  Befinden  der  Dikasterien  ebenso 
wie  die  Fahrzeuge  ohne  ihre  Schuld  zu  Grunde  gegangen  war. 

DieWorle  TO'ja^e  ---«xoitel^euyÖTa;  xocl  ^[(xpx^övTx;  tÖc  <Txeu]Yj 
£v  Tfi  a-zTilvi  [Trxpej^ofjLEv  sind  nicht  frei  von  einer  gewissen 
Unklarheit.  Indess  ist  dieselbe  doch  mehr  scheinbar  als  wirk- 
lich vorhanden.  Die  Trierarchen,  welche  von  einem  Theile 
ihrer  Verpflichtungen  entbunden  worden  waren,  den  andern 
erfüllt  hatten,  gingen  thatsächlich  nicht  an  die  Amtsnachfol- 
ger der  abtretenden  Behörde  über,  wie  im  Rückstand  geblie- 


AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEURKUNDF.N  25 

bene  Schuldner;  diese  halten  keinen  Anspruch  an  dieselben 
geilend  zu  machen  und  der  Vermerk  über  sie  war  nur  für  die 
Acten  bestimmt.  Dies  eben,  dass  es  ein  rein  actenmässigcr  Ver- 
merk ist,  welcher  folgt,  wird  durch  den  Zusatz  ev  T-?i  «tt-^'Xyi 
angedeutet.  Die  «Stele»  ist  die  Urkunde  selbst,  deren  Reste 
wir  lesen. 

Als  Trierarchen  des  Schiffes  Eutuj^yi;  sind  Philippides  und 
der  Redner  Demosthenes  genannt.  Wir  kennen  drei  Trierar- 
chien  des  letzleren,  welche  in  die  Jahre  Ol.  104,  1.  36 '*/3  v. 
Gh.,  Ol.  105,  V2-  ^'"^-^  un^^  <^1-  1Ö5,  3.  357  fallen.  Auf  die  er- 
ste braucht  hier  nicht  eingegangen  zu  werden,  da  sie  aus  ver- 
schiedenen Gründen  nicht  in  Betracht  kommen  kann.  In  der 
dritten,  aufweiche  weiter  unten  zurückzukommen  sein  wird^ 
warderSyntrierarch  desDemostlienesPhilinos. Dagegen  scheint 
Manches  dafür  zu  sprechen ,  dass  die  in  der  Inschrift  erwähnte 
Leistung  identisch  sei  mit  der  Trierarchie  des  H.  359.  Das 
Schiff  des  Demosthenes  ging  damals  mit  dem  Geschwader  des 
Strategen  Kephisodol,  der  dasselbe  als  Flaggenschiff  erwählt 
hatte,  nach  dem  Hellespont.  Aber  das  Unternehmen  schlug 
fehl  und  der  Strateg  selbst  wurde  nach  der  Rückkehr  in  An- 
klagezusland versetzt  und  zu  einer  Geldstrafe  verurlheilt.  Nach 
einer  in  J.  330  gethanen  Aeusserung  des  Aeschines  soll  De- 
mosthenes unter  den  Anklägern  des  Kephisodot  aufgetreten 
sein  (Aesch.  g.  Ktes.  51).  Man  hat  nicht  ohne  Grund  bezwei- 
felt, dass  Aeschines'  Behauptung  in  dieser  Form  richtig  sein 
könne  (Arn.  Schäfer  Dem.  u.  s.  Z.  I  S.  410) ;  wurde  Demosthe- 
nes aber  in  Folge  jener  Unternehmung  in  eine  Diadikasie  ver- 
wickelt, so  konnte  er  nicht  wohl  umhin  zu  seiner  Entlastung 
Dinge  zur  Sprache  zu  bringen,  die  viele  Jahre  später  in  ten- 
denziöser Weise  entstellt  werden  konnten,  wie  es  in  der  Rede 
gegen  Ktesiphon  geschehen  zu  sein  scheint.  Man  müsste  eine 
mehrjährige  Verschleppung  des  Rechtshandels  annehmen,  da, 
wie  oben  gezeigt  worden  ist,  Demosthenes'  Freis})rechung  im 
J.  353  erfolgt  ist;  dass  des  Mittrierarchen  in  dem  einzigen  lit- 
terarisclien  Zeugniss,  welches  wir  über  die  Leistung  des  Js. 
359  besitzen,  keine  Erwähnung  geschieht,  ist  irrelevant.  /\uf 


26  AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEURKUNDEN 

der  andern  Seite  steht  der-Annahme,  dass  Demostbenes  in  der 
Zeit  nach  357  eine  vierte  litterarisch  nicht  bezeuote*  Trierar- 
chie  geleistet  habe  und  dass  sich  das  urkundliche  Zeugniss 
auf  di^ese  beziehe,  nichts  im  Wege.  Eine  sichere  Entscheidung 
zwischen  beiden  Möglichkeiten  zu  treffen  scheint  mir  zur  Zeit 
immöglich  zu  sein  2. 
Zweiter  Abschnitt  Z.  76-102: 


[toc^e  7:]ap£);a€o(;,ev  <7xeu7i  [)tpsaa]5Ta  stcI  Ta;  E^atpeETOu;  T]pnop6i? 

[tü)v  sj-l  KsiuiGTpscTOu  [apxovjTo;  (Ol.  106,2.  85^/4  a.  Ch.) 

[u7:oCto][xy.Tix  vxutIv  A* 

[i(jTi]x  vocuislv  A* 

[T07:]etx  vocu'jlv  A* 

[7:Kpa]opu[X5CTa  >su>ta:  [votuclv  A]' 

[-rrapxppuJixxTo:  Tpiyj.v3«  [vxuitIv  A]' 

[ayxupx];  [v](5Cü'3'lv  A' 
[töv  ItuI]  AtOTit;.ou  apy>vTO?  Ol.   106,  3.  35  ^/g  a.  Ch.)' 

[u7ro(^w]tA«T3C  vocudlv  A* 

[ay/tuplz;  PA* 
[twv  eTTi]  0[o]'jSviaou  apxov(To;  Ol.  106,  4.  35  3/2  a.  Ch.)" 

[uT;o'(tj][JI.JCTOC   V(XU71V   AP  11 II* 

[icTtoe  v](xuaiv  A  P  I  ili* 

[xapxp]p'j|j.«Tx  7;eux.a  [vau<Ji]v  A  P  I  II I* 

[TCOCpJCppJujXOCTOC    Tpi)(_lVZ    [viZU<jI]v     A  P  I  l  I  I' 

[cryotvjix  bni\7\  [vxuoljv  [A]  P  I  1 1 1* 
[«yx-upoc?]  vx'J'jIv  A  P  1 1 II. 


'  Das  als  Beilage  zu  den  vUx  X  or.  figurirende  Decret  zu  Ehren  des  De- 
mosthcnes  habe  ich  aus  dem  Spiel  gelassen,  weil  ich  dieses  Acienstück  für 
unächl  halte. 

'  Zu  Gunsten  der  ersten  Möglichkeit  kann  noch  angeführt  werden,  dass 
nur  zwei  'i'ricrarciien  der  E&xux.t)?  genanal  sind,  ebciLso  wie  bei  den  vorher- 
gehenden Öchinen,  und  dass  also  die  Leistung  vor  die  Einrichtung  der 
Syramorien  zu  fallen  scheint.  Aber  auch  dieses  Argument  ist  nicht  entschei- 
dend. 


AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEURKUNDEN  i7 

Es  ist  eine  Zusaminenstellunü;  von  hängendem  Gerätli  für  die 
naves  selectoe,  welches  in  den  letzten  drei  Jahren  angefertigt 
worden  war.  Vermulhlich  war  diireli  einen  Volks- oder  llaths- 
beschhiss  die  AnschalYung  eines  beslirnmlen  Quantums  von 
Geräth  angeordnet  worden;  solange  dieses  Quantum  nicht  er- 
reicht war,  mussten  in  jedem  Jahr  die  bis  dahin  angeschafften 
Geräthe  besonders  re^islrirt  werden.  Etwas  anders  aber  ahn- 
lieh  hat  sich  Böckh  S.  5  und  51  das  Vorkommen  dieses  Ab- 
schnittes, von  dem  er  nur  den  Anfang.und  auch  diesen  nicht 
in  genauer  Lesung  kannte,  erklärt. 
Di'itter  Abschnitt  Z.  103-119: 

[ai)^(X(x]).o)[T]3{  xxhz  iT3tp£>kaSo[{jt,sv  (7)c]euv)  xal  XÄTeOetxev  [et?  to] 
oi'-^[x7i]a5c,  a  0pacru6ou)io[<;  ejiof^.KTJsv.  Das  hierauf  folgende  Ver- 
zeichniss  schreibe  ich,  da  es  sehr  verstümmelt  ist,  nicht  um; 
es  genügt  hier  zu  bemerken,  dass  die  Zahl  der  Beutestücke 
nicht  beträchtlich  war  (1  7rzp(xppupi.x  Tpi-/^tvov,  1  xy/coivx;  2  uxb- 
poci  11.  s.  w.).  Am  Schlüsse  des  Abschnitts  stand  :  [£v  t-^  (7/.]euo- 
Q'^KT]  Tovo'jc  [oct^[A«]'X[wjTou(;  a^oxtfjiou;  -  -.  Der  Ausdruck  t6voi 
findet  sich  in  den  auf  das  Material  der  athenischen  Marine 
bezüglichen  Aufzeichnungen  nirgends  gebraucht. 

Bei  welcher  Geleo;enheit  die  Beute  gemacht  worden  sei,  habe 
ich  nicht  sicher  ermitteln  können.  Ich  vermuthe,  dass  sie  im 
Verlauf  der  Operationen  eingebracht  worden  war,  welche  Cha- 
res  im  Jahre  der  Inschrift  an  der  thrakischen  Küste  und  im 
Hellespont  vollführte;  und  dass  Thrasybul  als  Systrateg  des 
Chares  oder  im  Auftrage  desselben  das  erbeutete  Geräth  an 
die  Werflbehörde  abs-elieiert  hatte.  Reste  desselben  werden 
noch  in  der  Urkunde  XI  aus  dem  Jahre  3  3^/29  (Col.  c  Z.  40 
ff.  S.  414  Böckh)  als  in  dem  oi'/.y)[X3c  ou  6  oi^vipo?  xsT-ai  be- 
findlich aufgeführt. 
Vierter  Abschnitt  Z.  120-145: 

[tuultcoc;]  äpiOp-o?  Tpr^po)[v  tw^  ev  xjoi;  vswpioi;  [ovttov  y.]x\  wv  01 
xpi'/loxp[yo'.  £y(_ou]'7iv  y.y.\  to)v  ^£^[oaEvwv  x,]xTa:  (j^rj-^icf;.«  [-Axl  töv 
u]7:«tÖp(o)v  wv  [7rxp£)va]Sop.sv  Y,y.\  7:ap£[$oa£v],  y.xl  tcöv  O'.xoeot- 
[(<.oi:<J[jle]vwv   y,xl  <7x.£y2)v  [twv  ^u'Xjivwv  /.xl  xpeaa[T':(x>v  Tto]v  ev  toT; 


28  AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEURKüNDEN 

vswpio'.?  [ovrtov  '/.]x\  tGv  rxp«  to?;  ['ptv)papx]ot;  o-psiTiOi^-svaiv  [)C<xl 
wv  Ol]  o?/.i7Txl  e/_o'j7iv  [ot  sf;  Xepjp6vY]7ov  y.£xl  ^wv  [T^r.pa  txT;  (?.]p- 
)^xij  Ö9si>.o;jLs[vfj)v  xxl  Toli;  xx]j.lxi(;  y.y-l  [twv  SiaSj£^tx.«5|/.evü>v* 

[rpiiipsi];  HHHAAAAPIIII* 

[Tocpp'oU7:]lvaC;HHPAAAA[i-)txl  xcotcöv]  HPAAAAII 
apyufpiov]' 

[r.n^x'Ki.x]  iz\  vacO;  [H]HPAAA[-  )cxl  --ü)]ep'/i  TTYi^aXitov* 

[•Ä>.iaz)ci§]s;  sttI  vocu?  [--  %x]i  p.ix  x.Xi{/.x[xt;]' 

[xovTol  £771  v«]0;-- 

Nach  Zeile  145  ist  der  Stein  gebrochen  ;  es  fehlen  die  Summen 
der  7rxp«<Tt«Toci ,  i(jTol  und  xepxTxi  und  das  ganze  hängende 
Geriith. 

Die  übergeschriebene  Rubrik  nennt  die  verschiedenen  Be- 
standtheile  der  vollständigen  Urkunde.  In  dieser  Aufzählung 
entsprechen  sich  die  vcoct«  <|;'^(pi(y[xx  Ssf^ojxsvai  rptinpeii;  und  die 
cxeuif)  St  Ol  oUiTTocl  e^^ouTiv  Ol  ei;  Xsppöv/jaov.  Nach  Diodor  XVI 
34  wurden  im  J.  35  ^1^,  nachdem  durch  die  Eroberung  von 
Seslos  durch  Chares  die  thrakische  Chersonnes  wieder  in  die 
Gewalt  der  Athener  gekommen  war,  Kleruchen  dahin  abge- 
schickt; diese  Zeitangabe  wird  durch  die  Inschrift  bestätigt. 
Der  Volksbeschluss,  auf  dem  die  Aussendung  der  Kleruchen 
beruhte,  war  in  der  vollständigen  Urkunde  vielleicht  als  Be- 
leg mitgetheilt,  sowie  in  der  Urk.  XIV  der  analoge  Beschluss 
über  die  Aussendung  einer  Colonie  nach  Adria  beigeschrieben 
ist.  Unter  den  Oikisten  sind,  wie  aus  demselben  Beschluss 
hervorgeht,  die  vom  Volke  bestellten  Führer  der  Kleruchen  zu 
verstehen. 

Ein  glücklicher  Zufall  ist  es,  daas  die  Gesammtzahl  der 
Schiffe  erhalten  ist.  Es  ist  ein  fundamentaler  Irrthum  BÖckhs, 
dass  er  bei  der  Bearbeitung  der  Marineurkunden  sich  von  dem 
allmähligen  Anwachsen  der  athenischen  Marine  nach  ihrer 
Reorganisation  im  J.  378  wie  es  scheint  keine  Rechenschaft 
abgelegt  und  im  Widerspruch  mit  den  von  ihm  im  Staatsh.  I 
S.  375  aniicfi'hrlen  litterarischen  Zeognissen  die  Zahl  der 
Schiffe  für  die  ältere  Zeit  zu  hoch  veranschlagt  hat.  Durch  diese 


AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEURKUNDEN  29 

Vorslelliing  ist  Böckli  niclit  nur  zu  unrichtigen  Ergänzungen 
im  Einzelnen  sondern  auch  zu  einer  nach  nicineiii  L'rtheil 
falschen  Auffassung  der  frühesten  unter  den  vorliegenden  Ur- 
kunden verleitet  worden.  Diese  nemlich  sollen  nicht  auf  die 
ganze  Flotte  sondern  auf  je  einen  der  drei  Häfen  ansgeslellt 
gewesen  sein.  Hierfür  beruft  sich  Böckh  hauptsächlich  auf 
die  11.  Urkunde,  deren  Abfassung  von  ihm  in  die  Zeit  zwischen 
370  und  360  gesetzt  worden  ist  und  die  wenigstens  106  Schiffe 
aufzählte.  Diese  Ui-kundc  soll  bloss  auf  den  Hafen  Munichia 
ausgestellt  sein.  Aber  Munichia  war  der  kleinsle  unter  den  drei 
Häfen;  waren  in  diesem  106  Schiffe  stalionirt,  so  würde  die 
ganze  Flotte  auf  nahezu  400  Segel  zu  veranschlagen  sein,  einen 
Bestand  den  sie  erst  viel  später  erreicht  hat.  Ira  J.  353  lagen 
wie  wir  sahen  36  Schiffe  in  Munichia;  wieviel  in  diesem  Jahre 
etwa  in  See  waren,  wissen  wir  nicht;  im  J.  357  (ürk.  IV) 
waren  von  den  in  Munichia  stationirten  Trieren  fünf  auswärts. 
Bei  der  Reorganisation  der  Flotte  im  J.  378  wurde  nach  Po- 
\yh.  H  62  die  Ausrüstung  von  100  Trieren  (200  nach  Diodor. 
XV  29)  beschlojssen.  Gegen  Ende  der  siebziger  Jahre  erhielt 
die  Flotte  eine  ausserordentliche  VeTstärkung  durch  die  von  Cha- 
brias  und  Timolheos  erbeuteten  Schiffe,  welche  nach  Ausweis 
der  Urkunde  I  in  dieselbe  eingestellt  worden  sind.  In  der  ürk. 
II  kommen  keine  erbeuteten  Schiffe  vor.  Es  ist  mir  nicht  un- 
wahrscheinlich, dass  diese  Urkunde  älter  ist  als  die  Urk.  I 
(Ol.  101,  1.  37  2/^  v.  eh.);  ja  ein  allerdings  zweifelhaftes  In- 
dicium  scheint  auf  das  J.  37  ^/g  zu  führen.  Isokrales  veran- 
schlagt in  dem  wie  man  glaubt  um  das  Ende  von  355  ver- 
fassten  Areopagitikos  z.  Auf.  die  athenische  Flotte,  wenn  die 
überlieferte  Lesart  Zutrauen  verdient,  auf  mehr  als  200  Schiffe 
(w'Xeio'j;  Tpf/ipei?  -l  ^ix/.oaix?) ;  in  dem  von  Demosthenes  um 
dieselbe  Zeit  in  der  Rede  von  den  Symmorien  aufgestellten 
Marineproject  $ind  300  Trieren  in  Anschlag  gebracht.  Der  Ef- 
fectivbesland  hat  nach  Ausweis  der  Urkunde  IV  im  J.  35 ''/(j 
betragen  283  Trieren  (383  nach  Böckh).  Nach  einer  toti  Rosa 
nicht  gelesenen  Stelle  derselben  Urkunde  waren  in  den  5  Vor- 
jahren 363-358  zusammen  31  Kriegschiffe  gebaut  worden. 


30  AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEURKUNDEN 

Diese  neiigebauten  Scliiffe,  deren  Zahl  später  noch  vermehrt 
worden  ist,  wurden  zwar  in  die  drei  Häfen  vertheilt,  aber  in 
dem  Marineetat  als  besondere  Rangclasse  unter  dem  Namen 
der  e^ziperoi  -rpi-^pei;  eingestellt.  Im  J.  352  war  die  Flotte^  wie 
die  V.  Urkunde  zeigt,  auf  349  Trieren  angewachsen  ;  die  Ur- 
kunde XI  vom  J.  330  registrirt  392  Trieren  and  18  Tetreren, 
zusammen  410,  die  Urkunde  XIV  v.  J,  325  Trieren  360,  Te- 
treren 50  und  Penteren  3,  zusammen  413  Fahrzeuge.  Aus  den 
vorsiehenden  Daten  ergiebt  sich  folgende  Tabelle : 

Ol.  100,  3.  37  8/7   Bestand  der  Flotte  100  Fahrzeuge 
»    105,  4.  35^6        »  »       ))      283         » 

»    106,  4.  35  3/.2        »    .       »       »      349         » 
))    112,  3.    33%     »  »       »      410         » 

»    113,  4.  326/5        »  »       »      413         » 

Obwohl  uns  für  die  ersten  20  Jahre  des  Bestehens  der  neuor- 
ganisirten  Marine  die  Daten  fehlen,  ist  doch  unverkennbar, 
dass  die  Flotte  ununterbrochen,  Anfangs  in  schnellerem  spä- 
ter in  langsamerem  Tempo  vermehrt  worden  ist.  Aber  das  Ver- 
hängniss  Athens  wollte  es,  dass,  während  das  Flottenmate- 
rial beständig  wuchs,  sich  der  persönliche  Dienst  und  die 
Handhabung  der  Marinegesetze,  wie  dies  aus  den  Urkunden 
und  den  Angaben  der  Redner  hervorgeht,  in  umgekehrter  Pro- 
gression zunehmend  verschlechterte.  Durch  dieses  Missver- 
hältniss  ist  es  möglich  geworden,  dass  um  die  Mitte  des  vier- 
ten Jahrhunderts  im  ägeischen  Meere  neben  der  athenischen 
eine  zweite  Seemacht  in  der  makedonischen  aufkommen  konnte, 
die  vom  ersten  Tage  ihres  Bestehens  an  gegen  Athen  gerich- 
tet war. 

2.  Die  in  den  Mitth.  V  S.  44  ff.  abgedruckte  Marineinschrift 
ist  von  dem  Herausgeber  dem  Jahre  Ol.  105,  4.  35  '/g  v.  Ch. 
zugeschrieben  und  die  von  Böckh  in  das  genannte  Jahr  ge- 
setzte Urkunde  IV  in  das  folgende  Jahr  Ol.  106,  1  verwiesen 
worden.  Mir  scheint  die  Sache  nicht  so  einfacli  zu  liegen,  und 
da  auch  die  Herstellung  und  Erklärung  der  letztgefundenen 


AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEÜRKÜNDEN  31 

Inschrift  zu  mancherlei  Nachträgen  Veranlassung  gieht,  fiir 
welche  im  Corpus  nicht  der  rechte  Platz  sein  würde,  so  komme 
ich  hier  auf  dieselbe  zurück.  In  meiner  Besprechung  bediene 
ich  mich  einer  neuen  Copie  der  Urkunde,  die  ich  der  Gefäl- 
ligkeit Hrn.  Lollings  verdanke. 

Das  erhaltene  Fragment  umfasst  drei  Theile;  von  diesen 
bleibt  der  erste  Theil  (Col.  a-b),  welcher  den  Verzeichnissen 
vorhandener  Geräthe  angehört,  hier  unberücksichtigt.  Die 
zweite  Partie  enthielt  ein  Verzeichniss  reparirter  Schiffe  (Col. 
b'C).  Den  dritten  Abschnitt  (Col.  d)  hat  der  Herausgeber  er- 
gänzt als  von  einer  Liste  gewesener  Trierarchen  herrührend, 
die  dem  Staate  Geräthe  schuldeten,  geordnet  nach  den  Schiffen. 
Er  hat  bemerkt,  dass  unter  den  Trierarchen  Z.  32  ff.  Demo- 
slhenes  und  Philinos,  Z.  50  ff.  Demochares  und  Theophemos 
genannt  waren,  und  dass  die  hier  erwähnte  Trierarchie  des 
Demoslhenes  identisch  ist  mit  der  vom  Redner  im  euböischen 
Kriege  Ol.  105,  3.  357  v.  Ch.  geleisteten,  die  des  Theophemos 
und  Demochares  aber  dieselbe,  welche  die  erste  Veranlassung 
zu  dem  Rechtsfall  war,  in  dem  die  Rede  gegen  Euergos  und 
Mnesibulos  ([Dem.]  47,  20  ff.)  gehalten  ist.  Er  hebt  hervor, 
dass  nach  g  4i  der  Rede  die  Schuld  des  Theophemos  und  sei- 
nes Syntrierarchen  jedenfalls  vor  Ausgang  des  Jahres  Ol.  105, 
4.  35 '^/ß  v.  Ch.  getilgt  gewesen  sei  und  schliesst  daraus,  die 
Urkunde  müsse  von  der  Behörde  dieses  selben  Jahres  ausge- 
stellt sein.  Aber  diese  Argumentation  ist  austenscheinlich  hin- 
fällig;  waren  die  beiden  Trierarchen  in  der  Urkunde  als 
Schuldner  aufgeführt,  so  muss  diese,  vorausgesetzt  dass  die 
Schuld  im  Laufe  des  Jahres  Ol.  105,  4  getilgt  wurde,  älter 
sein  als  dieses  Jahr,  was  sie  doch  wiederum  wegen  der  Schuld 
des  Demosthenes  nicht  sein  kann.  Dem  Herausgeber  scheint 
nicht  gegenwärtig  gewesen  zu  sein,  dass  diese  Übergabsur- 
kunden  am  Ende  jedes  Jahres  von  der  abtretenden  Behörde 
ausgestellt  wurden. 

Indess  die  Ergänzung  der  Columne  d  als  Verzeichniss  aus- 
Stehender  Schulden  nach  den  Schiffen  ist  irrig;  die  Columne 
enthielt,  worauf  schon  die  orthographische  Bemerkung  auf 


32  AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEÜRKÜNDEN 

S.  44  führen  konnte,  eine  Liste  getilgter  Schulden,  welche 
nach  den  Namen  der  Trierarchen  geordnet  war.  Die  beiden 
die  Trierarchien  des  Denioslhenes  und  Euphemos  betreffenden 
Stellen  sind  zu  lesen: 

Z,  39  ^t>.Tvov  A«xi(«r^/iv)  Äy)ao'70[ev]"/)[v  n;u(«vtä)],  &  etcI  t-/iv 
"Eo)  o)[op]£'.Xo[v]*  Tappöv,  Tz-fi^xlix,  •A\[>.]<x[xY..\.<ix(i], 
xovTOu;,  7:x^x<sixxx[(i],  ittov  (Jt-eyxv,  xe[p]xC[x;] 
^izyixXx^)'  TÖv  Se  y-psaauTüiv  uttoC^ixöctoc,  lotiov, 
T07:[£tx],  U7r6&>>*/iax,  )c«T(y.ß>.7i[az],  7rap!zpu(jAXTx) 
>>eu()tx),  7:apKpu(aaToc)  i'p[tX_Jiv(ix),  ay/tupK;' 

Z.  51  Avijtoj(_apviv  nai:xv['.a]  0£Ö<p'/i|^.ov  Euojvufxex,  [&]  ettI  T'/jv 
Eu<puix  0'^£i[Xov*  0]7io^oip,«Ta,  ittiov,  aYJ4upx[;]* 

und  die  dem  Abschnitt,  welchem  der  erhaltene  Theil  der  Co- 
lumne  angehörte,  übergeschriebene  Rubrik  muss  gelautet  ha- 
ben :  TO'j;^e  Tpcr.pxpyou;  aTüoS^vToc;  Ta  ö<pe'.'X6;j.evx  axeuvi  Tcocpeoo- 
jjLßv  oder  dem  ähnlich.  Hiernach  könnte  es  scheinen,  als  wenn 
ein  Zweifel  daran  nicht  mehr  möglich  sei,  dass  die  Urkunde 
dem  J.  Ol.  105,  4  zuzuschreiben  sei,  wenn  nicht  die  Urkunde 
IV  b.  Böckh  vorläge.  In  dieser  werden  in  der  zweiten  Columne 
die  seit  Ol.  104,  2  Jahr  für  Jahr  neugebaulen  v^s;  E^xipsxoi 
aufgeführt  (es  ist  die  oben  S.  29  f.  besprochene  Stelle),  am 
Schlüsse  der  Liste  des  Js.  Ol.  105,  3  aber  heisst  es  von  der 
Triere  Boütheia:  txutiqv  •^pLiepyov  Trocpa^aßovTE?  ex  twv  T'/iXeyo- 
vEiov  [v«u7wtiyi](iiv  %£Tc--.  Der  unlere  Theil  der  Columne  ist 
weggebrochen,  aus  einem  späteren  Abschnitt  der  Inschrift  geht 
hervor,  dass  noch  einige  Schiffe  aufgezählt  waren,  die  später 
als  Ol.  105,  3  gebaut  waren.  Nach  den  ausgeschriebenen  Wor- 
ten hat  Böckh  es  wahrscheinlich  gefunden,  dass  die  Urkunde 
von  der  Behörde  des  Js.  Ol.  105,  4  ausgystelll  sei;  ich  meine, 
dass  Jeder,  der  unbefangen  an  die  Inschrift  herantritt,  diesen 
Schluss  machen  muss.  Dass  ein  Schiff  drei  Jahre  lang  un- 
vollendet geblieben  sei,  ist  an  sich  nicht  gerade  wahrschein- 
lich, für  unglaublich  aber  halte  ich  es,  dass  dieser  Fall  in 
einer  Zeit  habe  vorkommen  können,  wo  Athen  im  Beginn  eines 


AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEURKUNDEN  33 

für  seine  Machtstellung  entscheidenden  Seekrieges  stand.  Ge- 
hört die  L'rk.  IV  in  das  J.  Ol.  105,  4,  so  muss  die  neugefun- 
dene  Inschrift  in  das  folgende  Jahr  fallen  ;  ob  in  der  Liste  der 
abgelieferten  Geräthe  ein  zwingendes  Argument  gegen  diese 
Ansetzung  zu  finden  sei,  scheint  mir  zweifelhaft  zu  sein.  Der 
Beschluss  alles  ausstehende  Geräth  einzutreiben  bildete  ei- 
nen Theil  der  umfassenden  Rüstungen,  durch  welche  sich 
die  Athener  zur  Bekämpfung  der  abgefallenenen  Bundesgenos- 
sen anschickten  (Schäfer  Dem.  u.  s.  Z.  I  S.  147).  Die  Kriegso- 
perationen seli)sL  wurden,  wie  llr.  Foucarl  kürzlich  nachge- 
wiesen hat  [Hev.  arch.  1878  XXXV  S.  227  ff.),  in  der  Zeit 
nach  dem  Anfang  des  Js.  Ol.  105,  4  eröffnet,  da  Chabrias, 
der  bei  Chios  liel,  frühestens  im  Anfang  jenes  Jahres  noch  in 
Athen  anwesend  war.  Eine  so  ausgedehnte  Maasregel  aber, 
wie  die  Einforderung  des  ausstehenden  Geräthes  konnte,  na- 
mentlich bei  dem  bösen  Willen  vieler  Trierarchen,  wofür 
die  Rede  gegen  Mnesibulos  drastische  Belege  darbietet,  im 
Verlaufe  des  Jahres  schwerlich  zu  Ende  geführt  werden;  zog 
sich  aber  die  Ausführung  noch  in  das  folgende  Jahr  hinein, 
so  entsprach  es  durchaus  dem  üblichen  Verfahren, dass  am  Ende 
des  letzteren  den  Acten  ein  vollständiges  Verzeichniss  der  ge- 
tilgten Schulden  beigefügt  wurde. 

Der  zweite  Abschnitt  der  Inschrift  enthielt,  wie  schon  er- 
wähnt, Listen  von  reparirlen  Schiffen.  Die  Athener  haben  im 
Verlaufe  des  Bundesgenossenkrieges  zwei  Geschwader  jedes 
zu  60  Schiffen  ausgerüstet,  von  denen  das  eine  unter  Chares 
und  Chabrias  bei  dem  Angriff  auf  Chios  zurückgeschlagen 
wurde,  das  zweite  später  ausgerüstete  beim  Auslaufen  unter 
dem  Commando  des  iphikrates  und  Timotheos  stand.  Der  Her- 
ausgeber meint,  dass  die  in  Col.  b  aufgezählten  Schiffe  zu  dem 
Geschwader  des  Chares,  die  in  der  folgenden  Columne  ge- 
nannten zu  demjenigen  des  Iphikrates  gehört  haben.  Diese  An- 
sicht ist  irrig;  Col.  c  Z.  90  ff.  wird  die  Gesammtzahl  (cua- 
xx;  ap;0(;.oO  der  reparirten  Schilfe  auf  sechzig  angegeben  ;  also 
war  nur  von  einem  Geschwader  die  Rede.  Die  Reparatur, 
glaubt  der  Herausgeber,  sei  von  den  Trierarchen  besorgt  wor- 

MITTH.D.  ARCH. INST.  VI  3 


34  AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEÜRKUNDEN 

den,  -welcl'.e  vom  Slaat  eine  Entschädigung  erhalten  hätten. 
Dies  gilt  nur  von  einem  Theil  der  reparii'ten  Schiffe.  Das  Ver- 
zeichniss,  welches  zu  Anfang  vollständig  erhallen  ist,  beginnt 
mit  einer  Rubrik,  die  so  zu  lesen  ist  (Col.  b  Z.  41  ff.):  aTrö  Ss 
TO'JTiov  Txa§£  TÖv  TDi'^pwv  Toiv  uTCxtöpitöv  TTxpxrJoöiiatöv  y,x\  S5t  T^j; 
uzepopiz;  xxTax.Oj^-icÖEt'jWV  yivxyxiZ'Txjji.sv  tou;  ["p]'i^[p]oip)(;ou?  stti- 
<j>c[s]ux(yx[vT]x;  tyj  7:6>ie[t]  «[tcoSoOvxi  t«?]  vxO?.  Die  zu  dieser  Ka- 
tegorie gehörigen  Schiffe  waren  von  den  Trierarchen,  welche  sie 
in  beschädigtem  Zustande  zurückgebracht  hatten,  natürlich  auf 
deren  Kosten  reparirt  worden.  Erhalten  sind  die  Namen  von 
Jl  Trieren  nebst  den  respectiven  Trierarchen,  dann  ist  der 
Stein  gebrochen.  Nach  der  Lücke  folgt  (Col.  c  z.  Auf.):  -- 
PAAAhht-h"  /.e'pxXa'.ov  [apyupio'j]  ou  oi  ':pir;pxp[;(0'.  e>izjSov  eJ; 
Tviv  iziiav-t^rh]  twv  vswv  XX  HP  -.  Augenscheinlich  ist  in  der 
Lücke  eine  Rubrik  weggebrochen  des  Inhalts,  dass  die  zu  die- 
ser zweiten  Kategorie  gehörigen  Schiffe  von  den  Trierarchen 
auf  Kosten  des  Staates  reparirt  worden  waren*.  Z.  6  und  7 
enthielten  eine  neue  Rubrik,  die  so  herzustellen  ist:  [s]Te[p]x? 
[tJkt^s  'h  [ttöjXi;  C7:e'7x.e6x7£[v].  Es  folgen  die  Namen  von  13 
Schiffen  mit  den  Namen  der  Architekten,  welche  die  Repara- 
tur übernommen  halten,  und  dem  Vermerk  der  Kosten,  doch 
sind  die  Zahlen  selbst  auf  dem  Stein  nicht  beigeschrieben.  Dann 
heisst  es  :  EOttTiOiz,  'A[xyvTOü  spyov*  ocutv)  eaicBcüO'/j  sv  -rai;  T^po)- 
Tzi;  tH/.oni  y.xl  Suoiv  wocWu'  apj^'.7S/.[Tcov]  'A|JLuvTy,;  ettsitksux^sv* 
o'jX  äe  evsXei'fö'/j  y.al  tote  p,-/)  izzxzKzn^-ny  uTTspov  Euippxvtop  ap- 
yiTSATWv  iiz&ny.exjxfJZ'i'  y.£(px>.xiov  t'«;  u7ro^oi;rou  e7n'7y-£'jri[(;  — ]. 
Die  hier  genannten  22  Schiffe  können,  so  viel  ich  sehe,  zu 
einer  der  vorausgehenden  Kategorien  nicht  gehört  haben,  selbst 
den  mir  übrigens  unwahrscheinlichen  Fall  angenommen,  dass 
eine  Kategorie  cjanz  wea^ebrochen  sei.  Sie  müssen  für  ein  an- 

O  ~  CD 


'  Mau  crwarlot  vor  der  Summe  des  Geldes  die  Summe  der  Sctiiffe  gezogen 
zu  losen.  Iiidess  war  dieselbe  vicllciclit  in  die  iibergesctirichene  Rulirik  auf- 
genonimeri.  Die  Geldsumme  ist  gering,  entweder  waren  die  Reparaturen 
nur  »iibedeulend  oder  die  Zahl  der  Schüfe  war  klein.  Dass  die  Trierarcheii 
nur  einen  Zaschuss  erhallen  haben  sollten,  ist  mir  nicht  wahrscheinlich. 
Vgl.  über  die  Kosten  von  Reparaturen  Bückh  ö.  196  ff. 


AUS  DEN  ATTISCHKN  SEEURKUNDEN  35 

deres  Geschwader,  und  zwar  unter  der  Behörde  des  Vorjahres 
aiisgeriislet  worden  sein.  Die  Heparatur  der  Enploia  war  da- 
mals nicht  heendigt  und  das  Schiff  zum  zweiten  Mal  in  Accord 
gegeben  worden.  —  Nach  der  Siimmirnng  der  für  die  dritte 
Kategorie  an  die  Architekten  gezahlten  Gelder,  die  ich  über- 
gehe,  folgen  in  der  Urkunde  die  Gesammtsummen  der  repa- 
rirlen  SchitVe  (dufx-x;  «ptO(7.o[c]  Tpi'/ipcj>v  wv  '^[[xe]?;  e::£'j/.eux'j[oc]- 
[;.£v  PA)  und  der  für  die  Beparaluren  vom  Staate  gezahlten  Be- 
träge. An  die  letztgenannte  Rubrik  schloss  sich  Z.  99  IT.  ein 
Vermerk  an,  der  so  herzustellen  ist:  ToC[5]e  toö  apyup([ou  xa^e] 
etoreTcpocj^^O'/i    [-xpa  tJcöv  Kve7ctc/.[£uou(;]    xa?  vaC;  [ave'X]z,[u]'7avTo>v 
[ei;  IOC  vjscjpia ;  die  im  Folgenden  genannten  Schilfe  sind  die- 
selben, welche  vorher   in   der  dritten   Kategorie  als  von  der 
Stadt  reparirt  aufgeführt  waren.  Diese  SchitTe  waren  also  in 
früherer  Zeit  in  beschädigtem  Zustande  in  die  Werfte  abgelie- 
fert und  die  für  die  Reparatur  erforderlichen  Gelder  nachträg- 
lich bei  den  Trierarchen  eingezogen  worden  ^  Die  untere  Hälfte 
der  Liste  der  eingezogenen  Gelder  ist  weggebrochen   ebenso 
wie  der  Anfang  des  zurückgegebenen  Geräthes  aufCol.  d.  Von 
einer  Angabe  über  die  in  demselben  Jahre  erfolgte  Ausrüstung 
und  Aussendung  einer  zweiten  Flotte,  welche,  wenn  sie  vor- 
handen war,  nicht  vor  der  Columne  c  gestanden  haben  könnte, 
erscheint  in  den  erhaltenen  Theilen  der*  Inschrift  keine  Spur. 
In  der  ürk.  IV  finden  sich  über  Rüstungen  überhaupt  keine 
Angaben.   Aber  auch  diese  Urkunde  ist  verstümmelt  auf  uns 
gekommen,  und  selbst  davon  abgesehen  ist  es  fraglich,  ob,  vor- 
ausgesetzt dass  in  dem  betreffenden  Jahre  eine  Flotte  ausge- 
laufen war,  in  der  Urkunde  der  Werftbehörde  Etwas  über  die 
Ausrüstung  derselben  stand.  Für  die  Ausrüstung  der  Flot- 
ten wurden  in  der  Regel  besondere  Commissionen,   die  a-o- 
(jTo'Xer;  eingesetzt,  während  der  Schiffsbau  andern  Behörden 


'  Die  VT,s;  eI;  t4  vEüioia  ivitXxwofi^vat  stehen  im  Gegensatz  zu  den  vt.e;  tr.a'i- 
6pioi  jta'i  I«  TT,;  jTCEpopia;  xaTiixofx.io8£raat  in  der  ersten  Rubrilc.  Die  lieraufge- 
zogenen  Trieren  lagen  in  den  veuiooixot,  welctie  einen  Tlieil  der  vEiüpia  bil- 
deten. 


36  AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEÜRKUNDEN 

übertragen  zu  werden  pflegte.  Für  ein  zufälliges  Ziisammen- 
IrelTen  wird  man  es  kaum  erklären  können,  dass  in  den  vor- 
liegenden Urkunden  der  Weiftbehörden  mit  Ausnahme  der 
letztgefundenen  keine  Vermerke  über  ausgeführte  Rüstungen 
enthalten  sind.  Die  Flotte,  die  im  Jahre  jener  Urkunde  auf  den 
Kriegsfuss  gestellt  worden  war,  bestand  ausschliesslich  aus 
reparirten  Schiffen  ;  die  Aiifbringung  der  für  die  Reparaturen 
nöthigen  Mittel  scheint  nach  den  in  der  Inschrift  enthaltenen 
Details  nicht  leicht  von  Stalten  gegangen  zu  sein.  Dies  lässt 
auf  eine  spätere  Piiase  des  Krieges  schliessen,  als  die  ersten 
Hülfsmiltel  des  Staates  bereits  verbraucht  waren.  In  den  neu- 
sten Darstellungen  des  Bundesgenossenkrieges  wird  allerdings 
die  Ausrüstung  beider  Flotten  Ol.  105,  4  gesetzt;  nach  Schäfer 
(Dem.  I  S.  147  ff.  vgl.  die  Zeittafel  B.^III  S.  328)  ging  die 
Flotte  des  Chares  im  Anfang,  die  des  Iphikrates  in  der  zwei- 
ten Hälfle  des  Jahres  in  See,  v^'ährend  nach  Curlius  (Gr.  Gesch. 
11!^  S.  460)  i^deichzeitie  zwei  Geschwader  au.sajerüstet  wur- 
den,  um  unter  getrenntem  Commando  zu  o])eriren.  Aber  quel- 
lenmässig  begründet  sind  diese  Ansetzungen  nicht.  Nach 
Dionys.  Lys.  S.  480  spielte  sich  der  Krieg  in  den  Jahren  Ol. 
105/4  und  106,  1  ab,  während  Diodor.^XVI  7  und  21  den 
Angriff  des  Chares  und  Chabrias  auf  Chios  etwas  zu  früh  un- 
ter Ol.  105,  o,  die  Aussendung  der  zweiten  Flotte  aber  unier 
Ol.  106,  1  erzählt.  Hält  man  hieran  fest,  so  hindert  nichts, 
die  ürk.  IV  in  dem  ihr  von  ßöckh  zugewiesenen  Jahre  zu  be- 
lassen. 

Die  im  Vorstehenden  entwickelten  Gründe  schienen  mir  aus- 
reichend zu  sein,  um  die  in  den  Mitlheilungen  bekannt  ge- 
machte Urkunde  für  jünger  zu  halten  als  die  Urk  IV.  Erst  als 
die  Untersuchung,  die  ich  nicht  habe  unterdrücken  wollen, 
abgeschlossen  war,  bin  ich  darauf  aufmerksam  gew^orden,  dass 
sich  dasselbe  in  einer  Weise  erhärten  lässt,  die  jeder  weiteren 
Discussion  ein  endgültiges  Ziel  setzt.  In  dem  Verzeichniss  des 
abgelieferten  Geräihes  der  neuen  Urkunde  Z.  20  ff.  ist  zu 
schreiben:  [(I>j'."XTvov  Xa^/Mx^n^),  [w]^-  [;.e[Ta]  tpst^ixxofu  SuJ7r[s- 
Tociwvo;]  £7:1  T71V  E'jTu;([izv]  GScp[e]i[X£v]'  Tscppoö,  7r71$X>i[ti)V,  /.jXi- 


AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEURKUNDEN  37 

[[X«Ki^ci)v],  jcovTüiv,  •rcapx'jT[a]Tcli>[v,  Lja[ToO]  [^.eyaCT^o-j),  xepxtwv 
(xeyx(X(i)v).  Die  Trierarchen  halten,  wie  aus  der  Fassung  zu 
schliessen  ist,  nicht  das  Gerälh  selbst  sondern  den  Werth  or- 
staliet.  Danach  ist  in  der  Urk.  IV  Col.  q  Z.  75  IT.  zu  ergän- 
zen :   Eij7u[yix, ]  £p[YoV  Tpti[ipxpj(_oi]  4>i').[ivo?  AKXtaSyi;],  4>£[i- 

§17:7:0;  EuTrerxtoJv]*  Twv  [^u^.ivojv  e^o'jii]  Tx[ppöv,  TC/^dstlia],  /t7i[i- 
|jt.X]ci§x;,  X.0VTOU!;],  TC3c[px'TTxta;,  idtJjv  (/.eyCav)],  xs[py.i3c;  ixeyaXa?]. 
Die  Stelle  stand  in  dem  Verzeichniss  der  SchilTe,  welche  im 
Anfang  des  betreffenden  Jahres  in  See  waren.  Daraus  dass  die 
aus  dieser  Trierarchie  sich  herschreibende  Schuld  in  der  neuen 
Urkunde  als  getilgt  aufgeführt  ist,  folgt  unwiderleglich,  dass 
die  Urk.  IV  dem  J.  Ol.  105,  4,  jene  dem  J.  lOfi,  1  angehört, 
da  an  eine  spätere  Zeit  für  beide  Urkunden  nicht  gedacht 
>verden  kann. 

Für  den  Verlauf  des  Bundesgenossenkrieges  ergeben  sich 
aus  diesen  Bestimmungen  folgende  Resultate.  Wie  oben  be- 
merkt wurde,  kann  die  Flotte  des  Chares  nicht  vor  dem  Herbst 
des  Js.  Ol.  105,  4  ausgelaufen  sein.  Nachdem  der  Angriff  auf 
Chios  zu  rück  cjesch  lagen  war,  hat  die  Flotte  der  Conföderirlen 
längere  Zeit  das  ägeische  Meer  beherrscht.  In  Athen  scheint 
man  sich  in  dem  Glauben  gewiegt  zu  haben,  dass  Chares  trotz 
des  vor  Chios  erlittenen  Echecs  im  Stande  sein  würde  die  See 
gegen  sie  zu  halten;  dazu  kam  dass  .las  Flotlenmaterial  in 
Folge  saumseliger  Verwaltung  \\\  schlechtem  Zustande  war 
und  die  vorher  beschlossene  Eintreibung  des  geschuldeten  Ge- 
räthes  auf  Widersland  und  bösen  Willen  stiess.  Erst  nachdem 
jene  HofTnung  sich  als  trügerisch  erwiesen  hatte  und  als  die 
Klagen  der  treu  gebliebenen  Bundesgenossen  über  die  Brand- 
schalzungen der  Conföderirlen  (Diodor.  \VI  '21 )  itnmer  dring- 
licher wurden,  kam  im  Volke  ein  Antrag  ein  zweites  Geschwa- 
der auszusenden  zur  Annahme.  Dieses  Geschwader  wurde  im 
J.  Ol.  106,  1  ausgerüstet,  in  dessen  weiterem  Verlaufe  sich 
die  übrigen  militärischen  Ereignisse  des  Krieges  abspielten. 
Der  Friedensschluss  aber  kann  wegen  i\i'v  dazwischen  liegen- 
den Begebenheiten  kaum  vor  Anfang  i\'d6  Js.  Ol.  JOB,  2  statt 
gefunden  haben. 


38  AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEÜRKUNDEN 

3.  Diircli  die  Gute  des  Verfassers  ist  mir  ein  Abzug  der 
Abhandlung  AKATOC  von  Leopold  Brunn*  zugegangen.  Der- 
selbe bespricht  darin  S.  62  ff.  die  Frage  über  die  Zahl  der 
i(TToi  a)4«Tsioi  auf  den  atliseben  Trieren  und  kommt  gelegent- 
lich auch  auf  die  Zahl  der  Zygiten  zu  sprechen.  Er  entschei- 
det sich  dafür,  dass  Böckh  mit  Recht  einen  Kuttermast  und 
54  Zygiten  angenommen  habe  und  dass  Grasers  Aufsteilungen, 
der  zwei  Mäste  und  58  Ruderer  statuirte,  nebsl  den  daran  sich 
anscliliessenden  Folgerungen  zu  verwerfen  seien.  Graser  stützte 
sich  auf  einige  Stellen  in  den  Seeurkunden,  welche  Böckh  als 
vei'schrieben  bezeichnet  hatte.  Hr.  Brunn  hat  den  Wunsch  ge- 
äussert, dass  eine  auf  eine  neue  Untersuchung  der  Originale 
gegründete  Mittheilung  darüber  gemacht  werden  möge,  was 
an  jenen  Stellen  auf  den  Steinen  zu  lesen  sei.  Ich  ergreife  die 
Gelegenheit  dieser  doch  wohl  an  meine  Adresse  gerichteten 
Aufforderung  zu  entsprechen. 

Von  den  viei'  von  Graser  angezogenen  Stellen  sind  drei  von 
Boss  verlesen,  ürk.  I  a  Z.  56  ist  statt  C'jyi]«;  P'?  aooKtaoi  PH 
zu  lesen  (uy^ja;  PI,  af^6y.t[;.o!.  III.  Damit  fällt  der  einzige  schein- 
bare Grund  58  Zygilen  für  die  Triere  anzunehmen  weg.  Urk. 
X  c  Z.  90  ist  Boss  von  einer  Zeile  in  die  andere  gekommen, 
statt  i<TTo[u;]  ax,(XT£iO'j(;  ist  ZU  lesen  ictÖv  «.[•AXTtt.ov],  xspaizi;  ax.sc- 
Ts'iou^.  Urk.  VII  l)  Z.  H  steht  auf  dem  Steine  i<tt6v]  AKATEION 
ohne  Zahlzeichen.  Dagegen  ist  allerdings  Urk.  l  6  Z.  35  hinter 
iffTov]  KKccTsiov  das  Zahlzeichen  I  geschrieben,  aber  mitten  in 
einer  Reihe  von  Gegenständen,  die  gezählt  waren,  so  dass  man 
nicht  gerade  einen  Schreibfehler  anzunehmen  braucht.  Dass 
die  Triere  nur  einen  Kultermast  hatte,  erhellt  aus  der  oben 
unter  2  besprochenen  Inschrift.  In  dieser  ist  Col.  6  Z.  5.  6 
zu  lesen:  icttwJv  a/.xTetov  api6[;.oi;  [s-nrl  vrO? -]  A  A  A  A  I  I. 
Daraus  ergiebt  sich ,  dass  die  Zahl  der  Mäste  derjenigen  der 
Schiffe  entsprach,  andernfalls  würde  erst  die  Zahl  der  Mäste 
angegeben  und  dann  fortgefahren  sein  ouTot  yiyvovroct  stcI  v«0? 


'  Abdruck  ans  der  FesfsctiriCt  des  Sleltiner  Statltpymnasiiims  zur  Begrüs- 
sung  der  .35.  Philoiogenversammluncr  (SlcUin  1880)  S.  39-72. 


AUS  DEN  ATTISCHEN  SEEURKUNDEN  39 

mit  der  Zahl  der  Schiffe.  In  der  Ausgabe  der  Inschrift  herrscht 
an  der  ausgeschriebenen  Stelle  Verwirrung,  der  Herausgeber 
hat  eine  Zeile  übersprungen  und  die  zu  den  /.sp^izi  ijehörigen 
Worte  ajry.i  yiyvovxKi  vctA.  auf  die  ittoI  bezogen  ^ 

Ich  habe  diese  MiLlheilungen  hier  um  so  lieber  gemacht,  da 
mir  die  Resultate  flir  Böckh  charakteristisch  zu  sein  schienen. 
Man  bewundert  einerseits  die  unvergleichliche  Solidität  der 
Forschung  des  Gelehrten,  der  sich  an  einmal  als  richtig  Er- 
kanntem durch  scheinbar  entgegenstehende  Zeugnisse  nicht 
irre  machen  liess ;  andererseits  den  liebenswürdigen  Cha- 
rakter des  Mannes,  welcher  die  Zuverlässigkeit  seines  Mitar- 
beiters Koss  nicht  in  Zweifel  ziehen  mochte  und  die  in  der 
Überlieferung  bemerkten  Fehler  lieber  auf  Rechnung  der  ano- 
nymen Steinmetzen  des  Alterthums  setzte-.  Es  ist  eine  Freude 
in  den  Fusstapfen  eines  solchen  Vorgängers  zu  wandeln.  Man 
wird  nicht  nur  belehrt,  man  fühlt  sich  innerlich  gehoben^. 

ULRICH  KÖHLER. 


*  [In  dem  Ructie  La  friere  Aih^nienne  von  A.  Cartault  (Paris  1881)  wel- 
ches mir  soeben  zugehl,  haben  Orasers  Hy|)Oihesen  über  die  Zahl  der  Mäste 
(S.  179  rr.i  und  der  Zyyilen  ( S.  128  ff.)  Aufnahme  iiefunden.] 

'^  [IMachtrSytich  bemerke  icli,  dass  oben  S.  28  Z.  7  /..  E.  zu  lesen  ist:  x»l 
-  \i]ifr\  ::T|5aXi'u)V.] 


Zur  Epigraphik  von  Kyzikos. 

Vgl.  C.  I.  G.  II  3655-8695  add.  3695  ^'-s  Le  Bas  P.  V.  Asie 
Sect.  VIII  1752-1759  =  HamiUoii  Researches  in  Asia  Minor  etc. 
II  Append.  V  307-312,  314  und  315;  ßer.  d.  Berl.  Äk.  1860 
S.  193-497  ;  Perrot  Exploration  de  la  Galatie  etc.  I  84-90  n. 
19-58  ;  '0  ev  k/tco^ei  'E"X"X.  <I»t>.oX.  :^j\\.  iuYy.  Trep.  T.  ^'  (1872, 
1873)  S.  23  fg.;  ßer.  d.  Berl.  Ak.  1874  S.  1  %. ;  Münclin. 
Ak.  1875  S.  91  ;  Rev,  arcfi.  1875  Bd.  XXX  S.  93;  1876  Bd. 

XXXI  S.  99  fg.,  350  ['g.=Ephemeris  epigr.  III  S.  156  fg.,  Bd. 

XXXII  S.  26i  fg.;   Hermes  XV  S.  92  fg.;  Millheilungen  IV 
S.  14  fg.  [V  S.  388%.]. 

Die  vorstehende  Übersicht  der  Literatur  zeigt,  welche  Be- 
reicherung die  Epigraphik  von  Kyzikos  seit  dem  Erscheinen 
des  ßöckhschen  Inschriftenwerkes,  vorzüglich  in  den  letzten 
Jahren  erfahren  hat.  Eine  systematische  Durchforschung  des 
-weiten  Ruinenfeldes  müssfe  dies  Material  noch  erheblich  ver- 
mehren, aber  es  wäre  schon  eine  dankbare  Aufgabe  die  bisher 
nur  in  Copien  bekannten  Texte  einmal  nach  den  Originalen 
zu  revidiren.  Leider  ist  die  Kunst  des  Abklatschens  hier  zu 
Lande  nicht  nur  für  die  meisten  Antiquilälensucher  ein  eleu- 
sinisches  Mysterium,  sondern  gilt  auch  als  geradezu  über- 
flüssig, ebenso  überlliissig  als  genaue  Angaben  über  Fundort, 
Material,  Dimensionen  u.  s.  w.  Wie  wichtige  Inschriften  in 
Folge  dessen  ganz  unbrauchbar  werden  ,  mag  ein  Beispiel  zei- 
gen. \'or  mehreren  Jahren  ward  mir  folgende  Inschrift  mil- 
getheilt: 

OK YIl KH  N^l 
YOMENOIENTHI 
SEZTONIOYAION 
O2AYNAZTOY0PA 
5       QN  ON  .  .  .  KAIO  YTAT 
«NAII....NHT... 


ZUR  EPIGRAPHIK  VOiN  KYZIKOS  41 

IAI2ZE ßN.... 

N  H  SPAZI OY  .   .  . 

IMHTP02E1ZTHNT.  .  . 
10       YERTEZTAS 

AMATEYNE02THZB 
MHNIOYTOYKH0ET 
T  OY  <^QK\  Q.H0  1. 

'0  SfSao;]  6  Ku^'.x-/ivtö[v  xal  ol  irpayjy.aTsJuojxsvü'.  £v  -•/)  [zoXei  'Pti)- 

[AaToi]  2e^Tov  'IouXiov[ KotuJo;  f^uvaaroO  0oz[r(ov.  .  .  .  u{]ij>- 

v6v.  .  .  Kxl  [0]'j[y]xT[£pa Z.    7  :  ßaffji>'.(j'j[av  oder  ßzai- 

^(^^[v]?  'AvT]ü>v[ix;  Tp'jpzijv/)^  [ß]z(7'.[>..  .  .  .]  ay)Tpo;  ei;  tyjv  [ttö- 
"Xiv  e]ue3[Y]s'7[i]a;  [&v£K£v  vpJx[tx](j,XTeOv[T]o(;  t-^^  ß[&'j7/?j;]  M'/iv'o'j 

Die  Ergänzung  der  Namen  ist  natürlich  unsicher,  aber  man 
erkennt  doch,  dass  von  einem  Milgliede  der  ihrakischen  Kö- 
nigsdynaslie  die  Rede  ist,  deren  Beziehungen  zu  Kyzikos  durch 
die  beiden  Dekrete  Berl.  Ber.  1874  Mi  und  IV,  vgl.  Momm- 
sens  bekannte  Abhandlung  in  der  Ephern£ris  Bd.  II  S.  250  fg., 
zur  Genüge  bekannt  geworden  sind.  Die  in  Kyzikos  domici- 
lirten  Römer  in  Verbindung  mit  den  Bürgern  der  Stadt  kom- 
men auch  noch  auf  der  Ehrenbasis  des  Kaisers  Claudius  vor 
als  CfivesJ  RfomaniJ  qui  Cyzici  [consistunl]  et  Cyzi'ceni],  vgl. 
auch  noch  die  bilinguen  Grabsteine  Rev.  arck.  XXXil  S.  268, 
C.I.G.  3689  =  C./.L.  111  372;  Hamillon  3I5  =  C./.L.  373,  und 
aus  den  Autoren  ist  bekannt,  dass  die  Misshaiidlungen  römi- 
scher Bürger  von  Seiten  der  einheimischen  Bevölkerung  unter 
Augustus  und  später  unter  Tiberius  dazu  führten,  dass  der 
Stadt  die  Privileij;ien  einer  libera  civitas  entzasen  wurden  (Mar- 
quardt  Cyzicus  S.  82).  —  Alle  andern  Ergänzungen  sind  na- 
türlich Nichts  als  Vermuthungen  :  ein  guter  Abklatsch  würde 
erfahrungsgemäss  alle  Zweifel  beseitigen. 

Die  hier  milgetheiüen  Inschriften  befinden  sich  grössten- 
theils  im  Museum  des  Syllogos  und  im  Tschinili  Kiöschk,  wo 
ich  sie  abklatschte  und  copirte;  von  andern  benutze  ich  Ab- 


42  ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS 

klatsche  und  Copien,  die  mir  zur  Disposition  gestellt  worden 
sind.  Schlechte  Copien  von  werthlosen  Texten  mitzutheilen 
hielt  ich  nicht  für  angezeigt^  obgleich  ich  eine  Menge  solcher 
gesammelt  habe. 

N"  I.  Grosse  Marmorplatle,  im  Laufe  des  J.  1874  in  Kyzi- 
kos  gefunden.  Die  obere  linke  Hälfte  ist  abgebrochen,  doch 
haben  sich  noch  eine  Anzahl  kleinerer  liriichstiicke  erhalten, 
welche  sich  genau  an  einander  schliessen  und  eine  Ergänzung 
der  Präscriplen  der  einen  Liste  ermöglichen.  Andere  habe  ich 
nicht  unterbringen  können,  obgleich  sie  durch  Material  und 
Buchstabenform  sich  als  zum  selben  Stein  gehörig  ausweisen. 

Diese  vollständige  Platte  enthielt  drei  Prytanenlisten,  ge- 
rade wie  die  unter  II  zu  besprechende,  vermulhlich  für  die  3 
aufeinanderfolgenden  Monateeines  Vierteljahrs:  vollständig 
ist  jetzt  nur  noch  die  Liste  des  Thargelion  ;  von  den  beiden  an- 
dern haben  sich  nur  die  Reste  je  einer  Columne  Eigennamen 
erhalten  (Text  s.  Beilage). 

a Tjs    •  •  •<;  Naux,7iYipo;, ['K7raip]p6^EiTos, 

[Alovysivo;,  [Tep]£VTiO(;  ©yiffsu?,  FL  'Ay.iXto;  'AyocOÖTrouc,  ...wv 
AioSoTou,  IlptoTa;  'A.7:zMx.  Links  Fragmente  dreier  Namen. 

b.  'l7C7rapj(^oOvToi;  K>..  Xoctpeou  t^'ocoo;  t6  t,',  Kpy<  tspsco;  5s  t-^;  'Acria; 
vxoO  Tou  ev  Ku'(Ut})  T.  'Op<piotj  <I>Xaoutxvou  $i\oypx(pou  3c«l  i^PX'®" 
peta;  Ouißix;  [IwXV/i?,  ypap.'xaTSo;  de  ttj;  vsü>-/.6pou  ßoi»>[-/]i;]  11. 
AiXio'j  np65t>.ou  'EXevou  xpuTavsi;  oi  [TipurocveuJcscvTs;  [^-"^ya  tov 
©xpyvi'X'-övx  2sSk(JtsT;* 

I  Columne,  .  .  .e(ox(p'/iyouj/.evo;, .  .  .pioo  TcpuTavscp/v)?, .  .  .  .ivo;, 
.  .  .avo?,  .  .  .cxpy'/i;,  .  .  .'.  (^dlx^yoi;,  .  .  .a>.o;,  ....<;  Aia5oup.£- 
vo;,  .  .  .  .oyovo;,  .  .  .oci.  0zX^(;,  .  .  .upo?,  .  .  .xo;,  .  .  .  .[xo;,  .... 
'Ac/Aj'/iTa;. 

II  Col.  A.  Ouivio;  Mx^'.t/o;  t^-/)yviT^;,  M.  Ka,7(T)pi)tio;  Aia^ou- 
p.evo;,  r.  A£/.i'5[!,jo;  iMxQiao;,  F.  Kxi'/ivJj?  K^oiJtavö;  BaXvi;,  Map- 
x[o;]  Mou-/,'.ou,  'OvYiTicpopo;  toj,  F.  Tou)kio;  KpicTvo;  Trpo^oSocpywv, 
F.  O'jzpio;  Bx'jO.siSvi;,  A.  'Avrwvio?  SKyiviy.d;,  A.  Tupwvio;  Kouzp- 

To;,   llo>>[\i(j)v   ....]Xou,    E'japE[(TTO?   'Ä<;y.)^]-/)7via$ou,  'E7r[ 

Aiadojup.evou,  Ao Mav'/i;. 


to 


15. 


zo. 


BEILAGE    ZU    MITTH.  D.    ARCH.    INST.    VI.   S.  42. 
HÜ 


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^^ZiK 


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^PXJEfEIAZ 
^KOPOY 

TEiZ  - 

iMlOSAlAIANoSK/ffEP 
^TTAAoYBAAEPJoi: 

^hz;toyaptEmas 

)S^AAE>INo2£YTYXinM 
:  ßlTAO%  ^ 

CAKieESTl02 

i^M^NOAoToY 
I  PoYcj:'oz: 

[Poc^JMOX 

[i5:Yryic|)ofov 

PAKltlfiAoY 

VaianoX 


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n  oAVT 

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£PHAEA 

^T-onoN^vj 

Tl  fcTAAEriMA 
MHAErATA 

rovApioz 

r/oYAioXK 

•^AAAiXToj; 
T(KAnA/AE 
Tl  KA  PoY  4», 

E:nA«fp<DA 
aoYkioz.  o',^«^ 
rAioZ.AE<|^^; 
MEhdAisj  APox"     ' 

nAvAorn^ 

f AYETöZa 

TAT  K-ars  TAvc^P 
ATA  ee)n  oy^^R 

A/OH\  Z  lOi:'    ^ 
HioYAioI^V. 


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BEILAGE    ZU    MITTH.  D.    ARCH,    INST    VI.   S,  42. 


OY 


^/Sw  AVkTAHP 
''POAElTor. 

fl  AKIMOS  ArA©onc/Y£ 
ÄIOAOTOY 
/fl  FriTASA^EA^A 


^A P X  OXNT0'ZK/?X A I P B OY^ H P n O Z  •"- TO  ^  2 
APXIEPE^'AEOTXAZIArNAOYTOY^ENKYZIKn'-r 
oP§.^€rt-^-ÄYIANOYf'lAOrPAf  OY-KAIAPXIEPEIAS 
.^I ß[^^r:?TOAAH5; r PA  NM ATHnSAE'-TH I:>•^E niCOPOY 
riAlATOYnPOKAOYEAENOY  nPYTANElS  Ol 
/EKfßliM-^rONeAPrHAiaMA/-      TEBASTEJZ^ 

/fenA<|'H"OVl-€NOr.    Ao'VINIOXMAIIMOIESK'HTHJ:       ,  ..  YA2EBH'OZ<flAoV^€isIOE 
/PloYnPVTMAPXHi   MKASPJKIOSAIAAOYMENor    ./         --IMIOIAI AI ANOtMfrEP 
TA  E  KI4,05:MAEIMOI,  if  LMH  ^'"a.attaAovbaaepjoj: 

rK'X'rf^^JOSKAn-AIMOSßAAHSl     Ano  AnwiAHSTOYAPTEMAS 

T"rEPENT[Oi;<f'AABI>JoIEYTYXinM 
MAEIOYIOS,   BITAOX 
MM£M£Flor  AnSESTIOZ 
MENbSeEYSNHNOAoTOY 

AnEAAHSTPoc^IMOt 
E  n  I  KTHTOI  ZYM4>OfoV 
M  £  NAsj  AFotAsltlji  I  AoV 
/A^KAHnioAnPolToY 


noYAict'Ä'n 

EPMAEAP-El^ 

j^^o  n  o  M^J  f*^g 

M-N04nPO^^ 

M.HAErATA^^ 
rOYAPlot  ^ 
rioYAloSK^ 

»^AAAliToX    ^ 
Tl  t  AHAIäEEH 


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/Awoz; 

/Z.APXHZ 
/^YAAPXc^. 

iAIAAoSii^NoI, 

(orowos: 

JÖAAHX 
\YPoE 
Tos 
/Mos 
IHAS 


MAPl<%^^oVK10V 
OWHZlfoPot,  To^f 
riovAioJlKPiEnoEn'ozc"^*^'*"'' 

roYAPl  Ol,  BAS  lAE  IAHE 
AAWTflKIlOSSKHMIKOJ: 
ATYPn  N  lOIkOYAFToS 
^nA<'-  AOY 

EVAPH      '  -  '   Hn lAAOY 

Er.  VMFNJOY 

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MANHH  A/IOVAIOXAYAIANOS 


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ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS  43 

III  C.ol.  KXajuS.  leSyjpo;  ^nXoujxevo:,  [.  .  Njcüvtc;  Ai^tav?);  Ntyep, 
^["kiTclizoc,]  'ATTyl>,ou  Bz>.epio;,  'A7:o[)^])>wvif^-/];  to'j  'Aprep-äi;,  T. 
TepevTto;  <I>>.aS'-3Cvo;  IvjTuyiwv,  M.  Aöiouio;  BtT>.0(;,  M.  Ne[xepio; 
'AvöeiTio;,  MevscOeu;  Mrjvoi^^TO'j,  Fl.  Bspyivio;  *PoC(po;,  'ATceA'XfJ; 
Tpö(pi[j.o?,  'ETTty.TvjToi;  iu[JL<pöpou,  lM$v3cvöoo<;  'AvTt[(p]'!Xou,  'Acry-^vi- 
Tciö^wpo;  Tou,  A.  'lou'Xto;  Auf^ixv^;. 

C.  M ,  Ti ,  noXuT6i(J!.o; .  .  .  . ,  riwXXicov  Vo .  .  . ,  Aou- 

y.to;  (auf  dem  Stein   corrigirt  aus  n6-lir,^)  ....,    r.  'loüXio; 

,    'Kpaäci;  'ApTEü.[i§ü)po'j],   M.  'Or6vv(io;)    'l .  .  . ,  M'/jvöSopo; 

,   T.  MeTTwvtoC; ],  Tl.  K>..  Aswv  A ,  M.  'Hlzyx- 

yx^.  .  .  .,  r.  Ouxpio;.  .  .  .,  l\  'lou>^io;  Kp[7cxo;],  A'.oyevvi?  H.  .  ., 
Kal^tiTo;.  .  .  . ,    Tt.  KX.  n(xt5£p[(j)(;],  Ti.  Ka.  'PoD(]p[o;],  'Erraipoo- 

Sfstro;],    Ao'j/.io;  OOa.  .  .,   Paio;  A£x.i^i[o;.  .  .],  Msvxv^po; , 

KtTt^copo;.  .  .  .,  ny.u\oc  llia-j'Xo'j],  <1>xOgto(;  'Ov  .  .  . ,  FXuäwv  raio[u], 
'Ay(xG67:ou[? .  .  .  .],  Atovu(jto(;.  .  .,  M.  'Io'j"Xto;  2.  .  .,  darunter  (jjcv, 
entweder  7rpuT0ive'j]'jxv[Ts;  oder  i-/.xWix]G(x,y. 

Eine  Copie  des  Herrn  Limnios  t^iht  hin  und  wieder  einige 
leicht  zu  ergänzende  Buchstaben  mehr. 

A'°  2.  Grosse  Stele  von  bläulichem  Marmor.  Sie  ist  identisch 
mit  derjenigen,  von  welcher  Perrot  a.  a.  O.  n.  49  die  Inschrif- 
ten bereits. theilweise  verölTcntlicIit  hat.  Über  ihre  Auffindung 
berichtet  Perrot  S.  83:  Nous  rcconnümes,  cn  visitant  les  ruines 
de  l'amphühealre ,  qae  de  nombreuses  stUes  portant  des  inscrip- 
tions  etaieni  engagees  daris  la  comlruction ,  snrlouf  au  aud-est, 
sur  la  gauche  du  ruisseau.  J'allai  chercher  d  Erdek  iin  oiwrier 
qui  reussü  a  degager,  d  faide  d'une  pince  de  [er,  deux  de  ces 
Sieles  ;  les  autres  etaieni  trop  profondement  engagees  dans  la  ma- 
connerie. 

Diese  Stele  ist  gleichzeitig  mit  n.  1  hierhergebracht,  leider 
ist  sie  um  den  Transport  zu  erleichtern  an  Ort  und  Stelle  in 
mehrere  grosse  Fragmente  gespalten,  von  denen  einige  entwe- 
der dort  verbliehen  oder  unterwegs  verloren  gegangen  sind. 
DieStele  war  auf  den  beiden  Schmal-und  der  einen  Breitseite 
beschrieben;  die  beifolgende  Zeichnung  stellt  die  drei  Seilen  in 
einer  Ebene  dar;  die  schrattirten  Partien  sind  jetzt  verloren. 


H  ZUR  EPIGRAPIIIR  VON  KYZIKOS 

Es   ist  zu  bedauern ,  dass  es  dein  ersten  Entdecker  nicht 

möglich  Avar  sämmtliche  In- 
schriften vollständig  zu  co- 
piren.  Von  der  rechten  Seite 
(bei  P.  irrthümlieh  als  linke 
bezeichnet)  Averden  nur  27, 
von  der  linken  (rechten)  Seite 
nur  26  Zeilen  mitgetheilt,von 
der  Vorderseite  gar  Nichts. 
Dagegen  hat  er  allein  von  der 
rechten  Seite  Z.  12-20;  das 
betreffende  Bruchstück  ist 
wie  es  scheint  verloren  ge- 
gangen. 
Die  Abschriften,  die  ich  hier  beilege,  beruhen  auf  Abklat- 
schen und  Copien,  die  ich  hier  genofumen  habe;  eine  früher 
an  Oi't  und  Stelle  genommene  Copie  des  D*".  Limnios,  sowie 
eine  spätere  des  Herrn  D^  Schröder  haben  mit  Nutzen  verglichen 
werden  können;  an  verschiedenen  Stellen  erwies  sich  der  Ab- 
klatsch wegen  des  Kalküberzuges,  welcher  die  Höhlungen  der 
Buchstaben  bedeckt  und  sie  nur  fürs  Auge  fassbar  macht,  als 
unzureichend. 

Schon  äusserlich  ist  es  erkennbar,  dass  die  Inschrift  der 
Vorderseite  aus  zwei  Prytanenlisten  besteht,  von  denen  die 
ältere  von  Z.  29  ab  ausgemeisselt  ist  um  der  jüngeren  Platz 
zu  machen.  ÜherZ.  1  der  jüngeren  Liste  sind  sogar  noch  ein- 
zelne Apices  der  älteren  Buchstaben  sichtbar  und  ist  die  Sen- 
kung der  Oberfläche  des  Steins  von  da  ab  deutlich  zu  erken- 
nen. Später  hat  man  begonnen  die  noch  stehen  gelassenen 
Zeilen  auszumeisseln,  doch  beschränkt  sich  die  Zerstörung  auf 
Z.  1-7.  Auch  die  Seitenflächen  scheinen  ursprünglich  nicht  zur 
Aufnahme  von  Schrift  bestimmt  gewesen  zu  sein  (den  Text  s. 
auf  den  Beilagen). 

I  (Linke  Seite).  'iTurrzp/'/i  Xatpsa:  to  vi',  ypxfAjAaxe'jovTo?  t'^«; 
veti))c6pou  ßou^-?!;  'A(yy."Xvi7;ix§ou  €'  Ezw<x.[^]jou  oi  TrpuTxveuaavTet; 
jx-Jjvx  Kjc('Xa)[;.xitövx  /.(ocl)  )taX>.toccrxv(Te;)  n3Cvvj{X.ov  "OTuTiviTe?* 


BEILAGE  ZU   MITTH.  D.  ARCH.  INST.  VI.  S  44. 


M-oZ, 


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irriAPXHXAIPEA/' 
TOHTPAhMATEr' 
ONTCZTHI/^O! 

{KoPoYßoYAHIASK/ 
IHnrAAcv-i^^HENA 
laoirPVTAfvEYrAN, 

iKKAAAlAlANnA 
j'^H^OAf    OHAHTEr  ' 

I  n  Pvii  Tom  AXo5:<f>rpMoY&' 

MoYKlAKlolBAILSoY  \ 

MEAQWAnOAAaN/oY 

OKTAb/OXTEPTlANJoIfö 

gTFPDv/AAKIMOXAcb^ 

mn  lAinoTAMajvjoZBX 

/MorxoSToYBASI 

nnABPYaNMYiTAc  i 

riOYAl.AOYJnoZolKjo! 

nrnAQAHaMAs         / 

KAAY^IOSKPJSrioS:    / 
TlKAE^HßjK 

rKAoTznziMoxEnö 

^JoYKrANo!:TEAEX:4>op 
(^«^KTABION  HEIMES 
ÄpKTABlXAPfTaNi 

»^PNin£P2eY2 
rioYAjrrepirfMHX 

fEPirEMHZAY^HClß 
[EYKTAIOI  -^ 

jAXKAHniAAHZAiorE 
■N£/K0ZTPÄAAtM0Y 
i  A  n  O  A  AO,  N I OZ  A  PTET^a 
.NElKANAPor-^ 
jrPEimrEAAHHAMAp    ! 

iiovAioszA^iNoi:     ! 
iAioAnpoIAaPoe£d 
lA-EPY  KioilnaAAjaNj 
1      hyi:tai 
\?oy<poz 

^AY2:T02  -&- 

!  eEoTtiMos  knnoYP; 

in  KAa A»oZ  A  KJ  E  ^f  Z li/ 

lnAa.AZKHniAAH2:    ( 


2i: 


JO. 


35. 


tu 


;i4'0PlKNAlKAPniAAO^ 
rHII<|'0P0S  -^     J3A2: 
lTP  E  ISKor  KAAYaIAMoS^AJ 

|B/OZ'SEOYHPOZ;'26ANT 

^%^OYAß'EETIA/0i: 

>2:XWTHPOi: 
rZAloY 

105: 


noTAM  w^     -&- X  / 


lo  KTAOYIOS  STPATH"!  KOE 

|M-]2nwMioiT&AEi:4>opü: 

1  rEPYKlOE-AOYKlOZ 
IaAC^AMAPoZ!'^ 

|KA£nA^>poAElTor 

iKA-ePMElASMYrTAP 

pANWVlErAoriW^c^l 

Im  oyakaay2kii:imoi 

mSoYAniK',.  ;'  ü:/\ahi 

iXPHITIUM    -B- 

|OYAPIOS  ^^AYriElMor 

IJ^MANAPorAPTENlA^Por 

f  PoYci>oi:AfT£MrAkfoY 

lEPi-HrzWTJXoY 

rKAPPEfriornOTAHWv/ 

|rE;A£E<j)oPoXZH)AoY 

\o  KH  S  f  MoS-^oKTAEI^opoi  I 

iH^NOAWorinnohEiKoY      j 

|\TrAAHSN£/KH<^oPoY  1 

MiA  MOA Error  I 

fEPirH^Hz-ß-oi^rKonANHr  I 
|£nA4>poAEirosrAiöY 

lAlA  BAXXir 

inorAMWK/-ß- 


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Linke    Seite 


Rechte   Seite. 


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BEILAGE   ZU   MITTH.   D.  ARCH.    INST,     VI.  S.  45. 


Vcrderseile. 


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Ni  koma; 
AI  oAnp( 

X  APMI  AI 


'  roP  r  oNj  rX..^ 

AnOAAON  lOSMEMlSlKoY--^ 

iiM/iNn  P  nTOroNOY 
I  MrH2:inro2:A^E:Njizi<oY 

'  'I^IAOZIENOIAYI.''- 1 

I  AlOAn  P  OS,  1  n 

I  AFXEBlOi:    ArXEP  .^ 

^  A4ENEETPATOZAT  TAAO#- 

1  lEFnN  AH/V\HTP1  OY 

I  0EO  aoto2:ahmhtf[oy 

noi;iTT  H  siAloAn  roY 

1  -EN  OT!AAO2;nY0OKAElOY2: 

/         ^'lAinrosci^iAirroY 

I  AnoAAOc})ANH2:E?:TIArOY/ ^ 

fIPYTANElr  AI^IKOP£lroI^PYTAlk 
l</  PtMlX/nNATOMEniKABASZ.Hrj.P' 
I^A-E n. SBOYAH r  no nAiOYtJ'Q--'''^ 

rIaXAN'E  ZlTOUTAYPEO.WA^B' 
&>YAIONI^S;)OY  M4TPO 

gr-KATirrAt 

»io  YAIOZ  A 

fiozi  &H5:A 

faAIAIOXIoYA 

jl»  AOAAIOZ. 

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(nANTArAeoZ.AF"EM  lAriPo  YorNO 
InoAEHnNTEf  IrENoYEBAXI 

EAlorKEMANAPo^'-ßAil 
lAlbAlosrEPirENOYIMIl 

I  2ri.5:[MotrAYK.n  noxbaxI 

AKIMAYMoEcfoi  Boy 

|miepbe:iaioz  poycJios 

|T|KAtoPHTor 
I  AOKTABIOZtoiBrnM 
I  rßEPYAAASXOll-E/AlAX 
M  ANTnNIOZ  loYAtAMOZ 

T<}>AAßIOXKAFnoS 

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I    loYKOYMAOZ.  loYkoYMAoV 

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lEPEYrA-tFOAEITHJ: 


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M  A  M-f  T  PoA  n  r°Y<pA\ 

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KAHl(AAHZAn°AAn| 

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s  YN'j'o  poiznnYF 

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I^  NE  K  F  A'EYrMnM°M 

MYXTAl 
AfiAr  KA  NTo'Z^'roY 
MAtsiTnohHi  1  -i^ofo: 
rpn-ZiAloxnoXx  EP 

AAAßloXrfel  AnoAAn,N 

hajt.  £n h  4  F  öA  EiTo 
lo  Y  nriAAinsizriKrATi^ 

n-oYAAEFIor  HAHlMoZ 
TI    KA-TEAE  J:  foFoS 
A    KAI  1-^6  nAtfoAEI 
Tl  KA-  ZrLT.rMO% 
EYTYXOS:  AnoAAriNI 

npiKJKinin.MA4>4'o\o>  , 

EYTYXOZAZKAHHA         / 
rMAIKIOXHjT-THP 
AX  KAKn  f  AAH  Z  AIonTx 


ZUR  EPIGRAPIllK  VON  KYZIKOS  45 

IIptiJTOixx^Of;  <l>ip|xot>  ß[ac.],  Mouv-iav^;  Bzttou,  Ms^ojv  ^A-noWia- 
viou,  '0/.Ty.oto;  TepTtzvo;  ßCxT.],  T.  Tepev(Tio;)  "AA/.iy.o;  ä'p-/i(you- 
[;<svo;),  Osivapio;  E-jOs.  .  .,  II.  '0/t-(x(Sio;)  [lep.  .  .  ßy/rriAsu;).  *^^~ 
TCO vs ixo^'A TITO )i)^(i).  ßx(ori>keu;),[n]x7:ix;  noiip-ojvo;  ßx('>i>eu;),  M6- 
(j;^o;  ToG  ßxTiC^su;),  fl.  H>,w(tioO  'ApT2ixi$ti)(po?)  7;poq(o5xpyü>v), 
U.  n>.((i)Tir»i;)  Bpuwv  (jt.ua-:xp(^-/j;),  F.  'Io'j>.i(o;)  AoOtt-o;  otvo(<p'j- 
Xx^),  ri.  n>.to(ttOi;)  A£0)vx{;,  KXxu^io;  KpTTTro;,  Ti.  K)k(au5io;) 
*E(p>iSi>t(6;),  r.  RXCauSio;)  03(>.7cio;?)  ZwutjjLo;  £7:(i)  Ouli^xTUiv), 
Mouxtxvöi;  TeleTcpopCou),  fl,  'Ox-txS',(o5)  'Ovi^'Jijio;;,  '0/.txo'.(o?) 
Xxp(T(j)v,  [nep-JepvCxi;)  Oep-reu;,  F.  'louX'Xoc;)  nspiysvr,",,  [Uj^p'-ys- 
vv);  Au^'/iiiS(iou),  Ku/.Txto;  S',  'Ai/AyiTCixSyi?  Atoye(vo'j;),  >f~.r/<.6- 
<jTpx(ToO  Axcpvou,  'ATTollwvto;  'ApTe[Jitj)(vo;),  Neiy-xvSpo;  S',  flpsi- 
[;aye(v7];)  'AA£^xvSp(ou),  'lou^ioi;  ZwaijAOi;,  Ai66cdpo;  AiopoOso(u), 
A.  'Ep'jy.'.o?  Ilü)>>ia)v,  p,'jcTai*  'Poöipo;,  <I>xCi(770!;  S',  ©sÖTe'.p.o;  Ky)- 
7coup(nö),    n.   KXw^io;    'AvejjLSTViiToO»    ÜXwCtio;)    'A<;/tX'/i77txo-/i;, 

0£o5.  .  .TO?    €'. 

II  «  (Vorderseite,  ältere  Inschrift).  'Ap'.T.  .  .,  ['Aj^o).. .  .,  'A- 
(SK\'fi[-x .  .  .],  Asu/.io[;  .  .  .],  Bxx.;(^to[v  'A]>.xiSi[xSyi;  .  .]»  Atovu(j'.[o; 

.  .  .  .],M-/iv6§ti)[oo; ],  N'.-/.6u,x)(_[o? .  .  .  .]^  ^'.oiioifioU.  .  .  .],  Xxp- 

]jXh-i][c,.  .  .], ,  [I'jOxy[yeXo; ],  Fopyov  r6[pyo)vo;],  Msvg- 

cOsu;  [MJsv[£76£ü)?], 'A-olXtovio;  MsviTito-j,  ''ASpx[T]To?  M[sOS[i]ou, 
Oilö^svo;  Au7x[vSpou],  Aio^wpo?  'l7r[7cxpj(_ou], 'Ap/eSioi; 'Ap;(eS[iou], 
MevecTpxTo;  'AttxXo['j],  'lepwv  A'/ia'/iTpiou,  6i65oTo;  A-/i[j.viTpio'j,  flo- 
C'.TTV];  A'.o(^a)po'j,  SsvoTip.o;  nuOo/.X£iou;,  «I'i'Xitit^o;  <I>tAi~7:ou,  'AttoX* 
^o^xv'/];  'Ettixiou, 

b  (Jüngere  Inschrift).  FIpuTavei?  Aiyixop£t;  oi  7:p'jTx[v£u'jxv- 
TE^  j;.-?Ivx  'AjpTEiJ.iTitovx  Tov  ETCi  KX(«uStx;)  Bx-icYii;  ir[-xppu'JYi?, 
Ypay.(x]xT£w;  ßoulvi;  noTrXioi»  ^oL-j'Xßiou  ....  x.xl  xx^^Oo^'^^cvTei; 
TOV  Txupeövx  £[xl  apj^^ovTo;  .  .  .]o'J  Aiovutio'j*  MifiTp6^[ti>po];  o'  «pYj- 
youi^-svCo;),  Ti.  KX(au§ioO  TtTtocvo?  <[>iX(Ov  7r[p]'j':x(vxa;(_Yi<;),  Mx(p- 
xo;)  M'/ixpof^cöpou  'poX(«pj^o;). 

Linke  Columne:    'loüXio;  Aioy£vtx[v]6;,  no'SiS'/)«;  'AptTTa)v(o;), 
n.  At'Xto?  'Ioo)iix[vo;]  'Ep[;-6§wpo;,    11.  AöXXio?  M[a^i]!Ao?,  .  'ASx- 

C5tav[To;]   no)XXia>vo?, 'Avi/.viTO?, ßx'7iX£u?,   .  . 

....o;    nco'XXtwv   7:po'>o(5xp;(oiv), o;    AovyEivo;    K).xu(Äix- 

v6;)  {Aij(TTxp(;(^vi;),  KpxTi5'/i[J!.o;  ettI  twv  Ö'J{;.xt{i)v,  [IxvTxyxOoi;  'Ap- 


46  ZUR  EPIGRAPHIR  VON  KYZIKOS 

Tei;.i^wpou  oivo(<pu'Xa^),  üo'XeixoJv  nspiyevou!;  ßsc^tCXsu;),  "Elto?  Ms- 
vav^po'j  ßz«Ti(>su;),  Aiy.aio;  nsptysvo'j;  ßx'n(X£uO,  Zcoci^ao?  TXu- 
"/Co>vc<;  ßxffi(>eu;),  'Axiv^uvo?  4>oiSoy,  M.  Xsp^cUio;  'PoOfpo;,  T[i.] 
KX.  »I>6pY]T0(;,  A.  "O/tTocSio;  4>oi€iti)v,  F.  Bep'jX"A3cv6<;  Msi^ta?,  M.  'Av- 
Twvio?  'Iou^iav6<;,  T.  <I»>.aSto;  Kapro;,  ^ojtiojv  OxXXoO,  'IouxoOv- 
§o;  Mouy.oiiv^o'j,  2co'7Tpx':o;  'OT^uvzioSwpo'j  lepiu;  'AippoSsiTVi;. 

Rechte  Cohimne:  A.  SeTrrif/.to?  H...,  ^Hrs/.X-fiTzioi^'/ii  'AiroX- 
?^ti).  .  .  .,  M'/i^eio;  r3t>8[p(ou],  M.  'louCXioO  nü)X);iti>[v],  <I>ot:So;  Fop- 
vio'j,  2'jv^opo;  ZwTcupou,  'lÜTcxfppoöeiTo;  IIoX'jjcCpacTOUi;),  Mevsjtpx- 
(tyi;)  Euyvwaovo;,  [i.ucxxi'  'ASxt/CXvto;  tüO,  M.  'AvT(d(vio;)  'Ovvi- 
(Ji(popoc,  F.  'PüXJiSio;  rioO^^ep,  A.  "AXSio;  np£r('7xo;)  'AroXXo)* 
v('.o;\  nXw(Ttoq)  'E7rx^p6-5£tTo[;],  Mou^XioO  n(i)>.)^i6>v  2o)x.pxTvj(;, 
n.  OOxXepio;  Mx^tp^o;,  Ti.  KX.  TeT^eTipopo;,  A.  Kxiv...  'E^acppo- 
Ä£i[to^],  Tl.  KT..  Zwaip.o!;,  E'jtuj(^o;  'ATCo)iXo)vi[ou],  OpivxsTriüJv  "Aip- 
90U,  EüTu^o;  'A(T/t>.vi7:«§o[c],  F.  Mai-/.'.o5  ^WT^p,  'A«5;c>.yiTCiaS'/i?  Aio- 
vuc(iou). 

III  Rechte  Seile.  Erstes  Bruchstücke  Perrot  a.  a.  0.  N"  II: 
.  .  .  .;  AiovuTio;  ^[xailtui;,  T£]Xsa(popio)v  'AT/.'XvjTCtocSou  ßx(<Ji>>Eu;), 
['0]vY)oi!popo;  S'  ßa7(i).£u;),  A.lIp£r(jz.o;  K'XxuSikvÖ(;  ßx(T(t>>eu;),[Ou]i- 
6io<;    isouvjpo;   6(pavT(;^<;?),    ....    <I>ou)^€(ioO   'Ectix^o;    ( PerrOt : 

A.  ^»ou'XS.  U.  s.  w.),  [2£ouy)]po;  Tpöipip-o;,  .  .  .  .uo;  SiOT'^po;, 

'I^xiou  (P.  :  Kjxoc'.o;  'l^aiou),  .  .  .  Tpö^iao*  (P. :  Mtxp'/.ixvo;  Tp6(pi- 
p.oO,  •  •  .  .ouio;  (P.:  'EJojpTio«;  'Ox.[Tx]outo^).  Zweites  jetzt  verlo- 
renes Bruchstück  nach  Perrot:  'Iou>.(io?)  EuTuj^iwv/A/caco;?  €', 
[Xlxptjt.i[§vj<;  'Aff/.J>i[Y)]7:[i]o^a)p[ou,  2;]£[;to;  (für  "Est.)]  K'Xw^to; 
'AutxTixö;,  Mou(r(a>vio;)  'Poutpou,  Napxi-rrro;  *Ap[y^]tvoou,  M(xpx.O(;) 
ÖxX>.6?,  A.  RxpTCo^opo;,  'AyxOoyA-^?  6'  Ao[YY]£tv[ou].  3tes  Bruch- 
stück .  ,  .^to;  .  .  .  .,  M7ivö(^wpo[;  . .  .  ,]  (P. :  M.  'Ittxovei/.ou),    F. 

Kxl^eiaio'; (P.  F.  KaX^siato;  Aufpi^to?),  rioTxawv  ^VOiCT«- 

ouio;  STpxTyiyixö;,  M.  'I^ttwvio;  T£>.£'7(popo:,  F.  'Epuxio;  Aouäio;, 
'AAB^xvSpo;  6',  K\.  'ETcacppo^EtTo;,  K"X.  'Ep[X£ia?  {AucrTap(j^viO,  A. 
Ncovi(oO  Eu>.oyc(i)v  (pi(lÖTei[;.o;),  M.  OuX(7:ioO  KXxu(5ixv6??)  Zw- 
<nj;.o?,  A.  2ou'X7ci>c[to;  'A7r]cXX';Q(;,  XpTiOfxicov  S',  Ouxpto;  <I>au(7TErvo;, 
Mivxvöpo?  'ApTe(y.i^wpou,  'PoO(po(;  'Apröp-iSopou,  'Epfx^;  Zo)tij(^ou, 
F.  Kappeicioi;  noT«[jt.u)v,  T£"Xeicpopo;  Zo)iXou,  'Ovi^utjxo;  €'  6  x(al) 
T£X6(7(popO(;,  M7ivd^ü)po;'lTC7rov£Uo'j,  'AttocX-zk;  N6iX7i(pöpou,  AfX^.toO 


ZUR. EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS  47 

Ai'\(ioc,)  Bxj^^i;,  llüTap,(ov  S'. 

Zeil  der  erhaltenen  Pry lanenlislen.  Von  den  hier  nul- 
gelheilten  ist  offenbar  das  Fragment,  auf  der  Vorderseile  von 
N**  2  das  älteste;  es  gehört  der  vnrrömischeii  Epoche  an  und 
mag  ungefähr  gleichzeitig  mit  den  mithridalischen  Kriegen 
sein.  Der  Name  As.\)y.\o;  =  Lucius  widerspricht  dem  nicht:  er 
gehört  zu  denjenigen  römischen  Namen,  welche  bereits  früh 
in  Griechenland  und  im  hellenistischen  Asien  Eingang  gefun- 
den haben. 

Hierauf  kommt  die  Inschrift  N"  1^,  welche  in  die  ersten  Zei- 
len Hadrians  fällt,  nnler  welchem  die  Stadt  das  erste  Neoco- 
rat  erhielt;  unter  den  32  erhaltenen  Namen  ist  nur  ein  ein- 
ziger Aelier  (Z.  5.  n.  AJ'X'.o;  npojcXo;  °'EX£vo(;),  kein  Aurelius; 
die  auf  demselben  Steine  befindlichen  Listen  a  und  c  sind  wohl 
fijleichzeilig,  wenigstens  gilt,  nach  den  vorhandenen  Resten 
zu  urtheilen,  von  ihnen  dasselbe. 

Nicht  viel  später  als  N"  1*  fällt  die  Liste  I  von  IN"  2;  denn 
der  in  den  Präscriplen  genannte  Chaereas  Hipparch  zum  8ten 
Male  ist  offenbar  identisch  mildem  Ti.  Claudius  Chaereas  von 
n.  1*,  wo  er  Hipparch  zum  7ten  Male  genannt  wird;  die  Li- 
sten 11'^  und  111  weisen  sich  ihrem  ganzen  Charakter  nach  als 
gleichzeitig  aus.  Hie  Aelier  beginnen  sich  zu  vermehren  (IT. 
Ai'Xio;  'louXiÄVOc;  'Epy-ö^copo;  IK*  9,  Ai'Xio;  B^X/Ji  '  "^^^  ACäio? 
MöSe<jTO(;  I  4i);  dagegen  finden  wir  von  Aureliern  keine  Spur. 
Die  älteren  römischen  Gentilnamen:  Terentii ,  Plotii ,  Nonii, 
Oclavii  sind  vorherrschend. 

Ganz  dasselbe  Resultat  ergibt  sich  nun  für  die  im  C.  J.  C. 
3661-3664  veröffentlichten  Listen;  insonderheit  können  die 
beiden  Verzeichnisse  von  Prytanen  ans  der  Phyle  der  Aiyixo- 
pet;  C.  /.  G.  3663  und  N"  2  II''  zeitlich  nicht  allzu  weit  von 
einander  entfernt  sein.  Denn  offenbar  sind  der  IT.  ATXio;  'lou- 
7vtx[vö;]  'Ep{7.6S(i)pos  der  letzteren  mit  dem  T.  Ai'Xio;  TcuXcavo«; 
'Ep|J!.6^ci)(po;)  [ß]a((JiX£ij;)  (pu(X!zp/^o;)  von  3663^  5,  'louXio^  Aio- 
ysvtscvo;  II''  7  mit  F.  'fouXio;  Aioyevtavö;  3663,8  und  3663^,4,  llo- 


48  ZUR  EPIGRAPHIK  VON  RYZIKOS 

5i5^;  'A()i<STü>vo<;  II*  8  mit  dem  gleichlautenden  Namen  3663 
9,  n.  nXwTiog  AoyyeTvo;  K>.auS(rocv?);)  3663*  8  mit.  .  .  .o?  Aovyet- 
vo;  K>au(^ixvjj;)  II*  15  idenlisch. 

Pry lanenordnung.  Andererseits  zeigen  diese  Prytanen- 
listen  eine  grosse  Abweichung  von  den  früher  bekannten,  in- 
sofern als  3661  und  3664  die  Prylanie  eines  Monats  stets  auf 
die  Buleulen  je  zweier  Phvlen  vertheiien,  sodass  jede  der  sechs 
Phylen  viermal  im  Jahre  und  zwar  zusammen  mit  einer  an- 
dern sich  in  die  VryVdn'ie  getheilt  haben  muss.  Dies  liisst  sich 
allerdings  von  3662  und  3663  nicht  mit  Sicherheit  annehmen, 
da  sie  zu  sehr  verstümmelt  sind  ;  von  der  letzleren  ist  es  sogar 
wahrscheinlich,  dass  sie  wie  die  hier  publicirten  noch  dem 
System  der  einfachen  Prytanien  folgte;  die  Annahme  dass  etwa 
die  Prylanen  jeder  Phyle  gelrennt  verzeichnet  wurden  ist  na- 
türlich unstatlhafl.  Da  die  Liste  3664  aus  onomatologischen 
Gründen  später  fallen  muss,  so  glaube  ich  dass  die  einfache 
Ordnung  die  frühere  war ;  auch  3661,  trotzdem  die  ßou'X vi  nicht 
als  veto/.opo?  bezeichnet  wird,  kann  nicht  vor  die  andern  ge- 
setzt werden,  wie  Bückh  gethan.  In  welcher  Zeit  diese  Inno- 
vation eingeführt  wurde,  lässt  sich  natürlich  fürs  erste  nicht 
bestimmen. 

Auffällig  ist  das  Schwanken  in  der  Zahl  der  Prylanen;  in 
den  vollständig  erhaltenen  IJslen  — ich  lasse  die  Fragmente 
C.  /.  G.  3661  3662  36G3,  Perrot  N"  50  51,  IN"  1  a  und  c  bei 
Seite  — beträgt  dieselbe:  C.  L  G.  3664  1  fg.  und  '21  fg.:  50, 
bez.  51,  wenn  die  leer  gelassene  Z.  53  noch  einen  Namen  ent- 
hielt; N"  2  \\b:  51  ;  und  vermuthlich  N"  2  III  ebensoviel,  da 
die  erhaltenen  Fragmente  48  Namen  aufführen.  Dagegen  gibt 
N"  1  B  nur  42  und  die  fast  gleichzeitige  Liste  N"  2  I  enthält 
in  ihrem  jetzigen  Zustande  38  Namen;  da  höchstens  3  bis  4 
Zeilen  fehlen,  so  ist  es  kaum  zweifelhaft,  dass  sie  ebensoviel 
Prylanen  aufi'ührle  wie  die  ersterwähnte  Liste.  Die  Zahl  42 
sowiedie  neu  auflauchende  Phyle  der  ^sSx^-rei;  könnte  beinahe 
auf  die  Vermuthung  fuhren,  dass  es  zeitweilig  in  Kyzikos  sie- 
ben Phylen  mit  einem  Rath  von  504  gab. 

Über  die  Phylen  von  Kyzikos  hat  Böckh  zum  C.LG.  be- 


ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS  40 

reits  ausführlich  gehandelt;  es  sind  die  vier  allionischen  der 
TeXsovTs;, 'OttX^ts;,  'Apya^ec;,  Aiyucopei;  und  zwei  sonst  unbe- 
kannte, die  Bwpet;  und  Oivözs;,  wozu  jetzt  die  It^xGx&X^  hin- 
zu kommen.  Jene  hat  man  seitdem  in  zwei  andern  jonisclien 
Colonien  wiedergefunden;  in  Tomi  (Küstendje),  wo  'Apyjt^ei; 
und  Aiyi/topei;  und  daneben  eine  «puXvi  'Pwj/iwv  vorkommt  (Per- 
rot Mel.  d'arch.  446  fg.)  und  in  Perinlh,  Dumont  Inscript.  de 
la  Thrace  72'-".  Die  zuletzt  angeführte  Insclirift  gibt  eine  Na- 
mensliste von  Ma)te56vs?,  'AKxpvave;,  noSapyoi,  T  E  A  E  Y  N- 
TEZ,  nPEIZ,  AiriKOI,  Koc'TTxXci; ;  der  Herausgeber 
sucht  hier  nach  thrakischen  Völkerschaften,  vielmehr  ist  statt 
der  nicht  transscribirten  Namen  zu  lesen  :  rjsXsOvTs?,  Blwpsti;, 
AiYuo[pei;.  Das  Vorkommen  der  B]<.)p£r5  in  Perinlh  ist  insofern 
von  Belang,  als  hierdurch  der  alte  gemeinsam  jonische  Ur- 
sprung dieser  Phyle  wohl  ausser  Frage  gestellt  wird. 

Böckh  wollte  durch  eine  Combination  mit  der  Ephebenliste 
3665  eine  feststehende  [leihenfolge  der  sechs  Phylen  gewinnen^ 
sodass  sich  die  Prytanien  der  einzelnen  Monate  folgendermaas- 
sen  vertheilten : 

Geleonles    Argadeis    Ister  Monat    Posideon  Arleraision    lOter  Monat 

Aigicoreis   Boreis        Cyanepsion    Lenaeon  Calamaeon    liier      » 

üinopes      Ilopletes    Apatureon      Antliesterion   Pancmos       12ter      >> 

Die  Reihenfolge  der  Monate  ergab  sich  aus  C.  I.  G.  3661  und 
3664,  deren  Präscripten  stets  zwei  auf  einander  folgende  Mo- 
nate angeben,  den  einen,  in  welchem  die  Buleuten  der  betr. 
Phyle  als  Prytanen,  den  andern,  in  welchem  dieselben  als 
)toc)^'X'.K^ovTei;  fungirt  hatten. 

Dagegen  linden  wir  jetzt  in  unsern  neuen  Texten,  abgesehen 
von  den  SsgxdTer;  im  Thargelion  N"  1^,  N"  2  11^  die  'Apyx^et? 
im  Artemision  und  N°  2  I  die  Hopleten  im  Calamaeon;  auch 
ergab  sich  aus  der  letztern  {nschrift,  dass  auf  den  Artemision 
nicht  wie  B.  annimmt  der  Calamaeon  sondern  der  Taureon 
folgte,  sodass  das  ganze  künstliche  System  über  den  Haufen 
fällt. 

Die  bisher  bekannten  Monate  von  Kyzikos  sind  :  Artemision 

illTTH.D.  ARCU.INST.  VI  4 


50  ZUR  ..EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS 

Taureon  N"  2  11^  (Artemision  allein  3657, Taureon  3658),  Apa- 
tureon  3661,  Kyanepsion  3662,  Calamaeon  Panemus  3663  N" 
2  I,  Posideon-Lenaeon  Anthesterion  3664,  Thargelion  N"  1  ß., 
Berl.  Ber.  1874  N"  HI  und  IV.  Den  Namen  Taureon ,  sonst 
unbelegt,  kenne  ich  noch  aus  einer  unedirten  sehr  alten  In- 
schrift von  Sinope.  Die  genaue  Aufeinanderfolge  der  einzelnen 
Monate  wird  sich  ohne  neue  Funde  kaum  bestimmen  lassen. 
Die  Präscriplen  der  Listen  lauten  verschieden  : 

]N°  P:  iTCTtapyouvTO?  tou  Seivo?,  «pj(,iepe(j);  Ss  t-^?  'A^ioc;  vocou 

T'/j;  veo)vt6pou  ßou).^;  toO  SsTvo;  ax-K.,  ähnlich  3662  (^px,i6ps]<i)?  Ss 

T>55   'AcU?  V«OU    TOU  6V   Ku^Uo) 

N"  2  I :  i~TC«PX'ri  Xaipe«  t6  vi',  Yp?c(/.t^xTSuovTo;  t-^;  vet05töpou 
ßouV/i;  TOU  ^srvo;,  ähnlich  3663  A  mit  dem  Zusalz :  IttI  apxov- 
To;OiV%ov]oU]Tpo(piixou;  ebenso  N"  2  11^:  7:puTavsi?-oi  wpu- 
TaveudzvTS?  fi-viv«  'ApTe{;.i<Jiü)vac  töv  Irl  KX.  Boctcjvi?  iTTTTxpxouavj; 
)t«l  Yp3ca(xoiTeo)5  ßou'X'/j?  tou  Setvo«;  -  sL-::».  «pxovTo; .  .  .]ou  Aiovurriou. 

Allein  nach  dem  Archon  datirt  3664,  27  fg.  u.  59  :  appv- 
To;  TOU  Ka)^)^i7rocp6evou  to  6';  verdorben  ist  3661 :  iTTTCocpxouvTtov 
TÖV  Seivtov  Ypa[;.aaT£(i)?  tv);  lepÄ;  ßouX'w?  NixOja'/i^ou?  tou  ß'  x-ocTi- 
Xi«px,oyvTOi,  wo  wahrsclieinlich  ypocfJ^f^-a'reo)?  -  Ntxo{A'^§ou;  tou  b' 
(s.  u.  unter  Onomalologisches),  ;t«X>i«pxouvTo;  [tou  SsTvo?]  zu 
lesen  ist. 

Die  älteren  Inschriften  geben  nicht  das  Amt  des  eponymen 
Magistrats  an(C./.G.  3656  3657  3660  Perrot, ß.yl. 1875  XXX  S. 
75, Hermes  XV  S.  62  fg.);  andere  zum  Theil  ebenfalls  der  vop- 
römischen  Epoche  angehörigeC./.G.  2157,  2158,3658,3665, 
3668,  3695^  unten  N"  6,  die  Prytanenlisten,  die  Ephebenli- 
slen  bei  Delhier  Epigr.  v.  Byzanz  S.  73  fg.  (von  denen  ich 
weiter  unten  nachweisen  werde  dass  sie  nicht  nach  Byzanz  son- 
dern Kyzikos  gehören )  datiren  nach  Hipparchen  bez.Hipparchu- 
sen,  woneben  auch  noch  der  llathsschreiber,  der  Priester  des 
Koiv^v  'A«7i3c;  und  einige  Male  der  Äpx.ü>v  genannt  werden;  eine 
einzige  ganz  späte  Dedication  nach  dem  Archonten  :  stcI  ap' 
x6vT(i)v  TÖV  Tcspl  TÖV  ^eTvac,  die  Münzen  nach  Archonten  und 


ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS  51 

Strategen.  Böckh,  welcher  den  Hipparchen  für  identisch  mit 
dem  Archon  hält,  sieht  sich  daher  gezwungen  den  apyojv  von 

3663  A  3664,  27  fg.  59  für  den  xaX^iap^^"^  zu  erklären,  was 
jedoch  nicht  eben  wahrscheinlich  ist. 

Ausser  den  in  den  Präscripten  genannten  Aemtern  kommen 
in  den  Listen  selbst  noch  neben  den  Namen  meist  abgekürzte 
Bezeichnungen  vor,  welche  allerlei  mit  den  Pr}'tanen  in  Ver- 
bindung stehende  Functionen  bezeichnen,  nämlich  Tcpuracvap- 
j^vi?  N"  1  B  8,  abgekürzt  7r[p]uT3c(v«pj^'ni;)  N"  2  11^  6;  •^ox[j.\i.(x.iz\ii 
x(ai)  <puX((zpp;)  3663  ß  2,  Yp(«}JL[xa-reuO  3  und  4  und  A  1  ,H; 
oCvo^uC^x^)  ebd.  Z.  14,  vgl.  N"  2  I  22  abgekürzt  oivo((puX4), 
wohl  mit  den  Syssitien  im  Prytaneum  zusammenhängend;  ^u- 
CkxpioO  3663  B  5  ist  zweifelhaft,  das  Amt  N"  2  II  ß  16  sttI 
Twv  OujjLficTwv,  wodurch  sich  jetzt  Efl  I  O  Y  C./.G.3663  A  15  und 
N"  2  I  26  Eno  Y  als  stci  0u(X5c(-o)v)  erklärt,  kann  mit  den  mo- 
natlichen Opfern  der  Prytanen  in  Verbindung  stehen.  Mög- 
licherweise aber  gehört  es  zu  den  folgenden  Ausdrücken,  wel- 
che vielmehr  die  Würde  der  einzelnen  Prylanen  bei  den  My- 
sterienspielen bezeichnen : 

C.  1.  G.  3662  3,  3663  A  13,  N'^  1  ß  21,  N"  2  lil  30  11  ß  15 
(iu(7Tap()^viO,  woneben  zum  Schluss  vonN"  1  ß,3664,  N°2  M^eine 
Anzahl  Muctoci  besonders  aufgeführt  werden;  die  Sigle  MYZT 

Y 

3664  1  und  2  und  85,  3663  ß  8  (M)  und  9  scheint  ebenso 
aufgelöst  werden  zu  müssen.  Neben  dem  ^Mtsxxofyi^  figuriren 
mehrere  px^ilei;  reges  sacrißcuU:  N"  3663  A  fünf  BA2  I,  eben- 
soviele  3663  ß  (Z.  5  PA  1.  ß3c;*10-l3)  und  N"  2  il^  (13  [g]«- 
aazk  18  fg.);  N"  2  I  finden  sich  6  ßx^aev;  (Z.  10  13  16  fg.), 
2  111  vier,  doch  ist  der  Anfang  verstümmelt;  unter  dem  Tcpo- 
(Toaxpxojv  NM  ß  13  (3663  A  12  und  3664  1  und  33,  N»  2  II 
B  14  Trpoao;  3663  ß  7  xpodoS. ;  N"  2  I  20  xpo?.)  wird  der  Pro- 
cessionsführer,  unter  dem  KY/iYoufisvo?  NM  ß  7,  N"  2  II  ß  5, 
114  wird  der  Erzähler  der  heiligen  Legende,  unter  dem  e^vj- 
YYiTYi;  iNM  ß  7  der  Zeichendeuter,  unter  dem  I  EP  3663  ß  10 
ein  Hierophant  zu  verstehen  sein;  unerklärt  bleibt  der  ij(px\f- 
x'fii  N°  2  iU  5.  Die  Bezeichnung  als  ^'.(T^^TeipO)  ^^  den  Büi  kh- 


52  ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS 

seilen  Inschriften  häufig,  findet  sich  nur  ein  einziges  Mal  N"  2 
III  31. 

In  onomatologischer  Beziehungsei  nurfolgendes  bemerkt: 
Die  römische  und  griechische  Namensform,  erstere  aus  prae- 
nomen  /lowen  co^7??o??ie??,  letztere  aus  einfachem  Namen  mithinzu- 
gesetztemVatersnamen  bestehend,findet  sich  häufig  nebeneinan- 
der; dem  römischen  cognomen  wird  häufig  ein  griechisches  hin- 
zugefügt z.  B.  n.  Ai'Xto?  'louTvixvo;  'EpfioSopo;,  3662  9 :  V.  Kaatno; 
Auipt^izvb?  Mevafv^po;]  niclit  M[-/)]vä;  zu  bemerken  ist  ^iXitütco« 
'Attocaou  Bx^epto?  N"  1  ß  9  mit  nacbgestelltem  gentile  (Momm- 
sen  Rom.  Forsch.  !  S.  41),  doch  ist  hier  der  letztere  so  aufzu- 
fassen wie  KocXXtTTxo?  SocTupou  M7iv6<p'Ao;  3662,  Zjco<yt[;.o;  KXeccv- 
§pou  'AtcoXXwveo;  3663;  sonst  werden  beide  Namensformen  in 
diesen  wie  in  den  gleiclizeitigen  Prylanenlislen  im  C.  I.  G. 
durchaus  auseinandersehaltee  ;  allerdinijs  sind  die  Namen  im 
C.  I.  G.  nicht  immer  richtig  gelesen,  so  hat  Böckb  die  Namens- 
liste  von  3662  durch  Ineinanderschieben  der  Columnen  ver- 
wirrt, so  ist  3663  B  7  Tt.  KX(au^io?)  Tjavo?,  nicht  Ti.  K>.u{x[s]- 
vo;,  ebd.  10  M.  [lepTrspvy.;  AiSuu,o[;  zu  lesen;  doppelte  5'e«////cm 
lassen  sich  nur  selten  mit  Sicherheit  conslatiren,  da  dieselben 
ebenso  wie  die  patronymischen  cognomina  abgekürzt  werden, 
vgl.  jedoch  3663  ß  11  :  2e^.  AzU(toO  Ms-rtpio^  Sirsv^wv  (nicht 
le^To;  Aoux.io?  Ai'Xio;  u.  s.  w.) ;  in  andern  Fällen  wie  z.  B.  ebd. 
13  Tt.  K>>.  'lou.  kann  'loy^ixvö?  oder  'Iouaio?  gelesen  werden; 
das  erstere  ist  wohl  durchgängig  vorzuziehen;  3664  35  ist 
Au(Xo;)  Kai(/.ivy-)  'Iou(}^i4:v6;)  'Aa/.l'/iKi/x.^'/i^,  nicht  Aup-^Xio?  Koci- 
Jtio?  'louXto;  u.  s.  w.  zu  lesen;  ebd.  24  :  'FA^i.  'Ep[x-^;  Mäox.o;  S' 
ist  wolil  in  zwei  x\amen  zu  trennen  "E>.€'.(o;)  'Ep;j!,-^5  und  MÄp- 
x.o?  (MapÄou).  Erst  in  der  einige  Menschenalter  späteren  Ephe- 
benliste,  fast  aus  lauter  Aurelicrn  bestehend,  fanden  wir  in- 
correcte  Nomenclaturen  wie  Aup(vl>.to?)'ApT%Ci>v  I^oivto'j,  Schrei- 
bungen wie  Mzp)to;  AOp.  ^^cj^reivo«;  u.  s.  w. 

Zur  Bezeichnung  des  gleichnamigen  Vaters  bedient  man  sich 
einer  eigenthümlichen  Abkürzung.  Wie  nämlich  z.  B.  M^p- 
xo;  6'  (manchmal  auscreschrieben  ^i;)  für  Map/.o?  Mapjtou  tou 
Mftp-Aou  steht,  so  findet  sich  in  den  Listen  MÄpxo«;  xoö  für  MÄp- 


ZUR  EPIGRAPIÜK  VON  KYZIKOS  53 

xo;  Mapxou,  vcjl.  N°  1  ß  12:  'OvY]<Ti(popo;  toO  für  '0. 'Ov/)<7t(p(5po'j ; 
ebenso  ebd.  10 'A7:o[>.]>.wvi5-/i(;  toO  'ApTe[/x;,  ebi.l.  15) 'Ac-cX-/]- 
TTi^^opo?  Tou;  Moffp;  tou  ^^''  2  I   1 S) ;  'aSx'7/4xv-:o;  tou  11  li  Ki. 

Ohne  auf  die  hier  zuerst  vorkommenden  Eigennamen  auf- 
merksam zu  maclicn  \vill  ich  nur  nocli  bemerken,  dass  Kocr/i- 
vö;  N"  1  ß  10  auch  wohl  in  AOp.  Koc-zivo;  o(i()5  2-']  steckl;  der 
zu  Grunde  liegende  römische  Name  isl  mir  unbekannt.  AoCi;:- 
'KOi  =  Lupm  N"  2  III  22  mit  doppeltem  TT  findet  sich  ebenso 
C.  I.  (..  oiSl ,  Dumont  Inscr.  de  la  T/irace  N"  1  i  und  in  />a- 
pyris  (Keil  Anal.  IGi  A.  3). 

An  barbarischen  jNamen  fmde  ich  nur  Mav?];  N"  1  B  (auch 
in  der  Inschrift  Hermes  XV)  und  Sxottxvvi;;  letzterer  hat  im 
Eranischen  eine  sehr  nahe  liegende  Etymologie  als  «Hirt)> 
(nps.  scfioban). 

Zum  Schluss  noch  die  Bemerkung,  dass  die  Namensliste  un- 
ter den  Inschriften  incertorum  locorum  C.  I.  G.  0851  nach  den 
Namen  und  andern  Angaben  zu  schliessen  ebenfalls  nach  Ky- 
zikos  gehört  und  Fragment  eines  altern  Prytanenalbums  ist 
ähnlich  wie  N°  2  II  A. 


Ebenfalls  in  der  Sammlung  des  Syllogos  befinden  sich  die 
beiden  metrischen  Inschriften  Kaibel  2i'i  und  Add.  874«^  de- 
ren Text  trotz  der  Abschriften  und  Abklatsche  noch  immer 
nicht  correct  wieder";eü:cben  ist. 

Kaibel  244  =  Curtius  Berl.  ßer.  1874  b-^i\.  ^dll.  Bd.  H' 
Anh.  S.  9*  Z.  1  Auf.  sieht  so  aus:  0  EPZ  E4)  O  N  ATI  ({)  |- 
AEPrO  N  ,  also  wie  schon  K.  vernnUhcte  Oepcs'^dva  ti  — nicht 
TU  — 9USPY0V  u.  s.  w.  Z.  8  Anf.  ETA  H  MOS,  Ey^'/jp?,  nicht 
ey.^ao<; ;  Z.  9  M.  ist  A  E  A  A  I  A  Y  A  O  N  geschrieben,  Z.  11  A. 
TT]AYZinONQ.  Die  Zeilenabtheilung  des  $ia.  26U.  ist 
ganz  willkürlich. 


'  Beiläiifii,'  isl  diü.so  Iri.schiil't  uielil  zuimsI  \on  Dr.  I-onj;,  sondern  von 
meinem  Valor  im  Seplcniber  1854  entdeckt  und  cu])iil  wurden,  zu  weicher 
Zeil  sie  sich  sclion  am  selben  Orle  befand. 


54  ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS 

Seitdem  wurde  mir  noch  eine  in  dorischem  Dialect  abge- 
fasste  jambische  Inschrift  von  Kyzikos  mitgetheilt,  doch  ist 
die  Copie  zu  elend  um  eine  Mittheilung  an  diesem  Orte  zu 
verdienen. 

Kaibel  874a  =  ß.  A.  1876  S.  270.  Auf  dem  Abklatsch,  den 
ich  genommen,  sieht  die  erste  Zeile  so  aus: 

YY.v>»iuNt.KOiANEKO§MOYKAIX0ONO^lüni 

bestätigt  also  mit  Ausnahme  des  ersten  Wortes  die  scharfsin- 
nige Restitution  Kaibels :  T<j/t9pove  x.o[ip]8cv6  xöWjxou  xal  ^6o- 
v6[;  2apsc]75i,  ebs.  Z.  2  E.  ist  IZI  noch  deutlich  zu  erkennen. 
Weihungen  an  Isis  und  Sarapis  aus  Kyzikos  beschreibt  mein 
Bruder«,  i.  1879  S.  257  fg. 

Aus  dem  Nachlass  des  D"".  Millingen  gelangte  in  den  Syllo- 
gos  der  von  E.  Curtius  Berl.  Ber.  a.  a.  0.  S.  2  fg.  beschrie- 
bene Stein;  abweichende  Lesarten  finde  ich  keine  zu  notiren, 
wohl  aber  sei  es  gestaltet  für  die  beiden  Erklärern  wunder- 
barer Weise  entgangene  Deutung  der  TrpcJTOi  Bxx-pi  Kuvotou- 
perrai  auf  Lobeck  Aglaoph.  S.  1119  und  Marquardt  Cyzicus 
8.  112  zu  verweisen. 

Eine  Anzahl  kyzikenischer  Steine  befindet  sich  seit  Jahren 
im  sog.  Museum  von  Tschinili  Kiöschk;  bei  de,r  unglaublichen 
Unordnung  aber  die  dort  herrscht  ist  es  mir  nicht  gelungen, 
alle  die  von  Gould  Catalogue  du  Masee  Imperial  de  Constanli- 
nople  verzeichneten  Denkmäler  aufzufinden.  Andere  die  jetzt 
als  kyzikenisch  bezeichnet  sind  gehören  nach  Thracien  oder 
Macedonien,  andere  sind  in  die  provenance  incerlaine  verbannt 
worden  ;  kurz  die  Verwirrung  ist  grenzenlos  und  der  Besucher 
thut  wohl,  den  hübschen  bilinguen  Etiquetlen  nicht  allzu  viel 
Vertrauen  zu  schenken. 

Eine  Revision  der  bekannten  Dekrete  zu  Ehren  der  Antonia 
Tryphaena  Berl.  Ber.  a.  a.  0.  N"  III  und  IV  ergab  für  IV  keine 
wesentlichen  Varianten;  mein  Abklatsch  stimmt  durchaus  mit 
den  Copien  von  Schröder  und  Millingen  überein,  dagegen  las 


ZUR  EPIGRAPIIIK  VON  KYZIKOS  55 

ich  zu  Anfang  von  N*  III  folgende  gesperrt  gedruckte  Buch- 
staben mehr  : 


Z.  1.  'EttI  naur>(XVi[ob  tJoO 

Z.  2  f^J,.  "E^o^ev  TT-^  Pou)vvi  xxl  tw  ^-j^jj.oj  [YpajAaxTeu;  t-?)?  ßou- 
^'^;  ö  oe?v3c  (Jf-ec-/)!;]  cttI  Av)[X7iTpioü  sZttsv*  etteI  ||  'Avtcovijc  Tpufpzivx 
ßxaiXeti);  no>.e[u'-(«)]v[o(;  y.ocl  ßscai^iT^vi;  nuOo'WpiSjo;  öuyaT'/jp  xiv 
ct{(dviov  Toö  ^asyiTTOu  Oecov  TiSepto'j  SeßxcToO  Kai^apo;   o7/Cov  xa2 

II av  auToO    öta  irxvxo;  eurreSouda  cuvzxOiepwffs  ||  t'/]   Ffo- 

\iix^i  'AOvjvi^  aY3c>[j,x  T'/j;  ixTixpoi;  «utoO  II  [2eS3C<7Tvi;  N£i]x.7][<p]6- 
pou  [zflcp](x7iaSou<Ta  zap«  t^;  iroXeo);  Upvj'reizv  aOT-fl[(;]  II  ev  x'Ji 
TTspfJu  «YO[J.evY]  «Te^sioc  tGv  nxv3cO'/ivai[o)v.  .  .]  ■kxwxx  aev  to:  zp6; 
eüffeSstocv  töv  ©sSiv  -/.oil  xx  ||  -va  to  eOo;  acuf^;  ejcrpETrC);  o[I]ov 
■rroXT^civ   i£pou[ cruveJTTrX'flpoJCfev,  t^  <^e  spL^-jTw   ^i>.«vÖpo>7ricj: 

TTpO?  II  TS  TOU?  SVJ^tOpiOD;  Xai  TOU;  C^Z^OUC  6J^pil(J0CTO,O);uTC[ ■.] 

TÖV    ^SVWV    [ASTOC    ■KX'j'fiq    aTüO^O-^*?];    ETCl  TS   eu(7E  II  SstX    '/.sei   6(7tÖTYlTl 

)cai  (pt'Xor^o^iix,  ev  Ss  tw  x.zt' sto[(;.-.  .  .]  aiTOuari?  (nicht  drouffvi!;) 
[xsv  auT'/ji;,  ttzvtwv  os  cruvTSTs'Xscjjt.evüJv  jj  S/tx'Xeci);  HotTa  tvjv  ex.ei- 
vvji;  sCiceSsiav  y.ai  töv  ktco  t^;  ['Acioc?  ■.  .  .]v  6V7:6pci)v  x.x'k. 

Die  Vermuthungen  von  Mommsen  Ephemeris  Ep.  H  S.  255 
über  die  Ergänzung  von  Z.  4,  welche  sich  besonders  auf  die 
Lesart  A  YTfzN  st.  AYTOY  stützten,  haben  sich  nicht  be- 
stätigt. Auch  die  oa.  2u).X.  1872  Taf.  zu  S.  23  veröffentlichte 
Copie  Millingens  hat  AYTOY. 

(Schluss  folgt.) 
Pera,  1.  März  1881. 

D-^  J.  H.  MORDTMANN. 


Die  Athena  Parthenos^ 

(Tafel  I  und  II.) 

Die  erste  Frage  angesichts  derCopie  eines  berühmten  Kiinst- 
>verks  ist  die  nach  dem  Grade  ihrer  Genauigkeit.  Ihre  Beant- 
wortung muss  die  Grundlnge  jeder  weiteren  üntersiichnng 
werden.  Da  braucht  man  denn  wohl  kaum  hervorzulieben, 
dass  die  beim  Varvakeion  gefundene  Alheiiaslatuetle,  die  wir 
jetzt  in  zwei  vortrefflichen  Photographien  von  Romaides  pu- 
bliciren  können,  in  den  Grundzügen  der  Composition,  dem 
rechten  Standhein,  der  Nike  auf  der  vorgestreckten  Rechten, 
dem  am  Roden  stehenden  Schild,  auf  dem  die  Linke  rulit  und 
unter  dem  sicli  die  Erichlhoniosschlange  em])orringelt,  dann 
aucli  in  der  Tracht  der  Göttin,  dem  gegürteten  Doppeichiton, 
der  breiten  Kragenägis,  dem  mitThieren  verzierten  Helm  und 
den  hohen  Sohlen  durchaus  der  Vorstellung  entspriclit,  die 
man  sich  nach  der  Leüormantschen  Statuette  und  den  antiken 
Besclireibungen  von  der  Partlienos  des  Phidias  gebildet  hatte^, 

Dass  die  Lanze  fehlt,  kann  nicht  Wunder  nehmen,  sie  ist 


'  Über  die  FiiiidumstäiKlo  und  die  äussere  BeseliafTenhcit  der  Statuette 
vgl.  die  Notizen  im  let'ztcn  Heft  dieser  Zeitschrift  »880  S.  370,  denen  etwa 
noch  hinzuzufügnii  ist,  dass  der  rechte  Flügel  der  Nike  schon  in  alter  Zeit 
angeleimt  war,  wie  aus  zwei  Paaren  von  Kreuzstrichen  an  der  Bruchflächc 
hervorgeht,  auf  die  mich  !>  Treu  aufmerksam  machte.  Ausser  der  Abhand- 
lung von  llauvctle-l^esnault  im  HuUclin  de  rurrespundanre  hell.  1881  S.  54-63 
ist  an  Lilteralur  jetzt  noch  zu  erwähnen:  Dragatses  im  ParnassosB.  IV  H.  I 
b'.  33  ff.  mit  Holzschnitt.  Newton  Acadeun/  Febr.  12  1881  S.  124.  Michaelis 
Im  Neuen  Reich  1881  S.  353  ff.  Cava<lias  'EniOEtÄpriais  jioX.  xa\  <fil.  I  S.  49  fg. 
(mit  HolzschMitt).  Die  Statuette  ist  seit  einiger  Zeil  ins  Centralmuseuman 
der  t'atissiaslrasse  iibergofiilirt ,  woselbst  sie  links  im  letzten  Saal  steht. 

'  Vgl.  ])csoiulers  Michaelis  Der  Parthenon  S.  32  11'.  und  S.  266  ff.  Dazu 
Taf.  15.0verijeck  Gesch.  d.  griech.  Plast.  P.  S.  252  ff.  Die  Schriflquellen 
sind  auch  bei  O.  Jahn  Pausaniae  descriptio  arcis  AUienarum  rec.  ab  Ad.  Mi- 
chaelis S.  14  ff.  zusau!meni;eslellt. 


DIE  ATHENA  PARTHENOS  57 

auch  bei  der  Lcnormanlsclicn  Stalnelte  \vegG;elasscn ,  offenbar 
nicht  in  der  A])sicht  später  aus  Metall  anj^'efüj^t  vai  ^verden. 
Der  Künstler  unserer  Copie  wenigstens  scheint  aus  Princip  .-iiif 
jeden  Metallansalz,  der  doch  z.  B.  bei  den  Äegissclilangen  sehr 
nahe  lag,  verzichtet  zu  haben.  Es  konnte  ihm  nicht  enigelien, 
dass  eine  Häufung  der  Attribute,  von  denen  die  Lanze  jeden- 
falls bei  der  friedlichen  Auflassung  der  Göttin  das  entbehr- 
lichste war,  wobl  am  kolossalen  Orio;inal  scliön  wirken  konnte, 
in  der  kieijien  Copie  aber  eher  geschadet  als  genützt  liaben 
würde.  Zeii^t  doch  auch  das  Fortlassen  der  Schild- und  Basis- 
reliefs,  dass  er  ein  weit  besseres  Verstand iiiss  für  die  Grenzen 
des  Maasstabes,  in  dem  er  arbeitete,  hatte  als  der  Verfevtiger 
der  Lenormantschen  Statuette,  der  gleich  nach  der  ersten  rohen 
Anlage  der  Figur  schon  mit  den  Nebendingen  anfing,  die  er 
doch  nur  in  einem  kurzen  und  unklai-eu  Auszug;  ^eben  konnte. 
Sprechen  also  diese  Abweichungen  keineswegs  g/3gen  die  son- 
stige Genauigkeit  unserer  Copie,  so  sprechen  andere  Thatsachen 
sehr  entschieden  dafür. 

Bei  der  Lenormantschen  Statuette  hat  die  Plinthe  zur  gan- 
zen Figur  ein  llöhenverhUltniss  von  I  zu  7  etwa*,  bei  der 
neuen  Copie  genau  von  1  zu  10.  Lsl  diese  Tliatsache  an  sich 
schon  sehr  günstig  für  die  letztere,  so  v^ird  sie  es  noch  mehr, 
wenn  man  das  \'erhällniss  der  Basishöhe  zur  Basisbreite  (dort 
1  zu  3,  hier  1  zu  4)  ins  Auge  fasst;  denn  da  auf  der  Basis  die 
Geburt  der  Pandora  im  Beisein  von  20  Gottheiten  dargestellt 
war,  so  ist  klar,  dass  ein  niedriges  Basenverhältniss  dem  viel 
besser  entspricht  als  ein  hohes 2^  wie  denn  auch  thatsächlich 
auf  der  Plinthe  der  f^enormantschen  Statuette  nur  G  Figuren 
statt  mindestens  20  Platz  gefunden  haben.  Dazu  kommt  die 
Profdirung  der  Plinthe  selbst,  die  an  sich  sehr  seilen  ist^,  aber 
seit  kurzem  eine  allerdinofs  schlaofcnde  Analogie  erhallen  hat. 


*  Den  fclileiuleu  Husch  iialiirlicli  zui^rrcclinel. 

2  Anders  Micliaelis  Im  n.  IJeicIi  t^.  356. 

3  Dütsclikc  Aicli.  Ztg.  1876  Taf.  2  Fig.  1  hikiel  die  oinzij^'e  venvaiidlc  ab 
qnd  zwar  ist  sie  nur  eine  rohe  Abkiirzuiiü;  der  der  adicnischen  Staluclle, 


58  DIE  ATHENA  PARTHENOS 

Die  scharfsinnigen  Untersuchungen  Dörpfelds  während  der 
diesjährigen  Ausgrabungscampagne  in  Olympia  halben  eine 
genaue  Reconstruclion  des  Balhrons  des  olympischen  Zeus  er- 
geben. Um  einen  Kern  von  porösem  Muschelkalk  legte  sich 
eine  ümkleidung  aus  hochkantig  gestellten  schwarzen  Kalk- 
steinen, auf  denen  vorn  die  Reliefs  aus  Metall  aufgeheftet  und 
die  oben  und  unten  von  einem  Profil  begrenzt  waren,  das  je 
aus  einem  Äbacus  und  einer  schrägen  gekrönelten  Fläche  be- 
stand, in  welcher  Löcher  auf  Befestigung  eines  Gliedes  offen- 
bar aus  Melallblech  weisen;  dieses  Glied  war  ohne  Zweifel 
ein  Kyma  wie  an  unserem  Profil. 

Da  der  Zeus,  über  dessen  Höhe  wir  etwas  genaues  nicht 
wissen,  als  sitzende  Statue  jedenfalls  absolut  gemessen  nie- 
drio;er  war  als  ein  stehendes  Bild  in  einer  nahezu  eleichhohen 
Tempeicella,  so  werden  wir  auch  sein  Bathron  etwas  niedriger 
denken  müssen.  Nach  Dörpfelds  Berechnungen  war  es  1,114™ 
hoch.  Berechnet  man  die  Bathronhöhe  der  Parthenos  nach  der 
Gesammlhöhe  der  Statue  (26  Ellen  =  12,012"),  so  beträgt  sie 
1,195™.  Jenes  sind  3  ^2»  dieses  3  ^/^  olympische  Fuss.  Dass 
auch  in  dem  Verhältniss  der  Breite  zur  Tiefe  (4,75  zu  3,58) 
das  Bathron  der  neuen  Statuette  gegenüber  dem  der  Lenor- 
mantschen  mehr  Glauben  verdient,  kann  man  daraus  sehen, 
dass  es  sich  den  Formen  der  Statue,  besonders  der  Säule  und 
dem  Schilde,  genau  anschliesst,  während  die  Plinthe  des  klei- 
neren Werkes,  ganz  entgegen  der  antiken  Sitte,  rechts  ein  ziem- 
liches Stück  übertritt.  Bei  dieser  Gelegenheit  seien  auch  :die 
übrigen  Maasse  des  Originals,  wie  man  sie  nach  derselben 
Verhältnissrechnung  annähernd  bestimmen  kann,  genannt: 
Die  Säule  war  5,15'"  hoch,  der  Schild  4,64™  ohne  Untersatz, 
der  Kopf  der  Göttin  1,16'",  ihr  Helmschmuck  1,45™,  die  Soh- 
len 0,17™. 

Sicherer  noch  kann  man  dieGenauigkeitderCopie  aus  einem 
andern  Verhältniss  nachweisen,  durch  das  der  Nike  zur  gan- 
zen Statue.  Es  betrug  0,16  zu  1,035,  also  fast  genau  4  zu  26. 
Die  Nike  aber  maass  nach  Pausanias  ([,  24,5)  nngefähr  4  El- 
len, das  ganze  Bild  (und  zwar  wie  Michaelis  aus  der  Höhe  der 


DIE  ATHENA  PARTHENOS  59 

Cella  mit  Recht  geschlossen  hat  incl.  Balhron)  26  Ellen  !  Eine 
solche  Übereinstimmung  kann  kein  Zufall  sein,  sie  deutet  auf 
eine  Herstellung  mit  mechanischen  Mitteln,  auf  eine  Arbeit 
mit  Zirkel  und  Bohrer.  Das  bestätigen  denn  auch  die  drei  ste- 
hengebliebenen Messpunkte  auf  dem  Rücken  der  Göttin, 
die  uns  zeigen,  dass  wir  es  in  der  That  mit  einer  mechanisch 
hergestellten  Copie  zu  thun  haben.  Nach  was  sollte  aber  diese 
Copie  in  Athen,  wo  jedermann  die  Parlhenos  kannte  und  ver- 
gleichen konnte,  anders  ausgeführt  werden  als  nacli  dem  Ori- 
ginal selbst  oder  wenigstens  einer  treuen  Nachbildung  des- 
selben ? 

Eine  Bestätigung  hiervon  bietet  uns  ein  Vergleich  mit  den 
übrigen  Copien  der  Parthenos.  Den  von  Michaelis  aufgezähl- 
ten lassen  sich  etwa  noch  folgende  zufügen  : 

a)  Statuette  im  Paliss  iamuseu  m  (letzter  Saal  links).  Aus 
Xerochori  in  Nordeuhöa.  Nicht  publicirt.  Penlelischer  Mar- 
mor, 0,6"  hoch  ohne  Plinthe,  letztere  0,06'"  hoch,  0,33™  breit 
und  0,24™  tief.  Kopf  und  Arme  waren  besonders  angeselzt. 
Der  linke  Arm  und  rechte  Unterarm  fehlt.  Auf  dem  Helm  drei 
Löcher  für  die  Büsche.  Freie  aber  nicht  trockene  Copie  aus 
später  Zeit.  Auf  der  Basis,  die  aus  hymettischem  Marmor  ist, 
die  Inschrift: 

K    KA€AINETHIAIOA()jP 
POYIEPHTEYCACAAOI 
OH  NAI 

Das  K  zu  Anfang,  das  P  und  Ol  am  Ende  sind  spätere  Zu- 
sätze. Von  Schild  und  Säule  ist  keine  Spur  zu  erkennen,  was 
auf  den  Gedanken  bringt,  dass  die  Basis  erst  später  zu  der  Fi- 
gur hinzugefügt  ist  oder  dass  die  Attribute  der  Parthenos  geän- 
dert waren.  Die  Weihinschrift  einer  Athenapriesterin  mit  einer 
Copie  der  Parthenos  verbunden,  hat  die  Bedeutung,  zum  er- 
sten Mal  auch  von  dieser  Seite  aus  die  Cultheiliskeit  des  Gold- 
elfenbeinbildes  zu  ervYcisen.  Sodann  einige  Statuen  in  Rom, 
über  die  ich  durch  die  Freundlichkeit  der  Herrn  Flelbis:  und 


60  DIE  ATHENA  PARTHENOS 

Furtwängler  in  den  StanJ  gesetzt  bin,  einige  genauere  No- 
tizen zu  geben. 

ß)  Statue  aus  dem  Conservatorcnpalast  auf  dem  Capibol. 
Vom  Es(]uiiin.  Halbe  l.ebensgrösse.  «Es  stimmt  nicht  nur  das 
Ganze,  sondern  auch  das  Dclail  mit  der  Parthenos,  so  die  zwei 
svmmetrisciien  Schulterlocken,  die  Medusa,  der  eigenthüm- 
liche  Knoten  des  Gürtels,  die  Schlangen  der  Aegis«  (Furlwän- 
gler). 

Y)  Torso  in  Villa  Borghese  Vorhalle  N"  13.  Höhe  ca.  1™. 
« Ganz  übereinstimmend » . 

^)  Slatue  in  Villa  Wolkonsky  in  Ilom.«Aegis  und  Schlan- 
gen etc.  ebenso». 

e)  Lebensgrosse  Statue  im  Capitol  Sala  grande  16.  Torso, 
stimmt  in  allem  wesentlichen,  doch  der  Kopf  ist  ganz  anders. 
H.  1,G0"\  Das  1.  Bein  scharf  gekrümmt.  Kopf  nach  rechts  ge- 
dreht. Haarflechten  hinten  hinabhängend.  Helm  ohne  Busch  an 
der  linken  Seite  neben  der  linken  Augenölen ung  bestossen.  Er- 
gänzt beide  Arme  mit  Schild.  Gebrochen  sind  die  Arme  schon 
unter  der  Achsel.  Am  Kopf  Kinn  und  Stirn  neu,  ebenso  der 
1.  Fuss  in  dem  hervorstehenden  Theil.  Ansätze  nicht  vorhan- 
den (identisch  mit  Clarac  462,  860?). 

0  Statue  im  Pal.  Colonna  in  Rom.  ünpublicirt.  1,67™ 
hoch.  Plinthe  0,17'"  hoch,  0,52'"  breit  und  0,40"^  tief.  Kopf 
leise  nach  rechts  gedreht.  Arme  ergänzt,  ebenso  der  Helm- 
buseh  vorn.  Erwähnt  von  Schreiber,  Die  ant.  Bildw.  d.  Villa 
Ludovisi  S.  137,  der  auch  y  und  e  erwähnt,  ebenso  eine  Sta- 
tue in  der  Villa  Medici,  die  aber  durch  keine  Nachforschun- 
gen zu  finden  ist. 

vi)  Slatue  in  Turin,  unedirt,  von  ßrizio  Ann.  d.  I.  1873 
S.  43  erwähnt. 

9)  Xeugefundene  Statue  in  Pergamon,  mir  nur  aus  einer 
Zeichnung  bekannt,  von  schwungvoller  Arbeit,  aber  eine 
ziemlich  freie  Nachahmung. 

In  Bezug  auf  die  Athena  des  Antiochos  in  der  Villa  Ludovisi 
ist  jetzt  auf  Schre'bers  Katalog  N"  114  S.  135  f.  zu  verweisen, 
der  «Spuren  von  abaearbeite'en  Gegenständen  (von  otda^er- 


DIE  ATHENA  PARTHENOS  61 

ten  Tliieren?)  zu  beiden  Seilen  des  Bügels,  iheils  an  der 
Vorderseile  des  Helms  über  der  Stirn»  erwälint.  Von 
freieren  Copien  wäre  noch  zu  nennen : 

t)  Eine  zweite  Stalue  in  der  Villa  Borghese  ganz  wie  die 
von  0 verbeck  (Ber.  d,  säclis.  Ges.  d.  Wiss.  18()1  Taf.  I)  pii- 
blicirte.  Sehr  frei.  H.  1,15'".  Ergänzt  Kopf  vom  Halse  an,  der 
r.  und  I.  Arm,  der  unlere  Aegisrand,  die  grosse  Falle  an  der 
1.  Seite  des  Chiton,  beide  Füsse  mit  der  Plinlhe.  Ansätze  des 
Schildes  sind  nicht  bemerkbar.  Nach  dem  Stumpf  zu  urlhei- 
lea  hat  der  1.  Arm  leicht  gekrümmt  oder  gestützt  herunlerge- 
hangen.  Der  1.  Fuss  ist  nacii  der  Seite  hin  auflallig  scharf  ab- 
geschrägt, alswenn  hier  ursprünglich  etwas  angehangen  hätte. 

k)  Statue  in  Oxford  Clarac  472,  898  C. 

>)  Statue  aus  Athen.  Le  Bas  Mon.  fig.  Tf.  23. 

(X.)  Statue  im  l.ouvre.  Clarac  321,  853. 

v)  Statue  in  Neapel (?).  Gerhard  Neap,  ant.  Bildw.  S.  80 
N"265. 

l)  Sintue  der  Villa  Albani.  Clarac  457,  845.  Lenormant 
La  Minerve  du  Parthenon.  S.  28.  Nur  in  Gewandung  imd  Helm 
der  Parthenos  verwandt.  Eine  neue  Untersuchung  aller  Co- 
pien speciell  mit  Vergleichung  der  neugefundenen  Statuette 
ihut  Noth.  Neben  dieser  (4),  der  Lenormantschen  im  Cultus- 
ministerium  [B)  und  dem  Torso  im  Akropollsmuseum  (C) 
haben  jetzt  besonders  die  Minerve  au  collier  im  Louvre  (D), 
die  Athena  des  Antiochos  in  der  Villa  Ludovisi  [E)  und  die 
in  Madrid  (F)  eine  erhölile  Bedeutung  bekommen,  die  man 
bisher,  offenbar  wegen  des  Fundorts  von  BC  diesen  gegenüber 
etwas  unterschätzt  hat.  Es  zeigt  sich  nämlich,  dass  sie  in 
einer  ganzen  Anzahl  von  Delailpunkten  so  genau  miteinander 
und  mit  A  übereinstimmen,  dass  man  die  entsprechenden  Züge 
mit  Sicherheit  am  Original  voraussetzen  kann. 

Das  Spielbein  ist  bei  allen  Copien  in  gleicher  Weise,  näm- 
lich mehr  seitlich  neben  als  hinter  das  Standbein  gesetzt.  Vor 
dem  Standbein  ist  der  Chiton  von  A  in  fünf  verticale  Falten 
gegliedert,  genau  soviel  zeigen  trotz  der  Verschiedenheit  der 
Vollendung  und  Arbeit,  B  und  C.  Vom  Knie  des  Spielbeins 


62  DIE  ATHENA  PAUTHENOS 

fällt  bei  A  B  D  F  eine  zum  Theil  recht  hart  behandelte  Steil- 
falte herab,  bei  E  ist  sie  (nach  Schreiber)  abgearbeitet.  Die- 
selbe Steilfalte  kehrt  auch  bei  mehreren  lleliefen  wieder  (Le 
Bas  Moti.  ßg.  46,  Michaelis  Taf.  15,17.  Schöne  Griech.  Rel.  X 
55).  Gewissermassen  als  Andeutung  derselben,  als  Vermittking 
nach  oben  ist  der  Chiton  auf  dem  Oberschenkel  bei  ABC  DE 
in  flache  abwärts  gehende  Falten  gelegt.  An  der  Aussentläche 
des  Spielbeins  findet  sich  bei  A  eine  hart  und  unschön  herab- 
gehende Falte,  die  bei  B  angedeutet  ist  und  bei  DE  Fax,  der 
Statuette  in  Madrid  und  mehreren  Reliefen,  z.  B.  dem  eben 
genannten,  wiederkehrt.  Die  Behandlung  des  gewundenen 
Chitonrandes  an  der  rechten  Seile  stimmt  bei  AC D  wenigstens 
dem  allgemeinen  Charakter  und  der  Zahl  der  Windungen  nach 
mit  einander  überein,  bei  den  übrigen  kann  ich  es  den  Ab- 
bildungen nach  nicht  controliren,  ebensowenig  wie  ich  weiss 
ob  die  Sahlkante,  die  Schreiber  für  E  erwähnt  und  die  man 
sonst  als  echtes  Kennzeichen  attischer  Werke  der  Blüihezeit 
betrachtet,  bei  den  grösseren  Copien  vorkommt.  Bei  A  ist  sie 
natürlich  weggelassen  und  auch  bei  dem  etwas  stumpf  behan- 
delten C  fehlt  sie.  Bei  ABDE^y^{?)  endigt  der  Gürtel  vorn 
in  einen  Knoten  mit  Schlangenköpfen,  bei  C  in  zwei  einfache 
spilzzugehende  Schnurenden.  Die  Diploisfalten ,  besonders  die 
Bandwindungen  und  die  seitlichen  köXtcoi  sind  bei  allen  Co- 
pien sehr  verwandt,  die  Aegisform  mit  den  Schlangen  ebenfalls 
je  nach  Grösse  und  Ausführung  ähnlich  gebildet.  Die  Aegis- 
medusa  ist  bei  ACDEF^  und  allen  Reliefen  ungeflügelt,  die 
Schildmedusa,  die  auf  den  Reliefen  immer  fehlt,  ist  bei  A  ge- 
flügelt, bei  B  und  auf  dem  Strangfordschen  Schild  nicht  ge- 
flügelt, was  vielleicht  dem  Original  mehr  entspricht.  Die  seit- 
lichen Locken  fallen  überall  in  der  Zweizahl  und  derselben 
Richtung  auf  die  Brust  nieder,  der  hintere  Haarschopf  ist  bei 
C  in  ein  Band  gefasst,  die  runden  Löckchen  vor  den  Ohren 
werden  durch  die  Übereinstimmung  von  A  öZi(F?)  in  Ver'- 
bindung  mit  den  Athenaköpfen  attischer  Tetradrachmen  als 
dem  Original  angehörig  bezeugt. 

Die  «breiten  runden  Formen»  des  Gesichts,  die  man  bei  B 


DIE  ATHENA  PARTHENOS  63 

und  D  hervorgehoben  hat*  und  die  auch  bei  E  schon  früher 
auflfielen''',  finden  sich  ebenso  bei  A  und  «  ^viede^,  der  Blick 
ist  bei  A  D  E  [F?)  ein  klein  wenig  links  (vom  Beschauer), 
sonst  aber  horizontal  in  die  Ferne  gerichtet.  Der  rechte  Unter- 
arm ist  bei  A  horizontal  erhoben,  bei  B  schräg  abwärts  ge- 
richtet, bei  den  übrigen  Statuen  fehlt  er.  Da  ihn  die  Reliefe 
durchgängig,  die  Münzen  fast  ohne  Ausnahme  in  nahezu 
horizontaler  Lage  zeigen,  so  hat  auch  hierin  die  neue  Copie 
die  grössere  Glaubwürdigkeit.  Die  Sohlen  scheinen  wenigstens 
bei  AEF  von  verhältnissmässig  gleicher  Höhe  zu  sein.  Der 
Schild  ist  bei  A  und  B  kreisrund  und  auch  auf  den  Reliefs  und 
Münzen,  wo  er  in  Verkürzung  erscheint,  so  gedacht,  auch  steht 
er  bei  beiden  Statuetten  wie  sonst  zuweilen  ^  auf  einem  unver- 
zierten  Untersatz.  Die  Sclilange  ist  ihrer  Hauptbewegung  nach 
bei  A  und  B  (ebenso  bei  der  Statue  der  Villa  Borghese  und 
den  beiden  Reliefen  bei  Schöne  XXIl  %  und  XXI  93)  iden- 
tisch, nämlich  darin,  dass  sie  sich  nach  oben  aufbäumend 
den  Kopf  etwas  unter  der  linken  Hand  der  Göttin  dem  Be- 
schauer zuwendet.  Nur  steigt  sie  bei  A  in  mehreren,  bei  B  und 
den  Reliefen  in  einer  einzigen  Windung  vom  Boden  empor. 
Für  den  kolossalen  Maasstab  wird  man  die  complicirtereti 
Windungen  von  A,  mit  denen  überdies  die  borghesische  Statue 
und  zwei  andere  Reliefe  (Schöne  V^ll  49  und  Xil  62  =  Michae- 
lis 15,0)  übereinstimmen,  der  stolzen  aber  einfachen  Win- 
dung der  übrigen  Copien  vorziehen.  Auch  bemerke  man,  wie 
geschickt  auf  diese  W^eise  der  Kopf  und  eine  VV^indung  des 
Leibes  vor  den  Schildrand  hervortreten,  um  auch  für  die  Pro- 
filansicht  von  der  Schildseite  die  Bewegung  des  Thieres  deut- 
lich zu  machen. 

Für  die  Genauigkeit  der  Copie  spricht  aber  vor  allem  die 
in  diesem  Maasstab  ganz  ungewöhnliche  Sorgfalt  der  Ausfüh- 


*  Michaelis  Der  Parthenon  S.  276  und  278. 

2  Meyer  zu  Winckelmann  XI,  3,  26.  Welclcer  Alle  Denkm.  I.  S.  434. 

3  Clarac  472,  898  A.  Sitzungsber.  d.  sächs.  Ges.  18C1  Taf.  I.  Clarac  163, 
864. 


64  DIE  ATHENA  PARTHENOS 

rung.  Die  Art  wie  die  Helmbüsche  und  Backenklappen,  nur 
durch  dünne  PunLelli  mit  einander  und  mit  den  anstossenden 
Theilen  verbunden,  in  Platten  von  der  Dicke  eines  kleinen 
Fingers  alle  aus  einem  und  demselben  Block  herausgehauen 
sind,  wie  die  Aegis-und  Gürtelschlangen  sich  scharf  und  hier 
und  da  ganz  frei  vom  Grunde  loslösen,  wie  die  Erichthonios- 
schlange  .auf  grosse  Stücke  hin  vollständig  rund  aus  der  In- 
nenfläche des  Schildes  herausgehoben  ist,  aus  der  auch  die 
Schildhandhabe  dünn  und  frei  hervorspringt,  wie  die  Finger 
der  rechten  Hand  auf  ihre  ganze  Länge  hin  sich  nur  in  einem 
kleinen  Puntello  nahe  der  Spitze  berühren,  dies  alles  muss 
uns  die  höchsle  Achtung  vor  dem  technischen  Können  des 
Künstlers  und  die  Überzeugung  von  der  grössten  Genauigkeit 
der  Copie  einflössen.  Die  lief  eingeschnittenen  Falten  mit  ih- 
rem scharfgebogenen  unterarbeiteten  Rande  und  den  losge- 
lösten Troddeln  mag  man  hart,  ja  hässlich  und  überladen 
nennen,  wie  man  sie  auch  bei  der  Athena  des  Antiochos  ge- 
tadelt hat,  in  kolossalem  Maasslab  und  in  Metallblech  gedacht 
sind  sie  nicht  nur  stilvoll  und  dem  Material  entsprechend,  son- 
dern verdienen  auch  das  Lob  absoluter  Schönheit.  Uns  sind 
sie  jedenfalls  weit  mehr  werth  als  die  marmormässigen  For- 
men, die  das  Gewand  vom  Torso  der  Akropolis  zeigt  und  die 
trotz  aller  Frische  doch  dem  Original  ziemlich  fern  stehen. 

Zugleich  ist  aber  diese  Genauigkeit  der  Ausführung  ein  Be- 
weis, dass  unsere  Copie  nicht  aus  guter  griechischer  Zeit 
stammt.  Der  Grieche,  speciell  der  Athener  des  4,  3.  ja  noch 
des  2.  Jahrhunderts  arbeilet  freier,  er  überselzt  sein  Original 
in  den  Stil  des  Materials,  in  dem  er  copirt.  Im  Marmor  beson- 
ders feilt  er  nicht  so  viel  aus,  lässt  die  Meiselhiebe  oder  Ra- 
spelslriche  gern  unvermittelt  stehen,  kurz  arbeitet  gewisser- 
massen  d  la  prima,  um  die  Frische  der  Arbeit  zu  wahren. 
Wenn  er  polirt,  was  seilen  geschieht,  so  polirt  er  höchstens 
die  nackten  Theile,  nicht  das  Gewand  oder  gar  die  Haare  und 
andere  Nebendinge.  Dass  er,  besonders  W'o  es  sich  um  eine 
Copie  handelt,  auch  mit  Zirkel  und  Messpunkten  arbeitet, 
kann  man  nicht  läugnen,  obwohl  die  Arbeil  aus  freier  Hand 


DIE  ATHENA  PARTHENOS  65 

die  Kegel  ist.  Niemals  aber  oder  liiH-lislens  in  dt-n  Haaren  lässt 
er  den  Bohrer  oder  andere  spitze  Instrumente  so  unvermiltelt 
stehen  wie  es  an  unserer  ('.opie  in  den  Nasenlöchern,  den  inne- 
ren Augenwinkeln,  der  MundölTnung  und  den  Mundwinkeln, 
der  Vertiefung  auf  der  Oberlippe  und  der  Ilinnc  auf  der  Un- 
terlippe, den  Locken  und  den  Schlangenwindungen  geschehen 
ist.  Ein  rohes  Auge  trotz  aller  technischen  Vollendung  ver- 
räth  die  Art,  wie  der  innere  Augenrand,  die  llalsfalte,  die 
untere  Kante  von  Gewand  und  Sohlen  zur  stärkeren  Markirung 
eingeschnitten  sind,  alles  Erscheinungen,  die  sich  in  demsel- 
ben Maasse  am  Sphinxkopf  und  den  Gorgonenhäuptern  wie- 
derholen ,  von  denen  soear  die  Schild^oreone  noch  scharfein- 
geritzte  Augenbrauen  und  Stirnfalten  hat.  Etwas  hölzern,  durch 
einfache  canalarlige  Vertiefungen  sind  die  Haare  der  Sphinx 
und  die  Falten  der  Nike  hergestellt;  unschön  sind  die  Falten 
über  dem  rechten  Fuss  der  Athena  abgeschnilten,  der  selbst 
in  seinen  Zehen  eine  harte  Modellirung  zeigt.  Mangel  an  Form- 
versländniss  zeigen  besonders  die  llachliegeuden  Augen  der 
Göttin  mit  den  schleehtmodellirten  {lachgeschnittenen  Augäp- 
feln, die  etwas  plumpen  Arme  und  Hände  mit  ihren  langen 
vorn  aufgebogenen  Fingern,  die  sich  ähnlich  an  Grabreliefs 
späterer  Zeit  linden  ;  endlich  die  unentwickelte  Brust  und  die 
formlosen  Pfoten  der  Sphinx.  Mangel  an  architektonischem 
Gefühl  beweist  es  ferner,  dass  man  das  ßlaltschema  der  Basis 
nicht  auf  das  Kyma,  wo  es  hingehört,  sondern  auf  den  Aba- 
cüs  gemalt  hat.  Wenn  sich  daneben  doch  wieder  hie  und  da 
ein  Verständniss  für  stilistische  Eigenheiten  des  Originals  zu 
erkennen  gibt,  wie  besonders  in  der  ganzen  Anlage  des  Ge- 
sichts mit  der  scharfgeschnittenen  Nase  und  dem  energisch 
modellirten  Kinn,  so  lag  das  in  erster  Linie  doch  am  Original 
und  wird  man  dem  Künstler  immerhin  das  Verdienst  nicht 
abstreiten  können  ,  ein  stattliches  Work,  das  mehr  als  ein  blos- 
ses Decorationsstück  ist,  mit  allen  Mitteln  einer  raffinirten 
Technik  hergestellt  und  uns  eine  Copic  der  Parthenos  über- 
liefert zu  haben,  die  in  jedem  Betracht  alle  übrigen  Copicn  an 
Bedeutung  weit  überragt. 

MITtH.D.  ARCH.INST.  VI.  5 


66  DIE  ATHENA  PARTHENOS 

Wenn  sich  aus  den  angeführten  Thatsachen  auch  für  die 
Zeit  der  Copie  einerseits  die  Unmöglichkeit  ergibt,  dieselbe  vor 
den  Beginn  der  römischen  Periode  zu  datiren,  so  zwingt  doch 
andrerseits  das  reiche  System  der  Bemalung^,  die  Imitation  der 
Formen  durch  Farben  wie  bei  den  Schlangen  der  Schildme- 
dusa, das  Vermeiden  der  plastischen  Angabe  der  Augensterne, 
wofür  einecomplicirte  Art  der  Augenbemalung  eintritt,  die  sich 
bei  Terracotten  aus  guter  griechischer  Zeit  v/iederfindel^  und 
in  der  Augenbehandlung  auf  einigen  strengrothfigurigen  Va- 
sen ihre  Analogien  hat 3,  alles  dies  veranlasst  mich,  innerhalb 
dieser  Grenze  lieber  ein  früheres  als  ein  späteres  Datum  zu 
wählen.  Da  nun  auch  die  Athena  des  Antiochos  nach  der  Buch- 
stabenlbrm  ihrer  Inschrift  keinenfalls  jünger  als  die  erste  Kai- 
serzeit (Welcker  Alte  Denkm.  I  S.  433  setzt  sie  sogar  noch  ins 
zweite  Jahrhundert  v.  Chr.)  ist,  so  sehe  ich  in  der  That  keinen 
Grund,  unsere  Copie,  die  ganz  ähnliche  Eigenthümlichkeiten 
der  Formhehandlung  hat,  für  wesentlich  jünger  zu  halten. 
Aus  dem  Stil  der  Malereien  des  Hauses,  in  dem  sie  gefunden 
ist,  würde  man  selbst  dann  nicht  auf  ihre  Zeit  schliessen  kön- 
nen, wenn  für  die  römischen  Malereien  in  Athen  ähnliches 
Material  und  ähnliche  Arbeiten  vorlägen  wie  für  diejenige 
Pompejis. 

Nachdem  wir  oben  eine  Anzahl  von  Details  der  Copie  wohl 
ohne  Widerspruch  durch  einfache  Vergleichung  dem  Original 
zugewiesen  haben,  gilt  es,  dasselbe  auch  mit  den  drei  Haupt- 
punkten zu  thun,  in  denen  sie  von  anderen  Copien  abweicht 
oder  mit  ihnen  we"[en  schlechter  Erhaltuno;  derselben  nicht 
vergleichbar  ist,  der  Säule,  der  Nike  und  dem  Helm- 
schmuck. 


^  Ein  paar  rosa  Faibspuren  auf  dem  Gewand  der  Nilce,  die  aber  aucli  al- 
lenfalls vom  Kranze  slamrnen  l<önnlen,  hal)en  mir  neuerdings  die  Vermu- 
Ihung  eingegeben,  oh  nicht  ihr  ganzes  Gewand  diese  Farbe  trug,  die  sich  bei 
Terracotlen,  aber  auch  kleinen  Marmoriiguren  oft  findet. 

*  Treu  macht  mich  besonders  auf  zwei  Terracotten  der  Eremitage  in  Pe- 
tersburg aufmerksam. 

3  So  der  Euphronio.svase  späteren  Stils  bei  Gerhard  Trinkseh.  u.  Trinkgef. 
XIV.  Conze  Vorlegebläller  V,  5,  3  und  4. 


DIE  ATHENA  PAfiTHENOS  67 

Schon  früher  lialle  Bötticlior  aus  einem  Relief  in  Berlin 
(Arch.  Ztg.  1857  Taf.  105  S.  69.  Michaelis  15,  7),  wo  unter 
der  nikelragt^nden  Hand  der  Göttin  eine  Säule  erscheint,  ge- 
schlossen, dass  auch  das  Original  eine  solche  gehabt  habe. 
Aber  nachdem  Welcker  (Arch.  Ztg.  1857  S.  101)  behauptet 
hatte,  die  fland  ruhe  nicht  unmiltelbar  auf  der  Säule,  letztere 
sei  vieiniehr  eine  Andeutung  des  HeiligLhunis,  in  dem  die 
Scene  vor  sich  gehe,  ist  man  allgemein  von  Böttichers  Ansieht 
zurückgekommen  V  Dass  die  Hand  auf  der  Säule  ruht,  sieht 
jeder  schon  in  der  Zeichnung,  vielmehr  im  Original,  dass  die 
griechische  Kunst  Heiligthümer  in  dieser  Weise,  durch  so  nie- 
drige Säulen  nie  angedeutet  hat,  ist  bekannt.  Da  im  Relief 
ein  statischer  Zwang  natürlich  nicht  vorlag,  muss  sie  vom 
Original  herübergenommen  sein  und  dies  bestätigt  die  neue 
Statuette.  Freilich  wird  auch  dieser  gegenüher  noch  mancher 
behaupten,  dass  eine  Stütze  bei  einer  Marmorcopie  vielleicht 
nöthig  war,  beim  Original  aber  durch  eine  geschickte  Con- 
struclion  der  inneren  Eisenträger  wohl  überflüssig  gemacht 
werden  konnte.  Oh  dies  überhaupt  möglich  gewesen  wäre, 
kann  nur  ein  practischer  Versuch  lehren.  Soviel  aber  ist  sicher, 
dass  am  Original,  wo  der  Hebelarm  zwölfmalsolang,  die  Nike 
etwa  lebensgross  war  (Quatremere  de  Quincy  berechnet  ihr 
Gewicht  auf  etwa  3-400  Pfund  ohne  die  Eisen  im  Innern)  die 
Stütze  einer  einfachen  Rechnung  zufolge  viel  weniger  entbehr- 
lich war  als  in  der  Marmorcopie,  wo  sie  auch  allenfalls  durch 
einen  Puntello,  wie  deren  oft  vorkommen,  ersetzt  werden 
konnte  2. 

Einen  li tierarischen  Beweis  für  die  Noth wendigkeit  derar- 
tiger Stützen  in  der  Goldelfenbeintechnik  bietet  der  Asklepios 
in  Epidauros^,  der  obwohl  er  weit  kleiner  als  die  Athena 
Parthenos  war,  undolYenbar  in  der  ausgestreckten  rechten  Hand 


1  Stark  Arcti.  Zig.  1859  S.  92.  Pervanoglu  Arch.  Ztg.  1860  S.  25  Anni.  7. 
Micliaelis  Der  Parllietiori  S.  280.  Leriomianl  La  Minerve  du  Parlhinon  S.  48. 

2  So  jetzt  auch  Michaelis,  Im  Neuen  Reich  1881  S.  359. 

3  Paus.  II,  27,  2.  Vgl.  die  Münzen  von  Epidauros:  Fiiedländer  Das  kgl. 
Münzcabinet  N°  150. 


68  DIE  ATHEN/V  PARTHENOS 

nur  eine  Schale  hielt,  doch  eine  Schlange  als  Stütze  unter  der- 
selben halle.  Auf  die  Athena  Parthenüs  kann  man  diesen  Aus- 
weg jetzt,  wo  man  die  charakteristischere  Stellung  der  Schlange 
unter  dem  Schilde  kennt,  natürlich  nicht  mehr  mit  Scholl 
anwenden,  wie  denn  auch  das  Auskunflsmittel  Quatremeres, 
die  nikelragende  Hand  auf  den  Schildrand  zu  stützen,  jetzt 
unmöglich  ist.  Am  Zeus  von  Olympia  mochte  die  Rechte  auf 
der  Thronlehne  ruhen,  wie  Quatremere  und  Overbeck  (Griech. 
Plast.  ]3  S.  466]  annehmen.  Dass  man  aber,  wo  sich  ähnliche 
Hülfsmittel  nicht  boten,  in  der  That  einfache  architektonische 
Stützen  verwendete,  dafür  kann  ich  glücklicherweise  ein  Ke- 
lief  und  jnehrere  Münzlypen  anführen,  die  wahrscheinlich 
auf  grössere,  vielleicht  goldelfenheinerneSlatuen  zurückgehen. 
Auf  dem  Fragment  eines  Terracottareliefs  aus  Athen*  sieht 
man  eine  mit  dem  Kücken  nach  oben  gewendete  Hand,  auf 
der  eine  Eule  sitzt  (denn  dies  ist  nach  Schöne  trotz  des  kleinen 
Zwischenraums  die  Intention  gewesen).  Unter  der  Hand  der 
Athena  (die  nach  Kekule  mit  der  Archegetis  Arisloph.  av.  515 
zn  identificiren  wäre)  erscheint  der  Beginn  einer  ziemlich 
dünnen  aber  ganz  deutlichen  Stütze  (Kekule:  nicssa  sii  quäl- 
che  soslegno).  Auf  einer  archaischen  Silbermünze  von  Ga- 
laria in  Sicilien'^  sitzt  im  Profil  nach  links  Zeus  Soter,  die 
rechte  Hand,  die  einen  Adler  hält,  ganz  deutlich  von  einer 
schlanken  Säule  gestützt,  die  man  otTenbar  mit  Unrecht  für 
ein  Scepter  gehalten  hat.  ISoch  deutlicher  ist  die  Stütze  unter 
der  adlertragenden  Hand  eines  en  face  stehenden  Zeus  auf 
kyprischen  Bronze-  und  Silberinünzen  ^,  der  durch  die  Strenge 
der  Stellung  und  den  Aermelchiton  stark  an  Phidias  erinnert 
und  bei  dem  nur  der  Legende  wegen  die  der  symmetrisch  die 
Phiale  haltenden  Rechten  weggelassen  ist.  Eine  athenische 


'  Abgebiidel  l)ei  Schöne,  Grio.cti.  Rel.  XXXV,  137,  beschrieben  von  Ke- 
kule Bull.  d.  J.  1868  ö.  50  f. 

^  ('at.  of  gr.  coins,  Sicily  S.  64. 

*  Ovtiibf'ck  Kunslmythologie  MünzLafVI  II  Fig.  28,  dazu  S.  164,  wo  er  das 
Eigeiitlnimliche  des  «kurzen  gleichwohl  niil  dem  Adler  bekrönten  Scepters» 
anerkcnnl. 


DIE  ATIIKN\  PAHTIIRNOS  69 

Bronzeniünze  aus  rüruiseher  Zeit  trägl  das  Bild  oiiicr  nach 
rechts  auf  einem  Felsstiick  silzcnden  Göttin  (Demeter?)*,  die 
Unke,  in  der  sie  wohl  ein  unerkennbares  Atlrihnt,  vielleicht 
Aeliren,  hielt,  t^'eradeaiis  i^^eslreckt  und  auf  eine  Säule  i^ide^t. 
Die  Fic,i]r  kann  weder  Solon^,  (ier  seine  Hand 
über  eine  seiner  Geselzesstelcn  hält,  noch  The- 
sens  mit  der  Keule'  sein,  weil  auf  besser  er- 
haltenen Exemplaren  (vj^l.  den  Holzschnitt) 
die  Figur  deutlich  weiblich  und  bekleidet,  die 
Säule  aber  nicht  als  Reide  charakterisirt  ist,  ja 
zuweilen  sogar  eine  Andeutung  von  Kapitell  und  Basis  hat*. 
Auch  auf  einer  Münze  des  Partherkünigs  Artaban  IM  legt  der 
thronende  König,  vor  dem  eine  Göttin  steht,  die  ausgestreckte 
Hand  auf  eine  Stütze*,  sodass  also  an  einem  Vorkommen  dieses 
Hilfsmittels  auch  in  der  entwickelten  Kunst  nicht  gezweifelt 
werden  kann.  Durch  unsere  Copie  könnte  man  auch  veran- 
lasst werden,  bei  einer  statuarischen  Copie  der  Parthenos,  der 
Statue  in  Neapel ^  den  Stumpf,  der  neben  der  Schlange  an  der 
rechten  Seite  der  Göttin  auf  der  Basis  erscheint,  nicht  für  den 
«Spiess  eines  aufgestützten  Speeres»,  (Gerhard)  oder  einen 
Schildrest  (Lenormant)  sondern  für  den  unteren  Theil  einer 
Säule  anzusehen.  Ganz  analoge  Beispiele  sind  die  4  Bron- 
zestatuetten von  Kindern  aus  Herculaneum,  die  Vasen  oder 
Masken  auf  einer  dünnen  Stütze  vor  sich  halten'. 

Indem  Phidias  zu  einem  derartigen  Hilfsmittel  grilT,  folgte 
er  einer  historischen  Tradition,  die  sich  seit  alten  Zeiten  in 


*  Vgl.  die  ätinlictio  Demetor  als  Beizeicticn  von  Tolradraclimon  :  Beule 
Monn.  dAlh.  334.  Der  Sitz  ist  bei  Beule'  S.  400  wüIiI  fälsclilich  als  Stuhl  ge- 
geben. 

2  Seslini  Desci\  di  med.  (jrec.h.  X  16.  ("avedoni  Mcmorie  di  relig.  vior.  e  lelt. 
B.  V  S.  35t.  Beul^  Mann.  dWlh.  S.  399. 

3  Prolvesch-Osten  Inedüa  S.  264. 
<  Beule'  a.  a.  0.  S.  400. 

5  Arch.  Zig.  1866  Taf.  213  Fig.  14. 

ß  Clarac  462  D  888  Z^.Gertiard  Neap.  anl.  Bildw.  S.  27  N»  82.  Gaz.d.  beanx 
ari.v  VIII- 208. 
^  Clarac  540,  1132  u.  1133.  756.  1846  f. 


70  DIE  ATHENA  PARTHENOS 

dei'Technikder  Xoana  und  Goldelfenbeinstatuen  gebildet  hatte. 
Die  ISachbildungen  der  ephesischen  Artemis  auf  Silbermün- 
zen, die  in  Ephesos  wahrscheinlich  während  der  Herrschaft 
des  Mithradales  geprägt  wurden*,  sowie  auf  Silbermünzen 
Demetrius  IIl  von  Syrien  ^  und  dann  die  ihr  nachgebildete  Fi- 
gur der  Artemis  Astyrene  auf  Münzen  von  Antandros  in  My- 
sien^,  endlich  die  der  Hera  des  Smilis  auf  Münzen  von  Samos 
und  seiner  Golonie  Perinthos*  zeigen  unter  den  vom  Körper 
abgeslreckten  Armen  der  Göttin  Stützen,  die  man  früher  und 
zum  Theil  auch  jetzt  noch  ^  fälschlich  als  von  den  Händen 
herabhängende  Ketten  oder  Bänder  auffasst,  die  aber  schon 
dadurch  dass  sie  zuweilen  der  Legende  wegen  schräg  gestellt 
sind,  sich  als  Stützen  zu  erkennen  geben  ^.  Bei  der  Artemis 
sind  die  Attribute  undeutlich,  bei  der  Hera  sind  es  zwei  Scha- 
len ,  also  eine  weit  geringere  Last  als  die  Nike  der  Parthenos. 
Diese  Stützen  hatten,  wie  die  Münzen,  auf  denen  Hera  im  Pro- 
fil erscheint',  zeigen,  genau  die  Stellung  schräg  nach  vorn 
wie  an  unserer  Statuette  und  ihre  Gliederuns;  in  übereinan- 
dergereihte  Kugeln,  die  Overbeck  (S.  14)  als  «Buckeln  edle- 
ren Stoffes  (Metall)»  erklärt,  scheinen  mir  vielmehr  die  For- 
men zu  sein  die  sich  durch  die  Technik  des  Drechseins  in 
Holz  und  Elfenbein  ergeben^.  Auf  mehreren  Ephesischen  Mün- 
zen (Head  N"  1  und  6)  sieht  man  ganz  deutlich,  dass  die  Stüt- 
zen mit  drei  Füssen  nach  Art  von  Candelabern  versehen,  also 
transportabel  zu  denken  sind,  einmal  (Head  N"  4)  erscheint 
unten  eine  horizontale  Gliederung  wie  die  einer  Basis. 

Schliesslich  ist  ja  auch  unsere  Säule  nichts  anderes  als  die 
Säulen- oder  pfeilerförmigen  Stützen,  die  unter  den  Armen  so 

'  Head,  Coinaye  of  Evhesus  Tf.  V,  2-6.  Friedländer,  Das  kgl.  Müuzcab. 
N»  219  f. 
^  Cai.  of  greec  coins.  Seleucid  kings  N»  449. 
3  Zlschr.  f.  Num.  VH  (1880)  Taf.  I,  14. 

♦  Overbeck  Kunstmylli.  11  Miiuztafel  I. 
5  Head  a.  a.  0.  S.  68. 

«  Vgl.  Overbeck  a.  a.  O.  S.  14  und  S.  187  Anm.  13. 
■'  Overbeck  a.  a.  O.  Fig.  1  und  2.  Vgl.  3  und  10. 

*  Vgl.  die  Spiegelgriffe  aus  Plfenhein  :  Mus.  Elrusc.  II  Taf.  99. 


niE  ATIIENA  PARTFIENOS  71 

zahlreicher  Figuren  aller  Kunstgaltungen  erscheinen,  um  von 
den  ähnlich  angehrachlen  IJaunistämrnen  ganz  zu  schweigen. 
Freilich  fällt  das  Ilülfsmittel  bei  diesen  wenigcM*  aul,,  weil  die 
ganze  Bewegung  der  Figur  darauf  hin  coinponirl  ist,  während 
die  Stütze  bei  der  Alhena  mehr  wie  ein  von  aussen  hinzuge- 
tretenes erscheint.  Und  man  muss  ja  zugeben,  dass  sich  das 
ästhetische  Gefühl  erst  schwer  daran  gewöhnt,  ja  dass  ein  gut 
Theil  von  Archaismus  in  dieser  Stütze  steckt,  ein  Archaismus, 
der  für  den  llistorikep  aber  um  so  werth voller  ist,  als  er  ge- 
Wissermassen  ein  Mittelstadium  zwischen  der  leblosen  derb 
materiellen  Compositionsweise  der  alten  Xoana  und  der  voll- 
kommen entwickelten  Kunst  späterer  Götterbilder  repräsentirt, 
die  den  materiellen  Zwang  unter  der  ideal  gewählten  Erschei- 
nungsform zu  verdecken  weiss.  Phidias  ist  hier  wie  auch  sonst 
nicht  der  Schöpfer  eines  neuen  Compositionsprincips,  sondern 
der  letzte  grosse  Repräsentant  eines  alten,  das  er  in  formaler 
Vollkommenheit  behandelt. 

Betrachten  wir  aber  die  Stütze  in  ihrem  Verhältniss  zur 
ganzen  Composition,  so  müssen  wir  zugeben,  dass  sie  ästhe- 
tisch durchaus  noth wendig  ist.  Schon  früher  hat  man  die 
Leere  der  rechten  Seite  gefühlt  und  theils  durch  eine  Schlange 
oder  Eule*,  als  Stütze  der  rechten  Hand,  theils  durch  reiche 
Gewandmas^en  auf  dieser  Seite ^  zu  compensiren  gesucht.  Da 
ersteres  ganz  unbezeugl  ist,  letzteres  jetzt  auch  nicht  mehr  geht, 
so  bleibt  die  Säule  als  einzige  Möglichkeit.  Man  nehme  sie  weg 
und  Schild  und  Schlange  sind,  da  die  Nike  zu  klein  und  hoch 
ist,  ohne  Entsprechung,  es  tritt  ein,  was  Cicero  {Oi'at.  234) 
für  den  Fall  voraussagt,  wenn  man  den  Schild  wegnähme,  es 
wird  die  collocationis  imiversa  species  aufgehoben 3.  Wunderbar 


'  Stark  Arcli.  Ztg.  1859  S.  92.  Wiescler  PliiIüloi,'Us  XV,  552.  Vgl.  Brunn 
Künstergescliiclite  I  179  und  Frieciericiis  Arcli.  Ztg.  1859  S.  47  f. 

2  Overbecli  Gesell,  d.  griecti.  Plast.  I  ^  S.  254. 

^  Engelmann  (Areh.  Ztg.  XXVf  107)  hat  nacligewiesen  dass  die  späteren 
NaeliriciUen  von  einer  Auflösbarl^eil  des  Bildes  durch  Wegnainne  des  Por- 
träts des  Künstlers  auf  dem  Schild  auf  einem  Missverständniss  dieser  Stelle 
des  Cicero  beruhen. 


72  DIE  ATHENA  PARTHENOS 

hat  es  endlich  der  Rünsller  verstanden,  durch  die  starke  Schwel- 
lung des  Schaftes  einerseits,  die  den  schwellenden  Formen  des 
Fleisches  entgegenkommt,  und  durch  die  Strenge  der  Chiton- 
falten andererseits,  die  sie  fast  wie  Canelhiren  erscheinen  lässt, 
eine  Annäherung  ja  A'crschmelzung  der  todten  und  lebendigen 
Formen  zu  bewirken,  die  ihre  Zweispältigkeit  fast  aufhebt. 

Was  die  Details  der  Säule  betritl't,  so  hat  die  Basis  trotz 
ihrer  ungenauen  Aiisfülirug  doch  deutlich  die  Form  der  atti- 
schen. Das  Kapitell  besieht  aus  einem  unteren  Ilundslab  mit 
Leiste,  darüber  folgt  ein  geschwungenes  nach  Art  eines  Blatt- 
überfalls gebogenes  Glied,  aus  dem  ein  zweites  nur  obeuaus- 
gebogenes  heraus  wächst.  Das  Ganze  wird  von  einem  quadra- 
tischen Abacus  abgeschlossen.  Mein  erster  Gedanke  war,  dass 
wir  hier  die  Abkürzung  eines  korinthischen  Kapitells  mit 
seinen  zwei  Blattreihen  übereinander  vor  uns  haben,  später 
wurde  ich  an  gewisse  Kapitelle  elfenbeinerner  llalbsaulchen 
aus  Spata*  erinnert,  die  durch  Vergleich  mit  der  Säule  des 
Löwen ihors  von  Mykene  als  Kapitelle  erwiesen  werden  und 
eine  verwandte  Doppcltheilung  zeigen.  Man  sieht  wenigstens, 
>vie  sich  derartige  Formen  leicht  im  Elfenbein  bilden  und  da 
Ja  auch  die  attische  (und  ionische)  Basis  ohne  Zweifel  aufge- 
drehtes Elfenbein  oder  Holz  zurückgeht,  so  können  sich  auch 
die  Formen  unserer  Säule  ebenso  auf  Elfenbein  und  Drehbank 
zurückführen  lassen  wie  die  Stützen  der  alten  Agalmata.  Im- 
merhin wird  man  es  für  möglich  halten  müssen,  dass  am  Ori- 
ginal Blattornamente  aus  Metall  das  Kapitell  noch  verzierten 
und  dem  korinthischen  annäherten.  Auf  jeden  Fall  hat  diese 
Form  weit  mehr  Autorität  als  die  des  Kapitells  auf  dem  Ber- 
liner Relief,  die  entweder  den  dorischen  Echinus  oder  wahr- 
scheinlicher die,  ionischen 2  Voluten  imitirt,  denn  das  korin- 
thische Kapitell  ist  in  Folge  seines  allseitig  ausgebildeten  und 
leichten  Charakters  weit  eher  geeignet  eine  einzelne  Stütze  der- 
art  zu   zieren  wie  das  dorische  und   ionische.    In  jener  Zeit 

'  Bull,  de  corr.  hell.  1878  Tf.  14.  2.  13,  8.  'AOtivaiov  6  E'  60. 
2  Sü  aiicti  Böllicher  Arch.  Zig.  1857  S.  69. 


DIE  ATHKNA  PARTIIENOS  73 

aber  ein  korinlhisches  Ka[)ilell  aiiziiiielimen ,  liat  anifj'sichts 
des  korinthischen  Kapitell js  von  Phigaiia  und  dci'  Thatsache 
dass  Kailimachos^  dem  diese  Erfindung  zugeschrieben  wird  , 
recht  gut  noch  in  Phidias  Zeit  liinaufdatirt  werden  kann*, 
nichts  aulTallcndes,  zumal  da  die  koriFilhische  Kapilellform 
sich  ofl'ciibar  aus  Gerälh,  l)esonders  (^anddabern  ,  gebildet  hat 
und  unsere  Säule  eigentlich  zwischen  einer  Möbelstütze  und 
einer  architektonischen  in  der  Milte  steht. 

Ebenfalls  sehr  überraschend  und  von  einschneidender  Be- 
deutung, nicht  nur  für  die  Alhena  Partheuos.  sondern  auch 
für  den  Zeus  von  Olympia,  ist  die  Stellung  der  Nike.  Bis 
in  die  neuste  Zeit  sind  die  Ansichten  darüber  so  verscbieden 
gewesen,  dass  die  einen  (Gerliard  und  Bötlicher)  Nike  von 
der  Gottheit  ab,  die  andern  ilir  zugewendete^  die  dritten  aber 
weder  zu  noch  ab,  sondern  vom  Beschauer  aus  ins  Profil  nach 
rechts  gestel-lt  dachten  '.  Die  neue  Statuette  bestätigt  keine 
dieser  Ansichten  genau  ,  nähert  sich  aber  doch  der  letzten  am 
meisten.  Die  Annahme,  dass  Nike  derGöttin  zugewendet  war*, 
hatte  immer  das  missliche,  dass  sie  so  dem  Beschauer  den 
Rücken  gedreht  haben  und  bei  Zeus  dem  Gölte,  der  schon 
ohnehin  den  Kranz  trug,  noch  eine  Tänie  gereicht  haben  würde. 
Jenes  kann  auch  durch  eine  Schrägstellung  des  Armes  nicht 
ganz  vermieden  werden  und  dieses  bleibt  auch  dann  auflal- 
lend, wenn  man  das  Reichen  der  Tänie  nur  als  eine  symbo- 
lische Handlung  für  den  Gedanken  :  «Dein  ist  der  Sieg  und  die 
Siegvollendung»  aufTasst.  Ganz  richtig  halle  Overbeck  aber  ge- 
fühlt, als  er  meinte,  die  reine  Profilstellung  der  Nike  würde 
den  Anschein  erwecken,  als  ob  sie  zwischen  Zeus  und  dem 
Beschauer  wegflöge.  Eine  vollständige  Abwendung  dagegen 
löst  wie  die  Reliefe  zeigen,  besonders  im  Profil  beide  Figuren 

'  Bruna  Ivünstlergeschichte  I  252. 

2  Lenormaiit  La  Minerve  du  ParthinoTx  S.  44  ir.  Overbeck  Ber.  d.  sSelis. 
Ges.  1868  S.  95.  Gesch.  d.  gr.  Pla.sl.  I  ^  S.  258  imd  S.  465  f.  Anru.  9. 

3  .Michaelis   Pailhenon  S.  275.  Petersen  Die  Kiinsl  des  Phidias   d.  337 
Anm.  2.  Julius  Die  Agonaltenipel  S.  9. 

*  Dasoe5*H-^vri  xf,v  Ninriv  bei  Arrian  disa.  Epicl.  2,  8,  20  beweist  dafür  nichl.s. 


74  DIE  ATHKNA  PARTHENOS 

zu  sehr  von  einander,  lässt  sie  gewissermassen  aus  einander 
fallen.  Die  neue  Statuette  hat  alle  Schwierigkeilen  gelöst  wie 
das  Ei  des  Columbus:  Nike  fliegt  schräg,  etwa  im  Winkel 
von  4;")°  genau  auf  die  Stelle  zu,  wo  der  andächtige  Beschauer 
oder  der  zu  kränzende  Sieger  vor  die  Statue  hintrat.  Sie  ist  es 
eigentlich,  die  ihn  bekränzt  und  zwar  bekränzt  im  Auftrag  der 
Athena,  sie  ist  es  die  auch  die  ästhetische  Vermittlung  zwi- 
schen der  Gottheit  und  dem  Sterblichen  übernimmt,  die  durch 
ihre  Schrägstellung  Athena,  sich  selbst  und  den  Anbetenden 
in  ein  einheitliches  Ganze  zusammenschliesst. 

Wie  erklären  sich  nun  aber  die  Abweichungen  der  Reliefe 
und  Münzen?  Wenn  man  die  Statue  von  der  Schildseite  resp. 
den  Zeus  von  der  Scepterseite  ins  Helief  übersetzen  wollte,  so 
konnte  man  zweifelhaft  sein,  ob  man  die  Nike  en  face  oder 
im  Profil  geben  sollte,  denn  das  Halbprofil,  das  dem  Original 
entsprochen  hätte,  konnte  in  dem  kleinen  Maasstab  leicht  un- 
klar werden.  Auf  den  Reliefen,  wo  Nike  gewöhnlich  einen 
Mann  bekränzt,  ist  sie  desshalb  fast  immer  ins  Profil  gestellt. 
Dennoch  erscheint  sie  auf  einem  Relief  in  der  Pinakothek 
(Schöne  XII,  62.  Michaelis  15,  6)  genau  en  face  und  auf  einem 
unpublicirten  Relief^'ragment  im  Erechtheionsaal  des  Akropo- 
lismuseums,  das  einen  bärtigen  Kopf  im  Profil  nach  rechts 
und  schräg  darüber  eine  Nike  mit  dem  Kranz  zeigt,  die  mau 
auf  der  Hand  der  Athena  denken  muss,  hat  die  Siegesgöttin 
genau  die  schräge  Stellung,  die  unserer  Statuette  ent- 
spricht. Diese  beiden  Beispiele  wiegen  gewiss  die  mit  der  ganz 
abgewandlen  Nike  vollständig  auf.  Auf  der  Hand  einer  Athena, 
die  die  Säulen  einer  panathenäischen  Vase  schmückt  ^,  ist  Nike 
einmal  ganz  einmal  halb  abgewendet.  Den  grössten  Wechsel 
finden  wir  auf  den  Münzen.  Wo  Athena  Nikephoros  selbstän- 
dig auf  athenischen  Bronzemünzen  oder  als  Beizeichen  attischer 
Tetradrachmen  oder  auch  als  Reversbild  syrischer  Silbermün- 
zen 2  erscheint,  da  ist  Nike  meistens  der  Gottheit  zugewen- 


«  Mun.  d.  I.  X,  47  f. 

2  Vgl.  auch  den  Zeus  Nikephoros  auf  seleucidischen  Münzen:  Cat.  of  gr. 
coins.  Stlfucül  Kings  passim. 


DIE  ATIIRNA  PARTHENOS  75 

det.  Dies  hat  aber  einen  sehr  einlachen  Grund,  der  weniger 
ästhetischer  als  rein  materieller  Naliir  ist.  Man  hatte  keinen 
Platz,  Nike  abgewendet  zu  bilden.  Bei  den  Münzen  syrischer 
Könige  speciell  hindert  daran  die  senkrecht  herabgehende  Le- 
gende. Ein  sicherer  Beweis  dafür  sind  die  Beispiele,  wo  Nike 
wirklich  einmal  abgewendet  wird,  dann  aber  so  nahe  an  die 
Legende  heranrückt,  dass  sie  eine  steife  fast  rückwärts  ge- 
beugte Haltung  und  eine  ganz  unklare  Handbewegiing  be- 
kommt*. Wo  die  Legende  keinen  Zwang  ausüble,  ist  in  ana- 
logen Fällen  Nike  sehr  oft  auch  abgewendet,  so  bei  dem  Zeus 
auf  athenischen  Bronzemünzen  der  Kaiserzeit^^  bei  Athena  auf 
syrischen  Münzen^,  Zeus  auf  Kupfermünzen  von  Mostei  in 
Thrakien*,  Kybele  oder  Stadtgöltin  auf  syrischen  Münzen*. 
Schwerwiegend  treten  auch  hierzu  wieder  einige  Typen  mit 
der  erwähnten  Mittelstellung,  nämlich  die  elischen  Mün- 
zen Hadrians  mit  der  Zeusstatue*^,  die  auf  dem  Florentiner 
Exemplar  im  Profil  links,  auf  dem  Berliner  im  Profil  rechts 
erscheint:  Auf  jenem  ist  Nike  ganz  en  face,  auf  diesem  ganz 
von  hinten  dargeslellt.  Die  Berliner  Münze,  die  Zeus  im  Halb- 
profil links  zeigt'',  gibt  Nike  ebenfalls  en  face. 

Michaelis  schloss  aus  dem  Belief  in  der  Pinakothek  und  da- 
raus dass  die  Nike  des  olympischen  Zeus  nach  Pansanias  eine 
Tänie  hielt,  auch  die  Nike  der  Parthenos  habe  eine  solche  als 
Attribut  gehabt^.  Angenommen  selbst  Pausanias  habe  dies  rich- 
tig überliefert  (was  mir  bei  Vergleich  der  Florentiner  Münze, 
wo  es  ein  flachgehaltener  Kranz  scheint,  noch  sehr  zweifelhaft 


»  Z.  B.  Cat.  ofgr.  coins.  Selevcid  Kings  Tf.  XI,  9.  XIII,  12,  14.  XVII.  5. 
Erträglicher  ist  es,  wenn  die  Arme  durch  die  Legende  hindurchgehen :  eben- 
dort  XXI,  3.  XXII,  2. 

2  Beule  Mona.  d'Aih.  S.  396. 

3  Catal.  ofrjr.  coins.  Syria  XX,  6.  XXII,  4.  XXIV,  2.  19. 
*  Catal.  o/'gr.  coins.  Thrace  S.  206. 

5  Cat.  of  gr.  coins.  Syria  XII,  2.  3. 

«  Priedländer  Monatsher.  d.  Beri.  Akad.  1874  S.  499  Fig.  IV  und  V. 
''  Arch.  Ztg.  1876  S.  34 

«  Michaelis  Der  Parthenon  S.  275  und  noch  ganz  neuerdings  im  Neuen 
Reich  1881  S.  358. 


76  DIE  ATllENA  PARTHENOS 

isl)  SO  folgl  doch  daraus  nichts  sicheres  für  die  Alhena,  und 
auf  dem  Pinakothekrelief  ist  das  Attribut,  selbst  vollständig 
abgerieben,  die  [fandhaltung  aber  passt  ebensogut  für  einen 
oflenen  Kranz.  Ein  solcher  ist  aber  in  der  That  der  Gegen- 
stand, den  unsere  Nike  hielt.  Denn  eine  Tänie,  ihrer  Natur 
nach  leicht,  wird  weder  mit  beiden  Fäusten  gehalten  wie  wir 
es  hier  sehen,  noch  hat  sie  eine  runde  nach  der  Mitte  sich 
verdickende  Form  wie  dieser  Gegenstand  (wenn  man  von  Ano- 
malien wie  der  Kopftracht  des  Asklepios  absieht),  sondern 
sie  erweitert  sich  umgekehrt  grade  an  den  Enden,  die  immer 
mit  Bändern  geschmückt  sind  und  über  die  flach  ausgestreck- 
ten Hände  herüberfallen.  Für  die  Nike  der  Athena  hat  der 
Kranz  schon  deshalb  die  grössere  Wahrscheinlichkeit,  weil 
Nike  allein  und  auf  der  Hand  der  Alhena  nicht  nur  auf  athe- 
nischen Münzen*  sondern  auch  auf  gut  erhaltenen  Reliefen ^ 
immer  dem  Kranz  hält,  wenn  auch  zuweilen  den  gebundenen 
Kranz  mit  einer  Hand.  Auch  Athena  selbst  setzt  diesen  oft 
einem  Anbetenden  auf:  Ancienl  marhles  of  the  Brit.  Mus.  Bd. 
IX  Taf.  36,  1.  35,4.  Arneth  Die  ant.  Cam.  d.  k.  k.  Münz- 
und  Antikencab.  XIX  12  =  Müller- VVieseler  D.  d.  a.  K.  H  434. 
Den  olfnen  Kranz,  der  an  beiden  Enden,  meist  nach  unten 
hängend,  gehalten  wird,  finden  wir  sehr  oft  auf  Yasenbildern 
als  Attribut  der  Nike  oder  des  Eros,  auch  einfacher  Mädchen 3. 
Am  meisten  Analogie  aber  hat  mit  unserer  Nike  neben  dem 
erwähnten    Relief  des  Akropolismuseums  die  Terracottafigur 


'  Ueulii  Mann.  d'Ath.  S.  172. 

2  Arch.  Ztg.  1857  Taf.  105.  Schöne  Griech.  Rel.  XXI  93  (?)  XVI  75.  Vor 
allem  aber  das  eben  erwähnte  Relief  des  Akropollsmuseunis,  wo  die  Arme 
nur  etwas  mehr  auseinander  gehallen  sind,  sodass  der  Kranz  eine  flachere 
Lage  erhält.  Danach  wird  man  auch  den  etwas  unklaren  Gegenstand  in  der 
Hand  der  Athena  auf  einem  unpublicirlen  Fragment  des  M'ächterh.luschens 
als  Kranz  auflassen  müssen. 

3  Mon.d.  I.  HI  30.  IV '23.  Vit.  IX  50,51,52.  X,  47  d  f.  Gerhard  Ap.  Vas. 
XV.  Klr.  u.  cymp.  Vas.  Taf.  G.  Comple  r.  p.  1872  Tf.  VI  2.  p.  1860  Tf.  II. 
Benndorf  Gr.  Vas.  XIX  5.  M Illingen  Vas.  Tal".  VII.  Üverbeck  Kunstmyth. 
XIII,  14.  Lcnormanl  u.  de  Witte  Elite  ccr.  IV  83. 


DIE  ATIIRNA  PAHTHENOS  77 

eines  Mädchens  (0,145'"  hoch)  die  aus  dem  Piräus  slammtjn 
soll: 

Die  Armhaltung  ist  dieselbe,  der 
Kranz  nur  etwas  kleiner.  Aehnlich 
aber  roher  sind  zwei  weibliche  Tcr- 
racollallgurchen  im  Varvakeion, 
bei  deren  einer  grösserer  der  Kranz 
indessen  nur  auf  das  Gewand  ge- 
malt gewesen  zu  sein  scheint.  Die 
kleinere  trägt  eine  hohe  Stephane. 
Auch  bei  ihr  ist  der  Kranz  wie  bei 
der  abgebildeten  einfach  glatt  be- 
handelt. Bei  zwei  TerracotUifigür- 
chen  im  Louvre*,  die  einen  genau 
so  geformten  Kranz,  aber  beide  En- 
den in  der  linken  Hand  tragen, 
sind  die  Blätter  durch  Modellirung 
deutlich  angegeben,  bei  den  obi- 
gen Beispielen  und  in  der  Marnior- 
slatuette  waren  sie  offenbar  auf- 
gemalt. 
Für  den  Kranz  gibt  es  nun  aber  eine  weitere  Bestätigung 
in  den  SchaLzurkunden  des  Hekatompedos.  Tn  mehreren  2  der- 
selben wird  als  ungewogen  ein  (jTe(p«vo;  ypuaou?,  Sv  t)  Ni/cr.  e;(et 
£71:1  Tvj;  KtoxlriC,  vi  £7:1  t?!?  yfiipo?  toO  Kya)^{Ji3CTo<;  tou  /puf^oG  auf- 
geführt. Ausser  diesem  Kranz,  den  Nike  auf  dem  Kopf  trug, 
erscheint  C.  /.  /l.  I  148.  151  ff.  ein  <7T£<p:cvo(;  -/pui^ou?,  8v  ri  Ni/.vi 
i'izi,  dessen  Gewicht  auf  70  Drachmen  angegeben  wird,  also 
wie  Böckh  und  Köhler  benierkt  haben,  zu  viel  für  einen  aus 
Goldblättern  bestehenden  Kranz  einer  lebensgrossen  Nike.  Er 
ist  also  nicht  mit  jenem  zu  identificiren.  Und  dennoch  kommt 
er  C.  I.  A.  II  719.  727  zusammen  mit  Theilen,   die  offenbar 


*  Heuzey  Fig.  ant.  de  terre  ruile  25,  2  iiiiri  26,  2. 

2  C.  I.  G.  151  =6'.  /.  A.  II  667.  C.  I.  G.  150=6'.  /.  A.  II   652.  'E?.   ipx- 
N.  F.  429  Z.  18. 


78  DIE  ATHENA  PARTHENOS 

zum  grossen  Äyx>(Aoc  gehörten,  vor,  muss  also  auch  von  die- 
sem stammen.  Es  kann  also  nur  der  in  der  Hand  der  Nike  sein 
und  die  Unterscheidung  tfz\  sv  tyj  Ks^aXvi  von  h/ti  allein 
scheint  eine  wohl  überlegte  zu  sein.  Dieser  selbe  Kranz  ist 
es  aber  auch,  auf  den  die  Worte  der  verstümmelten  Inschrift 
C.  /.  C.  151=C.  /.  /t.  II  667  gehen  :  .  . .  .aeya^^ou  «wo  t^?  yei- 
p6?  Tvi;  Ntx'/i;.  Zwar  hat  Köhler*  vor  (Asya^ou  ergänzen  wol- 
len :  itpKTripo;,  da  anderswo  [C.  I.  A.  11  668  Z.  12)  ein  y.pst- 
Tvio  at/tpo;  vorkommt.  Doch  da  dieser  ein  Gewicht  von  2569  */2 
Drachmen  hat  und  ein  noch  grösserer  auf  keinen  Fall  in  der 
Hand  unserer  Nike,  ja  ein  Krater  überhaupt  nicht  in  der  Hand 
einer  Nike  vorausgesetzt  werden  darf,  so  ist  vor  p.sya'Xou  offen- 
bar einfach  aTetpscvou  zu  ergänzen,  sodass  durch  das  [xeyoc'Xou 
dieser  Kranz  zugleich  passend  von  dem  auf  dem  Kopfe  der 
Nike  unterschieden  ist.  Natürlich  war  er  aus  einzelnen  Zw^ei- 
gen  mit  Blättern  aus  Goldblech  zusammengesetzt,  die  von  den 
Enden  nach  der  Mitte  zu  gelegt  waren.  Ich  halle  es  deshalb 
für  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  ttetä'Xoc  lo^^ySt  tixioccix  ktco 
Tou  CTScpavou  3v  71  NiJtvi  ej^st  tq  stüI  tyji;  /stpb;  toG  aya'Xjj.xxo? 
[C.  1.  A.  II  645  Z.  21.  675  Z.  11)  und  der  GaUo?  xP'^tou;  tts- 
xaXoiv  TSTxy.ptov  (C  /.  A.  II  174  ff.)  eben  von  diesem  Kranze 
stammen,  dem  auch  das  Gewicht  von  7  Dr.  durchaus  ent- 
spricht. Die  >;-/iavi<7z.w  ^uo  die  mit  unter  derselben  Gewichtsan- 
gabe vereinigt  werden,  könnten  die  Bänder  an  den  Enden  des 
Kranzes  sein,  die  auch  bei  unserer  Statuette,  wenngleich  in 
unklarer  Weise,  von  der  linken  Hand  niederhängen. 

An  der  Flügelhaltung  unserer  Nike  zu  zweifeln  liegt  kein 
Grund  vor.  Dass  sie  auf  dem  Relief  der  Propyläen  und  den 
Zeusmünzen  in  die  Höhe  gerichtete  Flügel  hat,  beweist  nicht 
für  das  Original,  da  sie  in  der  Vorderansicht  nicht  gut  anders 
sichtbar  gemacht  werden  konnten  und  die  andern  Reliefe  und 
Münzen  sie  schräg  abwärts  gerichtet  zeigen. 

Die  Helm  form  derGöttin  ist  die  des  engen  attischen  Helms, 
die  ihr  bekanntlich  von  jeher  auch  da  wo  bei  andern  Personen 


Millheilungen  1880  S.  96. 


DIE  ATHENA  PARTIIENOS  79 

der  korinthisclie  Helm  auflriLt  oder  überwiegt,  ganz  durcli- 
gängig  eigen  ist  und  die  erst  seit  der  zweiten  lläll'le  des  V. 
Jahrhunderts  durch  letztere  verdrängt  wird. 

Da  Pausanias  nur  von  den  Thieren  auf  dem  Helm  s{)richt 
und  die  Lenormantsche  Statuette  auch  diese  nicht  einmal  zeigt, 
so  hat  man  bisher  allgefnein  angenommen,  dass  die  Parlhe- 
nos  keinen  eigentlichen  Busch  gelragen  habe^  Die  'J'hiere  sind 
aber  so  wohl  mit  dem  Buscli  zu  vereinen,  dass  sie  vielmehr 
in  ihrer  plastischen  Ausführung  gar  nicht  ohne  ihn  gedacht, 
vielmehr  als  Stützen  des  Busches  auigefasst  werden  müssen.' 
Während  die  Statuen  natürlich  hier  meist  verstümmelt  sind, 
fehlt  auf  Reliefen,  Gemmen  und  Münzen,  wo  die  Thiere  an- 
ders als  im  flachen  Relief  erscheinen,  nie  der  dreifache  oder 
wenigsten  einfache  Busch,  so  an  der  Alhena  und  dem  Ares 
des  barberinischenCandelabers^^  auf  den  attischen  Tetradrach- 
men ,  deren  Zurückgehen  auf  die  Parthenos  man  früher  ans 
ganz  ungenügenden  Gründen  hat  läugnen  wollen ^^  und  der 
Gemme  des  Aspasios^.  Überall  ist  der  Busch  die  HHUj)tsache, 
nie  fehlt  er  auf  den  Reliefen,  die  Athena  mit  dem  engen  Helm 
zeigen,  und  wenn  er  hier  auch  meistens  der  Kleinheit  wegen 
einfach  gebildet  wird,  so  erscheint  er  doch  auch  zuweilen  drei- 
fach, so  auf  dem  Propyläenrelief  ^,  einem  uupublicirten  Frag- 
ment im  Akropolismuseum  (zweiler  Saal),  wo  Athena  im  Halb- 
profil  nach  rechts  steht  und  die  Rechte  wie  zum  Stützen  auf 
eine  Lanze  erhebt,  endlich  dem  schon  erwähnten  Relief  im 
Wächterhäuschen,  wo  Alhena  die  Guirlande  hält.  Hier  ist  ihr 
seitlicher  Heimbusch   kleiner  als  der  mittlere  und  ruht  auf 


*  Micliaelis  Der  Parthenon  ö.  274.  Dagegen  jetzt  Im  Neuen  Reich  1881 
S.  357. 

2  Braun  Kunstmyth.  Taf.  C7,83. 

3  Beule  Mona.  d'Alh.  S.  95. 

<  Eclchel  Choix  de  pierres  gravi>es  Tf.  18.  Miliin  Call.  mylh.  37,  132.  Vgl. 
Brunn  Gr.  Künstlergesch.  H  473.  Andre  Nachahmungen  führt  Lenormanl 
La  Minerve  du  Parthenon  S.  46  an. 

5  Le  Bas  Mon.  fig.  Taf.  46.  Michaelis  19,  17. 


80  DIE'ATHEN'A  PARTHENOS 

einem  rundlichen  Gegenstand  (keinem  Thier)^.  Eine  Mehrzahl 
von  Helmbüfichen  finden  wir  schon  bei  Homer,  worauf  das 
Wort  TSTpxipocXYipo;  deutet,  während  «tjt,<pi<pa>.o;  und  Si(pa).o;  auf 
die  Backenklappen  zu  gehen  scheint.  Die  Dreiheit  ist  uns  schon 
aus  Aeschylüs  bekannt,  der  {Sept.  o65)  den  Boten  von  Tydeus 
sagen  lässt : 

TOiaOt'  ÄüTÖv  Toet;   xaTacxiou;   >.6(po'ji; 
ceist,  jipxvoug  yy-i-w^i'.  . .  . 

woraus  also  hervorgeht,  dass  diese  Art  des  Helmschmucks 
nicht  etwa  eine  Erfindung  des  Phidias  ist.  Wenn  Arislophanes 
Lamachos  verspoltet,  indem  ei'  (Fried.  1173)  den  Chor  sagen 
lässt : 

Tpsi;  a6<po'j;  tyji'^-x  icccl  (poi,vi)ci5'  ö^eiocv  ttocvu 

wozu  Acharn.  965:  y.py-^zivwv  Tpsi;  -/.scTarrjctou;  Xö(poi»;  und  567 
das  Beiwort  yopyo'Xö'pa,  das  auch  Athena  (Ritter  965)  führt, 
zu  vergleichen  ist  2,  so  scheint  diese  Tracht  nicht  etwa  ein  Ab- 
zeichen des  Ta^iarchen  gewesen  zu  sein,  sondern  als  eine  be- 
sonders slattliche  und  etwas  prahlerische  gegolten  zu  haben, 
die  Lamachos  oiTenbar  im  Hinblick  auf  die  Alhena  Parthenos 
gewählt  halte,  wobei  es  immerhin  möglich  ist,  dass  Phidias 
selbst  sie  nur  einer  bekannten  vSilte  nachgebildet  hat.  Gorgo 
scheint  dabei  für  Sphinx  zu  stehen.  Jedenfalls  entspricht  ein 
möglichst  hoher  Helmbusch  ganz  der  allen  Tradition.  Auf 
schwarzfigurigen  Vasen  wird  er  von  einem  hakenförmig  nach 
vorn  gebogenen  eisernen  Gestell,  offenbar  dem  «pocAvipo?  getra- 
gen,  auf  streng  rolhligurigen  Vasen  ist  er  immer  noch  sehr 


^  »  Aehnliclic  Beispiele  Müller-Wiescler  D.  d.  a.  K.  I  377.  CompLc  r.  1859 
Taf.  I.  Ann.  d.  I.  1840  ia-o.  dagg.  A  \  und  3.  Monuments  Grecs  !875  Taf.  I. 
Cat.ofgr.  coins  Sicily  S.  175  ft'.  S.  396.  Das  kgi.  MünKcab.  N»  116.  Eine 
Sphinx  Irägl  den  Heinibusch  Athenas:  Benndorf  Ciiech.  Vas.  XXXf,  1. 

2  Vgl.  aiieli  .\cliain.  1182:  titIXov  81  tÖ  iii^oL  xojAKoXixuOov,  1104:  -ü  Ttuptb 
TW  %  toü  xpavoüj  und  1106:  xaXöv  ys  xat  Xeuxov  tö  xrij  oTpouOoO  ntipov. 


DIE  ATHEiNA  PARTHEiNOS  81 

hoch,  sitzt  aber  meist  direct  auf  der  Helmflächc  auf.  Auch 
hierin  können  wir  unserer  Copie  also  durchaus  vertrauen, 
wenn  auch  natürlich  eine  so  reiche  Verzierunir  hei  der  l  eher- 
tragung  in  iMarmor  einen  etwas  plumpen  Charakter  bekom- 
men muss. 

Was  die  Art  des  Schmuckes  helrilTt,  so  müssen  wir  hier 
zuerst  eine  Abweichung  von  Pausanias  conslatiren.  Pausaniae 
nennt  die  beiden  Thiere  zu  Seiten  der  Sphiu.v  Greifen,  und 
zwar  betont  er  in  einer  daran  geknüpften  mythologischen  Ab- 
schweifung besonders  den  l.öwenleih  und  die  Adlerköpfe.  An 
unserer  Statuette  hat  das  erhaltene  Thier  ganz  deutlich  einen 
Pferdekörper  und  nahe  dem  Halsbruch  einen  Ansatz  der 
Mähne,  ist  also  ein  Pegasus.  Sehr  interessant  ist  es,  dass  sicii 
dieserZwiespalt  au f  den  Telradrachmen  wiederholt. BiHile(Mo;2?i. 
d'Ath.  S.  81)  kennt  nur  Greifen,  obwohl  seine  Abbildungen 
ihnen  theils  Adler-tlieils  Pferdeköpte  geben.  Friedländer  und 
Sallet  (Das  kgl.  Münzcabinet  IN"  262-265)  unterscheiden  sol- 
che mit  dem  Greif  und  solche  mit  dem  Pegasus.  Eine  IJnter- 
suchuno;  von  vielen  Originalen  hat  eri^eben  ,  dass  die  Zahl  der 
Exemplare  mit  Greifenköpfen  sich  zu  der  mit  Pferdeköpfen 
etwa  wie  3  zu  2  verhält,  wobei  auf  beiden  Seiten  etwa  gleich- 
viel ganz  sichere  Exemplare  existiren.  Nun  haben  eigen- 
ihümlicherweise  fast  alle  Exemplare  mit  dem  Adlerkopf  doch 
den  Pferdeleib,  der  sich  durch  Vergleich  unserer  Copie  so- 
wie der  Gemme  des  Aspasios,  des  barberinisclien  Candela- 
bers  und  der  neapeler  Statue  (Braun  Kunstmythologie  T.  64; 
die  übrigen  sind  gewiss  mehrfach  ergänzt)  als  dem  Original 
angehörig  ausweist.  Da  nun  in  der  ganzen  Kunst  meines  Wis- 
sens sonst  kein  Greif  mit  Pferdeleib  vorkommt,  so  hat  das 
Oris;inal  ohne  Zweifel  den  Pegasus  cehaht  und  der  Adler- 

O  Co 

köpf  auf  den  Münzen  (und  Gemmen?^)  ist  ebenso  wie  die  Be- 
merkung des  Pausanias  durch  ein  Versehen  oder  eine  Ver- 


*  Vgl.  dagegen  Leiionnant  La  Minerve  du  P.  S.  39  f.,  der  auf  Autorität  des 
Duc  de  Luynes  hin  dem  seitlichen  Thier  auf  der  Aspasiosgemnic  einen  al- 
lerdings undeutlichen  Adlerkopf  gibt. 

MITTH.D.  ARCH.INST.  VI.  6 


82  DIE  ATHE^'A  PARTHENOS 

mischung  zu  erklären,  deren  Ursache  auch  sofort  einleuchten 
wird. 

Die  Backenklappen  sind  auf  den  Münzen  meist  unver- 
ziert,  ihrer  Kleinheit  wegen.  Auch  Pausanias  sagt  nichts  da- 
von, das  beweist  aber  nichts,  da  er  auch  die  Schildreliefs  an 
jener  Stelle  nicht  erwähnt  und  die  Sohlenreliefe  überhaupt  gar 
nicht  kennt.  Beweisend  aber  ist,  dass  die  Gemme  des  Aspa- 
sios  auf  den  Publicalionen  wenigstens*  einen  schräg  nach  vorn 
springenden  Greifen  an  dieser  Stelle  zeigt,  und  dass  wenig- 
stens eine  Tetradrachme  eine  ebensolche  Verzierung  besitzt, 
die  man  nach  dieser  Analogie  ebenfalls  als  Greifen  erklären 
kann.  Diese  am  Original  vorausgesetzt  erklärt  sich  alles  aufs 
schönste.  Von  unten  aus  gesehen  verdeckten  die  Backenklap- 
pen die  Flügelpferde  zum  Theil.  Einem  flüchtigen  Beschauer 
konnte  es  leicht  passiren,  beide  mit  einander  zu  verwechseln, 
und  ein  Stempelschneider,  der  nur  ein  Thier  geben  konnte 
und  doch  Werth  auf  AUribute  legte,  mochte  vielleicht  absicht- 
lich den  Leib  des  einen  und  den  Kopf  des  andern  verbinden, 
um  beiden  ihr  Recht  werden  zu  lassen  2. 

Über  dem  Stirnschild  der  Göttin  erscheint  auf  den  Te- 
tradrachmen durchgängig  eine  Reihe  von  Thieren  — Pferde 
nannte  mau  sie  bisher  allgemein  und  Beules  Abbildungen  ge- 
ben auch  alle  Pferdeköpfe  oder  Vordertheile  von  Pferden.  Eine 
Statistik  nach  Originalen  ergibt  nun  aber,  dass  auf  etwa  ge- 
nau so  viel  Exemplaren  diese  Thiere  Eulen  sind.  Oft  hat 
man  das  reiche  Detail,  dasQuatremeredeQuincy  seiner  Athena 
Parlhenosgibt^^  getadelt,  ohne  dass  man  doch  umhin  gekonnt 
hätte,  die  reiche  Ausstattung  als  ein  Kennzeichen  des  Goldel- 
fenbeinstils hinzustellen^.  Das  letztere  ist  eine  Thatsache,  die 


'  Vgl.  dagegea  den  Duc  de  Luyiies  bei  Lenorraaiit  a.  a.  O.  S.  39  f.,  der 
das  Tliicr  auf  der  Rackcnklappe  als  Pegasus  bezeichnet. 

2  Dass  die  seillichen  Thiere  au  unserer  Statuette  Pferdeköpfe  hatten,  wird 
nun  durch  den  kürzlich  erfolgten  Fund  des  zweiten  bis  auf  die  Vorderbeine 
ganz  erhaltenen  Pegasus  erwiesen. 

^  Mon.  et  ofiuvres  d  arl  anliquc  resWu^s  Paris  1827  I, 

*  Vgl.  bes.  Jahn  Popul.  Aufsätze  S.  255  und  dagegen  S.  214.  Conze  Die 
Alhcnaslatue  des  Phidias  S.  6. 


DIE  ATHENA  PARTHENOS  83 

Quatremere  mit  feinem  Tact  und  tiefem  Verständniss  für  die 
Bedingungen  der  KnnstgaMung,  deren  Wesen  er  uns  zuerst  er- 
schlossen^ gßgen  jede  Widerrede  festgestellt  hat*.  Die  Details 
des  Zeusthrones  und  die  Sohlenreliefs  der  Alhena,  die  einen 
nur  17'"  hohen  Streifen  schmiiekten,  würden  dafür  vollgültige 
Beweise  sein,  wenn  es  nicht  so  wie  so  hekannt  wäre,  dass  «das 
Material  des  Goldes  an  sich  zu  allen  Zeiten  zu  einer  Ausar- 
beitung der  Zierformen  bis  ins  khnne aufgefordert  hat»  (Conze). 
Hierin  lag  auch  ofl'enbar  die  axpiSeia  t-^;  TCoir^Geo;,  die  man 
dem  Phidias  nachrühmte,  die  feinste  Detailausbildung  bei  Wer- 
ken grösslen  Maasstabes  war  es  eben,  die  man  so  sehr  bewun- 
derte. Wenn  wir  aber  nur  jene  Werke  der  Kleinkunst  hätten, 
die  auf  die  Farthenos  zurückgehen,  so  wären  sie  schon  ein 
Beweis,  dass  unsere  Copie  den  Helmzierrath  nicht  vollständig 
gibt.  Denn  was  in  aller  Welt  sollte  einen  Stempel- und  Gem- 
menschneider veranlassen, diese  reichen  Details  in  seinem  klei- 
nen Maasstab  zu  geben,  wenn  das  Original  sie  nicht  halle? 
Dazu  kommt,  dass  die  Minerve  an  collier  im  Louvre  am  Stirn- 
schild eine  Reihe  vorstehender  Buckeln  wie  als  Vorbereitung 
fijr  Thiere^^  die  Alhena  der  Villa  Albani^  eine  Bei  he  wirklicher 
Pferdevorderlheile  über  dem  Stirnschild  triis-t,  dass  an  der 
Alhena  des  Anliochos  vorn  über  der  Stirn  Spuren  von  abgear- 
beiteten Thieren  sichtbar  sind"*  und  dass  ein  Athenakopf  im 
Vatican  an  der  Oberkante  des  Helmrandes  «eine  Reihe  von 
Bohrlöchern  enthält,  anscheinend  zur  Aufnahme  von  Bronze- 
zierraLhen^».  Das  ist  eine  Übereinstimmung,  der  gegenüber 
die  Einfachheit  unseres  Helmes  nicht  in  Betracht  kommt. 

Schwieriijer  freilich  ist  die  Frage,  ob  das  Original  Eulen 
oder  Pferde  trug.  Tektonisch  scheinen  mir  die  Eulen  wirksa- 
mer** und  dass  dieser  Vogel  bei  der  Parlhenos  ganz  gefehlt 


*  Vgl.  aucii  Lenormant  La  Minerve  du  P.  S.  36  11".  und  besonders  S.  41. 

2  Fröhucr  Notice  de  la  sculpiure  antique  du  louvre  S.  143  N»  tl2. 

3  Clarac  457,  845. 

*  Schreiber  Die  ant.  Bildw.  d.  Villa  Ludovisi  S.  135  fg.  N»  114. 
»  Michaelis  Der  Parthenon  S.  283  zu  Taf.  15,  33. 

^  Vgl.  den  Kopf  im  brit.  Museum  Anc.  marb.  I  16. 


84  DIE  ATHENA  PARTHliNOS 

haben  sollte,  kann  ich  mii'  kaum  denken,  während  Pferde 
und  Pegasus  eigentlich  eine  Tautologie  sind.  Doch  die  Gemme 
des  A^pasios  und  die  Athena  der  Villa  Albani  spreclien  aller- 
diniis  ffir  die  Pferde  und  die  Sache  muss  deshalb  vorlUulig 
dahingestellt  bleiben,  ebenso  wie  es  unsicher  bleiben  muss  ob 
die  Thiere  nur  im  Relief  oder  plastisch  hervortretend  gebildet 
waren*.  Ob  und  wie  die  übrige  Helmfläche,  besonders  der 
rsackenschild  verziert  waren,  ist  ebensowenig  zu  sagen,  viel- 
leicht trug  er  Rankenornament  wie  am  vaticanischen  Kopf  und 
auf  den  Tetradrachmen,  vielleicht  Schuppen  wieauf  der  Gemme 
des  Aspasios  und  zuweilen  auf  streng  rothfigurigen  Vasen. 

An  die  Nachbildungen  des  athenischen  Gepräges  mit  dem 
Parlhenoskopf  auf  Münzen  von  Heraklea  in  lonien  und  auf  den 
Münzen  bilhynischer  Könige,  kretischer  Städte  (Hierapytna, 
Gortys,  Kydonia),  sowie  an  freiere  Ableitungen  davon  mit 
Aenderung  der  Thiere  in  Tarent  (Skylla,  Greif,  Seepferd),  Ve- 
lia  in  I.ucanien  (Quadriga,  Reiter  oder  Centaurin  neben  dem 
Greif  oder  Pegasus),  Heraklea  in  Lucanien  (Seepferd,  Skylla 
oder  Greif),  Thurioi  (Skylla  in  verschiedener  Bewegung)  u.s.w. 
will  ich  hier  nur  kurz  erinnern. 

Nichts  hat  einen  so  grossen  Einfluss  auf  die  Plastik  der  Fol- 
gezeit geübt  als  die  reiche  Melnizier  der  Parthcnos.  Denn  aus- 
ser den  directen  Copien  der  Parthenos  kehren  dieselben  drei 
Thiere  wieder  bei  der  farnesischen  Athena  in  Neapel  (Chirac 
458,  Bäl  .4=:BraLin  Vorschule  d.  Kunslmythologie  T.  64),  bei 
derjenigen  der  Sammlung  Hope-Dupdene  (Clarac  459,  850  = 
Braun  T.  G5  =  Müller- VVieseler  D.  d.  a.  K.  II  202),  der  in  Holk- 
ham-Ilall  (Clarac  4G2  ß  888  .4)  auf  den  Helmen  spätgriechi- 
scher  Panzerstatuen   (Clarac  831)  2112  und  2113.  636  1440) 

'  VAno  an.'iloge  Verzierung,  die  sich  z.  B.  in  Terracotten  vielfach  findet, 
sind  die  llelibücke  und  Candelaber  an  der  Slopliane  der  Artemis  von  Gabii 
in  Münch.-n  (Brunn  Glyptuthetc  N"  93),  die  beiden  VorderUieile  von  Greifen 
an  der  Stephane  des  Hcrakopfs  ;iuf  Münzen  von  NeapoUs  (Cat.  ofgr.  cuins. 
Haltj  8.92  N»  13,  S.  94  If.  ? )  und  unbestimmlen  campanischen  Münzen  (a.  a. 
O.  S.  128),  ebenso  auf  solchen  von  Pandosia  (a.  a.  O.  S.  370).  Auch  die  be- 
Icannlen  reichen  Thierbihhingen  der  ephcsisrhen  Arlemis  wird  man  damit 
vergleichen  dürfen. 


DIE  ATUENA  PAnTHENOS  85 

und  einzelne  Thiere,  besonders  die  Spliinx,  wulil  auch  die 
zwei  seitlichen  Greife,  aber  in  Kelief,  haben  sich  auf  /ahl- 
reiclie  Köpfe  verirrl,  z.  li  Ciarae  830  2103.  Gerhard  Ges.  ak. 
Abb.  21,  1.  Clarac  311)  813.  Gerhard  \eap.  ant.  Biblw.  S.  27 
N°  81.  lirami  Ivunslmylh.  Taf.  91,  Taf.  83.  Chirac  2(13  2073  = 
Braun  85.  Chirac  lo/i  2912=1001  2912.  32G  1131.  162  F 
8GG  A.  Braun  .')8.  02.  Arcb.  Ztg.  1874  Taf.  1. 

Dasselbe  Streben  nach  Detail  lässt  uns  auch  die  goldnen 
Armbänder,  die  in  hohem  Grade  geeignet  ^^aren  die  grossen 
fjfenbeinfläehen  der  Arme  wohllhuend  zu  unterbrechen,  am 
Original  voraussetzen  *,  Ihre  Form  ist  die  in  der  antiken  Litle- 
ratur  öfters  erwähnte ^  und  auch  in  Originalen  mehrfach  auf 
uns  gekommene^  der  gewundenen  Schlange,  wie  \\ir  sie  z.  B. 
an  der  Ariadne  des  Vatican  und  anderen  Statuen  finden. 

Halsband  und  Ohrringe  zeigen  dieiMünzen*  und  die  Gemme, 
nicht  aber  unsere  Statuette.  Dennoch  werden  wir  sie  für  das 
Original  vorauszusetzen  haben.  Denn  das  Halsband  der  Mi- 
nerve  au  collier  als  einen  «willkürlichen  Zusatz  des  römischen 
Copisten  »  zu  betrachten,  geht  nicht  wolil  an,  da  römische  Co- 
pisten  diesen  Zusatz  sonst  durchaus  nicht  lieben,  während 
er  an  der  Athenastalue  aus  Alben  Le  Bas  Mon.  fig.  Tf.  23 
wiederkehrt  und  wir  aus  der  Beschreibung  einer  goldelfen- 
beinernen Nike  im  Hekatompedos  (Michaelis  S.  300),  worin 
unter  anderem  Schmuck  auch  sv({>^[i]o>  und  6p{xo;  erwähnt  wer- 
den, wissen,  dass  ein  derartiger  Schmuck  in  der  Goldelfen- 
beintechnik der  guten  Zeit  gäng  und  gebe  war.  Wie  oft  fer- 
ner auf  Vasen  und  Münzen  weibliche  Gottheiten,  auch  A'hena, 


»  Ganz  ähnlich  Michaelis,  Im  Neuen  Reich  1881  S.  357. 

2  VkI.  die  von  Stephani  Coinple  r.  p.  1873  S.  53  f.  ciliiten  Slellen. 

3  Coinple  r.  jj.  1873  Taf.  III  7.  1877  Taf.  II  10.  Carapanos  Dodone  Taf.  50 
Kig.  2,  4  und  5.  Möglicherweise  haben  wir  un.s  die  elXixxYipej,  die  uiilerdeii 
Schätzen  des  Mekatouipedos  erwähnt  wenh^i  (Michaelis  S.  3ö3  X"  133.  Köh- 
ler MiUh.  1880  Ö.  99)  ähnlich  zu  denken. 

♦  Vgl.  hosonders  das  Dekadrachmon  alten  .Stils  in  l^crlin :  Zlschr.  f.  Xura 
IV  S.  5. 


86  DIE  ATHENA  PARTHENOS 

mit  Halsband  und  Ohrringen  geschmückt  erscheinen,  ist  be-r 
kannt*. 

Wie  im  Helm,   so  ist  Phidias  auch  in  der  ganzen  Aus- 
stattung seiner  Göttin  ein  Rind  seiner  Zeit.  Während  Athena 
in  den  schwarzfigurigen  Vasen  meistens  den  einfachen  Chiton 
ohne  Diplois  und  Mantel  trägt,  entsprechend  dem  streitbaren 
Charakter  in  dem  sie  dargestellt  ist,   dazu  die  grosse  bis  auf 
die  Hüften  reichende  Aegis,  die  im  Nothfall  über  den  Arm  ge- 
zogen wird,  so  erscheint  sie  auf  den  strengrothflgurigen  Vasen 
und  in  gleichzeitigen  Statuen  gewöhnlich  in  der  ungegürleten 
Diplois,  die  zuweilen  auch  schon  ein  loser  Gürtel  umschlingt, 
selten  durch  ein  über  die  Arme  geschlagenes  Mäntelchen  ver- 
mehrt.  Zuweilen  trägt  sie  auch  noch   unter  dem  Chiton  ein 
dünnes  wollenes  Gewand.  Die  Aegis  wird  vorn  immer  kürzer 
und  reicht  bis  zur  Brust  hinauf,  hängt  aber  dafür  hinten  meist 
hm^  herab.    Phidias  ceht  noch   einen   Schritt  weiter.   Seine 
Athena  ist  die  friedliche  Schulzgötlin  des  attischen  Volks,  bei 
ihr  hört  die  Aegis  auf  eine  wirkliche  Watte  zu  sein  ,  mehr  wie 
ein  breiter  Kragen  bedeckt  sie  Brust  und  Schultern.  Zwar  ist 
noch  nicht   der  Schritt  zur  rein  decoraliven   tjchärpenartigen 
Aegis  geschehen,  den  Phidias  selbst  an  der  Athena  des  west- 
lichen   Parthenongiebels  nachmals  gethan  hat,  aber  doch  ist; 
die  alte  sachliche  Auffassung  schon  durchbrochen.  Zum  Er- 
satz tritt  dann  der  Schild  ein,  der  aber  auch  schon  früher 
neben   der  grossen    Aegis   erscheint.    Die   Gürtung   der   Di- 
ploi.«?  hat  Phidias  in  künstlerischem  Sinne  benutzt,  indem  er 
durch  sie  ein  anmiilhiges  Faltenspiel  erzeugte,  das  den  stren- 
gen Verticalismus  der  übrigen  Falten   unterbrach.    Dieselbe 
Wirkung  hat  die  Behandlung  des  Chitonrandes  an  der  rechten 
offnen  Seite,  die  uns  in  zahlreichen  strengrothflgurigen  Vasen 
so  oft  begegnet.   Beide  Motive  sind  nicht  von  ihm  erfunden, 
sondern  (luden  sich  schon  an  einer  archaischen  Athenastatuette 


'  Com-pte  r.  1859  Taf.  II.  1860  Tat.  II.  Goilinnl  Ap.  Va.s.  VIII.  Ausorl.  Vas, 
II  116.  123.  Elite  ciram.  IV  87.  Ann.  ü.  I.  1859  lav.  dagcj.  L.  Vgl.  die  von 
Leiiormant  a.  a.  O.  S.  43  f.  aufgezahllen  Miinztypen. 


Dil-:  A'I'llKNA  PARTHENOS  87 

im  Äkropolismijseum  *.  Kin  Mantel  würde  der  Göttin  l)ci  den 
vielen  anderen  Attributen  nicht  wohl  gestanden  haben. 

Audi  das  Medusen  ideal  des  Phidias  ist  keine  neue  Seliöp- 
i'ung2.  [.]s  steht  genau  auf  der  Grenze  zwischen  der  arcliai- 
schen  Fratze  mit  den  gellelschten  Zähnen  und  der  heraushän- 
genden Zunge  und  dem  schönen  im  Tode  erstarrten  Franen- 
gesicht  der  späteren  Kunst.  Wenn  jenes  ein  reines  Bild  des 
Schreckens,  ein  Apotropaion,  dieses  dagegen  bestimmt  ist, 
Mitleid  im  Beschauer  zu  erregen,  so  steht  das  Medusenhaupt 
des  Phidias  jenem  niiher,  ist  gewissermassen  eine  Milderung 
desselben,  ein  ästhetischer  Abschluss  der  ersten  Tendenz.  Hauer 
nnd  Zunge  sind  weggelassen,  aber  der  Mund  ist  noch  breit- 
gezogen,  die  Wangen  dick,  die  Lippen  aulgeworfen,  die  Nase 
breitgedriickt,die  Augen  geschlitzt,  es  ist  die  Hässlichkeit,  aber 
nicht  die  stilisirte,  sondern  die  naturalistisch  gemilderte,  die 
aus  diesen  Zügen  spricht.  Die  Haare  sind  in  der  Mitte  ge- 
scheitelt und  leicht  gewellt ,  der  Schrecken  findet  nur  in  der 
gerunzelten  Stirn  und  den  zusammens-ezosenen  Augenbrauen 
seinen  Ausdruck.  Auch  diese  Form ,  die  in  den  attischen  Wer- 
ken der  zweiten  Hälft«  des  fünften  und  des  vierten  Jahrhun- 
derts die  durchgehende  ist^,  hat  Phidias  nicht  erfunden,  die 
erwähnte  Athena.statuette  zeigt  sie  schon,  und  atif  strengroth- 
figurigen  Vasen  wie  der  Kylix  des  Euphronios  im  Louvre^  er- 
scheint schon  ein  Medusenhaupt  in  gemilderter  Hässlichkeit, 
wie  denn  die  naturalistische  Medusa,  aber  noch  mit  ausge- 
streckter Zunge  als  Übergangsstadium  öfter  vorkommt. 

Überall  sehen  wir  also,  dass  Phidias  an  schon  Vorhandenes 
anknüpft,  dass  er  fern  von  dem  Ehrgeiz,  etwa  neues  zu  schaffen, 
der  z.  H.  den  Renaissancekünstler  beseelt,  vielmehr  auf  dem 
Fundamente  weijerbaiit,   das  seine  Vorgänger  gelegt  haben. 


'  Erwätint  ßuH.  d.  1.  1864  S.  85.  Vgl.  unten  S.  93  Anm.  2. 

-  Vgl.  Diittiey  Ann.  d.  l.  !871  S.  219  ff.  Gaedectiens  Das  Modusenhaupt 
von  ßlariaoiim,  Bonn  1874  S.  8  f.  C(»nze  Die  Alhenastatue  S.  10. 

^  An  der  Nikebalustrade  zeigt  sich  schon  eine  Portentwicl^lung  zu  etwas 
ausgesprochenerem  NaluraJismus. 

♦  Mon.  gr.  1872  Taf.  I. 


88  DIE  ATHENA  PARTHENOS 

Sowie  die  ganze  Technik,  in  der  er  seine  beiden  Meisterwerke 
sehnf,  ein  uraltes  U]rbe  orientalischer  Tradition  war,  so  ist  er 
auch  im  einzelnen  treu  der  Tradition  verfahren  und  nur  dass  er 
wie  Dante  die  Ergehnisse  einer  ganzen  Epoche  zusammenfasste 
und  in  idealer  \'erklärung  vor  dieAugen  derMitwelt  hinstellte, 
das  macht  ihn  zum  grössten  Künstler  aller  Zeilen  ^  Verfolgen 
wir  diesen  Gesichtspunkt  auch  in  einer  stilistischen  Ana- 
lyse des  Origi  nals. 

Wenn  wir  uns  dieses  auf  Grund  der  gewonnenen  Resultate 
zu  vergegenwärtigen  suchen,  so  muss  vor  allem  hervorgeho- 
ben werden,  dass  die  Statue  in  erster  l.inie  für  die  Vorder- 
ansicht berechnet  ist.  Mag  das  Gesicht  im  Profil  schöner 
erscheinen,  weil  die  Mängel  der  Ausführung  hier  nicht  so  her- 
vortreten, mögen  auch  die  geschwungenen  Falten  der  rechten 
Seite  dem  Auge  Avohler  thun:  die  feine  Abwägung  dei'  Mas- 
sen ,  der  Rhythmus  der  Stellung,  die  volle  Entfaltung  des  De- 
tails vom  Helmschniuck  bis  auf  die  Fusssohleu  kommt  nur 
bei  der  Vorderansicht  zur  Geltung.  Nach  den  oben  gegebenen 
Maassen  (s.S.  89  An  m.)  war  der  Augenpunkt  eines  Beschauers, der 
in  angemessene  Entfernung  vor  die  Statue  hintrat,  etwas  über 
den  Fusssohlen  der  Göttin,  ungefähr  in  der  Höhe  der  unteren 


'  Andere  Fragen,  die  sich  an  eine  Untersuchung  iiher  die  Parthenos 
knüpfen  Hessen,  z.  B.  die  über  ihren  Standplatz  im  Parthenon,  über  ihre 
Malerialvertheilung,  die  Compositionder  Schild- und  Basisreiiefs,  sowie  über 
andere  Alhenatypen  des  Piiidias  und  seiner  Schule  inüsbcn  einer  anderen 
Gelegenheit  vorbehalten  bleiben.  Nur  in  Betreff  der  Lanze  sei  bemerkt,  dass 
dieselbe  bei  der  übereinslinimeiideii  Stellung  des  Schlangenkopfes  dicht  un- 
ter der  Hand  nicht  von  dieser  gehalten  worden  sein  kann  wie  man  mit  Un- 
recht aus  einer  Stelle  des  Anipelius  geschlossen  hat  (Friederichs  Arch.  Ztg. 
1857  S.  27)  sondern  wenn  man  sie  nicht  ausserhalb  des  Schildes  verlegen 
will,  was  bei  dieser  Ilandlage  ebenfalls  nicht  geht,  am  Oberarm  gelehnt  ha- 
ben muss,  wofür  Michaelis  Taf.  15,11.  Müller-Wieseler  II  434.  Cal.  ofgr. 
cülns.  Sijria  XXII  4  anzuführen  sind.  Das  suh  ipsa  cuspiclexon  der  Sphinx  ge- 
sagt würde  auf  die  Lanzenspitze  bezogen  doch  immer  aull'allig  bleiben  und 
die  verschiedenen  Conjccturen  genügen  nicht.  Ich  vermulhe  a.spide  und  führe 
zur  Bestätigung  eine  bei  Civita  Lavinia  gefundene  Athenastatuc  an  (null.  d.  I. 
1867  S.  142),  der  eine  Sphinx  zum  Schihkintersatz  dient.  Vgl.  die  Verzierung 
von  Blattwerk  an  der  Borirliesischen  Statue  (Conzc  Philol.  XVII  S.  367  IF.). 


DIE  ATHEN A  PABTIIENOS  89 

Schildreliefs.  Für  diesen  Augenpunkt  hat  Pliidias  die  Staliie 
berechnet  und  durch  diese  Berechnung  ist  auch  die  Aufnahme 
auf  Taf.  I  dictirt  worden.  Ein  Vergleich  unserer  Pholosra- 
phien  mit  anderen  wird  zeigen,  dass  die  Statue  bei  den  er- 
steren  ungemein  gewinnt.  Was  bei  dein  liühercn  Augenpunkt 
hart  und  steif  erscheint,  wird  bei  der  ünteransicht  i>;emildert, 
die  horizontalen  Linien  runden  sicli ,  die  Formen  des  Randes 
erhalten  einen  deutlicheren  Schwung,  das  Stolze  und  Majestä- 
tische der  Kopfhaltung  kommt  besser  zum  Ausdruck  und  der 
Helmbusch,  der  sonst  fast  erdrückend  wirkt,  wird  durch  die 
Verkürzung  auf  ein  erträgliches  Maass  reducirt.  Zugleich  ist 
der  Augenpunkt  ein  wenig  nach  rechts  verlegt,  um  die  Nike 
vom  rechten  Arm  loszulösen,  und  dadurch  erhiilt  zugleich  das 
Spielbein  und  der  linke  Arm  eine  leichlere  und  fliessendere 
Bewegung.  Trotz  dieser  Milderung  aber  kann  man  getrost  be- 
haupten,  dass  es  auf  der  ganzen  Welt  keine  Statue  gibt,  die 
in  so  kleinem  Maasslab  eine  so  imponirende  Grossartigkeit 
zum  Ausdruck  bringt  wie  grade  diese.  Wer  die  Photographie 
zum  ersten  Mal  unbefangen  sieht,  der  m«iss  die  Statue  für  ko- 
lossal halten,  so  sehr  ist  sie  für  den  kolossalen  Äfaasstab  be- 
rechnet und  empfunden.  Dies  Gefühl  gibt  mir  die  Überzeu- 
gung, dass  sie  auch  in  den  Proportionen  und  dem  Rhythmus 
der  Bewe^uno"  dieselbe  Glaubwürdigkeit  besitzt,  wie  ich  sie 
für  die  Details  nachgewiesen  habe. 

Die  Verhältnisse  der  Figur  sind  normale,  sie  misst  etwas 
über  7  Kopflängen*.  Helmbusch  und  Sohlen  lassen  sie  vielleicht 
schlanker  erscheinen  als  sie  ist.  Der  Oberkörper  überwiegt, 
wohl  mehr  wegen  der  schmalen  Hüften  und  der  dicken  Äegis 
als  wegen  der  Höhenverhällnisse,  liber  den  Unterkörper.  Die 
strenge  Abgewogenheil  der  Massen  ist  schon  oben  zur  Sprache 
gekommen.  Die  Knappheil  der  Bewegungen,  die  kein  Glied 
aus  dem  oblongen  Rahmen,  den  Säule  und  Schild  bilden, 
heraustreten  lässt,  lag  ebensowohl  in  den  Bedingungen  des 
Materials  und  der  Grösse  w  ie  in  der  religiösen  Auffassung  des 


MiUh.  1880  S.  376  war  statt  dessen  fälsctiiich  9  gedruckt. 


90  DIE  ATHENA  PARTHENOS 

Tempelbikles  nnti  der  strengen  architektonischen  Umgebung 
beo-riindeti.  Besonders  die  letztere  hat  ohne  Zweifel  auf  die 
säuienartige  Strenge  der  Chitonfalten  eingewirkt,  die  das 
Standbein  vollständig  verhüllen  und  noch  in  der  Knielalte  des 
Spielbeins  ihren  Nachklang  finden.  Obwohl  das  schwungvolle 
Ansbiegen  der  Standhüfte,  das  wir  bei  späteren  Athenalypen 
beobachten,  noch  vermieden  ist,  so  ruht  die  Göttin  doch  schon 
ganz  entschieden  auf  dem  rechten  Bein,  und  zwar  ist  diese 
Neuerung,  die  bekanntlich  die  unbrauchbaren  Notizen  römi- 
scher Dilettanten  dem  Polyklet  zuschreiben,  schon  so  ent- 
schieden durchgeführt,  dass  die  linke  Sohle  nur  mit  der  Spitze 
den  Boden  zu  berühren  scheint. 

Ein  ganz  ausgeprägter  Unterschied  von  diesen  und  allen  spä- 
teren Typen  spricht  sich  aber  einmal  darin  aus,  dass  der  Fuss 
des  Spielbeins  nicht  wie  bei  den  polykletischen  Figuren  rück- 
wärts, sondern  einfach  seitwärts  gesetzt  ist,  und  zweitens  dass 
diese  Concenlration  der  Körperlasl  auf  ein  Bein  noch  nicht  auf 
die  Bewegung  des  Oberkörpers  eingewirkt  hat,  indem  die 
Schuller  auf  der  Seite  des  Standbeins  nicht  oder  nur  ganz  un- 
merklich tiefer  steht  als  die  des  Spielbeins.  Auch  ist  der  Blick 
weder  in  dieser  flichtung  gesenkt,  was  sicli  bei  späteren  Sta- 
tuen Iheils  durch  die  Schulterneigung  theils  durch  das  Herab- 
blicken auf  den  Beschauer  motivirt,  noch  auf  einen  Punkt 
ausserhalb  sondern  horizontal  gradeaus  gerichtet,  wenn  man 
von  der  unmerklichen  Drehung;  nach  der  rechten  Schulter  ab- 
sieht,  die  wohl  nur  den  Helmbusch  und  die  Gesichtszüge  in 
einer  leichten  Seitenansicht  zeigen  ,  vielleicht  auch  eine  Art 
idealer  Verbindung  mit  der  Nike  herstellen  sollte.  Denn  nur 
Nike  vermittelt  zwischen  der  Göttin  und  dem  Beschauer.  Wie 
eine  vorrafaelische  Madonna  unnahbar  für  sich  dastehen  würde, 
wenn  die  Heiligen  nicht  die  Vermittlung  mit  dem  gläubigen 
Publicum  übernähmen,  so  schaut  auch  Athena  unnahbar, 
gleichsam  nur  für  sich  selbst  vorhanden  und  sich  selbst  ge- 
nügend, in  die  Ferne. 


»  Vi-l.  hes.  Conzc  Ann.  d.  f.  1861  S.  334  ff. 


DIE  MUmx  PARTHENOS  91 

Erscheint  so  das  ganze  Körporschema  in  lauter  senkrechte 
und  horizontale  Linien  zerlegt,  was  der  strenge  Sclinitt  der 
Aegis-und  Diploiskanten  nor-h  verstärkt,  so  wird  auch  die 
eigentliche  Körperform  gewisserniassen  von  senkrecht  auf  ein- 
ander stosäenden  Flächen  iiinrisse-n.  Diese  Erscheinung,  die 
besonders  deutlich  in  der  Seitenansicht  der  Unterpartie  und 
in  dem  Schnitt  der  unteren  Falten  zu  Tage  tritt,  wird  ijrewöhn- 
lieh  auf  Grund  der  erwähnlen  römischen  iXotizen  als  ein  Mo- 
nopol der  peloponnesischen  Schule  angesehen,  sie  ist  aber  viel- 
mehr das  Kennzeichen  eines  noch  nicht  sanz  freigewor- 
denen  Kunstgefühls.  Ein  sehr  verwandtes  Gefühl  finde  ich 
z.  B.  in  der  Gewandung  der  jetzt  meistens  dem  Polyklet  zu- 
geschriebenen Berliner  Amazone  wieder,  an  der  die  vier  senk- 
rechten Faltengruppen  in  der  Höhe  der  Oberschenkel  wie  ein 
Überbleibsel  des  Marmorwiirfels  aussehen,  in  den  man  die 
runden  Formen  eingeschrieben  hat.  Man  wird  überhaupt  gut 
thun,  in  dieser  Zeit  die  Schulunterschiede  nicht  so  hoch  an- 
zuschlagen wie  man  gewöhnlich  ihut,  zumal  da  ja  auch  Phi- 
dias  aus  der  peloponnesischen  Schule  hervorgegangen  ist. 

Sowie  das  überreiche  Detail  des  Schmuckes  der  Natur  der 
Goldelfenbeintechnik  entsprach,  so  musste  sich  diese  reiche 
Gliederung  auch  auf  die  Gewandbehandlung  erstrecken.  Denn 
abgesehen  von  etwaigen  Emailzierrathen,  die  hier  ebensowe- 
nig wie  am  Zeus  von  Olympia  gefehlt  haben  werden,  galt  es 
durch  Zerlegung  in  möglichst  viel  kleine  Falten  die  grossen 
goldenen  Flächen  zu  unterbrechen,  die  breiten  störenden  Re- 
flexe in  kleine  erträsjlichere  aufzulösen.  Wie  trefflich  dies  Phi- 
dias  durch  die  zahlreichen  tiefen  Einschnitte  zwischen  den 
Falten  und  die  leichte  Modellirung  der  oberen  Faltenflüchen 
erreicht  hat,  können  wir  an  unserer  kleinen  Copie  noch  deut- 
lich beobachten.  Und  diesem  Streben  kam  natürlich  die  bieg- 
same Natur  des  Goldblechs  noch  zu  Hilfe,  die  man  in  dem 
gebogenen  Diploisrand  und  den  wellenförmigen  Falten  der 
offnen  Chitonseite  noch  deutlich  nachzufühlen  glaubt.  Man 
pflegt  diese  Art  der  Behandlung  gewöhnlich  als  Bronzestil  zu 
bezeichnen,  und  etwas  wahres  ist  gewiss  daran.  Allein  man 


92  DIE  ATHENA  PARTHENOS 

sollte  zwischen  dem  nachciscjirten  Bronzeguss  und  diesem 
ßlechbekleidungsstii  doch  einen  Unterschied  mnclien  und  die 
Bedeutung  besonders  des  letzteren,  in  dem  die  grössten  Werke 
des  Alterthums  geschaffen  sind,  auch  für  solche  Marmor- 
werke nicht  zu  gering  anschlagen,  die  nachweislich  von  Anfang 
an  für  Marmor  berechnet  waren. 

Am  meisten  muss  man  sich  hüten,  beim  (icsicht  zu  viel 
Werth  auf  die  Formen  der  Copie  zu  legen.  Dennoch  gehört  ge- 
rade das  was  dem  modernen  Beschauer  besonders  auffällt,  der 
dicke  Hals,  die  breite  fast  klobige  Anlage  der  Wangen,  die 
mächtige  aber  kurze  Nase,  das  volle  rnnde  Kinn  ohne  Zweifel 
dem  Original  an.  Der  Mund  freilich  mag  weniger  gross,  die 
Lippen  schöner  geschwungen,  die  Augen  tiefer  liegend  und 
richtiger  gewölbt  gewesen  sein.  Soviel  wird  man  zugeben, 
dass  besonders  das  ProHl  mit  der  edlen  graden  l^inie,  die  Stirn 
und  Nase  bilden,  mit  der  enei'gisch  gezeichneten  Unterlippe 
und  dem  rund  modellirten  Kirm,  mit  den  schlicht  herabfal- 
lenden Locken  vor  den  Ohren  und  den  wellenförmigen,  die 
auf  die  Schultern  niedorliängen ,  dem  Ideal  des  Phidiasschen 
Gesichtes,  w  ie  wir  es  bisher  nur  aus  der  schönen  elischen  Münze 
Hadrians  in  Paris  kennen^,  sehr  NNoh'  entspricht.  Vollständig 
durchgeführt  sehen  wir  hier  schon  ein  Princip,  das  die  archai- 
sche Ivnnst  nur  erst  ausnahmsweise^  kennt  und  das  sich  in 
der  statuarischen  Plastik  zum  ersten  Mal  an  den  olympischen 
Giebelfio-uren  mit  merkbaren  Schwanknn2;en  durchbricht,  das 
Zu  rück  treten  des  U  ntergesicli  is,  das  mit  der  Nasen-  und 
Slirnlinie  einen  stumpfen  Winkel  bildet.  Ebenso  wie  die  runde 
Anlage  des  Gesichts  in  der  Vorderansicht  sowohl  an  dem  Apol- 
lonkopf  des  östlichen  Parthenonfrieses,  wie  an  den  Amazonen 
und  Athleten  Polyklets  erscheint,  so  beffe^net  uns  auch  das 

J  ■'CO 

zurücktretende  gerundete  Kinn  bei  beiden  Künstlern  zugleich, 
es  ist  weder  Phidias' noch   Polyklets  Erllndung,  sondern  in 


1  Overbeclt  Kanstmyili.  Miiiizlafel  I  Fi^'.  34.  Gösch,  d.  griech.  Plast.  I  ^  S. 
258  c.  Friedländer  Moiialsbor..cl.  Berl.  Ak.  1874  Hl. 

2  Vgl.  die  AUieiiaküjife  der  allen  altisclicn  Tcliadrachrnen. 


DIE  ATHENA  PARTHENOS  93 

den  peloponnesischen  Schulen,  aus  denen  sie  hervorgegangen 
sind,  ohne  Zweifel  ganz  allmählich  enUvickelt  worden.  Als 
unmittelbare  stiÜBlische  VorsLuie  dieses  Gesichts,  dem  ich  als 
bestes  Seilenstück  jetzt  nur  die  Sapphoherme  in  Madrid  an 
die  Seite  stellen  kann*,  darf  man  etwa  das  des  Apollon  im 
VVestgiebel  von  01}n)pia  nennen.  Dieselbe  Weilerentwicklung 
der  dort  gegebenen  Formen  können  wir  auch  in  der  Stellung 
und  Gewandung  gegenüber  den  olympischen  Giebelstatuen  beo- 
bachten. Vergleicht  man  hierin  unsere  Athena  mit  den  ana- 
logen Figuren  der  llippodameia,  Hesperide  und  der  Athena 
der  Augiasmetope*,  so  ist  eine  gewisse  Aehnlichkeit  im  Ver- 
ticalismus  der  Falten  und  den  gebogenen  Chitonrändern  nicht 
zu  verkennen.  Und  doch  wie  viel  sorgfältiger  sind  die  Falten 
in  sich  modellirt,  wie  viel  mehr  sind  die  kleinen  Faltenmo- 
live  über  dem  Gürtel  der  ,\alur  abgelauscht,  wie  viel  sicherer 
steht  Athena  auf  dem  Standbein,  wie  viel  ungezwungener  hält 
sie  den  Schild  ! 

Andrerseits  kann  man  doch  nicht  verkennen,  dass  die  wür- 
devolle liuhe  unserer  Athena  in  starkem  Conlrast  steht  mit 
den  dramatischen  rauschenden  Composilionen  des  Parthenon- 
giebels. Zum  grossen  Theil  mag  das  am  Material  liegen,  denn 
auch  der  Zeus  des  Pliidias  soweit  wir  ihn  kennen  zeigt  die- 
selbe gemessene  sehlichte  Haltung.  Aber  die  deutlichen  Zeichen 
von  zurückgebliebenem  Archaismus  im  Detail,  die  uns  im 
Laufe  {\e\'  Untorsneliunfi;  begegnet  sind  und  die  diese  Entschul- 
diaiuno  nicht  erlauben,  machen  eine  andere  Erklärung  wahr- 
scheinlichei-.  Sowie  der  Parthenoufries  seiner  ganzen  Haltung 
nach  eiil.scliieden  etwas  alterthümlicher  ist  als  die  Giebelfi- 
guren, wie  er  denn  ohne  Zweifel  auch  frülier  während  des 
Baues  ausgeführt  wurde,  so  ist  das  Cultbild  der  Athena  wie 
mir  scheint  archaischer  als  der  ganze  übrige  Tempelschmuck. 
Und  es  ist  ja  auch  an  sich  wahrscheinlich,  dass  als  nach  der 


1  Arch.  Ztg.  1871  Taf.  50. 

2  Diesen  wäre  etwa  die  erwähnte  Allienastatueltc  von  der  Burg  an  die 
Seile  zu  stellen,  die  demnächst  publicirt  werden  wird. 


94  DIE  ATHENA  PARTHENOS 

Verlegung  des  Bundesschalzes  der  Bau  des  Parthenon  begann, 
Pliidias  bei  seiner  vorwiegend  plastischen  Begabung  zuerst 
das  Tempelbild,  den  geistigen  und  künstlerischen  Mittelpunkt 
des  ganzen  Baues,  in  seiner  Phantasie  erstehen  liess  und  gleich 
damals  die  Skizzen  dazu  machte,  während  die  Ausführung,  die 
dann  begann,  offenbar  viele  Jahre  in  Anspruch  nahm  und 
erst  mit  Ol.  85,  3/438  endigte.  Damals  wurde  die  Parlhenos 
aufgestellt  und  dem  Publicum  enthüllt,  ihre  eigentliche  Ent- 
slehungszeit  fällt  in  die  Mitte  desV.  Jahrhunderts,  wohin  sie 
ihrer  ganzen  Auffassung  und  Erscheinungsform  nach  am  besten 
passt. 

KONRAD  LANGE. 


Mittheilungen  aus  Kleinasien. 

I.   Ehrendekrete,  aus  Lanipsakos, 

Vor  einigen  Monaton  gelangten  Ahklatsche  von  drei  Inschrif- 
ten nach  Athen,  die  ein  Antikenhändler  in  Gallipoli  von  einem 
der  wolilhahenderen  Türken  in  Lapsaki  erworhen  halte.  Die 
Existenz  der  3  IMalten  scheint  einem  engeren  Kreise  schon 
längere  Jahre  bekannt  gewesen  zu  sein,  aber  erst  kurz  vorder 
angegebenen  Zeilliess  sich  ihr  früherer  Besitzer  zum  Verkauf 
herbei,  ohne  jedoch  weitere  Nachforschungen  zu  gestatten.  Ob 
solche  zur  AiiffinHung  der  fehlenden  Fragmente  führen  könn- 
ten scheint  mir  zweifelhaft,  denn  es  steht  nicht  fest,  dass  die 
Steine  beim  Bandes  türkischen  Hauses  gefunden  wurden.  Doch 
ist  dies  nicht  unwahrscheinlicii,  da  das  Haus  möglicherweise 
an  der  alten  Agora  oder  in  einem  andern  hervorragenden  Theil 
der  alten  Stadt  lag  und  an  der  Aufstellung  der  Platten  an  einem 
bevorzugten  Platz  in  Lampsakos  dem  Inhalte  nach  nicht  ge- 
zweifelt werden  kann.  Ich  halte  es  nicht  für  überflüssig  zu 
bemerken,  dass  ich  auf  meiner  jüngst  beendeten  kleinasiati- 
schen Heise,  die  mich  mehrmals  über  die  alle  Stadt  führte,  Ge- 
legenheit fand  zu  constatiren,  dass  die  oben  milgetheilten  Be- 
merkungen über  die  Provenienz  für  sicher  gelten  dürfen.  Nach 
jenen  unvollkommenen  Abklatschen  sind  die  drei  Inschriften 
von  Prof.  Kumanudes  im 'aOyivxiov  0'  S.  312  fg.  als  zu  einem 
Dekret  gehörend  publicirtworden.  Nachdem  aber  die  Steine  von 
der  archäologischen  Gesellschaft  angekauft  und  nach  Athen 
gebracht  waren,  ergab  der  erste  Blick,  dass  das  kleinere  Frag- 
ment zu  einem  andern  Dekret  gehörte.  Eine  erneute  Revision 
nach  den  Originalen  ist  von  Herrn  Kumanudes  soeben  in  der- 
selben Zeitschrift  a.  a.  0.  S.  364  fg.  mitgetheilt.  Die  histo- 
rische Wichtigkeit  namentlich  der  zwei  Hauplplatten  veran- 
lasst mich  die'  Inschriften  hier  nochmals  zu  publiciren. 


96  MITTHEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN 

1.  Die  beiden  grösseren  Fragmente. 

Die  beiden  grösseren  Inschriften,  deren  Text  auf  den  ange- 
hängten Beilugen   abgedruckt  ist,  befinden  sich  auf  weissen 
Marmorplalten,  deren  Rüek-und  Schmalseilen  nur  roh  geglättet 
sind.  Auf  der  r.  Schmalseite  der  Platte  I  ist  oben,  auf  der  Fort- 
setzung derselben   bei  der  Platte  il  unten  ein   kleines  viere- 
ckiges Dübeiloch  ausgemeissell,  vermittelst  welcher  die  rechte 
Seite  der  Inschriftplalte  vielleicht  an  einer  Wand  befestigt  war; 
auf  der  linken  Schmalseite  beider  Platten  sind  solche  Dübellö- 
cher nicht  vorhanden.  Die  grösste  Länge  beider  Platten  be- 
trägt je  ung.  0,67,  die  Breite  nimmt  bei  beiden  nach  unten 
hin  allmählich  zu,  bei  I  von  0,535  bis  zu  0,545,  bei  11  von 
0,545  bis  0,56"*.  Dasselbe  Verhällniss  gilt  für  die  Dicke  der 
Platten,  bei  f  von  0,095   bis  0,10,  bei  11  von  0,10  bis  0,11. 
Schon  diese  Maasse  beweisen,  dass  zwischen  dem  Ende  der 
ersten  und  dem  Anfang  der  zweiten  Inschrift  nur  sehr  we- 
nige Zeilen  verloren  gegangen  sind.  Für  die  Ergänzung  der 
Anfangs-und  Endbuchstaben  sämmtlicher  Zeilen  ist  noch  Fol- 
gendes zu  bemerken:   Auf  der  geglätteten   Fronffläche,   der 
Insel] riftseife,   ist  bei  beiden   Platten  an  beiden   Rändern  ein 
ziemlich  gleichmässig  breiler  Streifen  weggcmeisselt;  dadurch 
sind  an  den  Anfängen  sämmtlicher  Zeilen  meist  uno.  10  (am 
oberen  Ende  des  Streifens  bei  I  und  dem  untern  bei  H  mehr), 
an  den  Enden  eine  bei  Platte  I  von  1  bis  7,  bei  Platte  II  von 
durchschnittlich  7  bis  8  steigende  Anzahl  von  Buchslaben  ver- 
loren gegangen.  Diese  gleichmässige  Breite  des  weggemeisselten 
Streifens  am  Anfang  und  die  gleichmässig  zunehmende  Breite 
des  Streifens  am  Ende  der  Zeilen  beweisen,  dass  die  Streifen 
fortgcschlagen  wurden,  bevor  der  Stein  in  zwei  Hälften   ge- 
spalten, mit  anderen   Worten,  dass  die  Platte  früher  anders 
als  zur  Zeit  der  letzten  Auffindung  verwandt  worden  ist,  die 
erste  Auffindung  des  Steins  also  wohl  schon  vor  vielen  Jahren 
erfolgt  sein  mag.  Dadurch  w^ird  diellolTnungauf  den  Fund  wei- 
terer Fragmente  noch  weiter  abgeschwächt.  Ein  Theil  der  Buch- 
staben, namentlich  die  ersten  Zeilen  von  I  sind 'offenbar  lange 


3 


_CI'EPANnrErPAMMENC 

«AIKATAKAAOYMENOYM  ETAPAZH  »  .   .  .   . 

..:.En|AnlONTAIEAYTOYZKAIYH(|)IEAMENOY 
.rPEZBEYZASINYPEPTHZnOAEnznPOZTEfrei 

HTAZKAIPnMAlOYZTIMIONTlYnAPiEIPAPATO. 
\IINAOTANEnANEAOnzlNOinPEZI,.lEYTAinPOBC    . 

.OYAHKAOOTITI  M  I' J,  H  I  O  N  T  A  1  K  A  I  PPOB  A  H  O  E  NT  .  . 

.OYKYnOMENONTnNENinNAEKAIXElPOTONHO"^.   . 

.MOZAMENnNAIATOMErEOOZTHEKOMIAHZ.  .  . 

.  .  .  .HrHZlAlPPOBAHOEIZANTITOYEiOMOZ/    .  . 

\HOEIZKAIAZIfiOEIZYPOTOYAHMOYOYA.    .  . 

....'ltATATHNEI<^aHMIA^4l<IN^YNnNAAA.... 

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THNPPEZBEIANKAIErAHMHZAZKAIPA.  .   .   . 

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PATHrniTSlNPnMAinNTniEPITnNNA''.. 

PEAOri5;ATOAYT;:;iaiAPAEIONnNAIOTII.. 

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.  .  PPOZAYTONKAIAlOTIAilOlHAYTONKAIPAPA 

,  .  .YMPPEZBEYTnNONTnNHMnNZYrrENnNTf  .  .  . 
MPEPITHZPOAEnZHMnNINAZYNTEAHT*    .   .  .  . 

..\YZITEAHTniAHMniEPIBAAAElNrAPAY-... 

.    rAZOAITnNTHIPOAEIZYM*EPONTnNaiATE.   .   .  . 

.   .    IMINPPOZAYTOYZZYrrENEIANHNKAIAPO 

AIAIATOMAZZAAIHTAZEINAIHMINAAEAC    .   .   . 

.  .  .    JIKAIZYMMAXOITOYAHMOYTOYPÜMAInNK.   .   .  . 

ABnZINAPOKPIZEIZTAZAPMOIOYZAZT.  .   _  ^ 

ZTEIAAZOAlAinNEYOAPZEZTEPOZOAH.  .   .  . 

AlzaiAZA^EIAPOAEXOMENOZTHNOIKE.  .   .   . 

.  .   .   .  ElANTHNYPAPXOYZANHMINPPOZPSiy 

rOEANPPOZTINAZitHAlANHOPKlAPOHTAI 

.   .    .  .ZPIAHYETAlTHMPOAlNHMnNHAiaiATHP.   .  .   . 

.  .    \TIANkAITHNAYTONOMIANKAITHNEIPH 

.   .  .    •IHTAIEYXPHZTHZEINÜAIAIOTIEANTIZI  .   .  .  . 

AlOYKEPITPEYElAAAAKnAYZEIENTY) 

...ZBEYTnNTniEPITOYNAYTIKOYTAMIA... 

ZAYTONAEITINOZArAOOYPAPAITIONflNI .   .  . 

.   .   .   .APAYTOYEPIZTOAHNPPOZTONAHMO 

.  .ZYM((lEPOYZANEINAlKATEXnPIZENFi-^ 

AlAKOMIZOFi-'Ar... 


..K\,iPEPnNElXENTAYH(tilZMATAPA!Y. 

.'anpaoynpoaynkaiepikinaynonep.  .  . 
.»ioyzpapezthzatoaytüyzkaieppa; 

.  .  .EYTnNElZTOZYMPPEZBEYZAZOAlMEO^    . 

.  .  "PnMHNKPINANTEZAEXPHZlMONEINAIAilf  .  .  . 
,   .  .EEAKOZISlNZYMIfEPOYZANEPIZTOAHNY.   . 

.  lONXnNTOAOZTOAnnNrAAATnNAIAKOM.  .  .  . 
.  .  .  TNZYMPPEZBEYTnNKAUnNZYNAPOZT.  . 
.  .   .AlAZKAIXPHMATIZAZTHIZYNKAHTniMET.. 

.   .  TnNTHNEYNOIANKAITHNAIPEZINH  NE  X  .   .   . 

TOYZKAIANANEnZAMENnNTHNYPAPXO  . 

.  .AYTOYZAPOAOnZAMENnNAEAYTOIZKAI.  .. 
.  .  .  NEmAIAAEAit>OIZTniaHMniHMnNZYMBAINE. 
.  .  .  DYOONEXEINTHIZYrrENEIA:;',NE*ANIZEAEAY. 
.  .  .  TfiNKAIONPPOZAEOMEN,/;;zOAHMOZYPAP5AI 
.  ..MPPEZBEIANKAIPAPEkAAElAYTOYZMETAT 
.  .PEPITHZTnNAAAnN(t>IAnNKAIOIKEinN.. 
.  ..AlYPEPTHZPOAEnzHMnN'JPONTIZEINA.. 
.  ..-AYPAPXONTAHMINPPOZAYTOYZ*IAA. 
...IMENHNHMINZYZTAZINAIAMAZZA»... 
.  ...^BEINZYMlfEPOYZANTniAHMniKAIEr-... 
...EYTnNOPnzZYMPEPIAH*OnMEN. 
.  TAIZPEN  OMEN  Alz  PtiMAlOIZPPOZTOM;;;/  .. 
.  ...EAABENHMAZ-NTAIZZYNOHKAIZPP.. 
.TIKAlAi  lOfö-^AitlOYZINPEPIAETnN/  .. 
.ENAYTO   .ZHZYPKAHTOZPPOZTON.., 

3NYPATONTITONKAITOYZAEKATOYZE.  .  . 
.  .  NKAIPAP/TENOMENOZEIZKOPINOONME  .  . 
.AAOAÜPOYENETYXENTniZTPATHPni.. 
..AEPEIZAYTOIZYPEPTOYAHMOYKAIPA.. 
.  .  .(MAOTIM  lAZINAPPONOIANPOinNTAI.  .  . 
.  ..STAIEIZTOAlAZnilEZOAlTHMPOAlN.. 
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liEÜoei  ^  ßVU  ««06TI  -;ft[iiO]flOovT«i,  xxl  7ipoeXKi6EV-r[uv 
TiviJv  xstl]  oü]^  ÜTioiLeviSvTUv   evCuv  ji  *al  ^eipoTov7iOä[vT- 

tO    UV  ecX>'  j^o]^07i)C[i.su(i>v  Siä  tö  ^eysOo;  tu;  KOfAiffl;  [xocl 
Til5  ä^>)nieu;,  'Hjyviiiix;  npoSl'oOEi;  ävtI  ioü  eSo[jiool«(ji«- 
vou  Tou  äeTvo;,  aip])iÖel;  x«l  (Xl^JidOeU  Ü:;&  toO  &r[iou  oüS[svk 
Xörov  el^t  tDv]  x«7«   TViv  ^KT^vi^ixv  xiv^üvuv  (xX}.[ä  ev 
i),«ffcgvi  efifAEJvo;  tÖe  itaiö'  cc0t6v  toa  t?  ivilEt  oujji^Etpov- 

15    To;  ETiE^c^XTo]  tviv  TcpEs€eixv,  Aotl  ey[Ä]7)jjL^7x;   x«l  TjstJpoCY«- 
vö^EVo;  e{;  tVjv]  'E>.1x5ä  evtuj^Üw   [leti  tCiv  ffu[i5Tp[65- 

SeUTÜV    Ttf    OTjpOtTYiyifl    TÖV    'PtiHLxitiiM     T^    illl    tQv    VÄtuTl- 

xAv  Aotj)ti(|j  ÄjviEloyioxTO  «üt[ö]i  Jii  Ti^Etivuv  Jiöti  c'uy- 
yevvi;  üv  ncei]  ^Uo;  ö  S^(i.o;  TotJ  Tuu-xtutv  Si^jjiou  i5«"Ei[Tei- 

20    >EV  ävÄpx;]    Tipili  aiTÖv   ««l  ÄlÖTl    i^lOlT)  «üviv   Xxl   TKpx[XKV 

oivi  (AET«  tfiv  c]u(i.— pE^fieuTüiv,  övTUv  :n[J-üv  au^y^^t^^    '[öv  'Pw- 
(ixlbiv,  :;povoeI]u  ;;Epi  TU;  ^ö>eci>;  ^^t^Qv,  Xvx  cuvTeXflTK[i  ft  Jo- 
xet  eIvxl]  lu<;iTE>vS  tO  S^{Ji(i>  (^;ci€xX%Etv  yacp  oiÜ[toT( 
dcEl  TTpotsjTieoöxi  TÖV  T^  7:61ei  oufiYEpövTuv  iix  TC  (tiiv  ü- 

25    iT«p/ouaxv  ^][itv  rpö;  xütoÜ;  auyysveixv  vjv  xxl  Äni  [jrpoyö- 
vev  uTTxpSxi  »]xl  Jtx  Ti  Mxoffxii^T«;  eIvxi  ^(ilv  «Äel[l<oüc 
ot  etat  flXloi  xxt  cÜjaux^oi  -roCi  5iö[tou  tüv  'P(i)|^a(b)v)  x[ocl  S- 
tav  wxp'  «0Toi3  >]x6uciv  ÄTioxpIoE«  t«?  äp|AoCo«5«i:,  -[?  (Tuy- 
xl^Ttp  iiTTo]!7Te'ax(i9xi,  ^i"  &v  «üQxpseoTepo!  i  5i)[[io;  I- 

30    pET  &  Tat;  ypxf  jx!;  ^txsx^E?.    'AnoJE;(ö(j^Evo;  tviv  (iixG[iäTY]- 
T«  xxl  ouyyevjeixv  t^v  OTcäp^ousKv  ^ä^^^v  wpö;  'Pu[A[Kiou; 
dvTxnexpLvxJTo,  eÄv  irpö;  Tivx;  ftXxv  51  6px.tse  TTofiTXi,  [ev  tat; 
ouvOvixxt;  RJEpt^^ijrsTKt  TT)[J.  RoXiv  ■Jjy.Stv  xxl  JtXT'np^ini'Ei 

■CT|V   Jn^OV.pxJTtXV  Xxi  T7)V  KÜ-OV0|jLtxv  Xxl   TYIV   eIpiÄ[viriV 

36   K«l  Ä  3v  fxijviiTUi  6ÜxP'»l""'il5eiv  xxl  ÄiÖti  c«v  ti;  [;c«pcv- 
o;t\Elv  itcipäEtJxi  oüx.  f^itpEtjiGi  ä>.^A  xuXuiti.  'Evtu[jÜv  (Aeti 
Tütv  sufjurpejsSeuTöv  t$  Eni  toü  vxutixoQ  TX|iLx[i  -riii 
Setvi  eS  eE$Ü];  aÜTf>v  cceI  tivo;  «yxeoC  napxi-riov  yiuECvSai 
GKopLiuxTo  7;]xp'  xOtoS  eaiffTo^'flv  Trpi;  t6v  Äü(jlo[v  -^jiSiv, 

40   ftv  xplvuv]  oujAfGpouaxv  elvxi  xxTGj^üpiSEV  Et;  [tcc;  nap'  A- 


xxl  üjxip  iv  er;^ev  t«  'J^YiftdpixTx.  li[>Eij(i«;  ei; 
tV)v  Mx<iffx),i]xy  nXoüv  tioXuv  xxl  iicixivÄuvov  ^TilciÖöv  iitl 
TOÜ!  E5a>to]iiou!  7vape(iT>ii«T0  kütoÜs  xxl  lTpx[;E  (isti 
xav  (TU[iTCpBo€]EVT£Sv  e{;  tÖ  su^tirpEuäEtiseeafixt  ^£9[gciTQv  np- 
5   eoSeut«;  ei];  *Pu[jt,v]v.  KptvxvTe;  3e  ^pi^aijjiov  slvxi  i5iü[a«v't»;  l>- 
«Sov  Tc«pi  Tüv]  e^xxo7i<i>v  <ru)*y«oou7acv  £jci«ToX-nv  ii[7;ip  '^[i.av 
Ttpä;  TÖV  Ä-flftlov  TÖV  ToXoffToxyltiiv  Tk^xtüv.  dtxxo(i[ta(ltl;  ({; 

'PÜftVJV  [iCTX  t]ÖV   OUflTTpEcSeJTav   Xxl   TÖV   SUVXTCOff t[x>eviuv 

i*.  T*l;  MxaaxjXix;  xxl  •f_fti\t.xtlixi  -rf  (7uvxXinT((»  ^ET[ct;^Ev  «ü- 
10  Tüv  &yi).U9Kv]Tb)v  T^v  eSvoixv  kxI  -cviv  «tpsciv  ^v  £x[»<-e;  <»- 
TE^LoS'iiRpit;  aüJTOü;  %xl  ävKvEbi7X[i.Evuv  tViv  ünKpj(o[uaxv  cufL- 
fxxxixv  wpi;]  xÜToü;,  ä;ro>oyi7a[tEvti>v  Äs  «üt(i[I;]  xocl  [ngpl  ii^Qv, 
iiiti  xÜToI;]  elvxt  iitX^tiXi  t$  Sv|[1(iI  ^jaQv  cu(iSxive[(  xat  tiiv 
B^voixv  sx6l]ou0ov  ^X'^^  *•)!  tiuyyEvs'.a:.  'Bve^xvice  Sc  «»[toT;  xxl 
1 5  nzpk  Tüv  rx>K]TÜv  x«l  £v  npD;JEÖ^Ev[o];  ö  3fl(io;  Oicxp^xi  [xOt«^  i^- 
anEOTei^B  t'/)][i  T;pE?SEixv  xxl— xpExx^si  xütoÜ;  [itTx  t[Stv  ou[i- 
nptoSEuTtitv]  xEpl  T-^;  -rStv  £>l^<i>v  fUuv  xxl  oIxEtuv  [xi^xAGi- 
«;  TtpovoElv  x]xl  üjtEp  Ti](  nd>EUC  :ftu.wv  9povT;[!;]iiv  .^[li  T-flv  «yy- 

20  XX,  Tviv  yEyt.^]|ievv,v  -^Tv  «ricTX.:iv  Ä^i  Mx,a«[i.^T«.  Ä;.- 

Ov   £;ctGTO>TlV  XJxSlIv  QU^J^fEpQUaXV  lip  {'^{Atil.   Kxl   ^y[Xl7TKpV17«V- 

Tuv  TÜV  npEaSjeuTÖv  Ö-o;  <Tu;ji-GpiXvif  Oo^isv  [iv  txi^ 
ouvöwxxii]  Txl;  yEV0[tevxi;  'PuulxEoi;  itpi;  tJ(ji[  ßx^i^ix,  «i- 
T»i  (iiv  ou(*7:EpOE\«Stv  :fijA«;   [e]v  txI;  o^jvOiiAxii  T:[pi(  Ti[ji  ßx- 

25  <ti>f«  xxOöJTt  Äxl  x[iTöl  yplx^ouTcv,  -sBpl  H  tßv  [äXXuv  «xw- 
Tuv  Äv^yxyjiv  «üto[u];  ^  cüyÄV/tTo;  J7p6;  Ti[v  töv  'Pufixl- 
uv  <iTpKTY]y]&v  ünxTov  TtTov  x«l  Toii(  $Exx  Toü;  i[-Ki  tQv  tJ); 
'AoLx;  7;ÖXe(ti]v.  Kxl  !rxp[x]yEvö[tevo;  Et;  KöpivOov  ^e[tk  toO  JcC- 
vo;  xxl  'AnoJXXoÄüpou  evetu^«*  tJJ  ffTpXTJiyiJ  [xxl  toTj 

30  ScKX  xxl  Six]XGyEl;  ccütoT;  ünsp  tci3  j^jiou  xxt  i:x[pxxkXe<i- 
«(  [iETi  KK^Ti;]  fi'XoTipiix;  tvx  Trpävotxv  noLQvTXi  [ÜTUEp  ^^Lütv 
xxl  «uii,exVXii>].Txi  Eis  TÖ  SixciiCesOxi  tvi;*  itdXiv  [-«[tav  «lix- 
Ovo;i.(mii£vviv]  xxl  XjiiAOxpxToujxevviv  nspl  u-j  [x]xl 
]v  xxl  EretnToXis  i:pi(  toü;  ßxctXells 

35  olyffx;  aür^  gTvxi  J(x;:EaTEiXEv  [ 

ä  J^11.]d;  xxO^Ti  ffpoe^i]f>io[xTi> . . 


MITTHEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN  97 

der  Feuchligkeit  stark  auü^esclzt  gewesen  und  dadurch  zer- 
fressen . 

Da  dec  Abstand  der  ßuchslaben  unter  einander  in  den  ver- 
schiedenen Zeilen  sehr  ungleich  ist,  lässt  sich  die  Anzahl  der 
am  Anfang  und  Knde  derselben  ausgefallenen  Buchstaben  nur 
annähernd  genau  angeben;  danach  ist  die  nach  der  Buchsta- 
benweite jeder  einzelnen  Zeile  berechnete  Anzahl  der  Punkte 
auf  der  angehängten  Inschriftlafel  (Beilage  I )  sowie  die  in  der 
Umschreibung  (Beilage  II)  versuchte  Ausfüllung  der  Lücken 
zu  beurlheileu.  Die  Ergänzungen  der  schwierigeren  Stellen 
finden  in  den  nachfolgenden  Bemerkungen  ihre  Erläuterung. 

Unsere  Insehrifl  führt  uns  in  manchen  charakteristischen 
Zügen  das  Bild  einer  der  bedeutenderen  Städte  des  nordwest- 
lichen Kleinasiens  im  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  v. 
Chr.  vor  die  Auüen.  Wir  sehen  eine  Gcsandtsciiaft  der  Stadt 
Eamj)sakos,  die  in  den  Berichten  über  die  Geschichte  dieser 
Zeit  und  dieser  Gegenden  neben  den  Diadochengründungen 
Sniyrnaund  Alexandria  Troas  hervortritt,  unter  Führungeines 
dafür  von  der  Stadt  geehrten  Bürgers  derselben  Namens  Ile- 
gesias  eine  weile  Beise  nach  Griechenland,  Gallien  und  Ita- 
lien unternehmen.  Der  Hauptzweck  der  Beise  war,  von  dem 
Senate  in  Rom  Schutz  der  besiehenden  Verfassung  und  Unab- 
hängigkeit gegenüber  den  von  aussen  drohenden  AngrilTen 
zu  erwirken.  Die  Gesandten  waren  angewiesen,  sich  zunächst 
nach  Massalia  zu  wenden,  deren  F]in  wohner  wie  die  von  Lamp- 
sakos  von  Phokäa  abstammten,  um  durch  Betheiligung  der- 
selben an  der  Gesandtschaft  und  Fürsprache  im  Senat  von  dem 
mit  Massalia  von  jeher  in  enger  Freundschaft  und,  Bundesge- 
nossenschaft siehenden  Rom  günslige  Antwort  zu  erwirken*. 
Auf  dem  Wege  nach  Massalia  trafen  die  Gesandfeen  mit  dem 
praefectus  classis  und  seinem  ihn  gelegentlich  vertretenden 
Quaestor  zusammen  und  erwirkten  sich  auch  die  Vermittlung 
dieser.  Der  Senat  gab  ihnen  im  Allgemeinen  den  erwünschten 


'  Aehnlicher  FallPolyb.  XXII  7  =  Livius  XXXVII 56  (Rhodos  für  Solei); 
vgl.  Böckh  zu  C.  I.  G.  3640  (luschrift  aus  Luinpsakos). 

MITTH.D.  ARCH.INST.  VI.  7 


98  MITTHEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN 

Bescheid^  verwies  sie  aber  für  die  Regelung  des  Einzelnen  an 
den  sich  damals  in  Korinth  aufhallenden  T.  Quinetius  Fla-r 
mininus,  dem  er  in  Verein  mit  einer  ans  zehn  Personen  beste- 
henden Friedenscommission  die  Regelung  der  Zustände  im 
Orient  anvertraut  halte. 

In  dem  weggebrochenen  Schluss  der  Inschrift  war  gesagt, 
dassdie  durch  einen  Vorbeschluss  in  Aussicht  gestellten  Ehren 
dem  Hegesias  und  seinen  Milgesandten  zu  Theil  geworden  und 
das  Ehrendekret  des  Hegesias  an  einem  hervorragenden  Orte 
aufgestellt  werden  sollte.  Da  dies  typisch  ist,  fehlt  uns  nach 
Ergänzung  der  vorhandenen  Lücken  kein  wesentlicher  Theil 
des  nicht  bloss  durch  lebendige  Zusammenfassung  im  Allge- 
meinen bekannter  oder  nach  analogen  Fällen  zu  erschliessen- 
der,  sondern  auch  durch  Erwähnung  mehrerer  uns  neuer 
Thatsachen  lehrreichen  Beschlusses.  Seine  Eintragung  in  den 
uns  in  zwei  grossen  Fragmenten  erhaltenen  Stein  erfolgte 
jedenfalls  kurz  nach  der  Beendigung  der  Gesandlschaftsreise 
und  dem  in  der  Volksversammlung  zu  Lampsakos  abgestatle- 
ten  Berichte  über  den  glücklichen  Erfolg  derselben. 

Die  Zeit  der  Gesandtschaft,  somit  auch  der  Abfassung  des 
vorliegenden  Ehrendekrets,  lässt  sich  zum  Theil  aus  der  In- 
schrift zum  Theil  aus  der  schriftlichen  Überlieferung  genau 
bestimmen. 

Aus  dem  zweiten  Theil  der  Platte  II  sehen  wir,  dass  (die 
Richtigkeit  der  vorgeschlagenen  Ergänzungen  vorausgesetzt) 
die  Römer  mit  einem  Könige  einen  Friedensvertrag  abge- 
schlossen hatten,  dessen  Ratification  dem  zur  Zeit  der  Gesandt- 
schaft inKorinth  befindlichen  Flamininus*  und  der  sich  eben- 
falls noch  dort  aufhaltenden  Zehnmännercommission  übertra- 
gen war.  Flamininus  ging  in  seinem  Consulatsjahre  198  v. 


*  Die  Ergänzung  seines  Titels  oirpatriYÖi;  UnaToj  nach  dem  altern  Gebrauch, 
vgl.  Th.  Mommsen  Rom.  Slaatsr.  II  S.  72;  dieselbe  inschrittliche  Bezeich- 
nung des  Flamininus  findet  sich  auch  C.  I.  G.  1325  (Gylhion)  und  1770 
(Kyreliai).  Vgl.  Wadilington  zu  Le  Bas  A.sie  mineure  588  (aus  Merakleia 
am  LaUnos,  Erlass  des  Manlius  und  der  Zehnmäniii'-rrunimissjoii  nach  der 
Niederlage  Anliochos  d.  Gr.). 


MITTHEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN  99 

Chr.  nach  Griechenland,  überwinterte  in  Pljokis,  beendigle 
dann  gegen  Ende  d.  J.  197  durch  den  Sieg  bei  Kynoskephalä 
den  Krieg  mit  Philippos,  brachte  den  folgenden  Winter  in 
Athen  zu  und  erklärte  im  folgenden  Frühjahr  auf  den  islhmi- 
schen  Spielen  die  Philippos  unterworfen  gewesenen  Griechen 
für  frei;  der  Senat  verlängerte  ihm  daraufsein  Imperium  für 
195,  um  durch  ihn  den  Nabis  zu  züchtigen,  worauf  er  dann 
i.  J.  194  nach  Kom  zurückkehrte.  Im.  J.  192  geht  er  vor  dem 
Ausbruch  des  Krieges  mit  Antiochos  noch  einmal,  an  der 
Spitze  einer  Gesandtschaft,  nach  Giiechenland,  doch  ist  er 
nicht  weiter  als  Feldherr,  sondern  nur  als  der  Vermittler  zwi- 
schen dem  Senat  und  Griechenland  thätig. 

Da  Flamininus   in  der  Inschrift  den  Titel  crpxTTiyö?  Öttxto? 
führt,  und  sich  mit  der  Fciedenscommission  in  Korinth  befin- 
det, kann  nur  an  das  Jahr  19G  gedacht  werden,  für  welches 
nach    den    schriftlichen  Zeugnissen   beides   eintrifft  (Polyb. 
XVIII  45  (28),  47  (30)  fg.  Liv.  X.XXIII  31  fg;  Plut.  Flaminin. 
10).  Diese  erwähnen  indessen  nicht,  dass' damals   Gesandte 
aus  Lampsakosvor  Titus  und  dem  Synedrion  der  Zehnmänner 
aufgetreten  seien;  man  darf  es  indessen  aus  Appian    lup.  2: 
I[/.upvocroiS£-/.at  Aaf;4zy.'flvoi  y,xl  srepoi  6Tt  avTS^^ovre;  e-peagsuovxo 
ic,  ^XajAtvtvov  TÖv  T(i){xoct(ov   c-rpxT'/iyöv,  xozi   a>t)^i7r-ou  toO 
M  a  X.  £  ^  ö  V  o  ?    {X  e  y  ä  X  '/]   y.  oc  //^    tt  e  p  l  @zx  txUxv    /.  e  /,  p  k- 
TYlKOT«  und  Diodor  620:  Aaa-Ixxov  y.xi  2y..jpvxv  axI  'Ale^xv- 
^psixv,   8i'  Ä;  ö  T;öXe(j!.o;  (gegen  Antiochos)   eSöx.ei    xsxt- 
vyjGÖöci    xu-cxi  yap  xi  TTiXei^TupÖTociTüiv  ax  ^  x  'Actacv 
EXXyivwv    eTCETrpecSeuy.  sicrocv    r:p6?T7ivcruy/,  Xv)tov, 
Trapay.aXoOcai  [ittpl]  z9i^  eASuOepU?  ocutwv    erschlies- 
sen,  denn  es  scheint  mir  keinem  Zweifel  zu  unterliegen,  dass 
beide  Zeugnisse  combinirt  werden  dürfen   und  auf  eine  zu- 
nächst an  den  Senat,  dann  an  Flamininus  und  die  Zehnmänner 
gerichtete  Gesandtschaft,  nämlich  die  des  Hegesias  und  seiner 
Mitgesandten  bezogen  werden  müssen.  Unter  dem  in  II  Z.  23 
erwähnten  Könige  istalso  Philippos,  dersich  nach  der  Schlacht 
bei  Kynoskephalä  eng  an  die  Römer  anschloss,  unter  den  Kö- 
nigen in  II Z.  34  sind  kleinasiatische  (pergamenische?)  Könige 


100  MITTIIKILUNGEN  AUS  KLEINASIEN 

ZU  verstehen;  den  Lampsakenern  drohte  zunächst  Gefahr  von 
Antiochos,  welcher  hekannllich  nach  Ausbruch  des  Krieges 
sich  wirklich  mit  Gewalt  der  Stadt  bemächtigen  wollte;  nach 
der  Schlacht  bei  Magnesia  kam  sie  in  Eutnenes  Besitz. 

In  welcher  Besorgniss  sich  die  Stadt  befand,  zeigt  si<'}i  auch 
darin,  dass  sie  bald  nach  der  ersten  eine  zweite  Gesandtschaft 
unter  Parmenion  und  Pylhodoros  nach  Lysimachia  schickte, 
um  dort  vor  L.  Cornelius  und  König  Antioclios  nochmals  ihre 
Rechte  zu  wahren;  der  den  König  empörende  Froimuth  des 
Parmenion  rührte  offenbar  von  dem  Vertrauen  her,  welches 
ihnen  der  Erfolg  der  ersten  Gesandtschaft  gab  {Polyb.  a.  a. 
0.  52  (3f))). 

So  werden  die  im  Aligemeinen  feststehenden  Thatsachen 
durch  die  Inschrift  in  ein  helleres  Licht  gestellt.  Danach  habe 
ich  auch  diejenigen  Lücken  auszufüllen  versucht,  die  sich 
nicht  wie  die  meisten  andern  aus  Inschriften  gleichen  Cha- 
rakters und  z.  Th.  auch  derselben  oder  nahe  stehender  Zeit 
(wie  z.  B.  der  oben  S.  98  Anm.  1  z.  E.  angeführten)  oder 
aus  Gesandtschaftsberichten  bei  Polybios,  Diodor  u.  s.  w. 
mit  mehr  oder  weniger  Leiclitigkeit  und  Sicherheil  ergänzen 
Hessen.  Nur  wenige  Punkte  erfordern  hier  einige  erläuternde 
Bemerkuncfen. 

o 

In  II  Z,  5  fg.  schlageich  vor  zu  lesen,  dass  die  Gesandten  sich 
von  den  Sechshundert  in  Massalia,  den  sog.  Timuchen,  einen 
Brief  an  den  5-/i;j.o;  töv  ToXoGToxyiojv  *  rscTcxTwv  erbaten.  Z.  14 
fg.  nehme  ich  an,  dass  die  Gesandten  auch  in  Rom  über  die 
Galater  Klage  führten.  Namentlich  die  Ergänzungen  der  zuerst 
angeführten  Stelle  scheinen  mir  wegen  ihrer  Einfachheit  unan- 
fechtbar zu  sein; aber  auch  in  der  zweiten  Stelle  war  oücnbar 
von  zw^ei  nebeneinander  stehenden  Thatsachen  (Klage  und 
Bitte)  die  Rede. 

DasszurZeit  unserer  Gesandtschaft  die  Städte  am  Hellespont 


'  (Tber  andere  Können  des  Namen.s  dieses  pewöhiilicli  Tolistobogen  ge- 
nannten Vülksstarnms  spricht  Franz  l''ai)f  Inschriften  und  Jiinf  Städte  in 
Kieinasien  S.  22  .'\nrn.  2. 


MITTHEILUXGEN  AUS  KLEINASIEN  10t 

viel  von  den  räiibepisclien  Einfällen  der  theils  auf  eigne  Faust 
vorgehenden  theils  im  Dienste  der  benachbarten  Könige  stehen- 
den Galater  zu  leiden  liatten  bedarf  keines  Nachweises*,  üass 
ferner  die  Klage  zeilgemöss  war  zeigt,  sich  darin,  dass  sich 
an  die  Besiegnng  des  syrischen  Königs  sofort  der  Zug  des  Man- 
lius  gegen  die  Galater  und  zwar  ziuiächst  gegen  die  nächst 
wohnenden  Tolislobogen  am  mysischen  Olympos  anschloss. 
Die  Tlialsache  abei'  dass  die  'l^iintudien  von  Massalia  den  lamp- 
sakenisehen  Gesündien  einen  lirief  an  den  5vi(ao;  der  kleina- 
sialischenGalaterausÄlelllenoderversehatYten  ist  überraschend, 
da  sie  sich  nicht  aus  den  überseeischen  Handelsverbindungen 
der  Sladt  erkläi'en  lässt,  sondern  vielmehr  die  an  und  für 
sich  nicht  unwahrscheinliche  wenn  auch  nicht  staatlich  enge 
sondern  etwa  nach  dem  Verhältniss  griechischer  Colonien  zur 
Muttersladt  aufzufassende  Verbindung  der  Galater  in  der  KeX- 
TIX.V1  des  Plolemaios  mit  den  kleinasialisclien  Horden  bezeugt. 
Den  iN'amen  der  Trokmer  und  Tolislobogen  konnten  die  Alten 
in  Südgallien  freilieh  nicht  mehr  nachweisen,  die  TekLosagen 
dagegen  halten  auch  noch  in  Augustus  Zeit  Sitze  um  Tolossa 
(Strabon  187  fg.).  Es  ist  anzunehmen,  dass  die  mit  Massalia 
in  Freundschaft  lebenden  Gallier  die  Vermittlung  übernah- 
men,  wahrscheinlich  weil  gerade  sie  mit  den  Tolislobogen 
verwandt  waren. 

Uebrigens  ist  die  Erlangung  jenes  Briefes  als  persönliches 
Verdienst  der  Gesandten  aufzufassen  und  nicht  in  den  In- 
struktionen die  ihnen  von  Staats  wegen  gegeben  waren  ent- 
halten gewesen;  ihre  Ordre  lautete  nur  auf  die  Auswirkung 
der  Fürsprache  von  Seiten  Massalias  im  Senat,  die  bei  dem 
freundschaftlichen  in  viel  frühere  Zeil  zurückgehenden  aber 
neuerdings  während  des  hannibalischen  Krieges  noch  viel  en- 


'  Ich  weise  hier  nur  darauf  hin,  das.s  in  iler  Insdirift  des  pcrj^amenischen 
SchlachleninonutnenLs,  welche  Conze  in  dem  vorläii(i.;,''en  Bericht  uher  die 
Ausf^rabungcn  zu  Perj,'amon  S.  81  bespricht,  olTerihar  2v  to  Opulyta  xf,  ?ip"EX- 
>.r,a[n(5vTt5)  ^rgänzA  werden  niiiss.  In  der  cbendort  erwähnten  Pi-yssonnelschen 
Insohrifl  von  demselben  Moruuncnt  waren  die  TolisLoliogen  und  IVktosagen 
neben  einander  genannt. 


102  MITTHEILÜNGEN  AUS  KLEINASIEN 

ger  geknüpften  Verhältnisse  Roms  zu  Massalia  Erfolg  ver- 
sprechen durfte. 

Einer  Erklärung  bedürftig  ist  auch  der  aus  mehreren  Stellen 
der  Inschrift  unzweifelhaft  hervorgehende  Anspruch  derLamp- 
sakener  Verwandte  (oixsTot  und  ouyyeveT?)  der  Römer  zu  sein, 
während  den  Mussalioten  ein  solcher  Titel  nicht  gegeben  wird  ; 
diese  sind  9^01  avX  «jujy-jxGcpi  der  Römer  und  a^eXcpol  der  Lamp- 
sakener. 

Der  Grund  ihres  ganz  allgemein  ausgesprochenen  also  als 
unbestritten  hingestellten  Anspruches  fällt  nicht  sofort  in  die 
Augen,  ich  glaube  aber  ihn  darin  finden  zu  dürfen,  dass  die 
Lampsakener  mit  zum  ilischen  Städtebunde  gehörten  *  und 
weise  beiläufig  darauf  hin,  dass  die  Gesandtschaften  von  Äle- 
xandriaTroas,  welches  in  dieser  Frage  mitSmyrna  undLamp- 
sakos  zusammensteht,  gerade  in  dieser  Zeit  das  eben  damals 
bei  den  Römern  beliebt  gewordene  Thema  von  der  uralten 
Verwandtschaft  seit  AeneasZeiten  ausführlich  ausgenutzt  haben 
werden. 

Ein  grosser  Theil  des  Fragments  I,  von  Z.  16  bis  36,  be- 
schäftigt sich  milden  Unterhandlungen  zwischen  den  Gesand- 
ten und  dem  Zweitcommandirenden  der  Römer  in  Griechen- 
land, dem  [legatus  et)  praefectus  classis;  es  ist  der  ältere  Bru- 
der des  damaligen  Proconsuls,  nämlich  L.  Quinctius  Flamini- 
nus .  Das  Zusammentreffen  wird  in  Korkyra  erfolgt  sein, 
ebendort  gewannen  die  Gesandten  auch  seinen  Quaestor. 

Die  Anzahl  der  Gesandten  nach  Lysimachia  beträgt  zwei, 
für  die  uns  vorliegende  Gesandtschaft  glaube  ich  die  häufig 
vorkommende  Dreizahl  annehmen  zu  müssen,  denn  es  kann 
wohl  für  sicher  gelten,  dass  der  II  29  vorkommende  ApoUo- 
doros  der  dritte  ist.  Vermuthlich  enthielt  eine  zweite  neben 


^  Es  gellt  (lies  mit  Bestiinnilheil  ;ius  dem  Ehreiiflekret  des  Malusios  (ich 
sah  CS  iiiil'dcra  Calverlscheii  Eaiidgiite  Thymiira)  hervor,  wie  auch  Droysen 
Gesehielite  des  llclh'iiisiiiu.s  II  S.  386  augeuünimcu  hat.  Es  lalll  in  die  Zeit 
des  Aalif£onos. 


MITTHEILUNGKN  AUS  KLEINASIEN  103 

der  des  Hegesias   errichtete   Stele  das  Ehrendekret  für   die 
beiden  andern  Gesandten. 


2.  Das  dritte  Fragment. 

Während  das  soeben  besprochene  Dekret  veranschaulicht, 
in  welcher  Bedrängniss  sich  Lampsakos  in  der  Zeit  zwischen 
dem  Krieg  mit  IMiilippos  und  dein  mit  Äntiochos  befand,  bietet 
uns  die  in  etwas  grösseren  Buchstaben  auf  bläulichem  Stein 
(D.  ung.  0,09,  L.  0,45,  grösste  Breite,  im  untern  Theil,  0,23'"; 
bei  N  die  Hasta  r.  etwas  kürzer  als  die  I.)  in  etwas  früherer 
Zeiteingetragene  im  Folgenden  kurz  besprochene  Inschrift  einen 
interessanten  Einblick  in  die  inneren  Verhältnisse  der  Stadt 
zur  Zeit  des  Friedens.  Meine  bereits  in  Gallipoli  angefertigte 
Copie  habe  ich  hier  in  Athen  nochmals  vor  dem  Original  re- 
vidirt.  Die  Inschrift  ist  oben  und  rechts  abgebrochen,  von  den 
ersten  Zeilen  fehlen  die  Anfangsbuchstaben,  ^o/.^  ist  das  letzte 
Wort.  Es  ist  ein  Proxeniedekret,  welches  aus  dem  in  typi- 
schen Wendungen  abgefassten  Ilaupltheil,  dem  eigentlichen 
Dekret,  und  einem  Zusatz  besteht  und  ist  um  die  Wende  eines 
Beamtenjahres  von  der  Volksgemeinde  angenommen  worden. 
Die  Ergänzung  bietet  keine  Schwierigkeit. 

AN  I 
I  2  O  Y  r  A  T  P 
VJONAEEINA 
"ETHNAYTO 
5      CASISXEINPPO^ 
"HIKAIATEAEIA 
^AIEISPAEINKAJ 
AZnONAEIENE 
QIEAOZENTP 
10      XNAKTOSrNQM 
"nNAPXONTfiN 
^AITAEYH<i)IZME 
THIOEMI2TOKAEI 


404  MITTHEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN 

TOYEINAIPAN  TAA 
15     2ANKAEO(t)ANTf2IK 
TOYZAENEOYZAP> 
YAN  T AZETKO Y A I E 
<AIOEINAIEIZT^NI 
\YTOI2AOKHI 
av 
Tfj];  0uYaTp[6?  «uToO  Name,  llpö^s- 
vov  ^s  elv3c[i  Tou  Sr,[i.o\>  xxi  eOso- 
y]eT-/iv  auTi>[v  xxl  exyovoui;  xocl  5t- 
5      )t](y.;  i'nyeu  7cpo[§ix.o'j(;,  eivxs  Se  «u- 
Tö  x.y.i  (XTs'Xei7.[v  ttxvtwv  jtal  «<ju>.i«v 
y.Jxi  siTTC>.£rv  /Cxl  [£>t7ir"XeTv  aculel  /.- 
al]  «(TTTovSsl  £v  £[ip7ivy)  y.aci  ev  ro>s- 
{x]({).  "E^oEev  TW  [Syijxü)  tou  ^sTvo;  lUt-  oder  'HyYi  • 
10      ciJxva/tTO^  Yva)p-['/i,    £tf7V]yYic;iX[/,£V(j>v 

tJüv  ap;^6vTo)v  [töv  ev  apj^'^,  X'jpix  sl- 

VXl    TOt    £(]/Yl(|)t'7|J.e[va,    SV   f^£    T*^    60pT^ 

T^  QE[JAGZQA.\tX  [ayoixsvv]  St'svKZu- 
Tou  eIvsci  TiocvTa  a[ÜTÖ  Tayaöa  a  EÖöOiri- 
15      (Jxv  K>.Eo<pxvTcp  "/[xl  Toi;  axoyövoi;, 
tou;  ^e  veou;  «p[yovTac;  tÖ  Söy[Aa  ypoc- 
tj^xvTa;  hfy.6^xi  e[v  (jttiIt)  ItOivv) 

xjxl    OsiVZl    £i;    TÖJV    l[£pOV    T'^;   7t:6>.£G)5   OU    Äv 

auToi;  60/.^. 

Aus  der  wie  vorstehend  ergänzten  Inschrift  erfahren  wir 
zweierlei : 

1.  dass  dem  Tfiemistokles  in  Lampsakos  jährlich  ein  Fest 
gefeiert  wurde,  an  dem  .sich  die  gesammte  Bürgerschaft  be~ 
llieiligle,  und  dem  Kieoplianlos  nebst  Nachkommen  Kliren- 
rechlft  *  eingeräumt  waren;  und,  wie  daraus  folgt, 


^  Vgl.  z.  ]i.  aus  (lern  Ehieiide.krel  der  Nasioieu  für  Thcrsippos  (  Mouoerov 
xxl  pi6Xio6rIxTj  tTi4  ila-^fzl.  o-/.oX.  1875-76  S.  128  fg.  Droysen  Ge.scli.  d.  Hell. 
II  S.  374  f^. )  Z.  33  Ig.  des  llaupLsliirks :  öxa  xe  4  7:6X15  'poitoTiToti,  [lep'n 
8[i]  |[56]aöw  ÖEpoinnw  xa\  twv  {xyÖvüiv  i\  xc«)y[t]|  u-t«xci>Y,  xaXTjuOat  8*  x*l  eU 
rtpoeSptav. 


MITTIIEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN  105 

2.  dass  Kleophantos  Familie  sich  in  Lampsakos  angesiedelt 
hatte. 

Bekanntlicli  berichtet  Plutarchos  im  Themist,  a.  E.,  dass 
den  Naclikommen  des  Themistokles  bis  auf  seine  Zeit  in  Ma- 
gnesia Ehren  erwiesen  wurden.  Er  fügt  hinzu,  dass  sein  Mit- 
schüler ©eixi-TTOAl'/i?  AOTivaro?  dieselben  genossen  habe.  Die 
Angabeist  allgemein  gehalten  und  musste darum  zunächst  auf 
alle  Nachkommen  dos  grossen  Atheners  bezogen  werden.  Da 
nun  aber  aus  unserer  Inschrift  hervorgehl,  dass  in  Lampsakos 
wenigstens  nur  die  Familie  des  Kleophantos  mit  jenen  Ehren- 
rechten ausgestattet  Avar,  so  könnte  in  Magnesia  ein  ähnli- 
ches Yerhältniss  zu  einem  andern  Zweig  der  Familie  stattge- 
funden haben.  Aber  für  Magnesia  ist  in  Betracht  zu  ziehen, 
dass  dort  Themistokles  selbst  die  letzte  Zeit  seines  Lebens 
zubrachte.  Sollte  aberdie  Hinzufügung  anderer  Städte  zu  den 
drei  bekannten  darauf  beruhen,  dass  in  ihnen  sich  Mitglieder 
derselben  Familie  niedergelassen  hatten? 

H.  G.  LOLLING. 


~>  i>    ggt-  a     - 


Zwei  Thongefässe  aus  Athen, 


(Hierzu  Tafel  JII  und  IV). 


Die  Tafel  IIT  zeigt  die  Abbildung  des  bereits  von  Hrn  Prof. 
Kumanudisim  *A9'flvaiov  (Bd.  6'  Heft  y/  Anhang)  beschriebe- 
nen und  besprochenen  Gefässes  vom  Dipylon,  dessen  Inschrift 
beistehend  (S.107)  im  Holzschnitt  wiedergegeben  ist;  über  die- 
selbe hatte  Herr  Prof.  A.  KirchhotYdie  Güte  Folgendes  milzu- 
theilen: 

«Was  die  Lesung  der  Inschrift  betrifft,  so  kann  es  meines 
Erachtens  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  Herr  Kumanudis 
in  den  ersten  35  Zeichen  richtig  die  Worte 

erkannt  bat;  unmöglich  aber  ist  es  seiner  Lesung  der  letzten 
12  (toutov  ekxuctsv)  beizustimmen  ,  dasie,  auch  abgesehen  von 
der  unzulässigen  Voraussetzung,  es  habe  die  erste  Silbe  von 
ToöTov  mit  einfachem  o  statt  ou  geschrieben  werden  können, 
sich  auf  falsche  Werthbestimmungen  einzelner  Zeichen  grün- 
det. Vollkommen  deutlich  und  wohlerhalten  sind  die  ersten 
vier  (toto);  der  fünfte  ist  verstümmelt  und  wird  von  Hrn  K. 
zu  V  ergänzt;  ist  aber  auf  den  Ansatz  eines  Basenstriches,  wel- 
cher auf  Hrn  Lollingsrevidirter  Abschrift  angegeben  ist,  irgend 
Verlass,  so  kann  das  Zeichen  durchaus  nur  ein  S  gewesen  sein. 
Es  folgen  zwei  unverstümmelte  Buchstaben,  welche  als  e  und 
X  deutlich  sind.  Dagegen  sind  gleich  wieder  die  beiden  fol- 
genden Zeichen  in  einer  Weise  verletzt,  w-elche  eine  Deutung 
unmöglich  macht.  Das  erste  nimmt  Herr  K.  auf  Grund  seines 
eignen  Facsimile  als  a,  das  zweite  ergänzt  er  zu  u,  aber  Hrn 
Lollings  Zeichnung  stimmt  dazu  übel  und  das  vermeintliche 
ot  würde  dann  eine  Gestalt  und  eine  Stellung  erhalten ,  welche 
von  derjenigen  sehr  wesentlich  abweichen  würden,  die  auf 


THONGEFAESSE  AUS  ATHEN  107 

den  lesbaren  Theilen  derlnschrift  dieser  Buchslabe 
regelmässig  zu  haben  pflegt.  Das  folgende,  dritt- 
vorletzle  Zeichen  ist  entschieden  ein  p. ;  Hr.  K. 
will  ihm  den  Werth  von  a  geben,  aliein  dies  ist 
unmöglich,  daderZischlaul  auf  dem  lesbaren  Theile 
der  Inschrift  deutlich  durch  ^  oder  ^  bezeiclinet 
wird.  Auch  der  vorletzte  Buchstabekann  nicht,  wie 
Hr.  K.  annimmt,  ein  e  sein  sollen,  dft  die  r.e^talt 
des  letzteren  sonst  ganz  regelmäss?igEzu  sein  pflegt; 
ich  kann  nur  annehmen,  dass  die  seltsame  Buch- 
stabenform dadurch  enlstandenisl,  dass  dem  Schrei- 
ber,  welcher  ein  Iota  der  gewundenen  Form  ein- 
zuritzen beabsichtigte,   beim  ersten  Ansetzen  der 
Griffel  ausglitt  und  dadurch  wider  seinen  Willen 
jene  scliräg  nach  unten  verlaufende  gerade   Linie 
entstand,  welche  mir  nicht  ein  integrirender  Be- 
standtheil  des  Buchstabenzeichens  sein  zu  können 
scheint.  Etwas  Aehnliches  ist  ihm  auch  beim  Ein- 
ritzen des  letzten  Zeichens  passirt,  wenn  dasselbe 
mit  Hrn   K.  für  ein  v  zu   nehmen   ist,   was  das 
Nächstliegende  scheint;  denn  was  er  zu  Stande  ge- 
bracht hat,  enthält  offenbar  einen  Strich  zu  viel. 
So  gewiss  also  die  letzten  zwölf  Zeichen  nicht  als 
-voaTov-ejcoeuffev  gelesen  werden  können,  sowenig  bin 
ich  doch  anderseits  im  Slande  an  Stelle  der  aufzu- 
gebenden l.esnng  eine  bessere,den  gegebenen  That- 
sachen   entsprechende  und  mich   selbst  befriedi- 
gende zu  setzen ;  nur  das  eine  scheint  klar,  dass 
der  fragliche  Schluss  der  Inschrift  mitroüTÖ^e  be- 
ginnt. 

Dass  die  Inschrift  eine  attische  ist,  ergibt  sich 
mit  Sicherheit  aus  der  sprachlichen  Form  des  con- 
trahirten  Genetivs  opxvi'JTöv,  welche  gegenüber  den 
contrahirten  und  uncontrahirten  Bildungen  der 
übrigen  Mundarten,  6p/-/iTT«üiv,  opx'/joTscov,  op/,*/!- 
cTÄv,  geradezu  als  eine  specifisch  altische  bezeich- 


108  THONGEFAESSE  AUS  ATHEN 

net  werdon  miiss.  Auch  das  Alphabet  stimmt  mit  dem  atti- 
schen, namentlich  in  einer  so  charakteristischen  Besonderheit, 
wie  in  der  Verwendung  des  Zeichens  X  zur  Bezeichnung  des 
Lautes  von  y^.  Allerdings  begegnen  daneben  zwei  Abweicliun- 
gen  von  Erheblichkeit;  diese  aber  scheinen  mirindem  hohen 
Alter  der  Insclirift  ihre  genügeiido  Erklärung  zu  finden.  Es 
wird  nämlich 

1.  der  Laut  des  Iota  nicht  wie  sonst  in  athschen  Inschrif- 
ten, auch  den  ältesten  der  bis  jetzt  bekannten,   durch  eine 
senivrechte  gerade  Linie  I,  sondern  eine  gewundene,  Z,  be- 
zeichnet. Da  indessen   die  letzlere  Form  anerkanntermaassen 
die  ursprüngliche  ist,  aus  der  die  andere  relativ  jüngere  über- 
all durch  Vereinfachung  hervorging,  so  folgt  aus  dieser  Ab- 
weichung lediglich,  dass  unsere  Inschrift  älter  sein   muss  als 
alle  sonst  bekannten  aus  Attika  stammenden,  also  einer  Zeit 
zuzuweisen  ist,  welche  vor  dem  Anfange  des  sechsten  Jahr- 
hunderts liegen  muss.  Dazu  stimmt  denn  auch  der  höchstalter- 
thümliche  Charakter  aller  übrigen  Schriftzeichen  auf  ihr  sowie 
die  linksläufige  Richtung  dereinen  Zeile,  aus  der  sie  besteht. 
2.  hat  das  Lambda  auffälligerweise  nicht  die  auf  allen  an- 
dern vom   ionischen  Alphabete  noch  nicht  beeinflussten  atti- 
schen Inschriften  begegnende  Form  U,  welche  wir  deshalb  als 
die  specifisch  attische  zu  bezeichnen  gewohnt  sind,  sondern 
die  den  meisten  der  übrigen  griechischen  Alphabete  geläufige 
umgekehrte,  P  (A  ,  A).  Es  Avürde  aber  aus  diesem  umstände 
meines  Erachtens,  vorausgesetzt  dass  nicht  ein  zufälliges  Ver- 
sehen des  Schreibers  unserer  Inschrift  vorliegt  (eine  Möglich- 
keit die  vorläufig  offen  gehallen  werden  muss,  da  das  Lambda 
zufällig  auf  ihr  nur  ein  einziges  Mal  vorkommt),  nur  zu  schlies- 
sen  sein,  dass    der  Schriftgebrauch   in  Attika  im  Laufe  der 
Zeiten  sich  geändert  und  von  der  einen  Form  (P)  zur  andern 
(U)  später  übergegangen  wäre.   Das  Eindringen  des  U  würde 
ich  alsdann  geneigt  sein,  auf  cbalkidischen  Einfluss  zurückzh- 
führen.   Denn  die    Lambdaform  U  begegnet  nur  auf  den  In- 
schriften der  Gebiete  von  Attika,  Böotien ,  der  opuntischen 
Lokrer  und   Chalkis  (nicht  der  übrigen  Städte  auf  Euböa), 


THONGKFAKSSE  AUS  ATHEN  109 

was,  da  diese  Gebiete  einen  geschlossenen  geographischen  Com- 
plex  bilden,  unmöglich  zuriillig  sein  kann,  und  zwar  um  so 
weniger,  als  im  üei)rigen  das  allische  Alphabet  einer  ganz 
andern  Heihe  angehört  als  die  der  übrigen  genannt<'n  fiebiele. 
Im  Al])habete  von  Chalkis  aber  ist  die  Form  UoÜ'cii bar  uralt, 
da  sich  ihrer  auch  die  Colonien  dieser  Stadt  in  Italien  und 
Sicilien  ausschliesslich  bedienen;  nicht  so,  wie  es  scheint,  in 
dem  derO[)iintier;  wenigstens  kennt  dasAlphabet  der  stamm- 
verwandten Jjokror  nur  die  andere  Form.  Auch  die  Böoter 
scheinen  vom  P  erst  später  zum  U  übergegangen  zu  sein,  und 
für  Altika  wüide  unsere  Inschrit'i  den  gleiche«»  Hergang  be- 
zeugen. M 

Fine  griechische  Inschrift,  entdeckt  auC  einem  jener  hoclial- 
tertbumlichen  Gel'äs.se,  deren  das  Dipylon  zu  Athen  uns  eine 
so  reiche  Fülle  schenkte,  und  deren  Stil  lunn  nocli  vor  nicht 
langer  Zeit  als  nrindogerrnanischen  bezeichnen  zu  dürfen 
glaubte,  mussle  freudiges  Frslaunen  hervorrufen.  Fs  wurde  dies 
freilich  etwas  gcdnu^pil,  als  man  erfuhr,  dass  die  FJuchstaben 
nicht  aufgemalt,  sondern  erst  nacli  Vollendung  des  Gefässes 
eiüseritzt  worden  waren.  Alle  Schhisse  auf  den  Fahrications- 
ort  dieser  und  der  gleichartgen  Vasen  werden  dadurch  hin- 
fällig; denn  so  gut  sicii  in  Ftruricn  atlisclie  Vasen  mit  gra- 
virten  etruskischen  Inschriften  finden,  ebenso  kann  hier  eine 
attische  Inschrift  auf  ein  Gefäss  fremder  Herkunft  gesetzt  wor- 
den sein.  Gleichwol  dürfte  die  sorgfältge  Publication  des  merk- 
würdigen Kännchens,  die  wir  auf  Tf.  11!  bieten,  allgemein 
willkommen  sein. 

]Man  sieht  auf  den  ersten  Blick,  dass  das  Gefäss  in  die  grosse 
Klasse  jener  in  der  tiefsten  Schicht  am  Dipylon  gefundnen  Va- 
sen gehörl,  deren  Decoration  wesentlich  aus  geometrischen  Mo 
tiven  bestellt.  Wir  sehen  die  üblichen  das  Gefäss  nmo,ürten- 
den  horizontalen  Streifen  und  die  vielfachen  Zickzackverzier- 
nngen.  Auch  die  Technik  ist  die  jener  Klasse,  die  Firnissfarbe 
die  gewöhnliche  dunkelbraune,  die  leicht  zum  Abspringen 
neigt. 

Endlich  ist  die  Form  der  Kanne  eine  in  jener  Vasengattung 


110  THONGEFAESSE  AUS  ATHEN 

zwar  nicht  sehr  häuOge  doch  wenigstens  bei  kleinen  Gefass- 
dimensionen  mehrfach  vorkommende.  Diese  entwickelte  Kan- 
nenform mit  der  dreigespaltenen  Mündung  die  von  oben  ge- 
sehen einem  Epheublatte  gleicht,  erscheint  vereinzelt  bereits 
in  der  letzten  Periode  «My kenischer »  Vasenindustrie"*,  dann 
hier  in  der  «geometrischen»  Gruppe.  Immer  ist  der  Hals  lang 
und  schlank,  setzt  die  Schulter  scharf  ab  und  wölbt  sich  der 
Bauch  in  gedrungner  Breite;  als  Fuss  dient  die  einfache  Ab- 
plattung unten,  selten  von  einem  verschwindend  kleinen  Wul- 
ste umgeben.  Während  der  Bauch  immer  nur  mit  Streifen  oder 
einfacher  Deckfarbe  bemalt  ist,  zeigen  die  breite  Schulter  oder 
der  Hals  reichere  ornamentale  oder  bildliche  Decoralion  2.  Ge- 
wöhnlich ist  der  Hals  der  Silz  der  Hauplbildes  wie  in  unserem 
Beispiele,  an  welchem  überdies  noch  hervorzuheben  ist,  dass 
das  Bild  als  eine  besonders  umrahmte,  von  der  Firnissdecke 
ausgesparte  Flüche  gekennzeichnet  isl^,  entsprechend  einer  in 
der  spätem  Gruppe  der  geometrischen  «  Dipylonvasen  »  sich 
gellend  machenden  Tendenz  das  ganze  Gefäss  zu  firnissen  und 
bestimmte  Streifen  und  Räume  für  die  Decoration  auszuspa- 
ren*. Wir  haben  hiemit  eine  relative  Zeitbestimmung  unseres 
Gefässes  bereits  angedeutet.  Kein  Zweifel,  dass  dasselbe  nebst 
all  seinen  Genossen  nicht  der  älteren  Gruppe  geometrischer 
Vasen ^,  sondern  der  eben  charakterisirten  spätem  angehört; 
so  dient  denn  auch  ein  Beispiel  einem  Gefässe  als  Aufsatz  das 
bereits  die  aufwärts  gerichteten  Zacken  oder  Strahlen  zeigt  ö, 
die  nur  in  der  letzten  Gruppe  jener  Vasen  erscheinen. 


'  Nictit  zu  verwecilseln  ist  natiirlicti  die  Form  dor  silbernen  Kanne  aus 
einem  der  Gräber  (Scliliemann,  Mykenae  S.  280  und  353),  welclie  die  ur- 
alte einfache  spitzzulaufende  Form  der  Mündung  zeigt. 

2  Vgl.  Collignon,  Calal.  des  vases  p.  du  Varvakion  N»  45.  46.  47;  Conze, 
Zu  d.  AnfängiMi  gr.  Kunst  1870  Taf.  IV;  als  Deckelkrönung  eb.  Tf.  IX,  1. 
Andere  älmlictie  in  London  und  Loyden. 

^  Vgl.  ebenso  in  der  kleinen  unbedeutenden  Kanne  vom  Dipylon  .4«na/t 
d.  I.  1872,  iav.  dagg.  K,i. 

♦  Vgl.  Löscbcke  in  Annali  d.  I.  1878  S.  310  f. 

5  Wie  z.  B.  Conze  a.  a.  O.  Tf.  I,  oder  IX,  2. 

«  Conze  a.a.O.  Taf.  IX,  l. 


THONGEFAESSE  AUS  ATHEN  111 

Das  Bild  unsrer  Kanne  ist  von  keinem  besondorn  Interesse, 
obwol  ich  für  das  dargestellte  Thier,  ein  weidendes  Reli,  au- 
genblicklich im  Kreise dieserVasen  kcinzvveitesßeispiel\süssle; 
denn  das  Gewöhnliche  ist  hier  das  Pferd  und  der  Steinbock, 
seltner  aucli  der  Hirscii.  Flinler  dem  lieh  steht  einer  jener 
häufigen  Vögel  mit  langem  Halse,  dessen  Bauch,  ebenfalls  in 
der  regelmässigen  Weise*,  nicht  voll  ausgemalt  sondern  nur 
durch  Striche  gefüllt  ist. 

Eine  unserem  Gefässe  sehr  naiic  verwandte  (^ilasse  von  Oe- 
nochoen ,  die  jedoch  scharf  unterschieden  werden  muss,  darf 
hier  nicht  unberücksichtigt  bleiben.  Die  Form  ist  zwar  die- 
selbe, doch  mit  ganz  veränderten  Prüportiorien  ,  indem  die 
Ausladung  des  Bauches  auf  ein  Minimum  reducirt  ist  und  die 
Schullern  unbedeutend  abfallen,  ohne  die  Trennung  von  dem 
langen  Halse  energischer  zu  markieren.  Wie  die  Form  so  sind 
auch  Ornamentik  und  Darstellungen  von  der  vorgen  Classe 
verschieden,  ohne  doch  die  nächste  Verwandtschaft  zu  ver- 
leugnen, wie  denn  auch  die  Technik  beider  Gruppen  im  We- 
sentlichen dieselbe  ist.  Doch  zuweilen  erscheinen  phantastisch 
geflügelte  Wesen  und  zu  den  einfach  geometrischen  Ornamen- 
ten ge.sellen  sich  solche  die  von  dem  sog.  «orientalischen»  Sy- 
steme herzuleiten  oder  ganz  eigenthümlich  sind  2.  Während 
jene  grosse  Gruppe  der  «Dip}  Ion  »-Vasen  bekanntlich  weit 
verbreitet  ist  auf  den  Inseln  und  in  Griechenland,  so  hat 
sich  diese  wenig  zahlreiche  Classe  bis  jt-tzl  nur  in  Altika  ge- 
funden und  während  jene  sehr  wahrscheinlich  aus  der  Fremde 
dahin  importirt  ist,  so  dürfte  letztere  einheimisches  Kvzeugniss 


«  Vgl.  z.  B.  Conze  a.  a.  O.  Taf.  II  u.  a. 

2  loh  habe  über  clieso,  (Masse,  die  mau  nach  einem  Haiiplfunrlorte,  fran- 
zösüsehem  Vorgänge  folgend,  als  die  der  Phalcrou -Vasen  bezeichnen  mag, 
in  «Bronzefunde  aus  Olympia»  S.  47  Anm.  I  Einiges  zusammengestellt; 
das  meiste  sind  kleine  Oenochocn  {die  Form  s.  Revue  archM.  1869  S.  216). 
Einen  Übergang  von  der  vorgen  zu  dieser  Gruppe  bildet  Conze  a.  a.  0. 
Taf.  V,  3.—  Eine  boolibedeutende  neuerworbne  grosse  Amphora  i\('s  Berli- 
ner Museums  darf  indess  auch  hieher  gezogen  werden. 


H2  THONGEFAESSE  AUS  ATHEN 

sein  im  Anschlüsse  an  jene  und  wol  theilweise  noch  gleichzei- 
tig mit  ihr. 

Eine  andre  Gruppe  geometrisch  decorirter  Vasen,  in  wel- 
cher die  Form  unserer  Kanne  ganz  besonders  beliebt  und  ge- 
wöhnlich ist,  tritt  endlich  auf  in  den  Funden  ausllalien,  Etru- 
rien  sowol  als  Campanien.  Die  Form  pflegt  die  unsrer  Di- 
pylonkanne  zu  sein,  nur  etwas  schlanker. 

Ein  andrer  Tvpus  dar  Karme,  eine  schwerbauchige  Form 
mit  kurzem  Halse,  ist  in  der  alt-rhodischen  und  der  ihr  ver- 
wandten all-korinthischen  Vaseiiindustrie  die  übliche  und  hier 
auch  sehr  belieble. —Merkwürdig  ist  dagegen  dass  die  Form 
in  der  älteren  attisch- seh warzfigurigen  Vasenclasse  fast  gar 
nicht  erscheint,  um  erst  mit  dem  spätem  schwarzfigurigen  und 
dem  rothfjgurigen  Stile  wieder  mehr  aufzukommen. 

Kehren  wir  zu  unsrer  Oenochoe  mit  der  Inschrift  zurück 
und  suchen  wir  schliesslich  ihre  Entstehungszeit  etwas  näher 
zu  fixiren,  so  dient  als  Grenze  nach  unten  die  von  Kirchhoff 
hervorgehobne  Thalsache  dass  sie  nicht  jünger  als  das  siebente 
Jahrhundert  sein  kann;  wegen  der  Grenze  nach  oben  aber  wer- 
den wir  uns  erinnern  dass  sie  zu  der  spätem  Gruppe  der  geo- 
metrisch decorirten  V^asen  gehört.  Nun  ist  es  aber  nach  an- 
dern Thalsaehen  *  wahrscheinlich  dass  die  letztern  noch  im 
siebenten  Jahrhundert  auch  in  Altica  üblich  waren,  mithin 
wird  unser  Gefdss  wohl  eben  dem  genannten  Jahrhundert  an- 
gehören. Obwol,  wie  schon  erwähut,  wahrscheinlich  aus  der 
Ferne  importirt,  zeigt  es  durch  einen  eignen  Zufall  doch  die 
älteste  atlisclie  Inschrift, —  Keine  der  Tausende  von  cfjMykeni- 
schen  »  Vasen  w^eist  irgend  ein  Schriftzeichen  auf— ein  neuer 
Beleg  wenn  es  deren  noch  bedarf,  für  das  höhere  Aller  der- 
selben der  c(  geomelrischen  r>  Vasengruppe  gegenüber. 

Es  ist  nur  ein  äusseres  Band,  das  die  Tafel  IV^  mit  der  vo- 
rigen vereinigt.  Die  schöne,  nur  leider  sehr  fragmentirte  Kylix 
soll  nemlich  an  derselben  Stelle  beim  Dipylon  gefunden  sein 


'  Vgl. meinen  Aufsatz  Ql)ereinge  Bronzen  inAnnali  d.  1. 1880  und  «Bron- 
zefunde  aus  Ol.yrnpia»  S.  46. 


THONGEFAESSE  AUS  ATHEN  113 

wie  jene  alte  Oenochoe,  nur  in  einer  höheren  Gräberschicht. 
Sahen  wir  dort  das  älteste  Beispiel  altischer  Schrift  noch  ein- 
geritzt auf  ein  Gefäss,  das  der  Athener  mit  anderem  Grabes- 
schmiickc  aus  der  Ferne  bezog,  so  ist  die  ungefähr  zwei  Jahr- 
hundertc jüngere  Schale  hier  ein  Stück  aus  der  höchsten  Blü- 
thezeit  eigner  attischer  Vasenindustrie,  wo  auch  auf  diesen 
bescheidnen  Zweig  ein  voller  warmer  Strahl  aus  der  Sonne 
derdamalgen  geistigen  Cultur  in  Athen  fiel.  Es  gehört  zugleich 
zu  den  seltnen  Stücken,  in  denen  die  kühneren  der  grossen 
Vasenmaler  zuerst  versuchten  der  höheren  Malerei  sich  zu 
näheren. 

Die  Schale  ist  nemlich  eine  von  denen  welche  zwar  aussen 
den  üblichen  auf  dem  rothem  Thongriinde  ausgesparten  Fi- 
gurenschmuck tragen,  deren  ganzes  Innere  jedoch  von  weisser 
Thonschicht  überzogen  als  Grund  für  das  in  bescheidner  Bunt- 
heit auftretende  Bild  dient.  Die  spätere  Zeit  der  grossen  at- 
tischen Schalenmaler,  wo  der  strenge  Stil  bereits  in  den  sosr. 
schönen  übergeht,  ist  die  kurze  Epoche  in  welche  die  Gruppe 
dieser  meist  herrlichen  Schalen  fallt*,  die  ausser  der  Firniss- 
farbe in  ihren  verschiednen  Nuancen  noch  eine  braunrothe 
hellere  oder  dunklere  Farbe  und  zuweilen  Verijoldung  an- 
wenden.  Die  Innenbilder  halten  theils  die  Grenze  der  Tradi- 
tion inne,  indem  sie  sich  auf  einen  kleinern  Kreis  im  Centrum 
beschränken,  oder  sie  dehnen  sich  aus  und  suchen  von  dem 
ganzen  Schaleninneren  Besitz  zu  ergreifen.  Doch  beide  Arten 
hatten  ihre  oflenbaren  Mängel;  zu  der  letzteren  forderte  zwar 
der  weisse  Untergrund  auf,  der  das  ganze  Innere  deckte,  doch 


'  Die  Hauplbeispiele  sind  aufgezählt  bei  Ileydemann  Annali  1877  S.  288 
und  Klein  Kuplironios  S.94.— Vorangeht  die  mit  dem  Namen  des  Euphronios 
bezeichnete  Berliner  Schale;  ihr  sehr  veiwandl  ist  die  Schale  aus  Kameiros 
(Salzrnann  Tf.  60),  sie  stammt  jedenfalls  aus  demselben  Kreise  wie  die  des 
Euphronios,  wahrscheinlich  sogar  von  letzterem  seihst;  wenigstens  befindet 
sich  an  beiden  derselbe  Liehliugsnamc  PXaiSxwv;  auf  der  Berliner  Schale  war 
der  Name  nur  durch  die  jetzt  von  mir  entfernte  Übermalung  entstellt.— Un- 
ter den  hiehcrgehörigen  (Schalen  tragt  ferner  den  unverkennbaren  Stil  des 
Brygos  die  in  München  N»  332  (Abbildung  bei  Thier.sch  ungenügend) ;  sie 
gehört  übrigens  zu  den  strengsten  in  dieser  Gruppe. 

UITTH.D.  ARCH.INST.  VI.  3 


114  THONGEFAESSE  AUS  ATHEN 

das  grosse  Bild  zu  dem  man  so  gelangle  widersprach  der  nö- 
tigen Unterordnung  des  Schmuckes  unter  die  Tektonik  der 
Schale.  Einen  originellen  und  soweit  mir  bekannt  bis  jetzt 
neuen  Ausweg  ergreift  unsere  Schale,  indem  sie  rings  um  den 
beibehaltenen  kleineren  inneren  Kreis  noch  einen  Figurenstreif 
anordnet,  der  den  Raum  bis  zum  Rande  der  Schale  füllt^.  So 
war  man  der  Tektonik  der  Schale  gerecht  geworden  und  hatte 
zugleich  das  eanze  weissürundirte  Innere  derselben  bildlich 
geschmückt.  Dass  diese  Lösung  keinen  Anklang  fand^  lag  of- 
fenbar in  der  hässlichen  VVii-kung  welche  die  verschiednen  ra- 
dial nach  dem  Mittelbilde  zusammenlaufenden  Axen  der  Figu- 
ren des  äussern  Ringes  machen  musslen.  Die  beste  Lösung  wie 
sie  schon  Euphronios  fand  blieb  vielmehr  eine  geschickte  Ver- 
mitlelung  zwischen  den  beiden  oben  angedeuteten  Extremen. 
Unsere  Schale  zeigt  in  der  dieser  Gattung  gewöhnlichen  ^ 
Weise  die  Conture  mit  feiner  schwarzer  und  die  Falten  der 
Untergewänder  mit  verdünnter  gelber  Firnissl'arbe  ausgezo- 
gen, während  die  Mäntel  mit,  wie  es  die  Abbildung  angibt, 
hellerer  und  dunklerer  brauner  Farbe  gemalt  sind.  Als  etwas 
Besonderes  tritt  bei  unsrer  Schale  jedoch  hinzu  dass  Mehre- 
res,  wie  die  Kanne,  die  Schale,  die  Spitze  des  Scepters  und 
der  Nagel  des  Stuhles,  aus  weissem  Thon  in  Relief  auf  dem 
weissen  Grunde  aufo;ehöht  ist.  Wahrscheinlich  waren  diese 
Theile  überdies  vergoldet*;  ähnliche  aufgehöhte  und  vergol- 


'  Einen  t'igurensU-eif  im  Innern  der  Schale,  doch  ohne  MiLtelbild  zeigt 
z.  R.  die  olle  nictit  aUisehe  Ptiineusschale  Mon.  d.  I.  X,  8.  —  Einen  kleinen 
Bihlstreif  ring.s  um  ein  Mitlclbiid,  doch  lange  nicht  bis  an  den  Sclialenrand 
reichend,  auch  nur  liegende  I'iguren  darstellend,  zeigt  die  Berliner  rothfi- 
gurge  Schale  N»  1942  (Gcrh.)  Eine  neuerworbne  Berliner  Phiale  aus  Athen 
zeigt  auf  dem  Omplialos  in  der  Mitte  einen  Kopf  und  rings  einen  das  Innere 
füllenden  Bildslreif. 

2  Ebenso  vereinzelt  bleibt  der  unglückliche  Versuch  bei  gewöhnlichem 
rolligurigern  Innenbilde  die  Aussenseilcn  auf  weissen  Grund  zu  malen,  wie 
in  der  Schale  von  Kolias  {Mon.  d.  f.X  37»  ),  auf  welcher  übrigens  der  Künst- 
lername wahrscheinlicli  Uiepov  Inoieoev  zu  lesen  ist.  Namentlich  das  Innen-^ 
bild  spricht  deutlich  für  diesen  JMeisler. 

3  Vgl.  Aroh.  Ztg.  1880  .~^.  136  1.  Spalte. 

*  Uline  Vergoldung   zeigt  ein  Bi-rliner  Alabastroa  strengen  Stiles  (Inv. 


TllONGEFAESSt;  ADS  ATFIEN  115 

dele  Partien,  nur  von  geringerem  umfange,  zeigt  die  zu  dieser 
selben  Gruppe  geliörge  Münchner  Schale  N**  336. 

Die  Darstellung  des  Mittelbiklcs  ist  noch  deutlich  zu  er- 
kennen :  eine  auf  dem  herjuemen  attischen  Lehnstuhle  sitzende 
Frau,  die  mit  der  Linken  sich  auf  ein  hliithenhekrüntcs  und 
von  einer  Binde  umwundnes  Scepter  stützt,  hält  mit  der  Rech- 
ten eine  Phiale,  uui  sich  von  einer  vor  ihr  stehenden  Frau  in 
gleicher  Gewandung  und  mit  gleichem  Scepter  aus  einer  Oe- 
nochoe  eingiessen  zu  lassen.  Die  Scepter  deuten  auf  zwei  hö- 
here Göttinnen  und  da  bleiben  uns  wol  nur  Demeter  und  Kora 
übrig;  letztere  wäre  natürlich  die  stehende^  — Von  dem  um- 
laufenden Streif  ist  nur  der  üntertheil  einer  wiederum  gleich 
gewandeten  Figur  mit  Scepter  erhalten;  dazu  drei  (nicht  ab- 
gebildete) zusammenhangslose  Fragmente  von  dem  äussern 
Rande;  auf  einem  derselben^  steht  neben  der  Spitze  eines  Scep- 
lers  (1)EPPE4)ATt«,  also  die  auf  Attischen  Vasen  gewöhn- 
liche Form  für  Persephone.  Der  Gegenstand  des  äussern  Bild- 
slreifs  war  demnach  aus  demselben  Kreise  genommen  wie  der 
des  Mittelbildes.— Die  Aussenseiten  der  Schale  zeigten  in 
üblicher  Weise  rothfigurge  Bilder,  von  denen  nur  die  untern 
Theile  von  drei  Mantelfiguren,  die  eine  mit  Stock,  erhalten 
sind. 

Kora  und  Demeter,  unter  sich  allein,  nur  die  erstere  mit 
einer  Spende  beschäftigt,  ist  eine  sehr  seltene  Darstellung. 


2632)  auf  woisscm  Orunrle  das  Fleisch  einer  weiblichen  Figur  weiss  aiifge- 
höht!  —  Dasselbe  auf  rollicm  Thongrund?  doch  noch  plastischer  auf  der  ICylix 
iu  diesen  MiUli.  Bd.  V  Taf.  X. 

'  Dass  die  beiden  sich  in  der  Gewandung  nicht  unterscheiden  ist  nicht 
auffällig,  sondern  auf  den  Vasen  vielmehr  das  Normale;  sie  tragen  im  stren- 
gen und  streng  schönen  Stile  wie  alle  Frauen  den  ionischen  Chiton  und  Man- 
tel (so  hier),  und  als  später  im  ganz  freien  Stile  der  dorische  Chiton  immer 
ausschliessliclier  üblich  wird  erscheinen  auch  Dcmoler  und  Kora  so  (z.  B. 
Overbeck  Atlas  z.  Kunsimjih  Tf.  XV,  13.  14.  12);  nur  ganz  selten  wird  De- 
meter durch  jene  erstere  vollere  Gewandung  von  Kora  im  dorischen  Chiton 
unterschieden  (z.  B.  ebda  N">  11). 

2  Ein  anderes  enthält  den  «Anfang  eines  Namens,  wie  es  scheint  M,  doch 
ist  auch  A,A,A  möglich))  (U.Köhler).  Ich  habe  die  Schale  nicht  imüriginal 
eesehen. 


H6  THONGEFAESSE  AUS  ATHEN 

Overbeck*  erwähnt  nur  die  prächtige  Athenische  Lekythos 
des  Varvakions  ^,  die  ebenfalls  auf  weissem  Grunde^  doch  mit 
noch  reicherer  Anwendung  braunrother  Farbe  (auch  für  die 
ünterge wänder)  Demeter  und  Kora  gegenüber  zeigt,  die  letz- 
tere selbst  mit  der  Schale  spendend  (nicht  der  Demeter  ein- 
giessend).  — Im  Bull.  d.i.  1878  S.  72  ferner  habe  ich  auf  eine 
Oenocboe  des  schönsten  Stils  vom  Ende  des  fünften  Jahrhun- 
derts aufmerksam  gemacht, die  Demeter  mitScepter  und  Aeh- 
ren  zeigt  und  gegenüber  Kora,  die  auf  einen  zwischen  beiden 
stehenden  brennenden  Altar  eine  Spende giesst. —  Die  verwan- 
dtesten Darstellungen  findet  man  auf  Vasen  aus  dem  Apolli- 
nischen Kreise,  wo  so  oft  '  Artemis  erscheint,  die  dem  Bru- 
der eingiesst,  und  Apollon  selbst  zuweilen  auch  über  einen 
brennenden  Altar  oder  den  Ompbalos  die  Spende  verrichtet^. 
All  diese  Vasen  wie  die  der  Demeter  und  Kora  gehören  nur 
dem  strengen  und  schönen  rothfigurigen  Stile  an.— Es  ist  be- 
kannt wie  häufig  in  diesem  Stile  überhaupt  die  Spenden  sind 
und  dass  sie  namentlich  bei  Darstellungen  des  Abschieds,  des 
Auszui^s  zu  irgend  einem  Unternehmen  typisch  vsurden  ,  die 
fromme  Bitte  um  glückliches  Gelingen  ausdrückend.  Dies  kann 
in  obigen  Fällen  nicht  die  Bedeutung  sein;  denn  wenn  man 
auch  einen  Augenblick  denken  könnte,  dass  Apoll  als  der  zu 
den  Hyperboräern  wandernde  und  Kora  etwa  als  die  in  die 
Unterwelt  zurückkehrende  dargestellt  sei,  so  spricht  dagegen 
sofort  der  Augenschein  jener  Bilder,  wo  Apollo  zuweilen  sit- 
zend die  Schale  entgegennimmt^  und  Kora  der  Demeter  ein- 
giesst, nicht  aber  umgekehrt.  Unsere  Kylix  vielmehr,  wo  die 
Muller  thront  und  von  der  Tochter  bedient  wird,  gehört  zu 
einer  Klasse  wo  das  Eingiessen  typisch  ist  als  eine  Ehrenbe- 
zeigung von  Jüngeren  den  Aelteren  erwiesen;  hier  ist  natürlich 


'  Kuuslmyth.  d.  Dem.  S.  518  N»  O. 
2  CoIli;?non  C^aia/.  N«  679. 

^  I'liiie  Aufzählung  dioser  und  äliüliclicr  Vasen  bei  Slephani  Compterendu 
1878  S.  202  fg. 
*  Z.  li.ElUe  cframoijr.  Tf.  32.  34.  26. 
5  Z.  B.  ebd.  Tf.  36. 


THONGI'TAESSK  AUS  ATHEN  117 

die  Bedeutung  des  Eingiessens  .nls  DienslIeisUing  die  Haupt- 
sache und  der  Heschauer  sollte  \\o\  kaum  an  die  daraufTol- 
gende  religiöse  Handluug,  die  mit  Gebet  verbundne  (ttcovSii  deu- 
ken*.  In  jenem  Sinne  giessen  Nike  Iris  Hebe  Hygieia^  Her- 
mes-Kadmilos  ^  Eros  Satyrn  Miinadc  u.  s.  w.  den  höliern  Göt- 
tern,  in  jenem  wol  aueli  die  Schwester  Arfcmis  dem  liruder 
oder  Kora  der  Mutler  ein.  Auch  in  den  griechischen  Keliefs, 
■welche  den  heroisirten  Verstorbnen  (zuweilen  auf  oder  neben 
seinem  Pferde)  darstellen  wie  ihm  der  Familiensitte  gemäss 
von  Mutter  oder  Schwester  die  Schale  gefüllt  wird,  mag  jene 
Bedeutung  die  vorwiesrendc  sein. -- Verschieden  sind  jedocli 
die  obenerwähnten  Fälle,  wo  ein  Gott  wie  Apollon  und  Kora 
in  der  religiösen  Handlung,  dem  Ausgiessen  der  (tttov^y)  neben 
dem  Altare,  selbst  dargestellt  wird.  Dies  ist  eine  letzte  Conse- 
quenz  der  V'ermenschlichung  der  Götter,  die  nun  selbst  als 
fromme  und  in  »ewissem  Sinne  bedingte  Wesen  erscheinen: 
es  ist  ein  Resultat  der  gerade  auf  jenen  Vasen  der  Thidiasi- 
schen  Epoche  stark  hervortretenden  iNeigung,  an  menschli- 
chen Verhältnissen  ausgebildete  Typen  auf  die  Götter  zu  ü- 
bertragen.  So  gelangte  man  eben  in  dieser  Epoche  dazu, 
selbst  Cultusstatuen  eine  Phiale  in  die  Hand  zu  geben  *,  wo- 
bei man  wol  hauptsächlich  ausging  von  der  Gewohnheit  die 
höhern  Gölter  darzustellen  wie  ihnen  von  jüngeren  oder  nie- 


*  Gegen  die  meist  höchst  gezwungenen  Deutungen  Stephanis  (im  Coynpte 
reiidu  1873  S.  109-244),  der  mit  beschräul^ter  Eiusoitigl<eit  allen  Spende- 
scenen  eine  Bedeutung  tteilegiMi  will,  hat  Ijuckenbach  ( Verhi'illniss  der 
Vasenb.  zum  ep.  Kyklos,  Suppl.  d.  Jahrb.  f.  elass.  Phil.  XI  S.  549  fg.)  ge- 
gründete I*]inweiidungen  erhoben,  die  indo.ss  noch  energischer  durchzuführen 
gewesen  wären. 

'  Wenigstens  erscheint  sie  neben  Asklcpios  mit  Oenochoe:  Arch.  Zcitg. 
1877  S.  140  N»  1. 
3  Arch.  Ztg.  1880  Tf.  l  fg. 

*  Vgl.  die  trclfeudcn  Bemerkungen  von  E.  Petersen  in  den  Arch.  cpigr. 
Milth.  aus  Oeslerr.  IV  S.  163. — Seiner  sinnreichen  Annahme,  dass  die 
Schale  bei  Hekate  und  Artemis  mit  der  Mondgöttin  in  innerer  Beziehung 
stehe,  kann  ich  indess  nicht  beipflichten.  Das  Attribut  wird  ganz  wie  bei 
den  übrigen  Gottheilen  zu  erklären  sein. 


118  MISGELLE 

derern  der  Trank  eingegossen  wird,  wobei  man  jedoch  auch 
sie  selbst  spendend  sich  denken  mochte. 

Dem  Innenbikle  unserer  Schale  sind  viele  gk'.ichartige  Bei- 
spiele von  z.  Th.  signierten  Schalen  aus  den  Werkstätten  der 
grossen  Schalenmaler  gegenüberzustellen.  Denn  es  war  bei 
diesen  sehr  beliebt  im  Innenbilde  das  Eingiessen  einer  Spende 
darzustellen,  doch  wie  es  scheint  selten  im  Sinne  des  Ab- 
schieds, meistens  indem  der  Ehrenbezeigung,  wie  denn  mei- 
stens die  Person  welche  den  Trank  empfangt  auch  sitzend  ge- 
bildet ist*.  Greisen  Männern  oder  kräftigen  Kriegern  wird  von 
Frauen  der  Dienst  erwiesen  und  nach  solcher  Analogie  thut 
es  von  den  Unsterblichen  auch  Alhenadem  Herakles,  eine  Ne- 
reide dem  Vater  Nereus  und  hier  Kora  der  Mutter  Demeter. 
Wie  bei  diesen  andern  Schalen  ruht  auch  hier  der  Betrachter 
von  der  einst  w^ol  in  dem  umlaufenden  Streifen  darsrestellten 
erregten  Scene  des  Mythos  sich  im  Mittelbilde  in  einer  Art 
göttlichen  Genrebildes  aus. 

A.  FÜRTWAENGLER. 


Miscelle. 

Die  Inschrift  aus  Kebrene. 

Die  zuerst  von  Waddington  nach  einer  Copie  von  Frank 
Calvert(bei  Le  Bas  Asie  min.  17  43'"),  zuletzt  nach  einem  Facsi- 
mile  von  G.  Hirschfeld  durch  Kirchhoff  (Ber.  d.  Berl.  Akad. 
1879  S.  493  fg.)  mitgelheille^  Inschrift  aus  Tschalydagh,  nach 


'  Z.  B.  Rrygos,  Couze  Vorlegebl.Scr.  VIII  Bund  4;  Duris  ebd.  VII  2  und 
1 ;  Ilicron  ebd  A  I.  Die  Berliner  Eupbroniosscliale  gehört  nur  wahrschein- 
lich hiehcr;  denn  nach  der  von  mir  vorgenommenen  Reinigung  zeigte  sich 
der  grüsste  Theil  der  Figuren  sowie  Kanne  und  Scliale  als  modern.  —  Vgl. 
Klein  Euphronios  8.  95  fg. 

'  In  der  .Anzeige  des  Journal  of  Jlellenic  Shidics  Bd.  I  N»  l  und  2  in  der 
Acadcmtj  vom  15.  Januar  1881  S.  39  schreibt  Munro  (KaX)Xio9^veo{  Ifil  to3 
Nixiflfo  toü  raoxio(?). 


MISGELLIi  MO 

Calverts  sachverständigem  IJrthcile  dein  alten  Kchrene,  be- 
findet sich  nocli  ielzt  in  Tschanakkalessi.  Sie  liegt  voi*  dem 
ilause  des  Bi'uders  des  dem  deutschen  Viceconsulal  hei^oge- 
benen  Dragomans,  eines  Armeniers,  wo  ich  sie  angereiht  durch 
KirchholTs  Provocation  auf  eine  nochmalige  Untersuchung  des 
Originals  an  einem  der  letzten  Tage  vorigen  Jahres  möglichst 
genau  copirte.  Der  beifolgende  Holzschnitt  zeigt,  dass  Hirsch- 
felds Copie  wesentlich  nur  bei  den  ersten  IJuchstabcn  etwas 
von  der  mein  igen  abweicht;  ich  habe  zugleich  vcrsueht  die 
für  den  Steinmetzen  charakteristische  UngeübtheiL  der  Schrift 
zum  Ausdruck  zu  bringen,  weil  dies  für  die  Erklärung  von 
Bedeutung  ist.  Noch  muss  ich  hinzufügen,  dass  die  Ijei  Kirch- 
holt'gegebene  Skizze  des  Steins  eine  etwas  schiefe  Vorstel- 
iung  vom  Original  erweckt.  In  Wirklichkeit  handelt  es  sich 
um  eine  ziemlich  regelmässig  aber  keineswegs  sorgfältig  be- 
hauene  nur  auf  der  einen  die  inschril't  tragenden  Breitseite 
geglättete  Platte;  der  Anfang  der  Inschrift  steht  dem  oberen 
Rande  näher  als  die  letzten  Wörter  derselben  —  auch  dies  ein 
Zeichen  der  Flüchtigkeit  des  Steinmetzen — und  reicht  nicht  an 
die  Binne  links,  während  der  letzte  Buchstabe  zur  Hälfte  in 
der  Rinne  rechts  stehl.  Aus  welchem  Grunde  die  —  übrigens 
nach  unten  sich  verbreiternden  —  Rinnen  eini-emeisselt  und 
ob  sie  jünger  oder  später  als  die  Inschrift  sind  ist  nicht  sofort 
zu  erkennen;  doch  nehme  ich  an,  dass  sie  nicht  etwa  mo- 
dernen Ursprungs  sind  und  glaube  dass  der  Steinmetz  die 
Buchstaben  einmeisselte,  nachdem  er  die  Platte  auf  dem  Grab- 
male befestigt  hatte: 


'l/^^/J0£A/f//)/£yV,/^.^,To/V//C/AlO/TorAV-k/ci 


120  MISGELLE 

Die  ersten  drei  Buchstaben  sind  fast  ganz  zerstört,  das  i  am 
Anfang  ist  nicht  zweifellos,  aber  {jLvöcaa  ist  des  llaumes  wegen 
ausgeschlossen.  Die  Inschrift  ist  wie  bereits  angedeutet  flüch- 
tig und  uneelenk  einsehauen  und  zwar  zunächst  mit  einem 
Spitzhammer,  dann  weiter  ausgeführt  bis  auf  V  und  die  rechte 
Hälfte  des  O,  beides  im  letzten  Wort.  Sichere  Versehen  oder 
Flüchtigkeitsfehler  sind  folgende:  I  statt  U  im  ersten  Namen, 
das  Fehlen  des  I  hinter  dem  ersten  O. 

Das  sechste  Zeichen  vom  Ende  hält  Kirch  hoff  für  ein  Ver- 
sehen statt  1,  dann  muss  man  annehmen,  dass  am  Ende  ein 
anderes  I  ausgefallen  sei  und  gewinnt  die  Lesung  tö[i]  Au- 
x.C(i>[i].  Hält  man  das  r  für  richtig  so  bietet  sich  —  es  kann  sich 
nur  um  ein  Demolikon  handeln  —  t(o[i]  rau/.iw[i]  oder,  da 
dies  unwahrscheinlich  klingt,  mit  Annahme  eines  bei  einem 
so  stark  corrumpirten  Texte  nicht  auffallenden  weiteren  Ver- 
sehens tS)[0  r[>.]xij>tio)[t] ,  also  «aus  rXauviYi  oder  r^ocujcioc». 
Danach  ist  vermuthlich  das  anerkanntermaassen  corrumpirte 
rXuAuia;  bei  Suidas  u.  d.  W.  flolsj^-wv  in  rXau/tixg  zu  corrigi- 
ren;  Sthenelas  wird  dadurch  zu  einem  Landsmann  des  be- 
rühmten Periegeten.  Ich  lese  sonach  2[öc]a(Z7:l  29£vs[>.]tj:  %(J(.i 
Tö[i]  Ni^cisciü)  'tö[i]  r[>v]xu/aa>[i].  Leider  habe  ich  die  Kiiinen  des 
Fundorts  nicht  besuchen  können,  um  zu  entscheiden,  ob  sie 
für  die  von  Kebrene  gelten  dürfen.  Eine  grosse  Anzahl  klei- 
ner daher  stammender  Grabvasen  ist  von  Calvert  gesammelt 
worden . 

H.  G.  LOLLTNG. 


(April  1881.) 


Zur  Epigraphik  von  Kyzikos. 

(Scliluss.) 

N"  3.  Stele;  auf  der  Vorderseite  Büste,  abgebildet  und  be- 
scbrieben  bei  Goold  a.  a.  0.  S.  10  \"  17;  darunter  die  fol- 
gende Inschrift : 

OiENTHIBOYAHiKAITQIAHMfil 
HNAIO.Z  TATEITNilMHTß 

APXO  N  TQN 
A  N  ATPA 

TÖ[v]  (xpy6vTüiv'  av;:Yp3t[^{^oct  TÖv  ypr^ijj.öv]. 
Auf  der  Iliickseite : 

1TTTTAPX0YNT02  'iTTTrapxoOv-ro; 

KAEYMENOY5:  Kle'jyivou; 

HPnOSXPHZMOS  '^pwo;  xP'^l^l^-o« 

2:TE(t)ANH<J)OPnN  '7Tecpxv7]^6po)v, 

5      ONEXPH2ENAYTOIX  8v  e'/pri'7sv  auToi; 

ATTOAAnNOENAI  'A7:6>>).o)v  6  ev  Ai- 
^  A  Y  M  O  I  2  j^  ^uaoi?. 

Die  Beziebnni»en  von  Kvzikos  zum  Orakelheilit<t;lium  in 
Brancbidä  erhellen  auch  schon  aus  den  Geschenken,  welche 
die  Stadt  in  früheren  Zeiten  dorthin  gestiflet  halte  (C./.G.  2855: 
Ku^txTjvoJv  «ptx)//)  b\y,-^v  ayou'Tx'A'Xe^xv^psiuv  s)txT6v,ebens.!2858). 

N"  4.  EinelMarmorplatte  aus  Erdek  mit  Naclibildung  ZNveiep 
Fusssohlen  (vgl. Goold  a.a.O.  N"  124).  Darauf  je  eine  Inschrift 
(ME  der  zweiten  in  Ligatur),  1.  Ztoaiu.ou,  r.  MevSx. 
ZQ.  MEN  Diese  Tafel  erinnert  sofort  an  die  in  Dethiers 
5: 1  A  A  Epigraphik  von  Byzanz  S.  7o  besproch-^p.en  Fuss- 
MO  inschriften,  welche  an2;eblich  einige  Jahre  vor- 

Y  her  hierselbst  im  Biacherner  Viertel  [im  Innern 

MITTH.D.  AHGH.INST.VI.  9 


\22  ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS 

des  goldenen  Horns]  zu  Tage  gekommen  waren.  Bedenkt  man 
jedoch,  dass  auch  die  Fusssohlen  C.  I.  G.  6845  (unter  den  In- 
Gerten),  wie  Conze  Reise  auCder  Insel  Lesbos  S.  32  nachweist, 
aus  Kyzikos  stammen  und  eine  Einzeichnung  auf  Taf.  Vill 
Deth.  iTTTrappucT);  KT^CaoSiscO  noT^Sf^iatr^o;  datirl,  gerade  so  wie 
eine  kyzikenische  Ephebeniiste  C.  I.  G.  3665  iTCTry-p/oucvi;  Au- 
p-flXixi;  MsveXxif^o;,  während  Hipparchen  bez.  Hipparchusen  in 
Byzanz  ganz  ungewöhnlich  sind,  so  kann  wühl  kein  Zweifel 
sein,  dass  jene  angeblichen  byzantinischen  Fusssohlen  nach 
Kyzikos  gehören;  auch  der  Marmor  ist  ganz  derselbe  bläuliche 
Stein  wie  der  der  Prytanenlisten  oben*. 

Über  die  Bedeutung  dieser  Fusssohlen  wenigstens  in  Ky- 
zikos kann  man  nicht  zweifelhaft  sein,  wenn  man  die  Bei- 
schriften liest:  t5>v  ^£ivo)v  Twv  ^i'Xtdv  a§e>.ipG)v  [/.e(;.vv]c>Oe  oi  veot, 
bez.  Tou  SeTvo;  y.x\  toO  Ssivo?  töv  cuctoctöv  oder  twv  ^eivwv  veov; 
es  sind  weder  Exvolos  noch  Inschriften  christlicher  Märtyrer 
(Dethier)  oder  heidnischer  Wallfahrer  (Conze)  sondern  die 
Einzeichnungen  der  Abiturienten  aus  dem  Corps  der  veoi  — 
corpus  quod  appellatur  neon  (d.  i.  vewv)— e/  liabent  [Cyziceni] 
in  civüate  sua  [SC.  de  Cyziccnis  Ephemeris  lil  S.  156-160). 
Diese  langen  Marmorlafeln  bildeten  also  ein  Art  Album,  ähn- 
lich wie  die  Schulbänke,  Carcerwände  für  die  modernen  Gym- 
nasien. Die  Wahl  der  Fusssohle  und  der  Formel  {Aep^vyiaOe 
67:' «yacOw  ähnlich  wie  auf  den  bilinguen  VVanderinschriften 
des  Sinai  erinnert  allerdings  an  den  Wanderer;  wie  dieser  am 
Wallfahrtsorte  so  hinterlässt  der  Jüngling  auf  seinem  Lebens- 
pfade diese  Spur  in  dem  Gymnasium,  wo  er  so  lange  geweilt. 

Was  den  auch  sonst  in  Thracien  und  Byzanz  vorkommen- 
den (Dethier  N°  50)  Namen  Mev^X;  anbetrilTt,  so  halte  ich  ihn 
für  eine  Abkürzung  von  Msv^iStopo?  wie  C.  I.  G.  2034  statt  Bsv- 
SiSo)po;  geschrieben  ist;  MevSi;  statt  Bevc^i?  wird  von  den  Gram- 
matikern angeführt  und  Livius  XXJCVIII  41  hat  die  einzige 
Handschrift  statt  Bendidium  wie  jetzt  gewöhnlich  gelesen  wird 
Mendidium. 


^  Die  Proyenienzangaben  im  Dethierschea  Buche  sind  leider  nicht  immer 
zuverlässig,  auch  die  Inschrift  ist  ungenau  wiedergegeben. 


ZUR  EPIGRAPIIIK  VON  KYZIKOS 


123 


N"  5.  Ebendaselbst.  Marmorlafel,  0,51'"  breit.  Nach  einem 
Abklatscli. 


AKYPBIsnOTIZH  f §f f  A  X  i>  O  N  O  Y  M  N  H  M  H  I  O  1® 

n  AziKAiEi2HfM»:»föA  I  N  o  :s:  O  0  E  I  AtlMÄ 


OVrAPTlZM»»»»» 


i«0YMfi'HÜ 


AniTEP0  2rA£f/«ifvPONTIZIKAP;y;^AKfii§ 

AAnNOozzo  ff/»//Ä'/E  n  ixoonozhn  n;f/)i 

ft  K  E  A  N  O  Z  K  O  A  lf//ö//  i///  A  E  A  E  T  A I  P  O  0  I  O  ^j§ 
NWITEPONAEI  Byf/f/yÄ/^IO  VN  OM  AH  P  OC  O 
lC01KAiEYPH2EI2:F.N//f)AKP05:TIXlAO 
A  H  r  A  P  M  O I  r  E  N  E  H  H  E 1'^  Ä  A I  M  A  T  C  2  O 
H  K  ft  A  E  1 2  A I  A  H  N  O  r  A  O  AT  H  Z  A  E  K  A 


E  und  H  mit  getrenntem  Mittelstrich. 

Die  Mitte  ist  vollständig  abgescheuert,  sodass  weder  auf  dem 
Stein  noch  auf  dem  Abklatsch  eine  Spur  von  Buchstaben  zu 
sehen  ist.  Schon  das  oben  Gelesene  zu  entzifTern  hat  mir  mehr 
Zeit  gekostet  als  diese  Verse  werlh  sind. 

'A  xupot;  TCOTi  <j'^[u!,]z  ypövo'j  ixv/)y,'^io[v  S'jtIv 
TTÄc.  y.xi  si;  •i^[aa;]  «Ivo;  ö(psiX[ö{it.evo;' 

ou  yap  Ti;  pi 

AwiTspo;  yz[[/.eTVi;  (pjpovtiTt  xap[<^i]z[/.xi; 
5      Xxtöv  9'  öcr'7o[i  exTtv]  stuI  j^Oovö?,  '/iv  7T[epi  T:x<jxy 
'ß/.sxvoi;  x6>[7ro'.;  evjSer^sTxi  poOio[u. 
Nwixepov  ö£  ^e[iv£  x,x]l  ouvoax  7cp6'70[s  vo-^'ixi 
ra[0]t  /,xi  s6p-/iosi;  ev[-6;]  xx.pO'7Ti;(_u^o[;* 
Sv)  Y«p  p-O'.  ysvev)  [i.sv  [xp'Jxifxxxo;  '0.  .  .  . 
10      yi"''-w  ^'  ei;  'AiS'/jv  öySoarv);  Se/ca[f^o;. 

Das  Akrostich  ergibt  als  Namen  des  Verstorbenen  'AttoX^wvi- 
§•/)(;).  — Der  Gedanke  Vs.  1  fg.  ähnlich  Kaibel  82:  sUwv  (xvou.a 
j^povo'j,  Ttfx-^  Ss  jcxciyv^TXKJtv  u,  s.  w.  Z.  3  zu  ergänzen  ist  mir 
nicht  möglich  gewesen. 


124  ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS 

N°  6.  Fragment  einer  Marmorplatte,  0,26'"  br.  und  ebenso 
li.;  nach  einem  Abklatsch. 

YnOMNHMAOKATEZKEY 
AZEN  HAYTnAOPY(l)0 
POZ  H  A  E  Y  0  E  P  n  M  E  N  O  Z 
KAITOI^KIMENOIZENAY 
TßKOINTEBOYAOYMNIE 
X  AI  P  E 
SEnOAAlAXAlPE 

^Yr:6u.v'fiij.x  8  }txT£(7/ti'jz<7ev  •/jX'jTto  Aopupopo;  -^^.EuOeptoixevo?  xal 
Toi;  /.lasvot;  ev  scOto),  KoCvts  Bou"Xouy.vis  )^3ctp£.  ^sttoX^ix  J^scips. 
Zu  bemerken  sind  die  Bai  l);ui.smen  in  einer  Inschrift,  welche 
nacli  den  ßuehstabenl'ormcn  und  andern  Iridicien  zu  urtheilen 
vielleicht  vor  die  Kai^erzeit  gebort.  Ein  Sepuilius  2£7roij\>.io; 
Hamilton  315  =  C.  /.  L.  Hl  '37-3  aus  Edindjik;  die  Schreibung 
liT.olliy.  auch  C.  1.  G.  fll  429(1. 

N".  7.  Goold  i05:  Pierre  tumulaire,  marbrc,  portant  guerrier 
arme  de  pied  en  cap,  tenant  de  la  dextre  wie  palme  de  palmier 
et  faisant  face.  Inscription.  Prov^-  Erdek. 

Der  Krieger  isl  durchaus  uicht  bewaffnet;  es  ist  ein  Gla- 
diator en  face  in  einfacher  Tunica,  in  der  ausgestreckten  Rech- 
ten einen  Palinenzweiü;  hallend  ,  die  Unke  herabhänffend.  Da- 
neben  ein  Paar  Gamaschen.  Die  Inschrift  lautet. 

EYnERHZnP  U/gl! 
K  A  T  n  P 

IvjTups::'/!;  •:rpo[€o]x,o(T{op.  Provocalores  kommen  (iic.  pro  Sext.  64 
und  in  Inschriften  mehrfacii  vor,  C.  I.  G.  7021  und  die  dort 
angeführten  Stellen.  Eine  (^xuilix  y.ovo{;.«xwv  aus  Kyzikos  C.I.G. 
3677. 

Ebenso  ungenau  wie  bei  Goold  ist  die  Beschreibung  bei 
I^errot  a.  a,  ().  N"  56,  welcher  E'jTrpsTcyi;  TrpLsJicxTtop  liest  und 
ans  dem  Gladiator  einen  Priester  mit  Tliyrsus  und  Guidande 
maclit. 


zun  EPIGIWPHIK  VON  KYZIKOS 


\V. 


Die  folgenden  Inschriften  nach  Abklatschen,  welche  mir 
Herr  Carahella  mit  gewohnter  Liebenswürdigkeit  zur  Disposi- 
tion gestellt  hat. 

N"  8.  Sarkophag. 


§§f§M  N  H  M  A 

CYNTCUYnOCniPlTHKAIBAePOICAIA4»ePIOKTA0ePHO  ///M//'/ 
lOGHKAPICüTOYKATAATTOYKCÜUH  »»»»»«»» 
HKAHPOt<(ü^(DH  A\TO\XP\CT SA^i  -il'iA  millllim 


XM 

OYMETPHTOYxBct)  ^  f^  milimiMIMim 


D 1 2  o  N  K  A ,;,;  Y  n  Uij  o  liimimiMlMMim 


Z.  5  HE  und  H  M ,  Z.  (J  N  E,  Z.  7  M  E  in  Ligatur. 

OtTenbar  stehen  hier  zwei  aus  ganz  verschiedenen  Zeilen 
stammende  Inschriften  zus.nnmen 

l)   (Jie  ältei'c  :  'V-6]av7iax  [ä  /.zTSTy.S'jXTev  /.tX.  ei  §s  ti;  toX- 

[AVlTBi  ETepov  -/.ocTaGerrJOaci   -^  £x,/.6i}>3Ci  'h  fi.£T£[v2y/CSiv fJüicJsi 

T(^   Upö  C'jvsöpio)  Tco[v  cax,)co(p6pü)v  Twv  ar;6]  to'j  v-StoyitoO  (ry/ivsc- 

pia)  ß(p'  xa[i T-^  7:6  AEt  t]ö  i'^ov  /,7.[i]  Ajrr[£'i]0['jvo;  eor-iai  tu 

TÜ;  TUfASwpuyix;  voatp]. 

Die  (TX)cxo<p6poi  ocTC^  Tou  {jLSTpYiToö  sinddic  saccaiii,  Lastträger, 
welche  an  dem  auf  dem  Markte  oder  sonsUvo  ötTentlich  aus- 
gestellten Standard ,  (  Wein  )  Maasse,  ihren  Stand  hatten  ;  ähn- 
lich wird  in  einer  unedirten  Inschrift  von  l^aiiderma  (Panor- 
mos,  dem  Hafen  von  Kyzikos)  eine  Strafe  zu  Gl)^^len  der  Zunft 
der  IJafenliäger  angedrohi ,  in  einer  Inschrift  ausSmyrna  (vgl. 
MoucsTov  -/.zl  ^i^lioHy^-fi  Utp.  r,^.  S.  11 1  N^'  S'  zu  Gunsten  der  900- 
TYiyoi  Ol  ::£pl  röv  ßsi/cov,  d.  h.  der  Lastträger  beim  ölfenlliclien 
ßei/to;;  in  lOphesus  C.  I.  G.  'MYIS  sollen  die  i^yx-zy.'.  T^poTTuT^eTTai 
Trpo;  TW  nocfii^oivi  eine  Strafe  eintreiben,  und  Dumont  Inscr. 
de  la  Thracc  IN"  6G  (Perinth)  kommt  eine  te/vy;  t2>v  (7x/.y,o'p6- 
ptiiv   Tüiv  azo  T^;  e\[a]'/)pa(;  d.  h.  der  bei  der  >yormal-y.oTij'Xvi 


126  ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS 

s^aiYipsc  (vgl.  das  (ty1>cü)jx«  von  Uschak)  stationirten  Lastträger 
vor,  was  der  Herausgeber  nicht  verstanden. 
2)  die  christliche  Inschrift  darüber: 

TouTO    To]  p.v^aa   rruv    tw    urro'JTripiTVi    xxl    ßocOpoi;    ota(pep(e)i 

'Ox.Taöep-^o[u]  ccTroÖTQ/.aptw  toü  K^craocTTOu,  xci)u.7)[; x.]-/]  -aI-zi- 

pov[6]{;.wv  KUToO"  XpicTTS  Kv[7.7i;]a[ui7ov  T71V  (j;ijj^Yiv  auToO Links 

davon  X(pi«5TÖ;),  M.{iix-f\X),  r(aSpi-/i'X). 

Die  barbarischen  Formen  und  Conslructionen  sind  natürlich 
nicht  auffällig;  das  Wort  {y.v^jxx  ist  aus  der  älteren  Inschrift 
beibehalten,  der  Ausdruck  67co(77i:(e)ipiT'/i(;  wie  es  scheint  sonst 
unbekannt. 

Über  die  Bedeutung  der  drei  Buchstaben  X  M  F  vgl.  die  aus- 
führlichen Bemerkungen  von  Benan  Mission  de  P/ienicie  S. 
869  und  Bayet  im  Bull,  de  corr.  Heil.  II  S.  31  fg.;  Beispiele 
dieser  Sigle  aus  diesen  Gegenden  waren  noch  nicht  bekannt; 
auf  iinedirten  Inschriften  von  Vodena  kommt  sie  auch  mehr- 
fach vor. 

Das  Factum,  dass  die  heidnischen  Sarkophage  vielfach  spä- 
ter von  den  Christen  geöffnet  und  nach  Entfernung  der  darin 
beigesetzten  Leichen  und  der  Inschriften  neu  hergerichtet  wur- 
den, ist  mir  besonders  häufig  in  M_ysien  und  Bithynien  begeg- 
net. Der  technische  Ausdruck  hierfür  Ist  ö^vkvsoOcOxi  ;  auf  dem 
Bahnhof  von  Haider  Pascha  steht  ein  offenbar  heidnischer  Sar- 
kophag aus  Sabandja  mit  folgender  Inschrift:  Map«?  uttoSo- 
\ti)c,  Tvj;  ayix;  toO  6u  exXvi'ji«;  avevecoaocjxviv  tyiv  j^ocpirrOtörav  [xot 
TCoieXov.  Dass  es  übrigens  schon  früher  vorkam  beweist  u.  A. 
auch  die  folgende  Inschrift. 

N"  9.   Platte  2,22™  br.,  0,5G"'  h,  (Copie). 

IAIAIOYONHZIMOYHNIOPA<l)OY 
OKATE2KEYA2ENEAYTn 

KTHrYNAIKIKAZwTHPIAIKAI 
TOI^TEKNOIZjc^ 


ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS  127 

)t(al)  T^  Yuvaiy.1   K'X(auSicji)  Stof/ipi^i  ical  toi;  xe^voi;. 

Die  Worte  'Ov/)<tii;,ou  '^vtopoc^ou  iiiul  SwTvipiSi  stehen  in  Rasur, 
Z.  2  TE  und  NE,  Z.  ;5  T  H  in  Ligatur.. 

N"  10.  Abklatsch.  Höhe  0,37,  Breite  ung.  1"'. 

TPY<t)AINH5:THZXAPI5ENOY 
■I-  TA  AaKTO  I  inPOENOYZINff 
T  I  2  T  O  A  MH  2  E  I  A  N  Y  2A  I  T  O  TT  a 
TnNEnirErPAMI^ENQNAaZEI 
KOYAEN-ISONEST^YÜEYGY 
ElTirPA(t>HXTOANTirPA(t)ONA"iTO 
PEIN-ISTO-  E-K-NnNIA2KOAPTf 

Z.  2  und  5  hat  das  K  noch  einen  horizontalen  Mitlelstrich ; 
Z.  3  MH,  Z.  4  ME  in  Ligatur. 

'YTTÖuLVYiaoc]  Tpu<paivyi(;  t^;  Xapi^evou  [S  5caTe(TX£uz5Sv  £«ut^  vcxl 
T(0  avf^pl]  'Itx>^o)   x(oci)  toi;  TrpoevoCoriv  [xeitvoc;  aurojv*   ei  öe]  ti? 

ToXpi.'fl'Tei  «VU^at    TO  7Ctö[fA3C   EKTO;]  TÖV  ETCtYeYp3CfXU.evti)V  ^w(jei[ .... 

7rpo;Tei[7.o'j  .  .  .  .]  x(y,i)  ouSev  ^((j)itov  ecrTo)  u7r£u6u[vo(;  tö  ttjc  tu[/.- 
6o)pu](^ia;  £yx.>.'>i|x«Ti*  Ta'jT7l<;  tfii;]  £7rtypoc(p'^;  t6  avTiYpx<pov  Ä7c6- 
[/etxat  ei(;  to  ap^^Eiov  xvj;  tcoXeo);  ....  BixTcoJpEivv)«;  to  e'  "/.(äO 
Nwviz;  KoapxfTii;.  .  . 

npoevEi[;.i  wie  sonst  einmal  7rpo£Y>tei<y9«i  ^-  ^-  G.  3516  dürfte 
<5(7:a^  ^EYop-Evov  .sein ;  im  Schluss  scheint  ein  Datum  nach  Hip- 
parchüsen  zu  stecken. 

Fast  sämmtliche  Grabschriften  aus  Kyzikos  zeigen  die  For- 
mel u7r6(Avirj(jt.a  toD  ^eivo;  8  xocTeaxeuaaEv  eäutw  xal  y-x^.  ;  diese 
ist  hier  so  ausschliesslich  in  Gebrauch,  dass  ich  vermuthe, 
dass  auch  die  Inschriften  unsicherer  Provenienz  C.  /.  G.  6937 
6958  (Verona  und  Venedig),  6978  (Constantinopel),  Dethier 
Epigraphik  von  B^'zanz  N"  XXV,  welche  ebenso  lauten,  nach 
Ryzikos  gehören;  in  den  meisten  Fällen  wird  das  durch  die 
Namen  bestätigt. 


428  ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS 

iV  11.  Abklatsch.  Z.  2  H  E  und  n  P,  Z.  3  AA,  Z.  4  H  C  in 
Li'^atur  ebd.  die  Spitzen  des  M  am  Ende  durch  einen  Querstrich 
verbunden,  Z.  5  HM,  Z.  0  H  C  in  Ligatur. 

AAOAlKEYCTOrE 

NOCTHCnPOCAYKON 

ENGAAEKEIMAIZYMcJ) 

POEEYOnAlHCXPYZAM 

AOC(JUnAPOAElTA!BI-M 

KHClfMAlKUüCE/y;';/^ 

n  mmmwiim  ^-  h  a  e 
imiimisißii  N  A-r 

Azo^ix.S'j;  tö  ysvo;  t'^?  zpoi;  Aux.ov  evöxöe  /.eTfxai 

cua'p[o]po?  suoTC);iy,?  Xpu'75cj;.[7:e]>.o;,  w  rcxpodeTrai 

]\»  12.  Abklatsch. 

e  Y  h         K  T  O  Y 
KANKC    AAA 
P  I  O  Y  T  A  2  e 
UU  C  K  A  e  O  A  1 
KOYeNONO 
M  AT  I  K  Y  P  I  O  Y 

E'jz[py.]x.Tou  xav/.[e]>.X3cpiO'j  Tjc^eo)?  /taOo'Xr/.oO  ev  övoaoiTt  xu- 
piou.  Zur  ry.;'.?  •/t/OoXtx.oO,  d.i.  Rang  eines  ralionalis  swnmanim 
vgl.  C.  /.  (».  48t)2  ev  T'^  racei    twv  KKÖoXi/toiv. 

N"  13.  Fragment  einer  Marmorstele  bei  Takvor,  0,26'"  br., 
0,28'"  (an  der  linken),  0,35  (an  der  rechten  Kante)  h.  Über 
der  Inschrift  ein  Relief:  Links  in  der  Ecke  eine  Frau  auf  der 
Erde  sitzend,  sich  entsel)leiernd  ;  in  der  Mitte  ein  Kind  auf 
dem  Roden  spielend;  rechts  ein  Mann  aufrecht. 

Die  stark  verwitterte  und  abgeriebene  Insclirifi  wurde  erst 


ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS  t29 

durch  Holzkohle  und  Wasser  in  wünschenswerlher  Weiso 
klar;  sie  lautet: 

2  o  4)  E ;; ;  aonzefonaiieayohmeponi 

AFOMHTPOS     A  A  H  5:  E  I  2  N  OT  I  OYZ  A  A 
MONA^HFArETO      E P M O K P A T E Y N Y N 
SXETPIFAOYNAXOÜHZETEKOYZA 
5   FPO^    ,TPO<})HZMOXOOYNYNTErOOY5: 
OANATOY      ENMIKPHTAPEAYZEZAKM 
(t)  A02  H  A  E  EF  I  M  E  MF  T  H      M  O  I  P  A  2  E  Y  F  O 
ZKIEPAKPYYEKAMONTAKONI 
EPMOKPATHXAlPEKAIZYTEnFAPO 
10  A  E  IT  A 

"AtS'/i;  ei;  voiiou;  S3c[i]aov7,;  -^YScyeTO, 
*Ep(xox.pz-eu,  vuv  [i^'  e]<7;;^£  ipcrT^ouv  «z^oi;  'fl  <J£  tsxoO^oc, 

TCpo?  [Ös]  Tpo<p'^!;,  jAoy  fJou,  vuv  xs  yöo'j;  Oxvxtou. 
'Ev  aix.p-?i  Y«p  eX'JTC!;  a'/4jji.['/l]  (pzo?,  'h  oe  £7:i[7.ej/,7wTVi 

Motpx  ce  UTTO  cicispX  >tpui],e  /,x[;.6vt3c  /.övu 
*Epj/.ox.pxTvj  X^-^P^'  '^'^^  ""^  Y®»  ^  TTracpo^eiTa. 

Z.  1  war  wahrscheinlich  O  (})  E  A  A  O  N  geschrieben  und  dann 
wurde  das  eine  A  getilgt.  Autfällig  sind  die  beid(3n  Vocativlor- 
men  'Eq^.o'aqx'zu  nnd  'Ep^.o-/.oxr-f\\  jedenfalls  ist  es  nicht  er- 
laubt, stau  'EpuLovtpxTeu  —  'Epfxo/cpxTe;  zu  lesen.  Zu  bemerken 
ist  auch  das  Fehlen  des  jola  subscriptuni,  die  Form  y.6\iZ.  6  und 
einzelne  ungewöhnliche  Ausdrücke  wie  voxioi  ^xiulovs;  Z.  2 
(wolil  die  Bewohner  des  finsteren  feuchten  Schattenreichs); 
eX'jTe?  9Z0;  nach  Analogie  von  ßiov  ^ue-.v  u.  dgl.  Nach  den 
Buchstabenfornien  scheint  der  Sri'in  vori'ömisch. 

Von  den  sonst  mir  in  ('opien  mitgelheilten  Inschriften  will 
ich  einige  wenige  hiei-  verölTentlichen. 

N°  \i.  Arlake  (Frdek). 


130  ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS 

HPnnNKAEAnOAAAKAIIAI 

AKOYnOAEMOlO 
KOSMHSASOeEOISISOZ 

OMHPOZOAE 

xo'Tjji.'^TX?  6  ösot;  ?To;  "OjAvipo;  oSe. 

N"  15.   In  Edindjik. 

0EANOMONOIAN 
THnATPIAI(t)A 
API^TArOPA2 
YI02API2TAr0P0Y 
lEPfiMENOZTHZ 
KOPH  Z 

0e«v  *0(A<5votixv  T^  TcarpiSi  OX(äSioO  'ApiffTocy^pot;  uib?  'Api- 
crayöpou  iep(üp!,svo;  ttJ!;  Kooti;. 

Die  Stalue  der  Concordia  kann  man  mit  dem  Factum  in 
Verbindung  bringen,  dass  Kyzikos  unter  den  Kaisern  eineöjxö- 
voi«  mitSmyrna  und  Ephesos  geschlossen;  siehe  Marquardt 
a.  a.  0.  S.  1 4 1 .  —  lepcof/^evo;  t^?  Köpr,?*  ähnlich  in  der  Inschrift 
Berl.  Der.  1860  S.  494  I  zum  Schluss  (nach  einer  bessern 
Copie)  ispü)|xev[oi  t*^;]  Köpyi;  y.«l  [Aiof/,v)Tpoc]. 

N"  16.  Die  Inschrift  Hamilton  311  =Le  Bas  1757  (Edindjik) 
ist  im  J.  1840  vom  verstorbenen  Stephan  Caratheodory  hier 
in  Tophane  gesehen  worden  ;  Hamilton  besuchte  Aidindjik 
{Researches  II  S.  96)  Mai  1837.  Da  der  Stein  wohl  zu  irgend 
einem  Bau  verwendet  worden  und  die  Copie  des  englischen 
Reisenden  sehr  unvollkommen  ist,  theile  ich  hier  die  Abschrift 
Caratheodorys  mit: 

EOPTHHrVNHAYTOYKAIACKAH 

TTIAAHCOYOCAYTOYAANAQAEY 

TEPnnAAnOPAKfiNMNElAC 

X  AP  I  N 
. NNEAKICnYKTEYCACnXETOeiC 

A  I  AH  N 


ZUR  EPICnAPlIIK  VON  KYZIKOS  131 

*EopT-/i  'h  yuvv)  auToO  v.xi  'Arrjc'XvirKxSvi?  4  66;  auroO  Azvati)  öeu- 

'Ejvveacxii;  ::uitTeu(J3c;  oi^eto  ei;  'AiSnv. 

Über  den  ^euTrepo;  tcx^o;  Opa/cwv  hal  Waddinglon  zu  Le  Bas 
das  INölhige  beigebi-aclit.  Cber  die  GJadialorenspiele  in  Kyzi- 
kos  vgl.  oben  zu  IS"  7.  Die  beiden  letzleii  Zeilen  bilden  einen 
allerdin<j;s  incorreclen  Pentameter;  äbnlicb  heisst  es  auf  der 
GladiatorgrabscbrirLDiichesne  und  Bayet  Mission  au  mont  Athos 
IN"  147:  7re[vT3cy.i!;]  TruxTCuaa?  /.xi  jAYi^eva  "kuTZ'finxc,,  vOv  S' e[Yo) 
'k<i]'kK)T:Y,fxxi ;  auch  Kaibel  291  I  ,  wo  Waddinglon  vielleicht  mit 
Unrecht  icuÄTcuda«;  statt  des  über,,  terlen  tcuxteltoc«;  —  vgl .  spä- 
tere Formen  wie  yoveifftv  statt  yovsucriv  —  schrieb,  ist  zu  ver- 
gleichen. 

Pera,  1.  März  1881. 

D'  J.  H.  MORDTMAiNN. 


Aus  Constantinopel  und  Kleinasieri, 


Im  Folgenden  veröffentliche  ich  eine  Anzahl  griechischer 
und  laleinischer  Inschriften,  die  ich  auf  einer  in  den  letzten 
Tagen  des  Jahres  1879  von  Athen  aus  angetretenen  Reise  in 
Constantinopel  und  an  verschiedenen  Punkten  \on  Kleinasien 
ahgeschrieben  oder  abgeklatscht  liahe.  Ein  paar  griechische 
Inschriften  aus  Apolloiiia  in  Kpirus,  jetzt  in  Constantinopel, 
und  eine  aus  Cvpern  iheile  ich  nach  Copien  mit,  die  ich  von 
anderen  Gelehrten  erhalten  habe.  Alle  diese  Inschriften  sind 
entweder  bisher  gänzlich  unbekannt  oder  ungeniigend  und 
fehlerhaft  publiciert.  Auasei'dein  füge  ich  ein  paar  Bemerkun- 
gen aus  den  Aufzeichnungen  hinzu,  die  ich  mir  bei  der  Be- 
sichtigung der  Riiinen  ron  Ephesus  und  Sardes  gemacht  habe. 

Constantinopel.  Museum  im  Tschinili  Kiöschk,  früher 
in  der  Irenenkii'che. 

1.  Kleine,  viereckige,  nuirmurne  Grabstele  mit  dem  He- 
liefbild  eines  Soldaten  mit  o;etrürteter  Tunica  und  über  den 
Rücken  herabhängendem  langen  Mantel,  der  in  der  R.  einen, 
die  Spitze  nach  oben,  auf  den  Boden  aufgestülzten  Speer,  mit 
der  gesenkten  L.  den  ebenfalls  auf  dem  Boden  i'uhenden  Schild 
hält.  Rohe  Arbeit. 


M  S 

F     SRBESTIANOMIL 
L-P-R-MIS-P- V     PHILIP- 
JI-VIC-M-AVRSALVI 
ANVSFRAETCON 


Darüber : 

D 

Darunter  : 

T 

C 

s 

AUS  CONSTANTINOPEL  UND  KLEINASIEN  133 

Die  Inschrift  ist  an  mehreren  Stellen  von  jemand,  der  sich 
sie  zu  lesen  bemüh le,  stark  zerkratzt  worden.  Z.  2  lies  T{ito) 
F{lavio)  S[a]bestiano.  Der  griechische  Steinmetz  hat  fehlerhaft 
R  statt  A  gegeben  V  Z,  4  c[entiiria)  {tn'remi)  Vicltoria).  Eine 
triremis  IVc/orm,  ebenfalls  von  der  misenenHischeii  Flotte,  wird 
ausserdem  /.  N.  2703.  2782.  2803  erwälint.  Z.  5.  fva{ier)  et 
con{7nilüo). 

2.  Grössere,  viereckige,  marmorne  Grabstele  mit  dem  Re- 
liefbild eines  Soldaten,  der  bekleidet  ist  mit  Tiinica  und  auf 
der  r.  Schulter  belesligtem  Mantel.  In  der  R.  hat  er  die  vt7is, 
in  der  L.  einen  Gegenstand  ,  der  der  mappa  von  Spielgebern 
ähnlich  gestaltet  ist,  aber  wohl  eine  Schriftrolle  vorstellen 
soll.  —  Eine  ganz  entsprechende  Darstellung  bietet  der  Grab- 
stein des  C.Aenrilius'  Scverus  1  uxiimeri)  Paninoniorum)  im  pa- 
lazzo  arc/iivescovale  zu  Ravenna.  'Suv  besteht  die  Kleidung  hier 
aus  ungegiir teter  Tiinica  und  Paenula,  und  der  Gegenstand 
in  der  seitwärts  halb  erhobenen  \j.  ähnelt  bestimmter  einer 
Schriftrolle. 

0  K 

AVRAAVCIANO-7-DE 
joVTATO-VJXIT-ANNIS/.. 
MILITAVIT-ANNIS-XXt)? 
EVlYCHIANVSLJB-PATr    5 
S  V  O 

Die  erste  Zeile  steht  über  dem  Relief,  die  anderen  darunter. 
Das  O  ist  durchweg  ein  wenig  kleiner  als  die  andern  Buch- 
staben. Die  Ergänzung  von  L  zu  Ende  von  Zeile  3  ist  wohl 
sicher;  auch  Z.  4  wird  auf  XX  wohl  nur  noch  ein  Zeichen 
gefolgt  sein.  Z.  5  f.  lib^crtus)  pal[r][ono)  suo. —  Die  Inschrift 
stimmt  vollkommen  zu  der  von  Henzen  Ann.  1850,45  ausge- 
sprochenen Ansicht,  dass  die  centuriones  deputati  waren  cen- 
turioni  scclti  dalle  lo)'o  legioni  per  eseguire  qualche  incarico  pC' 


'  So  belehrte  raicti  Momrnsen. 


13-^  AUS  GONSTANTINOPEL  UND  KLEINASIEN 

culiare  ed  essere  preposti  a  comandi  staccati,  und  zugleich  be- 
weist sie  auch,  dass  es  nicht  bloss  waren  centuriones  propter 
legionis  negotia  in  urbe  morantes  {Eph.  cpigr.  IV,  240). 

Uehrigens  versichern  die  Museumsbeamten,  diese  beiden 
Inschriften  wären  aus  Salonichi  gekommen,  eine  Angabe,  die 
kein  Vertrauen  einflössl,  weil  sie  alle  Stücke,  deren  Provenienz 
unbekannt  ist,  nach  Salonichi  oder  Kyzikos  zu  weisen  pllegen. 
D*"  Schröder*  meint  sie  könnten  aus  Rodosto  stammen,  wo 
schon  mehrere  Grabsteine  von  Soldaten  gefunden  worden  sind. 
Man  könnte  dann  fragen,  ob  Aur.  Mucianus  als  cenlurio  de- 
putatHS  vielleicht  den  numerus  Divitensium  befehligte,  der  nach 
anderen  Nachrichten  in  Thrakien  stand  und  von  dem  nach  ill 
728  Theile  auch  in  Rhaedestus  gelegen  haben  müssen. 

3.  Viereckige,  marmorne  Platte  mit  Votivrelief  und-inschrift 
aus  dem  2.  oder  3.  Jahrhundert  n.  Chr.  Oben  befindet  sich 
eine  giebelförmige  Bekrönung,  die  aber  durch  an  den  Seiten 
angebrachte  Palmetten  rechteckig  abgeschlossen  wird.  In  dem 
Reliefl'eld  steht  r.  auf  einem  breiten  Postament  Zeus  e.  f.,  wie 
es  scheint  mit  Tunica  und  langem  Mantel  angethan,  mit  der 
gesenkten  L.  ein  langes  Scepter,  in  der  seitwärts  erhobenen 
R.  den  Blitz  oder  Donnerkeil  haltend.  1^.  davon  auf  einem 
gleich  hohen,  aber  viel  schmaleren  Postament  eine  Herme 
mit  viereckigen  Vorsprüngen  (zum  Rranzaufhängen)  an  den 
Seiten,  einen  caduceus  über  der  r.  Schulter.  Zwischen  beiden 
Götterbildern,  aber  höher,  ein  Altar  mit  einer  Guirlande  be- 
kränzt, darauf  ein  hoher,  dreieckiger  Aufsatz,  der  wohl  einen 
Opferkuchen  darstellt.  Unterhalb  der  beiden  Postamente  liegt 
auf  seiner  r.  Seite  von  I.  nach  r.  der  Länge  nach  ausgestreckt 
ein  Mann,  bekleidet  und  wie  mit  einem  breiten,  über  die  r. 
Schulter  laufenden  Band  angethan  2.  Darunler,  von  beiden  Sei- 
ten mit  einem  breiten  Rand  eingefasst,  die  Inschrift: 


*  Demselben  verdanke  ich  aucti  Abklatsche  dieser  zwei  Inschriften  und 
eine  noclimaiige  Collation  meiner  Abschriften  mit  den  Originalen. 

*  Wenn  dies  nicht  der  Wulst  des  Mantels  ist. 


AUS  CONöTANTlNOPIiL  UND  KLEINASlliN  135 

TIBGPIOCKAAYAIOC 

CYNTPO(t)OCAII 
Y  Y  ICTUÜ  K  ATen  I  T  A 

r  H  N  6  K  T  UU  I  A  I  sic\ 
UÜNANeOHKeN 

B  P  O  N  T  A  I  UU 

Der  liegende  Mann  des  Heliefs  ist  also  der  Dedicant,  der  wäh- 
rend des  Schlafes  die  Weisung'  zu  seiner  Widmung  erhalten 
hatte,  vielleicht  duich  einen  Dunnerschlag,  wie  man  aus  dem 
emphatisch  nachgestellten  ßpovraiw  vermuthen  könnle.  Oder 
halte  er  etwa  durch  einen  Trauin  die  Weisung  erhallen  ,  auf 
diese  Art  Zeus  zu  danken  für  ijnä(li2;e  Lehensre  tuni>  bei  einem 

CO  o 

in  seiner  Nähe  einschlagenden  Gewitter?  Hermes,  der  Gölter- 
bole,  hat  als  Vermittler  der  i-rnxxyod  des  Zeus  auf  dem  Relief 
passend  eine  Stelle. 

Folgende  Denkmäler  (IS"  4-9),  über  die  mir  Herr  D""  Schrö- 
der Mittheilung  gemacht  hat,  sind  gegenwärtig  im  Besitz  des 
'EXA'/iviitö;  (piXoXoYix.6(;  -T'jXXoyo?  zu  Conslanlinopel.  Sie  stam- 
men angeblich  aus  Apollonia  in  Neuepirus  ('ATcoXXtoviz  t-^; 
ET^ap^ix;  BiAeyp«f)a)v  s.  xou  ev  KcovcTavTtvo'JTcdXst  'FAX.  (piX.  (J'j'X'X. 
T«  Trcp'.-TcoÖsvTa  IV,   125). 

4.  Ein  fragmentiertes  Volivrelief  mit  Inschrift,  hoch  0,36™, 
breit  unten  0,25'",  oben  0,06"*.  Dargeslelll  ist  in  einer  nur  auf 
der  r.  Seite  erhaltenen  Umrahmung  Artemis,  e.  f.,  in  hoch 
gegürtetem,  nur  etwa  die  Hälfte  der  Oberschenkel  noch  be- 
deckenden), kurzärmligem  Chiton  und  mit  Jagdstiefeln  an  den 
Füssen.  Die  L.  liegt  gesenkt,  doch  mit  gekrümmtem  Ellen- 
bogen an  der  Seite  an.  L.  von  der  Göttin  sitzt  nach  1.  ein 
Hund;  sein  Kopf,  den  er  wohl  nach  jener  umwandle,  so  wie 
ihr  Kopf,  Hals,  r.  Schulter,  r.  Arm  sind  weggebrochen.  Die 
Inschrift  darunter  lautet: 

<ePA(JUNAP 

Te/A  IT  I  e  Y 
X  AN 


136  AUS  CONSTANTINOPEL  UND  KLEINASIEN 

5.  Aehnliches^vollkommen  erhaltenes Votivrelief  hoch  0,41™, 
breit  0,25™.  Auf  dem  von  breitem  Rand  umgebenen  Feld  er- 
blickt man  Artemis,  nach  1.  schreitend,  eine  Fackel  in  der 
halb  erhobenen  R.,  einen  Jagdspeer  in  der  L.  Bekleidet  ist  sie 
mit  Jagdstieieln  und  bis  über  die  Knie  reichendem  gegürteten 
Chiton,  und  über  ihre  Schulter  ist  ein  Mantel  geworfen,  der 
vom  Winde  hinter  Kopf  und  Rücken  zu  einem  grossen  Bogen 
aufgebläht  wird.  Die  Haare  sind  am  Hinterkopf  in  einen  nest- 
artigen Knoten  zusammengebunden.  Darunter  die  Inschrift: 

AM  M  I  A  A 
APTAMlTieY 
ATPOTA        XAN 

Die  Inschrift  allein  ist  in  Minuskeln  abgedruckt,  aber  ganz 
verkehrt  gelesen  in  den  Publicationen  des  'Ell.  <pi)i.  ctuXX.  zu 
Constantinopel  to}x.  a'  S.  125,  ausserdem  in  des  Belgrader 
Metropoliten  "AvOijxo?  A.  'AT^eEou^vi;  «  rjuvT0{X05  iTTopixT)  Tcepi- 
Ypoc^Y)  T'^<;  tspä?  (lYjTpoTCÖXew?  BeXeypaSwv  »  1871.  — Der  Name 
'Ajx[aU«  ist  sonst,  so  viel  ich  sehe,  noch  nicht  nachgewiesen. 

6.  Relief  (hoch  jetzt  0,25"')  darstellend  Arterais,  hochge- 
schürzt, sich  mit  dem  r.  Arm  auf  einen  Speer  stutzend.  R.  am 
Fusse  ist  noch  der  Koj)f  eines  Hundes  sichtbar.  Der  untere 
Theil  des  Reliefs  ist  nämlich  sammt  der  Weihinschrift,  die 
wir  hier  wie  bei  N"  4  und  5  anzunehmen  berechtiü;t  sind, 
weggebrochen. 

7.  Marmornes  Brustbild  einer  verschleierten  Frau,  am  un- 
leren Rande  die  Inschrift: 

•/cAAAXAlPE 

8.  Fragment  einer  cylindrischen  Grabstele,  hoch  und  breit 
c.  0,10'",  mit  folgenden  Resten  einer  Inschrift: 

frei 

M  O  N  O  Y 
N  I  E  fr. 
X  A  I  fr. 


AUS  CONSTANTINOPEL  UND  RLEINASIEN  137 

9.  ZlegelstücJ^  von  0,10'"  Länge,  darauf  der  Stempel:  E  TT  I- 
K  A  A|. 

10.  Der  Güte  des  Herrn  D""  Schröder  verdanke  icli  auch  ei- 
nen Abklatsch  der  im  Besitz  des  Herrn  Carabella  befindlichen, 
metrischen  Grabschrift  aus  Kyzikos,  die  von  Perrot  in  der  Re- 
vue archeol.  1876,  353  ff.  publiciert,  von  Kaibel  in  den  Epigr. 
Gr.  ex  lapidib.  conl.  IS"  338  w  iederholt  vsorden  ist.  Ich  habe 
danach  folgende  Berichtigungen  mitzulheilen :  Z.  3  f.  cÄ|o<ppc- 
cuvY)-  Z.  4  a[jtgpo5vH  NZ.GXPONOZ-AAAANEHNYM- 
<t)H2l-EY2:F  Z.  8  zu  Anfang  "A  y.rl.  Im  dritten  Hexa^ 
meter  hat  also  der  Stein  :  a;\).a  vev]  vujx^Yiai  y.T>.. 


11.  Hieran  schliesst  sich  passend  die  Mittheilung  über  ein 
Meines,  marmornesGrabrelief  an,  das  ich  imMuseum  zu  Win- 
tertluir  in  der  Schweiz  vorfand  (N"  1989).  Nacli  der  Angabe 
des  Museumsinspectors  ist  dasselbe  nämlich  in  Constantino- 
pel  ervs'orben  worden.  Es  stellt  einen  Mann  dar,  der  in  einen 
Mantel  gehüllt  ist,  und  zu  seiner  r.  Seile  ein  Kind.  Rohe  .Ar- 
beit. Am  oberen  Rand  die  Inschrift: 

E  1  Z  I  An  P02 
AHO A AÜN lO Y 

Nach  Ortho- und  palaeographischen  Kriterien  darf  man  das 
kleine  Denkmal  etwa  dem  ersten  Jahrh.  vor  Chr.  zuweisen. 


Pergamum.  12.  Auf  der  Akropolis  fand  ich  in  der  Ter- 
rassenmauer mit  den  Strebepfeilern,  westlich  von  der  Südter- 
rasse, ein  marmornes  Architrav^stück  eingemauert,  das  nach 
beiden  Seiten  bearbeitet  und  profiliert  ist,  also  zu  den  Episty- 
lien  einer  Porlicus  2;ehört  liaben  wird.  Die  Mauerlücke  da- 
neben  — das  Stück  ist  nämlich  seiner  Länge  nach  quer  in  die 
Mauer  eingelegt -erlaubte   mir  von  den  auf  der  einen  Seite 


MITTH.D.  ARCH.INST.  Vi. 


10 


138  AUS  GONSTANTINOPEL  UND  KLEINASIEN 

befindlichen^  grossen  Buchstaben  (die  Seilenhaslen  des  ^  bie- 
gen sich  mit  ihren  Enden  einwärts)  folgende  zu  erspähen: 
^A  AAK  l§  §1 ,  also  vielleicht  (pxXay.[po;.  Das  Stück  könnte 
möglicherweise  mit  anderen,  gefundenen  Fragmenten  zusam- 
mengehören,  und  es  war  ausser  von  mir,  so  viel  ich  er- 
fahren konnte,  noch  nicht  bemerkt  worden. —Dieselbe  ver- 
schnörkelte Form  des  (p  bemerkte  ich  auch  auf  späten  In- 
schriften in  Olympia. 

13.   Im  Dromos  des   Ängetumulus  sah  ich  rechts  an  der 
Wand  dasselbe  Sleinmetzzeichen,  das  ungemein  häufig  an  den 

Säulen  der  Binbirdirek  zu  Constantinopel  angebracht  ist:  (T) 

vgl.  auch  die  Inschrift  im  4.  Bd.  der  Publicationen  des  Con- 

stanl.  SuUovo;  S.   173  N"  10-  Oscri;  c3  )^  ktX. 


14.  An  der  Aussenseite  des  TrepiS^^t  eines  neben  dem  allge- 
meinen Friedhof  gelegenen,  einzelnen,  türkischen  Grabes  bei 
dem  Chaiii  von  Sa mnrli  — Strasse  von  Menimen  nach  Kiles- 
siköi-fand  ich  einen  verkehrt  eingemauerten,  kleinen,  mar- 
mornen Altar  h.  0,io"',  br.  0,30'"  mit  folgender  Inschrift: 

AN0IS  I  EPE  I  A 
M12HKOPHTON 
BNMONANE 
OH  KE^ 

drei  Aehren. 

Die  Inschrift  ist  ungenügend  und  fehlerhaft  (z.  B.  Z.  2  NI2H) 
puhliciert  in  dem  Smyrnäer  p.oucr&iov  y.yA  ßiSXioO-fl>t7i  -z-r^t;  sOxy- 
Ys7.tx-?)^  a^oV^?!,  19  (1876).  vgl.  Texier  11,  244. -Die  Mb-.! 
Kopyj,  der  der  Altar  geweiht  ist,  ist  ein  der  orphischen  Mytho- 
logie angehöriges,  m.ystisch-androgynes  Wesen,  über  das  uns 
besonders  der  orphische  Hymnus  N"  XLll  Ilerm.  belehrt.  Aus- 
serdem findet  sie  sich  nur  noch  erwähnt  bei  Hesychios :  Mir 


AUS  CONSTANTINOPEL  UND  KLEINASIEN  139 

50CT15*  Mvffa  Ttöv  xspi  T-flv  y.'/itepx  (1.  ^y,}xt,-^x)  ti;,  Vjv  y.al  öjivu- 
ouin.  Ihrer  Ziigohörigkeil  zu  dem  Kreise  «ccreulisch-metroi- 
scher;)  Gottheilen  {vgl,  Gerhard,  Gr.  Myth.  f^  iÜ3)  cnlsprlclit 
das  Sv  111  hol  der  drei  Aehren. 

15.  Nahe  bei  jenem  Fricdliol",  1.  von  der  Strasse,  liegt  die 
vordere  llülfle  einer  Basis  von  schwarzhlauem  Marmor;  auf 
der  Oberilache  ist  noeh  das  Einsatzloch  für  den  vorgesetzten 
l.  und  das  halhe  Kinsalzloch  IVir  den  zuriickstehendeu ,  wolil 
als  Stand  hein  fungierenden  r.  Fuss  der  auf  der  Basis  einst  auf- 
gestellten Stalue  erhallen,  ebenso  ein  Loch  an  der  V^orderseite 
unten,  das  die  Verklammerung  der  Basis  mit  einer  dai'unter 
liegenden  Platte  bezeugt.  An  der  Vorderseite  hat  der  tilgende 
Meissel  folgende  Buchstaben  verschont : 

A  Y  -  f  f  f  i  f  i  i  t  f  i  i  i  f  f/lli  i  i  i  i  i  i  i 

A L  N  H  Z  K  O  N  i^  N  O  2  E  F  O  I  i  i  f  f 

Die  ganze  erste  Zeile  wird  13-15  Buchstaben  enthalten  haben, 
in  der  zweiten  sind  vor  dem  N  c.  8  Buchstaben  ausgemeisselt. 
In  Minuskeln  und  weniger  genau  giebt  die  Inschrift  4>ovTpis- 
po;,  Mouc.  X..  ßiSXioO.  t*^;  euzyy.  c-^olr^q  sv  SjAupv/)  a.  a.  0.  S. 
20.  —Einen  Sculptor,  dessen  Namen  auf  -vr)?  ausgeht  und  des- 
sen Vater  Kövwv  heisst,  vermag  ich  sonst  nicht  zu  finden. 


IG.  Im  Museum  der  evangelischen  Schule  zu  Smyrna  be- 
findet sich  ein  runder,  marmorner  Discus  von  0,17-0,18™ 
Durchmesser  und  höchstens  0,03  Dicke,  gefunden  ev  Outocxim. 
Daraufist  dargestellt  in  roher  Arbeit,  durch  vier  von  seinem 
Haupte  emporragende  Strahlen  genügend  charakterisiert,  He- 
lios, der  ein  im  Galopp  dahinsprengeiides  Viergespann  letikt. 
Er  trägt  ein  MUntelchen,  das  auf  der  r.  Schulter  befestigt,  die 
T.  Brust  bedeckt  und  hinler  seinem  Rücken  flattert.  Mit  dem 
1.  Fuss  energisch  ausschreitend  hält  er  mit  der  l.  Hand  die 
Zügel,  dje  r.  hat  er  ausgebreitet  seitwärts  erhoben.  Rechts  von 


140  AUS  CONSTANTINOPEL  UND  KLEINASIRN 

ihm  und  über  den  Pferden  ist  ein  Vogel  dargestellt,  den  ich 
nach  der  Haube  auf  dem  Kopf  und  der  sonstigen  Gestalt  nur 
mit  einem  Wiedehopf  zu  vergleichen  weiss.  Unterhalb  des 
Viergespanns  scheinen  wogende  Aehren  oder  Gräser  dargestellt 
zu  sein.  Ringsum  aiif  dem  Rand  desDiscus  steht  die  Inschrift: 


ArA0HTYXHAYf'MHNO(j)IAOCKOAeNHC 

e  0  H  K  e  N  o  c  I  uu  e  Y  >  i(/ ;  I  N 

H  (mit  Ausnahme  des  ersten)  und  6  mit  getrenntem  Mittel- 
strich; nicht  genügend  publiciert  im  Mou^.  x-^c,  euocyy.  cjo- 
^^;  1878  S.  53. 

Ephesus  (Ajasoluk).  17.  Im  Wege  gleich  vor  dem  Thor 
der  türkischen  Citadelle  scharrte  ich  die  Vorderseite  einer  Basis 
heraus,  von  deren  Inischril't  ich  Folgendes  entzifferte  : 

CLODIO     C-F-MAEC- 
MMO-TRIB-LEG' 
XVIRSTL-IVD 
i         INI 

Das  Stück  1.  von  dem  Gelesenen  blieb  noch  unter  der  Erde.  Von 
Z.  4  ff.  wird  kaum  noch  viel  zu  lesen  sein:  sie  sind  abge- 
laufen. Die  Inschrift  ist  offenbar  identiscli  mit  III  429,  die 
Smith  im  17.  Jahrhundert  noch  viel  besser  erhalten  beim  Dia- 
natempel fand. 

18.  Am  Magnesiathor  neben  dem  Sarge  «Polycarps»  fand 
ich  eine  grosse  (h.  1,67'"  br.  1,09"),  einst  zu  tectonischer  Ver- 
wendung zurecht  geschnittene  Platte,  auf  der  ich  sofort  die 
Reste  einer  auf  Vespasian  bezüglichen  Inschrift  erkannte.  Den 
Versicherungen  meiner  Begleiter  trauend  ,  dass  sie  von  Wood 
publiciert  sei,  begnügte  ich  mich  nur  kurze  Notiz  davon  zu 
nehmen.  Die  folgende  Copie  hat  mir  dann  Herr  Weber  in 
Smyrna  auf  meine  Bitte  besorgt: 


AUS  CONSTANTINÜPEL  UND  KLKINASIEN  141 

I  M  P 
V  E  S  P  '^ 
A^  r  •  ! 
I     I  I 
UM  P 

(Vei. 

d.  1.  Imp.  [Caes.]  \  Vesp[asiauo]  |  A[ii]fj.  [pont.  max.  \  tr]i[b. 
pol.  I .  .]  1  in\p.  .  .  [cos.  .  .  p.  p.  Ihrer  Form  navM  krninle  sie 
eine  VVegein.'^clirirt  oder  auch  etwa  die  V\  iederherstellung  des 
Thores  durch  Vespasian  zu  bezeugen  bestimmt  gewesen  sein. 
Dann  wnrc  dessen  Name  wohl  im  Nominal iv  zu  ergänzen. 

19.  An  dem  Thorbogen  beim  Stadion  und  zwar  in  dem 
Durchgang  an  der  Südwand  ist  ein  Marmorbalken  (1.  Iji^'" 
li.  0,42"")  eingemauert  mit  folgenden  Resten  einer  Inschrift : 

A  C  C  E  N  S  Ö 

R  E  N  S  I  ■  E  T  •  A  S  !  A  E    frei 

An  der  Südwestseile  des  Bogens  ein  anderer  Balken  mit  den 
Resten  einer  mit  der  vorigen  offenbar  ganz  gleichen  Inschrift: 

A  C  C  E  N 
R  E  N  S  1  ■  E  T 

Wie  an  dem  andern  Balken  die  1.  so  ist  hier  die  r.  Seile  Ver- 
stössen. Die  Inschrift  steht  bei  LeBas-Wadd.  N"  178.  179 
und  C.  I.  L.  III  432.  Auch  nach  F.ph.  epigr.  IV  37  N"  (31  war 
Wiederholung  rathsam.  Die  Genauigkeit tneiner  Abschrift  kann 
ich  durch  Durch reibungen  belegen. 

20.  An  der  Südseite  desselben  Bogens  trägt  eine  hoch  ein- 
gemauerte, grosse,  viereckige  Marmorplatte  folgend«  Inschrift: 

M-P-VEDI-NICEPHC 
VEDIAE  -P-FPAVLLINAE 
M 


112  AUS  CONSTANTINOPEL  UND  KLEINASIEN 

weniger  genau  bei  Le  ßas  181  und  HI  440.  — Rbenda  an  der 
Ecke  eine  ähnliche^  grosse  Platte  mit  den  InscJiriftreslen  : 

frei. 

HIAEVXOPISEIV 
ETA  I 

N 

weder  ganz  genau  bei  Le  Bas  N"  183  nocli  III;,  1-43.  Die  zweite 
Zeile  giebt  die  Endung  eines  griechischen  Worieß.  Die  Zn?am- 
mengrehörio-keit  mit  Le  Bas  182  ist  also  recht  wahrscheinlich. 
Das  M  auf  der  ersten  und  das  ganz  entjs])rechende  N  auf  der 
zweiten  Inschrift  ist  nachträglich  hinzugefügt,  vieüeicht  erst 
als  Steinmetz-oder  Maurerzeichen  beim  Bau  dieses  Thores. 

21.  An  der  nordöstlichen  Ecke  finden  sich  noch  folgende, 
wohl  zusammengehörige  Fragmente  in  grossen,  aber  spaten 
Buchstaben  : 

ft.    HP  El  '^  b.    s\ZC 

<AI 
TON 

Das  Inschriftfeld  von  a  und  Z.  2  von  b  ist  um  etwa  0,02"", 
das  von  b  Z.  3  um  0,04'"  vertieft. 

22.  Bei  dem  sogen.  Grab  des  h.  Lukas,  einem  kleinen  Rund- 
bau nicht  weit  vom  Odeion,  fand  ich  eine  grosse  Stele  von 
bläulichem  Marmor  mit  folgender  Inschrift: 

AlorENoYC 
X  A  P  K  n  M  A 
T  A  A  O  C 

Ich  gebe  sie  nach  einer  von  mir  gemachlen  Durchreibung. 
Die  Buchslaben  sind  sehr  unregelmässig  —Auch  diese  Inschrift 
ist  von  Wood  ausgegraben,  aber  nicht  publiciert  worden,  wie 
er  denn  überhaupt  alle  In««chriften,  die  er  incbt  mit  fortnahm, 
auch  keiner  weiteren  Beachtung  gewürdigt  zu  haben  scheint. 


AUS  CONSTANTINOPEF.  UND  KLI-INASIEN  143 

worauf  ich  die  künftigen  Besucher  von  Epliesos  aufmerksam 
machen  möchte. 

Von*  den  Bemerkungen,  zu  denen  mir  die  Durclivvanderung 
des  "Ruinenfeldes  von  Epheso»  sonst  noch  Aulass  gab,  hegnüf^e 
ich  mich  folgende  mitzutheilen,  die  mir  als  ]]rgiinzungen  oder 
Berichtigungen  der  von  Curliiis-Adlor  in  den  Beiträgen  z.  Gesch. 
u.  Topogr.  Kleinasiens  sowie  von  Wood  gegebenen  Schilder- 
ungen von  einigem  Belang  ersclieineri. 

23.  An  dem  Pionabhang,  oberhalb  des  Androklosgrahes, 
doch  ein  wenig  weiter  nach  dem  Magnesia'hor  zu,  befiDdet 
sich  u.  a.  ein  in  den  Felsen  gehauenes  Grab  in  v>e]«  licni  zwei 
Nischen  an  der  Hinlerwand  und  eine  zur  L.  freigelegt  sind. 
Noch  oberhalb  dieser  Anlage,  etwa  an  der  Stelle  und  in  der 
Richtung,  wo  auf  dem  den  a  Beiträgen»  beigegebenen  Plan 
ein  Weg  markiert  ist  {vgl.  S.  24),  iüuft  in  einem  mit  Sluek 
ausgekleideten,  0,91'"  breiten  Graben  eine  Wasserleitung  hin. 

'Ich  habe  sie  in  südlicher  Richtung  eine  grosse  Strecke  weit 
verfolgt;  wie  sie  nach  N.  liin  verläuft,  vermag  ich  nicht  zu 
sagen.  Sie  ist  zum  Theil  noch  sehr  wohl  erhalten,  an  vielen 
Stellen  steht  sogar  noch  der  schräge,  aus  Stuck  gebildete  Rand, 
der  dereinst  wohl  Deckplatten  trug.  Sie  muss  mit  der  unteren 
Pionmauer  parallel  gelaufen  sein,  ähnlich  wie  auch  in  Per- 
gamum  eine  Wasserleitung  die  auf  dem  Abhang  hinziehende 
Stadtmauer  eine  beträchtliche  Strecke  entlang  begleitet. 

24.  Die  sogenannte  Stadtquelle,  von  der  Taf.  11  in  den 
«Beiträgen»  eine  freilich  nicht  sehr  getreue  Skizze  giebt  (vgl. 
S.  35),  ist  ein  aus  früher  schon  benutzten,  verschiedenartigen 
Bauslücken  aufgeJuhrter,  also  wohl  aus  spätrömischer  Zeit 
herrührender,  nachlässiger  Raubbau.  Die  üelTmmg  ist  zu  den 
Seiten  mit  je  einem  Stück  von  einer  Marmorplatle  au.-^ge.sctzt, 
worauf  ein  Ziegel  aufliegt.  Uebrigcns  findet  man  jetzt  dorl  auch 
im  Winter  nicht  einen  Tropfen  Wasser,  Dagegen  enlBpringt 
in  einer  mit  Baulrümmern  ausgestatteten  Vertiefung  ö.^^tlich, 
aber  ganz  in  der  Nähe  von  der  Thermen- oder  Gymnasiums- 
anlage beim  Hafen  (L  auf  dem  Plan)  noch  heutigen  Tages 
eine  Quelle,  die  wie  man  uns  sagte,  wegen  ihres  vorzüglichen 


144  AUS  CONSTANTINOPBL  UND  KLülNASlEN 

Wassers  von  den  in  der  ümgegend  stationierten   Hirten  mit 
Vorliebe  benutzt  ^vird. 

25.  Die  ebengenannten,  grossartigen  Gymnasiumsreste 
werden  in  den  «Beiträgen»  im  Zusammenhange  mit  der  An- 
nahme, dass  auch  die  Hafenanlage,  so  wie  sie  Jetzt  noch  er- 
kennbar ist,  aus  römischer  Zeit  herstamme,  auf  die  erste  Hälfte 
des  1.  Jahrh.  n.  Chr.  zurückgeführt.  Weit  auch  die  drei  Ar-* 
chitekten,  mit  denen  ich  diese  Anlage  besichtigte,  sich  in  mei-« 
nem  Sinn  äusserten,  erlaube  ich  mir  die  Bemerkung,  dass  mir, 
wenn  irgend  etwas,  so  dieser  Bau  mit  seinen  Mauern  und  Pfei- 
lern aus  gewaltigen,  schwarz  gewordenen  Marmorquadern  und 
seinen  Bogen  und  Gewölhen  aus  Backslei ncn  gleich  wie  da^ 
Theater  und  die  Substructionen  an  Kopf-  und  N"ordseitedes  Sta- 
diums der  lysimachischen  Gründung  anzugehören  den  Ein- 
druck machte.  Das  gleiche  System  der  Verbindung  backstei- 
nerner Gewölbe  und  Bogen  mit  Mauern  und  Pfeilern  aus  Mar- 
morquadern ist  auch  an  dem  opistholeprischen  Gymnasium 
und  an  dem  neben  dem  Theater,  ferner  an  dem  nordöstlich 
vom  Burgberg,  jenseits  des  Mülilbachs  gelegenen  Gymnasium 
von  Sardes  zur  Anwendung  gekommen ,  Gebäude^  die  alle  aus 
der  hellenistischen  Zeit  stammen.  Für  die  Behauptung,  dass 
während  letzterer  der  Hafen  bis  an  den  Pionfuss  herangereicht 
habe,  scheint  mir  kein  Gnmd  vorhanden,  jedenfalls  hat  man 
keinen  geltend  gemacht.  Die  axenmässige  Stellung  des  Thea- 
ters zur  Hafeneinfahrt  erklärt  sich  auch  so  genügend.  Sicher 
hatte  in  den  Jahrhunderten  von  der  lydischen  Eroberung  und 
Zerstörung  der  Stadt  bis  auf  ihre  Neugründung  durch  Lysi- 
tnachos  die  AUuvion  in  Folge  der  IJeberschwemmungen  des 
Kaystros  grosse  Fortschritte  gemacht,  und  es  will  mich  mehr 
als  wahrscheinlich  dünken,  dass  jener  Fürst,  als  er  die  Stadt 
nach  so  grossartigem  Plan  wiederherstellte,  auch  ein  Bassin 
für  den  Hafen,  so  wie  das  jetzt  noch  vorhandene  eins  ist,  in 
der  Schwemmlandsniederung  auszugraben  sich  veranlasst  ge- 
sehen hat.  Dasselbe  bis  an  den  Pion  heranzuführen  würde 
unpractisch  gewesen  sein,  denn  der  Zugang  /um  Hafen  musste 
im  Interesse  des  Verkehrs  von  allen  Seiten  frei  und  eben  sein. 


AUS  CONSTANTINÜPEL  UND  KLEINASIEN  U-, 

Audi  die  Lage  der  allon  ayop«  scheint  mir  einer  derartigen 
Anniilime  iingiinslig  zn  sein.  Ferner  erklärt  sich,  ^vas  Straho 
XIV,  24  S.  HU  von  einer  Veränderung  berichtet,  die  Atlalos 
6  *i^3c^e).<po;  an  dem  ephcsischen  Unkn  vornahm,  «ehr  wohl, 
wenn  wir  es  auf  die  heute  nocli  in  deutlichen  Spuren  vor  un- 
seren Augen  liegende  Anlage  bezielien.  Früher  nämlich  hatte 
sich  der  Hafen  in  wohl  etwa  derselben  lireile,  wie  sie  später 
sein  eigentliches,  innerstes  Becken  mass,  bis  zom  Kayster  und 
zum  Meer  hin  erstreckt.  Jener  König  aber  liess  in  der  Hoff- 
nung, dass  die  l-^infahrt  und  der  Hafen  selber  tiefer  und  auch 
für  grosse  liastschitTe  zuarän^lich  und  vor  Versclilammunu  se- 
sicherler  sein  werde,  wenn  man  die  Eiufahrt  verengere,  einen 
Theil  derselben—  vermuthlich  anf  der  ISordseite  —  ihrer  ganzen 
Länge  nach  zuschtitten^.  Wer  einen  Blick  anf  den  Plan  in 
den  «Beiträgen»  wirft,  wird  sich  überzeugen,  wie  gut  dieser 
Bericht  an  den  noch  heute  erkennbaren  Verhältnissen  verständ- 
lich wird.  Auch  darin  liegt  eine  Gewähr  für  die  von  mir  ver- 
tretene Ansicht. 

26.  in  dem  Durchgang  des  Bogens  am  Stadion  ist  an  iler 
N-Seitc  ein  kleines,  marmornes  Relief  eingemauert.  Auf  dem- 
selben ist  r.  ein  Baum  dargestellt,  von  einer  Schlange  Um- 
wunden, welche  oben  nach  l.  hin  ihren  Kopf  vorstreckt.  Von 
I.  sprengt  ein  Reiter  daher  mit  nach  hinten  flatterndem  Man^ 
lel^.  Mit  der  L.  hält  er  die  Zügel,  die  R.  ist  Verstössen.  Vof 
ihm  her  läuft  ein  Hündchen,  das  gegen  die  Schlange  anbellt. 
—  Hiermit  vergleichen  lässt  sich  ii.  a.  das  vom  Volk  'ÄYiyewp- 
Y1091S1  genannte  Felsreiief  zu  Argos.  — Auch  an  dem  Schluss- 
stein des  Bogens  nach  W.  zu  befindet  sich  ein  ziemlich  rohes 
und  sehr  zerslossenes  Relief,  das  mir  wie  ein  männliches  Brust- 
bild vorkam,  aber  wohl  auch  etwas  anderes  vorstellen  könnte. 


'  oii)frs'n. ,  ßaöuv  Tov  £T?rtXouv  6Xxaai  psyd^aic  ecrsoöai  v.a\  aötov  tov  Xi[aiIjo  te- 
yoL^ta^T]  ö'vTtz  rtc6xepov  3i4  ti;  Ix  toü  KaÄaifOu  ;ipoxi«5Ei;,  2äv  j:apa6XTj6j  X'''!^* 
Tq>  OTÖjJiaTt  nXaxEt  teX^cj;  ovTi,   !*A6uoe  ysy^aBai  t6  7.w[Aa 

-  Nueli  Prolic^cli  von  Osten,  Dcnkwürdigi^citon  II.  105  «ein  gedügciLcr 
Araoi,  der  auf  einem  Lamm  reitet.» 


146  AUS  GONSTANTINOPEL  UND  KLEINASIEN 

Sardes.  Von  den  zahlreichen,  an  den  erhaltenen  Mauer- 
resten aus  spätrömischer  Zeit  befindlichen  Inschriften  habe  ich 
einige  copiert,  andere,  die  ich  bei  der  hereinbrechenden  Däm- 
merung nicht  mehr  zu  erkennen  vermochte,  abgeklatscht,  von 
noch  anderen,  die  zu  copieren  oder  abzuklatschen  mir  aus  ver- 
schiedenen Gründen  unmöglich  war,  wenigstens  die  Stelle  no- 
tiert, so  dass  ich  theils  die  bisherigen  Ortsangaben  zu  berich- 
tigen, theils  späteren  Besuchern  von  Sardes  durch  ihre  Indi- 
calion  die  Auflindung  dieser  Inschriften  zu  erleichtern  vermag. 

27.  Marmorne  Basis  an  der  Aussenseite  des  langen  Mauer- 
zuges im  S.W.,  c.  0,45™  breit,  c.  0,25"'  hoch.  Daran  die  In- 
schrift : 

Am  Anlauf:  ATAGHI     TYXHI 

Ander  Frontseite:     AYP     XPYSEPS^SB    ATOPA 
N  O  MOS  -  TO  YZ-  n  E  NTE 
EPesTAZ-THTAYKYTA 
T  H  -  n  ATP  I  A  I 
=  C.  /.  G.  m  39i6.  Le  Bas  618.  Abgesehen  von  einem  Feh- 
ler iät  die  Inschrift  im  Corpus  ungleich  richtiger  publiciert 
als  bei  Le  Bas,  nur  dass  dieser  die  richtige  Oitsangabe  hat, 
während  sie  dort  nach  Dereköi  gewiesen  wird.  Das  B  (mit 
Querstrich  in  der  Mitte)  ist  nicht,  wie  Wadd.  für  möglich  hält, 
zum  Namen  zu  ziehen,  sondern  gehört  zu  «yopxvofAO?  (also  = 
^U),  vgl.  C.  L  G.  2583  und  dazu  Böckh  zu  ^572. 

28.  Gleich  bei  der  grossen  Lücke,  durch  die  man  vom  In- 
nern der  Burg  und  zwar  von  der  sogenannten  Verbürg  aus  die 
Mauer  zu  passieren  pflegt,  an  einem  Vorsprung  r.  Hand,  fin- 
det sich  sehr  sorgfältig  und  regelmässig  geschrieben  folgende 
Inschrift:         i   nANAPIZTEBOKONTIE 

2  AIZATEAEZTO  N 
EPrONEOinPAÜlZIN 
TOIATTONV/j^SAMENf 
Sie  ist  schon  von  verschiedenen  Reisenden  abgeschrieben  und 
u.  a.  im  C.  /.  G.  3470,   richtiger  bei  Le  Bas  622   publiciert 
worden;  indess  niemand  bisher  hat  conslatiert,  dass  der  Stein 
r.  verstümmelt  und  also  das  Fehlen  eines  Fusses  im  Hexame 


AUS  CONvSTANTINOPßL  UND  KLKhNASlEN  147 

ter  weder  dem  Dieliler  noeli  dem  Steinmetzen  zur  Last  /u  le- 
gen ist.  Ich  schlage  in  Ermanglung  eines  IJessürn  vor  o«jv  l^lou]- 
«roci;  zu  ergänz:en,so  dass— meine  ich  — der  Gefeierle  ein  Dieliler 
viire,  dem  zum  Lohn  für  seine  diehlerische  Thätigkcit  ein 
ewiges  Ziisammeusein  milden  Mutien  gewiiusclit  wiirde*.— 
Die  Gestalt  des  w  ist  in  keiner  der  bisherigen  C.opien  genau 
vgl.  Büekli  a.  a.  0.  Nach  der  Form  der  BuchHiabeii  braucht 
man  die  Inschrift  nicht  später  als  in's  I.  Jalirh.  n.  Thr.  zu 
setzen.  Darunter  befindet,  sich  ein  audert'r  Stein  mit  5  langen 
Zeilen  klei/ier  und  älterer  Schrift.  Geht  man  von  da  aus.>eu 
an  der  Mauer  nach  SO.  weiter,  so  findet  man  bald  in  doppel- 
ter Mannshöhe  eine  griechische  Inschrifl.  von  18  Zeilen,  wovon 
wenigstens  die  r.  Hälfte  noch  wohl  zu  lesen  ist. 

2'.).  Basis  von  bläulichem  Marmor  ebenfalls  an  der  Aussen- 
seite  dieser  Mauer,  oben  und  an  den  Seilen  gebrochen,  die  r. 
Seite  der  Inschrift  ausserdem  sehr  zerstört.  Am  untern  Knde 
ist  ein  Stück  von  c.  0,2.")'"  unbeschrieben.  Ich  gebe  sie  hier 
nach  meiner  Durclireibung.  Fehlerhaft  und  weniger  vollstän- 
dig findet  sie  sich  bereits  bei  Le  Bas  627. 

Y  I  . 

E  Cn  ACI  AI 
ACTOYKAR 
CnO  NTO Y 

.MiAcnA(t)AAr  5 

:  M  I K  p  A  c  •  [1  p  E  r 

PATOPOC.TIT  \ 

BACTOYAEnri  \P 

CKY0IKHCTON  N 

t^rETHNKAJC  C      10 

NTOCKOI  N 

IPMOYTOYAP/v 

:  E  B  ACTf  N' 


'  2uv  MouoaijaTiXEaiov  t'pyov  ^oi  [coi)  Toia  novriiafi^vw  iiacli  der  Analogie  voll 
ijjio'i  xtt\  aStJJ)  oS6lv  «päY|.i,x  louv  «ich  ti.ibo  iiiclils  iiiil  iitin  zu  scliatren»  und 
ilerKl.  nielir. 


118  AIIK  CONSTANTlNOI'Kf.  UND  Fd.KINASIKN 

Der  l'jii{/;;ui;>';  dr-r  lnH(;lil'iri  Iniil.cUi  wolil  :  •/)  [irrA-'n  v.vX  h  Ä^|ao; 

ßouX'/j  -txl  6  ^^j/.o;  xtX.  Vom  Z,  .'{  nh  int  dio  lOi^iin/jin^  <jiii(';jch  : 

o]v(x;  \\v.<\f\v^[\t)'^'v/.(:,  'Aputvi- 
«1?  (/.txpft;  '7cpe[a^>cijT'/iv   Aoto- 
)t]p3CTOpo;    riT[')'>  Ky,(i«p'>;  tc- 
^jocotoO  >tyi<7)['vo;  TeT]y,p[TTH 

e]py«T"/iv  }t«l  TfcoT'Tlpa]  i\r:\\t.%\-(\- 
OelvTOi;  K'/tvIro'j    ....... 

'l»Kp(/.oi>  ToO  «piyiep^dx;  t«"iW 

1KOX1T(7)V 

D.'ii;!';;^'!'!!  im.icIm'ii  die  crslcn  /rikii  •.•«'ohkc  ScIiwic-ri^kciUMi, 
\V.'i(l(liii}.!;l<iii  Kwy^iwxtX  Tcpia^ieijT-rtv  oivTi(iTp(XT-/)yov  |  ()ij]ei7T:aTia[voO 
Katiocpo;  I  <Te€]xTTof).  DicHn  lOr^üii/.iuif:!;  |»;ihhI  hcIw  woIiI  zum 
llaiiin,  AIkt  Kann  (Icmim  (liii  Mniiii,  der  unirr  TiliiH  Lii^iotiH- 
liiiVil  isl.,  iiiilcr  NCspnHi.in  ImmtiIh  cino  l*i(jviii/ ,  iiocli  dazu, 
wrnn  IMai(|uardl,  SlaalHVcrw.  I  ?()'.)  Mcclil,  lial,  ciiMi  (^uiimuIii- 
risclui  vci'vvallcl  liahcn  V—  Audi  wiirdc  mmIi  u('ui<.fHl,(',UH  cuiidrli- 
li'u',  uiu  den  Tilcl  Hill  d(Mii  von  'I'iIiin  /.  7  ii.  (-«uiIdiiu  zu  iiia- 
(duMi  ,  Hiall  r/vTifiTp«TY)yov  \iclmclir  aoTox.pof.Topo;  ('iu/,us('l/,(^ii , 
Nva.M  {.^Inicdi^Mildic  l-iickc  auslulll  —  Ich  halle  zwei  M(>;.;li(dil\('i- 
loil  (irwo^Tii,  UM»  (h-r  S<di\viri  iLdvcil ,  die  |('im'|'  W  addir!j.;l()Ms(di('.n 
I'll'^iiii/.UMj^  ('.Mlfj;('g(MiHUdil ,  zu  ciili^idini:  sirllrichl,  (htidilr  ic!i, 
ist.  dnr  KaiHcr,  uuler  ch-Mi  (Nm-  diindi  di<'.4(i  Widtriiiiifj,  ;,';f'(dir1.(i 
UciaMjlr,  (',a|>j)adMki(Mi  vci'vvaih'l  hat,  hoiniliau.  |)i('s(u'  \IeiiiiiM{^ 
M(M^t(Mi  aiM'h  Pr()r(iHH(M'  llcM/ien  iiMd  liuiuiann  zu,  die  ich  uhor 
die  liisidiiill  um  U;ith  zu  IVai^cii  iich'^'ciihcil  halle.  Die  l'li'- 
^ÜMznn^  wlinh^  «h-uiM  etwa  lauten  :  Trpeifjcuxyiv  ocvtkttpoctviyov 
oc]uT[oKpxTopo;  KodiÄpoc;  BcoO  0'>]s')Ti,ocai«IvoO  uloll  Ao[XtTiocvoO  nt- 
6]xTToi5  kt'X,  Alh'in  wefh-r  (li(\so  MO(di  eino  aM(l(U'e ,  /adiissi^i? 
'riliilaliii- Duiuiliaiis  w(MHs  ich  niil  (h-iii  MasH  der  vorhaiidoiUMi 
laiekoM  in  l-anklanf;  /u  Mol/on.  (iherdien  sidiiMot  iIuh  Jol/.le  MW 
MicMt   v(ui   Z.   I  (h'.r  Uest  einer  verlieah'n   llasla   zu  snin.    Die 


Alis  r.ONSTANTINOPKL  UNO  KM-.INASIKN  U9 

andere  Anskimri.  iiiil  dci'  ich  mein  Heil  vcrsiiclilc.  isl  folmMido: 
Mnrqjianll  imiimi,  wie  hciucikl ,  aiir  (änind  von  Sud.  Vcsj). 
8  uihI  T.'k".  ///'.s7.  '.',  81  an,  dass  C.anpadidvicii  soiilricli,  als  ca 
eine  sliiiidii,^',  milil;ii'is(dn)  llcsal/iini;  crliit^lt  und  ein  llcanilcr 
von  scnaloiisclicni  Uane;  an  die  Slcllc  dt>s  }tis  anf  VcrpuHian 
dir  Provinz,  vcrwallcndiui  l'rocnratoi'H  Iral  ,  nicliicic  l.i'gioncn 
und  also  einen  (lonsniar  /,nni  Slulllialler  erliallen  liaho.  Indes« 
0,8  wäre  niclil  unniitj^Iiidi  ,  dass  anlan^licli  nur  eine  IjC^ion 
(di(^  lc(j.  XII  fuhninafd,  s.  lo.sepli.  b.  lud.  7,  1,  '.\.)  niil,  einc^m 
praloriselum  I^^felilslialxM'  naeh  (Mippadokien  {^esehickt.  und 
erst  Hpiiler,  nirlil,  lant;c  oacli  der  Ver(Mni}^nnfi;(ialali(MiM  niil  (",ap- 
padokien,  die  l^'sal/,un|,^  vcrsliirkl  und  ein  C.onHular /.um  Slatl- 
lialler  ernanni  worden  wäre,  l'n.sür  Mann  kcinnle  also  aln  ;»vj<'- 
torius  «inier  Vespasian  jene  Provinz  vcrwallet  und  unter  Tiln« 
als  C.onsular  die  vierlc.  skylhiselie  I^e^Mon  rduiinandierl.  Iial)en. 
Aber-— »jrii  von  andenin  liederd(('n  zu  schweijjen  —  <;onsnlarise,lio 
I,ef:;ionsl(^ifalen  sind  ,  soviel  ieli  \v(mss,  Inüher  nicht  naeh<^'e- 
WKiscu.  So  hat  i(di  schlicslich  au(di  no<di  IMoiuniscn  um  Aus- 
kunll  ,  der  dir  («ii(t'  halle  mir  l''(d^i'nd(>s  y.u  anlworhui  :  «Ms 
wird  wohl  das  l'^inlaehslo  sein  an/unchniin  ,  dass  h<Mde  Mulo, 
Z.  2  und  Z.  7,  Tilns  ^'eirifinl  sei  und  das  eine  Mal  (M'  imp. 
T.  Vcspasianus  Cwsdt'  Au(/ . ,  das  andere  Mal  inip,  T.  Gf/.sar  Aug. 
heixsse.  Andere  <!(»jiiliinalioncn  seheilern  an  dem  l  inlanfii;  der 
l.uckcM.  Su[»posiliniM'u  .  wie  dass  ein  eonsularisrhcr  li('f!;i()ns- 
le.^ai,  ni(»;j;licli  sei  und  vtirlicr  also  auch  vÄnc  prüloriHelic!  I'rr»«- 
viuz  ^«duthl,  liahrn  könne,  lassen  sieh  aul' dies(!ni  unsiehcrn 
Boden  doch  niehl,  aulhanenj».  lln<l  so  (.Tüünzl  er:  7Tpea6c]i)T[Viv 
auTOJipxTopo;  'IiTO'j  ()'j]c'JTi;«aiav[oO  KaUapo;  aeßJx'JTü'J  )ctX.—  Die 
verschiedene:  nenenniing  dcaselhen  Kaisers  in  derselhen  In- 
Bclinft,  ist  aulTailend,  wennfj;leicli  w<dil  ni<dil,  (dme  Analoi^NiUi. 
Aueh  hin  i(d»  iiiehl.  IVi'i  von  /weilelri,  oh  die  llindistahen  '^v 
ocuToxpxTopo;  TiTO'j  < )'j -  lu  der  dafür  iu  |}elra<hl,  k<Hnniendeil 
Lru;ke  sich  auch  vvirkliih  unlorhrin^en  lassen,  (llciehwohl 
Hcheinl,  mir  diese  von  den  als  mit^lich  in's  Au|je.  ^elassten  Lö- 
sungen der  l'Va^^e  (he  anindimharSUi.  lOine  sichere  l'>nt.seh(M- 
dung  wäre  viidieiebt,  durch   (une  j^enane  Prüfung  den  Origi- 


150  AUS  CONSTANTINOPEL  UND  KLEINASIEN 

nals  zu  erlangen,  die  rnir  die  Um  stände  nicht  erlaubten.  Es 
ist  dringend  zu  wiinsclien,  dass  Epigraphiker,  die  künftig  Sar- 
des  besuchen,  sich  dieser  Aufgabe  unterzielien, 

30.  An  derselben  Mauer  habe  ich  noch  folgende  Fragmente 
abgeschrieben : 

a.  C  B  O  K     vgl.  Le  Bas-Wadd.  N''  633.  Die  Felder  für  die 
n  O  A       Buchslaben  sind  vertieft  wie  oben  bei  N'  2P  Z. 

2  u.  3,  Ergänzen  könnte  man:  e]/.  Box[ovti(ov.  .  .  .'A]TCÖ>[X(i>vt. 

b.  weiter  westlich  ein  Block  mit  grosseren  und  besseren  Buch- 
staben, höher  eingemauert  :  ulTATOYEA/  vgl.  Le  Bas- 
Wadd.  iV  G35.  c.  noch  weiter  nord-westlich  ein  Block  mit  den 
Buchstaben:  U)  N  I  N. 

Am  nordwestlichen  Ende  derselben  Mauer  erblickt  man  hoch 
über  dem  Abgrund  eine  schöne,  wohlbearbeitete  Marmorplatte 
mit  regelmässiger,  aber  später  Schrift,  6  ganze  und  zwei  halbe 
Zeilen.  Schluss  :  ujxä?  |  poO>o{/.(xt,  also  wohl =Le  Bas-Wadd. 
N"  621,  dort  aber  nicht  richtig  indiciert. 


Bei  der  Spärlichkeit  unserer  Nachrichten*  über  die  Rui- 
nen von  Sardes  dürfte  man  folgende,  freilich  auch  nur  auf 
flüchtiger  Musterung  beruhenden  imd  der  Revision  bedürfti- 
gen Bemerkungen  nicht  ganz  verschmähen. 

31.  Auf  dem  Burgberg,  den  ich  übrigens  selber  von  drei 
Seiten- von  NO.,  S.  und  W.  her-erstiegcn  habe  {gegen  «Bei- 
träge« S.  85),  belinden  sich  noch  verschiedene  Mauerreste,  von 
denen  die  Beschreibung  und  der  Plan  in  den  ((Beiträgen»  so  wie 
auch  Stark  in  seinen  Reisestudien  keine  Notiz  genommen  ha- 
ben, ich  hebe  besonders  den  Rest  eines  kleinen,  viereckigen 
Thurmes  hervor  auf  einem  mit  dem  Gros  des  Beiges  nur  durch 
einen  Schmalen  Grat  verknüpften  Vorspj-ung  am  nordöstlichen 
Abhang,  nicht  weit  nördlich  von  dem  Durchstich  {n).  Er  ist 
aus  älteren,  meist  marmornen  Baustücken  errichtet  und  ver- 

*  Die  Schilderung  in  den  Reisestudien  von  Stark  ist  besonders  reich  an 
XJügenauigkeiten. 


AUS  CONSTANTINOPEL  UND  KLEINASIEN  151 

dankt  wie  die  übrigen  Mauerreste  spätrömischer  Zeit  seinen 
Ursprung.  Ein  mannshohes,  viereckiges  Fenster  gewährt  einen 
Ausblick  ins  Ilermosthal.  Geringe  l'berbleibsel  eines  Mauer^ 
Zuges  schliusscn  sich  an  den  Thurni  an.  — Einen  andei'cn  be- 
trächtlichen Mauerrest  erblickte  ich  von  der  Höhe  des  in  dt'n 
«Beiträgen)»  als  Vorburg  bezeichneten,  hciiligen  Südendes  des 
Burgbergs  aus.  Er  krönt  eine  südöstlich  davon  gelegene,  iso- 
lierte Bergzackc,  die  früher  jedenfalls  mit  dem  Burgberg  zu- 
sammenhieng. 

3"2.  Ein  paar  Worte  möchte  ich  auch  sagen  über  den  ge- 
walligen Ruinenconiplex,  der  sich  nördlich  von  der  Akropolis 
an  der  auf  dem  Plan  mit  q  bezeichneten  Stelle  befindet.  An 
der  Nordseile  desselben  liegt  in  der  Mitte  ein  grosser  Saal,  den 
nach  S.  eine  die  ganze  Breite  einnehmende  Apsis  abschloss, 
von  der  aber  mir  noch  die  östliche  Hälfte  zum  Theil  erhalten 
ist.  Der  ganze  Raum  misst  der  Länge  nach  etwa  58,  der  Breite 
nach  18  Schritt.  Die  Pfeiler  und  Substruclionen  sind  aus  Mar- 
morquadern aufgeführt,  die  Wände  bestehen  aus  wechselnden 
Schichten  von  Feld -oder  Bruch- und  von  Backsteinen.  Die  öst- 
liche Längswand  setzt  sich  nach  S.  fort  und  verbindet  den 
eben  beschriebenen  Saal  mit  einem  viereckigen  Raum  von  etwa 
gleicher  Grösse  und  Bauart,  der  auf  der  nördlichen  Schmal- 
seite seine  Thür  hatte.  Die  erwähnte  Verbindungsmauer  ist 
nahe  bei  dem  südlichen  Saal  von  einem  Thoibogen  durch- 
brochen. Nach  0.  zu  scheinen  sich  zwei  einander  ähnliche, 
jenen  entsprechende  rechteckige  Räume  — oder  vielleicht  auch 
eine  grosse  Halle  — angeschlossen  zu  liaben.  Doch  sind  von 
ihrer  Ostmauer  nur  noch  isolierte  Reste  vorhanden.  An  dep 
Westmauer  sieht  man  im  nördlichen  wie  im  südlichen  Theil 
grosse,  nur  zum  Theil  aus  der  Verschattung  hervorragende 
Nischen,  denen  wahrscheinlich  eine  gleiche  Anzahl  an  der* 
Ostwand  entsprochen  haben.  Denn  an  einem  von  derselben 
noch  stehenden  Backsteinresl  ist  eine  dieser  Nischen  erhidten. 
Nach  W.  stösst  an  den  zuerst  beschriebenen  Saal  mit  der  Apsis 
ein  anderer  Kaum  von,  wie  es  scheint,  ähnlichen  Dimensio- 
nen,   mit  gewaltigen  Marmorsubslrucliouen  und  Feldstein- 


152  AUS  CONSTANTINOPEL  UND  KLEINASIEN 

mauern.  Grosse  marmorne  Gesimsstücke  mit  Zahnschnitt  lie- 
gen hier  umher.  Nach  VV.  und  NW.  schlössen  sich  weitere 
Gehäude  an,  doch  läi>st  die  Verschüttung  den  Griindriss  der- 
selben nicht  mehr  recht  erl:ennen.  —Vielleicht  dürfen  wir  den 
ganzen  Complex  für  eine  grossartige  Gymnasinnisanlage  aus 
römischer  Zeit  erklären.  Oestlich  davon  wird  das  ganze  Ter- 
rain weithin  von  Schutthügeln  eingenommen,  die  nach  den 
hie  und  da  vorguckenden  Marmorbalken  zu"urtheiien,  die  Rui- 
nen grosser  Gebäude  bergen.  Spuren  des  Marmorverbrauchs 
zum  Kalkbrennen  begegnet  man  hier  wie  besonders  auch  beim 
Kybeletempel. 

33.  Von  der  schon  oben  erwähnten,,  nach  Adler  ebenfalls 
von  einem  Gymnasium  herrührenden  Ruine  (e)  sind  nicht  nur 
die  Pfeiler,  sondern  auch  die  Tribünen  an  den  Schmalseiten 
aus  grossen,  auf  der  Südseite  mit  einer  goldfarbigen  Palina 
überzogenen  Marmorquadern  erbaut. 

Die  Ruine  k  ist  ein  umfangreicher,  rechteckiger  Raum,  von 
hohen,  aus  Feldsteinen,  und  älteren  Werkstücken  nachlässig 
aufgeführten  Mauern  eingeschlossen,  die  aber  auf  älteren  Ge- 
wölbsubstructionen  ruhen. 

34.  Die  beiden  nördlich  vom  Stadion  gelegenen  Rundbogen 
[i  auf  dem  Plan)  haben  mir  nicht  den  Eindruck  so  hohen  Al- 
ters gemacht  wie,  scheint  es,  den  anderen  Berichterstattern. 
Auch  die  Verhältnisse  des  Materials  sind  nicht  so  gewaltig, 
wie  man  sie  vielleicht  nach  den  vorliegenden  Beschreibungen 
sich  denken  möchte.  Die  Bogenquadern  des  ersten  Bogens  ha- 
ben 1,60'"  Tiefe  und  sind  höchstens  0,70'"  hoch  und  im  Durch- 
schnitt 0,62  breit.  Die  Kämpfer  bestehen  aus  3,  nicht  aus 
einer  Platte,  wie  die  Skizze  auf  Taf.  V  der  «Beiträge»  sie  dar- 
stellt. Der  zweite  Bogen  besteht  aus  kleineren  Steinen  *  und 
hat  eine  ziemlich  liederliche  Restauration  erfahren.  Über  die 
hellenistische  Zeil  werden  sie  gewiss  nicht  zurückgehen. 

35.  Schliesslich  will  ich  noch  zwei  Sculpturstücke  erwäh- 
nen, die  aus  verschiedenen  Gründen  meine  Aufmerksamkeit 


*  Der  grössle  von  ihnen,  den  ich  mass,  halte  0,55"»  Tiefe,  0,34  Breite. 


AUS  CONSTANTINOPEL  UND  KLEINASIEN  153 

erregt  haben  :  a.  ein  der  Südwcslmauer  der  liurg  eingefiigles, 
zwar  ziemlieh  versLossenes,  aber  doeh  noeh  wohl  erkennba- 
res, einen  mächtigen  Stierkopf  darstellendes  Marniorrelief.  Ivs 
fallt  daran  auf  die  gleiehmiissig  breite  Form  der  Schnauze  und 
namentlich  ein  krois-oder  scheibenlVirinigcir  Hing,  der  oben 
ringsum  den  Kopf  abschlii'sst  oder  von  dem  derselbe  sieh  ab- 
heltt.  Zu  beiden  Seiten  hängt  eine  gedochtene  Wollbinde  am 
Kopfe  hei'ab.  b.  eine  grosse  Marmorplalte  a)it  einem  Slierhaupl, 
von  dem  nach  beiden  Seiten  hin  Guirlanden  ausgehen,  über 
denen  je  eine  lloselle  angebracht  ist.  Das  Stück  ist  eingemauert 
am  ersten  Haus  des  Dorfes  am  Paktolos  r.  vom  Wege,  wenn 
man  von  der  Station  kommt.  Durch  die  sorgfältige  Arbeit  und 
die  geschmackvolle  Schlichtheit  der  Ornamente  zeichnet  es 
sich  vorlheilhaft  vor  der  Masse  von  sculptierten  Bauslücken 
aus,  die  man  sonst  an  den  Uuinen  von  Sardes  findet.  Wäh- 
rend diese  mit  ihrer  wuchernden,  oft  aus  allerhand  Motiven 
wild  zusammengewürfelten,  die  ganze  Fläche  überspinnenden 
und  meist  nachlässig  ausgeführten  Decoralion  deutlich  die 
Wirkungen  eines  verdorbenen  Geschmacks  und  einer  gesun- 
kenen Kunst  bekunden,  gehört  jenes  einer  älteren  Periode  an. 


3(>.  Auf  dem  Quai  zu  Larnaka  in  Cypern  sind  zwei  Sän- 
Jenstücke  nebeneinander  eingerammt,  um  zum  Befestigen  der 
Schiffstaue  zu  dienen.  Auf  dem  einen  die  Inschrift*: 

ATTO  A  An  N  i  A  H 

XPH  CTE 

IM  A  I  P  E 


Halle  a.  d.  Saale. 


JOHANNES  SCHMIDT. 


'  Ich  verdanke  die  Copie  dem  eben  veislorbeiieii  Pjofossor  LüLh. 

UITTii.D.  ARCU.INST.  VI.  11 


Ein  Kriegerrelief  aus  Kleitor. 

(Hierzu  Taf.  V.) 

Auf  Taf.  V  istdie  Reproduction  eines  Kriegerreliefs  gegeben, 
das  im  Frühjahre  1880  bei  Karnesi  an  der  Stelle  des  alten  Klei- 
lor  im  nördlichen  Arkadien  auftauchte,  daselbst  von  Dr.  Milch- 
höfer,  meinem  Bruder  Dr.  W.  Gurlitt  und  mir  besucht  wurde 
und  sicli  nunmehr  im  Abguss  im  Kön.  Museum  zu  Berlin 
befindet,  wonach  der  beigefügte  Lichtdruck  genommen  ist. 
Die  Höhe  des  Reliefs  beträgt  2,18,  die  Breite  1,11™.  Der  Mar- 
mor stammt  aus  Doliana. 

Die  zweizeilige  Inschrift,  welche  auf  dem  obersten  Leisten 
des  horizontalen  Ablaufs  eingeschrieben  ist,  hat  durch  Bestos- 
sung  und  Verwitterung  des  Steines  so  stark  gelitten,  dass  aus 
ihr  wenig  Belehrung  zu  erwarten  ist.  Lesbar  sind  mir  davon 
nur  die  zwei  ersten  Worte  der  zweiten  Zeile  kvtI  aXXtov,  die 
möglicherweise  einen  Pentameter  einleiteten. 

Die  Figur  ist  in  Halbrelief  gebildet,  doch  tritt  der  Kopf  so 
stark  hervor,  dass  auch  die  r.  Seite  des  Gesichtes  ausgearbei- 
tet werden  konnte  his  auf  die  Wangenfläche,  die  auf  dem 
Grunde  auflieo;t.  Trotz  starker  Verletzuns;  erkennt  man  einen 
kräftigen  Kopf  von  durchaus  individueller  Bildung.  Das  weich- 
flockige Haar  wächst  keilartig  in  die  Stirne  herab,  diese  selbst 
ist  iiber  den  Augen  etwas  vorgebaut  und  geht  nach  einer  Ein- 
satlhmg  mit  starker  Wölbung  zurück.  Die  Augen  liegen  tief 
und  haben  einen  ruhigen  Ausdruck.  Bei  genauerer  Untersu- 
chung zeigle  sich,  dass  die  Iris  durch  ICini-itzen  gezeichnet  war 
und  zwar  so  dass  der  Blick  etwas  emporgerichtet  ist.  Das  Un- 
tergesichl  ist  breit  und  hat  etwas  Schlaffes,  Gedunsenes;  von 
einem  Barte  ist  keine  Spur. 

Bevor  wir  auf  die  stilistische  Eigenart  und  das  Detail  der 
Darstellung  näher  eingehen,  soll  uns  zunächst  die  Frage  nach 


I^IN  KUiEGERUKLlEF  AUS  KLEITOR  155 

dem  Sinn  und  Inliall  dorsclhen  bescliäftisjcn.  Von  entscheiden- 
der IkdcLiluni:;  ist  hierbei  iianientlich  der  Gcstiis  der  r.  Hand. 

Sieht  man  sich  nach  Figuren  mit  verwandtei-  Ifaltunii-  um 
so  verfällt  man  wohl  zunächst  auf  die  Darstellungen  von  vö- 
mischen  Kaisern  und  Feldlierrn,  wie  sie  auf  Triumplihi)ii;en , 
Säulen  und  Miinzen  häufig  sind.  Dort  ist  meistens  die  Be- 
ziehung des  Geslus  zu  dem  umstehenden  Heere  deutlich,  und 
zum  ÜberÜtiss  wird  er  auf  Münzen  als  der  der  atllocuiio  erklärt. 
Derselbe  Gestus  kehrt  auch  bei  llednern  wieder.  Gleichwohl 
zeigt  die  Haltung  unserer  Figur  einige  so  wesentliche  Abwei- 
chungen von  jenen  Gattungen,  dass  sie  ihnen  nicht  beigezählt 
werden  darf.  Schon  mildern  Oberarm  beginnt  hier  eine  nach 
hinten  gerichtete  Wendung  und  mehr  noch  ist  der  Unterarm 
zurückgedrängt.  Im  Gespräch  oder  in  der  bewegten  Rede  wird 
man  nicht  dazu  kommen,  den  r.  Arm  so  zu  stellen,  zumal 
wenn  die  Unke  dabei  unbewegt  herabhängt.  Auch  ist  der 
Kopf  nach  r.  gewendet,  nicht,  wie  es  für  das  Bild  eines  Red- 
ners Erforderniss  wäre,  cjerade  aus  in  der  Richtung;,  in  wel- 
eher  die  Hörer  gedacht  werden  müssten.  Dazu  kommt  schliess- 
lieh  der  aufwärts  gerichtete  Blick  und  etwa  auch  der  fest  ge- 
schlossene Mund. 

Figuren  von  wesentlich  gleicher  Bildung  als  unser  Krieger 
linden  sich  auch  sonst  wieder,  die  eine  ebenfalls  in  einem  Re- 
lief, die  andere  in  einer  Statue.  Das  Relief,  wahrscheinlich  aus 
l.amia,  befindet  sich  gegenwärtig  im  Centralmuseum  zu  Athen 
und  gehört  zu  den  herrlichsten  Reliefarbeiten  des  vierten  Jahr- 
hunderts (abgebildet  Exped.  de  Morce  \\\  Taf.  41,  zuletzt  be- 
sprochen von  Kekule  Theseion  N"  151).  Das  statuarische  Werk 
ist  die  als  Germanicus,  'lipij.'/i;  T^öyio;  oder  Athlel  gedeutete 
grosse  Bronze  vom  Zellfeld  in  Kärnthen,  jetzt  im  untern  ßel- 
vedere  zu  Wien,  s.  von  Sacken  Die  antiken  Bronzen  des  k.  k. 
Münz-und  Antikenkabinets  zu  Wien  1871  S.  52  fg.  Taf.  21 
und  22.  Diese  Figuren  als  Redner  zu  deuten  verbietet  abge- 
sehen von  den  schon  geltend  gemachten  Einwänden  der  Vo- 
gel in  der  Hand  des  Jünglings  auf  dem  Relief  von  Lamia; 
allocutirend   kann   ebensowenig  dieser  Jüngling  als  der  der 


156  EIN  KBIliGERRELIEF  AUS  KLEITOR 

Bronze  sein,  schon  wegen  der  Nacktheit  bez.  unkriegerischen 
Kleidung. 

Nach  Zurückweisung  dieser  Erklärungsversuche  bietet  sich 
das  Richtige  von  selbst  und  wind  vollends  ausser  Zweifel  ge- 
setzt durch  die  Heranziehung  einer  vierten  Darstellung  des- 
selben Actes.  Es  ist  dieses  ein  rothfiguriges  Vasenbild  von 
einem  etruskischen  Slamnos  (0.  Jahn  Ann.  1848  S.  217,  tav. 
d'agg.  K  und  Heydemann  Arch.  Zeitg.  1872  Taf.  46  und  S. 
60).  Heydemann  hat  zweifellos  richtig  erkannt,  dass  Aias  Te- 
lamonios  dargestellt  ist,  im  Begriff  sich  in  sein  Schwert  zu 
stürzen.  Er  bemerkt  auch  richtig,  dass  der  sophokleische  Mo- 
nolog (Aias  815  fg.)  die  Darstellung  auf  das  Beste  commen- 
tire.  Der  Maler  hat  sich  soweit  es  ihm  seine  Kunst  gestattete 
an  das  dichterische  Vorbild  angeschlossen,  indem  er  zeillich 
Getrenntes  zu  einem  Bilde  vereinte.  Indem  Athena  den  einen 
Fuss  auf  einen  erschlagenen  Widder  gestützt  auf  das  in  den 
Boden  gestellte  Schwert  hinweist  ist  sie  als  die  Urheberin  der 
Raserei  des  Aias  und  des  bevorstehenden  Selbstmordes  ge- 
•«eichnel;  persönlich  anwesend  ist  sie  deshalb  nicht  zu  den- 
ken. Es  ist  daher  auch  nicht  richtig  wenu  Heydemann  den  Aias 
als  im  Gespräch  mit  Athena  begriffen  auffasst.  Dem  wider- 
spricht sowohl  Dichtung  als  Bild.  Denn  auf  diesem  ist  der 
Gestus  und  Blick  des  Aias  nicht  auf  die  ihm  gegenüberste- 
hende Athena,  sondern  gen  Himmel  gerichtet  (weshalb  auch 
Heydemann  an  späterer  Stelle  ihn  «  mit  den  Göttern  und  der 
feindlichen  Göttin  rechten»  lässl).  Auch  Sophokles  gedenkt 
der  Göttin  in  dieser  Scene  nicht  mehr,  sondern  nachdem  der 
Held  sein  Schwert  in  den  Boden  gepflanzt  und  darüber  seine 
letzten  ernsten  Betrachtungen  angestellt  hat,  richtet  er  sich 
noch  einmal  im  Gebete  empor,  zunächst  an  Zeus,  darauf  be- 
tet er  zu  Hermes,  zu  den  Erinnyen,  zu  dem  hochwandelnden 
Helios  und  ruft  endlich  den  Thanatos  an.  Und  diese  Scene  ist 
es,  welche  das  Vasenbild  darstellt.  In  feinsinniger  Weise  sehen 
wir  hier  wie  auf  so  manchen  gleichzeitigen  Bildern  ein  psy- 
chologisches Moment  durchgeführt,  wir  haben  geradezu  durch 
die  Überlieferung  verbürgt  einen  betenden  Aias. 


EIN  KRIEGERRELIKF  AUS  KLEITOR  157 

Wir  stehen  nunmehr  nicht  an  auch  die  verwandten  drei 
Darstellungen  als  Betende  zu  fassen. 

Am  bekanntesten  fiir  das  Gebet  ist  die  Haltung,  bei  der 
beide  Handflächen  und  der  Blick  hinauf  ij;ci,'en  den  Himmel 
gerichtet  ist.  Schon  bei  Homer  findet  sicli  sehr  häufig  das  ytX- 
px(;  Seoi;  avs^etv  (II.  I  450,  VIII  347),  ei;  oupavöv  6peyeiv  (II. 
XV  371),  das  in  gleicher  Weise  in  der  ganzen  griechischen 
und  rönnschen  Literatur  wiederkehrt.  Es  fällt  auf,  dass  im  Ge- 
gensatz zur  Fülle  der  literarischen  Zeugnisse  die  l>erliner  Bron- 
ze des  betenden  Knaben  fast  vereinzelt  dasteht.  In  neuster  Zeit 
ist  durch  die  Publie^ilion  von  A.  Flasch  (Arch.  Zeit.  1880  S. 
143  Taf.  XII  1)  diesem  anmuthigen  Knaben  das  ergreifende 
Bild  eines  ebenfalls  betenden  Greises  (  Phineus)  zugesellt  wor- 
den ,  welches  einer  attischen  Amphora  des  Museums  Blacas 
entnommen  ist. 

Es  fraet  sich  nun  ob  auch  ein  Gebet  mit  nur  erhobener 
Rechten  vorkommt.  Levezow  {De  juvenis  adorantis  signo  Berlin 
1808  S.  12)  und  Weicker  (Das  akadem.  Mus.  zu  Bonn  S.  42) 
leugnen  das  Bestehen  dieses  Gestus  ausdrücklich.  Geht  man 
aber  auf  die  Bildwerke  ein  so  begegnet  man  einer  fast  unüber- 
sehbaren Menge  griechischer  Monumente,  meist  Votivbildern, 
auf  denen  sich  Leute  mit  vorgestreckter  Hechten  dem  Bilde 
des  Gottes  nahen.  Auffallend  bei  den  Bildern  dieser  Adoran- 
len  —  denn  als  solche  hat  man  sie  längst  erkannt  —  ist  nur, 
dass  sie  nie  das  Gebet  mit  beiden  erhobenen  Händen  zeigen, 
welche  Form  wir  doch  als  die  herrschende  kennen  lernten*. 
Im  Einklang  hiemit  sagt  Pausanias  (V  25  5)  in  der  Stelle,  wo 
er  von  den  Weihgeschenken  der  Agrigentiner  auf  der  Allis- 
mauer  zu  Olympia  spricht:  (iveOeaacv  tou;  ^ar^a;  1;  'OXufXTtiocv 
TOu;  ^«>.)coOc,  TrpoTetvovTJc;  re  toc;  ^s^ia;  x.al  el/,oc(7{;.evou;  z\>-^o^.t- 
voi;  TW  Gsw.  Er  sagt  also  von  diesen  Knaben  aus,  dass  sie  mit 


>  Auf  einem  liorriictien  Tarenliner  Goldstalcr  des  Berliner  Münzcabinets 
steht  der  jugendliclie  Tains  in  der  Haltung  des- betenden  Knaben  vor  Posei- 
don, docli  ist  dadurch  oflenbar  keine  Adoration  gemeint,  sondern  das  Bild 
trägt  den  Charakter  einer  Farniiienscene,  entsprechend  etwa  dem  Grabrelief 
Arch.  Zeit.  1873  Taf.  8,  wo  ein  kleines  IWildchen  sich  der  Mutter  auschraiegl. 


158  EIN  KRIEGERRELIEF  AUS  KLEITOR 

der  vorgeslrecklen  Rechten  (auf  der  Altismauer,  also)  dem 
Heiliglhurne  gegenüber  standen  und  sich  zu  diesem  wie  «in 
Wirklichkeit  Adorirende»  hinwandten.  Wir  haben  uns  dem- 
nach unter  ihnen  ideale  Adoranlenfiguren  zu  denken. 

Auf  Grund  der  literarischen  Zeugnisse  müssen  wir  behaup- 
ten ,  dass  bei  Griechen  und  Römern  für  Gebet  einerseits  und 
Adoralion  andererseits  —  wie  wir  der  Kürze  wegen  den  unter- 
schied bezeichnen  —  zwei  verschiedene  Formen  der  Haltung 
bestanden.  Nachdem  aber  einmal  auch  das  Erheben  der  r. 
Hand  allein  volle  Giltigkeit  fürs  Gebet  erlangt  halte  ist  es  er- 
klärlich, dass  es  auch  bei  dem  zum  Himmel  und  persönlichen 
Gotte  gerichteten  Gebete  Anwendung  finden  durfte  und  ver- 
mulhlich  dann  Anwendung  fand,  wenn  die  Linke  beschäftigt 
und  an  der  Bewegung  Theil  zu  nehmen  verhindert  war. 

Betrachten  wir  nunmehr  die  Haltung  der  einzelnen  Figuren 
von  denen  wir  ausgingen  genauer  so  ergibt  sich  zunächst  für 
die  Bronze  des  berliner  Museums  mit  Bestimmtheit,  dass  sie 
betend,  für  die  wiener  Bronze  ebenso  sicher,  dass  sie  ado- 
rirend  gedacht  ist.  Die  Bestimmung  des  letzteren  Monuments 
war  offenbar  wie  die  Bronzeknaben  der  Altis  einem  Götter- 
bilde ü;e2;enüber  als  Weihs-eschenk  zu  dienen.  So  war  es  ein 
Zeichen  des  Dankes  für  das  gnädig  erhörte  Gebet  und  zugleich 
eine  dauernde  Fürbitte  für  das  Wohl  der  Weihenden,  deren 
Namen  auf  dem  r.  Schenkel  eingegraben  stehen.  Unter  den 
statuarischen  Bildwerken  ist  mir  nur  noch  eines '^  dieser  Art 
bekannt,  nämlich  die  athener  Bronze  des  berliner  Anliqua- 
riums  {Inv.  6306)  freien  Stils  und  von  guter  Arbeit.  Darge- 
stellt ist  ein  nackter  Jüngling,  der  in  der  gesenkten  Linken 
einen  Halter  hält,  wodurch  er  als  Sieii;er  im  Pentathlon  kennt- 
lieh  ist,  während  die  Rechte  adorirend  erhoben  ist.  Blick  und 
Handfläche  sind  geradeaus  gerichtet. 

Es  ist  zu  beachten,  dass  wir  unter  den  Bildwerken,  die  als 

'  Ein  adorirendes  Mädchen  RronzeslaMiette,  mir  etruskischer  Inschrift 
{Ann.  XXXrn,  tav.  d'afjfj.T.i'j  und  einige  kleine  Hron2en  primitiver  Kunst 
des  berlin.  Anti(|uariunr>  ebenfalls  wohl  elruskischer  Herkunft  übergehe  ich 
absichllich. 


EIN  KHIEGEUREÜKF  AUS  KLRITOR  159 

Weihgeschenke  zu  dienen  hestirnrnt  waren,  bislier  Afloran- 
ten  nicht  aber  Betende  mit  zum  Himmel  eflioix'iien  llniKh.'n 
gefunden  haben.  Wir  wenden  uns  jetzt  dem  Ueliel'  aus  I.h- 
mia  zu. 

Dieses  hat  wie  der  Vergleich  mit  andern  Grahmonumenleii 
beweist  sepulcrale  Bedeutung.  Wir  linden  hier  wie  häiiüg 
auf  altischen  Grabbildern  den  kleinen  Knaben  als  Begleiter 
des  Jün^linüs  und  ein  N'ö^elchen  in  seiner  Hand.  Neu  ist  die 
Zugabe  der  Katze  die  hier  als  Lieblingslhier  des  Verstorbenen 
seinem  Bilde,  wie  sonst  wohl  der  Hund,  beigefügt  ist.  Wir 
sehen  aus  diesetn  Helief',  dass  schon  im  vierten  Jahrb.  v.  Chr. 
die  zahme  Hauskatze  zu  den  Freunden  der  griechischen  Jugend 
gehörte,  mag  sie  auch  immerhin  ein  seltener  Besitz  gewesen 
sein.  Bekanntlich  hat  man  das  Thier  vielfach  anders  deuten 
wollen.  Auch  der  Gegenstand  hinler  der  r.  Hand  des  Jüng- 
lings hat  zu  den  verschiedensten  Erklärungen  veranlasst.  Mir 
scheint  die  Deutung  als  Vogelbauer,  welche  Salinas  (Mon.  se- 
pulcr.  S.  22)  und  L  Martha  [Bull,  de  corr.  Hell.  1880  S.  74) 
geben,  das  Richtige  zu  treffen.  Salinas  und  Martha  glauben, 
dass  der  Jüngling  im  Begi'iff  sei  den  Bauer  zu  öffnen,  um  das 
Vögelchen  mit  der  andern  Hand  hineinzuthun.  Allein  der  Vo- 
gel ist  so  nebensächlich  behandelt  und  in  der  gesenkten  [sin- 
ken so  versteckt,  dass  ich  ihn  mir  nicht  als  Mittelpunkt  der 
Handlung  denken  kann.  Dazu  kommt  dass  die  R.  vor  dem 
Käfig  liegt  und  keineswegs  mit  der  Bewegung  des  Greifens 
gebildet  ist.  Offenbar  macht  sie  sich  mit  dem  N'ogelbauer  gar 
nicht  zu  schaffen,  l'^in  Vergleich  mit  dem  Relief  aus  Kleitor 
beweist  vielmehr,  dass  der  Bauer  einem  wesentlich  techni- 
schen Grunde  sein  Dasein  verdankt.  In  beiden  Fällen  galt  es 
nämlich  die  Schwierigkeit  zu  überwinden,  die  durch  das  na- 
turgemässe  Hervortreten  der  r.  Hand  entstand.  Der  Künstler 
zu  Kleilor  hob  die  Hand  seiner  Figur  so  hoch,  dass  sie  auf 
dem  stark  hervortretenden  entsprechend  gebildeten  Gesimse 
zu  ruhen  kam.  Der  Künstler  zu  Lamia  legte  hinter  die  Hand 
den  Vogelbauer  und  diesen  in  eine  schiefe  Fläche,  so  dass 
sich  ihm  der  Rücken  der  Hand  leicht  anbequemte. 


160  EIN  KRIEGERRELIEF  AUS  KLEITOR 

Übersieht  man  die  Reihe  sicherer  Ädorantenbiider,  so  ist 
es  unmöglich  den  Jüngling  als  Adoranten  zu  fassen,  denn  nie 
finden  wir  bei  diesen  ein  so  starkes  Erheben  und  Vorstrecken 
des  Armes;  es  hat  daher  dieser  Jüngling  und  ebenso  wie  wir 
jetzt  liinzufügen  können,  der  Krieger  des  Kleitorreliefs  zwei- 
fellos die  ffaltung  des  Gebetes.  In  beiden  Fällen  wurde  diese 
Haltung  des  Gebetes  gewählt,  weil  die  gebräuchliche  mit  bei- 
den erhobenen  Händen  für  die  Heliefkunst  unausführbar  ist. 
Doch  musste  die  Abweichung  von  der  Hegel  motivirt  werden; 
dies  geschah  dadurch  dass  beide  Male  die  Linke  mit  dem  Tra- 
gen eines  Gegenstandes,  hier  des  Vögelchens  dort  des  Gewan- 
des und  der  Lanze  beschäftiot  wurde.  Ebenso  trä^t  Aias  auf 
dem  oben  besprochenen  Vasenbildc  in  der  Linken  die  Schwert- 
scheide und  hält  auf  dem  Arme  den  Mantel,  der  betende  Phi- 
neus  aber  hat  bezeichnend  genug  seinScepter  bei  Seite  gestellt, 
um  beide  Hände  für  das  Gebet  frei  zu  haben. 

Hinzufügen  dürfen  wir  dass  überhaupt  nur  die  Darstellung 
eines  Gebets  zu  den  persönlichen  Göttern,  nicht  die  Adoration 
auf  Grabmonumenten  zulässig  war.  Die  Adorantenbilder  sol- 
len an  das  Gebet  im  Tempel  oder  vor  der  Götterstalue  erin- 
nern und  durch  dauernde  Anwesenheit  im  Heiligthume  gleich- 
sam den  Weihenden  vertreten.  Daaregen  mussten  Betende  auf 
Grabmonumenten  nicht  minder  naturwahr  so  gebildet  wer- 
den, dass  sie  sich  zu  den  himmlischen  Göttern  wenden;  stan- 
den sie  doch  auf  dem  Gräberfelde,  abseits  von  den  Heiliglhü- 
mern  der  Stadt.  Der  im  Vorhergehenden  entwickelte  Grund, 
die  durchgehende  Verwandtschaft  mit  dem  Lamiarelief  in  Form 
und  Inhalt  beweist  mir  die  ebenfalls  sacrale  Bestimmung  un- 
seres Reliefs*. 


'  Mit  Hülfe  des  Fundortes  ist  in  dieser  Frage  niclits  zu  entscheiden,  denn 
der  Stein  war  zum  Bau  eines  grossen  byzantinisclien  Grabes  l)enulzt  wor- 
deii  zusammen  mit  grossen  Inschriftsteinen.  Die  FundsUitte,  etwa  300  Sctiritt 
östlich  von  dem  Hause  des  Herakles  Papakonslantinu,  wo  sich  unser  Relief 
belindet,  hart  am  1.  Ufer  des  Karncsibaches,  der  übrigens  oft  sein  Bett  gc- 
wcchscll  hat  (W.  Vischer  Erinn.  und  Eindr.  S.  479),  und  die  in  der  N;the 
liegenden  Platten  weilerer  aller  Gräber  machen  es  indess  wahrscheinlich, 
dass  hier  etwa  die  alte  Gräberstadt  war. 


EIN  KRIEGEHRELlIiF  AUS  KLEITOR  16! 

Das  Gebet  nun  muss  an  den  Gott  gerichtet  sein  in  dessen 
Hand  zunächst  nach  dein  Tode  Wohl  und  Wehe  des  Verstor- 
benen liegt,  an  Hermes  den  Seeiengeleiter.  Mit  dieser  AnfTas- 
song  befinden  wir  uns  in  einem  der  antiken  Welt  durchaus 
vertrauten  Ideenkreise.  Besonders  wichtig  ist  uns  die  Inschrift 
C.I.  G.  4284  =  Kaihel  411  : 

T(5v^'4  xa>,[oc]ia[T']po'puXa^  'Aaawv.o;  sitxto  ßci)(/.ov 

auTÖ;  eTi  ^o)5c;  t6  y'Xuvcj  (psvyo;  öpwv, 
■^npiov  o^p«  yevotxo*  tov,  o  Mxiz;  yAure  xoOpe, 

Haben  wir  nicht  in  diesem  Gebete,  das  jener  Ammonios 
noch  bei  Lebzeilen  seinem  Grabsteine  aufschrieb,  den  Corn- 
mentar  zu  unsern  Darstellungen  der  beiden  betenden  Jung- 
linge? 

Wir  kehren  nunmehr  zur  ausschliesslichen  Betrachtunsr  des 
Kleitorreliefs  zurück,  um  nns  über  seinen  stilistischen 
Charakter  und  seine  Entstehungszeit  ein  Urtheil  zn 
bilden. 

Der  erste  nnd  dominirende  Eindruck,  den  das  Relief  auf 
den  Beschauer  macht,  ist  der  der  Coiossalilät  und  einer  er- 
staunlichen Lebenswahrheit.  In  der  Bildung  des  Nackten  be- 
kundet sich  ein  sorgfaltiges  Naturstu^dium  und  eine  bedeu- 
tende anatomische  Kenntniss.  Mit  grossem  Versländniss  sind 
die  Züge  der  Muskeln  und  der  Lauf  der  Adern  gezeichnet.  Der 
Naturalismus  geht  soweit  dass  auch  die  Hautfalten,  die  sich 
in  der  Armbiege  und  in  den  Handgelenken  bilden,  und  selbst 
die  Achselhaare  nicht  fehlen. 

Der  Mantel  ist  weich  und  fliessend.  Durch  Glätlung  des 
Nackten  ist  er  in  einen  malerischen  Conlrast  zum  Slotflichcn 
gesetzt.  Übrigens  hat  die  Epidermis  namentlich  auf  der  Brust 
durch  Ver Waschung  stark  gelitten. 

Die  Körperverhiiltnisse  sind  nicht  die  schönsten.  Störend 
geradezu  sind  die  zu  kurzen  Oberbeine.  Offenbar  beabsichtigte 
der  Künstler   auch  in  der  Körperbildung  die  grösstmögliche 


162  EIN  KRIEGERRELIEF  AUS  KLEITOR 

Portraitälinliclikeit  und  stellte  den  slaikknochigen,  vierschrö- 
tigen Sohn  der  arkadischen  Berge  im  Bilde  hin  wie  er  ihn  im 
Leben  gesehen  hatte. 

An  Beiwerk  aller  Art  fehlt  es  nicht.  Besonders  verdient  der 
kunstvoll  gearbeitete  Grift'  des  Dolches  Beachtung,  der  im 
Feldodie  Darstellung  einesBeitenden,  anscheinend  eines  Amors 
aufdem  Panther  erkennen  lässt.  Am  ilen  und  5len  Finger  der 
1.  Hand  ist  je  ein  Ring,  deren  obere  Flächen  jetzt  weggebro- 
chen sind. 

Der  Schild  ist  nur  zur  Hälfte  plastisch  gebildet.  Das  volle 
Rund  würde  eine  unschöne  Schneidung  der  Linien  ergeben 
und  dies  war  dem  Künstler  Grund  srenue;  für  seine  Abbrevia- 
tur.  Stilistisch  am  Nächsten  kommt  unserm  Relief  ein  schöner 
Grabstein  in  Wien  (v.  Sacken  a.  a.  0.  Taf.  IV).  Seinem  gan- 
zen Kunstcharakler  nach  jedoch  erinnerl  es  an  die  jüngsten 
pergamenischen  Funde  und  die  schon  länger  bekannten  sta- 
tuarischen Werke  der  pergamenischen  Kunst.  Näher  stehende 
Vergleichsobjekte  finden  sich  in  (]ev  hellenistisch-römischen 
Kunst.  Die  Vermuthung  dass  die  Arbeit  römisch  sein  könne 
ist  ganz  zurückzuweisen.  Auf  Grund  einerstilislischen  Exegese 
indess(Mi  genauere  Zeitbestimmuno;  zu  unternehmen  wäre  ffe- 
wagt.  Wir  versuchen  daher  dieselbe  auf  anderem  Wege  zu 
gewinnen. 

Auszugehen  haben  wir  von  einem  Zeugnisse  des  Strabon, 
der  VIII  388  Kleitor  in  der  Reihe  der  peloponnesischen  Städte 
nennt,  die  zu  seiner  Zeit  nicht  mehr  bestanden  und  kaum  noch 
eine  Spur  ihres  Daseins  zurückgelassen  hatten.  Bekanntlich 
schrieb  Strabon  sein  Werk  ^^j^^  n.  Chr.  und  reiste  durch  Grie- 
chenland schon  29  v.  Chr.  (vgl.  B.  Niese  Hermes  XIH  S.  33 
fg.).  Wenn  also  schon  damals  Kleitor  nicht  mehr  existirte  so 
haben  wir  seinen  Verfall  spätestens  in  den  Verlauf  des  letzten 
vorchristlichen  Jahrhunderts  zu  setzen.  Denn  nicht  hören  wir, 
dass  ein  einmaliger  schwerer  Schicksalsschlag  die  Stadt  ver- 
nichtet habe,  wohl  aber  dass  besonders  seit  dem  mithridati- 
schen  Kriege  ein  unaufhaltsamer  furchtbarer  Fortschritt  die 
gänzliche  Verarmung  und  starke  Entvölkerung  des  Peloponne- 


EIN  KRIEGERHELIEF  AUS  KLEITOR  163 

ses  het'beiführic.  Vordem,  seit  der  Zerslöriini;;  von  Korinlh, 
erfreute  sich  der  Peloponnes  zwar  einii^es  wirlhschaftlichen 
Glückes,  aber  es  fehlten  auch  damals  die  Bedinfi;ungen,  welche 
■wir  für  die  Firrichtung  eines  Monumentes  solches  Schlaj^es 
vorauszusetzen  haben.  So  dürfen  wir  zunächst  die;  Zeit  nach 
der  Unterwerfung  Griechenlands  durch  Mummius,  von  li(j 
an,  von  der  Bereciinung  ausschliessen. 

Eine  Begrenzung  von  der  andern  Seile  her  gewinnen  wir 
aus  einer  Notiz  des  Pausanias  über  die  Bewaffnuncr  des  eidoe- 
nössischcn  Jleeres.  Es  ist  bekannt  dass  diese  durch  Philopö- 
men  eine  vollstiindige  Reorganisation  erfuhr.  Pausanias  be- 
richtet darüber  in  Beziehung  auf  das  Fussvolk  (VIII  50  1): 
<popoOvTx;  yoi^  [Aiy.pa  ^opxTtoc  y.x\  irn[j.ny.emtpx  OTt'kx  x.scTa  rou; 
KsXti/.ou;  Oupsou;  r)  zx  yepps'-  toc  Ilepcrtöv  ezeiors  Owpxxa;  ts  £V~ 
S-js-jOäi  xocl  eTTiTiöedSxi  xvvi[;,iSx;,  7:po;  ^k  xoTziai^  'ApyoXDtocT; 
yp-^a:9ai  vtal  toT?  ^öpxffi  asyoc'Xotq.  Wenn  wir  also  auf  unserem 
Ilelief  den  argoliechcn  Rundschild  statt  des  langgestreckten, 
eckigen  und  eine  starke  Lanze  statt  des  fxiy.pov  ^opxxiov  finden, 
so  muss  es  nach  206  als  dem  Jahre  entstanden  sein,  in  wel- 
chen] die  Neubewaffnung  des  Fussvolks  eingeführt  wurde. 
Dass  Kleitor  damals  schon  dem  Bunde  angehörte  steht  ausser 
Zweifel ;  es  muss  schon  Mitte  des  3.  Jahrhunderts,  etwa  gleich- 
zeitig mit  Megalopolis  ( i^olyb.  11  44)  und  den  andern  arkadi- 
schen Städten  beigetreten  sein  (Plut.  Arat.  34,  Strab.  VHI  7). 
Im  Sommer  220  halte  es  als  Bundesstadt  eine  Belagerung 
durch  die  Aitoler  zu  bi-slehen  (Polyb.  IV  18  19,  \ix'38  8). 
Innerhalb  des  halben  Jaiirhunderts  von  20G-1  i6,  das  sich  uns 
als  Begrenzung  ergibt,  liegt  die  höchste  Blüthe  und  zugleich 
der  Verfall  und  Untergang  des  achäischen  Bundes. 

Es  lässt  sicli  nicht  mit  Bestimmtheit  entscheiden  ob  das 
Grabmonument  auf  öffentlichen  Beschluss  der  Kleitorier  oder 
von  den  An";ehöriiJjen  des  Todten  gesetzt  sei,  doch  ist  letzteres 
bei  Weitem  das  Wahrscheinlichere.  Gleichwohl  werden  wohl 
auch  hier  wie  in  aller  Zeit  die  politischen  Umstände  von  ent- 
scheidendem Einfluss  auch  auf  die  privaten  Handlungen  ge- 
wesen sein,  sodass  wir  die  Entstehung  dieses  prächtigen  Grab- 


164  EIN  KRIEGERRELIEF  AUS  KLEITOR 

mals  mit  mehr  Recht  in  der  Zeit  ruhmvoller  Waffenthaten  als 
in  der  Zeit  der  Erniedrigung  und  Ohnmacht  suchen  werden. 
Ich  stehe  nicht  an  auch  unser  Relief  für  ein  Zeugniss  des  ho- 
hen, waffenstolzen  Geistes  jener  Zeit,  für  ein  Monument/zu 
halten,  das  ein  reicher  Bürger  der  Stadt  seinem  Sohne  setzte, 
der  unter  Philopömens  Führung  einen  ruhmvollen  Tod  gefun- 
den hatte. 

Einen  Künstlernamen  für  unser  Relief  zu  suchen  wäre  ein 
müssio^es  Bemühen.  Möolich  dass  der  Künstler  ein  Klei  torier 
war,  da  er  den  Verstorbenen  gekannt  haben  musste,  um  ihn 
so  portraitähnlich  bilden  zu  können. 

Über  die  Waffengattung  unseres  Kriegers  kann  die  Entschei- 
dung nicht  schwer  sein.  Polybios  unterscheidet  gelegentlich 
der  Schilderung,  die  er  von  der  achäischen  Schlachtordnung 
bei  Mantinea  gibt  (XI  11  i)  1.  tou;  'IWv^imu^  y.x\  ötopaxiT«? 
2.  T?>  ^sv'.y.J)v  xzl  Tou?  au^tiSvou;  3.  tou?  f!x\a,yyizx(;  4.  toui;  tco- 
XiTixou;  iTCTrel?.  Von  diesen  sind  die  Illyrier,  Hülfstruppen  und 
Leichtbewaffnete,  auch  die  Reiter  sogleich  auszuschliessen.  Ein 
Phalangite  kann  der  Krieüjer  nicht  sein  weil  seine  Lanze  mit 
einer  Sarisse  keine  Aehnlichkeit  hat.  Denn  nach  Polybios 
(XVIII  29)  hatte  diese  eine  Länge  von  16  Fuss,  dem  entspre- 
chend musste  der  Schaft  dünn,  die  Spitze  leicht  sein,  wie  aus 
dem  berühmten  Bild  der  Alexanderschlacht  ersichtlich  ist.  Die 
Waffe  unseres  Krie<<ers  hat  die  Länge  der  Figur  selbst,  ihr 
Ende  ist  deutlich  durch  den  oberen  Abschnitt  charakterisirt. 
Hätte  eine  Sarisse  dargestellt  werden  sollen,  so  würde  der 
Schaft  sich  im  Gesimse  verlaufen  müssen.  Der  in  den  Boden 
gestellte  Theil  würde  auch  füi' die  Spitze  einer  Sarisse  zu  plump 
sein,  während  anderseits  nicht  bekannt  ist,  dass  diese  mit  ei- 
nem Sauroter  versehen  gewesen  wäre.  Es  bleibt  mithin  die 
Bezeichnung  als  Otdooty.Uvi;  übrig.  iSnch  einem  gewöhnlichen 
Brauch  griechischer  Kunst  ist  die  Wafl'engattnng  nur  ange- 
deutet, sind  Panzer,  Beinschienen  und  Sandalen  nicht  gebil- 
det worden.  Die  Stücke  aber,  welche  zur  Darstellung  gekom- 
men sind,  stimmen  mit  den  Angaben  überein,  die  Pausanias 
von  der  Bewaffnung  des  schweren  Fussvolkes  macht. 


EIN  KRIliGliRÜELIEF  AUS  KLEITOR  165 

Die  e^cofAi?,  ein  sonst  für  Krieger  eben  nicht  übliches  Klei- 
dungsstück, war  für  die  Darstellung  des  betenden  geeignet, 
weil  sie  die  Entblüssung  der  Brust  ermögliclit.  Sie  ist  mit  einem 
schlichten  Kiemen  über  den  Leib  gegürtet  in  der  Weise  wie 
die  tunica  auf  den  Darstellungen  römischer  Legionare.  Die 
Ghlamys  erinnert  an  das  römische  sagum  oder  mehr  noch  an 
das  paludamentum  des  Feldherrn.  Das  kurze  Schwert  hängt 
wie  bei  den  römischen  OfTicieren  aus  der  ersten  Kaiserzeit  auf 
der  linken  Seite,  aber  nicht  an  einem  cinclorium  sondern  am 
VVehrgehänge  [balteus). 

Auf  der  Grenze  stehend  zwischen  dem  Verschwinden  des 
Hellenismns  und  dem  Alles  umslossenden  Römerthum  ist  un- 
ser Relief  sehr  geeignet  den  Übergang  von  einer  Kunstsphäre 
in  die  andere  erklären  zu  helfen. 

Die  Römer  verlangten  bei  ihrem  aufs  Praktische  gerichteten 
Sinne  porträthafte  Darstellungen.  Deshalb  schlössen  sie  in 
der  ikonischen  Kunst  sich  direkt  an  die  Vorbilder  an,  wie  s'ie 
sich  seit  der  Zeit  der  Diad(}chen  auf  hellenistischem  Boden 
entwickelt  hatten.  Nach  dem  Zeugnisse  des  Plinius  hist.  nat. 
XXXIY  17  fg.  waren  es  besonders  zwei  Gattungen,  die  in.lta- 
lien  Verbreitung  fanden,  solche  die  den  Dargestellten  als  Qui- 
riten  in  der  bürgerlichen  Tracht,  also  der  toija,  und  solche  die 
ihn  wie  die  Ephebenslaluen  in  idealen*  Gestalt  nackt  und  einen 
Speer  tragend  zeigten.  Für  eine  dritte  Gattung  aber,  die  bei 
den  Römern  so  viel  wir  aus  dem  reichen  Nachlasse  entneh- 
men für  Kaiser- und  Feldherrnstatuen  recht  eigentlich  herr- 
schend wurde,  entbehrten  wir  bisher  eines  nachweisbaren 
Vorbildes  griechischer  Kunst.  Es  sind  dies  Kriegerstatuen  die 
mit  der  kriegerischen  dem  Leben  nachgebildeten  Tracht  noch 
einige  Züge  der  heroisirenden  Kunslform  verbinden,  indem 
sie  die  Entblössung  von  Haupt  und  Füssen,  meist  auch  die 
Lanze  beibehielten.  Diesen  Typus  sehen  wir  jetzt  im  Relief 
von  Kleitor  vertreten:  Denn  wenn  wir  diese  Figur  in  statua- 
rische Form  übertragen  so  haben  wir  das  unverkennbare  Vor- 
bild der  Mehrzahl  aller  Kaiserstatuen,  speciell  des  Augustus 
von  Primaporta.  Geben  wir  der  vorauszusetzenden  Statue  noch 


166  EIN  KRIEGERRELIEF  AUS  KLEITOR 

den  Harnisch  so  ist  die  Übereinstimmung  fast  vollständig^. 

Während  auf  dem  Gebiete  der  statuarischen  Kunst  die  Ei- 
genart der  Körner  eine  Abweichung  von  den  Originalen  hel- 
lenistischer Kunst  veranlasste,  nahmen  sie  in  der  Reliefkunst 
besonders  der  Grabmonumente  genau  die  auf  griechischem 
Boden  ausgebildeten  Formen  über.  Es  besteht  darin  ein  be- 
sonderes Interesse  unseres  Reliefs,  dass  wir  in  ihm  zum  er- 
sten Male  ein  griechisches  Prototyp  für  eine  nachträglich  in 
Italien  sehr  verbreitete  Galtung  von  Kriegermonumenten  er- 
hallen, als  deren  Hauptverlreter  wir  den  neben  seinem  Pferde 
stehenden  römischen  Reiter  (Ärcli.  Zeit.  1870  Taf.  24),  das 
berliner  Relief  (Winckelmannsprogramm  1866),  den  Grab- 
stein eines  Flottensoldaten  zu  Athen  (Hübner  a.  a.  0.)  nennen. 

Keine  sachliche  aber  eine  überraschende  stilistische  Ver- 
wandtschaft hat  schliesslich  unser  Relief  mit  einigen  andern 
hervorragenden  Reliefs  der  ersten  römischen  Kaiserzeil,  so  z. 
B.  mildem  neuerdings  von  H.  Dütschke  herausgegebenen  (Pro- 
gramm des  Johanneuni  zu  Hamburg  1880),  wo  man  auf  Grund 
der  stilistischen  Äehnlichkeilen  trotz  der  grösseren  Durchbil- 
dung und  Reife  des  römischen  Reliefs  schwerlich  einen  zeit- 
lichen Abstand  von  etwa  zwei  Jahrhunderten  annehmen  wür- 
de. Es  gewinnt  also  die  Annahme,  dass  die  römische  Kunst 
wesentlich  als  eine  Fortsetzung  der  hellenistischen  zu  betrach- 
ten sei  durch  unser  Relief  ebenso  wie  durch  das  slilverwandte 
neuerdings  von  Th.  Schreiber  (Arch.  Zeit.  1880  S.  145  fg. 
Taf.  XIII)  edirte  und  die  daselbst  als  gleichartig  erwiesenen 
Arbeiten  eine  neue  Bestätigung. 


Hamburg. 


L.  GÜRIJTT. 


'  Das  Scepter  in  der  Hand  des  Auj?uslus  ist  eine  neue  Ergänzung.  E. 
Hiibner  ( Winckelmannsprogr.  1868  S.  10  1g.)  suciil  zu  erweisen,  dass  mit 
mehr  Wahrscheiniiclikeit  eine  Lanze,  die  Spitze  nacli  unten  gerichtet,  vor- 
au«;zuselzon  sei,  eine  Verniuthung,  die  durch  Heranziehen  unseres  Reliefs 
an  Wahrscheinlichl<eit  gewinnt. 


BEILAGE  ZU    MlTTH   D.  ARCH.  INST.  VI   8166. 


EniHr£MONOC|(AAMIANT0YAM(|)|noAErONTO[XAMW 
TOYYlOYTOYNEnKOPOrOAlABlOYhEat:OPOCTH:APXHITI 
A0[XAAtciÄ0[AYPEPM0AnPO[KÄTATArEN0KNAtH^I 
CMATAENTOl[[Y^AP10IIElIHKAN€NaKrOYAEKAnPaTOY 
KAKMYNTOYKAlOYAniOYnAM<|)IAOYAlATErATElXOAOMi 
MMAAEnOlHCENlEPITOIEPOMcAITOmEPlßOAONONnE 
PlE0HCElIlTE^€^£ll(Al[TOA^m^^£KKAINtitfji&» 
AEEmJAEE^E[KEYÄ[EM:YNTETPElM^€^^^KAlTPlKAEl 

nonAe  I  nNirrmoNnoiHCACKAieYPflCAc  eicko 

CMONTONnPEnONTATHeEnNETAtYTnNKAIAMOYr 


NAYTONTEKAITATEKNA 
H4'ICMATAErEN0N 


A^£eH<E^£^lTnMAlO^£xE 

AYTOYTHNNEHKOPEIAN  TA 
TOrPÄMMATEYONTOClOYAlOYM'Al^PTEINOYCTPA 
THroYNTOQ-OYAEKAn  PnTOYÄN  OOYlOYÄYCANlOY 
Eß0ICrNEAP0inAM(})IAQKAAH+irK:iZ0YTnrEII^C9'- 

EnHPfffHCENOrPAMMATEVZMAMEPTEINOCOTaAO 
KElKATAThNnANTHNYMflNBOYAHCINCAlTHls'ElIHrH 

[INT0yAiiEA(|)OYnAM<|'lAOYKAIEIITOY[nAlkAIÄYT0Y 

TAYTHNTWTTlNHNMETEKeElNAPATnTHNXElPA 

EroiIYNEAPOlAOKEIEAOlEN^AHMOYOCTPAIH 

roi  TOrNO  n  YIOEAYE  ANlACEinEN  K  AAHC  noif/ 

TEAMEIßOMENOITOYIArAGOYCANAPACKAIMHflZ 

AYTOYCMONOYCTACTEIMACAAAAKAIEIZTOYCnAi 

AACMETATieENTECMONnErAfÜYTnCKAirOYCAAAOYf 

EninOAAOICnpOTPEnONENE(f>eAKENOYNTAYTAE^H 

^iCeAlKAmßOYAHElKAlYNEINAOKEIAPATnTHNXFl 

PAErols'AOKEIEAOfENErOA'noAAOlCETEEl 


Eine  Inschrift  aus  Chalkis. 

Im  Herbst  d.  J.  1877  wurde  in  der  EuSoi«,  einer  Zeitung 
von  Chalkis,  in  N"  90  (voin  ^-^^g?  Sept.)  die  im  Folgenden  be- 
sprochene interessante  Inschrift  zum  ersten  Male  bekannt  ge- 
macht. Kurze  Zeit  nacli  dieser  VeröfTentüchung  erhielt  ich 
durch  Vermittlung  des  Redaeleurs  dieser  Zeitung,  meines 
Freundes  Herrn  G.  Philarelos,  einen  vom  Advoeaten  P.  C.  Oe- 
konomides  besorgten  Abklatsch,  welcher  mich  in  den  Stand 
setzte  die  Inschrift  in  einer  Decembersitzung  des  Instituts  i.  J. 
1878  vorzulegen  und  zu  bespr'echen.  Durch  Anhäufung  von 
Arbeit  wurde  ich  aber  bis  jetzt  von  der  Veröffentlichung  der- 
selben abgehalten. 

Die  Inschrift,  welche  wie  aus  dem  Facsimile  auf  der  ange- 
hängten Beilage  zu  sehen  ist  dem  Schriftcharakter  nach  in  die 
nachchristliche  Zeit  gehört,  ist  auf  einer  nicht  näher  be- 
zeichneten Steinplatte  eingegraben,  deren  Länge  0,80  betragen 
soll  (in  meinem  Abklatsch  habe  ich  bis  zum  Schlüsse  der  In- 
schrift 0,64  gemessen),  die  Breite  aber  0,88  und  die  Dicke 
gegen  0,10'".  Der  Stein  endet  nach  oben  mit  einem  Giebelfelde, 
worin  nur  die  Aufschrift  ATAOHl  TYXHI  eingemeisselt 
ist.  Die  durchschnittliche  Höhe  der  Buchstaben,  welche  mit 
einigen  Ausnahmen  alle  gleich  hoch  sind,  beträgt  0,014.  Sie 
wurde  kurze  Zeit  vor  der  ersten  Veröffentlichung  nahe  der  al- 
ten Arethusaquelle  gefunden,  unweit  des  jetzigen  Kirchliofes 
von  Chalkis  an  einem  Ort,  welcher  Wnlxl  -/.ccijA^xt.  tou  ayiou 
'Io)ocvvou  heisst.  Die  Inschrift  ist  in  folgender  Weise  zu  lesen: 

'EttI  -/lysfj.övo?  K>..  'A[jt.r/,vTO'j  a|Ji(p'.T:o).£uov:o!;  Aa[X7:pou 
TO'j  'JioO  ToO  vewKopou  f^ioc  ^cou  vsoix.öpo;  T"/i;  'Ap)(V)YSTt- 
So;  XocTv/aSo;  Äup.  'EpaöSwpo;  axtx  xk  yevofisvx  ^7i(pi- 
<7tJ!,ocT3C  £v  -cot;  G'JvsSpiO'.;  ElC/jyTl'TZp.SVOlV  ToO  ösxaTpcoTOu 


168  EINE  INSCHRIFT  AUS  CHALKIS. 

5   KX.  'Ap.uvTOu  xkI  Ou^tcIou  üxjxoUou  ^loc  ts  Ta  TStpSoj^T^- 
jxxTX  oc  erroiTiaev  Tcepl  -:ö  Upov  xatl  tov  7CEpiSo>.ov  6v  tts- 

pie9Y)X,S    TW    T£|/.£V£t    /.ai    CTOaV    Y)V    jXSV    £•/,    XXiVOU    )C5CTeaÄ£U- 

a<r£v  viv  Se  ETüEcnceuacfiv  cuvTeTp£i|AjX6V7]v  xy,l  tpUXei- 
vov  §£t7:vti7xi^piov  TcoirifiXi;  y.od  Oupcoc?*:;  ci;  >c6- 

10    mOV   TOV   XOE-OVTOC    T'^    OeiO   [/.ETO:  (pUTÖV    /.kI   a7v(70u; 

aveOv]x,Ev  £-1  TÖ  Ki'(^iov  e;(^£iv  au  tov  te  /.xi  "zoc  T£/.va 
ÄUToO  TYiv  v£(j)-/.op£ixv.    Ta  (|;vi9tTp.aTa  sysvov- 
To  YpajxfxxTBuovTo;  'louTviou  MafAsptivou  crTpx- 
TViYoOvTo;  ToO  Ssz-aTTOwTou  a'  Nooul'ou  Auaxviou. 
1  5   'ESCÖYidav)  Ol  cuvE^poi:  llxp-ipilw  /-aXv)  'fl  i^yviTi?'  ootco  ys'vs<j6(iJ, 
'Ez'/jowTYjTEv  ö  Ypx{j!.p,aT£u;  MxaepTeivo?*  otco  oo- 
xst  y.XTa  Tviv  ^^xvtqv  u[jt,Sv  ßou>.'/jaiv  xal  tviv  ei;7iyvi- 
civ  ToO  aSsX^poo  [IxacpiXou  /.xl  £i;  tou;  TTxT'bx^  auToO 

TaUTYlV    TY)V    T£t}///lV   p.ETöXÖElV   apXTüJ   TY)V  )^£tpX. 

20   'ESCo'/itxv)  Ol  auvE^poi  ^oxsi.  "E^o^ev.  Aiip^ou  6  TTpxT-/!- 
y6?  to  o'  jSoouio;  Auijxvix;  eZtcev*  xxT^ö;  xoiei- 
TE  a(ji.eiSo(X£vot  Tou;  y.yxOoui;  av^px;  xal  j^//]  si? 
auTOu;  p-ovou;  tx;  TSi|j!.a;  aXla  xat  ei;  tou;  ttxi- 
^x;  [/.etxtiOevte;*  (xovcoi;  yap  outw;  xxi  tou;  aX>.ou(; 

25   £7:1  ■;:o7^)vOi;  TTpoTpsTToasv.  "E'^Oxx.sv  ouv  txOtx  i'^y\- 

cpiaOxi  xxi  TV)  ßou)^'/).  Ei  xxl  u|i,Eiv  Sox-sf  xpxTo)  t'/jv  ^ei- 

px.  'ES(ör,GEv)  0  ^(yjty.oO  ^oxeT.  "E^^o^ev.  'E6(675TEv)  ö  S(v)ao;) 

7;0>.XOV$  STEGl 

TOU;    VECOXÖpO'J?. 

Wie  leicht  zu  sehen  ist  die  uns  vorliegende  Inschrift  drei- 
iheiiig;  sie  besieht  1)  aus  den  Prämissen,  welche  zugleich 
das  Resultat  der  darinerwähnten  Sitzungen  enthalten,  2)  aus 
dem  Protokoll  der  Ralhsversammlung  3)  aus  dem  Protokoll 
der  Volkssitzung. 

Den  Vorgang,  der  sonst  keine  erheblichen  Deutungsschwie- 
rigkeiten bietet,  haben  wir  uns  so  zu  denken.  Aurelius  Her- 
modorus  war  der  Neokoros  des  Tempels  der  Archegetis  in 
Chalkis.  Wer  diese  Göttin  gewesen  können  wir  nicht  ermit- 
teln; nicht" unwahrschemlicli  war  es  Athena,  da  Chalkis. seine 


EINE  INSCHRIFT  AUS  CHALKI6  169 

Gründling  mythischen  Personen  aus  Athen  zuschrieb^,  sonst 
sprechen  die  Münzen  der  Stadt  auch  für  den  CulL  der  llera^. 
An  Arethusa  darf  man  wohl  nicht  denken,  obwohl  sie  als 
eine  einheimisciie  Göttin  verehrt  wurde 3.  Horniodorus  k-klei- 
dete  nun  das  Amt  der  Neokorie  mit  Würdo  und  Freiincbii;- 
keit.  Er  verschönerte  den  Tempel  selbst  durch  verschiedene 
Bauten,  er  umgab  das  Temenos  mit  einer  Mauer,  er  stellte 
die  wahrscheinlich  daranslossende  zerLrümmerte  Malle  wieder 
her  und  führte  sie  zu  Ende,  er  verfertigte  einen  Speisesaal  mit 
drei  Tischlagern  und  versah  ihn  mit  einer  reich  geschmückten 
Thüre;  schliesslich  umschloss  er  die  ganze  Tempelumgebung 
mit  einem  Hain  und  mit  Gartenanlagen.  Dieses  alles  weihete 
er  der  Göttin  mit  dem  Vorhaben  der  Erlangung  der  lebens- 
länglichen Neokorie  für  sich  und  seine  Kinder.  Er  scheint  da- 
nach ein  reicher  auch  sonst  einflussreicher  Mann  gewesen  zu 
sein,  denn  \x\v  sehen  aus  der  Inschrift  dass  neben  dem  Vater 
auch  sein  Sohn  Lambros  eine  priesterliche  Würde  in  Chalkis 
bekleidete,  und  sogar  eine  bedeutende*;  denn  die  Anrij)hipolie 
scheint  in  Chalkis  eine  hochangesehene  einjährige  Stellung 
gewesen  zu  sein,  nach  welcher  sogar  das  Jahr  hiess,  wie  in 
Syrakus. 

In  jenem  Jahre  nun  wo  Lambros  der  Priester  der  Archegetis 
war,  während  der  Statthalterschaft  des  Claudius  Amianlus, 
gewährte  der  Rath  und  die  Volksversammlung  dem  Hermo- 
dorus,  seiner  Verdienste  um  den  Archegetistempel  eingedenk, 


*  Strabon  X  447.  Skymn.  Vs.  572. 
2  Eckhel  Doctr.  num.  I  2  S.  324. 

2  rtAba.s  der  Stammvater  der  Abanten  war  nach  einigen  der  Sohn  des  Po- 
seidon und  der  Arethusa,  nach  andern  galt  die  Aretliii.sa  für  eine  Tochter 
des  Abas.  Hieraus  und  aus  dem  Ausdruck  heilig  scheint  zu  folgen  dass  die 
Arethusa  als  einheimische  Göttin  und  Stammmutler  dcrChalkidenscr  verelirl 
wurde».  Ulrichs  Reis,  und  Forsch.  II  8.  217. 

*  Vgl.  Diod.  XVt.  70  xaT^utriaE  hl  iTinioleon)  x*'i  ttjv  xat'lviautov  Ivttjio- 
TÖitrjv  ipx^v,  V  ^H?"toX(av  Ä164  *OXu(i.ntou  01  Supaxoüoiot  xaXoüot.  Rai  fjO^ÖTj  npö)- 
tO{  (ipi!p';ioXo5  Aiö;  'OXufiitiou  KaXXtjji^vr)?.  K«l  tö  Xomöv  StEtAsoav  ot  Supaxoiaioi 
TOu;  Iviauiou;  Irnypifovxii  Toütoi;  tot?  äp/ouat  |*^Xpi  twvSe  ttjjv  toTopicJv  yp«?o- 
|Jiivtt)V  xai  tTi;  x»ta  Tr|V  noXttetav  aX^ay^?- 

MITTH.D.  ARCH.INST.VI.  12 


170  EINE  INSCHRIFT  AUS  CHALKlS 

die  Neolvorie  auf  Lebenszeiten  für  sich  und  seine  Nachkom- 
men. Und  wahrlich  halle  er  sich  als  einen  würdigen  Neoko- 
ros  gezeigt,  gemäss  den  Anforderungen  welche  dieses  Amt  mit 
sich  führte  und  welche  in  der  Fürsorge  und  Ausschmückung 
des  Tempels  bestanden*.  Über  die  Verleihung  der  lebensläng- 
lichen Neokorie  berietli  sich  erst  der  Rath  auf  Antrag  des  De- 
kaprolos Claudius  Auiynlas  und  des  Ulpius  Pamphilus,  indem 
Julius  Mamertinus  Secretär  des  Raths  war  und  Dekaprolos 
Novius  der  Sohn  des  Lysanias  die  Strategie  bekleidete.  Die 
RathscoUegen  bewilligten  durch  Acclamalion  den  Vorschlag 
des  Anlragslellers  insoweit  er  den  Hermodorus  selbst  anging. 
Aufdie  Anfrage  des  Secretärs  hin  verliehen  sie  durch  eine  zweite 
Acclamalion  die  lebenslängliche  Neokorie  auch  den  Nachkom- 
men des  Hermodorus.  Nach  dem  Beschluss  der  Ralhsversamm- 
lung  mussle  diese  Amtsverleihung  auch  vom  Volke  angenom 
men  werden.  Der  Strateg  Novius,  welchen  wir  schon  in  der 
Ralhssilzung  genannt  finden,  führte  wahrscheinlich  als  Prä- 
sident das  Probuleuma  mit  einer  kurzen  Anrede  vor  der  Volks- 
versammlung ein.  Man  approbirle  auch  hier  dasselbe  durch 
Acclamalion  und  nach  ßeglückwünschung  der  Geehrten  ging 
man  aus  einander. 

Somit  haben  wir  den  Inhalt  der  Inschrift  erledigt,  worin 
Alles  nicht  bloss  kurz  und  bündig  sondern  auch  voll  Leben 
ist.  Die  Psephismen  haben  wir  in  den  kurzen  Acclamations- 
beschlüssen  5oxsl  und  den  darauf  folgenden  Bestäligungsfor- 
rneln  e$o;sv  vor  uns;  was  nach  den  Prämissen  den  Psephis- 
men vorangeht  sind  die  Prolokolle  der  Sitzungen  selbst;  sei- 
len haben  wir  in  allen  Documenten  so  kurze  aber  klare  de- 
laillirte  Darstellungen  der  Geschäftsführung.  Die  Inschrift  ist 
aber  auch  sonst  sowolil  in  staatsallerthümlicher  als  in  sprach- 
licher und  paläographischer  Beziehung  interessant. 

Das  Amt  der  Dekaprotoi,  der  decem  primi,  war  uns  bis 
jetzt  als  eine  besondere  Institution  der  griechischen  ,Städle 
Kleinasiens  bekannt;  in  ChaUds  muss  es  jedenfalls  dieselbe 


'  C.  F.  Heiiuanii  GotU-sdicnsll.  AU.  2  S.  224  A.  8. 


EINE  INSCHRIFT  AUS  ÜHALKIS  171 

BcdeijlTjiig  wie  dort  gehabt  hal)en  ;  es  w.ir  rin  jährlich  Nvech- 
sf  Inder  Aus^chiiss  des  Ralhes,  nus  zehn  Mitgliedern  bestellend, 
welcher  besonders  die  Eintreibung  der  Sieuern  besorgte*.  Die 
Erwähnung  des  Dekaprotos  Claudius  Arnynias,  welcher  mit 
dem  in  der  ersten  Zeile  genannten  Slalthulter  Claudius  Ami- 
antus  nicht  zu  vcrwechselti  ist,  als  Antragsteller  vor  der  Kaths 
versanunlung  iv-l  jeden  Tu  lls  zufällig  und  hat  mit  seinen  Amts- 
befugnissen  nichts  zu  thun.  EhiMiCalls  ist  zufällig  dass  Novius 
weicher  im  Protokolle  der  Kalh.svcrsammlung  genannt  wird 
ein  Dekaj)rotos  war.  Denn  nicht  Ix-hufs  dieses  Aftites  wird  er 
unter  den  Eponynien  des  Käthes  gezählt  sondern  weil  er  zu 
gleicher  Zeit  Slraleg  war,  welclie  Stelle  sich  mit  der  Deka- 
prolie  wohl  zu  vertragen  schien.  Es  scheint  aber  dass  der 
Strateg  deswegen  im  Kalhscollegiuni  niitsass  weil  er  der  Prä- 
sident der  Volksvei-sammlnni<  war  wie  w'ir  aus  dem  darauf 
bezüglichen  Protokolle  entnehmen  können^.  Was  aber  die  No- 
tirung  der  Zahl  bei  der  Dekaprotie  des  Novius  betrilTt  welche 
ausdrücklich  als  die  erste  bezeichnet  wird,  indem  bei  der  Er- 
wähnung des  Namens  des  Claudius,  der  ebenfalls  Dekaprotos 
war,  nichts  derartiges  bemerkt  wird  ,  so  scheint  der  Grund 
darin  zu  liegen  dass  der  BelrefYende  das  andere  gleichzeitige 
Amt,  das  der  Strategie,  schon  zum  zweiten  Male  bekleidete. 

Die  zwei  Versammlungen,  die  des  Uaihs  und  die  des  \<)\- 
kes,  heissen  zusammengenommen  auve^pix.  Dieser  Gebrauch 
des  Worts  stimmt  wohl  mit  einem  Passus  des  Aristoteles  zu- 
sammen, worin  es  heisst:  e^iactv  «pjcovTs^  a£v  s-l  -x  ap-^eia, 
öiCjaoOe-rai  Ss  eC;  tä  oixetx  ÄixzrrT'^piz,  ßou'XeuTxl  ^k  y.xl  i/,/.\rr 
cixTral  si;  «ruve^pioc  toc  Tcpo^TiKovxx^.  Sonst  ist  das  Wort  auch 
bei  einfachen  Senatssitzungen  üblich*  oder  es  wird  entweder 

'  Bcclvci-Maiquarill  Ilandlj.  il.  lüiii.  Alt.  \a^\[,i.  1851  III  l  S.  387. 
2  Vgl.  das  Psophisraa  aus  Aigiale  in  AinoijJtüs  ('.  I.  G.  2264:   Y**^i^!l  «^p*" 
Tnydiv  xai  Sexaitpoittuv,  l/^öytu««  ^l  sa\  x/jV  stpuxavixTjv  l;ouaiav, 
^  Arisl.  de  inii/nlo  K.  400  h.  16  llclvl^or. 

*    C.    I.    II.    3281     XÖ»   OS|JIVOIIXTO>   OUVEÖpi'w    t(I)V    Iv    SfAÜpVr)   f!p6vTU)V  3417   TW   0«- 

veSpiti)  xütv  npeo6ux^pü)v.  —  3422  x^  xpaxIaxT)  ßouXr) .  , .  .  xa;  toj  cefivoxixo)  ouve- 
Sp'ü)  XT)?  "ygpouo'.at. —  3912  Tfü  av»v«3piu)  xt);  Y^P^usia;. —  3916  xoü  ouvtSp-ou  xtj^ 
Ytpouai«(. 


172  EINE  INSCHRIFT  AUS  CHALKiS 

für  die  einzelnen  Rathssitzungen  *  oder  für  Volksversamm- 
lungen gebraucht  2.  Und  doch  obwohl  das  Wort  cuve^pix  in 
der  vierlen  Zeile  die  BedenLung  beider  Versammlungen  in  sieh 
schliesst  wird  in  Z.  15  ayvsSpot  ausschliesslich  für  die  Ralhs- 
collegen  gebraucht. 

In  sprachlicher  Beziehung  muss  ich  auf  einige  Rigenthüm- 
lichkeiten  aufmerksam  machen.  Das  Wort  viyvici;,  welches 
durch  6t;r,Yvi'7ac[ji.evtov  in  Z.  4  erklärt  wird,  ist  ein  «Tra^  sipv)- 
[xevov  und  kommt  nur  einmal,  in  der  Bibel,  vor^.  Von  den  ver- 
längerten Formen  xpUlsivov,  <7uvTSTp£5[;.[;.ev7iv,  Tet;/-/),  yeivecOw, 
MacjAepTsivo;,  u|xet:v  ist  levj.'/]  häuüg  in  Inschriften  aus  der  rö- 
mischen Zeit;  u[7,£iv  kann  auch  als  Fehler  des  Steinmetzen  be- 
trachtet werden.  Neu  ist  die  Rechtschreibung  im  Worte  v£oj- 
xopeix  mit  e  t,  beme^kens^Yerlh  der  Gebrauch  des  Artikels  beim 
Ausdruck  y.uxov  te  kxI  tk  tsävsc,  Aus.sergewöhnlich  ist  der  Satz- 
bau bei  den  Ausdrücken  d  /.xl  6p.£iv  ^o/ceT  apocTo  t'/)v  yzXox  und 
TTo^Aot;  E-reciv  tou;  vstO/copou?,  weiches  letzlere  wohl  ebensoviel 
bedeutet  wie  das  spätgriechische  ei;  izollx  e-ri.  Neu  ist  das 
Wort  Tei/of^ou.'/iut.« ;  SsiTuvi'TTv^ptov  obwohl  sehr  selten  statt  des 
gewöhnlichf'n  5£i7:vv)T7ip'.ov  ist  doch  bekannt.  In  paläographi- 
scher  Hinsicht  sind  in  dieser  Inschrift,  ausser  der  Abwesenheit 
des  iota  adscriplum  in  den  meisten  Fällen,  die  Abkürzungen 
EB'  und  EB'  OA'  zu  bemerken.  Abbrcvialionen  und  Siglen 
sind  sonst  während  der  römischen  Zeit  in  griechischen  In- 
schriften nicht  selten'*.  Aus  den  oft  vorkommenden  Abkürzun- 


'  C.  I.  G.  2025  ßouXYi?  oüveSpov.  —  2140  ina  ouvISfwv  xat  xoü  SaiJ.ou.  —  2264  p 
owv^opiov  ZT,;  ßouXri;. 

^  C.  I.  0.  5401  bjjiOYfwi-iovEi;  xoü  ouveSpiou  jcivxt;  von  der  sonst  fiüher  ge- 
nannten iXfa,  we<ch(i  der  ov^n-lr^toe,  ^egeniiber  erwähnt  wird. 

^  I  Makk.  IX  31  :  xa'i  Ineo^Saxo  'IcuviQav  Iv  xü  xaipüi  Ixetv«)  ttjv  f^yriaiv  xat 
av^axr,  avxi  'IoüSx  xoü  «äsXeoö  aJixoö.  Mail  kann  damit  folgende  Öleile  bei 
Maichus  [Fr.  hist.  Graec.  IV  S.  119  Kr.  10)  verf;!cichen :  o5  yöp  iv  {jaotXlo)« 
^x'.  o'vxo;  ^-.ifwv  ffftiifoSai  7V(iii;.riv  ri  xaxtcivxa  TcpoiSly^soOai.  Durch  unsere  In- 
sut)rif(  wird  augpnsclieinlii'h  bt^wiesen ,  dass  die  Kiiieiidalion  von  Bekker 
welcher  das-'riYijasoöai  durch  eiiriyrjaäsQai  eiselzle  ganz  überdiissig  ist. 

^  So  kornme.rv  in  einer  sparlanischen  Inschrift  0.  I.  C.  1249  die  Worte 
r.pioSy;,  ßouXf,,  g>opo?,  Yp«{A|*at096Xa5  in  Siglea  abgekürzt  vor.  Andere  Siglen 
sind  im  Text  angeführt. 


EINE  INSCHRIFT  AUS  CIIALKIS  173 

gen  wie  Y.  B.  und  Y.  B.  A.  odtT  Y.  B.  K.  A,  können  wir  schlies- 
sen  dass  O  A'  wohl  6  <5-/)(^.o;  hedtuitct,  das  E  B'  nnseicr  Ifiscliril'L 
aber,  welches  neu  ist,  L;Iaid)e  ich  durch  sßövicrscv  richtig  auf- 
gelÖ!»;t  zu  hahen.  Folij^enflcs  K[)igramiii  der  pnlalinißchen  An- 
lhoh)gie,  wahrscheinlicli  ein  Werk  des  Luuillius,  kann  zur  Er- 
klärung des  Wortsinnes  dienen  : 

FJ;  leoov  t:ot'  «yüivx  IHO.cov  [j.ovo;  r,>.0'  6  7:3t>>ai'7T'^;. 

Tov  5'  Euöu;  (JTe^xvoOv  aOT^oOsTV);  e/.x>,st. 
npo;^xiv(i)v  S'  «"XiiOev  ex'  iTj(^iov'  oi  d''  sß^dviTKv 

toOtov  fJLVi  (JTeczvo'jv,  ei  aovo?  a)v  ^ttstcv^. 

Wie  ist  nun  al)er  diese  Acclanialion,  welc}ie  durch  das  abge- 
kürzte Wort  angegeben  wird,  mit  der  Abstimmung  durch 
Handerhebung  zu  vereinen,  welche  durch  die  Anfrage  der  Lei- 
ter der  Versammlungen  hervorgerufen  wird?  Wir  mi'issen  an- 
nehmen dass  eSöviTxv  entweder  schlechtweg  die  Bewilligung 
in  (]en  Versammlungen  bedeutet,  weil  die  Handerhebunc:  na- 
lürlich  mit  einem  Huf  begleitet  wurde^  oder  es  sollte  mit  be- 
sonderem Nachdruck  angegeben  werden,  dass  die  Bewilligung 
durch  Acclamalion  auch  ohne  If anderhebiing  die  Annah- 
me des  vorgeschlagenen  Antrags  bedeute. 

Ausser  diesen  Abkürzungen  ist  die  Inschrift  auch  durch  ilire 
vielen  Ligaturen  bemerkenswerlh ,  wobei  bis  zu  fünf  Buch- 
staben vcr])unden  werden  2. 

Diese  Auseinandersetzungen  mögen  genügen,  diese  für  die 
Zeiten  in  denen  sie  aufgestellt  wurde  interessante  Inschrift  zu 
erklären. 

D'  SPYR.   P.   LAMBBOS. 


>  Anth.  Paint.  XI  316. 

2  Die  forme«  der  Ruchslahen  selljst  weiolicii  mefirfjK'li  von  einander  ab; 
das  Bigma  besunclers  ist  duieb  drei  l'oruicn  repräsenlirl ;  C,  C,  I. 


Marmore  von  der  Akropolis. 

(Hierzu  Tafel  VI  VII.) 

1.  Archaische  Sitzbilder. 

Die  kleine  0,29  hohe,  0,15  breite,  0,21  tiefe  fragmentirle 
Marmorstatue,  die  wir  auf  Tafel  VI,  2  nach  einer  Zeichnung 
von  F.  Thiersch  wiedergeben,  erwähnt  schon  L.  Ross  im  Jahre 
1836  mit  folgenden  Worten:   «Unter  den  beim  Parthenon 
zuletzt  gefundenen   Sculpturen  zeichnet  sich  eine  auf  einem 
Sessel  sitzende  weibliche  SSatuetle  aus,  die  aber  nur  von  der 
Gegend  des  Nabels  an  erhalten  ist .  .  .  alles  im  strengsten  ägyp- 
lisirenden   Styl»  (Arch.   Aufs.  I   111).    Etwas   ausffihrlicher 
wurde  sie  dann  in  Scholl  «  Mittheil,  aus  Griechenland  )>  S.  27 
N"  10  beschrieben;  derselbe  erkennt  auf  ihrem  Schoose  «etwa  ein 
aufgeschlagnes  Kästchen».  Niemand  so  viel  ich  weiss  gedenkt 
ihrer  später:  nur  v.  Syhel  in  seinem  neuerdings  erschienenen 
vollständi!;en  Verzeichniss  der  Marmore  in  Athen  erwähnt  sie 
als  TN"  5090  und  erkennt  ebenfalls  «ein  Kästchen  auf  den  Kuie- 
en».  —  Das  Interesse  der  Figur  beruht  jedoch  haupisächlich 
darin,  dass  jener  Gegenstand  eben  kein  Kästchen  ist  sondern^ 
wie  aus  der  genauem  Betrachtung  desselben  und  der  Haltung 
der  Hände  hervorgeht,  nichts  andres  als  ein  Diptychon,  in 
welches  zu  schreiben  die  Fisjnr  eben  im  Begriffe  ist.  Sie  hat 
das  Diptychon  aufgeschlagen,  hält  es  mit  der  Linken  fest  und 
schreilil  mit  dem  in  der  Hechten  gehaltenen  Stilus;  die  Hand 
ist  zwar  leider  abgebrochen  ;  doch  der  gebliebne  Rest,  wie  ihn 
die  auf  der  Tafel  beigesetzte  Oberansicht  des  Diptychons  zeigt, 
lässt  die  re'^elrechte  Schreibhaltuns;  der  Hand  erkennen  und 
das  kleine,  0,008  tiefe,  schräg  hineingehende  Loch  ist  deut- 
liches Zeugniss  des  einst  besonders  eingesetzt  gewesnen  Grif- 
fels.  Das   5it:tu5(^ov  Se^xiov,  wu^iov  oder  mvajtiov  ist  durchaus 
regelmässig  gestaltet:  auch  isi  der  um  die  Täfelchen  laufende 


MARMORE  VON  DF.R  AKROPOLIS  175 

Rnnd  nnlerschicdcui  von  dor  imifin  Nvanhsiihprzognen  Flüche*; 
did  /n  l)esclireibende  Talel  wird  von  i\{'\-  lii)keii  Haiid»in  \v;i- 
gerechler  Sleliiiiig  gehalten  und  durch  Aufliegen  aufdonOher- 
Schenkeln  unter.sliUzl.  I-^twas  anders  stellen  uns  Vascngennälde 
die  Sache  vor,  indem  dort  die  Sclireihtafel  l'n'i  auf  flora  linken 
Unterarm  oder  nur  der  1.  Hand  gehalten  wird  und  indt-m  der 
andere  aufgcschlagrje  Flügel  emporsieht,  niehl  aliei'  ^au/.  zu- 
rück und  herabgeschlagen  ist  wie  hiei'^.  Diese  kh'iiien  DüTc- 
renzen  ei'klären  sich  leicht  durch  die  Bedingungen  plastischer 
Darstellung,  Ich  kann  zur  Bestätigung  wenigstens  eine  Sta- 
tuette nennen,  ein  anmutiges  Mädclien  aus  Terracotia  von  Ta- 
nagra,  das  sich  in  der  Sammlung  v.  Saburoff'  in  Berlin  befin- 
det und  mit  den  i'ibrigen  Schätzen  derselben  demnächst  ver- 
öfTetUliclit  werden  wird;  es  hält  ein  Diptychon  ganz  ebenso 
wie  unsere  Statue  umgeschlagen  auf  dem  Schoose. 

Haben  wir  das  Hauptmotiv  unserer  Figur  erkannt,  so  be- 
trachten wir  sie  nun  im  Einzelnen  genauer.  Sie  sitzt  auf  einem 
einfaclien  Blocke,  der  jedoch,  freilich  fast  nur  durch  die  Be- 
malung, sich  als  ein  Stuhl  zu  erkennen  gibt;  die  vier  Beine 
und  der  Sitz  desselben  sind  grün  oder  blau  gefärbt  gewesen; 
der,  durch  eine  feine  eingegrabne  Linie  gelrennte,  übliche 
Querbalken  unter  dem  Sitzbrette  zeigt  Spuren  etwas  dunklerer 
Färbung;  die  zwischen  den  Beinen  stehen  gelassene  und  eigent- 
lich wegzudenkende  Masse  ist  rot  bemalt.  Am  Gewände  der 
Figur  sind  keine  Farbspuren  erhalten.  Die  Füsse  ruhen  auf 
einem  fragmenlirten  Schemel.  Die  Statuette  war  mittelst  eines 
an  ihrer  Unterseite  sichtbaren  bleivergossnen  Eisendübels  auf 
eine  wol  mit  der  \Veiliinschpifl  versehene  Basis  befestigt. 

Die  Figur  sass  steif  und  gerade  aufrecht;  der  rechte  Anw 
berülirle  nur  mit  detn  Handgelenke  ihn  Schoos;  die  Beine 


'  Auf  der  oboni  Seite  diircli  eine  eingpgraline  Linie,  auf  der  lieiah^'iSelilag- 
nen  nur  durcli  verscliiediie  F'ärhuni.'.  Per  I^ami  scheinl  i.'riin  ,  die  innere 
Fläche  rot  gewesen  zu  sein  (vgl.  auch  Scholl  a.  a.  0.). 

-  Areh.  Zeit.  1873  Tf.  I;  Gerhard  Auskpw.  Vb.  288,  1:  244;  Eliic  c-cr.  I 
77;  fii'U.  yap.  n.  .s.  VI  4.  1. 


176  MARMORE  VON^  DER  AKROPOLIS 

stehen  parallel  nebeneinander,  die  Cnlerschenkel  genau  ver- 
lical.  .Die  Gewandung  sclieinl  nur  aus  einem  langen  Chiton  zu 
bestehen,  der  an  den  Beinen  heraufgezogen  ist  und  sich  eng 
an  dieselben  anschmiegt.  Über  das  Geschlecht  der  Figur  lässt 
sich  hienach  nichts  bestimmen  ;  indessen  ist  es  sicherlich  kein 
Mädchen,  das  einen  Liebesbrief  vor  sich  hat  wie  jene  lana- 
gräische  Terracotte ;  aber  auch  die  Musen  erscheinen  ja  erst 
in  den  späteren  Darstellungen  schreibend  ;  ja  das  offenbar  hohe 
Alter  der  Figur,  in  welchem  den  altischen  Frauen  da«  Schrei- 
ben schwerlich  geläufig  gewesen  sein  wird,  dürfte  über- 
haupt eher  gegen  die  Annahme  einer  Frau  sprechen.  Indessen 
wird  man  sich  vielleicht  an  Athena  erinnern,  die  schreibend 
vorkommt  auf  zwei  attischen  Amphoren  von  etwas  nach  der 
Mitte  des  5ten  Jahrhunderts*,  und  an  Athena  denkt  man  bei 
einem  neben  dem  Parthenon  gefundnen  Weihgeschenk  ohne- 
dies zuei'st.  Für  sie  spricht  indess  nichts  im  Aeussern  unse- 
rer Figur,  weder  die  ganz  einfache  Gewandung  noch  der  ein- 
fache Sitz  noch  der  Mangel  von  Attributen  wie  der  im  Rücken 
herabgehenden  Aegis.  Ferner  ist  das  Motiv  einer  schreibenden 
Athena  auf  einem  Vasengemälde  etwas  ganz  anderes  als  das- 
selbe in  statuarischer  Ausführung.  Dort  auf  den  Vasen  mag 
Athena  gedacht  sein  wie  sie  als  SladLgöttin  gleichsam  Rech- 
nung führt  in  genauen  schriftlichen  Notizen,  etwa  über  Zahl 
oder  P3eschaffenheit  ihrer  Bürger  und  Kinder,  ihrer  Verehrer 
und  Vertheidiger  des  Landes,  die  auf  den  Rückseiten  beider 
Amphoren,  hier  durch  einen  Epheben  des  Gymnasions,  dort 
durch  einen  bärtgen  Mann  mit  dem  Ausdrucke  ehrfurchtvol- 
len Staunens  angedeutet  sein  mögen,  oder  berechnet  sie  gar 
selbst  die  ihr  geweihten  Summen  des  lieilgen  Schatzes?  Ge- 
mälde dürfen  Götter  auch  in  ihnen  wenger  eicfenthiimlichen 
und  zufällueren  Situationen  vorführen;  die  statuarische  Kunst 


*  a.  München  1185.  Gerhard  Ausg.  Vb.  244.  Mon.  cl.  f.  I  26,  6  im  Stile 
der  Art  des  Brygos  verwandt. 

b.  de  Luynes  Desn\  de  vases  S.  35;  Elile  cer.  I  77  ;  etwas  vorgeschriltnerer 
Stil.  Gleichwul  ist  die  Übereinstimmung  beider  Vasen  auch  in  Kleinigkei- 
ten so  gross,  dass  sie  ohne  Zweifel  auf  ein  Original  zurückgehen. 


MARMOHK  VON  DER  AKROPOLIS  177 

nicht,  lind  am  wenigsten  wird  es  die  des  seclislcn  Jahrhun- 
derts gethan  hahen. 

Daifet'pii  ist  es  hekannt,  dass  statuarischü  Darstellungen 
menschlicher  l*ersonen  aulder  Akropolis  als  private  Atiallieme 
an  die  Gottheit  durchaus  gewöhnlicii  waren  und  aurh  f'tir  die 
alle  Zeil  sich  voraussetzen  lassen.  Nicht  nur  die  Bilder  von 
l'riesterinnen,  Arrhephoren,  Kanephoren  und  Siegern  der  Fest- 
spiele, sondern  auch  solche  heliebiger  Privatleute  wuideii  Itei 
irsend  welchem  Anlasse  hier  sjeweilil  V  l]s  liest  in  der  Natur 
der  Sache  und  wird  durch  die  l  herlieferung  heslätigt,  dass 
die  (einlachen  oder  mehrlaltigen)  Wachsläfelchen  zu  kürzeren 
Aufzeichnungen  dienten,  während  man  zu  fortlaufenden  län- 
geren Schrifistiicken  die  Hollen  aus  ßi€Xo;  gebrauchte,  und 
zwar  schon  in  alter  Zeit 2.  Die  Täfelchen  dienten  also  zu  den 
Schreibiibungen  der  Schüler^,  und  zu  Briefen,  vor  allem  aber 
fiir  Hechn  ungen  und  derartige  Documenle,  wie  wir  am  (ieiit- 
lichslen  an  den  bekannten  in  Ungarn*  und  Fompei*  gefund- 
nen  römischen  tabellae  ceratae  sehen,  die  auch  äusserlich  ge- 
nau den  auf  unsrer  Statuette  und  den  griechischen  Vasen  vor- 
kommenden  Di- oder  Triptyclien  entsprechen*;  für  das  5te 
Jahrb.  in  Athen  aber  beweist  C.  I.  A.  I  32,  wo  ttivx/.iz  ge- 
nannt werden,  die  Bechnuncren  u.  d^l.  enthalten.  —  Wir  schlies- 
sen  daraus,  dass,  da  uusre  Figur  gewiss  weder  eine  Schreib- 
übung macht  noch  einen  Brief  abfasst,  sie  wahrscheinlich  ein 
Docunient  niederschreibend  gedacht  ist.  Man  möchte  also  zii- 


'  Vgl.  l^itlh.  V  27  fV. 

2  Lange  vor  Herodot,  der  bckannllicli  (V,  58)  bericlitct,  die  lonior  liiitten 
vor  Allers,  als  das  Niliiapier  noch  inaiigeilc,  statt  dessen  Felle  boniilzt  und 
mit  leUterra  Namen  dann  nachher  auch  das  Papier  bezeichucl. 

^  Auf  der  Durisschale  (Arch.  Zlfj;.  1873,  1)  geschieht  die  Schreibühuiig 
auf  den  Täfclchen,  das  Epos  aber  wird  aus  einer  Rolle  gelesen;  auch  auf 
dei'  Linos-Schale  (Äniuili  d.  I.  1856  tau.  20)  steht  die  I*oesie  auf  der  Rolle. 
Vgl.  ferner  die  aus  Rollen  lesenden  und  singenden  Musen  der  Vasen. 

*  Erdy  Üe  talmlis  cerati.i  in  Tramsilv.  rep.  1856. 

*  Vgl.  de  Petra,  Le  tavolelle  cerale  dt  Pompei,  1877. 

*  Auch  sie  pllegen  quer,  d.  b.  der  langem  Seile  in  der  Rieblung  folgend, 
besehrieben  zu  sein.  Auch  den  IVeien  Rand  ringsum  zeigen  sie  ebenfalls. 


178  MARMORE  VON  DER  AKROPOLIS 

nächst  etwa  einen  ■^^xij.i^x.xe^j^,  natürlich  einen  der  angesehe- 
neren, voraussetzen,  wie  denn  im  5len  Jahrh.  ein  solcher  Na- 
mens Mechanion  ein  unbekanntes  Anathem  (vielleicht  sein 
eignes  Bild)  auf  einer  kleinen  cannelirlen  Säule  auf  der  Akro- 
polis  geweiht  hat  (C.  /.  A.  I  399).  Oder  aber  wir  haben  ir- 
gend einen  mit  der  Verwaltung  von  Geldern  betrauten  Beam- 
ten vor  uns.  Bei  einem  Anatheme  auf  der  Burg  der  Athena 
denkt  man  zunächst  an  einen  Verwalter  des  Tempelschatzes 
der  Athena.  Dieser,  aus  Weihgeschenken  sowohl  als  aus  zahl- 
reichen Einkünften  bestehend,  exislirle  ja  sicher  schon  im  6. 
Jahrb.,  in  welches  wir  unsere  Figur  versetzen  müssen,  und 
ward  gewiss  schon  damals  von  tk(;.i«i  (die  wir  freilich  erst 
in  der  Zeit  der  Schlacht  von  Salamis  durch  Herodot  VIII  51 
kennen)  verwaltet;  doch  auch  andere  Tempelschätze,  die  von 
Ta{Ai3ci,  sTriuTccTai  oder  tspo^oiot  verwaltet  wurden  (vgl.  C  /.  ^4. 
I  32),  werden  schon  damals  bestanden  haben*. 

Wir  müssen  uns  natürlich  begnügen  hiemit  den  Kreis  un- 
gefähr bestimmt  zu  haben,  dem  unsere  Figur  angehört;  wir 
glauben  in  ihr  einen  Mann  und  zwar  einen  Schreiber  oder 
llechnungsbeamten  des  6fen  Jahrh,  zu  erkennen,  dessen  Bild 
nach  alter  Sitte  in  charakteristischer  Situation  und  der  altio- 
nischen lans;en  Gevvanduns;  der  Göttin  von  ihm  selbst  oder 
Andern  geweiht  wurde. 

Wahrscheinlich  gehörte  das  Fragment  des  andern  grössern 
und  stattlicheren  Sitzbildes,  das  wir  auf  Tf.  VI  N"  1  publici- 
ren ,  einer  ähnlichen  Figur  an;  denn  in  ihrem  Schoose  oben 
befinden  sich  zwei  Löcher  und  die  Spuren,  dass  hier  etwas 
auflag.  Das  Fragment,  das  nur  die  lini<e  Hälfte  des  Unterkör- 
pers enthält  (die  rechte  ist  abgesprengt,  doch  war  die  Figur 
rund  und  nicht  Hochrelief  2)  ist  0,37  hoch  und  0,20  breit  und 


•  Icti  inöolile  hei  dieser  Gelcgeulieit  nochmals  eines  Reliefs  gedeiilven,  das 
ich  schon  früher  erwähnt  (Milth.  V  24,  3,  vgl.  v.  Syhel,  Catalog  N»  50t3) 
und  das  mir  in  der  That  den  silzeiulen  Demos  darzu.stellon  scheint  im  Be- 
grilfe  aus  dem  vor  ihm  stelu-ndcu  Kcssfl  eine  Geldsumme  der  Göttin,  aus 
deren  Schatz  sie  entliehen  war,  zuriK^k/.uer.statlcn ,  dem  Stile  nach  etwa  um 
Ol.  80. 

-  Letzteres  gibt  fälschlich  v.  Sybcl  Catalog  N"  5030  an. 


MARMORR  VON  DER  AKROPOMS  170 

wurde  liS()5-G6  bei  der  Fuiidinmg  des  Museums  auf"  der  Akro- 
polis  gefunden  ^  Der  Marnu^r  ist  ein  sehr  feinkiirniger  und 
dem  des  Kalblrägers  zunaehsl  \''ersvandt,  nur  von  etwas  licl- 
lerem  Tone  2.  Die  Polydiromie  ist  vorzüglicli  erhaUon:  das 
Kissen  des  Diphros  ist  vol  und  ebenso  war  der  Zwisclieniauni 
zwischen  den  Beinen  des  letzern  wie  an  der  kleinen  erhallnen 
Stelle  zu  sehen.  Blau  sind  die  Säume  des  Gewandes,  unten 
ist  ausser  dem  Blau  noch  ein  breiterer  roter  Streif. 

Am  Gewände  selbst  sind  indess  keine  Farbspuren  vorlian- 
den.  Dieselbe  Erscheinung,  dass  nur  die  Gewandsäumc,  nicht 
der  ganze  Stoff  blau  oder  rot  bemalt  sind,  witMJerbolt  sich 
bei  einer  Reihe  ältester  Gewandtorse  der  athenischen  Akro- 
polis,  die  wie  wir  später  (S.  183)  sehen  werden  auch  stilistisch 
derselben  speciellen  Bichlung  angehören  wie  unsere  Staliiel- 
ten.  — Die  Gewandung  der  grösseren  Figur  ist  wenger  einlach 
als  die  der  ersten;  sie  scheint  ausser  dem  Chiton  einei]  kurzen 
Überwurf  zu  tragen,  der  heraufgezogen  ist.  Die  Ausführung 
ist  in  jeder  Beziehung  weit  sorgfäitgur  und  detaillirter  als  die 
der  erstem.  Die  Unterschiede,  welche  letztere  alter  erscheinen 
lassen  möchten,  werden  vielmehr  nur  in  dem  Maasse  der  Aus- 
führung begründet  sein,  da  die  wesentlichen  Stilmerkmale 
sonst  beiden  durchaus  gemeinsam  sind. 

Das  Charakteristische  dieses  Stiles  wird  uns  am  besten  klar, 
wenn  wir  andere  alterthiimliclie  Sitzbikler  vergleichen.  Be- 
sitzen wir  doch  eine  Reihe  von  sitzenden  Figuren  ältesten 
Schema's,  die  unbewegt  wie  gebannt  dasitzen  und  svtnme- 
trisch  beide  Unterarme  auf  die  Oberschenkel  legen;  das  lange 
Gewand  pflegt  entweder  gar  keine  oder  nur  sehr  beschränkle 
Andeutung -von  Falten  zu  enthalten.  Man  erlaube  mirimAn- 


'  Die  Zeiolinung  ist  auf  der  Tafol  aus  Verset)on  etwas  schief  gestellt,  na- 
lürlicli  rnusstc  das  Stulilbein  vortical  stelicr.. 

'  .\ucli  andere  der  allestatlischeri  Sculpluren  sind  aus  diesem  niolitaüi- 
schen  Marmor;  so  die  Sphinx  von  Spata  (Milth.  IV  Tf.  5).  die  Siele  des 
Discol)olen  und  das  ndierhei  Sdiöiie  Gr.  Rel.  N»  122  =  ß»//.  de  rorr.  hell. 
IV  6.  Nach  Siegel  (MitUi.  IV  68i  ist  er  aus  i\en  Bniehen  von  Nausa  auf 
Faros. 


180  MARMORE  VON  DER  AKROPOLIß 

Schlüsse  an  dieselben  einge  skizzenhafte  Bemerkungen:  aus 
solchen  einzelnen  wenn  auch  unvollkommnen  Anläufen  von  ver- 
schiednen  Seilen  wird  sich  doch  allmaiig  ein  richtigeres  Bild 
von  der  Entwicklung  altgriechischer  Kunst  gestalten. 

Man  kann  unter  den  erwähnten  Silzbildern  zwei  Richtun- 
gen scheiden:  die  eine  ist  in  ihrem  Wesen  der  assyrischen 
Kunst  näher  verwandt,  die  andere  der  ägyptischen.  Wäh- 
rend letztere  in  knapper  präciser  Form  vor  Allem  die  innere 
Architectur  des  menschlichen  Körperbaues,  auch  unter  der 
Hülle  eines  faltenlosen  Gewandes,  wiedergibt,  so  fasst  jene 
den  Körper  mehr  ausser! ich  als  fleischige  Masse  auf,  bildet  ihn 
in  weicheren  breiteren  Formen,  und  indem  sie  darüber  die 
Klarheit  des  Innern  Baues  verabsäumt,  betont  sie  Aeusserliches, 
wie  die  Ornamente  der  Gewandung. 

Der  letztern  assyrisirenden  Richtung  gehören  die  bekannten 
milesischen  Sitzfiguren  an;  sie  stellen  eine  plumpe  ungeglie- 
derte Masse,  doch  mit  weichen  runden  umrissen  dar,  die  Beine 
unter  dem  Gewände  ganz  verdeckt  und  gar  nicht  angedeutet, 
das  letztere  wenigstens  bei  den  älteren  ganz  faltenlos,  später 
mit  wengen  wulstgen  Faltenandeutungen*.  Grosse  Verwandt- 
schaft mit  den  milesischen  Figuren  hat  ein  weiblicher  Torso 
(Oberkörper)  im  Centralmuseum  zu  Athen  (v.  Sybel  Catalog 
IS"  19  als  «archaistisch»  beschr.),  der  lang  herabfallende  Haare 
der  Art  wie  jene  und  ganz  faltenlosen  Chiton  hat,  auf  welchem 
jedoch  ein  reiches  Mäanderband  sowie  die  Nähte  und  Säume 
eingeritzt  sind;  wie  dies  so  entsprechen  den  milesischen  auch 
die  fleischgen  runden  Arme.  Ferner  ein  ebenfalls  im  Central- 
museum von  Athen  befindlicher,  am  Dipylon  gefundner  weib- 
licher Torso  in  zwei  grössern  Fragmenten  (Ober- und  Mittel- 


'  So  beim  Chares ;  am  weitesten  ist  die  bei  Newton  Diicover.  Tf.  75  links 
abgebüfleto,  die  einzige  wo  das  eine  Bein  heraustritt  und  sich  das  Gewand 
daran  anschliesst.  — In  diese  Richtung  gehört  auch  die  grosse  iierastatue 
von  Samos  im  Bull,  de  corr.  hell.  IV  13.  14,  die  man  des  Gegensatzes  wegen 
vergleiche  mit  der  (falschlich  «Eumenide»  genannten)  jetzt  vervollsländig- 
len  Ilcrastaluette  lakonischen  Marmors  aus  Olympia  (Ausgr.  v.  Ol.  IV 
Taf.  t5). 


MMmORE  VON  DER  AKR0P0L18  181 

köpper  sowie  Stück  der  Unlerbeine)* ;  er  zeigt  dasselbe  streniie 
Schema  wie  jene,  das  Gewand  ist  faltenlns,  nur  um  die  wei- 
len Aermel  sind  einige  Faltenzüge  einlach  eingegraben. 

Mit  der  Zeit  entwickelt  sich  diese  Richtung  zu  Sitzhildern 
wie  das  der  Akropolis  v.  Sybel  Catal.  N"  5001,  abg.  Le  lias 
Tf.  in  1  wo  zwar  die  Beine  noch  ungetheilt  neben  einander 
stehen,  doch  das  Gewand  in  regelmässig  ausgebildeten  plasti- 
schen Falten  niederfällt;  ferner  noch  später  zu  einer  Slatue 
wie  der  sog.  Alhena  des  J-^nduios  auf  der  IJurg  (v.  Sybel.  IS" 
5002),  welche  dem  bishergen  Schema  gegenüber  einen  ganz 
individuellen  Fortschritt  bekundet:  die  gebannte  Haltung  be- 
ginnt hier  zuerst  sich  in  Leben  aiilzulöseri. 

Wenden  wir  uns  von  dieser  Eutwickelung  zurück,  um  jene 
angedeulele  zweite  ägyptisirende  Richtung  zu  betrachten;  sie 
ist  wenger  zahh-eicli  vertreten.  Ein  Hauptwerk  ist  die  thro- 
nende weibliche  Statue  von  Asea  in  Arkadien  mit  der  Inschrift 
OM3  0A  (v.  Sybel  Calal.  22).  Das  Gewand  ist  völlig  falten- 
los,  aber  auch  ohne  Ornamente.  Ein  "Vergleich  mit  den  oben 
genannten  athenischen  Torsen,  namentlich  dem  vom  Dipylon 
macht  die  Unterschiede  deutlich.  Bei  letztem  spielt  das  Ge- 
wand eine  selbsländge  Rolle,  hier  ist  es  quasi  negirt,  schliesst 
sich  eng  an  den  Körper  an  ,  und  nur  der  Ausdruck  der  Grund- 
formen des  letztem  in  scharfen  Umrissen  ist  hier  Ziel  des 
Künstlers;  deshalb  treten  die  obern  Arme  hier  straff  zurück 
hinter  dem  vorspringenden  Oberkörper,  dort  rücken  Oberarm- 
und  Brustcontur  näher  zusammen,  auch  die  Unterarme  con- 
vergiren  dort,  während  sie  hier  mathematisch  gerade  vorge- 
streckt sind;  ebenso  fällt  der  Chiton  hier  senkrecht  herab, 
dort  weitet  er  sich  nach  unten  aus  u.  s.  f.,  immer  mit  \\'ie- 
derholiing  derselben  Gegensätze. —  Durchaus  dieselbe  ägvpti- 
sirende  Richtung  erkennen  wir  ferner  in  einer  sitzenden  Sta- 


'  P.  Kamanuciis 'E^rijji.  apx-  1874,  480-,  'AO/jvaiov  II  137;  Lösciicko,  Millli. 
IV  303  f.;  V.  Sybel  N"  23.  Oh  die  Ihronende  Figur  (Kybele?)  in  der  Grolle 
bei  Vari  (Curtius  u.  Kaiipert,  Atlas  v.  Atlien  'IT.  VIII  1)  iiieijer  odor  zur 
folgenden  Gruppe  zu  ziehen  ist,  niu.s.s  ich  unbestimmt  lassen,  du  weder  die 
Abbildung  noch  meine  Erinnerung  dazu  genügt. 


182  MARMORE  VON  DER  AKROPOLIS 

tiielte  des  Hades  zu  Sparta;  dieselbe  Bildung  von  Brust  und 
Armen,  dasselbe  ialtenlose  Gewand,  das  gleiciiwol,  sieb  an- 
schliessend, die  Form  der  Beine  besonders  vom  Knie  abwärts 
klar  heraustreten  lässt,  ganz  wie  dies  an  ägyptischen  gewan- 
deten  faltenlosen  Sitzbildern  zu  bemerken  ist*.  Nur  eine  wei- 
tere Stufe  dieser  selben  Richtung  nehmen  nun  unsere  Figuren 
von  der  Akropolis  ein.  Statt  welcher  breiter  überschüssger 
Fülle  seben  wir  auch  hier  die  Formen  In  knappe  wie  mildem 
Lineal  gezogne  Umrisse  gezwängt  und  auch  hierlilar  und  scharf 
die  Grundformen  herausgehoben.  Das  Anliegen  des  Gewandes 
und  das  Herauslösen  der  Beine,  das  wir  als  Priucip  ägypti- 
scher Sitzbilder  kennen,  finden  wir  hier  in  gesteigertem  Maasse, 
als  ob  sie  nackt  wären  sind  (bes.  an  Tf.  VI  1 )  Kniee  und  Un- 
terschenkel modellirt,  VVollte  man  nun  hiemit,  wie  unsere  Fi- 
guren es  als  eignen  neuen  Fortschritt  thun^,  auch  Faltenge- 
bung  des  Gewandes  verbinden,  so  musste  sich  diese  so  völlig 
unterordnen  wie  es  hier  geschah,  wo  sie  nur  in  Gestalt  von 
vertieft  eingegrabnen  Linien  erscheint.  Am  einfachsten  ist  das 
straff  an- und  heraufgezogene  Gewand  bei  unserer  kleineren 
schreibenden  Figur  angedeutet.  Ungleich  feiner  ist  die  grös- 
sere :  von  der  eng  an  den  Körper  schllessenden  und  ebenso  wie 
bei  der  vorgen  behandelten  Partie  trennt  sich  hier  der  über- 
schüssge  Gewandstoff,  der  seiner  eignen  Schwere  folgend  her- 
abhängt und  selbständig  behandelt  ist.  —  V^on  andern  Monu- 
menten sei  hier  nur  ein  Relief  unbekannter  Provenienz  mit 
einer  Sitzfigur  angeführt,  die  ein  trefTliches  Beispiel  derselben 
Richtung  ist  (Arch.  Zeit.  1874  Tf.  5).  Wir  haben  zwischen 
der  letztern  Gruppe  von  Sitzbildern  und  der  ägyptischen  Kunst 


'  S.  Drcssel-Milclihöfer  Antiken  ans  Sparta  S.  298  N«  3.  Die  elida  N»  4 
bescliiiehiie  weibliche  Sitzlignr  ist  ungleich  wenger  im  Cliarakter  jener  Rich- 
tung slilisirt,  ist  plumper,  das  Gewand  selbsländgcr,  auch  mit  eingen  Fal- 
ten, die  Heine  nicht  so  heraustretend. 

2  Laniigewandele  ;i|;y[>lische  Sitzhihler  pflegen  faltenlos  zu  sein;  sind  sie 
es  nicht,  so  sind  die  Falten  ebenfalls  verlieft  eingegraben,  doch  als  eng  ne- 
beneinander stehende  parallele  Ilillen,  die  keinerlei  Anspruch  erheben  die 
Bewegung  des  Gewandes  wiederzugeben^ 


MARMOHE  VON  DEll  AKROPOLIS  183 

eineVerwandtscluil't  (iL'rGrundauftassiing  erkannt.  Jetzt  düilen 
wir  aucli  darauf  hinweisen,  wie  ;iufTallend  unsere  schreibende 
Figur  an  eine  grosse  Classe  ägyptischer  Slatuen  und  Statuet- 
ten erinnert  und  hierin  niclit  blossen  Zulall  erkennen.  Ich 
meine  jene  häufigen  Darstellungen  der  Verwalter  ägyptischer 
Grossherrn,  die  schreihend  erscheinen,  verzeichnend  die  Lie- 
ferungen und  Einkünfte.  Sie  halten  die  Rolle  mit  der  Linken 
auf  dem  Schoose  fest  und  führen  mit  der  Rechten  den  schrei- 
benden GrilTel  genau  so  wie  unsere  attische  Figur.  Man  ver- 
gleiche nur  den  beni  hmlen  Seh  reiber  aus  demCira  heiles  Sehern  ka 
im  Louvre,  von  der  ;')teu  Dynastie*;  natürliche  Abweichun- 
gen, durch  die  locale  Sitte  erzeugt,  sind  es,  dass  die  Aegypter 
nicht  auf  Täfelchen  son(]ern  auf  Papyrusrollen  schreiben  und 
zumeist  mit  uulergeschlagueu  Reinen  an  dei'  llvAü  sitzen,  doch 
kommen  auch  wenigslens  in  kleinen  Rronzcu  aufrecht  auf 
einem  Stuhle  sitzende  Schreiber  vor^. 

Denselben  Charakter  wie  unsere  Schreiber  von  der  Akropo- 
lis  tragen  indess  noch  zahlreiche  andere  athenische  Sculptu- 
ren.  So  vor  Allem  eine  Reihe  von  übereinstimmenden  Torsen 
stehender  weiblicher  Statuetten,  die  meist  1876/77  an  der  Süd- 
seite der  Akropolis  gefunden  wurden 3.  Es  sind  meist  nur  ün- 
terthcile;  immer  ist  das  eine  Rein  voi-  das  andere  gesetzt  (wie 
bei  den  stehenden  ägyptischen  Statuen),  der  heraufgozogne 
Mantel  schliesst  sich  eng  an  die  Reine  an,  die  wie  bei  den  Sitz- 
(iguren  herausinodellirt  sind  und  über  welche  wie  dort  die 
eingegrabnen  Faltenstriche  ()uer  hinlaufen.  Diese  Rehandlnug 
des  LInterkör[)ers  bleibt  auch  nachdem  man  bereits  eine  freiere 
und  selbständigere  Manier  am  Oberkörper  und  den  herabhän- 
genden Gewandtheilen  hat  eintreten  lassen.  Dies  sehen  wir  an 
den  sich  anschliessenden  Torsen  der  Akropolis  und  au  meh- 
reren genau  übereinstimmenden  Torsen  von  Delos  {IhilL  de 


'  Vorln;lUifli  ab-;vlj.  in  O.  Ha} et  Mun.  de  larl  aniique  2.  Lief.  Tl".  13. 
.  2  Z.  B.  im  Berliner  Museum  N»  2515-17.  7433.  7505. 

•*  Dieselben  sind  unler  den  von  .Milchhöfer  MiUli.  V  213,  1   i-'-onannten 
und  als  «n^'raplienailiyc  Wesen«  gedeuteten  l'^iguren. 


184  MAHMOHE  VON  DER  AKROPOLIS 

corr.  hell.  Ili  Tf.  2.  3.  14.  15.  17)  sowie  den  AkroLerienfi- 
guren  des  iiglnelischen  Tempels*.  Doch  auch  in  Relief,  nem- 
lich  der  athenischen  Stele  der  zwei  Fiauen  (Schöne  Gi'.  Hei. 
N°  \22  =  B'ull.  decon.  hell.  IV  Tf.  6)  läJnnen  wir  jene  selbe 
Behandlung  des  gewandelen  llnlerkörpers  mit  sonst  schon  ent- 
wickelterer FaUengebung  verbunden  sehen. — Es  ist  ferner  ein 
an  sicli  geringer  doch  für  die  Folge  bedeutender  Fortschritt, 
den  wir  bereits  an  eingen  (^ev  genannten  delischen  Torse,  de- 
nen solche  auf  der  athenischen  Akropolis  entsprechen,  sehen, 
dass  nemlich  die  Faltenslriche  statt  vertieft  eingegraben  viel- 
mehr als  feine  erhobne  WüUlchen  gebildet  werden.  Dies  ist 
der  Weg  der  zu  der  Stufe  von  Bildungen  wie  die  «  vvagenbe&tei- 
gende  Fran  »  der  Akropolis  führt. 

Von  den  beiden  Richtungen,  die  wir  in  Griechenland  und 
vor  Allem  in  Attika^  nebeneinander  gefunden  haben,  war  die 
letztere,  die  ägyplisirende,  diejengc  welche,  die  andere  auf- 
zehren<l  und  mit  sich  verschmelzend,  zu  der  eigentlichen  Rlü- 
the  der  archaischen  Sculplur  des  griechischen  Festlandes  und 
der  Inseln  führte,  wie  wir  sie  am  Besten  aus  Aegina  und  Athen 
kennen,  und  in  welcher  die  Gegensätze  aufgelöst  waren,  die 
vordem  sich  noch  schroff  gegenüber  standen,  das  volle  weiche 
äusserüch  natürlichere  doch  im  Wesen  unklarere  Asiatische 
und  das  knappe  in  den  Grundformen  klare  und  scharfe  Aegyp- 
tisirende. 

Man  hat  eine  Zeit  lang  wol  allzu  sehr  nur  den  asiatischen 
Finfluss  auf' griechische  Kunst  betont  und  den  ägyptischen 
ganz  zu  leugnen  gesucht;  doch  scheint  sich  eine  Reaction  vor- 
zubereiten,  die  den  letztern  wieder  festzustellen  sucht,  frei- 
lich anders  als  fi-üher  und  immer  im  Bewusstsein,  dass  es  sich 


'  Auch  mehrere  griechische  Bronzeu  liesseii  sich  nennen  so  z.  D.  die 
Spiegelst ül/.e  aas  Korintli  Arch.  ZciLg.  1875  Tf.  14,  1. 

2  Auch  in  Sparta  lassen  sich  die  heiden  Ricliluiigen  wirksam  erweisen: 
z.  B.  die  bekannte  doppelseilge  sparlanibcht)  Stele  gehört  völlig  der  «asiati- 
schen» an,  während  die  sparlanischen  Keliefs  Mitth.  Bd.  II  Tf.  20  ff.  wenn 
auch  in  etwas  roher  Form  doch  sehr  deutlich  der  ägyptisirenden  Richtung 
folgen. 


MARMORE  VON  DER  AKROPOLIS  485 

nur  um  Anregung  und  Befruchtung  (ico  originalen  griechischen 
Geistes  liandeln  kann.  Ein  kleiner  Beitrag  möge  unsere  obige 
Besprechung  altgriechischer  Sitzhikler  sein.  Freilich  sind  wir 
bei  der  Annahme  ägyptischen  Einllusses  über  vieles,  vor  al- 
lem auch  über  die  Wege  seiner  N'erbreilung  im  Unklaren.  Doch 
sehen  wir  wenigstens  bis  jetzt,  dass  Kleinasier»  nur  Werke  der 
asiatischen  Kichtung  aiilweisl,  während  anf  den  Inseln  und 
dem  Festlande  beide  Richtungen  sich  kreuzen  und  die  ägyp- 
tisirende  zuei'st  im  Peloponnes  bedeutender  hervortritt,  und 
zwar  wie  es  bis  jetzt  scheint  kaum  viel  vor  dem  sechsten  Jahr- 
hundert. 

2.  Zwei  Köpfe  der  Akropolis. 

Der  verstümmelte  Colossalkopf^  Tf.  VII  l  ist  hier  nach  ei- 
ner Zeichnung  von  Fr.  Thiersch  reproducirt  sowol  wegen  sei- 
ner merk  Würdgen  Haartracht  als  weil  er  auch  in  dieser  Trüm- 
mergestalt noch  die  Züge  eines  bedeutenden  archaischen  Wer- 
kes erkennen  lässt,  das  einst  zu  den  stattlichsten  der  alten 
Burg  der  Athener  gehören  mochte.  Der  Kopf  ist  aus  dem  bei 
den  archaischen  Sculpturen  gewöhnlichen  parischen  Marmor, 
ist  0,34  hoch  mit  einer  Gesichtslänge  von  0,23. 

Das  Gesicht  ist  ganz  abgesplittert  bis  auf  einen  Theil  der 
Wangen,  die  wie  der  Hals  in  grossen  Flächen  behandelt  sind, 
und  bis  auf  die  Augen,  deren  tiefe  Einsatzhöhlen  wenigstens 
erhalten  sind.  Das  Material,  aus  welchem  die  Augäpfel  einst 
bestanden,  war  in  der  linken  Augenhöhle  mit  vier,  in  der 
rechten  mit  fünf  Stiften,  deren  Löcher  noch  erhalten  sind,  be- 
festigt. Die  Haare  des  Überkopfes  werden  wahrscheinlich  in 
üblicher  Weise  vom  Scheitel  ausgehend  flach  eingegraben  ge- 
wesen sein,  doch  ist  die  Oberfläche  jetzt  hier  ganz  abgeblät- 
tert. Eine  Tänie,  deren  Auflager  man  noch  erkennt,  trennte 
hievon  die  nach  vorne  reichlich  vorquellenden  Haare,  die  sich 
nach  alter  Weise  vor  den  Ohren,  die  mit  Kin2;en  verziert  wa- 
ren,  tief  herabsenken  und  hinter  denselben  lange  niederfallen. 
Doch  unten  ist  das  Ende  heraufgenommen,   um  dann  noch- 


»  Erwähnt  bei  v.  Sybel  Catal.  als  N»  5099. 

UITTH.D.  ARCH.INST.VI.  13 


186  MARMORE  VON  DER  AKROPOLIS 

mals  niederzufallen.  Der  so  entsleliende  slatfliche  Maarbuscb 
(von  0,17  Höhe  und  0,13  Breite},  von  dem  wir  allerdings  nur 
die  niederfallende,  nicht  die  (hinten  weggebroch ne)  aufstei- 
gende Hälfte  besitzen,  wird  nun  durch  drei  starke  offenbar  aus 
Metall  und  als  eine  zusamnqenhängende  Spirale  zu  denkende 
Reifen  (nicht  flache  Bänder)  zusammengehalten.  Natürlich 
konnte  dieser  Schopfsich  in  seiner  I^age  nur  hallen  wenn  jene 
Reifen  mit  der  Tänie  des  Oberkopfes  durch  ein  Band  ver- 
knüpft waren,  das  vielleicht  auch  angegeben  war,  doch  bei 
der  jelzgen  Verwitterung  nicht  mehr  erhalten  sein  kann.  Wir 
haben  also  offenbar  diejenge  Haartracht  vor  uns,  welche  Hel- 
big^,  namentlich  mit  Hülfe  in  altetruskischen  Gräbern  gefund- 
ner  Metallspiralen,  als  die  der  allen  Athener  reconstruirt.  Mag 
nun  seine  Identification  mit  den  TSTTiye?  der  Autoren  richtig 
sein  oder  nicht,  jedenfalls  ist  unser  Kopf  eine  schöne  Bestä- 
tigung von  Helbigs  Ansicht  über  die  Verwendung  von  Melall- 
spiralen  bei  der  Haartracht.  Ich  bemerke  nur  noch,  dass  wir 
im  Wesentlichen  dieselbe  Anordnung  wie  an  unserm  Kopfe, 
nur  altmodischer  und  steifer  an  mehreren  Frauengestalten  der 
Francoisv/ise  vorfinden  (so  an  einigen  der  Musen,  an  einer 
der  Moiren),  wo  der  Schopf  von  einer  langen  Spirale  umwun- 
den ist,  welche  direct  an  die  Tänie  befestigt  erscheint. —  Was 
den  Ursprung  dieser  Haartracht  betrifft,  so  mag  auch  sie  vom 
Orient  gekommen  sein,  wie  sie  sich  denn  bereits  auf  baby- 
lonischen Cylindern  ganz  übereinstimmend  zu  finden  scheint^. 
Ebenso  ist  ja  die  verwandte  nur  viel  einfachere  äusserst  häufge 
archaische  Haartracht  wie  siez.  B.  dieccwagenbesteiofende  Frau» 
hal^,  wol  orientalischen  Ursprungs,  indem  sie  sich  auf  assy- 
rischen Reliefs  des  9ten  Jahrhunderts  findet,  freilich  bei  tri- 
butbringenden  Fremden  (Layard  Tf.  40). 

Stilistisch  steht  unser  Kopf,  wie  man  schon  an  der  fliessen- 
den Behandlung  des  Haares  erkennt,  auf  der  Stufe  des  bereits 


'  In  den  Cumm.  in  hon.  Mommsmi  S.  6! 6  ff. 

2  So  auf  dem  l>ei  Rawlinsoii  Five  f/r.  mon.  III  455  abgebildeten. 

3  Vgl.  Conze  in  Nauve  memnrie  deU'Inst.  II  fcs.  408  IT.  Tf.  13. 


MAnMORt;  VON  DER  AKROPOLIS  187 

gereiften  Archaismus  der  Art  wie  jene  «  wagenbesteigende 
Frau».  Als  eigenlnmlich  und  charakteristisch  mache  ich  hier 
nur  auf  die  Augen  aufmerksam  ,  die  itn  Uibhafteslen  Gegen- 
salze zu  der  frühern  allischen  Weise  der  fast  kreisrunden 
glotzenden  Augen  vielmelir  eine  ausserordentlich  langgezogne 
Mandelform  darbieten  :  die  Länge  des  rechten  Auges  istO,ü4G, 
die  des  linken  0,049,  während  die  Höhe  nur  0,02  beträgt! 
GanzdasselbeVerhällnisSjdas  wir  hier  beobachten  (nemlich 0,07 
zu  0,03),  bemerken  wir  indoss  z.  B.  an  dem  Fragmente  eines 
colossalen  Athenakopfes  ebenfalls  mit  eingesetzten  Augen,  der 
früher  fälschlich  als  zu  dem  Wesfgiebel  des  Parthenon  gehö- 
rig angesehen  wurde  (Michaelis  Parth.  Tf.  VIII  L?),  während 
er  beträchtlich  gebundeneren  Stil  zeigt.  Der  Übergang  von  der 
runden  Augenbildung  zu  der  länglichen  lässt  sich  bekanntlich 
auch  sonst  in  der  altattischen  Kunst  verfolgen.  Auch  unter 
den  alten  Tetradrachmen  tritt  der  Typus,  welcher  denoelblatt- 
bedeckten  Helm  trägt  und  dessen  Haartracht  auffallend  der 
des  eben  genannten  Athenakopffragmentes  entspricht,  gegen- 
über der  altern  Serie  mit  sehr  länglich  mandelförmger  Augen- 
bildung auf*. 

In  die  Phidiasische  Zeit  selbst  führt  uns  der  kleine  aber 
trefflich  erhaltene  Athenakopf^,  den  wir  in  natürlicher  Grös- 
se auf  Tf.  VTI  2  wiedergeben.  Es  ist  so  viel  ich  weiss  der  einzge 
wohl  erhaltne  Athenakopf  freien  Stiles,,  der  bis  jetzt  auf  der 
Akropolis  zu  Tage  kam  ;  es  ist  aber  vor  allem  der  einzige  sta- 
tuarische Kopf  der  Göttin  ,  den  wir  aus  der  Zeit  des  blühend- 
sten Lebens  attischer  Sculptur,  aus  Phidias  Zeit  selbst  besitzen. 
Vor  dem  Originale  kann  Niemand  an  dieser  Ansetzun»  zwei- 
fein;  unsere  Lithographie  freilich  genügt  nicht,  um  jenen  un- 
beschreiblichen Reiz  echtester  Frische  wiederzugeben. 

Die  Göttin  trägt  ihren  runden  anliegenden  sog.  attischen 
Helm,  dessen  hoher  Bügel  abo;ebrochen  ist;  er  hatStirn-und 


*  S.  den  Gegensatz  bei  Friedländer  ii.  v.  Sallet,  Münzcab.  zu  Berlin  Tf.  l 
54  u.  60. 
2  Es  scheint  derselbe  den  v.  Sybel  Calal.  N»  5057,  1  erwähnt. 


188  MARMORK  VON  DER  AKROPOMS 

Nackenschutz  und  emporgeschlagene  Dackenklappen  wie  die 
Parthenos  des  Phidias.  Unter  dem  Helme,  bosonders  vor  den 
Ohren  quellt  kurzlockiges  Haar  hervor.  Aelinlich  hat  es  die 
Parthenos,  doch  mit  einer  interessanten  Differenz.  Der  Stirn- 
achutz  am  Helme  derselben  ist  nemlich  in  der  Mitte  nach  un- 
ten ausgeschweift  und  verdeckt  dadurch  den  Ansatz  der  Haare, 
die  erst  seitwärts  zu  Tage  treten,  während  sie  an  unserm 
Köpfchen  einen  voUständgen  Kranz  um  die  Stirne  bilden.  Es 
schliesst  sich  dasselbe  hierin  offenbar  noch  an  die  ältere  Tra- 
dition an,  die,  wie  sowol  der  bekannte  archaische  Atlienakopf 
der  Akropolis  als  namentlich  die  Serie  der  ältesten  Tetradrach- 
men zeigt,  immer  den  vollen  Haarkranz  um  die  Stirne  ver- 
langte,der  freilich  an  Fülle  und  selbständger  IJedeutiing  immer 
mehr  abnahm.  Eine  letzte  Stufe  vor  seinem  Verschwinden  im 
Typus  der  Parthenos  bietet  unser  Köpfchen,  das  wenigstens 
noch  einen  schmalen  auch  in  der  Bildung  etwas  an  Archai- 
sches erinnernden  Haarstreifen  über  der  Stirne  zeigt.  Es  gehört 
also  wol  zu  den  Neuerungen  des  Phidias,  dass  er  der  Göttin 
den  Helm  tiefer  in  die  Stirne  rückte;  indem  er  so  den  schmuck- 
vollen  Reiz  des  lockenumrahmten  Gesichtes  der  alten  Kunst 
aufgab,  gewann  er  grössre  Würde  und  ernste  Festigkeit  des 
Ausdrucks, 

Abgesehen  von  dieser  Differenz  ist  indess  die  Üebereinstim- 
mung  des  gesammten  Typus  unsres  Köpfchens  mit  dem  der 
Parthenos  evident.  Die  letztere  ist  uns  jedoch  nur  in  späteren 
römischen,  ZAvar  äusserlich  genauen,  doch  geistlosen  und  lee- 
ren Copien  erhalten,  so  dass  ich  nicht  anstehe  zu  behaupten, 
dass  für  unsere  Vorstellung  vom  geistigen  Inhalte  und  Aus- 
drucke des  Phidiasischen  Werkes  das  hier  publicirte  Köpfchen, 
obwol  es  keinesweges  eine  Copie  ist,  doch  ungleich  wichti- 
ger als  alle  jene  römischen  Wiederholungen  ist.  Auch  die  be- 
sten von  den  letztern  geben  offenbar  nur  ein  blasses  Bild  von 
der  Frische  der  ursprünglichen  Auffassung.  Unter  diese  besten 
rechne  ich  einen  bisher  nicht  hiehergezognen  Colossalkopf  in 
Wien  ("v.  Sacken,  Ant.  Sculpt.  in  Wien  Tf.  XVI),  bei  dem  man 


MARMORK  VON  liliR  AKROPOLI.S  189 

freilidi  orsl  von  falschen  Kc-Iancationen  absehen  mnss*;  er 
slamint  ans  der  Hndrianiselien  \  illa  bei  Tivoli  nnd  lr'ii<ri  anch 
vollsländig  den  r.liarakler  von  Arbeilen  Hadrianiseher  Zeit, 
die  leblose  Leere  der  Formen,  die  L;laüe  Polilnrder  Olterniiche 
und  von  Kinzelheilon  z.  B.  die  harte  Art,  wie  der  Auf^enrand 
und  die  Haisialten  eingeschnitten  sind.  Durehans  dieselbea 
Eigenschaften  vcrl)unden  mit  echt  Hadrianiseher  lodier  Kxaeli- 
lüde  tiefeiniieschnillner  Fallen,  zei^t  die  neiigefnndene  (^opie 
der  Parlhenov!  in  Atlien,  so  dass  ich  auch  sie  bestimnit  in 
Hadrianische  Zeit,  die  ja  so  gerne  ältere  W  erke  genau  copirte, 
setzen  nnichle^. 

Die  Gesichtsbildiing  all'dieser  Copien  steht  bekanntlich  in 
lebliaftem  Geirensatze  zu  der  stark  ovalen  und  sinnend  sanft- 
geneigten  der  sonst  gewöhnlichen  Typen  und  zeigt  dagegen 
etwas  auffallend  Breites,  fast  IMumpes,  Rundes  und  Geistloses. 
Der  Gehall  und  die  Absicht  der  Phidiasischen  Bildung  tritt 
dagegen  an  unserm  Köpfchen  erst  deutlich  hervor:  es  sollte 
die  frische  frohe  Maid,  es  sollte  die  blühende  starke  Jungfrau 
als  die  Schulzgöttiu  des  jungen  mächtigen  Staates  erscheinen, 
und  nicht  wie  anderwärts  die  denkend  in  sich  vertiefte  ge- 
strenge Göttin  rastloser  Arbeit.  Es  brauchte  Phidias  hiezu 
freilich  nichts  anderes  als  seinen. unvergleichlichen  Mädchen- 
typus, wie  wir  ihn  am  Friese  des  Parthenon  oder  auch  an  den 
(mit  unserm  Köpfchen  besonders  verwandten)  Baluslradenre- 
liefs  der  Athena-Nike  kennen,  mit  einem  gewissen  Ausdrucke 
fester  hoheitsvoller  Wtirde  zu  verbinden,   um  unsern  Typus 


*  Es  ist  nictil  Llos  der  Oljerlheil  dos  Helmes  sondern  (was  v.  Sacken 
niclil  angibt)  aucli  die  ganze  llaarlour  über  der  Siirn  eigiiazt  und  zwar  un- 
richtig. Von  dem  od'enbar  in  Metall  aufgcselzlen  Beiwerke  des  Helms  sind 
noch  die  Rronzestifteda;  auch  die  Augen  waren  eingesetzt  (die  jotzgen  mo- 
dern). Der  ganze  Kopf  war  zum  Einsetzen  in  die  Statue  hergerichtet. 

2  Unrichtig  scheint  mir  K.  Lange  oben  S.  66  zu  urtheilen;  es  ist  mir  we- 
nigstens durchaus  keine  Thatsaclie  bekannt,  die  bewiese,  dass  zwar  noch 
die  erste  Kaiserzeit,  nicht  aber  dif  Hadrianische  bei  ihren  Copien  alter  Werke 
auch  Bcj.ialung  angewendet  habe. 


190  MARMORE  VON  DER  AKROPOLIS 

zu  schaffen,  der  wie  alle  GöUertypen  Phidiasischer  Zeit  von 
der  später  erreichten  Individualisirung  noch  fern  ist. 

Den  grossen  Gegensatz  unseres  herrlichen  Köpfchens  zu  Ty- 
pen wie  die  Albanische  und  Giustinianische  Athena,  die  doch 
beide  ungefähr  in  dieselbe  Zeit  gehören  müssen,  möchte  man 
gerne  benutzen^  um  an  dem  hohen  Kinn  und  breiten  strengen 
Munde,  dem  prononcirlen  Knochenbau  und  den  flächenhaften 
Wangen  jener  den  Charakter  peloponnesischer  Kunstübung 
gegenüber  dem  echt  Attischen  mit  dem  lebensvollen  Munde 
und  den  schwellenden  Lippen  hier  zu  demonstriren ,  wenn  es 
so  ausgemacht  wäre,  dass  nicht  auch  jene  Richtung  in  Athen 
einst  vertreten  war. 

A.  FÜRTWAENGLER. 


V^on  (.len  neusten  Aiis^rahuiigeii  in  der 
cyprisclien  Salamis. 


(HitT/.ii  Tafel   \']l\.) 


Mir  wurde  der  Aiiflfag  /u  'l'licil  die  Ausgrabungen  für  F^ig- 
land  auf  Cypern  an  verschiedenen  Punkten  zu  leiten. 

Ich  will  nnieh  heute  darauf  beschränken  einen  Theil,  aller- 
dings den  werlhvollsten  meiner  bisherigen  Forschungsergeb- 
nisse kurz  zusammenzuslellen. 

Ich  nehme  die  Lage  der  c^yprischen  Salamis  im  Westen  der 
Insel  als  bekannt  an.  Ich  verzichte  auf  eine  Beschreibung  in- 
teressanter mehr  oder  weniger  erhaltener  Ruinen  von  grösse- 
ren Bauwerken,  so  wenig  sie  auch  bis  jetzt  bekannt  sind.  Ich 
muss  ferner  darauf  verzichten  über  meine  Forschungen  in  der 
Nähe  eines  pelasgischen  Quellengebäudes  und  Tamieion  (vorn 
cyprischen  Volke  Agia  Katharina  genannt)  ausserhalb  der 
Stadtmauer  zu  berichten.  Diese  meine  Forschungen  einer  äl- 
teren und  theilweise  praehistorischen  Zeit  werden  wir  in  die- 
ser Studie  nur  so  v/eit  anziehen,  als  sie  uns  Kriterien  bieten 
bei  der  Altersbestimmung  von  Salamis  überhaupt. 

1.  Geognostische  Skizze  des  Ausgrabungsterrains. 
Die  Gegend  ist  weithin  eben  zu  nennen.  Die  Erhebungen  und 
Senkungen,  wenn  sie  vorkommen,  sind  sehr  unbeträchtlich 
und  allmählich.  SchrofTe  Hänge  fehlen  ganz. 

Tertiäre  Bildungen  haben  im  Verein  mit  jüngsten  alluvialen 
Anschwemmungen  hier  bei  Salamis  (und  weiter  nach  Nikosia 
zu  in  der  Mesaurea)  einen  fruchtbaren  Mergelboden  erzeugt. 
Stellenweise  können  aber  Tertiärschichten  rein  zu  Tage  treten, 
wie  rein  diluviale  ofler  alluviale  Gebirirsarten.  So  kommt  hier 

o 

häufig  ein  junges  Scliwemmlandproduct,  ein  Conglomerat,  in- 
selarlig  auftretend  vor,  entweder  direct  ganz  zu  Tage  tretend, 


192  AUSGRABUNGEN  IN  GYPERN 

oder  von  einer  einen  halben  Meter  oder  weniger  (in  der  Mäch- 
tigkeit schwankenden)  Ackerkrume  bedeckt,  welche  zuweilen 
durch  Eisenoxyd  roth  gefärbt  erscheint.  Dieser  letzte  Fall  nun 
passt  auf  unser  Terrain  (siehe  Tafel  VIIl  den  Durchschnitt 
in  der  Richtung  von  «-€).— Die  Alten  wählten  mit  Vorliebe 
zu  Begräbnissplätzen  eine  solidere  Gebirgsart,  die  aber  zu- 
gleich leicht  zu  bearbeiten  war.  Deshalb  sind  die  Gräber  auf 
Cypern  häufig  in  inselartig  auftretende  Conglomerate  oder  auch 
Sandsteine  gehauen. 

2.  Gründung  von  Salamis.  Die  h  ier  nachweisba- 
ren Völker  und  Epochen.  Es  ist  wol  möglich,  dass  die 
Phönicier  auch  in  Salamis  Fuss  fassten,  worauf  der  Name  hin- 
zudeuten scheint.  Doch  kann  das  nur  in  sehr  untergeordne- 
ter Weise  geschehen  sein.  Salamis  kann  nicht  im  Entfernte- 
sten mit  Kition,  Amathus  und  anderen  cyprischen  Städten  als 
phönicischen  Colonien  verglichen  werden.  Soviel  mir  mit  Si- 
cherheit bekannt  geworden  ist,  wurde  bisher  in  Salamis  auch 
nicht  eine  phönicische  Inschrift  gefunden,  während  z.  B.  Ki- 
tion einer  der  ergiebigsten  Fundplätze  für  phönicische  In- 
schriften ist.  Wir  werden  weiter  unten  zeigen,  wie  ferner  die 
Terracotten  dem  entsprechend  niemals  in  Salamis  die  assyri- 
sch-semitisch-asiatischen Stylisirungen  tragen,  welche  z.B.  in 
Kition  so  häufig  sind.  Dagegen  stimmen  die  Funde  in  Salamis 
mit  der  geschichtlichen  Überlieferung  in  sofern  überein,  dass 
Salamis  frühzeitig  Hauplstätte  des  Griechenlhums  war.  Andere 
Epochen  aber  gingen  voraus. 

Es  lassen  sich  in  Salamis  folgende  Zeitabschnitte  unter- 
scheiden: 

a.  Eine  prähistorische  Zeit.  Die  hierher  gehörenden  Alter- 
ihümer  sind  nicht  nur  in  Salamis  sondern  über  die  ganze  In- 
sel vei'bi'citet  und  zeigen  eine  Übereinstimmung  mit  auf  ande- 
ren Inse.ln  des  Archipels  gemachten  Funden,  wie  mit  denen 
von  Mykenä  und  flissailik.  Wir  nennen  diese  Zeit  kurzweg 
pelasgisch.  Pelasgische  Alterihiimer  lassen  sich  eine  ganze 
Reihe  nachweisen.  Das  erwähnte  Quellengebäude,  ein  Ky-  ' 
klopenbau, sowie  ein  grosser  künstlich  aul'gelührter  Hügel  dicht 


AUSGRABUNGEN  IN  CYPERN  193 

dabei  sind  pelusgisch.  Auf  einem  FiMJe  dielil  atii  'l'iiiniihis  bild- 
lich las  ich  eine  grosse  Menj^e  Idolrestc  auf,  die  zum  Tlieil 
pelasj^isch  zuni  Tlieil  griechiscli  sind.  WiMler  südlich  sind  in 
einem  langgestreckten  Hiigel  eine  Keihe  pelasgischer  (Jrahun- 
.lagen  ausgehauen.  Ich  ölTnete  eine  dcrselhcn,  fand  sie  zwar 
bereits  des  werlhvoUeii  Inhaltes  beraubt,  aber  stiess  dabei  auf 
zwei  pelasgische  Idole,  wie  sie  anf  Tafel  XIl  der  Sternschen 
Bearbeitung  des  Cesnolaschen  Werkes  al)g(d)ildet  sind.  Auch 
fand  ich  über  der  Gra])lhür  im  Fels  eine  ebenso  rohe  grosse 
Figur  desselben  Styles  in  Relief  ansgehanen. 

b.  Die  griechische  und 

c.  Die  griechisch-römische  Zeit.  Hierher  gehören  in  der 
Hauptmasse  die  Giabanlairen,  welche  uns  hier  beschäftigen 
werden.  Griechische  l'jnlUisse  prävaliren  wol ,  doch  sind  rö- 
mische unverkennbar.  Beinahe  alle  von  mir  in  diesem  Gräber- 
complexe  gefundenen  Münzen  sind  römische  aus  der  Kaiser- 
zeit, dagegen  sind  alle  Inschriften  bis  auf  zwei  altkyprische 
in  gi'iechischen  Lettern  abgofasst.  In  den  altkyprischen  syl- 
labaren  Schriftzeichen  haben  wir  es  bekanntlich  auch  mit  der 
griechischen  Sprache  zu  thun.  In  den  Grabliguren  finden  grie- 
chische w4e  römische  Style  getrennt  oder  mit  einander  ver- 
mischt ihren  Ausdruck  (das  wenige  Aegyptische,  was  ich  auS' 
grub,  scheint  importirt,  so  z.  B.  ein  Siegelstein  in  Scarabiius- 
form  mit  einer  Darstellung  des  Horus). 

Alle  Formen  der  Terracottagefässe  sind  griechische,  oder 
griechisch-römische.  Die  Hauptmasse  derselben  ist  nicht  be- 
malt. Es  giebt  aber  auch  eine  lleihe  von  gemalten  Gefässen. 
Treten  Bemaliingen  auf,  so  sind  die  angewandten  Farben  matt- 
schwarz  und  rothbraun.  Von  Thiermalereien  fand  ich  nur  ein- 
mal eine  Vase  mit  drei  Fischen;  aber  sie  athmen  einen  total 
üriechisch-i'öinischen  Slvl  und  sind  so  an^ebi'acht ,  dass  sie 
der  Gefässform  wenig  Eintrag  thun.  Beliebt  sind,  wenn  auch 
immer  seltener,  aufgemalte  ßlattornamente,  besonders  Blatt- 
kriinze  der  Rundung  nachgehend,  am  häufigsten  Eplieu.  Mit 
sehr  geringen  Ausnalimen  stehen  die  Malereien  auf  rohem 
Grunde.  Rolhi^efärbte  und  lasirte  Vasen  kommen  selten  und 


i94  AUSGRABUNGEN  IN  CYPERN. 

vereinzelt  vor,  und  ohne  Ornamente  in  schwarz.  Plastische 
Darstellungen  auf  Vasen  fehlen  ganz  bis  ani'  Zahnkanten  oder 
Henkel,  welche  eine  Schnur  plastisch  nachahmen.  Dagegen 
sind  ungemein  zahlreich  Reliefdarstellnngen  auf  Lampen. 

Die  bizarren,  bald  eigenlhümlich  gedrückten  bald  ganz  run- 
den Vasenformen  ;  die  eigenthümlichen  Linien-,  Schachbrelt- 
und  concentrischen  Kreisornamenle,  welche  meist  ohne  grie- 
chischen Decorationssinn  die  Vasenform  senkrecht  durch- 
schneiden, statt  sich  ihr  unterzuordnen ;  die  rohen  phantasti- 
schen Thiergestalten  zumal  von  Wasservögeln  auf  den  Vasen- 
bauch gemalt ;  das  Überladen  der  Vasen  mit  Linien  und  Farben 
abwechselnd  in  matt  roth  und  schwarz,  oder  die  lasirlen 
Gefässe  mit  lebhafter  rother  Grundfarbe  und  schwarzen  Lini- 
enornamenten; das  Henkelkreuz,  welches  auf  altky prischen 
Thoncrefässen  so  häufig  vorkommt;  die  bizarren  Köpfe  und  Fi- 
guren plastisch  entweder  an  der  Ausgussöffnung  oder  am 
Halse  der  Vasen  angebracht;  alle  diese  für  die  sogenannten 
altkvprischen  Thongefässe  so  bezeichnenden  Merkmaie  orien- 
talischer Einflüsse  fehlen  in  Salamis  vollständig.  Ich  habe 
nicht  ein  Stück  Terracotta  dieses  Styles  ausgegraben,  nicht 
einmal  beim  Absuchen  der  Ruinenfelder  eine  einzige  Thon- 
scherbe  gefunden,  welche  von  Vasen  dieses  altkyprischen  Sty- 
les stammte. 

Dagegen  fand  ich  in  Kition  in  Gräbern  mit  römischen  Mün- 
zen und  römischen  Lampen  in  Menge  jene  bizarren  Thonge- 
fässe. Das  beweist,  dass  man  in  Kition  noch  in  späterer  rö- 
mischer Zeit  fortfuhr  Vasen  nach  alten  kyprischen  Mustern 
herzustellen.  In  Salamis  fand  das  nie  statt.  Deshalb  kann  auch 
nie  in  Salamis  die  Fabrication  solcher  Thongefässe  in  grösse- 
rem Umfange  betrieben  worden  sein. 

2.  Die  Begräbnissplätze.  Es  lassen  sich  drei  Bezirke 
bestimmt  unterscheiden  ,  wenn  sie  ;iuch  an  den  Grenzen  in 
einander  übergehen:  der  Begräbnissplatz  der  Reichen  und  Vor- 
nehmen, der  der  Mittelclasse  und  i\ev  der  Armen. 

a.  Begraebnissplalz  der  Reichen  und  Vornehmen.  Einzelgräber 
kommen  so  gut  wie  gar  nicht  vor.  Meist  ist  ein  regelrecht  aus- 


AUSGRABUNGKN  IN  GYPERN  195 

gebauencr,  viereckiger,  senkrcchlor  Eingangsslollen  da.  Oh 
fuhren  von  ihm  aus  mehrere  Thüren  in  din  Grüfte  und  Kam- 
mern der  Familien  oder  Gpiiossenschallen.  Die  Tiefe  d^r  Grä- 
ber schwankt;  doch  liegl.  meist  die  an  einer  ihv  senkrechten 
Wände  des  Eingangsslollen  angebrachte  Tliür  in  einer  Tiefe 
von  2-3  iMeter  (s.  Tf.  VIII).  Eine  bestimmte  Flimmelsrichtuiig 
für  die  Hauptgrabthiir  ist  zwar  nicht  nachweisbar;  doch  ist 
eine  Richtung  nach  Osten  häufiger.  Das  häufigste  Vorkomm- 
niss  ist  eine  Grabkammei-  als  llauptraun»  mit  einer  Anzahl 
kleiner  Seitenkammern  oder  Nischen,  in  die  einzelnen  Grab- 
kammern oder  Nischen  oder  in  die  in  dem  Boden  des  Haupl- 
raumes  vertieften  Gruben  werden  die  I. eichen  entweder  ohne 
Sarkophage  oder  in  den  Sarkoj)hagen  untergebracht. 

Die  beigefügte  Tafel  zeigt  uns  Beispiele  für  die  verschie- 
denen Arten  der  IJnterbrinoijnür  der  Leichen  wie  für  die  ver- 

o      o 

schiedenen  Bauweisen.  Sie  illustrirt  zugleich  auch  die  zahl- 
reich genug  vorkommenden  verzweigteren  Grabanlagen. 

Einzelne  dieser  Grabstätten  sind  ungemein  exact  in  dasCon- 
glomeral  gehauen  (s.  Anlage  I  der  Tafel)  und  haben  sich  vor- 
züglich erhallen.  Bei  anderen,  wo  das  Conglomerat  weniger 
dicht  gefügt  ist  oder  eine  Lehmmergel-Erdschicht  liefer  an- 
steht, cünservirten  sich  die  Wände  und  Nischen  weniger  gut 
(wie  Anlage  II). 

Dass  diese  Anlagen  Reichen  und  Vornehmen  angehörten, 
ist  leicht  ersichtlich.  Die  Raumverschweriduno;  und  der  Ko- 
stenaufwand  zur  Herstellung  derselben  sind  gross.  In  diesen 
Gräbern  machte  ich  die  meisten  und  werth vollsten  Funde.  In 
einer  Grabanlage  alleinfand  ich  über  iO  tadellos  erhaltencGlä- 
ser.  Zerbrochene  gab  es  noch  mehr.  Die  interessantesten,  be- 
sten Grabliguren  und  Lampen,  die  reich  bemalten  Vasen  (letz- 
tere ohne  Ausnahme)  wurden  hier  ausgegraben,  sowie  endlich 
die  reich  bemalten  Sarkophage. 

Diese  Grabanlagen  zeigen  ohne  Ausnahme  das  Bild  grosser 
Verwüstung,  indem  sie  bereits  im  Alterthume  von  Grabräu- 
bern geplündert  wurden,  die  aber  nur  dem  Golde  und  den 
geschnittenen   Steinen   nachgingen.   Daraus  erklärt  sich   zu- 


196  AUSGRABUNGEN  IN  CYPERN 

gleich,  dass  ich  die  bei  Weitem  meisten  Schmnckgegenslände 
in  Gold  und  Silber  und  die  geschnittenen  Steine  in  den  Grä- 
bern der  Miltelclasse  fand,  welche  nur  zum  Theile  früher  ge- 
plündert wurden. 

Die  Sarkophage  beschreiben  wir  am  besten  gleich  hier.  Sie 
sind  aus  anderem  Materiale  und  anders  geformt,  als  in  römi- 
schen Gräbern  von  Kition.  In  der  Nähe  von  Kition  wird  ein 
körniger  Gyps  gebrochen,  der  das  Material  zu  den  Steinsar- 
Icophagen  liefert,  mit  Deckeln  in  Dachform.  In  der  nächsten 
Nähe  von  Salamis  kommt  kein  Gyps  vor.  Auch  mag  das  Her- 
kommen  ein  anderes  gewesen  sein.  Die  Sarkophage  sind  aus 
Terracotta  und  in  der  Hegel  unbemalt.  Es  treten  aber  auch 
Malereien  und  dann  immer  in  rother  Farbe  auf,  und  solche  be- 
malte Sarkophage  werden  meist  in  den  Grüften  der  Vorneh- 
men ausgegraben.  Die  gewöhnlichste  Decoration  sind  rohe 
Guirlanden,  welche  in  drei  Reihen  übereinander  stehen  und 
an  senkrechten  Pfeilern  aufgehängt  erscheinen. 

Ich  will  einen  weil  reicher  und  sorgfältiger  decorirlen  Sar- 
kophag näher  besclireiben.  Derselbe  befindet  sich  heute  im 
Museum  von  Larnaka.  Die  dabei  angegebenen  Maasse  dürfen 
als  Mittelzahlen  für  alle  Terracottasarkophage  Erwachsener 
in  Salamis  angesehen  werden.  Er  ist  1,50  Meter  lang,  37  Cen- 
timeter  breit  und  33  Centimeter  hoch  im  lichten.  Die  Dicke 
der  Sarkophagwandungen  schwankt  zwischen  2  und  3  Centi- 
meter. Der  7-9  Centimeter  vorspringende  obere  Rand  ist  di- 
cker, weil  er  den  entsprechend  grossen  platten  Deckel  aufzu- 
nehmen und  mit  zu  tragen  hatte.  Der  Deckel  selbst  war  von 
den  Grabräubern  im  Ällerthume  zertrümmert. 

An  der  Aussenseite  und  an  jeder  der  Längsseiten  findet  durch 
senkrecht  gestellte  Bäume, die  der  Palmenform  nahe  kommen, 
eineTheilung  in  fünf  Felder  statt.  Die  Baumkronen  stossen  an 
eine  diircli  zwei  horizontale  Linien  abgegrenzte  und  mit  wel- 
ligen ZAvischenlinien  gezierte  Kante.  Der  obere  Kantensaum 
verschwndet  im  Schatten  des  vorspringenden  Sarkophagran- 
des. In  den  zwei  Eckfeldern  sind  zwei  geschlitztgelapple Blät- 
ter kreuzförmig  übereinandergelegt.  Die  Blattform  ist  die  man- 


Ansr.KAHUNGKN  IN  r.YPEKN  197 

eher  Umbelliferen.  Aus  den  lilaü.stilen  wachsen  zwei  andere 
j)le i I [■(■■) rni ige  Bliiller  heraus,  /u  denen  die  an  quelhmreiclien 
Orlen  auf  Cypern  vorkufumcnde  Colocasia  Anti(iuorum  Schutt 
das  Modell  war.  Auf  dit;  zwei  eorresporidireiiden  Kelvfeldcr 
folgen  zwei  wieder  correspondirende  Millelielder,  durch  djis 
uiiltelste  Feld  von  einander  getrennt.  Von  l*alnienkrone  zu 
Palmenkrone  hängen  von  oben  nach  niiltii  \oii  flacheren  zu 
tieferen  Bogen  ausladend  fiinf  ketten  herab.  In  dem  Kaume 
über  der  obersten  Kette  z>vischen  den  l'alnicnkronen  sind  in 
der  ganzen  Feldbreite  drei  grosse  Pfeilspitzen  angeordnel.  Im 
mittelsten  Felde  li;ingt  eine  schwere  dicke  aus  Blumen  gebil- 
dete Guirlande  von  Baum  zu  Baum.  Der  Mittelpunkt  des  mit- 
telsten Feldes  nud  annähernd  auch  der  ganzen  Sarkophag- 
längsseite wird  durch  einen  runden  Ball  gebildet,  der  zu  l)ei- 
den  Seiten  von  einer  Pfeilspitze  üankirt  ist.  Ebenso  correspon- 
diren  die  beiden  Schmalseiten.  Die  geringe  Breite  ist  als  ein 
Feld  behandelt,  mit  zwei  llmbcUiferenblällern  und  vier  Co- 
locasiablättern  decoiirt. 

Die  obere  Fläche  des  oberen  Sarkophagrandes  ist  an  den 
Längsseilen  mit  kleineren  Umhelliforciiblältern,au  den  Schmal- 
seiten mit  (litterlinien  b<'uia!t. 

b.  Bcijraebnissplalz  der  Mittelclasse.  Ein  gut  bchauener  Ein- 
gangsslollen tritt  seltener  auf;  ebenso  ist  eine  einzige  gut  aus- 
geliaueae  Kammer  seltener  und  wenn  vorhanden,  niedriger. 
Sarkophage  finden  sieh  dagegen  meist  vor,  und  mehrere  in 
einem  Grabe;  oft  stehen  drei  bei  einander,  zuweilen  sechs  oder 
sieben  und  mehr.  Eine  bestimmte  Gruppirung  der  Sarkophage 
ist  nicht  nachweisbar, —  Weil  diese  Gräber  nur  zum  Theile  im 
Allerthume  bestohlen  wurden,  lieferten  sie  mir  die  reichste 
Ausbeute  an  Gold-  und  Silbersaehen  wie  an  geschnittenen 
Steinen. 

In  einem  Sarkophage  fand  ich  z.  B.  eine  grosse  goldene 
Kette,  zwischen  den  einzelnen  Gliedern  Perlen  aus  dunkelro- 
ihem  Glas;  ein  paar  grosse  Ohrringe,  an  runden  Bädchen 
liäiigen  lauge  Khipfel ,  iu  den  Kädchen  und  Klöpfeln  Einsätze 
von  jetzt  prächtig  dunkelblau  irisirendem  Glas;  ausserdem 


198  AUSGRABUNGEN  IN  CYPERN 

nahezu  zwei  Gramm  Blattgold,    am  Schädel  liegend  und  von 
einem  Kranze  stammend. 

c.  Degraebv issplatz  der  Aj^men.  Viele  der  Gräber  sind  mitAb- 
sieht  nicht  in's  Conglomerat  gehauen,  weil  das  zuviel  Arbeit 
kostete.  Meist  bestehen  die  Einzelgräber  aus  einfachen  Gruben 
ohne  Sarkophage.  Sie  liegen  vielfach  flach,  oft  nur  einen  Meter 
tief  und  noch  flacher.  Hier  bestehen  die  Funde  in  nur  wenigen, 
kleinen,  kurzen  Kränzen  aus  wenigen  dünnen  Goldblättern 
oder  dicken  Blättern  aus  vergoldeter  Bronze.  Gemeine  nicht 
bemalle  Terracotten,  Krüge  und  Lampen  der  gemeinsten  Form 
prävaliren.  Rohes  Kinderspielzeug  und  rohe  Statuetten  aus 
Terracotta  sind  seltener. 

4.   Die  Gräberfunde. 

a.  Schmuckgcgenstaend e  in  Gold  und  Silber.  Die  Schmucksa- 
chen aus  Gold  sind  meist  plump  gearbeitet,  was  um  so  be- 
merkbarer hervortritt,  weil  die  feineren  besser  gearbeiteten  Sa- 
chen in  den  Gräbern  der  Reichen  bereits  geraubt  wurden. 

Die  Ohrringe  sind  meist  kleine,  runde,  glatte  Ringe;  an- 
dere Ringe  endigen  in  Thierköpfe;  andere  haben  Gehänge  und 
Bommeln  als  Zierrat,  platt  oder  rund,  voll  oder  durchbrochen, 
mit  erhabener  Relielärbeit  (Blätter,  Thiere)  oder  nicht. 

Die  Fingerringe  sind  alle  so  klein,  dass  sie  nur  auf  dem 
kleinen  Finger  getragen  werden  konnten  (auch  fand  ich  jedes 
mal  nur  einen  auf  einmal),  über  welche  Sitle  uns  Plinius  be- 
richtet. Sind  kleine  Carneole  in  Siegelringe  ^efasst,  so  sind 
auf  ihnen  gewöhnlich  Thiere  eingravirt. 

Das  zierlichste  Ringlein  m'einer  Funde  besteht  in  einem 
glatten  Goldreif,  der  sich  zu  einer  kleinen  Platte  auch  aus  Gold 
verbreitert,  auf  welcher  in  Punktmanier  die  Inschrift  EflA- 
FAOQi  eingravirt  ist.  Dieses  Ringelchen  fand  ich  aber  auch 
ausnahmsweise  im  Grabe  eines  Reichen  mit  fünf  geschnitte- 
nen nicht  gefassten  Steinen  und  den  erwähnten  mehr  als  vier- 
zig Gläsern.  Die  kleinen  Gegenstände  mussten  den  Räubern 
entgangen  sein. 

Von  goldenen  Halsketten  grub  ich  nur  eine  aus,  der  ich  be- 
reits Erwähnung  that. 


AUSGUAUUISÜEN  IN  CYPEUN  499 

Ausser  goldenen  Kränzen  fanden  sieh  solclie  aus  vergolde- 
ter Bronze,  wie  schon  erwiihnl.  Ferner  fand  ich  vergoldete 
Perlen  aus  TerracoLla. 

Aus  Silber  wurden  glatte,  runde  Fingerringe,  Beinspangen,, 
ein  kleiner  LölTel,  und  eine  grosse  Haarnadel  niil  dickpin  run- 
dem erdheerlorrnigcin  Kopie  gefunden. 

6,  Geschnittene  Steine.  Feh  kann  nur  einige  der  wer ih voll- 
sten Steine  beschreiben.  Auf  einem  breitovalen  in  der  Längs- 
richtung 2  Cm.  hohen  ungefassten  Carneol  aus  griechisch- 
römischer  Zeit  ist  eine  lebensvolle  Gruppe  eingravirt:  Hermes 
^\jyonoy.TZQ^,  nackt,  hält  in  der  einen  Hand  den  Schlangenslab 
und  fasst  mit  der  anderen  einen  sich  sträubenden  bärtigen 
Menschen  (fast  die  Hälfte  kleiner  als  der  Gott),  um  ihn  in 
den  Hades  hinabzuführen.  Der  Mann  sieht  bereits  mit  den 
nicht  mehr  sichtbaren  Unterschenkeln  in  der  Einfahrt  zum 
Hades;  letztere  ist  durch  eine  horizontale  Vertiefungangedeutet. 

Von  guter  Plastik  ist  der  Kopf  eines  lächelnden  Knaben, 
wol  Eros  oder  Dionysos,  Gemme  rund  und  1  Cm.  im  Durch- 
messer. Schwarzer  Stein.  Griechische  Arbeit. 

Des  ägyptischen  Siegelsteines  in  Scarabäusform  erwähne  ich 
nochmals.  Ilorns  der  sperberköpfige  sitzt  auf  einem  Thron- 
stnhl.  Über  ihm  die  Uräusschlange  und  weiter  oben  der  Son- 
nendiskus. Vor  dem  Gölte  Geisel  und  Lotosblume.  Das  Stück, 
das  einzige  ägyptischen  Styles  unter  meinen  Funden,  kam  of- 
fenbar durch  den  Handel  nach  Salamis. 

Ferner  fand  ich  auf  Gemmen  Darstellungen  des  Zeus  Ni- 
kephoros,  des  Apollo,  des  Ares,  Thiervorwürfe  u.  s.  av. 

Ein  Pferdekopf  ist  gut  ausgeführt.  Überhaupt  sind  Thiere 
meist  realistischer  aufgefasst  und  durchgebildet,  als  menschli- 
che Figuren. 

y.  Gcgenstaendc  aus  Bronze  und  Eisen.  Aus  Bronze  fand  ich 
verschiedene  Haken,  Nadeln,  Knöpfe,  Nägel,  Messer,  Beschlä- 
ge, Werkzeuge,  ('harniere,  SchreibgrifTel,  Bleche,  ein  rundes 
Becken,  eine  grosse  Anzahl  runder  Spiegel  in  verschiedenen 
Grössen  aber  ohne  Ornamente,  ein  kleines  gerieftes  conisch 
zugehendes  Fläschchen,  einen  Schlüssel. 


200  AUSGRABUNGEN  IN  GYPERN 

Aus  Eisen  grub  ich  namentlich  ein  grosse  Anzahl  Schabei- 
sen aus,  ferner  Messer,  Niigel,  Haken  und,  die  Hauptsache, 
ein  eut  erhaltenes  Drehschloss,  welches  ich  in  d»Mi  Schriften 
des  römischen  Institutes  herauszugeben  beabsiclitige. 

d,  Alabastersacfien.  In  grossen  Mengen  fand  icli  in  Salamis 
das  bekannte  in  seiner  einfachsten  Form  langgestreclvte  cylin- 
drische  Saibgefiiss  («)^agäc<yTf>ov).  — In  den  Grabanlagen  der  Vor- 
nehmen fehlt  es  nie.  Es  ist  in  der  Kegel  aus  Alabaster  und  im 
Durchschnitt  ungefähr  22  Cm.  lang.  Andere  grosse  Alabastra 
aus  Kalkstein  sind  iO  Cm.  lang  und  sehr  schwer,  weil  der 
diinne  zum  laugsamen  Herauslropfen  des  Salböles  bestimmte 
Canal  hier  eben  so  dünn  ist  oder  sein  kann,  wie  bei  den 
kleinen  Alabastren  (1  Cid.  im  Dm.).  Selten  kommen  auch 
Alabastra  aus  Terracotta  vor,  aber  klein,  etwa  20  Cm.  lang. 

A.iidere  Gelasse  aus  Alabaster  (und  Stein)  ähneln  in  Form 
und  Grösse  ganz  den  von  den  Cyprioten  beute  gebrauchten 
Räucherschalen  (jcxTrvKTx-nptx) :  oben  eine  flache  Schale,  in  der 
Form  rund,  oval  oder  gedrückt,  darunter  ein  entsprechender 
Fuss,  der  sich  nacli  unten  entweder  gerade  conisch  verbreitert 
oder  in  dev  Bogenlinie.  Leisten  und  Gürtungen  können  Schale 
und  Fuss  zieren.  Als  Durchschnittshöhe  des  Gefässes  mögen 
etwa  12  Cm.  gelten. 

Zu  den  zierlichsten  Gefassen  von  Salamis  gehört  eine  Art 
kleiner  alabasterner  Vasen.  Sie  dürfte  der  Form  nach  von  der 
geringen  Grösse  abgesehen  {das  Gefäss  ist  bald  grösser,  bald 
Icleiner  als  das  vorige,  aber  oft  nur  8-9  Cm.  hoch)  den  Am- 
phoren zuzuzählen  sein.  Der  Fuss  ist  kurz  und  klein.  Der  Bauch 
ladet  in  weiter  eleganter  Biegung  aus.  Derselbe  setzt  plötzlich 
in  einer  Leiste  oder  Linie  ab,  an  der  der  schwungvoll  einge- 
bogene sich  verjüngende  lange  Hals  anhebt.  Auf  derselben 
Linie  sitzen  einander  gegenüberzwei  kleine  bogenförmige  senk- 
recht o:es  teilte  Henkel.  Die  Ausij-ussöfTnuno;  ist  en£^.  Ich  s;laube, 
wir  haben  hier  auch  ein  Salbsrefäss  vor  uns. 

e.  Spindeln,  Gcgenstaende  aus  Glas,  Porcellan  und  Elfen^ 
bein.  Die  in  Salamis  gefundenen  Spindeln  sind  aus  Alaba- 
ster, Stein,  Glas  oder  Porcellan,  nie  aus  Terracotta  (eine  grosse 


AUSGRARÜNGKN  IN  CYPEBN  201 

Spindel  aus  T(M-ranoll;i  i;Tub  ich  in  Kjlion  aus).  —  S[)iii<l(.'lii  nu8 
Bronze,  die  bei  den  Allen  so  I)p|i('l)l  vvart'ii,  habe  ich  bisher 
nicht  nachweisen  können.  Doch  sind  die  oft  erhallenen  Ein- 
sätze, die  Stifte  im  Oanale  der  Spindel  (welche  dein  Faden 
einmal  das  Dnrchgehen  gesLallon,  aber  andererseits  genngend 
Halt  geben,  nm  ein  zu  plötzliches  Dui'chgehen  oder  Herun- 
terfallen der  Spindel  zu  verhindern),  aus  Bronze.  Die  Spindeln 
sind  von  abgcplatleter  Kegelforin,  meist  nur  (),.')-]  ,;">  Cm.  hoch 
und  von  2-3  Cm.  Breite  des  Durchmessers  an  der  Kegelliasis. 
Die  senkrecht  zum  Ke<;el  stehenden  Canäle  haben  .jMm.  und 
\veni<2;er  Durchmesser.  Damit  diese  kleinen  Gi'ucnsliinde  leich- 
ter  in  die  Augen  fallen  und  nicht  so  leicht  verloren  gehen,  gab 
man  ihnen  aulTallende  Farben.  So  sind  die  Spindeln  entweder 
weiss  und  von  Alaba.skM",  oder  dunkelfarben  fast  schwarz  z.  B. 
aus  Stein,  oder  dunkelblau  u.  s.  w.  aus  Porcellan  und  Glas. 
Die  Spindeln  aus  Alabaster  sind  meist  glatt  gearbeitet;  höch- 
stens treten  vertiefte  Kreislinien  um  die  Kegelspitze  und  Ke- 
gelbasis auf.  Die  übrigen  Spindeln  sind  meist  mit  Leisten  und 
Fugen  überdeckt,  sodass  sie  dadurch  ein  Aussehen  gewinnen 
ähnlich  den  gedrechselten  Steinen,  wie  wir  sie  beim  Dame- 
oder F^uffspiel  anwenden. 

Eine  Spindel  aus  einer  Masse  zwischen  Porcellan  und  Glas 
zeigt  als  Grundfarbe  dunkelblau.  Ein  achteckiger  weisser  Stein 
jjeginnt  um  die  Spitze  herum  in  Linienforn).  Die  acht  Rund- 
bogen des  Steines  wiederholen  sich  am  Kegel  herunter  fünf- 
mal. 

Eine  andere  Spindel  ist  aus  dunkelblauem  irisirendem  Glase 
mit  vertieften  weissen  Horizontalstreifen. 

Perlen,  meist  als  Halskettenelemenle  sind  aus  verschiedenem 
Materiale,  meist  rund,  aber  auch  gestreckt  elliptisch,  polirt 
und  nicht  polirt,  brillant  oder  matt  in  der  Farbe.  Steinperlen 
sind  aus  Acliat  und  Onyx  beliebt.  Am  häufigsten  sind  Perlen 
aus  einer  fayencearligen  Masse  zwischen  Glas  und  Porcellan. 
Auf  dunkelem  intensivblauem  Grunde  stehen  weisse  grosse 
Augen  mit  Ijlauen  oder  andersfarbigen  Pupillen  mit  und  ohne 
bunte  Bänder  (eine  orangegelbe  Einfassung  ist  häufig)  in  Bei- 

UITTH.D.  ARCH.INST.  VI  14 


202  AUSGRABUNGEN  IN  GYPERN 

hen  angeordnet.  Diese  Perlen  sind  dabei  matt,  nicht  lasirt, 
und  machen  einen  originellen  Eindruck. 

Aus  Elfenbein  erub  ich  einise  kleine  Löffel  und  Löffelstiele, 
alle  schlecht  erhallen  aus.  Dagegen  ist  eine  kleine  runde  Sal- 
benbüchse aus  Elfenbein  mit  gedrechseltem  Deckel  und  Grund- 
boden intact. 

T.  Glaswaaren.  Die  Gläser  variiren  in  Farbe,  Form  und 
Grösse.  Die  Farben,  unter  denen  unbeschreiblich  schöne  in 
den  verschiedensten  Nuancen  bald  wie  Gold  und  Silber  schil- 
lernd, bald  in  dunkelen  kräftigen  Tönen  irisirend  vorkommen, 
entstanden  bekanntlich  zum  grösseren  Theile  durch  die  Zeit, 
das  Liegen  in  der  Erde,  den  Einfluss  der  Feuchtigkeit,  des 
Salzgehaltes  im  Grundwasser  und  Boden  (die  in  der  Nähe  der 
Meeresküsten  a^efundenen  Gläser  irisiren  mehr  als  die  aus 
dem  Inneren),  durch  den  Inhalt  endlich  der  Gefässe  selbst  an 
Salben  und  Oelen.  Andere  Farben  aber  wurden  von  vornhe- 
rein vom  Glasfabricanlen  hervorgerufen.  So  habe  ich  ein  reizen- 
des liefdunkelblaues  Glas  und  einen  mehrfarbigen  Salblöffel 
aus  Glas  ausgegraben.  Der  letztere  ist  gerieft,  von  blassgrüner 
Grundfarbe  und  von  einer  blauen  Schlangenlinie  in  der  gan- 
zen Länge  durchzogen. 

Man  hat  auf  Cypern  sehr  viele  buntfarbige  und  reichdeco- 
rirle  Gläser,  selbst  Köpfe  aus  Glas,  ausgegraben.  Ich  war  wol 
quantitativ  glücklich,  indem  ich  in  Salamis  über  100  unver- 
sehrte Gläser  in  30  Tagen  ausgrub;  aber  qualitativ  ist  nichts 
Hervorragendes  darunter:  Gläser  mit  Füssen  zum  Aufstellen 
in  Form  von  Leuchtern,  Becher,  Schalen,  Deckel,  langgezo- 
gene Fläschchen  mit  noch  längerem  Halse  über  dem  schma- 
len  Bauche,  breite  krugförmige  Gläser,  alle  noch  mit  Füssen. 

Dann  giebt  es  (und  hierher  gehört  die  grosse  Menge  der  Glä- 
ser) lange  mehr  cylindrische,  am  unteren  Theile  ganz  schwach 
au.sgebauchte  und  unten  abgerundete  fusslose  Gläser.  Hierher 
gehören  die  lange  fälschlicherweise  als  Lacrimalorien  bezeich- 
neten Fläschchen. 

Die  Glasindustrie  muss  in  Cypern  früh  und  ausgedehnt  be- 
trieben worden  sein  und  auf  hoher  Stufe  gestanden  haben,  was 


AUSGRARUNGEN  IN  GYPERN  203 

bei  der  Nähe  Syriens  iinrl  Aci^ypteiis  iiiclil  auflallen  kann, 
Dass  aber  die  Glaswaaren  von  Salamis  im  Ganzen  einlacher 
sind,  als  z.  B.  die  von  Kilion  oder  Idalion,  beweist  wiede- 
rum, dass  orientalische  Einflüsse  hiei-  weniiijer  zur  Geltunt^  ge- 
langten. 

^.  Thonwaaren.  Grosse  Pilhoi,  wie  sie  noch  jetzt  in  Gypern 
gebraucht  werden,  fand  ich  in  Salamis  nicht.  Ein  dem  Pithos 
ähnliches  Gefäss,  das  vielleicht  Stamnos  zu  nennen  ist,  hat 
einen  weiten  Bauch  und  kurzen  IJals  mit  weiter  Mündung  und 
mit  zwei  Marken;  die  kurzen  Henkel  sind  ziemlich  senkrecht 
gestellt.  IJöhe  Gl  Cm. 

Von  Amphoren  entdeckte  man  eine  ganze  Reihe  verschiede- 
ner Formen  und  Grössen  mit  und  ohne  Füsse.  Darunter  lang- 
gezogene mit  langen  IJonkcIn.  Ich  fand  aber  nur  einen  Stem- 
pel einer  Amphore  von  Rhodos:  ein  Anker  als  Emblem  mit 
dem  Namen  OAYMTTOY  (vgl.  Birch,  Hist.  of  anc.  potlenj 
II  S.  399). 

Einige  Gefiissformen  verdienen  deshalb  eine  Beschreibung, 
weil  sie  sich  ganz  typisch  in  Salamis  herausgebildet  haben, 
anderswo  auf  Cypern  aber  gar  nicht  oder  selten  vorkommen. 

Eine  Sorte  von  Gefässen,  die  beinahe  in  keinem  Grabe  fehlt 
und  zu  Hunderten  ausgegraben  wurde,  diente  wol  zur  Auf- 
bewahrung von  Wein  oder  Wasser  in  kleinen  Quantitäten,  so- 
wie auch  zum  Gebrauche  bei  Tafel.  Sie  nähern  sich  in  der 
Form  den  Gefässen,  welche  wir  als  Hydria,  Kalpis  und  beson- 
ders Hydriske  kennen.  Sie  sind  von  ungemein  constanter  Grösse 
und  Form,  meist  19  Cm.  hoch.  Der  Fuss  misst  unten  5,5  Cm. 
im  Durchmesser.  Der  Bauch  findet  seine  weiteste  Ausladung 
in  einer  Höhe  von  1 1  Cm.  mit  einem  Durchmesser  von  13  Cm. 
Der  noch  8  Cm.  lange  obere  Krugtheil  steigt  allmählig  aus 
dem  Bauche  heraus  und  verjiingl  sich  langsam  zum  Halse. 
Die  schnauzenlose  AusgussölTnung  hat  6,5  Cm.  Durchmes- 
ser. In  der  Regel  ist  nur  ein  Henkel  vorhanden,  kommen, 
was  seltener  ist,  zwei  Henkel  vor,  so  ist  die  Gesammtform 
eine  zierlichere,  wie  die  Arbeit  eine  sorgfältigere,  und  dann 
ist  der  Fundort  in  der  Regel  das  Grab  eines  Reichen.  —  In  noch 


204  AUSGRABUNGEN  IN  GYPERN 

selteneren  Fällen  geht  diese  Krugforin  in  andere  Verhältnisse 
über,  ist  rolhgefarbt,  lasirt  und  zuweilen  selbst  mit  dunkel- 
rotheren  Streifen  bemalt  oder  mit  plastischer  Zahnleiste  ver- 
sehen. 

Aus  dieser  in  der  grossen  Masse  in  Form  und  Grösse  con- 
stanten  Art  hat  sich  ein  anderes  offenbar  Luxuszweciven  die- 
nendes aber  zugleich  für  den  Gebrauch  bestimmtes  Gefiiss  her- 
auso;ebildet.  ich  fand  es  in  verschiedenen  Grössen,  aber  nur 
in  den  Grabanlagen  der  Vornehmen.  Alle  besseren  Decoratio- 
nen, alle  Malereien  von  Blättern,  Blumen  und  Thieren,  wie 
ich  sie  oben  für  die  salaminischen  Thongefässe  besclirieb,  sind 
nur  auf  dieser  Gefasssorte  angebracht  (mit  Ausnahme  eines 
Falles,  eines  ganz  seltenen  und  ganz  absonderlich  gestalteten 
anderen  Luxnsgefässes,  einer  Art  Tafelaufsatz).  Der  Bauch  wird 
breiter,  kürzer  und  gerader  gestellt;  der  bedeutend  verlängerte 
Hals  steigt  in  majeslälischem  Linienschwunge  empor  und  be- 
dingt einen  langen  Henkel,  der  nie  fehlt.  Zwei  Henkel  kommen 
nie  vor.  Sind  Gefässe  dieser  Art  nicht  bemalt,  so  wurde  doch 
zu  ihrer  Herstellunij;  ein  viel  besser  und  feiner  ü;eschlemmler 
Thon  verwandt.  Die  vielen  gerade  gestellten  oder  sanft  gebo- 
genen Partien  geben  Decorationen  die  geeignetste  Unterlage. 
Neben  r.pheukränzen ,  das  sei  noch  nachgeholt,  treten  Blalt- 
kränze  mit  zwei  reihigen  Blättchen  von  ellyplisch  zugespitzter 
oder  abgerundeter  Foi-m  auf,  welche  einmal  an  gewisse  cypri- 
sche  Salzpflanzen,  sowie  an  die  an  feuchten  Stellen  wach- 
sende iAkopodiacee  Selaginclla  denliculata  Link,  erinnert. 

Auch  bei  diesen  Gelassen  traf  ich  eine,  wenn  auch  rohe, 
Bemalung  des  Henkels  an  ,  und  zwar  eine  einfache  Schlan- 
genlinie, die  Andeutung  der  plastischen  Schnurbildung  des 
Henkels,  welche  auch  nur  hier  in  Salamis  vorkommt. 

Am  häuligsten  und  massenhaft  findet  sich  die  von  mir  er- 
kannte salaminische  Lekythos. —Bekannt  ist  die  Bestimmung 
dieses  Oelgefässes,  welches  in  keiner  l*alaestra  fehlte  und  bei 
keinem  Begräbniss.  Hatte  man  das  Oel  aus  der  Lekythos  in  das 
Grab  gegossen,  so  musste  man  die  (.ekythos  selbst  hinabwer- 
fen. Wahrscheinlich  halte  man  dabei  (\q\~]  Gedanken,  dass  Nie- 


AUSGRABUNGEN  IN  GYPERN  205 

mand  mehr  Gel  in  diesem  Gefässe  halten  sollte.  Nur  so  er- 
klären sich  diese  Massen  von  ihönernen  Lekylhoi  an  der  Grab- 
thür,  im  Eingangsslollen  und  oft  nur  wenige  (leiitimeler  un- 
ter der  Oberlliiche. 

Sieht  man  eine  salaminische  Lekvthos  lieü;en,  so  wird  man, 
bis  man  sie  erfasst,  oft  nicht  wissen,  wo  Spitze  oiier  Fiiss 
ist.  De-r  Flaschenbaueh  kann  als  Kugel  aufgefasst  werden,  die 
oben  in  den  Hals,  unten  in  den  Fuss  in  einem  gleich  langen, 
gleich  geformten  Canal  übergeht.  Die  Höhe  des  Lekythos  be- 
trägt im  Ganzen  16  Cm.,  der  Durchmesser  des  Bauches  f)  Cm. 
—  So  die  Regel.  Natürlich  kommen  auch  l)ier  Varianten,  aber 
geringer  Art  vor.  Der  Halstheil  kann  etwas  länger  werden,  als 
der  Fusstiieil.  Am  Halse  entlang  tritt  zuweilen  eine  vom  Töp- 
fer auf  der  Drehscheibe  eingedrückte  Schlangenlinie  in  weiteii 
Windungen  auf. 

Für  die  beim  Mahle  und  bei  I^ibationen  gebräuchlichen 
Misf'hgefässe  gaben  meine  Ausgrabungen  in  Salamis  gar  keine 
zuverlässigen  Beispiele  (in  Kition  fand  ich  deren  eine  grosse 
Zahl).  Dagegen  lieferten  die  salaminischen  Gräber  eine  Reihe 
von  Tiink2;et'ässen,  Ich  a:rub  Phialen  aus,  ilache  henkellose 
Schalen;  Kylikes,zweihenkliche  höhere  Trinkschalen;  Formen 
des  Skyphos,  wie  eine  grosse  Tasse,  nur  dass  zwei  kleine  ho- 
rizontal abstehende  Henkel  nahe  dem  Rande  hinzukommen. 

Besonders  erwähnt  zu  werden  verdient  die  Form  eines  Kan- 
tharos.  Der  weile  Bauch  steigt  auf  einem  kurzen  Fusse  ziem- 
lich gerade  empor  und  endet  weit  ohne  eigentlichen  Hals. 
Zwei  grosse  tief  ansetzende  aber  schmale  Henkel  gehen  mit 
einer  Schneppe  gekrümmt  und  bogenartig  nach  aussen.  Die 
obere  Fläche  beider  Henkel  bildet  mit  dem  Gefässrandc  eine 
Ebene.  Die  Henkel  sind  durch  grosse  Oeffnungen  durchbro- 
chen. Das  Gefäss  ist  dunkelfarben  schwarzbraun  lasirt. 

Gefässe  zum  Schöpfen  und  Ausgiessen  wurden  in  grosser 
Zahl  gefunden.  Zu  Hunderten  traf  ich  eine  Form  an,  die  ent- 
weder als  Oinochoe  oder  als  Prochous  zu  deuten  ist.  Sie  ähnelt 
ganz  unseren  modernen  Thee- oder  Milchkannen.  Die  Gefass- 
lippe  ist  zu  einer  Tülle  gekrümmt,  welche  das  Ausgiessen  er- 


206  AUSGRABUNGEN  IN  GYPERN 

leichtert.  Das  weilbauchige  Gefäss  ist  einhenklig-  Die  Grösse 


schwankt,  pflegt  aber  nicht  über  22  Cm.  Flöhe  hinauszugehen. 
Andere  Varianten  unter  den  Thongefässen  lasse  ich  unberück- 
sichtigt und  gehe  zu  den  l.ampen  über. 

Ich  fand  keine  Lampe  aus  Bronze, »sondern  nur  solche  aus 
Terracotta.  Es  haben  sich  aber  zwei  Arten  der  gemeinen  Ter- 
racottalampe  in  Salamis  entwickelt.  Die  mne  Lampe  ist  stets 
kleiner.  Der  Hauptlheil,derOelbehälter  ist  meist  ziemlich  kreis- 
rund, häuliij;  von  7  Cm.  Durchmesser.  Der  Bauch  ist  mehr  oder 
weniger  tief  und  misst  im  Mittel  2-2,5  Cm.  Höhe.  Die  Docht- 
nase, die  zur  Aufnahme  des  Dochtes  bestimmte  Oeffnung  ent- 
haltend, ist  kurz,  Die  Handhabe  ist  klein  und  nähert  sich 
mehr  oder  weniger  der  Form  eines  runden  [Rädchens  von  2,5 
Cm.  Durchmesser  mit  einem  runden  Loch,  welches  aber  auch 
fehlen  kann,  wie  auch  die  ganze  Flandhabe  wegfallen  kann. 
Die  Handhabe  steht  senkrecht  auf  dem  Rande  des  Oelbehäl- 
ters,  mit  der  Breitseite  dem  Oelbehiiltercentrum  abgekehrt.  Die 
Oeffnun*^'  für  das  Einüiessen  des  Oeles  ist  meist  nur'eine  und 
in  der  Mille  der  Mulde  des  Oelbehälters  angebracht.  Die  OefT- 
nung  rückt  aber  auch  an  die  Seite,  wenn  es  die  in  der  Mulde 
angebrachten  Uellefdarstellungen  erheischen.  Es  kommen  auch 
mehrei'e  Oeffnungen  \'ü\'  das  Oel  vor.  L)agegen  fand  icii  nie- 
mals eine  Lampe  mit  mehreren  Nasen  und  Dochlöfi'nungen. 
Es  fanden  sich  griechische  und  römische  Lampen,  auch  eine 
Lampe  mit  altkyprischer  Inschrift. 

Die  Mannichlaltigkeit  der  Verzierungen  auf  den  Lampen  ist 
so  gross,  dass  ich  nur  einige  der  Haupttypen  und  einige  selte- 
nere Darstellungen  herausgreifen  kann. 

Lampen  ohne  jedes  Ornament  oder  mit  eingeritzten  Kanten, 
Bogen,  Zähnen  u.  s.  w.  auf  dem  Bande  des  Oelbehälters  tre- 
ten am  häullgsten  auf. 

Häufig  sind  ferner  Band  und  Mulde  mit  einem  grossen,  bis 
in  kleine  Details  ausgeführtem  Stern  decorirl.  Oft  liegt  in  der 
Mulde  ein  Eichenkranz  aus  zwei  übereinander  gelegten  Zwei- 
gen, oder  ein  Bosenzweig,  auf  dorn  ein  Vogel  sitzt.  Von  Thier- 
darstellungen  ist  besonders  das  Motiv  eines  sitzenden  Adlers 


AUSGRABUNGEN  JN  CYPERN  207 

beliebt.  Aber  auch  Pferde,  Hunde,  Katzen,  [/»wen,  ICbcr,  Fi- 
sebe  wurden  get*iin(len. 

Unter  den  übrigen  (ifjürlicben  Darstellungen  tritt  als  häu- 
figstes Motiv  ein  geflügelLer  Eros  auf,  der  in  der  K.  den  Ko- 
dier, in  der  [..  IM'eile  hallend,  lächelnd  rückwärts  schaut. 

Männliche  und  weibliche  Köpfe  (so  der  behelmten  Athene) 
kommen  mehrfach  vni'.  Durch  gule  Ausführung  zeichnet  sich 
die  (iruppe  zw-eier  geharnischter  Krieger  aus:  der  eine  stürmt 
heran  und  findet  den  anderen  lodt  oder  verwundet  am  IJoden 
liegen.  Eine  andere  Gruppe  ist  interessant  durch  den  darger 
stellten  Gegenstand.  Bechts  vom  Beschauer  steht  Athene  im 
vielialtigen  Peplos.  In  der  Linken  bält  sie  einen  Gegenstand, 
den  man  für  das  Goro;oneion  ansehen  kann.  Die  erhobene 
Rechte  scheint  die  Geissei  zu  schwingen  und  der  vor  ihr  ste- 
henden kleiner  gebildeten  männlichen  Figur  zu  drohen.  Letz- 
lere ist  nackt  und  spielt,  mit  übereinandergeschlagenen  Bei- 
nen dastehend,  ein  Instrument,  wol  die  Flöte.  Vielleicht  dürfen 
wir  Athene  und  Marsyas  erkennen.  Leider  ist  die  Erhaltung 
keine  gute,  die  Lampe  war  in  viele  Stücke  zerbrochen. 

Die  grössere  Lampenform  (bis  zu  30  Cm.  Lange  und  12 
Cm.  H.)  giebt  sich  als  römisch  zu  erkennen.  Während  die  klei- 
nen LajTipen  der  Hegel  nach  aus  grauem,  gelblichem  oder 
röthlichem  Thon  ohne  künstliche  Farbenbeimischung  bestehen 
und  lebhaft  rotligefärbte  Stücke  sebr  selten  gefimden  werden, 
ist  das  Verhältniss  hier  ein  umgekehrtes.  Lebhaft  rothe  Fär- 
bung  ist  die  Kegel.  Die  Nase  erscheint  bedeutend  verlängert 
und  kann  so£;ar  länger  werden,  als  der  runde  Oelbehälter  mit 
welchem  siedurcb  arabeskenartige  Ornamente  verbunden  ist. 
Ebenso  erscheint  die  Handhabe  bedeutend  vergrössert,  diese 
ist  nie  durchbrochen,  von  platter  dreieckiger  Form,  die  Breit- 
seite dem  Lampeninneren  zukehrend  Auf  der  Handhabe  sind 
mit  Vorliebe  Heliefdarstellungen  angebracht,  die  oft  sorgfäl- 
tiger ausgeführt  sind  als  diejenigen  in  der  Mulde  des  Oelbe- 
hälters.  Die  grössere  Form  der  Lampen  wird  viel  seltener  ge- 
funden als  die  zuerst  beschriebene.  Die  Decoration  ist  breiter 
und  massiger.  Auf  dem  Oelbehälter  kommen  Sterne  und  Ei- 


208  AUSGRABUNGEN  IN  CTPEHN 

clienkräiize  am  häufigsten  vor,  auf  der  Handhabe  meist  eine 
Palmelteoder  FHclierblume.  Aii{'(ier  Handhabe  fand  sich  mehr- 
fach die  bekannte  Darstellung  des  Odysseiis,  der  von  einem 
Gefährten  an  den  Mast  des  Schiffes  angebunden  wird,  wäh- 
rend ein  anderer  Gefährte  rudert. 

Inschriften  fand  ich  nur  auf  den  kleineren  Lampen,  theils 
einzelne  Buchstaben,  theils  Namen  der  Fabricanten  ,  z.  B. 
TAIOY  (vgl.  Birch  a.  a.  0.  II  S.  397). 

Nur  erwähnen  will  ich  nachträglich  die  obscönen  Darstel- 
lungen, die  auf  den  kleinen  Lampen  gefunden  werden. 

(Schliiss  Iblgll. 
Larnaka  im  Mai  1881 . 

MAX  OHNEFALSCH-RICHTER. 


o 


Miscellen. 

A  llur  au  s  Sestos. 


Im  Januar  d.  .).  liess  ich  in  dem  hiiitor  dem  Miihlenhügel 
clegeiien  Tscherkessen  viertel  des  eine  starke  halbe  Stunde  von 
den  lUiinen  des  allen  Sestos  (Paläokaslro  von  Ak-Baschj  ent- 
fernten Dorfes  Jalowa  aus  den  Trümmern  eines  dem  Sophta 
Ali  gehörenden  Hauses  einen  uno;.  1,10'"  hohen  lMarmorl)loek 
hervorziehen,  der  sich  alsbald  als  einen  Tlieil  eines  den  sa- 
mothrakischen  Göttern  geweihten  Allars  /u  erkennen  gab.  Ks 
war  ein  oben  mit  Zahnsehnitten,  Kier- und  Perlenslab  ge- 
schmückter, unten  ebenfalls  reich  iJe;'liederler  sorulaltis,  ";e- 
arbeiteter  llundaltar  aus  weissem,  mit  blänlichen  Flecken 
durchsprengtem  Marmor.  Es  ist  von  ihm  elwas  weniger  nis 
die  Hälfte  erhalten  (danach  lässt  sich  der  Dui-chmesser  auf  ung. 
0,60'"  bestimmen)  undzwar  glücklicherweise  die  vordere  Hälfte 
mit  der  sauber  eingemeisselten  Dedikationsinschrift 


YrEPBAZJAEQZFTOAEMAlOYKAJBASlAIX^HZ 

AP5:iNOHZOEaN4)IAOrATOPnä 

KAITOYYOYAYT^NFTOAEMAiiY 

OEOJZTOISENSAMOOPAIKJ    I 

AP  I  ZT A PX H M  I  K  YOO YT EPr A M H N H 

'V-sp  ßxT'./we(j><;  Il-:oXe[/.«tO'j  /.sei  ßiXUt^.iTd'/i; 
'ApTtvo'o;  Osöv  (p','XozxT6o(i)[v 
x,3cl  ToO  'jou  auTwv  nTO*X8ax[io]u 
OcoTi  Toi;  ev  23«ao'5pa/.Lvi 
'ApiTTacpyvi  Mty.uOo'j  llepyjcixvivvi. 

Die  mit  kleinen  Buchstaben  geschriebene  Inschrift  steht  auf 


210  MISGELLEN 

dem  obern  Ende  des  Schaftes  oberhalb  eines  Segments  der  von 
Bnkranlen  mit  Tänien  getragenen  zierlichen  Blaügnirlande  und 
einer  achtblätlrigen  von  jenem  umzogenen  Rosette.  Sie  fällt 
in  die  letzten  Jahre  der  Uegierungszeit  des  Königs  Ptolemaios 

IV  Philopalor,  vor  den  Mord  seiner  Schv^esfer  und  Gemahlin 
Arsinoe  und  vor  den  Regierungsantritt  des  jungen  Ptolemaios 

V  Epiphanes,  nacl)  210  und  vor  205;  da  Arsinoe  wie  es  scheint 
längere  Zeit  vor  ihretn  Geinahle  starb,  darf  man  die  Inschrift 
vermulhungsweise  etwa  in  das  Jahr  208  setzen. 

Es  scheint  die  Annahme  nahe  zu  liegen,  dass  der  Altar  aus 
dem  Bezirk  der  plolemäischen  Bauten  auf  Samothrake  nach 
Jaiowa  verschleppt  sein  niöge ,  denn  bekanntlich  sind  viele 
Marmorstucke  von  der  Insel  fortgeführt,  wie  auch  jetzt  noch 
Sculpturwecke  von  den  Inseln  nach  Smyrna,  den  Dardanellen 
u.  s.  w.  gebracht  zu  werden  pflegen.  Aber  die  Annahme  ist 
zu  verwerfen,  da  der  Inhalt  der  Inschrift  ihr  entschieden  wi- 
derspricht. Aus  der  obigen  Zeitbestimmung  geht  hervor,  dass 
die  Aufstellung  des  Altars  noch  in  die  Zeit  fällt,  zu  welcher 
der  thrakische  Chersones  noch  nicht  aus  dem  ptoleniäischen 
Besitz  in  die  IJand  Philipps  V  von  Makedonien  übergegangen 
war,  was  erst  während  der  Regierungszeit  des  Ptolemaios  Epi- 
phanes erfolgte.  Ferner  führen  die  (grossen)  Götter,  denen  der 
Allar  geweiht  wird,  hier  den  ausdrücklichen  Beinamen  toT;  sv 
2a[/-oOpax.7),  der  in  den  auf  Samothrake  aufgestellten  Monumen- 
ten natürlicherweise  wegbleibt.  Wir  werden  also  in  Sestos  ein 
Heiligthum  der  samothrakischen  Götter  anzunehmen  haben 
wie  solche  auch  anderswo  nachzuweisen  sind  (Untersuchun- 
gen auf  Samothrake  Bd.  II  S.  109).  Vielleicht  ist  das  hochge- 
legene einen  Theil  des  Hellespoutos  überschauende  türkische 
Kloster  (Teke)  von  Ak-Basch  an  die  Stelle  des  Heilis-thums 
der  alten  SchilTahrtsgotlheiten  getreten.  Ich  fand  dort  ausser 
dejn  jüngst  von  HauveUe-Besnauii  pnblicirlen  vor  dem  Wirt- 
schaftsgebäude liegenden  Inschrifbhick  (Bull,  de  corr.  hell.  IV 
(1880)  S.  515;  beginnt  mit  Y2YION.)  ein  Fragnient  eines 
dorischen  Friesslückes,  in  desst'u  Metopen tafeln  abwechselnd 
je  eine  Rosette   und  ein  dreigliedriger  Geüenstand  oder  drei 


MISCELLEN  211 

schfiialc  längliche  Gegenstände  angebracht  waren,  IVir  <lie  ich 
vorläufig  keine  nähere  liezeichnung  wage,  da  nur  die  ohi-ren 
Enden  erhalten  sind.  Ich  glanbe  nicht  dass  man  den  Inschi-irt- 
block  demselben  Rlonumenl  zuschreiben  könnte  wie  das  Fi-ies- 
slück.  Die  übrigen  Marmorreste  des  Teke  sind  nnförmlicher 
Gestalt;  in  den  Mauern  des  byzantinisclien  Schlosses*  fand  ich 
nur  einfache  Quadern,  im  Ijinern  wie  auf  der  namentli(;h  zum 
Meer,  mehr  noch  nach  der  Ebene  abschüssigen  sich  in  einiger 

'  CO 

Entfernung  scharf  abzeichnenden  Buighöhe  des  allen  Sestos, 
auf  deren  Vereinignngspunkt  mit  den  anstossenden  flacheren 
Höhen  die  Sclilossruine  steht,  viele  antike  Vasenscherben,  wel- 
che in  Verein  mit  der  natürlichen  BeschalTenheit  des  Terrains 
den  Beweis  liefern,  dass  hier  wirklich 'die  (nach  Tlieopomp 
und  Xenophon)  feste  Burg  der  alten  sich  unten  mit  dem  gne- 
>.o;  Si7r)^s0pov  zur  noch  jetzt  benutzten  Ilarenbucht  hinziehen- 
den Stadt  stand. 

Dass  eine  Pergamenerin  die  VVeihung  des  Altars  ausführt, 
wird  wohl  aus  persönlichem  Verhältnisse  der  Stifterin  zur 
Ptolemaierdynaslie  erklärt  werden  müssen 2,  auch  die  poli- 
tischen Verhältnisse  stehen  damit  im  Einklang.  Ich  kann 
Aristarche  nicht  für  eine  PriesLerin  halten,  eine  solche  würde 
die  Erwähnune;  ihres  Amtes  schwerlich  unterlassen  haben.  Ein 
Vergleich  mit  der  Milesierin ,  von  welcher  der  kleine  VVeihe- 
bau  auf  Samothrake  herrührt,  würde  wenigstens  dann  nicht 
zutreffen,  wenn  die  in  den  (intersuchnngen  a.  a.  0.  S.  112 
Anm.   1  aufgestellte  Vermuthung  angenommen  würde. 

Als  der  Altar  noch  vollständig  war,  wurde  auf  ihn  die  nach- 


.'  Sein  Nainc  war  Zeiiieuiko;  es  tMhob  hicli  wolil  auf  den  lUiiiion  desju- 
stiniaiiisclien  Baus  und  ist  dostiall)  t)ckanut ,  weil  duicli  sriue  RrulHMung 
die,  Türken  zuerst  festen  Fuss  auf  dem  europäisciien  Festlande  fasslon.  Hin 
Denkmal  ihres  Zuges  nach  Adrianopel,  das  Grab  Suleimans,  v  ird  nueli  jetzt 
in  Plagiari  <Bulair)  verehrt  und  stützt  wie  die  Gräber  von  Gallipoli  die  Tra- 
dition über  jene  gloneiclien  Zeiten   i Hammer  Gesell,  d.  osm.  R.  I  149). 

-  Analoge  Insehriften  ('.  /.  Cr.  111  4703  b  und  c.  4859.  4893  ida/.u  Lelronne 
Rfilinrlips  puur  sermr  ä  Ihislniro  de  lligi/fiic  ?.  34t  fg.,  480).  4897.  4897/;. 
4898.  1899,  4979.  5073.  Vgl.  die  amorginischen  Basen  der  Arsinoe  Phila- 
delphus  Mjllh.  l  336. 


212 


MISCELLEN 


folgende  zweite  weit  jüngere  Inschrift  in  viel  grösseren  ecki- 
gen Buchstaben  mit  theilweiser  Zerstörung  des  Guirlanden- 
sclimucks*  eingetragen;  rechts  von  der  altern  stehend  reicht 
sie  mit  den  beiden  ersten  Zeilen  in  diese  hinein  und  erstreckt 
sich  über  die  ganze  l^änge  des  Schaftes.  Später  wurde  der 
Marmor  so  gespalten,  dass  von  der  Jüngern  Inschrift  nur  die 
linke  Hälfte  erhallen  geblieben  ist.  Die  letzten  Zeilen  zeigen, 
dass  auch  diese  Inschrift  an  einem  Orte  am  Ilellespont,  also 
gewiss  Sestos  selbst,  eingetragen  wurde. 

OIEYCEBEETATO 
AECnOTAIHM  WN 

smäm/KM  ^  c  E 

^  '^  -wiiiimmmiiii^  ^  r 

EKTHCAnAITHO 
nPONOIATHNAY 
TOYIEPATIKOYA 
THATINTATHOE- 
ETA0M1C0ENTAAC 
OrAOHKONTA 
TPlNNEnilOYA 
EH  MOT ATOYHTO^ 
frei  C  n  O  N  T  C 


INachträge  zum  ersten  Dekret  aus  Lampsakos. 

Der  Liebenswürdigkeit  Th.Mommsens  verdanke  ich,  beson- 
ders die  im  Dekret  vorkommenden  Aemter  betreffend,  folgende 
fielehrungen,  die  ich  mich  beeile  im  Wortlaut  seines  Briefes 
zur  Berichtigung  und  Ergänzung  meiner  Miltheilungen  aus 
Kleinasien  (s.  oben  S.  96  IT.)  hier  zu  wiederholen. 


■  Die  ecl<igca  Foniien  siiut  aucli  lipiin  0  0  (inil  (liirclilaufendera  Qucr- 
slricli)  an^pwandt;  der  ersli;  Biielislalic  ist  ein  niiidüs  O. 


MISGELLEN  213 

«Der  Flottenführer,  Her  I  Z.  17  vorkoniiiil  und  der  olme 
Zweifel  L.  Flamin  in  us  ist,  erscheint  in  dieser  Urkunde  nicht 
Avie  bei  Livius  als  I.cyal  seines  IJrnders  (XXXIII  17  2,  XXXIV 
50,  XXXV  10)  und  proefeclus  classis  (Liv.  XXXIV  r)0),  son- 
dern als  6  (TTpscTYiybi;  6  izl  twv  vxutixwv,  (I.  h.  als  llotlenfüh- 
render  Praetor,  Das  ist  auch  in  der  Ordnung:  er  war  in»  .). 
19*^)  praetor  iirhamis  (Liv.  XXXil  l)  und  es  verlängerte  ihm 
dann  der  Senat  l'ür  das  folgende  Jahr,  in  dem  sein  Bi-uder 
Consul  war,  und  weiter  das  Amt  unter  Verlausehung  der  (>um- 
pelenz  (Liv.  XXXil  U) :  cid  classis  cura  marilimaeque  orae  iin- 
perium  mavdalum  ab  senatu  eval,  vgl.  XXXII  28;  Flularch  Fla- 
min. 3),  während  wenn  er  bloss  Legat  gewesen  wäre  der  Se- 
nat ihm  diese  Competenz  nicht  verleihen  konnte.  Fs  ist  also 
ein  Fall  ganz  wie  der  des  Cn.  Oetavius  549  fg.,  den  ich  im 
Staatsrecht  11  S.  205  A.  1  besprochen  habe;  und  es  ist  das 
nicht  unwichtig.  Das  Flottencommando  ist  in  dieser  Zeit  schwer- 
lich vom  Oberfeldherrn  an  einen  blossen  Legaten  gegeben  wor- 
den. —  Dass  unsere  Urkunde,  die  nachdem  griechischen  Sprach- 
gebrauche dieser  Zeit  den  pro  consule  als  uTpccT-ziyo;  u-xto?, 
auch  den  pro  praelore  'jTpxTYiycx;  nennt  ist  in  der  Ordnung. 

Der  Flottenführer,  mag  er  nun  Legat  sein  oder  praetor  oder 
propraetore,  hat  nach  römischem  Gebrauche  keinen  Quaeslor, 
der  ihn  gelegentlich  vertreten  kann.  Vielmehr  ist  der  rajxiz; 
eTcl  ToO  vxuTiy.oO  der  (hier  zum  ersten  Male  auf  einer  Urkunde 
begegnende)  quaestor  classicus ,  über  den  ich  im  Staatsrecht  li 
556  fg.  gesprochen  habe.  Diese  residirten  in  Italien,  und  da 
die  Gesandten  aus  dem  Osten  zunächst  nach  Massalia  gingen, 
ist  es  ganz  in  der  Ordnung,  dass  sie  mit  einem  derselben, 
etwa  in  dem  italischen  Hafen,  von  wo  sie  sich  nach  Gallien 
einschifften,  zusammenkamen.  Da  der  Titel  bisher  nur  auf  Ly- 
dus  Autorität  stand  so  ist  es  wertlivoll  ihn  also  bestätigt  zu 
finden  und  jetzt  in  sichererer  Weise  die  über  dessen  Erklärung 
aufgestellten  falschen  Hypothesen  abweisen  zu  können. 

Wie  Schade  dass  wir  nicht  den  Bescheid  erfahren,  den  Fla- 
mininus  den  Gesandten  gab!  Man  hätte  so  gern  gewusst  wie 
sich  die  Römer  zu  dem  casus  6e///mitAntiochos  gestellt  haben.» 


214  MISGELLEN 

Mommsen  macht  mich  ferner  darauf  aufmerksam  dass  11 
Z.  28  nicht  'Atix  liinein  gesetzt  werden  durfte,  da  diese  Com- 
mission  die  Angelegenheiten  von  Hellas  ordnete,  ich  schlage 
darum  tou;  e[xi  tqv 'EX).x|5o;  Trpxyp.aTtdlv  vor ;  endlich  erinnert 
M.  daran,  dass  in  Betreff  der  Tolisloagier  noch  iiatte  erwähnt 
vserden  können,  dass  in  derAhgrenzung  derßi'andschalzungs- 
gebiete  Lampsakos  diesem  Galaterstamm  zugefallen  sein  möge 
(Liv.  XXXVIII  16,  dessen  Worte  indessen  lauten:  Trocmis 
Hpllesponti  ora  data,  Tniistohoii  Aeolida  atque  loniam,  Tectosages 
medilerranea  Asiae  sorlili  sunt).  Ich  füge  noch  hinzu,  dass  die 
Form  ToTiiTToxyiot  in  der  Peyssonelschen  Inschrift  vom  perga- 
menischen  Schlachtenmonurnent  nicht  A'on  Böckh  in  die  uns 
bisher  geläufige  ToXKJToSwyiot  verändert  werden  durfte.  Ferner 
ist  in  I  Z.  18  Aou/,icp  statt  Asu/.icp  stehen  geblieben  und  muss 
ebd.  Z.  12  H.  Anf.  die  schräge  llasla  als  unsicher  bezeichnet 
und  y.vrl  TO'j  £cop.6c[a.'70jccL  ^(^eipoTovlviOel;  gelesen  werden. 

H.  G.  LOLLING. 


—  ft-<gS>-»ft .- 


Silzun^snrotocolle. 


n 


Sitzung  am  9.  December  1880:  Kochlcr,  iiluM' die  pergaine- 
nlschen  Funde. 

Sitzung  am  22.  Decembcr:  Kochlcr,  über  InscIiriCLcii  aus 
Alben  (s.  Mitlii.  V' S.  317  fl'.).  —  A'.  iMngc,  über  die  letzten 
Ergebnisse  der  Ausgrabungen  in  OI}'mpia.  —  KocJiler,  über  al- 
tische Silbermünzen  aus  der  Zeit  des  Überganges  zürn  neuen 
Slil. 

Sitzung  am  5len  Januar  1881:  Lange,  über  die  neugcfun- 
dene  Slalnette  der  Älliena  Parthenos  (s.  Taf.  I.  II).  —  Kahha- 
dias,  über  einen  auf'Kylhnos  gefundenen  Kopf  der  Apbrndiie. 

Sitzung  am  19.  Januar:  Kochlcr,  über  die  neusten  Ergeb- 
nisse der  Ausgrabungen  in  Pergamon.  —  Oberg ,  über  einige 
in  Pergamon  gefundene  Skulpturen.  —  Jernsledt,  über  die  in 
Sebastopol  gefundene  Inscbrifl  desDiopbanlos. 

Sitzung  am  3.  Februar:  Schiitmann,  über  die  Ausgrabung- 
in Orchomenos.  —  Lange,   über  den  Typus  der  Athena  Pro- 
macbos. 

Sitzung  am  16.  Februar :  Kochler,  über  literarische  Zustände 
in  Athen.  —  Lange,  iiber  die  Entstehung  der  jonischen  Bau- 
formen. 

Sitzung  am  2  März:  Treu,  über  das  Schalzhaus  der  Megareer 
in  Olympia  und  die  Skulpturen  des  Zeuslempels.  —  S/jyr.  Lam- 
bros,  über  mittelalterliche  Nachrichten  über  alte  Monumente. 

—  Lolling ,  über  die  Lage  von  Aigospolamoi. 

Sitzung  am  IG  März:  Koehler,  über  den  Stand  der  altischen 
Marine  zur  Zeit  des  Bundesgenossenkrieges  (s.  oben  S.  21  IT.). 

—  Lolling,  über  die  topographischen  Entdeckungen  des  Herrn 
Weber  auf  dem  Sipylos.  —  Lange,  legt  die  Photographie  eines 
Kopfes  des  Sarapis  aus  Smyrna  vor. 

Sitzung  am  30.  März:  Docrpfeld ,  die  Ergebnisse  der  Aus- 
grabungen in  Olympia  im  vergangenen  Jahre. —  Purgold,  über 


216  ERNENNUNGEN 

die  in  Olympia  gefundene  Inschrift  des  Deinoslhenes. —  Treu, 
über  olympische  Skulpturen  (Hermes  des  Pi'axiteles,  Kopf  der 
Aphrodite). 

Sil/Aing  am  13.  April:  Doerpfeld,  über  das  Schatzhaus  der 
Sikyonierin  Olympia.  —  Purgold,  über  die  Inschrift  des  Schatz- 
hauses der  Sikyonier. — Latischew,üher  den  Cult  des  Ammon 
in  Athen.  —  Doerpfeld ,  über  die  innere  Disposition  des  Par- 
thenon.—  Borrmann,  Bemerkungen  über  das  Erechtheion. 

Sitzung  am  27.  April:  Koehler,  legt  Photographien  olym- 
pischer und  athenischer  Sculpturen  vor  (Geschenlv  der  Her- 
ren Rhomaides).  —  Derselbe,  legt  die  Schrift  von  Reinh.  Ke- 
kule,  Über  den  Kopf  des  Praxitelischen  Hermes,  vor. —  Der- 
selbe, über  eine  Serie  attischer  Bronzemünzen  (a.  unten).  —  Lol- 
ling ,  über  eine  Weihinschrift  an  die  samothrakischen  Götter 
(s.  oben  S.  207).  —  Koehler,  Photographie  eines  Reliefs  aus 
Smyrna  den  Streit  des  Poseidon  und  der  Athena  darstellend 
(s.  unten). 

Ernennunojen. 

Unter  dem  21sten  April  1881  sind  zu  ordentlichen  Mitglie- 
dern des  archäologischen  Institutes  u.  A.  die  Herren  -loh.  Pan- 
tazidis,  Professor  an  {\qv  Itniversität  in  Athen;  Ch.  Tissot, 
Botschafter  der  französischen  Republik  in  Koostantinopel ; 
R.  Weil  in  IJerlin  ;  zu  (Korrespondenten  die  Herren  B.  f.a- 
tischewausWilna  und  V,  Jernsted  t  ausSt.  Petersburg,  beide 
zur  Z.  in  Athen;  K.  Lange  aus  f.eipzig,  z.  Z.  in  Athen;  Li- 
mnios  inArtake;  Borrmann  und  Dörpfeld  aus  Berlin 
ernannt  worden.. 

Herr  H.  G.  Lolling  wurde  zum  Bibliothekar  beim  Institut 
in  Athen  ernannt. 


[Juni  1881.) 


Mittbeilungen  aus  Kleinasien. 
11    Aus  dem  Tlinl  des   Khodios. 

Dürfte  man  ,11.  XII  19  das  ocXx^e  Trpopeouffiv  ^vö^llich  neh- 
men, so  könnte  die  Vermnthnng  des  Demeirios  von  Skepsis 
(bei  Strabon  G03),  wonach  der  Rhodios  in  den  Ainios,  sowie 
die  danebensleiiende  im  Grunde  wohl  dasselbe  sagende  Be- 
hauptung (Str.  595),  dass  er  in  den  Aisepos  mündete,  un- 
berücksichtigt bleiben.  Indessen  wäre  es  wegen  der  Zusam- 
menstellung mit  llhesos,  Heptaporos  (Polyporos)  und  Karesos 
nicht  gerathen,  die  Meinung  des  Lokalforschers  kurzerhand 
abzuweisen,  wenn  dieselbe  sich  auch  wohl  nicht  auf  Tradition 
stützte,  wodurch  jedes  Schwanken  ausgeschlossen  gewesen 
wäre. 

Der  Ansicht  des  Skepsiers  gegenüber  steht  die,  als  deren 
Vertreter  Strabon  (595)  bezeichnet  werden  kann,  obgleich 
derselbe  hiermit  nicht  allein  dasteht  und  vielmebr  nur  die 
allmählich  geltend  gewordene  Ansicht  ausspricht.  Nach  der- 
selben galt  das  aus  mehreren  Quell bächen  des  idiiischen  Ge- 
birges entstandene  und  bei  Tschanakkalesi  (neugr.  Dardanel- 
lia)^dem  Kynossema  gegenüber  mündende  Dardanellenflüss- 
chen,  das  im  Alterthum  zunächst  zu  Dardanos  gehörte,  für 
den  homerischen  [Ihodios.  Offenbar  liegt  auch  hier  einer  der 
häufigen  Fälle  vor,  in  denen  man  die  durch  die  epische  Na- 
lionaldichtung  bekannt  und  berühmt  gewordenen  Namen  mit 
mehr  oder  weniger  Willkür  und  Wahrscheinlichkeit  zuerst 
aus  Eitelkeit  an  bestimmte  Oertlichkeiten  knüpfte,  um  diesen 
so  ein  alloemeineres  Interesse  zuzuwenden.  Bekanntlich  hat 
dann  dies  Streben  namentlich  in  römischer  Zeit  auch  politische 
Früchte  getragen. 

Strabon  erklärt  sich  aufs  Bestimmteste  für  den  Fluss  7wi- 

MIT'ril.D.  A.RGH.INST.VI.  10 


218  MITTHEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN 

sehen  Abydos  und  Dardanos  und  führt  nur  nebenbei  die  ab- 
weichende Ansicht  an.  Es  unterliegt  also  keinem  Zweifel, 
dass  der  Fluss  zu  seiner  Zeit  den  homerischen  Namen  trug. 
Seit  wann  dies  der  Fall  war  können  wir  nicht  mehr  nachwei- 
sen; dass  Demelrios  von  Skepsis  den  Namen  auf  ein  \on  den 
Ostabhängen  des  Gebirges  herabströmendes  Flüsschen  über- 
trug hindert  nicht  vorauszusetzen,  dass  der  dardanische  Fluss 
schon  vor  ihm  mit  demselben  Namen  getauft  war.  Leider  ist 
die  einzige  Steile  bei  Thukydides,  die  von  diesem  Flusse  spricht 
{VIII  106),  handschriftlich  unsicher  und  von  den  überlieferten 
Lesarten  ist  vielleicht  auch  die  besser  bezeugte,  die  ihn  Mei- 
§10?  nennt,  ein  alter  Irrthum.  Es  scheint  mir  durchaus  mög- 
lich, dass  schon  zu  Thukydides  Zeit  der  Fluss  den  homerischen 
Namen  Rhodios  trug'^.  Andere  ältere  Schriflsteller  erwähnen 
den  Fhiss  nicht  und  in  der  ersten  Kaiserzeit  konnte  Plinius 
{?iat.  hist.  XXX  33)  nach  Nennung  der  trojanischen  Flüsse 
und  vor  der  Erwähnung  des  Granikos  schreiben:  ceteri  Ho- 
mero  cdebrati,  Rhesus,  HeptaporuSj  Caresus,  Rhodiits  vestigia 
non  habent. 

Ein  e;änz  bestimmtes  Zeucniss  dafür  dass  die  Bewohner  von 


'  An  den  Bach,  der  sicli  beim  Dardanoskap  im  Sand  verliert,  wird  man 
nicht  denken  können,  da  dieser  kaum  als  Fluss  bezeichnet  werden  könnte 
sowie  namentlich  auch  aus  dem  Grunde,  weil  Thukydides  in  der  Schilde- 
rung der  Vorgänge  bei  Kynossema,  soweit  es  sich  nur  ura  allgemeine  Bestim- 
mungen handelt,  durchgehend«  und  hier  besonders  den  natürlichen  Verhält- 
ziisscn  entsprechend  die.Küsteavorsprünge  anführt,  im  vorliegenden  Falle 
also  sicher  das  gewiss  bekannlere  Dardanoskap  oder  wie  vorher  (104)  kuri- 
weg  Dardanos  statt  des  Kaps  genannt  hätte.  Nur  wo  grössere  Genauigkeit 
erforderlich  schien  ncnnlcrKüstenpunkte  wie  Idakos  und  Arriana  ( 104 ;  etwa 
Soghan-Dere  und  Chavusia  entsprechend),  so  auch  an  unserer  Stelle  die 
Mündung  des  MsiSio?.  Dass  er  nicht  auch  hier  einen  Küstcnvorsprung 
namhaft  macht,  dient  zur  Bestätigung  der  auch  sonst  hinlänglich  festste- 
henden Thatsache ,  dass  Tschanakkalesi  ganz  auf  angeschwemmtem  Müü- 
dungsiand  des  Flusses  steht,  während  im  AUerthura  die  Küste  von  der  Süd- 
westecke des  ahydenischen  Küstenplateaus  (Vorgeb.  Trapeza  bei  Medjitife- 
Batterie)  bis  zum  Dardanoskap  eine  kaum  merklich  unterbrochene  Bogen- 
Sinie  beschrieb.  —  Ausser  der  Küstenspitze  Dardanis  oder  Dardanion  führt 
Slrahon  (590)  bei  Dardanos  noch  die  Landspilze  Gy gas  an,  die  wohl  eher 
ein  Theii  der  ersteren  als  mit  ihr  identisch  ist, 


MITTHEILÜNGEN  AUS  KLEINASIEN  219 

Dardanos  den  Ilauplfluss  ihres  Gebietes  Rliodios  nannten  er- 
hallen wir  erst  aus  späterer  Zeit,  nämlich  durch  die  unter 
lulia  Domna  geschlagenen  Münzen  der  Stadt,  welche  den 
Flussgott  Rhodios  mit  Urne  und  Schilfrohr  darstellen.  Es 
spricht  hier  wenigstens  die  grössere  Wahrscheinlichkeit  dafiir, 
dass  nicht  der  kurze  seichte  Wasserarm  von  Kalabakli  in 
grösserer  iN'ähe  der  Maltepe  genannten  lluinenstätte  von  Dar- 
danos sondern  der  einzige  wirkliche  bei  der  Dardanellenenge 
mündende  Fluss  gemeint  ist*. 

Das  Gesagte  reicht  hin,  die  Ansicht  derjenigen  Geographen 
zu  rechtfertigen,  welche  dem  Dardaneilenfluss  den  Namen 
Rhodios  vindiciren.  Das  von  ihm  durchflossene  Thal,  welches 
grösstentheils  zu  Abydos,  zum  Theil  und  zeilweise  zu  Darda- 
nos gehörte,  wird  im  Hintergrunde  durch  eine  niedrige  mehr- 
stenlheils  kahle  Hügelkette  begrenzt,  an  deren  Nordfuss  sich 
bei  kurzen  wasserreichen  Bächen  und  Quellen  kleine  türkische 
Dörfer  befinden,  die  in  Moscheen  und  namentlich  auf  den 
langgezogenen  Friedhöfen  zahlreiche  Marmorplatlen,  glatte 
und  cannelirle  Säulen  von  meist  kleinem  Durchmesser  und 
andere  Uberreste  des  Alterthums  enthalten;  manche  dersel- 
ben sind  offenbar  aus  byzantinischen  Bauten  übernomn)en 
worden,  Marmor-und  gewöhnliche  Kalksteinplatten  stammen 
zum  Theil  aus  Gräbern,  die  etwa  in  der  Mitte  der  Ebene  zwi- 
schen dem  Meer  und  jenen  Dörfern  von  Zeit  zu  Zeit  geöffnet 
werden  und  unbedeutende  Thon- und  Glaswaaren  zu  enthal- 
ten pflegen. 

Die  Rhodiosebene,  meist  fruchtbares  wohlbebaules  I.and, 
wird  nach  Nord  und  Süd  durch  sich  zum  Hellespont  erstre- 
ckende Ausläufer  der  Vorhöhen  des  idäischen  Gebirgszugs  be- 
grenzt; die  am  W^eiteslen  nach  West  vorgeschobene  langge- 
streckte Plateauhöhe  beim  Kap  Nagara  trug  die  Obersladt  des 


*  An  und  für  sich  ist  die  Notiz  bei  Hesych  (vgl.  Phavoiin)  u.  d.  W.  'P<5- 
8105  und  bei  Eustatbios  zur  angefübrlcn  Honierstelle,  dass  der  Fluss  später 
Dardanos  gebcissen  habe  von  zweifelhaftem  Werlh,  aber  auch  sie  verknüpft 
beide  Namen  aufs  Engsle.  Auch  hier  wird  nicht  an  den  andern  Wasserlauf 
gedacht  -wc-den  können. 


220  MITTHEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN 

alten  durch  Sagen  berühmten^  durch  die  Geschichte  bekann- 
ten Abydos,  bei  dem  sich  iin  Allerthum  der  Canal  am  Mei- 
sten verengte;  die  letzte  Plateauerhebung  der  südlichen  Aus- 
läufer, ebenfalls  durch  einen  flachen  wenig  über  dem  Meere 
erliobenen  Küstenvorsprung  (mit  dem  Kepes-ßurun  oder  Kap 
Barbieri)  vom  Hellespont  getrennt,  wird  Mallepe  genannt  und 
bezeichnet  durch  ihre  überaus  spärlichen  fast  nur  in  Vasen- 
scherben, Münzen  und  Gräbern  bestehenden  Überreste  die 
Stelle  des  alten  Dardanos.  Eine  kleine  scharf  geformte  jetzt 
eine  türkische  Schanze  tragende  Hügelkuppe,  die  mit  der  ei- 
gentlichen Stadthöhe  von  Abydos  zusammenhängt  und  uner- 
steiglich  steil  über  dem  Nagaravorsprung  emporragt*,  bildet 
mit  der  leise  gesenkten  trapezförmig  erscheinenden  Burghöhe 
von  Dardanos  die  beiden  sofort  in  die  Augen  springenden 
•Endpunkte  der  Küstenlinie  des  Dardanellenthales. 

Dem  Dardanos  benachbarten  Südlheil  der  kleinen  Ebene, 
welcher  nach  einer  versiegten  Quelle,  Kuru-Tschesme,  be- 
nannt wird,  entlang  erstreckt  sich  von  dem  Kepes-Burun  bis 
zum  Dardanellenslädtchen  die  beste  Bucht  der  ganzen  Meer- 
strasse; in  ihr,  der  Sari-Siglar  ßucht_,  sammeln  sich  bei  dro- 
hendem Sturm  oft  zahlreiche  Schiffe,  von  denen  die  kleineren 
nur  bei  c;ünsti2;er  Witterung;  den  Einsano;  der  Meerenge  durch- 
segeln  können ;  die  gewöhnliche  Station  ist  bekanntlich  nörd- 
lieh  von  Tschanakkalcsi,  In  der  Sarisiglarbucht  sammelten 
sich  nach  dem  unglücklichen  Ausgang  des  KynossematrePfens 
auch  die  sparlanischen  Schiffe,  um  dann  später  nach  Abydos 
vor  Anker  zu  oelien. 

Der  nördliche  Tlieil  der  Ebene,  der  von  dem  Flusse  (j.  Sa- 
rilschai)  durchströmt  wird,  zieht  sich  nach  Westen  an  den 
Hütten  von  Kuschuuli  vorbei  und  dem  hochgelegenen  durch 
eine  hübsche  auf  einer  Anhöhe  stehende  Baumgruppe  ins  Auge 
fallenden  Kemal  gegenüber  allmählich  enger  werdend  in  das 
enge  Seitenthal  hinein,  aus  dem  der  Fluss,  hier  im  Sommer 
ein  schmaler  Streifen  in  weitem  Bette,  in  die  Ebene  eintritt. 
Hier  liegt  beim  linken  Ufer  des  Flusses  das  zum  nahen  Sa- 
radschik  gehörende  Teke^  ein  türkisches  Mönchskloster,  in 


MITTIIEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN  221 

dessen  Garten  sich  die  weiter  unten  besprochene  Marmorplatle 
befindet.  Weiter  llnssaufwürts  liegt  iiber  dem  reclitcn  Ufer  die 
malerische  Burgruine  Giaur-Hissar,,  welche  den  Eingang  der 
Ebene  beherrscht. 

Nach  diesen  allgemeinen  Bemerkungen  wende  ich  mich 
zu  den  wenigen  Überresten  des  Alterthums,  die  ich  im  Beginn 
dieses  Jahres  im  Rhodiosthal  vorfand. 


1.  Die  Lage  von  Kremaste. 

Durch  die  letzten  Kapitel  des  Tliiikydides,  in  denen  die  den 
athenischen  Muth  nocli  einmal  entllammende  Seeschlacht  bei 
Kvnossema  ijeschildert  wird,  erhalten  wir  manchen  treffenden 
Anhalt  für  die  Namengebung  des  vor  der  Küstenlinie  Abydos- 
Dardanos  einer- und  d(-r  Umgegend  von  Kynosserna  anderer- 
seits liegenden  Abschnitts  des  inneren,  eigentlichen  Hellespon- 
tes, dessen  iXame  auch  im  Alterthum  schon  weiter  nordwärts 
ausgedehnt  wurde.  Aehnlicherweise  gibt  uns  Xenophons  [Hell. 
IV  8  35-39)  Schilderung  der  glücklichen  Überrumpelung  des 
Anaxibios  durch  Iphikrates  (i.  J.  388)  von  genauer  Ortskennt- 
niss  zeugende  und  darum  an  Ort  und  Stelle  leicht  verstand- 
liehe  Angaben  über  die  Gegend,  aus  welcher  der  wenn  auch 
beschw^erliclie  so  doch  für  grössere  HeeresabtJieilungen  noch 
passirbare  Weg  von  Antandros  am  adramyttischen  Golf  und 
den  Schluchten  des  Idagebirges  ins  Gebiet  der  Stadt  Abydos 
führte.  Die  Vergleichung  dieser  Schilderung  mit  der  Oertlich- 
keit  lässt  es  kaum  bezweifeln,  dass  das  von  Xenophon  kurz 
erwähnte  Kremaste  etwa  dort  zu  suchen  sei  wo  wir  jetzt  die 
Ruinenstätte  von  Giaur-Hissar  finden.  Die  der  alten  Bezeich- 
nung entsprechende  singulare  läge  derselben  sowie  die  dort 
von  mir  aufgefundenen  antiken  Überreste  bieten  für  diese 
Ansetzunü,  die  erwünschte  Bestäti^un». 

Von  Abydos,  welches  seit  dem  peloponnesischen  Kriege  den 
Spartanern  als  Station  am  Hellespont  diente,  war  der  dort 
als  Harmost  befehlende  Anaxibios  mit  seinen  lakonischen  und 
den  Soldtnippen  sowie  mit  200  A])ydenern  nacli  dem  wegen 


222  MITTHEILUNGEN  AUS  KLEINÄSIEN 

seiner  Werften  werthvollen  Antandros  gezogen  und  hatte 
dorthin  eine  Besatzung  gelegt.  Iphikrates  legte  dem  auf  den 
beschwerlichen:  Bergvvesjen  des  Idao;ebira;es  nach  Abvdos  zu- 

■  O  C  DO  j 

rückkehrenden  von  noch  andern  begleiteten  Harmosten  einen 
Hinterhalt.  Vom  Chersones  kommend  durchzog  er  auf  einem 
längeren  Wege  den  entlegeneren  Theil  des  abydenischen  Ge- 
biets und  wandte  sieh,  während  seine  Schiffe  an  Abj'dos  vor- 
bei in  der  Ilichtung  nach  Prokonnesos  fuhren,  wieder  den 
Bergen  und  zwar  dem  Distrikt  zu,  aus  dem  der  Bergweg  von 
Antandros  ins  Abydenische  eintritt.  Hiernach  können  wir  aufs 
Bestimmteste  behaupten,  dass  Iphikrates  abseits  von  Abvdos 
in  der  Sarisiglarbucht  landete,  das  Rhodioslhal  durchzog  und 
bei  Giaur-Hissar  ins  Gebirge  eindrang.  Er  blieb  aber  in  der 
Nähe  der  Ebene,  wie  der  Verlauf  der  Unternehmung  zeigt. 

Im  Heere  des  Anax.ibios  bildeten  die  ortskundigen  Abyde- 
ner  die  Vorhut.  Es  durchzog  ein  Hochplateau,  von  dem  man 
in  langen,  schmalen  Colonnen  zu  der  Ebene  bei  Kremasle 
hinabstieg.  Die  Abydener  waren  bereits  in  dieser  angelangt 
und  das  Hauptcorps  folgte,  auf  abschüssigem  Terrain  hinun- 
tersteigend, als  Iphikrates  im  Laufschritt  von  den  Seitenhöhen 
herunterstürmte.  An  ein  geregeltes  Gefecht  war  nicht  zu  den- 
ken, Anaxibios  mit  wenigen  Getreuen  leistete  Widerstand  und 
fiel,  die  übrigen  eilten  den  Abydenern  nach  und  der  Stadt 
zu,  wobei  noch  viele  den  Tod  fanden,  da  die  Athener  sie  bis 
zur  wie  es  scheint  nicht  mehr  weit  entfernten  Stadt  verfolgten. 

Eine  genaue  Angabe  wo  Kremaste  gelegen  giebt  Xenophon 
nicht,  doch  setzt  er  hinzu,  dass  sich  dort  Goldbergwerke  be- 
fanden. Eben  dieselben  erwähnt  Strabon  (591)  als  ehemali- 
gen Besitz  der  Stadt  Astyra,  die  zu  seiner  Zeit  zerstört  und 
mit  ihrem  Gebiet  den  angrenzenden  Abydenern  zugefallen 
war;  es  wird  gesagt  dass  Astyra  über  dem  Gebiet  von  Aby* 
dos,  d.  h.  von  ihm  aus  bergein wärts  gelegen  habe.  In  eben 
diesen  Bergen  hat  man  in  neuster  Zeit  alte  Gruben  entdeckt 
und  wieder  auszubeuten  begonnen.  Auch  die  Reihenfolge  bei 
Strabon  (590  fg.),  der  Astyra  nach  Lampsakos,  Perkote,  Arisbe 
und  Abydos  und  vor  den  mit  Dardanos  beginnenden  kleinen 


MITTHEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN  323 

Ortschaften  vor  llion  aufTülirt,  fülirt  uns  wieder  in  die  Gegend 
um  den  oberen  Lauf  des  llhodios.  Dass  dieser  bei  Xenophon 
nicht  selbst  genannt  ist  darf  nicht  aulTallen,  da  es  einerseits 
nicht  fest  steht^  ob  auch  der  obere  Lauf  damals  schon  den 
homerischen  Namen  getragen  hat,  und  andererseits  die  Er- 
wähnung von  Kremasle  ausreichte.  Wenn  der  Fliiss  indessen 
hinderlich  oder  förderlich  in  den  Verlauf  der  Unternehmung 
des  Iphikrates  eingegriffen  hätte  wäre  seine  Erwähnung  wohl 
nicht  unterblieben.  Die  oben  beschriebene  Natur  des  Flusses 
in  seinetn  Lauf  zwischen  den  Bergen  von  Giaur-Uissar  erklärt 
das  Schweigen  genügend;  auch  bei  der  Schilderung  des  Zugs 
durch  sein  unteres  Gebiet  ist  ernicht  erwähnt,  obgleich  Iphi- 
krates ihn  nach  seiner  Landung  in  der  Sarisiglarbucht  über- 
schritten haben  muss. 

Es  ist  oben  bemerkt  worden,  dass  der  Hinterhalt  des  Iphi- 
krates nicht  sehr  weit  von  der  Stadt  Abydos  gelegt  worden 
sei.  Zu  dieser  Ansicht  führt  die  Angabe,  das  die  ganze  Unter- 
nehmuns;  in  einer  Nacht  vorbereitet  und  ausgeführt  wurde. 
Die  Landung  erfolgte  natürlich  in  später  Stunde,  um  den  Be- 
obachtungsposten der  Abydener  unbemerkt  zu  bleiben.  Lan- 
dung, Ausschiffung,  der  vorsichtige  Marsch  durch  die  Ebene, 
das  Ersteigen  der  Höhen  von  Kremaste  musste  noch  geraume 
Zeit  vor  Tagesanbruch  vollendet  sein;  Xenophon  sagt  dass 
Anaxibios  sorglos  seines  Weges  zog,  da  er  nicht  bloss  durch 
befreundetes  Gebiet  zog,  sondern  auch  von  den  des  Weges 
ziehenden  Wanderern  {es  sind  natürlich  solche  gemeint,  die 
von  Abydos  kamen)  hörte,  dass  Iphikrates  Flotte  die  Meerenge 
aufwärts  gefahren  sei,  während  keiner  von  dem  nächtlichen 
Zuge  zu  berichten  wusste. 

Auch  für  den,  der  die  Lokalität  nicht  gesehen  hat,  genügt 
ein  Hinweis  auf  die  genaueren  Karten,  um  die  Überzeugung 
zu  gewinnen,  dass  der  Weg  von  Abydos  nach  Antandros  zu- 
nächst ins  obere  Thal  des  Rhodios,  dann  über  die  nördliche 
Bergkette  ins  obere  Skamandrosthal,  ferner  über  den  süd- 
licheren Theil  des  Idagebirges  meerabwärts  führte.  Es  ist  dies 
die  nächste,  wenn  auch  nicht  bequemste  Verbindung;  Xeno- 


224  MITTHEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN 

plions  Zug  nach  der  Rückkehr  aus  Persien  gin^^  z.  B.  weiter 
westlich  üher  die  Bergzüge.  Etwa  zwei  Stunden  hing  von  Aby- 
dos  ans  gerechnet  bleibt  der  Weg  auf  fast  ebenem  Terrain  , 
erst  dort  beginnt  die  Steigung,  wo  man  das  obere  Flussthal 
des  Rliodios  verlässt. 

Hiernach  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dassden  Ana- 
xibios  sein  Weg  unter  der  Biirghölie  von  Giaur-Hissar  vorbei 
führte,  und  ebensowenig,  dass  Iphikrates  sich  auf  den  Höhen 
sei  es  rechts  oder  links  von  dem  eben  erwähnten  oberen  Fluss- 
thal in  den  Hinterhalt  legte.  Dass  wir  von  diesen  beiden  Mög- 
lichkeiten uns  für  die  erstere  zu  entscheiden  haben  macht 
nun  nicht  Woss  die  reichere  also  zweckdienlichere  Mannig- 
faltigkeit des  Bergterrains  auf  dieser  Seite,  sondern  besonders 
die  unwillkürlich  an  den  Namen  Rremaste  erinnernde  eigen- 
thümliche  I,age  der  wohl  noch  aus  der  byzantinischen  Zeil 
stammenden  Burgruine  mit  antiken  Resten  höchst  wahr- 
scheinlich. 

Giaur-Hissar  ist  von  Tschanakkalessi  etwa  1  2/4  Stunden 
entfernt,  der  Weg  nach  Abydos  mag  etwas  kürzer  sein.  Der 
Weg  von  letzterer  Stadt  führt  iiber  welliges  Hügelland,  der 
andere  von  der  Rhodiosmündung  durch  ganz  ebenes  Terrain, 
die  letzte  grössere  Strecke  in  der  Nähe  des  r.  Flussufers  hin 
bis  zu  der  öfters  erwähnten  Enge,  aus  welcher  der  Fluss  in 
die  Ebene  einlTitt.  Von  hier  aus  breitet  sich  zwischen  den  zum 
Theil  mit  Gesträuch  und  niedrigem  Gehölz  bedeckten  Höhen 
ein  schmales  langgezogenes  Thal  aus,  das  an  dem  anderen 
Ende  durch  die  höheren  Bergzüge  begrenzt  wird.  Ich  nehme 
an,  dass  der  Überfall  in  diesem  engen  einem  Heere  keine 
Evobition  bestattenden  Thale  stattfand.  Nördlich  aleich  hinter 
dem  Eingang  zu  demselben  erblickt  man  auf  wild  zerklüfte- 
ter Höhe,  die  jäh  und  schroff  zum  Flusslhal  abstürzt,  die  an 
unsere  Haubritierbureen  erinnernden  Überreste  der  mittelal- 
terlichcn  «Festung  der  ungläubigen  ».  Sie  liegt  auf  einem  wie 
eine  üferklippc  vorspringenden  Felsen,  der  die  Oeffnung  in 
den  Höhenzü2;en  unter  ihm  Tollständie;  beherrscht.  Von  der 
Seeseite  her  steigt  man  ziemlich  bequem  bis  zu  einem  an  die 


MlTTHElLUNnEN  AUS  KLEINASIEN  225 

Biii-gklippe  stossendcn  kleinen  Plateau  empor,  auf  dein  die 
unter  einer  jungen  Silberpappel  entspringende  Oiiellc  einige 
Vegetation  hervorruft.  Hier  pflegte  sieh  früher  eine  wandernde 
Turkmenenhorde  zeitweilig  anzusiedeln. 

Von  der  Quelle  aus  ersteigt  man  in  wenigen  Minuten  die 
von  eineFTi  doppelten  mit  Rundthürmen  versehenen  Mauer- 
kranz umzogene  Höhe;  von  dem  untern  Theil  des  Burgfelsens 
springen  nach  Westen  hin  flachere  Ausläufer  bis  zum  Sarit- 
schai vor;  dieselben  stehen  in  keiner  unmittelbaren  Verbin- 
dung mit  der  Kuppe,  auf  die  sich  die  Mauerzüge  fast  allein 
beschränken.  In  grösserer  Höhe  als  die  westlichen  Ausläufer 
ragen  auf  dem  nördlichen  Bergabhang  grosse  rauhe  Felsblöcke 
wie  losgetrennte  Stücke  der  Kuppe  empor.  Den  westlichen 
Theil  des  höhern  engeren  Mauerringes  nimmt  ein  grosser  Was- 
ser-oder  Vorrathsbehäller  ein.  Zwischen  den  vielfach  zerris- 
senen und  zerbröckelnden  Thurm- und  Mauerresten,  von  de- 
nen man  weit  ins  l^and  hineinschant,  treten  einige  Felsslücke 
zu  Tage,  an  denen  man  schmale  aus  dem  Stein  gehauene  Stu- 
fen bemerkt.  Es  lässl  sich  natürlich  nicht  behaupten,  dass 
diese  antik  seien.  Der  einzisje  namhafte  und  sichere  Überrest 
des  Alterthimis,  der  beweist,  dass  die  Kuppe  schon  im  Alter- 
ihum  befestii^t  war,  lie£:t  an  der  Nordseite  zwischen  dem 
höchsten  Thurm  und  einer  glatten  Fels\Vand.  Es  ist  ein  un- 
gefähr ()  Mtr  langes^  2-3  Mtr  hohes  aus  kleinen  poIygonen 
Steinen  fest  gefugtes  Mauerwerk,  das  sich  durch  seine  schräge 
Lage  als  Böschung  zum  Schutz  des  oberen  hier  morscheren  Ab- 
hangs der  geringen  Umfang  bietenden  Kuppe  zu  erkennen  gibt. 

Nimmt  man  an,  dass  die  hier  im  Alterthum  gelegene  Burg 
Kremaste  war,  so  benannt,  weil  sie  über  dem  Engthal  gleicli- 
sam  zu  hängen  schien,  so  wird  man  die  Stelle,  an  der  Iphi- 
krates  den  Hinterhalt  legte,  auf  den  südwestlich  daran  gren- 
zenden Höhen  und  Abhängen  voraussetzen  dürfen. 

2.   Komischer  Meilenstein  von  Abydos. 

Vor  ungefähr  einem  Jahre  wui'de  während  meines  Aufent- 
haltes am  Hellespont  etwa  20  Minuten  \on  Tschanakkalesi  in 


226  MITTIIEILÜNGEN  AUS  KLEINASIEN 

der  Richtung  nach  Sarischehr  ein  römischer  Meilenstein  in 
Säulenforrn  (w.  M.,  oben  Ablauf^  lg.  1,97,  ob.  Dm.  des  Schaf- 
tes 0,53,  unt.  Dm.  0,58'")  gefunden  und  nacli  dem  Städtchen 
gebracht,  wo  ich  ihn  vor  dem  Municipalilätsgebäude  liegen 
sah.  Bei  näherer  Untersuchung  stellte  sich  heraus,  dass  in 
später  Zeit  der  Stein  zu  wiederholten  Malen  benutzt  und  da- 
durch die  ursprüngliche  Inschrift  fast  ganz  vernichtet  war. 
Au  der  Frontseite  war  eine  tafeKihnliche  flache  Vertiefung  mit 
rautenförmigen  Ausschmückungen  rechts  und  links  hergestellt, 
dann  sowohl  diese  wie  auch  die  Rückseite  von  verschiedenen 
Händen  mit  Schriftzügen  ausgestaltet,  die  jetzt  ein  sinnloses 
buntes  Gekritzel  bilden,  in  dem  nur  wenige  Silben  einen  Sinn 
geben.  Es  erscheint  überflüssig  diese  späten  Zusätze  hier  mit- 
ziitheilen.  Von  der  ursprünglichen  lateinisch  abgefassten  In- 
schrift ist  nur  die  erste  und  die  letzte  Silbe  erhalten,  jene 
lautet  DDDDNNNN  d,  i.  quaiuor  domini  nostri  und  steht 
unter  dem  oberen  vorspringenden  Rande  der  Säule,  diese  un- 
terhalb des  tafelförmigen  Ausschnitts  und  enthält  nur  die  in 
viel  grösseren  Buchstaben  eingetragene  Dislanzangabe  MIL  III. 
Die  Datirung  weist  uns  wie  es  scheint  in  die  Regierungs- 
zeit des  Kaisers  Diokletian  und  zwar  in  die  Zeit  von  292/305. 
Darauf  führt  eine  Vergleichung  mit  Inschriften  wie  C.  I.  L. 
111  1  450,  463,  (467), '468,  502,  708,  710,  von  denen  einige 
aus  benachbarten  Gebenden  stammen.  Da  der  Stein  schwer- 
lieh  weit  verschleppt  wurde  (er  wurde  in  einiger  Tiefe  von 
einem  Bauern  aufgefunden)  kann  es  nicht  für  Zufall  gelten, 
dass  die  Distanz  von  seinem  Fundort  bis  nach  Abydos  etwa  3 
römische  Meilen  oder  4-5  Kilometer  beträgt,  sondern  es  darf 
unbedenklich  Abydos  als  caput  viae  betrachtet  werden.  Die 
Peutingersche  Karte,  welche  die  römische  Heerstrasse  zwischen 
Abydos  und  Dardanos  verzeichnet,  gibt  als  Entfernung  9  rö- 
mische Meilen  an.  Auch  dies  spricht  dafür  dass  die  Strasse 
einen  Bogen  bildend  etwa  mitten  durch  die  jetzige  kleine 
Ebene  lief,  denn  auf  die  direkte  kürzere  VVeglinie  von  Nagara 
über  Tschanakkalesi  nach  Maltepe  können  kaum  2^2  Weg- 
stunden gerechnet  werden. 


MITTflEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN  Itl 

3.   Inschrift  beim  Teke  von  Saradscliik. 

Bei  Le  Bas-VVaddington  Asie  mineure  1743  "  ist  nach  einer 
Calvertschen  Abschrift  eine  Inschrift  mitgetheilt,  die  sich  im 
Garten  des  Teke  von  Saradsehik,  ung.  1  St.  von  Tschanakka- 
lesi,  befindet.  Die  Buchstaben  sind  stark  verwittert,  sodass 
sie  für  ein  ungeübtes  Auge  schwer  ei kennbar  sind;  in  Folge 
dessen  giebt  die  a.  a.  0.  mitgetheilte  Copie  keinen  Sinn. 

Die  Inschrift  steht  auf  einer  1,05'"  langen,  0,70"'  hohen, 
0,20'"  dicken  grauweissen  Marmorplatte;  auf  derselben  Flache 
rechts  von  ihr  ist  in  einem  viereckigen  Ausschnitt  Artemis 
nach  einem  bekannten  Typus  (der  Jägerin)  nicht  ungeschickt 
in  Flachrelief  dargestellt :  A.  schreitet  nach  r.,  sie  hält  in  der 
vorgestreckten  L.  den  Bogen  und  zieht  mit  der  R.  aus  dem 
über  der  r.  Schulter  hangenden  Köcher  einen  Pfeil;  an  ihrem 
1.  Beine  hin  springt  ein  Hund.  Die  Inschrift  war  9zeilig,  die 
Anfänge  von  Z.  5  und  6  sind  wegen  eines  hier  eingelegten 
Klammereisens  etwas  einwärts  gerückt;  die  Ecke  unten  1.  und 
ein  Stück  des  unteren  Bandes  sind  weggebrochen  und  dadurch 
einige  Buchslaben  der  beiden  letzten  Zeilen  verloren  gegan- 
gen. In  Z.  2,  4  und  5  stehen  H  und  N,  Z.  3  W  und  N,  Z.  7 
W  und  n,  dann  T  und  W,  in  Z.  8  T  H  N  in  Ligatur;  zu  An- 
fang der  vorletzten  Zeile  setze  ich  ausserdem  die  Ligatur  von 
n  und  P  voraus. 


A  Y  P  •  0  E  O  <t>  I  A  O  C  M  Y  T  I 
AHNAIOCAOMOTE 
KTwNYnOEPTEniCTA  Bild 

THNTONASIOAOrw  der 

TATONEYTYXIAHN         Artemis 
EYTYXiAOYAnO 
ENOCCYNTwnYPrwTW 
OCTHNAYCI'  r/s 

NYn  O 


2^8  MITTHEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN 

Aup.  0e6<pt>.o;  Mu-ci- 

)CTO)v   xiTvh  spyeTctSTOc- 
Tr,v  Tov  «^io)^oyo)- 

EuTUJ(^t^OU    aTTO 

evo;  <juv  tö  TTupya)  tö 
7rp]6?  T'/jV  ^u(;i[v  li.  S.  w. 

Die  Bezeichnung  des  ausser  dem  Thurin  (Landhaus)  ausge- 
führten Baus  sowie  das  Verbum  ist  weggebrochen.  Der  Bau 
stand  wohl  an  Stelle  des  Teke,  wenigstens  betindet  sich  der 
Stein  hier  seit  langer  Zeit,  wie  man  daraus  schliessen  kann, 
dass  sein  für  die  Darstellung  eines  Heiligen  geltendes  Arte- 
misbild bis  vor  Kurzem  zum  Gegenstand  der  Verehrung  von 
seilen  einer  zahlreich  besuchten  auch  von  den  Türken  respek- 
tirten  altberühmten  Panegyris  gemacht  wurde,  bis  ein  Bischof 
dem  heidnischen  Treiben  ein  Ende  machte. 

Das  Artemisbild  steht  vermuthlich  in  persönlicher  Bezie- 
hung zu  dem  Verfertisjer  der  Bauinschrift.  Ich  sehe  in  Aur. 
Theophilos  das  Mitglied  einer  Handwerkerinnung,  wie  uns 
deren  in  römischer  Zeit  in  Kleinasien  ja  viele  begegnen  (Büch- 
senschülz  Besitz  und  Erwerb  S.  332  A.  1  und  Lüders  Die  dio- 
nys,  Künstler  S.  35  fg.  haben  Beispiele  gesammelt),  w-ährend 
sie  in  Griechenland  aus  früherer  Zeit  nicht  nachzuweisen  sind. 
Als  Obmann  zur  Leitung  bei  Versammlungen,  zur  Vertretung 
in  Rechtsfragen,  überhaupt  als  magisi.cr  collegii  fungirte  Eu- 
tychides*.  Zur  Erklärung  des  von  mir  als  sigillum  gefassten 
Artemisbildes  maa;  an  die  Benennunaj  des  bekannten  lanuvi- 
nischen  Vereins,  des  collegiwn  salütarc  Dianae  (et.  Antinoi)  erin- 
nert werden  (Wilmanns  Exempla  319).  Die  Abfassung  der 
Inschrift  fällt  frühestens  in  die  Zeit  der  Antonine. 


'  Derselbe  stand  zu  Tlieopiiilos  im  Veihältniss  des  BauuiUcrnelimers  zum 
liaufülirer.  Sonacli  kann  es  cinfaclier  sclu'inen,  das  Rclicniild  gt'^iclisam  als 
'Pfiltrikzeiflifn  zu  lassen.  Die  Aunassiniij  bleibt  im  Wesentlichen  dieselbe, 


10 


I  zu  MiUh.  d.  areli.  Insl.  VI.  S.  229. 


OHENTfilAHMniKAEnNEnezTA 
OKAHZEinENAIPEeHNAIANAPAZENN 
TSlNnOAlTnNEKTOYAHMOYANEYPETA 
TnNXnPinNTnNAHM02;inN0SAMH0i<t> 
5      PYl-ESEXONTEZ(J>OPONETEAEONEITIZ 
TIKATEKTHTAIIAinTHZEZOHAKPonOA 
lZKATEAA(t)0HYnOTnNTTOAITnNEAE5;0AI 
AEEKTOYTnNTOYZANEYPETAZOZOIMHTnN 
AHMOZinNTIXnPinNEXOYZITOYZAEAlPEG 

10     NTA5;OM02AITHNAPTEMINANEYPHZEINEITIZ 
TnNAHMOZinNXnPinNEXEIKATATO'fH(t>IZMA 
KAITlMHZEINTHSAZIHZOPenZKAIAIKAinZK 
TArNnMHNTHNEAYTOYnZAANTIMHSnZI 
OIAIPE0ENTE2YTIOTOYAHMOEKTINENTHN 

15     TIMHNTONIAinTHNTHinOAEIHTOYXnPlOYEZ 
IZTASQAIANEYPEINAEKAITIMHZAIAIAMHNOS 
HPAlOTHNAEEKTEIZINEINAIAIATOKEKYTTflZ 
T=HNAETI2AM(t)|2:BATHl4>AZnPIAZ0AIHAABE 
INKYPinsriAPATHZTTOAEnZAIAAlKA^IHNAY 

20  TniEINAIKAIEIANctiANHIMHOPOnSKEKTH 
MENOZTHNTlMHNAYTONEKTINEINHMtOA 
IHNTOYSAEAPXONTASAlTOAOZeAlTAXn 
PlAnNANEHSTnSIOIIAinTAIAIAMHNOZA 


11. 


KATA/^OTOYZAEAnOAHMOYZEnEIAANE 

25     AenZIEZTHMnOAlNAnOAOYNAITHNTI 
MHNAlAMHNO2HENEXEZ0nNTnifH<j)l2 
MAT1KATATAYTAAIKA2TASAEENAIE 
AEKATnNnOAlTfiNMHEXONTnNTlXnNAH 
M0SinNXnPinN0Y2AN0AHM02EAHTA12 

30     NHrOPOYZAEENAIEKTnNENNEIATPEIS 

OlANAAXnziOMOZAIAEKAITOYZAIKAZTAZ 
KAITOYZSYNHrOPOYZTHNAPTEMINKATA 
TONNOMONErKOtAIAETOYSAPXONTAZ 
TOfH<j)l2MAEZZTHAHNKAlTHN 

35     nSANEKA^TOIEKTElZnSITnNXnPinNK 
AieEINAIESTOYAnOAAnNOZTOTTYGIO 
.  .  .EPONTAAEXPHMATAANAA.  .  . 
...    YAPXONTA2EZTA1EPATAAHMOZ  .  .  . 
.     .     .    ANTOAAAHITHinOAEIAEHIA.  .  .  E 

40  ...        AHMOZIAITEAI   TTPOZ 

.     .    .    AIAEX  Xn     OA 


Beilage  II  zu  Milth.  d.  arch.  Inst.  VI.  8.  2?9. 
I. 

'ES]o5ev  Tö  SiSn<|),  Kieuv  liten-zilrn ,  Ti[i(?). 
oxi^?  eIisv"  aipEÖüvai  (tvjpo!?  dvv[Elac? 

TÖV    TToXlTÜV    EÄ   TOJ  Ä^fAOU    äveupeT«[5 
TÜV    XUp!ü)V    tQv   ÄYlJlOoiuV,   OH«  |iYl    o!   ♦- 

PÜ[y]5;  e^vts?  ipdfov  dTeXsov,  ef  ti{ 
Tt  xocTEKTViToei  iSiÖTTn  d^  5  ifi  äxföltoX- 
i!  AotTeXccfön  U7i6  TÜV  TtoXiTÜv.  eXesOkc 
ÖÄ  dx  TouTuv  Tou;  ^veupexÄ?  oaoi  (*-n  töv 
äv)[io5iü>v  Ti  ;((j)pt(i>v  s;(ouiTi ,  Toy;  Äe  «ipsö[e- 
vT«;  ö[i65at  TYiv  "ApTEixw  ivKupiQoeiv  ePtc? 
Twv  $io[ioo((iiv  ^(i>pt(i>v  äj^si  xatT«  T&  (|^-fl^i(njia 
xai  Tiiiiiijeiv  TÜ5  äSiYi;  4p905  xoti  jixxiu;  x[«- 
-cÄ  Yvw[i>iv  TiJiv  sotuToO.  ü;  S'  äv  Ti[A^(rci)fft 
Ol  «ipeOevTE;  \}Tzh  toü  ä-j1[ao  exTtve[t]v  tyiv 

TI[A>1V   tJiv    lSl(i>TTnv  TV)   7C(5>El   'i^   TOij  ;(li)p(0U  £$- 

iffTfleoöoei,  ocvEupetv  Se  xal  Tt|A>)(T«i  Sto:  {iviv&t 
■Hpoeio,  T»iv  Se  äxTEiaw  slvsti  Sii  tö  xexuit[i]{ 
(ÜTO?).  ijv  Se  Ti{  ix[iipi(jSstT?l  (pä;  upiotoöai  ^  XotSe- 
Tv  xupiü)?  Tcapa:  Tvi;  TciäXew;,  Ät«5ixoc5iYiv  «u- 
Tö  e7vxi  x«l  e£  äv  fx-^f  ^Y]  öpQö;  xextvi- 

|1SV05   TYIV   Tl|l.riV   «Ot4v  eXTlVElV  iSjiioX- 

iviv,  Toü;  Ss  Äp;(ovTa5  «noSidSai  tö:  ^a- 
pU  iv  äv  E^iTöffi  ot  E^tüToei  $ii  |ay]v6;  *A- 


II. 


[ic]ocT[oupi?]o'  Toiit  Bi  «itoSiipi.ou!  eicciSiv  S- 

Xöuat    65   T>1[A   7C(SXlV    KXoSoOvoCl    TVjV  Tl- 
(XVIV  Sei  pLV]V&;  vi  EVE^^eiTÖülV  SV   TÖ  i[(Y](pic- 

|iKTt  xcCT«  TCcuT«.  SixauTK;  Se  ev«t  e[v- 

OEXoc  TÜV  TCoXtTÜv  flTi  e;^6vt(i)v  ti  TÜV  Ä>1- 

l^ociuv  ^upitijv,  o3{  av  6  Süno?  eXriTact.  <i[u- 

vnyäpou;  Si  evsti  ex  tüv  ävve!«  TpeV{ 

ot  äv  Xa;(<i)(Ti,  6(i.off«i  Sä  x«l  tou;  SixceaTdt; 

xal  tou;  «Tuvvjy^pou;  Tviv  "ApTCpnv  xatT« 

TÖv  vdjiov.  dyx(5iJ/oci  Se  toü;  dtpjjovToe; 

t6  l|/:n^ii<l|iat  e;  itt)5Xyiv  xkI  Triv  [TljiYlv 

ü;  äv  sxcettToi  exTEiffcixrt  tüv  ^uptuv  x* 

«l  öetvoci  e;  ToO  'ÄTtcXXuvo;  tö  tluBio 

t6  l]Epäv,  TÄ  Se  ;^pio[iaT5C  ävixX[üffai 

To]ü[;]  liSpxoi'Tot;  d;  t«  icpi  Ti  Snpi(i(i[ii!£  u.  S.  w. 


MiTTHßlLL'NGEiN  AUS  KLEINASIRN  229 

MI.   Insclirift  ans  Zeleia. 

Der  freundlichen  Vermittlnng  der  Herrn  Limnios  in  Artake 
und  Panorios  in  Panderma  (dem  zu  Kyzikos  gehörenden  Pa- 
nornios)  verdanke  ich  die  von  einem  Dritten  angefertigten  Ab- 
schriften einer  grösseren  jetzt  nach  Konstantinopel  gebrachten 
Inschriftstele,  die  auf  Vorder- und  Rückseite  beschrieben  und 
vor  iiiclit  langer  Zeit  in  Sarikiöi  von  einem  Antikenhändler 
ausgcgi-aben  ist.  Diese  türkische  Ortschaft  nimmt  wie  die  er- 
haltenen Angaben  dev  Alten  höchst  wahrscheinlich  machen 
ungefähr  die  Sielle  des  alten  Zeleia  ein  ;  die  magern  geschicht- 
lichen Notizen  *,  die  wir  ans  gelegentlichen  Bemerkungen  ver- 
schiedener Schriftsteller  entnehmen,  erhalten  durch  die  ziem- 
lich detaillirten  Anü;aben  der  Inschriftstele  für  die  uns  am 
Meisten  interessirende  Epoche  der  Stadtgescliichte  einen  erheb- 
lichen Zuwachs.  Wir  werden  wenn  meine  Auffassung  der  In- 
schrift das  Richtige  tritTt  in  die  Zeit  kurz  nach  der  Schlacht 
am  nahen  Granikos  geführt;  ich  erblicke  in  ihr  nämlich  ein 
die  kurzen  Andeutungen  Arrians  {Anabasis  117)  über  die  von 
Alexander  d.  Gr.  über  Stadt  und  Land  verhäncrten  ]VIassreü;eIn 
näher  beleuchtendes  historisches  Dokument. 

Auf  der  Beilage  gibt  I  die  Inschrift  der  Front-,  II  die  der 
Rückseite.  Von  I  sind  offenbar  nur  wenige  Buchstaben,  von  H 
ist,  wenn  ich  richtig  annehirie,  dass  der  zweite  Monatsname 
zum  Theil  auf  der  vordem,  zum  Theil  auf  der  Rückseite  des 
Steins  stand,  nur  das  Ende  (aber  auch  hier  nicht  viel)  verloren 
gegangen,  eine  Neuvergteichung  des  Steines  kann  sicherlich 
noch  einige  Berichtigungen  und  Nachträge  liefern.  Das  kann 
uns  aber  nicht  abhalten,  die  Urkunde  schon  jetzt  hier  mitzu- 
theilen,  namentlich  weil  ihre  weiteren  Schicksale  ungewiss 
sind. 

Ausdrücklich  bemerkt  Limnios,  dass  die  Inschrift  leicht  zu 
lesen  sei,  die  übrigens  unbedeutenden  Fehler  der  Abschrift 


*  Eine  Zusammenstellung  derselben  bei  Marquardt  Kyzikos  S.  21  fg. 


230  MITTHEILUNGEN  AUS  KLEINASIEN 

sind  also  der  geringen  Übung  des  Abschreibers  zuzuschreiben. 
Maasse  und  Form  des  Steins  und  der  Verletzungen,  die  na- 
mentlich den  oberen  Hand  und  die  unlere  Partie  der  Piück- 
seite  getroffen  haben  müssen,  sind  unbekannt,  doch  ergiebt 
die  annähernde  Vollständigkeit  des  Inhaltes,  dass  wie  schon 
bemerkt  nur  wenig  und  z\Yar  Unwesentliches  verloren  ajegan- 
gen  ist.  Es  bleibt  dahin  gestellt,  ob  die  I!  Z.  34  fg.  erwähn- 
ten Slrafansälze,  wie  wenn  der  Kaum  reichte  wahrscheinlich 
ist,  auf  der  untern  Partie  der  Rückseite  verzeichnet  oder  auf 
einem  andern  Stein  beigefügt  waren. 

Auch  der  Inhalt  ist  wenn  man  einmal  die  richtige  Anschau- 
ung über  die  Zeit  und  Veranlassung  der  Abfassung  der  Ur- 
kunde gewonnen  hat  leicht  verständlieh.  Es  genügt  hier  also 
die  bereits  oben  ausgesprochene  Meinung  zu  begründen;  nur 
über  weniges  Detail  mögen  einige  Bemerkungen  zur  Erläute- 
rung beigefügt  werden. 

Für  die  Frage  nach  der  Abfassungszeit  ist  zunächst  hervor- 
zuheben dass  die  Urkunde  offenbar  bald  nach  der  Besitznahme 
der  Burg  durch  die  Bürger,  also  nach  Auflösung  einer  Gewalt- 
herrschaft und  Gründung  demokratischer  Verfassung  abgefasst 
ist.  Die  Neugestaltung  des  Staates  füiirte  nalurgemäss  zur  Re- 
gelung des  Besitzstandes,  der  Sonderung  der  dem  Staate  ver- 
fallenden Domänen  von  dem  rechllicfien  Privatbesitz.  Nun  ent- 
nehmen wir  aus  der  angeführten  Arrianstelle,  dass  Zeleia  nach 
der  Schlacht  am  Granikos  autonom  wurde;  vcrmulhungsweise 
füge  ich  hinzu  dass  damals  der  uns  durch  seine  Nachäffung 
des  Hermes  thöricht  erscheinende  Nikagoras*,  der  sich  in 
seiner  Vaterstadt  offenbar  unter  dem  Schulz  des  persischen 
Satrapen  zum  Tyrannen  aufgeworfen  hatte,  vertrieben  wurde; 
er  wird  von  Clemens  Alexandrinus  ausdrücklich  ein  Zeitge- 
nosse Alexanders  genannt. 

Das  was  Arrian  a.  a.  0.  für  die  früher  unter  Arsites,  nach 
Alexanders  Sieg  aber  unter  Kalas  stehende  Provinz  bemerkt, 
gilt  natürlich  insbesondere  auch  für  die  Zeleilen,  denen  Ale- 


>  Atlien.  VII  33,  Clem.  Alex.  Protr.  IV  54  (48  Pott.). 


MITTHEILÜNGEN  AUS  KLEINASIEN  231 

xander  es  nicht  als  Schuld  anrechnete,  dass  sie  gezwungen 
dem  Heere  des  Grosskönigs  gefolgt  waren  und  ihr  Gebiet  noch 
kurze  Zeit  vorher  als  Sammelplatz  desselben  gedient  hatte. 
An  die  allgemeine  für  alle  Phryger  geltende  Bemerkung:  tou; 
(pöpo'j;  Tou;  «Otou?  aTco^pepetv  xoc^a;  {sc.  'A>.e^ocvSpo;)  ou;  Tcep  Ax- 
peiw  e^epov,  o5oi  (;.ev  töv  ßscp^apoiv  »xTiövTe;  ex.  töv  öpwv  eve-/^ei- 
p'.i^ov  o^x;,  TOUTO'j;  aev  K7:aA>>ocTTeaOxi  57:1  to:  auTWv  caoc'Jtou; 
e)ts>ejB  erinnern  in  unserer  Inschrift  I  Z.  4  fg.,  wodurch  die 
oben  gegebene Zeitanselzung  nicht  unwesentlich  gestützt ^^ird. 
Auch  die  sachgemässe  noch  nicht  wortreiche  aber  sehr  um- 
sichlige  Fassung,  welche  der  Urkunde  gegeben  ist,  ferner  die 
an  manchen  Stellen  angewandten  Acolismen',  der  Wechsel 
von  0  und  ou  sowie  von  e  und  st  in  dem  Worte  elvat,  alles 
dies  Zeichen  des  Übergangs  zu  der  durch  Alexanders  Zug  er- 
öffneten Ausbreitung  des  sogenannten  Hellenismus  spricht  für 
dieselbe;  es  mag  immerhin  als  ein  glücklicher  Zufall  bezeichnet 
werden,  dass  die  Urkunde  gerade  in  die  kurze  Zeil  fällt,  in 
der  die  Sladtgeschichte  in  ein  helleres  Licht  tritt,  der  spätere 
Verlauf  derselben  hebt  Zeleia  nicht  wieder  aus  der  Menge  der 
kleineren  Städte  derselben  Provinz  hervor. 

Die  in  der  Inschrift  erwähnten  Beamten  sind  theils  ständige, 
wie  die  mit  dem  Verkauf  der  eingezogenen  Grundstücke,  der 
Aufstellung  der  Inschriftstele,  der  Verwendung  der  Strafgelder 
für  die  Slaatsfeste  beauftragten  Archonten  und  die  wie  die 
Richter  für  die  Diadikasie  verwandten  Synegoren  (nur  ein 
Dritlheil  derselben  wird  herangezogen),  theils  ausserordent- 
liche wie  die  eben  erwähnten  Richter  und  die  besonders  her- 
vortretenden etwa  den  ^yjtyitscI  in  Athen  entsprechenden  cJveu- 
perat,  deren  Name  wie  es  scheint  anderswo  nicht  vorkommt. 

Die  für  den  vorliegenden  Fall  herangezogenen  oder  gewähl- 


*  Es  ist  nicht  hier  der  Oii,  auf  dieselheii  näher  einzugchen.  Auch  hahen 
sie  säramllich  ihre  Analogien,  vieücicht  abgesehen  von  dem  Worte  Iwe'a, 
das  I  Z.  2  leider  versliiminelt  ist.  sodass  es  nicht  zur  Conlrole  von  II  Z.  30 
dienen  kann.  Sollte  vielleicht  Iw^Fa  auf  dem  Stein  stehen  und  das  unge- 
wöhnliche Digamraa  vom  Abseifreiher  verkannt  sein?  Es  w,'ire  dies  indessen 
das  einzige  Vorkommen  dieses  I-.aulcs  auf  unserem  Steine. 


•232  MITTHEILÜNGEN  AUS  KLEINASIEN 

ten  Beamten  leisten  einen  Eid  bei  der  Artemis^  die  Stele  wird 
im  Heiligthum  des  pythisclien  /ipollon  aufgestellt.  Das  Her- 
vortreten dieser  beiden  offenbar  vornehmsten  Gottheilen  ent- 
spiicht  dem  was  wir  auch  sonst  über  die  Sladtkulte  erfahren. 

Zum  Scbliiss  noch  eine  Bemerkung  über  den  Z.  24  fg.  ein- 
gesetzten Monatsnamen.  Es  wäre  von  Interesse  denselben  ganz 
sicherstellen  zu  können,  da  der  Zusammenhang  wenigstens 
höchst  wahrscheinlich  macht,  dass  dieser  Monat  unmittelbar 
auf  den  Z.  27  erwähnten  Heraios  folgte,  weil  die  Untersuchung 
über  llechtmässigkeit  des  Besitzes  am  Ende  des  letztgenann- 
ten Monats  zu  Ende  sein  musste  und  zu  einer  Verzögerung  des 
Verkaufs  kein  Grund  vorlag,  dir  iasche  Erledigung  desselben 
vielmehr  zweckmässig  war.  Zu  der  Ergängung  'A-aroupto; 
führt  zunächst  die  Überlieferung  des  mitgelhcilten  Textes, 
andererseits  aber  auch  die  Erwägung,  dass  wenn  das  Apatu- 
rienfest  (es  war  vielleicht  aus  einer  ionischen  Nachbarstadt 
übernommen)  in  Zeleia  im  Apaturios  gefeierl  wurde  wir  durch 
dasselbe  in  einen  Wintermonat  geführt  werden.  Die  Bestim- 
mung des  Heraios  für  die  Vornahme  der  Untersuchung  mag 
damit  zusammenhangen,  dnss  in  demselben  die  neuen  Beam- 
ten ihr  Amt  antraten  oder  damit  dass  das  bürgerliche  Jahr  zu 
Ende  war  (die  Strafen  werden  für  das  ganze  vergangene  Jahr 
angesetzt),  muss  aber  auch  aus  dem  Grunde  als  besonders 
wohl  gewählt  erscheinen  weil  nach  der  im  dorisch-äolischen 
Kalendersystem  den  Jahresanfang  bildendenHerbstnachlgleiche 
die  sämmtlichen  Produkte  der  Ländereien  geborgen  sind. 

Andere  Inschriften  aus  Zeleia  bleiben  einer  spätem  Mitthei- 
lung vorbehalten. 

H,  G.  LOLLING. 


<■  .«..gga-t 


Tempelsculptureii  von  Sunion. 

(Tufol  IX  ) 

Kin  kiirzor  Besueli  des  AllienaLcnipels  von  Sunion  im  Mai 
dieses  Jalires  gab  mir  Gelegenlieil  die  Lesterhaltenen  der  un- 
terdenTrümmern  desselben  herumliegenden  Reliefbruchstücke 
fliichlig  zu  skizziren.  Obwohl  diese  Skizzen  bei  der  ungünsti- 
gen La^i  und  Erhalluni»;  der  PJaLlen  sowie  dem  fast  immer- 
während  auf  dem  Vorgebirge  herrschenden  orkanartigenVA  inde 
keinen  Anspruch  auf  Genauigkeit  maclien  können^  so  halte 
ich  ihre  Mittheilung  doch  nicht  für  überflüssig,  da  sie  genü- 
gen um  Inhalt  und  Composition  dieser  immerhin  interessanten 
Fragmente  zu  veranschaulichen^  welche  von  den  früheren  Rei- 
senden, die  übei'  Sunion  geschrieben,  angeblich  wegen  zu 
sctilectiter  Erhallung  nie  einer  grösseren  Aufmerksamkeit  ge- 
würdigt und  deshalb  leider  ohne  eine  Spur  des  Verlorenen  zu 
hinterlassen  schon  seit  Jahrhunderten  durch  Welter  und  Raub- 
sucht in  ihrem  Bestände  gemindert  worden  sind. 

Das  Material  der  Platten  ist  nicht  der  bläuiicli-wcisse  schief- 
rige  Marmor  des  Tempels,  sondern  ein  weisser  grobkörniger, 
wahrscheinlich  parischer  Marmor.  Ihre  Dicke  belriigt  0,83'", 
ihre  Höhe  soweit  die  Kanten  erhalten  oder  der  Lage  wegen 
raessbar  sind,  etwa  0,81-0,83'";  die  Lüngc  dagegen  ist  ganz 
ungleich,  bei  A  z.  ß.  0,85'",  bei  C  1,33'",  so  dass  also  auf 
keinen  Fall  mit  den  früheren  Reisenden  an  Metopen  zu  denken 
ist.  Da  ferner  eine  unter  den  Trümmern  der  Ostseite  liegende 
mit  dem  Triglyph  zusammengearbeitete  Metopo  des  Tempels 
bei  einer  Höhe  von  ebenfalls  0,81'"  doch  0,70'"  in  der  Breite 
misst  und  überdies  kein  Relief  hat,  so  sieht  man  leicht  dass 
sämmtliche  Reliefplatlen  Fragmente  eines  Frieses  waren.  Und 

NflTTU.D.  AnCU.I.NST.YI.  16 


234  TEMPELSCULPTÜREN  VON  SUiMON 

zwar  kann  man  daraus,  dass  ABC  an  der  Nordoslecke,  DF 
an  der  Südosleckej  E  an  der  Nordseite  aber  auch  nielir  nach 
Oslen  zu  liegen^  vielleicht  schliesscn,  dass  der  Fries  mir  an 
der  Ostseite  der  Cella,  eventuell  auf  die  Langseiten  übergrei- 
fend, angebracht  war.  Im  allgemeinen  scheint  die  Grösse  der 
Platten  wie  am  Friese  von  Phigalia  nach  den  entsprechenden 
Composilionen  zugeschnitten  worden  zu  sein,  doch  muss  zu- 
weilen auch  wie  aus  B  ersichtlich  eine  Figur  über  die  Fuge 
hinüberee^iiffen  haben.  Die  seitlichen  Flächen  sind  soweit 
man  sehen  kann  als  Auschlusstlächen  geai'beitct. 

A.  Ein  nach  rechts  sprengender  Kentaur  wird  von  einem 
ihn  verfolgenden  Lapithen,  der  über  dem  erhobenen  linken 
Arm  die  Chlainys  tragt,  mit  der  linken  Hand  am  Hals  oder 
Haar  gepackt,  während  dessen  Rechte  schräg  abwärts  zum 
Schlag  ausholte. 

B.  Ein  von  links  heransprengender  Kentaur  stösst  wie  es 
scheint  einem  rechts  niedergesunkenen  Lapithen  einen  Fich- 
tenstamm, den  er  in  beiden  Händen  hält,  an  den  Kopf. 

C.  Kaineus,  halb  in  der  Erde  steckend  und  den  Körper 
rechts  aufwärts  gebogen,  wird  von  zwei  symmetrisch  ihn  an- 
greifenden Kenlau ren  in  der  bekannten  Weise  durch  Aufwer- 
fen von  Stein  blocken  gelödtel. 

D.  Theseus  bändigt  den  marathonischen  Stier.  Der  Heros, 
der  mit  vorgesetztem  rechten  Bein  nach  links  stürmt,  hat, 
indem  er  den  Oberkörper  gewaltsam  umwendet,  das  Thier, 
das  ebenfalls  mit  gesenktem  Kopf  nach  links  rennt,  mit  beiden 
ausgestreckten  Armen  am  Hintertheil,  vielleicht  mit  der  lin- 
ken Hand  am  Schwanz  gepackt^  offenbar  um  es  durch  einen 
plötzlichen  Ruck  in  der  Richtung  seines  Laufes  zum  Über- 
sciilagen  zu  bringen.  Das  rechte  Ohr  des  Stiers  ist  zum  Theil 
erhalten,  das  linke  war  in  das  noch  sichtbare  viereckige  Loch 
eingesetzt.  In  der  Mitte  des  Stierkörpers  bemerkt  man  ein  klei- 
nes Loch,  das  wohl  mit  der  Bewegung  der  rechten  Hand  zu- 
sammenhängt. 

E.  Ein  Krieger  ist  nach  rechts  hin  rücklings  aufs  linke 
Knie  niedergesunken,  indem  er  das  rechte  Bein  im  rechten 


TEMPELSCULPTUREN  VON  SUNION  235 

Winkel  abstreckt  und  beide  Arme  erhebt.  Hinter  ilim  wird 
sein  zur  Erde  i^efallener  runder  Schild,  darüber  nahe  dem 
oberen  RelielVand  ein  Ansatz  sichtbar,  der  von  seiner  rechten 
Hand  oder  der  Hand  seines  Gegners  stammen  mag. 

Einige  sehr  zerstörte  Fragmente,  deren  Inhalt  nicht  zu  er- 
icennen  war,  hielt  ich  nicht  der  Mühe  werth  zu  zeichnen.  Nicht 
gefunden  habe  i(;h 

FG.  Zwei  von  der  Expedition  de  Moree  Hl  Tf.  33  Fig.  I  zu- 
sammen publicirte  Stücke,  deren  sciimaleres  eine  stehende 
Mantelliii;ur  mit  zur  Biusthühe  ei-hobenen  Armen  im  Profil 
nach  rechts,  das  gvössere  zwei  nackte  Männer  darstellt,  deren 
einer  von  links  her  in  gewaltiger  Bewegung  mit  hoch  vorge- 
setztem linkem  Bein  den  andern  angreift,  während  dieser  ru- 
higer stellend  die  Arme  wie  zum  Schwingen  einer  Waffe  über 
den  Kopf  erhebt.  Ferner: 

H.  Die  von  Fourmont  beschriebene  aber  schon  von  der  fran- 
zösischen Expedition  {\l\  S.  16)  nicht  mehr  gefundene  Platte, 
Avelche  darstellte  wie  femme  assise  avcc  un  petit  enf'ant  qui, 
comme  eile,  Icve  Ics  bras  et  parcilt  regarder  avec  eff'roi  un  komme 
nu  qui  se  prccipite  du  haut  d'un  rocher.  Ob  mit  ihr 

/.  eine  von  Dodwell  erwähnte  und  angeblich  sehr  gut  er- 
haltene, die  unter  dem  Tempel  am  Meer  lag,  identisch  ist 
oder  nicht,  kann  nicht  mehr  festgestellt  werden.  Dazu  kommt; 

A'.  eine  sehr  gut  erhaltene  Platte,  die  nach  einer  Mittheilung 
von  Herrn  Dr.  Lolling  im  Innern  des  Tempels  so  unter  Trüm- 
mern verdeckt  liegt,  dass  man  über  die  Darstellung  nichts 
sagen  kann. 

Der  Inhalt  des  Frieses  scheint  soweit  man  bisher  sieht  ein 
einheitlicher  gewesen  zu  sein  insofern  er.Thaten  des  Theseus 
mit  besonderer  Bevorzugung  des  Kentaurenkampfs  darstellte. 
Eine  Eintheilung  in  einzelne  selbständige  Gruppen  und  ein 
öfteres  Vorkommen  des  Hauptheros  in  verschiedenen  Situa- 
tionen muss  allerdings  als  unmittelbare  Folge  des  gewählten 
Gegenstandes  vorausgesetzt  werden  und  würde  als  Analogie 
der  praxitelischen  Herakleskämpfe  im  Giebel  des  Herakles- 
tempels zu  Theben  von  kuusthistorischer  Bedeutung  sein.  Im 


233  TEMPELSCULPTUREN  VON  SüJNION 

Kreise  der  Tlieseusmylhen  wird  man  darum  auch  die  von  Four- 
mont  beschriebene  Composition  suchen  müssen,  obwohl  es 
nicht  leicht  sein  dürfte  bei  genauem  Festhalten  an  der  Be- 
schreibung die  Deutung  der  dargestellten  Scene  zu  finden  (Ski- 
ron von  Theseus  ins  Meer  gestürzt?  Aigeus  sich  ins  Meer  stür- 
zend?). Man  sieht  übrigens,  vorausgesetzt  dass  der  Tempel  der 
der  Atli  'oa  war,  hier  wieder  einmal,  ein  wie  lockerer  Zusam- 
menhang oft  dieSculpturen  eines  Tempels  mit  der  in  ihm  ver- 
ehrten Gottheit  verband. 

Das  Erhaltene  genügt,  um  die  kunslhisLorische  Stellung  der 
Reliefs  im  allgemeinen  zu  kennzeichnen.  Die  Composition  von 
A  wird  jedermann  bekannt  vorkommen,  sie  hat  in  mehreren 
Parthenonmetopen  (Michaelis  II  111  XXVII)  Analogien,  ohne 
doch  mit  einer  derselben  so  genau  übereinzustimmen,  dass 
man  sie  als  Copie  derselben  bezeichnen  könnte.  Ebenso  hat  E 
mit  dem  niedergestürzten  Lapithen  Michaelis  IV  eine  nur  ganz 
allgemeine  Aehnlichkeit,  und  auch  die  Kaineusgruppe  C  hat 
mit  der  im  Theseionfries  nicht  mehr  als  diejenigen  Züge  ge- 
mein, die  überhaupt  durch  das  Motiv  gegeben  sind,  während 
allerdings  die  Bewegung  des  Kaineus  sich  fast  genau  so  in  der 
entsprechenden  Figur  des  Frieses  von  Phigalia  wiederholt. 
Ganz  originell  ist  die  Stierbiindigung  D,  die  weder  mit  der 
entsprechenden  olympischen  Metope  noch  mit  den  Gruppen 
auf  dem  Theseionfries  und  der  Nikebalustrade  in  dem  ihnen 
allen  gemeinsamen  Hauptmotiv  des  Hornfassens  überein- 
stimmt, sondern  die  Scene  in  ganz  neuer  mindestens  ebenso 
wahrer  und  lebendiger  Weise  wiedergibt.  Kurz  wir  erhalten 
das  Bild  eines  Künstlers,  der  obwohl  ganz  in  den  Gedanken- 
kreisen und  Compositionsformen  der  monumentalen  Sculptur 
der  älteren  attischen  Schule  erzogen  dennoch  seiner  künstle- 
rischen Auffassung  nach  selbständig  genug  ist  um  die  ihm 
überkommenen  Formen  in  freier  und  origineller  Weise  anzu- 
wenden und  umzubilden.  Soweit  man  erkennen  kann  zeichne- 
ten sich  die  Fii?;uren  durch  eine  gewisse  Schhmkheit  vor  denen 
des  Thes'^ionfriepcs  und  des  ebenfalls  noch  älteren  Frieses  von 
Phigalia  ai?,  und  die  wenig;  n  Theilc,  an  denen  sich  die  Ober- 


TEMPELSUULPTUREN  VON  SUNION  137 

fläche  intact  erhalten  liat,  z.  B.  das  linke  Bein  des  Lapithen 
auf /l  und  des  Theseus  auf  I> zeugen  von  einer  frisclien  leben- 
digen Nuturaiiflassung,  die  der  besten  Zeit  würdig  ist  und 
uns  hindern  sollte  den  Tempel  allzuweit  herab  zu  datiren. 

RONRAD  LWGE. 


Die  Münze  der  Kleruchen  auf  Delos. 


1.  Lorbeerbekränzter  Kopf  des  ApoUon  nach  rechts,  im  Na- 
cken der  Köcher.  Darunter  TPIA. 

Hs.  AOE  Eule  auf  einer  Amphora  stehend.  —  Gew.  4,645 
Grm. 

2.  Lorbeerbekränzter  Kopf  (Apollon?  Artemis?)  nach  rechts, 
den  Köcher  im  Nacken.  Darunter  TPIA. 

Hs.  wie  oben.  —  Gew.  3,965  Grm.  Das  Stück  hat  am  Rand 
gelitten. 


DIE  MURNZß  DER  KLERUCIIEN  AUF  DELOS  239 

3.  Lorbeerbekrünzler  Kopf  der  Artemis  nacli  rechts,  im  Na- 
cken Kücher.  Dariinlor  T  P  I  A. 

lis.  wie  oben.  —  Gew.  1,809  Grm.  Ganz  oxydirt. 

4.  Lorbeerbekrünzler  Ko})f  des  Apollon  nacli  rechts. 

Tis.  wie  o])en.  —  Gew.  1,23  Grm.  (ein  anderes  E.vemplar 
wiej^t  0,01?).  y<^\.  Beule  Les  mouuaies  d'Alh.  auf  S.  87  und 
210. 

5.  Kopf  der  Artemis  nach   rechts  im   Perlkrois,  im  Nacken 
Köcher. 

Rs.  A[OE  Gefjiss  (Plemochöc?)  in  einem  Kranze.  —  Gew. 
1,305  lirm.  (ein  anderes  Exemplar  wiegt  1,14). 

6.  Kopf  der  Artemis  nach  lechts,  im  Nacken  Köcher. 
I\s.  AOE  Cicade.  —  Gew.  0,5G.j  Grm. 

Die  Übereinstimmung  in  den  Typen  der  Hauptseiten,  die 
abwechselnd  den  Kopf  des  Apollon  und  der  Artemis  aufwei- 
sen, in  dem  Genräg«^,  der  Grösse  und  dem  Gewichte  lässt 
darauf  schliessen,  dass  die  oben  abgebildeten,  auf  der  Rück- 
seite durch  die  Initialen  Athens  gekennzeichneten  Kupfermün- 
zen, obwohl  nicht  gleichzeitig  gepi-iigt,  doch  der.selben  Reihe 
angehören,  in  welclier  die  Stücke  1-3  das  grösste,  das  Stück 
6  das  kleinste  Nominale  repriisentiren.  Diese  Reihe  kann,  wie 
der  Typus  der  auf  der  Amphora  stehenden  Eule  beweist,  nicht 
älter  sein  als  das  mit  den  Monogrammenmünzen  beginnende 
neue  SilbcrgeJd  Athens;  nach  dem  Stil  derjenigen  Stücke  zu 
schliessen,  welche  für  die  frühesten  gehalten  werden  müssen, 
gehört  sie  einer  sp;i leren  Periode  an.  Das  Grossstück  ist  durch 
die  Beischrift  TPIA  auf  der  Schauseite  ausgezeichnet.  Dieses 
Stück  war  bisher  nur  aus  einer  Abbildung  bei  Ilarwood,  Po' 
piilorum  et  reg.  sei.  minminata  Tf.  [(lorbeergekränzter  Kopf  des 
Apollon  ohne  Köcher)  bekannt.  Die  Münze  erschien  Beule  na- 
mentlich wegen  der  in  der  athenischen  Numismatik  ohne  jede 
Analogie  dastehende  Beischrift  so  befremdlich,  dass  er  die 
Aechlheit  derselben  oder  doch  wenigstens  die  Zuverlässigkeit 
der  Abbildung  bezweifelte  [Lesmon.  d-Alh.  S.  88Anm.);  seit- 
dem ist  man  meines  Wissens  nicht  darauf  zurückgekommen, 
fndess  hat  die  Sammlung  Finlay  ein  Exemplar  mit  dem  Ar- 


240  DIE  MÜENZE  DER  KLERUGHEN  AUF  DELOS 

temiskopf  enthalten,  über  dessen  Verbleib  ich  nichts  habe  in 
Erfahrung  bringen  können,  von  dem  ich  aber  hier  in  Athen 
einen  Abdruck  £;esehen  habe.  Von  den  oben  abuiebildeten 
Stücken  wurden  das  eine  von  Paros  zusammen  mit  andern 
Münzen  dieser  Insel,  die  beiden  andern  kurze  Zeit  darauf  wie 
versichert  wurde  von  Andros  nach  Athen  gebracht;  zugleich 
mit  den  letzteren  wurden  mehrere  Exemplare  der  kleineren 
Nominalen  und  einige  Münzen  von  Delos  erworben. 

Dass  Tpioc  nur  eine  Werthbezeichnung  sein  könne,  scheint 
ausser  Frage  zu  stehen;  aber  was  hat  man  zu  dem  Zahlwort 
zu  ergänzen?  Nach  der  älteren  Ansicht  wurden  als  Theilmün- 
zen  des  yjx.\-Ao\jq  in  Atben  >.e7i:T«  geprägt,  von  denen  sieben 
auf  die  genannte  Einheit  gingen;  von  dum  T^ewt-ov  soll  nach 
der  Meinung  von  P'^okesch,  der  sich  Beule  angescblossen  hat, 
der  für  Athen  als  Scheidemünze  bezeugte  y.6l'k\j€oi  nur  dem 
Namen  nach  verschieden  gewesen  sein.  Aber  mit  Recht  wio 
es  scheint  hat  Hultsch  (Metrologie  S.  1^1  ,Mefrologicorum  Script, 
rel.  1  S.  156  f.)  die  Theilung  des  ix\v.o\)c,  in  7  T^ettt«  für  Athen 
als  unerwiesen  und  unwahrscheinlicb  beanstandet.  Hultsch 
seinerseits  ist  geneigt  anzunebmen,  dass  der  Chalkus  gevier- 
telt worden  sei  und  dass  diese  kleinste  Scheidemünze  x6)^*Xu€o? 
oder  in  der  von  Pollux  gebraucbten  neutralen  Form  x6>."XuSov 
genannt  worden  sei.  Hiernach  könnte  man  vermuthen,  dass 
zu  rpisc  zu  ergänzen  sei  v.oWxi^x,  um  so  mebr  als  das  xpixö^- 
>.uSov  von  Pollux  (IX  72,  vgl.  das  ^ixö>i>u§ov  63)  genannt  wird. 
Aber,  auch  abgesehen  von  der  neutralen  Form  des  Nomens, 
bezweifele  icb ,  ob  der  x^l'/u^o?  je  in  Athen  in  Kupfer  und  als 
Fraction  des  Chalkus  gescblagen  worden  sei.  DieCitate,  welche 
Pollux  als  Beläge  für  die  Münze  anführt,  gehören  mit  Ausnahme 
einer  nicht  in  Betracht  kommenden  Stelle  dem  fünften  und  dem 
Anfang  des  vierten  Jahrhunderts  an  und  setzen  dieselbe  in 
Beziehung  zum  Obolos,  nicht  zum  Chalkus.  Nun  ist  allerdings 
nach  der  herrschenden  Ansicht  spätestens  seit  der  Mitte  des 
fünften  Jahrhunderts  in  Athen  Kupfergeld  geschlagen  worden. 
Aber  diese  Ansicht  ist  i;on  ic;>  irrig.  Es  ist  hier  nicht  i\c.v  Ort 
der  Frage  nach  dem  Beginn  der  Kupferprägung  in  Athen  näher 


DIE  MURNZE  DER  KLERUCHEN  AUF  DELOS  Ui 

zu  treten;  ich  muss  mich  begnügen  darauf  hinzuweiseri,  dass 
bis  jetzt  keine  athenische  Kupfermünze  des  älteren  Stiles,  wie 
er  für  die  Prägungen  des  fünften  Jahrhunderts  vorauszusetzen 
ist,  bekannt  geworden  ist,  während  das  einzige  litferarische 
Zeugniss,  auf  welches  man  sich  zum  Beweis,  dass  schon  vor 
dem  Ende  dieses  Jahrhunderts  in  Athen  Kupfurgeld  geschlagen 
worden  sei,  beruft,  sehr  problematisch  ist.*  Hiernach  scheint 
nichtsübrig  zu  bleiben  als  zu  xpioczu  ergänzen  TSTocpTvijxoptx  und 
in  dem  Stück  das  TptxapTvifxöpiov  oder  TptT7)[jL6piov,  den  Dreivier- 
telobol  zu  erkennen,  der  seit  der  Einführung  der  Kupferprä- 
gung gleich  ßj^z^xor  war.  Dagegen  darf  man  nicht  einwenden, 
dass  diese  Namen  der  Silberprägung  angehören  ;  aus  den  von 
Poll.  IX  65.  60  angeführten  Stollen  aus  der  netien  Komödie 
ergiebt  sich,  dass  dieselben  in  den  Zeiten  der  Kupferprägung 
beibehalten  wurden,  obwohl  daneben  auch  Namen  wie  Six«>.- 
>cov  aufkamen.  Die  Stücke  4.  5  sind  dann  natürlich  als  rpiTyi- 
{Aopioc,  das  Stück  6  als  ^3c"XxoO?  anzusehen.  Zu  grösserer  Sicber- 
heit  über  die  Werthe  dieser  Münzen  wird  sieb  erst  gelangen 
hissen,  wenn  das  attische  Kupfergeld  classificirt  sein  wii*d, 
eine  Aufgabe,  für  deren  Lösung  es  bis  jetzt  man  darf  sagen 
an  jeder  Vorarbeit  fehlt. 

Ob  in  der  hier  besprochenen  Reihe  grössere  Nominale  als 
das  Tritemorion  geprägt  worden  seien,  ist  zu  bezweifeln. 
Mit  dieser  Reihe  nemiicii  muss  es  eine  besondere  Bewandniss 
haben.  Jeder,  der  namentlich  die  Originale  prüft,  wird  die 
Bemerkung  machen,  dass  sie  im  Stil  sich  von  den  attischen 
Münzen  derselben  Zeit  unterscheiden.  Dass  die  den  Stücken 
1-3  beiijfefüoleWerthbezeiclinune:  in  der  attischen  Numismatik 


»  Dom  Slile  des  fünften  JahrliumlerLs  iiüliern  sicli  einzelne  von  den  wenig 
gekanuloniind  in  der  Tlial  seltenen  KupfersUiclven,  welclie  auf  der  Vorder- 
scilc  den  Alhonelvopf  oder  das  Vorderlheil  eines  Löwen,  auf  der  Rückseite 
je  einen  Buchstaben  des  Alpliabets  tragen  (vgl.  Beul^  S.  78.  wo  gewiss 
irrthümlieh  Blei  als  Material  genannt  ist ;  und  Prokescli  Abb.  der  kals. 
Akad.  1857  pliilos.  Iiistor.  CK  ix  S.  319  unter  fihüyynna  Crelae).  Aber  diese 
Stückesind,  wie  allein  schon  das  Fehlen  des  Stadtnamens  beweist,  nicht  als 
Geld  geschhigen  worden. 


242  DIE  MÜENZE  DER  KLERÜCHEN  AUF  DELOS 

ohne  Analogie  ist,  wurde  schon  bemerkt.  Wenn  diese  Ab- 
weichungen den  Gedanken  anregen,  die  Serie  sei  nicht  in  Athen 
geprägt,  so  kann  ein  Blick  auf  die  Typen  der  Schauseiten  uns 
weiter  führen.  Diese,  die  lorbeerbekränzten  Köpfe  des  Ge- 
schwisterpaares Apollon  und  Artemis,  sind  dieselben  wie  auf 
den  autonomen  Silber-und  Rupfermünzen  von  Delos,  auf 
denen  ihnen  auf  der  Kehrseite  die  Typen  der  Lyra  und  des 
Pahnbaumes  mit  und  ohne  Schwan  entsprechen.  In  der  athe- 
nischen Numismatik  erscheinen  jene  Typen  nur  vereinzelt  und 
in  anderer  Auffassung.  Wären  die  Münzen  mit  der  Aufschrift 
rpi«  in  Athen  geprägt  worden,  so  müsste  es  als  ein  seitsamer 
Zufall  angesehen  werden,  dass  seit  Menschengedenken  kein 
Exemplar  nachweif?licli  auf  dem  Boden  von  Attika  gefunden 
worden  ist,  während  in  kurzer  Frist  drei  Stücke  aus  der  Um- 
gebung von  Delos  nach  Athen  gebracht  wurden.  Ich  zweifele 
nicht,  dass  diese  Münzen  bei  den  französischen  Ausgrabungen 
auf  jener  Insel  aufgefunden  und  von  den  Arbeitern  verkauft 
worden  sind.  Delos  kam  im  .1.  166  in  den  Besitz  der  Athener 
und  wurde  nach  Vertreibung  der  Delier  mit  einer  Kieruchen- 
gemeinde,  dem  r^/jp;  'Aöv^vaioiv  twv  sv  ^■ri'kt^  besetzt.  Ich  habe 
früher  (Mitth.  IV  S.  250  ff.)  ausgeführt,  dass  das  athenische 
Staatsrecht  den  Bewohnern  der  unterworfenen  oder  incorpo- 
rirten  Gebiete  ein  beschränktes  Münzrecht  beliess,  und  es 
daraus  erklärt,  dass  sowohl  in  den  kleruchischen  Besitzungen 
als  in  Eleusis  Kupfergeld  geprägt  worden  ist.  Ich  habe  ange- 
nommen, dass  die  Münzen  mit  den  Aufschriften  H  (()  AI  M  Y  PI 
IMBPOY  s:AAA  nPfiTTiaN  von  den  alteingessessenen  Be- 
wohnern der  betreffenden  Gebiete,  nicht  von  den  athenischen 
Kleruchen  geprägt  worden  seien,  ohne  mir  zu  verhehlen, 
dass  man  über  diesen  Punkt  anderer  Ansicht  sein  könne.  Die 
Delos  zugewiesenen  Münzen  mit  der  Aufschrift  AOE  schei- 
nen indess  jene  Annahme  zu  bestätigen.  Aus  Polybius  Bericht 
über  die  Besitzergreifung  der  Insel  (XXX  21  XXXII  17  vgl. 
Mitth.  I  S.  265  f.)  ergiebt  sich,  dass  die  alte  Bevölkerung 
auswanderte.  Mit  dem  Besitz  des  Territoriums  traten  die  Kle- 
ruchen in  das  durch  die  bestehenden  staatsrechtlichen  Normen 


DIE  MUENZE  DER  KLERUCIIEN  AUF  DELOS  243 

beschränkte  Miinzrecht  ein;  den  auf  Grund  dieses  Rechtes  ge- 
prägten Münzen  gaben  sie  auf  der  Kehrseite  athenische  Typen 
mit  den  Initialen  der  Stadt,  während  sie  für  die  Schauseite 
die  alten  den  hochheiligen  Culten  entnommenen  Typen  ihrer 
neuen  Ileitnalii  beibehielten.  Grössere  Nominale  als  das  Tri- 
temorion  scheinen  nicht  geprägt  worden  zu  sein.  Es  scheint 
nenilich,  als  ob  auch  die  Kupferprügung  in  den  abhängigen 
Territorien  auf  die  kleineren  Nominalen  vom  Obolos  abwärts 
beschränkt  gewesen  sei.  Das  autonome  Kupfergeld  von  Delos 
aber  war  nach  einem  andern  Einlheilungssyslem  ausgebracht 
worden  als  das  attische;  der  Obolos  war  in  wenigstens  10 
)^a"X5to?  getheilt  worden*.  Daraus  scheint  es  sich  zu  erklären, 
dass  die  Kleruchen  ihrem  Grossstück  die  für  uns  freilich  nicht 
ohne  Weiteres  verständliche  Werthbezeichnung  beifügten. 

ULRICH  KÖMLER. 


'  Th.  HomoUe,  Bull,  de  corr.  IMt.  II  (1878)  S.  578  f.  Vgl.  Brandis.  Das 
Münz-Mass-und  Gewiclilswesen  S.  293  f.  In  den  nicht  seltenen  sehr  zier- 
lichen Kupfermünzen  von  1  '/j  Grösse  nach  Mionnets  Scala,  welche  in  der 
Hegel  die  im  Text  beschriebenen  Typen  tragen,  wird  man  den  delischen 
Chalkus  zu  erkennen  haben.  Ein  von  Prokesch  in  den  Inedita  (Denkschr. 
der  kais.  Akademie  der  Wissensch.  philos.  histor.  Cl.  V  1854  S.  279  und 
Tf.  III  1  I2i  herausgegebenes  Stück  hat  als  Typus  derVorderseite  den  bekränz- 
ten Kopf  des  ApoUon,  auf  der  Kehrseite  «bekränztes  Brustbild  der  Artemis, 
den  Köcher  auf  der  Schulter»  mit  AH. 


Von  den  neusten  Ausgrabungen  in  der 
cyprischen  Salamis. 

(Scliluss.) 

Von  grösserem  Interesse  sind  die  Statuetten  ans  Terracotta. 

Ich  beginne  mit  den  Darsteüuno-en  von  Thieren.  In  dem 
Grabe  eines  armen  Kindes  fand  ich  eine  15  Cm.  lanse  und 
fast  7  Cm.  hohe  Kinderklapper  in  Form  eines  Schweines.  Die 
Arbeit  ist  roh.  Löcher  vertreten  die  Augen;  dieselben  dienten 
zugleich  als  Schalllöcher.  Das  Gerauscli  wurde  durch  ein  in 
Herzform  gearbeitetes  Stück  Terracotta  hervorgebracht,  wel- 
ches ich  beim  Zusammensetzen  des  zerbrochenen  Spielzeuges 
auffand.  Später  fand  ich  eine  zweite  ähnliche  aber  kleinere 
Darstellung  eines  Schweines. 

Von  viel  besserer  Bildung,  wenn  auch  immerhin  nur  im 
Grossen  angelegt,  ist  ein  8  Cm.  hoher  liegender  Ziegenbock. 
Selbst  die  Spaltklauen  bekunden  bereits  einen  höheren  Grad 
der  Ausführung.  Um  den  Hals  geht  vertieft  eingeritzt  ein  Band 
mit  einer  daran  ebenso  eingeritzten  Fortsetzung,  Glocke  und 
Glockenband  andeutend. 

Von  einer  Pferdedarsfellung  fand  ich  nur  den  Kopf  mit  Hals. 
Es  ist  zweifelhaft^  ob  nicht  von  vornherein  nur  eine  Pferde- 
büste gefertigt  wurde.  Ich  messe  vom  Halsende  bis  zu  den 
Ohrenspitzen  7  Cm.  Die  Augenäpfel  stehen  vor.  Der  Kopf  ist 
mit  der  Halfter  gezäumt.  Die  Darstellung  ist  roh,  aber  le- 
bendig. 

Auch  von  einem  Löwen  ist  nur  Hals  und  Kopf  erhalten  (vom 
Hals  bis  zur  Craniumhöhe  6,  5,  vom  Cranium  bis  zum  Ra- 
chenende 4,  5  Cm.).  Die  Terracottamasse  ist  eine  andere  als 
die  gewöhliche,  sie  ist  semmelfarben.  Stil  und  Material  deuten 
auf  Importalion.  Die  Auffassung  ist  starr  und  schematisch.  Den 


AUSGRABUNGEN  IN  CYPERN  245 

besten  Beweis  l'iir  den  assyrischen  Eiiifluss  gewälirl  die  Be- 
handlung der  Müline,  welche  anf  dem  Jfalsc  zu  einer  phanta- 
stischen Blume  in  Tiel'relief  umgebildet  ist,  ähnlich  der  An- 
ordnung des  Haupthaares  an  assyrisclien  oder  alt-kyprischen 
Köpfen  in  Pal  i  netten  form. 

unter  den  gefundenen  Thiermotiven  nimmt  durch  vorzüg- 
liche Bewegung  und  richtige  Grössenverhällnisse  eine  (mit 
Sockel)  10  Cm.  hohe  Ente  die  erste  Stelle  ein.  Die  Ente  ist  im 
Begriff  zu  gehen  und  hebt  den  Kopf  nach  reelits  in  die  Höhe. 
Der  Schwanz  ist  erhoben.  Dieriiigel  und  IJauplfederpartieen 
sind  gut  angegeben.  Das  eine  gnterhaltene  Auge  erscheint  mit 
Augenwinkeln,  Augenapfel  und  Pupille  ausgebildet.  —  Ich 
fand  das  Stück  zusammen  in  einem  Grabe  mit  der  später  zu 
beschreibenden  Aihene. 

Viel  roher  ist  die  Statuette  einer  mit  dem  Sockel  9,  5  Cm. 
hohen  Gans.  Nur  die  Flüoelmasse  ist  roh  aniiredeutet.  Der 
Körper  verschwindet  im  runden  Sockel,  ohne  dass  Füsse  an- 
gegeben sind.  Characteristisch  sind  dagegen  die  Halsdurch- 
biegung, Schnabel  und  Kopf  wiedergegeben. 

Ich  füge  hier  die  IG  Cm.  hohe  Gruppe  Aphrodite  auf  der 
Gans,  oder  richtiger  auf  der  Schwanengans  an.  Die  Göttin 
sitzt,  von  einem  Peplos  umwallt,  den  sie  soeben  zurückge- 
worfen hat  und  mit  beiden  Händen  hält,  auf  einem  Vogel, 
•welcher  zwischen  Gans  und  Schwan  die  Mitte  hält  und  als 
Riesenvogel  dargestellt  ist.  Das  Gewand  ist  über  den  Hinter- 
kopf gezogen  und  fällt  in  langen  Falten  über  den  Unterkörper 
herab.  Auf  dem  muschelartig  nach  vorn  geöffneten  Gewand- 
theil hebt  sich  der  bis  unter  die  Scham  nackte  Körper  kräf- 
tig ab.  Das  Haar  ist  in  der  Mitte  gescheitelt  und  legt  sich  in 
massigen  Wülsten  um  die  Schläfen.  Der  wie  die  ganze  Figur 
nur  roh  angelegte  aber  verhältnissmässig  kleine  Kopf  ist  leise 
gesenkt  und  blickt  nach  links.  Beide  Arme  sind  in  eine  ge- 
wisse freie  Symmetrie  gesetzt.  Die  Hände  sind  so  klein,  dass 
der  Künstler  sich  nicht  die  Mühe  genommen  hat  sie  auszufüh- 
ren. Die  Göttin  sitzt  auf  der  linken  Seite  des  Vogels.  Von  dem 
Vogel  ist  nur  wenig  zusehen:  Kopf,  Hals,  ein  Theil  des  Vor- 


246  AUSGRABUNGEN  IN  OYPERN 

derleibes,  ein  Fuss  und  das  Schwänzende.  Der  Gesammteindruck 
der  Gruppe  ist  harmonisch  ,  ^V()zu  neben  dem  Peplos  und  dem 
nackten  KÖrpertheile  der  vorgestreckte  Vogeibals  wesentlich 
beiträgt. 

Ich  lasse  hier  ein  Fragment  folgen,  weiches  entweder  zu 
einer  Aphroditestatuette  oder  zu  der  Statuelte  einer  Priesterin 
Aphroditens  gehört.  Eine  weibliche  Hand,  wol  die  Rechte,  1,75 
Cm.  lang,  hält  graziös  einen  5,75  Cm.  langen  Hasen  an  den 
Hifiterfüssen.  Über  die  Hand  fällt  das  Gewand.  Das  Fragment 
scheint  seiner  Beschaffenheit  nach  eher  von  einer  lleliefdar- 
stellung  als  von  einer  Rundfigur  herzurühren. 

Ein  anderes  Fragment  aus  dunkeler  Terracotta,  Theil  eines 
nackten  Figürchens,  6  Cm.  hoch,  ist  in  seinem  unteren  Theile, 
Knie  und  Schenkel,  erhalten.  Am  Körper  fällt,  diesen  frei  las- 
send, ein  Gewand  herunter. 

Ich  gehe  zur  Gruppe  der  weiblichen  Gewandfiguren  über. 

Ich  erwähne  zuerst  eine  beinahe  intacte  1 1,5  Cm.  hohe  Sta- 
tuette. Nur  am  linken  Unterarm  fand  eine  Beschädigurg  statt. 
Die  Figur  ähnelt  ungemein  einem  im  Louvre  befindlichen  aus 
Kyrenaika  stammenden  Terracottafigürchen,  welches  von  L. 
Heuzey  in  den  Mon.  Grecs  1874  S.  18  Tf.  I  C  publicirt  worden 
ist.  Die  aufrecht  stehende  Gestalt  ist  in  den  Peplos  gehüllt. 
Die  Rechte  ruht  durchgebogen  'hinter  dem  Rücken  in  Kreuz- 
höhe. Die  Linke  hängt  am  Körper  herunter.  V^om  eingehüllten 
Kopf  ist  nur  der  Gesichtstheil  von  Stirn  bis  Kinn  frei.  Der 
Kopf  ist  sanft  nach  rechts  geneigt.  Wir  haben  eine  reife  Frau 
vor  uns,  die  betrübt  den  Blick  zur  Erde  senkt.  Es  ist  ganz 
die  Figur  der  verhüllten  trauernden  Demeter,  wie  sie  uns 
im  Hymnos  Homers  geschildert  wird  (s.  Heuzey  a.  a.  0.). 

Zwei  andere  kleine  Fragmente  scheinen  zusammen  und  zu 
einer  Replik  desselben  Vorwurfs  zu  gehören. 

Eine  15,5  Cm.  hohe  Gewandstatuette  wurde  ohne  Kopf 
gefunden.  Auch  am  Körper  ist  eine  Stelle  ausgebrochen.  Die 
Figur  steht  auf  dem  r.  Bein.  Der  Peplos  fällt  in  schöngeord- 
neten reichen  Falten  am  Körper  herab  und  schmiegt  sich  eng 


AUSGRADIJNGRN  IN  CYPERN  247 

an  densolben  an.  Die  Linke  ist  liiriler  dem  Rücker.  verborgen. 
Die  Ueclitc  zieht,  an  den  Fallen  nnler  der  Bf-iisI. 

Eine  andere  oline  Kopl'  und  liände  gefundene.  Statuette  von 
12,5  Cm.  Höhe  steht  mit  über  die  Brubt  <>esehlagenen  Armen 
da.  Der  r.  Fuss  steht  etwas  vor  dem  1.  Ein  Hüf'tengürlel 
unterbricht  allein  die  schlicht  am  Körper  herunterfallende 
Gewandung. 

Ein  11,5  Cm.  hohes  kopfloses  Gewand ligürchen  ist  graziös 
gedacht.  Behandlung  und  Fallenlage  des  Peplos  ist  einem  llat- 
ternden  modernen  Ballgewande  mit  Schleppe  und  Überwurf 
zu  vergleichen.  Das  wohl  mit  Spangen  auf  den  Achseln  zu- 
sammengehaltene Gewand  ist  in  Begriff  über  den  nackten 
rechten  Arm  hcrabzu rutschen  ;  die  r.  Hand  fasst  das  eine 
Ende  des  Peplos,  der  auf  der  linken  Achsel  ruht.  Die  r. 
Brust  ist  ziemlich  entblösst.  Der  1.  Oberarm  erscheint  nackt, 
über  den  Unterarm  fällt  das  andere  Ende  des  Peplos;  die  1. 
Hand  ruht  unter  der  Brust  am  Gürtel.  Ausser  dem  Kopfe 
fehlt  noch  ein  Stück  unten  am  Gewände  und  Sockel.  —  Ich 
vermuthe  in  diesem  Bildwerke  eine  Genrefigur. 

Es  möge  hierdas  beslausgeführte  und  besterhaltene  weibliche 
Köpfchen  meiner  salaminiscben  Funde  folgen.  Dasselbe  ist 
2,75  Cm.  hoch.  Von  unten  und  1.  zieht  sich  ein  Schleier 
nach  r.  und  oben,  die  1.  Backe  weniger,  das  Kinn  und  die  r. 
Backe  weiter  verhüllend.  Um  den  kleinen  Mund  spielt  ein 
sinnlicher  Zuc.  Die  Auoen  blicken  sinnend  nach  vorn.  Bas 
Scheitelhaar  ist  in  welligen  Partien  angeordnet.  Um  den  Kopf 
ist  ein  Band  geschlungen.  Der  Hinterkopf  ist  abgebrochen. 

Ein  anderes  vom  Kinn  bis  Oberhaupt  3,5  Cm.  hohes  Köpf- 
chen trÜEct  den  Ausdruck  von  Trauer  und  Schmerz.  Eine 
breite  Slirnbinde  zieht  sich  bis  vor  und  unter  die  Ohren. 
Über  die  Binde  fallen  r.  und  l.  in  genauen  Abständen  über 
den  Schläfen  sauber  angeordnete  Haarpartien  wellig  herab. 

Ein  anderes  Köpfchen,  vom  Kinn  bis  zum  hocliaufgesetzten 
Modius  reichlich  3  Cm.  hoch,  erinnert  ganz  an  die  gleichen 
am  Salzsee  bei  Larnaka  gefundenen  Köpfe  und  Figuren.  Das 
Köpfchen  gehört  entschieden  zu  einem  Typus,   der  sich  auf 


248  AUSGRABUNGEN  IN  CYPERN 

Cypern  herausgebildet  lial  und  von  Einigen  für  Demeter,  von 
Anderen  für  Aphrodite  gehalten  \\ird.  Icli  halle  diese  Gottheit 
und  ihre  Darstellungen  für  einen  Misch Lypus,  der  aus  beiden 
hervorging. —  Die  Göttin  sitzt  auf  einem  Thronsluhl,  der  stets 
dieselbe  eigenlliümlich  ausgeschweifte  Form  der  Lehne  zeigt, 
sowie  die  Göttin  stets  denselben  hohen  Kopfputz  trägt  und 
den  1.  Arm  gegen  die  Brust  hin  gebogen  hat,  in  der  1.  Hand 
einen  Gegenstand  haltend,  der  einer  Blume  oder  Frucht 
Ühneit.  Die  vorgestreckte  R.  ruht  auf  dem  Knie.  Zuweilen 
ist  die  Göttin  noch  von  zwei  ßec^eiterinnen  umo;eben.  Ver- 
schiedene  Museen  und  Sammlungen  besitzen  Repliiven  dieses 
Vorwurfs  (s.  die  Sternsche  Bearbeitung  des  Werkes  von  Ces- 
nola  über  Cypern  S.  401  fg.  und  Taf.  I  2).  ^ 

Ein  3  Cm.  hohes  Köpfchen  trägt  einen  aus  dem  Haar  selbst 
gebildeten  hohen  Kopfputz.  Das  Haar  ist  über  der  Stirn  ab- 
gescheitelt, seitwärts  gezogen,  mehrere  Male  mit  dem  Haar 
des  Hinlerhauptes  verschlungen  und  in  einem  hochaufgesetzten 
Knoten  zusammengefasst. 

Eine  andere  Figur  gehört  ins  Genrefach.  Leider  konnte  ich 
nicht  alle  Stücke  finden;  es  fehlen  die  r.  Schulter  und  der 
mittlere  Theil  des  1.  Arms.  Auf  einem  einfach  angedeuteten 
Sessel  sitzteineGewandfigur.  Auf  ihren  Knien  ruhtein Kistchen 
mit  einem  schrägen  Deckel.  Es  wird  vom  linken  bis  auf  die 
Hand  verhüllten  Arm  gehalten,  während  der  theilweise  ent- 
blösste  mit  einem  Armband  gezierte  r.  Arm  leise  auf  dem 
Kasten  ruht.  Im  Gesicht,  das  nach  unten  schaut,  spricht  sich 
eine  gewisse  Pfiffigkeit  aus.  Die  Nase  ist  etwas  stumpf.  Das 
Haar  ist  in  hohen  Lockenpartien  aufgethürmt,  auf  denen  ein 
kranzförmiger  Putz  ruht.  Von  einer  Replik  derselben  Dar- 
stellung fand  sich  ein  Fragment.  Später  sah  ich  eine  ähnliche 
Figur  in  der  Sammlung  des  Dr.  Pierides  in  Larnaka. 


*  Dass  die  llauplgöUin  von  Cypern  nur  die  Astartc  sein  kann  unterliegt 
nach  den  zahlreielicn  l'undcn  wie  nach  der  Überlieferung  keinem  Zweifel. 
Wie  E.  l'oUier  {Bull,  de  corr.  hell.  1879  S.  92)  diese  längbl  erwiesene  Tha»- 
sache  anzweifeln  kann,  ist  mir  nicht  klar. 


AUSGRABUNGEN  IN  CYPERN  249 

Wir  gelangen  jetzt  zu  der  einzigen  beinahe  ganz  nackten 
miinnliclicn  Figur.  Das  lange  Gewand  ist  über  der  r.  Achsel 
geknüpft,  hüllt  aber  nur  einen  Theil  der  Brust  und  den  r. 
Arm  ein.  Der  herunterhängende  r.  Arm  hält  das  Gewand, 
der  vorgestreckte  1.  einen  Vogel,  wohl  eine  Taube.  Hals  und 
Nacken  sind  von  starker  Bildung.  Die  wenig  gepflegten  kurzen 
Haare  stehen  struppig  aufwärts.  Die  Behandlung  des  Nackten 
lässt  auf  die  römische  Zeit  schliessen.  Ich  sehe  in  der  Dar- 
stellung einen  Priester  der  Aphrodite. 

Wir  gehen  jetzt  zu  der  Gruppe  nackter  Kindcrgeslalten 
über. 

Ein  II,.')  Cm.  hoher  Knabe  steht  auf  einem  annähernd 
ovalen  Sockel.  Er  ist  nackt,  der  1.  Fuss  steht  vor  dem  r.  Die 
Figur  ist  nach  r.  gc^wandt,  der  Kopf  geneigt.  Das  Haar  ist 
lockig,  der  Gesichtsausdruck  ein  lächelnder.  Der  1.  Arm  ist 
gegen  die  Schulter  zurückgebogen,  die  Hand  hielt  einen  jetzt 
weggebrochenen  Gegenstand,  vielleicht  ein  Füllhorn  oder  eine 
Fackel.  Der  r.  Arm  ist  vorgestreckt  und  scheint  sich  auf 
einen  undeutlichen  Gegenstand  zu  stützen  oder  denselben  zu 
halten;  vielleicht  darf  man  ein  roh  angedeutetes  Fell  erblicken. 
Ich  erkenne  in  dem  nett  ausgeführten  Figürchen  einen  Eros. 

Ein  bis  zu  den  Schamtheilen  erhaltenes  8  Cm.  hohes  Frag- 
ment stellt  einen  Knaben  dar,  der  eine  Gans  zurückhält.  Das 
Motiv  ist  bekannt  durch  das  von  Plinius  beschriebene  Werk 
des  Boethos. 

Ein  12  Cm.  hohes  Figürchen  stellt  einen  dicken  breit- 
beinig dastehenden  Knaben  dar,  der  mit  beiden  Händen  das 
mit  Früchten  angefüllte  Gewand  emporhebt.  Die  r.  Hand 
hält  gleichzeitig  mit  dem  Gewände  eine  Weintraube.  Das 
Haar  ist  lang  und  gekräuselt.  Die  Behandlung  ist  geschickt  in 
der  Massenwirkung,  aber  roh.  Zu  einem  ähnlichen  wenn 
nicht  zu  demselben  Motive  dürften  zwei  andere  Fragmente 
gehören,   welche  vom  Nabel  an  abwärts  erhalten  sind. 

Es  sei  hier  eines  männlichen  mit  der  Kopfbedeckung  6  Cm. 
hohen  Kopfes  Erwähnung  gethan.  Die  nur  zum  Theil  erhal- 

illTTIJ.D.  .\RCH.INST.V1.  IT 


250 


AUSGRABUNGEN  IN  CYPERN 


tene  Kopfbedeckung  erinnert  an  die  Form  derneugriecliischen 
Pries  termülze. 

Ich  komme  jetzt  zu  derdurch  Auffassung,  Aiisfulirung  und 
Grösse  bedeutendsten  Terracotta,  die  sich  den  guten  Funden 

von  Tanagrawol  zur  Seite 
stellen  darf.  Die  21  Cm. 
hohe  Fisur  stellt  Athene 
dar.  Die  Göttin  steht  mit 
einer  schwachen    Wen- 
dung nach  rechts  in  ruhi- 
ger und  würde  voller  Hal- 
tung vor  uns.  Das  in  der 
Mitte    gescheitelte    und 
von  einem  Bandezusam- 
menojehaltene  Haar  fallt 
vierfach  getheilt  in  lan- 
gen  Wellenlinien    über 
Rücken    und   Schultern 
herab.  Der  vom  Gewand 
entblösste  rechte  Arm  ist 
gesenkt  und  hält  auf  der 
Hand  den  mit  Busch  ver- 
sehenen Helm.  Der  linke 
Arm  ist  biszurHandwur- 
zel  vom  Himation  ver- 
hüllt und  stützt  sich  auf 
den  ovalen  auf  den  Boden 
aufgestemmten    Schild. 
Andere  charakteristische 
Attribute  der  Göttin  sind 
nicht  vorhanden.  Athene  scheint  als  Friedensgöttin  aufgefasst 
zu  sein;  die  Darstellung  erinnert  an  ein  durch  die  Beschrei- 
bung desHimerius  bekanntes  Werk  des  Phidias  (vgl.  Brunn, 
Gesch.  dergr.  Künstler  I.  S.  153).  Die  Figur  ist  mit  grossem 
Verständniss  gearbeitet,  das  sich  sowohl    in   der  Linienfüh- 
rung als  in  der  Vertheilung  von  Licht  und  Schatten  bewährt. 


AUSGRABUNGEN  IN  GYPEUN  251 

Die  Steilfalten  des  bis  auf  die  Fussspitzen  lierabwallenden 
Gewandes  werden  durch  eine  sanfte  Biegung  des  linken  Beines 
unterbrochen,  sodass  keine  Monotonie  entsteht.  DerGesammt- 
eindruck  des  kleinen  Werkes  ist  würdig  nnd  anmulhig, 
wie  essichfürdie  jungfräulicheGöltin  geziemt.  Dieschwäch- 
ste  Partie  ist  die  enlhlösste  IJand,  die  ziemlich  roh  ausge- 
führt ist.  Die  Statuette  der  Athene  ist  die  einzige  unter  den  bis- 
hergeschilderten in  den  Gräbern  gefundenenTerracottafiguren, 
an  der  ich  Farbenspuren  constaliren  konnte."^  Das  Haupt- 
haar und  der  llelinbusch  waren  roth  bemalt  das  Gesicht 
weiss,  das  llimation  blassrosa.  Die  Erhaltung  ist  bis  auf  eine 
Verletzung  an  der  linken  Hüfte  tadellos,  doch  konnten  die 
anhaftenden  Erdtheile  nicht  überall  entfernt  werden. 

Nachdem  ich  hiermit  die  Beschreibung  der  griechisch- 
römischen  Terracotten  beendigt  habe,  bleiben  mir  noch  drei 
Gegenstände  zu  erwähnen,  die  einer  älteren  Zeit  anzugehören 
scheinen.  Ich  fanddieselben  zusammen ineinemeinkammerigen 
Grabe  auf  derBegräbnissstätte  der  Vornehmen  aus  der  griechisch- 
römischen Zeit  in  einer  Tiefe  von  3  M.  Das  Grab  war  schon 
im  Alterthum  geplündert  worden.  In  den  oberen  Schichten 
sliess  ich  auf  Trümmer  von  römischen  Sarkophagen  und  einige 
gewöhnliche  Lampen.  Anzunehmen  dass  zwei  Gräber,  ein 
älteres  und  ein  jüngeres,  übereinander  lagen,  scheint  gewagt, 
weil  ungefähr  drei  Meter  an  diesem  ßegräbnissplatzedie  nor- 
male Tiefe  ist.  Auf  der  andern  Seite  ist  das  gleichzeitige  Vor- 
kommen von  drei  Gegenständen  von  so  abweichendem  Cha- 
rakter in  einem  römischen  Grabe  auffallend. 

Ich  nenne  zuerst  eine  9  Cm.  lange  griechische  Terracotta- 
lampe  der  gemeinsten  Form  ohne  Ornamente.  Auf  dem  Boden 
sind  in  Relief  drei  Zeichen  der  kyprischen  Syllabarschrift 
angebracht,  das  eine  von  ungewöhnlicher  Form.  Ich  lese 
o-^o-na,  vielleicht  der  Name  des  Besitzers  oder  des  Fabrikanten. 


'  Eine  rohe  rollie  Bemalung  fand  sicli  liäufig  an  gewissen  Idolresten, 
welche  ich  auf  dem  Felde  beim  pelasgischenTumulus  fand  und  oben  erwähnt 
habe. 


252.  AUSGRABUNGEN  IN  CYPERN 

Dassdie  ganz  ornamentlose  Lampe  eine  Inschrift  trägt  beweist, 
dass  sie  in  einer  alten  Zeit  gemacht  sein  muss,  in  welcher 
die  Lampen  in  ihrer  primitiven  Form  noch  eine  grosse  Sel- 
tenheit waren  ;  später  kommen  Inschriften  nur  auf  ornamen- 
tirten  Lampen  vor. 

Das  zweite  Stück,  ein  9,5  Cm.  hoher  Vogel,  wie  es  scheint 
ein  Huhn,  steht  auf  einem  3  Cm.  hohen  Sockel  in  schreiten- 
der Bewet^iinc^.   Nur  die    r.   Seite  ist  bearbeitet,  auf  der  1. 

CO  •' 

findet  sich  das  Brennloch  und  am  Sockel  eine  flüchtig  ein- 
geritzte cyprische  Inschrift,  Die  Arbeit  ist  roh,  der  Kopf  war 
imÄlterthum  zerbrochen  und  vermiltelsl  einer  \Neissencement- 
artigen  Bindemasse  wieder  zusammengefügt,. 

Das  dritte  Stück  ist  eine  11,5  Cm.  hohe  männliche  Figur 
auf  einem  2  Cm.  hohen  Sockel.  Sie  ist  von  abslossenderHäss- 
lichkeit  und  entsetzlichen  Missverhältnissen.  Der  unförmige 
grosse  Kopf  hat  eine  krumme  Nase.  Auch  der  Bauch  ist  un- 
förmior.  Alle  Extremitäten  sind  daueoren  viel  zu  klein.  Der  r. 

C  CO 

Arm  stützt  sich  auf  die  Hüfte;  der  untere  Korpertheil  scheint 
eher  einem  Bocke  als  einem  Menschen  anzugehören.  Die  un- 
förmig grossen  sehr  deutlich  ausgearbeiteten  Geschlechtstheile 
hangen  bis  über  die  Rniee  herab.  Die  bei  diesem  wie  bei 
dem  vorhergehenden  Stück  in  oleicher  Weise  am  Sockel  wie- 
derkehrende  lebhaft  grüne  Farbe  zeigt,  dass  beide  zusammen- 
gehörten. 

r).  Inschriften  und  Münzen.  Ausser  den  bisher  erwähnten 
Inschriften  liabe  ich  noch  andere  griechische  entweder  in  den 
Gräbern  oder  auf  den  Ruinen  bei  dem  pelasgischen  Quellge- 
bäude gefunden,  meist  kurz  und  fragmentarisch,  alle  aus  dem 
Ende  der  fHolouiäer-oder  Beginn  der  römischen  Zeit.  Bei  dem 
Quellgebäude  fand  ich  u.  a.  ein  Fragment  mit  den  Buchslaben 
TAMEI  ;  es  lag  ung.  dreissig  Schritt  w^estlicli  vom  kyklopi- 
schen  Bau  auf  einer  Trümmerstrasse,  die  zur  Sladt  Salamis 
führt.  Eine  andere  vielzeilige  Inschrift  steht  auf  Bleistücken, 
die  sich  am  Eingang  eines  Grabes  fanden  ;  die  Charactere 
sind  klein.  Die  Stücke  sind  nach  London  gesandt. 

Am  Fusse  einer  Grabstele  (h.  0,45,  Dm.  unten  0^21,  ob. 


AUSGRABUNGEN  IN  CYPEHN  253 

0,31"')  steht  die  Inschrift  KAAAITYXE.  Der  obere  vorsprin- 
gende Rand  ist  mit  [^eisten  und  Fugen  geziert,  der  untere 
Theil  über  der  Inschrift  inil  einem  an  der  Rundung  relief- 
arlig  hervortretenden  kränze  von  Blättern  und  Pinienäpfeln. 

Die  in  den  Gräbern  selbst  gefundenen  Münzen  sind  theils 
römische,  theils  römisch-cyprisclie  mit  dem    Paphostempel. 

6.  Verschiedcws.  Ausserdem  bereits  Aufgezählten  grub  ich 
u.  a.  Säulen  und  Capitellstücke,  einen  schlecht  erhaltenen 
weiblichen  Torso,  eine  Hand,  die  Bekleidung  einer  Grabthür 
(Giebel  mit  korinthischen  Pilaslern)  u.  s.  w.  aus  Stein  und 
Marmor  aus.  Erwähuenswerth  ist  das  58  Cm.  lange  und  49 
Cm.  hohe  Fragment  eines  steinernen  Grablöwen  aus  späterer 
Zeit. 

Zum  Schlüsse  ein  Wort  über  die  Gebeine  und  die  Anord- 
nuns;  der  mitijeoebenen  Geo;enstände  in  den  und  um  dieSar- 
kophage  wie  in  den  übrigen  Grabanlagen. 

Beim  Oeffnender  Gräber,  im  Eingangsstollen  oder,  wo  kein 
solcher  evistirl,  in  der  Erde,  welche  über  den  Sarkophag- 
gruppen oder  über  dem  Grabe  ohne  Sarkophage  bis  zur  Erd- 
oberfläche aufgeschüttet  wurde,  werden  viele  Lekythoi  ge- 
funden, aber  auch  Gläser  und  zwar  von  der  kleinen  Cylinder- 
form,  sowie  Alabastra. 

Die  Gefässe  aus  Terracotta,  Glas,  die  Lampen  und  man- 
cherlei andere  Gegenstände  sind  um  die  Gebeine  (wenn  Sarko- 
phage fehlen)  oder  um  die  die  Gebeine  einschliessenden 
Sarkophage  nach  gewissen  Usancen  angeordnet. 

Verbrannte  Leichname  habe  ich  mit  Sicherheit  nicht  nach- 
weisen können,  die  Bestattnngsart  oline  Verbrennung  dagegen 
in  unzähligen  Beispielen.  Das  Wühlen  der  Grabräuber  er- 
schwerte vielfach  die  Constalirung  des  Thatbestandes,  doch 
war  eine  genauere  Nachforschung  namentlich  in  den  Gräbern 
der  Mittelclas'sse  und  der  Armen  noch  möglich. 

Bei  den  Einzelgräbern  der  Ariiien  sind  die  mitgegebenen 
Gegenstände  am  Kopfe  oder  bei  den  Füssen  angeordnet,  wenn 
an  der  Seite,  in  der  Regel  ander  Wandseite.  Gold  und  Silber- 
schmuck, geschnittene  Steine,   Perlen  und  Amulette  hatten 


254  AUSGRABUNGEN  IN  GYPERN 

selbstverständlich  die  Todten  an  sieh.  Ist  bei  Frauen  ein 
Bronzespiegel  da,  so  liegt  er  meist  an  der  r.  Seite  in  der  Nähe 
derHand,  dasselbe  gilt  von  derSpindel,  mögen  nun  Sarkophage 
zur  Anwendung  gekommen  sein  (dann  innerhalb  derselben) 
oder  nicht. 

Die  Bronzemünzen  wurden  meist  dicht  am  untern  Ende  des 
Kopfes  in  der  Nähe  des  Mundes  gefunden,  eine  bis  zu  fünf. 

Auch  Schabeisen,  Werkzeuge,  Messer  u.  dgl.  wurden  dicht 
an  die  Todten  gelegt  oder  ihnen  in  die  Hände  gegeben.  Lampen 
und  Gläser  wurden  nur  vereinzelt  in  den  Sarkophagen  ge- 
funden, dagegen  häufig  am  Kopfende  ausserhalb  derselben. 

In  einem  reichen  Grabe,  in  dem  die  vielen  Gläser  und 
geschnittenen  Steine  sowie  der  Goldring  mit  der  Inschrift 
It:"  ayxöö  lagen,  standen  am  Kopfende  des  in  einer  Nische 
ohne  Sarkophag  beerdigten  Todten  zwei  gleichgeformte  Am- 
phoren, in  der  einen  acht  cylinderförmige  Salbgläschen,  in  der 
andern  Knochen  von  Hühnern  und  andere  Reste  wohl  von 
anderen  Speisen. 

Die  Statuetten  wurden  wie  erwähnt  meist  in  den  Grab- 
stätten der  Reichen  gefunden.  Sie  waren  über  den  Sarko- 
phagen oder  den  Leichen  an  der  Wand  angebracht,  wenn  ich 
auch  eine  auf  einem  Nagel  an  derselben  hängende  Statuette 
nirgends  angetroffen  habe.  Die  Grabräuber  scheinen  im  Alter- 
thum  das  was  sie  für  werthlos  hielten,  zumal  die  Statuetten, 
gern  zertrümmert  zu  haben. 

5.  Schluss bemerk ungen. 

Die  von  mir  geleiteten  Ausgrabungen,  über  welche  die 
vorstehendenMittheilungen  einen  summarischen  Berichtgeben, 
zeigen  wie  unendlich  viel  in  Cypern  noch  zu  thun  bleibt  ; 
nur  ein  kleiner  Theil  der  Schätze,  welche  der  Boden  birgt, 
ist  bis  jetzt  gehoben  worden,  auch  die  Resultate  der  Aus- 
grabungen Louis  Palma  di  Cesnola's  mitgerechnet,  der  speziell 
für  Salamis  wenig  geleistet  hat.  Dass  meine  eignen  Arbeiten 
mit  Erfolg  gekrönt  w'urden ,   verdanke    ich  zunächst   Herrn 


AUSGRABUNGEN  IN  CYPERN  255 

Th,  Newton,  Inspector  der  römischen  und  griechischen  Al- 
terlhümer  des  britlischen  Museums,  dem  ich  für  das  mirge- 
sehenkle  Vertrauen  zu  grossem  Danke  verpflichet  bin;  ferner 
in  glciclier  Weise  besonders  den  Herrn  D.  Cobhum ,  Civil- 
Commissiir  in  I.arnaka,  und  dem  Gelelirlen  D.  Pierides  ebenda, 
weiche  mir  beide  mit  llath  und  Tliat  zur  Seite  standen. 

MAX  OHM^FALSCH-RICHTER. 


Inschriften  aus  Kallipolis. 

Im  Sommer  1880  besuchte  ich  auf  einige  Tage  deu  Helles- 
pont  und  hattebesonders  in  Gallipoli  Gelegenheilepigrapliische 
Studien  zu  treiben,  da  meine  amtlichen  Aufträge  mich  dort 
längere  Zeit  festhielten.  Inschriften  aus  dieser  Stadt  fmdet 
man:  C.  LG.  il  2011-2016;  Ann.  1842  S.  136  fg.;  Dumont 
Inscr.  et  monum.  figures  de  la  T/irace  N"  98  fg. ;  Bull,  decorr. 
hell.  I  S.  81  fg.  ;  VI  (1880)  S.  394  fg.  Von  diesen  Texten  ist 
jedoch  C.  I.  G.  2015  nichts  weiter  als  die  etwas  verwilderte 
Copie  einer  kyzikenischen  Inschrift,  welche  unter  N"  3693 
wiederholt  ist,  ohne  dass  die  Herausgeber  die  Identität  be- 
merkt; Dumont  N**  99,  das  monument  qui  prament  de  la  cöte 
d'Asie,  stammt  genauer  ausKamaräs  (Kemer),  dem  alten  Pa- 
rion,  ebd.  N°  100  aus  Lanipsakos  und  auch  von  den  unten 
mitzutheilenden  Inschriften  gehören  vielleicht  einige  andei's 
wohin.  Von  den  älteren  Texten  habe  ich  mit  einer  einzigen 
Ausnahme  keinen  wiedergesehen,  siesollen  sämmtlich  in  den 
Mauern  des  mittelalterlichen  Schlosses  gesteckt  haben,  wel- 
ches die  franz(3sischen  Occupationstruppen  während  des  Krim- 
krieges geschleift  haben.  Nur  C.  /.  G.  2016  ist  noch  vorhan- 
den und  zwar  im  Hause  eines  gewissen  Hafiz  Mehemed  Efendi, 
wo  ein  Herr  Papadopulo  sie  allerdings  schleclit  genug  co- 
pirte ;  *  der  ungefällige  Efendi  vervveigerte  mir  jedoch  die 
Besichtigung  des  Steines. 

LInedirt  sind  folgende  Inschriften  : 


'  Seiiio  Abschrift  laulei   nach  Aiitlosuiig   der  Ligaturen   iu  den  Jx-;ii!e.n 
ersten  Zeilen 

AYTQKAlTHrAY 

I  K  H  M  O  Y  A  S  K  A  I  n  1  O  Y 

IZ.TOYIAEAOinn.A 
d.  1.  IjauTüJ  xal  xf;  YXufy.uTiTT)  Yuvtt]tx(  [lou  'A«y.XTjr'.o[5täpK  xv>. 


INSCHRIFTEN  AUS  KALLIPOLIS  267 

1.  Fragment,  in  der  griechischen  Schule,  erhalten  nur 
LYAHMOYI,  H  und  M  in  Ligatur. 

2.  Zwei  fragmentirte  w.  Marmorbalken,  eingemauert  im 
Thurm  am  Eingang  des  Kothon.  Man  erkennt  auf  d(MTi  einen 
Stück  PRISC,  auf  dem  andern  lAC-F  POLL. 

3.  Marmorbasis  in  dem  Hofe  der  kXX'/i^o^i^xxtixyi  «syo\-h 
beim  Hag.  Nikolaos.  Erhallen  nur 

I  M  P  C  AES 
•T-  A  r  l 

d.  h.  lmp{eratnri)  Caesiari)  T.  Ael\io)  [Hadriano  u.  s.  w.],  vgl. 
C.  LG.  2013. 

4.  Über  der  Thür  des  Backofens  des  B£>.wvvi;   eingemauert 

EIBIAIOYAIAKAITEK 
Oij]sißia  'lou^Xi«  y.ocl  Tex.[voi;  /.tT,. 

5.  Auf  dem  türkischen  Hegräbnissplatz  liess  ich  folgendes 
später  auf  die  Belidie  (Municipalitäl)  gebrachte  Fragment 
freilegen  (manche  Buchstaben  in  Ligatur) : 

isMi  I  <^iliimiAiOIETOIl.Z. 

YWEITIEAETINAKATAGHTETEPO 

YnEYGYNOETwTHCTYMBWPYXlAC 

d.   h.    x,ocl  ToT;  Tuxi^ioi;,    xoi;  S[£  )^ci7coi;  «Trayopejuw'    si'  T14  os 

[eyÄ^YiaflCTi].  Die  Partie  oben  1.  ist  abgesägt ;  die  zahlreichen 
Fehler  sind  auf  dem  Slein,  besonders  Z.  3,  wo  der  Steinmetz 
mehrere  Buchstaben  in  seiner  Vorlage  übersprang. 

6.  Im  Chan  atn  Hafen  (Liman  Chanj),  gehörig  dem  Haz- 
nadai'  Bey,  im  Hofe.  SarTvophagdeckel ;  der  dazu  gehörige 
Untersatz  dient  als  Fontaine  auf  dem  Holzmarkte.  Nach  einem" 
Abklatsch  und  einer  Abschrift ; 


258  INSCHRIFTEN  AUS  KALLIPOLIS 

A  auf  einer  Schmalseite  : 

AOYA^vjOYGY  ^o6\oj  toO  Gsou 

O  P  M  I  E  Y  2  Ä  I  öp[j.[GJ]  s5^ai 

YFePlOYOltCCüNOK  uTcsp  [xloO  oi'>co)  [{jlou] 

TOYÄMÄPTCüAOY  toO  «{;.«pTo)>oO. 

B  auf  der  rundgebogenen  Oberseite  (vor  dem  Anfang  der 
ersten  Zeilen  ein  grosses  Kreuz)  : 

+eN0AAeKATAKITeMAPlNOCOTHCMAKAPIA§ 
MNHMHCreNANieNOCKTHTUUPKAIAnoePrACTHPIf/ 
KUUNTHC4)IAOXPnAnANITaJNnOAeTeAeYTAMIOY 
AlUUKTHMePATeTAPTHINA^  OTAOHTONKVPION 
+  C010ANArN(JUCKUUNeYX0YYnePAYT0Y  + 
nANTAnAHPHC  + 

d.  ll.  'EvOocSs  x,aT3cx,TTe   MocpTvo?    ö   -r-^i;  [xa>tocpi3c[;]   [avi^jav)?  '^t'xk- 

vtTÖv  7c6X(e(i>g),  ersT^suTX  [J'X'/ivl)  'louXitp  xy'  <^[Aspc>:  TSTocpTV) 
ev§.  ÖY^OYi*  Tov  vtupidv  (joi  6  av3tY[i]v(0(T)to)v  su^ou  uTrsp  «utoö, 
TCKVT«  TrXiQpTi;. 

Von  den  Jahren,  in  welche  die  8te  Indiction  fällt  und  in 
denen  der  23  Juli  ein  Donnerstag  ist,  kommt  wohl  nur  das 
Jahr  635  in  Betracht.  Unter  der  nocTraviTöv  wö^t;  ist  jeden- 
falls Panium,  heutzutage  Banados,  zu  verstehen,  über  welche 
Stadt  Thrakiens  ßoeckh  zu  C.  l.  G.  11  2059  (wo  jedoch  jeden- 
falls Tiotvb;  zu  lesen),  C.  Müller  Fr.  hist.  gr.  IV  69,  Dumont 
a.  a.  0.  S.  63  zu  vergleichen  sind. 

7.  Indem  Hause  Gelindjik  Sokak  lY  3 

d.  i.  KaßxXXocpCou  u.  s.  w.  Die  Cavallarii  sind  eine  bekannte 


INSCHRIFTEN  AUS  KALLIPOLIS 


559 


Familie  des  lateinischen  Orients  ;  ein  Nikolaos  Kaballarios 
Agallon  erbaute  einen  Tliurm  der  Stadtmauer  nom  konstan- 
tinopel  und  sein  Namensvetter  ist  vielleicht  der  Urheber  der 
fränkischen  Befestigungen  von  Gallipoli,  von  denen  noch  die 
Umfassung  des  Kolhon  steht.  In  den  Känij)i"en  der  Franken 
im  Orient  spielt  Gallipoli  bekanntlich  eine  nicht  unwichtige 
Rolle. 

In  Minuskeln  edirt  ist  (MouasTov  axI  ßtS^ioÖ-^itYi  t-?1;  zuxyf. 
«X-  1876-78  S.  39) 

8.  die  Inschrift  am  ornamentirten  Marmorsarkophag  aus 
Kamaräs,  der  sich  jetzt  im  Vorhof  des  Mevlevi  Chane  {Der- 
wischkloster) bei  Gallipoli  befindet.  Sie  ist  mit  rohen  deut- 
lichen Buchstaben  eingetragen. 


a. 


ÄYPKÄPnoC 
eÄ  YTUU 
KETHCY 
NEKIMOY 


d. 
EKATOII 
b. 

KETOICTE 
KNOICEIAE 
TICETEPOC 


KHTHnOAEIAH 
NAPIUUNMYPIAAEC 


c. 
BOYAH0H 
ANtAUUCIEl 
TUUIEPUUTA 
MEIUUAUUCEI 
L  HNÄPIUUNMY 
PIAAECTPIAKO 
CiÄC 

a.  AupC'JiXio?  KocpTco;  sscutö  )C6  t-^  [yluveni  {aou 

b.  )C6  Tol;  TSKvot;'  et'  ^e  ti;  STepo; 

C.  ßouXviO-^  (Xv[oi];i  ^wasi  1(0  lepw  TX[ASia>,  ^wsei  ^iQvacpiwv  jau- 
pix^e;  Tptxjtocix; 

b.  Z.  4  fg.  XYi  TV)  Tkö^si  ^7)V3cpio)v  {xuptx^s; 

rf.  eytxTov. 

Unter  den  Barbarismen  besonders  interessant  ist  das  ßou'XTiS'^ 
«v(oi)^i  st.  avoi^ei,  welches  an  die  neugriechische  Futurbil- 
dung erinnert. 

Eine  Geldbuse  von  3000000  und  1000000  Denaren  setzt 
billig  in  Erstaunen,  wenn  man  darunter  die  Silberdenare  ver- 
steht, aber  es  sind    vielmehr  die  kupferheller  der  späteren 


260  INSCHRIFTEN  AUS  KALLIPOLIS 

Kaiserzeit,  von  denen  6000  auf  einen  50/ /rfi«  gingen  (Mommsen 
Rom.  Miinzw.  S.  800  und  8iO  fg.),  3000000  Denare  sind  also 
500  solidi,  100000  sind  16(5  ^j^solidi.  Auf  einer  unedirten 
InschriftvonBrussa  kommt  eine  Busse  von  500000  und  250000, 
auf  einer  syrischen  eine  solche  von  200000  vor  (flenan  Miss. 
en  Phenicie  255). 

Schlecht  edirt  (bei  Dumont  a.  a.  0.  N"  100)  ist 
9.  die  Inschrift  auf  einer  viereckigen  Säulenbasis  im  Hofe 
des  Konaks  des  Munak  (Münib)-Bey.   Nach  Abklatsch    [und 
Abschrift], 

MOAlCnOTeHYPONAecnOTOI 
eYNOYCTATONTPY(t>nNATONeNAO 
2nT'OCMOYTOKAAAOCH(t)ANICh§N^|P 
eCTHNOP^MENHNHFArEAOzAN 
CYNPOÜHTOYKPITTONOC  + 

M6X1;   TTOTe  VJUpOV  ö677r6T[7)v]  SUVOUTTXTOV   Tp'J^COVX    TOV   EVOO^WtCoC- 

Tov),  0;  [xou  t6  x.gcX'Xo;  •^cpzvi(7[j.[s]v[ov]e;  T7)v  öptü[JLSvviv  ''^yxyt  ^6^«v 

CUV   pOTC^    TOO   )tpiTTOVO?. 

Vermuthlich  redet  eine  Kirche  welche  verfallen  war  und 
von  einem  Statthalter  ^amens  Tryphon  restaurirt  wurde.  — 
Wie  ich  hörte  soll  die  Inschrift  aus  Lampsakos  stammen.  * 

Ich  schliesse  hier  einige  Bemerkungen  über  andere  bereits 
bekannt  gewordene  luschriften  an,  die  sich  in  Gallipoli  be- 
fanden oder  dahin  gesetzt  worden  sind. 

Die  einzige  von  den  im  C.  1.  G.  publicii'ten  Inschriften,  die 
ich  wiederfand,  ist  das  lauge  Orakel  C.  I.  G.  2012  =  Afin. 
a.  a.  O.  S.  136  PN"  I.    Der  Stein  befindet  sich  nicht  mehr  in 


■  '  [Im  Manuscript  folgen  dio  beulen  von  Newton  Arcli.  Anz.  1854  S.  514 
in  genauen  Copien  mitgelheilteii  Inschriften  ;  die  längere  betindet  sich  über 
dem  Eingang  des  dem  fschakutz  gehörigen  Chans  in  der  Nähe  des  englischen 
Viceconsulals,  die  kürzere  über  der  Thür  des  Hauses  des  .Johannes  (ilaros 
dicht  bei  der  ÄXXrjXoStSaxTixT)  ox.<'^r5;  einige  Buchstaben  der  letzteren  stehen 
in  Ligatur,  über  ihr  sind  in  Flaohreliof  eine  komische  Maske  und  Kruram- 
stab  ausgearbeitet.! 


INSCHRIFTEN  AUS  KALLIPOLIS  261 

Gallipoli  sondern  steht  jolzl  in  Konslantinopel  vordem  Tschi- 
nili  kiöschk,  wo  ich  die  -U)  Zeilen  copirtc  und  soweit  ea 
möglich  war  abklatschte.  Leider  hat  selbst  eine  wiederholte 
Collation  mit  der  letzten  Bearbeitung  in  Kaibels  Epigrammata 
S.  448  N"  1034  kein  endgilliges  Resultat  geliefert.  iVewton 
Travels  in  the  Levant  \  l,2o  verwandte  in  Gallipoli  drei  Tage 
um  die  auf  den  Kopf  gestellte  Inschrift  zu  lesen;  seine  Copie 
scheint  nicht  herausgegeben  zu  sein. 

Die  Buchstaben  sind  theils  verwischt  thoils  mit  einer  Kalk- 
schicht überzogen,  sodass  ein  grosser  Theil  derselben  im 
Abklatsch  unsichtbar  bleibt.  Derselbe  konnte  also  nur  für 
einen  (ungef'ährdendritlcn)Theilder  InschriftzurVergleichung 
mit  der  hier  folgenden  Co])ie  herangezogen  werden. 

OAHMOZ-KATAXPH2MO 

AP4)E!HZ-YlHITETElMill    ONIEPO 
APXAiaNiAPYMA-- 

TinTEnEPAzno 

5     EIXAINONÜEAAX 
TlMYnoZHAANXN 
STOMATOS 
BAIHA-  .  NA 
BAPYTAIKPAA  ! 
10  <1)EY<})EYA!AYTQNN 

AXOY2E<t)OIMAlNONi|5PAA 
BPOTOIZEnEIZinHMfifOl.iiEISCifS 
nEMnEiNA/y;^v^;H§iinETAIAErO|iOMH 
(J)0N05:A!^::iYllflTAMENifi^0YN00Z 
15  EPAOlTAAAhnnOlOIENKEITAinEAri 

i§l®ÜKPiiiirYMNA20EMir 

Äi§Sii»»E(il/2^EYv;:f/OMAI 
iifi/üüi§iEY2:KATEYXH2EIAE02 
L§iZE2MYXOISKEY0MaNO2Alza5:iA(t>AP 
20  onHTO!APTAPElONEIAETAIBA0PON 
AAAaKPATAiOXElPESOiKHTAinEAOY 


262  INSCHRIFTEN  AUS  RALLIPOLIS 

EIAHNYnEPMIAESOEAXOISAlYZEINYllEl^AAYflN 
EPAEINYnYAA/f/jOIZGEOIZE    ZGEIAIETAAOIBAZ 
KAITnM//))NEYA§THITAMEINKNHKON0EHAEMHAON 

25   KEAAINfAAMjfnPEZi^;)ME^^BO0POY2AEnHNE2EA0H 
AlMAMEAANTOTEAlllllX/MyHNKATAXEYAlYnEPOEN 
ZYNA0POIZINAKE2:ZITAAAYTIKAAAINYZ0Q<t)AO2 
EI0APZYNOYEEZZKAIEYOAMi§f/AIBANOIZIN 
KAIAENYnYPKAIHNXPHA(t)H§f/§IAIAI0OniOINa 

30  KAinOAin£yAi^ElZTH2AIAEN|ifinP§f^YA/  lOK 
TOZO(J)OPON4)OIBONAOIMOYYn02EYANTHPA 

E.Ai§§iiHAIZTa5:i/§§PHnEAAZEIENANEIH 
MHAiS^NAAPilMHZIlYililZETAIffiffinOiiH 
EniMEAH0§a)r2NTftNAPXONTnN 

35  KAITAMIQi§if|//f/'Ä//^lorEI  lA/fOf 

KAITIKAA^  Äff §f f liiOY 

Ein  Vergleich  mit  Kieperts  Abschrift  (in  den  Ami.  a.  a.  0; 
die  Copie  in  C.  /.  G.  giebt  nur  die  drei  Reizten  Zeilen)  lehrt 
dass  letztere  mit  viel  Sorgfalt  angefertigt  war. 

Z.   1  fg.  'Ap(peivj?  \iiy\i  TeTei[(/.ev]ov   ispov  (^ttu 
apj^otiwv   Wpu{7-oc  .... 

*Ap(petY3  ist  ungemein  deutlich  ;  es  dürfte  wohl  derName  ir- 
gend einer  Nymphe  oder  Heroine,  der  Mutter  des  mythischen 
Gründers  der  Stadt  sein.* 

Z.  3.   TtTCTe  7rep«5  7rö[vTou  .... 

Z.  4.   st  j^acTvov  ■K&Xxat 
auch  diese  Wörter  sind  klar  und  Kaibels  Aenderung  eJ?  A?vov 
unmöglich. 

In  den  folgenden  vier  anapästischen  Zeilen  wird  offenbar 


*  Über  die  iiltere  Geschichte  von  Kallipolis  ist  nichts  bekannt.  Abgesehen 
von  den  Tribullislen  kommt  es  zuerst  bei  Livius  xxxi  16  im  Krieg  zwischen 
Philipp  und  den  vEgyptern  um  200  v.  Chr.  vor ;  sonst  wird  es  bei  Strabon 
XIII  589,  Plin.  iv  49,  Steph.  Byz.  u.  d.  \V.,  Ptolemaios  und  in  den  Iline- 
rarien  erwähnt.  Die  neuere  ofTicielle  Schreibung  KaXXioOnoXi;  ist  nicht  col- 
lect. 


INSCHRIFTEN  AUS  KALLIPOLIS  263 

der   bekannte  Walinsinnsanfall    des    weissagenden    Priestors 
beschi*ie})en. 

Z.    5   fg.    Ti  a'  uro  '77tX3cyj^v[oii;.  .  .  . 

(J-:ÖJ^lXTo; 

ßxir,   ^'  cl[iz6 .... 
ßapurat,  xpxdiv)  T[eTapix>cTact 
Auch  ßzpuTxt  ist  so  deullieli,  dass  K.'s  Emendation  aufge- 
geben werden  nuiss;  ßscpuraci  ist  wolil  ßxpuvsTxi  und  etwa  von 
den  Allgen  die  Rede.    Weiter  unten  Averden  wir  nocli   mehr 
barbarisclie  Formen  finden 

Z.    11-16  Jamben,  deren  Ergänzung  unmöglich  ist. 
Z.    17  fg.  ctu[rin]o'^xi 

v.xTe\>'jr7ii;  sTf^eo; 

tva]  e;  [xuj^ou;  x.eu6^(I)vo[(;]  atc.W'Ji  «ipocp 
OTTT)  tÖ  Taprxpsiov  ei'ösTJci  ßocöpov 
Das  ^  von  at^Qr;;  ist  nicht  absolut  sicher;  es  könnte  zur 
Nolh  2  sein,  alsdann  wäre  es  möglich  zu  Anfang  o;r6  zu 
lesen,  -svas  mildem  Überlieferten  besser  stimmt ;  von  der  ün- 
zulässigkeit  von  R.'s  'Ai^o;  t' atpocp  habe  ich  mich  gegenüber 
dem  Stein  vergewissert.  Der  Gedanke  in  diesen  Zeilen  scheint 
mir  der  zu  sein,  dass  der  Gott  die  peslbringenden  Dämonen 
zu  verjagen  verspricht,  sodass  sie  in  den  Tartaros  zurückkehren, 
woher  sie  gekommen. 

Z.  21  fg.  enthalten  die  Anweisung  für  die  Sühnopfer.  Auch 
hier  haben  sich  K.'s  Vermuthungen  nicht  immer  als  stich- 
haltig erwiesen. 

Z.  21  Anf.  steht  el  H  vu  Tcep  ^[E"X]e<:8s  deutlich  da,  ebenso 
Z.  23  Ende  ©EH  (Kiepert  GEN)  Gevi,  Z.  24  dürfte  )teXoci[v]ce 
.5'  ajjt,[(p]o»  fis^[e](jt,'/iv  zu  lesen  sein. 

Z.  26  :  T^TS  §7)  e[T:t]yuTyiv  Axxxyeuxi  urepOev  ',  Z.  27  steht 
^ocivugOo)  auf  dem  Stein,  Z.  29  vcal  ^e  vu  u.  s.  w.  Das  Wich- 
tigste steckt  aber  in  Z.  29  fg.  : 

(TT-^Toci  Ss  v[u  xa't]   7cp[or]u^[a]iov 

TO^O(p6pOV  <I>otSoV,    >.0t(/.0Ci    UTwOTSUXVTVJpOC 

Kaibel  liest  :  cxTiaxi  ^e  vu  axI  [ß]po[To]"Xoi[y6v  i|  To[^o]<popoV 
4»otSov  "Xoiaoij  [uJroffLvjpijacvTyipoc.  Für  die  richtige  Lesung  dieser 


264  INSCHRIFTEN  AUS  KALLIPOLIS 

beiden  Zeilen,  welche  durch  Kiepert  bestätigt  wird,  stehe  ich 
ein  ;  wir  ersehen  daraus  dass  diese  Säule  eine  Statue  des  Apo- 
lon  mit  Bogen  und  Pfeilen  trug  und  vor  der  Stadt  stand, 
damit  der  Gott  der  F^est  den  F^ingang  in  die  Stadt  verwehrte. 
Da  die  Säule  bei  derTschulchalar  Djamissi  {,, Webermoschee,'' 
im  Quartier  der  Weber,  sl;  rx  T^o^jlyx^ix.x)  gefunden,  so  hat 
der  Topograph  von  Gallipoli  einen  Anhaltspunkt  für  die  Be- 
stimmung des  Umlangs  und  der  Lage  der  antiken  Stadt;  viel- 
leicht, dass  jene  Moschee,  durch  das  Medium  einer  christlichen 
Kirche,  die  Lage  einer  Kapelle  des  Apollon  Toxophoros  be- 
zeichnet. Die  einzige  Münze  welche  Eckhel,  allerdings  zwei- 
felnd, nach  Kallipolis  weist  {Doctr.  num.  11  49),  aus  der  Zeit 
Trajans,  zeigt  auf  dem  Rs.  Apollo  stolatus  stans  cum  lyra  et  in 
orbem  scriptum  ATTOAAnN  KAAAITT. 

Die  Lesung  von  Z.  32  und  33  überlasse  ich  Glücklicheren; 
die  bei.Kaibel  aufgenommenen  Vermuthungen  sind  jedenfalls 
unhaltbar. 

Unter  den  Inschriften,  welche  Dumont  nach  Gallipoli  ver- 
setzt, befindet  sich  auch  C.  I.  G.  2017  ,,m  Chcrsoneso  Thra- 
cica". 

KAMISAOSYnEPTOY 

YIOYAAEZANAPOYAII 

OABIWEYXAPIZTHPION 

D.  hat  nicht  recht  gethan,  statt  KocjxiGao?,  eines  thrakischen 
Eigennamens,  mit  Bo^ckh  KaX^tcxo?  zu  schreiben  und  zum 
Z£u<;  "OXgio?  hätte  er  C.  /.  Rh.  1454  =  Or.  7416  (Heddernheim) 
Jovi  Olbio  Seleucus  Hermocratus  {sie)  qui  et  Diogenes  d.  d. 
citiren  können. 

In  der  Inschrift  Corr.  hell.  I  84  (nach  Cyriacus)  ist  zum 
Schluss  zu  lesen  :  no\'Küiv  /.xl  (;.eya)vO)v  ayaOcov  a[fTi]o[v]  yeyo- 
vÖT«  zu  lesen. 

Die  Löffelinschrift  Kaibel  1113  gehört  nicht  nach  Gallipoli 
sondern  wie  Newton  richtig  angiebt  nach  Lampsakos,  wo  der 
von  ihm  a.  a.  0.  IS.  123  beschriebene  Gold  -  und  Silberfund 


INSCHHIFTEN  AUS  KALLIPOLIS  265 

i.  J.  1817  gemacht  Avorden  ist.  *  Die  jün^^st  ins  V^urvakion 
gelangten  Stücke  stammen  ebendaher  nnd  befanden  sich  IViiher 
im  Besitz  eines  gewissen  Janko  Tschelebi  in  Gallipoli,  andere 
Stücke  sind  dort  jedenfalls  nocli  vorlianden,  werden  aber 
versleckt  gehalten.  Eine  ins  liiesige  Museum  gelangle  Schale 
beschreibt  Gould  in  seinem  Catalog  S.  49  fg.  Ein  anderer  so- 
viel ich  sehe  noch  nicht  beschriebener  LölTel  trug  den  be- 
kannten Hexameter  (Verg.  EcL  X  69) 

Omnia  vincit  amor  et  nos  cedamus  amori.  ^ 

An  sonstigen  Denkmälern  istmireinCybelerelief  (die  Göttin 
mit  Thurmkrone  en  face,  in  der  E.  ein  Tympanon  haltend, 
die  R.  aufgestützt  ;  auf  dem  Schosse  ein  Eöwe  ;  bei  Christo- 
dulos  Minas  nahe  der  Kirche  des  Hag.  Nikolaos)  zu  Gesicht 
gekommen;  ein  Grabrelief,  das  im  Konak  aufbewahrt  wird, 
habe  ich  nicht  gesehen. 

Dr.  J.  H.  MORDTMANN. 


_i2S> »— i— 


*  Das  betreffende  Grundstück  wurde  ruir  an  Ort  und  Stelle  als  Maltarlassi 
(Schalzfeld)  bezeichnet. 

2  Eine  grosse  Anzahl  dieser  Löffel,  Gabel  u.  s.  w.  soll  noch  in  den 
Schränken  des  Tschinili  Kiöschk  vorhanden  sein,  doch  sind  dieselben  nicht 
zugänglich. 

MITTH.D.  ARCH.INST.VI.  18 


EnirpA<i>Ai  es:  iqnias  rai  ataias. 


1. — 'Ev  I](xtj'pvy],  £711  {jiap[j.apou  [/.ex'  a£Tco[ji,aTo^  eupeösvTOi; 
oTct(T0£V  Tfj?  axpoTcoXEüj«;.  T^];.  0,53,  irX.  0,27,  ua^^.  0,075.  'Ev 
10  (it.e<TW  ToO  [Aaptjiapou  bni^yu  ava^^^^fo«?  i^aT;  £X,wv  ttjv  api- 

xuv6(;. 

MEAiTINHTEKNniAin  MeXiTtvvi  Te)tvo)  'i^(w, 

MAPKfi  Mxpx.w, 

KAlHPAKAA^OnATHP  v.xX  'Hpxy.)v«?  6  Traxvip 

KATE^EKEYAZANZY  xxT£^x,eujcGfxv  cru- 

NKATENENKASiHS  vxxTevevjtxavi; 

<j)AMIAIA2AnEAAIKO  9x;;.aU;  'AttsIXik^- 

NTOCMONOMAXHNKE  vxo;  Movo[j.x;<^o)v  jc^al) 

AOYAAPIQNTiMHCENEKON  AouSxpiü>v  xiiA-yj?  svsx.(s)v. 

'Ek  toO  y^apaxTTJpof;  xwv  YpauL[ji.aTOi)v  dvocysTa;  £?(;  tov  y  [/..  X. 
aicova.  Ihoi  tyj^  ipap-iXiai;  M ovo p. ay^w v  t'öe  ty)v  uiro 
Boeckll  ^^•fj'yiQaiv  tyj;  utc' dpi9.  2511  ^Tti^pa^-^;  toö  G.  I.  G. 
'£[  S^  (|>a[j.tXia  TÄv  Aouoaptwv  £ivat  TipcotoopavY];;  (ji£Ta^u 
irwv  YvwQ-Twv  auvTsjjviwv,  atTiv£(;  utcyjo/^ov  £v  IjjL'jpvy)  xaxd  ttqv 
^co[j.a'i,'x-/]v  i-Koyjiv.  ^flo-av  Ö£  oi  yVouodptoi  iloo!;  [xovoikäyjov.  BX. 
IL  Stephani  'Orjcr.  'EaX.  FX.  t6{x.  VI  a.  391  i'xS.  Oidot. 

2. — 'Ev  N  u  p,  <p  a  ( (0,  im.  uX£upa(;  cjapxotpdYou  (jxiqxou?  2,  06 


EnirPA*AI  ES  lÜNlAS  KAI  ATAIAS  267 

jji.  Y«)  dcvaxaXu^OevTo?  d'v  Tivt  a[a.'r:£Xüivi   xeijxeva)   irapä  ttjv  de; 
Rpiti^aXid  oSov. 

A  I  P  H  A[0]p^aioO 

K  A  H  A  O  KXyi^o- 

N  I  O  Y  viou. 

3. — 'Ev  Nua^aio),  £111  Tzkay-ot;  I)^ou<ty)(;  Iv  ^Xaio-io)  avayXu- 
(pov  TcapioTTÄv  uot[j.£va  opOtov  xpaToövxa  Sta  [jl£v  tyjc;  Sediat;  Td 
wta  xuvo; ,  h  ^k  Trj  dpicxiEpa  paSSov  7rot(ji.evtxiQv.  Ttj;.  0,58, 
irX.  0,49,  uax..  0,08. 

MHTPnZftSIMHSOYA       Mv)Tpo)  Zo)7i|xw  Sou);- 
ATAPIfiANAPIIAiaMNI        ^xapiu  Äv^pi  JÄCo)  p.v(e)i- 
^AZXAPIN^  «?  X°^P'^' 

4.— 'Ev  *EpuöpaT(;,  l7t\  T£{jt.a)(^tou  [jiap{/.apou  x£[[ji.£Vou  £vto^ 

lO  N  A 
POSEINOSAHMHTP  Ildisivos  A-/]tx-/iTp[iou 

MYTIAHNAIOZEPOIEI       MurviXtvxro?  S77oUt. 

'0  iv  TYJ  £TitYpa^YJ  TauTYj  o:va(p£p6[jL£vo(;  ^^'^^'^"'1^  ^^'^  ^"^'""^^  ^^" 
5. — 'Ev  RojxY),  iui  TcXaxo;  d7ciTtjuLS(a(;, uj'.  0,33,  uX.  0,265. 

AREAAHMHTPOAnPOYKAIMH      'I\7:£X>-/j  M-/;TpoS(opou  M-/)- 
TPOAßPEAnEAAHOYS  TpöSwps  'A7:sXV;iou; 

XAIPETE  ixi^Q-zs, 

6.— 'Ev  Ku{XY),  dui  TrXaxo?  u-^.  0,27,  uX.  0,20,  £0pi(rxo|jL6- 
VTQ?  "^Stq  itapä  TW  £v  n.  ^(üxaia  x.  IIaua^[j!,(i). 


268  EnirPA^AI  EZ  lüNIAi:  KAI  ATAIAS 

AnOAAOAQPOS  'ATToXXÖ^wpo; 

EPMflNOZEPYQPAI       "Epi^covo;  'KpuGpxt- 
O  2  X  A  I  P  E  05  X'^ips 

7. — 'Ev  'EXaia  (vuv  KAtdixto't),  etii  uiapfj.apo'j  ^a-Tpa){jt.£Vou 
lix-repocrOsv  ToO  Upou  ßif)[j.aTO(;  tt]^  dxxXTqatai;   KcavaTavTcvou  xal 

*EX6V7]C. 

Z  fi  2  A  Zwcr« 

An0IONA0HNAAOY  "ATC910V  'A9-/iv3c5ou 

AMMIAIIEPflN02  'Ay-aia:  'lepovo; 
THIOYrATPlKAlEAYTHI  tvj  ejyxTpl  /.xl  exurfi. 

8. — 'Ev  2  apoeo"  i  V,    ^ui  [jLap[j.apivo'j  stcio-t'iqAio'j   avaxaXu- 
^ÖevTo?  Tü>  1874. 

S^cieniCKonoYGeoc 

9. — 'Ev  SapSeaiv,    im  fjTqk-q^  itt^a-KAs.u^o\>   u^.   1^75, 
•jrX.  0,62  xai  ira^.  0,70. 

TIB-KA-ZSSlAON  Tig(eptov)  K7;(xu^tov)  ZwÜov 

§ONKPATIZTON  t]6v  -^pjcTiTTov 

//'/)  TT  I  T  P  O  TT  O  N  s]7:iTpozo v 

ij/jj  O  Y  2  E  B  t]ou  2:iS(xTTou) 

Mv////  P  A  T  H  N  B  ov  K]pxT-/iv  ^Ic, 

||//  A  I  TT  TT  I  A  N  O  N  *i]Xr.7t7:ixvov 

IfjXONTESTON  «pJxovTs;  tov 

P^ZTTATPIAOZ  t;^];  TvXTpc^o? 

/j(;/i  I  E  A  Y  T  o  N  E  Y  xx]l  exuxciv  eO- 

E  P  r  E  T  H  N  epyef/iv. 

10. — 'Ev  2ap0£c7'. V,   itzi  (ji.apu.ap(vou  imuirikioa,  X£i[xevou 
Ttapa  TOV  o-'.o-/]poopo{ji.ix6v  aTaO[j.6v. 


EnirPA<J>AI  ES  IQNIAS  KAI  AYAIAS  269 

A-KOPNHAION  A.  KoovviXtov 

OYETTHNIANON  OueTT-/ivixvöv. 

11. — 'Ev  SapSeaiv,  erci  {xapfjLapotj  u'\/.  0,95,  i:X.  0,20, 
|jL£TaxoaiT0£VTO;;  £i;  To  '/(iipiov  ^Xy^e.i'kri  xai  £upiaxo[j.£Vou  £v  tirj 
oixt'a  Otofxa  Miza^i^äYq. 

N  A  P  X  I  u 
:)  A  E  ß  N 

0  YK  A  I  I  E 

1  A  I  Z  J.  T  P 
O  Y  A  H  M 

A  M  M ATE 
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DT  ErONC 
PT  E  Tff2  N 
nPOZGE 
^,A0O  E 

A  A  A  X 


12. — 'Ev  4>iXa8£Xcp£t  a,  £Tii  TiXaxo;  pLapuLapivY)^  ^aTpwfjis- 
VY);  tv  T(o  Koupjouij,  /avito.  "V'l'.  0,81,  ttX.  0,30,  Tca/.  0,16. 

TPA1ANOZO..IE.PHNO 


270  EnirPA^AI  ES  lüNIAS  KAI  AYAIAS 

13. — *Ev  4>iXaSeX(|)e  fa,  im  [jt,ap[jiapou  eupt<rxo[X£vou  iw  t^ 
o?xia  ToO  X.  'flXta  Kia^Ja.  Tf  0,45,  ttX.  0,50,  ua^.  0,7. 

^  Z  I  H  !E  >.7iOsvt]o?  Et]'^? 

N  A  Z  T  A  Z  E  a;]va(jT(xi7£- 

ßZTATIANOY  w?  TktiöcvoO 

OYAAENTOZ  OuocT^svto?. 

'ESYjixoo-teuör)  {jiixpoTt;  j^apaxTfjpcriv  ev  «'Op-Tipco»  ,  F'  a.  206, 
(i(A£Xc!)(;  xai  lar^a}^p.£V(0(;. 

14. — *Ev  <1>  t>.a8£X(p£ia,  ^ui  Xapvaxo;  ({xiqx  1  p..  y.  75) 
eOpi(Txo{j.£VY);  iv  tyj  olxt'a  toO  x.  Xai'Cfi  navTeXy]  TaaXtxoYXou. 

rAYKÜNAPXEBIOY  r>'j>co>v  'Ap^e^iou. 

15. — 'Ev  <i>tXa8£X(p£(a,  imXiöou  £uptffxojJi£vou  £V  ty)  oIaiol 
TOu  X.  Xat^f^   ITaXXYj  MuaXoYXou.    T(J>.  0,70,    p.Y)x.  0,32, 

TOtx-  0,19. 

IC 
A<|)l  AArAOni 
TOI  Kl  AN  .  Ar 
C  E  A  N  A AQ 
KA2TO  N  .  . 
XaPOYTHN 
Cn(l)P02YNH 
AY  .  .  . npo 
AI  02  .  N  H  N 

16. — 'Ev  <f>iXaS6X(p£(a,  ini  (xapfJLapivY)^  uXaxcx;  £(jTp(»)(jL£- 

VTQ?  £v  TYJ  olxt'a  TOO  XaT(^YJ  AY](J.'/^TpiOU  TY]X£(pOYXoi». 

YnoCOPI  O  N 
EYCe  B 

Ano 


EnirPA4'AI  ES  lüNIAS  KAI  AYAIAS  271 

*0  ^^apaxTYjp  Twv  ypafJ^pi-aTWv  aviQxei  £i;  tov  y  atwva  (ji.  X. 

17. — *Ev  ^JPiXaSeXipeia,  sirl  (Aap|jiapivirj!;  Tr7^aK6^  £youcnQ(; 
avoL'^'k'jc^ov  TtapicTaiv  yuvaTxa  xa6Y][j.£vr)v,  tyjv  'Ep{ji,oxpaTr]v,  rj; 
T7]v  SsE^tav  xpaxeT  6  dvYjp  ty]^  'AiioXXcavio:;,  £vOc8'jp,£vo(;  y^iiwva 
ttoSyipy]'  upo(;  oi^'.av  auTou  tcrtaTat  7i:aT;.  To  [jt,ap[i.apov  £upiax£Tat 
iv  T^  ßiSXtoör^x-/]  TYj;  ^xeT  ory^oXYJc;. 

EPMOKPATHAÜOA 
/^^•^'lOYXAlPE 

18. — 'Ev  4>iXao  £X(p£  i  a,  ^iri  |i.ap[/.apiv7](;  TcXaxoc;  [j.£x' a£- 
i:(0(ji.aTo^,  £/ou(TY];  £VTO(;  TiXaiaiou  dvayXuipov  uapidToJv  dvSpa 
xaÖYj[X£vov'iTXaYtco(;  ETtixXtvY)^'  £711  i'opai; §£ xdÖTQxai  "^uvy)  zyo\)(scf. 
TTjv  8£^tdv  TT];;  ^Tii  TYJ;  7cap£ta^*  i'f/.Tcpoo'ÖEV  §£  TY](;  xXt'vir)«;  Tpa- 
'Tr£(^a^  xo(i  Tcap'aOxYjv  %wlc,  ia-id}jL£V0(;,  o'n:i!T6£v  8^  iravxwv  toutwv 
Y£YXuTCTat  S£vopov.  T6  [xdpijiapov  EupiaxsTai  i'vOa  xa\  t6  dv(OT£pco. 

MEAITINHETEIMH2EN      MsIitivy]  etsi^x'/i^sv 
AlTOAAnNIONXAPHTOZ       'AttoXXoviov   Xap-oxo; 
T0NEAYTH2ANAPA  töv  sxut-?]',  av^px. 

19. — 'Ev  4>iXa8£X(p£ta,  ^ttI  uXaxo«;  dvaxaXu(p9£i<TY]^  im 
T"^£;  axpoTc6X£(0(;.  T^j;.  0,40,  [jt.Y]x.  0,45. 

ETOYCCMO  "Etou;  0(^6' 

H 

M  [ji.Y](v60 

AYCTPOYIHrAlüUI  AuTTpou  iti'  ratq) 

TUÜirAYKYTATUJ  tc^)  y^uJ^uTaTtp 

TEKNUUCEMNUUC  tsj^vw  <ye{xvö? 

BIUUCANTIETHA  giwdxvTi  stvj  V 

MEATINHHMHTHP  MeXTivvi  -fl  (ayItvip 

M.EIAEXAPIN  p^[v]sla?  x«pi^' 

OEAAN0EAHCHME  6(;S'«v  OeT^VlcYi  {le- 

TA0EINAITONBUÜ  xocOerva.i  tov  So)- 

M  O  N  A  (JU  C  E  l  T  UÜ  1  (xöv  ^oxiei  t(^ 

T  A  M  I U)  I  X  ,B  <I>  T«jx(e)it{>  ¥:  V- 


272  EnirPA«I»AI  ES  lÖNIAS  KAI  ATAIA2 

To  [jLap[xapov  söpauo-ÖY)  riSirj  utto  ipyax&v  toO  (TiSY)poSp6[j:.o'j. 

20. — 'Ev  <I>i>.a8£X(p£ta,  Itci  irXax.og  [ji,ap[ji,ap{vY](;  d^  8uo 
T£[Jia)ria  xofjLto-Gci'o-Y]!;  Ix  toö  y^topiou  TettexioY,  ^/4  ir^c,  wpa(; 
(ä:7:£5^ovTO{;  'CYJ(;  <I>iXa8£Xcp£ia(;/'rcJ;.  0,68,  [ayjx.  0,33,  7ta^.  0,03. 
EupicrxETat  Se  vöv  uapä  iü  x.  Jean  Kuntz. 

<t)HNXÄAÄZHC 
DOCTÄ  t)ÄCCOMe 
BPONTÄKeACTt^Ä 

N6KneNnoNTÄo^ 
nomAtocuu8Aic 

eKÄMINOCTOMON 

^eiOOeNTONOt^ON 

COl^KIZOCeKÄTÄTH 

DÄOeKSTOYe^ONSKY 

ÄTOYKOMHCO^KIZOCeNe 

HTONÜ^eCBV  I  el^ONKeTON 

eAeeeäoeeNTONol^oNeN^  ^ 

OCKÄTAT84)l'rAlHAKeTOh 

ol^KizocsNec 
6hioyujttan 

-^^^        Atoykomhc 
eN 

A^AHAl^AroNHAieTl^AH 
DHAne^ic4)l5AriceTe 

IC6N     ATOY 
OMHC 

21. — 'Ev  Maiovia  im  7rXaxö(;  £upto'xo[ji£VY]<;  £v  tw  X^piw 
Giobde.  "X^.  0,20. 

CTOYCCMMAYA  "Etou?  da'  [xviCv^O  AuS- 

^IOYnA^Ar^A(t)e  vjociou  Tcapaypx^eCi) 


EIIirPA«l>AI  E2  lÜNIAi:  KAI  ATAIAi:  273 

ÄTTOÄAUUNIOCTO  'A7ro"X-Xtovio?  tö- 

NBeBÄHKOTÄTOn  v  ^z^U-'(.6tx  to  7:[0- 

NAKIAIONKÄIH^KO  v3c>ci^iov  y.(x)\  ■'np{T:x)<6- 

TAKÄICYCTOI^ÄTH  {t}x  ax\  CYC  Topz  T-7i 

ÄTTUUAeiÄ  iTAölticf. 

22. — 'EvMaiovia,  im  Tz'Ka.y.bc,  Eupta-xoaevY)^  1  ^|2  wpav 
{jiaxpav  Töiv  K.ou"A{»)v  itapa  to  iisSlT-Tfxa't. 

fOYlOYZnHPATOY^ 

23. —  'Ev  M  at  0  V  t  a,  im.  TiXaxcf;  eOpsöstaTj^  et^  ctcopov  dTioaxa- 
(Tiv  Tü)v  KouXwv.  "AvcoOev  T'i]c;  £'n:tYpa^"?i(;  uirapyrei  dvä-Y'A'j(pov 
TrapicTTwv  ßwjxöv  ^tp'  ou  Oiist  to  axYJuTpov  ävTjp,  OTctaÖEv  8*a'jToö 
icTTaxat  irai^.  "r^p.  0,96,  tuX.  0,58.  Tö  (jidpjjiapov  eOpiaxeTai  vöv 
dv  TU)  Mou(T£ico  T7](;  EOayy.  2t])(_oXfj^ 

H 
ETOY2:Z(tE/AnEPEITIOYH 

/AHNITTETPAEITHKAIMHNIAA 

BANHA\HTPO-fANHZKAI  +  AABlA 

N020l4-IAinniK0YKATAAEI'=fe 

5   ENTE2YTTOT^NrONEff5NENOP 

(t)ANEIAKAIENioNANeP^n$^NE 

niBOYAEYZANTffaNAYTOIZEKTH//// 

Kc^/AHZKAIAPONT^NENrPA(t>AKAIETE 

PAEIAHEKTH20IKIAZAYTC5NAA 

10  ePAIc^2KAinEPI2YPO/AEN55NAYTQN 

YTTOAAN12Tff5NHTAZHN55NKATOI 

KIAAAOIHZAZAETTE2THZETO 

ZKHnTPONTOIZKAKc^ZEISATOYZT 

MHZASINKAlOeEOZEiEZHTHSEN 

15   EKOAA2ETOKAiAIE(l)eEIPETOYi: 

B0YAEYSANTA2AYT0I20eE0Z 

'^^'^THAAOrPA(t)HZA 

^AYNAMISOTI 

THS 


274  EnirPA*AI  ES  IQNIAS  KAI  AYAIAS 

"Etou;  otie  |Ayi(v6<;)  OepsiTio'j  n'. 
M-/)vt  neTpflCSlTY)  X3cl   ^//ivl  Ax- 
SavY)  MviTpopocv/];  vcal  ^^aSiac- 

evTs;  ut:6  twv  yovewv  ev  6p- 
^y.vst^  )cal  6vi(OV  «vOpcuTroiv  e- 
7ri€ou)^EucrzvTü)v  auroi;  6/t  T*fl[; 
Xü»j/.7;;  %x\  a;p(5vTt>)v  svypaipx  )cxt  exs- 
py.  £i''^7i  £/,  T'ii;  oi/.izi;  acjTÖv  'Xk- 
öoxiw:  "/txt  T^rsoiTupo.aevwv  auxwv 
uito  ^xvtrrTöJv,  •}[  Txi^'/ivoiv  x.xtoi- 
xix  a(boj;';o'7;zaz  sttstttits  to 
Gx^TCTpov  Tot;  y.x)cö;  ei?  oi(u)TOo;   t[i- 
p,rj(Ta<7tv,   y.xl  6  Osog  sHsJ^TiTr.'jev  [x.xi 
e/co"Xoc'7£-o  y-x\  öieipÖsipe  to'j;  [57:1- 
Sou'XsüiTavTa;  auxöi;  6  8e6<; 


CTtv  £v  «  MouffEio)  xai  BtSXtoÖTQXY)  »  IV  CT.  158  dptO.  tk^. — 
T6  luiÖETov  11  £  T  p  a  £  i  T  Y] ;  (<7Tr/.  2)  airavia  rjo'/]  to  SsuTEpov. 
To  irpcöTov  ava(p£p£Tat  £v  eiiiYpacpYi  toO  £v  AoOia  TopSou*  t6  8^ 
£m6£Tov  A  a  6  a  V  Y]  (;  E^vat  vsov.  ITspi  T^t;  XaTpita?  toö  Mtqvo^ 
>cai  Twv  yvwaTwv  auxou  £Tct6£Ttov  llt  W.  Waddingion  £1(;ty)v 
uit'  apiö.  668  £7rtYpa(py]v  icO  Voyage  archeologique  III. — 
'H  $£  T  a  C  IQ  V  cü  V  K  a  T  0 1 K  i  a  Skv  £]vat  cüCkajo^v^  yvwarTiQ, 
0O8'  ava(p£p£Tat  Ouö  twv  dL^y(^OLi(iiv  YEwypaipcov. 

A.   QAnAAOnorAOS  KEPAMErS. 


Nike  aus  Megara. 

(Hierzu  Taf.  XXI.) 

Die  auf  Tf.  X  XI  abgebildete  Statue  ist  seit  langem  bekannt. 
Im  Jahre  1830  in  Megara  gefunden,  wo  sie  noch  6  Jahre 
später  Ross*  am  Meeresstrande  liegen  sah,  blieb  sie  zunächst 
der  allgemeineren  Kenntniss  noch  für  einige  Decennien  ent- 
rückt, obwohl  sie  inzwischen  nach  Alhcn  geschafft  und 
hier  auf  der  Terasse  vor  dem  Tiicseion  ön'entlicli  aufgestellt 
wurde,  wo  sie  sich  noch  gegenwärtig  befindet.  Später  ist 
sie  mehrfach  erwähnt  und  beschrieben,  ^  auch  schon  einmal 
in  Zeichnung^  herausgegeben  worden,  ohne  jedoch  bis  jetzt 
die  Beachtung  zu  finden,  welche  sie  in  mehr  als  einer  Hinsicht 
verdient.  Es  scheint  daher  nicht  überflüssig,  die  wissen- 
schaftliche Aufmerksamkeit  durch  eine  neue  Abbildung 
wiederum  auf  dies  Werk  hinzulenken;  die  Zeichnung  zu 
derselben  stammt  von  Herrn  L.  Otlo,  ist  aber  nach  erneuter 
Revision  vor  dem  Original  von  Herrn  E.  Gillieron  überarbeitet 
und  in  manchen  Details  verbessert  worden. 

Die  Statue  besteht  aus  pentelischemMarmor  und  ist  in  ihrem 
jetzigen  Zustande^ — ohne  Kopf,  mit  der  aus  demselben  Stück 
gearbeiteten  Plinlhe — noch  etwa2V2Meter  hoch. Diese  Plinthe 
ist  von  unregelmässig  gerundetem  ümriss  ;  der  Durchmesser 
schwankt  von  0,50-0,60,  die  Höhe  von  0,10  vorn  unter  dem 


'  Königsreisen  I  139. 

2  Am  besten  von  Kekulö  Ant.  Bildw.  des  Ttieseion  N"  37.9;  die  übrige 
Literatur  ist  zuletztinL.  v.  S.ybei's  Katalog  derSculpturen  zu  Alben  N*^  3435 
verzeichnet.  Dazu  kömmt  jetzt  noch  A.  MilchhöferDie  Museen  Athens  S.41. 

^  Zeichnung  von  Landron  in  dem  Reisewerke  von  Le  Bas  Monuments  ß~ 
gutes  Taf.  91  L 


276  NIKE  AUS  MEGARA 

r.  Fuss  bis  gegen  0,25  an  der  1.  Seite;  ihr  Äussenrand  ist 
ringsum  nur  rauh  zugehauen;  sie  waralso  zum  Einhissen  in 
den  oberen  Block  der  Basis  beslimmt,  welcher  hiernach  eben- 
falls nicht  von  regelmässiger,  geometrischer  Form  gewesen  zu 
sein  scheint. 

lieber  die  Benennung  der  Statue  hat  von  Anfang  an  kein 
Zweifel  beslanden  ;  ihre  Rückseile  zeigt  in  unverkennbaren 
Spuren,  dass  sie  mit  eingesetzten  Fliigeln  versehen  war,  und 
da  auch  die  Anlage  und  Behandlung  des  Gewandes  damit 
vollkommen  übereinstimmt,  hat  man  in  ihr  gleich  mit  aller 
Sicherheit  eine  im  Fluge  befindliche  Nike  erkannt. 

Diese  Spuren  der  jetzt  fehlenden  Flügel  bestehen  in  2  grossen, 
länglichen  Vertiefungen,  welche  hinter  den  Schultern  einge- 
schnitten sind,  die  rechte  ein  wenig  höher  stehend  als  die 
linke;  ihi-e  Innenflächen  sind  rauh  gespitzt,  am  untern 
Theil  befindet  sich  je  ein  grosses  rechteckiges  Zapfenloch  zur 
Befestigung  der  aus  besonderen  Stücken  angesetzten  Flügel 
vermittelst  eines  Metalldübels.  Zwischen  diesen  Einschnitten 
ist  am  lUicken  eine  glatte  Fläche  abgearbeitet  und  nur  leicht 
mit  dem  Spitzeisen  behandelt  worden;  höher  hinauf  am 
Nacken  ist  sie  etwas  ab^eschräot  und  zei^t  eine  flache  Scul- 
pirung.  Ich  stehe  nicht  an,  hierin  die  innersten  Flaumfedern 
der  Flügel  zu  erkennen  ,  welche  zwischen  den  Ansätzen  der- 
selben an  der  Figur  selbst  nur  im  Groben  angegeben  waren 
und  daher  in  ihrer  Form  im  Einzelnen  wenig  deutlich  und 
charakteristisch  sind.  Ein  längliches  Zapfenloch  an  dieser 
Stelle  lässt  annehmen,  dass  hier  eine  grössere  Stütze  für  die 
Flügel  eingesetzt  war. 

Ausser  diesen  jetzt  fehlenden  Theilen  und  den  Armen, 
welche  ebenfalls  besonders  angesetzt  waren,  sind  an  der  Sta- 
tue gebrochen  der  Kopf,  zahlreiche  grössere  und  kleinere 
Parthieen  des  Gewandes  und  der  linke  Fuss,  welcher  an  dem 
vortretenden  Bein  rings  frei  ausgearbeitet  und  daher  besonders 
exponirt  war. 

Ander  linken  Seile  des  Halses  nach  dem  Nacken  zu  ist  noch 
ein  kleiner  lleben-est  von  Locken  erhalten,  nach  welchem  wir 


MKK  AUS  MKGAUA  377 

uns  das  Haar  zurückgestrichen  und  in  grossen,  wellennMiiiigeii 
Strähnen  nach  hinten  verlanhMid  zu  ei'giinzen  liahen. 

Wenn  somit  unserer  Figur  wesentliclie  Theile  und  grade 
die  einzigen,  welche  unbekleidete  Formen  erkennen  liessen, 
fehlen,  so  wird  ihre  weitere  Untersuchung  vor  allem  auf  eine 
Betrachtung  dcrGewandung  angewiesen  sein.  Aber  auch  diese 
findet    sich  durch     den    eigenthiimlichen  Erhaltungsznstand 
der  Statue  bedeutend    beeinträehtijTt.    Ausser    den  einzelneu 
Beschädigungen  hat  sie  nämlich  eine  noch  viel  weiter  gehende 
Zerstörung  der  Obertläche  erlitten, \\elche  dadurch  entstanden 
ist,  dass  sie  längere  Zeit  hindurch  im  Meere  gelegen  hat.  Das 
sicherste  Zeichen  dafür  sind  die  Ueste  von  Seethieren,  welche 
anderlinken  Seite  der  Figur  noch  zahlreich  anderObertläche 
des  Marmors  fest  anhaften;   hier  ist   unten,   dicht   über  der 
Plinthe,  eine  grosse   spiralförmige  Vertiefung  zu  bemerken^ 
welche  eins  dieser  Thiere  (nach  H.  v.  Heldreich's  Bestimmung 
eine  Serpula-Art)  in  den  Stein  eingefressen   hat  ;  an  anderen 
Stellen  erkennt  man  noch  Spuren  von  Korallen  und  dicht  zu- 
sammenstehende   Complexe   feiner  Löcher,   welche   von   der 
Anbohrung  durch  ßohrmuscheln  herrühren.  Die  längere  Ein- 
wirkung des  scharfen  Seewassers  aber  ist  an  der  ganzen  Ober- 
fläche der  Statue,  besonders  des  unteren  Theils,  in  ihren  zer- 
störenden  Folgen  zu  erkennen,  an  grossen  Parthieen  ist  durch 
sie  förmlich  die  Epidermis  des  Marmors  abgeschält  worden. 
Für  die  Vorderansicht  sind  damit  auf  der  (vom  Beschauer) 
linken  Seite  alle  Details  des  Gewandes  mit  seinen  Falten  und 
den  darunterliegenden  Körperformen  verloren  gegangen.  Nur 
der  ei'haltener.  Fuss  und  die  unmittelbar  daran  herabreichen- 
den Falten  sind  inlact   geblieben  ;   höher  hinauf,   besonders 
vom  Knie  an  haben  wir  eine  glatte,   körperlose  Flache  vor 
uns.   An  dem  vortretenden  linken  Bein  ist  unten   die  Bruch- 
iläche  des  Fusses  vollständig  glatt  verwaschen, weiter  oben  das 
Knie   von  beiden   Seiten    her  angefressen.   Auch   der  Ober- 
schenkel ist  noch  vom  Wasser  überspült  worden  und  hat  daher 
wie  der  Leib   der  Figur  seine  ursprüngliche  Form  verloren  ; 
erst  der  Oberlheil  war  dieser  zerstörenden  Einwirkung  enL- 


278  NIKE  AUS  MEGARA 

zogen,  von  dem  Ende  dos  Gewandüberfalls  an,  dessen  Hervor- 
treten  vor  die  darnnterliegende  Parthie  durch  jene  Beschädi- 
gung derselben  noch  verstärkt  worden  ist. 

An  der  rechten  Seite  der  Figur  ist  das  Gewand  durch  Bruch 
zerstört,  an  der  linken  sind  die  grossen  wehenden  Gewand- 
massen zwar  in  ihrer  ursprünglichen  Form  erhalten,  ihre 
Oberfläche  ist  aber  auch  hier  zum  Theii  fingerdick  vom  Was- 
ser verzehrt  worden  ;  einzelne  im  Inneren  des  grossen  Bau- 
sches stehen  gebliebene  Reste  lassen  erkennen,  wie  viel  hier 
von  der  ursprünglichen  Substanz  des  Steins  geschwunden  ist. 

Nehmen  wir  alle  diese  Merkmale,  welche  die  Statue  selbst 
darbietet,  zusammen,  so  ergiebt  sich,  dass  sie  geraume  Zeit 
hindurch  direct  im  Meere  gelegen  haben  muss.  Ijnd  zwar  lag 
sie  hier  auf  ihrer  linken  Seite,  da  sich  an  dieser  jene  nur  im 
Wasser  selbst  lebenden  Parasiten  angesiedelt  haben;  zugleich 
erklärt  sich  daraus,  dass  man  sie  schon  damals  als  Nike  er- 
kennen konnte,  die  auf  dem  Rücken  befindlichen  Spuren  der 
Flügel  müssen  also  sichtbar  gewesen  sein,  sowie  dass  die 
rechte  Seite  der  Figur  durch  Bruch  gelitten  hat,  sie  war  als 
die  nach  oben  gewendete  der  Beschädigung  besonders  ausge- 
setzt. Ihre  Lage  war  dabei  vermuthlich  eine  schräge  zum 
Strand,  mit  den  Füssen  demselben  näher;  denn  während  der 
untere  und  mittlere  Theil  sich  vom  Wellenschlag  überspült 
zeigt,  ist  der  höher  liegende  Oberkörper  davon  fast  unberührt 
geblieben;  die  bessere  Erhaltung  des  rechten  Fusses  und  sei- 
ner Umgebung  muss  localen  umständen  zu  verdanken  sein. 

Diese  Zerstörungsgeschichte  der  Statue  interessirt  uns  nicht 
bloss  als  Curiosität.  Für  ihre  weitere  Untersuchung  wird  in 
einemPunkte  dieFmge  nach  ihrer  Herkunft  entscheidend  sein; 
nun  könnte  sehr  wohl  bei  einer  im  Meere  oder  am  Strande  ge- 
fundenen Statue  die  Ansicht  berechtigt  erscheinen,  dass  sie 
hier  zu  irgend  einer  Zeit  von  einem  Schiffe,  das  sie  als  Gut 
oder  Ballast  mit  sich  führte,  ausgeladen  und  liegen  geblieben, 
ihrer  Provenienz  nach  mithin  als  herrenlos  zu  betrachten  sei. 
Dem  gegenüber  ist  festzustellen,  dass  die  Figur  nicht  ursprüng- 
lich im  Meere  selbst  gefunden  sein  kann,  so  wenig  als  sie  etwa 


NIKE  AUS  MEGARA  i79 

unbegrenzte  Zeit  in  demselben  gelegen  hat.  Beides  v,'\r(\  durch 
eben  ihren  Erhaltungszustand  ausgeschlossen.  Nach  Ana- 
logie anderer  Marmorwerke,  welche  ein  solches  Schicksal  ge- 
habt haben,  würde  in  diesem  Fall  ihre  Auflösung  viel  weiter 
vorgeschritten  sein,  vor  allem  müsste  die  hier  kaum  begon- 
nene Anbohrung  durch  Seemuscheln  einen  viel  grösseren  Um- 
fang zeigen.  Um  die  Statue  in  ihren  jetzigen  Zustand  zu  ver- 
setzen genügt  nach  saeliversländigem  Urtheil  die  Einwirkung 
des  Meeres  etwa  in  der  Dauer  eines  Decenuium;  das  ist  grade 
der  Zeitraum,  weicher  zwischen  ihrem  Fund  und  iiirer  Feber- 
führung  nach  Athen  \(M'f'l(iss,  während  dessen  sie  am  Strande 
von  iNisaea  liegen  blieb.  Ein  Augenzeuge,  der  sie  noch  daselbst 
gesehen  hat,  bestätigte  mir,  dass  ihre  dortige  [.age  den  im 
Vorhergehenden  gefundenen  Bestimmungen  wohl  entsprach. 

Es  steht  somit  nichts  im  Wege,  eine  Fundangabe  derStatue, 
welche  wir  den  Nachforschungen  Rhangabes*  verdanken,  für 
durchaus  glaubwürdig  zu  halten.  Ich  habe  dieselbe  bisher  ab- 
sichtlich unberücksichtigt  geiassen_,  vv'eil  sie,  einige  20  Jahre 
nach  dem  Fund  gemacht  und  nur  auf  den  Angaben  der  Orts- 
bewohner beruhend,  angezweifelt  werden  müsste,  falls  sie  mit 
den  durch  die  Statue  selbst  gegebenen  Indicien  im  Wider- 
spruch stände. 

Nach  jener  Angabe  ist  die  Stalue  am  südwestlichen  Abhang 
des  östlichen  der  beiden  Burghügel  von  Megara,  in  welchem 
man  die  nach  Pausanias  Kocpiot  benannte  Akropolis  erkennt 2, 
entdeckt  worden.  An  dieser  Stelle  kann  sie  sich  nicht  weit  von 
ihrem  ursprünglichen  Aufstellungsort  befunden  haben;  da 
schwerlich  das  colossale  Marmorslück  bergan  verschleppt  sein 
wird,  so  ist  anzunehmen,  dass  sie  an  einer  markanten  Stelle 
des  Burgaufgangs  aufgestellt  war,  oder  dass  sie  von  der  Höhe 
herabgestürzt  ist  und  in  antiker  Zeit  zum  Schmuck  der  Akro- 
polis selbst  gehört  hat. 


•  Souvenirs  d'une  excursion  d'Alhenes   en  Arcadie  S.  13.  Tf.  l  Fig.  5  ist 
die  Fundstelle  auf  dem  Plan  von  Megara  mit  N**  32  bezeichnet. 
2  Bursian  Geographie  v.  Griechenld.  I  S.  374. 


280  NIKE  AUS  MEGARA 

Die  Herkunft  unserer  Slatue  lialle  ich  hiermit  für  sicher 
festgestellt  und  betrachte  es  als  ausgemacht, dass  sie  erst  nach 
ihre)"  Autlindung,  um  zur  See  forlgescliafft  zu  werden,  an  den 
Meeressh'and  gebracht  worden  ist  und  hier  etwa  10  Jahre 
lang  halb  im  Wasser  liegen  blieb;  ei'st  durch  diese  neuere 
Vernacidässigung  also  ist  sie  in  den  traurigen  Zustand  der 
Zerstörung  gerathen,  den  wir  vorher  betrachtet  haben. 

Doch  lässt  sich  bei  alledem  das  künstlerische  Verdienst  des 
Werkes  in  den  Bewegungsmoliven  der  Figur  und  der  Anlage 
und  Behandlung  des  Gewandes  noch  eikennen.  Sie  ist  mit 
einem  diclilen  Obergewand  bekleidet,  das  über  den  Schultern 
durch  Spangen  befestigt  ist;  der  von  da  bis  zu  den  Hüften 
herabreichende  Ueberfall  desselben  wird  unter  der  Brust  von 
einemGürtel  zusammengehalten. Darunter  Iräglsie  einen  Chiton 
von  feinerem  Stolf,  dessen  zusammengenestelle  Aermel  an 
beiden  Schultern  sichtbar  sind.  Doch  hat  der  Künstler  von 
diesem  üntergevvand  für  die  Erscheinung  seiner  Figur  keiner- 
lei Gebrauch  weiter  gemacht,  es  kommt  sonst  nirgends  wie- 
der zum  Vorschein;  ihre  äussere  Umhüllung  wird  ganz  ein- 
heitlich von  dem  grossen  Peplos  gebildet,  der  bis  auf  dieFüsse 
herabreicht;  auch  diese  waren  wiederum  bekleidet,  mit  der- 
ben Schuhen,  die  bloss  auf  der  Oberseite  eine  Oeffnung  zum 
Zuschnüren  zeigen. 

Das  Gewand  besteht  aus  einem  schweren  Stoff,  der  sich 
nicht  zu  zierlicher  Faltengebung  eignet,  sondern  nur  in  grosse, 
durch  die  Bewegung  der  Figur  motivirle  Parthieen  gliedert. 
Diese  Bewegung  concentrirt  sich  in  einem  energischen  Streben 
nach  vorwärts  ;  durch  den  Widerstand  der  Luft,  welche  die 
geflügelte  Göttin  rasch  durchschneidet,  wird  das  Gewand  vorn 
an  den  Körper  angeschmiegt,  um  sich  an  den  Seilen  in  grossen 
wehenden  Massen  zu  entfalten  ;  die  Richtung  des  Flugs  nach 
unten,  die  man  als  die  natürlichste  dabei  angenommen  hat, 
spricht  sich  im  Gewände  kaum  wahrnehmbar  aus. 

Den  fliegenden  Falten  an  der  linken  Seite  der  Figur  ent- 
sprach zu  ihrer  rechten  eine  jetzt  verlorene  ähnliche,  wenn 
auch  weniger  bedeutende  Ausladung ;,  so  dass  sich  der  Kör- 


NIKE  AUS  MEGARV  281 

perumriss  wie  von  einem  Hintergründe  beiderseits  von  den 
zurück  flatternden  Theilen  des  Gewandes  ahliob.  ZurVervoll- 
sländigiing  der  Silhouette  nach  oben  bin  haben  wir  uns  end- 
lich noch  die  im  Schwünge  begriffenen  Flügel  hinzu  zu  denken. 

Die  Darstellung  einer  raschen  Bewei?im£j  durch  Flüijel , 
welche  hier  die  Aufgabe  des  Künstlers  bildele,  bat  für  die 
äussere  Wirkung  den  Nachlheil,  dass  dabei  die  Organe,  die 
wir  sonst  als  Träger  der  Bewegung  zu  sehen  gewolint  sind, 
ausser  Thätigkeit  bleiben  ;  der  Körper  ist  in  allen  wesent- 
lichen Theilen  gestreckt  und  in  Ruhe  ;  wir  erkennen  die  Be- 
wegung nur  in  ihren  Wirkungen,  in  den  nach  hinten  we- 
henden Gewandmassen.  Vielleicht  war  es  diese  Ueberlegung 
oder  wenigstens  die  ihr  zu  Grunde  liegende  Wahrnehmung, 
welche  den  Künstler  veranlasst  hat,  seiner  Figur  noch  ein 
weiteres  Bewegungsmotiv  mitzulheilen.  Es  besteht  dies  in 
einer  sehr  merklichen  Drehung  ihres  Obertheils  zum  Unter- 
körper :  die  rechte  Seite  ist  von  den  Hüften  aufwärts  nach 
vorn  gew'endet,  die  rechte  Schulter  zugleich  etwas  gehoben. 
Hierdurch  erhält  die  ojanze  Gestalt  ein  individuelleres  und 
energischeres  Leben,  und  zugleich  kommt  in  die  Gewandung 
eine  sehr  erwünschte  Mannichfaltigkeit ;  die  Faltensysteme 
der  beiden  Körperhälflen  stehen  nun  nicht  mehr  senkrecht  auf 
einander,  die  Mitte  der  durch  den  Gürtel  zusammengefassten 
Falten  des  Oberkörpers  ist  zur  Seile  über  die  Theilung,  wel- 
che durch  das  vorgestreckte  linke  Bein  in  den  unteren  Ge- 
wandparlhieen  entsteht,  hinw^eggewendet. 

Diese  Wendung  des  Oberkörpers  stand  ohne  Zweifel  im 
Einklang  mit  der  Action  der  Arme  und  bietet  für  die  Ergän- 
zung derselben  den  sicheren  Anlialt.  Die  Arme  waren  aus  be- 
sonderen Stücken  angesetzt ;  an  der  Bruchslelle  d^s  rechten 
befinden  sich  3  runde  Zapfenlöcher,  welche  noch  Spuren  der 
Metallstifte  zeigen,  mit  denen  er  befestigt  war ;  an  der  linken 
Seite  sind  nur  noch  Beste  von  2  Löchern  vorhanden.  Die 
Schulterseijend  ist  hier  zu  sehr  verwaschen,  um  noch  die  An* 
satzfläche  des  Arms  erkennen  zu  lassen. 

Nach  der  Haltung  der  Schulter  muss  der  rechte  Arm  nach 

JIITTU.D.  ARCH.INST.  VI.  19 


282  NIKE  AUS  MEGARA 

vorn  und  ziiglefcb  nach  oben  bewegt  gewesen  sein  ;  unter 
seinem  Ansatz  aber  ist  eine  senkrecht  stehende,  längliche 
Fläche concav  ausgearbeitet  und  geglättet,  ^^ eiche  durch  seine 
Stellung  verdeckt  gewesen  sein  muss.  Es  folgt  daraus,  dass 
der  rechte  Arm  nicht  gestreckt  nach  oben  oder  nach  vorn  ge- 
halten wurde;  wahrscheinlich  war  er  also  im  Ellenbogen 
gebeugt,  der  Oberarm  ging  zunächst  etwas  nach  der  Seite  hinab, 
so  dass  der  von  ihm  herabfallende  Aermel  des  Chiton  jene 
geglättete  Stelle  deckte,  während  die  Hand  höher,  über  der 
Brust  der  Figur  stand. 

Mit  dieser  Haltung  würde  es  sich  gut  vereinigen,  wenn  un- 
sere Nike,  w^as  auch  ohnehin  als  das  w^ahrscheinlichste  anzu- 
nehmen wäre,  in  der  Rechten  einen  Kranz  vor  sich  gehalten 
hat. 

Die  linke  Schulter  ist  gesenkt,  der  von  ihr  ausgehende  Arm 
ging  also  nach  unten;  da  die  Schulter  zugleich  etwas  zurückge- 
wendet ist,  kann  er  nicht  vor  die  an  der  Seite  heraustretenden 
Gewandtheile  gehallen  gewesen  sein;  ebensowenig  ist  jedoch 
anzunehmen,  dass  er  hinter  dieselben  herabreichte.  Es  scheint 
mir  daher  am  wahrscheinlichsten,  dass  die  linke  Hand  den 
an  dieser  Seite  fliegenden  Sanm  des  Gewandes  fasste,  ein  in 
allen  Zeiten  der  griechischen  Kunst  häufig  angewendetes  Mo- 
tiv; jedenfalls  kann  die  Hand  in  dieser  Stellung  ein  für  die 
Bedeutung  der  Statue  irgendwie  charakteristisches  Attribut 
nicht  gehalten  haben. 

Für  den  Eindruck  des  Fliegens,  den  das  ganze  Werk  her- 
vorbringen sollte,  ist  endlich  noch  wesentlich  die  entschiedene 
Vorwärtsneigung,  welche  die  Längenaxe  der  ganzen  Stalue 
zeigt.  Wie  das  materielle  Gleichgewicht  des  nach  vorn  über- 
hängenden Steins  durch  die  nach  hinten  lastenden  Flügel 
hergestellt  wurde,  ebenso  wurde  auch  die  Phantasie  des  Be- 
schauers genöthigt,in  der  Thätigkeil  derselben  einen  Ausgleich 
für  die  I.age  der  ganzen  Figur  zu  suchen  und  so  ihre  Haltung 
und  Bewegung  richtig  aufzufassen. 

(Sdiluss  folgt.)  K.  PURGOLD. 


Untersuchungen  am  Parthenon. 

(Hierzu  Tafel  XIl.) 

Nachdem  der  Zeuslempel  zu  Olympia  freigelegt  und  seine 
innere  Einrichtung  hekannt  geworden  ist,  ninss  der  hedeu- 
tende  Unterschied  auffallen ,  der  zwischen  seinem  Cella- 
Grundrisse  und  demjenigen  des  Parthenon  (nach  B(Pllicher8 
Restauration)  besteht;  hier  das  grosse  Bild  der  Parlhenos  in 
einer  geschlossenen  Nische  an  der  Rückwand  der  Cella  aufge- 
stellt— dort  das  Zeusbiid  nach  allen  Seiten  hin  frei  im  Mittel- 
schiffestehend. Man  hätte  doch  erwarten  dürfen,  dass  Phidias 
seine  beiden  colossalen  Goldelfenbein-Staluen  wenn  auch 
nicht  in  gleicher,  sodoch  wenigstens  in  ahnlicher  Weise 
aufgestellt  habe.  Da  nun  in  Olympia  die  Disposition  der  Cella 
noch  so  deutlich  erkennbar  ist,  dass  die  Richtigkeit  ihrer  Re- 
construction  nicht  angezweifelt  werden  kann,  so  drängt  sich 
die  Frageauf,  obBoetticher  sich  nicht  bei  seiner  allen  früheren 
Aufnahmen  widersprechenden  Restauration  des  Parthenon- 
Grundrisses  geirrt  habe. 

Hierdurch  veranlasst  habe  ich  während  eines  läns;eren 
Aufenthaltes  in  Athen  im  April  dieses  Jahres  den  Grundriss 
des  Parthenon  und  speziell  diejenigen  Punkte,  welche  Boetti- 
cher  selbst  als  die  für  seine  Reconstruction  entscheidenden 
bezeichnet,  einer  genauen  Nachprüfung  unterzogen.  Das  Re- 
sultat dieser  Untersuchungen  war,  dass  sich  die  Bcettichersche 
Restauration,  soweit  sie  von  früheren  abweiclit,  als  unrichtig 
herausstellte.  Weder  hat  das  AthennhihJ  an  der  Rückwand  der 
Cella  gestanden,  noch  ist  von  der. sogen.  Paraslas  jemals 
auch  nur  ein  Stein  vorhanden  gewesen.  Die  Colossalstatue 
stand  vielmehr  frei  im  Mittelranme,  und  hinter  ihr  waren  die 
Seitenschiffe  als  Querstoa  herumgeführt.   Selbst  die  beiden 


28i  tlNTERSÜGllUNGEN  AM  PARTHENON 

kleinen  Thiiren  an  der  Westwand  der  Cella,  denen  Boetticher 
ein  so  grosses  Gewicht  beilegt,*  waren  in  dem  griechischen 
Baue  nicht  vorhanden,  sondern  sind  erst  bei  Einrichtung  der 
christlichen  Kirche  her2;estellt  worden.  Schliesslich  stellte 
sich  auch  die  seit  Bceckh  und  Boetticher  allgemein  übliche 
Bezeichnung  der  einzelnen  Räume  des  Tempels  als  irrthüm- 
lich  heraus. 

Indem  ich  es  unternehme,  diese  Behauptungen,  welche  der 
Ton  fast  allen  Gelehrten  adoptirlen  und  in  die  meisten  Werke 
über  Architekturgeschichle  aufgenommenen  Reconstruction 
Boetlichers  widersprechen,  zu  verÖlTentlichen,  habe  ich  die 
Pflicht^  nicht  einfach  Behauptung  gegen  Behauptung  zu  setzen 
oder  etwa  nur  schwache,  kaum  sichtbare  Standspuren,  die  der 
eine  für  rund,  der  andere  bei  anderer  Beleuchtung  für  vier- 
eckig halten  kann,  als  Beweise  anzuführen,  sondern  be- 
stimmte technische  Argumente  beizubringen,  die  jedermann 
leicht  an  Ort  und  Stelle  nachprüfen  kann. 

Um  auch  demjenigen  Leser,  welcher  in  den  constructlven 
Details  der  antiken  Bauweise  nicht  bewandert  ist,  die  nach- 
folgende Beweisführung  verständlich  zu  machen,  schicke  ich 
der  eigentlichen  Untersuchung  einige  aligemeine  technische 
Bemerkungen  voraus. 

Die  Wandquadern  griechischer  Gebäude  haben,  abgesehen 
von  den  verschiedenartio;sten  zum  Heben  der  Steine  mit  Zanse, 
Schlüssel,  Seil  etc.  dienenden  Löchern,  auf  ihrer  Oberfläche 
meist  3  verschiedene  Arten  von  Einarbeitungen  : 

1)  Vertiefungen  zur  Aufnahme  eiserner,  die  horizontale 
Verbindung  der  Quadern  herstellender  Klammern,  die  beim 
Parthenon  meist  h geformt  sind  ; 


1  Vergl.  Untersucliungcn  ciuf  der  Akropolis  S.  166:  «  Zur  Bestätigung  der 
von  mir  angenommenen  Einrichtung  des  ganzen  Gebäudes  als  Tliesauren- 
tempel  gcliörten  nun  vor  allem  zwei  kleinere  Verbindungsfhüren  in  der 
Scheidewand  beider  Räume,.  . .  .  auch  war  ihr  Vorhandensein  so  eng  mit 
der  von  mir  gesetzten  Bestimmung  des  Monumentes  verwachsen,  dass  es 
einen  Cardinalpunkt  der  Beweisführung  für  dieselbe  bildete.» 


UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTHENON  385 

2)  einfache  parallelepipedische  Löcher  für  die  zur  vertikalen 
und  horizontalen  V^erbindiing  dienenden  Splintdiibel; 

3)  kleine  unregelmässigere  Einschnitte  (,,Stemmlöclicr"),  in 
welche  Brechstangen  eingesetzt  wurden,  um  jeden  Stein  dicht 
an  seinen  Nachbar  heranzuschieben. 

Auf  Tafel  XII  ist  rechts  oben  eine  beliebii^e  Mauer  darjie- 
stellt,  an  welcher  man  die  Klammern,  Diibel  und  Stcmm- 
lücher  deutlich  erkennen  kann.  In  zwei  der  letzleren  sind 
Eisenstangen  eingesteckt,  durch  welche  die  oberste  Quader 
vermittelst  eines  dazwischengelegten  Holzes  an  ihren  linken 
Nachbar  dicht  herangestemmt  wird. 

Die  beiden  ersleren  Arten  finden  wir  nicht  bei  allen  grie- 
chischen Bauten,  weil  in  manchen  Stiidten  die  Steinwände  ohne 
Klammern  und  Dübel  zusammengefügt  wurden;  die  Stemm- 
löcher kommen  dagegen  bei  allen  griechischen  Mauern  aus 
rechteckigen  Quadern  vor,  wenigstens  ist  mir  unter  mehr  als 
hundert  Beispielen  bis  jetzt  keine  einzige  Ausnahme  begegnet. 

Hiernach  dürfen  wir  den  allgemeinen  Grundsatz  aufstellen: 
Wo  auf  der  Oberfläche  einer  Quaderschicht  die  drei  Arten 
Löcher  vorhanden  sind,  da  wissen  wir  mit  Bestimmtheit,  dass 
noch  eine  weitere  Quaderlage  darüber  folgte.  Und  umgekehrt : 
Fehlen  auf  der  Oberfläche  einer  Steiiilagealle  drei  Löcher,  so 
kann  unmöglich  eine  weitere  Steinscliicht  darüber  gelegen 
haben.  Der  letztere  Satz  gilt  sogar  ^^enn  nur  die  kleinen 
Stemmlöcber  fel)len.  In  dem  Vorhandensein  oder  rehlen  jener 
Löcher  besitzen  wir  somit  ein  untrügliches  Mittel,  um  bei 
griechischen  Quaderbauten  entscheiden  zu  können,  ob  eine 
Wand  nach  oben  beendet  war,  oder  ob  lioch  weitere  Stein- 
schichten folgten. 

Die  Differenzen,  welche  zwisclicn  dem  von  B(]ettici;or  re- 
staurirten  Parthenon-Grundrisse  und  dem  wirklichen  That- 
beslande  vorhanden  sind,  fassen  wir  in  folgende  vier  Sätze 
zusammen : 

I)  Die  beiden  sei'liclien  Tiiiiren  in  der  Wcstwand  der  (Jella 
stammen  aus  byzantinischer  Zeil. 

H)  An  Stelle  der  von  Bcelticher  angenommenen  Bildniseho 


286  UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTHENON 

ist  ein   hinterer    Sünlenumgang  (Querstoa)   zu    restauriren. 

III)  Die  Parthenos  stand  weiter  nach  Osten  auf  dem  von 
Buetticher  als  Benia  bezeichneten  Unterbau. 

IV)  Die  gewöhnliche  Benennung  der  einzelnen  Rüume  des 
Tempels  ist  nicht  richtig;  der  Name  Parthenon  bezeichnet 
im  engeren  Sinne  nicht  einen  besonderen  Theil  des  Hekatoln- 
pedos,  sondern  das  grosse  Ilintergemach. 

I)  Das  Vorhandensein  von  zwei  kleinen,  dem  ursprüngli- 
chen Baue  angehöi'igen  Thüren  in  der  Rückwand  der  Cella 
sucht  Boetticlier  S.  105-172  seines  Berichtes  über  die  Unter- 
suchungen auf  deu"  Akropolis  nachzuweisen.  Darin,  dass  in 
dieser  Wand  einmal  zwei  Seitenthtiren  vorhanden  waren,  hat 
er  allerdings  Hecht,  denn  die  J.öcher  fiir  die  Zapfen  und  Rie- 
gel, sowie  die  vom  Oefnen  der  Thüren  herrührenden  peri- 
pherischen Einrisse  auf  dem  Fussboden  beweisen  es  schlagend; 
aber  wesshalb  sollen  diese  Thüren  antik  sein^  Bötticher,  der 
doch  wohl  wusste,  dass  die  im  Tempel  eingerichtete  byzan- 
tinische Kirche  gerade  an  jenen  Stellen  zwei  Nebeneingiinge 
hatte,  wirft  auffallender  Weise  die  Frage,  ob  diese  nicht  erst 
von  den  Byzantinern  angelegt  seien,  gar  nicht  auf,  während 
er  bei  der  gi'ossen  Mitlelthüi'e  in  derselben  Wand  bestimmt 
angiebt,  dass  sie  erst  von  den  Byzantinern  hergestellt  sei.  Es 
ist  dies  um  so  auffallender,  als  man  auch  ohne  genaue  Unter- 
suchung schon  erkennen  kann,  dass  die  kleinen  Thüren  by- 
zantinisch sein  müssen.  Bei  griechischen  Monumentalbauten 
kommt  es  nämlich  meines  Wissens  nie  vor,  dass  die  Zapfen 
und  Riegellöcher  unmittelbar  in  den  Marmor  eingearbeitet 
sind:  es  wurden  vielmehr  immer  besondere  Bronzeslücke  ein- 
gelassen, welche  das  Zapfenlager  und  das  Riegelloch  enthiel- 
ten. Diese  Bronzestücke  fehlen  bei  jenen  Seilenlhüren,  und  in 
Folge  dessen  haben  sich  beim  Onlfneii  der  Fhigel  die  Zapfen 
zum  Theil  so  tief  in  den  Marmor  hi.'ieingebohrt, dass  ein  neues 
Marmorstück  eingesetzt  werrlen  mussle.  Es  ist  befremdend, 
dass  Bot  lieber  selbst  dieses  in  der  rohesten  Weise  eingefügte 
Flickslück,  das  gar  nicht  einmal  genau  in  das  Loch  hinein- 
passt,  ohne  jeden  Beweift  für  eine  an  tike  AusbesserungerkUirt. 


UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTIIENOiN  287 

Unlersucheii  wir  zunächöt  im  Anschlüsse  an  die  auf  Tafel 
XII  rechts  unten  mitgetlieiltc  Delailzeichnung*  die  nördliche 
TI)ür  gennuer.  Die  Wandsch welle  ist  gerade  da,  wo  dieThüre 
lag,  sehr  stark  abgetreten,  während  an  fast  allen  übrigen 
Stellen  nicht  nur  die  ursprüngliche  Bearbeitung  sondern  auch 
die  Aufsclinürungslinien  für  die  aufgehende  Wand  noch  deut^ 
lieh  erkennbar  sind.  Da  die  beiden  antiken  Klanimerbander 
c  und  d.  und  das  Dübelloch  h  in  dem  ab2;etretenen  Theil  der 
Schwelle,  also  innerhalb  derThürbreite  liegen,  so  müssen  sie, 
so  lange  die  Thüre  bestand,  sichtbar  gewesen  sein.  Dasseine 
derartige  Construction  für  einen  antiken  Bau  und  besonders 
für  den  Parthenon  unmöglich  ist,  liegt  auf  der  Hand ;  nur  wenn 
dieThüre  erst  in  byzantinischer  Zeit  angelegt  wurde,  ist  diese 
Schlechte  Anordnung  ei-klurlich  .  Bötticher  sucht  sich  hier  zu 
helfen,  indem  er  der  Thüre  eine  monolithe  Anschlagschwelle 
ZLitheilt,  Aelche  jene  Löcher  in  der  unteren  Wundschwelle  ver- 
deckt hüben  soll;  er  giebt  uber  keine  Antwort  auf  die  Frage, 
wie  denn  der  von  der  Anschlagschwelle  überdeckte  Stein  genau 
in  der  Breite  der  Thüre  eine  so  starke  Abnutzung  erhallen 
konnte.  Vielleicht  nimmt  er  an,  dass  die  Anschl.igsch welle  nur 
im  griechischen  Bau  vorhanden  war  und  von  den  Byzantinern 
weggenommen  wurde.  Aber  abgesehen  davon,  dass  man  den 
Byzantinern  eine  derartige  zwecklose  Arbeit  nicht  zutrauen 
darf,  sind  bestimmte  technische  Merkmale  vorhanden,  welche 
erkennen  lassen,  dass  die  hypothetische  Anschlagschwelle 
auch  im  ursprünglichen  Baue  nicht  existirt  haben  kann. 

Die  Querwand  besass  nämlich  wie  alle  Wände  des  Tempels 
über  der  Schwelle  eine  aus  z;wei  hochkantigen  Platten  herge- 
stellte Schicht.  Ueberall,  wo  zwei  dieser  Steine  der  Länge  nach 
zusammenstossen,  ist  einer  oder  zwei  Splintdübel  angebraclit, 
derart,   dass  bei  der  zuerst  versetzten    inneren    Plattenreihe 


'  In  der  cutspieuliendcii  Zeielmung  iJöKu^hers  letilcii  die  Slonuiilücher 
vollständig  und  einige  Splintdiiljcl-Ijöcitci  sind  niclit  als  solclic  erkannt 
worden. 


288  UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTHENON 

jeder  Stein  zwei  besondere  Diibel  hat,  während  bei  der  zuletzt 
versetzten  an  jeiler  Stossfuge  nur  ein  beiden  Steinen  gemein- 
samer Dübel  vorhanden  ist.  So  hat  auch  in  der  Querwand  die 
östliche  Plattenreihe  an  ihrer  Stossfuge  je  zwei  {e,  f  und  k,  l),. 
die  westliche  nur  je  einen  Splintdiibel  [g,  in).  Nehmen  wir 
nun  an,  dass  die  Anschlagschwelle  im  ursprünglichen  Bau 
wirklich  vorhanden  und  dass  sie  an  ihrem  südlichen  Ende 
westlich  von  dem  Zapfenloche  a  vermittelst  der  Dübel  e,  fand 
g.  mit  den  beiden  Platten  und  der  Wandschwelle  verbunden 
gewesen  wäre,  so  müssten  am  nördlichen  Ende  der  Schwel- 
le und  zwar  westlich  vom  Zapfenloche  b  ebensolche  Dübel 
vorhanden  sein,  um  die  Verbindung  mit  den  beiden  nördlichen 
hochkantigen  Steinen  herzustellen.  Denn  dass  auch  hier  zwei 
Platten  angebracht  waren,  kann  man  nicht  nur  aus  den  deut- 
lichen von  der  Cellawand  bis  zum  Zapfenloch  b  reichenden 
Standspuren  noch  erkennen,  sondern  ist  auch  nicht  gut  anders 
denkbar.  Da  nun  jene  Dübel  nie  vorhanden  waren,  so  kann 
auch  keine  Anschlagschwelle  exislirt  haben.  Vielmehr  geht  aus 
der  noch  erkennbaren  Construction  der  ganzen  Wand  deut- 
lich hervor,  dass  die  untere  liochkantige  Schicht  ausschliess- 
lich aus  e.  2,20'°  langen  Platten  bestand,  welche  ziemlich 
genau  von  der  Mitte  der  einen  Schwellenquader  bis  zur  Mitte 
der  nächsten  reichten.  Damit  auch  die  Endplatten  diese  Länge 
haben  konnten  und  dabei  doch  mit  ihren  Stossfugen  auf  die 
Mitte  einer  Schwellenquader  trafen,  sind  an  den  beiden  En- 
den der  Mauer  Schwellensteine  von  nur  halber  Länge  einge- 
fügt worden  {A  in  unserer  Figur).  Im  Bauplane  des  Iktinos 
war  demnach  sicherlich  keine  Seitenthüre  enthalten. 

Ebenso  wie  durch  das  Fehlen  der  Dübel  können  wir  auch 
durch  das  Nichtvorhandensein  der  erforderlichen  kleinen 
Stemmlöcher  die  Unmöglichkeit  der  Existenz  einer  besonderen 
Anschlagschwelle  innerhalb  der  Seitenthüre  beweisen,  und 
zwar  würde  dieser  Nachweis  noch  zwingender  sein  als  der 
vorhergehende,  weil  jene  kleinen  Löcher  keinenfalls  fehlen 
dürften.  An  ein  willkürliches  Fortlassen  der  betreffenden 
Dübel  und  Stemmlöcher  kann  aber  schon  desshalb  nicht  ge- 


UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTHENON  289 

dacht  werden,  weil  sie  an  der  südlichen  Scilenlhüre  genau  in 
derselben  Weise  fehlen. 

IsL  demnach  in  dem  antiken  Baue  keine  der  Seitenlhüren 
vorgesehen,  so  müssen  dieselben  spUler  eingebrochen  sein  und 
zwar  zu  einer  Zeit,  als  nicht  mehr  auf  Genauigkeit  und  So- 
lidität der  Arbeit  gesehen  wurde.  Da  wir  nun  wissen,  dass 
beim  Umbau  des  Tempels  zu  einer  christlichen  Kirche  jene 
zwei  Thüren  für  die  Seitenschiffe  erforderlich  wurden,  so  sind 
wir  zu  dem  Schlüsse  berechtigt,  dass  die  Tliüren  erst  von  den 
Byzantinern  angelegt  sind. 

Mit  diesem  Ergebniss  der  technischen  Untersuchung  fällt 
aber  nicht  nur  die  Folgerung,  die  Bölticher  aus  der  Art  des 
Verschlusses  jener  Thüren  (S.  169)  für  das  Verhältniss  der 
einzelnen  Verwaltungsbehörden  zieht,  sondern  auch  die 
hauptsächlichste  Stütze  seiner  ganzen  Restaura- 
tion des  Tempelgrundrisses  (S.  166  und  181). 

W^aren  die  Seilen  thüren  nicht  vorhanden,  so  drängt  sich  uns 
die  Frage  auf,  ob  denn  überhaupt  keine  Verbindungsthüre 
zwischen  der  Cella  und  dem  Hintergemache  bestand.  In  by- 
zantinischer Zeit  führte  ausser  den  beiden  Seitenthüren  eine 
grosse  Äliltelthüre  in  die  Cella  hinern,  von  einem  antiken 
Durchgange  sind  aber  auch  in  der  Mitte  der  Querwand  keiner- 
lei sichere  Spuren  vorhanden,  vielmehr  kann  man  auf  der 
Wandschwelie  noch  gut  erkennen,  dass  die  langen  hochkan- 
tigen Platten  ohne  Unterbrechung  durch  die  ganze  Wand  hin- 
durch gegangen  sind.  Da  ferner  die  von  einer  Revision  der 
Thüre  des  Hekatompedos  handelnde  Inschrift  (C.  /.  A.  II  708) 
nur  eine  Thüre  in  der  Cella  kennt,  so  muss  angenommen 
werden,  dass  die  Cella  und  das  Hinlergemach  nicht  verbun- 
den waren  und  mithin  der  Tempel  in  zwei  vollständig  ge- 
trennte und  verschiedenen  Zwecken  dienende  Theile  zerfiel. 

II)  Für  die  Existenz  der  grossen  Bildnische  an  der  Wcst- 
vvand  der  Cella  führt  Bötticlier  hauptsächlich  zwei  Gründe  an. 
Zunächst  die  von  Knowles  verzeichnete  Lehre  einer  Anteu- 
bettung.  Diese  Standspuren  waren  aber  so  undeutlich,  dass 
Penrose  selbst  sie  nicht  gesehen  hat.  Im  veri^anü;enen  Sommer 


290  ÜNTERSÜCHUNGEiN  AM  PARTHENON 

glaubten  wir,  auf  der  Eckquader  des  südlichen  Stylobates 
schwache  Standspuren  einer  antiken  Säule  zu  erkennen  (selbst- 
versliindlicli  meine  ich  hiermit  nicht  etwa  die  Bettung  der 
byzantinischen  Ecksänle).  Ich  lege  jedoch  dieser  Beobachtung 
nur  sehr  wenig  Gewicht  bei^weil  die  Standspuren  sehr  schwach 
waren.  Aber  selbst  wenn  wirklich  eine  viereckige  und  keine 
runde  Standspur  vorhanden  ist,  so  folgt  daraus  noch  langfe  nicht 
das  Vorhandensein  der  Parastas,  vielmehr  darf  man,  bevor 
nicht  die  Existenz  di-v  beiden  Seitenwiinde  nachgewiesen  ist, 
nur  auf  einen  Eckpfeiler  schliessen;  und  warum  soll  ein  win- 
kelförmiger Pfeiler,  wie  ihn  Peurose  reslaurirt,  undorisch  oder 
gar  unmöglich  sein  ?  Tm  Gegenlheil,  wenn  man  erwägt,  dass 
der  winkelförmige  Vorsprung  genau  der  Stärke  der  Ante  an 
der  östlichen  Cellawand  entsprach  und  dass  daher  für  den  im 
MiftelschitTe  stehenden  Beschauer  alle  drei  Stoeu  an  ihren 
Enden  symmeli'isch  mil,  Anten  von  gleicher  Stärke  eingefasst 
waren,  so  wird  man  einen  solchen  winkelförmis^en  Pfeiler  für 
eine  künstlerisch  vollkommen    berechtigte  Ecklösung  halten. 

Als  zweiten  Grund  für  seine  Parastas  führt  Böllicher  das 
Fehlen  jeglicher  Standspuren  auf  der  Schwelle  der  Bildnische 
(dem  Stylobate  der  Querstoa)  an.  —Man  kann  sich  aber  an  Ort 
und  Stelle  sofort  davon  überzeugen,  dass  die  ganze  Schwelle 
so  stark  abgenutzt  und  abgetreten  ist,  dass  die  schwachen 
Standspuren  etwaiger  antiker  Säulen  gar  nicht  mehr  sichtbar 
sein  können  ;  gerade  hier  lag  ja  der  Hauplzugang  zur  christ- 
lichen Kirche  und  zur  Moschee. 

Diese  beiden  Argumente  beweisen  also  nichts;  aber  Bostti- 
cher  weiss  noch  andere  untrügliche  Gründe,  denn  er  süst  auf 
S.  117  seines  Berichtes  :  ,,Zwei  andere  technische  Wahrzei- 
chen, welche  die  Anlage  der  Parastas  noch  hinterlassen  hat, 
die  auch  so  unvertilgbar  sind,  dass  sie  nur  mit  Entfernung 
des  ganzen  Marmorbodens  verlöscht  werden  können,  übergehe 
ich  hier."  Es  ist  sehr  zu  bedauern,  dassBötticher  diese  Gründe 
vorenthält.  Ich  habe  mich  vei-geblich  bemülit,  die  beiden 
unvertilgbaren  Spuren  aufzufinden  und  kann  daher  vorläufig 
ihre  Beweiskraft  nicht  anerkennen. 


ÜNTERSUGHUNGKN  AM  PARTllKNON  291 

Dafür  kann  ich  aber  ein  nnderes,  auch  uuverlilghares 
Wahrzeichen  angeben,  welches  unNviilerU'glich  beweist,  dass 
die  beiden  Seitenwände  der  Bildnischc  nie  -xislirt  liabcn 
können.  An  denjenigen  Stellen,  wo  Ho-Llirlier  diese  beiden 
Wände  restaurirt,  müsslen,  wenn  dieselben  jemals  vorhanden 
gewesen  wären,  die  marmornen  Fussbodenplatlen  als  Schwel- 
len jener  Wä'nde  noch  jetzt  die  in  den  vorausgeschickten  tech- 
nischen Bemerkungen  beschriebenen  drei  Arten  von  L()chern 
haben.  Aber  jene  Schwellen  besitzen  weder  horizontale  Klam- 
merbänder noch  vertikale  Dübel  noch  Löcher  zum  Einscizen 
der  Brechstangen  und  haben  sie  auch  unzweifelhaft  nie  be- 
sessen. Wir  sind  demnach  zu  dem  Schlüsse  berechtigt,  dasa 
auf  diesen  Schwellen  auch  niemals  eine  \Yeitere  Quaderschicht 
gelegen  hat.  Oder  will  man  etwa  annehmen^  dass  gerade  diese 
beiden  Wände  die  einzigen  des  Parthenon  gewesen  wären,  bei 
denen  keine  Klammern  und  Dübel  verwendet  worden  wären, 
und  dass  gerade  bei  ihnen  die  Werkleute  von  derjenigen  Art 
des  Verselzens  Abstand  genommen  hätten,  welche  in  ganz 
Griechenland  ausnahmslos  üblich  war?  Die  Böltichersche 
Bildnische  hat  somit  sicherlich  niemals  bestanden. 

Die  von  Penrose  vermuthungsweise  restaurirle  Querstoa  von 
3  Säulen  zwischen  2  Eckpfeilern  sucht  Böllicher  durch  fol- 
gende  Gründe  als  unmöglich  nachzuweisen  (S.  178)  : 

a)  Die  Querstoa  würde  um  1  Fuss  schmaler  werden  als  die 
Seitenstoen. — Diese  Differenz,  die  übrigens  nicht  Oj-Sl™  son- 
dern nur  0,23""  beträgt,  beweist  aber  gar  nichts,  denn  erstens 
ist  sie  im  Verhältniss  zur  Tiefe  der  Stoen  (c.  4  ^j^"')  gei'ing 
und  zweitens  haben  ja  auch  die  äusseren  Stoen  bei  den  meisten 
griechischen  Tempeln  an  den  Langseiten  eine  andere  Tiefe  als 
an  den  Fronten. 

b)  Die  Säulen  der  Querstoa  würden  um  5  Zoll  schwächer 
sein  müssen  als  die  Säulen  der  Seitenstoen,  weil  der  Stylobat 
der  ersteren  um  dieses  Maas  schmäler  sei  als  die  beiden 
Längsstylobate.  —  Letztere  Angabe  ist  falsch  ;  Bötticher  hat 
sich  um  5  Zoll  vermessen,  denn  alle  3  Stylobate  haben  dieselbe 
Breite  von  1,22™    Dieser  Grund  ist  also  auch  hinfällig. 


292  UNTEHSÜGHUNGEN  AM  PARTHENON 

c)  Die  einzelnen  Axweiten  würden  verschieden  gross  sein, 
weil  die  Lange  der  Slylobatplinlhen  bedeutend  variire  und  die 
Säulenaxe  immer  aufs  Genaueste  mit  der  Stossfuge  zweier 
Quadern  zusammentreffen  müsse. — Letzteres  ist  allerdings  beim 
Parthenon  meistens  der  Fall,  aber  keineswegs  ausschliesslich; 
80  liegen  z.  B.  beim  Pronaos  die  Mittelpunkte  der  vierten 
und  lunften  Säule  (von  Süden  gezählt)  um  fast  2  Cm.  von  den 
betreffenden  Fugen  entfernt,  bei  der  einen  sind  sogar  die 
Aufschnürungslinien,  17'"'"  von  der  Fugeabstehend,  noch  deut- 
lich sichtbar.  Ferner  kommen  aber  auch  nur  diejenigen  Fugen 
des  VVeslstylobates  in  Beti'acht,  auf  denen  die  Säulen  standen. 
Vergleicht  man  die  Abslände  derselben  mit  den  nach  Analogie 
der  Seitenstoen  berechneten  Axweiten  der  Säulen  (auf  Taf.  XII 
links  oben  sind  die  letzleren  durch  eingeklammerte  Zahlen, 
die  Abstände  der  Fugen  in  gewöhnlicher  Weise  angegeben), 
80  erkennt  man,  dass  die  Differenzen  nicht  wesentlich  grösser 
sind  als  am  Pronaos,  und  was  bei  diesem  eilaubt ist, kann  bei 
der  Querstoa  nicht  unstatthaft  sein. 

//)  Jede  Axweite  würde  um  6  Zoll  geringer  geworden  sein 
als  bei  den  Seitenstoen.  —  Hier  hat  sich  Bötticher  wiederum 
vermessen  ;  denn  wie  die  in  dem  Cella-Grundriss  in  Klammern 
eingeschlossenen  Zahlen  beweisen,  haben  die  Axweiten  der 
Querstoa  genau  dieselben  Maasse  wie  diejenigen  der  Sei- 
tenschiffe, nämliche  2,91'°  an  den  Ecken  und  2,61'"  in  der 
Mitte. 

Wir  könnten  uns,  nachdem  alle  vier  Punkte  vollständig 
widerlegt  sind,  ebenso  wie  Bötlicher  ,, jedes  weiteren  Ein- 
gehens auf  diese  Sache  enthalten',  aber  wir  würden  dann  auf 
dem  Standpunkte  Penroses  stehen  bleiben,  dass  die  Querstoa 
nur  vermulhungsweise  restaurirt  werden  dürfte.  Wir  können 
aber  noch  eine  wichtige  Thalsache  erwäiinen  ,  tlie  uns  einen 
positiven  Beweis  für  die  Existenz  der  Querstoa  liefert. 

Wie  aus  dem  Cellagrundrisse  zu  ersehen,  liegt  in  dem  west- 
lichsten Inlercolumnium  jeder  Langseile  eine  nur  0,99'"  lange 
Stylobatquader,  die  bedeutend  kleiner  als  die  übi-igen  von 
1,30"'  Länge  ist.  Dieselbe  i^t  zwischen  die  andern  Quadern 


"UNTERSUCHUNGEN  AM  PAUTIIENON  293 

eingeordnet  worden,  damit  die  Axen  der  mittleren  Säulenauf 
je  eine  Stossfuge  treffen  konnten.  Genau  in  derselben  Weise 
ist  aber  auch  an  der  Querstoa  in  die  beiden  aüssersten  Inter- 
columnien  je  ein  nur  1^01'°  langer  Slylobatslein  gelegt  worden. 
Diese  Anordnung  wäre  vollständig  zwecklos  gewesen,  wenn 
auf  dem  Querstylobate  keine  Säulen  aufgestellt  werden  soll- 
ten. Wollte  man  dagegen  von  den  beiden  westlichen  Ecken 
aus  symmetrisch  nach  je  zwei  Seiten  Säulenreihen  anordnen, 
so  war  man  gezwungen  entweder  neben  den  Eekquadern  des 
Stylobates  nach  beiden  Seilen  kleine  Steine  einzuschieben  oder 
complicirle  (diagonal  geschnittene  oder  winkelförmige)  Eck- 
quadern anzuwenden.  Das  Vorhandensein  der  schmalen  Zwi- 
schensleine  berechtigt  uns  demnach  nicht  nur,  sondern  zwingt 
uns  sogar,  eine  Querstoa  an  Stelle  der  sog.  Parastaszu  restau- 
riren.  Ob  hierbei  ein  winkelförmiger  Eckpfeiler  oder  eine 
Ecksäule  (in  meiner  Zeichnung  sind  beide  Möglichkeiten  an- 
gegeben) angenommen  A\ird  ,  ist  für  die  Grundrissdisposition, 
mit  der  wir  uns  hier  zu  beschäftigen  haben,  ziemlich  gleich- 
gültig. Die  grosse  Axweile  der  Eckstütze,  die  allerdings  mehr 
für  einen  Pfeiler  spricht,kann  bei  Annahme  einer  Säule  mög- 
licher Weise  durch  einen  Triglyphenfries  veranlasst  sein. 

III.  Die  Parthenos  stand  im  Mittelschiff  an  derjenigen  Stelle, 
wo  ßölticher  ein  Bema  restaurirt,  und  nicht  dicht  an  der 
Rückwand  der  Cella.  Bölticher  motivirt  seine  Anordnung  in 
folgender  Weise  :  Die  unerlässliche  Verbindung  der  Cella  mit 
dem  grossen  Hintergemache  würde  am  besten  und  einfachsten 
durch  eine  Tliüre  in  der  Mitte  der  Querwand  hergestellt  wor- 
den sein  ;  da  man  dies  nicht  gethan,  sondern  zwei  seitliche 
Thüren  angelegt  hat,  so  muss  in  der  Mitte  etwas  gewesen 
sein,  was  die  Anlage  einer  Mittelthüre  verhinderte.  Dieses 
Hinderniss  kann  nur  das  grosse  Bild  der  Parthenos  gewesen 
sein. — Durch  unseren  Nachweis  des  Nichtvorhandenseins  jener 
beiden  Seitenlhüren  ist  dieser  ganzen  Beweisführung  das 
Fundament  entzoo;en. 

Dicht  an  der  grossen  Querwand  und  von  zwei  Seilenwänden 
eingeschlossen  würde  auch  das  Agalma  in  der  Nische  einen 


294  UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTHENON 

schlechten  Standplatz  gehabt  haben,  denn  im  Profile  hätte  man 
das  Kunstwerk  nicht  betrachten  und  auch  die  feinen  Reliefs 
auf  dem  Schilde  nicht  gut  erkennen  können. Wir  nehmen  des- 
halb an,  dass  die  Parthenos  frei  im  Mittelschiffe  an  derjenigen 
Stelle  gestandt>n  habe, wo  stattdersonstüblichenMarmorplatlen 
Quadern  aus  Piräusstein  liegen.  Tnsere  speciellen  Gründe 
sind  folgende  : 

1)  Die  Stelle  im  Zeusfempel  zu  Olympia,  wo  das  ebenfalls 
von  Phidias  angefertigte  Goldelfenbeinbild  gestanden  hat, 
war  in  ganz  gleicher  Weise  construirt  wie  jenes  ,,Paviment" 
im  Parthenon  :  ein  Oblong  aus  Porosquadern  war  von  weissen 
pentelischen  Marmorplatten  umgeben  und  auf  letzleren  kann 
man  noch  jetzt  gleiche  Aufschnürungslinien  wie  im  Parthe- 
non erkennen. 

2)  Die  Grundform  des  Bathrons  hat  in  Olympia  das  Verhält- 
niss2:  3,  entsprechend  dem  Räume,  den  ein  quadratischer  Ses- 
sel mit  davorstellendem  Fussschemel  im  Grundrisse  einnimmt; 
in  Athen  ist,  weil  die  Parlhenos  stehend  dargestellt  war,  das 
für  das  Balhron  aufgeschnürte  Rechteck  bedeutend  kleiner 
als  dort  {S""  X  4™  gegenüber  0,60""  X  9,90™)  und  hat  aus- 
serdem ein  Verhältniss  der  Breite  zur  Tiefe  von  2:1.  Eine 
solche  Grundform  ist  aber  für  eine  aufrecht  stehende  Colossal- 
figur,  neben  welcher  auf  der  einen  Seile  noch  Speer,  Schild 
und  Schlange  und  auf  der  anderen  eine  Säule  zur  Unter- 
stützung der  Hand  angebracht  war,  vollkommen  passend.* 

3)  Die  Disposition  der  100  Fuss  langen  Cella  des  Zeus- 
tempels ist  derart,  dass  das  Mitlelschifl' der  I.änge  nach  in  3 
Theile  gelheilt  wird  :   vorne  ein  7  */2™  tiefer  dem  Publikum 


'  Vgl.  die  neu  gcfunfleni^  Atlienacopie  und  die  darauf  bezüglichen  Auf- 
sätze von^C.  Lange  in  den  Mitlli.  V  S.  370  fg.,  VI  S.  56  fg.  Bei  einer  so 
kleinen  Wiedeilioiung  kann  sich  die  Form  der  Basi.s,  wenn  der  freie  Rand 
vorne  und  hinten  etwas  breiter  gemaclit  wird  als  an  den  Seiten,  einem 
Quadrate  .»clion  nähern,  während  bei  einer  Übertragung  ins  Coicssale  sich 
wohl  die  Gesainrnlveriiällnisse  der  Figur  [uoportional  vergrössern  la.ssen, 
die  Verbreiterung  des  freien  Randes  aber  nur  innerhalb  gewisser  Grenzen 
Stalthaft  sein  würde. 


UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTHENON  295 

zugänglicher  Raum,  von  dem  aus  die  SeilcnscIiifTe  zu  be- 
treten waren;  sodann  ein  0  ^^/2"' ^'^^n^''' ■^^'11*^'!'''^'"»^  derein 
quadratisclies  linpluviuni  enihielt,  und  drittens  der  l'lalz 
für  düs  Bild  von  ebenfalls  9^2'"  Tiefe.  Hinter  dem  Ag.ilma, 
dessen  Basis  vorne  dicht  an  den  mittleren  Baum  liorniitral, 
waren  die  Seitenschiffe  durch  einen  Umgang  verbunden. 

Genau  dieselbeAnorduung  zeigt  die  ebenfalls  hundertCusbigc 
Cella  des  Parthenon.  Im  Osten  ein  bis  zur  ersten  Querschranke 
reichender,  7  Y2'"  tiefer  Platz  mit  Zugängen  zu  den  Seiten- 
stoen;  in  der  Mitte  ein  dem  Quadrate  sich  näherndes  Oblong 
von  9^2'"  I-'änge,  über  dem  auch  höchstwahrscheinlich  das 
Hypaithron  angebracht  war;  im  Westen  die  dritte  8^2'° 
lange  Abiheilung  mit  dem  grossen  Goldelfenbeinbilde.  Die 
oben  nachgewiesene  Querstoa  lief  hinler  dem  letzteren  herum 
und  gestattete  ein  Umgehen  und  Betrachten  desselben  von  allen 
Seiten.  Der  mittlere  Raum  war  ebenso  wie  in  Olympia  auf 
drei  Seiten  von  Schranken  eingefasst,  auf  der  vierten  Seite 
schloss  sich  unmittelbar  das  Bild  an  ;  in  dieser  unter 
freiem  Himmel  befindlichen  Abiheilung  wird  vermuthlich 
auch  der  in  Olympia  unzw^eifelhaft  vorhandene  Opferaltar 
gestanden  haben.  Das  Agalma  nahm  nur  die  vordere  Hälfte 
des  westlichsten  Raumes  ein;  man  hätte  dasselbe  demnach, 
um  dem  Beschauer  einen  entfernteren  und  daher  günstigeren 
Standpunkt  zu  gewähren,  weiter  nach  Westen  bis  an  die  Quer- 
stoa rücken  können;  man  hat  dies  aber  nicht  gethan,  weil 
man  offenbar  Gewicht  darauf  legte,  dass  die  Parthenos  un- 
mittelbar an  dem  mittleren  Räume  stehe.  Ob  hierfür  die  Rück- 
sicht auf  eine  o-ute  Beleuchtun»  des  Goldelfenbeinbildes  mass- 
gebend  war,  oder  ob  etwa  der  hypaethrale  Miltelraum  wiegen 
seiner  Bestimmuns;  in  Bezuof  auf  Cultus  und  Feste  die  un- 
mittelbare  Nähe  des  Athenabildes  verlangte,  mag  dahingestellt 
bleiben. 

Die  nachgewiesene  TJebereinstimmung  zwischen  Parthenon 
und  Zeuslempel  ist  so  vollkommen,  dass  durch  die  darin  lie- 
gende Beweiskraft  die  Fiage  nach  der  Aufsteliungsart  der 
Parthenos  wohl  endgültig  onlschieden  wird. 


296  UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTHENON 

Die  architektonische  Gestallung  des  Bathrons  selbst  lässt 
sich  vorläufig  nur  nach  Analogie  der  Zeusbasis  in  Olympia 
annähernd  bestimmen.  Da  aber  aus  den  auf  dem  Fundamente 
erhaltenen  Dübein  und  Stemmlöchern  die  Grösse  der  Steine 
des  Oberbaues  ermittelt  werden  kann,  so  ist  es  nicht  un- 
mÖ£rli(ih,  dassdie  zu":ehöri2;en  Steine  unter  dem  reichhaltigen 
auf  der  Akropolis  herumliegenden  Baumaterialenoch  gefunden 
werden. 

IV)  In  Bezug  auf  die  Benennung  der  einzelnen  Räume  des 
Tempels  hat  man  sich  bekanntlich  seit  Böckh  und  Boetticher 
allsjemein  dafür  entschieden,  dass  die  Cella  in  zwei  Theiie 
getheilt  wurde,  von  denen  der  eine  die  hunderlfüssige  Cella 
(6  vot?»;  6  e/caTÖfxiTE^o;)  und  der  andere  der  Raum  der  Jungfrau 
(6  nzpOevwv)  genannt  wurde.  Das  grosse  Hintergemach  be- 
zeichnet man  mit  dem  Namen  Opisthodom  und  für  die  dem 
Pronaos  entsprechende  Hinterhalle  hat  man  die  Namen  Posti- 
cum,  Tamieion  oder  Prostas  vorgeschlagen. 

Eine  Vergleichung  der  durch  die  vorstehende  Untersuchung 
dargelegten  Grundrissdisposition  des  Tempels  mit  den  in 
Inschriften  und  anderen  Urkunden  enthaltenen  Raumbenen- 
nuna;en  führt  aber  zu  einem  anderen  Resultate.  Darnach  be- 
zeichnet  7:pov>ito;  die  Vorhalle,  va6;  6  exxtöt^.Tre^o?  die  ganze 
Cella,  racpSsvwv  den  grossen  westlichen  Saal  und  6xt(j6<5^ofj!.o? 
die  dem  Pronaos  entsprechende  Hinterhalle.  Diese  Benennung 
hat  schon  Ussing*  vor  25  Jahren  vorgeschlagen  ;  er  hat  aber 
keinen  Anklang  mit  seiner  Hypothese  gefunden. 

Um  die  richtigen  Namen  für  die  einzelnen  Räume  zu  er- 


*  Der  vorliegende  Aufsatz  war  schon  fast  fertig,  als  es  mir  erst  möglich 
wurde,  die  Griechischen  Reisen  und  Studien  von  Ussing  selbst  einzusehen. 
Dass  der  Verfasser  von  thcihvcise  anderen  Voraussetzungen  ausgehend 
dieselbe  Ansicht  über  die  Benennung  der  einzelnen  Räume  entwickelt,  kann 
meiner  Untersuchung  ihren  Wcrlh  nicht  nehmen.  Im  Gegenlheil  wird  diese 
trotz  der  Dilferenzen  in  den  Prav'^missen  erzielte  Uebereinstimmung  in  den 
Resultaten  die  Richtigkeit  der  letzteren  nur  noch  wahrscheinlicher  macheü. 
In  Bezug  auf  den  Standplatz  der  Parthenos  theilt  Ussing  bekanntlich  die 
Ansicht  Boettichers. 


UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTHENON  297 

mittein,  muss  vor  allem  die  Glaul)\vürdiG;keil  der  einzelnen 
Quellen,  \Yelelie  uns  diese  Namen  überlieforL  haben,  iinlersucht 
werden  ;  denn  hauptsächlieh  dadurch,  dass  man  den  verschie- 
denartigen Quellen  gleichen  \Yerth  beilegte,  ist  die  ]>isherige 
Ungewisshcit  in  der  Benennung  der  einzelnen  Gelasse  ent- 
standen. Da  wir  unter  dem  riclitigen  Namen  naluj'gemäss  die 
oflizielle  und  nicht  die  im  Volksmunde  übliche  Bezeichnung 
verstehen,  so  dürfen  wir  die  Benennung  nur  den  Uebergabs- 
ÜrkundenderSchatzverwalter  und  anderen  ofTiziellen  Inschriften 
entnehmen,  und  erst  in  zweiter  Linie  dürfen  die  anderen 
Nachrichten  (bei  llednern, Geschieh töschreibern,Lexicographen 
etc.)  in  Betracht  gezogen  werden. 

Die  Tempel-lnventare  aus  dem  V.  Jahrh.  sind  bekanntlich 
nach  drei  Bäumen  getrennt  geführt;  bei  jeder  Schatz-Ueber- 
gabe  wurden  für  den  Pronaos,  den  Ilekatompedos  und  den 
Parthenon  besondere  Urkunden  über  ihren  Bestand  an  Werth- 
gegensländen  angefertigt.  Ausserdem  wird  einige  Male  in  den 
Inschriften  auch  der  Raum  Opislhodom  erwähnt.  Da  nun  in 
den  überaus  zahlreichen  Inschriften  nur  diese  4  Bäume  ge- 
nannt werden  und  da  ferner  der  Tempel  gerade  4  getrennte 
Haupträume  enthält,  ist  es  da  nicht  an  und  für  sich  natür- 
licher, dass  man  jeden  der  vier  Räume  mit  einem  jener  Namen 
bezeichnet,  als  dass  man  einem  Gemache  gar  keinen  und  ei- 
nem anderen  zwei  jener  Namen  beilegt?  Allerdings  haben 
derartige  allgemeine  Schlüsse  nur  eine  geringe  Beweiskraft  und 
wir  müssen  daher  andere  positive  Beweise  beibringen  : 

1)  Eine  Vergleichung  der  in  den  Inventaren  des  Hekatom- 
pedos  und  des  Parthenon  aufgezählten  Gegenstände  zeigt, 
dass  im  ersteren  Räume  fast  ausschliesslich  Kränze  und 
verschiedenartige  Weihgeschenke  aufbewahrt  wurden  (man 
beachte  das  häufige  Vorkommen  des  Zusatzes  6  . . .  avs9yj/.gv), 
während  wir  im  Parthenon  alle  möglichen  Gegenstände  fin- 
den:  Möbel,  Pompengeräth^  Beutestücke,  Kleider,  Edelsteine, 
Urkunden  und  viele  beschädigte  oder  fragraentirte  Stücke  (z. 
B.  abgebrochene  Nägelköpfe  von  der  Thür  der  Cella,  Bett- 
füsse,  einzelne  Blätter  eines    Kranzes  etc.).  Nun  wird  man 

VtITTU.D.  ARCH.INST.VI.  20 


^98  UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTHENON 

doch  schwerlich  annphmen  diii'fen,tlass  die  verschiedenartig- 
sten Weihsreschenke  fast  ausnahmslos  in  den  Seitenschiffen 
gestanden  hätten,  während  das  Mittelschiff  rings  nm  das 
Bild  der  Athena  mit  allen  möglichen  Möbeln,  Waffen,  be- 
schädigten Gegenständen  etc.  angefüllt  gewesen  wäre. Vielmehr 
ist  es  doch  wahrscheinlicher, dass  die  Standbilder,  Kränze  und 
Weih2;eschenke  in  der  iNähe  der  Parthenos  in  der  Celia  se- 
standen  haben,  wo  sie  vom  Publikum  gesehen  werden  konn- 
ten, und  dass  dagegen  die  verschiedenartigen  Gegenstände 
des  Parthenon  in  einem  dem  Publikum  verschlossenen  und 
nur  den  Verwaltungsbeamten  zugänglichen  Räume,  mithin  in 
dem  grossen  Hintergpmache,  untergebracht  waren. 

2)  In  seinen  Beiträgen  zur  Periegese  der  Akropolis  (Mitth. 
V  S.  89  f^.)  hat  LI.  Köhler  diejenigen  Übergabs-Crkun- 
den  zusammengestellt ,  welche  von  dem  Goldelfenbein- 
bilde der  Parthenos  und  von  einzelnen  Theilen  desselben 
Landein.  Er  zieht  daraus  den  Schluss,  dass  das  Bild  nicht  im 
Parthenon,  sondern  im  Hekatompedos  gestanden  habe.  Und 
in  derThat  wenn  man  erwägt,  dass  alle  Inventare,  welche  die 
Parthenos  oder  ihr  ßathron  erwähnen,  Schatzverzeichnisse 
des  Hekatompedos  sind,  und  dass  nur  einige  vom  Kranze  der 
Nike  abgefallene  goldene  Blätter  und  die  Urkunde  über  die 
zum  Bilde  verwendeten  Materialien  als  im  Parthenon  be- 
findlich bezeichnet  werden,  so  wird  man  an  der  Richtigkeit 
dieses  Schlusses  nicht  mehr  zweifeln  können.  Da  nun  oben 
nachgewiesen  ist,  dass  die  Parthenos  in  der  westlichsten 
Abtheilung  des  Mittelschiffes  gestanden  hat,  so  steht  fest, 
dass  dieser  Theil  der  Cella  nicht  zum  Parthenon,  sondern 
zum  Hekatompedos  gehörte.  Welcher  Raum  innerhalb  der 
Cella  soll  denn  jetzt  der  Parthenon  gewesen  sein?  An  die  von 
Schranken  eiugefasste  mittlere  Abtheiluug  des  Hauptschiffes 
dürfen  wir  nicht  denken,  denn  in  diesem  verhältnissmässig 
kleinen  Räume,  unmittelbar  vor  dem  S'andbilde  der  Athena 
und  zum  Theil  unter  freiem  Himmel  können  doch  unmöa;lich 
alle  jeneMöbel,  Geräthe  u.s.w,  aufgestapelt  worden  sein;  der 
Östlichste  Abschnitt  des  Mittelschiffes  kann  es  auch  nicht  sein> 


UNTEnSUCIIUNGEN  AM  PARTHENON  299 

denn  die  hier  befindliche  Ilanpllliüre  wird  in  der  bekannten 
Ilevisions-Insclu'ift  aiisdrückiicli  alsTliüie  des  [Ickaloinpedos 
bezeiclinel;  die  auf"  diei  Seiten  der  Cella  lieriinigefülirle Säulen- 
halle darf  ancli  iiiclil  als  Parthenon  in  Anspruch  genommen 
■werden,  denn  das  MillelschilT  ist  keine  100  Fuss  lang  und  hätte 
daher  nicht  liiinderlfiissige  Cella  genannt  werden  dürfen;  den 
Parthenon  in  den  oberen  Säulenhallen  (Ilyperoa)  zu  erkennen 
ist  auch  unstatthaft,  denn  zuvor  müss'e  nachgewiesen  werden, 
dass  sie  überhaupt  existirt  haben,  aber  weder  ein  Schrift- 
steller noch  eine  der  vielen  Inschriften  weiss  etwas  von  einem 
obern  Stockwerke,  und  auch  technisch  lässt  sich  ihre  Existenz 
durch  keine  Gründe  belegen,  vielmehr  spricht  das  Fehlen 
aller  Spuren  einer  Treppe  entschieden  gegen  ihr  Vorhanden- 
sein. In  der  ganzen  Cella  ist  also  kein  abgetrennter  Raum 
vorhanden,  welcher  der  Parthenon  gewesen  sein  könnte;  es 
bleibt  daher  nichts  anderes  übrig  als  in  dem  grossen  II in- 
lerfijemache  den  Parthenon  zu  suchen. 

3)  Während  somit  nach  den  Inventaren  die  als  Festgeräthe 
dienenden  Möbel,  Waffen  und  musikalischen  Instrumente  und 
viele  andere  Gegenstände  in  der  grossen  Hintercella  aufbewahrt 
wurden,  sollen  nach  der  übereinstimmenden  Überlieferung 
vieler  Schriftsteller  auch  die  attischen  Bundesgelder  in  diesem 
Räume  gelegen  haben,  denn  der  eigentliche  Opisthodom,  die 
Hinterhalle,  würde  diesen  Schatz,  der  zeitweise  bis  zu  einem 
Betrage  von  10000  Talenten  anwuchs,  räumlich  nicht  haben 
aufnehmen  können.  Wir  müssen  demnach  annehmen,  dass 
der  Parthenon  (im  engern  Sinne)  gleichzeitig  als  Schatzhaus 
für  die  Bundesgelder,  als  Aufbewahrungsort  für  die  Pompen- 
gerälhe  und  als  Lagerraum  für  diejenigen  Gegenstände  gedient 
hat,  welche  man  in  dem  für  das  Volk  jederzeit  geöffneten 
Hekatompedos  nicht  aufstellen  wollte.  Diesem  Resultate  un- 
serer Untersuchungen  widersprechen  aber  die  Inschriften  kei- 
neswegs; sie  zeigen  vielmehr  deutlich,  dass  ausser  den  in  den 
Inventaren  des  Parthenon  aufgezählten  Schätzen  auch  Gelder 
daselbst  aufbewahrt  und  verwaltet  wurden,  denn  mehrmals 
werden  Zahlungen  aus  dem  Parthenon  erwähnt. 


300  UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTHENON 

Auch  die  grosse,  von  der  V^erwaltung  der  Gelder  der  ,, anderen 
Götler"  handelnde  Inschrift  aus  dem  Jahre  435/4  {C.I.A.  l  32) 
wird  mit  Unrecht  als  Beweis  für  die  Identität  der  grossen 
Hintercella  und  des  Opislhodom  angeführi.  Sie  bestimmt  näm- 
lich zunächst,  dass  jene  Gelder  im  Opisthodomverwalielwerden 
sollen  ;  die  Verwaltersollen  zugleich  mit  den  Beamten  der  Alhe- 
nadieThüre  desOpisthodom  (dennöi'jpai  kann  nach  Analogie  der 
Revisionsurkunde  über  die  Thüre  des  Hekatonipedos  eine  ein- 
zige,allerdings  zweiflügligeTliüre  bezeichnen)  öffnen, schliessen 
und  versiegeln.  Dieser  Beschluss  wird  (vgl.  Michaelis  Parthe- 
non S.  290)  im  darauf  folgenden  Jahre  dahin  ergänzt,  dass 
die  südliche  Hälfte  des  Opislhodom  für  die  Schätze  der 
Athena  reservirt  bleibt  und  nur  die  nördliche  Hälfte  als 
Vervvaltunii-sraum  für  die  Gelder  der  andern  Gölter  be- 
stimmt  wird.  Da  wir  wissen,  dass  die  Hinterhalle  ebenso 
Avie  der  Pronaos  mit  festen  Schranken  und  einer  Thüre 
bis  zum  Architrave  hinauf  aufs  Sorgfältigste  abgeschlossen 
war,  §0  liegt  auch  nicht  der  geringste  Grund  vor,  unter  dem 
Worte  Opislhodom  der  obigen  Inschriften  nicht  nur  die  Hin- 
terhalle, sondern  auch  die  eigentliche  Schatzkammer  zu  ver- 
stehen. Im  Gegenlheile,  da  die  Summe,  welche  den  andern 
GöUern  zurückgezahlt  wird^  nur  200  Talente  beträgt,  also 
räumlich  kaum  Y2  Cubikmeter  misst,  und  da  ferner  die  schon 
vorher  im  Besitze  der  anderen  Gölter  befindlichen  Gelder  als 
Jjedeutend  nicht  nachgewiesen  werden  können,  so  wird  nur 
die  eine  Hälfte  der  Hinlerhalle,  die  schon  einen  Quadratinhalt 
von  etwa  2i:  Cubikmeter  umfasst,  in  den  Inschriften  gemeint 
gein.  Für  die  viel  reichlicheren  Gelder  der  Athena,  einschliess- 
lich des  Bundesschatzes,  blieb  noch  die  andere  Hälfte  des 
Opislhodom  und  der  ganze  Parthenon  übrig,  soweit  er  nicht 
von  den  für  die  Festzüge  bestimmten  Gerälhen  eingenommen 
wurde. 


4)  Der  Name  Ojyisthodom  bezeichnet  bei  allen  Tempeln  die 
dem  Pronaos  enlspi^cbende  Hinterhalle,  mag  sie  nun  wie  am 
Zeustempel  zu  Olympia  geöffnet  oder  wie  beim  Hei'aion  da- 
selbstmit  Giltern  verschlossen  gewesen  sein;  warum  soll  allein 


UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTHENON  301 

der  Tempel  der  Alliena  Parlhcnos  hiervon  eine  Ananahme 
bilden?  Um  seine  z^\ci  Geilen  unterscheiden  zu  können  ei'li'elt. 
die  grössere  nach  ihrer  I.änge  den  Beinamen  ,,die  hundert- 
füssige,"  die  kleinere,  nur  vom  Opislhodom  aus  zugängliche, 
den  Namen  Parthenon.  Weshalb  man  gerade  dit's  Wort  ge- 
wählt hat,  kann  allerdings  urkundlich  nicht  nachgewiesen 
werden.  Die  l*>klärung,  welche  üssing  hierfür  vorschlägt, 
dass  man  die  Schatzkammer  deshalb  Jungt'ernzwinger  genannt 
habe,  weil  sie  nicht  vom  Volke  betreten  Nverden  sollte,  hat 
wohl  mit  Recht  keinen  Beifall  gefunden.  Wahrscheinlicher 
erscheint  es  mir,  dass  sie  den  Namen  Parthenon  deshalb  er- 
hielt, weil  sie  erstens  zur  Aufbewahrung  der  Festgeräthe, 
welche  bei  den  zu  Ehren  der  Athena  veranstalteten  Prozessionen 
benutzt  wurden,  dienen  sollte  und  weil  sie  zweitens  als  The- 
saurus für  die  unter  dem  besonderen  Schutze  der  Athena 
stehenden  Bundesgelder  bestimmt  war.  Vielleicht  führte  auch 
schon  derjenige  provisorische  Bau,  welcher  in  der  Zeit  zwi- 
schen der  Verlegung  des  delischen  Schatzes  nach  Athen  (c.  460) 
und  der  Fertigstellung  des  grossen  Tempels  (c.  438)  den 
Bundesschatz  enthielt,  den  Namen  Parthenon  und  man  über- 
trug später  diesen  Namen  auf  das  Schatzgemach  im  Tempel, 
Allerdings  ist  bisher  keine  einzige  Urkunde  gefunden  worden, 
welche  uns  ausdrücklich  meldete,  dass  in  dem  Parthenon 
genannten  grossen  Ilintergemache  ausser  den  Festgeräthen  und 
diversen  Kostbarkeiten  auch  der  Bundesschatz  untergebracht 
gewesen  sei,  aber  die  Beweiskraft  der  aufgezählten  Gründe 
ist  doch  so  bedeutend,  dass  man  nicht  mehr  daran  zweifeln 
wird,  dass  unter  dem  Namen  Parthenon  im  officiellen  Sprach- 
gebrauche in  der  That  die  grosse  Hintercella  verstanden 
wurde. 

Volksthümlich  ist  diese  Bezeichnung  nie  gewesen,  denn  die 
Schriftquellen  gebrauchen  das  W^ort  Parthenon  nur  um  den 
ganzen  Tempel  zu  bezeichnen,  ebenso  wie  sie  ihn  auch  nach 
seiner  anderen  Cella  Hekatompedos  nennen.  Da  nun  das 
athenische  Volk  unter  dem  Namen  Parthenon  stets  den  ganzen 
Tempel  verstand,  nannte  es  beide  nur  von  der  hintern  Seite 


302  UNTERSUCHUNGEN  AM  PARTHENON 

des  Tempels  zugänglichen  Schatzkammern  nach  ihrem  allein 
sichtbaren  Theile  Opisthodom.  Im  officiellen  Sprachgebrauch 
war  dagegen  immer  der  Pronaos  die  Vorhalle  des  Hekatom- 
pedos,  der  Opisthodom  diejenige  des  Parthenon. 


WILHELM  DORPFELD. 


I 

PATPHI 
AAKnNEKYAQNOI 

rVAAOI.AEOMENE 
KIHTEI 

A.A...OEOPAE 
ETA     A££.£INE 
K...„,;NO£Mi,J  ONIE 
£1-''.  .  I 


\nNIENO 


AY^A^ 

ETE/ 

NTIMA> 

TE/i 


^XOENIK 


AAMAPXOEAAEn 
«ENEKAHJNIKO 

MANTINEY 
APIS:TOaAMO£ 
I  ,  .E  A  IE  IE..I  NOEKP 
T!)  .  PATHSAPIIT 
APKAain  NA  AEZIM 
P  A  N  T  I  A  5:  P  A  E  I  T 

NTIAEAEONTOS: 
MEJS  AN  1  Ol 
XENOKAHJAYEANA 
A  .SIN  IKO^rAYEEA 
Tl  MAPXliAS:  .  YSA 
n    E    N    I    X   n    N 
N     I    K    E   A    S 

APIETI 
\AI 

NIKOMAXOEAPI 
PEAAANEIE 
KAEOanPOEiAMONOS 
NIICEAEAET 
A.EIAEK 


P01 


PPAEIT 
I  n  N 
S:..EI  AE 

I  AOZENOE 

KAIEKPONOYE 
*l  AfiNE 

N   I   K  1   A  A   I 
KAIEKTONOI 
A  P  T   E  M  n  N 
APOAAOAOTOY 
NIKOMHAEOYE 

KAI  ErrONOI 
lEQ.ÄETAIPOAEIPP 
lENONEINAIAPOAA 
NEINAIKAI 
NAYTONKAIEXro 

Eiao 

ZENOKAHENIKOKA 
OYEKAIEKTON 

NTirONHANÄP 
lAEIKVnN 
ATEIONIT 

ETOMAXONAPIET 
ENEOE.PASnN 
KAEOEAEINIAA 
YEIP  '  ...EPAPM 
MEPA  PIAAYE 

n  N  r  O 


K  AAAIAEA 

AYTOAAMOE 

PPATIEEIM 
A.  .ETPO 
ATAOOKA 
APIaNOOE 
APIETfiNZEN 
XENOTIMOEGEOZEN 
NUN 

AINOXOENEOEP 

NIKIAEONOMA 

KYAAEAP 
AAKiaAMOEM 
KAEnNPOMPIA 
TIMOKPATHEAY 
MNAEnNANÄPOMENE 
APEMOEAPXI 


A  N  T  I  N  HE 

lAEPPOAPOPia 
PIETOAAMOE 


■"  lOE 
APXOE 
TEN  HE 

TIMAPITOE 

NEAPXnN 

AIN  HEI  A  AO 

EYETHE 

APIITOBIOY 

AAEIOI 

APxnN  APXinro 

APXlAElflAAlA^ 


MON  OE 
OZENn 
fEIEA  YElaOE 


NIKOaAMO 
MEPI  AHPAE^ 
KAIEKTONOI. 


Beilage  2  lu  Millh-  d.  arcll.  Insl.  VI  S.  303. 


ISIS 
AAMOKPITOS 


NEn 
TAPANTINOI 


NEOKAHSNEnNOSAl AEYSA;    A 


A  r  inWAXO 
A  N  O  I  AS  H  P  I 


r-p/ 

iniAOSNIKOMHA 
TAYKOS  EnmiKOY 
KAEnSAinNOE. .STOY 


APXANAPOSIPPASIA 
AAZAPISTOY 
STPATEOSAISX 

MONA 
KAAAlOKPATHSKAAAnNOS 


l'..HAIEIE 
ATESI  S 
I  MOS 
AIONYSIOY 


NAZANAPOSPATPnNOS 
n  I  KPATHSPAT    .    NO  S 


MN  .  .  .  EIAA 


/YIAiOl  MESSANIOI 

MASSTOMIOY  AOPEYriflN 

XAPTI  AS 
MBPAKinTAIAESlNMENEKPATEOSnA.NSMENEKPATEOS 
YOOAOPOSA.  .  PATn  AT"n 

ZTOMENHS 

KAMAS 

STOMENHS 

M  .  NATEA  Sl Nnn  El Z 

ASI  ll~lPnOSAAME 


X  AAKI  AE  IS 

SATYPOSPY 

K AEO AßPOSKAE 

KAfUSOAnPoY 

KPH  TES 
Y  AI  XOS  ANAPONIKOY 
IMANHPAAMAS 
MEASAAMOSOENEOS 
APOTIMOS 


"  SiJ>IAIPPOY 
KAI  EKTO  N  O  I 

A  A   E  I   O   I 
OPASnNTHPEOS 
AAKETASNIKPATEOS 
<t>IAISTEASNIKOAPOMOY 

oEOAnpospiTon 


Inschriften  aus  Kleilor  und  Orchomenos. 


I.  Inschriften  aus  Kleilor.  In  einem  byzanlinisclien  Grabe, 
welches  Hauern  vonKarnesian  einem  Ueberschwemmungsarm 
des  die  Ebene  von  Kleitor  durchfliesssenden  Bacbes  (in  der 
Nähe  eines  einsamen  Bauernhauses)  beim  Ziegelsuchen  auf- 
deckten, fanden  sich  ausser  dem  von  L.  Gurlitt  oben  S.  154ff. 
besprochenen  Ilelief  und  einem  profilirten  Basisbiock  zwei 
grosse  Inschriftenplallen  aus  dem  gleichen  Kalkstein  vor^ 
deren  von  mir  genommene  Abschriften  ich  folgen  lasse.  Die 
Arbeit  setzte,  meiner  Augenkraft  wenigstens,  zum  Theil  grosse 
Schwierigkeiten  entgegen,  da  die  Oberfläche  der  Steine  sehr 
stark  ausgewittert  und  obenein  vielfach  versintert  ist;  zwi- 
schen herablaufenden  Columnen  lesbarerer  Buchstaben  finden 
sich  breite  Furchen,  auf  denen  jede  Spur  verlöscht  erscheint. 
Die  Breite  der  Steine  beträgt  etwa  0,80  M.,  die  Höhe  unge- 
fähr das  Doppelte. 

Dereine  der  beiden  Steine,  welcher  0,17  dick  ist,  war  auf 
den  beiden  Schmalseiten  sowohl  wie  Breitseiten  beschrieben 
und  enthielt  Verzeichnisse  von  Proxenoi  (s.  die  Beilagen 
zu  S.  303).  Indess  lässt  die  eine  Breitseite  wegen  totaler  Ver- 
sinterung  nur  die  Endigungen  einiger  Namen  am  äussersten 
Rande  rechts  erkennen,  woraus  folgt,  dass  auch  sie  lediglich 
von  Listen  eingenommen  war.  Die  Inschriften  sind  bald  mehr 
bald  minder  regelmässig  in  verschiedenen  Zeiträumen  einge- 
tragen. Von  den  bisher  bekannten  Urkunden  dieser  Art,  auch 
von  der  grossen  delphischen  Proxenenliste  (VS^escher-Foucart 
Inscr.  de  Delphes  18)  unterscheidet  sich  die  unsrige  durch  die 
wenigstens  grossentheils  eingehaltene  Anordnung  nach  Staa- 
ten. Man  liest  auf  der  Schmalseite  I  die  Namen  der  IlocTp^;, 
Kp-nT£4j  [TJtysaTy.i,  MsTcocviot,  rieXXxvst;,  Mzvtiv?);,  ['AO]-/)vaioi, 
'A'Xsioi,  'Ottouvtioi  ;  auf  der  einen  Breitseite  die  Namen  der 


S04  INSCHRIFTEN  AUS  KLEITOR  UND  ORGHOMENOS 

vü)::et;,  'ÄXeiou  Die  in  diesen  Listen  vertretene  Verbindung 
von  Namen  iasst  annehmen ,  dass  das  Verzeichniss  noch  vor 
die  Bildung  des  achaeischen  Bundes  fällt. 

Der  zu  Anfang  miteinemLorbeerkranz  in  Relief  geschmückte 
zweite  Stein  enthält  ZNvei  Inschriften,  welche  Ehrendecrete 
der  Ihessalischen  Maarneten  für  die  Kleitorier  und  die  von 
ihnen  zur  Schlichtung  innerer  Streitigkeiten  gesandten  Richter 
enthalten  (s.  die  Beilage  1  zu  S.  304).  Die  rechte  Seite  (ein 
gutes  Drittel)  der  Inschriften  ist  total  zerstört.  Die  Länge  der 
Zeilen  betrug  ungefähr  96  Buchslaben. 

Ich  schliesse  hier  einige  Grabinschriften  an. 

1.  An  der  Stelle  der  verfallenen  Kapelle  Hag.  Petros.  Ein- 
fache Platte. 

OEOZEN  E 

APIZTO<{)ANH 

X  A  IPETE 

2.  Am  Hause  eines  gewissen  Herakles.  Block  von  einem 
Gebäude* 

An  E  AAinN 

XA  IPE 

ONA2:i<t)OPON 

XA  IP  E 

3.  Im  Dorf  Mazeika.  Platte  mit  rechts  und  links  ausge- 
sehweiften Seiten. 

ONHCI(t)OPE 
XA  I  PE 

IL  Inschrift  aus  Orchomenos.  Die  Inschrift  (s.  die  Beilage  2 
zu  S.  304)  enthält  Freilassungsurkunden  und  steht  auf  einer 
nur  links  gebrochenen,  0,73  hohen,  0,48  breiten  Marmor- 
platte (oben  mit  Rand),  welche  ich  im  Sommer  1880  im 
Hause  des  Bauern  Vougas  zu  Kalpaki  abschrieb.  Gefunden 
wurde  dieselbe  am  südlichen  Fussc  der  Burg.  Die  Zeilen  sind 


Beilage  1  zu  Millh.  d.  arch.  Insl.  VI  S.  30«. 

OiiT.\..r.  <MArN..nNKAIM[:iKI  ...rPAM.  A.EYi«  YNEAPlOYKAEiTOPinN..!  «A 
vTONn  AnoZTAAENTAn         MA«  A  i  K  T  H   N  T  I  N  n  «  K  E  T  E   E  NTE 

OnONKAi  HHNANAPlKAAniTF.     I  AOfi   !  T   .   N  T  E  A  N   A   <  T  P  .  .  H  N  H  E 

KAITO  .  kolN.  YTn.M  .r  NllinN Y«MAr;    HTA4EY    H..<MENOY 

EI«K OIKAITOI«/\.  rN...N    ...  OKTAI  .  PONOHOEI        ...      Onn 

.".KiATEGHIENT '=A...E«T/AK\  EYMI.KAITOYYH(t>I....O<T 

O«  «TPA TTENEnEITn..A nNAn..T  El  AANTfl.  .   .  .  <TH 

rOl H  AHN  AEI  PO«T..  .    fiNÜATPEn  .  .   PX  lAN 

EAA  «KAIAKOAO E<..      A3  I  OY  AA  EN  . .  CR  EM  Y 

MIONT  AE.AI       ATA.  CO  'CIA..      Y  «  I  M  A  X  O  Y  . .  .  A  «  K  A 

<TOA..  AnOCTEIAANTHNKAI      .   .KOINON   .n    N   M  A   rNHTONAlEZ 

HTA-iTA....«ToYAIKAIOYAEA TOI<SYN.EAPOIS:En....«AlMC. 

KAAOYfKAIAr  OMOin«AEKAI «TA«..PO0EONAA/    ..  KPATH« 

ZAir  KAfT'^IMIH  AI  KAI«  TEctJAN«  « AlEKAiTONAY 

EEN  KOmoYTnNM/  AY  T    .   .    ,    T  E  K  A  I  EKT  . .  O  Y<  YO  A 

.rMNKAIKATAO NK..ENnOAE  NEIPHNHIKAITAAAA...MIAO«A 

rNHTn....HNAIAEKAI3EN    I niAYTnNTAMErU..EKTnNK 

-JJNMArNHTnN AYAIAEKAI  TO  U4THAHNAI0INHN....NA0EI. 

A  HTAtTHZA  HI/  nUBÜiXAA  «TAA 

NAE-KAIPPOSTA  miA  TONSTPAT  NKAIM/ 

A«TOY  H  <|)|<M  A  AN/  «THAHNAN/         «INKA 

AE >IArOPAN...ATONAI  AAIAEENT TOPAI 

.AIT..E  KKAH  «  ,, 

All  :    NO!  ..  PATHrOIKAlOINOMO(t>YA 'A inNTOUA rOKI 

-10«T  TAAiKA«THNri  N  n  «  KETE  «  I  N  nEnOI.K..ATA 

|cA..r  TEAN  A  «  T  PO  itiH  NRE  AI  I  n  «  YMfiNT. .  A  I  TOY 

EY     lUMENOYSAYTfilTIMA«    KAA1«.YM    .     .     .     «T  EH  PON  O  11. .  .TE« 
HAHNA  I  O  I   N  H  N  K  A  T  H  I  APOP  A  I.NTni 

KAUni  H  ME  T  E  P  n  I  A  H  M  n  I  An  E«T  AEYM 

E  OY/AHNO«A  THIAT 

AANTHNHM  nOAlNTHN       A  O 

HNAEINIOYKAI  T  IHNAi  A 

NAPXIANRAYS KAIAKOAO 

ITOPIOIMENA  EON  I      AIPEl.A 

A...<T..AAAAANAPASKA..     YtKAIAPAOOY« 
AnO<TE.AANTONKAITA  <;ETEPA«nOA 

«TOYAI     KA  I  O  Y  A  E  A  O    X  .    .    .THIBOYAHIKAlTniA 

KAIANAPA«KAA.    ..KAPA.    .    YiOMOIßsAEKAIE 
ONEniTOKnEH...    MENOi.KAI«TE..Nn 
TniEKTOYNOAAOY     KAIEINAIAYTOY«TE    KAIE    KP 
MAPNHTnNnN..APXEINAEAYTOI«KAlATEAEI 

«KAI  TAAAAHAN  TAO«AKAI    TOI«AAAOI<EYEPPET 
AEKAlZENIAEKA«TniAYTnNAP.    .     .A«nENTHKONTAKAAE«AIAE 
AAlANAPPAYAIAEKAITOYHOI«MAEI    .    «THAH 

EMI    .   0«TH«..  \KIA«T..«.E«TPATHPOY«      KAINOMO<t>YAAKA« 
ANHAOM  T  AM  I  A  «  P  i  A.A  I   A  E  I 

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L  Millh.  d.  arch.  Inst.  Vi  S,  30). 


EOSENOPXOMENfilKATOIKnNEIZTONrPAMMATHTnNJYNE 
ETAZAnEAEYOEPnZIOZAPrYPlOYHMIMNAlONKATATONNOMON 
ElKAI2YNEAPOI2AÄMIOProYSTOY2TOEBAOMHtCO 
AITAN2O2IKAEO2ÄnEAEY0EPnz  I  NEIZTONBflMON 
vSHNOZOrAOOYEKTAMZTAMENOYAAMOIENOsA 
IIOZA(t>iHTIEAEY©EPONZnziKAHTONIAIONZYN 
TAPAYTOYTATPO(t>ElAAPrYPIOYMNAZTPEI2;KA 
GNAlZKnNAAMOEENOZAriAOPXOMENIOZOTAZ 
reiAZnATHPMAPTYPEZAAMlOPrnN 
EOZrEPOYZlAzznTEAHXAEnTINArPMMA         sie 
-PMENEIAÄZEYKPITOYlAinTANAnOAAOAJl 
AAISAIONY2IOYOPXOM  EN  lOI 
nNSYNEAPnNZnZlKPATOYTOYÄPI 
lOZ  A«  AEKATOYEI  KA  AI     EAOEETOIZÄP 
lETTEIÄNTirONOZKÄTEBAAEENTniZYNE 
Pn^lOZTOEKToYNOMOYZTATHPAZO  KT  HENNE 
TOYTANAnEAEYOEPnziNEISTONBnMONTÄS 


ETOYMHNOSAniiEKÄTOYnEMnTAlAniONTOS 

<1)  i  h  t  i  e  a  e  y  o  e  p  o  n  t  o 
oyzymmAxikoyApAxm 

INOYANAYTOZOE 
eniMENHSAPX 
lONYSIOZArA 


INSCHRIFTEN  AUS  KLEITOR  UND  OHCllOMENOS  305 

von  ungleicher  Länge,  wodurch  die  Restilulion  auf  der  linken 
Seite  unsicher  wird;  bisweilen  scheinen  nur  wenig  Worte 
zu  fehlen  z.  B.  Z.  G  und  9. 

Es  sind,  soviel  ich  erkenne,  nur  zwei  Freilassungsurkundcn 
auf  dem  Steine  vereinigt.  Die  zweite  (von  Z.  13  an)  zeigt 
nicht  nur  in  einzelnen  Wendungen  und  Bestimmungen  einen 
etwas  verschiedenen  Charakter  sondern  auch  palaeographisch 
jüngere  Formen.  Namentlich  ist  hier  der  Querstrich  des  A 
gerundet,  die  horizontale  Hasla  des  PI  sowie  die  rechte  Hasta 
des  A,  A,  A,  herübergezogen,  während  sich  von  der  letzteren 
Schreibung  in  der  ersten  Inschrift  erst  einige  Spuren  finden. 
Die  Inschrift  miiss  jünger  als  der  Anfang  des  zweiten  Jahr- 
hunderts vor  Chr.  sein,  in  welchem  Orchomenos  achaeisch 
wurde,  vgl.  Z.  21   apyupijou  5U[X(ji.aj(^iK0u. 


ARTHUR  MILCHHOFER 


Miscellen. 

Zu  den  Amazonenreliefs  von  Patras 
und  dem  Fries  von  Phigalia. 

Herr  L.  Gurlitt  ist  in  der  glücklichen  Lage  gewesen,  Re- 
liefs, welche  ich  auffand  und  unter  besonders  erschwerenden 
Verhältnissen  in  der  Abenddämmerung  meines  letzten  Tages 
in  Patras  mir  eilig  beschrieb,  noch  einmal  sehen  und  nach 
Photographien  in  Lithographie  publiciren  zu  können  (Mitth. 
V  S.  364  fg.  u.  Taf.  XV).  Angesichts  der  ihm  vorliegenden 
Reproductionenhaterdennauchdievonmirvorden  Originalen 
sofort  stark  empfundene  —  auch  ausgesprochene  —  auffällige 
Aehnlichkeit  dieser  Reliefs  mit  Compositionen  aus  dem  Friese 

von  Phigalia  durch  directe  Abhängigkeiterklären  können. Diese 
Thatsache  ist  richtig  und  sie  constatirt  zu  haben  Gurlitts  un- 
zweifelhaftes Verdienst.  Seinen  weiteren  Aufstellungen  jedoch 
enigegenzutreten  erscheint  mir  angesichts  des  nicht  geringen 
Interesses,  welches  für  uns  eine  derartige  Copie  haben  muss, 
wünschenswerth.    Hr.  Gurlitt  bemerkt  \,  bei  strengerer  Ver- 
gldchung"  kleine  Abweichungen  in  der  Zeichnung,  von  denen 
er  vermutet,  sie  hätten  sich  „ohne  Absicht  des  Copisten  einge- 
schlichen";  eine  derselben  sucht  er  zu  erklären   durch  die 
Annahme,    der  Copist    hätte    die    Originalbildwerke   „von 
unten  aus"  copirt.  Stellt  man  sich  freilich  vor  dieser  Origi- 
naiplaite  des  Frieses  [Ancient  marhles  IV  15)  oder  einem  Ab- 
guss  auch  noch  so  tief,  so  wird  nie  die  Peripherie  des  Schildes 
über  die  Silhouette  des  Kopfes  in  solcher  Weise  hinunter- 
greifen wie  man  es  auf  dem  Relief  von  Patras  gewahrt.  Die 
ganze  Anschauung-  aber,  als  beruhte  die  Copie  auf  einer  Zeich- 
nung des  Originals  von  unten,  ist  unrichtig:  schon  eine  Ver- 
gleichung  der  doch  vermutlich   nach  photographischer  Regel 
mit  in  die  Mitle  des  Gegenstandes  gerichtetem  Föcus  herge- 
stellten athenischen  Publication   mit  den  in  richtiger  Auf^en- 
höhe  genommenen  Zeichnungen  Corboulds  miXmÄncAent  mar- 
hles zeigt  völlige  Übereinstiinmuni>- im  vorauso-esetzten  Au^-en- 

'-'  "^  D 


MISCELLEN  3ö7 

puukt:  eine  Vergleichiing  mit  Jen  Oriiriiialplallen  des  Frieses 
bestätinrl  das  vollkommen.  Wiiren   wirklich   diu  den  Reliefs 

o 

von  Patras  zu  Grunde  Heißenden  Zeiclinuno;en  —  an  Nachbil- 
dun^  \ermiLtelsL  directer  Thonmodelle  wird  selbslverslünd- 
licli  nicht  denken^  wer  Pliigalias  Lage  kennt -von  unten  ge- 
nommen, so  hätten  sich  siimmtliche  Verhältnisse  ändern 
müssen,  ja,  eine  Menge  von  Dingen  wäre  überhaupt  ganz 
unsichtbar  geblieben;  wer  vor  Originalen  oder  Gipsen  des 
Frieses  sieht,  kann  hiervon  jederzeit  selbst  die  Probe  machen  : 
jedenfalls  also  müsstc  man  voraussetzen,  dass  der  antike 
Zeichner  sich  des  steten  Correctivs  bedient  hätte,  vermittelst 
einer  Leiter  sich  auf  das  Niveau  der  Reliefs  zu  bringen,  um  zu 
erklären,  wieerso  sehr  viel  mehr  von  seinem  Standpunkt  hätte 
fertig  bringen  können  als  z.  B.  Carrey  von  dem  seinigen.  Aber 
selbst  bei  dieser  Annahme  würden  immerhin  eine  Menge  Ab- 
weichungen sich  nicht  so  einfach  erklären,  wie  Hr.  Gurlitt 
meint.  Die  einzige  Abweichung,  welche  er  noch  erwähnt,  ist 
,,der  Gewandzipfel  der  Amazonenfürstin,  welcher  über  dem 
Bug  des  Pferdes  hängt",  und  der  auf  der  Platte  Ancient  mar- 
bles  IV  17  fehlt;  er  meint,  künstlerische  Rücksichten  hätten 
hier  obgewaltet  und  den  Copisten  bestimmt  vom  Original  ab- 
zuweichen: dem  ist  jedoch  nicht  so.  Genaue  Untersuchung 
der  Friesplatte  lehrt  mich,  dass  dieser  selbe  Zi[)fel,.  der  in  so 
unschöner  Weise  den  Körperbau  der  Amazone  verdeckend  sich 
vorbausciit,  einstmals  auf  der  Platte  vorhanden  war;  er  ist, 
vermutlich  erst  bei  Versetzung  der  Platte,  weggearbeitet  wor- 
den, um  so  den  Schenkel  und  die  schöne  Linie,  die  vom 
Schenkel  aufstei2;end  zur  Brust  sich  fortsetzt,  zur  Geltuns;  zu 
brino;en  :  noch  deutlich  firewahrl  man  auf  dem  Pferdehals  und 
Bug  den  alten  Contour  und  die  Spuren  des  wegarbeitenden 
Instrumentes  ;  man  hat  es  alsdann  nicht  der  Mühe  für  werth 
gehalten,  jenen  abg-'arbeiteten  Stellen  nun  wiederum  diedem 
Pferdekörper  entsprechende  iModellirung  zu  geben,  und  so 
laufen  sich  die  Linien  der  Muskeln  und  IJautfalten  todt  an 
eben  jenem  alten  Contour;  auch  die  Gewandfalten  sind  ein- 
fach  oben  ,   wo  nach  der  Versetzung   doch  kein  Auge  mehr 


308  MISCELLEN 

liinreichen  konnte,  weggeschnitten,  ßtatt  entsprechend  um- 
gearbeitet zu  werden;  durch  die  gleiche  Fortarbeitung  von 
Gewandmassen  erklären  sich  die  Unklarheiten,  an  denen  die 
jetzige  Gewandanordnung  in  der  Gürtelgegend  leidet.  — Ein 
anderes  Beispiel  der  gleichen  Erscheinung  begegnet  uns  auf 
derselben  Platte  an  der  Figur  des  angreifenden  Griechen:  auf 
dem  Relief  von  Patras  bedeckt  ein  Gewandslück  einen  Theil 
vom  1.  Oberschenkel  und  die  Scham  und  fällt  dann  nieder: 
vergeblich  fragt  man  sich, woher  dies  Stück  kommt,  da  es  mit 
der  nach  hinten  wehenden  Chlamys  in  keine  Verbindung  ge- 
bracht werden  kann  :  dasselbe  Stück  war  ursprünglich  an 
gleicher  Stelle  auf  der  Fi'iesplatte  angebracht:  auf  dem  Schen- 
kel habe  ich  zwar  keine  zweifellosen  Spuren  der  Wegarbeitung 
mehr  finden  können,  wohl  aber  zwischen  den  Beinen,  wo 
noch  deutlich  der  entsprechende  ümriss  und  die  Wegmeisse- 
lung  auf  der  Grundfläche  erkennbar  ist :  merkwürdiger  Weise 
Hess  man  schliesslich  doch  noch  ein  kleines  Stück  auf  der 
Originalplatte  stehen,  welches  aber  von  dem  inneren  Contour 
des  1.  Oberschenkels  durch  einen  Zwischenraum  getrennt  und 
so  ohne  jeden  Zusammenhang  ist.  Wie  sich  dieses  Stück  nur 
durch  das  entsprechende  grössere  auf  dem  Relief  von  Patras 
erklärt,  so  jenes  wohl  nur  durch  eine  beim  ersten  Entwurf 
des  Frieses  vorgenommene  Aenderung:  statt  die  Chlamys  hinten 
nieder  und  über  den  1.  Oberschenkel  vorfallen  zu  lassen  zog 
der  Künstler  vor,  die  Bewegung  der  etwas  ruhigen  Figur  mehr 
zu  beleben  durch  das  Flatternlassen  derselben,  vergassaber, 
die  Zeichnung  am  Oberschenkel  wieder  wegzunehmen  und 
verführte  so  die  ausführenden  Steinmetzen  zu  dem  Irrthum, 
der  im  letzten  Moment  wenigstens  zum  wesentlichsten  Theil 
wieder  weg  corrigirt  wurde.  Die  Partie  der  verschränkten 
Arme  ist  im  Original  zu  zerstört,  um  sie  mit  gleicher  Sicher- 
heit beurtheilcn  zu  können.  Ebensowenig  möcht  ich  andere 
Abweichunq;en  dem  blossen  Zufall  zuschreiben:  wenn  z.  B. 
auf  Platte  3  der  fallende  Krieger  weniger  charakteristisch  als 
auf  der  Friesplalte  den  ganzen  Fuss,  nicht  bloss  die  grosse 
Zehe  des  bärtigen  Genossen  krampfhaft  umkrallt,  oder  wenn 


MISCELLKN  309 

bei  der  angreifenden  Amazone  die  Clilnmys  sich  eng  um  den 
Oberarm  wickelt  (wofei-n  liier  die  lleprodiiction  richtig  ist), 
während  sie  auf  der  Friesplalte  nach  vorn  wehend  den  leeren 
Raum  künstlerisch  ausfüllt. 

Sonach  ist  klar,  dass  die  Copien  von  Palras  zu  den  Fries- 
platten von  Phigalia  im  Verhältniss  stehen  wie  Ilandzeiclinun- 
gen  eines  Künstlers  zu  späterer  Ausführung  seines  Werkes  — 
eine  gewiss  sehr  merkwürdige,  bis  jetzt  in  der  allen  Monu- 
mentenkunde wohl  einzig  dastehende  Erscheinung,  welche 
allein  schon  uns  verbietet,  die  Copien  in  römische  Zeit  zu 
rücken,  ^vas  mir  auch  einfach  durch  die  Arbeit  widerlegt  wurde 
und  wird, Was  Herr  Gurlitt  sagen  will  mit  ^'ängstlicherWiedcr- 
gabe  aller  Linien  des  Originals,  aber  ohne  die  innere  Ent- 
wicklung der  Falten"  verstehe  ich  gar  nicht;  schon  die 
einfachste  Vergleichung  lehrt,  dass  auf  den  Reliefs  von  Patras 
nicht  bloss  alles  motivirt  ist,  sondern  noch  viel  mehr  Detail 
enthalten  ist,  als  auf  dem  Originalfries  von  Phigalia,  dessen 
Arbeit  bekanntlich  in  so  starkem  Conlrast  zur  Composition 
steht,  worüber  wir  uns  übrigens  seit  Olympia  ja  nicht  mehr 
zu  wundern  haben.  Die  Entwürfe,  von  Meisterhand  gefertigt, 
boten  natürlich  sehr  viel  mehr,  und  auf  diese,  in  athenischen 
Künstlerkreisen  fortgepflanzt,  gehen  die  Reliefs  von  Patras 
zurück.  In  den  Originalentwürfen  waren  also  wohl  die  Com- 
positionen  nach  Platten  gesondert,  was  eigentlich  schon  der 
Charakter  des  Frieses  an  die  Hand  hätte  geben  sollen,  Ivanoff 
aber  bekanntlich  läugnete. 

London,  im  März  1881.  F.  von  DUHN. 


Inschriften  aus  dem  Peiraieus. 

1.  Beim  Neubau  des  dem  Herrn  Sapunakis  gehörenden 
Hauses  in  der  Philonstrasse  im  Peiraieus  wurde  vor  kurzer 
Zeit  eine  auf  der  Oberfläche  zwei  Fussspuren  tragende  oben 
und  unten  durch  vorspringenden  Rand   (derselbe  fehlt  an  der 


310  MISCELLEN 


Rückseite^  sodass  die  Marmorstatue  also  vor  einer  Wand  *  aufge- 
stellt gewesen  sein  muss)  architektonisch  verzierte  Basis  aus 
penteliscliem  Marmor  umgestülpt  gefunden  (h.  ung.  1,10,  lg. 
0,50,  br.  0,50™),  welche  an  der  Frontseite  folgende  Inschrift 
trägt : 

OITONriEIPAIAKA  Oitov  HetpatÄ  >tx- 

T  O  I  K  O  Y  N  T_E  Z    n  O  toi/oCvts;  uo- 

AITAI.TIB.K  A.Ann  ION  \xxxi  Tiß.  K^.  "Atcttiov 

ATEIAIONBPAAOY  'AisUtov  BpxSo'j- 

ANPHriAAONAT  kv  'Hyill^o^  'At- 

TIKON   MAPAOa  Ti>tov  MzpxOw- 

N  I  O  N   E  Y  n  A  TPIAHN  viov  euTCj^xpJS'/jv 

TONEYEPTETHN  tov  euepysT'/iv, 

EniMEAHGENTOZTHIA  iTClJ^.S^ViesvTO?  TVi?  a- 

NAITAI  EniEAABlOYTOY  VX-TTXTeo);  2a>.Siou  TOU 

EPMEPnTOirAPrHTTlOY  'Ep|/ipo>To;  r^cpy/jXTlou. 

Eigenthümlich,  in  kleinasiatischen  Inschriften  aber  häufig, 
ist  die  Bezeichnung  der  Stifter,  die  dadurch  alsselbslständiges 
Gemeinwesen  zusammengefasst  werden.  Der  uns  hier  zum 
ersten  Male  mit  vollem  Namen  entgegentretende  Wohlthäter 
Tib.  Cl.  Äppius  Atilius  Bradua  Atticus  Marathonius  ist  iden- 
tisch mit  dem  zuerst  durch  die  Ephebeninschrift  C.  I.  A.  III 
1145  bekannt  gewordenen  Tib.  Cl.  Bradua  Atticus  Maratho- 
nius, dem  jüngeren  Atticus,  dem  Sohne  des  berühmten  Sophi- 
sten. Über  denselben  hat  Dittenberger  Hermes  XII  S.  9  A.  1, 
C.  I.  A.  a.  a.  0.,  zuletzt  ausführlicher  Herrn.  XIII  S.  78  fg. 
gesprochen.  Interessant  ist  die  Bezeichnung  als  eu7;xTpt^vi;,  da 
liierdurch  auf  die  aus  C.  /.  G.  6185  bekannte  Erhebung 
desselben  in  den  Patricierstand  (durch  Pius  nach  dem  Tode 
der  Regula)  hingewiesen  wird.  Sicherlich  war  er  auf  unserem 


*  Vcrmullilicfi  vor  einem  Bau ,  den  der  Geehrte  zum  Nutzen  der  Stadj 
hatte  errichten  lassen. 


MISCELLEN  311 

Postament  mit  seinen   a^Tspösvrx  Tzi^'.lx  darnestellt ,  die  in 
der  zweiten  triopischen  Inschrift  erwähnt  werden. 

Nach  unserer  Insclirift  wiid  \vc\\.  Zeit.  1878  S.  05  N"  151 
"Atttt'.ov  'AteUiov  einzusetzen  und  'llpw^-/iv  zu  enifcrnen  sein. 

Die  Identilicirunc;  mit  dem  in  der  herangezogenen  Ephebcn- 
inschrift  genannten  Arehonlen  wird,  wenn  es  dessen  noch 
bedürfte,  dadurch  bestätigt,  dass  sich  in  derselben  Inschrift 
unter  den  Epheben  der  Aegeis  (also  gewiss  Gaugenossen  des 
Demos  Gargettos)  Col.  11  Z.  17  fg.  ein  'Eppepw; 'A[ii/evou  r«p- 
Y'/iTTio?]  und  SzXSio;  'aO.  .  .  finden,  die  wie  der  C.  I.  Ä.  HI 
1380'"^  genannten  Orgeonenpriesterin  Glyke,  so  dem  mit  der 
Aufrichtung  der  Statue  auf  unserem  Postament  betrauten  Sal- 
vios  S.  des  Hermeros  im  nächsten  Grade  verwandt  gewesen 
sein  werden. 

Eine  genauere  Zeitbestimmung  ist  nicht  möglich,  die  be- 
sondere Veranlassung  zur  Errichtung  der  Statue  ist  nicht 
weiter  bekannt.  Wir  miissen  uns  also  begnügen  als  ungefähre 
Zeitbestimmung  das  .Jahr  200  n.  Chr.  anzunehmen. 

2.  Die  nachfolgende  Inschrift  ist  zuerst  vor  kurzer  Zeit  in 
einer  griechischen  Zeitung  von  Dragafses  bekannt  gemacht 
('E^r.iy,.  V.  4.  Okt.  1881 ).  Sie  steht  auf  dem  geglätteten  Ober- 
iheil  der  Frontseite  eines  Steinbalkens  (sog.  peiräischer  Stein), 
der  bei  dem  liefen  Felsdurchschnitt  auf  der  Höhe  zwischen 
Zea  und  Munychia*  unweit  des  Hauses  des  Katsikas  gefunden 
und  jetzt  in  den  Hof  des  zugleich  als  Museum  dienenden 
Gymnasiums  gebracht  worden  ist  (h.  1,18,  br.  0,60,  d.0,24"') 
und  lautet 

H  E  P  O  I  O  'Hpaioti 

H  O  P  O  ^  opo; 

H.  G.  LOLUNG. 


*  Dragatses  sagt :   sv  t^  rpOcXTaiJci   t^s  (ji^yaXr,;  6ooj   -r^;    äTTÖ  7Jx;   il;  <J>«Ar,pOv 

Sti  ToCi  Xa'.;i.oj  T?j;  yEpaovrJao'j  tj]?  Mo'jvi/ia;,  äxptöw;  ir:\  toj  [xeiix^j  ToCi  ÜE'-patw; 
x«i  To3  <i)aXrJpo-j  otTCOtafjisvio;  MÜ  c'i;6B6v  eJojiaXtaOi'vkO;  [3pa-/_ai8oy;  ■jU'yj.xzoq,  ö-dOev 
~Q  TTpö;  B.  TT)?  r.o\s(')i  'i'.yoi  oii'^oy z-o . 


812  MISCELLEN 

Inschrift  des  Arcadius  und  Honorius. 

Bei  der  Grundlegung  eines  neuen  Hauses  unmittelbar  süd- 
lich der  allen  Metropolis  stiess  man  vor  einigen  Wochen  aiif 
die  Reste  eines  Architravs,  welche  geeignet  sind,  das  Interesse 
in  mehrfacher  Hinsicht  wachzurufen.  Derselbe,  welcher  sich 
jetzt  in  dem  Hofe  des  Centralmuseums  an  der  Patissia-Slrasse 
befindet,  ist  in  der  Mitte  in  zwei  ziemlich  gleiche  Hälften 
gebrochen ;  die  Länge  des  rechten  Stückes  beträgt  2'°60"",  die 
des  linken  2'"27'"',  die  Höhe  des  Ganzen  66''".  Er  ist  dreifach 
gegliedert  und  trägt  eine  in  drei  Zeilen  fortlaufende  Inschrift;* 
durch  den  Bruch  in  der  Mitte,  sowie  durch  solche  an  den 
Ecken  und  dem  unteren  Rande  ist  ein  Theil  der  Buchstaben 
verloren  gegangen.  Doch  erscheinen  (besonders  mit  Beizie- 
hung der  Inschrift  bei  Le  Bas  Megar.  38)  folgende  Ergänzun- 
gen als  ganz  sicher : 

I. 

II  cl  NiKHCKÄlCLüTHPIACKÄIÄGÄNÄTOYAl^ 

<|)  A  s  A  P  K  Ä  A I  O  Y  K  A  Kl)  Ä  s  O  N  UJ  P I  O  Y  T  Lü  N  A  H  T  T  H  T  UJ 
srroYHPOCÄETIOCKÄTElIKEYÄEFNEKeEMEAlUJNTOA 

i[. 

^IHCTuNAE5:^OTUJNTHl_olKOYKL 

""  uj  ^  oAAmsanqsthceAAAaoc 

'^  n  Y  A  A  '  '"  ^         frei. 

[*r]";r£p  viÄ'/i;  y.x\  ctOT'/ipiJc;  xxl  aOccvocrou  ^ !.x[\j.o]-rf,(;  Toiv  ^ecno- 
Ttdv  T^;  otx.oui;.e[vYi<;]|  (h^(acSio'j)  'Apy.(X§tou  Kacl  <l>>>(aSiou)  'Ovcopiou 
TcTiV  av]'rTrjTw[v  AuYouor]Tü)v  6  \y.^{'K^6'vx'zo<;)  avO  (  utcscto;)  t^; 
'EX>.aöo;.  .2eou'flpo;  'Aexto;  xy.Te(7x,suxisv  ejc  ösfAeX-icDv  Tb[.  .  .  {xstoc 
Töv  ?rp]oT:u7^Kici>v. 

Die  schön  und  sorgfältig  eingegrabenen  Buchstaben  sind 
von  verschiedener  Grösse:   die  Höhe  derjenigen  in  der  ersten 


*  Zuerst  vcrocffentliclit  und  besproclicn  von  Professor  Kumanudis  (dessen 
t^rgänzungen  ich  benutze)  in  der liicsigen  Zeitung  Alwv  vom  21  Oclobcr  1881. 


MISCELLEN  313 

und  zweiten  Zeile  bis  [AuyoulaTov  beträgt  7"°,  die  der  übrigen 
dieser  Zeile  G"°,die  der  drillen  Zeile  5"" — einwechselnder  seinen 
Grund  nicht  in  der  architektonischen  Einlheilung,  sondern  in 
dem  Inhalte  und  der  Gliederung  der  Inschrift  hat.  Die  letztere 
besagt,  dass  zu  Ehren  der  Kaiser  Arcadius  und  Honorius* 
von  dem  Proconsiil  von  Achaia,  Severus  Aelins  ein  Gebäude 
erbaut  wurde;  welcher  Art  dieses  Gebäude  war,  köunen  wir 
nicht  mehr  ])eslimmen  ,  da  gerade  derjenige  Theil  der  In- 
schrift, in  welchem  dies  stand,  durch  den  Bru^b  in  der  Mitte 
verloren  ist.^ 

Die  Zeit  unserer  Inschrift  bestimmt  sich  zunächst  dahin, 
dass  dieselbe  unter  die  gemeinschaftliche  Regierung  der  Kai- 
ser Arcadius  und  Honorius  fällt,  welche  vom  Januar  395  bis 
zum  1  Mai  408,  dem  Todestage  des  Arcadius,  dauerte.  Doch 
lässt  sich  die  Zeit  noch  enger  begrenzen.  Zu  Anfang  des 
Jahres  102  wurde  der  im  Vorjahre  geborene  Sohn  des  Arca- 
dius, Theodosius,  zum  Augustus  proclamirt.  Fiele  daher  die 
Inschrift  nach  diesem  Zeitpunkte,  so  müsste  —  der  Vergleich 
mit  der  schon  citirten  Inschrift  von  Megara  ist  auch  da  lehr- 
reich—in derselben  Theodosius  erscheinen;  da  dies  nicht  der 
Fall,  so  ist  sie  jedesfalls  frühei',  spätestens  in  das  Jahr  401  zu 
setzen.  Anderseits  war  zur  Zeit  des  Zuges  Alarichs  nach  Grie- 
chenland (395)  Antiochos  Proconsul  von  Achaia  (Zosim.  V  5); 
es  ist  also  aucli  dieses  Jahr,  wofür  schon  allgemeine  Erwä- 
gungen  sprechen,  auszuschliessen.  Wir  erhalten  somit  als 
Grenzjahre  396  bis  401  incl. 

Die  Inschrift  giebt  einen  neuen  Beleg  des  Titels  dcvO-jTuaTo; 
Tvi;  'E^acSo;  für  den  Proconsul  von  Acbaia^  in  der  späteren 


'  Die  Formel  unip  v;'/.r,{  oder  u-ep  viV.r,?  xal  (jtoTr]p^ai;  —  entsprechend  dem  la- 
teinisclicn  ;^ro  salule  et  vkloria  —  oder  imz^  vfxr,?  xal  aoj-:r,pia;  y.a\  aiwv;ou  oia- 
[jLovTi?  findet  sicti  auf  den  Kaisern  gew  idnicten  Inschriften  häufig,  z.  B.  Le  Bas 
Corinth.  163,  Tenos  1850,  Syr.  1888,  1889  u.  s. 

2  Nach  dem  O  von  to  (Z.  3)  ist  noch  der  Rest  einer  schrägen  Hasta  mit 
einem  Ansatz  oben  sichtbar. 

^  Über  den  Proconsul  von  Achaia  vgl.  Notiti'a  dign.  Or.  c.  XXI  und  dazu 
Böcking  1,  1G7,  277. 


3U  MISGELLEN 

Zeit,  der  sowol  durch  Inschriften  {C.I.  A.  III  635,  639  mit 
der  Bemerivuno  Dittenhergers*)  als  auch  durch  Schriftsteller 
(Zos.  V  5)  zu  belegen  ist.  In  unserem  Fall  entsteht  die  schwie- 
rige Frage,,  ob  der  hier  genannte  Aetius  mit  dem  später  so 
berühmten  Feldherrn  und  Staatsmann  zu  identificiren  ist^ 
oder  nicht  —  eine  Frage,  die  ich  bei  dem  geringen  Material, 
welches  über  das  Vorleben  desselben  vorhanden  ist,  nicht  zu 
entscheiden  wage.  Nach  der  herrschenden  Ansicht^  befand 
sich  Aetius  um  die  Zeit,  in  welche  unsere  Inschrift-,zu  setzen 
ist,  oder  einige  Jahre  später  als  Geisel  bei  den  Gothen,*  und 
dass  er  damals  in  sehr  jugendlichem  Alter  stand,  ist  uns  auf 
das  bestimmteste  bezeugt^.  Doch  würde  es  ein  seltener  Zufall 
sein,  dass  zwei  Männer,  welche  hohe  Slaalsämler  fast  zu  der- 
selben Zeit  bekleideten,  auch  denselben  Namen  geführt  hätten,^ 
ohne  dass  eine  Nachricht  davon  auf  uns  gekommen  wäre. 

Wie  es  sich  auch  damit  verhalten  mag,  das  besprochene 
Denkmal  verliert  dadurch  nicht  an  Wert.  DieThatsache  allein, 
dass  ungefähr  an  der  Wende  des  vierten  Jahrhunderts  und 
nach  der  Vervvüstuno;  Griechenlands  durch  Alarich  in  Athen 
noch  ein  öffentlicher  Bau  von,  wie  es  scheint,  bedeutendem 
Umfang  aufgeführt  wurde,  ist  wichtig  genug,  wenn  w  ir  auch 
verzichten  müssen,  den  Charakter  dieses  Baues  und  dessen 
La sje  näher  zu  bestimmen.  Es  ist  dies  eine  urkundliche  Wi- 
derlegung  der  Ansicht,  die  in  den  Worten  des  Synesius  eine 
Stütze  suchte,"^  dass  der  Verfall  und  die  Verödung  Athens 
schon  in  damaliger  Zeit  begonnen  habe. 

Athen.  H.  SWOBODA. 


*  Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung  1,  174  A.  13. 

2  Dafür  entsclieidet  sicli  Kumanudis  a.  a.  O. 

3  Tillemont  Histoire  des  Empereurs  VI  340  (seit  403);  Muralt  £5501   de 
Chronographie  hyzanline  S.  657. 

<  Vgl.  auch  Zosirnus  V  36. 

5  Besonders  durch  die  Gedichte  des  Merobaudcs,  vgl.  carm.  IV  (ed.  Niebuhr) 
V.  4t  fr,  bes.  42  und  Paneg.  V.  127  fr. 
'^  Für  Aetius  istder  Name  (I>Xa6to?  inschrifllich  überliefert  [C.I.G.  9427). 
'^  C.  Wachsmuth,  Stadt  Athen  Im  Alterthum  1,  7J7f, 
(November  1881.) 


Das  Bündniss  der  Athener  mit  Mitliradates. 

In  dem  Friedenstraklat,  welchen  Philipp  V  von  Makedo- 
nien im  Jahre  205  v.  Chr.  mit  Kom  ahschliesst,  befindet  sich 
Alhen  in  der  Reihe  der  Hundesgenossen  Homs,  und  in  diesem 
Bundesverhällniss  ist  Alhen  seit  dieser  Zeit  verbliehen.  Die 
Auflösung  der  achaeischen  Eidgenossenschaft  und  die  Um- 
wandlung Achaias  und  der  Nachbarlandschafien  des  Fest- 
landes in  das  Provincialverhältniss  hal^  wie  sehr  auch  Athen 
damit  isolirt  worden  ist,  an  seiner  slaalsrechllichen  Stellung 
nichts  geändert.  Athen  übt  damals  allein  unter  allen  Städ- 
ten des  griechischen  Festlandes  d-a^  Recht  seiner  Silberprägung 
aus,  die  selbst  das  bundesgenössische  Sparta  sich  nicht  be- 
wahrt hatte.  Dem  römischen  Proconsul  war  nur  mit  Einem 
Liclor  in  die  Stadt  einzutreten  gestattet,  ein  Anrecht,  das  ihr 
noch  Germanicus  gewahrt  hat.  Die  Verfassung  Atliens  aber 
hat,  in  welchem  Zeitpunkt  lässt  sich  noch  nicht  genauer  fest- 
stellen, eine  Umgeslallung  erfahren,  die  später  wenigstens 
als  eine  wesentliche  Einschränkung  der  allhergcbracblen  De- 
mokratie angesehen  worden  ist.  Die  Befugni.ss  der  Volksver- 
sammlung und  dasRecht  der  Theilnahme  daran  wareingeengt, 
auch  in  die  Feslfeier  der  Eleusinien  war  ein  Eingriff  vorse-^ 
nommen  worden ;  ausserdem  war  wohl  noch  eine  Ueber- 
wachung  der  Gymnasien  und  Philosophenschnlen  eingetreten*, 
wozu  der  starke  Zutluss  von  Fremden  Anlass  geben  konnte. 
Der  Willkürherrschaft  der  Beamten  der  römischen  Provinz 
Makedonien  war  Athen  allerdings  in  geringerem  Grad  aussiesetzt 
als  das  übrige  Hellas,  dagegen  scheint  einen  Hauptgegenstand 
seiner  Unzufriedenheit  der  Besitz  von  Delos  gebildet  zu  haben. 


'  EiDgrilTe  der  Römer  in  die  athenische  Verfassung  erwähnt  in  der  Rede 
des  Aristion  bei  Posidonios  (Athenaeus  V  51  S.  213  D). 

MITTH.D.  ARCH.INST.VI.  21 


316  ßüENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITHRADATES 

Denn  wenn  auch  die  Bedeutung  des  dortigen  Freihafens  selbst 
Rhodos  weit  überflügelt  hatte,  so  hatten  dort  seit  der  Zer- 
störung Korinlhs  sich  römische  und  italische  Kaufleute*  in 
grosser  Zahl  niedergelassen ,  und  off'enbar  den  wichtigsten 
Theil  des  dortigen  Marktes  an  sich  gezogen,  während  die 
athenische  Kleruchie  allmählig  zurückgedrängt  wurde,  ver- 
mochten sie  doch  der  Bewegung  des  Aristion  längere  Zeit 
hindurch  erfolgreichen  Widerstand  zu  leisten.  Die  Handels- 
eifersucht wider  die  römischen  und  italischen  Kaufleute  auf 
Delos  hat  jedenfalls  nicht  zum  wenigsten  dazu  beigetragen,  die 
Athener  von  ihrer  Treue  gegen  Rom  abwendig  zu  machen. 
Bei  der  Nachricht  von  den  Niederlagen  der  römischen  Feld- 
herrn in  Kleinasien  beschliessen  sie  die  Absend ung  eines  Ge- 
sandten, des  Aristion,  an  Mithradates  (Athen.  V  48),  was  für 
die  Ereignisse  der  nächsten  drei  Jahre  entscheidend  werden 
solllc. 

Was  dem  Mithradates  Sympathien  bei  den  Athenern  ver- 
schalTt  hat,  waren  weder  die  mit  verhältnissmässig  geringer 
Kraftanslrengung  gegen  die  Römer  in  Kleinasien  errungenen 
Erfolge,  noch  seine  hellenische  Bildung,  obwohl  er  darin 
hinter  keinem  der  Fürsten  der  übrigen  hellenistischen  Höfe 
seiner  Zeit  zurücksteht,  bildet  doch,  um  hier  nur  eins  zu  er- 
wähnen, sein  an  die  pergamenische  Kunst  gemahnender  Por- 
traitkopf  auf  den  pontischen  Königsmünzen  weitaus  das  Beste, 
was  ein  Jahrhundert  lang  auf  diesem  Gebiete  geleistet  worden 
ist.  Das  Königshaus  des  Mithradates  hatte  direktere  Beziehun- 
gen zu  Athen.  Einer  seiner  Ahnen,  Mithradates,  der  Sohn  des 
Rhodobates,  hatte  von  Silanion  die  Statue  des  Piaton  für  die 
Akademie  fertigen  lassen  (Diog.  Laert.  \\\  20,  25).  Sein  Sohn 
wahrscheinlich,  Ariobarzanes,  der  sich  als  Satrap  von  Phry- 


*  Vgl.  tiierzu  die  bei  den  französischen  Ausgrabungen  auf  Delos  zum 
Vorschein  gekommenen  Inschriften:  Bull.  deCorrespondance  Hell.  I  S.  284  fi'. 
III  147  ff.  IV  219  ff.  —  Bei  seiner  Rückkehr  aus  Asien  begibt  sich  Aristion 
zuerst  £t;  TT-jV  Ai£u;  ICüd.)  or/.i'av  Tou  tote  .taoutojvto;  ävOp<u;:oj  xatj  i%  Ar^Xo'j  Tcpo- 
adSo'.?.  Die  hier  vorgeschlagenen  Aenderungen  Aisu/ou,  oder  wie  Meineke 
■wollte  A'.£W5  sind  wenig  ansprechend. 


ßUENDNISS  DER  ATHENEK  MIT  MITHRADATES  317 

gien  wider  den  Perserkönig  empört  hatte,  \var  als  Flüchtling 
nach  Athen  gekommen,  und  hatte  daselbst  mit  seinen  Söhnen 
Bürgerrecht  erhallen  (Demosth.  XXIIf  141.  202.  E.  Meier, 
Gesch.  des  Königreichs  Pontes  S.  02).  Für  die  ersten  Könige 
des  pontischen  Kappadokiens*  fehlt  es  an  Nachrichten,  doch 
ist  Mithradates  V  wenigstens  als  Spender  eines  Weihgeschenks 
in  Delos  nachzuweisen  {Corp.  Inscr.  Craec.  II  n.  2276),  und 
ebenso  brauchen  die  Stiftungen  Mithradates  des  Grossen  nicht 
nothwendig  erst  in  die  Zeil  des  Kömerkriegs  gesetzt  zu  werden 
(C.  /.  G.  II  n.  2277a6,  22782). 

Auf  Beziehungen  zu  Athen  waren  aber  die  pontischen  Kö- 
nige auch  durch  ihr  Herrschaftsgebiet  bereits  hingewiesen. 
Die  Landschaft  Ponlos  sowohl  als  der  angrenzende  Theil  Pa- 
phlagoniens  verdankten  ihre  griechischen  Elemente  den  nii- 
lesischen  Kolonien  an  der  Küste,  unter  denen  vorSinope  und 
Amisos  sowohl  die  östlicher  gelegenen  Keramus  und  Trapezus, 
als  die  im  Westen  befindlichen  Sesamos  Kromna  Kotyora,  die 
in  Amastris  später  aufgingen,  weit  zurücktreten  mussten; 
grade  diese  beiden  Slädte  waren  aber  in  der  perikleischen 
Zeit  von  Athen  aus  neu  kolonisirt  worden.  In  Sinope,  das  von 
einem  Tyrannen  Timesileos  bedrängt  war,  hatte  Perikles  auf 
seinem  grossen  pontischen  Seezug  ein  Geschwader  unter  La- 
machos  zum  Schutz  zurückgelassen,  und  als  dieses  dann  doch 
der  Partei  des  Tyrannen  gegenüber  sich  nicht  halten  konnte, 
waren  600  Ansiedelcr  ausgesandt  worden,  denen  Ländereiert 
der  besiegten  Gegner  überwiesen  wurden  (Plutarch  Per.  20). 
Von  ungleich  nachhaltigerem  Einfluss  war  die  Kolonie,  wel- 
che Athenokles  nach  Amisos  führte,  das  nun  Peiraios  umge- 
nannt wurde,  und  nach  dem  Zeugniss  seiner  Münzen  bis  über 


'  Kftr.-aooxt'a  zzp:  tov  Ej?£ivov  heisst  Pontos  bei  Polyb.  V  43,  1  ;  ebenso 
Strabo  XII  534  rj  r.Uq  toi  Hovto)  Ka;:-aoo/^a  im  Gegensalz  zum  binnenländi- 
schen, der  iji:yaAri  Kn-Kxio/.-ü,  vj,'i.  546.  Im  Manifest  der  Ephesier  (Lebas- 
Waildinglon  Voijage  archeol.  Partie  V  Asie  minetire  n.  136»)  ist  die  officielle 
Bezeichnung  M'-OpaSa-r^c  Kar:r:a?;o/.'a;  ßaatXeü?. 

2  Wünschenswerlh  wäre  eine  nochmalige  Untersuchung  des  in  Rom  im 
Museo  Capilolino  befindlichen  Bronzegefässes  der  Eupatoristen. 


318  BÜENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITHRADATES 

die  Zeit  Alexanders  des  Grossen  hinaus  diesen  Namen  geführt 
hat*.  Hier  ist  das  Kolonialband  dauernd  festgehalten  worden, 
so  dass  noch  die  vor  den  Kriegsvvirren  aus  ihrer  Vaterstadt 
flüchtenden  Athener  der  mithradalischen  Partei  sich  hierher 
zurückgezogen  haben  (Plut.  Luculi.  19).  Auch  fehlt  es  nicht 
an  einer  sacralen  Verknüpfung  dieser  Kolonien  mit  der  Mut- 
tersladt.  Gegenüber  der  offenbar  älteren  Angabe  (Her.  IV  33), 
"wonach  die  Erstlingsgaben  der  Hyperboraeer  zu  [iand  über 
Dodona^  und  dann  über  Euböa  und  Tenos  ihren  Wegnähmen, 
berichteten  die  Athener,  von  den  Hyperboraeern  würden  diese 
Gaben  den  Arimaspen  und  Issedonen,  dann  durch  die  Skythen 
wach  Sinope  gebracht,  von  dort  durch  Hellenen  nach  Prasiae, 
um  durch  die  Athener  nach  Delos  zu  gelangen 2, 

Die  Freundschaftsbündnisse  mit  den  Städten  am  kimme- 
rischen  Bosporos  und  die  beiden  Kolonien  an  der  kappadoki- 
sehen  Küste  haben  den  wesentlichsten  Antheil  an  dem  Einfluss, 
welchen  Athen  im  5.  Jahrhundert  gewonnen  und  in  dem  es 
Yor  allem  den  pontischen  Getreidehandel  monopolisirt  hat ; 
und  wiewohl  es  schon  wegen  der  gefährlichen  Schiffahrt  auf 
dem  schwarzen  Meer  nicht  möglich  war  die  dortigen  Küsten- 
städte in  den  Rahmen  der  Bundesgenossenschaft  mit  einzu- 
fügen ^^  haben  grade  diese  enlfernlesten  Plätze,  auch  als  Athen 
längst  aufgehört  hatte  eine  politische  Rolle  zu  spielen,  ihre 


^  Theopomp  bei  Strabo  XII  547;  C.  Müller  zu  Scymn.  Chius  917  [Geog. 
Gr.  min.  I  S.  335);  Arrian.  Peripl.  Ponti  Eux.  22;  Anonym.  Peripl.  Ponii 
Eux.  26.  Bei  Slepb.  Byz.  u.  d.  W.  üctpatos,  welche  F'orm  für  Altika  nicht 
nachweisbar  ist,  scheint  eine  Erwähnung  der  pontischen  Stadt  ausgefallen 
zu  sein. —  Münzen  mit  llerakopf  Rs.  Eule  von  vorn  mit  ausgebreiteten  Flü- 
geln PEIPA,  PEiPAlON:  J.  Brandis  Münzwesen  von  Vorderasien  S.  432 
Vgl.  305. 

.  2  Paus.  I  31,  2.  Prasiae  eingeschoben  auch  nach  Böckh  Kleine  Schriften 
V  S.  432,  in  der  Abhandlung  über  Delos  (S.  3),  der  aber  zu  weit  ausholt, 
wenn  er  auf  die  Abstammung  Sinopes  durch  Milet  von  Athen  zurückgeht. 
Ueber  Prasiae  und  die  Theorie  :  Luliing,  Mitlheilungen  d.  Alh.  Inst.  IV  356. 

2  Köhler,  Delisch-ailischer  Seebund  S.  113  11'.,  Corp.  Inscr.  Att.  I.  n.  37 
S.  23.  Curtius  Gr.  Gesch  11*  235. 


ßUENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITHRADATES  319 

Beziehungen  zu  Athen  dauernd  bewahrt*.  Ihre  Selbständigkeit 
haben  sicli  freilich  die  Städte  an  der  pontischen  Küste  vor  der 
wachsenden  Macht  der  kappadokischen  Könige  nicht  erhalten 
können;  doch  hat  Sinope  soildcni  Pharnakes  seinen  Sitz  dahin 
verlegte  eine  neue  Bluthe  erlangt,  und  Mithradales  Eupator, 
selber  in  Sinope  erzogen,  hat  in  Amisos  glänzende  Neubauten 
autTühren  lassen,  die  von  ihm  angelegte  Vorstadt,  in  der  er 
sich  eine  Residenz  errichtete,  erhielt  seinen  Namen  Eupaloria. 
Wie  sehr  aber  grade  Mithradates  die  Beziehungen  der  ponti- 
schen Städte  zu  Athen,  und  das  Ansehen,  das  ihm  aus  dieser 
Verbindung  bei  den  kleinasiatischen  Hellenen  erwuchs,  zu- 
schätzen  wusste,  beweist  der  Umstand,  dass  nachdem  das 
Bündiiiss  zwischen  Athen  und  den  Pontikern  zu  Stande  ge- 
kommen war,  dasselbe  auch  auf  den  Typen  der  pontischen 
Reichsmiinzezum  Ausdruck  gelangt  ist  (s.  die  Beil.  z.  S.  3.26)2. 
Was  die  Kriegsereignisse  betrifft,   welche  für  Mithradates 


*  In  Kumanuclis  'Er.:ypx-^a.\  lm-:j[j.i!>io'.  fallen  auf  Amisener,  welche  in  Athen 
verstorben  sind,  12,  auf  Sinopeer  28  Inschriften. 

2  Die  Silbermünze  in  Pontos  war  königlich.  Das  Kupfergeld  trägt  aller- 
dings den  Namen  der  Städte,  entlehnt  aber  seine  Typen  überall  dem  mit 
dem  pontischen  Königsgcchlecht  in  Beziehung  gebrachten  Perscusniylhus  und 
erhält  damit  die  Uniforiniläl  einer  Rcichsraiinze.  Eine  gewisse  Sonder- 
stellung scheinen  Sinope  und  Amisos  eingenommen  zu  haben,  indem  bei 
ihnen  neben  den  Münzen  mit  den  pontischen  Typen  wenigstens  einige 
autonome  auch  aus  dieser  Zeit  vorkommen.  Die  im  Text  erwähnte  Serie 
der  pontischen  Reichsmünzen,  bis  jetzt  nachweisbar  für  Sinope,  Amisos, 
Amaslris,  Komana,.  Kabira  (Beulö  Monnaics  d'Alhenes  S.  91  f.)  und  Cha- 
bakte  (Lcake  Numism.  Hell.  Asia  S.  9)  zeigt  einerseits  Perseus  stehend  vor 
der  enthauptet  daliegenden  Medusa,  den  das  von  den  Achaemcniden  sich 
ableitende  Königshaus  als  seinen  Ahnherrn  verehrte,  andererseits  einen  bis 
ins  Detail  nach  dem  damaligen  athenischen  Silbergeld  kopirten  Alhena- 
kopf.  Wo  sonst  derartige  Typennaohahmungen  vorkommen,  wie  bei  dem 
ebenfalls  nach  den  jüngeren  athenischen  Tetradrachmen  geprägten  Silber- 
geld kretischer  Städte  (Beul6  S.  90),  geschieht  es  unter  dem  Einfluss,  den 
eine  gangbare  Haudelsmünze  sich  auch  im_  Ausland  erworben  hat,  wenn 
dagegen  in  Pontos  die  Scheidemünze,  die  sonst  nur  in  kleinerem  Modulus 
ausgeprägt  worden  ist,  den  Hauptseitentypus  des  athenischen  Silbergelds 
und  zugleich  auch  die  Grösse  athenischer  Tetradrachmen  erhält,  kann  von 
einer  commerciellen  Veranlassung  keine  Rede  sein. 


320  ßUENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITHRADATES 

der  Anlass  geworden  sind,  nach  Hellas  überzugreifen,  so  ge- 
nügt es,  sie  hier  in  der  Kürze  zusammenzufassen.  Die  römi- 
schen Statthalter  in  Asien  hatten  sich  dadurch  dass  Milhra- 
dates  gegen  die  Rückführung  der  von  ihm  vertriebenen  Kö- 
nige von  Kappadokien  und  Bithynien  beide  Male  keinen 
Widerstand  geleistet  hatte,  verleiten  lassen,  als  es  zwischen 
Rom  und  dem  Könige  zum  Bruch  kam,  die  Macht  desselben 
zu  unterschätzen.  Ihre  Streitkräfte,  wiederum  nur  zum  klein- 
sten Theil  aus  römischen  Truppen,  zur  Hauptsache  aber  aus 
asiatischen  Bundesgenossen  und  Provinzialen  bestehend,  waren 
an  Zahl  kaum  geringer  als  die,  welche  Milhradates  zur  Ver- 
fügung hatte;  da  aber  ihr  Angriff  von  drei  verschiedenen 
Seiten  unternommen  wurde,  bekam  der  König  Gelegenheit 
seine  Gegner  einzeln  zu  schlagen.  Der  Niederlage  des  Niko- 
medes  am  Amneios  folgte  die  des  Manius  bei  Pachion,  und 
damit  war  die  Sache  der  Verbündeten  entschieden.  Vorder- 
asien wurde  von  Milhradates  Schaaren  überschwemmt,  die 
Städte  Bithyniens  und  Phrygiens  sowohl  als  die  der  römischen 
Besitzungen  von  Mysien  Asien  und  lonien  öffneten  dem  pon- 
lischen  König  ihre  Thore,  der  wie  früher  im  Chersonnes  als 
Vorkämpfer  der  Hellenen  wider  die  Barbaren  im  Skythenland, 
jetzt  als  ihr  Vorkämpfer  wider  Rom  empfangen  wurde. 

Der  rasche  Verlauf  der  ersten  Krieüjsereisjnisse  machte  aber 
zunächst  einem  völligen  Stillstand  Platz.  Nicht  nur  setzten 
die  p'aphlagonischen  und  pamphylischen,  sondern  namentlich 
auch  die  lykischen  Städte,  und  im  Westen  Magnesia  dem 
Mithradates  energischen  Widerstand  entgegen;  die  Streitkräfte 
zu  Wasser  und  zu  Lande,  welche  ihm  zur  Verfügung  standen, 
und  welche  Appian  Bell.  Mithr.  17  bereits  «ix^l  Ta?  Uxxo-j  xoel 
eS^o(;/^x.ovT(z  TpsT;  6Xu(/.7:tz^z(;  auf  die  Höhe  von  250,000  Mann 
Fussvolk  und  40,000  Reitern  angibt,  eine  Zahl,  welche  sie 
zur  Zeit  der  Kämpfe  auf  europäischem  Boden,  in  den  Jahren 
87  und  86  erreicht  haben,  mussten  erst  während  des  Kriegs 
auf  die  Beine  gebracht  werden.  In  den  neu  erworbenen  Land- 
schaften ist  der  König  darum  sofort  bedacht,  Statthalter  ein- 
zusetzen, Truppen  anzuwerben   und  Schiffe  zu  bauen,  denn 


BUEiNDNISS  DER  ATHENE«  MIT  MITHRADATES  32t 

was  ihm  zunächst  an  eigener  Flotte  zu  Gebole  stand  war  für 
den  bevorstehenden  Angriff  auf  Rhodos  noch  unzureichend*. 
Am  deutliclisten  liisst  diesen  Stillstand  in  Mithradates  Vordrin- 
gen erkennen  die  Thatsache ,  dass  von  den  noch  im  Kampf 
befindlichen  italischen  Bundesgenossen  eine  Gesandtschaft  an 
ihn  gelangt,  die  doch  erst  den  italischen  Boden  verlassen  haben 
wird,  nachdem  bereits  die  Nachricht  von  seinem  siegreichen 
Vordringen  daiiin  gelangt  war.  Ebenso  wird  auch  die  Wahl 
Sullas,  dem  die  Führung  des  milhradalisclien  Kriegs  gleich 
beim  Amtsantritt  bestimmt  wird, und  der  darüber  mitMarius 
entstandene  Kampf  als  Folge  dieser  Nachricht  angesehen  wer- 
den können  ;  den  Charakter  des  Racenkampfs  erhielt  der  Krieg 
erst  durch  den  Frlass  des  Mordedikts.  Die  Ankunft  der  itali- 
schen Gesandtschaft  war  aber  zu  früli  gekommen;  mit  dem 
Versprechen  einer  llülfssendung  ^,  wenn  ihm  der  Besitz  Asiens 
gesichert  sei,  und  mit  Subsidiengeldern  werden  die  Gesandten 
entlassen. 

Unten  wird  sich  ergeben,  dass  im  Juli  dcsJs.  88  das  Bünd- 
niss  Athens  mit  Mithradates  bereits  ratificirt  ist,  danach 
mus8  also  Aristions  Sendung,  der  wie  Posidonios  Bericht 
zeigt ,  längere  Zeit  beim  pontischen  Könige  verweilt  hat 
und  zwar  gleichzeitig  mit  der  italischen  Gesandtschaft , 
bereits  in  die  ersten  Monate  des  Jahres  88  fallen^.  Bei 
seiner  Rückkehr  ist  das  Mordedikt  wider  die  römischen  und 


*  Appian  B.  Mühr.  C.  22,  womit  die  Angaben  über  die  Flotte  in  C.  17  zu 
verglcictien  sind.  Ueber  die  Rüstungen  in  Vorderasien  :  lustin  XXVIII  3,  9. 

^  Diodor.  XXXVII  2,  10  :  a^tiv  xi;  SuvaiiEtj  £•.;  ttjv  'liaXtav,  £7:£t5av  aurtÖ 
xaxaGTY^ar,  xr.v  'Aafatv ;  Atlien.  V  50.  Ueber  den  auf  das  Bündniss  der  Italilcer 
mit  Mitliradates  bezüglichen  Denar:  Jul.  Friedlaender,  Oskiscbe  Münzen  S. 
84,Mommsen  Rom.  Münzwesen  587;  über  eine  weitere  Münze  s.  untenS.330. 

3  Die  Schwierigkeit  der  Chronologie  des  mitliradatischen  Kriegs  betont 
Mommsen  Rom.  Gesch.  IP299.  Aristions  Absendung  erfolgt,  oxceIc  MiOpxSa- 
xTjv  xi  ::,o(XY,aa-:a  \xi-ipor^  (Athen.  V48),  seine  Rückkehr  erst,  nachdem  das 
Mordedikt  ausgeführt  ist.  Danach  wird  der  Ausbruch  des  Kriegs  wohl  mit 
Waddinglon  Fasies  des  provinces  asiat.  S.  38  in  das  Jahr  665=89  zu  setzen 
sein,  ebenso  jedoch  auch  die  umständlichen  Verhandlungen,  die  dem  Beginn 
des  Feldzugs  vorausgegangen  simt. 


322  BUENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITHRADATES . 

italischen  Bewohner  in  Kleinasien  bereits  vollzogen,  und 
die  Absendung  eines  Heers  nach  Thrakien  und  Makedonien 
in  Aussicht.  Am  längsten  bleibt  die  pontische  Flotte  aus, 
die  als  Athen  offen  abfällt,  zur  üeberfahrt  noch  nicht  bereit 
ist. 

Die  gleichen  Massregeln,  mit  denen  Mithradates  sich  in  den 
kleinasiatischen  Städten  populär  gemacht  hatte,  Niederschla- 
guns;  der  Schulden,  und  Wiederherstellung  der  Demokratie, 
und  hohe  Geschenke  für  den  Staat  sowohl  wie  für  die  Pri- 
vaten konnte  Aristion  bereits  vom  pontischen  Hoflager  aus 
auch  den  Athenern  zusagen,  falls  sie  sich  Milhradales  an- 
schlössen (Athen.  V  48),  während  von  Seiten  der  Römer 
nichts  geschah  den  Abfall  zu  verhindern. 

Auf  der  Rückkehr  aus  Asien  wurde  .Aristions  Schiff  nach 
Karystos  verschlagen,  und  als  die  Kunde  hiervon  nach  Athen 
gelangte  ihm  Staatsschiffe  dorthin  gesandt,  die  ihn  nach  dem 
Piraeus  brachten.  Seinen  Einzug  in  Athen  hält  er  in  einer 
Sänfte,  die  mit  silbernen  Füssen  und  mit  purpnrnen  Teppi- 
chen geschmückt  ist,  wie  bis  dahin  auch  kein  römischer 
Beamte  Attikazu  betreten  gewagt  hatte,  von  der  Volksmenge 
erwartet  und  von  den  dionysischen  Künstlern,  die  ihn  als 
Boten  des  pontischen  Königs,  der  selbst  den  Beinamen  Dio- 
nysosführte, empfangen  ;  dieStadl  war  bereits  für  Mithradates 
gewonnen.  Am  Tagenach  der  Rückkehr  erstattet  Aristion  den 
Athenern  von  der  Tribüne  vor  der  Atlaloshalle,  wo  sonst  die 
römischen  Beamten  das  Volk  zu  versammeln  pflegten,  seinen 
Bericht  über  die  Gesandlschafl  und  die  neuen  Zustände  in 
Asien,  und  schliesst  mit  der  Aufforderung d^s  römische  Joch 
abzuschütteln.  Hierauf  erfolj^l  eine  VorBammlung  der  Menge 
im  Theater,  wo  Aristion  zutn  arfzT-ziyo;  iT:\  tcöv  öa"Xco\>  erwählt 
und  nach  seinen  Vorschlägen  die  Wahl  beiner  Amtsgenossen 
vollzogen  wird.  An  den  Thatsachen  wie  sie  Posidonios  (Athen. 
V  49-51)  berichtet,  kann  kein  Zweifel  bestehen,  aber  es  ist 
der  Bericht  eines  Zeitgenossen,  der  zur  Rom  freundlichen 
Gegenpartei  gehört,   mithin  nur  wiedergibt,    was  diese  aus 


BUENDNISS  DER  ATIIENEH  MIT  MlTIinADATES  323 

den  Vorgängen  in  Athen  machle*.  ArisLions  Hückla-lir  aus 
Asien  füllt  in  die  Zeil  der  Slralegenwalilen,  und  hiermit  allein 
verliert  schon  der  Hergang,  wie  ihn  Posidonios  erzählt,  viel 
von  dem  ihm  aufgedrückten  anarchisclien  Charakter. 

Die  Rom  freundlich  gesinnte  Partei,  die  ei^ppovouviet;  (Athen. 
V  52)  wurden  eingeschiicliLert  oder  suchten  zu  lluchten,  wie 
sich  denn  zwei  ihrer  Führer,  Meidias  und  Kalliphon  während, 
der  Belagerung  Athens  im  Lager  Sullas  befinden  (Plut.  Sulla 
14),  und  ihre  Flucht  bot  dann  ein  bequemes  Mittel  zu  Ver- 
mögensconüscatjonen,  wenngleich  das  von  Posidonios  so  ein- 
gehend geschilderte  Sohreckensregiment  Arislions  über  Athen 
erst  allmählig  zu  Stand  gekommen  ist. 

Von  dem  auswärtigen  IJesilzsland  ,  welchen  Athen  damals 
hatte^j  lässt  sich  für  Lein nos,  Imbros  und  Skyros  ebenso  wie 
für  Salamis  und  Haliartos  und  wohl  auch  für  Paros  voraus- 
setzen, dass  sie  theilweise  auch  schon,  wie  die  nördlichen' 
Inseln,  unter  unmittelbarem  Einfhiss  der  Ponliker  stehend  sich 
stillschweigend  Milhradates  mit  ansclilosscn ,  anders  war  es 
auf  Delos,  wo  die  an  Zahl  und  Reich ihum  gleich  bedeutende 
römische  Kaufmannschaftdas  von  Athen  mit  Mi thradales  abge- 
schlossene Bündniss  zurückwies,  und,  soviel  ersichtlich,  sich 
offen  von  Athen  lossagte.  Die  Folge  war,  dass  die  ans  Ruder 
gekommene  Demokraten partei  die  ihr  verloren  gegangene  In- 
sel, jetzt  der  vverthvollste  Platz  in  Athens  auswärtigem'  Besitz, 
wieder  zu  gewinnen    trachten    musste.    Apellikon,  Aristions 


•  So  wild  aucli  nur  die  vielbehandclte  Stelle  iu  Aristions  Rede  verständ- 
lich von  der  Gesandtschaft  aus  Karthago,  die  Äristion  nach  Athen.  V  50  S. 
213  C  au  Mitliradalcs  Hof  j.'etrofren  haben  soll.  Die  Athener  halten  ja  selbst 
einige  bundesgenüssische  SoliifTe  für  den  drillen  punisehen  Krieg  liefern 
müssen  (Paus.  I  29.  14).  Im  Piraeus  aber  sowohl  als  auf  Delos  linden  wir 
auch  noch  in  Aristions  Zeit  regen  Verkehr  mit  Tyrus.  Auf  Masinissa  be- 
zügliche Inschriften  haben  die  delischen  Ausgrabungen  ergebea  {Bull,  de 
Corresp.  Hell.  11  400,  III  470),  und  auf  einen  numidischen  Prinze»,  Masta- 
nabas,  Masihissas  Sohn,  der  als  Pauatlicn'iensieger  auvwpio:  rMlr/.fi  vorkommt, 
hat  Dittenberger  (Rhein.  Museum  36  S.  145)  kürzlicli  hingewiesen, 
.2  Köhler,  Mittheilungen  I  258  11'. 


324  BUENDNISS  DER  ATHE?JER  MIT  MITHRADATES 

eifrigster  Parteigänger,  wurde  mit  Trnppenmacht  nach  Delo8 
gesandt,  die  Stadt  mit  Maschinen  belagert,  aber  der  Angriff 
so  ungeschickt  geleitet,  dass  es  dem  römischen  Befehlshaber 
Orbius  gelang  durch  einen  nächtlichen  Ausfall  die  Belagerer 
völlig  aufzulösen,  ihr  Lager  summt  der  von  ihnen  gebauten 
Helepolis  zu  erbeuten,  die  Mannschaft  iheils  zu  tödten  iheils 
gefangen  zu  nehmen.  Apellikon  entkam  (Athen.  V53),  Delos 
aber  blieb  bis  zum  Eintreffen  der  pontischen  Flotte  in  den 
Händen  der  Römer. 

In  Posidonios  Bericht,  und  dies  ist  die  später  gangbare 
Darslellungsweise  geworden,  werden  als  die,  welche  zu  Mi- 
thradates  übergehen, immer  nur  oi6'/>.oi  genannt,  denen  gegen- 
über die  wahren  Athener  sich  von  der  Bewegung  ferngehalten 
hätten  oder  zu  den  Römern  geflüchtet  wären.  Ergänzungen 
dieses  Berichtes,  die  uns  zugleich  über  den  Umfang  der  Be- 
wegung Aufschluss  geben  könnten,  sind  aus  den  Inschrift- 
funden bis  jetzt  noch  nicht  zu  entnehmen,  auch  wird,  was 
etwa  an  Urkunden  aus  diesen  Jahren  vorhanden  war,  in  der 
dann  folgenden  Reactionsperiode  vernichtet  worden  sein  ; 
Einiges  wenigstens  ergibt  sich  dafür  aus  dem  Münzfund,  wel- 
cher bei  den  Dip}'lon-Ausgrabungen  der  Athenischen  Archaeo- 
logischen  Gesellschaft  zu  Tage  gekommen  ist.  Eine  vollständige 
Beschreibung  des  Fundes,  der  wie  S.  Kumanudes  sogleich 
bei  der  Aufdeckung  gesehen  hatte  ('AÖ-^vaiov  IIIG91 ),  während 
der  sullanischen  Belaoeruns;  Athens  vereraben  worden  ist,  ist 
in  der  Archaeologischen  Zeitung  Bd.  33  S.  163-166  mitge- 
theilt  worden.  Er  befindet  sich  jetzt  im  Barbakeion,  und  ent- 
hält 54  athenische  Silbermünzen,  darunter  : 

5  Tetradrachmen  der  Monoo;rammenserien, 
27  Tetrad  räch  men  und 

22  Drachmen  der  Serien  mit  Beamtennamen, 
die  sich  auf  26  Jahrgänge  verlheilen, 

ausserdem:     4  Tetradrachmen  von  Mithradates  Eupator. 

Neben  den  Tetradrachmen  Milhradats  ei-geben  sich  durch 
ihre  theilweise  fast  stempelfrische  Erhaltung  als  die  am  spä- 
testen geprägten,    mithin  jüngsten   Stücke   des  Fundes    die 


Beilage  zu  Mi  tili.  d.  arch.  Insl.  VI  S.  325. 


BUENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITIIRADATES  325 

unter  n.  38-54  in  der  Beschreibung  aufgefiilirfen  mit  den 
Beariitennamen: 

Apellikon-Gorgias  2  Tetr.,  4  Drachm.  (Vgl.  Heule  Monn. 
d'Athhnes  S.  211). 

Eurykleides- Ariaralhes  4  Tetr.  (Vgl.  Beule  S.  297). 

Aristion-Philon  3  Tetr.  (Vgl.  Beule  S.  216). 

Mithradates-Arislion  1  Tetr.,  3Drachm.  (Vgl.  Beule  S.  237). 

Die  zeitliche  Anordnung  dieser  vier  Reihen,  von  welchen  3 
Tetradrachmen  sowie  die  Tetradrachme  von  Amisos  und 
der  später  zu  besprechende  Stater  auf  der  Beilage  nach 
Exemplaren  des  Berliner  Kabineis  abgebildet  sind  ,  ist 
aus  folgender  Erwägung  zu  gewinnen.  Jede  der  drei  zuerst 
genannten  Serien  gibt  sich  durch  die  auf  der  Amphora  der 
Kehrseite  angebrachten  Buchstaben  A  —  M  als  eine  vollständige 
Jahresprägung  zu  erkennen,  an  der  mithin  jede  der  12  Phy- 
len  in  dem  ihr  zugehörigen  Amtsmonat  Anlheil  gehabt  hat, 
für  die  an  die  vierte  Stelle  gebrachte  Serie  mit  dem  Namen 
des  Mithradates,  deren  Stücke  noch  dazu  bei  weitem  seltener 
sind  als  die  der  vorangestellten  Serien,  sind  nur  Stücke  vor- 
handen aus  der  Phyle  A  und  B,  vielleicht  auch  A,  die  Prä- 
gung, welche  mit  dem  attischen  Jahresanfang,  mit  dem  1. 
Hekatombaeon  (also  Juli-August)  begonnen  hat,  ist  mithin 
nicht  zu  Ende  geführt  worden,  denn  am  1.  März  86  ist  die 
Einnahme  der  Stadt  duch  Sulla  erfolgt;  die  Milhradates-Serie 
gehört  also  ins  Jahr  87-86.  Wenn  ferner  Aristion  bereits  in 
seiner  Serie  das  Wappen  des  pontischen  Königs,  den  an  der 
Quelle  trinkenden  Pegasos  als  Beizeichen  auf  seine  Münzen 
setzt,  ergibt  sich  hieraus  nothwendig,  dass  mit  dem  Beginn 
dieser  Serie,  im  Hekatombaeon  des  vorangehenden  Jahres, 
also  Juli  88  das  athenisch-pontische  Bünduiss  bereits  abge- 
schlossen war;  nur  nachdem  einmal  der  Krieg  erklärt  war, 
durften  die  Athener  es  wagen  das  Wappen  des  Mithradates, 
der  seinerseits  mit  Rom  im  Krieg  lag,  in  ihren  Münztypus 
mit  aufzunehmen. 

Welche  Reihe  derjenigen  des  Aristion  voraufgegangen  ist, 


326  BUENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITHRADATES 

ob  die  des  Apellikon  oder  die  des  Eiirvkieides*,  ist  nicht  zu 
entscheiden. 

Von  Bedeutung  aber  ist  es,  wenn  beim  Beginn  der  Bewe- 
gung des  Aristion  an  der  Spitze  des  athenischen  Staatswesens 
wieder  ein  Ansehörio-er  des  zu  den  Eteobutaden  zählenden 
Hauses^  erscheint,  dessen  Mitglieder  zweimal  bereits,  nach 
dem  chremonideischen  Krieg,  und  nach  der  Befreiung  von 
der  Zwingherrschaft  des  Demetrios  für  die  Unabhängigkeit 
ihrer  Stadt  eingetreten  waren  ;  wie  bei  den  allen  Geschlechtern. 
aus  Athens  grosser  Zeit  macht  sich  auch  hier  die  Tradition 
der  Familienpolitik  geltend. 

Zweiter  Beamte  in  dem  Jahre  des  Eurykleidesist  Ariarathes. 
Den  gleichen  Namen  hatte  Prokesch  als  dritten  Beamten  auf 
einem  Tetradrachmon  der  12.  Phvle  in  der  Serie  Xf-toysvvi?- 
Ka>.\ijjLxp;  lesen  wollen  (Beule  S.  3i9);  das  Exemplar,  das 
mit  Prokesch  Sammlung  jetzt  an  das   Berliner  Kabinet  ge- 


*  Bcul(5  (S.  104)  hat  bei  Untersuchung  des  Feingehalts  eines  Tetradrach- 
mons  des  Aristion  0,924  Silber,  0,016  Gold,  bei  einem  solchen  des  Apellikon 
0,934  Silber,  0,016  Gold  erhalten,  für  die  Eurykleides-Serie  liegt  keine 
Schmelzung  vor.  Aber  hiernach  eine  Verschlpchlorung  der  Münze  unter 
Apellikon  und  Aristion  annehmen  zu  wollen,  weil  die  Untersuchung  einiger 
anderer  Serien  höheren  Silhergehalt  geliefert,  erscheint  gewagt;  hat  doch 
Hussey  bei  einem  Telradrachmen  ,,der  jüngsten  Prägung"  bloss  0,919  mit 
entsprechendem  Gold  (Hultsch  Metrologie  S.  171),  v.  rjauch  bei  einem 
Didrachmon  ,,  alten  Stils"  0,932  erhallen  (Zeitschrift  f.  Numismatik  I 
S.  36).  Nur  daran  wird  festzuhalten  sein,  dass  die  Tetradrachmen  des  Aristion 
bei  sonst  guter  Erhaltung  aulfallend  niedriges  Gewicht  zeigen. 

*  Lebas,  Voyage.  archeol.  Inscr.  de  l'Atliqiie  n.  361.  Mauvetle-Besnault, 
Dull.  de  Corr.  Hell.  III  490. — Die  Versuche,  das  Slemma  der  Familie  des 
Mikion  und  Eurykleides  festzustellen,  sind  bis  jetzt  alle  wenig  befriedigend 
ausgefallen.  Auf  den  Telradrachmen  mit  Beamlennamen  sind  vertreten  :  1. 
Mikion  und  Eurykleides  (Beizeichen:  die  Dioskuren),  mit  Walirschein- 
lichkcit  auf  die  beiden  r.^oi-i-ot.i  bezogen,  zuerst  von  Cavedoni  Mcmorie  di 
relif/.,  mor.  e  leit.,  Modena  B.  V  335,  und  Rathgeber  Annali  delV  Imi.Arch. 
1838  S.  40.  Beul6  S.  339.  2.  Mikion  und  Theophraslos  (Beizeichen:  Qua- 
driga), jünL'(^r  als  die  vorige  Reihe,  im  Dipylonfund  vertreten;  ein  Mixiwv 
E'jpjz),£t5ou  ist  als  Sieger  mit  dem  apfxa  unter  den  Panathenaeensiegern, 
Rangabi!  Anl.  Hell.  II  n.  962,  genannt.  Beule  S.  343.  8.  Eurykleides  und 
Ariarathes  Beule  S.  297. 


BUENDNISS  DER  ATIIENEH  MIT  MITHRADATES'  327 

kommen  ist,  \\ar  unvollkommen  gereinigt,  und  bietet  den 
gleichen  Namen  wie  die  übrigen  Stücke  dieser  Pbyle  AN- 
APE  A5:.  Damit  ist  auch  die  bis  dahin  vorliandene  Nölhigung 
beseitigt,  dass  der  Ariaiathes  der  Kurykleides-Serie  ein  ge- 
borener athenischer  Bürger  sein  müsstc;  vielmehr  wird  man 
nun  an  den  A^ngehörigen  eines  Fiirslenge.schlechts  zu  denken 
haben,  der  athenisches  Bürgerrecht  erhalten  hat,  und  Ehren 
halber  n)it  diesem  Amte  bedacht  worden  ist*.  Dann  kann  aber 
um  diese  Zeit  nur  der  von  Sallet  (Zeitschrift,  f.  Numism,.IV 
2'28  und  23G)  dafür  vorgeschlagene  Sohn  des  Milhradates  in 
Frage  kommen,  den  sein  Vater  im  J.  99  zum  ersten  Mal  in 
Kappadokien  ztim  König  gemacht  hat,  der  im  J.  90  dem  von 
Manius  Aquiliuszui'ückgeführlen  Ariobarzanes  weichen  musste 
und  im  nächsten  Jahre  wieder  eincjeselzt  worden  ist.  Aller- 
dings  sind  dann  diese  Münzen  vor  dem  Bündnissabschluss 
geprägt,  aber  Mithradates  hat,  wie  sich  ans  den  Verhand- 
lungen der  Gesandlschaften ,  die  dem  Ausbruch  des  Kriegs 
vorangingen,  ei'kennen  lässt,  damals  bereits  in  regem  Verkehr 
mit  den  Hellenen  gestanden  (Appian.  B.  Mithr.  16). 

Apellikon,auf  dessen  Münzen  das  Beizeichen  des  Greifs  wohl 
mit  Rücksicht  auf  seine  teische  Heimath  gewählt  ist^^  führt 
uns  zu  den  Philosophenschulen ,  denen  die  mithradatische 
Bewegung  in  Athen  ihre  hervorragendsten  Führer  verdankt. 
Von  den  Nachkommen  des  Aristoteles  in  Skepsis  hatte  er  nach 
Strabo  die  dort  aufbewahrte  aber  verwahrloste  Bibliothek  des 
Aristoteles  und  Theophrast  angekauft  «neue  Abschriften  ver- 
schiedener aristotelischer  Werke  besorgt  und  sie  mit  allerdings 
fehlerhaftem  Text  herausgegeben "3,  Jn  Athen  hat  ersieh  be- 


'  In  einer  ähnlichen  Siellunjjf  scheint  derzweilc  Beamte  einer  älteren  Se- 
rie gewesen  zu  sein  lulv-ixoc-Miya;  (ßcule  S.  268). 

*  Die  Beizeichen  beziehe  ich  auf  den  ersten  Beamten;  sie  wechseln  mit 
jeder  Serie,  auch  dann  wenn  der  betrolVende  Beamte  wiederholt  fungirt. 

'  Slrah.  XII  609  vgl.  Plut.  Süll.  26.  ileitz,  die  verlorenen  Schriften  des 
Aristolcles  S.  11,  der  gegenüber  den  an  dem  Berichte  des  Strabo  und  PIu- 
tarch  geltend  gemachten  Zweifeln  mit  Recht  hervorhebt,  dass  der  des  Strabo 
,,so  zu  sagen  den  Werlh  desjenigen  eines  Zeitgenossen  besitzt"  (S.  14). 


328  BUENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITHRADATES 

reits  längere  Zeit  vor  dem  milhradalischen  Kriege  das  Bürger- 
recht erworben,  da  er  auch  auf  einer  andern,  im  Dipylon- 
funde  nicht  mit  enthaltenen  Serie  von  Tetradrachmen  als 
erster  Beamte  (mit  einem  x4pollo  als  Beizeichen)  neben  einem 
Aristoteles  erscheint,  der  schwerlich  zufällig  grade  neben  ihm 
als  zweiler  Beamte  fungirt.  Auf  der  zweiten  Serie  ist  sein 
College  Gorgias,  wohl  ein  Verwandter  des  gleichnamigen 
Rhetors  und  Lehrers  des  jüngeren  Cicero  [Ep.  ad  famil.  XVI 
21.  Plut.  Cic,  24).  Nach  Posidonios,  der  als  Stoiker  an  den 
Peripatetikern  seiner  Zeit  wenig  Gutes  lässl,  war  Apellikon 
kurz  vor  Ausbruch  des  Kriegs,  da  er  Autographen  aus  dem 
Metroon  entwendet  haben  sollte,  in  Anklage  geralhen,  der 
er  sich  durch  die  Flucht  entzogen  halte, um  sich  bei  seinerRück- 
kehr  der  Bewegung  des  Aristion  anzuschliessen  ;  ist  diese 
Angabe  genau,  so  müsste  die  Reihe  x4peliikon -Gorgias  dem 
Jahre  90-89  zugetheilt  werden.  Auch  Cicero's  Freund  Tyran- 
nion, durch  den  später  Andronikos  mit  den  durch  Sulla 
nach  Rom  gebrachten  aristotelischen  Schriften  bekannt  ge- 
worden ist*,  stehlauf  Seiten  der  Ponliker,  und  flüchtet  wegen 
des  Kriegs  von  Athen  nach  Amisos  (Plut.  Luc.  19).  Da  die 
Peripatetiker  in  Aristion ^  der  Erhebung  Athens  ihren  Führer 
verliehen,  wird  man  ihre  Schule  wohl  auch  vollständig  daran 
betheiligt  zu  denken  haben,  während  die  Akademiker  sich 
der  oligarchischen  Partei  angeschlossen  zu  haben  scheinen ; 
ihr  Scholarch  wenigstens ,  der  greise  Philon  von  Larissa  ^, 


Auch  nach  der  sehr  eingebenden  Erörterung  Zeüers Gesch.  der  griech.  Phi- 
losophie IP  S.  139-154  wird  die  von  Ileitz  vertretene  Ansicht  nicht  für 
widerlegt  gelten  können. 

»  Plutarch.  Luculi.  19.  Sulla  26.  Heitz  S.  10,  U. 

2  Mpii<^uraeer  nennt  ihn  nur  Appian.  B.  M.  28,  was  aber  gegenüber  dem 
detaillirten  Bericht  des  Posidonios  nicht  in  Betracht  kommen  kann.  Hertz- 
berg, Geschichte  Griechenlande  I  349. 

'  Cic.  Brut.  89.  Dass  die  Schulstreitigkeiten  damals  in  das  Gebiet  der 
Politik  herübergezogen  worden  sind,  hat  Zumpt  (Über  den  Bestand  der 
Philosoph.  Schulen  in  Athen  S.  88)  bereits  gefolgert  aus  dem  Streit  zwischen 
dem  Hpikuraeer  Zeno  aus  Sidon  und  dem  Stoiker  Tbeotiraos  (Athen.  XIII 
611;  nach  Diog.  Laert.  X  3:  Diotimos),  der  mit  Auslieferung  des  letzteren 


BÜENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITIIRADATES  329 

flüchtet  nach  Rom,  und  von  seinen  Schülern  befindet  sich 
Antioclio.i  von  Askalon  itn  Gefolge  des  Quaestors  Lucullus 
während  des  sulianischen  Feldzugs  wider  Milhradales. 

Aristion  soll  als  Sohn  einer  aegyplischen  Sclavin  im  Hause 
des  Peripaletikers  Athenion  geboren  und  aufgewachsen  sein; 
dann  hätte  er  Alhcnlons  Vermögen  geerbt  und  sich  durch 
Parengraphie  im  Demenregister  den  Namen  Aristion  erworben. 
So  erzählt  Posidonios  den  Hergang  und  legt  ihm  in  Folge 
dessen  immer  nur  den  Namen  bei,  der  üim  als  Unfreien  zuge- 
kommen wäre,  Athenion*.  Auch  das  Weitere  über  Arislions 
Frühzeit,  wie  er  mit  seiner  jungen  Frau  umhergereist  sei,  in 
Larissa  rhetorische  Vorträge  für  Geld  gehalten  habe,  um  dann 
bei  seiner  Rückkehr  sofort  zum  Gesandten  erwählt  zu  werden, 
zeigt  offenbare  Entstellung.  Mitliradales  mochte  durch  geheime 
Boten  schon  agitirt  haben,  immerhin  mussle  Aristion  sich 
damals  in  Athen  bereits  eines  grossen  Ansehens  erfreuen.  Im 
Jahre  88-87  ist  er  als  ax^xxnyhi;  iizl  twv  Stt^ov  auf  den  iMün- 
zen,  nachde?n  das  Bündniss  abgeschlossen  ist.  Diese  Serie 
mit  dem  Beizeichen  des  Pegasos  unterscheidet  sich  aber  sofort 
Ton  den  beiden  vorangegangenen  Jahrgängen  dadurch,  dass 
bei  ihr  statt  8  (oder  gar  11 )  fungirender  dritten  Beamten  nur 
noch  3  vorkommen^;  bei  der  Königsserie  des  folgenden  «Wah- 
res sind  auch  diese  in  Wegfall  gekommen. 

Das  ponlische  Bündniss  war  ohne  Widersland  durchgesetzt 
worden  in  Athen,  als  nun  aber  ein  Heer  des  Mithradates  in 
Thrakien  einfiel  und  gegen  Makedonien  vorrückte,  wo  ihm 
der  römische  Praetor  Sentius  entgegen  trat,    als  ferner  die 

an  die  Römor  und  seiner  Hinrictiliing  endolc.  Als  eifriger  Parteigänger  des 
Milhradales  war  rler  Akademiker  Diodorus  in  AtramjUion  liiätig  :  Strabo 
XIII  614.  DieThcilnohraer  der  Gesandtschaft  des  Königs  anMurena  (Memnon 
XV  36)  werden  nicht  näher  bezeichnet. 

'  Athen.  V  48  S.  211  fg.  ;  die  Erklärung  des  rapc'yYpa^o?  hat  bereits  Ca- 
sauhonus  gegeben. 

2  Als  dritte  Beamte  fiingiren  auf  der  Serie  des  Apellikon  :  A'.oy^,  'ApiatiJ. 
vou«,  Ato[vj]r.o[;— so  scheint  auf  dem  Ex. des  Berliner  Kabinets  zu  stehen, 
Aetv^a;,  S^piwy,  'Apys^o;,  XaoEiaio?,  Tlpa/Xst.,  auf  der  des  Euryklcides  :  AioxX., 
SwxpaTrjs, 'Hpay.ÄS!.,  KaXA;'a?,  <I>avü/.piTO«,  iS£voxpoi[-:r,;],  'I-nüvt[xo;],'Ap/^i:t.,'AXE- 
?av.,  Atovu. ;  auf  der  des  Aristion  :  Apo(xo[x).c^STj?],  0co.,  'Hy^a?. 


830  BÜENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITHRADATES 

politische  Flotte  zum  Uebergang  sich  anschickte,  Delos  für 
seinen  Abfall  von  Athen  züchtigte,  und  der  Krieg  mit  Rom 
unvermeidlich  geworden  war,  musste  man  vor  den  noch  am 
Platze  befindlichen  Anhängern  der  oligarchischen  Partei  be- 
sorgt werden;  wem  es  möglich  unter  ihnen,  flüchtete,  aber 
Arislion  Hess  nun  auch  die  Flüchtlinge  verfolgen,  und  damit 
war  ein  Schreckensregiment  eingeleitet,  das  während  der 
Belagerung  später  zu  völliger  Tyrannis  führte. 

Wenn  auf  den  athenischen  Münzen  des  Jahres  87-86,  nach- 
dem in  der  Zwischenzeit  die  pontischen  Heere  über  Thrakien 
und  Makedonien  im  Norden  ,  im  Süden  über  ganz  Griechen- 
land bis  zu  den  Thermopylen  sich  ausgebreitet  hatten,  Ari- 
stion  in  der  Steile  des  zweiten  Beamten  erscheint,  in  der  ersten 
aber  Mithradales  mit  dem  Königstitel  und  das  Achaemeniden- 
wappen,  die  Sonne  mit  den  beiden  Halbmonden,  zum  Beizei- 
chen hat,  kennzeichnet  dies  zur  Genüge  die  Verkommenheit 
des  letzten  athenischen  Demagogen.  Antiochos  IV  Epiphanes 
hatte  man  etwa  90  Jahre  früher  die  Stelle  des  ersten  Beamten 
Ehren  halber  eingeräumt,  doch  ohne  Titel,  nur  versehen  mit 
dem  Familienwappen  der  Seleukiden,  dem  Elephanten.  Jetzt 
war  Athen  der  Mittelpunkt  einer  neuen  Satrapie  des  ponti- 
schen Königs. 

Sofort  nach  der  Besitznahme  des  vorderen  Kleinasiens  hatte 
Milhradates  die  Goldprägung  eröffnet,  die  als  Vorrecht  des 
persischen  Grosskönigthums  und  sei nerRechtsnachfoIger  ange- 
sehen wurde  ;  nachweisbar  ist  dieselbe  bis  jetzt  in  Goldstatern 
des  pontischen  Königsgepräges  aus  zwei  Münzstätten^,  aus 
Pergamos,  wo  der  König  während  des  1.  Römerkriegs  längere 
Zeit  seinen  Sitz  hatte,  und  aus  einer  andern  noch  nicht  näher 
bestimmten  Stadt.  Für  die  Ilaliker  war  der  Goldstater  des 
Minius  Jeius^  geprägt  worden,  mit  genauer  Copie  gleichzeili-- 

'  Friedlaender-Sallet,  das  Königl.  Münzkabinet  (Berlin  1877)  S.  i36  n. 
463,  464. 

'  Ferd.  Bompois,  Les  types  monetaires  delagiierre  sociale  (Paris  1873)  S. 
23  ff.  Vgl.  Zeitschrift  f.  Numism.  II  88  und  A.  v.  SallelinZeitsch.  f.  Num. 
IV  236  f. 


BUENDNISS  DKR  ATIIKNFR  MIT  MITURADATES  331 

ger 'r}'j)en  von  Aiiiiso.s,  rlcMii  Pci'sciiskoj)!'  und  der  bakchi- 
sclion  eiste  mit  Thvi-sos;  möglich  dass  die  italische  Gesandt- 
Schaft,  welche  da  KU'iiiasicn  sich  in  Kriegszustand  befand 
nicht  den  Landweg  ,  sondern  den  Seewcf^  durch  den  Ilel- 
lespont  gewählt  haben  wiid,  in  Amisos  gelandet  war  oder 
doch  ihre  Unterhamlhingen  dort  gefidirl  hat.  Audi  für  Athen 
wurde  nun  eine  Goldprägung  begonnen,  Slatereii  mit  dem 
Namen  des  Königs  und  des  Aristion,  dem  Silbergeld  des  J 
87-8G  im  Typus  entsprechend  doch  ohne  Namen  der  Phyle, 
unter  den  athenischen  Münzen  jüngeren  Stils  das  einzigeGold*. 
Demselben  Jahre,  und  wohl  schon  in  die  Monate  der  Belage- 
rung Athens  Inneinreichend ,  sind  zuzuweisen  die  in  grosser 
Menge  ausgegebenen  eigenlhümlich  dicken  Kupfermünzen  mit 
dem  blitzschleudernden  Zeus  und  dem  Achaemenidenwappen^. 
Auf  den  Vorlauf  der  kriegerischen  Ereignisse,  welche  sich 
an  den  Uebergang  der  mithradatischen  Heere  nach  Hellas 
geknüpft  haben,  näher  einzugehen,  liegt  ausserhalb  des  Rah- 
mens dieser  Arbeit.  So  lange  das  Consularheer  noch  durch 
den  Bürgerkrieg  in  Italien  zurückgehalten  war,  war  Sentius 
der  Statthalter  von  Makedonien  auf  sich  allein  angewiesen 
und  selber  von  dem  Heere  der  Politiker  und  den  mit  ihnen 
verbündeten  Stämmen  der  Thraker  und  Dardaner  bedi'ängt; 
ausserdem  ohne  eine  Flotte,  vermochte  er  nur  seinen  Le- 
gaten Brultius  Sura  mit  einer  Handvoll  Leuten  dem  Heer 
des  Archelaos  entgegen  zu  stellen.  Sura  aber,  der  in  seiner 
schwierigen  Aufgabe  eine,  wie  Sulla  selbst  anerkannt  hat, 
nicht  efewöhnliche  militärisclie  Beü-abuno;  entwickelt  hat,  war 
es  nicht  bloäs  gelungen,  sich  in  Boeotien  festzusetzen,  sondern 


1  Der  Stator  des  Berliner  Kabiuel.s  abgelji  Idet  auf  der  Beil. zuS. 325,  und 
bei  Friediaendoi-Sallet,  Königl.  Münzkabincl  S.  96  n.  265.  wiegt  8,24  Grm., 
folgt  niitiiin  genau  dem  Gewicht  des  ftilbcrgelds.  Ein  anderes  Ev.  mit  der 
Sammlung  Lnynes  an  das  I'ariser  Kabinel  g(-komraen,  zuerst  puidicirt  von 
Beule,  Revue  Num.  1863  S.  176  11'. 

2  Beule  S.  237. — Eine  Ueber^^iehl  übpr  die  w^-^le  Verbreitung,  welche  die 
Typen  IMilbradals  um  diese  Zeil  auf  den  Münzen  erhalten  hoben,  bei  Fried- 
laender  Zeitsohr.  f.  Num.  IV  S.  S  und  v.  Sallot  ebd.  S.  235  IT. 

MITTH.D.  ARCH.INST.YI.  22 


332  BUENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITHRADATES 

auch  in  dreitägigem  Kampf  bei  Chaeronea  die  Truppen  des 
Archehios  und  Aristion  gegen  das  Meer  zurückzuwerfen,  als 
ihm  durch  LucuUus  der  Befehl  zuging  sich  zu  Sentius  zurück- 
zuziehen, und  die  Forlfiihrung  des  Kampfs  dem  dazu  bestimni- 
ten  Feldherrn  Sulla  zu  überlassen.  Gegen  diesen  versuchten 
dann  die  Verbündeten  nochmals  das  Feld  zu  halten,  aber  mit 
nicht  besserem  Erfolg.  Aristion  zieht  sich  hierauf  nach  Athen 
zurück,  Archelaos  nach  dem  Piraeus  ,  wo  er  von  der  See  aus 
den  Zugang  ganz  in  seiner  Gewalt  halte,  da  Sulla  über  keine 
Flotte  zu  verfügen  hatte.  Der  Piraeus  wird  zuerst  angegritTen, 
gegenüber  der  hartnäckigen  Verlheidigung  der  gewaltigen 
Mauern  muss  sich  der  Proconsul  aber  zu  einer  regelrechten 
Belagerung  entschliessen  ,  und  nach  mühsamen  Kämpfen,  da 
sein  Gegner  nicht  zu  verdrängen  ist,  mit  blosser  Blokade  der 
Landseite  begnügen.  In  Athen,  das  ebenfalls  eingeschlossen 
war,  gingen  die  Vorrälhe  früher  auf  die  Neige,  und  hierauf 
begann  Sulla,  während  Aristion  durch  rücksichtloses  Einzie- 
hen und  Vcrtheilen  kärglicher  Rationen  den  Widerstand  zu 
verlängern  suchte,  die  eigentliche  Belagerung,  die  am  1  März 
86  zu  der  Erstürmung  der  Stadt  führte.  Bald  darauf  erfolgte 
auch  die  Uebcrgabe  der  Burg,  in  die  sich  Aristion  zurück- 
gezogen hatte,  an  Sulla's  Legaten  Curio,  und  dieHäumimg  von 
Munychia  durch  Archelaos  (Plut.  Sulla  14). 

Von  den  Führern  war  Apellikon  todt^  Aristion  auf  der  Burg 
gefangen  genommen  und  für  den  Triumph  aufgespart,  wurde 
später,  als  Sulla  die  in  seine  Hände  gerathenen  Freunde  ((pi>.oi) 
des  Mithradates  während  der  Waffenstillstandsverhandlungen 
(85)  freigab,  durch  Gift  hingerichtet,  weil  er  für  einen  Gegner 
des  Archelaos  galt.  Was  an  der  Ei-hebung  hervorragenden 
Antheil  genommen  hatte,  fiel  in  den  der  Einnahme  der  Stadt 
folgenden  umfangreichen  Executionen*.  Was  sonst  von  atheni- 
schen Bürgern  in  der  Stadt  der  Hugersnoth  und  dem  Schwert 


1  Apellikon:  Strabo  609.  Aristion:  Plut.  Sulla  23,  wolil  direkt  auf  Sulla's 
Memoiren  zurückgehend;  minder  genau  Strabo  610.  Appian  B.  M.  39.  Paus. 
I  20,  7.  Execulionen:  Paus.  I  20,  G.  Appian  39. 


BUENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITHRADATES  333 

des  Siegers  bei  der  Eroberung  entronnen  war,  erhielt,  da  es 
den  im  römischen  Lager  befindlichen  Aristokraten  gehingen 
war,  Sulla's  Zorn  zu  besänftigen,  die  persönliche  Freiheit 
zurück,  doch  mit  Ausschliessung  vom  Wahlrecht,  das  erst 
ihren  Nachkommen  wieder  erlheilt  wurde  (Appian.  Milhr.38). 
Die  vor  Arislion  Geflüchteten  kehrten  zurück  und  vermuth- 
lich  während  seines  zweiten  Aufenthalts  im  Winter  86-85 
hat  Sulla  die  Stellung  Athens  derart  geordnet,  dass  die  Stadt 
ihre  Freiheit  behielt,  und  die  Verfassung  auch  annähernd  so 
wiederhergestellt,  wie  sie  früher  unter  römischem  Einfluss 
eingerichtet  worden  war*.  Finanziell  war  freilich  Athen  rui- 
nirt,  und  die  nächsten  beiden  Generationen  sahen  die  kläg- 
lichste Zeit,  welche  die  Stadt  wahrend  des  ganzen  Alterthums 
durchzumachen  gehabt  hat.  Sulla  hatte  die  Sklaven  verkaufen 
lassen,  und  unter  dem  was  noch  an  Gold  und  Silber  ^  in 
VVeihgeschenken  und  Geräthen  auf  der  Burg  war  aufgeräumt. 
Die  Stadt  war  bei  der  Einnahme  durch  Belagerung  und  Brand 
furchtbar  verw üstet  worden,  zwischen  dem  piraeischen  und 
heiligen  Thor  halte  Sulla  seine  Bresche  gelegt,  das  periklei- 
sche  Odeion  halte  Arislion  bei  der  Vertheidigung  der  Burg 
in  Flammen  aufgehen  lassen,  und  den  Anlagen  an  der  Süd- 
seite der  Burg  scheint  damals  gleiches  Schicksal  bereitet 
worden  zu  sein.  Akademie  und  Lykeion  waren  von  Sulla  zur 
Herstellung  der  Belagerungsmaschinen  ihres  allen  Baum- 
schmucks beraubt  und  verwüstet  worden,  die  Vorträge  der 
Scholarchen  wurden  darum  nach  der  Stadt  verlegt,  ohne  dasa 
freilich  die  alte  Frequenz  der  Schulen  so  bald  wieder  erreicht 
worden  wäre.  Eleusis  war  2  Jahre  hindurch  Sullas  Haupt- 
quartier gewesen,  der  Piraeus  völlig  vernichtet,  die  Mauern 
geschleift,  die  Schiffshäuser  sammt  der  Hoplolhek  verbrannt, 


'  Appian  D.  M.  39  toT?  o' a).AO'.;  SjVc'yvoj,  y.al  vo[iou;  eGtjxev  anaaiv  «YX.*^^  "^^^ 
rtfo'üO-v  aÖToT;  C-q  'Pcofjt,a'wv  op'.aOt'vtojv.  Strabo  IX  398  SuXXa?  t^  rtoXei  flaiYpto- 
(jLTiv  £v£'.[i3,  y.a\  (Ji3/pi  vjv  £v  jXrjOöpi'ot  £CTt.  Curtius  Attische  StudieQ  II  50. 

2  Appians  Angaben  C.  39  -/pjafou  tc,  TsaaapaxovTa  X-'xpa;  [AccXta-a,  äpyjoou  o' £5 
l?axo(7'!ai  sind  Wühl  zu  niedrig. 


334  ßUENDNISS  DRR  ATHENER  MIT  MITEIRADATES 

<la  Sulla  im  Frühjahr  86  als  er  endlich  in  den  Besitz  der 
Häfen  gelangte  dieselben  nicht  wieder  in  die  Hände  der  see- 
inächtigen  Gegner  wollte  fallen  lassen,  und  von  dem  bis  zur 
Belagerung  noch  blühenden  Hafenort*  nur  die  Häuser  um 
den  Tempel  des  Zeus  Soter  geblieben.  Der  Handel  hatte  auf- 
gehört und  sich,  da  auch  Delos  bei  der  Einnahme  durch  Ar- 
chelaos schwer  mitgenommen  worden  war  und  dann  durch 
die  Seei'äuber  den  letzten  Stoss  erlitt,  in  den  folgenden  De- 
cennien  nach  den  Städten  der  kleinasialischen  Küste, besonders 
Smyrna  und  Ephesos  gezogen,  bis  später  in  dem  neuen  Ko- 
rinth  durch  Caesar  wieder  dem  Festland  der  ihm  von  Natur 
zukommende  Stapelplatz  geschaffen  wurde. 

Was  für  Athen  geschah,  brachte  die  Freigebigkeit  Fremder, 
welche  die  alte  Bildungstätte  herzog,  des  T.  Atlicus,  des  Ario- 
barzanes  iMiiloromaios,  des  Cn.  Pompeius  bei  seiner  Rück- 
kehr aus  Asien,  Manches  auch  noch  die  Liberalität  reicher 
Bürger  zu  Stande,  wie  die  des  Kephisiers  Diokles  im  Askle- 
pieion  '^. 

Wiederholt  ist  die  Frage  aufgeworfen  worden,  ob  Athen 
über  das  Jahr  86  hinaus  sich  das  Hecht  der  Silberprägung, 
das,  da  es  hier  ein  überkommenes  war,  die  Anerkennung 
der  alten  Freiheit  in  sich  schloss,  bewahrt  habe,  oder 
nicht.  Definitive  Antwort  hierauf  hat  nalürlich  auch  der 
Dipylonfutid  nicht  geben  können.  Die  Versuche  Beule's  be- 
stimmte Beamtenserieu  der  Zeit  nach  Mithradales  zuzuweisen, 
haben  sich  alle  als  unhaltbar  herausgestellt,  ebenso  aber  auch 
Grotefends  Ansicht,  hier  die  Monogrammreihen  unlerzubrin- 
^en,  sind  doch  die  allerdings  nur  spärlichen  Stücke  derselben 
im  Dipylonfunde,  wie  ihre  starke  Vernutzung  ausweist,  sehr 
lange  im  Umlauf  gewesen,  und  geben  sich  damit  grade  als 


1  Bi'sonilcrs  Sulj)iciiiS  Ihm  Cioeio,  Einü.  ad  favi.  IV  5,  4.  Waclusmuth , 
Die  Stadt  Atlien  I  S.  060. 

2  Kuinamidcs  'AOrivaiov  V  104=r'.  /.  /!//.  1(489/».  Geringeren  Umfang  iialte 
die  Tiiiitiglioil  des  in  drr  Inschrift  'AOrjvaiov  V  527  f.  crwäiinlen  i^toxpxTrj« 
:i:«pa.-i'ov'j;  Kr^'^'.'^'.ij;.  Vgl.  Köhler  MiUlicilnngen  11  S.  174. 


BUENDNISS  DEll  ATIlKNKIl  MIT  VlITHHADATES  335. 

die  älteslen  im  FiiniJo  cnllialteiion  Müii/en  zu  ciUiiiiDiTi.  Nach- 
weisbar sind  jetzt  bis  88  Serien  mit  Beamlennamen,  wollte 
man  annehmen,  dieselben  gehörten  alle  in  die  vormitlira- 
dalise.lie  Zeit  ,  so  würen  dieselben  ,  da  die  äileslc  mit 
Wahrscheinlichkeit  dalirbare  Serie  etwa  im  Jahre  2'20  j^eprägt 
sein  wird,  auf  einen  Zeitraum  von  134  Jahren  zu  verlheilen. 
Nun  ist  allerdinj!;s  eine  Vermehrung  der  Serienzahl  durch 
neue  Funde  nicht  ausireschlossen*,  immerhin  aber  scheint  es, 
als  ob  nur  je  nach  Bedarf  geprägt  und  zoilweise  die  Ausprä- 
gung eingestellt  wurde,  oder  wenn  damit  fortgefahren  worden 
ist,  so  war  die  Thätigkeit  der  athenischen  Münze,  wie  aus 
der  grossen  Seltenheit  der  Stücke  so  mancher  der  vorhandenen 
Serien  liervorgeht,  zeitweise  eine  äusserst  schwache.  Damit 
steht  keineswegs  in  Widerspruch  die  grosse  Verbreitung, 
welche  berei  Is  in  den  ersten  Decennien  des  zweiten  Jahrh  underts 
das  athenische  Geld  wiedergewonnen  hat.  Wie  dasselbe  näm- 
lich unter  Philipp  und  Alexander  durch  das  makedonische 
Geld  aus  dem  Verkehr  verdrängt  worden  war,  breitet  es  sich 
jetzt  wieder  aus;  nicht  bloss  kretische  und  ionische  Slädte 
copiren  die  athenischen  Tetradrachmen,  auch  bei  den  Lhessa- 
lischen  Aenianen  und  im  makedonischen  Pella,  die  beide  erst 
nach  der  Sehlacht  bei  Pydna  zu  prägen  beginnen,  wird  der 
athenische  Typuscopirt,  Noch  eine  weitere  Verbreitung  mussle 
die  athenische  Münze  gewinnen,  als  Delos  wieder  an  Athen 
fiel  und  bald  nachher  mit  der  Zerstörung  Korinths  die  andern 
Prägslätten  des  griechischen  Festlandes  eingingen.  Erweist 
sich  nun  aber  gleichwohl  in  der  für  Athen  wirthsehafllich  so 
sehr  viel  günstigeren  Zeit  bis  zur  sullanischen  Eroberung  die 
Thätigkeit  der  athenischen  Münze  bereits  als  eine  sehr  un- 
gleiche, so  muss  das  Bedürfniss  nach  eigenem  Geld  in  der 
nächstfolgenden  Periode  bis  zu  den  Bürgerkriegen  doch  ein 
ganz  ungleich  geringeres  gewesen  sein.  Es  kann  sieh  also  für 


'  Seit  Beu46  die  erste  neue  Serie  veröffentliclit  jotzl  Bunlinry,  Numimi. 
Cli-^onicle  III  ser.  vul.  1  (1881)  S.  82:  A'.ovuaio;- Mvauayopa?,  ah  Beiz.  Dio- 
nysos von  vorn  mit  Tliyrsos  und  Kanlharos. 


336  BUENDNISS  DER  ATHENER  MIT  iMITHRADATES 

die  Zeit  von  Sulla's  zweitem  athenischen  Aufenthalt  Ijis  zu 
Antonius  Anwesenheit  (85-39)  nur  um  eine  verschwindend 
kleine  Zahl  von  Serien  handeln*,  so  dass  das  Prägerecht  für 
das  Silbergeld  mit  dem  Jahre  86  zwar  nicht  aufgehört  hat, 
aber  in  der  Folgezeit  von  selbst  eingegangen  ist.  Mit  Sicher- 
heit lassen  sich  denn  auch  diesem  Zeitabschnitt  nur  zuweisen 
die  4  Serien  der  beiden  Diokles.  Der  eine  derselben,  der,  wie 
das  seinem  Namen  beigeschriebene  to  «^£UT£[pov,  und  tö  Tpi[Tov 
angibt,  dreimal  als  erster  Beamte  fungirt  hat,  ist  vielleicht 
identisch  mit  dem  Asklepiospriester  dieses  Namens, 

Schliesslich  noch  eine  Bemerkung  über  die  üeberlieferung, 
in  der  uns  die  Berichte  von  der  Erhebung  des  Aristion  vor- 
liegen. Posidonios  lässt  nur  den  o^Xac, ,  Pausanias  nur  o^jov 
^vjao;  vlv  X3ci  toO  §'^^ou  t6  Tocpxj^öSe;  an  der  Bewegung  sich 
betheiligen,  und  ähnlich  ist,  wenn  auch  nicht  ausnahmslos 
die  Auffassung  bei  den  übrigen  Schriftstellern  der  Kaiserzeit. 
Die  oligarchische  Partei,  die  durch  Sulla  wieder  ans  Ruder 
gelangt,  und  deren  Anschauungsweise  hier  v>  iedergegeben  ist, 
schmeichelte  Sulla  für  die  Schonung,  die  er  bei  der  Eroberung 
Athen  habe  angedeihen  lassen,  für  die  Wiederherstellung  der 
Verfassung,  stiftete  ihm  sogar  ein  längere  Zeit  hindurch  be- 
gangenes Fest  der  SuXXeix^,  und  versuchte  nach  Möglichkeit 
die  Ereignisse  während  des  Kriegs  in  Vergessenheit  zu  bringen. 
Aehnlich  war  die  Haltung  der  kleinasiatischen  Hellenen,  die 
sich  selbst  über  die  Ausführung  des  Mordedikts  hinwegzu- 
setzen wissen.  In  dem  nach  den  Siegen  des  Finibria  erlassenen 
Kriegsmanifest  der  Ephesier^  wider  Milhradates  ist  der  Demos 


*  In  diesem  Zeitraum  wiederholt  sich  denn  auch  eine  Erscheinung,  die 
bereits  im  vierten  Jahrhundert  unter  ähnlichen  Verhältnissen  slaUgefuuden 
hat,  dass  bei  den  halb-barbarischen  Sabäern  in  Südarabien,  bei  denen  die 
attische  Münze  wie  durch  das  perikleische  Athen,  so  auch  jetzt  wieder  durch 
Athens  Besitznahme  von  Delos  zum  Silbercourant  geworden  war,  atheni- 
sches Geld  nachgeprägt  wird,nachdem  der  Geldzufluss  von  dort  versiegt  ist. 

2  C.  I.  AU.  II  481. 

'  Waddington,  Voyage  archiol.  Partie  V  Asie  mineure  n.  139»  Z.  l-IO, 
womit  Velleius  II  23,  4,5  in  seiner  pathetischen  Schilderung  des  belagerten 
Athens  zu  vergleichen  ist. 


BUENDNISS  DER  ATHENER  MIT  MITHRADATES  337 

immer  von gleiclier  Anhänglichkeit  und  Treue  an  das  römische 
Volk  erfüllt  gewesen,  nur  Hinlerlist  und  die  plötzlich  über  sie 
hereinbrechende  üebermacht  der  ponlischen  Heere  haben  den 
Anschluss  bewirkt.  Die  Smyrnäer*  haben  gar  noch  unter  Ti- 
berius  den  Eifer  zu  rühmen,  mit  dem  sie  die  nothleidenden 
Soldaten  des  Sulla  unterstützt  hatten. 

KUD.  WEIL. 


'  Tacit.  Annal.  IV  56. 


Mittheilungen  aus  Griechenland. 


Wie  ich  Mitlh.  V  70  fY.  115  ff.  107  ff.  VI  132  ff.  Reise- 
früchte aus  Böolien,  Phokis ,  Konstantinopel,  Kleinasien* 
veröffentlicht  habe,  so  denke  ich  jetzt  aus  meinen  auf  Attika, 
den  Isthmus,  die  Peloponnes  und  einige  sonstige  Orte  be- 
züglichen Reisenotizen  dasMittheilenswerthe  herauszuheben. 
Ein  paar  in  Athen  abgeschriebene  Inschriften  mögenden 
Anfang  machen,  und  zwar  zuerst  einige  Nachträge  zu  C./.L.  III. 

1.  Grabstele  aus  Porosstein  bei  'Ayix  TpixSx ,  darauf  ganz 
leicht  einoeritzt  und  dann  roth  ausü;emalt  folüende  Inschrift 

D  Do 

D  M 

L  C  O  R  N  ' 
I     V  SAGA 
T  H  O  P  V  S  • 
5         V  I  X  •  AN 
X  X  X  II  X 
B  ■  M 

d.  i.  :  L.  Corn[e]l[i]us  Agathopus  vix  [it)  an  [nis]   XXXIIX 

h  ( ene)  m{erenti). 

2.  Ebenda  Grabstele  von  penteiischem  Marmor  mit  giebel- 
förmiger  P»ekrönung,  die  mit  einer  Epheuranke  verziert  ist. 
Darunter : 


*  Millli.  VI  S.  149  Z  16  von  ol^en  ist  vor  ..coiisularische"  cinzusctiieben 
,,  ordiiuagsmässige. " 


MITTIIEILUNGEN  AUS  GRIECIIENLANÜ  339 

D-  M- 

[.^VALENS   -lANGALI 

MIL-CH-riT-CA/APE 
>FL     lANVARI-VIXIT 
5  ANNIS-XXVII-MILI 

TAVITAN-VIID  O  M  O 
(^V  IRINasCVPOS 

/  \  L  .'        o 
PRAI1-HERES-B-7Ä- 
10  P  O  S  V  I  T 

==  Epfiem.  epigr.  IV  S.  50  n.  103.  —  Z.  7.  Dass  Scupi  der 
tribusQuirirHi  zugetheilt  war,  wissen,  wir  bereits,  vornehTnlicli 
aus  den  SoldatcnIisteTi,s.  das  Register  in  Eph. epigr.  IV  S.  325. 
Zum  Acciisaliv  vgl.  Sciipos  C.  I  L.  VI  2385  6  11;  Vercdlas 
VI  26G4  u.  s.  w.— Z.  8  f.  ergänze:  [  \aine  ex[l)cli  .  .  .] 
praet[oria)  ele. 

3.  Ebenda,,  Bruchstück  eines  marmornen  Grabsteins: 

M  -  S  E  I  V  S  -  M  A  r  =  C.  i.'L.  III  6542. 

MI  L-  LEG    XQEminae 
Ah 
Z.  1  z.  E  stand  MAR 

4.  Fragment  von  liymelt.  Marmor;  obflT)  =111  6112  c. 

Rom 

5.  III  6108  fand  ich  eingemauert  über  der  Gehöftthür  des 
Hauses  von  BxSilia;  r^a-psp-/)?  am  ^pöj7,o;  2xXx[;-Tvo;.  Merkwür- 
dige Buchstabenformen,  z.  13.  stets  A.  iNach  Aelius  und  A?!- 
inamiskem  Punkt,  wobl  aber  nach  LEG  Z.  3. —  Z.  4    X. 

G.  III.  556  a  ;  6109;  6542  befinden  sicli  jetzt  im  Central- 
museum. 


340  MlTTHElLUNGliN  AUS  GRIECHENLAND 

Von  den  griechischen  Grabinschriften,  die  ich  in  Athen 
abgeschrieben  habe,  will  ich  nur  zwei  herausheben,  die  aus 
verschiedenen  Gründen  ein  gewisses  Interesse  beanspruchen 
können. 

7.  Runde  Grabstele  von  hymett.  Marmor,  liegt  vor  dem 
Haus  des  Szupo;  Sxoxi^vi;  in  einem  namenlosen  Gässchen  am 
Südoslfuss  der  Äkropolis  nahe  bei  der  6^6;  ©sgtci^o;  und  ist 
nach  der  Angabe  des  Besitzers  vor  4-5  Jahren  in  dessen  Wein- 
berg bei  Athen  gefunden  worden.  Sie  trägt  zwei  Inschriften, 
ganz  in  der  Ordnung  und  Stellung  ,  wie  ich  sie  hier  abdru- 
cken lasse  : 

a  ATTO  A  AÜ  N  I  O  2 

ZOYOOY 
M  E  I  A  H  Z  I  O  2 

miva  V  JL 

3  w  m  O  I  U  O  O  3  V  O  ü  o 

AVAOXOJ_V>IAOJ.OÜV 

IOWHOOAdOOII.NV 

OA3I  N  yi  V  U 
ZAONSJIOmO 
OOWIOHNO  q 

Die  Stele  ist  also  zweimal  benutzt  worden,  zuerst,  etwa 
im  1.  Jahrh.  n.  Chr.  für  den  Milesier  Apollonios,  dann  ein, 
zwei  Jahrhunderte  später  fürOnesimos  aus  dem  Gau  Paiania. 
Und  zwar  hat  man  sich  bei  der  zweiten  Benutzung  nicht  die 
Mühe  genommen  die  ältere  Inschrift  abzumeisseln, sondern  die 
Stele  einfach  herumgedreht,  so  dass  jene  dann  von  der  Erde 
bedeckt  wurde.— 6  Z.  4  f.  av  xt;  öp'ja<77)  \j.qi,  ot-rzh  toO  •/.aTÖj(_ou 
^uo  TTo^e;  ÖTci'Tto  [7.£toc6xtw.  Gegen  etwaige  Verletzungen  des 
Grabfriedens  gerichtete  Einschärfungen  und  Sanclionen  finden 
sich  ja  auch  sonst  auf  griechischen  Inschriften  aus  römischer 
Zeit  nicht  selten,  jedoch  dürften  der  unsrigen  genauer  ent- 
sprechende Formeln  sich  nicht  oder  doch  nicht  häufig  nach- 


MITTIIEILUNGEN  AUS  OniEGHENLAND  341 

weisen  lassen.  xaTop;  bezeiclinet  liierohne  Zweifel  derrGrab- 
denkslein,  in  welcher  Bedenlung  es  ausserdem,  so  viel  mir 
bekannt,  nur  \on  Hesvcli  bezeugt  ist  (s.  Böekli  zu  C.  I.  G. 
539).  An  sonstigen  Beispielen  aus  früher  Zeit  für  das  Zii- 
sammenrallcn  des  acc.  pl.  dritter  Deeiinalion  mit  dem  Nomi- 
nativ analog  dem  xd^e;  unserer  Inschrift  fehlt  es  nicht,  vgl. 
Deffner,  Archiv  f.  mittel- und  neugriech.  Phil,  l  GO. 

8.  Im  Hof  des  Ceniralmuseiims  liegt  eine  viereckige  Grab- 
stele, auf  der  in  flachem  Relief  eine  elegante ,  zweihenklige 
Amphora  dargestellt  ist.  Bauch  und  IJals  derselben  sind  gelb, 
die  Henkel  roth  und  die  Lippen  blau  bemalt.  Unter  einer 
weissen  Tünche,  mit  der  man  den  Stein  nachmals  überzogen 
hatte,  haben  sich  die  Farben  in  seltener  Frische  erhalten.'* 
Darüber  die  Inschrift  :  AuatTCTci^yi;  AuaiOeou  'Ax^xpvsu;. 

Pirüus. 

9.  In  deröSo;  EuxT^oiz;,  über  der  Thür  eines  Hauses  r.  Hand, 
wenn  man  von  der  Dogana  herkommt  ('AvTovto;  Mxvivä«;),  ist 
eine  Grabslele  von  weissem  Marmor  eingemauert^.  Darauf  ist 
dargestellt  ein  Soldat  in  Paenula  und  gegürteter  Tunica,  mit 
einem  Schwert  an  der  r.  und  einem  Dolch  an  der  1.  Seite.  Die 
1.  Hand  stemmt  er  auf  ein  auf  den  Boden  aufgestütztes  Schild, 
mit  der  r.  hält  er  einen  grossen  Speer.  Darüber  die  Inschrift: 

M  •  VaaL  Lk  I 
CARITO  N  ■  AVE  • 
CLASS-PR-MIS-  D-AELIANi 
MIL-ANN-XXII    VIXANN-XL§ 

Also  :  M.  Valeri  Capiton  ave  etc. 

10.  In  einem  andern  Haus  des  'Avtcovio?  MzvivX? ,  öf^ö;  EO- 
ttXoCz?,  wird  ausser  einem  Bi'uchstück  von  einem  grossen  Grab- 
relief auch  eine  runde,  marmorne  Stele  aufbewahrt,  die  einem 


*  Doch  fingen  sie  jetzt  bereits  an  zu  schwinden,  da  der  Stein,  platt  auf 
der  Erde  liegend,  dem  Wetter  ausgesetzt  ist. 
'  Mir  von  A.  Milchhöfer  indiciert. 


342  MITTHEILUNGEN  AUS  GRIECHENLAND 

Weihgeschenk  zum  Untersatz  diente.  Sie  trägt  folgende  dem 
4.  oder  3.  Jahrh.  angehörige  Inschrift  : 

NIKAFOP/ 
01  AKTI  AO  Y 
TYN  H  PAi  AN  lEQ^ 
AI  I  AHPON 

KATAMANTEIAN 
A  N  EO  H  K  E 

11.  Herr  Bucherer  besitzt  ein  Grabrelief  von  pentelischem 
Marmor,  dessen  unterer  Tlieil  weggebrochen  ist.  Es  stellt  in 
recht  leidlicher  Arbeit  1.  einen  Mann  dar,  der,  nach  r.  ge- 
wendet, mit  der  L.  einen  grossen  Stock  aufstützt.  Ein  Mantel 
dient  ihm  zur  Kleidung,  lässt  aber  die  Brust  nackt.  11.  ent- 
spriclit  ihm  eine  Frau,  ein  wenig  nach  1.  gewandt,  mit  Chi- 
ton und  Mantel  bekleidet  und  verschleiert.  Anten  zu  beiden 
Seiten  und  ein  dem  Gebälk  und  Dach  einer  Tempellangseite 
nachgebildeter,  mit  Akroterion  abschliessender  Rand  oben 
rahmen  dieDarstellung  architectonisch  ein.  Auf  letzterem  liest 
man  die  Namen  des  dargestellten  Paares: 

(MAOrEITflNEKKEPAMElüNPEIsArOPA 

Den  Buchstaben  nach  muss  das  Denkmal  etwa  aus  dem  4ten 
Jahrhundert  stammen,  eine  Annahme,  mit  der  auch  die  Aus- 
führung und  die  äussere  Form  des  Reliefs  wohl  harmoniert. 

12.  In  gleichem  Besitz  befindet  sich  eine  kleine  runde  Grab- 
stele von  hym.  Marmor  mit  der  Inschrift: 

E  VT  YX05: 

XPH  ^To  s: 

13.  Mit  n"  ll  und  12  zusammen  wird  jetzt  auch  C.  I.  L. 
IM  5o8  aufbewahrt,  und  III  557    ist  im  Hof  eines,  an  dem 


MITTHEILUNGEN  AUS  GHIECIIENLAND  343 

«aa^ocToc'jiov  gelegenen  IJauses  des  Herrn  Bncherer  einge- 
mauert. 

Im  Garten  des  x.a'pevETov  am  Terpsilheaplatz  (dem  Herrn 
2y.u>iT^-/);  goliörig)  schrieb  ich  drei  Grabinschriften  ab,  die 
ich  nach  (h.Mn  Allel'  in  absteigender  Folge  miltheile  : 

li.   Hunde  Grabsiele  : 

E  YX  API  ^ 
I  E  P^N  Y  MO Y 
HAAAHNEfiS: 
G  Y  r  A  T  H  P 

15.  Desgleichen  : 

MAMMAPON 
AY  ^1  M  AXO  Y 
K  H  (j)l  ^  lEHs: 
O  Y  r  A  T  H  P 

16.  Grabrelief  aus  römischer  Zeit.  Der  untere  Theil  der 
Reliefplalte  ist  abgebrochen,  erhalten  nur  (1.)  der  Kopf  eines 
Jünglings.  Die  Darstellung  war  r.  und  1.  von  Anten  einge- 
schlossen, auf  deren  Capilälen  ein  Bogen  aufliegt,  an  den  sich 
weiter  ein  Fries  und  eine  giebelförmige  Bekrönung  mit  drei 
Akroterien  anschliesst.  Auf  dem  Fries  die  Insclirift  : 

KAAAIA5:ETTArA0OY 

leb  lasse  nun  wenige,  auf  einer  Wanderung  durch  Attica 
gesammelte,  auf  Inschriften  sowie  auf  bauliche  und  Scnlplur- 
überreste  bezügliche  Notizen  folgen.  Letztere  dürften  eineslbeils 
bei  topographischen  Untersuchungen  einige  Rücksicht  ver- 
dienen, zum  andern  Theil  dem  künftigen  Sammler  der  zer- 
streuten Bildwerke  Atticas  nicht  unerwünscht  sein.  Was  jeder 
Reisende  von  sell)st  leicht  findet^  bleibt  unerwähnt. 

17.  Vor  der  Seilenthür   der  Kirche  'Aytcc  Ax^x  ^j/'^  Stunde 


344  MITTHEILUNGEN  AUS  GRIECHENLAND 

südösllich  von  Markopulo  fand  ich  ein  Stück  einer  Marmor- 
platte  mit  folgender  späten  Inschrift : 

AITTA  NTUJN  T  UU  N  TT  P 
nONOIKONTOYTONS 
frei 

18.  Auf  einem  oben  ausgeholten  Block  von  penlelischem 
Marmor  an  der  Schwelle  der  Hauptthür  liest  man  noch  fol- 
gende Buchstaben  aus  guter  Zeit :   CIA'  ...  . 

19.  An  der  K.  des  ''Ayto?  "SvaoXxq^  bei  Dagla  ist,  wie  man 
mir  erzählte,  ausserhalb  an  der  Apsis  ein  Grabrelief  einge- 
mauert evx  |xiy.po  TcxiSxxi  darstellend. 

20.  Etwa  100  Schritt  nördlich  von  'Ayix  Xx^x,  bei  einer 
alten  Cisterne,  erblickt  man,  zum  Theil  noch  in  siiu  ,  grosse 
Conglomeratsteinblöcke,  offenbar  üeberbleibsei  einer  antiken 
Anlage. 

Eine  Viertelstunde  weiter  östlich  befindet  sich  die  Kapelle 
des  "Ayio;  rswpyio?.  Zur  Oberschwelle  ihrer  Thüre  hat  man 
eine  ganze,  stehende  Gewandstatue  benutzt.  Im  Innern  liegt 
ein  feines,  ionisches  Capital  (0,31'"  vom  Ende  der  einen  Vo- 
lute zu  dem  der  andern).  Grosse  Kalkstein  blocke  sind  von 
dem  zerfallenen  Peribölos  erhalten. 

Einige  hundert  Schritt  weiter,  nur  etwa  zehn  Minuten  vom 
Fuss  des  Merendaberges  entfernt,  trifft  man  auf  die  Ruine 
eines  viereckigen,  antiken  Baus  aus  machtigen  Conglomerat- 
quadern.  Sie  misst  jetzt  etwa  5  ^2  X  7  Schritt.  Von  der  nach 
Hasia  Lada  hinschauenden  Mauer  rao;en  noch  drei  Schichten, 
Läufer  mit  Bindern  wechselnd,,  über  den  Boden  empor.  Durch 
die  Lücken  schaut  ein  Kern  von  Gussmasse  hindurch. 

Abermals  ein  paar  hundert  Schritt  weiter  nach  Osten  er- 
hebt sich  ein  Erdhiigel  mit  niedrigem  Geslräuch  und  einer 
einzelnen  Fichte  bewachsen.  Seine  Höhe  beträgt  gegen  3™,  sein 
Umfang  c.  90  Schritt.  Offenbar  verdankter  künstlicher  Auf- 
schüttung seinen  Ur.sprung,  und  man  wird  kaum  irren,  w-enn 
man  ihn  als  eine  Grabanlage  betrachtet. 


MITTHKILUNGKN  AUS  GRIECHENLAND 


345 


21.  Auf  dem  Äbliangoines  Flülienziigcsetwii  ^2  ^t-  nordöst- 
lich von  der  'Ayix  MepevSx  liegt  der  alle  kloslerhof  und  die 
Kirche  der  'Ayix  Toix^x  (vgl.  IUjss  Arch.  Aufs,  I  22G)  mit 
einem  von  hoher  Mauer  umgebenen,  geräumigen  Tcept^oT^i. 
Unten  am  Fuss  des  Hügels  (nach  N.  zu)  breiten  sich  grüne 
Felder  aus  von  einem  ßach  getränkt  und  einem  dichten  Oli- 
venhain überschatlet.  Das  reptS^Xi  nimmt  ein  wolilgepflegler 
Garten  ein  mit  einer  dicken,  uralten  Olive  in  der  Mitlej  Zur 
Seite  befindet  sich  ein  grosses  Bassin,  in  das  sich  eine  Quelle 
mit  starkem  Strom  ergiesst.  An  der  rechten  l^angseite  der 
Kirche  ist  aussen ,  2  Fuss  über  dem  Boden  ,  eine  Büste  von 
penlelischem  Marmor  eingemauert.  Damit  sie  sich  besser  zum 
Baustück  eignete,  hat  man  ihr  das  Gesicht  abgesägt.  Ausser- 
dem bemerkt  man  mehrere  spälröraischeCapitäle  und,  beson- 
ders an  der  Facade,  viele  Marmorstücke  mit  byzantinischer 
Sculptur.  Unten  am  Südabhang  des  Hügels  liegt  ein  anderes 
'K&oi.^oli  ebenfalls  mit  einer  Quelle  und  fruchtbarem  Ackerland. 

Es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  ein  Punkt,  der  durch  so 
ausnahmsweise  günstige  Verhältnisse  zum  Anbau  einladet^von 
den  ältesten  Zeilen  her  bewohnt  gewesen  ist;  und  gewiss 
würden  reichlicJiere  Ueberresle  des  Alterthums  dies  bezeugen, 
wenn  nicht  gei'ade  die  wahrscheinlich  ununterbrochene  Be- 
siüdelung  des  von  der  Natur  so  bevorzugten  Platzes  ihrer  Er- 
haltuuiJr  bis  auf  unsere  Taore  ent<ieij;ena;ewirkt  hätte. 

22.  Auf  dem  von  Kylon  errichteten  Stein  in  Liopesi.  (C./.tI. 
I  472)  habe  ich  Z.  3  ein  paar  Elemente  von  Buchstaben  mehr 
gelesen  als  meine  Vorgänger.  Ein  nach  meinen  Abschriften  und 
Abklatschen  angefertigtes  Facsimile  lasse  ich  hier  folgen*. 


|n^®KK^A^:©ANOTOIrMtRM; 


'  Die  Roste  nach  9'./.r,[jLQ'jjvr,;  können  nur  von  Hl  oder  allen  falls  von  5 
lienüliren,  das  auf  altauisclien  Insclir.  zwar  sonst  niciit  nachgewiesen  ist 


346  MITTHEILUNGEN  AUS  GIUECHENLAND 

23.  Die  Inschrift  Kumanudes  'ETirtTup-^.  946  vgl.  Hoss  a. 
A.  I  .213  ist  jetzt  an  der  Mauer  des  Hofes  von  Nix^Xao;  2t3c- 
{jtaxv);  zu  Liopesi  eingemauert :  das  5!  in  Z.  3  fehlt. 

24.  Auf  einem  Block  von  pentel.  Marmor,  der  den  I.  Thiir- 
pfosten  der  K.  toO  «yiou  'Iwxwou  zu  Liopesi  bildet,  finden  sich 
folgende  Reste  einer  Inschrift:  AENEKP(P/f§ 

25.  In  der  kleinen  Kirche  bei  Pikjermi  am  Südostfuss 
des  Pentelikon  fand  ich  ionische  Capilale,  Säuienscliäfte,  eine 
Grabslele  mit  zwei  Rosetten,  aber  völlig  erloschener  Inschrift, 
ein  Stück  von  einem  Grabrelief,  zu  einer  bekleideten,  sitzenden 
Gestalt  gehörig,  endlich  eine  Marmorplatte  mit  den  flüchtig 
eingeritzten  Buchstaben  : 

frei 
EM  E  A  E I  T  O 
EPEMEAEITO 
frei 

26.  Auf  dem  eine  St.  weiter  nördlich  gelegenen  Mühlhol 
To  Apcc^o?  an  der  Treppe  vor  dem  Hause  des  'IWixc,  IleTpö- 
tto'jXo;  sind  zwei  in  der  Nähe  gefundene  Sculpturfra.gmente 
eingemauert :  a)  Unlerer  Theil  einer  Gewandstatue  mit  dem 
Rest  eines  V'ogeis  in  der  L.  b)  Bruchstück  eines  Sarkophags, 
■einen  Knaben  darstellend,  der  nach  r.  ausschreitend  in  der 
erhobenen  L.  eine  Schale  mitAepfeln  trägt.  Seine  R.  ist  abge- 
brociien.  Sonst  nackt,  trägt  er  ein  Mäntelchen,  das,  auf  der 
r.  Schulter  mit  einer  Spange  befestigt,  nur  einen  kleinen  Theil 
der  Brust  bedeckt  *. 

27.  Im  Hof  des  Klosters  Dafni  fand  ich  einen  Grabstein 
mit  folgender  Inschrift: 


aber  doch  (lenkbar  wäre  (s.  Kirchbuff  Stiidieii  3  Aufl.  83  u.  85).  Sonst  ist 
man  gezwungen  auch  liier  einen  I-'eliler  des  Slcinnietzeu  anzunehmen.  Vor 
dem  zweiten  O  ist  ein  H  sicher. 

*  Eine  mir  in  der  einsam  am  Siidai)han^'  dos  Pentelikon  ?:clegcncn  Iv.  xä 
KaX06ta  indiciertc  Inschrift  suclile  ich  dort  vergebens.  Sie  belindet  sich,  wie 
ich  später  erfuhr,  vielmehr  in  Dau  Monastiri. 


MITTHEILUNGKN  AUS  GRIECHENLAND  347 

(X  p  X  I  n  n  H 
(i-Xe;ANAPOY 
T^y.  aTwTPEn^ 

28.  Beim  Stralongrab  auf  dem  Wc^e  von  Dafni  nach  Eleu- 
sis  liegt  ein  grosser  Block  pentelischen  Marmors  mitden  Buch- 
slaben :  APXHZKAEIN.  10- 15  Minuten  davon  nach  Dafni 
zu  sah  ich  am  Wege  einen  zweiten  Block  mit  den  Buch- 
staben: AAEZINZ.  Beide  Fragmente  gehören  zusammen. 
Leider  schliesst  das  zweite  Stück  nicht  unmittelbar  an  das 
erste  an,  obwohl  es  zu  derselben  Zeile  gehört. 

Eleusis. 

29.  Vor  dem  Thor  des  Gehöftes  von  'ävtwvio;  2i\iz;  sah 
ich  einen  Block  von  pentel.  Marmor  mit  der  Inschrift  OINAIOI 
inmitten  eines  Oelkranzes. 

30.  Im  Museum  schrieb  ich  folgendes  kleine  Bruchstück 
einer  Rechnungsurkunde  ab  : 

H  H  P  1-  I-  (-  I- 
X  X  P  H  H  H  P 
XXXPHHHh 

h  H  p  A  n  h 

•  A  A  A§hl- 
Weiter  zwei  vor  nicht  langer  Zeit  gefundene  Fragmente: 

31.  <    A    I 

N  I  AO 
P  IM 
>J  r  EN 

32.  ^\  A 

c  I  e  p 
A  e  e  K  A 

GKAAAM  " 
5  YTA  ICICA 

Y  M  e  N  O  I  C  I 
T  e  T  A  K  T  A 

'  ACA  ' 

MITTH.D.  ARCH.INST.VI.  23 


348  MITTflEILUNGEN  AUS  GRIECHENLAND 

I  ist  zweimal,  in  Z.  5  und  6,  mit  zwei  darüber  gesetzten 
Puniitea  bezeichnet.  Punkte  über  dem  I  finden  sich  ziemlich 
früh  auf  oriech.  Inschriften.  Ich  glaube  indessen,  dass  die- 
selben  hier  nicht  zu  dem  Buchstaben  gehören ,  sondern 
wie  der— wohl  nur  aus  Versehen  — einzelne  Punkt  über  dem 
C  Z.  8  als  eine  Art  von  Interpunction,  zur  Bezeichnung  eines 
Versendes  dienen. 

Von  einer  Anzahl  weiterer  vor  kurzem  beim  Abbruch  einer 
Mauer  gefundenen  Inschriften  und  Inschriftenfragmente  musste 
ich  mich  besnüsren  bei  der  hereinbrechenden  Dunkelheit 
Graffitabzüge  zu  nehmen.  Danach  theile  ich  sie  mit. 

33.  Marmorfragment  : 

Tt€.  xX.  Aucri  A  A  O  Y  A  A  A  O  Y  X  O  Y 
uluviOevtx  k  ({)  E  C  T  I  A  C 
frei 

vgl.  C.  /.  G.  448,  423,  Böckh  zu  n"  393  und  385. 


34.  Desgl.  \2Aß 

E  AE  Y~  (Tiv... 


35.  Desgl.  DNA20Z2TAXY02-  ZQ.^\ 

BIMIillJ[/lOMA\EY^-£  KTPI  NOM 

d.  i.  "OvxTo;   Stxj^uo?  [  Aijoaaisu;,    Z(0T[i{Jt.7]  toO   oeTvac]  ix.  Tpi- 
voa[eo>v]. 

Tpivoa[£o)v]  *  sonst  bisher  nicht  nachgewiesene  Nebenform 
zu  Tptve[;.eü)v  ;  e>c  Tpivo(7.eo>v  wie  i/.  Kspxtjteov,  dagegen  Kum. 
ETCiTuaS.  1202  Tptvejjiseu;, 

36.  Desgl.  6  V  I  Z  I  4)  O  P  O  N  Toa  Seivoc 

M  E  I  A  H  Z  I  ou 


Oder  TpivojJLst'wv  vgl.  KepafjLciwv  oben  uo.ll  und  Tptv£[i£EÜ;  Kuman.  1202. 


MITTHEILUNGEN  AUS  GRIECHENLAND  349 

37.  I A^  u  I 

ATPO 

38.  Runde  Grabstcle:         ZENNEA2 

EZO  10  Y 


39.   Desgl.  öZa 

KAAAIKKPATOY(;?)     so 

A  A  A I  E  n  s: 

r  YN  H 


In  den  oberen  Tempeltrümmern  schrieb  ich  die  Inschriften 
zweier  Bruchstüci^e  von  marmornen  Basen  ab  : 

40.  KO 
2:TP  AT 
E  KBH  2/ 
"  Ol  NO  E 
AH  M  HTP 

frei 

Die  bisherigen  Publicationen  dieser  Inschrift  gehen  alle  auf 
Spon  zurück  (s.  C.  /.  G.  449.  C.  /.  A.  11!  930),  der,  die  Treue 
seiner  Abschrift  vorausgesetzt,  sie  noch  vollständiger  gesehen 
haben  müsste.  Indess  kann  icli  mich  des  Zweifels  nicht  er- 
wehren, ob  nicht,  was  er  mehr  giebt,  nur  auf  Ergänzung 
beruhe  und  also  besonders  in  der  letzten  Zeile  vielmehr  A-^- 
p.YiTpri  xxi  Köpri]  zu  lesen  sei. 

41.  N  M 

<  O  Z  S  Y  r  K  >7iTix.ö?. 
frei 

42.  An  einem  der  neuen  Häuser  von  der  Kirche  aus  in 
nordöstlicher  Richtung  ist  neben  der  Thür  ein  offenbar  beim 
Bau  desselben  gefundener  Torso  eines  nackten  Jünglings  oder 


350  MITTIIEILÜNGEN  AUS  GRIECHENLAND 

Knaben  in  einer  Nische  aufgestellt.  Es  fehlen  die  Arme  und 
die  Beine  von  über  den  Knien  ah, das  Gesicht  ist  abgeschlagen. 
Die  Afheit  ist  nicht  übel. 
Me2;a  ra. 
43.  Die  Säule  mit  der  Inschrift  Le  Bas-Foucart  47'  befindet 
sich  jetzt  vor  dem  Hause  des  KcovjTavtivo;  BXxt.  Mwpxi'TYi;. 
Meine  Copie  stimmt  mit  derFoucartsim  wesentlichen  überein, 
nur  habe  ich  zuEnde  vonZ.  3,4,  5,  6so  wie  nach  AHMAPXiK 
in  Z.  7  und  O  in  Z.  8  einen  Punkt  notiert,  das  1.  von  e;ou['7](ix;) 
nicht  mehr  entdecken  können  und  über  den  Zaiilzeichen  O 
und  r  in  Z.  8  einen  Strich  gefunden.  Ausserdem  glaubte  ich 
unter  Z.  8  inder  Mitte  noch  Beste  von  Schriftzeichen  wahrzu- 
nehmen, die  mir  aber  befriedigend  zu  entziffern  nicht  gelang.— 
Foucart*  hat  in  dieser  Insclirift  den  Anfang  entweder  eines 
Rescripts  des  Kaisers  Hadrian  oder  einer  von  ihm  gemachten 
Widmung  erkennen  wollen.  Allein  auf  Z.  8  folgt  — abgesehen 
von  jenen  problematischen  Zeichen  in  der  Mitte  — soweit  die 
Säule  erhalten  ist,  freier  Raum  ;  auch  würde  man  sowohl  ein 
kaiserliches  Rescript  wie  eine  längere  Widmnngsinschrift 
schwerlich  auf  eine  solche  kleine,  nur  roh  bearbeitete  Säule 
eingehauen  haben.  Dagegen  passt  die  Form  der  letzteren  und 
der  Inschrift  selber  vortrefflich  für  einen  Meilenstein:  man 
vergleiche  nur  die  von  Lolling  bei  Hypata  gefundene  Wegein- 
schrift (Mitth.  I  350  f.  Eph.  epigr.  IV  52),  die  abgesehen  von 
den  Entfernungsangaben  und  der  lateinischen  Abfassung  mit 
unserer  auf's  Haar  übereinstimmt.  Und  nähere  Erwägung 
erhöht  die  Wahrscheinlichkeit  dieser  Auffassung.  Pausanias 
berichtet  nämlich,  dass  Hadrian  an  Stelle  des  schmalen  Fuss- 
pfades,  der  bis  dahin  über  die  skironischen  Klippen  führte, 
eine  bequeme,  für  zwei  Wagen  neben  einander  Baum  ge- 
währende Strasse  habe  bauen  lassen  (1,  44,  10).  Nun  darf 
man  es  für  so  gut  wie  gew iss  ansehen,  dass  Hadrian  die  etwa 
jährige  Zwischenzeit  zwischen  seiner  Abreise  aus  Asien  und 


'  L'iid  mii  ihin  uoulicli  Dürr,   Die  Reisen,  des  Kaisers  Hadrian,  Wien 
1881  S.  58. 


MITTHEILUNGEN  AUS  GRIECHENLAND  351 

seiner  ersten  Ankunft  in  Allien  im  Herbst  12;')  mit  einer  Reise 
durch  T!irai<ien,  Makedonien  und  iNordgriechenland  ausge- 
füllt habe.  Bei  dieser  Gelegenheit  wird  er,  entweder  von  Böo- 
tien  aus  oder  von  Delphi  nach  dem  Isthmus  übersetzend,  auch 
nach  Megara  gekommen  sein  und  den  Bau  jener  Strasse  (wie 
auch  den  prächtigen  jNeubau  des  Apollolempels  Paus,  l  42,  5) 
verfügt  haben.  Kine  ähnliche  VVohlthat  hatte  er  nacli  dem 
oben  erwähnten  Zeugniss  kurz  vorher  der  Gegend  von  Hypata 
widerfahren  lassend  Sonach  werden  jene  von  mir  nicht  ent- 
zi Herten  Beste  unter  Z.  8  wahrscheinlich  eine  Entfernungs- 
angabe enthalten. 

44.  Der  vorhin  genannte  Kovctävtivo;  MopxtTvi;  bewahrt 
auch  ein  in  seinem  Weinbei'g  gefundenes  Marmorfragment 
mit  folsjenden  Buchstaben  : 

A  I  O  r  £  v'/) ; 
A  I  O  T  i  |;.  0  u 

45.  Von  einem  grossen  Marmorbruchstück  in  der  Mauer  des 
Hofes  von  Srupo;  Tiica;  copierte  ich  diese  Inschriftreste: 

1 1 

AC 

I A         e 
N  e  i  K  o 

rJToxTo; ...     £  I    B  I 

Ein  anderes  grosses  zugehöriges  Stück  ist  verloren  ge- 
gangen. 


*  Woiilfimon  ihn  erst  auf  einerü  Ausfluc;  vou  Athen  (vgl.  Dürr  a.a.().58) 
Megara  besuchen  lassen,  soMÜrdc  die  Zeit  für  den  Slrassenbau  bis  zum  9tcii 
Dcc.  125  etwas  knapp  werden,  imuicr  vorausifesetzt,  da^s  man  diesen  Gna- 
denbeweis richtig  mit  einer  persönlichen  Anwesenheil  Hadrians  in  Megara 
verbindet. 


S.Vi 


MITTIIKILIINdlON  AI!S  (illll-XlIKNLANI) 


^i(J.  I)(M'H('II)(!  M;irm  Ix^hII/,!,  .•iiicIi  «;in  in  Hcitinrn  Mof  ^MiCiin- 
ilnrniH,  2i  Z(iilif<<'H  linicIiHUick  von  <!iii(',Mi  f-lliiTiidcci«',!,  (jlvva  aus 
der  Mille  des  \l\v,i\  .ImIiiIi  v.  i'.\\r  Die  UiicIiHralM'-ii  HJnd  vi(df;u;li 
vr-rHl.()HH(!ii,  und  die  AI)Mcliriri,  IhI,  (hisli.'ill)  /(ulraiihnnd.  Icli 
niWHHln  vv(;{^M!n  Zi^ilirianf^cl  di(5  (lopic  ald(i<!(di('ii.  (ilcirliwolil 
Hclicinl  CS  mir  rallisaiii  didsü  Altsclirifl,  eines  TIkmIh  des  Decrels 
nic-lil.  /uruck/jd)eliall(;n,  weil  tiieiiiern  IN;i(dd<il^'er  dadurch  die 
Au^^^■^l)(!  (;rlei(;lil('.rl  werden  kann.  — I)(U'  AuHlall  am  linde  wird 
in  den  lolf^iMKNüi  Zeilen  irrimt^- ^^erin^er,  sodass  in  den  Iclzlon 
nur  noeli  ein  paar  liiielislahen  fehlen.  Die  Liinj^e  der  /(iijen 
Hlcdil.  dur<'.h  /.  I  i  (esl  ,  wo  (Iim-Ii  wohl  nielil,  anders  (irgän/l 
WCU'don  kann  als;   6tp[vjv7i^  äocI  /.«t«  y?iv  y.txt]  ^tscaä  x.t>. 


M  o  Y  >:  r  E  :l 

TAN  ArPAlQI 
(l)ANf)IKAIEIKO 
T)  ZAPÜX  TOAHIZT 

XOYf/AI5:TEIANA§/ 

>:  Y  N II H  n  E  p  o  i  Yj  T  A  in  / 

K  A  I  T  ü  N  r  P  A  M  M  A  r  H  A  I  K 
n  ir  n  I  X  Y  N  P  P  A  r  M  A  T  E  Y  O  H 

10  5:aiaetoY5:2:te(1)ANoY2:en 
o  m  ü i  .q  >:  a  i ■:  k  a  i  e  n  i  u  i  a  p  ü  n  i  q  2  i 

TniAriOAAaNITQIAHAiaiEINAIAEAuTou; 
Q  :^  H  M Q  N  K  A  I A  Y  TO Y  5:  K  A  I  E  K  r  O  N  O  Y  5:  A  0  öv  oct 
K  A  II  2;  Ol  E  A  E  I  A  N  )t  A  I  P  O  A  E  M  O  Y  K  A  I  E  I  P  •;)  v/1  5 
1  f.   K  A  T  A  O  A  A  A  Z  :5:  A  v  0  /i  a  vi ;  K  A  I  T  a  >.  >  A  P  A  N  T  oc 
K  A  I  E  Y  E  P  r  E  T  A  i  rr  T-  H  >:  P  0  A  E  Q  Z  Y  .  I  M  .  .  E 


i7.  Im  M(d  hei  der  Kircdn;  lUvjcyix  toO  KoW-nyn  (indel  man 
oirui  ^ruHst^  (Jewandslaliie  als  SUdensehwidle  hennl/,1.. 

lOhcnsn  lieji^l,  .'in  <ler  sudweslIielnMi  l']ek(^  (\rv  ex.x.'Xyi'tiz  toO 
XptfjToO  di«'.  nnl.ere  lliilfle.  einer  nh(!rl(d»(;ns<:,r<>ssen  ,  weihliehen 
(lewandslaln(\  mil.  d(»|)|>e|l|;e<2;iirl(^l(Mn  C.hilon  und  Manl.el. 

Diu  Mcf^arenser   Hauern   lindcii   aul"   ihren    Feldern   liiinriü; 


MITTUKIMINIU'IN  MIS  r.HlKCllKNI.ANl)  353 

nniclialiicki»  von  MarmorsculiiimiMi,  NastMi,  rcnacollaHmiren 
und  (Kw'gl.  (.i(<<<;oi)sliiii(l(>ii,  die  ans  in  IVnhn'«'!'  /eil  licrrits  ^o- 
plilntliM'lt'n  (iriilx'i'n  lici  rnliicn.  In  einer  ^rosHiMcii  Saniinlnn^ 
von  sniclicn  Sluckcn  lieliMi  mir  Ik'.s(hi(I(M',s  zwei  »an her  geai- 
lKMloloSloin\verk/,(Mi}j;e  aus  Dioril  anl',  rern(u;v(U'gol»Jel(>T(M'ra- 
col.lakn("»|ir(i  V(Mi  der  (Jr(">ss(>  eines  Markslindvs,  anl' denen  in 
zi»M'li(dier  Ansrnliniiii;  ,  wenn  ieli  mich  leelil  ermiien',  ein 
llürakitpr  lind  zwei  kniende p'lli'iiiiellel'lrolcu  darj^eslelll.  Nvnivii, 
!\  e  u  k  o  r  i  II I  li. 
IS.  In  dem  lldTdes  lltius(<s  von  W«o(p«vYi;  PivTvi;  slelil  ein 
grosses  Wasserlieeken  ,  das  ans  eiiieiu  anlikeii  Mai  inorjdoek 
g(diauen  \Mn*deii  isl.  \'(mi  d(M*  iin\  ersidirl  }j;elasseneii  Uuekseilo 
cnpierle  ieli  den  Anfang  eines  |inie(nisulariselien  UesoripU, 
das  palaDi^rapliiselh'ii  und  (irllin<>'raplii8elien  und  sonsli^iMi 
lndiei(Mi  /.urol<;e.  aus  d(Mn  iUmi  .lalirliunderl.  hlaininen  inuHH.  '<* 
In  Hiiiseliriri :  «10>((xßio0  OiUttUo«)  Mx)caüi();  A  'kcc[L(T:^6xxxf)i) 
avO(u7CXTo;)  Vvcyei*  |  (p/j(;ü;  kxI  Äyvoix  xiikv  <'^iK.aJ^()(j.tv«.)v  |  «^-(ipoaOo), 
H«l  i^.'nTC  6  v(j(;.iC<i>v  PxpiejtlaOÄi  «ieci  toO  c^tjcaaroO,  ßncp  ul^x 
cuixCstrvov ,  I  T'?l;  T«7)v  v/jixwv  a7i:üTTjp(c)iaO<.)  Poy|0(e)lx?,  |  [|x]'ÖTe  6 
ßou>.(5jAtvo(;  )tc/p91a0xi  ^i'  ölyvoixv  [[ty-JoT-/);  (XTCicipix;  Ttie^eUOd).  a(X- 
^OTtp(.)v  (  ['U  6]iActv  tiTiv  )eiii;  '/irt  toO  «intaTToO  |  [t)c  TojO  TcpoOt- 

Z.  (1.  I.  fii*  Äyvoixv  [tx]ijt>yi;  (XTreipioc;  darl"  \\(dil  .s(i  anfj^idaHst 
Nverden  :  , .weifen  der  iJiesor  llnerralireiilieil  (M|;,emni  lluknndo". 
Das  |l(djii}4;i:  isl,  oinlaeli.-  Meine  lleMiiiiiniif'tui  den  i'eseiii)i(!- 
rcMideii  Slallliallcr   anderswo  nacdiziiwciHen   waren  verf;<d)li(di. 

Ü).  Anl  ileiiisrIlicM  Mul  li(  liiidi  n  sicdi  verseliiedeneSeii Ipl iir- 
i'raguienü^  so  ein  Uidierdarsüdkiid  eine,  Ania/.one  (  nur  iiaihor- 
iialUtn  auf  Hpren;j;eiideiii  Itoss  ),  reriier  liio  Slalii(M>iiies  Mannes 
von  ciiieni  Sarkoplia;;de(  k(d  (rOniisidi),  i'er/ier  eine  Sjdiinx  auH 

'  DiM'  MaiiKi'l  jcilcr  Aliiiiil/.iniKsspiii  iiml  ilic  stinke  DiirelilVlIiniK  Hcliciiic-il 
zu  hi^.wciücii,  (Idss  ilii'  \Vt'ik/,cii(;(>/(iiii  Miliiinirn  von 'riiicrcii  ^ctliiMil  ImiIh'II. 

>  I  l)i(>  IllHclirill  isl  in  Hiiriüli-ii  i-iiiil  MiMli  IV  i^  101).  Icli  liolire  <li(i 
Ahwi'.icIiiiiiKi'ii  der  iiciiini  Ahscliiül  ;  /.  1  •!' A ,  C)Y  All  .  —  Z.  3  h,  Iv  BAPi 
ifirif}  A.  \  li.  i;.  UAINON  Z.  5  u.  M.  IJUH0IAC  — Z.  7  l.  A.  lYTHC 
—  Z,  0  /..  A.   JYIII'ü-  II,  K.  I 


354  MITTHEILUNGEN  AUS  GRIECHENLAND 

Terracotta,   endlich  ein  grosses  Fragment  von  einem  poly- 
chromen Terracot.tafries  mit  Paimetten  und  Maeandern,  wohl 
mit  den  jüngsten  der  in  Olympia  gefundenen  analogen  Stücke 
in  Farbe  und  Muster  sich  berührend. 
Altkorinth. 

50.  Ich  nahm  Abschrift  und  Abklatsch  von  der  auf  einer 
Stufe  der  Treppe,  welche  zur  Schule  in  der  e^/Avicioc  t-^;  Ux- 
v(XYi5'?  hinaufführt,  erhaltenen  Inschrift  C.  I.  L.  111  G098  : 

Q     F     A     r 
Q-   Ff 
C  A  .  P  E  I 
PRCcAuCPOV 
5         ACHAIAI-PRAE 
TRIB-MILIT-LEC-^ 
CVP/TORlN  'AE-NC 
VS-C^  'S>irV«' 
C  E  1 1  \  1 1 1 

d.  i.  :  Q.  Fa[bio?]  Q.  f.  [h^ibiis]  C'a[s?l/ye/)r[öc].  A[i(]g.  prov[ina'ae] 
Ächata[e],  prac[f.  eqait.]  \  trlb.  milit.  teg. . . .  |  cu[r]at[ori  vi]ae 
Nolmeiitanae]. . . . 

Z.  3  der  dritte  Buchslabe  kann  wohl  auch  R  sein.  Betreffs 
der  Ergänzung  von  Z.  5  vgl.  Hirschfeld,  Verwaltungsbeamle 
252,  zu  Z.  7  s.  ebenda  S.'ll2  und  Wilm.  1815. 

51.  Im  Pflaster  der  Gailerie  vor  derselben  Kirche  fand  ich 
folgendes  Bruchstück : 

I  \  I 
M  O  D  E  S  T  I  N  Mm 
ATTIVM-LABEONEM 
Xvir.        STLITi-^^'S-lYDICAN 
Z.   1.1.  ri 

Akrokor  i  n  th. 
52-54.  Die  Blöcke  des  1.  Pilasters  des  Eino;an£fsthores  der 
Burgquelle  tragen  in  grossen  Buchstaben  die  Inschriften : 


MITTHEILUNGEN  AUS  GRIECHENLAND  355 

a     L  V  C  R  I  O         b     f,  lERO  c     MVSSIVS 

V-IDACC  A-D-Il!  y//\IIK-A 

SER 

Zwischen  den  Blöcken  der  ersten  und  zweiten  Inschrift 
fehlt  einer,  der  lierausgebrochen  und  Iieruntergefallen  sein 
wird.  Er  trägt  wahrscheinlich  eine  vierte,  iihnliche  Inschrift. 
Bekanntlich  sieht  der  Innenraum  der  Quelle  jetzt  tief  unter 
Wasser.  Ich  konnte  die  Inschriften  also  nur"  aus  der  Ferne 
abschreiben ,  so  gut  es  das  in  dem  unterirdischen  Räume 
herrschende  Halbdunkel  erlaubte.  Uebrigens  ist  auch  der 
rechte  Pfeiler  mit  Inschriften  bedeckt,  aber  deren  Buchstaben 
sind  viel  kleiner,  auch  fiel  kein  Lichtstrahl  darauf,  so  dass 
ich  nichts  genau  zu  erkennen  vermochte.  Gleicherweise  wer- 
den sich  wohl  auf  den  Wänden  des  Innenraums  der  Grotte 
Inschriften  finden.  Es  ist  also  dringend  zu  wünschen,  dass 
einer  der  Reisenden,  die  künftig  Korinth  passieren,  die  Grotte 
einer  genauen  Untersuchung  unterzieht. —  Ich  vermuthe,  dass 
die  von  mir  abgeschriebenen  Inschriften  die  Namen  von  Besu- 
chern der  Grotte  (oder  Arbeitern,  diedarin  beschäftigt  waren, 
vgl.  Ross  Insc.  incd.  I  n.  61)  und  das  Datum ^  an  dem  sie 
sich  verewigt  haben,  melden.  Die  letzte  ist  bereits  von  Cy- 
riacus  (C.  /.  L.  III  540),  aber  von  niemand  ausser  ihm  ab- 
geschrieben worden.  Jedenfalls  copierte  er  auch  die  andern, 
indess  sind  sie  bisher  unediert  geblieben.  Dass  Ross  die  In- 
schriften nicht  bemerkte,  muss  einen  Wunder  nehmen  (s. 
Blätter  f.  lit.  Unterlr.  1833  n.  W61nscr.  med.  I  S.  19  ff.).— 
a.  Z.  2  ist  wohl  zu  lesen :  V  id.  .\'it\Q.  ;  6  Z,  1  ergänze  ich 
üi]ero. 

55.  Die  Ruinen  von  Kleonae  haben,  so  viel  ich  weiss, 
bisher  nur  eine  Inschrift  geliefert.  Es  ist  mir  gelungen  eine 
zweite  dazu  zu  finden.  Mitten  im  Felde,  ungefähr  15  Minuten 
vom  Chani  tvj;  Koupre^vii;  entfernt,  südlich  von  dem  Hügel, 
auf  dem  die  von  Conze  Annali  18()1  S.  15  beschriebenen  Rui- 
nen liegen,  an  einem  BoXt|xoT'/]  genannten  Platz  befinden  sich 


356  MITTHEILÜNGEN  AUS  GHIECHENLAND 

die  Reste  eines  zum  Theil  verschütteten  aus  vielen,  wohlbear- 
beiteten Marmorblöcken  bestehenden,  grossen  Kreises  (oder 
Halbkreises),  der  zur  Basis  für  ein  grösseres  Monument  ge- 
dient haben  wird.  Nach  der  Grösse  und  dem  Material  der  An- 
lage zu  urtheilen,  sowie  nach  den  Künstlern,  von  denen,  wie 
wir  gleich  sehen  werden,  dieselbe  —ganz  oder  zum  Theil  — 
herrührt,  muss  sie  eine  der  Ilauptmerkwürdigkeiten  der  wenig- 
stens in  der  späteren  Zeit  ziemlich  unbedeutenden  Sladt.(7:ö- 
Xi;  Q\)  [Lz^xl^n  Paus.  2,  45,  1)  gewesen  sein,  und  so  würde 
man  sie  gern  bei  Pausanias  erwähnt  finden,  zumal  derselbe 
sonst  so  v^'eniff  von  der  Stadt  zu  sa^en  hatte.  Man  wird  es 
daher,  denk  ich,  nicht  für  thöricht  erachten,  wenn  ich  die 
Frage  aufwerfe,  ob  wir  nicht  in  diesen  Ueberresten  das  von 
Pausanias  genannte  fjt,vv5|A5c  Eupuxou  kocI  Ktsxtou  zu  erkennen 
haben. — Die  Inschrift*  steht  auf  zwei  Blöcken,  die  vielleicht 
nur  gebrochen  sind,  jedenfalls  aneinanderstiessen.  Sie  lautet: 

HENO<t>1AOZKAIZTPATnNAPrE.OIEnoiHZAN 

Wir  kennen  das  Künstlerpaar  bereits  aus  einer  in  der  Nähe 
von  Tiryns  gefundenen  Inschrift,  ferner  aus  einer  andern, 
freilich  verstümmelten  von  Sikyon.  Auch  sah  Pausanias  eines 
ihrer  Werke  zu  Argos.  Aus  der  Menge  und  Verbreitung  ihrer 
Arbeiten  kann  man  auf  das  Ansehen  schliessen ,  dessen  sie 
sich  erfreuten. —  Brunn  Gr.  Künstler  1  420  stellt  sie  der  Zeit 
nach  etwa  mit  den  Schülern  des  Lysij)pos  zusammen  :  die 
Buchstabenformen  unserer  Inschriftempfehlen  es,  dieselbe  un- 
gefähr der  Mitte  des  2ten  Jahrh.  vor  Chr.  zuzuweisen. 

Neben  den  zwei  Blöcken  mit  der  eben  besprochenen  In- 
schrift liegt  ein  anderer  in  gleicher  Weise  bearbeiteter,  auf 
dem  die  undeutlichen  Reste  einer  7  zeiligen,  abgemeisselten 
Inschrift  erhalten  sind.  Ich  hatte  vor  dem  Stein  den  Eindruck, 
als  ob  es,  wenn  man  nur  über  die  nöthige  Zeit  und  Geduld 
verfügte,  gelingen  müsste,  die  Inschrift  zu  entziffern. 


[Inzwischen  von  Collignon  Bull,  de  Corr.  Hell.  1880  S.  46  publicirt.] 


MITTIIEILUNGEiN  AUS  GRIECHENLAND  357 


Argos. 


Die  Inscliriften  der  zwei  auf  Blöcken  der  Polygonalmaucr 
am  südöstlichen  Fuss  der  Larissa  eingehuiienen  (Volif— ?) 
Reliefs  Le  Bas-Foueart  127,  128.  Miüli.  IV  157  n.  2,  3  habe 
auch  ich  niit  möglichster  Sorgfalt  von  den  Originalen  copiert. 
Die  mannigfachen  Difierenzen  der  bisherigen  Publicationen 
lassen  mir  die  Mittheihing  meiner  Abschriften  räthlich  er- 
scheinen. Auch  bieten  jene  nicht  die  zu  einer  sicheren  Ergän- 
zung nöthige  Unterlage.  Ueberdics  vermag  ich  wenigstens  in 
einer  kleinigkcil  die  Lesung  positiv  zu  fördern  : 

56.  epiteaiae::: 

AA\:lßK\Z\:EZATO 
§  nIAYSIKPATEIA 

Zu  Ende  von  Z.  1  könnten  2  Buchstaben  fehlen.— Z.  2 
zu  Ende  wird  ein  Y  weggefallen  sein.  A3C[xoc'n<j[TpxTou  ist  un- 
möglich.—  Z.  3  lies:  '/.x]i  Aua'./.pa-reix.  Die  Weihenden  wer- 
den Mann  und  Frau  sein. 

üebrigens  habe  ich  mir  vier  sitzende  Gestalten  in  langen 
Gewändern  notiert. 

57.  fll  /    /    I  A  O  N  T  A 

A  I  O  N  Y  Z  I  O  f/i^ 

Den  ganzen  auch  die  verfallene  Kirche  des  "Ayto;  recopyio; 
umfassenden  Trümmercomplex.  nennt  das  Volk  Ai[;.£pizT-/;;. 

58.  Ueber  dem  'Aytoyecopyofpi^i  genannten  Felsrelief  glaubte 
ich  bei  sorgfältiger  Prüfung  die  Spuren  einer  Inschrift  zu  er- 
kennen :  ein  O  in  der  Mitte  schien  mir  noch  besonders  deut- 
lich. 

59.  Zu  Mitth.  IV  154  n.  507  war  anzugeben  ,  dass  der 
Stein  oben  gebrochen  ist.  Dass  der  erste  der  unter  der  Inschrift 
dargestellten  zwei  Gegenstände  die  Form  eines  Mohnstengels 
wiedergiebt,  scheint  mir  nicht  fraglich. 


358  MITTHEILUNGEN  AUS  GRIECHENLAND 

Tegea. 

60.  An  der  Südwand  der  Palaeoepiskopi  ganz  hoch  oben 
ist  ein  Grabstein  eingemauert.  Das  Relief  ist  abgenieisselt, 
aber  in  seinen  Umrissen  noch  deutlich  erkennbar.  Dargestellt 
war  eine  weibliche  Fiour  auf  einer  kleinen  Basis  stehend.  Auf 
dem  Fries  und  Giebel,  welche  den  Stein  abschliessen,  liest 
man  folgende  Inschrift : 

KAA  AIKUU 
XAIPe 
O  A  If  r  11  i  A 

=zC.LG.  1527.  Le  Bas-Föucart  346.  Auch  von  der  dritten 
Zeile  hätte  ich  wohl  noch  mehr  entziffert,  wenn  ich  mich 
dem  Stein  besser  hätte  nähern  können.  Foucarts  Ergänzung 
desselben  ist  unstatthaft. 

61.  Die  Inschrift  Mitth.   IV  S.  143  m  lautet  vielmehr  so  : 

Ml    iSTOKPATE  \'ll'!i  O  H  P  I  O  Z . .  .  6  hx-jx 
BA0YKAEOZTONAN   Soiacvroc  kv£871)csv. 

Sparta. 

62.  esö^üipo;  n3CTrxy£voTCou"Xo;  besitzt  ein  Relief  von  schw^arz- 
blauem  Localslein.  Dargestellt  ist  ein  Jüngling  nach  1.  sitzend; 
sein  Oberkörper  ist  nackt,  um  Unterleib  und  Oberschenkel 
schlingt  sich  ein  Mantel.  Der  r.  Fuss  ist  etwas  zurückgezogen, 
die  l.  Hand  ruht  auf  dem  Schenkel,  die  halberhobene,  aus- 
gestreckte r.  hält  einen  Kantharos;  eine  Schlange  ringelt  sich 
empor  und  trinkt  daraus,  vgl.  Mitth.  11  443  ff.  IV  161  ff. 
Darüber  die  ausserordentlich  nachlässig  und  flüchtig  einge- 
grabene Inschrift : 

/^IKUÜIA/^HTHKET 
V     X 
A 

63.  Bei  demselben  Mann   sah   ich  einen  Marmorkopf   im 


MITTIIRILUNGEN  AUS  GRIECHENLAND  359 

Fleraklestypus  und  ein  liruchslück  (Kopf,  Brust  und  1. 
Seite)  eines  auf  die  umgekehrte  Fackel  gestützten  Eros  von 
guter  Arbeit;  ausserdem  eine  Gemme  mit  Doppelkopf  \on 
zwei  verschiedenen  Satyrtypen  in  ganz  vorzüglicher  Aus- 
führung. 

64.  Mavromali,  Museum:  \02:AAM0(t^QNT  o; 

arAAMAxAZAr 
IKAITAinOAEI 

Patras. 

65.  An  der  Nordmauer  der  Burg  fand  ich  eine  Marmor- 
platte mit  folgender  Inschrift  eingemauert : 

B A AeP  I  AN 
MOAeCTeiNAN 

lAneAeYospoi 

Y-  B- 

Also  :  Bz^spixv  MoSecTeTviXV  ot  aT:e);euOepoi  ^J'(v]©''<y[AXTt)  ß(ou- 
"X^;)  {  —  d{ecurionum)  cf{ecreto). 

G6.  C.  I.  G.  1557  corrigiere  nach  Exped.  d.  Mor.  III  64; 
doch  hat  das  r  natürlich  diese  Form  :  TT. 

67.  Zu  Ephem.  epigr.  IV  47  n.  94  bemerke  ich  :  die  Platte 
besteht  nicht  aus  Marmor,  sondern  aus  dem  localen  Kalkstein 
(XiOocpi)  ;  in  der  drillen  Zeile  sieht  auf  dem  Slein  :  LIBERT. 

68.  Um  die  Inschrift  C.  /.  L.  III  503  zu  revidieren,  gieng 
ich  nach  dem  etwa  3,^  St.  südlich  von  der  Stadt  gelegenen 
Kloster  tou  repo-cotxeiou.  Jene  sowohl  als  auch  HI  507  waren 
nicht  mehr  vorhanden.  —  Dagegen  wird  das  mittlere  Drittel 
einer  kleinen,  bekleideten,  mannlichen  Statue  noch  im  Klo- 
ster aufbewahrt. 

Zu  C.  /.  L.  III  512  und  573  :  Weder  in  der  Kirche  des 
'Ayio;  'Avr^pez;  zu  Patras  noch  in  der  wiederholt  umgebauten 
des  "Ayio;  Nr^öXzo?  sind  mehr  Inschriften  vorhanden. 


360  MITTHEILUNGEN  AUS  GRIECHENLAND 

Aegina. 

69.  lieber  der  Thür  einer  Kapelle  etwa  eine  Stunde  von  der 
Stadt  in  östlicher  Richtung  : 

M  o  M  M  I  o  s: 

OEOIEN  O  Y 

X  A  I  P  E 
A  P  I  2:  T  0.  A  I 
KAlorENOY; 
XAI  PE 

HBOYAH 
KAIOAHMO^ 

Die  beiden  letzten  Zeilen  in  einem  Oelkranze.  Die  Inschrift 
ist  fehlerhaft   von  Le  Bas  n.  1705  publiciert. 

70.  Auf  dem  Oros  bei  der  Kirche  toO  'Ayiou  'A<7(i)>;.aTou,  die 
auf  und  von  den  Ruinen  des  alten  Panhellenions  erbaut  ist, 
schrieb  ich  die  beiden  Inschriften  C.  I.  G.  2138  d  und  2138 
(II  S.  172  vgl.  S.  1010  lg.)  ab.  Von  erslerer  nahm  ich  auch 
einen  Abklatsch,  mit  dem  ich  dann  daheim  meine  Abschrift 
verglich.  Weder  bei  Rangabe  Ant.  hell.  I  S.  29  noch  bei  Le 
Bas  Taf.  VI,  6  (danach  bei  Hirschfeld  Tituli  statuar.  sculpto- 
rumque  Graec.  Taf.  IV  14)  ist  die  Inschrift  fehlerlos  wieder- 
gegeben. Ich  selbst  habe  vor  dem  Stein  nur  4  Zeilen  gelesen; 
ichvvusste  damals  nicht,  dass  Prokesch  von  Osten  Reste  einer 
fünften  überliefert  hat.  Mein  Abklatsch  umfasst  leider  nur  den 
Anfang  des  Raumes  einer  eventuellen  fünften  Zeile,  aber  ich 
muss  bekennen,  dass  ich  auch  da  schwache  Spuren  kleinerer 
Buchslaben  wahrzunehmen  glaube  Z.  4.  ®  O  O  N.  Man  wird 

Z.  5.  §SEiO 
Prokesch  Angabe  also  nicht  ohne  weiteres  den  Glauben  ver- 
sagen dürfen,  vielmehr  muss  die  Sache  künftigen  Besuchern 
des  Oros  zu  genauer  Prüfung  empfohlen  werden. 

71.  Was  C. /.  G.  2138  anlangt,  so  schien  mir  das  S  zu  Ende 
obwohl  Verstössen  doch  nicht  zweifelhaft ;  auch  vor  dem  K  zu 
Anfang  werden  Buchstaben  gestanden  haben,  die  an  die  der 


MITTHEILUNGEN  AUS  GRtECHENLAND 


361 


vierten,  jetzt  weggebrochenen  Randleiste  anschlössen.  Letztere 
wird,  meine  ich,  das  zu  tliuii  Namen  "AXti;;.©;  gehörige  Prae- 
dicat  av£9'/i/,e  sowie  ein  Subslantivum  ,  dem  KOAIAAAI^ 
altribuiert  war  (etwa  Oezi;  oder  vujX9xi(;  oder  dergl.,  vgl.  Uan- 
gabe  a.  a.  0.  S.  29),  enthalten  haben.  Steht  doch  gerade  in 
den  alten  VVeihinschriften  in  der  [legel  neben  dem  Dedican- 
ten  auch  der  Verfertiger  des  Weihgeschenks. 

72.  Ein  kleiner  .\achtra";  zu  Mitlheiluno;en  V  197  ff.  soll 
den  Besehluss  machen,  in  Delphi  nämlich  hatte  ich  Gele- 
genheit das  kleine  Figürchen  aus  parischem  Marmor  zu  er- 
werben,  welches  nebenstehend  (2/3  nat.  Gr.)  von  vorn  und 
von  der  Seite  abgebildet  ist. 

Dasselbe  ist  in  oder  un- 
mittelbar bei  dem  Dorf  auf 
dem  Felde  gefunden  worden. 
Dass  es  in  rohen  Umrissen 
eine  menschliche  Gestalt  dar- 
zustellen bestimmt  ist,  wird 
keinem  mit  den  primitiven 
Erzeugnissen  bildender  Kunst 
auch  nur  oberflächlich  be- 
kannten Beschauer  zweifelhaft 
sein.  Das  Gesichtistnurdurch 
eine  massige,  wenngleich  hin- 
reichend hervortretende  Er- 
hebung bezeichnet.  Besonders 
kräftig  und  deutlich  aber  sehen 
wir  die  Hüft-und  Gesässpartie 
sich  aussprechen.  Das  untere 
Ende  läuft  in  eine  Spitze  aus. 
Bei  aller  urwüchsigen  Unbe- 
stimmtheit zeigt  unser  Figürchen  eine  gewisse  Feinheit  und 
Accu ratesse  der  Ausführuns;.  Möi^lich,  dass  durch  Bemalung 
noch  weitere  Details  der  menschlichen  Bildung  angedeutet 
waren,   jedenfalls  hat  sich  davon  keine  Spur  erhalten. 

Vergleicht  man  die  Figur  mit  ähnlichen  auf  dem  griechi- 


362  MITTHEILÜNGEN  AUS  GRIECHENLAND 

sehen  und  kleinasiatischen  Festland  oder  auf  den  Inseln  zu 
Tage  gekommenen,  so  wird  man,  so  viel  ich  sehe,  sie  nur  mit 
den  inMykenai,  Tiryns,  Nauplia,  Jalysos  u.  s.  w.  gefundenen, 
rohen  Idolen  von  Terracotta*  und  mit  den  in  Hissarlik  aus- 
gegrabenen von  Terracotta,  Marmor,  Knochen ^  zusammen- 
stellen können,  mit  denen  sie  bei  gewissen,  kleinen  Verschie- 
denheiten doch  in  Grösse,  Gestalt,  Ausführung  grosse  Ver- 
wandtschaft zeigt.  —  Dem  griechischen  Festland  entstammende 
ähnliche  Marmorfigürchen  sind  meines  Wissens  bisher  über- 
haupt noch  nicht  bekannt  geworden. 
Halle. 

JOH.  SCHMIDT. 


»  Schliemann  Mykenai  S.  13,  80  f.  Taf.  ABC  XVIII,  besonders  S.  81 
NM13  ;  Taf.  A.  Fig.  C ;  Taf.  C  Fig.  1  ;  Taf.  XVIII  N"  101. 

2  Schlieraaiin  Ilios  (Leipz.  1881)  8.  264,  373  ü",  643,  672;  besonders  N» 
190,  200. 


Der  Plulos  des  Kephisodot. 

(Hierzu  Tafel  \[II.) 


Unsere  Kennlniss  der  griechischen  Plastik  beruht  zum 
grossen  Theil  auf  Copien,  welche  in  Italien  zum  Vorschein 
gekommen  sind.  Die  Frage  wo  und  wann  diese  Copien  ent- 
standen und  für  welchen  Zweck  sie  gearbeitet  sind,  ist  bei  der 
Beurtheilung  derselben  und  ihres  Verhältnisses  zn  den  Ori- 
ginalen nicht  zu  umgehen.  Eine  umfassende  Untersuchung 
darüber  wird  sich  glaube  ich  immer  mehr  als  ein  Bedürfniss 
heraustellen,  wenn  auch  die  zu  erwartenden  Hesullafe  be- 
greiflicherweise nicht  auf  allgemeine  Gültigkeit  werden  An- 
spruch machen  können.  Von  besonderer  Wichtigkeit  aber  wer- 
den in  dieser  Untersuchung  die  in  Griechenland  selbst  ge- 
fundenen Repliken  sein. 

Von  einer  solchen  rührt  das  auf  Taf.  XIII  1  nach  einer 
Zeichnung  des  Hrn.  Gillieron  abgebildete  Fragment  her.  Das- 
selbe stellt  einen  um  die  Hüften  leicht  bekleideten  Knaben  dar, 
der  von  einer  anderen  Figur  auf  dem  linken  Arm  gelragen 
wurde  und  sich  mit  lebhafter  Bewegung  des  Kopfes  und  des 
jetzt  bis  auf  den  Ansatz  weggebrochenen  rechten  Armes  sei- 
ner Pflegerin  oder  seinem  Pfleger  zuwandte.  *  Der  Vorderarm 
der  grösseren  Figur  ist  erhallen  bis  auf  die  Finger  der  Hand  ; 
diese  umfasslen  ein  Füllhorn  ,  von  dem  noch  ein  Stück  er- 
halten ist.  Mit  dem  unteren  Ende  des  Füllhorns  wird  ein 
Ansatz  auf  dem  1.  Fuss  des  Knaben,  der  abgebrochen  aber  bis 
auf  die  Zehen  erhalten  ist,  in  Verbindung  gestanden  haben. 
Die  Arme  des  Knaben  sind  abgebrochen  und  fehlen,  beschä- 
digt sind  ausser  den  Fussspitzen  die  Nase  und  die  Kanten  des 


*  Maasse:   Gesichtslänge  M.   0,11;   zwischen   den   Aui?enwinl^eln  0,02; 
zwischen  den  Achselhöhlen  0,203;  vouder  Halsgrubc  bis  zum  Nabel  0,19. 

MITTH.D.  ARCIl.lNST.  Vr  24 


364 


DER  PLUTOS  DES  KEPHISODOT 


Gewandes.  Das  Material  ist  penlelisclier  Marmor  von  der  ge- 
ringeren Sorte,  quer  über  den  Leib  des  Knaben  läuft  eine 
breite  Glimmerschicht.  Das  Bildwerk  wurde  beim  Ausbaggern 
des  nördlichsten  nach  dem  Bahnhof  zu  gelegenen  Theiles  des 
Hafens  von  Piraeus  gelandet,  zeigt  aber  abgesehen  von  ein 
Paar  Muscheln,  die  sich  angesetzt  haben,  keine  Spuren  einer 
Einwirkung  des  Seewassers  auf  den  Marmor.  Man  hat  dar- 
aus geschlossen,  dass  die  Figur,  die  mittlerweile  das  Munici- 
palmuseum  der  Hafenstadt  bereichert  hat,  nicht  lange  im 
Wasser  gelegen  haben  könne.  Ich  bin  nicht  im  Stande  diesen 
Punkt  aufznklären^ 

Man  erkennt 
bald ,  dass  das 
Fragment  von  ei- 
ner Replik  der 
sogenannten  Leu- 
kothea  in  Mün- 
chen herrührt,  in 
welcher  Brunn 
eine  Nachbildung 
der  an  der  Agora 
von  Athen  aufge- 
stellten Gruppe 
der  Eirene  mit 
dem  kleinen  Plu- 
tos,  eines  Werkes 
des  älteren  Kephi- 
sodotos,  des  Va- 
ters des  Praxite- 
les, nachgewiesen 
hat  2.  In  dem  an- 
stehenden   Holz- 


'  Einen  Holzschnitt  des  Knaben  hat  Mr.  Dragatsis  im  napvaiiö?  1881 
Junilic'fl  z.  S.  575  veröirenliiciit. 

2  Mit  der  I^gur  des  Knaben  wurden  ein  Paar  winzige  Gevvandfragmente 
aufgefunden,  welche  von  dem  Bilde  der  Gütliii  herrühren. 


IWA\  PLIITOS  l»!:s  KKPlllSÜDOT  365 

Sclinill  islzurBeijLiemlichkciulerLi'st'r  ilasHrijstslückderGöllin 
nach  dem  miinclicner  I']\(Mn|»iai' ergänzt.  Allerdings  ist  nener- 
dings  die  Idenliliit  i]t'V  (ünippe  in  Mniiclit-n  tnil  dem  Werke 
des  Kepliisodotos  w«'gen  einer  nnter  Maximin  in  Kyzikos  ge- 
prägten Münze,  welche  dieselbe  Gruppe  abbildet,  wieder  in 
Frage  geslcdlt  worden,  aber  wie  ich  glaube  ohne  ausreichen- 
den Grnnd.  Von  {\cv  nicbl  aiisgcsproclKMicn  \  oransselziing 
ausgehend,  dass  bei  der  Auswalil  der  als  ^ebentypen  auf  den 
Münzen  zu  verwendenden  GcHlcrdarslelliingen  die  religiöse 
Kücksicht  auf  die  Culle  der  Prägslälte  allein  massgebend 
gewesen  sei,  hat  man  gemeint  auf  der  Münze  von  Kyzikos 
Köre  mit  dem  Dionysosknaben  erkennen  zu  müssen.  ^  Diese 
\'oraussetznng  scheint  mir  nicht  zulrefTend  zu  sein.  Man 
wird  nicht  in  Abrede  slellew  können,  dass  in  der  späteren 
Kaiserzeit  nicht  religiöse  Motive  allein  bei  der  Wahl  der 
Münztypen  ausschlaggebend  gewesen  und  dass  berühmle 
Kunstwerke  auch  als  solche  und  ohne  Kücksicht  auf  die  ein- 
heimischen Culte  auf  Münzen  abgebildet  worden  sind.  Ein 
nahe  liegendes  Beispiel  bietet  sich  dar  in  der  Darstellung  des 
farnesischen  Herakles  des  Glykon  auf  attischen  Bronzen  2.  Im 
athenischen  Slaatscult  trat  Herakles  zurück,  seine  Stelle 
hatte  Theseus  inne,  der  daher  ebenso  häuflu'  auf  den  Münzen 
der  Stadt  erscheint  als  Herakles  selten.  Ich  glaube  daher  auch 
nicht,  dass  man  nöthig  hat  anzunehmen,  die  Erfindung  des 
Kephisodot  sei  in  Kyzikos  zur  Darstellung  eines  verwandten 
Gegenstandes  verwerthet  worden,  was  Brunn  als  möglich 
hingestellt  hat.  Höchstens  könnte  man  sich  vei'anlasst  glauben 
anzunehmen  ,  das  athenische  Werk  sei  in  einer  Nachbildung 
in  Kyzikos  aufgestellt  gewesen.  Aber  selbst  diese  Annahme 
ist  vielleicht  nicht  durchaus  nothwendig,  wenn  man  zugicbt, 
dass  das  Wei-kein  ian  Altci'thum   weit  und  breit  bekanntes 


'  Wiesclor,  Dfiikin.  der  n.  K^  z.  K.  99/;.  h. 

'  DiR  At)l)ildiiiiK  (liM'alli(Miisrli(Mi  Miiii/.e  hei  Beule  S.  307  ist  luigonau  und 
uiu'i(?lilig.  VAn  mir  vuiIicirfMides  ICxeinplar  zoifrt,  dass  diM"  Miinzlypiis  nicht 
nU'-  in  den  Motiven  iinddein  Heiweik  genau  mit  der  .Mannurstalue  überein- 
stimmt, sondern  auch  die  Stileigontiiüniliehkeiten  der  IcLzlcren  wicdoreicbt 


366  DER  PLüTOS  DES  KEPHISODOT 

war.  Hierfür  aber  kann  ich  zu  den  vorhandenen  einen  weite- 
ren Beweis  hinzufügen,  Dank  einer  freundlichen  Miüheilung 
des  Herrn  G.  Treu.  Herr  Tren  hat  in  einer  Marmorfigur  des 
Museums  in  Dresden  ,  welche  unrichtig  als  auf  einem  Felsen 
sitzender  Dionysosknahe  ergänzt  ist  *,  eine  Replik  des  Knaben 
der  münchner  Gi'uppe  erkannt ,  so  dass  wir  nunmehr  ausser 
den  Nachbildungen  auf  den  Münzen  von  Athen  und  Kyzikos 
bereits  drei  Repliken  in  Marmor  nachweisen  können. 

Das  Exemplar  aus  dem  Piraeus  stand  an  künstlerischem 
Werth  unleugbar  hinter  dem  Exemplar  in  München  zurück. 
Die  Ausführung  des  Knaben  ist  nicht  ungeschickt. aber  fluch- 
tig  und  etwas  matt.  Der  Marmor  (ragt  die  deutlichen  Spuren 
des  Meisseis;  das  Haar  ist  wenig  ausgeführt  und  ziemlich  ober- 
flächlich behandelt.  Die  ganze  Art  der  Ausführung  lässt  auf 
einen  decorativen  Zweck  schliessen  ,  die  Gruppe  mag  zum 
Schmuck  einer  Halle  oder  eines  öfTentlichen  Platzes  gedient 
haben.  Für  die  Bestimmunor  der  Enstehuno;szeit  würde  man 
bei  der  Unsicherheit  anderer  Indicien  gern  einen  äussern  An- 
haltepunkt  haben  und  könnte  glauben  einen  solchen  darin 
zu  finden,  dass  der  Piraeus  im  J.  87  verwüstet  wurde  und  sich 
von  dieser  Catastrophe  nicht  wieder  erhob.  Aber  einerseits 
steht  nicht  fest,  dass  die  Gruppe  im  Piraeus  aufgestellt  war  ^^ 
andererseits  darf  man  sich  der  Vorstellung  nicht  hingeben, 
als  ob  nicht  auch  später  noch  Manches  für  die  Wiederher- 
stellung und  zum  Schmuck  des  Piraeus  als  Stadt  geschehen 
sei;  die  monumenlalen  Fundebeweisen  dasGegentheil  ^.  Man 
ist  also  auf  das  Werk  selbst  angewiesen.  Vergleicht  man  die- 
ses mit  Arbeiten  ,  etwa  Porträts  der  späteren  Zeit,  so  wird 
man,  glaube  ich,  nicht  umhin  können,  die  Entstehung  noch 
in  die  griechische  Zeit  zu  setzen. 


'  Abget)ilriel  bei  I.eplal  /?(?r»Pi7  Tf.  62=Clarac675,  1557.  Vgt.  Heltner,  Die 
Bildwerke  zu  Dresden  S.  60  N.  29. 

2  Herr  Dragatsis  schciiU  rler  Ansicht  zu  sein  die  ertialtenen  Reste  seien 
in  neuerer  Zeit  zum  Export  nach  Piraeus  gebracht  worden,  obgleich  er  der- 
selben keine  Worte  leiht. 

■'  Vgl.  die  BemerkiMigen  von  Milchhöfer  Text  z.  d.  Karten  v.  Attika  I  S. 
33  unter  22  und  die  oben  S.  310  von  Lolling  mitgelheilte  Basenaufschrift. 


DER  PLUTOS  ÜKS  KEPHISODOT  367 

Obschon  sicli  aber  das  Fragment  aus  dem  Piraeiis  mit  dem 
früher  bekannten  Exemplar  der  Gruppe  des  Kephisodot  nicht 
messen  kann,  so  hört  es  desshalb  doch  nichl  auf  IVir  uns  leln*- 
reich  zu  sein.  Zum  ersten  Maie  sehen  wir  eine  Heplik  des 
Kopfes  des  PInlos  vor  uns,  da  der  Kopf  des  Kxemplares  in 
München,  wie  läni^st  bemerkt  worden  ist,  zwar  alt  aber  auf- 
gesetzt  und  nicht  zugehörig  ist^;  und  dieser  Fund  wird  um 
so  freudiger  willkommen  geheissen  werden,  als  jetzt  die  Mög- 
lichkeit eines  Vergbiiehes  mit  dem  Knpfe  des  kleinen  Dio- 
nysos von  Praxiteles  gegeben  sein  wird.  Ich  ineine  der  Kopf 
kann  sich,  was  {]{in  Ausdruck  des  Gesichtes  anlangt,  mit  dem 
vielbewunderten  Kopf  der  Eirene  wohl  messen  ;  mütterliche 
Zärtlichkeit  und  kindliches  Verlangen  kommen  sich  entgegen. 
Der  von  dem  Künstler  gewollte  EtVect  wird  dadui-ch,  dass  das 
Köpfchen  mehr  rückwärts  geneigt  ist  als  in  der  münchener 
Ergänzung,  unzweifelhaft  noch  verstärkt.  Die  äussere  Aus- 
stattung, das  ffelockte  durch  ein  Band  zusammengehaltene 
Haar  mit  dem  Schopf  über  der  Stirn  ,  ist  dieselbe  wie  nach 
den  mir  vorliegenden  Beschreibungen  an  dem  Kopf  des  klei- 
nen Dionysos,  so  dass  sich  also  dieser  Typus  fiir  Kinder- 
darslellungen  frühzeitig  schön  festgestellt  hat. 

Der  zweite  Punkt,  hinsichtlich  dessen  wir  zwar  nichts 
Neues  lernen,  aber  feinsinnig  Erschlossenes  in  willkommener 
Weise  bestätigt  sehen,  betritTt  das  Material  des  Originales. 
Brunn  hat  sich,  weniger  sicher  in  der  Abhandlung  über  die 
sog.  Leukothea,  bestimmt  in  dem  in  seiner  gehaltvollen  Kürze 
mustergültigen  Katalog  der  Glyptothek  für  Bronze  ausgesj)ro- 
chen.  Wenn  ich  Brunns  Ürtheil  über  die  Gruppe  in  München 
recht  verstehe,  so  ist  diese  eine  vortreifliche  Marmorarbeit, 
welche  eben  noch  die  Spuren  der  Bronzetechnik  an  den  Haa- 
ren 'jnd  Gewändern  wahrnehmen  lässt.  Der  ausführende 
Künstler  des  Exemplares  aus  dem  Piraeus  hat  den  Versuch 


'  Tier  Kopf  der  Replik  iu  Dresden  ist,  wie  mir  Hr.  Treu  .schreit)!,  zwar 
zuyetiörig  aber  iingesctiickt  aufgesetzt.  Die  Arbeit  schien  Ifrii.  Treu  römisch 
zu  sein. 


368  DKR  PLUTOS  DES  KEPHISODOT 

nicht  gemacht  den  Bronzeslil  in  den  Marmorstil  umzusetzen, 
sondern  hat  das  Bronzeoriginal  copirt.  Daher  ist  die  Behand- 
lung auch  der  nackten  Theile  trocken  und  hart.  Ich  darf  mich 
hier  auf  das  sachverständige  Urtiieil  des  Herrn  Gillieron  heru- 
fen,  der  sich  gar  nicht  in  den  Stil  des  Werkes  finden  konnte, 
bis  das  Wort :  Bronzeoriginal  fiel.  Ich  habe  vor  längerer  Zeit 
eine  im  vorigen  Jahrhundert  beim  Areopag  gefundene  leider 
nicht  erhaltene  Marmorgruppe  nach  dem  Vorgange  von  Fj.Ross 
auf  das  W-'erk  des  Kephisod(U  bezogen.  Diese  auf  die  [Jeberein- 
stimmung  des  Typus  und  des  Locaies  gegründete  Annahme 
möchte  ich  auch  heute  nicht  ohne  Weiteres  aufgeben.  Un- 
möglich wenigstens  scheint  es  mir  nicht  zu  sein,  dass  Pausa- 
nias  auf  der  Agora  von  Athen  nicht  mehr  die  Bronzegruppe 
des  Kephisodot  sondern  eine  Marmorcopie  derselben  gesehen 
habe,  sowie  er  in  Thespiae  nach  eigener  Angabe  eine  Copie 
des  in  der  ersten  Kaiserzeit  nach  Bom  entführten  Eros  des 
Praxiteles  gesehen  hat  (Pausan.  IX  27,  3). 

Von  dem  Plutos  des  Kephisodot  wird  man  nicht  ohne  In- 
teresse einen  Blick  auf  die  zweite  Statuette  werfen,  deren  Dar- 
stellung die  Tafel  XIII  füllt.  Das  Original  stammt  aus  dem  in 
den  ersten  Jahren  des  Königreich  Griechenlands  auf  Aegina 
angelegten  Nationalmuseum  und  war  früher  im  sog.  Theseion 
aufgestellt,  neuerdings  hat  es  seinen  Platz  im  Centralmuseum 
gefunden.  Der  Fundort  ist  unbekannt.  Die  Figur  hat  durch 
Bruch  stark  gelitten  ,  die  Extremitäten  fehlen  und  das  At- 
tribut der  linken  Hand  und  die  unteren  Partien  des  Gewandes 
sind  beschädigt.  Das  linke  Bein  w^ar  vom  Knie  an  eingezapft^ 
hinter  dem  Bruch  ist  der  obere  Rest  eines  Stammes  erhalten, 
welcher  auf  der  Zeichnung  nicht  sichtbar  ist.  Das  Fragment 
ist  in  seinem  jetzigen  Zustande  70  Cm.  hoch.  Der  Marmor  ist 
nicht  attisch,  man  hält  ihn  zunächst  für  Inselmarmor.  Die  Fi- 
gur ist  zuletzt  beschrieben  von  Kekule,Bihlweike  im  Theseion 


'  [Bei  einer  uietieihoiten  Uiilersiicluin!:;  des  Orifjjiiiales  habe  ich  mich 
überzeugl,  dass  das  Zapfenloch  wahrsclieitilicli  modern  isl,  da  der  Marmor 
Bruohfläche  zeigt.] 


DER  PLUTOS  DES  KEPIIISODOT  369 

S.  139  N.  340,  vgl.  V.  Sybel  Kalalo<r  s.  51  N.  278.  An  beiden 
Stellen  findet  man  die  allere  Lilleralnr  verzeichnet. 

Darceslellt  \var  ein  auf  der  Grenze  der  Kindheit  stehender 

i. 

Knabe,  der  mit  einem  liemdearli<]:en  über  den  iiiikon  Arm 
aufgenommenen  Gewände  aus  dickem  WollenstofT  bekleidet  ist 
und  milder  linken  Hand  ein  Fallliorn  ^  hielt,  während  er  die 
Rechte,  wie  ein  oberhalb  der  Brustwarze  vorhandener  Ansatz 
beweist,  nachdem  Gesicht  zu  führte.  Das  Gewand  ist  einfach 
und  schön  angelegt.  Die  Formen  des  kleinen  Körpers,  die  sich 
unter  dem  Gewände  abzeichnen,  sind  üp[)ig.  Die  Ausführung 
ist  frisch  und  lebendig. 

Kekiile  hat  in  einem  seiner  Beschreibung  der  Statuette  nach- 
Iräglicii  eingefügten  Zusatz  zum  Vergleich  auf  eine  Statuette 
in  Toulouse  bei  Chirac  7bo,  1878  hingewiesen.  In  der  That 
stimmen  beide  Werke  in  allen  wesentlichen  Punkten  bis  auf 
die  ganz  ähnliche  Anordnung  des  Gewandes  überein.  Die  Fi- 
gur in  Toulouse,  übi'igens  ein  geringes  Werk  der  Abbildung 
nach  zu  schliessen  ,  ist  in  vollständigerem  Zustande  auf  uns 
gekommen  als  der  Torso  in  Athen,  sie  hat  den  Kopf  und  den 
rechten  Arm  bis  auf  die  Hand,  die  leider  auch  hier  fehlt. 
Clarac  hat  sie  unter  die  Darstellungen  des  Harpokrates  auf- 
genommen ,  wie  ich  glaube  mit  Recht.  Die  Bewegung  des 
rechten  Armes  wird  sich,  da  kein  Ansatz  eines  etwa  gehalte- 
nen Gegenstandes  vorhanden  ist,  nicht  anders  ergänzen  lassen 
als  zu  dem  Gestus  des  an  den  Mund  gelegten  Fingers,  dieser 
Geslus  aber  in  Verbindung  mit  dem  Attribut  des  Füllhorns 
stellt  die  Deutung  auf  jenen  hellenistischen  Dämon  sicher. 
An  die  Stelle  der  Lotosblume,  welche  die  Bilder  des  Harpo- 
krates sew'öhnlich  über  der  Stirn  trafen  ,  ist  an  der  Fiüjur  aus 
Toulouse,  wenn  die  Abbildung  nicht  täuscht,  ein  Mohnkopf 
getreten.  An  die  aegyptischen  Darstellungen  des  Harpcchruli 
erinnert  ferner  der  stark  entwickelte  kleine  Leib,  welcher  an 


'  Von  ilor  Fortsetzung  des  Füllhorns  muss,  wie  Kckulc  bereits  bemerkt 
hat,  ein  Ansatz  herrühren,  wolchcr  unlerhalh  des  Slunii»fcs  des  Armes  an 
der  auf  dem  Ohersciienkel  auflie^'t'udcn  Kanle  des  (.lowandes  sioiilbar  ist. 


370  DER  PLUTOS  DES  KEPHISODOT 

der  athener  StaliieKe  das  Gewand  spannt,  wenn  ja  freilich 
auch  den  aeg)^ptisehen  Darstellungen  ursprünglich  die  Beo- 
bachtung der  Natur  in  der  Bildung  kindlicher  Formen  zu 
Grunde  liegt.  ^ 

Wenn  man  demungeachtet  gezögert  zu  haben  scheint  in  der 
athener  Statuette  eine  Darstellung  desHarpokrateszu  erkennen, 
!?o  v/ii'd  der  Grund  der  gewesen  sein,  dass  sie  hierfür  zu 
gut  zu  sein  schien.  Denn  es  wird  mit  gewissen  Einschrän- 
kungen, auf  welche  hier  keine  Rücksicht  genommen  zu  wer- 
den braucht,  richtig  sein  ,  dass  die  aegyptischen  Culte  des 
Sarapis,  der  Isis  und  des  Harpokrales  erst  seit  der  Regierung 
des  II.  Ptolemaeus  in  Griechenland  Eingang  gefunden  haben; 
die  Athener  Statuette  aber  wird  man,  auch  zugestanden,  dass 
ein  älterer  griechischer  Typus  benutzt  sei  ,  wegen  der  Aus- 
führung nicht  wohl  für  jünger  halten  können  als  die  Mitte  des 
dritten  Jahrhunderts,  Diese  Schwierigkeit  ist  vorhanden,  lasst 
sieb  aber  lösen,  und  die  Lösung  wird  uns  denke  ich  in  den 
Stand  setzen  dem  Bildwerk  noch  bestimmter  die  Stelle  anzu- 
weisen, die  ihm  in  der  wissenschaftlichen  Betrachtung  zu- 
kommt. Die  Hellenisirung  der  drei  gemeinschaftlich  verehrlen 
aegyptischen  Gottheiten  in  Cult  und  Bild  hat  sich  in  Alexan- 
drien  vollzogen,  welches  den  ahnungsvollen  Intentionen  seines 
Gründers  gemäss  die  Capitale  der  neuen  Bildung  von  Anfang 
an  gewesen  und  immer  geblieben  ist ;  von  Älexandrien  aus 
hat  sich  der  junge  Dienst  naturgemäss  zuerst  und  ehe  er 
sich  in  Griechenland  einbürgerte  in  den  benachbarten  Ge- 
genden, an  derkleinasiatischen  Küste  und  auf  den  Inseln  ver- 
breitet. In  dieselbe  Region  aber  weist  uns  sowohl  das  was 
über  die  Herkunft  des  athener  Torso  hat  ermittelt  werden 
können  als  das  Material  desselben.  Stammt  die  Statuette  des 


'  Vgl.  Wilkinson,  The  ancicnl  Egypliam  1878  III  S.  131.  Eine  Rcilie  den 
imTe\l  besproclieiion  verwantlter  Statuetten, in  denen  man  den  kleineu  Her- 
mes erkannt  hat  (Wieseler  a.  a.  O.  z.  N.3t3),  begnüge  ieh  micli  liier  zu  er- 
wähnen, (laich  nicht  im  Stande  bin  das  gegenseitige  Verhältniss  derbeiden 
Typen  aufzuklären. 


DKH  PLUTOS  DHS  KRPlllSODOT  371 

IJarpokrales  von  einer  der  griechischen  Inseln,  so  hindert 
nichts  ihre  Enlsiehntig  bis  in  den  Anfang  des  dritten  Jahr- 
hnnderls  zurüekzndatircn.  VicUeichl  abei'  darf  man  in  der 
Locaüsirnng  des  Werkes  noch  einen  Schritt  weiter  gehen. 
Kiner  der  fJauptsilze  der  aegyplisehe.n  Cnlle  im  aegeischen 
Meere  war  den  rnonnrnenlalen  Funden  nach  zu  sehliessen  die 
Insel  Delos,  welche  itfi  drillen  Jahrhundert  noch  einmal  der 
Mittelpunkt  einer  unter  dem  Proleclorat  der  Ploleinaeer  ins 
l.eben  gerufenen  amphiktyonisehen  Vereinigung  der  Nesiolen 
gewesen  ist.  *  Von  derselben  Insel  und  dem  zuhörigen  Khe- 
neia  aber  rühren  ,  wofern  ich  Kekules  Angaben  richtig  ver- 
stelle ,  eine  Anzahl  dci-  fViihei-  in  dem  IMu-^etim  auf  Aegina 
vereinigten  Anti(]uilalen  her.  hanacli  wird  man  es  als  Ver- 
muthiing  wohl  aussprechen  dürfen,  dass  der  athener  Torso 
aus  dem  Serapeion  auf  Delos  slanimt.  Statuarische  Darstellun- 
gen des  Harpokrates  sind  nicht  häufig;  dem  athener  Exemplar 
wird  das  Lob  zukommen,  unter  den  bekannten  Slaluelten  die 
älteste  und  beste  zu  sein,  ein  VV^erk  ,  welches  sich  in  seiner 
Art  den  guten  Sarapisköplen  wohl  an  die  Seite  stellen  lässf. 

ULRICH  KÖHLER. 


'  Vgl.  Homolle  in  hüll,  de  Corr.  Hell.  IV  (1880)  S.  320  fT, 


Neue  Untersuchungen  am  Erechtheioti  zu  Athen. 

(Hierzu  Tafel  XVI.) 

Ein  kurzer  Aufenlhalt  in  Athen  im  Frühjahre  1881  gab 
mir  Gelegenheit,  bereits  früher  begonnene  Studien  über  das 
Erechtheion  durch  eingehendere,  leider  nicht  ganz  zum  Ab- 
schluss  gediehene  Untersuchungen  des  Monuments  fortzusetzen. 
Wenngleich  dieselben  keineswegs  zu  einer  vollständigen  Uecon- 
struction  des  Baues  geführt  haben  ~  eine  solche  ist  vor  sorgfälti- 
ger Reinigung  und  Aufgrabung  des  Innern  sowie  der  nächsten 
Umgebung  des  Tempels  wohl  überhaupt  nicht  zu  erwarten, — 
sich  vielmehr  auf  die  Beobachtung  von  noch  nicht  genügend 
gewürdigten  Thatsachen  und  die  Berichtigung  einzelner  irr- 
thümlicher,  aber  weit  verbreiteter  Annahmen  beschränken, 
so  wird  man  sie  doch  als  einen  Beitrag  zur  Lösung  der  vielen 
Streitfragen  über  diesen  rätliselvollen,  das  Interesse  stets  von 
Neuem  weckenden  Bau  anerkennen.  Die  beigegebene  Doppel- 
tafel zeigt  einen  im  Wesentlichen  den  Aufnahmen  der  npoocTix« 
T'Ti;  e-l  tou  'Eps;(6eioy  e^riTpoTTvi;  entlehnten,  nur  in  den  zur 
Behandlung  kommenden  Details  auf  eigenen  Messungen  be- 
ruhenden Aufriss  der  West-Seite,  den  Grundriss  der  westlichen 
Hälfte  des  Baues  sowie  eine  perspectivische  Skizze  der  S.  W. 
Ecke  von  Innen.  Im  Übrigen  kann  ausser  auf  die  bekannten 
Publicationen  besondei's  auf  die  in  der  neuen  Ausgabe  von 
Jahn's  Paus,  dcscript.  arc.  Athen,  enthaltenen  Zeichnungen, 
sowie  das  daselbst  übersichtlich  zusammengestellte  urkund- 
liche Material  hingewiesen  werden. 

Um  die  technische  Untersucluing  des  Bauwerkes,  die  uns 
hier  zunächst  angeht,  haben  sich,  wenn  wir  nur  neuerer  For- 
schergedenken, hauptsächlich  Tetaz,  Bötticher,  die  Verfasser 
der  npx/.Tr/.a  und  Julius;   um  die  topographische  Erklärung 


UNTERSUCH UNGKN  AM  EHECHTIIEION  373 

an  der  Hand  des  literarisclien  Materials  Thierscli,  Fergusson 
und  Michaelis  verdient  gemacht.  *  Der  letztere  folgt  dabei 
fast  in  allen,  die  bauliehe  Gestalt  des  Tempels  betreffenden 
Fragen  den  Ansichten  Bötlichers ,  der  unter  allen  iLrkliirern 
des  Monuments  eine  besondere,  beinahe  unbestrittene  Stelluns 
eingenommen. 

Die  vier  Hauptpunkte,  die  wir  seinen  Forschungen  verdan- 
ken, tJind  :  die  Aufdeckung  eines  zwischen  Erechlhcion  und 
Parthenon  belegenen  Peribolos,  die  Untersuchungen  über  die 
Freitreppe  au  der  N.  O.  Kcke,  seine  Heconslruction  des  In- 
nern, für  das  er  bekanntlich  eine  complicirte  zweigeschossige 
Anlage  annimmt  ;  und  schliesslich  die  Aulündung  einer 
Wasserleitung  vor  der  Westfront,  die  ein  wichtiges  Moment 
für  die  Wiederherstellung  dieser  sehr  zerstörten,  i-äthselvollen 
Seite  des  Baues  darbietet.  Wir  beginnen  unsere  Untersuchun- 
gen am  zweckmiissigsten  mit  eben  dieser  Stelle. 

Ein  Blick  auf  den  beigegebenen  Grundriss  zeigt  zunächst 
eine  autfällige  Verschiedenheit  der  Bichtung  des  Tempels  mit 
einer  an  die  Westseite  der  Korenhallo  anslossenden  Terrassen 
mauer  einei'seits,  und  mit  den  noch  in  situ  befindlichen  Fuss- 
bodenplinthen  nördlich  der  kleinen  Thür  in  der  Westwand 
andrerseits.  Diese  Unregelmässigkeit  erklärt  sich  am  einfach- 
sten daraus,  dass  man  bei  dem  xNeubaue  seit  Perikles  gewisse 
ältere  Theile  des  Heiligthumes  in  ihrem  Bestände  und  ihrer 
Orientirung  belassen  musste,  gleichviel  wie  sie  zu  der  neuen 
Anlage  stimmten.  Ist  nun,  wie  aus  der  bekannten  Bau-In- 
schrift hervorgeht,  der  Baum  vorder  Westwand  das  Pandro- 
seion,  so  wird  man  die  vorhandene  divergirende  Richtung  je- 
ner Marmorplatlen  mit  der  gegebenen  Orientirung  dieses  Be- 
zirkes in  Vei'bindung  bi-ingen.   hn  Pandroseion   befand  sich 


*  Tetaz  :  Rev.  mrlicol.  1851  .  nöllicher:  lk>riclil  üljcr  die  Uiitersucliungpn 
auf  der  Akropulis,  1862.  Julius  :  Üljer  das  Ercclilliciün.  Münclicn,  1878. 
Tliier.seli  :  PJpicrisis  der  neuesten  Uiiteis.  des  Ercciilh.  in  den  Abli.  d.  k. 
bayr.  Ak.  d.  W.  I  Cl.  Vlit  II.  Abliilj?.  Fcrgusson:  On  the  Ercchlheio>i  in  den 
Tansarlions  o/  the  Royal  I/v^t.  of  Urit  Arrh.  1875-76.  Micl)aelis :  Mitthlg. 
(l.  Arcliacol.  Inst.  i.  Athen  1877  S.  15  ff. 


374  UNTERSUCHUNGEN  AM  ERECHTHEION 

einst  der  heilii?e  Oelbaum  der  Athena  sowie  der  Altar  des 
Zeü;  'EoKEio;,  und  es  liegt  die  Frage  nahe,  ob  der  Standort 
beider  nicht  genauer  fixirl  werden  kann. 

Die  theilweise  noch  in  situ  befindlichen  Quadern  im  Win- 
kel zwischen  der  Westwand  und  der  Nordhalle  bildeten,  mit 
Ausnahme  der  der  Tempelrichtung  folgenden  dreistufigen 
Krepis,  ein  in  schräger  Richtung  laufendes  Marmorpodium, 
das  durch  besondere  Aufmauerung  über  dem  tiefer  liegenden 
Felsboden  emporgehoben  war.  Unmittelbar  vor  der  kleinen, 
ins  Innere  führenden  Thür  der  VVestwand  fehlte  aber  diese 
Aufmauerun».  Denn  einmal  zei2;t  die  der  Thür  zunächst  lie- 
gende  unterste  Krepisslufe  .4^  an  ihrer  Vorderfläche  Randbe- 
schlag und  Bosse  zum  Beweise,  dass  die  Krepis  hier  keine 
Fortsetzung  gehabt,  andrerseits  gibt  der  wohlerhaltene  Rand 
des  schrägen  Fussbodens  (ß)  mit  seinem  Falzeohne  Anschluss 
für  weitere  Steine  nach  Norden  zu  eine  feste  Grenze  ab.  Von 
dieser  Stelle  nun  lief  eine  bereits  von  Bötticher  entdeckte 
und  in  ihrer  Lage  am  Stereobate  der  Nordhalle  genau  Hxirte 
Wasserrinne  {D)  aus,  deren  einzelne  Steine  gleiche  Richtung 
und  Höhenlage  mit  dem  schrägen  Plattenbelage  (ß)  haben 
und,  wie  aus  ihrer  gerauhten  Oberfläche  ersichtlich,  einst 
durch  andere  Steine  bedeckt  gewesen  sind.  Der  Platz,  den 
diese  Rinne  entwässert,  muss  naturgemäss  auf  allen  vier  Sei- 
ten umschlossen  gewesen  sein;  wir  erhalten  somit  vor  der 
kleinen  westlichen  Thür  eine  vom  Marmor- Fussboden  des 
Pandroseion  umgebene  Stelle,  in  der  ich  den  Standort  der 
iluix.  7:5(yx,u(po?  vermuthen  möchte.  Ihr  Platz  war  unveränder- 
lich und  wahrscheilich  auch  massgebend  für  die  sehr  auffäl- 
lige, in  conslructiver  Hinsicht  nicht  zu  rechtfertigende  Anord- 
nung der  Thür  grade  unter  einer  Säule,  Möglicherweise  führte 
dieselbe  directauf  den  Baum  zu.  Ihre  Schwelle,  die  einst  mit 
der  oberen  Stufe  der  Krepis  gleich  hoch  lag,  ist  später  um 
dieHöhe  einer  Stufe  vertieft  worden.  Nahe  bei  derWest-Thür 


'  Dieser  Stein  ist  zwar  durch  moderne  Uulermauerung  unterstützt,  liegt 
aber  unzweifelhaft  in  richtiger  Lage. 


UNTKnSUCHÜNGEN  AM  EaEGHTHEION  315 

muss  übrigens  auch  die  Siul-Gpenze  des  Pandroseion  gesucht 
werden.  Dabei  kommt  zunächst  iinmitl(!lbar  zur  Rechten  des 
Eingangs  der  ans  der  Wund  heraiisragende  Abschluss  (E)  der 
dreistufigen  Krepis  in  lielracht.  Denn  dass  dieselbe  thatsiich- 
lich  nicht  weiter  gegangen,  ergibt  sich  aus  dem  l'mslande, 
dass  die  in  der  Höhe  des  Fusshodens  liegende  Plinlhenlage 
nicht  wie  nördlich  der  Thür  gleichzeitig  die  Stufen  bildet, 
sondern  mit  der  Wandniiche  bündiij  abschneidet:  ferner  aus 
dem  Vorhandensein  von  Bossen  an  dev  unmittelbar  darunter 
liegenden  Quaderschicht,  und  drittens  aus  dem  Fehlen  von 
Fundamente»)  für  den  Stufenbau.  Hat  aber  der  letztere,  ob- 
gleich sonst  an  allen  zugänglichen  und  sichtbaren  Theilen  des 
Baues  vorhanden,  an  der  südlichen  Hiilfle  der  Westwand 
nicht  existirt,  so  muss  dieselbe  entweder  unzugänglich  oder 
von  untere-eordneler  Bedeutung  gewesen  sein.'^  Wie  weit  dies 

O  DO 

der  Fall  war,  wird  unten  auseinander  gesetzt  werden  ;  hier 
ist  zunächst  noch  an  ein  zwei  Schichten  unter  E  befind- 
liches, zum  Einbinden  eines  Steines  bestimmtes  Loch  (F)  zu 
erinnern,  das  bisher  in  keiner  Aufnahme  berücksicht  worden 
ist,  mir  aber  ebenso  wie  die  noch  erkennbare  Stossfläche  an 
E  auf  den  Anschluss  einer  mit  der  Terrainhöhe  abschneiden- 
den Art  von  Futtermauer  zu  deuten  scheint.  War  doch  eine 
solche  Anordnuno;  hier  auch  nöt;his,  da  das  Terrain  nördlich 
der  Thür  um  die  Höhe  der  dreistufigen  Krepis  niedriger  lag 
als  längs  der  Südhälfte  der  Westwand.  Damit  aber  erhalten 
wir  gleichzeitig  eine  weitere  Begrenzung  für  das  nur  in  sei- 
nem westlichen  Abschlüsse  nicht  mehr  zu  ermittelnde  Loch 
für  den  Oelbaum.  Neben  dem  heiligen  Baume  der  Alhena  be- 
fand sich  der  Tradition  nach  der  Altar  des  Zeu?  'Ep)ceio;.  Sein 
Standort,  für  den  sonst  kein  weiterer  Anhalt  vorliegt,  ist 
vielleicht  auf  dem  erhöhten  Marmor-Boden  zwischen  dem 
Baume  und  der  S.  W.  Ecke  der  Nordhalle  zu  suchen. 


'  Eine  Vernaclilässigung  dieser  Stelle  beweist  aucli  das  Fehlen  der  Rhab- 
dosis  am  oberen  Toms  der  Basis  der  südlichsten  Halbsäulc  und  des  ganzen 
südlichen  Intercolumniuin  der  Westwand. 


376  UNTERSUCHUNGEN  AM  EREGHTHEION 

Die  Existenz  einer  das  Pandroseion  gegen  Norden  ajjschües- 
senden  Grenzmauer  und  zwar  in  seliiügem  mit  der  RiclUiin.g 
der  oben  besprochenen  Fussbodenplinthen  übereinslimmen- 
dem  Verlaufe,  wird  trotz  der  Einwendungen  RöLliclier's  durch 
die  schräge  Anschkissfläche  am  Slirnpfeiler  (C)  neben  dem 
Zugange  zurNordhalie,  sowie  dieeigenthümliche  Verzahntmg 
des  Stereobats  der  Nord  halle  an  jener  Stelle  erwiesen.  Was 
hätte  auch  sonst  die  aus  dieser  Halle  in  das  Pandroseion 
führende  Thür  für  eine  Bedeutung,  wenn  sie  nicht  in  einen 
von  dieser  Seite  abgeschlossenen  Raum  führte.  Man  kann  so- 
gar die  Breite  dieser  nördlichen  Einfriedigungsmauer  von  c. 
0™,35  auf  der  Oberfläche  des  von  Bölticher  an  seinen  ursprüng- 
lichen Platz  zurückversetzten  Wasserleitungs-Steines  {!))  noch 
deutlich  erkennnen.  Die  Westgränze  des  Pandroseion  ist  nicht 
mehr  zu  ermitteln.  Vielleicht  wird  es  möglich  sein,  wenn  ein- 
mal  der  ganze  Platz  nördlich  der  grossen  Terrasse,  der  jetzt 
zum  Theile  von  christlichen  Gräbern  eingenommen  wird, 
aufgeräumt  ist.  Vermuthlich  wird  indess  diese  Grenze  nicht 
allzunahe  der  Westfront  des  Tempels  gelegen  haben,  da  man 
sonst  wohl  für  die  Böttichersche  Wasserleitung  statt  ihrer 
eomplicirten  Führung  durch  die  Stufe  der  Nordhalle  einen  di- 
reclen  Ausweg  nach  Westen  gewählt  haben  würde. 

Sehr  schwierig  ist  die  Frage  nach  der  arclnlectonischen. Ge- 
staltung des  Winkels  zwischen  der  Terrasse  und  dem  süd- 
lichen Theile  der  Westwand.  Von  Einigen  wird  hier  ein  be- 
sonderer kleinerer  Bau  vermuthet.  Allein  diese  Annahme  ver- 
bietet sich  wenigstens  für  die  unmittelbare  Nähe  des  Tempels, 
wenn  man  auch  das  Fehlen  von  dazugehörigen  Fundamenten 
ausser  Acht  lässt,  durch  die  Beobachtung  technischer  Indi- 
cien  oberhalb  der  Terrasse,  insbesondere  an  der  Westseite 
der  Koreuhalle.  Am  Podium  der  letzteren  finden  sich  rechts 
unterhalb  der  hinteren  Karyatide  deutliche  Ansatzspuren,  de- 
nen in  der  Stufe  der  Krepis  [G]  ein  Falz  entspricht.  Auch  ist 
nur  bis  zu  jener  Stelle  das  Kymation  des  Podiums  sculpirt, 
nördlich  davon  aber  glatt.  Michaelis  vermuthet  hierin  mit 
Anderen  die  Ansatzspuren  einer  Schranke,  gegen  die  sich  die 


UNTKRSUGilUNüKN  AM  KHIiCIlTUKION  377 

Spiren  der  Koreiihalle  lodllaufi'n  wiiidi-ii,  und  von  der  er  an- 
zunehmen scheint,  dass  sie  (\('v  Fliiclit  (h'i"  Terrasse  und  als 
ihr  oberer  Ahsclduss  gfffdgl  sei.  Dagegen  ist  jedoeli  verschie- 
denes zu  erinnei-n  :  Di.'  Kropisslufe  (f-')  der  Koienhjtlle  /lärn- 
lich  inil  dem  Falze  nnlorhalh  iJer  erwälinlen  Ansehlnssspnr 
zei^a;t  an  ihi-er  \ve';lli<'lien  Fliiehe  keine  Slosskanle  souijern 
im  Gegenlheile  den  Randhcsclilag,  nuiss  also  liier  frei  ueleirf.,, 
haben,  datfegen  an  ihrer  n/irdliehen  Seite  Slosskanten  «ind 
Didjel,znm  lieweise,  dass  in  dieser  Riehtungsich  der  Stufen- 
baii  der  KorenhalJe  weiler,  und  zwar  über  den  jelzigen  Kand 
der  Terrasse  fortgesetzt  habe.  Dies  bedingt  gleichzeitig  eine 
entsprechende  Verlängerung  der  Terrasse  selber  an  eben  jener 
Stelle,  und  gübe  eine  Erklärung  einmal  für  die  hohe  in  die 
Westwand  unterhalb  der  südlichen  Ante  hineinragende  Wand- 
quader als  Sockelplinlhe,  die  ja  stets  grösser  zu  sein  pfhgt  ;ds 
die  id)iigen,  dann  für  das  Voi'handensein  eines  feinen  Proüls 
an  derselben, das  man  dort  wohl  nicht  angebracht  liiitte,  wäre 
jene  Stelle  durch  Schranken  abgeschlossen'  und  unzugänglich 
gemacht.  Nach  den  llpxy.Ti/.y.  der  griechischen  Commission 
war  die  jetzt  mit  modernem  Ziegelmauerwerke  ausgefüllte 
[Aicke  unterhalb  des  grossen  Steines  bei  den  daselbst  veran- 
stalteten Naciigrabungen  leer  befunden.  Auch  zeigte  der  da- 
runterbelindliche  Felsboden  keine  eingearbeiteten  Bettungen 
sondern  war  unbearbeitet,  ein  Umstand  der  dafür  spricht, 
dass  jene  Stelle  nicht  mit  den  regelmässigen  Plinthen  der 
VVest\\and  sondern  wahrscheinlich  mit  dem  keines  sorgfälti- 
gen Auflagers  bedürftigen  Füllmauerwerkc  der  Terrasse  über- 
baut gewesen  ist.  Die  Vermulhung,dasssich  die  ganze  Terrasse 
einst  über  ihre  gegenwärtigen  Grenzen  ausgedehnt  habe,  wii'd 
übei'dies  durch  ihren  jetzigen  offenbar  zerstörten  Zustand  er- 
wiesen. Denn  schwerlich  war  sie  in  der  rohen  Weise  mit 
verhauener  Aussenseile  der  Steine  beendet,  sondern  muss  ehe- 
dem einen  regelmässigen  Absehluss  gehabt  haben.  Dem  jet- 
zigen Kande  der  Terrasse  folgte  einst  eine  Reihe  grosser  Qua- 
dern aus  Piräusstein,  von  denen  eine  (H)  noch  unverrückt  in 
situ  geblieben  ist,  während  mehrere  andere  in  unmittelbarer 


378  UNTEBSUCHÜNGEN  AM  ERECHTHEION 

Nähe  umherliegen.  Diese  Steine  zeigen  sämmllich  an  ihrer 
Obertläche  Einlassungen,  deren  Grösse,  nngleichmässige  Form 
und  verschiedene  I^age  in  Bezug  auf  die  erwähnte  Anschluss- 
spur es  verbietet,  sie  mit  einer  von  dort  ausgehendenSchranke 
in  Verbindung  zu  bringen.^  Eine  solche  würde  überdies  unter 
Voraussetzung  ihres  Ausgangspunktes  an  jener  Stelle  um  ein 
erhebliches  Stück  vom  Rande  der  Terrasse  entfernt  sein  und 
daher  zum  mindesten  nicht  mehr  als  Schulzwehr  für  densel- 
ben gedient  haben  können.  Unter  jenen  Plinthen  aus  Piräus- 
slein  besteht  die  Abdeckung  der  gesammten  Terrasse  durch- 
gehends   aus  sauber  gefügten   polygonalen  Quadern  aus  dem 
natürlichen  Gesteine  des  Felsens  der  Äkropolis,  In  dieser  Form 
geht  die  Terrasse  unter  der  Korenhalle  hindurch,  die  ganze 
Sündfront  des  Tempels  entlang  und  ist  offenbar  älter  als  der 
Perikleische  Bau  des  Erechlheion.    In  ihrer  westlichen  frei- 
liegenden Hälfte  schneiden  nun  die  Deckplinlhen  der  äusser- 
slen  nördlichen  Reihe  stufenartig  mit  einem  sauber  eingerich- 
teten Rande  (ß)  ab.    Da  dieser  ferner  nach  Aussen  zu  keine 
Stosskante  aufweist,  ebenso   wenig  wie  die  Oberfläche   der 
nächsten  tieferen  (0)  Lage,   sondern  vollkommen  glatt    und 
beendet  erscheint,  kann  die  aus  den  obigen  Gründen  gefol- 
gerte Verbreiterung  der  Terrasse  nicht  horizontal  sondern  nur 
treppenförmig  gewesen  sein.  Und  in  der  That  vermag  ich  mir 
unter  Berücksichtigung  aller  Umstände  keine  befriedigendere 
Lösung  der  vorhandenen  Schwierigkeiten  zu  denken,  als  durch 
die  Annahme    eines   treppenförmigen   Abschlusses   der  Ter- 
rasse, und  zwar  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung.  Zur  Unterstüt- 
zung derselben  braucht  man  nicht  an  entfernlere  Analogieen 
wie  etwa  die  Schalzhäuser-Terrasse  zu  Olympia  zu  denken, 
bietet  uns  doch  der  Bau  selber,   wie  ich  glaube,  die  schla- 
gendste Analogie  in  der  grossen  Freitreppe  an  der  N.  0.  Ecke. 
Denn  dieselbe  bildet  weiter  nichts  als  den  Abschluss  des  vor 


'  Vielieiclit  dienten  die.se  Einlassungen  für  Fussplinlhen  von  Statuen, de- 
ren Pausanias  metirerc  auf  seiner  Wanderung  vorn  Erechlheion  bis  zur 
Athena  Proniachos  erwähnt, 


UNTERSUCHUNGEN  AM  ERECHTHKION  379 

der  Ostfront  beleijonen  oberen  Terrains  und  seine  Verhindnnp^ 
mit  dem  vor  der  Nordfront  liegenden  tieferen.  Nun  ist  olTen- 
bar  die  Saclilage  an  der  N.  0,  Ecke  und  S.  W.  Kcke  eind 
vollkommen  gleiche,  es  mag  dalier  auch  die  archilektonischo 
Lösnng  die  gleiche  gewesen  sein.  In  beiden  Fallen  sehen  wii' 
eine  dem  Gebäude  angelehnte,  auf  das  obere  Terrain  ,  und 
zwar  hart  an  dessen  Hände  hinausgeschobene  Voihalle,  dort 
die  östliche  Proslasis,  hier  die  Korenhalle.  Die  dreistufige 
Krepis  der  ersteren  ist  seitlich,  und  zwar  über  den  Rand  dei* 
Terrasse  liinaus  bis  zur  Ante  herumgeführt  auf  einem  beson- 
deren vorgelegten  Mauerkörper,  an  welchem  die  Anschluss- 
fläehen  für  die  hinabführenden  Treppenstufen  wohl  erhalten 
sind.  In  gleicher  Weise  zogen  sich,  wie  oben  nachgewiesen, 
die  Unterstufen  der  Korenhalle  an  ihrer  Westseite  und  zwar 
verniuthlich  ebenfalls  bis  zur  Ante  entlang,  wir  werden  uns 
deshalb-auch  hier, und  zwar  in  der  mit  modernem  Ziegelmauer^ 
werke  zugedeckten  Maueilücke  unterhalb  der  S.  W.  Ecke  des 
Tempels  einen  ähnlich  gestalteten  ,  mit  der  Terrasse  zusam- 
menliängenden  Mauerkörper  zu  denken  haben,  der  die  An- 
schlussilächen  für  die  Stufen  aufnahm.  Die  Zerstörung  jener 
Stelle  hängt  mit  dertAnlage  eines  türkischen  Wasseroanals 
zusammen,  der  grade  dort  in  die  im  westlichen  Vorräume 
des  Tempels  eingebaute  Cisterne  mündete. 

Um  schliesslich  auf  die  oben  öfters  erwähnte  Ansatzspur  am 
Podium  der  Korenhalle  zurückzukommen,  so  möchte  auch  ich 
dieselbe  mit  einer  Schranke  in  Verbindung  bringen,  nur  müs- 
ste  dieselbe  nicht  dem  Rande  der  Terrasse  entlang,'  sondern 
senkrecht  dazu  und  mit  Belassung  eines  Zuganges  zur  Frei-? 
treppe  vor  der  Westseite  des  Ilallenbaiies,  bis  zntn  Anschlüsse 
an  die  Nordmäuer  des  von  liölticher  entdeckten  südlicher!  Pei< 
ribölos  gelaufen  sein  (vgl.  die  in  j)unkl!rLen  Linien  gegebene 
Andeutung  auf  dem  Grundrisse). 

Auf  dem  Kaupertschen  Burgpinne  springt  die  Westgränze 
jene»  Peribolos  unweit  seiner  S.  W.  Ecke  plötzlich  ein,  um 
auf  die  Ecke  der  Korenhalle  zuzulaufen.  Einen  Anschluss  der- 
selben an  jener  Stelle  habe  ich  nicht  bemerken  können,  viel- 

MITTH.D.  ARCH.INST.YI.  25 


380  UNTERSUCHUNGEN  AM  EREGHTHEION 

mehrwird  jenesEinspringen  vermieden,  wenn  mandie  Mauer 
ungebrochen  in  grader  Richtung  neben  der  Westseite  der 
Jungfrauen -Halle  vorbei  führt.  Ein  besonderer  Zugang  zur 
Freitreppe  war  hier  nöthig,  da,  wie  wir  gesehen,  der  obere 
Rand  der  Terrasse  durch  grosse  Piräuspiinthen  eingenommen 
und  unzugänglich  geworden  war.  Auch  scheint  es,  dass  die 
unterste  Krepis- Stufe  der  Korenhalle,  um  einen  solchen  Zu- 
gang nicht  zu  beengen,  an  der  Westseite  nicht  in  voller  Breite 
herumgelaufen,  sondern  nur  wenig  oder  gar  nicht  vor  der 
mittleren  vorgesprungen  war.  Für  die  Klärung  dieser  ganzen 
Angelegenheit  wäre  ein  sorgfältiges  Aufräumen  und  Reinigen 
der  Ecke  der  Korenhalle  und  des  Randes  der  Terrasse,  behufs 
Beobachtung  der  dort  sich  noch  vorfindenden  technischen 
Merkmale,  sehr  wünschenswerlh. 

Weniger  Schwierigkeiten  als  die  Reconstruction  der  West- 
seite des  Monuments  bietet  die  Behandlung  der  durch  Bölti- 
cher's  scharfe  Kritik  arg  in  Misskredit  verfallenen  Frage  der 
unter  dem  Fussboden  der  Nordhalle  belegenen  Felsmale.  Der 
Fussboden  dieser  Halle  bestellt  aus  grossen  Marmorplatten, 
die  auf  einer  Untermauerung  aus  Piräusstein  ruhen  und  grös- 
stentheils  noch  wohl  erhalten  sind,  bis  auf  eine  Lücke  östlich 
neben  der  grossen  Thür.  Hier  aber  fehlt  diese  Untermauerung 
nicht  nur  in  der  Ausdehnung  des  kleinen,  unzweifelhaft  an- 
tiken Zuganges  aus  dem  Innern,  sondern  auch  unmittelbar  vor 
demselben,  grade  dort,  wo  sich  die  gedachten  Male  im  Fel- 
sen befinden.  Sie  ist  hier  auch  niemals  vorhanden  gewesen. 
Dies  ergibt  sich  mit  Sicherheit  aus  der  vollkommen  unbear- 
beiteten, unregelmässigen  Obernäche  des  Felsbodens,  während 
unmittelbar  daneben,  da  wo  durch  einen  türkischen  Einbruch 
die  Piräusquadern  herausgerissen  sind,   sich  der  Boden  zur 
Aufnahme  derselben  sorgfältig  geglättet  zeigt;  ferner  aus  dem 
Fehlen  der  sonst  überall  ausgearbeiteten  Anschlussflächen  an 
den  umliegenden  Fundamentsteinen.  Da,  wo  die  Untermaue- 
rung fehlte,  musste  auch   der  Marmorbelag  des  Fussbodens 
fehlen,  und  in  derThat  enthält  derselbe  die  unzweideutigsten 
Merkmale  für  das  Vorhandensein  einer  auch  schon  von  Telaz 


UNTERSUCHUNGEN  AM  EREGHTHEION  381 

beobachteten,  aber  nicht  näher  beojründeten  Lücke  im  Stereo- 
bäte.  Es  niiiss  nämlich  auffallen,  dass  inmitten  der  übrigem 
grossen  Üeckphilten  offenbar  mit  Vorbedacht  zwei  kleijiere 
eingeschoben  sind  ,  und  zwar  direct  über  jenen  Felsmalen. 
Die  eine  derselben  ist  an  ihrer  freiliegenden  vcrlicalen  Fläche 
nicht  mehr  unversehrt  erhalten,  die  andere  hingegen  (/)  zeigt 
dort  nicht  die  characlerislischen  Stosskanten,  sondern  ist  im 
Gegentheile  an  dieser  Stelle  glatt  abgearbeitet.  Ebensowenig 
besitzt  die  gegenüberliegende  Deckplinthe(Ä)  über  dem  Gange* 
ins  Innere  an  ihrer  nördlichen  Stosslläche  iri'endeine  An- 
Schlussspur.  Ist  nun  hiermit  das  Vorhandensein  einer  c. 
P'^Sl  im  Ouadrat  fassenden  Oeffnung  im  Stereobate  erwiesen, 
so  w  ird  man  die  Beziehung  derselben  zu  der  darunter  befind- 
lichen, von  Innen  zugänglichen  Localilät  nicht  bezweifeln, 
und  gewinnt  die  Frage  nach  der  Identität  der  Felsenrisse  mit 
dem  Male  des  Poseidon  allerdings  eine  Bedeutung.  Ferner 
wird  das  Vorhandensein  dieser  für  heilig  gehaltenen  Localilät 
und  der  Standort  des  ßo>[;.6;  toO  OuvjpO  innerhalb  der  nörd- 
lichen Prostasis  ihre  über  das  Mass  einer  gewöhnlichen  Vor- 
halle hinausgehende  Ausdehnung  nach  der  Tiefe  erklären. 

Durch  die  grosse  Prachtthür,  von  der  die  Halle  ihren  Na- 
men 7:p6<yT!X'jt5  Tifö?  Tou  9upo>{jt.3CTo;  erhalten  ,  betreten  wir  das 
Innere  des  Tempels.  Die  Erforschung  desselben  hat  von  jeher 
die  grössten  Schwierigkeiten  bereifet,  so  dass  eigentlich  Nie- 
mand ausserTetaz  eine  durchgeführte  Beconstruction  veröirent- 
lieht  hat.  Die  beslihimtesten  Angaben  über  eine  solche  gibt 
Bötticher  und  seine  Ansichten  haben  seitdem,  namentlich  bei 
deutschen  Gelehrten,  eine  Alleinherrschaft  ausgeübt,  der  neuer- 
dings nur  Julius  in  einigen  Punkten  entgegengetreten  ist.  Den 
Kernpunkt  seiner  Beconstruction,  die  Zweistöckigkeit  des  In- 
nern, behandelt  er  am  Kürzesten  und  führt  als  positiven  Be- 
weis Ansatzspuren  einer  Zwischendecke  an,  die  von  der  Schei- 
dewand des  westlichen  Raumes  bis  zur  östlichen  Querwand 
zweifellos   in  der  Consiruction  der  Wandplinlhen    erhallen 


*  Man  vergleiclie  hierzu  die  Ausführungen  von  Julius  a.  a.  0.  S.  24-25, 


382  UNTERSUCHUNGEN  AM  EREGHTHEION 

wären.  Demgegenüber  muss  ich  mit  derselben  Bestimmt- 
heit wie  Julius  und  unter  Berufung  auf  das  IJrllieil  mei- 
ner technischen  Collegen  aus  Olympia,  Herrn  Dörpfeld  und 
Graeber,  *  versichern,  dass  an  der  von  ßötticher  gemeinten 
Stelle,  oberhalb  der  kleinen  Fenster,  von  solchen  Ansatzspu- 
ren nichts  zu  bemerken  ist.  Es  müssten  für  dieselbe  doch 
irgend  ein  Auflager  und  ausgearbeitete  Stosskanten ,  wie  sie 
sich  sonst  überall  am  Baue  finden,  oder  unter  Voraussetzung 
einer  Holzdecke  Löcher  zum  Einbinden  der  Balken  vorhanden 
sein.  V^on  alle  dem  ist  aber  nichts  zu  entdecken  ;  überdies 
kann  die  hetretTende  Plinlhenschicht  zum  grössten  Theile  gar 
nicht  mehr  als  beweiskraftig  herangezogen  werden,  da  sie 
ihren  Platz  dem  Wiederaufbaue  durch  Pittakis  verdankt. 

Eine  weitere  Consequenz  der  zweistöckigen  Anlage  Bötti- 
chers  wäre  die  Anordnung  zweier  innerer  Stützenreihen  mit 
den  dazu  erforderlichen  Stereobaten,  parallel  zu  den  Aussen- 
wänden  und  in  Richtung  der  jetzigen  christlichen  Seitenschiffs- 
mauern. Man  wird  sich  eingestehen,  dass  hier  Bölticher's 
Annahme,  wonach  die  antiken  Fundamente  durch  die  Chri- 
sten, die  ihre  Wuth  gegen  den  ganzen  unheiligen  Raum  rich- 
teten, zerstört  wären,  ehe  der  Umbau  zur  christlichen  Kirche 
begann,  wenig  wahrscheinlich  ist,  und  zwar  um  dessen tvvillen 
weil  ein  solches  Verfahren  der  genugsam  bekannten  Praxis 
derselben  in  derartigen  Fällen  durchaus  widerstreitet  und 
auch  der  leidenschafllichsle  Fanalismus  schwerlich  eine  Mauer 
zerstören  wird,  wo  sie  benutzbar  war.  Zudem  habe  ich  von 
einer  Zerstörung  des  Felsbodens,  die  sich  sogar  auf  die  V^er- 
nichtung  der  einstigen  antiken  Bettungen  für  die  Fundamente 
erstreckt  haben  müsste,  nichts  wahrnehmen  können.  Der  Fels 
zeigt  seine  natürliche  unebene  Beschaffenheit  und  ist  keines- 
wegs gewaltsam  ausgetieft  worden,  da  die  Flöhenlage  seiner 
Oberfläche  im  Innern,  wie  auch  die  Längsschnitte  der  npiJc/CTDca: 


'  Das  sactiverständige  Urtlieil  der  beiden  genannten  Herren  liat  mich  in 
der  Unlersucliung  dieser  wie  anderer  Punlcle  wesentlich  unterstützt  und  zu 
grossem  Danke  verspflichtet. 


UNTEBSÜGIIUNGEN  AM  EnECHTÜEION  388 

zeigen,  mit  der  im  Aeusseni  vor  der  Westfront  übereinstimmt. 
Es  fehlt  somit,  da  von  der  antiken  Gründling'  keine  Spur 
melir  vorhanden  ist,  auch  an  jedem  Beweise  für  deren  ein- 
stif^e  Existenz  und  damit  an  einer  für  Zwischendecken  nolli- 
wendigen  mittleren  llntersdil/ung. 

Mit  noch  grosserer  Reslimmlheitals  für  den  mittleren  Raum 
muss  für  die  östliche  Cflla  die  Zweislöckigkeit  zurückgewie- 
sen w(M-den.  Während  nämlich  die  unteren  Quaderlagen  der 
Südwand  innerhalb  des  ersteren  mit  Rucksicht  auf  dessen 
Ticflrigv  öämmtlich  aus  Marmor  bestehen  mit  der  charakteri- 
stischen hohen  Piinthenschicht  unmittelbar  über  dem  Fus8- 
boden,  findet  sich  von  der  Östlichen  Querwand  ab  der  Marmor 
erst  in  der  Höhe,  wo  er  für  den  Aussenbau  nölhig  wird.  Da- 
gegen bestehen  flie  unteren  Schichten  durchgclicnds  aus  Pi- 
räusslein.*  Schon  dieser  Umstand  spricht  deuüich  genug  ge- 
gen Annahme  eines  unteren  Raumes  entlang  der  Wand  und  in 
gleicher  Fussbodenliöhe  mit  dem  mittleren,  da  man  nicht  be- 
greift, warum  das  sonst  überall  nur  in  den  Fundamenten 
auftretende  gröbere  Material  hier  plötzlich  statt  des  Marmor's 
verwendet  sein  sollte.  Wichtiger  noch  für  die  Entscheidung 
der  Angelegenheit  ist  aber  die  Bearbeitung  jener  unleren  Steine. 
Es  sind  nämlich  die  Pii'äiisquadern  nicht  einmal  flnchtrecht 
mit  den  darüberbefindlichen  Martnorplinthen  bearbeitet,  sie 
springen  vielmehr,  wie  man  sich  aus  den  Querschnitten  der 
lIpx/tTt/to^  und  bei  Michaelis  Paws.  descrpt.  arc.  Athen,  cd.  Jahn 
i880  überzeugen  kann  ,  erheblich  ins  Innere  hinein  und  zei- 
^(tn  überdies  an  ihren  sichtbaren  Aussenseiten  noch  dieSloss- 
kanten  für  den  Anschluss  an  ihre  ehemaligen  ,  durch  den 
christlichen  umbau  herausgerissenen  Nachbarsteine.  Ganz 
dasselbe  findet  sich  an  den  noch  in  situ  liei,^enden  ^'räus- 
quadei-n  im  Winkel  der  Nord-nnd  Ostwand.  Auch  diese  Jia- 
ben  an  ihren  freiliegenden  Flächen  Stosskanteu  zum  Beweise 
einer  wenigstens  theil weisen,  die  Existenz  von  kellerartigm 


'  An  der  Nordwand  geht  nwt  Rücksicht  auf  das  Aeussere  der  Marmor  in 
gleicher  Tiefe  durch. 


384  UNTERSUCHUNGEN  AM  EHEGHTHEION 

Räumen  längst  der  Anssenwände  aber  unbedingt  ausscblies- 
senden  Unlermauerung  des  Ostgemaches. 

Aus  den  erwähnten  unzweideutigen  technischen  Indicien 
leuchtet  ein,  dass  für  die  Böttichersche  Annahme  einer  Zw^ei- 
stöckigkeit  des  Innern  nichts  anderes  mehr  angeführt  werden 
kann,  als  das  Vorhandensein  der  bekannten  Fensterschlitze 
der  Nord- und  Südwand.  Allein  wie  Julius  richtig  bemerkt, 
ist  seine  Schlussfolge,  dass,  wo  Souterrain-Fenster  sind,  auch 
ein  Souterrain  dahinter  vorhanden  sein  müsse,  doch  nur  dann 
bindend,  wenn  wirklich  jene  Fenster  Souterrain-Fenster  wä- 
ren. Dies  erscheint  nach  den  obigen  Ausführungen  nicht  mehr 
statthaft,  und  man  muss  sich  überhaupt  Rechenschaft  darüber 
£]!;eben,  ob  denn  der  antike  Ursprung  jener  Fenster  thatsäch- 
lich  unanfechtbar  ist.   Gegen  das  mit  grosser  Sicherheit  vor- 
gebrachte Hauptargument  wenigstens,  dass  ein  nachträgliches 
Einarbeiten  derselben  unmöglich  sei,  muss  ich  entschieden 
Verwahrung  einlesfcn ,  da  ich  nicht  einzusehen  vermas ,  wa- 
rum  solche  in  der  Mitte  eines  Steines  befindliche  Oeffnungen 
hiebt  ebenso  gut  nach  wie  vor  dem  Versetzen  der  Plinthen  in 
die  Wand  ausgearbeitet  werden  konnten.  Man  dürfte  sich  fer- 
ner fragen,  ob  nicht  der  antike  Steinmetz  der  bequemern  Aus- 
führung zu  Liebe  die  Fenster  jedesmal  an  eine  Fuge  gebracht 
haben  würde,  während  für  den  späteren  kein  Vortheil  daraus 
erwachsen  wäre.   Was  die  Arbeit  anlangt,    so  scheinen   mir 
namentlich  die  rauh  belassenen  Laibungen  im  Innern,  die  nur 
an  der  Aussenseite  einen  schmalen  glatten  Rand  zeigen,  we- 
nig mit  der  Sorgfalt  antiker  Technik  übereinzustimmen.  Auch 
erregt  ihre  Anordnuns; Bedenken,  insofern  die  Fenster  an  der 
Süd-  und  Nordwand  keineswegs    genau  einander  gegenüber 
liegen,    vielmehr  nicht  unerheblich   in  ihrer  Lage  differiren. 
Die  Berufung  ferner  auf  ähnliche  Schlitze  an  anderen  antiken 
Gebäuden,  beispielsweise  der  Altalos-Stoa  und  dem  Concor- 
dien-Tempel  in  Agrigent,  beweist  für  unsern  Fall  gar  niclits, 
da  man  sich  im  andern  Falle    auf  noch  weit   mehr  ähnliche 
Lichtöffnungen  in  byzantinischen  Kir<,'hen  stützen  kann.  Ich 
kann  mich  daher  nach  alledem  nicht  daNon  überzeugen,  dass 


UNTERSUCHUNGEN  AM  ERECIITHEION  385 

jene  Fenster  antik  sein  müssen^  sondern  halte  sie  für  später 
eingearbeitet,  zur  Beleuchtunji;  clor  unter  den  Emporen  der 
byzantinischen  Kirche  befindlichen  Seitengänge. 

Die  Bedeutung  des  doppelsinnigen  ^ix^ouv  ydp  etti  t^  ohr.^x 
in  der  Beschreibung  des  Tansanias,  auf  das  vielleicht  in  letz- 
ter Instanz  die  Vermuthung  einer  zweigeschossigen  Anlage 
zurückzuführen  ist,  haben  schon  Thiersch  im  Anhangeseiner 
Epicrisis  der  neuesten  Untersuchungen  d,  Erechtheion  (Abb. 
d.  k.  bavr.  Ak.  d.  W.  I  Cl.  VIII.  H.  Ablhig. )  und  Schubart 
(Philolog.  XV^  S.  30i)  auf  zwei  neben- nicht  übereinander 
geordnete  Räume  gedeutet.  Es  darf  ferner  nicht  übersehen 
^verden,  dass  sich  auch  unter  den  technischen  Delailangaben 
der  Bauurkunde  nirgends  eine  bestimmte,  auf  ein  Doppel- 
geschoss  bezügliche  Andeutung  findet.  Es  \\ird  dort  mehrfach 
hölzerner  Kalymmatiendecken  gedacht,  niemals  aber  einer 
steinernen  Zwischendecke  ,  ferner  einer  ebenfalls  hölzernen 
Treppe,  die  zu  einer, auch  aus  anderen  Gründen  wahrschein- 
lichen inneren  Verbinduni;  zwischen  dem  östlichen  und  mitt- 
leren  Baume  gedient  haben  mag. 

Schliesslich  wird  schon  eine  unbefangene  Betrachtung 
sich  schwerlich  mit  der  ungemein  künstlichen,  ineinanderge- 
schachtelten Anordnung  des  Querschnittes,  wie  ihn  Bötticher 
und  ähnlich  Michaelis  annehmen,  befreunden.  Der  letztere 
vermuthet  sogar  eine  Theilung  des  westlichen  Vorraumes 
durch  eine  Zwischendecke  mit  Rücksicht  auf  die  oberhalb  der 
Thür  zur  Korenhalle  befindliche  Nische,  und  beruft  sich  hier- 
für unter  anderem  auf  eine  horizonlale  Slosskante  am  Boden 
derselben.  Allein  diese  letztere,  die  sich  in  Verbindung  mit 
einer  schmalen  verticalen  Stossfläche  nur  in  der  Breite  jener 
Nische,  nicht  aber  fortgesetzt  bis  zur  westlichen  Scheidewand 
vorfindet,  ist  nur  für  den  Anschluss  einer  vermuthlich  pro- 
filirten  und  etwas  vorspringenden  Schwelle  der  Nische  be- 
rechnet. Ganz  absjesehen  aber  hiervon  und  von  dem  Fehlen 
jeder  Anschlussspur  an  der  Nord  wand  wäre  eine  Unterbre- 
chung der  Pilaster-Arcliitectur  an  der  Innenseite  der  West- 
wand nicht  denkbar.    Es  können  doch  unmöglich  die  Basen 


386  UNTERSUCHUNGEN  AM  ERECHTHEION 

der  Pilaster  im  unteren,  ihre  Capitelle  \m  oberen  Raumeeicht' 
bar  gewesen  sein. 

Was  nun  jene  in  der  S.  W.  Ecke  befindliche,  in  dieser 
Anordnung  auch  mir  räthselhafte  xNische  anlangt,  so  lässt 
sich  für  dieselbe  nirgends  ein  Zugang,  wohl  aber  nachweisen, 
dass  sie  von  Aussen  direct  beleuchtet  war.  Betrachtet  man 
nämlich,  die  auf  der  Tafel  beigegebene  per&pectivische  Skizze 
der  S.  W.  Ecke,  so  bemerkt  man,  dass  die  Nische  nicht  nur 
in  die  Südwand  sondern  auch  in  die  Innenseite  der  Ante  der 
Westwand  einschneidet.  Ihr  durch  die  bereits  besprochene 
Stosskante  kenntlich  gemachter  Fussboden  lag  in  gleicher 
Höhe  mit  der  Oberkante  des  Brüstung^ -Mauerwerkes  der 
Metakionien  der  West- Wand.  Oberhalb  dieser  letzteren  kann 
aber  das  südliche  Intercolumnium  nicht  zugemauert  gewesen 
sein  *  wie  das  entsprechende  nördliche,  oder  auch  nur  wie  die 
mit  Fenstern  versehenen  3  mittleren,  es  muss  vifelmehr  offen 
geblieben  sein.  Dies  geht  mit  Sicherheit  aus  dem  Umstände 
hervor,  dass  das  Profil  des  Antencapitell's  im  Innern  herumge- 
führt ist,  und  dass  ferner  die  Innenfläche  der  Ante  nirgends 
die  charakteristischen  Anchlussflächen  für  eine  solche  Auf- 
mauerung aufweist,  sondern  vollkommen  geglättet  ist.  Das 
AntenproJil  anlaugend,  so  ist  dasselbe  in  der  Ecke  noch  wohl 
erhalten,  dann  folgt  ein  offenbar  später  abgeschlagenes  Stück, 
bis  schliesslich  kurz  vor  der  Aussenkante  das  Profil  grade 
absetzt,  und  ein  glatter  Rand  sich  zeigt,  dem  in  den  unteren 
Schichten  Befestigungslöcher,  wahrscheinlich  für  einen  Gitter- 
Verschluss  entsprechen.  Eine  unzweideutige  Bestätigung  er- 
hält ferner  diese  aus  technischen  Indicien  abgeleitete  Beweis- 
führung durch  eine  Stelle  der  Bauurkunde,  die  ausdrücklich 
4  Oeffnungen  voraussetzt,  und  nur  auf  die  West- Wand  bezogen 
werden  kann  :  ^txcppa^xvTi  t«  [jt,ST(X>4t6vioc  xeTrapz  owzx  rk  rpo; 
ToO  n«v^poaeiou. 

*  In  einer  mir  erst  kürzlich  zu  Händen  gekommenen,  von  Dr.  H.  Schlie- 
mann  in's  Deutsche  üherlrageucn  Abhandlnng  Fergussons  ober  das  Erech- 
theion  lese  ich,  dass  bereits  dieser  P'urscher  die  tJniriö'j;liohkcil  di>r  Zuuiauc- 
rung  des  südlichen  Intcrcoiumniums  erkannL  hal. 


UNTERSUCHUNGEN  AM  EREGIITHEIÜN  387 

Diese  von  Sluarls  Reconslrucljon  der  Weslwand  abwei- 
chende Annahme  liat  aber  zur  weiteren  Folge  eine  auffällige 
Disharmonie  zwisclien  dem  oberhalb  der  Brüstungganz  ofTenen 
südlichen  Metakionion  und  der  Fensler -Archilectiir  der  drei 
mittleren,  und  legt  die  Frage  nahe,  oh  wir  in  der  letzteren 
auch  wirklich  die  ursprüngliche  Anordnung  zu  erkennen  ha- 
ben. Ausser  Stande,  die  Frage  zur  Entscheidung  zu  bringen, 
da  es  mir  leider  nicht  mehr  möglich  war,  dieselbe  an  Ort 
und  Stelle  bis  in  alle  Consequenzen  zu  untersuchen,  gebe  ich 
hier  nur  folgendes  zu  bedenken. 

Sowohl  Stuart  als  Inwood,  die  beide  die  westliche  Wand 
noch  aufrecht  erblickt,  geben  in  ihren,  den  damaligen  ti^rhal- 
tungszustand  darstellenden  Zeichnungen  das  südliche  Inler- 
columnium  im  Gegensatze  zu  dem  mit  regelmässigen  Qua- 
dern geschlossenen  nördlichen  als  offen  wieder.  Das  Metakio- 
nien-Mauerwerk  greift  in  Falze  ein,  die  an  den  Halbsäulen 
angoarbeitet  sind.  Dieselben  erscheinen  in  ihrem  jetzigen  Zu- 
stande ü;rö.sslenLheils  roll  und  unref^elmässi»  ausschauen  und 
in  dieser  Art  sicherlich  nicht  antik.  Nur  an  einzelnen  Stellen 
finden  sich  saubere,  mit  glatten  Schlussrandern  ausgearbei- 
tete Falze,  so  beispielsweise  auf  dem  noch  siehenden  Säulen- 
stumpfe der  Weslwand  und  einer  jetzt  im  westlichen  Vor- 
räume des  Innern  liegenden  Trommel,  wo,  wie  mir  Herr  Dr, 
Lolling  in  Athen  mitlbeilt, ^  die  Einarbeitung  in  der  unteren 
Hälfte  roh,  in  der  oberen  dagegen  sorgfältig  und  etwas  weni- 
ger tief  erscheint.  Diese  Verschiedenheit  in  der  Arbeit  nun 
führt  zu  der  Vermuthung  einer  Veränderung  innerhalb  der 
Metakionien.  Dieselben  mochten  einst  sämmlich  von  der  Brü 
stung  bis  zur  Unterkante  des  Archilravs  nicht  vermauert  son- 
dern ,  wie  die  Bauurkunde  angiebt,  durch  Gitterwerk  ge- 
schlossen gewesen  sein  (5ia(ppx^scvTi  xa  (xst«xi6vi«.  ...,...), 
bis  man  später, mit  dem  Lmbaue  des  Tempels  zu  einer  christ- 


'  Derselbe  halte  die  Freundliehkcit  auf  meine  Bitte  melirere  der  liier  he- 
rührleu  Punkte  nothinals  an  Ort  und  Stelle  zu  untersuchen,  wofür  ich  ihm 
grosseu  Dank  schulde. 


388  UNTERSUCHUNGEN  AM  EREGHTHEION 

liehen  Kirelie,  die  einem  anderen  antiken  Bauwerke  ent- 
nommenen Fensler  einfügte  und  zu  diesem  Behufe,  soweit  es 
nöthig  war,  die  Falze  der  Halbsaulen  etwas  erweiterte.  In  der 
Tliat  passen  die  Fenster  nur  knapp  in  die  Intercolumnien  hin- 
ein, da,  wie  aus  Stuarts  und  Inwood's  Detail-Zeichnungen 
hervorgeht,  die  Profile  der  unteren  breiten  Enden  der  Gewände 
hart  an  die  Säulen  stossen  und  soü;ar  theilweise  die  innern 
Canneluren  derselben  verdecken,  Unschönheiten,  die  man  eher 
einem  vorhandenes  Material  l)enulzenden  Umbaue  als  dem 
ursprünglichen  Entwürfe  zur  Last  legen  möchte.  Mit  welchem 
Geschicke  übrigens  von  den  Christen  antike  Werkstücke  wie- 
derverwendet wurden,  beweist  der  Umstand,  dass  man  lange 
Zeit  die  jetzt  weggebrochenen  Antepagmente  der  drei  in  das 
Kirchenschiff  führenden  Thüren  für  antik  gehalten  hatte,  bis 
der  Fund  von  Inschriften  an  den  Unterflächen  sie  als  spät  er- 
wies. Auch  ist  die  noch  stehende  innere  Wandung  der  grossen 
Thür  der  Nordhalle  eine  nur  dem  kritischen  Blicke  auffallende 
byzantinische  Zuthat,  und  als  solche  geeignet,  uns  von  der 
keineswegs  geringen  technischen  Sorgfalt  in  den  christlichen 
Umbauten  einen  Begriff  zu  geben.  Zur  Beseitigung  aller  Zwei- 
fel wäre  eine  sor^fältio-e  technische  Untersuchuno;  sämmtlicher 
noch  vorhandenen  Architecturtheile  der  Westwand  dringend 
erwünscht. 

Am  Schlüsse  unserer  kritischen  Wanderung  durch  den  Bau 
muss  noch  einer  bisher  nicht  bemerkten  Eigenthümliclikeit 
des  Anschlusses  der  westlichen  Scheidewand  des  innern  an 
die  Nord  wand  gedacht  werden.  Es  zeigt  nämlich  die  Be- 
trachtung des  beigegebenen,  mit  allen  technischen  Details 
versehenen  Holzschnittes,  dass  die  oberen  Plinthen  der  Schei- 
dewand in  voller  Stärke  in  die  Nordwand  einbinden  und 
theilweise  noch  aus  derselben  herausra^en.  Unterhalb  der- 
selben,  d.  h.  mit  der  lOten  Schicht  von  unten  gerechnet,  be- 
merkt man  nur  in  der  rechten  Hälfte  der  Wandbreite  die  ab- 
gemeisselten,  aber  noch  an  der  Rauhigkeit  erkennbaren  Spu- 
ren der  antiken  Binder,  während  die  linke  Hälfte  geglättet  ist, 
dazu  noeli  zwei  zwar  weggehauene  aber  öicht  geebnete  Bossen 


UNTEnSUClIUNGEN  AM  liüEGHTmaON 


389 


aufweist.    Daraus  geht  hervor,  dass  bis  zu  der  ang(;gehenen 
Hölie  die  antike  Wand  nur  in  halljor  Slärke  durchi<e<^ani'en 

ist.  In  chrislIicherZeit  wardie  ganze 
'^('^-  ^^^tfl^^^'I^T^ii^^^i  Anschlussslelle  bedeckt,  und  rühren 
jLi^£ii>£jt_-.-j:y;^-i^i::Ii^ .    aus  jener  Zeil  auch  die  beiden  ein- 

selben  Ergebnisse  führen  die  Beo- 
bachtungen  der  gegenüberliegenden 
südlichenAnschiusssk'ile  jonerQuer- 
wand,  i'ber  ihre  snnstiije  architek- 
Ionische  Gestaltung  lässt  sich  nichts 

o 

bestimmtes  sagen,  so  lange  ihre  noch 
erhaltene  ScliAvelle  derart  mit  Hau- 
trümmern verdeckt  ist, dass  eine  Ln- 
tersuchuno;  der  darauf  befind  liehen 
technischen  Indicien  unmöglich  ist. 
Nur  darf  man  mit  Rücksicht  auf  die 
besprochene  eigenthümliche  Bil- 
dungihrerun leren  IJälfle  behaupten, 
dass  die  westliche  Scheidevsand 
oberhalb  derselben  nicht  durch  eine 
der  Innerarchitektur  der  Weslwand 
entsprechende  Slützenslellung  gegliedert  war,  vielmehr  von 
der  bezeichneten  Schicht  an  ungctheill  durchgegangen  ist. 

Fassen  wir  nun  mit  Übergebung  aller  Einzelheiten  die  für 
die  Eintheilung  des  Innern  des  Tempels  gewonnenen  Haupt- 
resultate zusammen,  so  haben  \vir  zunächst  ein  auf  das  Nivaeu 
des  davor  liegenden  Terrains  künstlich  empor  gehobenes 
Ostgemach,  hierauf  einen  unmittelbar  über  dem  natürlichen 
Felsgrunde  liegenden,  sowohl  der  Höhe  wie  Breite  nach  un- 
getheilfen  Mittelrautn  und  schliesslich  einen  schmalen  west- 
lichen \rorraum,  der  direct  mit  dem  Pandroseion,  der  Koren- 
halle  und  iXordhallc  in  Yerbiudiinü;  tritt  und  von  Michaelis 
gewiss  mit  Recht  mit  dem  in  der  Bauurkunde  erwähnten 
7rpo7TO[j.txiov  idenlilifirt  ist.  Wie  steht  es  nun  mit  der  Be- 
stimmung und  Benenming  der  beiden  Haupträume  des  Tem- 


•■'^^/*JÄ«Ä^V<**' 


890  UNTERSUCHUNGEN  AM  EREGHTHEION 

pels?  War  das  Cnltbild  der  Athena  im  östlichen  oder  im  min- 
ieren llaume  aufgestellt?  Am  nachdriicklichslen  ist  neuer- 
dings  iMicliaelis  für  die  Ostcelja  als  Polias-Ffeiliffthum  ein- 
getreten, NvUlirend  Fergusson  dassell^e  in  die  westlielie  Hälfte 
des  Tempels  vertegt.  Zwar  bin  ich  nicht  in  der  Lage,  neues 
Material  in  dieser  Frage  beizubringen,  will  aber  doch  im 
Folgenden  meine  mit  Michaelis  übereinstimmende  Ansicht 
näher  be«j;t'ünden,  VVennirleich  mir  seine  von  der  Stellung  des 
aeva;  ß(0{Ao;  vor  der  Oslfront  ausgehende  ßevNeisführung  nicht 
zwingend  ercheint,  — da  man  von  vorneherein  nicht  weiss, 
ob  derselbe  statt  des  Altars  der  Polias  nicht  vielleicht  der 
von  Pausanias  vor  seinem  Eintritte  in  den  Tempel  ei'wähnte 
Altar  desZsv;  ÖT:xTO(;sein  könnte  — so  behalten  doch  seine  Aus- 
führungen über  die  bevorzugte  Lage  derOsIceila  ihre  Bedeu- 
tung, namentlich  wenn  man  sich  erinnert,  dass,  während  die 
übrigen  Räume  augenscheinlich  wegen  des  engen  Zusammen- 
hanges mit  der  betreffenden  Localilät  und  den  vom  Boden 
unzertrennlichen  Malen,  dem  Salzquell  des  Poseidon,  der 
eXzix  7rxy/.u(po; ,  dem  Grabe  des  Eiichlhonios,  in  der  Tiefe 
liegen,  allein  die  Ostcella  auf  das  Niveau  des  oberen  ßurg- 
plateaus  gebracht  war  und  sich  durch  ihre  Lage,  durch  die 
ihre  volle  Breite  einnehmende  Vorhalle  schon  äusserlich  als 
das  jedenfalls  der  Hauptgottheit  gehörige  eigentliche  Tempel- 
gemach charakterisirt. 

Zu  einem  weiteren  Argumente  gelangt  man  auf  Umwegen, 
durch  folgenden  auch  von  Michaelis,  freilich  in  anderem  Sinne 
herangezogenen  Passus  der  ßauurkunde  : 

1  Tviv  )4py)7rr'5z  ey  •/tu/.Xu)  xzocnx'i  xicara^s<7Tov 

2  ToO  TOi^ou  svro?  a;}cxT3C^s«5Tx 

3  ToO  y(oY)YuXoy  'XiOo-j  xerpxTCo^ix;  Pili 

4  TOO  ev  TW  7rpo'7Toaixi[co]  TSTpxTuoSiz;  All 

0     T'^;   TTXpXTTX^O;    TSTpXTTOr^ix;     l[ll] 

^)   ToO  TTpo;  TxyxXf;.xTo;  TSxpxTco^ix;  [A]l. 
Die  Entscheidung  liegt  hier  in  der  Erklärung  der  in  den 
Zeilen  i  und  5  gegebenen  Bezeichnungen. 

Mildem  Ausd rucke (^Tuxcxvx/cxTx^s'JTov  scliliesstdie  Anajabe 


UNTERSUCHUNGE:N  am  KnROHTIlRlON  391 

der  für  die  Aiissenwiindc  noch  restirenden  Arbeitoii  und  foli^t, 
ofYenbar  der  Kcilic  nach  von  Westen  beginnend,  die  Aiif- 
ztthlujiij;  des  an  den  inneren  Wanden  noch  Felilenden,  und 
zwar  zunäclist  mit  IJbergehimg  von  Zeile  »IItoO  ev  Trörpo'iTo- 
(jLiÄio  sc.  Toi-^o'j  ^  d.  h  der  Sclieidi'.\va:id  zwischen  dem  niilt- 
leren  und  nesllicheii  llaiim.'.  Zu  -rZi  Trzpz'VTx^o;.!  Zeile  5)  ist 
nichts  zu  ergänzen,  und  nur  von  i^'ei'ingen  Glaltungsarbei- 
ten  an  derselben  die  Kede.  Dage'.gen  iiuiss  zu  toO  :rpo;  xxyx'k- 
[jLZTog  nothweiidiger  Weise  wieder  -roi/^o;  hinzugedacht  wer- 
den und  kann  nur  die  angesiciils  iles  Bildes  belindliche  d.  h. 
diesem  gegenübeidiegeude  Wand^  gemeint  sein.  Vergegen- 
wärtigen wir  uns  nun  die  verschiedenen  Mögliclikeilen  der 
Aufstellung  und  Orientirung  des  Bildes^  so  könnte  es  zunächst 
im  mittleren  Baume,  mit  dem  Blicke  nach  Osten  gestanden 
feaben;  allein  eine  solche  Stellung  angesichts  einer  hohen  ge- 
schlossenen Wand  mit  dem  Rücken  gegen  den  l^ingang  verbie- 
tet sich  wohl  von  selbst.  Ebenso  erscheint  die  uiniickehrle 
Aufstellung,  mit  dem  Gesichte  nach  Westen,  abgesehen  von 
der  ünwahrscheinlichkeit  einer  derartigen  Orientirung  bei 
einem  Cultbilde,  nnstatlhaft  um  dessentwillen ,  da  dann  mit 
der  Mauer  zpö;  T«y;cX[xxTo;  zum  zweiten  Male  die  bereits  er- 
ledigte westliche  Scheidemauer  aufgezählt  wäre.  Sf)nach 
bliebe  als  dritte  Möglichkeit  nur  die  Stellung  vorder  Oslseite 
der  folgenden  Scheidewand,  mithin  in  der  Ostcella  übrig. 
Mit  der  dem  Bilde  gegenüberliegenden  wäre  dann  die  östliche 
äussere  Wand  gemeint,  was  nichts  befremdliches  hat,  wenn 
man  bedenkt,  dass  sie  eigentlich  mehr  Innen-wie  Aussenwand 
ist,  indem  ja  sämmtliche  charakteristischen  Theile  des  Aus- 
senbaues, als  EpistyliaGeisa,  sowie  die  dreistufige  Krepis  sich 
um  die  vor  ihr  liegende  Halle  herumziehen. 


'  Denn  •j'OYP^^''  ^■"o-'  2*^  ergi'lnzou  ist  mit  Rücksicht  auf  das  Folgende 
niclit  statlliaft. 

*  Diese  Bedeutung  von  -00;  c.  genet.  entspricht  durchaus  dem  in  der  Bau« 
Urkunde  so  häuligen  Spraehgohrauche  in  Ortsbestimmungen  wie  toT/o;  r.pui 
toj  ßt.j;jioj ,  ToT/o;  T.f^ö;  toj  Ilavopoaeioj  u.  a.  und  ist  mir  Von  Herrn  Prof. 
Kirchhotr  bestätigt  worden.  Auch  Thiersch  in  seiner  Epicrisis  erklärt  es  so. 


39?  UNTERSUCHUNGEN  AM  EREGHTHEION 

Ein  weiteres  Eingehen  auf  rein  topographische  Fragen  und 
die  aus  der  Beschreibung  des  Pausanias  sich  ergebenden 
Schwierigkeiten  würde  die  Grenzen  dieses  Aufsatzes  über- 
schreiten. Zweck  desselben  war  in  erster  Linie  die  Mitlheihing 
der  Ergebnisse  von  speciell  technischen  Untersuchungen  am 
Erechtheion  ,  deren  Lücken  ich  mir  nicht  verhehle  und  die 
ich  nur  mildem  Wunsche  schliessen  kann ,  dass  sie  recht 
bald  der  Anlass  zu  weiteren,  prüfenden  und  ergänzenden  Stu- 
dien an  Ort  und  Stelle  sein  möchten.  Denn  nur  dort,  unter 
steter  Controlle  der  Wirklichkeit,  durch  die  Möglichkeit,  jede 
Einzelheil  unter  den  verschiedensten  Gesichtspunkten  und  auf 
die  verschiedensten  Vermuthungen  hin  zu  untersuchen,  vor 
allem  aber  durch  fortgesetztes  Aufgraben  und  Reinigen  des 
Innern  und  der  Umgebung  des  Tempels  darf  man  auf  eine 
Lösung  der  vielen  noch  vorhamlenen  Schwierigkeiten  und 
Käthsel  rechnen. 

R.  BORRMANN. 
Berlin  im  Deceraber  188K 


Fragmente  aus  den  Icgealisclieii  Giehelgruppen 
des  Skopas. 

(Hierzu  Taf.  XIV  und  XV.) 

1. 

Pausanias  VIII  45,  4-7  reyeocTxi;  5e  'AOyivä;  t-^?  'A- 
Xea;  tö  ispov  tö  ap^scTov  eiroi'/iorsv  "A^eo;*  XP'^^V  ös  uiTspov  nzre* 
cjceuxTavTO  oi  TeyexTzi  t'^  Occu  vxov  [Aeyxv  ts  xal  öez;  (z!;iov. 
ejteTvo  [xev  5yi  TcOp  rj^xviTev  eTCivsjx'/jOev  e^xi^vvi; ,  AiopscvTou  zzp' 
'A6y)vziot5  dcpj^ovTo;,  ^surepü)  fU  etet  ttj;  e/tTvi;  -axi  Evevvix,0TT-?3; 
'OXu[A7:ix^o?  (Ol.  90,2  =  395  V.  Chr.),  yiv  Eu7:67.£{xo;  'H>eio;  svUx 
CTz^iov.  *0  §£  vxo;  6  so'  -/laGv  zoT^u  öio  ti  tcüv  vztiv ,  ötoi  IlsXo- 
Tcovv/iTio'.;  ei7iv,  e;  y.xTXT/<.£uyiv  7:poe;(^et  tyiv  (x».yiv  xxl  s;  (xeyeOo;. 
6  (j(.ev  S'/j  TrpüJTo;  ecTiv  xutw  vco'jjxo;  töv  x,iövu)v  A(i>p'.o;,  6  oi  iz\ 
T0UT<j)  KopivOio;*  kn-:ri/.xat.  ^e  x,xl  evTo;  *  tou  vxoO  Kiove;  epyxcix? 


*  Die  Aenderung  des  Überlieferlen  ektö;  in  svto;,  das  schon  Klenze  (Apho- 
rist.  Bcmcrkuiigon  S.  657)  und  Ciark  {Peloponnnus  S.  152)  vorgcsclilagen, 
Schuhait  in  seiner  Übersetzung  des  Pausanias  gebilligt  halte,  hallen  auch 
diejenigen  Architekten, welche  die  tcgealischenTempelreste  zuletzt  untersucht 
haben,  Dorpfeld  und  Bürrraaun,  für  den  wahrscheinlichsten  Ausweg,  um  mit 
der  Säulenordnung  des  Heiligtums  zurecht  zu  kommen.  Seit  es  durch  die 
von  Milchhöfer  geleiteten  Ausgrabungen  des  Deutschen  Institutes  feststeht, 
dass  der  äussere  öäulcnumgang  dorisch  gewesen,  ist  es  nicht  mehr  Ihunlich, 
den  Periegelen  seine  Beschreibung,  wie  früher  die  meisten  wollten,  mit  den 
Innensäulen  des  Tempels  beginnen  zu  lassen.  Und  auch  das  ist  völlig  un- 
möglich,was  neuerdings  Milchhöfer  (Millheil.V  S.63)  vorgeschlagen,  anzuneh- 
men, dass  Pausanias  mit  den  jonischen  Säulen,  die  ausserhalb  des  Tempels 
stehen,  die  Säulen  eines  anderen  Gebäudes,  etwa  eines  Propylaions  oder 
dergl.  gemeint  habe.  Denn  ^  der  JPerieget  mit  dem  folgenden  Satz  in  der 
Beschreibung  des  Tempels  fortfährt,  so  hätte  er  jene  Abschweifung  auf  ein 
anderes  Gebäude  doob  ausdrücklich  als  solche  kennzeichnen  müssen,  wenn 
er  überhaupt  verstanden  seia  wollte. 


394  DIE  TEGEATISGHEN  GIEBELGRÜPPEN 

Tf}?  Ttovojv.  'Äpj^tTS/.Tovjc  §s  eTuvOav(5|y.viv  2-<t(5TCXv  autou  ys^'s- 
(jOxi  Tov  rixpiov,  o;  KZI  (zyaT^piocTa  tco>.>.xj(^ou  t*^?  ap^ratx; 'EX);z5o;, 
Ta  Ss  Kxl  Tceol  'Icovixv  ts  /.al  Kxpixv  eTrotviTe.  ik  5s  ev  toi;  as- 
Tot?  ,  e^Tiv  ept-TrpocOev  ig  övipx  toO  66;  toO  KxXuocovio'j* 
7re7TOiY,p.evou  5s  /Cztk  [xstov  [xxXiTT«  ToQ  66;  tyj  [asv  S(Ttiv  'Atä- 
XavTY)  y.xX  Ms'Xsocypo?  x-xlöviasu;  Ts'Xaty.eav  ts  /.acl  0*/)- 
■Xeu;  y.xl  llo'Xu^Bux.-fl;  /.xi  MöXoto; ,  8^  toc  TrXstTTx  'Hpxx,"XeT 
<7uv6;cx|Avs  Töv  epywv  j  -/.zl  ©sttiou  TCxt^e;,  a^sloot  os  'A>.6xix;, 
rip^Ooo?  y.xt  KoarjTV);'  x.xTa  Se  tou  uo;  tx  sTspx  'Äy>txiov 
eyovTX  Vj»^'/!  Tpxupt-XTX  y.xl  xipevTx  töv  7:e^sx.uv  xvs^oiv  Erj-riv  "Exo- 
yo?,  TCxpx  5s  x'jTov  K«  TT  top  "^txl  'A[A(pixpxo;  'Oi/.)^eo'j;,  stcI  oe 
avToi;  vlTTTroQ'ou:  6  KepKuövo;  tou  'A'yx[i.'fl^ou;  toQ  2Tu[/.(pr7i>.ou' 
TeXs'iTotio;  5s  s-j-tiv  sipyx'>[/.evo;  UstpiOoui;.  tx  56  o  tt  i  er  0  s  v  tts- 
7Qi'^(JSvx  SV  tol;  xetoT;  TviT^scpou  wpcx;  'AytATvsx  e-ttIv  sv  Kxi- 
X.OU  7re5vt{>  p-s^X'^ 

Dass  Heste  von  diesen  Giehelgruppen  der  tegeatischen 
Athena  Alea  sich  in  dem  kleinen  Musemn  des  Dorfes  Piali 
bei  Tripolilza  befänden,  habe  ich,  zum  Theil  nach  dem  Vor- 
gange von  Kavadias,  Dörpfeld  und  Adler,  in  der  ArchäoL 
Zeitung  von  1880  S.  98  ff.  zu  erweisen  gesucht.  Näheres  fin- 
det sich  in  dem  angeführten  Aulsatze  und  der  Entgegnung 
Milchhöfers,  ebenda  S.  190  f._,  der  die  betreffenden  Stücke 
früher  verkannte  (Mitlh.  V  S.  133  f.),  nun  aber  die  Richtig- 
keit jener  Schlussfolgerungen  zugegeben  und  einzelne  Nach- 
träge geliefert  hat. 

Von  diesen  Fragmenten  liegen  jetzt  Skizzen  von  der  Hand 
Hrn.  Giliierons  vor,  die  C.  L.  Becker  auf  Taf.  XiV  und  XV 
in  genauem  Fücsimile  wiedergegeben  hat. 

Es  sind  die  folgenden  Stücke,  welche  sämmtlich  (vermut- 
lich auch  D)  aus  einem  Marmor  gearbeitet  sind,  der  b^i 
Üolianä,  in  unmittelharer  Nähe  von  Piali,  also  des  alten  Te- 
gea,  bricht. 

i4  Taf.  XIV:  lebensgrosser  Jünglingskopf  in  zwei  Ansich- 
ten (Yader  wirkl.  Grösse  H.  0,20'").  Die  Scheiteltheile  des 
Schädels  sind  abgemeisselt;    Haar  und  Ohr  an  der  rechten 


DIE  TEGRATISCHEN  GIEBELGRUPPEN 


395 


Seite  des  Kopfns  nur  aus  dem  rolien  gehauen  :  er  erschien 
also  ursprünglich  im  Giebel  mit  dem  Profil  nach  links  ge- 
wandt, wie  ihn  die  Seilenansicht  unserer  Tafel  giebt.  Stark 
Verstössen  und  mit  Sint-jr  oder  Mörtel  bedeckt. 

ß  Taf.  XV  rechts  und  links:  die  zwei  Hälften  eines  mit- 
tendurch gespaltenen,  aufwärts  blickenden,  behelmten 
Jünglingskopfes  in  */3d.  wirkl.  Grösse  (  H.  0,25).  Links 
die  roh  gelassene,  der  Giebelwand  zugekehrte  Hälfte:  der 
Kopf  war  also  ebenso  wie  A  nach  links  gewandt.  Er  soll  nach 
Milchhöfcr  (Arch.  Ztg.  1880  S.  190)' gleichffills  eine  Ab- 
plattuuü:  des  Scheitels  zeigen.  Die  linke,  vollsländiii:  aus^^ear- 
beitete  Kopfseite  befindet  sich  noch  nicht  wie  die  sämmtlichen 
übrigen  Stücke  im  Museum  der  Dimarchie  von  Piali,  sondern 
ist  über  der  Hausthür  des  Besitzers,  Joännis  Kotzaridis,  ein- 
gemauert. Das  Frai^ment  hat  daher  nur  flüchtiü:  skizzirt  wer- 
den  k()nnen.  Es  ist  dies  um  so  mehr  zu  bedauern,  als  die 
Arbeit  an  diesem  Kopfe  besonders  herrlich  und  die  Epidermis 
der  erhaltenen  Teile  besser  conservirt  ist  als  bei  .4. 

C  Taf.  XV  Mitte:  Fragment  eines  Eberkopfes,  in  ^/gd. 
wirkl.  Grösse,  also  in  kleinerem  Maasstabe  gezeichnet  als  die 
beiden  Jünglingsköpfe  .4  und  B  (H.  0,30;  Br.  0,43).  Über 
die  Arbelt  der  rechten  Kopfseite  und  zwei  blei vergossene 
Bohrlöcher  an  der  rechten  Seite  des  Maules  siehe  weiter  un- 
ten. An2;esichts  derSkiz- 
ze  wird  es  einer  Wieder- 
holung der  Gründe  dafür 
nicht  bedürfen,  dass  das 
Fragmcntfur  einen  Eber- 
kopf zu  halten  sei,  und 
nicht,  wie  Milchhöfer 
früher  wollte  ,  für  ein 
Stierhaupt. 

D  Knieendes  rechtes 
Bein:  Dies  Fragment 
ist  erst  von  Herrn  Gillie- 
ron  den  vorstehenden  an- 

MITTU.D.  ARCH. INST.  VI.  26 


396  DIE  TEGEATISGHEN  GIEBELGRUPPEN 

gereiht  worden,  und  z\Yar  offenbcar  mit  Recht.  Denn  die  Weise, 
wie  das  Schienbein  in  der  Plinlhe  versinkt,  weist  deutlich  auf 
die  Raumnot  der  knieenden  Gestalten  in  den  Giebelecken  und 
auf  eine  liohe  Aufstellung  hin,  in  der  dieser  Fehler  durch  die 
vortretende  Giebelsima  verdeckt  wurde.  Auch  die  lebensgrossen 
Maasse  (Länge  0,10)  stimmen  zu  den  Proportionen  der  Köpfe. 
Weitere  Angaben  über  Aufbewahrungs  —  und  Fundort,  Material 
(vermutlich  ebenfalls  Marmor  von  Doliana)  und  Art  der  Be- 
arbeitung fehlen.  Doch  scheint  aus  der  Skizze  hervorzugehen, 
dasä  die  Gestalt,  welcher  das  Bein  angehörte,  im  Profil  nach 
links  kniete. 

Hierzu  kommen  die  nachstehenden  Stücke,  deren  Zugehö- 
rigkeit zü  den  tegeatischen  Giebelgruppen  noch  zweifelhaft 
ist  : 

e  Ein  dritter,  seitdem  verschollener  Kopf  von  gleichen^ 
Stilcharakter  wie  A  und  B,  dessen  sich  Professor  W.  Gurlitt 
nach  Milchhöfer  Arch.  Ztg.  1880  S.  190  von  einer  früheren 
Reise  her  erinnerte. 

f  (identisch  mit  e?)  Ein  in  zwei  Theile  gespaltener  und 
auf  beiden  Gesichtsseiten  ungleich  behandelter  Kolossal  [?] 
köpf,  den  Löschcke  und  Furtwängler  1878  im  Privatbesitz 
in  Tripolis  sahen  (Mitth.  IV  S.  145  N°  4).  Er  soll  nach  der 
Meinung  des  letzteren  wahrscheinlich  ebenfalls  in  jene  Giebel 
gehört  haben  (Milchhöfer  A.  Z.  1880  S.  190  Anm.  1). 

g  Fragment  eines  im  Ellenbogen  stark  gekrümmten  sehr 
muskulösen,  also  sicher  männlichen  Armes.  Bei  der  Palaeo- 
Episkopi  gefunden  und  von  Milchhöfer  früher  (Millh.  V.  S.  68) 
für  den  einzigen  Rest  der  Giebelgruppen  gehalten.  Auch  mir 
schien  er  bei,  wie  ich  hinzusetzen  muss,  sehr  flüchtiger  Be- 
sichtis-uns;  nach  Arbeit  und  Grösse,  besonders  aber  auch  weil 
die  Raspelstriche  auf  der  einen  Seite  stehen  geblieben  waren, 
zu  den  Giebeln  zu  gehören.  Neuerdings  wird  aber  die  Zu- 
gehörigkeit dieses  Fragmentes  von  Milchhöfer  (A.  Z.  1880  S. 
191,  4)  in  Abrede  gestellt,  weil  der  Marmor  parisch  sei. 


DIE  TEGEATISCHüN  GIEBELGRUPPEN  397 

2. 

Der  Nachweis,  dass  die  aufgezählten  Köpfe  und  Fragmente 
aus  den  Giebelgruppen  des  Alhenatempels  vonTegea  stammen, 
setzt  die  Lage  des  letzteren  als  gegeben  voraus.  Die  topogra- 
phischen und  architektonischen  Tiialsachen,  welche  dafür 
sprechen,  dass  das  in  Piali  aufgedeckte  Tempelfundament 
wirklich  jenem  Ifeiligtunie  angehörte,  hat  zuletzt  Milchhöfer 
in  seinem  Bericht  über  die  Lintersuchuugsgrabungen  des 
Deutschen  Institutes  zu  Tegea  {Mitth.  V  S.  6I-6G)  zusammen- 
gestellt. Sie  werden  durch  die  Resultate  der  von  Dörpfeld  und 
Borrmann  angestellten  Untersuchungen  noch  vervollständigt, 
deren  Mitlheilunii  in  dieser  Zeitschrift  ich  nicht  vorgreifen 
will.  Ich  hebe  daher  nur  den  Fund  eines  zu  jenem  Tempel 
gehörigen  und  von  Borrmann  aufgenommenen  Simenfragmen- 
tes  hervor,  das  in  seinen  Formen  fast  genau  mit  der  ranken- 
geschmücklen  Terracottasima  des  sogen.  Südwestbaues  in 
Olympia  übereinstimmt  (  Ausgr.  zu  Olympia  IVTaf.  28,  oben; 
38,  links  oben).  Da  nun  der  letztere  nach  seiner  Lage  zur 
VVest-Altismauer,  resp.  zum  Philippeion  vor  und  zwar  nicht 
lange  vor  diesen  beiden  Baulichkeiten  entstanden  sein  muss 
(s.  vorläufig  Borrmann  in  den  Ausgr.  zu  Olympia  V  S.  ii), 
so  haben  wir  damit  einen  chronologischen  Hinweis  mehr. 
DieEntstehungszeit  des  Tempels  von  Piali  würde  auch  hienach 
in  die  erste  Hälfte  des  4n  Jahrhunderts  zu  setzen  sein,  also 
grade  in  die  Periode,  in  der  Skopas  das  Heiligtum  der  Athena 
nach  dem  Brande  von  395  laut  der  Ueberlieferuno:  beiPausa- 
nias  wiederaufgerichtet  haben  soll. 

Der  Übereinstimmung  aller  topographischen  und  architek- 
tonischen Thatsachen  gegenüber  kann  nicht  in  Betracht  kom- 
men, dass  Pausanias  bei  der  Beschreibung  unsres  Heiligtums 
den  Mund  etwas  zu  voll  genommen,  wenn  er  dasselbe  nicht 
nur  für  den  schönsten  sondern  auch  für  den  grösslen  aller 
peloponnesischen  Tempel  erklärt.  Die  psychologischen  Gründe, 
welche  ihn  zu  dieser  hyperbolischen  Ausdrucksweise  veran- 


39»  DIE  TEGEATJSüHEN  GIEBELGRUPPEN 

lassL  ))a?jcn  mögen,  hat  Milchliöfor  a.  a.  0.  S.  Gl  f.  Iiervopf'e- 
hoben. 

Indem  Ich  also  als  erwiesen  voraussetze,  dass  der  Tempel 
der  Athena  Alea  in  der  That  auf  der  Stelle  des  heutigen  Piali 
gestanden  habe,  fasse  ich  die  Gründe  für  die  Zugehörigkeit 
der  unter  .4  bis  D  aufgezählten  Fragmente  zum  Sculptiiren- 
schmuck  des  genannlenlleiligtums  nochmals  kurz  zusammen. 
Ich  ergänze  und  berichtige  dabei  in  einigen  Stücken  die  aus- 
führlicheren Auseinandersetzungen  in  dem  eingangs  cilirten 
Aufsatze. 

Es  sprechen  für  die  Zugehörigkeit  folgende  Thatsachen  : 

1)  der  Fundort  in  den  späten  xMauern  die  das  Tempelfun* 
dament  umgeben. 

2)  das  Vorhandensein  eines  Kberkopfes  unter  den  Bruch- 
stücken, zusammengehalten  mit  der  Nachricht  des  Pausanias, 
dass  im  Ostgiebel  die  kalydonische  Eberjagd  dargestellt  ge- 
wesen sei. 

3)  der  Umstand,  dass  die  beiden  Jünglingsköpfe  Ä  und  B 
(eventuell  auch  e  und  f)  nur  auf  der  einen  Seite  völlig  aus- 
gearbeitet, auf  der  anderen  Seite  aber  nur  angelegt  sind,  ähn- 
lich wie  dies  bei  den  olympischen  Giebelköpfen  der  Fall  ist. 

■1)  die  Abmeisselung  des  Scheitels  bei  .4  und  B;  das  Ver- 
schwinden des  Schienbeins  von  D  in  der  Plinlhe:  Eigentüm- 
lichkeiten die  sich  am  natürlichsten  durch  den  Raummangel 
im  Giebel  erklären. 

5)  die  iJbereinslimmung  desMalerialsmitdem  desTempels: 
es  ist  derselbe  Marmor  von  Dolianä. 

0)  die  jlebensgrossen  Proportionen  der  Jünglingsköpfe  A 
und  B  (H.  0,20  und  0,25).  Es  ist  das  genau  die  Grösse,  wel- 
che wir  bei  den  Gestalten  der  Giebel  voraussetzen  müssen. 
Für  den  letzteren  berechnet  Dörpfeld  die  lichten  Breitenmaassc 
aus  denen  des  Triglyphons  (18,01'"  bei  Miichhöfer  Mitth.  V 
S.  ()0)  auf  rund  18'".  Nimmt  man  die  flöhe  des  Giebels  im 
Verhältniss  zu  seiner  Breite  auf  ^s  ^^,  ^^'ie  beim  Parthenon 
und  dem  olympischen  Zeustempel,  so  erhält  man  in  der  Mitte 
eine  Höhe  von  c.  2,25'"  im  Lichten.  Hieven  gehen  nun  min- 


DIE  TEGEATISÜHEN  GIEDELGÜUPPKN  399 

destens  0,25  auf  die  Plinlhe  diu-  Miltelfi<5'i]r  mul  den  Raum 
zwischen  deren  Scheitel  und  der  Sinia  ab;  denn  die  centralen 
Geslallen  pflogen  in  den  Giebelcompositionen  der  H^ihc  nacli 
nielit  so  lvnaj)p  den  Hauni  zu  fi'illen,  wie  die  in  den  riügeln. 
Bleiben  also  '2'".  Es  können  daher  die  Miltelfiguren  das  Voll- 
maass  der  Lebensgrössc  (1,90'")  nicht  oder  doch  nur  um  ein 
ganz  geringes  überschritten  haben. 

7)  gehören  die  K/ipf'e  iliiem  Stile  nach  offenbar  ins  ieJahr- 
hundert,  also  die  Ej)Oche,  in  welcher  nach  der  üeberlieferung 
und  den  IJaurcstcn  der  Tempel  der  Athena  Alea  zu  Tegea  er- 
richtet worden  ist. 

So  ergiebt  sich  denn  die  Zugehörigkeit  der  abgebildeten 
Sculpturreste  zu  den  Giebelgruppcn  jenes  Tempels  von  allen 
Seiten  beti-achtet  als  unzweifelhaft. 

VN  ir  haben  also,  wenn  wir  von  den  Ostreliefs  des  Mauso- 
leums absehen,  zum  ersten  Male  Orii^inal werke  des  Sko- 
pas  von  bedeutenderen  Dimensionen  vor  uns.  Denn  wenn 
Tansanias  den  grossen  Kiinsller  auch  nur  als  ap;(iTe)tT0V3t  toG 
vaoO  auffilhrt,  so  ist  es  bei  einem  Bildhauer  doch  wol  vselbst- 
verständlich,  dass  sein  eigenstes  Interesse  wie  seine  persCin- 
liche  Thäligkeit  in  erster  Linie  dem  Sculpturenschmucke  des 
'J'empels  zugewandt  war.  Und  wenn  man  seit  TJrlichs  mit  Kecht 
annimmt,  dass  der  peloponnesische  Aufenthalt  des  Skopas  in 
seine  früheste  Epoche  falle,  so  werden  wir  selbst  seine  eigen- 
händige Betheiligung  an  der  Ausführung  der  Giebelstatuen 
um  so  wahrscheinlicher  finden  müssen,  als  er  damals  sicher- 
lich noch  nicht  von  einem  so  zahlreichen  Schülerkreisc  um- 
geben war,  wie  später,  als  er  im  Greisenalter  den  Kiesenbau 
des  Mausoleums  in  verhältnissinässig  kurzer  Zeit  vollenden 
half*. 


'  Dil'  jj^atr/.e  Fiape  iiaoli  oiiiem  z\voit(Mi  alleren  Skopas,  welche  iKiu.'nlin?- 
Klein  (.'Vrcli.  i'|ii.i.'r.  Miilli.  aus  Ü^liTrcicIi  IV  S.  1  11'.)  wioder  aiifp'eworfon 
hat.  las^c  ii'li.  als  liii'  ilru  i(,ic!i^leri  Zweck  dieses  Aufsatzes  iirclevaiil.  l,'.-- 
Seile. 


400  DIE  TEGEATISGHEN  GIEBELGRÜPPEN 

3. 

Indem  ich  es  nun  unternehme  aus  diesen  neugewonnenen 
Skopasköpfen  für  die  Composition  und  namentlich  den  Stil 
der  (egeatischen  Giebelgruppen  die  nächstliegenden  Folgerun- 
gen zu  ziehen^  muss  ich  vorausschicken,  dass  ich  die  Origi- 
nale seit  einem  flüchtigen  Besuch  in  Piali  im  Juni  1880  nicht 
wieder  habe  untersuchen  können,  und  dass  es  auch  bis  jetzt 
nicht  gelungen  ist  Gypsabgüsse  von  denselben  zu  erlangen. 
Ich  urleile  also  lediglich  nach  den  vorliegenden  Zeichnungen. 
Und  wenn  für  deren  charakteristische  Treue  und  Zuverlässig- 
keit auch  Gillierons  bewährte  Hand  eine  ausreichende  Bürg- 
schaft bietet,  so  wird  doch  die  sichere  Beantwortung  so  man- 
cher Frage  einstweilen  noch  dahingestellt  bleiben  müssen. 

So  z,  B.  gleich  die  Entscheidung  über  den  einzigen  Punkt, 
in  dem  wir  aus  unseren  Fragmenten  in  Bezug  auf  die  Com- 
position der  Giebelgruppen  etwas  einigermaassen  erhebli- 
ches lernen  würden:  über  die  Frage,  ob  der  Eber  in  der 
kalvdonischen  Jagd  nach  links  oder  nach  rechts  2;ewandt  war. 

Die  Bearbeitung  der  beiden  Kopfseiten  schien  mir  bei  eili- 
ger üntei'suchung  des  Originals  nicht  so  wesentlich  verschie- 
den, dass  darauf  ein  sicherer  Schluss  gebaut  werden  könnte. 
Ich  will  daher  auch  jetzt  kein  besonderes  Gewicht  darauf 
legen,  dass  Herr  Gillieron  unabhängig  von  mir  für  die  Wie- 
dergabe des  Kopfes  in  seiner  Skizze  die  linke  Seite  desselben 
gewählt  hat,  also  den  Eber  ebenfalls  nach  links  rennen  lässt. 

Eine  Entscheidung  glaubte  ich  ( Arch.  Ztg.  1880  S.  99)  aus 
ein  paar  bleivergossenen  Bohrlöchern  an  der  rechten  Seite 
des  Ebermaules  gewinnen  zu  können,  indem  ich  annahm, 
dieselben  hätten  zur  Befestigung  des  Kopfes  an  der  Giebel- 
wand gedient,  oder,  wie  man  hinzusetzen  könnte,  an  den' 
Gliedern  irgend  einer  Figur,  die  zwischen  Eberkopf  und  Gie- 
belwand stand  *. 


'  Mit  Sliflon  von  gleichen  Dimensionen  waren  in  den  olympisclien  Gie- 
beln zwei  Köpfe  und  ein  eiholjeiier  Aiin  an  der  oberen  Sinia  belestigt. 


DIE  TEÜEATISCIIEN  GIEßELGRUPPEN  401 

Dem  hat  nun  Milchhöfer  (Arcli.  Ztg.  1880  S.  190,  2)  wi- 
dersprochen :  die  beiden  Löcher  am  Eberkopf  unter  der  rech- 
ten Seile  des  Maules  stammten  doch  offenbar  von  den  ein- 
gesetzten Bronzespitzen  der  Geschosse  her,  nicht  von  den 
Eisen  [?]  dübeln  zur  Befestigung  an  der  Giebelfliiche.  Der 
Eber  müsse  somit,  was  für  die  Composilion  ebenso  wiclitig 
als  auffallend  sei,  nach  rechts  gewandt  gewesen  sein. 

Allein  dass  neben  dem  Maule  des  Ebers  zwei  Geschosse 
dicht  nebeneiander  gesteckt  haben  sollten  scheint  schon  an 
sich  wenis  glaublich  ;  und  vollends  unwahrscheinlich  für  den 
Zeitpunkt  der  Jagd,  den  Skopas  doch  vermutlich  dargestellt 
haben  wird ;  den  Moment  in  welchem  Meleager  den  Eber  ent- 
weder abfangt  oder  niederschlägt.  Sollte  in  der  That  durch 
die  Giebelgruppe  die  Tegeaea  virgo  und  ihr  verhängnissvoller 
Pfeilschuss  verherrlicht  werden,  auf  dem  sich  die  ganze  Tra- 
gik des  Mythos  aufbaut,  so  ging  es  schwerlich  an,  das  Thier 
bereits  von  Geschossen  gespickt  darzustellen, wie  dies  wol  etwa 
ein  Vasen  maier  thun  kann,  der  den  ganzen  Vorgang  mehr  ins 
Genrehafte  herabzieht. 

Allein  dem  sei  wie  ihm  wolle.  Zuzugeben  ist  wenigstens 
soviel,  dass  jene  zwei  Bohrlöcher  nicht  notwendig  von  der 
Befestigung  des  Eberkopfes  an  der  Giebelwand  oder  einer  ne- 
ben derselben  stehenden  Figur  herzurühren  brauchen;  dass 
hier  auch  etwas  beliebiges  andres  seinen  Halt  gehabt  haben 
könne,  z.  ß.  einer  der  anspringenden  Hunde  oder  dergl  ; 
dass  also,  jene  Bohrlöcher  nach  keiner  Seite  hin  etwas  ent- 
scheidendes beweisen. 

Wenn  ich  also,  bis  eine  erneute  Betrachtung  des  Originals 
mich  eines  besseren  belehrt,  einstweilen  ander  F^inkswendung 
des  Ebers  festhalte,  so  geschieht  es  lediglich,  weil  diese  Rich- 
tung des  Thieres  in  den  Darstellungen  der  kalydonischen 
Jagd  die  übliche  ist  (Kekule  De  fabula  Mcleagrea  S.  36;  Ste- 
phani  Compte-rendii  1807  S.  59  ff.). 

Sicherer  lässt  sich  aus  unserem  Fragment  über  die  ursprüng- 
liche Grösse  des  Ebers  urteilen.  Eine  Vergleich  uns;  der  er- 
haltenen  Kopfreste  mit  den  entsprechenden  Theilen  des  etwas 


402  DIE  TEGEATISGUEN  GIlißELGaUPPEN 

kleineren  florenlinischen  Ebers  (Diitsclike,Änt.  Bildvv.  inOber- 
Ilalien  III  N°  54;  liinge  c.  1,60'°)  ergiebt  nach  ungefährer 
Schätzung  eine  Länge  von  höchstens  2'"  bei  einer  Höhe  von 
1,30-1,50. 

Man  sieht j  das  Thier  war  keineswegs  so  riesig  wie  es  sich 
Urlichs  (Skopas  S.  21  )dachte,  weil  er  annahm,  der  Eber  habe 
mit  den  ihn  umgebenden  Felsen  und  Flunden  räumlich  die 
zwei  ihm  entgegentretenden  Heiden,  Meleager  und  Theseus, 
aufgewogen*.  Eine  Responsion  mit  so  völlig  asymmetrischen 
Gliedern  scheint  mir  aber  fiir  eine  Giebelgruppe  des  Skopas 
schwer  glaublich  ;  und  vollends  da,  wo  die  entsprechenden 
Gestalten  einander  so  nah  gegenüber  gerückt  sind.  Man  ver- 
gleiche doch  die  verhältnissmässig  strenge  Responsion  in  der 
herrlich  aufgebauten  achtgliedrigen  Gruppe  auf  den  Ostreliefs 
vom  Mausoleum,  von  denen  wir  weiter  unten  noch  zu  han- 
deln haben  werden.  Und  was  den  Felsen  anbetrifft,  so  soheint 
mir  dessen  Annahme  eben  so  problematisch  Avie  das  Strauch' 
werk  in  den  Giebelecken.  Wir  bedürfen  aber  in  der  That  we- 
der des  einen  noch  des  andern. 

VYelcker  (.\lte  Denkm.  I  S.  157  und  200)  hatte  die  Auf- 
zählung des  Tansanias  für  unvollständig  erkläi't,  weil  sie  auf 
eine  ungleiche  Zahl  von  Figuren  füi'die  einander  entsprechen- 
den Giebelhälften  führe,  und  hatte,  statt  fünfzehn,  zwanzig 
Gestalten  als  Theilnehmer  für  die  kalydonisclie  Jagd  des  Gie- 
bels gefordert  (wie  bei  ApoUodor  I  8,  2,  3tT. ).  Slark  war  die- 
ser Annahme  im  Philologiis  XXI  S.  419  beigetreten.  Dem  ge- 
genüber ist  es  das  grosse  Verdienst  von  Urlichs,  die  Voll- 
ständigkeit der  Aufzäblunff  bei  Pausanias  aus  dessen  Wortlaut 
und  der  Responsion  einzelner  Gruppen  und  Gestalten  zuerst 
und  schlagend  richtig  nachgewiesen  zu  haben,  wie  man  das 
in  seinem  Skopas  S.  20  f.  nachlesen  mag. 


'  8l<^|ilia)ii  {Coniplt'-niidu  1867  S.  80)  Iial  sicli  nun  gar  eine  soiciie  Corn- 
positioii  i'iii  Skopas  ;iusi.'V(iaclil, ,  in  welcher  der  Eiter  für  sich  allein  dmi 
(iesl.alteu  '/iisDinrriengeii.itiinien  svinmeltiscli  aiifwiegeu  8v>ll  ;  Atalaule,  l\Ie- 
loager  uruJ  '.l'heseus. 


Dlli  TEGIiATISGHüN  GIlißELGRUPPliN  403 

IJienach  entsprachen  sicli  die  inigenden  Geslallen  von  den 
Giebelecken  angelangen  : 

1.  Kometes IG.  Feiritlioos. 

2.  ProLlioos 15.  Hippollioos. 

3.  lolaos.; 14.  Amphiaraos. 

4.  PoJydeukes 13.  Kaslor. 

5.  Peleus  den  112.  Epoclios  den  verwundelen 

G.  Telamonslülzend  i  11.   Ankaios  inden  ArmenaufTangend. 

Somit  blieben  für  die  Äliüelgruppe  die  naebslehenden  Per- 
sonen verfügbar,  welche  sieh  nach  unserer  vorläufigen  An- 
nahme von  links  na(;h  rechts  folgen  würden:  7.  Thescus  — 
8.  Melea«;cr  — 9.  Alalante  und  10.  der  Eber. 

Nun  sagt  Paiisanias  von  dein  letzteren  ausdrücklich,  er  sei 
ffSTCoivif/.evo;  ;csct«:  jjLeaov  p.xXiorT«:  ftr  war  also  von  der  Mitte 
weg  ein  wenig  nach  dereinen  Seite  hin,  nach  unsrer  AutVas- 
sung  der  rechten,  gerückt. 

Ferner  ist  klar,  dass  unmöglich  er  allein  drei  Gestalten, 
dem  Theseus,  Meleager  und  der  Atalante  gegenübergestanden 
haben  kann.  Ebensowenig  erscheint  es  mir  nach  dem  oben 
ausgeführten  glaublich,  dass  etwa  Atalante  allein  die  Mitte 
einoenommeu  und  der  Eber  auf  diese  Weise  zwei  Gestalten 

o 

der  Gegenseite,  Meleager  und  Tlieseus,  aufgewogen  habe.  Ihn 
das  Gleichgewicht  herzustellen,  wird  vielmehr  auch  Atalante 
von  Skopas  mit  auf  die  rechte  Giebelhälfte  herübergenommen 
worden  sein  und  zwar  vielleicht  so,  dass  sie  hinter  dem  Koj)fe 
des  Ebers  stand  und  ihm  etwa  von  vorn  und  oben  herab  in 
den  Kücken  schoss  oder  hieb.  Hierauf  wird  man  nicht  nur 
durch  die  Überlegung  geführt,  dass  es  schwei- sein  dürfte  den 
leeren  Raum  über  dem  Eber  wenigstens  theilweise  zu  füllen 
ohne  zu  dem  immerhin  sehr  problematischen  Felsen  seine 
Zutlucht  zu  nehmen,  sondern  auch  durch  den  bereits  oben 
hervorgehobenen  Umstand,  dass  der  Eberkopf  auf  beiden  Sei- 
ten ziemlich  eleichmässio-  aus";earbeitet  ist,  also  sich  wahr- 
scheinlich  dicht  an  dem  vorderen  l\aud  der  Giebelsima  befand. 
Der  Wortlaut  des  Pausauias, welcher  Atalante  dt^ijenigen  Seile 
zurechnet,   auf  welcher  ^Meleager  stand,    widerspricht   dem 


404  DIE  TEGEATISCIIEN  GIEBELGRÜPPEN 

nicht.  Denn  so  scheint  z.  B.  auch  auf  der  bekannten  meli- 
schen  Terracotte  in  Berlin  (0.  Jahn  :  Ber.  d.  sächs.  Ges.  1848 
S.  123  ff.)  Atalante,  die  hinter  dem  Eber  steht,  eher  der 
Gruppe  links  von  demselben  anzugehören. 

Die  iMitte  des  Giebels  selbst  wird,  vielleicht  ein  wenig  zur 
Linken  zurückgeschoben,  Meleager  eingenommen  haben,  der 
ja  auch  im  Wüchse  Atalante  überragt  haben  muss.  Diese  selbst 
würde  also  im  wesentlichen  dem  Theseus  der  andern  Seite  ent- 
sprochen haben,  wenn  auch  dieser,  zu  teilweiser  Ausgleichung 
des  Raumes,  den  der  Eber  einnahm,  etwas  weiter  nach  links 
gerückt  gewesen  sein  mag.  Die  Gruppen  des  Ankaios  und 
Epochos,  resp.  des  Telamon  und  Peleus  werden  dann  auf  bei- 
den Seilen  mit  ihrer  breiteren  Masse  in  die  Composition  ein- 
gegriffen und  das  durch  den  Eber  etwas  gestörte  Gleichgewicht 
der  Mittelgruppe  durch  eine  kräftigere  Betonung  der  Symme- 
trie vollends  wiederhergestellt  haben.  Nimmt  man  aber  etwa 
an,  dass  der  zusammenbrechende  Ankaios  das  Hintertheil  des 
Ebers  verdeckte,  so  dass  dieses  ein  wenig  schräg  aus  derGiebel- 
wand  hervorzukommen  schien,  so  sehe  ich  nicht  ein,  warum 
man  die  Mittelgruppe  von  Atalante  Meleager  und  Theseus 
nicht  genau  symmetrisch  sollte  aufbauen  können.  Und  diese 
Annahme  empfiehlt  sich  um  so  mehr,  als  im  Giebel  schwer- 
lich genug  Raum  vorhanden  war,  um  den  Eber  in  ganzer 
Länge  sehen  zu  lassen.  Man  kann  sich  hievon  durch  einen  Ver- 
such, die  Mittelgruppe  in  den  Giebelrahmen  einzuzeichnen 
leicht  überzeugen. 

Doch  über  alles  dieses  werden  uns  hoffentlich  künftige  Funde 
sicheres  lehren.  Aus  den  auf  unseren  Tafeln  mits'etheilten  Jung- 
lingsköpfen  ist  für  diese  Fragen  natürlich  nichts  zu  lernen, 
und  zwar  um  so  weniger,  als  dieselben  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  eher  in  den  Telephosgiebel  hineingehören  wie  zur 
kalydonischen  Jagd. 

JDen  einen  von  ihnen,  B  Taf.  XV,  verweist  schon  sein  Helm 
und  die  heftige  Wendung  von  Hals  und  Augen  nach  oben  in 
die  Telephosschlacht.  Aher  auch  für  den  Kopf  auf  Taf.  XIV 
(A)  wird   dies  mindestens  sehr   wahrscheinlich    sein:   denn 


DIE  TEGEATISCHEN  GlEBELGnUPPEN  405 

wem  sollte  der  schmerzlich  emporgerichtete  Blick  des  an- 
scheinend unterliegenden  bei  der  Eberjagd  wol  gelten  ?  An 
den  verwundeten  Ankaios  zu  denken  verbietet  die  Nachricht 
des  Pausanias,  dass  der  zusammenbrechende  Held  von  Epo- 
chos  unlerstiilzt  wurde;  man  wird  sein  Haupt  also  doch  wol 
zur  Wunde  gesenkt  denken  müssen  wie  bfi  dem  Ankaios  des 
berliner  Terracottareliefa.  Unser  Jüngling  aber  scheint  sich 
nach  der  Bewegung  des  Halses  zu  urtheilen,  dem  auch  die 
linke  Schulter  gefolgt  sein  wird  ,  mit  vorgehaltenem  linken 
Arme  gegen  einen  höher  stehenden  Gegner  vertheidigt  zu 
haben.  Dieses  aber  ist  neben  der  Thatsache,  dass  beide  Köpfe 
nach  links  blickten,  das  einzige,  was  wir  aus  ihnen  für  die 
Composition  des  Telephosgiebels  erfahren. 


So  bieten  uns  denn  die  beiden  tegeatischen  Jünglingsköpfe 
vorläufig  als  einzigen^  aber  allerdings  beträchtlichen  Gewinn 
dies  dar,  dass  sie  uns  zum  ersten  Male  eine  genügende  und 
gesicherte  Anschauung  von  dem  Kopftypus  des  Skopas  ver- 
mitteln. Freilich  ist  nur  der  auf  Taf.  XIV  wiedergegebene 
Kopf  gut  genug  erhalten  und  hat  namentlich  so  weit  genü- 
gend nachgebildet  werden  können,  um  einer  eingehenderen 
Untersuchung  als  Grundlage  zu  dienen. 

Wir  werden  in  seine  stilistische  Eigenart  am  besten  ein- 
dringen,  indem  wir  ihn  mit  den  Kopf  typen  vergleichen,  die 
seine  Zeitgenossen  Praxiteles  und  Lysipp  geschafTen.  Je  mehr 
die  geistige  und  künstlerische  Atmosphäre  des  Zeitalters  für 
alle  drei  Bildhauer  im  wesentlichen  dieselbe  war,  um  so  eher 
dürfen  wir  hoffen  nach  Abzug  des  gemeinsamen  in  der  For- 
rhengebung  dasjenige  ausscheiden  zu  können,  was  der  Aus- 
druck ihrer  eigenston  Phantasie  und  ihres  persönlichen  Ent- 
wickeln n2;sgane;es  ist. 

Den  Kopf  des  olympischen  Hermes  bietet  Taf.  0  des  III. 


406  DIE  TEGEATISCHEN  GIEBELGRUPPEN 

Bandes  der  Ausgrabungen  zu  Olympia,  namentlich  im  Profil 
zu  bequemer  Vergleichung  dar. 

Was  in  der  Seitenansicht  zunächsL  auffällt,  ist  wol,  dass 
der  Jünglingskopf  des  Skopas  jenem  ausgesprochenen  Rund- 
schädel gegenüber  fast  als  ein  eckiger  Dolichokephal  erscheint. 
Dies  liegt  nicht  etwa  an  der  auf  Taf.  XIV  versuchten  Ergän- 
zung der  Scheitellinie.  Denn  wie  man  sich  an  der  Vorderan- 

c 

sieht  überzeugen  kann,  ist  die  Schädelhöhe  genau  gegeben 
und  auch  die  Führung  des  Scheitelumrisses  im  einzelnen  durch 
die  erhaltenen  Ansätze  an  Stirn  und  Hinterkopf  vollständig 
indicirt.  Höchstens  hätte  die  Linie  dicht  über  der  Stirn  ein 
wenig  höher  gezogen  werden  können,  was  an  der  Hauptsache 
nichts  ändert.  Man  vergleiche  auch  den  steilen  Umriss  des 
Hinterkopfes,  welcher  von  dem  muskulösen  Nacken  fast  grad- 
linig und  ohne  jede  Unterbrechung  emporsteigt,  während  beim 
Hermes  sich  die  runde  Schädelbildung  sofort  über  dem  Kranz- 
einschnilt  in  der  geschwungenen  ßogenlinie  des  "Hinterkopfes 
ausspricht.  Und  wie  diese  sicli  in  dorn  hochgewölblen  Scheitel 
fortsetzt,  so  muss  bei  jenem  dem  steileren  i\ack«n  eine  fla- 
chere Scheilellinie  entsprochen  haben,  die  an  Wirbel  und 
Stirn  in  einem  scharfen  Winkel  umbiegt. 

Das  zweite  was  bei  einem  Vergleiche  der  Profile  von  beiden 
Köiifen  sofort  in  die  Augen  springt  ist  das  Vordrängen  na- 
mentlich der  unteren  Gesichtstheile  gegenüber  dem  zurück- 
tretenden Schädel.  Beim  Hermes  ist  es  umge  kehrt  die  mächtige 
runde  Masse  des  Schädels,  welche  das  feine  zurückweichende 
Untergesicht  vollkommen  beheri'scht. 

Mit  [lecht  scheint  mir  Kekule  (Über  den  Kopf  des  praxitel. 
Hermes  S.  27)  dies  letztere  Verhältniss  als  das  specifisch  atti- 
sche dem  peloponnesischen  Typus  des  polykletischcn  Dorypho- 
ros  gegenüber  bezeichnet  zu  haben.  Ein  Vergleich  der  phi- 
diasischon  Amazone,  mit  der  polykletischen  bestätigt  dies. 
•Ebenso  scheint  in  der  attischen  Kunst  der  kanti<re  Lansschä- 
dellypus,  der  Jioch  iui  sogen,  Theseus  vom  Parthenon  der 
herrsciiende  ist,  nach  Ausweis  des  Parlhenonfriescs  in  dei' 
Scliule  des  Phidias  selbst  sehr  bald  von  den  runden  Schädel- 


DIE  TKGEATISCHKN  UIEBELGRÜPPEN  407 

formen  vcrdriiniit  worden  zu  sein.  Bei  Praxiteles  finden  wir 
die  lelzterc  dann  sclion  \öllij^  eingehürgerl*. 

Irre  ich  also  nicht,  so  ist  hier  eine  Spur  des  Zusammen- 
hanges zu  erkennen  ,  der  Skopas  mit  peloponnesischer  Art 
nnd  Kunst  verbindet.  Und  man  darf  sich  dabei  wol  dessen 
erinnern,  dass  seine  Jugend  in  eine  Epoche  der  Entfremdung 
zwischen  seiner  Geburtsinsel  und  Athen  fiel;  dass  der  prä- 
sumtive Vater  des  Skopas,  der  Erzgiesser  Aristandros  von  Pa- 
ros  berufen  werden  konnte  die  Niederlage  Athens  durch  ein 
Weihgeschenk  für  Am}'klae  zu  feiern;  dass  endlich  die  erste 
Epoche  von  Skopas'  Künsllerlaufbahn  ganz  dem  Peioponnes 
anzugehören  scheint  (  vergl.  tVir  alles  dies  Urlichs,  Skopas. 
Cap.  1).  Dies  Kesuliat  wird  auch  durch  die  nachstehenden 
Überlegungen  bestätigt. 

Vergleichen  wir  nämlich  nun  auch  die  Vorderansicht  des 
skopasischen  Kopfes  mit  der  des  praxilelischen  Hermes,  na- 
mentlich das  üntergesicht,  so  stossen  wir  hier  auf  ganz  ähn- 
liche Ge2;ensätze  wie  sie  uns  die  Profile  darboten.  Sind  die 
Wangen  beim  Hermes  zart  und  schmal,  so  bildet  sie  Skopas 
auffallend  breit  und  kantig;  sind  dort  alle  Übergänge  ver- 
schmolzen und  mit  dem  zarten  Umrisse  eines  feinen  Ovales 
umschrieben,  so  sind  hier  Backenknochen  und  Kinnladen- 
rand kräftig  und  eckig  hervorgehoben,  das  Wangenfleisch 
dazwischen  flächenhaft  mager  gespannt. 

Diese  knochige  Breite  des  Untergesichtes  findet  sich  nun 
aber  im  lysippischen  Apoxyomenos  ganz  ebenso  wieder  1  Und 
wenn  sich  nun  weiter  zeii't,  dass  der  letztere  auch  in  der  Pro« 
filansiclit  insofern  dem  tegeatischen  Jünglingskopfe  näher 
steht  wie  dem  Hermes,  als  er  dasselbe  Überwiegen  von  Stirii- 
buckcln  und  üntergesicht  über  die  verkleinerte  Schädelmasse' 
zeigt,  so  werden  wir  nicht  länger  zögern  anzuerkennen,  dass 


'  Midi  mil  den  von  Kckulc  in  seiner  Sclirift  über  den  Kopf  des  praxiteli- 
sclien  Hermes  angestellten  Untersuchungen  über  die  Einnüsse  die  bei  die- 
sem Entwiciielurigsprocess  wirksam  waren  auseinanderzusetzen  nuiss  ich 
einer  andern  Gelegenheit  vorbehalten. 


408  DIE  TEGEATISCHEN  GIEBELGRUPPEN 

in  den  Köpfen  des  Skopas  in  der  That  das  von  Kekule  in  sei- 
nem Schema  auf  S.  30  postuürte  Mittelglied  zwischen  Poly- 
klet  und  Lysippos  gefunden  ist. 

Denn  gerne  gebe  ich  Kekule  zu,  dass  der  Apoxyomenos  in 
der  That  in  die  peioponnesische  Entwickelungsreihe  gehört, 
und  zwar  denke  ich  mir  jetzt  das  attische  Element,  das  in 
jenem  Kopfe  unleugbar  liegt,  lieber  durch  die  ihm  näher 
stehende  Kunst  des  Skopas  vermittelt  als  durch  die  des  Praxi- 
teles^. 

Die  Jünglingsköpfe  des  Skopas  wären  also,  w^enn  wir  recht 
sehen,  Abkömmlinge  eines  peloponnesischen  Typus,  wie  er 
für  uns  durch  den  Speerträger  des  Polyklet  repräsentirt  wird. 

Aber  ein  solches Descendenzschema  bleibt  doch  nur  Schema. 
Es  bezeichnet  nur  die  Hauptrichtung  der  Einwirkungen , 
welche  dieSchuIe,der  unser  Künstler  entstammt,  erfahren  hat. 
Nicht  berücksichtigt  ist  dabei  das  herüber  und  hinüber  in  den 
Einflüssen,  welche  die  sich  parallel  nebeneinander  entwackeln- 
den Schulen  auf  einander  geübt.  Nicht  berücksichtigt  ist  ferner 
das  persönliche  Element,  dasjenige  was  der  Künstler  aus 
seiner  innersten  Eigenart  zu  den  Traditionen  seiner  Schule 
steigernd  oder  ablenkend  hinzugebracht. 

Und  welch'  ein  weiter  Weg  ist  es  von  dem  hausbacken 
treuen,  ruhig  indifferenten  Antlitz  des  Doryphoros  bis  zu  dem 
schmerzlich  bewegten,  ausdrucksvollen  Pathos  der  tegeati- 
schen  Köpfe. 

Was  wissen  wir  von  den  Einflüssen,  welche  diesen  gewal- 


*  Jene  Bemerkungen  die  ich  (Hermes  des  Praxiteles  S.  10  u.  12)  über  die 
Aehuliehkeit  gewisser  Theile  des  Hermes  mit  dem  Apoiyonienos  nieder- 
schrieb waren  der  Ausdruck  des  wol  allgemein  geteilten  Erstaunens  darüber, 
dass  Praxiteles  mit  seiner  Forraengebung  der  Enlwickelungsslufc  so  sehr 
nalie  stand,  die  für  uns  bis  dabin  Lysipp  fast  allein  repräsentirt  hatte.  Ich, 
wie  wol  die  meisten,  hatten  sich  seine  Weise  strenger  gcdacbl  und  waren 
nun  frappirl  es  anders  zu  finden.  FJinen  Beitrag  zur  Entv.ickelung  des  ly- 
sippischen  Typus  habe  ich  damals  nicht  eigentlich  geben  wollen.  Stand  mir 
in  Olympia  zu  einem  Vergleich  mit  dem  Hermes  doch  nur  eine  noch  dazu 
mangelhafte  Photographie  des  Apoxyomenos  zu  Gebote. 


DIE  TEGEATlSCIlliN  GIEBELGHUPl'EN  409 

tigen  Umschwung  der  kiinsllerisclien  Phantasie  bis  in  die 
Werkstätten  des  Pelojjonnesliinein  bewirkt  haben?  Fastniclits. 
Aber  ahnen  können  wir,  dass  an  diesem  grossen  ümbildungs- 
process  der  Formen  in  durchaus  neuem  Sinne  Geist  und  Kunst 
Atliens,  wie  sie  sich  an  der  Wende  des  Jaiirhunderts  darstel- 
len, den  grüsstcn  Anllieil  haben  mögen. 

Vergleicht  man  den  Doryplioros,  so  sieht  man  bald,  dass 
ausser  den  oben  hervorgehobenen  Verhältnissen  des  Knoclien- 
gerüstes,  den  grossen ,  kantig  begrenzten  Flächen  von  Wan- 
gen und  Hals,  und  vielleicht  der  Weise  wie  das  Haar  sich 
enger  um  den  Schädel  schmiegt,  kaum  etwtis  gleich  oder  auch 
nur  ähnlich  geblieben  ist. 

Selbst  die  Grund  Verhältnisse  von  Schädel  und  Kinnladen  sind 
etwas  abgeändert;  die  Hirnschale  ist  etwas  kürzer  und  breiter 
geworden;  dem  entsprechend  sind  denn  auch  die  Kinnbacken 
breiter undeckiger  gebildet.  Dasselbe  Streben  nacli  ausdrucks- 
vollerEnergie  wölbt  die  Unterslirn  mächtig  heraus,  schwingt 
die  Linie  des  Augenknochen  und  drängt  das  Fleisch  über  den 
oberen  Lidern  so  weit  herab,  dass  sie  für  dieSeitenansicht  völlig 
verdeckt  werden.  Der  Mund  öffnet  sich  ausdrucksvoll  ;  das 
Kinn  ist  kantiger  markirt,  selbst  das  Ohr  bleibt  von  diesem 
Ringen  nach  energischem  Ausdruck  nicht  unberührt:  es  erhält 
eine  eigentümliche,  in  seinem  oberen  Theile  nach  vorn  ge- 
neigte Lage,  die  sich  in  der  Natur  vielleicht  kaum,  oder  doch 
nur  äusserst  selten  so  w  icderfindet,  aber  grade  durch  das  un- 
gewöhnliche um  so  ausdrucksvoller  -wirkt.  Alle  Empfindung 
aber  bricht  in  den  herrlichen,  tiefliegenden  und  grossen,  weit 
aufgeschlagenen  Augen  voll  hervor  und  spricht  in  stummer 
Klage  aus  dem  schmerzlich  geöffneten  Munde. 

Hier  glaubt  man  wirklich  einen  Blick  in  die  Seelen  tiefe  des 
Meisters  zu  ihun.  Hier  meint  man  das  begeisterte  Echo  zu 
verstehen,  das  seine  von  göLtlichem  Wahnsinn  durchglühte 
Mänade  weckte. 

Und  das  ist  kein  Traum.  Man  halle  nur  die  entsprechen- 
den Theile  des  Hermeskopfes  daneben.  Wie  milde  blickt  hier 
das  Auge  nieder;  wie  anmutig  und  fein  lächelt  der  Mund. 


410  DIE  TEGEATISCHEN  GIEBELGRUPPEN 

Aber,  wird  man  vielleicht  sagen,  das  liegt  an  der  Verschie- 
denheit der  Aufgaben,  welche  den  Künstlern  hier  gestellt  wa- 
ren. Nun  wol,  so  vergleiche  man  die  massige  Grösse  des  Au- 
ges ,  die  minder  bewegte  Bildung  von  Slirn  und  Augenkno- 
chen ,  den  flüssi<i;en  Umriss  von  Wanden  und  Kinn  :  überall 
spürt  man  die  mildernde  Hand  eines  Geistes,  der  das  zart- 
sinnig stille  dem  erregt  energischen  vorzieht. 
•  Kehrt  nun  der  Blick  zu  den  Profilen  der  Köpfe  zurück, so  ver- 
steht man  auch  hier  die  künstlerische  Symbolik,  die  aus  dem 
Verhällniss  der  Schädelmasse  zu  dem  Gesicht  und  namentlich 
den  unteren  Parthien  desselben  spricht:  bei  dem  geneigten 
Haupte  des  praxitelischen  Hermes  ist  es  still  gesammeltes  Sin- 
nen, das  auch  in  demÜbergewichtder  oberen Schädelhälfteüber 
die  zurückgenommene  ProfiUinic  des  Unlergesichtes  zum  Aus- 
druck kommt.  Bei  Skopasdagegen  sind  ünterstirn  und  Kinn  wie 
herausfordernd  vorgebaut;  der  Ausdruck  einer  Gemütsver- 
fassung,die  ganz  der  Aussenwelt  zu  That  und  Kampf,  zu  lei- 
denschaftlichem Weh  und  enthusiastischerLust hingegeben  ist. 

Diese  Sättigung  der  ganzen  Formengebung  mit  einem  star- 
ken Pathos  leidenschaftlichen  und  doch  noch  grossen  Stiles, 
das  ist  es  was  der  Vergleio-h  mit  dem  Hermes-Kopfe  als  das 
pf^rsönlichste  Werk  des  Skopas  erweist.  Denn  waren  für  beide 
Künstler  die  Zeit,  die  Umo-ebunij; ,  die  ffeislicren  Strömunsren 
nicht  dieselben?  IJnd  auch  von  der  Stufe,  auf  der  ihnen  das 
künstlerische  Können  überliefert  wurde^dürfen  wir  ein  gleiches 
voraussetzen, Beide  stehen, wenn  auch  in  verschiedenem  Grade, 
unter  dem  Einfluss  attischer  Kunst.  Was  aber  an  divergenten 
Schuleinflüssen  auf  die  Bildung  ihrer  Formengebung  einge- 
wirkt, habe  ich  oben,  so  weit  dies  für  uns  noch  erkennbar 
ist,  in  Abzug  zu  bringen  versucht. 

Dass  damit  von  dem  Wesen  des  Skopas  nur  ein  Theil  aus- 
gesprochen ist,  das  weiss  unsre  Zeit  am  besten,  welche  sich 
erst  besinnen  musste  ehe  sie  sich  entschloss  in  dem  Praxiteles 
des  olympischen  Flermes  den  Praxiteles  der  Knidierin  und  den 
Meister  des  Sauroktonos  wiederzuerkennen.  Aberdasdarf  man 
wol  behaupten:  es  ist  ein  bedeutendes  und  charakteristisches 


DIE  TEGEATISCIIEN  GIEBELGRUPPEN  411 

Stück  von  der  Eigenart  des  Skopas  das  uns  mit  jenen  Köpfen 
wiedergegeben  worden  ist. 

Wir  versuchen  zur  Erkenntniss  derselben  auch  noch  von 
einer  anderen  Seite  vorzudringen, indem  wir  uns  an  der  Hand 
des  Apoxyomenos  vergegenwärtigen,  was  Lysipp  an  dem  Ty- 
pus des  Skopas  für  seine  Zwecke  umgeformt  hat. 

Dass  er  den  Kopf  kleiner  gebildet,  das  Haar  in  realistische- 
rer Weise  durcheinandergeworfen,  konnten  wir  schon  aus  der 
schriftlichen  Überlieferung  ahnen.  Überraschend  aber  ist  zu 
sehen,  wie  er  die  Protuberanzen  von  Stirn  und  Augenknochen 
mildert,  die  Augen  bedeutend  kleiner  und  weniger  liefliegend 
bildet,  den  Nasenansatz  schmälert  und  auch  den  Mund  ver- 
kleinert, während  er  die  knochige  Breite  des  üntergesichtes 
beibehält. 

Will  man  die  Umbildung  nach  ihrem  psychischen  Gehalt 
bezeichnen,  so  wird  man  sich  etwa  so  ausdrücken  können, 
dass  man  sagt,  das  pathetische,  leidenschaftlich  ausdrucks- 
volle in  Formen  und  Zügen  sei  in  das  nervös-bewegliche  um- 
gesetzt worden. 

Und  so  sieht  man,  schliesslich,  dass  die  beiden  älteren 
Meister,  Skopas  und  Praxiteles,  trolz  des  engeren  Schulzu- 
sammenhanges, der  Lysipp  mit  Skopas  zu  verknüpfen  scheint, 
doch  ein  gemeinsames  verbindet:  nicht  nur  gewisse  formale 
Elemente,  wie  die  bedeutendere  Grösse  der  Augen  und  die 
Breite  des  Nasenansatzes,  sondern  auch  ein  Zug  von  stil- 
voller Grösse,  der  dem  jüngeren  Zeitgenossen  bei  seinem  Stre- 
ben nach  beweglicher  Elastizität  bereits  abhanden  gekommen 
ist. 


Wie  verhält  sich  nun  zu  diesen  Resultaten  die  Körper- 
bildung, welche  Skopas  seinen  Gestalten  verliehen  ? 

Die  tegeatischen  Fragmente  bleiben  uns  hierauf  die  Ant- 
wort einstweilen  schuldig.  Denn  aus  der  Skizze  des  Schenkels 
auf  S.  395  ist  weiter  nichts  als  eine  sehr  muskulöse  Bildung 

MITTB.D.  ARGH.IN8T.VI.  27 


412  DIE  TEGEATISCHEN  GIEBELGRUPPEN 

der  Gliedmaassen  zuerschliessen,  welche  man  nach  dem  Cha- 
rakter der  Köpfe  ohnehin  voraussetzen  müsste.  Wir  suchen 
daher  fürs  erste  Ersatz  bei  demjenigen  Werke^  dessen  Z'ji.-im- 
menhang  mit  Skopas  oder  doch  dessen  Schule  nächst  den 
Giebelfragmenten  aus  Tegea  am  besten  bezeugt  ist:  den  vier 
Ostreliefs  vom  Mausoleum. 

Die  drei  aneinanderschliessenden  PlaUen  sind  am  besten , 
vollständigsten  und  in  ihrer  richtigen  Reihenfolge  abgebildet 
in  dem  photographischen  Serienwerke  des  Brittischen  Mu- 
seums von  Stephen  Thompson  N°  719-721  (London,  Mansell 
und  Co.  1872).  Hienach  sind  auch  die  Abbildungen  in  New- 
tons Discoveries  at  Halicarnassus  !  Taf.  9  und  10  von  links 
nach  rechts  vorschreitend  folgcndermaassen  zu  ordnen  :  a)  Taf. 
9,  unten  ;  h)  Taf.  10,  unten  ;  c)  Taf.  10,  oben.  Vcrgl.  ebenda 
II  1  S.  239  ff.  Ebenso  müssen  die  drei  kleinen  Skizzen,  wel- 
che Newton,  Travels  in  the  Levant  II  Taf.  13  in  der  obersten 
Reihe  giebt,  in  ihrer  Folge  umgekehrt  werden  ;  und  bei  Over- 
beck  Plastik  11^  Fig.  111  ist  die  richtige  Reihenfolge  nicht 
/  711  n,  sondern  /  n  m  ;  bei  Lübke  Gesch.  d.  Plastik  P  Fig. 
162,  164,  163  =  Kunsthistor.  Bilderbogen  N"  24,2.  4.  3.  Das 
vierte  Stück  derselben  Serie,  eine  reitende  Amazone,  ist  bei 
Newton,  Discoveries  at  Halicarnassus  I  Taf.  9  oben  und  in  den 
Travels  in  the  Levant  11  Taf.  5  abgebildet.  Sie  wird  der  Fort- 
setzung der  Ostreliefs  nach  links  angehört  und  der  reitenden 
Amazone  auf  Platte  a  entsprochen  haben. 

In  Bezug  auf  diese  vier  Reliefs  nun  scheint  mir  Newton 
mit  vollem  Recht  ihren  Fundort  im  östlichen  Theile  des  Mau- 
soleumvierecks mit  der  Notiz  bei  Plinius  [N.  H.  36,  50) 
combinirt  zu  haben,  dass  Skopas  das  Mausoleum  ab  Oriente 
caelavit  (vergl.  die  Angabe  des  Fundorts  auf  den  Situations- 
plänen des  Mausoleums  Discoveries  at  Halicarnassus  I  Taf. 
3  u.  4--  Travels  in  the  Levant  H  Taf.  2  und  Newtons  Aus- 
führungen Discoveries  11  1  S.  100  und  S.  239;  Travels  II  S. 
95,  4.).  Sein  Schluss,  dass  er  in  ihnen  Werke  des  Skopas 
selbst  oder  doch  von  dessen  Schülern  gefunden  ,  hat  in  der 
That  einen  hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Denn 


DIE  TEGEATISCHEN  GIEBELGRUPPEN  413 

dass  diese  Reliefs  ursprimglich  gerade  der  Oslseile  des  Mau- 
soleums angehörten,  wird  schon  dadurch  nahegelegt  ,  dass 
sich  drei  aufeinanderfolgende  Platten  und  ein  dersel- 
ben Composition  angehöriges  viertes  Stück  nebeneinander- 
liegend fanden.  Wären  die  Platten  weiter  verschleppt  worden, 
so  niiisste  ein  sonderbarer  Zufall  gewaltet  haben,  wenn  das 
zusammengehörige  dabei  nicht  auseinander  gekommen  sein 
sollte.  Newton  macht  mit  Recht  darauf  aufmerksam,  dass  bei 
der  Höhe  der  Relicferhebung  und  der  Schwere  der  Blöcke 
auch  die  vortreffliche  Erhaltung  dafür  spreche,  dass  sie  nicht 
weit  herumgewälzt  worden  sein  können. 

Es  kommt  ferner  hinzu,  dass  diese  vier  Reliefs  der  Wild- 
heit und  Flüchtigkeit  gegenüber,  welche  in  den  meisten  übri- 
gen herrscht,  sich  nicht  nur  in  Composition  und  Ausführung 
bei  weitem  als  die  besten  erweisen,  sondern  auch,  worauf  ich 
besonderes  Gewicht  lege,  als  die  ge massigsten  und 
sirengsten,  mit  einem  W'ort  als  die  frühesten. 

Endlich  wird  dieses  Resultat  noch  durch  einen  Vergleich 
mit  der  Formengebung  unserer  tegeatischen  Köpfe  bestätig!. 
Das  Haupt  des  ins  Knie  gesunkenen  Jünglings  auf  Platte  a 
(Thompson  N°  719,  Newton,  Discov.  at  Haficarn.  I  Taf.  10, 
unten;  Overbeck  /;  Lübke  Fig.  1G2)  scheint  mir  dies  trotz 
aller  Beschädigungen  deutlich  darzulhun  :  man  vergleiche  nur 
die  breiten,  streng  flächenhaft  behandelten  Wangen^  die  vor- 
springenden Stirnbuckel,  besonders  aber  die  auffallend  grossen 
Augen  mit  den  schmalen  geschwungenen  Lidern  und  den  tief 
hineingearbeiteten  inneren  Augenwinkeln  *.  Es  scheint  uns 
al«o,  alles  in  allem  genommen,  Newtons  Meinung  sehr  viel 
für  sich  zu  haben,  dass  wir  in  jenen  vier  Reliefs  vom  Mau- 
soleum wirklich  l-/.o-r:xhix  Ifoyx  besitzen,  und  wir  stehen  da- 


'  Die  Wiederkehr  der  Helmform  von  flauf  Taf.  7?1  bei  Thompson,  Discov. 
I  Taf.  10  unten  ,  Overbeck  j??,  bewei.sl  natürlich  nur  allgemein  für  die  Zu- 
gehörigkeit zu  derselben  Epoche  und  einer  ähnlichen  Kunstrichtung,  wie 
sie  denn  auch  auf  einer  der  früheren  gcnueser  Platten  wiederkehrt  (sie  ist 
in  den  Mon.  [delV  fnsl.  V  3  und  danach  bei  Overbeck  a  nicht  ganz  richtig 
wiedergegeben ) . 


414  DIE  TEGEATISCHEN  GIEBELGRUPPEN 

her  nicht  an  ,  dieselben  einstweilen  zur  Ergänzung  unserer 
Untersuchung  über  den  Stil  des  Skopas  zu  benutzen.  Dass 
wir  dabei  aber  alle  Vorbehalte  machen  müssen ,  welche  aus 
der  Kleinheit  und  dem  decorativen  Charakter  der  Reliefs,  end- 
lich auch  aus  ihrem  vielleicht  nur  indirecten  Äbhängigkeils- 
verhältniss  von  Skopas  sich  ergeben,  schicken  wir  ausdrück- 
lich voraus. 

Wieviel  also  lässt  sich  aus  diesen  Reliefs  für  die  in  der 
Schule  des  Skopas  übliche  Körperbildung  lernen  ?  Was  bei  den 
männlichen  Leibern  zuerst  auffällt,  ist  ihre  sehnige  Schlank- 
heit; die  Länge  der  Gestalten  und  die  knappe  Magerkeit  der 
scharfkantig  gegeneinander  abgesetzten  Muskeln.  Man  beo- 
bachte nur,  wie  scharf  der  Rand  der  grossen  Brustmuskeln 
und  der  des  Thorax  markirt  sind  ;  wie  flach  der  Bauch,  wie 
kantig  der  Hüftenrand  und  wie  sehnig  mager  Schenkel  und 
Waden  gebildet  werden ,  so  wird  man  sich  unwillkührlich 
an  die  gewissermassen  strengen  Formen  von  Wangen  und 
Halsmuskeln  an  dem  Jünglingskopfe  auf  Taf.  XIV  erinnert 
finden.  Und  hier  wie  dort  wird  es  ein  Rest  jenes  präcisen 
peloponnesischen  Erzstiles  sein,  der  seine  Musculatur  in  scharf- 
kantig begrenzten  grossen  Flächen  bildete.  Hiefür  genügt  es 
auf  die  Doryphoroscopieen  zu  verwaisen,  an  deren  Treue  ich 
trotz  Brunn  {Annali  1879  S.  217  ff.)  festhalten  zu  müssen 
glaube.  Mag  man  für  unsre  Reliefs  und  die  tegeatischen  Gie- 
bel von  dieser  mageren  Bestimmtheit  Inder  Arbeit  der  Mus- 
keln soviel  auf  Rechnung  der  hohen  Aufstellung,  Beleuchtung 
etc.  bringen  als  man  will ;  immer  wird  man  dengrossen  Ge- 
gensatz anerkennen  müssen,  der  solche  Formen  von  den  blü- 
henden und  zarten  Leibern  trennt,  mit  denen  etwa  ein  Pra- 
xiteles seine  Jünglingsgestallen  auszustatten  liebte.  Auch  hier 
steht  der  Apoxyomenos  mit  seiner  mager  schlanken  Elastizität 
der  Körperbildung  den  skopasischen  Gestalten  näher,  zum 
neuen  Beweis  dafür,dass  die  Kunst  dieses  Meisters  in  der  That 
das  Mittelglied  zwischen  Polyklet  und  Lysipp  bildet.  Freilich 
ist  bei  dem  letzteren  jeder  Rest  jenes  strengen  Flächenstiles 
verschwunden  ;  und  auch  durch  den  verkleinerten  Kopf  un- 


DIE  TEGEATISCIIEN  GIEBELGRÜPPEN  415 

terscheidcn  seine  GestaUen  sich  merklich  von  den  Körpern, 
die  sein  älterer  Zeitgenosse  formte. 

Dieselbe  miichtij:;  nach  Ausdruck  und  Bewegung  ringende 
Energie,  von  der  sich  die  tegeatischen  Jünglingsköpfe  so  ganz 
erfüllt  zeigen,  hat  also  auch  die  Körperforinen  der  Jünglinge 
im  Amazonenkanipfe  geschaffen.  Hier  ist  jede  Sehne  wie  eine 
stählerne  Feder  gespannt.  Nichts  in  diesen  Körpern  ist  träge 
Last;  die  vermittelnden  Fettlagen  scheinen  wie  aufgezehrt  von 
der  bewegungskräfligen  Energie  der  Muskeln.  Es  ist  in  die- 
sen schlankelastischen  und  dennoch  stahlhart  widerstands- 
fähigen Körpern  in  der  That  nach  dieser  Richtung  hin  fast 
die  Grenze  des  leislbaren  erreicht. 

Beizreiflicher  Weise  ist  eine  solche  Kunst  auch  in  der  Dar- 
Stellung  des  bewegten  Thierkörpers  unerreichbar:  man  sehe 
nur  wie  das  Pferd  unter  der  rücklings  flüchtenden  Amazone 
mit  gestreckten  Hinterbeinen  zu  rasendem  Galopp  ausgreift: 
wie  es  dabei  die  Vorderfüsse  auswirft.  Es  ist  charakteristisch, 
dass  grade  die  Pferdebildung  an  einer  der  Statuen  vom  Mau- 
soleum dem  rossekundigen  englischen  Entdecker  begeisterte 
Worte  der  Bewunderung  entlockt  hat. 

um  so  bemerkenswerlher  ist  es  für  die  kunsigeschichtliche 
Stellung  unsres  Künstlers,  dass  der  Kopf  des  kalydonischen 
Ebers  nicht  sonderlich  charakteristisch,  ja  nicht  einmal  völ- 
lig naturtreu  geformt  ist.  Ein  Blick  auf  das  florentinische 
VVildschwein,  in  dem  uns  eine  der  am  meisten  naturalistischen 
Modellstudien  des  Altertums  erhalten  ist,  lässt  namentlich  die 
Fehler  in  Grösse  und  Stellung  des  Auges  sehr  deutlich  em- 
pfinden. 

Dass  Skopas  auch  zartere  Leiber  zu  bilden  verstand,  zeigen 
die  herrlichen  Amazonengeslalten  zur  Genüge,  nach  deren 
Bilde  wir  uns  die  Atalante  in  der  kalydonischen  Jagd  des  te- 
geatischen Giebels  denken  dürfen.  Auch  hier  überwiegt  ein 
svelter  Körperbau  voll  edeler  Schlankheit.  Nur  eine  der  Ama- 
zonen ist  untersetzter  gebildet:  die  der  Mittelgruppe  auf  Taf. 
10,  unten,  bei  Newton  =  Overbeck  n.  Offenbar  ist  sie  kürzer 
geraten,  weil  sie  aufrecht  im  Räume  stehen  sollte^  während 


416  DIE  TEGEATISGHEN  GIEßELGRUPPEN 

die  anderen  sich  in  demselben  nach  der  Diagonale  strecken 
konnten.  Sieht  man,  wie  das  Gewand  hier  bei  der  plötzlichen 
Wendung  über  den  vollsaftigen  Gliedern  auseinanderschlägt, 
so  kehren  die  Gedanken  auch  hier  wieder  zu  dem  bacchischen 
Ungestüm  zurück,  das  die  Bacchantin  des  Skopas  erfüllt  ha- 
ben soll*. 

Was  die  Composition  der  Reliefs  anbetrifft,  so  werden 
wir  alle  ihre  glänzenden  Eigenschaften  auf  die  tegeatischen 
Giebelgruppen  übertragen  denken  dürfen  :  die  dramatische 
Lebendigkeit,  Mannigfaltigkeit  und  Neuheit  der  Motive,  die 
Vielgliedrigkeit  und  Freiheit  der Responsion— sie erstrecktsich 
auf  den  Newtonschen  Platten  auf  mindestens  acht  Gestalten. 
Das  gleiche  wird  von  der  gelockerten  Raumfüllung  und  der, 
namentlich  im  Vergleich  mit  den  übrigen  Mausoleumsplatlen 
sehr  auffallenden  Sparsamkeit  in  der  Vertheilung  der  Gewän- 
der gelten.  Und  zwar  um  so  mehr  als  in  jenen  Giebeln  an- 
scheinend nur  ein  Weib,  die  4talante,  vorhanden  war^;  die 
übrigen  Jagd-und  Schlaclitgenossen  werden  aber  zum  grössten 
Teil  eben  so  wenig  bekleidet  gewesen  sein,  wie  die  Krieger 
auf  den  Relicfplalten  des  Skopas.  Was  aber  die  Verteilung 
im  Räume  anbetrifft,  so  waren  die  tegeatischen  Giebel,  wie 
es  scheint,  nicht  von  einem  so  dichten  GestaltenajedränGre  er- 
füllt,  wie  z.  B.  der  olympische  Westgiebel,  bei  dessen  Wie- 
deraufrichtung in  der  Breite  mit  jedem  Centimeter  Raum  ge- 
knappt werden  musste.  Skopas  war  dagegen  bestrebt  sich  in 


*  Benndorf  (Samolhiake  IF  S.  70)  scheint  mir  den  analylisch  verwertba- 
ren Niodcrscliiag  aus  der  allerdings  etwas  stark  moussirendcn  Rhetorik  des 
Kallistralos  denn  doch  zu  gering  anzuschlagen,  wenn  er  meint,  sie  ergebe 
nichts  als  die  blosse  Existenz  und  den  blossen  Gegenstand  des  betretTenden 
Kunstwerkes,  Grade  die  tegeatischen  Köpfe  können  jetzt,  wie  ich  glaube, 
zeigen,  dass  z.  B.  Brunn  durchaus  richtig  verfuhr,  wenn  er,  vorzugsweise 
aus  jenen  Sliliitningcn  an  der  Bacchanliu,  das  Pathos  als  einen  wesentlichen 
Zug  in  der  künstlerischen  Eigenart  des  Skopas  herausdestillirte. 

2  Die  Vermutung,  dass  sich  in  der  Telephosschlacht  ein  Gegenstück  der 
Atalante,  die  araazoncnhaftc  Hiera  (Piiilostrat.  Her.  II  18)  befunden  habe, 
ist  von  ihrem  Urheber  selbst  (O.  Jahn  Arch.  Aufs.  S.  IGG)  zweifelnd  aufge- 
stellt worden. 


DIE  TEGEATISCIIEN  GIEBELGRUPPEN  417 

der  Hölienrichliing  möglichst  viel  Raum  zu  schaffen:  ein  Be- 
weis hiefür  sind  die  ahgemeisscllen  Scheitel  unserer  beiden 
Jünglingsköpfe. 

6. 

Es  erübrigt  mit  Hülfe  der  neuentdeckton  Köpfe  eine  vor- 
läufige, rasche  Musterung  derjenigen  Werke  zu  unternehmen, 
welche  man  bisher  mit  mehr  oder  weniger  Kecht  dem  Sko- 
pas  hat  zuschreiben  wollen.  Ich  sage  mit  Fleiss  eine  vorläu- 
fige Sichtung;  denn  umfassendere  Untersuchungen  nach  die- 
ser Seite  werden  zweckmässiger  aufgespart  bis  neue  Funde 
oder  doch  wenigstens  Gypsabgüsse  der  bisherigen  unserer 
Forschung  eine  breitere  und  gesichertere  Unterlage  bieten. 

Schon  jetzt  aber  wird  man  versucht  sein,  die  ersten  sicher 
auf  Skopas  zurückzuführenden  Köpfe  darauf  hin  anzusehen, 
ob  aus  ihnen  ein  Beitrag  für  die  I.ösung  der  wichtigsten  Frage 
zu  gewinnen  ist,  welche  in  Bezug  auf  diesen  Meister  seit  den 
Tacren  des  Plinius  schwebt:  wir  meinen  die  Frage  nach  der 
Autorschaft  der  Niobegruppe. 

Man  liat  gut  davor  warnen,  dass  man  in  eine  Conlroverse 
sich  mische,  welche  die  Alten  selbst  mit  ihrem  überreichen 
Material  an  Originalwerken  beider  Künstler  nicht  hätten  zur 
Entscheidunsr  brino;en  können:  £;rade  bei  unserer  Armut  an 
Denkmälern  aus  jener  Epoche  ist  uns  die  Niobegruppe  ein 
viel  zu  wicliti<<es  Werk,  als  dass  wir  auf  den  Versuch  ver- 
ziehten  könnten  sie  für  die  Charakteristik  sei  es  des  Skopas, 
sei  es  des  Praxiteles  zu  gewinnen,  und  vollends  verzichten  könn- 
ten in  demjenigen  Augenblicke,  in  dem  uns  ein  günstiges 
Geschick  ein  wenn  auch  kärgliches  so  doch  vollständig  au- 
thentisches Material  zur  Entscheidung  in  die  Hände  giebt. 
Und  wissen  wir  denn,  wer  die  Zweifler  waren  und  aus  wel- 
chen Gründen  sie  zweifelten?  Wir  können  also  ihre  Autori- 
tät wol  aus  dem  Spiele  lassen  und  versuchen,  wie  weit  wir 
mit  unsren  eigenen  Augen  kommen.  Wol  weiss  ich  ferner, 
dass  erst  die  Beigabe  vergleichender  Abbildungen  die  nach- 


418  DIE  TEGEATISCHEN  GIEBELGRÜPPEN 

stehende  kurze  Erörterung  für  die  meisten  überzeugungs- 
kräftig machen  könnte;  einige  aber  werden  immerhin  auch 
so  geneigt  sein  derselben  zu  folgen. 

Vor  allem  diejenigen  welche  sich  in  der  Entscheidung  der 
INiobefrage  nicht  durch  allgemeineErwägungen  über  die  künst- 
lerischen Eigenarten  des  Skopas  und  Praxiteles  leiten  Hessen, 
sondern  durch  ein  positiveres,  greifbareres  Argument,  über 
das  wol  auch  in  Zukunft  leichter  Übereinstimmung  zu  erzielen 
sein  "wird  :  die  Aehnlichkeit  der  weiblichen  Niobidenköpfe 
mit  dem  FJaupte  der  knidischen  Aphrodite*.  Für  diese  ist  jetzt 
indem  herrlichen  Aphroditeköpfchen  aus  Olympia  (Ausgra- 
bungen z.  Ol.  V  Taf.  25^)  ein  Originalwerk  aus  Zeit  und 
Schule  des  Praxiteles  zum  Vorschein  gekommen, das  sich  bes- 
ser als  die  römischen  Copieen  der  Knidierin  dazu  eignet,  ne- 
ben den  Kopf  der  schmerzlich  aufwärts  blickenden  Niobe- 
tochler  (Stark  Taf.  15,  8)  gehalten  zu  werden.  Die  Aehnlich- 
keit  ist  in  der  That  so  schlagend,  dass  man  den  sich  hieraus 
ergebenden  Schlüssen  nurdurch  die  Annahmeentrinnen  kann, 
Skopas  habe  eben  seine  weiblichen  Köpfe  genau  in  dem  glei- 
chen Typus  gebildet  wie  Praxiteles.  Aber  wie  will  man  das 
gegenüber  den  Amazonenköpfen  auf  den  östlichen  Friesplatten 
des  Mausoleums  aufrecht  erhalten  ? 

Lässt  man  jedoch  diese  nicht  als  authentische  Überlieferung 
skopasischer  Typen  gelten,  so  berufen  wir  uns  jetzt  auch  auf 
die  männlichen  Niobidenköpfe.  Diese  vermögen  wir  ja  nun 
zum  Glück  zwischen  zwei  Originalarbeiten  der  beiden  Mei- 
ster zu  stellen,  die  in  unsrer  Überlieferung  um  die  Gruppe 
werben. 

Wir  wählen  zu  ufiserer  Untersuchung  den  Kopf  des  knieen- 
den Niobiden ,  der  mit  geballter  Faust  trotzig  zu  dem  mor- 
denden Götterpaare  aufblickt  (Stark  Niobe  Taf.  17,  11).  Er 
passt  in  Stellung  und  Stimmung  am  besten  zu  unsrem  tegea- 
tischen  Jünglingskopfe  auf  Taf.  XIV. 


*  Siehe  die  Aufzählung  bei  Stark. ,  Niobc  S.  332  und  vergl.  Friedrichs 
Praxiteles  S.  95. 


DIE  TEGEMISCIIEN  GIEDELGRUPPEN  419 

Vergleichen  \vir  nun^  so  will  hier  nichls  recht  stimmen.  In 
der  Vorderansicht  vermisst  man  die  ausgebildeten  Slirnbuckel, 
die  grossen  Augen  ,  die  breiten  und  eckigen  Backenknochen 
und  Kinnladen;  das  Gesicht  erscheint  im  Gegenteil  auf- 
fallend schmahvangig.  Im  Profil  gesehen  giebt  sich  der  Nio- 
bide  als  ausgesprochener  Rundkopf;  die  vorgebaute  Unter- 
stirn,  das  vordrängende  üntergesicht,  der  zurückweichende 
kantige  Schädel  fehlen;  das  Ohr  steht  richtig. 

Wir  haben  uns,  im  Bcwusstsein  dessen,  dass  wir  nur  eine 
mittclmässige  römische  Copie  zur  Vergleichung  vor  uns  ha- 
ben, geflissentlich  bloss  an  die  Hauptsachen  gehalten:  ist  es 
nun  Zufall  oder  blosse  Schuld  des  Copisten,  dass  der  IViobi- 
denkopf  grade  durch  diejenigen  Züge  von  dem  Typus  des  Sko- 
pas  unterschieden  ist,  welche  ihn  dem  Hermes  von  Olympia 
so  sehr  nähern?  Soll  es  auch  nur  auf  Rechnung  des  Copisten 
und  etwa  des  Gesrenstandes  kommen  ,  dass  die  zarten  Leiber 
der  Niobiden  sich  in  ihren  weichen,  verschmolzenen  Formen 
so  auffallend  von  den  sehnig  mageren  Körpern  auf  dem  Mau- 
soleumsfriese unterscheiden? 

Mit  einem  Wort:  wir  glauben,  dass  für  die  Niobegruppe 
die  Wahrscheinlichkeit  einer  Urheberschaft  durch  Praxiteles 
in  Folge  der  neuen  tegeatischen  Funde  um  ein  beträchtliches 
gewachsen  ist. 

In  Bezus;  auf  die  übrisjen  Kunstwerke,  die  man  bisher  dem 
Skopas  mehr  oder  weniger  sicher  zugeschrieben  hat,  wird  die 
Untersuchung  um  so  weniger  vieler  Worte  bedürfen,  als  hie- 
be! das  vergleichende  Auge  das  beste  thun  muss.  Das  Wort 
kann  hier  zunächst  nur  den  subjectiven  Eindruck  resümiren. 

Wenden  wir  uns  zunächst  zu  einem  Werke,  zu  dem  eine, 
wie  ich  glaube  ohne  hinreichenden  Grund  angefochtene, 
schriftliche  Überlieferung  (Plin.  N.  H.  36,  95)  hinzuführen 
schien:  der  ephesischen  Reliefsäule,  deren  Darstellung  Robert 
neuerdinos  unzweifelhaft  richtior  auf  die  Rückführung  der  AI- 

o  o  o 

kestis  gedeutet  liat*- 


•  Thanatos  8.  37  und  Taf.  3.  Vergl.  aucti  die  Abbildungen  bei  Curljus 


420  DIE  TEüEATISCHEN  GIEBELGRÜPPEN 

Ich  verkenne  den  Unterschied  nicht,  der  die  elegische  Stim- 
mung des  Vorgangs  von  jener  bewegten  Giebelcomposition 
trennt,  aus  der  unsre  Köpfe  stammen;  ich  vergesse  auch  nicht, 
dass  der  Künstler  des  Pothos  und  Himeros  auch  ein  Meister 
des  Elegischen  gewesen  sein  muss.  Aber  selbst  nach  Abzug 
alles  dessen,  was  der  stärkere  AfYect  in  die  tegealischen  Köpfe 
und  die  Gestalten  des  Mausoleumsfrieses  hinein  gebracht  ha- 
ben mag,  finde  ich  den  unterschied  in  den  Grundformen 
viel  zu  gross,  als  dass  man  dieses  Werk  unsrem  Meister  oder 
einem  seiner  directen  Schüler  zuschreiben  dürfte.  Hat  also 
Skopas  eines  jenerSäulenreliefs  gemeisselt — und  ich  sehe  nicht 
ein,  warum  man  hieran  zweifeln  sollte — so  ist  sein  Werk  in 
dieser  Trommel  doch  sicherlich  nicht  gefunden. 

Ziemlich  alloemein  hat  man  bisher  den  vatikanischen 
Apollon  im  Kitharödengewand  auf  ein  Vorbild  des  Skopas 
zurückgeführt  (zuletzt  Stephani  Compte-rendu  p.  1875  S.  125 
ff.).  Die  numismatischen  Thatsachen,  welche  hiegegen  spre- 
chen, hat  Overbeck  (Plastik  11^  S.  17)  überzeugend  auseinan- 
dergesetzt, freilich  unter  Hinzufügung  anderweitiger  Gegen- 
gründe die  ich  mir  nicht  aneignen  kann.  Auch  hier  scheinen 
mir  die  tegeatischen  Köpfe  den  entscheidenden  Ausschlag  ge- 
gen jene  Hypothese  zu  geben. 

Selbst  abo-esehen  von  der  Abwesenheit  al  1er  charakteri- 
stischen  formalen  Merkmale  für  eine  Vervvan tschaft  der  vati- 
kanischen Statue  mit  Skopas  wird  sich  jetzt  schwerlich  je- 
mand das  Haupt  eines  Apollon  von  der  Hand  dieses  Meisters 
so  zahm  denken  wollen  wie  es  in  jener  Bildsäule  erscheint. 

Ob  Stark  (Philologus  XXI  435)  in  dem  Ares  auf  dem  tra- 
janischcn  Relief  am  Constanlinsbogen  (Bellori :  Arcus  triumph. 
Taf.  39  ;  Müiler-Wieseler  :  Dkm.'  I  70,  383;  Overbeck  Pla- 
stik 11^  S.  13)  mit  Recht  ein  Nachbild  von  der  Kolossalsta- 
tue des  Skopas  erkannt,  lässt  sich  natürlich  mit  Hülfe  unserer 

Arcl».  Ztg.  1872  Taf.  65-66,  Overbeck  Plastik  11^  S.  97,  Wood  Discoveries  al 
Ephesus,  Titelkupfer.  Die  übrigen  Fragmente  der  ephesischen  Säulentrora- 
mcln  kommen  schon  ihres  fragmentirtcn  Zuslandes  wegen  nicht  in  Betracht: 
vergl.  Wood  S.  166  und  die  Tafeln  zu  S.  218,  222  und  246. 


DIE  TEGEATISCIIEN  GIEBELGRUPPEN  421 

Köpfe  nicht  entscheiden.  Über  die  blasseste  M<)glichkcit  ist 
hier  daher  einstweilen  niclit  hinaus  zu  kommen.  Daas  aber  der 
ludovisischc  Ares  schon  aus  slilistisclien  Gninden  nichts 
mitSkopas  zu  thun  habe,  sondern  vielmehr  in  die  lysippische 
Reihe  gehöre,  kann  man  jetzt  nur  um  so  gewisser  nach- 
weisen. 

Von  dem  allgemeinen  Satze  ausgehend,  dass  in  dorn  Über- 
gang zum  Palhetischen  das  charakteristische  Element  liege 
um  das  Skopas  die  griechische  Plastik  bereichert,  hat  Brunn 
(Künstlergosch.  l  3"28  ff. )  geschlossen,  jenes  schwermütige 
Pathos,  welches  das  Geschlecht  der  griechischen  Wasserw-e- 
sen  erfülle,  sei  eine  Erbschaft  skopasischer  Kunst,  vermittelt 
durch  dessen  berühmte  Achilles- und  Thetisgruppo.  Er  hat 
dies  in  Worten  gethan,  die  so  beredt  das  Wesen  der  Sache 
aussprechen,  dass  man  immer  wieder  auf  dieselben  wird  ver- 
weisen müssen. 

Je  überzeugter  und  dankbarer  ich  dies  anerkenne,  um  so 
mehr  darf  ich  vielleicht  auch  meinerseits  der  praktischen  An- 
wendung widersprechen,  die  er  von  diesem  Satze  auf  den  be- 
kannten münchner  Poseidonfries  gemacht,  indem  er  ihn,  im 
Anschluss  an  0.  Jahn  und  LJrlichs  {Skopas  S.  128  f.  261)  für 
ein  Werk,  wenn  nicht  des  Skopas,  so  doch  sicherlich  von 
dessen  Schule  erklärte^.  Stark  (Philologus  XXI  4-44)  und' 
Overbeck  (Kunstmythol.  111  3()I  f.;  Ber.  d.  sächs.  Ges.  1876 
S.  110  ff.)  haben  hiegegen,  unter  Zustimmung  von  Benndorf 
(Samothrake  II  S.  70)  mit  Recht  Verwahrung  eingelegt  und 
das  Relief  einer  späteren,  wahrscheinlich  römischen  Epoche 
zugewiesen.  In  dem  Bestreben  mit  möglichst  objectiven  Grün- 
den zu  kämpfen,  haben  sie  aber,  wie  mir  scheint,  ein  Mo- 
ment nicht  genügend  hervorgehoben,  über  das  Jahn,  ürlichs 


'  Beschr.  d.  Glyptothek  N«  115,  Münchn.  Sitzimgsbor.  I  3'i2  ff.  Eine  Ab- 
bildung» nach  Photographie  giebt  Overbeck  Atlas  der  Kunstmythol.  Taf.  13; 
ein  Stich  von  Troscho!  bei  O.  Jahn  Der.  d.  sächs.  Ges.  ISöi  Taf.  3-8;  Holz- 
schnitte danach  bei  Liibke:  Gesch.  d.  Plastik,  P  Fig.  137-1  i2=Kunsthistor. 
Bilderbogen  N»  22.  Säinmtlichc  Abbildungen  verschönern  den  Stil  des  Ori- 
ginales. 


m  DIE  TEGEATISCHEN  GIEBELGRUPPKN 

und  Brunn  vielleicht  die  unläugbar  schönen  Composilionsmo- 
tive  weggetäuscht  haben  :  die  wirklich  recht  geringe^  flaue 
uud  handwerksmässige  Arbeit  des  Reliefs,  welche  sich  durch 
eine  blosse  Reinigung  in  römischer  Zeit  sicherlich  nicht  ge- 
nügend erklärt.  Sollte  man  wirklich  auch  dann  nicht  zu  einer 
Verständigung  gelangen,  wenn  man  es  versuchte  einen  Ab- 
guss  der  Ostreliefs  vom  Mausoleum  neben  den  münchner  Po- 
seidonfries zu  stellen?  Ich  gestehe  also  aus  diesem  Werke 
nichts  für  die  Beurteilung  des  Skopas  gewinnen  zu  können. 

Es  ist  überhaupt  nicht  leicht  bei  den  uns  erhaltenen  Tri* 
tonenköpfen  den  Anteil  dieses  Künstlers  an  ihrer  Bildung  aus 
der  unruhig  pathetischen  Steigerung  des  Formencharakters 
herauszuscheiden,  mit  der  eine  spätere  Epoche  diese  Wesen 
ausgestaltet  hat.  ,,Der  Kopf  des  grossarligen  Tritontorso  in  der 
Galleria  delle  Statue  [n.  254;  M.  Pio-Clem.  1  34;  Pistolesi  V 
3  i,  1  ],  aus  dessen  aufgeregten  Formen  sich  der  Charakter  der 
Meerdaimonen  des  Skopas  zu  offenbaren  schien,  hat  ein  ähn- 
liches Schicksal  gehabt  wie  der  früher  für  Phcidias  in  An- 
spruch genommene  Jupiter  vonOLricoli,dass  seinTypus  etwa  um 
ein  Jahrhundert  zu  alt  angenommen  wurde,  da  er  in  die  Zeit 
des  sterbenden  Alexanders  und  ähnlicher  Bildungen  gehört." 
Wie  wahr  diese  Worte  Benndorfs  (a.  a.  0.)  sind,  darüber 
kann  uns  jetzt  der  Gigantenaltar  von  Pergamon  zur  Genüge 
belehren.  Und  auch  in  Bezug  auf  Werke,  die  man  früher 
geneigt  gewesen  ist  oder  geneigt  gewesen  wäre  zu  Skopas  zu 
stellen,  wie  die  Pasquinogruppe,  die  borghesische  Amazone, 
die  trojanische  Metope  Schliemanns  u.  drgl.  mehr,  wird  man 
jetzt  um  so  eher  denen  Recht  geben,  welche  sie  einer  späte- 
ren Kunstepoche  zuweisen. 

Eine  genauere  Ausscheidung  des  Anteils,  den  Skopas  an  der 
Erfindung  solcher  Typen  hat,  vermögen  wir  mit  unsren  ge- 
ringen Mitteln  fürs  erste  noch  nicht  vorzunehmen.  Soviel  aber 
geht  auch  schon  jetzt  aus  der  unläugbaren  Verwanlschaft  der 
angeführten  Werke  mit  den  tegeatischen  Funden  hervor,  dass 
auf  die  Plastik  dor  Diadochenperiode  die  Kunst  dieses  Mei- 
sters einen  Einfluss  geübt  haben  inuss  wie  die  keines  andern. 


DIE  TEGEATISGIIEN  GIEBELGüUPPEN  423 

Grade  das  innerliche  Palhos,  das  aus  jenen  Jünglincrsköpfen 
80  ergreifend  spricht,  muss  jener  Zeit  in  einer  Weise  ^vahlver- 
wandl  gewesen  sein,  dass  es  alles  mit  sich  riss.  Man  spürt 
seinen  Hauch  his  in  die  Porträlköpfe  derDiadochcn  und  iiirer 
Zeilgenossen  hinein. 

Für  diese  Stimmung  hat  Skopas,  allen  zuvor,  die  Formen 
gedichtet;  in  diesem  Sinne  ist  erder  Kunst  seines  Landes 
Führer  und  Schicksal  geworden. 

Berlin. 

GEORG  TREU. 


Miscellen. 
Aegyptisches  Gewicht  in  Athen. 


Böckh  hat  im  Staatshansh.  IIS.  333  nach  Pittakis  und  Ilan- 
gabis  eine  von  der  Burg  in  Alhen  stammende  Inschrift  be- 
liandelt,  welche  Verzeichnisse  von  hängendem  Schiffsgerälhe, 
d.  h.  Segeln  und  Tauen  enthielt  und  sich,  wie  Böckh  be- 
merkt hat,  von  anderen  dadurch  untersclieidet ,  dass  die  Vor- 
rätlie  nicht  nach  der  Zahl  der  ScliifTe  bemessen  waren ,  die 
daraus  armirt  werden  konnten,  sondern  nach  dem  Gewicht. 
Aber  nicht  dies  allein  macht  die  Inschrift  merkwürdig.  Später 
hat  sich  ein  gleichlautendes  aber  noch  mehr  verstümmeltes 
Fragment  gefunden  ('Efp.ap/.  3687);  bei  der  Revision  der  bei- 
den Stücke  {C&rp.  inscr.  Att.  II  728,  729)  hat  sich  ergeben, 
dass  die  Summen  in  aegyptischem  Gewicht  gezogen  waren:  die 
an  keiner  Stelle  vollständig  erhaltene  aber  durch  Vergleich 
hinreichend  sicher  gestellte  Formel  lautete  xepxXoctov  cTaOfxoö 
tcxvtJ);  klf^jTZTiarj.D'ie  hiernach  nicht  anzuzweifelndeThalsache, 
dass  in  zwei  gleichlautenden  athenischen  Urkunden  nach 
aegyptischem  Gewicht  gerechnet  ist,bedarf  der  Erklärung.  Ich 
glaubte  dieselbe  anfangs  in  folgender  Erwägung  gefunden  zu 
haben.  Athen,  durch  Lage  und  Bodenbeschaffenheitauf  Handel 
und  Schifffahrt  angewiesen,  producirte  weder  Holz  zum  Bau 
der  Schiffe  noch  die  zur  Herstellung  von  Segeln  und  Takelage 
nölhigen  Stoffe,  wie  schon  der  anonyme  Verfasser  der  Schrift 
vom  Staate  der  Athener  bemerkt  hat.  Das  Hauptbezugsgebiet 
für  Schiffsbauholz  war  den  Athenern,  in  der  älteren  Zeit  we- 
nigstens, Makedonien;  die  ,,  hängenden  Gerälhe"  aber,  wie 
der  technische  Ausdruck  für  Segel  und  Taue  war,  wurden  aus 
Aegyplen  bezogen,  wo  Flachs,  Hanf  und  Byblos  seit  frühen 


MISCELLEN  425 

Zeiten  in  grossem  Umfang  cullivirt  wurden  *.  Es  schien  mir 
denkbar,  dass  sieh  mit  den  aus  Aegypten  eingeführten  Arti- 
keln das  aegyptische  GcNvicht  in  Attika  eingebürgert  habe, 
ähnlicli  wie  in  vergangenen  Zeiten  durch  den  Arzeneihandel 
das  venezianische  Gewicht,  durch  den  Tuchliandel  die  bra- 
banler  Elle  in  Deutschland  Eingang  gefunden  hatten  2.  Aber 
es  fehlt  an  jeder  weiteren  Spur  des  Gebrauchs  aegyptischen 
Gewichts  in  Athen  und  der  vorliegende  Fall  ist  auf  andere 
Weise  zu  erklären. 

Die  oben  angeführten  Urkunden  fallen  in  die  Zeit,  als  Athen 
in  der  Gewalt  Kassanders  war  und  vonDemelrios  von  Phaleron 
regiert  wurde,  um  Ol.  117,  1  =  312  v.  Ch.  Wenige  Jahre  zuvor 
hatte Kassandros  das  Bündniss  mit  P  tole  m  aios,  Seleukosund 
Lysimachos gegen  Antigonosabgeschlossen (3 16/5;  Diodor.  XIX 
57);  indem  daraus  sich  entspinnenden  Krieg  der  rivalisiren- 
den  Herrscher  rechnete  Kassandros  für  den  Kampf  zur  See  auf 
die  athenischeMarine ,  die  nachweislich  zwei  Mal  in  die  Ope- 
rationen eingegriffen  hat 3.  Aus  den  beiden  Inschriften  ist  zu 
folgern,  dass  Ptolemaios  den  Athenern  einen  Transport  Segel 
und  Taue  geschickt  hatte,  um  sie  in  den  Stand  zu  setzen  die 
von  seinem  Verbündeten  auf  sie  gesetzten  Hoffnungen  zu  er- 
füllen. Seit  dem  Anfang  des  4ten  Jahrhunderts  war  auf  der 
Burg  von  Alhen  ein  Reservedepot  für  Schiffsmaterialien  ein- 
gerichtet worden,  welches  unter  der  Verwaltung  der  Schatz- 
meister der  Athene  stand;  hier  waren  die  nicht  aufgebrauch- 


•  Vgl.  Ilerniippos  b.  Athen,  l  21  f  (wo  zu  interpungiren  est  h  5'  Alyj- 
rr.o'j  -zk  /.psaaiTa,  nzia.  xai  ßJoXoy; :  mit  ßj6Xos  sind  die  aus  dem  Bast  der  By- 
blosstaude  gedrehten  Taue  bezeichnet,  und  Taue  und  Segel  zusammen  sind 
die  axcjf, /.pi[jLa7Tä)  und  Boeckh  Securkunden  S.  142.  —  Beiläufig:  sollte  nicht 
das  für  Syrien  und  Aegypten  bezeugte  ?jX'./.öv  laXavTov  (Boeckh  Metrologische 
Untersuchungen  S.  153)  ^im  Holzhandel  angewandt  worden  sein  und  daher 
seinen  Namen  geführt  halten  ?Aegyplcu  war  an  Holz  ebenso  arm  wie  Syrien 
reich  und  nach  dem  Gewicht  wird  das  Holz  auch  jetzt  im  Orient  verkauft. 

2  Vgl.  Boeckh  Metrol.  Untersuchungen  S.  39  und  Brandis  Münz-Maas- 
und  üewichtswesen  S.  27. 

5  Vgl.  Corp.  inscr.  Alt.  II  331  Z.  9  ff.  und  dazu  Droysen  Diadochen  2  S. 
18  ;  Diodor  XIX  (i8. 


426  MISCELLEN 

ten  Vorräthe  niedergelegt  und  sind  in  den  folgenden  Jahren 
von  den  Schatzmeistern  mit  Beibehaltung  des  aegyptischen 
Gewichtes,  nach  welchem  sie  zuerst  an  die  athenischen  Be- 
hörden verabfolgt  worden  waren,  in  den  Inventarien  fort- 
geführt worden.  Die  beiden  Inschriflensteine  tragen  auf  den 
Vorderseiten  Reste  der  Uebergabsurkunden  der  Schatzmeister 
der  Athene. 

Die  im  Vorstehenden  gegebene  Erklärung  für  das  Vorkom- 
men aegyptischen  Gewichtes  in  athenischen  Inschriften  scheint 
bestätigt  zu  werden  durch  das  Gewichtssystem.  Letzeres  nem- 
lich  ist  au2:enscheinlich  nicht  verschieden  von  dem  attischen: 
das  Talent  zu  60  Minen  zu  100  Drachmen  gerechnet*.  Dies 
trifft  zu  für  das  ptole  maische  Talent,  dessen  Uebcreinstim- 
mung  in  der  Eintheilung  mit  dem  altischen  bezeugt  ist, 

ULRICH  KÖHLER, 


(Februar  1882.] 


•  Danach  ist  die  im  Corpus  versuchte  Ergänzung  an  einer  Stelle  zu  be« 
richtigen. 


MITTHEILUN6EN    DES   ARCHAEOL.  INSTITUTES    1881.  TAFEL 


ATHENA  PARTHENOS. 


MITTHEILUNGEN    DES   ARCHAEOL    INSTITUTES    1881  TAFEL 


ATHENA  PARTHENOS. 


MITTHEILUNBEN    DES  ARCHAEOL. INSTITUTES   1881. 


TAFEL  III. 


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THONGEFASS  AUS  ATHEN, 


MITTHEILUNGEN    DES    ARCHAEOL.  INSTITUTES    1881. 


TAFEL  IV. 


KYLIX    AUS    ATHEI 


MITTHEILUNGEN  DF5    ARCHAEOL. INSTITUTES  t881.  TAFEL  V. 


RELIEF  AUS  KLEITOR. 


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MITTHEILUNGEN    DES   ARCHAEOL.  INSTITUTES    1881 


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a.-^  Jainiß'  des  J)urchsckviMs. 

a       f^rdnberPla/^Jie< 

b  1>  Zugang  cn  Sr/iucAtform,. 

c        Sleliw  /nit  Kalk,  and  CeTnenb. 

d      Thxir(ZPlaMert). 

e       CrntTcJ.TaMnt''. 


ANLAGE 


GRABANLAGEN 


TAFEL  VIII 


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rpRos 


ANLAGE 


MITTHEILUNGEN   DES  ARCHAEOL.  INSTITUTES  1881. 


TAFEL  IX. 


Lith.Ans1.v.Cdri  Müller  Bsrlin . 


TEMPELSCULPTUREN  VON  SUNION. 


MITTHcILUNGEN  DES  ARCHAEOL  INSTITUTES  1881. 


TAFEL  X. 


NIKE  AUS  MEGARA  I. 


MITTHEILUNGEN   DES  ARCHAEOL.  INSTITUTES    1881. 


TAFEL  XI. 


NIKE  AUS  MEGARA  K. 


MITTHEILUNGEN    DES    ARCHAEOL.  INSTITUTES   1881. 


..II    II    M    I    I    I    II    II    I    I    !    I    I    I    I    i    M 


W  Docrpfcld  fec 


PART 


TAFELXII. 


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MITTHEILUNGEN  DES  ARCHAEOL  . !  NSTITUTES  1891 . 


NISCHE    DER     SUDWAND. 


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Lith  Ansi  V.  Carl  Mulla?,  Ba-Ün.. 


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TAFEL  XVI. 


KEKROPiON 


ex    Fundajiient  der 

westl  Quermauer. 
C  cbj-istliche  'Wände, 
-y      türlasche  Cisurtie. 


R.BORRMANN  ifz 


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