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s-'-^toJ^^*-.
MITTHEILUNGEN
DES
I
ii
INSTITUTES
IN ATHEN.
SECHSTER JAmWtGAJKG»
Mit sechzehn 1''areln, zwoelf Oella^en und vielen
Bolaeschnitten Im Xext«
ATHEN,
IN COMMISSION BEI KARL WILBERQ.
1881
Inhalt.
II. BoßRMANN, Neue Untersuchungen am Ereclitheion
zu Athen
W. DoERPFELD, Untersuchungen am Parthenon
A. FüunvAENCLER, Zwei Thongefasse aus Athen
»
Marmore von der Akropolis
L. GuRLiTT, Ein Rriegerrelief aus Kleitor .
U. KoEHLER, Aus den attischen Seeurkunden
» » Die Mimze der Kleruchen auf Delos
» » Der Plutos des Kephisodot. .
K. Lange, Die Athena Parthenos
1) » Tempelsculpturen von Sunion.
Spyr. P. Lambros, Eine Inschrift aus Chalkis
G. LoEscHCKE, Mittheilungen aus Kameiros .
H. G. LoLLixG, Mittheilungen aus Rleinasien. I. Eh-
rendecrete aus Lampsakos. II. Aus
dem Thal des Rhodios. HI. Inschrift
aus Zeleia 95
A. MiLCHHOEFER, Inschrlftcn aus Kleitor und Orcho-
menos
372
283
106
174
154
21
238
363
56
233
167
1
217
J. H. MoRDTMANN, Zur Epigraphik von Kyzikos. . 40.
» » Inschriften aus Kallipolis.
M. Ohnefalsch-Richter, Von den neusten Ausgrabun-
gen in der cy prischen Sa-
lamis 191.
303
121
256
244
IV INHALT
Seite
A. IlAnAAonorAOE KEPAMErs, 'ETrtypapzl e^ 'Iwvia; Jtai Au-
SCx; 266
K. PuRcoLD, Nike aus Meg.ira 275
JoH. Schmidt, Aus Konstantinopel und Kleinasien . . 132
» » Mittheilungen aus Griechenland . . . 338
G. Treu, Fragmente aus den tegeatischen Giebelgrup-
peu des Skopas . 393
R. Weil, Die Familie des C. Julius Eurykles ... 10
jo » Das Bündniss der Athener mit Mithradates . 315
MISCELLEN.
F. von DuHN, Zu den Amazonenreliefs von Patras und
dem Fries von Phigalia 306
ü. KoEHLER, Aegyptisches Gewicht in Athen . . . 424
H. G. LoLLiNG, Die Insclirift aus Kebrene . . . . 118
» » Altar aus Sestos 209
» » Nachträge zum ersten Decret aus Lam-
psakos 212
» » Inschriften aus dem Peiraieus . . . 309
H. SwoBODA, Inschrift des Arkadius und Honorius. . 312
Sitzungsprotocolle 215
Ernennungen 216
Mitlheilungen aus Kameiros.
(Aus der Nekropolis von Kameiros.)
Unter allen Nekropolen des griechischen Mutterlandes, die
systematisch durchforscht worden sind, ist die von Kameiros
weitaus die umfangreichsle. Dem Erfolge der dortigen Aus-
grabungen und der wissenschaftlichen Bedeutung der Fund-
gegenstände entsprach die Pracht, mit der man die Puhlica-
tion derselben begann: die 60 Tafeln von A. Salzmanns
Necropole de Cameiros sind als Ganzes betrachtet ein Werk
einzig in seiner Art. Um so mehr ist zu bedauern, dass der
Text, der das Journal des fouiUes enthalten sollte, ausgeblieben
ist, ein Mangel, der die wissenschaftliche Nutzbarkeit der Ab-
bildungen auf's Empfindlichste beeinträchtigt*. Unter diesen
Umständen wird Jeder, dem die Erkenntniss griechischer Sitte
und griechischer Kunst am Herzen liegt, es Herrn C. T. New-
ton ganz besondern Dank wissen, dass er die Veröffentlichung
der folgenden Mittheilungen über Kameiros in liberalster Weise
' Salzmann hat nur einige allgemeine Angaben gemacht über die Aas-
grabungen der ersten Jahre in der Hev. arcli. N. S. IV 8. 467 11. VIII S. 1 H".
Vergl. VI S. 264 (Rertrand). Auch Longpörier zum Mm^e Napoleon III, der
manche Monumente treuer publicirt als Salzmann, giebt keine genauen
Fundnotizen. Diese, wie alle weiteren Angaben über das Mus^e Napolion,
das hier nicht vorhanden ist, verdanke ich der hilfsreiohen Freundlichkeit
von G. Kieserilzky. der die auf Kameiros bezüglichen Abschnitte für mich
excerpirte.
MITTH.D. ARCH.IN8T.V1. 1
2 MITTHEILUNGEN AUS KAMEIROS
gestattet, Herrn A. S. Murray, dass er sie mit viel Aufwand
von 2eit und Geduld gefördert hat. Diese beruhen auf Com-
binatiüu meiner Beobachtungen an den Monumenten mit Be-
richten des Herrn A, Biliotti, früher englischem Vice-Consul
auf Rhodos, jetzt in Trapezunt. Biliotti hat während der gan-
zen Dauer der Ausgrabungen 1859-65 gemeinsam mit Salz-
mann gearbeitet, erfreut sich im britischen Museum des gröss-
len Vertrauens und erweist sich in seinen Berichten als ge-
wissenhafter und scharfer Beobachter; Archäolog von Fach
ist er nicht und daraus erklärt sich die irrige Beschreibung
und Benennung mancher Fundgegenstände, die deren Iden-
tificirunü; bisweilen sehr erschwert. Vom October 1863 bis
April 1864 führte B. ein im Br. Museum befindliches Tage-
buch, in dem er Stück für Slück den Inhalt von etwa 800 Grä-
bern verzeichnete. Aus den früheren Jahren kenne ich nur
summarische Berichte, wie er sie auch später noch neben dem
Tagebuch an das Foreign Office eingesendet hat; unter diesen
sind besonders lehrreich die vom 30. Juli 1859 und vom 15.
Januar und 27. Juli 1864.
Die Stadt Kanieiros* lag an der N W. Küste von Bhodos
am Vorgebirge MuAxv-tz iSteph. B. s. u.J, dem heutigen Cap
Minas, etwa 3 engl. Meilen s. w. vom Dorfe Calavarda. Unter
dem Wasser sind an dei' Ostseite des Vorgebirges noch die Re-
ste der antiken Hafenbauten, zu erkennen und auch der mit-
telalterliche Leuchtturm stehtaufaiten Fundamenten. AlsÄkro-
polis diente eine halbmondförmige Höhe etwa ^/^ Meile land-
einwärts. An dieser haftet bis heut der antike Name der Stadt,
diese selbst aber lag in einer flachen Talmulde, die sich von
dem Nordabhang des ßurghügels zum Meere erstreckt. Das
umfangreichste Bauwerk, das sich erhalten hat, ist ein Canal,
der von Osten und Westen in die Seiten des Hügels hinein-
' Der im V. HaruJe der Mitllieilungen des Instituts auf Tafel XflT milge-
tlieille Plan, der die Iblu'enden Angaben verdeutlichen soll, ist nacli ßiner
Sl<izzc Biliotlis gezeiclinel unter VergJeicliung der engl. Admiralitaelskarte,
deren Benutzung icli der Venniltlung von M. Franke! verdankte.
MITTHEILUNGEN AUS KAMEIROS 3
führt. 3 Fnss hocl» und ] i/g Fuss weit ist er teils in den na-
türlichen Fels gehauen, teils, wie nebenstehende Skizze zeigt,
aus f^^lalt behanenen Steinen er-
baut. Vermutlich war es eine Was-
serleitung, die das Quell wasser der
umliegenden Hügel von zwei Sei-
ten her dem Centrum der Stadt zu-
fiihrte. Die Gräber der Kamireer
finden sich am Zahlreichsten an
den Abhängen einer Hügelkette, die in geringer Entfernung
den Lauf der Akrupulis im Osten, Süden und Südwesten be-
gleitet und deren einzelne Teile die Namen Kehraki, Cazviri
und Fikellura führen. Auch die Papasiloures genannte
Felskuppe, die südöstlich von der Burg steil aus dem Tale
aufsteigt, ist über und über mit Grabanlagen bedeckt. Schon
S. und B. haben erkannt, dass man zuerst das nahe bei der
Stadt gelegene Terrain verwendete und erst als dieses besetzt
war, notgedrungen entfernlere Begräbnissplälze aufsuchte.
In den Gräbern von Kehraki und Papasiloures fanden sieb fast
ausschliesslich hocharchaische Gegenstände, bereits im VI.
Jahrhundert scheint man aufgehört zu haben hier regelmässig
zu bestatten. Wo man in der ersten Hälfte des V. Jahrhunderts
begrub, wissen wir zur Zeit noch nicht. Den letzten Jahrzehn-
ten dieses Jahrhunderts und dem Anfang des folgenden ge-
hören aber sicher die Gräber von Cazviri und Fikellura an,
die bereits weiter von der Stadt abliegen als die oben genann-
ten. Am Entferntesten endlich und kaum vor ihv Zeil Alexan-
ders benutzt ist das Todtenfeld östlich von Kehraki, wo man
die Thelisvase gefunden hat. — Diese Verschiebung der Nekro-
polis vollzieht sich so stätig, dass für die allerältesten Gräber
in Kameiros die am Burgfelsen selbst gellen müssen. Kammern
und Troggräber, über deren Inhalt Nichts bekannt ist, die in
ihrer Anlage aber den archaischen Grabstätten auf den öst-
lichen Hügeln entsprechen sind zahlreich in die Abhänge
gehauen. Aber auch auf dem Gipfel hat B. wenigstens ein
Grab unversehrt entdeckt und zwar unter Umständen, die das
4 MITTHEILUNGEN AUS KAMKIROS
hohe Alter desselben völlig verbürgen (s. unten). Der Gipfel
des Hügels ist ganz flach und mit Thonscherben * und Mar-
morsplittern aller Art bedeckt. Befestigt war er nie, wol aber
trägt er zahlreiche Mauerzüge, die zur Umgrenzung heiliger
Bezirke und Fundamentirung von Tempeln gedient haben mö-
gen. Am VVestende ist der Fels sorgfältig geglättet und nur
einen einzelnen Block von wenigen Fiiss Umfang hat man ab-
sichtlich stehen gelassen, den Salzmann nicht ohne Wahr-
scheinlichkeit für den Rest eines Altars hält. Denn rings um
den Stein sind in den geglätteten Felsboden längliche und
runde Löcher von ^g"^ ^"-'^^ Durchmesser ausgehöhlt, die,
mit Steinplatten verschlossen, vereinzelt Schmucksachen aus
Gold_, Bronze und Glass, Steinmesser und kleine Thongefässe^,
regelmässig aber und in grossen Mengen kleine Vasen und Fi-
guren aus ägyptischem Porzellan enthalten. Da weder B. noch
S. je den Fund von Knochen oder Asche in diesen Felslöchern
erwähnen, so scheint die Vermutung des letzteren, dass wir
es hier mit einer eigentümlichen Form der Deposition von
Weihgeschenken zu tun haben, nicht abzuweisen {Bev. arch.
IV 472).
Für das Verständniss der Ausgrabungen an einer andern
Stelle des Hügels (1863-64), ist zu bedauern, dass ein Plan
der Akropolis, den B. entworfen hatte und auf den er sich
forllaufend bezieht, nicht mit in's Br. M. gelangt ist. Da er
sich aber hoffentlich im Foreign Office wird auflinden lassen,
so behalte ich die von B. zur Markiruui? verwendeten Buch-
Stäben bei.
Zwischen den Mauern D und E liegt 4 Fuss in den harten
Lehmboden eingeschnitten, die Grundfläche mit grobem weis-
sen Stuck überzogen und eingefasst [an den 2 andern Seiten
eines Vierecks?] von den Mauern K und L, eine offenbar
' Hier fand sich auch ein Ziegel mit dein Stempel Nn]3*1 IM AX (Ab-
schrirt von BilioUi).
2 Nach S. a. a. O. sind diese dun travail et d'un dessiv d'unc admirahle
peffccl'ion. Es wäre von grosser Wichligkeil für die Dalirung dieser Anlage,
wenn die betreflenden Vasen sich iiix Louvre identiliciren Hessen.
MITTHEILUNGEN AUS KAMEIR08 5
ziemlich umfangreiche Verliefung. Es ist dies derselbe Raum,
den Salzmann in der ÜLerschrift zu seinen Tafeln als Plateau
sacre bezeichnet.
Hier fanden sich teils in Haufen zusammenliegend teils ver-
streut—manches Tagewerk ergab nur ein Dutzend Numern —
hunderte von kleinen Altertümern. Es wurden z. B. nach dem
Tagebuch am 5. April 64 gefunden : die Gruppe eines orien-
talischen Mannes —der Bart ist assyrisch frisiert — derauf einem
Kamel sitzt, das sich auf die Knie niedergelassen hat, und
Speerspitzen aus Bronze. Aus Porzellan : ein liegender Löwe
und 3 Statuetten; aus Terracotta: eine Statuette, der Kopf
einer Statuette und ein Spindeiring, endlich 2 kleine Näpfe
mit dunkeln Streifen und Tieren auf gelbem Grund. Gold fand
sich ganz wenig und scheintnurzufällig hierher geraten zu sein,
Elfenbein nach Biliottis ausdrücklichem Zeugniss gar nicht.
Auch Bronzetiere und gemalte Vasen werden selten erwähnt,
unter letzteren die bei Salzmann 29 abgebildeten Platten. Be-
zeichnend sind vielmehr für diesen Fundort neben den in Ka-
meiros überall auftretenden Scarabäen, ägyptischen Götter-
biidchen und heiligen Tieren (Löwe, Katze, Affe, Sperber) in
Porzellan*, ursprünglich bemalle Statuetten aus weissem Kalk-
stein oder wie B. es nennt hartem, weissen Thon. Die im
Guide to the second Vase Rooni IIS. 43 ff. verzeichneten Figu-
ren dieser Art stammen zum kleinsten Teil aus Gräbern von
Kameiros, wie dort angegeben ist, sondern meist von dem
plateau sacre. Sicher ist dies bei dem Manne, der den Löwen
am Bein und Schwanz hält [Guide 3, Salzmann 10, 2), der
Figur mit dem Steinbock auf der Hand (G. 8. S. 9, I), der
Frau mit dem Reh(?) [G. 9. S. 10, 1} und den pseudoägyp-
tischen Sphinxen (G. 17-19). Eine typische Terracottafigur
von dort hat S. auf Taf; 15 abgebildet. Vergl. Guide S. 60. Da
die Gegenstände häufig zerbrochen gefunden wurden ohne
dass es gelungen wäre die fehlenden Teile nachträglich zu
' Guide to the second Vase Room I S. 69 fl"., .Salzmann 4. 5 (S. 5, 1. 3. 2.
5 — Musee Napoleon XLIX 1. 2. 3. 4).
6 MITTHRILUNÜEN AUS KAMEIROS
entdecken, so miiss man annehmen, dass sie bereits defect
hier deponiert wurden. Die kellerartige Verliefiing wird zu
einem jener Magazine gehört haben, die wol hei keinem Hei-
ligtum fehlten und in denen man zerhrochene oder werllose
Weihgesohenke unterbrachte, um für Schöneres und Wert-
volleres in den Tempeln Platz zu gewinnen. Die einzelnen
Objecle könnten in Folge dessen sehr verschiedenen Perioden
angehören, doch zeigen sie durchgängig den Charakter einer
ägyptisch-orientalischen Mischkunst und ist mir, abgesehen
vielleicht von den 2 Vasen mit Tierfiguren, die ich nicht iden-
tificircn konnte, kein Stiick bekannt, das man zunächst für die
Arbeit eines Griechen halten möchte.
Nachdem B. das Depot völlig ausgeräumt hatte, liess er den
Stuck des Fussbodens durchschlagen und entdeckte hier das
oben erwähnte Grab. In einem steinernen Trog, der mit hori-
zontal gelegten Platten zugedeckt war, fanden sich die Kno-
chen eines Kindes, ein «Aryballos» mit dunkeln Ornament-
bändern, ein zweihenkliges Gefäss «ägyptischen Stils» mit.
engem Hals und weiter Mündung — eine Oenochoe nennt B. es
fragweise — mit dunkeln Linien und Bändern auf grauem
Grund, ferner ein ßronzering und Porzellanornamente zum
Anreihen. Alle Versuche weitere Gräber auf dem Gipfel des
Hügels zu finden, blieben erfolglos. Da es nun sehr geringe
Wahrscheinlichkeit hat, dass man einzig ein Kind hier bestat-
tet habe, abseits von der gewöhnlichen Nekropolis, so möchte
ich vermuten, dass die übrigen Gräber, die sich etwa noch
auf der Burghöhe befanden, entfernt wurden als man diese
zu sacralen Zwecken weihte und reinigte. Die kleine, unter
glatten Steinen gut verborgene Ö'^vcyi blieb bei dem Bau des
Heiligtums unenldeckt und muss für das älteste Grab gelten,
das sich in Kameiros unversehrt erhalten hat. Um so mehr
ist zu bedauern, dass der unscheinbare Inhalt desselben sich
aus den Schätzen des Br. M. noch nicht wieder hat heraus-,
sondern lassen.
Eine ähnliche nur viel umfangreichere Anhäufung von An-
ticaglien entdeckte ß. im Frühjahr 1864 in einer Gisterne
MITTHEILUNGEN AUS KAMEIROS 7
(•well) auf der Burg. Wie sich bei Ausräumung derselben ergab
war sie 30 yards tief in den Fels getrieben, die hinabgefallene
Erde und hinunter geworfene Allerliimer halten sie aber fast
bis oben ausgefüllt. Auch hier wieder treten die Poizelianfi-
guren in Masse auf, die Figuren aus weissem Kalkstein feh-
len aber gänzlich. Dafür Avurden gradezu zahllose Fragmente
von Hörn- und Flfenbeinschnilzereien aufgelesen, deren wich-
tigste im Sccond Vase Room Tab. Case G. ausgestellt und im
Guide S. 71 IT. beschrieben sind. Die Gegenstände: z. B. Sta-
tuetten nackter Frauen [G. 1 ff.) und ein Löwe mit imitirter
Keilschrift unter der Basis (G. 16) neben Plättchen mit ein-
gravirlen Köpfen ägyptischer Gottheiten [G. JO f.) und nach-
geahmten Scarabäen (G. 27 ^W) beweisen ebenso deutlich wie
der Stil, dass diese Schnitzereien einer jener Mischculturen an-
gehören, die wir jetzt noch ungesondert mit dem Sammel-
namen «Phönikisch» bezeichnen. Zur Ornamentirung wird
ein geometrisches System von Zickzacklinien und untangirten
concentrischen Kreisen mit Zirkelpunkt verwendet, die auch
zum assyrischen Doppelband zusammentreten. Die wenigen
Vasen, die sich fanden, bezeichnet B, nur ganz aligemein wie
die des Kindergrabes grau mit braunen Bändern u. s. w. Wir
kennen aber wenigstens eine Vase die von hier stammen wird.
Im VI. Schrank des First VaseHoom steht eine Kanne — etwa der
Form bei Coliignon 27, nur ohne die Halsringe — mit der Marke
Gamiros 9, sie ist also auf der Burg gefunden. Auf gelblichen
Grund sind mit graubraunem Firniss Quadrate gemalt, die in
vier kleine Quadrate zerfallen von denen je zwei in der Dia-
gonale liegende mit sich kreuzenden Linien ausgefüllt sind.
So wenig ich diese Vase einer der bekannten Gattungen zuzu-
teilen weiss, so sicher ist ihr hohes Alter. Terracotten und
Bronzen werden im Tagebuch seilen genannt, die Porzellan-
figuren vertreten sie. Auffallend zahlreicher als in DE KL
sind aber die Überreste von Schmucksachen ; Electriimplätt-
chen und ein Eleclrumstirnband, BronzePibulae, zum Teil mit
Gold plattiert, Cylinder und linsenförmige geschnittene Steine,
8 MITTHEILUNGEN AUS KAMEIROS
viel Glass-Porzellan- und Ainbraperlen, aach Eberzähn« und
Muscheln, unter diesen das Fragment der Tridacua s(jummsa
mit Gravierung, Guide S. 71 n. 6. Von einzelnen Funden er-
wähne ich noch einen polierten Basallhammer und die Bron-
zestatuette eines gelagerten Ziegenbocks, die den Typus einer
entsprechenden, nur leider schlecht erhaltenen Figur aus den
karischen Gräbern in Jalysos in weiterer Entwicklung zu ver-
treten scheint, Knochen fanden sich nicht, auch dieser Schutt
stammt also aus Tempeln, nicht aus Gräbern. Die Tatsache
aber, dass in der Cisterne viel Elfenbein aber kein Kalkstein,
in dem andern Depot Kalkstein abar kein Elfenbein gefunden
wurde, beweist, dass die Abfälle von verschiedenen Heilig-
tümern mit verschiedenem Ritus herrühren. Der Inhalt der
Cisterne hatte sich wahrscheinlich in einem Astatte-Tempel
angesammelt, dafür sprechen die Bildchen der nackten Göttin
und die mit diesen entdeckten Schmucksachen. Der andere Be-
zirk wird nach den Kalksleinstatuetten zu urteilen einer tier-
pflegenden Gottheit etwa nach Weise der griechischen Artemis
fje weiht gewesen sein.
Das genauere Alter der Funde auf der Burg würde sich nur
durch die Specialuntersuchung eines Aegyptologen feststellen
lassen. Doch ist der terminus ante quem ziemlich sicher dadurch
gegeben, dass sie noch einen rein phönikischen Charakter
tragen. Von den Elfenbeinschnitzereien wurde dies schon be-
merkt, aber auch die Porzellanfiguren vs^erden mit wenigen
Ausnahmen, die äg}'ptisch sein mögen, für phönikisches Fa-
bricat gelten müssen. Das assyrische Element tritt allerdings
sehr bei ihnen zurück, erscheint aber doch z. B. in der Gruppe
des Mannes, der 2 Vögel würgt, die in der Cisterne gefunden
wurde, und in der Beflügelung der Sphinx. Die Gefässsta-
tuelten aus Porzellan, wie sie auch in Aegina, Melos und At-
tika vorkommen, sind ihrer Erfindung nach sichtlich jünger
als die Vollfiguren, aber auch sie gehören nach dem Cliarakter
der gravierten Inschrift PVeEÜEMI, die ein in den Grä-
bern von Kameiros gefundenes Exemplar trägt, in's VI. Jahr-
MITTHEILUNGEN AUS KAME1R08 9
hnndp.rt. Auf den Anticaglien von der Burg fand sich keifi
griechischer Buchstabe*.
Da der Zusammenbruch der pliönikischen Herrschaft auf
Rhodos in der ersten Hälfte des VlII. Jahrhunderts erfolgt zi;
sein scheint, so darf man die umfassende Reinigung der Tem
pel von phönikischen Weihgeschenken, wie sie durch B. 's,
Funde bezeugt ist, vielleicht in Verbindung setzen milder
Einführung griechischen Cultgebrauchs und in eben jene Zeit
hinaufrückeri.
Dorpat.
G. LOESC.HCKE.
' Millh. IV S. 366 Taf. XIX (Koehler); Rev. arch. N. S. VT Tf. XVII;
Hirschfeld Arch. Zeit. 1873 S. 108; Salzmann 4,
Die Familie des C. Julius Eurykles.
In den letzten Bewegungen eines politischen Lebens in Sparta,
wie sie während der römischen Bürgerkriege zu Tage treten,
ist nur Eurykles eine hervorragendere Rolle zugefallen; es
darf darum erwartet werden., dass eine Zusammenstellung
dessen, was über ihn und seine Familie vorliegt, -wenigstens
einigen Aufscbluss über diese späteste Zeit spartanischer Ge-
schichte ergeben könne. Das literarische Material, welches
hierfür vorhanden ist, ist freilich ein derartiges, dass eine
klare Anschauung über Eurykles Wirksamkeit sich nicht da-
raus entnehmen lässt, und was an Inschriften bisher gefunden
worden ist, hat auch nur sehr unvollkommenen Ersatz bieten
können, da sich dieselben vorzugsweise auf Eurykles Nach-
kommen oder Anverwandte beziehen.
Noch im zweiten Jahrhundert n, Chr. haben Nachkommen
des Eurykles die angesehensten spartanischen Aemter inne-
gehabt, sein Urenkel Lakon ist eponymer Patronom unter
Hadrian, sein Enkel Eurykles Herklanos erscheint in der rö-
mischen Beamtenlaufbahn, und unter Trajan ist er lebens-
DIE FAMILIE DES C. JULIUS EURYKLES ll-
länglicher ap^^tsps-j? der Sebasteia. Ihre Zugehörigkeit zu den
altspartanischen Adelsgeschlechtern ergibt sich ans dem in
der Familie erblichen Priesterlhum der Dioskuren^, dessen
Generalionen gezählt werden, offenbar mit dem Anspruch einer
direkten Ztirüekführung der Ahnenreihe auf die Heroen, wie
in einem andern spartanischen Tlanse, demjenigen des Tih.
Claudius Äristokrates, das Poseidonpriesferthum vererbt und
Poseidon selbst als Stammvater gilt^,
Des Eurykles Vater Lachares hatte der Triumvir Antonius
wegen l-ziT-reix hinrichten lassen (Plut. Anton. 67). Bei der
Sonderstellung, in welcher Lakonien während des letzten Bür-
gerkriegs seinen Nachbarlandscbaften gegenüber steht, wird
man dabei wohl an eine in politischem Interesse ins Werk
gesetzte Unternehmung denken können. Foucart hat ihn mit
dem in einer Inschrift von Gjthion bei Le Bas Voyage archeol.
Inscr. \\ part^ 2. sed. 4 n. 242 a als Strategen der Eleuthero-
lakonen vorkommenden Lachares identificiren wollen, doch
liesse sich damit die von Waddington gegebene Datirung der
Inschrift in die sullanische Zeit^ schwer vereinigen. Auffallig
bleibt, dass in den auf Angehörige des Eurykles bezüglichen
Inschriften bis jetzt erst einmal ein Lachares vorkommt inder
Gerontenliste bei Milchhöfer-Dressel , Mittheil. II S. 436 n. 10,
Aaj^ccp/Yi? 'H[p])t>,[«vou]. Den Tod seines Vaters Lachares zu rä-
chen, bedrängt Eurykles den von Action fliehenden Antonius
mit leichten liburnischen Schiffen ; diesem gelingt es aber mit
Verlust des einen Ädmiralschiffs und eines anderen reich mit
Prachtgeräth beladenen nach Taenaron zu enlkomm.en (An-
ton. 67).
* C. I. G. I n. 1390. Le Bas Voyage arcliM. Inscr. vol. 11 part. 2. sect. 4 n.
245 b.
2 Ü. f. G. I n. !374. Vergl. Böclcti zu C. I. G. n. 1340.
5 In die Zeit des 2. Triumvirats hatte sie bringen wollen Sauppe, Nach-
richten der Göttinger Gesetlsch. der Wiss. 1865 S. 461, 1867 S. 156 ff. Pbi-
lologiis 25. S. 557 IT.— Ein älterer I^achares, S. des Eperatos. hat mit 2 an-
dern Lakedaemoniern wohl in Folge einer Gesandlschaft die Proxenie der
Akarnanen erhalten, gegen Ende des 3. Jahrhunderts (Kumanudes '.^eijvaiov
I S. 253 = Le Bas n. 194 d).
12 DIE FAMILIE DES G. JULIUS EURYKLES
Eurykies selbst erscheint im Besitz der Insel Kythera, und
eines gewaltigen Privatvermögens, das er im Sinne jener Zeit
zu glänzenden Prunk bauten benutzte. In Sparta errichtete er
das eine der beiden Gymnasien im Dromos (Paus. III 14, 6),
in Lechaion bei Rorinth unweit des Meeres eine wegen reicher
Ausschmückung mit grünem krokealischem Marmor berühmte
Badeanlage (Paus. 11 3, 5). Seine Stiftung war auch das Fest
der Eurykleia, die noch in der Zeit der Anlonine neben den
Sebasteia fürden vornehmsten Agon in Sparta gegolten haben*.
Wegen einer Schenkung, aus welcher der Oelbedarf im Gy-
mnasien bestritten werden sollte, errichtet ihm die Eleuthe-
rolakonenstadtKyparissia eine Statue^. Sein und seines Sohnes
Deximachos Bildniss halten die Athener auf der Burg aufge-
stellt (C. /. AU. lil 801 ab).
Bezeichnend für das Ansehen, welches Eurykies besass, ist
die Aufnahme, welche ihm am judaeischen und kappadoki-
schen Königshofe zu Theilwird, wo ihn llorodes und Arche-
laos als ihnen gleichstehend behandeln 3. Durch unzeitige Ein-
mischung in die Familienstreitigkeiten am Hof des Herodes
hat er allerdings das Ende der beiden Prinzen aus hasmo-
naeischem Stamme (um 7 v. Chr.) nur beschleunigen helfen,
aber die Schilderung, welche Josephus bei dieser Gelegenheit
von seinem Charakter und seinem Auftreten gibt, ist offenbar
karrikirt.
Bei Strabo S. .3(>3 heisst Eurykies 6 y.x^' i^^Stq tüv Aajce^oet-
(jiovicjv 7iYS[ji,(ov, und S. 366 ist die Rede von einer swicTaaia,
1 6' /. G. l 1378. Le Bas n. 168 (. Jünger sind: C. I. G. n. 1239. t240. In
C. f. G. n. 1425 = Le Bas n. 166 werden sie (jieyiXa EupuxXsT« genannt, vie sonst
die SjßxaiEra. Einen iVlas-ssUb, wie bet rächt! ieiie Kapitalien für eiaen derar-
tigen Agon erforderlich waren, gibt aus dem Anfang des zweiten vorchrist-
lichen Jahrhunderts da.s Testament des Kaiydoniers Alkeäippos, Sohnes des
Butheras mit der SUClung der Alkesippeia in Delphi : Wescher-Foucart fn-
scriptiofi'! de Delphex n. 436.
* Leake Travels inMorea I S. 223 inscr. n. 23 (PhinikioUka Kalyvia) =
Le Bas n. 237 a, wo durch Foucart die von Keil, Analccla epip^apliica S. 96
beanslanriete Lesung Leake's ivflfvta to ^Xaiov s'; tov a'djv« besläUgt wird.
^ Josephus Anliijuil. XVI 10, 1 ; Bell, .hidaic. I 26, 1-4.
DIE FAMILIE DES G. JULIUS EURYKLES 13
die dadurch ein rasches Ende genommen, dass Eiirykles das
ihm vom Kaiser geschenkte Vertrauen missbraucht, sein Sohn
aber dasselbe völlig verloren habe*. Der Ausdruck eTrKjTsj-jix,
an sich betrachtet ziemlich unbestimmt, erhält von einer an-
dern Seite seine Erläuterung.
Auf den späten spartanischen Kupfermünzen werden die
Namen der Beamten entweder abgekürzt auf die Anfangsbuch-
staben, oder ausgeschrieben in der Nominativform 2 — von den
beiden Namen, welche hier eine Ausnahme machen, wird
sogleich die Rede sein. Aus der vollständigeren Aufschrift einisp
in Paris befindlichen Münze (Mionnet Descript. cl. mklailles
ant. W S. 218 n. 26, Peilerin Rec. <L med. suppl. IV S. 43
Tf. IV n. 3) E<t>OPO? TIMAPICTOC hat man folgern
wollen 3, nicht nur hier, sondern auch auf allen übrigen spar-
tanischen Münzen werde unter dem Beamten ein Ephor, und
zwar der eponyme des Jahres zu verstehen sein. Mag diese
Annahme richtig sein oder nicht, jedenfalls sind von diesen
Münzen mit ihrem offenbar jährlich wechselnden Beamten ab-
zusondern die im Folo;enden beschriebenen Münzen'*.
1. Kopf des Octavianus r. KAI C (AP Es. Adler stehend
r. EniEYPYKAE02 AA Br. 0,019-0,022'".—
Eckhel D. N. II S. 283. MionnQi Suppl. IV S. 224 n. 30.
* Strabo 366: vswot'i 8' EipuxXvi^ aJ»tou; l'Apa^t 3(55»? (J^O^/^priaaisSai x^ Kat-
aapo? 9'."A.ta n=pa toy (letpJcu jrpo; tf,v l;:i<jtaa(av aJiTCüV, Inaiaaro 5' ^ ^pyj] t«-
yiw;, ixEivou (lev r.apay^uyp-^'ia.vzoi et; rö y.peiöVi ^°'^ 5' u'oü T:r,v tpiXiav (iTOaxpap.-
\xivov triv TO'.auiTiv Tcaaav. Josepiius Anliqiiit. XVI 10. l bezeichnet ihn luir
als E5puxXTi5 0.7.0 AnxEÖaipiovo;, otx ccarifio; Tä>v ixsi,
2 Die Aufscliiift MAZANIIZOY auf dem von Haym Thrsaur. Brüann.
II S. 157 und von Mionnet II S. 217 n. 9 beschriebenen lakonischen Trio-
bol, der oflenbar identisch ist mit dem von Leake Num. Hellen. Eur. S. 56
beschriebeneu, gehört keinem spartanischen Magistrat an; vielmehr ist die
Münze überprägt und der Name nur Rest des früheren Gepräges (Eekhel
D. N. II S. 279), aber die Aufschrift ist, wie schon Mionnet andeutet, kei-
neswegs unverdächtig; vielleicht zurecht gemacht aus einem AAEHANAPOY?-
3 Neuerdings noch Lenormant, La monnaie dans lanliquiU \[\ S. 100.
* Die Münzbeschreibungen nach Exemplaren des Berliner Münzkabiuels,
ausser bei n. 6.
14 DIE FAMILIE DES G. JULIUS EURYKLES
2. Kopf des Agrippa r. ATP Rs. Kerykeion aufrecht AA
EYP YK AE (P Y in Ligaliir) B. 0,018.— Vgl. Mion-
net 11 S. 221 n. 56. Suppl. IV S. 221 n. 11.
3. Bärtiger Kopf, Zeus ähnlich^, r, Rs. Keule AA Etil
EYPYKAEOIZ (AE in Ligatur) im Lorbeerkranz
Br. 0,022. - Abgebildet oben S. 10. Eckhel S. 281.
Mionnel I! S. 218 n. 24, 25.
4. Weiblicher Kopf mit langem Lockenhaar 1. 5:nAPTH
Rs. Zwei Diüskuren zu Boss r. eilend, über ihnen
die beiden Sterne AA EniEYPYKAEO£(AE in
Ligatur). Das Ganze im Lorbeerkranz. Br. 0,025. —
Eckhel S. 280. Mionnet 11 S. 221 n. 55.
5. Bärtiger Kopf r. AA Rs.Die beiden Dioskurenköpfe ne-
ben einander [tetesaccolees), darüber die beiden Sterne
eniAAKUÜNOC Br. 0^022. — Abgebildet oben
S. 10. M'wnnel Suppl . IV S.-222 n. 21.
6. Bärtiger Kopf r. Iifs. Eni AAKQNO^ AA in 2 Zeilen
dazwischen quer die Keule Br. 0,022. — Leake JSum.
Hell SuppL S. 130.
7. Kopf des Kaisers Claudius r. KAA)YAI02:KAi5:APAYT
Rs. Die Dioskurenhüle, dai-uber die Sterne EfllAA-
KUUN02 Br. 0,027. — Abgebildet Eckhel S. 281.
Mionnet II S. 222 n. 65. Vgl. oben S. 10.
Eckhel Doc/r. Num. II S. 281 halte bereits darauf hinge-
wiesen, dass der Eurykles dieser Münzen derselbe sei wie der
bei Strabo erwähnte, und Leake Num. Hell. Eur. S. 56 in La-
ken Eurykles Sohn erkannt. Wie schon die Aufschriften Im
Ei)puy.*X£o; , CTti Aaxovo<; erkennen lassen, bekleiden Eurykles
sowohl als Lakou nicht nur eine ganz andere Stellung als die
auf den übrigen lakonischen Münzen vorkommenden Beamten,
sondern haben dieselbe, wieaus der Manchfaltigkeit ihrer Ty-
pen und der grossen Menge ihrer Münzen erhellt, aucli für ge-
' Gewöhnlich als Herakles bezeichnet, obwohl er nur wenig abweicht von
(Jem L^kurgos-Kopf dt^r Tiniarislos-Serie. Die älteren lakonischen Münzen
habt^n allerdings den Herakles-Kopf, bald mit, bald ohne Löwenfeil.
DIE FAMILIE DES C. JULIUS EÜRYKLES 15
räume Zeit innegoliabt. Wir erhalten damil eine urkundliche
Besliiligung zu Slrabo's Angabe, dass Eurykles nicht bloss sel-
ber eine Art Dynastenslellung eingenommen hat, sondern dass
dieselbe auch noch auf seinen Sohn übereesaniren ist.
Das damalige Achaia hat kein zweites Beispiel hierfür auf-
zuweisen, wogegen in den nördlichen Provinzen, wenigstens
in Tbracien sich eins der älteren Herrschergeschlechter, die
Sapaeerdynastie von Bizya, hat behaupten können. Lakonien
hat freilich auch während der letzten 2 Jahrhunderte vor Chri-
stus eine Sonderentwickelung gehabt. Unter den peloponne-
sischen Landschaften halte es sich seine Voikskraft noch am
besten bewahrt, die soweit sie im Inland keine ausreichende
Verwendung mehr fand, sich im Söldnerdienst dem Ausland
zuwandte. Die Bergbevölkerung des Taygetos und Parnon,
aus weicher Machanidas und Nabis den besten Theil ihrer
Streitkräfte entnommen hatten, war um Lakonien dem achaei-
schen Bund gegenüber unschädlich zu machen, von Sparta
abgetrennt worden. Aber ungeachtet die alle lykurgische Ver-
fassung mit dem Aufhören des achaeischen Bundes in Sparta
wiederhergestellt wurde und die Landschaft in zwei von einan-
der unabhängige Gemeinwesen gelheilt blieb, scheint sich der
anfangs so schroffe Gegensatz zwischen den frei gewordenen
^ehemaligen Heloten und der Hauptstadt allmählig ausgeglichen
zu haben. Dass sie allein unter den Peloponnesiern durch die
Römer als Itberae civitates anerkannt worden waren, mag hier-
auf nicht ohne Einfluss geblieben sein. Mit Gewalt halte sich
Archelaos den Anschluss [.akoniens an die mithradatischen
Bundesgenossen erzwungen', bei Philipp! fallen am 1, Schlacht-
tage, als Brutus Octavians fiager erslürmt, 2000 Lakedaemo-
nier. Und ihre Anhänglichkeit an Octavian haben die Lake-
daemonier bewahrt, bei Aktion kämpfen sie auf seiner Seite,
während sich die übrigen Peloponnesier bis auf die Manti-
neer wie im 2. Bürgerkrieg den Gegnern angeschlossen hat-
' Memnon c. 32. Vgl. Hertzberg Gesell. Griechenlands unter den Römern I
S. 359.
16 DIE FAMILIE DES C. JULIUS EUl\YKLES
len. Von Antonius war an der peloponnesischen Küste Atra-
tinus als Flotten präfect stationirt worden, der als solcher in
Lakonien Münzen mit dem Bildniss seines Triumvirn* hatte
prägen lassen. Atratinus' Abfall scheint auch für die lakoni-
schen Schiffe das Zeichen zum Anschliiss an Oclavian gegeben
zu haben.
Zwischen der Schlacht bei Aktion und dem Beginn der Epi-
slasie des Eurykles muss noch ein wenn auch nur kurzer Zeit-
raum verstrichen sein, indem ausser den Octavianus-Münzen
mit dem Namen des Eurykles (oben n. 1) auch noch solche
mit dem Anfang eines andern Magistratsnamens ^, und zwar
offenbar vor denjenigen des Eurykles in Sparta geprägt wor-
den sind, beide Serien gehören aber noch vor das Jahr 27 v.
Chr. 3 Für Eurykles' Vater Lachares wird man eine ähnliche
Stellung, wie sie der Sohn inne hat, nicht voraussetzen kön-
nen, auf den zahlreichen der Schlacht bei Aktion voraufge-
henden lakonischen Münzen wird er nirgends genannt. Dage-
gen liesse sich vielleicht für die Existenz einer Epistasie in
Sparta bereits in früherer Zeit Appian Bell. civ. II 70 anfüh-
ren, wo er die Spartaner dem Pompeius zu Hülfe ziehen lässt
67:0 Toi; iSiot? ßaTi^sOfft xxTfföjxsvoi, doch verhehle ich mir nicht
die Unsicherheit dieser Vermulhung.
Ihrer eifrigen Parlheinahme für Oclavian und dem Um-
stände, dass Oclavians Gemahlin Livia'* v^^ährend des perusi-
nischen Krieges bei ihnen ein Unterkommen gefunden, hatten
es die Spartaner zu danken, dass ihnen die Proedrie für die
Feier der Aktia ertheilt wurde (Strab. 325), und was wichli-
' Eckhel II S. 282.
2 Vorderseite: wie diejenige des Eurylclesn. 1, Ketirseite: Adler rechtshin
AA und als Beamtcnnamen E AA ( A A in Ligatur; im Berliner Kabinet).
^ Nach den mir vorliegenden Kxemi)laren ist die Inschrift KAICAP voll-
ständig, und es hat nicht etwa noch ein Se6aotö; dahinter gestanden, wie
man nach Caronni's Beschreibung, Musee Ueäervar S. 165 n. 4105 vermu-
then konnte.
♦ Ti. Claudius Drusus Nero, ihr erster Gemahl, hatte mit ihr und dem
jugendlichen Tiberius dort Schutz gesucht, weil die Lakedaemonier in der
Tutel der Claudier standen (Suelon. Tiber. 6. Cassius Dio LIV 7).
DIE FAMILIE DES C. JULIUS EURYKLES 17
ger war, dass Oclavian die von Antonius in Betreff des den-
theiiatischen Gebietes gefüllten Entscheidungen nickgiingig
machte; Pharae und Thuria wurden wieder Lakonien /;ugespro-
chen*, durch die Einräumung von Kardamyle die Landschaft
auch mit einem Hafen ausgestattet, und ihr die Insel Kythera
zurückgegeben. Diese Entscheidungen, sowie der Besuch Spar-
tas durch Aügustus, der dabei auch an den Syssitien theilnahm,
fallen unter Eurykles' Epistasie^. In Rom stand Eurykles in
grossem Ansehen, und selbst als seine Machtstellung, die er
im Vertrauen auf die Gunst des Aügustus selbstsüchtig rniss-
brauchte, in Achaia zu Unruhen Anlass gab, bedurfte es einer
zweimaligen Anklage, bis es gelang ihn zu stürzen und aus
Lakonien zu verbannen 2. Lnter seinen Gegnern wird ein Bra-
sidas*, noch ein Abkömmling des alten Feldherrn namhaft
gemacht, dessen Familie während des 1. und 2. Jahrliunderts
nach Christus die vornehmsten spartanischen Aemter beklei-
det. An Eurykles' Verbannung schliesst, wie ich glaube, die
Münzserie an, welcher der schon genannte Timarislos ange-
hört. Der Typus der Vorderseite ist ein ähnlicher Kopf, wie
bei den Euryklesmünzen n. 3, nur wird derselbe regelmässig
* Moruinseii in Neubauers Aufsatz über die Olympische Inschrift n. 16,
Archaeol. Zeitung 34 (1876) S. 138 Anm. t6.
2 Die lüschrift vonüythionbei LeBas n. 287, worin ein -^5 Aaxipo»? olo;
genannt ist und einer Bekämpfung von Räubern Erwähnung geschieht (xrt]Ti
•rwv [X»j]oxcüv r[«]oXif*7i<j[ev), bat P'oucart auf Eurykles beziehen wollen; es
wäre dies das erste inschriflliche Zeugniss aus seiner ollentlichen Wirksam-
keit. Doch ist von der Urkunde zu wenig erhallen, als dass sich ilir Inhalt
verwerlhen liesse.
3 Joscphus Aaliqu. XVI lü, l EipuxXtii [^h ouv ooSl Iv t^i AnxeSaifiovi nau-
oajitvo; ttvcii [i.o-fßT\p6t,f It:\ koXXoTs douiiixoaiv ir.ioxip/firi zr^i naTpt3o{. Bell. Ju-
daic. I 26, 4 Siapa; e'i; x\t 'EXXiSa X'n4 Ix xax'iv xxr.OeTa-.v et; Ofioia xaTEx.p»l<iato-
Sl? Y^'^v ^''i K 4(001005 y.(».Tr,Yopr,f)c'; lui xü otiaew; l^.-!ikr^-i(t\. xr^v ^k^^a.^a.'^ xat ne-
piSieiv xi« j:(5X5(4 ^M-^a.li'iixa.\. xinEivov fxb oöxws i\ 'Apioxo6o6Xou xa'i 'AXs^ivSpov
1tOlvf^ TceptY]X&e»,
< Plutarch Apophtk. Roman. Aug. 14. Nicht ihm, sondern erst einem sei-
ner Nachkommen vielleicht in Hadrians Zeit gehört die mit der Inschrift
KXou. Bpao'iSav xov nax^p» versehene Marmorstatue (Milchhöfer-Üressel n.
142; Mittheil. II S. 362) an, welche im heutigen Sparta zu unverdienter
Ehre gelangt ist.
UITTH.D. ARCH.INST.VI. •^
18 DIE FAMILIE DES G. JULIUS EURYKLES
durch Beischrift als AYKOYPTOC bezeichnet, derjenige
der Kehrseite gibt die in ein Kerykeion aaslaufende Keule,
milhia eine Vereinigung der Kehrseiten von n. 2 und 3 der
Euryklesmünzen. Die ßeamtennamen dieser Serie (Mionnet II
S. 217 n, 11-23) sind immer abgekürzt bis auf den Ec|)0-
P O [C] T I M A P I C T O C , wo sogar in der Anordnung der
Buchstaben die Kehrseite der Euryklesmünze n. 3 copirt ist.
Danach gewinnt es den Anschein, als habe man des Eurykles
Sturz für ein Wiedererstehen des lykurgischen Spartas ausge-
ben ^vollen,
Übrigens kann durch das Exil die Herrschaft des Eurykles
nur eine Unterbrechung, nicht ihren x4bschluss gefunden ha-
ben, indem aus Strabos Bericht (S. 366), in welchem der Ver-
bannung keine Erwähnung geschieht, soviel mit Sicherheit
hervorgeht, dass Eurykles' Sohn seinem Vater nach dessen
Tod unmittelbar im Amte gefolgt ist. Dieser aber, C. Julius
Lakon — ein Name der hier wohl an Stelle des grossväter-
lichen Lachares in die Familie eingeführt Avurde, nachdem
Eurykles das römische Bürgerrecht erhalten hatte — verstand
es nicht sich die Gunst des Kaisers zu bewahren, und hatte
bereits als Strabo mit der Abfassung seiner Geographie beschäf-
tigt war, also spätestens im Jahre 18 nach Christus die von sei-
nem Vater überkommene Epistasie verloren. Dieser Zeit sind
auch die auf Seite 14 unter n. 5 und 6 beschriebenen Münzen
des Lakon zuzuweisen, die sich als eine Fortsetzung der Prä-
gung des Eurykles zu erkennen geben, die eine durcli gleiche
Vorder- und Kehrseite wie n. 3 des Eurykles, die andere we-
nigstens durch Beibehaltung des Typus der Hauptseite,woge-
gen die Rückseite die vereinigten Diosku renköpfe zeigt. Da-
gegen lehrt die unter n. 7 beschriebene Münze, dass Lakon
unter Kaiser Claudius nochmals die früher von ihm bekleidete
Epistasie innegehabt hat, und setzt damit seine Restituirung,
mag dieselbe nun schon vorher oder erst durch Claudius er-
folgt sein, ausser Zweifel. Das hohe Ansehen, welches Eury-
kles in Achaia genossen, musste sich von selbst auch auf La-
kon übertragen , und findet in einigen auf ihn bezüglichen
DIE FAMILIE DES C. JULIUS EURYKLES 19
Denkmälern seinen Ausdruck. So errichteL ihm das xoiv^v der
Eleutlierolakonen als seinem Wolillljjiler eine Statue in Kai-
nepolis bei Taenaron ( Leake Tr. in Morea Inscr. n. 83 = C. /. G.
n. 1389), in Olympia ein vornelimer Eleer, M. Antonius Pi-
sanos, (xpj^tspeu; beim Zeuslieiligtluim, eine solche ebenfalls als
seinem suspYST/i; vor der Osllront des Zeustempels ( Arch, Zeit.
1877 S. 40 n. 41).
Ein Bruder Lakons, C. Julius Deximachos, ist erst durch
die Basisinschrift auf der Akropolis (Kumanudes, 'A9r,vaiov
1875 S. 207 =C. /. AU. 111 n. 801 6). bekannt geworden. Da-
nach wird man nicht anstehen dürfen, den in C. I. G. 1 n.
1299 = C. /, L. \\[ 1 n. 494 vorkommenden C. Julius Dexima-
chos, Sohn des Pratolaos, als einen Verwandten und hervor-
ragenden Parteigenossen des Eurykles zu betrachten, wahr-
scheinlich sogar als dessen Schwiegervater; er ist dort als Trped-
(?u; der Vereinigung der Agrippiasten genannt auf einer dem
Agrippa in Sparta errichteten Ehrenbasis, deren Stiftung wohl
ebenso wie die Pi'ägung der Euryklesmünze n. 2 mit dem
Agrippa-Bildniss in die Zeit von Agrippas zweitem Aufenthalt
im Orient, zwischen die Jahre 17 bis 13 fällt. Einen Angehö-
rigen desselben Geschlechts, den P.Memmius Deximachos, Sohn
des Pratolaos, erwähnt denn auch die Inschrift C. 1. G. I n.
1340 als Dioskurenpriester, ^.^' ocizh AtoGxoupov, in der Zeit
der Antonine.
Lakons Sohn, C. Julius Eurykles Herklanos, war soweit
ersichllich der erste seines Hauses, welcher in die römische
Beamtenlaufbahn eingetreten ist. Nachdem ev qucestor pro prce-
lore in Achaia gewesen war, alsdann Aedililät und Praetui*
bekleidet hatte, wurde er Legat in dev provi?icia Bcotica und
Legat bei der 3. Legion, zum Consulat ist er dagegen nicht
gelangt. Als Dioskurenpriester und (ip^^ispeu; toO twv Se^x^Töv
oho\) hat er nach Inschriften aus Gythion (Le Bas n. 245 6)
und Kythera (C. 7. G. I n. 1306*) noch unter Traian in seiner
1 Den Namen dieses jüngeren Eurykles hat Foucart festgestellt in dea
Explications S. 130 zu Le Bas n. 245, wonach auf dem Stein von Kylhera zu
20 DIE FAMILIE DES C. JULIUS EÜRYKLES
Vaterstadt fungirt. Sein Sohn wahrscheinlich ist unter Hadrian
cponymer Patronom gewesen (6'. /. G. I 1317). Weitere Nach-
kommen von Euryklegi sind bis jetzt nicht nachzuweisen, im
Priesterthum der Dioskuren erscheinen nun Namen, die sich
mit denjenigen der vorangegangenen Generationen nicht mehr
in Verbinduno; briiia;en lassen. Erhalten hat sich aber die Feier
der E'jp-A.\zXx, die noch zu Ende des '2. Jahrhunderts in glän-
zender Weise begangen werden konnten.
Schliesslich mag hier noch das Stemma eine- Stelle finden,
wie es sich nach der vorangegangenen Erörterung für die Fa-
milie des Eurykles gestaltet hat:
Lachares C. Julius Deximachos S. des Pratolaos
1 I
C, Julius Eurykles x
C. Julius Lakon I C. Julius Deximachos
1
C. Julius Eurykles Herklanos
I
C. Julius Lakon IL
Berlin. 11. WEIL.
lesen ist Z. 5-G : lr.\ (?pj(tspio: Sia ß'oy twv [Ss]C[a]aa[T]wv (piAOOsßäootou ts xal
(piXonitpiöoi; xa"i y.T|8£|jiüvo5 -^r^i TiöXeuj; [T.] 'louXiou Eti[pu]«-.X^ou3; 'UpxXavoü. Aut
denselben Euijklcs bezieht sich wahrscheinlich auch C.J.G. n. l.'^08=.Le
Bas n. 184.
* Für die von Ross, Archaeol. Aufsätze IS. 123 ausgesprochene Vermu-
thung, dass der C. Julius Sparliatikos der athenischen Inschrift lorifji, ipx'^io-
Xoy. n. 12\ = C. I.AU. III n. 805 ein Nachkonunc des Eurjkles sei, hat sich
bisher noch keine Bestätigung ficfunden, mit gleichem üecht könnte man
auch an einen Sohn oder Enkel des Deximachos denken. Die Inschrift, in
welclier der erste lebenslängliche «Jp/^tepeu? twv SsGaoxüv für das xo-.vov lii;
'Ayo'fa^ erwähnt wird, ist nach Diltenberger unter Nero zu setzen.
Aus den attischen Seeurkunden.
1. In den Mitth. IV S. 79 habe ich gelegentlich darauf hin-
gewiesen, dass die Seeurkunde V bei Böckh (S. 332 fY.) von
Ross unvollständig abgeschrieben ist und dass ein viel später
gefundenes Fragment ('E©. ap;^. 3662) zu dieser Platte gehört.
Zwar hat Pittakis in dem Wiederabdruck des von Böckh edir-
ten Stückes ('E9. ap;^. 3175) gesucht die Lesung zu vervoll-
ständigen, aber in so ungenügender Weise, dass ein Versuch
der Herstellung nach dem von ihm gegebenen Text vergeblich
sein würde; in dem von Ross gelesenen Theil kehren die von
diesem Gelehrten begangenen Versehen wieder. Leider ist der
Stein jetzt so ungünstig aufgestellt (in einem dunkeln Winkel
des sog. Theseion), dass auch meine Lesung vielleicht an eini-
gen Stellen noch wird ergänzt werden können.
Das später gefundene Fragment bildete die obere linke Ecke
der Platte und vervollständigt die Inschrift der linken Schmal-
seite nach oben zu. Die Inschrift der Schmalseite ist von der
Inschrift der Flauplseite nicht zu trennen , sondern gehört der-
selben Urkunde an, die hier abschloss.
Die Zeit der Urkunde hat Böckh richtig bestimmt; sie war
verfasst von den Aufsehern der Werfte, die am Ende des Jah-
res Ol. 106, 4. 35 3/2 ^^'^ ^^^^ Amte schieden. Das lesbare
Stück der Vorderseite enthält den Schluss des Verzeichnisses
der im Hafen Munichia stationirten Schifte und ein Fragment
der Schiffe von Zea. Ich s-ehe auf diesen Theil nicht weiter ein
mit Ausnahme einer Stelle, auf die ich mich im Folgenden
beziehen werde. Den Passus, wo die Summe der Schiffe von
Munichia gezogen war (Col. b. Z. 17-21) giebt Böckh (und
Pittakis) nach Ross folgendermassen : y.s(px>.xtov -rpiinpwv töv
M0UVtJ(^i3C'7'.V* TÖV TUpWTtOV - " , TCÜV SeUTSpWV P, TWV TpiTCi)V AAAPL
Stattdessen stehtauf dem Stein : xs<px>.ociov rp'.-inpojv r.M. tGjv Trpw-
To)v x.y.1 Tciv ^ö'jTspwv Kocl Twv TpiTcov AAAPI. Dic Gcsammtzahl
22 AUS DEN ATTISCHEN SEEURKUNDEN
der in Munichia liegenden Schiffe betrug nicht über sechs und
achtzig, sondern nicht mehr und nicht weniger als sechs und
dreissig, von denen 7 der dritten, wahrscheinlich 12 der er-
sten und also 17 der zweiten Classe angehörten.
Ich wende mich zu dem auf der Schmalseite stehenden Theil
der Inschrift. Derselbe zerfällt in 4 Abschnitte, von denen der
erste ein Verzeichniss von rpt-^pei? ^ioc^e^t>ta(y}X6vizt nebst Ge-
räth; der zweite ein solclies von hängendem Geräthe, welches
in den Jahren Ol. 106,2-106, 4 für die v^e? s^ocipsTot ange-
schafft worden war; der dritte ein gleiches von erbeutetem Ge-
räth; der vierte endlich die Gesammtsummen der von der Be-
hörde übernommenen und über2;ebenen Schiffe und Geräthe
enthielt. Die Herstellung wird dadurch erschwert, dass der
Stein bald am rechten bald am linken Rande beschädigt ist
und dass die Zeilen, wie in der Regel auf den Schmalseilen
der Platten, nicht dieselbe Länge und Buchstabenzahl hatten.
Erster Abschnitt Z. 1-75:
aTTo] to[u]t(i)v [touct^s ev] Tto St5C(Z(y-C7i[pit«) (kTzoiT:e](^zuy6xxt; 5t«l 7:[a-
pzSövTa; TSC cxeu]'/] sv t^ (Ttt^X*/] [7U5:pe]^0[;.ev*
TpiiQpTiC; 2yv]Ta^i<;* Tp'.'^pxp;;(_[oi 'Ijspwv 29'i1ttio;, [4>]xv6-
CTpacTO? FizpyioCTTio;)' [töJv )tpsj/.«(7TCL)v ootoi [ij]Quai.^' utco-
^cü[AXTa, [ujzo^l'/i^x, xxxx^Iti^Ix, TcJxpappujAöcxoc "kziiAx, [ttx]-
pxppu{j!.(XT« Tpi;(i(vx), [(j]iQ\\ix (XY5tupstx IUI, [xyl-zcupoci;'
[Tptj'/ipv)? Opxoreix, 'E7i:r/«[pi]'^ou epyov* Tp',-»ipap[/_o]i 'E^y]-
xeaTi^'/); Koö(i>(xi§'/i;), [n]o>^u[;.v7iGTo; nxtxv(i£u;)* [xjwv ^u-
>iv(i)v ouToi &yo[\jai] rappov, twv Ss y.ps[[;.x]'7T0)v uTTO^waxT«,
[Tj(^]otviz, ayx,'jpx(;*
[Tpijvop'/]? KuTuj^'iQ?, [Au]crty,>ei5ou e'pypV [Tptji^pxppi <I>t-
>.i7:7i;i5yi[; nx]ix(vtsu;), Avip-oaGswi? UxtCavieu:;)' [twv ^u]>.ivo)v
O'JToi ep['jTi rvi^x'Xia, i(JtJ)v (j!.8y«v, xspxixi; a>cxT(siQU!;)* töv
OS xpsjxxTTcöv lOi-riov]*
[Tpi]-op-/i? A6y;(vi*
[xuTxi] e;£T£iT0v]'7[xv xt Tpi]-/opEi[;]"
[t p] i •/) p 7) ? Kx>.Xig[t-' txuJtti? Tt(;.6^v)a[o<; tx crx,eu7j s/_eO*
AUS DEN ATTISCHEN SEEURKUNDEN 23
[ai Sjs §uo ToiriOSiC; atSs] e[-ll AtoTi[-/.o'j [^'.sjJ'./.ztO'/itzv x[j:1 eSo-
Tpr/ipv5; EuTu[)(_ii>j, 'E-tysvJo'j? efpyov* cpi-^[pxpy^ot 'ETcjtys-
vv]5 KuS«0(YiV{X'.eu;), [Ka"X]Xi[z]5 Assjattto^'j;*
[Tpr/)]p'/i? Srpy, T •/)",' t?, ['A(Xuv]tou epyov* Tp!.Yip7.p[-/_oi -«]v(^po;
2cp*flTTio?, ['AiToll^o^f'ipo? BxT*75Öev, [floXlijöy-aa; As'j/.ovoe'j;*
[töv] ^u"Xivo)y Tappo; , [rr'/j^zlXtoc , /.ytjjLzxi^ei, [x.ovtJoi, ttx-
px<7T(XT«(;, [Urbv] p-syxv, y,z^'/.1:x\. ^.t[yx\x:], ictto; ax.ocTeio;*
[tüv 54] KpaiAxaTCiv [•jxo'(]o')[;.y,TX, ittiov, '!tz35Jf[o'j(x]zT(3C >euxsc,
:rxpy.ppuiJt.a[Toc tpjiyivz*
[ÄpiBaö;] rpt^pojv yt,x\ [gäsuwJv töv 5t5:r^eSi)C«;c[[Xsvti)]v'
TpC'^pSt? PI I'
[rappol] II, r-zi^yAiy. vxu'jI II, [;tov]Tot, [y.]>^[{H-]^"'4(5£;, rxpx-
[<JTK?at], JiTTol aeyrAot II, [-/.spscilxi p-ey^T-äCt v/i'o, [■'^spxijzi
axxTetot, Uto? oc-Ax-7zio^' [t(ov 5e] x.psaK'J'rojv [uTroi^wJaocT«: vjcu-
<Txv III, [i5-:tx] v;C'j7iv II, u7:6€>. •/)(/,[;«, •/C3£Ta§]l'/)[X3c , Trapxpo'j-
p,[«-:iX >.s]'J>ta VZ'JtIv II, [TTXp^JppjuiXSStJJ Tpi)(^lV5C [vxuTiv II],
ffj^otvix v/il', [a;y)4tjpsu] IUI, Ky/,6py.; [vicü-Tiv II J.
Die Geräthe der Triere Eutu/yi; sind in der Lücke, wo die bei-
den Fra2fmente zusammenstossen, wes^iebrochen ; die Er2;än-
zung ergiebt sich aus der Vergleichiing der Einzelposten mit
den Summen.
Der Abschnitt enthält ein Verzeichniss von beschädigt ein-
gelaufenen Trieren, deren Trierarchen in der Diadikasie von
der Verpflichtung der Reparatur oder des Neubaues frei ge-
sprochen ^vorden waren; und des bei den Schiffen befindlich
gewesenen Geräthes. Aus den Eingangsworten ist zu scliliessen,
dass ein Verzeichniss sämmtliclier Trierarchen, welche die
SchifTe in unbrauchbarem Zustande zurückgebracht und ver-
muthlich auch alle gegen jene Verpflichtung beim Gericht
Einsprache erhoben hatten, vorausgegangen war. Über die
zwei zuletzt genannten Trieren war im Jahre des Archon Dio-
timos, d. h. Ol. 106, 3 abgeurtheilt worden, bei den fünf vor-
ausgehenden Schiffen ist die Zeit nicht angegeben; über diese
war also das ürtheil während des Amtsjahres der Behörde ge-
24 AUS DEN ATTISCHEN SEEURKUNDEN
fallen, welche die Urkunde ausgestellt haL Den ersten vier
Trieren ist der Vermerk beigefügt [aury.-.] ^^sTei'i6yj'r[xv «i rpij'fl-
psi[?]. Daraus ist zu folgern, dass die Reparatur dieser Schiffe
verfügt, worden war, denn auf was sollte sich sonst die Zah-
lung beziehen? Die Zahlung aber war nicht von den Trierar-
chen geleistet worden, da diese ja von der Verpflichtung zur
Reparatur frei gesprochen worden waren; also vom Staat oder
Fiscus. Der Scliiffshau und die Aufbringung der dafür erfor-
derlichen Gelder gehörte, wie Böckh S. 55 IT. ausgeführt hat,
nicht zum regelmässigen Geschäftskreis der Werflbehörde, die
folglich auch nicht darüber Rechenschaft abzulegen halte. Der
Zahlungsvermerk in der Urkunde ist also ein beiläufiger; da-
her sind auch weder die gezahlten Summen namhaft gemacht
noch die Personen, an welche die Zahlungen geleistet waren.
Das Gerälh, welches sie erhalten, hatten die Trierarchen
abgeliefert. Dies muss ihnen also von den Gerichten auferlegt
worden sein, während sie von der drückenderen Verpflichtung
die Schifte herzustellen frei gesprochen worden waren. Man
darf dagegen nicht geltend machen wollen, dass es dann in
den Verzeichnissen zl^ti^ hoissen müsse; dieselbe üncorrectheit
findet sich in andern Seeurkunden und erklärt sich aus dem
Zurückgehen auf ältere Aclenstücke, vgl. Mitth. IV S. 85 z.
Z. 35-19. Das Geräth der Triere Kxl>.i<T[T-/)] oder wie nun das
Schiff hiess, hatte Timodemos übernommen, wir wissen nicht,
ob als Trierarch oder als VVerftbeamteter; die Trierarchen der
Aoyy-fl und EOtu;^;« hatten entweder kein Gerälh erhalten oder
waren von der Verpflichtung dasselbe abzuliefern entbunden
worden, weil es nach dem Befinden der Dikasterien ebenso
wie die Fahrzeuge ohne ihre Schuld zu Grunde gegangen war.
DieWorle TO'ja^e ---«xoitel^euyÖTa; xocl ^[(xpx^övTx; tÖc <Txeu]Yj
£v Tfi a-zTilvi [Trxpej^ofjLEv sind nicht frei von einer gewissen
Unklarheit. Indess ist dieselbe doch mehr scheinbar als wirk-
lich vorhanden. Die Trierarchen, welche von einem Theile
ihrer Verpflichtungen entbunden worden waren, den andern
erfüllt hatten, gingen thatsächlich nicht an die Amtsnachfol-
ger der abtretenden Behörde über, wie im Rückstand geblie-
AUS DEN ATTISCHEN SEEURKUNDF.N 25
bene Schuldner; diese halten keinen Anspruch an dieselben
geilend zu machen und der Vermerk über sie war nur für die
Acten bestimmt. Dies eben, dass es ein rein actenmässigcr Ver-
merk ist, welcher folgt, wird durch den Zusatz ev T-?i «tt-^'Xyi
angedeutet. Die «Stele» ist die Urkunde selbst, deren Reste
wir lesen.
Als Trierarchen des Schiffes Eutuj^yi; sind Philippides und
der Redner Demosthenes genannt. Wir kennen drei Trierar-
chien des letzleren, welche in die Jahre Ol. 104, 1. 36 '*/3 v.
Gh., Ol. 105, V2- ^'"^-^ un^^ <^1- 1Ö5, 3. 357 fallen. Auf die er-
ste braucht hier nicht eingegangen zu werden, da sie aus ver-
schiedenen Gründen nicht in Betracht kommen kann. In der
dritten, aufweiche weiter unten zurückzukommen sein wird^
warderSyntrierarch desDemostlienesPhilinos. Dagegen scheint
Manches dafür zu sprechen , dass die in der Inschrift erwähnte
Leistung identisch sei mit der Trierarchie des H. 359. Das
Schiff des Demosthenes ging damals mit dem Geschwader des
Strategen Kephisodol, der dasselbe als Flaggenschiff erwählt
hatte, nach dem Hellespont. Aber das Unternehmen schlug
fehl und der Strateg selbst wurde nach der Rückkehr in An-
klagezusland versetzt und zu einer Geldstrafe verurlheilt. Nach
einer in J. 330 gethanen Aeusserung des Aeschines soll De-
mosthenes unter den Anklägern des Kephisodot aufgetreten
sein (Aesch. g. Ktes. 51). Man hat nicht ohne Grund bezwei-
felt, dass Aeschines' Behauptung in dieser Form richtig sein
könne (Arn. Schäfer Dem. u. s. Z. I S. 410) ; wurde Demosthe-
nes aber in Folge jener Unternehmung in eine Diadikasie ver-
wickelt, so konnte er nicht wohl umhin zu seiner Entlastung
Dinge zur Sprache zu bringen, die viele Jahre später in ten-
denziöser Weise entstellt werden konnten, wie es in der Rede
gegen Ktesiphon geschehen zu sein scheint. Man müsste eine
mehrjährige Verschleppung des Rechtshandels annehmen, da,
wie oben gezeigt worden ist, Demosthenes' Freis})rechung im
J. 353 erfolgt ist; dass des Mittrierarchen in dem einzigen lit-
terarisclien Zeugniss, welches wir über die Leistung des Js.
359 besitzen, keine Erwähnung geschieht, ist irrelevant. /\uf
26 AUS DEN ATTISCHEN SEEURKUNDEN
der andern Seite steht der-Annahme, dass Demostbenes in der
Zeit nach 357 eine vierte litterarisch nicht bezeuote* Trierar-
chie geleistet habe und dass sich das urkundliche Zeugniss
auf di^ese beziehe, nichts im Wege. Eine sichere Entscheidung
zwischen beiden Möglichkeiten zu treffen scheint mir zur Zeit
immöglich zu sein 2.
Zweiter Abschnitt Z. 76-102:
[toc^e 7:]ap£);a€o(;,ev <7xeu7i [)tpsaa]5Ta stcI Ta; E^atpeETOu; T]pnop6i?
[tü)v sj-l KsiuiGTpscTOu [apxovjTo; (Ol. 106,2. 85^/4 a. Ch.)
[u7:oCto][xy.Tix vxutIv A*
[i(jTi]x vocuislv A*
[T07:]etx vocu'jlv A*
[7:Kpa]opu[X5CTa >su>ta: [votuclv A]'
[-rrapxppuJixxTo: Tpiyj.v3« [vxuitIv A]'
[ayxupx]; [v](5Cü'3'lv A'
[töv ItuI] AtOTit;.ou apy>vTO? Ol. 106, 3. 35 ^/g a. Ch.)'
[u7ro(^w]tA«T3C vocudlv A*
[ay/tuplz; PA*
[twv eTTi] 0[o]'jSviaou apxov(To; Ol. 106, 4. 35 3/2 a. Ch.)"
[uT;o'(tj][JI.JCTOC V(XU71V AP 11 II*
[icTtoe v](xuaiv A P I ili*
[xapxp]p'j|j.«Tx 7;eux.a [vau<Ji]v A P I II I*
[TCOCpJCppJujXOCTOC Tpi)(_lVZ [viZU<jI]v A P I l I I'
[cryotvjix bni\7\ [vxuoljv [A] P I 1 1 1*
[«yx-upoc?] vx'J'jIv A P 1 1 II.
' Das als Beilage zu den vUx X or. figurirende Decret zu Ehren des De-
mosthcnes habe ich aus dem Spiel gelassen, weil ich dieses Acienstück für
unächl halte.
' Zu Gunsten der ersten Möglichkeit kann noch angeführt werden, dass
nur zwei 'i'ricrarciien der E&xux.t)? genanal sind, ebciLso wie bei den vorher-
gehenden Öchinen, und dass also die Leistung vor die Einrichtung der
Syramorien zu fallen scheint. Aber auch dieses Argument ist nicht entschei-
dend.
AUS DEN ATTISCHEN SEEURKUNDEN i7
Es ist eine Zusaminenstellunü; von hängendem Gerätli für die
naves selectoe, welches in den letzten drei Jahren angefertigt
worden war. Vermulhlich war diireli einen Volks- oder llaths-
beschhiss die AnschalYung eines beslirnmlen Quantums von
Geräth angeordnet worden; solange dieses Quantum nicht er-
reicht war, mussten in jedem Jahr die bis dahin angeschafften
Geräthe besonders re^islrirt werden. Etwas anders aber ahn-
lieh hat sich Böckh S. 5 und 51 das Vorkommen dieses Ab-
schnittes, von dem er nur den Anfang.und auch diesen nicht
in genauer Lesung kannte, erklärt.
Di'itter Abschnitt Z. 103-119:
[ai)^(X(x]).o)[T]3{ xxhz iT3tp£>kaSo[{jt,sv (7)c]euv) xal XÄTeOetxev [et? to]
oi'-^[x7i]a5c, a 0pacru6ou)io[<; ejiof^.KTJsv. Das hierauf folgende Ver-
zeichniss schreibe ich, da es sehr verstümmelt ist, nicht um;
es genügt hier zu bemerken, dass die Zahl der Beutestücke
nicht beträchtlich war (1 7rzp(xppupi.x Tpi-/^tvov, 1 xy/coivx; 2 uxb-
poci 11. s. w.). Am Schlüsse des Abschnitts stand : [£v t-^ (7/.]euo-
Q'^KT] Tovo'jc [oct^[A«]'X[wjTou(; a^oxtfjiou; - -. Der Ausdruck t6voi
findet sich in den auf das Material der athenischen Marine
bezüglichen Aufzeichnungen nirgends gebraucht.
Bei welcher Geleo;enheit die Beute gemacht worden sei, habe
ich nicht sicher ermitteln können. Ich vermuthe, dass sie im
Verlauf der Operationen eingebracht worden war, welche Cha-
res im Jahre der Inschrift an der thrakischen Küste und im
Hellespont vollführte; und dass Thrasybul als Systrateg des
Chares oder im Auftrage desselben das erbeutete Geräth an
die Werflbehörde abs-elieiert hatte. Reste desselben werden
noch in der Urkunde XI aus dem Jahre 3 3^/29 (Col. c Z. 40
ff. S. 414 Böckh) als in dem oi'/.y)[X3c ou 6 oi^vipo? xsT-ai be-
findlich aufgeführt.
Vierter Abschnitt Z. 120-145:
[tuultcoc;] äpiOp-o? Tpr^po)[v tw^ ev xjoi; vswpioi; [ovttov y.]x\ wv 01
xpi'/loxp[yo'. £y(_ou]'7iv y.y.\ to)v ^£^[oaEvwv x,]xTa: (j^rj-^icf;.« [-Axl töv
u]7:«tÖp(o)v wv [7rxp£)va]Sop.sv Y,y.\ 7:ap£[$oa£v], y.xl tcöv O'.xoeot-
[(<.oi:<J[jle]vwv y,xl <7x.£y2)v [twv ^u'Xjivwv /.xl xpeaa[T':(x>v Tto]v ev toT;
28 AUS DEN ATTISCHEN SEEURKüNDEN
vswpio'.? [ovrtov '/.]x\ tGv rxp« to?; ['ptv)papx]ot; o-psiTiOi^-svaiv [)C<xl
wv Ol] o?/.i7Txl e/_o'j7iv [ot sf; Xepjp6vY]7ov y.£xl ^wv [T^r.pa txT; (?.]p-
)^xij Ö9si>.o;jLs[vfj)v xxl Toli; xx]j.lxi(; y.y-l [twv SiaSj£^tx.«5|/.evü>v*
[rpiiipsi]; HHHAAAAPIIII*
[Tocpp'oU7:]lvaC;HHPAAAA[i-)txl xcotcöv] HPAAAAII
apyufpiov]'
[r.n^x'Ki.x] iz\ vacO; [H]HPAAA[- )cxl --ü)]ep'/i TTYi^aXitov*
[•Ä>.iaz)ci§]s; sttI vocu? [-- %x]i p.ix x.Xi{/.x[xt;]'
[xovTol £771 v«]0;--
Nach Zeile 145 ist der Stein gebrochen ; es fehlen die Summen
der 7rxp«<Tt«Toci , i(jTol und xepxTxi und das ganze hängende
Geriith.
Die übergeschriebene Rubrik nennt die verschiedenen Be-
standtheile der vollständigen Urkunde. In dieser Aufzählung
entsprechen sich die vcoct« <|;'^(pi(y[xx Ssf^ojxsvai rptinpeii; und die
cxeuif) St Ol oUiTTocl e^^ouTiv Ol ei; Xsppöv/jaov. Nach Diodor XVI
34 wurden im J. 35 ^1^, nachdem durch die Eroberung von
Seslos durch Chares die thrakische Chersonnes wieder in die
Gewalt der Athener gekommen war, Kleruchen dahin abge-
schickt; diese Zeitangabe wird durch die Inschrift bestätigt.
Der Volksbeschluss, auf dem die Aussendung der Kleruchen
beruhte, war in der vollständigen Urkunde vielleicht als Be-
leg mitgetheilt, sowie in der Urk. XIV der analoge Beschluss
über die Aussendung einer Colonie nach Adria beigeschrieben
ist. Unter den Oikisten sind, wie aus demselben Beschluss
hervorgeht, die vom Volke bestellten Führer der Kleruchen zu
verstehen.
Ein glücklicher Zufall ist es, daas die Gesammtzahl der
Schiffe erhalten ist. Es ist ein fundamentaler Irrthum BÖckhs,
dass er bei der Bearbeitung der Marineurkunden sich von dem
allmähligen Anwachsen der athenischen Marine nach ihrer
Reorganisation im J. 378 wie es scheint keine Rechenschaft
abgelegt und im Widerspruch mit den von ihm im Staatsh. I
S. 375 aniicfi'hrlen litterarischen Zeognissen die Zahl der
Schiffe für die ältere Zeit zu hoch veranschlagt hat. Durch diese
AUS DEN ATTISCHEN SEEURKUNDEN 29
Vorslelliing ist Böckli niclit nur zu unrichtigen Ergänzungen
im Einzelnen sondern auch zu einer nach nicineiii L'rtheil
falschen Auffassung der frühesten unter den vorliegenden Ur-
kunden verleitet worden. Diese nemlich sollen nicht auf die
ganze Flotte sondern auf je einen der drei Häfen ansgeslellt
gewesen sein. Hierfür beruft sich Böckh hauptsächlich auf
die 11. Urkunde, deren Abfassung von ihm in die Zeit zwischen
370 und 360 gesetzt worden ist und die wenigstens 106 Schiffe
aufzählte. Diese Ui-kundc soll bloss auf den Hafen Munichia
ausgestellt sein. Aber Munichia war der kleinsle unter den drei
Häfen; waren in diesem 106 Schiffe stalionirt, so würde die
ganze Flotte auf nahezu 400 Segel zu veranschlagen sein, einen
Bestand den sie erst viel später erreicht hat. Ira J. 353 lagen
wie wir sahen 36 Schiffe in Munichia; wieviel in diesem Jahre
etwa in See waren, wissen wir nicht; im J. 357 (ürk. IV)
waren von den in Munichia stationirten Trieren fünf auswärts.
Bei der Reorganisation der Flotte im J. 378 wurde nach Po-
\yh. H 62 die Ausrüstung von 100 Trieren (200 nach Diodor.
XV 29) beschlojssen. Gegen Ende der siebziger Jahre erhielt
die Flotte eine ausserordentliche VeTstärkung durch die von Cha-
brias und Timolheos erbeuteten Schiffe, welche nach Ausweis
der Urkunde I in dieselbe eingestellt worden sind. In der ürk.
II kommen keine erbeuteten Schiffe vor. Es ist mir nicht un-
wahrscheinlich, dass diese Urkunde älter ist als die Urk. I
(Ol. 101, 1. 37 2/^ v. eh.); ja ein allerdings zweifelhaftes In-
dicium scheint auf das J. 37 ^/g zu führen. Isokrales veran-
schlagt in dem wie man glaubt um das Ende von 355 ver-
fassten Areopagitikos z. Auf. die athenische Flotte, wenn die
überlieferte Lesart Zutrauen verdient, auf mehr als 200 Schiffe
(w'Xeio'j; Tpf/ipei? -l ^ix/.oaix?) ; in dem von Demosthenes um
dieselbe Zeit in der Rede von den Symmorien aufgestellten
Marineproject $ind 300 Trieren in Anschlag gebracht. Der Ef-
fectivbesland hat nach Ausweis der Urkunde IV im J. 35 ''/(j
betragen 283 Trieren (383 nach Böckh). Nach einer toti Rosa
nicht gelesenen Stelle derselben Urkunde waren in den 5 Vor-
jahren 363-358 zusammen 31 Kriegschiffe gebaut worden.
30 AUS DEN ATTISCHEN SEEURKUNDEN
Diese neiigebauten Scliiffe, deren Zahl später noch vermehrt
worden ist, wurden zwar in die drei Häfen vertheilt, aber in
dem Marineetat als besondere Rangclasse unter dem Namen
der e^ziperoi -rpi-^pei; eingestellt. Im J. 352 war die Flotte^ wie
die V. Urkunde zeigt, auf 349 Trieren angewachsen ; die Ur-
kunde XI vom J. 330 registrirt 392 Trieren and 18 Tetreren,
zusammen 410, die Urkunde XIV v. J, 325 Trieren 360, Te-
treren 50 und Penteren 3, zusammen 413 Fahrzeuge. Aus den
vorsiehenden Daten ergiebt sich folgende Tabelle :
Ol. 100, 3. 37 8/7 Bestand der Flotte 100 Fahrzeuge
» 105, 4. 35^6 » » )) 283 »
» 106, 4. 35 3/.2 » . » » 349 »
)) 112, 3. 33% » » » 410 »
» 113, 4. 326/5 » » » 413 »
Obwohl uns für die ersten 20 Jahre des Bestehens der neuor-
ganisirten Marine die Daten fehlen, ist doch unverkennbar,
dass die Flotte ununterbrochen, Anfangs in schnellerem spä-
ter in langsamerem Tempo vermehrt worden ist. Aber das Ver-
hängniss Athens wollte es, dass, während das Flottenmate-
rial beständig wuchs, sich der persönliche Dienst und die
Handhabung der Marinegesetze, wie dies aus den Urkunden
und den Angaben der Redner hervorgeht, in umgekehrter Pro-
gression zunehmend verschlechterte. Durch dieses Missver-
hältniss ist es möglich geworden, dass um die Mitte des vier-
ten Jahrhunderts im ägeischen Meere neben der athenischen
eine zweite Seemacht in der makedonischen aufkommen konnte,
die vom ersten Tage ihres Bestehens an gegen Athen gerich-
tet war.
2. Die in den Mitth. V S. 44 ff. abgedruckte Marineinschrift
ist von dem Herausgeber dem Jahre Ol. 105, 4. 35 '/g v. Ch.
zugeschrieben und die von Böckh in das genannte Jahr ge-
setzte Urkunde IV in das folgende Jahr Ol. 106, 1 verwiesen
worden. Mir scheint die Sache nicht so einfacli zu liegen, und
da auch die Herstellung und Erklärung der letztgefundenen
AUS DEN ATTISCHEN SEEÜRKÜNDEN 31
Inschrift zu mancherlei Nachträgen Veranlassung gieht, fiir
welche im Corpus nicht der rechte Platz sein würde, so komme
ich hier auf dieselbe zurück. In meiner Besprechung bediene
ich mich einer neuen Copie der Urkunde, die ich der Gefäl-
ligkeit Hrn. Lollings verdanke.
Das erhaltene Fragment umfasst drei Theile; von diesen
bleibt der erste Theil (Col. a-b), welcher den Verzeichnissen
vorhandener Geräthe angehört, hier unberücksichtigt. Die
zweite Partie enthielt ein Verzeichniss reparirter Schiffe (Col.
b'C). Den dritten Abschnitt (Col. d) hat der Herausgeber er-
gänzt als von einer Liste gewesener Trierarchen herrührend,
die dem Staate Geräthe schuldeten, geordnet nach den Schiffen.
Er hat bemerkt, dass unter den Trierarchen Z. 32 ff. Demo-
slhenes und Philinos, Z. 50 ff. Demochares und Theophemos
genannt waren, und dass die hier erwähnte Trierarchie des
Demoslhenes identisch ist mit der vom Redner im euböischen
Kriege Ol. 105, 3. 357 v. Ch. geleisteten, die des Theophemos
und Demochares aber dieselbe, welche die erste Veranlassung
zu dem Rechtsfall war, in dem die Rede gegen Euergos und
Mnesibulos ([Dem.] 47, 20 ff.) gehalten ist. Er hebt hervor,
dass nach g 4i der Rede die Schuld des Theophemos und sei-
nes Syntrierarchen jedenfalls vor Ausgang des Jahres Ol. 105,
4. 35 '^/ß v. Ch. getilgt gewesen sei und schliesst daraus, die
Urkunde müsse von der Behörde dieses selben Jahres ausge-
stellt sein. Aber diese Argumentation ist austenscheinlich hin-
fällig; waren die beiden Trierarchen in der Urkunde als
Schuldner aufgeführt, so muss diese, vorausgesetzt dass die
Schuld im Laufe des Jahres Ol. 105, 4 getilgt wurde, älter
sein als dieses Jahr, was sie doch wiederum wegen der Schuld
des Demosthenes nicht sein kann. Dem Herausgeber scheint
nicht gegenwärtig gewesen zu sein, dass diese Übergabsur-
kunden am Ende jedes Jahres von der abtretenden Behörde
ausgestellt wurden.
Indess die Ergänzung der Columne d als Verzeichniss aus-
Stehender Schulden nach den Schiffen ist irrig; die Columne
enthielt, worauf schon die orthographische Bemerkung auf
32 AUS DEN ATTISCHEN SEEÜRKÜNDEN
S. 44 führen konnte, eine Liste getilgter Schulden, welche
nach den Namen der Trierarchen geordnet war. Die beiden
die Trierarchien des Denioslhenes und Euphemos betreffenden
Stellen sind zu lesen:
Z, 39 ^t>.Tvov A«xi(«r^/iv) Äy)ao'70[ev]"/)[v n;u(«vtä)], & etcI t-/iv
"Eo) o)[op]£'.Xo[v]* Tappöv, Tz-fi^xlix, •A\[>.]<x[xY..\.<ix(i],
xovTOu;, 7:x^x<sixxx[(i], ittov (Jt-eyxv, xe[p]xC[x;]
^izyixXx^)' TÖv Se y-psaauTüiv uttoC^ixöctoc, lotiov,
T07:[£tx], U7r6&>>*/iax, )c«T(y.ß>.7i[az], 7rap!zpu(jAXTx)
>>eu()tx), 7:apKpu(aaToc) i'p[tX_Jiv(ix), ay/tupK;'
Z. 51 Avijtoj(_apviv nai:xv['.a] 0£Ö<p'/i|^.ov Euojvufxex, [&] ettI T'/jv
Eu<puix 0'^£i[Xov* 0]7io^oip,«Ta, ittiov, aYJ4upx[;]*
und die dem Abschnitt, welchem der erhaltene Theil der Co-
lumne angehörte, übergeschriebene Rubrik muss gelautet ha-
ben : TO'j;^e Tpcr.pxpyou; aTüoS^vToc; Ta ö<pe'.'X6;j.evx axeuvi Tcocpeoo-
jjLßv oder dem ähnlich. Hiernach könnte es scheinen, als wenn
ein Zweifel daran nicht mehr möglich sei, dass die Urkunde
dem J. Ol. 105, 4 zuzuschreiben sei, wenn nicht die Urkunde
IV b. Böckh vorläge. In dieser werden in der zweiten Columne
die seit Ol. 104, 2 Jahr für Jahr neugebaulen v^s; E^xipsxoi
aufgeführt (es ist die oben S. 29 f. besprochene Stelle), am
Schlüsse der Liste des Js. Ol. 105, 3 aber heisst es von der
Triere Boütheia: txutiqv •^pLiepyov Trocpa^aßovTE? ex twv T'/iXeyo-
vEiov [v«u7wtiyi](iiv %£Tc--. Der unlere Theil der Columne ist
weggebrochen, aus einem späteren Abschnitt der Inschrift geht
hervor, dass noch einige Schiffe aufgezählt waren, die später
als Ol. 105, 3 gebaut waren. Nach den ausgeschriebenen Wor-
ten hat Böckh es wahrscheinlich gefunden, dass die Urkunde
von der Behörde des Js. Ol. 105, 4 ausgystelll sei; ich meine,
dass Jeder, der unbefangen an die Inschrift herantritt, diesen
Schluss machen muss. Dass ein Schiff drei Jahre lang un-
vollendet geblieben sei, ist an sich nicht gerade wahrschein-
lich, für unglaublich aber halte ich es, dass dieser Fall in
einer Zeit habe vorkommen können, wo Athen im Beginn eines
AUS DEN ATTISCHEN SEEURKUNDEN 33
für seine Machtstellung entscheidenden Seekrieges stand. Ge-
hört die L'rk. IV in das J. Ol. 105, 4, so muss die neugefun-
dene Inschrift in das folgende Jahr fallen ; ob in der Liste der
abgelieferten Geräthe ein zwingendes Argument gegen diese
Ansetzung zu finden sei, scheint mir zweifelhaft zu sein. Der
Beschluss alles ausstehende Geräth einzutreiben bildete ei-
nen Theil der umfassenden Rüstungen, durch welche sich
die Athener zur Bekämpfung der abgefallenenen Bundesgenos-
sen anschickten (Schäfer Dem. u. s. Z. I S. 147). Die Kriegso-
perationen seli)sL wurden, wie llr. Foucarl kürzlich nachge-
wiesen hat [Hev. arch. 1878 XXXV S. 227 ff.), in der Zeit
nach dem Anfang des Js. Ol. 105, 4 eröffnet, da Chabrias,
der bei Chios liel, frühestens im Anfang jenes Jahres noch in
Athen anwesend war. Eine so ausgedehnte Maasregel aber,
wie die Einforderung des ausstehenden Geräthes konnte, na-
mentlich bei dem bösen Willen vieler Trierarchen, wofür
die Rede gegen Mnesibulos drastische Belege darbietet, im
Verlaufe des Jahres schwerlich zu Ende geführt werden; zog
sich aber die Ausführung noch in das folgende Jahr hinein,
so entsprach es durchaus dem üblichen Verfahren, dass am Ende
des letzteren den Acten ein vollständiges Verzeichniss der ge-
tilgten Schulden beigefügt wurde.
Der zweite Abschnitt der Inschrift enthielt, wie schon er-
wähnt, Listen von reparirlen Schiffen. Die Athener haben im
Verlaufe des Bundesgenossenkrieges zwei Geschwader jedes
zu 60 Schiffen ausgerüstet, von denen das eine unter Chares
und Chabrias bei dem Angriff auf Chios zurückgeschlagen
wurde, das zweite später ausgerüstete beim Auslaufen unter
dem Commando des iphikrates und Timotheos stand. Der Her-
ausgeber meint, dass die in Col. b aufgezählten Schiffe zu dem
Geschwader des Chares, die in der folgenden Columne ge-
nannten zu demjenigen des Iphikrates gehört haben. Diese An-
sicht ist irrig; Col. c Z. 90 ff. wird die Gesammtzahl (cua-
xx; ap;0(;.oO der reparirten Schilfe auf sechzig angegeben ; also
war nur von einem Geschwader die Rede. Die Reparatur,
glaubt der Herausgeber, sei von den Trierarchen besorgt wor-
MITTH.D. ARCH. INST. VI 3
34 AUS DEN ATTISCHEN SEEÜRKUNDEN
den, -welcl'.e vom Slaat eine Entschädigung erhalten hätten.
Dies gilt nur von einem Theil der reparii'ten Schiffe. Das Ver-
zeichniss, welches zu Anfang vollständig erhallen ist, beginnt
mit einer Rubrik, die so zu lesen ist (Col. b Z. 41 ff.): aTrö Ss
TO'JTiov Txa§£ TÖv TDi'^pwv Toiv uTCxtöpitöv TTxpxrJoöiiatöv y,x\ S5t T^j;
uzepopiz; xxTax.Oj^-icÖEt'jWV yivxyxiZ'Txjji.sv tou; ["p]'i^[p]oip)(;ou? stti-
<j>c[s]ux(yx[vT]x; tyj 7:6>ie[t] «[tcoSoOvxi t«?] vxO?. Die zu dieser Ka-
tegorie gehörigen Schiffe waren von den Trierarchen, welche sie
in beschädigtem Zustande zurückgebracht hatten, natürlich auf
deren Kosten reparirt worden. Erhalten sind die Namen von
Jl Trieren nebst den respectiven Trierarchen, dann ist der
Stein gebrochen. Nach der Lücke folgt (Col. c z. Auf.): --
PAAAhht-h" /.e'pxXa'.ov [apyupio'j] ou oi ':pir;pxp[;(0'. e>izjSov eJ;
Tviv iziiav-t^rh] twv vswv XX HP -. Augenscheinlich ist in der
Lücke eine Rubrik weggebrochen des Inhalts, dass die zu die-
ser zweiten Kategorie gehörigen Schiffe von den Trierarchen
auf Kosten des Staates reparirt worden waren*. Z. 6 und 7
enthielten eine neue Rubrik, die so herzustellen ist: [s]Te[p]x?
[tJkt^s 'h [ttöjXi; C7:e'7x.e6x7£[v]. Es folgen die Namen von 13
Schiffen mit den Namen der Architekten, welche die Repara-
tur übernommen halten, und dem Vermerk der Kosten, doch
sind die Zahlen selbst auf dem Stein nicht beigeschrieben. Dann
heisst es : EOttTiOiz, 'A[xyvTOü spyov* ocutv) eaicBcüO'/j sv -rai; T^po)-
Tzi; tH/.oni y.xl Suoiv wocWu' apj^'.7S/.[Tcov] 'A|JLuvTy,; ettsitksux^sv*
o'jX äe evsXei'fö'/j y.al tote p,-/) izzxzKzn^-ny uTTspov Euippxvtop ap-
yiTSATWv iiz&ny.exjxfJZ'i' y.£(px>.xiov t'«; u7ro^oi;rou e7n'7y-£'jri[(; — ].
Die hier genannten 22 Schiffe können, so viel ich sehe, zu
einer der vorausgehenden Kategorien nicht gehört haben, selbst
den mir übrigens unwahrscheinlichen Fall angenommen, dass
eine Kategorie cjanz wea^ebrochen sei. Sie müssen für ein an-
O ~ CD
' Mau crwarlot vor der Summe des Geldes die Summe der Sctiiffe gezogen
zu losen. Iiidess war dieselbe vicllciclit in die iibergesctirichene Rulirik auf-
genonimeri. Die Geldsumme ist gering, entweder waren die Reparaturen
nur »iibedeulend oder die Zahl der Schüfe war klein. Dass die Trierarcheii
nur einen Zaschuss erhallen haben sollten, ist mir nicht wahrscheinlich.
Vgl. über die Kosten von Reparaturen Bückh ö. 196 ff.
AUS DEN ATTISCHKN SEEURKUNDEN 35
deres Geschwader, und zwar unter der Behörde des Vorjahres
aiisgeriislet worden sein. Die Heparatur der Enploia war da-
mals nicht heendigt und das Schiff zum zweiten Mal in Accord
gegeben worden. — Nach der Siimmirnng der für die dritte
Kategorie an die Architekten gezahlten Gelder, die ich über-
gehe, folgen in der Urkunde die Gesammtsummen der repa-
rirlen SchitVe (dufx-x; «ptO(7.o[c] Tpi'/ipcj>v wv '^[[xe]?; e::£'j/.eux'j[oc]-
[;.£v PA) und der für die Beparaluren vom Staate gezahlten Be-
träge. An die letztgenannte Rubrik schloss sich Z. 99 IT. ein
Vermerk an, der so herzustellen ist: ToC[5]e toö apyup([ou xa^e]
etoreTcpocj^^O'/i [-xpa tJcöv Kve7ctc/.[£uou(;] xa? vaC; [ave'X]z,[u]'7avTo>v
[ei; IOC vjscjpia ; die im Folgenden genannten Schilfe sind die-
selben, welche vorher in der dritten Kategorie als von der
Stadt reparirt aufgeführt waren. Diese SchitTe waren also in
früherer Zeit in beschädigtem Zustande in die Werfte abgelie-
fert und die für die Reparatur erforderlichen Gelder nachträg-
lich bei den Trierarchen eingezogen worden ^ Die untere Hälfte
der Liste der eingezogenen Gelder ist weggebrochen ebenso
wie der Anfang des zurückgegebenen Geräthes aufCol. d. Von
einer Angabe über die in demselben Jahre erfolgte Ausrüstung
und Aussendung einer zweiten Flotte, welche, wenn sie vor-
handen war, nicht vor der Columne c gestanden haben könnte,
erscheint in den erhaltenen Theilen der* Inschrift keine Spur.
In der ürk. IV finden sich über Rüstungen überhaupt keine
Angaben. Aber auch diese Urkunde ist verstümmelt auf uns
gekommen, und selbst davon abgesehen ist es fraglich, ob, vor-
ausgesetzt dass in dem betreffenden Jahre eine Flotte ausge-
laufen war, in der Urkunde der Werftbehörde Etwas über die
Ausrüstung derselben stand. Für die Ausrüstung der Flot-
ten wurden in der Regel besondere Commissionen, die a-o-
(jTo'Xer; eingesetzt, während der Schiffsbau andern Behörden
' Die VT,s; eI; t4 vEüioia ivitXxwofi^vat stehen im Gegensatz zu den vt.e; tr.a'i-
6pioi jta'i I« TT,; jTCEpopia; xaTiixofx.io8£raat in der ersten Rubrilc. Die lieraufge-
zogenen Trieren lagen in den veuiooixot, welctie einen Tlieil der vEiüpia bil-
deten.
36 AUS DEN ATTISCHEN SEEÜRKUNDEN
übertragen zu werden pflegte. Für ein zufälliges Ziisammen-
IrelTen wird man es kaum erklären können, dass in den vor-
liegenden Urkunden der Weiftbehörden mit Ausnahme der
letztgefundenen keine Vermerke über ausgeführte Rüstungen
enthalten sind. Die Flotte, die im Jahre jener Urkunde auf den
Kriegsfuss gestellt worden war, bestand ausschliesslich aus
reparirten Schiffen ; die Aiifbringung der für die Reparaturen
nöthigen Mittel scheint nach den in der Inschrift enthaltenen
Details nicht leicht von Stalten gegangen zu sein. Dies lässt
auf eine spätere Piiase des Krieges schliessen, als die ersten
Hülfsmiltel des Staates bereits verbraucht waren. In den neu-
sten Darstellungen des Bundesgenossenkrieges wird allerdings
die Ausrüstung beider Flotten Ol. 105, 4 gesetzt; nach Schäfer
(Dem. I S. 147 ff. vgl. die Zeittafel B.^III S. 328) ging die
Flotte des Chares im Anfang, die des Iphikrates in der zwei-
ten Hälfle des Jahres in See, v^'ährend nach Curlius (Gr. Gesch.
11!^ S. 460) i^deichzeitie zwei Geschwader au.sajerüstet wur-
den, um unter getrenntem Commando zu o])eriren. Aber quel-
lenmässig begründet sind diese Ansetzungen nicht. Nach
Dionys. Lys. S. 480 spielte sich der Krieg in den Jahren Ol.
105/4 und 106, 1 ab, während Diodor.^XVI 7 und 21 den
Angriff des Chares und Chabrias auf Chios etwas zu früh un-
ter Ol. 105, o, die Aussendung der zweiten Flotte aber unier
Ol. 106, 1 erzählt. Hält man hieran fest, so hindert nichts,
die ürk. IV in dem ihr von ßöckh zugewiesenen Jahre zu be-
lassen.
Die im Vorstehenden entwickelten Gründe schienen mir aus-
reichend zu sein, um die in den Mitlheilungen bekannt ge-
machte Urkunde für jünger zu halten als die Urk IV. Erst als
die Untersuchung, die ich nicht habe unterdrücken wollen,
abgeschlossen war, bin ich darauf aufmerksam gew^orden, dass
sich dasselbe in einer Weise erhärten lässt, die jeder weiteren
Discussion ein endgültiges Ziel setzt. In dem Verzeichniss des
abgelieferten Geräihes der neuen Urkunde Z. 20 ff. ist zu
schreiben: [(I>j'."XTvov Xa^/Mx^n^), [w]^- [;.e[Ta] tpst^ixxofu SuJ7r[s-
Tociwvo;] £7:1 T71V E'jTu;([izv] GScp[e]i[X£v]' Tscppoö, 7r71$X>i[ti)V, /.jXi-
AUS DEN ATTISCHEN SEEURKUNDEN 37
[[X«Ki^ci)v], jcovTüiv, •rcapx'jT[a]Tcli>[v, Lja[ToO] [^.eyaCT^o-j), xepxtwv
(xeyx(X(i)v). Die Trierarchen halten, wie aus der Fassung zu
schliessen ist, nicht das Gerälh selbst sondern den Werth or-
staliet. Danach ist in der Urk. IV Col. q Z. 75 IT. zu ergän-
zen : Eij7u[yix, ] £p[YoV Tpti[ipxpj(_oi] 4>i').[ivo? AKXtaSyi;], 4>£[i-
§17:7:0; EuTrerxtoJv]* Twv [^u^.ivojv e^o'jii] Tx[ppöv, TC/^dstlia], /t7i[i-
|jt.X]ci§x;, X.0VTOU!;], TC3c[px'TTxta;, idtJjv (/.eyCav)], xs[py.i3c; ixeyaXa?].
Die Stelle stand in dem Verzeichniss der SchilTe, welche im
Anfang des betreffenden Jahres in See waren. Daraus dass die
aus dieser Trierarchie sich herschreibende Schuld in der neuen
Urkunde als getilgt aufgeführt ist, folgt unwiderleglich, dass
die Urk. IV dem J. Ol. 105, 4, jene dem J. lOfi, 1 angehört,
da an eine spätere Zeit für beide Urkunden nicht gedacht
>verden kann.
Für den Verlauf des Bundesgenossenkrieges ergeben sich
aus diesen Bestimmungen folgende Resultate. Wie oben be-
merkt wurde, kann die Flotte des Chares nicht vor dem Herbst
des Js. Ol. 105, 4 ausgelaufen sein. Nachdem der Angriff auf
Chios zu rück cjesch lagen war, hat die Flotte der Conföderirlen
längere Zeit das ägeische Meer beherrscht. In Athen scheint
man sich in dem Glauben gewiegt zu haben, dass Chares trotz
des vor Chios erlittenen Echecs im Stande sein würde die See
gegen sie zu halten; dazu kam dass .las Flotlenmaterial in
Folge saumseliger Verwaltung \\\ schlechtem Zustande war
und die vorher beschlossene Eintreibung des geschuldeten Ge-
räthes auf Widersland und bösen Willen stiess. Erst nachdem
jene HofTnung sich als trügerisch erwiesen hatte und als die
Klagen der treu gebliebenen Bundesgenossen über die Brand-
schalzungen der Conföderirlen (Diodor. \VI '21 ) itnmer dring-
licher wurden, kam im Volke ein Antrag ein zweites Geschwa-
der auszusenden zur Annahme. Dieses Geschwader wurde im
J. Ol. 106, 1 ausgerüstet, in dessen weiterem Verlaufe sich
die übrigen militärischen Ereignisse des Krieges abspielten.
Der Friedensschluss aber kann wegen i\i'v dazwischen liegen-
den Begebenheiten kaum vor Anfang i\'d6 Js. Ol. JOB, 2 statt
gefunden haben.
38 AUS DEN ATTISCHEN SEEÜRKUNDEN
3. Diircli die Gute des Verfassers ist mir ein Abzug der
Abhandlung AKATOC von Leopold Brunn* zugegangen. Der-
selbe bespricht darin S. 62 ff. die Frage über die Zahl der
i(TToi a)4«Tsioi auf den atliseben Trieren und kommt gelegent-
lich auch auf die Zahl der Zygiten zu sprechen. Er entschei-
det sich dafür, dass Böckh mit Recht einen Kuttermast und
54 Zygiten angenommen habe und dass Grasers Aufsteilungen,
der zwei Mäste und 58 Ruderer statuirte, nebsl den daran sich
anscliliessenden Folgerungen zu verwerfen seien. Graser stützte
sich auf einige Stellen in den Seeurkunden, welche Böckh als
vei'schrieben bezeichnet hatte. Hr. Brunn hat den Wunsch ge-
äussert, dass eine auf eine neue Untersuchung der Originale
gegründete Mittheilung darüber gemacht werden möge, was
an jenen Stellen auf den Steinen zu lesen sei. Ich ergreife die
Gelegenheit dieser doch wohl an meine Adresse gerichteten
Aufforderung zu entsprechen.
Von den viei' von Graser angezogenen Stellen sind drei von
Boss verlesen, ürk. I a Z. 56 ist statt C'jyi]«; P'? aooKtaoi PH
zu lesen (uy^ja; PI, af^6y.t[;.o!. III. Damit fällt der einzige schein-
bare Grund 58 Zygilen für die Triere anzunehmen weg. Urk.
X c Z. 90 ist Boss von einer Zeile in die andere gekommen,
statt i<TTo[u;] ax,(XT£iO'j(; ist ZU lesen ictÖv «.[•AXTtt.ov], xspaizi; ax.sc-
Ts'iou^. Urk. VII l) Z. H steht auf dem Steine i<tt6v] AKATEION
ohne Zahlzeichen. Dagegen ist allerdings Urk. l 6 Z. 35 hinter
iffTov] KKccTsiov das Zahlzeichen I geschrieben, aber mitten in
einer Reihe von Gegenständen, die gezählt waren, so dass man
nicht gerade einen Schreibfehler anzunehmen braucht. Dass
die Triere nur einen Kultermast hatte, erhellt aus der oben
unter 2 besprochenen Inschrift. In dieser ist Col. 6 Z. 5. 6
zu lesen: icttwJv a/.xTetov api6[;.oi; [s-nrl vrO? -] A A A A I I.
Daraus ergiebt sich , dass die Zahl der Mäste derjenigen der
Schiffe entsprach, andernfalls würde erst die Zahl der Mäste
angegeben und dann fortgefahren sein ouTot yiyvovroct stcI v«0?
' Abdruck ans der FesfsctiriCt des Sleltiner Statltpymnasiiims zur Begrüs-
sung der .35. Philoiogenversammluncr (SlcUin 1880) S. 39-72.
AUS DEN ATTISCHEN SEEURKUNDEN 39
mit der Zahl der Schiffe. In der Ausgabe der Inschrift herrscht
an der ausgeschriebenen Stelle Verwirrung, der Herausgeber
hat eine Zeile übersprungen und die zu den /.sp^izi ijehörigen
Worte ajry.i yiyvovxKi vctA. auf die ittoI bezogen ^
Ich habe diese MiLlheilungen hier um so lieber gemacht, da
mir die Resultate flir Böckh charakteristisch zu sein schienen.
Man bewundert einerseits die unvergleichliche Solidität der
Forschung des Gelehrten, der sich an einmal als richtig Er-
kanntem durch scheinbar entgegenstehende Zeugnisse nicht
irre machen liess ; andererseits den liebenswürdigen Cha-
rakter des Mannes, welcher die Zuverlässigkeit seines Mitar-
beiters Koss nicht in Zweifel ziehen mochte und die in der
Überlieferung bemerkten Fehler lieber auf Rechnung der ano-
nymen Steinmetzen des Alterthums setzte-. Es ist eine Freude
in den Fusstapfen eines solchen Vorgängers zu wandeln. Man
wird nicht nur belehrt, man fühlt sich innerlich gehoben^.
ULRICH KÖHLER.
* [In dem Ructie La friere Aih^nienne von A. Cartault (Paris 1881) wel-
ches mir soeben zugehl, haben Orasers Hy|)Oihesen über die Zahl der Mäste
(S. 179 rr.i und der Zyyilen ( S. 128 ff.) Aufnahme iiefunden.]
'^ [IMachtrSytich bemerke icli, dass oben S. 28 Z. 7 /.. E. zu lesen ist: x»l
- \i]ifr\ ::T|5aXi'u)V.]
Zur Epigraphik von Kyzikos.
Vgl. C. I. G. II 3655-8695 add. 3695 ^'-s Le Bas P. V. Asie
Sect. VIII 1752-1759 = HamiUoii Researches in Asia Minor etc.
II Append. V 307-312, 314 und 315; ßer. d. Berl. Äk. 1860
S. 193-497 ; Perrot Exploration de la Galatie etc. I 84-90 n.
19-58 ; '0 ev k/tco^ei 'E"X"X. <I»t>.oX. :^j\\. iuYy. Trep. T. ^' (1872,
1873) S. 23 fg.; ßer. d. Berl. Ak. 1874 S. 1 %. ; Münclin.
Ak. 1875 S. 91 ; Rev, arcfi. 1875 Bd. XXX S. 93; 1876 Bd.
XXXI S. 99 fg., 350 ['g.=Ephemeris epigr. III S. 156 fg., Bd.
XXXII S. 26i fg.; Hermes XV S. 92 fg.; Millheilungen IV
S. 14 fg. [V S. 388%.].
Die vorstehende Übersicht der Literatur zeigt, welche Be-
reicherung die Epigraphik von Kyzikos seit dem Erscheinen
des ßöckhschen Inschriftenwerkes, vorzüglich in den letzten
Jahren erfahren hat. Eine systematische Durchforschung des
-weiten Ruinenfeldes müssfe dies Material noch erheblich ver-
mehren, aber es wäre schon eine dankbare Aufgabe die bisher
nur in Copien bekannten Texte einmal nach den Originalen
zu revidiren. Leider ist die Kunst des Abklatschens hier zu
Lande nicht nur für die meisten Antiquilälensucher ein eleu-
sinisches Mysterium, sondern gilt auch als geradezu über-
flüssig, ebenso überlliissig als genaue Angaben über Fundort,
Material, Dimensionen u. s. w. Wie wichtige Inschriften in
Folge dessen ganz unbrauchbar werden , mag ein Beispiel zei-
gen. \'or mehreren Jahren ward mir folgende Inschrift mil-
getheilt:
OK YIl KH N^l
YOMENOIENTHI
SEZTONIOYAION
O2AYNAZTOY0PA
5 QN ON . . . KAIO YTAT
«NAII....NHT...
ZUR EPIGRAPHIK VOiN KYZIKOS 41
IAI2ZE ßN....
N H SPAZI OY . . .
IMHTP02E1ZTHNT. . .
10 YERTEZTAS
AMATEYNE02THZB
MHNIOYTOYKH0ET
T OY <^QK\ Q.H0 1.
'0 SfSao;] 6 Ku^'.x-/ivtö[v xal ol irpayjy.aTsJuojxsvü'. £v -•/) [zoXei 'Pti)-
[AaToi] 2e^Tov 'IouXiov[ KotuJo; f^uvaaroO 0oz[r(ov. . . . u{]ij>-
v6v. . . Kxl [0]'j[y]xT[£pa Z. 7 : ßaffji>'.(j'j[av oder ßzai-
^(^^[v]? 'AvT]ü>v[ix; Tp'jpzijv/)^ [ß]z(7'.[>.. . . .] ay)Tpo; ei; tyjv [ttö-
"Xiv e]ue3[Y]s'7[i]a; [&v£K£v vpJx[tx](j,XTeOv[T]o(; t-^^ ß[&'j7/?j;] M'/iv'o'j
Die Ergänzung der Namen ist natürlich unsicher, aber man
erkennt doch, dass von einem Milgliede der ihrakischen Kö-
nigsdynaslie die Rede ist, deren Beziehungen zu Kyzikos durch
die beiden Dekrete Berl. Ber. 1874 Mi und IV, vgl. Momm-
sens bekannte Abhandlung in der Ephern£ris Bd. II S. 250 fg.,
zur Genüge bekannt geworden sind. Die in Kyzikos domici-
lirten Römer in Verbindung mit den Bürgern der Stadt kom-
men auch noch auf der Ehrenbasis des Kaisers Claudius vor
als CfivesJ RfomaniJ qui Cyzici [consistunl] et Cyzi'ceni], vgl.
auch noch die bilinguen Grabsteine Rev. arck. XXXil S. 268,
C.I.G. 3689 = C./.L. 111 372; Hamillon 3I5 = C./.L. 373, und
aus den Autoren ist bekannt, dass die Misshaiidlungen römi-
scher Bürger von Seiten der einheimischen Bevölkerung unter
Augustus und später unter Tiberius dazu führten, dass der
Stadt die Privileij;ien einer libera civitas entzasen wurden (Mar-
quardt Cyzicus S. 82). — Alle andern Ergänzungen sind na-
türlich Nichts als Vermuthungen : ein guter Abklatsch würde
erfahrungsgemäss alle Zweifel beseitigen.
Die hier milgetheiüen Inschriften befinden sich grössten-
theils im Museum des Syllogos und im Tschinili Kiöschk, wo
ich sie abklatschte und copirte; von andern benutze ich Ab-
42 ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS
klatsche und Copien, die mir zur Disposition gestellt worden
sind. Schlechte Copien von werthlosen Texten mitzutheilen
hielt ich nicht für angezeigt^ obgleich ich eine Menge solcher
gesammelt habe.
N" I. Grosse Marmorplatle, im Laufe des J. 1874 in Kyzi-
kos gefunden. Die obere linke Hälfte ist abgebrochen, doch
haben sich noch eine Anzahl kleinerer liriichstiicke erhalten,
welche sich genau an einander schliessen und eine Ergänzung
der Präscriplen der einen Liste ermöglichen. Andere habe ich
nicht unterbringen können, obgleich sie durch Material und
Buchstabenform sich als zum selben Stein gehörig ausweisen.
Diese vollständige Platte enthielt drei Prytanenlisten, ge-
rade wie die unter II zu besprechende, vermulhlich für die 3
aufeinanderfolgenden Monateeines Vierteljahrs: vollständig
ist jetzt nur noch die Liste des Thargelion ; von den beiden an-
dern haben sich nur die Reste je einer Columne Eigennamen
erhalten (Text s. Beilage).
a Tjs • • •<; Naux,7iYipo;, ['K7raip]p6^EiTos,
[Alovysivo;, [Tep]£VTiO(; ©yiffsu?, FL 'Ay.iXto; 'AyocOÖTrouc, ...wv
AioSoTou, IlptoTa; 'A.7:zMx. Links Fragmente dreier Namen.
b. 'l7C7rapj(^oOvToi; K>.. Xoctpeou t^'ocoo; t6 t,', Kpy< tspsco; 5s t-^; 'Acria;
vxoO Tou ev Ku'(Ut}) T. 'Op<piotj <I>Xaoutxvou $i\oypx(pou 3c«l i^PX'®"
peta; Ouißix; [IwXV/i?, ypap.'xaTSo; de ttj; vsü>-/.6pou ßoi»>[-/]i;] 11.
AiXio'j np65t>.ou 'EXevou xpuTavsi; oi [TipurocveuJcscvTs; [^-"^ya tov
©xpyvi'X'-övx 2sSk(JtsT;*
I Columne, . . .e(ox(p'/iyouj/.evo;, . . .pioo TcpuTavscp/v)?, . . . .ivo;,
. . .avo?, . . .cxpy'/i;, . . .'. (^dlx^yoi;, . . .a>.o;, ....<; Aia5oup.£-
vo;, . . . .oyovo;, . . .oci. 0zX^(;, . . .upo?, . . .xo;, . . . .[xo;, ....
'Ac/Aj'/iTa;.
II Col. A. Ouivio; Mx^'.t/o; t^-/)yviT^;, M. Ka,7(T)pi)tio; Aia^ou-
p.evo;, r. A£/.i'5[!,jo; iMxQiao;, F. Kxi'/ivJj? K^oiJtavö; BaXvi;, Map-
x[o;] Mou-/,'.ou, 'OvYiTicpopo; toj, F. Tou)kio; KpicTvo; Trpo^oSocpywv,
F. O'jzpio; Bx'jO.siSvi;, A. 'Avrwvio? SKyiviy.d;, A. Tupwvio; Kouzp-
To;, llo>>[\i(j)v ....]Xou, E'japE[(TTO? 'Ä<;y.)^]-/)7via$ou, 'E7r[
Aiadojup.evou, Ao Mav'/i;.
to
15.
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BEILAGE ZU MITTH. D. ARCH. INST. VI. S. 42.
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/EKfßliM-^rONeAPrHAiaMA/- TEBASTEJZ^
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rK'X'rf^^JOSKAn-AIMOSßAAHSl Ano AnwiAHSTOYAPTEMAS
T"rEPENT[Oi;<f'AABI>JoIEYTYXinM
MAEIOYIOS, BITAOX
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ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS 43
III C.ol. KXajuS. leSyjpo; ^nXoujxevo:, [. . Njcüvtc; Ai^tav?); Ntyep,
^["kiTclizoc,] 'ATTyl>,ou Bz>.epio;, 'A7:o[)^])>wvif^-/]; to'j 'Aprep-äi;, T.
TepevTto; <I>>.aS'-3Cvo; IvjTuyiwv, M. Aöiouio; BtT>.0(;, M. Ne[xepio;
'AvöeiTio;, MevscOeu; Mrjvoi^^TO'j, Fl. Bspyivio; *PoC(po;, 'ATceA'XfJ;
Tpö(pi[j.o?, 'ETTty.TvjToi; iu[JL<pöpou, lM$v3cvöoo<; 'AvTt[(p]'!Xou, 'Acry-^vi-
Tciö^wpo; Tou, A. 'lou'Xto; Auf^ixv^;.
C. M , Ti , noXuT6i(J!.o; . . . . , riwXXicov Vo . . . , Aou-
y.to; (auf dem Stein corrigirt aus n6-lir,^) ...., r. 'loüXio;
, 'Kpaäci; 'ApTEü.[i§ü)po'j], M. 'Or6vv(io;) 'l . . . , M'/jvöSopo;
, T. MeTTwvtoC; ], Tl. K>.. Aswv A , M. 'Hlzyx-
yx^. . . ., r. Ouxpio;. . . ., l\ 'lou>^io; Kp[7cxo;], A'.oyevvi? H. . .,
Kal^tiTo;. . . . , Tt. KX. n(xt5£p[(j)(;], Ti. Ka. 'PoD(]p[o;], 'Erraipoo-
Sfstro;], Ao'j/.io; OOa. . ., Paio; A£x.i^i[o;. . .], Msvxv^po; ,
KtTt^copo;. . . ., ny.u\oc llia-j'Xo'j], <1>xOgto(; 'Ov . . . , FXuäwv raio[u],
'Ay(xG67:ou[? . . . .], Atovu(jto(;. . ., M. 'Io'j"Xto; 2. . ., darunter (jjcv,
entweder 7rpuT0ive'j]'jxv[Ts; oder i-/.xWix]G(x,y.
Eine Copie des Herrn Limnios t^iht hin und wieder einige
leicht zu ergänzende Buchstaben mehr.
A'° 2. Grosse Stele von bläulichem Marmor. Sie ist identisch
mit derjenigen, von welcher Perrot a. a. O. n. 49 die Inschrif-
ten bereits. theilweise verölTcntlicIit hat. Über ihre Auffindung
berichtet Perrot S. 83: Nous rcconnümes, cn visitant les ruines
de l'amphühealre , qae de nombreuses stUes portant des inscrip-
tions etaieni engagees daris la comlruction , snrlouf au aud-est,
sur la gauche du ruisseau. J'allai chercher d Erdek iin oiwrier
qui reussü a degager, d faide d'une pince de [er, deux de ces
Sieles ; les autres etaieni trop profondement engagees dans la ma-
connerie.
Diese Stele ist gleichzeitig mit n. 1 hierhergebracht, leider
ist sie um den Transport zu erleichtern an Ort und Stelle in
mehrere grosse Fragmente gespalten, von denen einige entwe-
der dort verbliehen oder unterwegs verloren gegangen sind.
DieStele war auf den beiden Schmal-und der einen Breitseite
beschrieben; die beifolgende Zeichnung stellt die drei Seilen in
einer Ebene dar; die schrattirten Partien sind jetzt verloren.
H ZUR EPIGRAPIIIR VON KYZIKOS
Es ist zu bedauern , dass es dein ersten Entdecker nicht
möglich Avar sämmtliche In-
schriften vollständig zu co-
piren. Von der rechten Seite
(bei P. irrthümlieh als linke
bezeichnet) Averden nur 27,
von der linken (rechten) Seite
nur 26 Zeilen mitgetheilt,von
der Vorderseite gar Nichts.
Dagegen hat er allein von der
rechten Seite Z. 12-20; das
betreffende Bruchstück ist
wie es scheint verloren ge-
gangen.
Die Abschriften, die ich hier beilege, beruhen auf Abklat-
schen und Copien, die ich hier genofumen habe; eine früher
an Oi't und Stelle genommene Copie des D*". Limnios, sowie
eine spätere des Herrn D^ Schröder haben mit Nutzen verglichen
werden können; an verschiedenen Stellen erwies sich der Ab-
klatsch wegen des Kalküberzuges, welcher die Höhlungen der
Buchstaben bedeckt und sie nur fürs Auge fassbar macht, als
unzureichend.
Schon äusserlich ist es erkennbar, dass die Inschrift der
Vorderseite aus zwei Prytanenlisten besteht, von denen die
ältere von Z. 29 ab ausgemeisselt ist um der jüngeren Platz
zu machen. ÜherZ. 1 der jüngeren Liste sind sogar noch ein-
zelne Apices der älteren Buchstaben sichtbar und ist die Sen-
kung der Oberfläche des Steins von da ab deutlich zu erken-
nen. Später hat man begonnen die noch stehen gelassenen
Zeilen auszumeisseln, doch beschränkt sich die Zerstörung auf
Z. 1-7. Auch die Seitenflächen scheinen ursprünglich nicht zur
Aufnahme von Schrift bestimmt gewesen zu sein (den Text s.
auf den Beilagen).
I (Linke Seite). 'iTurrzp/'/i Xatpsa: to vi', ypxfAjAaxe'jovTo? t'^«;
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BEILAGE ZU MITTH. D. ARCH. INST. VI. S 44.
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ZUR EPIGRAPIllK VON KYZIKOS 45
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viou, '0/.Ty.oto; TepTtzvo; ßCxT.], T. Tepev(Tio;) "AA/.iy.o; ä'p-/i(you-
[;<svo;), Osivapio; E-jOs. . ., II. '0/t-(x(Sio;) [lep. . . ßy/rriAsu;). *^^~
TCO vs ixo^'A TITO )i)^(i). ßx(ori>keu;),[n]x7:ix; noiip-ojvo; ßx('>i>eu;), M6-
(j;^o; ToG ßxTiC^su;), fl. H>,w(tioO 'ApT2ixi$ti)(po?) 7;poq(o5xpyü>v),
U. n>.((i)Tir»i;) Bpuwv (jt.ua-:xp(^-/j;), F. 'Io'j>.i(o;) AoOtt-o; otvo(<p'j-
Xx^), ri. n>.to(ttOi;) A£0)vx{;, KXxu^io; KpTTTro;, Ti. K)k(au5io;)
*E(p>iSi>t(6;), r. RXCauSio;) 03(>.7cio;?) ZwutjjLo; £7:(i) Ouli^xTUiv),
Mouxtxvöi; TeleTcpopCou), fl, 'Ox-txS',(o5) 'Ovi^'Jijio;;, '0/.txo'.(o?)
Xxp(T(j)v, [nep-JepvCxi;) Oep-reu;, F. 'louX'Xoc;) nspiysvr,",, [Uj^p'-ys-
vv); Au^'/iiiS(iou), Ku/.Txto; S', 'Ai/AyiTCixSyi? Atoye(vo'j;), >f~.r/<.6-
<jTpx(ToO Axcpvou, 'ATTollwvto; 'ApTe[Jitj)(vo;), Neiy-xvSpo; S', flpsi-
[;aye(v7];) 'AA£^xvSp(ou), 'lou^ioi; ZwaijAOi;, Ai66cdpo; AiopoOso(u),
A. 'Ep'jy.'.o? Ilü)>>ia)v, p,'jcTai* 'Poöipo;, <I>xCi(770!; S', ©sÖTe'.p.o; Ky)-
7coup(nö), n. KXw^io; 'AvejjLSTViiToO» ÜXwCtio;) 'A<;/tX'/i77txo-/i;,
0£o5. . .TO? €'.
II « (Vorderseite, ältere Inschrift). 'Ap'.T. . ., ['Aj^o).. . ., 'A-
(SK\'fi[-x . . .], Asu/.io[; . . .], Bxx.;(^to[v 'A]>.xiSi[xSyi; . .]» Atovu(j'.[o;
. . . .],M-/iv6§ti)[oo; ], N'.-/.6u,x)(_[o? . . . .]^ ^'.oiioifioU. . . .], Xxp-
]jXh-i][c,. . .], , [I'jOxy[yeXo; ], Fopyov r6[pyo)vo;], Msvg-
cOsu; [MJsv[£76£ü)?], 'A-olXtovio; MsviTito-j, ''ASpx[T]To? M[sOS[i]ou,
Oilö^svo; Au7x[vSpou], Aio^wpo? 'l7r[7cxpj(_ou], 'Ap/eSioi; 'Ap;(eS[iou],
MevecTpxTo; 'AttxXo['j], 'lepwv A'/ia'/iTpiou, 6i65oTo; A-/i[j.viTpio'j, flo-
C'.TTV]; A'.o(^a)po'j, SsvoTip.o; nuOo/.X£iou;, «I'i'Xitit^o; <I>tAi~7:ou, 'AttoX*
^o^xv'/]; 'Ettixiou,
b (Jüngere Inschrift). FIpuTavei? Aiyixop£t; oi 7:p'jTx[v£u'jxv-
TE^ j;.-?Ivx 'AjpTEiJ.iTitovx Tov ETCi KX(«uStx;) Bx-icYii; ir[-xppu'JYi?,
Ypay.(x]xT£w; ßoulvi; noTrXioi» ^oL-j'Xßiou .... x.xl xx^^Oo^'^^cvTei;
TOV Txupeövx £[xl apj^^ovTo; . . .]o'J Aiovutio'j* MifiTp6^[ti>po]; o' «pYj-
youi^-svCo;), Ti. KX(au§ioO TtTtocvo? <[>iX(Ov 7r[p]'j':x(vxa;(_Yi<;), Mx(p-
xo;) M'/ixpof^cöpou 'poX(«pj^o;).
Linke Columne: 'loüXio; Aioy£vtx[v]6;, no'SiS'/)«; 'AptTTa)v(o;),
n. At'Xto? 'Ioo)iix[vo;] 'Ep[;-6§wpo;, 11. AöXXio? M[a^i]!Ao?, . 'ASx-
C5tav[To;] no)XXia>vo?, 'Avi/.viTO?, ßx'7iX£u?, . .
....o; nco'XXtwv 7:po'>o(5xp;(oiv), o; AovyEivo; K).xu(Äix-
v6;) {Aij(TTxp(;(^vi;), KpxTi5'/i[J!.o; ettI twv Ö'J{;.xt{i)v, [IxvTxyxOoi; 'Ap-
46 ZUR EPIGRAPHIR VON KYZIKOS
Tei;.i^wpou oivo(<pu'Xa^), üo'XeixoJv nspiyevou!; ßsc^tCXsu;), "Elto? Ms-
vav^po'j ßz«Ti(>su;), Aiy.aio; nsptysvo'j; ßx'n(X£uO, Zcoci^ao? TXu-
"/Co>vc<; ßxffi(>eu;), 'Axiv^uvo? 4>oiSoy, M. Xsp^cUio; 'PoOfpo;, T[i.]
KX. »I>6pY]T0(;, A. "O/tTocSio; 4>oi€iti)v, F. Bep'jX"A3cv6<; Msi^ta?, M. 'Av-
Twvio? 'Iou^iav6<;, T. <I»>.aSto; Kapro;, ^ojtiojv OxXXoO, 'IouxoOv-
§o; Mouy.oiiv^o'j, 2co'7Tpx':o; 'OT^uvzioSwpo'j lepiu; 'AippoSsiTVi;.
Rechte Cohimne: A. SeTrrif/.to? H..., ^Hrs/.X-fiTzioi^'/ii 'AiroX-
?^ti). . . ., M'/i^eio; r3t>8[p(ou], M. 'louCXioO nü)X);iti>[v], <I>ot:So; Fop-
vio'j, 2'jv^opo; ZwTcupou, 'lÜTcxfppoöeiTo; IIoX'jjcCpacTOUi;), Mevsjtpx-
(tyi;) Euyvwaovo;, [i.ucxxi' 'ASxt/CXvto; tüO, M. 'AvT(d(vio;) 'Ovvi-
(Ji(popoc, F. 'PüXJiSio; rioO^^ep, A. "AXSio; np£r('7xo;) 'AroXXo)*
v('.o;\ nXw(Ttoq) 'E7rx^p6-5£tTo[;], Mou^XioO n(i)>.)^i6>v 2o)x.pxTvj(;,
n. OOxXepio; Mx^tp^o;, Ti. KX. TeT^eTipopo;, A. Kxiv... 'E^acppo-
Ä£i[to^], Tl. KT.. Zwaip.o!;, E'jtuj(^o; 'ATCo)iXo)vi[ou], OpivxsTriüJv "Aip-
90U, EüTu^o; 'A(T/t>.vi7:«§o[c], F. Mai-/.'.o5 ^WT^p, 'A«5;c>.yiTCiaS'/i? Aio-
vuc(iou).
III Rechte Seile. Erstes Bruchstücke Perrot a. a. 0. N" II:
. . . .; AiovuTio; ^[xailtui;, T£]Xsa(popio)v 'AT/.'XvjTCtocSou ßx(<Ji>>Eu;),
['0]vY)oi!popo; S' ßa7(i).£u;), A.lIp£r(jz.o; K'XxuSikvÖ(; ßx(T(t>>eu;),[Ou]i-
6io<; isouvjpo; 6(pavT(;^<;?), .... <I>ou)^€(ioO 'Ectix^o; ( PerrOt :
A. ^»ou'XS. U. s. w.), [2£ouy)]po; Tpöipip-o;, . . . .uo; SiOT'^po;,
'I^xiou (P. : Kjxoc'.o; 'l^aiou), . . . Tpö^iao* (P. : Mtxp'/.ixvo; Tp6(pi-
p.oO, • • . .ouio; (P.: 'EJojpTio«; 'Ox.[Tx]outo^). Zweites jetzt verlo-
renes Bruchstück nach Perrot: 'Iou>.(io?) EuTuj^iwv/A/caco;? €',
[Xlxptjt.i[§vj<; 'Aff/.J>i[Y)]7:[i]o^a)p[ou, 2;]£[;to; (für "Est.)] K'Xw^to;
'AutxTixö;, Mou(r(a>vio;) 'Poutpou, Napxi-rrro; *Ap[y^]tvoou, M(xpx.O(;)
ÖxX>.6?, A. RxpTCo^opo;, 'AyxOoyA-^? 6' Ao[YY]£tv[ou]. 3tes Bruch-
stück . , .^to; . . . ., M7ivö(^wpo[; . . . ,] (P. : M. 'Ittxovei/.ou), F.
Kxl^eiaio'; (P. F. KaX^siato; Aufpi^to?), rioTxawv ^VOiCT«-
ouio; STpxTyiyixö;, M. 'I^ttwvio; T£>.£'7(popo:, F. 'Epuxio; Aouäio;,
'AAB^xvSpo; 6', K\. 'ETcacppo^EtTo;, K"X. 'Ep[X£ia? {AucrTap(j^viO, A.
Ncovi(oO Eu>.oyc(i)v (pi(lÖTei[;.o;), M. OuX(7:ioO KXxu(5ixv6??) Zw-
<nj;.o?, A. 2ou'X7ci>c[to; 'A7r]cXX';Q(;, XpTiOfxicov S', Ouxpto; <I>au(7TErvo;,
Mivxvöpo? 'ApTe(y.i^wpou, 'PoO(po(; 'Apröp-iSopou, 'Epfx^; Zo)tij(^ou,
F. Kappeicioi; noT«[jt.u)v, T£"Xeicpopo; Zo)iXou, 'Ovi^utjxo; €' 6 x(al)
T£X6(7(popO(;, M7ivd^ü)po;'lTC7rov£Uo'j, 'AttocX-zk; N6iX7i(pöpou, AfX^.toO
ZUR. EPIGRAPHIK VON KYZIKOS 47
Ai'\(ioc,) Bxj^^i;, llüTap,(ov S'.
Zeil der erhaltenen Pry lanenlislen. Von den hier nul-
gelheilten ist offenbar das Fragment, auf der Vorderseile von
N** 2 das älteste; es gehört der vnrrömischeii Epoche an und
mag ungefähr gleichzeitig mit den mithridalischen Kriegen
sein. Der Name As.\)y.\o; = Lucius widerspricht dem nicht: er
gehört zu denjenigen römischen Namen, welche bereits früh
in Griechenland und im hellenistischen Asien Eingang gefun-
den haben.
Hierauf kommt die Inschrift N" 1^, welche in die ersten Zei-
len Hadrians fällt, nnler welchem die Stadt das erste Neoco-
rat erhielt; unter den 32 erhaltenen Namen ist nur ein ein-
ziger Aelier (Z. 5. n. AJ'X'.o; npojcXo; °'EX£vo(;), kein Aurelius;
die auf demselben Steine befindlichen Listen a und c sind wohl
fijleichzeilig, wenigstens gilt, nach den vorhandenen Resten
zu urtheilen, von ihnen dasselbe.
Nicht viel später als N" 1* fällt die Liste I von IN" 2; denn
der in den Präscriplen genannte Chaereas Hipparch zum 8ten
Male ist offenbar identisch mildem Ti. Claudius Chaereas von
n. 1*, wo er Hipparch zum 7ten Male genannt wird; die Li-
sten 11'^ und 111 weisen sich ihrem ganzen Charakter nach als
gleichzeitig aus. Hie Aelier beginnen sich zu vermehren (IT.
Ai'Xio; 'louXiÄVOc; 'Epy-ö^copo; IK* 9, Ai'Xio; B^X/Ji ' "^^^ ACäio?
MöSe<jTO(; I 4i); dagegen finden wir von Aureliern keine Spur.
Die älteren römischen Gentilnamen: Terentii , Plotii , Nonii,
Oclavii sind vorherrschend.
Ganz dasselbe Resultat ergibt sich nun für die im C. J. C.
3661-3664 veröffentlichten Listen; insonderheit können die
beiden Verzeichnisse von Prytanen ans der Phyle der Aiyixo-
pet; C. /. G. 3663 und N" 2 II'' zeitlich nicht allzu weit von
einander entfernt sein. Denn offenbar sind der IT. ATXio; 'lou-
7vtx[vö;] 'Ep{7.6S(i)pos der letzteren mit dem T. Ai'Xio; TcuXcavo«;
'Ep|J!.6^ci)(po;) [ß]a((JiX£ij;) (pu(X!zp/^o;) von 3663^ 5, 'louXio^ Aio-
ysvtscvo; II'' 7 mit F. 'fouXio; Aioyevtavö; 3663,8 und 3663^,4, llo-
48 ZUR EPIGRAPHIK VON RYZIKOS
5i5^; 'A()i<STü>vo<; II* 8 mit dem gleichlautenden Namen 3663
9, n. nXwTiog AoyyeTvo; K>.auS(rocv?);) 3663* 8 mit. . . .o? Aovyet-
vo; K>au(^ixvjj;) II* 15 idenlisch.
Pry lanenordnung. Andererseits zeigen diese Prytanen-
listen eine grosse Abweichung von den früher bekannten, in-
sofern als 3661 und 3664 die Prylanie eines Monats stets auf
die Buleulen je zweier Phvlen vertheiien, sodass jede der sechs
Phylen viermal im Jahre und zwar zusammen mit einer an-
dern sich in die VryVdn'ie getheilt haben muss. Dies liisst sich
allerdings von 3662 und 3663 nicht mit Sicherheit annehmen,
da sie zu sehr verstümmelt sind ; von der letzleren ist es sogar
wahrscheinlich, dass sie wie die hier publicirten noch dem
System der einfachen Prytanien folgte; die Annahme dass etwa
die Prylanen jeder Phyle gelrennt verzeichnet wurden ist na-
türlich unstatlhafl. Da die Liste 3664 aus onomatologischen
Gründen später fallen muss, so glaube ich dass die einfache
Ordnung die frühere war ; auch 3661, trotzdem die ßou'X vi nicht
als veto/.opo? bezeichnet wird, kann nicht vor die andern ge-
setzt werden, wie Bückh gethan. In welcher Zeit diese Inno-
vation eingeführt wurde, lässt sich natürlich fürs erste nicht
bestimmen.
Auffällig ist das Schwanken in der Zahl der Prylanen; in
den vollständig erhaltenen IJslen — ich lasse die Fragmente
C. /. G. 3661 3662 36G3, Perrot N" 50 51, IN" 1 a und c bei
Seite — beträgt dieselbe: C. L G. 3664 1 fg. und '21 fg.: 50,
bez. 51, wenn die leer gelassene Z. 53 noch einen Namen ent-
hielt; N" 2 \\b: 51 ; und vermuthlich N" 2 III ebensoviel, da
die erhaltenen Fragmente 48 Namen aufführen. Dagegen gibt
N" 1 B nur 42 und die fast gleichzeitige Liste N" 2 I enthält
in ihrem jetzigen Zustande 38 Namen; da höchstens 3 bis 4
Zeilen fehlen, so ist es kaum zweifelhaft, dass sie ebensoviel
Prylanen aufi'ührle wie die ersterwähnte Liste. Die Zahl 42
sowiedie neu auflauchende Phyle der ^sSx^-rei; könnte beinahe
auf die Vermuthung fuhren, dass es zeitweilig in Kyzikos sie-
ben Phylen mit einem Rath von 504 gab.
Über die Phylen von Kyzikos hat Böckh zum C.LG. be-
ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS 40
reits ausführlich gehandelt; es sind die vier allionischen der
TeXsovTs;, 'OttX^ts;, 'Apya^ec;, Aiyucopei; und zwei sonst unbe-
kannte, die Bwpet; und Oivözs;, wozu jetzt die It^xGx&X^ hin-
zu kommen. Jene hat man seitdem in zwei andern jonisclien
Colonien wiedergefunden; in Tomi (Küstendje), wo 'Apyjt^ei;
und Aiyi/topei; und daneben eine «puXvi 'Pwj/iwv vorkommt (Per-
rot Mel. d'arch. 446 fg.) und in Perinlh, Dumont Inscript. de
la Thrace 72'-". Die zuletzt angeführte Insclirift gibt eine Na-
mensliste von Ma)te56vs?, 'AKxpvave;, noSapyoi, T E A E Y N-
TEZ, nPEIZ, AiriKOI, Koc'TTxXci; ; der Herausgeber
sucht hier nach thrakischen Völkerschaften, vielmehr ist statt
der nicht transscribirten Namen zu lesen : rjsXsOvTs?, Blwpsti;,
AiYuo[pei;. Das Vorkommen der B]<.)p£r5 in Perinlh ist insofern
von Belang, als hierdurch der alte gemeinsam jonische Ur-
sprung dieser Phyle wohl ausser Frage gestellt wird.
Böckh wollte durch eine Combination mit der Ephebenliste
3665 eine feststehende [leihenfolge der sechs Phylen gewinnen^
sodass sich die Prytanien der einzelnen Monate folgendermaas-
sen vertheilten :
Geleonles Argadeis Ister Monat Posideon Arleraision lOter Monat
Aigicoreis Boreis Cyanepsion Lenaeon Calamaeon liier »
üinopes Ilopletes Apatureon Antliesterion Pancmos 12ter >>
Die Reihenfolge der Monate ergab sich aus C. I. G. 3661 und
3664, deren Präscripten stets zwei auf einander folgende Mo-
nate angeben, den einen, in welchem die Buleuten der betr.
Phyle als Prytanen, den andern, in welchem dieselben als
)toc)^'X'.K^ovTei; fungirt hatten.
Dagegen linden wir jetzt in unsern neuen Texten, abgesehen
von den SsgxdTer; im Thargelion N" 1^, N" 2 11^ die 'Apyx^et?
im Artemision und N° 2 I die Hopleten im Calamaeon; auch
ergab sich aus der letztern {nschrift, dass auf den Artemision
nicht wie B. annimmt der Calamaeon sondern der Taureon
folgte, sodass das ganze künstliche System über den Haufen
fällt.
Die bisher bekannten Monate von Kyzikos sind : Artemision
illTTH.D. ARCU.INST. VI 4
50 ZUR ..EPIGRAPHIK VON KYZIKOS
Taureon N" 2 11^ (Artemision allein 3657, Taureon 3658), Apa-
tureon 3661, Kyanepsion 3662, Calamaeon Panemus 3663 N"
2 I, Posideon-Lenaeon Anthesterion 3664, Thargelion N" 1 ß.,
Berl. Ber. 1874 N" HI und IV. Den Namen Taureon , sonst
unbelegt, kenne ich noch aus einer unedirten sehr alten In-
schrift von Sinope. Die genaue Aufeinanderfolge der einzelnen
Monate wird sich ohne neue Funde kaum bestimmen lassen.
Die Präscriplen der Listen lauten verschieden :
]N° P: iTCTtapyouvTO? tou Seivo?, «pj(,iepe(j); Ss t-^? 'A^ioc; vocou
T'/j; veo)vt6pou ßou).^; toO SsTvo; ax-K., ähnlich 3662 (^px,i6ps]<i)? Ss
T>55 'AcU? V«OU TOU 6V Ku^Uo)
N" 2 I : i~TC«PX'ri Xaipe« t6 vi', Yp?c(/.t^xTSuovTo; t-^; vet05töpou
ßouV/i; TOU ^srvo;, ähnlich 3663 A mit dem Zusalz : IttI apxov-
To;OiV%ov]oU]Tpo(piixou; ebenso N" 2 11^: 7:puTavsi?-oi wpu-
TaveudzvTS? fi-viv« 'ApTe{;.i<Jiü)vac töv Irl KX. Boctcjvi? iTTTTxpxouavj;
)t«l Yp3ca(xoiTeo)5 ßou'X'/j? tou Setvo«; - sL-::». «pxovTo; . . .]ou Aiovurriou.
Allein nach dem Archon datirt 3664, 27 fg. u. 59 : appv-
To; TOU Ka)^)^i7rocp6evou to 6'; verdorben ist 3661 : iTTTCocpxouvTtov
TÖV Seivtov Ypa[;.aaT£(i)? tv); lepÄ; ßouX'w? NixOja'/i^ou? tou ß' x-ocTi-
Xi«px,oyvTOi, wo wahrsclieinlich ypocfJ^f^-a'reo)? - Ntxo{A'^§ou; tou b'
(s. u. unter Onomalologisches), ;t«X>i«pxouvTo; [tou SsTvo?] zu
lesen ist.
Die älteren Inschriften geben nicht das Amt des eponymen
Magistrats an(C./.G. 3656 3657 3660 Perrot, ß.yl. 1875 XXX S.
75, Hermes XV S. 62 fg.); andere zum Theil ebenfalls der vop-
römischen Epoche angehörigeC./.G. 2157, 2158,3658,3665,
3668, 3695^ unten N" 6, die Prytanenlisten, die Ephebenli-
slen bei Delhier Epigr. v. Byzanz S. 73 fg. (von denen ich
weiter unten nachweisen werde dass sie nicht nach Byzanz son-
dern Kyzikos gehören ) datiren nach Hipparchen bez.Hipparchu-
sen, woneben auch noch der llathsschreiber, der Priester des
Koiv^v 'A«7i3c; und einige Male der Äpx.ü>v genannt werden; eine
einzige ganz späte Dedication nach dem Archonten : stcI ap'
x6vT(i)v TÖV Tcspl TÖV ^eTvac, die Münzen nach Archonten und
ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS 51
Strategen. Böckh, welcher den Hipparchen für identisch mit
dem Archon hält, sieht sich daher gezwungen den apyojv von
3663 A 3664, 27 fg. 59 für den xaX^iap^^"^ zu erklären, was
jedoch nicht eben wahrscheinlich ist.
Ausser den in den Präscripten genannten Aemtern kommen
in den Listen selbst noch neben den Namen meist abgekürzte
Bezeichnungen vor, welche allerlei mit den Pr}'tanen in Ver-
bindung stehende Functionen bezeichnen, nämlich Tcpuracvap-
j^vi? N" 1 B 8, abgekürzt 7r[p]uT3c(v«pj^'ni;) N" 2 11^ 6; •^ox[j.\i.(x.iz\ii
x(ai) <puX((zpp;) 3663 ß 2, Yp(«}JL[xa-reuO 3 und 4 und A 1 ,H;
oCvo^uC^x^) ebd. Z. 14, vgl. N" 2 I 22 abgekürzt oivo((puX4),
wohl mit den Syssitien im Prytaneum zusammenhängend; ^u-
CkxpioO 3663 B 5 ist zweifelhaft, das Amt N" 2 II ß 16 sttI
Twv OujjLficTwv, wodurch sich jetzt Efl I O Y C./.G.3663 A 15 und
N" 2 I 26 Eno Y als stci 0u(X5c(-o)v) erklärt, kann mit den mo-
natlichen Opfern der Prytanen in Verbindung stehen. Mög-
licherweise aber gehört es zu den folgenden Ausdrücken, wel-
che vielmehr die Würde der einzelnen Prylanen bei den My-
sterienspielen bezeichnen :
C. 1. G. 3662 3, 3663 A 13, N'^ 1 ß 21, N" 2 lil 30 11 ß 15
(iu(7Tap()^viO, woneben zum Schluss vonN" 1 ß,3664, N°2 M^eine
Anzahl Muctoci besonders aufgeführt werden; die Sigle MYZT
Y
3664 1 und 2 und 85, 3663 ß 8 (M) und 9 scheint ebenso
aufgelöst werden zu müssen. Neben dem ^Mtsxxofyi^ figuriren
mehrere px^ilei; reges sacrißcuU: N" 3663 A fünf BA2 I, eben-
soviele 3663 ß (Z. 5 PA 1. ß3c;*10-l3) und N" 2 il^ (13 [g]«-
aazk 18 fg.); N" 2 I finden sich 6 ßx^aev; (Z. 10 13 16 fg.),
2 111 vier, doch ist der Anfang verstümmelt; unter dem Tcpo-
(Toaxpxojv NM ß 13 (3663 A 12 und 3664 1 und 33, N» 2 II
B 14 Trpoao; 3663 ß 7 xpodoS. ; N" 2 I 20 xpo?.) wird der Pro-
cessionsführer, unter dem KY/iYoufisvo? NM ß 7, N" 2 II ß 5,
114 wird der Erzähler der heiligen Legende, unter dem e^vj-
YYiTYi; iNM ß 7 der Zeichendeuter, unter dem I EP 3663 ß 10
ein Hierophant zu verstehen sein; unerklärt bleibt der ij(px\f-
x'fii N° 2 iU 5. Die Bezeichnung als ^'.(T^^TeipO) ^^ den Büi kh-
52 ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS
seilen Inschriften häufig, findet sich nur ein einziges Mal N" 2
III 31.
In onomatologischer Beziehungsei nurfolgendes bemerkt:
Die römische und griechische Namensform, erstere aus prae-
nomen /lowen co^7??o??ie??, letztere aus einfachem Namen mithinzu-
gesetztemVatersnamen bestehend,findet sich häufig nebeneinan-
der; dem römischen cognomen wird häufig ein griechisches hin-
zugefügt z. B. n. Ai'Xto? 'louTvixvo; 'EpfioSopo;, 3662 9 : V. Kaatno;
Auipt^izvb? Mevafv^po;] niclit M[-/)]vä; zu bemerken ist ^iXitütco«
'Attocaou Bx^epto? N" 1 ß 9 mit nacbgestelltem gentile (Momm-
sen Rom. Forsch. ! S. 41), doch ist hier der letztere so aufzu-
fassen wie KocXXtTTxo? SocTupou M7iv6<p'Ao; 3662, Zjco<yt[;.o; KXeccv-
§pou 'AtcoXXwveo; 3663; sonst werden beide Namensformen in
diesen wie in den gleiclizeitigen Prylanenlislen im C. I. G.
durchaus auseinandersehaltee ; allerdinijs sind die Namen im
C. I. G. nicht immer richtig gelesen, so hat Böckb die Namens-
liste von 3662 durch Ineinanderschieben der Columnen ver-
wirrt, so ist 3663 B 7 Tt. KX(au^io?) Tjavo?, nicht Ti. K>.u{x[s]-
vo;, ebd. 10 M. [lepTrspvy.; AiSuu,o[; zu lesen; doppelte 5'e«////cm
lassen sich nur selten mit Sicherheit conslatiren, da dieselben
ebenso wie die patronymischen cognomina abgekürzt werden,
vgl. jedoch 3663 ß 11 : 2e^. AzU(toO Ms-rtpio^ Sirsv^wv (nicht
le^To; Aoux.io? Ai'Xio; u. s. w.) ; in andern Fällen wie z. B. ebd.
13 Tt. K>>. 'lou. kann 'loy^ixvö? oder 'Iouaio? gelesen werden;
das erstere ist wohl durchgängig vorzuziehen; 3664 35 ist
Au(Xo;) Kai(/.ivy-) 'Iou(}^i4:v6;) 'Aa/.l'/iKi/x.^'/i^, nicht Aup-^Xio? Koci-
Jtio? 'louXto; u. s. w. zu lesen; ebd. 24 : 'FA^i. 'Ep[x-^; Mäox.o; S'
ist wolil in zwei x\amen zu trennen "E>.€'.(o;) 'Ep;j!,-^5 und MÄp-
x.o? (MapÄou). Erst in der einige Menschenalter späteren Ephe-
benliste, fast aus lauter Aurelicrn bestehend, fanden wir in-
correcte Nomenclaturen wie Aup(vl>.to?)'ApT%Ci>v I^oivto'j, Schrei-
bungen wie Mzp)to; AOp. ^^cj^reivo«; u. s. w.
Zur Bezeichnung des gleichnamigen Vaters bedient man sich
einer eigenthümlichen Abkürzung. Wie nämlich z. B. M^p-
xo; 6' (manchmal auscreschrieben ^i;) für Map/.o? Mapjtou tou
Mftp-Aou steht, so findet sich in den Listen MÄpxo«; xoö für MÄp-
ZUR EPIGRAPIÜK VON KYZIKOS 53
xo; Mapxou, vcjl. N° 1 ß 12: 'OvY]<Ti(popo; toO für '0. 'Ov/)<7t(p(5po'j ;
ebenso ebd. 10 'A7:o[>.]>.wvi5-/i(; toO 'ApTe[/x;, ebi.l. 15) 'Ac-cX-/]-
TTi^^opo? Tou; Moffp; tou ^^'' 2 I 1 S) ; 'aSx'7/4xv-:o; tou 11 li Ki.
Ohne auf die hier zuerst vorkommenden Eigennamen auf-
merksam zu maclicn \vill ich nur nocli bemerken, dass Kocr/i-
vö; N" 1 ß 10 auch wohl in AOp. Koc-zivo; o(i()5 2-'] steckl; der
zu Grunde liegende römische Name isl mir unbekannt. AoCi;:-
'KOi = Lupm N" 2 III 22 mit doppeltem TT findet sich ebenso
C. I. (.. oiSl , Dumont Inscr. de la T/irace N" 1 i und in />a-
pyris (Keil Anal. IGi A. 3).
An barbarischen jNamen fmde ich nur Mav?]; N" 1 B (auch
in der Inschrift Hermes XV) und Sxottxvvi;; letzterer hat im
Eranischen eine sehr nahe liegende Etymologie als «Hirt)>
(nps. scfioban).
Zum Schluss noch die Bemerkung, dass die Namensliste un-
ter den Inschriften incertorum locorum C. I. G. 0851 nach den
Namen und andern Angaben zu schliessen ebenfalls nach Ky-
zikos gehört und Fragment eines altern Prytanenalbums ist
ähnlich wie N° 2 II A.
Ebenfalls in der Sammlung des Syllogos befinden sich die
beiden metrischen Inschriften Kaibel 2i'i und Add. 874«^ de-
ren Text trotz der Abschriften und Abklatsche noch immer
nicht correct wieder";eü:cben ist.
Kaibel 244 = Curtius Berl. ßer. 1874 b-^i\. ^dll. Bd. H'
Anh. S. 9* Z. 1 Auf. sieht so aus: 0 EPZ E4) O N ATI ({) |-
AEPrO N , also wie schon K. vernnUhcte Oepcs'^dva ti — nicht
TU — 9USPY0V u. s. w. Z. 8 Anf. ETA H MOS, Ey^'/jp?, nicht
ey.^ao<; ; Z. 9 M. ist A E A A I A Y A O N geschrieben, Z. 11 A.
TT]AYZinONQ. Die Zeilenabtheilung des $ia. 26U. ist
ganz willkürlich.
' Beiläiifii,' isl diü.so Iri.schiil't uielil zuimsI \on Dr. I-onj;, sondern von
meinem Valor im Seplcniber 1854 entdeckt und cu])iil wurden, zu weicher
Zeil sie sich sclion am selben Orle befand.
54 ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS
Seitdem wurde mir noch eine in dorischem Dialect abge-
fasste jambische Inschrift von Kyzikos mitgetheilt, doch ist
die Copie zu elend um eine Mittheilung an diesem Orte zu
verdienen.
Kaibel 874a = ß. A. 1876 S. 270. Auf dem Abklatsch, den
ich genommen, sieht die erste Zeile so aus:
YY.v>»iuNt.KOiANEKO§MOYKAIX0ONO^lüni
bestätigt also mit Ausnahme des ersten Wortes die scharfsin-
nige Restitution Kaibels : T<j/t9pove x.o[ip]8cv6 xöWjxou xal ^6o-
v6[; 2apsc]75i, ebs. Z. 2 E. ist IZI noch deutlich zu erkennen.
Weihungen an Isis und Sarapis aus Kyzikos beschreibt mein
Bruder«, i. 1879 S. 257 fg.
Aus dem Nachlass des D"". Millingen gelangte in den Syllo-
gos der von E. Curtius Berl. Ber. a. a. 0. S. 2 fg. beschrie-
bene Stein; abweichende Lesarten finde ich keine zu notiren,
wohl aber sei es gestaltet für die beiden Erklärern wunder-
barer Weise entgangene Deutung der TrpcJTOi Bxx-pi Kuvotou-
perrai auf Lobeck Aglaoph. S. 1119 und Marquardt Cyzicus
8. 112 zu verweisen.
Eine Anzahl kyzikenischer Steine befindet sich seit Jahren
im sog. Museum von Tschinili Kiöschk; bei de,r unglaublichen
Unordnung aber die dort herrscht ist es mir nicht gelungen,
alle die von Gould Catalogue du Masee Imperial de Constanli-
nople verzeichneten Denkmäler aufzufinden. Andere die jetzt
als kyzikenisch bezeichnet sind gehören nach Thracien oder
Macedonien, andere sind in die provenance incerlaine verbannt
worden ; kurz die Verwirrung ist grenzenlos und der Besucher
thut wohl, den hübschen bilinguen Etiquetlen nicht allzu viel
Vertrauen zu schenken.
Eine Revision der bekannten Dekrete zu Ehren der Antonia
Tryphaena Berl. Ber. a. a. 0. N" III und IV ergab für IV keine
wesentlichen Varianten; mein Abklatsch stimmt durchaus mit
den Copien von Schröder und Millingen überein, dagegen las
ZUR EPIGRAPIIIK VON KYZIKOS 55
ich zu Anfang von N* III folgende gesperrt gedruckte Buch-
staben mehr :
Z. 1. 'EttI naur>(XVi[ob tJoO
Z. 2 f^J,. "E^o^ev TT-^ Pou)vvi xxl tw ^-j^jj.oj [YpajAaxTeu; t-?)? ßou-
^'^; ö oe?v3c (Jf-ec-/)!;] cttI Av)[X7iTpioü sZttsv* etteI || 'Avtcovijc Tpufpzivx
ßxaiXeti); no>.e[u'-(«)]v[o(; y.ocl ßscai^iT^vi; nuOo'WpiSjo; öuyaT'/jp xiv
ct{(dviov Toö ^asyiTTOu Oecov TiSepto'j SeßxcToO Kai^apo; o7/Cov xa2
II av auToO öta irxvxo; eurreSouda cuvzxOiepwffs || t'/] Ffo-
\iix^i 'AOvjvi^ aY3c>[j,x T'/j; ixTixpoi; «utoO II [2eS3C<7Tvi; N£i]x.7][<p]6-
pou [zflcp](x7iaSou<Ta zap« t^; iroXeo); Upvj'reizv aOT-fl[(;] II ev x'Ji
TTspfJu «YO[J.evY] «Te^sioc tGv nxv3cO'/ivai[o)v. . .] ■kxwxx aev to: zp6;
eüffeSstocv töv ©sSiv -/.oil xx || -va to eOo; acuf^; ejcrpETrC); o[I]ov
■rroXT^civ i£pou[ cruveJTTrX'flpoJCfev, t^ <^e spL^-jTw ^i>.«vÖpo>7ricj:
TTpO? II TS TOU? SVJ^tOpiOD; Xai TOU; C^Z^OUC 6J^pil(J0CTO,O);uTC[ ■.]
TÖV ^SVWV [ASTOC ■KX'j'fiq aTüO^O-^*?]; ETCl TS eu(7E II SstX '/.sei 6(7tÖTYlTl
)cai (pt'Xor^o^iix, ev Ss tw x.zt' sto[(;.-. . .] aiTOuari? (nicht drouffvi!;)
[xsv auT'/ji;, ttzvtwv os cruvTSTs'Xscjjt.evüJv jj S/tx'Xeci); HotTa tvjv ex.ei-
vvji; sCiceSsiav y.ai töv ktco t^; ['Acioc? ■. . .]v 6V7:6pci)v x.x'k.
Die Vermuthungen von Mommsen Ephemeris Ep. H S. 255
über die Ergänzung von Z. 4, welche sich besonders auf die
Lesart A YTfzN st. AYTOY stützten, haben sich nicht be-
stätigt. Auch die oa. 2u).X. 1872 Taf. zu S. 23 veröffentlichte
Copie Millingens hat AYTOY.
(Schluss folgt.)
Pera, 1. März 1881.
D-^ J. H. MORDTMANN.
Die Athena Parthenos^
(Tafel I und II.)
Die erste Frage angesichts derCopie eines berühmten Kiinst-
>verks ist die nach dem Grade ihrer Genauigkeit. Ihre Beant-
wortung muss die Grundlnge jeder weiteren üntersiichnng
werden. Da braucht man denn wohl kaum hervorzulieben,
dass die beim Varvakeion gefundene Alheiiaslatuetle, die wir
jetzt in zwei vortrefflichen Photographien von Romaides pu-
bliciren können, in den Grundzügen der Composition, dem
rechten Standhein, der Nike auf der vorgestreckten Rechten,
dem am Roden stehenden Schild, auf dem die Linke rulit und
unter dem sicli die Erichlhoniosschlange em])orringelt, dann
aucli in der Tracht der Göttin, dem gegürteten Doppeichiton,
der breiten Kragenägis, dem mitThieren verzierten Helm und
den hohen Sohlen durchaus der Vorstellung entspriclit, die
man sich nach der Leüormantschen Statuette und den antiken
Besclireibungen von der Partlienos des Phidias gebildet hatte^,
Dass die Lanze fehlt, kann nicht Wunder nehmen, sie ist
' Über die FiiiidumstäiKlo und die äussere BeseliafTenhcit der Statuette
vgl. die Notizen im let'ztcn Heft dieser Zeitschrift »880 S. 370, denen etwa
noch hinzuzufügnii ist, dass der rechte Flügel der Nike schon in alter Zeit
angeleimt war, wie aus zwei Paaren von Kreuzstrichen an der Bruchflächc
hervorgeht, auf die mich !> Treu aufmerksam machte. Ausser der Abhand-
lung von llauvctle-l^esnault im HuUclin de rurrespundanre hell. 1881 S. 54-63
ist an Lilteralur jetzt noch zu erwähnen: Dragatses im ParnassosB. IV H. I
b'. 33 ff. mit Holzschnitt. Newton Acadeun/ Febr. 12 1881 S. 124. Michaelis
Im Neuen Reich 1881 S. 353 ff. Cava<lias 'EniOEtÄpriais jioX. xa\ <fil. I S. 49 fg.
(mit HolzschMitt). Die Statuette ist seit einiger Zeil ins Centralmuseuman
der t'atissiaslrasse iibergofiilirt , woselbst sie links im letzten Saal steht.
' Vgl. ])csoiulers Michaelis Der Parthenon S. 32 11'. und S. 266 ff. Dazu
Taf. 15.0verijeck Gesch. d. griech. Plast. P. S. 252 ff. Die Schriflquellen
sind auch bei O. Jahn Pausaniae descriptio arcis AUienarum rec. ab Ad. Mi-
chaelis S. 14 ff. zusau!meni;eslellt.
DIE ATHENA PARTHENOS 57
auch bei der Lcnormanlsclicn Stalnelte \vegG;elasscn , offenbar
nicht in der A])sicht später aus Metall anj^'efüj^t vai ^verden.
Der Künstler unserer Copie wenigstens scheint aus Princip .-iiif
jeden Metallansalz, der doch z. B. bei den Äegissclilangen sehr
nahe lag, verzichtet zu haben. Es konnte ihm nicht enigelien,
dass eine Häufung der Attribute, von denen die Lanze jeden-
falls bei der friedlichen Auflassung der Göttin das entbehr-
lichste war, wobl am kolossalen Orio;inal scliön wirken konnte,
in der kieijien Copie aber eher geschadet als genützt liaben
würde. Zeii^t doch auch das Fortlassen der Schild- und Basis-
reliefs, dass er ein weit besseres Verstand iiiss für die Grenzen
des Maasstabes, in dem er arbeitete, hatte als der Verfevtiger
der Lenormantschen Statuette, der gleich nach der ersten rohen
Anlage der Figur schon mit den Nebendingen anfing, die er
doch nur in einem kurzen und unklai-eu Auszug; ^eben konnte.
Sprechen also diese Abweichungen keineswegs g/3gen die son-
stige Genauigkeit unserer Copie, so sprechen andere Thatsachen
sehr entschieden dafür.
Bei der Lenormantschen Statuette hat die Plinthe zur gan-
zen Figur ein llöhenverhUltniss von I zu 7 etwa*, bei der
neuen Copie genau von 1 zu 10. Lsl diese Tliatsache an sich
schon sehr günstig für die letztere, so v^ird sie es noch mehr,
wenn man das \'erhällniss der Basishöhe zur Basisbreite (dort
1 zu 3, hier 1 zu 4) ins Auge fasst; denn da auf der Basis die
Geburt der Pandora im Beisein von 20 Gottheiten dargestellt
war, so ist klar, dass ein niedriges Basenverhältniss dem viel
besser entspricht als ein hohes 2^ wie denn auch thatsächlich
auf der Plinthe der f^enormantschen Statuette nur G Figuren
statt mindestens 20 Platz gefunden haben. Dazu kommt die
Profdirung der Plinthe selbst, die an sich sehr seilen ist^, aber
seit kurzem eine allerdinofs schlaofcnde Analogie erhallen hat.
* Den fclileiuleu Husch iialiirlicli zui^rrcclinel.
2 Anders Micliaelis Im n. IJeicIi t^. 356.
3 Dütsclikc Aicli. Ztg. 1876 Taf. 2 Fig. 1 hikiel die oinzij^'e venvaiidlc ab
qnd zwar ist sie nur eine rohe Abkiirzuiiü; der der adicnischen Staluclle,
58 DIE ATHENA PARTHENOS
Die scharfsinnigen Untersuchungen Dörpfelds während der
diesjährigen Ausgrabungscampagne in Olympia halben eine
genaue Reconstruclion des Balhrons des olympischen Zeus er-
geben. Um einen Kern von porösem Muschelkalk legte sich
eine ümkleidung aus hochkantig gestellten schwarzen Kalk-
steinen, auf denen vorn die Reliefs aus Metall aufgeheftet und
die oben und unten von einem Profil begrenzt waren, das je
aus einem Äbacus und einer schrägen gekrönelten Fläche be-
stand, in welcher Löcher auf Befestigung eines Gliedes offen-
bar aus Melallblech weisen; dieses Glied war ohne Zweifel
ein Kyma wie an unserem Profil.
Da der Zeus, über dessen Höhe wir etwas genaues nicht
wissen, als sitzende Statue jedenfalls absolut gemessen nie-
drio;er war als ein stehendes Bild in einer nahezu eleichhohen
Tempeicella, so werden wir auch sein Bathron etwas niedriger
denken müssen. Nach Dörpfelds Berechnungen war es 1,114™
hoch. Berechnet man die Bathronhöhe der Parthenos nach der
Gesammlhöhe der Statue (26 Ellen = 12,012"), so beträgt sie
1,195™. Jenes sind 3 ^2» dieses 3 ^/^ olympische Fuss. Dass
auch in dem Verhältniss der Breite zur Tiefe (4,75 zu 3,58)
das Bathron der neuen Statuette gegenüber dem der Lenor-
mantschen mehr Glauben verdient, kann man daraus sehen,
dass es sich den Formen der Statue, besonders der Säule und
dem Schilde, genau anschliesst, während die Plinthe des klei-
neren Werkes, ganz entgegen der antiken Sitte, rechts ein ziem-
liches Stück übertritt. Bei dieser Gelegenheit seien auch :die
übrigen Maasse des Originals, wie man sie nach derselben
Verhältnissrechnung annähernd bestimmen kann, genannt:
Die Säule war 5,15'" hoch, der Schild 4,64™ ohne Untersatz,
der Kopf der Göttin 1,16'", ihr Helmschmuck 1,45™, die Soh-
len 0,17™.
Sicherer noch kann man dieGenauigkeitderCopie aus einem
andern Verhältniss nachweisen, durch das der Nike zur gan-
zen Statue. Es betrug 0,16 zu 1,035, also fast genau 4 zu 26.
Die Nike aber maass nach Pausanias ([, 24,5) nngefähr 4 El-
len, das ganze Bild (und zwar wie Michaelis aus der Höhe der
DIE ATHENA PARTHENOS 59
Cella mit Recht geschlossen hat incl. Balhron) 26 Ellen ! Eine
solche Übereinstimmung kann kein Zufall sein, sie deutet auf
eine Herstellung mit mechanischen Mitteln, auf eine Arbeit
mit Zirkel und Bohrer. Das bestätigen denn auch die drei ste-
hengebliebenen Messpunkte auf dem Rücken der Göttin,
die uns zeigen, dass wir es in der That mit einer mechanisch
hergestellten Copie zu thun haben. Nach was sollte aber diese
Copie in Athen, wo jedermann die Parlhenos kannte und ver-
gleichen konnte, anders ausgeführt werden als nacli dem Ori-
ginal selbst oder wenigstens einer treuen Nachbildung des-
selben ?
Eine Bestätigung hiervon bietet uns ein Vergleich mit den
übrigen Copien der Parthenos. Den von Michaelis aufgezähl-
ten lassen sich etwa noch folgende zufügen :
a) Statuette im Paliss iamuseu m (letzter Saal links). Aus
Xerochori in Nordeuhöa. Nicht publicirt. Penlelischer Mar-
mor, 0,6" hoch ohne Plinthe, letztere 0,06'" hoch, 0,33™ breit
und 0,24™ tief. Kopf und Arme waren besonders angeselzt.
Der linke Arm und rechte Unterarm fehlt. Auf dem Helm drei
Löcher für die Büsche. Freie aber nicht trockene Copie aus
später Zeit. Auf der Basis, die aus hymettischem Marmor ist,
die Inschrift:
K KA€AINETHIAIOA()jP
POYIEPHTEYCACAAOI
OH NAI
Das K zu Anfang, das P und Ol am Ende sind spätere Zu-
sätze. Von Schild und Säule ist keine Spur zu erkennen, was
auf den Gedanken bringt, dass die Basis erst später zu der Fi-
gur hinzugefügt ist oder dass die Attribute der Parthenos geän-
dert waren. Die Weihinschrift einer Athenapriesterin mit einer
Copie der Parthenos verbunden, hat die Bedeutung, zum er-
sten Mal auch von dieser Seite aus die Cultheiliskeit des Gold-
elfenbeinbildes zu ervYcisen. Sodann einige Statuen in Rom,
über die ich durch die Freundlichkeit der Herrn Flelbis: und
60 DIE ATHENA PARTHENOS
Furtwängler in den StanJ gesetzt bin, einige genauere No-
tizen zu geben.
ß) Statue aus dem Conservatorcnpalast auf dem Capibol.
Vom Es(]uiiin. Halbe l.ebensgrösse. «Es stimmt nicht nur das
Ganze, sondern auch das Dclail mit der Parthenos, so die zwei
svmmetrisciien Schulterlocken, die Medusa, der eigenthüm-
liche Knoten des Gürtels, die Schlangen der Aegis« (Furlwän-
gler).
Y) Torso in Villa Borghese Vorhalle N" 13. Höhe ca. 1™.
« Ganz übereinstimmend » .
^) Slatue in Villa Wolkonsky in Ilom.«Aegis und Schlan-
gen etc. ebenso».
e) Lebensgrosse Statue im Capitol Sala grande 16. Torso,
stimmt in allem wesentlichen, doch der Kopf ist ganz anders.
H. 1,G0"\ Das 1. Bein scharf gekrümmt. Kopf nach rechts ge-
dreht. Haarflechten hinten hinabhängend. Helm ohne Busch an
der linken Seite neben der linken Augenölen ung bestossen. Er-
gänzt beide Arme mit Schild. Gebrochen sind die Arme schon
unter der Achsel. Am Kopf Kinn und Stirn neu, ebenso der
1. Fuss in dem hervorstehenden Theil. Ansätze nicht vorhan-
den (identisch mit Clarac 462, 860?).
0 Statue im Pal. Colonna in Rom. ünpublicirt. 1,67™
hoch. Plinthe 0,17'" hoch, 0,52'" breit und 0,40"^ tief. Kopf
leise nach rechts gedreht. Arme ergänzt, ebenso der Helm-
buseh vorn. Erwähnt von Schreiber, Die ant. Bildw. d. Villa
Ludovisi S. 137, der auch y und e erwähnt, ebenso eine Sta-
tue in der Villa Medici, die aber durch keine Nachforschun-
gen zu finden ist.
vi) Slatue in Turin, unedirt, von ßrizio Ann. d. I. 1873
S. 43 erwähnt.
9) Xeugefundene Statue in Pergamon, mir nur aus einer
Zeichnung bekannt, von schwungvoller Arbeit, aber eine
ziemlich freie Nachahmung.
In Bezug auf die Athena des Antiochos in der Villa Ludovisi
ist jetzt auf Schre'bers Katalog N" 114 S. 135 f. zu verweisen,
der «Spuren von abaearbeite'en Gegenständen (von otda^er-
DIE ATHENA PARTHENOS 61
ten Tliieren?) zu beiden Seilen des Bügels, iheils an der
Vorderseile des Helms über der Stirn» erwälint. Von
freieren Copien wäre noch zu nennen :
t) Eine zweite Stalue in der Villa Borghese ganz wie die
von 0 verbeck (Ber. d, säclis. Ges. d. Wiss. 18()1 Taf. I) pii-
blicirte. Sehr frei. H. 1,15'". Ergänzt Kopf vom Halse an, der
r. und I. Arm, der unlere Aegisrand, die grosse Falle an der
1. Seite des Chiton, beide Füsse mit der Plinlhe. Ansätze des
Schildes sind nicht bemerkbar. Nach dem Stumpf zu urlhei-
lea hat der 1. Arm leicht gekrümmt oder gestützt herunlerge-
hangen. Der 1. Fuss ist nacii der Seite hin auflallig scharf ab-
geschrägt, alswenn hier ursprünglich etwas angehangen hätte.
k) Statue in Oxford Clarac 472, 898 C.
>) Statue aus Athen. Le Bas Mon. fig. Tf. 23.
(X.) Statue im l.ouvre. Clarac 321, 853.
v) Statue in Neapel (?). Gerhard Neap, ant. Bildw. S. 80
N"265.
l) Sintue der Villa Albani. Clarac 457, 845. Lenormant
La Minerve du Parthenon. S. 28. Nur in Gewandung imd Helm
der Parthenos verwandt. Eine neue Untersuchung aller Co-
pien speciell mit Vergleichung der neugefundenen Statuette
ihut Noth. Neben dieser (4), der Lenormantschen im Cultus-
ministerium [B) und dem Torso im Akropollsmuseum (C)
haben jetzt besonders die Minerve au collier im Louvre (D),
die Athena des Antiochos in der Villa Ludovisi [E) und die
in Madrid (F) eine erhölile Bedeutung bekommen, die man
bisher, offenbar wegen des Fundorts von BC diesen gegenüber
etwas unterschätzt hat. Es zeigt sich nämlich, dass sie in
einer ganzen Anzahl von Delailpunkten so genau miteinander
und mit A übereinstimmen, dass man die entsprechenden Züge
mit Sicherheit am Original voraussetzen kann.
Das Spielbein ist bei allen Copien in gleicher Weise, näm-
lich mehr seitlich neben als hinter das Standbein gesetzt. Vor
dem Standbein ist der Chiton von A in fünf verticale Falten
gegliedert, genau soviel zeigen trotz der Verschiedenheit der
Vollendung und Arbeit, B und C. Vom Knie des Spielbeins
62 DIE ATHENA PAUTHENOS
fällt bei A B D F eine zum Theil recht hart behandelte Steil-
falte herab, bei E ist sie (nach Schreiber) abgearbeitet. Die-
selbe Steilfalte kehrt auch bei mehreren lleliefen wieder (Le
Bas Moti. ßg. 46, Michaelis Taf. 15,17. Schöne Griech. Rel. X
55). Gewissermassen als Andeutung derselben, als Vermittking
nach oben ist der Chiton auf dem Oberschenkel bei ABC DE
in flache abwärts gehende Falten gelegt. An der Aussentläche
des Spielbeins findet sich bei A eine hart und unschön herab-
gehende Falte, die bei B angedeutet ist und bei DE Fax, der
Statuette in Madrid und mehreren Reliefen, z. B. dem eben
genannten, wiederkehrt. Die Behandlung des gewundenen
Chitonrandes an der rechten Seile stimmt bei AC D wenigstens
dem allgemeinen Charakter und der Zahl der Windungen nach
mit einander überein, bei den übrigen kann ich es den Ab-
bildungen nach nicht controliren, ebensowenig wie ich weiss
ob die Sahlkante, die Schreiber für E erwähnt und die man
sonst als echtes Kennzeichen attischer Werke der Blüihezeit
betrachtet, bei den grösseren Copien vorkommt. Bei A ist sie
natürlich weggelassen und auch bei dem etwas stumpf behan-
delten C fehlt sie. Bei ABDE^y^{?) endigt der Gürtel vorn
in einen Knoten mit Schlangenköpfen, bei C in zwei einfache
spilzzugehende Schnurenden. Die Diploisfalten , besonders die
Bandwindungen und die seitlichen köXtcoi sind bei allen Co-
pien sehr verwandt, die Aegisform mit den Schlangen ebenfalls
je nach Grösse und Ausführung ähnlich gebildet. Die Aegis-
medusa ist bei ACDEF^ und allen Reliefen ungeflügelt, die
Schildmedusa, die auf den Reliefen immer fehlt, ist bei A ge-
flügelt, bei B und auf dem Strangfordschen Schild nicht ge-
flügelt, was vielleicht dem Original mehr entspricht. Die seit-
lichen Locken fallen überall in der Zweizahl und derselben
Richtung auf die Brust nieder, der hintere Haarschopf ist bei
C in ein Band gefasst, die runden Löckchen vor den Ohren
werden durch die Übereinstimmung von A öZi(F?) in Ver'-
bindung mit den Athenaköpfen attischer Tetradrachmen als
dem Original angehörig bezeugt.
Die «breiten runden Formen» des Gesichts, die man bei B
DIE ATHENA PARTHENOS 63
und D hervorgehoben hat* und die auch bei E schon früher
auflfielen''', finden sich ebenso bei A und « ^viede^, der Blick
ist bei A D E [F?) ein klein wenig links (vom Beschauer),
sonst aber horizontal in die Ferne gerichtet. Der rechte Unter-
arm ist bei A horizontal erhoben, bei B schräg abwärts ge-
richtet, bei den übrigen Statuen fehlt er. Da ihn die Reliefe
durchgängig, die Münzen fast ohne Ausnahme in nahezu
horizontaler Lage zeigen, so hat auch hierin die neue Copie
die grössere Glaubwürdigkeit. Die Sohlen scheinen wenigstens
bei AEF von verhältnissmässig gleicher Höhe zu sein. Der
Schild ist bei A und B kreisrund und auch auf den Reliefs und
Münzen, wo er in Verkürzung erscheint, so gedacht, auch steht
er bei beiden Statuetten wie sonst zuweilen ^ auf einem unver-
zierten Untersatz. Die Sclilange ist ihrer Hauptbewegung nach
bei A und B (ebenso bei der Statue der Villa Borghese und
den beiden Reliefen bei Schöne XXIl % und XXI 93) iden-
tisch, nämlich darin, dass sie sich nach oben aufbäumend
den Kopf etwas unter der linken Hand der Göttin dem Be-
schauer zuwendet. Nur steigt sie bei A in mehreren, bei B und
den Reliefen in einer einzigen Windung vom Boden empor.
Für den kolossalen Maasstab wird man die complicirtereti
Windungen von A, mit denen überdies die borghesische Statue
und zwei andere Reliefe (Schöne V^ll 49 und Xil 62 = Michae-
lis 15,0) übereinstimmen, der stolzen aber einfachen Win-
dung der übrigen Copien vorziehen. Auch bemerke man, wie
geschickt auf diese W^eise der Kopf und eine VV^indung des
Leibes vor den Schildrand hervortreten, um auch für die Pro-
filansicht von der Schildseite die Bewegung des Thieres deut-
lich zu machen.
Für die Genauigkeit der Copie spricht aber vor allem die
in diesem Maasstab ganz ungewöhnliche Sorgfalt der Ausfüh-
* Michaelis Der Parthenon S. 276 und 278.
2 Meyer zu Winckelmann XI, 3, 26. Welclcer Alle Denkm. I. S. 434.
3 Clarac 472, 898 A. Sitzungsber. d. sächs. Ges. 18C1 Taf. I. Clarac 163,
864.
64 DIE ATHENA PARTHENOS
rung. Die Art wie die Helmbüsche und Backenklappen, nur
durch dünne PunLelli mit einander und mit den anstossenden
Theilen verbunden, in Platten von der Dicke eines kleinen
Fingers alle aus einem und demselben Block herausgehauen
sind, wie die Aegis-und Gürtelschlangen sich scharf und hier
und da ganz frei vom Grunde loslösen, wie die Erichthonios-
schlange .auf grosse Stücke hin vollständig rund aus der In-
nenfläche des Schildes herausgehoben ist, aus der auch die
Schildhandhabe dünn und frei hervorspringt, wie die Finger
der rechten Hand auf ihre ganze Länge hin sich nur in einem
kleinen Puntello nahe der Spitze berühren, dies alles muss
uns die höchsle Achtung vor dem technischen Können des
Künstlers und die Überzeugung von der grössten Genauigkeit
der Copie einflössen. Die lief eingeschnittenen Falten mit ih-
rem scharfgebogenen unterarbeiteten Rande und den losge-
lösten Troddeln mag man hart, ja hässlich und überladen
nennen, wie man sie auch bei der Athena des Antiochos ge-
tadelt hat, in kolossalem Maasslab und in Metallblech gedacht
sind sie nicht nur stilvoll und dem Material entsprechend, son-
dern verdienen auch das Lob absoluter Schönheit. Uns sind
sie jedenfalls weit mehr werth als die marmormässigen For-
men, die das Gewand vom Torso der Akropolis zeigt und die
trotz aller Frische doch dem Original ziemlich fern stehen.
Zugleich ist aber diese Genauigkeit der Ausführung ein Be-
weis, dass unsere Copie nicht aus guter griechischer Zeit
stammt. Der Grieche, speciell der Athener des 4, 3. ja noch
des 2. Jahrhunderts arbeilet freier, er überselzt sein Original
in den Stil des Materials, in dem er copirt. Im Marmor beson-
ders feilt er nicht so viel aus, lässt die Meiselhiebe oder Ra-
spelslriche gern unvermittelt stehen, kurz arbeitet gewisser-
massen d la prima, um die Frische der Arbeit zu wahren.
Wenn er polirt, was seilen geschieht, so polirt er höchstens
die nackten Theile, nicht das Gewand oder gar die Haare und
andere Nebendinge. Dass er, besonders W'o es sich um eine
Copie handelt, auch mit Zirkel und Messpunkten arbeitet,
kann man nicht läugnen, obwohl die Arbeil aus freier Hand
DIE ATHENA PARTHENOS 65
die Kegel ist. Niemals aber oder liiH-lislens in dt-n Haaren lässt
er den Bohrer oder andere spitze Instrumente so unvermiltelt
stehen wie es an unserer ('.opie in den Nasenlöchern, den inne-
ren Augenwinkeln, der MundölTnung und den Mundwinkeln,
der Vertiefung auf der Oberlippe und der Ilinnc auf der Un-
terlippe, den Locken und den Schlangenwindungen geschehen
ist. Ein rohes Auge trotz aller technischen Vollendung ver-
räth die Art, wie der innere Augenrand, die llalsfalte, die
untere Kante von Gewand und Sohlen zur stärkeren Markirung
eingeschnitten sind, alles Erscheinungen, die sich in demsel-
ben Maasse am Sphinxkopf und den Gorgonenhäuptern wie-
derholen , von denen soear die Schild^oreone noch scharfein-
geritzte Augenbrauen und Stirnfalten hat. Etwas hölzern, durch
einfache canalarlige Vertiefungen sind die Haare der Sphinx
und die Falten der Nike hergestellt; unschön sind die Falten
über dem rechten Fuss der Athena abgeschnilten, der selbst
in seinen Zehen eine harte Modellirung zeigt. Mangel an Form-
versländniss zeigen besonders die llachliegeuden Augen der
Göttin mit den schleehtmodellirten {lachgeschnittenen Augäp-
feln, die etwas plumpen Arme und Hände mit ihren langen
vorn aufgebogenen Fingern, die sich ähnlich an Grabreliefs
späterer Zeit linden ; endlich die unentwickelte Brust und die
formlosen Pfoten der Sphinx. Mangel an architektonischem
Gefühl beweist es ferner, dass man das ßlaltschema der Basis
nicht auf das Kyma, wo es hingehört, sondern auf den Aba-
cüs gemalt hat. Wenn sich daneben doch wieder hie und da
ein Verständniss für stilistische Eigenheiten des Originals zu
erkennen gibt, wie besonders in der ganzen Anlage des Ge-
sichts mit der scharfgeschnittenen Nase und dem energisch
modellirten Kinn, so lag das in erster Linie doch am Original
und wird man dem Künstler immerhin das Verdienst nicht
abstreiten können , ein stattliches Work, das mehr als ein blos-
ses Decorationsstück ist, mit allen Mitteln einer raffinirten
Technik hergestellt und uns eine Copic der Parthenos über-
liefert zu haben, die in jedem Betracht alle übrigen Copicn an
Bedeutung weit überragt.
MITtH.D. ARCH.INST. VI. 5
66 DIE ATHENA PARTHENOS
Wenn sich aus den angeführten Thatsachen auch für die
Zeit der Copie einerseits die Unmöglichkeit ergibt, dieselbe vor
den Beginn der römischen Periode zu datiren, so zwingt doch
andrerseits das reiche System der Bemalung^, die Imitation der
Formen durch Farben wie bei den Schlangen der Schildme-
dusa, das Vermeiden der plastischen Angabe der Augensterne,
wofür einecomplicirte Art der Augenbemalung eintritt, die sich
bei Terracotten aus guter griechischer Zeit v/iederfindel^ und
in der Augenbehandlung auf einigen strengrothfigurigen Va-
sen ihre Analogien hat 3, alles dies veranlasst mich, innerhalb
dieser Grenze lieber ein früheres als ein späteres Datum zu
wählen. Da nun auch die Athena des Antiochos nach der Buch-
stabenlbrm ihrer Inschrift keinenfalls jünger als die erste Kai-
serzeit (Welcker Alte Denkm. I S. 433 setzt sie sogar noch ins
zweite Jahrhundert v. Chr.) ist, so sehe ich in der That keinen
Grund, unsere Copie, die ganz ähnliche Eigenthümlichkeiten
der Formhehandlung hat, für wesentlich jünger zu halten.
Aus dem Stil der Malereien des Hauses, in dem sie gefunden
ist, würde man selbst dann nicht auf ihre Zeit schliessen kön-
nen, wenn für die römischen Malereien in Athen ähnliches
Material und ähnliche Arbeiten vorlägen wie für diejenige
Pompejis.
Nachdem wir oben eine Anzahl von Details der Copie wohl
ohne Widerspruch durch einfache Vergleichung dem Original
zugewiesen haben, gilt es, dasselbe auch mit den drei Haupt-
punkten zu thun, in denen sie von anderen Copien abweicht
oder mit ihnen we"[en schlechter Erhaltuno; derselben nicht
vergleichbar ist, der Säule, der Nike und dem Helm-
schmuck.
^ Ein paar rosa Faibspuren auf dem Gewand der Nilce, die aber aucli al-
lenfalls vom Kranze slamrnen l<önnlen, hal)en mir neuerdings die Vermu-
Ihung eingegeben, oh nicht ihr ganzes Gewand diese Farbe trug, die sich bei
Terracotlen, aber auch kleinen Marmoriiguren oft findet.
* Treu macht mich besonders auf zwei Terracotten der Eremitage in Pe-
tersburg aufmerksam.
3 So der Euphronio.svase späteren Stils bei Gerhard Trinkseh. u. Trinkgef.
XIV. Conze Vorlegebläller V, 5, 3 und 4.
DIE ATHENA PAfiTHENOS 67
Schon früher lialle Bötticlior aus einem Relief in Berlin
(Arch. Ztg. 1857 Taf. 105 S. 69. Michaelis 15, 7), wo unter
der nikelragt^nden Hand der Göttin eine Säule erscheint, ge-
schlossen, dass auch das Original eine solche gehabt habe.
Aber nachdem Welcker (Arch. Ztg. 1857 S. 101) behauptet
hatte, die fland ruhe nicht unmiltelbar auf der Säule, letztere
sei vieiniehr eine Andeutung des HeiligLhunis, in dem die
Scene vor sich gehe, ist man allgemein von Böttichers Ansieht
zurückgekommen V Dass die Hand auf der Säule ruht, sieht
jeder schon in der Zeichnung, vielmehr im Original, dass die
griechische Kunst Heiligthümer in dieser Weise, durch so nie-
drige Säulen nie angedeutet hat, ist bekannt. Da im Relief
ein statischer Zwang natürlich nicht vorlag, muss sie vom
Original herübergenommen sein und dies bestätigt die neue
Statuette. Freilich wird auch dieser gegenüher noch mancher
behaupten, dass eine Stütze bei einer Marmorcopie vielleicht
nöthig war, beim Original aber durch eine geschickte Con-
struclion der inneren Eisenträger wohl überflüssig gemacht
werden konnte. Oh dies überhaupt möglich gewesen wäre,
kann nur ein practischer Versuch lehren. Soviel aber ist sicher,
dass am Original, wo der Hebelarm zwölfmalsolang, die Nike
etwa lebensgross war (Quatremere de Quincy berechnet ihr
Gewicht auf etwa 3-400 Pfund ohne die Eisen im Innern) die
Stütze einer einfachen Rechnung zufolge viel weniger entbehr-
lich war als in der Marmorcopie, wo sie auch allenfalls durch
einen Puntello, wie deren oft vorkommen, ersetzt werden
konnte 2.
Einen li tierarischen Beweis für die Noth wendigkeit derar-
tiger Stützen in der Goldelfenbeintechnik bietet der Asklepios
in Epidauros^, der obwohl er weit kleiner als die Athena
Parthenos war, undolYenbar in der ausgestreckten rechten Hand
1 Stark Arcti. Zig. 1859 S. 92. Pervanoglu Arch. Ztg. 1860 S. 25 Anni. 7.
Micliaelis Der Parllietiori S. 280. Leriomianl La Minerve du Parlhinon S. 48.
2 So jetzt auch Michaelis, Im Neuen Reich 1881 S. 359.
3 Paus. II, 27, 2. Vgl. die Münzen von Epidauros: Fiiedländer Das kgl.
Münzcabinet N° 150.
68 DIE ATHEN/V PARTHENOS
nur eine Schale hielt, doch eine Schlange als Stütze unter der-
selben halle. Auf die Athena Parthenüs kann man diesen Aus-
weg jetzt, wo man die charakteristischere Stellung der Schlange
unter dem Schilde kennt, natürlich nicht mehr mit Scholl
anwenden, wie denn auch das Auskunflsmittel Quatremeres,
die nikelragende Hand auf den Schildrand zu stützen, jetzt
unmöglich ist. Am Zeus von Olympia mochte die Rechte auf
der Thronlehne ruhen, wie Quatremere und Overbeck (Griech.
Plast. ]3 S. 466] annehmen. Dass man aber, wo sich ähnliche
Hülfsmittel nicht boten, in der That einfache architektonische
Stützen verwendete, dafür kann ich glücklicherweise ein Ke-
lief und jnehrere Münzlypen anführen, die wahrscheinlich
auf grössere, vielleicht goldelfenheinerneSlatuen zurückgehen.
Auf dem Fragment eines Terracottareliefs aus Athen* sieht
man eine mit dem Kücken nach oben gewendete Hand, auf
der eine Eule sitzt (denn dies ist nach Schöne trotz des kleinen
Zwischenraums die Intention gewesen). Unter der Hand der
Athena (die nach Kekule mit der Archegetis Arisloph. av. 515
zn identificiren wäre) erscheint der Beginn einer ziemlich
dünnen aber ganz deutlichen Stütze (Kekule: nicssa sii quäl-
che soslegno). Auf einer archaischen Silbermünze von Ga-
laria in Sicilien'^ sitzt im Profil nach links Zeus Soter, die
rechte Hand, die einen Adler hält, ganz deutlich von einer
schlanken Säule gestützt, die man otTenbar mit Unrecht für
ein Scepter gehalten hat. ISoch deutlicher ist die Stütze unter
der adlertragenden Hand eines en face stehenden Zeus auf
kyprischen Bronze- und Silberinünzen ^, der durch die Strenge
der Stellung und den Aermelchiton stark an Phidias erinnert
und bei dem nur der Legende wegen die der symmetrisch die
Phiale haltenden Rechten weggelassen ist. Eine athenische
' Abgebiidel l)ei Schöne, Grio.cti. Rel. XXXV, 137, beschrieben von Ke-
kule Bull. d. J. 1868 ö. 50 f.
^ ('at. of gr. coins, Sicily S. 64.
* Ovtiibf'ck Kunslmythologie MünzLafVI II Fig. 28, dazu S. 164, wo er das
Eigeiitlnimliche des «kurzen gleichwohl niil dem Adler bekrönten Scepters»
anerkcnnl.
DIE ATIIKN\ PAHTIIRNOS 69
Bronzeniünze aus rüruiseher Zeit trägl das Bild oiiicr nach
rechts auf einem Felsstiick silzcnden Göttin (Demeter?)*, die
Unke, in der sie wohl ein unerkennbares Atlrihnt, vielleicht
Aeliren, hielt, t^'eradeaiis i^^eslreckt und auf eine Säule i^ide^t.
Die Fic,i]r kann weder Solon^, (ier seine Hand
über eine seiner Geselzesstelcn hält, noch The-
sens mit der Keule' sein, weil auf besser er-
haltenen Exemplaren (vj^l. den Holzschnitt)
die Figur deutlich weiblich und bekleidet, die
Säule aber nicht als Reide charakterisirt ist, ja
zuweilen sogar eine Andeutung von Kapitell und Basis hat*.
Auch auf einer Münze des Partherkünigs Artaban IM legt der
thronende König, vor dem eine Göttin steht, die ausgestreckte
Hand auf eine Stütze*, sodass also an einem Vorkommen dieses
Hilfsmittels auch in der entwickelten Kunst nicht gezweifelt
werden kann. Durch unsere Copie könnte man auch veran-
lasst werden, bei einer statuarischen Copie der Parthenos, der
Statue in Neapel ^ den Stumpf, der neben der Schlange an der
rechten Seite der Göttin auf der Basis erscheint, nicht für den
«Spiess eines aufgestützten Speeres», (Gerhard) oder einen
Schildrest (Lenormant) sondern für den unteren Theil einer
Säule anzusehen. Ganz analoge Beispiele sind die 4 Bron-
zestatuetten von Kindern aus Herculaneum, die Vasen oder
Masken auf einer dünnen Stütze vor sich halten'.
Indem Phidias zu einem derartigen Hilfsmittel grilT, folgte
er einer historischen Tradition, die sich seit alten Zeiten in
* Vgl. die ätinlictio Demetor als Beizeicticn von Tolradraclimon : Beule
Monn. dAlh. 334. Der Sitz ist bei Beule' S. 400 wüIiI fälsclilich als Stuhl ge-
geben.
2 Seslini Desci\ di med. (jrec.h. X 16. ("avedoni Mcmorie di relig. vior. e lelt.
B. V S. 35t. Beul^ Mann. dWlh. S. 399.
3 Prolvesch-Osten Inedüa S. 264.
< Beule' a. a. 0. S. 400.
5 Arch. Zig. 1866 Taf. 213 Fig. 14.
ß Clarac 462 D 888 Z^.Gertiard Neap. anl. Bildw. S. 27 N» 82. Gaz.d. beanx
ari.v VIII- 208.
^ Clarac 540, 1132 u. 1133. 756. 1846 f.
70 DIE ATHENA PARTHENOS
dei'Technikder Xoana und Goldelfenbeinstatuen gebildet hatte.
Die ISachbildungen der ephesischen Artemis auf Silbermün-
zen, die in Ephesos wahrscheinlich während der Herrschaft
des Mithradales geprägt wurden*, sowie auf Silbermünzen
Demetrius IIl von Syrien ^ und dann die ihr nachgebildete Fi-
gur der Artemis Astyrene auf Münzen von Antandros in My-
sien^, endlich die der Hera des Smilis auf Münzen von Samos
und seiner Golonie Perinthos* zeigen unter den vom Körper
abgeslreckten Armen der Göttin Stützen, die man früher und
zum Theil auch jetzt noch ^ fälschlich als von den Händen
herabhängende Ketten oder Bänder auffasst, die aber schon
dadurch dass sie zuweilen der Legende wegen schräg gestellt
sind, sich als Stützen zu erkennen geben ^. Bei der Artemis
sind die Attribute undeutlich, bei der Hera sind es zwei Scha-
len , also eine weit geringere Last als die Nike der Parthenos.
Diese Stützen hatten, wie die Münzen, auf denen Hera im Pro-
fil erscheint', zeigen, genau die Stellung schräg nach vorn
wie an unserer Statuette und ihre Gliederuns; in übereinan-
dergereihte Kugeln, die Overbeck (S. 14) als «Buckeln edle-
ren Stoffes (Metall)» erklärt, scheinen mir vielmehr die For-
men zu sein die sich durch die Technik des Drechseins in
Holz und Elfenbein ergeben^. Auf mehreren Ephesischen Mün-
zen (Head N" 1 und 6) sieht man ganz deutlich, dass die Stüt-
zen mit drei Füssen nach Art von Candelabern versehen, also
transportabel zu denken sind, einmal (Head N" 4) erscheint
unten eine horizontale Gliederung wie die einer Basis.
Schliesslich ist ja auch unsere Säule nichts anderes als die
Säulen- oder pfeilerförmigen Stützen, die unter den Armen so
' Head, Coinaye of Evhesus Tf. V, 2-6. Friedländer, Das kgl. Müuzcab.
N» 219 f.
^ Cai. of greec coins. Seleucid kings N» 449.
3 Zlschr. f. Num. VH (1880) Taf. I, 14.
♦ Overbeck Kunstmylli. 11 Miiuztafel I.
5 Head a. a. 0. S. 68.
« Vgl. Overbeck a. a. O. S. 14 und S. 187 Anm. 13.
■' Overbeck a. a. O. Fig. 1 und 2. Vgl. 3 und 10.
* Vgl. die Spiegelgriffe aus Plfenhein : Mus. Elrusc. II Taf. 99.
niE ATIIENA PARTFIENOS 71
zahlreicher Figuren aller Kunstgaltungen erscheinen, um von
den ähnlich angehrachlen IJaunistämrnen ganz zu schweigen.
Freilich fällt das Ilülfsmittel bei diesen wenigcM* aul,, weil die
ganze Bewegung der Figur darauf hin coinponirl ist, während
die Stütze bei der Alhena mehr wie ein von aussen hinzuge-
tretenes erscheint. Und man muss ja zugeben, dass sich das
ästhetische Gefühl erst schwer daran gewöhnt, ja dass ein gut
Theil von Archaismus in dieser Stütze steckt, ein Archaismus,
der für den llistorikep aber um so werth voller ist, als er ge-
Wissermassen ein Mittelstadium zwischen der leblosen derb
materiellen Compositionsweise der alten Xoana und der voll-
kommen entwickelten Kunst späterer Götterbilder repräsentirt,
die den materiellen Zwang unter der ideal gewählten Erschei-
nungsform zu verdecken weiss. Phidias ist hier wie auch sonst
nicht der Schöpfer eines neuen Compositionsprincips, sondern
der letzte grosse Repräsentant eines alten, das er in formaler
Vollkommenheit behandelt.
Betrachten wir aber die Stütze in ihrem Verhältniss zur
ganzen Composition, so müssen wir zugeben, dass sie ästhe-
tisch durchaus noth wendig ist. Schon früher hat man die
Leere der rechten Seite gefühlt und theils durch eine Schlange
oder Eule*, als Stütze der rechten Hand, theils durch reiche
Gewandmas^en auf dieser Seite ^ zu compensiren gesucht. Da
ersteres ganz unbezeugl ist, letzteres jetzt auch nicht mehr geht,
so bleibt die Säule als einzige Möglichkeit. Man nehme sie weg
und Schild und Schlange sind, da die Nike zu klein und hoch
ist, ohne Entsprechung, es tritt ein, was Cicero {Oi'at. 234)
für den Fall voraussagt, wenn man den Schild wegnähme, es
wird die collocationis imiversa species aufgehoben 3. Wunderbar
' Stark Arcli. Ztg. 1859 S. 92. Wiescler PliiIüloi,'Us XV, 552. Vgl. Brunn
Künstergescliiclite I 179 und Frieciericiis Arcli. Ztg. 1859 S. 47 f.
2 Overbecli Gesell, d. griecti. Plast. I ^ S. 254.
^ Engelmann (Areh. Ztg. XXVf 107) hat nacligewiesen dass die späteren
NaeliriciUen von einer Auflösbarl^eil des Bildes durch Wegnainne des Por-
träts des Künstlers auf dem Schild auf einem Missverständniss dieser Stelle
des Cicero beruhen.
72 DIE ATHENA PARTHENOS
hat es endlich der Rünsller verstanden, durch die starke Schwel-
lung des Schaftes einerseits, die den schwellenden Formen des
Fleisches entgegenkommt, und durch die Strenge der Chiton-
falten andererseits, die sie fast wie Canelhiren erscheinen lässt,
eine Annäherung ja A'crschmelzung der todten und lebendigen
Formen zu bewirken, die ihre Zweispältigkeit fast aufhebt.
Was die Details der Säule betritl't, so hat die Basis trotz
ihrer ungenauen Aiisfülirug doch deutlich die Form der atti-
schen. Das Kapitell besieht aus einem unteren Ilundslab mit
Leiste, darüber folgt ein geschwungenes nach Art eines Blatt-
überfalls gebogenes Glied, aus dem ein zweites nur obeuaus-
gebogenes heraus wächst. Das Ganze wird von einem quadra-
tischen Abacus abgeschlossen. Mein erster Gedanke war, dass
wir hier die Abkürzung eines korinthischen Kapitells mit
seinen zwei Blattreihen übereinander vor uns haben, später
wurde ich an gewisse Kapitelle elfenbeinerner llalbsaulchen
aus Spata* erinnert, die durch Vergleich mit der Säule des
Löwen ihors von Mykene als Kapitelle erwiesen werden und
eine verwandte Doppcltheilung zeigen. Man sieht wenigstens,
>vie sich derartige Formen leicht im Elfenbein bilden und da
Ja auch die attische (und ionische) Basis ohne Zweifel aufge-
drehtes Elfenbein oder Holz zurückgeht, so können sich auch
die Formen unserer Säule ebenso auf Elfenbein und Drehbank
zurückführen lassen wie die Stützen der alten Agalmata. Im-
merhin wird man es für möglich halten müssen, dass am Ori-
ginal Blattornamente aus Metall das Kapitell noch verzierten
und dem korinthischen annäherten. Auf jeden Fall hat diese
Form weit mehr Autorität als die des Kapitells auf dem Ber-
liner Relief, die entweder den dorischen Echinus oder wahr-
scheinlicher die, ionischen 2 Voluten imitirt, denn das korin-
thische Kapitell ist in Folge seines allseitig ausgebildeten und
leichten Charakters weit eher geeignet eine einzelne Stütze der-
art zu zieren wie das dorische und ionische. In jener Zeit
' Bull, de corr. hell. 1878 Tf. 14. 2. 13, 8. 'AOtivaiov 6 E' 60.
2 Sü aiicti Böllicher Arch. Zig. 1857 S. 69.
DIE ATHKNA PARTIIENOS 73
aber ein korinlhisches Ka[)ilell aiiziiiielimen , liat anifj'sichts
des korinthischen Kapitell js von Phigaiia und dci' Thatsache
dass Kailimachos^ dem diese Erfindung zugeschrieben wird ,
recht gut noch in Phidias Zeit liinaufdatirt werden kann*,
nichts aulTallcndes, zumal da die koriFilhische Kapilellform
sich ofl'ciibar aus Gerälh, l)esonders (^anddabern , gebildet hat
und unsere Säule eigentlich zwischen einer Möbelstütze und
einer architektonischen in der Milte steht.
Ebenfalls sehr überraschend und von einschneidender Be-
deutung, nicht nur für die Alhena Partheuos. sondern auch
für den Zeus von Olympia, ist die Stellung der Nike. Bis
in die neuste Zeit sind die Ansichten darüber so verscbieden
gewesen, dass die einen (Gerliard und Bötlicher) Nike von
der Gottheit ab, die andern ilir zugewendete^ die dritten aber
weder zu noch ab, sondern vom Beschauer aus ins Profil nach
rechts gestel-lt dachten '. Die neue Statuette bestätigt keine
dieser Ansichten genau , nähert sich aber doch der letzten am
meisten. Die Annahme, dass Nike derGöttin zugewendet war*,
hatte immer das missliche, dass sie so dem Beschauer den
Rücken gedreht haben und bei Zeus dem Gölte, der schon
ohnehin den Kranz trug, noch eine Tänie gereicht haben würde.
Jenes kann auch durch eine Schrägstellung des Armes nicht
ganz vermieden werden und dieses bleibt auch dann auflal-
lend, wenn man das Reichen der Tänie nur als eine symbo-
lische Handlung für den Gedanken : «Dein ist der Sieg und die
Siegvollendung» aufTasst. Ganz richtig halle Overbeck aber ge-
fühlt, als er meinte, die reine Profilstellung der Nike würde
den Anschein erwecken, als ob sie zwischen Zeus und dem
Beschauer wegflöge. Eine vollständige Abwendung dagegen
löst wie die Reliefe zeigen, besonders im Profil beide Figuren
' Bruna Ivünstlergeschichte I 252.
2 Lenormaiit La Minerve du ParthinoTx S. 44 ir. Overbeck Ber. d. sSelis.
Ges. 1868 S. 95. Gesch. d. gr. Pla.sl. I ^ S. 258 imd S. 465 f. Anru. 9.
3 .Michaelis Pailhenon S. 275. Petersen Die Kiinsl des Phidias d. 337
Anm. 2. Julius Die Agonaltenipel S. 9.
* Dasoe5*H-^vri xf,v Ninriv bei Arrian disa. Epicl. 2, 8, 20 beweist dafür nichl.s.
74 DIE ATHKNA PARTHENOS
zu sehr von einander, lässt sie gewissermassen aus einander
fallen. Die neue Statuette hat alle Schwierigkeilen gelöst wie
das Ei des Columbus: Nike fliegt schräg, etwa im Winkel
von 4;")° genau auf die Stelle zu, wo der andächtige Beschauer
oder der zu kränzende Sieger vor die Statue hintrat. Sie ist es
eigentlich, die ihn bekränzt und zwar bekränzt im Auftrag der
Athena, sie ist es die auch die ästhetische Vermittlung zwi-
schen der Gottheit und dem Sterblichen übernimmt, die durch
ihre Schrägstellung Athena, sich selbst und den Anbetenden
in ein einheitliches Ganze zusammenschliesst.
Wie erklären sich nun aber die Abweichungen der Reliefe
und Münzen? Wenn man die Statue von der Schildseite resp.
den Zeus von der Scepterseite ins Helief übersetzen wollte, so
konnte man zweifelhaft sein, ob man die Nike en face oder
im Profil geben sollte, denn das Halbprofil, das dem Original
entsprochen hätte, konnte in dem kleinen Maasstab leicht un-
klar werden. Auf den Reliefen, wo Nike gewöhnlich einen
Mann bekränzt, ist sie desshalb fast immer ins Profil gestellt.
Dennoch erscheint sie auf einem Relief in der Pinakothek
(Schöne XII, 62. Michaelis 15, 6) genau en face und auf einem
unpublicirten Relief^'ragment im Erechtheionsaal des Akropo-
lismuseums, das einen bärtigen Kopf im Profil nach rechts
und schräg darüber eine Nike mit dem Kranz zeigt, die mau
auf der Hand der Athena denken muss, hat die Siegesgöttin
genau die schräge Stellung, die unserer Statuette ent-
spricht. Diese beiden Beispiele wiegen gewiss die mit der ganz
abgewandlen Nike vollständig auf. Auf der Hand einer Athena,
die die Säulen einer panathenäischen Vase schmückt ^, ist Nike
einmal ganz einmal halb abgewendet. Den grössten Wechsel
finden wir auf den Münzen. Wo Athena Nikephoros selbstän-
dig auf athenischen Bronzemünzen oder als Beizeichen attischer
Tetradrachmen oder auch als Reversbild syrischer Silbermün-
zen 2 erscheint, da ist Nike meistens der Gottheit zugewen-
« Mun. d. I. X, 47 f.
2 Vgl. auch den Zeus Nikephoros auf seleucidischen Münzen: Cat. of gr.
coins. Stlfucül Kings passim.
DIE ATIIRNA PARTHENOS 75
det. Dies hat aber einen sehr einlachen Grund, der weniger
ästhetischer als rein materieller Naliir ist. Man hatte keinen
Platz, Nike abgewendet zu bilden. Bei den Münzen syrischer
Könige speciell hindert daran die senkrecht herabgehende Le-
gende. Ein sicherer Beweis dafür sind die Beispiele, wo Nike
wirklich einmal abgewendet wird, dann aber so nahe an die
Legende heranrückt, dass sie eine steife fast rückwärts ge-
beugte Haltung und eine ganz unklare Handbewegiing be-
kommt*. Wo die Legende keinen Zwang ausüble, ist in ana-
logen Fällen Nike sehr oft auch abgewendet, so bei dem Zeus
auf athenischen Bronzemünzen der Kaiserzeit^^ bei Athena auf
syrischen Münzen^, Zeus auf Kupfermünzen von Mostei in
Thrakien*, Kybele oder Stadtgöltin auf syrischen Münzen*.
Schwerwiegend treten auch hierzu wieder einige Typen mit
der erwähnten Mittelstellung, nämlich die elischen Mün-
zen Hadrians mit der Zeusstatue*^, die auf dem Florentiner
Exemplar im Profil links, auf dem Berliner im Profil rechts
erscheint: Auf jenem ist Nike ganz en face, auf diesem ganz
von hinten dargeslellt. Die Berliner Münze, die Zeus im Halb-
profil links zeigt'', gibt Nike ebenfalls en face.
Michaelis schloss aus dem Belief in der Pinakothek und da-
raus dass die Nike des olympischen Zeus nach Pansanias eine
Tänie hielt, auch die Nike der Parthenos habe eine solche als
Attribut gehabt^. Angenommen selbst Pausanias habe dies rich-
tig überliefert (was mir bei Vergleich der Florentiner Münze,
wo es ein flachgehaltener Kranz scheint, noch sehr zweifelhaft
» Z. B. Cat. ofgr. coins. Selevcid Kings Tf. XI, 9. XIII, 12, 14. XVII. 5.
Erträglicher ist es, wenn die Arme durch die Legende hindurchgehen : eben-
dort XXI, 3. XXII, 2.
2 Beule Mona. d'Aih. S. 396.
3 Catal. ofrjr. coins. Syria XX, 6. XXII, 4. XXIV, 2. 19.
* Catal. o/'gr. coins. Thrace S. 206.
5 Cat. of gr. coins. Syria XII, 2. 3.
« Priedländer Monatsher. d. Beri. Akad. 1874 S. 499 Fig. IV und V.
'' Arch. Ztg. 1876 S. 34
« Michaelis Der Parthenon S. 275 und noch ganz neuerdings im Neuen
Reich 1881 S. 358.
76 DIE ATllENA PARTHENOS
isl) SO folgl doch daraus nichts sicheres für die Alhena, und
auf dem Pinakothekrelief ist das Attribut, selbst vollständig
abgerieben, die [fandhaltung aber passt ebensogut für einen
oflenen Kranz. Ein solcher ist aber in der That der Gegen-
stand, den unsere Nike hielt. Denn eine Tänie, ihrer Natur
nach leicht, wird weder mit beiden Fäusten gehalten wie wir
es hier sehen, noch hat sie eine runde nach der Mitte sich
verdickende Form wie dieser Gegenstand (wenn man von Ano-
malien wie der Kopftracht des Asklepios absieht), sondern
sie erweitert sich umgekehrt grade an den Enden, die immer
mit Bändern geschmückt sind und über die flach ausgestreck-
ten Hände herüberfallen. Für die Nike der Athena hat der
Kranz schon deshalb die grössere Wahrscheinlichkeit, weil
Nike allein und auf der Hand der Alhena nicht nur auf athe-
nischen Münzen* sondern auch auf gut erhaltenen Reliefen ^
immer dem Kranz hält, wenn auch zuweilen den gebundenen
Kranz mit einer Hand. Auch Athena selbst setzt diesen oft
einem Anbetenden auf: Ancienl marhles of the Brit. Mus. Bd.
IX Taf. 36, 1. 35,4. Arneth Die ant. Cam. d. k. k. Münz-
und Antikencab. XIX 12 = Müller- VVieseler D. d. a. K. H 434.
Den olfnen Kranz, der an beiden Enden, meist nach unten
hängend, gehalten wird, finden wir sehr oft auf Yasenbildern
als Attribut der Nike oder des Eros, auch einfacher Mädchen 3.
Am meisten Analogie aber hat mit unserer Nike neben dem
erwähnten Relief des Akropolismuseums die Terracottafigur
' Ueulii Mann. d'Ath. S. 172.
2 Arch. Ztg. 1857 Taf. 105. Schöne Griech. Rel. XXI 93 (?) XVI 75. Vor
allem aber das eben erwähnte Relief des Akropollsmuseunis, wo die Arme
nur etwas mehr auseinander gehallen sind, sodass der Kranz eine flachere
Lage erhält. Danach wird man auch den etwas unklaren Gegenstand in der
Hand der Athena auf einem unpublicirlen Fragment des M'ächterh.luschens
als Kranz auflassen müssen.
3 Mon.d. I. HI 30. IV '23. Vit. IX 50,51,52. X, 47 d f. Gerhard Ap. Vas.
XV. Klr. u. cymp. Vas. Taf. G. Comple r. p. 1872 Tf. VI 2. p. 1860 Tf. II.
Benndorf Gr. Vas. XIX 5. M Illingen Vas. Tal". VII. Üverbeck Kunstmyth.
XIII, 14. Lcnormanl u. de Witte Elite ccr. IV 83.
DIE ATIIRNA PAHTHENOS 77
eines Mädchens (0,145'" hoch) die aus dem Piräus slammtjn
soll:
Die Armhaltung ist dieselbe, der
Kranz nur etwas kleiner. Aehnlich
aber roher sind zwei weibliche Tcr-
racollallgurchen im Varvakeion,
bei deren einer grösserer der Kranz
indessen nur auf das Gewand ge-
malt gewesen zu sein scheint. Die
kleinere trägt eine hohe Stephane.
Auch bei ihr ist der Kranz wie bei
der abgebildeten einfach glatt be-
handelt. Bei zwei TerracotUifigür-
chen im Louvre*, die einen genau
so geformten Kranz, aber beide En-
den in der linken Hand tragen,
sind die Blätter durch Modellirung
deutlich angegeben, bei den obi-
gen Beispielen und in der Marnior-
slatuette waren sie offenbar auf-
gemalt.
Für den Kranz gibt es nun aber eine weitere Bestätigung
in den SchaLzurkunden des Hekatompedos. Tn mehreren 2 der-
selben wird als ungewogen ein (jTe(p«vo; ypuaou?, Sv t) Ni/cr. e;(et
£71:1 Tvj; KtoxlriC, vi £7:1 t?!? yfiipo? toO Kya)^{Ji3CTo<; tou /puf^oG auf-
geführt. Ausser diesem Kranz, den Nike auf dem Kopf trug,
erscheint C. /. /l. I 148. 151 ff. ein <7T£<p:cvo(; -/pui^ou?, 8v ri Ni/.vi
i'izi, dessen Gewicht auf 70 Drachmen angegeben wird, also
wie Böckh und Köhler benierkt haben, zu viel für einen aus
Goldblättern bestehenden Kranz einer lebensgrossen Nike. Er
ist also nicht mit jenem zu identificiren. Und dennoch kommt
er C. I. A. II 719. 727 zusammen mit Theilen, die offenbar
* Heuzey Fig. ant. de terre ruile 25, 2 iiiiri 26, 2.
2 C. I. G. 151 =6'. /. A. II 667. C. I. G. 150=6'. /. A. II 652. 'E?. ipx-
N. F. 429 Z. 18.
78 DIE ATHENA PARTHENOS
zum grossen Äyx>(Aoc gehörten, vor, muss also auch von die-
sem stammen. Es kann also nur der in der Hand der Nike sein
und die Unterscheidung tfz\ sv tyj Ks^aXvi von h/ti allein
scheint eine wohl überlegte zu sein. Dieser selbe Kranz ist
es aber auch, auf den die Worte der verstümmelten Inschrift
C. /. C. 151=C. /. /t. II 667 gehen : . . . .aeya^^ou «wo t^? yei-
p6? Tvi; Ntx'/i;. Zwar hat Köhler* vor (Asya^ou ergänzen wol-
len : itpKTripo;, da anderswo [C. I. A. 11 668 Z. 12) ein y.pst-
Tvio at/tpo; vorkommt. Doch da dieser ein Gewicht von 2569 */2
Drachmen hat und ein noch grösserer auf keinen Fall in der
Hand unserer Nike, ja ein Krater überhaupt nicht in der Hand
einer Nike vorausgesetzt werden darf, so ist vor p.sya'Xou offen-
bar einfach aTetpscvou zu ergänzen, sodass durch das [xeyoc'Xou
dieser Kranz zugleich passend von dem auf dem Kopfe der
Nike unterschieden ist. Natürlich war er aus einzelnen Zw^ei-
gen mit Blättern aus Goldblech zusammengesetzt, die von den
Enden nach der Mitte zu gelegt waren. Ich halle es deshalb
für sehr wahrscheinlich, dass die ttetä'Xoc lo^^ySt tixioccix ktco
Tou CTScpavou 3v 71 NiJtvi ej^st tq stüI tyji; /stpb; toG aya'Xjj.xxo?
[C. 1. A. II 645 Z. 21. 675 Z. 11) und der GaUo? xP'^tou; tts-
xaXoiv TSTxy.ptov (C /. A. II 174 ff.) eben von diesem Kranze
stammen, dem auch das Gewicht von 7 Dr. durchaus ent-
spricht. Die >;-/iavi<7z.w ^uo die mit unter derselben Gewichtsan-
gabe vereinigt werden, könnten die Bänder an den Enden des
Kranzes sein, die auch bei unserer Statuette, wenngleich in
unklarer Weise, von der linken Hand niederhängen.
An der Flügelhaltung unserer Nike zu zweifeln liegt kein
Grund vor. Dass sie auf dem Relief der Propyläen und den
Zeusmünzen in die Höhe gerichtete Flügel hat, beweist nicht
für das Original, da sie in der Vorderansicht nicht gut anders
sichtbar gemacht werden konnten und die andern Reliefe und
Münzen sie schräg abwärts gerichtet zeigen.
Die Helm form derGöttin ist die des engen attischen Helms,
die ihr bekanntlich von jeher auch da wo bei andern Personen
Millheilungen 1880 S. 96.
DIE ATHENA PARTIIENOS 79
der korinthisclie Helm auflriLt oder überwiegt, ganz durcli-
gängig eigen ist und die erst seit der zweiten lläll'le des V.
Jahrhunderts durch letztere verdrängt wird.
Da Pausanias nur von den Thieren auf dem Helm s{)richt
und die Lenormantsche Statuette auch diese nicht einmal zeigt,
so hat man bisher allgefnein angenommen, dass die Parlhe-
nos keinen eigentlichen Busch gelragen habe^ Die 'J'hiere sind
aber so wohl mit dem Buscli zu vereinen, dass sie vielmehr
in ihrer plastischen Ausführung gar nicht ohne ihn gedacht,
vielmehr als Stützen des Busches auigefasst werden müssen.'
Während die Statuen natürlich hier meist verstümmelt sind,
fehlt auf Reliefen, Gemmen und Münzen, wo die Thiere an-
ders als im flachen Relief erscheinen, nie der dreifache oder
wenigsten einfache Busch, so an der Alhena und dem Ares
des barberinischenCandelabers^^ auf den attischen Tetradrach-
men , deren Zurückgehen auf die Parthenos man früher ans
ganz ungenügenden Gründen hat läugnen wollen ^^ und der
Gemme des Aspasios^. Überall ist der Busch die HHUj)tsache,
nie fehlt er auf den Reliefen, die Athena mit dem engen Helm
zeigen, und wenn er hier auch meistens der Kleinheit wegen
einfach gebildet wird, so erscheint er doch auch zuweilen drei-
fach, so auf dem Propyläenrelief ^, einem uupublicirten Frag-
ment im Akropolismuseum (zweiler Saal), wo Athena im Halb-
profil nach rechts steht und die Rechte wie zum Stützen auf
eine Lanze erhebt, endlich dem schon erwähnten Relief im
Wächterhäuschen, wo Alhena die Guirlande hält. Hier ist ihr
seitlicher Heimbusch kleiner als der mittlere und ruht auf
* Micliaelis Der Parthenon ö. 274. Dagegen jetzt Im Neuen Reich 1881
S. 357.
2 Braun Kunstmyth. Taf. C7,83.
3 Beule Mona. d'Alh. S. 95.
< Eclchel Choix de pierres gravi>es Tf. 18. Miliin Call. mylh. 37, 132. Vgl.
Brunn Gr. Künstlergesch. H 473. Andre Nachahmungen führt Lenormanl
La Minerve du Parthenon S. 46 an.
5 Le Bas Mon. fig. Taf. 46. Michaelis 19, 17.
80 DIE'ATHEN'A PARTHENOS
einem rundlichen Gegenstand (keinem Thier)^. Eine Mehrzahl
von Helmbüfichen finden wir schon bei Homer, worauf das
Wort TSTpxipocXYipo; deutet, während «tjt,<pi<pa>.o; und Si(pa).o; auf
die Backenklappen zu gehen scheint. Die Dreiheit ist uns schon
aus Aeschylüs bekannt, der {Sept. o65) den Boten von Tydeus
sagen lässt :
TOiaOt' ÄüTÖv Toet; xaTacxiou; >.6(po'ji;
ceist, jipxvoug yy-i-w^i'. . . .
woraus also hervorgeht, dass diese Art des Helmschmucks
nicht etwa eine Erfindung des Phidias ist. Wenn Arislophanes
Lamachos verspoltet, indem ei' (Fried. 1173) den Chor sagen
lässt :
Tpsi; a6<po'j; tyji'^-x icccl (poi,vi)ci5' ö^eiocv ttocvu
wozu Acharn. 965: y.py-^zivwv Tpsi; -/.scTarrjctou; Xö(poi»; und 567
das Beiwort yopyo'Xö'pa, das auch Athena (Ritter 965) führt,
zu vergleichen ist 2, so scheint diese Tracht nicht etwa ein Ab-
zeichen des Ta^iarchen gewesen zu sein, sondern als eine be-
sonders slattliche und etwas prahlerische gegolten zu haben,
die Lamachos oiTenbar im Hinblick auf die Alhena Parthenos
gewählt halte, wobei es immerhin möglich ist, dass Phidias
selbst sie nur einer bekannten vSilte nachgebildet hat. Gorgo
scheint dabei für Sphinx zu stehen. Jedenfalls entspricht ein
möglichst hoher Helmbusch ganz der allen Tradition. Auf
schwarzfigurigen Vasen wird er von einem hakenförmig nach
vorn gebogenen eisernen Gestell, offenbar dem «pocAvipo? getra-
gen, auf streng rolhligurigen Vasen ist er immer noch sehr
^ » Aehnliclic Beispiele Müller-Wiescler D. d. a. K. I 377. CompLc r. 1859
Taf. I. Ann. d. I. 1840 ia-o. dagg. A \ und 3. Monuments Grecs !875 Taf. I.
Cat.ofgr. coins Sicily S. 175 ft'. S. 396. Das kgi. MünKcab. N» 116. Eine
Sphinx Irägl den Heinibusch Athenas: Benndorf Ciiech. Vas. XXXf, 1.
2 Vgl. aiieli .\cliain. 1182: titIXov 81 tÖ iii^oL xojAKoXixuOov, 1104: -ü Ttuptb
TW % toü xpavoüj und 1106: xaXöv ys xat Xeuxov tö xrij oTpouOoO ntipov.
DIE ATHEiNA PARTHEiNOS 81
hoch, sitzt aber meist direct auf der Helmflächc auf. Auch
hierin können wir unserer Copie also durchaus vertrauen,
wenn auch natürlich eine so reiche Verzierunir hei der l eher-
tragung in iMarmor einen etwas plumpen Charakter bekom-
men muss.
Was die Art des Schmuckes helrilTt, so müssen wir hier
zuerst eine Abweichung von Pausanias conslatiren. Pausaniae
nennt die beiden Thiere zu Seiten der Sphiu.v Greifen, und
zwar betont er in einer daran geknüpften mythologischen Ab-
schweifung besonders den l.öwenleih und die Adlerköpfe. An
unserer Statuette hat das erhaltene Thier ganz deutlich einen
Pferdekörper und nahe dem Halsbruch einen Ansatz der
Mähne, ist also ein Pegasus. Sehr interessant ist es, dass sicii
dieserZwiespalt au f den Telradrachmen wiederholt. BiHile(Mo;2?i.
d'Ath. S. 81) kennt nur Greifen, obwohl seine Abbildungen
ihnen theils Adler-tlieils Pferdeköpte geben. Friedländer und
Sallet (Das kgl. Münzcabinet IN" 262-265) unterscheiden sol-
che mit dem Greif und solche mit dem Pegasus. Eine IJnter-
suchuno; von vielen Originalen hat eri^eben , dass die Zahl der
Exemplare mit Greifenköpfen sich zu der mit Pferdeköpfen
etwa wie 3 zu 2 verhält, wobei auf beiden Seiten etwa gleich-
viel ganz sichere Exemplare existiren. Nun haben eigen-
ihümlicherweise fast alle Exemplare mit dem Adlerkopf doch
den Pferdeleib, der sich durch Vergleich unserer Copie so-
wie der Gemme des Aspasios, des barberinisclien Candela-
bers und der neapeler Statue (Braun Kunstmythologie T. 64;
die übrigen sind gewiss mehrfach ergänzt) als dem Original
angehörig ausweist. Da nun in der ganzen Kunst meines Wis-
sens sonst kein Greif mit Pferdeleib vorkommt, so hat das
Oris;inal ohne Zweifel den Pegasus cehaht und der Adler-
O Co
köpf auf den Münzen (und Gemmen?^) ist ebenso wie die Be-
merkung des Pausanias durch ein Versehen oder eine Ver-
* Vgl. dagegen Leiionnant La Minerve du P. S. 39 f., der auf Autorität des
Duc de Luynes hin dem seitlichen Thier auf der Aspasiosgemnic einen al-
lerdings undeutlichen Adlerkopf gibt.
MITTH.D. ARCH.INST. VI. 6
82 DIE ATHE^'A PARTHENOS
mischung zu erklären, deren Ursache auch sofort einleuchten
wird.
Die Backenklappen sind auf den Münzen meist unver-
ziert, ihrer Kleinheit wegen. Auch Pausanias sagt nichts da-
von, das beweist aber nichts, da er auch die Schildreliefs an
jener Stelle nicht erwähnt und die Sohlenreliefe überhaupt gar
nicht kennt. Beweisend aber ist, dass die Gemme des Aspa-
sios auf den Publicalionen wenigstens* einen schräg nach vorn
springenden Greifen an dieser Stelle zeigt, und dass wenig-
stens eine Tetradrachme eine ebensolche Verzierung besitzt,
die man nach dieser Analogie ebenfalls als Greifen erklären
kann. Diese am Original vorausgesetzt erklärt sich alles aufs
schönste. Von unten aus gesehen verdeckten die Backenklap-
pen die Flügelpferde zum Theil. Einem flüchtigen Beschauer
konnte es leicht passiren, beide mit einander zu verwechseln,
und ein Stempelschneider, der nur ein Thier geben konnte
und doch Werth auf AUribute legte, mochte vielleicht absicht-
lich den Leib des einen und den Kopf des andern verbinden,
um beiden ihr Recht werden zu lassen 2.
Über dem Stirnschild der Göttin erscheint auf den Te-
tradrachmen durchgängig eine Reihe von Thieren — Pferde
nannte mau sie bisher allgemein und Beules Abbildungen ge-
ben auch alle Pferdeköpfe oder Vordertheile von Pferden. Eine
Statistik nach Originalen ergibt nun aber, dass auf etwa ge-
nau so viel Exemplaren diese Thiere Eulen sind. Oft hat
man das reiche Detail, dasQuatremeredeQuincy seiner Athena
Parlhenosgibt^^ getadelt, ohne dass man doch umhin gekonnt
hätte, die reiche Ausstattung als ein Kennzeichen des Goldel-
fenbeinstils hinzustellen^. Das letztere ist eine Thatsache, die
' Vgl. dagegea den Duc de Luyiies bei Lenorraaiit a. a. O. S. 39 f., der
das Tliicr auf der Rackcnklappe als Pegasus bezeichnet.
2 Dass die seillichen Thiere au unserer Statuette Pferdeköpfe hatten, wird
nun durch den kürzlich erfolgten Fund des zweiten bis auf die Vorderbeine
ganz erhaltenen Pegasus erwiesen.
^ Mon. et ofiuvres d arl anliquc resWu^s Paris 1827 I,
* Vgl. bes. Jahn Popul. Aufsätze S. 255 und dagegen S. 214. Conze Die
Alhcnaslatue des Phidias S. 6.
DIE ATHENA PARTHENOS 83
Quatremere mit feinem Tact und tiefem Verständniss für die
Bedingungen der KnnstgaMung, deren Wesen er uns zuerst er-
schlossen^ gßgen jede Widerrede festgestellt hat*. Die Details
des Zeusthrones und die Sohlenreliefs der Alhena, die einen
nur 17'" hohen Streifen schmiiekten, würden dafür vollgültige
Beweise sein, wenn es nicht so wie so hekannt wäre, dass «das
Material des Goldes an sich zu allen Zeiten zu einer Ausar-
beitung der Zierformen bis ins khnne aufgefordert hat» (Conze).
Hierin lag auch ofl'enbar die axpiSeia t-^; TCoir^Geo;, die man
dem Phidias nachrühmte, die feinste Detailausbildung bei Wer-
ken grösslen Maasstabes war es eben, die man so sehr bewun-
derte. Wenn wir aber nur jene Werke der Kleinkunst hätten,
die auf die Farthenos zurückgehen, so wären sie schon ein
Beweis, dass unsere Copie den Helmzierrath nicht vollständig
gibt. Denn was in aller Welt sollte einen Stempel- und Gem-
menschneider veranlassen, diese reichen Details in seinem klei-
nen Maasstab zu geben, wenn das Original sie nicht halle?
Dazu kommt, dass die Minerve an collier im Louvre am Stirn-
schild eine Reihe vorstehender Buckeln wie als Vorbereitung
fijr Thiere^^ die Alhena der Villa Albani^ eine Bei he wirklicher
Pferdevorderlheile über dem Stirnschild triis-t, dass an der
Alhena des Anliochos vorn über der Stirn Spuren von abgear-
beiteten Thieren sichtbar sind"* und dass ein Athenakopf im
Vatican an der Oberkante des Helmrandes «eine Reihe von
Bohrlöchern enthält, anscheinend zur Aufnahme von Bronze-
zierraLhen^». Das ist eine Übereinstimmung, der gegenüber
die Einfachheit unseres Helmes nicht in Betracht kommt.
Schwieriijer freilich ist die Frage, ob das Original Eulen
oder Pferde trug. Tektonisch scheinen mir die Eulen wirksa-
mer** und dass dieser Vogel bei der Parlhenos ganz gefehlt
* Vgl. aucii Lenormant La Minerve du P. S. 36 11". und besonders S. 41.
2 Fröhucr Notice de la sculpiure antique du louvre S. 143 N» tl2.
3 Clarac 457, 845.
* Schreiber Die ant. Bildw. d. Villa Ludovisi S. 135 fg. N» 114.
» Michaelis Der Parthenon S. 283 zu Taf. 15, 33.
^ Vgl. den Kopf im brit. Museum Anc. marb. I 16.
84 DIE ATHENA PARTHliNOS
haben sollte, kann ich mii' kaum denken, während Pferde
und Pegasus eigentlich eine Tautologie sind. Doch die Gemme
des A^pasios und die Athena der Villa Albani spreclien aller-
diniis ffir die Pferde und die Sache muss deshalb vorlUulig
dahingestellt bleiben, ebenso wie es unsicher bleiben muss ob
die Thiere nur im Relief oder plastisch hervortretend gebildet
waren*. Ob und wie die übrige Helmfläche, besonders der
rsackenschild verziert waren, ist ebensowenig zu sagen, viel-
leicht trug er Rankenornament wie am vaticanischen Kopf und
auf den Tetradrachmen, vielleicht Schuppen wieauf der Gemme
des Aspasios und zuweilen auf streng rothfigurigen Vasen.
An die Nachbildungen des athenischen Gepräges mit dem
Parlhenoskopf auf Münzen von Heraklea in lonien und auf den
Münzen bilhynischer Könige, kretischer Städte (Hierapytna,
Gortys, Kydonia), sowie an freiere Ableitungen davon mit
Aenderung der Thiere in Tarent (Skylla, Greif, Seepferd), Ve-
lia in I.ucanien (Quadriga, Reiter oder Centaurin neben dem
Greif oder Pegasus), Heraklea in Lucanien (Seepferd, Skylla
oder Greif), Thurioi (Skylla in verschiedener Bewegung) u.s.w.
will ich hier nur kurz erinnern.
Nichts hat einen so grossen Einfluss auf die Plastik der Fol-
gezeit geübt als die reiche Melnizier der Parthcnos. Denn aus-
ser den directen Copien der Parthenos kehren dieselben drei
Thiere wieder bei der farnesischen Athena in Neapel (Chirac
458, Bäl .4=:BraLin Vorschule d. Kunslmythologie T. 64), bei
derjenigen der Sammlung Hope-Dupdene (Clarac 459, 850 =
Braun T. G5 = Müller- VVieseler D. d. a. K. II 202), der in Holk-
ham-Ilall (Clarac 4G2 ß 888 .4) auf den Helmen spätgriechi-
scher Panzerstatuen (Clarac 831) 2112 und 2113. 636 1440)
' VAno an.'iloge Verzierung, die sich z. B. in Terracotten vielfach findet,
sind die llelibücke und Candelaber an der Slopliane der Artemis von Gabii
in Münch.-n (Brunn Glyptuthetc N" 93), die beiden VorderUieile von Greifen
an der Stephane des Hcrakopfs ;iuf Münzen von NeapoUs (Cat. ofgr. cuins.
Haltj 8.92 N» 13, S. 94 If. ? ) und unbestimmlen campanischen Münzen (a. a.
O. S. 128), ebenso auf solchen von Pandosia (a. a. O. S. 370). Auch die be-
Icannlen reichen Thierbihhingen der ephcsisrhen Arlemis wird man damit
vergleichen dürfen.
DIE ATUENA PAnTHENOS 85
und einzelne Thiere, besonders die Spliinx, wulil auch die
zwei seitlichen Greife, aber in Kelief, haben sich auf /ahl-
reiclie Köpfe verirrl, z. li Ciarae 830 2103. Gerhard Ges. ak.
Abb. 21, 1. Clarac 311) 813. Gerhard \eap. ant. Biblw. S. 27
N° 81. lirami Ivunslmylh. Taf. 91, Taf. 83. Chirac 2(13 2073 =
Braun 85. Chirac lo/i 2912=1001 2912. 32G 1131. 162 F
8GG A. Braun .')8. 02. Arcb. Ztg. 1874 Taf. 1.
Dasselbe Streben nach Detail lässt uns auch die goldnen
Armbänder, die in hohem Grade geeignet ^^aren die grossen
fjfenbeinfläehen der Arme wohllhuend zu unterbrechen, am
Original voraussetzen *, Ihre Form ist die in der antiken Litle-
ratur öfters erwähnte ^ und auch in Originalen mehrfach auf
uns gekommene^ der gewundenen Schlange, wie \\ir sie z. B.
an der Ariadne des Vatican und anderen Statuen finden.
Halsband und Ohrringe zeigen dieiMünzen* und die Gemme,
nicht aber unsere Statuette. Dennoch werden wir sie für das
Original vorauszusetzen haben. Denn das Halsband der Mi-
nerve au collier als einen «willkürlichen Zusatz des römischen
Copisten » zu betrachten, geht nicht wolil an, da römische Co-
pisten diesen Zusatz sonst durchaus nicht lieben, während
er an der Athenastalue aus Alben Le Bas Mon. fig. Tf. 23
wiederkehrt und wir aus der Beschreibung einer goldelfen-
beinernen Nike im Hekatompedos (Michaelis S. 300), worin
unter anderem Schmuck auch sv({>^[i]o> und 6p{xo; erwähnt wer-
den, wissen, dass ein derartiger Schmuck in der Goldelfen-
beintechnik der guten Zeit gäng und gebe war. Wie oft fer-
ner auf Vasen und Münzen weibliche Gottheiten, auch A'hena,
» Ganz ähnlich Michaelis, Im Neuen Reich 1881 S. 357.
2 VkI. die von Stephani Coinple r. p. 1873 S. 53 f. ciliiten Slellen.
3 Coinple r. jj. 1873 Taf. III 7. 1877 Taf. II 10. Carapanos Dodone Taf. 50
Kig. 2, 4 und 5. Möglicherweise haben wir un.s die elXixxYipej, die uiilerdeii
Schätzen des Mekatouipedos erwähnt wenh^i (Michaelis S. 3ö3 X" 133. Köh-
ler MiUh. 1880 Ö. 99) ähnlich zu denken.
♦ Vgl. hosonders das Dekadrachmon alten .Stils in l^crlin : Zlschr. f. Xura
IV S. 5.
86 DIE ATHENA PARTHENOS
mit Halsband und Ohrringen geschmückt erscheinen, ist be-r
kannt*.
Wie im Helm, so ist Phidias auch in der ganzen Aus-
stattung seiner Göttin ein Rind seiner Zeit. Während Athena
in den schwarzfigurigen Vasen meistens den einfachen Chiton
ohne Diplois und Mantel trägt, entsprechend dem streitbaren
Charakter in dem sie dargestellt ist, dazu die grosse bis auf
die Hüften reichende Aegis, die im Nothfall über den Arm ge-
zogen wird, so erscheint sie auf den strengrothflgurigen Vasen
und in gleichzeitigen Statuen gewöhnlich in der ungegürleten
Diplois, die zuweilen auch schon ein loser Gürtel umschlingt,
selten durch ein über die Arme geschlagenes Mäntelchen ver-
mehrt. Zuweilen trägt sie auch noch unter dem Chiton ein
dünnes wollenes Gewand. Die Aegis wird vorn immer kürzer
und reicht bis zur Brust hinauf, hängt aber dafür hinten meist
hm^ herab. Phidias ceht noch einen Schritt weiter. Seine
Athena ist die friedliche Schulzgötlin des attischen Volks, bei
ihr hört die Aegis auf eine wirkliche Watte zu sein , mehr wie
ein breiter Kragen bedeckt sie Brust und Schultern. Zwar ist
noch nicht der Schritt zur rein decoraliven tjchärpenartigen
Aegis geschehen, den Phidias selbst an der Athena des west-
lichen Parthenongiebels nachmals gethan hat, aber doch ist;
die alte sachliche Auffassung schon durchbrochen. Zum Er-
satz tritt dann der Schild ein, der aber auch schon früher
neben der grossen Aegis erscheint. Die Gürtung der Di-
ploi.«? hat Phidias in künstlerischem Sinne benutzt, indem er
durch sie ein anmiilhiges Faltenspiel erzeugte, das den stren-
gen Verticalismus der übrigen Falten unterbrach. Dieselbe
Wirkung hat die Behandlung des Chitonrandes an der rechten
offnen Seite, die uns in zahlreichen strengrothflgurigen Vasen
so oft begegnet. Beide Motive sind nicht von ihm erfunden,
sondern (luden sich schon an einer archaischen Athenastatuette
' Com-pte r. 1859 Taf. II. 1860 Tat. II. Goilinnl Ap. Va.s. VIII. Ausorl. Vas,
II 116. 123. Elite ciram. IV 87. Ann. ü. I. 1859 lav. dagcj. L. Vgl. die von
Leiiormant a. a. O. S. 43 f. aufgezahllen Miinztypen.
Dil-: A'I'llKNA PARTHENOS 87
im Äkropolismijseum *. Kin Mantel würde der Göttin l)ci den
vielen anderen Attributen nicht wohl gestanden haben.
Audi das Medusen ideal des Phidias ist keine neue Seliöp-
i'ung2. [.]s steht genau auf der Grenze zwischen der arcliai-
schen Fratze mit den gellelschten Zähnen und der heraushän-
genden Zunge und dem schönen im Tode erstarrten Franen-
gesicht der späteren Kunst. Wenn jenes ein reines Bild des
Schreckens, ein Apotropaion, dieses dagegen bestimmt ist,
Mitleid im Beschauer zu erregen, so steht das Medusenhaupt
des Phidias jenem niiher, ist gewissermassen eine Milderung
desselben, ein ästhetischer Abschluss der ersten Tendenz. Hauer
nnd Zunge sind weggelassen, aber der Mund ist noch breit-
gezogen, die Wangen dick, die Lippen aulgeworfen, die Nase
breitgedriickt,die Augen geschlitzt, es ist die Hässlichkeit, aber
nicht die stilisirte, sondern die naturalistisch gemilderte, die
aus diesen Zügen spricht. Die Haare sind in der Mitte ge-
scheitelt und leicht gewellt , der Schrecken findet nur in der
gerunzelten Stirn und den zusammens-ezosenen Augenbrauen
seinen Ausdruck. Auch diese Form , die in den attischen Wer-
ken der zweiten Hälft« des fünften und des vierten Jahrhun-
derts die durchgehende ist^, hat Phidias nicht erfunden, die
erwähnte Athena.statuette zeigt sie schon, und atif strengroth-
figurigen Vasen wie der Kylix des Euphronios im Louvre^ er-
scheint schon ein Medusenhaupt in gemilderter Hässlichkeit,
wie denn die naturalistische Medusa, aber noch mit ausge-
streckter Zunge als Übergangsstadium öfter vorkommt.
Überall sehen wir also, dass Phidias an schon Vorhandenes
anknüpft, dass er fern von dem Ehrgeiz, etwa neues zu schaffen,
der z. H. den Renaissancekünstler beseelt, vielmehr auf dem
Fundamente weijerbaiit, das seine Vorgänger gelegt haben.
' Erwätint ßuH. d. 1. 1864 S. 85. Vgl. unten S. 93 Anm. 2.
- Vgl. Diittiey Ann. d. l. !871 S. 219 ff. Gaedectiens Das Modusenhaupt
von ßlariaoiim, Bonn 1874 S. 8 f. C(»nze Die Alhenastatue S. 10.
^ An der Nikebalustrade zeigt sich schon eine Portentwicl^lung zu etwas
ausgesprochenerem NaluraJismus.
♦ Mon. gr. 1872 Taf. I.
88 DIE ATHENA PARTHENOS
Sowie die ganze Technik, in der er seine beiden Meisterwerke
sehnf, ein uraltes U]rbe orientalischer Tradition war, so ist er
auch im einzelnen treu der Tradition verfahren und nur dass er
wie Dante die Ergehnisse einer ganzen Epoche zusammenfasste
und in idealer \'erklärung vor dieAugen derMitwelt hinstellte,
das macht ihn zum grössten Künstler aller Zeilen ^ Verfolgen
wir diesen Gesichtspunkt auch in einer stilistischen Ana-
lyse des Origi nals.
Wenn wir uns dieses auf Grund der gewonnenen Resultate
zu vergegenwärtigen suchen, so muss vor allem hervorgeho-
ben werden, dass die Statue in erster l.inie für die Vorder-
ansicht berechnet ist. Mag das Gesicht im Profil schöner
erscheinen, weil die Mängel der Ausführung hier nicht so her-
vortreten, mögen auch die geschwungenen Falten der rechten
Seite dem Auge Avohler thun: die feine Abwägung dei' Mas-
sen , der Rhythmus der Stellung, die volle Entfaltung des De-
tails vom Helmschniuck bis auf die Fusssohleu kommt nur
bei der Vorderansicht zur Geltung. Nach den oben gegebenen
Maassen (s.S. 89 An m.) war der Augenpunkt eines Beschauers, der
in angemessene Entfernung vor die Statue hintrat, etwas über
den Fusssohlen der Göttin, ungefähr in der Höhe der unteren
' Andere Fragen, die sich an eine Untersuchung iiher die Parthenos
knüpfen Hessen, z. B. die über ihren Standplatz im Parthenon, über ihre
Malerialvertheilung, die Compositionder Schild- und Basisreiiefs, sowie über
andere Alhenatypen des Piiidias und seiner Schule inüsbcn einer anderen
Gelegenheit vorbehalten bleiben. Nur in Betreff der Lanze sei bemerkt, dass
dieselbe bei der übereinslinimeiideii Stellung des Schlangenkopfes dicht un-
ter der Hand nicht von dieser gehalten worden sein kann wie man mit Un-
recht aus einer Stelle des Anipelius geschlossen hat (Friederichs Arch. Ztg.
1857 S. 27) sondern wenn man sie nicht ausserhalb des Schildes verlegen
will, was bei dieser Ilandlage ebenfalls nicht geht, am Oberarm gelehnt ha-
ben muss, wofür Michaelis Taf. 15,11. Müller-Wieseler II 434. Cal. ofgr.
cülns. Sijria XXII 4 anzuführen sind. Das suh ipsa cuspiclexon der Sphinx ge-
sagt würde auf die Lanzenspitze bezogen doch immer aull'allig bleiben und
die verschiedenen Conjccturen genügen nicht. Ich vermulhe a.spide und führe
zur Bestätigung eine bei Civita Lavinia gefundene Athenastatuc an (null. d. I.
1867 S. 142), der eine Sphinx zum Schihkintersatz dient. Vgl. die Verzierung
von Blattwerk an der Borirliesischen Statue (Conzc Philol. XVII S. 367 IF.).
DIE ATHEN A PABTIIENOS 89
Schildreliefs. Für diesen Augenpunkt hat Pliidias die Staliie
berechnet und durch diese Berechnung ist auch die Aufnahme
auf Taf. I dictirt worden. Ein Vergleich unserer Pholosra-
phien mit anderen wird zeigen, dass die Statue bei den er-
steren ungemein gewinnt. Was bei dein liühercn Augenpunkt
hart und steif erscheint, wird bei der ünteransicht i>;emildert,
die horizontalen Linien runden sicli , die Formen des Randes
erhalten einen deutlicheren Schwung, das Stolze und Majestä-
tische der Kopfhaltung kommt besser zum Ausdruck und der
Helmbusch, der sonst fast erdrückend wirkt, wird durch die
Verkürzung auf ein erträgliches Maass reducirt. Zugleich ist
der Augenpunkt ein wenig nach rechts verlegt, um die Nike
vom rechten Arm loszulösen, und dadurch erhiilt zugleich das
Spielbein und der linke Arm eine leichlere und fliessendere
Bewegung. Trotz dieser Milderung aber kann man getrost be-
haupten, dass es auf der ganzen Welt keine Statue gibt, die
in so kleinem Maasslab eine so imponirende Grossartigkeit
zum Ausdruck bringt wie grade diese. Wer die Photographie
zum ersten Mal unbefangen sieht, der m«iss die Statue für ko-
lossal halten, so sehr ist sie für den kolossalen Äfaasstab be-
rechnet und empfunden. Dies Gefühl gibt mir die Überzeu-
gung, dass sie auch in den Proportionen und dem Rhythmus
der Bewe^uno" dieselbe Glaubwürdigkeit besitzt, wie ich sie
für die Details nachgewiesen habe.
Die Verhältnisse der Figur sind normale, sie misst etwas
über 7 Kopflängen*. Helmbusch und Sohlen lassen sie vielleicht
schlanker erscheinen als sie ist. Der Oberkörper überwiegt,
wohl mehr wegen der schmalen Hüften und der dicken Äegis
als wegen der Höhenverhällnisse, liber den Unterkörper. Die
strenge Abgewogenheil der Massen ist schon oben zur Sprache
gekommen. Die Knappheil der Bewegungen, die kein Glied
aus dem oblongen Rahmen, den Säule und Schild bilden,
heraustreten lässt, lag ebensowohl in den Bedingungen des
Materials und der Grösse w ie in der religiösen Auffassung des
MiUh. 1880 S. 376 war statt dessen fälsctiiich 9 gedruckt.
90 DIE ATHENA PARTHENOS
Tempelbikles nnti der strengen architektonischen Umgebung
beo-riindeti. Besonders die letztere hat ohne Zweifel auf die
säuienartige Strenge der Chitonfalten eingewirkt, die das
Standbein vollständig verhüllen und noch in der Knielalte des
Spielbeins ihren Nachklang finden. Obwohl das schwungvolle
Ansbiegen der Standhüfte, das wir bei späteren Athenalypen
beobachten, noch vermieden ist, so ruht die Göttin doch schon
ganz entschieden auf dem rechten Bein, und zwar ist diese
Neuerung, die bekanntlich die unbrauchbaren Notizen römi-
scher Dilettanten dem Polyklet zuschreiben, schon so ent-
schieden durchgeführt, dass die linke Sohle nur mit der Spitze
den Boden zu berühren scheint.
Ein ganz ausgeprägter Unterschied von diesen und allen spä-
teren Typen spricht sich aber einmal darin aus, dass der Fuss
des Spielbeins nicht wie bei den polykletischen Figuren rück-
wärts, sondern einfach seitwärts gesetzt ist, und zweitens dass
diese Concenlration der Körperlasl auf ein Bein noch nicht auf
die Bewegung des Oberkörpers eingewirkt hat, indem die
Schuller auf der Seite des Standbeins nicht oder nur ganz un-
merklich tiefer steht als die des Spielbeins. Auch ist der Blick
weder in dieser flichtung gesenkt, was sicli bei späteren Sta-
tuen Iheils durch die Schulterneigung theils durch das Herab-
blicken auf den Beschauer motivirt, noch auf einen Punkt
ausserhalb sondern horizontal gradeaus gerichtet, wenn man
von der unmerklichen Drehung; nach der rechten Schulter ab-
sieht, die wohl nur den Helmbusch und die Gesichtszüge in
einer leichten Seitenansicht zeigen , vielleicht auch eine Art
idealer Verbindung mit der Nike herstellen sollte. Denn nur
Nike vermittelt zwischen der Göttin und dem Beschauer. Wie
eine vorrafaelische Madonna unnahbar für sich dastehen würde,
wenn die Heiligen nicht die Vermittlung mit dem gläubigen
Publicum übernähmen, so schaut auch Athena unnahbar,
gleichsam nur für sich selbst vorhanden und sich selbst ge-
nügend, in die Ferne.
» Vi-l. hes. Conzc Ann. d. f. 1861 S. 334 ff.
DIE MUmx PARTHENOS 91
Erscheint so das ganze Körporschema in lauter senkrechte
und horizontale Linien zerlegt, was der strenge Sclinitt der
Aegis-und Diploiskanten nor-h verstärkt, so wird auch die
eigentliche Körperform gewisserniassen von senkrecht auf ein-
ander stosäenden Flächen iiinrisse-n. Diese Erscheinung, die
besonders deutlich in der Seitenansicht der Unterpartie und
in dem Schnitt der unteren Falten zu Tage tritt, wird ijrewöhn-
lieh auf Grund der erwähnlen römischen iXotizen als ein Mo-
nopol der peloponnesischen Schule angesehen, sie ist aber viel-
mehr das Kennzeichen eines noch nicht sanz freigewor-
denen Kunstgefühls. Ein sehr verwandtes Gefühl finde ich
z. B. in der Gewandung der jetzt meistens dem Polyklet zu-
geschriebenen Berliner Amazone wieder, an der die vier senk-
rechten Faltengruppen in der Höhe der Oberschenkel wie ein
Überbleibsel des Marmorwiirfels aussehen, in den man die
runden Formen eingeschrieben hat. Man wird überhaupt gut
thun, in dieser Zeit die Schulunterschiede nicht so hoch an-
zuschlagen wie man gewöhnlich ihut, zumal da ja auch Phi-
dias aus der peloponnesischen Schule hervorgegangen ist.
Sowie das überreiche Detail des Schmuckes der Natur der
Goldelfenbeintechnik entsprach, so musste sich diese reiche
Gliederung auch auf die Gewandbehandlung erstrecken. Denn
abgesehen von etwaigen Emailzierrathen, die hier ebensowe-
nig wie am Zeus von Olympia gefehlt haben werden, galt es
durch Zerlegung in möglichst viel kleine Falten die grossen
goldenen Flächen zu unterbrechen, die breiten störenden Re-
flexe in kleine erträsjlichere aufzulösen. Wie trefflich dies Phi-
dias durch die zahlreichen tiefen Einschnitte zwischen den
Falten und die leichte Modellirung der oberen Faltenflüchen
erreicht hat, können wir an unserer kleinen Copie noch deut-
lich beobachten. Und diesem Streben kam natürlich die bieg-
same Natur des Goldblechs noch zu Hilfe, die man in dem
gebogenen Diploisrand und den wellenförmigen Falten der
offnen Chitonseite noch deutlich nachzufühlen glaubt. Man
pflegt diese Art der Behandlung gewöhnlich als Bronzestil zu
bezeichnen, und etwas wahres ist gewiss daran. Allein man
92 DIE ATHENA PARTHENOS
sollte zwischen dem nachciscjirten Bronzeguss und diesem
ßlechbekleidungsstii doch einen Unterschied mnclien und die
Bedeutung besonders des letzteren, in dem die grössten Werke
des Alterthums geschaffen sind, auch für solche Marmor-
werke nicht zu gering anschlagen, die nachweislich von Anfang
an für Marmor berechnet waren.
Am meisten muss man sich hüten, beim (icsicht zu viel
Werth auf die Formen der Copie zu legen. Dennoch gehört ge-
rade das was dem modernen Beschauer besonders auffällt, der
dicke Hals, die breite fast klobige Anlage der Wangen, die
mächtige aber kurze Nase, das volle rnnde Kinn ohne Zweifel
dem Original an. Der Mund freilich mag weniger gross, die
Lippen schöner geschwungen, die Augen tiefer liegend und
richtiger gewölbt gewesen sein. Soviel wird man zugeben,
dass besonders das ProHl mit der edlen graden l^inie, die Stirn
und Nase bilden, mit der enei'gisch gezeichneten Unterlippe
und dem rund modellirten Kirm, mit den schlicht herabfal-
lenden Locken vor den Ohren und den wellenförmigen, die
auf die Schultern niedorliängen , dem Ideal des Phidiasschen
Gesichtes, w ie wir es bisher nur aus der schönen elischen Münze
Hadrians in Paris kennen^, sehr NNoh' entspricht. Vollständig
durchgeführt sehen wir hier schon ein Princip, das die archai-
sche Ivnnst nur erst ausnahmsweise^ kennt und das sich in
der statuarischen Plastik zum ersten Mal an den olympischen
Giebelfio-uren mit merkbaren Schwanknn2;en durchbricht, das
Zu rück treten des U ntergesicli is, das mit der Nasen- und
Slirnlinie einen stumpfen Winkel bildet. Ebenso wie die runde
Anlage des Gesichts in der Vorderansicht sowohl an dem Apol-
lonkopf des östlichen Parthenonfrieses, wie an den Amazonen
und Athleten Polyklets erscheint, so beffe^net uns auch das
J ■'CO
zurücktretende gerundete Kinn bei beiden Künstlern zugleich,
es ist weder Phidias' noch Polyklets Erllndung, sondern in
1 Overbeclt Kanstmyili. Miiiizlafel I Fi^'. 34. Gösch, d. griech. Plast. I ^ S.
258 c. Friedländer Moiialsbor..cl. Berl. Ak. 1874 Hl.
2 Vgl. die AUieiiaküjife der allen altisclicn Tcliadrachrnen.
DIE ATHENA PARTHENOS 93
den peloponnesischen Schulen, aus denen sie hervorgegangen
sind, ohne Zweifel ganz allmählich enUvickelt worden. Als
unmittelbare stiÜBlische VorsLuie dieses Gesichts, dem ich als
bestes Seilenstück jetzt nur die Sapphoherme in Madrid an
die Seite stellen kann*, darf man etwa das des Apollon im
VVestgiebel von 01}n)pia nennen. Dieselbe Weilerentwicklung
der dort gegebenen Formen können wir auch in der Stellung
und Gewandung gegenüber den olympischen Giebelstatuen beo-
bachten. Vergleicht man hierin unsere Athena mit den ana-
logen Figuren der llippodameia, Hesperide und der Athena
der Augiasmetope*, so ist eine gewisse Aehnlichkeit im Ver-
ticalismus der Falten und den gebogenen Chitonrändern nicht
zu verkennen. Und doch wie viel sorgfältiger sind die Falten
in sich modellirt, wie viel mehr sind die kleinen Faltenmo-
live über dem Gürtel der ,\alur abgelauscht, wie viel sicherer
steht Athena auf dem Standbein, wie viel ungezwungener hält
sie den Schild !
Andrerseits kann man doch nicht verkennen, dass die wür-
devolle liuhe unserer Athena in starkem Conlrast steht mit
den dramatischen rauschenden Composilionen des Parthenon-
giebels. Zum grossen Theil mag das am Material liegen, denn
auch der Zeus des Pliidias soweit wir ihn kennen zeigt die-
selbe gemessene sehlichte Haltung. Aber die deutlichen Zeichen
von zurückgebliebenem Archaismus im Detail, die uns im
Laufe {\e\' Untorsneliunfi; begegnet sind und die diese Entschul-
diaiuno nicht erlauben, machen eine andere Erklärung wahr-
scheinlichei-. Sowie der Parthenoufries seiner ganzen Haltung
nach eiil.scliieden etwas alterthümlicher ist als die Giebelfi-
guren, wie er denn ohne Zweifel auch frülier während des
Baues ausgeführt wurde, so ist das Cultbild der Athena wie
mir scheint archaischer als der ganze übrige Tempelschmuck.
Und es ist ja auch an sich wahrscheinlich, dass als nach der
1 Arch. Ztg. 1871 Taf. 50.
2 Diesen wäre etwa die erwähnte Allienastatueltc von der Burg an die
Seile zu stellen, die demnächst publicirt werden wird.
94 DIE ATHENA PARTHENOS
Verlegung des Bundesschalzes der Bau des Parthenon begann,
Pliidias bei seiner vorwiegend plastischen Begabung zuerst
das Tempelbild, den geistigen und künstlerischen Mittelpunkt
des ganzen Baues, in seiner Phantasie erstehen liess und gleich
damals die Skizzen dazu machte, während die Ausführung, die
dann begann, offenbar viele Jahre in Anspruch nahm und
erst mit Ol. 85, 3/438 endigte. Damals wurde die Parlhenos
aufgestellt und dem Publicum enthüllt, ihre eigentliche Ent-
slehungszeit fällt in die Mitte desV. Jahrhunderts, wohin sie
ihrer ganzen Auffassung und Erscheinungsform nach am besten
passt.
KONRAD LANGE.
Mittheilungen aus Kleinasien.
I. Ehrendekrete, aus Lanipsakos,
Vor einigen Monaton gelangten Ahklatsche von drei Inschrif-
ten nach Athen, die ein Antikenhändler in Gallipoli von einem
der wolilhahenderen Türken in Lapsaki erworhen halte. Die
Existenz der 3 IMalten scheint einem engeren Kreise schon
längere Jahre bekannt gewesen zu sein, aber erst kurz vorder
angegebenen Zeilliess sich ihr früherer Besitzer zum Verkauf
herbei, ohne jedoch weitere Nachforschungen zu gestatten. Ob
solche zur AiiffinHung der fehlenden Fragmente führen könn-
ten scheint mir zweifelhaft, denn es steht nicht fest, dass die
Steine beim Bandes türkischen Hauses gefunden wurden. Doch
ist dies nicht unwahrscheinlicii, da das Haus möglicherweise
an der alten Agora oder in einem andern hervorragenden Theil
der alten Stadt lag und an der Aufstellung der Platten an einem
bevorzugten Platz in Lampsakos dem Inhalte nach nicht ge-
zweifelt werden kann. Ich halte es nicht für überflüssig zu
bemerken, dass ich auf meiner jüngst beendeten kleinasiati-
schen Heise, die mich mehrmals über die alle Stadt führte, Ge-
legenheit fand zu constatiren, dass die oben milgetheilten Be-
merkungen über die Provenienz für sicher gelten dürfen. Nach
jenen unvollkommenen Abklatschen sind die drei Inschriften
von Prof. Kumanudes im 'aOyivxiov 0' S. 312 fg. als zu einem
Dekret gehörend publicirtworden. Nachdem aber die Steine von
der archäologischen Gesellschaft angekauft und nach Athen
gebracht waren, ergab der erste Blick, dass das kleinere Frag-
ment zu einem andern Dekret gehörte. Eine erneute Revision
nach den Originalen ist von Herrn Kumanudes soeben in der-
selben Zeitschrift a. a. 0. S. 364 fg. mitgetheilt. Die histo-
rische Wichtigkeit namentlich der zwei Hauplplatten veran-
lasst mich die' Inschriften hier nochmals zu publiciren.
96 MITTHEILUNGEN AUS KLEINASIEN
1. Die beiden grösseren Fragmente.
Die beiden grösseren Inschriften, deren Text auf den ange-
hängten Beilugen abgedruckt ist, befinden sich auf weissen
Marmorplalten, deren Rüek-und Schmalseilen nur roh geglättet
sind. Auf der r. Schmalseite der Platte I ist oben, auf der Fort-
setzung derselben bei der Platte il unten ein kleines viere-
ckiges Dübeiloch ausgemeissell, vermittelst welcher die rechte
Seite der Inschriftplalte vielleicht an einer Wand befestigt war;
auf der linken Schmalseite beider Platten sind solche Dübellö-
cher nicht vorhanden. Die grösste Länge beider Platten be-
trägt je ung. 0,67, die Breite nimmt bei beiden nach unten
hin allmählich zu, bei I von 0,535 bis zu 0,545, bei 11 von
0,545 bis 0,56"*. Dasselbe Verhällniss gilt für die Dicke der
Platten, bei f von 0,095 bis 0,10, bei 11 von 0,10 bis 0,11.
Schon diese Maasse beweisen, dass zwischen dem Ende der
ersten und dem Anfang der zweiten Inschrift nur sehr we-
nige Zeilen verloren gegangen sind. Für die Ergänzung der
Anfangs-und Endbuchstaben sämmtlicher Zeilen ist noch Fol-
gendes zu bemerken: Auf der geglätteten Fronffläche, der
Insel] riftseife, ist bei beiden Platten an beiden Rändern ein
ziemlich gleichmässig breiler Streifen weggcmeisselt; dadurch
sind an den Anfängen sämmtlicher Zeilen meist uno. 10 (am
oberen Ende des Streifens bei I und dem untern bei H mehr),
an den Enden eine bei Platte I von 1 bis 7, bei Platte II von
durchschnittlich 7 bis 8 steigende Anzahl von Buchslaben ver-
loren gegangen. Diese gleichmässige Breite des weggemeisselten
Streifens am Anfang und die gleichmässig zunehmende Breite
des Streifens am Ende der Zeilen beweisen, dass die Streifen
fortgcschlagen wurden, bevor der Stein in zwei Hälften ge-
spalten, mit anderen Worten, dass die Platte früher anders
als zur Zeit der letzten Auffindung verwandt worden ist, die
erste Auffindung des Steins also wohl schon vor vielen Jahren
erfolgt sein mag. Dadurch w^ird diellolTnungauf den Fund wei-
terer Fragmente noch weiter abgeschwächt. Ein Theil der Buch-
staben, namentlich die ersten Zeilen von I sind 'offenbar lange
3
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PATHrniTSlNPnMAinNTniEPITnNNA''..
PEAOri5;ATOAYT;:;iaiAPAEIONnNAIOTII..
. . i'flAOZOAHMOZTOYPnMAinNAHMOYEiAPE) . . .
. . PPOZAYTONKAIAlOTIAilOlHAYTONKAIPAPA
, . .YMPPEZBEYTnNONTnNHMnNZYrrENnNTf . . .
MPEPITHZPOAEnZHMnNINAZYNTEAHT* . . . .
..\YZITEAHTniAHMniEPIBAAAElNrAPAY-...
. rAZOAITnNTHIPOAEIZYM*EPONTnNaiATE. . . .
. . IMINPPOZAYTOYZZYrrENEIANHNKAIAPO
AIAIATOMAZZAAIHTAZEINAIHMINAAEAC . . .
. . . JIKAIZYMMAXOITOYAHMOYTOYPÜMAInNK. . . .
ABnZINAPOKPIZEIZTAZAPMOIOYZAZT. . _ ^
ZTEIAAZOAlAinNEYOAPZEZTEPOZOAH. . . .
AlzaiAZA^EIAPOAEXOMENOZTHNOIKE. . . .
. . . . ElANTHNYPAPXOYZANHMINPPOZPSiy
rOEANPPOZTINAZitHAlANHOPKlAPOHTAI
. . . .ZPIAHYETAlTHMPOAlNHMnNHAiaiATHP. . . .
. . \TIANkAITHNAYTONOMIANKAITHNEIPH
. . . •IHTAIEYXPHZTHZEINÜAIAIOTIEANTIZI . . . .
AlOYKEPITPEYElAAAAKnAYZEIENTY)
...ZBEYTnNTniEPITOYNAYTIKOYTAMIA...
ZAYTONAEITINOZArAOOYPAPAITIONflNI . . .
. . . .APAYTOYEPIZTOAHNPPOZTONAHMO
. .ZYM((lEPOYZANEINAlKATEXnPIZENFi-^
AlAKOMIZOFi-'Ar...
..K\,iPEPnNElXENTAYH(tilZMATAPA!Y.
.'anpaoynpoaynkaiepikinaynonep. . .
.»ioyzpapezthzatoaytüyzkaieppa;
. . .EYTnNElZTOZYMPPEZBEYZAZOAlMEO^ .
. . "PnMHNKPINANTEZAEXPHZlMONEINAIAilf . . .
, . .EEAKOZISlNZYMIfEPOYZANEPIZTOAHNY. .
. lONXnNTOAOZTOAnnNrAAATnNAIAKOM. . . .
. . . TNZYMPPEZBEYTnNKAUnNZYNAPOZT. .
. . .AlAZKAIXPHMATIZAZTHIZYNKAHTniMET..
. . TnNTHNEYNOIANKAITHNAIPEZINH NE X . . .
TOYZKAIANANEnZAMENnNTHNYPAPXO .
. .AYTOYZAPOAOnZAMENnNAEAYTOIZKAI. ..
. . . NEmAIAAEAit>OIZTniaHMniHMnNZYMBAINE.
. . . DYOONEXEINTHIZYrrENEIA:;',NE*ANIZEAEAY.
. . . TfiNKAIONPPOZAEOMEN,/;;zOAHMOZYPAP5AI
. ..MPPEZBEIANKAIPAPEkAAElAYTOYZMETAT
. .PEPITHZTnNAAAnN(t>IAnNKAIOIKEinN..
. ..AlYPEPTHZPOAEnzHMnN'JPONTIZEINA..
. ..-AYPAPXONTAHMINPPOZAYTOYZ*IAA.
...IMENHNHMINZYZTAZINAIAMAZZA»...
. ...^BEINZYMlfEPOYZANTniAHMniKAIEr-...
...EYTnNOPnzZYMPEPIAH*OnMEN.
. TAIZPEN OMEN Alz PtiMAlOIZPPOZTOM;;;/ ..
. ...EAABENHMAZ-NTAIZZYNOHKAIZPP..
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dvTxnexpLvxJTo, eÄv irpö; Tivx; ftXxv 51 6px.tse TTofiTXi, [ev tat;
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■CT|V Jn^OV.pxJTtXV Xxi T7)V KÜ-OV0|jLtxv Xxl TYIV eIpiÄ[viriV
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Setvi eS eE$Ü]; aÜTf>v cceI tivo; «yxeoC napxi-riov yiuECvSai
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nptoSEuTtitv] xEpl T-^; -rStv £>l^<i>v fUuv xxl oIxEtuv [xi^xAGi-
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20 XX, Tviv yEyt.^]|ievv,v -^Tv «ricTX.:iv Ä^i Mx,a«[i.^T«. Ä;.-
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Tuv TÜV npEaSjeuTÖv Ö-o; <Tu;ji-GpiXvif Oo^isv [iv txi^
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T»i (iiv ou(*7:EpOE\«Stv :fijA«; [e]v txI; o^jvOiiAxii T:[pi( Ti[ji ßx-
25 <ti>f« xxOöJTt Äxl x[iTöl yplx^ouTcv, -sBpl H tßv [äXXuv «xw-
Tuv Äv^yxyjiv «üto[u]; ^ cüyÄV/tTo; J7p6; Ti[v töv 'Pufixl-
uv <iTpKTY]y]&v ünxTov TtTov x«l Toii( $Exx Toü; i[-Ki tQv tJ);
'AoLx; 7;ÖXe(ti]v. Kxl !rxp[x]yEvö[tevo; Et; KöpivOov ^e[tk toO JcC-
vo; xxl 'AnoJXXoÄüpou evetu^«* tJJ ffTpXTJiyiJ [xxl toTj
30 ScKX xxl Six]XGyEl; ccütoT; ünsp tci3 j^jiou xxt i:x[pxxkXe<i-
«( [iETi KK^Ti;] fi'XoTipiix; tvx Trpävotxv noLQvTXi [ÜTUEp ^^Lütv
xxl «uii,exVXii>].Txi Eis TÖ SixciiCesOxi tvi;* itdXiv [-«[tav «lix-
Ovo;i.(mii£vviv] xxl XjiiAOxpxToujxevviv nspl u-j [x]xl
]v xxl EretnToXis i:pi( toü; ßxctXells
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ä J^11.]d; xxO^Ti ffpoe^i]f>io[xTi> . .
MITTHEILUNGEN AUS KLEINASIEN 97
der Feuchligkeit stark auü^esclzt gewesen und dadurch zer-
fressen .
Da dec Abstand der ßuchslaben unter einander in den ver-
schiedenen Zeilen sehr ungleich ist, lässt sich die Anzahl der
am Anfang und Knde derselben ausgefallenen Buchstaben nur
annähernd genau angeben; danach ist die nach der Buchsta-
benweite jeder einzelnen Zeile berechnete Anzahl der Punkte
auf der angehängten Inschriftlafel (Beilage I ) sowie die in der
Umschreibung (Beilage II) versuchte Ausfüllung der Lücken
zu beurlheileu. Die Ergänzungen der schwierigeren Stellen
finden in den nachfolgenden Bemerkungen ihre Erläuterung.
Unsere Insehrifl führt uns in manchen charakteristischen
Zügen das Bild einer der bedeutenderen Städte des nordwest-
lichen Kleinasiens im Anfang des zweiten Jahrhunderts v.
Chr. vor die Auüen. Wir sehen eine Gcsandtsciiaft der Stadt
Eamj)sakos, die in den Berichten über die Geschichte dieser
Zeit und dieser Gegenden neben den Diadochengründungen
Sniyrnaund Alexandria Troas hervortritt, unter Führungeines
dafür von der Stadt geehrten Bürgers derselben Namens Ile-
gesias eine weile Beise nach Griechenland, Gallien und Ita-
lien unternehmen. Der Hauptzweck der Beise war, von dem
Senate in Rom Schutz der besiehenden Verfassung und Unab-
hängigkeit gegenüber den von aussen drohenden AngrilTen
zu erwirken. Die Gesandten waren angewiesen, sich zunächst
nach Massalia zu wenden, deren F]in wohner wie die von Lamp-
sakos von Phokäa abstammten, um durch Betheiligung der-
selben an der Gesandtschaft und Fürsprache im Senat von dem
mit Massalia von jeher in enger Freundschaft und, Bundesge-
nossenschaft siehenden Rom günslige Antwort zu erwirken*.
Auf dem Wege nach Massalia trafen die Gesandfeen mit dem
praefectus classis und seinem ihn gelegentlich vertretenden
Quaestor zusammen und erwirkten sich auch die Vermittlung
dieser. Der Senat gab ihnen im Allgemeinen den erwünschten
' Aehnlicher FallPolyb. XXII 7 = Livius XXXVII 56 (Rhodos für Solei);
vgl. Böckh zu C. I. G. 3640 (luschrift aus Luinpsakos).
MITTH.D. ARCH.INST. VI. 7
98 MITTHEILUNGEN AUS KLEINASIEN
Bescheid^ verwies sie aber für die Regelung des Einzelnen an
den sich damals in Korinth aufhallenden T. Quinetius Fla-r
mininus, dem er in Verein mit einer ans zehn Personen beste-
henden Friedenscommission die Regelung der Zustände im
Orient anvertraut halte.
In dem weggebrochenen Schluss der Inschrift war gesagt,
dassdie durch einen Vorbeschluss in Aussicht gestellten Ehren
dem Hegesias und seinen Milgesandten zu Theil geworden und
das Ehrendekret des Hegesias an einem hervorragenden Orte
aufgestellt werden sollte. Da dies typisch ist, fehlt uns nach
Ergänzung der vorhandenen Lücken kein wesentlicher Theil
des nicht bloss durch lebendige Zusammenfassung im Allge-
meinen bekannter oder nach analogen Fällen zu erschliessen-
der, sondern auch durch Erwähnung mehrerer uns neuer
Thatsachen lehrreichen Beschlusses. Seine Eintragung in den
uns in zwei grossen Fragmenten erhaltenen Stein erfolgte
jedenfalls kurz nach der Beendigung der Gesandlschaftsreise
und dem in der Volksversammlung zu Lampsakos abgestatle-
ten Berichte über den glücklichen Erfolg derselben.
Die Zeit der Gesandtschaft, somit auch der Abfassung des
vorliegenden Ehrendekrets, lässt sich zum Theil aus der In-
schrift zum Theil aus der schriftlichen Überlieferung genau
bestimmen.
Aus dem zweiten Theil der Platte II sehen wir, dass (die
Richtigkeit der vorgeschlagenen Ergänzungen vorausgesetzt)
die Römer mit einem Könige einen Friedensvertrag abge-
schlossen hatten, dessen Ratification dem zur Zeit der Gesandt-
schaft inKorinth befindlichen Flamininus* und der sich eben-
falls noch dort aufhaltenden Zehnmännercommission übertra-
gen war. Flamininus ging in seinem Consulatsjahre 198 v.
* Die Ergänzung seines Titels oirpatriYÖi; UnaToj nach dem altern Gebrauch,
vgl. Th. Mommsen Rom. Slaatsr. II S. 72; dieselbe inschrittliche Bezeich-
nung des Flamininus findet sich auch C. I. G. 1325 (Gylhion) und 1770
(Kyreliai). Vgl. Wadilington zu Le Bas A.sie mineure 588 (aus Merakleia
am LaUnos, Erlass des Manlius und der Zehnmäniii'-rrunimissjoii nach der
Niederlage Anliochos d. Gr.).
MITTHEILUNGEN AUS KLEINASIEN 99
Chr. nach Griechenland, überwinterte in Pljokis, beendigle
dann gegen Ende d. J. 197 durch den Sieg bei Kynoskephalä
den Krieg mit Philippos, brachte den folgenden Winter in
Athen zu und erklärte im folgenden Frühjahr auf den islhmi-
schen Spielen die Philippos unterworfen gewesenen Griechen
für frei; der Senat verlängerte ihm daraufsein Imperium für
195, um durch ihn den Nabis zu züchtigen, worauf er dann
i. J. 194 nach Kom zurückkehrte. Im. J. 192 geht er vor dem
Ausbruch des Krieges mit Antiochos noch einmal, an der
Spitze einer Gesandtschaft, nach Giiechenland, doch ist er
nicht weiter als Feldherr, sondern nur als der Vermittler zwi-
schen dem Senat und Griechenland thätig.
Da Flamininus in der Inschrift den Titel crpxTTiyö? Öttxto?
führt, und sich mit der Fciedenscommission in Korinth befin-
det, kann nur an das Jahr 19G gedacht werden, für welches
nach den schriftlichen Zeugnissen beides eintrifft (Polyb.
XVIII 45 (28), 47 (30) fg. Liv. X.XXIII 31 fg; Plut. Flaminin.
10). Diese erwähnen indessen nicht, dass' damals Gesandte
aus Lampsakosvor Titus und dem Synedrion der Zehnmänner
aufgetreten seien; man darf es indessen aus Appian lup. 2:
I[/.upvocroiS£-/.at Aaf;4zy.'flvoi y,xl srepoi 6Tt avTS^^ovre; e-peagsuovxo
ic, ^XajAtvtvov TÖv T(i){xoct(ov c-rpxT'/iyöv, xozi a>t)^i7r-ou toO
M a X. £ ^ ö V o ? {X e y ä X '/] y. oc //^ tt e p l @zx txUxv /. e /, p k-
TYlKOT« und Diodor 620: Aaa-Ixxov y.xi 2y..jpvxv axI 'Ale^xv-
^psixv, 8i' Ä; ö T;öXe(j!.o; (gegen Antiochos) eSöx.ei xsxt-
vyjGÖöci xu-cxi yap xi TTiXei^TupÖTociTüiv ax ^ x 'Actacv
EXXyivwv eTCETrpecSeuy. sicrocv r:p6?T7ivcruy/, Xv)tov,
Trapay.aXoOcai [ittpl] z9i^ eASuOepU? ocutwv erschlies-
sen, denn es scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen, dass
beide Zeugnisse combinirt werden dürfen und auf eine zu-
nächst an den Senat, dann an Flamininus und die Zehnmänner
gerichtete Gesandtschaft, nämlich die des Hegesias und seiner
Mitgesandten bezogen werden müssen. Unter dem in II Z. 23
erwähnten Könige istalso Philippos, dersich nach der Schlacht
bei Kynoskephalä eng an die Römer anschloss, unter den Kö-
nigen in II Z. 34 sind kleinasiatische (pergamenische?) Könige
100 MITTIIKILUNGEN AUS KLEINASIEN
ZU verstehen; den Lampsakenern drohte zunächst Gefahr von
Antiochos, welcher hekannllich nach Ausbruch des Krieges
sich wirklich mit Gewalt der Stadt bemächtigen wollte; nach
der Schlacht bei Magnesia kam sie in Eutnenes Besitz.
In welcher Besorgniss sich die Stadt befand, zeigt si<'}i auch
darin, dass sie bald nach der ersten eine zweite Gesandtschaft
unter Parmenion und Pylhodoros nach Lysimachia schickte,
um dort vor L. Cornelius und König Antioclios nochmals ihre
Rechte zu wahren; der den König empörende Froimuth des
Parmenion rührte offenbar von dem Vertrauen her, welches
ihnen der Erfolg der ersten Gesandtschaft gab {Polyb. a. a.
0. 52 (3f))).
So werden die im Aligemeinen feststehenden Thatsachen
durch die Inschrift in ein helleres Licht gestellt. Danach habe
ich auch diejenigen Lücken auszufüllen versucht, die sich
nicht wie die meisten andern aus Inschriften gleichen Cha-
rakters und z. Th. auch derselben oder nahe stehender Zeit
(wie z. B. der oben S. 98 Anm. 1 z. E. angeführten) oder
aus Gesandtschaftsberichten bei Polybios, Diodor u. s. w.
mit mehr oder weniger Leiclitigkeit und Sicherheil ergänzen
Hessen. Nur wenige Punkte erfordern hier einige erläuternde
Bemerkuncfen.
o
In II Z, 5 fg. schlageich vor zu lesen, dass die Gesandten sich
von den Sechshundert in Massalia, den sog. Timuchen, einen
Brief an den 5-/i;j.o; töv ToXoGToxyiojv * rscTcxTwv erbaten. Z. 14
fg. nehme ich an, dass die Gesandten auch in Rom über die
Galater Klage führten. Namentlich die Ergänzungen der zuerst
angeführten Stelle scheinen mir wegen ihrer Einfachheit unan-
fechtbar zu sein; aber auch in der zweiten Stelle war oücnbar
von zw^ei nebeneinander stehenden Thatsachen (Klage und
Bitte) die Rede.
DasszurZeit unserer Gesandtschaft die Städte am Hellespont
' (Tber andere Können des Namen.s dieses pewöhiilicli Tolistobogen ge-
nannten Vülksstarnms spricht Franz l''ai)f Inschriften und Jiinf Städte in
Kieinasien S. 22 .'\nrn. 2.
MITTHEILUXGEN AUS KLEINASIEN 10t
viel von den räiibepisclien Einfällen der theils auf eigne Faust
vorgehenden theils im Dienste der benachbarten Könige stehen-
den Galater zu leiden liatten bedarf keines Nachweises*, üass
ferner die Klage zeilgemöss war zeigt, sich darin, dass sich
an die Besiegnng des syrischen Königs sofort der Zug des Man-
lius gegen die Galater und zwar ziuiächst gegen die nächst
wohnenden Tolislobogen am mysischen Olympos anschloss.
Die Tlialsache abei' dass die 'l^iintudien von Massalia den lamp-
sakenisehen Gesündien einen lirief an den 5vi(ao; der kleina-
sialischenGalaterausÄlelllenoderversehatYten ist überraschend,
da sie sich nicht aus den überseeischen Handelsverbindungen
der Sladt erkläi'en lässt, sondern vielmehr die an und für
sich nicht unwahrscheinliche wenn auch nicht staatlich enge
sondern etwa nach dem Verhältniss griechischer Colonien zur
Muttersladt aufzufassende Verbindung der Galater in der KeX-
TIX.V1 des Plolemaios mit den kleinasialisclien Horden bezeugt.
Den iN'amen der Trokmer und Tolislobogen konnten die Alten
in Südgallien freilieh nicht mehr nachweisen, die TekLosagen
dagegen halten auch noch in Augustus Zeit Sitze um Tolossa
(Strabon 187 fg.). Es ist anzunehmen, dass die mit Massalia
in Freundschaft lebenden Gallier die Vermittlung übernah-
men, wahrscheinlich weil gerade sie mit den Tolislobogen
verwandt waren.
Uebrigens ist die Erlangung jenes Briefes als persönliches
Verdienst der Gesandten aufzufassen und nicht in den In-
struktionen die ihnen von Staats wegen gegeben waren ent-
halten gewesen; ihre Ordre lautete nur auf die Auswirkung
der Fürsprache von Seiten Massalias im Senat, die bei dem
freundschaftlichen in viel frühere Zeil zurückgehenden aber
neuerdings während des hannibalischen Krieges noch viel en-
' Ich weise hier nur darauf hin, das.s in iler Insdirift des pcrj^amenischen
SchlachleninonutnenLs, welche Conze in dem vorläii(i.;,''en Bericht uher die
Ausf^rabungcn zu Perj,'amon S. 81 bespricht, olTerihar 2v to Opulyta xf, ?ip"EX-
>.r,a[n(5vTt5) ^rgänzA werden niiiss. In der cbendort erwähnten Pi-yssonnelschen
Insohrifl von demselben Moruuncnt waren die TolisLoliogen und IVktosagen
neben einander genannt.
102 MITTHEILÜNGEN AUS KLEINASIEN
ger geknüpften Verhältnisse Roms zu Massalia Erfolg ver-
sprechen durfte.
Einer Erklärung bedürftig ist auch der aus mehreren Stellen
der Inschrift unzweifelhaft hervorgehende Anspruch derLamp-
sakener Verwandte (oixsTot und ouyyeveT?) der Römer zu sein,
während den Mussalioten ein solcher Titel nicht gegeben wird ;
diese sind 9^01 avX «jujy-jxGcpi der Römer und a^eXcpol der Lamp-
sakener.
Der Grund ihres ganz allgemein ausgesprochenen also als
unbestritten hingestellten Anspruches fällt nicht sofort in die
Augen, ich glaube aber ihn darin finden zu dürfen, dass die
Lampsakener mit zum ilischen Städtebunde gehörten * und
weise beiläufig darauf hin, dass die Gesandtschaften von Äle-
xandriaTroas, welches in dieser Frage mitSmyrna undLamp-
sakos zusammensteht, gerade in dieser Zeit das eben damals
bei den Römern beliebt gewordene Thema von der uralten
Verwandtschaft seit AeneasZeiten ausführlich ausgenutzt haben
werden.
Ein grosser Theil des Fragments I, von Z. 16 bis 36, be-
schäftigt sich milden Unterhandlungen zwischen den Gesand-
ten und dem Zweitcommandirenden der Römer in Griechen-
land, dem [legatus et) praefectus classis; es ist der ältere Bru-
der des damaligen Proconsuls, nämlich L. Quinctius Flamini-
nus . Das Zusammentreffen wird in Korkyra erfolgt sein,
ebendort gewannen die Gesandten auch seinen Quaestor.
Die Anzahl der Gesandten nach Lysimachia beträgt zwei,
für die uns vorliegende Gesandtschaft glaube ich die häufig
vorkommende Dreizahl annehmen zu müssen, denn es kann
wohl für sicher gelten, dass der II 29 vorkommende ApoUo-
doros der dritte ist. Vermuthlich enthielt eine zweite neben
^ Es gellt (lies mit Bestiinnilheil ;ius dem Ehreiiflekret des Malusios (ich
sah CS iiiil'dcra Calverlscheii Eaiidgiite Thymiira) hervor, wie auch Droysen
Gesehielite des llclh'iiisiiiu.s II S. 386 augeuünimcu hat. Es lalll in die Zeit
des Aalif£onos.
MITTHEILUNGKN AUS KLEINASIEN 103
der des Hegesias errichtete Stele das Ehrendekret für die
beiden andern Gesandten.
2. Das dritte Fragment.
Während das soeben besprochene Dekret veranschaulicht,
in welcher Bedrängniss sich Lampsakos in der Zeit zwischen
dem Krieg mit IMiilippos und dein mit Äntiochos befand, bietet
uns die in etwas grösseren Buchstaben auf bläulichem Stein
(D. ung. 0,09, L. 0,45, grösste Breite, im untern Theil, 0,23'";
bei N die Hasta r. etwas kürzer als die I.) in etwas früherer
Zeiteingetragene im Folgenden kurz besprochene Inschrift einen
interessanten Einblick in die inneren Verhältnisse der Stadt
zur Zeit des Friedens. Meine bereits in Gallipoli angefertigte
Copie habe ich hier in Athen nochmals vor dem Original re-
vidirt. Die Inschrift ist oben und rechts abgebrochen, von den
ersten Zeilen fehlen die Anfangsbuchstaben, ^o/.^ ist das letzte
Wort. Es ist ein Proxeniedekret, welches aus dem in typi-
schen Wendungen abgefassten Ilaupltheil, dem eigentlichen
Dekret, und einem Zusatz besteht und ist um die Wende eines
Beamtenjahres von der Volksgemeinde angenommen worden.
Die Ergänzung bietet keine Schwierigkeit.
AN I
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VJONAEEINA
"ETHNAYTO
5 CASISXEINPPO^
"HIKAIATEAEIA
^AIEISPAEINKAJ
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404 MITTHEILUNGEN AUS KLEINASIEN
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y]eT-/iv auTi>[v xxl exyovoui; xocl 5t-
5 )t](y.; i'nyeu 7cpo[§ix.o'j(;, eivxs Se «u-
Tö x.y.i (XTs'Xei7.[v ttxvtwv jtal «<ju>.i«v
y.Jxi siTTC>.£rv /Cxl [£>t7ir"XeTv aculel /.-
al] «(TTTovSsl £v £[ip7ivy) y.aci ev ro>s-
{x]({). "E^oEev TW [Syijxü) tou ^sTvo; lUt- oder 'HyYi •
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tJüv ap;^6vTo)v [töv ev apj^'^, X'jpix sl-
VXl TOt £(]/Yl(|)t'7|J.e[va, SV f^£ T*^ 60pT^
T^ QE[JAGZQA.\tX [ayoixsvv] St'svKZu-
Tou eIvsci TiocvTa a[ÜTÖ Tayaöa a EÖöOiri-
15 (Jxv K>.Eo<pxvTcp "/[xl Toi; axoyövoi;,
tou; ^e veou; «p[yovTac; tÖ Söy[Aa ypoc-
tj^xvTa; hfy.6^xi e[v (jttiIt) ItOivv)
xjxl OsiVZl £i; TÖJV l[£pOV T'^; 7t:6>.£G)5 OU Äv
auToi; 60/.^.
Aus der wie vorstehend ergänzten Inschrift erfahren wir
zweierlei :
1. dass dem Tfiemistokles in Lampsakos jährlich ein Fest
gefeiert wurde, an dem .sich die gesammte Bürgerschaft be~
llieiligle, und dem Kieoplianlos nebst Nachkommen Kliren-
rechlft * eingeräumt waren; und, wie daraus folgt,
^ Vgl. z. ]i. aus (lern Ehieiide.krel der Nasioieu für Thcrsippos ( Mouoerov
xxl pi6Xio6rIxTj tTi4 ila-^fzl. o-/.oX. 1875-76 S. 128 fg. Droysen Ge.scli. d. Hell.
II S. 374 f^. ) Z. 33 Ig. des llaupLsliirks : öxa xe 4 7:6X15 'poitoTiToti, [lep'n
8[i] |[56]aöw ÖEpoinnw xa\ twv {xyÖvüiv i\ xc«)y[t]| u-t«xci>Y, xaXTjuOat 8* x*l eU
rtpoeSptav.
MITTIIEILUNGEN AUS KLEINASIEN 105
2. dass Kleophantos Familie sich in Lampsakos angesiedelt
hatte.
Bekanntlicli berichtet Plutarchos im Themist, a. E., dass
den Naclikommen des Themistokles bis auf seine Zeit in Ma-
gnesia Ehren erwiesen wurden. Er fügt hinzu, dass sein Mit-
schüler ©eixi-TTOAl'/i? AOTivaro? dieselben genossen habe. Die
Angabeist allgemein gehalten und musste darum zunächst auf
alle Nachkommen dos grossen Atheners bezogen werden. Da
nun aber aus unserer Inschrift hervorgehl, dass in Lampsakos
wenigstens nur die Familie des Kleophantos mit jenen Ehren-
rechten ausgestattet Avar, so könnte in Magnesia ein ähnli-
ches Yerhältniss zu einem andern Zweig der Familie stattge-
funden haben. Aber für Magnesia ist in Betracht zu ziehen,
dass dort Themistokles selbst die letzte Zeit seines Lebens
zubrachte. Sollte aberdie Hinzufügung anderer Städte zu den
drei bekannten darauf beruhen, dass in ihnen sich Mitglieder
derselben Familie niedergelassen hatten?
H. G. LOLLING.
~> i> ggt- a -
Zwei Thongefässe aus Athen,
(Hierzu Tafel JII und IV).
Die Tafel IIT zeigt die Abbildung des bereits von Hrn Prof.
Kumanudisim *A9'flvaiov (Bd. 6' Heft y/ Anhang) beschriebe-
nen und besprochenen Gefässes vom Dipylon, dessen Inschrift
beistehend (S.107) im Holzschnitt wiedergegeben ist; über die-
selbe hatte Herr Prof. A. KirchhotYdie Güte Folgendes milzu-
theilen:
«Was die Lesung der Inschrift betrifft, so kann es meines
Erachtens keinem Zweifel unterliegen, dass Herr Kumanudis
in den ersten 35 Zeichen richtig die Worte
erkannt bat; unmöglich aber ist es seiner Lesung der letzten
12 (toutov ekxuctsv) beizustimmen , dasie, auch abgesehen von
der unzulässigen Voraussetzung, es habe die erste Silbe von
ToöTov mit einfachem o statt ou geschrieben werden können,
sich auf falsche Werthbestimmungen einzelner Zeichen grün-
det. Vollkommen deutlich und wohlerhalten sind die ersten
vier (toto); der fünfte ist verstümmelt und wird von Hrn K.
zu V ergänzt; ist aber auf den Ansatz eines Basenstriches, wel-
cher auf Hrn Lollingsrevidirter Abschrift angegeben ist, irgend
Verlass, so kann das Zeichen durchaus nur ein S gewesen sein.
Es folgen zwei unverstümmelte Buchstaben, welche als e und
X deutlich sind. Dagegen sind gleich wieder die beiden fol-
genden Zeichen in einer Weise verletzt, w-elche eine Deutung
unmöglich macht. Das erste nimmt Herr K. auf Grund seines
eignen Facsimile als a, das zweite ergänzt er zu u, aber Hrn
Lollings Zeichnung stimmt dazu übel und das vermeintliche
ot würde dann eine Gestalt und eine Stellung erhalten , welche
von derjenigen sehr wesentlich abweichen würden, die auf
THONGEFAESSE AUS ATHEN 107
den lesbaren Theilen derlnschrift dieser Buchslabe
regelmässig zu haben pflegt. Das folgende, dritt-
vorletzle Zeichen ist entschieden ein p. ; Hr. K.
will ihm den Werth von a geben, aliein dies ist
unmöglich, daderZischlaul auf dem lesbaren Theile
der Inschrift deutlich durch ^ oder ^ bezeiclinet
wird. Auch der vorletzte Buchstabekann nicht, wie
Hr. K. annimmt, ein e sein sollen, dft die r.e^talt
des letzteren sonst ganz regelmäss?igEzu sein pflegt;
ich kann nur annehmen, dass die seltsame Buch-
stabenform dadurch enlstandenisl, dass dem Schrei-
ber, welcher ein Iota der gewundenen Form ein-
zuritzen beabsichtigte, beim ersten Ansetzen der
Griffel ausglitt und dadurch wider seinen Willen
jene scliräg nach unten verlaufende gerade Linie
entstand, welche mir nicht ein integrirender Be-
standtheil des Buchstabenzeichens sein zu können
scheint. Etwas Aehnliches ist ihm auch beim Ein-
ritzen des letzten Zeichens passirt, wenn dasselbe
mit Hrn K. für ein v zu nehmen ist, was das
Nächstliegende scheint; denn was er zu Stande ge-
bracht hat, enthält offenbar einen Strich zu viel.
So gewiss also die letzten zwölf Zeichen nicht als
-voaTov-ejcoeuffev gelesen werden können, sowenig bin
ich doch anderseits im Slande an Stelle der aufzu-
gebenden l.esnng eine bessere,den gegebenen That-
sachen entsprechende und mich selbst befriedi-
gende zu setzen ; nur das eine scheint klar, dass
der fragliche Schluss der Inschrift mitroüTÖ^e be-
ginnt.
Dass die Inschrift eine attische ist, ergibt sich
mit Sicherheit aus der sprachlichen Form des con-
trahirten Genetivs opxvi'JTöv, welche gegenüber den
contrahirten und uncontrahirten Bildungen der
übrigen Mundarten, 6p/-/iTT«üiv, opx'/joTscov, op/,*/!-
cTÄv, geradezu als eine specifisch altische bezeich-
108 THONGEFAESSE AUS ATHEN
net werdon miiss. Auch das Alphabet stimmt mit dem atti-
schen, namentlich in einer so charakteristischen Besonderheit,
wie in der Verwendung des Zeichens X zur Bezeichnung des
Lautes von y^. Allerdings begegnen daneben zwei Abweicliun-
gen von Erheblichkeit; diese aber scheinen mirindem hohen
Alter der Insclirift ihre genügeiido Erklärung zu finden. Es
wird nämlich
1. der Laut des Iota nicht wie sonst in athschen Inschrif-
ten, auch den ältesten der bis jetzt bekannten, durch eine
senivrechte gerade Linie I, sondern eine gewundene, Z, be-
zeichnet. Da indessen die letzlere Form anerkanntermaassen
die ursprüngliche ist, aus der die andere relativ jüngere über-
all durch Vereinfachung hervorging, so folgt aus dieser Ab-
weichung lediglich, dass unsere Inschrift älter sein muss als
alle sonst bekannten aus Attika stammenden, also einer Zeit
zuzuweisen ist, welche vor dem Anfange des sechsten Jahr-
hunderts liegen muss. Dazu stimmt denn auch der höchstalter-
thümliche Charakter aller übrigen Schriftzeichen auf ihr sowie
die linksläufige Richtung dereinen Zeile, aus der sie besteht.
2. hat das Lambda auffälligerweise nicht die auf allen an-
dern vom ionischen Alphabete noch nicht beeinflussten atti-
schen Inschriften begegnende Form U, welche wir deshalb als
die specifisch attische zu bezeichnen gewohnt sind, sondern
die den meisten der übrigen griechischen Alphabete geläufige
umgekehrte, P (A , A). Es Avürde aber aus diesem umstände
meines Erachtens, vorausgesetzt dass nicht ein zufälliges Ver-
sehen des Schreibers unserer Inschrift vorliegt (eine Möglich-
keit die vorläufig offen gehallen werden muss, da das Lambda
zufällig auf ihr nur ein einziges Mal vorkommt), nur zu schlies-
sen sein, dass der Schriftgebrauch in Attika im Laufe der
Zeiten sich geändert und von der einen Form (P) zur andern
(U) später übergegangen wäre. Das Eindringen des U würde
ich alsdann geneigt sein, auf cbalkidischen Einfluss zurückzh-
führen. Denn die Lambdaform U begegnet nur auf den In-
schriften der Gebiete von Attika, Böotien , der opuntischen
Lokrer und Chalkis (nicht der übrigen Städte auf Euböa),
THONGKFAKSSE AUS ATHEN 109
was, da diese Gebiete einen geschlossenen geographischen Com-
plex bilden, unmöglich zuriillig sein kann, und zwar um so
weniger, als im üei)rigen das allische Alphabet einer ganz
andern Heihe angehört als die der übrigen genannt<'n fiebiele.
Im Al])habete von Chalkis aber ist die Form UoÜ'cii bar uralt,
da sich ihrer auch die Colonien dieser Stadt in Italien und
Sicilien ausschliesslich bedienen; nicht so, wie es scheint, in
dem derO[)iintier; wenigstens kennt dasAlphabet der stamm-
verwandten Jjokror nur die andere Form. Auch die Böoter
scheinen vom P erst später zum U übergegangen zu sein, und
für Altika wüide unsere Inschrit'i den gleiche«» Hergang be-
zeugen. M
Fine griechische Inschrift, entdeckt auC einem jener hoclial-
tertbumlichen Gel'äs.se, deren das Dipylon zu Athen uns eine
so reiche Fülle schenkte, und deren Stil lunn nocli vor nicht
langer Zeit als nrindogerrnanischen bezeichnen zu dürfen
glaubte, mussle freudiges Frslaunen hervorrufen. Fs wurde dies
freilich etwas gcdnu^pil, als man erfuhr, dass die FJuchstaben
nicht aufgemalt, sondern erst nacli Vollendung des Gefässes
eiüseritzt worden waren. Alle Schhisse auf den Fahrications-
ort dieser und der gleichartgen Vasen werden dadurch hin-
fällig; denn so gut sicii in Ftruricn atlisclie Vasen mit gra-
virten etruskischen Inschriften finden, ebenso kann hier eine
attische Inschrift auf ein Gefäss fremder Herkunft gesetzt wor-
den sein. Gleichwol dürfte die sorgfältge Publication des merk-
würdigen Kännchens, die wir auf Tf. 11! bieten, allgemein
willkommen sein.
]Man sieht auf den ersten Blick, dass das Gefäss in die grosse
Klasse jener in der tiefsten Schicht am Dipylon gefundnen Va-
sen gehörl, deren Decoration wesentlich aus geometrischen Mo
tiven bestellt. Wir sehen die üblichen das Gefäss nmo,ürten-
den horizontalen Streifen und die vielfachen Zickzackverzier-
nngen. Auch die Technik ist die jener Klasse, die Firnissfarbe
die gewöhnliche dunkelbraune, die leicht zum Abspringen
neigt.
Endlich ist die Form der Kanne eine in jener Vasengattung
110 THONGEFAESSE AUS ATHEN
zwar nicht sehr häuOge doch wenigstens bei kleinen Gefass-
dimensionen mehrfach vorkommende. Diese entwickelte Kan-
nenform mit der dreigespaltenen Mündung die von oben ge-
sehen einem Epheublatte gleicht, erscheint vereinzelt bereits
in der letzten Periode «My kenischer » Vasenindustrie"*, dann
hier in der «geometrischen» Gruppe. Immer ist der Hals lang
und schlank, setzt die Schulter scharf ab und wölbt sich der
Bauch in gedrungner Breite; als Fuss dient die einfache Ab-
plattung unten, selten von einem verschwindend kleinen Wul-
ste umgeben. Während der Bauch immer nur mit Streifen oder
einfacher Deckfarbe bemalt ist, zeigen die breite Schulter oder
der Hals reichere ornamentale oder bildliche Decoralion 2. Ge-
wöhnlich ist der Hals der Silz der Hauplbildes wie in unserem
Beispiele, an welchem überdies noch hervorzuheben ist, dass
das Bild als eine besonders umrahmte, von der Firnissdecke
ausgesparte Flüche gekennzeichnet isl^, entsprechend einer in
der spätem Gruppe der geometrischen « Dipylonvasen » sich
gellend machenden Tendenz das ganze Gefäss zu firnissen und
bestimmte Streifen und Räume für die Decoration auszuspa-
ren*. Wir haben hiemit eine relative Zeitbestimmung unseres
Gefässes bereits angedeutet. Kein Zweifel, dass dasselbe nebst
all seinen Genossen nicht der älteren Gruppe geometrischer
Vasen ^, sondern der eben charakterisirten spätem angehört;
so dient denn auch ein Beispiel einem Gefässe als Aufsatz das
bereits die aufwärts gerichteten Zacken oder Strahlen zeigt ö,
die nur in der letzten Gruppe jener Vasen erscheinen.
' Nictit zu verwecilseln ist natiirlicti die Form dor silbernen Kanne aus
einem der Gräber (Scliliemann, Mykenae S. 280 und 353), welclie die ur-
alte einfache spitzzulaufende Form der Mündung zeigt.
2 Vgl. Collignon, Calal. des vases p. du Varvakion N» 45. 46. 47; Conze,
Zu d. AnfängiMi gr. Kunst 1870 Taf. IV; als Deckelkrönung eb. Tf. IX, 1.
Andere älmlictie in London und Loyden.
^ Vgl. ebenso in der kleinen unbedeutenden Kanne vom Dipylon .4«na/t
d. I. 1872, iav. dagg. K,i.
♦ Vgl. Löscbcke in Annali d. I. 1878 S. 310 f.
5 Wie z. B. Conze a. a. O. Tf. I, oder IX, 2.
« Conze a.a.O. Taf. IX, l.
THONGEFAESSE AUS ATHEN 111
Das Bild unsrer Kanne ist von keinem besondorn Interesse,
obwol ich für das dargestellte Thier, ein weidendes Reli, au-
genblicklich im Kreise dieserVasen kcinzvveitesßeispiel\süssle;
denn das Gewöhnliche ist hier das Pferd und der Steinbock,
seltner aucli der Hirscii. Flinler dem lieh steht einer jener
häufigen Vögel mit langem Halse, dessen Bauch, ebenfalls in
der regelmässigen Weise*, nicht voll ausgemalt sondern nur
durch Striche gefüllt ist.
Eine unserem Gefässe sehr naiic verwandte (^ilasse von Oe-
nochoen , die jedoch scharf unterschieden werden muss, darf
hier nicht unberücksichtigt bleiben. Die Form ist zwar die-
selbe, doch mit ganz veränderten Prüportiorien , indem die
Ausladung des Bauches auf ein Minimum reducirt ist und die
Schullern unbedeutend abfallen, ohne die Trennung von dem
langen Halse energischer zu markieren. Wie die Form so sind
auch Ornamentik und Darstellungen von der vorgen Classe
verschieden, ohne doch die nächste Verwandtschaft zu ver-
leugnen, wie denn auch die Technik beider Gruppen im We-
sentlichen dieselbe ist. Doch zuweilen erscheinen phantastisch
geflügelte Wesen und zu den einfach geometrischen Ornamen-
ten ge.sellen sich solche die von dem sog. «orientalischen» Sy-
steme herzuleiten oder ganz eigenthümlich sind 2. Während
jene grosse Gruppe der «Dip} Ion »-Vasen bekanntlich weit
verbreitet ist auf den Inseln und in Griechenland, so hat
sich diese wenig zahlreiche Classe bis jt-tzl nur in Altika ge-
funden und während jene sehr wahrscheinlich aus der Fremde
dahin importirt ist, so dürfte letztere einheimisches Kvzeugniss
« Vgl. z. B. Conze a. a. O. Taf. II u. a.
2 loh habe über clieso, (Masse, die mau nach einem Haiiplfunrlorte, fran-
zösüsehem Vorgänge folgend, als die der Phalcrou -Vasen bezeichnen mag,
in «Bronzefunde aus Olympia» S. 47 Anm. I Einiges zusammengestellt;
das meiste sind kleine Oenochocn {die Form s. Revue archM. 1869 S. 216).
Einen Übergang von der vorgen zu dieser Gruppe bildet Conze a. a. 0.
Taf. V, 3.— Eine boolibedeutende neuerworbne grosse Amphora i\('s Berli-
ner Museums darf indess auch hieher gezogen werden.
H2 THONGEFAESSE AUS ATHEN
sein im Anschlüsse an jene und wol theilweise noch gleichzei-
tig mit ihr.
Eine andre Gruppe geometrisch decorirter Vasen, in wel-
cher die Form unserer Kanne ganz besonders beliebt und ge-
wöhnlich ist, tritt endlich auf in den Funden ausllalien, Etru-
rien sowol als Campanien. Die Form pflegt die unsrer Di-
pylonkanne zu sein, nur etwas schlanker.
Ein andrer Tvpus dar Karme, eine schwerbauchige Form
mit kurzem Halse, ist in der alt-rhodischen und der ihr ver-
wandten all-korinthischen Vaseiiindustrie die übliche und hier
auch sehr belieble. —Merkwürdig ist dagegen dass die Form
in der älteren attisch- seh warzfigurigen Vasenclasse fast gar
nicht erscheint, um erst mit dem spätem schwarzfigurigen und
dem rothfjgurigen Stile wieder mehr aufzukommen.
Kehren wir zu unsrer Oenochoe mit der Inschrift zurück
und suchen wir schliesslich ihre Entstehungszeit etwas näher
zu fixiren, so dient als Grenze nach unten die von Kirchhoff
hervorgehobne Thalsache dass sie nicht jünger als das siebente
Jahrhundert sein kann; wegen der Grenze nach oben aber wer-
den wir uns erinnern dass sie zu der spätem Gruppe der geo-
metrisch decorirten V^asen gehört. Nun ist es aber nach an-
dern Thalsaehen * wahrscheinlich dass die letztern noch im
siebenten Jahrhundert auch in Altica üblich waren, mithin
wird unser Gefdss wohl eben dem genannten Jahrhundert an-
gehören. Obwol, wie schon erwähut, wahrscheinlich aus der
Ferne importirt, zeigt es durch einen eignen Zufall doch die
älteste atlisclie Inschrift, — Keine der Tausende von cfjMykeni-
schen » Vasen w^eist irgend ein Schriftzeichen auf— ein neuer
Beleg wenn es deren noch bedarf, für das höhere Aller der-
selben der c( geomelrischen r> Vasengruppe gegenüber.
Es ist nur ein äusseres Band, das die Tafel IV^ mit der vo-
rigen vereinigt. Die schöne, nur leider sehr fragmentirte Kylix
soll nemlich an derselben Stelle beim Dipylon gefunden sein
' Vgl. meinen Aufsatz Ql)ereinge Bronzen inAnnali d. 1. 1880 und «Bron-
zefunde aus Ol.yrnpia» S. 46.
THONGEFAESSE AUS ATHEN 113
wie jene alte Oenochoe, nur in einer höheren Gräberschicht.
Sahen wir dort das älteste Beispiel altischer Schrift noch ein-
geritzt auf ein Gefäss, das der Athener mit anderem Grabes-
schmiickc aus der Ferne bezog, so ist die ungefähr zwei Jahr-
hundertc jüngere Schale hier ein Stück aus der höchsten Blü-
thezeit eigner attischer Vasenindustrie, wo auch auf diesen
bescheidnen Zweig ein voller warmer Strahl aus der Sonne
derdamalgen geistigen Cultur in Athen fiel. Es gehört zugleich
zu den seltnen Stücken, in denen die kühneren der grossen
Vasenmaler zuerst versuchten der höheren Malerei sich zu
näheren.
Die Schale ist nemlich eine von denen welche zwar aussen
den üblichen auf dem rothem Thongriinde ausgesparten Fi-
gurenschmuck tragen, deren ganzes Innere jedoch von weisser
Thonschicht überzogen als Grund für das in bescheidner Bunt-
heit auftretende Bild dient. Die spätere Zeit der grossen at-
tischen Schalenmaler, wo der strenge Stil bereits in den sosr.
schönen übergeht, ist die kurze Epoche in welche die Gruppe
dieser meist herrlichen Schalen fallt*, die ausser der Firniss-
farbe in ihren verschiednen Nuancen noch eine braunrothe
hellere oder dunklere Farbe und zuweilen Verijoldung an-
wenden. Die Innenbilder halten theils die Grenze der Tradi-
tion inne, indem sie sich auf einen kleinern Kreis im Centrum
beschränken, oder sie dehnen sich aus und suchen von dem
ganzen Schaleninneren Besitz zu ergreifen. Doch beide Arten
hatten ihre oflenbaren Mängel; zu der letzteren forderte zwar
der weisse Untergrund auf, der das ganze Innere deckte, doch
' Die Hauplbeispiele sind aufgezählt bei Ileydemann Annali 1877 S. 288
und Klein Kuplironios S.94.— Vorangeht die mit dem Namen des Euphronios
bezeichnete Berliner Schale; ihr sehr veiwandl ist die Schale aus Kameiros
(Salzrnann Tf. 60), sie stammt jedenfalls aus demselben Kreise wie die des
Euphronios, wahrscheinlich sogar von letzterem seihst; wenigstens befindet
sich an beiden derselbe Liehliugsnamc PXaiSxwv; auf der Berliner Schale war
der Name nur durch die jetzt von mir entfernte Übermalung entstellt.— Un-
ter den hiehcrgehörigen (Schalen tragt ferner den unverkennbaren Stil des
Brygos die in München N» 332 (Abbildung bei Thier.sch ungenügend) ; sie
gehört übrigens zu den strengsten in dieser Gruppe.
UITTH.D. ARCH.INST. VI. 3
114 THONGEFAESSE AUS ATHEN
das grosse Bild zu dem man so gelangle widersprach der nö-
tigen Unterordnung des Schmuckes unter die Tektonik der
Schale. Einen originellen und soweit mir bekannt bis jetzt
neuen Ausweg ergreift unsere Schale, indem sie rings um den
beibehaltenen kleineren inneren Kreis noch einen Figurenstreif
anordnet, der den Raum bis zum Rande der Schale füllt^. So
war man der Tektonik der Schale gerecht geworden und hatte
zugleich das eanze weissürundirte Innere derselben bildlich
geschmückt. Dass diese Lösung keinen Anklang fand^ lag of-
fenbar in der hässlichen VVii-kung welche die verschiednen ra-
dial nach dem Mittelbilde zusammenlaufenden Axen der Figu-
ren des äussern Ringes machen musslen. Die beste Lösung wie
sie schon Euphronios fand blieb vielmehr eine geschickte Ver-
mitlelung zwischen den beiden oben angedeuteten Extremen.
Unsere Schale zeigt in der dieser Gattung gewöhnlichen ^
Weise die Conture mit feiner schwarzer und die Falten der
Untergewänder mit verdünnter gelber Firnissl'arbe ausgezo-
gen, während die Mäntel mit, wie es die Abbildung angibt,
hellerer und dunklerer brauner Farbe gemalt sind. Als etwas
Besonderes tritt bei unsrer Schale jedoch hinzu dass Mehre-
res, wie die Kanne, die Schale, die Spitze des Scepters und
der Nagel des Stuhles, aus weissem Thon in Relief auf dem
weissen Grunde aufo;ehöht ist. Wahrscheinlich waren diese
Theile überdies vergoldet*; ähnliche aufgehöhte und vergol-
' Einen t'igurensU-eif im Innern der Schale, doch ohne MiLtelbild zeigt
z. R. die olle nictit aUisehe Ptiineusschale Mon. d. I. X, 8. — Einen kleinen
Bihlstreif ring.s um ein Mitlclbiid, doch lange nicht bis an den Sclialenrand
reichend, auch nur liegende I'iguren darstellend, zeigt die Berliner rothfi-
gurge Schale N» 1942 (Gcrh.) Eine neuerworbne Berliner Phiale aus Athen
zeigt auf dem Omplialos in der Mitte einen Kopf und rings einen das Innere
füllenden Bildslreif.
2 Ebenso vereinzelt bleibt der unglückliche Versuch bei gewöhnlichem
rolligurigern Innenbilde die Aussenseilcn auf weissen Grund zu malen, wie
in der Schale von Kolias {Mon. d. f.X 37» ), auf welcher übrigens der Künst-
lername wahrscheinlicli Uiepov Inoieoev zu lesen ist. Namentlich das Innen-^
bild spricht deutlich für diesen JMeisler.
3 Vgl. Aroh. Ztg. 1880 .~^. 136 1. Spalte.
* Uline Vergoldung zeigt ein Bi-rliner Alabastroa strengen Stiles (Inv.
TllONGEFAESSt; ADS ATFIEN 115
dele Partien, nur von geringerem umfange, zeigt die zu dieser
selben Gruppe geliörge Münchner Schale N** 336.
Die Darstellung des Mittelbiklcs ist noch deutlich zu er-
kennen : eine auf dem herjuemen attischen Lehnstuhle sitzende
Frau, die mit der Linken sich auf ein hliithenhekrüntcs und
von einer Binde umwundnes Scepter stützt, hält mit der Rech-
ten eine Phiale, uui sich von einer vor ihr stehenden Frau in
gleicher Gewandung und mit gleichem Scepter aus einer Oe-
nochoe eingiessen zu lassen. Die Scepter deuten auf zwei hö-
here Göttinnen und da bleiben uns wol nur Demeter und Kora
übrig; letztere wäre natürlich die stehende^ — Von dem um-
laufenden Streif ist nur der üntertheil einer wiederum gleich
gewandeten Figur mit Scepter erhalten; dazu drei (nicht ab-
gebildete) zusammenhangslose Fragmente von dem äussern
Rande; auf einem derselben^ steht neben der Spitze eines Scep-
lers (1)EPPE4)ATt«, also die auf Attischen Vasen gewöhn-
liche Form für Persephone. Der Gegenstand des äussern Bild-
slreifs war demnach aus demselben Kreise genommen wie der
des Mittelbildes.— Die Aussenseiten der Schale zeigten in
üblicher Weise rothfigurge Bilder, von denen nur die untern
Theile von drei Mantelfiguren, die eine mit Stock, erhalten
sind.
Kora und Demeter, unter sich allein, nur die erstere mit
einer Spende beschäftigt, ist eine sehr seltene Darstellung.
2632) auf woisscm Orunrle das Fleisch einer weiblichen Figur weiss aiifge-
höht! — Dasselbe auf rollicm Thongrund? doch noch plastischer auf der ICylix
iu diesen MiUli. Bd. V Taf. X.
' Dass die beiden sich in der Gewandung nicht unterscheiden ist nicht
auffällig, sondern auf den Vasen vielmehr das Normale; sie tragen im stren-
gen und streng schönen Stile wie alle Frauen den ionischen Chiton und Man-
tel (so hier), und als später im ganz freien Stile der dorische Chiton immer
ausschliessliclier üblich wird erscheinen auch Dcmoler und Kora so (z. B.
Overbeck Atlas z. Kunsimjih Tf. XV, 13. 14. 12); nur ganz selten wird De-
meter durch jene erstere vollere Gewandung von Kora im dorischen Chiton
unterschieden (z. B. ebda N"> 11).
2 Ein anderes enthält den «Anfang eines Namens, wie es scheint M, doch
ist auch A,A,A möglich)) (U.Köhler). Ich habe die Schale nicht imüriginal
eesehen.
H6 THONGEFAESSE AUS ATHEN
Overbeck* erwähnt nur die prächtige Athenische Lekythos
des Varvakions ^, die ebenfalls auf weissem Grunde^ doch mit
noch reicherer Anwendung braunrother Farbe (auch für die
ünterge wänder) Demeter und Kora gegenüber zeigt, die letz-
tere selbst mit der Schale spendend (nicht der Demeter ein-
giessend). — Im Bull. d.i. 1878 S. 72 ferner habe ich auf eine
Oenocboe des schönsten Stils vom Ende des fünften Jahrhun-
derts aufmerksam gemacht, die Demeter mitScepter und Aeh-
ren zeigt und gegenüber Kora, die auf einen zwischen beiden
stehenden brennenden Altar eine Spende giesst. — Die verwan-
dtesten Darstellungen findet man auf Vasen aus dem Apolli-
nischen Kreise, wo so oft ' Artemis erscheint, die dem Bru-
der eingiesst, und Apollon selbst zuweilen auch über einen
brennenden Altar oder den Ompbalos die Spende verrichtet^.
All diese Vasen wie die der Demeter und Kora gehören nur
dem strengen und schönen rothfigurigen Stile an.— Es ist be-
kannt wie häufig in diesem Stile überhaupt die Spenden sind
und dass sie namentlich bei Darstellungen des Abschieds, des
Auszui^s zu irgend einem Unternehmen typisch vsurden , die
fromme Bitte um glückliches Gelingen ausdrückend. Dies kann
in obigen Fällen nicht die Bedeutung sein; denn wenn man
auch einen Augenblick denken könnte, dass Apoll als der zu
den Hyperboräern wandernde und Kora etwa als die in die
Unterwelt zurückkehrende dargestellt sei, so spricht dagegen
sofort der Augenschein jener Bilder, wo Apollo zuweilen sit-
zend die Schale entgegennimmt^ und Kora der Demeter ein-
giesst, nicht aber umgekehrt. Unsere Kylix vielmehr, wo die
Muller thront und von der Tochter bedient wird, gehört zu
einer Klasse wo das Eingiessen typisch ist als eine Ehrenbe-
zeigung von Jüngeren den Aelteren erwiesen; hier ist natürlich
' Kuuslmyth. d. Dem. S. 518 N» O.
2 CoIli;?non C^aia/. N« 679.
^ I'liiie Aufzählung dioser und äliüliclicr Vasen bei Slephani Compterendu
1878 S. 202 fg.
* Z. li.ElUe cframoijr. Tf. 32. 34. 26.
5 Z. B. ebd. Tf. 36.
THONGI'TAESSK AUS ATHEN 117
die Bedeutung des Eingiessens .nls DienslIeisUing die Haupt-
sache und der Heschauer sollte \\o\ kaum an die daraufTol-
gende religiöse Handluug, die mit Gebet verbundne (ttcovSii deu-
ken*. In jenem Sinne giessen Nike Iris Hebe Hygieia^ Her-
mes-Kadmilos ^ Eros Satyrn Miinadc u. s. w. den höliern Göt-
tern, in jenem wol aueli die Schwester Arfcmis dem liruder
oder Kora der Mutler ein. Auch in den griechischen Keliefs,
■welche den heroisirten Verstorbnen (zuweilen auf oder neben
seinem Pferde) darstellen wie ihm der Familiensitte gemäss
von Mutter oder Schwester die Schale gefüllt wird, mag jene
Bedeutung die vorwiesrendc sein. -- Verschieden sind jedocli
die obenerwähnten Fälle, wo ein Gott wie Apollon und Kora
in der religiösen Handlung, dem Ausgiessen der (tttov^y) neben
dem Altare, selbst dargestellt wird. Dies ist eine letzte Conse-
quenz der V'ermenschlichung der Götter, die nun selbst als
fromme und in »ewissem Sinne bedingte Wesen erscheinen:
es ist ein Resultat der gerade auf jenen Vasen der Thidiasi-
schen Epoche stark hervortretenden iNeigung, an menschli-
chen Verhältnissen ausgebildete Typen auf die Götter zu ü-
bertragen. So gelangte man eben in dieser Epoche dazu,
selbst Cultusstatuen eine Phiale in die Hand zu geben *, wo-
bei man wol hauptsächlich ausging von der Gewohnheit die
höhern Gölter darzustellen wie ihnen von jüngeren oder nie-
* Gegen die meist höchst gezwungenen Deutungen Stephanis (im Coynpte
reiidu 1873 S. 109-244), der mit beschräul^ter Eiusoitigl<eit allen Spende-
scenen eine Bedeutung tteilegiMi will, hat Ijuckenbach ( Verhi'illniss der
Vasenb. zum ep. Kyklos, Suppl. d. Jahrb. f. elass. Phil. XI S. 549 fg.) ge-
gründete I*]inweiidungen erhoben, die indo.ss noch energischer durchzuführen
gewesen wären.
' Wenigstens erscheint sie neben Asklcpios mit Oenochoe: Arch. Zcitg.
1877 S. 140 N» 1.
3 Arch. Ztg. 1880 Tf. l fg.
* Vgl. die trclfeudcn Bemerkungen von E. Petersen in den Arch. cpigr.
Milth. aus Oeslerr. IV S. 163. — Seiner sinnreichen Annahme, dass die
Schale bei Hekate und Artemis mit der Mondgöttin in innerer Beziehung
stehe, kann ich indess nicht beipflichten. Das Attribut wird ganz wie bei
den übrigen Gottheilen zu erklären sein.
118 MISGELLE
derern der Trank eingegossen wird, wobei man jedoch auch
sie selbst spendend sich denken mochte.
Dem Innenbikle unserer Schale sind viele gk'.ichartige Bei-
spiele von z. Th. signierten Schalen aus den Werkstätten der
grossen Schalenmaler gegenüberzustellen. Denn es war bei
diesen sehr beliebt im Innenbilde das Eingiessen einer Spende
darzustellen, doch wie es scheint selten im Sinne des Ab-
schieds, meistens indem der Ehrenbezeigung, wie denn mei-
stens die Person welche den Trank empfangt auch sitzend ge-
bildet ist*. Greisen Männern oder kräftigen Kriegern wird von
Frauen der Dienst erwiesen und nach solcher Analogie thut
es von den Unsterblichen auch Alhenadem Herakles, eine Ne-
reide dem Vater Nereus und hier Kora der Mutter Demeter.
Wie bei diesen andern Schalen ruht auch hier der Betrachter
von der einst w^ol in dem umlaufenden Streifen darsrestellten
erregten Scene des Mythos sich im Mittelbilde in einer Art
göttlichen Genrebildes aus.
A. FÜRTWAENGLER.
Miscelle.
Die Inschrift aus Kebrene.
Die zuerst von Waddington nach einer Copie von Frank
Calvert(bei Le Bas Asie min. 17 43'"), zuletzt nach einem Facsi-
mile von G. Hirschfeld durch Kirchhoff (Ber. d. Berl. Akad.
1879 S. 493 fg.) mitgelheille^ Inschrift aus Tschalydagh, nach
' Z. B. Rrygos, Couze Vorlegebl.Scr. VIII Bund 4; Duris ebd. VII 2 und
1 ; Ilicron ebd A I. Die Berliner Eupbroniosscliale gehört nur wahrschein-
lich hiehcr; denn nach der von mir vorgenommenen Reinigung zeigte sich
der grüsste Theil der Figuren sowie Kanne und Scliale als modern. — Vgl.
Klein Euphronios 8. 95 fg.
' In der .Anzeige des Journal of Jlellenic Shidics Bd. I N» l und 2 in der
Acadcmtj vom 15. Januar 1881 S. 39 schreibt Munro (KaX)Xio9^veo{ Ifil to3
Nixiflfo toü raoxio(?).
MISGELLIi MO
Calverts sachverständigem IJrthcile dein alten Kchrene, be-
findet sich nocli ielzt in Tschanakkalessi. Sie liegt voi* dem
ilause des Bi'uders des dem deutschen Viceconsulal hei^oge-
benen Dragomans, eines Armeniers, wo ich sie angereiht durch
KirchholTs Provocation auf eine nochmalige Untersuchung des
Originals an einem der letzten Tage vorigen Jahres möglichst
genau copirte. Der beifolgende Holzschnitt zeigt, dass Hirsch-
felds Copie wesentlich nur bei den ersten IJuchstabcn etwas
von der mein igen abweicht; ich habe zugleich vcrsueht die
für den Steinmetzen charakteristische UngeübtheiL der Schrift
zum Ausdruck zu bringen, weil dies für die Erklärung von
Bedeutung ist. Noch muss ich hinzufügen, dass die Ijei Kirch-
holt'gegebene Skizze des Steins eine etwas schiefe Vorstel-
iung vom Original erweckt. In Wirklichkeit handelt es sich
um eine ziemlich regelmässig aber keineswegs sorgfältig be-
hauene nur auf der einen die inschril't tragenden Breitseite
geglättete Platte; der Anfang der Inschrift steht dem oberen
Rande näher als die letzten Wörter derselben — auch dies ein
Zeichen der Flüchtigkeit des Steinmetzen — und reicht nicht an
die Binne links, während der letzte Buchstabe zur Hälfte in
der Rinne rechts stehl. Aus welchem Grunde die — übrigens
nach unten sich verbreiternden — Rinnen eini-emeisselt und
ob sie jünger oder später als die Inschrift sind ist nicht sofort
zu erkennen; doch nehme ich an, dass sie nicht etwa mo-
dernen Ursprungs sind und glaube dass der Steinmetz die
Buchstaben einmeisselte, nachdem er die Platte auf dem Grab-
male befestigt hatte:
'l/^^/J0£A/f//)/£yV,/^.^,To/V//C/AlO/TorAV-k/ci
120 MISGELLE
Die ersten drei Buchstaben sind fast ganz zerstört, das i am
Anfang ist nicht zweifellos, aber {jLvöcaa ist des llaumes wegen
ausgeschlossen. Die Inschrift ist wie bereits angedeutet flüch-
tig und uneelenk einsehauen und zwar zunächst mit einem
Spitzhammer, dann weiter ausgeführt bis auf V und die rechte
Hälfte des O, beides im letzten Wort. Sichere Versehen oder
Flüchtigkeitsfehler sind folgende: I statt U im ersten Namen,
das Fehlen des I hinter dem ersten O.
Das sechste Zeichen vom Ende hält Kirch hoff für ein Ver-
sehen statt 1, dann muss man annehmen, dass am Ende ein
anderes I ausgefallen sei und gewinnt die Lesung tö[i] Au-
x.C(i>[i]. Hält man das r für richtig so bietet sich — es kann sich
nur um ein Demolikon handeln — t(o[i] rau/.iw[i] oder, da
dies unwahrscheinlich klingt, mit Annahme eines bei einem
so stark corrumpirten Texte nicht auffallenden weiteren Ver-
sehens tS)[0 r[>.]xij>tio)[t] , also «aus rXauviYi oder r^ocujcioc».
Danach ist vermuthlich das anerkanntermaassen corrumpirte
rXuAuia; bei Suidas u. d. W. flolsj^-wv in rXau/tixg zu corrigi-
ren; Sthenelas wird dadurch zu einem Landsmann des be-
rühmten Periegeten. Ich lese sonach 2[öc]a(Z7:l 29£vs[>.]tj: %(J(.i
Tö[i] Ni^cisciü) 'tö[i] r[>v]xu/aa>[i]. Leider habe ich die Kiiinen des
Fundorts nicht besuchen können, um zu entscheiden, ob sie
für die von Kebrene gelten dürfen. Eine grosse Anzahl klei-
ner daher stammender Grabvasen ist von Calvert gesammelt
worden .
H. G. LOLLTNG.
(April 1881.)
Zur Epigraphik von Kyzikos.
(Scliluss.)
N" 3. Stele; auf der Vorderseite Büste, abgebildet und be-
scbrieben bei Goold a. a. 0. S. 10 \" 17; darunter die fol-
gende Inschrift :
OiENTHIBOYAHiKAITQIAHMfil
HNAIO.Z TATEITNilMHTß
APXO N TQN
A N ATPA
TÖ[v] (xpy6vTüiv' av;:Yp3t[^{^oct TÖv ypr^ijj.öv].
Auf der Iliickseite :
1TTTTAPX0YNT02 'iTTTrapxoOv-ro;
KAEYMENOY5: Kle'jyivou;
HPnOSXPHZMOS '^pwo; xP'^l^l^-o«
2:TE(t)ANH<J)OPnN '7Tecpxv7]^6po)v,
5 ONEXPH2ENAYTOIX 8v e'/pri'7sv auToi;
ATTOAAnNOENAI 'A7:6>>).o)v 6 ev Ai-
^ A Y M O I 2 j^ ^uaoi?.
Die Beziebnni»en von Kvzikos zum Orakelheilit<t;lium in
Brancbidä erhellen auch schon aus den Geschenken, welche
die Stadt in früheren Zeiten dorthin gestiflet halte (C./.G. 2855:
Ku^txTjvoJv «ptx)//) b\y,-^v ayou'Tx'A'Xe^xv^psiuv s)txT6v,ebens.!2858).
N" 4. EinelMarmorplatte aus Erdek mit Naclibildung ZNveiep
Fusssohlen (vgl. Goold a.a.O. N" 124). Darauf je eine Inschrift
(ME der zweiten in Ligatur), 1. Ztoaiu.ou, r. MevSx.
ZQ. MEN Diese Tafel erinnert sofort an die in Dethiers
5: 1 A A Epigraphik von Byzanz S. 7o besproch-^p.en Fuss-
MO inschriften, welche an2;eblich einige Jahre vor-
Y her hierselbst im Biacherner Viertel [im Innern
MITTH.D. AHGH.INST.VI. 9
\22 ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS
des goldenen Horns] zu Tage gekommen waren. Bedenkt man
jedoch, dass auch die Fusssohlen C. I. G. 6845 (unter den In-
Gerten), wie Conze Reise auCder Insel Lesbos S. 32 nachweist,
aus Kyzikos stammen und eine Einzeichnung auf Taf. Vill
Deth. iTTTrappucT); KT^CaoSiscO noT^Sf^iatr^o; datirl, gerade so wie
eine kyzikenische Ephebeniiste C. I. G. 3665 iTCTry-p/oucvi; Au-
p-flXixi; MsveXxif^o;, während Hipparchen bez. Hipparchusen in
Byzanz ganz ungewöhnlich sind, so kann wühl kein Zweifel
sein, dass jene angeblichen byzantinischen Fusssohlen nach
Kyzikos gehören; auch der Marmor ist ganz derselbe bläuliche
Stein wie der der Prytanenlisten oben*.
Über die Bedeutung dieser Fusssohlen wenigstens in Ky-
zikos kann man nicht zweifelhaft sein, wenn man die Bei-
schriften liest: t5>v ^£ivo)v Twv ^i'Xtdv a§e>.ipG)v [/.e(;.vv]c>Oe oi veot,
bez. Tou SeTvo; y.x\ toO Ssivo? töv cuctoctöv oder twv ^eivwv veov;
es sind weder Exvolos noch Inschriften christlicher Märtyrer
(Dethier) oder heidnischer Wallfahrer (Conze) sondern die
Einzeichnungen der Abiturienten aus dem Corps der veoi —
corpus quod appellatur neon (d. i. vewv)— e/ liabent [Cyziceni]
in civüate sua [SC. de Cyziccnis Ephemeris lil S. 156-160).
Diese langen Marmorlafeln bildeten also ein Art Album, ähn-
lich wie die Schulbänke, Carcerwände für die modernen Gym-
nasien. Die Wahl der Fusssohle und der Formel {Aep^vyiaOe
67:' «yacOw ähnlich wie auf den bilinguen VVanderinschriften
des Sinai erinnert allerdings an den Wanderer; wie dieser am
Wallfahrtsorte so hinterlässt der Jüngling auf seinem Lebens-
pfade diese Spur in dem Gymnasium, wo er so lange geweilt.
Was den auch sonst in Thracien und Byzanz vorkommen-
den (Dethier N° 50) Namen Mev^X; anbetrilTt, so halte ich ihn
für eine Abkürzung von Msv^iStopo? wie C. I. G. 2034 statt Bsv-
SiSo)po; geschrieben ist; MevSi; statt Bevc^i? wird von den Gram-
matikern angeführt und Livius XXJCVIII 41 hat die einzige
Handschrift statt Bendidium wie jetzt gewöhnlich gelesen wird
Mendidium.
^ Die Proyenienzangaben im Dethierschea Buche sind leider nicht immer
zuverlässig, auch die Inschrift ist ungenau wiedergegeben.
ZUR EPIGRAPIIIK VON KYZIKOS
123
N" 5. Ebendaselbst. Marmorlafel, 0,51'" breit. Nach einem
Abklatscli.
AKYPBIsnOTIZH f §f f A X i> O N O Y M N H M H I O 1®
n AziKAiEi2HfM»:»föA I N o :s: O 0 E I AtlMÄ
OVrAPTlZM»»»»»
i«0YMfi'HÜ
AniTEP0 2rA£f/«ifvPONTIZIKAP;y;^AKfii§
AAnNOozzo ff/»//Ä'/E n ixoonozhn n;f/)i
ft K E A N O Z K O A lf//ö// i/// A E A E T A I P O 0 I O ^j§
NWITEPONAEI Byf/f/yÄ/^IO VN OM AH P OC O
lC01KAiEYPH2EI2:F.N//f)AKP05:TIXlAO
A H r A P M O I r E N E H H E 1'^ Ä A I M A T C 2 O
H K ft A E 1 2 A I A H N O r A O AT H Z A E K A
E und H mit getrenntem Mittelstrich.
Die Mitte ist vollständig abgescheuert, sodass weder auf dem
Stein noch auf dem Abklatsch eine Spur von Buchstaben zu
sehen ist. Schon das oben Gelesene zu entzifTern hat mir mehr
Zeit gekostet als diese Verse werlh sind.
'A xupot; TCOTi <j'^[u!,]z ypövo'j ixv/)y,'^io[v S'jtIv
TTÄc. y.xi si; •i^[aa;] «Ivo; ö(psiX[ö{it.evo;'
ou yap Ti; pi
AwiTspo; yz[[/.eTVi; (pjpovtiTt xap[<^i]z[/.xi;
5 Xxtöv 9' öcr'7o[i exTtv] stuI j^Oovö?, '/iv 7T[epi T:x<jxy
'ß/.sxvoi; x6>[7ro'.; evjSer^sTxi poOio[u.
Nwixepov ö£ ^e[iv£ x,x]l ouvoax 7cp6'70[s vo-^'ixi
ra[0]t /,xi s6p-/iosi; ev[-6;] xx.pO'7Ti;(_u^o[;*
Sv) Y«p p-O'. ysvev) [i.sv [xp'Jxifxxxo; '0. . . .
10 yi"''-w ^' ei; 'AiS'/jv öySoarv); Se/ca[f^o;.
Das Akrostich ergibt als Namen des Verstorbenen 'AttoX^wvi-
§•/)(;). — Der Gedanke Vs. 1 fg. ähnlich Kaibel 82: sUwv (xvou.a
j^povo'j, Ttfx-^ Ss jcxciyv^TXKJtv u, s. w. Z. 3 zu ergänzen ist mir
nicht möglich gewesen.
124 ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS
N° 6. Fragment einer Marmorplatte, 0,26'" br. und ebenso
li.; nach einem Abklatsch.
YnOMNHMAOKATEZKEY
AZEN HAYTnAOPY(l)0
POZ H A E Y 0 E P n M E N O Z
KAITOI^KIMENOIZENAY
TßKOINTEBOYAOYMNIE
X AI P E
SEnOAAlAXAlPE
^Yr:6u.v'fiij.x 8 }txT£(7/ti'jz<7ev •/jX'jTto Aopupopo; -^^.EuOeptoixevo? xal
Toi; /.lasvot; ev scOto), KoCvts Bou"Xouy.vis )^3ctp£. ^sttoX^ix J^scips.
Zu bemerken sind die Bai l);ui.smen in einer Inschrift, welche
nacli den ßuehstabenl'ormcn und andern Iridicien zu urtheilen
vielleicht vor die Kai^erzeit gebort. Ein Sepuilius 2£7roij\>.io;
Hamilton 315 = C. /. L. Hl '37-3 aus Edindjik; die Schreibung
liT.olliy. auch C. 1. G. fll 429(1.
N". 7. Goold i05: Pierre tumulaire, marbrc, portant guerrier
arme de pied en cap, tenant de la dextre wie palme de palmier
et faisant face. Inscription. Prov^- Erdek.
Der Krieger isl durchaus uicht bewaffnet; es ist ein Gla-
diator en face in einfacher Tunica, in der ausgestreckten Rech-
ten einen Palinenzweiü; hallend , die Unke herabhänffend. Da-
neben ein Paar Gamaschen. Die Inschrift lautet.
EYnERHZnP U/gl!
K A T n P
IvjTups::'/!; •:rpo[€o]x,o(T{op. Provocalores kommen (iic. pro Sext. 64
und in Inschriften mehrfacii vor, C. I. G. 7021 und die dort
angeführten Stellen. Eine (^xuilix y.ovo{;.«xwv aus Kyzikos C.I.G.
3677.
Ebenso ungenau wie bei Goold ist die Beschreibung bei
I^errot a. a, (). N" 56, welcher E'jTrpsTcyi; TrpLsJicxTtop liest und
ans dem Gladiator einen Priester mit Tliyrsus und Guidande
maclit.
zun EPIGIWPHIK VON KYZIKOS
\V.
Die folgenden Inschriften nach Abklatschen, welche mir
Herr Carahella mit gewohnter Liebenswürdigkeit zur Disposi-
tion gestellt hat.
N" 8. Sarkophag.
§§f§M N H M A
CYNTCUYnOCniPlTHKAIBAePOICAIA4»ePIOKTA0ePHO ///M//'/
lOGHKAPICüTOYKATAATTOYKCÜUH »»»»»«»»
HKAHPOt<(ü^(DH A\TO\XP\CT SA^i -il'iA millllim
XM
OYMETPHTOYxBct) ^ f^ milimiMIMim
D 1 2 o N K A ,;,; Y n Uij o liimimiMlMMim
Z. 5 HE und H M , Z. (J N E, Z. 7 M E in Ligatur.
OtTenbar stehen hier zwei aus ganz verschiedenen Zeilen
stammende Inschriften zus.nnmen
l) (Jie ältei'c : 'V-6]av7iax [ä /.zTSTy.S'jXTev /.tX. ei §s ti; toX-
[AVlTBi ETepov -/.ocTaGerrJOaci -^ £x,/.6i}>3Ci 'h fi.£T£[v2y/CSiv fJüicJsi
T(^ Upö C'jvsöpio) Tco[v cax,)co(p6pü)v Twv ar;6] to'j v-StoyitoO (ry/ivsc-
pia) ß(p' xa[i T-^ 7:6 AEt t]ö i'^ov /,7.[i] Ajrr[£'i]0['jvo; eor-iai tu
TÜ; TUfASwpuyix; voatp].
Die (TX)cxo<p6poi ocTC^ Tou {jLSTpYiToö sinddic saccaiii, Lastträger,
welche an dem auf dem Markte oder sonsUvo ötTentlich aus-
gestellten Standard , ( Wein ) Maasse, ihren Stand hatten ; ähn-
lich wird in einer unedirten Inschrift von l^aiiderma (Panor-
mos, dem Hafen von Kyzikos) eine Strafe zu Gl)^^len der Zunft
der IJafenliäger angedrohi , in einer Inschrift ausSmyrna (vgl.
MoucsTov -/.zl ^i^lioHy^-fi Utp. r,^. S. 11 1 N^' S' zu Gunsten der 900-
TYiyoi Ol ::£pl röv ßsi/cov, d. h. der Lastträger beim ölfenlliclien
ßei/to;; in lOphesus C. I. G. 'MYIS sollen die i^yx-zy.'. T^poTTuT^eTTai
Trpo; TW nocfii^oivi eine Strafe eintreiben, und Dumont Inscr.
de la Thracc IN" 6G (Perinth) kommt eine te/vy; t2>v (7x/.y,o'p6-
ptiiv Tüiv azo T^; e\[a]'/)pa(; d. h. der bei der >yormal-y.oTij'Xvi
126 ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS
s^aiYipsc (vgl. das (ty1>cü)jx« von Uschak) stationirten Lastträger
vor, was der Herausgeber nicht verstanden.
2) die christliche Inschrift darüber:
TouTO To] p.v^aa rruv tw urro'JTripiTVi xxl ßocOpoi; ota(pep(e)i
'Ox.Taöep-^o[u] ccTroÖTQ/.aptw toü K^craocTTOu, xci)u.7)[; x.]-/] -aI-zi-
pov[6]{;.wv KUToO" XpicTTS Kv[7.7i;]a[ui7ov T71V (j;ijj^Yiv auToO Links
davon X(pi«5TÖ;), M.{iix-f\X), r(aSpi-/i'X).
Die barbarischen Formen und Conslructionen sind natürlich
nicht auffällig; das Wort {y.v^jxx ist aus der älteren Inschrift
beibehalten, der Ausdruck 67co(77i:(e)ipiT'/i(; wie es scheint sonst
unbekannt.
Über die Bedeutung der drei Buchstaben X M F vgl. die aus-
führlichen Bemerkungen von Benan Mission de P/ienicie S.
869 und Bayet im Bull, de corr. Heil. II S. 31 fg.; Beispiele
dieser Sigle aus diesen Gegenden waren noch nicht bekannt;
auf iinedirten Inschriften von Vodena kommt sie auch mehr-
fach vor.
Das Factum, dass die heidnischen Sarkophage vielfach spä-
ter von den Christen geöffnet und nach Entfernung der darin
beigesetzten Leichen und der Inschriften neu hergerichtet wur-
den, ist mir besonders häufig in M_ysien und Bithynien begeg-
net. Der technische Ausdruck hierfür Ist ö^vkvsoOcOxi ; auf dem
Bahnhof von Haider Pascha steht ein offenbar heidnischer Sar-
kophag aus Sabandja mit folgender Inschrift: Map«? uttoSo-
\ti)c, Tvj; ayix; toO 6u exXvi'ji«; avevecoaocjxviv tyiv j^ocpirrOtörav [xot
TCoieXov. Dass es übrigens schon früher vorkam beweist u. A.
auch die folgende Inschrift.
N" 9. Platte 2,22™ br., 0,5G"' h, (Copie).
IAIAIOYONHZIMOYHNIOPA<l)OY
OKATE2KEYA2ENEAYTn
KTHrYNAIKIKAZwTHPIAIKAI
TOI^TEKNOIZjc^
ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS 127
)t(al) T^ Yuvaiy.1 K'X(auSicji) Stof/ipi^i ical toi; xe^voi;.
Die Worte 'Ov/)<tii;,ou '^vtopoc^ou iiiul SwTvipiSi stehen in Rasur,
Z. 2 TE und NE, Z. ;5 T H in Ligatur..
N" 10. Abklatsch. Höhe 0,37, Breite ung. 1"'.
TPY<t)AINH5:THZXAPI5ENOY
■I- TA AaKTO I inPOENOYZINff
T I 2 T O A MH 2 E I A N Y 2A I T O TT a
TnNEnirErPAMI^ENQNAaZEI
KOYAEN-ISONEST^YÜEYGY
ElTirPA(t>HXTOANTirPA(t)ONA"iTO
PEIN-ISTO- E-K-NnNIA2KOAPTf
Z. 2 und 5 hat das K noch einen horizontalen Mitlelstrich ;
Z. 3 MH, Z. 4 ME in Ligatur.
'YTTÖuLVYiaoc] Tpu<paivyi(; t^; Xapi^evou [S 5caTe(TX£uz5Sv £«ut^ vcxl
T(0 avf^pl] 'Itx>^o) x(oci) toi; TrpoevoCoriv [xeitvoc; aurojv* ei öe] ti?
ToXpi.'fl'Tei «VU^at TO 7Ctö[fA3C EKTO;] TÖV ETCtYeYp3CfXU.evti)V ^w(jei[ ....
7rpo;Tei[7.o'j . . . .] x(y,i) ouSev ^((j)itov ecrTo) u7r£u6u[vo(; tö ttjc tu[/.-
6o)pu](^ia; £yx.>.'>i|x«Ti* Ta'jT7l<; tfii;] £7rtypoc(p'^; t6 avTiYpx<pov Ä7c6-
[/etxat ei(; to ap^^Eiov xvj; tcoXeo); .... BixTcoJpEivv)«; to e' "/.(äO
Nwviz; KoapxfTii;. . .
npoevEi[;.i wie sonst einmal 7rpo£Y>tei<y9«i ^- ^- G. 3516 dürfte
<5(7:a^ ^EYop-Evov .sein ; im Schluss scheint ein Datum nach Hip-
parchüsen zu stecken.
Fast sämmtliche Grabschriften aus Kyzikos zeigen die For-
mel u7r6(Avirj(jt.a toD ^eivo; 8 xocTeaxeuaaEv eäutw xal y-x^. ; diese
ist hier so ausschliesslich in Gebrauch, dass ich vermuthe,
dass auch die Inschriften unsicherer Provenienz C. /. G. 6937
6958 (Verona und Venedig), 6978 (Constantinopel), Dethier
Epigraphik von B^'zanz N" XXV, welche ebenso lauten, nach
Ryzikos gehören; in den meisten Fällen wird das durch die
Namen bestätigt.
428 ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS
iV 11. Abklatsch. Z. 2 H E und n P, Z. 3 AA, Z. 4 H C in
Li'^atur ebd. die Spitzen des M am Ende durch einen Querstrich
verbunden, Z. 5 HM, Z. 0 H C in Ligatur.
AAOAlKEYCTOrE
NOCTHCnPOCAYKON
ENGAAEKEIMAIZYMcJ)
POEEYOnAlHCXPYZAM
AOC(JUnAPOAElTA!BI-M
KHClfMAlKUüCE/y;';/^
n mmmwiim ^- h a e
imiimisißii N A-r
Azo^ix.S'j; tö ysvo; t'^? zpoi; Aux.ov evöxöe /.eTfxai
cua'p[o]po? suoTC);iy,? Xpu'75cj;.[7:e]>.o;, w rcxpodeTrai
]\» 12. Abklatsch.
e Y h K T O Y
KANKC AAA
P I O Y T A 2 e
UU C K A e O A 1
KOYeNONO
M AT I K Y P I O Y
E'jz[py.]x.Tou xav/.[e]>.X3cpiO'j Tjc^eo)? /taOo'Xr/.oO ev övoaoiTt xu-
piou. Zur ry.;'.? •/t/OoXtx.oO, d.i. Rang eines ralionalis swnmanim
vgl. C. /. (». 48t)2 ev T'^ racei twv KKÖoXi/toiv.
N" 13. Fragment einer Marmorstele bei Takvor, 0,26'" br.,
0,28'" (an der linken), 0,35 (an der rechten Kante) h. Über
der Inschrift ein Relief: Links in der Ecke eine Frau auf der
Erde sitzend, sich entsel)leiernd ; in der Mitte ein Kind auf
dem Roden spielend; rechts ein Mann aufrecht.
Die stark verwitterte und abgeriebene Insclirifi wurde erst
ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS t29
durch Holzkohle und Wasser in wünschenswerlher Weiso
klar; sie lautet:
2 o 4) E ;; ; aonzefonaiieayohmeponi
AFOMHTPOS A A H 5: E I 2 N OT I OYZ A A
MONA^HFArETO E P M O K P A T E Y N Y N
SXETPIFAOYNAXOÜHZETEKOYZA
5 FPO^ ,TPO<})HZMOXOOYNYNTErOOY5:
OANATOY ENMIKPHTAPEAYZEZAKM
(t) A02 H A E EF I M E MF T H M O I P A 2 E Y F O
ZKIEPAKPYYEKAMONTAKONI
EPMOKPATHXAlPEKAIZYTEnFAPO
10 A E IT A
"AtS'/i; ei; voiiou; S3c[i]aov7,; -^YScyeTO,
*Ep(xox.pz-eu, vuv [i^' e]<7;;^£ ipcrT^ouv «z^oi; 'fl <J£ tsxoO^oc,
TCpo? [Ös] Tpo<p'^!;, jAoy fJou, vuv xs yöo'j; Oxvxtou.
'Ev aix.p-?i Y«p eX'JTC!; a'/4jji.['/l] (pzo?, 'h oe £7:i[7.ej/,7wTVi
Motpx ce UTTO cicispX >tpui],e /,x[;.6vt3c /.övu
*Epj/.ox.pxTvj X^-^P^' '^'^^ ""^ Y®» ^ TTracpo^eiTa.
Z. 1 war wahrscheinlich O (}) E A A O N geschrieben und dann
wurde das eine A getilgt. Autfällig sind die beid(3n Vocativlor-
men 'Eq^.o'aqx'zu nnd 'Ep^.o-/.oxr-f\\ jedenfalls ist es nicht er-
laubt, stau 'EpuLovtpxTeu — 'Epfxo/cpxTe; zu lesen. Zu bemerken
ist auch das Fehlen des jola subscriptuni, die Form y.6\iZ. 6 und
einzelne ungewöhnliche Ausdrücke wie voxioi ^xiulovs; Z. 2
(wolil die Bewohner des finsteren feuchten Schattenreichs);
eX'jTe? 9Z0; nach Analogie von ßiov ^ue-.v u. dgl. Nach den
Buchstabenfornien scheint der Sri'in vori'ömisch.
Von den sonst mir in ('opien mitgelheilten Inschriften will
ich einige wenige hiei- verölTentlichen.
N° \i. Arlake (Frdek).
130 ZUR EPIGRAPHIK VON KYZIKOS
HPnnNKAEAnOAAAKAIIAI
AKOYnOAEMOlO
KOSMHSASOeEOISISOZ
OMHPOZOAE
xo'Tjji.'^TX? 6 ösot; ?To; "OjAvipo; oSe.
N" 15. In Edindjik.
0EANOMONOIAN
THnATPIAI(t)A
API^TArOPA2
YI02API2TAr0P0Y
lEPfiMENOZTHZ
KOPH Z
0e«v *0(A<5votixv T^ TcarpiSi OX(äSioO 'ApiffTocy^pot; uib? 'Api-
crayöpou iep(üp!,svo; ttJ!; Kooti;.
Die Stalue der Concordia kann man mit dem Factum in
Verbindung bringen, dass Kyzikos unter den Kaisern eineöjxö-
voi« mitSmyrna und Ephesos geschlossen; siehe Marquardt
a. a. 0. S. 1 4 1 . — lepcof/^evo; t^? Köpr,?* ähnlich in der Inschrift
Berl. Der. 1860 S. 494 I zum Schluss (nach einer bessern
Copie) ispü)|xev[oi t*^;] Köpyi; y.«l [Aiof/,v)Tpoc].
N" 16. Die Inschrift Hamilton 311 =Le Bas 1757 (Edindjik)
ist im J. 1840 vom verstorbenen Stephan Caratheodory hier
in Tophane gesehen worden ; Hamilton besuchte Aidindjik
{Researches II S. 96) Mai 1837. Da der Stein wohl zu irgend
einem Bau verwendet worden und die Copie des englischen
Reisenden sehr unvollkommen ist, theile ich hier die Abschrift
Caratheodorys mit:
EOPTHHrVNHAYTOYKAIACKAH
TTIAAHCOYOCAYTOYAANAQAEY
TEPnnAAnOPAKfiNMNElAC
X AP I N
. NNEAKICnYKTEYCACnXETOeiC
A I AH N
ZUR EPICnAPlIIK VON KYZIKOS 131
*EopT-/i 'h yuvv) auToO v.xi 'Arrjc'XvirKxSvi? 4 66; auroO Azvati) öeu-
'Ejvveacxii; ::uitTeu(J3c; oi^eto ei; 'AiSnv.
Über den ^euTrepo; tcx^o; Opa/cwv hal Waddinglon zu Le Bas
das INölhige beigebi-aclit. Cber die GJadialorenspiele in Kyzi-
kos vgl. oben zu IS" 7. Die beiden letzleii Zeilen bilden einen
allerdin<j;s incorreclen Pentameter; äbnlicb heisst es auf der
GladiatorgrabscbrirLDiichesne und Bayet Mission au mont Athos
IN" 147: 7re[vT3cy.i!;] TruxTCuaa? /.xi jAYi^eva "kuTZ'finxc,, vOv S' e[Yo)
'k<i]'kK)T:Y,fxxi ; auch Kaibel 291 I , wo Waddinglon vielleicht mit
Unrecht icuÄTcuda«; statt des über,, terlen tcuxteltoc«; — vgl . spä-
tere Formen wie yoveifftv statt yovsucriv — schrieb, ist zu ver-
gleichen.
Pera, 1. März 1881.
D' J. H. MORDTMAiNN.
Aus Constantinopel und Kleinasieri,
Im Folgenden veröffentliche ich eine Anzahl griechischer
und laleinischer Inschriften, die ich auf einer in den letzten
Tagen des Jahres 1879 von Athen aus angetretenen Reise in
Constantinopel und an verschiedenen Punkten \on Kleinasien
ahgeschrieben oder abgeklatscht liahe. Ein paar griechische
Inschriften aus Apolloiiia in Kpirus, jetzt in Constantinopel,
und eine aus Cvpern iheile ich nach Copien mit, die ich von
anderen Gelehrten erhalten habe. Alle diese Inschriften sind
entweder bisher gänzlich unbekannt oder ungeniigend und
fehlerhaft publiciert. Auasei'dein füge ich ein paar Bemerkun-
gen aus den Aufzeichnungen hinzu, die ich mir bei der Be-
sichtigung der Riiinen ron Ephesus und Sardes gemacht habe.
Constantinopel. Museum im Tschinili Kiöschk, früher
in der Irenenkii'che.
1. Kleine, viereckige, nuirmurne Grabstele mit dem He-
liefbild eines Soldaten mit o;etrürteter Tunica und über den
Rücken herabhängendem langen Mantel, der in der R. einen,
die Spitze nach oben, auf den Boden aufgestülzten Speer, mit
der gesenkten L. den ebenfalls auf dem Boden i'uhenden Schild
hält. Rohe Arbeit.
M S
F SRBESTIANOMIL
L-P-R-MIS-P- V PHILIP-
JI-VIC-M-AVRSALVI
ANVSFRAETCON
Darüber :
D
Darunter :
T
C
s
AUS CONSTANTINOPEL UND KLEINASIEN 133
Die Inschrift ist an mehreren Stellen von jemand, der sich
sie zu lesen bemüh le, stark zerkratzt worden. Z. 2 lies T{ito)
F{lavio) S[a]bestiano. Der griechische Steinmetz hat fehlerhaft
R statt A gegeben V Z, 4 c[entiiria) {tn'remi) Vicltoria). Eine
triremis IVc/orm, ebenfalls von der misenenHischeii Flotte, wird
ausserdem /. N. 2703. 2782. 2803 erwälint. Z. 5. fva{ier) et
con{7nilüo).
2. Grössere, viereckige, marmorne Grabstele mit dem Re-
liefbild eines Soldaten, der bekleidet ist mit Tiinica und auf
der r. Schulter belesligtem Mantel. In der R. hat er die vt7is,
in der L. einen Gegenstand , der der mappa von Spielgebern
ähnlich gestaltet ist, aber wohl eine Schriftrolle vorstellen
soll. — Eine ganz entsprechende Darstellung bietet der Grab-
stein des C.Aenrilius' Scverus 1 uxiimeri) Paninoniorum) im pa-
lazzo arc/iivescovale zu Ravenna. 'Suv besteht die Kleidung hier
aus ungegiir teter Tiinica und Paenula, und der Gegenstand
in der seitwärts halb erhobenen \j. ähnelt bestimmter einer
Schriftrolle.
0 K
AVRAAVCIANO-7-DE
joVTATO-VJXIT-ANNIS/..
MILITAVIT-ANNIS-XXt)?
EVlYCHIANVSLJB-PATr 5
S V O
Die erste Zeile steht über dem Relief, die anderen darunter.
Das O ist durchweg ein wenig kleiner als die andern Buch-
staben. Die Ergänzung von L zu Ende von Zeile 3 ist wohl
sicher; auch Z. 4 wird auf XX wohl nur noch ein Zeichen
gefolgt sein. Z. 5 f. lib^crtus) pal[r][ono) suo. — Die Inschrift
stimmt vollkommen zu der von Henzen Ann. 1850,45 ausge-
sprochenen Ansicht, dass die centuriones deputati waren cen-
turioni scclti dalle lo)'o legioni per eseguire qualche incarico pC'
' So belehrte raicti Momrnsen.
13-^ AUS GONSTANTINOPEL UND KLEINASIEN
culiare ed essere preposti a comandi staccati, und zugleich be-
weist sie auch, dass es nicht bloss waren centuriones propter
legionis negotia in urbe morantes {Eph. cpigr. IV, 240).
Uehrigens versichern die Museumsbeamten, diese beiden
Inschriften wären aus Salonichi gekommen, eine Angabe, die
kein Vertrauen einflössl, weil sie alle Stücke, deren Provenienz
unbekannt ist, nach Salonichi oder Kyzikos zu weisen pllegen.
D*" Schröder* meint sie könnten aus Rodosto stammen, wo
schon mehrere Grabsteine von Soldaten gefunden worden sind.
Man könnte dann fragen, ob Aur. Mucianus als cenlurio de-
putatHS vielleicht den numerus Divitensium befehligte, der nach
anderen Nachrichten in Thrakien stand und von dem nach ill
728 Theile auch in Rhaedestus gelegen haben müssen.
3. Viereckige, marmorne Platte mit Votivrelief und-inschrift
aus dem 2. oder 3. Jahrhundert n. Chr. Oben befindet sich
eine giebelförmige Bekrönung, die aber durch an den Seiten
angebrachte Palmetten rechteckig abgeschlossen wird. In dem
Reliefl'eld steht r. auf einem breiten Postament Zeus e. f., wie
es scheint mit Tunica und langem Mantel angethan, mit der
gesenkten L. ein langes Scepter, in der seitwärts erhobenen
R. den Blitz oder Donnerkeil haltend. 1^. davon auf einem
gleich hohen, aber viel schmaleren Postament eine Herme
mit viereckigen Vorsprüngen (zum Rranzaufhängen) an den
Seiten, einen caduceus über der r. Schulter. Zwischen beiden
Götterbildern, aber höher, ein Altar mit einer Guirlande be-
kränzt, darauf ein hoher, dreieckiger Aufsatz, der wohl einen
Opferkuchen darstellt. Unterhalb der beiden Postamente liegt
auf seiner r. Seite von I. nach r. der Länge nach ausgestreckt
ein Mann, bekleidet und wie mit einem breiten, über die r.
Schulter laufenden Band angethan 2. Darunler, von beiden Sei-
ten mit einem breiten Rand eingefasst, die Inschrift:
* Demselben verdanke ich aucti Abklatsche dieser zwei Inschriften und
eine noclimaiige Collation meiner Abschriften mit den Originalen.
* Wenn dies nicht der Wulst des Mantels ist.
AUS CONöTANTlNOPIiL UND KLEINASlliN 135
TIBGPIOCKAAYAIOC
CYNTPO(t)OCAII
Y Y ICTUÜ K ATen I T A
r H N 6 K T UU I A I sic\
UÜNANeOHKeN
B P O N T A I UU
Der liegende Mann des Heliefs ist also der Dedicant, der wäh-
rend des Schlafes die Weisung' zu seiner Widmung erhalten
hatte, vielleicht duich einen Dunnerschlag, wie man aus dem
emphatisch nachgestellten ßpovraiw vermuthen könnle. Oder
halte er etwa durch einen Trauin die Weisung erhallen , auf
diese Art Zeus zu danken für ijnä(li2;e Lehensre tuni> bei einem
CO o
in seiner Nähe einschlagenden Gewitter? Hermes, der Gölter-
bole, hat als Vermittler der i-rnxxyod des Zeus auf dem Relief
passend eine Stelle.
Folgende Denkmäler (IS" 4-9), über die mir Herr D"" Schrö-
der Mittheilung gemacht hat, sind gegenwärtig im Besitz des
'EXA'/iviitö; (piXoXoYix.6(; -T'jXXoyo? zu Conslanlinopel. Sie stam-
men angeblich aus Apollonia in Neuepirus ('ATcoXXtoviz t-^;
ET^ap^ix; BiAeyp«f)a)v s. xou ev KcovcTavTtvo'JTcdXst 'FAX. (piX. (J'j'X'X.
T« Trcp'.-TcoÖsvTa IV, 125).
4. Ein fragmentiertes Volivrelief mit Inschrift, hoch 0,36™,
breit unten 0,25'", oben 0,06"*. Dargeslelll ist in einer nur auf
der r. Seite erhaltenen Umrahmung Artemis, e. f., in hoch
gegürtetem, nur etwa die Hälfte der Oberschenkel noch be-
deckenden), kurzärmligem Chiton und mit Jagdstiefeln an den
Füssen. Die L. liegt gesenkt, doch mit gekrümmtem Ellen-
bogen an der Seite an. L. von der Göttin sitzt nach 1. ein
Hund; sein Kopf, den er wohl nach jener umwandle, so wie
ihr Kopf, Hals, r. Schulter, r. Arm sind weggebrochen. Die
Inschrift darunter lautet:
<ePA(JUNAP
Te/A IT I e Y
X AN
136 AUS CONSTANTINOPEL UND KLEINASIEN
5. Aehnliches^vollkommen erhaltenes Votivrelief hoch 0,41™,
breit 0,25™. Auf dem von breitem Rand umgebenen Feld er-
blickt man Artemis, nach 1. schreitend, eine Fackel in der
halb erhobenen R., einen Jagdspeer in der L. Bekleidet ist sie
mit Jagdstieieln und bis über die Knie reichendem gegürteten
Chiton, und über ihre Schulter ist ein Mantel geworfen, der
vom Winde hinter Kopf und Rücken zu einem grossen Bogen
aufgebläht wird. Die Haare sind am Hinterkopf in einen nest-
artigen Knoten zusammengebunden. Darunter die Inschrift:
AM M I A A
APTAMlTieY
ATPOTA XAN
Die Inschrift allein ist in Minuskeln abgedruckt, aber ganz
verkehrt gelesen in den Publicationen des 'Ell. <pi)i. ctuXX. zu
Constantinopel to}x. a' S. 125, ausserdem in des Belgrader
Metropoliten "AvOijxo? A. 'AT^eEou^vi; « rjuvT0{X05 iTTopixT) Tcepi-
Ypoc^Y) T'^<; tspä? (lYjTpoTCÖXew? BeXeypaSwv » 1871. — Der Name
'Ajx[aU« ist sonst, so viel ich sehe, noch nicht nachgewiesen.
6. Relief (hoch jetzt 0,25"') darstellend Arterais, hochge-
schürzt, sich mit dem r. Arm auf einen Speer stutzend. R. am
Fusse ist noch der Koj)f eines Hundes sichtbar. Der untere
Theil des Reliefs ist nämlich sammt der Weihinschrift, die
wir hier wie bei N" 4 und 5 anzunehmen berechtiü;t sind,
weggebrochen.
7. Marmornes Brustbild einer verschleierten Frau, am un-
leren Rande die Inschrift:
•/cAAAXAlPE
8. Fragment einer cylindrischen Grabstele, hoch und breit
c. 0,10'", mit folgenden Resten einer Inschrift:
frei
M O N O Y
N I E fr.
X A I fr.
AUS CONSTANTINOPEL UND RLEINASIEN 137
9. ZlegelstücJ^ von 0,10'" Länge, darauf der Stempel: E TT I-
K A A|.
10. Der Güte des Herrn D"" Schröder verdanke icli auch ei-
nen Abklatsch der im Besitz des Herrn Carabella befindlichen,
metrischen Grabschrift aus Kyzikos, die von Perrot in der Re-
vue archeol. 1876, 353 ff. publiciert, von Kaibel in den Epigr.
Gr. ex lapidib. conl. IS" 338 w iederholt vsorden ist. Ich habe
danach folgende Berichtigungen mitzulheilen : Z. 3 f. cÄ|o<ppc-
cuvY)- Z. 4 a[jtgpo5vH NZ.GXPONOZ-AAAANEHNYM-
<t)H2l-EY2:F Z. 8 zu Anfang "A y.rl. Im dritten Hexa^
meter hat also der Stein : a;\).a vev] vujx^Yiai y.T>..
11. Hieran schliesst sich passend die Mittheilung über ein
Meines, marmornesGrabrelief an, das ich imMuseum zu Win-
tertluir in der Schweiz vorfand (N" 1989). Nacli der Angabe
des Museumsinspectors ist dasselbe nämlich in Constantino-
pel ervs'orben worden. Es stellt einen Mann dar, der in einen
Mantel gehüllt ist, und zu seiner r. Seile ein Kind. Rohe .Ar-
beit. Am oberen Rand die Inschrift:
E 1 Z I An P02
AHO A AÜN lO Y
Nach Ortho- und palaeographischen Kriterien darf man das
kleine Denkmal etwa dem ersten Jahrh. vor Chr. zuweisen.
Pergamum. 12. Auf der Akropolis fand ich in der Ter-
rassenmauer mit den Strebepfeilern, westlich von der Südter-
rasse, ein marmornes Architrav^stück eingemauert, das nach
beiden Seiten bearbeitet und profiliert ist, also zu den Episty-
lien einer Porlicus 2;ehört liaben wird. Die Mauerlücke da-
neben — das Stück ist nämlich seiner Länge nach quer in die
Mauer eingelegt -erlaubte mir von den auf der einen Seite
MITTH.D. ARCH.INST. Vi.
10
138 AUS GONSTANTINOPEL UND KLEINASIEN
befindlichen^ grossen Buchstaben (die Seilenhaslen des ^ bie-
gen sich mit ihren Enden einwärts) folgende zu erspähen:
^A AAK l§ §1 , also vielleicht (pxXay.[po;. Das Stück könnte
möglicherweise mit anderen, gefundenen Fragmenten zusam-
mengehören, und es war ausser von mir, so viel ich er-
fahren konnte, noch nicht bemerkt worden. —Dieselbe ver-
schnörkelte Form des (p bemerkte ich auch auf späten In-
schriften in Olympia.
13. Im Dromos des Ängetumulus sah ich rechts an der
Wand dasselbe Sleinmetzzeichen, das ungemein häufig an den
Säulen der Binbirdirek zu Constantinopel angebracht ist: (T)
vgl. auch die Inschrift im 4. Bd. der Publicationen des Con-
stanl. SuUovo; S. 173 N" 10- Oscri; c3 )^ ktX.
14. An der Aussenseite des TrepiS^^t eines neben dem allge-
meinen Friedhof gelegenen, einzelnen, türkischen Grabes bei
dem Chaiii von Sa mnrli — Strasse von Menimen nach Kiles-
siköi-fand ich einen verkehrt eingemauerten, kleinen, mar-
mornen Altar h. 0,io"', br. 0,30'" mit folgender Inschrift:
AN0IS I EPE I A
M12HKOPHTON
BNMONANE
OH KE^
drei Aehren.
Die Inschrift ist ungenügend und fehlerhaft (z. B. Z. 2 NI2H)
puhliciert in dem Smyrnäer p.oucr&iov y.yA ßiSXioO-fl>t7i -z-r^t; sOxy-
Ys7.tx-?)^ a^oV^?!, 19 (1876). vgl. Texier 11, 244. -Die Mb-.!
Kopyj, der der Altar geweiht ist, ist ein der orphischen Mytho-
logie angehöriges, m.ystisch-androgynes Wesen, über das uns
besonders der orphische Hymnus N" XLll Ilerm. belehrt. Aus-
serdem findet sie sich nur noch erwähnt bei Hesychios : Mir
AUS CONSTANTINOPEL UND KLEINASIEN 139
50CT15* Mvffa Ttöv xspi T-flv y.'/itepx (1. ^y,}xt,-^x) ti;, Vjv y.al öjivu-
ouin. Ihrer Ziigohörigkeil zu dem Kreise «ccreulisch-metroi-
scher;) Gottheilen {vgl, Gerhard, Gr. Myth. f^ iÜ3) cnlsprlclit
das Sv 111 hol der drei Aehren.
15. Nahe bei jenem Fricdliol", 1. von der Strasse, liegt die
vordere llülfle einer Basis von schwarzhlauem Marmor; auf
der Oberilache ist noeh das Einsatzloch für den vorgesetzten
l. und das halhe Kinsalzloch IVir den zuriickstehendeu , wolil
als Stand hein fungierenden r. Fuss der auf der Basis einst auf-
gestellten Stalue erhallen, ebenso ein Loch an der V^orderseite
unten, das die Verklammerung der Basis mit einer dai'unter
liegenden Platte bezeugt. An der Vorderseite hat der tilgende
Meissel folgende Buchstaben verschont :
A Y - f f f i f i i t f i i i f f/lli i i i i i i i
A L N H Z K O N i^ N O 2 E F O I i i f f
Die ganze erste Zeile wird 13-15 Buchstaben enthalten haben,
in der zweiten sind vor dem N c. 8 Buchstaben ausgemeisselt.
In Minuskeln und weniger genau giebt die Inschrift 4>ovTpis-
po;, Mouc. X.. ßiSXioO. t*^; euzyy. c-^olr^q sv SjAupv/) a. a. 0. S.
20. —Einen Sculptor, dessen Namen auf -vr)? ausgeht und des-
sen Vater Kövwv heisst, vermag ich sonst nicht zu finden.
IG. Im Museum der evangelischen Schule zu Smyrna be-
findet sich ein runder, marmorner Discus von 0,17-0,18™
Durchmesser und höchstens 0,03 Dicke, gefunden ev Outocxim.
Daraufist dargestellt in roher Arbeit, durch vier von seinem
Haupte emporragende Strahlen genügend charakterisiert, He-
lios, der ein im Galopp dahinsprengeiides Viergespann letikt.
Er trägt ein MUntelchen, das auf der r. Schulter befestigt, die
T. Brust bedeckt und hinler seinem Rücken flattert. Mit dem
1. Fuss energisch ausschreitend hält er mit der l. Hand die
Zügel, dje r. hat er ausgebreitet seitwärts erhoben. Rechts von
140 AUS CONSTANTINOPEL UND KLEINASIRN
ihm und über den Pferden ist ein Vogel dargestellt, den ich
nach der Haube auf dem Kopf und der sonstigen Gestalt nur
mit einem Wiedehopf zu vergleichen weiss. Unterhalb des
Viergespanns scheinen wogende Aehren oder Gräser dargestellt
zu sein. Ringsum aiif dem Rand desDiscus steht die Inschrift:
ArA0HTYXHAYf'MHNO(j)IAOCKOAeNHC
e 0 H K e N o c I uu e Y > i(/ ; I N
H (mit Ausnahme des ersten) und 6 mit getrenntem Mittel-
strich; nicht genügend publiciert im Mou^. x-^c, euocyy. cjo-
^^; 1878 S. 53.
Ephesus (Ajasoluk). 17. Im Wege gleich vor dem Thor
der türkischen Citadelle scharrte ich die Vorderseite einer Basis
heraus, von deren Inischril't ich Folgendes entzifferte :
CLODIO C-F-MAEC-
MMO-TRIB-LEG'
XVIRSTL-IVD
i INI
Das Stück 1. von dem Gelesenen blieb noch unter der Erde. Von
Z. 4 ff. wird kaum noch viel zu lesen sein: sie sind abge-
laufen. Die Inschrift ist offenbar identiscli mit III 429, die
Smith im 17. Jahrhundert noch viel besser erhalten beim Dia-
natempel fand.
18. Am Magnesiathor neben dem Sarge «Polycarps» fand
ich eine grosse (h. 1,67'" br. 1,09"), einst zu tectonischer Ver-
wendung zurecht geschnittene Platte, auf der ich sofort die
Reste einer auf Vespasian bezüglichen Inschrift erkannte. Den
Versicherungen meiner Begleiter trauend , dass sie von Wood
publiciert sei, begnügte ich mich nur kurze Notiz davon zu
nehmen. Die folgende Copie hat mir dann Herr Weber in
Smyrna auf meine Bitte besorgt:
AUS CONSTANTINÜPEL UND KLKINASIEN 141
I M P
V E S P '^
A^ r • !
I I I
UM P
(Vei.
d. 1. Imp. [Caes.] \ Vesp[asiauo] | A[ii]fj. [pont. max. \ tr]i[b.
pol. I . .] 1 in\p. . . [cos. . . p. p. Ihrer Form navM krninle sie
eine VVegein.'^clirirt oder auch etwa die V\ iederherstellung des
Thores durch Vespasian zu bezeugen bestimmt gewesen sein.
Dann wnrc dessen Name wohl im Nominal iv zu ergänzen.
19. An dem Thorbogen beim Stadion und zwar in dem
Durchgang an der Südwand ist ein Marmorbalken (1. Iji^'"
li. 0,42"") eingemauert mit folgenden Resten einer Inschrift :
A C C E N S Ö
R E N S I ■ E T • A S ! A E frei
An der Südwestseile des Bogens ein anderer Balken mit den
Resten einer mit der vorigen offenbar ganz gleichen Inschrift:
A C C E N
R E N S 1 ■ E T
Wie an dem andern Balken die 1. so ist hier die r. Seile Ver-
stössen. Die Inschrift steht bei LeBas-Wadd. N" 178. 179
und C. I. L. III 432. Auch nach F.ph. epigr. IV 37 N" (31 war
Wiederholung rathsam. Die Genauigkeit tneiner Abschrift kann
ich durch Durch reibungen belegen.
20. An der Südseite desselben Bogens trägt eine hoch ein-
gemauerte, grosse, viereckige Marmorplatte folgend« Inschrift:
M-P-VEDI-NICEPHC
VEDIAE -P-FPAVLLINAE
M
112 AUS CONSTANTINOPEL UND KLEINASIEN
weniger genau bei Le ßas 181 und HI 440. — Rbenda an der
Ecke eine ähnliche^ grosse Platte mit den InscJiriftreslen :
frei.
HIAEVXOPISEIV
ETA I
N
weder ganz genau bei Le Bas N" 183 nocli III;, 1-43. Die zweite
Zeile giebt die Endung eines griechischen Worieß. Die Zn?am-
mengrehörio-keit mit Le Bas 182 ist also recht wahrscheinlich.
Das M auf der ersten und das ganz entjs])rechende N auf der
zweiten Inschrift ist nachträglich hinzugefügt, vieüeicht erst
als Steinmetz-oder Maurerzeichen beim Bau dieses Thores.
21. An der nordöstlichen Ecke finden sich noch folgende,
wohl zusammengehörige Fragmente in grossen, aber spaten
Buchstaben :
ft. HP El '^ b. s\ZC
<AI
TON
Das Inschriftfeld von a und Z. 2 von b ist um etwa 0,02"",
das von b Z. 3 um 0,04'" vertieft.
22. Bei dem sogen. Grab des h. Lukas, einem kleinen Rund-
bau nicht weit vom Odeion, fand ich eine grosse Stele von
bläulichem Marmor mit folgender Inschrift:
AlorENoYC
X A P K n M A
T A A O C
Ich gebe sie nach einer von mir gemachlen Durchreibung.
Die Buchslaben sind sehr unregelmässig —Auch diese Inschrift
ist von Wood ausgegraben, aber nicht publiciert worden, wie
er denn überhaupt alle In««chriften, die er incbt mit fortnahm,
auch keiner weiteren Beachtung gewürdigt zu haben scheint.
AUS CONSTANTINOPEF. UND KLI-INASIEN 143
worauf ich die künftigen Besucher von Epliesos aufmerksam
machen möchte.
Von* den Bemerkungen, zu denen mir die Durclivvanderung
des "Ruinenfeldes von Epheso» sonst noch Aulass gab, hegnüf^e
ich mich folgende mitzutheilen, die mir als ]]rgiinzungen oder
Berichtigungen der von Curliiis-Adlor in den Beiträgen z. Gesch.
u. Topogr. Kleinasiens sowie von Wood gegebenen Schilder-
ungen von einigem Belang ersclieineri.
23. An dem Pionabhang, oberhalb des Androklosgrahes,
doch ein wenig weiter nach dem Magnesia'hor zu, befiDdet
sich u. a. ein in den Felsen gehauenes Grab in v>e]« licni zwei
Nischen an der Hinlerwand und eine zur L. freigelegt sind.
Noch oberhalb dieser Anlage, etwa an der Stelle und in der
Richtung, wo auf dem den a Beiträgen» beigegebenen Plan
ein Weg markiert ist {vgl. S. 24), iüuft in einem mit Sluek
ausgekleideten, 0,91'" breiten Graben eine Wasserleitung hin.
'Ich habe sie in südlicher Richtung eine grosse Strecke weit
verfolgt; wie sie nach N. liin verläuft, vermag ich nicht zu
sagen. Sie ist zum Theil noch sehr wohl erhalten, an vielen
Stellen steht sogar noch der schräge, aus Stuck gebildete Rand,
der dereinst wohl Deckplatten trug. Sie muss mit der unteren
Pionmauer parallel gelaufen sein, ähnlich wie auch in Per-
gamum eine Wasserleitung die auf dem Abhang hinziehende
Stadtmauer eine beträchtliche Strecke entlang begleitet.
24. Die sogenannte Stadtquelle, von der Taf. 11 in den
«Beiträgen» eine freilich nicht sehr getreue Skizze giebt (vgl.
S. 35), ist ein aus früher schon benutzten, verschiedenartigen
Bauslücken aufgeJuhrter, also wohl aus spätrömischer Zeit
herrührender, nachlässiger Raubbau. Die üelTmmg ist zu den
Seiten mit je einem Stück von einer Marmorplatle au.-^ge.sctzt,
worauf ein Ziegel aufliegt. Uebrigcns findet man jetzt dorl auch
im Winter nicht einen Tropfen Wasser, Dagegen enlBpringt
in einer mit Baulrümmern ausgestatteten Vertiefung ö.^^tlich,
aber ganz in der Nähe von der Thermen- oder Gymnasiums-
anlage beim Hafen (L auf dem Plan) noch heutigen Tages
eine Quelle, die wie man uns sagte, wegen ihres vorzüglichen
144 AUS CONSTANTINOPBL UND KLülNASlEN
Wassers von den in der ümgegend stationierten Hirten mit
Vorliebe benutzt ^vird.
25. Die ebengenannten, grossartigen Gymnasiumsreste
werden in den «Beiträgen» im Zusammenhange mit der An-
nahme, dass auch die Hafenanlage, so wie sie Jetzt noch er-
kennbar ist, aus römischer Zeit herstamme, auf die erste Hälfte
des 1. Jahrh. n. Chr. zurückgeführt. Weit auch die drei Ar-*
chitekten, mit denen ich diese Anlage besichtigte, sich in mei-«
nem Sinn äusserten, erlaube ich mir die Bemerkung, dass mir,
wenn irgend etwas, so dieser Bau mit seinen Mauern und Pfei-
lern aus gewaltigen, schwarz gewordenen Marmorquadern und
seinen Bogen und Gewölhen aus Backslei ncn gleich wie da^
Theater und die Substructionen an Kopf- und N"ordseitedes Sta-
diums der lysimachischen Gründung anzugehören den Ein-
druck machte. Das gleiche System der Verbindung backstei-
nerner Gewölbe und Bogen mit Mauern und Pfeilern aus Mar-
morquadern ist auch an dem opistholeprischen Gymnasium
und an dem neben dem Theater, ferner an dem nordöstlich
vom Burgberg, jenseits des Mülilbachs gelegenen Gymnasium
von Sardes zur Anwendung gekommen , Gebäude^ die alle aus
der hellenistischen Zeit stammen. Für die Behauptung, dass
während letzterer der Hafen bis an den Pionfuss herangereicht
habe, scheint mir kein Gnmd vorhanden, jedenfalls hat man
keinen geltend gemacht. Die axenmässige Stellung des Thea-
ters zur Hafeneinfahrt erklärt sich auch so genügend. Sicher
hatte in den Jahrhunderten von der lydischen Eroberung und
Zerstörung der Stadt bis auf ihre Neugründung durch Lysi-
tnachos die AUuvion in Folge der IJeberschwemmungen des
Kaystros grosse Fortschritte gemacht, und es will mich mehr
als wahrscheinlich dünken, dass jener Fürst, als er die Stadt
nach so grossartigem Plan wiederherstellte, auch ein Bassin
für den Hafen, so wie das jetzt noch vorhandene eins ist, in
der Schwemmlandsniederung auszugraben sich veranlasst ge-
sehen hat. Dasselbe bis an den Pion heranzuführen würde
unpractisch gewesen sein, denn der Zugang /um Hafen musste
im Interesse des Verkehrs von allen Seiten frei und eben sein.
AUS CONSTANTINÜPEL UND KLEINASIEN U-,
Audi die Lage der allon ayop« scheint mir einer derartigen
Anniilime iingiinslig zn sein. Ferner erklärt sich, ^vas Straho
XIV, 24 S. HU von einer Veränderung berichtet, die Atlalos
6 *i^3c^e).<po; an dem ephcsischen Unkn vornahm, «ehr wohl,
wenn wir es auf die heute nocli in deutlichen Spuren vor un-
seren Augen liegende Anlage bezielien. Früher nämlich hatte
sich der Hafen in wohl etwa derselben lireile, wie sie später
sein eigentliches, innerstes Becken mass, bis zom Kayster und
zum Meer hin erstreckt. Jener König aber liess in der Hoff-
nung, dass die l-^infahrt und der Hafen selber tiefer und auch
für grosse liastschitTe zuarän^lich und vor Versclilammunu se-
sicherler sein werde, wenn man die Eiufahrt verengere, einen
Theil derselben— vermuthlich anf der ISordseite — ihrer ganzen
Länge nach zuschtitten^. Wer einen Blick anf den Plan in
den «Beiträgen» wirft, wird sich überzeugen, wie gut dieser
Bericht an den noch heute erkennbaren Verhältnissen verständ-
lich wird. Auch darin liegt eine Gewähr für die von mir ver-
tretene Ansicht.
26. in dem Durchgang des Bogens am Stadion ist an iler
N-Seitc ein kleines, marmornes Relief eingemauert. Auf dem-
selben ist r. ein Baum dargestellt, von einer Schlange Um-
wunden, welche oben nach l. hin ihren Kopf vorstreckt. Von
I. sprengt ein Reiter daher mit nach hinten flatterndem Man^
lel^. Mit der L. hält er die Zügel, die R. ist Verstössen. Vof
ihm her läuft ein Hündchen, das gegen die Schlange anbellt.
— Hiermit vergleichen lässt sich ii. a. das vom Volk 'ÄYiyewp-
Y1091S1 genannte Felsreiief zu Argos. — Auch an dem Schluss-
stein des Bogens nach W. zu befindet sich ein ziemlich rohes
und sehr zerslossenes Relief, das mir wie ein männliches Brust-
bild vorkam, aber wohl auch etwas anderes vorstellen könnte.
' oii)frs'n. , ßaöuv Tov £T?rtXouv 6Xxaai psyd^aic ecrsoöai v.a\ aötov tov Xi[aiIjo te-
yoL^ta^T] ö'vTtz rtc6xepov 3i4 ti; Ix toü KaÄaifOu ;ipoxi«5Ei;, 2äv j:apa6XTj6j X'''!^*
Tq> OTÖjJiaTt nXaxEt teX^cj; ovTi, !*A6uoe ysy^aBai t6 7.w[Aa
- Nueli Prolic^cli von Osten, Dcnkwürdigi^citon II. 105 «ein gedügciLcr
Araoi, der auf einem Lamm reitet.»
146 AUS GONSTANTINOPEL UND KLEINASIEN
Sardes. Von den zahlreichen, an den erhaltenen Mauer-
resten aus spätrömischer Zeit befindlichen Inschriften habe ich
einige copiert, andere, die ich bei der hereinbrechenden Däm-
merung nicht mehr zu erkennen vermochte, abgeklatscht, von
noch anderen, die zu copieren oder abzuklatschen mir aus ver-
schiedenen Gründen unmöglich war, wenigstens die Stelle no-
tiert, so dass ich theils die bisherigen Ortsangaben zu berich-
tigen, theils späteren Besuchern von Sardes durch ihre Indi-
calion die Auflindung dieser Inschriften zu erleichtern vermag.
27. Marmorne Basis an der Aussenseite des langen Mauer-
zuges im S.W., c. 0,45™ breit, c. 0,25"' hoch. Daran die In-
schrift :
Am Anlauf: ATAGHI TYXHI
Ander Frontseite: AYP XPYSEPS^SB ATOPA
N O MOS - TO YZ- n E NTE
EPesTAZ-THTAYKYTA
T H - n ATP I A I
= C. /. G. m 39i6. Le Bas 618. Abgesehen von einem Feh-
ler iät die Inschrift im Corpus ungleich richtiger publiciert
als bei Le Bas, nur dass dieser die richtige Oitsangabe hat,
während sie dort nach Dereköi gewiesen wird. Das B (mit
Querstrich in der Mitte) ist nicht, wie Wadd. für möglich hält,
zum Namen zu ziehen, sondern gehört zu «yopxvofAO? (also =
^U), vgl. C. L G. 2583 und dazu Böckh zu ^572.
28. Gleich bei der grossen Lücke, durch die man vom In-
nern der Burg und zwar von der sogenannten Verbürg aus die
Mauer zu passieren pflegt, an einem Vorsprung r. Hand, fin-
det sich sehr sorgfältig und regelmässig geschrieben folgende
Inschrift: i nANAPIZTEBOKONTIE
2 AIZATEAEZTO N
EPrONEOinPAÜlZIN
TOIATTONV/j^SAMENf
Sie ist schon von verschiedenen Reisenden abgeschrieben und
u. a. im C. /. G. 3470, richtiger bei Le Bas 622 publiciert
worden; indess niemand bisher hat conslatiert, dass der Stein
r. verstümmelt und also das Fehlen eines Fusses im Hexame
AUS CONvSTANTINOPßL UND KLKhNASlEN 147
ter weder dem Dieliler noeli dem Steinmetzen zur Last /u le-
gen ist. Ich schlage in Ermanglung eines IJessürn vor o«jv l^lou]-
«roci; zu ergänz:en,so dass— meine ich — der Gefeierle ein Dieliler
viire, dem zum Lohn für seine diehlerische Thätigkcit ein
ewiges Ziisammeusein milden Mutien gewiiusclit wiirde*.—
Die Gestalt des w ist in keiner der bisherigen C.opien genau
vgl. Büekli a. a. 0. Nach der Form der BuchHiabeii braucht
man die Inschrift nicht später als in's I. Jalirh. n. Thr. zu
setzen. Darunter befindet, sich ein audert'r Stein mit 5 langen
Zeilen klei/ier und älterer Schrift. Geht man von da aus.>eu
an der Mauer nach SO. weiter, so findet man bald in doppel-
ter Mannshöhe eine griechische Inschrifl. von 18 Zeilen, wovon
wenigstens die r. Hälfte noch wohl zu lesen ist.
2'.). Basis von bläulichem Marmor ebenfalls an der Aussen-
seite dieser Mauer, oben und an den Seilen gebrochen, die r.
Seite der Inschrift ausserdem sehr zerstört. Am untern Knde
ist ein Stück von c. 0,2.")'" unbeschrieben. Ich gebe sie hier
nach meiner Durclireibung. Fehlerhaft und weniger vollstän-
dig findet sie sich bereits bei Le Bas 627.
Y I .
E Cn ACI AI
ACTOYKAR
CnO NTO Y
.MiAcnA(t)AAr 5
: M I K p A c • [1 p E r
PATOPOC.TIT \
BACTOYAEnri \P
CKY0IKHCTON N
t^rETHNKAJC C 10
NTOCKOI N
IPMOYTOYAP/v
: E B ACTf N'
' 2uv MouoaijaTiXEaiov t'pyov ^oi [coi) Toia novriiafi^vw iiacli der Analogie voll
ijjio'i xtt\ aStJJ) oS6lv «päY|.i,x louv «ich ti.ibo iiiclils iiiil iitin zu scliatren» und
ilerKl. nielir.
118 AIIK CONSTANTlNOI'Kf. UND Fd.KINASIKN
Der l'jii{/;;ui;>'; dr-r lnH(;lil'iri Iniil.cUi wolil : •/) [irrA-'n v.vX h Ä^|ao;
ßouX'/j -txl 6 ^^j/.o; xtX. Vom Z, .'{ nh int dio lOi^iin/jin^ <jiii(';jch :
o]v(x; \\v.<\f\v^[\t)'^'v/.(:, 'Aputvi-
«1? (/.txpft; '7cpe[a^>cijT'/iv Aoto-
)t]p3CTOpo; riT[')'> Ky,(i«p'>; tc-
^jocotoO >tyi<7)['vo; TeT]y,p[TTH
e]py«T"/iv }t«l TfcoT'Tlpa] i\r:\\t.%\-(\-
OelvTOi; K'/tvIro'j .......
'l»Kp(/.oi> ToO «piyiep^dx; t«"iW
1KOX1T(7)V
D.'ii;!';;^'!'!! im.icIm'ii die crslcn /rikii •.•«'ohkc ScIiwic-ri^kciUMi,
\V.'i(l(liii}.!;l<iii Kwy^iwxtX Tcpia^ieijT-rtv oivTi(iTp(XT-/)yov | ()ij]ei7T:aTia[voO
Katiocpo; I <Te€]xTTof). DicHn lOr^üii/.iuif:!; |»;ihhI hcIw woIiI zum
llaiiin, AIkt Kann (Icmim (liii Mniiii, der unirr TiliiH Lii^iotiH-
liiiVil isl., iiiilcr NCspnHi.in ImmtiIh cino l*i(jviii/ , iiocli dazu,
wrnn IMai(|uardl, SlaalHVcrw. I ?()'.) Mcclil, lial, ciiMi (^uiimuIii-
risclui vci'vvallcl liahcn V— Audi wiirdc mmIi u('ui<.fHl,(',UH cuiidrli-
li'u', uiu den Tilcl Hill d(Mii von 'I'iIiin /. 7 ii. (-«uiIdiiu zu iiia-
(duMi , Hiall r/vTifiTp«TY)yov \iclmclir aoTox.pof.Topo; ('iu/,us('l/,(^ii ,
Nva.M {.^Inicdi^Mildic l-iickc auslulll — Ich halle zwei M(>;.;li(dil\('i-
loil (irwo^Tii, UM» (h-r S<di\viri iLdvcil , die |('im'|' W addir!j.;l()Ms(di('.n
I'll'^iiii/.UMj^ ('.Mlfj;('g(MiHUdil , zu ciili^idini: sirllrichl, (htidilr ic!i,
ist. dnr KaiHcr, uuler ch-Mi (Nm- diindi di<'.4(i Widtriiiiifj, ;,';f'(dir1.(i
UciaMjlr, (',a|>j)adMki(Mi vci'vvaih'l hat, hoiniliau. |)i('s(u' \IeiiiiiM{^
M(M^t(Mi aiM'h Pr()r(iHH(M' llcM/ien iiMd liuiuiann zu, die ich uhor
die liisidiiill um U;ith zu IVai^cii iich'^'ciihcil halle. Die l'li'-
^ÜMznn^ wlinh^ «h-uiM etwa lauten : Trpeifjcuxyiv ocvtkttpoctviyov
oc]uT[oKpxTopo; KodiÄpoc; BcoO 0'>]s')Ti,ocai«IvoO uloll Ao[XtTiocvoO nt-
6]xTToi5 kt'X, Alh'in wefh-r (li(\so MO(di eino aM(l(U'e , /adiissi^i?
'riliilaliii- Duiuiliaiis w(MHs ich niil (h-iii MasH der vorhaiidoiUMi
laiekoM in l-anklanf; /u Mol/on. (iherdien sidiiMot iIuh Jol/.le MW
MicMt v(ui Z. I (h'.r Uest einer verlieah'n llasla zu snin. Die
Alis r.ONSTANTINOPKL UNO KM-.INASIKN U9
andere Anskimri. iiiil dci' ich mein Heil vcrsiiclilc. isl folmMido:
Mnrqjianll imiimi, wie hciucikl , aiir (änind von Sud. Vcsj).
8 uihI T.'k". ///'.s7. '.', 81 an, dass C.anpadidvicii soiilricli, als ca
eine sliiiidii,^', milil;ii'is(dn) llcsal/iini; crliit^lt und ein llcanilcr
von scnaloiisclicni Uane; an die Slcllc dt>s }tis anf VcrpuHian
dir Provinz, vcrwallcndiui l'rocnratoi'H Iral , nicliicic l.i'gioncn
und also einen (lonsniar /,nni Slulllialler erliallen liaho. Indes«
0,8 wäre niclil unniitj^Iiidi , dass anlan^licli nur eine IjC^ion
(di(^ lc(j. XII fuhninafd, s. lo.sepli. b. lud. 7, 1, '.\.) niil, einc^m
praloriselum I^^felilslialxM' naeh (Mippadokien {^esehickt. und
erst Hpiiler, nirlil, lant;c oacli der Ver(Mni}^nnfi;(ialali(MiM niil (",ap-
padokien, die l^'sal/,un|,^ vcrsliirkl und ein C.onHular /.um Slatl-
lialler ernanni worden wäre, l'n.sür Mann kcinnle also aln ;»vj<'-
torius «inier Vespasian jene Provinz vcrwallet und unter Tiln«
als C.onsular die vierlc. skylhiselie I^e^Mon rduiinandierl. Iial)en.
Aber-— »jrii von andenin liederd(('n zu schweijjen — <;onsnlarise,lio
I,ef:;ionsl(^ifalen sind , soviel ieli \v(mss, Inüher nicht naeh<^'e-
WKiscu. So hat i(di schlicslich au(di no<di IMoiuniscn um Aus-
kunll , der dir («ii(t' halle mir l''(d^i'nd(>s y.u anlworhui : «Ms
wird wohl das l'^inlaehslo sein an/unchniin , dass h<Mde Mulo,
Z. 2 und Z. 7, Tilns ^'eirifinl sei und das eine Mal (M' imp.
T. Vcspasianus Cwsdt' Au(/ . , das andere Mal inip, T. Gf/.sar Aug.
heixsse. Andere <!(»jiiliinalioncn seheilern an dem l inlanfii; der
l.uckcM. Su[»posiliniM'u . wie dass ein eonsularisrhcr li('f!;i()ns-
le.^ai, ni(»;j;licli sei und vtirlicr also auch vÄnc prüloriHelic! I'rr»«-
viuz ^«duthl, liahrn könne, lassen sieh aul' dies(!ni unsiehcrn
Boden doch niehl, aulhanenj». lln<l so (.Tüünzl er: 7Tpea6c]i)T[Viv
auTOJipxTopo; 'IiTO'j ()'j]c'JTi;«aiav[oO KaUapo; aeßJx'JTü'J )ctX.— Die
verschiedene: nenenniing dcaselhen Kaisers in derselhen In-
Bclinft, ist aulTailend, wennfj;leicli w<dil ni<dil, (dme Analoi^NiUi.
Aueh hin i(d» iiiehl. IVi'i von /weilelri, oh die llindistahen '^v
ocuToxpxTopo; TiTO'j < )'j - lu der dafür iu |}elra<hl, k<Hnniendeil
Lru;ke sich auch vvirkliih unlorhrin^en lassen, (llciehwohl
Hcheinl, mir diese von den als mit^lich in's Au|je. ^elassten Lö-
sungen der l'Va^^e (he anindimharSUi. lOine sichere l'>nt.seh(M-
dung wäre viidieiebt, durch (une j^enane Prüfung den Origi-
150 AUS CONSTANTINOPEL UND KLEINASIEN
nals zu erlangen, die rnir die Um stände nicht erlaubten. Es
ist dringend zu wiinsclien, dass Epigraphiker, die künftig Sar-
des besuchen, sich dieser Aufgabe unterzielien,
30. An derselben Mauer habe ich noch folgende Fragmente
abgeschrieben :
a. C B O K vgl. Le Bas-Wadd. N'' 633. Die Felder für die
n O A Buchslaben sind vertieft wie oben bei N' 2P Z.
2 u. 3, Ergänzen könnte man: e]/. Box[ovti(ov. . . .'A]TCÖ>[X(i>vt.
b. weiter westlich ein Block mit grosseren und besseren Buch-
staben, höher eingemauert : ulTATOYEA/ vgl. Le Bas-
Wadd. iV G35. c. noch weiter nord-westlich ein Block mit den
Buchstaben: U) N I N.
Am nordwestlichen Ende derselben Mauer erblickt man hoch
über dem Abgrund eine schöne, wohlbearbeitete Marmorplatte
mit regelmässiger, aber später Schrift, 6 ganze und zwei halbe
Zeilen. Schluss : ujxä? | poO>o{/.(xt, also wohl =Le Bas-Wadd.
N" 621, dort aber nicht richtig indiciert.
Bei der Spärlichkeit unserer Nachrichten* über die Rui-
nen von Sardes dürfte man folgende, freilich auch nur auf
flüchtiger Musterung beruhenden imd der Revision bedürfti-
gen Bemerkungen nicht ganz verschmähen.
31. Auf dem Burgberg, den ich übrigens selber von drei
Seiten- von NO., S. und W. her-erstiegcn habe {gegen «Bei-
träge« S. 85), belinden sich noch verschiedene Mauerreste, von
denen die Beschreibung und der Plan in den ((Beiträgen» so wie
auch Stark in seinen Reisestudien keine Notiz genommen ha-
ben, ich hebe besonders den Rest eines kleinen, viereckigen
Thurmes hervor auf einem mit dem Gros des Beiges nur durch
einen Schmalen Grat verknüpften Vorspj-ung am nordöstlichen
Abhang, nicht weit nördlich von dem Durchstich {n). Er ist
aus älteren, meist marmornen Baustücken errichtet und ver-
* Die Schilderung in den Reisestudien von Stark ist besonders reich an
XJügenauigkeiten.
AUS CONSTANTINOPEL UND KLEINASIEN 151
dankt wie die übrigen Mauerreste spätrömischer Zeit seinen
Ursprung. Ein mannshohes, viereckiges Fenster gewährt einen
Ausblick ins Ilermosthal. Geringe l'berbleibsel eines Mauer^
Zuges schliusscn sich an den Thurni an. — Einen andei'cn be-
trächtlichen Mauerrest erblickte ich von der Höhe des in dt'n
«Beiträgen)» als Vorburg bezeichneten, hciiligen Südendes des
Burgbergs aus. Er krönt eine südöstlich davon gelegene, iso-
lierte Bergzackc, die früher jedenfalls mit dem Burgberg zu-
sammenhieng.
3"2. Ein paar Worte möchte ich auch sagen über den ge-
walligen Ruinenconiplex, der sich nördlich von der Akropolis
an der auf dem Plan mit q bezeichneten Stelle befindet. An
der Nordseile desselben liegt in der Mitte ein grosser Saal, den
nach S. eine die ganze Breite einnehmende Apsis abschloss,
von der aber mir noch die östliche Hälfte zum Theil erhalten
ist. Der ganze Raum misst der Länge nach etwa 58, der Breite
nach 18 Schritt. Die Pfeiler und Substruclionen sind aus Mar-
morquadern aufgeführt, die Wände bestehen aus wechselnden
Schichten von Feld -oder Bruch- und von Backsteinen. Die öst-
liche Längswand setzt sich nach S. fort und verbindet den
eben beschriebenen Saal mit einem viereckigen Raum von etwa
gleicher Grösse und Bauart, der auf der nördlichen Schmal-
seite seine Thür hatte. Die erwähnte Verbindungsmauer ist
nahe bei dem südlichen Saal von einem Thoibogen durch-
brochen. Nach 0. zu scheinen sich zwei einander ähnliche,
jenen entsprechende rechteckige Räume — oder vielleicht auch
eine grosse Halle — angeschlossen zu liaben. Doch sind von
ihrer Ostmauer nur noch isolierte Reste vorhanden. An dep
Westmauer sieht man im nördlichen wie im südlichen Theil
grosse, nur zum Theil aus der Verschattung hervorragende
Nischen, denen wahrscheinlich eine gleiche Anzahl an der*
Ostwand entsprochen haben. Denn an einem von derselben
noch stehenden Backsteinresl ist eine dieser Nischen erhidten.
Nach W. stösst an den zuerst beschriebenen Saal mit der Apsis
ein anderer Kaum von, wie es scheint, ähnlichen Dimensio-
nen, mit gewaltigen Marmorsubslrucliouen und Feldstein-
152 AUS CONSTANTINOPEL UND KLEINASIEN
mauern. Grosse marmorne Gesimsstücke mit Zahnschnitt lie-
gen hier umher. Nach VV. und NW. schlössen sich weitere
Gehäude an, doch läi>st die Verschüttung den Griindriss der-
selben nicht mehr recht erl:ennen. —Vielleicht dürfen wir den
ganzen Complex für eine grossartige Gymnasinnisanlage aus
römischer Zeit erklären. Oestlich davon wird das ganze Ter-
rain weithin von Schutthügeln eingenommen, die nach den
hie und da vorguckenden Marmorbalken zu"urtheiien, die Rui-
nen grosser Gebäude bergen. Spuren des Marmorverbrauchs
zum Kalkbrennen begegnet man hier wie besonders auch beim
Kybeletempel.
33. Von der schon oben erwähnten,, nach Adler ebenfalls
von einem Gymnasium herrührenden Ruine (e) sind nicht nur
die Pfeiler, sondern auch die Tribünen an den Schmalseiten
aus grossen, auf der Südseite mit einer goldfarbigen Palina
überzogenen Marmorquadern erbaut.
Die Ruine k ist ein umfangreicher, rechteckiger Raum, von
hohen, aus Feldsteinen, und älteren Werkstücken nachlässig
aufgeführten Mauern eingeschlossen, die aber auf älteren Ge-
wölbsubstructionen ruhen.
34. Die beiden nördlich vom Stadion gelegenen Rundbogen
[i auf dem Plan) haben mir nicht den Eindruck so hohen Al-
ters gemacht wie, scheint es, den anderen Berichterstattern.
Auch die Verhältnisse des Materials sind nicht so gewaltig,
wie man sie vielleicht nach den vorliegenden Beschreibungen
sich denken möchte. Die Bogenquadern des ersten Bogens ha-
ben 1,60'" Tiefe und sind höchstens 0,70'" hoch und im Durch-
schnitt 0,62 breit. Die Kämpfer bestehen aus 3, nicht aus
einer Platte, wie die Skizze auf Taf. V der «Beiträge» sie dar-
stellt. Der zweite Bogen besteht aus kleineren Steinen * und
hat eine ziemlich liederliche Restauration erfahren. Über die
hellenistische Zeil werden sie gewiss nicht zurückgehen.
35. Schliesslich will ich noch zwei Sculpturstücke erwäh-
nen, die aus verschiedenen Gründen meine Aufmerksamkeit
* Der grössle von ihnen, den ich mass, halte 0,55"» Tiefe, 0,34 Breite.
AUS CONSTANTINOPEL UND KLEINASIEN 153
erregt haben : a. ein der Südwcslmauer der liurg eingefiigles,
zwar ziemlieh versLossenes, aber doeh noeh wohl erkennba-
res, einen mächtigen Stierkopf darstellendes Marniorrelief. Ivs
fallt daran auf die gleiehmiissig breite Form der Schnauze und
namentlich ein krois-oder scheibenlVirinigcir Hing, der oben
ringsum den Kopf abschlii'sst oder von dem derselbe sieh ab-
heltt. Zu beiden Seiten hängt eine gedochtene Wollbinde am
Kopfe hei'ab. b. eine grosse Marmorplalte a)it einem Slierhaupl,
von dem nach beiden Seiten hin Guirlanden ausgehen, über
denen je eine lloselle angebracht ist. Das Stück ist eingemauert
am ersten Haus des Dorfes am Paktolos r. vom Wege, wenn
man von der Station kommt. Durch die sorgfältige Arbeit und
die geschmackvolle Schlichtheit der Ornamente zeichnet es
sich vorlheilhaft vor der Masse von sculptierten Bauslücken
aus, die man sonst an den Uuinen von Sardes findet. Wäh-
rend diese mit ihrer wuchernden, oft aus allerhand Motiven
wild zusammengewürfelten, die ganze Fläche überspinnenden
und meist nachlässig ausgeführten Decoralion deutlich die
Wirkungen eines verdorbenen Geschmacks und einer gesun-
kenen Kunst bekunden, gehört jenes einer älteren Periode an.
3(>. Auf dem Quai zu Larnaka in Cypern sind zwei Sän-
Jenstücke nebeneinander eingerammt, um zum Befestigen der
Schiffstaue zu dienen. Auf dem einen die Inschrift*:
ATTO A An N i A H
XPH CTE
IM A I P E
Halle a. d. Saale.
JOHANNES SCHMIDT.
' Ich verdanke die Copie dem eben veislorbeiieii Pjofossor LüLh.
UITTii.D. ARCU.INST. VI. 11
Ein Kriegerrelief aus Kleitor.
(Hierzu Taf. V.)
Auf Taf. V istdie Reproduction eines Kriegerreliefs gegeben,
das im Frühjahre 1880 bei Karnesi an der Stelle des alten Klei-
lor im nördlichen Arkadien auftauchte, daselbst von Dr. Milch-
höfer, meinem Bruder Dr. W. Gurlitt und mir besucht wurde
und sicli nunmehr im Abguss im Kön. Museum zu Berlin
befindet, wonach der beigefügte Lichtdruck genommen ist.
Die Höhe des Reliefs beträgt 2,18, die Breite 1,11™. Der Mar-
mor stammt aus Doliana.
Die zweizeilige Inschrift, welche auf dem obersten Leisten
des horizontalen Ablaufs eingeschrieben ist, hat durch Bestos-
sung und Verwitterung des Steines so stark gelitten, dass aus
ihr wenig Belehrung zu erwarten ist. Lesbar sind mir davon
nur die zwei ersten Worte der zweiten Zeile kvtI aXXtov, die
möglicherweise einen Pentameter einleiteten.
Die Figur ist in Halbrelief gebildet, doch tritt der Kopf so
stark hervor, dass auch die r. Seite des Gesichtes ausgearbei-
tet werden konnte his auf die Wangenfläche, die auf dem
Grunde auflieo;t. Trotz starker Verletzuns; erkennt man einen
kräftigen Kopf von durchaus individueller Bildung. Das weich-
flockige Haar wächst keilartig in die Stirne herab, diese selbst
ist iiber den Augen etwas vorgebaut und geht nach einer Ein-
satlhmg mit starker Wölbung zurück. Die Augen liegen tief
und haben einen ruhigen Ausdruck. Bei genauerer Untersu-
chung zeigle sich, dass die Iris durch ICini-itzen gezeichnet war
und zwar so dass der Blick etwas emporgerichtet ist. Das Un-
tergesichl ist breit und hat etwas Schlaffes, Gedunsenes; von
einem Barte ist keine Spur.
Bevor wir auf die stilistische Eigenart und das Detail der
Darstellung näher eingehen, soll uns zunächst die Frage nach
I^IN KUiEGERUKLlEF AUS KLEITOR 155
dem Sinn und Inliall dorsclhen bescliäftisjcn. Von entscheiden-
der IkdcLiluni:; ist hierbei iianientlich der Gcstiis der r. Hand.
Sieht man sich nach Figuren mit verwandtei- Ifaltunii- um
so verfällt man wohl zunächst auf die Darstellungen von vö-
mischen Kaisern und Feldlierrn, wie sie auf Triumplihi)ii;en ,
Säulen und Miinzen häufig sind. Dort ist meistens die Be-
ziehung des Geslus zu dem umstehenden Heere deutlich, und
zum ÜberÜtiss wird er auf Münzen als der der atllocuiio erklärt.
Derselbe Gestus kehrt auch bei llednern wieder. Gleichwohl
zeigt die Haltung unserer Figur einige so wesentliche Abwei-
chungen von jenen Gattungen, dass sie ihnen nicht beigezählt
werden darf. Schon mildern Oberarm beginnt hier eine nach
hinten gerichtete Wendung und mehr noch ist der Unterarm
zurückgedrängt. Im Gespräch oder in der bewegten Rede wird
man nicht dazu kommen, den r. Arm so zu stellen, zumal
wenn die Unke dabei unbewegt herabhängt. Auch ist der
Kopf nach r. gewendet, nicht, wie es für das Bild eines Red-
ners Erforderniss wäre, cjerade aus in der Richtung;, in wel-
eher die Hörer gedacht werden müssten. Dazu kommt schliess-
lieh der aufwärts gerichtete Blick und etwa auch der fest ge-
schlossene Mund.
Figuren von wesentlich gleicher Bildung als unser Krieger
linden sich auch sonst wieder, die eine ebenfalls in einem Re-
lief, die andere in einer Statue. Das Relief, wahrscheinlich aus
l.amia, befindet sich gegenwärtig im Centralmuseum zu Athen
und gehört zu den herrlichsten Reliefarbeiten des vierten Jahr-
hunderts (abgebildet Exped. de Morce \\\ Taf. 41, zuletzt be-
sprochen von Kekule Theseion N" 151). Das statuarische Werk
ist die als Germanicus, 'lipij.'/i; T^öyio; oder Athlel gedeutete
grosse Bronze vom Zellfeld in Kärnthen, jetzt im untern ßel-
vedere zu Wien, s. von Sacken Die antiken Bronzen des k. k.
Münz-und Antikenkabinets zu Wien 1871 S. 52 fg. Taf. 21
und 22. Diese Figuren als Redner zu deuten verbietet abge-
sehen von den schon geltend gemachten Einwänden der Vo-
gel in der Hand des Jünglings auf dem Relief von Lamia;
allocutirend kann ebensowenig dieser Jüngling als der der
156 EIN KBIliGERRELIEF AUS KLEITOR
Bronze sein, schon wegen der Nacktheit bez. unkriegerischen
Kleidung.
Nach Zurückweisung dieser Erklärungsversuche bietet sich
das Richtige von selbst und wind vollends ausser Zweifel ge-
setzt durch die Heranziehung einer vierten Darstellung des-
selben Actes. Es ist dieses ein rothfiguriges Vasenbild von
einem etruskischen Slamnos (0. Jahn Ann. 1848 S. 217, tav.
d'agg. K und Heydemann Arch. Zeitg. 1872 Taf. 46 und S.
60). Heydemann hat zweifellos richtig erkannt, dass Aias Te-
lamonios dargestellt ist, im Begriff sich in sein Schwert zu
stürzen. Er bemerkt auch richtig, dass der sophokleische Mo-
nolog (Aias 815 fg.) die Darstellung auf das Beste commen-
tire. Der Maler hat sich soweit es ihm seine Kunst gestattete
an das dichterische Vorbild angeschlossen, indem er zeillich
Getrenntes zu einem Bilde vereinte. Indem Athena den einen
Fuss auf einen erschlagenen Widder gestützt auf das in den
Boden gestellte Schwert hinweist ist sie als die Urheberin der
Raserei des Aias und des bevorstehenden Selbstmordes ge-
•«eichnel; persönlich anwesend ist sie deshalb nicht zu den-
ken. Es ist daher auch nicht richtig wenu Heydemann den Aias
als im Gespräch mit Athena begriffen auffasst. Dem wider-
spricht sowohl Dichtung als Bild. Denn auf diesem ist der
Gestus und Blick des Aias nicht auf die ihm gegenüberste-
hende Athena, sondern gen Himmel gerichtet (weshalb auch
Heydemann an späterer Stelle ihn « mit den Göttern und der
feindlichen Göttin rechten» lässl). Auch Sophokles gedenkt
der Göttin in dieser Scene nicht mehr, sondern nachdem der
Held sein Schwert in den Boden gepflanzt und darüber seine
letzten ernsten Betrachtungen angestellt hat, richtet er sich
noch einmal im Gebete empor, zunächst an Zeus, darauf be-
tet er zu Hermes, zu den Erinnyen, zu dem hochwandelnden
Helios und ruft endlich den Thanatos an. Und diese Scene ist
es, welche das Vasenbild darstellt. In feinsinniger Weise sehen
wir hier wie auf so manchen gleichzeitigen Bildern ein psy-
chologisches Moment durchgeführt, wir haben geradezu durch
die Überlieferung verbürgt einen betenden Aias.
EIN KRIEGERRELIKF AUS KLEITOR 157
Wir stehen nunmehr nicht an auch die verwandten drei
Darstellungen als Betende zu fassen.
Am bekanntesten fiir das Gebet ist die Haltung, bei der
beide Handflächen und der Blick hinauf ij;ci,'en den Himmel
gerichtet ist. Schon bei Homer findet sicli sehr häufig das ytX-
px(; Seoi; avs^etv (II. I 450, VIII 347), ei; oupavöv 6peyeiv (II.
XV 371), das in gleicher Weise in der ganzen griechischen
und rönnschen Literatur wiederkehrt. Es fällt auf, dass im Ge-
gensatz zur Fülle der literarischen Zeugnisse die l>erliner Bron-
ze des betenden Knaben fast vereinzelt dasteht. In neuster Zeit
ist durch die Publie^ilion von A. Flasch (Arch. Zeit. 1880 S.
143 Taf. XII 1) diesem anmuthigen Knaben das ergreifende
Bild eines ebenfalls betenden Greises ( Phineus) zugesellt wor-
den , welches einer attischen Amphora des Museums Blacas
entnommen ist.
Es fraet sich nun ob auch ein Gebet mit nur erhobener
Rechten vorkommt. Levezow {De juvenis adorantis signo Berlin
1808 S. 12) und Weicker (Das akadem. Mus. zu Bonn S. 42)
leugnen das Bestehen dieses Gestus ausdrücklich. Geht man
aber auf die Bildwerke ein so begegnet man einer fast unüber-
sehbaren Menge griechischer Monumente, meist Votivbildern,
auf denen sich Leute mit vorgestreckter Hechten dem Bilde
des Gottes nahen. Auffallend bei den Bildern dieser Adoran-
len — denn als solche hat man sie längst erkannt — ist nur,
dass sie nie das Gebet mit beiden erhobenen Händen zeigen,
welche Form wir doch als die herrschende kennen lernten*.
Im Einklang hiemit sagt Pausanias (V 25 5) in der Stelle, wo
er von den Weihgeschenken der Agrigentiner auf der Allis-
mauer zu Olympia spricht: (iveOeaacv tou; ^ar^a; 1; 'OXufXTtiocv
TOu; ^«>.)coOc, TrpoTetvovTJc; re toc; ^s^ia; x.al el/,oc(7{;.evou; z\>-^o^.t-
voi; TW Gsw. Er sagt also von diesen Knaben aus, dass sie mit
> Auf einem liorriictien Tarenliner Goldstalcr des Berliner Münzcabinets
steht der jugendliclie Tains in der Haltung des- betenden Knaben vor Posei-
don, docli ist dadurch oflenbar keine Adoration gemeint, sondern das Bild
trägt den Charakter einer Farniiienscene, entsprechend etwa dem Grabrelief
Arch. Zeit. 1873 Taf. 8, wo ein kleines IWildchen sich der Mutter auschraiegl.
158 EIN KRIEGERRELIEF AUS KLEITOR
der vorgeslrecklen Rechten (auf der Altismauer, also) dem
Heiliglhurne gegenüber standen und sich zu diesem wie «in
Wirklichkeit Adorirende» hinwandten. Wir haben uns dem-
nach unter ihnen ideale Adoranlenfiguren zu denken.
Auf Grund der literarischen Zeugnisse müssen wir behaup-
ten , dass bei Griechen und Römern für Gebet einerseits und
Adoralion andererseits — wie wir der Kürze wegen den unter-
schied bezeichnen — zwei verschiedene Formen der Haltung
bestanden. Nachdem aber einmal auch das Erheben der r.
Hand allein volle Giltigkeit fürs Gebet erlangt halte ist es er-
klärlich, dass es auch bei dem zum Himmel und persönlichen
Gotte gerichteten Gebete Anwendung finden durfte und ver-
mulhlich dann Anwendung fand, wenn die Linke beschäftigt
und an der Bewegung Theil zu nehmen verhindert war.
Betrachten wir nunmehr die Haltung der einzelnen Figuren
von denen wir ausgingen genauer so ergibt sich zunächst für
die Bronze des berliner Museums mit Bestimmtheit, dass sie
betend, für die wiener Bronze ebenso sicher, dass sie ado-
rirend gedacht ist. Die Bestimmung des letzteren Monuments
war offenbar wie die Bronzeknaben der Altis einem Götter-
bilde ü;e2;enüber als Weihs-eschenk zu dienen. So war es ein
Zeichen des Dankes für das gnädig erhörte Gebet und zugleich
eine dauernde Fürbitte für das Wohl der Weihenden, deren
Namen auf dem r. Schenkel eingegraben stehen. Unter den
statuarischen Bildwerken ist mir nur noch eines '^ dieser Art
bekannt, nämlich die athener Bronze des berliner Anliqua-
riums {Inv. 6306) freien Stils und von guter Arbeit. Darge-
stellt ist ein nackter Jüngling, der in der gesenkten Linken
einen Halter hält, wodurch er als Sieii;er im Pentathlon kennt-
lieh ist, während die Rechte adorirend erhoben ist. Blick und
Handfläche sind geradeaus gerichtet.
Es ist zu beachten, dass wir unter den Bildwerken, die als
' Ein adorirendes Mädchen RronzeslaMiette, mir etruskischer Inschrift
{Ann. XXXrn, tav. d'afjfj.T.i'j und einige kleine Hron2en primitiver Kunst
des berlin. Anti(|uariunr> ebenfalls wohl elruskischer Herkunft übergehe ich
absichllich.
EIN KHIEGEUREÜKF AUS KLRITOR 159
Weihgeschenke zu dienen hestirnrnt waren, bislier Afloran-
ten nicht aber Betende mit zum Himmel eflioix'iien llniKh.'n
gefunden haben. Wir wenden uns jetzt dem Ueliel' aus I.h-
mia zu.
Dieses hat wie der Vergleich mit andern Grahmonumenleii
beweist sepulcrale Bedeutung. Wir linden hier wie häiiüg
auf altischen Grabbildern den kleinen Knaben als Begleiter
des Jün^linüs und ein N'ö^elchen in seiner Hand. Neu ist die
Zugabe der Katze die hier als Lieblingslhier des Verstorbenen
seinem Bilde, wie sonst wohl der Hund, beigefügt ist. Wir
sehen aus diesetn Helief', dass schon im vierten Jahrb. v. Chr.
die zahme Hauskatze zu den Freunden der griechischen Jugend
gehörte, mag sie auch immerhin ein seltener Besitz gewesen
sein. Bekanntlich hat man das Thier vielfach anders deuten
wollen. Auch der Gegenstand hinler der r. Hand des Jüng-
lings hat zu den verschiedensten Erklärungen veranlasst. Mir
scheint die Deutung als Vogelbauer, welche Salinas (Mon. se-
pulcr. S. 22) und L Martha [Bull, de corr. Hell. 1880 S. 74)
geben, das Richtige zu treffen. Salinas und Martha glauben,
dass der Jüngling im Begi'iff sei den Bauer zu öffnen, um das
Vögelchen mit der andern Hand hineinzuthun. Allein der Vo-
gel ist so nebensächlich behandelt und in der gesenkten [sin-
ken so versteckt, dass ich ihn mir nicht als Mittelpunkt der
Handlung denken kann. Dazu kommt dass die R. vor dem
Käfig liegt und keineswegs mit der Bewegung des Greifens
gebildet ist. Offenbar macht sie sich mit dem N'ogelbauer gar
nicht zu schaffen, l'^in Vergleich mit dem Relief aus Kleitor
beweist vielmehr, dass der Bauer einem wesentlich techni-
schen Grunde sein Dasein verdankt. In beiden Fällen galt es
nämlich die Schwierigkeit zu überwinden, die durch das na-
turgemässe Hervortreten der r. Hand entstand. Der Künstler
zu Kleilor hob die Hand seiner Figur so hoch, dass sie auf
dem stark hervortretenden entsprechend gebildeten Gesimse
zu ruhen kam. Der Künstler zu Lamia legte hinter die Hand
den Vogelbauer und diesen in eine schiefe Fläche, so dass
sich ihm der Rücken der Hand leicht anbequemte.
160 EIN KRIEGERRELIEF AUS KLEITOR
Übersieht man die Reihe sicherer Ädorantenbiider, so ist
es unmöglich den Jüngling als Adoranten zu fassen, denn nie
finden wir bei diesen ein so starkes Erheben und Vorstrecken
des Armes; es hat daher dieser Jüngling und ebenso wie wir
jetzt liinzufügen können, der Krieger des Kleitorreliefs zwei-
fellos die ffaltung des Gebetes. In beiden Fällen wurde diese
Haltung des Gebetes gewählt, weil die gebräuchliche mit bei-
den erhobenen Händen für die Heliefkunst unausführbar ist.
Doch musste die Abweichung von der Hegel motivirt werden;
dies geschah dadurch dass beide Male die Linke mit dem Tra-
gen eines Gegenstandes, hier des Vögelchens dort des Gewan-
des und der Lanze beschäftiot wurde. Ebenso trä^t Aias auf
dem oben besprochenen Vasenbildc in der Linken die Schwert-
scheide und hält auf dem Arme den Mantel, der betende Phi-
neus aber hat bezeichnend genug seinScepter bei Seite gestellt,
um beide Hände für das Gebet frei zu haben.
Hinzufügen dürfen wir dass überhaupt nur die Darstellung
eines Gebets zu den persönlichen Göttern, nicht die Adoration
auf Grabmonumenten zulässig war. Die Adorantenbilder sol-
len an das Gebet im Tempel oder vor der Götterstalue erin-
nern und durch dauernde Anwesenheit im Heiligthume gleich-
sam den Weihenden vertreten. Daaregen mussten Betende auf
Grabmonumenten nicht minder naturwahr so gebildet wer-
den, dass sie sich zu den himmlischen Göttern wenden; stan-
den sie doch auf dem Gräberfelde, abseits von den Heiliglhü-
mern der Stadt. Der im Vorhergehenden entwickelte Grund,
die durchgehende Verwandtschaft mit dem Lamiarelief in Form
und Inhalt beweist mir die ebenfalls sacrale Bestimmung un-
seres Reliefs*.
' Mit Hülfe des Fundortes ist in dieser Frage niclits zu entscheiden, denn
der Stein war zum Bau eines grossen byzantinisclien Grabes l)enulzt wor-
deii zusammen mit grossen Inschriftsteinen. Die FundsUitte, etwa 300 Sctiritt
östlich von dem Hause des Herakles Papakonslantinu, wo sich unser Relief
belindet, hart am 1. Ufer des Karncsibaches, der übrigens oft sein Bett gc-
wcchscll hat (W. Vischer Erinn. und Eindr. S. 479), und die in der N;the
liegenden Platten weilerer aller Gräber machen es indess wahrscheinlich,
dass hier etwa die alte Gräberstadt war.
EIN KRIEGEHRELlIiF AUS KLEITOR 16!
Das Gebet nun muss an den Gott gerichtet sein in dessen
Hand zunächst nach dein Tode Wohl und Wehe des Verstor-
benen liegt, an Hermes den Seeiengeleiter. Mit dieser AnfTas-
song befinden wir uns in einem der antiken Welt durchaus
vertrauten Ideenkreise. Besonders wichtig ist uns die Inschrift
C.I. G. 4284 = Kaihel 411 :
T(5v^'4 xa>,[oc]ia[T']po'puXa^ 'Aaawv.o; sitxto ßci)(/.ov
auTÖ; eTi ^o)5c; t6 y'Xuvcj (psvyo; öpwv,
■^npiov o^p« yevotxo* tov, o Mxiz; yAure xoOpe,
Haben wir nicht in diesem Gebete, das jener Ammonios
noch bei Lebzeilen seinem Grabsteine aufschrieb, den Corn-
mentar zu unsern Darstellungen der beiden betenden Jung-
linge?
Wir kehren nunmehr zur ausschliesslichen Betrachtunsr des
Kleitorreliefs zurück, um nns über seinen stilistischen
Charakter und seine Entstehungszeit ein Urtheil zn
bilden.
Der erste nnd dominirende Eindruck, den das Relief auf
den Beschauer macht, ist der der Coiossalilät und einer er-
staunlichen Lebenswahrheit. In der Bildung des Nackten be-
kundet sich ein sorgfaltiges Naturstu^dium und eine bedeu-
tende anatomische Kenntniss. Mit grossem Versländniss sind
die Züge der Muskeln und der Lauf der Adern gezeichnet. Der
Naturalismus geht soweit dass auch die Hautfalten, die sich
in der Armbiege und in den Handgelenken bilden, und selbst
die Achselhaare nicht fehlen.
Der Mantel ist weich und fliessend. Durch Glätlung des
Nackten ist er in einen malerischen Conlrast zum Slotflichcn
gesetzt. Übrigens hat die Epidermis namentlich auf der Brust
durch Ver Waschung stark gelitten.
Die Körperverhiiltnisse sind nicht die schönsten. Störend
geradezu sind die zu kurzen Oberbeine. Offenbar beabsichtigte
der Künstler auch in der Körperbildung die grösstmögliche
162 EIN KRIEGERRELIEF AUS KLEITOR
Portraitälinliclikeit und stellte den slaikknochigen, vierschrö-
tigen Sohn der arkadischen Berge im Bilde hin wie er ihn im
Leben gesehen hatte.
An Beiwerk aller Art fehlt es nicht. Besonders verdient der
kunstvoll gearbeitete Grift' des Dolches Beachtung, der im
Feldodie Darstellung einesBeitenden, anscheinend eines Amors
aufdem Panther erkennen lässt. Am ilen und 5len Finger der
1. Hand ist je ein Ring, deren obere Flächen jetzt weggebro-
chen sind.
Der Schild ist nur zur Hälfte plastisch gebildet. Das volle
Rund würde eine unschöne Schneidung der Linien ergeben
und dies war dem Künstler Grund srenue; für seine Abbrevia-
tur. Stilistisch am Nächsten kommt unserm Relief ein schöner
Grabstein in Wien (v. Sacken a. a. 0. Taf. IV). Seinem gan-
zen Kunstcharakler nach jedoch erinnerl es an die jüngsten
pergamenischen Funde und die schon länger bekannten sta-
tuarischen Werke der pergamenischen Kunst. Näher stehende
Vergleichsobjekte finden sich in (]ev hellenistisch-römischen
Kunst. Die Vermuthung dass die Arbeit römisch sein könne
ist ganz zurückzuweisen. Auf Grund einerstilislischen Exegese
indess(Mi genauere Zeitbestimmuno; zu unternehmen wäre ffe-
wagt. Wir versuchen daher dieselbe auf anderem Wege zu
gewinnen.
Auszugehen haben wir von einem Zeugnisse des Strabon,
der VIII 388 Kleitor in der Reihe der peloponnesischen Städte
nennt, die zu seiner Zeit nicht mehr bestanden und kaum noch
eine Spur ihres Daseins zurückgelassen hatten. Bekanntlich
schrieb Strabon sein Werk ^^j^^ n. Chr. und reiste durch Grie-
chenland schon 29 v. Chr. (vgl. B. Niese Hermes XIH S. 33
fg.). Wenn also schon damals Kleitor nicht mehr existirte so
haben wir seinen Verfall spätestens in den Verlauf des letzten
vorchristlichen Jahrhunderts zu setzen. Denn nicht hören wir,
dass ein einmaliger schwerer Schicksalsschlag die Stadt ver-
nichtet habe, wohl aber dass besonders seit dem mithridati-
schen Kriege ein unaufhaltsamer furchtbarer Fortschritt die
gänzliche Verarmung und starke Entvölkerung des Peloponne-
EIN KRIEGERHELIEF AUS KLEITOR 163
ses het'beiführic. Vordem, seit der Zerslöriini;; von Korinlh,
erfreute sich der Peloponnes zwar einii^es wirlhschaftlichen
Glückes, aber es fehlten auch damals die Bedinfi;ungen, welche
■wir für die Firrichtung eines Monumentes solches Schlaj^es
vorauszusetzen haben. So dürfen wir zunächst die; Zeit nach
der Unterwerfung Griechenlands durch Mummius, von li(j
an, von der Bereciinung ausschliessen.
Eine Begrenzung von der andern Seile her gewinnen wir
aus einer Notiz des Pausanias über die Bewaffnuncr des eidoe-
nössischcn Jleeres. Es ist bekannt dass diese durch Philopö-
men eine vollstiindige Reorganisation erfuhr. Pausanias be-
richtet darüber in Beziehung auf das Fussvolk (VIII 50 1):
<popoOvTx; yoi^ [Aiy.pa ^opxTtoc y.x\ irn[j.ny.emtpx OTt'kx x.scTa rou;
KsXti/.ou; Oupsou; r) zx yepps'- toc Ilepcrtöv ezeiors Owpxxa; ts £V~
S-js-jOäi xocl eTTiTiöedSxi xvvi[;,iSx;, 7:po; ^k xoTziai^ 'ApyoXDtocT;
yp-^a:9ai vtal toT? ^öpxffi asyoc'Xotq. Wenn wir also auf unserem
Ilelief den argoliechcn Rundschild statt des langgestreckten,
eckigen und eine starke Lanze statt des fxiy.pov ^opxxiov finden,
so muss es nach 206 als dem Jahre entstanden sein, in wel-
chen] die Neubewaffnung des Fussvolks eingeführt wurde.
Dass Kleitor damals schon dem Bunde angehörte steht ausser
Zweifel ; es muss schon Mitte des 3. Jahrhunderts, etwa gleich-
zeitig mit Megalopolis ( i^olyb. 11 44) und den andern arkadi-
schen Städten beigetreten sein (Plut. Arat. 34, Strab. VHI 7).
Im Sommer 220 halte es als Bundesstadt eine Belagerung
durch die Aitoler zu bi-slehen (Polyb. IV 18 19, \ix'38 8).
Innerhalb des halben Jaiirhunderts von 20G-1 i6, das sich uns
als Begrenzung ergibt, liegt die höchste Blüthe und zugleich
der Verfall und Untergang des achäischen Bundes.
Es lässt sicli nicht mit Bestimmtheit entscheiden ob das
Grabmonument auf öffentlichen Beschluss der Kleitorier oder
von den An";ehöriiJjen des Todten gesetzt sei, doch ist letzteres
bei Weitem das Wahrscheinlichere. Gleichwohl werden wohl
auch hier wie in aller Zeit die politischen Umstände von ent-
scheidendem Einfluss auch auf die privaten Handlungen ge-
wesen sein, sodass wir die Entstehung dieses prächtigen Grab-
164 EIN KRIEGERRELIEF AUS KLEITOR
mals mit mehr Recht in der Zeit ruhmvoller Waffenthaten als
in der Zeit der Erniedrigung und Ohnmacht suchen werden.
Ich stehe nicht an auch unser Relief für ein Zeugniss des ho-
hen, waffenstolzen Geistes jener Zeit, für ein Monument/zu
halten, das ein reicher Bürger der Stadt seinem Sohne setzte,
der unter Philopömens Führung einen ruhmvollen Tod gefun-
den hatte.
Einen Künstlernamen für unser Relief zu suchen wäre ein
müssio^es Bemühen. Möolich dass der Künstler ein Klei torier
war, da er den Verstorbenen gekannt haben musste, um ihn
so portraitähnlich bilden zu können.
Über die Waffengattung unseres Kriegers kann die Entschei-
dung nicht schwer sein. Polybios unterscheidet gelegentlich
der Schilderung, die er von der achäischen Schlachtordnung
bei Mantinea gibt (XI 11 i) 1. tou; 'IWv^imu^ y.x\ ötopaxiT«?
2. T?> ^sv'.y.J)v xzl Tou? au^tiSvou; 3. tou? f!x\a,yyizx(; 4. toui; tco-
XiTixou; iTCTrel?. Von diesen sind die Illyrier, Hülfstruppen und
Leichtbewaffnete, auch die Reiter sogleich auszuschliessen. Ein
Phalangite kann der Krieüjer nicht sein weil seine Lanze mit
einer Sarisse keine Aehnlichkeit hat. Denn nach Polybios
(XVIII 29) hatte diese eine Länge von 16 Fuss, dem entspre-
chend musste der Schaft dünn, die Spitze leicht sein, wie aus
dem berühmten Bild der Alexanderschlacht ersichtlich ist. Die
Waffe unseres Krie<<ers hat die Länge der Figur selbst, ihr
Ende ist deutlich durch den oberen Abschnitt charakterisirt.
Hätte eine Sarisse dargestellt werden sollen, so würde der
Schaft sich im Gesimse verlaufen müssen. Der in den Boden
gestellte Theil würde auch füi' die Spitze einer Sarisse zu plump
sein, während anderseits nicht bekannt ist, dass diese mit ei-
nem Sauroter versehen gewesen wäre. Es bleibt mithin die
Bezeichnung als Otdooty.Uvi; übrig. iSnch einem gewöhnlichen
Brauch griechischer Kunst ist die Wafl'engattnng nur ange-
deutet, sind Panzer, Beinschienen und Sandalen nicht gebil-
det worden. Die Stücke aber, welche zur Darstellung gekom-
men sind, stimmen mit den Angaben überein, die Pausanias
von der Bewaffnung des schweren Fussvolkes macht.
EIN KRIliGliRÜELIEF AUS KLEITOR 165
Die e^cofAi?, ein sonst für Krieger eben nicht übliches Klei-
dungsstück, war für die Darstellung des betenden geeignet,
weil sie die Entblüssung der Brust ermögliclit. Sie ist mit einem
schlichten Kiemen über den Leib gegürtet in der Weise wie
die tunica auf den Darstellungen römischer Legionare. Die
Ghlamys erinnert an das römische sagum oder mehr noch an
das paludamentum des Feldherrn. Das kurze Schwert hängt
wie bei den römischen OfTicieren aus der ersten Kaiserzeit auf
der linken Seite, aber nicht an einem cinclorium sondern am
VVehrgehänge [balteus).
Auf der Grenze stehend zwischen dem Verschwinden des
Hellenismns und dem Alles umslossenden Römerthum ist un-
ser Relief sehr geeignet den Übergang von einer Kunstsphäre
in die andere erklären zu helfen.
Die Römer verlangten bei ihrem aufs Praktische gerichteten
Sinne porträthafte Darstellungen. Deshalb schlössen sie in
der ikonischen Kunst sich direkt an die Vorbilder an, wie s'ie
sich seit der Zeit der Diad(}chen auf hellenistischem Boden
entwickelt hatten. Nach dem Zeugnisse des Plinius hist. nat.
XXXIY 17 fg. waren es besonders zwei Gattungen, die in.lta-
lien Verbreitung fanden, solche die den Dargestellten als Qui-
riten in der bürgerlichen Tracht, also der toija, und solche die
ihn wie die Ephebenslaluen in idealen* Gestalt nackt und einen
Speer tragend zeigten. Für eine dritte Gattung aber, die bei
den Römern so viel wir aus dem reichen Nachlasse entneh-
men für Kaiser- und Feldherrnstatuen recht eigentlich herr-
schend wurde, entbehrten wir bisher eines nachweisbaren
Vorbildes griechischer Kunst. Es sind dies Kriegerstatuen die
mit der kriegerischen dem Leben nachgebildeten Tracht noch
einige Züge der heroisirenden Kunslform verbinden, indem
sie die Entblössung von Haupt und Füssen, meist auch die
Lanze beibehielten. Diesen Typus sehen wir jetzt im Relief
von Kleitor vertreten: Denn wenn wir diese Figur in statua-
rische Form übertragen so haben wir das unverkennbare Vor-
bild der Mehrzahl aller Kaiserstatuen, speciell des Augustus
von Primaporta. Geben wir der vorauszusetzenden Statue noch
166 EIN KRIEGERRELIEF AUS KLEITOR
den Harnisch so ist die Übereinstimmung fast vollständig^.
Während auf dem Gebiete der statuarischen Kunst die Ei-
genart der Körner eine Abweichung von den Originalen hel-
lenistischer Kunst veranlasste, nahmen sie in der Reliefkunst
besonders der Grabmonumente genau die auf griechischem
Boden ausgebildeten Formen über. Es besteht darin ein be-
sonderes Interesse unseres Reliefs, dass wir in ihm zum er-
sten Male ein griechisches Prototyp für eine nachträglich in
Italien sehr verbreitete Galtung von Kriegermonumenten er-
hallen, als deren Hauptverlreter wir den neben seinem Pferde
stehenden römischen Reiter (Ärcli. Zeit. 1870 Taf. 24), das
berliner Relief (Winckelmannsprogramm 1866), den Grab-
stein eines Flottensoldaten zu Athen (Hübner a. a. 0.) nennen.
Keine sachliche aber eine überraschende stilistische Ver-
wandtschaft hat schliesslich unser Relief mit einigen andern
hervorragenden Reliefs der ersten römischen Kaiserzeil, so z.
B. mildem neuerdings von H. Dütschke herausgegebenen (Pro-
gramm des Johanneuni zu Hamburg 1880), wo man auf Grund
der stilistischen Äehnlichkeilen trotz der grösseren Durchbil-
dung und Reife des römischen Reliefs schwerlich einen zeit-
lichen Abstand von etwa zwei Jahrhunderten annehmen wür-
de. Es gewinnt also die Annahme, dass die römische Kunst
wesentlich als eine Fortsetzung der hellenistischen zu betrach-
ten sei durch unser Relief ebenso wie durch das slilverwandte
neuerdings von Th. Schreiber (Arch. Zeit. 1880 S. 145 fg.
Taf. XIII) edirte und die daselbst als gleichartig erwiesenen
Arbeiten eine neue Bestätigung.
Hamburg.
L. GÜRIJTT.
' Das Scepter in der Hand des Auj?uslus ist eine neue Ergänzung. E.
Hiibner ( Winckelmannsprogr. 1868 S. 10 1g.) suciil zu erweisen, dass mit
mehr Wahrscheiniiclikeit eine Lanze, die Spitze nacli unten gerichtet, vor-
au«;zuselzon sei, eine Verniuthung, die durch Heranziehen unseres Reliefs
an Wahrscheinlichl<eit gewinnt.
BEILAGE ZU MlTTH D. ARCH. INST. VI 8166.
EniHr£MONOC|(AAMIANT0YAM(|)|noAErONTO[XAMW
TOYYlOYTOYNEnKOPOrOAlABlOYhEat:OPOCTH:APXHITI
A0[XAAtciÄ0[AYPEPM0AnPO[KÄTATArEN0KNAtH^I
CMATAENTOl[[Y^AP10IIElIHKAN€NaKrOYAEKAnPaTOY
KAKMYNTOYKAlOYAniOYnAM<|)IAOYAlATErATElXOAOMi
MMAAEnOlHCENlEPITOIEPOMcAITOmEPlßOAONONnE
PlE0HCElIlTE^€^£ll(Al[TOA^m^^£KKAINtitfji&»
AEEmJAEE^E[KEYÄ[EM:YNTETPElM^€^^^KAlTPlKAEl
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CMONTONnPEnONTATHeEnNETAtYTnNKAIAMOYr
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EnHPfffHCENOrPAMMATEVZMAMEPTEINOCOTaAO
KElKATAThNnANTHNYMflNBOYAHCINCAlTHls'ElIHrH
[INT0yAiiEA(|)OYnAM<|'lAOYKAIEIITOY[nAlkAIÄYT0Y
TAYTHNTWTTlNHNMETEKeElNAPATnTHNXElPA
EroiIYNEAPOlAOKEIEAOlEN^AHMOYOCTPAIH
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TEAMEIßOMENOITOYIArAGOYCANAPACKAIMHflZ
AYTOYCMONOYCTACTEIMACAAAAKAIEIZTOYCnAi
AACMETATieENTECMONnErAfÜYTnCKAirOYCAAAOYf
EninOAAOICnpOTPEnONENE(f>eAKENOYNTAYTAE^H
^iCeAlKAmßOYAHElKAlYNEINAOKEIAPATnTHNXFl
PAErols'AOKEIEAOfENErOA'noAAOlCETEEl
Eine Inschrift aus Chalkis.
Im Herbst d. J. 1877 wurde in der EuSoi«, einer Zeitung
von Chalkis, in N" 90 (voin ^-^^g? Sept.) die im Folgenden be-
sprochene interessante Inschrift zum ersten Male bekannt ge-
macht. Kurze Zeit nacli dieser VeröfTentüchung erhielt ich
durch Vermittlung des Redaeleurs dieser Zeitung, meines
Freundes Herrn G. Philarelos, einen vom Advoeaten P. C. Oe-
konomides besorgten Abklatsch, welcher mich in den Stand
setzte die Inschrift in einer Decembersitzung des Instituts i. J.
1878 vorzulegen und zu bespr'echen. Durch Anhäufung von
Arbeit wurde ich aber bis jetzt von der Veröffentlichung der-
selben abgehalten.
Die Inschrift, welche wie aus dem Facsimile auf der ange-
hängten Beilage zu sehen ist dem Schriftcharakter nach in die
nachchristliche Zeit gehört, ist auf einer nicht näher be-
zeichneten Steinplatte eingegraben, deren Länge 0,80 betragen
soll (in meinem Abklatsch habe ich bis zum Schlüsse der In-
schrift 0,64 gemessen), die Breite aber 0,88 und die Dicke
gegen 0,10'". Der Stein endet nach oben mit einem Giebelfelde,
worin nur die Aufschrift ATAOHl TYXHI eingemeisselt
ist. Die durchschnittliche Höhe der Buchstaben, welche mit
einigen Ausnahmen alle gleich hoch sind, beträgt 0,014. Sie
wurde kurze Zeit vor der ersten Veröffentlichung nahe der al-
ten Arethusaquelle gefunden, unweit des jetzigen Kirchliofes
von Chalkis an einem Ort, welcher Wnlxl -/.ccijA^xt. tou ayiou
'Io)ocvvou heisst. Die Inschrift ist in folgender Weise zu lesen:
'EttI -/lysfj.övo? K>.. 'A[jt.r/,vTO'j a|Ji(p'.T:o).£uov:o!; Aa[X7:pou
TO'j 'JioO ToO vewKopou f^ioc ^cou vsoix.öpo; T"/i; 'Ap)(V)YSTt-
So; XocTv/aSo; Äup. 'EpaöSwpo; axtx xk yevofisvx ^7i(pi-
<7tJ!,ocT3C £v -cot; G'JvsSpiO'.; ElC/jyTl'TZp.SVOlV ToO ösxaTpcoTOu
168 EINE INSCHRIFT AUS CHALKIS.
5 KX. 'Ap.uvTOu xkI Ou^tcIou üxjxoUou ^loc ts Ta TStpSoj^T^-
jxxTX oc erroiTiaev Tcepl -:ö Upov xatl tov 7CEpiSo>.ov 6v tts-
pie9Y)X,S TW T£|/.£V£t /.ai CTOaV Y)V jXSV £•/, XXiVOU )C5CTeaÄ£U-
a<r£v viv Se ETüEcnceuacfiv cuvTeTp£i|AjX6V7]v xy,l tpUXei-
vov §£t7:vti7xi^piov TcoirifiXi; y.od Oupcoc?*:; ci; >c6-
10 mOV TOV XOE-OVTOC T'^ OeiO [/.ETO: (pUTÖV /.kI a7v(70u;
aveOv]x,Ev £-1 TÖ Ki'(^iov e;(^£iv au tov te /.xi "zoc T£/.va
ÄUToO TYiv v£(j)-/.op£ixv. Ta (|;vi9tTp.aTa sysvov-
To YpajxfxxTBuovTo; 'louTviou MafAsptivou crTpx-
TViYoOvTo; ToO Ssz-aTTOwTou a' Nooul'ou Auaxviou.
1 5 'ESCÖYidav) Ol cuvE^poi: llxp-ipilw /-aXv) 'fl i^yviTi?' ootco ys'vs<j6(iJ,
'Ez'/jowTYjTEv ö Ypx{j!.p,aT£u; MxaepTeivo?* otco oo-
xst y.XTa Tviv ^^xvtqv u[jt,Sv ßou>.'/jaiv xal tviv ei;7iyvi-
civ ToO aSsX^poo [IxacpiXou /.xl £i; tou; TTxT'bx^ auToO
TaUTYlV TY)V T£t}///lV p.ETöXÖElV apXTüJ TY)V )^£tpX.
20 'ESCo'/itxv) Ol auvE^poi ^oxsi. "E^o^ev. Aiip^ou 6 TTpxT-/!-
y6? to o' jSoouio; Auijxvix; eZtcev* xxT^ö; xoiei-
TE a(ji.eiSo(X£vot Tou; y.yxOoui; av^px; xal j^//] si?
auTOu; p-ovou; tx; TSi|j!.a; aXla xat ei; tou; ttxi-
^x; [/.etxtiOevte;* (xovcoi; yap outw; xxi tou; aX>.ou(;
25 £7:1 ■;:o7^)vOi; TTpoTpsTToasv. "E'^Oxx.sv ouv txOtx i'^y\-
cpiaOxi xxi TV) ßou)^'/). Ei xxl u|i,Eiv Sox-sf xpxTo) t'/jv ^ei-
px. 'ES(ör,GEv) 0 ^(yjty.oO ^oxeT. "E^^o^ev. 'E6(675TEv) ö S(v)ao;)
7;0>.XOV$ STEGl
TOU; VECOXÖpO'J?.
Wie leicht zu sehen ist die uns vorliegende Inschrift drei-
iheiiig; sie besieht 1) aus den Prämissen, welche zugleich
das Resultat der darinerwähnten Sitzungen enthalten, 2) aus
dem Protokoll der Ralhsversammlung 3) aus dem Protokoll
der Volkssitzung.
Den Vorgang, der sonst keine erheblichen Deutungsschwie-
rigkeiten bietet, haben wir uns so zu denken. Aurelius Her-
modorus war der Neokoros des Tempels der Archegetis in
Chalkis. Wer diese Göttin gewesen können wir nicht ermit-
teln; nicht" unwahrschemlicli war es Athena, da Chalkis. seine
EINE INSCHRIFT AUS CHALKI6 169
Gründling mythischen Personen aus Athen zuschrieb^, sonst
sprechen die Münzen der Stadt auch für den CulL der llera^.
An Arethusa darf man wohl nicht denken, obwohl sie als
eine einheimisciie Göttin verehrt wurde 3. Horniodorus k-klei-
dete nun das Amt der Neokorie mit Würdo und Freiincbii;-
keit. Er verschönerte den Tempel selbst durch verschiedene
Bauten, er umgab das Temenos mit einer Mauer, er stellte
die wahrscheinlich daranslossende zerLrümmerte Malle wieder
her und führte sie zu Ende, er verfertigte einen Speisesaal mit
drei Tischlagern und versah ihn mit einer reich geschmückten
Thüre; schliesslich umschloss er die ganze Tempelumgebung
mit einem Hain und mit Gartenanlagen. Dieses alles weihete
er der Göttin mit dem Vorhaben der Erlangung der lebens-
länglichen Neokorie für sich und seine Kinder. Er scheint da-
nach ein reicher auch sonst einflussreicher Mann gewesen zu
sein, denn \x\v sehen aus der Inschrift dass neben dem Vater
auch sein Sohn Lambros eine priesterliche Würde in Chalkis
bekleidete, und sogar eine bedeutende*; denn die Anrij)hipolie
scheint in Chalkis eine hochangesehene einjährige Stellung
gewesen zu sein, nach welcher sogar das Jahr hiess, wie in
Syrakus.
In jenem Jahre nun wo Lambros der Priester der Archegetis
war, während der Statthalterschaft des Claudius Amianlus,
gewährte der Rath und die Volksversammlung dem Hermo-
dorus, seiner Verdienste um den Archegetistempel eingedenk,
* Strabon X 447. Skymn. Vs. 572.
2 Eckhel Doctr. num. I 2 S. 324.
2 rtAba.s der Stammvater der Abanten war nach einigen der Sohn des Po-
seidon und der Arethusa, nach andern galt die Aretliii.sa für eine Tochter
des Abas. Hieraus und aus dem Ausdruck heilig scheint zu folgen dass die
Arethusa als einheimische Göttin und Stammmutler dcrChalkidenscr verelirl
wurde». Ulrichs Reis, und Forsch. II 8. 217.
* Vgl. Diod. XVt. 70 xaT^utriaE hl iTinioleon) x*'i ttjv xat'lviautov Ivttjio-
TÖitrjv ipx^v, V ^H?"toX(av Ä164 *OXu(i.ntou 01 Supaxoüoiot xaXoüot. Rai fjO^ÖTj npö)-
tO{ (ipi!p';ioXo5 Aiö; 'OXufiitiou KaXXtjji^vr)?. K«l tö Xomöv StEtAsoav ot Supaxoiaioi
TOu; Iviauiou; Irnypifovxii Toütoi; tot? äp/ouat |*^Xpi twvSe ttjjv toTopicJv yp«?o-
|Jiivtt)V xai tTi; x»ta Tr|V noXttetav aX^ay^?-
MITTH.D. ARCH.INST.VI. 12
170 EINE INSCHRIFT AUS CHALKlS
die Neolvorie auf Lebenszeiten für sich und seine Nachkom-
men. Und wahrlich halle er sich als einen würdigen Neoko-
ros gezeigt, gemäss den Anforderungen welche dieses Amt mit
sich führte und welche in der Fürsorge und Ausschmückung
des Tempels bestanden*. Über die Verleihung der lebensläng-
lichen Neokorie berietli sich erst der Rath auf Antrag des De-
kaprolos Claudius Auiynlas und des Ulpius Pamphilus, indem
Julius Mamertinus Secretär des Raths war und Dekaprolos
Novius der Sohn des Lysanias die Strategie bekleidete. Die
RathscoUegen bewilligten durch Acclamalion den Vorschlag
des Anlragslellers insoweit er den Hermodorus selbst anging.
Aufdie Anfrage des Secretärs hin verliehen sie durch eine zweite
Acclamalion die lebenslängliche Neokorie auch den Nachkom-
men des Hermodorus. Nach dem Beschluss der Ralhsversamm-
lung mussle diese Amtsverleihung auch vom Volke angenom
men werden. Der Strateg Novius, welchen wir schon in der
Ralhssilzung genannt finden, führte wahrscheinlich als Prä-
sident das Probuleuma mit einer kurzen Anrede vor der Volks-
versammlung ein. Man approbirle auch hier dasselbe durch
Acclamalion und nach ßeglückwünschung der Geehrten ging
man aus einander.
Somit haben wir den Inhalt der Inschrift erledigt, worin
Alles nicht bloss kurz und bündig sondern auch voll Leben
ist. Die Psephismen haben wir in den kurzen Acclamations-
beschlüssen 5oxsl und den darauf folgenden Bestäligungsfor-
rneln e$o;sv vor uns; was nach den Prämissen den Psephis-
men vorangeht sind die Prolokolle der Sitzungen selbst; sei-
len haben wir in allen Documenten so kurze aber klare de-
laillirte Darstellungen der Geschäftsführung. Die Inschrift ist
aber auch sonst sowolil in staatsallerthümlicher als in sprach-
licher und paläographischer Beziehung interessant.
Das Amt der Dekaprotoi, der decem primi, war uns bis
jetzt als eine besondere Institution der griechischen ,Städle
Kleinasiens bekannt; in ChaUds muss es jedenfalls dieselbe
' C. F. Heiiuanii GotU-sdicnsll. AU. 2 S. 224 A. 8.
EINE INSCHRIFT AUS ÜHALKIS 171
BcdeijlTjiig wie dort gehabt hal)en ; es w.ir rin jährlich Nvech-
sf Inder Aus^chiiss des Ralhes, nus zehn Mitgliedern bestellend,
welcher besonders die Eintreibung der Sieuern besorgte*. Die
Erwähnung des Dekaprotos Claudius Arnynias, welcher mit
dem in der ersten Zeile genannten Slalthulter Claudius Ami-
antus nicht zu vcrwechselti ist, als Antragsteller vor der Kaths
versanunlung iv-l jeden Tu lls zufällig und hat mit seinen Amts-
befugnissen nichts zu thun. EhiMiCalls ist zufällig dass Novius
weicher im Protokolle der Kalh.svcrsammlung genannt wird
ein Dekaj)rotos war. Denn nicht Ix-hufs dieses Aftites wird er
unter den Eponynien des Käthes gezählt sondern weil er zu
gleicher Zeit Slraleg war, welclie Stelle sich mit der Deka-
prolie wohl zu vertragen schien. Es scheint aber dass der
Strateg deswegen im Kalhscollegiuni niitsass weil er der Prä-
sident der Volksvei-sammlnni< war wie w'ir aus dem darauf
bezüglichen Protokolle entnehmen können^. Was aber die No-
tirung der Zahl bei der Dekaprotie des Novius betrilTt welche
ausdrücklich als die erste bezeichnet wird, indem bei der Er-
wähnung des Namens des Claudius, der ebenfalls Dekaprotos
war, nichts derartiges bemerkt wird , so scheint der Grund
darin zu liegen dass der BelrefYende das andere gleichzeitige
Amt, das der Strategie, schon zum zweiten Male bekleidete.
Die zwei Versammlungen, die des Uaihs und die des \<)\-
kes, heissen zusammengenommen auve^pix. Dieser Gebrauch
des Worts stimmt wohl mit einem Passus des Aristoteles zu-
sammen, worin es heisst: e^iactv «pjcovTs^ a£v s-l -x ap-^eia,
öiCjaoOe-rai Ss eC; tä oixetx ÄixzrrT'^piz, ßou'XeuTxl ^k y.xl i/,/.\rr
cixTral si; «ruve^pioc toc Tcpo^TiKovxx^. Sonst ist das Wort auch
bei einfachen Senatssitzungen üblich* oder es wird entweder
' Bcclvci-Maiquarill Ilandlj. il. lüiii. Alt. \a^\[,i. 1851 III l S. 387.
2 Vgl. das Psophisraa aus Aigiale in AinoijJtüs ('. I. G. 2264: Y**^i^!l «^p*"
Tnydiv xai Sexaitpoittuv, l/^öytu«« ^l sa\ x/jV stpuxavixTjv l;ouaiav,
^ Arisl. de inii/nlo K. 400 h. 16 llclvl^or.
* C. I. II. 3281 XÖ» OS|JIVOIIXTO> OUVEÖpi'w t(I)V Iv SfAÜpVr) f!p6vTU)V 3417 TW 0«-
veSpiti) xütv npeo6ux^pü)v. — 3422 x^ xpaxIaxT) ßouXr) . , . . xa; toj cefivoxixo) ouve-
Sp'ü) XT)? "ygpouo'.at. — 3912 Tfü av»v«3piu) xt); Y^P^usia;. — 3916 xoü ouvtSp-ou xtj^
Ytpouai«(.
172 EINE INSCHRIFT AUS CHALKiS
für die einzelnen Rathssitzungen * oder für Volksversamm-
lungen gebraucht 2. Und doch obwohl das Wort cuve^pix in
der vierlen Zeile die BedenLung beider Versammlungen in sieh
schliesst wird in Z. 15 ayvsSpot ausschliesslich für die Ralhs-
collegen gebraucht.
In sprachlicher Beziehung muss ich auf einige Rigenthüm-
lichkeiten aufmerksam machen. Das Wort viyvici;, welches
durch 6t;r,Yvi'7ac[ji.evtov in Z. 4 erklärt wird, ist ein «Tra^ sipv)-
[xevov und kommt nur einmal, in der Bibel, vor^. Von den ver-
längerten Formen xpUlsivov, <7uvTSTp£5[;.[;.ev7iv, Tet;/-/), yeivecOw,
MacjAepTsivo;, u|xet:v ist levj.'/] häuüg in Inschriften aus der rö-
mischen Zeit; u[7,£iv kann auch als Fehler des Steinmetzen be-
trachtet werden. Neu ist die Rechtschreibung im Worte v£oj-
xopeix mit e t, beme^kens^Yerlh der Gebrauch des Artikels beim
Ausdruck y.uxov te kxI tk tsävsc, Aus.sergewöhnlich ist der Satz-
bau bei den Ausdrücken d /.xl 6p.£iv ^o/ceT apocTo t'/)v yzXox und
TTo^Aot; E-reciv tou; vstO/copou?, weiches letzlere wohl ebensoviel
bedeutet wie das spätgriechische ei; izollx e-ri. Neu ist das
Wort Tei/of^ou.'/iut.« ; SsiTuvi'TTv^ptov obwohl sehr selten statt des
gewöhnlichf'n 5£i7:vv)T7ip'.ov ist doch bekannt. In paläographi-
scher Hinsicht sind in dieser Inschrift, ausser der Abwesenheit
des iota adscriplum in den meisten Fällen, die Abkürzungen
EB' und EB' OA' zu bemerken. Abbrcvialionen und Siglen
sind sonst während der römischen Zeit in griechischen In-
schriften nicht selten'*. Aus den oft vorkommenden Abkürzun-
' C. I. G. 2025 ßouXYi? oüveSpov. — 2140 ina ouvISfwv xat xoü SaiJ.ou. — 2264 p
owv^opiov ZT,; ßouXri;.
^ C. I. 0. 5401 bjjiOYfwi-iovEi; xoü ouveSpiou jcivxt; von der sonst fiüher ge-
nannten iXfa, we<ch(i der ov^n-lr^toe, ^egeniiber erwähnt wird.
^ I Makk. IX 31 : xa'i Ineo^Saxo 'IcuviQav Iv xü xaipüi Ixetv«) ttjv f^yriaiv xat
av^axr, avxi 'IoüSx xoü «äsXeoö aJixoö. Mail kann damit folgende Öleile bei
Maichus [Fr. hist. Graec. IV S. 119 Kr. 10) verf;!cichen : o5 yöp iv {jaotXlo)«
^x'. o'vxo; ^-.ifwv ffftiifoSai 7V(iii;.riv ri xaxtcivxa TcpoiSly^soOai. Durch unsere In-
sut)rif( wird augpnsclieinlii'h bt^wiesen , dass die Kiiieiidalion von Bekker
welcher das-'riYijasoöai durch eiiriyrjaäsQai eiselzle ganz überdiissig ist.
^ So kornme.rv in einer sparlanischen Inschrift 0. I. C. 1249 die Worte
r.pioSy;, ßouXf,, g>opo?, Yp«{A|*at096Xa5 in Siglea abgekürzt vor. Andere Siglen
sind im Text angeführt.
EINE INSCHRIFT AUS CIIALKIS 173
gen wie Y. B. und Y. B. A. odtT Y. B. K. A, können wir schlies-
sen dass O A' wohl 6 <5-/)(^.o; hedtuitct, das E B' nnseicr Ifiscliril'L
aber, welches neu ist, L;Iaid)e ich durch sßövicrscv richtig auf-
gelÖ!»;t zu hahen. Folij^enflcs K[)igramiii der pnlalinißchen An-
lhoh)gie, wahrscheinlicli ein Werk des Luuillius, kann zur Er-
klärung des Wortsinnes dienen :
FJ; leoov t:ot' «yüivx IHO.cov [j.ovo; r,>.0' 6 7:3t>>ai'7T'^;.
Tov 5' Euöu; (JTe^xvoOv aOT^oOsTV); e/.x>,st.
npo;^xiv(i)v S' «"XiiOev ex' iTj(^iov' oi d'' sß^dviTKv
toOtov fJLVi (JTeczvo'jv, ei aovo? a)v ^ttstcv^.
Wie ist nun al)er diese Acclanialion, welc}ie durch das abge-
kürzte Wort angegeben wird, mit der Abstimmung durch
Handerhebung zu vereinen, welche durch die Anfrage der Lei-
ter der Versammlungen hervorgerufen wird? Wir mi'issen an-
nehmen dass eSöviTxv entweder schlechtweg die Bewilligung
in (]en Versammlungen bedeutet, weil die Handerhebunc: na-
lürlich mit einem Huf begleitet wurde^ oder es sollte mit be-
sonderem Nachdruck angegeben werden, dass die Bewilligung
durch Acclamalion auch ohne If anderhebiing die Annah-
me des vorgeschlagenen Antrags bedeute.
Ausser diesen Abkürzungen ist die Inschrift auch durch ilire
vielen Ligaturen bemerkenswerlh , wobei bis zu fünf Buch-
staben vcr])unden werden 2.
Diese Auseinandersetzungen mögen genügen, diese für die
Zeiten in denen sie aufgestellt wurde interessante Inschrift zu
erklären.
D' SPYR. P. LAMBBOS.
> Anth. Paint. XI 316.
2 Die forme« der Ruchslahen selljst weiolicii mefirfjK'li von einander ab;
das Bigma besunclers ist duieb drei l'oruicn repräsenlirl ; C, C, I.
Marmore von der Akropolis.
(Hierzu Tafel VI VII.)
1. Archaische Sitzbilder.
Die kleine 0,29 hohe, 0,15 breite, 0,21 tiefe fragmentirle
Marmorstatue, die wir auf Tafel VI, 2 nach einer Zeichnung
von F. Thiersch wiedergeben, erwähnt schon L. Ross im Jahre
1836 mit folgenden Worten: «Unter den beim Parthenon
zuletzt gefundenen Sculpturen zeichnet sich eine auf einem
Sessel sitzende weibliche SSatuetle aus, die aber nur von der
Gegend des Nabels an erhalten ist . . . alles im strengsten ägyp-
lisirenden Styl» (Arch. Aufs. I 111). Etwas ausffihrlicher
wurde sie dann in Scholl « Mittheil, aus Griechenland )> S. 27
N" 10 beschrieben; derselbe erkennt auf ihrem Schoose «etwa ein
aufgeschlagnes Kästchen». Niemand so viel ich weiss gedenkt
ihrer später: nur v. Syhel in seinem neuerdings erschienenen
vollständi!;en Verzeichniss der Marmore in Athen erwähnt sie
als TN" 5090 und erkennt ebenfalls «ein Kästchen auf den Kuie-
en». — Das Interesse der Figur beruht jedoch haupisächlich
darin, dass jener Gegenstand eben kein Kästchen ist sondern^
wie aus der genauem Betrachtung desselben und der Haltung
der Hände hervorgeht, nichts andres als ein Diptychon, in
welches zu schreiben die Fisjnr eben im Begriffe ist. Sie hat
das Diptychon aufgeschlagen, hält es mit der Linken fest und
schreilil mit dem in der Hechten gehaltenen Stilus; die Hand
ist zwar leider abgebrochen ; doch der gebliebne Rest, wie ihn
die auf der Tafel beigesetzte Oberansicht des Diptychons zeigt,
lässt die re'^elrechte Schreibhaltuns; der Hand erkennen und
das kleine, 0,008 tiefe, schräg hineingehende Loch ist deut-
liches Zeugniss des einst besonders eingesetzt gewesnen Grif-
fels. Das 5it:tu5(^ov Se^xiov, wu^iov oder mvajtiov ist durchaus
regelmässig gestaltet: auch isi der um die Täfelchen laufende
MARMORE VON DF.R AKROPOLIS 175
Rnnd nnlerschicdcui von dor imifin Nvanhsiihprzognen Flüche*;
did /n l)esclireibende Talel wird von i\{'\- lii)keii Haiid»in \v;i-
gerechler Sleliiiiig gehalten und durch Aufliegen aufdonOher-
Schenkeln unter.sliUzl. I-^twas anders stellen uns Vascngennälde
die Sache vor, indem dort die Sclireihtafel l'n'i auf flora linken
Unterarm oder nur der 1. Hand gehalten wird und indt-m der
andere aufgcschlagrje Flügel emporsieht, niehl aliei' ^au/. zu-
rück und herabgeschlagen ist wie hiei'^. Diese kh'iiien DüTc-
renzen ei'klären sich leicht durch die Bedingungen plastischer
Darstellung, Ich kann zur Bestätigung wenigstens eine Sta-
tuette nennen, ein anmutiges Mädclien aus Terracotia von Ta-
nagra, das sich in der Sammlung v. Saburoff' in Berlin befin-
det und mit den i'ibrigen Schätzen derselben demnächst ver-
öfTetUliclit werden wird; es hält ein Diptychon ganz ebenso
wie unsere Statue umgeschlagen auf dem Schoose.
Haben wir das Hauptmotiv unserer Figur erkannt, so be-
trachten wir sie nun im Einzelnen genauer. Sie sitzt auf einem
einfaclien Blocke, der jedoch, freilich fast nur durch die Be-
malung, sich als ein Stuhl zu erkennen gibt; die vier Beine
und der Sitz desselben sind grün oder blau gefärbt gewesen;
der, durch eine feine eingegrabne Linie gelrennte, übliche
Querbalken unter dem Sitzbrette zeigt Spuren etwas dunklerer
Färbung; die zwischen den Beinen stehen gelassene und eigent-
lich wegzudenkende Masse ist rot bemalt. Am Gewände der
Figur sind keine Farbspuren erhalten. Die Füsse ruhen auf
einem fragmenlirten Schemel. Die Statuette war mittelst eines
an ihrer Unterseite sichtbaren bleivergossnen Eisendübels auf
eine wol mit der \Veiliinschpifl versehene Basis befestigt.
Die Figur sass steif und gerade aufrecht; der rechte Anw
berülirle nur mit detn Handgelenke ihn Schoos; die Beine
' Auf der oboni Seite diircli eine eingpgraline Linie, auf der lieiah^'iSelilag-
nen nur durcli verscliiediie F'ärhuni.'. Per I^ami scheinl i.'riin , die innere
Fläche rot gewesen zu sein (vgl. auch Scholl a. a. 0.).
- Areh. Zeit. 1873 Tf. I; Gerhard Auskpw. Vb. 288, 1: 244; Eliic c-cr. I
77; fii'U. yap. n. .s. VI 4. 1.
176 MARMORE VON^ DER AKROPOLIS
stehen parallel nebeneinander, die Cnlerschenkel genau ver-
lical. .Die Gewandung sclieinl nur aus einem langen Chiton zu
bestehen, der an den Beinen heraufgezogen ist und sich eng
an dieselben anschmiegt. Über das Geschlecht der Figur lässt
sich hienach nichts bestimmen ; indessen ist es sicherlich kein
Mädchen, das einen Liebesbrief vor sich hat wie jene lana-
gräische Terracotte ; aber auch die Musen erscheinen ja erst
in den späteren Darstellungen schreibend ; ja das offenbar hohe
Alter der Figur, in welchem den altischen Frauen da« Schrei-
ben schwerlich geläufig gewesen sein wird, dürfte über-
haupt eher gegen die Annahme einer Frau sprechen. Indessen
wird man sich vielleicht an Athena erinnern, die schreibend
vorkommt auf zwei attischen Amphoren von etwas nach der
Mitte des 5ten Jahrhunderts*, und an Athena denkt man bei
einem neben dem Parthenon gefundnen Weihgeschenk ohne-
dies zuei'st. Für sie spricht indess nichts im Aeussern unse-
rer Figur, weder die ganz einfache Gewandung noch der ein-
fache Sitz noch der Mangel von Attributen wie der im Rücken
herabgehenden Aegis. Ferner ist das Motiv einer schreibenden
Athena auf einem Vasengemälde etwas ganz anderes als das-
selbe in statuarischer Ausführung. Dort auf den Vasen mag
Athena gedacht sein wie sie als SladLgöttin gleichsam Rech-
nung führt in genauen schriftlichen Notizen, etwa über Zahl
oder P3eschaffenheit ihrer Bürger und Kinder, ihrer Verehrer
und Vertheidiger des Landes, die auf den Rückseiten beider
Amphoren, hier durch einen Epheben des Gymnasions, dort
durch einen bärtgen Mann mit dem Ausdrucke ehrfurchtvol-
len Staunens angedeutet sein mögen, oder berechnet sie gar
selbst die ihr geweihten Summen des lieilgen Schatzes? Ge-
mälde dürfen Götter auch in ihnen wenger eicfenthiimlichen
und zufällueren Situationen vorführen; die statuarische Kunst
* a. München 1185. Gerhard Ausg. Vb. 244. Mon. cl. f. I 26, 6 im Stile
der Art des Brygos verwandt.
b. de Luynes Desn\ de vases S. 35; Elile cer. I 77 ; etwas vorgeschriltnerer
Stil. Gleichwul ist die Übereinstimmung beider Vasen auch in Kleinigkei-
ten so gross, dass sie ohne Zweifel auf ein Original zurückgehen.
MARMOHK VON DER AKROPOLIS 177
nicht, lind am wenigsten wird es die des seclislcn Jahrhun-
derts gethan hahen.
Daifet'pii ist es hekannt, dass statuarischü Darstellungen
menschlicher l*ersonen aulder Akropolis als private Atiallieme
an die Gottheit durchaus gewöhnlicii waren und aurh f'tir die
alle Zeil sich voraussetzen lassen. Nicht nur die Bilder von
l'riesterinnen, Arrhephoren, Kanephoren und Siegern der Fest-
spiele, sondern auch solche heliebiger Privatleute wuideii Itei
irsend welchem Anlasse hier sjeweilil V l]s liest in der Natur
der Sache und wird durch die l herlieferung heslätigt, dass
die (einlachen oder mehrlaltigen) Wachsläfelchen zu kürzeren
Aufzeichnungen dienten, während man zu fortlaufenden län-
geren Schrifistiicken die Hollen aus ßi€Xo; gebrauchte, und
zwar schon in alter Zeit 2. Die Täfelchen dienten also zu den
Schreibiibungen der Schüler^, und zu Briefen, vor allem aber
fiir Hechn ungen und derartige Documenle, wie wir am (ieiit-
lichslen an den bekannten in Ungarn* und Fompei* gefund-
nen römischen tabellae ceratae sehen, die auch äusserlich ge-
nau den auf unsrer Statuette und den griechischen Vasen vor-
kommenden Di- oder Triptyclien entsprechen*; für das 5te
Jahrb. in Athen aber beweist C. I. A. I 32, wo ttivx/.iz ge-
nannt werden, die Bechnuncren u. d^l. enthalten. — Wir schlies-
sen daraus, dass, da uusre Figur gewiss weder eine Schreib-
übung macht noch einen Brief abfasst, sie wahrscheinlich ein
Docunient niederschreibend gedacht ist. Man möchte also zii-
' Vgl. l^itlh. V 27 fV.
2 Lange vor Herodot, der bckannllicli (V, 58) bericlitct, die lonior liiitten
vor Allers, als das Niliiapier noch inaiigeilc, statt dessen Felle boniilzt und
mit leUterra Namen dann nachher auch das Papier bezeichucl.
^ Auf der Durisschale (Arch. Zlfj;. 1873, 1) geschieht die Schreibühuiig
auf den Täfclchen, das Epos aber wird aus einer Rolle gelesen; auch auf
dei' Linos-Schale (Äniuili d. I. 1856 tau. 20) steht die I*oesie auf der Rolle.
Vgl. ferner die aus Rollen lesenden und singenden Musen der Vasen.
* Erdy Üe talmlis cerati.i in Tramsilv. rep. 1856.
* Vgl. de Petra, Le tavolelle cerale dt Pompei, 1877.
* Auch sie pllegen quer, d. b. der langem Seile in der Rieblung folgend,
besehrieben zu sein. Auch den IVeien Rand ringsum zeigen sie ebenfalls.
178 MARMORE VON DER AKROPOLIS
nächst etwa einen ■^^xij.i^x.xe^j^, natürlich einen der angesehe-
neren, voraussetzen, wie denn im 5len Jahrh. ein solcher Na-
mens Mechanion ein unbekanntes Anathem (vielleicht sein
eignes Bild) auf einer kleinen cannelirlen Säule auf der Akro-
polis geweiht hat (C. /. A. I 399). Oder aber wir haben ir-
gend einen mit der Verwaltung von Geldern betrauten Beam-
ten vor uns. Bei einem Anatheme auf der Burg der Athena
denkt man zunächst an einen Verwalter des Tempelschatzes
der Athena. Dieser, aus Weihgeschenken sowohl als aus zahl-
reichen Einkünften bestehend, exislirle ja sicher schon im 6.
Jahrb., in welches wir unsere Figur versetzen müssen, und
ward gewiss schon damals von tk(;.i«i (die wir freilich erst
in der Zeit der Schlacht von Salamis durch Herodot VIII 51
kennen) verwaltet; doch auch andere Tempelschätze, die von
Ta{Ai3ci, sTriuTccTai oder tspo^oiot verwaltet wurden (vgl. C /. ^4.
I 32), werden schon damals bestanden haben*.
Wir müssen uns natürlich begnügen hiemit den Kreis un-
gefähr bestimmt zu haben, dem unsere Figur angehört; wir
glauben in ihr einen Mann und zwar einen Schreiber oder
llechnungsbeamten des 6fen Jahrh, zu erkennen, dessen Bild
nach alter Sitte in charakteristischer Situation und der altio-
nischen lans;en Gevvanduns; der Göttin von ihm selbst oder
Andern geweiht wurde.
Wahrscheinlich gehörte das Fragment des andern grössern
und stattlicheren Sitzbildes, das wir auf Tf. VI N" 1 publici-
ren , einer ähnlichen Figur an; denn in ihrem Schoose oben
befinden sich zwei Löcher und die Spuren, dass hier etwas
auflag. Das Fragment, das nur die lini<e Hälfte des Unterkör-
pers enthält (die rechte ist abgesprengt, doch war die Figur
rund und nicht Hochrelief 2) ist 0,37 hoch und 0,20 breit und
• Icti inöolile hei dieser Gelcgeulieit nochmals eines Reliefs gedeiilven, das
ich schon früher erwähnt (Milth. V 24, 3, vgl. v. Syhel, Catalog N» 50t3)
und das mir in der That den silzeiulen Demos darzu.stellon scheint im Be-
grilfe aus dem vor ihm stelu-ndcu Kcssfl eine Geldsumme der Göttin, aus
deren Schatz sie entliehen war, zuriK^k/.uer.statlcn , dem Stile nach etwa um
Ol. 80.
- Letzteres gibt fälschlich v. Sybcl Catalog N" 5030 an.
MARMORR VON DER AKROPOMS 170
wurde liS()5-G6 bei der Fuiidinmg des Museums auf" der Akro-
polis gefunden ^ Der Marnu^r ist ein sehr feinkiirniger und
dem des Kalblrägers zunaehsl \''ersvandt, nur von etwas licl-
lerem Tone 2. Die Polydiromie ist vorzüglicli erhaUon: das
Kissen des Diphros ist vol und ebenso war der Zwisclieniauni
zwischen den Beinen des letzern wie an der kleinen erhallnen
Stelle zu sehen. Blau sind die Säume des Gewandes, unten
ist ausser dem Blau noch ein breiterer roter Streif.
Am Gewände selbst sind indess keine Farbspuren vorlian-
den. Dieselbe Erscheinung, dass nur die Gewandsäumc, nicht
der ganze Stoff blau oder rot bemalt sind, witMJerbolt sich
bei einer Reihe ältester Gewandtorse der athenischen Akro-
polis, die wie wir später (S. 183) sehen werden auch stilistisch
derselben speciellen Bichlung angehören wie unsere Staliiel-
ten. — Die Gewandung der grösseren Figur ist wenger einlach
als die der ersten; sie scheint ausser dem Chiton einei] kurzen
Überwurf zu tragen, der heraufgezogen ist. Die Ausführung
ist in jeder Beziehung weit sorgfäitgur und detaillirter als die
der erstem. Die Unterschiede, welche letztere alter erscheinen
lassen möchten, werden vielmehr nur in dem Maasse der Aus-
führung begründet sein, da die wesentlichen Stilmerkmale
sonst beiden durchaus gemeinsam sind.
Das Charakteristische dieses Stiles wird uns am besten klar,
wenn wir andere alterthiimliclie Sitzbikler vergleichen. Be-
sitzen wir doch eine Reihe von sitzenden Figuren ältesten
Schema's, die unbewegt wie gebannt dasitzen und svtnme-
trisch beide Unterarme auf die Oberschenkel legen; das lange
Gewand pflegt entweder gar keine oder nur sehr beschränkle
Andeutung -von Falten zu enthalten. Man erlaube mirimAn-
' Die Zeiolinung ist auf der Tafol aus Verset)on etwas schief gestellt, na-
lürlicli rnusstc das Stulilbein vortical stelicr..
' .\ucli andere der allestatlischeri Sculpluren sind aus diesem niolitaüi-
schen Marmor; so die Sphinx von Spata (Milth. IV Tf. 5). die Siele des
Discol)olen und das ndierhei Sdiöiie Gr. Rel. N» 122 = ß»//. de rorr. hell.
IV 6. Nach Siegel (MitUi. IV 68i ist er aus i\en Bniehen von Nausa auf
Faros.
180 MARMORE VON DER AKROPOLIß
Schlüsse an dieselben einge skizzenhafte Bemerkungen: aus
solchen einzelnen wenn auch unvollkommnen Anläufen von ver-
schiednen Seilen wird sich doch allmaiig ein richtigeres Bild
von der Entwicklung altgriechischer Kunst gestalten.
Man kann unter den erwähnten Silzbildern zwei Richtun-
gen scheiden: die eine ist in ihrem Wesen der assyrischen
Kunst näher verwandt, die andere der ägyptischen. Wäh-
rend letztere in knapper präciser Form vor Allem die innere
Architectur des menschlichen Körperbaues, auch unter der
Hülle eines faltenlosen Gewandes, wiedergibt, so fasst jene
den Körper mehr ausser! ich als fleischige Masse auf, bildet ihn
in weicheren breiteren Formen, und indem sie darüber die
Klarheit des Innern Baues verabsäumt, betont sie Aeusserliches,
wie die Ornamente der Gewandung.
Der letztern assyrisirenden Richtung gehören die bekannten
milesischen Sitzfiguren an; sie stellen eine plumpe ungeglie-
derte Masse, doch mit weichen runden umrissen dar, die Beine
unter dem Gewände ganz verdeckt und gar nicht angedeutet,
das letztere wenigstens bei den älteren ganz faltenlos, später
mit wengen wulstgen Faltenandeutungen*. Grosse Verwandt-
schaft mit den milesischen Figuren hat ein weiblicher Torso
(Oberkörper) im Centralmuseum zu Athen (v. Sybel Catalog
IS" 19 als «archaistisch» beschr.), der lang herabfallende Haare
der Art wie jene und ganz faltenlosen Chiton hat, auf welchem
jedoch ein reiches Mäanderband sowie die Nähte und Säume
eingeritzt sind; wie dies so entsprechen den milesischen auch
die fleischgen runden Arme. Ferner ein ebenfalls im Central-
museum von Athen befindlicher, am Dipylon gefundner weib-
licher Torso in zwei grössern Fragmenten (Ober- und Mittel-
' So beim Chares ; am weitesten ist die bei Newton Diicover. Tf. 75 links
abgebüfleto, die einzige wo das eine Bein heraustritt und sich das Gewand
daran anschliesst. — In diese Richtung gehört auch die grosse iierastatue
von Samos im Bull, de corr. hell. IV 13. 14, die man des Gegensatzes wegen
vergleiche mit der (falschlich «Eumenide» genannten) jetzt vervollsländig-
len Ilcrastaluette lakonischen Marmors aus Olympia (Ausgr. v. Ol. IV
Taf. t5).
MMmORE VON DER AKR0P0L18 181
köpper sowie Stück der Unlerbeine)* ; er zeigt dasselbe streniie
Schema wie jene, das Gewand ist faltenlns, nur um die wei-
len Aermel sind einige Faltenzüge einlach eingegraben.
Mit der Zeit entwickelt sich diese Richtung zu Sitzhildern
wie das der Akropolis v. Sybel Catal. N" 5001, abg. Le lias
Tf. in 1 wo zwar die Beine noch ungetheilt neben einander
stehen, doch das Gewand in regelmässig ausgebildeten plasti-
schen Falten niederfällt; ferner noch später zu einer Slatue
wie der sog. Alhena des J-^nduios auf der IJurg (v. Sybel. IS"
5002), welche dem bishergen Schema gegenüber einen ganz
individuellen Fortschritt bekundet: die gebannte Haltung be-
ginnt hier zuerst sich in Leben aiilzulöseri.
Wenden wir uns von dieser Eutwickelung zurück, um jene
angedeulele zweite ägyptisirende Richtung zu betrachten; sie
ist wenger zahh-eicli vertreten. Ein Hauptwerk ist die thro-
nende weibliche Statue von Asea in Arkadien mit der Inschrift
OM3 0A (v. Sybel Calal. 22). Das Gewand ist völlig falten-
los, aber auch ohne Ornamente. Ein "Vergleich mit den oben
genannten athenischen Torsen, namentlich dem vom Dipylon
macht die Unterschiede deutlich. Bei letztem spielt das Ge-
wand eine selbsländge Rolle, hier ist es quasi negirt, schliesst
sich eng an den Körper an , und nur der Ausdruck der Grund-
formen des letztem in scharfen Umrissen ist hier Ziel des
Künstlers; deshalb treten die obern Arme hier straff zurück
hinter dem vorspringenden Oberkörper, dort rücken Oberarm-
und Brustcontur näher zusammen, auch die Unterarme con-
vergiren dort, während sie hier mathematisch gerade vorge-
streckt sind; ebenso fällt der Chiton hier senkrecht herab,
dort weitet er sich nach unten aus u. s. f., immer mit \\'ie-
derholiing derselben Gegensätze. — Durchaus dieselbe ägvpti-
sirende Richtung erkennen wir ferner in einer sitzenden Sta-
' P. Kamanuciis 'E^rijji. apx- 1874, 480-, 'AO/jvaiov II 137; Lösciicko, Millli.
IV 303 f.; V. Sybel N" 23. Oh die Ihronende Figur (Kybele?) in der Grolle
bei Vari (Curtius u. Kaiipert, Atlas v. Atlien 'IT. VIII 1) iiieijer odor zur
folgenden Gruppe zu ziehen ist, niu.s.s ich unbestimmt lassen, du weder die
Abbildung noch meine Erinnerung dazu genügt.
182 MARMORE VON DER AKROPOLIS
tiielte des Hades zu Sparta; dieselbe Bildung von Brust und
Armen, dasselbe ialtenlose Gewand, das gleiciiwol, sieb an-
schliessend, die Form der Beine besonders vom Knie abwärts
klar heraustreten lässt, ganz wie dies an ägyptischen gewan-
deten faltenlosen Sitzbildern zu bemerken ist*. Nur eine wei-
tere Stufe dieser selben Richtung nehmen nun unsere Figuren
von der Akropolis ein. Statt welcher breiter überschüssger
Fülle seben wir auch hier die Formen In knappe wie mildem
Lineal gezogne Umrisse gezwängt und auch hierlilar und scharf
die Grundformen herausgehoben. Das Anliegen des Gewandes
und das Herauslösen der Beine, das wir als Priucip ägypti-
scher Sitzbilder kennen, finden wir hier in gesteigertem Maasse,
als ob sie nackt wären sind (bes. an Tf. VI 1 ) Kniee und Un-
terschenkel modellirt, VVollte man nun hiemit, wie unsere Fi-
guren es als eignen neuen Fortschritt thun^, auch Faltenge-
bung des Gewandes verbinden, so musste sich diese so völlig
unterordnen wie es hier geschah, wo sie nur in Gestalt von
vertieft eingegrabnen Linien erscheint. Am einfachsten ist das
straff an- und heraufgezogene Gewand bei unserer kleineren
schreibenden Figur angedeutet. Ungleich feiner ist die grös-
sere : von der eng an den Körper schllessenden und ebenso wie
bei der vorgen behandelten Partie trennt sich hier der über-
schüssge Gewandstoff, der seiner eignen Schwere folgend her-
abhängt und selbständig behandelt ist. — V^on andern Monu-
menten sei hier nur ein Relief unbekannter Provenienz mit
einer Sitzfigur angeführt, die ein trefTliches Beispiel derselben
Richtung ist (Arch. Zeit. 1874 Tf. 5). Wir haben zwischen
der letztern Gruppe von Sitzbildern und der ägyptischen Kunst
' S. Drcssel-Milclihöfer Antiken ans Sparta S. 298 N« 3. Die elida N» 4
bescliiiehiie weibliche Sitzlignr ist ungleich wenger im Cliarakter jener Rich-
tung slilisirt, ist plumper, das Gewand selbsländgcr, auch mit eingen Fal-
ten, die Heine nicht so heraustretend.
2 Laniigewandele ;i|;y[>lische Sitzhihler pflegen faltenlos zu sein; sind sie
es nicht, so sind die Falten ebenfalls verlieft eingegraben, doch als eng ne-
beneinander stehende parallele Ilillen, die keinerlei Anspruch erheben die
Bewegung des Gewandes wiederzugeben^
MARMOHE VON DEll AKROPOLIS 183
eineVerwandtscluil't (iL'rGrundauftassiing erkannt. Jetzt düilen
wir aucli darauf hinweisen, wie ;iufTallend unsere schreibende
Figur an eine grosse Classe ägyptischer Slatuen und Statuet-
ten erinnert und hierin niclit blossen Zulall erkennen. Ich
meine jene häufigen Darstellungen der Verwalter ägyptischer
Grossherrn, die schreihend erscheinen, verzeichnend die Lie-
ferungen und Einkünfte. Sie halten die Rolle mit der Linken
auf dem Schoose fest und führen mit der Rechten den schrei-
benden GrilTel genau so wie unsere attische Figur. Man ver-
gleiche nur den beni hmlen Seh reiber aus demCira heiles Sehern ka
im Louvre, von der ;')teu Dynastie*; natürliche Abweichun-
gen, durch die locale Sitte erzeugt, sind es, dass die Aegypter
nicht auf Täfelchen son(]ern auf Papyrusrollen schreiben und
zumeist mit uulergeschlagueu Reinen an dei' llvAü sitzen, doch
kommen auch wenigslens in kleinen Rronzcu aufrecht auf
einem Stuhle sitzende Schreiber vor^.
Denselben Charakter wie unsere Schreiber von der Akropo-
lis tragen indess noch zahlreiche andere athenische Sculptu-
ren. So vor Allem eine Reihe von übereinstimmenden Torsen
stehender weiblicher Statuetten, die meist 1876/77 an der Süd-
seite der Akropolis gefunden wurden 3. Es sind meist nur ün-
terthcile; immer ist das eine Rein voi- das andere gesetzt (wie
bei den stehenden ägyptischen Statuen), der heraufgozogne
Mantel schliesst sich eng an die Reine an, die wie bei den Sitz-
(iguren herausinodellirt sind und über welche wie dort die
eingegrabnen Faltenstriche ()uer hinlaufen. Diese Rehandlnug
des LInterkör[)ers bleibt auch nachdem man bereits eine freiere
und selbständigere Manier am Oberkörper und den herabhän-
genden Gewandtheilen hat eintreten lassen. Dies sehen wir an
den sich anschliessenden Torsen der Akropolis und au meh-
reren genau übereinstimmenden Torsen von Delos {IhilL de
' Vorln;lUifli ab-;vlj. in O. Ha} et Mun. de larl aniique 2. Lief. Tl". 13.
. 2 Z. B. im Berliner Museum N» 2515-17. 7433. 7505.
•* Dieselben sind unler den von .Milchhöfer MiUli. V 213, 1 i-'-onannten
und als «n^'raplienailiyc Wesen« gedeuteten l'^iguren.
184 MAHMOHE VON DER AKROPOLIS
corr. hell. Ili Tf. 2. 3. 14. 15. 17) sowie den AkroLerienfi-
guren des iiglnelischen Tempels*. Doch auch in Relief, nem-
lich der athenischen Stele der zwei Fiauen (Schöne Gi'. Hei.
N° \22 = B'ull. decon. hell. IV Tf. 6) läJnnen wir jene selbe
Behandlung des gewandelen llnlerkörpers mit sonst schon ent-
wickelterer FaUengebung verbunden sehen. — Es ist ferner ein
an sicli geringer doch für die Folge bedeutender Fortschritt,
den wir bereits an eingen (^ev genannten delischen Torse, de-
nen solche auf der athenischen Akropolis entsprechen, sehen,
dass nemlich die Faltenslriche statt vertieft eingegraben viel-
mehr als feine erhobne WüUlchen gebildet werden. Dies ist
der Weg der zu der Stufe von Bildungen wie die « vvagenbe&tei-
gende Fran » der Akropolis führt.
Von den beiden Richtungen, die wir in Griechenland und
vor Allem in Attika^ nebeneinander gefunden haben, war die
letztere, die ägyplisirende, diejengc welche, die andere auf-
zehren<l und mit sich verschmelzend, zu der eigentlichen Rlü-
the der archaischen Sculplur des griechischen Festlandes und
der Inseln führte, wie wir sie am Besten aus Aegina und Athen
kennen, und in welcher die Gegensätze aufgelöst waren, die
vordem sich noch schroff gegenüber standen, das volle weiche
äusserüch natürlichere doch im Wesen unklarere Asiatische
und das knappe in den Grundformen klare und scharfe Aegyp-
tisirende.
Man hat eine Zeit lang wol allzu sehr nur den asiatischen
Finfluss auf' griechische Kunst betont und den ägyptischen
ganz zu leugnen gesucht; doch scheint sich eine Reaction vor-
zubereiten, die den letztern wieder festzustellen sucht, frei-
lich anders als fi-üher und immer im Bewusstsein, dass es sich
' Auch mehrere griechische Bronzeu liesseii sich nennen so z. D. die
Spiegelst ül/.e aas Korintli Arch. ZciLg. 1875 Tf. 14, 1.
2 Auch in Sparta lassen sich die heiden Ricliluiigen wirksam erweisen:
z. B. die bekannte doppelseilge sparlanibcht) Stele gehört völlig der «asiati-
schen» an, während die sparlanischen Keliefs Mitth. Bd. II Tf. 20 ff. wenn
auch in etwas roher Form doch sehr deutlich der ägyptisirenden Richtung
folgen.
MARMORE VON DER AKROPOLIS 485
nur um Anregung und Befruchtung (ico originalen griechischen
Geistes liandeln kann. Ein kleiner Beitrag möge unsere obige
Besprechung altgriechischer Sitzhikler sein. Freilich sind wir
bei der Annahme ägyptischen Einllusses über vieles, vor al-
lem auch über die Wege seiner N'erbreilung im Unklaren. Doch
sehen wir wenigstens bis jetzt, dass Kleinasier» nur Werke der
asiatischen Kichtung aiilweisl, während anf den Inseln und
dem Festlande beide Richtungen sich kreuzen und die ägyp-
tisirende zuei'st im Peloponnes bedeutender hervortritt, und
zwar wie es bis jetzt scheint kaum viel vor dem sechsten Jahr-
hundert.
2. Zwei Köpfe der Akropolis.
Der verstümmelte Colossalkopf^ Tf. VII l ist hier nach ei-
ner Zeichnung von Fr. Thiersch reproducirt sowol wegen sei-
ner merk Würdgen Haartracht als weil er auch in dieser Trüm-
mergestalt noch die Züge eines bedeutenden archaischen Wer-
kes erkennen lässt, das einst zu den stattlichsten der alten
Burg der Athener gehören mochte. Der Kopf ist aus dem bei
den archaischen Sculpturen gewöhnlichen parischen Marmor,
ist 0,34 hoch mit einer Gesichtslänge von 0,23.
Das Gesicht ist ganz abgesplittert bis auf einen Theil der
Wangen, die wie der Hals in grossen Flächen behandelt sind,
und bis auf die Augen, deren tiefe Einsatzhöhlen wenigstens
erhalten sind. Das Material, aus welchem die Augäpfel einst
bestanden, war in der linken Augenhöhle mit vier, in der
rechten mit fünf Stiften, deren Löcher noch erhalten sind, be-
festigt. Die Haare des Überkopfes werden wahrscheinlich in
üblicher Weise vom Scheitel ausgehend flach eingegraben ge-
wesen sein, doch ist die Oberfläche jetzt hier ganz abgeblät-
tert. Eine Tänie, deren Auflager man noch erkennt, trennte
hievon die nach vorne reichlich vorquellenden Haare, die sich
nach alter Weise vor den Ohren, die mit Kin2;en verziert wa-
ren, tief herabsenken und hinter denselben lange niederfallen.
Doch unten ist das Ende heraufgenommen, um dann noch-
» Erwähnt bei v. Sybel Catal. als N» 5099.
UITTH.D. ARCH.INST.VI. 13
186 MARMORE VON DER AKROPOLIS
mals niederzufallen. Der so entsleliende slatfliche Maarbuscb
(von 0,17 Höhe und 0,13 Breite}, von dem wir allerdings nur
die niederfallende, nicht die (hinten weggebroch ne) aufstei-
gende Hälfte besitzen, wird nun durch drei starke offenbar aus
Metall und als eine zusamnqenhängende Spirale zu denkende
Reifen (nicht flache Bänder) zusammengehalten. Natürlich
konnte dieser Schopfsich in seiner I^age nur hallen wenn jene
Reifen mit der Tänie des Oberkopfes durch ein Band ver-
knüpft waren, das vielleicht auch angegeben war, doch bei
der jelzgen Verwitterung nicht mehr erhalten sein kann. Wir
haben also offenbar diejenge Haartracht vor uns, welche Hel-
big^, namentlich mit Hülfe in altetruskischen Gräbern gefund-
ner Metallspiralen, als die der allen Athener reconstruirt. Mag
nun seine Identification mit den TSTTiye? der Autoren richtig
sein oder nicht, jedenfalls ist unser Kopf eine schöne Bestä-
tigung von Helbigs Ansicht über die Verwendung von Melall-
spiralen bei der Haartracht. Ich bemerke nur noch, dass wir
im Wesentlichen dieselbe Anordnung wie an unserm Kopfe,
nur altmodischer und steifer an mehreren Frauengestalten der
Francoisv/ise vorfinden (so an einigen der Musen, an einer
der Moiren), wo der Schopf von einer langen Spirale umwun-
den ist, welche direct an die Tänie befestigt erscheint. — Was
den Ursprung dieser Haartracht betrifft, so mag auch sie vom
Orient gekommen sein, wie sie sich denn bereits auf baby-
lonischen Cylindern ganz übereinstimmend zu finden scheint^.
Ebenso ist ja die verwandte nur viel einfachere äusserst häufge
archaische Haartracht wie siez. B. dieccwagenbesteiofende Frau»
hal^, wol orientalischen Ursprungs, indem sie sich auf assy-
rischen Reliefs des 9ten Jahrhunderts findet, freilich bei tri-
butbringenden Fremden (Layard Tf. 40).
Stilistisch steht unser Kopf, wie man schon an der fliessen-
den Behandlung des Haares erkennt, auf der Stufe des bereits
' In den Cumm. in hon. Mommsmi S. 6! 6 ff.
2 So auf dem l>ei Rawlinsoii Five f/r. mon. III 455 abgebildeten.
3 Vgl. Conze in Nauve memnrie deU'Inst. II fcs. 408 IT. Tf. 13.
MAnMORt; VON DER AKROPOLIS 187
gereiften Archaismus der Art wie jene « wagenbesteigende
Frau». Als eigenlnmlich und charakteristisch mache ich hier
nur auf die Augen aufmerksam , die itn Uibhafteslen Gegen-
salze zu der frühern allischen Weise der fast kreisrunden
glotzenden Augen vielmelir eine ausserordentlich langgezogne
Mandelform darbieten : die Länge des rechten Auges istO,ü4G,
die des linken 0,049, während die Höhe nur 0,02 beträgt!
GanzdasselbeVerhällnisSjdas wir hier beobachten (nemlich 0,07
zu 0,03), bemerken wir indoss z. B. an dem Fragmente eines
colossalen Athenakopfes ebenfalls mit eingesetzten Augen, der
früher fälschlich als zu dem Wesfgiebel des Parthenon gehö-
rig angesehen wurde (Michaelis Parth. Tf. VIII L?), während
er beträchtlich gebundeneren Stil zeigt. Der Übergang von der
runden Augenbildung zu der länglichen lässt sich bekanntlich
auch sonst in der altattischen Kunst verfolgen. Auch unter
den alten Tetradrachmen tritt der Typus, welcher denoelblatt-
bedeckten Helm trägt und dessen Haartracht auffallend der
des eben genannten Athenakopffragmentes entspricht, gegen-
über der altern Serie mit sehr länglich mandelförmger Augen-
bildung auf*.
In die Phidiasische Zeit selbst führt uns der kleine aber
trefflich erhaltene Athenakopf^, den wir in natürlicher Grös-
se auf Tf. VTI 2 wiedergeben. Es ist so viel ich weiss der einzge
wohl erhaltne Athenakopf freien Stiles,, der bis jetzt auf der
Akropolis zu Tage kam ; es ist aber vor allem der einzige sta-
tuarische Kopf der Göttin , den wir aus der Zeit des blühend-
sten Lebens attischer Sculptur, aus Phidias Zeit selbst besitzen.
Vor dem Originale kann Niemand an dieser Ansetzun» zwei-
fein; unsere Lithographie freilich genügt nicht, um jenen un-
beschreiblichen Reiz echtester Frische wiederzugeben.
Die Göttin trägt ihren runden anliegenden sog. attischen
Helm, dessen hoher Bügel abo;ebrochen ist; er hatStirn-und
* S. den Gegensatz bei Friedländer ii. v. Sallet, Münzcab. zu Berlin Tf. l
54 u. 60.
2 Es scheint derselbe den v. Sybel Calal. N» 5057, 1 erwähnt.
188 MARMORK VON DER AKROPOMS
Nackenschutz und emporgeschlagene Dackenklappen wie die
Parthenos des Phidias. Unter dem Helme, bosonders vor den
Ohren quellt kurzlockiges Haar hervor. Aelinlich hat es die
Parthenos, doch mit einer interessanten Differenz. Der Stirn-
achutz am Helme derselben ist nemlich in der Mitte nach un-
ten ausgeschweift und verdeckt dadurch den Ansatz der Haare,
die erst seitwärts zu Tage treten, während sie an unserm
Köpfchen einen voUständgen Kranz um die Stirne bilden. Es
schliesst sich dasselbe hierin offenbar noch an die ältere Tra-
dition an, die, wie sowol der bekannte archaische Atlienakopf
der Akropolis als namentlich die Serie der ältesten Tetradrach-
men zeigt, immer den vollen Haarkranz um die Stirne ver-
langte,der freilich an Fülle und selbständger IJedeutiing immer
mehr abnahm. Eine letzte Stufe vor seinem Verschwinden im
Typus der Parthenos bietet unser Köpfchen, das wenigstens
noch einen schmalen auch in der Bildung etwas an Archai-
sches erinnernden Haarstreifen über der Stirne zeigt. Es gehört
also wol zu den Neuerungen des Phidias, dass er der Göttin
den Helm tiefer in die Stirne rückte; indem er so den schmuck-
vollen Reiz des lockenumrahmten Gesichtes der alten Kunst
aufgab, gewann er grössre Würde und ernste Festigkeit des
Ausdrucks,
Abgesehen von dieser Differenz ist indess die Üebereinstim-
mung des gesammten Typus unsres Köpfchens mit dem der
Parthenos evident. Die letztere ist uns jedoch nur in späteren
römischen, ZAvar äusserlich genauen, doch geistlosen und lee-
ren Copien erhalten, so dass ich nicht anstehe zu behaupten,
dass für unsere Vorstellung vom geistigen Inhalte und Aus-
drucke des Phidiasischen Werkes das hier publicirte Köpfchen,
obwol es keinesweges eine Copie ist, doch ungleich wichti-
ger als alle jene römischen Wiederholungen ist. Auch die be-
sten von den letztern geben offenbar nur ein blasses Bild von
der Frische der ursprünglichen Auffassung. Unter diese besten
rechne ich einen bisher nicht hiehergezognen Colossalkopf in
Wien ("v. Sacken, Ant. Sculpt. in Wien Tf. XVI), bei dem man
MARMORK VON liliR AKROPOLI.S 189
freilidi orsl von falschen Kc-Iancationen absehen mnss*; er
slamint ans der Hndrianiselien \ illa bei Tivoli nnd lr'ii<ri anch
vollsländig den r.liarakler von Arbeilen Hadrianiseher Zeit,
die leblose Leere der Formen, die L;laüe Polilnrder Olterniiche
und von Kinzelheilon z. B. die harte Art, wie der Auf^enrand
und die Haisialten eingeschnitten sind. Durehans dieselbea
Eigenschaften vcrl)unden mit echt Hadrianiseher lodier Kxaeli-
lüde tiefeiniieschnillner Fallen, zei^t die neiigefnndene (^opie
der Parlhenov! in Atlien, so dass ich auch sie bestimnit in
Hadrianische Zeit, die ja so gerne ältere W erke genau copirte,
setzen nnichle^.
Die Gesichtsbildiing all'dieser Copien steht bekanntlich in
lebliaftem Geirensatze zu der stark ovalen und sinnend sanft-
geneigten der sonst gewöhnlichen Typen und zeigt dagegen
etwas auffallend Breites, fast IMumpes, Rundes und Geistloses.
Der Gehall und die Absicht der Phidiasischen Bildung tritt
dagegen an unserm Köpfchen erst deutlich hervor: es sollte
die frische frohe Maid, es sollte die blühende starke Jungfrau
als die Schulzgöttiu des jungen mächtigen Staates erscheinen,
und nicht wie anderwärts die denkend in sich vertiefte ge-
strenge Göttin rastloser Arbeit. Es brauchte Phidias hiezu
freilich nichts anderes als seinen. unvergleichlichen Mädchen-
typus, wie wir ihn am Friese des Parthenon oder auch an den
(mit unserm Köpfchen besonders verwandten) Baluslradenre-
liefs der Athena-Nike kennen, mit einem gewissen Ausdrucke
fester hoheitsvoller Wtirde zu verbinden, um unsern Typus
* Es ist nictil Llos der Oljerlheil dos Helmes sondern (was v. Sacken
niclil angibt) aucli die ganze llaarlour über der Siirn eigiiazt und zwar un-
richtig. Von dem od'enbar in Metall aufgcselzlen Beiwerke des Helms sind
noch die Rronzestifteda; auch die Augen waren eingesetzt (die jotzgen mo-
dern). Der ganze Kopf war zum Einsetzen in die Statue hergerichtet.
2 Unrichtig scheint mir K. Lange oben S. 66 zu urtheilen; es ist mir we-
nigstens durchaus keine Thatsaclie bekannt, die bewiese, dass zwar noch
die erste Kaiserzeit, nicht aber dif Hadrianische bei ihren Copien alter Werke
auch Bcj.ialung angewendet habe.
190 MARMORE VON DER AKROPOLIS
zu schaffen, der wie alle GöUertypen Phidiasischer Zeit von
der später erreichten Individualisirung noch fern ist.
Den grossen Gegensatz unseres herrlichen Köpfchens zu Ty-
pen wie die Albanische und Giustinianische Athena, die doch
beide ungefähr in dieselbe Zeit gehören müssen, möchte man
gerne benutzen^ um an dem hohen Kinn und breiten strengen
Munde, dem prononcirlen Knochenbau und den flächenhaften
Wangen jener den Charakter peloponnesischer Kunstübung
gegenüber dem echt Attischen mit dem lebensvollen Munde
und den schwellenden Lippen hier zu demonstriren , wenn es
so ausgemacht wäre, dass nicht auch jene Richtung in Athen
einst vertreten war.
A. FÜRTWAENGLER.
V^on (.len neusten Aiis^rahuiigeii in der
cyprisclien Salamis.
(HitT/.ii Tafel \']l\.)
Mir wurde der Aiiflfag /u 'l'licil die Ausgrabungen für F^ig-
land auf Cypern an verschiedenen Punkten zu leiten.
Ich will nnieh heute darauf beschränken einen Theil, aller-
dings den werlhvollsten meiner bisherigen Forschungsergeb-
nisse kurz zusammenzuslellen.
Ich nehme die Lage der c^yprischen Salamis im Westen der
Insel als bekannt an. Ich verzichte auf eine Beschreibung in-
teressanter mehr oder weniger erhaltener Ruinen von grösse-
ren Bauwerken, so wenig sie auch bis jetzt bekannt sind. Ich
muss ferner darauf verzichten über meine Forschungen in der
Nähe eines pelasgischen Quellengebäudes und Tamieion (vorn
cyprischen Volke Agia Katharina genannt) ausserhalb der
Stadtmauer zu berichten. Diese meine Forschungen einer äl-
teren und theilweise praehistorischen Zeit werden wir in die-
ser Studie nur so v/eit anziehen, als sie uns Kriterien bieten
bei der Altersbestimmung von Salamis überhaupt.
1. Geognostische Skizze des Ausgrabungsterrains.
Die Gegend ist weithin eben zu nennen. Die Erhebungen und
Senkungen, wenn sie vorkommen, sind sehr unbeträchtlich
und allmählich. SchrofTe Hänge fehlen ganz.
Tertiäre Bildungen haben im Verein mit jüngsten alluvialen
Anschwemmungen hier bei Salamis (und weiter nach Nikosia
zu in der Mesaurea) einen fruchtbaren Mergelboden erzeugt.
Stellenweise können aber Tertiärschichten rein zu Tage treten,
wie rein diluviale ofler alluviale Gebirirsarten. So kommt hier
o
häufig ein junges Scliwemmlandproduct, ein Conglomerat, in-
selarlig auftretend vor, entweder direct ganz zu Tage tretend,
192 AUSGRABUNGEN IN GYPERN
oder von einer einen halben Meter oder weniger (in der Mäch-
tigkeit schwankenden) Ackerkrume bedeckt, welche zuweilen
durch Eisenoxyd roth gefärbt erscheint. Dieser letzte Fall nun
passt auf unser Terrain (siehe Tafel VIIl den Durchschnitt
in der Richtung von «-€).— Die Alten wählten mit Vorliebe
zu Begräbnissplätzen eine solidere Gebirgsart, die aber zu-
gleich leicht zu bearbeiten war. Deshalb sind die Gräber auf
Cypern häufig in inselartig auftretende Conglomerate oder auch
Sandsteine gehauen.
2. Gründung von Salamis. Die h ier nachweisba-
ren Völker und Epochen. Es ist wol möglich, dass die
Phönicier auch in Salamis Fuss fassten, worauf der Name hin-
zudeuten scheint. Doch kann das nur in sehr untergeordne-
ter Weise geschehen sein. Salamis kann nicht im Entfernte-
sten mit Kition, Amathus und anderen cyprischen Städten als
phönicischen Colonien verglichen werden. Soviel mir mit Si-
cherheit bekannt geworden ist, wurde bisher in Salamis auch
nicht eine phönicische Inschrift gefunden, während z. B. Ki-
tion einer der ergiebigsten Fundplätze für phönicische In-
schriften ist. Wir werden weiter unten zeigen, wie ferner die
Terracotten dem entsprechend niemals in Salamis die assyri-
sch-semitisch-asiatischen Stylisirungen tragen, welche z.B. in
Kition so häufig sind. Dagegen stimmen die Funde in Salamis
mit der geschichtlichen Überlieferung in sofern überein, dass
Salamis frühzeitig Hauplstätte des Griechenlhums war. Andere
Epochen aber gingen voraus.
Es lassen sich in Salamis folgende Zeitabschnitte unter-
scheiden:
a. Eine prähistorische Zeit. Die hierher gehörenden Alter-
ihümer sind nicht nur in Salamis sondern über die ganze In-
sel vei'bi'citet und zeigen eine Übereinstimmung mit auf ande-
ren Inse.ln des Archipels gemachten Funden, wie mit denen
von Mykenä und flissailik. Wir nennen diese Zeit kurzweg
pelasgisch. Pelasgische Alterihiimer lassen sich eine ganze
Reihe nachweisen. Das erwähnte Quellengebäude, ein Ky- '
klopenbau, sowie ein grosser künstlich aul'gelührter Hügel dicht
AUSGRABUNGEN IN CYPERN 193
dabei sind pelusgisch. Auf einem FiMJe dielil atii 'l'iiiniihis bild-
lich las ich eine grosse Menj^e Idolrestc auf, die zum Tlieil
pelasj^isch zuni Tlieil griechiscli sind. WiMler südlich sind in
einem langgestreckten Hiigel eine Keihe pelasgischer (Jrahun-
.lagen ausgehauen. Ich ölTnete eine dcrselhcn, fand sie zwar
bereits des werlhvoUeii Inhaltes beraubt, aber stiess dabei auf
zwei pelasgische Idole, wie sie anf Tafel XIl der Sternschen
Bearbeitung des Cesnolaschen Werkes al)g(d)ildet sind. Auch
fand ich über der Gra])lhür im Fels eine ebenso rohe grosse
Figur desselben Styles in Relief ansgehanen.
b. Die griechische und
c. Die griechisch-römische Zeit. Hierher gehören in der
Hauptmasse die Giabanlairen, welche uns hier beschäftigen
werden. Griechische l'jnlUisse prävaliren wol , doch sind rö-
mische unverkennbar. Beinahe alle von mir in diesem Gräber-
complexe gefundenen Münzen sind römische aus der Kaiser-
zeit, dagegen sind alle Inschriften bis auf zwei altkyprische
in gi'iechischen Lettern abgofasst. In den altkyprischen syl-
labaren Schriftzeichen haben wir es bekanntlich auch mit der
griechischen Sprache zu thun. In den Grabliguren finden grie-
chische w4e römische Style getrennt oder mit einander ver-
mischt ihren Ausdruck (das wenige Aegyptische, was ich auS'
grub, scheint importirt, so z. B. ein Siegelstein in Scarabiius-
form mit einer Darstellung des Horus).
Alle Formen der Terracottagefässe sind griechische, oder
griechisch-römische. Die Hauptmasse derselben ist nicht be-
malt. Es giebt aber auch eine lleihe von gemalten Gefässen.
Treten Bemaliingen auf, so sind die angewandten Farben matt-
schwarz und rothbraun. Von Thiermalereien fand ich nur ein-
mal eine Vase mit drei Fischen; aber sie athmen einen total
üriechisch-i'öinischen Slvl und sind so an^ebi'acht , dass sie
der Gefässform wenig Eintrag thun. Beliebt sind, wenn auch
immer seltener, aufgemalte ßlattornamente, besonders Blatt-
kriinze der Rundung nachgehend, am häufigsten Eplieu. Mit
sehr geringen Ausnalimen stehen die Malereien auf rohem
Grunde. Rolhi^efärbte und lasirte Vasen kommen selten und
i94 AUSGRABUNGEN IN CYPERN.
vereinzelt vor, und ohne Ornamente in schwarz. Plastische
Darstellungen auf Vasen fehlen ganz bis ani' Zahnkanten oder
Henkel, welche eine Schnur plastisch nachahmen. Dagegen
sind ungemein zahlreich Reliefdarstellnngen auf Lampen.
Die bizarren, bald eigenlhümlich gedrückten bald ganz run-
den Vasenformen ; die eigenthümlichen Linien-, Schachbrelt-
und concentrischen Kreisornamenle, welche meist ohne grie-
chischen Decorationssinn die Vasenform senkrecht durch-
schneiden, statt sich ihr unterzuordnen ; die rohen phantasti-
schen Thiergestalten zumal von Wasservögeln auf den Vasen-
bauch gemalt ; das Überladen der Vasen mit Linien und Farben
abwechselnd in matt roth und schwarz, oder die lasirlen
Gefässe mit lebhafter rother Grundfarbe und schwarzen Lini-
enornamenten; das Henkelkreuz, welches auf altky prischen
Thoncrefässen so häufig vorkommt; die bizarren Köpfe und Fi-
guren plastisch entweder an der Ausgussöffnung oder am
Halse der Vasen angebracht; alle diese für die sogenannten
altkvprischen Thongefässe so bezeichnenden Merkmaie orien-
talischer Einflüsse fehlen in Salamis vollständig. Ich habe
nicht ein Stück Terracotta dieses Styles ausgegraben, nicht
einmal beim Absuchen der Ruinenfelder eine einzige Thon-
scherbe gefunden, welche von Vasen dieses altkyprischen Sty-
les stammte.
Dagegen fand ich in Kition in Gräbern mit römischen Mün-
zen und römischen Lampen in Menge jene bizarren Thonge-
fässe. Das beweist, dass man in Kition noch in späterer rö-
mischer Zeit fortfuhr Vasen nach alten kyprischen Mustern
herzustellen. In Salamis fand das nie statt. Deshalb kann auch
nie in Salamis die Fabrication solcher Thongefässe in grösse-
rem Umfange betrieben worden sein.
2. Die Begräbnissplätze. Es lassen sich drei Bezirke
bestimmt unterscheiden , wenn sie ;iuch an den Grenzen in
einander übergehen: der Begräbnissplatz der Reichen und Vor-
nehmen, der der Mittelclasse und i\ev der Armen.
a. Begraebnissplalz der Reichen und Vornehmen. Einzelgräber
kommen so gut wie gar nicht vor. Meist ist ein regelrecht aus-
AUSGRABUNGKN IN GYPERN 195
gebauencr, viereckiger, senkrcchlor Eingangsslollen da. Oh
fuhren von ihm aus mehrere Thüren in din Grüfte und Kam-
mern der Familien oder Gpiiossenschallen. Die Tiefe d^r Grä-
ber schwankt; doch liegl. meist die an einer ihv senkrechten
Wände des Eingangsslollen angebrachte Tliür in einer Tiefe
von 2-3 iMeter (s. Tf. VIII). Eine bestimmte Flimmelsrichtuiig
für die Hauptgrabthiir ist zwar nicht nachweisbar; doch ist
eine Richtung nach Osten häufiger. Das häufigste Vorkomm-
niss ist eine Grabkammei- als llauptraun» mit einer Anzahl
kleiner Seitenkammern oder Nischen, in die einzelnen Grab-
kammern oder Nischen oder in die in dem Boden des Haupl-
raumes vertieften Gruben werden die I. eichen entweder ohne
Sarkophage oder in den Sarkoj)hagen untergebracht.
Die beigefügte Tafel zeigt uns Beispiele für die verschie-
denen Arten der IJnterbrinoijnür der Leichen wie für die ver-
o o
schiedenen Bauweisen. Sie illustrirt zugleich auch die zahl-
reich genug vorkommenden verzweigteren Grabanlagen.
Einzelne dieser Grabstätten sind ungemein exact in dasCon-
glomeral gehauen (s. Anlage I der Tafel) und haben sich vor-
züglich erhallen. Bei anderen, wo das Conglomerat weniger
dicht gefügt ist oder eine Lehmmergel-Erdschicht liefer an-
steht, cünservirten sich die Wände und Nischen weniger gut
(wie Anlage II).
Dass diese Anlagen Reichen und Vornehmen angehörten,
ist leicht ersichtlich. Die Raumverschweriduno; und der Ko-
stenaufwand zur Herstellung derselben sind gross. In diesen
Gräbern machte ich die meisten und werth vollsten Funde. In
einer Grabanlage alleinfand ich über iO tadellos erhaltencGlä-
ser. Zerbrochene gab es noch mehr. Die interessantesten, be-
sten Grabliguren und Lampen, die reich bemalten Vasen (letz-
tere ohne Ausnahme) wurden hier ausgegraben, sowie endlich
die reich bemalten Sarkophage.
Diese Grabanlagen zeigen ohne Ausnahme das Bild grosser
Verwüstung, indem sie bereits im Alterthume von Grabräu-
bern geplündert wurden, die aber nur dem Golde und den
geschnittenen Steinen nachgingen. Daraus erklärt sich zu-
196 AUSGRABUNGEN IN CYPERN
gleich, dass ich die bei Weitem meisten Schmnckgegenslände
in Gold und Silber und die geschnittenen Steine in den Grä-
bern der Miltelclasse fand, welche nur zum Theile früher ge-
plündert wurden.
Die Sarkophage beschreiben wir am besten gleich hier. Sie
sind aus anderem Materiale und anders geformt, als in römi-
schen Gräbern von Kition. In der Nähe von Kition wird ein
körniger Gyps gebrochen, der das Material zu den Steinsar-
Icophagen liefert, mit Deckeln in Dachform. In der nächsten
Nähe von Salamis kommt kein Gyps vor. Auch mag das Her-
kommen ein anderes gewesen sein. Die Sarkophage sind aus
Terracotta und in der Hegel unbemalt. Es treten aber auch
Malereien und dann immer in rother Farbe auf, und solche be-
malte Sarkophage werden meist in den Grüften der Vorneh-
men ausgegraben. Die gewöhnlichste Decoration sind rohe
Guirlanden, welche in drei Reihen übereinander stehen und
an senkrechten Pfeilern aufgehängt erscheinen.
Ich will einen weil reicher und sorgfältiger decorirlen Sar-
kophag näher besclireiben. Derselbe befindet sich heute im
Museum von Larnaka. Die dabei angegebenen Maasse dürfen
als Mittelzahlen für alle Terracottasarkophage Erwachsener
in Salamis angesehen werden. Er ist 1,50 Meter lang, 37 Cen-
timeter breit und 33 Centimeter hoch im lichten. Die Dicke
der Sarkophagwandungen schwankt zwischen 2 und 3 Centi-
meter. Der 7-9 Centimeter vorspringende obere Rand ist di-
cker, weil er den entsprechend grossen platten Deckel aufzu-
nehmen und mit zu tragen hatte. Der Deckel selbst war von
den Grabräubern im Ällerthume zertrümmert.
An der Aussenseite und an jeder der Längsseiten findet durch
senkrecht gestellte Bäume, die der Palmenform nahe kommen,
eineTheilung in fünf Felder statt. Die Baumkronen stossen an
eine diircli zwei horizontale Linien abgegrenzte und mit wel-
ligen ZAvischenlinien gezierte Kante. Der obere Kantensaum
verschwndet im Schatten des vorspringenden Sarkophagran-
des. In den zwei Eckfeldern sind zwei geschlitztgelapple Blät-
ter kreuzförmig übereinandergelegt. Die Blattform ist die man-
Ansr.KAHUNGKN IN r.YPEKN 197
eher Umbelliferen. Aus den lilaü.stilen wachsen zwei andere
j)le i I [■(■■) rni ige Bliiller heraus, /u denen die an quelhmreiclien
Orlen auf Cypern vorkufumcnde Colocasia Anti(iuorum Schutt
das Modell war. Auf dit; zwei eorresporidireiiden Kelvfeldcr
folgen zwei wieder correspondirende Millelielder, durch djis
uiiltelste Feld von einander getrennt. Von l*alnienkrone zu
Palmenkrone hängen von oben nach niiltii \oii flacheren zu
tieferen Bogen ausladend fiinf ketten herab. In dem Kaume
über der obersten Kette z>vischen den l'alnicnkronen sind in
der ganzen Feldbreite drei grosse Pfeilspitzen angeordnel. Im
mittelsten Felde li;ingt eine schwere dicke aus Blumen gebil-
dete Guirlande von Baum zu Baum. Der Mittelpunkt des mit-
telsten Feldes nud annähernd auch der ganzen Sarkophag-
längsseite wird durch einen runden Ball gebildet, der zu l)ei-
den Seiten von einer Pfeilspitze üankirt ist. Ebenso correspon-
diren die beiden Schmalseiten. Die geringe Breite ist als ein
Feld behandelt, mit zwei llmbcUiferenblällern und vier Co-
locasiablättern decoiirt.
Die obere Fläche des oberen Sarkophagrandes ist an den
Längsseilen mit kleineren Umhelliforciiblältern,au den Schmal-
seiten mit (litterlinien b<'uia!t.
b. Bcijraebnissplalz der Mittelclasse. Ein gut bchauener Ein-
gangsslollen tritt seltener auf; ebenso ist eine einzige gut aus-
geliaueae Kammer seltener und wenn vorhanden, niedriger.
Sarkophage finden sieh dagegen meist vor, und mehrere in
einem Grabe; oft stehen drei bei einander, zuweilen sechs oder
sieben und mehr. Eine bestimmte Gruppirung der Sarkophage
ist nicht nachweisbar, — Weil diese Gräber nur zum Theile im
Allerthume bestohlen wurden, lieferten sie mir die reichste
Ausbeute an Gold- und Silbersaehen wie an geschnittenen
Steinen.
In einem Sarkophage fand ich z. B. eine grosse goldene
Kette, zwischen den einzelnen Gliedern Perlen aus dunkelro-
ihem Glas; ein paar grosse Ohrringe, an runden Bädchen
liäiigen lauge Khipfel , iu den Kädchen und Klöpfeln Einsätze
von jetzt prächtig dunkelblau irisirendem Glas; ausserdem
198 AUSGRABUNGEN IN CYPERN
nahezu zwei Gramm Blattgold, am Schädel liegend und von
einem Kranze stammend.
c. Degraebv issplatz der Aj^men. Viele der Gräber sind mitAb-
sieht nicht in's Conglomerat gehauen, weil das zuviel Arbeit
kostete. Meist bestehen die Einzelgräber aus einfachen Gruben
ohne Sarkophage. Sie liegen vielfach flach, oft nur einen Meter
tief und noch flacher. Hier bestehen die Funde in nur wenigen,
kleinen, kurzen Kränzen aus wenigen dünnen Goldblättern
oder dicken Blättern aus vergoldeter Bronze. Gemeine nicht
bemalle Terracotten, Krüge und Lampen der gemeinsten Form
prävaliren. Rohes Kinderspielzeug und rohe Statuetten aus
Terracotta sind seltener.
4. Die Gräberfunde.
a. Schmuckgcgenstaend e in Gold und Silber. Die Schmucksa-
chen aus Gold sind meist plump gearbeitet, was um so be-
merkbarer hervortritt, weil die feineren besser gearbeiteten Sa-
chen in den Gräbern der Reichen bereits geraubt wurden.
Die Ohrringe sind meist kleine, runde, glatte Ringe; an-
dere Ringe endigen in Thierköpfe; andere haben Gehänge und
Bommeln als Zierrat, platt oder rund, voll oder durchbrochen,
mit erhabener Relielärbeit (Blätter, Thiere) oder nicht.
Die Fingerringe sind alle so klein, dass sie nur auf dem
kleinen Finger getragen werden konnten (auch fand ich jedes
mal nur einen auf einmal), über welche Sitle uns Plinius be-
richtet. Sind kleine Carneole in Siegelringe ^efasst, so sind
auf ihnen gewöhnlich Thiere eingravirt.
Das zierlichste Ringlein m'einer Funde besteht in einem
glatten Goldreif, der sich zu einer kleinen Platte auch aus Gold
verbreitert, auf welcher in Punktmanier die Inschrift EflA-
FAOQi eingravirt ist. Dieses Ringelchen fand ich aber auch
ausnahmsweise im Grabe eines Reichen mit fünf geschnitte-
nen nicht gefassten Steinen und den erwähnten mehr als vier-
zig Gläsern. Die kleinen Gegenstände mussten den Räubern
entgangen sein.
Von goldenen Halsketten grub ich nur eine aus, der ich be-
reits Erwähnung that.
AUSGUAUUISÜEN IN CYPEUN 499
Ausser goldenen Kränzen fanden sieh solclie aus vergolde-
ter Bronze, wie schon erwiihnl. Ferner fand ich vergoldete
Perlen aus TerracoLla.
Aus Silber wurden glatte, runde Fingerringe, Beinspangen,,
ein kleiner LölTel, und eine grosse Haarnadel niil dickpin run-
dem erdheerlorrnigcin Kopie gefunden.
6, Geschnittene Steine. Feh kann nur einige der wer ih voll-
sten Steine beschreiben. Auf einem breitovalen in der Längs-
richtung 2 Cm. hohen ungefassten Carneol aus griechisch-
römischer Zeit ist eine lebensvolle Gruppe eingravirt: Hermes
^\jyonoy.TZQ^, nackt, hält in der einen Hand den Schlangenslab
und fasst mit der anderen einen sich sträubenden bärtigen
Menschen (fast die Hälfte kleiner als der Gott), um ihn in
den Hades hinabzuführen. Der Mann sieht bereits mit den
nicht mehr sichtbaren Unterschenkeln in der Einfahrt zum
Hades; letztere ist durch eine horizontale Vertiefungangedeutet.
Von guter Plastik ist der Kopf eines lächelnden Knaben,
wol Eros oder Dionysos, Gemme rund und 1 Cm. im Durch-
messer. Schwarzer Stein. Griechische Arbeit.
Des ägyptischen Siegelsteines in Scarabäusform erwähne ich
nochmals. Ilorns der sperberköpfige sitzt auf einem Thron-
stnhl. Über ihm die Uräusschlange und weiter oben der Son-
nendiskus. Vor dem Gölte Geisel und Lotosblume. Das Stück,
das einzige ägyptischen Styles unter meinen Funden, kam of-
fenbar durch den Handel nach Salamis.
Ferner fand ich auf Gemmen Darstellungen des Zeus Ni-
kephoros, des Apollo, des Ares, Thiervorwürfe u. s. av.
Ein Pferdekopf ist gut ausgeführt. Überhaupt sind Thiere
meist realistischer aufgefasst und durchgebildet, als menschli-
che Figuren.
y. Gcgenstaendc aus Bronze und Eisen. Aus Bronze fand ich
verschiedene Haken, Nadeln, Knöpfe, Nägel, Messer, Beschlä-
ge, Werkzeuge, ('harniere, SchreibgrifTel, Bleche, ein rundes
Becken, eine grosse Anzahl runder Spiegel in verschiedenen
Grössen aber ohne Ornamente, ein kleines gerieftes conisch
zugehendes Fläschchen, einen Schlüssel.
200 AUSGRABUNGEN IN GYPERN
Aus Eisen grub ich namentlich ein grosse Anzahl Schabei-
sen aus, ferner Messer, Niigel, Haken und, die Hauptsache,
ein eut erhaltenes Drehschloss, welches ich in d»Mi Schriften
des römischen Institutes herauszugeben beabsiclitige.
d, Alabastersacfien. In grossen Mengen fand icli in Salamis
das bekannte in seiner einfachsten Form langgestreclvte cylin-
drische Saibgefiiss («)^agäc<yTf>ov). — In den Grabanlagen der Vor-
nehmen fehlt es nie. Es ist in der Kegel aus Alabaster und im
Durchschnitt ungefähr 22 Cm. lang. Andere grosse Alabastra
aus Kalkstein sind iO Cm. lang und sehr schwer, weil der
diinne zum laugsamen Herauslropfen des Salböles bestimmte
Canal hier eben so dünn ist oder sein kann, wie bei den
kleinen Alabastren (1 Cid. im Dm.). Selten kommen auch
Alabastra aus Terracotta vor, aber klein, etwa 20 Cm. lang.
A.iidere Gelasse aus Alabaster (und Stein) ähneln in Form
und Grösse ganz den von den Cyprioten beute gebrauchten
Räucherschalen (jcxTrvKTx-nptx) : oben eine flache Schale, in der
Form rund, oval oder gedrückt, darunter ein entsprechender
Fuss, der sich nacli unten entweder gerade conisch verbreitert
oder in dev Bogenlinie. Leisten und Gürtungen können Schale
und Fuss zieren. Als Durchschnittshöhe des Gefässes mögen
etwa 12 Cm. gelten.
Zu den zierlichsten Gefassen von Salamis gehört eine Art
kleiner alabasterner Vasen. Sie dürfte der Form nach von der
geringen Grösse abgesehen {das Gefäss ist bald grösser, bald
Icleiner als das vorige, aber oft nur 8-9 Cm. hoch) den Am-
phoren zuzuzählen sein. Der Fuss ist kurz und klein. Der Bauch
ladet in weiter eleganter Biegung aus. Derselbe setzt plötzlich
in einer Leiste oder Linie ab, an der der schwungvoll einge-
bogene sich verjüngende lange Hals anhebt. Auf derselben
Linie sitzen einander gegenüberzwei kleine bogenförmige senk-
recht o:es teilte Henkel. Die Ausij-ussöfTnuno; ist en£^. Ich s;laube,
wir haben hier auch ein Salbsrefäss vor uns.
e. Spindeln, Gcgenstaende aus Glas, Porcellan und Elfen^
bein. Die in Salamis gefundenen Spindeln sind aus Alaba-
ster, Stein, Glas oder Porcellan, nie aus Terracotta (eine grosse
AUSGRARÜNGKN IN CYPEBN 201
Spindel aus T(M-ranoll;i i;Tub ich in Kjlion aus). — S[)iii<l(.'lii nu8
Bronze, die bei den Allen so I)p|i('l)l vvart'ii, habe ich bisher
nicht nachweisen können. Doch sind die oft erhallenen Ein-
sätze, die Stifte im Oanale der Spindel (welche dein Faden
einmal das Dnrchgehen gesLallon, aber andererseits genngend
Halt geben, nm ein zu plötzliches Dui'chgehen oder Herun-
terfallen der Spindel zu verhindern), aus Bronze. Die Spindeln
sind von abgcplatleter Kegelforin, meist nur (),.')-] ,;"> Cm. hoch
und von 2-3 Cm. Breite des Durchmessers an der Kegelliasis.
Die senkrecht zum Ke<;el stehenden Canäle haben .jMm. und
\veni<2;er Durchmesser. Damit diese kleinen Gi'ucnsliinde leich-
ter in die Augen fallen und nicht so leicht verloren gehen, gab
man ihnen aulTallende Farben. So sind die Spindeln entweder
weiss und von Alaba.skM", oder dunkelfarben fast schwarz z. B.
aus Stein, oder dunkelblau u. s. w. aus Porcellan und Glas.
Die Spindeln aus Alabaster sind meist glatt gearbeitet; höch-
stens treten vertiefte Kreislinien um die Kegelspitze und Ke-
gelbasis auf. Die übrigen Spindeln sind meist mit Leisten und
Fugen überdeckt, sodass sie dadurch ein Aussehen gewinnen
ähnlich den gedrechselten Steinen, wie wir sie beim Dame-
oder F^uffspiel anwenden.
Eine Spindel aus einer Masse zwischen Porcellan und Glas
zeigt als Grundfarbe dunkelblau. Ein achteckiger weisser Stein
jjeginnt um die Spitze herum in Linienforn). Die acht Rund-
bogen des Steines wiederholen sich am Kegel herunter fünf-
mal.
Eine andere Spindel ist aus dunkelblauem irisirendem Glase
mit vertieften weissen Horizontalstreifen.
Perlen, meist als Halskettenelemenle sind aus verschiedenem
Materiale, meist rund, aber auch gestreckt elliptisch, polirt
und nicht polirt, brillant oder matt in der Farbe. Steinperlen
sind aus Acliat und Onyx beliebt. Am häufigsten sind Perlen
aus einer fayencearligen Masse zwischen Glas und Porcellan.
Auf dunkelem intensivblauem Grunde stehen weisse grosse
Augen mit Ijlauen oder andersfarbigen Pupillen mit und ohne
bunte Bänder (eine orangegelbe Einfassung ist häufig) in Bei-
UITTH.D. ARCH.INST. VI 14
202 AUSGRABUNGEN IN GYPERN
hen angeordnet. Diese Perlen sind dabei matt, nicht lasirt,
und machen einen originellen Eindruck.
Aus Elfenbein erub ich einise kleine Löffel und Löffelstiele,
alle schlecht erhallen aus. Dagegen ist eine kleine runde Sal-
benbüchse aus Elfenbein mit gedrechseltem Deckel und Grund-
boden intact.
T. Glaswaaren. Die Gläser variiren in Farbe, Form und
Grösse. Die Farben, unter denen unbeschreiblich schöne in
den verschiedensten Nuancen bald wie Gold und Silber schil-
lernd, bald in dunkelen kräftigen Tönen irisirend vorkommen,
entstanden bekanntlich zum grösseren Theile durch die Zeit,
das Liegen in der Erde, den Einfluss der Feuchtigkeit, des
Salzgehaltes im Grundwasser und Boden (die in der Nähe der
Meeresküsten a^efundenen Gläser irisiren mehr als die aus
dem Inneren), durch den Inhalt endlich der Gefässe selbst an
Salben und Oelen. Andere Farben aber wurden von vornhe-
rein vom Glasfabricanlen hervorgerufen. So habe ich ein reizen-
des liefdunkelblaues Glas und einen mehrfarbigen Salblöffel
aus Glas ausgegraben. Der letztere ist gerieft, von blassgrüner
Grundfarbe und von einer blauen Schlangenlinie in der gan-
zen Länge durchzogen.
Man hat auf Cypern sehr viele buntfarbige und reichdeco-
rirle Gläser, selbst Köpfe aus Glas, ausgegraben. Ich war wol
quantitativ glücklich, indem ich in Salamis über 100 unver-
sehrte Gläser in 30 Tagen ausgrub; aber qualitativ ist nichts
Hervorragendes darunter: Gläser mit Füssen zum Aufstellen
in Form von Leuchtern, Becher, Schalen, Deckel, langgezo-
gene Fläschchen mit noch längerem Halse über dem schma-
len Bauche, breite krugförmige Gläser, alle noch mit Füssen.
Dann giebt es (und hierher gehört die grosse Menge der Glä-
ser) lange mehr cylindrische, am unteren Theile ganz schwach
au.sgebauchte und unten abgerundete fusslose Gläser. Hierher
gehören die lange fälschlicherweise als Lacrimalorien bezeich-
neten Fläschchen.
Die Glasindustrie muss in Cypern früh und ausgedehnt be-
trieben worden sein und auf hoher Stufe gestanden haben, was
AUSGRARUNGEN IN GYPERN 203
bei der Nähe Syriens iinrl Aci^ypteiis iiiclil auflallen kann,
Dass aber die Glaswaaren von Salamis im Ganzen einlacher
sind, als z. B. die von Kilion oder Idalion, beweist wiede-
rum, dass orientalische Einflüsse hiei- weniiijer zur Geltunt^ ge-
langten.
^. Thonwaaren. Grosse Pilhoi, wie sie noch jetzt in Gypern
gebraucht werden, fand ich in Salamis nicht. Ein dem Pithos
ähnliches Gefäss, das vielleicht Stamnos zu nennen ist, hat
einen weiten Bauch und kurzen IJals mit weiter Mündung und
mit zwei Marken; die kurzen Henkel sind ziemlich senkrecht
gestellt. IJöhe Gl Cm.
Von Amphoren entdeckte man eine ganze Reihe verschiede-
ner Formen und Grössen mit und ohne Füsse. Darunter lang-
gezogene mit langen IJonkcIn. Ich fand aber nur einen Stem-
pel einer Amphore von Rhodos: ein Anker als Emblem mit
dem Namen OAYMTTOY (vgl. Birch, Hist. of anc. potlenj
II S. 399).
Einige Gefiissformen verdienen deshalb eine Beschreibung,
weil sie sich ganz typisch in Salamis herausgebildet haben,
anderswo auf Cypern aber gar nicht oder selten vorkommen.
Eine Sorte von Gefässen, die beinahe in keinem Grabe fehlt
und zu Hunderten ausgegraben wurde, diente wol zur Auf-
bewahrung von Wein oder Wasser in kleinen Quantitäten, so-
wie auch zum Gebrauche bei Tafel. Sie nähern sich in der
Form den Gefässen, welche wir als Hydria, Kalpis und beson-
ders Hydriske kennen. Sie sind von ungemein constanter Grösse
und Form, meist 19 Cm. hoch. Der Fuss misst unten 5,5 Cm.
im Durchmesser. Der Bauch findet seine weiteste Ausladung
in einer Höhe von 1 1 Cm. mit einem Durchmesser von 13 Cm.
Der noch 8 Cm. lange obere Krugtheil steigt allmählig aus
dem Bauche heraus und verjiingl sich langsam zum Halse.
Die schnauzenlose AusgussölTnung hat 6,5 Cm. Durchmes-
ser. In der Regel ist nur ein Henkel vorhanden, kommen,
was seltener ist, zwei Henkel vor, so ist die Gesammtform
eine zierlichere, wie die Arbeit eine sorgfältigere, und dann
ist der Fundort in der Regel das Grab eines Reichen. — In noch
204 AUSGRABUNGEN IN GYPERN
selteneren Fällen geht diese Krugforin in andere Verhältnisse
über, ist rolhgefarbt, lasirt und zuweilen selbst mit dunkel-
rotheren Streifen bemalt oder mit plastischer Zahnleiste ver-
sehen.
Aus dieser in der grossen Masse in Form und Grösse con-
stanten Art hat sich ein anderes offenbar Luxuszweciven die-
nendes aber zugleich für den Gebrauch bestimmtes Gefiiss her-
auso;ebildet. ich fand es in verschiedenen Grössen, aber nur
in den Grabanlagen der Vornehmen. Alle besseren Decoratio-
nen, alle Malereien von Blättern, Blumen und Thieren, wie
ich sie oben für die salaminischen Thongefässe besclirieb, sind
nur auf dieser Gefasssorte angebracht (mit Ausnahme eines
Falles, eines ganz seltenen und ganz absonderlich gestalteten
anderen Luxnsgefässes, einer Art Tafelaufsatz). Der Bauch wird
breiter, kürzer und gerader gestellt; der bedeutend verlängerte
Hals steigt in majeslälischem Linienschwunge empor und be-
dingt einen langen Henkel, der nie fehlt. Zwei Henkel kommen
nie vor. Sind Gefässe dieser Art nicht bemalt, so wurde doch
zu ihrer Herstellunij; ein viel besser und feiner ü;eschlemmler
Thon verwandt. Die vielen gerade gestellten oder sanft gebo-
genen Partien geben Decorationen die geeignetste Unterlage.
Neben r.pheukränzen , das sei noch nachgeholt, treten Blalt-
kränze mit zwei reihigen Blättchen von ellyplisch zugespitzter
oder abgerundeter Foi-m auf, welche einmal an gewisse cypri-
sche Salzpflanzen, sowie an die an feuchten Stellen wach-
sende iAkopodiacee Selaginclla denliculata Link, erinnert.
Auch bei diesen Gelassen traf ich eine, wenn auch rohe,
Bemalung des Henkels an , und zwar eine einfache Schlan-
genlinie, die Andeutung der plastischen Schnurbildung des
Henkels, welche auch nur hier in Salamis vorkommt.
Am häuligsten und massenhaft findet sich die von mir er-
kannte salaminische Lekythos. —Bekannt ist die Bestimmung
dieses Oelgefässes, welches in keiner l*alaestra fehlte und bei
keinem Begräbniss. Hatte man das Oel aus der Lekythos in das
Grab gegossen, so musste man die (.ekythos selbst hinabwer-
fen. Wahrscheinlich halte man dabei (\q\~] Gedanken, dass Nie-
AUSGRABUNGEN IN GYPERN 205
mand mehr Gel in diesem Gefässe halten sollte. Nur so er-
klären sich diese Massen von ihönernen Lekylhoi an der Grab-
thür, im Eingangsslollen und oft nur wenige (leiitimeler un-
ter der Oberlliiche.
Sieht man eine salaminische Lekvthos lieü;en, so wird man,
bis man sie erfasst, oft nicht wissen, wo Spitze oiier Fiiss
ist. De-r Flaschenbaueh kann als Kugel aufgefasst werden, die
oben in den Hals, unten in den Fuss in einem gleich langen,
gleich geformten Canal übergeht. Die Höhe des Lekythos be-
trägt im Ganzen 16 Cm., der Durchmesser des Bauches f) Cm.
— So die Regel. Natürlich kommen auch l)ier Varianten, aber
geringer Art vor. Der Halstheil kann etwas länger werden, als
der Fusstiieil. Am Halse entlang tritt zuweilen eine vom Töp-
fer auf der Drehscheibe eingedrückte Schlangenlinie in weiteii
Windungen auf.
Für die beim Mahle und bei I^ibationen gebräuchlichen
Misf'hgefässe gaben meine Ausgrabungen in Salamis gar keine
zuverlässigen Beispiele (in Kition fand ich deren eine grosse
Zahl). Dagegen lieferten die salaminischen Gräber eine Reihe
von Tiink2;et'ässen, Ich a:rub Phialen aus, ilache henkellose
Schalen; Kylikes,zweihenkliche höhere Trinkschalen; Formen
des Skyphos, wie eine grosse Tasse, nur dass zwei kleine ho-
rizontal abstehende Henkel nahe dem Rande hinzukommen.
Besonders erwähnt zu werden verdient die Form eines Kan-
tharos. Der weile Bauch steigt auf einem kurzen Fusse ziem-
lich gerade empor und endet weit ohne eigentlichen Hals.
Zwei grosse tief ansetzende aber schmale Henkel gehen mit
einer Schneppe gekrümmt und bogenartig nach aussen. Die
obere Fläche beider Henkel bildet mit dem Gefässrandc eine
Ebene. Die Henkel sind durch grosse Oeffnungen durchbro-
chen. Das Gefäss ist dunkelfarben schwarzbraun lasirt.
Gefässe zum Schöpfen und Ausgiessen wurden in grosser
Zahl gefunden. Zu Hunderten traf ich eine Form an, die ent-
weder als Oinochoe oder als Prochous zu deuten ist. Sie ähnelt
ganz unseren modernen Thee- oder Milchkannen. Die Gefass-
lippe ist zu einer Tülle gekrümmt, welche das Ausgiessen er-
206 AUSGRABUNGEN IN GYPERN
leichtert. Das weilbauchige Gefäss ist einhenklig- Die Grösse
schwankt, pflegt aber nicht über 22 Cm. Flöhe hinauszugehen.
Andere Varianten unter den Thongefässen lasse ich unberück-
sichtigt und gehe zu den l.ampen über.
Ich fand keine Lampe aus Bronze, »sondern nur solche aus
Terracotta. Es haben sich aber zwei Arten der gemeinen Ter-
racottalampe in Salamis entwickelt. Die mne Lampe ist stets
kleiner. Der Hauptlheil,derOelbehälter ist meist ziemlich kreis-
rund, häuliij; von 7 Cm. Durchmesser. Der Bauch ist mehr oder
weniger tief und misst im Mittel 2-2,5 Cm. Höhe. Die Docht-
nase, die zur Aufnahme des Dochtes bestimmte Oeffnung ent-
haltend, ist kurz, Die Handhabe ist klein und nähert sich
mehr oder weniger der Form eines runden [Rädchens von 2,5
Cm. Durchmesser mit einem runden Loch, welches aber auch
fehlen kann, wie auch die ganze Flandhabe wegfallen kann.
Die Handhabe steht senkrecht auf dem Rande des Oelbehäl-
ters, mit der Breitseite dem Oelbehiiltercentrum abgekehrt. Die
Oeffnun*^' für das Einüiessen des Oeles ist meist nur'eine und
in der Mille der Mulde des Oelbehälters angebracht. Die OefT-
nung rückt aber auch an die Seite, wenn es die in der Mulde
angebrachten Uellefdarstellungen erheischen. Es kommen auch
mehrei'e Oeffnungen \'ü\' das Oel vor. L)agegen fand icii nie-
mals eine Lampe mit mehreren Nasen und Dochlöfi'nungen.
Es fanden sich griechische und römische Lampen, auch eine
Lampe mit altkyprischer Inschrift.
Die Mannichlaltigkeit der Verzierungen auf den Lampen ist
so gross, dass ich nur einige der Haupttypen und einige selte-
nere Darstellungen herausgreifen kann.
Lampen ohne jedes Ornament oder mit eingeritzten Kanten,
Bogen, Zähnen u. s. w. auf dem Bande des Oelbehälters tre-
ten am häullgsten auf.
Häufig sind ferner Band und Mulde mit einem grossen, bis
in kleine Details ausgeführtem Stern decorirl. Oft liegt in der
Mulde ein Eichenkranz aus zwei übereinander gelegten Zwei-
gen, oder ein Bosenzweig, auf dorn ein Vogel sitzt. Von Thier-
darstellungen ist besonders das Motiv eines sitzenden Adlers
AUSGRABUNGEN JN CYPERN 207
beliebt. Aber auch Pferde, Hunde, Katzen, [/»wen, ICbcr, Fi-
sebe wurden get*iin(len.
Unter den übrigen (ifjürlicben Darstellungen tritt als häu-
figstes Motiv ein geflügelLer Eros auf, der in der K. den Ko-
dier, in der [.. IM'eile hallend, lächelnd rückwärts schaut.
Männliche und weibliche Köpfe (so der behelmten Athene)
kommen mehrfach vni'. Durch gule Ausführung zeichnet sich
die (iruppe zw-eier geharnischter Krieger aus: der eine stürmt
heran und findet den anderen lodt oder verwundet am IJoden
liegen. Eine andere Gruppe ist interessant durch den darger
stellten Gegenstand. Bechts vom Beschauer steht Athene im
vielialtigen Peplos. In der Linken bält sie einen Gegenstand,
den man für das Goro;oneion ansehen kann. Die erhobene
Rechte scheint die Geissei zu schwingen und der vor ihr ste-
henden kleiner gebildeten männlichen Figur zu drohen. Letz-
lere ist nackt und spielt, mit übereinandergeschlagenen Bei-
nen dastehend, ein Instrument, wol die Flöte. Vielleicht dürfen
wir Athene und Marsyas erkennen. Leider ist die Erhaltung
keine gute, die Lampe war in viele Stücke zerbrochen.
Die grössere Lampenform (bis zu 30 Cm. Lange und 12
Cm. H.) giebt sich als römisch zu erkennen. Während die klei-
nen LajTipen der Hegel nach aus grauem, gelblichem oder
röthlichem Thon ohne künstliche Farbenbeimischung bestehen
und lebhaft rotligefärbte Stücke sebr selten gefimden werden,
ist das Verhältniss hier ein umgekehrtes. Lebhaft rothe Fär-
bung ist die Kegel. Die Nase erscheint bedeutend verlängert
und kann so£;ar länger werden, als der runde Oelbehälter mit
welchem siedurcb arabeskenartige Ornamente verbunden ist.
Ebenso erscheint die Handhabe bedeutend vergrössert, diese
ist nie durchbrochen, von platter dreieckiger Form, die Breit-
seite dem Lampeninneren zukehrend Auf der Handhabe sind
mit Vorliebe Heliefdarstellungen angebracht, die oft sorgfäl-
tiger ausgeführt sind als diejenigen in der Mulde des Oelbe-
hälters. Die grössere Form der Lampen wird viel seltener ge-
funden als die zuerst beschriebene. Die Decoration ist breiter
und massiger. Auf dem Oelbehälter kommen Sterne und Ei-
208 AUSGRABUNGEN IN CTPEHN
clienkräiize am häufigsten vor, auf der Handhabe meist eine
Palmelteoder FHclierblume. Aii{'(ier Handhabe fand sich mehr-
fach die bekannte Darstellung des Odysseiis, der von einem
Gefährten an den Mast des Schiffes angebunden wird, wäh-
rend ein anderer Gefährte rudert.
Inschriften fand ich nur auf den kleineren Lampen, theils
einzelne Buchstaben, theils Namen der Fabricanten , z. B.
TAIOY (vgl. Birch a. a. 0. II S. 397).
Nur erwähnen will ich nachträglich die obscönen Darstel-
lungen, die auf den kleinen Lampen gefunden werden.
(Schliiss Iblgll.
Larnaka im Mai 1881 .
MAX OHNEFALSCH-RICHTER.
o
Miscellen.
A llur au s Sestos.
Im Januar d. .). liess ich in dem hiiitor dem Miihlenhügel
clegeiien Tscherkessen viertel des eine starke halbe Stunde von
den lUiinen des allen Sestos (Paläokaslro von Ak-Baschj ent-
fernten Dorfes Jalowa aus den Trümmern eines dem Sophta
Ali gehörenden Hauses einen uno;. 1,10'" hohen lMarmorl)loek
hervorziehen, der sich alsbald als einen Tlieil eines den sa-
mothrakischen Göttern geweihten Allars /u erkennen gab. Ks
war ein oben mit Zahnsehnitten, Kier- und Perlenslab ge-
schmückter, unten ebenfalls reich iJe;'liederler sorulaltis, ";e-
arbeiteter llundaltar aus weissem, mit blänlichen Flecken
durchsprengtem Marmor. Es ist von ihm elwas weniger nis
die Hälfte erhalten (danach lässt sich der Dui-chmesser auf ung.
0,60'" bestimmen) undzwar glücklicherweise die vordere Hälfte
mit der sauber eingemeisselten Dedikationsinschrift
YrEPBAZJAEQZFTOAEMAlOYKAJBASlAIX^HZ
AP5:iNOHZOEaN4)IAOrATOPnä
KAITOYYOYAYT^NFTOAEMAiiY
OEOJZTOISENSAMOOPAIKJ I
AP I ZT A PX H M I K YOO YT EPr A M H N H
'V-sp ßxT'./we(j><; Il-:oXe[/.«tO'j /.sei ßiXUt^.iTd'/i;
'ApTtvo'o; Osöv (p','XozxT6o(i)[v
x,3cl ToO 'jou auTwv nTO*X8ax[io]u
OcoTi Toi; ev 23«ao'5pa/.Lvi
'ApiTTacpyvi Mty.uOo'j llepyjcixvivvi.
Die mit kleinen Buchstaben geschriebene Inschrift steht auf
210 MISGELLEN
dem obern Ende des Schaftes oberhalb eines Segments der von
Bnkranlen mit Tänien getragenen zierlichen Blaügnirlande und
einer achtblätlrigen von jenem umzogenen Rosette. Sie fällt
in die letzten Jahre der Uegierungszeit des Königs Ptolemaios
IV Philopalor, vor den Mord seiner Schv^esfer und Gemahlin
Arsinoe und vor den Regierungsantritt des jungen Ptolemaios
V Epiphanes, nacl) 210 und vor 205; da Arsinoe wie es scheint
längere Zeit vor ihretn Geinahle starb, darf man die Inschrift
vermulhungsweise etwa in das Jahr 208 setzen.
Es scheint die Annahme nahe zu liegen, dass der Altar aus
dem Bezirk der plolemäischen Bauten auf Samothrake nach
Jaiowa verschleppt sein niöge , denn bekanntlich sind viele
Marmorstucke von der Insel fortgeführt, wie auch jetzt noch
Sculpturwecke von den Inseln nach Smyrna, den Dardanellen
u. s. w. gebracht zu werden pflegen. Aber die Annahme ist
zu verwerfen, da der Inhalt der Inschrift ihr entschieden wi-
derspricht. Aus der obigen Zeitbestimmung geht hervor, dass
die Aufstellung des Altars noch in die Zeit fällt, zu welcher
der thrakische Chersones noch nicht aus dem ptoleniäischen
Besitz in die IJand Philipps V von Makedonien übergegangen
war, was erst während der Regierungszeit des Ptolemaios Epi-
phanes erfolgte. Ferner führen die (grossen) Götter, denen der
Allar geweiht wird, hier den ausdrücklichen Beinamen toT; sv
2a[/-oOpax.7), der in den auf Samothrake aufgestellten Monumen-
ten natürlicherweise wegbleibt. Wir werden also in Sestos ein
Heiligthum der samothrakischen Götter anzunehmen haben
wie solche auch anderswo nachzuweisen sind (Untersuchun-
gen auf Samothrake Bd. II S. 109). Vielleicht ist das hochge-
legene einen Theil des Hellespoutos überschauende türkische
Kloster (Teke) von Ak-Basch an die Stelle des Heilis-thums
der alten SchilTahrtsgotlheiten getreten. Ich fand dort ausser
dejn jüngst von HauveUe-Besnauii pnblicirlen vor dem Wirt-
schaftsgebäude liegenden Inschrifbhick (Bull, de corr. hell. IV
(1880) S. 515; beginnt mit Y2YION.) ein Fragnient eines
dorischen Friesslückes, in desst'u Metopen tafeln abwechselnd
je eine Rosette und ein dreigliedriger Geüenstand oder drei
MISCELLEN 211
schfiialc längliche Gegenstände angebracht waren, IVir <lie ich
vorläufig keine nähere liezeichnung wage, da nur die ohi-ren
Enden erhalten sind. Ich glanbe nicht dass man den Inschi-irt-
block demselben Rlonumenl zuschreiben könnte wie das Fi-ies-
slück. Die übrigen Marmorreste des Teke sind nnförmlicher
Gestalt; in den Mauern des byzantinisclien Schlosses* fand ich
nur einfache Quadern, im Ijinern wie auf der namentli(;h zum
Meer, mehr noch nach der Ebene abschüssigen sich in einiger
' CO
Entfernung scharf abzeichnenden Buighöhe des allen Sestos,
auf deren Vereinignngspunkt mit den anstossenden flacheren
Höhen die Sclilossruine steht, viele antike Vasenscherben, wel-
che in Verein mit der natürlichen BeschalTenheit des Terrains
den Beweis liefern, dass hier wirklich 'die (nach Tlieopomp
und Xenophon) feste Burg der alten sich unten mit dem gne-
>.o; Si7r)^s0pov zur noch jetzt benutzten Ilarenbucht hinziehen-
den Stadt stand.
Dass eine Pergamenerin die VVeihung des Altars ausführt,
wird wohl aus persönlichem Verhältnisse der Stifterin zur
Ptolemaierdynaslie erklärt werden müssen 2, auch die poli-
tischen Verhältnisse stehen damit im Einklang. Ich kann
Aristarche nicht für eine PriesLerin halten, eine solche würde
die Erwähnune; ihres Amtes schwerlich unterlassen haben. Ein
Vergleich mit der Milesierin , von welcher der kleine VVeihe-
bau auf Samothrake herrührt, würde wenigstens dann nicht
zutreffen, wenn die in den (intersuchnngen a. a. 0. S. 112
Anm. 1 aufgestellte Vermuthung angenommen würde.
Als der Altar noch vollständig war, wurde auf ihn die nach-
.' Sein Nainc war Zeiiieuiko; es tMhob hicli wolil auf den lUiiiion desju-
stiniaiiisclien Baus und ist dostiall) t)ckanut , weil duicli sriue RrulHMung
die, Türken zuerst festen Fuss auf dem europäisciien Festlande fasslon. Hin
Denkmal ihres Zuges nach Adrianopel, das Grab Suleimans, v ird nueli jetzt
in Plagiari <Bulair) verehrt und stützt wie die Gräber von Gallipoli die Tra-
dition über jene gloneiclien Zeiten i Hammer Gesell, d. osm. R. I 149).
- Analoge Insehriften ('. /. Cr. 111 4703 b und c. 4859. 4893 ida/.u Lelronne
Rfilinrlips puur sermr ä Ihislniro de lligi/fiic ?. 34t fg., 480). 4897. 4897/;.
4898. 1899, 4979. 5073. Vgl. die amorginischen Basen der Arsinoe Phila-
delphus Mjllh. l 336.
212
MISCELLEN
folgende zweite weit jüngere Inschrift in viel grösseren ecki-
gen Buchstaben mit theilweiser Zerstörung des Guirlanden-
sclimucks* eingetragen; rechts von der altern stehend reicht
sie mit den beiden ersten Zeilen in diese hinein und erstreckt
sich über die ganze l^änge des Schaftes. Später wurde der
Marmor so gespalten, dass von der Jüngern Inschrift nur die
linke Hälfte erhallen geblieben ist. Die letzten Zeilen zeigen,
dass auch diese Inschrift an einem Orte am Ilellespont, also
gewiss Sestos selbst, eingetragen wurde.
OIEYCEBEETATO
AECnOTAIHM WN
smäm/KM ^ c E
^ '^ -wiiiimmmiiii^ ^ r
EKTHCAnAITHO
nPONOIATHNAY
TOYIEPATIKOYA
THATINTATHOE-
ETA0M1C0ENTAAC
OrAOHKONTA
TPlNNEnilOYA
EH MOT ATOYHTO^
frei C n O N T C
INachträge zum ersten Dekret aus Lampsakos.
Der Liebenswürdigkeit Th.Mommsens verdanke ich, beson-
ders die im Dekret vorkommenden Aemter betreffend, folgende
fielehrungen, die ich mich beeile im Wortlaut seines Briefes
zur Berichtigung und Ergänzung meiner Miltheilungen aus
Kleinasien (s. oben S. 96 IT.) hier zu wiederholen.
■ Die ecl<igca Foniien siiut aucli lipiin 0 0 (inil (liirclilaufendera Qucr-
slricli) an^pwandt; der ersli; Biielislalic ist ein niiidüs O.
MISGELLEN 213
«Der Flottenführer, Her I Z. 17 vorkoniiiil und der olme
Zweifel L. Flamin in us ist, erscheint in dieser Urkunde nicht
Avie bei Livius als I.cyal seines IJrnders (XXXIII 17 2, XXXIV
50, XXXV 10) und proefeclus classis (Liv. XXXIV r)0), son-
dern als 6 (TTpscTYiybi; 6 izl twv vxutixwv, (I. h. als llotlenfüh-
render Praetor, Das ist auch in der Ordnung: er war in» .).
19*^) praetor iirhamis (Liv. XXXil l) und es verlängerte ihm
dann der Senat l'ür das folgende Jahr, in dem sein Bi-uder
Consul war, und weiter das Amt unter Verlausehung der (>um-
pelenz (Liv. XXXil U) : cid classis cura marilimaeque orae iin-
perium mavdalum ab senatu eval, vgl. XXXII 28; Flularch Fla-
min. 3), während wenn er bloss Legat gewesen wäre der Se-
nat ihm diese Competenz nicht verleihen konnte. Fs ist also
ein Fall ganz wie der des Cn. Oetavius 549 fg., den ich im
Staatsrecht 11 S. 205 A. 1 besprochen habe; und es ist das
nicht unwichtig. Das Flottencommando ist in dieser Zeit schwer-
lich vom Oberfeldherrn an einen blossen Legaten gegeben wor-
den. — Dass unsere Urkunde, die nachdem griechischen Sprach-
gebrauche dieser Zeit den pro consule als uTpccT-ziyo; u-xto?,
auch den pro praelore 'jTpxTYiycx; nennt ist in der Ordnung.
Der Flottenführer, mag er nun Legat sein oder praetor oder
propraetore, hat nach römischem Gebrauche keinen Quaeslor,
der ihn gelegentlich vertreten kann. Vielmehr ist der rajxiz;
eTcl ToO vxuTiy.oO der (hier zum ersten Male auf einer Urkunde
begegnende) quaestor classicus , über den ich im Staatsrecht li
556 fg. gesprochen habe. Diese residirten in Italien, und da
die Gesandten aus dem Osten zunächst nach Massalia gingen,
ist es ganz in der Ordnung, dass sie mit einem derselben,
etwa in dem italischen Hafen, von wo sie sich nach Gallien
einschifften, zusammenkamen. Da der Titel bisher nur auf Ly-
dus Autorität stand so ist es wertlivoll ihn also bestätigt zu
finden und jetzt in sichererer Weise die über dessen Erklärung
aufgestellten falschen Hypothesen abweisen zu können.
Wie Schade dass wir nicht den Bescheid erfahren, den Fla-
mininus den Gesandten gab! Man hätte so gern gewusst wie
sich die Römer zu dem casus 6e///mitAntiochos gestellt haben.»
214 MISGELLEN
Mommsen macht mich ferner darauf aufmerksam dass 11
Z. 28 nicht 'Atix liinein gesetzt werden durfte, da diese Com-
mission die Angelegenheiten von Hellas ordnete, ich schlage
darum tou; e[xi tqv 'EX).x|5o; Trpxyp.aTtdlv vor ; endlich erinnert
M. daran, dass in Betreff der Tolisloagier noch iiatte erwähnt
vserden können, dass in derAhgrenzung derßi'andschalzungs-
gebiete Lampsakos diesem Galaterstamm zugefallen sein möge
(Liv. XXXVIII 16, dessen Worte indessen lauten: Trocmis
Hpllesponti ora data, Tniistohoii Aeolida atque loniam, Tectosages
medilerranea Asiae sorlili sunt). Ich füge noch hinzu, dass die
Form ToTiiTToxyiot in der Peyssonelschen Inschrift vom perga-
menischen Schlachtenmonurnent nicht A'on Böckh in die uns
bisher geläufige ToXKJToSwyiot verändert werden durfte. Ferner
ist in I Z. 18 Aou/,icp statt Asu/.icp stehen geblieben und muss
ebd. Z. 12 H. Anf. die schräge llasla als unsicher bezeichnet
und y.vrl TO'j £cop.6c[a.'70jccL ^(^eipoTovlviOel; gelesen werden.
H. G. LOLLING.
— ft-<gS>-»ft .-
Silzun^snrotocolle.
n
Sitzung am 9. December 1880: Kochlcr, iiluM' die pergaine-
nlschen Funde.
Sitzung am 22. Decembcr: Kochlcr, über InscIiriCLcii aus
Alben (s. Mitlii. V' S. 317 fl'.). — A'. iMngc, über die letzten
Ergebnisse der Ausgrabungen in OI}'mpia. — KocJiler, über al-
tische Silbermünzen aus der Zeit des Überganges zürn neuen
Slil.
Sitzung am 5len Januar 1881: Lange, über die neugcfun-
dene Slalnette der Älliena Parthenos (s. Taf. I. II). — Kahha-
dias, über einen auf'Kylhnos gefundenen Kopf der Apbrndiie.
Sitzung am 19. Januar: Kochlcr, über die neusten Ergeb-
nisse der Ausgrabungen in Pergamon. — Oberg , über einige
in Pergamon gefundene Skulpturen. — Jernsledt, über die in
Sebastopol gefundene Inscbrifl desDiopbanlos.
Sitzung am 3. Februar: Schiitmann, über die Ausgrabung-
in Orchomenos. — Lange, über den Typus der Athena Pro-
macbos.
Sitzung am 16. Februar : Kochler, über literarische Zustände
in Athen. — Lange, iiber die Entstehung der jonischen Bau-
formen.
Sitzung am 2 März: Treu, über das Schalzhaus der Megareer
in Olympia und die Skulpturen des Zeuslempels. — S/jyr. Lam-
bros, über mittelalterliche Nachrichten über alte Monumente.
— Lolling , über die Lage von Aigospolamoi.
Sitzung am IG März: Koehler, über den Stand der altischen
Marine zur Zeit des Bundesgenossenkrieges (s. oben S. 21 IT.).
— Lolling, über die topographischen Entdeckungen des Herrn
Weber auf dem Sipylos. — Lange, legt die Photographie eines
Kopfes des Sarapis aus Smyrna vor.
Sitzung am 30. März: Docrpfeld , die Ergebnisse der Aus-
grabungen in Olympia im vergangenen Jahre. — Purgold, über
216 ERNENNUNGEN
die in Olympia gefundene Inschrift des Deinoslhenes. — Treu,
über olympische Skulpturen (Hermes des Pi'axiteles, Kopf der
Aphrodite).
Sil/Aing am 13. April: Doerpfeld, über das Schatzhaus der
Sikyonierin Olympia. — Purgold, über die Inschrift des Schatz-
hauses der Sikyonier. — Latischew,üher den Cult des Ammon
in Athen. — Doerpfeld , über die innere Disposition des Par-
thenon.— Borrmann, Bemerkungen über das Erechtheion.
Sitzung am 27. April: Koehler, legt Photographien olym-
pischer und athenischer Sculpturen vor (Geschenlv der Her-
ren Rhomaides). — Derselbe, legt die Schrift von Reinh. Ke-
kule, Über den Kopf des Praxitelischen Hermes, vor. — Der-
selbe, über eine Serie attischer Bronzemünzen (a. unten). — Lol-
ling , über eine Weihinschrift an die samothrakischen Götter
(s. oben S. 207). — Koehler, Photographie eines Reliefs aus
Smyrna den Streit des Poseidon und der Athena darstellend
(s. unten).
Ernennunojen.
Unter dem 21sten April 1881 sind zu ordentlichen Mitglie-
dern des archäologischen Institutes u. A. die Herren -loh. Pan-
tazidis, Professor an {\qv Itniversität in Athen; Ch. Tissot,
Botschafter der französischen Republik in Koostantinopel ;
R. Weil in IJerlin ; zu (Korrespondenten die Herren B. f.a-
tischewausWilna und V, Jernsted t ausSt. Petersburg, beide
zur Z. in Athen; K. Lange aus f.eipzig, z. Z. in Athen; Li-
mnios inArtake; Borrmann und Dörpfeld aus Berlin
ernannt worden..
Herr H. G. Lolling wurde zum Bibliothekar beim Institut
in Athen ernannt.
[Juni 1881.)
Mittbeilungen aus Kleinasien.
11 Aus dem Tlinl des Khodios.
Dürfte man ,11. XII 19 das ocXx^e Trpopeouffiv ^vö^llich neh-
men, so könnte die Vermnthnng des Demeirios von Skepsis
(bei Strabon G03), wonach der Rhodios in den Ainios, sowie
die danebensleiiende im Grunde wohl dasselbe sagende Be-
hauptung (Str. 595), dass er in den Aisepos mündete, un-
berücksichtigt bleiben. Indessen wäre es wegen der Zusam-
menstellung mit llhesos, Heptaporos (Polyporos) und Karesos
nicht gerathen, die Meinung des Lokalforschers kurzerhand
abzuweisen, wenn dieselbe sich auch wohl nicht auf Tradition
stützte, wodurch jedes Schwanken ausgeschlossen gewesen
wäre.
Der Ansicht des Skepsiers gegenüber steht die, als deren
Vertreter Strabon (595) bezeichnet werden kann, obgleich
derselbe hiermit nicht allein dasteht und vielmebr nur die
allmählich geltend gewordene Ansicht ausspricht. Nach der-
selben galt das aus mehreren Quell bächen des idiiischen Ge-
birges entstandene und bei Tschanakkalesi (neugr. Dardanel-
lia)^dem Kynossema gegenüber mündende Dardanellenflüss-
chen, das im Alterthum zunächst zu Dardanos gehörte, für
den homerischen [Ihodios. Offenbar liegt auch hier einer der
häufigen Fälle vor, in denen man die durch die epische Na-
lionaldichtung bekannt und berühmt gewordenen Namen mit
mehr oder weniger Willkür und Wahrscheinlichkeit zuerst
aus Eitelkeit an bestimmte Oertlichkeiten knüpfte, um diesen
so ein alloemeineres Interesse zuzuwenden. Bekanntlich hat
dann dies Streben namentlich in römischer Zeit auch politische
Früchte getragen.
Strabon erklärt sich aufs Bestimmteste für den Fluss 7wi-
MIT'ril.D. A.RGH.INST.VI. 10
218 MITTHEILUNGEN AUS KLEINASIEN
sehen Abydos und Dardanos und führt nur nebenbei die ab-
weichende Ansicht an. Es unterliegt also keinem Zweifel,
dass der Fluss zu seiner Zeit den homerischen Namen trug.
Seit wann dies der Fall war können wir nicht mehr nachwei-
sen; dass Demelrios von Skepsis den Namen auf ein \on den
Ostabhängen des Gebirges herabströmendes Flüsschen über-
trug hindert nicht vorauszusetzen, dass der dardanische Fluss
schon vor ihm mit demselben Namen getauft war. Leider ist
die einzige Steile bei Thukydides, die von diesem Flusse spricht
{VIII 106), handschriftlich unsicher und von den überlieferten
Lesarten ist vielleicht auch die besser bezeugte, die ihn Mei-
§10? nennt, ein alter Irrthum. Es scheint mir durchaus mög-
lich, dass schon zu Thukydides Zeit der Fluss den homerischen
Namen Rhodios trug'^. Andere ältere Schriflsteller erwähnen
den Fhiss nicht und in der ersten Kaiserzeit konnte Plinius
{?iat. hist. XXX 33) nach Nennung der trojanischen Flüsse
und vor der Erwähnung des Granikos schreiben: ceteri Ho-
mero cdebrati, Rhesus, HeptaporuSj Caresus, Rhodiits vestigia
non habent.
Ein e;änz bestimmtes Zeucniss dafür dass die Bewohner von
' An den Bach, der sicli beim Dardanoskap im Sand verliert, wird man
nicht denken können, da dieser kaum als Fluss bezeichnet werden könnte
sowie namentlich auch aus dem Grunde, weil Thukydides in der Schilde-
rung der Vorgänge bei Kynossema, soweit es sich nur ura allgemeine Bestim-
mungen handelt, durchgehend« und hier besonders den natürlichen Verhält-
ziisscn entsprechend die.Küsteavorsprünge anführt, im vorliegenden Falle
also sicher das gewiss bekannlere Dardanoskap oder wie vorher (104) kuri-
weg Dardanos statt des Kaps genannt hätte. Nur wo grössere Genauigkeit
erforderlich schien ncnnlcrKüstenpunkte wie Idakos und Arriana ( 104 ; etwa
Soghan-Dere und Chavusia entsprechend), so auch an unserer Stelle die
Mündung des MsiSio?. Dass er nicht auch hier einen Küstcnvorsprung
namhaft macht, dient zur Bestätigung der auch sonst hinlänglich festste-
henden Thatsache , dass Tschanakkalesi ganz auf angeschwemmtem Müü-
dungsiand des Flusses steht, während im AUerthura die Küste von der Süd-
westecke des ahydenischen Küstenplateaus (Vorgeb. Trapeza bei Medjitife-
Batterie) bis zum Dardanoskap eine kaum merklich unterbrochene Bogen-
Sinie beschrieb. — Ausser der Küstenspitze Dardanis oder Dardanion führt
Slrahon (590) bei Dardanos noch die Landspilze Gy gas an, die wohl eher
ein Theii der ersteren als mit ihr identisch ist,
MITTHEILÜNGEN AUS KLEINASIEN 219
Dardanos den Ilauplfluss ihres Gebietes Rliodios nannten er-
hallen wir erst aus späterer Zeit, nämlich durch die unter
lulia Domna geschlagenen Münzen der Stadt, welche den
Flussgott Rhodios mit Urne und Schilfrohr darstellen. Es
spricht hier wenigstens die grössere Wahrscheinlichkeit dafiir,
dass nicht der kurze seichte Wasserarm von Kalabakli in
grösserer iN'ähe der Maltepe genannten lluinenstätte von Dar-
danos sondern der einzige wirkliche bei der Dardanellenenge
mündende Fluss gemeint ist*.
Das Gesagte reicht hin, die Ansicht derjenigen Geographen
zu rechtfertigen, welche dem Dardaneilenfluss den Namen
Rhodios vindiciren. Das von ihm durchflossene Thal, welches
grösstentheils zu Abydos, zum Theil und zeilweise zu Darda-
nos gehörte, wird im Hintergrunde durch eine niedrige mehr-
stenlheils kahle Hügelkette begrenzt, an deren Nordfuss sich
bei kurzen wasserreichen Bächen und Quellen kleine türkische
Dörfer befinden, die in Moscheen und namentlich auf den
langgezogenen Friedhöfen zahlreiche Marmorplatlen, glatte
und cannelirle Säulen von meist kleinem Durchmesser und
andere Uberreste des Alterthums enthalten; manche dersel-
ben sind offenbar aus byzantinischen Bauten übernomn)en
worden, Marmor-und gewöhnliche Kalksteinplatten stammen
zum Theil aus Gräbern, die etwa in der Mitte der Ebene zwi-
schen dem Meer und jenen Dörfern von Zeit zu Zeit geöffnet
werden und unbedeutende Thon- und Glaswaaren zu enthal-
ten pflegen.
Die Rhodiosebene, meist fruchtbares wohlbebaules I.and,
wird nach Nord und Süd durch sich zum Hellespont erstre-
ckende Ausläufer der Vorhöhen des idäischen Gebirgszugs be-
grenzt; die am W^eiteslen nach West vorgeschobene langge-
streckte Plateauhöhe beim Kap Nagara trug die Obersladt des
* An und für sich ist die Notiz bei Hesych (vgl. Phavoiin) u. d. W. 'P<5-
8105 und bei Eustatbios zur angefübrlcn Honierstelle, dass der Fluss später
Dardanos gebcissen habe von zweifelhaftem Werlh, aber auch sie verknüpft
beide Namen aufs Engsle. Auch hier wird nicht an den andern Wasserlauf
gedacht -wc-den können.
220 MITTHEILUNGEN AUS KLEINASIEN
alten durch Sagen berühmten^ durch die Geschichte bekann-
ten Abydos, bei dem sich iin Allerthum der Canal am Mei-
sten verengte; die letzte Plateauerhebung der südlichen Aus-
läufer, ebenfalls durch einen flachen wenig über dem Meere
erliobenen Küstenvorsprung (mit dem Kepes-ßurun oder Kap
Barbieri) vom Hellespont getrennt, wird Mallepe genannt und
bezeichnet durch ihre überaus spärlichen fast nur in Vasen-
scherben, Münzen und Gräbern bestehenden Überreste die
Stelle des alten Dardanos. Eine kleine scharf geformte jetzt
eine türkische Schanze tragende Hügelkuppe, die mit der ei-
gentlichen Stadthöhe von Abydos zusammenhängt und uner-
steiglich steil über dem Nagaravorsprung emporragt*, bildet
mit der leise gesenkten trapezförmig erscheinenden Burghöhe
von Dardanos die beiden sofort in die Augen springenden
•Endpunkte der Küstenlinie des Dardanellenthales.
Dem Dardanos benachbarten Südlheil der kleinen Ebene,
welcher nach einer versiegten Quelle, Kuru-Tschesme, be-
nannt wird, entlang erstreckt sich von dem Kepes-Burun bis
zum Dardanellenslädtchen die beste Bucht der ganzen Meer-
strasse; in ihr, der Sari-Siglar ßucht_, sammeln sich bei dro-
hendem Sturm oft zahlreiche Schiffe, von denen die kleineren
nur bei c;ünsti2;er Witterung; den Einsano; der Meerenge durch-
segeln können ; die gewöhnliche Station ist bekanntlich nörd-
lieh von Tschanakkalcsi, In der Sarisiglarbucht sammelten
sich nach dem unglücklichen Ausgang des KynossematrePfens
auch die sparlanischen Schiffe, um dann später nach Abydos
vor Anker zu oelien.
Der nördliche Tlieil der Ebene, der von dem Flusse (j. Sa-
rilschai) durchströmt wird, zieht sich nach Westen an den
Hütten von Kuschuuli vorbei und dem hochgelegenen durch
eine hübsche auf einer Anhöhe stehende Baumgruppe ins Auge
fallenden Kemal gegenüber allmählich enger werdend in das
enge Seitenthal hinein, aus dem der Fluss, hier im Sommer
ein schmaler Streifen in weitem Bette, in die Ebene eintritt.
Hier liegt beim linken Ufer des Flusses das zum nahen Sa-
radschik gehörende Teke^ ein türkisches Mönchskloster, in
MITTIIEILUNGEN AUS KLEINASIEN 221
dessen Garten sich die weiter unten besprochene Marmorplatle
befindet. Weiter llnssaufwürts liegt iiber dem reclitcn Ufer die
malerische Burgruine Giaur-Hissar,, welche den Eingang der
Ebene beherrscht.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen wende ich mich
zu den wenigen Überresten des Alterthums, die ich im Beginn
dieses Jahres im Rhodiosthal vorfand.
1. Die Lage von Kremaste.
Durch die letzten Kapitel des Tliiikydides, in denen die den
athenischen Muth nocli einmal entllammende Seeschlacht bei
Kvnossema ijeschildert wird, erhalten wir manchen treffenden
Anhalt für die Namengebung des vor der Küstenlinie Abydos-
Dardanos einer- und d(-r Umgegend von Kynosserna anderer-
seits liegenden Abschnitts des inneren, eigentlichen Hellespon-
tes, dessen iXame auch im Alterthum schon weiter nordwärts
ausgedehnt wurde. Aehnlicherweise gibt uns Xenophons [Hell.
IV 8 35-39) Schilderung der glücklichen Überrumpelung des
Anaxibios durch Iphikrates (i. J. 388) von genauer Ortskennt-
niss zeugende und darum an Ort und Stelle leicht verstand-
liehe Angaben über die Gegend, aus welcher der wenn auch
beschw^erliclie so doch für grössere HeeresabtJieilungen noch
passirbare Weg von Antandros am adramyttischen Golf und
den Schluchten des Idagebirges ins Gebiet der Stadt Abydos
führte. Die Vergleichung dieser Schilderung mit der Oertlich-
keit lässt es kaum bezweifeln, dass das von Xenophon kurz
erwähnte Kremaste etwa dort zu suchen sei wo wir jetzt die
Ruinenstätte von Giaur-Hissar finden. Die der alten Bezeich-
nung entsprechende singulare läge derselben sowie die dort
von mir aufgefundenen antiken Überreste bieten für diese
Ansetzunü, die erwünschte Bestäti^un».
Von Abydos, welches seit dem peloponnesischen Kriege den
Spartanern als Station am Hellespont diente, war der dort
als Harmost befehlende Anaxibios mit seinen lakonischen und
den Soldtnippen sowie mit 200 A])ydenern nacli dem wegen
222 MITTHEILUNGEN AUS KLEINÄSIEN
seiner Werften werthvollen Antandros gezogen und hatte
dorthin eine Besatzung gelegt. Iphikrates legte dem auf den
beschwerlichen: Bergvvesjen des Idao;ebira;es nach Abvdos zu-
■ O C DO j
rückkehrenden von noch andern begleiteten Harmosten einen
Hinterhalt. Vom Chersones kommend durchzog er auf einem
längeren Wege den entlegeneren Theil des abydenischen Ge-
biets und wandte sieh, während seine Schiffe an Abj'dos vor-
bei in der Ilichtung nach Prokonnesos fuhren, wieder den
Bergen und zwar dem Distrikt zu, aus dem der Bergweg von
Antandros ins Abydenische eintritt. Hiernach können wir aufs
Bestimmteste behaupten, dass Iphikrates abseits von Abvdos
in der Sarisiglarbucht landete, das Rhodioslhal durchzog und
bei Giaur-Hissar ins Gebirge eindrang. Er blieb aber in der
Nähe der Ebene, wie der Verlauf der Unternehmung zeigt.
Im Heere des Anax.ibios bildeten die ortskundigen Abyde-
ner die Vorhut. Es durchzog ein Hochplateau, von dem man
in langen, schmalen Colonnen zu der Ebene bei Kremasle
hinabstieg. Die Abydener waren bereits in dieser angelangt
und das Hauptcorps folgte, auf abschüssigem Terrain hinun-
tersteigend, als Iphikrates im Laufschritt von den Seitenhöhen
herunterstürmte. An ein geregeltes Gefecht war nicht zu den-
ken, Anaxibios mit wenigen Getreuen leistete Widerstand und
fiel, die übrigen eilten den Abydenern nach und der Stadt
zu, wobei noch viele den Tod fanden, da die Athener sie bis
zur wie es scheint nicht mehr weit entfernten Stadt verfolgten.
Eine genaue Angabe wo Kremaste gelegen giebt Xenophon
nicht, doch setzt er hinzu, dass sich dort Goldbergwerke be-
fanden. Eben dieselben erwähnt Strabon (591) als ehemali-
gen Besitz der Stadt Astyra, die zu seiner Zeit zerstört und
mit ihrem Gebiet den angrenzenden Abydenern zugefallen
war; es wird gesagt dass Astyra über dem Gebiet von Aby*
dos, d. h. von ihm aus bergein wärts gelegen habe. In eben
diesen Bergen hat man in neuster Zeit alte Gruben entdeckt
und wieder auszubeuten begonnen. Auch die Reihenfolge bei
Strabon (590 fg.), der Astyra nach Lampsakos, Perkote, Arisbe
und Abydos und vor den mit Dardanos beginnenden kleinen
MITTHEILUNGEN AUS KLEINASIEN 323
Ortschaften vor llion aufTülirt, fülirt uns wieder in die Gegend
um den oberen Lauf des llhodios. Dass dieser bei Xenophon
nicht selbst genannt ist darf nicht aulTallen, da es einerseits
nicht fest steht^ ob auch der obere Lauf damals schon den
homerischen Namen getragen hat, und andererseits die Er-
wähnung von Kremasle ausreichte. Wenn der Fliiss indessen
hinderlich oder förderlich in den Verlauf der Unternehmung
des Iphikrates eingegriffen hätte wäre seine Erwähnung wohl
nicht unterblieben. Die oben beschriebene Natur des Flusses
in seinetn Lauf zwischen den Bergen von Giaur-Uissar erklärt
das Schweigen genügend; auch bei der Schilderung des Zugs
durch sein unteres Gebiet ist ernicht erwähnt, obgleich Iphi-
krates ihn nach seiner Landung in der Sarisiglarbucht über-
schritten haben muss.
Es ist oben bemerkt worden, dass der Hinterhalt des Iphi-
krates nicht sehr weit von der Stadt Abydos gelegt worden
sei. Zu dieser Ansicht führt die Angabe, das die ganze Unter-
nehmuns; in einer Nacht vorbereitet und ausgeführt wurde.
Die Landung erfolgte natürlich in später Stunde, um den Be-
obachtungsposten der Abydener unbemerkt zu bleiben. Lan-
dung, Ausschiffung, der vorsichtige Marsch durch die Ebene,
das Ersteigen der Höhen von Kremaste musste noch geraume
Zeit vor Tagesanbruch vollendet sein; Xenophon sagt dass
Anaxibios sorglos seines Weges zog, da er nicht bloss durch
befreundetes Gebiet zog, sondern auch von den des Weges
ziehenden Wanderern {es sind natürlich solche gemeint, die
von Abydos kamen) hörte, dass Iphikrates Flotte die Meerenge
aufwärts gefahren sei, während keiner von dem nächtlichen
Zuge zu berichten wusste.
Auch für den, der die Lokalität nicht gesehen hat, genügt
ein Hinweis auf die genaueren Karten, um die Überzeugung
zu gewinnen, dass der Weg von Abydos nach Antandros zu-
nächst ins obere Thal des Rhodios, dann über die nördliche
Bergkette ins obere Skamandrosthal, ferner über den süd-
licheren Theil des Idagebirges meerabwärts führte. Es ist dies
die nächste, wenn auch nicht bequemste Verbindung; Xeno-
224 MITTHEILUNGEN AUS KLEINASIEN
plions Zug nach der Rückkehr aus Persien gin^^ z. B. weiter
westlich üher die Bergzüge. Etwa zwei Stunden hing von Aby-
dos ans gerechnet bleibt der Weg auf fast ebenem Terrain ,
erst dort beginnt die Steigung, wo man das obere Flussthal
des Rliodios verlässt.
Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, dassden Ana-
xibios sein Weg unter der Biirghölie von Giaur-Hissar vorbei
führte, und ebensowenig, dass Iphikrates sich auf den Höhen
sei es rechts oder links von dem eben erwähnten oberen Fluss-
thal in den Hinterhalt legte. Dass wir von diesen beiden Mög-
lichkeiten uns für die erstere zu entscheiden haben macht
nun nicht Woss die reichere also zweckdienlichere Mannig-
faltigkeit des Bergterrains auf dieser Seite, sondern besonders
die unwillkürlich an den Namen Rremaste erinnernde eigen-
thümliche I,age der wohl noch aus der byzantinischen Zeil
stammenden Burgruine mit antiken Resten höchst wahr-
scheinlich.
Giaur-Hissar ist von Tschanakkalessi etwa 1 2/4 Stunden
entfernt, der Weg nach Abydos mag etwas kürzer sein. Der
Weg von letzterer Stadt führt iiber welliges Hügelland, der
andere von der Rhodiosmündung durch ganz ebenes Terrain,
die letzte grössere Strecke in der Nähe des r. Flussufers hin
bis zu der öfters erwähnten Enge, aus welcher der Fluss in
die Ebene einlTitt. Von hier aus breitet sich zwischen den zum
Theil mit Gesträuch und niedrigem Gehölz bedeckten Höhen
ein schmales langgezogenes Thal aus, das an dem anderen
Ende durch die höheren Bergzüge begrenzt wird. Ich nehme
an, dass der Überfall in diesem engen einem Heere keine
Evobition bestattenden Thale stattfand. Nördlich aleich hinter
dem Eingang zu demselben erblickt man auf wild zerklüfte-
ter Höhe, die jäh und schroff zum Flusslhal abstürzt, die an
unsere Haubritierbureen erinnernden Überreste der mittelal-
terlichcn «Festung der ungläubigen ». Sie liegt auf einem wie
eine üferklippc vorspringenden Felsen, der die Oeffnung in
den Höhenzü2;en unter ihm Tollständie; beherrscht. Von der
Seeseite her steigt man ziemlich bequem bis zu einem an die
MlTTHElLUNnEN AUS KLEINASIEN 225
Biii-gklippe stossendcn kleinen Plateau empor, auf dein die
unter einer jungen Silberpappel entspringende Oiiellc einige
Vegetation hervorruft. Hier pflegte sieh früher eine wandernde
Turkmenenhorde zeitweilig anzusiedeln.
Von der Quelle aus ersteigt man in wenigen Minuten die
von eineFTi doppelten mit Rundthürmen versehenen Mauer-
kranz umzogene Höhe; von dem untern Theil des Burgfelsens
springen nach Westen hin flachere Ausläufer bis zum Sarit-
schai vor; dieselben stehen in keiner unmittelbaren Verbin-
dung mit der Kuppe, auf die sich die Mauerzüge fast allein
beschränken. In grösserer Höhe als die westlichen Ausläufer
ragen auf dem nördlichen Bergabhang grosse rauhe Felsblöcke
wie losgetrennte Stücke der Kuppe empor. Den westlichen
Theil des höhern engeren Mauerringes nimmt ein grosser Was-
ser-oder Vorrathsbehäller ein. Zwischen den vielfach zerris-
senen und zerbröckelnden Thurm- und Mauerresten, von de-
nen man weit ins l^and hineinschant, treten einige Felsslücke
zu Tage, an denen man schmale aus dem Stein gehauene Stu-
fen bemerkt. Es lässl sich natürlich nicht behaupten, dass
diese antik seien. Der einzisje namhafte und sichere Überrest
des Alterthimis, der beweist, dass die Kuppe schon im Alter-
ihum befestii^t war, lie£:t an der Nordseite zwischen dem
höchsten Thurm und einer glatten Fels\Vand. Es ist ein un-
gefähr () Mtr langes^ 2-3 Mtr hohes aus kleinen poIygonen
Steinen fest gefugtes Mauerwerk, das sich durch seine schräge
Lage als Böschung zum Schutz des oberen hier morscheren Ab-
hangs der geringen Umfang bietenden Kuppe zu erkennen gibt.
Nimmt man an, dass die hier im Alterthum gelegene Burg
Kremaste war, so benannt, weil sie über dem Engthal gleicli-
sam zu hängen schien, so wird man die Stelle, an der Iphi-
krates den Hinterhalt legte, auf den südwestlich daran gren-
zenden Höhen und Abhängen voraussetzen dürfen.
2. Komischer Meilenstein von Abydos.
Vor ungefähr einem Jahre wui'de während meines Aufent-
haltes am Hellespont etwa 20 Minuten \on Tschanakkalesi in
226 MITTIIEILÜNGEN AUS KLEINASIEN
der Richtung nach Sarischehr ein römischer Meilenstein in
Säulenforrn (w. M., oben Ablauf^ lg. 1,97, ob. Dm. des Schaf-
tes 0,53, unt. Dm. 0,58'") gefunden und nacli dem Städtchen
gebracht, wo ich ihn vor dem Municipalilätsgebäude liegen
sah. Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, dass in
später Zeit der Stein zu wiederholten Malen benutzt und da-
durch die ursprüngliche Inschrift fast ganz vernichtet war.
Au der Frontseite war eine tafeKihnliche flache Vertiefung mit
rautenförmigen Ausschmückungen rechts und links hergestellt,
dann sowohl diese wie auch die Rückseite von verschiedenen
Händen mit Schriftzügen ausgestaltet, die jetzt ein sinnloses
buntes Gekritzel bilden, in dem nur wenige Silben einen Sinn
geben. Es erscheint überflüssig diese späten Zusätze hier mit-
ziitheilen. Von der ursprünglichen lateinisch abgefassten In-
schrift ist nur die erste und die letzte Silbe erhalten, jene
lautet DDDDNNNN d, i. quaiuor domini nostri und steht
unter dem oberen vorspringenden Rande der Säule, diese un-
terhalb des tafelförmigen Ausschnitts und enthält nur die in
viel grösseren Buchstaben eingetragene Dislanzangabe MIL III.
Die Datirung weist uns wie es scheint in die Regierungs-
zeit des Kaisers Diokletian und zwar in die Zeit von 292/305.
Darauf führt eine Vergleichung mit Inschriften wie C. I. L.
111 1 450, 463, (467), '468, 502, 708, 710, von denen einige
aus benachbarten Gebenden stammen. Da der Stein schwer-
lieh weit verschleppt wurde (er wurde in einiger Tiefe von
einem Bauern aufgefunden) kann es nicht für Zufall gelten,
dass die Distanz von seinem Fundort bis nach Abydos etwa 3
römische Meilen oder 4-5 Kilometer beträgt, sondern es darf
unbedenklich Abydos als caput viae betrachtet werden. Die
Peutingersche Karte, welche die römische Heerstrasse zwischen
Abydos und Dardanos verzeichnet, gibt als Entfernung 9 rö-
mische Meilen an. Auch dies spricht dafür dass die Strasse
einen Bogen bildend etwa mitten durch die jetzige kleine
Ebene lief, denn auf die direkte kürzere VVeglinie von Nagara
über Tschanakkalesi nach Maltepe können kaum 2^2 Weg-
stunden gerechnet werden.
MITTflEILUNGEN AUS KLEINASIEN Itl
3. Inschrift beim Teke von Saradscliik.
Bei Le Bas-VVaddington Asie mineure 1743 " ist nach einer
Calvertschen Abschrift eine Inschrift mitgetheilt, die sich im
Garten des Teke von Saradsehik, ung. 1 St. von Tschanakka-
lesi, befindet. Die Buchstaben sind stark verwittert, sodass
sie für ein ungeübtes Auge schwer ei kennbar sind; in Folge
dessen giebt die a. a. 0. mitgetheilte Copie keinen Sinn.
Die Inschrift steht auf einer 1,05'" langen, 0,70"' hohen,
0,20'" dicken grauweissen Marmorplatte; auf derselben Flache
rechts von ihr ist in einem viereckigen Ausschnitt Artemis
nach einem bekannten Typus (der Jägerin) nicht ungeschickt
in Flachrelief dargestellt : A. schreitet nach r., sie hält in der
vorgestreckten L. den Bogen und zieht mit der R. aus dem
über der r. Schulter hangenden Köcher einen Pfeil; an ihrem
1. Beine hin springt ein Hund. Die Inschrift war 9zeilig, die
Anfänge von Z. 5 und 6 sind wegen eines hier eingelegten
Klammereisens etwas einwärts gerückt; die Ecke unten 1. und
ein Stück des unteren Bandes sind weggebrochen und dadurch
einige Buchslaben der beiden letzten Zeilen verloren gegan-
gen. In Z. 2, 4 und 5 stehen H und N, Z. 3 W und N, Z. 7
W und n, dann T und W, in Z. 8 T H N in Ligatur; zu An-
fang der vorletzten Zeile setze ich ausserdem die Ligatur von
n und P voraus.
A Y P • 0 E O <t> I A O C M Y T I
AHNAIOCAOMOTE
KTwNYnOEPTEniCTA Bild
THNTONASIOAOrw der
TATONEYTYXIAHN Artemis
EYTYXiAOYAnO
ENOCCYNTwnYPrwTW
OCTHNAYCI' r/s
NYn O
2^8 MITTHEILUNGEN AUS KLEINASIEN
Aup. 0e6<pt>.o; Mu-ci-
)CTO)v xiTvh spyeTctSTOc-
Tr,v Tov «^io)^oyo)-
EuTUJ(^t^OU aTTO
evo; <juv tö TTupya) tö
7rp]6? T'/jV ^u(;i[v li. S. w.
Die Bezeichnung des ausser dem Thurin (Landhaus) ausge-
führten Baus sowie das Verbum ist weggebrochen. Der Bau
stand wohl an Stelle des Teke, wenigstens betindet sich der
Stein hier seit langer Zeit, wie man daraus schliessen kann,
dass sein für die Darstellung eines Heiligen geltendes Arte-
misbild bis vor Kurzem zum Gegenstand der Verehrung von
seilen einer zahlreich besuchten auch von den Türken respek-
tirten altberühmten Panegyris gemacht wurde, bis ein Bischof
dem heidnischen Treiben ein Ende machte.
Das Artemisbild steht vermuthlich in persönlicher Bezie-
hung zu dem Verfertisjer der Bauinschrift. Ich sehe in Aur.
Theophilos das Mitglied einer Handwerkerinnung, wie uns
deren in römischer Zeit in Kleinasien ja viele begegnen (Büch-
senschülz Besitz und Erwerb S. 332 A. 1 und Lüders Die dio-
nys, Künstler S. 35 fg. haben Beispiele gesammelt), w-ährend
sie in Griechenland aus früherer Zeit nicht nachzuweisen sind.
Als Obmann zur Leitung bei Versammlungen, zur Vertretung
in Rechtsfragen, überhaupt als magisi.cr collegii fungirte Eu-
tychides*. Zur Erklärung des von mir als sigillum gefassten
Artemisbildes maa; an die Benennunaj des bekannten lanuvi-
nischen Vereins, des collegiwn salütarc Dianae (et. Antinoi) erin-
nert werden (Wilmanns Exempla 319). Die Abfassung der
Inschrift fällt frühestens in die Zeit der Antonine.
' Derselbe stand zu Tlieopiiilos im Veihältniss des BauuiUcrnelimers zum
liaufülirer. Sonacli kann es cinfaclier sclu'inen, das Rclicniild gt'^iclisam als
'Pfiltrikzeiflifn zu lassen. Die Aunassiniij bleibt im Wesentlichen dieselbe,
10
I zu MiUh. d. areli. Insl. VI. S. 229.
OHENTfilAHMniKAEnNEnezTA
OKAHZEinENAIPEeHNAIANAPAZENN
TSlNnOAlTnNEKTOYAHMOYANEYPETA
TnNXnPinNTnNAHM02;inN0SAMH0i<t>
5 PYl-ESEXONTEZ(J>OPONETEAEONEITIZ
TIKATEKTHTAIIAinTHZEZOHAKPonOA
lZKATEAA(t)0HYnOTnNTTOAITnNEAE5;0AI
AEEKTOYTnNTOYZANEYPETAZOZOIMHTnN
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10 NTA5;OM02AITHNAPTEMINANEYPHZEINEITIZ
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KAITlMHZEINTHSAZIHZOPenZKAIAIKAinZK
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15 TIMHNTONIAinTHNTHinOAEIHTOYXnPlOYEZ
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HPAlOTHNAEEKTEIZINEINAIAIATOKEKYTTflZ
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20 TniEINAIKAIEIANctiANHIMHOPOnSKEKTH
MENOZTHNTlMHNAYTONEKTINEINHMtOA
IHNTOYSAEAPXONTASAlTOAOZeAlTAXn
PlAnNANEHSTnSIOIIAinTAIAIAMHNOZA
11.
KATA/^OTOYZAEAnOAHMOYZEnEIAANE
25 AenZIEZTHMnOAlNAnOAOYNAITHNTI
MHNAlAMHNO2HENEXEZ0nNTnifH<j)l2
MAT1KATATAYTAAIKA2TASAEENAIE
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OEXoc TÜV TCoXtTÜv flTi e;^6vt(i)v ti TÜV Ä>1-
l^ociuv ^upitijv, o3{ av 6 Süno? eXriTact. <i[u-
vnyäpou; Si evsti ex tüv ävve!« TpeV{
ot äv Xa;(<i)(Ti, 6(i.off«i Sä x«l tou; SixceaTdt;
xal tou; «Tuvvjy^pou; Tviv "ApTCpnv xatT«
TÖv vdjiov. dyx(5iJ/oci Se toü; dtpjjovToe;
t6 l|/:n^ii<l|iat e; itt)5Xyiv xkI Triv [TljiYlv
ü; äv sxcettToi exTEiffcixrt tüv ^uptuv x*
«l öetvoci e; ToO 'ÄTtcXXuvo; tö tluBio
t6 l]Epäv, TÄ Se ;^pio[iaT5C ävixX[üffai
To]ü[;] liSpxoi'Tot; d; t« icpi Ti Snpi(i(i[ii!£ u. S. w.
MiTTHßlLL'NGEiN AUS KLEINASIRN 229
MI. Insclirift ans Zeleia.
Der freundlichen Vermittlnng der Herrn Limnios in Artake
und Panorios in Panderma (dem zu Kyzikos gehörenden Pa-
nornios) verdanke ich die von einem Dritten angefertigten Ab-
schriften einer grösseren jetzt nach Konstantinopel gebrachten
Inschriftstele, die auf Vorder- und Rückseite beschrieben und
vor iiiclit langer Zeit in Sarikiöi von einem Antikenhändler
ausgcgi-aben ist. Diese türkische Ortschaft nimmt wie die er-
haltenen Angaben dev Alten höchst wahrscheinlich machen
ungefähr die Sielle des alten Zeleia ein ; die magern geschicht-
lichen Notizen *, die wir ans gelegentlichen Bemerkungen ver-
schiedener Schriftsteller entnehmen, erhalten durch die ziem-
lich detaillirten Anü;aben der Inschriftstele für die uns am
Meisten interessirende Epoche der Stadtgescliichte einen erheb-
lichen Zuwachs. Wir werden wenn meine Auffassung der In-
schrift das Richtige tritTt in die Zeit kurz nach der Schlacht
am nahen Granikos geführt; ich erblicke in ihr nämlich ein
die kurzen Andeutungen Arrians {Anabasis 117) über die von
Alexander d. Gr. über Stadt und Land verhäncrten ]VIassreü;eIn
näher beleuchtendes historisches Dokument.
Auf der Beilage gibt I die Inschrift der Front-, II die der
Rückseite. Von I sind offenbar nur wenige Buchstaben, von H
ist, wenn ich richtig annehirie, dass der zweite Monatsname
zum Theil auf der vordem, zum Theil auf der Rückseite des
Steins stand, nur das Ende (aber auch hier nicht viel) verloren
gegangen, eine Neuvergteichung des Steines kann sicherlich
noch einige Berichtigungen und Nachträge liefern. Das kann
uns aber nicht abhalten, die Urkunde schon jetzt hier mitzu-
theilen, namentlich weil ihre weiteren Schicksale ungewiss
sind.
Ausdrücklich bemerkt Limnios, dass die Inschrift leicht zu
lesen sei, die übrigens unbedeutenden Fehler der Abschrift
* Eine Zusammenstellung derselben bei Marquardt Kyzikos S. 21 fg.
230 MITTHEILUNGEN AUS KLEINASIEN
sind also der geringen Übung des Abschreibers zuzuschreiben.
Maasse und Form des Steins und der Verletzungen, die na-
mentlich den oberen Hand und die unlere Partie der Piück-
seite getroffen haben müssen, sind unbekannt, doch ergiebt
die annähernde Vollständigkeit des Inhaltes, dass wie schon
bemerkt nur wenig und z\Yar Unwesentliches verloren ajegan-
gen ist. Es bleibt dahin gestellt, ob die I! Z. 34 fg. erwähn-
ten Slrafansälze, wie wenn der Kaum reichte wahrscheinlich
ist, auf der untern Partie der Rückseite verzeichnet oder auf
einem andern Stein beigefügt waren.
Auch der Inhalt ist wenn man einmal die richtige Anschau-
ung über die Zeit und Veranlassung der Abfassung der Ur-
kunde gewonnen hat leicht verständlieh. Es genügt hier also
die bereits oben ausgesprochene Meinung zu begründen; nur
über weniges Detail mögen einige Bemerkungen zur Erläute-
rung beigefügt werden.
Für die Frage nach der Abfassungszeit ist zunächst hervor-
zuheben dass die Urkunde offenbar bald nach der Besitznahme
der Burg durch die Bürger, also nach Auflösung einer Gewalt-
herrschaft und Gründung demokratischer Verfassung abgefasst
ist. Die Neugestaltung des Staates füiirte nalurgemäss zur Re-
gelung des Besitzstandes, der Sonderung der dem Staate ver-
fallenden Domänen von dem rechllicfien Privatbesitz. Nun ent-
nehmen wir aus der angeführten Arrianstelle, dass Zeleia nach
der Schlacht am Granikos autonom wurde; vcrmulhungsweise
füge ich hinzu dass damals der uns durch seine Nachäffung
des Hermes thöricht erscheinende Nikagoras*, der sich in
seiner Vaterstadt offenbar unter dem Schulz des persischen
Satrapen zum Tyrannen aufgeworfen hatte, vertrieben wurde;
er wird von Clemens Alexandrinus ausdrücklich ein Zeitge-
nosse Alexanders genannt.
Das was Arrian a. a. 0. für die früher unter Arsites, nach
Alexanders Sieg aber unter Kalas stehende Provinz bemerkt,
gilt natürlich insbesondere auch für die Zeleilen, denen Ale-
> Atlien. VII 33, Clem. Alex. Protr. IV 54 (48 Pott.).
MITTHEILÜNGEN AUS KLEINASIEN 231
xander es nicht als Schuld anrechnete, dass sie gezwungen
dem Heere des Grosskönigs gefolgt waren und ihr Gebiet noch
kurze Zeit vorher als Sammelplatz desselben gedient hatte.
An die allgemeine für alle Phryger geltende Bemerkung: tou;
(pöpo'j; Tou; «Otou? aTco^pepetv xoc^a; {sc. 'A>.e^ocvSpo;) ou; Tcep Ax-
peiw e^epov, o5oi (;.ev töv ßscp^apoiv »xTiövTe; ex. töv öpwv eve-/^ei-
p'.i^ov o^x;, TOUTO'j; aev K7:aA>>ocTTeaOxi 57:1 to: auTWv caoc'Jtou;
e)ts>ejB erinnern in unserer Inschrift I Z. 4 fg., wodurch die
oben gegebene Zeitanselzung nicht unwesentlich gestützt ^^ird.
Auch die sachgemässe noch nicht wortreiche aber sehr um-
sichlige Fassung, welche der Urkunde gegeben ist, ferner die
an manchen Stellen angewandten Acolismen', der Wechsel
von 0 und ou sowie von e und st in dem Worte elvat, alles
dies Zeichen des Übergangs zu der durch Alexanders Zug er-
öffneten Ausbreitung des sogenannten Hellenismus spricht für
dieselbe; es mag immerhin als ein glücklicher Zufall bezeichnet
werden, dass die Urkunde gerade in die kurze Zeil fällt, in
der die Sladtgeschichte in ein helleres Licht tritt, der spätere
Verlauf derselben hebt Zeleia nicht wieder aus der Menge der
kleineren Städte derselben Provinz hervor.
Die in der Inschrift erwähnten Beamten sind theils ständige,
wie die mit dem Verkauf der eingezogenen Grundstücke, der
Aufstellung der Inschriftstele, der Verwendung der Strafgelder
für die Slaatsfeste beauftragten Archonten und die wie die
Richter für die Diadikasie verwandten Synegoren (nur ein
Dritlheil derselben wird herangezogen), theils ausserordent-
liche wie die eben erwähnten Richter und die besonders her-
vortretenden etwa den ^yjtyitscI in Athen entsprechenden cJveu-
perat, deren Name wie es scheint anderswo nicht vorkommt.
Die für den vorliegenden Fall herangezogenen oder gewähl-
* Es ist nicht hier der Oii, auf dieselheii näher einzugchen. Auch hahen
sie säramllich ihre Analogien, vieücicht abgesehen von dem Worte Iwe'a,
das I Z. 2 leider versliiminelt ist. sodass es nicht zur Conlrole von II Z. 30
dienen kann. Sollte vielleicht Iw^Fa auf dem Stein stehen und das unge-
wöhnliche Digamraa vom Abseifreiher verkannt sein? Es w,'ire dies indessen
das einzige Vorkommen dieses I-.aulcs auf unserem Steine.
•232 MITTHEILÜNGEN AUS KLEINASIEN
ten Beamten leisten einen Eid bei der Artemis^ die Stele wird
im Heiligthum des pythisclien /ipollon aufgestellt. Das Her-
vortreten dieser beiden offenbar vornehmsten Gottheilen ent-
spiicht dem was wir auch sonst über die Sladtkulte erfahren.
Zum Scbliiss noch eine Bemerkung über den Z. 24 fg. ein-
gesetzten Monatsnamen. Es wäre von Interesse denselben ganz
sicherstellen zu können, da der Zusammenhang wenigstens
höchst wahrscheinlich macht, dass dieser Monat unmittelbar
auf den Z. 27 erwähnten Heraios folgte, weil die Untersuchung
über llechtmässigkeit des Besitzes am Ende des letztgenann-
ten Monats zu Ende sein musste und zu einer Verzögerung des
Verkaufs kein Grund vorlag, dir iasche Erledigung desselben
vielmehr zweckmässig war. Zu der Ergängung 'A-aroupto;
führt zunächst die Überlieferung des mitgelhcilten Textes,
andererseits aber auch die Erwägung, dass wenn das Apatu-
rienfest (es war vielleicht aus einer ionischen Nachbarstadt
übernommen) in Zeleia im Apaturios gefeierl wurde wir durch
dasselbe in einen Wintermonat geführt werden. Die Bestim-
mung des Heraios für die Vornahme der Untersuchung mag
damit zusammenhangen, dnss in demselben die neuen Beam-
ten ihr Amt antraten oder damit dass das bürgerliche Jahr zu
Ende war (die Strafen werden für das ganze vergangene Jahr
angesetzt), muss aber auch aus dem Grunde als besonders
wohl gewählt erscheinen weil nach der im dorisch-äolischen
Kalendersystem den Jahresanfang bildendenHerbstnachlgleiche
die sämmtlichen Produkte der Ländereien geborgen sind.
Andere Inschriften aus Zeleia bleiben einer spätem Mitthei-
lung vorbehalten.
H, G. LOLLING.
<■ .«..gga-t
Tempelsculptureii von Sunion.
(Tufol IX )
Kin kiirzor Besueli des AllienaLcnipels von Sunion im Mai
dieses Jalires gab mir Gelegenlieil die Lesterhaltenen der un-
terdenTrümmern desselben herumliegenden Reliefbruchstücke
fliichlig zu skizziren. Obwohl diese Skizzen bei der ungünsti-
gen La^i und Erhalluni»; der PJaLlen sowie dem fast immer-
während auf dem Vorgebirge herrschenden orkanartigenVA inde
keinen Anspruch auf Genauigkeit maclien können^ so halte
ich ihre Mittheilung doch nicht für überflüssig, da sie genü-
gen um Inhalt und Composition dieser immerhin interessanten
Fragmente zu veranschaulichen^ welche von den früheren Rei-
senden, die übei' Sunion geschrieben, angeblich wegen zu
sctilectiter Erhallung nie einer grösseren Aufmerksamkeit ge-
würdigt und deshalb leider ohne eine Spur des Verlorenen zu
hinterlassen schon seit Jahrhunderten durch Welter und Raub-
sucht in ihrem Bestände gemindert worden sind.
Das Material der Platten ist nicht der bläuiicli-wcisse schief-
rige Marmor des Tempels, sondern ein weisser grobkörniger,
wahrscheinlich parischer Marmor. Ihre Dicke belriigt 0,83'",
ihre Höhe soweit die Kanten erhalten oder der Lage wegen
raessbar sind, etwa 0,81-0,83'"; die Lüngc dagegen ist ganz
ungleich, bei A z. ß. 0,85'", bei C 1,33'", so dass also auf
keinen Fall mit den früheren Reisenden an Metopen zu denken
ist. Da ferner eine unter den Trümmern der Ostseite liegende
mit dem Triglyph zusammengearbeitete Metopo des Tempels
bei einer Höhe von ebenfalls 0,81'" doch 0,70'" in der Breite
misst und überdies kein Relief hat, so sieht man leicht dass
sämmtliche Reliefplatlen Fragmente eines Frieses waren. Und
NflTTU.D. AnCU.I.NST.YI. 16
234 TEMPELSCULPTÜREN VON SUiMON
zwar kann man daraus, dass ABC an der Nordoslecke, DF
an der Südosleckej E an der Nordseite aber auch nielir nach
Oslen zu liegen^ vielleicht schliesscn, dass der Fries mir an
der Ostseite der Cella, eventuell auf die Langseiten übergrei-
fend, angebracht war. Im allgemeinen scheint die Grösse der
Platten wie am Friese von Phigalia nach den entsprechenden
Composilionen zugeschnitten worden zu sein, doch muss zu-
weilen auch wie aus B ersichtlich eine Figur über die Fuge
hinüberee^iiffen haben. Die seitlichen Flächen sind soweit
man sehen kann als Auschlusstlächen geai'beitct.
A. Ein nach rechts sprengender Kentaur wird von einem
ihn verfolgenden Lapithen, der über dem erhobenen linken
Arm die Chlainys tragt, mit der linken Hand am Hals oder
Haar gepackt, während dessen Rechte schräg abwärts zum
Schlag ausholte.
B. Ein von links heransprengender Kentaur stösst wie es
scheint einem rechts niedergesunkenen Lapithen einen Fich-
tenstamm, den er in beiden Händen hält, an den Kopf.
C. Kaineus, halb in der Erde steckend und den Körper
rechts aufwärts gebogen, wird von zwei symmetrisch ihn an-
greifenden Kenlau ren in der bekannten Weise durch Aufwer-
fen von Stein blocken gelödtel.
D. Theseus bändigt den marathonischen Stier. Der Heros,
der mit vorgesetztem rechten Bein nach links stürmt, hat,
indem er den Oberkörper gewaltsam umwendet, das Thier,
das ebenfalls mit gesenktem Kopf nach links rennt, mit beiden
ausgestreckten Armen am Hintertheil, vielleicht mit der lin-
ken Hand am Schwanz gepackt^ offenbar um es durch einen
plötzlichen Ruck in der Richtung seines Laufes zum Über-
sciilagen zu bringen. Das rechte Ohr des Stiers ist zum Theil
erhalten, das linke war in das noch sichtbare viereckige Loch
eingesetzt. In der Mitte des Stierkörpers bemerkt man ein klei-
nes Loch, das wohl mit der Bewegung der rechten Hand zu-
sammenhängt.
E. Ein Krieger ist nach rechts hin rücklings aufs linke
Knie niedergesunken, indem er das rechte Bein im rechten
TEMPELSCULPTUREN VON SUNION 235
Winkel abstreckt und beide Arme erhebt. Hinter ilim wird
sein zur Erde i^efallener runder Schild, darüber nahe dem
oberen RelielVand ein Ansatz sichtbar, der von seiner rechten
Hand oder der Hand seines Gegners stammen mag.
Einige sehr zerstörte Fragmente, deren Inhalt nicht zu er-
icennen war, hielt ich nicht der Mühe werth zu zeichnen. Nicht
gefunden habe i(;h
FG. Zwei von der Expedition de Moree Hl Tf. 33 Fig. I zu-
sammen publicirte Stücke, deren sciimaleres eine stehende
Mantelliii;ur mit zur Biusthühe ei-hobenen Armen im Profil
nach rechts, das gvössere zwei nackte Männer darstellt, deren
einer von links her in gewaltiger Bewegung mit hoch vorge-
setztem linkem Bein den andern angreift, während dieser ru-
higer stellend die Arme wie zum Schwingen einer Waffe über
den Kopf erhebt. Ferner:
H. Die von Fourmont beschriebene aber schon von der fran-
zösischen Expedition {\l\ S. 16) nicht mehr gefundene Platte,
Avelche darstellte wie femme assise avcc un petit enf'ant qui,
comme eile, Icve Ics bras et parcilt regarder avec eff'roi un komme
nu qui se prccipite du haut d'un rocher. Ob mit ihr
/. eine von Dodwell erwähnte und angeblich sehr gut er-
haltene, die unter dem Tempel am Meer lag, identisch ist
oder nicht, kann nicht mehr festgestellt werden. Dazu kommt;
A'. eine sehr gut erhaltene Platte, die nach einer Mittheilung
von Herrn Dr. Lolling im Innern des Tempels so unter Trüm-
mern verdeckt liegt, dass man über die Darstellung nichts
sagen kann.
Der Inhalt des Frieses scheint soweit man bisher sieht ein
einheitlicher gewesen zu sein insofern er.Thaten des Theseus
mit besonderer Bevorzugung des Kentaurenkampfs darstellte.
Eine Eintheilung in einzelne selbständige Gruppen und ein
öfteres Vorkommen des Hauptheros in verschiedenen Situa-
tionen muss allerdings als unmittelbare Folge des gewählten
Gegenstandes vorausgesetzt werden und würde als Analogie
der praxitelischen Herakleskämpfe im Giebel des Herakles-
tempels zu Theben von kuusthistorischer Bedeutung sein. Im
233 TEMPELSCULPTUREN VON SüJNION
Kreise der Tlieseusmylhen wird man darum auch die von Four-
mont beschriebene Composition suchen müssen, obwohl es
nicht leicht sein dürfte bei genauem Festhalten an der Be-
schreibung die Deutung der dargestellten Scene zu finden (Ski-
ron von Theseus ins Meer gestürzt? Aigeus sich ins Meer stür-
zend?). Man sieht übrigens, vorausgesetzt dass der Tempel der
der Atli 'oa war, hier wieder einmal, ein wie lockerer Zusam-
menhang oft dieSculpturen eines Tempels mit der in ihm ver-
ehrten Gottheit verband.
Das Erhaltene genügt, um die kunslhisLorische Stellung der
Reliefs im allgemeinen zu kennzeichnen. Die Composition von
A wird jedermann bekannt vorkommen, sie hat in mehreren
Parthenonmetopen (Michaelis II 111 XXVII) Analogien, ohne
doch mit einer derselben so genau übereinzustimmen, dass
man sie als Copie derselben bezeichnen könnte. Ebenso hat E
mit dem niedergestürzten Lapithen Michaelis IV eine nur ganz
allgemeine Aehnlichkeit, und auch die Kaineusgruppe C hat
mit der im Theseionfries nicht mehr als diejenigen Züge ge-
mein, die überhaupt durch das Motiv gegeben sind, während
allerdings die Bewegung des Kaineus sich fast genau so in der
entsprechenden Figur des Frieses von Phigalia wiederholt.
Ganz originell ist die Stierbiindigung D, die weder mit der
entsprechenden olympischen Metope noch mit den Gruppen
auf dem Theseionfries und der Nikebalustrade in dem ihnen
allen gemeinsamen Hauptmotiv des Hornfassens überein-
stimmt, sondern die Scene in ganz neuer mindestens ebenso
wahrer und lebendiger Weise wiedergibt. Kurz wir erhalten
das Bild eines Künstlers, der obwohl ganz in den Gedanken-
kreisen und Compositionsformen der monumentalen Sculptur
der älteren attischen Schule erzogen dennoch seiner künstle-
rischen Auffassung nach selbständig genug ist um die ihm
überkommenen Formen in freier und origineller Weise anzu-
wenden und umzubilden. Soweit man erkennen kann zeichne-
ten sich die Fii?;uren durch eine gewisse Schhmkheit vor denen
des Thes'^ionfriepcs und des ebenfalls noch älteren Frieses von
Phigalia ai?, und die wenig; n Theilc, an denen sich die Ober-
TEMPELSUULPTUREN VON SUNION 137
fläche intact erhalten liat, z. B. das linke Bein des Lapithen
auf /l und des Theseus auf I> zeugen von einer frisclien leben-
digen Nuturaiiflassung, die der besten Zeit würdig ist und
uns hindern sollte den Tempel allzuweit herab zu datiren.
RONRAD LWGE.
Die Münze der Kleruchen auf Delos.
1. Lorbeerbekränzter Kopf des ApoUon nach rechts, im Na-
cken der Köcher. Darunter TPIA.
Hs. AOE Eule auf einer Amphora stehend. — Gew. 4,645
Grm.
2. Lorbeerbekränzter Kopf (Apollon? Artemis?) nach rechts,
den Köcher im Nacken. Darunter TPIA.
Hs. wie oben. — Gew. 3,965 Grm. Das Stück hat am Rand
gelitten.
DIE MURNZß DER KLERUCIIEN AUF DELOS 239
3. Lorbeerbekrünzler Kopf der Artemis nacli rechts, im Na-
cken Kücher. Dariinlor T P I A.
lis. wie oben. — Gew. 1,809 Grm. Ganz oxydirt.
4. Lorbeerbekrünzler Ko})f des Apollon nacli rechts.
Tis. wie o])en. — Gew. 1,23 Grm. (ein anderes E.vemplar
wiej^t 0,01?). y<^\. Beule Les mouuaies d'Alh. auf S. 87 und
210.
5. Kopf der Artemis nach rechts im Perlkrois, im Nacken
Köcher.
Rs. A[OE Gefjiss (Plemochöc?) in einem Kranze. — Gew.
1,305 lirm. (ein anderes Exemplar wiegt 1,14).
6. Kopf der Artemis nach lechts, im Nacken Köcher.
I\s. AOE Cicade. — Gew. 0,5G.j Grm.
Die Übereinstimmung in den Typen der Hauptseiten, die
abwechselnd den Kopf des Apollon und der Artemis aufwei-
sen, in dem Genräg«^, der Grösse und dem Gewichte lässt
darauf schliessen, dass die oben abgebildeten, auf der Rück-
seite durch die Initialen Athens gekennzeichneten Kupfermün-
zen, obwohl nicht gleichzeitig gepi-iigt, doch der.selben Reihe
angehören, in welclier die Stücke 1-3 das grösste, das Stück
6 das kleinste Nominale repriisentiren. Diese Reihe kann, wie
der Typus der auf der Amphora stehenden Eule beweist, nicht
älter sein als das mit den Monogrammenmünzen beginnende
neue SilbcrgeJd Athens; nach dem Stil derjenigen Stücke zu
schliessen, welche für die frühesten gehalten werden müssen,
gehört sie einer sp;i leren Periode an. Das Grossstück ist durch
die Beischrift TPIA auf der Schauseite ausgezeichnet. Dieses
Stück war bisher nur aus einer Abbildung bei Ilarwood, Po'
piilorum et reg. sei. minminata Tf. [(lorbeergekränzter Kopf des
Apollon ohne Köcher) bekannt. Die Münze erschien Beule na-
mentlich wegen der in der athenischen Numismatik ohne jede
Analogie dastehende Beischrift so befremdlich, dass er die
Aechlheit derselben oder doch wenigstens die Zuverlässigkeit
der Abbildung bezweifelte [Lesmon. d-Alh. S. 88Anm.); seit-
dem ist man meines Wissens nicht darauf zurückgekommen,
fndess hat die Sammlung Finlay ein Exemplar mit dem Ar-
240 DIE MÜENZE DER KLERUGHEN AUF DELOS
temiskopf enthalten, über dessen Verbleib ich nichts habe in
Erfahrung bringen können, von dem ich aber hier in Athen
einen Abdruck £;esehen habe. Von den oben abuiebildeten
Stücken wurden das eine von Paros zusammen mit andern
Münzen dieser Insel, die beiden andern kurze Zeit darauf wie
versichert wurde von Andros nach Athen gebracht; zugleich
mit den letzteren wurden mehrere Exemplare der kleineren
Nominalen und einige Münzen von Delos erworben.
Dass Tpioc nur eine Werthbezeichnung sein könne, scheint
ausser Frage zu stehen; aber was hat man zu dem Zahlwort
zu ergänzen? Nach der älteren Ansicht wurden als Theilmün-
zen des yjx.\-Ao\jq in Atben >.e7i:T« geprägt, von denen sieben
auf die genannte Einheit gingen; von dum T^ewt-ov soll nach
der Meinung von P'^okesch, der sich Beule angescblossen hat,
der für Athen als Scheidemünze bezeugte y.6l'k\j€oi nur dem
Namen nach verschieden gewesen sein. Aber mit Recht wio
es scheint hat Hultsch (Metrologie S. 1^1 ,Mefrologicorum Script,
rel. 1 S. 156 f.) die Theilung des ix\v.o\)c, in 7 T^ettt« für Athen
als unerwiesen und unwahrscheinlicb beanstandet. Hultsch
seinerseits ist geneigt anzunebmen, dass der Chalkus gevier-
telt worden sei und dass diese kleinste Scheidemünze x6)^*Xu€o?
oder in der von Pollux gebraucbten neutralen Form x6>."XuSov
genannt worden sei. Hiernach könnte man vermuthen, dass
zu rpisc zu ergänzen sei v.oWxi^x, um so mebr als das xpixö^-
>.uSov von Pollux (IX 72, vgl. das ^ixö>i>u§ov 63) genannt wird.
Aber, auch abgesehen von der neutralen Form des Nomens,
bezweifele icb , ob der x^l'/u^o? je in Athen in Kupfer und als
Fraction des Chalkus gescblagen worden sei. DieCitate, welche
Pollux als Beläge für die Münze anführt, gehören mit Ausnahme
einer nicht in Betracht kommenden Stelle dem fünften und dem
Anfang des vierten Jahrhunderts an und setzen dieselbe in
Beziehung zum Obolos, nicht zum Chalkus. Nun ist allerdings
nach der herrschenden Ansicht spätestens seit der Mitte des
fünften Jahrhunderts in Athen Kupfergeld geschlagen worden.
Aber diese Ansicht ist i;on ic;> irrig. Es ist hier nicht i\c.v Ort
der Frage nach dem Beginn der Kupferprägung in Athen näher
DIE MURNZE DER KLERUCHEN AUF DELOS Ui
zu treten; ich muss mich begnügen darauf hinzuweiseri, dass
bis jetzt keine athenische Kupfermünze des älteren Stiles, wie
er für die Prägungen des fünften Jahrhunderts vorauszusetzen
ist, bekannt geworden ist, während das einzige litferarische
Zeugniss, auf welches man sich zum Beweis, dass schon vor
dem Ende dieses Jahrhunderts in Athen Kupfurgeld geschlagen
worden sei, beruft, sehr problematisch ist.* Hiernach scheint
nichtsübrig zu bleiben als zu xpioczu ergänzen TSTocpTvijxoptx und
in dem Stück das TptxapTvifxöpiov oder TptT7)[jL6piov, den Dreivier-
telobol zu erkennen, der seit der Einführung der Kupferprä-
gung gleich ßj^z^xor war. Dagegen darf man nicht einwenden,
dass diese Namen der Silberprägung angehören ; aus den von
Poll. IX 65. 60 angeführten Stollen aus der netien Komödie
ergiebt sich, dass dieselben in den Zeiten der Kupferprägung
beibehalten wurden, obwohl daneben auch Namen wie Six«>.-
>cov aufkamen. Die Stücke 4. 5 sind dann natürlich als rpiTyi-
{Aopioc, das Stück 6 als ^3c"XxoO? anzusehen. Zu grösserer Sicber-
heit über die Werthe dieser Münzen wird sieb erst gelangen
hissen, wenn das attische Kupfergeld classificirt sein wii*d,
eine Aufgabe, für deren Lösung es bis jetzt man darf sagen
an jeder Vorarbeit fehlt.
Ob in der hier besprochenen Reihe grössere Nominale als
das Tritemorion geprägt worden seien, ist zu bezweifeln.
Mit dieser Reihe nemiicii muss es eine besondere Bewandniss
haben. Jeder, der namentlich die Originale prüft, wird die
Bemerkung machen, dass sie im Stil sich von den attischen
Münzen derselben Zeit unterscheiden. Dass die den Stücken
1-3 beiijfefüoleWerthbezeiclinune: in der attischen Numismatik
» Dom Slile des fünften JahrliumlerLs iiüliern sicli einzelne von den wenig
gekanuloniind in der Tlial seltenen KupfersUiclven, welclie auf der Vorder-
scilc den Alhonelvopf oder das Vorderlheil eines Löwen, auf der Rückseite
je einen Buchstaben des Alpliabets tragen (vgl. Beul^ S. 78. wo gewiss
irrthümlieh Blei als Material genannt ist ; und Prokescli Abb. der kals.
Akad. 1857 pliilos. Iiistor. CK ix S. 319 unter fihüyynna Crelae). Aber diese
Stückesind, wie allein schon das Fehlen des Stadtnamens beweist, nicht als
Geld geschhigen worden.
242 DIE MÜENZE DER KLERÜCHEN AUF DELOS
ohne Analogie ist, wurde schon bemerkt. Wenn diese Ab-
weichungen den Gedanken anregen, die Serie sei nicht in Athen
geprägt, so kann ein Blick auf die Typen der Schauseiten uns
weiter führen. Diese, die lorbeerbekränzten Köpfe des Ge-
schwisterpaares Apollon und Artemis, sind dieselben wie auf
den autonomen Silber-und Rupfermünzen von Delos, auf
denen ihnen auf der Kehrseite die Typen der Lyra und des
Pahnbaumes mit und ohne Schwan entsprechen. In der athe-
nischen Numismatik erscheinen jene Typen nur vereinzelt und
in anderer Auffassung. Wären die Münzen mit der Aufschrift
rpi« in Athen geprägt worden, so müsste es als ein seitsamer
Zufall angesehen werden, dass seit Menschengedenken kein
Exemplar nachweif?licli auf dem Boden von Attika gefunden
worden ist, während in kurzer Frist drei Stücke aus der Um-
gebung von Delos nach Athen gebracht wurden. Ich zweifele
nicht, dass diese Münzen bei den französischen Ausgrabungen
auf jener Insel aufgefunden und von den Arbeitern verkauft
worden sind. Delos kam im .1. 166 in den Besitz der Athener
und wurde nach Vertreibung der Delier mit einer Kieruchen-
gemeinde, dem r^/jp; 'Aöv^vaioiv twv sv ^■ri'kt^ besetzt. Ich habe
früher (Mitth. IV S. 250 ff.) ausgeführt, dass das athenische
Staatsrecht den Bewohnern der unterworfenen oder incorpo-
rirten Gebiete ein beschränktes Münzrecht beliess, und es
daraus erklärt, dass sowohl in den kleruchischen Besitzungen
als in Eleusis Kupfergeld geprägt worden ist. Ich habe ange-
nommen, dass die Münzen mit den Aufschriften H (() AI M Y PI
IMBPOY s:AAA nPfiTTiaN von den alteingessessenen Be-
wohnern der betreffenden Gebiete, nicht von den athenischen
Kleruchen geprägt worden seien, ohne mir zu verhehlen,
dass man über diesen Punkt anderer Ansicht sein könne. Die
Delos zugewiesenen Münzen mit der Aufschrift AOE schei-
nen indess jene Annahme zu bestätigen. Aus Polybius Bericht
über die Besitzergreifung der Insel (XXX 21 XXXII 17 vgl.
Mitth. I S. 265 f.) ergiebt sich, dass die alte Bevölkerung
auswanderte. Mit dem Besitz des Territoriums traten die Kle-
ruchen in das durch die bestehenden staatsrechtlichen Normen
DIE MUENZE DER KLERUCIIEN AUF DELOS 243
beschränkte Miinzrecht ein; den auf Grund dieses Rechtes ge-
prägten Münzen gaben sie auf der Kehrseite athenische Typen
mit den Initialen der Stadt, während sie für die Schauseite
die alten den hochheiligen Culten entnommenen Typen ihrer
neuen Ileitnalii beibehielten. Grössere Nominale als das Tri-
temorion scheinen nicht geprägt worden zu sein. Es scheint
nenilich, als ob auch die Kupferprügung in den abhängigen
Territorien auf die kleineren Nominalen vom Obolos abwärts
beschränkt gewesen sei. Das autonome Kupfergeld von Delos
aber war nach einem andern Einlheilungssyslem ausgebracht
worden als das attische; der Obolos war in wenigstens 10
)^a"X5to? getheilt worden*. Daraus scheint es sich zu erklären,
dass die Kleruchen ihrem Grossstück die für uns freilich nicht
ohne Weiteres verständliche Werthbezeichnung beifügten.
ULRICH KÖMLER.
' Th. HomoUe, Bull, de corr. IMt. II (1878) S. 578 f. Vgl. Brandis. Das
Münz-Mass-und Gewiclilswesen S. 293 f. In den nicht seltenen sehr zier-
lichen Kupfermünzen von 1 '/j Grösse nach Mionnets Scala, welche in der
Hegel die im Text beschriebenen Typen tragen, wird man den delischen
Chalkus zu erkennen haben. Ein von Prokesch in den Inedita (Denkschr.
der kais. Akademie der Wissensch. philos. histor. Cl. V 1854 S. 279 und
Tf. III 1 I2i herausgegebenes Stück hat als Typus derVorderseite den bekränz-
ten Kopf des ApoUon, auf der Kehrseite «bekränztes Brustbild der Artemis,
den Köcher auf der Schulter» mit AH.
Von den neusten Ausgrabungen in der
cyprischen Salamis.
(Scliluss.)
Von grösserem Interesse sind die Statuetten ans Terracotta.
Ich beginne mit den Darsteüuno-en von Thieren. In dem
Grabe eines armen Kindes fand ich eine 15 Cm. lanse und
fast 7 Cm. hohe Kinderklapper in Form eines Schweines. Die
Arbeit ist roh. Löcher vertreten die Augen; dieselben dienten
zugleich als Schalllöcher. Das Gerauscli wurde durch ein in
Herzform gearbeitetes Stück Terracotta hervorgebracht, wel-
ches ich beim Zusammensetzen des zerbrochenen Spielzeuges
auffand. Später fand ich eine zweite ähnliche aber kleinere
Darstellung eines Schweines.
Von viel besserer Bildung, wenn auch immerhin nur im
Grossen angelegt, ist ein 8 Cm. hoher liegender Ziegenbock.
Selbst die Spaltklauen bekunden bereits einen höheren Grad
der Ausführung. Um den Hals geht vertieft eingeritzt ein Band
mit einer daran ebenso eingeritzten Fortsetzung, Glocke und
Glockenband andeutend.
Von einer Pferdedarsfellung fand ich nur den Kopf mit Hals.
Es ist zweifelhaft^ ob nicht von vornherein nur eine Pferde-
büste gefertigt wurde. Ich messe vom Halsende bis zu den
Ohrenspitzen 7 Cm. Die Augenäpfel stehen vor. Der Kopf ist
mit der Halfter gezäumt. Die Darstellung ist roh, aber le-
bendig.
Auch von einem Löwen ist nur Hals und Kopf erhalten (vom
Hals bis zur Craniumhöhe 6, 5, vom Cranium bis zum Ra-
chenende 4, 5 Cm.). Die Terracottamasse ist eine andere als
die gewöhliche, sie ist semmelfarben. Stil und Material deuten
auf Importalion. Die Auffassung ist starr und schematisch. Den
AUSGRABUNGEN IN CYPERN 245
besten Beweis l'iir den assyrischen Eiiifluss gewälirl die Be-
handlung der Müline, welche anf dem Jfalsc zu einer phanta-
stischen Blume in Tiel'relief umgebildet ist, ähnlich der An-
ordnung des Haupthaares an assyrisclien oder alt-kyprischen
Köpfen in Pal i netten form.
unter den gefundenen Thiermotiven nimmt durch vorzüg-
liche Bewegung und richtige Grössenverhällnisse eine (mit
Sockel) 10 Cm. hohe Ente die erste Stelle ein. Die Ente ist im
Begriff zu gehen und hebt den Kopf nach reelits in die Höhe.
Der Schwanz ist erhoben. Dieriiigel und IJauplfederpartieen
sind gut angegeben. Das eine gnterhaltene Auge erscheint mit
Augenwinkeln, Augenapfel und Pupille ausgebildet. — Ich
fand das Stück zusammen in einem Grabe mit der später zu
beschreibenden Aihene.
Viel roher ist die Statuette einer mit dem Sockel 9, 5 Cm.
hohen Gans. Nur die Flüoelmasse ist roh aniiredeutet. Der
Körper verschwindet im runden Sockel, ohne dass Füsse an-
gegeben sind. Characteristisch sind dagegen die Halsdurch-
biegung, Schnabel und Kopf wiedergegeben.
Ich füge hier die IG Cm. hohe Gruppe Aphrodite auf der
Gans, oder richtiger auf der Schwanengans an. Die Göttin
sitzt, von einem Peplos umwallt, den sie soeben zurückge-
worfen hat und mit beiden Händen hält, auf einem Vogel,
•welcher zwischen Gans und Schwan die Mitte hält und als
Riesenvogel dargestellt ist. Das Gewand ist über den Hinter-
kopf gezogen und fällt in langen Falten über den Unterkörper
herab. Auf dem muschelartig nach vorn geöffneten Gewand-
theil hebt sich der bis unter die Scham nackte Körper kräf-
tig ab. Das Haar ist in der Mitte gescheitelt und legt sich in
massigen Wülsten um die Schläfen. Der wie die ganze Figur
nur roh angelegte aber verhältnissmässig kleine Kopf ist leise
gesenkt und blickt nach links. Beide Arme sind in eine ge-
wisse freie Symmetrie gesetzt. Die Hände sind so klein, dass
der Künstler sich nicht die Mühe genommen hat sie auszufüh-
ren. Die Göttin sitzt auf der linken Seite des Vogels. Von dem
Vogel ist nur wenig zusehen: Kopf, Hals, ein Theil des Vor-
246 AUSGRABUNGEN IN OYPERN
derleibes, ein Fuss und das Schwänzende. Der Gesammteindruck
der Gruppe ist harmonisch , ^V()zu neben dem Peplos und dem
nackten KÖrpertheile der vorgestreckte Vogeibals wesentlich
beiträgt.
Ich lasse hier ein Fragment folgen, weiches entweder zu
einer Aphroditestatuette oder zu der Statuelte einer Priesterin
Aphroditens gehört. Eine weibliche Hand, wol die Rechte, 1,75
Cm. lang, hält graziös einen 5,75 Cm. langen Hasen an den
Hifiterfüssen. Über die Hand fällt das Gewand. Das Fragment
scheint seiner Beschaffenheit nach eher von einer lleliefdar-
stellung als von einer Rundfigur herzurühren.
Ein anderes Fragment aus dunkeler Terracotta, Theil eines
nackten Figürchens, 6 Cm. hoch, ist in seinem unteren Theile,
Knie und Schenkel, erhalten. Am Körper fällt, diesen frei las-
send, ein Gewand herunter.
Ich gehe zur Gruppe der weiblichen Gewandfiguren über.
Ich erwähne zuerst eine beinahe intacte 1 1,5 Cm. hohe Sta-
tuette. Nur am linken Unterarm fand eine Beschädigurg statt.
Die Figur ähnelt ungemein einem im Louvre befindlichen aus
Kyrenaika stammenden Terracottafigürchen, welches von L.
Heuzey in den Mon. Grecs 1874 S. 18 Tf. I C publicirt worden
ist. Die aufrecht stehende Gestalt ist in den Peplos gehüllt.
Die Rechte ruht durchgebogen 'hinter dem Rücken in Kreuz-
höhe. Die Linke hängt am Körper herunter. V^om eingehüllten
Kopf ist nur der Gesichtstheil von Stirn bis Kinn frei. Der
Kopf ist sanft nach rechts geneigt. Wir haben eine reife Frau
vor uns, die betrübt den Blick zur Erde senkt. Es ist ganz
die Figur der verhüllten trauernden Demeter, wie sie uns
im Hymnos Homers geschildert wird (s. Heuzey a. a. 0.).
Zwei andere kleine Fragmente scheinen zusammen und zu
einer Replik desselben Vorwurfs zu gehören.
Eine 15,5 Cm. hohe Gewandstatuette wurde ohne Kopf
gefunden. Auch am Körper ist eine Stelle ausgebrochen. Die
Figur steht auf dem r. Bein. Der Peplos fällt in schöngeord-
neten reichen Falten am Körper herab und schmiegt sich eng
AUSGRADIJNGRN IN CYPERN 247
an densolben an. Die Linke ist liiriler dem Rücker. verborgen.
Die Ueclitc zieht, an den Fallen nnler der Bf-iisI.
Eine andere oline Kopl' und liände gefundene. Statuette von
12,5 Cm. Höhe steht mit über die Brubt <>esehlagenen Armen
da. Der r. Fuss steht etwas vor dem 1. Ein Hüf'tengürlel
unterbricht allein die schlicht am Körper herunterfallende
Gewandung.
Ein 11,5 Cm. hohes kopfloses Gewand ligürchen ist graziös
gedacht. Behandlung und Fallenlage des Peplos ist einem llat-
ternden modernen Ballgewande mit Schleppe und Überwurf
zu vergleichen. Das wohl mit Spangen auf den Achseln zu-
sammengehaltene Gewand ist in Begriff über den nackten
rechten Arm hcrabzu rutschen ; die r. Hand fasst das eine
Ende des Peplos, der auf der linken Achsel ruht. Die r.
Brust ist ziemlich entblösst. Der 1. Oberarm erscheint nackt,
über den Unterarm fällt das andere Ende des Peplos; die 1.
Hand ruht unter der Brust am Gürtel. Ausser dem Kopfe
fehlt noch ein Stück unten am Gewände und Sockel. — Ich
vermuthe in diesem Bildwerke eine Genrefigur.
Es möge hierdas beslausgeführte und besterhaltene weibliche
Köpfchen meiner salaminiscben Funde folgen. Dasselbe ist
2,75 Cm. hoch. Von unten und 1. zieht sich ein Schleier
nach r. und oben, die 1. Backe weniger, das Kinn und die r.
Backe weiter verhüllend. Um den kleinen Mund spielt ein
sinnlicher Zuc. Die Auoen blicken sinnend nach vorn. Bas
Scheitelhaar ist in welligen Partien angeordnet. Um den Kopf
ist ein Band geschlungen. Der Hinterkopf ist abgebrochen.
Ein anderes vom Kinn bis Oberhaupt 3,5 Cm. hohes Köpf-
chen trÜEct den Ausdruck von Trauer und Schmerz. Eine
breite Slirnbinde zieht sich bis vor und unter die Ohren.
Über die Binde fallen r. und l. in genauen Abständen über
den Schläfen sauber angeordnete Haarpartien wellig herab.
Ein anderes Köpfchen, vom Kinn bis zum hocliaufgesetzten
Modius reichlich 3 Cm. hoch, erinnert ganz an die gleichen
am Salzsee bei Larnaka gefundenen Köpfe und Figuren. Das
Köpfchen gehört entschieden zu einem Typus, der sich auf
248 AUSGRABUNGEN IN CYPERN
Cypern herausgebildet lial und von Einigen für Demeter, von
Anderen für Aphrodite gehalten \\ird. Icli halle diese Gottheit
und ihre Darstellungen für einen Misch Lypus, der aus beiden
hervorging. — Die Göttin sitzt auf einem Thronsluhl, der stets
dieselbe eigenlliümlich ausgeschweifte Form der Lehne zeigt,
sowie die Göttin stets denselben hohen Kopfputz trägt und
den 1. Arm gegen die Brust hin gebogen hat, in der 1. Hand
einen Gegenstand haltend, der einer Blume oder Frucht
Ühneit. Die vorgestreckte R. ruht auf dem Knie. Zuweilen
ist die Göttin noch von zwei ßec^eiterinnen umo;eben. Ver-
schiedene Museen und Sammlungen besitzen Repliiven dieses
Vorwurfs (s. die Sternsche Bearbeitung des Werkes von Ces-
nola über Cypern S. 401 fg. und Taf. I 2). ^
Ein 3 Cm. hohes Köpfchen trägt einen aus dem Haar selbst
gebildeten hohen Kopfputz. Das Haar ist über der Stirn ab-
gescheitelt, seitwärts gezogen, mehrere Male mit dem Haar
des Hinlerhauptes verschlungen und in einem hochaufgesetzten
Knoten zusammengefasst.
Eine andere Figur gehört ins Genrefach. Leider konnte ich
nicht alle Stücke finden; es fehlen die r. Schulter und der
mittlere Theil des 1. Arms. Auf einem einfach angedeuteten
Sessel sitzteineGewandfigur. Auf ihren Knien ruhtein Kistchen
mit einem schrägen Deckel. Es wird vom linken bis auf die
Hand verhüllten Arm gehalten, während der theilweise ent-
blösste mit einem Armband gezierte r. Arm leise auf dem
Kasten ruht. Im Gesicht, das nach unten schaut, spricht sich
eine gewisse Pfiffigkeit aus. Die Nase ist etwas stumpf. Das
Haar ist in hohen Lockenpartien aufgethürmt, auf denen ein
kranzförmiger Putz ruht. Von einer Replik derselben Dar-
stellung fand sich ein Fragment. Später sah ich eine ähnliche
Figur in der Sammlung des Dr. Pierides in Larnaka.
* Dass die llauplgöUin von Cypern nur die Astartc sein kann unterliegt
nach den zahlreielicn l'undcn wie nach der Überlieferung keinem Zweifel.
Wie E. l'oUier {Bull, de corr. hell. 1879 S. 92) diese längbl erwiesene Tha»-
sache anzweifeln kann, ist mir nicht klar.
AUSGRABUNGEN IN CYPERN 249
Wir gelangen jetzt zu der einzigen beinahe ganz nackten
miinnliclicn Figur. Das lange Gewand ist über der r. Achsel
geknüpft, hüllt aber nur einen Theil der Brust und den r.
Arm ein. Der herunterhängende r. Arm hält das Gewand,
der vorgestreckte 1. einen Vogel, wohl eine Taube. Hals und
Nacken sind von starker Bildung. Die wenig gepflegten kurzen
Haare stehen struppig aufwärts. Die Behandlung des Nackten
lässt auf die römische Zeit schliessen. Ich sehe in der Dar-
stellung einen Priester der Aphrodite.
Wir gehen jetzt zu der Gruppe nackter Kindcrgeslalten
über.
Ein II,.') Cm. hoher Knabe steht auf einem annähernd
ovalen Sockel. Er ist nackt, der 1. Fuss steht vor dem r. Die
Figur ist nach r. gc^wandt, der Kopf geneigt. Das Haar ist
lockig, der Gesichtsausdruck ein lächelnder. Der 1. Arm ist
gegen die Schulter zurückgebogen, die Hand hielt einen jetzt
weggebrochenen Gegenstand, vielleicht ein Füllhorn oder eine
Fackel. Der r. Arm ist vorgestreckt und scheint sich auf
einen undeutlichen Gegenstand zu stützen oder denselben zu
halten; vielleicht darf man ein roh angedeutetes Fell erblicken.
Ich erkenne in dem nett ausgeführten Figürchen einen Eros.
Ein bis zu den Schamtheilen erhaltenes 8 Cm. hohes Frag-
ment stellt einen Knaben dar, der eine Gans zurückhält. Das
Motiv ist bekannt durch das von Plinius beschriebene Werk
des Boethos.
Ein 12 Cm. hohes Figürchen stellt einen dicken breit-
beinig dastehenden Knaben dar, der mit beiden Händen das
mit Früchten angefüllte Gewand emporhebt. Die r. Hand
hält gleichzeitig mit dem Gewände eine Weintraube. Das
Haar ist lang und gekräuselt. Die Behandlung ist geschickt in
der Massenwirkung, aber roh. Zu einem ähnlichen wenn
nicht zu demselben Motive dürften zwei andere Fragmente
gehören, welche vom Nabel an abwärts erhalten sind.
Es sei hier eines männlichen mit der Kopfbedeckung 6 Cm.
hohen Kopfes Erwähnung gethan. Die nur zum Theil erhal-
illTTIJ.D. .\RCH.INST.V1. IT
250
AUSGRABUNGEN IN CYPERN
tene Kopfbedeckung erinnert an die Form derneugriecliischen
Pries termülze.
Ich komme jetzt zu derdurch Auffassung, Aiisfulirung und
Grösse bedeutendsten Terracotta, die sich den guten Funden
von Tanagrawol zur Seite
stellen darf. Die 21 Cm.
hohe Fisur stellt Athene
dar. Die Göttin steht mit
einer schwachen Wen-
dung nach rechts in ruhi-
ger und würde voller Hal-
tung vor uns. Das in der
Mitte gescheitelte und
von einem Bandezusam-
menojehaltene Haar fallt
vierfach getheilt in lan-
gen Wellenlinien über
Rücken und Schultern
herab. Der vom Gewand
entblösste rechte Arm ist
gesenkt und hält auf der
Hand den mit Busch ver-
sehenen Helm. Der linke
Arm ist biszurHandwur-
zel vom Himation ver-
hüllt und stützt sich auf
den ovalen auf den Boden
aufgestemmten Schild.
Andere charakteristische
Attribute der Göttin sind
nicht vorhanden. Athene scheint als Friedensgöttin aufgefasst
zu sein; die Darstellung erinnert an ein durch die Beschrei-
bung desHimerius bekanntes Werk des Phidias (vgl. Brunn,
Gesch. dergr. Künstler I. S. 153). Die Figur ist mit grossem
Verständniss gearbeitet, das sich sowohl in der Linienfüh-
rung als in der Vertheilung von Licht und Schatten bewährt.
AUSGRABUNGEN IN GYPEUN 251
Die Steilfalten des bis auf die Fussspitzen lierabwallenden
Gewandes werden durch eine sanfte Biegung des linken Beines
unterbrochen, sodass keine Monotonie entsteht. DerGesammt-
eindruck des kleinen Werkes ist würdig nnd anmulhig,
wie essichfürdie jungfräulicheGöltin geziemt. Dieschwäch-
ste Partie ist die enlhlösste IJand, die ziemlich roh ausge-
führt ist. Die Statuette der Athene ist die einzige unter den bis-
hergeschilderten in den Gräbern gefundenenTerracottafiguren,
an der ich Farbenspuren constaliren konnte."^ Das Haupt-
haar und der llelinbusch waren roth bemalt das Gesicht
weiss, das llimation blassrosa. Die Erhaltung ist bis auf eine
Verletzung an der linken Hüfte tadellos, doch konnten die
anhaftenden Erdtheile nicht überall entfernt werden.
Nachdem ich hiermit die Beschreibung der griechisch-
römischen Terracotten beendigt habe, bleiben mir noch drei
Gegenstände zu erwähnen, die einer älteren Zeit anzugehören
scheinen. Ich fanddieselben zusammen ineinemeinkammerigen
Grabe auf derBegräbnissstätte der Vornehmen aus der griechisch-
römischen Zeit in einer Tiefe von 3 M. Das Grab war schon
im Alterthum geplündert worden. In den oberen Schichten
sliess ich auf Trümmer von römischen Sarkophagen und einige
gewöhnliche Lampen. Anzunehmen dass zwei Gräber, ein
älteres und ein jüngeres, übereinander lagen, scheint gewagt,
weil ungefähr drei Meter an diesem ßegräbnissplatzedie nor-
male Tiefe ist. Auf der andern Seite ist das gleichzeitige Vor-
kommen von drei Gegenständen von so abweichendem Cha-
rakter in einem römischen Grabe auffallend.
Ich nenne zuerst eine 9 Cm. lange griechische Terracotta-
lampe der gemeinsten Form ohne Ornamente. Auf dem Boden
sind in Relief drei Zeichen der kyprischen Syllabarschrift
angebracht, das eine von ungewöhnlicher Form. Ich lese
o-^o-na, vielleicht der Name des Besitzers oder des Fabrikanten.
' Eine rohe rollie Bemalung fand sicli liäufig an gewissen Idolresten,
welche ich auf dem Felde beim pelasgischenTumulus fand und oben erwähnt
habe.
252. AUSGRABUNGEN IN CYPERN
Dassdie ganz ornamentlose Lampe eine Inschrift trägt beweist,
dass sie in einer alten Zeit gemacht sein muss, in welcher
die Lampen in ihrer primitiven Form noch eine grosse Sel-
tenheit waren ; später kommen Inschriften nur auf ornamen-
tirten Lampen vor.
Das zweite Stück, ein 9,5 Cm. hoher Vogel, wie es scheint
ein Huhn, steht auf einem 3 Cm. hohen Sockel in schreiten-
der Bewet^iinc^. Nur die r. Seite ist bearbeitet, auf der 1.
CO •'
findet sich das Brennloch und am Sockel eine flüchtig ein-
geritzte cyprische Inschrift, Die Arbeit ist roh, der Kopf war
imÄlterthum zerbrochen und vermiltelsl einer \Neissencement-
artigen Bindemasse wieder zusammengefügt,.
Das dritte Stück ist eine 11,5 Cm. hohe männliche Figur
auf einem 2 Cm. hohen Sockel. Sie ist von abslossenderHäss-
lichkeit und entsetzlichen Missverhältnissen. Der unförmige
grosse Kopf hat eine krumme Nase. Auch der Bauch ist un-
förmior. Alle Extremitäten sind daueoren viel zu klein. Der r.
C CO
Arm stützt sich auf die Hüfte; der untere Korpertheil scheint
eher einem Bocke als einem Menschen anzugehören. Die un-
förmig grossen sehr deutlich ausgearbeiteten Geschlechtstheile
hangen bis über die Rniee herab. Die bei diesem wie bei
dem vorhergehenden Stück in oleicher Weise am Sockel wie-
derkehrende lebhaft grüne Farbe zeigt, dass beide zusammen-
gehörten.
r). Inschriften und Münzen. Ausser den bisher erwähnten
Inschriften liabe ich noch andere griechische entweder in den
Gräbern oder auf den Ruinen bei dem pelasgischen Quellge-
bäude gefunden, meist kurz und fragmentarisch, alle aus dem
Ende der fHolouiäer-oder Beginn der römischen Zeit. Bei dem
Quellgebäude fand ich u. a. ein Fragment mit den Buchslaben
TAMEI ; es lag ung. dreissig Schritt w^estlicli vom kyklopi-
schen Bau auf einer Trümmerstrasse, die zur Sladt Salamis
führt. Eine andere vielzeilige Inschrift steht auf Bleistücken,
die sich am Eingang eines Grabes fanden ; die Charactere
sind klein. Die Stücke sind nach London gesandt.
Am Fusse einer Grabstele (h. 0,45, Dm. unten 0^21, ob.
AUSGRABUNGEN IN CYPEHN 253
0,31"') steht die Inschrift KAAAITYXE. Der obere vorsprin-
gende Rand ist mit [^eisten und Fugen geziert, der untere
Theil über der Inschrift inil einem an der Rundung relief-
arlig hervortretenden kränze von Blättern und Pinienäpfeln.
Die in den Gräbern selbst gefundenen Münzen sind theils
römische, theils römisch-cyprisclie mit dem Paphostempel.
6. Verschiedcws. Ausserdem bereits Aufgezählten grub ich
u. a. Säulen und Capitellstücke, einen schlecht erhaltenen
weiblichen Torso, eine Hand, die Bekleidung einer Grabthür
(Giebel mit korinthischen Pilaslern) u. s. w. aus Stein und
Marmor aus. Erwähuenswerth ist das 58 Cm. lange und 49
Cm. hohe Fragment eines steinernen Grablöwen aus späterer
Zeit.
Zum Schlüsse ein Wort über die Gebeine und die Anord-
nuns; der mitijeoebenen Geo;enstände in den und um dieSar-
kophage wie in den übrigen Grabanlagen.
Beim Oeffnender Gräber, im Eingangsstollen oder, wo kein
solcher evistirl, in der Erde, welche über den Sarkophag-
gruppen oder über dem Grabe ohne Sarkophage bis zur Erd-
oberfläche aufgeschüttet wurde, werden viele Lekythoi ge-
funden, aber auch Gläser und zwar von der kleinen Cylinder-
form, sowie Alabastra.
Die Gefässe aus Terracotta, Glas, die Lampen und man-
cherlei andere Gegenstände sind um die Gebeine (wenn Sarko-
phage fehlen) oder um die die Gebeine einschliessenden
Sarkophage nach gewissen Usancen angeordnet.
Verbrannte Leichname habe ich mit Sicherheit nicht nach-
weisen können, die Bestattnngsart oline Verbrennung dagegen
in unzähligen Beispielen. Das Wühlen der Grabräuber er-
schwerte vielfach die Constalirung des Thatbestandes, doch
war eine genauere Nachforschung namentlich in den Gräbern
der Mittelclas'sse und der Armen noch möglich.
Bei den Einzelgräbern der Ariiien sind die mitgegebenen
Gegenstände am Kopfe oder bei den Füssen angeordnet, wenn
an der Seite, in der Regel ander Wandseite. Gold und Silber-
schmuck, geschnittene Steine, Perlen und Amulette hatten
254 AUSGRABUNGEN IN GYPERN
selbstverständlich die Todten an sieh. Ist bei Frauen ein
Bronzespiegel da, so liegt er meist an der r. Seite in der Nähe
derHand, dasselbe gilt von derSpindel, mögen nun Sarkophage
zur Anwendung gekommen sein (dann innerhalb derselben)
oder nicht.
Die Bronzemünzen wurden meist dicht am untern Ende des
Kopfes in der Nähe des Mundes gefunden, eine bis zu fünf.
Auch Schabeisen, Werkzeuge, Messer u. dgl. wurden dicht
an die Todten gelegt oder ihnen in die Hände gegeben. Lampen
und Gläser wurden nur vereinzelt in den Sarkophagen ge-
funden, dagegen häufig am Kopfende ausserhalb derselben.
In einem reichen Grabe, in dem die vielen Gläser und
geschnittenen Steine sowie der Goldring mit der Inschrift
It:" ayxöö lagen, standen am Kopfende des in einer Nische
ohne Sarkophag beerdigten Todten zwei gleichgeformte Am-
phoren, in der einen acht cylinderförmige Salbgläschen, in der
andern Knochen von Hühnern und andere Reste wohl von
anderen Speisen.
Die Statuetten wurden wie erwähnt meist in den Grab-
stätten der Reichen gefunden. Sie waren über den Sarko-
phagen oder den Leichen an der Wand angebracht, wenn ich
auch eine auf einem Nagel an derselben hängende Statuette
nirgends angetroffen habe. Die Grabräuber scheinen im Alter-
thum das was sie für werthlos hielten, zumal die Statuetten,
gern zertrümmert zu haben.
5. Schluss bemerk ungen.
Die von mir geleiteten Ausgrabungen, über welche die
vorstehendenMittheilungen einen summarischen Berichtgeben,
zeigen wie unendlich viel in Cypern noch zu thun bleibt ;
nur ein kleiner Theil der Schätze, welche der Boden birgt,
ist bis jetzt gehoben worden, auch die Resultate der Aus-
grabungen Louis Palma di Cesnola's mitgerechnet, der speziell
für Salamis wenig geleistet hat. Dass meine eignen Arbeiten
mit Erfolg gekrönt w'urden , verdanke ich zunächst Herrn
AUSGRABUNGEN IN CYPERN 255
Th, Newton, Inspector der römischen und griechischen Al-
terlhümer des britlischen Museums, dem ich für das mirge-
sehenkle Vertrauen zu grossem Danke verpflichet bin; ferner
in glciclier Weise besonders den Herrn D. Cobhum , Civil-
Commissiir in I.arnaka, und dem Gelelirlen D. Pierides ebenda,
weiche mir beide mit llath und Tliat zur Seite standen.
MAX OHM^FALSCH-RICHTER.
Inschriften aus Kallipolis.
Im Sommer 1880 besuchte ich auf einige Tage deu Helles-
pont und hattebesonders in Gallipoli Gelegenheilepigrapliische
Studien zu treiben, da meine amtlichen Aufträge mich dort
längere Zeit festhielten. Inschriften aus dieser Stadt fmdet
man: C. LG. il 2011-2016; Ann. 1842 S. 136 fg.; Dumont
Inscr. et monum. figures de la T/irace N" 98 fg. ; Bull, decorr.
hell. I S. 81 fg. ; VI (1880) S. 394 fg. Von diesen Texten ist
jedoch C. I. G. 2015 nichts weiter als die etwas verwilderte
Copie einer kyzikenischen Inschrift, welche unter N" 3693
wiederholt ist, ohne dass die Herausgeber die Identität be-
merkt; Dumont N** 99, das monument qui prament de la cöte
d'Asie, stammt genauer ausKamaräs (Kemer), dem alten Pa-
rion, ebd. N° 100 aus Lanipsakos und auch von den unten
mitzutheilenden Inschriften gehören vielleicht einige andei's
wohin. Von den älteren Texten habe ich mit einer einzigen
Ausnahme keinen wiedergesehen, siesollen sämmtlich in den
Mauern des mittelalterlichen Schlosses gesteckt haben, wel-
ches die franz(3sischen Occupationstruppen während des Krim-
krieges geschleift haben. Nur C. /. G. 2016 ist noch vorhan-
den und zwar im Hause eines gewissen Hafiz Mehemed Efendi,
wo ein Herr Papadopulo sie allerdings schleclit genug co-
pirte ; * der ungefällige Efendi vervveigerte mir jedoch die
Besichtigung des Steines.
LInedirt sind folgende Inschriften :
' Seiiio Abschrift laulei nach Aiitlosuiig der Ligaturen iu den Jx-;ii!e.n
ersten Zeilen
AYTQKAlTHrAY
I K H M O Y A S K A I n 1 O Y
IZ.TOYIAEAOinn.A
d. 1. IjauTüJ xal xf; YXufy.uTiTT) Yuvtt]tx( [lou 'A«y.XTjr'.o[5täpK xv>.
INSCHRIFTEN AUS KALLIPOLIS 267
1. Fragment, in der griechischen Schule, erhalten nur
LYAHMOYI, H und M in Ligatur.
2. Zwei fragmentirte w. Marmorbalken, eingemauert im
Thurm am Eingang des Kothon. Man erkennt auf d(MTi einen
Stück PRISC, auf dem andern lAC-F POLL.
3. Marmorbasis in dem Hofe der kXX'/i^o^i^xxtixyi «syo\-h
beim Hag. Nikolaos. Erhallen nur
I M P C AES
•T- A r l
d. h. lmp{eratnri) Caesiari) T. Ael\io) [Hadriano u. s. w.], vgl.
C. LG. 2013.
4. Über der Thür des Backofens des B£>.wvvi; eingemauert
EIBIAIOYAIAKAITEK
Oij]sißia 'lou^Xi« y.ocl Tex.[voi; /.tT,.
5. Auf dem türkischen Hegräbnissplatz liess ich folgendes
später auf die Belidie (Municipalitäl) gebrachte Fragment
freilegen (manche Buchstaben in Ligatur) :
isMi I <^iliimiAiOIETOIl.Z.
YWEITIEAETINAKATAGHTETEPO
YnEYGYNOETwTHCTYMBWPYXlAC
d. h. x,ocl ToT; Tuxi^ioi;, xoi; S[£ )^ci7coi; «Trayopejuw' si' T14 os
[eyÄ^YiaflCTi]. Die Partie oben 1. ist abgesägt ; die zahlreichen
Fehler sind auf dem Slein, besonders Z. 3, wo der Steinmetz
mehrere Buchstaben in seiner Vorlage übersprang.
6. Im Chan atn Hafen (Liman Chanj), gehörig dem Haz-
nadai' Bey, im Hofe. SarTvophagdeckel ; der dazu gehörige
Untersatz dient als Fontaine auf dem Holzmarkte. Nach einem"
Abklatsch und einer Abschrift ;
258 INSCHRIFTEN AUS KALLIPOLIS
A auf einer Schmalseite :
AOYA^vjOYGY ^o6\oj toO Gsou
O P M I E Y 2 Ä I öp[j.[GJ] s5^ai
YFePlOYOltCCüNOK uTcsp [xloO oi'>co) [{jlou]
TOYÄMÄPTCüAOY toO «{;.«pTo)>oO.
B auf der rundgebogenen Oberseite (vor dem Anfang der
ersten Zeilen ein grosses Kreuz) :
+eN0AAeKATAKITeMAPlNOCOTHCMAKAPIA§
MNHMHCreNANieNOCKTHTUUPKAIAnoePrACTHPIf/
KUUNTHC4)IAOXPnAnANITaJNnOAeTeAeYTAMIOY
AlUUKTHMePATeTAPTHINA^ OTAOHTONKVPION
+ C010ANArN(JUCKUUNeYX0YYnePAYT0Y +
nANTAnAHPHC +
d. ll. 'EvOocSs x,aT3cx,TTe MocpTvo? ö -r-^i; [xa>tocpi3c[;] [avi^jav)? '^t'xk-
vtTÖv 7c6X(e(i>g), ersT^suTX [J'X'/ivl) 'louXitp xy' <^[Aspc>: TSTocpTV)
ev§. ÖY^OYi* Tov vtupidv (joi 6 av3tY[i]v(0(T)to)v su^ou uTrsp «utoö,
TCKVT« TrXiQpTi;.
Von den Jahren, in welche die 8te Indiction fällt und in
denen der 23 Juli ein Donnerstag ist, kommt wohl nur das
Jahr 635 in Betracht. Unter der nocTraviTöv wö^t; ist jeden-
falls Panium, heutzutage Banados, zu verstehen, über welche
Stadt Thrakiens ßoeckh zu C. l. G. 11 2059 (wo jedoch jeden-
falls Tiotvb; zu lesen), C. Müller Fr. hist. gr. IV 69, Dumont
a. a. 0. S. 63 zu vergleichen sind.
7. Indem Hause Gelindjik Sokak lY 3
d. i. KaßxXXocpCou u. s. w. Die Cavallarii sind eine bekannte
INSCHRIFTEN AUS KALLIPOLIS
559
Familie des lateinischen Orients ; ein Nikolaos Kaballarios
Agallon erbaute einen Tliurm der Stadtmauer nom konstan-
tinopel und sein Namensvetter ist vielleicht der Urheber der
fränkischen Befestigungen von Gallipoli, von denen noch die
Umfassung des Kolhon steht. In den Känij)i"en der Franken
im Orient spielt Gallipoli bekanntlich eine nicht unwichtige
Rolle.
In Minuskeln edirt ist (MouasTov axI ßtS^ioÖ-^itYi t-?1; zuxyf.
«X- 1876-78 S. 39)
8. die Inschrift am ornamentirten Marmorsarkophag aus
Kamaräs, der sich jetzt im Vorhof des Mevlevi Chane {Der-
wischkloster) bei Gallipoli befindet. Sie ist mit rohen deut-
lichen Buchstaben eingetragen.
a.
ÄYPKÄPnoC
eÄ YTUU
KETHCY
NEKIMOY
d.
EKATOII
b.
KETOICTE
KNOICEIAE
TICETEPOC
KHTHnOAEIAH
NAPIUUNMYPIAAEC
c.
BOYAH0H
ANtAUUCIEl
TUUIEPUUTA
MEIUUAUUCEI
L HNÄPIUUNMY
PIAAECTPIAKO
CiÄC
a. AupC'JiXio? KocpTco; sscutö )C6 t-^ [yluveni {aou
b. )C6 Tol; TSKvot;' et' ^e ti; STepo;
C. ßouXviO-^ (Xv[oi];i ^wasi 1(0 lepw TX[ASia>, ^wsei ^iQvacpiwv jau-
pix^e; Tptxjtocix;
b. Z. 4 fg. XYi TV) Tkö^si ^7)V3cpio)v {xuptx^s;
rf. eytxTov.
Unter den Barbarismen besonders interessant ist das ßou'XTiS'^
«v(oi)^i st. avoi^ei, welches an die neugriechische Futurbil-
dung erinnert.
Eine Geldbuse von 3000000 und 1000000 Denaren setzt
billig in Erstaunen, wenn man darunter die Silberdenare ver-
steht, aber es sind vielmehr die kupferheller der späteren
260 INSCHRIFTEN AUS KALLIPOLIS
Kaiserzeit, von denen 6000 auf einen 50/ /rfi« gingen (Mommsen
Rom. Miinzw. S. 800 und 8iO fg.), 3000000 Denare sind also
500 solidi, 100000 sind 16(5 ^j^solidi. Auf einer unedirten
InschriftvonBrussa kommt eine Busse von 500000 und 250000,
auf einer syrischen eine solche von 200000 vor (flenan Miss.
en Phenicie 255).
Schlecht edirt (bei Dumont a. a. 0. N" 100) ist
9. die Inschrift auf einer viereckigen Säulenbasis im Hofe
des Konaks des Munak (Münib)-Bey. Nach Abklatsch [und
Abschrift],
MOAlCnOTeHYPONAecnOTOI
eYNOYCTATONTPY(t>nNATONeNAO
2nT'OCMOYTOKAAAOCH(t)ANICh§N^|P
eCTHNOP^MENHNHFArEAOzAN
CYNPOÜHTOYKPITTONOC +
M6X1; TTOTe VJUpOV ö677r6T[7)v] SUVOUTTXTOV Tp'J^COVX TOV EVOO^WtCoC-
Tov), 0; [xou t6 x.gcX'Xo; •^cpzvi(7[j.[s]v[ov]e; T7)v öptü[JLSvviv ''^yxyt ^6^«v
CUV pOTC^ TOO )tpiTTOVO?.
Vermuthlich redet eine Kirche welche verfallen war und
von einem Statthalter ^amens Tryphon restaurirt wurde. —
Wie ich hörte soll die Inschrift aus Lampsakos stammen. *
Ich schliesse hier einige Bemerkungen über andere bereits
bekannt gewordene luschriften an, die sich in Gallipoli be-
fanden oder dahin gesetzt worden sind.
Die einzige von den im C. 1. G. publicii'ten Inschriften, die
ich wiederfand, ist das lauge Orakel C. I. G. 2012 = Afin.
a. a. O. S. 136 PN" I. Der Stein befindet sich nicht mehr in
■ ' [Im Manuscript folgen dio beulen von Newton Arcli. Anz. 1854 S. 514
in genauen Copien mitgelheilteii Inschriften ; die längere betindet sich über
dem Eingang des dem fschakutz gehörigen Chans in der Nähe des englischen
Viceconsulals, die kürzere über der Thür des Hauses des .Johannes (ilaros
dicht bei der ÄXXrjXoStSaxTixT) ox.<'^r5; einige Buchstaben der letzteren stehen
in Ligatur, über ihr sind in Flaohreliof eine komische Maske und Kruram-
stab ausgearbeitet.!
INSCHRIFTEN AUS KALLIPOLIS 261
Gallipoli sondern steht jolzl in Konslantinopel vordem Tschi-
nili kiöschk, wo ich die -U) Zeilen copirtc und soweit ea
möglich war abklatschte. Leider hat selbst eine wiederholte
Collation mit der letzten Bearbeitung in Kaibels Epigrammata
S. 448 N" 1034 kein endgilliges Resultat geliefert. iVewton
Travels in the Levant \ l,2o verwandte in Gallipoli drei Tage
um die auf den Kopf gestellte Inschrift zu lesen; seine Copie
scheint nicht herausgegeben zu sein.
Die Buchstaben sind theils verwischt thoils mit einer Kalk-
schicht überzogen, sodass ein grosser Theil derselben im
Abklatsch unsichtbar bleibt. Derselbe konnte also nur für
einen (ungef'ährdendritlcn)Theilder InschriftzurVergleichung
mit der hier folgenden Co])ie herangezogen werden.
OAHMOZ-KATAXPH2MO
AP4)E!HZ-YlHITETElMill ONIEPO
APXAiaNiAPYMA--
TinTEnEPAzno
5 EIXAINONÜEAAX
TlMYnoZHAANXN
STOMATOS
BAIHA- . NA
BAPYTAIKPAA !
10 <1)EY<})EYA!AYTQNN
AXOY2E<t)OIMAlNONi|5PAA
BPOTOIZEnEIZinHMfifOl.iiEISCifS
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15 EPAOlTAAAhnnOlOIENKEITAinEAri
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AAAaKPATAiOXElPESOiKHTAinEAOY
262 INSCHRIFTEN AUS RALLIPOLIS
EIAHNYnEPMIAESOEAXOISAlYZEINYllEl^AAYflN
EPAEINYnYAA/f/jOIZGEOIZE ZGEIAIETAAOIBAZ
KAITnM//))NEYA§THITAMEINKNHKON0EHAEMHAON
25 KEAAINfAAMjfnPEZi^;)ME^^BO0POY2AEnHNE2EA0H
AlMAMEAANTOTEAlllllX/MyHNKATAXEYAlYnEPOEN
ZYNA0POIZINAKE2:ZITAAAYTIKAAAINYZ0Q<t)AO2
EI0APZYNOYEEZZKAIEYOAMi§f/AIBANOIZIN
KAIAENYnYPKAIHNXPHA(t)H§f/§IAIAI0OniOINa
30 KAinOAin£yAi^ElZTH2AIAEN|ifinP§f^YA/ lOK
TOZO(J)OPON4)OIBONAOIMOYYn02EYANTHPA
E.Ai§§iiHAIZTa5:i/§§PHnEAAZEIENANEIH
MHAiS^NAAPilMHZIlYililZETAIffiffinOiiH
EniMEAH0§a)r2NTftNAPXONTnN
35 KAITAMIQi§if|//f/'Ä//^lorEI lA/fOf
KAITIKAA^ Äff §f f liiOY
Ein Vergleich mit Kieperts Abschrift (in den Ami. a. a. 0;
die Copie in C. /. G. giebt nur die drei Reizten Zeilen) lehrt
dass letztere mit viel Sorgfalt angefertigt war.
Z. 1 fg. 'Ap(peivj? \iiy\i TeTei[(/.ev]ov ispov (^ttu
apj^otiwv Wpu{7-oc ....
*Ap(petY3 ist ungemein deutlich ; es dürfte wohl derName ir-
gend einer Nymphe oder Heroine, der Mutter des mythischen
Gründers der Stadt sein.*
Z. 3. TtTCTe 7rep«5 7rö[vTou ....
Z. 4. st j^acTvov ■K&Xxat
auch diese Wörter sind klar und Kaibels Aenderung eJ? A?vov
unmöglich.
In den folgenden vier anapästischen Zeilen wird offenbar
* Über die iiltere Geschichte von Kallipolis ist nichts bekannt. Abgesehen
von den Tribullislen kommt es zuerst bei Livius xxxi 16 im Krieg zwischen
Philipp und den vEgyptern um 200 v. Chr. vor ; sonst wird es bei Strabon
XIII 589, Plin. iv 49, Steph. Byz. u. d. \V., Ptolemaios und in den Iline-
rarien erwähnt. Die neuere ofTicielle Schreibung KaXXioOnoXi; ist nicht col-
lect.
INSCHRIFTEN AUS KALLIPOLIS 263
der bekannte Walinsinnsanfall des weissagenden Priestors
beschi*ie})en.
Z. 5 fg. Ti a' uro '77tX3cyj^v[oii;. . . .
(J-:ÖJ^lXTo;
ßxir, ^' cl[iz6 ....
ßapurat, xpxdiv) T[eTapix>cTact
Auch ßzpuTxt ist so deullieli, dass K.'s Emendation aufge-
geben werden nuiss; ßscpuraci ist wolil ßxpuvsTxi und etwa von
den Allgen die Rede. Weiter unten Averden wir nocli mehr
barbarisclie Formen finden
Z. 11-16 Jamben, deren Ergänzung unmöglich ist.
Z. 17 fg. ctu[rin]o'^xi
v.xTe\>'jr7ii; sTf^eo;
tva] e; [xuj^ou; x.eu6^(I)vo[(;] atc.W'Ji «ipocp
OTTT) tÖ Taprxpsiov ei'ösTJci ßocöpov
Das ^ von at^Qr;; ist nicht absolut sicher; es könnte zur
Nolh 2 sein, alsdann wäre es möglich zu Anfang o;r6 zu
lesen, -svas mildem Überlieferten besser stimmt ; von der ün-
zulässigkeit von R.'s 'Ai^o; t' atpocp habe ich mich gegenüber
dem Stein vergewissert. Der Gedanke in diesen Zeilen scheint
mir der zu sein, dass der Gott die peslbringenden Dämonen
zu verjagen verspricht, sodass sie in den Tartaros zurückkehren,
woher sie gekommen.
Z. 21 fg. enthalten die Anweisung für die Sühnopfer. Auch
hier haben sich K.'s Vermuthungen nicht immer als stich-
haltig erwiesen.
Z. 21 Anf. steht el H vu Tcep ^[E"X]e<:8s deutlich da, ebenso
Z. 23 Ende ©EH (Kiepert GEN) Gevi, Z. 24 dürfte )teXoci[v]ce
.5' ajjt,[(p]o» fis^[e](jt,'/iv zu lesen sein.
Z. 26 : T^TS §7) e[T:t]yuTyiv Axxxyeuxi urepOev ', Z. 27 steht
^ocivugOo) auf dem Stein, Z. 29 vcal ^e vu u. s. w. Das Wich-
tigste steckt aber in Z. 29 fg. :
(TT-^Toci Ss v[u xa't] 7cp[or]u^[a]iov
TO^O(p6pOV <I>otSoV, >.0t(/.0Ci UTwOTSUXVTVJpOC
Kaibel liest : cxTiaxi ^e vu axI [ß]po[To]"Xoi[y6v i| To[^o]<popoV
4»otSov "Xoiaoij [uJroffLvjpijacvTyipoc. Für die richtige Lesung dieser
264 INSCHRIFTEN AUS KALLIPOLIS
beiden Zeilen, welche durch Kiepert bestätigt wird, stehe ich
ein ; wir ersehen daraus dass diese Säule eine Statue des Apo-
lon mit Bogen und Pfeilen trug und vor der Stadt stand,
damit der Gott der F^est den F^ingang in die Stadt verwehrte.
Da die Säule bei derTschulchalar Djamissi {,, Webermoschee,''
im Quartier der Weber, sl; rx T^o^jlyx^ix.x) gefunden, so hat
der Topograph von Gallipoli einen Anhaltspunkt für die Be-
stimmung des Umlangs und der Lage der antiken Stadt; viel-
leicht, dass jene Moschee, durch das Medium einer christlichen
Kirche, die Lage einer Kapelle des Apollon Toxophoros be-
zeichnet. Die einzige Münze welche Eckhel, allerdings zwei-
felnd, nach Kallipolis weist {Doctr. num. 11 49), aus der Zeit
Trajans, zeigt auf dem Rs. Apollo stolatus stans cum lyra et in
orbem scriptum ATTOAAnN KAAAITT.
Die Lesung von Z. 32 und 33 überlasse ich Glücklicheren;
die bei.Kaibel aufgenommenen Vermuthungen sind jedenfalls
unhaltbar.
Unter den Inschriften, welche Dumont nach Gallipoli ver-
setzt, befindet sich auch C. I. G. 2017 ,,m Chcrsoneso Thra-
cica".
KAMISAOSYnEPTOY
YIOYAAEZANAPOYAII
OABIWEYXAPIZTHPION
D. hat nicht recht gethan, statt KocjxiGao?, eines thrakischen
Eigennamens, mit Bo^ckh KaX^tcxo? zu schreiben und zum
Z£u<; "OXgio? hätte er C. /. Rh. 1454 = Or. 7416 (Heddernheim)
Jovi Olbio Seleucus Hermocratus {sie) qui et Diogenes d. d.
citiren können.
In der Inschrift Corr. hell. I 84 (nach Cyriacus) ist zum
Schluss zu lesen : no\'Küiv /.xl (;.eya)vO)v ayaOcov a[fTi]o[v] yeyo-
vÖT« zu lesen.
Die Löffelinschrift Kaibel 1113 gehört nicht nach Gallipoli
sondern wie Newton richtig angiebt nach Lampsakos, wo der
von ihm a. a. 0. IS. 123 beschriebene Gold - und Silberfund
INSCHHIFTEN AUS KALLIPOLIS 265
i. J. 1817 gemacht Avorden ist. * Die jün^^st ins V^urvakion
gelangten Stücke stammen ebendaher nnd befanden sich IViiher
im Besitz eines gewissen Janko Tschelebi in Gallipoli, andere
Stücke sind dort jedenfalls nocli vorlianden, werden aber
versleckt gehalten. Eine ins liiesige Museum gelangle Schale
beschreibt Gould in seinem Catalog S. 49 fg. Ein anderer so-
viel ich sehe noch nicht beschriebener LölTel trug den be-
kannten Hexameter (Verg. EcL X 69)
Omnia vincit amor et nos cedamus amori. ^
An sonstigen Denkmälern istmireinCybelerelief (die Göttin
mit Thurmkrone en face, in der E. ein Tympanon haltend,
die R. aufgestützt ; auf dem Schosse ein Eöwe ; bei Christo-
dulos Minas nahe der Kirche des Hag. Nikolaos) zu Gesicht
gekommen; ein Grabrelief, das im Konak aufbewahrt wird,
habe ich nicht gesehen.
Dr. J. H. MORDTMANN.
_i2S> »— i—
* Das betreffende Grundstück wurde ruir an Ort und Stelle als Maltarlassi
(Schalzfeld) bezeichnet.
2 Eine grosse Anzahl dieser Löffel, Gabel u. s. w. soll noch in den
Schränken des Tschinili Kiöschk vorhanden sein, doch sind dieselben nicht
zugänglich.
MITTH.D. ARCH.INST.VI. 18
EnirpA<i>Ai es: iqnias rai ataias.
1. — 'Ev I](xtj'pvy], £711 {jiap[j.apou [/.ex' a£Tco[ji,aTo^ eupeösvTOi;
oTct(T0£V Tfj? axpoTcoXEüj«;. T^];. 0,53, irX. 0,27, ua^^. 0,075. 'Ev
10 (it.e<TW ToO [Aaptjiapou bni^yu ava^^^^fo«? i^aT; £X,wv ttjv api-
xuv6(;.
MEAiTINHTEKNniAin MeXiTtvvi Te)tvo) 'i^(w,
MAPKfi Mxpx.w,
KAlHPAKAA^OnATHP v.xX 'Hpxy.)v«? 6 Traxvip
KATE^EKEYAZANZY xxT£^x,eujcGfxv cru-
NKATENENKASiHS vxxTevevjtxavi;
<j)AMIAIA2AnEAAIKO 9x;;.aU; 'AttsIXik^-
NTOCMONOMAXHNKE vxo; Movo[j.x;<^o)v jc^al)
AOYAAPIQNTiMHCENEKON AouSxpiü>v xiiA-yj? svsx.(s)v.
'Ek toO y^apaxTTJpof; xwv YpauL[ji.aTOi)v dvocysTa; £?(; tov y [/.. X.
aicova. Ihoi tyj^ ipap-iXiai; M ovo p. ay^w v t'öe ty)v uiro
Boeckll ^^•fj'yiQaiv tyj; utc' dpi9. 2511 ^Tti^pa^-^; toö G. I. G.
'£[ S^ (|>a[j.tXia TÄv Aouoaptwv £ivat TipcotoopavY];; (ji£Ta^u
irwv YvwQ-Twv auvTsjjviwv, atTiv£(; utcyjo/^ov £v IjjL'jpvy) xaxd ttqv
^co[j.a'i,'x-/]v i-Koyjiv. ^flo-av Ö£ oi yVouodptoi iloo!; [xovoikäyjov. BX.
IL Stephani 'Orjcr. 'EaX. FX. t6{x. VI a. 391 i'xS. Oidot.
2. — 'Ev N u p, <p a ( (0, im. uX£upa(; cjapxotpdYou (jxiqxou? 2, 06
EnirPA*AI ES lÜNlAS KAI ATAIAS 267
jji. Y«) dcvaxaXu^OevTo? d'v Tivt a[a.'r:£Xüivi xeijxeva) irapä ttjv de;
Rpiti^aXid oSov.
A I P H A[0]p^aioO
K A H A O KXyi^o-
N I O Y viou.
3. — 'Ev Nua^aio), £111 Tzkay-ot; I)^ou<ty)(; Iv ^Xaio-io) avayXu-
(pov TcapioTTÄv uot[j.£va opOtov xpaToövxa Sta [jl£v tyjc; Sediat; Td
wta xuvo; , h ^k Trj dpicxiEpa paSSov 7rot(ji.evtxiQv. Ttj;. 0,58,
irX. 0,49, uax.. 0,08.
MHTPnZftSIMHSOYA Mv)Tpo) Zo)7i|xw Sou);-
ATAPIfiANAPIIAiaMNI ^xapiu Äv^pi JÄCo) p.v(e)i-
^AZXAPIN^ «? X°^P'^'
4.— 'Ev *EpuöpaT(;, l7t\ T£{jt.a)(^tou [jiap{/.apou x£[[ji.£Vou £vto^
lO N A
POSEINOSAHMHTP Ildisivos A-/]tx-/iTp[iou
MYTIAHNAIOZEPOIEI MurviXtvxro? S77oUt.
'0 iv TYJ £TitYpa^YJ TauTYj o:va(p£p6[jL£vo(; ^^'^^'^"'1^ ^^'^ ^"^'""^^ ^^"
5. — 'Ev RojxY), iui TcXaxo; d7ciTtjuLS(a(;, uj'. 0,33, uX. 0,265.
AREAAHMHTPOAnPOYKAIMH 'I\7:£X>-/j M-/;TpoS(opou M-/)-
TPOAßPEAnEAAHOYS TpöSwps 'A7:sXV;iou;
XAIPETE ixi^Q-zs,
6.— 'Ev Ku{XY), dui TrXaxo? u-^. 0,27, uX. 0,20, £0pi(rxo|jL6-
VTQ? "^Stq itapä TW £v n. ^(üxaia x. IIaua^[j!,(i).
268 EnirPA^AI EZ lüNIAi: KAI ATAIAS
AnOAAOAQPOS 'ATToXXÖ^wpo;
EPMflNOZEPYQPAI "Epi^covo; 'KpuGpxt-
O 2 X A I P E 05 X'^ips
7. — 'Ev 'EXaia (vuv KAtdixto't), etii uiapfj.apo'j ^a-Tpa){jt.£Vou
lix-repocrOsv ToO Upou ßif)[j.aTO(; tt]^ dxxXTqatai; KcavaTavTcvou xal
*EX6V7]C.
Z fi 2 A Zwcr«
An0IONA0HNAAOY "ATC910V 'A9-/iv3c5ou
AMMIAIIEPflN02 'Ay-aia: 'lepovo;
THIOYrATPlKAlEAYTHI tvj ejyxTpl /.xl exurfi.
8. — 'Ev 2 apoeo" i V, ^ui [jLap[j.apivo'j stcio-t'iqAio'j avaxaXu-
^ÖevTo? Tü> 1874.
S^cieniCKonoYGeoc
9. — 'Ev SapSeaiv, im fjTqk-q^ itt^a-KAs.u^o\> u^. 1^75,
•jrX. 0,62 xai ira^. 0,70.
TIB-KA-ZSSlAON Tig(eptov) K7;(xu^tov) ZwÜov
§ONKPATIZTON t]6v -^pjcTiTTov
//'/) TT I T P O TT O N s]7:iTpozo v
ij/jj O Y 2 E B t]ou 2:iS(xTTou)
Mv//// P A T H N B ov K]pxT-/iv ^Ic,
||// A I TT TT I A N O N *i]Xr.7t7:ixvov
IfjXONTESTON «pJxovTs; tov
P^ZTTATPIAOZ t;^]; TvXTpc^o?
/j(;/i I E A Y T o N E Y xx]l exuxciv eO-
E P r E T H N epyef/iv.
10. — 'Ev 2ap0£c7'. V, itzi (ji.apu.ap(vou imuirikioa, X£i[xevou
Ttapa TOV o-'.o-/]poopo{ji.ix6v aTaO[j.6v.
EnirPA<J>AI ES IQNIAS KAI AYAIAS 269
A-KOPNHAION A. KoovviXtov
OYETTHNIANON OueTT-/ivixvöv.
11. — 'Ev SapSeaiv, erci {xapfjLapotj u'\/. 0,95, i:X. 0,20,
|jL£TaxoaiT0£VTO;; £i; To '/(iipiov ^Xy^e.i'kri xai £upiaxo[j.£Vou £v tirj
oixt'a Otofxa Miza^i^äYq.
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12. — 'Ev 4>iXa8£Xcp£t a, £Tii TiXaxo; pLapuLapivY)^ ^aTpwfjis-
VY); tv T(o Koupjouij, /avito. "V'l'. 0,81, ttX. 0,30, Tca/. 0,16.
TPA1ANOZO..IE.PHNO
270 EnirPA^AI ES lüNIAS KAI AYAIAS
13. — *Ev 4>iXaSeX(|)e fa, im [jt,ap[jiapou eupt<rxo[X£vou iw t^
o?xia ToO X. 'flXta Kia^Ja. Tf 0,45, ttX. 0,50, ua^. 0,7.
^ Z I H !E >.7iOsvt]o? Et]'^?
N A Z T A Z E a;]va(jT(xi7£-
ßZTATIANOY w? TktiöcvoO
OYAAENTOZ OuocT^svto?.
'ESYjixoo-teuör) {jiixpoTt; j^apaxTfjpcriv ev «'Op-Tipco» , F' a. 206,
(i(A£Xc!)(; xai lar^a}^p.£V(0(;.
14. — *Ev <1> t>.a8£X(p£ia, ^ui Xapvaxo; ({xiqx 1 p.. y. 75)
eOpi(Txo{j.£VY); iv tyj olxt'a toO x. Xai'Cfi navTeXy] TaaXtxoYXou.
rAYKÜNAPXEBIOY r>'j>co>v 'Ap^e^iou.
15. — 'Ev <i>tXa8£X(p£(a, imXiöou £uptffxojJi£vou £V ty) oIaiol
TOu X. Xat^f^ ITaXXYj MuaXoYXou. T(J>. 0,70, p.Y)x. 0,32,
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16. — 'Ev <f>iXaS6X(p£(a, ini (xapfJLapivY)^ uXaxcx; £(jTp(»)(jL£-
VTQ? £v TYJ olxt'a TOO XaT(^YJ AY](J.'/^TpiOU TY]X£(pOYXoi».
YnoCOPI O N
EYCe B
Ano
EnirPA4'AI ES lüNIAS KAI AYAIAS 271
*0 ^^apaxTYjp Twv ypafJ^pi-aTWv aviQxei £i; tov y atwva (ji. X.
17. — *Ev ^JPiXaSeXipeia, sirl (Aap|jiapivirj!; Tr7^aK6^ £youcnQ(;
avoL'^'k'jc^ov TtapicTaiv yuvaTxa xa6Y][j.£vr)v, tyjv 'Ep{ji,oxpaTr]v, rj;
T7]v SsE^tav xpaxeT 6 dvYjp ty]^ 'AiioXXcavio:;, £vOc8'jp,£vo(; y^iiwva
ttoSyipy]' upo(; oi^'.av auTou tcrtaTat 7i:aT;. To [jt,ap[i.apov £upiax£Tat
iv T^ ßiSXtoör^x-/] TYj; ^xeT ory^oXYJc;.
EPMOKPATHAÜOA
/^^•^'lOYXAlPE
18. — 'Ev 4>iXao £X(p£ i a, ^iri |i.ap[/.apiv7](; TcXaxoc; [j.£x' a£-
i:(0(ji.aTo^, £/ou(TY]; £VTO(; TiXaiaiou dvayXuipov uapidToJv dvSpa
xaÖYj[X£vov'iTXaYtco(; ETtixXtvY)^' £711 i'opai; §£ xdÖTQxai "^uvy) zyo\)(scf.
TTjv 8£^tdv TT];; ^Tii TYJ; 7cap£ta^* i'f/.Tcpoo'ÖEV §£ TY](; xXt'vir)«; Tpa-
'Tr£(^a^ xo(i Tcap'aOxYjv %wlc, ia-id}jL£V0(;, o'n:i!T6£v 8^ iravxwv toutwv
Y£YXuTCTat S£vopov. T6 [xdpijiapov EupiaxsTai i'vOa xa\ t6 dv(OT£pco.
MEAITINHETEIMH2EN MsIitivy] etsi^x'/i^sv
AlTOAAnNIONXAPHTOZ 'AttoXXoviov Xap-oxo;
T0NEAYTH2ANAPA töv sxut-?]', av^px.
19. — 'Ev 4>iXa8£X(p£ta, ^ttI uXaxo«; dvaxaXu(p9£i<TY]^ im
T"^£; axpoTc6X£(0(;. T^j;. 0,40, [jt.Y]x. 0,45.
ETOYCCMO "Etou; 0(^6'
H
M [ji.Y](v60
AYCTPOYIHrAlüUI AuTTpou iti' ratq)
TUÜirAYKYTATUJ tc^) y^uJ^uTaTtp
TEKNUUCEMNUUC tsj^vw <ye{xvö?
BIUUCANTIETHA giwdxvTi stvj V
MEATINHHMHTHP MeXTivvi -fl (ayItvip
M.EIAEXAPIN p^[v]sla? x«pi^'
OEAAN0EAHCHME 6(;S'«v OeT^VlcYi {le-
TA0EINAITONBUÜ xocOerva.i tov So)-
M O N A (JU C E l T UÜ 1 (xöv ^oxiei t(^
T A M I U) I X ,B <I> T«jx(e)it{> ¥: V-
272 EnirPA«I»AI ES lÖNIAS KAI ATAIA2
To [jLap[xapov söpauo-ÖY) riSirj utto ipyax&v toO (TiSY)poSp6[j:.o'j.
20. — 'Ev <I>i>.a8£X(p£ta, Itci irXax.og [ji,ap[ji,ap{vY](; d^ 8uo
T£[Jia)ria xofjLto-Gci'o-Y]!; Ix toö y^topiou TettexioY, ^/4 ir^c, wpa(;
(ä:7:£5^ovTO{; 'CYJ(; <I>iXa8£Xcp£ia(;/'rcJ;. 0,68, [ayjx. 0,33, 7ta^. 0,03.
EupicrxETat Se vöv uapä iü x. Jean Kuntz.
<t)HNXÄAÄZHC
DOCTÄ t)ÄCCOMe
BPONTÄKeACTt^Ä
N6KneNnoNTÄo^
nomAtocuu8Aic
eKÄMINOCTOMON
^eiOOeNTONOt^ON
COl^KIZOCeKÄTÄTH
DÄOeKSTOYe^ONSKY
ÄTOYKOMHCO^KIZOCeNe
HTONÜ^eCBV I el^ONKeTON
eAeeeäoeeNTONol^oNeN^ ^
OCKÄTAT84)l'rAlHAKeTOh
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A^AHAl^AroNHAieTl^AH
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IC6N ATOY
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21. — 'Ev Maiovia im 7rXaxö(; £upto'xo[ji£VY]<; £v tw X^piw
Giobde. "X^. 0,20.
CTOYCCMMAYA "Etou? da' [xviCv^O AuS-
^IOYnA^Ar^A(t)e vjociou Tcapaypx^eCi)
EIIirPA«l>AI E2 lÜNIAi: KAI ATAIAi: 273
ÄTTOÄAUUNIOCTO 'A7ro"X-Xtovio? tö-
NBeBÄHKOTÄTOn v ^z^U-'(.6tx to 7:[0-
NAKIAIONKÄIH^KO v3c>ci^iov y.(x)\ ■'np{T:x)<6-
TAKÄICYCTOI^ÄTH {t}x ax\ CYC Topz T-7i
ÄTTUUAeiÄ iTAölticf.
22. — 'EvMaiovia, im Tz'Ka.y.bc, Eupta-xoaevY)^ 1 ^|2 wpav
{jiaxpav Töiv K.ou"A{»)v itapa to iisSlT-Tfxa't.
fOYlOYZnHPATOY^
23. — 'Ev M at 0 V t a, im. TiXaxcf; eOpsöstaTj^ et^ ctcopov dTioaxa-
(Tiv Tü)v KouXwv. "AvcoOev T'i]c; £'n:tYpa^"?i(; uirapyrei dvä-Y'A'j(pov
TrapicTTwv ßwjxöv ^tp' ou Oiist to axYJuTpov ävTjp, OTctaÖEv 8*a'jToö
icTTaxat irai^. "r^p. 0,96, tuX. 0,58. Tö (jidpjjiapov eOpiaxeTai vöv
dv TU) Mou(T£ico T7](; EOayy. 2t])(_oXfj^
H
ETOY2:Z(tE/AnEPEITIOYH
/AHNITTETPAEITHKAIMHNIAA
BANHA\HTPO-fANHZKAI + AABlA
N020l4-IAinniK0YKATAAEI'=fe
5 ENTE2YTTOT^NrONEff5NENOP
(t)ANEIAKAIENioNANeP^n$^NE
niBOYAEYZANTffaNAYTOIZEKTH////
Kc^/AHZKAIAPONT^NENrPA(t>AKAIETE
PAEIAHEKTH20IKIAZAYTC5NAA
10 ePAIc^2KAinEPI2YPO/AEN55NAYTQN
YTTOAAN12Tff5NHTAZHN55NKATOI
KIAAAOIHZAZAETTE2THZETO
ZKHnTPONTOIZKAKc^ZEISATOYZT
MHZASINKAlOeEOZEiEZHTHSEN
15 EKOAA2ETOKAiAIE(l)eEIPETOYi:
B0YAEYSANTA2AYT0I20eE0Z
'^^'^THAAOrPA(t)HZA
^AYNAMISOTI
THS
274 EnirPA*AI ES IQNIAS KAI AYAIAS
"Etou; otie |Ayi(v6<;) OepsiTio'j n'.
M-/)vt neTpflCSlTY) X3cl ^//ivl Ax-
SavY) MviTpopocv/]; vcal ^^aSiac-
evTs; ut:6 twv yovewv ev 6p-
^y.vst^ )cal 6vi(OV «vOpcuTroiv e-
7ri€ou)^EucrzvTü)v auroi; 6/t T*fl[;
Xü»j/.7;; %x\ a;p(5vTt>)v svypaipx )cxt exs-
py. £i''^7i £/, T'ii; oi/.izi; acjTÖv 'Xk-
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CTtv £v « MouffEio) xai BtSXtoÖTQXY) » IV CT. 158 dptO. tk^. —
T6 luiÖETov 11 £ T p a £ i T Y] ; (<7Tr/. 2) airavia rjo'/] to SsuTEpov.
To irpcöTov ava(p£p£Tat £v eiiiYpacpYi toO £v AoOia TopSou* t6 8^
£m6£Tov A a 6 a V Y] (; E^vat vsov. ITspi T^t; XaTpita? toö Mtqvo^
>cai Twv yvwaTwv auxou £Tct6£Ttov llt W. Waddingion £1(;ty)v
uit' apiö. 668 £7rtYpa(py]v icO Voyage archeologique III. —
'H $£ T a C IQ V cü V K a T 0 1 K i a Skv £]vat cüCkajo^v^ yvwarTiQ,
0O8' ava(p£p£Tat Ouö twv dL^y(^OLi(iiv YEwypaipcov.
A. QAnAAOnorAOS KEPAMErS.
Nike aus Megara.
(Hierzu Taf. XXI.)
Die auf Tf. X XI abgebildete Statue ist seit langem bekannt.
Im Jahre 1830 in Megara gefunden, wo sie noch 6 Jahre
später Ross* am Meeresstrande liegen sah, blieb sie zunächst
der allgemeineren Kenntniss noch für einige Decennien ent-
rückt, obwohl sie inzwischen nach Alhcn geschafft und
hier auf der Terasse vor dem Tiicseion ön'entlicli aufgestellt
wurde, wo sie sich noch gegenwärtig befindet. Später ist
sie mehrfach erwähnt und beschrieben, ^ auch schon einmal
in Zeichnung^ herausgegeben worden, ohne jedoch bis jetzt
die Beachtung zu finden, welche sie in mehr als einer Hinsicht
verdient. Es scheint daher nicht überflüssig, die wissen-
schaftliche Aufmerksamkeit durch eine neue Abbildung
wiederum auf dies Werk hinzulenken; die Zeichnung zu
derselben stammt von Herrn L. Otlo, ist aber nach erneuter
Revision vor dem Original von Herrn E. Gillieron überarbeitet
und in manchen Details verbessert worden.
Die Statue besteht aus pentelischemMarmor und ist in ihrem
jetzigen Zustande^ — ohne Kopf, mit der aus demselben Stück
gearbeiteten Plinlhe — noch etwa2V2Meter hoch. Diese Plinthe
ist von unregelmässig gerundetem ümriss ; der Durchmesser
schwankt von 0,50-0,60, die Höhe von 0,10 vorn unter dem
' Königsreisen I 139.
2 Am besten von Kekulö Ant. Bildw. des Ttieseion N" 37.9; die übrige
Literatur ist zuletztinL. v. S.ybei's Katalog derSculpturen zu Alben N*^ 3435
verzeichnet. Dazu kömmt jetzt noch A. MilchhöferDie Museen Athens S.41.
^ Zeichnung von Landron in dem Reisewerke von Le Bas Monuments ß~
gutes Taf. 91 L
276 NIKE AUS MEGARA
r. Fuss bis gegen 0,25 an der 1. Seite; ihr Äussenrand ist
ringsum nur rauh zugehauen; sie waralso zum Einhissen in
den oberen Block der Basis beslimmt, welcher hiernach eben-
falls nicht von regelmässiger, geometrischer Form gewesen zu
sein scheint.
lieber die Benennung der Statue hat von Anfang an kein
Zweifel beslanden ; ihre Rückseile zeigt in unverkennbaren
Spuren, dass sie mit eingesetzten Fliigeln versehen war, und
da auch die Anlage und Behandlung des Gewandes damit
vollkommen übereinstimmt, hat man in ihr gleich mit aller
Sicherheit eine im Fluge befindliche Nike erkannt.
Diese Spuren der jetzt fehlenden Flügel bestehen in 2 grossen,
länglichen Vertiefungen, welche hinter den Schultern einge-
schnitten sind, die rechte ein wenig höher stehend als die
linke; ihi-e Innenflächen sind rauh gespitzt, am untern
Theil befindet sich je ein grosses rechteckiges Zapfenloch zur
Befestigung der aus besonderen Stücken angesetzten Flügel
vermittelst eines Metalldübels. Zwischen diesen Einschnitten
ist am lUicken eine glatte Fläche abgearbeitet und nur leicht
mit dem Spitzeisen behandelt worden; höher hinauf am
Nacken ist sie etwas ab^eschräot und zei^t eine flache Scul-
pirung. Ich stehe nicht an, hierin die innersten Flaumfedern
der Flügel zu erkennen , welche zwischen den Ansätzen der-
selben an der Figur selbst nur im Groben angegeben waren
und daher in ihrer Form im Einzelnen wenig deutlich und
charakteristisch sind. Ein längliches Zapfenloch an dieser
Stelle lässt annehmen, dass hier eine grössere Stütze für die
Flügel eingesetzt war.
Ausser diesen jetzt fehlenden Theilen und den Armen,
welche ebenfalls besonders angesetzt waren, sind an der Sta-
tue gebrochen der Kopf, zahlreiche grössere und kleinere
Parthieen des Gewandes und der linke Fuss, welcher an dem
vortretenden Bein rings frei ausgearbeitet und daher besonders
exponirt war.
Ander linken Seile des Halses nach dem Nacken zu ist noch
ein kleiner lleben-est von Locken erhalten, nach welchem wir
MKK AUS MKGAUA 377
uns das Haar zurückgestrichen und in grossen, wellennMiiiigeii
Strähnen nach hinten verlanhMid zu ei'giinzen liahen.
Wenn somit unserer Figur wesentliclie Theile und grade
die einzigen, welche unbekleidete Formen erkennen liessen,
fehlen, so wird ihre weitere Untersuchung vor allem auf eine
Betrachtung dcrGewandung angewiesen sein. Aber auch diese
findet sich durch den eigenthiimlichen Erhaltungsznstand
der Statue bedeutend beeinträehtijTt. Ausser den einzelneu
Beschädigungen hat sie nämlich eine noch viel weiter gehende
Zerstörung der Obertläche erlitten, \\elche dadurch entstanden
ist, dass sie längere Zeit hindurch im Meere gelegen hat. Das
sicherste Zeichen dafür sind die Ueste von Seethieren, welche
anderlinken Seite der Figur noch zahlreich anderObertläche
des Marmors fest anhaften; hier ist unten, dicht über der
Plinthe, eine grosse spiralförmige Vertiefung zu bemerken^
welche eins dieser Thiere (nach H. v. Heldreich's Bestimmung
eine Serpula-Art) in den Stein eingefressen hat ; an anderen
Stellen erkennt man noch Spuren von Korallen und dicht zu-
sammenstehende Complexe feiner Löcher, welche von der
Anbohrung durch ßohrmuscheln herrühren. Die längere Ein-
wirkung des scharfen Seewassers aber ist an der ganzen Ober-
fläche der Statue, besonders des unteren Theils, in ihren zer-
störenden Folgen zu erkennen, an grossen Parthieen ist durch
sie förmlich die Epidermis des Marmors abgeschält worden.
Für die Vorderansicht sind damit auf der (vom Beschauer)
linken Seite alle Details des Gewandes mit seinen Falten und
den darunterliegenden Körperformen verloren gegangen. Nur
der ei'haltener. Fuss und die unmittelbar daran herabreichen-
den Falten sind inlact geblieben ; höher hinauf, besonders
vom Knie an haben wir eine glatte, körperlose Flache vor
uns. An dem vortretenden linken Bein ist unten die Bruch-
iläche des Fusses vollständig glatt verwaschen, weiter oben das
Knie von beiden Seiten her angefressen. Auch der Ober-
schenkel ist noch vom Wasser überspült worden und hat daher
wie der Leib der Figur seine ursprüngliche Form verloren ;
erst der Oberlheil war dieser zerstörenden Einwirkung enL-
278 NIKE AUS MEGARA
zogen, von dem Ende dos Gewandüberfalls an, dessen Hervor-
treten vor die darnnterliegende Parthie durch jene Beschädi-
gung derselben noch verstärkt worden ist.
An der rechten Seite der Figur ist das Gewand durch Bruch
zerstört, an der linken sind die grossen wehenden Gewand-
massen zwar in ihrer ursprünglichen Form erhalten, ihre
Oberfläche ist aber auch hier zum Theii fingerdick vom Was-
ser verzehrt worden ; einzelne im Inneren des grossen Bau-
sches stehen gebliebene Reste lassen erkennen, wie viel hier
von der ursprünglichen Substanz des Steins geschwunden ist.
Nehmen wir alle diese Merkmale, welche die Statue selbst
darbietet, zusammen, so ergiebt sich, dass sie geraume Zeit
hindurch direct im Meere gelegen haben muss. Ijnd zwar lag
sie hier auf ihrer linken Seite, da sich an dieser jene nur im
Wasser selbst lebenden Parasiten angesiedelt haben; zugleich
erklärt sich daraus, dass man sie schon damals als Nike er-
kennen konnte, die auf dem Rücken befindlichen Spuren der
Flügel müssen also sichtbar gewesen sein, sowie dass die
rechte Seite der Figur durch Bruch gelitten hat, sie war als
die nach oben gewendete der Beschädigung besonders ausge-
setzt. Ihre Lage war dabei vermuthlich eine schräge zum
Strand, mit den Füssen demselben näher; denn während der
untere und mittlere Theil sich vom Wellenschlag überspült
zeigt, ist der höher liegende Oberkörper davon fast unberührt
geblieben; die bessere Erhaltung des rechten Fusses und sei-
ner Umgebung muss localen umständen zu verdanken sein.
Diese Zerstörungsgeschichte der Statue interessirt uns nicht
bloss als Curiosität. Für ihre weitere Untersuchung wird in
einemPunkte dieFmge nach ihrer Herkunft entscheidend sein;
nun könnte sehr wohl bei einer im Meere oder am Strande ge-
fundenen Statue die Ansicht berechtigt erscheinen, dass sie
hier zu irgend einer Zeit von einem Schiffe, das sie als Gut
oder Ballast mit sich führte, ausgeladen und liegen geblieben,
ihrer Provenienz nach mithin als herrenlos zu betrachten sei.
Dem gegenüber ist festzustellen, dass die Figur nicht ursprüng-
lich im Meere selbst gefunden sein kann, so wenig als sie etwa
NIKE AUS MEGARA i79
unbegrenzte Zeit in demselben gelegen hat. Beides v,'\r(\ durch
eben ihren Erhaltungszustand ausgeschlossen. Nach Ana-
logie anderer Marmorwerke, welche ein solches Schicksal ge-
habt haben, würde in diesem Fall ihre Auflösung viel weiter
vorgeschritten sein, vor allem müsste die hier kaum begon-
nene Anbohrung durch Seemuscheln einen viel grösseren Um-
fang zeigen. Um die Statue in ihren jetzigen Zustand zu ver-
setzen genügt nach saeliversländigem Urtheil die Einwirkung
des Meeres etwa in der Dauer eines Decenuium; das ist grade
der Zeitraum, weicher zwischen ihrem Fund und iiirer Feber-
führung nach Athen \(M'f'l(iss, während dessen sie am Strande
von iNisaea liegen blieb. Ein Augenzeuge, der sie noch daselbst
gesehen hat, bestätigte mir, dass ihre dortige [.age den im
Vorhergehenden gefundenen Bestimmungen wohl entsprach.
Es steht somit nichts im Wege, eine Fundangabe derStatue,
welche wir den Nachforschungen Rhangabes* verdanken, für
durchaus glaubwürdig zu halten. Ich habe dieselbe bisher ab-
sichtlich unberücksichtigt geiassen_, vv'eil sie, einige 20 Jahre
nach dem Fund gemacht und nur auf den Angaben der Orts-
bewohner beruhend, angezweifelt werden müsste, falls sie mit
den durch die Statue selbst gegebenen Indicien im Wider-
spruch stände.
Nach jener Angabe ist die Stalue am südwestlichen Abhang
des östlichen der beiden Burghügel von Megara, in welchem
man die nach Pausanias Kocpiot benannte Akropolis erkennt 2,
entdeckt worden. An dieser Stelle kann sie sich nicht weit von
ihrem ursprünglichen Aufstellungsort befunden haben; da
schwerlich das colossale Marmorslück bergan verschleppt sein
wird, so ist anzunehmen, dass sie an einer markanten Stelle
des Burgaufgangs aufgestellt war, oder dass sie von der Höhe
herabgestürzt ist und in antiker Zeit zum Schmuck der Akro-
polis selbst gehört hat.
• Souvenirs d'une excursion d'Alhenes en Arcadie S. 13. Tf. l Fig. 5 ist
die Fundstelle auf dem Plan von Megara mit N** 32 bezeichnet.
2 Bursian Geographie v. Griechenld. I S. 374.
280 NIKE AUS MEGARA
Die Herkunft unserer Slatue lialle ich hiermit für sicher
festgestellt und betrachte es als ausgemacht, dass sie erst nach
ihre)" Autlindung, um zur See forlgescliafft zu werden, an den
Meeressh'and gebracht worden ist und hier etwa 10 Jahre
lang halb im Wasser liegen blieb; ei'st durch diese neuere
Vernacidässigung also ist sie in den traurigen Zustand der
Zerstörung gerathen, den wir vorher betrachtet haben.
Doch lässt sich bei alledem das künstlerische Verdienst des
Werkes in den Bewegungsmoliven der Figur und der Anlage
und Behandlung des Gewandes noch eikennen. Sie ist mit
einem diclilen Obergewand bekleidet, das über den Schultern
durch Spangen befestigt ist; der von da bis zu den Hüften
herabreichende Ueberfall desselben wird unter der Brust von
einemGürtel zusammengehalten. Darunter Iräglsie einen Chiton
von feinerem Stolf, dessen zusammengenestelle Aermel an
beiden Schultern sichtbar sind. Doch hat der Künstler von
diesem üntergevvand für die Erscheinung seiner Figur keiner-
lei Gebrauch weiter gemacht, es kommt sonst nirgends wie-
der zum Vorschein; ihre äussere Umhüllung wird ganz ein-
heitlich von dem grossen Peplos gebildet, der bis auf dieFüsse
herabreicht; auch diese waren wiederum bekleidet, mit der-
ben Schuhen, die bloss auf der Oberseite eine Oeffnung zum
Zuschnüren zeigen.
Das Gewand besteht aus einem schweren Stoff, der sich
nicht zu zierlicher Faltengebung eignet, sondern nur in grosse,
durch die Bewegung der Figur motivirle Parthieen gliedert.
Diese Bewegung concentrirt sich in einem energischen Streben
nach vorwärts ; durch den Widerstand der Luft, welche die
geflügelte Göttin rasch durchschneidet, wird das Gewand vorn
an den Körper angeschmiegt, um sich an den Seilen in grossen
wehenden Massen zu entfalten ; die Richtung des Flugs nach
unten, die man als die natürlichste dabei angenommen hat,
spricht sich im Gewände kaum wahrnehmbar aus.
Den fliegenden Falten an der linken Seite der Figur ent-
sprach zu ihrer rechten eine jetzt verlorene ähnliche, wenn
auch weniger bedeutende Ausladung ;, so dass sich der Kör-
NIKE AUS MEGARV 281
perumriss wie von einem Hintergründe beiderseits von den
zurück flatternden Theilen des Gewandes ahliob. ZurVervoll-
sländigiing der Silhouette nach oben bin haben wir uns end-
lich noch die im Schwünge begriffenen Flügel hinzu zu denken.
Die Darstellung einer raschen Bewei?im£j durch Flüijel ,
welche hier die Aufgabe des Künstlers bildele, bat für die
äussere Wirkung den Nachlheil, dass dabei die Organe, die
wir sonst als Träger der Bewegung zu sehen gewolint sind,
ausser Thätigkeit bleiben ; der Körper ist in allen wesent-
lichen Theilen gestreckt und in Ruhe ; wir erkennen die Be-
wegung nur in ihren Wirkungen, in den nach hinten we-
henden Gewandmassen. Vielleicht war es diese Ueberlegung
oder wenigstens die ihr zu Grunde liegende Wahrnehmung,
welche den Künstler veranlasst hat, seiner Figur noch ein
weiteres Bewegungsmotiv mitzulheilen. Es besteht dies in
einer sehr merklichen Drehung ihres Obertheils zum Unter-
körper : die rechte Seite ist von den Hüften aufwärts nach
vorn gew'endet, die rechte Schulter zugleich etwas gehoben.
Hierdurch erhält die ojanze Gestalt ein individuelleres und
energischeres Leben, und zugleich kommt in die Gewandung
eine sehr erwünschte Mannichfaltigkeit ; die Faltensysteme
der beiden Körperhälflen stehen nun nicht mehr senkrecht auf
einander, die Mitte der durch den Gürtel zusammengefassten
Falten des Oberkörpers ist zur Seile über die Theilung, wel-
che durch das vorgestreckte linke Bein in den unteren Ge-
wandparlhieen entsteht, hinw^eggewendet.
Diese Wendung des Oberkörpers stand ohne Zweifel im
Einklang mit der Action der Arme und bietet für die Ergän-
zung derselben den sicheren Anlialt. Die Arme waren aus be-
sonderen Stücken angesetzt ; an der Bruchslelle d^s rechten
befinden sich 3 runde Zapfenlöcher, welche noch Spuren der
Metallstifte zeigen, mit denen er befestigt war ; an der linken
Seite sind nur noch Beste von 2 Löchern vorhanden. Die
Schulterseijend ist hier zu sehr verwaschen, um noch die An*
satzfläche des Arms erkennen zu lassen.
Nach der Haltung der Schulter muss der rechte Arm nach
JIITTU.D. ARCH.INST. VI. 19
282 NIKE AUS MEGARA
vorn und ziiglefcb nach oben bewegt gewesen sein ; unter
seinem Ansatz aber ist eine senkrecht stehende, längliche
Fläche concav ausgearbeitet und geglättet, ^^ eiche durch seine
Stellung verdeckt gewesen sein muss. Es folgt daraus, dass
der rechte Arm nicht gestreckt nach oben oder nach vorn ge-
halten wurde; wahrscheinlich war er also im Ellenbogen
gebeugt, der Oberarm ging zunächst etwas nach der Seite hinab,
so dass der von ihm herabfallende Aermel des Chiton jene
geglättete Stelle deckte, während die Hand höher, über der
Brust der Figur stand.
Mit dieser Haltung würde es sich gut vereinigen, wenn un-
sere Nike, w^as auch ohnehin als das w^ahrscheinlichste anzu-
nehmen wäre, in der Rechten einen Kranz vor sich gehalten
hat.
Die linke Schulter ist gesenkt, der von ihr ausgehende Arm
ging also nach unten; da die Schulter zugleich etwas zurückge-
wendet ist, kann er nicht vor die an der Seite heraustretenden
Gewandtheile gehallen gewesen sein; ebensowenig ist jedoch
anzunehmen, dass er hinter dieselben herabreichte. Es scheint
mir daher am wahrscheinlichsten, dass die linke Hand den
an dieser Seite fliegenden Sanm des Gewandes fasste, ein in
allen Zeiten der griechischen Kunst häufig angewendetes Mo-
tiv; jedenfalls kann die Hand in dieser Stellung ein für die
Bedeutung der Statue irgendwie charakteristisches Attribut
nicht gehalten haben.
Für den Eindruck des Fliegens, den das ganze Werk her-
vorbringen sollte, ist endlich noch wesentlich die entschiedene
Vorwärtsneigung, welche die Längenaxe der ganzen Stalue
zeigt. Wie das materielle Gleichgewicht des nach vorn über-
hängenden Steins durch die nach hinten lastenden Flügel
hergestellt wurde, ebenso wurde auch die Phantasie des Be-
schauers genöthigt,in der Thätigkeil derselben einen Ausgleich
für die I.age der ganzen Figur zu suchen und so ihre Haltung
und Bewegung richtig aufzufassen.
(Sdiluss folgt.) K. PURGOLD.
Untersuchungen am Parthenon.
(Hierzu Tafel XIl.)
Nachdem der Zeuslempel zu Olympia freigelegt und seine
innere Einrichtung hekannt geworden ist, ninss der hedeu-
tende Unterschied auffallen , der zwischen seinem Cella-
Grundrisse und demjenigen des Parthenon (nach B(Pllicher8
Restauration) besteht; hier das grosse Bild der Parlhenos in
einer geschlossenen Nische an der Rückwand der Cella aufge-
stellt— dort das Zeusbiid nach allen Seiten hin frei im Mittel-
schiffestehend. Man hätte doch erwarten dürfen, dass Phidias
seine beiden colossalen Goldelfenbein-Staluen wenn auch
nicht in gleicher, sodoch wenigstens in ahnlicher Weise
aufgestellt habe. Da nun in Olympia die Disposition der Cella
noch so deutlich erkennbar ist, dass die Richtigkeit ihrer Re-
construction nicht angezweifelt werden kann, so drängt sich
die Frageauf, obBoetticher sich nicht bei seiner allen früheren
Aufnahmen widersprechenden Restauration des Parthenon-
Grundrisses geirrt habe.
Hierdurch veranlasst habe ich während eines läns;eren
Aufenthaltes in Athen im April dieses Jahres den Grundriss
des Parthenon und speziell diejenigen Punkte, welche Boetti-
cher selbst als die für seine Reconstruction entscheidenden
bezeichnet, einer genauen Nachprüfung unterzogen. Das Re-
sultat dieser Untersuchungen war, dass sich die Bcettichersche
Restauration, soweit sie von früheren abweiclit, als unrichtig
herausstellte. Weder hat das AthennhihJ an der Rückwand der
Cella gestanden, noch ist von der. sogen. Paraslas jemals
auch nur ein Stein vorhanden gewesen. Die Colossalstatue
stand vielmehr frei im Mittelranme, und hinter ihr waren die
Seitenschiffe als Querstoa herumgeführt. Selbst die beiden
28i tlNTERSÜGllUNGEN AM PARTHENON
kleinen Thiiren an der Westwand der Cella, denen Boetticher
ein so grosses Gewicht beilegt,* waren in dem griechischen
Baue nicht vorhanden, sondern sind erst bei Einrichtung der
christlichen Kirche her2;estellt worden. Schliesslich stellte
sich auch die seit Bceckh und Boetticher allgemein übliche
Bezeichnung der einzelnen Räume des Tempels als irrthüm-
lich heraus.
Indem ich es unternehme, diese Behauptungen, welche der
Ton fast allen Gelehrten adoptirlen und in die meisten Werke
über Architekturgeschichle aufgenommenen Reconstruction
Boetlichers widersprechen, zu verÖlTentlichen, habe ich die
Pflicht^ nicht einfach Behauptung gegen Behauptung zu setzen
oder etwa nur schwache, kaum sichtbare Standspuren, die der
eine für rund, der andere bei anderer Beleuchtung für vier-
eckig halten kann, als Beweise anzuführen, sondern be-
stimmte technische Argumente beizubringen, die jedermann
leicht an Ort und Stelle nachprüfen kann.
Um auch demjenigen Leser, welcher in den constructlven
Details der antiken Bauweise nicht bewandert ist, die nach-
folgende Beweisführung verständlich zu machen, schicke ich
der eigentlichen Untersuchung einige aligemeine technische
Bemerkungen voraus.
Die Wandquadern griechischer Gebäude haben, abgesehen
von den verschiedenartio;sten zum Heben der Steine mit Zanse,
Schlüssel, Seil etc. dienenden Löchern, auf ihrer Oberfläche
meist 3 verschiedene Arten von Einarbeitungen :
1) Vertiefungen zur Aufnahme eiserner, die horizontale
Verbindung der Quadern herstellender Klammern, die beim
Parthenon meist h geformt sind ;
1 Vergl. Untersucliungcn ciuf der Akropolis S. 166: « Zur Bestätigung der
von mir angenommenen Einrichtung des ganzen Gebäudes als Tliesauren-
tempel gcliörten nun vor allem zwei kleinere Verbindungsfhüren in der
Scheidewand beider Räume,. . . . auch war ihr Vorhandensein so eng mit
der von mir gesetzten Bestimmung des Monumentes verwachsen, dass es
einen Cardinalpunkt der Beweisführung für dieselbe bildete.»
UNTERSUCHUNGEN AM PARTHENON 385
2) einfache parallelepipedische Löcher für die zur vertikalen
und horizontalen V^erbindiing dienenden Splintdiibel;
3) kleine unregelmässigere Einschnitte (,,Stemmlöclicr"), in
welche Brechstangen eingesetzt wurden, um jeden Stein dicht
an seinen Nachbar heranzuschieben.
Auf Tafel XII ist rechts oben eine beliebii^e Mauer darjie-
stellt, an welcher man die Klammern, Diibel und Stcmm-
lücher deutlich erkennen kann. In zwei der letzleren sind
Eisenstangen eingesteckt, durch welche die oberste Quader
vermittelst eines dazwischengelegten Holzes an ihren linken
Nachbar dicht herangestemmt wird.
Die beiden ersleren Arten finden wir nicht bei allen grie-
chischen Bauten, weil in manchen Stiidten die Steinwände ohne
Klammern und Dübel zusammengefügt wurden; die Stemm-
löcher kommen dagegen bei allen griechischen Mauern aus
rechteckigen Quadern vor, wenigstens ist mir unter mehr als
hundert Beispielen bis jetzt keine einzige Ausnahme begegnet.
Hiernach dürfen wir den allgemeinen Grundsatz aufstellen:
Wo auf der Oberfläche einer Quaderschicht die drei Arten
Löcher vorhanden sind, da wissen wir mit Bestimmtheit, dass
noch eine weitere Quaderlage darüber folgte. Und umgekehrt :
Fehlen auf der Oberfläche einer Steiiilagealle drei Löcher, so
kann unmöglich eine weitere Steinscliicht darüber gelegen
haben. Der letztere Satz gilt sogar ^^enn nur die kleinen
Stemmlöcber fel)len. In dem Vorhandensein oder rehlen jener
Löcher besitzen wir somit ein untrügliches Mittel, um bei
griechischen Quaderbauten entscheiden zu können, ob eine
Wand nach oben beendet war, oder ob lioch weitere Stein-
schichten folgten.
Die Differenzen, welche zwisclicn dem von B(]ettici;or re-
staurirten Parthenon-Grundrisse und dem wirklichen That-
beslande vorhanden sind, fassen wir in folgende vier Sätze
zusammen :
I) Die beiden sei'liclien Tiiiiren in der Wcstwand der (Jella
stammen aus byzantinischer Zeil.
H) An Stelle der von Bcelticher angenommenen Bildniseho
286 UNTERSUCHUNGEN AM PARTHENON
ist ein hinterer Sünlenumgang (Querstoa) zu restauriren.
III) Die Parthenos stand weiter nach Osten auf dem von
Buetticher als Benia bezeichneten Unterbau.
IV) Die gewöhnliche Benennung der einzelnen Rüume des
Tempels ist nicht richtig; der Name Parthenon bezeichnet
im engeren Sinne nicht einen besonderen Theil des Hekatoln-
pedos, sondern das grosse Ilintergemach.
I) Das Vorhandensein von zwei kleinen, dem ursprüngli-
chen Baue angehöi'igen Thüren in der Rückwand der Cella
sucht Boetticlier S. 105-172 seines Berichtes über die Unter-
suchungen auf deu" Akropolis nachzuweisen. Darin, dass in
dieser Wand einmal zwei Seitenthtiren vorhanden waren, hat
er allerdings Hecht, denn die J.öcher fiir die Zapfen und Rie-
gel, sowie die vom Oefnen der Thüren herrührenden peri-
pherischen Einrisse auf dem Fussboden beweisen es schlagend;
aber wesshalb sollen diese Thüren antik sein^ Bötticher, der
doch wohl wusste, dass die im Tempel eingerichtete byzan-
tinische Kirche gerade an jenen Stellen zwei Nebeneingiinge
hatte, wirft auffallender Weise die Frage, ob diese nicht erst
von den Byzantinern angelegt seien, gar nicht auf, während
er bei der gi'ossen Mitlelthüi'e in derselben Wand bestimmt
angiebt, dass sie erst von den Byzantinern hergestellt sei. Es
ist dies um so auffallender, als man auch ohne genaue Unter-
suchung schon erkennen kann, dass die kleinen Thüren by-
zantinisch sein müssen. Bei griechischen Monumentalbauten
kommt es nämlich meines Wissens nie vor, dass die Zapfen
und Riegellöcher unmittelbar in den Marmor eingearbeitet
sind: es wurden vielmehr immer besondere Bronzeslücke ein-
gelassen, welche das Zapfenlager und das Riegelloch enthiel-
ten. Diese Bronzestücke fehlen bei jenen Seilenlhüren, und in
Folge dessen haben sich beim Onlfneii der Fhigel die Zapfen
zum Theil so tief in den Marmor hi.'ieingebohrt, dass ein neues
Marmorstück eingesetzt werrlen mussle. Es ist befremdend,
dass Bot lieber selbst dieses in der rohesten Weise eingefügte
Flickslück, das gar nicht einmal genau in das Loch hinein-
passt, ohne jeden Beweift für eine an tike AusbesserungerkUirt.
UNTERSUCHUNGEN AM PARTIIENOiN 287
Unlersucheii wir zunächöt im Anschlüsse an die auf Tafel
XII rechts unten mitgetlieiltc Delailzeichnung* die nördliche
TI)ür gennuer. Die Wandsch welle ist gerade da, wo dieThüre
lag, sehr stark abgetreten, während an fast allen übrigen
Stellen nicht nur die ursprüngliche Bearbeitung sondern auch
die Aufsclinürungslinien für die aufgehende Wand noch deut^
lieh erkennbar sind. Da die beiden antiken Klanimerbander
c und d. und das Dübelloch h in dem ab2;etretenen Theil der
Schwelle, also innerhalb derThürbreite liegen, so müssen sie,
so lange die Thüre bestand, sichtbar gewesen sein. Dasseine
derartige Construction für einen antiken Bau und besonders
für den Parthenon unmöglich ist, liegt auf der Hand ; nur wenn
dieThüre erst in byzantinischer Zeit angelegt wurde, ist diese
Schlechte Anordnung ei-klurlich . Bötticher sucht sich hier zu
helfen, indem er der Thüre eine monolithe Anschlagschwelle
ZLitheilt, Aelche jene Löcher in der unteren Wundschwelle ver-
deckt hüben soll; er giebt uber keine Antwort auf die Frage,
wie denn der von der Anschlagschwelle überdeckte Stein genau
in der Breite der Thüre eine so starke Abnutzung erhallen
konnte. Vielleicht nimmt er an, dass die Anschl.igsch welle nur
im griechischen Bau vorhanden war und von den Byzantinern
weggenommen wurde. Aber abgesehen davon, dass man den
Byzantinern eine derartige zwecklose Arbeit nicht zutrauen
darf, sind bestimmte technische Merkmale vorhanden, welche
erkennen lassen, dass die hypothetische Anschlagschwelle
auch im ursprünglichen Baue nicht existirt haben kann.
Die Querwand besass nämlich wie alle Wände des Tempels
über der Schwelle eine aus z;wei hochkantigen Platten herge-
stellte Schicht. Ueberall, wo zwei dieser Steine der Länge nach
zusammenstossen, ist einer oder zwei Splintdübel angebraclit,
derart, dass bei der zuerst versetzten inneren Plattenreihe
' In der cutspieuliendcii Zeielmung iJöKu^hers letilcii die Slonuiilücher
vollständig und einige Splintdiiljcl-Ijöcitci sind niclit als solclic erkannt
worden.
288 UNTERSUCHUNGEN AM PARTHENON
jeder Stein zwei besondere Diibel hat, während bei der zuletzt
versetzten an jeiler Stossfuge nur ein beiden Steinen gemein-
samer Dübel vorhanden ist. So hat auch in der Querwand die
östliche Plattenreihe an ihrer Stossfuge je zwei {e, f und k, l),.
die westliche nur je einen Splintdiibel [g, in). Nehmen wir
nun an, dass die Anschlagschwelle im ursprünglichen Bau
wirklich vorhanden und dass sie an ihrem südlichen Ende
westlich von dem Zapfenloche a vermittelst der Dübel e, fand
g. mit den beiden Platten und der Wandschwelle verbunden
gewesen wäre, so müssten am nördlichen Ende der Schwel-
le und zwar westlich vom Zapfenloche b ebensolche Dübel
vorhanden sein, um die Verbindung mit den beiden nördlichen
hochkantigen Steinen herzustellen. Denn dass auch hier zwei
Platten angebracht waren, kann man nicht nur aus den deut-
lichen von der Cellawand bis zum Zapfenloch b reichenden
Standspuren noch erkennen, sondern ist auch nicht gut anders
denkbar. Da nun jene Dübel nie vorhanden waren, so kann
auch keine Anschlagschwelle exislirt haben. Vielmehr geht aus
der noch erkennbaren Construction der ganzen Wand deut-
lich hervor, dass die untere liochkantige Schicht ausschliess-
lich aus e. 2,20'° langen Platten bestand, welche ziemlich
genau von der Mitte der einen Schwellenquader bis zur Mitte
der nächsten reichten. Damit auch die Endplatten diese Länge
haben konnten und dabei doch mit ihren Stossfugen auf die
Mitte einer Schwellenquader trafen, sind an den beiden En-
den der Mauer Schwellensteine von nur halber Länge einge-
fügt worden {A in unserer Figur). Im Bauplane des Iktinos
war demnach sicherlich keine Seitenthüre enthalten.
Ebenso wie durch das Fehlen der Dübel können wir auch
durch das Nichtvorhandensein der erforderlichen kleinen
Stemmlöcher die Unmöglichkeit der Existenz einer besonderen
Anschlagschwelle innerhalb der Seitenthüre beweisen, und
zwar würde dieser Nachweis noch zwingender sein als der
vorhergehende, weil jene kleinen Löcher keinenfalls fehlen
dürften. An ein willkürliches Fortlassen der betreffenden
Dübel und Stemmlöcher kann aber schon desshalb nicht ge-
UNTERSUCHUNGEN AM PARTHENON 289
dacht werden, weil sie an der südlichen Scilenlhüre genau in
derselben Weise fehlen.
IsL demnach in dem antiken Baue keine der Seitenlhüren
vorgesehen, so müssen dieselben spUler eingebrochen sein und
zwar zu einer Zeit, als nicht mehr auf Genauigkeit und So-
lidität der Arbeit gesehen wurde. Da wir nun wissen, dass
beim Umbau des Tempels zu einer christlichen Kirche jene
zwei Thüren für die Seitenschiffe erforderlich wurden, so sind
wir zu dem Schlüsse berechtigt, dass die Tliüren erst von den
Byzantinern angelegt sind.
Mit diesem Ergebniss der technischen Untersuchung fällt
aber nicht nur die Folgerung, die Bölticher aus der Art des
Verschlusses jener Thüren (S. 169) für das Verhältniss der
einzelnen Verwaltungsbehörden zieht, sondern auch die
hauptsächlichste Stütze seiner ganzen Restaura-
tion des Tempelgrundrisses (S. 166 und 181).
W^aren die Seilen thüren nicht vorhanden, so drängt sich uns
die Frage auf, ob denn überhaupt keine Verbindungsthüre
zwischen der Cella und dem Hintergemache bestand. In by-
zantinischer Zeit führte ausser den beiden Seitenthüren eine
grosse Äliltelthüre in die Cella hinern, von einem antiken
Durchgange sind aber auch in der Mitte der Querwand keiner-
lei sichere Spuren vorhanden, vielmehr kann man auf der
Wandschwelie noch gut erkennen, dass die langen hochkan-
tigen Platten ohne Unterbrechung durch die ganze Wand hin-
durch gegangen sind. Da ferner die von einer Revision der
Thüre des Hekatompedos handelnde Inschrift (C. /. A. II 708)
nur eine Thüre in der Cella kennt, so muss angenommen
werden, dass die Cella und das Hinlergemach nicht verbun-
den waren und mithin der Tempel in zwei vollständig ge-
trennte und verschiedenen Zwecken dienende Theile zerfiel.
II) Für die Existenz der grossen Bildnische an der Wcst-
vvand der Cella führt Bötticlier hauptsächlich zwei Gründe an.
Zunächst die von Knowles verzeichnete Lehre einer Anteu-
bettung. Diese Standspuren waren aber so undeutlich, dass
Penrose selbst sie nicht gesehen hat. Im veri^anü;enen Sommer
290 ÜNTERSÜCHUNGEiN AM PARTHENON
glaubten wir, auf der Eckquader des südlichen Stylobates
schwache Standspuren einer antiken Säule zu erkennen (selbst-
versliindlicli meine ich hiermit nicht etwa die Bettung der
byzantinischen Ecksänle). Ich lege jedoch dieser Beobachtung
nur sehr wenig Gewicht bei^weil die Standspuren sehr schwach
waren. Aber selbst wenn wirklich eine viereckige und keine
runde Standspur vorhanden ist, so folgt daraus noch langfe nicht
das Vorhandensein der Parastas, vielmehr darf man, bevor
nicht die Existenz di-v beiden Seitenwiinde nachgewiesen ist,
nur auf einen Eckpfeiler schliessen; und warum soll ein win-
kelförmiger Pfeiler, wie ihn Peurose reslaurirt, undorisch oder
gar unmöglich sein ? Tm Gegenlheil, wenn man erwägt, dass
der winkelförmige Vorsprung genau der Stärke der Ante an
der östlichen Cellawand entsprach und dass daher für den im
MiftelschitTe stehenden Beschauer alle drei Stoeu an ihren
Enden symmeli'isch mil, Anten von gleicher Stärke eingefasst
waren, so wird man einen solchen winkelförmis^en Pfeiler für
eine künstlerisch vollkommen berechtigte Ecklösung halten.
Als zweiten Grund für seine Parastas führt Böllicher das
Fehlen jeglicher Standspuren auf der Schwelle der Bildnische
(dem Stylobate der Querstoa) an. —Man kann sich aber an Ort
und Stelle sofort davon überzeugen, dass die ganze Schwelle
so stark abgenutzt und abgetreten ist, dass die schwachen
Standspuren etwaiger antiker Säulen gar nicht mehr sichtbar
sein können ; gerade hier lag ja der Hauplzugang zur christ-
lichen Kirche und zur Moschee.
Diese beiden Argumente beweisen also nichts; aber Bostti-
cher weiss noch andere untrügliche Gründe, denn er süst auf
S. 117 seines Berichtes : ,,Zwei andere technische Wahrzei-
chen, welche die Anlage der Parastas noch hinterlassen hat,
die auch so unvertilgbar sind, dass sie nur mit Entfernung
des ganzen Marmorbodens verlöscht werden können, übergehe
ich hier." Es ist sehr zu bedauern, dassBötticher diese Gründe
vorenthält. Ich habe mich vei-geblich bemülit, die beiden
unvertilgbaren Spuren aufzufinden und kann daher vorläufig
ihre Beweiskraft nicht anerkennen.
ÜNTERSUGHUNGKN AM PARTllKNON 291
Dafür kann ich aber ein nnderes, auch uuverlilghares
Wahrzeichen angeben, welches unNviilerU'glich beweist, dass
die beiden Seitenwände der Bildnischc nie -xislirt liabcn
können. An denjenigen Stellen, wo Ho-Llirlier diese beiden
Wände restaurirt, müsslen, wenn dieselben jemals vorhanden
gewesen wären, die marmornen Fussbodenplatlen als Schwel-
len jener Wä'nde noch jetzt die in den vorausgeschickten tech-
nischen Bemerkungen beschriebenen drei Arten von L()chern
haben. Aber jene Schwellen besitzen weder horizontale Klam-
merbänder noch vertikale Dübel noch Löcher zum Einscizen
der Brechstangen und haben sie auch unzweifelhaft nie be-
sessen. Wir sind demnach zu dem Schlüsse berechtigt, dasa
auf diesen Schwellen auch niemals eine \Yeitere Quaderschicht
gelegen hat. Oder will man etwa annehmen^ dass gerade diese
beiden Wände die einzigen des Parthenon gewesen wären, bei
denen keine Klammern und Dübel verwendet worden wären,
und dass gerade bei ihnen die Werkleute von derjenigen Art
des Verselzens Abstand genommen hätten, welche in ganz
Griechenland ausnahmslos üblich war? Die Böltichersche
Bildnische hat somit sicherlich niemals bestanden.
Die von Penrose vermuthungsweise restaurirle Querstoa von
3 Säulen zwischen 2 Eckpfeilern sucht Böllicher durch fol-
gende Gründe als unmöglich nachzuweisen (S. 178) :
a) Die Querstoa würde um 1 Fuss schmaler werden als die
Seitenstoen. — Diese Differenz, die übrigens nicht Oj-Sl™ son-
dern nur 0,23"" beträgt, beweist aber gar nichts, denn erstens
ist sie im Verhältniss zur Tiefe der Stoen (c. 4 ^j^"') gei'ing
und zweitens haben ja auch die äusseren Stoen bei den meisten
griechischen Tempeln an den Langseiten eine andere Tiefe als
an den Fronten.
b) Die Säulen der Querstoa würden um 5 Zoll schwächer
sein müssen als die Säulen der Seitenstoen, weil der Stylobat
der ersteren um dieses Maas schmäler sei als die beiden
Längsstylobate. — Letztere Angabe ist falsch ; Bötticher hat
sich um 5 Zoll vermessen, denn alle 3 Stylobate haben dieselbe
Breite von 1,22™ Dieser Grund ist also auch hinfällig.
292 UNTEHSÜGHUNGEN AM PARTHENON
c) Die einzelnen Axweiten würden verschieden gross sein,
weil die Lange der Slylobatplinlhen bedeutend variire und die
Säulenaxe immer aufs Genaueste mit der Stossfuge zweier
Quadern zusammentreffen müsse. — Letzteres ist allerdings beim
Parthenon meistens der Fall, aber keineswegs ausschliesslich;
80 liegen z. B. beim Pronaos die Mittelpunkte der vierten
und lunften Säule (von Süden gezählt) um fast 2 Cm. von den
betreffenden Fugen entfernt, bei der einen sind sogar die
Aufschnürungslinien, 17'"'" von der Fugeabstehend, noch deut-
lich sichtbar. Ferner kommen aber auch nur diejenigen Fugen
des VVeslstylobates in Beti'acht, auf denen die Säulen standen.
Vergleicht man die Abslände derselben mit den nach Analogie
der Seitenstoen berechneten Axweiten der Säulen (auf Taf. XII
links oben sind die letzleren durch eingeklammerte Zahlen,
die Abstände der Fugen in gewöhnlicher Weise angegeben),
80 erkennt man, dass die Differenzen nicht wesentlich grösser
sind als am Pronaos, und was bei diesem eilaubt ist, kann bei
der Querstoa nicht unstatthaft sein.
//) Jede Axweite würde um 6 Zoll geringer geworden sein
als bei den Seitenstoen. — Hier hat sich Bötticher wiederum
vermessen ; denn wie die in dem Cella-Grundriss in Klammern
eingeschlossenen Zahlen beweisen, haben die Axweiten der
Querstoa genau dieselben Maasse wie diejenigen der Sei-
tenschiffe, nämliche 2,91'° an den Ecken und 2,61'" in der
Mitte.
Wir könnten uns, nachdem alle vier Punkte vollständig
widerlegt sind, ebenso wie Bötlicher ,, jedes weiteren Ein-
gehens auf diese Sache enthalten', aber wir würden dann auf
dem Standpunkte Penroses stehen bleiben, dass die Querstoa
nur vermulhungsweise restaurirt werden dürfte. Wir können
aber noch eine wichtige Thalsache erwäiinen , tlie uns einen
positiven Beweis für die Existenz der Querstoa liefert.
Wie aus dem Cellagrundrisse zu ersehen, liegt in dem west-
lichsten Inlercolumnium jeder Langseile eine nur 0,99'" lange
Stylobatquader, die bedeutend kleiner als die übi-igen von
1,30"' Länge ist. Dieselbe i^t zwischen die andern Quadern
"UNTERSUCHUNGEN AM PAUTIIENON 293
eingeordnet worden, damit die Axen der mittleren Säulenauf
je eine Stossfuge treffen konnten. Genau in derselben Weise
ist aber auch an der Querstoa in die beiden aüssersten Inter-
columnien je ein nur 1^01'° langer Slylobatslein gelegt worden.
Diese Anordnung wäre vollständig zwecklos gewesen, wenn
auf dem Querstylobate keine Säulen aufgestellt werden soll-
ten. Wollte man dagegen von den beiden westlichen Ecken
aus symmetrisch nach je zwei Seiten Säulenreihen anordnen,
so war man gezwungen entweder neben den Eekquadern des
Stylobates nach beiden Seilen kleine Steine einzuschieben oder
complicirle (diagonal geschnittene oder winkelförmige) Eck-
quadern anzuwenden. Das Vorhandensein der schmalen Zwi-
schensleine berechtigt uns demnach nicht nur, sondern zwingt
uns sogar, eine Querstoa an Stelle der sog. Parastaszu restau-
riren. Ob hierbei ein winkelförmiger Eckpfeiler oder eine
Ecksäule (in meiner Zeichnung sind beide Möglichkeiten an-
gegeben) angenommen A\ird , ist für die Grundrissdisposition,
mit der wir uns hier zu beschäftigen haben, ziemlich gleich-
gültig. Die grosse Axweile der Eckstütze, die allerdings mehr
für einen Pfeiler spricht,kann bei Annahme einer Säule mög-
licher Weise durch einen Triglyphenfries veranlasst sein.
III. Die Parthenos stand im Mittelschiff an derjenigen Stelle,
wo ßölticher ein Bema restaurirt, und nicht dicht an der
Rückwand der Cella. Bölticher motivirt seine Anordnung in
folgender Weise : Die unerlässliche Verbindung der Cella mit
dem grossen Hintergemache würde am besten und einfachsten
durch eine Tliüre in der Mitte der Querwand hergestellt wor-
den sein ; da man dies nicht gethan, sondern zwei seitliche
Thüren angelegt hat, so muss in der Mitte etwas gewesen
sein, was die Anlage einer Mittelthüre verhinderte. Dieses
Hinderniss kann nur das grosse Bild der Parthenos gewesen
sein. — Durch unseren Nachweis des Nichtvorhandenseins jener
beiden Seitenlhüren ist dieser ganzen Beweisführung das
Fundament entzoo;en.
Dicht an der grossen Querwand und von zwei Seilenwänden
eingeschlossen würde auch das Agalma in der Nische einen
294 UNTERSUCHUNGEN AM PARTHENON
schlechten Standplatz gehabt haben, denn im Profile hätte man
das Kunstwerk nicht betrachten und auch die feinen Reliefs
auf dem Schilde nicht gut erkennen können. Wir nehmen des-
halb an, dass die Parthenos frei im Mittelschiffe an derjenigen
Stelle gestandt>n habe, wo stattdersonstüblichenMarmorplatlen
Quadern aus Piräusstein liegen. Tnsere speciellen Gründe
sind folgende :
1) Die Stelle im Zeusfempel zu Olympia, wo das ebenfalls
von Phidias angefertigte Goldelfenbeinbild gestanden hat,
war in ganz gleicher Weise construirt wie jenes ,,Paviment"
im Parthenon : ein Oblong aus Porosquadern war von weissen
pentelischen Marmorplatten umgeben und auf letzleren kann
man noch jetzt gleiche Aufschnürungslinien wie im Parthe-
non erkennen.
2) Die Grundform des Bathrons hat in Olympia das Verhält-
niss2: 3, entsprechend dem Räume, den ein quadratischer Ses-
sel mit davorstellendem Fussschemel im Grundrisse einnimmt;
in Athen ist, weil die Parlhenos stehend dargestellt war, das
für das Balhron aufgeschnürte Rechteck bedeutend kleiner
als dort {S"" X 4™ gegenüber 0,60"" X 9,90™) und hat aus-
serdem ein Verhältniss der Breite zur Tiefe von 2:1. Eine
solche Grundform ist aber für eine aufrecht stehende Colossal-
figur, neben welcher auf der einen Seile noch Speer, Schild
und Schlange und auf der anderen eine Säule zur Unter-
stützung der Hand angebracht war, vollkommen passend.*
3) Die Disposition der 100 Fuss langen Cella des Zeus-
tempels ist derart, dass das Mitlelschifl' der I.änge nach in 3
Theile gelheilt wird : vorne ein 7 */2™ tiefer dem Publikum
' Vgl. die neu gcfunfleni^ Atlienacopie und die darauf bezüglichen Auf-
sätze von^C. Lange in den Mitlli. V S. 370 fg., VI S. 56 fg. Bei einer so
kleinen Wiedeilioiung kann sich die Form der Basi.s, wenn der freie Rand
vorne und hinten etwas breiter gemaclit wird als an den Seiten, einem
Quadrate .»clion nähern, während bei einer Übertragung ins Coicssale sich
wohl die Gesainrnlveriiällnisse der Figur [uoportional vergrössern la.ssen,
die Verbreiterung des freien Randes aber nur innerhalb gewisser Grenzen
Stalthaft sein würde.
UNTERSUCHUNGEN AM PARTHENON 295
zugänglicher Raum, von dem aus die SeilcnscIiifTe zu be-
treten waren; sodann ein 0 ^^/2"' ^'^^n^''' ■^^'11*^'!'''^'"»^ derein
quadratisclies linpluviuni enihielt, und drittens der l'lalz
für düs Bild von ebenfalls 9^2'" Tiefe. Hinter dem Ag.ilma,
dessen Basis vorne dicht an den mittleren Baum liorniitral,
waren die Seitenschiffe durch einen Umgang verbunden.
Genau dieselbeAnorduung zeigt die ebenfalls hundertCusbigc
Cella des Parthenon. Im Osten ein bis zur ersten Querschranke
reichender, 7 Y2'" tiefer Platz mit Zugängen zu den Seiten-
stoen; in der Mitte ein dem Quadrate sich näherndes Oblong
von 9^2'" I-'änge, über dem auch höchstwahrscheinlich das
Hypaithron angebracht war; im Westen die dritte 8^2'°
lange Abiheilung mit dem grossen Goldelfenbeinbilde. Die
oben nachgewiesene Querstoa lief hinler dem letzteren herum
und gestattete ein Umgehen und Betrachten desselben von allen
Seiten. Der mittlere Raum war ebenso wie in Olympia auf
drei Seiten von Schranken eingefasst, auf der vierten Seite
schloss sich unmittelbar das Bild an ; in dieser unter
freiem Himmel befindlichen Abiheilung wird vermuthlich
auch der in Olympia unzw^eifelhaft vorhandene Opferaltar
gestanden haben. Das Agalma nahm nur die vordere Hälfte
des westlichsten Raumes ein; man hätte dasselbe demnach,
um dem Beschauer einen entfernteren und daher günstigeren
Standpunkt zu gewähren, weiter nach Westen bis an die Quer-
stoa rücken können; man hat dies aber nicht gethan, weil
man offenbar Gewicht darauf legte, dass die Parthenos un-
mittelbar an dem mittleren Räume stehe. Ob hierfür die Rück-
sicht auf eine o-ute Beleuchtun» des Goldelfenbeinbildes mass-
gebend war, oder ob etwa der hypaethrale Miltelraum wiegen
seiner Bestimmuns; in Bezuof auf Cultus und Feste die un-
mittelbare Nähe des Athenabildes verlangte, mag dahingestellt
bleiben.
Die nachgewiesene TJebereinstimmung zwischen Parthenon
und Zeuslempel ist so vollkommen, dass durch die darin lie-
gende Beweiskraft die Fiage nach der Aufsteliungsart der
Parthenos wohl endgültig onlschieden wird.
296 UNTERSUCHUNGEN AM PARTHENON
Die architektonische Gestallung des Bathrons selbst lässt
sich vorläufig nur nach Analogie der Zeusbasis in Olympia
annähernd bestimmen. Da aber aus den auf dem Fundamente
erhaltenen Dübein und Stemmlöchern die Grösse der Steine
des Oberbaues ermittelt werden kann, so ist es nicht un-
mÖ£rli(ih, dassdie zu":ehöri2;en Steine unter dem reichhaltigen
auf der Akropolis herumliegenden Baumaterialenoch gefunden
werden.
IV) In Bezug auf die Benennung der einzelnen Räume des
Tempels hat man sich bekanntlich seit Böckh und Boetticher
allsjemein dafür entschieden, dass die Cella in zwei Theiie
getheilt wurde, von denen der eine die hunderlfüssige Cella
(6 vot?»; 6 e/caTÖfxiTE^o;) und der andere der Raum der Jungfrau
(6 nzpOevwv) genannt wurde. Das grosse Hintergemach be-
zeichnet man mit dem Namen Opisthodom und für die dem
Pronaos entsprechende Hinterhalle hat man die Namen Posti-
cum, Tamieion oder Prostas vorgeschlagen.
Eine Vergleichung der durch die vorstehende Untersuchung
dargelegten Grundrissdisposition des Tempels mit den in
Inschriften und anderen Urkunden enthaltenen Raumbenen-
nuna;en führt aber zu einem anderen Resultate. Darnach be-
zeichnet 7:pov>ito; die Vorhalle, va6; 6 exxtöt^.Tre^o? die ganze
Cella, racpSsvwv den grossen westlichen Saal und 6xt(j6<5^ofj!.o?
die dem Pronaos entsprechende Hinterhalle. Diese Benennung
hat schon Ussing* vor 25 Jahren vorgeschlagen ; er hat aber
keinen Anklang mit seiner Hypothese gefunden.
Um die richtigen Namen für die einzelnen Räume zu er-
* Der vorliegende Aufsatz war schon fast fertig, als es mir erst möglich
wurde, die Griechischen Reisen und Studien von Ussing selbst einzusehen.
Dass der Verfasser von thcihvcise anderen Voraussetzungen ausgehend
dieselbe Ansicht über die Benennung der einzelnen Räume entwickelt, kann
meiner Untersuchung ihren Wcrlh nicht nehmen. Im Gegenlheil wird diese
trotz der Dilferenzen in den Prav'^missen erzielte Uebereinstimmung in den
Resultaten die Richtigkeit der letzteren nur noch wahrscheinlicher macheü.
In Bezug auf den Standplatz der Parthenos theilt Ussing bekanntlich die
Ansicht Boettichers.
UNTERSUCHUNGEN AM PARTHENON 297
mittein, muss vor allem die Glaul)\vürdiG;keil der einzelnen
Quellen, \Yelelie uns diese Namen überlieforL haben, iinlersucht
werden ; denn hauptsächlieh dadurch, dass man den verschie-
denartigen Quellen gleichen \Yerth beilegte, ist die ]>isherige
Ungewisshcit in der Benennung der einzelnen Gelasse ent-
standen. Da wir unter dem riclitigen Namen naluj'gemäss die
oflizielle und nicht die im Volksmunde übliche Bezeichnung
verstehen, so dürfen wir die Benennung nur den Uebergabs-
ÜrkundenderSchatzverwalter und anderen ofTiziellen Inschriften
entnehmen, und erst in zweiter Linie dürfen die anderen
Nachrichten (bei llednern, Geschieh töschreibern,Lexicographen
etc.) in Betracht gezogen werden.
Die Tempel-lnventare aus dem V. Jahrh. sind bekanntlich
nach drei Bäumen getrennt geführt; bei jeder Schatz-Ueber-
gabe wurden für den Pronaos, den Ilekatompedos und den
Parthenon besondere Urkunden über ihren Bestand an Werth-
gegensländen angefertigt. Ausserdem wird einige Male in den
Inschriften auch der Raum Opislhodom erwähnt. Da nun in
den überaus zahlreichen Inschriften nur diese 4 Bäume ge-
nannt werden und da ferner der Tempel gerade 4 getrennte
Haupträume enthält, ist es da nicht an und für sich natür-
licher, dass man jeden der vier Räume mit einem jener Namen
bezeichnet, als dass man einem Gemache gar keinen und ei-
nem anderen zwei jener Namen beilegt? Allerdings haben
derartige allgemeine Schlüsse nur eine geringe Beweiskraft und
wir müssen daher andere positive Beweise beibringen :
1) Eine Vergleichung der in den Inventaren des Hekatom-
pedos und des Parthenon aufgezählten Gegenstände zeigt,
dass im ersteren Räume fast ausschliesslich Kränze und
verschiedenartige Weihgeschenke aufbewahrt wurden (man
beachte das häufige Vorkommen des Zusatzes 6 . . . avs9yj/.gv),
während wir im Parthenon alle möglichen Gegenstände fin-
den: Möbel, Pompengeräth^ Beutestücke, Kleider, Edelsteine,
Urkunden und viele beschädigte oder fragraentirte Stücke (z.
B. abgebrochene Nägelköpfe von der Thür der Cella, Bett-
füsse, einzelne Blätter eines Kranzes etc.). Nun wird man
VtITTU.D. ARCH.INST.VI. 20
^98 UNTERSUCHUNGEN AM PARTHENON
doch schwerlich annphmen diii'fen,tlass die verschiedenartig-
sten Weihsreschenke fast ausnahmslos in den Seitenschiffen
gestanden hätten, während das Mittelschiff rings nm das
Bild der Athena mit allen möglichen Möbeln, Waffen, be-
schädigten Gegenständen etc. angefüllt gewesen wäre. Vielmehr
ist es doch wahrscheinlicher, dass die Standbilder, Kränze und
Weih2;eschenke in der iNähe der Parthenos in der Celia se-
standen haben, wo sie vom Publikum gesehen werden konn-
ten, und dass dagegen die verschiedenartigen Gegenstände
des Parthenon in einem dem Publikum verschlossenen und
nur den Verwaltungsbeamten zugänglichen Räume, mithin in
dem grossen Hintergpmache, untergebracht waren.
2) In seinen Beiträgen zur Periegese der Akropolis (Mitth.
V S. 89 f^.) hat LI. Köhler diejenigen Übergabs-Crkun-
den zusammengestellt , welche von dem Goldelfenbein-
bilde der Parthenos und von einzelnen Theilen desselben
Landein. Er zieht daraus den Schluss, dass das Bild nicht im
Parthenon, sondern im Hekatompedos gestanden habe. Und
in derThat wenn man erwägt, dass alle Inventare, welche die
Parthenos oder ihr ßathron erwähnen, Schatzverzeichnisse
des Hekatompedos sind, und dass nur einige vom Kranze der
Nike abgefallene goldene Blätter und die Urkunde über die
zum Bilde verwendeten Materialien als im Parthenon be-
findlich bezeichnet werden, so wird man an der Richtigkeit
dieses Schlusses nicht mehr zweifeln können. Da nun oben
nachgewiesen ist, dass die Parthenos in der westlichsten
Abtheilung des Mittelschiffes gestanden hat, so steht fest,
dass dieser Theil der Cella nicht zum Parthenon, sondern
zum Hekatompedos gehörte. Welcher Raum innerhalb der
Cella soll denn jetzt der Parthenon gewesen sein? An die von
Schranken eiugefasste mittlere Abtheiluug des Hauptschiffes
dürfen wir nicht denken, denn in diesem verhältnissmässig
kleinen Räume, unmittelbar vor dem S'andbilde der Athena
und zum Theil unter freiem Himmel können doch unmöa;lich
alle jeneMöbel, Geräthe u.s.w, aufgestapelt worden sein; der
Östlichste Abschnitt des Mittelschiffes kann es auch nicht sein>
UNTEnSUCIIUNGEN AM PARTHENON 299
denn die hier befindliche Ilanpllliüre wird in der bekannten
Ilevisions-Insclu'ift aiisdrückiicli alsTliüie des [Ickaloinpedos
bezeiclinel; die auf" diei Seiten der Cella lieriinigefülirle Säulen-
halle darf ancli iiiclil als Parthenon in Anspruch genommen
■werden, denn das MillelschilT ist keine 100 Fuss lang und hätte
daher nicht liiinderlfiissige Cella genannt werden dürfen; den
Parthenon in den oberen Säulenhallen (Ilyperoa) zu erkennen
ist auch unstatthaft, denn zuvor müss'e nachgewiesen werden,
dass sie überhaupt existirt haben, aber weder ein Schrift-
steller noch eine der vielen Inschriften weiss etwas von einem
obern Stockwerke, und auch technisch lässt sich ihre Existenz
durch keine Gründe belegen, vielmehr spricht das Fehlen
aller Spuren einer Treppe entschieden gegen ihr Vorhanden-
sein. In der ganzen Cella ist also kein abgetrennter Raum
vorhanden, welcher der Parthenon gewesen sein könnte; es
bleibt daher nichts anderes übrig als in dem grossen II in-
lerfijemache den Parthenon zu suchen.
3) Während somit nach den Inventaren die als Festgeräthe
dienenden Möbel, Waffen und musikalischen Instrumente und
viele andere Gegenstände in der grossen Hintercella aufbewahrt
wurden, sollen nach der übereinstimmenden Überlieferung
vieler Schriftsteller auch die attischen Bundesgelder in diesem
Räume gelegen haben, denn der eigentliche Opisthodom, die
Hinterhalle, würde diesen Schatz, der zeitweise bis zu einem
Betrage von 10000 Talenten anwuchs, räumlich nicht haben
aufnehmen können. Wir müssen demnach annehmen, dass
der Parthenon (im engern Sinne) gleichzeitig als Schatzhaus
für die Bundesgelder, als Aufbewahrungsort für die Pompen-
gerälhe und als Lagerraum für diejenigen Gegenstände gedient
hat, welche man in dem für das Volk jederzeit geöffneten
Hekatompedos nicht aufstellen wollte. Diesem Resultate un-
serer Untersuchungen widersprechen aber die Inschriften kei-
neswegs; sie zeigen vielmehr deutlich, dass ausser den in den
Inventaren des Parthenon aufgezählten Schätzen auch Gelder
daselbst aufbewahrt und verwaltet wurden, denn mehrmals
werden Zahlungen aus dem Parthenon erwähnt.
300 UNTERSUCHUNGEN AM PARTHENON
Auch die grosse, von der V^erwaltung der Gelder der ,, anderen
Götler" handelnde Inschrift aus dem Jahre 435/4 {C.I.A. l 32)
wird mit Unrecht als Beweis für die Identität der grossen
Hintercella und des Opislhodom angeführi. Sie bestimmt näm-
lich zunächst, dass jene Gelder im Opisthodomverwalielwerden
sollen ; die Verwaltersollen zugleich mit den Beamten der Alhe-
nadieThüre desOpisthodom (dennöi'jpai kann nach Analogie der
Revisionsurkunde über die Thüre des Hekatonipedos eine ein-
zige,allerdings zweiflügligeTliüre bezeichnen) öffnen, schliessen
und versiegeln. Dieser Beschluss wird (vgl. Michaelis Parthe-
non S. 290) im darauf folgenden Jahre dahin ergänzt, dass
die südliche Hälfte des Opislhodom für die Schätze der
Athena reservirt bleibt und nur die nördliche Hälfte als
Vervvaltunii-sraum für die Gelder der andern Gölter be-
stimmt wird. Da wir wissen, dass die Hinterhalle ebenso
Avie der Pronaos mit festen Schranken und einer Thüre
bis zum Architrave hinauf aufs Sorgfältigste abgeschlossen
war, §0 liegt auch nicht der geringste Grund vor, unter dem
Worte Opislhodom der obigen Inschriften nicht nur die Hin-
terhalle, sondern auch die eigentliche Schatzkammer zu ver-
stehen. Im Gegenlheile, da die Summe, welche den andern
GöUern zurückgezahlt wird^ nur 200 Talente beträgt, also
räumlich kaum Y2 Cubikmeter misst, und da ferner die schon
vorher im Besitze der anderen Gölter befindlichen Gelder als
Jjedeutend nicht nachgewiesen werden können, so wird nur
die eine Hälfte der Hinlerhalle, die schon einen Quadratinhalt
von etwa 2i: Cubikmeter umfasst, in den Inschriften gemeint
gein. Für die viel reichlicheren Gelder der Athena, einschliess-
lich des Bundesschatzes, blieb noch die andere Hälfte des
Opislhodom und der ganze Parthenon übrig, soweit er nicht
von den für die Festzüge bestimmten Gerälhen eingenommen
wurde.
4) Der Name Ojyisthodom bezeichnet bei allen Tempeln die
dem Pronaos enlspi^cbende Hinterhalle, mag sie nun wie am
Zeustempel zu Olympia geöffnet oder wie beim Hei'aion da-
selbstmit Giltern verschlossen gewesen sein; warum soll allein
UNTERSUCHUNGEN AM PARTHENON 301
der Tempel der Alliena Parlhcnos hiervon eine Ananahme
bilden? Um seine z^\ci Geilen unterscheiden zu können ei'li'elt.
die grössere nach ihrer I.änge den Beinamen ,,die hundert-
füssige," die kleinere, nur vom Opislhodom aus zugängliche,
den Namen Parthenon. Weshalb man gerade dit's Wort ge-
wählt hat, kann allerdings urkundlich nicht nachgewiesen
werden. Die l*>klärung, welche üssing hierfür vorschlägt,
dass man die Schatzkammer deshalb Jungt'ernzwinger genannt
habe, weil sie nicht vom Volke betreten Nverden sollte, hat
wohl mit Recht keinen Beifall gefunden. Wahrscheinlicher
erscheint es mir, dass sie den Namen Parthenon deshalb er-
hielt, weil sie erstens zur Aufbewahrung der Festgeräthe,
welche bei den zu Ehren der Athena veranstalteten Prozessionen
benutzt wurden, dienen sollte und weil sie zweitens als The-
saurus für die unter dem besonderen Schutze der Athena
stehenden Bundesgelder bestimmt war. Vielleicht führte auch
schon derjenige provisorische Bau, welcher in der Zeit zwi-
schen der Verlegung des delischen Schatzes nach Athen (c. 460)
und der Fertigstellung des grossen Tempels (c. 438) den
Bundesschatz enthielt, den Namen Parthenon und man über-
trug später diesen Namen auf das Schatzgemach im Tempel,
Allerdings ist bisher keine einzige Urkunde gefunden worden,
welche uns ausdrücklich meldete, dass in dem Parthenon
genannten grossen Ilintergemache ausser den Festgeräthen und
diversen Kostbarkeiten auch der Bundesschatz untergebracht
gewesen sei, aber die Beweiskraft der aufgezählten Gründe
ist doch so bedeutend, dass man nicht mehr daran zweifeln
wird, dass unter dem Namen Parthenon im officiellen Sprach-
gebrauche in der That die grosse Hintercella verstanden
wurde.
Volksthümlich ist diese Bezeichnung nie gewesen, denn die
Schriftquellen gebrauchen das W^ort Parthenon nur um den
ganzen Tempel zu bezeichnen, ebenso wie sie ihn auch nach
seiner anderen Cella Hekatompedos nennen. Da nun das
athenische Volk unter dem Namen Parthenon stets den ganzen
Tempel verstand, nannte es beide nur von der hintern Seite
302 UNTERSUCHUNGEN AM PARTHENON
des Tempels zugänglichen Schatzkammern nach ihrem allein
sichtbaren Theile Opisthodom. Im officiellen Sprachgebrauch
war dagegen immer der Pronaos die Vorhalle des Hekatom-
pedos, der Opisthodom diejenige des Parthenon.
WILHELM DORPFELD.
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KAIEKTONOI.
Beilage 2 lu Millh- d. arcll. Insl. VI S. 303.
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A A E I O I
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AAKETASNIKPATEOS
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oEOAnpospiTon
Inschriften aus Kleilor und Orchomenos.
I. Inschriften aus Kleilor. In einem byzanlinisclien Grabe,
welches Hauern vonKarnesian einem Ueberschwemmungsarm
des die Ebene von Kleitor durchfliesssenden Bacbes (in der
Nähe eines einsamen Bauernhauses) beim Ziegelsuchen auf-
deckten, fanden sich ausser dem von L. Gurlitt oben S. 154ff.
besprochenen Ilelief und einem profilirten Basisbiock zwei
grosse Inschriftenplallen aus dem gleichen Kalkstein vor^
deren von mir genommene Abschriften ich folgen lasse. Die
Arbeit setzte, meiner Augenkraft wenigstens, zum Theil grosse
Schwierigkeiten entgegen, da die Oberfläche der Steine sehr
stark ausgewittert und obenein vielfach versintert ist; zwi-
schen herablaufenden Columnen lesbarerer Buchstaben finden
sich breite Furchen, auf denen jede Spur verlöscht erscheint.
Die Breite der Steine beträgt etwa 0,80 M., die Höhe unge-
fähr das Doppelte.
Dereine der beiden Steine, welcher 0,17 dick ist, war auf
den beiden Schmalseiten sowohl wie Breitseiten beschrieben
und enthielt Verzeichnisse von Proxenoi (s. die Beilagen
zu S. 303). Indess lässt die eine Breitseite wegen totaler Ver-
sinterung nur die Endigungen einiger Namen am äussersten
Rande rechts erkennen, woraus folgt, dass auch sie lediglich
von Listen eingenommen war. Die Inschriften sind bald mehr
bald minder regelmässig in verschiedenen Zeiträumen einge-
tragen. Von den bisher bekannten Urkunden dieser Art, auch
von der grossen delphischen Proxenenliste (VS^escher-Foucart
Inscr. de Delphes 18) unterscheidet sich die unsrige durch die
wenigstens grossentheils eingehaltene Anordnung nach Staa-
ten. Man liest auf der Schmalseite I die Namen der IlocTp^;,
Kp-nT£4j [TJtysaTy.i, MsTcocviot, rieXXxvst;, Mzvtiv?);, ['AO]-/)vaioi,
'A'Xsioi, 'Ottouvtioi ; auf der einen Breitseite die Namen der
S04 INSCHRIFTEN AUS KLEITOR UND ORGHOMENOS
vü)::et;, 'ÄXeiou Die in diesen Listen vertretene Verbindung
von Namen iasst annehmen , dass das Verzeichniss noch vor
die Bildung des achaeischen Bundes fällt.
Der zu Anfang miteinemLorbeerkranz in Relief geschmückte
zweite Stein enthält ZNvei Inschriften, welche Ehrendecrete
der Ihessalischen Maarneten für die Kleitorier und die von
ihnen zur Schlichtung innerer Streitigkeiten gesandten Richter
enthalten (s. die Beilage 1 zu S. 304). Die rechte Seite (ein
gutes Drittel) der Inschriften ist total zerstört. Die Länge der
Zeilen betrug ungefähr 96 Buchslaben.
Ich schliesse hier einige Grabinschriften an.
1. An der Stelle der verfallenen Kapelle Hag. Petros. Ein-
fache Platte.
OEOZEN E
APIZTO<{)ANH
X A IPETE
2. Am Hause eines gewissen Herakles. Block von einem
Gebäude*
An E AAinN
XA IPE
ONA2:i<t)OPON
XA IP E
3. Im Dorf Mazeika. Platte mit rechts und links ausge-
sehweiften Seiten.
ONHCI(t)OPE
XA I PE
IL Inschrift aus Orchomenos. Die Inschrift (s. die Beilage 2
zu S. 304) enthält Freilassungsurkunden und steht auf einer
nur links gebrochenen, 0,73 hohen, 0,48 breiten Marmor-
platte (oben mit Rand), welche ich im Sommer 1880 im
Hause des Bauern Vougas zu Kalpaki abschrieb. Gefunden
wurde dieselbe am südlichen Fussc der Burg. Die Zeilen sind
Beilage 1 zu Millh. d. arch. Insl. VI S. 30«.
OiiT.\..r. <MArN..nNKAIM[:iKI ...rPAM. A.EYi« YNEAPlOYKAEiTOPinN..! «A
vTONn AnoZTAAENTAn MA« A i K T H N T I N n « K E T E E NTE
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KAITO . kolN. YTn.M .r NllinN Y«MAr; HTA4EY H..<MENOY
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O« «TPA TTENEnEITn..A nNAn..T El AANTfl. . . . <TH
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oyzymmAxikoyApAxm
INOYANAYTOZOE
eniMENHSAPX
lONYSIOZArA
INSCHRIFTEN AUS KLEITOR UND OHCllOMENOS 305
von ungleicher Länge, wodurch die Restilulion auf der linken
Seite unsicher wird; bisweilen scheinen nur wenig Worte
zu fehlen z. B. Z. G und 9.
Es sind, soviel ich erkenne, nur zwei Freilassungsurkundcn
auf dem Steine vereinigt. Die zweite (von Z. 13 an) zeigt
nicht nur in einzelnen Wendungen und Bestimmungen einen
etwas verschiedenen Charakter sondern auch palaeographisch
jüngere Formen. Namentlich ist hier der Querstrich des A
gerundet, die horizontale Hasla des PI sowie die rechte Hasta
des A, A, A, herübergezogen, während sich von der letzteren
Schreibung in der ersten Inschrift erst einige Spuren finden.
Die Inschrift miiss jünger als der Anfang des zweiten Jahr-
hunderts vor Chr. sein, in welchem Orchomenos achaeisch
wurde, vgl. Z. 21 apyupijou 5U[X(ji.aj(^iK0u.
ARTHUR MILCHHOFER
Miscellen.
Zu den Amazonenreliefs von Patras
und dem Fries von Phigalia.
Herr L. Gurlitt ist in der glücklichen Lage gewesen, Re-
liefs, welche ich auffand und unter besonders erschwerenden
Verhältnissen in der Abenddämmerung meines letzten Tages
in Patras mir eilig beschrieb, noch einmal sehen und nach
Photographien in Lithographie publiciren zu können (Mitth.
V S. 364 fg. u. Taf. XV). Angesichts der ihm vorliegenden
Reproductionenhaterdennauchdievonmirvorden Originalen
sofort stark empfundene — auch ausgesprochene — auffällige
Aehnlichkeit dieser Reliefs mit Compositionen aus dem Friese
von Phigalia durch directe Abhängigkeiterklären können. Diese
Thatsache ist richtig und sie constatirt zu haben Gurlitts un-
zweifelhaftes Verdienst. Seinen weiteren Aufstellungen jedoch
enigegenzutreten erscheint mir angesichts des nicht geringen
Interesses, welches für uns eine derartige Copie haben muss,
wünschenswerth. Hr. Gurlitt bemerkt \, bei strengerer Ver-
gldchung" kleine Abweichungen in der Zeichnung, von denen
er vermutet, sie hätten sich „ohne Absicht des Copisten einge-
schlichen"; eine derselben sucht er zu erklären durch die
Annahme, der Copist hätte die Originalbildwerke „von
unten aus" copirt. Stellt man sich freilich vor dieser Origi-
naiplaite des Frieses [Ancient marhles IV 15) oder einem Ab-
guss auch noch so tief, so wird nie die Peripherie des Schildes
über die Silhouette des Kopfes in solcher Weise hinunter-
greifen wie man es auf dem Relief von Patras gewahrt. Die
ganze Anschauung- aber, als beruhte die Copie auf einer Zeich-
nung des Originals von unten, ist unrichtig: schon eine Ver-
gleichung der doch vermutlich nach photographischer Regel
mit in die Mitle des Gegenstandes gerichtetem Föcus herge-
stellten athenischen Publication mit den in richtiger Auf^en-
höhe genommenen Zeichnungen Corboulds miXmÄncAent mar-
hles zeigt völlige Übereinstiinmuni>- im vorauso-esetzten Au^-en-
'-' "^ D
MISCELLEN 3ö7
puukt: eine Vergleichiing mit Jen Oriiriiialplallen des Frieses
bestätinrl das vollkommen. Wiiren wirklich diu den Reliefs
o
von Patras zu Grunde Heißenden Zeiclinuno;en — an Nachbil-
dun^ \ermiLtelsL directer Thonmodelle wird selbslverslünd-
licli nicht denken^ wer Pliigalias Lage kennt -von unten ge-
nommen, so hätten sich siimmtliche Verhältnisse ändern
müssen, ja, eine Menge von Dingen wäre überhaupt ganz
unsichtbar geblieben; wer vor Originalen oder Gipsen des
Frieses sieht, kann hiervon jederzeit selbst die Probe machen :
jedenfalls also müsstc man voraussetzen, dass der antike
Zeichner sich des steten Correctivs bedient hätte, vermittelst
einer Leiter sich auf das Niveau der Reliefs zu bringen, um zu
erklären, wieerso sehr viel mehr von seinem Standpunkt hätte
fertig bringen können als z. B. Carrey von dem seinigen. Aber
selbst bei dieser Annahme würden immerhin eine Menge Ab-
weichungen sich nicht so einfach erklären, wie Hr. Gurlitt
meint. Die einzige Abweichung, welche er noch erwähnt, ist
,,der Gewandzipfel der Amazonenfürstin, welcher über dem
Bug des Pferdes hängt", und der auf der Platte Ancient mar-
bles IV 17 fehlt; er meint, künstlerische Rücksichten hätten
hier obgewaltet und den Copisten bestimmt vom Original ab-
zuweichen: dem ist jedoch nicht so. Genaue Untersuchung
der Friesplatte lehrt mich, dass dieser selbe Zi[)fel,. der in so
unschöner Weise den Körperbau der Amazone verdeckend sich
vorbausciit, einstmals auf der Platte vorhanden war; er ist,
vermutlich erst bei Versetzung der Platte, weggearbeitet wor-
den, um so den Schenkel und die schöne Linie, die vom
Schenkel aufstei2;end zur Brust sich fortsetzt, zur Geltuns; zu
brino;en : noch deutlich firewahrl man auf dem Pferdehals und
Bug den alten Contour und die Spuren des wegarbeitenden
Instrumentes ; man hat es alsdann nicht der Mühe für werth
gehalten, jenen abg-'arbeiteten Stellen nun wiederum diedem
Pferdekörper entsprechende iModellirung zu geben, und so
laufen sich die Linien der Muskeln und IJautfalten todt an
eben jenem alten Contour; auch die Gewandfalten sind ein-
fach oben , wo nach der Versetzung doch kein Auge mehr
308 MISCELLEN
liinreichen konnte, weggeschnitten, ßtatt entsprechend um-
gearbeitet zu werden; durch die gleiche Fortarbeitung von
Gewandmassen erklären sich die Unklarheiten, an denen die
jetzige Gewandanordnung in der Gürtelgegend leidet. — Ein
anderes Beispiel der gleichen Erscheinung begegnet uns auf
derselben Platte an der Figur des angreifenden Griechen: auf
dem Relief von Patras bedeckt ein Gewandslück einen Theil
vom 1. Oberschenkel und die Scham und fällt dann nieder:
vergeblich fragt man sich, woher dies Stück kommt, da es mit
der nach hinten wehenden Chlamys in keine Verbindung ge-
bracht werden kann : dasselbe Stück war ursprünglich an
gleicher Stelle auf der Fi'iesplatte angebracht: auf dem Schen-
kel habe ich zwar keine zweifellosen Spuren der Wegarbeitung
mehr finden können, wohl aber zwischen den Beinen, wo
noch deutlich der entsprechende ümriss und die Wegmeisse-
lung auf der Grundfläche erkennbar ist : merkwürdiger Weise
Hess man schliesslich doch noch ein kleines Stück auf der
Originalplatte stehen, welches aber von dem inneren Contour
des 1. Oberschenkels durch einen Zwischenraum getrennt und
so ohne jeden Zusammenhang ist. Wie sich dieses Stück nur
durch das entsprechende grössere auf dem Relief von Patras
erklärt, so jenes wohl nur durch eine beim ersten Entwurf
des Frieses vorgenommene Aenderung: statt die Chlamys hinten
nieder und über den 1. Oberschenkel vorfallen zu lassen zog
der Künstler vor, die Bewegung der etwas ruhigen Figur mehr
zu beleben durch das Flatternlassen derselben, vergassaber,
die Zeichnung am Oberschenkel wieder wegzunehmen und
verführte so die ausführenden Steinmetzen zu dem Irrthum,
der im letzten Moment wenigstens zum wesentlichsten Theil
wieder weg corrigirt wurde. Die Partie der verschränkten
Arme ist im Original zu zerstört, um sie mit gleicher Sicher-
heit beurtheilcn zu können. Ebensowenig möcht ich andere
Abweichunq;en dem blossen Zufall zuschreiben: wenn z. B.
auf Platte 3 der fallende Krieger weniger charakteristisch als
auf der Friesplalte den ganzen Fuss, nicht bloss die grosse
Zehe des bärtigen Genossen krampfhaft umkrallt, oder wenn
MISCELLKN 309
bei der angreifenden Amazone die Clilnmys sich eng um den
Oberarm wickelt (wofei-n liier die lleprodiiction richtig ist),
während sie auf der Friesplalte nach vorn wehend den leeren
Raum künstlerisch ausfüllt.
Sonach ist klar, dass die Copien von Palras zu den Fries-
platten von Phigalia im Verhältniss stehen wie Ilandzeiclinun-
gen eines Künstlers zu späterer Ausführung seines Werkes —
eine gewiss sehr merkwürdige, bis jetzt in der allen Monu-
mentenkunde wohl einzig dastehende Erscheinung, welche
allein schon uns verbietet, die Copien in römische Zeit zu
rücken, ^vas mir auch einfach durch die Arbeit widerlegt wurde
und wird, Was Herr Gurlitt sagen will mit ^'ängstlicherWiedcr-
gabe aller Linien des Originals, aber ohne die innere Ent-
wicklung der Falten" verstehe ich gar nicht; schon die
einfachste Vergleichung lehrt, dass auf den Reliefs von Patras
nicht bloss alles motivirt ist, sondern noch viel mehr Detail
enthalten ist, als auf dem Originalfries von Phigalia, dessen
Arbeit bekanntlich in so starkem Conlrast zur Composition
steht, worüber wir uns übrigens seit Olympia ja nicht mehr
zu wundern haben. Die Entwürfe, von Meisterhand gefertigt,
boten natürlich sehr viel mehr, und auf diese, in athenischen
Künstlerkreisen fortgepflanzt, gehen die Reliefs von Patras
zurück. In den Originalentwürfen waren also wohl die Com-
positionen nach Platten gesondert, was eigentlich schon der
Charakter des Frieses an die Hand hätte geben sollen, Ivanoff
aber bekanntlich läugnete.
London, im März 1881. F. von DUHN.
Inschriften aus dem Peiraieus.
1. Beim Neubau des dem Herrn Sapunakis gehörenden
Hauses in der Philonstrasse im Peiraieus wurde vor kurzer
Zeit eine auf der Oberfläche zwei Fussspuren tragende oben
und unten durch vorspringenden Rand (derselbe fehlt an der
310 MISCELLEN
Rückseite^ sodass die Marmorstatue also vor einer Wand * aufge-
stellt gewesen sein muss) architektonisch verzierte Basis aus
penteliscliem Marmor umgestülpt gefunden (h. ung. 1,10, lg.
0,50, br. 0,50™), welche an der Frontseite folgende Inschrift
trägt :
OITONriEIPAIAKA Oitov HetpatÄ >tx-
T O I K O Y N T_E Z n O toi/oCvts; uo-
AITAI.TIB.K A.Ann ION \xxxi Tiß. K^. "Atcttiov
ATEIAIONBPAAOY 'AisUtov BpxSo'j-
ANPHriAAONAT kv 'Hyill^o^ 'At-
TIKON MAPAOa Ti>tov MzpxOw-
N I O N E Y n A TPIAHN viov euTCj^xpJS'/jv
TONEYEPTETHN tov euepysT'/iv,
EniMEAHGENTOZTHIA iTClJ^.S^ViesvTO? TVi? a-
NAITAI EniEAABlOYTOY VX-TTXTeo); 2a>.Siou TOU
EPMEPnTOirAPrHTTlOY 'Ep|/ipo>To; r^cpy/jXTlou.
Eigenthümlich, in kleinasiatischen Inschriften aber häufig,
ist die Bezeichnung der Stifter, die dadurch alsselbslständiges
Gemeinwesen zusammengefasst werden. Der uns hier zum
ersten Male mit vollem Namen entgegentretende Wohlthäter
Tib. Cl. Äppius Atilius Bradua Atticus Marathonius ist iden-
tisch mit dem zuerst durch die Ephebeninschrift C. I. A. III
1145 bekannt gewordenen Tib. Cl. Bradua Atticus Maratho-
nius, dem jüngeren Atticus, dem Sohne des berühmten Sophi-
sten. Über denselben hat Dittenberger Hermes XII S. 9 A. 1,
C. I. A. a. a. 0., zuletzt ausführlicher Herrn. XIII S. 78 fg.
gesprochen. Interessant ist die Bezeichnung als eu7;xTpt^vi;, da
liierdurch auf die aus C. /. G. 6185 bekannte Erhebung
desselben in den Patricierstand (durch Pius nach dem Tode
der Regula) hingewiesen wird. Sicherlich war er auf unserem
* Vcrmullilicfi vor einem Bau , den der Geehrte zum Nutzen der Stadj
hatte errichten lassen.
MISCELLEN 311
Postament mit seinen a^Tspösvrx Tzi^'.lx darnestellt , die in
der zweiten triopischen Inschrift erwähnt werden.
Nach unserer Insclirift wiid \vc\\. Zeit. 1878 S. 05 N" 151
"Atttt'.ov 'AteUiov einzusetzen und 'llpw^-/iv zu enifcrnen sein.
Die Identilicirunc; mit dem in der herangezogenen Ephebcn-
inschrift genannten Arehonlen wird, wenn es dessen noch
bedürfte, dadurch bestätigt, dass sich in derselben Inschrift
unter den Epheben der Aegeis (also gewiss Gaugenossen des
Demos Gargettos) Col. 11 Z. 17 fg. ein 'Eppepw; 'A[ii/evou r«p-
Y'/iTTio?] und SzXSio; 'aO. . . finden, die wie der C. I. Ä. HI
1380'"^ genannten Orgeonenpriesterin Glyke, so dem mit der
Aufrichtung der Statue auf unserem Postament betrauten Sal-
vios S. des Hermeros im nächsten Grade verwandt gewesen
sein werden.
Eine genauere Zeitbestimmung ist nicht möglich, die be-
sondere Veranlassung zur Errichtung der Statue ist nicht
weiter bekannt. Wir miissen uns also begnügen als ungefähre
Zeitbestimmung das .Jahr 200 n. Chr. anzunehmen.
2. Die nachfolgende Inschrift ist zuerst vor kurzer Zeit in
einer griechischen Zeitung von Dragafses bekannt gemacht
('E^r.iy,. V. 4. Okt. 1881 ). Sie steht auf dem geglätteten Ober-
iheil der Frontseite eines Steinbalkens (sog. peiräischer Stein),
der bei dem liefen Felsdurchschnitt auf der Höhe zwischen
Zea und Munychia* unweit des Hauses des Katsikas gefunden
und jetzt in den Hof des zugleich als Museum dienenden
Gymnasiums gebracht worden ist (h. 1,18, br. 0,60, d.0,24"')
und lautet
H E P O I O 'Hpaioti
H O P O ^ opo;
H. G. LOLUNG.
* Dragatses sagt : sv t^ rpOcXTaiJci t^s (ji^yaXr,; 6ooj -r^; äTTÖ 7Jx; il; <J>«Ar,pOv
Sti ToCi Xa'.;i.oj T?j; yEpaovrJao'j tj]? Mo'jvi/ia;, äxptöw; ir:\ toj [xeiix^j ToCi ÜE'-patw;
x«i To3 <i)aXrJpo-j otTCOtafjisvio; MÜ c'i;6B6v eJojiaXtaOi'vkO; [3pa-/_ai8oy; ■jU'yj.xzoq, ö-dOev
~Q TTpö; B. TT)? r.o\s(')i 'i'.yoi oii'^oy z-o .
812 MISCELLEN
Inschrift des Arcadius und Honorius.
Bei der Grundlegung eines neuen Hauses unmittelbar süd-
lich der allen Metropolis stiess man vor einigen Wochen aiif
die Reste eines Architravs, welche geeignet sind, das Interesse
in mehrfacher Hinsicht wachzurufen. Derselbe, welcher sich
jetzt in dem Hofe des Centralmuseums an der Patissia-Slrasse
befindet, ist in der Mitte in zwei ziemlich gleiche Hälften
gebrochen ; die Länge des rechten Stückes beträgt 2'°60"", die
des linken 2'"27'"', die Höhe des Ganzen 66''". Er ist dreifach
gegliedert und trägt eine in drei Zeilen fortlaufende Inschrift;*
durch den Bruch in der Mitte, sowie durch solche an den
Ecken und dem unteren Rande ist ein Theil der Buchstaben
verloren gegangen. Doch erscheinen (besonders mit Beizie-
hung der Inschrift bei Le Bas Megar. 38) folgende Ergänzun-
gen als ganz sicher :
I.
II cl NiKHCKÄlCLüTHPIACKÄIÄGÄNÄTOYAl^
<|) A s A P K Ä A I O Y K A Kl) Ä s O N UJ P I O Y T Lü N A H T T H T UJ
srroYHPOCÄETIOCKÄTElIKEYÄEFNEKeEMEAlUJNTOA
i[.
^IHCTuNAE5:^OTUJNTHl_olKOYKL
"" uj ^ oAAmsanqsthceAAAaoc
'^ n Y A A ' '" ^ frei.
[*r]";r£p viÄ'/i; y.x\ ctOT'/ipiJc; xxl aOccvocrou ^ !.x[\j.o]-rf,(; Toiv ^ecno-
Ttdv T^; otx.oui;.e[vYi<;]| (h^(acSio'j) 'Apy.(X§tou Kacl <l>>>(aSiou) 'Ovcopiou
TcTiV av]'rTrjTw[v AuYouor]Tü)v 6 \y.^{'K^6'vx'zo<;) avO ( utcscto;) t^;
'EX>.aöo;. .2eou'flpo; 'Aexto; xy.Te(7x,suxisv ejc ösfAeX-icDv Tb[. . . {xstoc
Töv ?rp]oT:u7^Kici>v.
Die schön und sorgfältig eingegrabenen Buchstaben sind
von verschiedener Grösse: die Höhe derjenigen in der ersten
* Zuerst vcrocffentliclit und besproclicn von Professor Kumanudis (dessen
t^rgänzungen ich benutze) in der liicsigen Zeitung Alwv vom 21 Oclobcr 1881.
MISCELLEN 313
und zweiten Zeile bis [AuyoulaTov beträgt 7"°, die der übrigen
dieser Zeile G"°,die der drillen Zeile 5"" — einwechselnder seinen
Grund nicht in der architektonischen Einlheilung, sondern in
dem Inhalte und der Gliederung der Inschrift hat. Die letztere
besagt, dass zu Ehren der Kaiser Arcadius und Honorius*
von dem Proconsiil von Achaia, Severus Aelins ein Gebäude
erbaut wurde; welcher Art dieses Gebäude war, köunen wir
nicht mehr ])eslimmen , da gerade derjenige Theil der In-
schrift, in welchem dies stand, durch den Bru^b in der Mitte
verloren ist.^
Die Zeit unserer Inschrift bestimmt sich zunächst dahin,
dass dieselbe unter die gemeinschaftliche Regierung der Kai-
ser Arcadius und Honorius fällt, welche vom Januar 395 bis
zum 1 Mai 408, dem Todestage des Arcadius, dauerte. Doch
lässt sich die Zeit noch enger begrenzen. Zu Anfang des
Jahres 102 wurde der im Vorjahre geborene Sohn des Arca-
dius, Theodosius, zum Augustus proclamirt. Fiele daher die
Inschrift nach diesem Zeitpunkte, so müsste — der Vergleich
mit der schon citirten Inschrift von Megara ist auch da lehr-
reich—in derselben Theodosius erscheinen; da dies nicht der
Fall, so ist sie jedesfalls frühei', spätestens in das Jahr 401 zu
setzen. Anderseits war zur Zeit des Zuges Alarichs nach Grie-
chenland (395) Antiochos Proconsul von Achaia (Zosim. V 5);
es ist also aucli dieses Jahr, wofür schon allgemeine Erwä-
gungen sprechen, auszuschliessen. Wir erhalten somit als
Grenzjahre 396 bis 401 incl.
Die Inschrift giebt einen neuen Beleg des Titels dcvO-jTuaTo;
Tvi; 'E^acSo; für den Proconsul von Acbaia^ in der späteren
' Die Formel unip v;'/.r,{ oder u-ep viV.r,? xal (jtoTr]p^ai; — entsprechend dem la-
teinisclicn ;^ro salule et vkloria — oder imz^ vfxr,? xal aoj-:r,pia; y.a\ aiwv;ou oia-
[jLovTi? findet sicti auf den Kaisern gew idnicten Inschriften häufig, z. B. Le Bas
Corinth. 163, Tenos 1850, Syr. 1888, 1889 u. s.
2 Nach dem O von to (Z. 3) ist noch der Rest einer schrägen Hasta mit
einem Ansatz oben sichtbar.
^ Über den Proconsul von Achaia vgl. Notiti'a dign. Or. c. XXI und dazu
Böcking 1, 1G7, 277.
3U MISGELLEN
Zeit, der sowol durch Inschriften {C.I. A. III 635, 639 mit
der Bemerivuno Dittenhergers*) als auch durch Schriftsteller
(Zos. V 5) zu belegen ist. In unserem Fall entsteht die schwie-
rige Frage,, ob der hier genannte Aetius mit dem später so
berühmten Feldherrn und Staatsmann zu identificiren ist^
oder nicht — eine Frage, die ich bei dem geringen Material,
welches über das Vorleben desselben vorhanden ist, nicht zu
entscheiden wage. Nach der herrschenden Ansicht^ befand
sich Aetius um die Zeit, in welche unsere Inschrift-,zu setzen
ist, oder einige Jahre später als Geisel bei den Gothen,* und
dass er damals in sehr jugendlichem Alter stand, ist uns auf
das bestimmteste bezeugt^. Doch würde es ein seltener Zufall
sein, dass zwei Männer, welche hohe Slaalsämler fast zu der-
selben Zeit bekleideten, auch denselben Namen geführt hätten,^
ohne dass eine Nachricht davon auf uns gekommen wäre.
Wie es sich auch damit verhalten mag, das besprochene
Denkmal verliert dadurch nicht an Wert. DieThatsache allein,
dass ungefähr an der Wende des vierten Jahrhunderts und
nach der Vervvüstuno; Griechenlands durch Alarich in Athen
noch ein öffentlicher Bau von, wie es scheint, bedeutendem
Umfang aufgeführt wurde, ist wichtig genug, wenn w ir auch
verzichten müssen, den Charakter dieses Baues und dessen
La sje näher zu bestimmen. Es ist dies eine urkundliche Wi-
derlegung der Ansicht, die in den Worten des Synesius eine
Stütze suchte,"^ dass der Verfall und die Verödung Athens
schon in damaliger Zeit begonnen habe.
Athen. H. SWOBODA.
* Marquardt, Römische Staatsverwaltung 1, 174 A. 13.
2 Dafür entsclieidet sicli Kumanudis a. a. O.
3 Tillemont Histoire des Empereurs VI 340 (seit 403); Muralt £5501 de
Chronographie hyzanline S. 657.
< Vgl. auch Zosirnus V 36.
5 Besonders durch die Gedichte des Merobaudcs, vgl. carm. IV (ed. Niebuhr)
V. 4t fr, bes. 42 und Paneg. V. 127 fr.
'^ Für Aetius istder Name (I>Xa6to? inschrifllich überliefert [C.I.G. 9427).
'^ C. Wachsmuth, Stadt Athen Im Alterthum 1, 7J7f,
(November 1881.)
Das Bündniss der Athener mit Mitliradates.
In dem Friedenstraklat, welchen Philipp V von Makedo-
nien im Jahre 205 v. Chr. mit Kom ahschliesst, befindet sich
Alhen in der Reihe der Hundesgenossen Homs, und in diesem
Bundesverhällniss ist Alhen seit dieser Zeit verbliehen. Die
Auflösung der achaeischen Eidgenossenschaft und die Um-
wandlung Achaias und der Nachbarlandschafien des Fest-
landes in das Provincialverhältniss hal^ wie sehr auch Athen
damit isolirt worden ist, an seiner slaalsrechllichen Stellung
nichts geändert. Athen übt damals allein unter allen Städ-
ten des griechischen Festlandes d-a^ Recht seiner Silberprägung
aus, die selbst das bundesgenössische Sparta sich nicht be-
wahrt hatte. Dem römischen Proconsul war nur mit Einem
Liclor in die Stadt einzutreten gestattet, ein Anrecht, das ihr
noch Germanicus gewahrt hat. Die Verfassung Atliens aber
hat, in welchem Zeitpunkt lässt sich noch nicht genauer fest-
stellen, eine Umgeslallung erfahren, die später wenigstens
als eine wesentliche Einschränkung der allhergcbracblen De-
mokratie angesehen worden ist. Die Befugni.ss der Volksver-
sammlung und dasRecht der Theilnahme daran wareingeengt,
auch in die Feslfeier der Eleusinien war ein Eingriff vorse-^
nommen worden ; ausserdem war wohl noch eine Ueber-
wachung der Gymnasien und Philosophenschnlen eingetreten*,
wozu der starke Zutluss von Fremden Anlass geben konnte.
Der Willkürherrschaft der Beamten der römischen Provinz
Makedonien war Athen allerdings in geringerem Grad aussiesetzt
als das übrige Hellas, dagegen scheint einen Hauptgegenstand
seiner Unzufriedenheit der Besitz von Delos gebildet zu haben.
' EiDgrilTe der Römer in die athenische Verfassung erwähnt in der Rede
des Aristion bei Posidonios (Athenaeus V 51 S. 213 D).
MITTH.D. ARCH.INST.VI. 21
316 ßüENDNISS DER ATHENER MIT MITHRADATES
Denn wenn auch die Bedeutung des dortigen Freihafens selbst
Rhodos weit überflügelt hatte, so hatten dort seit der Zer-
störung Korinlhs sich römische und italische Kaufleute* in
grosser Zahl niedergelassen , und off'enbar den wichtigsten
Theil des dortigen Marktes an sich gezogen, während die
athenische Kleruchie allmählig zurückgedrängt wurde, ver-
mochten sie doch der Bewegung des Aristion längere Zeit
hindurch erfolgreichen Widerstand zu leisten. Die Handels-
eifersucht wider die römischen und italischen Kaufleute auf
Delos hat jedenfalls nicht zum wenigsten dazu beigetragen, die
Athener von ihrer Treue gegen Rom abwendig zu machen.
Bei der Nachricht von den Niederlagen der römischen Feld-
herrn in Kleinasien beschliessen sie die Absend ung eines Ge-
sandten, des Aristion, an Mithradates (Athen. V 48), was für
die Ereignisse der nächsten drei Jahre entscheidend werden
solllc.
Was dem Mithradates Sympathien bei den Athenern ver-
schalTt hat, waren weder die mit verhältnissmässig geringer
Kraftanslrengung gegen die Römer in Kleinasien errungenen
Erfolge, noch seine hellenische Bildung, obwohl er darin
hinter keinem der Fürsten der übrigen hellenistischen Höfe
seiner Zeit zurücksteht, bildet doch, um hier nur eins zu er-
wähnen, sein an die pergamenische Kunst gemahnender Por-
traitkopf auf den pontischen Königsmünzen weitaus das Beste,
was ein Jahrhundert lang auf diesem Gebiete geleistet worden
ist. Das Königshaus des Mithradates hatte direktere Beziehun-
gen zu Athen. Einer seiner Ahnen, Mithradates, der Sohn des
Rhodobates, hatte von Silanion die Statue des Piaton für die
Akademie fertigen lassen (Diog. Laert. \\\ 20, 25). Sein Sohn
wahrscheinlich, Ariobarzanes, der sich als Satrap von Phry-
* Vgl. tiierzu die bei den französischen Ausgrabungen auf Delos zum
Vorschein gekommenen Inschriften: Bull. deCorrespondance Hell. I S. 284 fi'.
III 147 ff. IV 219 ff. — Bei seiner Rückkehr aus Asien begibt sich Aristion
zuerst £t; TT-jV Ai£u; ICüd.) or/.i'av Tou tote .taoutojvto; ävOp<u;:oj xatj i% Ar^Xo'j Tcpo-
adSo'.?. Die hier vorgeschlagenen Aenderungen Aisu/ou, oder wie Meineke
■wollte A'.£W5 sind wenig ansprechend.
ßUENDNISS DER ATHENEK MIT MITHRADATES 317
gien wider den Perserkönig empört hatte, \var als Flüchtling
nach Athen gekommen, und hatte daselbst mit seinen Söhnen
Bürgerrecht erhallen (Demosth. XXIIf 141. 202. E. Meier,
Gesch. des Königreichs Pontes S. 02). Für die ersten Könige
des pontischen Kappadokiens* fehlt es an Nachrichten, doch
ist Mithradates V wenigstens als Spender eines Weihgeschenks
in Delos nachzuweisen {Corp. Inscr. Craec. II n. 2276), und
ebenso brauchen die Stiftungen Mithradates des Grossen nicht
nothwendig erst in die Zeil des Kömerkriegs gesetzt zu werden
(C. /. G. II n. 2277a6, 22782).
Auf Beziehungen zu Athen waren aber die pontischen Kö-
nige auch durch ihr Herrschaftsgebiet bereits hingewiesen.
Die Landschaft Ponlos sowohl als der angrenzende Theil Pa-
phlagoniens verdankten ihre griechischen Elemente den nii-
lesischen Kolonien an der Küste, unter denen vorSinope und
Amisos sowohl die östlicher gelegenen Keramus und Trapezus,
als die im Westen befindlichen Sesamos Kromna Kotyora, die
in Amastris später aufgingen, weit zurücktreten mussten;
grade diese beiden Slädte waren aber in der perikleischen
Zeit von Athen aus neu kolonisirt worden. In Sinope, das von
einem Tyrannen Timesileos bedrängt war, hatte Perikles auf
seinem grossen pontischen Seezug ein Geschwader unter La-
machos zum Schutz zurückgelassen, und als dieses dann doch
der Partei des Tyrannen gegenüber sich nicht halten konnte,
waren 600 Ansiedelcr ausgesandt worden, denen Ländereiert
der besiegten Gegner überwiesen wurden (Plutarch Per. 20).
Von ungleich nachhaltigerem Einfluss war die Kolonie, wel-
che Athenokles nach Amisos führte, das nun Peiraios umge-
nannt wurde, und nach dem Zeugniss seiner Münzen bis über
' Kftr.-aooxt'a zzp: tov Ej?£ivov heisst Pontos bei Polyb. V 43, 1 ; ebenso
Strabo XII 534 rj r.Uq toi Hovto) Ka;:-aoo/^a im Gegensalz zum binnenländi-
schen, der iji:yaAri Kn-Kxio/.-ü, vj,'i. 546. Im Manifest der Ephesier (Lebas-
Waildinglon Voijage archeol. Partie V Asie minetire n. 136») ist die officielle
Bezeichnung M'-OpaSa-r^c Kar:r:a?;o/.'a; ßaatXeü?.
2 Wünschenswerlh wäre eine nochmalige Untersuchung des in Rom im
Museo Capilolino befindlichen Bronzegefässes der Eupatoristen.
318 BÜENDNISS DER ATHENER MIT MITHRADATES
die Zeit Alexanders des Grossen hinaus diesen Namen geführt
hat*. Hier ist das Kolonialband dauernd festgehalten worden,
so dass noch die vor den Kriegsvvirren aus ihrer Vaterstadt
flüchtenden Athener der mithradalischen Partei sich hierher
zurückgezogen haben (Plut. Luculi. 19). Auch fehlt es nicht
an einer sacralen Verknüpfung dieser Kolonien mit der Mut-
tersladt. Gegenüber der offenbar älteren Angabe (Her. IV 33),
"wonach die Erstlingsgaben der Hyperboraeer zu [iand über
Dodona^ und dann über Euböa und Tenos ihren Wegnähmen,
berichteten die Athener, von den Hyperboraeern würden diese
Gaben den Arimaspen und Issedonen, dann durch die Skythen
wach Sinope gebracht, von dort durch Hellenen nach Prasiae,
um durch die Athener nach Delos zu gelangen 2,
Die Freundschaftsbündnisse mit den Städten am kimme-
rischen Bosporos und die beiden Kolonien an der kappadoki-
sehen Küste haben den wesentlichsten Antheil an dem Einfluss,
welchen Athen im 5. Jahrhundert gewonnen und in dem es
Yor allem den pontischen Getreidehandel monopolisirt hat ;
und wiewohl es schon wegen der gefährlichen Schiffahrt auf
dem schwarzen Meer nicht möglich war die dortigen Küsten-
städte in den Rahmen der Bundesgenossenschaft mit einzu-
fügen ^^ haben grade diese enlfernlesten Plätze, auch als Athen
längst aufgehört hatte eine politische Rolle zu spielen, ihre
^ Theopomp bei Strabo XII 547; C. Müller zu Scymn. Chius 917 [Geog.
Gr. min. I S. 335); Arrian. Peripl. Ponti Eux. 22; Anonym. Peripl. Ponii
Eux. 26. Bei Slepb. Byz. u. d. W. üctpatos, welche F'orm für Altika nicht
nachweisbar ist, scheint eine Erwähnung der pontischen Stadt ausgefallen
zu sein. — Münzen mit llerakopf Rs. Eule von vorn mit ausgebreiteten Flü-
geln PEIPA, PEiPAlON: J. Brandis Münzwesen von Vorderasien S. 432
Vgl. 305.
. 2 Paus. I 31, 2. Prasiae eingeschoben auch nach Böckh Kleine Schriften
V S. 432, in der Abhandlung über Delos (S. 3), der aber zu weit ausholt,
wenn er auf die Abstammung Sinopes durch Milet von Athen zurückgeht.
Ueber Prasiae und die Theorie : Luliing, Mitlheilungen d. Alh. Inst. IV 356.
2 Köhler, Delisch-ailischer Seebund S. 113 11'., Corp. Inscr. Att. I. n. 37
S. 23. Curtius Gr. Gesch 11* 235.
ßUENDNISS DER ATHENER MIT MITHRADATES 319
Beziehungen zu Athen dauernd bewahrt*. Ihre Selbständigkeit
haben sicli freilich die Städte an der pontischen Küste vor der
wachsenden Macht der kappadokischen Könige nicht erhalten
können; doch hat Sinope soildcni Pharnakes seinen Sitz dahin
verlegte eine neue Bluthe erlangt, und Mithradales Eupator,
selber in Sinope erzogen, hat in Amisos glänzende Neubauten
autTühren lassen, die von ihm angelegte Vorstadt, in der er
sich eine Residenz errichtete, erhielt seinen Namen Eupaloria.
Wie sehr aber grade Mithradates die Beziehungen der ponti-
schen Städte zu Athen, und das Ansehen, das ihm aus dieser
Verbindung bei den kleinasiatischen Hellenen erwuchs, zu-
schätzen wusste, beweist der Umstand, dass nachdem das
Bündiiiss zwischen Athen und den Pontikern zu Stande ge-
kommen war, dasselbe auch auf den Typen der pontischen
Reichsmiinzezum Ausdruck gelangt ist (s. die Beil. z. S. 3.26)2.
Was die Kriegsereignisse betrifft, welche für Mithradates
* In Kumanuclis 'Er.:ypx-^a.\ lm-:j[j.i!>io'. fallen auf Amisener, welche in Athen
verstorben sind, 12, auf Sinopeer 28 Inschriften.
2 Die Silbermünze in Pontos war königlich. Das Kupfergeld trägt aller-
dings den Namen der Städte, entlehnt aber seine Typen überall dem mit
dem pontischen Königsgcchlecht in Beziehung gebrachten Perscusniylhus und
erhält damit die Uniforiniläl einer Rcichsraiinze. Eine gewisse Sonder-
stellung scheinen Sinope und Amisos eingenommen zu haben, indem bei
ihnen neben den Münzen mit den pontischen Typen wenigstens einige
autonome auch aus dieser Zeit vorkommen. Die im Text erwähnte Serie
der pontischen Reichsmünzen, bis jetzt nachweisbar für Sinope, Amisos,
Amaslris, Komana,. Kabira (Beulö Monnaics d'Alhenes S. 91 f.) und Cha-
bakte (Lcake Numism. Hell. Asia S. 9) zeigt einerseits Perseus stehend vor
der enthauptet daliegenden Medusa, den das von den Achaemcniden sich
ableitende Königshaus als seinen Ahnherrn verehrte, andererseits einen bis
ins Detail nach dem damaligen athenischen Silbergeld kopirten Alhena-
kopf. Wo sonst derartige Typennaohahmungen vorkommen, wie bei dem
ebenfalls nach den jüngeren athenischen Tetradrachmen geprägten Silber-
geld kretischer Städte (Beul6 S. 90), geschieht es unter dem Einfluss, den
eine gangbare Haudelsmünze sich auch im_ Ausland erworben hat, wenn
dagegen in Pontos die Scheidemünze, die sonst nur in kleinerem Modulus
ausgeprägt worden ist, den Hauptseitentypus des athenischen Silbergelds
und zugleich auch die Grösse athenischer Tetradrachmen erhält, kann von
einer commerciellen Veranlassung keine Rede sein.
320 ßUENDNISS DER ATHENER MIT MITHRADATES
der Anlass geworden sind, nach Hellas überzugreifen, so ge-
nügt es, sie hier in der Kürze zusammenzufassen. Die römi-
schen Statthalter in Asien hatten sich dadurch dass Milhra-
dates gegen die Rückführung der von ihm vertriebenen Kö-
nige von Kappadokien und Bithynien beide Male keinen
Widerstand geleistet hatte, verleiten lassen, als es zwischen
Rom und dem Könige zum Bruch kam, die Macht desselben
zu unterschätzen. Ihre Streitkräfte, wiederum nur zum klein-
sten Theil aus römischen Truppen, zur Hauptsache aber aus
asiatischen Bundesgenossen und Provinzialen bestehend, waren
an Zahl kaum geringer als die, welche Milhradates zur Ver-
fügung hatte; da aber ihr Angriff von drei verschiedenen
Seiten unternommen wurde, bekam der König Gelegenheit
seine Gegner einzeln zu schlagen. Der Niederlage des Niko-
medes am Amneios folgte die des Manius bei Pachion, und
damit war die Sache der Verbündeten entschieden. Vorder-
asien wurde von Milhradates Schaaren überschwemmt, die
Städte Bithyniens und Phrygiens sowohl als die der römischen
Besitzungen von Mysien Asien und lonien öffneten dem pon-
lischen König ihre Thore, der wie früher im Chersonnes als
Vorkämpfer der Hellenen wider die Barbaren im Skythenland,
jetzt als ihr Vorkämpfer wider Rom empfangen wurde.
Der rasche Verlauf der ersten Krieüjsereisjnisse machte aber
zunächst einem völligen Stillstand Platz. Nicht nur setzten
die p'aphlagonischen und pamphylischen, sondern namentlich
auch die lykischen Städte, und im Westen Magnesia dem
Mithradates energischen Widerstand entgegen; die Streitkräfte
zu Wasser und zu Lande, welche ihm zur Verfügung standen,
und welche Appian Bell. Mithr. 17 bereits «ix^l Ta? Uxxo-j xoel
eS^o(;/^x.ovT(z TpsT; 6Xu(/.7:tz^z(; auf die Höhe von 250,000 Mann
Fussvolk und 40,000 Reitern angibt, eine Zahl, welche sie
zur Zeit der Kämpfe auf europäischem Boden, in den Jahren
87 und 86 erreicht haben, mussten erst während des Kriegs
auf die Beine gebracht werden. In den neu erworbenen Land-
schaften ist der König darum sofort bedacht, Statthalter ein-
zusetzen, Truppen anzuwerben und Schiffe zu bauen, denn
BUEiNDNISS DER ATHENE« MIT MITHRADATES 32t
was ihm zunächst an eigener Flotte zu Gebole stand war für
den bevorstehenden Angriff auf Rhodos noch unzureichend*.
Am deutliclisten liisst diesen Stillstand in Mithradates Vordrin-
gen erkennen die Thatsache , dass von den noch im Kampf
befindlichen italischen Bundesgenossen eine Gesandtschaft an
ihn gelangt, die doch erst den italischen Boden verlassen haben
wird, nachdem bereits die Nachricht von seinem siegreichen
Vordringen daiiin gelangt war. Ebenso wird auch die Wahl
Sullas, dem die Führung des milhradalisclien Kriegs gleich
beim Amtsantritt bestimmt wird, und der darüber mitMarius
entstandene Kampf als Folge dieser Nachricht angesehen wer-
den können ; den Charakter des Racenkampfs erhielt der Krieg
erst durch den Frlass des Mordedikts. Die Ankunft der itali-
schen Gesandtschaft war aber zu früli gekommen; mit dem
Versprechen einer llülfssendung ^, wenn ihm der Besitz Asiens
gesichert sei, und mit Subsidiengeldern werden die Gesandten
entlassen.
Unten wird sich ergeben, dass im Juli dcsJs. 88 das Bünd-
niss Athens mit Mithradates bereits ratificirt ist, danach
mus8 also Aristions Sendung, der wie Posidonios Bericht
zeigt , längere Zeit beim pontischen Könige verweilt hat
und zwar gleichzeitig mit der italischen Gesandtschaft ,
bereits in die ersten Monate des Jahres 88 fallen^. Bei
seiner Rückkehr ist das Mordedikt wider die römischen und
* Appian B. Mühr. C. 22, womit die Angaben über die Flotte in C. 17 zu
verglcictien sind. Ueber die Rüstungen in Vorderasien : lustin XXVIII 3, 9.
^ Diodor. XXXVII 2, 10 : a^tiv xi; SuvaiiEtj £•.; ttjv 'liaXtav, £7:£t5av aurtÖ
xaxaGTY^ar, xr.v 'Aafatv ; Atlien. V 50. Ueber den auf das Bündniss der Italilcer
mit Mitliradates bezüglichen Denar: Jul. Friedlaender, Oskiscbe Münzen S.
84,Mommsen Rom. Münzwesen 587; über eine weitere Münze s. untenS.330.
3 Die Schwierigkeit der Chronologie des mitliradatischen Kriegs betont
Mommsen Rom. Gesch. IP299. Aristions Absendung erfolgt, oxceIc MiOpxSa-
xTjv xi ::,o(XY,aa-:a \xi-ipor^ (Athen. V48), seine Rückkehr erst, nachdem das
Mordedikt ausgeführt ist. Danach wird der Ausbruch des Kriegs wohl mit
Waddinglon Fasies des provinces asiat. S. 38 in das Jahr 665=89 zu setzen
sein, ebenso jedoch auch die umständlichen Verhandlungen, die dem Beginn
des Feldzugs vorausgegangen simt.
322 BUENDNISS DER ATHENER MIT MITHRADATES .
italischen Bewohner in Kleinasien bereits vollzogen, und
die Absendung eines Heers nach Thrakien und Makedonien
in Aussicht. Am längsten bleibt die pontische Flotte aus,
die als Athen offen abfällt, zur üeberfahrt noch nicht bereit
ist.
Die gleichen Massregeln, mit denen Mithradates sich in den
kleinasiatischen Städten populär gemacht hatte, Niederschla-
guns; der Schulden, und Wiederherstellung der Demokratie,
und hohe Geschenke für den Staat sowohl wie für die Pri-
vaten konnte Aristion bereits vom pontischen Hoflager aus
auch den Athenern zusagen, falls sie sich Milhradales an-
schlössen (Athen. V 48), während von Seiten der Römer
nichts geschah den Abfall zu verhindern.
Auf der Rückkehr aus Asien wurde .Aristions Schiff nach
Karystos verschlagen, und als die Kunde hiervon nach Athen
gelangte ihm Staatsschiffe dorthin gesandt, die ihn nach dem
Piraeus brachten. Seinen Einzug in Athen hält er in einer
Sänfte, die mit silbernen Füssen und mit purpnrnen Teppi-
chen geschmückt ist, wie bis dahin auch kein römischer
Beamte Attikazu betreten gewagt hatte, von der Volksmenge
erwartet und von den dionysischen Künstlern, die ihn als
Boten des pontischen Königs, der selbst den Beinamen Dio-
nysosführte, empfangen ; dieStadl war bereits für Mithradates
gewonnen. Am Tagenach der Rückkehr erstattet Aristion den
Athenern von der Tribüne vor der Atlaloshalle, wo sonst die
römischen Beamten das Volk zu versammeln pflegten, seinen
Bericht über die Gesandlschafl und die neuen Zustände in
Asien, und schliesst mit der Aufforderung d^s römische Joch
abzuschütteln. Hierauf erfolj^l eine VorBammlung der Menge
im Theater, wo Aristion zutn arfzT-ziyo; iT:\ tcöv öa"Xco\> erwählt
und nach seinen Vorschlägen die Wahl beiner Amtsgenossen
vollzogen wird. An den Thatsachen wie sie Posidonios (Athen.
V 49-51) berichtet, kann kein Zweifel bestehen, aber es ist
der Bericht eines Zeitgenossen, der zur Rom freundlichen
Gegenpartei gehört, mithin nur wiedergibt, was diese aus
BUENDNISS DER ATIIENEH MIT MlTIinADATES 323
den Vorgängen in Athen machle*. ArisLions Hückla-lir aus
Asien füllt in die Zeil der Slralegenwalilen, und hiermit allein
verliert schon der Hergang, wie ihn Posidonios erzählt, viel
von dem ihm aufgedrückten anarchisclien Charakter.
Die Rom freundlich gesinnte Partei, die ei^ppovouviet; (Athen.
V 52) wurden eingeschiicliLert oder suchten zu lluchten, wie
sich denn zwei ihrer Führer, Meidias und Kalliphon während,
der Belagerung Athens im Lager Sullas befinden (Plut. Sulla
14), und ihre Flucht bot dann ein bequemes Mittel zu Ver-
mögensconüscatjonen, wenngleich das von Posidonios so ein-
gehend geschilderte Sohreckensregiment Arislions über Athen
erst allmählig zu Stand gekommen ist.
Von dem auswärtigen IJesilzsland , welchen Athen damals
hatte^j lässt sich für Lein nos, Imbros und Skyros ebenso wie
für Salamis und Haliartos und wohl auch für Paros voraus-
setzen, dass sie theilweise auch schon, wie die nördlichen'
Inseln, unter unmittelbarem Einfhiss der Ponliker stehend sich
stillschweigend Milhradates mit ansclilosscn , anders war es
auf Delos, wo die an Zahl und Reich ihum gleich bedeutende
römische Kaufmannschaftdas von Athen mit Mi thradales abge-
schlossene Bündniss zurückwies, und, soviel ersichtlich, sich
offen von Athen lossagte. Die Folge war, dass die ans Ruder
gekommene Demokraten partei die ihr verloren gegangene In-
sel, jetzt der vverthvollste Platz in Athens auswärtigem' Besitz,
wieder zu gewinnen trachten musste. Apellikon, Aristions
• So wild aucli nur die vielbehandclte Stelle iu Aristions Rede verständ-
lich von der Gesandtschaft aus Karthago, die Äristion nach Athen. V 50 S.
213 C au Mitliradalcs Hof j.'etrofren haben soll. Die Athener halten ja selbst
einige bundesgenüssische SoliifTe für den drillen punisehen Krieg liefern
müssen (Paus. I 29. 14). Im Piraeus aber sowohl als auf Delos linden wir
auch noch in Aristions Zeit regen Verkehr mit Tyrus. Auf Masinissa be-
zügliche Inschriften haben die delischen Ausgrabungen ergebea {Bull, de
Corresp. Hell. 11 400, III 470), und auf einen numidischen Prinze», Masta-
nabas, Masihissas Sohn, der als Pauatlicn'iensieger auvwpio: rMlr/.fi vorkommt,
hat Dittenberger (Rhein. Museum 36 S. 145) kürzlicli hingewiesen,
.2 Köhler, Mittheilungen I 258 11'.
324 BUENDNISS DER ATHE?JER MIT MITHRADATES
eifrigster Parteigänger, wurde mit Trnppenmacht nach Delo8
gesandt, die Stadt mit Maschinen belagert, aber der Angriff
so ungeschickt geleitet, dass es dem römischen Befehlshaber
Orbius gelang durch einen nächtlichen Ausfall die Belagerer
völlig aufzulösen, ihr Lager summt der von ihnen gebauten
Helepolis zu erbeuten, die Mannschaft iheils zu tödten iheils
gefangen zu nehmen. Apellikon entkam (Athen. V53), Delos
aber blieb bis zum Eintreffen der pontischen Flotte in den
Händen der Römer.
In Posidonios Bericht, und dies ist die später gangbare
Darslellungsweise geworden, werden als die, welche zu Mi-
thradates übergehen, immer nur oi6'/>.oi genannt, denen gegen-
über die wahren Athener sich von der Bewegung ferngehalten
hätten oder zu den Römern geflüchtet wären. Ergänzungen
dieses Berichtes, die uns zugleich über den Umfang der Be-
wegung Aufschluss geben könnten, sind aus den Inschrift-
funden bis jetzt noch nicht zu entnehmen, auch wird, was
etwa an Urkunden aus diesen Jahren vorhanden war, in der
dann folgenden Reactionsperiode vernichtet worden sein ;
Einiges wenigstens ergibt sich dafür aus dem Münzfund, wel-
cher bei den Dip}'lon-Ausgrabungen der Athenischen Archaeo-
logischen Gesellschaft zu Tage gekommen ist. Eine vollständige
Beschreibung des Fundes, der wie S. Kumanudes sogleich
bei der Aufdeckung gesehen hatte ('AÖ-^vaiov IIIG91 ), während
der sullanischen Belaoeruns; Athens vereraben worden ist, ist
in der Archaeologischen Zeitung Bd. 33 S. 163-166 mitge-
theilt worden. Er befindet sich jetzt im Barbakeion, und ent-
hält 54 athenische Silbermünzen, darunter :
5 Tetradrachmen der Monoo;rammenserien,
27 Tetrad räch men und
22 Drachmen der Serien mit Beamtennamen,
die sich auf 26 Jahrgänge verlheilen,
ausserdem: 4 Tetradrachmen von Mithradates Eupator.
Neben den Tetradrachmen Milhradats ei-geben sich durch
ihre theilweise fast stempelfrische Erhaltung als die am spä-
testen geprägten, mithin jüngsten Stücke des Fundes die
Beilage zu Mi tili. d. arch. Insl. VI S. 325.
BUENDNISS DER ATHENER MIT MITIIRADATES 325
unter n. 38-54 in der Beschreibung aufgefiilirfen mit den
Beariitennamen:
Apellikon-Gorgias 2 Tetr., 4 Drachm. (Vgl. Heule Monn.
d'Athhnes S. 211).
Eurykleides- Ariaralhes 4 Tetr. (Vgl. Beule S. 297).
Aristion-Philon 3 Tetr. (Vgl. Beule S. 216).
Mithradates-Arislion 1 Tetr., 3Drachm. (Vgl. Beule S. 237).
Die zeitliche Anordnung dieser vier Reihen, von welchen 3
Tetradrachmen sowie die Tetradrachme von Amisos und
der später zu besprechende Stater auf der Beilage nach
Exemplaren des Berliner Kabineis abgebildet sind , ist
aus folgender Erwägung zu gewinnen. Jede der drei zuerst
genannten Serien gibt sich durch die auf der Amphora der
Kehrseite angebrachten Buchstaben A — M als eine vollständige
Jahresprägung zu erkennen, an der mithin jede der 12 Phy-
len in dem ihr zugehörigen Amtsmonat Anlheil gehabt hat,
für die an die vierte Stelle gebrachte Serie mit dem Namen
des Mithradates, deren Stücke noch dazu bei weitem seltener
sind als die der vorangestellten Serien, sind nur Stücke vor-
handen aus der Phyle A und B, vielleicht auch A, die Prä-
gung, welche mit dem attischen Jahresanfang, mit dem 1.
Hekatombaeon (also Juli-August) begonnen hat, ist mithin
nicht zu Ende geführt worden, denn am 1. März 86 ist die
Einnahme der Stadt duch Sulla erfolgt; die Milhradates-Serie
gehört also ins Jahr 87-86. Wenn ferner Aristion bereits in
seiner Serie das Wappen des pontischen Königs, den an der
Quelle trinkenden Pegasos als Beizeichen auf seine Münzen
setzt, ergibt sich hieraus nothwendig, dass mit dem Beginn
dieser Serie, im Hekatombaeon des vorangehenden Jahres,
also Juli 88 das athenisch-pontische Bünduiss bereits abge-
schlossen war; nur nachdem einmal der Krieg erklärt war,
durften die Athener es wagen das Wappen des Mithradates,
der seinerseits mit Rom im Krieg lag, in ihren Münztypus
mit aufzunehmen.
Welche Reihe derjenigen des Aristion voraufgegangen ist,
326 BUENDNISS DER ATHENER MIT MITHRADATES
ob die des Apellikon oder die des Eiirvkieides*, ist nicht zu
entscheiden.
Von Bedeutung aber ist es, wenn beim Beginn der Bewe-
gung des Aristion an der Spitze des athenischen Staatswesens
wieder ein Ansehörio-er des zu den Eteobutaden zählenden
Hauses^ erscheint, dessen Mitglieder zweimal bereits, nach
dem chremonideischen Krieg, und nach der Befreiung von
der Zwingherrschaft des Demetrios für die Unabhängigkeit
ihrer Stadt eingetreten waren ; wie bei den allen Geschlechtern.
aus Athens grosser Zeit macht sich auch hier die Tradition
der Familienpolitik geltend.
Zweiter Beamte in dem Jahre des Eurykleidesist Ariarathes.
Den gleichen Namen hatte Prokesch als dritten Beamten auf
einem Tetradrachmon der 12. Phvle in der Serie Xf-toysvvi?-
Ka>.\ijjLxp; lesen wollen (Beule S. 3i9); das Exemplar, das
mit Prokesch Sammlung jetzt an das Berliner Kabinet ge-
* Bcul(5 (S. 104) hat bei Untersuchung des Feingehalts eines Tetradrach-
mons des Aristion 0,924 Silber, 0,016 Gold, bei einem solchen des Apellikon
0,934 Silber, 0,016 Gold erhalten, für die Eurykleides-Serie liegt keine
Schmelzung vor. Aber hiernach eine Verschlpchlorung der Münze unter
Apellikon und Aristion annehmen zu wollen, weil die Untersuchung einiger
anderer Serien höheren Silhergehalt geliefert, erscheint gewagt; hat doch
Hussey bei einem Telradrachmen ,,der jüngsten Prägung" bloss 0,919 mit
entsprechendem Gold (Hultsch Metrologie S. 171), v. rjauch bei einem
Didrachmon ,, alten Stils" 0,932 erhallen (Zeitschrift f. Numismatik I
S. 36). Nur daran wird festzuhalten sein, dass die Tetradrachmen des Aristion
bei sonst guter Erhaltung aulfallend niedriges Gewicht zeigen.
* Lebas, Voyage. archeol. Inscr. de l'Atliqiie n. 361. Mauvetle-Besnault,
Dull. de Corr. Hell. III 490. — Die Versuche, das Slemma der Familie des
Mikion und Eurykleides festzustellen, sind bis jetzt alle wenig befriedigend
ausgefallen. Auf den Telradrachmen mit Beamlennamen sind vertreten : 1.
Mikion und Eurykleides (Beizeichen: die Dioskuren), mit Walirschein-
lichkcit auf die beiden r.^oi-i-ot.i bezogen, zuerst von Cavedoni Mcmorie di
relif/., mor. e leit., Modena B. V 335, und Rathgeber Annali delV Imi.Arch.
1838 S. 40. Beul6 S. 339. 2. Mikion und Theophraslos (Beizeichen: Qua-
driga), jünL'(^r als die vorige Reihe, im Dipylonfund vertreten; ein Mixiwv
E'jpjz),£t5ou ist als Sieger mit dem apfxa unter den Panathenaeensiegern,
Rangabi! Anl. Hell. II n. 962, genannt. Beule S. 343. 8. Eurykleides und
Ariarathes Beule S. 297.
BUENDNISS DER ATIIENEH MIT MITHRADATES' 327
kommen ist, \\ar unvollkommen gereinigt, und bietet den
gleichen Namen wie die übrigen Stücke dieser Pbyle AN-
APE A5:. Damit ist auch die bis dahin vorliandene Nölhigung
beseitigt, dass der Ariaiathes der Kurykleides-Serie ein ge-
borener athenischer Bürger sein müsstc; vielmehr wird man
nun an den A^ngehörigen eines Fiirslenge.schlechts zu denken
haben, der athenisches Bürgerrecht erhalten hat, und Ehren
halber n)it diesem Amte bedacht worden ist*. Dann kann aber
um diese Zeit nur der von Sallet (Zeitschrift, f. Numism,.IV
2'28 und 23G) dafür vorgeschlagene Sohn des Milhradates in
Frage kommen, den sein Vater im J. 99 zum ersten Mal in
Kappadokien ztim König gemacht hat, der im J. 90 dem von
Manius Aquiliuszui'ückgeführlen Ariobarzanes weichen musste
und im nächsten Jahre wieder eincjeselzt worden ist. Aller-
dings sind dann diese Münzen vor dem Bündnissabschluss
geprägt, aber Mithradates hat, wie sich ans den Verhand-
lungen der Gesandlschaften , die dem Ausbruch des Kriegs
vorangingen, ei'kennen lässt, damals bereits in regem Verkehr
mit den Hellenen gestanden (Appian. B. Mithr. 16).
Apellikon,auf dessen Münzen das Beizeichen des Greifs wohl
mit Rücksicht auf seine teische Heimath gewählt ist^^ führt
uns zu den Philosophenschulen , denen die mithradatische
Bewegung in Athen ihre hervorragendsten Führer verdankt.
Von den Nachkommen des Aristoteles in Skepsis hatte er nach
Strabo die dort aufbewahrte aber verwahrloste Bibliothek des
Aristoteles und Theophrast angekauft «neue Abschriften ver-
schiedener aristotelischer Werke besorgt und sie mit allerdings
fehlerhaftem Text herausgegeben "3, Jn Athen hat ersieh be-
' In einer ähnlichen Siellunjjf scheint derzweilc Beamte einer älteren Se-
rie gewesen zu sein lulv-ixoc-Miya; (ßcule S. 268).
* Die Beizeichen beziehe ich auf den ersten Beamten; sie wechseln mit
jeder Serie, auch dann wenn der betrolVende Beamte wiederholt fungirt.
' Slrah. XII 609 vgl. Plut. Süll. 26. ileitz, die verlorenen Schriften des
Aristolcles S. 11, der gegenüber den an dem Berichte des Strabo und PIu-
tarch geltend gemachten Zweifeln mit Recht hervorhebt, dass der des Strabo
,,so zu sagen den Werlh desjenigen eines Zeitgenossen besitzt" (S. 14).
328 BUENDNISS DER ATHENER MIT MITHRADATES
reits längere Zeit vor dem milhradalischen Kriege das Bürger-
recht erworben, da er auch auf einer andern, im Dipylon-
funde nicht mit enthaltenen Serie von Tetradrachmen als
erster Beamte (mit einem x4pollo als Beizeichen) neben einem
Aristoteles erscheint, der schwerlich zufällig grade neben ihm
als zweiler Beamte fungirt. Auf der zweiten Serie ist sein
College Gorgias, wohl ein Verwandter des gleichnamigen
Rhetors und Lehrers des jüngeren Cicero [Ep. ad famil. XVI
21. Plut. Cic, 24). Nach Posidonios, der als Stoiker an den
Peripatetikern seiner Zeit wenig Gutes lässl, war Apellikon
kurz vor Ausbruch des Kriegs, da er Autographen aus dem
Metroon entwendet haben sollte, in Anklage geralhen, der
er sich durch die Flucht entzogen halte, um sich bei seinerRück-
kehr der Bewegung des Aristion anzuschliessen ; ist diese
Angabe genau, so müsste die Reihe x4peliikon -Gorgias dem
Jahre 90-89 zugetheilt werden. Auch Cicero's Freund Tyran-
nion, durch den später Andronikos mit den durch Sulla
nach Rom gebrachten aristotelischen Schriften bekannt ge-
worden ist*, stehlauf Seiten der Ponliker, und flüchtet wegen
des Kriegs von Athen nach Amisos (Plut. Luc. 19). Da die
Peripatetiker in Aristion ^ der Erhebung Athens ihren Führer
verliehen, wird man ihre Schule wohl auch vollständig daran
betheiligt zu denken haben, während die Akademiker sich
der oligarchischen Partei angeschlossen zu haben scheinen ;
ihr Scholarch wenigstens , der greise Philon von Larissa ^,
Auch nach der sehr eingebenden Erörterung Zeüers Gesch. der griech. Phi-
losophie IP S. 139-154 wird die von Ileitz vertretene Ansicht nicht für
widerlegt gelten können.
» Plutarch. Luculi. 19. Sulla 26. Heitz S. 10, U.
2 Mpii<^uraeer nennt ihn nur Appian. B. M. 28, was aber gegenüber dem
detaillirten Bericht des Posidonios nicht in Betracht kommen kann. Hertz-
berg, Geschichte Griechenlande I 349.
' Cic. Brut. 89. Dass die Schulstreitigkeiten damals in das Gebiet der
Politik herübergezogen worden sind, hat Zumpt (Über den Bestand der
Philosoph. Schulen in Athen S. 88) bereits gefolgert aus dem Streit zwischen
dem Hpikuraeer Zeno aus Sidon und dem Stoiker Tbeotiraos (Athen. XIII
611; nach Diog. Laert. X 3: Diotimos), der mit Auslieferung des letzteren
BÜENDNISS DER ATHENER MIT MITIIRADATES 329
flüchtet nach Rom, und von seinen Schülern befindet sich
Antioclio.i von Askalon itn Gefolge des Quaestors Lucullus
während des sulianischen Feldzugs wider Milhradales.
Aristion soll als Sohn einer aegyplischen Sclavin im Hause
des Peripaletikers Athenion geboren und aufgewachsen sein;
dann hätte er Alhcnlons Vermögen geerbt und sich durch
Parengraphie im Demenregister den Namen Aristion erworben.
So erzählt Posidonios den Hergang und legt ihm in Folge
dessen immer nur den Namen bei, der üim als Unfreien zuge-
kommen wäre, Athenion*. Auch das Weitere über Arislions
Frühzeit, wie er mit seiner jungen Frau umhergereist sei, in
Larissa rhetorische Vorträge für Geld gehalten habe, um dann
bei seiner Rückkehr sofort zum Gesandten erwählt zu werden,
zeigt offenbare Entstellung. Mitliradales mochte durch geheime
Boten schon agitirt haben, immerhin mussle Aristion sich
damals in Athen bereits eines grossen Ansehens erfreuen. Im
Jahre 88-87 ist er als ax^xxnyhi; iizl twv Stt^ov auf den iMün-
zen, nachde?n das Bündniss abgeschlossen ist. Diese Serie
mit dem Beizeichen des Pegasos unterscheidet sich aber sofort
Ton den beiden vorangegangenen Jahrgängen dadurch, dass
bei ihr statt 8 (oder gar 11 ) fungirender dritten Beamten nur
noch 3 vorkommen^; bei der Königsserie des folgenden «Wah-
res sind auch diese in Wegfall gekommen.
Das ponlische Bündniss war ohne Widersland durchgesetzt
worden in Athen, als nun aber ein Heer des Mithradates in
Thrakien einfiel und gegen Makedonien vorrückte, wo ihm
der römische Praetor Sentius entgegen trat, als ferner die
an die Römor und seiner Hinrictiliing endolc. Als eifriger Parteigänger des
Milhradales war rler Akademiker Diodorus in AtramjUion liiätig : Strabo
XIII 614. DieThcilnohraer der Gesandtschaft des Königs anMurena (Memnon
XV 36) werden nicht näher bezeichnet.
' Athen. V 48 S. 211 fg. ; die Erklärung des rapc'yYpa^o? hat bereits Ca-
sauhonus gegeben.
2 Als dritte Beamte fiingiren auf der Serie des Apellikon : A'.oy^, 'ApiatiJ.
vou«, Ato[vj]r.o[;— so scheint auf dem Ex. des Berliner Kabinets zu stehen,
Aetv^a;, S^piwy, 'Apys^o;, XaoEiaio?, Tlpa/Xst., auf der des Euryklcides : AioxX.,
SwxpaTrjs, 'Hpay.ÄS!., KaXA;'a?, <I>avü/.piTO«, iS£voxpoi[-:r,;], 'I-nüvt[xo;],'Ap/^i:t.,'AXE-
?av., Atovu. ; auf der des Aristion : Apo(xo[x).c^STj?], 0co., 'Hy^a?.
830 BÜENDNISS DER ATHENER MIT MITHRADATES
politische Flotte zum Uebergang sich anschickte, Delos für
seinen Abfall von Athen züchtigte, und der Krieg mit Rom
unvermeidlich geworden war, musste man vor den noch am
Platze befindlichen Anhängern der oligarchischen Partei be-
sorgt werden; wem es möglich unter ihnen, flüchtete, aber
Arislion Hess nun auch die Flüchtlinge verfolgen, und damit
war ein Schreckensregiment eingeleitet, das während der
Belagerung später zu völliger Tyrannis führte.
Wenn auf den athenischen Münzen des Jahres 87-86, nach-
dem in der Zwischenzeit die pontischen Heere über Thrakien
und Makedonien im Norden , im Süden über ganz Griechen-
land bis zu den Thermopylen sich ausgebreitet hatten, Ari-
stion in der Steile des zweiten Beamten erscheint, in der ersten
aber Mithradales mit dem Königstitel und das Achaemeniden-
wappen, die Sonne mit den beiden Halbmonden, zum Beizei-
chen hat, kennzeichnet dies zur Genüge die Verkommenheit
des letzten athenischen Demagogen. Antiochos IV Epiphanes
hatte man etwa 90 Jahre früher die Stelle des ersten Beamten
Ehren halber eingeräumt, doch ohne Titel, nur versehen mit
dem Familienwappen der Seleukiden, dem Elephanten. Jetzt
war Athen der Mittelpunkt einer neuen Satrapie des ponti-
schen Königs.
Sofort nach der Besitznahme des vorderen Kleinasiens hatte
Milhradates die Goldprägung eröffnet, die als Vorrecht des
persischen Grosskönigthums und sei nerRechtsnachfoIger ange-
sehen wurde ; nachweisbar ist dieselbe bis jetzt in Goldstatern
des pontischen Königsgepräges aus zwei Münzstätten^, aus
Pergamos, wo der König während des 1. Römerkriegs längere
Zeit seinen Sitz hatte, und aus einer andern noch nicht näher
bestimmten Stadt. Für die Ilaliker war der Goldstater des
Minius Jeius^ geprägt worden, mit genauer Copie gleichzeili--
' Friedlaender-Sallet, das Königl. Münzkabinet (Berlin 1877) S. i36 n.
463, 464.
' Ferd. Bompois, Les types monetaires delagiierre sociale (Paris 1873) S.
23 ff. Vgl. Zeitschrift f. Numism. II 88 und A. v. SallelinZeitsch. f. Num.
IV 236 f.
BUENDNISS DKR ATIIKNFR MIT MITURADATES 331
ger 'r}'j)en von Aiiiiso.s, rlcMii Pci'sciiskoj)!' und der bakchi-
sclion eiste mit Thvi-sos; möglich dass die italische Gesandt-
Schaft, welche da KU'iiiasicn sich in Kriegszustand befand
nicht den Landweg , sondern den Seewcf^ durch den Ilel-
lespont gewählt haben wiid, in Amisos gelandet war oder
doch ihre Unterhamlhingen dort gefidirl hat. Audi für Athen
wurde nun eine Goldprägung begonnen, Slatereii mit dem
Namen des Königs und des Aristion, dem Silbergeld des J
87-8G im Typus entsprechend doch ohne Namen der Phyle,
unter den athenischen Münzen jüngeren Stils das einzigeGold*.
Demselben Jahre, und wohl schon in die Monate der Belage-
rung Athens Inneinreichend , sind zuzuweisen die in grosser
Menge ausgegebenen eigenlhümlich dicken Kupfermünzen mit
dem blitzschleudernden Zeus und dem Achaemenidenwappen^.
Auf den Vorlauf der kriegerischen Ereignisse, welche sich
an den Uebergang der mithradatischen Heere nach Hellas
geknüpft haben, näher einzugehen, liegt ausserhalb des Rah-
mens dieser Arbeit. So lange das Consularheer noch durch
den Bürgerkrieg in Italien zurückgehalten war, war Sentius
der Statthalter von Makedonien auf sich allein angewiesen
und selber von dem Heere der Politiker und den mit ihnen
verbündeten Stämmen der Thraker und Dardaner bedi'ängt;
ausserdem ohne eine Flotte, vermochte er nur seinen Le-
gaten Brultius Sura mit einer Handvoll Leuten dem Heer
des Archelaos entgegen zu stellen. Sura aber, der in seiner
schwierigen Aufgabe eine, wie Sulla selbst anerkannt hat,
nicht efewöhnliche militärisclie Beü-abuno; entwickelt hat, war
es nicht bloäs gelungen, sich in Boeotien festzusetzen, sondern
1 Der Stator des Berliner Kabiuel.s abgelji Idet auf der Beil. zuS. 325, und
bei Friediaendoi-Sallet, Königl. Münzkabincl S. 96 n. 265. wiegt 8,24 Grm.,
folgt niitiiin genau dem Gewicht des ftilbcrgelds. Ein anderes Ev. mit der
Sammlung Lnynes an das I'ariser Kabinel g(-komraen, zuerst puidicirt von
Beule, Revue Num. 1863 S. 176 11'.
2 Beule S. 237. — Eine Ueber^^iehl übpr die w^-^le Verbreitung, welche die
Typen IMilbradals um diese Zeil auf den Münzen erhalten hoben, bei Fried-
laender Zeitsohr. f. Num. IV S. S und v. Sallot ebd. S. 235 IT.
MITTH.D. ARCH.INST.YI. 22
332 BUENDNISS DER ATHENER MIT MITHRADATES
auch in dreitägigem Kampf bei Chaeronea die Truppen des
Archehios und Aristion gegen das Meer zurückzuwerfen, als
ihm durch LucuUus der Befehl zuging sich zu Sentius zurück-
zuziehen, und die Forlfiihrung des Kampfs dem dazu bestimni-
ten Feldherrn Sulla zu überlassen. Gegen diesen versuchten
dann die Verbündeten nochmals das Feld zu halten, aber mit
nicht besserem Erfolg. Aristion zieht sich hierauf nach Athen
zurück, Archelaos nach dem Piraeus , wo er von der See aus
den Zugang ganz in seiner Gewalt halte, da Sulla über keine
Flotte zu verfügen hatte. Der Piraeus wird zuerst angegritTen,
gegenüber der hartnäckigen Verlheidigung der gewaltigen
Mauern muss sich der Proconsul aber zu einer regelrechten
Belagerung entschliessen , und nach mühsamen Kämpfen, da
sein Gegner nicht zu verdrängen ist, mit blosser Blokade der
Landseite begnügen. In Athen, das ebenfalls eingeschlossen
war, gingen die Vorrälhe früher auf die Neige, und hierauf
begann Sulla, während Aristion durch rücksichtloses Einzie-
hen und Vcrtheilen kärglicher Rationen den Widerstand zu
verlängern suchte, die eigentliche Belagerung, die am 1 März
86 zu der Erstürmung der Stadt führte. Bald darauf erfolgte
auch die Uebcrgabe der Burg, in die sich Aristion zurück-
gezogen hatte, an Sulla's Legaten Curio, und dieHäumimg von
Munychia durch Archelaos (Plut. Sulla 14).
Von den Führern war Apellikon todt^ Aristion auf der Burg
gefangen genommen und für den Triumph aufgespart, wurde
später, als Sulla die in seine Hände gerathenen Freunde ((pi>.oi)
des Mithradates während der Waffenstillstandsverhandlungen
(85) freigab, durch Gift hingerichtet, weil er für einen Gegner
des Archelaos galt. Was an der Ei-hebung hervorragenden
Antheil genommen hatte, fiel in den der Einnahme der Stadt
folgenden umfangreichen Executionen*. Was sonst von atheni-
schen Bürgern in der Stadt der Hugersnoth und dem Schwert
1 Apellikon: Strabo 609. Aristion: Plut. Sulla 23, wolil direkt auf Sulla's
Memoiren zurückgehend; minder genau Strabo 610. Appian B. M. 39. Paus.
I 20, 7. Execulionen: Paus. I 20, G. Appian 39.
BUENDNISS DER ATHENER MIT MITHRADATES 333
des Siegers bei der Eroberung entronnen war, erhielt, da es
den im römischen Lager befindlichen Aristokraten gehingen
war, Sulla's Zorn zu besänftigen, die persönliche Freiheit
zurück, doch mit Ausschliessung vom Wahlrecht, das erst
ihren Nachkommen wieder erlheilt wurde (Appian. Milhr.38).
Die vor Arislion Geflüchteten kehrten zurück und vermuth-
lich während seines zweiten Aufenthalts im Winter 86-85
hat Sulla die Stellung Athens derart geordnet, dass die Stadt
ihre Freiheit behielt, und die Verfassung auch annähernd so
wiederhergestellt, wie sie früher unter römischem Einfluss
eingerichtet worden war*. Finanziell war freilich Athen rui-
nirt, und die nächsten beiden Generationen sahen die kläg-
lichste Zeit, welche die Stadt wahrend des ganzen Alterthums
durchzumachen gehabt hat. Sulla hatte die Sklaven verkaufen
lassen, und unter dem was noch an Gold und Silber ^ in
VVeihgeschenken und Geräthen auf der Burg war aufgeräumt.
Die Stadt war bei der Einnahme durch Belagerung und Brand
furchtbar verw üstet worden, zwischen dem piraeischen und
heiligen Thor halte Sulla seine Bresche gelegt, das periklei-
sche Odeion halte Arislion bei der Vertheidigung der Burg
in Flammen aufgehen lassen, und den Anlagen an der Süd-
seite der Burg scheint damals gleiches Schicksal bereitet
worden zu sein. Akademie und Lykeion waren von Sulla zur
Herstellung der Belagerungsmaschinen ihres allen Baum-
schmucks beraubt und verwüstet worden, die Vorträge der
Scholarchen wurden darum nach der Stadt verlegt, ohne dasa
freilich die alte Frequenz der Schulen so bald wieder erreicht
worden wäre. Eleusis war 2 Jahre hindurch Sullas Haupt-
quartier gewesen, der Piraeus völlig vernichtet, die Mauern
geschleift, die Schiffshäuser sammt der Hoplolhek verbrannt,
' Appian D. M. 39 toT? o' a).AO'.; SjVc'yvoj, y.al vo[iou; eGtjxev anaaiv «YX.*^^ "^^^
rtfo'üO-v aÖToT; C-q 'Pcofjt,a'wv op'.aOt'vtojv. Strabo IX 398 SuXXa? t^ rtoXei flaiYpto-
(jLTiv £v£'.[i3, y.a\ (Ji3/pi vjv £v jXrjOöpi'ot £CTt. Curtius Attische StudieQ II 50.
2 Appians Angaben C. 39 -/pjafou tc, TsaaapaxovTa X-'xpa; [AccXta-a, äpyjoou o' £5
l?axo(7'!ai sind Wühl zu niedrig.
334 ßUENDNISS DRR ATHENER MIT MITEIRADATES
<la Sulla im Frühjahr 86 als er endlich in den Besitz der
Häfen gelangte dieselben nicht wieder in die Hände der see-
inächtigen Gegner wollte fallen lassen, und von dem bis zur
Belagerung noch blühenden Hafenort* nur die Häuser um
den Tempel des Zeus Soter geblieben. Der Handel hatte auf-
gehört und sich, da auch Delos bei der Einnahme durch Ar-
chelaos schwer mitgenommen worden war und dann durch
die Seei'äuber den letzten Stoss erlitt, in den folgenden De-
cennien nach den Städten der kleinasialischen Küste, besonders
Smyrna und Ephesos gezogen, bis später in dem neuen Ko-
rinth durch Caesar wieder dem Festland der ihm von Natur
zukommende Stapelplatz geschaffen wurde.
Was für Athen geschah, brachte die Freigebigkeit Fremder,
welche die alte Bildungstätte herzog, des T. Atlicus, des Ario-
barzanes iMiiloromaios, des Cn. Pompeius bei seiner Rück-
kehr aus Asien, Manches auch noch die Liberalität reicher
Bürger zu Stande, wie die des Kephisiers Diokles im Askle-
pieion '^.
Wiederholt ist die Frage aufgeworfen worden, ob Athen
über das Jahr 86 hinaus sich das Hecht der Silberprägung,
das, da es hier ein überkommenes war, die Anerkennung
der alten Freiheit in sich schloss, bewahrt habe, oder
nicht. Definitive Antwort hierauf hat nalürlich auch der
Dipylonfutid nicht geben können. Die Versuche Beule's be-
stimmte Beamtenserieu der Zeit nach Mithradales zuzuweisen,
haben sich alle als unhaltbar herausgestellt, ebenso aber auch
Grotefends Ansicht, hier die Monogrammreihen unlerzubrin-
^en, sind doch die allerdings nur spärlichen Stücke derselben
im Dipylonfunde, wie ihre starke Vernutzung ausweist, sehr
lange im Umlauf gewesen, und geben sich damit grade als
1 Bi'sonilcrs Sulj)iciiiS Ihm Cioeio, Einü. ad favi. IV 5, 4. Waclusmuth ,
Die Stadt Atlien I S. 060.
2 Kuinamidcs 'AOrivaiov V 104=r'. /. /!//. 1(489/». Geringeren Umfang iialte
die Tiiiitiglioil des in drr Inschrift 'AOrjvaiov V 527 f. crwäiinlen i^toxpxTrj«
:i:«pa.-i'ov'j; Kr^'^'.'^'.ij;. Vgl. Köhler MiUlicilnngen 11 S. 174.
BUENDNISS DEll ATIlKNKIl MIT VlITHHADATES 335.
die älteslen im FiiniJo cnllialteiion Müii/en zu ciUiiiiDiTi. Nach-
weisbar sind jetzt bis 88 Serien mit Beamlennamen, wollte
man annehmen, dieselben gehörten alle in die vormitlira-
dalise.lie Zeit , so würen dieselben , da die äileslc mit
Wahrscheinlichkeit dalirbare Serie etwa im Jahre 2'20 j^eprägt
sein wird, auf einen Zeitraum von 134 Jahren zu verlheilen.
Nun ist allerdinj!;s eine Vermehrung der Serienzahl durch
neue Funde nicht ausireschlossen*, immerhin aber scheint es,
als ob nur je nach Bedarf geprägt und zoilweise die Ausprä-
gung eingestellt wurde, oder wenn damit fortgefahren worden
ist, so war die Thätigkeit der athenischen Münze, wie aus
der grossen Seltenheit der Stücke so mancher der vorhandenen
Serien liervorgeht, zeitweise eine äusserst schwache. Damit
steht keineswegs in Widerspruch die grosse Verbreitung,
welche berei Is in den ersten Decennien des zweiten Jahrh underts
das athenische Geld wiedergewonnen hat. Wie dasselbe näm-
lich unter Philipp und Alexander durch das makedonische
Geld aus dem Verkehr verdrängt worden war, breitet es sich
jetzt wieder aus; nicht bloss kretische und ionische Slädte
copiren die athenischen Tetradrachmen, auch bei den Lhessa-
lischen Aenianen und im makedonischen Pella, die beide erst
nach der Sehlacht bei Pydna zu prägen beginnen, wird der
athenische Typuscopirt, Noch eine weitere Verbreitung mussle
die athenische Münze gewinnen, als Delos wieder an Athen
fiel und bald nachher mit der Zerstörung Korinths die andern
Prägslätten des griechischen Festlandes eingingen. Erweist
sich nun aber gleichwohl in der für Athen wirthsehafllich so
sehr viel günstigeren Zeit bis zur sullanischen Eroberung die
Thätigkeit der athenischen Münze bereits als eine sehr un-
gleiche, so muss das Bedürfniss nach eigenem Geld in der
nächstfolgenden Periode bis zu den Bürgerkriegen doch ein
ganz ungleich geringeres gewesen sein. Es kann sieh also für
' Seit Beu46 die erste neue Serie veröffentliclit jotzl Bunlinry, Numimi.
Cli-^onicle III ser. vul. 1 (1881) S. 82: A'.ovuaio;- Mvauayopa?, ah Beiz. Dio-
nysos von vorn mit Tliyrsos und Kanlharos.
336 BUENDNISS DER ATHENER MIT iMITHRADATES
die Zeit von Sulla's zweitem athenischen Aufenthalt Ijis zu
Antonius Anwesenheit (85-39) nur um eine verschwindend
kleine Zahl von Serien handeln*, so dass das Prägerecht für
das Silbergeld mit dem Jahre 86 zwar nicht aufgehört hat,
aber in der Folgezeit von selbst eingegangen ist. Mit Sicher-
heit lassen sich denn auch diesem Zeitabschnitt nur zuweisen
die 4 Serien der beiden Diokles. Der eine derselben, der, wie
das seinem Namen beigeschriebene to «^£UT£[pov, und tö Tpi[Tov
angibt, dreimal als erster Beamte fungirt hat, ist vielleicht
identisch mit dem Asklepiospriester dieses Namens,
Schliesslich noch eine Bemerkung über die üeberlieferung,
in der uns die Berichte von der Erhebung des Aristion vor-
liegen. Posidonios lässt nur den o^Xac, , Pausanias nur o^jov
^vjao; vlv X3ci toO §'^^ou t6 Tocpxj^öSe; an der Bewegung sich
betheiligen, und ähnlich ist, wenn auch nicht ausnahmslos
die Auffassung bei den übrigen Schriftstellern der Kaiserzeit.
Die oligarchische Partei, die durch Sulla wieder ans Ruder
gelangt, und deren Anschauungsweise hier v> iedergegeben ist,
schmeichelte Sulla für die Schonung, die er bei der Eroberung
Athen habe angedeihen lassen, für die Wiederherstellung der
Verfassung, stiftete ihm sogar ein längere Zeit hindurch be-
gangenes Fest der SuXXeix^, und versuchte nach Möglichkeit
die Ereignisse während des Kriegs in Vergessenheit zu bringen.
Aehnlich war die Haltung der kleinasiatischen Hellenen, die
sich selbst über die Ausführung des Mordedikts hinwegzu-
setzen wissen. In dem nach den Siegen des Finibria erlassenen
Kriegsmanifest der Ephesier^ wider Milhradates ist der Demos
* In diesem Zeitraum wiederholt sich denn auch eine Erscheinung, die
bereits im vierten Jahrhundert unter ähnlichen Verhältnissen slaUgefuuden
hat, dass bei den halb-barbarischen Sabäern in Südarabien, bei denen die
attische Münze wie durch das perikleische Athen, so auch jetzt wieder durch
Athens Besitznahme von Delos zum Silbercourant geworden war, atheni-
sches Geld nachgeprägt wird,nachdem der Geldzufluss von dort versiegt ist.
2 C. I. AU. II 481.
' Waddington, Voyage archiol. Partie V Asie mineure n. 139» Z. l-IO,
womit Velleius II 23, 4,5 in seiner pathetischen Schilderung des belagerten
Athens zu vergleichen ist.
BUENDNISS DER ATHENER MIT MITHRADATES 337
immer von gleiclier Anhänglichkeit und Treue an das römische
Volk erfüllt gewesen, nur Hinlerlist und die plötzlich über sie
hereinbrechende üebermacht der ponlischen Heere haben den
Anschluss bewirkt. Die Smyrnäer* haben gar noch unter Ti-
berius den Eifer zu rühmen, mit dem sie die nothleidenden
Soldaten des Sulla unterstützt hatten.
KUD. WEIL.
' Tacit. Annal. IV 56.
Mittheilungen aus Griechenland.
Wie ich Mitlh. V 70 fY. 115 ff. 107 ff. VI 132 ff. Reise-
früchte aus Böolien, Phokis , Konstantinopel, Kleinasien*
veröffentlicht habe, so denke ich jetzt aus meinen auf Attika,
den Isthmus, die Peloponnes und einige sonstige Orte be-
züglichen Reisenotizen dasMittheilenswerthe herauszuheben.
Ein paar in Athen abgeschriebene Inschriften mögenden
Anfang machen, und zwar zuerst einige Nachträge zu C./.L. III.
1. Grabstele aus Porosstein bei 'Ayix TpixSx , darauf ganz
leicht einoeritzt und dann roth ausü;emalt folüende Inschrift
D Do
D M
L C O R N '
I V SAGA
T H O P V S •
5 V I X • AN
X X X II X
B ■ M
d. i. : L. Corn[e]l[i]us Agathopus vix [it) an [nis] XXXIIX
h ( ene) m{erenti).
2. Ebenda Grabstele von penteiischem Marmor mit giebel-
förmiger P»ekrönung, die mit einer Epheuranke verziert ist.
Darunter :
* Millli. VI S. 149 Z 16 von ol^en ist vor ..coiisularische" cinzusctiieben
,, ordiiuagsmässige. "
MITTIIEILUNGEN AUS GRIECIIENLANÜ 339
D- M-
[.^VALENS -lANGALI
MIL-CH-riT-CA/APE
>FL lANVARI-VIXIT
5 ANNIS-XXVII-MILI
TAVITAN-VIID O M O
(^V IRINasCVPOS
/ \ L .' o
PRAI1-HERES-B-7Ä-
10 P O S V I T
== Epfiem. epigr. IV S. 50 n. 103. — Z. 7. Dass Scupi der
tribusQuirirHi zugetheilt war, wissen, wir bereits, vornehTnlicli
aus den SoldatcnIisteTi,s. das Register in Eph. epigr. IV S. 325.
Zum Acciisaliv vgl. Sciipos C. I L. VI 2385 6 11; Vercdlas
VI 26G4 u. s. w.— Z. 8 f. ergänze: [ \aine ex[l)cli . . .]
praet[oria) ele.
3. Ebenda,, Bruchstück eines marmornen Grabsteins:
M - S E I V S - M A r = C. i.'L. III 6542.
MI L- LEG XQEminae
Ah
Z. 1 z. E stand MAR
4. Fragment von liymelt. Marmor; obflT) =111 6112 c.
Rom
5. III 6108 fand ich eingemauert über der Gehöftthür des
Hauses von BxSilia; r^a-psp-/)? am ^pöj7,o; 2xXx[;-Tvo;. Merkwür-
dige Buchstabenformen, z. 13. stets A. iNach Aelius und A?!-
inamiskem Punkt, wobl aber nach LEG Z. 3. — Z. 4 X.
G. III. 556 a ; 6109; 6542 befinden sicli jetzt im Central-
museum.
340 MlTTHElLUNGliN AUS GRIECHENLAND
Von den griechischen Grabinschriften, die ich in Athen
abgeschrieben habe, will ich nur zwei herausheben, die aus
verschiedenen Gründen ein gewisses Interesse beanspruchen
können.
7. Runde Grabstele von hymett. Marmor, liegt vor dem
Haus des Szupo; Sxoxi^vi; in einem namenlosen Gässchen am
Südoslfuss der Äkropolis nahe bei der 6^6; ©sgtci^o; und ist
nach der Angabe des Besitzers vor 4-5 Jahren in dessen Wein-
berg bei Athen gefunden worden. Sie trägt zwei Inschriften,
ganz in der Ordnung und Stellung , wie ich sie hier abdru-
cken lasse :
a ATTO A AÜ N I O 2
ZOYOOY
M E I A H Z I O 2
miva V JL
3 w m O I U O O 3 V O ü o
AVAOXOJ_V>IAOJ.OÜV
IOWHOOAdOOII.NV
OA3I N yi V U
ZAONSJIOmO
OOWIOHNO q
Die Stele ist also zweimal benutzt worden, zuerst, etwa
im 1. Jahrh. n. Chr. für den Milesier Apollonios, dann ein,
zwei Jahrhunderte später fürOnesimos aus dem Gau Paiania.
Und zwar hat man sich bei der zweiten Benutzung nicht die
Mühe genommen die ältere Inschrift abzumeisseln, sondern die
Stele einfach herumgedreht, so dass jene dann von der Erde
bedeckt wurde.— 6 Z. 4 f. av xt; öp'ja<77) \j.qi, ot-rzh toO •/.aTÖj(_ou
^uo TTo^e; ÖTci'Tto [7.£toc6xtw. Gegen etwaige Verletzungen des
Grabfriedens gerichtete Einschärfungen und Sanclionen finden
sich ja auch sonst auf griechischen Inschriften aus römischer
Zeit nicht selten, jedoch dürften der unsrigen genauer ent-
sprechende Formeln sich nicht oder doch nicht häufig nach-
MITTIIEILUNGEN AUS OniEGHENLAND 341
weisen lassen. xaTop; bezeiclinet liierohne Zweifel derrGrab-
denkslein, in welcher Bedenlung es ausserdem, so viel mir
bekannt, nur \on Hesvcli bezeugt ist (s. Böekli zu C. I. G.
539). An sonstigen Beispielen aus früher Zeit für das Zii-
sammenrallcn des acc. pl. dritter Deeiinalion mit dem Nomi-
nativ analog dem xd^e; unserer Inschrift fehlt es nicht, vgl.
Deffner, Archiv f. mittel- und neugriech. Phil, l GO.
8. Im Hof des Ceniralmuseiims liegt eine viereckige Grab-
stele, auf der in flachem Relief eine elegante , zweihenklige
Amphora dargestellt ist. Bauch und IJals derselben sind gelb,
die Henkel roth und die Lippen blau bemalt. Unter einer
weissen Tünche, mit der man den Stein nachmals überzogen
hatte, haben sich die Farben in seltener Frische erhalten.'*
Darüber die Inschrift : AuatTCTci^yi; AuaiOeou 'Ax^xpvsu;.
Pirüus.
9. In deröSo; EuxT^oiz;, über der Thür eines Hauses r. Hand,
wenn man von der Dogana herkommt ('AvTovto; Mxvivä«;), ist
eine Grabslele von weissem Marmor eingemauert^. Darauf ist
dargestellt ein Soldat in Paenula und gegürteter Tunica, mit
einem Schwert an der r. und einem Dolch an der 1. Seite. Die
1. Hand stemmt er auf ein auf den Boden aufgestütztes Schild,
mit der r. hält er einen grossen Speer. Darüber die Inschrift:
M • VaaL Lk I
CARITO N ■ AVE •
CLASS-PR-MIS- D-AELIANi
MIL-ANN-XXII VIXANN-XL§
Also : M. Valeri Capiton ave etc.
10. In einem andern Haus des 'Avtcovio? MzvivX? , öf^ö; EO-
ttXoCz?, wird ausser einem Bi'uchstück von einem grossen Grab-
relief auch eine runde, marmorne Stele aufbewahrt, die einem
* Doch fingen sie jetzt bereits an zu schwinden, da der Stein, platt auf
der Erde liegend, dem Wetter ausgesetzt ist.
' Mir von A. Milchhöfer indiciert.
342 MITTHEILUNGEN AUS GRIECHENLAND
Weihgeschenk zum Untersatz diente. Sie trägt folgende dem
4. oder 3. Jahrh. angehörige Inschrift :
NIKAFOP/
01 AKTI AO Y
TYN H PAi AN lEQ^
AI I AHPON
KATAMANTEIAN
A N EO H K E
11. Herr Bucherer besitzt ein Grabrelief von pentelischem
Marmor, dessen unterer Tlieil weggebrochen ist. Es stellt in
recht leidlicher Arbeit 1. einen Mann dar, der, nach r. ge-
wendet, mit der L. einen grossen Stock aufstützt. Ein Mantel
dient ihm zur Kleidung, lässt aber die Brust nackt. 11. ent-
spriclit ihm eine Frau, ein wenig nach 1. gewandt, mit Chi-
ton und Mantel bekleidet und verschleiert. Anten zu beiden
Seiten und ein dem Gebälk und Dach einer Tempellangseite
nachgebildeter, mit Akroterion abschliessender Rand oben
rahmen dieDarstellung architectonisch ein. Auf letzterem liest
man die Namen des dargestellten Paares:
(MAOrEITflNEKKEPAMElüNPEIsArOPA
Den Buchstaben nach muss das Denkmal etwa aus dem 4ten
Jahrhundert stammen, eine Annahme, mit der auch die Aus-
führung und die äussere Form des Reliefs wohl harmoniert.
12. In gleichem Besitz befindet sich eine kleine runde Grab-
stele von hym. Marmor mit der Inschrift:
E VT YX05:
XPH ^To s:
13. Mit n" ll und 12 zusammen wird jetzt auch C. I. L.
IM 5o8 aufbewahrt, und III 557 ist im Hof eines, an dem
MITTHEILUNGEN AUS GHIECIIENLAND 343
«aa^ocToc'jiov gelegenen IJauses des Herrn Bncherer einge-
mauert.
Im Garten des x.a'pevETov am Terpsilheaplatz (dem Herrn
2y.u>iT^-/); goliörig) schrieb ich drei Grabinschriften ab, die
ich nach (h.Mn Allel' in absteigender Folge miltheile :
li. Hunde Grabsiele :
E YX API ^
I E P^N Y MO Y
HAAAHNEfiS:
G Y r A T H P
15. Desgleichen :
MAMMAPON
AY ^1 M AXO Y
K H (j)l ^ lEHs:
O Y r A T H P
16. Grabrelief aus römischer Zeit. Der untere Theil der
Reliefplalte ist abgebrochen, erhalten nur (1.) der Kopf eines
Jünglings. Die Darstellung war r. und 1. von Anten einge-
schlossen, auf deren Capilälen ein Bogen aufliegt, an den sich
weiter ein Fries und eine giebelförmige Bekrönung mit drei
Akroterien anschliesst. Auf dem Fries die Insclirift :
KAAAIA5:ETTArA0OY
leb lasse nun wenige, auf einer Wanderung durch Attica
gesammelte, auf Inschriften sowie auf bauliche und Scnlplur-
überreste bezügliche Notizen folgen. Letztere dürften eineslbeils
bei topographischen Untersuchungen einige Rücksicht ver-
dienen, zum andern Theil dem künftigen Sammler der zer-
streuten Bildwerke Atticas nicht unerwünscht sein. Was jeder
Reisende von sell)st leicht findet^ bleibt unerwähnt.
17. Vor der Seilenthür der Kirche 'Aytcc Ax^x ^j/'^ Stunde
344 MITTHEILUNGEN AUS GRIECHENLAND
südösllich von Markopulo fand ich ein Stück einer Marmor-
platte mit folgender späten Inschrift :
AITTA NTUJN T UU N TT P
nONOIKONTOYTONS
frei
18. Auf einem oben ausgeholten Block von penlelischem
Marmor an der Schwelle der Hauptthür liest man noch fol-
gende Buchstaben aus guter Zeit : CIA' ... .
19. An der K. des ''Ayto? "SvaoXxq^ bei Dagla ist, wie man
mir erzählte, ausserhalb an der Apsis ein Grabrelief einge-
mauert evx |xiy.po TcxiSxxi darstellend.
20. Etwa 100 Schritt nördlich von 'Ayix Xx^x, bei einer
alten Cisterne, erblickt man, zum Theil noch in siiu , grosse
Conglomeratsteinblöcke, offenbar üeberbleibsei einer antiken
Anlage.
Eine Viertelstunde weiter östlich befindet sich die Kapelle
des "Ayio; rswpyio?. Zur Oberschwelle ihrer Thüre hat man
eine ganze, stehende Gewandstatue benutzt. Im Innern liegt
ein feines, ionisches Capital (0,31'" vom Ende der einen Vo-
lute zu dem der andern). Grosse Kalkstein blocke sind von
dem zerfallenen Peribölos erhalten.
Einige hundert Schritt weiter, nur etwa zehn Minuten vom
Fuss des Merendaberges entfernt, trifft man auf die Ruine
eines viereckigen, antiken Baus aus machtigen Conglomerat-
quadern. Sie misst jetzt etwa 5 ^2 X 7 Schritt. Von der nach
Hasia Lada hinschauenden Mauer rao;en noch drei Schichten,
Läufer mit Bindern wechselnd,, über den Boden empor. Durch
die Lücken schaut ein Kern von Gussmasse hindurch.
Abermals ein paar hundert Schritt weiter nach Osten er-
hebt sich ein Erdhiigel mit niedrigem Geslräuch und einer
einzelnen Fichte bewachsen. Seine Höhe beträgt gegen 3™, sein
Umfang c. 90 Schritt. Offenbar verdankter künstlicher Auf-
schüttung seinen Ur.sprung, und man wird kaum irren, w-enn
man ihn als eine Grabanlage betrachtet.
MITTHKILUNGKN AUS GRIECHENLAND
345
21. Auf dem Äbliangoines Flülienziigcsetwii ^2 ^t- nordöst-
lich von der 'Ayix MepevSx liegt der alle kloslerhof und die
Kirche der 'Ayix Toix^x (vgl. IUjss Arch. Aufs, I 22G) mit
einem von hoher Mauer umgebenen, geräumigen Tcept^oT^i.
Unten am Fuss des Hügels (nach N. zu) breiten sich grüne
Felder aus von einem ßach getränkt und einem dichten Oli-
venhain überschatlet. Das reptS^Xi nimmt ein wolilgepflegler
Garten ein mit einer dicken, uralten Olive in der Mitlej Zur
Seite befindet sich ein grosses Bassin, in das sich eine Quelle
mit starkem Strom ergiesst. An der rechten l^angseite der
Kirche ist aussen , 2 Fuss über dem Boden , eine Büste von
penlelischem Marmor eingemauert. Damit sie sich besser zum
Baustück eignete, hat man ihr das Gesicht abgesägt. Ausser-
dem bemerkt man mehrere spälröraischeCapitäle und, beson-
ders an der Facade, viele Marmorstücke mit byzantinischer
Sculptur. Unten am Südabhang des Hügels liegt ein anderes
'K&oi.^oli ebenfalls mit einer Quelle und fruchtbarem Ackerland.
Es kann kein Zweifel sein, dass ein Punkt, der durch so
ausnahmsweise günstige Verhältnisse zum Anbau einladet^von
den ältesten Zeilen her bewohnt gewesen ist; und gewiss
würden reichlicJiere Ueberresle des Alterthums dies bezeugen,
wenn nicht gei'ade die wahrscheinlich ununterbrochene Be-
siüdelung des von der Natur so bevorzugten Platzes ihrer Er-
haltuuiJr bis auf unsere Taore ent<ieij;ena;ewirkt hätte.
22. Auf dem von Kylon errichteten Stein in Liopesi. (C./.tI.
I 472) habe ich Z. 3 ein paar Elemente von Buchstaben mehr
gelesen als meine Vorgänger. Ein nach meinen Abschriften und
Abklatschen angefertigtes Facsimile lasse ich hier folgen*.
|n^®KK^A^:©ANOTOIrMtRM;
' Die Roste nach 9'./.r,[jLQ'jjvr,; können nur von Hl oder allen falls von 5
lienüliren, das auf altauisclien Insclir. zwar sonst niciit nachgewiesen ist
346 MITTHEILUNGEN AUS GIUECHENLAND
23. Die Inschrift Kumanudes 'ETirtTup-^. 946 vgl. Hoss a.
A. I .213 ist jetzt an der Mauer des Hofes von Nix^Xao; 2t3c-
{jtaxv); zu Liopesi eingemauert : das 5! in Z. 3 fehlt.
24. Auf einem Block von pentel. Marmor, der den I. Thiir-
pfosten der K. toO «yiou 'Iwxwou zu Liopesi bildet, finden sich
folgende Reste einer Inschrift: AENEKP(P/f§
25. In der kleinen Kirche bei Pikjermi am Südostfuss
des Pentelikon fand ich ionische Capilale, Säuienscliäfte, eine
Grabslele mit zwei Rosetten, aber völlig erloschener Inschrift,
ein Stück von einem Grabrelief, zu einer bekleideten, sitzenden
Gestalt gehörig, endlich eine Marmorplatte mit den flüchtig
eingeritzten Buchstaben :
frei
EM E A E I T O
EPEMEAEITO
frei
26. Auf dem eine St. weiter nördlich gelegenen Mühlhol
To Apcc^o? an der Treppe vor dem Hause des 'IWixc, IleTpö-
tto'jXo; sind zwei in der Nähe gefundene Sculpturfra.gmente
eingemauert : a) Unlerer Theil einer Gewandstatue mit dem
Rest eines V'ogeis in der L. b) Bruchstück eines Sarkophags,
■einen Knaben darstellend, der nach r. ausschreitend in der
erhobenen L. eine Schale mitAepfeln trägt. Seine R. ist abge-
brociien. Sonst nackt, trägt er ein Mäntelchen, das, auf der
r. Schulter mit einer Spange befestigt, nur einen kleinen Theil
der Brust bedeckt *.
27. Im Hof des Klosters Dafni fand ich einen Grabstein
mit folgender Inschrift:
aber doch (lenkbar wäre (s. Kirchbuff Stiidieii 3 Aufl. 83 u. 85). Sonst ist
man gezwungen auch liier einen I-'eliler des Slcinnietzeu anzunehmen. Vor
dem zweiten O ist ein H sicher.
* Eine mir in der einsam am Siidai)han^' dos Pentelikon ?:clegcncn Iv. xä
KaX06ta indiciertc Inschrift suclile ich dort vergebens. Sie belindet sich, wie
ich später erfuhr, vielmehr in Dau Monastiri.
MITTHEILUNGKN AUS GRIECHENLAND 347
(X p X I n n H
(i-Xe;ANAPOY
T^y. aTwTPEn^
28. Beim Stralongrab auf dem Wc^e von Dafni nach Eleu-
sis liegt ein grosser Block pentelischen Marmors mitden Buch-
slaben : APXHZKAEIN. 10- 15 Minuten davon nach Dafni
zu sah ich am Wege einen zweiten Block mit den Buch-
staben: AAEZINZ. Beide Fragmente gehören zusammen.
Leider schliesst das zweite Stück nicht unmittelbar an das
erste an, obwohl es zu derselben Zeile gehört.
Eleusis.
29. Vor dem Thor des Gehöftes von 'ävtwvio; 2i\iz; sah
ich einen Block von pentel. Marmor mit der Inschrift OINAIOI
inmitten eines Oelkranzes.
30. Im Museum schrieb ich folgendes kleine Bruchstück
einer Rechnungsurkunde ab :
H H P 1- I- (- I-
X X P H H H P
XXXPHHHh
h H p A n h
• A A A§hl-
Weiter zwei vor nicht langer Zeit gefundene Fragmente:
31. < A I
N I AO
P IM
>J r EN
32. ^\ A
c I e p
A e e K A
GKAAAM "
5 YTA ICICA
Y M e N O I C I
T e T A K T A
' ACA '
MITTH.D. ARCH.INST.VI. 23
348 MITTflEILUNGEN AUS GRIECHENLAND
I ist zweimal, in Z. 5 und 6, mit zwei darüber gesetzten
Puniitea bezeichnet. Punkte über dem I finden sich ziemlich
früh auf oriech. Inschriften. Ich glaube indessen, dass die-
selben hier nicht zu dem Buchstaben gehören , sondern
wie der— wohl nur aus Versehen — einzelne Punkt über dem
C Z. 8 als eine Art von Interpunction, zur Bezeichnung eines
Versendes dienen.
Von einer Anzahl weiterer vor kurzem beim Abbruch einer
Mauer gefundenen Inschriften und Inschriftenfragmente musste
ich mich besnüsren bei der hereinbrechenden Dunkelheit
Graffitabzüge zu nehmen. Danach theile ich sie mit.
33. Marmorfragment :
Tt€. xX. Aucri A A O Y A A A O Y X O Y
uluviOevtx k ({) E C T I A C
frei
vgl. C. /. G. 448, 423, Böckh zu n" 393 und 385.
34. Desgl. \2Aß
E AE Y~ (Tiv...
35. Desgl. DNA20Z2TAXY02- ZQ.^\
BIMIillJ[/lOMA\EY^-£ KTPI NOM
d. i. "OvxTo; Stxj^uo? [ Aijoaaisu;, Z(0T[i{Jt.7] toO oeTvac] ix. Tpi-
voa[eo>v].
Tpivoa[£o)v] * sonst bisher nicht nachgewiesene Nebenform
zu Tptve[;.eü)v ; e>c Tpivo(7.eo>v wie i/. Kspxtjteov, dagegen Kum.
ETCiTuaS. 1202 Tptvejjiseu;,
36. Desgl. 6 V I Z I 4) O P O N Toa Seivoc
M E I A H Z I ou
Oder TpivojJLst'wv vgl. KepafjLciwv oben uo.ll und Tptv£[i£EÜ; Kuman. 1202.
MITTHEILUNGEN AUS GRIECHENLAND 349
37. I A^ u I
ATPO
38. Runde Grabstcle: ZENNEA2
EZO 10 Y
39. Desgl. öZa
KAAAIKKPATOY(;?) so
A A A I E n s:
r YN H
In den oberen Tempeltrümmern schrieb ich die Inschriften
zweier Bruchstüci^e von marmornen Basen ab :
40. KO
2:TP AT
E KBH 2/
" Ol NO E
AH M HTP
frei
Die bisherigen Publicationen dieser Inschrift gehen alle auf
Spon zurück (s. C. /. G. 449. C. /. A. 11! 930), der, die Treue
seiner Abschrift vorausgesetzt, sie noch vollständiger gesehen
haben müsste. Indess kann icli mich des Zweifels nicht er-
wehren, ob nicht, was er mehr giebt, nur auf Ergänzung
beruhe und also besonders in der letzten Zeile vielmehr A-^-
p.YiTpri xxi Köpri] zu lesen sei.
41. N M
< O Z S Y r K >7iTix.ö?.
frei
42. An einem der neuen Häuser von der Kirche aus in
nordöstlicher Richtung ist neben der Thür ein offenbar beim
Bau desselben gefundener Torso eines nackten Jünglings oder
350 MITTIIEILÜNGEN AUS GRIECHENLAND
Knaben in einer Nische aufgestellt. Es fehlen die Arme und
die Beine von über den Knien ah, das Gesicht ist abgeschlagen.
Die Afheit ist nicht übel.
Me2;a ra.
43. Die Säule mit der Inschrift Le Bas-Foucart 47' befindet
sich jetzt vor dem Hause des KcovjTavtivo; BXxt. Mwpxi'TYi;.
Meine Copie stimmt mit derFoucartsim wesentlichen überein,
nur habe ich zuEnde vonZ. 3,4, 5, 6so wie nach AHMAPXiK
in Z. 7 und O in Z. 8 einen Punkt notiert, das 1. von e;ou['7](ix;)
nicht mehr entdecken können und über den Zaiilzeichen O
und r in Z. 8 einen Strich gefunden. Ausserdem glaubte ich
unter Z. 8 inder Mitte noch Beste von Schriftzeichen wahrzu-
nehmen, die mir aber befriedigend zu entziffern nicht gelang.—
Foucart* hat in dieser Insclirift den Anfang entweder eines
Rescripts des Kaisers Hadrian oder einer von ihm gemachten
Widmung erkennen wollen. Allein auf Z. 8 folgt — abgesehen
von jenen problematischen Zeichen in der Mitte — soweit die
Säule erhalten ist, freier Raum ; auch würde man sowohl ein
kaiserliches Rescript wie eine längere Widmnngsinschrift
schwerlich auf eine solche kleine, nur roh bearbeitete Säule
eingehauen haben. Dagegen passt die Form der letzteren und
der Inschrift selber vortrefflich für einen Meilenstein: man
vergleiche nur die von Lolling bei Hypata gefundene Wegein-
schrift (Mitth. I 350 f. Eph. epigr. IV 52), die abgesehen von
den Entfernungsangaben und der lateinischen Abfassung mit
unserer auf's Haar übereinstimmt. Und nähere Erwägung
erhöht die Wahrscheinlichkeit dieser Auffassung. Pausanias
berichtet nämlich, dass Hadrian an Stelle des schmalen Fuss-
pfades, der bis dahin über die skironischen Klippen führte,
eine bequeme, für zwei Wagen neben einander Baum ge-
währende Strasse habe bauen lassen (1, 44, 10). Nun darf
man es für so gut wie gew iss ansehen, dass Hadrian die etwa
jährige Zwischenzeit zwischen seiner Abreise aus Asien und
' L'iid mii ihin uoulicli Dürr, Die Reisen, des Kaisers Hadrian, Wien
1881 S. 58.
MITTHEILUNGEN AUS GRIECHENLAND 351
seiner ersten Ankunft in Allien im Herbst 12;') mit einer Reise
durch T!irai<ien, Makedonien und iNordgriechenland ausge-
füllt habe. Bei dieser Gelegenheit wird er, entweder von Böo-
tien aus oder von Delphi nach dem Isthmus übersetzend, auch
nach Megara gekommen sein und den Bau jener Strasse (wie
auch den prächtigen jNeubau des Apollolempels Paus, l 42, 5)
verfügt haben. Kine ähnliche VVohlthat hatte er nacli dem
oben erwähnten Zeugniss kurz vorher der Gegend von Hypata
widerfahren lassend Sonach werden jene von mir nicht ent-
zi Herten Beste unter Z. 8 wahrscheinlich eine Entfernungs-
angabe enthalten.
44. Der vorhin genannte Kovctävtivo; MopxtTvi; bewahrt
auch ein in seinem Weinbei'g gefundenes Marmorfragment
mit folsjenden Buchstaben :
A I O r £ v'/) ;
A I O T i |;. 0 u
45. Von einem grossen Marmorbruchstück in der Mauer des
Hofes von Srupo; Tiica; copierte ich diese Inschriftreste:
1 1
AC
I A e
N e i K o
rJToxTo; ... £ I B I
Ein anderes grosses zugehöriges Stück ist verloren ge-
gangen.
* Woiilfimon ihn erst auf einerü Ausfluc; vou Athen (vgl. Dürr a.a.().58)
Megara besuchen lassen, soMÜrdc die Zeit für den Slrassenbau bis zum 9tcii
Dcc. 125 etwas knapp werden, imuicr vorausifesetzt, da^s man diesen Gna-
denbeweis richtig mit einer persönlichen Anwesenheil Hadrians in Megara
verbindet.
S.Vi
MITTIIKILIINdlON AI!S (illll-XlIKNLANI)
^i(J. I)(M'H('II)(! M;irm Ix^hII/,!, .•iiicIi «;in in Hcitinrn Mof ^MiCiin-
ilnrniH, 2i Z(iilif<<'H linicIiHUick von <!iii(',Mi f-lliiTiidcci«',!, (jlvva aus
der Mille des \l\v,i\ .ImIiiIi v. i'.\\r Die UiicIiHralM'-ii HJnd vi(df;u;li
vr-rHl.()HH(!ii, und die AI)Mcliriri, IhI, (hisli.'ill) /(ulraiihnnd. Icli
niWHHln vv(;{^M!n Zi^ilirianf^cl di(5 (lopic ald(i<!(di('ii. (ilcirliwolil
Hclicinl CS mir rallisaiii didsü Altsclirifl, eines TIkmIh des Decrels
nic-lil. /uruck/jd)eliall(;n, weil tiieiiiern IN;i(dd<il^'er dadurch die
Au^^^■^l)(! (;rlei(;lil('.rl werden kann. — I)(U' AuHlall am linde wird
in den lolf^iMKNüi Zeilen irrimt^- ^^erin^er, sodass in den Iclzlon
nur noeli ein paar liiielislahen fehlen. Die Liinj^e der /(iijen
Hlcdil. dur<'.h /. I i (esl , wo (Iim-Ii wohl nielil, anders (irgän/l
WCU'don kann als; 6tp[vjv7i^ äocI /.«t« y?iv y.txt] ^tscaä x.t>.
M o Y >: r E :l
TAN ArPAlQI
(l)ANf)IKAIEIKO
T) ZAPÜX TOAHIZT
XOYf/AI5:TEIANA§/
>: Y N II H n E p o i Yj T A in /
K A I T ü N r P A M M A r H A I K
n ir n I X Y N P P A r M A T E Y O H
10 5:aiaetoY5:2:te(1)ANoY2:en
o m ü i .q >: a i ■: k a i e n i u i a p ü n i q 2 i
TniAriOAAaNITQIAHAiaiEINAIAEAuTou;
Q :^ H M Q N K A I A Y TO Y 5: K A I E K r O N O Y 5: A 0 öv oct
K A II 2; Ol E A E I A N )t A I P O A E M O Y K A I E I P •;) v/1 5
1 f. K A T A O A A A Z :5: A v 0 /i a vi ; K A I T a >. > A P A N T oc
K A I E Y E P r E T A i rr T- H >: P 0 A E Q Z Y . I M . . E
i7. Im M(d hei der Kircdn; lUvjcyix toO KoW-nyn (indel man
oirui ^ruHst^ (Jewandslaliie als SUdensehwidle hennl/,1..
lOhcnsn lieji^l, .'in <ler sudweslIielnMi l']ek(^ (\rv ex.x.'Xyi'tiz toO
XptfjToO di«'. nnl.ere lliilfle. einer nh(!rl(d»(;ns<:,r<>ssen , weihliehen
(lewandslaln(\ mil. d(»|)|>e|l|;e<2;iirl(^l(Mn C.hilon und Manl.el.
Diu Mcf^arenser Hauern lindcii aul" ihren Feldern liiinriü;
MITTUKIMINIU'IN MIS r.HlKCllKNI.ANl) 353
nniclialiicki» von MarmorsculiiimiMi, NastMi, rcnacollaHmiren
und (Kw'gl. (.i(<<<;oi)sliiii(l(>ii, die ans in IVnhn'«'!' /eil licrrits ^o-
plilntliM'lt'n (iriilx'i'n lici rnliicn. In einer ^rosHiMcii Saniinlnn^
von sniclicn Sluckcn lieliMi mir Ik'.s(hi(I(M',s zwei »an her geai-
lKMloloSloin\verk/,(Mi}j;e aus Dioril anl', rern(u;v(U'gol»Jel(>T(M'ra-
col.lakn("»|ir(i V(Mi der (Jr(">ss(> eines Markslindvs, anl' denen in
zi»M'li(dier Ansrnliniiii; , wenn ieli mich leelil ermiien', ein
llürakitpr lind zwei kniende p'lli'iiiiellel'lrolcu darj^eslelll. Nvnivii,
!\ e u k o r i II I li.
IS. In dem lldTdes lltius(<s von W«o(p«vYi; PivTvi; slelil ein
grosses Wasserlieeken , das ans eiiieiu anlikeii Mai inorjdoek
g(diauen \Mn*deii isl. \'(mi d(M* iin\ ersidirl }j;elasseneii Uuekseilo
cnpierle ieli den Anfang eines |inie(nisulariselien UesoripU,
das palaDi^rapliiselh'ii und (irllin<>'raplii8elien und sonsli^iMi
lndiei(Mi /.urol<;e. aus d(Mn iUmi .lalirliunderl. hlaininen inuHH. '<*
In Hiiiseliriri : «10>((xßio0 OiUttUo«) Mx)caüi(); A 'kcc[L(T:^6xxxf)i)
avO(u7CXTo;) Vvcyei* | (p/j(;ü; kxI Äyvoix xiikv <'^iK.aJ^()(j.tv«.)v | «^-(ipoaOo),
H«l i^.'nTC 6 v(j(;.iC<i>v PxpiejtlaOÄi «ieci toO c^tjcaaroO, ßncp ul^x
cuixCstrvov , I T'?l; T«7)v v/jixwv a7i:üTTjp(c)iaO<.) Poy|0(e)lx?, | [|x]'ÖTe 6
ßou>.(5jAtvo(; )tc/p91a0xi ^i' ölyvoixv [[ty-JoT-/); (XTCicipix; Ttie^eUOd). a(X-
^OTtp(.)v ( ['U 6]iActv tiTiv )eiii; '/irt toO «intaTToO | [t)c TojO TcpoOt-
Z. (1. I. fii* Äyvoixv [tx]ijt>yi; (XTreipioc; darl" \\(dil .s(i anfj^idaHst
Nverden : , .weifen der iJiesor llnerralireiilieil (M|;,emni lluknndo".
Das |l(djii}4;i: isl, oinlaeli.- Meine lleMiiiiiniif'tui den i'eseiii)i(!-
rcMideii Slallliallcr anderswo nacdiziiwciHen waren verf;<d)li(di.
Ü). Anl ileiiisrIlicM Mul li( liiidi n sicdi verseliiedeneSeii Ipl iir-
i'raguienü^ so ein Uidierdarsüdkiid eine, Ania/.one ( nur iiaihor-
iialUtn auf Hpren;j;eiideiii Itoss ), reriier liio Slalii(M>iiies Mannes
von ciiieni Sarkoplia;;de( k(d (rOniisidi), i'er/ier eine Sjdiinx auH
' DiM' MaiiKi'l jcilcr Aliiiiil/.iniKsspiii iiml ilic stinke DiirelilVlIiniK Hcliciiic-il
zu hi^.wciücii, (Idss ilii' \Vt'ik/,cii(;(>/(iiii Miliiinirn von 'riiicrcii ^ctliiMil ImiIh'II.
> I l)i(> IllHclirill isl in Hiiriüli-ii i-iiiil MiMli IV i^ 101). Icli liolire <li(i
Ahwi'.icIiiiiiKi'ii der iiciiini Ahscliiül ; /. 1 •!' A , C)Y All . — Z. 3 h, Iv BAPi
ifirif} A. \ li. i;. UAINON Z. 5 u. M. IJUH0IAC — Z. 7 l. A. lYTHC
— Z, 0 /.. A. JYIII'ü- II, K. I
354 MITTHEILUNGEN AUS GRIECHENLAND
Terracotta, endlich ein grosses Fragment von einem poly-
chromen Terracot.tafries mit Paimetten und Maeandern, wohl
mit den jüngsten der in Olympia gefundenen analogen Stücke
in Farbe und Muster sich berührend.
Altkorinth.
50. Ich nahm Abschrift und Abklatsch von der auf einer
Stufe der Treppe, welche zur Schule in der e^/Avicioc t-^; Ux-
v(XYi5'? hinaufführt, erhaltenen Inschrift C. I. L. 111 G098 :
Q F A r
Q- Ff
C A . P E I
PRCcAuCPOV
5 ACHAIAI-PRAE
TRIB-MILIT-LEC-^
CVP/TORlN 'AE-NC
VS-C^ 'S>irV«'
C E 1 1 \ 1 1 1
d. i. : Q. Fa[bio?] Q. f. [h^ibiis] C'a[s?l/ye/)r[öc]. A[i(]g. prov[ina'ae]
Ächata[e], prac[f. eqait.] \ trlb. milit. teg. . . . | cu[r]at[ori vi]ae
Nolmeiitanae]. . . .
Z. 3 der dritte Buchslabe kann wohl auch R sein. Betreffs
der Ergänzung von Z. 5 vgl. Hirschfeld, Verwaltungsbeamle
252, zu Z. 7 s. ebenda S.'ll2 und Wilm. 1815.
51. Im Pflaster der Gailerie vor derselben Kirche fand ich
folgendes Bruchstück :
I \ I
M O D E S T I N Mm
ATTIVM-LABEONEM
Xvir. STLITi-^^'S-lYDICAN
Z. 1.1. ri
Akrokor i n th.
52-54. Die Blöcke des 1. Pilasters des Eino;an£fsthores der
Burgquelle tragen in grossen Buchstaben die Inschriften :
MITTHEILUNGEN AUS GRIECHENLAND 355
a L V C R I O b f, lERO c MVSSIVS
V-IDACC A-D-Il! y//\IIK-A
SER
Zwischen den Blöcken der ersten und zweiten Inschrift
fehlt einer, der lierausgebrochen und Iieruntergefallen sein
wird. Er trägt wahrscheinlich eine vierte, iihnliche Inschrift.
Bekanntlich sieht der Innenraum der Quelle jetzt tief unter
Wasser. Ich konnte die Inschriften also nur" aus der Ferne
abschreiben , so gut es das in dem unterirdischen Räume
herrschende Halbdunkel erlaubte. Uebrigens ist auch der
rechte Pfeiler mit Inschriften bedeckt, aber deren Buchstaben
sind viel kleiner, auch fiel kein Lichtstrahl darauf, so dass
ich nichts genau zu erkennen vermochte. Gleicherweise wer-
den sich wohl auf den Wänden des Innenraums der Grotte
Inschriften finden. Es ist also dringend zu wünschen, dass
einer der Reisenden, die künftig Korinth passieren, die Grotte
einer genauen Untersuchung unterzieht. — Ich vermuthe, dass
die von mir abgeschriebenen Inschriften die Namen von Besu-
chern der Grotte (oder Arbeitern, diedarin beschäftigt waren,
vgl. Ross Insc. incd. I n. 61) und das Datum ^ an dem sie
sich verewigt haben, melden. Die letzte ist bereits von Cy-
riacus (C. /. L. III 540), aber von niemand ausser ihm ab-
geschrieben worden. Jedenfalls copierte er auch die andern,
indess sind sie bisher unediert geblieben. Dass Ross die In-
schriften nicht bemerkte, muss einen Wunder nehmen (s.
Blätter f. lit. Unterlr. 1833 n. W61nscr. med. I S. 19 ff.).—
a. Z. 2 ist wohl zu lesen : V id. .\'it\Q. ; 6 Z, 1 ergänze ich
üi]ero.
55. Die Ruinen von Kleonae haben, so viel ich weiss,
bisher nur eine Inschrift geliefert. Es ist mir gelungen eine
zweite dazu zu finden. Mitten im Felde, ungefähr 15 Minuten
vom Chani tvj; Koupre^vii; entfernt, südlich von dem Hügel,
auf dem die von Conze Annali 18()1 S. 15 beschriebenen Rui-
nen liegen, an einem BoXt|xoT'/] genannten Platz befinden sich
356 MITTHEILÜNGEN AUS GHIECHENLAND
die Reste eines zum Theil verschütteten aus vielen, wohlbear-
beiteten Marmorblöcken bestehenden, grossen Kreises (oder
Halbkreises), der zur Basis für ein grösseres Monument ge-
dient haben wird. Nach der Grösse und dem Material der An-
lage zu urtheilen, sowie nach den Künstlern, von denen, wie
wir gleich sehen werden, dieselbe —ganz oder zum Theil —
herrührt, muss sie eine der Ilauptmerkwürdigkeiten der wenig-
stens in der späteren Zeit ziemlich unbedeutenden Sladt.(7:ö-
Xi; Q\) [Lz^xl^n Paus. 2, 45, 1) gewesen sein, und so würde
man sie gern bei Pausanias erwähnt finden, zumal derselbe
sonst so v^'eniff von der Stadt zu sa^en hatte. Man wird es
daher, denk ich, nicht für thöricht erachten, wenn ich die
Frage aufwerfe, ob wir nicht in diesen Ueberresten das von
Pausanias genannte fjt,vv5|A5c Eupuxou kocI Ktsxtou zu erkennen
haben. — Die Inschrift* steht auf zwei Blöcken, die vielleicht
nur gebrochen sind, jedenfalls aneinanderstiessen. Sie lautet:
HENO<t>1AOZKAIZTPATnNAPrE.OIEnoiHZAN
Wir kennen das Künstlerpaar bereits aus einer in der Nähe
von Tiryns gefundenen Inschrift, ferner aus einer andern,
freilich verstümmelten von Sikyon. Auch sah Pausanias eines
ihrer Werke zu Argos. Aus der Menge und Verbreitung ihrer
Arbeiten kann man auf das Ansehen schliessen , dessen sie
sich erfreuten. — Brunn Gr. Künstler 1 420 stellt sie der Zeit
nach etwa mit den Schülern des Lysij)pos zusammen : die
Buchstabenformen unserer Inschriftempfehlen es, dieselbe un-
gefähr der Mitte des 2ten Jahrh. vor Chr. zuzuweisen.
Neben den zwei Blöcken mit der eben besprochenen In-
schrift liegt ein anderer in gleicher Weise bearbeiteter, auf
dem die undeutlichen Reste einer 7 zeiligen, abgemeisselten
Inschrift erhalten sind. Ich hatte vor dem Stein den Eindruck,
als ob es, wenn man nur über die nöthige Zeit und Geduld
verfügte, gelingen müsste, die Inschrift zu entziffern.
[Inzwischen von Collignon Bull, de Corr. Hell. 1880 S. 46 publicirt.]
MITTIIEILUNGEiN AUS GRIECHENLAND 357
Argos.
Die Inscliriften der zwei auf Blöcken der Polygonalmaucr
am südöstlichen Fuss der Larissa eingehuiienen (Volif— ?)
Reliefs Le Bas-Foueart 127, 128. Miüli. IV 157 n. 2, 3 habe
auch ich niit möglichster Sorgfalt von den Originalen copiert.
Die mannigfachen Difierenzen der bisherigen Publicationen
lassen mir die Mittheihing meiner Abschriften räthlich er-
scheinen. Auch bieten jene nicht die zu einer sicheren Ergän-
zung nöthige Unterlage. Ueberdics vermag ich wenigstens in
einer kleinigkcil die Lesung positiv zu fördern :
56. epiteaiae:::
AA\:lßK\Z\:EZATO
§ nIAYSIKPATEIA
Zu Ende von Z. 1 könnten 2 Buchstaben fehlen.— Z. 2
zu Ende wird ein Y weggefallen sein. A3C[xoc'n<j[TpxTou ist un-
möglich.— Z. 3 lies: '/.x]i Aua'./.pa-reix. Die Weihenden wer-
den Mann und Frau sein.
üebrigens habe ich mir vier sitzende Gestalten in langen
Gewändern notiert.
57. fll / / I A O N T A
A I O N Y Z I O f/i^
Den ganzen auch die verfallene Kirche des "Ayto; recopyio;
umfassenden Trümmercomplex. nennt das Volk Ai[;.£pizT-/;;.
58. Ueber dem 'Aytoyecopyofpi^i genannten Felsrelief glaubte
ich bei sorgfältiger Prüfung die Spuren einer Inschrift zu er-
kennen : ein O in der Mitte schien mir noch besonders deut-
lich.
59. Zu Mitth. IV 154 n. 507 war anzugeben , dass der
Stein oben gebrochen ist. Dass der erste der unter der Inschrift
dargestellten zwei Gegenstände die Form eines Mohnstengels
wiedergiebt, scheint mir nicht fraglich.
358 MITTHEILUNGEN AUS GRIECHENLAND
Tegea.
60. An der Südwand der Palaeoepiskopi ganz hoch oben
ist ein Grabstein eingemauert. Das Relief ist abgenieisselt,
aber in seinen Umrissen noch deutlich erkennbar. Dargestellt
war eine weibliche Fiour auf einer kleinen Basis stehend. Auf
dem Fries und Giebel, welche den Stein abschliessen, liest
man folgende Inschrift :
KAA AIKUU
XAIPe
O A If r 11 i A
=zC.LG. 1527. Le Bas-Föucart 346. Auch von der dritten
Zeile hätte ich wohl noch mehr entziffert, wenn ich mich
dem Stein besser hätte nähern können. Foucarts Ergänzung
desselben ist unstatthaft.
61. Die Inschrift Mitth. IV S. 143 m lautet vielmehr so :
Ml iSTOKPATE \'ll'!i O H P I O Z . . . 6 hx-jx
BA0YKAEOZTONAN Soiacvroc kv£871)csv.
Sparta.
62. esö^üipo; n3CTrxy£voTCou"Xo; besitzt ein Relief von schw^arz-
blauem Localslein. Dargestellt ist ein Jüngling nach 1. sitzend;
sein Oberkörper ist nackt, um Unterleib und Oberschenkel
schlingt sich ein Mantel. Der r. Fuss ist etwas zurückgezogen,
die l. Hand ruht auf dem Schenkel, die halberhobene, aus-
gestreckte r. hält einen Kantharos; eine Schlange ringelt sich
empor und trinkt daraus, vgl. Mitth. 11 443 ff. IV 161 ff.
Darüber die ausserordentlich nachlässig und flüchtig einge-
grabene Inschrift :
/^IKUÜIA/^HTHKET
V X
A
63. Bei demselben Mann sah ich einen Marmorkopf im
MITTIIRILUNGEN AUS GRIECHENLAND 359
Fleraklestypus und ein liruchslück (Kopf, Brust und 1.
Seite) eines auf die umgekehrte Fackel gestützten Eros von
guter Arbeit; ausserdem eine Gemme mit Doppelkopf \on
zwei verschiedenen Satyrtypen in ganz vorzüglicher Aus-
führung.
64. Mavromali, Museum: \02:AAM0(t^QNT o;
arAAMAxAZAr
IKAITAinOAEI
Patras.
65. An der Nordmauer der Burg fand ich eine Marmor-
platte mit folgender Inschrift eingemauert :
B A AeP I AN
MOAeCTeiNAN
lAneAeYospoi
Y- B-
Also : Bz^spixv MoSecTeTviXV ot aT:e);euOepoi ^J'(v]©''<y[AXTt) ß(ou-
"X^;) { — d{ecurionum) cf{ecreto).
G6. C. I. G. 1557 corrigiere nach Exped. d. Mor. III 64;
doch hat das r natürlich diese Form : TT.
67. Zu Ephem. epigr. IV 47 n. 94 bemerke ich : die Platte
besteht nicht aus Marmor, sondern aus dem localen Kalkstein
(XiOocpi) ; in der drillen Zeile sieht auf dem Slein : LIBERT.
68. Um die Inschrift C. /. L. III 503 zu revidieren, gieng
ich nach dem etwa 3,^ St. südlich von der Stadt gelegenen
Kloster tou repo-cotxeiou. Jene sowohl als auch HI 507 waren
nicht mehr vorhanden. — Dagegen wird das mittlere Drittel
einer kleinen, bekleideten, mannlichen Statue noch im Klo-
ster aufbewahrt.
Zu C. /. L. III 512 und 573 : Weder in der Kirche des
'Ayio; 'Avr^pez; zu Patras noch in der wiederholt umgebauten
des "Ayio; Nr^öXzo? sind mehr Inschriften vorhanden.
360 MITTHEILUNGEN AUS GRIECHENLAND
Aegina.
69. lieber der Thür einer Kapelle etwa eine Stunde von der
Stadt in östlicher Richtung :
M o M M I o s:
OEOIEN O Y
X A I P E
A P I 2: T 0. A I
KAlorENOY;
XAI PE
HBOYAH
KAIOAHMO^
Die beiden letzten Zeilen in einem Oelkranze. Die Inschrift
ist fehlerhaft von Le Bas n. 1705 publiciert.
70. Auf dem Oros bei der Kirche toO 'Ayiou 'A<7(i)>;.aTou, die
auf und von den Ruinen des alten Panhellenions erbaut ist,
schrieb ich die beiden Inschriften C. I. G. 2138 d und 2138
(II S. 172 vgl. S. 1010 lg.) ab. Von erslerer nahm ich auch
einen Abklatsch, mit dem ich dann daheim meine Abschrift
verglich. Weder bei Rangabe Ant. hell. I S. 29 noch bei Le
Bas Taf. VI, 6 (danach bei Hirschfeld Tituli statuar. sculpto-
rumque Graec. Taf. IV 14) ist die Inschrift fehlerlos wieder-
gegeben. Ich selbst habe vor dem Stein nur 4 Zeilen gelesen;
ichvvusste damals nicht, dass Prokesch von Osten Reste einer
fünften überliefert hat. Mein Abklatsch umfasst leider nur den
Anfang des Raumes einer eventuellen fünften Zeile, aber ich
muss bekennen, dass ich auch da schwache Spuren kleinerer
Buchslaben wahrzunehmen glaube Z. 4. ® O O N. Man wird
Z. 5. §SEiO
Prokesch Angabe also nicht ohne weiteres den Glauben ver-
sagen dürfen, vielmehr muss die Sache künftigen Besuchern
des Oros zu genauer Prüfung empfohlen werden.
71. Was C. /. G. 2138 anlangt, so schien mir das S zu Ende
obwohl Verstössen doch nicht zweifelhaft ; auch vor dem K zu
Anfang werden Buchstaben gestanden haben, die an die der
MITTHEILUNGEN AUS GRtECHENLAND
361
vierten, jetzt weggebrochenen Randleiste anschlössen. Letztere
wird, meine ich, das zu tliuii Namen "AXti;;.©; gehörige Prae-
dicat av£9'/i/,e sowie ein Subslantivum , dem KOAIAAAI^
altribuiert war (etwa Oezi; oder vujX9xi(; oder dergl., vgl. Uan-
gabe a. a. 0. S. 29), enthalten haben. Steht doch gerade in
den alten VVeihinschriften in der [legel neben dem Dedican-
ten auch der Verfertiger des Weihgeschenks.
72. Ein kleiner .\achtra"; zu Mitlheiluno;en V 197 ff. soll
den Besehluss machen, in Delphi nämlich hatte ich Gele-
genheit das kleine Figürchen aus parischem Marmor zu er-
werben, welches nebenstehend (2/3 nat. Gr.) von vorn und
von der Seite abgebildet ist.
Dasselbe ist in oder un-
mittelbar bei dem Dorf auf
dem Felde gefunden worden.
Dass es in rohen Umrissen
eine menschliche Gestalt dar-
zustellen bestimmt ist, wird
keinem mit den primitiven
Erzeugnissen bildender Kunst
auch nur oberflächlich be-
kannten Beschauer zweifelhaft
sein. Das Gesichtistnurdurch
eine massige, wenngleich hin-
reichend hervortretende Er-
hebung bezeichnet. Besonders
kräftig und deutlich aber sehen
wir die Hüft-und Gesässpartie
sich aussprechen. Das untere
Ende läuft in eine Spitze aus.
Bei aller urwüchsigen Unbe-
stimmtheit zeigt unser Figürchen eine gewisse Feinheit und
Accu ratesse der Ausführuns;. Möi^lich, dass durch Bemalung
noch weitere Details der menschlichen Bildung angedeutet
waren, jedenfalls hat sich davon keine Spur erhalten.
Vergleicht man die Figur mit ähnlichen auf dem griechi-
362 MITTHEILÜNGEN AUS GRIECHENLAND
sehen und kleinasiatischen Festland oder auf den Inseln zu
Tage gekommenen, so wird man, so viel ich sehe, sie nur mit
den inMykenai, Tiryns, Nauplia, Jalysos u. s. w. gefundenen,
rohen Idolen von Terracotta* und mit den in Hissarlik aus-
gegrabenen von Terracotta, Marmor, Knochen ^ zusammen-
stellen können, mit denen sie bei gewissen, kleinen Verschie-
denheiten doch in Grösse, Gestalt, Ausführung grosse Ver-
wandtschaft zeigt. — Dem griechischen Festland entstammende
ähnliche Marmorfigürchen sind meines Wissens bisher über-
haupt noch nicht bekannt geworden.
Halle.
JOH. SCHMIDT.
» Schliemann Mykenai S. 13, 80 f. Taf. ABC XVIII, besonders S. 81
NM13 ; Taf. A. Fig. C ; Taf. C Fig. 1 ; Taf. XVIII N" 101.
2 Schlieraaiin Ilios (Leipz. 1881) 8. 264, 373 ü", 643, 672; besonders N»
190, 200.
Der Plulos des Kephisodot.
(Hierzu Tafel \[II.)
Unsere Kennlniss der griechischen Plastik beruht zum
grossen Theil auf Copien, welche in Italien zum Vorschein
gekommen sind. Die Frage wo und wann diese Copien ent-
standen und für welchen Zweck sie gearbeitet sind, ist bei der
Beurtheilung derselben und ihres Verhältnisses zn den Ori-
ginalen nicht zu umgehen. Eine umfassende Untersuchung
darüber wird sich glaube ich immer mehr als ein Bedürfniss
heraustellen, wenn auch die zu erwartenden Hesullafe be-
greiflicherweise nicht auf allgemeine Gültigkeit werden An-
spruch machen können. Von besonderer Wichtigkeit aber wer-
den in dieser Untersuchung die in Griechenland selbst ge-
fundenen Repliken sein.
Von einer solchen rührt das auf Taf. XIII 1 nach einer
Zeichnung des Hrn. Gillieron abgebildete Fragment her. Das-
selbe stellt einen um die Hüften leicht bekleideten Knaben dar,
der von einer anderen Figur auf dem linken Arm gelragen
wurde und sich mit lebhafter Bewegung des Kopfes und des
jetzt bis auf den Ansatz weggebrochenen rechten Armes sei-
ner Pflegerin oder seinem Pfleger zuwandte. * Der Vorderarm
der grösseren Figur ist erhallen bis auf die Finger der Hand ;
diese umfasslen ein Füllhorn , von dem noch ein Stück er-
halten ist. Mit dem unteren Ende des Füllhorns wird ein
Ansatz auf dem 1. Fuss des Knaben, der abgebrochen aber bis
auf die Zehen erhalten ist, in Verbindung gestanden haben.
Die Arme des Knaben sind abgebrochen und fehlen, beschä-
digt sind ausser den Fussspitzen die Nase und die Kanten des
* Maasse: Gesichtslänge M. 0,11; zwischen den Aui?enwinl^eln 0,02;
zwischen den Achselhöhlen 0,203; vouder Halsgrubc bis zum Nabel 0,19.
MITTH.D. ARCIl.lNST. Vr 24
364
DER PLUTOS DES KEPHISODOT
Gewandes. Das Material ist penlelisclier Marmor von der ge-
ringeren Sorte, quer über den Leib des Knaben läuft eine
breite Glimmerschicht. Das Bildwerk wurde beim Ausbaggern
des nördlichsten nach dem Bahnhof zu gelegenen Theiles des
Hafens von Piraeus gelandet, zeigt aber abgesehen von ein
Paar Muscheln, die sich angesetzt haben, keine Spuren einer
Einwirkung des Seewassers auf den Marmor. Man hat dar-
aus geschlossen, dass die Figur, die mittlerweile das Munici-
palmuseum der Hafenstadt bereichert hat, nicht lange im
Wasser gelegen haben könne. Ich bin nicht im Stande diesen
Punkt aufznklären^
Man erkennt
bald , dass das
Fragment von ei-
ner Replik der
sogenannten Leu-
kothea in Mün-
chen herrührt, in
welcher Brunn
eine Nachbildung
der an der Agora
von Athen aufge-
stellten Gruppe
der Eirene mit
dem kleinen Plu-
tos, eines Werkes
des älteren Kephi-
sodotos, des Va-
ters des Praxite-
les, nachgewiesen
hat 2. In dem an-
stehenden Holz-
' Einen Holzschnitt des Knaben hat Mr. Dragatsis im napvaiiö? 1881
Junilic'fl z. S. 575 veröirenliiciit.
2 Mit der I^gur des Knaben wurden ein Paar winzige Gevvandfragmente
aufgefunden, welche von dem Bilde der Gütliii herrühren.
IWA\ PLIITOS l»!:s KKPlllSÜDOT 365
Sclinill islzurBeijLiemlichkciulerLi'st'r ilasHrijstslückderGöllin
nach dem miinclicner I']\(Mn|»iai' ergänzt. Allerdings ist nener-
dings die Idenliliit i]t'V (ünippe in Mniiclit-n tnil dem Werke
des Kepliisodotos w«'gen einer nnter Maximin in Kyzikos ge-
prägten Münze, welche dieselbe Gruppe abbildet, wieder in
Frage geslcdlt worden, aber wie ich glaube ohne ausreichen-
den Grnnd. Von {\cv nicbl aiisgcsproclKMicn \ oransselziing
ausgehend, dass bei der Auswalil der als ^ebentypen auf den
Münzen zu verwendenden GcHlcrdarslelliingen die religiöse
Kücksicht auf die Culle der Prägslälte allein massgebend
gewesen sei, hat man gemeint auf der Münze von Kyzikos
Köre mit dem Dionysosknaben erkennen zu müssen. ^ Diese
\'oraussetznng scheint mir nicht zulrefTend zu sein. Man
wird nicht in Abrede slellew können, dass in der späteren
Kaiserzeit nicht religiöse Motive allein bei der Wahl der
Münztypen ausschlaggebend gewesen und dass berühmle
Kunstwerke auch als solche und ohne Kücksicht auf die ein-
heimischen Culte auf Münzen abgebildet worden sind. Ein
nahe liegendes Beispiel bietet sich dar in der Darstellung des
farnesischen Herakles des Glykon auf attischen Bronzen 2. Im
athenischen Slaatscult trat Herakles zurück, seine Stelle
hatte Theseus inne, der daher ebenso häuflu' auf den Münzen
der Stadt erscheint als Herakles selten. Ich glaube daher auch
nicht, dass man nöthig hat anzunehmen, die Erfindung des
Kephisodot sei in Kyzikos zur Darstellung eines verwandten
Gegenstandes verwerthet worden, was Brunn als möglich
hingestellt hat. Höchstens könnte man sich vei'anlasst glauben
anzunehmen , das athenische Werk sei in einer Nachbildung
in Kyzikos aufgestellt gewesen. Aber selbst diese Annahme
ist vielleicht nicht durchaus nothwendig, wenn man zugicbt,
dass das Wei-kein ian Altci'thum weit und breit bekanntes
' Wiesclor, Dfiikin. der n. K^ z. K. 99/;. h.
' DiR At)l)ildiiiiK (liM'alli(Miisrli(Mi Miiii/.e hei Beule S. 307 ist luigonau und
uiu'i(?lilig. VAn mir vuiIicirfMides ICxeinplar zoifrt, dass diM" Miinzlypiis nicht
nU'- in den Motiven iinddein Heiweik genau mit der .Mannurstalue überein-
stimmt, sondern auch die Stileigontiiüniliehkeiten der IcLzlcren wicdoreicbt
366 DER PLüTOS DES KEPHISODOT
war. Hierfür aber kann ich zu den vorhandenen einen weite-
ren Beweis hinzufügen, Dank einer freundlichen Miüheilung
des Herrn G. Treu. Herr Tren hat in einer Marmorfigur des
Museums in Dresden , welche unrichtig als auf einem Felsen
sitzender Dionysosknahe ergänzt ist *, eine Replik des Knaben
der münchner Gi'uppe erkannt , so dass wir nunmehr ausser
den Nachbildungen auf den Münzen von Athen und Kyzikos
bereits drei Repliken in Marmor nachweisen können.
Das Exemplar aus dem Piraeus stand an künstlerischem
Werth unleugbar hinter dem Exemplar in München zurück.
Die Ausführung des Knaben ist nicht ungeschickt. aber fluch-
tig und etwas matt. Der Marmor (ragt die deutlichen Spuren
des Meisseis; das Haar ist wenig ausgeführt und ziemlich ober-
flächlich behandelt. Die ganze Art der Ausführung lässt auf
einen decorativen Zweck schliessen , die Gruppe mag zum
Schmuck einer Halle oder eines öfTentlichen Platzes gedient
haben. Für die Bestimmunor der Enstehuno;szeit würde man
bei der Unsicherheit anderer Indicien gern einen äussern An-
haltepunkt haben und könnte glauben einen solchen darin
zu finden, dass der Piraeus im J. 87 verwüstet wurde und sich
von dieser Catastrophe nicht wieder erhob. Aber einerseits
steht nicht fest, dass die Gruppe im Piraeus aufgestellt war ^^
andererseits darf man sich der Vorstellung nicht hingeben,
als ob nicht auch später noch Manches für die Wiederher-
stellung und zum Schmuck des Piraeus als Stadt geschehen
sei; die monumenlalen Fundebeweisen dasGegentheil ^. Man
ist also auf das Werk selbst angewiesen. Vergleicht man die-
ses mit Arbeiten , etwa Porträts der späteren Zeit, so wird
man, glaube ich, nicht umhin können, die Entstehung noch
in die griechische Zeit zu setzen.
' Abget)ilriel bei I.eplal /?(?r»Pi7 Tf. 62=Clarac675, 1557. Vgt. Heltner, Die
Bildwerke zu Dresden S. 60 N. 29.
2 Herr Dragatsis schciiU rler Ansicht zu sein die ertialtenen Reste seien
in neuerer Zeit zum Export nach Piraeus gebracht worden, obgleich er der-
selben keine Worte leiht.
■' Vgl. die BemerkiMigen von Milchhöfer Text z. d. Karten v. Attika I S.
33 unter 22 und die oben S. 310 von Lolling mitgelheilte Basenaufschrift.
DER PLUTOS ÜKS KEPHISODOT 367
Obschon sicli aber das Fragment aus dem Piraeiis mit dem
früher bekannten Exemplar der Gruppe des Kephisodot nicht
messen kann, so hört es desshalb doch nichl auf IVir uns leln*-
reich zu sein. Zum ersten Maie sehen wir eine Heplik des
Kopfes des PInlos vor uns, da der Kopf des Kxemplares in
München, wie läni^st bemerkt worden ist, zwar alt aber auf-
gesetzt und nicht zugehörig ist^; und dieser Fund wird um
so freudiger willkommen geheissen werden, als jetzt die Mög-
lichkeit eines Vergbiiehes mit dem Knpfe des kleinen Dio-
nysos von Praxiteles gegeben sein wird. Ich ineine der Kopf
kann sich, was {]{in Ausdruck des Gesichtes anlangt, mit dem
vielbewunderten Kopf der Eirene wohl messen ; mütterliche
Zärtlichkeit und kindliches Verlangen kommen sich entgegen.
Der von dem Künstler gewollte EtVect wird dadui-ch, dass das
Köpfchen mehr rückwärts geneigt ist als in der münchener
Ergänzung, unzweifelhaft noch verstärkt. Die äussere Aus-
stattung, das ffelockte durch ein Band zusammengehaltene
Haar mit dem Schopf über der Stirn , ist dieselbe wie nach
den mir vorliegenden Beschreibungen an dem Kopf des klei-
nen Dionysos, so dass sich also dieser Typus fiir Kinder-
darslellungen frühzeitig schön festgestellt hat.
Der zweite Punkt, hinsichtlich dessen wir zwar nichts
Neues lernen, aber feinsinnig Erschlossenes in willkommener
Weise bestätigt sehen, betritTt das Material des Originales.
Brunn hat sich, weniger sicher in der Abhandlung über die
sog. Leukothea, bestimmt in dem in seiner gehaltvollen Kürze
mustergültigen Katalog der Glyptothek für Bronze ausgesj)ro-
chen. Wenn ich Brunns Ürtheil über die Gruppe in München
recht verstehe, so ist diese eine vortreifliche Marmorarbeit,
welche eben noch die Spuren der Bronzetechnik an den Haa-
ren 'jnd Gewändern wahrnehmen lässt. Der ausführende
Künstler des Exemplares aus dem Piraeus hat den Versuch
' Tier Kopf der Replik iu Dresden ist, wie mir Hr. Treu .schreit)!, zwar
zuyetiörig aber iingesctiickt aufgesetzt. Die Arbeit schien Ifrii. Treu römisch
zu sein.
368 DKR PLUTOS DES KEPHISODOT
nicht gemacht den Bronzeslil in den Marmorstil umzusetzen,
sondern hat das Bronzeoriginal copirt. Daher ist die Behand-
lung auch der nackten Theile trocken und hart. Ich darf mich
hier auf das sachverständige Urtiieil des Herrn Gillieron heru-
fen, der sich gar nicht in den Stil des Werkes finden konnte,
bis das Wort : Bronzeoriginal fiel. Ich habe vor längerer Zeit
eine im vorigen Jahrhundert beim Areopag gefundene leider
nicht erhaltene Marmorgruppe nach dem Vorgange von Fj.Ross
auf das W-'erk des Kephisod(U bezogen. Diese auf die [Jeberein-
stimmung des Typus und des Locaies gegründete Annahme
möchte ich auch heute nicht ohne Weiteres aufgeben. Un-
möglich wenigstens scheint es mir nicht zu sein, dass Pausa-
nias auf der Agora von Athen nicht mehr die Bronzegruppe
des Kephisodot sondern eine Marmorcopie derselben gesehen
habe, sowie er in Thespiae nach eigener Angabe eine Copie
des in der ersten Kaiserzeit nach Bom entführten Eros des
Praxiteles gesehen hat (Pausan. IX 27, 3).
Von dem Plutos des Kephisodot wird man nicht ohne In-
teresse einen Blick auf die zweite Statuette werfen, deren Dar-
stellung die Tafel XIII füllt. Das Original stammt aus dem in
den ersten Jahren des Königreich Griechenlands auf Aegina
angelegten Nationalmuseum und war früher im sog. Theseion
aufgestellt, neuerdings hat es seinen Platz im Centralmuseum
gefunden. Der Fundort ist unbekannt. Die Figur hat durch
Bruch stark gelitten , die Extremitäten fehlen und das At-
tribut der linken Hand und die unteren Partien des Gewandes
sind beschädigt. Das linke Bein w^ar vom Knie an eingezapft^
hinter dem Bruch ist der obere Rest eines Stammes erhalten,
welcher auf der Zeichnung nicht sichtbar ist. Das Fragment
ist in seinem jetzigen Zustande 70 Cm. hoch. Der Marmor ist
nicht attisch, man hält ihn zunächst für Inselmarmor. Die Fi-
gur ist zuletzt beschrieben von Kekule,Bihlweike im Theseion
' [Bei einer uietieihoiten Uiilersiicluin!:; des Orifjjiiiales habe ich mich
überzeugl, dass das Zapfenloch wahrsclieitilicli modern isl, da der Marmor
Bruohfläche zeigt.]
DER PLUTOS DES KEPIIISODOT 369
S. 139 N. 340, vgl. V. Sybel Kalalo<r s. 51 N. 278. An beiden
Stellen findet man die allere Lilleralnr verzeichnet.
Darceslellt \var ein auf der Grenze der Kindheit stehender
i.
Knabe, der mit einem liemdearli<]:en über den iiiikon Arm
aufgenommenen Gewände aus dickem WollenstofT bekleidet ist
und milder linken Hand ein Fallliorn ^ hielt, während er die
Rechte, wie ein oberhalb der Brustwarze vorhandener Ansatz
beweist, nachdem Gesicht zu führte. Das Gewand ist einfach
und schön angelegt. Die Formen des kleinen Körpers, die sich
unter dem Gewände abzeichnen, sind üp[)ig. Die Ausführung
ist frisch und lebendig.
Kekiile hat in einem seiner Beschreibung der Statuette nach-
Iräglicii eingefügten Zusatz zum Vergleich auf eine Statuette
in Toulouse bei Chirac 7bo, 1878 hingewiesen. In der That
stimmen beide Werke in allen wesentlichen Punkten bis auf
die ganz ähnliche Anordnung des Gewandes überein. Die Fi-
gur in Toulouse, übi'igens ein geringes Werk der Abbildung
nach zu schliessen , ist in vollständigerem Zustande auf uns
gekommen als der Torso in Athen, sie hat den Kopf und den
rechten Arm bis auf die Hand, die leider auch hier fehlt.
Clarac hat sie unter die Darstellungen des Harpokrates auf-
genommen , wie ich glaube mit Recht. Die Bewegung des
rechten Armes wird sich, da kein Ansatz eines etwa gehalte-
nen Gegenstandes vorhanden ist, nicht anders ergänzen lassen
als zu dem Gestus des an den Mund gelegten Fingers, dieser
Geslus aber in Verbindung mit dem Attribut des Füllhorns
stellt die Deutung auf jenen hellenistischen Dämon sicher.
An die Stelle der Lotosblume, welche die Bilder des Harpo-
krates sew'öhnlich über der Stirn trafen , ist an der Fiüjur aus
Toulouse, wenn die Abbildung nicht täuscht, ein Mohnkopf
getreten. An die aegyptischen Darstellungen des Harpcchruli
erinnert ferner der stark entwickelte kleine Leib, welcher an
' Von ilor Fortsetzung des Füllhorns muss, wie Kckulc bereits bemerkt
hat, ein Ansatz herrühren, wolchcr unlerhalh des Slunii»fcs des Armes an
der auf dem Ohersciienkel auflie^'t'udcn Kanle des (.lowandes sioiilbar ist.
370 DER PLUTOS DES KEPHISODOT
der athener StaliieKe das Gewand spannt, wenn ja freilich
auch den aeg)^ptisehen Darstellungen ursprünglich die Beo-
bachtung der Natur in der Bildung kindlicher Formen zu
Grunde liegt. ^
Wenn man demungeachtet gezögert zu haben scheint in der
athener Statuette eine Darstellung desHarpokrateszu erkennen,
!?o v/ii'd der Grund der gewesen sein, dass sie hierfür zu
gut zu sein schien. Denn es wird mit gewissen Einschrän-
kungen, auf welche hier keine Rücksicht genommen zu wer-
den braucht, richtig sein , dass die aegyptischen Culte des
Sarapis, der Isis und des Harpokrales erst seit der Regierung
des II. Ptolemaeus in Griechenland Eingang gefunden haben;
die Athener Statuette aber wird man, auch zugestanden, dass
ein älterer griechischer Typus benutzt sei , wegen der Aus-
führung nicht wohl für jünger halten können als die Mitte des
dritten Jahrhunderts, Diese Schwierigkeit ist vorhanden, lasst
sieb aber lösen, und die Lösung wird uns denke ich in den
Stand setzen dem Bildwerk noch bestimmter die Stelle anzu-
weisen, die ihm in der wissenschaftlichen Betrachtung zu-
kommt. Die Hellenisirung der drei gemeinschaftlich verehrlen
aegyptischen Gottheiten in Cult und Bild hat sich in Alexan-
drien vollzogen, welches den ahnungsvollen Intentionen seines
Gründers gemäss die Capitale der neuen Bildung von Anfang
an gewesen und immer geblieben ist ; von Älexandrien aus
hat sich der junge Dienst naturgemäss zuerst und ehe er
sich in Griechenland einbürgerte in den benachbarten Ge-
genden, an derkleinasiatischen Küste und auf den Inseln ver-
breitet. In dieselbe Region aber weist uns sowohl das was
über die Herkunft des athener Torso hat ermittelt werden
können als das Material desselben. Stammt die Statuette des
' Vgl. Wilkinson, The ancicnl Egypliam 1878 III S. 131. Eine Rcilie den
imTe\l besproclieiion verwantlter Statuetten, in denen man den kleineu Her-
mes erkannt hat (Wieseler a. a. O. z. N.3t3), begnüge ieh micli liier zu er-
wähnen, (laich nicht im Stande bin das gegenseitige Verhältniss derbeiden
Typen aufzuklären.
DKH PLUTOS DHS KRPlllSODOT 371
IJarpokrales von einer der griechischen Inseln, so hindert
nichts ihre Enlsiehntig bis in den Anfang des dritten Jahr-
hnnderls zurüekzndatircn. VicUeichl abei' darf man in der
Locaüsirnng des Werkes noch einen Schritt weiter gehen.
Kiner der fJauptsilze der aegyplisehe.n Cnlle im aegeischen
Meere war den rnonnrnenlalen Funden nach zu sehliessen die
Insel Delos, welche itfi drillen Jahrhundert noch einmal der
Mittelpunkt einer unter dem Proleclorat der Ploleinaeer ins
l.eben gerufenen amphiktyonisehen Vereinigung der Nesiolen
gewesen ist. * Von derselben Insel und dem zuhörigen Khe-
neia aber rühren , wofern ich Kekules Angaben richtig ver-
stelle , eine Anzahl dci- fViihei- in dem IMu-^etim auf Aegina
vereinigten Anti(]uilalen her. hanacli wird man es als Ver-
muthiing wohl aussprechen dürfen, dass der athener Torso
aus dem Serapeion auf Delos slanimt. Statuarische Darstellun-
gen des Harpokrates sind nicht häufig; dem athener Exemplar
wird das Lob zukommen, unter den bekannten Slaluelten die
älteste und beste zu sein, ein VV^erk , welches sich in seiner
Art den guten Sarapisköplen wohl an die Seite stellen lässf.
ULRICH KÖHLER.
' Vgl. Homolle in hüll, de Corr. Hell. IV (1880) S. 320 fT,
Neue Untersuchungen am Erechtheioti zu Athen.
(Hierzu Tafel XVI.)
Ein kurzer Aufenlhalt in Athen im Frühjahre 1881 gab
mir Gelegenheit, bereits früher begonnene Studien über das
Erechtheion durch eingehendere, leider nicht ganz zum Ab-
schluss gediehene Untersuchungen des Monuments fortzusetzen.
Wenngleich dieselben keineswegs zu einer vollständigen Uecon-
struction des Baues geführt haben ~ eine solche ist vor sorgfälti-
ger Reinigung und Aufgrabung des Innern sowie der nächsten
Umgebung des Tempels wohl überhaupt nicht zu erwarten, —
sich vielmehr auf die Beobachtung von noch nicht genügend
gewürdigten Thatsachen und die Berichtigung einzelner irr-
thümlicher, aber weit verbreiteter Annahmen beschränken,
so wird man sie doch als einen Beitrag zur Lösung der vielen
Streitfragen über diesen rätliselvollen, das Interesse stets von
Neuem weckenden Bau anerkennen. Die beigegebene Doppel-
tafel zeigt einen im Wesentlichen den Aufnahmen der npoocTix«
T'Ti; e-l tou 'Eps;(6eioy e^riTpoTTvi; entlehnten, nur in den zur
Behandlung kommenden Details auf eigenen Messungen be-
ruhenden Aufriss der West-Seite, den Grundriss der westlichen
Hälfte des Baues sowie eine perspectivische Skizze der S. W.
Ecke von Innen. Im Übrigen kann ausser auf die bekannten
Publicationen besondei's auf die in der neuen Ausgabe von
Jahn's Paus, dcscript. arc. Athen, enthaltenen Zeichnungen,
sowie das daselbst übersichtlich zusammengestellte urkund-
liche Material hingewiesen werden.
Um die technische Untersucluing des Bauwerkes, die uns
hier zunächst angeht, haben sich, wenn wir nur neuerer For-
schergedenken, hauptsächlich Tetaz, Bötticher, die Verfasser
der npx/.Tr/.a und Julius; um die topographische Erklärung
UNTERSUCH UNGKN AM EHECHTIIEION 373
an der Hand des literarisclien Materials Thierscli, Fergusson
und Michaelis verdient gemacht. * Der letztere folgt dabei
fast in allen, die bauliehe Gestalt des Tempels betreffenden
Fragen den Ansichten Bötlichers , der unter allen iLrkliirern
des Monuments eine besondere, beinahe unbestrittene Stelluns
eingenommen.
Die vier Hauptpunkte, die wir seinen Forschungen verdan-
ken, tJind : die Aufdeckung eines zwischen Erechlhcion und
Parthenon belegenen Peribolos, die Untersuchungen über die
Freitreppe au der N. O. Kcke, seine Heconslruction des In-
nern, für das er bekanntlich eine complicirte zweigeschossige
Anlage annimmt ; und schliesslich die Aulündung einer
Wasserleitung vor der Westfront, die ein wichtiges Moment
für die Wiederherstellung dieser sehr zerstörten, i-äthselvollen
Seite des Baues darbietet. Wir beginnen unsere Untersuchun-
gen am zweckmiissigsten mit eben dieser Stelle.
Ein Blick auf den beigegebenen Grundriss zeigt zunächst
eine autfällige Verschiedenheit der Bichtung des Tempels mit
einer an die Westseite der Korenhallo anslossenden Terrassen
mauer einei'seits, und mit den noch in situ befindlichen Fuss-
bodenplinthen nördlich der kleinen Thür in der Westwand
andrerseits. Diese Unregelmässigkeit erklärt sich am einfach-
sten daraus, dass man bei dem xNeubaue seit Perikles gewisse
ältere Theile des Heiligthumes in ihrem Bestände und ihrer
Orientirung belassen musste, gleichviel wie sie zu der neuen
Anlage stimmten. Ist nun, wie aus der bekannten Bau-In-
schrift hervorgeht, der Baum vorder Westwand das Pandro-
seion, so wird man die vorhandene divergirende Richtung je-
ner Marmorplatlen mit der gegebenen Orientirung dieses Be-
zirkes in Vei'bindung bi-ingen. hn Pandroseion befand sich
* Tetaz : Rev. mrlicol. 1851 . nöllicher: lk>riclil üljcr die Uiitersucliungpn
auf der Akropulis, 1862. Julius : Üljer das Ercclilliciün. Münclicn, 1878.
Tliier.seli : PJpicrisis der neuesten Uiiteis. des Ercciilh. in den Abli. d. k.
bayr. Ak. d. W. I Cl. Vlit II. Abliilj?. Fcrgusson: On the Ercchlheio>i in den
Tansarlions o/ the Royal I/v^t. of Urit Arrh. 1875-76. Micl)aelis : Mitthlg.
(l. Arcliacol. Inst. i. Athen 1877 S. 15 ff.
374 UNTERSUCHUNGEN AM ERECHTHEION
einst der heilii?e Oelbaum der Athena sowie der Altar des
Zeü; 'EoKEio;, und es liegt die Frage nahe, ob der Standort
beider nicht genauer fixirl werden kann.
Die theilweise noch in situ befindlichen Quadern im Win-
kel zwischen der Westwand und der Nordhalle bildeten, mit
Ausnahme der der Tempelrichtung folgenden dreistufigen
Krepis, ein in schräger Richtung laufendes Marmorpodium,
das durch besondere Aufmauerung über dem tiefer liegenden
Felsboden emporgehoben war. Unmittelbar vor der kleinen,
ins Innere führenden Thür der VVestwand fehlte aber diese
Aufmauerun». Denn einmal zei2;t die der Thür zunächst lie-
gende unterste Krepisslufe .4^ an ihrer Vorderfläche Randbe-
schlag und Bosse zum Beweise, dass die Krepis hier keine
Fortsetzung gehabt, andrerseits gibt der wohlerhaltene Rand
des schrägen Fussbodens (ß) mit seinem Falzeohne Anschluss
für weitere Steine nach Norden zu eine feste Grenze ab. Von
dieser Stelle nun lief eine bereits von Bötticher entdeckte
und in ihrer Lage am Stereobate der Nordhalle genau Hxirte
Wasserrinne {D) aus, deren einzelne Steine gleiche Richtung
und Höhenlage mit dem schrägen Plattenbelage (ß) haben
und, wie aus ihrer gerauhten Oberfläche ersichtlich, einst
durch andere Steine bedeckt gewesen sind. Der Platz, den
diese Rinne entwässert, muss naturgemäss auf allen vier Sei-
ten umschlossen gewesen sein; wir erhalten somit vor der
kleinen westlichen Thür eine vom Marmor- Fussboden des
Pandroseion umgebene Stelle, in der ich den Standort der
iluix. 7:5(yx,u(po? vermuthen möchte. Ihr Platz war unveränder-
lich und wahrscheilich auch massgebend für die sehr auffäl-
lige, in conslructiver Hinsicht nicht zu rechtfertigende Anord-
nung der Thür grade unter einer Säule, Möglicherweise führte
dieselbe directauf den Baum zu. Ihre Schwelle, die einst mit
der oberen Stufe der Krepis gleich hoch lag, ist später um
dieHöhe einer Stufe vertieft worden. Nahe bei derWest-Thür
' Dieser Stein ist zwar durch moderne Uulermauerung unterstützt, liegt
aber unzweifelhaft in richtiger Lage.
UNTKnSUCHÜNGEN AM EaEGHTHEION 315
muss übrigens auch die Siul-Gpenze des Pandroseion gesucht
werden. Dabei kommt zunächst iinmitl(!lbar zur Rechten des
Eingangs der ans der Wund heraiisragende Abschluss (E) der
dreistufigen Krepis in lielracht. Denn dass dieselbe thatsiich-
lich nicht weiter gegangen, ergibt sich aus dem l'mslande,
dass die in der Höhe des Fusshodens liegende Plinlhenlage
nicht wie nördlich der Thür gleichzeitig die Stufen bildet,
sondern mit der Wandniiche bündiij abschneidet: ferner aus
dem Vorhandensein von Bossen an dev unmittelbar darunter
liegenden Quaderschicht, und drittens aus dem Fehlen von
Fundamente») für den Stufenbau. Hat aber der letztere, ob-
gleich sonst an allen zugänglichen und sichtbaren Theilen des
Baues vorhanden, an der südlichen Hiilfle der Westwand
nicht existirt, so muss dieselbe entweder unzugänglich oder
von untere-eordneler Bedeutung gewesen sein.'^ Wie weit dies
O DO
der Fall war, wird unten auseinander gesetzt werden ; hier
ist zunächst noch an ein zwei Schichten unter E befind-
liches, zum Einbinden eines Steines bestimmtes Loch (F) zu
erinnern, das bisher in keiner Aufnahme berücksicht worden
ist, mir aber ebenso wie die noch erkennbare Stossfläche an
E auf den Anschluss einer mit der Terrainhöhe abschneiden-
den Art von Futtermauer zu deuten scheint. War doch eine
solche Anordnuno; hier auch nöt;his, da das Terrain nördlich
der Thür um die Höhe der dreistufigen Krepis niedriger lag
als längs der Südhälfte der Westwand. Damit aber erhalten
wir gleichzeitig eine weitere Begrenzung für das nur in sei-
nem westlichen Abschlüsse nicht mehr zu ermittelnde Loch
für den Oelbaum. Neben dem heiligen Baume der Alhena be-
fand sich der Tradition nach der Altar des Zeu? 'Ep)ceio;. Sein
Standort, für den sonst kein weiterer Anhalt vorliegt, ist
vielleicht auf dem erhöhten Marmor-Boden zwischen dem
Baume und der S. W. Ecke der Nordhalle zu suchen.
' Eine Vernaclilässigung dieser Stelle beweist aucli das Fehlen der Rhab-
dosis am oberen Toms der Basis der südlichsten Halbsäulc und des ganzen
südlichen Intercolumniuin der Westwand.
376 UNTERSUCHUNGEN AM EREGHTHEION
Die Existenz einer das Pandroseion gegen Norden ajjschües-
senden Grenzmauer und zwar in seliiügem mit der RiclUiin.g
der oben besprochenen Fussbodenplinthen übereinslimmen-
dem Verlaufe, wird trotz der Einwendungen RöLliclier's durch
die schräge Anschkissfläche am Slirnpfeiler (C) neben dem
Zugange zurNordhalie, sowie dieeigenthümliche Verzahntmg
des Stereobats der Nord halle an jener Stelle erwiesen. Was
hätte auch sonst die aus dieser Halle in das Pandroseion
führende Thür für eine Bedeutung, wenn sie nicht in einen
von dieser Seite abgeschlossenen Raum führte. Man kann so-
gar die Breite dieser nördlichen Einfriedigungsmauer von c.
0™,35 auf der Oberfläche des von Bölticher an seinen ursprüng-
lichen Platz zurückversetzten Wasserleitungs-Steines {!)) noch
deutlich erkennnen. Die Westgränze des Pandroseion ist nicht
mehr zu ermitteln. Vielleicht wird es möglich sein, wenn ein-
mal der ganze Platz nördlich der grossen Terrasse, der jetzt
zum Theile von christlichen Gräbern eingenommen wird,
aufgeräumt ist. Vermuthlich wird indess diese Grenze nicht
allzunahe der Westfront des Tempels gelegen haben, da man
sonst wohl für die Böttichersche Wasserleitung statt ihrer
eomplicirten Führung durch die Stufe der Nordhalle einen di-
reclen Ausweg nach Westen gewählt haben würde.
Sehr schwierig ist die Frage nach der arclnlectonischen. Ge-
staltung des Winkels zwischen der Terrasse und dem süd-
lichen Theile der Westwand. Von Einigen wird hier ein be-
sonderer kleinerer Bau vermuthet. Allein diese Annahme ver-
bietet sich wenigstens für die unmittelbare Nähe des Tempels,
wenn man auch das Fehlen von dazugehörigen Fundamenten
ausser Acht lässt, durch die Beobachtung technischer Indi-
cien oberhalb der Terrasse, insbesondere an der Westseite
der Koreuhalle. Am Podium der letzteren finden sich rechts
unterhalb der hinteren Karyatide deutliche Ansatzspuren, de-
nen in der Stufe der Krepis [G] ein Falz entspricht. Auch ist
nur bis zu jener Stelle das Kymation des Podiums sculpirt,
nördlich davon aber glatt. Michaelis vermuthet hierin mit
Anderen die Ansatzspuren einer Schranke, gegen die sich die
UNTKRSUGilUNüKN AM KHIiCIlTUKION 377
Spiren der Koreiihalle lodllaufi'n wiiidi-ii, und von der er an-
zunehmen scheint, dass sie (\('v Fliiclit (h'i" Terrasse und als
ihr oberer Ahsclduss gfffdgl sei. Dagegen ist jedoeli verschie-
denes zu erinnei-n : Di.' Kropisslufe (f-') der Koienhjtlle /lärn-
lich inil dem Falze nnlorhalh iJer erwälinlen Ansehlnssspnr
zei^a;t an ihi-er \ve';lli<'lien Fliiehe keine Slosskanle souijern
im Gegenlheile den Randhcsclilag, nuiss also liier frei ueleirf.,,
haben, datfegen an ihrer n/irdliehen Seite Slosskanten «ind
Didjel,znm lieweise, dass in dieser Riehtungsich der Stufen-
baii der KorenhalJe weiler, und zwar über den jelzigen Kand
der Terrasse fortgesetzt habe. Dies bedingt gleichzeitig eine
entsprechende Verlängerung der Terrasse selber an eben jener
Stelle, und gübe eine Erklärung einmal für die hohe in die
Westwand unterhalb der südlichen Ante hineinragende Wand-
quader als Sockelplinlhe, die ja stets grösser zu sein pfhgt ;ds
die id)iigen, dann für das Voi'handensein eines feinen Proüls
an derselben, das man dort wohl nicht angebracht liiitte, wäre
jene Stelle durch Schranken abgeschlossen' und unzugänglich
gemacht. Nach den llpxy.Ti/.y. der griechischen Commission
war die jetzt mit modernem Ziegelmauerwerke ausgefüllte
[Aicke unterhalb des grossen Steines bei den daselbst veran-
stalteten Naciigrabungen leer befunden. Auch zeigte der da-
runterbelindliche Felsboden keine eingearbeiteten Bettungen
sondern war unbearbeitet, ein Umstand der dafür spricht,
dass jene Stelle nicht mit den regelmässigen Plinthen der
VVest\\and sondern wahrscheinlich mit dem keines sorgfälti-
gen Auflagers bedürftigen Füllmauerwerkc der Terrasse über-
baut gewesen ist. Die Vermulhung,dasssich die ganze Terrasse
einst über ihre gegenwärtigen Grenzen ausgedehnt habe, wii'd
übei'dies durch ihren jetzigen offenbar zerstörten Zustand er-
wiesen. Denn schwerlich war sie in der rohen Weise mit
verhauener Aussenseile der Steine beendet, sondern muss ehe-
dem einen regelmässigen Absehluss gehabt haben. Dem jet-
zigen Kande der Terrasse folgte einst eine Reihe grosser Qua-
dern aus Piräusstein, von denen eine (H) noch unverrückt in
situ geblieben ist, während mehrere andere in unmittelbarer
378 UNTEBSUCHÜNGEN AM ERECHTHEION
Nähe umherliegen. Diese Steine zeigen sämmllich an ihrer
Obertläche Einlassungen, deren Grösse, nngleichmässige Form
und verschiedene I^age in Bezug auf die erwähnte Anschluss-
spur es verbietet, sie mit einer von dort ausgehendenSchranke
in Verbindung zu bringen.^ Eine solche würde überdies unter
Voraussetzung ihres Ausgangspunktes an jener Stelle um ein
erhebliches Stück vom Rande der Terrasse entfernt sein und
daher zum mindesten nicht mehr als Schulzwehr für densel-
ben gedient haben können. Unter jenen Plinthen aus Piräus-
slein besteht die Abdeckung der gesammten Terrasse durch-
gehends aus sauber gefügten polygonalen Quadern aus dem
natürlichen Gesteine des Felsens der Äkropolis, In dieser Form
geht die Terrasse unter der Korenhalle hindurch, die ganze
Sündfront des Tempels entlang und ist offenbar älter als der
Perikleische Bau des Erechlheion. In ihrer westlichen frei-
liegenden Hälfte schneiden nun die Deckplinlhen der äusser-
slen nördlichen Reihe stufenartig mit einem sauber eingerich-
teten Rande (ß) ab. Da dieser ferner nach Aussen zu keine
Stosskante aufweist, ebenso wenig wie die Oberfläche der
nächsten tieferen (0) Lage, sondern vollkommen glatt und
beendet erscheint, kann die aus den obigen Gründen gefol-
gerte Verbreiterung der Terrasse nicht horizontal sondern nur
treppenförmig gewesen sein. Und in der That vermag ich mir
unter Berücksichtigung aller Umstände keine befriedigendere
Lösung der vorhandenen Schwierigkeiten zu denken, als durch
die Annahme eines treppenförmigen Abschlusses der Ter-
rasse, und zwar in ihrer ganzen Ausdehnung. Zur Unterstüt-
zung derselben braucht man nicht an entfernlere Analogieen
wie etwa die Schalzhäuser-Terrasse zu Olympia zu denken,
bietet uns doch der Bau selber, wie ich glaube, die schla-
gendste Analogie in der grossen Freitreppe an der N. 0. Ecke.
Denn dieselbe bildet weiter nichts als den Abschluss des vor
' Vielieiclit dienten die.se Einlassungen für Fussplinlhen von Statuen, de-
ren Pausanias metirerc auf seiner Wanderung vorn Erechlheion bis zur
Athena Proniachos erwähnt,
UNTERSUCHUNGEN AM ERECHTHKION 379
der Ostfront beleijonen oberen Terrains und seine Verhindnnp^
mit dem vor der Nordfront liegenden tieferen. Nun ist olTen-
bar die Saclilage an der N. 0, Ecke und S. W. Kcke eind
vollkommen gleiche, es mag dalier auch die archilektonischo
Lösnng die gleiche gewesen sein. In beiden Fallen sehen wii'
eine dem Gebäude angelehnte, auf das obere Terrain , und
zwar hart an dessen Hände hinausgeschobene Voihalle, dort
die östliche Proslasis, hier die Korenhalle. Die dreistufige
Krepis der ersteren ist seitlich, und zwar über den Rand dei*
Terrasse liinaus bis zur Ante herumgeführt auf einem beson-
deren vorgelegten Mauerkörper, an welchem die Anschluss-
fläehen für die hinabführenden Treppenstufen wohl erhalten
sind. In gleicher Weise zogen sich, wie oben nachgewiesen,
die Unterstufen der Korenhalle an ihrer Westseite und zwar
verniuthlich ebenfalls bis zur Ante entlang, wir werden uns
deshalb-auch hier, und zwar in der mit modernem Ziegelmauer^
werke zugedeckten Maueilücke unterhalb der S. W. Ecke des
Tempels einen ähnlich gestalteten , mit der Terrasse zusam-
menliängenden Mauerkörper zu denken haben, der die An-
schlussilächen für die Stufen aufnahm. Die Zerstörung jener
Stelle hängt mit dertAnlage eines türkischen Wasseroanals
zusammen, der grade dort in die im westlichen Vorräume
des Tempels eingebaute Cisterne mündete.
Um schliesslich auf die oben öfters erwähnte Ansatzspur am
Podium der Korenhalle zurückzukommen, so möchte auch ich
dieselbe mit einer Schranke in Verbindung bringen, nur müs-
ste dieselbe nicht dem Rande der Terrasse entlang,' sondern
senkrecht dazu und mit Belassung eines Zuganges zur Frei-?
treppe vor der Westseite des Ilallenbaiies, bis zntn Anschlüsse
an die Nordmäuer des von liölticher entdeckten südlicher! Pei<
ribölos gelaufen sein (vgl. die in j)unkl!rLen Linien gegebene
Andeutung auf dem Grundrisse).
Auf dem Kaupertschen Burgpinne springt die Westgränze
jene» Peribolos unweit seiner S. W. Ecke plötzlich ein, um
auf die Ecke der Korenhalle zuzulaufen. Einen Anschluss der-
selben an jener Stelle habe ich nicht bemerken können, viel-
MITTH.D. ARCH.INST.YI. 25
380 UNTERSUCHUNGEN AM EREGHTHEION
mehrwird jenesEinspringen vermieden, wenn mandie Mauer
ungebrochen in grader Richtung neben der Westseite der
Jungfrauen -Halle vorbei führt. Ein besonderer Zugang zur
Freitreppe war hier nöthig, da, wie wir gesehen, der obere
Rand der Terrasse durch grosse Piräuspiinthen eingenommen
und unzugänglich geworden war. Auch scheint es, dass die
unterste Krepis- Stufe der Korenhalle, um einen solchen Zu-
gang nicht zu beengen, an der Westseite nicht in voller Breite
herumgelaufen, sondern nur wenig oder gar nicht vor der
mittleren vorgesprungen war. Für die Klärung dieser ganzen
Angelegenheit wäre ein sorgfältiges Aufräumen und Reinigen
der Ecke der Korenhalle und des Randes der Terrasse, behufs
Beobachtung der dort sich noch vorfindenden technischen
Merkmale, sehr wünschenswerlh.
Weniger Schwierigkeiten als die Reconstruction der West-
seite des Monuments bietet die Behandlung der durch Bölti-
cher's scharfe Kritik arg in Misskredit verfallenen Frage der
unter dem Fussboden der Nordhalle belegenen Felsmale. Der
Fussboden dieser Halle bestellt aus grossen Marmorplatten,
die auf einer Untermauerung aus Piräusstein ruhen und grös-
stentheils noch wohl erhalten sind, bis auf eine Lücke östlich
neben der grossen Thür. Hier aber fehlt diese Untermauerung
nicht nur in der Ausdehnung des kleinen, unzweifelhaft an-
tiken Zuganges aus dem Innern, sondern auch unmittelbar vor
demselben, grade dort, wo sich die gedachten Male im Fel-
sen befinden. Sie ist hier auch niemals vorhanden gewesen.
Dies ergibt sich mit Sicherheit aus der vollkommen unbear-
beiteten, unregelmässigen Obernäche des Felsbodens, während
unmittelbar daneben, da wo durch einen türkischen Einbruch
die Piräusquadern herausgerissen sind, sich der Boden zur
Aufnahme derselben sorgfältig geglättet zeigt; ferner aus dem
Fehlen der sonst überall ausgearbeiteten Anschlussflächen an
den umliegenden Fundamentsteinen. Da, wo die Untermaue-
rung fehlte, musste auch der Marmorbelag des Fussbodens
fehlen, und in derThat enthält derselbe die unzweideutigsten
Merkmale für das Vorhandensein einer auch schon von Telaz
UNTERSUCHUNGEN AM EREGHTHEION 381
beobachteten, aber nicht näher beojründeten Lücke im Stereo-
bäte. Es niiiss nämlich auffallen, dass inmitten der übrigem
grossen Üeckphilten offenbar mit Vorbedacht zwei kleijiere
eingeschoben sind , und zwar direct über jenen Felsmalen.
Die eine derselben ist an ihrer freiliegenden vcrlicalen Fläche
nicht mehr unversehrt erhalten, die andere hingegen (/) zeigt
dort nicht die characlerislischen Stosskanten, sondern ist im
Gegentheile an dieser Stelle glatt abgearbeitet. Ebensowenig
besitzt die gegenüberliegende Deckplinthe(Ä) über dem Gange*
ins Innere an ihrer nördlichen Stosslläche iri'endeine An-
Schlussspur. Ist nun hiermit das Vorhandensein einer c.
P'^Sl im Ouadrat fassenden Oeffnung im Stereobate erwiesen,
so w ird man die Beziehung derselben zu der darunter befind-
lichen, von Innen zugänglichen Localilät nicht bezweifeln,
und gewinnt die Frage nach der Identität der Felsenrisse mit
dem Male des Poseidon allerdings eine Bedeutung. Ferner
wird das Vorhandensein dieser für heilig gehaltenen Localilät
und der Standort des ßo>[;.6; toO OuvjpO innerhalb der nörd-
lichen Prostasis ihre über das Mass einer gewöhnlichen Vor-
halle hinausgehende Ausdehnung nach der Tiefe erklären.
Durch die grosse Prachtthür, von der die Halle ihren Na-
men 7:p6<yT!X'jt5 Tifö? Tou 9upo>{jt.3CTo; erhalten , betreten wir das
Innere des Tempels. Die Erforschung desselben hat von jeher
die grössten Schwierigkeiten bereifet, so dass eigentlich Nie-
mand ausserTetaz eine durchgeführte Beconstruction veröirent-
lieht hat. Die beslihimtesten Angaben über eine solche gibt
Bötticher und seine Ansichten haben seitdem, namentlich bei
deutschen Gelehrten, eine Alleinherrschaft ausgeübt, der neuer-
dings nur Julius in einigen Punkten entgegengetreten ist. Den
Kernpunkt seiner Beconstruction, die Zweistöckigkeit des In-
nern, behandelt er am Kürzesten und führt als positiven Be-
weis Ansatzspuren einer Zwischendecke an, die von der Schei-
dewand des westlichen Raumes bis zur östlichen Querwand
zweifellos in der Consiruction der Wandplinlhen erhallen
* Man vergleiclie hierzu die Ausführungen von Julius a. a. 0. S. 24-25,
382 UNTERSUCHUNGEN AM EREGHTHEION
wären. Demgegenüber muss ich mit derselben Bestimmt-
heit wie Julius und unter Berufung auf das IJrllieil mei-
ner technischen Collegen aus Olympia, Herrn Dörpfeld und
Graeber, * versichern, dass an der von ßötticher gemeinten
Stelle, oberhalb der kleinen Fenster, von solchen Ansatzspu-
ren nichts zu bemerken ist. Es müssten für dieselbe doch
irgend ein Auflager und ausgearbeitete Stosskanten , wie sie
sich sonst überall am Baue finden, oder unter Voraussetzung
einer Holzdecke Löcher zum Einbinden der Balken vorhanden
sein. V^on alle dem ist aber nichts zu entdecken ; überdies
kann die hetretTende Plinlhenschicht zum grössten Theile gar
nicht mehr als beweiskraftig herangezogen werden, da sie
ihren Platz dem Wiederaufbaue durch Pittakis verdankt.
Eine weitere Consequenz der zweistöckigen Anlage Bötti-
chers wäre die Anordnung zweier innerer Stützenreihen mit
den dazu erforderlichen Stereobaten, parallel zu den Aussen-
wänden und in Richtung der jetzigen christlichen Seitenschiffs-
mauern. Man wird sich eingestehen, dass hier Bölticher's
Annahme, wonach die antiken Fundamente durch die Chri-
sten, die ihre Wuth gegen den ganzen unheiligen Raum rich-
teten, zerstört wären, ehe der Umbau zur christlichen Kirche
begann, wenig wahrscheinlich ist, und zwar um dessen tvvillen
weil ein solches Verfahren der genugsam bekannten Praxis
derselben in derartigen Fällen durchaus widerstreitet und
auch der leidenschafllichsle Fanalismus schwerlich eine Mauer
zerstören wird, wo sie benutzbar war. Zudem habe ich von
einer Zerstörung des Felsbodens, die sich sogar auf die V^er-
nichtung der einstigen antiken Bettungen für die Fundamente
erstreckt haben müsste, nichts wahrnehmen können. Der Fels
zeigt seine natürliche unebene Beschaffenheit und ist keines-
wegs gewaltsam ausgetieft worden, da die Flöhenlage seiner
Oberfläche im Innern, wie auch die Längsschnitte der npiJc/CTDca:
' Das sactiverständige Urtlieil der beiden genannten Herren liat mich in
der Unlersucliung dieser wie anderer Punlcle wesentlich unterstützt und zu
grossem Danke verspflichtet.
UNTEBSÜGIIUNGEN AM EnECHTÜEION 388
zeigen, mit der im Aeusseni vor der Westfront übereinstimmt.
Es fehlt somit, da von der antiken Gründling' keine Spur
melir vorhanden ist, auch an jedem Beweise für deren ein-
stif^e Existenz und damit an einer für Zwischendecken nolli-
wendigen mittleren llntersdil/ung.
Mit noch grosserer Reslimmlheitals für den mittleren Raum
muss für die östliche Cflla die Zweislöckigkeit zurückgewie-
sen w(M-den. Während nämlich die unteren Quaderlagen der
Südwand innerhalb des ersteren mit Rucksicht auf dessen
Ticflrigv öämmtlich aus Marmor bestehen mit der charakteri-
stischen hohen Piinthenschicht unmittelbar über dem Fus8-
boden, findet sich von der Östlichen Querwand ab der Marmor
erst in der Höhe, wo er für den Aussenbau nölhig wird. Da-
gegen bestehen flie unteren Schichten durchgclicnds aus Pi-
räusslein.* Schon dieser Umstand spricht deuüich genug ge-
gen Annahme eines unteren Raumes entlang der Wand und in
gleicher Fussbodenliöhe mit dem mittleren, da man nicht be-
greift, warum das sonst überall nur in den Fundamenten
auftretende gröbere Material hier plötzlich statt des Marmor's
verwendet sein sollte. Wichtiger noch für die Entscheidung
der Angelegenheit ist aber die Bearbeitung jener unleren Steine.
Es sind nämlich die Pii'äiisquadern nicht einmal flnchtrecht
mit den darüberbefindlichen Martnorplinthen bearbeitet, sie
springen vielmehr, wie man sich aus den Querschnitten der
lIpx/tTt/to^ und bei Michaelis Paws. descrpt. arc. Athen, cd. Jahn
i880 überzeugen kann , erheblich ins Innere hinein und zei-
^(tn überdies an ihren sichtbaren Aussenseiten noch dieSloss-
kanten für den Anschluss an ihre ehemaligen , durch den
christlichen umbau herausgerissenen Nachbarsteine. Ganz
dasselbe findet sich an den noch in situ liei,^enden ^'räus-
quadei-n im Winkel der Nord-nnd Ostwand. Auch diese Jia-
ben an ihren freiliegenden Flächen Stosskanteu zum Beweise
einer wenigstens theil weisen, die Existenz von kellerartigm
' An der Nordwand geht nwt Rücksicht auf das Aeussere der Marmor in
gleicher Tiefe durch.
384 UNTERSUCHUNGEN AM EHEGHTHEION
Räumen längst der Anssenwände aber unbedingt ausscblies-
senden Unlermauerung des Ostgemaches.
Aus den erwähnten unzweideutigen technischen Indicien
leuchtet ein, dass für die Böttichersche Annahme einer Zw^ei-
stöckigkeit des Innern nichts anderes mehr angeführt werden
kann, als das Vorhandensein der bekannten Fensterschlitze
der Nord- und Südwand. Allein wie Julius richtig bemerkt,
ist seine Schlussfolge, dass, wo Souterrain-Fenster sind, auch
ein Souterrain dahinter vorhanden sein müsse, doch nur dann
bindend, wenn wirklich jene Fenster Souterrain-Fenster wä-
ren. Dies erscheint nach den obigen Ausführungen nicht mehr
statthaft, und man muss sich überhaupt Rechenschaft darüber
£]!;eben, ob denn der antike Ursprung jener Fenster thatsäch-
lich unanfechtbar ist. Gegen das mit grosser Sicherheit vor-
gebrachte Hauptargument wenigstens, dass ein nachträgliches
Einarbeiten derselben unmöglich sei, muss ich entschieden
Verwahrung einlesfcn , da ich nicht einzusehen vermas , wa-
rum solche in der Mitte eines Steines befindliche Oeffnungen
hiebt ebenso gut nach wie vor dem Versetzen der Plinthen in
die Wand ausgearbeitet werden konnten. Man dürfte sich fer-
ner fragen, ob nicht der antike Steinmetz der bequemern Aus-
führung zu Liebe die Fenster jedesmal an eine Fuge gebracht
haben würde, während für den späteren kein Vortheil daraus
erwachsen wäre. Was die Arbeit anlangt, so scheinen mir
namentlich die rauh belassenen Laibungen im Innern, die nur
an der Aussenseite einen schmalen glatten Rand zeigen, we-
nig mit der Sorgfalt antiker Technik übereinzustimmen. Auch
erregt ihre Anordnuns; Bedenken, insofern die Fenster an der
Süd- und Nordwand keineswegs genau einander gegenüber
liegen, vielmehr nicht unerheblich in ihrer Lage differiren.
Die Berufung ferner auf ähnliche Schlitze an anderen antiken
Gebäuden, beispielsweise der Altalos-Stoa und dem Concor-
dien-Tempel in Agrigent, beweist für unsern Fall gar niclits,
da man sich im andern Falle auf noch weit mehr ähnliche
Lichtöffnungen in byzantinischen Kir<,'hen stützen kann. Ich
kann mich daher nach alledem nicht daNon überzeugen, dass
UNTERSUCHUNGEN AM ERECIITHEION 385
jene Fenster antik sein müssen^ sondern halte sie für später
eingearbeitet, zur Beleuchtunji; clor unter den Emporen der
byzantinischen Kirche befindlichen Seitengänge.
Die Bedeutung des doppelsinnigen ^ix^ouv ydp etti t^ ohr.^x
in der Beschreibung des Tansanias, auf das vielleicht in letz-
ter Instanz die Vermuthung einer zweigeschossigen Anlage
zurückzuführen ist, haben schon Thiersch im Anhangeseiner
Epicrisis der neuesten Untersuchungen d, Erechtheion (Abb.
d. k. bavr. Ak. d. W. I Cl. VIII. H. Ablhig. ) und Schubart
(Philolog. XV^ S. 30i) auf zwei neben- nicht übereinander
geordnete Räume gedeutet. Es darf ferner nicht übersehen
^verden, dass sich auch unter den technischen Delailangaben
der Bauurkunde nirgends eine bestimmte, auf ein Doppel-
geschoss bezügliche Andeutung findet. Es \\ird dort mehrfach
hölzerner Kalymmatiendecken gedacht, niemals aber einer
steinernen Zwischendecke , ferner einer ebenfalls hölzernen
Treppe, die zu einer, auch aus anderen Gründen wahrschein-
lichen inneren Verbinduni; zwischen dem östlichen und mitt-
leren Baume gedient haben mag.
Schliesslich wird schon eine unbefangene Betrachtung
sich schwerlich mit der ungemein künstlichen, ineinanderge-
schachtelten Anordnung des Querschnittes, wie ihn Bötticher
und ähnlich Michaelis annehmen, befreunden. Der letztere
vermuthet sogar eine Theilung des westlichen Vorraumes
durch eine Zwischendecke mit Rücksicht auf die oberhalb der
Thür zur Korenhalle befindliche Nische, und beruft sich hier-
für unter anderem auf eine horizonlale Slosskante am Boden
derselben. Allein diese letztere, die sich in Verbindung mit
einer schmalen verticalen Stossfläche nur in der Breite jener
Nische, nicht aber fortgesetzt bis zur westlichen Scheidewand
vorfindet, ist nur für den Anschluss einer vermuthlich pro-
filirten und etwas vorspringenden Schwelle der Nische be-
rechnet. Ganz absjesehen aber hiervon und von dem Fehlen
jeder Anschlussspur an der Nord wand wäre eine Unterbre-
chung der Pilaster-Arcliitectur an der Innenseite der West-
wand nicht denkbar. Es können doch unmöglich die Basen
386 UNTERSUCHUNGEN AM ERECHTHEION
der Pilaster im unteren, ihre Capitelle \m oberen Raumeeicht'
bar gewesen sein.
Was nun jene in der S. W. Ecke befindliche, in dieser
Anordnung auch mir räthselhafte xNische anlangt, so lässt
sich für dieselbe nirgends ein Zugang, wohl aber nachweisen,
dass sie von Aussen direct beleuchtet war. Betrachtet man
nämlich, die auf der Tafel beigegebene per&pectivische Skizze
der S. W. Ecke, so bemerkt man, dass die Nische nicht nur
in die Südwand sondern auch in die Innenseite der Ante der
Westwand einschneidet. Ihr durch die bereits besprochene
Stosskante kenntlich gemachter Fussboden lag in gleicher
Höhe mit der Oberkante des Brüstung^ -Mauerwerkes der
Metakionien der West- Wand. Oberhalb dieser letzteren kann
aber das südliche Intercolumnium nicht zugemauert gewesen
sein * wie das entsprechende nördliche, oder auch nur wie die
mit Fenstern versehenen 3 mittleren, es muss vifelmehr offen
geblieben sein. Dies geht mit Sicherheit aus dem Umstände
hervor, dass das Profil des Antencapitell's im Innern herumge-
führt ist, und dass ferner die Innenfläche der Ante nirgends
die charakteristischen Anchlussflächen für eine solche Auf-
mauerung aufweist, sondern vollkommen geglättet ist. Das
AntenproJil anlaugend, so ist dasselbe in der Ecke noch wohl
erhalten, dann folgt ein offenbar später abgeschlagenes Stück,
bis schliesslich kurz vor der Aussenkante das Profil grade
absetzt, und ein glatter Rand sich zeigt, dem in den unteren
Schichten Befestigungslöcher, wahrscheinlich für einen Gitter-
Verschluss entsprechen. Eine unzweideutige Bestätigung er-
hält ferner diese aus technischen Indicien abgeleitete Beweis-
führung durch eine Stelle der Bauurkunde, die ausdrücklich
4 Oeffnungen voraussetzt, und nur auf die West- Wand bezogen
werden kann : ^txcppa^xvTi t« [jt,ST(X>4t6vioc xeTrapz owzx rk rpo;
ToO n«v^poaeiou.
* In einer mir erst kürzlich zu Händen gekommenen, von Dr. H. Schlie-
mann in's Deutsche üherlrageucn Abhandlnng Fergussons ober das Erech-
theion lese ich, dass bereits dieser P'urscher die tJniriö'j;liohkcil di>r Zuuiauc-
rung des südlichen Intcrcoiumniums erkannL hal.
UNTERSUCHUNGEN AM EREGIITHEIÜN 387
Diese von Sluarls Reconslrucljon der Weslwand abwei-
chende Annahme liat aber zur weiteren Folge eine auffällige
Disharmonie zwisclien dem oberhalb der Brüstungganz ofTenen
südlichen Metakionion und der Fensler -Archilectiir der drei
mittleren, und legt die Frage nahe, oh wir in der letzteren
auch wirklich die ursprüngliche Anordnung zu erkennen ha-
ben. Ausser Stande, die Frage zur Entscheidung zu bringen,
da es mir leider nicht mehr möglich war, dieselbe an Ort
und Stelle bis in alle Consequenzen zu untersuchen, gebe ich
hier nur folgendes zu bedenken.
Sowohl Stuart als Inwood, die beide die westliche Wand
noch aufrecht erblickt, geben in ihren, den damaligen ti^rhal-
tungszustand darstellenden Zeichnungen das südliche Inler-
columnium im Gegensatze zu dem mit regelmässigen Qua-
dern geschlossenen nördlichen als offen wieder. Das Metakio-
nien-Mauerwerk greift in Falze ein, die an den Halbsäulen
angoarbeitet sind. Dieselben erscheinen in ihrem jetzigen Zu-
stande ü;rö.sslenLheils roll und unref^elmässi» ausschauen und
in dieser Art sicherlich nicht antik. Nur an einzelnen Stellen
finden sich saubere, mit glatten Schlussrandern ausgearbei-
tete Falze, so beispielsweise auf dem noch siehenden Säulen-
stumpfe der Weslwand und einer jetzt im westlichen Vor-
räume des Innern liegenden Trommel, wo, wie mir Herr Dr,
Lolling in Athen mitlbeilt, ^ die Einarbeitung in der unteren
Hälfte roh, in der oberen dagegen sorgfältig und etwas weni-
ger tief erscheint. Diese Verschiedenheit in der Arbeit nun
führt zu der Vermuthung einer Veränderung innerhalb der
Metakionien. Dieselben mochten einst sämmlich von der Brü
stung bis zur Unterkante des Archilravs nicht vermauert son-
dern , wie die Bauurkunde angiebt, durch Gitterwerk ge-
schlossen gewesen sein (5ia(ppx^scvTi xa (xst«xi6vi«. ...,...),
bis man später, mit dem Lmbaue des Tempels zu einer christ-
' Derselbe halte die Freundliehkcit auf meine Bitte melirere der liier he-
rührleu Punkte nothinals an Ort und Stelle zu untersuchen, wofür ich ihm
grosseu Dank schulde.
388 UNTERSUCHUNGEN AM EREGHTHEION
liehen Kirelie, die einem anderen antiken Bauwerke ent-
nommenen Fensler einfügte und zu diesem Behufe, soweit es
nöthig war, die Falze der Halbsaulen etwas erweiterte. In der
Tliat passen die Fenster nur knapp in die Intercolumnien hin-
ein, da, wie aus Stuarts und Inwood's Detail-Zeichnungen
hervorgeht, die Profile der unteren breiten Enden der Gewände
hart an die Säulen stossen und soü;ar theilweise die innern
Canneluren derselben verdecken, Unschönheiten, die man eher
einem vorhandenes Material l)enulzenden Umbaue als dem
ursprünglichen Entwürfe zur Last legen möchte. Mit welchem
Geschicke übrigens von den Christen antike Werkstücke wie-
derverwendet wurden, beweist der Umstand, dass man lange
Zeit die jetzt weggebrochenen Antepagmente der drei in das
Kirchenschiff führenden Thüren für antik gehalten hatte, bis
der Fund von Inschriften an den Unterflächen sie als spät er-
wies. Auch ist die noch stehende innere Wandung der grossen
Thür der Nordhalle eine nur dem kritischen Blicke auffallende
byzantinische Zuthat, und als solche geeignet, uns von der
keineswegs geringen technischen Sorgfalt in den christlichen
Umbauten einen Begriff zu geben. Zur Beseitigung aller Zwei-
fel wäre eine sor^fältio-e technische Untersuchuno; sämmtlicher
noch vorhandenen Architecturtheile der Westwand dringend
erwünscht.
Am Schlüsse unserer kritischen Wanderung durch den Bau
muss noch einer bisher nicht bemerkten Eigenthümliclikeit
des Anschlusses der westlichen Scheidewand des innern an
die Nord wand gedacht werden. Es zeigt nämlich die Be-
trachtung des beigegebenen, mit allen technischen Details
versehenen Holzschnittes, dass die oberen Plinthen der Schei-
dewand in voller Stärke in die Nordwand einbinden und
theilweise noch aus derselben herausra^en. Unterhalb der-
selben, d. h. mit der lOten Schicht von unten gerechnet, be-
merkt man nur in der rechten Hälfte der Wandbreite die ab-
gemeisselten, aber noch an der Rauhigkeit erkennbaren Spu-
ren der antiken Binder, während die linke Hälfte geglättet ist,
dazu noeli zwei zwar weggehauene aber öicht geebnete Bossen
UNTEnSUClIUNGEN AM liüEGHTmaON
389
aufweist. Daraus geht hervor, dass bis zu der ang(;gehenen
Hölie die antike Wand nur in halljor Slärke durchi<e<^ani'en
ist. In chrislIicherZeit wardie ganze
'^('^- ^^^tfl^^^'I^T^ii^^^i Anschlussslelle bedeckt, und rühren
jLi^£ii>£jt_-.-j:y;^-i^i::Ii^ . aus jener Zeil auch die beiden ein-
selben Ergebnisse führen die Beo-
bachtungen der gegenüberliegenden
südlichenAnschiusssk'ile jonerQuer-
wand, i'ber ihre snnstiije architek-
Ionische Gestaltung lässt sich nichts
o
bestimmtes sagen, so lange ihre noch
erhaltene ScliAvelle derart mit Hau-
trümmern verdeckt ist, dass eine Ln-
tersuchuno; der darauf befind liehen
technischen Indicien unmöglich ist.
Nur darf man mit Rücksicht auf die
besprochene eigenthümliche Bil-
dungihrerun leren IJälfle behaupten,
dass die westliche Scheidevsand
oberhalb derselben nicht durch eine
der Innerarchitektur der Weslwand
entsprechende Slützenslellung gegliedert war, vielmehr von
der bezeichneten Schicht an ungctheill durchgegangen ist.
Fassen wir nun mit Übergebung aller Einzelheiten die für
die Eintheilung des Innern des Tempels gewonnenen Haupt-
resultate zusammen, so haben \vir zunächst ein auf das Nivaeu
des davor liegenden Terrains künstlich empor gehobenes
Ostgemach, hierauf einen unmittelbar über dem natürlichen
Felsgrunde liegenden, sowohl der Höhe wie Breite nach un-
getheilfen Mittelrautn und schliesslich einen schmalen west-
lichen \rorraum, der direct mit dem Pandroseion, der Koren-
halle und iXordhallc in Yerbiudiinü; tritt und von Michaelis
gewiss mit Recht mit dem in der Bauurkunde erwähnten
7rpo7TO[j.txiov idenlilifirt ist. Wie steht es nun mit der Be-
stimmung und Benenming der beiden Haupträume des Tem-
•■'^^/*JÄ«Ä^V<**'
890 UNTERSUCHUNGEN AM EREGHTHEION
pels? War das Cnltbild der Athena im östlichen oder im min-
ieren llaume aufgestellt? Am nachdriicklichslen ist neuer-
dings iMicliaelis für die Ostcelja als Polias-Ffeiliffthum ein-
getreten, NvUlirend Fergusson dassell^e in die westlielie Hälfte
des Tempels vertegt. Zwar bin ich nicht in der Lage, neues
Material in dieser Frage beizubringen, will aber doch im
Folgenden meine mit Michaelis übereinstimmende Ansicht
näher be«j;t'ünden, VVennirleich mir seine von der Stellung des
aeva; ß(0{Ao; vor der Oslfront ausgehende ßevNeisführung nicht
zwingend ercheint, — da man von vorneherein nicht weiss,
ob derselbe statt des Altars der Polias nicht vielleicht der
von Pausanias vor seinem Eintritte in den Tempel ei'wähnte
Altar desZsv; ÖT:xTO(;sein könnte — so behalten doch seine Aus-
führungen über die bevorzugte Lage derOsIceila ihre Bedeu-
tung, namentlich wenn man sich erinnert, dass, während die
übrigen Räume augenscheinlich wegen des engen Zusammen-
hanges mit der betreffenden Localilät und den vom Boden
unzertrennlichen Malen, dem Salzquell des Poseidon, der
eXzix 7rxy/.u(po; , dem Grabe des Eiichlhonios, in der Tiefe
liegen, allein die Ostcella auf das Niveau des oberen ßurg-
plateaus gebracht war und sich durch ihre Lage, durch die
ihre volle Breite einnehmende Vorhalle schon äusserlich als
das jedenfalls der Hauptgottheit gehörige eigentliche Tempel-
gemach charakterisirt.
Zu einem weiteren Argumente gelangt man auf Umwegen,
durch folgenden auch von Michaelis, freilich in anderem Sinne
herangezogenen Passus der ßauurkunde :
1 Tviv )4py)7rr'5z ey •/tu/.Xu) xzocnx'i xicara^s<7Tov
2 ToO TOi^ou svro? a;}cxT3C^s«5Tx
3 ToO y(oY)YuXoy 'XiOo-j xerpxTCo^ix; Pili
4 TOO ev TW 7rpo'7Toaixi[co] TSTpxTuoSiz; All
0 T'^; TTXpXTTX^O; TSTpXTTOr^ix; l[ll]
^) ToO TTpo; TxyxXf;.xTo; TSxpxTco^ix; [A]l.
Die Entscheidung liegt hier in der Erklärung der in den
Zeilen i und 5 gegebenen Bezeichnungen.
Mildem Ausd rucke (^Tuxcxvx/cxTx^s'JTov scliliesstdie Anajabe
UNTERSUCHUNGE:N am KnROHTIlRlON 391
der für die Aiissenwiindc noch restirenden Arbeitoii und foli^t,
ofYenbar der Kcilic nach von Westen beginnend, die Aiif-
ztthlujiij; des an den inneren Wanden noch Felilenden, und
zwar zunäclist mit IJbergehimg von Zeile »IItoO ev Trörpo'iTo-
(jLiÄio sc. Toi-^o'j ^ d. h der Sclieidi'.\va:id zwischen dem niilt-
leren und nesllicheii llaiim.'. Zu -rZi Trzpz'VTx^o;.! Zeile 5) ist
nichts zu ergänzen, und nur von i^'ei'ingen Glaltungsarbei-
ten an derselben die Kede. Dage'.gen iiuiss zu toO :rpo; xxyx'k-
[jLZTog nothweiidiger Weise wieder -roi/^o; hinzugedacht wer-
den und kann nur die angesiciils iles Bildes belindliche d. h.
diesem gegenübeidiegeude Wand^ gemeint sein. Vergegen-
wärtigen wir uns nun die verschiedenen Mögliclikeilen der
Aufstellung und Orientirung des Bildes^ so könnte es zunächst
im mittleren Baume, mit dem Blicke nach Osten gestanden
feaben; allein eine solche Stellung angesichts einer hohen ge-
schlossenen Wand mit dem Rücken gegen den l^ingang verbie-
tet sich wohl von selbst. Ebenso erscheint die uiniickehrle
Aufstellung, mit dem Gesichte nach Westen, abgesehen von
der ünwahrscheinlichkeit einer derartigen Orientirung bei
einem Cultbilde, nnstatlhaft um dessentwillen , da dann mit
der Mauer zpö; T«y;cX[xxTo; zum zweiten Male die bereits er-
ledigte westliche Scheidemauer aufgezählt wäre. Sf)nach
bliebe als dritte Möglichkeit nur die Stellung vorder Oslseite
der folgenden Scheidewand, mithin in der Ostcella übrig.
Mit der dem Bilde gegenüberliegenden wäre dann die östliche
äussere Wand gemeint, was nichts befremdliches hat, wenn
man bedenkt, dass sie eigentlich mehr Innen-wie Aussenwand
ist, indem ja sämmtliche charakteristischen Theile des Aus-
senbaues, als EpistyliaGeisa, sowie die dreistufige Krepis sich
um die vor ihr liegende Halle herumziehen.
' Denn •j'OYP^^'' ^■"o-' 2*^ ergi'lnzou ist mit Rücksicht auf das Folgende
niclit statlliaft.
* Diese Bedeutung von -00; c. genet. entspricht durchaus dem in der Bau«
Urkunde so häuligen Spraehgohrauche in Ortsbestimmungen wie toT/o; r.pui
toj ßt.j;jioj , ToT/o; T.f^ö; toj Ilavopoaeioj u. a. und ist mir Von Herrn Prof.
Kirchhotr bestätigt worden. Auch Thiersch in seiner Epicrisis erklärt es so.
39? UNTERSUCHUNGEN AM EREGHTHEION
Ein weiteres Eingehen auf rein topographische Fragen und
die aus der Beschreibung des Pausanias sich ergebenden
Schwierigkeiten würde die Grenzen dieses Aufsatzes über-
schreiten. Zweck desselben war in erster Linie die Mitlheihing
der Ergebnisse von speciell technischen Untersuchungen am
Erechtheion , deren Lücken ich mir nicht verhehle und die
ich nur mildem Wunsche schliessen kann , dass sie recht
bald der Anlass zu weiteren, prüfenden und ergänzenden Stu-
dien an Ort und Stelle sein möchten. Denn nur dort, unter
steter Controlle der Wirklichkeit, durch die Möglichkeit, jede
Einzelheil unter den verschiedensten Gesichtspunkten und auf
die verschiedensten Vermuthungen hin zu untersuchen, vor
allem aber durch fortgesetztes Aufgraben und Reinigen des
Innern und der Umgebung des Tempels darf man auf eine
Lösung der vielen noch vorhamlenen Schwierigkeiten und
Käthsel rechnen.
R. BORRMANN.
Berlin im Deceraber 188K
Fragmente aus den Icgealisclieii Giehelgruppen
des Skopas.
(Hierzu Taf. XIV und XV.)
1.
Pausanias VIII 45, 4-7 reyeocTxi; 5e 'AOyivä; t-^? 'A-
Xea; tö ispov tö ap^scTov eiroi'/iorsv "A^eo;* XP'^^V ös uiTspov nzre*
cjceuxTavTO oi TeyexTzi t'^ Occu vxov [Aeyxv ts xal öez; (z!;iov.
ejteTvo [xev 5yi TcOp rj^xviTev eTCivsjx'/jOev e^xi^vvi; , AiopscvTou zzp'
'A6y)vziot5 dcpj^ovTo;, ^surepü) fU etet ttj; e/tTvi; -axi Evevvix,0TT-?3;
'OXu[A7:ix^o? (Ol. 90,2 = 395 V. Chr.), yiv Eu7:67.£{xo; 'H>eio; svUx
CTz^iov. *0 §£ vxo; 6 so' -/laGv zoT^u öio ti tcüv vztiv , ötoi IlsXo-
Tcovv/iTio'.; ei7iv, e; y.xTXT/<.£uyiv 7:poe;(^et tyiv (x».yiv xxl s; (xeyeOo;.
6 (j(.ev S'/j TrpüJTo; ecTiv xutw vco'jjxo; töv x,iövu)v A(i>p'.o;, 6 oi iz\
T0UT<j) KopivOio;* kn-:ri/.xat. ^e x,xl evTo; * tou vxoO Kiove; epyxcix?
* Die Aenderung des Überlieferlen ektö; in svto;, das schon Klenze (Apho-
rist. Bcmcrkuiigon S. 657) und Ciark {Peloponnnus S. 152) vorgcsclilagen,
Schuhait in seiner Übersetzung des Pausanias gebilligt halte, hallen auch
diejenigen Architekten, welche die tcgealischenTempelreste zuletzt untersucht
haben, Dorpfeld und Bürrraaun, für den wahrscheinlichsten Ausweg, um mit
der Säulenordnung des Heiligtums zurecht zu kommen. Seit es durch die
von Milchhöfer geleiteten Ausgrabungen des Deutschen Institutes feststeht,
dass der äussere öäulcnumgang dorisch gewesen, ist es nicht mehr Ihunlich,
den Periegelen seine Beschreibung, wie früher die meisten wollten, mit den
Innensäulen des Tempels beginnen zu lassen. Und auch das ist völlig un-
möglich,was neuerdings Milchhöfer (Millheil.V S.63) vorgeschlagen, anzuneh-
men, dass Pausanias mit den jonischen Säulen, die ausserhalb des Tempels
stehen, die Säulen eines anderen Gebäudes, etwa eines Propylaions oder
dergl. gemeint habe. Denn ^ der JPerieget mit dem folgenden Satz in der
Beschreibung des Tempels fortfährt, so hätte er jene Abschweifung auf ein
anderes Gebäude doob ausdrücklich als solche kennzeichnen müssen, wenn
er überhaupt verstanden seia wollte.
394 DIE TEGEATISGHEN GIEBELGRÜPPEN
Tf}? Ttovojv. 'Äpj^tTS/.Tovjc §s eTuvOav(5|y.viv 2-<t(5TCXv autou ys^'s-
(jOxi Tov rixpiov, o; KZI (zyaT^piocTa tco>.>.xj(^ou t*^? ap^ratx; 'EX);z5o;,
Ta Ss Kxl Tceol 'Icovixv ts /.al Kxpixv eTrotviTe. ik 5s ev toi; as-
Tot? , e^Tiv ept-TrpocOev ig övipx toO 66; toO KxXuocovio'j*
7re7TOiY,p.evou 5s /Cztk [xstov [xxXiTT« ToQ 66; tyj [asv S(Ttiv 'Atä-
XavTY) y.xX Ms'Xsocypo? x-xlöviasu; Ts'Xaty.eav ts /.acl 0*/)-
■Xeu; y.xl llo'Xu^Bux.-fl; /.xi MöXoto; , 8^ toc TrXstTTx 'Hpxx,"XeT
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X.OU 7re5vt{> p-s^X'^
Dass Heste von diesen Giehelgruppen der tegeatischen
Athena Alea sich in dem kleinen Musemn des Dorfes Piali
bei Tripolilza befänden, habe ich, zum Theil nach dem Vor-
gange von Kavadias, Dörpfeld und Adler, in der ArchäoL
Zeitung von 1880 S. 98 ff. zu erweisen gesucht. Näheres fin-
det sich in dem angeführten Aulsatze und der Entgegnung
Milchhöfers, ebenda S. 190 f._, der die betreffenden Stücke
früher verkannte (Mitlh. V S. 133 f.), nun aber die Richtig-
keit jener Schlussfolgerungen zugegeben und einzelne Nach-
träge geliefert hat.
Von diesen Fragmenten liegen jetzt Skizzen von der Hand
Hrn. Giliierons vor, die C. L. Becker auf Taf. XiV und XV
in genauem Fücsimile wiedergegeben hat.
Es sind die folgenden Stücke, welche sämmtlich (vermut-
lich auch D) aus einem Marmor gearbeitet sind, der b^i
Üolianä, in unmittelharer Nähe von Piali, also des alten Te-
gea, bricht.
i4 Taf. XIV: lebensgrosser Jünglingskopf in zwei Ansich-
ten (Yader wirkl. Grösse H. 0,20'"). Die Scheiteltheile des
Schädels sind abgemeisselt; Haar und Ohr an der rechten
DIE TEGRATISCHEN GIEBELGRUPPEN
395
Seite des Kopfns nur aus dem rolien gehauen : er erschien
also ursprünglich im Giebel mit dem Profil nach links ge-
wandt, wie ihn die Seilenansicht unserer Tafel giebt. Stark
Verstössen und mit Sint-jr oder Mörtel bedeckt.
ß Taf. XV rechts und links: die zwei Hälften eines mit-
tendurch gespaltenen, aufwärts blickenden, behelmten
Jünglingskopfes in */3d. wirkl. Grösse ( H. 0,25). Links
die roh gelassene, der Giebelwand zugekehrte Hälfte: der
Kopf war also ebenso wie A nach links gewandt. Er soll nach
Milchhöfcr (Arch. Ztg. 1880 S. 190)' gleichffills eine Ab-
plattuuü: des Scheitels zeigen. Die linke, vollsländiii: aus^^ear-
beitete Kopfseite befindet sich noch nicht wie die sämmtlichen
übrigen Stücke im Museum der Dimarchie von Piali, sondern
ist über der Hausthür des Besitzers, Joännis Kotzaridis, ein-
gemauert. Das Frai^ment hat daher nur flüchtiü: skizzirt wer-
den k()nnen. Es ist dies um so mehr zu bedauern, als die
Arbeit an diesem Kopfe besonders herrlich und die Epidermis
der erhaltenen Teile besser conservirt ist als bei .4.
C Taf. XV Mitte: Fragment eines Eberkopfes, in ^/gd.
wirkl. Grösse, also in kleinerem Maasstabe gezeichnet als die
beiden Jünglingsköpfe .4 und B (H. 0,30; Br. 0,43). Über
die Arbelt der rechten Kopfseite und zwei blei vergossene
Bohrlöcher an der rechten Seite des Maules siehe weiter un-
ten. An2;esichts derSkiz-
ze wird es einer Wieder-
holung der Gründe dafür
nicht bedürfen, dass das
Fragmcntfur einen Eber-
kopf zu halten sei, und
nicht, wie Milchhöfer
früher wollte , für ein
Stierhaupt.
D Knieendes rechtes
Bein: Dies Fragment
ist erst von Herrn Gillie-
ron den vorstehenden an-
MITTU.D. ARCH. INST. VI. 26
396 DIE TEGEATISGHEN GIEBELGRUPPEN
gereiht worden, und z\Yar offenbcar mit Recht. Denn die Weise,
wie das Schienbein in der Plinlhe versinkt, weist deutlich auf
die Raumnot der knieenden Gestalten in den Giebelecken und
auf eine liohe Aufstellung hin, in der dieser Fehler durch die
vortretende Giebelsima verdeckt wurde. Auch die lebensgrossen
Maasse (Länge 0,10) stimmen zu den Proportionen der Köpfe.
Weitere Angaben über Aufbewahrungs — und Fundort, Material
(vermutlich ebenfalls Marmor von Doliana) und Art der Be-
arbeitung fehlen. Doch scheint aus der Skizze hervorzugehen,
dasä die Gestalt, welcher das Bein angehörte, im Profil nach
links kniete.
Hierzu kommen die nachstehenden Stücke, deren Zugehö-
rigkeit zü den tegeatischen Giebelgruppen noch zweifelhaft
ist :
e Ein dritter, seitdem verschollener Kopf von gleichen^
Stilcharakter wie A und B, dessen sich Professor W. Gurlitt
nach Milchhöfer Arch. Ztg. 1880 S. 190 von einer früheren
Reise her erinnerte.
f (identisch mit e?) Ein in zwei Theile gespaltener und
auf beiden Gesichtsseiten ungleich behandelter Kolossal [?]
köpf, den Löschcke und Furtwängler 1878 im Privatbesitz
in Tripolis sahen (Mitth. IV S. 145 N° 4). Er soll nach der
Meinung des letzteren wahrscheinlich ebenfalls in jene Giebel
gehört haben (Milchhöfer A. Z. 1880 S. 190 Anm. 1).
g Fragment eines im Ellenbogen stark gekrümmten sehr
muskulösen, also sicher männlichen Armes. Bei der Palaeo-
Episkopi gefunden und von Milchhöfer früher (Millh. V. S. 68)
für den einzigen Rest der Giebelgruppen gehalten. Auch mir
schien er bei, wie ich hinzusetzen muss, sehr flüchtiger Be-
sichtis-uns; nach Arbeit und Grösse, besonders aber auch weil
die Raspelstriche auf der einen Seite stehen geblieben waren,
zu den Giebeln zu gehören. Neuerdings wird aber die Zu-
gehörigkeit dieses Fragmentes von Milchhöfer (A. Z. 1880 S.
191, 4) in Abrede gestellt, weil der Marmor parisch sei.
DIE TEGEATISCHüN GIEBELGRUPPEN 397
2.
Der Nachweis, dass die aufgezählten Köpfe und Fragmente
aus den Giebelgruppen des Alhenatempels vonTegea stammen,
setzt die Lage des letzteren als gegeben voraus. Die topogra-
phischen und architektonischen Tiialsachen, welche dafür
sprechen, dass das in Piali aufgedeckte Tempelfundament
wirklich jenem Ifeiligtunie angehörte, hat zuletzt Milchhöfer
in seinem Bericht über die Lintersuchuugsgrabungen des
Deutschen Institutes zu Tegea {Mitth. V S. 6I-6G) zusammen-
gestellt. Sie werden durch die Resultate der von Dörpfeld und
Borrmann angestellten Untersuchungen noch vervollständigt,
deren Mitlheilunii in dieser Zeitschrift ich nicht vorgreifen
will. Ich hebe daher nur den Fund eines zu jenem Tempel
gehörigen und von Borrmann aufgenommenen Simenfragmen-
tes hervor, das in seinen Formen fast genau mit der ranken-
geschmücklen Terracottasima des sogen. Südwestbaues in
Olympia übereinstimmt ( Ausgr. zu Olympia IVTaf. 28, oben;
38, links oben). Da nun der letztere nach seiner Lage zur
VVest-Altismauer, resp. zum Philippeion vor und zwar nicht
lange vor diesen beiden Baulichkeiten entstanden sein muss
(s. vorläufig Borrmann in den Ausgr. zu Olympia V S. ii),
so haben wir damit einen chronologischen Hinweis mehr.
DieEntstehungszeit des Tempels von Piali würde auch hienach
in die erste Hälfte des 4n Jahrhunderts zu setzen sein, also
grade in die Periode, in der Skopas das Heiligtum der Athena
nach dem Brande von 395 laut der Ueberlieferuno: beiPausa-
nias wiederaufgerichtet haben soll.
Der Übereinstimmung aller topographischen und architek-
tonischen Thatsachen gegenüber kann nicht in Betracht kom-
men, dass Pausanias bei der Beschreibung unsres Heiligtums
den Mund etwas zu voll genommen, wenn er dasselbe nicht
nur für den schönsten sondern auch für den grösslen aller
peloponnesischen Tempel erklärt. Die psychologischen Gründe,
welche ihn zu dieser hyperbolischen Ausdrucksweise veran-
39» DIE TEGEATJSüHEN GIEBELGRUPPEN
lassL ))a?jcn mögen, hat Milchliöfor a. a. 0. S. Gl f. Iiervopf'e-
hoben.
Indem Ich also als erwiesen voraussetze, dass der Tempel
der Athena Alea in der That auf der Stelle des heutigen Piali
gestanden habe, fasse ich die Gründe für die Zugehörigkeit
der unter .4 bis D aufgezählten Fragmente zum Sculptiiren-
schmuck des genannlenlleiligtums nochmals kurz zusammen.
Ich ergänze und berichtige dabei in einigen Stücken die aus-
führlicheren Auseinandersetzungen in dem eingangs cilirten
Aufsatze.
Es sprechen für die Zugehörigkeit folgende Thatsachen :
1) der Fundort in den späten xMauern die das Tempelfun*
dament umgeben.
2) das Vorhandensein eines Kberkopfes unter den Bruch-
stücken, zusammengehalten mit der Nachricht des Pausanias,
dass im Ostgiebel die kalydonische Eberjagd dargestellt ge-
wesen sei.
3) der Umstand, dass die beiden Jünglingsköpfe Ä und B
(eventuell auch e und f) nur auf der einen Seite völlig aus-
gearbeitet, auf der anderen Seite aber nur angelegt sind, ähn-
lich wie dies bei den olympischen Giebelköpfen der Fall ist.
■1) die Abmeisselung des Scheitels bei .4 und B; das Ver-
schwinden des Schienbeins von D in der Plinlhe: Eigentüm-
lichkeiten die sich am natürlichsten durch den Raummangel
im Giebel erklären.
5) die iJbereinslimmung desMalerialsmitdem desTempels:
es ist derselbe Marmor von Dolianä.
0) die jlebensgrossen Proportionen der Jünglingsköpfe A
und B (H. 0,20 und 0,25). Es ist das genau die Grösse, wel-
che wir bei den Gestalten der Giebel voraussetzen müssen.
Für den letzteren berechnet Dörpfeld die lichten Breitenmaassc
aus denen des Triglyphons (18,01'" bei Miichhöfer Mitth. V
S. ()0) auf rund 18'". Nimmt man die flöhe des Giebels im
Verhältniss zu seiner Breite auf ^s ^^, ^^'ie beim Parthenon
und dem olympischen Zeustempel, so erhält man in der Mitte
eine Höhe von c. 2,25'" im Lichten. Hieven gehen nun min-
DIE TEGEATISÜHEN GIEDELGÜUPPKN 399
destens 0,25 auf die Plinlhe diu- Miltelfi<5'i]r mul den Raum
zwischen deren Scheitel und der Sinia ab; denn die centralen
Geslallen pflogen in den Giebelcompositionen der H^ihc nacli
nielit so lvnaj)p den Hauni zu fi'illen, wie die in den riügeln.
Bleiben also '2'". Es können daher die Miltelfiguren das Voll-
maass der Lebensgrössc (1,90'") nicht oder doch nur um ein
ganz geringes überschritten haben.
7) gehören die K/ipf'e iliiem Stile nach offenbar ins ieJahr-
hundert, also die Ej)Oche, in welcher nach der üeberlieferung
und den IJaurcstcn der Tempel der Athena Alea zu Tegea er-
richtet worden ist.
So ergiebt sich denn die Zugehörigkeit der abgebildeten
Sculpturreste zu den Giebelgruppcn jenes Tempels von allen
Seiten beti-achtet als unzweifelhaft.
VN ir haben also, wenn wir von den Ostreliefs des Mauso-
leums absehen, zum ersten Male Orii^inal werke des Sko-
pas von bedeutenderen Dimensionen vor uns. Denn wenn
Tansanias den grossen Kiinsller auch nur als ap;(iTe)tT0V3t toG
vaoO auffilhrt, so ist es bei einem Bildhauer doch wol vselbst-
verständlich, dass sein eigenstes Interesse wie seine persCin-
liche Thäligkeit in erster Linie dem Sculpturenschmucke des
'J'empels zugewandt war. Und wenn man seit TJrlichs mit Kecht
annimmt, dass der peloponnesische Aufenthalt des Skopas in
seine früheste Epoche falle, so werden wir selbst seine eigen-
händige Betheiligung an der Ausführung der Giebelstatuen
um so wahrscheinlicher finden müssen, als er damals sicher-
lich noch nicht von einem so zahlreichen Schülerkreisc um-
geben war, wie später, als er im Greisenalter den Kiesenbau
des Mausoleums in verhältnissinässig kurzer Zeit vollenden
half*.
' Dil' jj^atr/.e Fiape iiaoli oiiiem z\voit(Mi alleren Skopas, welche iKiu.'nlin?-
Klein (.'Vrcli. i'|ii.i.'r. Miilli. aus Ü^liTrcicIi IV S. 1 11'.) wioder aiifp'eworfon
hat. las^c ii'li. als liii' ilru i(,ic!i^leri Zweck dieses Aufsatzes iirclevaiil. l,'.--
Seile.
400 DIE TEGEATISGHEN GIEBELGRÜPPEN
3.
Indem ich es nun unternehme aus diesen neugewonnenen
Skopasköpfen für die Composition und namentlich den Stil
der (egeatischen Giebelgruppen die nächstliegenden Folgerun-
gen zu ziehen^ muss ich vorausschicken, dass ich die Origi-
nale seit einem flüchtigen Besuch in Piali im Juni 1880 nicht
wieder habe untersuchen können, und dass es auch bis jetzt
nicht gelungen ist Gypsabgüsse von denselben zu erlangen.
Ich urleile also lediglich nach den vorliegenden Zeichnungen.
Und wenn für deren charakteristische Treue und Zuverlässig-
keit auch Gillierons bewährte Hand eine ausreichende Bürg-
schaft bietet, so wird doch die sichere Beantwortung so man-
cher Frage einstweilen noch dahingestellt bleiben müssen.
So z, B. gleich die Entscheidung über den einzigen Punkt,
in dem wir aus unseren Fragmenten in Bezug auf die Com-
position der Giebelgruppen etwas einigermaassen erhebli-
ches lernen würden: über die Frage, ob der Eber in der
kalvdonischen Jagd nach links oder nach rechts 2;ewandt war.
Die Bearbeitung der beiden Kopfseiten schien mir bei eili-
ger üntei'suchung des Originals nicht so wesentlich verschie-
den, dass darauf ein sicherer Schluss gebaut werden könnte.
Ich will daher auch jetzt kein besonderes Gewicht darauf
legen, dass Herr Gillieron unabhängig von mir für die Wie-
dergabe des Kopfes in seiner Skizze die linke Seite desselben
gewählt hat, also den Eber ebenfalls nach links rennen lässt.
Eine Entscheidung glaubte ich ( Arch. Ztg. 1880 S. 99) aus
ein paar bleivergossenen Bohrlöchern an der rechten Seite
des Ebermaules gewinnen zu können, indem ich annahm,
dieselben hätten zur Befestigung des Kopfes an der Giebel-
wand gedient, oder, wie man hinzusetzen könnte, an den'
Gliedern irgend einer Figur, die zwischen Eberkopf und Gie-
belwand stand *.
' Mit Sliflon von gleichen Dimensionen waren in den olympisclien Gie-
beln zwei Köpfe und ein eiholjeiier Aiin an der oberen Sinia belestigt.
DIE TEÜEATISCIIEN GIEßELGRUPPEN 401
Dem hat nun Milchhöfer (Arcli. Ztg. 1880 S. 190, 2) wi-
dersprochen : die beiden Löcher am Eberkopf unter der rech-
ten Seile des Maules stammten doch offenbar von den ein-
gesetzten Bronzespitzen der Geschosse her, nicht von den
Eisen [?] dübeln zur Befestigung an der Giebelfliiche. Der
Eber müsse somit, was für die Composilion ebenso wiclitig
als auffallend sei, nach rechts gewandt gewesen sein.
Allein dass neben dem Maule des Ebers zwei Geschosse
dicht nebeneiander gesteckt haben sollten scheint schon an
sich wenis glaublich ; und vollends unwahrscheinlich für den
Zeitpunkt der Jagd, den Skopas doch vermutlich dargestellt
haben wird ; den Moment in welchem Meleager den Eber ent-
weder abfangt oder niederschlägt. Sollte in der That durch
die Giebelgruppe die Tegeaea virgo und ihr verhängnissvoller
Pfeilschuss verherrlicht werden, auf dem sich die ganze Tra-
gik des Mythos aufbaut, so ging es schwerlich an, das Thier
bereits von Geschossen gespickt darzustellen, wie dies wol etwa
ein Vasen maier thun kann, der den ganzen Vorgang mehr ins
Genrehafte herabzieht.
Allein dem sei wie ihm wolle. Zuzugeben ist wenigstens
soviel, dass jene zwei Bohrlöcher nicht notwendig von der
Befestigung des Eberkopfes an der Giebelwand oder einer ne-
ben derselben stehenden Figur herzurühren brauchen; dass
hier auch etwas beliebiges andres seinen Halt gehabt haben
könne, z. ß. einer der anspringenden Hunde oder dergl ;
dass also, jene Bohrlöcher nach keiner Seite hin etwas ent-
scheidendes beweisen.
Wenn ich also, bis eine erneute Betrachtung des Originals
mich eines besseren belehrt, einstweilen ander F^inkswendung
des Ebers festhalte, so geschieht es lediglich, weil diese Rich-
tung des Thieres in den Darstellungen der kalydonischen
Jagd die übliche ist (Kekule De fabula Mcleagrea S. 36; Ste-
phani Compte-rendii 1807 S. 59 ff.).
Sicherer lässt sich aus unserem Fragment über die ursprüng-
liche Grösse des Ebers urteilen. Eine Vergleich uns; der er-
haltenen Kopfreste mit den entsprechenden Theilen des etwas
402 DIE TEGEATISGUEN GIlißELGaUPPEN
kleineren florenlinischen Ebers (Diitsclike,Änt. Bildvv. inOber-
Ilalien III N° 54; liinge c. 1,60'°) ergiebt nach ungefährer
Schätzung eine Länge von höchstens 2'" bei einer Höhe von
1,30-1,50.
Man sieht j das Thier war keineswegs so riesig wie es sich
Urlichs (Skopas S. 21 )dachte, weil er annahm, der Eber habe
mit den ihn umgebenden Felsen und Flunden räumlich die
zwei ihm entgegentretenden Heiden, Meleager und Theseus,
aufgewogen*. Eine Responsion mit so völlig asymmetrischen
Gliedern scheint mir aber fiir eine Giebelgruppe des Skopas
schwer glaublich ; und vollends da, wo die entsprechenden
Gestalten einander so nah gegenüber gerückt sind. Man ver-
gleiche doch die verhältnissmässig strenge Responsion in der
herrlich aufgebauten achtgliedrigen Gruppe auf den Ostreliefs
vom Mausoleum, von denen wir weiter unten noch zu han-
deln haben werden. Und was den Felsen anbetrifft, so soheint
mir dessen Annahme eben so problematisch Avie das Strauch'
werk in den Giebelecken. Wir bedürfen aber in der That we-
der des einen noch des andern.
VYelcker (.\lte Denkm. I S. 157 und 200) hatte die Auf-
zählung des Tansanias für unvollständig erkläi't, weil sie auf
eine ungleiche Zahl von Figuren füi'die einander entsprechen-
den Giebelhälften führe, und hatte, statt fünfzehn, zwanzig
Gestalten als Theilnehmer für die kalydonisclie Jagd des Gie-
bels gefordert (wie bei ApoUodor I 8, 2, 3tT. ). Slark war die-
ser Annahme im Philologiis XXI S. 419 beigetreten. Dem ge-
genüber ist es das grosse Verdienst von Urlichs, die Voll-
ständigkeit der Aufzäblunff bei Pausanias aus dessen Wortlaut
und der Responsion einzelner Gruppen und Gestalten zuerst
und schlagend richtig nachgewiesen zu haben, wie man das
in seinem Skopas S. 20 f. nachlesen mag.
' 8l<^|ilia)ii {Coniplt'-niidu 1867 S. 80) Iial sicli nun gar eine soiciie Corn-
positioii i'iii Skopas ;iusi.'V(iaclil, , in welcher der Eiter für sich allein dmi
(iesl.alteu '/iisDinrriengeii.itiinien svinmeltiscli aiifwiegeu 8v>ll ; Atalaule, l\Ie-
loager uruJ '.l'heseus.
Dlli TEGIiATISGHüN GIlißELGRUPPliN 403
IJienach entsprachen sicli die inigenden Geslallen von den
Giebelecken angelangen :
1. Kometes IG. Feiritlioos.
2. ProLlioos 15. Hippollioos.
3. lolaos.; 14. Amphiaraos.
4. PoJydeukes 13. Kaslor.
5. Peleus den 112. Epoclios den verwundelen
G. Telamonslülzend i 11. Ankaios inden ArmenaufTangend.
Somit blieben für die Äliüelgruppe die naebslehenden Per-
sonen verfügbar, welche sieh nach unserer vorläufigen An-
nahme von links na(;h rechts folgen würden: 7. Thescus —
8. Melea«;cr — 9. Alalante und 10. der Eber.
Nun sagt Paiisanias von dein letzteren ausdrücklich, er sei
ffSTCoivif/.evo; ;csct«: jjLeaov p.xXiorT«: ftr war also von der Mitte
weg ein wenig nach dereinen Seite hin, nach unsrer AutVas-
sung der rechten, gerückt.
Ferner ist klar, dass unmöglich er allein drei Gestalten,
dem Theseus, Meleager und der Atalante gegenübergestanden
haben kann. Ebensowenig erscheint es mir nach dem oben
ausgeführten glaublich, dass etwa Atalante allein die Mitte
einoenommeu und der Eber auf diese Weise zwei Gestalten
o
der Gegenseite, Meleager und Tlieseus, aufgewogen habe. Ihn
das Gleichgewicht herzustellen, wird vielmehr auch Atalante
von Skopas mit auf die rechte Giebelhälfte herübergenommen
worden sein und zwar vielleicht so, dass sie hinter dem Koj)fe
des Ebers stand und ihm etwa von vorn und oben herab in
den Kücken schoss oder hieb. Hierauf wird man nicht nur
durch die Überlegung geführt, dass es schwei- sein dürfte den
leeren Raum über dem Eber wenigstens theilweise zu füllen
ohne zu dem immerhin sehr problematischen Felsen seine
Zutlucht zu nehmen, sondern auch durch den bereits oben
hervorgehobenen Umstand, dass der Eberkopf auf beiden Sei-
ten ziemlich eleichmässio- aus";earbeitet ist, also sich wahr-
scheinlich dicht an dem vorderen l\aud der Giebelsima befand.
Der Wortlaut des Pausauias, welcher Atalante dt^ijenigen Seile
zurechnet, auf welcher ^Meleager stand, widerspricht dem
404 DIE TEGEATISCIIEN GIEBELGRÜPPEN
nicht. Denn so scheint z. B. auch auf der bekannten meli-
schen Terracotte in Berlin (0. Jahn : Ber. d. sächs. Ges. 1848
S. 123 ff.) Atalante, die hinter dem Eber steht, eher der
Gruppe links von demselben anzugehören.
Die iMitte des Giebels selbst wird, vielleicht ein wenig zur
Linken zurückgeschoben, Meleager eingenommen haben, der
ja auch im Wüchse Atalante überragt haben muss. Diese selbst
würde also im wesentlichen dem Theseus der andern Seite ent-
sprochen haben, wenn auch dieser, zu teilweiser Ausgleichung
des Raumes, den der Eber einnahm, etwas weiter nach links
gerückt gewesen sein mag. Die Gruppen des Ankaios und
Epochos, resp. des Telamon und Peleus werden dann auf bei-
den Seilen mit ihrer breiteren Masse in die Composition ein-
gegriffen und das durch den Eber etwas gestörte Gleichgewicht
der Mittelgruppe durch eine kräftigere Betonung der Symme-
trie vollends wiederhergestellt haben. Nimmt man aber etwa
an, dass der zusammenbrechende Ankaios das Hintertheil des
Ebers verdeckte, so dass dieses ein wenig schräg aus derGiebel-
wand hervorzukommen schien, so sehe ich nicht ein, warum
man die Mittelgruppe von Atalante Meleager und Theseus
nicht genau symmetrisch sollte aufbauen können. Und diese
Annahme empfiehlt sich um so mehr, als im Giebel schwer-
lich genug Raum vorhanden war, um den Eber in ganzer
Länge sehen zu lassen. Man kann sich hievon durch einen Ver-
such, die Mittelgruppe in den Giebelrahmen einzuzeichnen
leicht überzeugen.
Doch über alles dieses werden uns hoffentlich künftige Funde
sicheres lehren. Aus den auf unseren Tafeln mits'etheilten Jung-
lingsköpfen ist für diese Fragen natürlich nichts zu lernen,
und zwar um so weniger, als dieselben aller Wahrscheinlich-
keit nach eher in den Telephosgiebel hineingehören wie zur
kalydonischen Jagd.
JDen einen von ihnen, B Taf. XV, verweist schon sein Helm
und die heftige Wendung von Hals und Augen nach oben in
die Telephosschlacht. Aher auch für den Kopf auf Taf. XIV
(A) wird dies mindestens sehr wahrscheinlich sein: denn
DIE TEGEATISCHEN GlEBELGnUPPEN 405
wem sollte der schmerzlich emporgerichtete Blick des an-
scheinend unterliegenden bei der Eberjagd wol gelten ? An
den verwundeten Ankaios zu denken verbietet die Nachricht
des Pausanias, dass der zusammenbrechende Held von Epo-
chos unlerstiilzt wurde; man wird sein Haupt also doch wol
zur Wunde gesenkt denken müssen wie bfi dem Ankaios des
berliner Terracottareliefa. Unser Jüngling aber scheint sich
nach der Bewegung des Halses zu urtheilen, dem auch die
linke Schulter gefolgt sein wird , mit vorgehaltenem linken
Arme gegen einen höher stehenden Gegner vertheidigt zu
haben. Dieses aber ist neben der Thatsache, dass beide Köpfe
nach links blickten, das einzige, was wir aus ihnen für die
Composition des Telephosgiebels erfahren.
So bieten uns denn die beiden tegeatischen Jünglingsköpfe
vorläufig als einzigen^ aber allerdings beträchtlichen Gewinn
dies dar, dass sie uns zum ersten Male eine genügende und
gesicherte Anschauung von dem Kopftypus des Skopas ver-
mitteln. Freilich ist nur der auf Taf. XIV wiedergegebene
Kopf gut genug erhalten und hat namentlich so weit genü-
gend nachgebildet werden können, um einer eingehenderen
Untersuchung als Grundlage zu dienen.
Wir werden in seine stilistische Eigenart am besten ein-
dringen, indem wir ihn mit den Kopf typen vergleichen, die
seine Zeitgenossen Praxiteles und Lysipp geschafTen. Je mehr
die geistige und künstlerische Atmosphäre des Zeitalters für
alle drei Bildhauer im wesentlichen dieselbe war, um so eher
dürfen wir hoffen nach Abzug des gemeinsamen in der For-
rhengebung dasjenige ausscheiden zu können, was der Aus-
druck ihrer eigenston Phantasie und ihres persönlichen Ent-
wickeln n2;sgane;es ist.
Den Kopf des olympischen Hermes bietet Taf. 0 des III.
406 DIE TEGEATISCHEN GIEBELGRUPPEN
Bandes der Ausgrabungen zu Olympia, namentlich im Profil
zu bequemer Vergleichung dar.
Was in der Seitenansicht zunächsL auffällt, ist wol, dass
der Jünglingskopf des Skopas jenem ausgesprochenen Rund-
schädel gegenüber fast als ein eckiger Dolichokephal erscheint.
Dies liegt nicht etwa an der auf Taf. XIV versuchten Ergän-
zung der Scheitellinie. Denn wie man sich an der Vorderan-
c
sieht überzeugen kann, ist die Schädelhöhe genau gegeben
und auch die Führung des Scheitelumrisses im einzelnen durch
die erhaltenen Ansätze an Stirn und Hinterkopf vollständig
indicirt. Höchstens hätte die Linie dicht über der Stirn ein
wenig höher gezogen werden können, was an der Hauptsache
nichts ändert. Man vergleiche auch den steilen Umriss des
Hinterkopfes, welcher von dem muskulösen Nacken fast grad-
linig und ohne jede Unterbrechung emporsteigt, während beim
Hermes sich die runde Schädelbildung sofort über dem Kranz-
einschnilt in der geschwungenen ßogenlinie des "Hinterkopfes
ausspricht. Und wie diese sicli in dorn hochgewölblen Scheitel
fortsetzt, so muss bei jenem dem steileren i\ack«n eine fla-
chere Scheilellinie entsprochen haben, die an Wirbel und
Stirn in einem scharfen Winkel umbiegt.
Das zweite was bei einem Vergleiche der Profile von beiden
Köiifen sofort in die Augen springt ist das Vordrängen na-
mentlich der unteren Gesichtstheile gegenüber dem zurück-
tretenden Schädel. Beim Hermes ist es umge kehrt die mächtige
runde Masse des Schädels, welche das feine zurückweichende
Untergesicht vollkommen beheri'scht.
Mit [lecht scheint mir Kekule (Über den Kopf des praxitel.
Hermes S. 27) dies letztere Verhältniss als das specifisch atti-
sche dem peloponnesischen Typus des polykletischcn Dorypho-
ros gegenüber bezeichnet zu haben. Ein Vergleich der phi-
diasischon Amazone, mit der polykletischen bestätigt dies.
•Ebenso scheint in der attischen Kunst der kanti<re Lansschä-
dellypus, der Jioch iui sogen, Theseus vom Parthenon der
herrsciiende ist, nach Ausweis des Parlhenonfriescs in dei'
Scliule des Phidias selbst sehr bald von den runden Schädel-
DIE TKGEATISCHKN UIEBELGRÜPPEN 407
formen vcrdriiniit worden zu sein. Bei Praxiteles finden wir
die lelzterc dann sclion \öllij^ eingehürgerl*.
Irre ich also nicht, so ist hier eine Spur des Zusammen-
hanges zu erkennen , der Skopas mit peloponnesischer Art
nnd Kunst verbindet. Und man darf sich dabei wol dessen
erinnern, dass seine Jugend in eine Epoche der Entfremdung
zwischen seiner Geburtsinsel und Athen fiel; dass der prä-
sumtive Vater des Skopas, der Erzgiesser Aristandros von Pa-
ros berufen werden konnte die Niederlage Athens durch ein
Weihgeschenk für Am}'klae zu feiern; dass endlich die erste
Epoche von Skopas' Künsllerlaufbahn ganz dem Peioponnes
anzugehören scheint ( vergl. tVir alles dies Urlichs, Skopas.
Cap. 1). Dies Kesuliat wird auch durch die nachstehenden
Überlegungen bestätigt.
Vergleichen wir nämlich nun auch die Vorderansicht des
skopasischen Kopfes mit der des praxilelischen Hermes, na-
mentlich das üntergesicht, so stossen wir hier auf ganz ähn-
liche Ge2;ensätze wie sie uns die Profile darboten. Sind die
Wangen beim Hermes zart und schmal, so bildet sie Skopas
auffallend breit und kantig; sind dort alle Übergänge ver-
schmolzen und mit dem zarten Umrisse eines feinen Ovales
umschrieben, so sind hier Backenknochen und Kinnladen-
rand kräftig und eckig hervorgehoben, das Wangenfleisch
dazwischen flächenhaft mager gespannt.
Diese knochige Breite des Untergesichtes findet sich nun
aber im lysippischen Apoxyomenos ganz ebenso wieder 1 Und
wenn sich nun weiter zeii't, dass der letztere auch in der Pro«
filansiclit insofern dem tegeatischen Jünglingskopfe näher
steht wie dem Hermes, als er dasselbe Überwiegen von Stirii-
buckcln und üntergesicht über die verkleinerte Schädelmasse'
zeigt, so werden wir nicht länger zögern anzuerkennen, dass
' Midi mil den von Kckulc in seiner Sclirift über den Kopf des praxiteli-
sclien Hermes angestellten Untersuchungen über die Einnüsse die bei die-
sem Entwiciielurigsprocess wirksam waren auseinanderzusetzen nuiss ich
einer andern Gelegenheit vorbehalten.
408 DIE TEGEATISCHEN GIEBELGRUPPEN
in den Köpfen des Skopas in der That das von Kekule in sei-
nem Schema auf S. 30 postuürte Mittelglied zwischen Poly-
klet und Lysippos gefunden ist.
Denn gerne gebe ich Kekule zu, dass der Apoxyomenos in
der That in die peioponnesische Entwickelungsreihe gehört,
und zwar denke ich mir jetzt das attische Element, das in
jenem Kopfe unleugbar liegt, lieber durch die ihm näher
stehende Kunst des Skopas vermittelt als durch die des Praxi-
teles^.
Die Jünglingsköpfe des Skopas wären also, w^enn wir recht
sehen, Abkömmlinge eines peloponnesischen Typus, wie er
für uns durch den Speerträger des Polyklet repräsentirt wird.
Aber ein solches Descendenzschema bleibt doch nur Schema.
Es bezeichnet nur die Hauptrichtung der Einwirkungen ,
welche dieSchuIe,der unser Künstler entstammt, erfahren hat.
Nicht berücksichtigt ist dabei das herüber und hinüber in den
Einflüssen, welche die sich parallel nebeneinander entwackeln-
den Schulen auf einander geübt. Nicht berücksichtigt ist ferner
das persönliche Element, dasjenige was der Künstler aus
seiner innersten Eigenart zu den Traditionen seiner Schule
steigernd oder ablenkend hinzugebracht.
Und welch' ein weiter Weg ist es von dem hausbacken
treuen, ruhig indifferenten Antlitz des Doryphoros bis zu dem
schmerzlich bewegten, ausdrucksvollen Pathos der tegeati-
schen Köpfe.
Was wissen wir von den Einflüssen, welche diesen gewal-
* Jene Bemerkungen die ich (Hermes des Praxiteles S. 10 u. 12) über die
Aehuliehkeit gewisser Theile des Hermes mit dem Apoiyonienos nieder-
schrieb waren der Ausdruck des wol allgemein geteilten Erstaunens darüber,
dass Praxiteles mit seiner Forraengebung der Enlwickelungsslufc so sehr
nalie stand, die für uns bis dabin Lysipp fast allein repräsentirt hatte. Ich,
wie wol die meisten, hatten sich seine Weise strenger gcdacbl und waren
nun frappirl es anders zu finden. FJinen Beitrag zur Entv.ickelung des ly-
sippischen Typus habe ich damals nicht eigentlich geben wollen. Stand mir
in Olympia zu einem Vergleich mit dem Hermes doch nur eine noch dazu
mangelhafte Photographie des Apoxyomenos zu Gebote.
DIE TEGEATlSCIlliN GIEBELGHUPl'EN 409
tigen Umschwung der kiinsllerisclien Phantasie bis in die
Werkstätten des Pelojjonnesliinein bewirkt haben? Fastniclits.
Aber ahnen können wir, dass an diesem grossen ümbildungs-
process der Formen in durchaus neuem Sinne Geist und Kunst
Atliens, wie sie sich an der Wende des Jaiirhunderts darstel-
len, den grüsstcn Anllieil haben mögen.
Vergleicht man den Doryplioros, so sieht man bald, dass
ausser den oben hervorgehobenen Verhältnissen des Knoclien-
gerüstes, den grossen , kantig begrenzten Flächen von Wan-
gen und Hals, und vielleicht der Weise wie das Haar sich
enger um den Schädel schmiegt, kaum etwtis gleich oder auch
nur ähnlich geblieben ist.
Selbst die Grund Verhältnisse von Schädel und Kinnladen sind
etwas abgeändert; die Hirnschale ist etwas kürzer und breiter
geworden; dem entsprechend sind denn auch die Kinnbacken
breiter undeckiger gebildet. Dasselbe Streben nacli ausdrucks-
vollerEnergie wölbt die Unterslirn mächtig heraus, schwingt
die Linie des Augenknochen und drängt das Fleisch über den
oberen Lidern so weit herab, dass sie für dieSeitenansicht völlig
verdeckt werden. Der Mund öffnet sich ausdrucksvoll ; das
Kinn ist kantiger markirt, selbst das Ohr bleibt von diesem
Ringen nach energischem Ausdruck nicht unberührt: es erhält
eine eigentümliche, in seinem oberen Theile nach vorn ge-
neigte Lage, die sich in der Natur vielleicht kaum, oder doch
nur äusserst selten so w icderfindet, aber grade durch das un-
gewöhnliche um so ausdrucksvoller -wirkt. Alle Empfindung
aber bricht in den herrlichen, tiefliegenden und grossen, weit
aufgeschlagenen Augen voll hervor und spricht in stummer
Klage aus dem schmerzlich geöffneten Munde.
Hier glaubt man wirklich einen Blick in die Seelen tiefe des
Meisters zu ihun. Hier meint man das begeisterte Echo zu
verstehen, das seine von göLtlichem Wahnsinn durchglühte
Mänade weckte.
Und das ist kein Traum. Man halle nur die entsprechen-
den Theile des Hermeskopfes daneben. Wie milde blickt hier
das Auge nieder; wie anmutig und fein lächelt der Mund.
410 DIE TEGEATISCHEN GIEBELGRUPPEN
Aber, wird man vielleicht sagen, das liegt an der Verschie-
denheit der Aufgaben, welche den Künstlern hier gestellt wa-
ren. Nun wol, so vergleiche man die massige Grösse des Au-
ges , die minder bewegte Bildung von Slirn und Augenkno-
chen , den flüssi<i;en Umriss von Wanden und Kinn : überall
spürt man die mildernde Hand eines Geistes, der das zart-
sinnig stille dem erregt energischen vorzieht.
• Kehrt nun der Blick zu den Profilen der Köpfe zurück, so ver-
steht man auch hier die künstlerische Symbolik, die aus dem
Verhällniss der Schädelmasse zu dem Gesicht und namentlich
den unteren Parthien desselben spricht: bei dem geneigten
Haupte des praxitelischen Hermes ist es still gesammeltes Sin-
nen, das auch in demÜbergewichtder oberen Schädelhälfteüber
die zurückgenommene ProfiUinic des Unlergesichtes zum Aus-
druck kommt. Bei Skopasdagegen sind ünterstirn und Kinn wie
herausfordernd vorgebaut; der Ausdruck einer Gemütsver-
fassung,die ganz der Aussenwelt zu That und Kampf, zu lei-
denschaftlichem Weh und enthusiastischerLust hingegeben ist.
Diese Sättigung der ganzen Formengebung mit einem star-
ken Pathos leidenschaftlichen und doch noch grossen Stiles,
das ist es was der Vergleio-h mit dem Hermes-Kopfe als das
pf^rsönlichste Werk des Skopas erweist. Denn waren für beide
Künstler die Zeit, die Umo-ebunij; , die ffeislicren Strömunsren
nicht dieselben? IJnd auch von der Stufe, auf der ihnen das
künstlerische Können überliefert wurde^dürfen wir ein gleiches
voraussetzen, Beide stehen, wenn auch in verschiedenem Grade,
unter dem Einfluss attischer Kunst. Was aber an divergenten
Schuleinflüssen auf die Bildung ihrer Formengebung einge-
wirkt, habe ich oben, so weit dies für uns noch erkennbar
ist, in Abzug zu bringen versucht.
Dass damit von dem Wesen des Skopas nur ein Theil aus-
gesprochen ist, das weiss unsre Zeit am besten, welche sich
erst besinnen musste ehe sie sich entschloss in dem Praxiteles
des olympischen Flermes den Praxiteles der Knidierin und den
Meister des Sauroktonos wiederzuerkennen. Aberdasdarf man
wol behaupten: es ist ein bedeutendes und charakteristisches
DIE TEGEATISCIIEN GIEBELGRUPPEN 411
Stück von der Eigenart des Skopas das uns mit jenen Köpfen
wiedergegeben worden ist.
Wir versuchen zur Erkenntniss derselben auch noch von
einer anderen Seite vorzudringen, indem wir uns an der Hand
des Apoxyomenos vergegenwärtigen, was Lysipp an dem Ty-
pus des Skopas für seine Zwecke umgeformt hat.
Dass er den Kopf kleiner gebildet, das Haar in realistische-
rer Weise durcheinandergeworfen, konnten wir schon aus der
schriftlichen Überlieferung ahnen. Überraschend aber ist zu
sehen, wie er die Protuberanzen von Stirn und Augenknochen
mildert, die Augen bedeutend kleiner und weniger liefliegend
bildet, den Nasenansatz schmälert und auch den Mund ver-
kleinert, während er die knochige Breite des üntergesichtes
beibehält.
Will man die Umbildung nach ihrem psychischen Gehalt
bezeichnen, so wird man sich etwa so ausdrücken können,
dass man sagt, das pathetische, leidenschaftlich ausdrucks-
volle in Formen und Zügen sei in das nervös-bewegliche um-
gesetzt worden.
Und so sieht man, schliesslich, dass die beiden älteren
Meister, Skopas und Praxiteles, trolz des engeren Schulzu-
sammenhanges, der Lysipp mit Skopas zu verknüpfen scheint,
doch ein gemeinsames verbindet: nicht nur gewisse formale
Elemente, wie die bedeutendere Grösse der Augen und die
Breite des Nasenansatzes, sondern auch ein Zug von stil-
voller Grösse, der dem jüngeren Zeitgenossen bei seinem Stre-
ben nach beweglicher Elastizität bereits abhanden gekommen
ist.
Wie verhält sich nun zu diesen Resultaten die Körper-
bildung, welche Skopas seinen Gestalten verliehen ?
Die tegeatischen Fragmente bleiben uns hierauf die Ant-
wort einstweilen schuldig. Denn aus der Skizze des Schenkels
auf S. 395 ist weiter nichts als eine sehr muskulöse Bildung
MITTB.D. ARGH.IN8T.VI. 27
412 DIE TEGEATISCHEN GIEBELGRUPPEN
der Gliedmaassen zuerschliessen, welche man nach dem Cha-
rakter der Köpfe ohnehin voraussetzen müsste. Wir suchen
daher fürs erste Ersatz bei demjenigen Werke^ dessen Z'ji.-im-
menhang mit Skopas oder doch dessen Schule nächst den
Giebelfragmenten aus Tegea am besten bezeugt ist: den vier
Ostreliefs vom Mausoleum.
Die drei aneinanderschliessenden PlaUen sind am besten ,
vollständigsten und in ihrer richtigen Reihenfolge abgebildet
in dem photographischen Serienwerke des Brittischen Mu-
seums von Stephen Thompson N° 719-721 (London, Mansell
und Co. 1872). Hienach sind auch die Abbildungen in New-
tons Discoveries at Halicarnassus ! Taf. 9 und 10 von links
nach rechts vorschreitend folgcndermaassen zu ordnen : a) Taf.
9, unten ; h) Taf. 10, unten ; c) Taf. 10, oben. Vcrgl. ebenda
II 1 S. 239 ff. Ebenso müssen die drei kleinen Skizzen, wel-
che Newton, Travels in the Levant II Taf. 13 in der obersten
Reihe giebt, in ihrer Folge umgekehrt werden ; und bei Over-
beck Plastik 11^ Fig. 111 ist die richtige Reihenfolge nicht
/ 711 n, sondern / n m ; bei Lübke Gesch. d. Plastik P Fig.
162, 164, 163 = Kunsthistor. Bilderbogen N" 24,2. 4. 3. Das
vierte Stück derselben Serie, eine reitende Amazone, ist bei
Newton, Discoveries at Halicarnassus I Taf. 9 oben und in den
Travels in the Levant 11 Taf. 5 abgebildet. Sie wird der Fort-
setzung der Ostreliefs nach links angehört und der reitenden
Amazone auf Platte a entsprochen haben.
In Bezug auf diese vier Reliefs nun scheint mir Newton
mit vollem Recht ihren Fundort im östlichen Theile des Mau-
soleumvierecks mit der Notiz bei Plinius [N. H. 36, 50)
combinirt zu haben, dass Skopas das Mausoleum ab Oriente
caelavit (vergl. die Angabe des Fundorts auf den Situations-
plänen des Mausoleums Discoveries at Halicarnassus I Taf.
3 u. 4-- Travels in the Levant H Taf. 2 und Newtons Aus-
führungen Discoveries 11 1 S. 100 und S. 239; Travels II S.
95, 4.). Sein Schluss, dass er in ihnen Werke des Skopas
selbst oder doch von dessen Schülern gefunden , hat in der
That einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für sich. Denn
DIE TEGEATISCHEN GIEBELGRUPPEN 413
dass diese Reliefs ursprimglich gerade der Oslseile des Mau-
soleums angehörten, wird schon dadurch nahegelegt , dass
sich drei aufeinanderfolgende Platten und ein dersel-
ben Composition angehöriges viertes Stück nebeneinander-
liegend fanden. Wären die Platten weiter verschleppt worden,
so niiisste ein sonderbarer Zufall gewaltet haben, wenn das
zusammengehörige dabei nicht auseinander gekommen sein
sollte. Newton macht mit Recht darauf aufmerksam, dass bei
der Höhe der Relicferhebung und der Schwere der Blöcke
auch die vortreffliche Erhaltung dafür spreche, dass sie nicht
weit herumgewälzt worden sein können.
Es kommt ferner hinzu, dass diese vier Reliefs der Wild-
heit und Flüchtigkeit gegenüber, welche in den meisten übri-
gen herrscht, sich nicht nur in Composition und Ausführung
bei weitem als die besten erweisen, sondern auch, worauf ich
besonderes Gewicht lege, als die ge massigsten und
sirengsten, mit einem W'ort als die frühesten.
Endlich wird dieses Resultat noch durch einen Vergleich
mit der Formengebung unserer tegeatischen Köpfe bestätig!.
Das Haupt des ins Knie gesunkenen Jünglings auf Platte a
(Thompson N° 719, Newton, Discov. at Haficarn. I Taf. 10,
unten; Overbeck /; Lübke Fig. 1G2) scheint mir dies trotz
aller Beschädigungen deutlich darzulhun : man vergleiche nur
die breiten, streng flächenhaft behandelten Wangen^ die vor-
springenden Stirnbuckel, besonders aber die auffallend grossen
Augen mit den schmalen geschwungenen Lidern und den tief
hineingearbeiteten inneren Augenwinkeln *. Es scheint uns
al«o, alles in allem genommen, Newtons Meinung sehr viel
für sich zu haben, dass wir in jenen vier Reliefs vom Mau-
soleum wirklich l-/.o-r:xhix Ifoyx besitzen, und wir stehen da-
' Die Wiederkehr der Helmform von flauf Taf. 7?1 bei Thompson, Discov.
I Taf. 10 unten , Overbeck j??, bewei.sl natürlich nur allgemein für die Zu-
gehörigkeit zu derselben Epoche und einer ähnlichen Kunstrichtung, wie
sie denn auch auf einer der früheren gcnueser Platten wiederkehrt (sie ist
in den Mon. [delV fnsl. V 3 und danach bei Overbeck a nicht ganz richtig
wiedergegeben ) .
414 DIE TEGEATISCHEN GIEBELGRUPPEN
her nicht an , dieselben einstweilen zur Ergänzung unserer
Untersuchung über den Stil des Skopas zu benutzen. Dass
wir dabei aber alle Vorbehalte machen müssen , welche aus
der Kleinheit und dem decorativen Charakter der Reliefs, end-
lich auch aus ihrem vielleicht nur indirecten Äbhängigkeils-
verhältniss von Skopas sich ergeben, schicken wir ausdrück-
lich voraus.
Wieviel also lässt sich aus diesen Reliefs für die in der
Schule des Skopas übliche Körperbildung lernen ? Was bei den
männlichen Leibern zuerst auffällt, ist ihre sehnige Schlank-
heit; die Länge der Gestalten und die knappe Magerkeit der
scharfkantig gegeneinander abgesetzten Muskeln. Man beo-
bachte nur, wie scharf der Rand der grossen Brustmuskeln
und der des Thorax markirt sind ; wie flach der Bauch, wie
kantig der Hüftenrand und wie sehnig mager Schenkel und
Waden gebildet werden , so wird man sich unwillkührlich
an die gewissermassen strengen Formen von Wangen und
Halsmuskeln an dem Jünglingskopfe auf Taf. XIV erinnert
finden. Und hier wie dort wird es ein Rest jenes präcisen
peloponnesischen Erzstiles sein, der seine Musculatur in scharf-
kantig begrenzten grossen Flächen bildete. Hiefür genügt es
auf die Doryphoroscopieen zu verwaisen, an deren Treue ich
trotz Brunn {Annali 1879 S. 217 ff.) festhalten zu müssen
glaube. Mag man für unsre Reliefs und die tegeatischen Gie-
bel von dieser mageren Bestimmtheit Inder Arbeit der Mus-
keln soviel auf Rechnung der hohen Aufstellung, Beleuchtung
etc. bringen als man will ; immer wird man dengrossen Ge-
gensatz anerkennen müssen, der solche Formen von den blü-
henden und zarten Leibern trennt, mit denen etwa ein Pra-
xiteles seine Jünglingsgestallen auszustatten liebte. Auch hier
steht der Apoxyomenos mit seiner mager schlanken Elastizität
der Körperbildung den skopasischen Gestalten näher, zum
neuen Beweis dafür,dass die Kunst dieses Meisters in der That
das Mittelglied zwischen Polyklet und Lysipp bildet. Freilich
ist bei dem letzteren jeder Rest jenes strengen Flächenstiles
verschwunden ; und auch durch den verkleinerten Kopf un-
DIE TEGEATISCIIEN GIEBELGRÜPPEN 415
terscheidcn seine GestaUen sich merklich von den Körpern,
die sein älterer Zeitgenosse formte.
Dieselbe miichtij:; nach Ausdruck und Bewegung ringende
Energie, von der sich die tegeatischen Jünglingsköpfe so ganz
erfüllt zeigen, hat also auch die Körperforinen der Jünglinge
im Amazonenkanipfe geschaffen. Hier ist jede Sehne wie eine
stählerne Feder gespannt. Nichts in diesen Körpern ist träge
Last; die vermittelnden Fettlagen scheinen wie aufgezehrt von
der bewegungskräfligen Energie der Muskeln. Es ist in die-
sen schlankelastischen und dennoch stahlhart widerstands-
fähigen Körpern in der That nach dieser Richtung hin fast
die Grenze des leislbaren erreicht.
Beizreiflicher Weise ist eine solche Kunst auch in der Dar-
Stellung des bewegten Thierkörpers unerreichbar: man sehe
nur wie das Pferd unter der rücklings flüchtenden Amazone
mit gestreckten Hinterbeinen zu rasendem Galopp ausgreift:
wie es dabei die Vorderfüsse auswirft. Es ist charakteristisch,
dass grade die Pferdebildung an einer der Statuen vom Mau-
soleum dem rossekundigen englischen Entdecker begeisterte
Worte der Bewunderung entlockt hat.
um so bemerkenswerlher ist es für die kunsigeschichtliche
Stellung unsres Künstlers, dass der Kopf des kalydonischen
Ebers nicht sonderlich charakteristisch, ja nicht einmal völ-
lig naturtreu geformt ist. Ein Blick auf das florentinische
VVildschwein, in dem uns eine der am meisten naturalistischen
Modellstudien des Altertums erhalten ist, lässt namentlich die
Fehler in Grösse und Stellung des Auges sehr deutlich em-
pfinden.
Dass Skopas auch zartere Leiber zu bilden verstand, zeigen
die herrlichen Amazonengeslalten zur Genüge, nach deren
Bilde wir uns die Atalante in der kalydonischen Jagd des te-
geatischen Giebels denken dürfen. Auch hier überwiegt ein
svelter Körperbau voll edeler Schlankheit. Nur eine der Ama-
zonen ist untersetzter gebildet: die der Mittelgruppe auf Taf.
10, unten, bei Newton = Overbeck n. Offenbar ist sie kürzer
geraten, weil sie aufrecht im Räume stehen sollte^ während
416 DIE TEGEATISGHEN GIEßELGRUPPEN
die anderen sich in demselben nach der Diagonale strecken
konnten. Sieht man, wie das Gewand hier bei der plötzlichen
Wendung über den vollsaftigen Gliedern auseinanderschlägt,
so kehren die Gedanken auch hier wieder zu dem bacchischen
Ungestüm zurück, das die Bacchantin des Skopas erfüllt ha-
ben soll*.
Was die Composition der Reliefs anbetrifft, so werden
wir alle ihre glänzenden Eigenschaften auf die tegeatischen
Giebelgruppen übertragen denken dürfen : die dramatische
Lebendigkeit, Mannigfaltigkeit und Neuheit der Motive, die
Vielgliedrigkeit und Freiheit der Responsion— sie erstrecktsich
auf den Newtonschen Platten auf mindestens acht Gestalten.
Das gleiche wird von der gelockerten Raumfüllung und der,
namentlich im Vergleich mit den übrigen Mausoleumsplatlen
sehr auffallenden Sparsamkeit in der Vertheilung der Gewän-
der gelten. Und zwar um so mehr als in jenen Giebeln an-
scheinend nur ein Weib, die 4talante, vorhanden war^; die
übrigen Jagd-und Schlaclitgenossen werden aber zum grössten
Teil eben so wenig bekleidet gewesen sein, wie die Krieger
auf den Relicfplalten des Skopas. Was aber die Verteilung
im Räume anbetrifft, so waren die tegeatischen Giebel, wie
es scheint, nicht von einem so dichten GestaltenajedränGre er-
füllt, wie z. B. der olympische Westgiebel, bei dessen Wie-
deraufrichtung in der Breite mit jedem Centimeter Raum ge-
knappt werden musste. Skopas war dagegen bestrebt sich in
* Benndorf (Samolhiake IF S. 70) scheint mir den analylisch verwertba-
ren Niodcrscliiag aus der allerdings etwas stark moussirendcn Rhetorik des
Kallistralos denn doch zu gering anzuschlagen, wenn er meint, sie ergebe
nichts als die blosse Existenz und den blossen Gegenstand des betretTenden
Kunstwerkes, Grade die tegeatischen Köpfe können jetzt, wie ich glaube,
zeigen, dass z. B. Brunn durchaus richtig verfuhr, wenn er, vorzugsweise
aus jenen Sliliitningcn an der Bacchanliu, das Pathos als einen wesentlichen
Zug in der künstlerischen Eigenart des Skopas herausdestillirte.
2 Die Vermutung, dass sich in der Telephosschlacht ein Gegenstück der
Atalante, die araazoncnhaftc Hiera (Piiilostrat. Her. II 18) befunden habe,
ist von ihrem Urheber selbst (O. Jahn Arch. Aufs. S. IGG) zweifelnd aufge-
stellt worden.
DIE TEGEATISCIIEN GIEBELGRUPPEN 417
der Hölienrichliing möglichst viel Raum zu schaffen: ein Be-
weis hiefür sind die ahgemeisscllen Scheitel unserer beiden
Jünglingsköpfe.
6.
Es erübrigt mit Hülfe der neuentdeckton Köpfe eine vor-
läufige, rasche Musterung derjenigen Werke zu unternehmen,
welche man bisher mit mehr oder weniger Kecht dem Sko-
pas hat zuschreiben wollen. Ich sage mit Fleiss eine vorläu-
fige Sichtung; denn umfassendere Untersuchungen nach die-
ser Seite werden zweckmässiger aufgespart bis neue Funde
oder doch wenigstens Gypsabgüsse der bisherigen unserer
Forschung eine breitere und gesichertere Unterlage bieten.
Schon jetzt aber wird man versucht sein, die ersten sicher
auf Skopas zurückzuführenden Köpfe darauf hin anzusehen,
ob aus ihnen ein Beitrag für die I.ösung der wichtigsten Frage
zu gewinnen ist, welche in Bezug auf diesen Meister seit den
Tacren des Plinius schwebt: wir meinen die Frage nach der
Autorschaft der Niobegruppe.
Man liat gut davor warnen, dass man in eine Conlroverse
sich mische, welche die Alten selbst mit ihrem überreichen
Material an Originalwerken beider Künstler nicht hätten zur
Entscheidunsr brino;en können: £;rade bei unserer Armut an
Denkmälern aus jener Epoche ist uns die Niobegruppe ein
viel zu wicliti<<es Werk, als dass wir auf den Versuch ver-
ziehten könnten sie für die Charakteristik sei es des Skopas,
sei es des Praxiteles zu gewinnen, und vollends verzichten könn-
ten in demjenigen Augenblicke, in dem uns ein günstiges
Geschick ein wenn auch kärgliches so doch vollständig au-
thentisches Material zur Entscheidung in die Hände giebt.
Und wissen wir denn, wer die Zweifler waren und aus wel-
chen Gründen sie zweifelten? Wir können also ihre Autori-
tät wol aus dem Spiele lassen und versuchen, wie weit wir
mit unsren eigenen Augen kommen. Wol weiss ich ferner,
dass erst die Beigabe vergleichender Abbildungen die nach-
418 DIE TEGEATISCHEN GIEBELGRÜPPEN
stehende kurze Erörterung für die meisten überzeugungs-
kräftig machen könnte; einige aber werden immerhin auch
so geneigt sein derselben zu folgen.
Vor allem diejenigen welche sich in der Entscheidung der
INiobefrage nicht durch allgemeineErwägungen über die künst-
lerischen Eigenarten des Skopas und Praxiteles leiten Hessen,
sondern durch ein positiveres, greifbareres Argument, über
das wol auch in Zukunft leichter Übereinstimmung zu erzielen
sein "wird : die Aehnlichkeit der weiblichen Niobidenköpfe
mit dem FJaupte der knidischen Aphrodite*. Für diese ist jetzt
indem herrlichen Aphroditeköpfchen aus Olympia (Ausgra-
bungen z. Ol. V Taf. 25^) ein Originalwerk aus Zeit und
Schule des Praxiteles zum Vorschein gekommen, das sich bes-
ser als die römischen Copieen der Knidierin dazu eignet, ne-
ben den Kopf der schmerzlich aufwärts blickenden Niobe-
tochler (Stark Taf. 15, 8) gehalten zu werden. Die Aehnlich-
keit ist in der That so schlagend, dass man den sich hieraus
ergebenden Schlüssen nurdurch die Annahmeentrinnen kann,
Skopas habe eben seine weiblichen Köpfe genau in dem glei-
chen Typus gebildet wie Praxiteles. Aber wie will man das
gegenüber den Amazonenköpfen auf den östlichen Friesplatten
des Mausoleums aufrecht erhalten ?
Lässt man jedoch diese nicht als authentische Überlieferung
skopasischer Typen gelten, so berufen wir uns jetzt auch auf
die männlichen Niobidenköpfe. Diese vermögen wir ja nun
zum Glück zwischen zwei Originalarbeiten der beiden Mei-
ster zu stellen, die in unsrer Überlieferung um die Gruppe
werben.
Wir wählen zu ufiserer Untersuchung den Kopf des knieen-
den Niobiden , der mit geballter Faust trotzig zu dem mor-
denden Götterpaare aufblickt (Stark Niobe Taf. 17, 11). Er
passt in Stellung und Stimmung am besten zu unsrem tegea-
tischen Jünglingskopfe auf Taf. XIV.
* Siehe die Aufzählung bei Stark. , Niobc S. 332 und vergl. Friedrichs
Praxiteles S. 95.
DIE TEGEMISCIIEN GIEDELGRUPPEN 419
Vergleichen \vir nun^ so will hier nichls recht stimmen. In
der Vorderansicht vermisst man die ausgebildeten Slirnbuckel,
die grossen Augen , die breiten und eckigen Backenknochen
und Kinnladen; das Gesicht erscheint im Gegenteil auf-
fallend schmahvangig. Im Profil gesehen giebt sich der Nio-
bide als ausgesprochener Rundkopf; die vorgebaute Unter-
stirn, das vordrängende üntergesicht, der zurückweichende
kantige Schädel fehlen; das Ohr steht richtig.
Wir haben uns, im Bcwusstsein dessen, dass wir nur eine
mittclmässige römische Copie zur Vergleichung vor uns ha-
ben, geflissentlich bloss an die Hauptsachen gehalten: ist es
nun Zufall oder blosse Schuld des Copisten, dass der IViobi-
denkopf grade durch diejenigen Züge von dem Typus des Sko-
pas unterschieden ist, welche ihn dem Hermes von Olympia
so sehr nähern? Soll es auch nur auf Rechnung des Copisten
und etwa des Gesrenstandes kommen , dass die zarten Leiber
der Niobiden sich in ihren weichen, verschmolzenen Formen
so auffallend von den sehnig mageren Körpern auf dem Mau-
soleumsfriese unterscheiden?
Mit einem Wort: wir glauben, dass für die Niobegruppe
die Wahrscheinlichkeit einer Urheberschaft durch Praxiteles
in Folge der neuen tegeatischen Funde um ein beträchtliches
gewachsen ist.
In Bezus; auf die übrisjen Kunstwerke, die man bisher dem
Skopas mehr oder weniger sicher zugeschrieben hat, wird die
Untersuchung um so weniger vieler Worte bedürfen, als hie-
be! das vergleichende Auge das beste thun muss. Das Wort
kann hier zunächst nur den subjectiven Eindruck resümiren.
Wenden wir uns zunächst zu einem Werke, zu dem eine,
wie ich glaube ohne hinreichenden Grund angefochtene,
schriftliche Überlieferung (Plin. N. H. 36, 95) hinzuführen
schien: der ephesischen Reliefsäule, deren Darstellung Robert
neuerdinos unzweifelhaft richtior auf die Rückführung der AI-
o o o
kestis gedeutet liat*-
• Thanatos 8. 37 und Taf. 3. Vergl. aucti die Abbildungen bei Curljus
420 DIE TEüEATISCHEN GIEBELGRÜPPEN
Ich verkenne den Unterschied nicht, der die elegische Stim-
mung des Vorgangs von jener bewegten Giebelcomposition
trennt, aus der unsre Köpfe stammen; ich vergesse auch nicht,
dass der Künstler des Pothos und Himeros auch ein Meister
des Elegischen gewesen sein muss. Aber selbst nach Abzug
alles dessen, was der stärkere AfYect in die tegealischen Köpfe
und die Gestalten des Mausoleumsfrieses hinein gebracht ha-
ben mag, finde ich den unterschied in den Grundformen
viel zu gross, als dass man dieses Werk unsrem Meister oder
einem seiner directen Schüler zuschreiben dürfte. Hat also
Skopas eines jenerSäulenreliefs gemeisselt — und ich sehe nicht
ein, warum man hieran zweifeln sollte — so ist sein Werk in
dieser Trommel doch sicherlich nicht gefunden.
Ziemlich alloemein hat man bisher den vatikanischen
Apollon im Kitharödengewand auf ein Vorbild des Skopas
zurückgeführt (zuletzt Stephani Compte-rendu p. 1875 S. 125
ff.). Die numismatischen Thatsachen, welche hiegegen spre-
chen, hat Overbeck (Plastik 11^ S. 17) überzeugend auseinan-
dergesetzt, freilich unter Hinzufügung anderweitiger Gegen-
gründe die ich mir nicht aneignen kann. Auch hier scheinen
mir die tegeatischen Köpfe den entscheidenden Ausschlag ge-
gen jene Hypothese zu geben.
Selbst abo-esehen von der Abwesenheit al 1er charakteri-
stischen formalen Merkmale für eine Vervvan tschaft der vati-
kanischen Statue mit Skopas wird sich jetzt schwerlich je-
mand das Haupt eines Apollon von der Hand dieses Meisters
so zahm denken wollen wie es in jener Bildsäule erscheint.
Ob Stark (Philologus XXI 435) in dem Ares auf dem tra-
janischcn Relief am Constanlinsbogen (Bellori : Arcus triumph.
Taf. 39 ; Müiler-Wieseler : Dkm.' I 70, 383; Overbeck Pla-
stik 11^ S. 13) mit Recht ein Nachbild von der Kolossalsta-
tue des Skopas erkannt, lässt sich natürlich mit Hülfe unserer
Arcl». Ztg. 1872 Taf. 65-66, Overbeck Plastik 11^ S. 97, Wood Discoveries al
Ephesus, Titelkupfer. Die übrigen Fragmente der ephesischen Säulentrora-
mcln kommen schon ihres fragmentirtcn Zuslandes wegen nicht in Betracht:
vergl. Wood S. 166 und die Tafeln zu S. 218, 222 und 246.
DIE TEGEATISCIIEN GIEBELGRUPPEN 421
Köpfe nicht entscheiden. Über die blasseste M<)glichkcit ist
hier daher einstweilen niclit hinaus zu kommen. Daas aber der
ludovisischc Ares schon aus slilistisclien Gninden nichts
mitSkopas zu thun habe, sondern vielmehr in die lysippische
Reihe gehöre, kann man jetzt nur um so gewisser nach-
weisen.
Von dem allgemeinen Satze ausgehend, dass in dorn Über-
gang zum Palhetischen das charakteristische Element liege
um das Skopas die griechische Plastik bereichert, hat Brunn
(Künstlergosch. l 3"28 ff. ) geschlossen, jenes schwermütige
Pathos, welches das Geschlecht der griechischen Wasserw-e-
sen erfülle, sei eine Erbschaft skopasischer Kunst, vermittelt
durch dessen berühmte Achilles- und Thetisgruppo. Er hat
dies in Worten gethan, die so beredt das Wesen der Sache
aussprechen, dass man immer wieder auf dieselben wird ver-
weisen müssen.
Je überzeugter und dankbarer ich dies anerkenne, um so
mehr darf ich vielleicht auch meinerseits der praktischen An-
wendung widersprechen, die er von diesem Satze auf den be-
kannten münchner Poseidonfries gemacht, indem er ihn, im
Anschluss an 0. Jahn und LJrlichs {Skopas S. 128 f. 261) für
ein Werk, wenn nicht des Skopas, so doch sicherlich von
dessen Schule erklärte^. Stark (Philologus XXI 4-44) und'
Overbeck (Kunstmythol. 111 3()I f.; Ber. d. sächs. Ges. 1876
S. 110 ff.) haben hiegegen, unter Zustimmung von Benndorf
(Samothrake II S. 70) mit Recht Verwahrung eingelegt und
das Relief einer späteren, wahrscheinlich römischen Epoche
zugewiesen. In dem Bestreben mit möglichst objectiven Grün-
den zu kämpfen, haben sie aber, wie mir scheint, ein Mo-
ment nicht genügend hervorgehoben, über das Jahn, ürlichs
' Beschr. d. Glyptothek N« 115, Münchn. Sitzimgsbor. I 3'i2 ff. Eine Ab-
bildung» nach Photographie giebt Overbeck Atlas der Kunstmythol. Taf. 13;
ein Stich von Troscho! bei O. Jahn Der. d. sächs. Ges. ISöi Taf. 3-8; Holz-
schnitte danach bei Liibke: Gesch. d. Plastik, P Fig. 137-1 i2=Kunsthistor.
Bilderbogen N» 22. Säinmtlichc Abbildungen verschönern den Stil des Ori-
ginales.
m DIE TEGEATISCHEN GIEBELGRUPPKN
und Brunn vielleicht die unläugbar schönen Composilionsmo-
tive weggetäuscht haben : die wirklich recht geringe^ flaue
uud handwerksmässige Arbeit des Reliefs, welche sich durch
eine blosse Reinigung in römischer Zeit sicherlich nicht ge-
nügend erklärt. Sollte man wirklich auch dann nicht zu einer
Verständigung gelangen, wenn man es versuchte einen Ab-
guss der Ostreliefs vom Mausoleum neben den münchner Po-
seidonfries zu stellen? Ich gestehe also aus diesem Werke
nichts für die Beurteilung des Skopas gewinnen zu können.
Es ist überhaupt nicht leicht bei den uns erhaltenen Tri*
tonenköpfen den Anteil dieses Künstlers an ihrer Bildung aus
der unruhig pathetischen Steigerung des Formencharakters
herauszuscheiden, mit der eine spätere Epoche diese Wesen
ausgestaltet hat. ,,Der Kopf des grossarligen Tritontorso in der
Galleria delle Statue [n. 254; M. Pio-Clem. 1 34; Pistolesi V
3 i, 1 ], aus dessen aufgeregten Formen sich der Charakter der
Meerdaimonen des Skopas zu offenbaren schien, hat ein ähn-
liches Schicksal gehabt wie der früher für Phcidias in An-
spruch genommene Jupiter vonOLricoli,dass seinTypus etwa um
ein Jahrhundert zu alt angenommen wurde, da er in die Zeit
des sterbenden Alexanders und ähnlicher Bildungen gehört."
Wie wahr diese Worte Benndorfs (a. a. 0.) sind, darüber
kann uns jetzt der Gigantenaltar von Pergamon zur Genüge
belehren. Und auch in Bezug auf Werke, die man früher
geneigt gewesen ist oder geneigt gewesen wäre zu Skopas zu
stellen, wie die Pasquinogruppe, die borghesische Amazone,
die trojanische Metope Schliemanns u. drgl. mehr, wird man
jetzt um so eher denen Recht geben, welche sie einer späte-
ren Kunstepoche zuweisen.
Eine genauere Ausscheidung des Anteils, den Skopas an der
Erfindung solcher Typen hat, vermögen wir mit unsren ge-
ringen Mitteln fürs erste noch nicht vorzunehmen. Soviel aber
geht auch schon jetzt aus der unläugbaren Verwanlschaft der
angeführten Werke mit den tegeatischen Funden hervor, dass
auf die Plastik dor Diadochenperiode die Kunst dieses Mei-
sters einen Einfluss geübt haben inuss wie die keines andern.
DIE TEGEATISGIIEN GIEBELGüUPPEN 423
Grade das innerliche Palhos, das aus jenen Jünglincrsköpfen
80 ergreifend spricht, muss jener Zeit in einer Weise ^vahlver-
wandl gewesen sein, dass es alles mit sich riss. Man spürt
seinen Hauch his in die Porträlköpfe derDiadochcn und iiirer
Zeilgenossen hinein.
Für diese Stimmung hat Skopas, allen zuvor, die Formen
gedichtet; in diesem Sinne ist erder Kunst seines Landes
Führer und Schicksal geworden.
Berlin.
GEORG TREU.
Miscellen.
Aegyptisches Gewicht in Athen.
Böckh hat im Staatshansh. IIS. 333 nach Pittakis und Ilan-
gabis eine von der Burg in Alhen stammende Inschrift be-
liandelt, welche Verzeichnisse von hängendem Schiffsgerälhe,
d. h. Segeln und Tauen enthielt und sich, wie Böckh be-
merkt hat, von anderen dadurch untersclieidet , dass die Vor-
rätlie nicht nach der Zahl der ScliifTe bemessen waren , die
daraus armirt werden konnten, sondern nach dem Gewicht.
Aber nicht dies allein macht die Inschrift merkwürdig. Später
hat sich ein gleichlautendes aber noch mehr verstümmeltes
Fragment gefunden ('Efp.ap/. 3687); bei der Revision der bei-
den Stücke {C&rp. inscr. Att. II 728, 729) hat sich ergeben,
dass die Summen in aegyptischem Gewicht gezogen waren: die
an keiner Stelle vollständig erhaltene aber durch Vergleich
hinreichend sicher gestellte Formel lautete xepxXoctov cTaOfxoö
tcxvtJ); klf^jTZTiarj.D'ie hiernach nicht anzuzweifelndeThalsache,
dass in zwei gleichlautenden athenischen Urkunden nach
aegyptischem Gewicht gerechnet ist,bedarf der Erklärung. Ich
glaubte dieselbe anfangs in folgender Erwägung gefunden zu
haben. Athen, durch Lage und Bodenbeschaffenheitauf Handel
und Schifffahrt angewiesen, producirte weder Holz zum Bau
der Schiffe noch die zur Herstellung von Segeln und Takelage
nölhigen Stoffe, wie schon der anonyme Verfasser der Schrift
vom Staate der Athener bemerkt hat. Das Hauptbezugsgebiet
für Schiffsbauholz war den Athenern, in der älteren Zeit we-
nigstens, Makedonien; die ,, hängenden Gerälhe" aber, wie
der technische Ausdruck für Segel und Taue war, wurden aus
Aegyplen bezogen, wo Flachs, Hanf und Byblos seit frühen
MISCELLEN 425
Zeiten in grossem Umfang cullivirt wurden *. Es schien mir
denkbar, dass sieh mit den aus Aegypten eingeführten Arti-
keln das aegyptische GcNvicht in Attika eingebürgert habe,
ähnlicli wie in vergangenen Zeiten durch den Arzeneihandel
das venezianische Gewicht, durch den Tuchliandel die bra-
banler Elle in Deutschland Eingang gefunden hatten 2. Aber
es fehlt an jeder weiteren Spur des Gebrauchs aegyptischen
Gewichts in Athen und der vorliegende Fall ist auf andere
Weise zu erklären.
Die oben angeführten Urkunden fallen in die Zeit, als Athen
in der Gewalt Kassanders war und vonDemelrios von Phaleron
regiert wurde, um Ol. 117, 1 = 312 v. Ch. Wenige Jahre zuvor
hatte Kassandros das Bündniss mit P tole m aios, Seleukosund
Lysimachos gegen Antigonosabgeschlossen (3 16/5; Diodor. XIX
57); indem daraus sich entspinnenden Krieg der rivalisiren-
den Herrscher rechnete Kassandros für den Kampf zur See auf
die athenischeMarine , die nachweislich zwei Mal in die Ope-
rationen eingegriffen hat 3. Aus den beiden Inschriften ist zu
folgern, dass Ptolemaios den Athenern einen Transport Segel
und Taue geschickt hatte, um sie in den Stand zu setzen die
von seinem Verbündeten auf sie gesetzten Hoffnungen zu er-
füllen. Seit dem Anfang des 4ten Jahrhunderts war auf der
Burg von Alhen ein Reservedepot für Schiffsmaterialien ein-
gerichtet worden, welches unter der Verwaltung der Schatz-
meister der Athene stand; hier waren die nicht aufgebrauch-
• Vgl. Ilerniippos b. Athen, l 21 f (wo zu interpungiren est h 5' Alyj-
rr.o'j -zk /.psaaiTa, nzia. xai ßJoXoy; : mit ßj6Xos sind die aus dem Bast der By-
blosstaude gedrehten Taue bezeichnet, und Taue und Segel zusammen sind
die axcjf, /.pi[jLa7Tä) und Boeckh Securkunden S. 142. — Beiläufig: sollte nicht
das für Syrien und Aegypten bezeugte ?jX'./.öv laXavTov (Boeckh Metrologische
Untersuchungen S. 153) ^im Holzhandel angewandt worden sein und daher
seinen Namen geführt halten ?Aegyplcu war an Holz ebenso arm wie Syrien
reich und nach dem Gewicht wird das Holz auch jetzt im Orient verkauft.
2 Vgl. Boeckh Metrol. Untersuchungen S. 39 und Brandis Münz-Maas-
und üewichtswesen S. 27.
5 Vgl. Corp. inscr. Alt. II 331 Z. 9 ff. und dazu Droysen Diadochen 2 S.
18 ; Diodor XIX (i8.
426 MISCELLEN
ten Vorräthe niedergelegt und sind in den folgenden Jahren
von den Schatzmeistern mit Beibehaltung des aegyptischen
Gewichtes, nach welchem sie zuerst an die athenischen Be-
hörden verabfolgt worden waren, in den Inventarien fort-
geführt worden. Die beiden Inschriflensteine tragen auf den
Vorderseiten Reste der Uebergabsurkunden der Schatzmeister
der Athene.
Die im Vorstehenden gegebene Erklärung für das Vorkom-
men aegyptischen Gewichtes in athenischen Inschriften scheint
bestätigt zu werden durch das Gewichtssystem. Letzeres nem-
lich ist au2:enscheinlich nicht verschieden von dem attischen:
das Talent zu 60 Minen zu 100 Drachmen gerechnet*. Dies
trifft zu für das ptole maische Talent, dessen Uebcreinstim-
mung in der Eintheilung mit dem altischen bezeugt ist,
ULRICH KÖHLER,
(Februar 1882.]
• Danach ist die im Corpus versuchte Ergänzung an einer Stelle zu be«
richtigen.
MITTHEILUN6EN DES ARCHAEOL. INSTITUTES 1881. TAFEL
ATHENA PARTHENOS.
MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL INSTITUTES 1881 TAFEL
ATHENA PARTHENOS.
MITTHEILUNBEN DES ARCHAEOL. INSTITUTES 1881.
TAFEL III.
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THONGEFASS AUS ATHEN,
MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL. INSTITUTES 1881.
TAFEL IV.
KYLIX AUS ATHEI
MITTHEILUNGEN DF5 ARCHAEOL. INSTITUTES t881. TAFEL V.
RELIEF AUS KLEITOR.
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GRABANLAGEN
TAFEL VIII
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ANLAGE
MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL. INSTITUTES 1881.
TAFEL IX.
Lith.Ans1.v.Cdri Müller Bsrlin .
TEMPELSCULPTUREN VON SUNION.
MITTHcILUNGEN DES ARCHAEOL INSTITUTES 1881.
TAFEL X.
NIKE AUS MEGARA I.
MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL. INSTITUTES 1881.
TAFEL XI.
NIKE AUS MEGARA K.
MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL. INSTITUTES 1881.
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MITTHEILUNGEN DES ARCHAEOL . ! NSTITUTES 1891 .
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TAFEL XVI.
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