THE J. PAUL GETTY MUSEUM LIBRARY
MITTEILUNGEN
DES KAISERLICH DEUTSCHEN
AßCHAEOLOGISCHEN INSTITUTS
ROEMISCHE ABTEILUNG
Band XXI.
BULLETTINO
DELL* IMPERIALE
ISTITUTO AttCHEOLOGICO GERMANICA
SEZIONE ROMANA
Vol. XXI.
ROM
LOESCHER & C.g
(w. regenberq)
1906
INHALT
W. Amelung, Zum Silberbecher Corsini S. 280-287.
P. Ducati, Frammenti di vaso altico con dipinto rappresen-
tante la morte di Argo (tav. III, IV) S. 98-141.
E. R. Fiechter, Der ionische Tempel am Ponte Rotto in Rom
(S. Maria Egiziaca) (Taf. VI-XII) S. 220-279.
K. Hadaczek, Zur Geschichte des elruskischen Einflusses in Mit-
teleuropa tf. 387-393.
Ch. Huelsen, Neue Inschriften S. 87-88.
— Der dorische Tempel bei S. Nicola in Carcere (Taf. V)
S. 169-192.
A. Mau, Das grosse Theater in Pompeji (Taf. I) S. 1-49.
M. Nilsson, Zur Erklärung des Ludovisischen Marmorthrones
S. 307-313.
E. Petersen, Rostra Caesaris nochmals S. 50-63.
— Comitium und Rostra S. 193-210.
L. Pollak, Archaische Elfenbeinreliefs (Taf. XV, XVI) S. 314-
331.
G. E. Rizzo, Leggende latine antichissime (tav. XIII, XIV) S. 289-
306. Aggiunta S. 398-402.
L. Savignoni, Di una Sima ionica con bassorilievi delV isola
di Creta (tav. II) S. 64-82.
H. Schenkl, Der Hain der Anna Perenna bei Martial S. 211-
219.
RüD. Schneider, Herons Cheiroballistra S. 142-168.
|V INHALT
I. Sieveking, Römisches Aushängeschild mit Darstellung eines
Nymphaeums S. 89-97.
F. Staehlin, Bronzeblech mit Münzporträten im Kircherianum
S. 83-86.
- Die Thema Capitolina (Taf. XVII, XVIII) S. 332-386.
H. L. Wilson, Eine neue Inschrift aus Terracina S. 394-397.
Sitzungen und Ernennungen S. 288. S. 403.
Register S. 404.
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI.
(mit Taf. Ij
Die Erforschung der älteren Formen des grösseren Theaters
in Pompeji wird W. Dörpfeld verdankt, der im Juni 1902 zu
diesem Zwecke nach Pompeji kam. Herr Professor Pais, damals
Direktor, liess bereitwilligst die nötigen Nachgrabungen am
Skenengebäude vornehmen, die dann nach Dörpfelds Abreise unter
meiner Leitung fortgesetzt wurden. Noch im Laufe desselben
Sommers veranstaltete der Inspektor Graf Cozza eine Ausgrabung
in der Cavea des Theaters und wurde auf meine Veranlassung
die Erforschung der Orchestra begonnen. Letztere wurde im Sommer
1904 in Gegenwart Dörpfelds fortgesetzt, aber erst im Sommer
1905 unter Sogliano*s und meiner Leitung ganz zum Abschluss
gebracht. Im Sommer 1904 wurde auch unter Mitwirkung Kawe-
rau's das Skenengebäude aufs neue genau untersucht und wurdeu
von Dörpfeld die hochwichtigen Spuren eines einst im Hinterraum
vorhandenen, von Balken getragenen Zwischenbo'dens entdeckt.
Kurze Berichte über diese Ausgrabungen sind erschienen Notiz-ie
degliscavi 1902 S. 512 ff. (Paribeni) und 1906 S. 100 ff. (Sogliano).
Die folgende Darstellung berichtet über den Tatbestand nach
Auffassung des Unterzeichneten; Dörpfeld wird später Gelegenheit
nehmen, seine Stellung zu derselben klar zu legen. Doch ist, was
hier vorgelegt wird, Resultat gemeinsamer Bemühung; Teilung
des geistigen Eigentumes ist kaum möglich, und keiner von uns
beiden legt Wert darauf. Auch wo ich Ansichten vortrage, denen
vielleicht Dörpfeld nicht zustimmen wird, bin ich doch auf Schritt
und Tritt durch seine Mitwirkung wesentlich gefördert worden.
Das Ganze unserer Ausgrabungen wird durch den Plan Tf. I
veranschaulicht. Auf demselben sind die Mauerteile der verschie-
denen Perioden des Skeneubaues so unterschieden, dass die deuo
1
•2 A. MAU
ursprünglichen Bau angehörigen einfach, die des ersten Umbaues
kreuzweise schraffiert, die der Umgestaltung in augusteischer Zeit
und die wenigen noch späteren schwarz sind. Einfach schraffiert,
wie die ältesten Teile des Skenenbaues, sind auch die auf dem
Plan sichtbaren Teile des Zuschauerbaues. Sie sind zwar ihrem
Ursprünge nach älter als der Skenenbau; da sie aber deutlich
von ihm getrennt sind, so entsteht hier durch die gleiche Be-
zeichnung nicht gleichartiger Teile keine Unklarheit. Sie enthalten
ferner auch Teile die dem Umbau der augusteischen Zeit angehören;
aber bei der Art wie hier älteres und jüngeres durch einander
geht, war gesonderte Bezeichnung nicht möglich. Sie war auch
nicht nötig, da diese längst bekannten Dinge in unserer Erör-
terung keine Rolle spielen.
Der zeitlichen Unterscheidung ist die Unterscheidung höheren
und niedrigeren Mauerwerks geopfert worden. Es handelt sich hier
nur um die letzte Periode (schwarz). Das Podium der augustei-
schen Bühne, die innerhalb des Vorhangsraumes laufende Was-
serrinne, die an diese angesetzten Stützpfeiler des Bühnenfussbo-
dens wird jeder leicht erkennen. Der in der Mitte quer durchge-
hende breite schwarze Streif bezeichnet den unter der Bühne durch-
gehenden Abzugskanal, der von W (rechts) an der scaenae frons
entlang und dann schräg nach vorn gehende schwarze Streif eine
Wasserrinne, von der weiter nicht die Rede sein wird. Etwas
unklar musste unser Plan in der Mitte der Rückwand (oben)
ausfallen: hier bedeutet das Schwarze in der Mitte die Vermaue-
rung der alten Thür im unteren Teil der Mauer, die beiden nach
rechts und links nicht scharf begrenzten Mauerteile die Pfosten
der dann im oberen Wandteil eröffneten Rampenthür.
Unsere Darstellung wird ferner erläutert durch beistehenden Ge-
sammtduichschnitt (Fig. 1), und mehrere Teildurchschnitte und
Aufrisse. In diesen sind die verschiedenen Arten von Mauerwerk —
Quadern, ziegeiförmige Steine, Ziegel, Incertum — unterschieden
und die Mauerdurchschnitte durch eine über diese Materialbe-
zeichnungen hinweggehende schräge Schraffierung kenntlich gemacht.
Wir beginnen mit der scaenae frons. Sie erhielt ihre letzte
Gestalt im wesentlichen durch einen Neubau in Ziegeln, der dem
durch die bekannte Inschrift (MM. Holconii Rufus et Celer cryp-
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI
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A. MAU
tarn tribimalia theatrum s. p.) bezeugten Umbau des Zuschauer-
raumes durch die Holconier ziemlich gleichzeitig sein muss. Dies
ist zu schliessen aus einer Eigentümlichkeit des Ziegelwerkes,
indem nämlich der Mörtel der Fugen mit einer Kante in der
Mitte vorspringt, genau so wie an den antiken Teilen der Thür
die aus dem unregelmässigen Raum zwischen Theater, Forum
trianguläre, Palaestra und Isistempel in die Crypta führt : eine
Eigentümlichkeit die sonst meines Wissens in Pompeji nicht
vorkommt.
Auf diesen in die Zeit des Augustus, um den Beginn unserer
Zeitrechnung fallenden Bau folgten nur noch einige nicht wesent-
liche Veränderungen. Die am meisten vorspringenden Teile der
Fassade wurden noch um 0,24 vorgerückt. Dieser Vorsatz besteht
aus Ziegelwerk, verschieden von dem der ganzen Fassade. Er reicht
nur bis zur Sockelhöhe und ist hier durch Tuffsteine bekrönt und
abgeschlossen. Ferner sind die ursprünglich durch die drei Thüren aut
die Bühne herabführenden Stufen später überbaut worden, vielleicht
weil man die Thürschwellen etwas höher legte. Die Reste sind
ganz formlos.
Spuren einer älteren, gradlinig verlaufenden Frontwand waren
schon immer kenntlich. Ihre Vorderfläche fällt zusammen mit der
Vorderfläche der augusteischen Ziegelfront, abgesehen von den
ebenerwähnten Zusätzen derselben; diese springen vor die ältere
Mauer vor.
Diese ältere Mauer nun wurde näher untersucht. Es ergab
sich, dass sie in der Mitte eine vorn 1,78, hinten 1,76 breite Thür
hatte, deren aus ziemlich grossen, nicht sehr gleichmässigen,
durchschnittlich 0,22 hohen ziegelförmigeu Tuffsteinen bestehende
Pfosten um 1,15 unter die jetzige Oberfläche des Podiums der
Bühne der letzten Zeit, und damit unter das ungefähre Niveau eben
dieser Bühne, um reichlich 0,10 unter das der Orchestra hinab-
reichen. Nun ist das jetzige Niveau der Orchestra, wie weiterhin
zu zeigen sein wird, späten Datums und Resultat mehrfacher Ver-
änderungen : es ist zu Zeiten höher gewesen, kann aber wegen des
hier anstehenden natürlichen Lavabodens nur ganz unwesentlich
niedriger gewesen sein. Und da es nicht wohl denkbar ist, dass
die Orchestra höher gewesen wäre, als die Thürschwellen der
Skene, so werden wir diese als im Niveau der alten Orchestra lie-
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 5
gend betrachten dürfen. Die Pfosten sind breit 1,19; dies ist also
die Dicke der Mauer. Eine Schwelle ist nicht vorhanden ; den Thür-
boden bildet eine mörtolartige Masse. In der westlichen Hälfte
der Thür ist der Boden um 0,43 erhöht durch den auch unter der
Bühne hindurch nach Süden führenden Abzugskanal. Dieser war
also damals noch nicht vorhanden.
Diese Thür liegt grade vor der Mittelthür der späteren Skenen-
front. Von zwei weiteren Thüren ist nur je ein Pfosten kenntlich :
sie lagen zwischen der Mittelthür und den beiden Nebenthüren
der späteren Bühne. Von der westlichen ist der westliche, von der
östlichen der östliche Pfosten sichtbar, östlich, beziehungsweise
westlich der späteren Thüren ; die beiden anderen Pfosten sind unter
den vorspringenden Teilen der späteren Front verborgen. Mauer-
stärke und Schwellenniveau sind hier nicht kenntlich ; wir nehmen
an, dass sie mit der Mittelthür übereinstimmen. Da ferner diese
genau der weiterhin zu besprechenden alten Mittelthür in der
Rückwand des Gebäudes, die beiden sichtbaren Pfosten der Seiten-
thüren aber je einem Pfosten zweier anderen einst dort befindlichen
Thüren genau entsprechen, so ist sicher anzunehmen, dass auch ihre
anderen Pfosten den anderen Pfosten jener beiden Thüren entsprechen.
Damit ergeben sich die drei Frontthüren als wesentlich gleich weit.
Von dieser alten Frontwand aus verlief jederseits, nahe den
Enden, eine Mauer schräg nach aussen gegen den Zuschauerraum.
Der am höchsten erhaltene und deutlichste Rest ist auf der Ost-
seite, links im Plan Tf. I ; er ist erhalten, weil er hier für die
gleich zu erwähnenden Vorbauten benutzt und ihnen einverleibt
ist. Es ist nämlich ganz klar, dass die westliche (rechte) Ecke des
mittleren, am meisten vorspringenden Teils der östlichsten dieser
fünf Vorbauten nicht der übrigen Masse gleichartig, sondern ein
Rest einer älteren, schrägen Mauer ist; daher die Schiefwinkligkeit
dieses Vorsprunges. Dieser ältere Rest setzt sicli rückwärts fort
durch den hinteren Teil des Vorbaues und schliesst an die alte
Frontwand an, der er auch im Mauerwerk gleichartig ist. Es ist
deutlich, dass die schräge Mauer sich einst nach vorn weiter fort-
setzte und an der Front des Vorbaues abgehackt ist. Der der Mitte
zugewandte Winkel ist 4 m. vom Ende der Skene entfernt.
Die Fortsetzung dieses Restes gegen den Zuschauerraum fehlt,
weil hier der Raum unter der späteren Bühne so stark vertieft ist,
6 A. MAU
dass auch die Fundamente verschwinden mussten. Dagegen wurde
auf der Westseite durch unsere Ausgrabungen ein in genau entspre-
chender schräger Linie verlaufendes Mauerfundament aufgedeckt;
wir können nicht zweifeln, dass hier das im Osten verlorene erhal-
ten ist. Für den späteren Vorbau ist hier, im Westen, die schräge
Mauer nicht benutzt worden ; in ihm sind keine älteren Reste zu
constatieren. Dagegen sehen wir hier deutlich, wie sie an die
Südwand des Zuschauerbaues stösst und an ihr entlang, in stum-
pfem Winkel umbiegend, sich nach Westen bis an die Aussen-
wand des Gebäudes fortsetzt, in der Ecke durch eine viel jüngere
Basis bedeckt. Und kehren wir nun nach Osten zurück, so dürfen
wir wohl annehmen, dass dieser Fortsetzung die sich dort an glei-
cher Stelle findenden, jetzt ganz formlosen Reste entsprechen. S.
hierzu den Plan Tf. I.
Es ergiebt sich also jederseits ein schiefwinkliger Raum
zwischen der schrägen Mauer, ihrer Fortsetzung am Zuschauerbau,
der äusseren Seitenwand des Skenengebäudes und der alten Front-
wand: ein Paraskenion. Selbstverständlich standen diese beiden
Räume in Verbindung mit dem Räume hinter der Front, dem
Skenensaal. Und zwar war diese Verbindung nicht etwa so her-
gestellt, dass sich die Frontwand nicht über den Ansatz der schrä-
gen Mauer hinaus nach aussen fortgesetzt hätte — die Fortsetzung
ist im Westen sichtbar — sondern durch je eine Thür iu der
Frontwand. Diese Thüren sind nicht kenntlich, weil die betreffen-
den Teile von der späteren Bühneufront bedeckt sind.Da aber, wie
oben ausgeführt, den drei sichtbaren Thüren der Front drei Thüren
in der Rückwand des Skenengebäudes genau gegenüber standen, und
da diese Rückwand nahe den Ecken noch zwei kleinere Thüren hatte,
so ist wohl kein Zweifel, dass diesen die beiden eben geforderten
Thüren entsprachen. Ob die Paraskenien auch durch Thüren in den
schrägen Mauern mit dem von diesen und der Front umfassten,
gegen die Zuschauer sich erweiternden Raum in Verbindung stan-
den, ist nicht kenntlich, doch wird es wohl anzunehmen sein.
Beistehend (Fig. 2) der im übrigen weiterhin zu begründende
Gnvndriss des Skenengebäudes in seiner ältesten Form : ein gutes
Beispiel dos von Puchstein als der altattisch-westliche bezeichneten
Typus. Es wird gut sein, gleich hier die Art zu besprechen, wie
sich dies Skenengebäude an den Zuschauerbau anschloss. Da wo die
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 7
Reste der schrägen Wand des westlichen Paraskenion an den Zu-
schanerbau stossen, sind an diesem die Reste eines mit weissem
Stuck — er würde gut in die Tuffperiode passen — bekleideten Pi-
lasters kenntlich (im Plan Tf. I angedeutet), der hier eine Ecke
nach Osten bildete; was weiter östlich folgt ist späterer Zusatz.
Fig. 2. — Aelteste Form des Skenenbaues.
Sein Fuss ist nicht erhalten, wir wissen also nicht, wie tief er
stand; aber das erhaltene Schaftstück reicht 0,80 unter die Ober-
fläche der Schwelle des westlichen Bühneneinganges, und damit
unter den Spielboden der letzten, und vielleicht noch tiefer, sicher
nicht weniger tief, unter den der vorletzten Form des Skenenbaues.
Er ist aber auch älter als die älteste erkennbare Form desselben ;
denn es konnte vollkommen sicher festgestellt werden, dass die
eben dieser Form angehörige schräge Mauer an ihn hinangemauert
wurde, als er schon teilweise zerstört war. Also ein Rest aus einer
Zeit, in der der Zuschauerbau schon in seiner jetzigen Ausdehnung
stand, noch nicht aber das jetzige Skenengebäude.
Ueber die Bedeutung dieser als Pilaster gebildeten Ecke kann
kein Zweifel aufkommen. Hier war schon damals die jetzige, durch
den Bogen mit dem Satyrkopf zugängliche, rechtwinklig gebrochene
Parodos, und die Ecke bezeichnet das Ende der Mauer, die sie
von dem Räume südlich des Theatron trennte; sie ist die Ecke
8 A. MAU
der flügelartigen Erweiterung der Orchestra, die dadurch entsteht,
dass natürlich in der Breite der Parodos die untersten Sitzstufen,
von der Höhe des Parodoseinganges abwärts, fehlen; hier endete
der bedeckte und begann der unbedeckte Teil der Parodos (s. Fig. 2).
Später wurde durch den Bau der weiter in die Orchestra vorsprin-
genden Tribunalien der bedeckte Teil in eben dieser Richtung ver-
längert und inusste mithin die alte Ecke verschwinden. Ausge-
schlossen ist also die Vorstellung, als habe damals ein älteres
Skenengebäude weiter südwärts, in einiger Entfernung vom Thea-
tron gestanden, und es seien zwischen beiden die Parodoi ge-
wesen ; diese waren wo sie jetzt sind. Sondern, so dürfen wir weiter
schliessen, hier lag schon damals, unmittelbar am Theatron, ein
älteres Skenengebäude; es lag da, wo es mutmasslich schon vor
der weiterhin zu besprechenden Vergrösserung des Theatron gelegen
hatte. Zwischen der Orchestra, d. h. dem unbedeckten Teil der Pa-
rodoi, und dem Innenraum der Skene waren freistehende, als Pilaster
ausgebildete Ecken. Es ist, soviel ich sehe, nichts im Wege, zwischen
diesen beiden Pilastern die Säulenreihe eines Proskenion zu ergänzen;
seine Spuren, wenn es hier war, mussten beim Bau des unterir-
dischen Ganges unter dem Vorhangsraum verschwinden. War es
nicht vorhanden, so öffnete sich der Innenraum des damaligen Ske-
nenbaues zu ebener Erde frei auf die Orchestra; es wäre dann wohl
unvermeidlich, in ihm den Spielplatz zu erkennen.
Dieser Rest also bezeugt uns eine Zeit, in der der Zuschauerbau
schon seine jetzige Ausdehnung hatte, das jetzige Skenengebäude
aber noch nicht vorhanden war. Wenn wir nun aber sehen, wie in
diesem die schräge Mauer grade an dem Pilaster endete, so dass
die Vorderecke des Paraskenion zusammenfiel mit der Ecke des Pi-
lasters, so dürfen wir daraus schliessen — woran zu zweifeln ja
auch gar kein Grund ist — dass die beiden Eckpilaster auch da-
mals noch, als diese Skene gebaut wurde, frei stehen blieben und die
Südöffnung der Orchestra einschliesslich der unbedeckten Teile der
Parodoi einfassten, und dass für den Gruudriss der jetzigen Skene
in ihrer ältesten Form (Fig. 2) die Absicht massgebend war, die
Oeffnung des schiefwinkligen, gegen die Zuschauer sich erweiternden
Raumes zwischen den Paraskenien zusammenfallen zu lassen mit
der Oeffnung der Orchestra bis an die Parodoswölbungen. Auf dieser
Annahme beruht der rekonstruierte Grundriss Fig. 2.
DAS GROSSE TIIEATKR IN POMPEJI V
Und wenn wir nun fragen, ob diese älteste Form der jetzigen
Skene ein Proskenion hatte, so werden wir aucli für diese Zeit vor
allem die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es in der Linie
der beiden Pilaster lag. Und wir werden antworten: es konnte sein,
konnte auch nicht sein. Es konnte aber auch um eine Mauerstärke
weiter südlich liegen, in der Linie der Paraskenienfronten. Hier
ist ein Fundament vorhanden: es trägt jetzt die Südwand der an
der Innenseite des Vorhangsraumes entlang laufenden Wasserrinne,
ist aber sicher nicht für diese gelegt worden, da es sich ostwärts
bis an das Paraskenion erstreckt, während die Rinne nicht so weit
reicht. Es reicht um reichlich 0,10 weniger weit nach Süden als
die 0,80-0,85 starken Fundamente der Nordmauern der Paraske-
nien. Wie weit es nach Norden reicht, kann nicht constatiert werden ;
wenn weiter als die Paraskenien, so ist der betreffende Teil durch
den Vorhangsbau bedeckt. Man kann wohl nicht leugnen, dass
dies Fundament ein Proskenion getragen haben kann, sowohl ein
solches das als Spielhiutergrund diente, als ein den Spielboden
tragendes. Aber freilich eben so gut kann es das Bühnenpodium
der folgenden, gleich zu besprechenden Form des Baues getragen
haben und erst für dieses gelegt worden sein ; dies ist in unserem
Plan Tf. 1 angenommen worden. Ein von diesem Fundament bis
an die Skenenfront, quer durch den Raum unter der späteren Bühne
gezogener Graben stiess auf keinerlei Fnndamentreste: es darf als
sicher gelten, dass auf dieser Strecke, also rückwärts der Paraske-
nienfronten, kein Proskenionfundament vorhanden ist. Also die Frage,
ob Proskenion oder nicht, findet aus den Resten keine Beantwortung.
Wir wenden uns jetzt zur Betrachtung der späteren Umgestal-
tungen der Front.
Nämlich die so eben ermittelte Form ist keineswegs die der
augusteischen unmittelbar vorhergehende, vielmehr ergab sich aus
unseren Nachgrabungen noch eine zwischen beiden liegende Um-
gestaltung. S. zum Folgenden auf dem Plan Tf. I das kreuzweise
schraffierte, und umstehende Fig. 3.
Wir beginnen mit der Mittelthür. Diese ist einmal mindestens
bis zur Höhe der Buhne der letzten Zeit zugemauert worden. Doch
füllt die Verschlussmauer nicht die ganze Tiefe der Thür, sondern
nur ihren vorderen, der Orchestra zugewandten Teil, bis 0,44 von
10
A. MAU
der Vorderkante; erbalten ist sie natürlich, wie auch die Thür-
pfosten, nur bis zur Höhe des späteren Bühnenbodens. Ihr Mauerwerk
aber tritt vor die alte Frontwand vor und bildet hier einen 5,88
langen, etwa 0,50 breiten Vorsprung, der in der Mitte wieder einen
eben so breiten, 3.69 langen Vorsprung hat. Alles dies liegt sym-
metrisch zu der Thür, die, 1,77 breit, der Mitte dieses letzteren,
kleineren Vorsprunges entspricht.
1
Fig-. 3. — Zweite Form des Skenenbaues.
Ebensolche doppelte VorsprüDge finden sich auch vor den beiden
Nebenthüren ; nur sind sie hier kürzer, und der vordere, kleinere
Vorsprung erstreckt sich im Osten nur um 0,32 über die östliche,
in Westen um 0,14 über die westliche Thürkante hinaus.
Endlich sind noch zwei solche doppelte Vorsprünge an beiden
Enden der Frontwand, über die schrägen Mauern hinausreichend,
der Art, dass die innere Ecke des vorderen, kleineren Vorsprunges
mit dem Ansatz der schrägen Mauer zusammenfällt. Es wurde
schon oben (S. 5) bemerkt, dass im Osten ein Rest der schrägen
Mauer diesem Vorsprung einverleibt ist ; wohl dadurch ist er hier
etwas länger geworden als vor den eben erwähnten Nebenthüren
(2,40 gegen 2,30), während er im Westen kürzer ist (2,10). Diese
mit ihrem hinteren Teil bis an die Seitenwände des ganzen Baues
reichenden Vorspränge liegen nicht symmetrisch zu den früheren
Thüren zwischen Hinterraum und Paraskenien ; diese wird man
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 11
also wohl vermauert haben. Es ist wahrscheinlich, dass dafür in
der neuen Form den Vorsprüngen entsprechende Thüren durchge-
brochen waren; aber constatiert kann dies nicht werden. AVar es nicht
der Fall, so dienten hier die Vorsprünge und was sie trugen nur
als Decoration. In unserem Grundriss Fig. 3 sind diese jüngeren
Thüren nicht angegeben, weil sie mit der Angabe der vermauerten
älteren Thüren collidieren würden.
Diese Vorbauten bestehen aus Incertum, vorwiegend Kalkstein
und Tuff, wenig Lava, mit Ecken aus ziegeiförmigen Steinen der
gleichen Materialien ; doch erscheinen in diesen Ecken stellenweise
auch viel grössere, viereckig behauene Steine, die wohl verwendet
wurden, weil sie grade zur Hand waren. Einen besonders alter-
tümlichen Eindruck macht das Ganze nicht, hat auch keinen rech-
ten chronologischen Charakter; man könnte an die erste Zeit der
römischen Colonie denken.
Der durch diese Reste bezeugte Vorgang^ist also ein dreifacher.
Erstens werden die Thüren von unten bis zu einer gewissen
Höhe vermauert, d. h. höher gelegt; denn Thüren mussten natür-
lich auch später dasein, und die jetzt sichtbaren Teile der umgestal-
teten Frontwand, ohne Thüren, sollten natürlich unter dem Spiel-
boden bleiben. Also erhöhte Buhne, unter deren Spielboden ein
Hohlraum war, von gleicher Tiefe wie in der letzten Zeit PompejTs
(abgesehen von dem tieferen östlichsten Teil). Denn bis zu dieser
Tiefe ist die Vorderfläche der Vorsprünge durchaus als Mauer-
fläche behandelt, erst hier beginnt die Fundamentschicht.
Zweitens wird aus der einfachen Mauer eine reicher entwickelte
Fassade, deren Schmuck in Umrahmung der Thüren mit Säulen
und Gebälk bestanden haben muss. Da vor den Nebenthüren der
kleinere, vordere Vorsprung die Thürweite nur ganz wenig überschrei-
tet, so können auf ihm, hier wenigstens, keine Säulen gestanden
haben; denn diese wären vor die Thüröffnung zu stehen gekommen.
Er trug also nur eine vor die Thür und ihre Einfassung vortre-
tende Stufe. Sicher sind aber auf dem hinteren, längeren Teil des
Vorsprunges säulenartige Glieder als Thüreinfassuug anzunehmen.
Zwar würde der höchstens 0,55 breite Vorsprung für Säulen keinen
genügenden Raum bieten ; aber es ist ganz sicher, dass die Front-
mauer dieser zweiten Form nicht die gleiche Stärke hatte, wie die
ältere (1,19). Ihre Ansätze sind an den Seitenmauern des Gebäudes,
12 A. MAU
deren betreffende Teile eben dieser zweiten Form angehören (s. unten
S. 17 ff.), deutlich sichtbar, und beweisen, dass ihre Vorderfläche
um etwa 0,25 weiter zurücktrat als die der alten Front. Man hat
also behufs dieser Umgestaltung den über die damals eingerichtete
Bühne aufragenden Teil der Frontmauer eingerissen und in gerin-
gerer Stärke wieder aufgebaut. So erhalten wir für die Stufe eine
Breite von mindestens 0,75, vollkommen ausreichend um auch Säulen
auf sie zu stellen. Aus der grösseren Länge der Stufe vor der Mit-
telthür dürfen wir schliessen, das hier jederseits zwei Säulen stan-
den, vor den Nebenthüren je eine.
Drittens endlich wurde unter Beseitigung der Paraskenien die
Front verlängert bis an die Seitenwände des ganzen Baues. Die
einst die Paraskenien mit dem Hinterraum verbindenden Thüren
blieben nicht als Thüren der erweiterten Front; dies geht, wie schon
gesagt (S. 10 f.), daraus hervor, dass die Vorbauten zu ihnen nicht
symmetrisch liegen. Dass diesen entsprechend, also weiter gegen
die Mitte, Thüren durchgebrochen wurden, dürfen wir annehmen,
können es aber nicht constatieren, da ja die Frontmauer nicht bis
zur späteren Schwellenhöhe erhalten ist.
Es soll nicht verschwiegen werden, dass das bei dieser Um-
gestaltung eingeschlagene Verfahren in einer Beziehung seltsam und
mir unverständlich ist. Die Fassade erhob sich über einem von
Balken getragenen, einen ziemlich tiefen Hohlraum bedeckenden
Boden. Wenn nun zu unterst der Fassade Stufen, hier mehr, dort
weniger, vortreten sollten, so war doch das einzig zweckmässige
Verfahren, diese Gliederung erst über dem Boden beginnen zu
lassen, unter diesem aber die Futtermauer gradlinig durchzu-
führen, sei es in der Linie der am meisten vorspringenden Stufen,
sei es — noch besser — etwas weiter vortretend, als Auflager
für die Balken des Spielbodens. Statt dessen ist die aus den Stu-
fen sich ergebende Gliederung ganz unnötigerweise auch unter
den Spielboden bis auf den Boden des Hohlraumes hinabge-
führt worden, so dass hier die Futtermauer in vielfach gebroche-
ner Linie verlief. Wenn hiermit eine geringe, für einen solchen Bau
kaum in Betracht kommende Ersparniss an dem nicht kostspieli-
gen Material verbunden war, so wurde diese mehr als aufgewo-
gen durch die vermehrte Arbeit an den vielen, aus sorgfältig be-
hauenen Steinen hergestellten Ecken. Ausserdem mussten nun auch
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI ]3
die Balken länger und ungleich lang sein. Und wollten wir statt
Balkenboden und Hohlraum Erdfüllung unter dem Spielboden an-
nehmen, so würde dadurch die Arbeitsverschwendung an allen
den Ecken und Vorsprüngen nur noch unverständlicher. Indess, wie
immer das zu erklären sein mag, an der Tatsache ist kein Zwei-
fel möglich. Dagegen ist der Umbau in augusteischer Zeit voll-
kommen rationell durchgeführt: man füllte die Zwischenräume
zwischen den Stufen aus, so dass nun die Futtermauer in der Linie
der am meisten vortretenden Stufen verlief, und legte die Fas-
sade so weit zurück, dass ihre vortretenden Teile nicht die
Linie der alten Frontmauer, ohne die Stufen, überschritten und
die ganze Breite dieser letzteren, ziemlich 1 m, als Auflager für
die Balken vor die Fassade vortrat.
Ich habe von erhöhter Bühne gesprochen ; dies Wort bedarf
etwas näherer Begründung. Unter Bühne verstehen wir einen über
die Orchestra erhöhten Spielplatz ; wir haben aber bis jetzt nur
nachweisen können, dass er über die Orchestra der ersten Form
des Gebäudes erhöht war: war er es auch über die seiner Zeit?
Wir müssen hier einige Tatsachen vorwegnehmen, die sich uns bei
Betrachtung der Aussenseite des Gebäudes ergeben werden.
Nämlich von dieser zweiten Form an hatte der innerhalb
des Skenenbaues liegende Spielplatz zwei grosse, monumentale Sei-
teneingänge. Die Schwellenhöhe dieser Thüren giebt uns das Ni-
veau des Spielbodens; sicher das der letzten Zeit, nach meiner Mei-
nung aber auch das dieser zweiten Form ; dies wird weiterhin zu
begründen sein. Nun lagen diese Eingänge der westliche 1,06, der
der östliche 1,225 über dem Fundament des Skenenbaues und un-
gefähr so viel auch über der Orchestra der letzten Zeit ; sie wurden
zugänglich, indem man den äusseren Boden bis etwa 0,20 unter
ihrer Schwellenhöhe erhöhte. Auch hinter dem ganzen Gebäude
wurde der Boden erhöht, aber weniger, um etwa 0,50, so dass
er an den Seiten und gegen die Parodoseingänge anstieg. Und end-
lich wird sich uns aus den einst in der Orchestra befindlichen Bas-
sins ergeben, dass auch diese zur Zeit dieser zweiten Form höher
lag als vorher und nachher. Wieviel höher, dass können wir nicht
mit Sicherheit sagen, können also nicht von vorn herein die Mög-
lichkeit ausschliessen, dass die Erhöhung der des Spielbodens gleich
kam, so dass dieser und die Orchestra in einer Ebene gelegen
14 A. MAU
hätten. Zur Zeit der ersten Form ging man auf ebener Fläche in
die Orchestra; von augusteischer Zeit an, da die äussere Erhöhung
blieb, die innere aber beseitigt wurde, stieg man stark hinab.
Wie war es in der Zwischenzeit? bei obiger Annahme hätte man
fast unmerklich ansteigen müssen.
Nach Erwägung aller Umstände scheint es mir aber doch
wahrscheinlich, dass der Spielboden über die Orchestra erhöht war,
also als Bühne bezeichnet werden darf. Erstens ergab sich uns
ein Hohlraum unter dem Spielboden, was doch weniger verständ-
lich ist, wenn dieser nur eine Fortsetzung der Orchestra war,
Zweitens: wir werden rinden, dass zur Zeit der ersten Form in
der Orchestra ein grosses, etwa 0,70 tiefes Bassin war. Die der
zweiten Form gleichzeitigen Bassins — es sind ihrer mehrere auf
einander gefolgte — sind kleiner, also grössere Tiefe derselben nicht
wahrscheinlich. Ihr Boden liegt von 0,17 bis 0,30 unter der Or-
chestra der letzten Zeit; wollten wir nun eine Orchestra in der Höhe
des Spielbodens annehmen, so würden sie bei z. T. sehr geringer
Ausdehnung bis zu etwa 1,45 tief werden, was immerhin unwahr-
scheinlich ist. Endlich hat das kleine Theater (und hatte von An-
fang an) eine über die Orchestra erhöhte Buhne. Es ist datiert
bald nach 80 v. Chr., und wir werden weiterhin sehen, dass die
zweite Form unseres Skenenbaues wohl jünger, aber nicht älter
sein kann; es ist also wahrscheinlich, dass auch sie eine erhöhte
Bühne hatte.
Es konnte aber nur eine niedrige Bühne sein. Denn auch für
die kleinen Bassins müssen wir doch wohl eine Tiefe von etwa
0,60 annehmen. Dann aber lag die Orchestra damals um etwa
0,40 höher als früher und später, und das Podium der Bühne
erhob sich über sie um etwa 0,75.
Wir haben also hier drei auf einander gefolgte Formen des
Raumes vor der Front constatiert. Zuerst lag er im Niveau der
Orchestra, mit schrägen, gegen die Zuschauer divergierenden Sei-
tenwänden, drei Thüren in der glatten Rückwand und wohl auch
Thüren in den schrägen Seitenwändeu. Zweitens erhöhte Bühne, so
hoch wie die der letzten Zeit aber weniger über die (damals erhöhte)
Orchestra aufragend, in der Länge des ganzen Baues, mit wahr-
scheinlich fünf Thüren, diese eingefasst von Säulen, die auf vor-
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 15
tretenden Stufen standen. Drittens die Bühne der augusteischen
Zeit, in gleicher Höhe mit der vorigen, aber höher aufragend über
die jetzt wieder niedrigere Orchestra, auch in der Länge des ganzen
Baues, mit drei Thüren und vor- und zurücktretenden Teilen.
Unser Theater bietet also ein ganz sicheres Beispiel einer Bühne,
die nicht in einem Teil der Orchestra entstanden ist, sondern an
der Stelle der Paraskeuien und des von ihnen eingeschlossenen
Raumes.
Wir wenden uns jetzt zur weiteren Betrachtung des ganzen
Skenengebäudes und seiner Umfassungsmauern.
In der letzten Zeit Pompeji's war das Gebäude zugänglich
durch drei Thüren: zwei weite und hohe in den Seitenwänden,
den Schmalseiten der Bühne entsprechend, im Niveau ihres Fussbo-
dens, und eine um etwa 0,65 höher liegende in der Mitte der Rück-
wand. Diese, von aussen durch eine Rampe zugänglich, führte in den
Raum hinter der Bühne, Skenensaal, und bezeichnet das Niveau
seines Fussbodens, der also um 0.65 über den der augusteischen
Bühne erhöht war. Nichts führte bisher darauf, dass diese Thüren
nicht von Anfang an vorhanden gewesen sein sollten.
Ausserdem sah man in der Rückwand, nahe den Enden, die
Pfosten zweier schmäleren (1,29-1,30) vermauerten Thüren, aber
nur von aussen, weil sie innen unter dem Fussboden blieben.
Ueber der westlichen dieser beiden Thüren sieht man (Fig. 9, S. 26),
ebenfalls nur von aussen, einen Bogen aus unvollkommen keilförmig
geschnittenen und noch unvollkommener gefugten Steinen. Von
innen ist dieser Bogen nicht sichtbar, da er nicht durch die Mauer
hindurch geht. An der östlichen Thür ist nur auf dem Westpfosten
der aus zwei Steinen bestehende Ansatz eines ähnlichen Bogens und
unter ihm ein Stein mit schräger östlicher Seitenfläche sichtbar,
dieser offenbar der Ansatz einer als Thürsturz dienenden Horizontal-
wölbung (Fig. 7, S. 22). Auf alles dies ist weiter unten zurück-
zukommen.
Die Wände sind aussen durch Pilaster geteilt, von denen
keiner in ganzer Höhe erhalten ist. Das untere Ende derselben
verlor sich vor unseren Ausgrabungen im Erdboden, ohne eine
Spur einer Basis oder eines unteren Abschlusses. Von diesen Pila-
stern sah man auf den Schmalseiten, ausser den Eckpilastern, je
16
A. MAU
einen ; im übrigen waren diese Wände von den grossen Seitenein-
gängen und ihren Quaderpfosten eingenommen. Auf der Bückseite
sah man ihrer zwölf; doch hatte der mittelste, die Thür enthal-
tende Zwischenraum dreifache Breite, so dass die Einteilung der
Wand für vierzehn Pilaster gemacht schien.
7?l. c
*S
Fig. 4. — Westseite des Skenenbaues von aussen.
Durch unsere Ausgrabungen ist die Umfassungsmauer aussen
auf allen drei Seiten, innen auf der Rückseite und der östlichen
Schmalseite des Skenensaales bis an die Fundamente freigelegt
worden. Den Skenensaal ganz auszuräumen wäre sehr wünschens-
wert, und hoffentlich wird es früher oder später geschehen. Auch
so aber ergaben sich überraschende und wichtige Thatsachen.
Unsere Ausgrabungen begannen ausserhalb der grossen Seiten-
eingänge (S. 16. 1 7 Fig. 4-5). Hier stellte sich sofort heraus, dass die
äussere Bodenfläche in früherer Zeit beträchtlich tiefer lag: im
Westen 1,06, im Osten 1,225 unter der Oberfläche der Schwelle
des Einganges (genauer der beiden die jetzt fehlende Schwelle seit-
DAS GROSSE THEATKR IN POMPEJI 17
wärts einfassenden Steine). Bis dahin reichen die Mauern und Pi-
laster des Gebäudes hinab, dort beginnt das Fundament.
Weiter zeigte sich, dass die grossen Seiteneingänge späterer
Zusatz sind, dass damals, als der äussere Boden noch so tief lag,
die Wände der beiden Schmalseiten ganz geschlossen und durch
771. c
3 O
Fiff. 5. — Ostseite des Skenenbaues von aussen.
je fünf Pilaster (einschliesslich des Eckpilasters) gegliedert waren.
Es kamen nämlich an dem bisher im Erdboden verborgenen Teil
der Wand auf der Westseite drei weitere Pilaster zum Vorschein :
einer ganz am Nordende, an der Ecke zwischen Bühnen- und Zu-
schauergebäude, einer unter der (fehlenden) Schwelle, mehr nach
Süden, einer südlich vom Eingang, unterhalb der Tuffquadern seines
Südpfostens. Dieselben Pilaster fanden sich auch auf der Ostseite,
nur ist hier der dritte verborgen hinter dem Fundament eines
später hier angebauten Portikus, dessen abschliessende Halbsäule
da steht wo früher der Pilaster stand.
Die Pfosten der grossen Seiteneingänge bestehen nicht ganz
bis auf die Schwelle hinab aus Tuffquadern, sondern diese begin-
2
18
A. MAU
nen erst in einer gewissen Höhe, im Osten bei 0,70 und 0,72, im
Westen bei 0,82 und 0,87 über der Schwelle. Bis zu dieser Höhe
bestehen die Pfosten aus Lavaincertum, das nur gegen die Thüröff-
nung mit einem schmalen (0,20-0,24), aufrecht stellenden Tuffstein
verkleidet ist. Hierauf wird weiterhin zurückzukommen sein. Zu-
nächst soll nur festgestellt werden, dass dies Incertum der Thür-
m.
Fig. 6.
=3^
Ostseite des Skenenbaues von innen.
pfosten noch frisch war, als die erste Quader daraufgelegt wurde, und
dass das Incertum des oberen Wandteils au diese und die weiter
oben folgenden Quadern, als sie schon an ihrem Platze lagen,
hinangemauert, also der Oeffnung der Thür gleichzeitig, nicht älter
ist. Es zerfallen also zunächst die Schmal wände in einen unteren,
älteren, und einen oberen, jüngeren Teil. Jener stammt aus der
Zeit, wo hier geschlossene Mauer mit Pilastern war, dieser aus
der Zeit der Thürölfnung. Das Lavaincertum beider Teile ist sehr
ähnlich ; doch ist auf der Westseite gleich rechts (S) der Thür
die Ansatzlinie kenntlich. Hier ist nämlich der nächste Pilaster
ganz unten vorhanden und sind noch etwas höher seine Spuren
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 19
kenntlich, während weiter oben klar ist, dass er hier nie vorhanden
war. so dass also deutlich jene Teile der älteren, diese der jün-
geren Form der Mauer angehören. Hier ist der Scheidepunkt zu
linden, und von hier aus zeigt sicli bei genauem Hinsehen die
nach links (N) genau an die Unterfläche der Schwelle laufende
Ansatzlinie (angedeutet Fig. 4). Weiter südlich ist es mir nicht
gelungen, sie mit Sicherheit zu verfolgen, und auch auf der Ost-
seite ist sie wegen des erhaltenen Stuckes nicht kenntlich.
Es ist hier wohl der Ort, die von Puchstein und Koldewey
(Puchstein, Griech. Bühne S. 76) an den Seiteneingängen beob-
achteten Spuren zu besprechen. Schon oben wurde gesagt, dass
die Quadern erst 0,70-087 über der Schwelle beginnen, dass bis
dahin die Pfosten aus Lavaincertum bestehen, das nur getjen
die Thüröffnung durch einen schmalen, aufrecht stehenden Tuff-
stein verkleidet und abgeschlossen ist (sichtbar Fig. 10, S. 41).
Dazu kommt die weitere Beobachtung, dass am Südpfosten des
Westeinganges das Incertum allem Anschein nach nicht an diesen
schmalen Stein hinangearbeitet, vielmehr von ihm etwas abgehackt
und an die Stelle des Abgehackten der Stein gesetzt worden ist.
An den anderen Pfosten kann dies Verhältniss nicht festgestellt
werden ; es ist aber ja wahrscheinlich, dass es da ebenso war. Fer-
ner ist an allen vier Pfosten in die unterste Quader, nach der
Thüröffnung zu, eine Horizontallinie eingeritzt, im Westen 1,24
und 1,25, im Osten 1,03 und 1,04 über der Schwelle.
Natürlich hat alles dies irgend etwas zu bedeuten. Puchstein
hat geschlossen, dass in einer früheren Zeit die Schwellen der
Seiteneingänge und mit ihnen der Spielboden um so viel höher
lag, da wo jetzt die Quaderpfosten beginnen; die eingeritzte Linie
könnte dann die Oberfläche der Schwelle bezeichnen. Setzen wir
dies in Beziehung zu dem, was wir über die Geschichte des Raumes
vor der Front ermittelt haben, so käme nur die zweite Form
desselben in Frage: hat etwa die Bühne mit den S. 10 ff. bespro-
chenen Vorbauten diese Höhe gehabt? Die Annahme ist sehr
verführerisch, um so mehr, als sich uns für diese Periode auch
eine höhere Orchestra als für die letzte Zeit ergiebt. Wir müssen
aber dann fragen: wie waren die so hoch liegenden Thüren von
aussen zugänglich? Es müssten hier Rampen angenommen werden
"20 A. MAU
(so Puchstein), was nicht ohne grosse Schwierigkeit ist. Denn er-
stens würden solche Rampen die Parodoszugänge in der lästigsten,
ja iu ganz unmöglicher Weise gesperrt haben, namentlich im Westen,
während im Osten dieser Zugang etwas weiter vom Bühnengebäude
entfernt, auch noch ein zweiter Zugang vorhanden war. Und es wird
gut sein, ausdrücklich festzustellen, dass der westliche Parodoszu-
gang, mit dem Satyrkopf als Schlussstein der Wölbung, nie höher
war, auch nie die Wölbung ganz offen, sondern von Anfang an der
gewölbte Teil zwar aussen als Nische erschien, weiter innen aber
durch Mauerwerk geschlossen war, das von einer Sturzbohle in Käm-
pferhöhe getragen wurde. Dies ergiebt sich teils aus der Beschaffenheit
4es Mauerwerks, teils aus der Gewölbeconstruction im Innern der
Parodos. Dieselbe Thürform haben die aus der gleichen Periode
stammenden Thürme der Stadtmauern und das kleine Theater.
Zweitens, wenn auch eine solche Rampe später, als man den Bühnen-
boden niedriger legte, beseitigt worden wäre, so müssten sich doch
ihre Fundamente finden. Denn diese zu beseitigen konnte nieman-
dem in den Sinn kommen, da ja der äussere Boden erhöht blieb.
Von solchen Fundamenten halten aber unsere Ausgrabungen keine
Spur ergeben; es ist vielmehr evident, dass sie nie vorhanden waren.
Sollen wir nun etwa unzugängliche Seitenöffnungen, fast 1 m.
über dem äusseren Boden, annehmen? Vergebens fragen wir nach
Zweck und Analogien. Und dann müssten wir uns doch solche
Oeffnunofen mit Brüstungen versehen denken. Waren diese zwischen
die Quaderpfosten eingesetzt, so hätten sie doch wohl Spuren hin-
terlassen. Es hätte ja aber weit näher gelegen, wenn eine Brüstung
sein sollte, die Pfosten nicht gleich in der Höhe des Bühnenbodens
beginnen zu lassen, sondern bis zur Brustungshöhe eine geschlossene
Mauer aufzufuhren und erst auf diese die Pfosten aufzusetzen.
Sollen wir also vielleicht in den zwei untersten Quadern jedes
Pfostens die Reste der bis zur Brüstungshöhe reichenden Quader-
mauer erkennen, deren mittleren, dem Fenster entsprechenden Teil
und noch ein Stück der ihn tragenden Incertumsmauer man weg-
genommen und so das Fenster in eine noch unter den früheren
Boden hinabreichende Thür verwandelt hätte? Das würde doch
sicher an einem Unterschied in der Bearbeitung der Thürwaudungen
kenntlich sein. Und endlich, wenn wir eine Brüstung annehmen,
so entziehen wir dieser ganzen Hypothese ihren logischen Boden.
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 21
Denn dann ist es doch viel einfacher, in dem Incertum der unteren
Teile der Pfosten die Reste einer Brüstung zu erkennen, die sich
über einen Bühnenboden im Niveau der letzten Zeit erhoben hätte.
Dazu kommt die oben (S. 18 f.) erwähnte Ansatzlinie zwischen
dem älteren und dem jüngeren, der Thüröffnung gleichzeitigen
Mauerwerk. Wenn sie genau die Unterfläche der Schwelle trifft,
so ist es doch schwer dem Schluss auszuweichen, dass eben der
Thüröffnung halber nur hier das alte Mauerwerk so tief hinab be-
seitigt wurde, dass also von Anfang an die Thüröffnung so tief lag.
Wie nun freilich obige Eigentümlichkeiten der Thürpfosten
zu erklären sind, das weiss ich nicht zu sagen. Unbefriedigend
wäre die Vermutung, dass man angefangen hatte, sie einfach aus
Incertum, oder mit einem Abschluss aus ziegelförmigren Steinen,
aufzubauen, und dass man erst als sie schon 0,70-0,87 hoch ge-
diehen waren, sich entschloss, sie aus Quadern herzustellen und
schliesslich, um das unterste Stück dem Uebrigen ähnlich zu ma-
chen, hier einen Streifen Incertum, beziehungsweise die Verklei-
dung aus ziegeiförmigen Steinen wegbrach und dafür den schmalen,
aufrecht stehenden Tuffstein einsetzte. Denn Thürpfosten einfach
aus Incertum sind sehr selten, und Pfosten aus ziegeiförmigen
Steinen würden wohl weiter in das Incertum eingegriffen haben.
Auch bleibt so die eingeritzte Linie unerklärt. Aber wenn sich
eine befriedigende Erklärung nicht findet, so kann uns doch das
nicht berechtigen, die Puchsteinsche Hypothese anzunehmen, der
sich noch viel schwerere Bedenken entgegenstellen.
"ÖwOv
Wir wenden uns jetzt der Rückseite des Bühnengebäudes zu;
über das hier vor unserer Ausgrabung sichtbare s. oben S. 15 f. Die
Ausgrabung der Aussenseite ergab zunächst (s. den Aufriss Fig. 7),
dass auch hier Mauern und Pilaster ziemlich tief unter die spätere
Bodenfläche hinabreichen, bis fast 1,80 unter die Oberfläche der
Schwelle der durch die Rampe zugänglichen Thür, d. h. bis auf
das Schwellenniveau der Thüren der alten Frontwand. Drei Pi-
laster — der erste, dritte und sechste von Osten — haben einfache
rechtwinklige Basen, die übrigen nicht. Von zwei auf einander ge-
folgten weissen Stuckbekleidungen sind die untersten Teile erhalten.
Beide reichen, nicht überall gleichmässig, hinab bis etwa 0,40
bis 0,60 über der ursprünglichen Bodenfläche; auf dem grössten
22
A. MAU
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DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 23
Teil der Mauer fallen, wie es scheint, ihre unteren Ränder zusam-
men, stellenweise reicht die ältere tiefer, wovon weiterhin die Rede
sein wird. Unterhalb dieser Linie ist keine Spur von Stuck vor-
handen.
Wichtigere Resultate ergaben die Ausgrabungen in Inneren
des Raumes hinter der Bühne, namentlich an der Rückmauer
entlang: s. den Aufriss Fig. 8.
Die beiden bisher nur von aussen kenntlichen vermauerten
Thüren zwischen dem ersten und zweiten Pilaster von Osten und
von Westen wurden nun auch von innen sichtbar. Ferner zeigten
sich noch drei weitere, beträchtlich grössere vermauerte Thüren,
jede den ganzen Zwischenraum zwischen zwei Pilastern einnehmend.
so dass diese als Thürpfosteu dienten. Von diesen Thüren ist die
mittlere, sammt ihren beiden Pilastern, von aussen durch die
Rampe verdeckt; die beiden anderen sind zwischen .dem vierten
und fünften Pilaster je von rechts und von links. Das Incertum
der Füllung dieser beiden Thüren ist von aussen dem der ganzen
Mauer so ähnlich, das man ohne Ausgrabung schwerlich je darauf
gekommen wäre, hier vermauerte Thüren zu suchen. Im Inneren
sind die Pfosten aller fünf Thüren mit ziegeiförmigen Tuff- und
Kalksteinen verkleidet, und das Incertum der Füllung hebt sich
deutlich von dem der übrigen Mauer ab. Am deutlichsten in der
Mittelthür, wo es aus Tuff ist, und in der kleinen östlichsten, wo
die Oeffnung nicht ganz ausgefüllt ist und sich nach Innen als
flache Nische mit ganz rauher Rückwand zeigt (sichtbar Fig. G,
S. 18). Noch anders ist es bei der westlichsten: hier zeigt die
innere Vermauerungsfläche deutlich Holzeindrücke; man hat also
die Oeffnung von innen mit Brettern geschlossen und an diese von
aussen angemauert. In allen fehlt der oberste Teil des Fundaments ;
wir müssen wohl annehmen, dass hier Schwellen lagen, die vor Ver-
mauerung der Thüren fortgenommen wurden, um anderweitige Ver-
wendung zu finden.
Ueber vier dieser Thüren — nicht über der mittleren — erkennt
man von innen vollkommen deutlich die Spuren einer hölzernen,
sturzartigen Deckung, jederseits um etwa 0,30 übergreifend. Ueber
den beiden Thüren neben der mittleren war es zweifellos eine flache
Bohle, die man zunächst als Sturzbohle bezeichnen möchte; über
den beiden kleineren Thüren war die Deckung anders gestaltet.
24 A. MAU
Alle diese Holzdeckungen lagen in der gleichen geringen Höhe :
ihre Unterfläche lag ziemlich 0,20 unter der Oberfläche der Schwelle
der Rampenthür, rund 1,60 über dem Fundament. Dass dies die ur-
sprüngliche Thürhöhe gewesen sein sollte — ein mittelgrosser Mann
hätte nur gebückt eintreten können — ist ganz undenkbar. Die drei
grossen Thüren erhielten durch ihre Breite — von einem Pilaster
zum anderen, so dass diese als Pfosten dienten — einen entschieden
monumentalen Charakter: am liebsten möchte man sie bis an das
Gebälk der Pilaster reichend denken ; aber auch wenn dies nicht der
Fall war, mussten sie doch allermindestens 2,50, wahrscheinlicher
3,0 hoch sein. Für die beiden kleineren Thüren nahe den Ecken kön-
nen wir die ursprüngliche Höhe genau feststellen: wie schon oben
bemerkt, ist über dem westlichen Pfosten der östlichen der Ansatz einer
als Sturz dienenden Horizontalwölbung und des sie überspannenden
EntlastiiDgsbogens kenntlich. Erstere lag mit ihrer Unterfläche 1,94
über dem äusseren Fuss der Mauer; dies war also die Thürhöhe
vor der Verrnauerung, während die innere Holzdeckung etwa bei
1,65 liegt. An der westlichen Thür ist dies weniger deutlich; aber
es sind doch von aussen die Pfosten bis 1,91 und 1.93 erhalten,
bei der gleichen geringeren Höhe der inneren Holzdeckung. Selbst-
verständlich waren die grossen Thüren höher. Es ist aloo klar, dass
hier nicht einfach Thüren zugemauert sind, sondern ein complicir-
terer Vorgang stattgefunden hat. Dieser wird klar durch eine weitere
Beobachtung.
Der Raum, in den diese fünf Thüren führten, war in der
letzten Zeit Pompeji's ausgefüllt mit allerlei Schutt und Bau-
trümmern bis etwas über die Höhe der erwähnten Thürdeckungen,
bis an die Schwellenhöhe der Rampenthür. Doch lässt sich auch
hier, wie an der Front, ein Zwischenstadium zwischen dem Zu-
stand der letzten Zeit und der ursprünglichen Form nachweisen.
Nach teilweiser Entfernung jener Ausfüllungsmassen sind auf
der Innenseite der Rückwand, in gleicher Höhe mit den Holz-
deckungen der Thüren, die Spuren einer Reihe von Balkenlöchern
sichtbar geworden : s. Fig. 8. Sio sind, nicht ganz regelmässig,
von Mitte zu Mitte etwa 1,25 von einander entfernt; die hier
einst liegenden Balken waren etwa 0,17 breit und 0,37 hoch. Diese
Löcher sind dann später sehr sorgfältig ausgefüllt worden, so sorg-
fältig, dass wir einige der in unserer Zeichnung angegebenen ge-
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 25
wiss übersehen hätten, wenn wir nicht durch andere, hesser kennt-
liche, aufmerksam geworden wären. Offenbar trugen diese Balken
einen Zwischenboden, der aber vor oder bei Erbauuug der augu-
steischen Bühnenfront wieder entfernt worden war; denn in der
Rückseite dieser sind keinerlei Spuren von Löchern für die ande-
ren Enden der Balken: an seine Stelle war die schon erwähnte
Aufhöhung des Hinterraumes getreten. Und da andererseits der
Zwischenboden nicht der ältesten Form des Baues angehören kann,
weil er unvereinbar ist mit der für diese anzunehmenden grösse-
ren Höhe der Thüren, so ergeben sich drei auf einander gefolgte
Formen dieses Baumes. Erstens hohe Thüren, die in einen ent-
sprechend hohen Raum führen mussten. Zweiteus Höhenteilung des
Raumes durch einen von Balken getragenen Zwischenboden, dessen
Fussboden etwa 2,0, über dem Fundament lag. Drittens Beseitigung
des Zwischenbodens und Aufhöhung des Innenraumes bis zur
Schwellenhöhe der Rampenthür, 1,80 über dem Fundament. Offen-
bar entspricht tue erste dieser Formen der ersten Form des Rau-
mes vor der Front; ebenso zweifellos geht die letzte mit der
augusteischen Bühne zusammen; es bleibt also wohl kein Zweifel,
dass die zweite der zweiten Form jenes Raumes entspricht, der
ersten erhöhten Bühne mit den Vorbauten.
Wir müssen nun noch einiges nähere zu ermitteln suchen
über die Art, wie sich diese Veränderungen vollzogen haben.
Die Balkenlöcher sind nicht etwa nachträglich in das Mauer-
werk eingehauen worden, sondern augenscheinlich so entstanden, dass
erst die Balken gelegt, dann um sie und über ihnen aufgemauert
wurde. Man hat also die alte Mauer bis zur Höhe des Balken-
auflagers abgetragen, dann die Balken gelegt, dann wieder auf-
gemauert. Und da, wie oben (S. 24) bemerkt, die Pfosten der
beiden kleineren Thüren aussen noch etwas höher erhalten sind,
so müssen wir schliessen, dass man nur den inneren Teil der
0,59 dicken Mauer, soweit die Balken eingreifen sollten (etwa
0,25) ganz bis zur Höhe ihres Auflagers abtrug, den äusseren
Teil aber etwas höher stehen liess. Dass man aber wirklich
abtrug, nicht etwa — was ja, stückweise vorgehend, möglich
gewesen wäre — eine etwa 0,30 tiefe, 0,50 hohe Einhöhlung
aushackte und nach Legung der Balken wieder zumauerte, ist zwei-
26
A. MAU
fellos. Denn sonst müsston ja innen an den beiden Thüren neben
4er Mitte weiter oben die Pfosten siebtbar sein, und es müsste
aussen über den beiden kleinen Thüren ihr ganzer oberer Ab-
■
Fig. 9.
Westlichste vermauerte Thür von aussen.
schluss — der horizontal gewölbte Sturz und der Entlastungs-
bogen — erhalten sein, was beides nicht der Fall ist. Ueber die
östliche kleine Thür s. oben S. 15; über der westlichen (Fig. 9)
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 27
ist zwar ein Bogen sichtbar, alter es ist sicher nicht der ursprüng-
liche. Eine Vergleichung mit den echten alten Resten über der Ost-
thür lässt hierüber keinen Zweifel: über beiden Pfosten fehlt der
dort erhaltene Stein mit schräger Seitenfläche, der Ansatz des hori-
zontal gewölbten Sturzes, und der Bogen setzt links unmittelbar
auf dem Pfosten an, also um circa 0,20 niedriger als an der Ostthür;
rechts ist an der Stelle des Sturzansatzes Incertum, auf dem der
Bogen ansetzt. Dieser selbst ist sehr schlecht gefügt ; besonders auf-
fallend ist, dass in der r. Hälfte einer der keilförmigen Steine um-
gekehrt steht, mit der schmalen Seite nach oben, und dass der
Bogen zwar links mit seiner Innenkante grade über der Pfosten-
kante ansetzt, rechts aber um 0,025 weiter auswärts (0). Augen-
scheinlich haben die Maurer beim Wiederaufbau den früher hier
gewesenen Bogen aus den noch vorhandenen Steinen so ungefähr
wieder zusammengesetzt.
Es ergiebt sich demnach, dass wir, wie in den Seitenwänden
des Skenenbaues (oben S. 18), so auch in der Rückwand einen
unteren, älteren und einen oberen, jüngeren Teil unterscheiden
müssen: jenem gehören die Thürpfosten, diesem die Balkenlöcher,
untrennbar und ursprünglich an. Und da die Pfosten fast bis zur
Höhe des Balkenautlagers erhalten sind, so ist damit die Höhe
der Ansatzfuge genau gegeben. In der Tat ist nun wenig unterhalb
des Balkenauflagers, in der Horizontalen der Unterflächen der Sturz-
bohlen, etwas wie eine Ansatzfuge kenntlich. Es ist eine undeutliche
Spur, weil das obere Mauerwerk auch hier, wie in den Seitenwänden,
dem unteren merkwürdig ähnlich ist. Sie wäre auch für sich betiach-
tet unzuverlässig, weil sie ziemlich zusammenfällt mit der inne-
ren Bodenfläche nach der Aufhöhung, und weil bis eben dahin die
aus eben dieser Zeit stammende Stuckbekleidung reichte, und so
ein Unterschied in der Verwitterung entstehen musste. Da sich
nun aber diese Spur genau da findet, wo nach dem eben ge-
sagten die Ansatzfuge sein musste, so dürfen wir diese in ihr
erkennen.
Wir constatieren sodann, dass die jetzige Rampenthür mit
dem Zwischenboden nichts zu tun hat Ein Blick auf Fig. 8, S. 22
zeigt, dass ihre Schwellenhöhe mindestens 0,20 unter dem von den
Balken getragenen Fussboden blieb; nicht diesem also entspricht
sie, sondern dem später durch Aufhöhung geschaffenen Boden des
28 A. MAU
Innenraumes. Nun wäre es ja freilich denkbar, dass dem Zwi-
schenboden eine höhergelegene Rampenthür entsprochen, und dass
man bei Erniederungf des inneren Fnssbodens auch die Thürsch welle
*o
niedriger gelegt hätte. Es lässt sich aber auf anderem Wege
erweisen, dass dies nicht der Fall war, dass vielmehr zur Zeit
des Zwischenbodens die untere Mittelthür offen blieb und mau
durch sie das Gebäude betrat.
Schon erwähnt wurden (S. 21) die beiden Schichten weis-
sen Stuckes auf der Aussenseite der Rückwand. Sie enden unten,
mit einer gleich zu erwähnenden Ausnahme, an der späteren,
erhöhten äusseren Bodenfläche (S. 21), sind also nicht älter als
die zweite Form des Baues, eben die mit dem Zwischenboden. Sie er-
strecken sich auch beide unterschiedslos über die Vermauerung der
beiden grossen Thüren neben der mittleren, während auf der der beiden
kleinen Thüren die ältere nicht sichtbar ist. Natürlich folgt hieraus
nicht im geringsten, dass sie dort nicht vorhanden, dass etwa zu
ihrer Zeit diese Thüren noch offen waren; denn es ist ja Regel, dass
bei Legung einer neuen Wanddecoration die ältere verschwindet, und
es ist ein für uus glücklicher Zufall, dass sie in diesem Falle
teilweise sichtbar geblieben ist. Nun endet die jüngere Schicht
beiderseits an den von der Rampe bedeckten Pilastern, ist also
jünger als die Rampe. Die ältere aber bedeckt auch diese Pi-
laster, ist also älter als die Rampe und also auch als der nur
durch sie zugängliche obere Eingang (Rampenthür). Und da ein
Eingang doch sein musste, so folgt, dass damals die untere Mit-
telthür noch offen war.
Dies wird noch bestätigt durch eine weitere Beobachtung.
Nämlich während im Uebrigen auch dieser ältere Stuck nicht
hinabreicht bis an den Fuss der Mauer, sondern an der späteren,
erhöhten Bodenfläche endet, senkt er sich gegen die Rampe, d. h.
gegen die untere Mittelthür, von beiden Seiten bis auf das Fun-
dament. Natürlich folgt hier der Stuck einer Senkung der Bo-
denfläche: der Platz hinter dem Spielhaus war im Uebrigen auf-
gehöht, nicht aber vor der Mittelthür, woraus wieder hervorgeht,
dass diese damals noch offen, also Rampe und Rampenthür nicht
vorhanden waren. S. hierzu Fig. 7.
Wenn nun damals die untere Mittelthür der einzige Zugang
zum Spielhause war, so konnte sie nicht so niedrig sein, dass
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 29
sie unter dem Balkenboden blieb, ihr Sturz konnte nicht in
gleicher Höhe mit den sturzartigen Holzdeckungen der anderen vier
Thüren liegen. Dutch die Thür eintretend musste man den Ske-
nensaal über eine innere (wohl hölzerne) Treppe erreichen; der
mittlere Teil des Raumes war ja damals, da die Front gradli-
nig verlief, viel breiter als jetzt, etwa 3,80, so dass zwischen dem
oberen Ende der Treppe und der Mittelthür der Front hinlänglicher
Kaum bleiben konnte. Es musste also hier von der Rückwand bis
ziemlich dicht an die Frontmauer eine grosse Oeffnung im Zwi-
schenboden sein ; die Balkenreihe musste hier unterbrochen und
weiter einwärts, vor der Frontthür, die beiden nächsten Balken
durch einen eingezapften Querbalken oder durch aufgelegte Bohlen
verbunden sein. So stand also hier die Balkendecke einer grös-
seren Thürhöhe nicht im Wege, und nichts hindert uns, dieselbe
anzunehmen. Spuren eines Sturzes sind nicht vorhanden, dagegen
die Pfosten etwas höher erhalten, als an den anderen Thüren.
Nicht so einfach liegt die Frage im Betreff der anderen vier
Thüren. Waren sie in der zweiten Form des Gebäudes von An-
fang an geschlossen, oder blieben sie, alle oder zum Teil, noch
eine Zeit lang, vielleicht gar zum Teil die ganze Zeit bis zum
augusteischen Umbau offen? Wir müssen die Art ihrer Vermaue-
rung etwas näher ins Auge fassen ; und zwar sind hier einerseits
die beiden grossen Thüren neben der Mitte und andererseits die
beiden kleineren nahe den Ecken gesondert zu behandeln.
Wir beginnen mit den beiden grossen Thüren. Ihre Vermau-
erung zeigt auch nach innen vollkommen glatte und fertige Ober-
fläche, wie sie nur hergestellt werden konnte, so lange der In-
nenraum zugänglich war. Damit wäre nun freilich nicht aus-
geschlossen, dass die Vermauerung gleichzeitig mit oder gleich
nach dem Bau der augusteischen Fassade, aber noch vor der zu
ihr gehörigen Auf höhung des Innenraumes stattgefunden hätte.
Aber es steht ja auch fest (oben S. 28), dass diese Thüren schon
vermauert waren während die Mittelthür noch offen stand. Dazu
kommt das Verhältniss der Vermauerung zur Balkendecke.
Besonders lehrreich ist für dieses die Thür westlich von der
mittleren. Hier ist der Abdruck der Sturzbohle in dem über ihr
aufgeführten Mauerwerk vollkommen erhalten. Sie war nur unten
horizontal geschnitten; oben zeigte sie die natürliche Form des
30 A. MAU
Holzes, war daher auch von ungleichrnässiger Höhe, von 0,08 bis
0,16, und wenig geeignet, die grosse Last des über ihr noch hoch
aufsteigenden und mit keinem Entlastungsbogen versehenen Mauer-
werkes zu tragen. Ferner sind unmittelbar über der Bohle zwei
Balkenlöcher der Zwischendecke sichtbar: nirgends in der ganzen
Reihe sind die Abdrücke der Holzbalken so scharf wie hier; da
natürlich die Oberflächen der Balken in einer Ebene liegen muss-
ten, die Unterflächen der übrigen Balken aber in gleicher Höhe
mit den Unterflächen der Sturzbohlen lagen, so mussten, wie es
in der Tat der Fall ist, die auf diesen liegenden Balken und Bal-
kenlöcher etwas niedriger sein. Der eine dieser Balken, 0,44 vom
Ostpfosten, war regelmässig bearbeitet, 0,16 breit, 0,22 hoch und
so in die Bohle eingelassen, dass ihre Höhe hier auf etwa 0,12
reducirt wurde. Nun ist es doch mindestens im höchsten Grade
unwahrscheinlich, dass eine so schwache Bohle, über einer Oeffnung
liegend, ausser mit dem aufsteigenden Mauerwerk auch noch mit
zwei Balken der Zwischendecke belastet gewesen sein sollte. Da-
gegen ist ihre geringe Stärke vollkommen verständlich unter der
Voraussetzung, dass die Oeffnung unter ihr vermauert war. Dann
war sie nicht bestimmt, eine Thüröflfnung zu decken; ihr Zweck
war lediglich, die Senkung des frischen Mauerwerkes unter dem auf
ihm lastenden Drucke und namentlich das Einsinken der Balken
in dasselbe zu verhindern : sie war eine sogenannte Mauerlatte.
Aehnlich verhält es sich mit der Thür östlich von der Mitte,
nur dass hier über der Sturzbohle nur ein Balkenloch sichtbar,
das andere unkenntlich geworden ist.
Ist dies richtig, so sind hier Vermauerung der Thür und
Leo-unc der Balkendecke Teile eines einzigen und untrennbaren
Vorganges : man trug ab bis zum Balkenauflager, mauerte in dem
nun übrig gebliebenen Mauerteil die Thüröifnungen zu und legte
dann die Balken. Und dies wird noch bestätigt durch andere
Beobachtungen.
Es ist namentlich an der Westthiir ganz klar, dass die Sturz-
bohle nicht breiter war als 0,40, also nur so weit in die 0,59
starke Mauer hineinreichte. Hätte man nun hier nach Legung des
Balkenbodens zunächst noch eine Thür gelassen, und wäre wegen
dieser Thür die Sturzbohle gelegt worden, so wäre es ganz un-
verständlich, dass man sie nicht in der ganzen Mauerstärke ge-
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 3t
legt hätte. Dagegen ist alles klar, wenn sie nur den beiden Balken
als Unterlage über dem frischen Mauerwerk dienen sollte. Wollten
wir aber trotz alledem eine Thür annehmen, so musste doch diese
nach aussen einen oberen Abschluss haben, der, da die Bohle so
weit nicht reichte, nicht gut etwas anderes sein konnte, als eine
Horizontalwölbung, die bei späterer Zumauerung sichtbar bleiben
musste. Nun ist aber von aussen nichts der Art sichtbar. Vor der
Ostthür erstreckt sich das Incertum unterschiedslos auch über die-
Stelle, wo innen die Bohle liegt. Im Westen ist es etwas anders.
Hier sieht man mitten in dem Lavaincertum einen Horizontal-
streifen aus Tuffbrocken. Sein unterer Rand ist unter der Stuck-
bekleidnng der Wand verborgen ; nach oben aber reicht er bis 0,30
über dem Auflager der Sturzbohle, entspricht also wohl dieser und
den auf ihr liegenden Balken. Nun könnte jemand auf den Ge-
danken kommen, diese Tuffbrocken seien an die Stelle eines einst
hier liegenden hölzernen Thürsturzes getreten und hätten die durch
Vermoderung desselben entstandene Lücke ausgefüllt. Dies war
aber sicher nicht der Fall. Nicht nur ist, wie schon gesagt, von
innen vollkommen kenntlich, dass die Sturzbohle nicht weiter
reichte, als 0,40 von der Innenfläche der Mauer, sondern es ist
auch ganz klar dass jene Tuffbrocken nicht nachträglich einge-
schoben wurden, sondern schon an ihrem Platze waren, als das auf
ihnen liegende Lavaincertum gemauert wurde. Sie sind aber auch
nicht etwa ein aus Stein gebildeter Thürsturz; denn dann müssten
sie nach Art einer horizontalen Wölbung angeordnet sein, was nicht
der Fall ist: es ist ganz gewöhnliches Incertum. Also auch hier
ist oder war keine Art von Thürsturz vorhanden, es ist vielmehr
klar, dass gleichzeitig mit dem Wiederaufbau des oberen Wand-
teils auch diese Oeffnung geschlossen wurde. Die Entstehung dieses
Tutfstreifens können wir vermutungsweise einigermassen rekonstruie-
ren. Man trug ab bis zur beabsichtigten Höhe des Balkenaufiagers,
liess aber den äusseren Teil der Mauer, in den die Balken nicht
reichen sollten, etwas höher stehen. Dann, oder auch schon wäh-
rend des Abtragens, mauerte man die Thüren zu, wiederum bis zur
Höhe des Balkeuaufiagers und legte nun die Balken. Darauf, so
scheint es, mauerte man, ehe man an den Wiederaufbau des ganzen
oberen Wandteiles ging, zunächst in den Thüröffnuugen den äus-
seren Wandteil so weit auf, wie er im übrigen stehen geblieben
32 A. MAU
war. So war dies gewisserinassen ein gesonderter Teil der Arbeit,
und es konnte durch irgend welche Umstände veranlasst werden,
dass hier, in dieser Thür, anderes Material zur Verwendung kam.
Nötig war ja freilich diese Trennung der Arbeit nicht; aber ich
finde keine bessere Hypothese, um das abweichende Material dieses
Stückes zu erklären.
Es wurde schon oben (S. 23) hervorgehoben, dass die unteren,
älteren und oberen, jüngeren Teile des Baues so vollkommen
gleiches Mauerwerk zeigen, dass ohne die von uns gefundenen
Tatsachen niemand an zeitliche Verschiedenheit denken würde;
<lies wird nicht zum wenigsten daraus zu erklären sein, dass beim
Wiederaufbau das alte Material, so weit es reichte, verwendet
wurde. Dieselbe Gleichheit erstreckt sich auch auf die Vermau-
^rungen dieser Thüreu, d. h. auf die Aussenseite derselben ; denn
im Innern zeigen sie ganz anderes Mauerwerk, auch z. T. anderes
Material (oben S. 23). Nun stossen in Pompeji in zahllosen Fällen
älteres und jüngeres Mauerwerk zusammen, und stets heben sie
sich deutlich von einander ab; es sind auch zahllose Thüren ver-
mauert, ohne dass je Gleichheit des Mauerwerks mit dem der
Mauer erstrebt worden wäre. Es ist daher äusserst unwahrschein-
lich, dass eine solche Gleichmachung hier zweimal zu verschie-
denen Zeiten stattgefunden haben sollte, zumal Verwendung des
alten Materials bei Vermauerung der Thüren, wenn diese später
fällt, nicht gut angenommen werden kann; denn dies wurde doch
sicher beim Wiederaufbau aufgebraucht, um so mehr als die
©■
Erhöhung des Skenensaales vermutlich eine Erhöhung des ganzen
Gebäudes bedingte. Nachdem dann auch noch der Platz hinter
dem Theater aufgehöht worden war, konnte hier schwerlich noch
altes Material vorhanden sein. Wir werden also hier von allen
Seiten zu dem Resultat geführt, dass diese beiden Thüren in der
zweiten Form des Gebäudes von Anfang an zugemauert waren.
Etwas anders steht es mit den beiden kleinen Thüren nahe
den Ecken. Dass ihre Vermauerung von innen ganz anders aus-
sieht, als die der drei grossen Thüren, wurde schon oben (S. 23),
gesagt. In der Ostthür füllt sie die Thürölmung nicht ganz aus,
sondern lässt innen eine etwa 0,13 tiefe Nische, mit ganz rauher,
offenbar nicht von der Maurerkelle berührter Rückwand. Die
Westthür aber ist augenscheinlich so zugemauert worden, dass
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 33
man sie einwärts mit Brettern schloss nnd an diese wie an eine
Form anmauerte; es handelt sich nicht etwa um die stehen ge-
bliebene Holzthür. Beides scheint zunächst darauf zu führen, dass,
als diese Vermauerung stattfand, der Innenraum nicht mehr zu-
gänglich, sondern aufgeschüttet war, also das Gebäude schon
seine dritte Form, die der augusteischen Zeit, hatte. Aber näher
betrachtet ist diese Erklärung gänzlich unbefriedigend. Es wäre
doch ein ganz unglaubliches Verfahren gewesen, dass man zuerst
den Innenraum aufgehöht und erst nachher die Thüren vermauert
haben sollte, nicht umgekehrt. Wie dürfen uns hier auf die Mit-
telthür berufen, die vermutlich zu allerletzt geschlossen und durch
deren Verschluss der Innenraum unzugänglich wurde: hier beweist
die Beschaffenheit der Innenfläche zweifellos, dass man von beiden
Seiten arbeitete, also die innere Aufhöhung noch nicht stattge-
funden hatte. Und betrachten wir nun jene rauhe Innenfläche in
der kleinen Ostthür etwas näher, so müssen wir uns überzeugen,
dass sie nicht an die Aufschüttungsmasse hinan gemauert ist;
dafür ist sie doch zu senkrecht und regelmässig, und sie sieht
auch sonst nicht so aus. Ich nehme daher an, dass man beabsich-
tigte, diese Thüröffnung ganz auszufüllen und der Füllung von
innen wie von aussen eine fertige Oberfläche zu geben, es aber
bequemer fand, beide nicht gleichzeitig von zwei Maurern, son-
dern nach einander von einem herstellen zu lassen, und dass dann
aus irgend einem Grunde die Vervollständigung nach innen un-
terblieb. Und auch die Bretterform an der Westthür sollte viel-
leicht nur ermöglichen, von einer Seite arbeitend doch auf beiden
Seiten eine einigermassen glatte Oberfläche zu erzielen.
Auf den innen rund 1,60 hohen Pfosten dieser Thüren sind die
Auflager für in Mörtel gebettete Holzbalken kenntlich. Besonders
charakteristisch ist der Abdruck auf dem linken Pfosten der
Ostthür: Unter- und 1. Seitenfläche vereinigen sich hier zu einer
Rundung, die von der Kante des Pfostens in das Innere der Mauer
aufsteigt. Die Höhe der Bettung erscheint jetzt hier, links. 0,20.
Doch ist das Mauerwerk gleich über der Oeffnung zweifelhaften
Alters: viel Kalkstein, auch in sehr grossen Blöcken, auch ein
grosser Lavastein, während sonst die ganze Mauer aus Lavabrocken
sehr gleichmässiger Grösse besteht; wir dürfen hier spätere Flik-
kerei erkennen. Der Balken konnte also höher sein. Auf dem r.
34 A. MAU
Pfosten ist die Lagerfläche nicht gerundet, aber schräg: auf eine
Strecke von 0,16 steigt sie nach r. um 0,025. Für einen Thür-
sturz (und auch für eine Mauerlatte: oben S. 30) sind dies ganz
unglaubliche Formen. Und auch nähere Betrachtung des Abdruckes
links lässt erkennen, dass hier ein Holz nicht in der Richtung
der Mauer, sondern senkrecht zu ihr lag: es lagen hier auf den
Pfosten zwei Balken der Zwischendecke ; waren sie 0,26 hoch, so
lag ihre Oberfläche im Niveau der Oberfläche der anderen Balken.
Dies wird bestätigt durch Betrachtung der, wie schon gesagt,
um 0,13 hinter die innere Mauerfläche zurücktretenden Thürfül-
lung. Wenn die beiden, 0,30 in die Wand eingreifenden Hölzer
die Enden einer eben so breiten Sturzbohle oder auch einer Mauer-
latte wären, so müsste ja die Füllung, wie in den beiden grossen
Thüren, an dieser endigen und es müssten sich also, wie eben
dort, nicht nur die Spuren der beiden Enden, sondern der ganzen
Bohle finden. Dies ist aber nicht der Fall. Vielmehr ist ganz
klar, dass die Füllmauer nach oben nicht in der Linie der beiden
Auflager auf den Pfosten aufhört, hier auch keinen Abschnitt hat,
sondern sich ununterbrochen und gleichmässig weiter nach oben
erstreckt, hinter (einwärts) der gleich zu erwähnenden Füllung.
Die 0,13 tiefe Nische der ehemaligen Thüröffnung wird sturz-
artig überdeckt durch einen etwa 0,15 hohen Streifen Mauer-
werks, das sich bestimmt abhebt sowohl von dem der ganzen
Mauer und der Füllung, als auch von dem oben (S. 33) erwähn-
ten oberhalb der Balkenspuren (mit den grossen Steinen); es ist
eine Reihe horizontal liegender Steine: Lava, Kalkstein, Tuff; aus
letzterem ein ziegeiförmiger Stein ; die Unterfläche besteht aus
Mörtel, an dem teils Stücke der späteren Auffüllung des Innen-
raumes haften, teils Eindrücke derselben kenntlich sind. Es stammt
also aus der Zeit nach dieser Aufhöhung und nach Beseitigung
des Zwischenbodens, was auch dadurch zweifellos wird, dass es
auch die beiden Balkenlöcher über den Pfosten ausfüllt: in dem
rechten liegt es noch jetzt, aus dem linken ist es entfernt worden.
Wie es also hier den Platz des fortgenommenen oder vermoderten
Holzwerkes eingenommen hat, so ist wohl zweifellos anzunehmen,
dass auch der im Niveau der beiden Balken liegende und sie
verbindende Streifen ein früheres Holzglied bezeichnet: eine die
0,13 tiefe Nische überdeckende Sturzbohle, die in die beiden
DAS GROSSE THEATER IM POMPEJI 35
Balken eingezapft sein musste; sie lag vor, nicht auf der Füllmauer
und war nicht breiter als 0,13.
Ist alles dies richtig beobachtet, so ist damit auch bewiesen,
dass gleich bei Legimg des Balkenbodens auch diese Thür ver-
mauert wurde. Denn es ist ja ganz klar, dass die beiden Balken
(besonders deutlich der linke, östliche, mit der gerundeten Un-
terfläche, deren tiefster Punkt auf der Kante des Thürpfostens
ruhte) nicht liegen konnten, ehe die Thür vermauert war: ein
Teil ihrer Unterflächen und je eine Seitenfläche wären ohne Stütze
gewesen. So lagen sie nun zwar auf eine Strecke von 0,13 auf
den Kanten der Pfosten, wurden aber weiter einwärts noch auf
0.17 von der Füllmauer umschlossen. Und jenem 0,13 langen
Stück kam man zu Hülfe durch das die beiden Balken verbin-
dende und versteifende sturzartige Querholz; dies tritt gewisser-
massen an die Stelle des fehlenden inneren Teils der Füllmauer.
Wesentlich ebenso findet sich alles dies auch an der westli-
chen Thür. Auf dem r. (westl.) Pfosten ist die Holzspur 0,30
hoch, also zu hoch für eine Sturzbohle oder Mauerlatte. Ihre west-
liche Seitenfläche ist leicht gerundet (d. h. das Holz verjüngte sich
nach oben), was wenig geeignet ist für eine doch jedenfalls abge-
sägte Endfläche, wohl aber für die Seitenfläche eines Balkens.
Und es schien mir auch sicher, dass in dem Abdruck nordsüdlich,
d. h. senkrecht auf die Mauerrichtung laufende Holzfasern zu
erkennen sind. Ein Unterschied ist, dass keine Nische geblieben,
sondern die Thüröffnung ganz zugemauert ist. So diente also hier
das die beiden Balken verbindende Querholz, dessen Spur auch
hier deutlich ist, nicht zur Versteifung, da ja die Balken fest im
Mauerwerk lagen. Wir müssen wohl annehmen, dass es hier, wie
in den grossen Thüren, das frische Mauerwerk gegen den auf ihm
lastenden Druck schützen sollte.
Endlich gilt auch für diese beiden kleinen Thüren das oben
(S. 31) in Betreff der grossen Thüren geltend gemachte Argument:
wären sie offen geblieben, so hätten sie auch nach aussen einen
oberen Abschluss erhalten müssen, und dieser müsste sichtbar sein.
Dies ist aber nicht der Fall : die Thürstürze der ersten Form des
Gebäudes sind beim Wiederaufbau bis auf einen geringen Best über
der Ostthür verschwunden, und neue sind nicht gemacht worden
(s. oben S. 15. 26).
36 A. MAU
Ich halte somit für vollkommen erwiesen, dass in der zweiten
Form des Gebäudes, mit dem Balkenboden, nur die Mittelthür,
und diese vermutlich in ihrer alten Höhe, offen blieb, die vier
anderen aber sofort vermauert wurden. Die jetzige Rampenthür
ist dann in dieser Mauer nicht von Anfang an vorhanden gewesen,
sondern erst später durchgebrochen worden; wir müssen fragen,
ob dies auch an ihr selbst irgendwie kenntlich ist.
Wir können hierfür geltend machen, dass ihre Pfosten nicht
aus Quadern oder ziegeiförmigen Steinen bestehen, sondern das
Lavaincertum der ganzen Mauer bis an die Thürötfnung reicht:
Thürpfosten aus Incertum gehören in Pompeji zu den grössten
Seltenheiten. Das Wenige, was von der Aussenüäche der Pfosten
antik zu sein scheint, machte mir eher den Eindruck, dass es
durch Aufmauerung als dass es durch Abhacken entstanden sei;
aber das kann täuschen, und es könnte erst abgehackt, dann dem
Ursprünglichen sehr ähnlich aufgemauert sein.
Ferner die Bettung der Schwelle. Namentlich auf der Ostseite
ist von innen kenntlich, dass sie in einer Lücke des Mauerwerkes
liegt, die nicht unbeträchtlich grösser ist als sie selbst. Danach
scheint es also, dass die Mauer nicht an die Schwelle hinaugearbeitet,
sondern in. die schon bestehende ein Loch für die Schwelle, na-
türlich grösser als diese, gehauen wurde.
Es darf aber nicht verschwiegen werden, dass diese von der
Beschaffenheit der Pfosten und der Schwelle hergenommenen Argu-
mente mit einem gewissen Vorbehalt aufzunehmen sind : wir können
nicht die Möglichkeit ausschliessen, dass die Thür einmal verbreitert
wurde und dadurch obige Eigentümlichkeiten entstanden. Zwei Um-
stände könnten diese Vermutung nahe legen. Erstens nämlich ist
die Thür breiter als die Rampe, was zunächst seltsam erscheinen
muss. Aber es wäre doch denkbar, dass man über die Rampe
Din^e in den Skenensaal gefahren hätte, die breiter waren als die
Achsweite des Fuhrwerks. Und schliesslich kann die Annahme einer
nachträglichen Erweiterung der Thür uns nicht über die Seltsam-
keit hinweghülfen. Wenn man <?>e Thür erweiterte, nicht aber die
Rampe, so geht doch daraus hervor, dass man eine Thür die breiter
war als die Rampe für nützlich, ja für nötig hielt; und genau
dieselbe Erwägung könnte von Anfang an bei der Anlage von
Thür und Rampe ma.^sgebend gewesen sein.
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI :'7
Zweitens besteht dis Schwelle nicht ans einem einzigen Stein,
sondern aus dreien : an die eigentliche Schwelle, lang 2,24, ist
au den Enden noch je ein Stein angesetzt, lang im W 0,31, im
0 0,38. Die eigentliche Schwelle bleibt jederseits 0,20 vom Rande
der Rampe entfernt; sie hat an ihrem Westende eine unregelmässig
viereckige Vertiefung für rinen Cardo und eine rechtwinklig gebro-
chene Rille für Antepagmenta. Fände sich dies auch am Ostende,
so wäre die nachträgliche Erweiterung erwiesen; so müssen wir
wohl annehmen, dass es Reste von einer früheren Verwendung der
Schwelle sind. Wenn aber die Schwelle nicht für diese Thür ge-
macht sondern schon früher gebrauchte Schwellensteine, die grade
zur Hand waren, benutzt wurden, so darf ihre Zusammensetzung
aus mehreren Stücken nicht Wunder nehmen und dürfen aus der-
selben keine Schlüsse gezogen werden.
Also die nachträgliche Erweiterung der Rampenthür ist mög-
lich, aber keineswegs erwiesen. Hat sie stattgefunden, so können
durch sie Thürpfosten aus ziegeiförmigen Steinen verschwunden
sein, und kann die Lücke des Mauerwerks, in die der Schwellen-
stein, genauer der östliche der drei Schwellensteine gelegt ist, auf
die » Vergrösserung zurückgehen.
Somit sind freilich die von der Beschaffenheit der Thürpfosten
und der Schwellenbettung hergenommenen Argumente nicht streng
beweisend. Doch mögen wir sie immerhin mit Wahrscheinlichkeit
als Bestätigung der auf Grund anderer Erwägungen völlig festste-
henden nachträglichen Entstehung der Rampenthür geltend machen.
So haben wir denn nuu, wie für die Front und den Raum
vor ihr, so auch für den Hinterraum, den Skenensaal, drei auf
einander gefolgte Formen constatiert. Und da die beiderseits ge-
fundenen Formen trefflich zu einander passen, so ist damit die
Geschichte des Spielhauses im Wesentlichen klargestellt. Sie ist
also folgende.
I. Ursprünglicher Bau (Fig. 2, S. 7). Die ganze hintere
Hälfte wird eingenommen von einem grossen, hohen, rechteckigen
Saal zu ebener Erde, im Niveau der Orchestra. Er hat in seiner
Rückwand drei grosse und hohe, von Pilaster zu Pilaster reichende
und zwei kleinere Thüren. Da sich an den Wänden keinerlei
Maueransätze finden, so war der Ra»',m wohl ungeteilt. Den fünf
38 A. MAU
Thüren der Rückwand entsprachen eben so viele und eben so
grosse in der Vorderwand, von denen die beiden äussersten in die
schiefwinkligen Paraskenien führten, die drei mittleren auf den
von diesen und der Vorderwand des Skenensaales (scaenae frons)
eingeschlossenen, gegen die Zuschauer sich mit schrägen Seiten-
wänden erweiternden Raum, ebenfalls im Niveau der Orchestra.
Ob dieser Raum irgendwie von der Orchestra getrennt war, ob sich
von einem Paraskenion zum anderen, vor der scaenae frons, ein
Proskenion erstreckte, das liess sich nicht mit Sicherheit ermitteln.
Die Front der Skene war nicht als Fassade ausgebildet, sondern
bestand aus einer glatten Mauer mit drei Thüren.
II. Der Skenensaal und der Raum vor der Front, jetzt sicher
Spielplatz, werden höher gelegt. Ersterer mittels eines von Balken
getragenen Zwischenbodens, so hoch, dass sein Fussboden fast
2 m über dem ursprünglichen Niveau — dem Niveau der Or-
chestra — liegt. Die Bühne vor der Front war wahrscheinlich nicht
höher als in der folgenden Periode, etwa 1,15 über dem Funda-
ment (Niveau der Orchestra), also etwa 0,80 niedriger als der
Skenensaal. Von den fünf Thüren in der Rückwand dieses letzteren
werden vier vermauert. Nur die mittlere bleibt; durch sie »und
über eine innere Treppe ist der Skenensaal zugänglich. Vor der Front
werden die Paraskenien beseitigt, die Front selbst, und mit ihr
die Bühne, auf die ganze Länge des Spielhauses ausgedehnt, ver-
mutlich mit fünf Thüren (die beiden äussersten sind nicht ganz
sicher), die je mit einem von Säulen getragenen Vorbau versehen
sind: vor der Mittelthür standen wahrscheinlich vier, vor den an-
deren je zwei Säulen. Ausserdem erhält jetzt die Bühne zwei grosse
Seiteneingänge. Gleichzeitig mit diesen Veränderungen wird der
äussere Boden hinter und neben dem Spielhause erhöht, hinten um
c. 0,50, an den Seiten um c. 1,0.
III. Zur Zeit des Augustus wird die Säulen verzierte, im Ue-
brigen aber gradlinige Bühnenfront ersetzt durch eine reich ent-
wickelte dreithürige Fassade in Ziegelbau, mit vor- und zurück-
tretenden Teilen. Ob die Bühne niedriger gelegt wurde, als in der
vorigen Form, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden, es ist
aber nicht wahrscheinlich (S. 19 ff.). Dieser Periode gehört auch die
Vorrichtung für den Vorhang an; es muss zweifelhaft bleiben, ob
schon in der zweiten Periode etwas gleichartiges vorhanden war;
DAS GROSSK THEATER IN POMPEJI 39
vermutet werden darf es auf Grund der Analogie des kleineren
Theaters. Gleichzeitig wird der Skenensaal etwas niedriger gelegt
(um etwa 0,20), sein Holzboden entfernt und durch Auffüllung
mit Schutt und Bautrümmern ersetzt, so dass der Unterraum
wegfällt. Die mittlere Thür der Rückmauer wird vermauert und
der Skenensaal zugänglich gemacht durch eine Thür im Niveau
seines Fussbodens, die man von aussen über eine Rampe erreichte.
Die Schwelle dieser Thür und die der grossen Seiteneingänge
geben uns das Niveau des Skenensaales und der Bühne dieser Pe-
riode: jener lag c. 1,80, diese c. 1,15 (die östliche Schwelle 1,225,
die westliche 1,06-1,07) über dem Fundament, d. h. so ziemlich
über dem Niveau der Orchestra.
Ich habe oben gesagt, dass wahrscheinlich in der zweiten
Periode die Bühne nicht höher war als in der dritten, mit anderen
Worten dass auch nach der zeitlichen Gleichsetzung der ersten
erhöhten Bühne und des Skenensaales auf dem Balkenboden ich
keinen Grund sehe, aus den von Puchstein und Koldewey an den
Seiteneingängen beobachteten Spuren auf einen so viel höheren
Spielboden zu schliessen. Die dort eingeritzten Linien liegen 2,26
und 2,31 über dem Fundament. Wollten wir in ihnen die Höhe
der Bühne erkennen, so wäre sie nicht unbeträchtlich höher gewe-
sen als der kaum 2,0 hohe Skenensaal, was ganz unglaublich.
Das Incertum der Thürpfosten reicht bis c. 1,95; hier beginnt
die unterste Quader: war dies die Höhe der Bühne, so lag sie
ziemlich im Niveau des Skenensaales. Gewiss dürfen wir dies
nicht als unmöglich bezeichnen, und wenn diese Annahme sonst
auf keine Schwierigkeiten stiesse, so dürften wir sie wohl nicht
abweisen. Aber recht wahrscheinlich ist sie doch auch in sich
nicht. Wenn man in der letzten Form den Skenensaal um c. 0.65
höher legte als die Bühne, so ist es doch, wenn wir einmal mit
Wahrscheinlichkeiten rechnen sollen, das Wahrscheinlichste, dass
man sich damit an früher gewesenes anschloss. Denn die Höhen-
ditferenz der letzten Periode ist ja nicht etwa so entstanden, dass
man den älteren, höheren Fussboden des Skenensaales beibehalten
hätte. Sondern er wurde niedriger gelegt, dennoch aber beträchtlich
höher gelassen als die Bühne. Mithin war diese Höhendifferenz
beabsichtigt, und wenn sie nun in der vorletzten Periode noch
40 A. MAU
um 0,20 grösser war, so ist dieser Unterschied nicht gross genugr
um das eine für wahrscheinlich, das andere für unwahrscheinlich
zu halten. Und da nun ausserdem der Annahme einer so hohen
Bühne die oben S. 19 f. dargelegten schweren Bedeuken entgegen-
stehen, so kann ich meine ablehnende Haltung ihr gegenüber auch
jetzt nicht ändern. Jene Besonderheiten der Seiteneingänge müssen
vorläufig unerklärt bleiben.
Sehr gern hätten wir eine Erklärung gefunden für die ungleich-
massige Anordnung der Pilaster an der Aussenseite des Spielhauses,
sowie auch dafür, dass auf der Rückseite drei derselben — der
erste, dritte und sechste von Osten — einfache rechtwinklige
Basen haben, die übrigen nicht. Man könnte ja versucht sein, an
zeitliche Verschiedenheit zu denken, und es müssten dann natür-
lich die mit den Thüren als Pfosten untrennbar verbundenen ba-
senlosen Pilaster der älteren Form — mit offenen Thüren, ohne
Balkenboden und Bühne ■ — zugeschrieben werden. Das ist aber
nicht durchführbar. Die Mauer der ersten Form wurde doch nur
abgetragen um den Zwischenboden zu legen, und nur bis zum
Niveau seines Balkenlagers. Dass sie zwischen den zweifellos der
ersten Form angehörigen Thürpfosten an drei Stellen bis an das
Fundament beseitigt und erneuert sein sollte, ist ganz unglaublich,
auch wenn die oben (S. 27) beobachtete Ansatzfuge auf Täuschung
beruhen sollte. Besonders klar ist dies an dem südöstlichen Eckpi-
laster: es ist unmöglich, ihn von dem unmittelbar anstossenden
Thürpfosten zu trennen und für jünger zu halten. Vielmehr ist
umgekehrt klar, dass der Pilaster schon stand, als der Thürpfosten
gemauert wurde. Wir werden also diese Unregelmässigkeiten und
Verschiedenheiten der auch sonst recht nachlässig und ungleich-
massig gebauten Pilaster einfach als Tatsache hinnehmen müssen.
Unsere bisherigen Untersuchungen bezogen sich auf die Ge-
schichte des Spielhauses. Aber auch der Zuschauerbau hat seine
Geschichte.
Seine Südfront, in der sich der Bogen mit dem Satyrkopf öffnet
(Fig. 10) reicht zweifellos in die vorrömische Zeit, in die Tutfperiode
hinauf. Ich hatte bisher geglaubt — und es war wohl die allge-
meine Ansicht — dass dies der ursprüngliche Bau sei. Denn dass
DAS GRÖSSE THEATER IN POMPEJI -11
auch der durch eine bekannte Inschrift den Holconiern zugeschrie-
bene Bau der Crypta nur eine Erneuerung des schon früher beste-
Fig. 10. — Parodoseingang mit Satyrkopf und Westseite des Skenenbaues.
henden war, ergab sich aus den älteren, unteren Teilen ihrer
Mauern, die jener Front gleichartig sind (Overbeck-Mau, Pompeji4
42 . A MAU
S. 158). Diese Ansicht hat sich als irrig herausgestellt: der uns
vorliegende Bau der Tuffperiode verdankt einem erweiternden Um-
bau seine Entstehung.
Während die von uns veranlassten Ausgrabunsren in Gange
waren, unternahm der Inspector Graf Cozza eine Untersuchung der
Oavea. Einwärts der südlichen Abschlussmauer des westlichen Flü-
gels kam, 5,60 von ihr entfernt, eine Parallelmauer zu Tage, dick
0,63 ohne den Stuck, mit dem ihre Südseite bekleidet ist: Sand-
stuck, darüber eine dünne aber feste und harte Schicht Zie-
gelstuck, zusammen etwa 0,03 stark. Die Mauer stand also nach
Süden frei und war offenbar eine ältere Abschlussmauer der damals
um so viel kleineren Cavea. Sie endet oben, gebrochen, 5 m vor
der Crypta, unten 0,50 vor der Rückwand des Tribunal, mit dessen
Bau ohne Zweifel das hier an ihre Stelle tretende jüngere Mauer-
werk zusammenhängt. Sie besteht aus Incertum: Kalkstein und
Lava mit Kalkmörtel; ihre Nordseite ist ohne Stuck und rauh.
Vielleicht ist sie frei aufgeführt, jedenfalls diente sie als Fut-
termauer.
Südlich, also ausserhalb dieser alten Abschlussmauer, sichtbar
auf der Strecke oben wo diese fehlt, c. 0,40 von ihrer Front ent-
fernt, läuft eine schräg absteigende Mauer. Nur ihre Nordseite,
ohne Stuck, ist sichtbar. Erhalten ist auch ihre ursprüngliche obere
Fläche, die schräg absteigt, weniger steil als die Neigung der Stufen
und die jetzige Oberfläche nach Entfernung derselben, so dass sie
zu unterst knapp Im, zu oberst c. 1,40 unter dieser bleibt. Sie
gehört zu den Substructionen der Stufen über dem Tribunal, hängt
aber mit dem Bau des Tribunal nicht zusammen, sondern ist äl-
ter. Denn über ihr sind deutlich gemauerte Stufen kenntlich, wäh-
rend die Holconier, die Erbauer der Tribunalien, grade die ge-
mauerten Stufen beseitigten und eine schräge Fläche herstellten,
auf der die Stufenblöcke mit schräger Unterfläche lagen. Aus den
in der westlichen Parodos zu nehmenden Maassen ergiebt sich das
bei der Vergrösserung eingeschlagene Verfahren. An die alte Ab-
schlussmauer wurde eine etwa 0,75 starke Mauer angesetzt, dann
in der Entfernung von 3,80 die neue, 1,74 starke Abschlussmauer
mit dem Satyrkopf gebaut und beide durch eine Wölbung ver-
bunden. Die oben erwähnte schräg absteigende Mauer steht auf
der Wölbung.
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 43
Dieser jetzt zu Tage gekommene Abschnitt im Westflügel ist
schon früher einmal sichtbar gewesen. Man erkennt ihn deutlich
bei H. Wilki n s , Suite de vues piltoresques des ruines de Pompe'i,
Rome 1819. Man sieht dort auch, dass das Mauerwerk des hin-
zugefügten Teiles Stufen hat, während es im übrigen als schräge
Fläche erscheint.
Im Osten ist von der Mauer mit Ziegelstuck nur ein kleines
Stück, gleich über dem Tribunal, erhalten, an seinem Platz, aber
ein wenig weiter südlich als im Westen. Weiter hinauf sind ihre
Spuren in dem anstossenden Erdreich und Mauerwerk kenntlich.
Ganz erhalten ist hier die südliche Parallelmauer: sie hat oben
Anschluss an ein gradliniges Fundamentstück, das an das gekrümmte
der Innenmauer der Crypta angesetzt ist. Dies Fundamentstück
konnte erst nach Beseitigung des oberen Endes der alten Abschluss-
mauer gelegt werden. So wird wohl auch im Westen gleich bei
der Vergrößerung, um dies Fundament zu legen, das obere Ende
der Abschlussmauer entfernt worden sein.
Wir bemerken noch, dass dies Fundamentstück von dem Fun-
dament der Ciwpta nicht verschieden ist. Es steht also nichts der
Annahme entgegen, dass diese gleichzeitig mit der Verlängerung
der Flügel entstanden ist, welche Annahme empfohlen wird durch
die Gleichartigkeit ihres Mauerwerkes mit dem der Abschlussmauer
der erweiterten Cavea.
Ob und wo vor dem alten, kleineren Theatron eine Skene war,
wo und wie damals gespielt wurde, darüber fehlt jede positive
Spur. Aber das wahrscheinlichste ist doch wohl, dass eine Skene
ungefähr da lag, wo sie jetzt liegt, und dass zwischen ihr und
den Flügeln des Zuschauerbaues unbedeckte Parodoi in die Or-
chestra führten. Durch Ueberdeckung dieser Parodoi wurde dann
die Erweiterung des Sitzraumes erzielt.
Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass auch nach dieser
Erweiterung das alte Skenengebäude, mehr oder weniger umgestaltet,
fortbestand. Denn dass der Bau des jetzigen Skenengebäudes nicht
im Zusammenhang mit der Erweiterung, sondern erst nach einer
Zwischenzeit erfolgt ist, wurde schon oben (S. 7 ff.) unzweifelhaft
festgestellt. Ich füge jetzt noch einige dies bestätigende Beobach-
tungen hinzu.
Augenscheinlich und zweifellos ist das Spielhaus an den schon
44 A. MAU
stehenden Zuschauerbau hinangeinaiert worden: an der Nordwestecke
des Skenenbaues, wo jetzt beide bis an das Fundament frei gelegt
sind, ist dies deutlich sichtbar.
Ferner sind die beiden Teile des Theaters in ihrem baulichen
Charakter nicht gleichartig. Der Zuschauerbau zeigt grade in den
an das Spielhaus anstossenden Teilen auf das entschiedenste den
Charakter der «Tuffperiode», der letzten vorrömischen Zeit: der
westliche Parodoseingang, mit dem Satyrkopf aus Tuff als Schluss-
stein der Wölbung, lässt darüber nicht den mindesten Zweifel. Auch
das Lavaincertum der untersten Teile der Aussenwand der Crypta,
mit einer Wölbung in der Achse des Gebäudes, ist durchaus cha-
rakteristisch; die Wölbung gleicht Wölbungen im Tribunal der Ba-
silica.
Dasselbe kann nicht auch von dem Spielhause gesagt werden.
Das Lavaincertum hat durch seinen rötlichen Mörtel einen ganz be-
sonderen Charakter; aber es der Tuffperiode abzusprechen, wäre
kein Grund vorhanden. Dagegen passen die Pilaster, aus sehr un-
gleich grossen ziegeiförmigen Steinen ziemlich nachlässig aufge-
setzt, garnicht recht in die vorrömische Zeit. Dasselbe gilt von den
Thürpfosten der alten Frontwand und denen der Rückwand. Auch
sie bestehen aus ziegeiförmigen Steinen, einem Material, das der
eigentlichen Tuffperiode, soweit bis jetzt beobachtet, fremd ist. Das
älteste Beispiel ihrer Verwendung sind die Pilaster im Inneren
des Juppitertempels, also in einem Gebäude, das in der ersten Zeit
der Colonie wenn nicht von Grund auf gebaut so doch vollendet
wurde. Dagegen ist nicht zu leugnen, das die der jüngeren Form
des Baues angehörenden Pfosten der Seitenthüren, aus Tuffquadern,
gut aus der vorrömischen Zeit stammen könnten. Aber sie können
ebenso gut auch aus späterer Zeit stammen; denn Tuffquadern sind
auch der römischen Zeit keineswegs fremd: sie finden sich an dem
in der ersten Zeit der Colonie erbauten Amphitheater. Alles in
allem zeigt das Spielhaus am ehesten den Charakter der ersten
Zeit der römischen Colonie. Als sicher freilich kann diese Datierung
nicht gelten, und es wäre wohl voreilig, es mit Bestimmtheit der
vorrömischen Zeit abzusprechen. Zweifellos aber ist sein baulicher
Charakter jünger als der des Zuschauerbaues.
An der schon erwähnten NW-Ecke des Skenenhauses, wo die
Fundamente beider Gebäude zusammenstosseu, ist jetzt sichtbar
DAS GROSSE TIIH/TER IN POMPEJI 45
dass das des Zuschauerbaues um 0,50 tiefer liegt als das des
Skenenhauses, seine Mauer also um so viel tiefer hinabreicht.
Wären beide gleichzeitig und nach einem Plane erbaut worden,
so hätte man sie doch wohl in gleiches Niveau gelegt.
Endlich liegt das Skenenhaus nicht ganz symmetrisch am Zn-
schauerbau: unser Plan (Tf. I) zeigt, dass die westliche Seiten-
wand des ersteren näher am Parodoseingang liegt als die östliche.
Auch dies spricht dafür, dass beide nicht gleicher Gründung, son-
dern das Skenengebäude später angesetzt ist.
Wir würden also auch ohne jenen Pilaster (S. 7) berechtigt
sein, das jetzige Skenenhaus für jünger als den vergrösserten
Zuschauerbau zu halten. Dieser bezeichnet, von der Skene ausge-
hend und abgesehen von den unwichtigen Veränderungen der
allerletzten Zeit, die viertletzte, das unvergrösserte Theatron die
fünftletzte Form des Theaters.
Ueberraschend waren die Ergebnisse unserer Ausgrabungen in
der Orchestra. Es fanden sich die Reste von nicht weniger als
sechs Wasserbassins, verschiedener Form und Grösse, und zeitlich
auf einander gefolgt. In welcher Periode diese Reihe beginnt, kann
nicht mit Sicherheit gesagt werden ; das vorletzte dieser Bassins ist
älter als das den augusteischen Ziegelbauten angehörige Bühnen-
podium der letzten Zeit und spätestens bei dessen Bau beseitigt
worden. Ich zähle sie auf nach ihrer zeitlichen Reihenfolge (s. den
Plan Tf. I).
1. Kreisrundes Bassin im innersten Teil der Orchestra. Durch-
messer 7,10 (24 röra. Fuss). Sein Centrum liegt etwa 0,35 ein-
wärts (N) von dem des Halbkreises der Orchestra; so bleibt es
in der Achse des Theaters 1,50 vom Stufenrande entfernt, seitwärts,
wo der Halbkreis der Stufen in die Tangente übergeht, 1,80.
Tiefe 0,75 unter der letzten Oberfläche der Orchestra. Der Winkel
zwischen Wand und Boden ist abgerundet; beide sind mit Ziegel-
stuck verkleidet. In der dem Skenenbau zugewendeten Hälfte sind
S3rmmetrisch zur Achse zwei Ausflussrinnen kenntlich (s. den Plan),
die östliche am Ausrluss etwa 0,35 weit (an der Peripherie des Bas-
sins gemessen), dann sich auf reichlich 0,10 verengend; von der
westlichen war nur die Ostwand kenntlich. Beide — mit Ziegelstuck
wie das Bassin — richten sich gegen die Mitte des jetzigen
46 A. MAU
Bühnen podiums und waren wohl sicher bedeckt. Ihr Boden liegt
0,25 unter dein Orchestraboden der letzten Zeit; er giebt uns
zugleich den Wasserspiegel des Bassins, der also recht gut mit
eben diesem Orchestraboden, nicht wohl aber mit einem höheren
vereinbar ist.
2. Kleineres kreisrundes Bassin, dem vorigen concentrisch.
Durchmesser 5,90 (20 röm. Fuss). Tiefe unter dem letzten Or-
chestraboden etwa 0,30. Wand und Boden — Ziegelstuck mit
Resten blauer Farbe — treffen sich in rechtem Winkel.
3. Länglich viereckiges Bassin, 6,60 (24 osk. Fuss) X 0,75, tief
0,35, vom Buhnenpodium entfernt 2,15. Ziegelstuck.
4. Länglich viereckiges Bassin, zum Teil den Platz des vo-
rigen einnehmend, 5,90 X 1,48 (20 X 5 röm. Fuss), tief 0,25, vom
Bühnenpodium entfernt 1,50. Ziegelstuck.
5. Länglich viereckiges Bassin, wieder z. T. den Platz des
vorigen einnehmend, 9,0 X 1,68, tief 0,17. Ziegelstuck mit deutli-
chen Resten blauer Farbe. Seine Südwand steht senkrecht unter
der Vorderfläche des Bühnenpodiums.
6. Grosses länglich viereckiges Bassin mit abgerundeten Ecken,
im vorderen Teil der Orchestra, alle früheren durchschneidend,
5,90 (20 röm. Fuss) X 3,90, tief 1,65. Auch der Winkel zwischen
Wand und Boden ist abgerundet. Ziegelstuck. Dies Bassin konnte
nicht ganz ausgegraben werden, weil es nach seiner Zuschüttung
mit einer 0,50 starken Schicht [ncertum überdeckt worden ist. Es
wurde ausgegraben ein Stück an der NW-Ecke, ferner die NO und
SW-Ecke constatiert. Und da die Meinung auftauchte, es könnte
eine bedeckte Cisterne gewesen sein, so wurde durch eine unterir-
dische Grabung festgestellt, dass in der Mitte keine Stütze vor-
handen ist. — Diesem Bassin ist wohl sicher gleichzeitig der nur
in den Parodoi, am besten in der östlichen, nicht in der Orche-
stra erhaltene Fussboden aus gutem, starkem Signinum. Hiervon
soll weiter unten (S. 49) die Rede sein.
7. Vorn, in der Achse, 2,40 vom Bühnenpodium, also inner-
halb des Umfanges des Bassins 6 und jünger als dessen Ausfül-
lung, ist ein kleines Bassin kenntlich, 0,30 X 0,34, tief 0,30, aus
dem ein 0,16 breiter Kanal durch den Vorhangsraum, etwas nach
Osten umbiegend, in die hinter diesem entlang laufende Rinne führt,
Natürlich sollte hier das in Cavea und Orchestra gefallene Regen-
DAS GROSSE THEATKR IN POMPEJI 47
wasser zusanimenfiiesseii und abgeführt werden; den Kanal haben
wir wohl bedeckt zu denken. Doch war dies nicht der einzige Abfluss :
ein zweiter (nur die Rinne, nicht das Bassin) war schon immer
kenntlich bei der Einmündung der östlichen Parodos, und ein
entsprechender wird auch im Westen anzunehmen sein; s. hier-
über Overbeck-Mau, Pompeji4 S. 167.
Von diesen Bassins konnten das grosse runde und das älteste
viereckige (1 und 3) nicht gleichzeitig sein, wie der Plan zeigt.
Zwischen dem kleinen runden und dem ältesten viereckigen (2 und 3)
blieb ein Zwischenraum von knapp 0,70. Gleichzeitigkeit ist also
nicht unmöglich, und für dieselbe spricht vielleicht die Erwägung,
dass das sehr schmale Bassin 3 als einziges doch seltsam wäre,
und dass, wenn der Durchgang zwischen beiden Bassins etwas eng
war. man Sorge getragen hatte, den Raum zwischen den Parodoi
frei zu lassen. Dann konnte natürlich das kleine runde Bassin (2)
auch neben den beiden folgenden viereckigen (4 und 5) bestehen,
so dass es erst bei Anlage des grossen Bassins 6 verschwunden
wäre. Unter dieser Voraussetzung haben wir also sechs Formen der
Orchestra : 1, 2 + 3, (2 -4- ?) 4, (2 + ?) 5, 6, 7.
Um nun diese Geschichte der Orchestra in Beziehung zu
setzen zu dem sonst über die Geschichte des Baues ermittelten,
ist vor allem die verschiedene Tiefe der Bassins zu beachten. Es
wurde schon bemerkt (S. 46), dass das grosse runde Bassin (1)
ein wenig oder garnicht von dem der letzten Zeit verschiedenes
Niveau der Orchestra voraussetzt. Ebenso klar aber ist, dass das
letzte der sehr länglichen Bassins im vordem Teil der Orchestra (5),
nur 0,17 tief, ein höheres Niveau verlangt. Und nachdem damit
constatiert ist, dass zwischen der ältesten und letzten Zeit eine
zeitweilige Erhöhung der Orchestra stattgefunden hat, werden wir
kein Bedenken tragen, der Zeit dieser Erhöhung auch die beiden
vorhergehenden (3. 4) und das nur 0,30 tiefe kleinere runde Bas-
sin (2) zuzuschreiben. Das grosse und tiefe Bassin 6 endlich ist
sowohl mit dem Niveau der letzten Zeit als» mit einem höheren
vereinbar.
Nun ist ein dem der letzten Zeit wesentlich gleiches Niveau
der Orchestra wie für das älteste Bassin so auch für die älteste
Form des Skenenbaues (S. 7 Fig. 2) erfordert. Denn niemand
wird denken, die Orchestra sei höher gewesen als die Schwellen
48 A. MAU
der Thüren in der Skenenfront, und tiefer konnte sie auch nicht
liegen, weil wir da gleich auf den gewachsenen Fels stosseu.
Es kann also das grosse runde Bassin nicht jünger sein als die
älteste Form des Skenenbaues ; und eben dieser Form kann keines
der folgenden Bassins gleichzeitig sein : sie alle stammen aus der-
zeit der erhöhten Bühne. Ob vielleicht das grosse Bassin noch älter
ist. ob es schon vor dem Bau der jetzigen Skene. ob gar schon
vor der Vergrösserung des Zuschauerraumes vorhanden war, das
können wir nicht wissen. Es lässt sich sogar die abstrakte Mög-
lichkeit nicht in Abrede stellen, dass es in einer dieser ältesten
Perioden bestand, zur Zeit der ersten Form der Skene aber ab-
geschafft und die Orchestra damals ganz frei war, bis nach ihrer
Erhöhung — und natürlich auch nach der der Bühne — das kleinere
runde Bassin (2) angelegt wurde. Pur wahrscheinlich freilich
werden wir eine solche Unterbrechung der Continuität der Bassins
nicht halten. Ferner könnte auch vielleicht gefragt werden, ob etwa
gleichzeitig mit dem grossen runden auch im vorderen Teil der Or-
chestra irgend ein Bassin vorhanden war, dessen Reste unter denen
der späteren Bassins verschwunden wären. Doch ist dies nicht
wahrscheinlich. Dass solche Reste dort nicht vorhanden sind,
wurde durch eine Versuchsgrabung im Juli 1906 festgestellt, und
bei der Art, wie im Uebrigen die Reste älterer Bassins unter den
späteren erhalten sind, darf dies fast als Beweis gelten. Es steht also
nichts der Annahme entgegen, dass damals der vordere Teil der Or-
chestra frei war. Dies ist auch au sich in so fern wahrscheinlich,
als es nahe liegt, die Verkleinerung des runden Bassins eben mit
der Anlage des ersten viereckigen in Beziehung zu setzen.
War nun damals in der Orchestra nur das grosse runde Bas-
sin, so linden wir auch hier keine entscheidende Antwort auf die
Frage, ob Spiel in der Orchestra, ob auf einer irgendwie gestal-
teten Bühne oder Proskenion. Denn das grosse Bassin bleibt von
der Linie der Paraskenienfronten ziemlich (3 m entfernt; es blieb
also hinlänglicher Platz für Spiel in der Orchestra. Nur freilich wohl
mit der Einschränkung, dass dann für den Chor kein Platz war.
während, wenn die Schauspieler zwischen den Paraskenieu auftraten,
dieser 6 m breite Raum ihm eine massige Entwickelung gestattete.
Das kleinere runde Bassin und die drei länglichen vorn in
der Orchestra (2-5) drängen sich zusammen in die Zeit der ver-
DAS GROSSE THEATER IN l'OMPEJI 49
mutlich fünfthürigen Bühne mit den Vorbauten (S. 10 Fig. 3);
denn vorher war die von ihnen vorausgesetzte Erhöhung der Or-
chestra unmöglich, und der Ziegelbau der augusteischen Zeit kehrt
wieder zu dem früheren, tieferen Niveau zurück.
Der augusteischen Zeit werden wir das letzte grosse Bassin mit-
ten in der Orchestra zuschreiben dürfen. Denn bei seiner ohnehin
bedeutenden Tiefe scheint es nicht eben wahrscheinlich, dass zu
seiner Zeit die Orchestra noch das höhere Niveau hatte. Und wenn
wir der — wie weiterhin zu zeigen — kurzen Zeit der Bühne mit
den Vorbauten ohnehin schon mindestens drei Formen der Orche-
stra (2 -f- 3, 4, 5) zuteilen müssen, so werden wir wenig geneigt
sein, noch eine vierte hinzuzufügen, zumal diese letzte, auch ab-
gesehen von der Niveauveränderung, eine so eingreifende Umgestal-
tung bedeutet, dass man sie ungern von der ihr zeitlich jedenfalls
nahestehenden Umgestaltung des ganzen Theaters trennen möchte.
Geht nun dies grosse und tiefe Bassin zusammen mit den
Bauten der Holconier um den Beginn unserer Zeitrechnung, so
werden wir derselben Zeit auch den guten und starken Signinum-
fussboden zuschreiben, dessen Reste in den Parodoi erhalten sind.
Denn zweifellos setzt er die wieder erniedrigte Orchestra voraus
und ist in den Parodoi an das Ziegelwerk hinan gearbeitet, also
nicht älter als dieses. Wollten wir aber an eine noch spätere Zeit
denken, nach Zuschüttung des letzten Bassins, so dass es auf der
diese deckenden Incertumschicht (oben S. 46) gelegen hätte, so
wäre sein gänzliches und spurloses Verschwinden aus der Orchestra
unbegreiflich. Mit viel grösserer Wahrscheinlichkeit können wir
annehmen, dass seine Beseitigung eben durch die Ausfüllung des
Bassins veranlasst wurde, dass man beabsichtigte einen neuen Fuss-
boden zu legen, dies aber, sei es durch das Erdbeben des J. 63, sei
es durch die Schlusskatastrophe verhindert wurde.
Unsere bisherigen Untersuchungen haben für die ältere Ge-
schichte des Baues, bis zum Beginn unserer Zeitrechnung, nur
eine relative Chronologie ergeben. Diese in eine absolute zu ver-
wandeln ist leider nur in unvollkommener Weise möglich; aber es
fehlt doch nicht ganz an Anhaltspunkten.
Der wichtigste Anhaltspunkt ist der bauliche Charakter des
vergrösserten Zuschauerbaues, mit dem gewölbten Parodoseingang,
50 A. MAU
in den als Schlussstein der Satyrkopf auz Tuff eingefügt ist, und
der ihm gleichartigen Substructionen der Crypta. Die Art wie die
Gewölbe gebildet sind, im Parodoseingang und in der Substruction
in der Achse des Baues (zu vergleichen die Fenster des Kellerrau-
mes im Tribunal der Basilika), die Tuffskulptur, in der trotz der
schlechten Erhaltung ein gutes Exemplar eines hellenistischen
Typus kenntlich ist, alles dies weist für jeden, der einige Erfah-
rung in pompejanischer Architektur hat, unwidersprechlich auf die
Tuffperiode, die Zeit zwischen dem hannibalischen und dem Bun-
desgenossenkrieg, die Zeit des Hellenismus in Pompeji. Auch der
Stuckpilaster an der Südfront (S. 7) ist ganz im Charakter dieser
Periode.
Damit rückt der ursprüngliche Bau des Zuschauerraumes mit
einiger Wahrscheinlichkeit hinauf in die Zeit vor dem hannibali-
schen Kriege; eine nähere Bestimmung ist wohl nicht möglich.
Auf die Vergrösserung des Zuschauerraumes in der Tuffpe-
riode folgte der Bau des jetzigen Spielhauses nicht unmittelbar,
sondern es lag eine Zeit dazwischen, in der vermutlich ein dem
jetzigen vorhergehendes und von ihm verschiedenes Spielhaus an
den Zuschauerbau angebaut war. Und wenn wir nun die Bauart der
ältesten Form des Spielhauses von der der Tuffperiode ganz ver-
schieden, dagegen zu der folgenden, uns wohl bekannten Baupe-
riode Pompeji's, der ersten Zeit der römischen Colonie, gut pas-
send fanden, so scheint zunächst der Schluss unausweichlich, dass
eben damals das Spielhaus in seiner ersten Form, mit den Thüren
im Niveau der Orchestra, erbaut wurde.
Hier ergiebt sich nun freilich die Schwierigkeit, dass dann,
wie es scheint, die erste und die zweite Form des Spielhauses
(erhöhte Bühne und Balkenboden) übermässig nahe zusammen-
rücken. Die Bauart auch dieser zweiten Form, an den Ecken der
Vorbauten vor den Thüren der Front, weist am ehesten auf die
erste Zeit der Colonie, oder doch auf republikanische Zeit. Ferner
war mit dieser Form die Erhöhung des Platzes hinter dem Spiel-
hause um etwa 0,50 verbunden (S. 16). Und in diesem erhöhten
Niveau wurde das kleinere Theater erbaut, dessen Entstehung in
den ersten Jahren der Colonie vollkommen feststeht. In eben diese
Zeit muss also, so scheint es, die zweite Form des Skenenbaues
gesetzt werden. Und wenn nun auch vielleicht diese Datierung nicht
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 51
unbedingt zwingend ist — die Bauart schliesst spätere republi-
kanische Zeit nicht aus, und es Hesse sich ja vielleicht auch ir-
gend ein Vorgang denken, durch den die Aufhöhung hinter dem
Spielhause und der Bau des kleinen Theaters zeitlich getrennt
würden — so ist doch auch wieder zu bedenken, dass bei späterer
Datierung wir dem Umbau der Holconier, dessen Zeit um den
Beginn unserer Zeitrechnung feststeht, bedenklich nahe kommen,
um so bedenklicher als der zweiten Form des Skenenbaues min-
destens drei Formen der Orcliestra parallel gehen.
Wenn wir alle diese Bedenken bei Seite setzen und die erste
Form des Spielhauses, ihren baulichen Charakter und ihren zeit-
lichen Abstand von der in der Tuffperiode erfolgten Vergrösserung
des Zuschauerbaues als Ausgangspunkt nehmend, in sullanische
Zeit datieren, so fällt seine erste Umgestaltung (zweite Form) in
die Zwischenzeit zwischen dieser und dem Beginn unserer Zeit-
rechnung, ohne dass nähere Bestimmung möglich wäre. Für die
drei Formen ergeben sich dann in runden Zahlen etwa die Jahre
80, 40, 1 v. Chr.
Gehen wir dagegen von der zweiten Form aus und legen wir
mehr Gewicht auf die eben entwickelten Bedenken, namentlich
auf die anscheinende Gleichzeitigkeit der zweiten Form mit dem
kleinen Theater, so müssen wir mit der ersten Form in die Zeit
vor dem Bundesgenossenkriege, in die Tuffperiode, hinaufrücken.
Da sie aber auf einen Bau eben dieser Periode (Vergrösserung
des Theatron) erst nach einer Zwischenzeit gefolgt ist, und ihre
Bauart ganz den Charakter der folgenden Periode zeigt, so kann
es sich nur um die allerletzte Zeit der Tuffperiode handeln : in
runden Zahlen wären die drei Formen des Spielhauses um 100,
80, 1 v. Chr. entstanden. Mir persönlich wird, in Anbetracht der
Bauart, diese letztere Datierung der ersten Form sehr schwer; aber
für unmöglich mag ich sie nicht erklären, und die Bedenken gegen
ein späteres Datum sind gewiss nicht minder gewichtig.
Wir sind am Ziel unserer Untersuchung. Wenn auch einzel-
nes dunkel geblieben ist, hat sich doch im Grossen und Ganze«
die Geschichte des Theaters mit hinlänglicher Klarheit ermitteln
lassen. Wir fassen sie kurz zusammen.
1. Vor oder zu Anfang der Tuffperiode (200 v. Chi'.) erster
52 A. MAU
Bau. Wir kennen von ihm nur den Zuschauerbau, dessen Flügel
um etwa 6,0 kürzer waren als jetzt; vermutlich fehlte auch die
ihn später oben umkreisende Crypta. Eine Skene bestand wahr-
scheinlich, vielleicht an der Stelle der späteren. Unbekannt ist, ob
schon damals in der Orchestra das grosse runde Bassin war.
2. In der Tuffperiode — 2. Jh. v. Chr. — wird der Zuschauer-
bau auf seinen jetzigen Umfang vergrössert durch Verlängerung
der Flügel (Eingangsbogen mit Satyrkopf) und vermutlich auch
durch Hinzufügung der die summa cavea tragenden Crypta. Von
der Skene dieser Zeit ist nichts erhalten. Auch jetzt noch ist un-
bekannt, ob in der Orchestra das grosse runde Bassin war.
3. Um 100 (oder erst um 80?) v. Chr. Bau des jetzigen, an den
Zuschauerbau angelehnten Skenengebäudes in seiner ältesten Form
(S. 7 Fig. 2) : Front mit drei Thüren zu ebener Erde zwischen
schiefwinkligen Paraskenien; hinter ihr Skenensaal mit fünf Thü-
ren. In der Orchestra das grosse runde, den vorderen Teil frei las-
sende Bassin.
4. Um 80 (oder erst um 40 ?) v. Chr. Umgestaltung des Ske-
nengebäudes (S. 10 Fig. 3). Beseitigung der Paraskenien. Erhöhte
Bühne in der ganzen Länge des Gebäudes, mit grossem Seitenein-
gängen. Gradlinige Front mit vermutlich fünf von Säulen einge-
fassten Thüren. Hinter ihr auf einem Balkenboden der ebenfalls
erhöhte Skenensaal, zugänglich durch die allein offen gebliebene Mit-
telthür der Rückseite und über eine innere Holztreppe. Die Orchestra
wird erhöht; doch brauchte die Erhöhung nicht mehr als etwa 0,40
zu betragen. In ihr das kleinere runde Bassin und vielleicht von An-
fang an gleichzeitig das älteste (nördlichste) der drei länglichen
Bassins ; dann die beiden anderen ; es ist zweifelhaft, ob neben
ihnen das runde fortbestand. Ueber die erhöhte Orchestra erhob
sich die Bühne nur wenig, etwa 0,70.
5. Um 1 v. Chr. Bauten der Holconier und Gleichzeitiges.
Ziegelbau der dreithürigen Bühnenfront in reicher architektonischer
Entwickelung, mit vor- und zurücktretenden Teilen. Hinter ihr wird
der Skenensaal etwas niedriger gelegt, sein Balkenboden entfernt
und statt dessen der Unterraum mit Trümmern der älteren Fas-
sade aufgehöht, .endlich die alte Mittelthür zugemauert und der
Skenensaal zugänglich gemacht durch eine Thür im Niveau seines
Fussbodens, die man von aussen über eine die alte vermauerte
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 53
Thür verdeckende Rampe erreichte. Im Zuschauerraum werden die
Tuftstufen durch Marmorstufen ersetzt; über den Parodoi werden
die Tribunalia gebaut und die vermutlich schadhaft gewordene
Crypta auf den alten Fundamenten neu aufgeführt. Die Orchestra
wird wieder auf ihr altes Niveau erniedrigt und in ihr statt der
früheren Bassins ein grosses und tiefes in der Mitte angelegt, läng-
lich mit abgerundeten Ecken. Guter Signinumfussboden in Parodoi
und Orchestra.
6. Noch später, in nicht näher bestimmbarer Zeit wird das
Bassin zugeschüttet und mit einer Incertumschicht überdeckt und
der Fussboden der Orchestra entfernt. Zur Legung eines neuen
kam es nicht. Kleine, flache Bassins zur Abführung des Regen-
wassers.
Wie stellt sich nun unser Theater zu der bekannten Theater-
kontroverse? Erst jetzt übersehen wir hinlänglich alles in Betracht
kommende, um uns diese Frage vorlegen zu können. Es handelt
sich um die oben mit 3 bezeichnete Form, die erste Form des
Skenenbaues (S. 7 Fig. 2). Ist damals in der Orchestra, vor
einem Proskenion gespielt worden (Dörpfeld) oder auf einer von
dem Proskenion getragenen Bühne (Puchstein) oder wie sonst? Es
wäre verwegen, diese Frage von Pompeji aus entscheiden zu wollen;
die pompejanische Forschung wird sich hier den auf breiterer
Grundlage zu gewinnenden Resultaten fügen müssen. Aber das
Verhälfcniss des pompejanischen Gebäudes zu der Frage muss doch
kurz festgestellt werden. Wie würden wir uns entscheiden, wenn
es sich nur um Pompeji handelte?
Dass man vor einem zwischen den beiden die Orchestraöff-
nung einfassenden Pilastern (S. 7-9) oder auch zwischen den Pa-
raskenienfronten sich erstreckenden Proskenion, in der Orchestra
gespielt hätte, scheint mir sehr wenig wahrscheinlich. Dagegen
spricht die grosse Breite (etwa 5 m.) des Raumes zwischen den
Paraskenien, der dann keine andere Bestimmung hatte, als zwischen
Frontmauer und Proskenion zu verschwinden. Es scheint vielmehr
kaum vermeidlich, in eben diesem Räume, dem zu Liebe der Saal
hinter der Front sich mit einer Breite von nur 3,80 hat begnügen
müssen, den Spielplatz zu erkennen. Als solchen charakterisirt ihn
ausser seiner grossen Breite auch seine Form: wenn er sich mit
54 A. MAU
schrägen Seitenwänden gegen die Zuschauer erweitert, wie sollen
wir das anders verstehen, als dass er dem Einblick von allen Seiten
möglichst geöffnet werden sollte? Und endlich: hier war von der
folgenden Periode an sicher der Spielplatz ; so brauchen wir keine
Verlegung desselben anzunehmen, wie wir müssten, wenn anfangs
in der Orchestra gespielt wurde; diese zweifellose Tatsache giebt
unserem Theater eine besondere Wichtigkeit. Weniger entscheidend
ist das grosse Bassin in der Orchestra. Aber gesetzt auch — was
wahrscheinlich ist — dass damals nur dies Bassin bestand, nicht
noch ein zweites vorn in der Orchestra, so dass für die Schauspieler
vor dem Proskenion ein materiell ausreichender, 6 m. breiter Bo-
denstreif frei blieb; gesetzt auch — was nicht bewiesen ist —
dass hier keine Chöre auftraten, so wird man doch sagen dürfen :
wenn die Orchestra Spielplatz war, so. wäre es das natürlichste
gewesen, sie grundsätzlich frei zu halten.
Versuchen wir nun aber, in eben diesem Eaume eine hohe,
von einem Proskenion in der bezeichneten Linie getragene Bühne
anzunehmen, so stossen wir wieder auf die grössten Schwierigkeiten.
Die 1,78 breiten Thüren der Frontmauer können wir uns doch
nicht gut viel niedriger als 3 m. denken ; dann aber konnte der
Spielboden nicht viel unter 4 m. bleiben. Und was soll uns in
solcher Höhe eine 5 m. breite Bühne? Wenn der Schauspieler sich
auch nur um 2 m. vom Vorderrande entfernte, so sahen die Zu-
schauer der besten Plätze, bis einschliesslich der obersten Decu-
rionenstufe, wenn sie in der Achse des Theaters sassen, etwa noch
die obere Hälfte seines Körpers; sassen sie mehr seitwärts, so
sahen sie garnichts.
In gleicher Höhe mit dem Spielboden, wenn nicht noch höher,
musste ein oberer Saal hinter der Front liegen. Wie war dieser
zugänglich ? Ein äusserer Aufgang war nicht vorhanden; also innere
Treppen. Aber wo waren diese augebracht? Wir möchten zuerst
die grossen Thüren — alle drei, oder ihrer eine oder zwei — als
Zugänge zu ihnen betrachten. Aber hier haben wir einen nur etwa
3,80 tiefen Raum vor uns; und da doch oben ein Austrittsraum
bleiben musste, so war, auch wenn die Treppe gleich an der Thür
begann, doch jene Höhe auf einer Grundfläche von kaum mehr als
3 m zu ersteigen : Jeder sieht, dass dies eine Hühnerleiter aber
keine Theatertreppe sein konnte. Das einzig denkbare wären, so
DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI 55
viel ich sehe, zwei von den Thüren neben der Mitte seitwärts an
der Wand entlang gegen die Seitenwände, nach 0 und W, ge-
richtete Treppen. Die beiden kleinen Thüren wären dann unter
den Treppen durchgegangen. Aber es ist doch kaum denkbar, dass
diese für die Bestimmung des ganzen Baues so wesentlichen Truppen
aus Holz gewesen sein sollten. Von Steintreppen aber müssten wir
Spuren finden; und selbst wenn sie von Holz waren, so wären doch
sicher nach constantem pompejanischen Gebrauch ihre untersten
Stufen aus Mauerwerk gewesen und müssten Spuren hinterlassen
haben.
Aber gesetzt auch, es wäre doch so, dann war doch die we-
sentliche Bedeutung dieses Unterraumes die, dass er ein Treppen-
raum war. Und wozu dann alle die Thüren, die den nach vorn,
durch die Frontmauer, führenden genau entsprechen? Der ganze
Grundriss sagt mit unübertrefflicher Deutlichkeit, dass dies ein
Durchgangsraum ist nicht nach oben sondern nach vorn. Oder sollen
da etwa nur die « thymelischen Künstler» durchgegangen sein?
Für die war doch in der Orchestra mit dem grossen Bassin kein
rechter Platz, und es ist schwer zu glauben, dass ihretwegen dies
ganze System von Thüren gemacht sein sollte.
Wenn der Hauptraum oben war, so war es doch merkwürdig,
dass man nicht auf den Gedanken kam, ihn von aussen durch eine
Treppe oder Rampe oder deren zwei zugänglich zu machen, da
doch der etwa 14 m breite Platz dazu die beste Gelegenheit bot.
In den späteren Formen des Baues verfiel man bald auf diesen
nahe liegenden Ausweg.
Um alles in Betracht kommende zu erwägen, müssen wir noch
einen Blick auf die Rückfassade des Baues werfen. Wenn erst von
etwa 4,0 aufwärts der Hauptraum war, so konnte das ganze Ge-
bäude nicht viel unter 10 m hoch sein. Seine Wand ist aussen
durch Pilaster gegliedert, deren Breite von 0,46 bis 0,60 variirt
und nur an den Eckpilastern auf 0,75 steigt. Es ist also undenk-
bar, dass unter obiger Voraussetzung die Pilaster mit ihrem Ge-
bälk bis an das Dach gereicht hätten. Wir wären vielmehr ge-
zwungen, anzunehmen, was ja auch an sich wahrscheinlicher ist,
dass die innere Gliederung auch in der Fassade zum Ausdruck
kam und ein Gebälk in der Höhe des Zwischenbodens lief, doch
wohl so, dass dessen Fussboden der Oberkante des Gebälkes ent-
56 A. MAU, DAS GROSSE THEATER IN POMPEJI
sprach. Dann also hätten wir in einer Höhe von etwa 4 m ein Ge-
bälk und noch Pilaster von Durchmessern bis zu 0,75 unterzu-
bringen ; die letzteren hätten eine Höhe von etwa 4 1 Durchm.
gehabt: ein Verhältniss dass für diese Zeit, namentlich wenn es
sich um die Tuffperiode handelt (oben S. 50 f.), nicht eben wahr-
scheinlich ist, aber doch nicht für unmöglich erklärt werden kann,
zumal nur die Eckpilaster Schwierigkeit machen und für die an-
deren sich ein wesentlich schlankeres Verhältniss ergiebt. Wurde
dagegeu zu ebener Erde gespielt und haben wir mit keinem Ober-
raum zu rechnen, oder war doch der Hauptraum zu ebener Erde,
so brauchte dieser kaum über 6 m hoch zu sein, und wenn hier
das Gebälk lief, so ergeben sich Verhältnisse, die zwar für die
schmäleren Pilaster sehr schlank, aber keineswegs unmöglich sind:
es ist leicht, an Häusern der Tuffperiode noch schlankere Pilaster
zu finden. Diese Lösung ist wahrscheinlicher als die vorige, aber
freilich nicht in entscheidender Weise.
Alles dies mögen Wahrscheinlichkeitserwägungen sein, keine
Beweise. Aber wenn nun alle diese Erwägungen für das Spiel in
dem Raum zwischen den Paraskenien sprechen, aber gegen das
Spiel auf einer in eben diesem Räume enthaltenen Bühne, so scheint
nur übrig zu bleiben, dass in diesem Räume gespielt wurde, aber
zu ebener Erde. Ein Proskenion gab es dann nicht, es sei denn,
dass man irgend welche vor die scaeuae frons gestellte Decoration
als bewegliches Proskenion bezeichnen wollte.
Wenn es sich nur um Pompeji handelte, würde ich diese
Lösung für so gut wie erwiesen halten; und sie ist, soviel ich
sehe, auch für andere Theater dieses Typus — z. B. Athen I —
zulässig. Aber freilich da ist noch mancherlei zu bedenken, was
ich denen überlasse, die mit der Theaterfrage vertrauter sind als ich.
A. Mau.
ROSTRA CAESAR1S NOCHMALS.
Nach dem was Mau hier, 1905 S. 230 ff. auseinandersetzte,
steht die Priorität des Rundbaus (R) vor dem vorgelegten Vierecks-
bau (V) ausser Zweifel. Entscheidend ist vor allem die auch von
Mau vorangestellte Tatsache, die 0. Richter zuerst ermittelte,
und von der ich mich jüngst auch persönlich überzeugen konnte,
dass die NW-Ecke der Travertinschwelle von V auf derjenigen
von R eingebettet ist (1). Nicht minder gewiss ist jedoch, dass
die jetzige Anordnung der bunten Marmortafeln nicht, wie Mau
annimmt, die ursprüngliche ist sondern eine spätere, die, immer
noch dem Altertum angehörig, von einer ganz späten zu unter-
scheiden ist, die erst nach Aufdeckung der Ruine, im ersten Halb
des vorigen Jahrhunderts ausgeführt worden ist.
Diese letzte, moderne hat das Getäfel und die Reste von zwei
Pilastern, so wie man sie vorfand, neu hintermauert (2) und mit
grossen Eisenklammern befestigt, die in den Gusskern eingetrieben
und an den Plattenräudern seitlich oder oben verbleit sind.
Neben dieser findet sich eine andre, ganz verschiedene Art
der Befestigung, die schon durch diese Verschiedenheit, und da-
durch dass sie öfters verloren ging und nur Spuren hinterliess,
sich als antik zu erkennen gibt. Jede Volltafel, und ebenso je
zwei zur Einheit verbundene Halbtafeln, haben nämlich an den
Seiten unten Einschnitte, in welche Eisenzapfen eingreifen, die iu
(') Auch die scharfsinnige Beobachtung und Verwertung der Splitter-
schichten ist, wenigstens soweit sie den Travertinsockel des Bundes treffen,
durchaus einwandfrei.
(2) Ob neben dem augenscheinlich modernen Gemäuer auch ein älteres,
spätantikes zu unterscheiden sei, wage ich nicht sicher zu bestimmen.
5S E. PETERSEN
den Ablauf eingefügt, hier und in jenen Einschnitten gleichzeitig
vergossen worden sind. Diese Eisen haben sich am 1. Ende der
Ablaufplatte r (über die Signierung nachher!) erhalten, wo die
Tafeln rechts und links verloren gingen. Natürlich mussten, wo
statt einer Volltafel zwei Halbtafeln stehen, diese auch in der
Mitte irgendwie befestigt werden; und das ist meistens, doch
nicht immer, auch zu sehen. Dass die Eisen von den Tafeln
jedoch auch in die zwischen ihnen stehenden Pilaster eingegriffen
hätten, ist nirgends zu erkennen.
Von dieser etwas dürftigen Befestigung der grossen Tafeln
mit den wenig tief in den Ablauf eingelassenen Eisen, sticht auf-
fällig eine andre ab : Bronzedübel 4 X 1 1/2 cm. stark, in tieferen
Löchern vergossen, von denen zwei noch am Platze, von andern
nur die Löcher mit oder ohne Blei vorhanden sind. Sie sollen,
wie mit Nichols und Richter auch Mau meint, zur Befestigung
der Basis gedient haben, von der ein Fragment ganz rechts am
Ende übrig blieb, und die man nach Ausweis dieses einzigen
Stückes vor die Tafeln aber unter die Pilaster gelegt denkt. An-
ders jedoch stellt sich die Sache auf einer Zeichung dar, die
L. Rossini, laut seiner Unterschrift im J. 1843, von dem rechten
Ende der runden Front verfertigte, und von der Lanciani, ihr Be-
sitzer, mir freundlichst Kenntnis zu nehmen gestattete, wofür
ihm hier Dank gesagt wird. Hier sieht man nur im unteren Teil,
soweit aber gut erhalten, ausser dem Eckpilaster noch vier andre,
dazwischen viermal zwei Halbtafeln; aber nur unter den Pi-
lastern liegen Basen.
Ist es denkbar, dass das Monument damals noch so gut
erhalten war? Angesichts des jetzt so verschiedenen Erhaltungs-
zustandes drängt sich der Verdacht auf, dass, wie in der Be-
schreibung Roms III in Worten, so hier in Zeichnung eine Her-
stellung versucht worden, die, um das Fragmentarische des Ueber-
lieferten anzudeuten, sich begnügte Tafeln und Pilaster oben abge-
brochen darzustellen; und der Verdacht wird sich bestätigen.
Das Basisfragment selbst scheint zunächst der Nichols-Mau-
sclien Annahme einer durchgehenden Basis günstig, bei genauerem
Zusehen aber Rossinis Herstellung zu empfehlen. Reifliche Er-
wägung des gesammten Tatbestandes schliesst jedoch beide aus.
Fasst man nur den Basisausschnitt, der augenscheinlich gemacht
ROSTRA CA.ESA.RIS NOCHMALS 59
ist, die Tafel einzufügen, ins Auge, so findet man, dass das Stück
von der Tiefe des Ausschnitts noch jetzt mit dem Bruchrand
um 3 cm. weiter links reicht, als für den Pilastervorsprung und
die Ausladung der Basis (2 + 4 cm.) erforderlich wäre. Also, scheint
es, lag die Basis auch vor der Tafel. Nun hat sich aber 45 mm.
links von dem Ende des Ausschnitts das Loch und der Bleiver-
guss vom Plattenende erhalten ; also reichte die Tafel nicht bis in
die Tiefe des Einschnitts, und damit schiebt sich auch der Pi-
laster um so viel weiter links, und nun braucht dies Basisstück
nicht mehr über den Pilaster hinausreichend gedacht zu werden.
Es erheben sich aber weiter gegen die ursprüngliche Zu-
gehörigkeit der Basis ernste Bedenken. Nicht genug, dass sie
nicht normal zum Ablauf sondern merklich verschoben liegt; sie
wird in dieser Lage unverrückbar festgehalten durch die auf ihr
liegenden Ziegel der Verkleidung, welche hier die nördliche Schmal-
seite der Rostra im Zusammenhang mit dem Bau des 'Umbilicus'
erhalten hat, und deren Hintermauerung bis 0,40 m. in den Kern
des alten Rostrakörpers eingreift. Vor diesen Ziegeln kann auf
der Basis weder nach Ost noch nach Nord ein Pilaster gleich
denen des alten Rostrabaues gestanden haben, weil diese 15 cm.
tief sind, vor den Ziegeln aber, auf der Basis unten jetzt nur etwa
6 cm., einst, und höher hinauf auch jetzt noch, weniger Raum
bleibt. Wir erkennen hier also eine späte Aenderung, die jeden-
falls an der Ecke auch auf die runde Front übergriff. All dies
schlösse freilich noch nicht aus, dass die Basis ursprünglich
wäre, und vor der genannten Aenderung auf ihr ein Pilaster wie
die andern gestanden hätte. Dies wird jedoch durch folgende
Tatsachen ausgeschlossen. Die Basis ruht auf zwei Steinen, die
so wie jetzt ursprünglich gar nicht nebeneinander gelegen ha-
ben können : links der in unregelmässiger Bruchlinie endende
Ablaufstein K, rechts ein unförmliches Stück, das nur drei ebene
Flächen hat: oben, unten und links, dagegen vom, rechts und
hinten zerschlagen ist. Marmor und Dimensionen, die wohl ge-
ringer aber nirgends grösser sind, verbieten, so viel ich sehe,
nicht, ihn für einen Teil des ursprünglichen Abiauls zu halten,
der an der Nordseite nicht gefehlt haben kann. Unmöglich aber
kann dieser Block so mit seiner ebenen Fläche an die abgeschla-
gene des A"-Blockes gestossen, d. h. mit weit klaffender Fuge ge-
60 E. PETERSEN
stossen haben. Die Basis, die zum grösseren Teil auf dem unförm-
lichen Block liegt, ist also erst bei Erbauung der nördlichen
Ziegelverkleidung hingelegt worden und kann gar nicht beanspru-
chen als zum ersten Kostrabau zugehörig angesehen zu werden ; am
allerwenigsten, wenn ihr Marmor, wie ich zu sehen glaube, nicht
griechisch, jedenfalls nicht von derselben Qualität wie die Ablaufs-
blöcke und die Splitter in den von Mau beobachteten Schichten,
ist. Eine weitere Bestätigung wird sich gleich noch ergeben.
Jetzt müssen wir zunächst zu den Bronzedübeln zurückkehren.
Dass sie bei der spätantiken Wiederaufstellung des Getäfels
nicht zur Befestigung einer Basis, wie Nichols und Mau dachten,
gehört haben können, geht unwidersprechlich daraus hervor, dass
der achte und neunte von links her gezählt so dicht oder unmittelbar
neben der Tafel liegen, dass das Dübelloch in die Basis an der
Kante eingeschnitten sein müsäte statt, wie es sich gehört, in die
Mitte.
Die Dübel liegen ferner in gleichmässigen Abständen von
rund 1.10 m., wie es selbstverständlich nicht für die Basis, son-
dern nur für die Pilaster zu geschehen hatte. Das erhellt am
besten, wenn ich die Maasse von Mitte der Dübellöcher zu den
Mitten der spätantiken Pilasteraufstellung notiere : es liegt das
erste 19 cm. links davon, das zweite 18 cm., das dritte 17, das
vierte 15 V«» das fünfte 8, das sechste und siebente grad vor dem
Pilaster, das achte und neunte, wie schon gesagt, rechts neben
dem hinteren Pilasterteil, das zehnte fehlt mit dem abgehauenen
Block, der nur 1,05 über das neunte hinausreicht. Es ist klar, dass
die Dübel zu einer nur wenig andern Pilasterstellung gehörten :
die Pilaster selbst sind, so viel man an den zwei einzigen Besten
sehen kann, unverändert geblieben; die Tafeln aber sind wahrschein-
lich an den Seiten etwas verkürzt. Aber es sind sicherlich die
Pilaster selbst gewesen, nicht etwa untergelegte Basen, die mit
den Dübeln befestigt wurden. Das beweisen folgende Dinge:
1. die Stärke der Dübel, die wenn alles von einer Hand wäre,
in aulfallendem Misverhältniss ständen zu den dünnen Eisen, von
denen die grossen, aufrechten Tafeln gehalten werden ;
2. die tektonische Logik; denn die Pilaster und ihr jederseits
um 2 cm. vortretender Vorderteil, der ebensoweit vor den Tafeln
vorsprang, als der schmalere Hinterteil in die Lücke zwischen den
ROSTRA CAESARIS NOCHMALS 61
Tafeln eingriff, waren augenscheinlich bestimmt, mit dem vorderen
Teil die Tafeln zu halten. Folglich war vor allem die Befestigung
der Pilaster selbst von Belang; sie musste im Ablauf, nicht in
einem dünnen Zwischenglied bewerkstelligt werden. Das wird
3. durch das zwischen Tafel IV und V erhaltene Pilasterstück
erhärtet, das nur 38 cm. hoch und ganz nach unten gerutscht, sich
als Kopfstück zu erkennen gibt. Denn auf der ebenen Oberseite,
in einer geringen von vorn nach hinten reichenden Eintiefnng liegt,
etwas zur rechten Seite hin verschoben, ein Dübelloch, nach seinen
Maassen ziemlich zu den Dübeln im Ablauf passend. Also waren die
Pilaster oben in dem aufliegenden Baugliede befestigt, wie es um
so mehr nun auch in dem unteren, dem Ablauf anzunehmen ist (1).
Diese Argumentation wird durch das einzige Basisstück insofern
bestätigt, als die glatte Unterseite desselben, die ich, weil das
Stück ziemlich hohl liegt, bis 15 cm. tief von vorn nach hinten
mit dem Maasstab abtasten konnte, kein Dübelloch hat, so wenig
wie der unter ihr liegende Stein rechts. Sie hat aber auch oben
kein Zapfenloch, sondern ist nur gerauht. Sie hat also in keiner
Weise etwas mit den Pilastern und den Dübellöchern des Ablaufs
zu tun, sondern bildet einen Teil des Eckabschlusses der beim Bau
des Umbilicus, wie es scheint, neu hergerichteten runden Front. Ob
man damals auch unter die andern Pilaster solche Basen legte, ob
zugleich auch noch vor die Tafeln, was ja eine ganz unpraktische
und sinnwidrige Aaordnung gewesen wäre, statt die Basen auch
unter die Tafeln zu legen, das vermögen wir nicht zu sagen, weil
keine Spuren davon vorhanden sind. Die Löcher mit Bleiverguss,
die regelmässig unten an den Tafeln links und rechts vorhanden
sind, wären ein sehr ungewöhnliches Mittel zur Befestigung vorge-
legter Basenstücke gewesen, weil sie über diese hinausragen, auch
sehr gleichmässige Grösse der Stücke vorauszusetzen nötigten.
Die Blöcke des Ablaufs hat man offenbar in ihrem ursprüngli-
chen Verbände gelassen. Das zeigt die Buchstabenfolge ihrer Signie-
(•) In der spätantiken Neuaufstelluno: hat man, wie wir gesehen, zunächst
die Tafeln aufgestellt und befestigt ; die Pilaster sodann, für die keine neuen
Dübellöcher gemacht wurden, in ziemlich ruher Weise durch Eisen festge-
klemmt, die man oben zwischen dem Pilaster und den Tafeln beiderseits
eintrieb. Das herabgerutschte Kopfstück hat die zwei durch Oxyd festgeklebten
Eisen mit hinabgenommen und noch neben sich.
62 E. PETERSEN
rimg von r bis ÜT, obgleich das Vorhandensein von zwei Blöcken
zwischen 0 und K bisher nicht erklärt werden konnte. Diese Signierung,
die bei der spätantiken Aufstellung entweder gar nicht oder durch
übel vorgelegte Basen verdeckt war, konnte ursprünglich unter den
Tafeln liegen, wenn man die Pilaster wenigstens in der Mitte der
Rundung bis hart an das Profil des Ablaufs vortreten liess. Das
Profil ist von ungewöhnlicher Form und mit grosser Sorglosigkeit
gearbeitet. Die Rauheit in- den Hohlkehlen ist nicht Folge der
Verwitterung sondern Meisselarbeit ; wäre diese ursprünglich, so
gäbe sie uns keinen hohen Begriff von der auf diesen Bau ver-
wendeten Sorgfalt.
Da die Buchstaben als solche zählen, nicht als Zahlzeichen nach
Zehnern, so fehlen vorT, wenn doch die Täfelung, wie billig, die ganze
Rundung bekleidete, nicht nur AB sondern noch einmal ein ganzes
Alphabet. Der Ablauf würde damit nicht nur an der Süd- sondern auch
über einen Teil der Westseite sich erstreckt haben. Wie weit aber
die Neuaufstellung der Tafeln sich erstreckte, vermögen wir aus den
Buchstaben nicht zu entnehmen. Da nur 0,20 m. von dem jetzigen
Abbruch des Ablaufs das Eisen einer nach links sich erstreckenden
Tafel sich erhielt, und diese doch wohl nicht schmaler als die
nächste rechts war, kann jener Abbruch nicht die Grenze der Neuauf-
stellung sein. Aber dass die vorletzte noch nachweisbare Tafel nur
etwa 30 cm. breit war, was für Mau ein ' Mittelmotiv ' bedeutete,
könnte eher ein Vorspiel des Endes sein. Auch die weiterhin vor
der Randung stehen gebliebene Ziegelmauer verbietet die Neuauf-
stellung bis hier gehend zu denken. Was mit dieser bezweckt wurde
weiss ich nicht zu sagen.
Die Geschichte der Rostra seit Caesar ist also kurz diese: Caesar
baute, Antonius weihte die Rednerbühne mit gerundeter Front. Als
solche musste sie natürlich grössere Tiefe haben als bis zu den
jetzt hinten liegenden Stufen ; sie reichte soweit wie der Gusskern
nach hinten und war hinten grad, vielleicht mit vorgelegter
Treppe. Trajan war es dann der die grosse Erweiterung der Bühne
nach Osten vor die runde Front legte. Das sagen uns doch wohl
die Forumsschranken, die freilich aus den schweren Blöcken nicht
auf dem hohlen, nur von Pfeilern getragenen Rostraboden aufgebaut
sein werden, sondern auf den soliden Seitenmauern, wo sie auch nach
ihrer klaren, freilich immer noch nicht von allen verstandenen Bil-
ROSTRA CAESARIS NOCHMALS 63
dersprache allein ihren Platz haben konnten. Als damals statt der
ruuden Front eine grade beliebt ward, wird man die Rundung
nach hinten in die Stufen verlegt haben, ob auch die jetzigeu
nicht auf Trajan zurückgehen. Wie der Anschluss des trajanischen
an den caesarischen Bau sich an den Seiten darstellte vermögen
wir nicht mehr zu erkennen, da die nördliche beim Bau des Umbi-
licus verändert und später geplündert wurde, und auch die südliche
schon beim Anbau der ' Scliola Xantha ' ihres Schmuckes entkleidet
war. Die grosse Marmorplatte und die Stufenreste daselbst bedeuten
spätere Eingriffe. Die Täfelung der caesarischen Front muss, wenn
sie später wieder zum Vorschein kam, vom trajanischen Architekten
einfach in den Gusskern eingeschlossen worden sein, der bis an die das
Rund fast tangierende Ziegelmauer reichte. Nur die Bekrönung und
obere Abdeckung muss des gleichmässigen Fussbodens halber, von dem
heute nichts übrig ist, beseitigt worden sein. So konnte allerdings die
Lockerung des Getäfels und die Notwendigkeit einer Neuordnung her-
beigeführt werden. Zu welchem Zwecke das geschah und wie es kam,
dass der damals freigelegte Teil des Rundes noch so viel von dem
alten Schmuck behielt, während die südliche Hälfte zur selben Zeit im
Gemäuer stecken blieb, um bei späterer Gelegenheit völlig entkleidet
zu werden, das wird man wohl schwerlich je sagen können.
Die am Constantinsbogen dargestellten Rostra sind natürlich
die trajanischen mit grader Front, ohne dass ihre rückwärtige
Ausdehnung noch die alte zu sein brauchte, und die hinter dem
Kaiser und seinen Beisitzern sichtbaren Säulen haben natürlich
auf dem trajanischen Anbau gestanden, den wir ja durch spätere
Unterwölbung solche Lasten zu tragen fähig gemacht sehen.
Rom, 24. Mai 1906.
E. Petersex.
DI UNA SIMA IONICA CON BASSORILIEVI
DELL' ISOLA DI CRETA (1).
(con tav. II).
Quando nel 1896 io andai per la prima volta a studiare il
piccolo ma giä allora importante Museo del Syllogos di Candia, tra
gli oggetti degni di particolare attenzione notai alcune lastre in
terracotta piü o meno frammentarie, ornate di bassorilievi, e ne
coinpresi subito il duplice valore cosi per la storia della plastica
corne per la storia dell'architettura. Per la prima esse si riconnet-
tono con certi fregi di terracotta rinvenuti da lungo tempo ed
anche recentemente in Etruria e ci danno una prova novella e
decisiva della dipendenza di questi medesimi da prototipi ionici;
per la seconda esse vengono ad aggiungersi ai pochi documenti
che possediarno di una peculiare forma architettonica che e rara
nella Ionia stessa, suo paese d'origine.
(l) Pubblico qui questo niio studio nel testo stesso che fu letto da mo
nell'adunanza dell'Istituto Arch. Germ, del 6 aprile u. s. Tale pubblicazione
potrebbe serabrare in contradizione con quanto si legge alla p. 300 del vol. XI
deWAnnual of the British School at Athens, teste venuto alla luce, dove il
sig. R. C. Bosanquet annunzia questo mio medesimo studio corne destinato al
detto periodico. Veramente, al fine di offrire agli studiosi tutto ciö che poteva
costituire un insieme, il mio scritto era stato da me offerto alla Scuola Inglese
dopo che io aveva saputo che negli scavi di questa a Palaekastro erano stati
rinvenuti altri frammenti fittili della stessa serie di quelli giä da me stu-
diati e pronti per la pubblicazione. Stando ad una lettera, in data 12 inarzo
u. s., de] sig. Bosanquet, che volentieri accettava la mia offerta, esso avrebbe
dovuto essere accompagnato ad un disegno del sig. F. Orr, il quäle «would
appear in the Annual of the British School at Athens, vol. XIII, in the spring
of 1007, in the ordinary course ofthingsn. Ora invece tale pubblicazione e
stata fatta da lui stesso, senza che io abbia ricevuto ne alcun avviso clell'ina-
L. SAVIUNONI, SIMA IONICA CON BASSOKILIEVI 65
Codesti frammenti, quattro in tutto, furono ricuperati dal prof.
Halbherr a Palaekastro di Sitia, nella parte Orientale dell'isola di
Creta, e da lui portati al Museo del Syllogos. Egli stesso no
rece im breve cenno, accompagnato da un piccolo schizzo della
rappresentazione figurata ne\V Antiquar y di Londra ('), ma ciö
non e bastato a far conoscere agli studiosi gli oggetti in parola,
che possono pertanto considerarsi, pei piü, corae inediti, e tanto
meno valse a dare un' idea adeguata del loro pregio speciale.
Perciö io stimo di far cosa utile se li tolgo dall'oblio e se ne pre-
sento qui alla tav. II le fotografie da nie fatte nel 1896, e se vi
a^siungo le considerazioni suggeritemi da tali oggetti. Non tra-
scurerö di premettere che la Direzione della scuola Inglese di Atene.
avendo teste eseguito degli scavi nel luogo dove 1.' Halbherr aveva
raccolto le lastre in parola, vi ha trovato, insieme con altri avanzi
architettonici, parecchi altri fraramenti della medesima serie ;
ma di questi non mi e stato possibile avere fotografie o notizie
precise. Ma ciö poco ci nuoce, perche qui abbiamo giä tutto l'es-
seuziale. Sebbene le quattro lastre, che io presento, siano tutte
frarnmentate, tuttavia poco manca alla maggiore di esse, e quello
che vi manca puö facilmente completarsi guardando gli altri tre
pezzi in cui si ripete la stessa decorazione eseguita con una me-
desima forma; onde puö ricostruirsi per intero tutta la rappresen-
tazione figurata (v. fig. 1). Soltanto e a deplorarsi che le figure
di uomini siano molto fruste nella loro parte superiore; ma in
corapenso sono quasi perfettamente conservate le figure di animali
spettato cambiamento, ne alcuna risposta a due mie lettcre contenenti appunto
pmposte di piü sollecita pubblicazione; e tuttavia nel volume stesso si an-
nunzia come annessa al rapporto inglese una mia discussione, la quäle vice-
oeversa non c'e, non per mia colpa, come ognun vede! II vantaggio di una
tale anticipazione puö ben misurarsi da chi tenga presente che la primizia
della scoperta e della sua comunicazione al pubblico fu data giä da molti
anni dal prof. F. Halbherr, e che il mio commento, per se staute e vera-
mente in nulla pregiudicato dal fatto suesposto, e anteriore, per lo meno,
alla data del 6 aprile p. p. (cfr. queste Mitth. 1905, p. 383; Kunstchronik,
1906, 27 aprile, n. 23, p. 36t, dove il resoconto dell'adunanza sopra ricordata).
(') Marzo 1892, n. 27, p. 115 segg.; « Researches in Crete, Palaekaslron
of Sitia » dove egli anche preannunzia di giä l'importanza del luogo, nel
senso preistorico, dimostrata ora dalle scoperte. Lo schizzo, che rende tutti
i tratti principali della composizione, e a p. 117.
66
L. SAVIGNONI
in uno dei frammenti piü piccoli, di guisa che se ue possono
apprezzare tutti i particolari stilistici (').
Poco e a dire sulla rappresentazione. Vedesi una biga tirata
da due cavalli lanciati al galoppo e guidati da im auriga con
^^-i^—SsJ~-^'
raQOOQQQOOC
kvvv\\\\m\\m\\\\^
Fig. 1.
cortissiraa giubba, fianchi e gambe nude, chioma fluente, il quäle
curvato in avanti, regge con una inano le briglie, coll'altra il
pungolo ; intanto un oplita armato di elmo, scudo e laucia, fa l'atto
(') Nel nostro disegno, giä eseguito a solo contomo prima della pub-
blicazione daWAnnual e contenente tutto l'essenziale della composizione, ho
tuttavia stimato utile fare aggiungere in linee punteggiate quei pochi par-
ticolari che non si vedevano nei quattro soli pezzi da me conosciuti e che
si trovano invece nel disegno edito nel voluine predetto, dove nondimeno
non mancano delle inesattezze, come puö rilevare chiunque lo confronti colla
nostra fig. 1, e coi pezzi della tavola II. Quest'ultima poi credo che raostri
lo stile delle terrecotte meglio che il disegno abbellito della pubblicazione
inglese. Avverto poi che all'elmo del secondo oplita ho fatto dare, nel nostro
disegno, una forma uguale a quella del primo, laddove nel disegno inglese
e differente ma, a mio parere, sospetta.
Ecco poi alcnne notizie sui quattro frammenti. A (tav. II n. l):Lastra
completa coi due margini laterali, ma guasta nel margine superiore e nella
delle figure. Posteriormente e con iri u nf ;i ad essa in basso e in senso
non esattamente orizzontale una seconda lastra, il cui margine e ingrossato
SIMA 10NICA CON BASSORILIKVI 67
di raontare sul carro tr^nquillamente col piede destro, e im altro
oplita, in tutto a lui somigliantc, lo segne lenfcaniente. Sotto, o,
per meglio dire, se vi fosse prospettiva, accanto ai cavalli corre a
tutta furia un caue di forme snelle. La composizione e poi limitata
in basso e in alto da uno stretto listello e da una cordicella rilevata,
in alto anche da un kvmatiou con foglie diritte e arcnate; tntti
elementi classici dell'architettura ionica arcaica.
Le lastre sono fatte di argilla grossolana frammista a detriti
vulcanici, la quäle fu ingubbiata esteriormente con uno strato di
creta piü fina e depurata, e sopra questo furono applicate ed ese-
guite a stampo ed a crudo le figure, colla medesima creta. h la
tecnica consueta cosi in Grecia, come in Etruria.
II rilievo e molto basso e piatto; i contorni delle figure e
del carro furono stondati mediante ritocchi a fresco collo stecco,
ed ugualmente ritoccate furono le parti piü essenziali dei qua-
drupedi, degli opliti e degli ornati. AI lavoro dello stecco fu ag-
giunto anche quello del pennello ; alcuni residui qua e lä di colore
rosso stanno ad attestarci l'originaria policromia (1).
Ho giä ricordato in principio che lastre fittili di questo ge-
liere, pure di uso architettonico, sono state trovate in buon nu-
mero in Italia e specialin ente nell' Etruria. Le piü belle sono
alcune di Velletri e di Cervetri ed inoltre una terza di prove-
nienza ignota che sta ora nel Cabinet des medailles a Parigi.
Da poco ne possediamo anche una trattazione generale fatta con
e rialzato come un dente (v. fig. 2). Alt. della prima m. 0,335, lungh. 0,64,
spessore medio 0,063; larghezza della seconda, nella superficie di posa, 0,425;
spessore ineguale, cioe nel mezzo del fianco sin. 0,08, del destro 0,05, ciö
che rivela una lieve pendenza del piano verso questa parte.
B (tav. II n. 2) : Un terzo circa della lastra coi margini e colle figure
di aniraali quasi intatte. Alt. m. 0,35; aggetto del rilievo 0,016; manca per
frattura la lastra posteriore.
C (tav. II n. 3): Frammento alto 0,27, largo 0,17; sotto il cane resta
la metä di un buco circolare (cliam. 0,055). Dietro vi aderisce ancora un
pezzo della seconda lastra, per la quäle cfr. appreso p. 73 fig. 3.
D (non riprodotto): Frammento molto guasto della estremitä sin, in
cui resta solo il btisto dei cavalli. Alt. 0,25, lungh. ftiassima 0,20.
(') I particolari di questa sarehbero meglio conservati nei pezzi nuo-
vameute rinvenuti; cfr. Annual, 1. c; p. es. gli episemi degli scudi sono
dipinti.
.(53 L. SAYIGNONI
molta diligenza e dottrina dal niio arqjco dott. Giuseppe Pel-
legrini (x)-
Tutte codeste lastre, ornate di bassorilievi, appartengono vi-
sibilraente ad una medesima corrente artistica. A parte la mag-
«riore o minore finitezza della esecuzione e le differenze delle di-
mensioni, tutte preseutano comuni caratteri di un peculiare stile
arcaico, ed anclie i soggetti rappresentati si ripetono, e appaiono
derivati da im repertorio comune. Sono processioni, riunioni di
uomini e di dei, feste eonvivali, corse a cavallo o su carri, ed infine
anche partenze di guerrieri per la battaglia, non dissimili da queste
del fregio cretese (2). Persino il costume dell'auriga e gli episemi
de^li scudi si ritrovano nelle terrecotte italiane. Ho appena bi-
sogno di ricordare che anche quest' ultimo soggetto, al pari degli
altri, si riscontra non solo in Etruria e in questa sorta di monu-
menti, ma che e anzi uno dei tipi artistici pifi antichi ed ovvii
dell'arte decorativa in Grecia, a cominciare dalle stele funebri di
Micene (3) per venire giü ai vasi del Dipylon. ai bronzi dell'Antro
Ideo (4), ai vasi dipinti attici, corintii e ATia dicendo (5).
Nemmeno ci mancano in Grecia esempi di scene simili rile-
vate in terracotta, non importa se espresse su grandi vasi invece
che su lastre piane come in Italia (d). Un maggiore valore hanno nel
caso nostro i riscontri che ci offrono i monumenti dell'arte ionica.
Ricordo principalmente un sarcofago di Clazomene, ora al Museo
(') In Studi e materiali di archeol. e num. pubbl. da L. A. Milani,
vol. I, p. 87 segg. ; per quelle di Velletri e di Cervetri cfr. p. 97 segg. La
lastra di Parigi in Gazette Archeologique, 1883, tav. XLIX (Rayet, ivi,
p. 305, suppone da Cuma) e Daremberg et Saglio, Dictionnaire, I, p. 1636,
fig. 2205.
(2) P. es. in un fregio di Poggio Buco, Pellegrini, 1. c, p. 92, fig. 3,
(non, a mio avviso, jtrocessione religiosa); di Toscanella, p. 96, fig. 4 (cfr.
anclie Pottier, Bull. corr. hell., 1888, p. 507); di Cervetri p. 98, fig. 7 e Suf-
plem. ai Mon. delVInst. tav. I, an. 1 e 2.
(3) Salvo cbe qui il guerriero e giä sul carro.
IM Halbherr ed Orsi, Äntro di Zeus Ideo, Atlante, tav. XI, fig. 2 =
Perrot-Chipiez, ffist. de Vart, VIII, fig. 198.
(s) Per il lipo e la sua origine si puö confrontare Pellegrini, 1. c, p. 90.
E noto che da questo ha origine il tipo delle rappresentazioni della partenza
di Anfiarao.
Cfr. p. es. Pottier, Bull. corr. hell, 1888, p. 492 seg.
S1MA. IONICA CON HASSORII.I EVI 69
Britannico, dove sono dlpinte partenze per la guerra e vivaci sceDo
di battaglia. (J); il fregio del Tesauro dei Cnidii a Delfo con
scene analoghe (2) ed intino un bei frammento marmoreo da Ci-
zico, ora a Costantiuopoli (3), che ha una speciale importanza pei-
le sue piü strette somiglianze con la lastra fittile d' ignota prove-
nienza italiana che ho detto essere a Parigi.
In tutti codesti monumenti, del pari che nelle nostre lastre
cretesi, ricorre lo stesso teina trattato con forme analoghe di
composizione e di stile (4). Due cose sopratntto ci fa impressione di
ritrovare nel ricordato sarcofago di Clazomene, cioe prima l'in-
conseguenza ingenna e tntta propria dell'arcaismo, in cui e cadnto
il dipintore rappresentando, come nel nostro caso, i cavalli in cor.<a
nel tempo stesso che il guerriero sta montando sul carro tran-
quillamente come se stessero fermi (5); in secondo luogo i cani
che ugualmente si vedono correre sotto i carri. Basterebbero giä
qnesti due particolari, e specialmente il secondo, per collegare
senz'altro i bassorilievi cretesi coi prodotti dell'arte ionica.
I cani, che si veggono qui e li, non sono un mero motivo
decorativo per riempitura dei vuoti, come tante volte si fece in-
ditferentemente con ogni sorta di animali, ma sono, come si sa,
una ligurazione desunta dal fatto. Sono cani da guerra, validi au-
siliarii dell' uomo per dare la caccia aH'uomo sul campo di bat-
taglia, precisamente come nella caccia alla selvaggina. Anche
oggidi si adoperano utilmente i cani in alcuni servizi militari,
sebbene diversi da quelli proprii dell'antichitä. L'uso di essi nella
guerra fu praticata da varii popoli, fra cui i Celti, e, se non
m' inganno, se ne trova una traccia anche in un insigne monu-
mento romano (6). Ma si fatto uso di cani rabbiosi e mordaci era
(') Monuments Piot, IV, tavv. IV-VI, specialmente quest' ultima; cfr.
Murray, p. 27 segg.
f2) Perrot-Chipiez, o. c. fig, 164 seg.
(3) Bull. corr. hell., 1894, p. 493 (Joubin); anche Eoscher, Lexikon,
I, p. 1767. Simile in un pithos cretese trovato dal Pernier a Prinia.
(4) Piccole varianti nella forma del carro o delle ruote ora a quatlro
raggi, come a Creta ed a Micene, ora a piü raggi, non costituiscono diver-
genze essenziali.
(5) II Murray, 1. c, p. 37, non sapeva spiegarsi l'azione.
(s) Nel bassorilievo della corazza indossata da Augusto nella statua di
Primaporta il duce : omano, che riceve dal barbaro le insegne di Roma, e ac-
70 L- SAVIGNONI
specialmente diffuso ab antico nell'Asia e noi sappiamo pure che
essi furono utilizzati in certe battaglie storiche dai Magnesii,
dai Colofoni e da Aliatte, re di Lidia ('). Eeco perche le raede-
sime bestie si veggono comparire in rappresentazioni guerresche
prima dell'arte Orientale e quindi della ionica (2), donde poi pas-
sarono anche nel carnpo ideale della Gigantomachia insieme coi
leoni e con altre fiere, come si vede tanto in opere arcaiclie (3),
quanto nella grande Ära di Pergamo. Per noi anzi una nota cosi
caratteristica puö talvolta essere im argomento di piü, e decisivo,
per aggiudicar.e a quell'arte certe opere che furono giä attribuite
ad altra gente, come p. es. un vaso a fig. nere del Museo di
Berlino, rino a poco tempo fa tenuto per etrusco (4), ed anche i
famosi uovi di struzzo rinvenuti in una antichissima tomba di
Viüci, dove pervennero evidentemente per le vie del commercio (5).
compagnato da un cane, che ha le stesse forme di quelli delle terrecotte e
di altre rappresentazioni citate. Non e inutile ricordare che anche qui la
scena e in Asia. Heibig, Führer2, I, n. 5 penso ad un cane da guardia simile
a quello che si vede accanto a Silvano ; invece, seconclo Amelung, Sculpt.
des Vatic. Mus. I, p. 22 il guerriero romano sarebbe Marte e la bestia un lupo.
(1) Cfr. Cougny in Daremberg et Saglio, Dictionnaire, I, p. 888, s. v.
cauis; Pottier, o. c, 1892, p. 250 seg. ; Reinach, Revue des etudes grecques,
1895, p. 175; Murray, 1. c, p. 29.
(2) P. es. due cani veggonsi tra i combattenti in una coppa di Prae-
neste, ed uno sotto il carro da guerra in un'altra di Amathus: Perrot-Chi-
piez, o. c. p. 759, fig. 543 ; p. 775, fig. 547. In un'anfora ionica o calcidese
a Firenze, Museo Archeol. n. 1800, con figure in assetto di guerra non manca
il cane.
(3) P. es. in una tazza a fig. n., Mayer, Giganten, tav. 1,1; e in un
kantharos ed. da Hartwig, Bull. corr. hell., 1896, tav. VII, 1.
i'i Gerhard, Auserl. Vasenb., tav. CXCIV; cfr. Studniczka, Jahrb. d.
InsliL, V, 1890, p, 146. La presenza del cane di fronte all'arciere e un ar-
gomento di piü in favore del suo giudizio, che ignoro se ha; avuto poi la
promessa dilucidazione. Anche qui rappresentazioni di combattimenti e di
partenze su carri. Coll'Aphrodite con ali cfr. l'Athena alata del vaso edito da
ine, Rom. Mitth., 1897, p. 307 sgg.
(5) Perrot-Chipiez, o. c, III, p. 855 segg. fig. 624-8 dove sono attri-
buiti ai Penicii; Furtwängler (presso Röscher, Lexikon, I, p. 1761, s. v.
Gryps), riconosce il carattere schiettamente greco-ionico della decorazione,
ma non osclude che cosi questi come la situla in avorio di Pania (Monum. d.
Instit. X. tav. XXXVIII) abbiano potuto essere lavorati in Etruria; Pelle-
grini, p. 83, segg. li attribuisce senz'altro agli Etruschi. Ma basta conside-
SIMA 10NICA CON HASSORII.IEVl 71
Sa questi uovi sono incisi e dipinti disegni in parte analoghi
a quelli di cui ora ci occupiarao; disegui eseguiti, a mio avviso,
iioii da aitisti etruschi o fenicii, come altri credettero, uia da ar-
tisti ionici, sia delle cittä asiaticlie, sia delle stazioni greche nel-
1' Egitto e nella Libia.
E logico pertanto che alla medesirna corrente artistica Tioi
diciamo appartenere anche le nostre terrecotte dell'isola di Creta.
Ed alla loro volta queste ci forniseono, se ancora occorresse, una
nuova prova lampante che le terrecotte della stessa categoria rin-
venute in Italia rientrino nella corrente medesirna.
Ciö ha dovuto riconoscere di giä il Pellegrini, ma tuttavia
egli s' indngia ancora troppo, a mio parere, ad attribuire agli
arterici etruschi una parte maggiore di quella che loro veramente
spetta, fondando il suo giudizio su particolari di secondaria im-
portanza e niente affatto caratteristici e decisivi. Tutte codeste
terrecotte lianuo un'impronta schiettamente ellenica, e questa spicea
particolarmente tanto negli esemplari di Velletri e di Cervetri,
quanto in quello di provenienza ignota che conservasi a Parigi (').
Ma senza che vi sia l'obbligo di ammettere una diretta importa-
zioue dalla Ionia lontana od ariche dalle colonie della Magna
Grecia, vi e un'altra via che credo piü probabile e naturale per
prodotti ceramici cosi fatti, i quali come e facile intendere, piü
utilmente si fabbricano non troppo lungi dal posto dove si fanno
gli edifici cui sono destinati a decorare.
Io credo cioe sempre, nonostante le denegazioni di alcuni, che
in principio non solo mercanti ma anche arterici greci siano ve-
nuti in Etruria, particolarmente a Caere ed a Tarquinii, e vi ab-
rare che cotesti uovi dovettero necessariamente essere iinportati dall'Africa o
clairAsia e che e cosa affatto arbitraria e innaturale il pensare che siano ginnt i
qua lisci per essere poi decorati da Etruschi con rappresentazioni complc-
tamente greche. Lo stesso vale per la situla di Pania, dov'e pure un soggetto
analogo al nostro, da Heibig e Perrot giudicata fenicia, da Milani e Pelle-
grini (p. 90, nota 7) etrusca, da Dümmler [Jahrbuch d. Instit., 1887, p. Ol) e
da Böhlau [Ion. u. Ital, Nekropolen, p. 119) greca. Come i vasi dipinti,
anche queste opere giungevano in Italia pronte e complete si nella materia
che nella forma.
(l) Per quei di Cervetri cfr. anche Dümmler, Athen. Mitth., 1896, p. 235,
nota.
72 L. SAVIGKONI
biano lavorato per gli Etruschi, divenendo in pari tempo loro
maestri cosi per questo come per altri rami dell'arte (l). Tale
opinione, che ebbi giä occasioue di accentuare quando pubblicai
il sarcofago di Caere che e nel Museo di Villa Giulia, e bene
fondata cosi sul carattere stilistico di molte delle piü antiche
opere che si vanno discoprendo in Italia, come pure sui cenni
della tradizione scritta e Bulla nostra couoscenza del continuo via-
vai dei Greci, sia dalla bassa Italia sia dalla madrepatria, sul 1 e
coste tirrene ed anche a Koma, donde veniva loro l'invito a lauti
guadagni (2). E per questo che Vitruvio non sapeva distinguere le
terrecotte e pitture di Damotilo e Gorgaso, artisti greci chiamati
a Roma, da quelle tuscaniche che si vedevano nella stessa cittä (3).
Nessuno nega che pure gli Etruschi divennero ottimi ed
anche famosi artetici nell'arte della terracotta; ma prima di tutto
bisogna vedere quando ciö avvenne; e in secondo luogo e chiaro
che anche in questa, come in tante altre cose, si tratta piü spesso
di manifattura che di arte, e in ogni caso di un'arte non origi-
nale ma d' imprestito, la cui fönte pura e fresca era presso le sponde
orientali dell'Egeo. Allo spirito della storia importa molto la genesi
dei fatti prima che i fatti stessi.
Quauto ho detto riceve una conferma dalle medesime lastre
cleH'isola di Creta a causa dell'uso cui furono una volta destinate.
La loro costrnzione ci prova che esse non erano inchiodate, come
al solito, nella trabeazione di un edificio per formarvi un fregio,
ma che occupavano ivi un altro posto.
Osserviamo la lastra piü grande ed un altro dei frammenti
ov'e meglio conservata anche la parte posteriore. Dietro la lastra
grande (fig. 2), in basso, e attaccata in senso quasi orizzon-
tale (non perfettamente, essendo 1' angolo un poco obliquo) una
seconda lastra larga centimetri 42 l/a • Come si vede dal di-
(') Anche Pellegrini, p. 118, pensa a Caere come uno dei centri di
fabbricazione tanto di queste come di altre opere fittili, da lui tuttavia attri-
buite agli Etruschi.
(2) Cfr. Mon. Lincei, VIII, p. 536 segg.
(3) Vitruv., de arch., III, 3,5: « ornanturque signis fictililus aut ae-
reis inauratis earum (aedium) fastif/ia tuscanico more, uti est ad Cir-
cum Maximum Cereris et Herculis Pompeiani, item Gapitolii ». Cfr. invece
Plinio, N. II. XXXV, 154.
SIMA IONICA CON BASSORIMEVI 73
segno eseguito da fotograrla, questa seconda lastra presenta l'orlo
rialzato corne im dente, ed inoltre essa e alquanto concava nel
mezzo con una leggiera inclinazione verso una parte. Durique ab-
biamo una fronte ed im piano di posa, ed e facile capire che
questo secondo doveva adagiarsi sul margine del tetto; con che si
spiega tanto quel dente destinato a servire da presa alle tegole
t
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Wg. 2- Fig. 3.
che vi si sovrapponevano, quanto la concavitä e l'inclinazione desti-
nato a facilitare il deflnsso dell'acqua piovaua.
La riprova si ha nella esistenza di im buco circolare. con-
servato per metä (frammento a destra nella tav. II n. 2, sotto
la figura del cane) che era destinato evidentemente a far scolare
fuori l'acqua in modo analogo, sebbene ancora troppo semplico,
dei cannelli e mascheroni nelle grondaie piü perfette.
Va poi notato che questo frammento (di cui presento la ve-
duta del margine sinistro quasi intatto alla fig. 3) era un pezzo
di angolo di uno dei lati maggiori dell'edificio, come e provato
dalla sua particolare struttura.
Infatti da questa parte, presso l'angolo di congiunzione delle
due lastre, vi e un rialzo od una gobba, che dir si voglia, e un po'
piü in dentro e una seconda gobba alquanto piü bassa, e poi fra
l'una e l'altra e un leggiero incavo in cui doveva far presa un
altro oggetto, cioe, a mio avviso, la lastra angolare del lato mi-
nore adiacente, sul quäle, come vedremo, doveva continuare la stessa
linea dei lati maggiori.
Essendo questo pezzo destinato a poggiare sul priucipio del
piano inclinato del timpano, il suo piano di posa forma qui an
74 L. SAVIGNOM
angolo molto maggiore che quello della prima lastra, cioe di quasi
15 gradi (l)-
Insomma questi frammenti facevano parte di una specie di
sima. Non era perö una sima della forma piü usitata, a linee fra-
stadiate od a trafori e coi soliti ornamenti a fiorami, ma essa co-
stituiva come una balaustrata o un parapetto a linea orizzontale
che correva attorno a tutto il tetto, anche al disopra dei frontoni (2).
Essa era relativamente alta (cent. 35), e munita di goccio-
latoi solo negli angoli, come sembra. Quäle dovesse essere il suo
aspetto noi possiamo immaginarcelo guardando il famoso sarco-
fao-o di Sidone detto « des Pleureuses » direi piü propriamente
delle Addolorate (3).
Questo (flg. 4) ci rappresenta un edificio ionico coronato da un
finale analogo a foggia di balaustrata adorna di bassorilievi : nei due
lati lunghi si ripete esattamente il corteo funebre, nei lati brevi si
ripetono pure quasi esattamente delle figure in mesti atteggiamenti.
Noq possediamo finora altro esempio che ci mostri codesto membro
architettonico messo in opera; e certo perö che esso e non una
aggiunta capricciosa dello scultore, ma l'imitazione di un elemento
tradizionale dell'architettura vera, per la quäle l'artista non merita
certo le censure che alcuno volle fargli (4). La prova piü cospicua
e piü antica ci e fornita, come si sa, dal tempio di Artemide in Efeso.
Giä prima della scoperta del sarcofago, il Murray sagacemente
era riuscito a ricomporre con varii frammenti una sima di tal
sorta, adorna di bassorilievi con soggetti diversi, fra cui si no-
tano anche dei guerrieri a piedi e su carri che ricordano le ter-
recotte cretesi (5).
(') Altre sezioni delle lastre possono vedersi ora neWAnnual citato,
1> 302, fig. 19.
{-) Queste conclusioni, cui io era pervennto per mezzo dei soli pezzi
da nie conosciuti, sono ora confermate dalla scoperta di un pezzo speciale
con due soli opliti, ancora inedito, che dicesi costrutto in guisa da poterc
sovrapporsi all'apice del frontone. Cfr. Annual, p. 301.
(;) Eamdy-Bey et Th. Reinach, Une ne'cropole royale ä Sidon, tav. VI,
I, (donde la nostra figura), cfr. p. 238 segg. Veggasi la sezione in Jahrb. d.
Inst. 1894, p. 237, fig. 10.
(4j Cfr. Une necropole royale ä Sidon, p. 246.
(sj Murray, Journal of Hell. Studies. p. 1 segg., figg. 1 e 2. Cfr. A.
II. Smith, Oatalogue of Sculpture, p. 30 segg., nn. 46 segg. II ravvicina-
SIMA IONICA CON BASSORILIEVI 75
E le terrecotte cretesi sono appnuto il secondo esempio che
provenga da un editicio conosciuto.
II trovare in Creta insieme con un tipo plastico anche una
forma architettonica, che sembra propria della Ionia, si puö bene
Ji- 4.
spiegare col fatto generale della grande espansione deH'influenza
ionica non solo nelle isole e nel continente della Grecia, ma al-
tresi in tutte le regioni bagnate dal Mediterraneo ; tuttavia per
questo caso speciale, il legame ci e indicato meglio da un fatto
piü eloquente, questo cioe, che proprio delTArtemision di Efeso
furono costruttori due architetti cretesi, Chersiphron e Metagenes
di Cnossos. Nessuna raeraviglia che una forma adibita nel tempio
asiatico (sia essa originaria dell'Asia o di Creta) si ripeta nella
loro isola natia, in un editicio press'a poco contemporaneo.
mento del parapetto di Efeso con quello del sarcofago fu fatto primamentc
dal Petersen; cfr. Rom. Mitth.. VIII, 1893, p. 100.
76 L- SA.VIGNOM
E questo era il ternpio, pur esso insigne, di Zeus Diktaeos,
corae e diinostrato dalla scoperta ivi fatta di una iscrizione con-
tenente un inno a questa divinitä (').
L'origine di codesta specie di sima io credo che debba ricer-
carsi nell'uso, tuttavia vigente nei paesi caldi dell'Oriente, di ter-
minare le case con una copertura orizzontale anziehe a tetto incli-
nato, la quäle, divenendo una terrazza, richiede appunto un para-
petto od una balaustrata.
I citati esempi dell'architettura ionica potrebbero dirsi corne
un compromesso od uua combinazione del sistema a tetto con
quello della terrazza spianata.
Dato lo stato di rovina degli edifici ionici che si conoscono,
noi non siamo in grado di sapere quanto favore abbia goduto nel-
l'antichitä codesta specie di sima. Tuttavia serubra ch'essa fosse
nieno rara di quanto si potrebbe supporre. Infatti giä da qualche
anno si conosce un'altra lastra di terracotta (proveniente dal mer-
cato di Smirne e perciö senza dubbio da un edificio greco del-
l'Asia Minore) la quäle faceva parte di una sima foggiata simil-
mente come un piano tutto unito, decorato a bassorilievo con
Grifoni di tipo ionico arcaico (2). Anche una lastra frammentaria
del Museo di Capua, in cui e.rilevata una Sirena, pur essa di
tipo ionico arcaico, fu adibita una volta nel medesimo modo (3);
e di questo si ha forse un altro esempio nei frammenti di una
sima di Neandria ornata a rilievo con animali correnti e terminata
dalla Corona Orientale di merli dentati che opportunamente rom-
pono la monotonia della linea orizzontale, come in origine si era
fatto anche nella balaustrata del sareofago di Sidone (*).
(M Cfr. Annual, XI, p. 298, e Journal of Hell St., 1904, p. lvi seg.
L'iscrizione, ancora inedita, comincia colla invoeazione: 'l<b tusyiars KoVqs
XCUQS '"" Kq6vhe.
(*) Furtwängler, Münch. Sitzungsber., 1897, p. 136, tav. IX.
(3) Minervini, Terrecotte del Museo Campano, 2a categ., tav. XI; cfr.
Furtwängler, Meisterwerke, p. 254, nota 1.
(4) Koldewey, Neandria, p. 48. fig. 68, A. I merli dentati veggonsi p.
is. nella tomba frigia citata sotto. Forse questo di Neandria ne e il primo
esempio greco. Sul margine della sima del sareofago sono dei buchi in cni
erano immessi oggetti d'ornamento, forse dei vasi. Ancbe sopra qualcuno dei
nuovi frammenti di Palaekastro e im bueo per inserirvi. a quanto si dice,
un'aquila, tuttavia, come sembra, solo negli angoli a gnisa di acroterio.
SIMA. IONICA CON HASSORIUEVI 77
E non altro che una Variante di questo stesso principio for-
mano alcune figure isolate di guerrieri in pose variate si da com-
porre insieme im combattimento, che erano collocate sui declivi
del timpano di un arcaico edificio di Caere: la differenza sta in
ciö che qui fu soppresso il fondo e cosi le singole figure spicca-
vano coi contorni liberi sull'azzurro del cielo come avveniva degli
ornanienti nelle sime fatte a traforo, nelle antefisse e negli acro-
terii (')•
Non mancano poi le imitazioni in opere di altro genere ispi-
rate all'architettura. Oitre all' esempio giä citato del sarcofago di
Sidone noi abbiamo delle stele attiche rilevate a foggia di terapietto
con un timpano sorraontato da un'alta sima, che talvolta e divisa
in due ed e inclinata parallelamente ai lati del timpano (2), tal'altra
invece riproduce in un solo listone unito e orizzontale la forma
caratteristica della balaustrata ionica, che appunto nella facciata
fa una maggiore impressione (3).
A togliere ogni dubbio, che questo finale sia deliberataraente
voluto dagli scultori delle stele, e non giä determinato dalla na-
turale riquadratura delle medesime; che in altri termini sia una
specie di attico, presento qui (fig. 5) la parte superiore di una stela
proveniente dal Dictynnaeon in Creta e giä da me pubblicata nei
Monumenii dei Liacei (4). Qui l'attico e chiaro non solo per la
sua altezza e per gli acroterii che l'adornavano, ma anche perche
gli spazi sovrastanti ai lati obliqui del timpano non sono lasciati
lisci, come nelle ricordate stele attiche, ma sono decorate con bas-
sorilievi, come abbiamo veduto essere anche nel sarcofago di Si-
(') Cfr. Furtwängler, 1. c. nota 2: una flgura in Catal. de la Col-
lection Castellani, tav. IX, cfr. ivi, im. 488-498; Petersen, Rom. Mitth.
1893, p. 100 seg. Pellegrini, 1. c. p. 98, nota 31. Sono parte a Berlino, parte
a Copenaghen. Nel Museo di Villa Giulia e un bell'acroterio inedito con due
combattenti in alto rilievo policromo, di tipo greco arcaico, proveniente dal
tempio di Mercurio a Falerii. Pellegrini, 1. c. nota 2. fa cenno di framinenti
di rilievi da Poggio Buco che apparterrebbero alla decorazione esterna del
tempio, ma non si sa di quäl parte.
(2) Cfr. Collection Barracco, tav. 51.
(3) Conze, Grubreliefs, tav. XV e XXIX. Cfr. Une ne'cropole royale
p. 246 seg. Veggasi anche la facciata della tomba frigia di Ayazinn, Perrot-
Chipiez, o. c, p. 139, fig, 92.
(4) Vol. XL p. 301, fig. 9.
78
L. SAVIGNONI
done (')• Questa lastra contiene in basso una lunga iscrizione, che
a causa della erosione e difficilissima a leggersi, tuttavia si e po-
tuto desumere che e un trattato tra Polyrhenion e Phalasarna, due
cittä della Creta occidentale, fatto coH'intervento di Cleoniino in-
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Fi sr. 5.
viato di Sparta, sieche la stela appartiene alla prima metä del III sec.
a. Cr. Le due cittä sono rappresentate dalle rispettive deitä tutelari,
Polyrhenion da Dictynna-Artemis, Phalasarna da Aphrodite Ma-
rina, che si stringono la mano in segno del patto giurato. I bas-
sorilievi dell'attico, ugualmente che la capra selvatica e l'albero
posto accanto a Dictynna, sono imrnagini allusive al carattere di
questa dea delle selve e della caccia, che godeva una particolare ve-
nerazione in Creta.
Una ulteriore reminiscenza della medesima forma architetto-
nica, io credo di ritrovare anche in quei monumenti funebri della
Licia che hanno un coperchio a struttura ogivale, quali la tomba
(') Cfr. anche il frammento della parte superiore di una stelal?) di Oinoe,
Bull. Corr. HM. 1893, p. 199 seg., dove pure e rilevata sul pendio di an
timpan'i una leonessa divorante un uccello.
SIMA IONICA CON BASSORILIEVI 79
di Payava, che sta ora al Museo Britannico ('), e il sarcofago di
Dereimis ed Aischylos, ora a Vienna (2). Non solo le protorui di
leoni che sporgono ai quattro angoli del coperchio, senza che vi
abbiano alcuna fnnzione organica, sono imitate dalle groodaie (:1),
ma anche i sovrastanti bassorilievi con carri correnti (si badi anche
al soggetto tradizionale) sono per me una imitazione servile e male
appropriata del fregio combinato colle grondaie ; imitazione, che
in questo caso e in contrasto colla superficie cnrva del coperchio
che. sfngge all'occhio di chi la guardi dal basso. Ciö tanto e vero che
piü tardi lo scnltore greco del sarcofago licio, trovato a Sidone in-
sieme con quello delle Addolorate, sopprime quella decorazione nel
coperchio, che cosi rimane liscio, pur lasciandovi snssistere le pro-
tomi leonine (4). E qui aggiungerei che forse anche la decora-
zione con figure, la quäle gira attorno a tutti quattro i lati della
grossa trave maestra rettangolare, impostata sul culmine acuto dei
coperchi stessi, ha avuto l'ispirazione dalla medesima fönte.
Parlando dei sarcofagi di Sidone, il Petersen (5) propose di
riconoscere, nella balaustrata del sarcofago delle Addolorate, im pre-
cedente di quel listone adorno di rilievi, che forma quasi un fron-
tale, tra due maschere od altri ornati di angolo, nei coperchi di
alcuni sarcofagi romani. Ciö mi sembra ormai piü che probabile,
sia perche quegli ornati di angolo richiamano gli acroterii degli
edificii, sia anche perche, cosi qui come nel sarcofago di Sidone,
si vede di solito mantenuta nel cielo del coperchio la doppia pen-
denza a tetto.
Ma ben altre remini scenze io credo che possiamo ritrovarne
nella stessa architettura romana. Cioe io propongo a chi e piü com-
(') A. H. Smith, Catalotjue of sculpture, n. 950, tavv. V-VI. ; Benndorf,
Trysa, p. 60, fig. 40.
(2) Benndorf, o. c, p. 226 segg., tavv. I-II.
(3) Nel sarcofago simile di Merehi (A. H. Smith, Catalogue, n. 951,
tav. XIII; Benndorf, 1. c, fig. 41) al posto delle protomi suddette, si vede
in uno dei lati una Chimera, nell'altro una pantcra (Benndorf, p. 64, credette
un leone), che non hannu alcun rapporto colla quadriga. Io credo che anche qui
si tratti di una ulteriore e malintesa manifestazione di quella tendenza che
prima aveva trasformato le inerti bozze del coperchio in animate protomi leonine.
(4) Une necropole royale, p. 209, tav. XII; Collignon, Sculpture grecque,
II, p. 400, fig. 211.
(s) Rom. Mitth., VIII, 1893. p. 100.
80 L. SAVIGNONI
potente di me il quesito, se in codesta peculiarita della architettura
ionica si possa rintraceiare l'origine (per quanto io sappia non
aucora spiegata) di una cosa assai importante ; intendo dire del-
l'attico che nell'architettura romana ebbe tanta parte e tanto svi-
luppo. ßicordo come esempio soltanto il tempio di Giove Statore che
si vede figurato nel noto rilievo degli Haterii (x). Aggiungo poi che
le statue di divinitä, che im noto rilievo ci mostra scaglionate sulla
duplice chiaa del frontone del tempio di Giove Capitolino, si spie-
gano nel miglior modo, se si pongano in relazione colla decora-
zione che abbiamo veduto essere richiesta da quel principio archi-
tettonico; con questa riserva che im artista greco facilmente
avrebbe evitato il doppio errore contro l'estetica e contro la na-
turalezza di plantare delle figure diritte sopra im piano inclinato.
Gli stessi esempi che io ho presentato piü sopra (fra cui debbonsi
qui particolarmente ricordare le figure fittili del' timpano di Caere)
ci presentano una disposizione assai piü bella e razionale, nel
tempo stesso che c' indicano l'origine di quest'uso. Giä la stessa
architettura doriea non aveva potuto sottrarsi al fascino di una
decorazione cosi ricca ed animata. Le iouizzanti statue di fanciulle
che fiancheggiano gli acroterii del tempio di Egina possono essere
citate, insieme col fregio ionico del Partenone, tra gli esempi clas-
sici piü antichi e piü insigni di codesta penetrazione di gusti
ionici nel severo dorismo.
In secondo luogo si ricordino gli archi di trionfo. Se si guardano
i piü antichi, p. es. l'Arco di Augusto a Rimini (fig. 6 dall'opera
di L. Rossini, gli archi trionfali tav. XII) od altri figurati sulle
monete, noi troviamo che la loro facciata ci presenta superior-
mente im finale del tutto corrispondente a quello delle stele giä
ricordate: cioe im triangolo sormontato da im piano liscio e chiuso
in alto da una linea orizzontale, sopra la quäle sorgevano la qua-
driga imperiale nel mezzo e le altre statue agli angoli, cosi come
sopra i templi i tre acroterii, che talvolta, come a Delo, erano
appunto statue e gruppi statuarii (2). Ma tanto negli archi, quanto
nelle stele, il triangolo non ha una intrinseca ragion d' essere, e vi
resta solamente come motivo decorativo e come una reminiscenza
della sua origine. L'arte, che e conservativa, stenta a sopprimerlo;
(M Mon. d. Inst., V, tav. VII.
Cfr. per questi Furtwängler, Ärch. Zeitung, 1882, p. 33 segg.
SIMA IONICA CON BASSORILIKVI 81
raa pur lo sopprime fiualmente, ed ecco che giä nell'Arco di
Tito il triangolo del timpano e scomparso, e resta solo l'attico,
Fie. 6.
cbe allora veramente vi acquista, per cosi dire, una espressione
piü chiara e solida di sublime piedistallo per il carro trionfale (1).
(') Cfr. Pliu , X. H. XXXIV, 27: columnarum ratio erat tollt super
ceteros mortales, quod et arcus significant novicio invento.
6
82 L. SA.VIGNONI, SIMA IONICA CON BASSORILIEVI
Se si pensa che questa forma di sirna e originaria dell' Asia ; se
si riüette che nel priücipio dell'epoca ellenistica essa era favorita
tanto, che la ritroviamo imitata nel sarcofago di Sidone e nella stela
del Dictynnaeon; e se infme si ricorda quanto l'architettura ro-
mana debba alla ellenistica, in ispecie alla asiatica, nessuno re-
sterä sorpreso di trovare ancor nuovi eleraenti asiatici nelle opere
dell'architettura romana, e di vedere persino lo Schema fundamen-
tale dell'arco di trionfo, direi quasi, anticipato in qualche monu-
mento dell'Asia, come p. es. nella facciata di una tomba frigia
che ho dianzi ricordata ('). Dalla stessa lontana regione, donde nel
secolo sesto a. Cr. giungevano agli Etruschi i modelli per la de-
corazione fittile dei loro fragili edificii di legno, piü tardi veniva
ancora ai Romani l'ispirazioue per altre forme architettoniche, che,
perpetuate da loro nel travcrtino e nel marmo, restarono esempi
classici per l'arte dei secoli successivi.
(') V. p. 77. n. 3.
Luigi Savjgnoni.
BRONZEBLECH MIT MUNZPORTRÄTEN
IM KIRCHERIANüM
Das in natürlicher Grösse abgebildete Bronzeblech bietet
durch die dargestellten Köpfe und durch einen hier ersichtlichen
Kunstgriff der Technik Interesse.
Wir sehen die Gewandbüste eines unbärtigen Mannes in
o
vorgerücktem Alter mit sehr kräftigem Profil, tiefliegenden Augen,
gebogener Nase und energischen, scharf ausgeprägten Gesichts-
zügen. Der Lorbeerkranz in den militärisch kurzgeschorenen
Haaren kennzeichnet ihn als Imperator. Dicht hinter dem Kopf
verläuft das Segment eines kreisrunden erhöhten Randes. Er-
gänzt man das Segment zu einem Kreis, so hat dieser — den
84 F. STAEHLIN
ßundstab nicht mitgerechnet — einen Durchmesser von 3,6 cm.,
und es hat in ihm noch ein zweiter Kopf Platz, der das Gegen-
stück bildete.
Zwischen diesem Kopf und der folgenden Gewandbüste eines
Knaben geht ein senkrechter Knick in geschwungener Linie durch
das Blech. Er erklärt sich so: Sollte das in derselben Form
(Negativ) befindliche Gegenstück des Imperatorkopfes nicht mit
ausgeprägt werden, so war es nötig, das Blech etwas aufwärts zu
biegen und das nicht gebogene Stück in das Negativ zu treiben.
Das zeigt, wie es einem Handwerker möglich war, mitten aus
siner grösseren Form heraus einzelne Stücke auszuprägen. Wenn
man die dabei mit unterlaufenden Störungen genau beobachtet,
so erhält man unter Umständen wertvolle Aufschlüsse über die bei
den einzelnen Bronzewerken angewandten Formen. Wurde aus ir-
gend einem Grund das Umbiegen des Bleches unterlassen, so
musste es fast notwendig vorkommen, dass von dem anschliessen-
den Teil der Form auch ein Stück mitausgeprägt wurde. Dies
ist z. B. der Fall bei den Dioskuren des Sabaziosreliefes in Ko-
penhagen (Bliukenberg, Archaeol. Studien, 1904 Tf. II p. 93), wo
oben im Eck vor jedem Dioskuren das Vorderbein des in der
Form gegenüberstehenden Pferdes mitausgeprägt ist.
Lichte Zwischenräume zwischen den Figuren waren überhaupt
eine Forderung dieser Technik. Sonst war es nicht möglich, ein-
zelne Stücke der Form zu entnehmen, ohne zugleich Bruchstücke
der angrenzenden Teile mitauszuprägen. Nehmen wir als Beispiel
die Cista von Vulci im Gregorianum (Heibig IP nr. 1388). Der
Fries mit Amazonenkämpfen ist mit einer einzigen Form herge-
stellt, die mit dem Krieger, der die Amazone vom Pferde zieht, be-
ginnt und nach links hin mit einem Griechen, der von einer Ama-
zone erstochen wird, endigt. Die Form umfasst 16 Personen, die
Toten mitgerechnet. Sie ist zweimal ganz und ein drittes Mal von
Figur 1-13 einschliesslich ausgeprägt. Dann folgen Fig. 2, 3 und
4, Fig. 14, 15 u. 16, womit der Fries endigt. Bei der letzten
Fig. 2, der vom Pferde gezogenen Amazone, war es wegen der
dichten Stellung der Figuren nicht zu vermeiden, dass das Bein
von Fig. 1 mitausgeprägt wurde. Daher steht mitten im Fries
ein Bein ohne den dazu gehörigen Krieger. Dass dem Handwer-
ker nur eine eiuzige Form vorlag, ist zunächst daraus zu schlies-
BRONZEBLECH MIT MÜNZPORTRÄTEN 85
sen, dass die Figuren des Frieses sich fast dreimal in derselben
Reihenfolge wiederholen. Aber sehr unterstützt wird dieser Schluss
durch die Wahrnehmung, dass jenes Bein mitausgeprägt ist.
Denn hätte der Handwerker 3-4 Formen gehabt, wie Abeken
(Arch. Intelligenzblatt 1837 S. 65) annahm, so hätte er gewiss
den letzten Raum mit einzelnen in sich abgeschlossenen Formen
ausgefüllt und nicht ein Bild mitten aus einer Form herausge-
griffen. Von dem Knicken des Bleches ist dabei keine Spur mehr zu
sehen. Bei einer Publication dieser Cista muss diese Form be-
sonders abgebildet werden (vgl. Gerhard, Etr. Spiegel I, T. X).
Kehren wir zu der Gewandbüste des Knaben zurück. Er hat
einen runden Kopf mit noch ziemlich unentwickelten Gesichtszü-
gen. Sein Haar ist ganz kurz geschoren. Der Rand der Form ist
nur unten mitausgeprägt. Ergänzt man dies Segment, so erhält
man einen Kreis von ungefähr 3,5 cm. Durchmesser. Der Kopf
befindet sich in der Mitte des Kreises, ohne ein Gegenüber zu
haben. Er ist deshalb auch verhältnismässig grösser als die bei-
den anderen Köpfe. Es folgt nun wieder derselbe Knick des ge-
bogenen Bleches und dann eine weibliche Gewandbüste nach links.
Das Gesicht ist langgestreckt, die Stirne rund und niedrig, die
Nase lang, die Lippen voll und etwas vorstehend. Das Haar ist
in parallelen Wellenlinien angeordnet. Ein Diadem, das zugleich
als Kamm dient, hält es in seiner Lage. Eine starke Flechte hängt
hinter dem Ohre zum Hals herab. Am Hinterkopf ist das Haar
in einem Zopf von unten nach oben bis zur Höhe des Scheitels
gezogen. Hinter dem Kopf ist der Rand der Form in schwachen
Spuren erhalten. Das Segment ergibt ebenfalls einen Kreis von un-
gefähr 3,6 cm. Durchmesser. Die Grösse des Kreises and die an
den Rand gerückte Stellung des Kopfes beweist, dass auch er auf
derselben Form ein Gegenüber hatte.
Die Züge des Imperators gleichen am meisten denen des Tra-
ianus Decius f 251 (Cohen2 V p. 185 f.). Die starken Falten,
die sich an den Nasen- und Mundwinkeln abwärts ziehen, wiederho-
len sich besonders deutlich an seiner Büste im kapitolinischen Mu-
seum (Heibig I2 p. 315 nr. 70). Bei dem Knaben kann man we-
gen der unentwickelten Gesichtszüge sowohl an Philipp d. J.
(Cohen V p. 160) als auch an Herennius, den Sohn des Traiauus
Decius (Cohen V p. 215), denken. Die Frau, deren Haar nach
86 F. STAEHLIX, BROXZEBLECH MIT MÜNZPORTRATEX
der Mode des 3. Jahrhunderts gekämmt ist, hat Aehnlichkeit mit
Etruscilla, der Gattin des Decius, die zwar meistens ungewell-
tes Haar trägt, aber bei Cohen V p. 206 nr. 1 gewelltes hat.
Fast noch mehr aber gleicht sie Otacilia, der Gattin Philipps des
Aeltern (Cohen V p. 143 f. vgl. besonders nr. 58). Die wahrschein-
lichste Lösung der Schwierigkeiten scheint mir die, dass der Kopf
Trajans und der Frau auf derselben Medaillon form in einem
Kreis von 3,60 cm. Durchmesser, den erhaltenen Segmenten ent-
sprechend, als Gegenstücke sich befanden. Die Frau muss dann
Etruscilla sein. Zwischen die Büsten der Eltern hat der Künstler
den Kopf des Sohnes Herennnius zur Spielerei eingefügt.
Das Blechstück ist mehrfach von Nagellöchern durchbrochen,
zeigt aber sonst keine Spuren einer Verwendung. Wie Münster-
berg in der Steinplatte aus Janina (Oesterr. Jahresh. 1904 p. 139 f.)
die Probe eines sich im Steinschneiden übenden Künstlers erkannt
hat, so haben wir hier ein Bronzeblech, an dem ein Künstler
seine neugefertigten Formen versuchte. Vielleicht waren sie dazu
bestimmt, als Prägestöcke für Münzen zu dienen ; vielleicht wollte
er aber die Porträte als Verzierung eines Bronzebeschlages benüt-
zen. Denn Münzen und Münztypen wurden damals als Ornamente
verwendet. Das zeigen die Patera von Rennes (Babelon, Cabinet
des anliques I pl. VII) und die Porträtmedaillons an der Tensa
Capitolina (Ballett, comunale V 1877, t. XI-XV. Heibig P
nr. 568).
Fr. Staehlin.
NEUE INSCHRIFTEN
Aus der grossen Nekropole an der Via Salaria, die in den
letzten Jahren, wie schon im 17. und 18. Jhdt., tausende von
Inschriften geliefert hat, kommen zwei von mir im römischen
Kuusthandel copierte Inschriften, die ein gewisses topographisches
Interesse beanspruchen.
Die erste steht auf einem ziemlich dicken Marmorstück
(0,19 X 0,10 X 0,05 m.), welches schon im späten Altertum zum
zweiten Male verwendet gewesen ist, und daher links und rechts
nicht Bruch-, sondern Schnittrand zeigt.
M • SVLLAE • JW • L
FL1\
H1LARIONI
A M AN O
MV
C ■ SALVSTI • CR
PICTORI
A
Die Buchstaben sind sehr nachlässig, doch im Charakter der ersten
Kaiserzeit; Z. 3-5 der mittleren Columne sind ein wenig später
von anderer Hand hinzugefügt.
Ungewöhnlich ist der Gebrauch von Sulla als Gentilicium.
eben so die Abkürzung des Cognomens Cr(ispus). Der Patron ist
aller Wahrscheinlichkeit nach der Neffe des Geschichtschreibers
und Eigentümer der berühmten Gärten. Dass seine Sclaven in der
Nähe der Gärten eine Begräbnisstätte hatten, war bereits aus
früheren Funden (G. L L. VI, 25781 a. 25788 a. 25792 a. 33642.
33643) zu erschliessen. Amanus als Cognomen findet sich auch in
der Inschrift (v. J. 57 n. Chr.) C. I L. VI, 268.
Die zweite Inschrift ist auf einer Marmorplatte von 22 X 20 cm.
mit rohen aber tiefen und sicheren Schriftzügen des dritten Jhdts.,
£8 HUELSEN, NEUE INSCHRIFTEN
in denen noch reichliche Spuren von Minium erhalten sind, ein-
gehauen.
D M
SIMONI
I V L I A N I
P • R • A • LVM
. PO S IT V S
NO CYR ACOS
SI-QVI -MOVER
PY • FERET
Der sehr unorthographische Text durfte so zu verstehen sein: d(is)
m{anibus). Simoni Iuliani pr(aefeeti) alum{aus) posüus no{mine)
Cyr(i)acos; si qui moverit py. feret.
Der Patron, mit vollständigem Namen D. Simonius Proculus
Iulianus, ist ein bereits aus mehreren Inschriften bekannter vor-
nehmer Mann aus der ersten Hälfte des dritten Jhdts. Seinen
cursus honorum lernen wir kennen hauptsächlich aus der stadtrö-
mischen Inschrift C. L L. VI, 1520, aus der dacischen C. I. L.
III, 1573, und aus der thrakischen Archäol. epigr. Mitth. 1892
p. 92 n. 3. Danach war er iuridicus per Transpadum, dann
praeses provinciae Thraciae wahrscheinlich zwischen 235 und
238, dann Consul suffectus (Jahr unbekannt), Praeses der drei da-
cischen Provinzen und von Syria Coele. Endlich bekleidete er die
Stadtpräfektur, vielleicht unter Philippus Arabs oder unter Decius,
jedenfalls vor 254, da sein Name in dem mit diesem Jahre be-
ginnenden Präfektenverzeichnis des Chronographen von 354 fehlt.
Sein Name als Stadtpräfekt erscheint auch auf der bekannten Ai-
chungsinschrift des Congius Farnesianus (Gori I. E. III tab. I
n. 2). Eine neuerdings im Gebiet der Villa Ludovisi gefundene
Bleiröhre (C. L L. XV, 7528, wo der Name SEMONI gelesen ist)
macht es wahrscheinlich, dass er in der Nähe der Porta Salaria
oder Pinciana ein Haus besessen habe: eine Bestätigung dafür
bietet auch unser einem seiner Bediensteten angehörige Grabstein.
— Die Strafandrohung am Schlnss ist von dem des lateinischen
wenig kundigen Concipienten bis zur Unkenntlichkeit entstellt: an
die Ergänzung p(ondo) [ V~\ {in) feret wird kaum zu denken sein.
Ch. Hu ELSEN.
Abgeschlossen am 30. September 1906.
ROMISCHES AUSHANGESCHILD
MIT DARSTELLUNG EINES NYMPHAEUMS
Das beistellend Fig. 1 abgebildete in der Galleria delle- Statue
des Vatikans befindliche Relief (') ist in der Archäologischen Zeitung
1847 Taf. IV, 1 in Zeichnung veröffentlicht und von Gerhard
Fig. 1.
S. 50 ff. unter der Ueberschrift Roma und Fortuna besprochen wor-
(') Ich erhielt die Photographie vom römischen Institut durch Amelungs
freundliche Vermittlung, dem ich auch die folgenden Angaben über das Relief
verdanke: es ist im Postament der Niobidengruppe eingelassen; die Maasse
betragen 0,415 cm. in der Höhe, 0,595 in der Breite; das Material ist gross-
körniger, grauer Marmor.
90 J- SIEVEKING
den. Gerhard erkennt in dem Gebäude eine eigentümliche Tempel-
darstellnng mit einem basilikenartigen Bau im Hintergrund und
einer sechssäuligen Vorhalle, zu der eine achtstufige von zwei ein-
gehegten Sprenggefässen, Perirrhanteria, flankierte Treppe führt.
Die runde, die Stufen zum Teil überschneidende Aushöhlung
nimmt er als Wasserbehälter. Eine solche Tempeldarstellung mit
zwei Seitenflügeln und einer im Verhältnis zu den Säulen ge-
waltigen Treppe, die durch ein grosses Wassergefäss völlig ver-
sperrt ist, wäre nun allerdings mehr als eigentümlich, ganz ab-
gesehen von dem merkwürdigen Platz der beiden Eigentümer auf
einer gemeinsamen Bank direkt hinter den Säulen. Daher erklärt
denn auch Jordan (*), der an dem Tempel festhält, in seinem vor-
trefflichen Aufsatz über römische Aushängeschilder das vatikanische
Relief für rätselhaft. Dass die kreisförmige Höhlung keine spätere
Zuthat sein kann, giebt er zwar der Inschrift wegen, die auf jene
Rücksicht nimmt, zu, aber die Erklärung als Wasserbehälter hält
er für unmöglich. Und doch ist dieses grade der einzige Punkt,
in dem Gerhard richtig gesehen hatte. Es kann in der That nur
ein Wasserbecken gemeint sein, das den unteren Abschluss der aus
Brunnendarstellungen (2) bekannten stufenartigen Absätze bildet.
Zu beiden Seiten steht in auffallender Umrahmung ein Schöpfge-
fäss. Die eigentümliche auf Perspektive völlig verzichtende Wie-
dergabe des Beckens scheint mir absichtlich gewählt und durch
den praktischen Zweck der Marmorplatte bedingt zu sein, worauf
weiter unten bei Behandlung der Inschrift zurückzukommen ist.
Eine ganz analoge Darstellung zeigt ein viel besser gearbei-
tetes Relieffragment aus Cherchel im Louvre (3), abgebildet Fig. 2.
An einen Pfeiler stossend erscheinen dort wieder die flachen
stufenartigen Absätze und unter ihnen von einer Atlasfigur, der
weiter rechts eine gleiche entsprochen haben muss, getragen die
Reste einer runden Scheibe. Es ist das, wie ich glaube, keine Him-
melskugel, sondern wieder ein Wasserbecken, hiervon dem Künstler
zu einer leicht konvexen Rundung umstilisiert, in der Absicht
(»') Archäol. Zeitung 1871, S. 71 Amn. 2.
T) Vgl. z. B. Amelung, Vatikan I S. 2S9 nr. 170, Taf. 29.
(3) Arrha- ,1. Zeitung 1862, Taf. 166, 1. S. 207 IT. (Mercklin); Schreiber,
Hellenist. Reliefs Taf. 49; Robert, Sarkophage III, S. 220 Anm.
RÖMISCHKS AUSHANGESCHILI)
91
darauf die Weihinschrift anzubringen. Dazu stimmt gut die da-
neben stehende weibliche Figur, die sicli auf eine grosse reich
verzierte Amphora stützt und zweifellos eine Nymphe darstellt ('),
worauf auch die Dioskurendarstellung des Gefiisses hinweist (2).
Fig. 2.
(:) Mercklin dachte an eine über einer Graburne mit den Besten des
Verstorbenen trauernde und betonte den sepulkralen Cbarakter des Reliefs.
Mit dem Gebäude wusste er nichts anzufangen. Auch Roberts Deutung der weib-
lichen Figur auf eine afrikanische Stadt ist unhaltbar. Sie beruft sich auf den
Atlas mit der Himmelskugel, beruht also auf einer falschen Voraussetzung,
die allerdings scheinbar durch ein zweites Relieffragment italischer Herkunft
im Louvre (Schreiber, hellenist. Reliefs Taf. 50) gestützt wird. Auf diesem
wiederholt sich die weibliche Figur in der gleichen Haltung, im übrigen ist
die Sccnerie verändert. An Stelle der Wasseranlage ist felsiges Terrain ge-
treten, an Stelle des Beckens eine Kugel, die auf einem von einer geflügelten
Atlasfigur gestützten Untersatz ruht. Die beiden Darstellungen gehen auf
dasselbe Original zurück, doch gibt die zweite dieses missverstanden wieder.
(-) Bim.Mitt. 1000, S. 344 ff. ; Neue Jahrb. für d. klass. Alt. 1902,S.3S2ff.
92 J. SIEVEKING
Aber noch eine weitere bedeutsame Uebereinstiramnng mit dem
vatikanischen zeigt das Relief von Cherchel, die Konstruktion des
Gebäudes. Die ganz geringe Tiefe der beiden Seitenflügel ist bei
jenem in unverkennbarer Absicht deutlich veranschaulicht, bei die-
sem ist nur der eine Flügel erhalten, aber auch er lässt, da das
Eelief auf der linken Seite vollständig ist, die gleiche Eigenart
erkennen. Charakteristisch für beide Architekturen ist ferner die
starke Dnrchbrochenheit der einzelnen Banglieder, die gradezu ba-
rock wirkt. Sie sowie die geringe Tiefe der Gebäude erinnern sofort
au die dekorativen Wasserfassaden der römischen Kaiserzeit, eine
willkommene Bestätigung der für die Mitte erschlossenen Wasser-
kunst.
Ich glaube mit Sicherheit in den beiden Gebäuden Nym-
phaeen erkennen zu dürfen. Für das Relief von Cherchel wird diese
Deutung noch durch die Figur der Nymphe gestützt, für das va-
tikanische Relief durch den Platz der beiden Götterbilder gleichsam
zwischen den Säulen, der für einen Tempel unerhört, für Nymphäen
durch Münzen bezeugt ist (s. Abb. 3). Auch die leichte Krümmung,
die die Fassade zeigt, passt gut für einen solchen Bau. Den Namen
des auf dem römischen Relief dargestellen Nymphaeums lassen wir
am besten offen, denn die Deutung der einen Figur auf Fortuna
scheint mir unwahrscheinlich, eher möchte ich an Vesta denken.
Für das afrikanische Relief werden wir vielleicht irgend einen
stadtrömischen Nymphaeumsbau als Vorbild annehmen dürfen, je-
denfalls ist die zweimal erhaltene Nymphe mit dem Dioskuren-
krater offenbar die Wiederholung eines bekannten öffentlichen Kunst-
werkes hellenistischer Erfindung in Rom.
Auf dem Pariser Relief ist nur ein Stück des Unterbaues er-
halten, das Nymphaeum des römischen Reliefs wird dagegen nach
den Seiteubauteu zu schliessen bis auf das krönende Gesims über
deu Säulen vollständig sein, also nur ein Stockwerk besessen haben,
wie es bei der geringen Breite des Baues auch wahrscheinlich ist.
Das Wasser war auf den mittleren Teil beschränkt und bespülte nur
den Unterbau desselben. Anders war es am Wasserschloss von Side(')
wo die neun Wasserausflüsse sich zwischen den Säulen in den drei
(') Petersen bei Lanclcoronski, Städte Pampüyliens und risidiens I,
Taf. 30. Danach Durm, Baukunst der Etrusker u. Römer S. 470.
KOMISCHES AUSHÄNGESCHILD 93
Nischen befinden. Dagegen zeigt eine analoge Konstruktion die
Nymphaeumdarstellung auf einer Münze des Septimius Severus von
Hadrianopolis in Thrakien. Ich gehe unter 3 die vergrösserte Ab-
bildung des Pariser Exeuiplares bei Donaldsou, Architectura numis-
matica no. 77 wieder, -die, wie ich nach dem mir vorliegenden
Münzabdruck (l) konstatieren kann, im wesentlichen zuverlässig ist.
Fig. 3.
Auch hier strömt das Wasser aus der Urne des gelagerten Okeanos
nur über den Unterbau und ergiesst sich in ein grosses rechteckiges
Bassin, in dem sieben runde kleine Becken angegeben sind, die
wahrscheinlich als vor dem grossen Bassin liegend und als Schöpf-
bassins dienend zu denken sind. Nach dem vorläufigen Bericht über
die Ausgrabungen in Milet (2) ist für das dortige Nymphaeum ein
(') Ich verdanke den Abdruck der Güte Babelons. Pick, den ich wegen
der Deutung des Münzbildes auf ein Nymphaeum um Rat fragte, bestätigte
mir dieselbe und teilt mir freundlichst mit, dass er schon vor längerer Zeit
für die Rekonstruktion des milesischen Nymphaeums Wiegand auf die Münze
hingewiesen habe.
(2) Archäol. Anzeiger 1905 S. 151.
94 J- SIEVKKING
Hauptbassin sowie ein diesem vorgelagertes Schöpfbassin ermittelt,
und die Rekonstruktionsskizze zeigt an, dass auch hier nur der
Unterbau durch das Wasser bespült wurde.
Die von Maass in seinem Buche über die Tagesgötter nieder-
gelegte Ansicht, dass das römische Septizonium des Septimius Se-
verus nur ein Unterbau gewesen wäre, der die Statuen der sieben
Tagesgötter trug, ist, so viel ich sehe, allgemein abgelehnt wor-
den zu Gunsten der Wasserfassade, und auch wer die Deutung von
Maass auf ein Haus der Tagesgötter annimmt wie Durra (*), hält
die Vereinigung mit einer Wasserkunst für wahrscheinlich. Konnte
schon die zweimalige Verbindung des Septizoniums mit einem Nym-
phaeum sowohl in der Stelle Amraians wie in der Inschrift von
Lambaesis (2) kaum einen Zweifel aufkommen lassen, so scheint
mir jetzt durch die vordere Linie auf dem kapitolinischen Stadt-
plan, die, worauf Petersen (3) und Puchstein (4) hingewiesen haben
nur den vorderen Rand eines Wasserbassins bedeuten kann, die
Wasserfront des Septizoniums völlig gesichert.
Man darf daher, glaube ich, bei der Rekonstruktion desselben
die Münze von Hadrianopolis sowie die allerdings bedeutend be-
scheidenere Anlage auf dem vatikanischen Relief zu Rate ziehen,
vor allen Dingen für den Unterbau. Dieser ist sowohl in der Hül-
se n-Graefschen Rekonstruktion (5) als auch in der von Durra (,3)
zu niedrig angenommen, kaum höher als Gesims und Stylobat der
oberen Stockwerke. Das wirkt sehr ungünstig, weil das Gebäude
im Boden zu stecken scheint und die luftigen Säulenhallen sich
nicht frei herausheben. Beeinflussend haben hier wahrscheinlich die
alten Zeichnungen des Septizoniumrestes gewirkt, die aber deut-
(') Baukunst der Römer S. 474.
(a) Maass, Tagesgötter s. 96. Das ursprüngliche Verhältnis von Septizo-
nium und Nyinphaeum ist allerdings auch bei der Erkenntnis, dass beides
Wasseranlagen waren und in der Kaiserzeit wenigstens in formaler Beziehung
ereinstimrnung zeigten, so dass Maass zugeben muss, die Septizonien seien
in dieser Hinsicht ein Sondertypus der Nymphäon. keineswegs klar. Die An-
nahme Petersens, dass Septizonium die Fassade, Nyinphaeum das Bassin be-
deute, thut der Ueberlieferung Gewalt an.
(») Deutsche Litt. Ztg. 1887, Sp. 1016.
(') Jahrbuch 1902 S. 122 Anm. 70.
(5) 46. Berliner Winckelmansprogrumm Taf. 3 u 4.
(«) a. a. 0. S. 473.
RÖMISCHES AUSHANGESCHILD 95
lieh zeigen, dass der Unterbau damals nicht frei lag, sondern stark
vom Erdreich bedeckt war. Die Zeichnung der Marciana (Steven-
son Bull. Com. 18S8 Tf. XIII, XIV) giebt die Höhe des Unterbaus
für den 1585 zerstörten Seitenflügel: für den Unterbau des mittle-
ren Teils der Fassade, der, wie die Bassinlinie des Stadtplanes zeigt
und Relief wie Münze bestätigen, allein vom Wasser bespült wurde,
ergibt sich durch die davorliegende Bassinvertiefung eine grössere
Höhe, so dass die herabströmenden Wassermassen bei der gewalti-
gen Breitenausdehnung gewiss einen imponierenden Anblick dar-
boten. Ferner werden wir auch nach der Münze annehmen dürfen,
dass der Unterbau zwischen den Seitenflügeln als Rückwand des
Bassins eine grade Front bildete, die nicht mit den Nischen zu-
rücktrat, wie die bisherigen Rekonstruktionen annehmen. Ebenfalls
anders wie in diesen stand das Bild des Kaiser Septimius Severus
zwischen den Säulen des Erdgeschosses. Die in einer Fläche fortlau-
fende Front des Unterbaues war entsprechend den sieben Abteilun-
gen des Mittelbaus, nämlich drei Nischen und vier vorspringenden
Partieen, durch Pfeiler, wie sie auf dem vatikanischen Relief den
Lauf des Wassers flankieren, in sieben Abteilungen gegliedert, über
die das Wasser sich in sieben Streifen ergoss. Das scheint mir eine
natürliche Erklärung des Namens Septizonium, Siebenstreifenbau für
das als Wasserfront gedachte Gebäude. Nimmt man an, dass, wie es
in Side der Fall war, auch der Unterbau der Gliederung des Ober-
baues folgte und in den Nischen zurücktrat, so ergiebt sich von
selbst ohne Pfeilerteilung eine Gliederung für das herabströmende
Wasser in sieben Streifen (J).
Den sieben Wasserstreifen, die sich in das grosse Bassin er-
gossen, werden sieben Schöpfbassins entsprochen haben, wofür wie-
der die Münze als Vorbild heranzuziehen ist, und eine Spur dieser
sieben Bassins glaube ich noch in dem mittelalterlichen Namen
septemsolia maior und minor für die damals noch stehenden Flü-
gel des Severusbaus zu finden, der doch sicher auf einer antiken
Ueberlieferung beruht. Charakteristisch ist die Pluralbildung bei
der Benennung jedes Flügels. Solium ist der Name für Wanne oder
kleines Bassin in den Thermen, wir werden ihn aber ohne Schwie-
(/) Verglichen werden kann, worauf mich Hülsen aufmerksam macht,
die Wasseranlage der sog. Piazza d'Oro in der Villa Hadriana (Winnefeld
S. 70. 71. Taf. VI, B), ein Pentazonium mit runder Fassade.
96 J. SIEVEKIX«
rigkeit für die öffentlichen Schöpfbassins gegenüber lacus als gros-
ser Bassin anwenden können, von denen dann der Platz und das
Gebäude seinen Namen erhielt.
Das vatikanische Relief ist trotz seiner Unscheinbarkeit nicht
nur von Bedeutung als seltene Darstellung einer stadtrömischen
Wasserbaufassade, sondern auch antiquarisch interessant durch den
Zweck, dem es gedient hat. Er ist aus Bild und Inschrift sicher
zu erschliessen. Schon Gerhard hatte mit Recht angenommen, dass
an dem Marmor auf beiden Seiten nicht mehr viel fehle und Bor-
ghesi (!), den Gerhard um seinen epigraphischen Rat fragte, die
Inschrift vermutungsweise ergäuzt zu a'N Wac AEDe saB\N\ MA-
Terni hiDl LOCaNTVr. Er dachte an eine Magistratsverkündigung
der Verpachtung festlicher Spiele zur Feier des Tempels, für welche
Verpachtung nach Gerhards Ansicht das Relief als Aushängeschild
diente. Jordan (2) fand diese Erklärung der Inschrift begreiflicher-
weise unverständlich, glaubte aber auch, dass man es mit einer Art
Aushängeschild zu thun habe, ohne für dasselbe eine weitere Erklä-
rung zu finden. Im G. I. L. VI, 29816 hat Bormann für die ersten
zwei Zeilen die Ergänzung in honorem divinae domus vorgeschlagen.
Jetzt wo wir den Tempel beseitigt und au seine Stelle ein
Nymphäum gesetzt haben, können wir einerseits die Idee des Aus-
hängeschildes, für welches die Maasse des Marmors vortrefflich
passen, mit mehr Recht wieder aufnehmen, andrerseits eine der
Darstellung entsprechende Ergänzung der Inschrift geben. Wie mich
Hülsen belehrt, ist ihr Anfang nach Analogie anderer Inschriften,
namentlich CT. L. VI, 29791 und XIV, 4015 (vgl. auch C. IV, 1136)
zui> h[is pr]aed\_iis zu ergänzen: « in diesem Besitztum des Sabi-
nius Maternus » — wie wir den Mann mit Borghesi nennen wollen, —
- werden [gewisse Dinge] vermietet » . Was vermietet wurde, wird die
Ergänzung des Wortes vor locanlur ergeben, von dem nur die beiden
letzten Buchstaben DI erhalten sind. Die Ergänzung muss von dem
Nymphaeum ausgehen, denn es ist unwahrscheinlich, dass dieses
nur, weil in der Nähe des Besitztums befindlich, als Schmuck für das
Schild gewählt wurde. Dagegen spricht schon die merkwürdige Art,
in der das Wasserbecken nicht perspektivisch dargestellt ist. Sie
(') bei Gerhard a. a. 0. S. 52 Anm. 12 u. 13.
(a) Archäol. Zeitung a. a. 0.
RÖMISCHES AUSHÄNGESCHILD 97
ist unverkennbar in der Absicht gewählt, dieses den Vorüberge-
henden möglichst in die Augen fallen zu lassen und erfüllt diesen
Zweck auch vollkommen, denn beim Anblick des Reliefs haftet das
Auge unwillkürlich an der runden Höhlung. Mit dem Wasser-
becken des Nymphaeums muss der zu vermietende Gegenstand in Ver-
bindung stehen, und da liegt es am nächsten an die grossen Schöpf-
gefässe zu denken, wie sie zu beiden Seiten des Beckens stehen,
durch die eigenartige Einhegung die Blicke ebenfalls besonders
auf sich ziehend.
Ich ergänze daher den Schluss der Inschrift zu ca~\di locantur
(vgl. den Artikel cadus bei Daremberg-Saglio). Cadus Graeca am-
phora est, continens urnas Ires sagt Isidor XVI, 26. Columella
d. r. r. XII. 28 spricht von einem cadus duarum urnarum, dem
Maasse einer römischen Amphora. In einer Stolle des Philippides
bei Athenäus XT, 781 ist von xctdoi die Rede, die grösser sind
als ein Mann. Qadus war also ein wenn auch schwankendes Flüs-
sigkeitsmaass der Römer, das sich als solches zur Bezeichnung
der auf dem Relief dargestellten Amphoren vortrefflich eignet. Dass
sich ein spekulativer Mann die Vermietung solcher grösserer Schöpf-
gefässe zum Erwerbszweig machte, darf in dem durch Was-
serreichtum so verwöhnten Rom der Kaiserzeit nicht Wunder
nehmen (').
Für die Entstehungszeit des vatikanischen Reliefs ist bei der
handwerksmässigen Ausführung desselben schwer ein Anhalt zu
finden: die in erhabenen Buchstaben, ein seltner Fall, sauber aus-
geführte Inschrift weist auf das erste bis zweite nachchristliche
Jahrhundert.
München.
J. SlEVEKING.
(') Hülsen denkt vermutungsweise an die Ergänzung futQdi locantn[r,
da man von dem grossen Becken hauptsächlich den Boilen, den fundus sieht:
des Work wäre dann mit demselben Doppelsiun, den auch das deutsche ' Bu-
den' hat, gebraucht, und wir hätten das Aushängeschild eines Grundstücks-
maklers oder Vermieters.
FRAMMENTI DI VASO ATTICO CON DIPINTO
UAPPßESENTANTE LA MOKTE DI AKGO.
(con tav. I1I-IY).
I frammenti di vaso, che presento riprodotti, sono da parecchi
aniii pubblicati ('). Eppure sembra che essi siano sfuggiti quasi del
tutto all'attenzione degli studiosi (2), sebbene a tale attenzione
avrebbero dovuto raceomandarli e la bellezza del disegno ed il
fatto che il loro primo editore, eruditissimo interprete di monumenti,
ne lasciö del tutto inesplicato il loro couteuuto.
Ed invero lo Stephani emise la ipotesi che questi frammenti
rappresentassero im inizio di combattimento e vide una spalliera
di im aQf.ia, su cui avrebbe dovuto salire l'uomo che sta suudando
una spada, nolla striscia curva che si stacca sul corpo della donua
posta di dietro (tav. III, grande fr. n. 1). AI lato posteriore di questo
vaso apparterrebbero pure, secondo lo Stepliani, pel loro disegno meno
diligente, i frammenti riuniti nol grande fr. n. 2 (tav. IV) a sinistra
della palmetta, e ciö mi pare con ragione. A questo proposito osservo
che qui si ha il gruppo di una figura femminile con ali, che con
oinoclioe alzata e patera abbassata amministra una anovdi) ad im
uomo ammantato ed appoggiato ad im bastone. Avremmo qui uno
(') Provenienti da tomba nello vicinanze di Kertsch, nel pudere Elti-
i^lieii, e trasportati a Pietroburgo all'Eremitaggio, questi frammenti furono
editi e descritti dallo Stepliani (Compte Rendu, Atlas, 1877, t. IV, n. 4-10
= S. Reinach, Repertoire des vases, v. I, p. 51, n. 4-10, testo al Compte
Rendu, 1877, p. 213 e sog.). Vennero riprodotti nei Wiener Vorlegeblätter,
1890-91, t. XI, 2. Debbo alla intercessione gentile di E. Pridik, conservatore
in capo de-U'Eremitaggio, se ho potuto ottenere dalla liberale Direzione di
questo istituto il calco qui riprodotto. Biunovo pertanto pubblicainente i rin-
graziamenti a S. E. il Direttore dell'Eremitaggio ed al prof. Pridik.
(2) Una eeeezione 6 il Benndorf, il quäle li pubblicö con altri monu-
menti riferibili al mito di lo nei Wiener Vorlegeblätter, dando in tal modo
ünplicitamente la giusta spiegazione di essi frammenti.
FRAMMENTI DI VASO ATTICO 99
degli ovvi grnppi nella pittura vasculare di stile sovero e di stile
hello di una doiina alata che versa da bere ad im mortale. Pure
di due figure ammantate sono i resti nello stesso framineiito nell'altro
grande n. 1 a destra della palmetta, onde si puö trarre la facile
deduzione che nel lato mono nobile del vaso doveva essere rappresen-
tata un'accolta, usando la parola tedesca, di Mantel figuren da la-
sciare anonime e senza importanza specificata e riprodotte iu tanti
e tanti vasi con l'unico scopo di riempire con decorazione figura-
tiva la parte piü trascurabile del vaso stesso; una di quelle pro-
fane conversazioni in cui tuttavia eccelse l'arte dei grandi cera-
misti del periodo pre-persiano (!) e di cui tanto abusarono i cera-
misti posteriori.
Ma, ritornando ai frammenti del lato nobile, che quasi uni-
carnente ci debbono interessare, assai manifesta appare l'assurditä
della spiegazione dello Stephaui riguardo alla creduta spalliera del
carro, e per l'assoluta mancanza dell'altra spalliera, che pur do-
vrebbe essere visibile se si ammette che 1'uomo dal petaso sia giä
con un piede sull'<%m, e pel medesimo livello a cui verrebbero
a trovarsi ed il detto uomo e la donna coi due uomini accauto.
Ma a chiuuque sarä manifesto che questa striscia, divenendo sottile
dall'alto verso il basso, combina perfettamente con un ciuifb for-
mato da linee parallele sotto la gamba del combattente per for-
mare una coda la quäle, non solo per la sua grandezza, ma per
la sua forma, si deve necessariamente attribuire ad un essere
bovino.
Dal grosso frammento in questione possiamo arguire che un
essere bovino era rappresentato nella parte nobile del vaso e che
esso precisamente occupava il mezzo all' incirca di questa parte.
Tnvero vien fatto subito di pensare ad Io, e la direzione del volto
(ielYaQysiyovTrjg, cosi senza preamboli chiamo la hgura barbuta
dal petaso e dalla elamide, mi pare che essa pure dimostri che
mira della spada non sia 1' essere bovino, ma un'altra figura a noi
non arrivata, Argo dai cento occlii.
Due recenti articoli hanno contribuito ad arricchire di nuovi
monumenti ed osservazioni le notizie che si riferiscono al mito di
Io neH'arte antica: il primo di Hoppin (Argus,, Io and the Pro-
(') Cito come csempio nobilissimo la parte posteriore dello skyphos
vieimese riferibile al ceramista Brigo (Mon. d. Inst., v. VIII, t. 28).
100
P. DUCATI
melheus of Aesch/jlns negli II ar ward Sludies in classical philo-
logij, v. XII, 1901, pp. 335-345), il secoiido deH'Eugelmauu, che
pel personaggio di Io deve essere citato per altri due lavori (')
{Die lo-Sage in Jahrbuch d. Inst., 1903, pp. 37-58). Tra i rno-
Fig. 1.
numenti citati da questi due dotti, quello che ha maggior impor-
tanza pel nostro assnnto e che potra, credo, dissipare ogni ulteriore
scetticLsmo riguardo alla spiegazione ora da me proposta pei fram-
meiiti di Pietroburgo, e la pittura doli' idria edita da Hoppiu o
riprodotta da Engelmann a misura minore, ma con maggior esat-
tezza, a p. 43, hg. 2, d'onde e tratta la tig. 1 del mio articolo,
esistente a Bryn Mawr College (Nord-America) (2).
i'l De Ione, Halle, 1868 e Tarticolo Io nel Lexikon del Röscher, v. II,
col. 2G3 e seg. Cito anclie i De lus fabula capita selecta, Upsala, 1901, del
Meilen che minor attinenza hanno con quel che posso osservare riguardo ai
nostri fnimmenti.
(2) Non consento con Iloppin nel giudicave come affine all'altimo stile
FRAMMKNTI DI VASO ATTICO 101
II momento rappresentato nelle pitture dell'idriae dei fram-
menti e il medosimo e ad ognuno sara palese la grande analogia
che hanno tra di loro e l'Ermete dell'idria e quello del frammento.
Ma la pittura del vaso annericano, coq la giusta spiegazione che
ne ha dato Hoppin, ci aiuta a renderci facilmente esplicabili le
particolaritä che ci appariscono e nel grande frammento e negli
altri tre che indubbiamente appartengono al medesimo lato del vaso
(n. 15, 4, 5).
Nella pittura dell' idria per Tara, per la colonna designante
im edificio, per la presenza della rigura femminile con chiave in
raano, cioe della sacerdotessa, si deve riconoscere che la uccisione
del guardiano di Io e raffigurata nell'Heraion di Argo, nel sacrario
stesso della dea a cui giä lo aveva servito e del cui geloso furore
e stata crudelmente punita:
xX^ffots^ov "Hgag q>aai dwfit'awv note
I(b yevtad-cn Tfj&' iv lipyeui %t)ovi,
(v. 291, 292 tlelle Supplici di Eschilo, ed. Weil).
Che pure nel magnifico vaso di cui i pochi frammenti sono
riraasti fosse accennato il sacrario di Era, lo deduco dal frammento
n. 3 (tav. III), ove a sinistra del resto di donna fnggente, e l'avanzo
di un oggetto che ritengo essere una colonnetta con volute ioniche sor-
montate da un tripode votivo. Simili colonnette con relativi tripodi
si riscontrano di frequente su pitture di vasi e se anche talora si
vuole ammettere che esse abbiano scopo puramente decorativo (cosi
nel cratere di Bologna di Teseo ed Eracle, nel lato che rappre-
senta Tiucontro di Teseo e di Posidone {Mon. d. Inst., supplemento,
t. XXI) (*), si deve accordare che per la maggior parte dei casi
di Brigo quello di questa idria. Manca del tutto la impronta del focoso pen-
nello di questo ceraraista e mancano pure i segni particolari ovvi nelle suc
opere. Convengo nel ritenere la idria posteriore al 480.
(') I vasi ritenuti polignotei dal Robert riguardo alla loro composizione,
su cui si veda recentemente il lavoro del Rizzo (Vasi greci della Sicilia in
Mon. dei Lincei, v. XIV, p. 12) a cui apparterrebbe detto cratere bolognese,
hanno appunto non raramente tali tripodi su colonnc. In essi tuttavia non
consentirei a vedere con questo dotto (Rivista di filologia, 1902, pp. 488 e l!»2)
un accenno alla presunta fönte delle pitture di cui essi vasi sono adorni, al
ditirambo, ma vi vedrei un semplice motivo di decorazione per concorreiv a
meglio rieinpire gli spazi vuoti tra le persone c gli oggetti posti a livello
diverso.
102 p. DUCATI
si e voluto con questi tripodi su colonne denotare un luogo sacro.
Cito tra questi vasi i frammenti di Halle col rapimento delle Leu-
cippidi {Jahrb. d. Inst., 1886, t. 10, 2; Robert, Marathonschlacht,
pp. 56 e 57, fr. 4) che, come avrö campo di accennare ancora, tanta
affinitä stilistica presentano coi nostri frammenti e dove il tripode
su ionica colonnetta serve a denotare il luogo sacro d'onde i Dio-
scuri rapiscono le giovinette (1).
Era, la quäle nell' idria americana sarebbe, secondo Hoppin,
la donna dietro Ermete con la testa ricoperta da cuffia e con atto
di stupore, nel frammento di Pietroburgo n. 1 ci apparisce, a mio
avviso, nella donna che non giä si accontenta di esprimere la
propria meraviglia, ma che piü logicamente rispetto alla parte che
essa dea ha nel mito, tenta di distogliere Ermete dal compiere la
uccisione di Argo (2). Di piü la condizione di dea in questa figura,
meglio che nell' idria ove non le e dato alcun attributo, mi pare
cliiaramente indicata e dal diadema e dal ricamato vestito e dallo
scettro tenuto nella mano sinistra.
E pertanto esisterebbe grande concordanza tra la pittura del-
1" idria e quella dei frammenti non solo pel momento rappresen-
tato, che e il medesimo e che non e su alcun altro dei vasi del
recente elenco dell' Engelmann, quello cioe in cui l'argicida sta
snudando la spada; ma tale concordanza esisterebbe anche per la
scelta del luogo, il santuario argivo, la direzione ed il movimento
di Ermete, la presenza di Era.
Nuovo elemento estraneo agli altri vasi sarebbe nell' idria la
sacerdotessa indicata come tale dalla chiave da lei tenuta in mano ;
tale sacerdotessa sarei incline a riconoscere in uno dei nostri fram-
menti, nel resto di figura fuggente nel piccolo frammento n. 3. Ma
di piü nella pittura dell' idria sarebbe, secondo Hoppin, Zeus il
(') II tripode del frammento delle Leucippidi manca delle aste che uni-
scono verso il basso fe tre gambe dell'utensile; e perö il tripode del fram-
mento di Pietroburgo avrä avuto un aspetto assai simile a quello del tripode
alato su cai siede Apollo nella idria del Vaticano (Mon. d. Inst., v. I, t. 46).
Si cfr. anche il tripode sull'anfora a volute bolognese contemporanea ai fram-
menti (Mon. d. Inst., v. X, t. 54).
(2) Era, spaventata per la uccisione di Argo con braccia alzate e su
on'anfora a figure nere del Museo Britannico (Bril.JiJus. Calal., v. II, 13, 1GG,
presso Overbeck, Gr. Kunstmyth., Alias, t. 7, 9).
FRAMMENTI DI VASO ATTICO 103
quäle, diversamente dal Zeus che seduto su sedia con aspetto e
scettro degni del re degli dei, assiste alla morte di Argo su stamno
di Vieuua (Ann. d. Inst, 1865, t. I, K), sarebbe trasformato in
una di quelle solite figure di semplici mortali che, avvolte in man-
tello e poggiate su bastone, s'incontrano cosi spesso sui vasi di stile
severo.
Ad uno espediente artistico per compiere la decorazione pit-
torica sulle spalle deH'idria e forse dovuta la intrusione di questa
figura quasi pacifleamente astratta da ciö che accanto succede e che
si puö denominare con eguale probabilitä o Zeus o Inaco, padre
di Io. Ma pure nella pittura del vaso a noi arrivato in frammenti
sono introdotti personaggi accessorii che minor o maggior rapporto
hanno con la scena rappresentata in mezzo e che piü che altro
servono a riempire il vasto lato del vaso. Due figure a destra della
scena centrale sono barbute, una di esse e in modo ovvio ricono-
scibile pel tridente per Posidone, divinitä che aveva rapporti con
la terra argiva ('); l'altra per lo scettro e pel diadema e pel suo
atteggiameuto nobile e dignitoso col quäle sta rivolta verso Posi-
done come verso im eguale, puö essere identiücata per Zeus alla
cui presenza si compirebbe l'atto da lui ordinato.
Dalla parte sinistra del lato di questo vaso Iride fini.a la
composizione. Ma non Iride solamente, i frammenti nn. 4e 5 che ben
si uniscono insieme mostrano la parte inferiore di due figure poste
sopra il meandro: il movimento dei due piedi a sinistra ben si
adatta al movimento delle gambe della figura alata e cosi concor-
dano le pieghe del chitone, onde esso frammento potrebbe ben ri-
connettersi col frammento n. 2 a destra della palmetta : ma di piü
allato di questi due piedi ne sono altri due di altra persona che, pel
loro atteggiameuto, chiaramente dimostrano di appartcnere ad una
figura ferma e di fronte, forse ad Inaco. Pertanto non solo a destra,
ma pure a sinistra sarebbe stato un gruppo di due figure spettatrici
che avrebbero bene incorniciato con l'aspetto loro tranquillo la scena
agitata di morte e di fuga posta nel mezzo.
(') E noto che nella contesa tra Era e Posidone pel possesso del paese
argivo il fiumc Inaco, nominato con Cefiso ed Asterio a giudicc della contesa,
deliberö in favore della dea e per tale ragione ebbe il sno lctto disscccalo
nella stagione cakla da Posidone (Pausania, II, 15, 4; Pseudo-Apollodoro,
II, 1, 4).'
104 P. DUCATI
In conclusione il lato piü bello di questo maguifico vaso sa-
rebbo stato adorno delle seguenti figure: ai lati i due gruppi di
Zeus e di Posidone, di Iride e forse d'Inaco, poi da destra verso si-
nistra Era, Ermete, Argo (dietro Ermets ed Argo la vacca lo), la
saccrdotessa fuggente, la colonnetta col tripode. A ricomporre in
tal modo il lato nobile di questo vaso sarei indotto anche dalla
grandezza dei personaggi egnale del tutto a quella delle figure sul-
l'anfora con amazzonomachia da ßuvo (Furtwaengler e Reichhold,
Griechische Vasenmalerei, t. 26-28) si da dedurre che essi frarn-
menti, come accenuerö meglio piü sotto, abbiano appartenuto ad
un vaso e della forma e della grandezza di questo celebre di Ruvo.
Piü piena di movimento sarebbe stata rappresentata la scena
della morte di Argo su questo vaso che non nella idria americana.
AI contrario di questa idria. che ritengo esempio d'intirizzimento
di un indirizzo artistico giä glorioso ed ora nelle sue forme per
dir cosi cristallizzato, il vaso cosi miseramente in parte distrutto
doveva mostrare una composizione piü mossa e degna di un in-
dirizzo nuovo di arte. Era, nulla perdendo della serenitä olimpica
di dea, vuole trattenere Ermete nell' impeto omicida, mentre, vol-
gendo il viso dalla scena di morte, fugge spaventata la mortale,
la sacerdotessa.
Sorge legittimo il pensiero che queste figure principali siano
state tolte da un monumento della grande arte pittorica contem-
poranea ove da sole forse costituivano la intera composizione. Tra-
sportate queste figure, certo non di sana pianta, ma con modificazioni
da presupporsi, credo, sempre presso qualunque opera d'imitazione
di artista greco, sia pure di sfera inferiore e mediocre (l) sul lato
del vaso proporzionatamente troppo ampio, le si sono apposte come
aggiunta, come cornice, si puö dire, quattro altre figure, che quasi
(') Prescindendo dalle esigenze della decorazione di superfici curve nci
vasi per cui ben difficilmente si possono in esse trasportare tali e quali com-
posizioni escogitate per grandi pareti o per quadri, ö inammissibilc la esi-
stenza di esatte copie nel tanto fecondo secolo V. Ripcto le giuste parole di
Häuser (Oesterr. Jahresh., 1905. p. 32): wenn der Unterschied zwischen Va-
senbild und in Farben durchgeführtem Gemälde so gross ist wie zwischen
Marmorcopie und chrysoelephantinem Original, so kommt im Gegensatz zu
jenen römischen Copien bei unseren Nachbildungen aus dem fünften Jahrhun-
dert noch das für die Vorstellung vom Original erschwerende Moment hinzu,
dass die frühe Periode sclavische Copien noch nicht kennt.
FRAMMENtI DI VASO ATTICO 105
niuno altro scopo hanno che di concorrere con le altre pertinenti
alla morte di Argo a decorare armonicamente un lato del graride
e nobile vaso. Ed in appoggio a questo cito un esempio solo e tolto
da un vaso che pur esso presenta analogie profonde di stile coi fram-
menti. Quäle profunda attinenza hanno infatti sulla nota anfora di
Bologna con la morte di Priauio (Mon. d. Inst., v. XI, t. 14) i due
guerrieri rappresentati ciascuno allato brandendo l'asta?
La rappresentazione della morte di Argo comporta pochissimi
personaggi e perö non puö essere trasportata su ampi vasi se non
con l'aggiunta di vari elementi del tutto o quasi del tutto estranei.
Non si provö necessitä di queste aggiunte nella ceramica a
figtire nere e nei vasi di dimensioni miuori a figure rosse (per es.
stamno citato di Vienna, tondo giä Pizzati in Ar eh. Zeitg., 1847,
t. 2, oinochoe di Napoli in Jahrb. d. Inst., 1903, t. II ed ora anche
la kelebe deWAshmolean Museum in Journal of Hell. St., 1905,
p. 65). Come si e notato, l'intrusione di elementi accessori si ha
nella idria americana prima, nei frammenti di Pietroburgo poi.
Ulteriori esempi della stessa scena della uccisione di Argo ampliata
mediante l'aggiunta di altri personaggi ci sono dati e dal piü re-
cente cratere assai noto di Ruvo (Mon. d. Inst., v. II, t. 59) e dalla
tarda pittura apula assai restaurata su vaso viennese (Arch. Zeitg.,
1873, t. 15) ove il grande numero di personaggi di fantasia ag-
giunti ottenebra la visione netta del soggetto a cui la pittura allude :
la domanda di Ermete ad Argo di liberare Io (').
(') Altro esempio bellissimo di adattamento mediante aggiunta di altre
figure accessorie di una scena con contenuto relativo a pochi personaggi a
grandi superfici di vasi ci e dato dal giudizio di Paride riprodotto attorno
alle ampie pareti di idrie c crateri. L'elenco seguente di vasi ci fa vedere
questo processo di adattamento dai primi tentativi sino al perfetto sciogli-
mento del problema: la idria della collezione Spinelli (Roem. Jl/itth., 1887,
t. 11, 12), 2a idria di Palermo (Gerhard, Apul. Vasenb., t. D. 1), 3a idria di
Berlino (Gerhard, op. cit, t. C, 1), 4a idria di Carlsruhe (Furtwaengler e
Reichhold, Gr. Vasen , t. 20), 5a cratere a campana di Vienna (Wiener Yorlefl.,
S. E, t. 11), Ga cratere a calice dell'Eremitaggio {C. R., Atlas. 1861, t. III,
1, 2). AI contrario del Von Dulin (Rom. Mitlh., 1887, p. 264), che per Pidria
Spinelli asseri essere nella sua pittura riuniti due momenti della vita di Pa-
ride, credo di vedere nell'aggiunta delle quattro rozze e trascurate figure at-
torno alla scena del giudizio un complement'o decorativo per la IuOga fascia
da decorarc con figure attorno all'idria. II pittore di questa idria Spinelli pel
problema suddetto di adattamento non ha saputo trovare una giusta soluzione
8
10G p. ducati
Di sopra ho usato la espressione di vacca Io. Ora e noto che
l'Engelmann, seguito in ciö da Hoppin ('), e davviso che i mo-
nnmenti rappresentanti questo personaggio sotto forma intierainente
di animale debhano essere anteriori alla esecuzione del Prometeo
ed ha pertaato dovuto ricorrere a riempitivi che gli potevano essere forniti
dal repertorio di figure note presso i ccramisti. Egli ha aggiaiito quattro
figure, dne femminili e due maschili, delle quali uliime una ha il solito schema
delle figure amm antäte, l'altra, in vista all'croe della scena, ha assunto an
vestito Orientale. La stessa cosa si pnö ripetcre per l'altra idria di Palermo,
ma qui il ceramista lia saputo dare una importanza piü che di semplice de-
corazione alle figure del lato posteriore perche PEros e la Nike che tra di
esse appariscono ben possono esprimere im legame un po' piü inümo coi pcr-
sonaggi della scena principale. Nelle figure accessorie dell'idria berlinese,
ove la composizione divcnta piü libera, piü pittoresca, si e voluto esprimere
cliiaramente mediante attributi quäle genere di personaggi e stato riprodotto:
alla scena del giudizio assistono Artemide ed un uomo barbuto (Zeus), Apollo
e Ganimede (giovinetto troiano). Ma, e per la scelta di queste figure (all'in
fuori, come si vedrä, di Zeus) e pel punto di vista artistico sul modo della
uaione di questi personaggi con la scena del giudizio, la composizione della
pittara del vaso berlinese mostra cliiaramente che non ancora si e raggiunta
una soluzione del tutto dcfinitiva neiradattameuto della rappresentanza del
giudizio di Paride sullc spalle di nn'idria. II problema e invece pienameute
risolto nell'idria di Carlsrahe; la figura ammantata dell'idria Spinelli diventa
proprio Z;us cd il carro di Elios sorge dietro nn'altara soprastante al luogo
ove al livello diverso stanno i vari personaggi si da presentare un quadro del
tutd> armonico e connesso in ogni sua parte. Nel cratere viennese v'ha di piti ;
al Carro di Elios e conirapposta Selene che cala. Concepito con piü profondo
pensiero mi pare infine.il giudizio di Paride nel cratere dell'Eremitaggio ove
1 1 scena e divisa in due piani. In terra avviene il giudizio coi personaggi
che fin dalle piü antiche rappresentanze vi jtrendono parte e con le figure
scguaci di Ebe e di Eros. Nel piano Celeste non piü Elios e Selene sono con-
trapposti, ma tra due quadrighe condotte da Iride e da Nike, Temide ed
Bride (la quäle ultima di nuzzo busto apparc minacciosa nell'idria di Carls:
ruhe), incontratesi, giä sono in colloquio per cio che sotto succede, menlre
Zeus dietro la quadriga di Temide in disparte, pur esteriormente essendo
quasi un membro accessorio e trascurabile, tuttavia e qui riportato in atteg-
giamcnto quäle si conviene ad un alto e vigile spettatore all'aTVonimento
foriero di si infinita gaerra (si osservi la forte analogia coi principio delle
Ciprie).
(') Ilopjiin aminette tuttavia che, essendo Parte conservatriee, una radi-
cale introdazione di una ragazza in laogo di una bestia non poteva essere
subito gencralmente accettata.
FRAMMKNTI DI VASO ATTICO 107
eschileo il quäle, trasportando sulla scena il personaggio di Io,
avrebbü dato occasione a tralasciare il corpo bovino ed a trasfor-
maro Io in una BovxeQaq naqü-aroq. II Prometeo adunque, presu-
mibilmente negli anni tra il 471 ed il 468 (''), sarebbe stato di
assai grave importanza per lo sviluppo della figura di Io nell'arte
Hgurativa.
Uno stadio breve ed intermedio tra la forma intieramente
bestiale e quella di donna cornuta per l'Engelinann e rappresen-
tato in im luogo delle Supplici di Escbilo (2) e per l'arte figurativa
dalla oinochoe di Boston dallo stesso Engelmaun riprodotta (Jahrb.
d. last., 1903, p. 39, fig. 1) e di fabbrica apula.
Ora il nostro frammento mostra Io con corpo bestiale, ma
purtroppo non ci e dato di sapere se sul vaso intiero tutta la
figura fosse di vacca o se al corpo bestiale fosse adattato un capo
umano. Ad ogni modo il detto frammento e una prova contro
l'asserzione dell'Engelmann del pronto influsso del Prometeo nel-
l'arte, perche, anticipo fin d'ora il mio giudizio cronologico, esso
frammento appartiene ad im vaso che, secondo verosimiglianza,
non puö risalire ad un'etä anteriore al 4(30 o al 465 al massimo.
Ma sono di avviso che nel vaso di cui sono parte i fram-
menti di Pictroburgo Io fosso rappresentata con corpo del tutto
bovino. Sopra ho notato come, nonostante un aspetto assai piü
lodevole artisticamente, la pittura dei frammenti si unisca in modo
stretto a quella dell'idria di stile severo. Chiaro mi pare il col-
legamento per quello che riguarda la morte di Argo p:esso il
valente ceramista dei frammenti con lo schema quäle ci e noto e
dalla detta idria e, sebbene con varianti ed in direzione inversa,
dalla oinochoe napoletana, dal tondo Pizzati, dalla kelebe di
Oxford (3). Potrebbe solo ammettersi che il ceramista dei fram-
menti avesse espresso in modo totalmente nuovo e diverso da vasi
anteriori di dieci anni o poco piü la figura di lo, qnalora nel bre-
vissimo spazio di tempo tra i vasi di stile severo teste citati ed
i frammenti fosse avvenuto tale mutamento nella concezione di
(') Wilainowitz, Hermes XXI, 611, n.
(*) V. 568 e 569.
(3) Si potrebbe aggiungere ancbe lo siamiio viennese ove il gruppo di
Ermete od Argo ricorda quello dei vasi citali, ma dove I" e per errore sotto
forma di toro.
108 P. DUCATI
essa figura nello svilnppo verso forme parzialmente umane da es-
sere subito accolto dall'arte figurativa. Una prova di tale muta-
mento vuol vedere l'Eugelmann nei versi delle Supplicl, versi che,
secondo lo stesso dotfco, avrebbero avuto per fondamento l'analoga
figura artistica di mostro mezzo bovino e mezzo nmano il quäle,
aualogamente älla forma di Acheloo, sarebbe stato creato sotto
influsso di forme dell'Orieute.
Ma ora e stato dimostrato da Alfredo Koerte (') che la ese-
cuzione delle Supplicl deve cadere negli auni 481 e 480 in etä
pertanto contemporauea ed auche anteriore ai vasi citati poche
righe sopra, i quali tutti vappresentauo lo in forme totalmente
bovine.
Si deve osservare inoltre che un passo solo, come nota A. Koerte,
delle Supplicl ci da lo sotto la mostruosa forma mista, mentre
costantemente in detta tragedia questo personaggio e considerato
come vacca, ed e pertanto poco plausibile che im passo solo di
una tragedia sia stato di cosi grave momento da inrluire sulla
concezione artistica di un dato personaggio.
Per di piii il racconto nelle Supplici di ciö che succede ad
lo nella valle del Nilo (v. 310 e seg.) concorda col parallelo rac-
conto eschileo del Prometeo (v. 846 e seg.) : ora nella valle del
Nilo appunto la dea Iside era veuerata con l'aspetto eguale del
tutto a quello di lo sotto forma di donna cornuta (2), e giä per
questo mi pare meno probabile in Egitto l'apparizione di lo con
figura mostruosa mezzo bovina e mezzo umana, quäle rEngelmann
vorrebbe vedere nei versi delle Supplici, che non quella umana
cornuta.
E questo sarebbe comprovato da una testimoniauza monu-
mentale, dalla pelike Spinelli (Engelmann, arfc. cit.. pp. 46 e 47,
figg. 3 e 4) ove e appunto rappresentata la fine del lungo errare
di lo nei momento in cui essa e toccata da Zeus ed e in aspetto
di donna cornuta. Ora questa pelike Spinelli per lo stile dclla
sua pittura non puö essere ritenuta posteriore, anzi si palesa
(') Die Entstehungszeit der Hiketiden des Aischylos, p. 289-300
delle Melanies Nieole. Debbo alla gentilezza <lel prof. Gustavo Koerte di
essere stato informat" iü questo articolo o di arerlo potnto leggere.
(2) Erodoto, II, 41. Kpafo e poi identificato col buc Api presso lo
t( so Erodoto (II, 153; III, 27, 28).
FRAMMENTI DI VASO ATTICO 109
eontemporanea ai. frammenti di. Pietroburgo che avrebbero serbato
aucora la figura boviua di Io.
Eschilo ha contribuito col suo Promcleo a togliere questa
disü'ordauza dolla figura di Io nei due momenti di sua vita, e
l'aspetto di fanciulla cornigera applicato a questo personaggio
resta fissato nella posteriore arte ügurativa anche quando esso e
rappresentato sotto la custodia di Argo.
Ma si potrebbe obbiettare che la forma mista appare su im
monumento, uella oinochoe apula del museo di Boston gia citata
ove Io e rappreseutata sotto forma ambigua ('). Ma per la sua
tesi l'Eugelmann e costretto a porre questa oinochoe in un'epoca
piuttosto remota in un'etä anteriore al 471-468 (anni del Pro-
meteo) ed a collocare accanto all' idria di Bryn Maiur Colleye,
che, in seguito alle scoperte della macerie persiana dell'acropoli
ateniese ed alle ricerche di Hartwig sulla ceramica di stile severo,
non puö essere ritenuta di molto anteriore al 470, questa oinochoe
che, pur essendo d' imitazione apula, palesa uuo stile tanto piü
sviluppato di quelle dell' idria (2).
Naturalmente il pittore apulo della oinochoe era in ragione
di dipendenza da un modello attico che si puö ammettere con-
temporaneo o di poco posteriore ai vasi che ci danno l'intiera
forma bovina di Io, e si deve forse al Capriccio di esso pittore o al
desiderio di rendere piü chiaro per la sua clientela il soggetto
della morte di Argo, la cui pluralitä di occhi non e riprodotta, e
forse anche alla mancanza di gusto artistico, se ha voluto indi-
care l'antica sacerdotessa di Era trasformata in giovenca con ag-
giungere una testa femminile umana ad un corpo bovino.
La pittura del noto cratere ruvestino e stata posta anche assai di
recente (3) in relazione con l'arte polignotea; il fatto invece che i
(1) Si potrebbe aggiungere, coine fu aggiunta dall'Engelmann, una ter-
racotta siciliana di Cavlsruhe (Kekule, Terracotten von Sicilien, t. 1!'. 1
= Röscher, Lexikon, v. II, col. 279) ; ma il corpo bovino attaccato alla pro-
tomo femminile cornuta e opera di an restauratore, il quäle tuttavia per
l'Engelraann avrebbe restaurato bene. La eseeuzione di questa terracotta nun
perraette poi di farla risalire ad epoca anteriore al 470 a. C; tutt'altro. essa
e opera del IV secolo avanzato.
(2) Cosi noWArch. Anz , 1901, p. 167, n. 21 e stata ritenuta come imi
tata da vaso attico della metä del V secolo.
(3) Eizzo, J/on. dei Lincei, v. XIV, p. 12. In altro suo scritto (Sludi
]10 P. DUCATI
frammeuti nostvi con Io con corpo bestiale appartengono circa
al 460 a. C al tempo in cui, come e presumibile, fu specialmeute
attivo il grande Polignoto, ritengo che faccia escludere totalmente
la derivazione di esso cratere da im modello dell'arte polignotea.
E ad accentuare vieppiü la distanza tra questo cratere ed i vasi a
cui si collegano, corne si vedrä, i nostri frarnmenti. distanza che il
Rizzo vuol restringere a solo poco piü di dieci anni (*) e destinata
specialmente la seconda parte di questo mio articolo contenente
osservazioni d'indole prettamente stilistica.
Debbo peraltro fare ruenzione di un ultimo vaso con la morte
di Argo in cui si e mantenuto lo Schema e di Ermete e del nav-
öiiii^ noto a noi dalla maggioranza dei vasi: cioe la kotyle del
museo di Atene (2) (Engelmann art. cit., pp. 48 e 49, figg. 5 e 6)
pertinente alla ceramica locale beotica (v. nota in appendice p. 138).
*
Sopra ho detto che le nobili fignre dei frarnmenti di Pietro-
burgo hanno l'eguale altezza di quelle componenti l'amazzono-
machia attorno il ventre della nota anfora a volnte del museo di
Napoli (Furtwaengler e Reichhold, op. cit., t. 20-28), ed appunto
ad una grandiosa anfora a volute gemella piü che ad un vaso di
forma diversa sono convinto che essi frarnmenti dovevano appar-
archeologici sulla tragedia ed il äitirambo. nella Rivista di Filologia das-
sica, 1902, p. 501) il Rizzo erroneamente, come notö rEngelmann, lia voluto
sostcnere la derivazione della pittura ruvestina dal ditirambo, meiitre nel
ditirambo di Bacchilide (XVIII. ed. Blass, v. 16) Io e chiainata XQva^(( ß(,t'S-
(') Mon. dei Lincei, v. XIV, p. 49. II Rizzo per la cronologia dei vasi
segue le vedute del Milchhoefer (Jahrb. d. Inst., 1894, Zur jüngeren attischen
Vasenmalerei, pp. 57-82).
-) Qui manca la figura di Io ed invece sono un flautista ed un Sileno
danzante. Di tale mancanza ha voluto vedere la ragione 1'Eugelmann nel fatto
della dipendenza di questa pittura da un mftno, dipendenza rneramente ipote-
tica c non avvalorata da alcuna ragione. Io non e rappresentata perche nel
inimo, non essendovi nessuna necessitä di far parlare questo personaggio, essa
aveva mantenuto la sua forma intieramente bovina! Cosi viene spiegata la
mancanza di Io nella pittura di un tardo ed ignorante ceramista. Ed allora la
mancanza di Io nella pittura arcaica della morte di Argo su pelike del LouVTfl
[Mon. d. lnst.,v. II. t. 59, 5)?
FRAMMENTI DI VASO ATTICO 111
teuere (')• Ed allora a cMunque e im po' famigliare coi prodotti
deH'indiisti'ia ceramica atfcica verrä fatto di porre i nostri fram-
menti in uia serie nobilissima di anfore a voluto che, raccolte
dal Robert (') e dal Furtwaengler (:!), fonnano nn gruppo in se
omogeneo dovuto all'arte attica in im brevissimo periodo di tempo.
Gli esempi uoti di questo gruppo credo pertanto opportuno racco-
gliere :
1) Da Altamura, museo britannico, Brit. Mus. Cat., v. III, E, 4G9; sul
collo: partcnza di Trittolemo ed incoronazione di an citaredo; sul venire:
gigantomachia (Hoydemann, Giqantomachie auf einer Vase aus Alta-
mura, 1881).
2) Da Gela, museo di Palermo, amazzonomachia (in parte edita
presso Furtwaengler e Reichhold, op. cit., testo, S. I, pp. 125, 128-128, 132).
3) Da Ruvo, museo di Napoli, n. 2121 (Heydemann) ; sul collo: in-
Seguimento di una giovine e lotta di Peleo e Tetide; sul venire: amazzo-
nomachia (l'ultimo disegno e del Reichhold, op. cit., t. 26-28).
4) Da Bologna, museo tli Bologna; sul collo: centauromachia cd
Eracle presso Folo; sul ventre: scene della Iliuperside {Mon. d. Inst., v XI,
t. 14-15).
5) Da Bologna, museo di Bologna; sul collo: inseguimento di una
giovane e sacririzio; sul venire: Elena e Menelao, Etra coi Tescidi e qua-
driga con due gucrrieri (Mon, d. Inst., v. X. t. 54, 54a).
6) Da? Loa vre ; sul collo: partenza di Trittolemo e caccia ad una
cerva; sul ventre: commiato di gucrrieri e combattimento. (Millingen, An-
cient uned. mon., v. I, t. 20-24 .
7) Da Ruvo, Halle, frammenti che si riferiscono al rapimento delle
Lcucippidi (Robert, Marathonschlacht, pp. 56-57).
Si deve poi aggiungere :
8) Da Bologna, museo di Bologna; sul collo: scena di simposio; sul
ventre: amazzonomachia (Pellegrini, Di alcuni vasi con rapp. di Amazzoni.
(') II Pridik ini scrive che il diametro interno del vaso alle spalle mi-
sura cm. 49,2, l'esterno cm. 50,6.
(2) Marathonschlacht, p. 55; Mon. dei Lincei, v. IX, p. 24.
(3) Testo alla Gr. Vas., S. I, p. 131 e seg. — Rimando al testo del
Furtwaengler (op. cit., S. II, p. 4) per le osservazioni riguardo al legame
che uirsce, per cio che spetta a forme tettoniche del vaso, Fanfora delFamaz-
zonomachia ruvestina, l'esempio piü chiaro di queste anfore, con le autece-
denti Fran^ois ed aretina {Gr. Vas., t. 61, 62, attribuita a Smicro da Gaspar
in Mon. et Mim. Piol, 1902, p. 28 e seg., a Smicro o ad Eufronio dal
Furtwaengler) e con la posteriore anfora di Talos. E singolare poi osservare
il modo coi quäle fu trattato BulFanfora aretina il tema deH'amazzonomachia
tanto preferito nella ceramica attorno la metä del V secolo e non piü ap-
plicato ad Eracle, ma a Teseo o ad Achille.
112 p- DUCATI
Atti e Memorie della Dep. di storia palria per le Romogve, S. III,
v. XXI, t. 2) (»).
Ed invero lo stile dei nostii frammenti in modo cosi mani-
festo presenta analogie vivissime ed innegabili con quello delle
pitture dei vasi teste citati in nota che mi pare inutile insistere
su questi faeili confronti tra i frammenti ed i vasi. II nostro Er-
mete non pare forse una delle figure di Greci coinbattenti con
petaso dell'anfora mvestina?
E la ligura di Era non fa sorgere impellente il confronto con
quella di Elena su anfora bolognese? Si deve aggiungere che il
Posidone dei frammento nell'attitudine sua e dei tutto eguale al-
1' Apollo sull'anfora bolognese con l'inseguimento di Elena.
Ma se si pongono questi frammenti di Pietroburgo nella serie
delle aufore a volute, ad ognuuo apparira la grande importanza
dei rinvenimento di frammenti, adorni secondo questo indirizzo di
arte attiea, nella lontana Crimea, prova ulteriore dei giä iniziato
commercio tra 1' Attiea e le regioni dei Bosforo ciinmerio, com-
mercio che giunge a tanta importanza nel secolo IV (2).
(') Si potrebbe aggiungere ua'altra anfora la quäle tuttavia non palese-
rebbe tutti i caratteri stilistici delle aufore suddette; e l'anfora a volute
deWAshmolean Museum in Oxford, edita in Journal of Hell. St., 190!, t. I,
e rappresentante ZEYZ, HEPME2, EniME&EYI, IUNJOPJ. Vi e la scritta
di iiXxluaxog xa'Aög, sul quäle Alchimaco si v. Klein {Vasen mit Lieblings-
namen, p. 105). Le orribili riproduzioni dell'anfora londinese con Aiace e
Cassandra (Röchelte, Mon. inöd., v. I, t. 00 da cui Arch. Zeug., 1848,
t. 14, 2 ed Overbeck, Her. Bildwerke, t. 27, n. 4) non sono base sicura,
perche essa anfora sia posta col Furtwaengler nella suddetta serie. — AI
museo di Bologna, come provenienti da necropoli felsinee si notano altre
aufore a volute appartenenti a questa serie; solo una di esse e edita da
Zannoni {GH seavi della Certosa di Bologna, t. 135, figg. 1-6); ma, come
per quasi tutti i monumenti pubblicati in quest'opera, la riproduzione colä
offerta e senza valore aleuno. Essa anfora ci offre da an lato le tre divinitä
apollinee in scena di libazione. Hi aggiungano le anfore con le seguenti
scene: Achille che si arina alla presenza di Tetide, di sette Nereidi, di Nereo
(Museo italiano, v. II, p. 37), Borea ed Orizia e sette donne faggenti da
Eretteo (id., pp. 19, 20), centauromachia con episodio di Ceneo (id., p. 11),
frammenti di Dioniso, di un uomo, di Sileni, di Menadi (id., pp. 39, -10, sei
frammenti bellissiini riferibili con verosimiglianza alla scena di Efesto ricon-
dotto all' Olinipo).
(2) Riguardo agli sbocchi principali dei commercio ceramico atlico in
questo periodo si veda l'articolo citato dei Pellegrini, p. 7 e seg.
FRAMMENTI DI VASO ATTICO 113
Giä il Furtwaengler lia osservato conie non tutte le anfore
di questa serie siano all'identico livello stilistico o perö cronolo-
gico e per di piü e noto che accanto a queste anfore a volute altri
vasi di altre forme sono stati posti dallo stesso Furtwaengler e
dal Robert (').
Certo la piü antica opera di tutta la serie e, come ebbe a
notare il Furtwaengler, quella che ci offre attorno al ventre la
scena di gigantomachia; questa, per quanto si puö capire dalla
riproduzione di Heydemann, quasi quasi si accosta ai vasi di stile
severo, e basti a tal scopo osservare il rendimento delle barbe
e dei capelli, il disegno dell'occhio, lo schematismo nelle pieghe
dei vestiti. Maggiore omogeneitä presentano tra di loro le altre
anfore si da ascriverle aila niedesinia fase artistica, sebbene qual-
che differenza si possa percepire (2) e sebbene la singulare anfora
edita dal Pellegrini con amazzonomachia, sulla cui importanza
rimando alle giuste osservazioni di questo dotto, si palesi di di-
segno piü recente della maggioranza delle altre anfore (3).
E noto che il Robort (4) pose tra lo stile severo e questo gruppo
di anfore 1' opera dei due pittori di stamni, Errnonatte e Polignoto.
Negando fin d'ora le grandi affinitä tra questi due ceramisti ed
auzi giudicando le opere dei secondo piü recenti di quelle di Er-
rnonatte non solo, ma di quelle della serie di anfore a volute,
credo che all'incontro un'affinitä disegnatoria, tale da dedurne una
identitä di cronologia, colleghi la gigantomachia di Altamura con
le pitture di Errnonatte.
Lo stamno Faina di Orvieto (Arch. Ztg. 1878, t. 12) e la
pelike .viennese con la stinge {Mon. d. Inst., v. VIII, t, 45) di
questo ceramista palesano invero lo stesso stadio artistie.o del-
l'anfora di Altamura, giä una cspressione della figura che, pur
(') Si vcda pure. Milchhoefer, Zur jüngeren attischen Vasenmalerei
{Jahrb. d. Inst., 1894, p. 77, n. 44 e 45).
(2) II Furtwaengler avvicina 1' amazzonomachia geloa all'anfora con
Iliuperside, quella ruvestina all'anfora con l'incontro di Menelao cd Elena e
crede anteriori i due priini vasi agli altri due. Posteriori per nie sarebbero
i frammenti di Pietroburgo che daterei pertanto verso il 450, e questo in
base specialmente al disegno dell'occhio qui reso piü di profilo che nelle
opere antecedenti.
(*) Pellegrini, op. cit., p. 25 e seg.
(4) Mon. dei Lincei, v. IX, Sopra i vasi di Polignoto.
114 P. DUCATl
non essendo piü quella dei grandi pittori di tazze del periodo
persiano, ha mantenuto ancora molto di essa. E la stessa espres-
sioue che si puö scorgere in pitture di altri stainni che pertanto
con probabilitä possono essere riferiti ad Ermonatte e cioe uno
con nascita di Atena (') (a Londra, Gerhard, Auserl. Vasenb., t. 4),
im secondo con Menadi contro Orfeo (Gerhard, op. eil, t. 156; si
confrontino le Menadi con le donne fnggenti snllo stamno Faina),
un terzo infine con lo stesso soggetto (al Louvre, Mon. d. last.,
v. IX. t. 30) (*).
Ma, se cronologicamente il vaso di Altamura e queste opere
di Ermonatte stanno all'identico livello, noi vediamo che al primo
sussegue il grnppo nobilissimo delle anfore a volute con caratteri
tutti particolari, alle seconde invece col Furtwaengler si puö ac-
cordare come sviluppo ulteriore il cratere del museo di Villa Giulia
da Faleri con le ragazze che eseguiscono un nctqfrkviov (Gr. Va-
senmalerei, t. 17, 18, testo. S. 1°, p. 81) con disegno che pa-
lesa una mano diversa da quella degli autori di dette anfore, la
mauo di im pittore che, pur essendo abile e coscienzioso nel ren-
dere le figure umane, non mostra arditezza e vivacitä di motivi
c di composizione, la mano infine di un pittore il cui carattere
combina del tutto con quello a noi noto di Ermonatte. E perö le
opere a noi note di questo ceramista, non tanto lontane da quelle
di stile severo (:t), ammettendo che l'epoca dei grandi pittori di
tazze si sia estesa per tutto il primo quarto del V secolo, ritengo
(') Giä dal Winter (Die jüngeren attischen Vasen, p. 23) avvicinato ad
Ermonatte,
(*) Di poco anteriore a questi vasi sarebbe lo stamno di Würzburg
(Arch. Ztg., 1883, t 12) con la morte di Ipparco, ove la figura di Armodio
ben palesa di esserc inspirata dall'originale della statua napoletana (477 a. C).
Lo stile vi e ancora severo e la testa di Armodio e simile a quella di Acbille
sulla nota tazza policroma di Eufronio. Probabilmente questo stamno e di
poco posteriore al 475.
(•'') Pel suo carattere conservatore delle forme e dei motivi l'opera di
Ermonatte si puö collegare a quella antecedente di Duride definita dal Furt-
waengler (Gr. Vas., testo, S. I, p. 111) con le parole: bei ihm (Duride) ist
alles ordentlich und sauber; allein Geist, Feuer und Schwung fehlen ihm.
Si confrontino le Nereidi dello stamno Faina con le Nereidi della tazza di
Monaco (Gr. Vas., t. 21), i Tebani della pelike viennese con gli Acbei della
tazza viennese (Gr. Vas., t. 54).
FRAMMENTI DI VASO ATTICO 115
che nei quindici anni appnnto prima del 460 circa (cratere di
Faleti) debbano essere poste.
Quasi coutemporaneitä con l'anfora di Altamura mi pare che
presenti la tazza monacense di Tityos (FurtwaeDgler e Reichhold,
op. cit. , t. 55) che parecchio ancora ritiene dello stile severo (');
tuttavia le sue figure mostrano alla pari di quelle della gigan-
tomachia citata un passaggio ad uü disegno meno schernatico. La
tazza di Titj^os, segnende- il Furtwaengler (2), si colleglierebbe
con una serie di tazze che dalla policroma berlinese della officina
di Eufronio (Hartwig, Melslerschalen. t. 51-52), andrebbe fino a
quella di Pentesileia di Monaco (Gr. Vas., t. 6) gruppo che si
dovrebbe ad im solo artista, al maestro della tazza di Pentesileia,
e che, in base al nome di rXavxo)v in aleune di queste tazze lodato,
si dovrebbe porre nel decennio tra il 470 ed il 4(30.
Consento nella deterininazione cronologica di tutte le tazze
citate dal Furtwaengler, rna non consento nel vedere in esse l'opera
di un solo artista. Ed invero come si spiegherebbe in questo caso
quell'assenza di nädoq laddove si richiederebbe che fosse espresso,
cioe nei frammenti con la raorte di Orfeo (Journal of Hell.
St., 1888, t. 6) (3) accanto a quolla viva espressione degli intimi
sentimenti dell'auimo per cui sono veramente degne di essere am-
mirate le tazze di Tityos e di Pentesileia?
Anello di congiunzione tra l'anfora di Altaraura con la tazza
di Tityos e le due anfore con amazzonomachia di Napoli e di Pa-
lermo ci rappresenterebbe la preziosa tazza di Pentesileia snl cui
alto valore artistico non ho che da riraandare alle osservazioni
del Furtwaeugler nel testo della sua pubblicazione. Dopo essa
tazza, e ciö e sfuggito al Furtwaengler, non giä al Klein iu nn suo
vecchio lavoro (4), si deve porre quella del Louvre con Aiace e Cas-
(') IIa antecedente della tazza di Tilyos e deH'anfora di Altamura
nello stile severo dell'ultima fase sarebbe dato dal vaso di Berlino (Gerhard,
Etr. und Kamp. Vasenb., t. VI, VII) col rapimento di Arianna da parte di
Di<>niso.
(2) Testo alla Gr. Vas., S. I, p. 283 e seg.
(8) Questi frammenti ci offrirebbero un esempio dell'esaurimento dello
stile severo, esaurimento manifestatoci e dalla kelebe di Villa Giulia con
Iliuperside e da numerose kelebai di varia provenienza (si v. le mie Brevi
osserv. sul ceramista attico Brigo, p. 64).
(4) Ann. d. Inst., 1877, pp. 216-267.
116 P. DUCATI
sandra (Ann. d. Inst., 1877, t. IV). Sebbene la pubblicazione di
questa pittura non sia di certo esatta, pure essa rende sempre
abbastanza manifesta la piena del sentimento che anima quelle
(igure allo stesso modo di quelle della tazza di Pentesileia alla
quäle credo che sia di qualche anuo posteriore.
Le tre tazze di cui ho fatto ora nienzione appartengono al
gruppo di vasi da porre allo stesso livello stilistico della serie
delle anfore a volute; di essi vasi faccio seguire iu nota l'elenco
rnettendo accanto a ciascuno di essi i nomi dei dotti che hanuo
riconosciuto la loro pertinenza alla fase della ceramica attica di
cui qui faccio cenno (').
Ed a questi vasi ue aggiungo altri, senza tuttavia pretendere
(') 1. Stamno; da S. Agata de' Goti. Napoli. Eracle e Dessameno (uiii-
maniente riprodotto nei Mon. dei Lincei, v. IX, p. 10, fig. 2 (Robert).
2. Frarnmenti di stamno; Berlino. Centauromacbia. Arch. Ztg., 1883,
t. 17 (Milchhoefer, Robert, Fnrtwängler).
3. Cratere di Bologna. Museo di Bologna. Amazzonomacliia. Furtwängler
e Reiclibold, op. cit., t. 75-76, (Pellegrini, Furtwängler).
4. Cratere; dall'Italia meridionale. Louvre. Monomachia di Achille e
Memnone e Filottete ferito. Millingen-Reinach, Peintures des vases, t. 49-50
(Robert, Furtwängler).
5. Cratere; giä Campana. Eremitaggio. Quadriga corj due guerrieri ed
un nemo, scena di libazione. C. R. Alias, 1874, t. 5, (Furtwängler).
6. Idria; da Capua. Museo britannico. (Brit. Mus. Cat., v. III, E, 170).
Apollo iusegue una donna Mon. d. Inst ., v. IX, t. 28 (Milchhoefer, Robert).
7. Idria; da Capua, ove ? Ermete, Apollo, Arteniide, Latona. Mon. d.
Inst., v. IX, t. 17, 1, (Robert).
8. Idria; da Capua. ove? Borea ed Orizia. Mon. d. Inst. v. IX, t. 17,2.
(Rohert).
9. Tazza; da Vulci. Monaco. I. Apollo, Tityos, Gea. Furtwängler e
Reichhold, op. cit., t. 55 (Furtwängler).
10. Tazza; da Vulci. Monaco. I. Achille e Pentesileia. Furtwängler e
Reichhold, op. cit., t. 6 e t. 50, 1-3 (Furtwängler).
11. Lekythos; da Gela. Giä coli. Navarra in Terranova. Amazzone
Benndorf, Griech. u. Sicil. Vasenb., t. 46, 2 (Furtwängler).
Eseludo da questo elenco l'anfura del Louvre con Apollo e Tityos, inessa
giä qui dal Milchhoefer, non apparendo dalla sua riproduzione, certo ine-
satta {Mon. d. Inst., 1856, t. 10,2) le particolaritä del nostro gruppo di vasi.
La tazza di Tityos e certo il piü antico vaso della serie, dopo porrei lo
stamno di S. Agata (n. 1), mentre tra i piü reeenti sarebbero da porre i
frarnmenti con centauromaebia (n. 2), il cratere deirEreniitaggio (n. 5), la
lekythos di Gela (n. 1 1).
FRAMMENTI U I VASO ATTICO 117
di riuseire a dare im elcnco compinto di tutto qnesto gi'iippo ccra-
mico. dovendomi basare spesso su cattive riproduzioni (') :
1. Cratere, giä coli. Laval. Eremitaggio. Lolta di Dionisio cd an gi-
gante, Monade c Sileno con armatura. G. R. Alias, 1807, t. 6.
2- Idria da Vulci. Inseguimcnto di Elena da j»artc di Menclao (2). Des
Verges, VEtrwie et les Etrusques, t. 39.
3. Stamno da Gela. Ashmolean Museum. Tosco c Reco contro duc
Amazzoni. Journal of Hell. Studies 1004, t. 8.
4. Stamno. Musco gregoriano. Duc greci contro un'Aniazzone. Gerhard,
Aus. Vasenb., t. 16.
5. Anfora, da Capua. Musco Britannico (E. 280). Acliille e Pentesileia.
i/o», d. Inst. v. X. t. 9. 1.
6. Pelike. Museo di Lecce. Polinice offre la collana dell'Armonia ad
Erifile. Furtwänglcr e Reichhold, op. cit., t. 66.
7. Kelebc, giä Campana. Louvre. Centauromachia. Ann. d. Inst., 1860, t. 1.
8. Kelebe. Vienna. Centauromachia. Labnrde, Vases Lamberg, v. I, t. 36.
La pittura e identica a quella pure su kelebe riprodotta presso Millingcn,
Vases Coghill, t. 40 per la cui autenticitä S. Reinach (Repertoire, v. II,
p. 14) esterna dei dubbi.
9. Lekythos, centauromachia, presso Millingen, Vases Coghill, t. 35, 2.
10. Coperchio di tazza, da Locri. Napoli. Peleo e Tetide, Mon. d. Inst.
v. I, t. 37.
11. Tazza, giä Campana. Louvre, I. Aiace e Cassandra, Ann. d. Inst.,
1877, t. N.
12. Frammento di anfora o di pelike. Nascita di Erittonio ed apertura
della cista da parte dellc Cecropidi. Jahrb. d. Inst. 1896, pp. 189/190 (3).
(') Cosi e incerto il mio giudizio su questi vasi: stamno da Vuki, al-
l'Eremitaggio col congedo di Amfiarao da Erifile (Mon. d. Inst., v. III, t. 54)
idria del Louvre con la scena di Peleo che sorprende Telide (Mon. d. Inst.
v. I, t. 7), idria di Palermo con Zeus e Semele (Arch. Ztg., 1870, t. 31, 1)
cratere della coli, ßiscari a Catania con scena relativa a Perseo (Milliu-
Reinach, Vases antiques, v. II, t. 3,4), una riprodnzione presso Tischbein,
(Coli, of Engravings, v. IV, t. 41 = Reinacb, Repertoire, v. II, p. 330,1)
di Ermete che afferra Ersc in modo da riprodurre esattamente la piltnra
di una kelebe da Camarina (edita da Orsi in Mon. dei Lineei, v. XIV, t. 50).
(*) Come nella notissima brocca del Vaticano (Museo Gregoriano, v. II,
t 5, 2) Menclao lascia cadere la spada e fra gli sposi e la dea Afrodite.
Elena poi e una figura quasi eguale a quella dello stesso persouaggio sulTan-
fora a volute bolognese, e comune a questi due vasi e la figura di Apollo.
(3) Tra questi dodici vasi il frammento sarebbe il piü antico e ]iiii re-
cente di tutta la tazza n. 11. Affini, ma palcsanti an disegno sotto certi punti
118 P. DUCATI
In tal modo ritengo che si debba alimentäre la serie di questi
magnifici prodotti di ceramica, magnifici non solo per lo stile
grandioso non scevro di tratti di arcaismo in cui le loro pifcturc
sono espresse, ma anche per la bellezza delle forme tettoniche,
degli ornamenti decorativi distribuiti con gnsto squisito snlle parti
di ciascun vaso, della intera composizione delle pitture ottima-
mente adattata alla superflcie da doversi adornare, della diligenza
con cui sono rappresentati i miuimi e ricchi particolari.
Giä e nota la perfetta corrispondenza di stile, si da conclu-
dere ad una contemporaneitä di esecuzione, tra le pitture di
questi vasi e le sculture del tempio di Zeus ad Olimpia ('), ondo
la considerazione di tale corrispondenza, unita alle altre riguardo
allo sviluppo dello stile severo della pittura vascolare, iuduce a
ritenere questo gruppo di vasi uscito da una o püi officine atti-
che (2) negli anni 465 o poco piü in su ed il 450 circa.
un po' diver so sarobbero i dipinti di due kelebai bolognesi: uno con Eracle
accolto in Olimpo {Mon. d. Inst., v. XI, t. 19), l'altro piü antico in cattivo
modo edito presso Zannoni (Scavi della Cerlosa, t. 79, f. 3), con la mortc
di Egisto.
(') II Curtias fa il priino a notare tale affinitä a proposito del fram-
racnto di stamno con centauromachia (Arch. Ztg., 1883, p. 347).
(2) Non piü, coine nel periodo dulla ceramica di stile severo, si lianno
forti ed indipendcnti individualitä come sarebbero i grandi pittovi di tazzc ;
ma rari si fanno i nomi dei ceramisti le cui opere in realtä poco o nulla
differiscono dalla maggioranza delle opere anonime. Ai gruppi cbe si pos-
sono collcgare a vari e distinti ceramografi. succedono i gruppi di vnsi cse-
gniti sccondo determinati indirizzi, indirizzi che, con le dovute trasforma-
zioni di stile, si mantengono attraverso il secolo V. Ancora piü anonima
diventa nel secolo saccessivo la produzione ceramica con aspetto maggior-
mente uniforme. A questo processo di annullamento delle pcrsonalitä arti-
Btiche si accompagna l'apparizione sempre piü frequente di opere lontane da
quella dxqi^eva di cui belli e numerosi esempi ci offrono i ])ittori a figure
nerc e i pittori di tazze. Cosi in un medesimo vaso, nella tazza di Pentesi-
leia, accanto alla magnifica pittura deH'interno si lianno le figure dei lati
csterni espresse in modo aegligente e tutt'altro che lodevole. E cosi accanto
alle belle anfore a volute ed ai crateri a calice accurati nel discgno (in ta-
lnni tuttavia appare la fretta nel comporre) si lianno altri vasi decoraü in
modo del tutto trascnrato, kelebai e crateri a campana (noto alcuni usciti
dalla necropoli di Camarina editi da P. Orsi in Mon. dei Lincei, v. XIV ed
anche il cratere a campana edito dal Rizzo, Mon. dei Lincei, v. XIV, t. 4,
l'RAMMENTI DI VASO ATTICO 119
Anche qui, como negli stadii precedenti della pittura cera-
mica attica, lo scopo principale delle figure rappresentate e quello
di coprire il meglio armonicamente possibile le varie paiti del
corpo del vaso ed a concorrere a raggiungere questo fine insieme
coi puri ornati. Ed invero, pur mutaudo la forma prediletta della
tazza nelle forme piii voluminöse, atte a raccogliere piü vaste
composizioni, e ciö probabilmente perche si voleva mantenere il
ricordo delle grandi pitture monumentali contemporanee, questa
armonia tra forma tettonica e decorazione pittorica si e mante-
nuta perfetta. Ed alla ragione di questo principio di armonia si
debbono i mutamenli uelle figure di im medesimo vaso: cosi sul-
l'anfora a volute accanto alle tozze figure attorno al collo sono
le snelle figure della pittura principale attorno al ventre.
A Polignoto ed alla sua scuola si fa risalire con ragione il
metodo d' introdurre nella pittura vari piani in cui sono poste le
figure ; ora in questo gruppo di vasi e palese il tentativo di mu-
tare, in ragione dell' influsso esercitato dalla pittura monumentale,
ciö che sinora si era osservato nella pittura ceramica attica, la
positura su una linea sola di tutti i personaggi. Questa introdu-
zione timida da prima, frutto di prove ripetute, ci appare su al-
cuni vasi, per esempio sui frammenti berlinesi di stamno con gi-
gautomacliia, ed in modo non tanto ben riuscito nell'amazzono-
machia dell'anfora a volute bolognese.
Ma l'espressione piü compiuta di questo adattamento del
nuovo metodo di composizione ci e dato dal notissimo cratere di
Orvieto del Louvre il quäle, sebbene anteriore all'anfora bolo-
gnese con amazzonomachia, ci mostra in bei modo risolto il pro-
blema (').
ivi giudicato a torto posteriore al cratere a calice da Camarina edito dallo
stesso dotto). Le pitture sin qui da me menzionate, essendo espresse con di-
segno accurato e presentando carattere imifurme tra di loro, possono esserc
consideiate come coinposte contemporaneamente e condottc sccondo im daio
iudirizzo, indirizzo clie, in relazionc alla contemporanea pittura di Polignoto
denomino poligaoteo seguendo Tavviso di altri. Non cosi spiccatamente po-
lignotea e invece l'altra classe di vasi mono numerosa, <piella dei crateri &
zone di cui diede Telenco l'Hartwig (in queste Mitth., 1897, p. 102, n. 1).
(lj Mon. d. Inst., v. XI, t, 38-39. Dal Furtwängler e stato posto ac-
cauto all'anfora ruvestina con ainazzouomacliia; tuttavia il carattere stilislico
120 P. DUCATI
Anche in tal caso, come del resto in tutta la ceramica at-
tica, si vede il solito sforzo di coordiDare il piü armonicamente
possibile alla forma del vaso l'oniamento pittorico, ed in tal
modo si vede la innovazione polignotea della grande pittura in-
trodursi, adattarsi, assimilarsi al ramo minore dell'arte ceramica.
Inoltre i mezzi di quest'ultima erano assai limitati in con-
fronto di quelli piü ricchi della pittura parietaria; qui si poteva
far uso di policromia, la invece le figure erano lasciate in rosso
su cui si delineavano i vari elementi di esse figure e solo in po-
chissimi accessori accedevano come colori sussidiari o il bianco o
il violetto. Cosi nella pittura parietaria si potevauo aggruppare
insieme varie figure senza che ciö nuocesse alla chiarezza della
rappresentazione, il che non poteva farsi se non con prudenza da
parte dei ceramisti per tema d'incorrere in difetto di perspicuitä.
Onde e che, pur essendo dipendenti questi vasi dell'arte polignotea
per lo stile, pel modo di rappresentazione a livello diverso, pei
motivi delle figure ed anche pel contenuto delle rappresentazioni,
nondimeno questi elementi poliguotei sono stati adattati ed assi-
milati dai ceramisti nei loro prodotti in modo cosi vario ed arti-
stico che essi prodotti non debbono essere considerati come sem-
plici imitazioni, ma come splendidi esempi di un ramo speciale
dell'arte attica.
II metodo di composizione a livello diverso si pud osservare
non solo nel citato cratere di Orvieto, ma in una serie di vasi che
della pittura ini pare un po' diverso da quello della serie suddetta di vasi.
E noto poi che il Fürtwängler ed il Girard (Jl/on. grecs, 1895, p. 44) lianno
posto in relazione con questo cratere la bella kelebe di Orfeo da Gcla ora
a Berlino (Fürtwängler, Orpheus, attische Vase aus Gela) la quäle ritengp
dipinta con disegno un po' piü progredito. Ed accanto a questi due vasi
allri ne porrei che qiu menziono : 1. Stamno del Louvre con Filottete ferito
(Mon. d. Inst., v. VI, t. 8). — 2. Cratere a campana con Perseo, Andromeda.
Atena (Arch. Ztg., 1852, t. 42). — 3. Anfora, giä Pizzati con Eracle Ira Er-
mete ed Atena (Gerhard, Auserl. Vasenh , t. 114). — 4. Vaso da Girgenli, con
la uccisione di Tityos {Ann. d. Inst., 1830, t. H). — 5. Idria di Napoli (Arch.
Ztg., 1845, t. 29. migliore pubblicazione e in Museo Borbonico,v. II, t. 29);
]>cr ciö che essa idria rappresenta sarei incline a seguirc il Pottier prcsso
li'einach (Repertoire, v. I, p. 357) nel vedervi un frammento di un giudijsio
di Paride. — 6. Idria del Museo Britannico (E, 1G9) col inito di Andromeda
(Fortwacngler e Reichhold, op. cit., t. 77).
FRAMMENTI DI VASO ATTICO 121
si e voluta riconnettere con l'arte poliguoteaC), serie in cui si e
voluto porre pure il cratere di Ruvo con la morte di Argo c che
si e giudicato audio reccntemcnte (2) non esscre tanto lontana pel
tempo dell'altra serie di vasi di cui e ceuno nelle righe prece-
denti.
Ed iuvero questa seconda serie di vasi creduti poliguotei, es-
sendo nel diseguo meno fedeli traduttori dello stile della mega-
lografia, rua serveudo nella composizione a far meglio comprendere
le linee generali dei prodotti dell'arte di Polignoto, sarebbe lon-
tana dalla prima della distanza di solo 10 o 15 anni e questo
secondo il giudizio del Eizzo (')• AI contrario di questo dotto credo
che questa seconda serie di vasi sia piü lontana cronologicamente
della prima.
Sopra ho notato come per varie considerazioni si debba am-
mettere che le anfore a volute ed i vasi affini da me citati non
possano oltrepassare come limite di tempo in cifra tonda il 450,
anno nel quäle io porrei la esecuzione delle piü recenti pitturc
della serie. Tra di esse annovero 1'amazzonomacliia su anfora a vo-
lute bolognese, amazzonomacliia che, essendo appunto un tema assai
in voga nella pittura ceramica di questa etä, ci puö offrire, insieme
con gli esempi a noi giunti dalla tazza di Pentesileia in poi, un
gruppo di vasi di egual contenuto dipinti l'uno di seguito all'altro.
Nel tempo stesso si puö notare come dopo la detta anfora a vo-
lute bolognese il tema polignoteo dell'amazzonomachia venga espresso
dai ceramisti non piü con quella esattezza di particolari e con
quella diligenza di disegno che si ammirano nella tazza di Pen-
tesileia e nelle due anfore di Gela e di Ruvo, ma con una certa
fretta, col mero intento di raggiungere una bella composizione pit-
torica senza scrupoloso ed esatto rendimento dei particolari e delle
forme. All'anfora a volute bolognese succede il deinos giä Forman
(Museo Britannico, Furtwaengler e Reichhold, op. cit., t. 58), che
ben puö essere considerato come esempio di questo decadimento
pittorico delle amazzonomachie polignotee e che d'altro lato pel
(') Uobert, Die Nekijia, p. 43; Die Mamthonschlacht. p. 72.
{-) Rizzo, Vasi greci della Sicilia (Mon. d. Lincei. v. XIV), p. 12
p. 49.
(s) Art. cit., p. 49.
9
122 P. DUCATI
suo stile piü sviluppato ben puö essere posto, come fu fatto dal
Furtwaengler (l), verso il 440 (2).
Questa data del 440 mi serve come punto di partenza per
porre con detto deinos in rapporto di cronologia altri vasi. Un con-
fronto tra le figure del deinos e quelle della tazza di Codro mi
convince nel dare a q liest' ultima e perciö a tutti i vasi che ad essa
si collegano per identitä di stile (3), una etä un po' piü recente (4).
Sebbene le tigure del deinos siano espresse con diseguo leggero e
rapido e per questo lontano dalla diligente cura con cui sono con-
dotte le figure della tazza di Codro, tuttavia nella nobiltä dei mo-
tivi e dell' indirizzo pittorico comune ad ambedue i vasi vedo una
quasi contemporaneitä di esecuzione. Ho aggiunto la parola quasi
perche, ponendo accanto la riproduzione certamente esatta del deinos
con quel poco che con esattezza e stato riprodotto fin ora della
tazza di Codro (Jahrb. d. Inst., 1898, 1' interno a t. lVa, parte
superiore di Medea a p. 70, d'Egeo a p. 71, di Aiace a p. 71) (5),
vedo un profilo piü sviluppato sciolto dagli Ultimi legami dell'ar-
caismo nella tazza di Codro ed un rendimento dell'occhio piü con-
forme a veritä.
(«) Gr. Vas., testo, S. I, p. 294.
(2j Anteriori al deinos sarebbero lo stamnos del Louvre edito ncgli Ann.
d. Inst., 1867, t. F, ed il cratere gia Luynes in Luynes, Vascs, t. 43, ove il
disegno ö giä sciolto dalle convenzioni arcaiche ; non crcdo pertanto cbe abbia
ragionc il Purtwaengler nel porre il cratere Luynes nella scrie di vasi di cni
e ccnno nelle pagine addietro.
(s) Per vasi dipinti nello stile della tazza bologuese rimando all'articolo
del Graef, Die Zeit der Kodrosschale (Jahrb. d. Inst., 1898, pp. 6Ge67). Tra
i vasi qui citati giudico il piü antico la tazza dei Niobidi (Berichte der
suchs. G eselisch., 1875, t. III), cbe ricorda ancora lo stile dei vasi polignotei.
(4) E noto cbe il Graef, csagcrando i risultati dell'articolo giä citato
dal Milchhoefer, innalzö fin verso il 480, verso il periodo delle lazze di stile
severo, la tazza di Codro. Con ragione questo dato cronologico fu oppngnato
dal Robert [Man. d. Lincei, 1899, p. 1 e seg.) e con tagliente fräse del tntto
respinto dal Furtwaengler (testo alla Gr. Vas., S. I, p. 30, n. 2). Ma i pit-
tori di stamni (Ermonatte prima, Polignoto poi) ed i grandi vasi polignotei
e lo stesso deinos giä Fonnan che mostrano il normale evolvcrsi di un'arte
disegnatoria, debbono forse essere ammassati nel brevissimo intervallo veduto
del Graef tra Brigo ed Eufronio ed il pittore della tazza di Codro ?
(5) Esistendo solo la veccbia riproduzione del Braun (Die Schale des
Kodros, 1813), non e forse desiderabile una pubblicazione piü esatta di questo
iraportante eimelio di arte greca?
FRAMMENTI DI VASO ATTICO 123
La tazza di Codro, su cui sono notni scritti nell'alfabeto non
puramente euclideo con la forma ancora della f per rj, sarel)be po-
steriore ancora, ma di pochissimo, aH'ariballo giä Sabouroff ora a
Berlino con thiasos bacchico (Furtwaengler, Sammlung Sabouro/f, I,
t. 55), e cotiteiuporanea invece al cratere di Bologna cou cousa-
crazione di un tripode (Pellegrini, Calalogo dei vasi, coli. Palagi
ed Universitaria, n. 286, fig. 35), che tuttavia appartengono ad
im indirizzo di disegno diverso, indirizzo di miniatura che rag-
ginnge il suo culmine nella idria di Midia (Furtwaengler e Reich-
hold, op. cit., t. 8-9) e nelle due idrie fiorentine di Faone e di
Adono (Milani, Mo)i. scelti di Firenze, fasc. I, t. 3 e 4).
Ma di piü il Robert (Mou. dei Lirice i, 1899, pp. 27, 28), ha
colto le somiglianze tra le figure dei pittore di stamui Polignoto
e figure di questo ciclo di pitture, chiamiamole cosi, di Codro.
Pertanto non consento con lo stesso Robert nel volere avvicinare
Polignoto ad Ermonatte, im ceramista prossimo allo stile nobile
dei Partenone, per prendere i paragoni dalla scultura a noi nota,
ad im ceramista ancora imbevuto deli'arte di Duride con uno stile
ancor anteriore a quello delle sculture di Olimpia.
Dove si ridurrebbe, secondo il Robert, il creduto arcaismo di
Polignoto? Per lo stamno londinese di Dessameno (Mon. dei Lincei,
1899, t. 3) al contorno tondeggiante di Eracle, ai delicati ricci
di Eneo (e ciö e un contrassegno di arte arcaica?), alla tigura di
Deianira che sembra una Nereide di Duride ridotta alla moderna
(ma da una somiglianza di motivo si e forse costretti a dedurre
una somiglianza di stile?).
Un confronto tra detto stamno e lo stamno da S. Agata dei
Goti (riprodotto certo iuesattamente negli stessi Mon. dei Lincei,
1899, p. 19) mi pare che parli in favore di un'anterioritä dei se-
condo stamno al primo (profilo di Eneo piu arcaico nello stamno
napoletano, drappeggio di Eneo piii schematico). L'Eneo di Poli-
gnoto si avvicina dei tutto ad una figura su stamno di Pietro-
burgo con scena di partenza di un giovane (posto con ragioue dal
Furtwaeuglor neH'etä periclea, si v. il testo alla Gr. Vas., p. 189,
ove e riprodotto il vaso) (').
(') Kaffigarato dal Fuitwaengler per la quasi identitä con la pittura di
altro stamno di Monaco (Gr. Vas., t. 35).
124 P. DUCATI
Giä lo sfcesso Fnrtwaengler, ammettendo che l'eta in cui do-
vette principalmente lavorare Polignoto ceramista doveva essere la
etä di Pericle, ha notato le analogie tra l'anfora londinese di Po-
lignoto con scena di preparativi di un sacrifizio, piü antica {Mon.
dei Lineei, 1899, t. 1), e lo stamno di Monaco con egual conte-
nuto (Fnrtwaengler e Reichhold, op. cit., t. 19), al quäle il Furt-
waengler ha dato come limite di esecuzione il decennio tra il 450
ed il 440 (p. 83 del testo, S. Ia alla Gr. Vas.) e che io, in vista
specialmente della data proposta dallo stesso dotto pel deinos delle
Amazzoni, porrei piuttosto verso il 440. In conclusione, come Er-
monatte sarebbe il precursore della serie di vasi polignotei, Poli-
gnoto ceramista sarebbe di poco anteriore ai vasi nello stile della
tazza di Codro, e perö sarei incline neH'ammettere una contempo-
raneitä tra alcuni prodotti di questo ceramista (forse lo stamno
monacense e una delle sue opere piu recenti) ed il deinos delle
Amazzoni.
Non credo pertanto di essere lontano dal vero nel porre la
esecuzione della tazza di Codro e dei vasi che ne mostrano lo
stesso stile (') attorno o poco dopo il 440. Con ciö combina la
(') Altro eollegamento della tazza di Codro e del suo gruppo di vasi
con pitture anteriori vedrei in questo: su una tazza il cui interne- rappresen-
tante due efebi fu edito da Hauser {Jahrb. d. Inst., 1890, p. 143, n. 40), e
che appartiene alla collezione universitaria di Lipsia, e la scritta Ku'/.lins
xaX6g. Lo Hauser noto la somiglianza con la tazza berlinesc della nascita di
Erittonio (Mon. d. Inst., vol. X, t. 38), tazza che per tanti rapporii si col-
lcga con quella di Codro a cui pertanto il vaso di Lipsia deve essere avvi-
cinato. Ora lo stesso Callia e lodato sul cratere di Napoli inedito con scena
di convito (Klein, Lieblingsnamen", p. 131), ma e lodato con un altro nome
noto, quello di Eiaiwv, nome conosciuto appunto da alcuni vasi che, presen-
tando una unitä di stile, palcsano ancora qualche piecolo resto di arcaismo
e debbono essere posti pel tempo accanto e prima del deinos giä Forman ed
essere ritenuti come post-polignotei pei legami che li avvicinano ancora :ii
veri polignotei. Giä il Milchhoefer (art cit., p. 74, n. 11) ha notato lc rcla-
zioni tra i vasi con Eialtou xukög ed i vasi precedenti. Specialmente il cra-
tere a campana con la morte di Atteone {Mon. d. Inst., vol. XI, t. 12, 1, la)
e la pelike con la libazione di un guerriero (Gerhard, Auserl. Vasmb., t. 150),
si avvicinano ai vasi polignotei; piu il cratere ancora della pelike. Ad etä
piü recente rimonterebbe invece la idria del Vaticano con Tamiri {Mon. d.
Inst., vol. II, t. 23), con la quäle si possono aggruppare .alt ri due vasi con
scena relativa allo stesso personaggio, cioc la idria di Napoli (Mon. d. Inst.,
KRAMMENTI DI VASO ATTICO 125
corrispondenza del tutto palese di stile che con le figure di questo
grnppo di vasi (') presentano le figure del fregio fidiaco del Par-
tenooe, la cui eseeuzione sarebbe appunto anteriore, ma di poco,
al 438 a. C. ('-).
Manifestamente in etä piü recente mostrauo di essere stati
esegniti i vasi creduti polignotei nella composizione; ma a raeglio
determihare l'etä loro giova osservare che essi mostrano differenze
stilistiche tra di loro si da non concludero ad nna perfetta con-
temporaneitä.
In ima nota precedente ho citato alcuni vasi con la scena di
gindizio di Paride che apparterrebbero appunto al grnppo ceramico
in questione e li ho citati secondo il grado di sviluppo che presso
di essi manifesta la composizione di questa scena, sviluppo di com-
posizione al qnale corrisponde, a mio avviso, uno sviluppo di stile.
Cito pertanto di nuovo gli stessi vasi nell'ordine che a rae pare
esatto rispetto alla cronoTogia da etä meno a piü recente,
Quattro idrie : la prima della coli. Spinelli (in questo MitL,
1887, t. 11, 12), la seconda di Palermo (Gerhard, Apulische Va-
senbüder, t. D, 1), la terza di Berlino (Gerhard, op. cit, t. G, 1),
la quarta di Carlsruhe (Fnrtwaengler e Reichhold, op. cit., t. 30).
Un cratere a calice da Jouz-Oba, all'Eremitaggio (C. R. Atlas,
1861, t. III, 1, 2, l'altro lato del cratere, t. IX, ha la nota scena
dell' incontro amichevole di Apollo e Dioniso a Delfi). Un cratere
a campana di Vienna al Kansthistor Ische Hofmuseum ( Wiener
Vorleg., S. E. t. 11, sull'altro lato del cratere sono varie divi-
nitä).
Manifeste assai sono le somiglianze che tra di loro presentano
le idrie Spinelli e di Palermo, tali che credo superfluo insistervi
v. VIII, t. 43, 2), e la idria di Oxford {Journal of Hell. St., 1905, t. 1),
che ci mostra la rovina di Tamiri giä reso cieco.
•(') Un'opera assai simile a quelle del grappo della tazza di Codro, ma
di etä piü recente, ci e data dalla tazza madrilena con la firma di Aison,
adorna degli u&Xcc di Teseo {Ant. Denkm., vol. II. t. 1); il Bethe nella breve
notizia con cui ne accompagnö la pubblicazione notö le analogie di questa
tazza con quella londinese di egual contenuto {Journal of Hell. St., vol. II,
t. 10), la quäle rientra nel gruppo della tazza di Codro (si cfr. specialmente
coi lati esicrni della tazza Lerlincse di Egeo edita in Gerhard, Auserl. Vasenb.,
t. 327-328).
(2) Fnrtwaengler, Meisterwerke, p. 73.
126 P. DUCATI
sopra. Alla stessa fabbrica se non alla stessa mano si debbono
ascrivere i due vasi e pure a questa medesima fabbrica appartcr-
rebbe l'idria berlinese (!). Giä il Furtwaengler (2) ba cliiaramente
osservato ed esposto le ragioni per cui, pur ammettendo le analogie
manifeste dell'idria di Carlsrube con l'idria di Midia, non e pro-
penso a credere che la mano di questo ceramista si sia acciuta a
riprodurre qui la scena del giudizio di Paride. Lo stesso dotto ha
notato la inabilitä nel rendere i volti quasi di tre quarti di pro-
spetto in questa dipinto. L'autore di questa idria non si e accinto
ad espriraere volti di quasi pieno prospetto in uno Schema frequente
piuttosto nella ceramica anteriore e nella cui esprcssione egli, pit-
tore altrimenti cosi abile, non poteva incontrare gravi difficoltä,
ma ha voluto rendere essi volti in modo che di metä di essi
grandissima parte rimanesse nascosta. Ma ciö che non e riu-
scito all'autore dell'idria di Carlsruhe era giä stato raggiunto dagli
autori dell'anfora di Talos (Furtwaengler e Reichold, op. cit.,
t. 38-39) e del cratere falisco di Villa Giulia (Furtwaengler e
Reichhold, op. cit., t. 20) (3) Ed invero contemporanea a questo
cratere giudicherei la bella idria di Carlsruhe, ai quali due vasi
pure comune sarebbe l'aspetto nobile e per nulla agitato delle tigure
veramente olimpiche.
Perfetta analogia di stile presenterebbero invece con 1' idria
berlinese un'altra idria pure come quella ritrovata a Vulci e
che e nella raccolta di vasi a Berlino ed un'anfora a volute da
Ruvo della collezione Iatta. La seconda idria vulcente e quella
(') Ermete e quivi discostato da Paride che e posto a livello piü alto;
l'Atena ha lo stesso atteggiamento della dea snll' idria di Suessula, solo
l'elmo e il corinzio, ma l'egida ha l'ornato peculiare a scacchi, ornato che
si osserva pure neH'egida del cratere di Villa Giulia con Tapoteosi di Eracle
(Furtwaengler e Eeichhold, op. cit., t. 20), il quäle vaso credo tuttavia po-
steriore.
(2) Testo alla Gr. Vas., S. I, p. 143.
(3) Allato di questo cratere ne porrei un altro come uscito contempo-
raneamente dalla stessa fabbrica, se non dalla stessa mano, uno cioe di Chiusi
adorno di scene di saghe puramente attiche, la consegna del piccolo Erittonio
da <iea ad Atena (Mon. cl. Inst., v. III, t. 30), rinseguimento di Cefalo da
parte di Eos. Nella vecchia riproduzione, certo indcgna deH'originale, noto
la piecola figura di Nike volante e la ricchezza non barocca dell1 inep^vrrjq
(per questo nome si v. Hauser in Oesterr. Jahresh., 1905, p. 33) di Cecrope.
FKAMMENTI DI VASO ATTICO 127
adorna della lutta tra Cadmo ed il dragone (Gerbard, Etrusk. u.
Camp. Vasenb., t. G. 3, fotografia del vaso in Mon. dei Lincei,
v. XIV, t. 3), l'anfora a voluto ha da im lato la gara tra Marsia
ed Apollo (Mon. d. Ist., v. VIII, t. 42), dall'altro Dioniso ed il
suo seguito (Heydemaan, Satyr- und Bacchennamen, 1880). Sebbune
le riproduzioni delle due idrie berlinesi e dell'anfora di Ruvo non
diano, come pare, con la massima esattezza gli originali, tuttavia
la identitä del modo col quäle sono trattate le figure in questi
tre vasi e cosi manifesta che ritengo superflua ogni parola a difesa
di questo aggruppamento giä da altri riconosciuto (1).
Non nego la identitä d'indirizzo sia per disegno che per mo-
tivi identici ed analoga composizione per questi tre vasi e pei crateri
di Bologna (2) e di Camarina il quäle ultimo ci e noto dalla recente
sua pubblicazione nei Mon. del Lincei (3), ma, e appunto la ri-
prodnzione, certo esatta, di quest' ultimo vaso e la visione del cratere
bolognese mi hanno persuaso a credere che, mentre nelle due idrie
berlinesi e nell' anfora di Ruvo si hanno nobili e sobrie figure con-
dotte con uno stile del tutto diligente, in questi due ultimi vasi si
ha un decadimento di stile, una trascuranza palese.
I profili dei volti non sono sempre condotti secondo un mede-
simo schema, con negligenza sono trattati vari accessori, vi si vede
(0 Si noti nelle pitture di questi tre vasi, la figura di Atena quasi simile
per ogni dipinto con l'elmo corinzio e con lunga treccia che cade sulla uuca.
(2) Mon. d. fast., supp. t. 21 e 22. Enoto di quante controversie sia stato og-
getto il lato di questo cratere con la rapp. di Teseo ricevuto come figlio da Posi-
done. Cito la bibliografia: Klein (Euphronios 2, p. 186 e seg.), Ghirardini
(Museo ital,, v. III, pp. 1-40), Robert e Furtwaengler (Arch. Am., 1889.
p. 141), Iatta (Not. degli scavi, 1893, p. 241), Ghirardini (Rend. Acc. d. Lincei,
1895, pp. 86-99), Robert (Marathonschlacht, p. 50), Schreiber (Wandbilder des
Polygnotos, p. 132 e seg.), Robert per la terza volta (Theseus und Meleagros
bei Bakchylides: Hermes, vol. XXXIII, 1898, p. 130), Sauer (Das sogennante
Theseion, p. 75), Svoronos (Jounal d' 'Arch. nun. 1901, p. 454). Mi associo,
senza perdermi in discussione sulle" altre opinioni che mi fuorvierebbero
d'assai, alle idee del Ghirardini di vedere rappresentato nel vaso bolognese
non il fondo del mare, ma un luogo roccioso vicino alle acque e sono con-
trario al Robert negando ogni rapporto da lui veduto con la pittura di Micone
nel Theseion ateniese (Pausania, I, 17, 2) e col peana Jbacchilideo fn. XVII
della edizione del Blass).
(3) All'abbandono di Arianna da parte di Teseo su di un lato corri-
sponde sull'altro la gara tra Marsia ed Apollo.
128 P- DUCATI
inline il lavoro di un routinienpiu che qnello di im vero artista.
Alla maneanza di axqißsia nel disegno si aceompagna una com-
posizione non sempre lodevole. Nella sceiia di Teseo presso Posi-
done conie riscontro alle principali figure dell'eroe e del Tri tone,
alla prora della nave, all'elemento non del tutto secondario della
quadriga di Elios, sono state poste due figure di Nereidi all'avve-
nimento superflue e di cui una, quelle che suona il tamburello, del
tutto estranea per la sua azione, e stuechevolmente riprodotta su
altri vasi (1).
Se questi due crateri rni sembrano esempi del decadimento
di un indirizzo al quäle si debbono le idrie giä sopra notate col
giudizio di Paride, non ritengo d'altra parte lontana da essi pel
tempo la esecuzione dell' idria di Midia. 11 Teseo nel cratere di
Siracusa, piü recente forse del bolognese, arieggia, sia nell'atteg-
giamento che nel trattamento le figure di giovinetti presso Midia,
per esempio, mutato lo Spielbein dalla gamba sinistra alla destra,
il Deinofoonte nella zona di figure dell'idria londinese. Ma in questa
idria si ha un'opera yeramente artistica ove l'indirizzo miniatu-
ristico assurge appunto alla cima sua piü alta per poi ben presto
cadere nel convenzionale e nel manierato di cui le tracce appa-
riscono nel cratere palerinitano di Faone da porre col Furtwaengler
giä aU'inizio del secolo IV (Furtwaengler e Reichhold, op. cit. t. 59,
testo, S. Ia, p. 296 e seg.) ; nei crateri invece di Bologna e di Si-
racusa contemporanei o quasi si hanno giä gli esempi di decadimento
di un altro indirizzo in cui e le figure ed il contenuto dei dipiuti
lianuo qualche cosa di piü alto e di piü eroico. Nella sua idria il
pennello di Midia si Sforza di rendere le forme che vuole esprimere
secondo il meglio che puö fare e che vuole raggiungere ; il cera-
mista o i ceramisti anonimi dei due crateri con imprese di Teseo
giovinetto, causa l'abitudine contratta nel dipingere secondo altre
tendenze piü antiche, dipingono in fretta e non producono pertanto
vere opere artistiche.
Crederei pertanto giusto assegnare come data di esecuzione pei-
le due idrie berlinesi e per l'anfora ruvestina gli anni primi dol-
(') Xotu per di piü che l'Atena nella gara di Marsia ed Apollo ha l'egida
a scacchi nota a noi dallo rappresentanze del giudizio di Paride; ma qui la
La sembra piü Parma terribile della dea, ma an giubbetto femminile
FRAMMENTI DI VASO ATTICO 129
l'ultimo quarfco del V secolo (') e di credere posteriori di almeno
dieci auni i due crateri bolognese e siraeusano, le quali date ri-
tengo di poter convalidare mediante altre osservazioni.
Piü sopra ho citato due pitture del giadizio di Paride su due
crateri, uno di Vienna, l'altro dell'Eremitaggio. II primo, che ha
traccia di dorature negli accessori, sarebbo da ritenere come uno
svilnppo ulteriore dello stile quäle ci e presentato dall'idria di
Carlsruhe. Tuttavia nelle figure appare uua schematizzazione piü
spinta assai (Atena da un lato ed Afrodite dall'altro hanno l'ovvio
Schema di tenere una gamba sollevata su altura) ed un segno di
etä relativarnente recente vedrei auche nella figura di Afrodite
(giudizio di Paride), aualogamente alla Io del cratere ruvestino, giä
denudata fino alla cintura. E per questo crederei contemporanei i
dne crateri di Ruvo e di Vienna che sarebbero giä del IV secolo
e ad essi aggiungerei per le sue analogie fortissime un cratere a
campaua da Creta esistente nel museo di Atene (2).
Sebbene la composizione della scena del giudizio di Paride
sul cratere a calice dell'Eremitaggio presenti un grado di svilnppo
ulteriore rispetto al cratere viennese, sono tuttavia incline a cre-
dere il primo cratere anteriore a quest' ultimo. Contemporaneitä
presenterebbe a mio avviso il vaso di Pietroburgo con l'idria di
(') Con ciö combinerebbe anche 1' uso dell'alfabeto puraraente iouico.
(") II lato principale e edito nella 'Eqpißti. uo/. , 1886, t. 1 e rappresenta
da sinistra verso destra Artemide, Marsia aulete, una piccola Nike volante
verso Atena, Apollo; nel lato inedito sono un Sileno e due Menadi. Lo stile
nella pittura di questo cratere si appalesa meno diligente e con tendenza
vieppiü spiccata ad uno schematismo indizio di decadimento e di lavoro di
un artigiano che segue la cieca pratica. Cosi quella irregolaritä nel rendi-
racnto dei profili delle figure, irregolaritä che ho giä osservato a proposito
dei crateri di Bologna e di Siracusa, si manifesta anche in questo cratere. la
quäle cosa ho avuto campo di poter osservare nell' originale al museo di
Atene. La piccola Nike volante con vestito a pieghe del tutto stilizzato fa
venire alla mente le piecole figure di Nike dei crateri di Chiusi e di Villa
Giulia. Ma quäle inferioritä pel piü recente cratere di Creta! E curioso che
come avversaria del Sileno Marsia e posta Atena verso cui vola la Nike por-
tando la benda simbolo di vittoria, mentre al dio Apollo e riserbato un posto
accessorio e secondario del tutto come pendant ad Artemide. Lo stesso sna-
turamento del mito si puö notare nelle kelebe del museo brittannico (/•.'</■>,//.
"Qu-, 18S6, p. 5) che ci si presenta come uno sviluppo ulteriore verso un
convenzionalismo piü banale.
130 P. DUCATI
Midia; comuni ai dipinti sono parecchi particolari dei vestiti, si-
mile al cocchio deH'auriga Crisippo si mostra quello d'Iride nella
posa g nel rendimento dei cavalli. Analoglii poi per stile al detto
cratere dell'Eremitaggio sono altri due vasi della stessa collezione,
la idria di Taman con Cadtno incoraggiato da Atene contro il dra-
gone (') ed il frammento col mito singulare della punizione di
Iasios (2).
Cito in in appendice (p. 140) altri esempi a me noti di pitture
vasculari condotte secondo questo indirizzo stilistico e che, giä im-
pregnate di un convenzionalismo e di una negligenza maggiore, rno-
strano di appartenere alla languente cerarnica attica dei IV secolo.
Da altre considerazioni sono indotto a porre i vasi attribniti
ultimamente dal Rizzo agli anni subito dopo la metä dei V secolo
ad etä piü recente. La prima di queste considerazioni mi e sug-
srerita dal fatto che uno dei vasi teste citati, e che sarebbe tra i
piü recenti di quelli adorni col giudizio di Paride, cioe il bei
cratere dell'Eremitaggio, proviene dal tumiüo di Jouz-Oba in Cri-
mea, tumulo la cui esplorazione ha procurato una bella serie di
vasi edita nel Compte Rendu.
II Milchhoefer (3), basandosi specialmente sulla magniiica
gemma di Dessameno trovata iu una tomba di detto tumulo, giä
posta dal Furtwaengler (4) nel V secolo, ascrisse tutto il materiale
ceramico rinvenuto in questo tumulo a detto secolo. Prescindendo
da Offni altra osservazione di stile dei vasi, il fatto solo dei rin-
venimento di una gemma di Dessameno insieme a prodotti cera-
mici non sarebbe ragione sufficiente per porre questi Ultimi vicini
di tempo ad essa. Ed invero dallo stesso tumulo di Jouz-Oba e
(') C. R., Altas, 1860, t. V, 1, 2. Segao La opinione dei Crusius (Röscher,
Lexikon, art. Kadrnos) in vista alle analogie di comnosizione con la idria di
Berlino di egual contenuto.
(9) Strena Helbigiana, 1900, p. 161 (Kieseritzky, Iasios, pp. 160-163,
da la spiegazione dei frammento che b veramente un unicum e ne afferma
rafQnitä col cratere di Jouz-Oba).
(3j Art. cit., n. 52.
(Jj Jahrb. d. Inst., 1888, p. 200. E edita questa gemma, rappresentante
un airmi'' rolante nell'opera dello stesso Furtwaengler {Die antiken Gemmen,
Tafelland, t. XIV, 4). Su Dessameno e sulle sue opere si veda pure il testo
dei Furtwaengler nella stessa opera, v. III, p. 137. L\cxf*rj di questo artista
sarebbe appnnto rappresentata da questa gemma ed andrebbe dal 430 al 420.
FRAMMENTI DI VASO ATTICO 131
uscita anche una pietra co:i una Gorgono di tipo jonico {Antike
Gemmen, t. VIII, 52) innegabilmente anteriore e di non pochi
anni non solo ai vasi rinvenuti, ma alla stessa gemma di Dessa-
meno. Qaest' ultima pertauto insieme con l'altra piü antiea come
oggetti preziosi ed autichi furono deposte nelle tombe in cui al
momento della sopoltura dovettero essere pure collocati i vasi che,
per essere di materia esposta facilmente a guasti, non potevano
essere stati fabbricati in epoca molto anteriore a quella del sep-
pellimento.
Ora questi prodotti ceramici noti a noi dalle riproduzioni del
Compte Rendu ci si mostrano come anelli di una catena nello svi-
luppo dell'arte ceramica attraverso la fine del V secolo e grande
parte del successivo ('). II piü antico e certo il cratere suddetto
col giudizio di Pari de al quäle si collegherebbe il coperchio di
tazza con la consegna di Dioniso bambino a una Menade (C. R.,
Atlas, 1861, t. 2) dipinto che, presentando analogie con quello
su vaso napoletano con personaggi del dramma satirico (Mon. d.
Inst., v. III, t. 31) pud benissimo essere posto agli albori del
IV sec. La idria con Elena e Paride e con tante figure accessorie
e di mero scopo decorativo e 1'ariballo col rapimento di Elena,
dipinti riprodotti nella tav. V dell'atlante del C. R. per l'anno
1861, formerebbero insieme con un'idria di Berlino {Jahrb. d. Inst.,
1889, p. 208, Afrodite su di una capra (2)) il passaggio ad una
serie di vasi del sec. IV in cui si ha un breve rinascimento doll'in-
tirizzita arte ceramica, rinascimento su cui e merito del Furtwaen-
gler aver rivolto l'attenzione ed aver espresso giuste osservazioni (3).
A questa serie appartengono tre vasi usciti da Jouz-Oba e certo
non tra i peggiori : il coperchio di tazza con scena allusiva ad
(') La esecuzione della maggior parte di questi vasi importati in Crimca
cadrebbe appunto nel periodo di maggior impulso ateniese sotto il re bosfo-
rano Leucone (393-353).
(2) Tale e l'animale cavalcato dalla dea, come nota il Furtwaengk-r nel
suo articolo: Aphrodite Pandemos als Lichtgöttin {Sitzungs berichte deröayrr.
Akad., 1899, v. II).
(3) Testo alla Gr. Vas., alle t. 40, G8, 69. 70. AI Furtwaengler fa se-
guito lo Hauser (Oesterr Jahresh., 1903, p. 94) che istittu confronli con
rilievi neo-attici. E noto che il punto di partenza ])er determinazioni cruno-
logiche di questo gruppo di vasi fu dato al Furtwaengler dall'idria di Ales-
sandria (Gr. Vas., t. 40) che ci da una tra le piü stilizzate pitture del gruppo.
■J32 P- DUCA.TI
uno sposalizio {Gr. Vas., t. 68), im secondo coperchio di tazza
con varie donne in vari momenti di toilette (C. R., Alias, 1861,
t. 1) e la pelike con la scena, secondo il Furtwaengleu, che segne
lo Sfcrtibe ('), del consulto di Zeus con Temide e divinitä per la
guerra di Troia {Gr. Vas., t. 69). A questi vasi si aggiunga infine,
conio proveniente da Jonz-Oba, nna pelike con figure di Nereidi sn
ippocampi {CR-, titolo del testo per l'anno 1863) che rientra nel
crenere delle rappresentazioni marine che adornano piatti per pesci,
e sn cni giä trattö lo Stephani (2) e sn cui ha richiamato recen-
tamente l'attenzione il Watzinger (3).
E da questa ennmerazione credo che ben apparirä chiaro il
carattere omogeneo della serie di vasi usciti da Jonz-Oba si da
dednrre nna data non molto lontana dalla fine del qninto secolo pel
cratere del gindizio di Paride e consegnentemente per tntti gli
altri vasi di diverse provenienze che con esso cratere formano
ornppo per analogie di stile.
Un'altra considerazione mi viene offerta dal confronto di questi
dipinti vasculari con la pittnra di im vaso che credo di poter
datare con snfficiente probabilitä. Intendo parlare dell'anfora a
volnte ritrovata nelle vicinanze di Bologna ed osistente al mnseo
di questa cittä, anfora che reca attorno al suo corpo im epi-
sodio largamente rappresentato sni prodotti della ceramica at-
tica, il ritorno di Efesto all'Olimpo {Antike Denkmaeler, v. I,
t. 36) (*).
üu pimto di attacco che tende a dimostrare pur esso la vici-
nanza cronologica di questa anfora a volnte e di quella notissima
con ravventnra di Talos e dato dalle rappresentazioni snl collo
(») Bilderkreis von Eleusis, p. 86, si v. anclie Klein {Jahrb. d. Inst.,
1894, p. 251 e seg.)
("-) C. R-, 187G, }). 164 e seg, si v. i frammenti a t. V {Atlas, 1876)
nn. 4-15.
(3) Ath. Mitth., 1901, p. 51.
{*) Solo nel vaso Francis riappare Era seduta in trono come nel vaso
bolognese. Nella lacuna di questo vaso tra Efesto ed Era dobbiamo iraraa-
ginarci, come si vede nel vaso Frai^ois, Afrodite, la figura di colei che,
c ime premio, servirä a persuadere Efesto a liberare la madre ? Sotto Efesto
e conservata la parte inferiore di una donna ed accanto ad Era e un'altra
figura femminile; ma gli avanzi di tirsi posti accanto dissuadono dal vedere
in una delle due figure la dea Afrodite.
FRAMMENTJ DI VASO ATTICO 133
dell'anfora ruvestina (l) ehe rientrano nel ciclo dionisiaco con mo-
tivi che sono riprodotti con maggiore o minore varietä presso Si-
leni e Menadi di altri vasi. II motivo della prima danzatrice
sulla fascia del collo dell'anfora con la testa rovesciata all'indietro
e, come e noto, assai frequente nella pittura ceramica. Esso, che
ci si presenta pure nello stile severo (2), s'incontra anche appli-
cato nella pittura dello stamno di Napoli proveniente da Nocera
dei Pagani (Furtwaengler e Reichhold, op. cit., t. 36-37) (:!).
La stessa figura di Menade esaltata e pure nella pittura del-
l'anfora bolognese sotto il gruppo di Arianna e di Dioniso; tut-
tavia qui si ha una varietä del tipo ed una ulteriore trasforma-
zione ; la Menade ha la parte destra del petto scoperta e nella
forte agitazione prodotta dalla danza il corpo si ripiega assai si
da presentare una linea piü curva.
Pure nella striscia inferiore della nota idria di Carlsruhe due
Menadi, l'una di fronte all'altra, sono in rnoviniento a^itato di
danza con la testa all'indietro; ma quivi, conformemente a ciö che
si osserva nelle pitture d'indirizzo miniaturistico, il sottile vestito
a linee numerosissime e parallele nella loro ondulazione lascia
apparire le forme del corpo sotto il rnoviniento vorticoso causato
dalla sfrenata dauza. Sebbene, come pare, la pittura del vaso bolo-
gnese mostri altre tendenze e carattere diverso, tuttavia essa sembra
tutt'altro che lontaua pel tempo in cui dovette essere eseguita
(') Per la riproduzione delle figure del collo del vaso di Talos bisogna
ricorrere sempre al Bull, nap , III, t. 2 e 6.
(2) Cito la preziosa anfora di Monaco edita da Furtwaengler e Reichhold
(op. cit., t. 44-45) per la Menade a sinistra nella t. 45; noto poi che la Me-
nade a destra nella t. 44 si puö confrontare pel motivo con la QaXei« dello
stamno napoletano. Lo stesso motivo di Menade esaltata e in una tazza ber-
linese (Gerhard, 7'rinksch. u. Gefässe, t. 6, 7) che il Furtwaengler {Sammlang
Sabouroff, Einl. z. d. Vasen, p. 7) disse essere opera meno recente del pittore
del noto ariballo giä Sabouroff (op. cit., t. 55). Si veda per questo motivo
anche Eapp presso Röscher Lexikon, v. II, col. 2266, e Winter (50. Berl.
JVinckelmannsprogr., p. 112 e seg.). II medesimo motivo e noto che si trova
di frequente usato nei rilievi neo-attici; ne sono prova i tipi nn. 29, 32, 24 (Me-
nade che lascia apparire nuda la parte laterale del corpo e che nelle maiii
ha un timpano, es. cratere napoletano di Salpione), di figure da s. verso d.,
il tipo n. 30 da d. a s. in Häuser, Die neu-attischen Reliefs.
(3) Identica scena come e nello stamno napoletano e nella tazza berli-
nese di Ierone [Wiener Vorlegehi, S. A, t. 4).
134 P- DUCATI
detta idria basandoini in questo specialmente sul rendimento dei
profili e delle forme delle figure.
Di pochissirno anteriore deve essere all'anfora bolognese quella
ruvestina cou la gara di Apollo e Marsia e col thiasos baccbico
dati i eonfronti che alcuue figure di questi due vasi possono richia-
mare tra di loro. E questa brevissima anterioritä del ruvestino
rispetto al vaso bolognese mi sarebbe data dai profili delle figure
e dall'aspetto delle figure stesse piu severe lä che qui.
La pittura del vaso bolognese e certamente condotta con un
indirizzo intermedio tra il grandioso e l'aggraziato ; se da un lato
le figure sono espresse con uno stile ancora nobile nella sua so-
brietä, dall'altro lato e nella composizione e nei rnotivi delle figure
o nel trattamento del drappeggio si palesa 1'influsso assai forte
della nuova tendenza alla miniatura siguoreggiaute nella pittura
ceramica della fine del V secolo (').
Giä il Milchhoefer (2) espresse la ipotesi di una dipendenza
del disegno sul vaso bolognese dalla pittura su cui con parecchie
parole si sofferma Pausania (I, 20, 3) e che adornava il piü re-
ceute ternpio di Dioniso nel peribolo del dio presso il teatro in
Atene. Tale ipotesi mi si ripresenta ora cosi attraente che quasi
sarei indotto ad identificaiia con la veritä.
La vasta composizione che gira tutto attorno a quest'anfora
a volute, e nelle anfore a volute siamo abituati a vedere i ricordi
della grande pittura monumentale polignotea, o che ci porge in
modo del tutto nuovo e ricco la scena deH'arrivo del dio ubbriaco
neirOlimpo nolvJeiQag, e pei nostri occhi come una pittura
celebrante l'invitto Dioniso ed il suo sfrenato corteggio. Nou
potrommo pertanto pensare che altrimenti fosse concepita ed espressa
la medesima scena sulle pareti del ternpio, dimora appunto del
culto del dio.
(') La figara di Efesto conserva nel suo aspetto analogia con quella
dello stesso dio su pitture di cgual contcnuto riferibili all'etä periclea c
certo dipendenti da un unico modello : cratere di Monaco {Gr. Vas., t. 7),
cotyle del Louvre {Elite cdram., v. I, t. 4G), stamno (Gerhard, Aus. Vascnb.,
t. 58), vaso (Tischbein, op. cit., v. IV, t. 38 = Reinach, Repertoire, v. II,
p. 329). Cosi la figura di Sileno nell'atteggiamento MYünooxonf-vow e quasi
identica nel cratere pure bolognese con scena di consacrazione di un tri-
pode coragico alla figura di lluog.
(«) Art. cit, p. 82.
FRAMMENTI DI VASO ATTICO 135
Si aggiunga che la unione di Menadi L'una quasi sovrap-
posta all'altra sotto Diouiso ed Arianna si da formafe im gruppo
del tatto contrario all'indole eminentemente lineare del disegno
su vasi, ci obbliga, come pel caso del gruppo centrale nol vaso di
Talos, a pensare ad im prototipo della pittura monumentale.
Tale prototipo non doveva essere condotto secondo le tendenze
poliguotee in uno stile nobile nella sua grandiositä e con le traccie
ancora di arcaismo; al contrario le movonze delicate delle Menadi,
tutta la vita focosa che agita le flgure del thiasos fanno legit-
timamente supporre im prototipo monumentale assai posteriore e,
prescindendo dai punti di appoggio, se si vuole, non tanto fissi di
pitture ceramiche e basandosi su quelli piü determinati di opere
scultorie, non tanto lontano dagli albori del IV secolo.
Ma allora tutto ciö puö benissimo combiuare con la data che
necessariamente si deve dare e al nuovo tempio di Dioniso in
Atene e alla statua crisoelefantina del dio, opera di Alcamene (')
e di conseguenza alla pittura nel tempio ateniese d'identico con-
tenuto dell'anfora bolognese fabbricata e dipinta nella stessa
Atene.
Ma se si ammette, e non vedrei ragioni in contrario, la dipen-
denza dell'anfora bolognese dalla pittura del Dioniseion, si ha
im dato importaute per porre essa anfora verso la fine del V se-
colo e presumibilmente verso 1' ultimo decennio di tal secolo e,
per via di confronti, si puö con sufficiente e plausibile probabilitä
datare la serie di vasi piü o meno distanti dall'anfora bolo-
gnese, ma pure o contemporanei o da lei lontani breve numero
di anni.
(') Per l'uso della breccia nelle fondamenta del tempio il Doerpfeld
(Doerpfeld e Eeisch, Das griechische Theater, p. 22) crede che esso tempio
si debba riportare persino ai primi anni del IV secolo, il che mi sembra una
data troppo bassa anche in relazione a ciö che si sa di Alcamene autore della
statua del culto. II Reisch invece {Eranos Vindobonensis, p. 1 e seg.) pro-
pose giustamente lo spazio di tempo 421-415 per la csecuzione della statua
del cnlto e eiö combinerebbe con la data (un po' prima del 410) che darei
all'anfora bolognese. II Milchhoefer invece, partendo dalla sua esagerata cro-
nologia dei vasi attici, credette di potere, in base ad una supposta anterio-
rioritä dell'anfora bolognese, distruggere gli argomenti solidi della costruttura
dell'edifizio e della esecuzione della statua e dare al tempio di Dionisiu um
etä molto piü antica.
136 P. DUCATI
Neue due idrie berlinesi col giudizio di Paride e con la
lotta di Cadmo col dragone, nell'anfora nivestina con Apollo e
Marsia, nei crateri bolognese e siracusano di Teseo appare la figura
di Atena che sembra derivazione da im tipo unico, con la chioma
in lunga treccia che sfugge dall'elmo corinzio. In questa figura
vedrei l'influsso di un'opera monumentale che specialmente vedrei
imitata neH'Atena deH'abbandono di Arianna sul cratere di Sira-
cusa. Con grande probabilitä il Keisch (') ha indentiticato 1' origi-
nale di una statua di Cherchel acefala di Atena alla quäle ben
si adatta la testa di un tipo Disney {Journal of Hell. St., 1899,
t. I) e Louvre (Oesterr. Jahresh., 1898, fig. 32), con 1' Atena
Efestia di Alcamene la cui esecuzione lo stesso dotto ha dirao-
strato doversi porre tra il 421 ed il 417. Ora grande affinitä, che
ritengo innegabile, collega questa statua specialmente con 1' Atena
del cratere siracusano e per questo dovremmo ammettere una certa
contemporaneitä tra queste opere ceramiche e l'opera di Alcamene.
Tale affinitä invece non fu veduta dal Rizzo che erroneamente
credette derivazioni contemporanee da un medesimo prototipo della
grande arte prefidiaca la figura di Atena del cratere e quella del
noto rilievo dell' Atena cosidetta melanconica del museo dell'acro-
poli di Atene. Ma forse nella pittura ceramica sono quegli stessi
carattori ancora arcaici del rilievo per cui a giusta ragione esso
rilievo fu posto nel decennio dal 460 al 450? (2). Ma un con-
fronto tra lo stesso rilievo e 1' Atena del cratere bolognese (scena
di Eraele e della cerva) che ne riproduce l'identico motivo, di-
mostra chiaramente che uno spazio di tempo non breve deve esi-
stere tra le due opere e questo specialmente riguardo al tratta-
monto del vestito cosi diverso nelle due figure del rilievo e del
vaso piii che del viso che in quest' ultimo monumento e gnasto (:i)-
(») Alhena Hephaistia (Oesterr. Jahresh., 1898, p. 35-93).
(2) Joubin, Sculpture grecque entre les guerres mediques et Periclis,
1». 196.
(3) ün'analogia di motivo che appare evidente tra queste due figure di
Atena si da concludere ad un unico prototipo non e una ragione bastante
per ritenere queste due figure contemporanee. AI contrario di qu'i, in un altro
caso il motivo artistico ci si e conservato neiresempio piü antico in una
pittara ceramica, in un rilievo neH'esempio piü recente. C^uesto si puo osser-
vare pel gruppo della Nike che governa il toro sulla balaustrata del tem-
KKAMMENTI DI VASO ATTICO 137
A presupporre im modello comnne all'Atena del cratere sira-
cusano ed all'Atena del rilievo, pur diverse l'una dall'altra, piü
che a riconoscere la identitä di tipo per l'Atena del detto vaso e
l'Atena di Cherchel, fu indotto il Rizzo dalla sua cronologia per
nie esagerata della ceramica attica posteriore allo stile severo.
Ma il Rizzo trova una con forma per quosta sua alta data
pel cratere di Siracusa e pei vasi che ad esso cratorc si avvicinano
in considerazioni d'indole politica date dalle condizioni di Cama-
rina d'onde esso cratere proviene. Nel quinto secolo si ha il periodo
461-405 iü cui fu importato nella cittä questo vaso; pel Rizzo
si deve escludere il tratto dal 427 al 405 per la guerra tra Siracusa
ed Ateue che, secondo la pereDtoria affermazione sua e del Milch-
hoefer, deve aver interrotto il commercio dell' Attica con tutta Visola.
Ma giä nella breve guerra tra il 427 ed il 424 Camarina
tenne il campo con Leontini ed Atene contro Siracusa; perö se si
vuole ammettere la esagerata e non plausibile ipotesi che per la
guerra tra Atene e la cittä di Siracusa dovette estinguersi ad un
tratto il commercio tra l'Attica e tutta la Sicilia, si deve notare
che ciö non pote avvenire se non negli anni tra il 415 ed il 413
in cui ebbe misera fine la spedizione di Sicilia.
Di piü per esempio un vaso aucor posteriore, la oinochoe
Vagliasindi (Mon. d. Lincei, XIV, t. 5) uscita dal suolo sici-
liano e ritenuta dallo stesso Rizzo (lvi, p. 82) come pertinente
all'ultimo scorcio del V secolo, onde ben si puö ammettere che
aache dopo il 413, in seguito alle vittorie navali di Alcibiade
(Abido e Cizico) ed al ripristinamento della signoria marittima di
Atene (410 a. C.) si siano mantenuti legami di commercio tra
l'isola ed Atene. E per questo non sarei alieno daH'attribuire il
cratere del museo siracusano agli anni immediatamente antece-
dens alla distruzione di Camarina per opera dei Cartaginesi
(405 a. C.) 0).
Bologna, marzo 1906. Pericle Ducati.
pietto di Atcna Nike e sul vaso ad essa balaustrata anteriore del museo
di Bologna giä altrove da me citato.
(') Si aggiunga che il cratere proviene dal sepolcreto Face, che, e pel suo
matcriale (vi compariscono i vasetti grezzi di fabbrica locale del sec. IV) e
per ragioni topografiche (lontano da m. 1.200 a 2.000 dalle inura urbane)
deve essere ascritto alla fine del V ed al prineipio del IV secolo (Orsi,
Camarina, p. 246 nei Mon. del Lincei, v. IX, 1899).
10
P. DTICATI
APPENDICE
1. Sulla ceramica locale beotica.
Che, dopo lc fabbviche beotiche del periodo geometrico a cui sub-
entrö una lunghissima fase di quiete per la produzione ceramica beotica,
oltre ai curiosi prodotti noti specialmerite dagli scavi del Kabirion tebano (si
v. Winncfeld, in Ath. Mitth., 1888, pp. 411-428 ed in Arch. Am., 1893,
pp. 63-64; il Wolters, in Jonrn. of Hell. St., 1892-3, pp. 77-87; il Bloch, ncl
Lexikon del Ro.cher, art. Megaloi Theoi), oltre ai cinque singolari vasetti
studiati dal Wide (Ath. Mitth., 1901, pp. 143-150) non si debba attribuire
alla Beozia alcun altro prodotto ceramico e una opinione che trovö anni ad-
dictro il suo principale sostenitore nel Pottier (in Duraont et Chaplain, Les cc-
ramiques de la Grcce propre, v. I, p. 375 e sog.) e che pare abbia im difen-
sore nel Furtwaengler, sebbene questi non si sia espresso esplicitamente nel
testo alle Griechische Vasenmalerei (S. Ia, p. 207), e ciö conlro le opinioni
del Pumont (Peintures ceram., p. 51), del Collignon (CWaJ. d. vases d'Athenes.
n. 545), del Benndorf (Gr. und Sicil. Vasenb., p. G8). II Pottier credeva in
questo stretto esclusivismo, che cioe i Beoti si fossero dedicati solamente alla
fabbrica delle figurine in terracotta, gli Attici a quella dei vasi, e per la man-
canza di qualunque fabbrica ceramica beotica egli si fondava sul fatto che
vasi snpposti beotici si erano trovati in ogni parte del mondo ellenico. Ciö
per se stesso non sarebbe stata una ragione sufficientc per arrivare alla con-
clnsione del Pottier, ma di piü gli esempi di vasi citati da questo dotto a
conferma della sua tesi hanno tra di loro caratteri cosi spiccatamenie diversi
da dover concludere non giä ad una unicitä di provenienza che dovrebbc es-
sere l'attica. ma a fabbriche diverse, beotiche, attiche, italiote.
Sta invece chiaro il fatto che prodotti ceramici con provenienza sicnra
dalla Beozia a figure rosse presentano tali caratteri speciali c per forme tet-
toniche e per disegno ora accurato, ora simile del tutto o ad uno schizzo
senza pretesa o ad uno sgorbio quasi infantile da non poterli a mio avviso
confondere con la rimanente produzione attica sia pur negligente e da doverli
ascrivere ad un'altra fabbrica ceramica che, in base alla provenienza dei vasi.
si dovrebbc porre appunto in Beozia. Su questa classe di vasi beotici qnalche
notizia ha dato sinora il Rubensobn a proposito di uno di essi, uno skyphos
di Berlino (Ath. Mitth., 1899, p. 67, t. VII). facendo una suddivisione in un
grappo piü antico, al quäle apparterrebbe il detto skyphos. ed in uno piü
recentc in cui sarebbe l'uso, anzi Vabuso del bianco. Convengo col Rubensohn
in questa suddivisione, ma piü che Bull'uso del bianco credo che si dovrebbc
basare sul carattere del disegno piü o meno accurato. Faccio pertanto se-
FRAMMENT1 DI VASO ATTICO 139
guire un olenco di alcuni di questi vasi pubblicati in base a cio che ho po-
tuto osservare al museo d'Atene.
1° gruppo: 1) kantharos; Atene: pel Couve (n. 1583 del catalogo dei
vasi del museo di Atene) e rappr. Dioniso, pel Rubensohn un morto eroieiz-
zato (Rayet e Collignon, Hist. d. I. ceram. yrecque, fig. 111). — 2) cratcre a
campana; Atene: A. Asclepio, B. Igea {'E'f. «(»/., 1890, t. VII). — 3) cra-
tere a campana; Atene: parodia del mito delle Esperidi ('Etp, «p/., 1883,
t. VII, «). — -1) cratere a campana; Atene: Dioniso che assiste ad una
danza di donna in costume frigio (Dumont e Chaplain, op. cit., v. I. t. 17,
riproduzione inesatta per cui roriginale e reso abbellito). — 5) cratere a cam-
pana; Biblioteca Nazionale di Parigi: Artemide, Apollo, Ermete (De Biddcr,
Gat. d. vas. de la Bibl. Nat., v. II, fig. 2).
2° gruppo: 1) skyphos; Berlino: A) Giudizio di P aride; B) Tritto-
lemo (Atk. Jllitth., 1899, t. VII e p. 67). — 2) skyphos; Atene: A e B) due
uomini barbuti di fronte stendono la mano ; scena di giuramento? (Jahrb.
d. Inst., 1895, p. 186, n. 7). - - 3) kotyle; Atene: A) uccisione di Argo; B)
Ermete, Dioniso bambino, Ire ninfe (Jahrb. d. Inst., 1903, pp. 48 e 49). —
4) cratere a campana; Atene: A) Selene su carro; B) Atena su quadriga
(Journ. of Hell. St, 1899, t. X e p. 269). — 5) cratere a campana; Atene;
due uomini con mortaio in mezzo che respingono eiaseuno un'oca (Ath. Jllitth.,
1894, p. 346). — 6) cratere a calice ; Zurigo: Menelao insegue Elena (E. Mueller,
Drei gr. Vasenb., 1887, t. I).
Caratteristica in questa serie e la forma di kantharos ad alto piede e
provvisto di alte anse, come peculiari sono pure le forme del cratere a campana
e dello skyphos. Ma piü che le forme dei vasi, sebbene io creda che questi
alti kantharoi siano esclusivamente beotici, ein che indica Torigine beotica
dei vasi e lo stile del disegno il quäle e qnasi sempre di caricatura. Ed e
questa tendenza al grottesco che collega in special modo questi vasi a quelli
cosidetti dei Cabiri : la figura della divinitä sdraiata su letto che si ripetepiü
volte nei vasi specialinente del primo gruppo, rammenta assai da vicino Tana-
loga figura di KäßiQog sdraiato sul noto frammento di Atene (Ath. Jllitth.,
1888, t. IX). Le intiere composizioni di questi singolari frammenti di ceramica
a figure nere hanno il suggello di un umorismo sfrenato, umorismo pur comune,
ma non in cosi grande copia espresso, ai vasi della serie beotica.
Nel primo gruppo di questi vasi si nota una ricercatezza, una diligenza
di espressione la quäle tuttavia non supera i difetti palesi di disegno e pare
anzi di essi compiacersi, diligenza che manca affatto agli esemplari del se-
condo gruppo in cui le pitture talora, piü che il valore di rozzo schizzo sono
veri sgorbi lontani da ogni pretesa artistica. Si notano in tutti questi vasi
una secchezza, una rigidita di linee, una mancanza di proporzione delle vavie
parti del copo tra di loro nelle figure dalle grosse estremitä e dalle gigantesche
teste. Si aggiungono le irregolarita della rappresentazione che allontanano
assai questi vasi dalla produzione attica, o con accenni forti a eulti locali
nelle figure di divinitä sdraiate o sedute, o con allontanamento pel modo con
cui sono trattati i miti nella ceramica attica e con snaturamento dei miti
140 P. DUCATI
stessi come nella singulare parodia del mito delle Esperidi, o nell'insegui-
mento di Elena, o con burlesche scene senza significato apparente come nel
vaso n. 5 del secondo gruppo.
2. Sulla ceramica attica del IV secolo (v. p. 130).
Propongo qui gli eserapi a mc noti di pitture vascolari condotte secondo
il sopra esposto indirizzo stilistico, ed impregnate giä di un convenzionalismo
e di una negligenza maggiore.
1. Idria da Creta: Giudizio di Paride (meschinamente riprodotta in
'Ecp. <IqX-, 1862, t. 14)# — 2) cratere a calice di Berlino: Perseo ed An-
dromeda (Jahrb d. Inst., 1896, t. 2). — 3) cratere a campana; di Bologna:
apoteosi di Eracle {Ann. d. Inst. 1880, t. N). — 4) cratere a campana di
Kiew: danza arm ata di un giovane guerriero {C. R., Atlas, 1864, t. 6). —
5) cratere a campana: Leda scopre Povo di Elena [Arch. Ztg., 1853, t. 59).
— 6) cratere a campana di Berlino: Apollo, Ermete, Menade, Sileno, {Arch.
Ztg., 1865, t. 202, 1). — 7) cratere a campana: riconciliazione di Apollo ed
Ercole (Miliin gen, Vase» Coghill, t. 11). — 8) pelike dell' Eremitaggio :
ovo di Leda su altare (C. R. Atlas, 1861, t. 6, 1, 2). — 9) oinochoe di Ber-
lino: Afrodite su cigno {Jahrb. d. Inst., 1886, t. 11, 2). — 10) vaso: Dioniso e
thiasos (Tischbein, Coli, of engr., v. II, t. 46 = Reinach, Repertoire, v. II,
p. 303, 1). — 11) vaso: ievodog di Iacco (cosi il Furtwaenglcr, nel testo alla
Gr. Vas., S. II, p. 60) in presenza di thiasos dionisiaco (Tischbein, op. cit.,
v. I, t. 32 = Reinach, op. cit., v. II, p. 287, 2).
I caratteri stilistici di questi dipinti vasculari, fine di un indirizzo della
ceramica attica del V secolo, si ripetono tali e quali in una serie di vasi pro-
venienti dall'Italia e pei quali e assai difficile deeidere so si tratta di prodotti
importati dall'Attica o di prodotti di una fabbrica locale. Intendo parlare di
vasi, crateri a campana per lo piü, di cui possono essere citati come esempi
i seguenti: il cratere berlinese edito in Arch. Ztg., 1865, t. 203, un altro con
scena dionisiaca, in Arch. Ztg., 1855, t. 84, i frammenti di cratere pure con
scena dionisiaca dell'Eremitaggio in C. R. Atlas. 1860, t. 3, il vaso edito in
Panofka {Cabinet Pourtalcs, t. 16) ed in Gerbard (Gesamm. Akad. Abhand.,
t. 71) con la iniziazione di Eracle e dei Dioscuri ai misteri eleusinii. A questi
vasi altri se ne collegano di origine evidentemente italiota come il cratere a
campana di Napoli coi preparativi per la gara tra Pelope ed Enomao {Arch.
Ztg., 1853, t. 55) che col Patroni {Ceramica delVItalia meridionale, p. 94
e seg.) ascriverei alla fabbrica italiota dell'antica Saticula corris])ondente
aH'odierna S. Agata dei Goti. I caratteri di talo ceramica furono sufiieiente-
mente messi in chiaro dal Patroni per cui essa ceramica tra le altre fabbriche
italiote ci presenterebbe conservata in modo piü genuino la impronta attica.
Non sembra dunque azzardato supporre che una fabbrica attica sul ])rincipio
del IVr .secolo si sia impiantata in Saticula ed abbia continuato a produrre
in terreno italioto sino al suo irrieidimento ed isolamento in mezzo allo fio-
FRAMMENTI DI VASO ATTICO ]|]
renti fabbriche di Pesto o di Cama. Porse esempi di questa prima ceramica
attica trapiantata su suolo straniero li abbiamo su vasi di carattere ancoi
dubbio quali i due citati crateri a campana di Berlino che il Furtwaengler (Be-
schreibung der Vasensammlung, nn. 2642 e 2645) non si peritö di ascrivero
alla produzione attica e che sono provenienti da S. Agata. Anche recenteraente
il Furtwaengler (testo alla Gr. Vas., S. I, p. 207 e S. II, pp. 46, 51 e 56) «-
ritornato sulla atticitä di questi vasi e degli altri citati ora in nota, prove-
nienti dalla Campania e specialmente da S. Agata. Ma la presenza ivi di nn
dato materiale ceramico del tutto omogeneo con dati caratteri a lui propri
(quali la prevalenza o la quasi esclusivitä di soggetti dionisiaci o di soggetti
adattati nel ciclo dionisiaco c della forma del cratere a campana) con svi-
lappo proprio, mi pare che parli a favore dell'impianto di una oflicina attica
in Saticula a cui si dovrebbero i prodotti cosi profondamente atticizzanti.
Scene dionisiache che sono su vasi di Saticula si notano poi con analogie
caratteristiche di motivi e di stile su vari vasi inediti del museo di Atene
che non si puö credere che siano stati importati nelPAttica dalla cittä cam-
pana. Si ha forse in questi vasi una prova che resaurimento di un indirizzo
pittorico vasculare ha dato luogo, sia nel suolo ove esso nacque e si sviluppö,
sia nel suolo ove fu trasportato, ad analoghi prodotti ?
'•■'■?■..;' ■.£r?^m
"^T:. Sz^S^TS^
■ • .i'^.;;.j
HE RONS CHEIROBALLISTIU.
Im Museum zu St. Germain - en - Laye steht neben den Ge-
schützen, die der General de ßeffye im Auftrage Napoleons des III.
erbaut hat, ein sehr zierlich ausgearbeitetes Modell (s. die Abbil-
dung am Kopfe dieses Aufsatzes) mit der Aufschrift : « B allste, Re-
stauration de Mr. Victor Prou, Execution de Mr. Albert Plat »,
die gemeinsam dem Museum diese Gabe überreicht haben.
Der eigentliche Urheber ist also Victor Prou, ein französischer
Civil-Ingenieur, der ein gut Stück seines Lebens darauf verwendet
hat, das kurze Schriftstück, ohne Anfang und ohne Ende, zu er-
läutern, das uns unter dem Titel "Hqmvog XeiQoßaXXtaroag xata-
tfxsvri xal avfifisTQia überliefert ist ('). Den Gang und das Ergeb-
nis seiner unablässigen Studien hat Prou in einer umfangreichen
Schrift dargestellt, die im Jahre 1877 auf Staatskosten gedruckt
(l) C. Wescher, Poliorcetique des ßrecs. Paris 1867 p. 123-134.
HEKO.NS CHEIROIJAI.LISTRA 143
worden ist ('), mit der Ueberschrift « La Chirobaliste d'JIcron
d' Alexaadrie * . Der Verf. ist in das ihm anfänglich ganz fremde
Gebiet der Philologie tief eingedrungen; er hat nicht nur die
Litteratur gewissenhaft durchgearbeitet und den griechischen Text
sorgsam gemustert, sondern hat sogar neue Handschriften ausge-
kundschaftet, die den Fachgelehrten entgangen waren. Aber neben
diesen Vorzügen stehen leider bedeutende Fehler. Alles misst er
lediglich nach seiner Elle : wer zu widersprechen wagt, wird schroff
abgetan; wer zustimmt, ist immer der rechte Mann. Und doch
ist sein Resultat verfehlt, da die ganze Arbeit von einer leiten-
den Idee beherrscht war, die sich als vollkommen irrig erweisen
lässt. Diese leitende Idee ist, dass « Herons Cheiroballistra » ein
vollständiges Schriftwerk sei und in seinen einzelnen Teilen fest
zusammenhänge: und nun konstruiert er alles gehörig so zurecht,
dass daraus eine Art Chalkotonon, d. i. ein Geschütz mit elasti-
schen Schienen aus Stahl, Avird, bringt daran, um dem Namen der
Ueberschrift gerecht zu werden, auch noch zwei Hände an, von
denen die Beschreibung des Textes nichts weiss, deutet diese tech-
nisch ganz überflüssigen Hände in mystischem Symbolismus aus
und ist zum Schlüsse von seinem Werke so begeistert, dass er
seine Cheiroballistra zu den interessantesten Entdeckungen des 19.
Jahrhunderts rechnet (2).
Unsere deutschen Fachmänner sind Herons Cheiroballistra
geflissentlich aus dem Wege gegangen. Der Grund ist klar, und
die Herausgeber der griechischen Kriegsschriftsteller haben ihn
ehrlicher Weise eingestanden (3) : « Heron hat ausser der hier
gelieferten Schrift {Bslonoiixä) noch mehrere andere über Gegen-
stände der Naturkunde und Mechanik geschrieben, darunter auch
eine über die Konstruktion der Handballiste (jtiQo^ülhaiQa, ma-
nuballisla) deren Verständnis uns aber bis jetzt verschlossen ge-
blieben ist, das wir folglich auch dem Publikum nicht vorlegen
konnten ».
(') Notices et Extraits des manuscrits de la Bibliothtque nationale et
untres bibliothcqv.es. t. XXVI, 2 p. 1-319. Paris 1877.
(a) p. 25: le dechi/frement de 1% Xeigo^dUarQ« comptera, fen ai
Vespoir, parmi les plus interessantes trouvailles de ce siede.
(:)) H. Köchly und W. Rüstow. Griechische Kriegsschriftsteller. Leipzig
1853. I, 199.
144 RUD. SCHNEIDER
Vom persönlichen Standpunkte aus betrachtet, ist gegen diese
Erklärung nichts einzuwenden. Aber wir dürfen doch darum die
Sache nicht immer wieder auf die lange Bank schieben und ge-
mächlich zusehen, wenn ein Techniker in Holz und Eisen aus
derselben Schrift uns ein kunstvolles Gebilde herauszaubert, die
wir nicht anrühren, weil wir sie nicht verstehen. Und nehmen wir
dazu, dass unser Schriftstück gut überliefert ist, dass der Wort-
laut des Textes durchaus verständlich ist, dass die in den Hand-
schriften überlieferten Bilder genau zum Texte stimmen, so ist
damit eine Grundlage gegeben, auf der die Philologie aufbauen
kann und aufbauen muss, um so ihrerseits dem Techniker wie-
derum erst den festen Boden zu bereiten.
Auch ich bin nicht ganz freiwillig an dieses Thema herange-
gangen. Da ich mich aber verpflichtet habe, dem Oberstleutnant
Schramm in Metz die philologische Grundlage für seine weiteren Re-
konstruktionen antiker Geschütze zu beschaffen, musste ich unbedingt
zu einem Schriftstücke Stellung nehmen, das seit tausend Jahren
XsiQoßalXfarQct heisst. Dabei habe ich für die folgende Untersu-
chung auf die Beihülfe des Technikers zunächst verzichtet, was
mir der besondere Charakter der « Cheiroballistra » zu fordern
schien. Ich hatte nämlich bemerkt, dass diese Ueberschrift den
Konstrukteur bereits in eine bestimmte Bahn drängt und ihn
zwingt, die einzelnen Bilder, die dem überlieferten Texte beige-
geben sind, von diesem Standpunkte aus zu betrachten; und wenn
er sich davon gewaltsam freimacht, wird er, seinem Naturtriebe
folgend, doch immer wieder die Einzelbilder componieren. Von
diesem Einflüsse musste ich mich fernhalten, um ganz unbefangen
die einzelnen Abschnitte und einzelnen Bilder zu betrachten, was
sie an und für sich darstellen, ohne jede Rücksicht auf etwaigen
Zusammenhang.
Der folgende Text und die kritischen Noten beruhen auf
der Ausgabe von C. Wescher, Polio rcctique des Grecs, Paris
1867. Diese Arbeit entspricht durchaus den Anforderungen einer
kritischen Ausgabe, wie sie die heutige Philologie stellt; man
merkt nur, dass dem Verfasser technische Kenntnisse fehlen, die
ihm der General de Reft'yo leicht hätte schatten können. Und um-
gekehrt: wenn der General für seine Rekonstruktionen antiker
chütze Weschers philologische Kenntnisse ausgenützt hätte,
HERONS CHEIROBA.JXISTRA ]-l")
würde er die ihm vom Kaiser Napoleon gestellte Aufgabe besser
gelöst haben. — Weschers Poliorcetique ist vergriffen, und Vin-
cent, La Chirobaliste, Paris 1866, den ich unten nach Wescher
eitiere, überhaupt nicht mehr zu beschaffen.
Die im kritischen Apparate aufgeführten Handschriften sind :
M= Cod. Parisinus Suppl. Gr. 607. saec. X-XI.
P = Cod. Parisinus Gr. 2442. saec. XI-XII.
V= Cod. Vaticanus Gr. 1164. saec. XI-XII.
F = Fragmenta Vindobonensia in codice ms. philo-
losoph. graec. olim. 113 nunc 120. saec. XVI.
Neben der ältesten Handschrift M haben die Zwillingsbrüder
P und V selbständigen Wert; F dient nur gelegentlich als Zeuge,
wenn M, der Führer dieser Handschriftenklasse, versagt. — Den
Wert der einzelnen Handschriften für die Textsrestaltuncr hat
o o
Wescher richtig festgestellt; dass sein Resultat auch für die Bilder
gilt, wird die Untersuchung über « Geschütze auf handschriftlichen
Bildern » nachweisen, die demnächst in Metz erscheinen soll. —
Die Abbildungen sind sämtlich auf die Hälfte der Originalgrösse
reduziert, mit Ausnahme der xXetaig aus cod. M (S. 150), welche
im Interesse der Deutlichkeit nur auf er. '2/3 verkleinert ist.
UG
RUD. SCHNEIDER
HPSiNOZ XEIP0BAAAI2TPA2 KATA2KEYH
KAI 2YMMETP1A ■)•
p. 123 w 1. rsyovscaMfccv xavörsg ovo rcsXsxii'coioi ol Aß, rj, ev '-')
tsrqaywvoig nsXsxivoig, uav 6TtXvg /utv sffvu) ö AB, äoQrjv (Je ö TJ.
Kai tu (ihv (jl7jxo$ e%biw 6 AB nodag y xcä öaxivXovg d', xb d&
nXcuog 3) dctxTvXovg y'c, io dt näyjiK daxzvXovg d'c. O di fJ
cod. M fol. 5G.
') Ueberschrift : avfifieiQiu Malhemalici veteres cd. The'vcnot; ai\u/us-
rniiq MPV. — Am Schlüsse der Fragmentes stellt in P V" "Hgcovog %6iqo-
ßaXXioTQas xctTctaxtvrjv xcd avfx/nerQiag, M hat keine Unterschrift. — 2) lieber
tr zur Bezeichnung der Qualität von Mass, Materie, Preis in hellenistischer
Sprache vgl. Kuhring, De praeposilionibics Graecis in chartis Aeijyptiis.
Bonn, Dissert. 1900 p. 21. -- 3) nUrog ixerat PV.
HERONS CHF.IKOHAU.ISTRA
117
Heron, Aufbau und Verhältnisse
der C h e i r o b a 1 1 i s t r a .
1« Es seien zwei auf Schwalbenschwanz gearbeitete Latten (')
AB und rJ mit vierkantigen Schwalbenschwänzen, davon heisse die
*v
cod. P f.d. 68".
weibliche AB, die männliche TJ. Und AB soll eine Länge
haben von 3r 4" (= 961 mm) (2) eine Breite von 3 4" (= 65,0 nun),
(') Man verbindet zwei Latten durch den « Schwalbenschwanz » (nefa-
xtvog) indem man der oberen unten einen Vorstoss giebt — 7 - — ' der in
die eingeschnittene Kinne der unteren hineinpasst j" [.Der obere Teil
heisst « Schwalbenschwanzfeder » {netextvog äQQtjv) der untere « Schwalben-
schwanznute » {netexivog #/;Ar?).
(a) Die Massbestimmungen sind nach der früher bei uns üblichen Weise
wiedergegeben: 31 4" = 3 Puss 4 Zoll. Gemeint ist der griechische Fuss
(jiovg) = c. 30 cm. und der griechische Zoll {tftixtvkog). Der Fuss hat IG Zoll.
148 RL'D. SCHNEIDER
tu }t7]xog sxstut nbdag y', xb 6i nXiuog [wc] ') (öc<xxvXovg) 2) fi'c,
p. 124Wto (H näyog däxxvXov cid. *E%biw 3) de xb ßäOog b Gtoiijv xov
AB xccvovog (jukxvXov d 4). xov öi AB 5) r) fihv AZ °) GtawXij-
viffOeo otöct nodibv ß'c (xai) 7) daxxvXwv q'. Xoitvi) aoa stixiv r)
ZA daxxvXu)v <;'. AjreiXt'jcpOco 60 netkiv xov AB xavövog rj (1U6v)s)
A& Ttoöbg a'c xal daxxvXarv 6' . rj di Ali 9) rroöb; a xal öaxxv-
Xoiv t' 10). Xotni) aoa r) K& sGiai, daxxvXwv £' '. AnsiXr)<p\) (o dt
nahv tov AB xavövog xov nayovg tSav d'c ") öaxxvXwv düxxv-
Xog a'c ie), xal xsxurjödco t'cog xr)g AK xal xTjg AQ, mGis sivai xb
K0 l3) fit'Qog iu)v avewv d'axivXo)v ö'c, xovrtöct xijv 14) XQ)Y(lK
reyove'xM d£ xal GsXyrosidc'g 15) xi GyTjtia ib HB 1(i), xal xorjÖsv
sv [ik'Grp xsTQaywr«) xQijfiaxi GiuKpvi; ysysvijGÖo) xio AB '') axo'p
rov AB xavovi'ov, mg xb GyT^ia vrroxeixui.
P.125W Tov 6s rj [gcoXTj i'o;] 1s) r) [tsv E / e'axu) aoorjV ntXsxTvog,
xal aotLiuGtbg ysyorsxu) xio Ot'jXt-i nsXsxivfp xov AB (7mA/~i'oc xio
AZ /ik'oei, rovxeoxi xb JE fisoog xov TJ xavövog.
') [w?] R Sehn. - - 2) (JaxTvkovg) Vincent. — 3) «cF. 'E^ereo Vincent,
A i):yi,w M., ö Äl i/eio) l'V. — 4) 1 M. ÄE PV. B) AB M, AB
owhjtxK l'V — a) rj ptv AZ M, 6 fiev OZ P V. — ") (xal) R Sehn. -
") (uir) Vincent. — 3) AK II, X PV. - 10) daxtikcav e' R Sehn., öaxtvlov
A MPV. - ") iGiv JC'M.tö v JZ PV. — •*) ,T6'M,^Z PV. - 13) K9 M,
0K l'V. - «*; xi]V M; fehlt PV. — ,5j fftf^voniMf PV. -- ,6) HB MV,
,v///'. _ •') Ali l'V , AB M. — lli) [awXfjyog] R Sehn ; denn TA («ee^) hat
keine Nute {auArjv); y.uvövog Vincent,
HERONS CHEIROBALLISTRA 149
eine Dicke von 4 \" (= 83,2 mm). TJ aber soll eine Länge haben
von 3' (= 887 mm), eine Breite von [beiläufig] 2 \" (= 46,2 nun),
eine Dicke von \\" (= 23,1 mm).
Die Kinne der Latte AB soll eine Tiefe haben von 1" (= 18,5
mm); es soll aber von AB nur das Stück AZ gerillt werden in
einer Länge 2' 14" (= 850,1 mm); somit bleibt das Stück ZA
mit 6" (=111 mm) übrig. Weiter aber soll auf der Latte A li
das Stück A0 abgemessen werden = 1' 12" (=517,5 mm), und
AK= V 5" (= 388,1 mm)(1), somit wird K& = 7" (= 129,4 mm)
übrig bleiben. Es soll aber weiter auf der Dicke der Latte AB,
die A\" (= 83,2 mm) beträgt, 1 V' (= 27,7 mm) abgemessen und
von A bis K, und von A bis 0 (unten) weggeschnitten werden; also
das Stück von K bis 0 behält seine frühere Dicke von 4 \"
(=83,2 mm) und soll XWYQ heissen (2).
Es sei ferner ein halbmondförmiges Stück HB, das soll in
der Mitte mit einem vierkantigen Loche durchbohrt mit dem (un-
teren) Rande AB der Latte AB fest verbunden sein, wie die Figur
unten zeigt.
Von der Latte TJ soll das Stück EJ eine Schwalbenschwanz-
feder sein, die in die Scliwalbenschwanznute auf AB d. h. in die
Rinne von A bis Z hineinpasst, d. i. der Teil J E &m Latte rJ.
(') In dem überlieferten Texte steckt ein Rechenfehler: ist ./ 0= 1' 12"
und AK = V 1", so bliebe für K & — 11" statt 7". Die Aenderung /ml <fnx-
xvliav E statt xcti tfaxTtiXov A bringt Ordnung ins Exempel; aber der Fehler
kann natürlich eben so gut in SaxxiXmv Z stecken, oder auch in SaxxiXmv ./.
(2) Auf der Figur in M stellt XlIiY4> links heraus; nach dem Texte
gehört dieses Stück auf die Rückseite, die bei der Vorderansicht der Figur
verdeckt bleibt. Die Beischriften &f)Xvs äyxtiv und tlyxibr xärw müssten lau-
ten: DrfAvg y.arwv und üoQrjv xaviov. Die Zeichnung in M wird durch P be-
richtigt: die Schwalbenschwanzfeder ist durch die stereometrische Wiedergabe
in P gut veranschaulicht, und auch das mondfrrmige Stück erscheint als
ein Körper.
150
RUD. SCHNEIDER
2. Nvv dij tu ttsqI xTyc xXsia ta>g l) sx8rla6(.itßa. rsyovtiw
e£ idrjg 2) (Tiörjoug %£iQoläßi] r) ABTJ zip ai^naxi ol'cc vnoyi-
P.12GW yqajitcu. JC%rjXov St tö EZ /utQog e%ov :?) to St Z0 roQ^og ') saxm
TSTQaymog, ü^aarqqia St <■/)> 5) KAM 6), Sqaxöitiov Sh zb IV3"7),
miccQiov s) St vb 0J1P2.
cod. M. fol. 56".
■) xXeiaeux; Vincent, yXaem; MPV. — 2) ex 2tfXi]Q V, ex gvXüoyg P. —
:!) e^oy P V, t/o,y M. — 4) rdppo« M. — 5) <£> R Sehn. — e) KAM M. K.tMV
l>y_ _ 7j 7y/T py# _ 8) mTU'iaici> M V, niryÜQiov P.
HERONS CHEIROIUIXISTKA 151
2. Wir wollen also nun vom Verschlusse sprechen (').
Es sei eine Handhabe aus Eisenmaterial (2) AB TJ von der Ge-
XV
V,
Uli
_
cod. P fol. 69.
stalt, wie sie unten gezeichnet ist; und eine zweizinkige Gabel
EZ mit einem viereckigen Zapfen ZQ (3); ein Drücker KAM;
ein Riegel N S ; und ein viereckiger, unten offener, Rahmen
o n pz.
(') Ueberliefert ist xXiaecog, was aber gewiss mit Vincent in xXslaems
geändert werden muss, denn dieses Kapitel handelt vom « Verschlusse ».
(2) Auf der Figur in P stehen die Beischriften M%r}Xov und nixaqiov
richtig, aber ä/srokus muss getrennt werden in A, das an die linke Ecke
oben gehört, und /stoXrcg das aus %EiQoXäßi] entstellt ist. Ebenso ist oticus
verschrieben statt a/aartjoia.
(3) Es fällt auf, dass der Buchstabe H im Texte und auf der Figur
fehlt; und man muss auch annehmen, dass das Si^tiXav mit 4 Buchstaben
bezeichnet wird, also EZH&. Aber es heisst hier EZ und später (12G, 8 und
127, 2) E 9. Diese letztere Bezeichnung E & passt aber wiederum nicht zur
Bezeichnung des Zapfens Z 0. Ich glaube, die ganze Figur hiess EZ H 9, der
Zapfen Z // und die Gabel ohne den Zapfen E &. Uebrigens hat diese Verwir-
rung bei der Verteilung der Buchstaben glücklicherweise gar keinen Einfluss
auf das Verständnis der Konstruktion.
152 RUD. SCHNEIDER
Kai TiTQrj&üto /) ABVA %HQoXdßr) xaxa xb /f. b dt- E1 xa-
rior, ö sv tm 7iQ(sn<<) dsojQrjitaxi, xsxq/jo'Oü) xara (xa) l) M, N, Js,
xal xara fisv ia M, JV 2) GiQoyyvX'p TQrjficcxi diafiTtsQhg, xara
(U xb Js TtaQaXXqXoyQäfifirp 3). xal ovriog svr]Qfi6(fd(o fj %siooXäß>],
wGxe nsQovrjv 4) did rmv M, N dmtfö-fjvai xal chd xov J rQ*J-
fiaxog xfjg %eiQ<)Xdßrjg xoivuBTjvai 5).
To/jöavxsc di xo E0 ') 3C%r]Xov xara <t«) "') TY xal x>]v
KAM G%uGxn]Qiav xaid xo CT>, xal SitßaXovxsg 8) nsqoviqv c)V
dacpoTtocov xo)V ö/rwi1 °) xfi>v T, Y, <J), xoivovfisr, wffxs 10) ntgl
ai'xijv xwelaOai xr)v <7yriaVxy]oiav dv£}inodio~xit}g. 'Ey^ü uj 6* i)
(T^affrrjoia n) svxofirjv xi]i> AM zyovtav xara /iiTjxog ödxivXov a '.
P.127W (^An6)Xaßövx£g 12) ovv xrjv JO 13) srii xov FJ xavovog daxxv-
hov s xal xQijtiai'xsg xaxa 16 O, xatiis^isv [i) xo E0 Si'yrjXor
xal xoivovfisv, müts axivtjxov diafit'vsiv.
"Eneira XQrjcTavtfg xo NB '') ÖQaxövxiov xaid xo N ll?), xal
tbv T/l xavöva xaid xo II n) xov sv xio Tioioxy Oso)Qt'jfiaxi, äni-
yjov 18) xov M d'axxvXovg cT, xal xatiitvxsg öid xt ll) xov xQi'jfiaxog
xov ÖQaxorxi'ov xal xov II nsooviqr, xoivovfjLSV, wöia tvftSQüK xi-
VHGÜai xo NB 2n) Sqaxorxiov nsgl avn'jv.
Kai ndXiv aTtoöxrfiarxtg anb x7tc %eiQoXaßr)$ /'~c (AB) TA 21)
xrjv BP-, xixQwfxsv xaxa xb P, xal ndXiv an avxov ßaxQrjo'avx{-g
öaxxvXovg 6'c [ß><f\ ") TfjV P2 23), xiiQMiitv xaxa xb 2, xal ovto)g
p.i-23Wxa0f£f.isv (•■••) li) sv xm TA xavovi, offcig iäilv sv xfh rrQwxro
dswgrjßaxi.
[_'E£r)g xsixai~\ 25).
') (xti) I! Sehn. ; y.uik MV, xarä to X . — 2) xktCc tu,8V MNCM. — 3) na-
QttXkrjXoyQti/tfMog l'V. — 4) nsQÖvr] rjv M. — r') xoovtodfjvca jüiio-. Ildscli ;
xsxvvcoöfjvai M, xal xvvotöfjvai PV. — c) 10 l'V. — 7) (rCt) Vincent. -
Bj ifjßükXoyieg l'V. — :i) <37iw^ PV; fiBQtav M. — l0) xoivofifzet' üaie PV
ynovfxsfovg re M. — ") r\ iy^usjrrjnia M. — l2) 'Anoh<ß6uT(-g \\, Sehn , 'J.aßövieg
M l'V. Vgl 124, 3 ü. ü. -- ") JO M, J© PV. - ■ «*) xadiapev M. — '•) '<'
V3 I'" rbi> 5 M P V. — "') t<) N V V, tov N M. -- ,7) to 11 M, föv II P V. —
"i (cit/mr M. — >»)t6 — t'otJTS fehlt P. - - ü") rbv 3 M V. - - -') rjj? (Ali)
r , Wescher. — 2") [c&<r] R. Sehn - ■•) i>z PV; Ci> M. -- ^4) Hier Fehlt
ein Stück, worin das Pitarion genannt war; der Schlusssatz ist unverständlich.
— 25) rE*fjs xehat l'V, fehlt M.
HKRONS CHEIROBALLISTRA 153
Die Handhaba ABTJ soll bei ^ durchbohrt sein; und die
Latte rJ, die im ersten Abschnitte genannt ist (1), soll durch-
gebohrt sein bei M, N und 3, und zwar bei M und N mit ei-
nem runden Loche ganz durch, bei S aber mit einem rechtecki-
gen; und die Handhabe soll so eingefügt sein, das3 ein Bolzen,
durch M und N und durch das Loch der Handhabe durchgesteckt,
eine Verbindung herstellt.
Dann durchbohren wir die Gabel ES bei T und Y, den Drü-
cker KAM bei <P, schieben einen Bolzen durch die Löcher beider
Teile T, Y und </>, und stellen eine derartige Verbindung her,
dass der Drücker sich ungehindert um den Bolzen drehen kann.
Der Drücker soll der Länge nach einen Einschnitt haben A M= 1"
(= 18,5 mm).
Wir messen nun das Stück JO auf der Latte rJ ab = 5"
(= 92,4 mm), bohren bei O durch, setzen die Gabel E0 ein, und
stellen eine derartige Verbindung her, dass sie unbeweglich ver-
bleibt.
Darauf durchbohren wir den Riegel NB bei N , und die Latte
rJ, die im ersten Abschnitte genannt ist, bei dem Punkte II,
der 4" (= 74 mm) von M entfernt ist, lassen durch das Loch im
Riegel und durch II einen (senkrechten) Bolzen ein, und stellen
eine derartige Verbindung her, dass der Riegel N 3 sich leicht
um den Bolzen drehen kann.
Wir messen nun weiter von der Handhabe (AB)rJ aus das
Stück SP ab und bohren bei P durch; darauf messen wir von
diesem Punkte aus 4|" (= 83,2 mm) weiter, nämlich das Stück
P2. und bohren bei 2 durch; und nun setzen wir ein in der
Latter,/, die ja im ersten Abschnitte genannt ist (').
(') Worauf der Hinweis « in dem ersten Kapitel » gilt, wissen wir nicht,
auch 127, 1 rbv iv xw tiqwuo OsüjQi^uaxi und 128,1 oarig sgtIv iv rffl nQ(t>Tia
Oswnt'junri, klären uns nicht auf. Die Figur zeigt diesen xavüv als ein ein*
faches Brett, das zur Beschreibung passt. Mit den durch « Schwalbenschwanz»
verbundenen Latten der ersten Figur, die unten einen Halbmond haben, darf
unsere Konstruktion nicht in Verbindung gesetzt werden.
11
154 RUD. SCHNEIDER
3. Kaxsüxe väffdatffccv *) dh xal ict xccXovfisvct xccfiß Jtfi q i a
tQOTZOJ toi (nde.
üoi^Caizsg yao Gidygovg xavöva; ti-GGaoag, ^i^xog s^pvcag
ixarsgov önxcvXovg i'c 2), nXaxog dh SaxzvXov dif.iotQOV [iixqm ')
tjXuw 4), ncc^ng dt r'), u'xTts fiij tv%f qwg xdfirtriaOai ' (■ • •) G).
f ./\..
cod. M ful. 58.
EaiwGctv dh ol AB, Fz/, EZ, HO, o'toi, elcfi 7) t~» c^ijfimi,
xaraysyqaßfisvoi, tyovxtg Gr/HpvtTg xoixovg zovg KA, MN, jETO,
IIP, zo svoog s%0VTCcg daxivXovg ß' , ro J£ nXciiog öäxzvXov a' ,
zo dt nityog ro avzb zotg xavovioig.
" 5&T0) (U zo fitza'§h Siaütmiu zfitv xctvovcov daxzi>X(ov y'c,
') xaieaxeviiffdfoaav Vinccnl \xctTccaxFvünO(»<mi steh! in allen] Handschrif-
ten und kann nach IC. Pieterich, die griechische Sprache S. 212 richtig sein. —
2) 10 M; elxoai PV. 'Error ßuxit ex similitudine htlerarum numeralium
IC cum littera K" Wescher. — 3) {j.iy(>g> l'V; (UxqoV M. — *) ntei'u ist
Nebenform von nhüov. Vgl. Willi. Ciönert. Philologus LXI, 2 S. 161 ff. —
') Sk M; JFPV. — °) BVfiEQßg xXtfnTSoOci M. 7) oTol siai, M; otov
eioi l'V.
IIERONS CHEIROBALLISTRA 1 55
3. Es sollen aber auch die sogenannten Kambestria (')
auf folgende Weise hergestellt werden.
\\
'
Ha
w
cod. P fol. 69».
Nachdem wir nämlich vier Eisenstäbe angefertigt haben, die
eine beiderseitige Länge von 10 4" (= 195 mm) haben, eine Breite
von 2/3" (= 12,3 mm) und etwas mehr, eine Dicke, so dass sie sich
nicht leicht biegen Sie sollen AB, TJ, E Z, HO heissen,
wie sie in der Figur bezeichnet sind; mit angefügten Ringen KA,
M N, SO, IIP, die eine Weite von 2" (= 37 mm) haben, eine
Breite von l" (= 18,5 mm), und dieselbe Dicke wie die Eisenstäbe.
Der Abstand der Eisenstäbe im Lichten soll 3?," (= 65,6 mm)
betragen (2).
(l) Ueber die Bedeutung dieses Wortes s. u. S. 165.
(3) Die Figur zeigt nicht vier gerade Eisenstäbe, wie unser Text es ver-
langt, sondern die beiden äusseren Stäbe sind in der Mitte nach Innen um-
gebogen. Diese Abweichung vom Texte ist mir ebenso unverständlich, wie
die Bedeutung dieses Bogens. Nach meinen sonstigen Erfahrungen muss ich
die Zeichnung für zuverlässiger halten als den Text, denn so gewaltsame
Umänderungen des überlieferten Bildes sind in M und P nirgends nachzu-
weisen.
15<'> RUD. SCHNEIDER
Tsyovävmüav dh xal mxaiia ') xa 1, T, Y, <P, X, *P, 42,
,./ '-') avu(pv7j xoig 3) ./ß, Fz/, isZ, H0 xavovioig syovxa 4) nXatog
xf« rcir/og xb avib xoTg xavovioig, xb ob evQvg 5) J«xrtUoi> <?,'-
IIOIQOV °).
"EtTxaMlav <T£ xcm xi; avÖqoi %aXxol xovipoi 01 fB rF, rJ rE, rg ,Z
,H ,0 7) /LiTjxo; t%mv i'xadxog s) tfaxrvAeoi' /?r, näyog db l'aov xo)v
xavoviiav '), tijv db SiafisxQov xov svqov; daxxvXov a'y 10).
'E%iTG)7ccv ob xal rsviKfVbTq xofxovg nsQixeifisvovg xf) xvqxTj
AB TA Et ZU
emtpaveia xwv xvXivöowr zovg MM, MM, M(M) il), MM, an*-
Xovxag ccTib xatv ,B fJ ,g ,11 12) öaxivlov a'ö 13) nXäio; ob £%J-
xwGav daxivXov öiitoiQov, na%og 6b xö i'tiov xwv xavovicov.
Ol Je ,B ,r , ,J rE , rg,Z, ,H ,0 u) xvXivSüoi 15) svtoßag t%J-
Kotfccv xccxa diä/ibxoov lag g, g, (g, g), l6) big ag n) xavöna ffißs-
P.130W ßXrjce 0a> ag/no(fxa xaxd xqöxayov xa 1S) M, M, M, M 19) |i*iJxo;
e%ov *°) txarsQov daxxvXovg y', nXäxog dh daxxvkov difioiqov 21).
rsyorsvco rJt xal 2i) xb xaXovfJisror x a ii ä q i o v 23) r£» Gyj'jiiart
oiov vnoyiyqanxat xb ABEJEZH-1), s%ov xi]v 2~J) jiitv T E iG)
') ni.tzihnu MPV. — 2) 2TY<£X42 M. — SJ rof? M ; r//< P V. —
4) s%ovxa-xa.vovioiq fehlt PV. — B) evqov M. — 8) SifXoiQOv Weschor ; Ji/aoIqoü
MP, doipolgov V. — 7) ,iirr,,j,E, ,g,z,,//,@ Wescher; /; r ./ E,g rZ ,// ,0
P V. ,./ ,/< ,/' ,./ ,]') t'A iH r& M. — K) /LiTjxog e/tov s/mozo; F ; /urjxog e/.ccatog hx"n'
M PV vgl. 1.30, 2. — 9) xavovlcov M; x«roVwr PV vgl. 129, 1 u. 11. — 10) AI
M PV. — ") (ji/) Wescher « ßa; figura ». — '-) ,fi r^ /? r'^ Wescher « e.i' figura » ;
,li , l^ II P V //j x? // M. — 13) 2 d1 ' ; ]7 x? d" M P V. — »*) ot ,j ,// ,r ,//,
rE ,/ ,// ,0 PV. — '«) xiU^dpoi fehlt P V. — "!, gg<gg> Wescher «ex figura » ;
,S Z M, gg PV. - - ,7) fiff fehlt M. — IS) rä fehlt M. - '") M MM PV. -
2eJ t'/wv M. — 21) (hu(H(>ov P V. — 2a) de x«( F, cFä M, xal P V. — --1) ««<!-
nmr M - 24) ro AliTAK7.ll M; rö J/ P V. — 23) 6/ov r»;«/ M, e/o*rt
r^»* V, t/o/rt ro^üf P. — -a) TE M. iE PV.
HERONS CHEIRORALUSTRA. 157
Es seien aber auch <S> Vierkante 2. T. Y. <D. X. «P. Si. ,A an
die Eisenstäbe AB, r J, E Z, HO angesetzt, die mit den Eisen-
stäben gleiche Breite und Dicke haben, und eine Weite (') von 2/V'
(= 12,3 mm).
Es seien aber auch (4) leichte Cylinder aus Erz, ,B ,r , ,/l rE,
rgrZ,rHr0, jeder mit einer Länge von 2" (= 37 mm), derselben
Dicke, wie sie die Eisenstäbe haben, und mit einem Durchmesser
ihrer Weite von 1 l/3" (= 24,6 mm).
Ihnen sollen aber auch Ringe angefügt sein, die um die kon-
I ii r j e g zu
vexe Oberfläche der Cylinder herumlaufen MM MM MM MM
und von den (4) Punkten ,B ,J ,g und ,H 1 1/4" (= 23,1 mm)
abstehen. Sie sollen eine Breite von 2/3" {— 12,3 mm) haben und
eine Dicke wie die Eisenstäbe.
Die Cylinder ,B ,r, ,J ,E, ,c;,Z, ,H,& sollen in der Richtung
des Durchmessers die Einschnitte g, g, (g, g,) haben, in welche
kleine Eisenstäbe von der Seite eingepasst werden M M M M,
die eine beiderseitige Länge von 3" (= 55,4 mm) haben, und eine
Breite von 2/3" (=12,3 mm).
4. Es sei aber das sogenannte Kamarion, nach der Figur
wie sie unten gezeichnet ist, ABTJEZH; die Linie rE soll
(') Die "Weite" (svQog) bezeichnet wohl den lichten Abstand, und die
Ureile (nhiiog), denke ich, den umschliessenden Band des Ringes.
158
R. SCHNEIDER
nodbg u xal duxivXwv £'c< to J£ diaßtr^icc rov xaitaQi'ov to OK l)
daxTvXtüV (■'. Tb dt fxfjxog excnkqag twv A, Z 2) daxTvXwv <T,
sxarsQag 3) dt tüov B, H daxT&Xwv ß' . to S& fjtsra^v diatfi-rjfia
Tun' A, B xal Z, H \_6)g~\ i) daxivXoiv y'c. näyog dl i%kTU) i'cov
Tun' TTQOsior/u'rcov xaroriwv.
Tb d& xaXovfievov xafiaxiov 5) söia to A M N 3 O II P 2.
ix dvo xavoviov 6) xttt <Xpjtaaci o'iov vTtoy&yqunTcti, /uTjXog s%(ov b
p. i:;iW((ii' 0IIP2 xavwv nodbg et xal docxxvXwv i\ b dt A M N 3 nodbg
a xal daxTvXwv >/, nXäxog d£ ngbg /.ih' ToTg Y T ~) /jh'qsGi di<-
xtvXcik s) ß', Tiobg dt ToTg O II P 2 ddxivXov ad. 9) nä%og dt(- ■ ■ ■)
l'xaöiog xun' 10) ArB, N,r, 0,z/, PrE ") ibo/iuir efftu) daxTvXcov B.
r -r
V
cod. M'fol. 58".
1 @K M, OK PV. ■ - 2) AZ M, AB PV. - - ;1) exattgeeg M, txurtQov
V. ■ 4) [a>?] E Schi). — B) xauüxiov M, xhfxt'cxiov Pb, xXtfidxtv Pa V. —
' I y.ftvnvitov PV. — 7) YT M; ^YT P V. - - 8) rfrcxrt'Aw»' PV. — 9) ~Ä~J
M. /4 0 P V. - ,u) u Post 7i(c%og de lacunam esse suspicatur vir doctis-
simusVincent, quam explevit in hunc modwn nci/og JV ixdarov (ßa.y.rvXu)v
ßf. /ufjxog Je ex«<xro»>) xtov xis. Ipse sxiiorov tG>v scripsi ex coniecturu ».
r. -") lHNTÖTPEM J,U, N,r, 0,J, V,B Wescher; ~i b NP Ö J
/' I PV.
IIERONS CIIEIROHALLISTHA 159
1' 7 ' ;'■/' (= 424,3 mm) betragen, die Weite im Licliten von 0 bis K
aber 5" (= 92,4 mm) ; die Länge der beiden Stücke A und Z soll
je 4" (= 74 mm) sein ; der beiden Stücke B und U je 2" (=37 mm);
cod. P fol. 70.
der Abstand im Lichten zwischen A und B, Z und K beiläufig
3 y2" (= 64,6 mm) betragen. Die Dicke aber soll dieselbe sein
wie bei den vorher genannten Eisenstäben.
Das sogenannte Kamakion AM N S O 77 P 2 soll aus
zwei Latten bestehen, der Figur entsprechend, wie sie unten gezeich-
net ist; und die Latte O n P 2 soll eine Länge haben von 1' 10"
= 480,5 mm, aber A M N 5 eine Länge von 1' 8" (= 443,7 mm) ;
die Breite soll bei den Teilen Y und T 2" = 37 mm betragen,
bei O n und P2 1 \W (=23,1 mm). Die Dicke... eines jeden
der <4> Zapfen AfB,N,r, O ,,/ , P ,E soll 2" (= 37 mm) be-
160 RUD. SCHNEI OER
Ka dirjQrjGÜooGav ol A M N 'S, O TJ P ~ xavors; tlg zout l'Ga
i« (I>, T, *P, Ä', Y, ü 1). x«? zsxQ-qGÜw %a fi&v T, Y 2) xaxa tb
fjiTJxog TQtjfiaGi 7zagaXXr]Xoy()ä[ifJotg, zd dt <V, X, *P, ii tqi'^iciGi
GTooyyvXoi :.
Kai yeysvfjüd-oo dianrjytov zb T Y, £%or zb tih> fxrjxog %ooQlg
zun' TOQficov daxTvXovg y , zb dt nXdiog daxzvXovg ß'c.
"EGtwGav dt xal GivXäoia tcc (I> X, *P/<?, 8%ovrcc !) ro iiT^xog
X(ooic Tübv TOQficov daxzvXovg y', zb de nXäzog daxzvXovg ß'c.
p. 132 w Kai xaOtfaüwGav 4) zd Tt r>) GzvXdqia xal zb diani'jyiov slg
rag öndg T(bv xavörcov, xal xaO-rjXwGÜcoGav ol ibo/iot zov dia-
mjyiov rzobg Toig xavoöiv snl ovoäg, () wGzt GvvsytGUai zovg xa-
vorag xal sivai avi&v tb (Jtsta^v dtdGzrj'ia daxTvXonr y.
"Ezi ö£ firjv xaO-rjXwGO-jtüav zip A N "') xavovi xal rw OP s)
zd z;,z; stp sxatsqa zov TY diaTT^yiiarog, (i^xog eyovza daxxv-
Xmv y', JiXdzog de !1) ddxzvXor a', ndypg dt GvfifisTQOV ' xal ts-
i roi'lffOo)ffar xazd zu fit'Gor, cerrsy^ex eoo'ar d^ an dXXifXwv daxzv-
Xovg ß'c.
5. JlsnoiijG^oiGav dh xal xo) voeid Tj dvo zd ABT /, EZ HO,
e%ov (Jihv ,0) txdztQov u) iiTjxog daxzvXmv id . Tb dt nd%og T&v
AB, E Z xoQi>(jun> exdffzov xwvosidovg txk,0) daxzvXov li) zb Yjiigv,
zb dt v-qg ßaGscog ndyog ixddzov zwv EA, H & daxzvXov d. E%t-
') <P T '!' X r 11 P. — s) TY l'V; toi M. s) t'/oy M. - - ') xadi-
othoma' M. — ) tu re M; tu j TV. — B) i-ni oigßg Wescher; iniovQae L'V
iniovQog M. - ■ 7) tö A M N i\I « sed litteram M delendam notavit prima
mannt » Wescher; tö AM PV — a) tö Ol' M. — y) öaxtvkwv r nXiaog
dl F, düxTvXov a nXuTog tft M , fehlt in P V. — lu) I^fov /ulv M h/oiuey V V
i'/or 1"'. - •!) ixäzeQOP P6; tTtoov MPV. - '-) ihcxu'hor V X .
HERONS CHEIROBALLISTRA. ]G1
tragen. Nun sollen die Latten AMNS und 0 // P Z in drei
gleiche Teile, d>, T, «P und X, r, £ geteilt werden ; dann soll T
und F der Länge nach mit rechteckigen Löchern durchgebohrt
werden; aber 4> und X, *P und ß mit runden.
Nun sei der Qnerriegel TV in einer Länge von 3" (=55,4 mm),
ohne die Zapfen; in einer Breite von 2 l/2" (= 46,2 mm). Es seien
aber auch <2> Stützen 0> X und *P & in einer Länge von 3"
(= 55,4 mm), ohne die Zapfen ; in einer Breite von 2 l/2"
(= 46,2 mm).
Nun sollen beide Teile, die Stützen und der Querriegel, in
die Löcher der Latten eingelassen werden; und die Zapfen des
Querriegels sollen hinten au den Latten festgenagelt werden, so
dass die Latten zusammengehalten werden und deren Abstand im
Lichten 3" (= 55,4 mm) beträgt.
Es sollen aber ferner an der Latte /i N und der Latte O P
die (Träger) g , g zu beiden Seiten des Querriegels T Y festgena-
gelt werden, die eine Länge haben von 3" (=55,4 mm), eine Breite
von l"(=18,5mm) und eine entsprechende Dicke; in der Mitte
sollen sie durchbohrt sein und von einander 2 V' (= 46,2 mm)
abstehen.
5. Es sollen aber auch zwei k e g e ] f ö r m i g e K ö r p e r ange-
fertigt werden AB r J und EZ HO, in einer Länge von je 11"
(= 203,3 mm). Die Dicke der Spitze jedes Kegels AB und EZ
soll Va" (=9,2 mm) betragen, die Dicke der Grundflächen rj
undff© je 1" = 18,5.
•jß) RUÜ. SCHNEIDER
twdav dh xara fifjxog ötölyvccg vsTQCcywvovg xai ioQ{XOvg er l)
rate A B, E Z xoQvyaic, mäis xavoviav ysvofie'vwv 2) (fvficpv&v
xoUoic, äquoavibv ;?) rotg TOQfXoig xcä toTg atotfdiv, eIöxo^s-
ö))ca 4) im T&v Gwb'p'cov xal rmv voq{imv ev toig xavoeidettt
yeyovoGir.
cod. M. fol. 57".
"Etfcwttav de t« ph' xavovia GviupvTj xoig xoixoig ia 5)
KAMN, *OnP ) xoi'xoi ds ol KA, SO '), ävccxa/iTCag s) de
exs-cmöav *« xavovia nqbg xoig nsgaGi tag 9) M N, IIP, vipog
6e 10) sfovdag öaxivXov tb rjfiiav . . .
') iv PV; fehlt M. — 2) yeveaOai P V. - 3) cäy,oGTwv V V. — 4) etoxo-
ui&Bai Bruno Keil; ixxop&adai PV ixxoaui&aOai M. s) rtPVj *d «f!
M. - 6) K .4 M A, HO 7/ 2' Wcsclier ; K M A P S U M, KAMNPSlI? V. —
») KA&0 P. - K) «vafxvas M. — 9) rö; Wesclicr, tä MPT. - ,0) *§ M,
fehlt P V.
HERONS CHEIROBALLISTRA
163
Sie sollen aber der Länge nach viereckige Rinnen haben, und
Zapfen an den Spitzen AB und EZ, so dass die mit Ringen ver-
sehenen Stücke, die für die Zapfen und Rinnen passend angefertigt
sind, auf die Rinnen und Zapfen der hergestellten Kegel eingefügt
werden können.
cod. P fol. 70».
Die mit Ringen versehenen Stücke sollen KAMN und SO 77 P
heissen, die Ringe KA und SO. Die Stücke aber solleu (oben)
an ihren Enden M N und II P jedes eine Umbiegung haben, deren
Höhe Y2" (= 9,2 mm) beträgt. . .
1G4 RUD SCHNEIDER
Die Bestandteile der Schriftstückes.
Selieu wir uns nunmehr die Bilder einzeln an, unbekümmert
um die Ueberschrift und ohne den Versuch zu machen, aus den
Einzelabschnitten ein Ganzes herzustellen.
Das erste Kapitel handelt von zwei Latten, die durch
den Schwalbenschwanz verbunden sind; die untere
Latte ist auf der Rückseite oben und unten beschnitten, in der
Mitte ist ein Stück in seiner ursprünglichen Dicke stehen geblieben.
Am unteren Rande der unteren Latte ist ein halbmondförmiges
Stück angesetzt. Wozu diese Konstruktion weiter gedient habe,
wissen wir nicht. Ich will meinetwegen zugeben, dass man dabei
an Geschützteile denken kann, weil die Diostra als Schwalben-
schwanzfeder in die Syrinx (Schwalbenschwanznute) eingreift, auch
das halbmondförmige Stück erinnert an die Wölbung des Gastra-
phetes, worein der Schütze seinen Bauch stemmte, um die Arm-
brust zu spannen. Aber, bei Lichte besehen, sind doch diese
Aehnlichkeiten recht allgemeiner Art, unsere Konstruktion passt
ebensogut auf verschiedene andere Dinge; und wenn sie denn
durchaus zum Gastraphetes gehören soll, so ist sie kein Teil eines
Geschützes (balista), denn eine Armbrust ist kein Geschütz, und
sei sie noch so gross und stark.
Das zweite Kapitel « vom Verschlusse » erinnert weit
lebhafter an technische Ausdrücke, die wir bei der Geschützbe-
schreibung wiederrinden. KaraxXek heisst der Riegel, der in die
seitlichen Zahnstangen eingreift, um das Spannen zu erleichtern;
die Wörter di%)]Xov und a%<cc;z^Qict kommen dort auch vor, und
die Funktion des dQctxuvrwv ist dieselbe wie die der axaffIVQlcc
bei den Geschützen. Aber der Schein trügt. Zunächst ist die Ver-
schiebung der Namen höchst auffallend, da die Techniker immer
mit der grössten Genauigkeit dasselbe Ding mit demselben Namen
bezeichnen. Und auch sachlich ergeben sich wesentliche Unter-
schiede. Das ÖQaxovxiuv hat nach der Figur eine Krümmung die bei
jener a%ciati-)Qia fehlt und zwecklos wäre. Unsere ayiaaii^iu heisst
bei den Geschützen %h'q 5 während aber die « Hand » bei den Ge-
schützen gerade ist, muss sie hier gebogen sein, weil sie von
oben tiefer nach unten greifen soll. Und dC%i]lov heisst bei den
G ehützen die Zweiteilung des eben besprochenen Geschützteiles,
HEKONS CHEIROBALLISTRA 165
hier aber ein ganz selbständiger Konstniktionsteil, von dem in den
Geschützbesclireibnngon so wenig die Kede ist wie von der x^QoXaßtj
und dem tiuccqiov.
Was die xa/Ltße'GiQtct des dritten Kapitels betrifft, so kommt
das Wort nur hier vor (') und ist aus dem Griechischen nicht zu
erklären: ich stimme daher einer Vermutung Hülsens bei, welcher
annimmt, dass darin nichts anderes stecke als das lateinische
campestria. Campestre heisst der Schurz (Augustinus de civ. Dei
XIV, 17: campestria Latinum quidem verbum est, sed ex eo
dictum quod iuvenes, qui midi exercebantur in campo, pndeuda
operiebant; s. a. Forcellini s. v.); das beschriebene Gerät besteht
aus zwei durch vier Stäbe verbundene Eisenringen, welche man sich
als Bekleidung der Mitte eines hölzernen Schaftes oder einer Stange
wol denken kanu (2). Aber kein einziger Teil erinnert auch nur im
Entferntesten an irgend einen uns bekannten Geschützteil (:5).
Und mit derselben Sicherheit stellen wir fest, dass auch das
vierte Kapitel {xanäqiov und xctßäxiov) und das letzte (xarosidT,)
nichts mit dem Geschützbau zu tun haben.
In dieses Dunkel dringt plötzlich ein schwacher Lichtstral
von ganz anderer Seite. Der Mathematiker Eutocius, aus Justinians
Zeit, sagt in seinem Kommentar zu den Schriften des Archimedes
(ed. Heiberg, Leipzig 1880, III p. 98) ganz beiläufig Folgendes:
Fqc((fsiai d& r) nccQccßoXi] diu rov svqedsi'toq diaßrjtov rio Mi~
Xrßioj [irj%avixu) 'Iffidcoqco zip rj^isrsqro diduGxüXy, yqccyi-vzoq, d&
vn^ avxov sig rb yeroiisvov avrih vnofivr^ia tmv "äqwvog xafia-
(') [Als Lehnwort kommt xä^imaxqov = campestre vor in einer soeben
von Th. Beinach {Revue des etudes grecques 1906 p. 104) herausgegebenen
und erläuterten Inschrift aus den Thermen von Aphrodisias in Karien : i&v
Ttg e/ioi' %a'kxbv /ui) n ceoa^el^rj, ^re ev (povv3r\ ijrs iv xaixnlaTQM, uvrbv ra-
ndasTCci. Ch. H.].
(2) Dass wir es mit einem Gegenstande römischen, nicht griechischen
Ursprunges zu tun haben, wird (wie Hülsen bemerkt) durch die Maasso be-
stätigt: dieselben gehen nämlich nicht auf den griechischen sechzehnteiligen,
sondern auf den römischen zwölfteiligen Fuss zurück. Daher die in diesem
(und nur in diesem) Paragraphen so häufigen Masse 1 Vs" = und«, 2/3" = se-
muncia u. s. w.
(3) Prou in seiner phantastischen Rekonstruktion (oben S. 112) machl
die xcciuJeotQicc zu Trägern der von ihm hinzugedichteten Hände : die Abbil-
dung mag wenigstens zeigen, wie sich ein moderner Techniker den Gegen-
stand in Metall ausgeführt denkt.
166 RUD. SCHNEIDER
oixSäv. « Die Parabel zeichnet man mit dem Diabetes, den mein
Lehrer Isidorns ans Milet erfunden hat. Beschrieben hat er dieses
Instrument in seinem Kommentar zu Herons Schrift Kamarika » .
Den Wert dieser kurzen Notiz hat bereits Baldi richtig er-
kannt, nur darin irrte er, dass er hinter den xcc/iiccQixa ein
Geschütz suchte (*) ; xa/jiaQa heisst die Wölbung, und diese
Bedeutung passt ausgezeichnet zum Texte und Bilde unseres Frag-
mentes. Und daraus folgern wir, dass Heron ein Buch « über die
Gewölbe » geschrieben hat, und dass der Baumeister Isidorns von
Milet, der im Auftrage Justinians mit Anthemius aus Tralles die
Sophienkirche nach dem Brande von 532 wieder aufbaute, diese
Schrift kommentiert hat, weil sie ein grundlegendes Werk über die
Konstruktion der Gewölbe war.
Ueber die xmoeidTj, die kegelförmigen Körper, besitzen wir
keine Tradition. Aber hier führen uns Text und Bild selber zu
einem greifbaren Ziele. Das genaue Ineinanderpassen der Zapfen
und Rinnen bezweckt doch offenbar einen luftdichten Verschluss;
und « die mit Ringen versehenen Stücke » sind nach der Figur
Röhren, die oben « eine Umbiegung haben ». Danach scheint es
mir sicher, dass wir hier ein Instrument vor uns haben, durch das
man Wasser aufsteigen lassen kann.
Ueberblicken wir nun nach diesen Einzelbetrachtungen das
ganze Schriftstück, so haben wir leider feststellen müssen, dass
wir über den Inhalt nur wenig Positives herausbringen. Nur das
negative Resultat ist gesichert, dass vom Geschützwesen kaum eine
Spur darin zu linden ist, und dass die Einzelabschnitte für sich
stehen und sich nicht aufeinander beziehen (2).
(1) Baldi, Heronis Ctesibii Belopoeca seu telifactiva. Augsburg 1G1G.
]>. 71 « Scripsit praeterea quaedarn (Heron).. de Gamaricis. Ilarum machi-
narum descriptionem quandam habemus in calce libri ßelopoeecon. » (nach
Trou).
(2) Henri Martin, Recherches sur la vie et les ouvrages d'IIeron d'Alex-
andrie (Mimoire* prcsentcs ä VAcade'mie des inscriptions et belies lettres
t. IV, 1 Paris 1854) hat das Richtige herausgefühlt, sich aber zuletzt doch
noch durch die Ueberschrift xst,(jnßcMiaTQK täuschen lassen. Er sagt p. 38
. rompose de trois parties; et le titre commun pourrait bien ne convenir
qu'ä lapremüre, qui parait un fragment plutöt qu'un opuscule complet; et
qul est peu intelligible. La x^QoßaXXlaTgn rCest pas nommöe dans le texte
mdme man st-ulement dans le titre.
HERONS CHEIKOBALLISTRA 167
Dieses Resultat findet eine überraschende Bestätigung durch
die einfache Aufzeichnung der Kapitelüberschriften :
Kavövsg
KluGig
KccjLißt'criQia
Kafiaoiov
Ka/iäxior
KmrosidTj
Alle diese Wörter haben den Anfangsbuchstaben K. Demnach
haben wir dao Bruchstück eines (antikem Brauche gemäss nur
nach dem ersten Buchstaben der einzelnen Worte geordneten)
Lexikons für Konstrukteure vor uns, dessen Inhalt uns unklar
bleiben musste, weil wir durch eine täuschende Gesamtüberschrift
irregeführt wurden. Von dem richtigen Verständnisse der einzelnen
Abschnitte sind wir allerdings noch weit entfernt, aber wir sind
doch nun wenigstens auf dem richtigen Wege und dürfen hoffen,
dass das Ingenium geübter Techniker, oder auch ein zufälliger
Fund, uns weiter helfen.
Die Uebersclirift und das Schlusswort.
Die Uebersclirift unseres Fragmentes hat auf die Forscher
genau so eingewirkt wie ein Gespenst: die einen wichen schau-
dernd vor dem Anblicke zurück, die anderen folgten dem geheimnis-
vollen Winken und Hessen sich in einen grundlosen Sumpf locken.
Dagegen giebt es nur ein einziges Mittel, aber das hat auch noch
niemals versagt; tritt mau dicht ans Gespenst heran und fragt es
dreist nach Namen und Herkunft, so verschwindet es.
Also was heisst denn %HQoßaXXiavQ<x eigentlich? Das Wort
giebt es gar nicht, weder bei den griechischen Technikern noch bei
den griechischen Historikern. Und damit wir jede Gegenrede kurz
abschneiden: auch ßaX{X)(axu, ßaX(X)iGxoct sind keine ursprünglich
griechischen Wörter. Die Griechen kennen nur xuxanäXxi]q, xa-
xccTisXx^g, XifroßoXog, nsxooßoXog u. dergl. ; nirgends ein Wort von
der Stammstufe ßaX-, wodurch es mir beinahe zweifelhaft wird,
ob die heutigen « Balistiker « ihren Namen mit Recht vom Ver-
bum ßaXXnv herleiten. Sicher ist jedenfalls, dass das älteste Zeug-
1G8 RUD. SCHNEIDER, HERONS CHEIROBALLISTRA
nis für « Balliste » aus dem Lateinischen stammt und dort den
Grundstock bildet für allerlei Ableitungen und Kompositionen:
balistarius, arcubalista, carrobalista, manubalista etc., und dass
erst die Byzantiner nach diesem römischen Vorbilde diese Ausdrücke
in ihr Griechisch aufgenommen haben. Die richtige Schreibung
der einzelnen Wörter ist bisher weder für das Lateinische noch
für die Byzantiner genau festgestellt, man schwankt zwischen:
balista und ballista, zwischen balistarius und balistrarius, zwi-
schen xBiQoßaXUarQa und xeiQoßoUa-cqu u. s. f. Aber das küm-
mert uns hier nicht weiter, denn es kann in keinem Falle die
Tatsache umstossen, dass die Byzantiner die lateinischen Wörter
übernommen haben, und dass also xsiQoßallidiQcc in unserer
Ueberschrift nach dem lateinischen Worte manubalista gebil-
det ist (»).
Haben wir somit festgestellt, dass ein byzantinischer Biblio-
thekar dem überlieferten Fragmente einen Namen gegeben hat,
um es zu rubrizieren, so brauchen wir uns wohl nicht weiter den
Kopf zu zerbrechen, warum er gerade diesen Namen gewählt hat.
Es kann ja sein, dass der Autor der Ueberschrift ein bischen von
der Sache verstand und dass er durch die Figur zum ersten Ka-
pitel an den rc«jroa<psvr]g des Heron erinnert wurde, der unten
auch ein « mondförmiges Stück » als Ansatz zeigt und oben einen
«« Schwalbenschwanz » ; vielleicht hat auch die Beischrift auf der
zweiten Figur auf ihn eingewirkt: aber das sind alles Nebensa-
chen, die nur dadurch ein gewisses Interesse haben, weil durch
den falschen Namen für Jahrhunderte eine falsche Auffassung her-
vorgerufen worden ist. Denn ohne diese irreführende Ueberschrift
wäre sicherlich unsere Schrift längst als das erkannt worden, was
sie ist: als ein Fragment aus einer Konstruktionslehre, die aus
guten Quellen in lexikalischer Ordnung zusammengestellt wurde.
Heidelberg. Rudolf Schneider.
C) Ich läugne natürlich nicht, dass die Römer die Geschütze und deren
Namen von den Griechen in hellenistischer Zeit entlehnt haben; aber ich
bestreite die landläufige Ahleitung vom Verbum ßäXXeiv mit Entschiedenheit.
Die militärischen Kunstausdrücke verdienen eine sorgsame Untersuchung,
die für Sprache und Geschichte wertvolle Resultate bringen wird.
DER DORISCHE TEMPEL BEI S. NICOLA IN CARCERE.
(Mit Taf. V).
Während den Architekten der Renaissance für ihre Studien
über composite, korinthische und ionische Ordnung ein äusserst
reichhaltiges Material in den Bauten der römischen Kaiserzeit zu
Gebote stand, waren Monumente dorischer oder « tuscanischer » Ord-
nung ihnen nur in geringer Anzahl zugänglich. Die unteren Stock-
werke des Colosseums und des Marcellustheaters, die Reste der
Basilica Aemilia am Forum, die Substructionen des Caelius bei
S. Giovanni e Paolo (sog. Vivarium), ein jetzt verschwundenes Grab
bei Ponte Nomentano (v. Fabriczy Giuliano da Sangallo S. 51. 81)
sind deshalb immer und immer wieder aufgenommen worden, und
ihre Zeichnungen von einem Künstler zum andern, aus einem
Musterbuch ins andere gewandert: denn der praktische Gesichtspunkt
der Wiederverwendung für moderne Bauten stand bei diesen Auf-
nahmen fast immer in erster Linie. Zu den im sechzehnten Jahrhun-
dert viel studierten Monumenten dorischen Stils gehört auch ein
heut nur noch zum Teil erhaltenes, der südlichste unter den drei
Tempeln bei S. Nicola in Carcere am Forum holitoriuin : eine Zusam-
menstellung der Renaissance - Zeichnungen und eine kritische Erör-
terung ihres Wertes scheint um so erforderlicher, als in der neuesten
Monographie (*), die sich mit diesem Bauwerk beschäftigt, jenes
(') R. Delbrück, Die drei Tempel am Forum holitoriuin in Uom (1903).
Auf S. 8. werden ausser Serlios und Labaccos Publikationen noch citieit
« B. Peruzzi Ufliz. n. 477. 478. 536. 537. 573. 631 » (das sind die von Lanciani,
Ruins and Excavations S. 514 angeführten Blätter) und » Sangallo Uli/.
1657; danach lieber Ruinen Korns Taf. zu S. 208». Schon aus X. I-Yrris In-
dice geografico-analüico dei dlsegni di architettura d-- Uleria degli
U/fizi (Rom 1885) hätte D. entnehmen können, wie zahlreiche Blätter sich
ausserdem allein in Florenz befinden.
12
170 CH. HUELSEN
reiche und wichtige Material sehr mit Unrecht fast ganz vernach-
lässigt ist.
Ich stelle zunächst die mir bekannt gewordenen Zeichnungen,
die sich ganz oder hauptsächlich auf den südlichen Tempel be-
ziehen, zusammen. Manches, und vielleicht manches wichtige wird
sich noch in mir unzugänglichen Sammlungen verbergen, oder in
den von mir durchgesehenen übergangen sein (J) : mögen diese Zeilen
dazu beitragen, solche Nachträge ans Licht zu fördern !
I. Baldassarre Peruzzi (1481-1536) hat, als er für die
Massimi ihren Palast auf den Ruinen des Marcellustheaters um-
baute, die drei Tempel, wie überhaupt alle benachbarten Ruinen,
für sein beabsichtigtes libro dell'Antichitä di Roma, gründlich
studiert. Auf den dorischen beziehen sich:
Uffiz. 477. Sorgfältige Federzeichnung mit vielen Maassen in braccie Fio-
rentine. Plan, Aufriss der Fassade, Profil von Kapitell und (iebälk, Ober-
schwclle und Gewände der Tür. Reproduziert auf Tf. V.
Uffiz. 478-f- 631. Desgleichen. Pläne aller drei Tempel; vom südlichen
nur ein kleiner Teil (2).
Uffiz. 536. Skizze in Rotstift. Profil von Kapitell und Gebälk « in carcere
Tulliano »; Plan des Tempels « prope theatrum Mareelli».
Uffiz. 536 v. Skizze in Rotstift mit wenigen Maassen. Plan des Tempels
und Profil des Türgewändes.
Auf Peruzzi beruhen (3) die von Seb. Serlio {Architeltura,
1551) publizierten Zeichnungen (1. III p. 25: Plan des dorischen
(l) Absichtlich nicht weiter berücksichtigt ist im Folgenden der kurze
Abschnitt aus Ligorius Bodleianus f. 14 (Middleton, Archacologia, LI, 1,
p. 196), wo zwei restaurirten Plänen des mittleren und südlichen Tempels
beigeschrieben ist: Quesle (lue piante sono delli due templi; questa pianta
disegniata minore et segniata A e di un tempio Dorico ; la pianta mag-
giore ctie segnata G e del tempio lonico. Ambedue li templi parte sono
pigliati dalle ruine, et parte le ho consideratc dalle istesse ruine, secondo
si e potuto considerare. I detti templi erano Vuno appresso deWaltro, come
mostrano le presenti piante.
(3) Die beiden Blätter 478 und 631 sind seit Jahren als zusammenge-
hörig erkannt und vereinigt : sie waren es freilich noch nicht, als Lanciani
.-'■ine Studien über die Florentiner Zeichnungen machte.
(9) Vgl. Vasari Vita cli Baldassarre (vol. IV p. 606 ed. Milanesi 1879):
rima i molte cose di Baldassarre, Sebastiano Serlio bolognese ; il
quäle [<■< e il terzo libro deWarchitettura ed i! quarto deWantichitä di Borna
misurate; cd in queste le giä dette fatiche di Baldassarre furono parte messe
in margine, e parte furono di molto aiuto alVautore.
DER DORISCHE TEMPEL BEI S. NICOLA IN CARCERE 171
Tempels; p. 26 Kapitell. Gebälk, Türgewände; 1. IV p. 19 v. :
Kapitell allein).
II. Skizzenbuch aus dem Anfang des 16. Jhdts., sog. An-
dreas Coner, (') im Museum Soane in London (herausgegeben von
Ashbj, Papers of the British School al Home vol. II. 1904) f. 74.
Saubere Federzeichnung, mit Lineal, in den Schatten ein wenig
laviert. Perspektivische Ansicht des Kapitells mit vielen Maassen
nach Florentiner oiice und minuti; vom Architiav darüber nur
die Hauptmaasse verzeichnet.
Copiert nach dieser Zeichnung resp. nach gemeinsamer Vorlage
ist ein Kotstiftblatt ohne Maasse, in Casa Buonarroti in Florenz.
S. Ashby p. 82. Dass dies letztere eine eigenhändige Zeichnung
Michelangelos sei, bestätigt mir Hr. Dr. H. E«-£rer.
III. Sehr eingehend haben sich die San gallo, namentlich An-
tonio d. J. mit dem Tempel beschäftigt: wir werden unten (S. 176)
sehen, aus welchem äusseren Anlass. Ausser den nachstehend ver-
zeichneten Blättern finden sich gelegentliche Erwähnungen des dori-
schen Tempels auch auf anderen, welche hauptsächlich den mittleren
und nördlichen behandeln. Alle Blätter bei denen nichts anderes
bemerkt ist, sind Handskizzen in Federzeichnung, ohne Lineal
und Zirkel, von Antonio d. J. :
Uffizi 1090 (Ferri Inclice p. 195). Skizze mit vielen Maassen : « questo era
Joricho caveva lo intercolumnio degli angoli piü stretti tanto che il trigliffo
veniva in sul canto e le metofe si erano equale e le colonne none avevano basi».
Ufliz. 1090 v. Vordere Ecke des Tempels, Plan mit einigen Maassen.
TJffiz. 1174. Pläne aller drei Tempel und Kekonstruktionsversuche,
namentlich auf Grund der Aufnahmen Bl. 1090. Dem dorischen ist beige-
schrieben: «questo aveoa li triglifi, in sul canto eile metofe eguale, maliin-
tercolumni di sul cantone erano piü stretti chelli altri d'da 8, cosl delli
(') Die Benennung des Skizzenbuches beruht darauf, dass auf f. 47
ein Brief dieses Gelehrten an Bernardo Bucellai (über das Menologium rusli-
cum Vallense) in Abschrift enthalten ist. Aber Coner war, wie der Brief und die
von Ashby im Anhange S. 75-79 herausgegebenen Dokumente zeigen, Philo-
loge und Astronom, und verstand ohne Zweifel mehr Latein als der Autor der
Zeichnungen. Eher dürfte der Zeichner oder Sammler ein den Kucellai naheste-
hender Florentiner Architekt gewesen sein, worauf auch schon die durchgän-
gige Anwendung des Florentiner Maasstabes hinweist. Vgl. auch H. Egger's
Besprechung in den Wiener « Kunstgeschichtlichen Anzeigen » 1906 n. 3.
r/2
CH. HUELSEN
(due) lali come per faccia, quäle e uno dei due inconvenienli che dice Vi-
truvio che sie quando si mette li triglifi in sulli canti che necessario o che
si faccia ditto intercolumnio piü stretto e la metofa del canto piüllarga
chellaltri ».
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Ib 10
TOT
Fig. 1.
Uffiz. L230 (Ferri Indice p. 195. 199). Gebälk, mit Maassen: « la cor,
doriea di giovc Statoren. Durchgestrichen. Darüber: Versucb der Triglyphen-
ung, ähnlich 1090.
üffiz. 1233 (Ferri p. 195). System der Intercoluinnicn (ohne Maa
und Gesims (mit wenigen Maassen): « di love Statore».
DER DORISCHE TEMPEL BEI S. NICOLA IN CARCERE
IT:'.
Nach diesem Blatt ist copiert (von Gio. Battista da Sangallo) Uffiz. 1270
(Ferri p. 199): « cornice dorica di guel tempio presso S. Nicola; porta delle
carceri ".
Uffiz. 1372 (Ferri p. 199. 195). Schcmatischc Skizze von Podium, Siiulen-
> Jörne Y) ^pr>
Fig. 2.
Ordnung und Gebälk mit wenigen Maassen : « Tempio doricho acanto S'° Ni-
chola».
Uffiz. 1373 v. Planskizzen der drei Tempel; der südliche bezeichnet
u quello del fieno achanto a Sto. iXiehola».
Uffiz. 1374 v. Plan der Pronaos (ohne Masse) und Skizze der Thiir (mit
wenigen Maassen): « achanto a S. Nichola in charcere ».
174 CH. HUKLSEN
Uffiz. 1375. Gio. Batt. da Sangallo (Ferri p. 190). Thüreinfassung mit vielen
Maassen in braccia und minuti. « Questa porta doricha si e dirieio savegli a
rischontro a S. Nichola in charciere cioe alla porta del fiancho ».
Uffiz. 1376 (Ferri p. 195). Skizze in Rotstift, einiges mit der Feder
nachgezogen. Grundriss der Vorhalle : « a Santo Nichola in carcere adentro ».
— Profil des Kapitells mit zahlreichen Massen: « chapitegli di queslo edifizio
di studio ».
Uffiz. 1377 (Ferri p. 195). Grundriss mit Maassen an der Rückwand des
Tempels: « da mezo a mezo delle cholone — da chapo, perche non si puo
misurare dapie». Nach einer von mir genommenen Pause reproduziert (in
er. lU der Originalgrösse) S. 172 Fig. 1.
Uffiz. 1377 v. Aufriss des Gebälkes und der Giebelecke, mit vielen Maassen.
« Di dentro posava la volta suWarchitrave coine qui in disegno — Archi-
traue groso el suo letto dove posa sulle cholonne B. I o. 3 ». Nach einer
Pause, die ich der Güte von IL Brockhaus verdanke, reproduziert (in '/-)
S. 173 Fig. 2.
Uffiz. 1657. Gio. Batt. da Sangallo (Ferri p. 195. 199). Planskizzen aller
drei Tempel, mit vielen Maassen, einige Details. Reproduziert auf Taf. V.
Uffiz. 1658. Derselbe (Ferri p. 195. 199). Profil des Thürgewändes, mit
Maassen. « Cornicie de quell o tempielto dove staoa giä el fieno acanto a Santo
Nicola in carciero, sta nel cortile de farnese adesso, del difizio dorico ».
Uffiz. 1883. Derselbe. (Ferri p. 195). Fassade des dorischen Tempels,
flüchtig mit wenigen Maassen. « Acanto S. Nicola in carcere ».
IV. Andrea Palladio (in Rom 1541-1548) hat unter
seinen Zeichnungen, früher in der Sammlung des Duke of Devon-
shire, jetzt im Royal Institute of British Architects in London,
Band XL Blatt 5, Grundriss, Aufriss und Details vom dorischen
Tempel. Sorgfaltige Linearzeichnungen, in den Schatten etwas laviert.
- Questo lempio c appresso S. Nicola in Carcere Tuliano, et c di
travertlno, coperto di studio » . Masse in Vicentiner Fuss (zu 12 once
zu je 4 minuti: der Maasstab am oberen Rande angegeben). Beiste-
hend (Fig. 3) auf etwa '/3 der Originalgrösse reduziert.
Nimmt man hierzu noch die publizierten Blätter in Antonio
Labaccos Libro appartenente all' Architettura (Tf. 24 Plan und
Gesamtansicht der drei Tempel; Tf. 25 grössere Perspektivansicht
des dorischen Tempels allein), so wird jeder Sachkundige zugeben,
ilass wir für nicht viele der verschwundenen Monumente des alten
Roms ein so reiches Material besitzen, wie für den « lempio dorico » .
Und die Zeugen, auf welche dies Material zurückgeht, sind in
hohem Grade sachverständig und vertrauenswürdig. Selbst wenn nur
die eine Zeichnung Baldassarre Peruzzis n. 477 auf uns gekommen
DER DORISCHE TEMPEL HEI S. NICOLA IN CARCERE
175
Piff. 3.
176 CH. HUELSEN
wäre, dürfte sie nicht unberücksichtigt bleiben; werden nun Pe-
ruzzis Angaben noch durch andere von ihm unabhängige (') Zeug-
nisse bestätigt, so hat eine methodische Untersuchung die Pflicht,
mit ihnen als mit Tatsachen zu rechnen (2).
Fassen wir zunächst zusammen, was sich aus den Angaben
Peruzzis und Sangallos über die Gesamtanlage des Tempels ergiebt.
Es standen in der ersten Hälfte des 16. Jhdts. nicht nur, wie heute,
einige Säulen des nördlichen Pteron, sondern auch grosse Teile des
Pronaos, ferner die Cellamauern und das rückwärtige Pteron: von
allen drei Tempeln war damals dieser der am besten erhaltene (3).
Wahrscheinlich in dem Dezennium 1540-1550 fiel er dann der
Zerstörung zum Opfer: bei welcher Gelegenheit, deutet uns die
Beischrift auf Gio. Batt. da Sangallo's Blatt 1658 an : « comice di
quello tempio clove stava giä ü fieno [vgl. n. 1373 « quello del
fieno »] accanto a San Nicola in Carcere, sta nel cortile de
Farnese adesso, del edißäo dorico » . Ohne Zweifel gehörte also
der Tempel zu den zahlreichen antiken Gebäuden, die für den
Palazzo Farnese, wahrscheinlich in der grossen Bauperiode 1542-
1549, Material liefern mussten; dass urkundliche Belege dafür
bisher nicht zu geben sind, kann nicht verwundern, wenn man be-
denkt, wie wenig die (von Lanciani slor. d. scavi 2, 149 f. zusam-
mengestellten) Dokumente gerade darüber lehren, woher die Ma-
terialien genommen wurden.
(') Von Peruzzi abhängig scheint, ausser Serlio, auch Palladio : auffällig
ist namentlich, dass auf demselben Palladio-Blatte links unten (unbezeichnet)
das rrofil vom Basament des Grabes der Caecilia Metella erscheint, gerade so
wie bei Peruzzi 477. Doch scheint er, wofür sowohl die Verwendung des
verschiedenen Massstabes wie manche Abweichungen im Einzelnen (s. u.
S. 180 Fig. 5) sprechen, die Details selbst aufgenommen und gemessen zu-
haben.
(2j Delbrück, der freilich das Material nur sehr ungenügend gekannt hat,
verwirft diese sämtlichen Zeugnisse weil « die Zeichnungen der Renaissance -
Architekten bei ihren starken Abweichungen von der Wirklichkeit [wir werden
unten seilen wie es sich damit verhält] nicht zur Ergänzung verlorener For-
men und Maasse zu gebrauchen sind ». Ich kann dies Verfahren nicht eben
lugisch finden. Wer einem Peruzzi und Sangallo nicht traut, dürfte conse-
quenter Weise auch die Angaben Caninas und Uggeris nicht verwerten.
Dies bestätigt auch die Häufigkeit der Zeichnungen: ist er doch
der einzige von den dreien, den Serlio überhaupt, und den Labacco in grös-
m Maasstabe in seine Sammlung aufgenommen hat.
DER DORISCHE TEMPEL BEI S. NICOLA IN CARCERE 177
Ueber den Grundriss des Tempels, von dem nach Delbrück
so gut wie nichts bekannt wäre ('), können wir demnach folgendes
als gesichert annehmen : es war ein Peripteros mit acht Säulen in
der (dem Forum holitorium zu, nach Osten gerichteten) Front, elf
Säulen an den Seiten. Die Vorhalle war drei Intervalle tief: ihre
Ausgestaltung bleibt infolge der starken Zerstörung ungewiss (2).
Erhalten war die Vordermauer der Cella, und in ihr die unge-
wöhnlich hohe Tür mit marmornem Gewände (')• Grossenteils
erhalten waren auch die äusseren Langwände der Cella: sie waren,
entsprechend den sieben Säulen der Ptera durch ebensoviele Pi-
laster gegliedert. Das Material der Cellamauern war Peperin.
Die Angaben über die Axweite der Säulen des Pterons stim-
men hinlänglich zu den von Delbrück festgestellten, um die Genauig-
keit der alten Aufnahmen zu gewährleisten. Peruzzi und Sangallo
1377 geben dafür br. 3 m. 14 = m. 1,865, Sangallo 1657 giebt 6
p. 6 onc. = m. 1,92 (m. 1,875 Delbrück). Dagegen weichen sie
nicht unerheblich ab für die Säulendicke. Delbrück giebt den un-
teren Durchmesser an mit 625 mm., die Zahl für den oberen ist
auf seiner Taf. II augenscheinlich fehlerhaft mit 452 eingeschrie-
ben, vielleicht ist 542 gemeint. Dagegen haben
Peruzzi Sang. 1377 Sang. 1657
unterer Durchm. br. 1 m. 18 br. 1 m. 20 p. 2 V«
= m. 0, 707 =m. 0,728 = m. 0,735
oberer Durchm. br. 1 m. 5 br. 1 m. 3
= m. 0,604 =m. 0,574
Canina giebt p. 2 o. ' /. = m. 0,663 und p. 1 o. 9 = m. 0,569 an.
(') S. 23: « Die Fassade sah nicht nach Norden, weil hier der mittlere
Tempel so nahe an das Podium herantritt, dass kein Raum für die Treppe
bleibt; wohin die Fassade aber gerichtet war, ist unbekannt, ebenso Länge,
Breite und Form des Tempels ».
(2) Vgl. Serlio p. 25: 11 portico inlorno al tempio era lacunariato, cioe
fatto a quadroni (flüchtige Andeutung von « lacunari » haben die Zeich-
nungen Sangallos Uffiz. 1174), ma la parte davanti spacciosa non si com
prende in che modo fasse coperta per essere ruinata.
(3) Die Oberschwelle der Tür lag in gleicher Hübe mit dem Abacus des
Kapitells der Säulen, wie Peruzzi und Sangallo ausdrücklich bezeugen (diese
Dimensionen giebt der Tür auch Labacco Tf. 25, während Serlio sie zu klein
178
CH. HUELSEN
Direkt messbar ist heute keine einzige Säule, da alle zur Hälfte
und mehr eingemauert sind. Auch ist Bearbeitung und Erhal-
tung der einzelnen Schäfte so verschieden, dass sich volle Ueber-
• "■v" . " ^*
Fi. 4.
einstimmuug in den Maassen nicht erwarten lässt. Die einzige
von aussen sichtbare Säule des nördlichen Pfceron ist in Fig. 4 wie-
dergegeben.
zeichnet). Die Grösse der Tür wird dadurch erklärlich, das.s sie die einzige
Lichtquelle für den Innenraum bildete; Serlio a. a. 0. Bagt ausdrücklich: non
vi si veggono veslvji di finestre.
DER DORISCHE TEMPEL BEI S. NICOLA IN CARCHRE 179
Nicht minder wichtige Aufschlüsse geben uns die alten Zeich-
nungen über die Einzelformen des Tempels. Ganz verloren ist
heutzutage das Giebelgeisou mit weit ausladender Hohlkehle: zu
seiner Rekonstruktion bieten die Detailzeiclinungen Peruzzi's und
Sangallos hinlänglichen Anhalt.
Das Gebälk war im 16. Jhdt. gleichfalls besser erhalten.
Das Gesims au der Aussenseite hatte als oberstes Glied eine ziem-
lich stark ausladende Hohlkehle mit schmalem Streifen darüber.
Heutzutage fehlt diese: statt ihrer sieht man nur einen er. 10 cm.
hohen Streifen mit rauher Oberfläche (')• Irrtümlich giebt Delbrück's
Zeichnung Tf. II hier eine senkrechte glatte Fläche: im Text
wird dies Gebilde beschrieben als « stark ausladendes Blockgesims
mit wagerechter Häugefläche und senkrechter Stirnfläche, die in
zwei gleich hohe Streifen zerlegt ist » — eine unschöne und plumpe
Form, für die sich im Bereich der griechischen und italischen Ar-
chitektur keine Analogien linden lassen.
Dem Friese sehreibt Peruzzi bei: ' opera dl tiburtino giä co-
perta dl stucchi ' ; und offenbar ist von der Dekoration hier schon im
16. Jhdt. nichts mehr vorhanden gewesen. Den Triglyphenfries mit
Waffen in den Metopen auf Labaccos Stich wird natürlich niemand
ernst nehmen; auch die Beischriften A. da Sangallos zu Uff. 1090
und 1174 sind nur als Erläuterungen zu einer hypothetischen
Kekonstruktion zu betrachten.
Den Architrav, den äusseren wie den inneren, zeichnen die
alten Architekten sowie er sich jetzt zeigt. Sehr bemerkenswert ist
dagegen die Differenz in der Darstellung des Kapitells. Während
jetzt über dem obersten glatten Streifen des Schaftes nur ein ein-
faches dorisches Kapitell mit niedrigem straffen Echinus und
ebenfalls niedrigem Abacus sichtbar ist, zeichnen die Architekten
der Renaissance ein weit reicheres, durch Riemcheu, Stäbe und
Kymata belebtes Profil. Delbrück (S. 8) findet sich mit dieser Dif-
ferenz sehr leicht ab, indem er erklärt, Peruzzi habe sein Kapitell
« ähnlich dem vom Scenenhause des Marcellustheaters •>, Sangallo
das seinige « ähnlich dem aus dem Stadium des Palatins » (das
aber erst im 19. Jhdt. bekannt geworden ist) ergänzt. Wer einige
(') Hr. Dr. H. Egger macht mich darauf aufmerksam, dass die oberste
Hohlkehle möglicherweise auf dieser rauhen Fläche in Stuck anmodelliert war.
180
CH. HUELSEN
Vertrautheit mit der Arbeitsweise der Renaissance-Architekten be-
sitzt, wird es unglaublich finden, dass beide Künstler sich das Ver-
gnügen gemacht haben sollten, einem von ihnen restaurierten Detail
so viele genaue Masse beizuschreiben. Die beistehende Figur 5
gicbt die Profile nach den vier wichtigsten Zeichnungen: die Ue-
bereinstimmung ist so gross, wie man sie bei nicht in Stein ge-
Peruzxl 4//. Janßatlo 13/6
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^ friede vicenhno 0.?W? in föojice e 4- Minute .
Fig. 5.
hauenen, wohl auch in der Ausführung und Erhaltung verschie-
denen Formen erwarten kann. Unsere Gewährsmänner haben ohne
Zweifel alle nur gezeichnet und gemessen was sie sahen ; und die
scheinbare Differenz mit dem heutigen Zustande erklärt sich durch
die wiederholte ausdrückliche Angabe, Säulen und Kapitelle seinen
dl studio oder coperte di stucho gewesen. Der jetzt übrige Tra-
vertin-Abacus und Echinus sind nur die Unterlage, übe* welche
jene Zierglieder in Stuck anmodelliert waren: wie man sich das
zu 'lenken hat, und wie die Maasse der alten Autoren dazu stimmen,
mag Figur 6 zeigen.
DER DORISCHE TEMPEL UFA S. NICOLA IN CARCERE
181
Dass diese Kapitellform die ursprüngliche des Tempels ge-
wesen sei, kann natürlich nicht mit Sicherheit behauptet werden :
möglich dass die erste einfacher war, und sich derjenigen der Ka-
pitells vom Tempel des Juppiter Latiaris (u. S. 186) näherte. Bei
Fig. 6.
späteren Restaurationen wurden dann allmählich reichere aufge-
tragen, in ähnlicher Weise wie dies bei dem Tempel aui Ponte Rotto
(Delbrück Tf. III, 1) oder dem Magna Mater-Tempel auf dem
Palatiu der Fall ist.
Die Berichtigungen und Ergänzungen, welche wir so aus den
alten Zeichnungen gewinnen, wirken aber wesentlich ein auf die Ge-
samtresultate der D. 'sehen Untersuchung. Weder die relative noch
182 CH. HUEI.SEN
die absolute Chronologie der Bauten, wie D. sie ermittelt zu haben
glaubt, lässt sich aufrecht erhalten.
Für den ältesten Tempel erklärt D. den südlichen « dori-
schen » und zwar nur auf Grund stilistischer Analyse der Einzel-
formen, da er sich die Beurteilung des Grundrisses durch Nicht-
beachtung der älteren Quellen unmöglich gemacht hat. D. findet
(S. 24) : « ohne weiteres wird jeder zugestehen, dass seine (des
dorischen Tempels) Formen ganz ungriechisch sind, die der beiden
anderen Tempel aber hellenistisch, dass er also, wie die römische
Kunstgeschichte verlaufen ist, älter sein muss als seine Nachbaren » .
Die Säulen, heisst es weiter S. 45 sind ausgesprochen etruskischen
Stils, mit glattem Schaft, und einem Kapitell, das fast nur in
Etrurien und Nordafrika einige Analogien hat.
Nun sind aber sämtliche Säulenschäfte (wie D. S. 23 selbst
angibt) gerauht zur Aufnahme von Stuck. Ob dieser Stuck eine glatte
cyliudrische Fläche repräsentierte, oder ob flache Kanneluren an-
modelliert waren, ist nicht zu entscheiden ; für die erste Möglichkeit
spricht Sangallos Zeichnung Uff. 1657 (S. Tf. V) vom > Capitello
dello Loscano ».
Auf die Form des Kapitells legt Delbrück besonderes Gewicht;
am Schlüsse seiner ausführlichen Erörterung bezeichnet er es als
« eine nicht unwahrscheinliche Vermutung dass hier vielleicht eine
chalkidische Säulenform vorliegt, die in vorderasiatischer Tradition
stände und von den chalkidischen Colonien Campaniens sich nach
Mittelitalien und Afrika verbreitet und dort im stillen Wasser
erhalten hätte, während sie in Griechenland früh von den kano-
nisch-dorischen Formen verdrängt worden wäre ■ . Sehen wir, wie
es mit der Begründung steht.
Für den chalkidischen Ursprung soll beweisen die Amphora
bei Gerhard AV. 190 (das Original, nach einer freundlichen Mit-
teilung F. Hausers, j. in Paris Cabinet des medaüles). Auf dieser
ist eine Säule mit mykenischen Toruskapitell (also sehr verschieden
von dem römischen) sichtbar, um deren Hals eine horizontale Linie
geht. Dass das einen breiten Halsmantel bedeuten solle, ist ganz
unsicher, da die Hauptsache, nämlich ob der Streifen plastisch
abgesetzt sein soll (wie auch D. selbst zugiebt) gar nicht zu sehen
ist. Darauf dass die Säule keine Kanneluren hat, wird bei der Dar-
stellungsweise schwarzfiguriger Vasen wohl Niemand Gewicht legen.
DKR DORISCHE TEMPEL BEI S. NICOLA IN CARCERE 183
Reichlicher sind scheinbar die rnittelitalischen Beispiele ; aber
schon das einzige welches D. abbildet, die Mittelstütze in der
Grotta della Colonna bei Bornarzo (') zeigt in der Kapitellform
wesentliche Unterschiede, da dort kein Abacus und statt des breiten
Halsmantels nur ein schmaler Streifen vorhanden ist. Das Fehlen
von Kauneluren am Schaft ist hier auch kein Beweis, da es sicli
gar nicht um eine Vollsäule, sondern um eine Stütze von unre-
gelmässigen Querschnitt handelt. An den Grabfassaden von Nor-
chia sind heutzutage nur ganz kümmerliche und fast formlose
.Reste vom Abacus des Kapitells vorhanden ; Delbrück hält sich
an Cauinas Kecoustruction {Etruria marütima II Tf. 94), deren
Zuverlässigkeit er durch eine sehr gezwungene Argumentation zu
retten sucht (2). Schlägt man Cauinas Werk selbst auf, so wird
man erstaunen, wie D. an diesen winzigen und schematischen
Zeichnungen charakterische Aehnlichkeit mit dem römischen Ka-
pitell zu erkennen in Stande gewesen ist. Noch mehr aber wird
man überrascht sein wenn man Caninas andere beiden auf diesel-
ben Grabfassaden bezüglichen Tafeln ansieht: Tf. 93 zeisffc statt
der Säulen quadratische Pilaster mit ganz verschiedenen Kapitel-
len, und der stato attuale Tf. 91 bestätigt, was auch in Text (p. 68)
ausdrücklich steht, dass Canina von den Säulenschäften gar nichts
mehr gesehen, und die Kapitelle frei ergänzt hat ! — Sehr entfernt
(') Nach der Zeichnung Knapps Mon. delVIst. I Tf. 40, deren geringe
Zuverlässigkeit im Vergleich zu Dennis ( Cities and Cemeteries of Etruria
I3 p. 167) neuerdings Petersen (in diesen Mitteilungen 1904, 247) dargetan
hat.
(2) S. 44: «die Felsfassaden von Norchia scheinen Säulen zu haben,
welche denen des tuscanischen Tempels sehr nahe stehen. Die Capitelle glei-
chen sich — nach Caninas Reconstruction — , auch in Norchia sind die
Schäfte glatt und fehlen die Basen. Die Photographioen lassen nicht erkennen,
ob Canina die Formen richtig auffasste ; dafür spricht aber der Umstand,
dass sie ihm wenig geläufig waren, und man nicht versteht wie er auf sie
geführt wurde, wenn nicht durch das Aussehen der Reste «. Als ob Canina
oder seine Zeichner bei dem Grossbetriebe, der in seinen Ateliers in den vier-
ziger Jahren berrschte, für millimeterhohe Details viel Zeit und Gedanken übrig
gehabt hätten ! Die ganzen auf die Gräber von Norchia bezüglichen Tafeln sind
nichts als eine Ueberarbeitung der Leuoirschen (Mem. dell'Istit. I Tf. 18), mit
wenigen auf eigener Beobachtung beruhenden Veränderungen und Zusätzen
Ein Kapitell aber wie das Tf. 94 zu rekonstruieren konnte dein Autor der Ar-
chiteltura antica wahrlich nicht schwer fallen.
184 CH. HUELSEN
ist auch die Aehnlichkeit mit den Waudpilastern in den Gräbern
von Cerveteri und Corneto.
Die Säule vom Mons Albanus (Fig. 8 S. 186) zeigt, neben eini-
gen Aehnlichkeiten, auch manche Abweichungen, und ist für die Da-
tierung des römischen Baues jedenfalls nicht zu gebrauchen. Die ein-
zige wirkliche Parallele bietet das Kapitell des griechisch punischen
Mausoleums Souma-el Kroub bei Cirta : namentlich hat es den auffal-
lend breiten Halsmantel. « Nach ihrem Schnitte » sagt D. S. 45
« würde man diese Kapitelle in Griechenland in das sechste Jhdt.
setzen, während mau in Afrika wohl erheblich herabgehen muss » .
Das unbestimmte « erheblich » können wir ruhig durch ein « etwa
400 Jahre » ersetzen. Das Mausoleum von Soumaistein Prachtgrab
von so komplizierter Form (massives quadratisches Sockelgeschoss,
zweites Stockwerk von vier massigen Pfeilern, oben eine lichte Halle
von acht Säulen mit Giebeln nach den vier Seiten) wie sie in
Griechenland und dem Osten schwerlich vor dem 4. Jhdt. nachzu-
weisen ist: in Cirta wird man es mit der Epoche des Micipsa zu-
sammenbringen, der nach Strabos Zeugnis (') « die Stadt stark
befestigte und schön ausbaute, und auch Griechen dort ansiedelte » .
Damit kommen wir aber ans Ende des zweiten, wenn nicht noch
in das erste vorchristliche Jahrhundert.
Wollte man Abbildungen dorischer Architekturen auf Reliefs
heranziehen, so wäre es nicht schwer, noch manche Beispiele mit
dem breiten Halsmantel zu finden, die jedoch keineswegs hochar-
ehaisch sind. Ein solches, von besonders guter Ausführung und
Erhaltung, ist ein Relief im Museum zu Modena, welches von
einem Grabmonument aus dem Anfange der Kaiserzeit herrührt, und
beistehend (Fig. 7) zum ersten Male vollständig abgebildet wird (2).
Das Pilasterkapitell hat breiten Halsmantel, welcher deutlich
plastisch abgesetzt ist. Aber folgern wird man daraus weiter
(') 17 p. 832: KiQta . .. rröhg tvsQxeari'arj xal /.((xaaxevnauivt] xu'ACog roTg
no.ai . yav fidXiora bnb Mcxiipa, ügrtg xal "EXXrjvag awioxiasv £v ai>t%. S. Gsell
Mon. de VAlgSrie I, 62 f.
('-) Das Relief, mit mehreren arideren Stücken gefanden bei Saliceto
Panaro 2 kra. östlich von Modena, bestellt aus zwei Tafeln von je 1,04 m.
(=4 rüin. Fubs.) im Quadrat. Nur die Phalerae sind, nach einer ungenügen-
den Zeichnung, abgebildet Annali 1846 tav. d'agg. D (mit Commentar von
i pp. 110-128).
DER D01USCMK TEMPEL BEI S. NICOLA IN CAKCERE
185
niclits dürfen, als dass Laune oder Ungeschick eines provinzialen
Steinmetzen gelegentlich auch noch in später Zeit eine Kapitell-
form entstehen Hess, welche mit entlegenen archaischen eine ge-
wisse Aehnlichkeit zeigt, obwohl der Urheber wohl selbst sehr
erstaunt wäre, sein Elaborat mit Khorsabad und Ninive in Ver-
bindung gebracht zu sehen.
Fig.
Ein zweites Merkmal von hohem Archaismus soll die Ge-
simsform des römischen Tempels sein, ein « Blockgesims »: als
hauptsächliche Analogien werden zwei etruskische Hausurnen an-
geführt, welche eine Holzkonstruktion darstellen, die als Urform
des Horizoutalgeisons des südlichen Tempels zu betrachten sei.
Bewirkt wird die Aehnlichkeit hauptsächlich dadurch, dass sich
zwei Trägerschichten übereinander vorschieben, so dass die Balken-
köpfe zwei ziemlich gleich hohe Streifen bilden. Aber dass etwas
ähnliches an dem Steingesims der Fall gewesen sein sollte, beruht
nur auf einer ungenauen Beobachtung Delbrücks (s. o. S. 179).
13
186
CH. HCELSEX'
Dagegen ähnelt allerdings das Gesims vorn Mons Albanns dem
römischen mehr, nur in einer andern Weise als Delbrück annimmt.
Die « starke Bosse au der oberen Hälfte der Stirn » ist nämlich
cv
A
«Hfl
5 .. . . ,' -..-.■ - ... tati
nsfia Tav.J.con la
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£ Ccrn ice natata uet -
/aTtTv.f.con /h L-rt D
j.zfrjrtlur-. -.-.._- .. lor • a ■■': U'ercfine njtiti nel/a
" /j rupe JfJ/j n/un de/ m
cvr
•tipe t
' monte ver/i {.Aricciji
Fig. 8.
viel stärker als sie auf dem Facsimile Tat'. IV. 2 erscheint. D.
muss hier durch ein schadhaftes oder interpoliertes Exemplar des
Piranesisehen Stiches irre geführt worden sein: wie die Form in
sämtlichen mir hier zugänglichen Abdrücken Piranesis aussieht,
DER DORISCHE TEMPEL BEI S. NICOLA IN CARCERE 187
zeigt Fig. 8. Und nur zu dieser stimmt auch die (von D. über-
sehene) perspektivische Darstellung desselben Gesimses auf Tf. I,
D der Antichitä di Albano.
Nehmen wir hinzu, dass auch der Grundriss des Tempels nicht
(wie der des nördlichen) italisch, mit dreiseitiger Peristasis und
verlängerter Rückwand der Cella war, sondern ein griechischer
Peripteros, so wird der Glaube an den hohen Archaismus des
Baus wohl einigermassen erschüttert sein. Und zum gleichen Re-
sultat führt uns die Prüfung des für den Bau verwendeten Ma-
terials.
Am südlichen Tempel ist Peperin nur für Podium und Cel-
lawände, Travertin für Säulen, Kapitelle und Gebälk verwendet:
charakteristisch im Vergleich zu den beiden benachbarten Tempeln
ist die starke Verwendung von Travertin. Delbrück (S. 24) rindet
sich mit diesem Tatbestande einfach so ab : « sicherlich der älteste
Tempel ist der südliche, er ist blos aus Travertin gebaut, die
beiden andern technisch vollkommener aus mehreren Steinarten » .
Dass dieses « technisch vollkommnere » Verfahren auch bei dem südli-
chen Tempel angewandt war, lehren die alten Zeichnungen (o. S. 177).
Ferner aber ist es bekanntlich noch ungewiss, wann denn eigentlich
die Ausnützung der Brüche von Tivoli begonnen habe. Für die Ent-
scheidung dieser Frage ist von grosser Bedeutung ein Gesichtspunkt,
den schon H. Jordan (Topogr. I, 1,8) mit Recht hervorgehoben hat,
dass nämlich die Verwendung des Travertins als Baumaterial nicht
zu trennen ist von der als Inschriftenmaterial. Die von Jordan (a. a.
0. S. 8 A. 11) gegebenen Zusammenstellungen sind durch die Ergeb-
nisse der Ausgrabungen in den letzten 30 Jahren, die so viel datier-
bare Inschriften aus älterer Epoche zu Tage gefördert haben, vollauf
bestätigt worden. Man verwendet in Rom noch in der Mitte des 2.
Jhdts. v. Chr. als Material, auch für Monumentaliuschriften von
Bedeutung, überwiegend den vulkanischen Tuff oder Peperin, ob-
wohl dieser we^eu seiner ungleichen Struktur und seiner dunkeln
Farbe keinesweges zum Inschriften tnaterial besonders geeignet
ist (1). Daneben findet sich, aber meist nur in kleinen Stücken,
(') Aus Tuff oder Peperin sind z. B. die Basen für die Weihgeschenke
des M. Claudius Consul 543/21 1 aus der Beute von Enna (CIL. VI, 1281;
474-30771), des M. Fulvius Nobilior Co::sul 5G7/187 (CIL. VI, 1307) aus
188 CH. HUELSEN
ein feiner Kalkstein verwendet, der sich aber durch seine gleich-
massige Struktur und das Fehlen von Einschlüssen vom Tra-
vertin merklich unterscheidet ('). Inschriften auf wirklichem
lapis Tiburtinus kommen in Rom nicht vor der gracchischen Zeit
vor (2). Häufig wird er als Material für Inschriften erst seit der
sullanischen Zeit. Und es ist selbstverständlich, dass die Verwen-
dung für grosse Bauteile analog vor sich gegangen sein muss.
Also auch von dieser Seite werden wir bestimmt, den südlichen
Tempel nicht für den ältesten sondern für den jüngsten zu halten.
Und zu dieser relativen Chronologie stimmt schliesslich die absolute,
wie sie sich aus der litterarischen Ueberlieferung über die Namen
und Gründungsdaten der Tempel feststellen lässt.
der Beute von Ambrakia, ebenso die Inschriften des C. Fannius Consul
632/122 (CIL, VI, 1306) und des T. Quinctius Consul 631/123 (CIL. VI, 1322),
die Grabschrift des Ser. Sulpicius Galba Consul 610/144 — oder 646/108? —
(CIL. VI, 31617), ferner die altertümlichen Altäre des Verminus (CIL. VI,
31057) und der Fortuna (30870); auch noch die Bauinschrift der curatores
viarum von 683/71 CIL. VI, 1299.
(') Von solchem Stein ist z. B. die uralte Strassensäule von der via
Ostiensis (CIL. VI, 30913), welche der Geologe Ponzi für pietra Corniculana
(aus der Gegend von Monticelli) erklärt hat. Aehnlicher Qualität sind die
im Tiber gefundenen hocharchaischen Weihinschriften an Aesculap (CIL. VI,
30842-30846) und Hercules (n. 30898), ebenso die Weihung an Numisios
Martios (n. 30986) und das Fragment vom Quirinal n. 31113.
(3) Vielleicht die älteste annähernd zu datierende Travertiniuschrift in
Born ist das Edict über den esquilinischen Begräbnisplatz des paagus Mon-
tanus (CIL. VI, 31"77): wegen der Vokalgemination dürfte sie älter sein als
das Jahr 120. Dagegen gehört die Bauinschrift der Via Caecilia (CIL. VI,
31603) nicht, wie Jordan, Henzen und Mommsen folgend, annahm in das
Jahr 639/115, sondern etwa in die sullanische Zeit. Dem Edict vielleicht
gleichzeitig sind die Inschrift des Q. Marcius Eex Consul 636/118 (CIL.
VI, 31613) und die Weihinschrift des Bicoleius (C. n. 30913). Etwas jün-
ger, etwa um 100 v. Chr.. mögen anzusetzen sein der palatinische Altar
sei cleo sei deivae (CIL. VI, 110 = 30694), die Grabschrift des Bibulus
(n. 1319) und das Edict des Prätors Sentius (n. 31614. 31015). Im Scipionen-
grab ist nur der später eingebaute Sarkophag der Paulla Cornelia Hispalli
(<'. n. 1 •_".»!) zum Teil aus Travertin. Aus sullanischer Zeit stammen CIL.
VI, 1297 Weihung an den Dictator Sulla von den Vicani des Lacus Fun-
danus; n. 1303-1305 Inschriften des restaurierten Fornix Fabianus; n. 372-371.
30920-30929 Weihinschriften der lykischen Gemeinden nach dem mithridati-
Bchcn Kriege, u. s. w.
DER DORISCHE TEMPEL »EI S. NICOLA IN CARCERE 189
Delbrück formuliert seine Zeitansätze am Schlüsse seiner Unter-
suchung (S. 07) mit grosser Bestimmtheit folpendermassen: « Den
südlichen Tempel liess vielleicht in der Mitte des dritten Jahr-
hunderts A. Atilius Calatinus bauen, der Griechenland nie gesehen
hatte; er nahm sich einen einheimischen Meister, der mit römi-
schen Arbeitern den Auftrag ausführte, in Stil und Technik nach
italischer Art. Freilich ist die frühe Datierung nicht sicher, und
der Tempel kann ein Geschlecht später sein ; dann ist er aber von
ähnlichen Menschen in gleicher Gesinnung erbaut » . Und auf dieser
Datierung beruht seiner Ansicht nach zum grossen Teil die
historische Bedeutung der Tempel: « Zwischen der Erbauung des
tuscanischen Tempels und der beiden jonischen vollzog sich die
grösste Wandlung, welche die römische Architektur je erfahren hat,
derüebergang aus dem etruskischen in den griechischen Formenkreis,
in eine neue Aera, in die sie aus der Vergangenheit nur weniges
herübernahm. Die historische Bedeutung der drei Tempel liegt eben
darin, dass sie in der kritischen Zeitspanne der römischen Kul-
turentwickelung erbaut sind, um die verhängnisvolle Wende des
dritten und zweiten Jahrhunderts, und dass sich an ihren Formen
der für immer entscheidende Wechsel der gesamten Bildung beob-
achten lässt, der damals den Römern widerfuhr » .
Diese Ansätze beruhen hauptsächlich auf der Identifikation des
südlichen Tempels mit dem der Spes (den mittleren hält D. für
das Templum Pietatis, den nördlichen für das Templum Junonis
Sospitae). Aber diese, durch sehr weni * methodische Behandlung der
historischen Zeugnisse gewonnenen Benennungen sind unhaltbar, wie
schon G. Wissowa in seiner ausführlichen Besprechung des D. sehen
Buches (Gott. gel. Anzeigen 1903 S. 556-563) gezeigt hat. Ich
kann mich in Rücksicht auf Wissowas Ausführungen, mit denen
ich in allem Wesentlichen übereinstimme, kurz fassen.
Von den vier Namen von Tempeln, die am Forum holitorium
ihren Platz hatten, ist zunächst auszuschalten der der Pietas,
weil dieses Heiligtum dem Bau des Marcellustheaters zum Opfer
fiel. In dem nördlichsten erhaltenen Tempel ist ohne Zweifel der
von C. Duilius zur Zeit des ersten punischen Krieges gegrün-
dete des Janus zu erkennen : nur dieser kann, wie es in den Heme-
rologien der Kaiserzeit ständig ist, ad theatrum Marcelli genannt
werden. Nur durch Strassenbreite von der SW. Ecke des Theaters
190 CH- HUELSEN
getrennt erscheint er auf der severianischen Forma Urbis, deren
bezügliche Fragmente beistehend (Fig. 9) zum ersten 'Male in rich-
tiger Zusammensetzung publiziert werden ('). Als ältester zeigt er
das italische Grundrissschema mit dreiseitiger Peristasis und ver-
längerter Cellarückwand, welches ihm auch durch die Restauration
unter Tiberius nicht genommen ist.
Fig.
Für die beiden anderen Tempel, den ionischen, der unter allen
dreien der grösste ist, und den dorischen, mit dem wir uns hier
(M Das Fragment Jord. 118 hatte Guattani Mon. ined. 1816 p. 17 ganz
richtig auf den nördlichen und mittleren Tempel bezogen: Delbrück vorwirft
die Vermutung aus unzureichenden Gründen. Bestätigt wird sie jetzt durch das
neugefnndene Stück, welches die Westecke der Cavea zugleich mit dem n<".r.l-
lichen Pteron des Janustempels zeigt. Die übrigen Fragmente der Cavea
hatte man bisher unrichtig auf das Mausoleum Augusti bezogen. Die Zusam-
mengehörigkeit aller Stücke ist, nach Arbeit, Dicke der Platten und Qualität
der .Marmors zweifellos.
DRK DORISCHE TEMPEL BEI S. NICOLA IN CABCERE 191
beschäftigen, bleiben die Namen Juno Sospita und Spes übrig.
Der Tempel der Juno Sospita wird selten erwähnt (') und kommt
in den Hemerologien der Kaiserzeit nicht mehr vor; der Spestempel
wurde von Tiberius wiederhergestellt und die Hemerologien ver-
zeichnen seinen Gründungstag, den 1. August (')• Man würde also
an sicli geneigt sein, den grösseren Tempel für die Spes in An-
spruch zu nehmen; und bestätigt wird diese Benennung m. Er.
durch die bekannte Nachricht bei Livius 40, 51, 4 (z. J. 1 79 v. Chr.)
M. Fulvius locavit... porticum... post Spei a Tiberi od aedem {ad
Tiberim aedem die Hs.) Äpollinis Mediä. Die Ortsbezeichnung
wird erst recht verständlich, wenn der Tempel der Spes der grösstc,
dem Tiber nächste war. Demnach bleibt für den südlichen Tempel
der Name der Juno Sospita übrig.
Das wenige was wir aus der Geschichte dieses Tempels wissen,
stimmt hierzu: wurde er, wie Cicero und Obsequens angeben, in
der sullanischen Zeit restauriert, so ist es sehr verständlich, wenn
bei dieser Gelegenheit das Baumaterial aus den neuerschlossenen
Brüchen von Tivoli ausgiebig verwendet ward.
(') Die Gelobung und Weihung des Tempels berichtet Livius XXXII,
30, 10. XXXIV, 53,3. Wahrscheinlich auf den römischen, nicht den lanuvi-
nischen Tempel der Sospita bezieht sich auch Cicero de divin. 1, 2, 4: me-
moria nöstra templum Iunonis Sospitae L. Julius, qui cum P. Rutilio consul
fuit (00 v. Chr.), de senatus sententia refecit ex Caeciliae, Baliarici filiae
somnio-, ders. 1, 44, 90: Caeciliae Q. filiae somnio modo Manko b
templum est a senatu Iunonis Sospitae restitutum. Ausführlicher Obsequens
55 (115): L. Iulw Caesare, P. Rutilio coss. Metella Caecilia somnio Iwnonem
Sospitam profur/ientem, quod immunde sua templa foedarentur, cum suis
preeibus aerjre revocatam diceret, aedem matronarum sordidis obscoenisque
corporis conquinatam ministeriis, in qua etiam sub simulacro deae cubile
canis confetae erat, commundatam supplicationibus habitis pristino splendori
restituit. Dagegen bezieht sich Ovid fast. 2, 55, falls der Dichter nicht über-
haupt eine Confusion gemacht hat, auf ein sonst unbekanntes Heiligtum aut
dem Palatin.
(2) Hemerol. Antiat. Vall. Arv. zum 1. August; desgleichen des neue
Fragment aus Praeneste Not. degli seavi 1897,422. Alle vier Zeugnisse fehlen
bei Delbrück S. 3 (allerdings auch in meinem Nomenciator Topograjihicus).
Der bei Cassius Min 50,10,3 genannte vabg 'Ekniäos, den eine Feuersbrunsl
zusammen mit Teilen des grossen Circus und dem Cerestempel zerstört, isl
natürlich weder der der Spes vetus bei Porta Maggiore, noch das Templum
Spei novum, welches die constantinischen Regionarier in der 7. Region auf-
führen, sondern eben der des Forum holitorium.
192 CH. HOELSENj DER DORISCHE TEMPEL BKI S. NICOLA IN CARCERE
Die Reihenfolge der vier Tempel ist also:
197-194 v. Chr.
ca. 258
ca. 260
181
J u iio S »spita
Sj>es
Janus
rictas
Die Bebauung der Westseite des Forum Holitoriuni hat sich in
der Weise entwickelt, dass zuerst, um die Zeit des ersten punischen
Krieges, die beiden grossen Tempel des Janus und der Spes be-
gründet wurden, dann, fünfzig bis sechzig Jahre später, in dem
zwischen ihnen und der Serviusmauer verbliebenen Räume der
kleine Tempel der Juno Sospita, und nördlich von allen der nicht
mehr vorhandene der Pietas. Von der interessanten Periode römi-
scher Kunstgeschichte, in welcher sich der Uebergaug aus dem
ctruskisch-italischen in den hellenistischen Formenkreis vollzog,
können uns die existierenden Ruinen kein Zeugnis mehr geben:
die der grösseren Tempel nicht, weil wir sie nur in späteren
Umbauten haben, die des kleinen südlichen nicht, weil, als er ge-
gründet wurde, jener Uebergang bereits vollzogen war.
Ch. Huelsen.
abgeschlossen am 30. November 1906.
COMITIUM UND ROSTRA
Hülsen hat Mitt. XX, S. 36 die kreisbogeuförmig vom alten
Comitiuin aufsteigenden Rostra, die ich (Comitium Rostra Grab
des Romulus S. 14) in der Ausgrabung um den niger lapis und
vor der Caesarischen Curia nachgewiesen hatte, angenommen. Auch
hat er durch eine Beobachtung, die sich mir kürzlich bei einer Nach-
prüfung an Ort und Stelle bewährte, eine Lücke in meinem Nach-
weise ergänzt. Denn rückwärts, gegen das Forum, wo ich keine
andre Grenze jenes Tribunal oder Suggestus fand als dieselbe
gradlinige, nur im Winkel gebrochene alte Mauer, die einen noch
älteren Suggest gegen das Forum abgestützt hatte, erkannte H. 2
bis 3 Meter weiter gegen das Forum eine nicht nur in Material
und Technik sondern auch in der Rundung gleichartige Mauer
(in seiner Tafel II v v' v"), von der allerdings nur eine Steinlage
noch erhalten und nur c. 7 m. lang freigelegt ist, und zwar fast
nur an ihrer Innenseite, die natürlich minder sorgfältig bearbeitet ist.
Den weiteren Zusammenhang freilich, in den ich diesen Rostra-
bau brachte, sucht H. mit seinen Bemerkungen zu durchkreuzen.
Er leugnet S. 33, l zunächst, dass der Suggestus gestuft sei,
(obgleich er, S. 32 unten, selbst von dem Stufenrund spricht). Seine
eigene Abbildung (S. 33) jedoch bestätigt die Stufen. Denn hier
sieht man über einem wenig vortretenden Unterlager eine erste
Stufe von 0,30 m. Steigung und 0,59 m. Auftritt, sodann eine
zweite von gleichem Auftritt, doch nur halber Höhe und den Be-
ginn einer dritten. Nun hat freilich H. richtig gesehen, dass zwar
nicht auf der Horizontalfläche dieser zweiten (wo nur Verwitte-
rung wie auf der ersten zu erkennen), wohl aber an der Vertikal-
fläche der dritten die zweite halbhohe Stufe als erst später ein-
14
294 E- PETERSEN
gehauen worden sich kundgibt. Ergänzt man aber die ursprüngli-
che Höhe der zweiten, so hat man eben zwei ganz genau gleiche
Stufen und ein Stück vom Unterlager einer dritten, wenn eine
solche sonst wahrscheinlich ist. Ferner stellt man sich angesichts
von H.'s Durchschnitt und Ansicht auf Taf. III leicht vor, wie die
zweite, bezw. dritte Stufe hinterher aus irgend einem Grunde halbiert
und aus zweien drei, oder aus dreien fünf gemacht wurden. Dass
es wirklich drei bezw. fünf waren ergibt sich daraus, dass die
hinter dem Bomulusgrabe vorzüglich erhaltene Plattform (stu im
Plan), die jenen Rostrastufen gleich an Material und Technik ist,
genau die Höhe jener drei Stufen hat, wie ich a. a. 0. behauptet
hatte, und an H.'s Durchschnitt Taf. III (D verglichen mit H
daselbst) ein jeder leicht abmisst.
Auch hier freilich sucht H. den von mir behaupteten Zusam-
menhang zu zerreissen, indem er die Rostrastufen S. 32 als
zweiten, die Plattform S. 32 als dritten Bau bezeichnet und
jene als aus grossen braunen Tuffquadern bestehend beschreibt,
von deren Bearbeitung er schweigt, diese als aus sehr exakt ge-
schnittenen und gefügten Quadern aus grauem und braunem Tuff
bestehend. Und doch ist, wie wir alsbald bestätigt sehen werden,
nicht nur das Material und die Technik sondern auch der Erhal-
tungszustand, wo nicht gewaltsame Hand eingriff, an beiden Teilen
gleich.
Auch die Beziehung dieses gerundeten Suggest zu einem äl-
teren gradlinigen, der ebenfalls in Stufen über dem Comitium sich
erhob und später, wie ich ausgeführt hatte, von dem höher ge-
legenen neueren ersetzt worden wäre, sucht H. zu beseitigen. Denn
er sagt kein Wort darüber, dass der gerundete über dem graden
liegt (wie doch sein Plan erkennen lässt), und bestreitet auch die
Zusammengehörigkeit der beiden Teile des gradlinigen Suggest,
d. h. der Stufen am Comitium (a-d im Plan) und der Stützmauer
am Forum (e-i). Doch sind seine Einwendungen unzutreffend, und
es ist einfach unmöglich in dem geringen Zwischenraum von reich-
lich 3 Metern zu den Stufen noch einen andern Suggest und zu
der Stützmauer ein andres Vorderteil zu ergänzen. Dass der tiefer-
gelegene gradstufige Suggest (rot im Plan) durch den höherge-
legten rundstufigen (gelb im Plan) ersetzt wurde, erhellt ja auch
nur um so mehr, wenn man zu diesem zweiten die von H. nach-
C0M1TIUM UND ROSTRA 195
gewiesene runde Mauer zieht; denn nun greift der jüngere nach
beiden Seiten über den älteren hinaus, und dieser ist jenem völlig
einverleibt.
Meine Darlegungen, die ich hiermit gegen H. aufrechterhalte,
wurden inzwischen aber auch von andrer Seite her bestätigt in
einer Studie ü comizio nella elä repubblicana ed i suoi monu-
menli, die Giov. Pinza in den Annali della Sociela degli Inge-
gneri ed Architetti Itallani 1905, 2 veröffentlichte. So sehr dieser
ungemein rührige, auch im Technischen nicht unerfahrene Forscher
hier seinen eigenen Weg zu gehen bemüht ist, so geht er doch
grossenteils den meinigen ; und so sehr er in der Ergänzung des
unvollständig erhaltenen oder des noch nicht ausgegrabenen und
in der zeitlichen Bestimmung der verschiedenen Perioden von mir
abweicht, so sehr stimmt er doch in der Auffassung der vorhan-
denen Reste mit mir überein. Was Studniczka (I Wiener Jahres-
hefte 1903 S. 129, II 1904 S. 239) zuerst ernstlich in Angriff
nahm, führt Pinza, so weit es mit Bonis stratigrafia möglich ist,
zu Ende, indem er in den fünf Durchschnitten Bonis (IX-XIII)
durchgehende Bodenflächen mit autliegenden Massen, je eine Periode
darstellend nachweist. Lässt man von diesen die praehistorische A
(gleich Bonis Schicht 1 und 2), die mir gänzlich aus dem Spiele
blieb, bei seite, so sind diese Perioden — von der zeitlichen Be-
stimmung abgesehen — keine andern als die auch ich unterschied :
B (Schicht 3), deren einziger in situ befindlicher Rest, der
Inschriftcippus mit seioem Unterbau, nicht recht genügend ist, um
einen Suggestus dazu zu ergänzen; C (4-6) mein Comitium mit
gradstufigem Tribunal; D (7-9) das mit dem rundstufigen und
dem Grabe des Romulus; E (10-12) die Sullanische, F (13-15)
die Caesarische Regulierung. Schon ein vergleichender Blick auf
Pinzas Grundriss (seiner Taf. 1) und den meinigen (CRGdR. S. 10),
den Pinza auf S. 7 wiedergegeben hat, lässt erkennen, dass Pinza
den östlichen Teil des Comitium bis etwas über das Grab hinaus,
d. h. soweit es bis jetzt in Resten kenntlich wurde, fast ganz so
zeichnet und deutet wie ich. So betont er auch im Text nament-
lich, dass die Suggeste sich einer über den andern legen, jeder
spätere (denn er zählt drei: BCD) den vorhergehenden möglichst
an gleicher Stelle ersetzend; und die uns vorliegenden Reste des
Romulusgrabes gehören auch nach Pinza zum Comitium D.
iQß R. PETERSEN
Pinza hat mm aber den Mut gehabt, unbeirrt durch Orien-
tiernngstfaeorien, die alten Stufen, die vor der späteren Curia auf
dem Boden C sichtbar gworden sind (l in H.'s Plan) als die Stufen
vor der Curia Hostilia zu verstehen (was vor ihm schon Boni ver-
mutet und bestimmter Studniczka I 135 und 152 ausgesprochen
und begründet hatte) und zwar die drei unteren zur Curia C, die
oberste, deren Verschiedenheit von den andern mir nicht entgan-
gen war, zur Curia D. Ich hatte S. 38 wohl anerkannt, dass sich
aus Dios (XLIV 17, 8) Angabe: Caesar, der die Sullauische Curia
abgebrochen hatte, habe Auftrag erhalten die Hostilia wiederauf-
zubauen, allerdings ergebe, dass nicht Caesar sondern Sulla vom
Alten abgewichen, Caesar dagegen zum Ursprünglichen zurückge-
kehrt sei. Weil aber der alte Suggest C so genau ostwestlich orien-
tiert ist, hatte ich auch die Curiafront ihm parallel gedacht, und
da die mit andern zum Sullanischen Neubau gezogenen Travertin-
platten (bei k in H.'s Plan) von jener Orientierung nur wenig
abweichen, glaubte ich, bis zu Caesar sei die Front der Curia im
Wesentlichen dieselbe geblieben. Und doch war nicht zu verkennen,
dass grade so wie in der Ueberlieferung Sulla als der Neuerer —
auf sie bezieht sich ja auch Cicero de flu. VI — Caesar als
Wiederhersteller des Alten erscheint, auch die Sullanischen Tra-
vertinplatten mit ihrer abweichenden Richtung zwischen den gleich-
gerichteten Stufen und Platten der älteren Perioden C D und der
letzten F liegen. Jene alten Stufen (bei / im Plan), die ich zur
Curia zu ziehn mich scheute, lassen sich schlechterdings nicht an-
ders verstehen als Pinza sie versteht.
Wie war denn nun das Verhältniss der Rostra zur Curia? In
seiner früheren Konstruktion des Comitium, oben 1893 S. 79 ff.,
entworfen, als noch kein Stück weder vom Comitium noch von Curia
und Rostra republikanischer Zeit sichtbar war, legte H. zwischen
die Curia im Norden und die Rostra im Süden, beide als Recht-
ecke gedacht und gezeichnet, einen Zwischenraum von 30 Metern.
Das fand ich Anm. 44 in Widerspruch mit dem Zeugniss des Asco-
ii iib. Milon. 34, wonach die alten Rostra prope iuncta curiae
waren. Diese Worte, unbegreiflich, wenn man Curia und Rostra als
zwei Rechtecke mit parallelen Fronten einander gegenüberliegend
denkt, ebenso wie die von Plinius n. h. XXXIV 26 uns erhaltene
Nachricht von den comua comilii, und darauf aufgestellten Statuen,
C0M1TIUM LM) ROSTKA 197
werden plötzlich verständlich und lichtvoll, sowie man dies Stu-
fenrund, das auch nach H. ja die Bostra sind, ins Auge fasst,
und diese auch da, wo das Cömitium noch nicht ausgegraben ist,
den locus inferior des Cömitium (vgl. CRGdR. S. 23) umkreisend
denkt, wie die Orchestra von den Stufen des Theaters umkreist
wird. Auch dies will H. nicht gelten lassen. Die weitere Ausdeh-
nung des Bostrakreisbogens über die aufgedeckten Keste hinaus
findet er unstatthaft, und meine Auffassung der Zeugnisse des Asco-
nius, des Plinins, von Varro und Cicero pro Flacco 57 und meine
Kritik der seinigen weist er ab. Ausführlich ergeht er sich nur
über die wenigst belangvollen Worte Ciceros: speculatur atque
obsidet curia roslra, um deren ausdrucksvolle Anschaulichkeit zu
dem wenigstens topographisch nicht anschaulichen : ' der Senat sieht
den Volksrednern auf die Finger' zu verflüchtigen. Ausweichend
dagegen äussert sich H. über die, namentlich mit jener Plinius-
stelle verbunden, belangvollste Stelle des Asconius: 'was sich
gegen P.'s Interpretation von Asconius Milon. 34, argum. 15,
Varro 1. 1. V 155 sagen lässt, werden sachkundige deutsche Leser
selbst finden '. Was das sein sollte ist mir den ganz unzweideuti-
gen Worten des Asconius gegenüber unerfindlich. In Varros ante
haue (sc. Cariam) rostra, quoins id vocabuhm, ex hostibus capta
ßxa sunt rostra. sub dextra huius a comitio locus substruetus
u.s. w. werden 'sachkundige Leser', auch 'deutsche', die Worte
a comitio gewiss nicht mit sub dextra huius verbinden, um 'rechts
vom Cömitium aus gesehen' zu verstehen, sondern, wie z. B. auch
Detlefsen in seinem ' klassischen ' Aufsatz, mit substruetus. Solche
Leser haben es auch immer schwierig befunden cuius und huius
in dem Text, wie er überliefert ist und von H. citiert war, auf
rostra zu beziehen. Schiebt man mit K. 0. Müller nach quoius
loci (und nach vocabulum qitod) ein, so ist die Beziehung natür-
lich möglich und vielleicht richtiger als huius ohne loci auf curia
zu beziehen, anaphorisch wie etwa V 41 und 58. So hatte ich
gemeint, weil doch sowohl für die Lage der Rostra wie der Grae-
costasis die Curie maassgebend gewesen war. Für die Sache ist es
freilich einerlei, ob wir sub dextra 'zur Rechten' der Curia (d.
h. vor, nicht neben ihr, wo die Basilica Porcia lag) oder rechts
von den Rostra (für den vom Cömitium Schauenden) verstehen:
wir wissen ja anderswoher dass die Graecostasis westlich lag. Aber
19S E. PETERSEN
freilich, wenn diese sub dextra der Kostra lag, dann konnten die
Rostra nicht schon östlich vorn Romulusgrabe ihr Ende haben,
weil dann dieses, nicht jene an der bezeichneten Stelle lag.
Auch was H. jetzt (S. 38, 2) über die cornua ausfuhrt ver-
kehrt die Sache. Nicht darauf kommt es an, ob auch solche
viereckige Zipfel des Comitium, wie sie Detlefsens und Hülsens
schematischer Grundriss neben der Curia (an einer Stelle wo nach-
weislich kein freier Raum war) voraussetzten, cornua ge-
nannt sein könnten, sondern vielmehr darauf, ob es richtig ist, die
Pliuianischen cornua in etwas ungewöhnlichem Sinne verstanden
auf etwas das garnicht gegeben ist und der Basilica Porcia wegen
kaum existieren konnte zu beziehen, oder in durchaus gewöhnlicher
Bedeutung auf etwas das in der Ausgrabung wirklich zutage kam?
Ganz überflüssig war es darauf hinzuweisen dass gelegentlich die
Enden einer Rolle oder eines Rollenstabes cornua genannt werden.
Hier ist das tertium comparationis freilich ein andres als bei den
cornua eines Theaters oder des Sigraaförmigen Lagers um den
runden Speisetisch; wiederum ein andres beiden 'Hörnern' eines
zur Schlacht aufgestellten Heeres; immer jedoch sind es konkrete,
so zu sagen vorstossende Dinge, die so angeschaut und genannt
werdeu. Die willkürlich vorausgesetzten Zipfel eines Platzes,
selbst wenn sie, wie H. jetzt weiter vorauszusetzten beliebt, gegen
Norden etwas anstiegen, hätten doch nur dann so angeschaut
werden können, wenn sie sich auch über ihre Umgebung erhoben,
wovon grade das Gegenteil der Fall war. Das cornu einer Portikus
der Tusci-Villa des Plinius ep. V 6, 23 endlich bestätigt, richtig
verstanden, das Avas ich eben sagte, ergäbe zu H.'s Vorstellung
jedesfalls auch dann keine Analogon, wenn es richtig wäre, dass diese
Halle 'nach dem ganzen Zusammenhang nur gradlinig gedacht
werden kann '. Doch ist es leider nicht richtig, was hier dargetan
werden darf. Die Halle sah nach Süden, und von ihrem einen Ende
caput — , wir nehmen mit Winnefeld in seiner sehr durchdachten
Erläuterung (Jahrbuch 1891) an, dass es das rechte war — , sprang
ein Speisezimmer vor iriclinium excurrit; an dem audern, das
nun eben cornu genannt wird, lag ein Schlafzimmer; doch von
diesem heisst es occurrit triclinio. Die in beiden Verba ausge-
sprochene Richtung war also eine verschiedene. Wie ist das mög-
lich, wenn beide Zimmer von der Halle nach Süden vortraten?
COMITIUM IIiND UOSTRA 199
Bei dem Text, den die schlechteren Handschriften geben, dem
Winnefeld S. 207, 12 ausdrücklich den Vorzug gibt, wie Keil
und Müller in den kleinen Ausgaben, ist es unmöglich. Danach
hätte Plinius die Halle, wo sie zuerst erwähnt wird, latam et pro
modo longam genannt. Erregt dies schon an sich Bedenken, weil
es bei Hallen keine Norm (modus) für das Verhältniss von Länge
und Breite gab — und das war wohl der Grund weshalb Keil in der
grossen Ausgabe villae vor longam einschob — so muss weiter
eben auch das eine cornu einer solchen Halle stutzig machen.
Alles klärt sich, sobald man statt pro modo longam das promi-
nulam der besten Handschrift einsetzt: prominula war die Plini-
anische Portikus am linken, wie die der Basilica Aemilia am rech-
ten Ende. In cornu, d. h. an der nach Süden gehenden, Umbie-
gung des westlichen Hallenendes hing wieder das nach Osten
gerichtele cubiculum. Das Schema war also nicht sondern
|_ |. Genug, was unter den cornua comitii zu verstehen ist
kann, seitdem das Stufenrund der Eostra am Comitium zutage
kam, füglich nicht zweifelhaft sein. Weil darauf die von Plinius
genannten Statuen standen, werden wir, obgleich sowohl der Ge-
brauch von ' cornua ' wie von ' comitium ' beides gestattet (vgl.
CRGdR. S. 17) doch besser die Erhöhung des Suggestus als das
Planum des inferior locus (vgl. a. a. 0, 23) verstehen.
Von diesen Cornua nun sehen wir eines, im Unterteil erhalten,
ganz wie ein Theatev-cornu an der Parodos abgeschnitten, in etwa
5 Meter Abstand der zur Hostilia-Julia Curia gehörigen Stufen-
flucht (l im Plan) gegenüberliegen : das ist im wörtlichsten Ver-
stände was Asconius sagt rostra prope iuncla curiae. Obgleich
nun mit solcher Annäherung eines der beiden cornua dem Wort-
sinne genügt sein könnte, wird es doch, sofern nicht andres im
Wege steht, das Nächstliegende sein, der Forderung architekto-
nischer Symmetrie Gehör zu geben, und auch das andre, in ent-
sprechender Weise geschmückte cornu gleichermaassen der an-
dern 'Parodos' der Curia gegenüberliegend zu denken. Gewissheit
können hierüber nur Spaten und Hacke bringen, wenn Boni sich
entschliesst das nur Angefangene fortzusetzen.
Schon jetzt aber müssen wir sagen (vgl. CRGdR S. IG), dass
es keinen rechten Sinn hätte, an Stelle des graden Tribunal die
schwierigere Rundform zu setzen, wenn man sich auf einen so klei-
200 K. PETERSEN
uen Kreisbogen beschränken wollte : zu aesthetischer Wirkung kam
ein solcher erst bei grösserer Ausdehnung. Dass dafür auch die
oben besprochene Varrostelle eintritt, grade, wenn man sie mit
H. erklärt, ward schon gesagt. Denn, wenn rechts, nahe (sub) den
Rostra die Graecostasis lag, müssen die Rostra sich bis in die Nähe
der Severusbogens und des Volcanal, wo jene lag, erstreckt haben.
Uebrigens ist durch die Ausgrabung doch auch soviel bereits
erwiesen, dass die Plattform der Rostra D nicht vor der Nische
mit dem Grabe und dem Cippus endete, sondern um dieses her-
umreichte, folglich, eben jener Unterbrechung wegen, um so ge-
wisser jenseits sich weiter erstreckt haben muss. Es war ein un-
richtiges Bestreben, dass ich früher (S. 18) das Grab in die Mit-
tellinie der Rostra zu bringen suchte ; dass aber der uns vorliegende
Grabbau zu den runden Rostra D gehört und zu ihnen normal
liegt erkennt auch Pinzas Text und Tafel an. Wenn das Königs-
grab nicht in der Mitte der Rostra liegt, wohin es doch gehörte,
so ist das nur ein weiterer Beweis dafür dass das 'Grab' selbst
älter ist als das Comitium D.
Das letzte Argument, das H. bleibt, ist der Protest gegen die
Kleinheit des Comitium. Was hilft das aber, wenn den auch von
ihm anerkannten Rostra so nahe gegenüber, prope iuncta die
Stufen liegen die nur der Hostilia gehören können? Nur nach
einer Seite hin, nach Nordwesten gibt das noch nicht durchforschte
Comitiumsgebiet der Phantasie etwas Spielraum, das republika-
nische Comitium zu erweitern, und eben da tut das Pinza mit einer
Ergänzung der Rostra, die das Ueberlieferte geschickt benützt, aber
auch mehrfachen Anstoss gibt.
Die Plattform hinter dem Grabe bildet mit ihrer bestimmt
angezeigten Umgrenzung, einer niedrigen Schwelle, an der Sud-,
West-, und Nordseite (die letzte in H.s Plan nicht angegeben,
obwohl sie, wie bei Pinza, schon in meiner Grundrissskizze (bei
b2) eingetragen war, ein Trapez, das hinter den Rostra, wie ich sie
skizziert hatte, ausspringend, allerdings befremdlich aussieht. Um
so ansprechender ist Pinzas Vorschlag, diese Schwierigkeit zu lö-
sen, indem er die Schwelle an der Westseite des Trapezes grade
weiter gehen lässt, als hinteren Abschluss der an seine Nordseite
gelegten grossen rechteckigen Tribima degli oratori. Diese dehnt
er soweit aus, dass das zum erhaltenen Ostcornu symmetrisch er-
COMITIUM UND ROSTRA 201
gänzte westliche dem andern Ende der Curiafront ebenso gegen-
überliegt, wie jenes dem östlichen. Unter der Voraussetzung ferner,
dass so wie das Osteom u ü über dem graden Suggest C liegt,
auch den übrigen Teilen des ganzen von ihm ergänzten Rostrabaus
schon ähnliche von C und gar von B entsprochen hätten, gibt P.
auch diesen älteren Suggesten schon ein Mittelstück mit vortre-
tenden corma, nur gradlinigen statt gerundeten, alles von gleichem
Längen - aber geringerem Breitenmaass.
Haben diese älteren solchergestalt ergänzten Tribunale in den
Resten noch keinen speciellen Anhalt, so findet das letzte, D mit
den gerundeten cornua einen solchen, wie gesagt wenigstens an
der Gestalt jener Plattform. Eben hier erhebt sich indessen auch
der erste Anstoss : die Schwelle, welche einst allem Anschein nach
an allen drei genannten Seiten herumging, bekommt in Pinzas
Projekt an der Nordseite eine ganz andre Bedeutung als an den
beiden andern: hier niedre Schranke, soll sie dort eine Stufe zur
Besteigung der Tribuna sein.
Schwerer wiegt ein zweites Bedenken: auf Pinzas 'Redner-
bühne', die ihm die Rostra ist, passt, was auch immer er S. 54
sagen mag, nicht wohl was Varro von dem Grabe bezeugt hatte,
dass es in oder pro rostris oder post rostra gelegen habe.
Noch unverträglicher mit Pinzas Hypothese ist die bis ins
dritte Jahrhundert v. C. hinaufgehende Ueberlieferung bei Plinius
n. h., VII 212, wonach der Accensus der Consuln Mittag und Abend
von der Curia aus abzurufen pflegte, Mittag sobald die Sonne
in der Zwischenraum zwischen Rostra und Graecostasis eingetreten
war. Ein Blick auf Pinzas Tafel III zeigt, dass man auch von dem
westlichsten Punkt der Caesarischen Curia, die doch sicherlich
nicht kleiner war als die Curia zur Zeit der punischen Kriege,
die Sonne Mittags nicht neben, sondern noch über seinen Rostra
sah. So hat denn Pinza dies Zeugniss, soweit es die Rostra betrifft,
S. 56 verschwiegen, und den Rest, der den Abend nach dem Son-
nenstande zu andern Denkmälern des Forums bestimmt, dadurch
sinnlos gemacht, dass er die suprema für den Mittag statt für den
Abend erklärt. Auf solche Weise jedoch lässt sich dies wertvolle
Zeugniss nicht diskreditieren.
Feststehen nach allem die Tatsachen, dass am Comitium zuerst,
für unser Wissen, auf erhöhtem Platze der Inschriftcippus errichtet
202 E. PETERSEN
wurde; dass später gleichzeitig eine (neue) Curia über den Stufen
l erbaut wurde und schräg gegenüber — ob auch grade vor ist
zweifelhaft — das gradgestufte Tribunal; dass danach abermals
der Boden des Comitiums erhöht wurde, ebenso das Tribunal, das
jetzt, das neu hergerichtete Grab einschliessend und das Comitium
umfassend, seine Arme, oder wie der Römer sagt cornua bis nah an
die auf erhöhten Stufen neugebaute Curia vorstreckt. Und so viel ist
gewiss, dass wir für die Glanzzeit der römischen Republik nur die
Wahl haben zwischen den Comitien C und D. Denn dies letzte
dauerte bis zur Regulierung des Faustus Sulla, der die Caesarische
innerhalb eines Decenniums folgte. Aber während ich D bereits
zur Zeit des Galliersturmes existierend dachte, wäre nach Pinza
schon C nachgallisch. Ja, in seiner Neigung das Alter aller Pe-
rioden herabzudrücken steht er nicht an, den Inschriftcippus, den
Mommsen nach reiflicher Ueberlegung der Königszeit zuschrieb, in
die Mitte des 5. Jahrhunderts herabzusetzen und vermisst sich gar,
.mittels einer Behandlung der Schriftzeugnisse, die den Praehisto-
riker verrät, fast aufs Jahr sein Alter zu bestimmen. Ebenso ge-
wagt ist es die gerundeten Rostra mitsamt dem Grabe erst in
Pompeius' Tagen erbaut sein zu lassen. Denn wie hätte Varro, fin-
den doch des Grab das ursprüngliche, nicht ein renoviertes ist, von
einem Grabe des Romulus sprechen können, wenn dies erst in seinen
Tagen erbaut wurde; wie den Gebrauch der laudationes funebres,
den uns Polybius um 200 v. C. schildert, von diesem Grabe her-
leiten? Hatten doch die Statuen des Pythagoras und des Alcibiades,
die erst der Sullanischen Regulierung weichen mussten, nach Pli-
nius a. a. 0. seit etwa 300 v. C. auf den cornua gestanden.
Pinzas Hauptbeweis sind die Spuren von Feuersbrünsten, durch
welche sowohl Curia und Comitium von B wie von D betroffen
wären, und die er mit den zwei überlieferten Bränden beim Gal-
liersturm und dem Tode des Clodius identificiert. Ferner operiert
er, immer mit gleicher Zuversichtlichkeit, mit den Vasenscherben,
die in den verschiedenen Schichten gefunden wurden. Ohne auf
Einzelnes einzugehn, muss ich einige allgemeinere Bedenken er-
heben. Erstens ist es fraglich, ob die Gattungen von Vasen, deren
Scherben inbetracht kommen, wirklich innerhalb so niedriger Zeit-
grenzen eingeschlossen sind, wie z. B. der bucchero greve vom 5.
bis :;. Jahrhundert. Sodann ist der Grundsatz, eine Schicht nach
COMITIUM UND ROSTRA 203
den jüngsten in ihr gefundenen Stücken zu datieren, selbstvertänd-
lich richtig; sobald jedoch vereinzelte Stücke viel jüngeren Datums
gegen eine Menge älterer stehen, ist doch die Frage der l iafil-
trazione \ d. h. späteren Eindringens solcher Einzelstücke in eine
ältere Schicht ernstlicher zu erwägen als es von Pinza geschehen
ist. Die wichtigsten Durchschnitte IX und X sind die Ergebnisse
von Boni's esplorazioni bei zweien der posti, Schachten, die ein-
gestandenermaassen in Caesarischer Zeit durch die älteren Schich-
ten hinab getrieben wurden. Ihnen entstammt die einzelne Buc-
cheroscherbe die gegen das Votum der 'rhodischen' Vasen das Co-
mitium B herabdrückt; ihnen die einzelne Scherbe ' etruskisch-
campanischer' Gattung, mit um deren willen C ins vierte Jahr-
hundert gesetzt wird, während die zahlreichen Scherben der-
selben Gattung, die auf dem Boden von D lagen, vielmehr dieses
so hoch hinauf zu setzen empfehlen.
Doch das schwerwiegendste Argument bleiben, namentlich
nach der eingehenden Behandlung Studniczkas I 145, die Dach-
ziegel und Brandreste der B - Periode, die ja Boni Hülsen und an-
dre dem Gallierbrande zuschrieben. Studniczka war sich dabei al-
lerdings der Gegeninstanzen gegen so späte Datierung von B, na-
mentlich des archaischen Charakters des Gemäuers am Susrsrest C
und der rhodischen Scherben, wohl bewusst, und in sorgfältiger
Prüfung das Alter von D, d. h. des Grabes aus den tektonischen
Formen ermittelnd, kam er für dieses wenigstens zu einem weit
höheren Ansatz als Pinza. Solange wir indes nicht in der Lage sind,
die Technik und Formen des Grabes mit Sicherheit genauer zu
bestimmen, und auch die Ausgrabung nicht zwingendere Beweise
liefert, gilt es m. E. Schwierigkeiten, die der früheren wie der
späteren Datierung von C und D im Wege stehen, gegeneinander
abzuwägen. Ist es denn unmöglich, den Brand von B älter als den
Galliersturm zu denken, ihn als ein so zu sagen gewöhnliches Er-
eigniss anzusehn, von dem uns keine Nachricht blieb? Mir scheint
so etwas anzunehmen weit leichter als vom Standpunkte Studniczkas
und Pinzas der andern Frage zu begegnen : wie ist der Zustand
zu erklären, in dem das Romulusgrab zutage kam, da doch nie-
mand zweifelt, dass es so gefunden wurde, wie es durch Sulla oder
Caesar unter die Erde kam: nicht allein die Löwen verschwunden,
sondern auch ihre Basen zertrümmert, z. T. ebenfalls verschwun-
204 E. PETERSEN
den, z. T. verschoben? Dass Studniczkas Erklärung (I 150) durch
ein Tiberhochwasser unmöglich ist liegt auf der Hand. Pinza
meint S. 42, dass der Sullanischen Aut'höhung und der Eindeckung
des Grabes die Plünderung, spogliazione aller monumentalen Teile
und die Beschädigung, scannezzamento, die man heute an jenen
Denkmälern beklage, habe vorausgehen müssen. Eine Erklärung
die keine ist und sowenig einer Kritik bedarf wie die Weiterbil-
dung von Studniczkas (S. 132) haltloser Vermutung, dass einer
der beiden Löwen vor der Verschüttung des Grabes aufgehoben
und konserviert worden sei. Und wollte man auch diesen Phan-
tasien Kaum geben, so wäre der Zustand des Grabes damit ja
doch nicht erklärt: das kahle Fundament das hinter dem Grabe
liegt, sieht so aus, als wäre sein Aufbau reinlich abgenommen
um ihn anderswo wiederaufzurichten; die Basen sehen nicht so
aus. Wer die Pietät besass, die Stätte wo in der Tiefe das Kö-
ni^sorab las, bei der notwendig befundenen Bodenerhöhung durch
das schwarze Pflaster kenntlich zu machen, der konnte das Grab
nicht vorher schänden. Also sage man, wer anders als Barbaren, als
Feinde des römischen Namens, d. h. die Gallier dies verübt ha-
ben kann. Bis das geschieht, scheint es mir sehr viel wahrschein-
licher, Curia und Comitium B von einem nicht überlieferten Brande
betroffen zu denken und D für einen Zeugen des Galliersturmes,
doch weiterbestehend dis zur Sullanischen Regulierung: die Curia
konnte ja wiederaufgebaut sein; das Comitium d. h. die Rostra-
stufen mochten wenig oder gar nicht beschädigt worden sein. Ue-
brigens sahen wir ja, dass die Stufen zwei und drei wahrscheinlich
einmal durch Reducierung auf die halbe Höhe erneuert wurden.
Und das Grab? Sollte dies Heiligtum über drei Jahrhunderte
lancj in so zerstörtem Zustande belassen worden sein? Wenn nach
Isokrates die Jonier, nacli Herodot die sämtlichen Hellenen (vgl.
Koepp im Jahrbuch 1890 S. 271) vor der Schlacht bei Plataiai
geschworen hatten, die von den Mederu zerstörten Heiligtümer als
vTiofivrifia . . . z/~c tav ßuQßüooov titffeßsfag im Zustande der Zerstö-
rung zu belassen, so konnten die Römer solchen Beschluss wohl
auch fassen: es wäre weder die erste noch die letzte Wirkung
griechischen Vorbildes, von der das Comitium zu sagen wüsste.
EÜ8 war ja doch sehr viel einfacher und unanstössiger ein Grab in
solcher Verfassung zu belassen als einen Tempel. Dieser war für
COMITIOM UND ROSTRA 205
den Gottesdienst nicht weiter wie bisher zu benutzen; die Op-
fergaben, die man auf das Grab legte, konnte man auch ferner nur
mit um so besserem Fug und Hecht darauf breiten, ohne dass das
Aussehen des Grabes viel anders war als früher. Pinza meint zwar
durch seine Argumentation S. 42 f. die stipe votiva als einen
Wahn beseitigt und erwiesen zu haben, dass diese Opfergaben an-
derswoher geholt und liier lediglich als Schutt werwendet worden
seien. Radikal wie er ist, leugnet er S. 28 auch das Grab, weil
jede Analogie eines so beschaffenen Grabes fehle. Doch scheinen
Fossagräber und grabhütende Löwen Etruriens immer noch ana-
loger als — der lacus Juturnae mit seinem Postament darin, den
Pinza als analog geformtes Heiligtum anführt. Mag also immer-
hin die Schuttmasse mit Opfergaben, so wie sie über dem Grabe
liegend gefunden wurde, nur die continuazione des über dem
ganzen Comitium ausgebreiteten Schuttes sein, so ist doch darin,
dass die Opfergaben nur über dem Grabe und seiner nächsten Um-
gebung lagen, ausgesprochen, dass jene zu diesem gehörten.
Wenn der Aufbau hinter dem Grabe vor der Verschüttuno-
bis auf das Fundament herab abgehoben wurde, um vermutlich
wiederbenut/.t zu werden, so spricht eben das gegen die Heiligkeit
desselben : wäre es ein Altar des Romulus gewesen, so hätte man
ihn doch wohl mit verschüttet. Wenn ein solcher, wie Studniczka
I 136 meinte, 'abgetragen worden wäre um anderswo neu errichtet
zu werden' so wäre es allerdings auffallend, wenn wir keine Kunde
von ihm hätten. Die Front des Grabes wird durch die Löwenbasen
angezeigt, sie kehrte sich, wie ja auch die Gesamtanlage des Co-
mitium D heischt, gegen Comitium und Curia. Wie käme also der
Altar dahinter, dahin wo er auch mit der o-eringen Erweiteruno-,
die die Plattform durch die von H. nachgewiesene Rückmauer
erhielt, noch recht unzugänglich blieb, wenn auch nicht so unzu-
gänglich wie das vermeintliche Schlachtbänklein vorn zwischen
den Löwen ?
Ich gründete auf die von Varro konstatierte Beziehung der
laudatio nes funebres zum Romulusgrabe, womit m. E. ein fester
Standort des jeweiligen Redners zu dem Grabe (wie zu dem zu
feiernden Toten) gegeben ist, die Vermutung, dass auf jenem Fun-
dament hinter dem Grabe die eigentliche Rednerbühne gestanden
habe. Dies schien mir bestätigt zu werden durch die Nachricht
206 E- PETERSEN
bei Livius VIII 14, 12 von den verbrannten Äntiatenschiffen ro-
strisque earum Suggestion in foro extructum aclornari placuit.
Rostraque id templum appellatum. Florus I 11 und Neuere ha-
ben hier allerdings einen bereits vorhandenen Suggest verstanden ;
man braucht die Worte aber nur ins Deutsche zu übertragen um
inne zu werden, dass dann extructum und erst recht das nach-
drücklich verweisende id templum nicht zu ihrem Rechte kommen.
Es scheint also mir wie auch andern richtiger, dass an einen neu
erbauten und inaugurierten Suggest zu denken ist. Damit steht
nicht in Widerspruch dass Livius bereits II 56, 10 und III 17, 2
den Amtsplatz der Tribunen templum nennt, da er — ob mit
Recht lasse ich dahingestellt — der Meinung sein konnte, dass
dieser Platz inauguriert sein müsste. Wirklich widersprechend ist,
es, dass Livius auch die Rostra bereits IV 17, 6 als Ort wo Sta-
tuen errichtet werden nennt, aber widersprechend doch nur inso-
fern, als er einem älteren Suggest, den ja jetzt niemand leugnen
kann, schon den späteren Namen beilegt. Meine Auffassung von
Livius VIII 14 schien mir eben in so gutem Einklang mit der Tat-
sache, dass das Fundament hinter dem Grabe zwar dem Grabe an-
gepasst aber von ihm isoliert ist; denn der mit Rostra geschmückte
Suggest wurde erst 838 v. C. erbaut, wogegen das Grab m. E.
schon ca. 50 Jahre früher von Barbarenhand angetastet worden war.
Ja, man könnte in der Erbauung eben dieses Suggest und der viel-
leicht schon alsbald damit in Verbindung gebrachten Einrichtung
der Leichenfeiern berühmter Männer eine weitere Sühne für den
Stadtgründer sehen. Doch habe ich Einwendungen zu begegnen.
Studniczka betonte I 136, dass der oblonge Bau hinter dem
Grabe nicht jünger, sondern älter als dieses scheine, weil das Grab
mit den hinten nicht profilierten Löwenbasen denselben vorausset-
zen. Dem gegenüber will ich nicht geltend machen, dass die Deck-
ung jenes Mangels ungenügend war, da grade das abgeschnittene
Profil beiderseits sichtbar blieb; will auch nicht fragen was denn
in der Lücke vor dem vermeintlichen Altar gewesen sei : mir ge-
nügt als Analogon des nur für drei Ansichten berechneten Grab-
monuments der tuskanische Tempel mit der gleichen Beschrän-
kung auf eine Front.
Gegen meine Unterscheidung des im J. 338 erbauten rostra-
geschinückten kleinen Suggestus, der 'eigentlichen Rednerbühne'
C0M1TIUM UND ROSTRA 207
und des grossen Suggestus, auf dem Ehrendenkmäler errichtet zu
werden pflegten, haben Studniczka II 24 und namentlich Hülsen
oben S. 36 f. Einwendungen erhoben. Ich erschaffte mir, heisst es
da, einen Begriff, von dem die antike Tradition nichts weiss. Nun
jedesfalls kennt doch die Tradition den Unterschied von Rostra in
eigentlichem und in uneigentlichem Sinne: jene gab es erst seit dem
Jahre 338, diese eben in jener Liviustelle schon vorher, und die
Tradition bei Livius, so wie ich sie im Einklang mit den bauli-
chen Besten erklärte, weiss von einem Suggest der als templum
erst 338 erbaut und mit sechs rostra (die Zahl bei Florus) ge-
schmückt wurde; dieselbe weiss aber auch von Ehrenmälern, die
schon früher auf einem Suggestus errichtet worden waren. Ist es denn
an sich so unwahrscheinlich, dass der Name rostra, wenn er zuerst
nur einem kleinen Suggest zukam, von diesem allmählich auf den
grossen, dem jener eingefügt war, überging? Oder ist es etwa un-
wahrscheinlich, dass das Rostratemplum von Anfang an klein war
und nicht den ganzen grossen Suggest bedeutete, auf dem die Denk-
mäler Platz fanden; das die Beamten nicht allein, sondern mit
Scharen ihres Gefolges bestiegen; von wo bevorzugte Zuschauer
den Anblick der Spiele genossen? Bietet nicht die Curia eine
Analogie? Auch sie war nicht ganz und gar ein templum, sondern
enthielt ein solches, wenn wir wörtlich nehmen was Gellius XIV
7, 7 aus Varro überliefert: propterea et in curia Hostilia et in
Pompeja et post in Julia, cum profana ea loca fuissent, templa
esse per augures constitula. Für die Kleinheit der eigentlichen Ro-
stra machte ich ja auch die geringe Zahl der sechs Schnäbel,
die nicht anders als von den ersten eigentlichen Rostra überlie-
fert sein kann, geltend; zumal wenn sie in der typischen Weise,
alternierend übereinander angebracht waren, wie es nur zu dreien
auf zwei Seiten möglich war. Um solchergestalt auf dem 3,50 m.
langen Suggest Platz zu finden, brauchten sie nicht dichter als
an den Caesarischen (s. S. 60) oder den Trajanischen Rostra ange-
bracht zu werden. Für wirkliche rostra wie es diese ersten gewiss
waren, möchte auch eine Höhe des kleinen Suggest über dem gros-
sen von einem Meter genügen, und diese Höhe zu ersteigen, mochten
an beiden Schmalseiten ein paar Stufen vorgelegt sein, die aus Holz
zu denken allerdings unnötige Bescheidenheit war. Die Zwölf Ta-
feln, die ja mehr als hundert Jahre, bevor es 'eigentliche Rostra'
208 E- PETERSEN
gab, aufgestellt wurden, gehören deshalb nicht an den Suggest,
von 338, wie H. S. 36, 1 meint sondern an den grossen alten.
Wenn endlich Studniczka II 241 f. diesen kleinen Suggest
für so lebhaft agierende Redner wie Tiberius Gracchus nicht gross
genug fand, so ist zunächst zu erwidern, dass solche Redeweise
um 338 natürlich noch nicht gebräuchlich war, und weiter fragt
sich, ob jeder Redner notwendig die Bühne besteigen musste.
Uebrio-ens hielt ia doch auch Mommsen, wenn auch aus an-
dem, nicht stichhaltigen Gründen (vgl. CRGdR. S. 23) dieselbe
Unterscheidung auch grade zweier Sprechplätze für möglich.
So führt mich auch heute noch der Versuch, die aufgedeckten
Reste durchdenkend mit der litterarischen Ueberlieferung zu ver-
einigen, zu der Ansicht zurück, dass das Comitium D mit dem
Romulusgrabe, den Galliersturm überdauernd, bis zur Sullanischen
Regulierung bestand. Was ich S. 31 f., Lanciani folgend, über die
Aehnlichkeit ausführte, welche die rostra ad D. lull mit dem
Altar des Divus und die republikanischen rostra mit Grab und
Opferstätte des Romulus verbindet, wird mitnichten, wie K. S. 39
sagt, hinfällig mit meiner Unterscheidung von Rostra in engerem
und weiteren Sinne: die Aehnlichkeit besteht auch ohne sie.
AVer nun an der Kleinheit des Comitium, das mit Aner-
kennung der Curiastufen (/ im Plan) ja noch kleiner geworden, und
dessen Erweiterung durch Pinzas Hypothese dahingestellt bleibt,
anstoss nimmt, der bedenke, dass die Volksmenge, die auf dem
Comitium nicht Platz fand, ja Freiheit hatte auf dem Forum rings
um das Comitium herum sich zu scharen. Was bedeutet denn
die Nachricht, dass Gracchus und Crassus angefangen hätten ge-
gen das Forum hin, statt wie früher gegen das Comitium gekehrt
zu reden, als dass sich die Menge, auf die man einwirken wollte,
dort auf dem Forum befand, und schon aus dem Jahre 218 v. C.
berichtet Livius XXII 7, 6 von der das Comitium umdrängenden
Menge auf dem Forum.
Ob auch unter Sulla schon das Grab eingedeckt wurde oder
erst unter Caesar, macht an sich wenig aus, und auch wer jenes an-
nimmt kann doch nicht, es sei denn mit einigen tiefer gedrunge-
nen schwarzen Splittern, erweisen, dass auch damals schun des
Grabes Stelle durch ein schwarzes Viereck im Pflaster angezeigt
worden sei. Im Gegenteil könnte man die maugelhafte Kongruenz
C0MIT1UM UND ROSTKA 209
des niger lapis mit dem Grabe eben daraus herleiten, dass er erst
später gelegt wurde. Gegen zweimaliges Verlegen und nachträgliche
Erhöhung des schwarzen Piiasters schien mir jetzt wie früher die
Gleichartigkeit der Schuttmasse zu sprechen, die man auf der
rechten Löwenbasis, bis zum niger lapis reichend, liegen gelassen
hat. Jedenfalls ist es kein glücklicher Gedanke, die Defekte des
schwarzen Vierecks aus dieser zweifachen Manipulation zu erklären,
wie Studniczka II 148 tut. Noch mehr streitet es freilich gegen
den Augenschein, wenn H. S. 15 diese Unregelmässigkeiten für
ursprünglich hält: nicht genug, dass der niger lapis eben gegen
Süden, wo die eine Ecke abgestumpft ist, wirklich höchst schad-
haft ist, auch die Schwelle, in welche die Balustrade eingelassen
ist (diese selbst ist viel späteren Datums) liegt an der Ost -
und Westseite in ursprünglichem Verbände, ist dagegen an der
Südseite ein rohes Werk später Zeit. Das Travertinpflaster das den
niger lapis auf drei Seiten in gleichem Niveau umgibt, war. weil
weiterhin beim Grundlegen für den Severusbogen abgebrochen, für
vorseverisch, also wohl Caesarisch erklärt. Um seine Datierung des
niger. lapis unter Maxentius zu retten, sagt H. S. 45, mit jener
Durchbrechung habe es wohl seine Richtigkeit, doch beweise das
nichts für den er. 30 m. entfernten n. lapis. Das tut es dennoch;
denn vom Severusbogen bis zu diesem ist das Pflaster ganz gleich-
artig, und hat gleichgerichtete Fugen; erst östlich vom n. lapis
ändert sich das.
Hülsen fährt eben fort, das schwarze Pflaster das tatsächlich,
wenn auch ein wenig schief, über dem Romulusgrabe hegt, nicht
für den niger lapis zu halten, der nach Verrius locum funestum
significat... Romuli morti destinatum, sondern diesen für irgend
ein mit dem Grabe verschüttetes Symbol zu erklären. Auf. S. 44
findet er jene andre Auffassung sogar 'in Widerspruch mit dem gan-
zen Charakter des Verrianischen Werkes', zumal der topographischen
Artikel, die überhaupt, und grade der über den n. lapis, nicht
'Denkmäler aus des Schriftstellers eigener Zeit beschreiben, son-
dern sich durchweg mit der Erklärung der Namen alter grossen-
teils schon verschwundener Monumente beschäftigen'. Und das
träfe hier bei der von H. bekämpften Ansicht nicht zu? War
denn das Grab nicht ein zu Verrius' Zeit schon 'verschwundenes
Monument'? Freilich, H. scheint aber zu verlangen, dass auch der
15
210 E. PETERSEN, COMITIUM UND ROSTRA.
' Schwarze Stein ' damals schon verschwunden sein müsse. Ja, wer
würde dann nach ihm fragen ? Und würde Verrius dann im Praesens
von ihm sagen : significat, und zwar niger lapis in comitio ? Versteht
das H. etwa so: 'wenn irgendwo von einem n. I. i. c. die Rede
ist, so bedeutet das das Romulusgrab', und nicht der kn. I. i. c. be-
zeichnet die Stelle u. s. w.' ?
Hülsen ' wiederholt ' S. 44 auch die alte Behauptung, ' dass
niger lapis eben nicht mit locus lapide nigro stralus gleichbe-
deutend ist? Hätte denn Verrius in unserem Sinne etwa sagen sol-
len: locus lapide nigro stratus in comitio locam funestum
significat? Was zeigt denn die Stelle des Grabes an? Die Stelle
die mit dem schwarzen Stein gepflastert ist, oder eben das Ma-
terial des Pflasters? Was ist dies für ein Material? Eben lapis
niger, oder vielmehr, da nicht der Stein sondern die Farbe das
Merkmal ist, niger lapis. Wer das noch bezweifelt, der lese doch
Juvenals VI, 350 nee melior, silicem pedibus quae content
atrum.
E. Petersen.
DER HAIN DER ANNA PERENNA BEI MARTIAL.
Zu den in Rom am häutigsten zitierten Versen gehören gewiss
die bekannten Hendekasyllaben, in denen Martial die Aussicht von
dem auf dem Janiculum gelegenen Landgütchen seines Verwandten
Julius Martialis schildert (IV, 64, 11-24):
11 Hitic septem dominos videre montes
Et totam licet aestimare Romain,
Albanos quoque Tusciilosque colles
Et quodcumque iacet sub urbe frigus,
15 Fidenas veter es brevesque Rubras
Et quod virgineo cruore gaudet
Annae pomiferum nemus Perennae.
Illinc Flaminiae Salariaeque
Gestator patet essedo tacente,
20 Ne blando rota sit molesta somno,
Quem nee rumpere nauticum celeuma
Nee clamor valet helciariorum,
Cum sit tarn \wope Mulvius sacrumque
Lapsae per Tiberim volent carinae.
Dass in ihnen noch manches der Erklärung harrt, weiss der
Kundige. Zwar die topographischen Schwierigkeiten haben sich
beträchtlich vermindert, seit man das Landgut nach dem Vorgänge
A. Elters (Rhein. Mus. 46, 411) nicht mehr bei der ungefähr
vier Kilometer entfernten Villa Lante oder noch südlicher sucht,
sondern auf dem Monte Mario. Der Dichter bezeichnet die Mul-
vische Brücke ausdrücklich in V. 21-23 als so nahe gelegen, dass
man sich wundern müsse, das Geschrei der Schitfsleute nicht
212 H- SCHENKL
stärker zu vernehmen. Das lässt sich nur durch eine verhältnis-
mässig hohe Lage erklären, eine Bedingung, die einzig und allein
der von Ponte Molle 1-2 Kilometer entfernte Monte Mario erfüllt.
Ausserdem scheint es, dass der Dichter den Hain der Anna Per-
enna. die Via Flaminia und Salaria, sowie den Pons Mulvius als
nahe gelegene ßuhepunkte für das Ause bezeichnet, im Gegen-
satze zu den in weiter Ferne sichtbaren Hügelketten und Ort-
schaften, die in V. 13-15 genannt sind. Zwischen diesen beiden
Grenzen erstreckt sich Rom, das man « wie auf der Landkarte« über-
blicken kann. Denn diese Bedeutung nehme ich für das bisher nicht
richtig gewürdigte aestimare (V. 12) in Anspruch. Die Glosse
Corp. Gl. Lat. II, 12, 28: aeslimatum rfv avvoipiv Vjtoi €£ccq-
yvQKTiibv rjroi diaTi'firjöiv empfängt ihre richtige Beleuchtung durch
Tebtunis Pap. 82, 1 f.: Maydwfojv xlrjgovxix^g avvcoipMT/ievriv
TTQbi tu eyvaxffiiva e£ imaxsipswg, womit wieder der Brief des
Strategen Revenue Laws 26, 13 ff., worin er die Schreiber auffor-
dert \'v oi'v rovg avvoipiovvTccg x-ttjüiv rwv ix iTtg enslsv-
osm; ('Begehung'; auch irre'QxsOai (i) lässt sich so nachweisen)
(pccve'vTwv ävadwts, sich inhaltlich vollständig deckt. Da von
dem Verbum (fvvotfß&iv das Lexikon von Sophokles Weiterbil-
dungen wie Gvvoipiafiog und sogar awoipicig nachweist, so wird
man kein Bedenken tragen, Corp. Gloss. III, 367, 64 f. in aesti-
mator Uoxpidtog und aestimatores laoipiitca das aktive Verbal-
substantivum awoipKJrrjg herzustellen; denkbar wäre allenfalls
enoipMrtrjg; sehr schwer glaublich das allerdings ohne Aenderung
herstellbare elaoipirrt/jg. Nach den oben angeführten Papyrusbe-
legen haben wir in der imöxexpig die Aufnahme oder Vermessung
durch den Geometer, in der avvoxpig die Verarbeitung, Zusammenstel-
lung und Ausgleichung der Vermessungsergebnisse zu Steuerzwecken,
also die Herstellung des Katasters durch einen Finanzbeamten zu
verstehen, wie ja auch Constantinus Porphyr, de caerim. 717, 9 f.
zwischen den irnaxenryxai und inörtrai unterscheidet. Bei der (fvv-
oiptg ging es ohne Abrundungund ähnliche arbiträre Entscheidungen
nicht ab ; so gewinnen die Ausdrücke opinio (opinator) und taxatio,
(l) Zu den sonstigen Belegen kommt Basil. LVIII, Tit. 9 p. HG Mer-
cati-Ferrini El de /p«t« xektvaei y.al airbg (6 juerp^rr/?) inikei'aei (1. inelev-
(TtT((i) rovg TÖnovs.
DER HAIN DER ANNA PERENNA HEI MARTIAI. 213
welcho die Glossen (s. den Index von Heraeus) mit cvvoipig identi-
fizieren, erst ihre richtige Bedeutung. In der römischen Amtssprache
lässt sich ein lateinisches Aequivalent für snidxs\pig erst seit
Konstantin nachweisen: Cod. Theod. II, 26, 1 (v.J. 330) electus
agrimensor dirigatur ad loca, ut si ßdelis inspectio tenentis locum
esse probaverit, pelitor vicius abscedat, womit 4 demselben Titels
(v. J. 385) artis haius peritis omnem commisimus sab fideli ar-
bitrio noüonem und Dig. X, 8 mensores mitlere — oculisque suis
subiectis locis zu verbinden ist. Die ars ist natürlich die Feld-
messkunst und eine Anweisung zu derselben ist uns noch erhalten
in der Abhandlung Agrorum quae sit inspectio (Agrim. 281).
Hingegen lässt sich aeslimare mit seinen Ableitungen aus der
amtlichen Ueberlieferung, wenn man von einem leisen Anklang in
dem obencitierten fidele arbitrium absieht, nicht belegen ; dass die
Juristen es in dieser Bedeutung zu gebrauchen vermeiden (man
vgl. das Vocabularium Jur. Rom.), ist nicht auffallend, da eine
Verwechslung mit althergebrachten Rechtsbegriffen nahegelegen
hätte. Aber der Gebrauch ist durch die Glossen hinreichend festge-
stellt und wenn anders meine Deutung des Martialverses richtig
ist, sogar schon für das erste Jahrh. n. Chr. gesichert. Er hat in der
Tat nichts Unwahrscheinliches. Denn dass unter Umständen beide
Amtshandlungen von einer und derselben Person besorgt werden
konnten und dass man die Vermessung auch etwas ungenau als
aestimatio bezeichnen konnte, liegt auf der Hand. Dass wie in
unserer Martialstelle, so auch in einigen anderen die eben hervor-
gehobene Bedeutung von aestimare schärfer betont werden muss,
als es in dem betreffenden Thesaurusartikel geschehen ist, sei nur
im Vorübergehen erwähnt.
Eine weit grössere Schwierigkeit, eine wahre crux philologorum^
bietet jedoch der Vers 16, der trotz aller Bemühungen eine befriedi-
gende Lösung bis jetzt noch nicht gefunden hat. Einen Niederschlag
dieser Bemühungen aus älterer Zeit findet man in den Anmerkungen
der Ausgabe Lemaires, meist offenbare Ungereimtheiten, wie die
Deutung der Worte virgineo cruore auf blutige Opfer, auf Knaben-
geisselung am Altare, auf den Tod der Anna Perenna oder gar (man
staune) auf das von der jungfräulichen Diana erlegte Wild u. dgl.
Nur Heinsius meinte, dass hier das Faunsohr des lascivus Mar-
tialis irgendwo hervorgucken müsse: er erinnerte sich des lustigen
214 H. SCHENKL
Treibens am Feste der Anna Perenna, das Ovid (fasti III, 522 ff.)
schildert, und änderte demgemäss. Ihm sind andere gefolgt (man-
chen gefiel Munro's virgine nequiore), auch Wissowa in den beiden
von ihm bearbeiteten Artikeln über Anna Perenna bei Röscher und
in seiner Real-Encyklopädie. Andrerseits haben Fr. Härder (Wo-
chenschr. f. kl. Philologie 1902, 164) und Assmann (Rh. Mus.
60,637) unabhängig von einander durch die Aenderung virgineo
liquore eine Beziehung auf die Aqua Virgo herstellen wollen. Alle
stimmen aber darin überein, dass der Vers eine schwere Corruptel
zu enthalten scheine.
Und doch klingt das überlieferte virgineo cruore so sicher
und echt lateinisch; es ist auch römisches Versgut:
virgineamque alte bibit acta cruorem
schrieb Vergil (Aen. XI, 804) und der Prinzenerzieher Ausonius
hat sich die billige Gelegenheit nicht entgehen lassen, den Vers
zur Zote zu missbrauchen, wie man in seinem Cento nuptialis
nachlesen mag. Fände sich eine anderweitige Ueberlieferung, die
einen Obstgarten mit « jungfräulichem Blute » in Verbindung bringt
und Nota bene ein wenig — martialisch gefärbt ist, so würde man,
glaube ich, kaum zögern, in ihr die Erklärung für den seltsamen
Ausdruck zu finden.
Diese Ueberlieferung existiert in der That und nicht bloss
einmal. Ich fand sie zuerst im 10. Buche Columella's, der von den
Feinden der Obstgärten, dem Ungeziefer und den Raupen, sowie
den Mitteln zu ihrer Vertilgung viel zu sagen weiss und dann so
fortfährt :
357 At si nulla valet medicina repetiere peslem
Dardanicae veniunt artes, nudataque plantar
Femina, quae iuslis tum demum operata iuventae
360 Legibus obsceno manat pudibunda cruore,
Sed resoluta sinus, resoluto maesla capillo
Ter circum areolas et saepem ducitur horti,
Quae cum lustravit gradiens, — mirabile visu —
Non aliter quam decussa pluit arbore nimbus
365 Vel tereti mali vel tectae cortice glandis
Volvitur in lerram distorto corpore campe.
DER HAIN DER ANNA PERENNA BEI MARTIAI. 215
Ein Kommentar ist überflüssig; besser und überzeugender als
durch die einfache Gegenüberstellung kann die Beziehung der
beiden Stellen zu einander nicht dargetan werden. Dagegen mö-
gen hier die übrigen Zeugnisse für den von Columella geschil-
derten, von Martial in deutlicher Anspielung gestreiften Zauber-
brauch aufgeführt werden, die mit Hilfe der Kommentare zu den
Bei rusticae scriptores leicht zusammenzubringen waren, nachdem
einmal der Ausgangspunkt gefunden war. Am nächsten kommt
Pliuius Nat. Hist. XXVIII, 77: iam primum abigi grandines tur-
binesque contra fulgura ipsa mense nudato . . (78) quoeumque autem
alio menstruo si nudatae segetem ambiant, urucas ac vermiculos
scarabaeosque ac noxia alia decidere. Metrodorus Scepsius in Cap-
padocia inventum prodit ob midtitudinem cantharidum, ire ergo
per media arva retectis super clunis vestibus ; alibi servatur,
ut nudis pedibus eant capülo cinctuque dissoluto. Es werden
hierauf auch schädliche Einflüsse der menses auf die Saaten ge-
schildert, mit dem Zusätze (79): quin et adspectu omnino quamvis
procul visas, si purgatio illa post virginitatem prima sit aut
in virgine aetatis sponte. Beide Autoren schreiben also bei dem
Zauber der Jungfräulichkeit grosse Bedeutung zu; bei den fol-
genden Zeugnissen ist dieser Umstand ausser Acht gelassen. Eine
andere Quelle nennt ausdrücklich Columella XI, 3, 64: Sed De-
mocritus in eo libro, qui graece inscribitur nsol ävxinaBibv af-
firmat has ipsas bestiolas (er spricht von den xdi.inai) enecari, si
mulier, quae in menstruis est, solutis crinibus et nudo pede
unamquamque aream ter circum eat: post hoc enim decidere
omnes vermiculos et ita emori. Kurz Plinius Nat. Hist. XVII
266 privatim autem contra urucas ambiri arbores singulas a
midiere incitati mensis, nudis pedibus, recincta. — Daran schlies-
sen sich Apuleius in den Geoponica XII, 8; Tivlg dt', oxav xdfinai
noXXa wert, yvvaixa xu\)aiQO[.isvr>v siöayovGiv slg %bv x\]nov ävv-
Ttoderov XvG[TQi%a sv fJiovov irdedvfitnjv l/AaTiov xal /nrjd&v aXXo
oXcog syjovGav [irres nsoi^coßcc f.irjT£ k'rsoöv zr avxrj yao iv tovx(o
T(ö Gyj)iia%i rolg TtsQieX&ovGa rbv xT-nov xal diu i^ieGov i%eX-
Oovüa ev&soog noilfiei äcpavsig Tag xäfiTvctg, und eine knappe
Notiz bei Aelian Hist. anim. VI, 36 : avcöXXvvxai 61 xal abtat
(at xafinai), yvvrj tijv «7iY(urJi70v xaOaqaiv xa^aioo/ntirj ei di&Xüoi
(ittfr) twv Xaxavcov. — Ein Nachhall aus späterer Zeit ist Pal-
216 H. SCHENKL
ladius I, 35, 3 : Aliqui midierem menstruantem nusquam cinctam
solutis capillis nudis jwdibus contra erucas et cetera hört um
faciunt circumire.
Die gegenseitigen Beziehungen dieser verschiedenen Zeugnisse
mit ihren Übereinstimmungen und Abweichungen oder die Frage
nach ihrer Abhängigkeit von einander zu erörteren, hat — hier we-
nigstens — keinen Zweck. Das Demokritzitat des Columella hat
schon Diels (Vorsokratiker 461,3 und 462, 8) mit Recht unter die
späteren Apokrypha eingereiht. Die Metrodorosstelle sucht Müller
(fragm. Hist. Graec. III, 204) in der Schrift ttsqi laxoqiug. Sie
könnte nach allem, was wir wissen, ebensogut in der nsol owrj-
tieiac, gestanden haben ; und wenn ich richtig vermuthe, dass die
beiden Schriften ehemals als Gegenstücke die Unterabteilungen
eines Werkes gebildet haben, so ist das letztere sogar viel wahr-
scheinlicher. Der Gegensatz der beiden Begriffe ist hinlänglich
bekannt und schon von Aristoteles in seinen tisqI xa £']>« '«fzogiai
I, 16 = 494 b 19 ff. klar ausgesprochen: Ta füv olv ^ogia xa
TTQog zijV t£o) imipävsiav xovxov xsxaxxai xbv xqotiov xca', xa&-
antQ tXk'y&rt, öicovo^ciGxaC xs [läXiGta xcti yvcogi/Jict dia xt]v
Gvvrj&eiav sGzir, xa 6'ivTog xovvaviCov. Auch das Sachliche kann
hier nicht besprochen werden. In dem grossen Sammelsurium von
Ploss-Bartels, ' Das Weib ', findet sich sonst Material genug über
die Rolle, welche die menses im Volksaberglauben spielen, aber nichts,
die hier behandelte Frage förderte. Darum sei hier auf die Note des
alten Needham zu den Geoponica hingewiesen, der aus Antonius Mi-
tzaldis de secretis hortorum lib. I zitiert: ' huius modi praeüi-
gium referre puduisset, nisi multi experti fuissent scripsissetque
doctissimus medicus lo. Langius in Noricorum terris observa-
tum et approbatum fuisse '.
Aus den Worten Martials geht deutlich genug hervor, dass
der erwähnte Gebrauch etwas war, was zu seiner Zeit zum Hain
der Anna Perenna gehörte; etwas, woran jeder dachte, wenn man
des Hains erwähnte, was ihm eine gewisse Berühmtheit verschaffte.
Das Verbum gaudere wird mit Vorliebe zur Bezeichnung von
Dingen verwendet, auf die jemand stolz ist. Zahlreiche Stellen,
wie natis gaudeat illa tribus oder gaudent iocosae Cassio suo
Gades bei Martial selbst oder das allbekannte Maniua Vergitio
gaudet, Verona Catullo beweisen es. Damit ist aber nicht ge-
DER HAIN DRR ANNA PERENNA BEI MARTIAI, 217
sagt, dass, was zu Marfcials Zeit so war, auch von Alters her so
gewesen sein rnuss. Und hier erhebt sich eine wichtige Frage, die
wichtigste, die sich an die Martialstelle und ihre eben gegebene
Erklärung knüpft. Hängt vielleicht dieser Gebrauch, die Lustratio
des Obsthaines der Anna Perenna, mit dem Kult selbst seit alter
Zeit zusammen? Erklärt sich vielleicht die Ausgelassenheit, die
sich an diesem Tage kund gab, aus dem Seltsamen und zugleich
Obscönen dieses Gebrauches? Wenn sich ein solcher Zusammenhang
sicher nachweisen liesse, so wäre man in der Tat berechtigt, dar-
aus weitere Schlüsse auf die bekanntlich noch immer in tiefes
Dunkel gehüllte mythologische Figur der Anna Perenna zu ziehen.
So verlockend dies wäre, so muss doch die Frage verneint werden.
Martial, der den Gebrauch kennt, spricht nur vom Haine
und nicht vom Fest. Ovid, der den Verlauf des Festtages schil-
dert, erwähnt den Gebrauch mit keinem Worte. Es ist übrigens
nicht zu verkennen, dass die ganze Ovidstelle sich aus zwei scharf
von einander getrennten Teilen zusammensetzt. In dem ersten
(fasti III, 513-674) erzählt Ovid zunächst von dem lustigen Trei-
ben im Haine (523-542), worauf er seine eigene Aetiologie folgen
lässt (543-656), um anhangsweise noch einiger anderer Deutun-
gen der Anna Perenna zu gedenken (657-674). Nun folgt, ganz
äusserlich mit nunc mihi superat - dicere angeknüpft, die Er-
wähnung des Brauches der Mädchen, an diesem Tage obseöne
Lieder zu singen und seine Erklärung durch das Geschichtcheu
vom gefoppten Mars (675-696). Unrichtig ist es, wenn Peter
meint, dass « dieser Abschnitt angemessener hinter der Beschrei-
bung des Festes v. 542 seine Stelle gefunden hätte »; Ovid sagt
auch gar nicht, dass die obscönen Lieder beim Feste im Hain
gesungen werden. Die beiden Angaben sind vielmehr ganz ausein-
ander zu halten. Im ersten Teile berichtet der Dichter, dass die
Pärchen (nicht durchwegs ' Liebespärchen ' im strengen Sinne des
Wortes ; vgl. 542 senem potum poia trahebat anus) im Haine sin-
gen quiequid didicere theatris (535) und um den Weinkrug tan-
zen : dueunt posito duras cratere choreas (537 ; Tänze im kräf-
tigen trochäischen Rhythmus, im Gegensatze zu weichlich üppigen,
wie z. B. dem jonischen). Von obscönen Liedern, von Spottgesän-
gen ist hier gar nicht die Rede; die Leutchen singen eben die
gerade beliebten Couplets. Ganz anders lautet die Schilderung des
218 H. SCHBKK.L
zweiten Teiles. Die Mädchen tun sich an diesem Tage zusammen
und singen herausfordernde Lieder: coeunt certaque probra ca-
uviit (676). Die Situation ist ganz deutlich gezeichnet. Wer Volks-
sitte kennt, der weiss, dass die Mädchen, wo sie sich in grösserer
Zahl oder in Ueberzahl zusammenfinden und demgemäss gesi-
chert fahlen, gegen die Burschen allerlei Trutzliedeln und Schna-
dahüpfeln loslassen, die häufig an Saftigkeit gar nichts zu wün-
schen übrig lassen. Unbefangene Deutung der Verse Ovid's lässt
nur die Auffassung zu, dass diese Spottverse das Missgeschick des
Mars bei seiner Werbung um Minerva und seine Täuschung durch
die alte Anna Perenna zum Gegenstande oder doch zum Ausgangs-
punkte hatten: lade ioci veteres obscenaque dicta canuntur
(695) ; und ebenso, dass diese Lieder der Befriedigung über die
Anführung des verliebten Gottes Ausdruck gaben : iuvat hanc
magno verba dedisse deo (696). Es war eben ein Abenteuer, bei
dem einmal der weibliche Teil besser abschnitt, im Gegensatze
zu dem Lied des Demodokos, das die Männer gerne hören. Dass
es von Ovid erfunden sein sollte, wie Wissowa annimmt, wird
durch nichts bewiesen.
Auch in diesem zweiten Teile ist jenes Zauberbrauches gar
nicht gedacht. Er wäre auch schlecht geeignet gewesen, für Mädchen
die Veranlassung zu obscena dicta und certa probra ihrerseits
abzugeben ; weit eher hätte der männliche Teil, der den Mädchen
die Antwort gewiss nicht schuldig geblieben ist, eine gute Ver-
anlassung gehabt, dieselben damit zu necken. Der Gedanke vol-
lends, dass die Zeremonie selbst bei dieser Gelegenheit öffentlich
vorgenommen und bewitzelt wurde, ist ganz abzuweisen; solchen
Zauberspuk treibt man eher bei Nacht und unter ehrfürchtiger,
peinlicher Beobachtung aller Förmlichkeiten. Auch das resolulo
maesta capillo bei Columella ist zu beachten.
AVie nun das Schweigen Ovids über einen so auffallenden
Vorgang es höchst unwahrscheinlich macht, dass er zu seiner Zeit
bestand und bekannt war, so spricht auch der Wortlaut bei Co-
lumella deutlich dagegen. Ganz ausdrücklich sagt er: Dardanicae
veniunt arles (358) und bezeichnet damit den Gebrauch als einen
fremdländischen, als ein äusserstes und letztes Mittel, das ihm
eher als ein notwendiges Uebel erscheint. Dort wo er in Prosa
spricht, wo er sich sozusagen ' fachwissenschaftlich ' ausdrückt, zi-
DER HAIN DER ANNA PERENNA BEI MARTIAL 219
tiert er keine römische Autorität, sondern einen Griechen; ebenso
Plinius.
Der Gebranch kann also kein altrömischer gewesen sein; ja
er muss, wenn wir die Zeitverhältnisse berücksichtigen, offenbar
erst nach Ovid, vielleicht sogar erst nach Columella and Plinius,
also gar nicht lange vor der Abfassung der Verse Martials (88
n. Chr.) eingeführt worden sein, so dass an der Berühmtheit, auf
die Martial durch jenes gaudet hinweist, eher die Neuheit als
das ehrwürdige Alter des Gebrauches Schuld gewesen zu sein
scheint. Ob endlich die seltsame Lustration eine förmliche offizielle
Einsetzung erfahren oder sich so unter der Hand eingebürgert hat,
wissen wir nicht; ebenso wenig, wie lang sie sich in Uebung er-
hielt. Vielleicht geriet sie schon sehr bald wieder in Verges-
senheit. Die Kirchenväter, denen sie ein wirksames Beispiel von
der Unsittlichkeit des antiken Kultes geboten hätte, sagen nichts
davon (').
Rom.
Heinrich Schenkl.
(') [Was die Lage des Haines der Anna Perenna betrifft, so scheint es
mir überzeugend, dass er ein augenfälliger Punkt für die Aussicht von der
Villa des Iulius MaTtialis war (o. S. 212). Damit ist eine Lage innerhalb
des jetzigen Stadtgebietes, etwa bei Via Vittoria, wie Assmann zu gunsten
der unnötigen Aenderung virgineo liquore will, nicht zu vereinen. Wohl wa-
ren diese Gegenden noch im dritten Jhdt. privatorum possessionibus et hortis
et aedificiis occupata (Hist. Aug. Gordian. c. 32), aber gerade bei dieser
Verzettelung des Grundbesitzes hätte ein pomiferum nemus, das auf drei Ki-
lometer Entfernung sichtbar gewesen wäre, doch eine Grösse nach Hektaren
haben müssen: und für ein solches ist in der siebenten Region kein Platz.
Aber man darf, wie mir scheint, die Angabe des Hemerologium Vaticanum
ad primum lapidem hier ebenso wenig wie in ähnlichen Fällen so pressen,
als habe die Kultstätte und der Hain genau am ersten Meilensteine gelegen.
Genauer würde man gesagt haben : inter lapides 1 et IL wobei sich ver-
stand, dass die Stelle dem lapis I näher lag. Für die Via Flaminia haben
wir zwar keine Meilensteine aus der Nähe der Stadt (s. CIL. XI p. 005 ;
aber die Gewissheit, dass der Ausgangspunkt der Strasse am Norderide des
Kapitols lag, und die Angabe der Itinerarien, dass der Pons Mulvius ad la-
pidem III war, geben hinreichenden Anhalt. Die Mitte zwischen Piazza Ve-
nezia und Ponte Molle — mp. IS. — fällt etwa in die Gegend von Villa Ponia-
towski, wenig diesseits der Via deH'Arco Oscuro. Demnach wird der Hain
der Anna Perenna auf der Höhe ein wenig stadtwärts, etwa bei der jetzigen
Villa Strohl-Fern gelegen haben. Ch. H.].
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO IN ROM
(S. Maria Egiziaca)
(mit Taf. VI-XII).
Die vorliegende Arbeit (*) befasst sich mit einem der kleinen
Denkmäler römischer Baukunst, das noch ziemlich wohlerhalten,
doch trotz mannigfacher Aufnahmen und Beschreibungen, die da-
rüber veröffentlicht worden sind, nie genügend untersucht worden
ist, so dass seine Stellung in der römischen Baugeschichte bis
heute zweifelhaft blieb.
Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts (2) wird unser kleiner
Pseudoperipteros, die heutige Kirche S. Maria Egiziaca, Tempel
der Fortuna virilis genannt : ein Name für den aus der alten Lit-
teratur kein Zeugnis beizubringen ist (3). Nur so viel steht fest,
(') Besonders erwähnen möchte ich an dieser Stelle die überaus gütige
Unterstützung meiner Arbeit von Seiten des Hrn. Prof. Chr. Hülsen, dem ich
vielfache Litteraturangaben sowie die nötigen Empfehlungen zur Erlangung
der Permessi verdanke. Auch für seine wohlwollende Durchsicht meines Ma-
nuscripts hin ich ihm sehr verbunden. Herrn Dr. R. Delbrück danke ich für
seine Mitteilungen und Aufschlüsse über seine Studien am Tabularium und
Pons Milvius ebenfalls bestens.
(2) Der erste welcher diesen Namen aufgebracht hat, ist Bartolomeo
Marliani (Topogr. 1. IV cap. 3. f. 76 ed. 1534, 1. III c. p. 16 p. 57 ed. 1544);
vorher hatte Flavius Blondus {Roma instaurata, 1. II § 59 f. 18 ed. Venet.
1510) den Bau templum Asyli, Andreas Fulvius {Antiquitates urbis 1. III
f. 46' ed. 1527) aedes Pudicitiae Patriciae getauft. Marlianis Benennung,
obwohl nur auf irriger Deutung der Dionysstelle (s. A. 3) beruhend, behielt
trotz Ligorios Widerspruch {Paradossi, 1553, p. 45), der nach dem Inschrif-
tenfunde von 1551 (s. S. 221) das Gebäude mit grosser Sicherheit für die ' Ba-
silica Gai et Luci Caesaris'1 erklären wollte, für die Folgezeit die Oberhand.
(3) Dionys. Halic. IV". 27 sagt von Servius Tullius: vctovg di'w xaiaaxevct'
aäutiog Tv%t]g, ibv [iev iv äyoQu t# tcaXovfiivff Uoccqiu, t6v d' eitgov £ni
ralg r/iöoi xot Teßegtog, i)v tU'^QElav nQogtjyöfjsvost', wg x«l i^v vnö Vw-
H«ioi> xaXehc.i. Mit dem zweiten Tempel ' am Tiberufer ' ist die aedes Fortis
Fortunae an der Via Portuensis rechts vom Tiber gemeint; Dionys hat falsch
Fortis für ein Adjectivum gehalten, spätere Uebersetzer haben den Fehler
durch Uebertragung von dvögeia-virilis vergröbert.
DER IÜMSCHK TEMPEL AM PONTE ROTTO 221
dass am Forum boarium — so hiess der Platz an dem unser Bau
liegt — zwei Tempel standen, welche zwei ihrem Wesen nach
verwandten Göttinnen an demselben Tage (11. Juni) geweiht waren
und stets zusammen erwähnt werden : die Tempel der Fortuna
und der Mater Matuta (l). Vor den Tempeln errichtete L. Ster-
tinius i. J. 196 v. Chr. zwei Bögen (fomices) mit vergoldeten
Statuen darauf (Livius XXXIII, 27). Wir werden uns daher beide
Tempel symmetrisch gestellt, und wohl auch baulich überein-
stimmend denken. Dass jedoch unser Tempel einer von diesen
beiden sei, ist bisher nur Vermutung. Auch ältere Ausgrabungen
haben für die Geschichte des Baus nur eine Thatsache constatiert:
nämlich dass im Jahre 2 v. Chr. den beiden Adoptivsöhnen des
Augustus C. und L. Caesar Statuen vor dem Tempel, wahrschein-
lich auf den Treppenwangen, gesetzt worden sind. Im Jahre 1551
fand man vor der Kirche zwei gleiche Travertinblöcke von 1,35 m.
Höhe, 0,90 m. Breite, welche nach dem Wortlaut der alten Be-
richte mit dem Bauwerk in Verband gewesen zu sein scheinen (2).
Doch lassen sich die angegebenen Breiten- und Höhenmaasse der
Stücke nicht mit Maassen des Podiums in Zusammenhang; bringen.
Immerhin ist es möglich, dass beim scavo von 1551 die Tempel-
treppe zerstört worden ist. Für den Namen unseres Baues jedoch
erfahren wie aus diesen Notizen nichts.
Zur genauen Kenntnis des Bauwerks ist eine Untersuchuno-
der technischen und formalen Einzelheiten notwendig. Der aus-
(') lieber Fortuna und Mater Matuta s. Wissowa Religion der Römer
p. 207. Beides sind Frauengottheiten; die erstere will Wissowa mit Pudicitia
identifizieren. Ganz verschieden von ihr ist die nur einmal (in den Kalenda-
rien zum 1. April) erwähnte Fortuna Virilis, die mit der Pudicitia in einem
gewissen Gegensatze gestanden zu haben scheint.
(2) Mart. Smetius inscr. 49, 4, 5 giebt an: bases duae aequales ex Ti-
burtino altae palmos VI, latae IUI coronis suis spollatae, repertae Romae
a. 1551 ante aediculam S. Mariae Aegyptiacae; in seinem Neapolitaner Ms.
(p. 114) sagt derselbe: a. 1551 e basi templi, quod quidam Forti Fortunae,
alii vero Pudicitiae hactenus ascripserunt. diculsae. Aldus Manutius (cod.
Vat. 5253 f. 348) fügt hinzu : horum (saxorum) alterum e/fossum a dextris,
alterum a sinistris. — Endlich erzählt Pyrrho lAgovio,delle antichiiä di Roma ;
paradossi (1553) p. 45: essendosi cavato Vanno passato in questo luogo
(S. Maria Egiziaca) s'e trovato per lettere che v'erano intagliate, che questa
era la Basilica di Caio e di Lucio. Vgl. C. I. L. VI, 897. 898, wo weiter«'
Litteratur.
222 E- R- F1ECHTER
führlichen Baubeschreibung aber sei zuerst ein kurzer Bericht
über die bisherigen wichtigsten Darstellungen und Veröffentlichungen
des Denkmals vorangeschickt.
Bisherige Kenntnis des Tempels.
I. Alte Zeichnungen und Aufnahmen.
Aus der Zeit der Renaissance, in der die Künstler mit gros-
sem Eifer die antiken Bauten studierten und zeichneten, sind mir
folgende Berichte und Darstellungen bekannt geworden:
1. Zeichnungen in Florenz, Uffizien.
a) Antonio da Sangallo il giovane (1485-1546). N. 1166
Grundriss mit Maassen der Axweiten und der Türöffnung. Die Sei-
tenansicht mit Pfeilerpodium ohne Einzelheiten. Zwischen den
Wandsäulen ist ein Sockel mit Abschlussleiste, darüber 12 gleich -
grosse Qnaderschichten. Flüchtige Darstellung des Frieses : über den
Säulen Stierschädel, über den Intervallmitten je ein Putto, und
beiderseitig zwischen Stierschädel und Putto je ein Kandelaber,
alle durch Laubgewinde verbunden. Einzelheiten und Profile nicht
gezeichnet. Auf dem Giebel erheben sich Postamente von First- und
Eckakroterien.
b) Salvestro Peruzzi, Sohn des Baldassarre (geb. 1500,
lebte bis 1573). N. 664 u. 689 nur flüchtig gezeichnete Grund-
risse ohne Einzelheiten.
c) Giovanni Antonio Dosio (1533-1609) N. 2027, 2028,
2029 bis; gibt sorgfältige Aufzeichnungen, meist wohl nicht vor
dem Objekt selbst gemacht, obschon er dies genau beobachtet
hat. 2027 und 2029 bis v. Grundriss mit wenig Maassen. Türweite
auf 10 f. angegeben. 2027 r. u. 2028 geometrisch aufgezeichnete
Vorderansicht mit Stufen eines Peripteraltempels. Im Fries über
den Säulenaxen Stierschädel, in den Zwischenräumen je zwei Kan-
delaber und ein Putto (wie bei Sangallo). Ferner Basis, Kapitell-
und Gesimseinzelheiten mit grosser Sorgfalt. Die Formen sind
gegenüber der Wirklichkeit verfeinert. Am Architrav sind beide
Fascien mit Perlschnüren geziert. Auf Blatt N. 2027 die Notiz:
« tutli gli intagli che sono in detto, sono coperti di stucco e fatti
con bellissima grazia » . N. 2029 bis enthält noch einmal ein
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 223
Gebälkdetail mit gross gezeichnetem Stierschädel und wulstigem
Laubgewinde — den leeren Raum über dessen Rundung füllt
eine Scheibe aus — ferner ein grosses schematisch es Kapitell-
detail ohne Einzelheiten.
In der Mappe : Vedute degli antichi Edißsi dl Roma, dise-
gnati da Giovanni Antonio Dosio {dipoi incisi da Giovanni Bat-
tista de' Cavalicri l'anno 1569) sind noch zwei malerische An-
sichten 2506 y. u. 2530 r. Die eine giebt den Tempel restauriert
und mit peripteralem Stufenbau (ohne Podium); die andere zeigt
den damaligen Zustand mit vermauerter Vorhalle, aber ohne die
Fenster an der Langseite. Der Bau steckt ganz im Schutt. Im
Fries nur Stierschädel und Gewinde angegeben.
2. Zeichnungen in anderen Sammlungen.
a) Berlin, Kunstgewerbe-Museum, Sammlung Destailleur.
Grosses Blatt, von demselben unbekannten französischen Kunst-
ler, der um 1550 namentlich die Kaiserthermen äusserst sorgfäl-
tig studiert hat (Jessen, Aus der Anomia, 1890, p. 114 ff.). Auf
der r. Hälfte: Ansicht der westlichen Langseite; 1. Details der
Basen, Kapitell und Gebälk. Eine Photographie der 1. Hälfte ver-
danke ich, durch. Herrn Professor Hülsens Vermittelung, der Güte
der Hrn. Prof. Loubier.
b) Wien, Hofbibliothek.
1) Unbekannter Franzose (XVI. Jhdt.): Kopie nach dem eben
genannten Blatte des Anonymus Destailleur.
2) Unbekannter Italiäner (XVII. Jhdt.): Profil der Halbsäu-
lenbasis und des Unterbaues — « questo e il pidistallo di quello
tenpieto dove ogi e la chiesa di Santa Maria Egitiacha » etc.;
Grundriss einer Säule und einer Halbsäule.
Ueber diese beiden Blätter vgl. H. Egger, Katalog der Wiener
Handzeichnungen p. 46. 47 n. 152. 153, dem ich auch eine Pho-
tographie von n. 2 verdanke.
3) Unbekannter Italiäner (XVI Jhdt.) : Grundriss mit wenigen
Maassen : c ternpio di martte a ponte Sta. Maria, hopera ionica
composta di studio in Roma '. [Auf demselben Blatte Grund-
riss eines Rundbaus: « di la da Palestrina, ternpio di mattoni
arrotati »; auf der Rückseite Grundrisse dreier anderen Rund-
bauten u. A. eines angeblichen « Ternpio di Äpolline a Bene-
vento »].
a
224 E. R. FIECHTEH
3. Darstellungen in verschiedenen alten Architektunverken.
a) Bartolomeo Marliani, Urbis Romae Topographia,
Romae 1544 p. 57, giebt nur einen Grundriss, ohne die moderne
Vermauerung der Vorhalle von den antiken Cellawäuden zu unter-
scheiden. Sein Text ist lediglich topographischer Natur.
b) Stich im Speculum Romana e Magnificentiae,
N{icolaus) B(eatricet) f(ecit), Tomasius Barl(acchi)exc(udit)M'DL.
Beischrift: « Templum Fortmae Virilis ad ripas Tiber is in Foro
Piscario, nunc Mariae Aegyptiacae sacratum, Romae ». Vielleicht
abhängig von der angeführten Zeichnung von A. da Sangallo. Es
ist eine perspektivische, rekonstruierte Ansicht. Das Podium der
Vorhalle erscheint ganz aufgelöst in Pfeiler, auf welchen die Säulen
stehen; im Fries nur Stierschädel und Vasen gezeichnet. Oft nach-
gestochen, z. B. in Jac. Lauri Splendor Antiquae Urbis (1613);
P. Schenk, Roma aeterno, (Haag 1705) T. 64, u. A.
c) Sebastiano Serlio. Architettura 1. IV. Venezia 1552
f. 38' giebt eine schematische Ansicht des Kapitells bei Anlass
seiner Auseinandersetzung von Vitruvs Regel (Vitruv. III 5, 5 f.)
d) Andrea Palladio (1518-1580), / quattro libri del-
V architettura 1576. 1. IV. S. 48 giebt auf 3 Tafeln 1) einen er-
gänzten Grundriss mit wenig Maassen (Türweite 9 V4 f-), gänzlich
falsche Profilzeichnung des Podiums, eine Türverdachung in Einzel-
heiten, deren Schönheit er besonders rühmt; 2) eine Vorderansicht
mit hohen Akroterpostamenten und Figuren; im Fries über den
Säulen Putti, dazwischen Stierschädel und Guirlanden, keine Kande-
laber; dann Kapitelleinzelheiten; 3) eine Seitenansicht mit durch-
geführtem Basisprofil als Sockel der Cellawand; schöne üppige Fries-
zeichnung und genaue Kapitelluntersicht. Stucküberzug erwähnt.
Wenn diese alten Aufnahmen meist in der Angabe der Einzel-
heiten von bedeutender Genauigkeit sind, so dürfen doch weder die
Grundrisse, noch die Aufrisse und Schnitte, also die Gesamtdarstel-
lungen mit dem Maasstab archäologischer Gewissenhaftigkeit geprüft
werden. Sie stellen vielmehr meist geniale Ergänzungen dar, die die
tatsächliche Wirklichkeit wenig oder gar nicht berücksichtigen.
e) Ans Ende dieser Reihe stelle ich den französischen Ar-
chitekten Ant. Desgodetz, welcher in Colberts Auftrage 1675-
76 die Ruinen Roms genau untersuchte, und 1682 in Paris sein
Werk u ßdiföces antiques de Rome » veröffentlichte. PI. 38-41 ent-
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 225
halten eine Aufnahme unseres Tempels. Trotz seiner lauten Rügen
über die Darstellungen älterer Architekten begegnen auch ihm ver-
schiedene Fehler; doch bedeutet sein Werk für seine Zeit eine
ganz bewunderungswürdige Leistung. Er ist der erste, der das
Podiurnpiofil richtig zeichnet, und zwar auf Grund eigener Gia-
bung (p. 98). Auch erkannte er richtig den Unterschied zwischen
Stuck- und Steinformen, wenngleich er für seine Publication ein
Normalkapitell zurechtzeichnet. Unrichtig sind nur die Mauer-
maasse im Grundriss und die Friesornamente. Er zeichnet Eichen-
kränze, steife Putti, Kandelaber und Stierschädel (').
Aus den unzähligen römischen Vedulen des 17. und begin-
nenden 18. Jhdts (-) lernen wir für das Bauliche unseres Monu-
ments nichts. Den Erhaltungszustand zeigen am treusten die
Vedute in Alö Giovannolis Antichi vestigj di Roma (circa 1616)
Tav. 66, und (fast hundert Jahre später) Bonaventura van Over-
beke Iteliquiae antiquae urbis Romae (1709-1753) I Tf. 55.
Danach war der Tempel bis über die Säulenbasen verschüttet und
besonders an der Südseite durch Anbauten entstellt.
Eine beklagenswerte Beschädigung erlitt der Tempel im Jahre
1718, als Papst Clemens XI das Gebäude des armenischen Hospizes
vergrössern liess: damals Avurde ein Teil des Gebälks weggenom-
men, und der Travertin für die Fassade der nahen Basilika von
S. Maria in Cosmedin, die gleichzeitig auf Veranlassung des Car-
dinais Hannibal Albaui restauriert wurde, verwendet (3). — Den
Zustand des Monuments (westliche Langseite) um 1750 zeigt eine
Vedute G. Vasi's {Magnificense di Roma, 1. V, 1754, Tav. 94).
t1) Nach den Aufnahmen von Desgodetz hat G. Ant. Guattani in den
monumenti antichi tnediti (1789) T. III und seiner Borna antica descritta
e i Hlustrata (1805) T. XXII eine Darstellung im kleinsten Maasstab nach-
gestochen. Im Fries zeichnet er bewegte Putti, Stierschädel, wesentlich ab-
weichende Kandelaber und wulstige Laubgewinde. Guattani berichtet in den
Memorie enciclopediche Romane (1816), p. 5 von der Absicht der Wieder-
herstellung des Tempels.
(-) Ein reichhaltiges Verzeichnis von solchen giebt F. Hermanin, Cata-
logo delle incisioni con vedute romane nel Gabinetlo Nazionale delle Stamp>\
Rom 1897. Hervorgehoben seien die entzückende kleine Radierung von Gio-
vanni Mercati, Alcune vedute dei luoghi dishabitati di Roma (1629) und der
Stich des Israel Silvestre (1621-1691).
(3) G. M. Crescimbeni, Stato della Basilica di S. Maria in Cosmedin
(Roma 1719. 4) p. 41: notiü che i trivertini adoperati {nella nuova fac-
16
226 k K- FIECHTEK
IL Neuere Aufnahmen und Bearbeitungen.
1. Mit Giovanni Battista Piranesi beginnt eine neue Aera
in der Stellung zur Antike. In « Le antichitä Romane » T. IV
(1756) Tav. XXXXVIII-LII giebt er Ansichten und Einzelheiten
unter Weglassung alles Modernen. Der Bau war nach seinen
Angaben bis über die Säulenbasen verschüttet ; aber die Podium-
profilierung ist richtig gezeichnet. Auf der Cellawand giebt Pira-
nesi vielfache Reste der Stuckverkleidung mit der Quaderzeich-
nung an. Unrichtig ist der wirkliche Steiuschnitt und unwahr-
scheinlich seine ganze Darstellung des (unzugänglichen) Unterbau.?.
Beide Räume, Vorhalle und Cella waren nach ihm überwölbt. Treff-
lich sind die Einzelheiten: er unterscheidet Steinform und Stuck-
überzug; freilich am Kapitell nicht, da ist auch die Herausdre-
hung der Voluten ein Irrtum. Von der Friesdekoration giebt er
einen mageren Putto mit fadendünnen Laubgewinden; sonst nichts.
In Piranesis Werk: Bella magnißcenza ed architettura clei Ro-
mani (1761) Tav. VI fig. II ist die stark idealisierte jonische
Ordnung unseres Tempels besonders wiedergegeben.
2. Uggeri, Journees piltoresques vol. II (1800) pl. XII, ver-
öffentlicht einen sehr genauen Grundriss des Tempels unter Angabe
der modern ergänzten Teile. In seiner Collection : Les trois ordres
grecs d' apres les monuments de Rome antique (1803) vol. IV ordre
jonique pls. XIV-XVII, sind gute Aufnahmen. Abgesehen von kleinen
Fehlern ist im allgemeinen das Bild des dick mit Stuck überzogenen
Bauwerks dargestellt. Im Fries aber stehen geflügelte Putti, welche
feinteilige Laubgewinde mit flatternden Bändern tragen.
3. Eine durch ihre Trefflichkeit ausgezeichnete Darstellung des
Tempels geben: Taylor und Cresy The architeclural antiqui-
ties of Rome {taken in 1817 to 1810) ed. 1874 pl. XCVII-CI.
Die malerische Ansicht des Tempels mit den Anbauten und dem
Glockentürmchen zeigt, dass an der Nordfront von den Säulen
data della chiesa) sono i medesimi che sono stati levati dal cornicione
delVantico Tempio etnico, poi imitolato a S. Maria Eyisiaca, per poU rvi
fabbricare Vappartamento {per comodo de' Vescovi Armeni) Vgl. ebda. S. 82
über das Ospizio degli Armeni. — Nocb Rid. Venuii, Descrisione Topograßca
delle antichitä di Roma (Roma 1703) p. II c. 2, sagt: le colonne del prin-
cipal prospetto e quelle d'ua lato non e gran tempo che vennero rovinate.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO _''_' i
nichts mehr zu sehen ist; von der westlichen Laugseite ist nur
das nördliche Stück (wie heute noch) besser konserviert. Der
Grundriss (Tat*. XCIX) mit ergänzter Treppe (aber wohl unrichtig),
die Seitenansicht (Taf. C) mit Andeutungen des Steinschnitts. Die
Einzelheiten unterscheiden am Architrav deutlich zwischen Stuck-
und Steinformen; im Fries werden die Kränze, Zweige und Bänder
annähernd richtig beobachtet, zum ersten Mal die üblichen Laubge-
winde nicht schematisch dargestellt. Das Kapitell wird ohne die
Stuckumhüllung gezeichnet.
4. Eine gute und grosse Ansicht der Vorder- und der rechten
(westlichen) Langseite der Baus giebt L.Rossini, Le antichitä
di Roma (R. 1822) T. 51. Im Fries sind Stierschädel, Laubge-
winde und Putti angedeutet.
5. In « Aggiunte e correzioni all'opera sugli edlßci antichi
di Roma dell'Arch. Desgodetz » von Valadier und Canina,
1843, wird von einer Ausgrabung beim Tempel berichtet, bei welcher
hinter der Rückfront eine nach der Stadt sich wendende Strasse ent-
deckt wurde. T. 19 giebt eine kleine perspektivische Ansicht.
6. Die Aufnahmen in Canina' s grossem Werk: Edißzi di
Roma atitica, 1848, vol. II, Tav. XLI und XLII, Text S. 8G
lehren nach Uggeri nichts neues. Inkonsequent sind teils Stuck-
teils Steinformen gezeichnet. Die ergänzten Plan- und Aufrisszeich-
nungen enthalten keine Maasse. Auf der Vedute des gegenwärtigen
Zustands ist die bereits renovierte Vorderseite zu sehen.
7. Als « Architecte pensionnaire de l'Academie de France ä
Rome » machte Blondel zwischen 1878 und 1880 Aufnahmen an
unserem Tempel, die soviel mir bekannt ist, nur in der Collectioii
Lampue (N. 202-207) veröffentlicht sind. In vorzüglicher Darstel-
lung sind Grundplau und Aufrisse unter Weglassung alles Mo-
dernen gegeben. Die Profillinie im Gebälkdetail zeigt eine etwas
unsichere Trennung von Stucküberzug und Steinform. Zum erstenmal
aber ist die Friesdekoration genauer nach dem Original darge-
stellt. Fraglich bleibt freilich, ob Blondel die steifen Putti, die
sehr an Piranesi erinnern, wirklich noch gesehen hat. Der Mäander
auf der Abschlussleiste des Architravs ist wohl Erfindung des Ver-
fassers. Das ganze Gebälkdetail auf Blatt N. 206 giebt ein vor-
zügliches Bild der Architektur, wie sie durch die Ueberstuckie-
rung der Steinformen entstanden ist.
228 E- R- FIECHTER
8. Vortreffliche photographische Wiedergaben des jetzigen Zu-
standes findet man in Stracks Baudenkmälern des alten Rom,
Berlin 1870 Taf. 14 und 23; gute Abbildungen blos des Kapi-
tells in R. Delbrück die drei Tempel am Forum holitorium
Taf. IV 1 u. in K. Ronczewski: Motive. Riga 1905. S. 37.
Die Zeichnungen und Berichte vermitteln bereits eine genaue
Kenntnis unseres Tempels Zu dem heutigen Erhaltungszustand
geben sie die fast übereinstimmende Notiz, dass im Fries Putten
die Laubgewinde trugen. Ferner überliefert Palladio Formen der
Cellatürumrahmung. Nur von der Freitreppe vor der Nordfront weiss
niemand etwas genaues zu berichten. Entweder ist sie gänzlich
verschwunden (vielleicht bei der Ausgrabung 1551, s.o. S. 221)
oder man hat nur nie nach ihren Resten gesucht.
Wenn ich nun trotz dieser Menge von Berichten es unter-
nehme, den kleinen Bau am Forum boarium zu beschreiben, so ge-
schieht dies einmal, um eine Reihe von Beobachtungen über Ma-
terial und Technik, die uns heute beim archäologisch gewissen-
haften Studium der alten Bauwerke nötig sind, in Bezug auf diesen
Bau mitzuteilen, und zum andern möchte ich, angeregt durch die
Beschreibung der drei Tempel am Forum holitorium (') versuchen,
den ionischen Pseudoperipteros zu den ihm nächst verwandten Bauten
in Beziehung zu stellen, dann aus dem Vergleich aller Formen von
Grundriss und Aufbau ein Datum seiner Entstehungszeit abzuleiten
und zugleich sein Verhältnis zu den altitalisch - einheimischen
wie zu den hellenistisch - kleinasiatischen Bauwerken festzustellen.
II. Baubesckreibimg.
A. Lage des Tempels (Fig. 1).
Unser Tempel liegt am ehemaligen Forum boarium, am Rin-
dermarkt des alten Rom (2). Der Platz wurde westlich durch den
(') 1!. Delbrück, Die drei Tempel am Forum holitorium in Rom. Rom 1903.
(2i Nibby, Roma neu" anno 1838, parte antica II p. 666 ff.; Jordan, To-
raphie 1, 2. S. 470 ff.; Hülsen, II Foro boario e le sue adiacenze neWanti-
chitä. Dissertazioni delVAccademia Pontificia, Ser. II vol. VI (1808) p. 231 ff.;
0. Richter, Topographie2 S. 165 f.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO
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230 E. R. FIECHTER
Tiber begrenzt, über den vom nördlichen Ende des Forums der
Pons Aemilius nach der Regio Transtiberina (XIV) hinüberführte.
Am Südende standen die Carceres des Circus Maximus und der
Cerestempel. Die jetzt in die Kirche S. Maria in Cosmedin verbaute
antike Säulenreihe wird der Statio Annonae zugeschrieben; die in
der orleichen Kirche rückwärts eingeschlossenen Tuffmauern dem
Tempel des Hercules Pompeianus (l). Der Eingang zum Forum boa-
rium bildete im Osten in späterer Zeit der sogenannte Arcus Jani
(Constantini). Auf dem Platz selbst standen der bronzene Stier aus
Aegina, die Ära maxima, und dicht dabei der Rundtempel des Her-
cules Victor mit der Bildsäule dieses Gottes. Gegenüber erhoben
sich die Tempel der Fortuna und der Mater Matuta, und vor ihnen
die Bögen des L. Stertinius.
'ov
B. Erhaltungszustand.
Der Tempel stand einst frei. Auf das hohe Podium führte
eine Freitreppe, die die ganze Breite der Nordfront umfasste. Das
ist ersichtlich an der über die Nordwestecke vortretenden Wan-
genmauer (Taf. VIII). Die Mehrzahl der früheren Darsteller ergänzte
diese Wan^enmauer conaxial zu den Ecksäulen. Wie im übrigen
die Treppe angeordnet war, ist nicht zu bestimmen. Es fehlen zu-
verlässige Angaben aus früheren Darstellungen, und Untersuchungen
an Ort und Stelle. Wahrscheinlich waren für den Auf- und Ab-
stieg am rechten und linken Ende verhältnismässig schmale Trep-
penläufe angelegt, zwischen welchen sich etwa auf halber Podium-
höhe ein Altar erhob (2).
Die Länge des Podiums ist also unbestimmt; sie mag etwa
26 m. gemessen haben. Die Breite beträgt 11, 13 m. Sichtbar
(») Giovenale, Annuario delVAssociazione artistica fra i cultori di ar-
chiteltura, V, 1895; Hülsen, Atti deWAcc. Pontif S. 271.
(2) Aehnliche Treppenanlagen mit Altar am Treppenaufgang: der
Tempel des Zeus Meilichios in Pompei (Mau, Pompei S. 168); ebenda der
Tempel der Fortuna Augusta (Mau a. a. 0. S. 118). Am Forum Romanum :
der Tempel des Divus Julius (Hülsen, Forum Romanum, 1905, S. 140), der
Tempel des Antonin und der Faustina (Hülsen Mitth. 1902 S. 92) und wahr-
scheinlich auch der Castortempel. Vergl. auch das kleine naive Relief am
Larenaltar im Hause des Caecilius Jucundus in Pompeji (Weichardt Pompeji
S. 102).
DER IONISCHE TEMl'EL AM PONTE ROTTO
231
Fi?. 2. Nördliche Hälfte der Westseite.
Fig. 3. Nordosteeksäule (teilweise ein getaut).
232
E. R. FIECHTER
vom Podium ist ausser der westlichen Langseite beinahe die ganze
Südseite; verdeckt durch die Anbauten des ehemaligen armenischen
Hospitals, die zur Kirche gehörigen Sakristei räume und die Tauf-
kapelle ist die ganze Ostseite des Baues, so dass jetzt der Tempel
au diese ihn überragenden Bauten anzulehnen scheint (Taf. VI).
Fisf. 4. YVandecksäule an der Westseite.
Vom Aufbau erhalten und sichtbar sind die Nord-, West- und
Südseite sammt dem oberen Gesimsabschluss. In den oberen Sa-
kristeiräumen der jetzigen Kirche sind von der Ostfront die Säulen
der Vorhalle halb\rerrnauert noch zu sehen und die Cellawand bis
zum dritten Interkolumnium. Die sechste und siebente (Ecksäule)
sind verbaut. Der Architrav liegt noch über den freistehenden und
den Wand-Säulen; das Gebälk wird durch die Deckenkonstruktion
des Sakristei-Anbaus verdeckt, ist aber wahrscheinlich überhaupt
nicht mehr da, oder gänzlich abgeschlagen (s. o. S. 225).
Völlig fehlt jeder Anhaltspunkt für die antike Decken- und
Dachkonstruktion, da das Gebäude innen gänzlich mit modernem
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 233
Stuck ausgekleidet ist (s. u. S. 240 A. 1) Ebenso wissen wir
nichts über den antiken Fussboden, dessen Höhenlage aber etwa
der des heutigen entsprochen haben rnuss (Taf. IX).
Fi£. 5. Wandsäulcn an der Ostseite (in der Sakristei).
Die ursprünglich offene Vorhalle ist durch Mauern zwischen
den Säulen ganz geschlossen und mit zum Kirchenraum zugezogen
worden (vergl. Taf. Vll u. Fig. 2 u. 3).
In der Vorderwand der ehemaligen Cella befindet sich jetzt
eine grosse Oeffnung, die von einem — wahrscheinlich antiken —
Wandbogen überspannt ist. Alle übrigen in die Kirche hineingrei-
234 E. R. FIECHTER
fenden Mauerkörper sind aus nicht antikem Ziegel mauerwerk. Auf
Taf. VIII ist der Erhaltungszustand so gut als möglich dargestellt.
Im einzelnen ist er folgender:
Nordseite : Säulenbasen modern vorgesetzt, auch die Stufen und Stjdobat-
platten, Schäfte mit rötlichem Mörtel neu aufgeputzt, Kapitelle ebenso.
Das rechte Eckkapitell nur teilweise und unrichtig ergänzt (vergl.
Fig. 2). Das ganze Gebälk ebenso neu aufgeputzt. Giebel im antiken
Zustand erhalten, aber übermauert.
Westseite, erstes Interkolumnium: Stylobat modern ergänzt. Ecksäule : rechte
Volute i:i der ersten Form ohne Blume im Volutenzentrum. An der zweiten
Säule (von der Nordseite gerechnet, Ecksäule immer mitgezählt) unten
die Steinform des Schaftes, oben die erste und zweite Stuckschicht, Ka-
pitell in der zweiten Form gut erhalten (im Innern der Kirche stark zer-
stört). Darüber Architrav, Fries und Gesims sehr deutlich, ebenfalls in
der zweiten Form (Fig. 6). Dritte Säule (Wandecksäule) hat unten modern
vorgelegte Basis. Schaft wie bei der zweiten Säule. Diagonalvolute ganz
abgebrochen, die andere stark verstümmelt (Fig. 4). An Säule 4-7 mo-
derne Basisergänzungen. Schäfte teilweise geflickt. Kapitelle bis zur
Unkenntlichkeit verstümmelt. Architrav und Gesims darüber ohne Stuck-
überzug erhalten. Tuffquaderwand im 3.-6. Interkolumnium durch drei
moderne Fenster durchbrochen. Stuckreste der Quaderimitation im 3.
Interkolumnium.
Südseite: Basis der Ecksäule und der 2. Säule durch überputztes Ziegel-
mauerwerk ergänzt, ebenso der ganze Stylobat. An der Basis der dritten
Säule modernes gegen das Lager gestelltes Travertinflickstück. Säulen-
schäfte und Wand fast ganz überputzt. Kapitell der zweiten Säule in
der zweiten Form gut erhalten. Kapitell der dritten Säule ziemlich zerstört.
Von der Wandecksäule ein Viertel sichtbar; das übiige eingebaut und
sehr zerstört. Das horizontale Gebälk modern überstrichen und geflickt,
Giebel im antiken Zustand, aber mit moderner Aufmauerung.
Ostseite: Südostecksäule zu drei Viertel eingebaut. Zweite Säule ebenso.
Dritte bis siebente (vordere Ostfrontecksäule) im oberen Teil erhalten;
unten abgeschlagen und überputzt, bezw. eingemauert. Kapitell der
dritten Säule ganz zerschlagen. Am Schaft beide Stuckschichten sehr
gut sichtbar. Kapitell der vierten Säule: rechte Volute in der ersten
Form mit den umhüllenden Akanthusblättern gut erhalten. Schaft stark
zertrümmert und wie die Wand mit Ziegel und Kalk geflickt (Fig. 5).
Kapitell der fünften (Eck-) Säule : Diagonalvolute gut erhalten. Auf dem
Rücken derselben in der ersten Form ein Akanthusblatt. Kapitell der
sechsten (Vorhalle) Säule am besten erhalten (Tf. XII), rechts in der
zweiten, links in der ersten Form. Schaft in der zweiten Form, nach
innen gegen die Vorhalle ganz verstümmelt. Nordosteckkapitell: Diago-
nalvolute abgeschlagen, linke Volute in der ersten Form erhalten, mit deut"
liebem erstem Stücküberzug. Cellawand meist modern verputzt. Zwischen
der 1. u. 5. Säule (von links gezählt) Reste der Quaderstuckierung.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 235
Die modernen Ergänzungen und Erneuerungen sind 1830 ge-
macht worden. Der dazu verwendete rötliche Mörtel lässt sich
leicht von dem antiken unterscheiden.
C. Beschreibung der Einzel formen.
Podium (Tf. X).
Auf einem roh bearbeiteten Sockel vorsprung steht das Fuss-
glied des Podiums: eine niedrige Platte, darüber eine abgesetzte
schlanke Sima, darauf wieder durch ein Plättchen abgetrennt ein
umgekehrtes lesbisches Kvma. Die Pussgliedschicht ist als Bin-
derschicht aufzufassen. Darauf stehen die glatten Verkleidungs-
platten des Podiumkörpers. Das Abschlussgesims ist aus mehreren
Formen zusammengesetzt. Zu unterst ein lesbisches Kvma mit
Plättchen, dann ein glatter Zahnschnittstreif, darüber ein kleineres
und ein grösseres Kyma und zuletzt eine weitausladende schwache
Platte mit schwerem lesbischem Kyma und oberem Plattenrand.
Um die ganze Ausladung zurückspringend liegt darüber als Ab-
schluss des Podiums eiue durchgehende Stufe, die mit dem Gesims
zusammen aus einem Stein geschnitten ist (Tf. VIII). Die ganze
Steinlage ist merkwürdigerweise eine Läuferschicht. Nur an der
Ecke auf der Südseite ist ein kurzes Binderstück eingeschoben,
dann folgen wieder Läufer. Konsequent folgt dann eine aus Bindern
gefügte Stufe, die bereits zum Aufbau des Tempels gehört und als
Stylobat zu bezeichnen ist.
Basen (Tf. X).
Die Basen der freistehenden und die der Wandsäulen ruhen
auf diesem Stylobat. Nur an den vier Gebäudeecken sind sie mit
dem Stylobat aus einem einzigen Travertinblock gebildet. Die Form
der Basen ist die attische : eine kräftige Plinthe, starke Tori und
dazwischen eine ziemlich gedrückte Kehle.
Säulen (Tf. XI und XII).
Die nach Norden gerichtete, einst offene Vorhalle ist in der
Front viersäulig, und zwei Jochweiten tief. Die dritte Säule der
Langseiten des Baues (von Norden gezählt) verwächst als Dreivier-
telssäule mit der Cellawand, an welcher dann in gleichen Inter-
236 E. R. FIECHTER
vallen der Rhythmus der Säulen Stellung in weiteren 3 Halbsäulen
wiederholt und endlich mit einer Dreiviertelssäule die hintere Eck-
lösung gebildet wird. Die Rückfront (Südseite) ist demnach durch
zwei Dreiviertel-Ecksäulen und zwei Wand-Halbsäulen gegliedert.
Die Schäfte der meist freistehenden und der übrigen Säulen
endigen oben und unten im Ablauf und Plättchen. Zwanzig ionische
Kanneluren umgeben die freien Schäfte, vierzehn die Dreiviertel-
säulen-, und elf die Halbsäulenschäfte. Sie sind oben und unten
bis nahe an die Ablaufkante geführt und endigen rundbogig. Die
Bearbeitung der Hohlflächen ist äusserst roh (s. u. S. 250), die der
Stege sorgfältiger. Ein Stucküberzug hatte sie zu verdecken, und
das für die Erscheinung der Säule fertige Bild abzugeben. Das Maass
des unteren Durchmessers schwankt zwischen 0,445-0,465, das gerin-
gere bei den Halbsäulen, das stärkere bei den freistehenden; die
Maasse sind aber wegen des schlechten Erhaltungszustandes und
der modernen Renovationen nicht mehr ganz genau zu bestimmen.
Der obere Durchmesser misst ca. 0,79-0,71 m. Die Säulenhöhe be-
trägt 8,22 m., die Verjüngung also ca. ein Achtel.
Ueber der ursprünglichen Stuckschicht befindet sich auf den.
Säulen noch ein zweiter späterer Ueberzug aus Kalkmörtel, der
mit groben Marmorkörnern gemischt ist. Die ganze Säule wird
dadurch im ca. 5-6 cm. verdickt, der Anschnitt der Kanäle an
der Basis wird sehr stumpf, und das Verhältnis der Verjüngung
auf etwa 1/10 verringert. Der Schaft verliert an Grazie und
erhält mehr einen derbkräftigen Charakter.
Beim jonischen Kapitell der Säulen unterscheiden wir eben-
falls zwischen einer ursprünglichen Steinform mit dem gleichzei-
tigen Stucküberzug und einer späteren umgestalteten Stuckforra.
Der Abakus des Kapitells hat eine hohlkehlige Abschrägung der
unteren Kante. Der Canalis ist niedrig und nur nach oben von einem
Mach vortretenden Saum begrenzt; nach unten stösst er an das
stark vortretende Eierstabkyma an. Die Voluten rollen sich dreimal
auf. Die Canalisrläche liegt in einer mit dem Architrav parallelen
vertikalen Ebene ; weder das Volutenzentrum noch die Volutengäge
drehen sich hinter oder vor diese Ebene heraus (').
(') Im Gegensatz zu verschiedenen Aufnahmen aus früherer Zeit, z. B.
Taylor und Cresy Taf. Ol. vergl. Durm a. a. o. S. 381 Abb. 411.
DEK IONISCHK TEMPEL AM PONTE ROTTO 237
Von den einzeln beobachteten Kapitellen (die fünf nördlichen
der Ost- und das zweite und dritte von Norden an der Westseite)
haben alle eine glatte Scheibe als Volutenzentrum ; nur am Dia-
gonalkapitell der nordwestlichen Wandecksäule (Fig. 4) fand ich
eine vierteilige Blüte an dieser Stelle; da die übrigen Säulen
der Vorhalle entweder zerstört oder gänzlich verdeckt sind, ist
nicht zu bestimmen, ob nicht vielleicht alle Kapitelle daselbst
so verzierte Volutenzentren besassen.
Das Kyma ist kräftig entwickelt, der Eierstab hat klassische
Form. Die Zwickel werden durch äusserst flache vierblättriere Pal-
metten ausgefüllt. Unter dem Kyma folgt ein herunterhängender
Kundstab. Die Polster treten weit vor; ein breites glattes Band
umfasst sie in der Mitte. Daneben liegen auf den Flächen sehr
weich modellierte Akanthusblätter, die keine Zeichnung der Blatt-
rippen zeigen. Zwischen den Akanthusblättern erscheinen noch die
Spitzen von einfachen Lanzettblättern. Die dem Beschauer immer
unsichtbare obere Seite der Polster war nicht verziert. Ein Akan-
thusblatt gleichen Stils, dessen Blattspitze aufgebogen war, ist
auch auf der einzigen noch erhalteuen Diagonalvolute der nord-
östlichen Wandecksäule aufgelegt.
So die alte ursprüngliche Form, die nur mit einer leichten
Stuckhaut überzogen war. Eine neue Gestalt erhielten die Kapitelle
durch einen späteren Ueberzug mit einer bis zu 4 cm. starken Stuck-
schicht. Bisher wurde, wie wir oben sahen, niemals ein klarer
Unterschied der beiden Gestaltungen des Kapitells festgehalten.
Nur Delbrück (a. a. 0. Tf. V, 1) zeichnet Stein- und Stuckform
nebeneinander. Der Ueberzug verändert das Kapitell wesentlich.
Der Abakus erhält ein richtig lesbisch profiliertes Kyma ; der obere
Canalisrand wird als Rundstab mit Plättchen ausgebildet, dem
sich um die Voluten herum nach aussen noch ein begleitendes
Rundstabprofü anschliesst. Er wird erheblich erhöht, so dass die
Canalisfläche tief ausgehöhlt erscheint; im Zentrum wird die vier-
blättrige Blume eingesetzt. Die Zwickelpalmetten wölben sich stark
vor und bekommen eine ganz neue Zeichnung ; sie sind nur noch
dreiteilig. Das Eierstabkyma wird nach oben erhöht und nach unten
durch den neuen Ueberzug stärker vorgezogen, um an den eben-
falls verdickten Rundstab besser anzuschliessen. Plättchen und
stumpfe Lysis bilden den Uebergang zum Schaft. Die seitlichen
238 E. R. FIECHTER
Polster erhalten ebenfalls einen entsprechend starken Ueberzug;
die ursprünglichen Akanthusblätter werden zugedeckt; neue, kräftig
in Stuck modellierte aufgelegt, die durch Gurtbänder mit Bandlei-
sten und Schuppenmuster zusammengehalten werden. Die Ausbil-
dung der Diagonalvolute der Eckkapitelle im zweiten Stadium ist
nicht mehr anzugeben, da kein Originalstück mehr vorhanden ist.
Die Eckvolute der Säule an der Nordwestecke ist modern und falsch
ergänzt. Von der Ausbildung der Innenseite der Eckkapitelle ist
nichts mehr zu sehen.
Cella.
Die Cellawände bestehen aus Tuflfquadern ('). In die Westwand
sind drei moderne Fenster, in die Ostwand eine Sakristeitüre ein-
geschnitten worden. Sonst sind sie noch intakt. In der Nordwand
der Cella war einst die Eingangstüre (Taf. IX, 1). Die beiden jetzt
kulissenartig vortretenden Wandteile sind durch einen hohen Bogen
verbunden, von dem nur der Schlusstein sichtbar ist. Im übrigen
sind die Mauerflächen durch modernen Putz verdeckt. Nur unge-
fähr vier Meter über dem jetzigen Kirchenfussboden ist beiderseitig
der moderne Ueberzug beseitigt (Taf. IX, 5-7). An den inneren Mauer-
kanten beider Wandteile rinden sich dort rohe Abschrägungen, die
sich nach oben verbreitern ; beide in gleicher Höhe ungefähr gleich
gross. Wie weit sie sich nach unten fortsetzen, ist ohne Beseiti-
gung des Mörtels nicht zu bestimmen. Rechts (von innen gesehen)
ist in Schicht 8 ein 15 cm. grosses quadratisches tiefes Loch,
an der gleichen Stelle links jedoch keines. Diese Einarbeitun-
gen sind, wie die ganze Maueröftnuug, antik. Aber erklären
kann ich sie nicht. Hier stand der Türrahmen aus Stein, dessen
Sturz jedenfalls bedeutend unter dem Architrav der Vorhalle lag
und durch den grossen Bogen entlastet wurde. Auch die Cella-
wände waren anfänglich mit einen Stucküberzug sowohl innen als
aussen verkleidet (Reste davon deutlich am ersten Mauerintervall
der Ostwand, von Norden gezählt, und am gleichen der Westwand).
Die Dicke desselben beträgt etwa 2 cm. Das Material ist feiner
grauer Sand und Kalk. Bei der Umgestaltung des Baues erhielten
(') Ueber den Mauerverband siehe unten S. 247.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 23'J
auch die Wäude einen Ueberzug aus den gleichen Materialien
wie der an den Säulen. Darauf wurden flache Bossenquadern mit
breiten Nuten uud eingeritzten Fugen aufgetragen. Piranesi (l)
sah noch grosse Reste davon; ebenso zeichnen die meisten frühe-
ren Darsteller diese Quadrierung. Zu erkennen und zu messen ist
sie noch an der Ostwand.
Gesims.
Ueber den Säulen der Vorhalle besteht der Architrav aus
einsteinigen bis zu 3,05 m. langen Balken aus Travertin. An den
Ecken sind diese innen in Gehrung geschnitten. Die Gliederuug
ist beiderseitig, nach aussen und gegen die Vorhalle, gleich :
drei übereiuandergelegte, nach oben höher werdende Platten, die
mit Kyma und Plättchen bekrönt werden (2). Dieses oberste Ab-
schlussprofil ist ausserordentlich hoch an allen freitragenden Archi-
traven und setzt daun plötzlich noch vor dem Uebergang zum
Architrav über der Cellawand ca. 8 cm. ab (an der Westseite sicht-
bar, s. Tf. VIII). Ein zwingender Grund zu solcher Verschiedenheit
ist nicht ersichtlich. Die Wandarchitrave sind als scheitrechte Bogen
konstruiert (3). Zwischen den sehr ungleichen Widerlagerstücken
aus Travertin über den Säulenkapitellen sind je 2 oder 3, ungleich
grosse Tuffkeilquadern eingespannt. Die Eckverspanuung ist nicht
mehr ersichtlich (vergl. Tf. VIII).
Jm Innern der Cella ist überhaupt keine Horizontalteilung,
auch nicht in Architravhöhe, zu erkennen. Der moderne Putz
verdeckt die Mauern bis unter den wahrscheinlich aus dem 18.
Jahrhundert stammenden Dachstuhl (s. o. S. 232).
Aehnlich wie Säulen und Wände erlitt auch der Architrav
eine Umgestaltung durch Putzummantelung (Taf. XI). Der Perl-
stab und das von Taylor und Cresy überlieferte (bei Durm Abb. 420
reproduzierte) Blattornament des Kymas sind in Marmorstuck
aufgetragen, ebenso die veränderte Soffite der freien Architrave.
(i) A. a. 0. Tav. L fig. 2.
(a) Durm a. a. o. Abb. 420. Die S. 385 zitierte Zurückneigung dei
vertikalen Flächen kann ich nicht bestätigen.
(3) Durm a. a. o. Abb. 243.; s. u. S. 249.
240 E. H. F1ECHTER
Ueber den Mauerarchitraven der Cellawände besteht der platte
Fries aus normalen Tuffquadern; nur das sichtbare Eckstück ist
Travertin. Ueber den freien Architraven der Vorhalle hingegen
sind die Quadern des Frieses durchaus Travertin und zur Ent-
lastung ihrer Unterlage als scheitrechte Bögen gefügt. Sie sind
einsteinig; ihre rauh gespitzte Rück-, d. i. Innenseite ist gegen
oben etwas nach vorn geneigt, so dass die obere rohe und unre-
gelmässig verlaufende Innenkante ca. 11 cm. vor der Architravflucht
vorsteht. Man ist versucht, diese Vorkragungen für die Anfänger
eines muldenförmigen Gewölbes (*) zu halten, wobei freilich sofort
ein statisches Bedenken aufsteigt, denn ein solches Gewölbe übt
einen starken Schub nach aussen auf seine Unterstüzung aus; in
diesem Falle auf ein schlankes Gerüst von Säulen, das hier wohl
kaum geeignet wäre, einen solchen aufzunehmen. Piranesi zeichnet
(a. a. o. Tav. L) ebenfalls ein Gewölbe, und überdeckt auch die
Cella mit einem solchen. Er hat aber sicherlich nicht mehr ge-
sehen, als heute noch vorhanden ist, soweit man aus seinen Zeich-
nungen erkennen kann. Und in der Cella kragt überhaupt kein
einziger Stein aus der Wand vor. Es ist wahrscheinlich, dass die
Vorkragung zur Vergrößerung des Balkenauflagers angeordnet
wurde; denn hinter den Gesimssteinen, die doch tief einbinden
müssen, war nur sehr wenig Platz zum Auflegen eines leichten
Balkengerüstes, das verschalt und dann mit Stuckdekoration, die
ringsum an den Architrav anschloss, verziert zu denken ist.
Auch der Fries trug über seiner ziemlich rauhen Oberfläche
eine ursprüngliche Stuckschichte, die jedoch nur da noch sicher
zu erkennen ist, wo die zweite spätere darüber erhalten ist. Ob die
erste eine Stuckverzierung trug, konnte ich nicht ermitteln. Die zweite
aber besitzt an der Westseite (s. o. S. 234) eine solche. Was jedoch
davon übrig blieb, ist wenig genug (Abb. 6 ; Tf. XI) : zwei Laub-
(l) Vergl. Tf. IX. Antike Muldengewölbe aus opus caementicium im Ta-
bularium, 78 v. Chr.; dorischer Tempel bei S. Nicola in Carcere, s. o. S. 173
Fig. 2. Auf der oben S. 223 genanten Zeichnung in der Wiener Hofbibliothek
nr. 3 sind in der Cella Kreuzgewölbe angedeutet; ob die Angabe auf wirkli-
cher Beobachtung beruht, bleibt fraglich. Immerhin könnten solche Gewölbe
auf den in die Cella (s. Taf. VII) eingebauten modernen Pfeilenvorlagen, die
für die heutige Deckenkonstruktion gar keine Bedeutung haben, aufgelegt
gewesen sein. Antik war eine solche Gewölbeanordung also nicht.
DKR IONISCHK TEMPEL AM PONTE ROTTO 241
gewinde, die von einem Kandelaber ausgehen, und links ein fast
noch ganz erhaltener Stierschädel. Weiter rechts davon in der Mitte
des zweiten Interkolumniums noch ein Teil eines Stierschädels, und
im dritten lnterkolumniiim der Oberteil eines Kandelabers. Mehr
nicht! Auch diese Reste sind sehr brüchig und werden bald herun-
Ficr. 6. Stuckiertes Friesornanient an der "Westfront.
terfallen. Frühere Beobachter haben noch mehr gesehen; denn fast
alle zeichnen über den Säulenaxen noch stehende Figürchen, welche
die Laubgewinde tragen. Freilich sind die Darstellungen sehr ver-
schieden: Desgodetz, Piranesi, Uggeri, Canina und Blondel geben
sie in steifer strenger Stellung mit symmetrisch erhobenen Armen
und geschlossenen Beinen ; andere aber, Palladio, Serlio, Taylor und
Cresy zeichnen lebendig bewegte Formen. Es ist nach dem Erhal-
tungszustand von heute nicht mehr auszumachen, wer besser beob-
achtet hat. Wahrscheinlich sind diese (auf Tf. XI nach den
früheren Darstellungen frei ergänzten) Putti nicht ganz so steif
17
242 E- R- FIECHTEK
gewesen, wie sie besonders Canina abbildet; im übrigen mögen
die strengen Formen, die Desgodetz und Piranesi geben, zu be-
vorzugen sein. Am besser erhaltenen Stierschädel fehlen die Hörner
und ihr Ansatz, sonst ist die Umrisslinie ganz sicher zu bestimmen,
das plastische Detail freilich kaum mehr. Neben dem Schädel flat-
terten buntbewegte Bänder, das sieht man (Fig. 6) noch an den
vom dunkleren Grund sich abhebenden helleren Streifen. Die Laub-
gewinde sind vielfach recht flüchtig betrachtet und falsch abge-
bildet worden. Am meisten weichen von der Wirklichkeit ab :
Dosio, Palladio, Desgodetz, Piranesi, näher stehen Taylor-Cresy
und Canina, richtig hat Blondel (Coli. Lampue BL 206) beob-
achtet. Die Laubgewinde sind nicht geflochtene Kränze, sondern
lose gebundene Blätter, zwischen denen vielleicht Beeren gesteckt
haben. Der Stuckauftrag ist sehr schwach, die Blätter waren einzeln
auf und neben einem wulstigen Kranz aufgesetzt, sind aber nun
abgefallen. Man sieht ihre Form nur noch durch die hellere Tö-
nuno- des Grundes. Wenig deutlich erkennbar sind die Spuren der
kleinen Zweige, die ober- und unterhalb der Gewinde vorhanden
waren. Blondel zeichnet sie unabhängig von den Guirlanden; ich
klaube deutlich erkannt zu haben, dass sie, an dünnen Stielen
herauswachsend, mit den grösseren Kränzen zusammenhingen. Das
ist nicht nur nach dem Befund wahrscheinlicher, sondern auch
organischer. Die Kranzenden werden abwechselnd von den Putten
getragen und abwechselnd an den Stierschädeln aufgebunden. Je-
desmal fallen flatternde Bänder den Kaum gut aus. Gegen die
Kandelaber laufen die Kranzgewinde ohne organischen Zusammen-
hang an. Die Kandelaber selbst sind ziemlich roh; drei scheiben-
artige Füsse tragen den Unterteil des Leuchters. Der Schaft ist
durch ein doppeltes Blattbüschel verziert, vom dem sich eben-
falls flatternde Bänder loslösen. Der Lichtträger ist mit einem
gelappten Rand versehen. Die Ornamentausteilung richtete sicli
nach den Säulenasen. Ueber jeder Säule stand ein Putto, über
jedem Interkolumniummittel war ein Stierschädel aufgehängt ;
zwischen diesen aber stand jeweils ein Kandelaber und die Laub-
gewinde bildeten von Figur zu Figur eine weiche Verbindung.
Die ganze Dekoration ist im Vergleich zu den übrigen plastischen
Formen das Gebäudes zart. Sicherlich war sie einst durch Bema-
lung wirkungsvoller gemacht worden.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 2-13
Vom Hauptgesims ist das Stück unmittelbar über dem eben
beschriebenen noch gut erhaltenen Friesornament am geeignetsten
zur Untersuchung, denn sonst sind fast alle Teile durch mo-
dernen Putz verdeckt und verschmiert. Tf. XI zeigt uns das
ursprüngliche Steinprotil, und das durch die spätere Ueberstuckie-
riiDg umgestaltete. Man sieht, dass die ganzen Verhältnisse des
Gesimses durch diese spätere Ueberkleidung wesentlich verändert
worden sind. Das Verhältnis der Frieshöhe zu der des Gesimses
wurde von 3:4 auf 2y2:4 erniedrigt, der Architrav ausserdem
wenig erhöht. Die Steinformen des Gesimses sind einfach: Kyma
mit Plättcheu, darüber eine Zahnscbuittleiste, darüber dann eine
kleinere Platte und ein jonisches Kyuia. Die Hängeplatte wird
durch ein lesbisches Kyma bekrönt. Bei der späteren Umge-
staltung wird das Kyma über dem Fries verziert mit grossem breit-
lappigem Blattstab; darüber folgt dann ein Zahnschnitt, mit breiten
Zähnen und schmalen Zwischenräumen, der ganz in Stuck aufge-
trogen und mit der darunter befindlichen Steinform verquickt ist.
Die Zwischenräume sind dadurch flach statt tief geworden. Ueber
dem Zahnschnitt folgt ein skulpiertes Eierstabkyma, das in einer
ca. 7-8 cm. starken Stuckschicht aufgelegt ist. Dadurch wird die
Unterschneidung der Corona geringer als in der Steinform; das
Ganze sieht also stumpfer aus. Die Untersicht der Corona und die
Vorderseite waren glatt verputzt. Darüber folgte, wahrscheinlich
ähnlich gebildet wie im Stein, das oberste Kyma, von dessen anti-
kem Stucküberzug jedoch nichts mehr erhalten ist.
Eine ungemein schwere und massige Sima bekrönt das Ge-
sims. Sie ist auf der Westseite ganz erhalten und besteht aus
vielen kurzen, jedenfalls tief einbindenden Travertinstücken. Lö-
wenköpfe in Abständen von ca. 1,25 m. — ohne Rücksicht auf
die Axenteilung des Gebäudes durch die Säulen — sind daran
als Zierrat angebracht. Das Relief derselben ist ursprünglich
zart gezeichnet, doch jetzt fast ganz durch Verwitterung ver-
wischt. Eine reiche flache Mähne legt sich krauzartig um die
Köpfe. Auch hier veränderte die spätere Ueberstuckieruug die
frühere Bildung. Die Simafläche wurde mit einer grossen breitlappi-
gen Blattverzierung überzogen, welche dicht an die Löwenköpfe, die
Mähnen verdeckend, auschloss gut zu sehen am (3. und 7. Kopf der
Westseite, von Norden gezählt). AVahrscheinlich waren dann auch
244 E. R. FIECHTER
die Köpfe selbst durch Stuck vergröbert und vergrössert (Tf. XI).
Wie die Sirna im übrigen beschaffen war, konnte leider nicht er-
mittelt Averden, da das moderne Dach sonst hätte aufgebrochen
werden müssen. Die Akroteraufsätze, die Palladio zeichnet (s. o.
S. 224) sind selbstverständlich nur Gebild seiner Phantasie, denn
ausser ihm und Sangallo hat kein gleichzeitiger Beobachter solche
notiert (1).
Endlich noch die Giebel dor Schmalseiten. Die Tympana sind
aus Travertinquadern in zwei Schichten aufgemauert. Mit flacher
Neigung, 1 : 2 V2 liegen darauf die schweren Gesimsblöcke, die
die ganze Horizontalgesimsgliederung wiederholen. Der Nordgiebel
ist bemerkenswert dadurch, dass der Zahnschnitt und das darüber-
liegende Eierstabkyma nicht in Stuck, sondern in Stein gebildet
wird, während am Südgiebel nur die einfachere « Stein form » wie
am Hauptgesims ausgebildet ist. Da wir durchaus am ganzen Bau
einfachste Gesimsprotilierungen, und gar keine skulpierten Glieder
gefunden haben, werden wir wohl richtig annehmen, dass die Ver-
zierung der Nordgiebelprofile eine nachträgliche sei, also wohl je-
ner Veränderung angehöre, die wir bisher an allen Formen des
Aufbaues feststellen konnten. Auch die Formbildung spricht
für diese Annahme (s. u.). An beiden Giebeln ist die Corona und
ihre ganze Untersicht völlig und bis in die Ecken hinein heraus-
geschlagen; allerdings sehr roh. Es hat aber dennoch den An-
schein, als ob darin eine bestimmte Absicht liege. Man könnte
dann annehmen, dass man bei der Bauveränderuug das Gebälk,
das durch den Ueberzug noch schwerer gewirkt hätte, leichter
gestalten wollte. Von einem Stucküberzug, der diese Abarbeitung
bedeckt hätte, konnte ich jedoch nichts mehr beobachten (2).
D. Technische Eigenschaften.
Material: An dem relativ kleinen Bauwerk sind zweierlei
Steinmaterialien verwendet, jedoch nicht regellos verteilt, sondern
nach bestimmten Absichten angeordnet.
(') Vgl. Palladios Zeichnung des dorischen Tempels bei S. Nicola in
Carcere, o. S. 175 Fig. 3.
{•) Die Beobachtung war nur von den Fenstern des angebauten Hospi-
tals aus möglich, da es nicht gelang, mit den schwachen Leitergerüsten zu
jungen an die Profile des Giebels heranzukommen.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE KOTTO 245
Travertin ist verwendet für alle Bauteile, welche statisch wich-
tig sind, also für die Säulen, dio freien Architrave und die Platten
des Hauptgesimses; ferner für alle jene Bauglieder, die der Wit-
terung sehr ausgesetzt sind, wie die Basen der Säulen, das Po-
diumgesinis und die Sima; dann für solche Teile, die vom Ver-
kehr berührt werden : also die Treppenstufen und die Podiumver-
kleidung; endlich für alle feiner skulpierten Teile, also auch für
die Kapitelle der Wandsäulen (l).
Tuff, grünlicher und bräunlicher, wurde für alle geschützten
Wandteile und die in die Wände einbindenden Halbsänlen ver-
wendet. Eine so zweckmässige Materialverteilung setzt eine grosse
praktische Bauerfahrung voraus, nicht nur die Kenntnis der Lei-
stungsfähigkeit des verwendeten Steins selbst, sondern auch be-
stimmteste Vorstellungen von den in einem Bau auftretenden Be-
wegungs- und Druckkräften. Der Erbauer arbeitet mit den gering-
sten Mitteln und muss, wo er kann und wo es zulässig ist, das
geringere Material anwenden. Die Bauten der caesarisch-augusti-
schen Epoche (Marcellustheater, Basilica Julia, Basilica Aemilia)
verwenden den geringen Tuff nicht mehr, oder dann nur als Kern-
mauerwerk hinter Verkleidungen ans hartem Stein. Dieselbe ge-
mischte Bauweise wie hier zeigen der 110 v. Chr. erbaute Pons
Milvius, der Pons Aemilius (Ponte rotto) und besonders das Ta-
bularium; dort bestehen die Pfeiler der grossen Arkadenarchitek-
tur aus Travertin ; die Halbsäulen, die nur davorgestellt sind und
statisch keine Bedeutung haben, aus dem grünlichen Peperin. Mar-
mor wird erst bei den Bauten der caesarischen Zeit beliebt
und dann in der Kaiserzeit für den Monumentalbau fast aus-
schliesslich als Verkleidungsmaterial und für Säulen gebraucht.
Steinformat. Auffallend ist die Verschiedenheit der Stein-
grössen. Bei streng konzipierten Bau formen ist die Konkordanz der
Stoss- und Lagerfugen doch sehr naheliegend. Griechische Bau-
meister erstrebten sie, und wandten sie dann Jahrhunderte lang
an. Der durchaus praktische Römer legt mehr Wert auf eine
zweckmässige Ausnutzung seines Steinmaterials, als auf ein idea-
'6
(') Auf Taf. VIII sind die Mauerquadern von Travertin durch Punk-
tierung ausgezeichnet. Ueber die Verwendung des Travertins als Baumaterial
siehe Hülsens Ausführungen oben S. 187 f.
24t") E. R. FIECHTER
leres Einheitsformät der Baublöcke. Travertiü ist für ein solches
ungeeignet; er bricht schwer, ist vielfach muschelig und löche-
rig ('). Es ist also unzweckmässig und darum teuer, eine einheit-
liche Steingrösse anzuwenden ; man würde viele kleinere gute
Blöcke nicht brauchen können, und wäre andrerseits gezwungen,
andere grössere zu zerteilen, wobei unbrauchbare Abfälle übrig
blieben. Aus diesem Grund nützte man jeden einmal gebrochenen
guten Block möglichst aus. Dieselbe Ausnützung rinden wir viel
später bei der sorgfältigsten Arbeitsweise auch unter ähnlichen
Materialverhältnissen an deutschen Domen. Es haben daher Blöcke
von gleicher Funktion im Baukörper ungleiche Abmessungen. An
unserem Bau schwanken z. B. die Maasse der Podiumgesimsplatten
zwischen 1 ,20 bis 2,57 m, oder die der Verkleidungsstücke des Po-
diumkörpers zwischen 0,68-1,69 m. Die Wandquadern wechseln
in Längen von 0,70-1,30 m. Aehnlich wechselnd sind die Bogen-
einfassuugssteine aus Travertin an den aus Tuft'quadern hergestell-
ten Gewölben des Ponte Molle. Auch die späteren Travertin-
bauten, wie z. B. das Colosseum zeigen von Bossen zu Boszen
wechselnden Fugenschnitt. Anders beim Tuffstein: wir sahen,
dass er vorzüglich für geschützte Bauteile, besonders für Wand-
und Bogenleibungsquadern verwendet wurde. Für solche Kon-
struktionsteile ist ein Einheitsformat erwünscht, und dieses er-
möglicht der Tuff; er ist dem Einheitsformat günstig, weil er
leicht bricht, leicht zu bearbeiten und homogener Natur ist. Es
lassen sich also schon im Bruch gleiche Abmessungen herstellen.
Wir rinden demnach bei allen Tuffmauern schon von frühester
Zeit an ein bewusst angewandtes gleiches Steinformat (2). Wo Ab-
weichungen vorkommen, geschieht dies in Rücksicht auf ein an-
stossendes Travertinstück, das man ganz ausnützen wollte; man
nahm lieber den Tuffstein ab. Solche Abweichungen sind recht
deutlich an den Bögen des Ponte Molle zu sehen ; an unserem Bau
richtet sich die unterste Tuffquaderschicht der Wand nach der
Basishöhe der Säulen, die oberste nach der Kapitellhöhe. An den
(') Gottgetreu, Baumaterialien, I, S. 98 f.
(2) Einheitliches Format annähernd am Unterbau des capitolinischen
Jupitertempels (vgl. Durm Baustile 11,2; Baukunst der Etrusker u. Kömer,
26 ; Delbrück, Apollotempel a. d. Marsfeld S. 13), am Kern des älteren
Castortempels (484), an der Stützmauer des alten « Agger ».
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 247
Eckverzahnungen aus Travertin sind vielfach kleinere Tuffstücke
eingepasst.
Der Mauerverband wird an den beiden Langseiten durch ge-
kreuzte Schichten bewirkt; aber genau senkrecht stehen weder die
Stossfugen der Binder- noch die der Läuferschichten übereinan-
der. Das kommt einerseits von den beträchtlichen Ungenauigkei-
ten in den Quaderabmessungen, andrerseits von den ungleichen
Travertinecksteinen, an die man das normale Quaderwerk an-
schloss, wodurch Verschiebungen der Vertikalfugen entstehen
Fisr. 7. Mauerverband der Cellawände.
mussten. Die Abmessungen der Quadern entsprechen einem Nor-
malmass von 2 Fuss Höhe, 2 Fuss Breite und 4 Fuss Länge. In
die Cellalängswände sind die Halbsäulen folgerichtig eingebunden.
Je zwei benachbarte, zu Viertelstrommeln abgerundete Quadern
bilden in den Binderschichten den Halbsäulenkörper; in den
Läuferschiohten ist eine Halbsäulentrommel vor die glatt durch-
laufenden Wandsteine gestellt. Es fällt also in jeder zweiten
Schicht eine Stossfuare in die Säulenmitte. Ein solcher Steinschnitt
vereinigt den Vorzug guten Verbandes und sparsamer Material-
verwendung (Fig. 7).
Von den 14 Wandschichten ist die dreizehnte im Gegensatz
zu allen übrigen durchgehends aus Travertin hergestellt. Auf ihr
ruhen die Halbsäulenkapitelle aus Travertin, welche ihrerseits den
Architrav aufnehmen. Die Absicht dieser Anordnung erscheint uns
248 E. R. FIECHTER
klar, wenn wir vermuten, dass sie aus statischen Gründen zu
erklären ist. Man schuf dadurch eine durchgehende Basis für die
Last des Gebälks, die sich, von den Kapitellen übertragen, auf
die ganze Cellawand gleichrnässig verteilen konnte ('). Die Schmal-
wände sind einsteinig. Die Südwand besteht aus zwar gleich ho-
hen, aber ungleich langen, ohne Wahl und Regel nebeneinander
geschichteten Quadern. Die nördliche Cellawand, welche die Tür
enthielt, ist ganz modern verputzt. Wo die Putzdecke fehlt, ist
zu ersehen, dass die Mauer meist aus schmalen, quer zur Mauer-
flucht gelegten Stücken besteht. Auch eine zweisteinige Schicht
ist dazwischen (Tf. IX).
Das System gekreuzter Schichten ist in Rom schon früh an-
gewendet worden. So am Mauerkern des älteren Castorentempels
(484 geweiht) und am Unterbau des kapitolinischen Jupitertempels.
Dort wechseln aber die Längenmaasse der Quadern noch vielfach.
Für zweisteinige Wände kam man auf ein bewusstes Verhältnis
von Steinlänge zu Steinbreite. So entsteht ein Mauerwerk von
Quadern, die doppelt so lang als breit sind, bei denen aber die
Schichtenhöhe noch in keiner Beziehung zu den anderen Steiuab-
messungen steht (2). Endlich aber wurden Quadern von quadrati-
schem Querschnitt angewandt, die ebenfalls doppelt so breit als
lang sind und die nun beliebig entweder als Läufer oder als Bin-
der in jeder Schicht verlegt werden konnten und keinerlei Diffe-
renzierung ihrer Lager- oder Stossfugenflächen mehr erhielten.
Solches Normalquaderwerk hommt in Rom bereits an der « ser-
vianischen » Mauer vor, die nach Richter (3) mit dem Könige Ser-
vius Tullius nichts zu tun hat, sondern weit jünger sein muss (4).
Ebensolche Quadertechnik finden wir am Tabularium, au den Fun-
('} Nicht ganz ausgeschlossen wäre auch die Begründung dieser Anord-
nung durch die Annahme, dass diese Travertinschicht einem Gewölbe über
der Cella als Auflager gedient hätte. Darüber wäre aber nur durch Beseiti-
gung des jetzigen Wandputzes etwas Bestimmtes zu erfahren.
(2) Terrassenmauern am Tempel der Aphaia von Aegina: Heiligtum d.
Aphaia. Bd. I, S. 88.
(3) Topographie a. a. o. S. 41 ff. T. 5.
(4) Hülsen setzt sie in die Zeit zwischen der Gallierkatastrophe (364
a. u., 390 v. Chr.) und den Samniterkriegen. Nach Livius VII, 20 wurde 402
a. it., 352 v. Chr. reliquum anni muris turribusque reficie?idis consumptum.
In diese Zeit passt der Mauerbau vortrefflich.
DER IONISCHE TEMPEL AM l'ONTE ROTTO 249
damenteii des Rundtempels am Forum boarium, und weiterhin an
der Abschlussmauer des Augustus-Forums (Arco dei Pantani) (').
Die Architrave über den freistehenden Säulen der Vorhalle
sind einsteinig und aus Travertin. Die Fuge über den Ecksäulen
erscheint von innen her auf Gehrung geschnitten. Von aussen ist
sie durch Putz verdeckt. Ueber den Halbsäulen den Wänden ent-
lang waren grosse Steinbalken unnötig; man konnte den Archi-
trav aus mehreren Stücken zusammenfügen und musste nur Vor-
sorge treffen, dass diese, bei der starken Ausladung vor der Wand-
flucht, nicht nach vorne umkippten. Man legte demgemäss über
die Kapitelle in der Art von Sattelhölzern Travertinstücke, schrägte
diese beiderseitig als Widerlager ab, und spannte so von Säule
zu Säule mit 2 oder 3 Keilsteinen aus Tuff scheitrechte Bögen
(Tf. IX). Starker Horizontalschub war ausgeschlossen, da die Ar-
chitravkeilsteine gut in die Mauer einbinden. Scheitrechte Bögen
sind im ersten vorchristlichen Jahrhundert bereits datiert am Ta-
bularium, wo sie nicht nur am Aussen-, sondern auch im Innen-
bau wiederholt vorkommen. Ebenso sind scheitrechte Bögen von
Noack an zwei Toren von Perugia und am Theater von Ferento (2)
nachgewiesen worden. Wenn diese vorrömisch sind, so ist die Er-
findung dieser Konstruktion den Etruskern anzurechnen. In Rom
ist sie vielfach angewandt worden (Colosseum, Severus-Bogen.
Janusbogen u. a.).
Den Fries bilden über diesen so gefügten Architraven klei-
nere Tuffquadern. Ueber den Travertinbalken der Vorhalle jedoch
sind zur Entlastung ebenfalls scheitrechte Bögen konstruiert; das
ist im Innern der Kirche deutlich sichtbar. Dort ragen die ein-
zelnen Quadern, rauh gespitzt, aus der Wand heraus.
Eisenklammern sind an den Orthostaten des Podiums
sichtbar. Ihre Länge beträgt 22 ein. d. i. genau einen römischen
Palm. Wie weit zum Aufbau sonst Klammern und Dübel ver-
wendet wurden, entzieht sich unserer Betrachtung.
(«) Abb. 201 bei Durm a. a. 0.
(2) Noack in diesen Mitt. XII, 171 f. Daselbst werden auch die Porta
Marzia und der Aico di Augustö mit den Resten der Torre S. (.liacomo und
bei Madonna della Luce ins vierte vorchristliche Jahrhundert hinein datiert.
Vgl. dagegen Durin a. a. 0. S. 35 ff. u. Abb. 234.
250 F.. R. FIECHTER
Fugondichtung mit Kalk lässt sich an der Tuffquadermauer
mehrfach beobachten ; nicht aber an den Travertinteilen des Po-
diums. Die Fugen selbst sind durchweg sehr fein, kaum mehr
als '/2-I nam. In Pompei ist Fugendichtnng mit Kalk mehrfach
nachzuweisen.
Stein bearbei tu ng. An den Travertinteilen sind ebene Flä-
chen mit dem Zahneisen ziemlich roh geglättet, unter dessen Spuren
erkennt mau noch Schläge des Spitzhammers. Die letzte Abrich-
tung der Verkleidungsplatten am Podium wurde nach dem Ver-
setzen der Steine vorgenommen (1). Mit dem Meissel sind alle
profilierten Teile, die Bildhauerarbeit und die Stege der Säulen
behandelt, Nur gespitzt aber sind die Kanäle der Sänlenschäfte
und die Stossflächen der Quadern. Gegen den Rand der Stossfugen-
flächen ist mit Zahneisen und Meissel eine feine Auschlussfläche
für einen guten Fugenschluss angearbeitet. Eine richtige Anathy-
rose ist das also nicht. Die Lagerflächen wurden mit dem Zahnei-
sen gleichmässig übergangen.
Bei den Tutfquadern ist die Bearbeitung eine ähnliche: glatte
Flächen sind jetzt allerdings kaum mehr vorhanden. Man erkennt
an den Architravkeilstücken noch Spuren der Behandlung mit dem
Zahneisen. Die Sänlentrommeln sind gleich bearbeitet, wie die
Schäfte aus Travertin. Die feine Anathyrose, die alle griechischen
Bauten zeigen, ist bei dem geringeren Material hier nicht durch-
geführt. An den Gesimsstücken der Unterbaues der Fassade am
Scipionengrab (■) aber ist der Fugenschluss mit einem äusserst
präcisen Randstreifen hergestellt, ebenso am Podium des Apollo-
tempels (3), weniger schön auch in Tivoli am rechteckigen Tempel.
In Pompeji finden wir schöne Anathyrose an oskischen Bauten,
z. B. an der alten Forumshalle (') und an der Stadtmauer. In
Rom findet sie sich auch bei den Marmorbauten nicht.
Stuck Verkleidung. Die Verschiedenheit der Baumateria-
lien in Farbe und Struktur verlangt aus praktischen und aesthetischen
Gründen eine Bekleidung mit Stuck. Alle alten Tuffbauten waren
(') Die Unterseite der Arcliitrave (Soffitte) ist mit dem Zalineisen ziemlich
10I1 bearbeitet, die Ansichtseiten innen und aussen aber feiner.
12) Piranesi, Monumenti degli Scipioni Tav. 2.
(■'') Delbrück, der Apollotempel auf dem Marsfelde S. 9.
(<) Mau, Pompeji S. 43 f.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 251
mit Stuck überzogen, nicht nur in Rom, sondern auch in Pompeji,
im ganzen Süden, überall, wo ungleiches, leicht verwitterndes
Material verwendet wurde. In Griechenland war es Tradition, die
aus Kalktuffen oder ähnlichen Steinen erbauten Gebäude mit Stuck
zu überziehen, auch die sorgfältigst ausgeführten (') und zwar
bis ins fünfte Jahrhundert hinein, als dann die Marmorbauten die
Monumentalbauten in geringerem Material verdrängten. Der Stuck-
mantel war geeignet, den ungleichen löcherigen Baustein zu
verdecken und farbigen Schmuck zu ermöglichen. In Sicilien, wo
der Marmorbau nie geübt wurde, blieb die Technik bestehen (2) ;
sie ist dann in Pompei vom ersten Tag an zu Hause und wohl
ebenso, wie gesagt, im ganzen Süden Italiens.
Auch unser kleiner Tempel war mit Stuck bekleidet. Beste
von diesem Ueberzug können noch an den Säulen und Wänden
und am Gebälk (siehe oben) nachgewiesen werden. Ob das Podium
auch verkleidet war, bleibt unbestimmt. An und für sich hat Tra-
vertin, auch besonders unten am Sockel, einen Ueberzug nicht so
nötig. Nur wo er neben Tuff verwendet ist, wird er verputzt. Es
ist daher ungewiss, ja unwahrscheinlich, dass z. B. das Colosseum
als reiner Travertinbau aussen mit Stuck bekleidet war. Meines
Wissens wurden nie Spuren eines solchen Ueberzugs daran beobachtet.
Die Stuckhaut auf den glatten Wänden ist 1 l/t-2 mm. stark.
Sie besteht aus grauem Sand und Kalk und ist äusserst fein und
glatt. An den Säulenschäften bildet ein etwas gröberer Ueberzug
über den nur gespitzten Kanälen erst die reine Form, die dann
mit einer feinen Haut noch überzogen wird. An den Kapitellen
und am Gesims folgte die Stuckhaut genau den in Stein vorgebil-
deten Formen; sie ist beinahe so dünn wie ein einfacher Kalkan-
strich (darum auch die glatte Behandlung der Steinflächen !). Es
ist leicht einzusehen, dass man mit einem so feinen Ueberzug
nicht Formen oder Profile bilden, sondern eben nur überkleiden
wollte.
(') S. Aegina I Heiligtum d. Aphaia S. 46; vgl. auch die aus Mexer-
stein hergestellten Architekturen in Alexandrien, die durchweg mit Stuck beklei-
det und bemalt waren (im Museum von Alexandria) ; ebenso H. Thierseb,
Zwei antike Grabanlagen in Alexandria S. 5.
(2) Vgl. Koldewey u. Puchstein, die griechischen Tempel in Unteritalien
und Sicilien.
252 E- R- FIECHTER
Ausser diesem ersten, gleich nach der Erbauung des Tempels
aufgetragenen Stuckmantel, ist an unserem Bau viel deutlicher der
zweite kräftige Stucküberzug zu beobachten. Er ist von ganz unglei-
cher Dicke, und wir erkennen, dass er nicht die im Stein vorge-
bildeten Formen wiederholt, sondern vielmehr umbildet (siehe
Tf. XI).
Seine Masse besteht aus einer groben Unterschicht von Kalk
mit 3-4 mm. grossen Marmorkörnern; diese Schicht ist oft, z. B.
in den Säulenkanneluren, an den aufgesetzten Wandquadrierungen
und am Gesims 2-3 cm. und mehr stark. Darüber folgt noch eine
feine Ueberzugsschicht grauem Saud und Marmorstaub gemischt,
deren glatte Oberfläche dann äusserst hart ist.
Schon aus der Zusammensetzung, mehr noch aus der Selb-
ständigkeit dieses Ueberzugs, erkennen wir im Gegensatz zum
ersten Stucküberzug, dass dieser zweite nicht ursprünglich ist,
also nicht die Formen, die der Baumeister und seine Zeit dem Bau
geben wollten, wiedergiebt, sondern in einer späteren Zeit ent-
standen sein muss, sei es aus Gründen eines veränderten Zeitge-
schmackes, oder einer nötigen Renovation, oder aus beiden. Solche
Formveränderungen sind nicht selten. Von Pompeji (l) sind viele
Beispiele anzuführen ; weniger bekannt aber ist, dass auch die
mit unserem Bau oft in einem Atem zitierten Bauten am Forum
holitorium (2) und ebenso der Magna-Mater Tempel auf dem
Palatin (3) ganz ähnliche Umgestaltungen durchgemacht haben.
(') Pompeji: Hof des Apollotempels s. Mazois IV, XXI; Mau, Pompeji
S. 75; Stabianerthermen Mau S. 183; Isistempel Mau S. 15G f. Von Privat-
häusern z. B. Casa delle nozze d'argento Mau S. 288.
(2) Rom, Forum holitorium: Tempel A (Delbrück a. a. 0. S. 15) eine
ältere Stuckschicht aus Kalk und vulkanischem (?) Sand, bis zu 8 mm. stark,
Zahnscbnitt noch zu erkennen; sie ist aufgerauht zur Aufnahme einer zweiten
gröberen, die Puzzolane enthält. Marmorteilchen fehlen, so weit erkennbar,
durchaus. Tempel B: am Gesims (im Hof von S. Nicola in Carcere) vom
alten Stucküberzug nichts mehr zu sehen, ausser im Zusammenhang mit einem
Stück späteren Ueberzugs, für den jedoch die Flächen aufgerauht worden
sind. Ebenso am Architravblock (im Keller der Kirche). Die untere Schicht
besteht nur aus Weisskalk u. Sand; die obere aus einem Gemisch von klei-
neren .Marmorkörnern und Kalk. Tempel C: Kapitell, vgl. Hülsen o. S. 109 ff.
(3) Besonders deutlich an dem auf der Südseite neben der Statue auf einer
Säulentrommel liegenden Gebälkstück zu sehen: ältere Stuckschicht sehr dünn,
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 253
Wir erkennen also eine durchgehende Praxis: die Bauten aus
Tuff oder aus gemischtem Hausteinmaterial waren mit Stuck
überzogen. Dieser Ueberzug passte sicli genau den im Stein vor-
gebildeten Formen an, und erhielt keine selbständige Ausbildung
(Ausnahmen kommen höchstens bei feinen Blattornamenten vor, wo
die Blattrippen in Stuck noch schärfer betont werden konnten oder
z. B. in Pompeji bei feineu Leistchen oder liiemchen unter Ka-
pitellen). Die Stuckhaut war geeignet, glatte glänzende Wandflä-
chen zu bilden, die Känder zu verschärfen und dem Schattenspiel
durch die weisse oder helle Farbe mehr Intensität zu verleihen,
endlich besonders als Grundlage der buntfarbigen Behandlung der
mancherlei Bauglieder zu dienen.
Das Kernmauerwerk des Podiums besteht wahrscheinlich aus
opus caementicium. So scheint es nach dem, was man durch die
klaffende Fuge der Travertinplatten am Podium erkennen kann (*).
Aus opus caementicium ist auch der Podiumkern des Magna Mater-
Tempels auf dem Palatin und des Tempels B am Forum holito-
rium. Nach Promis ('-) und Delbrück (3) sind die Mauererneu-
rungen von Alba Fucens das älteste Beispiel dieser Bauweise.
(302 v. Chr.). Zur Erweiterung des grossen Theaters in Pompeji (4),
die aus stilistischen Gründen noch in die Tuffperiode dieser
Stadt zu setzen ist, wurde ebenfalls opus caementicium verwendet.
Sicher datiert sind die Gewölbe des Tabulariums (78 v. Chr.).
Daselbst ist schon ein sehr weitgehender Gebrauch dieser Mauer-
technik und eine grosse Erfahrung über ihre Güte und Haltbar-
keit vorauszusetzen.
Für die Datierung unseres Baues lässt sich aus der Be-
schreibung der technischen Eigenschaften Folgendes entnehmen : die
Verwendung von Normalformat der Tuffquadern kommt wahrschein-
enthält feinen Marmorstaub; die zweite bildet neue Formen und bestellt aus
Weisskalk, mit Ziegelmehl und Kieseln vermischt. Darüber ist noch eine
glatte feinere Oberschicht wieder mit Marmorteilchen.
(!) Es war mir nicht möglich, näher an den Baukörper heranzugelan-
gen; Piranesis Zeichnung (a. a. 0. Tf. L) vom Unterbau ist jedenfalls unrichtig
und stellt im Widerspruch zu ähnlichen, besser bekannten Anlagen.
(2) Promis, Antichitä cli Alba Fucense. Mauer, S. 110.
(3) a. a. 0. S. 63.
(*) Mau, Pompeji S. 136.
254 E- R- FIECHTER
lieh schon im vierten Jahrhundert in Rom vor. Die scheitrechten
Böo"en im Tabularium lehren uns für die geschichtliche Stellung
unseres Tempels nichts, da die Konstruktion vielleicht schon früher
angewendet wurde. Ob Stuckierung von Quadermauern in Etrurien
üblich war, ist mir unbekannt; sie scheint auf den Einfluss von
Süditalien und Sicilien hinzuweisen, der wahrscheinlich schon mit
der Eroberung von Campanien (Ende des dritten Jahrhunderts) be-
gonnen hat.
Die geschichtliche Stellung eines Bauwerks aus seinen techni-
sehen Eigenschaften zu ermitteln ist nur möglich, wenn eine
grosse Anzahl von datierten Bauten technisch genau bekannt und
zugänglich gemacht wird.
III. Stilistische Untersuchung.
A. Grundriss und Aufbau.
Im Anschluss an die Baubeschreibung untersuchen wir nun,
welche Stellung der Pseudoperipteros am Forum boarium in der
Entwicklung der römischen Baukunst einnimmt. Seine Formen und
Eigenschaften in Grundriss und Aufbau sollen mit ähnlichen und
womöglich zeitlich genau bestimmten Bauten verglichen werden,
damit ihr Verhältnis zu diesen festgestellt, und auch eine annä-
hernde Entstehungszeit unseres Tempels daraus abgeleitet werden
könne.
Podium.
Unser Pseudoperipteros ist ein Podiumtempel. Wir wissen,
dass der Podiumtempel in Rom häutig vorkommt. Femer erfahren
wir aus Delbrücks (') Zusammenstellung der bis jetzt bekannten
Podientempel, dass die Podien von den ältest erhaltenen her eine
allmähliche Veränderung in Gestalt und Form erlitten haben. Die
älteren Podien sind fast quadratisch oder haben ein Verhältnis von
ca. 5:6 (2) so das des kapitolinischen Jupitertempels in Rom mit
ca. 52: 57 m. (auf dem allerdings drei Cellen stehen), und ein Tem-
pelpodium in Alba Fucens (3). Mit der überhandnehmenden Herr-
(') a. a. 0. pag. 26 ff.; Capitol v. Si<rnia p. 21 ff.
(a) Nach Yitruv IV 7, 1. Darm a. a. 0. S. 97 Abb. 108.
Promii a. a. 0. S. 232 T. 2. G.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 255
schaft der Podientempel von Etrurien über Latium und den Süden
Italiens (') veränderte sich auch ihre Gestalt: ihr Verhältnis von
Länge zu Breite verschiebt sich nach und nach bis auf 2:1. So
verlaugt Vitruv vom Massverhältnis des « Tempels -, dass die
Breite die Hälfte der Länge betrage. Unser Pseudoperipteros hat
ein Podium von ulibekannter Länge, nach der mutmasslichen
Ergänzung aber ungefähr das Verhältnis 1 : 2. Ebenso der Saturn-
tempel (*) (bei beiden der Treppenaufgang eingerechnet). Eine
weitere Veränderung erfuhr das Podium durch die Profilierung
seiner Fuss- und Gesimsglieder nach der Art griechischer Gesims-
formen. Die etruskischen Podien waren entweder glatt, oder mit
wuchtigen, den griechischen gänzlich unähnlichen Gesimsen ver-
ziert (3). Ferner scheint es einer ebenfalls durchgehenden Regel zu
entsprechen, dass bei den etruskischen Podien meist nur schmale
Treppenaufgänge vorhanden waren, Avährend bei den Podien späterer
Zeit die Freitreppen die ganze vordere Breite einnahmen. In der
Kaiserzeit freilich hört ein einfaches gesetzmässiges Fortschreiten
der Entwicklung und Veränderung der Podien auf. Die Mannig-
faltigkeit der Bedürfnisse und der Platzbedingungen ist einer ge-
radlinigen Entwicklung ungünstig.
Vorhalle.
Die frühitalische Tempelform verlangt vor dem Cellahaus
eine tiefe Vorhalle. Entweder sind neben dem Mitteltempel Seiten-
cellen oder offene Seitenhallen. Mit dem Vordringen des itali-
schen Podientempels nach Latium, und weiter nach Campanien
und Süditalien verändert sich sein Charakter durch die Einflüsse
der dortigen griechischen Kultur. Die Eigenschaften des länglich
gestreckten Peripteralbaues werden auf den von den vordringenden
Römern mitgebrachten norditalischen Bau übertragen ; es entstellen
neue Gestaltungen.
(') Vitruv. 1. IV, 41.
(2) Hülsen, Forum Romanum 1905 S. 74.
(3) Tempel d in Marzabotto, Mon. dei Lincei I, t. II hat ein wuchtig
profiliertes Podium. Glatte Podien in Alba Fucens gehören wahrscheinlich der
römischen Kolonie (bald nach 304 v. C.) an: Delbrück, Tempel am For. hol.
p. 28. Glatte Podien wahrscheinlich auch in Cosa (Ansedonia) soweit gegen-
wärtig davon etwas zu erkennen ist, obschon von Dennis, cities and cimit.
3. Aufl. 1883 p. 245 ff. Podien nicht ausdrücklich erwähnt werden.
256 E. R. FIKCHTER
Grrundriss.
Die gestreckte Grundrissform wird durchaus angenommen;
bei vielen Bauten freilich nur diese ohne die anderen peripteralen
Eigenschaften. Dahin gehört z. B. der Magna Mater-Tempel auf
dem Palatin ('), der Jupitertempel auf dem Forum in Pompeji (2)
u. a. Gerade diese neue Form wurde sehr beliebt und vielfach an-
gewandt in Rom, z. B. der Saturntempel, die Tempel des Vespasian
und der Faustina am Forum Romanum ; ausserhalb Roms z. B.
Pola (3), Pergamon, etc. Dies ist der spezifisch römische Tempel
Vitruvs (Lib. IV).
Zugleich mit der gestreckten Grundrissform nehmen aber eine
Reihe anderer Bauten durch eine Halbsäulen- oder Pilasterglie-
derung der Cellawände auch den Rhythmus der peripteralen Halle
an. Für bescheidene Verhältnisse ist diese Anpassung des grie-
chischen Vorbilds besonders geeignet. Tempel mit gleichmässig
angeordneter Pilastergliederung der Cellawände stellen den Pe-
ripteros gleichsam in Flachrelief dar, so z. B. der sogenannte
Herkulesternpel in Cori (4), das Grabdenkmal des Bibulus am Fusse
des Kapitols (5), der kleine Bau des sogenannten Dens Redi-
culus (6) vor der Porta Latina, die Tempel in Tebessa (7), in Henchir
Debbik, und die Seitentempel auf dem Kapitol zu Sbeitla (8).
Noch besser ist der peripterale Charakter durch vorgestellte
Halbsäulen, gewissermassen in Hochrelief, zum Ausdruck gebracht.
Dieser Gruppe gehört unser kleiner Pseudoperipteros an. Ferner
der kleine sog. Tiburtustempel (9) in Tivoli, und der mittlere
Tempel am erwähnten Kapitol zu Sbeitla. Vielleicht gehört in
diese Gruppe auch das Asklepieion von Agrigent (,0).
(lJ Hülsen Rom. Mitt. X S. 1 ff.
(2) Mau, Pompeji S. 53 ff; Weichardt, Pompeji vor der Zerstörung, Abb. 72.
(3) Darm. a. a. o. Abb. 617; Pontremoli-Collignon, Pergame, p. 178 ss-
(4) Piranesi, Antichitä cli Cora; Canina, Edifizi T. CI.
(B) Canina, Edifizi di Roma antica LXXVII A. 1-4.
(«] Canina, Edifizi CCLXXVI 1-5 (falsch ergänzt).
(7) Gsell, Monuments antiques de VAlge'rie 1 pl. XIX.
Darm, a. a. 0. Abb. 665, 665 bis, 668.
i'i Canina, Edifizi VI T. CXXXIII.
(,0j Koldewey und Puchstein a. a. 0. S. 183. T. 27.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 257
und in Rom der Tempel A am Forum holitorium ('); zur zweiten
der Mars Ultor-Tempel am Augustusforum in Korn. Frühe Peripte-
roi auf italischem Podium sind der Apollotempel in Pompeji (2),
und in Korn die Tempel B und C am Forum holitorium : diesen folgt
dann eine lauge Reihe von stadtrömischen Kultbauten der Kaiser-
zeit. Der eigentliche griechische Peripteros — also ohne Podium —
kommt erst durch Hadrian, den Griechenfreund, mit dem Bau des
Tempels der Venus und Roma in summa sacra via nach Rom.
Sobald der Rhythmus der Säulenstellung um den ganzen Bau
herumgeführt wird, ist das Verhältnis der Tiefe der offenen Vor-
halle zum geschlossenen Cellakörper gebunden. Aus der folgenden
Zusammenstellung ergiebt sich ausser der zahlenmässigen Darstel-
lung dieses Verhältnisses für einige der genannten Bauten auch
zugleich die Proportion des Gesamtgrundplans für dieselben.
Tempel Säulenintervalle
Vorderfront Seitenfront
oft'en geschlossen
des Tiburtus, Tivoli (3) . . . 3 1 4
dorischer, Cori (4) 3 3 ?
Tempel am Ponte Rotto . , 3 2 4
Maison carree, Nimes (5) . . 5 3 7
Mittlerer, Kapitol Sbeitla (6) .3 2 5
Seitliche, " » . . 3 2 5
Henchir Debbik (7) .... 3 2 5
(') Delbrück a. a. 0. S, 38.
(a) Mau, Pompeji S. 72 f; Mazois, IV T. 16-23.
(3) Gründungszeit unbestimmt. Wird im allgemeinen an das Ende des
II. Jahrhunderts v. Chr. gesetzt.
(*) Annähernd datiert durch den Charakter seiner Inschrift. CIL. X,
6517 und seiner Formen auf den Anfang des ersten Jahrhunderts, v. Chr. Doch
steht er nicht in Rom. sondern draussen in der Provinz. Wenn er, was wahr-
scheinlichist, von der tonangebenden Hauptstadt beeinflusst wurde, kann seine
Gründungszeit für den Vergleich mit einem stadtrömischen Bau nur mit einem
gewissen Abzug in Betracht gezogen werden. Piranesi, Antichitä di C
Tav. IV-X; Canina, Edißzi CI; Antonio Antolini, Uordine dorico ossia il
tempio d'Ercole nella cittä di Cora, 4 Tafeln (Born 1785); Attigli Sev.
Tempio d'Frcole e gli altri monumenti di Cora, Roma 1001.
(5) Cltfrisseau, Antiquars de France, Tome I, pl. III-XI.
(ö) Sufetula: Schulten, das römische Africa(1899) S. 39 Anm.; Cagnat-
Gauckler Monuments de la Tunisie I pl. VIII. IX.
(7) Dünn, a. a. 0. Abb. 055; Cagnat-Gauckler a. a. 0. pl. XXXIII.
18
258 E. R FIECHTER
Nur beim kleinen Tiburtustempel ist die Vorhalle seicht, sonst
aber an den viersäuligen zwei, an den sechssäuligen drei Intervalle
tief. Die Seiten des Grundrissrechtecks verhalten sich, wie wir be-
reits feststellten. wie 3:4 in Tivoli; wie 3: (3 oder 5:10, also wie
1:2 an den drei folgenden Bauten und endlich wie 3:7, also mehr
als 1:2 an den afrikanischen Tempeln der späten Zeit ('). Die
Reihe ist aber zu klein um ein klares Resultat zu geben; wir
nehmen daher noch einige Peripteroi zum Vergleich dazu :
Tempel Säulenintervalle
Vorderfront Seitenfront
Apollo, Pompeji (2) 5 9
Tempel B, Forum holitorium . . 5 10
der Castoren, Rom (Umbau) (3). . 7 10
der Venus und Roma, Rom (4) . . 9 20
des Jupiter, Baalbek (5) .... 7 14
Wir erhalten auch hier eine gleiche Folgerung. Die Gruud-
rissform hat in der letzten Zeit der Republik etwa das Verhältnis
1:2; in der Kaiserzeit ist sie zumeist mehr in die Länge gestreckt.
Die Säulen stehen am grossgriechisch dorischen Tempel eng;
weit aber am italisch-etruskischen (6). Die Tendenz zur Weitsäulig-
keit ist in der Tiiit'periode noch vorherrschend ('). Von Osten aber
dringt mit der griechischen Bauart auch die griechische Engsäu-
ligkeit ein. Vitriiv beschreibt die 5 Tempelarten und verlangt den
Eustylos « welcher am meisten zu billigen ist » (*). Die fol-
(') Womit nicht gesagt sein soll, dass nicht manche späte Tempel auch
kürzere Podien haben, wie z. B. der Tempel von Zanfour (Assuras). Cagnat-
Gauckler a. a. 0. p. 142 pl. XXXIX.
(a) Aus vorrömischer Zeit. Mau Pompeji S. 73. Mazois IV, XVII-XX.
(3) Der jetzige Peripteros ist ein Umbau aus hadrianischer Zeit, der
im Anschluss an die ältere Gestalt und wohl auch aus Platzbeschränkung
die kurze Grundrissform beibehielt: Hülsen, Forum Romanum 1905 S. 142.
(4) Canina, FAijxzi Tf. LI-LVI; Reber, Ruinen Roms 400-405; Hülsen,
Forum Romanum 1905 S. 218. Von Hadrian im Jahr 135 n. Chr. geweiht.
(5) Wool, Ruins of Balbek XXIV-VI; Puchstein, Zweiter Jahresbericht
über die Ausgrabungen zu Baalbek, Jahrb. d. Inst. 1902, T. V.
(6) Vitruvs tuskischer Tempel IV, 7. vgl. Durm a. a. 0. 96 ff. u.
Abb. 129.
(7) Forumshallen in Pompei, mit Holzarchitraven und Steingebälke.
(8) Vitruv III, 3, 1-8.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ftOTTO 259
gende Zusammenstellung giebt ein Bild der mit dem Vordringen
klassischer Formen zunehmenden Eagsäuligkeit römischer Tempel.
Tempel Axenabst. in u. D. Bezeichg. nachVitruv
Cori : dorischer T. (l) . . 3 V, < diastyl
» korinth. Tempel (2). 3 »/, < diastyl
Tivoli: Tiburtus » . . 3 '/, > eustyl
Rom : Magna Mater »(3). 31-? < eustyl
Pseudoperipteros . 3 l/A-S l/5 < eustyl
" Tempel A.Forum h. 3 tyl
B. » » 2 " „ < systyl
Pompeji: Jupitertempel (') 2 2/3 < systyl
Rom: Divus Julius (5) . 2 \ , pyknostyl
» Castoren ... 2 72 »
» Venus u. Roma (c). 2 2/3 »
Unser Pseudoperipteros ist somit vom engsäuligen langge-
streckten griechischen Peripteros bereits stark beeinflusst, und steht
dem alten etruskischen quadratischen und weitsäuligen Tempel
schon recht fern. Aber er hat noch nicht jene Stufe der Klassi-
zität der grossen Bauten der Kaiserzeit erreicht.
B. Einzelformen.
Podium. Für das Fussprofil bieten die Podien der Tuffpe-
riode keine nahen Analogien ; diese haben meist stark ausladende,
grosszügige, aber durch zarte Zwischenglieder fein geteilte Haupt-
formen mit scharfen Kanten. Knapper sind die römischen an den
Tempeln A und B am Forum holitorium. Am nächsten steht das
Fussglied unseres Baues demjenigen des Divus Julius-Tempels am
Forum Romanum (Abb. 8). Weit entfernt ist es aber von allen
den schlichten tuskischen Profilierungen, wie sie an den Tempeln
(i) Canina, Edifizi T. CI.
(2) Canina, Edifizi T.C.
(3) Säulenstellung nur in der Kekonstruktion bestimmt. Rom Mitt. X.
S. 19 ff.
(4) Mazois III, XXX.
(5) Jahrbuch d. Inst. IV, 1S89, S. 137 f.; Rom. Mitt. 1902, 61. 62.
(6) Canina, Edifizi LI.
260
E. R. F1ECHTER
TIBUKTUS.T-TIVOÜ
VE-STA X TIVOLI
M.
J
POMPEI
3UPITLR -TEMPEL
TABUUARIU/A
PRAENE.STE.
PSEUDO PERI PTE.R05
D'V. JUUVJi> T. T£.A\PEUA.FOR HOL.
; '.' •.■.te./v\pel|b- for hol
Fig. 8. Verschiedene Fussgesimsprofile von Podien.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE KOTTO 2Ö1
in Tivoli vorkommen. Die Ausladung wird an den Profilen der
ausgehenden Republik geringer als im eigentlichen Tuffstil. Fig. 8
gibt eine Zusammenstellung einiger Fussprofile (').
Auch die Bekrönungsprofile machen ähnliche Phasen durch.
Wir finden einerseits die grossen derben Gesimse etruskischer Art,
andrerseits die feingegliederten Tuffstilformen mit ihren zarten
entzückenden Leistchen und den scharfen Unterschneidungen, die so
wirksame Gegensätze zu hell beleuchteten Kanten erzielen. Eines
der schönsten Gesimse dieser Art ist das vom Podium der Tabula-
rium-Rückwand (s. A. 1). Während die Tuffstilgesimse das Motiv
eines Hauptgesimses mit vortretender Hängeplatte noch erkennen
lassen, vertreten die Profile der Tempel A und B eine Gruppe
ohne solche Teilung, so etwa wie sie an griechischen Basen man-
nigfach vorkommt. Auch die Gesimse der klassischen Zeit zeigen
mehr oder minder bewiest die ganze Gesimsgliederung, zuerst ohne
gut abgewogene Verhältnisse der Einzelglieder, wie an unserem
Bau, später mit mehr Eleganz. So besonders am Castorentempel,
wo man schon am Gesimsprofil ersieht, dass es einem Bau von
ganz hervorragend künstlerischer Gestaltung angehört haben muss.
Fig. 9 giebt eine Zusammenstellung einiger solcher (meist nach
eigenen Aufnahmen gezeichneter) Bekrönungsprofile. Sehr nahe
sind unserem Podiumprofil auch diejenigen in Praeneste am Ron-
dell und in der Aula des sullanischen Fortunatempels (Canina Eäi-
fiti VI Tf. CXVI. UXVII). Die Häufung von kleinen Profilierungen
erinnert noch an den Tuffstil, ihre formale Ausbildung jedoch nicht
mehr, soweit sie Canina mitteilt. Eigene Untersuchung an Ort
und Stelle war mir nicht möglich. Eine klare Reihe sich in
gerader Linie entwickelnder Profilierungen können wir jedoch
nicht darstellen. Oertliche Traditionen und Vorbilder wirken bei
der Ausbildung der Einzelformen mehr mit als in der Anlage
der Gesamtverhältnisse (*). Wir erkennen aber immerhin aus der
gegebenen Zusammenstellung der verschiedenen Podiengesimse,
dass die unseres Podiums entschieden vor denjenigen des Divus
Julius-Tempels und nach denen des Tabulariums anzusetzen sind.
(^ Profil 4 vom Podium der Nordseite des Tabulariums unter Michel-
angelos Freitreppe des ^heutigen Senatorenpalastes. Die Originalzeichnung
wurde mir von Delbrück gütigst zum kopieren zur Verfügung gestellt.
(2) Puchstein und Koldewey a. a. 0. S. 30 ff. Aegina a. a. 0. S. 59.
262
E. K. FIECHTEK
TiBüRTUST.-TIVOU
5GPIONE.NQRAB
VE. STA X TiVOU.
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TABULARIUA'S
PRaeine-ste.
P5EU DOPER IPTE.ROS
3i+ DIV."JUUU5T.
TE^PELB FoR.HOU.
296 ?[
TEMPELA FOK HOL
CASTORT. RO/a
Fig. 9. Verschiedene Bekrünungsprofile von Podien.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 263
Säulen. An unserem Bau halten die Säulen die normale
attische Basis mit quadratischer Plinthe. Wie ist die Basis älterer
Gebäude? Die tuskische Säule hat keine quadratische, sondern
eiue kreisrunde Fussplatte ('). Die quadratische schreibt Vitruv III
52 vor, offenbar auf Grund römischer Bauten seiner Zeit. In
Athen haben die jonischeu Basen keine Plinthe. Aber im helle-
nistischen Kleinasien kommt sie an den attischen und jonischen
Basen vor (Priene, Magnesia) und ebenso an spätgriechischen, von
Kleiuasien aus beeinrlussten Bauten in Olympia und Athen. Ur-
sprünglich mag sie aus Vorderasien stammen (2), wo sie z. B. am
Felsgrab des Amyntas zu Telmissos (3) der jonischen Basis einer
primitiven jonischen Säule untergeschoben erscheint. Jedenfalls
kommt sie mit den übrigen klassischen Formen nach Rom. Wenn
man annimmt, dass die Halbsäulenfassade des Scipionengrabes (4)
erstlich mit der sehr uuregelmässigen Grabanlage, für die nach
neuesten Beobachtungen ein Steinbruch benützt worden ist, zu-
sammengehörte, und zum andern, dass sie mit dem Podium,
auf dem sie sich erhob, gleichzeitig entstanden sei, dann wäre
bei der bisherigen Datierung des Grabmals nach dem vatikani-
sehen Scipiosarkophag die quadratische Plinthe in Rom schon im
ersten Viertel des III. Jahrhunderts üblich gewesen. Aber es be-
stehen schwere Bedenken gegen diese Annahme. Einmal ist nicht
nur die Datierung des berühmten Sarkophags des Cornelius L. Sci-
pio. der im Jahr 298 Konsul war, ganz sicher, da die jetzige
Schrift an der Stelle einer früheren weggemeisselten steht; zwei-
tens ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Felspodium, in dem
jene rohe Bogenöffuung eingebaut, und dessen oberste Kante durch
eine Schichte von ungleich grossen Quadern abgeglichen und dann
von einem altertümlichen (Abb. 9) Gesims bekrönt ist, wirklich
(') Vgl. die Säulenbasen von Marzabotto JlJon. dei Lincei I t. VIII. 9
Tempel d (Brizio); Alba Fucense (Promis); Alatri (Winnefeld); tuskisches
Gebälk (nach Piranesi) vom Mons Albanus (oben S. 186); ebenso die beim
Kundtempel am Forum boarium liegende Rundbasis (Köm. Mitt. VII S. 108).
(2) Vgl. Delbrück a- a. 0. S. 54, ferner die runde Basis plinthe am ko-
rinthisch-dorischen Tempel in Paestum KoMewey und Pnchstein a. a. 0. S. 33.
(3) Bühlmann Architektur I, 19, 1 u. 2.
(4) Piranesi. Monumenti degli Scijnoni T. '_'.
264 E. R. FIECHTER
gleichaltrig sei mit der darüber zurückstehenden Halbsäulen fas-
sade ('). In Stil und Technik sind beide Bauteile verschiedeu. Auf
der Podiumwand sind wenigstens zwei Stuckschichten aufgetragen,
auf der oberen konnte ich bei genauer Betrachtung noch deutlich die
rote Zeichnung eines Mäanderbandes, eines sogenannten laufenden
Hundes, erkennen, das von roten Linien eingefasst, offenbar die Ab-
schlussleiste eines dunkler bemalten Sockels bildete (1,45 unter dem
Bekrönungsgesims). Diese Dekoration passt zu der späteren Halb-
säulenfassade gut und ist also jedenfalls erst bei einer späten Um-
gestaltung der älteren Wand, die dann als Podium für den Aufbau
benützt wurde, entstanden.
Es ist somit kein sicheres Datum für das erstmalige Auftreten
der quadratischen Plinthe in Rom gegeben. Bei den Bauten des
k Tuffstils » fehlt überall die Plinthe, in Pompeji (2) sowohl als
in Rom (3) und seiner Umgebung.
Meines Wissens stehen jedoch am älteren Bau des Atrium
Vestae (4) auf dem jetzt freigelegten Stylobat Basen aus Travertin
mit Plinthe. Ferner stehen die Säulen der sogenannten Aula in
Praeneste auf Basen mit Plinthe (5). Die jonischen Säulen des
Marcellustheaters haben mit denen unseres Tempels fast genau
gleiche Basen (6). Die Tempel A und B am Forum holitorium
jedoch besitzen Standplatten unter jonischen Basen. Die einfache
attische Form scheint in der Kaiserzeit weniger beliebt; denn viele
Bauten zeigen Kombination von jonisch-attischen Basen: z. B. der
Saturntempel, geweiht 44 v. Chr., der Tempel des Divus Julius,
geweiht 29 v. Chr. ; oder sie werden reich ornamentiert, wie Bei-
(') Nach den Beobachtungen von Prof. Hülsen und mir (16. VI. 05) steht
übrigens fast noch genau so viel davon als Piranesi zeichnete ; die Fassade
ist also nicht, wie Delbrück sagt, verschwunden. Man erkennt die Plinthe
und die stark verwitterte attische Basis deutlich. Höhe der ganzen Basis
0,56m.; Platte 0,11 h., 0,93 br., 0,48 t; u. D. der Säule 0,55.
(-) Basilica, Apollotempel und in den Privathäusern des Tuffstils, auch
im römisch erneuerten Jupitertempel.
(3) An den beiden Tempeln in Tivoli, am Castortempel in Cori (Pira-
nesi, Antickitä di Cora, T. III), am sog. Magna Mater-Tempel auf dem Pa-
latin (Rom. Mitt. X, 1 ff.)
(■*) Hülsen, Forum Romanum 1905, S. 184.
(s) Nibby, il tempio della Fortuna Praenestina Tav. V.
(c) Vgl. Durm a. a. 0. Abb. 411; Canina, Edißzi CLVII, 6.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 265
spiele im jetzigen Museo Capitoliöo, die Basen vom Concordia-
tempel (7 v. Chr.), und viele andere beweisen (').
Die Schaftform der Säulen unseres Tempels ist die klassische;
d. h. der Schaft endigt oben und unten mit einer Lvsis und die
Kanneluren sind ruudbogig abgeschlossen. Diese Art der Ausbil-
dung unterscheidet sich von der des Tuffstils bei jonischen kannel-
lierteu Säulen wesentlich. Dort stehen die Stege hart auf einer
schrägen Profilfläche auf; der Schaft hat keinen Ablauf (Lysis). Es
entstehen also scharfe Kanten und Kehlen und scharfe Schatten, wie
man es im « Tuffstil » (2) liebte. Die Ausladung der Basis vor dem
Schaft ist meist ziemlich gross, wird aber gegen Ende des Tuffstils
knapper. Auch die obere Schaftendigung ist verschieden von der « klas-
sischen ». Die Tuffstil-Säulen besitzen oben einen breiten glatten
Halsstreif (Kragen), an dem die Kanäle geradlinig abgeschnitten
endigen. Bei den jüngeren Ausbildungen folgt dann der Uebergang
zum Viertelstab mit Lysis und Plättchen, der bei den älteren
unvermittelt war. Wir finden diese Tuffstilformen besonders in
Pompeji häufig (?). Auch die Schäfte des näherliegeaden Tempels
der Vesta in Tivoli haben noch Tuffstilcharakter, während die un-
tere und die obere Schaftendigung an den Resten des Magna-Mater-
Tempels weichen, aber grossen Ablauf zeigen. Die beiden jonischen
Tempel am Forum holitorium haben schon die reine klassische
Schaftform, ebenso die jonischen Säulen am Marcelinstheater (4).
Die Tutfstilform war also aus Rom verschwunden, als diese Bauten
errichtet wurden. Ein Datum des gleichen Umschwungs für Pompeji
giebt uns der Jupitertempel, der wahrscheinlich in der Zeit bald
nach 80 v. Chr. seine hauptsächlichste Gestalt erhielt (5). Dort
haben die jonischen Säulen der Cella noch keine Plinthen, aber
die Schaftendigungen sind weich ausgezogen, und die Kanneluren
endigen rundbogig. Der « neue Stil » hat sich demnach etwa in
der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts durchgesetzt.
(i) Canina, Edifizi CCXCVI 1 und 2.
(a) Nicht so ausgeprägte Taffistilformen haben Säulen am korinthisch-
dorischen Tempel in Paestum. Pnchstein und Koldewey a. a. 0. S. 33.
(3) Z. B. Eingangshalle zum Foruni trianguläre, Casa del Fauno, del
Cinghiale und unzählige andere Beispiele.
(4) Von Caesar begonnen, also frühestens Mitte des ersten vorchristli-
chen Jahrhunderts. Canina, Edifizi CLXII, G.
(b) Mau, Pompeji S. 59.
266 K. R. Kl ECHTER
Besser noch erkennen wir die gleiche Wandlung beim Ver-
gleich der Kapitelle unseres Baues mit anderen jonischen Säu-
lenkapitellen. Die ursprüngliche Form unserer Kapitelle hat, wie
wir oben sahen, ein glattes Leistchen als Saum des flachen Ca-
nalis. Der Abacus ist ziemlich schwer und nicht klar lesbisch
profiliert. Aehnlich scheint, nach Caninas Aufnahme (l) das Kapi-
tell vom Tempel A am Forum holitorium gewesen zu sein, dessen
Abacus auch eine Schräge zeigt, und dessen glattes Leistchen sich
in zwei Windungen um ein glattes Auge herumlegt. Verwandt
ist ferner das Kapitell der jonischen Geschossordnung am Marcel-
lustheater (6). Nach Canina hat es auch einen schweren und ähnlich
profilierten Abacus; der Saumstreifen des Canalis ist glatt und
verläuft unter der Deckplatte in die Canalisfläche. Das Kyma ist
mit einem Eierstab verziert.
Das Gemeinsame der drei Kapitelle ist der mit einer Schräge
profilierte Abacus, ferner der geradlinige untere Canalisrand ohne
Saumleiste, das glatte Canalisleistchen ; ausserdem liegen die Vo-
lutenzentren bei allen dreien ungefähr in der Höhe des unteren
Kymationrandes und ziemlich nahe der Verlängerung der Schaft-
umrissliuie. Die Lage der Volutenzentren scheint also in dei
Komposition mehr oder minder gebunden. Die von Vitruv (III, 55)
aufgestellte Regel über die Komposition eines jonischen Kapitells
verlangt diese Gebundenheit. Dass nun das nach der Vorschrift
des römischen Baumeisters konstruierte Kapitell mit dem kano-
nischen des Hermogenes beinahe identisch ist, bat Puchstein (3)
nachgewiesen. Die Vorbilder unseres römischen Kapitells sind in
der Tat in Kleinasien. Dort finden wir den hermogenischen Typus
an den Bauten von Magnesia (4) am reinsten und schönsten. Die
Kapitelle des Artemisions und des Propylons stehen besonders
nahe. Sie zeigen alle Eigenschaften unserer Kapitelle vorgebildet :
die lesbisch profilierte Platte, den flachen Saumstreif des Kanals,
dessen unterer Rand aber ebenfalls keinen Saum hat, und die
Bindung der Volutenzentren. Auch am Propylon des Athenetempels
(») Canina, Edifizi T. XXXIX; Delbrück a. a. o. T. II.
(2) Durm, a. a. o. Abb. 411; Canina, Edifizi IV. CLXII, fig. 6-10.
(3) Puchstein, Das jonische Kapitell. Berl. Winkelmannprogramm 47.
(*j Magnesia Abb. 35 u. Abb. 158.
DKR IONISCHE TEMI'FL AM l'ONTO ROTTO
207
in Priene ('), an den Tempeln in Aphrodisiaa und in Teos sind Kapi-
telle dieser Art (8). Sie stellen den nach Rom übertragenen Typus
dar, der bis in Einzelheiten, die vierblättrige Zwickelpalmette und
die Bekleidung der Polster mit Akanthuslaub, wiederholt wird.
Unsere Kapitelle sind daher wohl in erster Linie von den
kleinasiatischen beeinflusst, wir haben auch für den Säulenfuss
in Kleinasien die nächsten Vorbilder gefunden. In der Ausbildung
Fig. 10. Ionische Säulen in der Cella des Jupitertempels am Forum
von Pompeji.
der Form mag noch eine Reminiszenz an die älteren einheimi-
schen Gestaltungen stecken (3). Das ist das Lokalcolorit an einem
im übrigen hermogenischen Kapitell aus dem hellenistischen Klei-
nasien.
Zur zeitlichen Bestimmung dieser neuen Bildung kann uns
der Jupitertempel in Pompeji ein annähernd bestimmtes Datum
0) Priene, Abb. 101.
(") Vgl. die Kapitelle der Palaestra und die des Leonidaions in Olympia
Bd I, T. LXV. LXXIV.
(3) Vgl. Säulen an etruskischen Aschenkisten, z. B. Glyptothek München
N. 53.
268 E. R. FIECHTER
geben- Die Kapitelle (l) der Säulenstellung in der Cella dieses
Baues zeigen zum ersten Mal in Pompeji eine von der früheren Tuf-
form wesentlich verschiedene Ausgestaltung. Einmal ist die Nor-
malform des jonischen Kapitells wieder angenommen — die spezi-
fisch pompejanischen Tuffkapitelle sind Diagonalkapitelle — ; dann
scheinen die Volutenzentren gebunden, der Abacus ist zart und
lesbisch profiliert. Der Canalisrand ist mit feinem Rundstab,
Plättchen und Lysis eingefasst, die Canalisfläche selbst eben, nicht
wie im Tuffstil gefurcht oder gekrümmt. Das Eierstabkyma hat
den Tuffcharakter auch ganz abgestreift. Darunter ist der Rund-
stab als Perlschnur, allerdings ohne Axenübereinstimmung mit
den Eiformen, ausgebildet. Wir glaubten, wie schon bemerkt, den
Jupitertempel in die Zeit nach 80 v. Chr. setzen zu müssen (2),
denn es ist anzunehmen, dass die Römer bald nach der Koloni-
sierung von Pompeji den Haupttempel des Forums als Capitolium
einrichteten (3).
Das jouische Kapitell der oberen Arkaden des Marcellus-Thea-
ters (4) ist unserem Kapitell am nächsten verwandt. Das des
Tempels A am Forum holitorium ist nur durch Zeichnung be-
kannt, das des Tempels B ganz verstümmelt. Sie können zu wenig
als Vergleiche dienen und sind ausserdem nicht datiert. Ganz
anders sind die Kapitelle der zweiten Arkade am Kolosseum (5).
Sie haben freilich wie die korinthischen dort nur abgekürzte,
scliematisch behandelte Formen ; aber doch ist das Breitenver-
hältnis im Vergleich zur kräftigeren Höhe der früheren Kapi-
telle ein ganz anderes geworden. Das jonische Kapitell war in
der Kaiserzeit nicht so beliebt, wie das korinthische. Erst in der
späteren Kaiserzeit tritt es wieder mehr auf, und wird dann in
reicher üppiger Ausbildung, über und über mit Rankenwerk ver-
ziert (fi).
(') Mazois III, XXXV.
(2) Vgl. dazu Rom. Mitt. XI, 131 ff. (Mau).
(3) Mau Pompeji S. 58.
(*) Von Caesar begonnen, 13 v. Chr. beendet. Canina Eclifizi CLIX ff.
(5) 80 n. Chr. von Titas beendigt.
(,;j Kapitelle in S. Maria in Trastevere; vom Portikus an der Piazza
Colonna, die aus Veji stammen, ferner vom Portikus der Kirche S. Maria
in Cosmedin. S. o. S. 225. Kapitelle im Lateran mnseum.
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 2G9
Durch die Bekleidung mit Stuck ist das ursprüngliche Ka-
pitell unseres Baues verändert worden. Die platten Canalissaum-
streifen werden durch Rundstäbe und schmale begleitende Plätt-
chen ersetzt, der Abacus wurde rein lesbiscb profiliert, die Akan-
thusblätter der Polster und die Zwickelpalmetten mit kiäftigeren
derberen Formen überkleidet, so dass die Gesamtgestalt, wenn-
Fig. 11. Ionisches Kapitt.ll aus Pergamön.
gleich nicht wesentlich umgeändert, doch schwerer und massiger
geworden ist. In dieser Form erinnert es immer noch an die klein-
asiatischen Vorbilder, und ist dann den Kapitelleu vom Zeustempel
von Magnesia (') oder vom didymäischen Apollotempel in Milet (2)
freilich ohne skulpierten Perlstab, vergleichbar. Ferner gleicht ihm
ein Kapitell aus Pergamön, das aus dem Hause des Konsuls
Attalos (am Burgberg) stammt; vgl. Fig. 11 (:i). Auch die Säule,
die vor dem Apollotempel (4) in Pompeji die Sonnenuhr trug, hat
ein analoges Kapitell.
(■) Magnesia Abb. 157 u. 158.
(2) Büblmann Architektur T. 20 B. 5.
(3) Bei den Ausgrabungen 1905 von Dörpfeld gefunden; die Photographie
wurde mir in liebenswürdigster Weise zur Verfügung gestellt.
(*) Mazois IV, XXXV; Mau Pompeji S. 78.
270 E. R. FIECHTEK
Aus dieser Veränderung unserer Kapitelle ist nun aber auf
keine Regel zu schliessen, etwa dass von einem bestimmten
Zeitpunkt an die jonischen Kapitelle in Rom keine platten Saum-
streifen melir hätten, sondern nur noch solche mit Rundstäbchen.
In der späteren Kaiserzeit kommen alle möglichen Spielarten
vor, streng gebundene und ganz vom Kanon gelöste Kapitellformen;
solche, deren Canalis reich mit Blattwerk verziert ist, andere mit
griechisch profiliertem Mittelstück (*). Es ist deshalb für die Ver-
änderung unserer Säulenkapitelle durch Vergleich kein Datum zu
ermitteln. Das Akanthusornament lässt sich, soweit überhaupt
noch ein Vergleich möglich ist, neben die Formen des korinthi-
schen Kapitells des palatinischen Stadiums stellen: breitlappige
längliche Einzelblätter ohne Randkante, ohne scharfe Blattrippe,
von wulstigem Fleisch. Auch die Hauptblattrippen sind wenig
betont.
Architrav. Die dreiteilige Gliederung des Architravs ist
allgemein jonisch. Der obere Abschluss, ein lesbisches Ivyma mit
Platte, gleicht den kleinasiatischen Formen von Pergamon, Ma-
gnesia und Priene nicht. Bei der Umgestaltung wird auf die zweite
Fascie ein grober Perlstab aufgelegt; ob auch das Kyma eine De-
koration bekam, bleibt unsicher. Der Architrav hat eine einfach
profilierte Soffite im ersten Baustadium, im zweiten wird sie mit
einem plastisch vortretenden Band etwas reicher verziert.
Fries. Unser Tempel hat einen mit dem Architrave fast gleich
hohen Fries. Er sollte nach Vitruv nur 3/4 der Architravhöhe messen,
und diese wieder müsste bei einer Säulenhöhe von mehr als 25
Fuss ein Zwölftel desselben betragen. Sie misst hingegen fast nur
ein Vierzehntel. Die Friesflächen bekamen im zweitou Baustadium
eine Dekoration aus Stuck: Stierschädel, Putten, Kandelaber und
Laubcrewinde. Sie ist weit verschieden von den Bukranienfriesen
am Vestatempel in Tivoli oder am Bibulusgrab (2), die schwere
und massige Formen zeigen. Auch an dem aus augustischer Zeit
stammenden Grabmal der Caecilia Metella sind altertümliche
Formen, ebenso aber auch am Fries der Moles Hadriana, die wohl
(') Vgl. Pirancsi, Marjnificenza ed architettura dei Romani. Tav. XIX
und XX.
(2) Piranesi, Antichitd II. Tav. 4 u. 5.
DER IONISCH!' TEMPKli AM PONTE HOTTO 271
bewusst auf ältere Vorbilder zurückgegriffen hat ('). Die Schädel
in unserem Fries sind ziemlich zart gezeichnet, auch die Kande-
laberfonn ist schlicht, nicht so prächtig wie z. B. an den Gesim-
sen des Antoninustempels. Die Feinheit des Ornaments möchte
eher an die augustische Zeit erinnern, besonders die frei am
Kranz hangenden Blätter und Zweige. Diese Feinheit ist aber wohl
in erster Linie im Wesen der Stuckdekoration begründet, und we-
niger im Zeitgeschmack. An den Dekorationen des Isistempels in
Pompeji (zwischen 63-79 n. Chr.) sind ebenfalls zarte Stuckformen,
die Akauthusblätter der Pilasterkapitelle am kleinen Brunnenhaus
dort erinnern vollkommen an die auf den Polstern unserer Kapi-
telle. Auch im Laconicum des Frauenbads der Stabianerthermen
von Pompeji sind ähnliche einfache Gewinde und Kandelaber. Eine
genauere Datierung für die Stuckdekoration ergiebt sich jedoch
daraus nicht. Ein Ornament von Putten und Stierschädeln mit
Laubgewinden findet sich am Bogen der Sergier in Pola (2).
Der Friesabschluss ist dreiteilig: Zahnschnittleiste zwischen
lesbischem Kyma und Echinus; alle drei sind nicht skulpiert,
sondern nur als glatte Prorilstreifen durchgezogen. Man wird
erinnert an die im römischen « Tuffstil » angewandte Häufung
von Profilstreifen. Die Dreiteilung (3) selbst mag auch auf klein-
asiatische Vorbilder zurückzuführen sein. Auch Vitruv fordert
einen von Gesimsleisten eingefassten Zahnschnitt. Nur sind diese
dort sehr schmal, wie am Artemision in Magnesia, während sie hier
sehr kräftig entwickelt sind und stark ausladen. Die Verwandtschaft
mit den kleinasiatischen Bauten ist in den Einzelheiten nicht auf-
recht zu erhalten, wohl aber mit den jonischen Bauten am Forum
holitorium. Auch das Gesims am korinthisch-dorischen Tempel in
Paestum lässt sich damit vergleichen. Nur sind an unserm Bau
die Protilleisteu, wenigstens an den Nebenseiten, nicht skulpiert
auch sind noch mehrere kleine Plättchen eingeschoben, was wir als
für den Tuffstil charakteristisch bereits kennen.
(') Bruchstück im Museo Nazionale, Korn.
(2) R. v. Schneider in Kunstgeschichtliche Charakterbilder aus Oesterreich-
Üngarn (Wien 1893) S. 34 ff. Datierung: er. vorletztes-letztes Jahrzehnt des
ersten vorchristlichen Jahrhunderts.
(•') Vgl. Delbrück a. a. 0. S. 59.
272
E. R. FIECHTER
Durch die spätere Stuckumkleidung ist der Formcharakter
bereichert und verändert. Das untere Kyrna ist mit einer wulsti-
gen Blattwelle verziert, der Zahnschnitt mit breiten Zähnen und
schmalen Zwischenräumen ausgebildet, worauf dann ein plastisches
Eierstabkvma mit breiten kurzen Eiformen folsrt.
TtA\PEl_A FOR.HOL.
PALATI /V /^AGfVA /vvatE.R
Fig. 12.
Fig. 12 a.
Gesimse mit späterer Stucküberkleidung.
Alle diese neuen Formen sind derb und schwer, insbesondere
der Zahnschuitt. Er entspricht noch Weniger den von Vitruv aus
den kleinasiatischen Vorbildern entnommenen Regeln; die Stirn-
seite der Zähne hat sonst das Verhältnis 1:2, hier ist sie quadra-
tisch. An der Technik liegt das nicht, man hätte mit Leichtigkeit
auch in Stuck feinere Zähne herstellen können. Die Zahnschnittge-
simse des pompeianischen (') Tuffstils, in Stein an den Aussen-
seiten, in Stuck zumeist im Innern der Häuser, haben äusserst
(') In Pompeji an unzähligen Bauten der vorrömischen Zeit, z. B. Nord-
halle am Forum trianguläre Mazois III 19. Wandverkleidungen I. u. IL Stils,
tu Rom am Scipiosarkophag. Vgl. auch etrusK. Terrakottagesims Annali
delVhtituto 1807 T. I, also auch nördlich vom Tiber.
DER IONISCHE TEMPEL, AM PONTE ROTTO 273
schmale und lange Zähne. Am Marcellnstheater ist das Verhältnis
von Zahnbreite, Höhe und Intervall bereits ein anderes. Wir nennen
diesen Zahnschnitt klassisch ('). Aehnlich sind die Zähne am
Tempel A und B am Forum holitorium. Und diese von Vitruv ge-
forderte Form gilt dann im ersten Jahrhundert, bis in der Fla-
vierzeit jene Löckchen in den Zahnintervallen beliebt werden.
Gleichzeitig wird auch die Zahnbreite grösser, die Höhe geringer,
nach und nach erhält der Zahn fast quadratische Form. Noch den
vollkommen klassischen Zahn, allerdings mit den Löckchen, hat der
Castorentempel. Den gedrückten breiten finden wir aber an den
severischen Bauten : Triumphbogen, Arcus argentariorum, und am
Vestatempel des Forums. Endlich schon mehr liegende als ste-
hende Zähne sind an den Gebälken der Kolonnaden des Nerva-
forums und des grossen Saals der Diocletiansthermen (S. Maria
degli Angeli). Es zeigt das also eine fortlaufende Entwicklung von
den stabartig schmalen Zähnen der Tuffperiode bis zu den qua-
dratisch breiten der späteren Kaiserzeit.
Wir haben der späteren Umformung des Gesimses am Tempel
A schon gedacht (2). Durch den Stucküberzug wurden die Ein-
schnitte enger, die Zähne aber breiter gemacht. Ebenso an einem
Gesims im Hof von S. Nicola in Carcere. Man veränderte also
absichtlich die Form der Zahnschnittleiste an unserem Bau gerade
so, weil dies offenbar der augenblicklichen Geschmacksrichtung
entsprach, während ein schmaler stabartiger Zahnschnitt nicht mehr
beliebt war.
Die Bildung des Eierstabs erinnert am meisten an Stuck-
formen in den Cassetten der palatinischen Gewölbe der Palastgruppe
des Septimius Severus; an die pompejanischen (3) Formen we-
niger.
Die Hängeplatte unseres Tempels ist mit einem weitauskra-
genden lesbischen Kyma bekrönt. An den Nachbartempeln des
Forum holitorium ist der Abschluss ähnlich, nur nicht so stark
ausladend. Also auch darin wieder ein gewisser Gegensatz zu den
jonischen Vorbildern des Ostens, wo diese Leiste, wie auch Vitruv
(') Vgl. Lysikrates-Monument in Athen.
(*) Siehe oben S. 252.
(3) Isistempel : Mau, Pompeji S. 154 ff.
19
274 E. R. FIECHTER
fordert, nur niedrig ist und den Uebergang zur Sirna vermittelt.
Ein schweres Kyma an der Gesimsstirn kommt in Epidaurus und
in Olympia (') vor. Ausser an den beiden jonischen Tempeln am
Forum holitorium ist auch am palatinischen und am Divus-Julius-
Tempel ein ähnlich schwerer Abschluss.
Endlich die Sima. Sie ist sehr gross, etwa ein halbmal höher als
die Geisonstirn samt ihrer Bekrönung. Die wenigen Reste der Tuff-
stilbauten Roms zeigen nirgends das Simaprofil, ausgenommen das
Podium am Tabularium. In Pompeji kommt die Sima an den Wand-
dekorationen ersten Stils vor (2). So wie sie an unserem Bau mit
Löwenköpfen verziert ist, erinnert sie entschieden an die kleina-
siatischen Vorbilder. Nach oder gleichzeitig mit unserem Bau
finden wir überall Simaprofile: am Forum holitorium, am palati-
nischen Tempel ; auch am Jupitertempel in Pompeji, dort bezeich-
nender Weise in Stuck über der älteren Hohlkehle am Podium.
Z u s am menfassung.
Aus der Betrachtung und dem Vergleich der Formen unseres
Tempels mit den Formen anderer verwandter Bauten ergiebt sich
demnach Folgendes.
Unser Tempel steht auf dem italischen Podium. Aber sein
Grundriss, seine Aufbauverhältnisse und seine Einzelformen sind
nicht mehr italisch und unterscheiden sich auch von der in Rom
vor der Errichtung dieses Tempels giltigen « Tuffstil »-Bauweise (3).
Sie erinnern vielmehr an hellenistische kleinasiatische Vorbilder,
etwa vom Beginn des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts. Die
Grundrissform, die Stellung der Säulen, ihre Anordnung, die Aus-
(') Lechat, Epidaure I. 7; Olympia, IL T. 81 Philippeion.
(2) Haus des Fauns : Mau, Pompei S. 274.
(3) Von dieser sind uns nur wenige Beste erhalten : Aufzählung bei
Delbrück, a. a. 0. S. 60 f. Dazu gehört vor allem noch das Tabularium
(78 v. Chr.), dann das Bibulusgrab (vgl. CIL. I, 635), ferner der Scipiosar-
kophag im Vatikan, ein Travertinarchitrav von einem kleinen dorischen Monu-
ment mit Taenia und Tropfenregula in den Ruinen des Divus Julius-Tempels
am Forum liegend, auch ein kleines typisches Kapitellfragment im Hof von
S. Nicola in Carcere. In der Umgebung von Rom die Bauten von Cori und
Palestrina (Praeneste) aus sullanischer Zeit, und in Tivoli die Tempel der
Akropolis, welche sicherlich von Rom aus beeinflusst sind.
DER I0NISCI1K TEMPEL AM PONTE UOTTO 275
bildung der Bauglieder, alles verrät den Einfluss von Osten und
kennzeichnet eine neue Stilrichtung, neu im Gegensatz zu der frü-
heren Bauart. Ob nun von Kleinasien direkt oder über Alexandrien
der starke Einfluss griechischer Formenwelt eingedrungen ist, lässt
sich leider nicht mehr beweisen. Alexandria selbst ist ja ganz
zerstört. Nur in seinen Totenstädten können wir noch etwas von
seiner Kultur sehen (!). Die bildlichen Darstellungen in Pompeji
sind nachweislich von alexandrinischen Vorbildern beeinflusst (2).
Auch architektonische Kunstformen mögen also über Alexandrien
von Kleinasien nach Italien und Rom gekommen sein. Es ist
ebenso möglich, dass zugleich auch die Beziehungen des per-
gamenischen Königs Attalos III. (f 133 v. Chr.) und von da an
die vielen Berührungen mit Kleinasien überhaupt, auch die mi-
thradatischen Kriege die Uebertragung vermittelt haben, bis im
Jahre 64 v. Chr. der Verkehr durch die Errichtung der römischen
Provinzen in Kleinasien und Syrien ein dauernder wurde. Die
Wirkung dieses Einflusses lässt sich in Rom einigermassen zeit-
lich bestimmen. Wir wissen, dass das Tabularium im Jahre 78
v. Chr. von Q. Lutatius Catulus gebaut worden ist. Es gehört
noch dem « Tuffstil » an. Das zeigen die Säulen des Hauptge-
schosses und das Podium an der Nordseite. Die neuen Formen
sind zunächst datiert am Saturnustempel, der 42 v. Chr. von L.
Munatius Plancus, dem Sieger über die Alpenvölker, gänzlich
erneuert wurde ; ferner durch das Marcellustheater, das von Caesar
begonnen, von Augustus 13 v. Chr. fertiggestellt nach seinem
Neffen benannt worden ist.
Man könnte aber einwerfen, der Saturntempel sei in seiner noch
erhaltenen Gestalt kein Beispiel der Frühzeit des « neuen Stils » .
Das ist insofern richtig, als seine Säulen und Kapitelle, und auch
die Architrave wirklich nicht vom Bau des Munatius stammen. Aber
ich glaube bestimmt, dass die Basen sowohl, als vor allem, und
darauf kommt es mir in erster Linie an, die Gesimse bei der
f) Gräber in Gabbari, Sidigaber und Kom-es-Schug'afa welclie von der
Sieglin' sehen Expedition im Winter 1900/01 untersucht wurden und deren
Publikation vorbereitet wird.
(2) H. Thierscb, zwei antike Grabanlagen in Alexandrien S. 16, dort
auch die Literatur zitiert. Vgl. Loewy, Festschrift zu 0. Hirschfelds 60. Ge-
burtstag (1903) S. 117.
276
E. R. FIECHTER
späten rohen Wiederherstellung des Tempels wieder verwendet
worden sind. Das scheint einmal aus der Darstellung des Gebälks
bei Canina (') hervorzugehen, wo man deutlich ersehen kann, dass
Gebälk und Gesims gar nicht zueinander passen. Zum andern aber
aus der Verwandtschaft dieses Gebälks mit dem vom Divus- Ju-
lius-Tempel, der 42 v. Chr. beschlossen, aber erst 29 v. Chr.
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SATURN TE/^PEL
PALATlN :/v\AQNA^V"«TER
Fig. 13. Verwandte Konsolengesimse.
geweiht worden ist (2). Beide gleichen sich sehr. An dem des Cae-
sartempels fehlt die Bohrlochtechnik, die schon an den Ornamenten
der ersten Jahrzehnte nach Chr. überall angewendet wird, gänz-
ich. Ich halte das Gesims deshalb für früh und zum ersten Bau
des Divus Julius-Tempels gehörig. Darin wird man bestärkt bei einem
weiteren Vergleich dieses Gesimses mit dem des palatinischen
Tempels, den wir oftmals als Vergleich herangezogen haben. Beide
haben sehr ähnliche Formen bei fast gleichen absoluten Grössen
(vgl. Fig. 13). Am Divus Julius-Tempel ist's ein Marmorgesims,
hier eines aus Peperin, das stuckiert und in späteren Zeit noch-
mals mit einer neuen Stuckhaut überkleidet worden ist. Die Ein-
(>) Edifizi, Tav. XXXIL
(s) Jahrb. d. Inst. IV, 1889. Einzelheiten S. 137 ff.
DER IOMSCHE TKMPEL AM TONTE ROTTO 277
facbheit der Formen, besonders der Konsolen ('), die schweren Simeu,
eine gewisse Häufung von Profilen sind beiden gemeinsam. Das
frühere mag aber immerhin das des palatinischen Tempels sein (2).
Diesen beiden Gesimsen (3) steht also das des Saturntempels
nicht unähnlich zur Seite. (Fig. 13) Wir werden daher wol Recht ha-
ben, es als ursprüngliches Bauglied des Tempels vom Jahr 42 v. Chr.
anzusehen. Danach kommen wir also urteilen und ersehen, dass es
bereits den Tuffstilcharakter überwunden hat, und dass also L. Mu-
natius Plauens seinen Saturntempel im « neuen Stil » errichtete.
Die Zeitspanne zwischen den so bestimmten Daten ist ge-
ring. Der Tuffstil herrscht noch 78 v. Chr. Der klassische Stil
zeigt sich bereits 30 Jahre später. DerjjEiniluss der neuen Formen
mag vielleicht schon früher begonnen haben, aber der völlige Sieg
derselben ist doch wohl erst in der baulustigen Zeit Caesars zum
Durchbruch gekommeu. Von da an beherrschen sie das ganze Feld,
der Tuffstil ist überwunden.
Wollte man aber behaupten, dass sie schon früher in Rom
eingedrungen wären, so müsste man annehmen, das Lutatius Ca-
tulus ein bewusster Reaktionär gewesen sei, oder als Vertreter
einer ähnlich gesinnten Staatsleitung im Gegensatz zu den impe-
(•) Canina, Edifizi Tav. C flg. 4. Konsolengesims ähnlicher Art am Ca-
starentempel in Cori überliefert.
(2) Die Gründungszeit des Magna Matertempels auf dem Palatin fällt
(nach Hülsen Rom. Mitt. X, 1. ff.) ins Jahr 204 v. Chr. Aus unserer bishe-
rigen Betrachtung geht aber hervor, dass die heute noch erhaltenen Bausteine,
die um den Mauerkern herumliegen, jedenfalls einer späteren Bauperiode
angehören. Die ausgeprägten korinthischen Säulenkapitelle, das Konsolen-
gesims und die Gestalt der Schäfte, alles weist auf eine Erneuerung des Tem-
pels etwa in der Mitte des ersten Jahrhunderts hin. Es ist dann nicht auffallend,
dass die Formen des Akanthus denen unserer Volutenpolster nicht unähnlich
sind, und dass auch gegen die frühere]Annahme der Divus Julius-Tempel wahr-
scheinlich korinthische Kapitelle und Pilaster hatte. Die Analogie mit dem Sa-
turntempel fällt ja nun weg. Der « palatinische » Tempel ist also nicht der
älteste; und Durm a. a. 0. S. 112 hat Unrecht, ihn bei der Besprechung der
etruskischen Baukunst anzuführen.
(3) Aehnlich nah verwandt scheint ein von Canina T. LXXV mitgeteiltes
Gebälk aus dem kleinen von Livia erbauten, unter Septimius Severus erneu-
erten Tempel der Fortuna muliebris (CIL. VI, S83) am vierten Meilenstein der
via Latina (Original jetzt im Tabularium).
27S E. R. FIECHTER
ratorischen « modernen » Strömungen gehandelt hätte. Doch lässt
sich das nicht beweisen.
Im der Umgebung Roms hat der Tuffstil wohl noch länger
geherrscht. Aber jetzt erst wird es verständlich, dass die grossar-
tigen Anlagen Sulla's in Praeneste noch durchaus Tuffstilcharakter
zeigen, denn wir wissen nun, dass in der Hauptstadt selbst in
den 90er Jahren des ersten Jahrhunderts noch so gebaut wurde.
Sulla hätte sonst wohl seinen Fortunatempel «modern» gebaut.
Unser Tempel steht also in der Zeit dieses Uebergangs vom
Alten zum Neuen. Wir werden ihn daher wohl ungefähr in die
Mitte des ersten Jahrhunderts ansetzen dürfen. Die jonischen Tempel
am Forum holitorium sind später entstanden und A sicher vor B:
beide zeigen die Formen des klassischen Stils entwickelter als
unser Tempel. Die Datierung dieser beiden Bauten etwa ums Jahr
200 v. Chr. (Delbrück a. a. 0. S. 67) — in Anlehnung an das
bisher fest geglaubte Datum der Erbauung unseres Tempels — lässt
sich demnach nicht mehr halten. Der Einfluss Kleinasiens und
Alexandriens erscheint bei dieser frühen Ansetzung geradezu unmög-
lich, besonders im Hinblick auf den hermogenischen Kanon; sind
ja doch die Bauten des Hermogenes in Magnesia und Teos selbst
erst um 200 v. Chr. entstanden ! Und bis diese in Rom bekannt
wurden, und die Zeit reif war, sie nachzuahmen, mag es immerhin
lange gedauert haben. — Nach Livius (-') fand nach dem Brand
vom Jahre 213 im darauffolgenden Jahr eine Erneuerung der Tempel
der Fortuna und der Mater Matuta statt. Von einer späteren Er-
neuerung wird nichts mehr berichtet. Wenn nun unser Tempel
einer der beiden genannten war, was wir, wie eingangs bemerkt
wurde, wegen der spärlichen topographischen Notizen überhaupt nicht
wissen, so sind wir zur Annahme gezwungen, der im Jahre 212
neu gebaute Tempel sei in der Mitte des ersten Jahrhunderts, also
er. 160 Jahre später durch einen Neubau ersetzt worden.
(l) Livius XXV, 7, 6: comitia deinde a praetore urbano de senatus
sententia plebique scitu habita, quibus creati sunt quinqueviri muris et tur-
ribus refteiendis, et triumviri bini, uni sacris conquirendis donisque persi-
gnandis, alteri, reficiendis aedibus Forlunae et Matris Matutae intra portam
Carmcnlalem et Spei extra portam, quae priore anno incendio consumptae
fuer
DER IONISCHE TEMPEL AM PONTE ROTTO 279
Schill s 3.
Wichtiger als die genaue Datierung und Benennung unseres
Tempels ist uns die genaue Kenntnis seiner Eigenschaften. Damit
ist ein Beitrag zur römischen Baugeschichte gegeben. Zusammen-
fassende Ueberblicke über dieses grosse Gebiet können erst ge-
wonnen werden, wenn möglichst viele Monumente beschrieben und
genau untersucht worden sind.
Möge sich die Zahl solcher Beiträge stetig mehren, damit wir
die römische Baukunst in ihrer Fülle und Grösse, in ihren inneren
Zusammenhängen und in ihrer Stellung zum politischen Leben
kennen und begreifen lernen. Dazu einen kleinsten Teil beizu-
tragen erschien mir wünschenswerter Beruf.
München, Januar 1907.
Ernst R. Fiechter.
ZUM SILBERBECHER CORSINI.
Die Beobachtung, der die folgenden Zeilen gelten, würde der
vereinzelten Publication nicht wert sein, wenn sie nicht meine
eben gedruckten Ausführungen über die Darstellung des iudicium
Orestis auf dem Corsinischen Silbergefäss (Mitt. 1906, S. 289 ff.
Taf. IX. X) ergänzte und für die Kenntnis der künstlerischen
Quellen, aus denen die Bildhauer der römischen Denkmäler am
Rhein ihre Motive schöpften, bedeutsam wäre.
Kürzlich hat Körber in der Mainzer Zeitschrift (1906) die
glücklich wieder hergestellte grosse Juppiter-Säule von Mainz ver-
öffentlicht. Unter den Reliefs der würfelförmigen Basis ist nun eines,
dessen Compositum zu einem Teile jenes Bildes des iudicium Ore-
stis in unverkennbarer Beziehung steht, trotzdem es inhaltlich mit
ihm nicht das Geringste zu tun hat: das Relief, das Minerva und
Fortuna zu beiden Seiten eines Altars darstellt (Abb. 1) (*).
Die beiden Figuren entsprechen der Athena und der stehenden
Erinys zu beiden Seiten des Tisches. Einfach copiert ist die
Athena ; während sie dort einen Stimmstein in die Urne legt, lässt
sie hier ein Weihrauchkorn in die Flamme des Altars fallen (ob
der Bildhauer dies Motiv wohl zu erklären gewusst hätte?). Um
keinen Zweifel zu lassen, hat die Göttin auch hier jenen seltsamen
Aermel am 1. Arm (vgl. in meinem Aufsatz S. 290), und es zeigt
sich damit, dass der Künstler schon aus zweiter Hand die Kenntnis
der Figur empfangen hat. Einen Vorzug hat diese Copie vor allen
(') Nach Taf. III, n a der Publication, zusammengestellt mit Abb. 2,
der Nebenseite eines Sarkophages, auf der die beiden entsprechenden Figu-
ren wiederholt sind (= Robert, Die ant. Sarkophagreliefs II, S. 173 Abb.
157'a).
ZUM SILBERBBCHER CORSINI 281
anderen: sie giebt den Kopf der Göttin wohlerhalten, in guter
Arbeit und in einem Typus der unserem Zeitansatze des Originales —
an das Ende des 5. Jahrhunderts — durchaus entspricht.
Der Altar steht ebenso wie der Tisch (auf dem Becher)
mit einer Kaute vorau. Von der Erinys ist in der Fortuna —
einer sehr graziösen Gestalt — abgesehen von ihrer Stellung in-
nerhalb der Composition nur ein Zug geblieben : die in der R.
gehaltene und schräg nach vorn gesenkte Peitsche wurde zum
horizontalen Griff des Steuerruders. Im 1. Arm ruht statt der
Fackel das Füllhorn. Sonst aber musste natürlich Alles geändert
werden. Zu der Uebertragung veranlasst wurde der Bildhauer zwei-
fellos vor Allem durch das brauchbare allgemeine Schema und
sein Gefallen an der schönen Athena.
Will man nicht annehmen, dass dem Künstler in Mainz zu-
fällig eine gute Copie jener Darstellung des iudicium Orestis zu
Gebote stand, so ist eine derartig genaue und geschickte Ueber-
tragung nur erklärlich, wenn wir voraussetzen, dass der Mann
selber einst eine Reise in ein reicheres Kunstcentrum unternommen
und von dort nach Art der Renaissance-Künstler ein Skizzenbuch
gefüllt mit Studien, heimgebracht habe, oder dass es planvoll her-
gestellte und im Handel oder doch in den Bildhauerschulen ver-
vielfältigte Musterbücher gab, die man sich sehr sorgfältig aus-
geführt denken müsste.
Zweifellos wird man geneigt sein, dieser letzten Annahme
den Vorzug zu geben, zumal man ihrer kaum wird entraten können,
um sehr ähnliche Erscheinungen auf dem Gebiet der decorativen
Wandmalerei, die Jedem geläufig sind, zu erklären. Auf dem der
Vasenmalerei ist mir ein entsprechendes Beispiel gegenwärtig, auf
das meines Wissens noch nicht hingewiesen wurde: man vergleiche
das bekannte Antigone-Bild {Mon. cl. I. X, Taf. XXVII = Ar-
chaeol. Zeitung, XXVIII, Taf. 40 = Baumeister, Denkmäler d.
kl. Alt. Abb. 88), mit einem Berliner Vasenbild (Nr. 3289; abgeb.
bei Röscher, Mythol. Lexikon III, Sp. 298, Abb. 7), das Tele-
machs Ankunft bei Nestor darstellt; in dem Nestor erkennt man
den Kreon des andern Bildes wieder, und der Telemach entspricht,
abgesehen von den Attributen, durchaus dem Herakles. Da Mo-
tive und Gruppierung in dem Antigone-Bilde sehr charakteristisch
und natürlich sind, das Berliner Bild in dieser Hinsicht weniger
282
V. AMELUNG
überzeugend wirkt und so viel schlechter ausgeführt ist, kann kein
Zweifel sein, wo wir das Original zu suchen haben, oder welches
von beiden Bildern dem Original, für das die Motive geschaffen
wurden, näher steht. Immerhin aber haben doch die Maler der
beiden Yasen zur selben Zeit und in der gleichen Gegend gelebt,
Fig. 1.
die Uebertragung könnte also ohne jenen Umweg vor sich gegangen
sein, den wir in unserm Falle unbedingt annehmen müssen.
In einer seiner letzten Arbeiten hat Graeven ein Bildwerk
der Igeler Säule und ein Relief aus dem Igel benachbarten Ons-
dorf auf griechische Vorbilder zurückgeführt (Zeitschrift f. bild.
Kunst. N. F. XVI, S. 165 ff.), auf das bekannte Orpheus-Relief
und den Hermes des Praxiteles in Olympia. Die zweite dieser Rück-
führungen wäre besonders bedeutsam, da der Hermes an seinem
Ort verblieben und augenscheinlich niemals copiert worden ist, in
Italien also unbekannt war; sie wäre es, wenn sie schlagend wäre.
ZUM SILBEKBECHEK CORSINI
•_'»'.",
Nun bat es aber von dem Hermes mit dem Dionysoskinde mebrere
Fassungen gegeben, und darunter aucb eine, die weit genauer mit
dem Relief in Onsdorf übereinstimmt als die Statue des Praxi-
teles. Die Schöpfung ist uns in zwei Bronzen erhalten, die nur
in der Haltung des r. Armes von einander abweichen (beide sind
abgebildet in der Gazelte archeologique 1889, pl. XIX und bei
Collignon, Ilistoire de la sadplure grecque, Fig. 151: vgl. Klein,
Praxiteles, S. 97 ff. Fig. 10; dort weitere Litteratur). Bei der
P.a. 2.
einen ist die Hand mit einer Traube erhoben, bei der andern hing
sie nieder. Da diese die künstlerisch bedeutendere und der r. Arm
auch auf dem Relief gesenkt ist, dürfen wir dasselbe am Original
voraussetzen und mit Klein die Traube in der Hand der andern
Bronze für « praxitelisches Gewächs » halten. Die Wiederholung
des Typus auf dem Onsdorfer Relief spricht zweifellos für seine
Berühmtheit, und so ist die Vermutung Kleins, dass uns in dieser
Composition das von Plinius überlieferte Werk des Kephisodot
erhalten sein könnte, nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen.
Wenigstens lässt sich die andere Darstellung des gleichen Gegen-
standes, die Klein glücklich wieder hergestellt hat, kaum auf den
gleichen Künstler wie die Eirene zurückführen, obwohl sie zwei-
fellos dieser zeitlich näher steht als dem praxitelischen Hermes.
284 "W. AMELUKG
Uebrigens darf man nicht übersehen, wie geschickt und mit wie
viel Stilgefühl es der Onsdorfer Bildhauer verstanden hat, die
Haltung der Linken und des Kindes soweit zu ändern, dass sie
sich vollkommen ins Relief fügen.
Mir schien dieser Hinweis in dem hier gegebenen Zusammen-
hang nicht überflüssig. Gewiss setzt man mit Recht voraus, dass
den Bildhauern der römischen Rheinlande und des Moselgebiets
viele Anregungen aus rein griechischer Quelle auf dem Wege über
Massilia zugeströmt seien, ohne Rom zu berühren. Da wir hier
aber Alles einzig aus den Denkmälern selbst erschliessen müssen,
ist Vorsicht doppelt geboten. Allerdings können wir ebenso wenig
behaupten wie verneinen, dass jener Hermes in Rom bekannt ge-
wesen sei (die kleinere schlechtere Bronze ist in Frankreich ge-
funden worden; der Fundort der anderen, auf deren Kopf man
übrigens der vielumstrittenen Kopfschmuck des Hermes-Toth
bemerkt (') ist unbekannt): keinesfalls aber ist das Onsdorfer
Relief eine Nachbildung der in Rom unbekannten Schöpfung des
Praxiteles.
Zuletzt hat über diese Beziehungen Michaelis in dem Jahr-
buch der Gesellschaft für lothringische Geschichte u. Altertums-
kunde 1905, S. 213 ff. (mit 4 Tafeln) gehandelt. Er geht aus
von einer weiblichen Statue, die in Metz gefunden wurde; sie
ist in einem unweit von Metz gebrochenen Sandstein, also dort
gearbeitet worden ; ihr Stil aber ist nur mit dem kleinasiati-
scher, hellenistischer Werke zu vergleichen. Mit Recht zieht
Michaelis zum Vergleich ähnliche Statuen aus Oxford und zwei
von den weiblichen Einzelstatuen aus Pergamon im Berliner Mu-
seum heran, erklärt demnach den Stil der Metzer Figur für per-
gamenisch, und nimmt, da die pergamenische Kunst aus der Zeit
des Altars, aus der jene Statuen stammen, in Italien mit einer
Ausnahme keine Spur hinterlassen habe, an, der Metzer Bild-
hauer habe die Kenntnis jenes Stiles über Marseille erhalten.
Aber die Heimat jener eigenartigen Darstellung weiblicher Ge-
stalten war nicht Pergamon, sondern Rhodos. Von Rhodos kam die
Anregung nach Pergamon — die eine jener Figuren ist die Nach-
ahmung einer Musenstatue aus der berühmten Gruppe des rliodi-
(*) Vgl. zuletzt Fnrtwängler in den Rhein. Jahrbüchern 1906 S. 193 ff.
ZUM SII.ÜERßECHER CORSINI 285
scheu Künstlers Philiskos (Watzinger, 63. Berliner Winckelmanns-
programm S. 8) — , von Rhodos kam sie nach Magnesia am Maeander
(Hnmann-Kohte- Watzinger Magnesia S. 197 ff. Taf. 8), von dort ver-
breitete sie sich auf die ganze kleinasiatische Küste und die nahen
Inseln, wo wir ihre Wirkungen auf unzähligen Grabreliefs rinden,
von dort nach Italien — ich brauche nur an die berühmteste Figur
dieser Art, die Pudicitia, und Alles was mit ihr zusammenhängt,
zu erinnern. Unter all diesen Werken nehmen die pergamenischen
Statuen eine Sonderstellung ein ; sie copieren nicht einfach, son-
dern sie übersetzen die rhodischen Motive in eine eigene Sprache,
in den breiten, monumental-decorativen Stil der Altarreliefs.
Wie stellt sich nun dazu die Metzer Figur? Ist ihr Stil so
ausgesprochen pergamenisch ? oder ist es nicht vielmehr der rho-
dische Stil, wie er in Italien wohlbekannt und häufig nachgeahmt
wurde? Nach der Abbildung scheint sie rhodischen Stil zu haben.
Ist es doch auch kaum glaublich, dass jene pergamenischen Sta-
tuen, die in Pergamon selbst augenscheinlich vereinzelt geblieben
sind, in so weite Kreise gewirkt haben sollten, während das für
die rhodischen Gestalten ohne Weiteres verständlich wäre. Deren
Weg aber geht über Rom.
In meinem Aufsatz über das iudicium Orestis habe ich S. 294
mich der Ansicht derer angeschlossen, die annahmen, von den drei
Erinyenstatuen in Athen seien zwei von Skopas gewesen, die dritte
von einem Kalos (nicht von Kaiamis). Jetzt hat Reisch uns in sei-
nem vortrefflichen Aufsatz über Kaiamis (Oesterr. Jahreshefte 1906,
S. 212 ff.) belehrt, dass es einen berühmten Kaiamis zur Zeit des
Skopas gegeben habe ; er schliesst daraus, es liege kein Grund mehr
vor, der Ueberlieferung, nach der ein Kaiamis die dritte Brinys
zu den zweien des Skopas geliefert habe, zu mistrauen; und zwar
hätten beide Künstler gleichzeitig gearbeitet. Das Zeugnis des Phy-
larchos für die Zweizahl der athenischen Erinyen könne, wenn nicht
ein Missverständnis vorliege, nur dadurch erklärt werden, dass Ph.
von den zwei « Eumeniden » die dritte Genossin unter einem Son-
dernamen abgetrennt habe. Sollte uns aber darüber jede sonstige
286 W. AMELÜNG
Kunde verloren sein? Die Sache liegt doch so: Phylarchos be-
zeugt eine Zweiheit der Erinyen, der in Athen auch ein Zweiheit
von Bildern entsprochen habe. Polemon dagegen sagt, der Bilder
seien drei gewesen, darunter zwei von Skopas, das dritte von Kalos
oder Kaiamis; und zwar giebt er ganz genau an, die Bilder des
Skopas hätten zu beiden Seiten gestanden, jenes andre in der Mitte.
So war also zweifellos die Aufstellung im athenischen Heiligtum
zu seiner Zeit. Wie konnte Phylarchos nur von zwei Bildern reden,
mit denen er doch augenscheinlich die beiden des Skopas meinte?
Wenn auch die mittelste einen besonderen Namen trug, dar-
über, dass sie wesensgleich mit den andern sei, konnte doch kein
Zweifel herrschen. Deshalb genügt es auch nicht, bedeutende Un-
terschiede in der äusseren Erscheinung der Bilder anzunehmen.
Wie sollten auch gleichzeitig entstandene und für das gleiche
Heiligtum bestimmte Darstellungen so verschieden ausfallen ? Der
Zwiespalt ist wohl nur auf eine Weise zu erklären: zur Zeit des
Phylarchos, d. h. im dritten Jahrhundert ('), standen im atheni-
schen Heiligtum die beiden Statuen des Skopas allein; zur Zeit
des Polemon, zu Beginn des zweiten Jahrhunderts, hatte man in
ihre Mitte das Bild des Kalos oder Kaiamis gerückt. Ob Polemon
gegen Phylarchos geradezu polemisiert hat, können wir aus dem
Wortlaut des betreffenden Scholions (Soph. Oed. Col. 39) nicht
schliessen; es stellt in der Tat nur die beiden Angaben neben
einander (2).
Hat man aber die mittlere Statue erst am Ende des dritten
Jahrhunderts zugefügt, so kann sie unmöglich gleichzeitig mit den
Werken des Skopas entstanden sein. Es bleiben nur die zwei Mög-
lichkeiten: entweder Avar sie eine neue Schöpfung oder ein altes
Bild, das man zurückgestellt hatte und nun wieder hervorholte.
Einen dritten Kaiamis wird man nicht bemühen wollen, und so
gewinnen Loeschcke's Combinationen (Enneakrunos-Episode S. 25 f.),
(') Hecker hat im Philologus IV, S. 489 statt Phylarchos Philochoroe
als Autor der Angabe vermutet; ob mit Recht, entzieht sich meinem Urteil.
Zugestimmt zu haben scheint nur Nauck (ebenda V, S. 696). Das Zeugnis
der Zweiheit würde damit höheres Alter und einen bedeutenderen Gewährs-
mann gewinnen.
(2) 'I-t'/.un/ös yrjoi <h'o avjüg ttvta iit rs 'Afirjvrjoiv äyukucerct ovo. JIo-
ke'fio)y ö'e intii (ccidg q.ijoiv.
ZUM SII.BERHECHER CORSINI 287
nach denen man das alte Bild dem kretischen Meister Kalos,
dem Neffen des Daidalos, zugeschrieben habe, neues Gewicht. Der
Einwurf der Geschmacklosigkeit gegen die Zusammenstellung eines
so altertümlichen Bildes mit zwei Werken des Skopas verfängt
nicht, da es sich um Kultbilder handelt. Zweifelhaft bleibt, ob
man folgern kann, dass es in Athen ursprünglich nur eine Bild-
säule einer Erinys gegeben habe.
Werden meine Ausführungen angenommen, so verliert der
jüngere Kaiamis ein Werk, die Arbeit ßeischs nichts an überzeu-
gendem Gehalt.
W. Amelung.
SITZUNGEN UND ERNENNUNGEN.
14. December 1906 (Festsitzung zur Feier von Winckelmanns
Geburtstag) : G. E. Rizzo, Le origini di Lavinio e il matri-
monio di E/iea, altorilievo di un sarcofago romano (s. Mit-
teilungen Heft 4). — G. Körte, Das Alexandermosaik aus
Pompeji (s. Mitteilungen später).
18. Januar 1907: R. Engelmann, Herakles und Linos. —
G. E. Rizzo, II discobolo di Caslel Pornano.
1. Februar: G. Boni, 77 locus del Forum Ulpium.
15. Februar: L. Pollak, Altgriechische Elfenbeinreliefs (s. Mit-
teilungen Heft 4).
Am Winckelmannstage wurden ernannt zu ordentlichen Mit-
gliedern die Herren
Corrado Ricci in Rom
A. von Premerstein » Athen
Paul Schazmann » Genf
zum correspondierenden Mitgliede
Mrs. E. Strong nee Sellers in Chatsworth.
Abgeschlossen am 26. Februar 1007.
LEGGENDE LAUNE ANTICHISSIME
ALTORILIEVO DI UN SARCOFAGO ROMANO (*).
(Tav. XIII-XIV).
Nelle Notine clegli Scavi del 1905, ho pubblicato una prima
relazione sommaria delle scoperto fortuite, avvenute nel 1903, presso
le rovine di una villa roiuana, a Torre Nova, sulla via Labicana, in
una tenuta di don Scipione Borghese. Da scavi abusivi e clandestini
provennero tre sarcofagi, uno dei quali veramente insigne: quello
con la rappresentanza di una sceoa di iniziazione ai Misteri Eleu-
sini ('). I frammenti di im quarto sarcofago della stessa provenienza
potei studiarli, col gentile consentimento del Principe e della
Principessa Borghese, che mi e caro ringraziare qui pubblica-
mente.
Questi frammenti giacevano nelle cantine dello storico palazzo,
ed erano — oltre che numerosissimi — piccoli; e talora anche in-
certi e dispersi ; e fu veramente opera non facile poter ricomporre
(*) Questo articolo, con lievi modificazioni nella forma, b il discorso da
me tenuto nell' Imperiale Istituto archeologico, per la Festa di Winckelmann.
il 14 dicembre 1906. Esso era veramente destinato per la seduta solenne delle
Palilie, essendo il monumento in intima relazione con le origini di Roma: ma
nell'aprile passato ero lontano dalla cittä, e la mia lettura fu necessariamente
differita. Ho voluto conservare la forma, piuttosto piana e semplice, di una
conferenza occasionale. aggiungendo qualche breve nota.
(') Per le condizioni della scoperta, rimando a quanto ebbi a riferire
nelle Notizia degli scavi, anno 1905, p. 408 s. Del sarcofago con rappresen-
tanza di Misteri sarä presto pubblicata un'ampia illustrazione nei Monumenti
antichi dei Lincei, la quäle chiarirä meglio la spiegazione sommaria, e ne-
cessariamente incompleta, da me data nelle stesse Notizie, specialmente per
quanto riguarda una piü precisa esegesi dei lati corti c di quello dove sono
scolpite le Piangenti.
20
290 G. E. RIZZO
la parte inferiore del rilievo principale, la quäle, quantunque mu-
tila, puo essere perö sicuramente interpetrata, per il confronto con
altri monumenti di schema, se non di soggetto, simile (').
I.
II sarcofago, di marmo pario, era lungo ni. 2,42 (2), con im
rilievo cosi considerevole, che raggiunge spesso i 15 cm. di al-
tezza. Anzi parecchie delle figure sono interamente s'accate dal
fondo, simili a Statuette riposanti su di un piano ondulato, che
corre lungo il prospetto principale del sarcofago.
Cosi come si presenta dai frammenti ricomposti (cfr. tav. XIII),
il rilievo puö esser descritto, seguendone Timagine, a questo modo:
abbiamo, dalla sinistra, una figura seduta sopra un rialto roccioso,
vestita di un semplice manto, che lascia nude le gambe. I piedi sono
calzati di stiväli (una specie di e/ußädeg), con orli rimboccati e va-
riamente ornati. Accanto ad essa sta poggiato un graude scudo circo-
lare, sul quäle e effigiata, a basso rilievo, una scena di combatti-
mento. Segue il frammento di un'altra figura virile, di cui esiste
soltanto il piede, con parte della gamba destra, coperta di anassiridi ;
e a questo gruppo, che, com'e meglio dire subito, si ripete nella parte
centrale del rilievo, segue una figura incedente a grandi passi verso
destra; figura, per disgrazia, anch'essa talmente frammentata, che ne
esiste soltanto la parte inferiore delle gambe. II gruppo centrale
della rappresentanza e occupato da una scena di sacrificio. Un'ara,
con frutta e con liamme, una scrota, accanto alla quäle sei porcellini,
e due alte figure : evidentemente quella del popa e del vittimario.
Una di queste due figure e appena visibile nella fotografia; poiche
di essa non esiste, nel secondo piano del rilievo, che il frammento
di una gamba, quasi nascosta dal collo della scrofa. AI gruppo del
sacrificio segue ancora un altro che, come sopra ho detto, e simile
a quello che e scolpito nell'angolo sinistro del sarcofago. La stessa
(') Mio collaboratore, per la ricerca e la materiale ricomposizione dei
pezzi, fu il valente sig. Dardano Bernardini, restauratore nel Museo Nazio-
nale Romano.
(') Alt. della parte conservata alFangolo sinistro m. 0,49; alt. massima
m. 0,59; profonditä del sarcofago m. 1,07; alt. del coperchio m. 0,37.
LF.GGKNDE LAHNE ANTICIIISSIM E
291
figura troneggiante, che tiene accanto lo scudo, sul quäle e rappresen-
tato il Lupereale, con la Lupa allattaute i due gemelli, e con la Ficus
ruminalis, i cui rami si svolgono intorno ai inargiai della piecola
caverna. Uu gioviuetto, in perfetto costume frigio, sta tra le gambe
della figura sedtita: anassiridi, piecolo chitone manicato, clamide
fimbriata, berretto frigio; e non mauca il pedum a reudere com-
pleto il costume di questo piecolo asiatico; al quäle segne, an-
Fiir. 1.
cora, la parte inferiore di un'altra figura, incedente verso destra,
nello stesso schema di quella notala nell'altro lato del rilievo. Di
fronte a questa, vediamo la parte inferiore di una figura rauliebre,
vestita di lunga tunica; e fra di esse, un putto tutto nudo, del
quäle e stata anche ritrovata, dopo eseguita la fotografia, la parte
del braccio destro mancante, con la mano che teneva una face.
Un frammento di questa face, capovolta, si vede ancora accanto
ai piedi della figura virile incedente.
Oltre questi frammenti, che ho potuto a stento ricomporre,
con tutti gli attacchi sicuri e senza restauro di sorta (la testa del
piecolo frigio, p. es., Consta di otto frammenti, ch'eran qua e la
dispersi), avanzano anche altri pezzi minori, che non poterono trovai
292 G- E- bizzo
posto nella ricomposizione, raa che mirabilmente ci aiutano per l'in-
terpetrazione della scena rappresentata nel rilievo (cfr. le fig. 2 e 3).
Altui pezzi appartengono al coperchio del grandioso sarcofago;
e vi si possono vedere le teste barbariche agli angoli ; e, Della
tabella rettangolare, avanzi di scene di combattimento (fig. 1).
*
Non era, a prima vista, facile riconoscere il soggetto della
rappresentanza figurata; per quanto avessimo giä alcuni accenni
probabili, come la scrofa, lo scudo con il Lupereale e il piecolo Fri-
gio. Questi accenni facevan giä pensare a qualche soggetto che si ri-
collegasse con le prime origini di Koma. Ma le basi dell' inter-
petrazione, piü che in questi elementi, non troppo sicuri, dato
lo stato frammentario del rilievo, sono nello stesso schema della
composizione; ed e stata questa la chiave che mi ha aperto la via ad
una interpetrazione, che io reputo convincente in ogni sua parte.
Esistono, nell'arte romana dell'etä imperiale, molti sarco-
fagi, nei quali e rappresentata una scena di matrimonio; questa
nurnerosa serie di sareofagi puö essere divisa in varie classi; in
quanto che la scena del matrimonio e coneepita in maniera di-
versa e oecupa un posto piuttosto che un altro nell' insieme della
rappresentanza figurata. Seguendo in gran parte le conclusioni del
noto libro del Rossbach sul matrimonio romano ('), noi diremo che
una classe comprende principalmente i sareofagi nei quali la
dextrarum iunetio e rappresentata insieme con il corteo nuziale;
e un'altra classe quei sareofagi nei quali la dextrarum iunetio
costituisce, per dir cosi, un episodio della vita privata o militare
della persona alla quäle il sarcofago era destinato.
Pero e da notare che, tanto nella prima che nella seconda
classe, la dextrarum iunetio sta sempre nella parte destra della
rappresentanza: cosi, almeno, in tutti i sareofagi romani che ho
potuto esaminare ; e questo fatto ci guida mirabilmente alla retta
interpetrazione del nostro rilievo.
(') Rossbach, Römische Hochzeits- und Ehedenkmäler ; specialniente a
] 105 ss. e p. 118 ss. Cfr. le principali rapprosentanze figurata di questi sar-
eofagi in Wiener Vorlegeblätter, 1888, tav. IX.
LEGGENDE LATINE AMTICHISSIMK 293
Ossermnio, intanto, che tra i frammenti superetiti, che, come
ho detto, non poterono trovar posto nella ricomposizione, abhiamo
due mani che si stringono (fig. 2). Ora chiunque esamini l'ordine e la
direzione delle (igure del nostro rilievo, potra, senza stento, con-
vincersi che, per esclusioue, queste due mani che si stringono non
possono appartenere che alle due figure dell'angolo destro; le
quali, perciö, si completano, come le due figure della parte destra
Fiir. 2.
di tutti gli altri sarcofagi, in un gruppo rappresentante un uomo
incedente a destra, che stringe la mano ad una donna velata, che
gli sta di fronte.
Per cbiarire il concetto, scegliamo uuo di questi sarcofagi :
p. es. quello che si trova nella chiesa di s. Lorenzo fuori le Mura (')>
il quäle appartiene alla prima classe accennata, in cui la dextra-
rum iunctio e come seguita dal corteo nuziale (Tav. XIV. tig. 1).
Questo e il famoso sarcofago, adoperato come tomba del Car-
dinale Guglielmo di Lavagna, nipote di Innocenzo IV, morto nel
(,') Matz o von Duhn, Aat. Bildw. in Rom, n. 0090. C'fr. Rosabacb, op.
cit, p. 40 ss. (ivi la bibliografia preccdente).
294 o. e. rizzo
1256. Non e mio compito descrivere qui il monumento, piü volte
effigiato, pubblicato e discusso. Fermiamo, pinttosto, la nostra at-
tenzione sul gruppo a destra della rappresentanza. Un uomo, non
piü giovane, in tunica e toga, con le tabelle nuziali nella sini-
stra, da la mano destra ad nna donna, velata del ßammeum. Fra
di loro sta la piccola figura di Imeneo; e, nello sfondo, Iuno Pro-
nuba. Gli altri personaggi harmo, per il confronto col nostro ri-
lievo, un' importanza molto secundaria; ed ho appena bisogno di
ricordare che assai diverse sono le interpetrazioni che di queste
figure si sono date. Orä, esaininando lo Schema delle due figure a
destra con lo Schema delle medesime figure nel nostro sarcofago,
noi non troviamo alcuna differenza notevole.
* *
Ma a rendere il coafronto ancor piü convincente, sceglierö
uno dei sarcofagi della seconda classe: di quella, cioe, in cui il
matrimonio e considerato come un episodio della vita del defunto;
di modo che il lato principale era destinato alla rappresentanza
dei fatti piü importanti; e nei lati corti si svolgevano, per dir
cos'], le minores res gestae, le quali continuavano, alcune volte,
anche sul coperchio di questi sarcofagi, come appunto doveva es-
sere nel nostro.
E stato osservato che queste interessanti rappresentanze del-
l'arte romana dei sarcofagi, rassomigliano, quasi, ad un panegirico
dell'estinto; sono, nella storia della plastica romana, ciö che la
laudatio funebris e nella storia della letteratura.
Scegliamo il sarcofago (tav. XIV, fig. 2), ora conservato nel
Museo Civico di Mantova ('), e confrontiamolo direttamente con
quello Borghese. Tutto il rilievo e, come nel nostro, tripartito: nel
centro la scena del sacrificio, ai due lati la dexlrarum iunctio ed
un altro fatto insigne della vita. Anche qui la scena di destra e
concepita ed eseguita come nel nostro rilievo.
(') Pubblicato <;üi dal Labus, Museo di Mantova, III, 52; e poi y\i\
accuratamente descritto e interpetrato dal Dütscbke, Zerstreute ant. Bildw.
in Oberitalien, IV, n. 643. Cfr. Wiener Vorleget/lütter, 1888, tav. IX, n. 1
(riproduce la infcdele c manicrata incisione del Labusj.
LEGGENDE LATINE ANTICHISSIME 295
C'e soltanto di piü la figura di Inno Pronuba e quella di
ima donna, a destra, accanto alla sposa: la madre, certamente,
o la nutrice. La scena centrale, cioe quella del sacrificio, pu6
essere riferita al matrimonio, o secondo altri, puö anche esser rife-
rita all'augurio delle imprese militari svolte o accennate nel resto
del rilievo. Infatti l'abito militare che i sacrificanti indossano in
alcune di queste scene, lascia credere che il sacrihcio non sia
sempre e necessariamente collegato col matrimonio.
Chiara e la scena che sta a sinistra del sarcofago. Una fami-
glia di barbari, nemici vinti dall' « Imperator » romano, a cui il
sarcofago era destinato, viene condotta dinanzi a lui, per implo-
rare pietä e benevolenza. Questo e certamente im ricordo del prin-
cipale fatto militare dell'estinto; onde in questi sarcofagi era
gentile uso effigiare i momenti fortunosi della vita, sia nella
pace serena degli sponsali, che nella gloria tumultuosa della
guerra.
E ben noto anche che nessuna di queste rappresentanze figu-
rate, finora conosciute, puö esser riferita ad uu personaggio stori-
camente noto; ed e soltanto per la fallace interpetrazione datane
dal Labus, che il sarcofago di Mantova pote essere riferito alle
gesta di Lucio Vero: ne altrimenti ancora esso e chiamato.
Tanto meno poi queste rappresentanze conosciute possono es-
sere riferite a miti e leggende : che anzi le mitiche nozze greche
sono trattate assai diversamente nei rilievi dei sarcofagi romani ;
e basterä che io qui richiami alla vostra memoria il modo in cui
e concepita la scena delle nozze di Peleo e Teti, nel grazioso sar-
cofago di Villa Albani (').
#
Nel nostro rilievo, intanto, ci sono certamente elementi non
comuni, sia nella composizione, che nello stile e nella stessa gran-
diositä delle proporzioni.
Imponente e la figura seduta, che si ripete per due volte
nella scena figurata, e nell'identico Schema. Essa si appoggiava
con la sinistra ad un lungo scettro (cfr. fig. 3), del quäle e conser-
(l) Robert, Sarkophagreliefs, II, 1.
296 G- E- Rizzo
vata una parte invisibile nella fotografia ; e le aggiungono maestä
la posa diversa da quella di tutte le altre figure ed il grande scudo
istoriato. 11 gruppo centrale non puö essere riferito ad un sacrificio
cornune, che allora noi non sapremmo spiegarci il perche dei nu-
merosi porcellini sotto la scrofa e accanto all'ara.
Singulare e, inoltre, la figura del giovinetto frigio; e che
qnesta debba avere, nell' intenzione dell'artista, nno speciale si-
gnificato, che non possa essere nna figura di geuere, e di una
Fig. 3.
tale evidenza, che non sento il bisogno di troppe dimostrazioni.
E tra i giovinetti frigii, poiche si deve escludere Paride, al quäle
non conviene quell' etä troppo giovanile, noi non avrerno altra
scelta che fra Astianatte ed Ascanio.
Mi sembra, dunque, che sia il momento di dare un nome a
tutte le figure del nostro rilievo: Ascanio e Imeneo sono, per-
tanto, sicuri; e l'insieme della scena ci da egualmente come
sicuri Marte, Enea, Lavinia, il popa e il vittimario.
IL
Nota e la leggenda, che riposa sul culto patrio dei Penati (2) :
leggenda, diro cosi, indigena, essenzialmente latina, tradotta nel
(*) Vedi, per le fonti, il manuale del Preller-Jordan, II, 325 ss. ; e cfr.
l'artic. «Aineias» in Roscher's Lexikon, I, 1, p. 177 ss. ; o altrove. Cfr. poi
I.KGGENDE I.ATINK ANTICHISSIME 297
marrno da un'arte esseuzialmentc romana. E lo scultore ha scelto,
della poetica leggenda, i momenti principali : Yaugurium che pre-
cede la fondazione di Lavinio, col sacrificio della bianca scrofa ;
ed il matrimonio di Enea con la figlia di Re Latino.
L' una e l'altra scena si svolgono alla presenza di Marte; ed
e notevole che fra i personaggi nominati nelle fonti superstiti
(molte, perö, noi ne abbiamo perdute, sia fra le storiche, che fra
le poetiche antichissime), — e notevole, dicevo, che Marte non ap-
paia, con intervento diretto, nel prodigio e nella pace, seguita dal
matrimonio. Perö il Dio trova benissimo il sno posto in questa
rappresentanza. Non e forse Marte il dio italico per eccellenza ?
E il sno cnlto e talmente diifnso nel Lazio, che non vale addurre
qni citazioni e prove di im fatto assai noto ; ne ho bisogno di
soffermarmi snlla intima relazione di qnesto dio con tntta la leg-
genda delle origini di Roma.
Vale pinttosto ricordare che Marte era per gli italici il di-
vino progenitore di stirpi, protettore delle nnove cittä, fondate
dagli eroi avventurosi ('). Simile all'Apollo dell'Olimpo greco, vene-
rato dai coloni, che propagavano, per i mari e le terre lontane, il
nome e la civiltä della patria, Marte e anch'egli Patroos ed Ar-
chagetes; e cosi si spiegano gli appellativi di Mars pater, Mars-
piter: ne altra origine e significazione hanno alcnni nomi di
popoli e di cittä, come Mamertini, Marsi, Marrncini, Mamertnm,
Marrnvium ed altri.
E non puö davvero presentare difficoltä la figura di Ascanio
accanto alle ginocchia di Marte; che Ascanio, nipote di Veuere,
e intimamente conginnto con il dio gnerriero, che ha tanta parte
nell'Olimpo italico e nelle tradizioni preromnlee. Si osservi, poi,
che 1' etä nella quäle lo scultore ha rappresentato il piccolo figlio
di Enea, concorda con la tradizione piii antica e piü diffusa: egli
e ancora un giovinetto, quasi un bambino, quando il padre arriva
nel Lazio e stringe lega con Latino; onde noi ben comprendiamo
specialmente, per il « momento » rappresentato nel nostro rilievo, Dionys.
I, 56 s.; Varro L. I. V, 144 etc.
(•) Vedi, p. es., Röscher, Apollon und Mars, p. 78 ss. ; e cfr. Corssen,
Aussprache, I2, p. 405.
298 G. E. RIZZO
la tradizioue acccolta da Tito Livio (I, 3, 1), che, morto Enea, il
figlio Ascanio fosse rimasto sotto la tutela della matrigna Lavinia.
Ma torniamo ancora alla figura di Marte, per ricordare come
nelle leggende che accompagnavano la fondazione della cittä, aves-
sero sempre parte un dio e i suoi figli, da un canto ; e, dall'altro,
un prodigio. Questo dio e Apollo, nel mito greco, Marte, nel mito
italico. Basta richiamare alla memoria la leggenda di Ciro, quella
di Miletos e Kydon, tigli di Apollo; basta appena fare im cenno
della notissima leggenda di Romolo e Remo; e ricordare che gli
animali del prodigio sono sernpre il picchio ed il lupo. Onde ben
si spiega come lo scultore, con una specie di prolessi artistica,
abbia adornato lo scudo di Marte con la simbolica rappresentanza
del Lupereale, quasi a significare
l'alto effetto,
Che uscir dovea di lui, e il chi e il quäle.
*
E una vera disgrazia che questa figura ci sia arrivata tanto
mutila; pur non v'ha dubbio che noi dobbiamo in essa ricono-
scere Marte che presiede al mitico matrimonio di Enea e al sa-
crificio per la fondazione di Lavinio, nella sua qualitä, molto dif-
fusa nel mito latino, di Nume patroos ed archagetes. A rendere
sernpre piu sicura la nostra esegesi del rilievo, vediamo nella
parte destra di esso la figura di Imeneo, da me fortunatamente
rintracciata, in mezzo ad altri frammenti.
Che manchino in questa scena la figura di Iuno Pronuba ed
altre accessorie, non puö sorprendere, dato il carattere divino, o
mitico che dir si voglia, dei personaggi che compiono la dextra-
rum iunetio. Si noti perö (il che non so quanto possa apparir
chiaro nella figura), che proprio nel secondo piano del rilievo, tra
Enea ed Imeneo, era soltanto scolpita, in rilievo basso, un'altra
figura virile, di cui rimangono le gambe : forse — ma non oserei
affermarlo — la figura di Re Latino.
E interessante notare che la scena del sacrificio puö avere un
significato triplice: in quanto che puö riferirsi, oltre che al pro-
digio preannunziato dell'Oracolo, alla lega tra Enea e Latino e
al matrimonio di Enea con Lavinia.
LEGGENDE I. ATI NE AMICIIISSIMK 299
E questo, per il ricordo che noi ne abbiamo conservato in
Varrone ('), il quäle riferisce che, stringendosi uu'alleanza, si deve,
secondo il rito, immolare una scrofa; che l'antico Ke e gli alti
personaggi dell' Etruria immolavano, nel momeuto delle nozze, una
simile ostia; e che anche i Latini e i Greci pare abbiano fatto
altrettanto in Italia, come afferma l'antico scrittore.
Nella tradizione antichissima, rimane un famoso esempio di
questa rappresentanza artistica della scrofa (2) ; il cui simulacro
di bronzo era, fino a tardi tempi, esposto a Lavinio.
Da questo esempio monumentale, a noi tramandato dalle an-
tiche fonti latine, derivauo le rappresen tanze snperstiti, delle quali
gioverä fare un rapido cenno, per il confronto con il gruppo cen-
trale del nostro rilievo.
Alla prima etä imperiale appartiene Tara dei ■ Lares Au-
gusti » , conservata nel Belvedere del Vaticano (3) ; e le rappresen-
tanze figurate di questo piccolo monumento sodo intimamente
connesse con lo spirito della letteratura e della religione del
tempo. La Vittoria con lo scudo, su cui e inscritta la dedica ad
Augusto, l'apoteosi di Augusto, e 1' « augurium » per la fondazione
di Lavinio(fig. 4), sono inspirate ad un unico concetto politico e let-
terario, il quäle, anche nei piccoli monnmenti dell'arte, voleva ri-
(') Varro R. r. II, 4, 9: quod inltiis pacis foedus cum feritur porcus
occiditur, et quod nuptiarum initio antiqui reges ac sublimes viri in Etruria
in coniunctione nuptiali nova nupta et novus maritus primum porcum immo-
lant. Prisci quoque Latini et etiam Graeci in Italia idem factilasse vi-
dentur Cfr. l'reller- Jordan, II, 325, n. 3; Wissowa, Religion und Kultus der
Römer, p. 477.
(2) Varro R. r. II, 4, 18: « huius suis ac porcorum etiam nunc ve-
stigia apparent Lavinii, quod et simulacra eorum ahenea etiam nunc in pu-
blico posita et corpus matris ab sacerdotibus quod in salsura fuerit demon-
stratur ». Quanto alla statua di bronzo della scrofa coi porcollini, noi possiam
credere clie fosse come un'imagine del culto esposta nel santuario dei Penati,
oppure anche in quello di Vesta; e quanto al corpo conservato in salsura,
sarä facile credere alle solite imposture sacerdotali. Cfr. Preller-Jordan, II,
p. 326, 2.
I3) Visconti, Museo Pio-Clementino, VI, 20; Jl/useo Chiaramonti III,
tav. XIX. Eaoul-Rochette, Monum. ined., tav. LXIX. Qui per la prima volta
riprodotta fedelmente con mezzi fotomeccanici. Cfr. Heydemann, in Arch. Zei-
tung, XXIX [1872], p. 122.
300 G. E. RIZZO
collegata la « donius Julia » alle fcradizioni antichissime di Enea
e di Ascanio-Julo.
Incerta seinbra anche a me l'interpetrazione del lato sul
quäle e scolpita la scrofa del sacro prodigio; ue oserei afferuiare
che la figura seduta sia quella di Re Latino, che legge i patti
Fig. 4.
di alleanza ad Enea. Ed escludendo che questa figura sia mu-
liebre e che possa rappresentare la Sibilla, rni sorrido quasi l'idea
che im poeta, forse Virgilio, legga dinanzi ad PJnea il racconto
delle gesta future.
Certo e, perö, che noi abbiamo qui la sicura rappresentanza
di Enea e del prodigio per la fondazione di Lavinio; ed e questo
l'unico raonumento artistico a noi rimasto delletä augustea, nel
quäle si possa trovare uua certa analogia — di soggetto, se non
[.EGGENDE I- ATI NE ANT1CH1SS! MK 301
di composizione — col nostro rilievo, ü quäle ha, peiö, tutta
rimpronta di una eta piii tarda.
Notissima e anche la scrofa della « Sala degü animali » nel
Vaticano('); la quäle ha comune con quella del rilievo Borghese e
con altre uua specie di « abbreviazione artistica «: poiche lo scul-
tore, non potendo scolpire tutti i treuta nati dalla scrofa, si e
contentato di efh'giarne dodici in quella del Vaticano, sei appena
nella nostra. Dal simulacro di Laviuio (la metropoli Sacra del-
l'antica Koma, rioo a tarda eta imperiale) derivano certamente
le uguali tigure simboliche o religiöse nelle monele di Antonino
Pio (2), ed altre che qui tralascio di enumerare (')•
*
Della leggenda di Enea nel Lazio, ci rimangono altre rappre-
sentanze di eta augustea: principali quelle che si svolgono nelle
pitture del Columbario dellEsquilino, ora conservate nel Museo
Nazionale Romauo. Ma di queste importantissime pitture sono
andate perdute le scene iniziali del lato occidentale ; le quali do-
vevano appunto contenere l'arrivo di Enea nelle coste del Lazio, e
il suo incontro con Latino, non che il prodigio della scrofa e il
raatrimonio con Lavinia; di modo che i quadri superstiti comin-
ciano soltanto con la fabbricazione di Lavinio (4).
Non abbiamo, quindi, alcuna altra opera d'arte, non una sola
rappresentanza figurata a me nota, la quäle ci rappfesenti Marte
che assiste e presiede al sacrificio della scrofa del fatidico prodigio,
e al matrimonio di Enea con la figlia di Re Latino.
Questi episodi, scolpiti nel lato principale del sarcofago, erano
stati certamente concepiti dallo scultore come i fatti piü insigni
(') Visconti, Museo Pioclem., VII, 32; Heibig, Führer, P, n. 182.
(2) Lenormant, Trdsor de numism. tav. XXXII, 9, 10; p. 60 (in Da-
remberg-Saglio, I, 1, 107, fig. 153 e 154).
(3) Singolare, per la storia della diffusione di questo simbolico simulacro,
e il ricordo conservatosi in un1 iscrizione di Obulco {CLL. II, 2126), mu-
nicipio romano della Hispania Baetica, ora Porcuna, nella quäle si
legge che alti magistrati della cittii avevano dedicato « scrofam cum porcis
triginta ».
(4j Cfr. Robert, in Annali delVIstiluto, 1878, p. 267 ss.
302 G. E. RIZZO
relativi alla veuuta di Enea Del Lazio ; ed ho giä detto quanta
importanza abbia l'intervento divino di Marte Padre, intervento
che, se noa e tradizionale, e certarnente dovuto ad una fönte poetica
od artistica, che noi ignoriamo.
Infatti lo scultore ha concepito la sua composizione romana,
con arte essenzialmente romana: e questo e pregio singolarissimo
del nostro rilievo. Qui Selene non discende a trovare Endimione
dormiente; ne Medea fugge dalla reggia fatale sul carro tirato
dagli alati dragoni, ne Fedia gerne per Tamore di Ippolito, ne
le Meaadi sbranano Penteo, ne altre mitiche leggende g reche —
sia pure prescelte con signiticato simbolico — adornano la funebre
arca di maruio pario. Komano e sacro e il soggetto della rappre-
sentanza figurata; romane le fonti tradizionali o artistiche seguite
dallo scultore; romano lo Schema della composizione, come nei
sarcofagi rappresentanti il matrimonio della vita comune ; romano
e lo stile della scultura.
Se la dextrarum imictio completava gli episodi principali
del ciclo, gli altri « fatti di Enea » dovevano certamente svol-
gersi nei lati corti e nel coperchio, come negli altri sarcofagi men-
zionati ; tanto verö che un grande frammento del fianco sinistro
del sarcofago Borghese rappresenta un guerriero incedente a destra.
seguito da un giovinetto vestito di una semplice tunica.
Non fn possibile fotografare questa parte del rilievo, sia perche
non lo permettessero le condizioni di luce, sia anche perche lo
stato di conservazione e talmente cattivo, da lasciar appena inter-
petrare, nelle linee generali, le due tigure rappresentate. Nulla
si conserva del fianco destro del sarcofago; ma da quel frammento
che ho potuto far vedere, si desume che il coperchio doveva anche
esso contenere fatti allusivi alle guerre combattute nel suolo latino;
poiche rimane in questo frammento la figura di un cavaliere vit-
torioso incedente sopra un nemico abbattuto.
Se dai frammenti superstiti non e facile risalire subito all'ef-
fetto che l'intera composizione doveva produrre, possiamo, pero,
affermare che, dal lato artistico, la distribuzione delle figure e ben
riuscita, quantunque non ci sia in esse una soverchia varietä, per
la ripetizione dei due grappi piincipali di Marte, Ascanio ed Enea.
LEGGENDE LATINE ANTICHISSIME 303
La mancanza della testa e della parte principale dei personaggi
ci rende disagevole im completo esame stilistico. II trattarnento
della scultura e fin troppo levigato, di una fredda eleganza, quasi
accademica. Vi si nota un'accuratezza grande, forse soverchia,
nei particolari ; il nudo e disegnato con linea convenzionale e
stentata.
Ma grande e l'abilitä tecniea del nostro scultore; ed ho giä
osservato che il rilievo e molto alto, e che alcune delle figure
sono, si puo dire, concepite ed eseguite come statue interameute
staccate dal fondo; quantunquo, date le proporzioni del rilievo, esse
fossero grandi im terzo del voro. Mirabile per la tecniea doveva
essere la tigura del vittimario : statua non staccata dalla base del
rilievo, ma insieme con esso scolpita, e rieavata da un unico
masso.
Elementi raigliori per lo studio stilistico troviamo negli seudi,
dei quali non abbiamo nell'arte rornana altri esempi che possano
prestarsi al paragone. II rilievo, basso rna nitido, e preciso di con-
torni, e trattato con una evidente imitazione della metallotecnica ;
e la conservazione quasi perfetta di questi seudi, ci lascia, oltre
che il soggetto, apprezzare il genere d'arte e la tecniea prescelta
dallo scultore.
In quello del Lupereale (tav. XIII n. 2), la lupa volge la testa
verso i gemelli : e questo « Schema » e comune nelle monete impe-
riali. a cominciare dai Flavii fino a Costantino, ed anche piü tardi.
Solo nella serie di Adriano, la lupa e disegnata nel tipo piü antico,
simile alla statua di bronzo del Campidoglio. Con Antonino Pio
troviamo l'aggiunta del Lupereale ; fatto di cui bisogna tener conto,
per quanto fra poco dirö sulla cronologia del nostro rilievo (1).
Piü importante per noi e l'altro seudo (tav. XIII n. 3) con rap-
presentanza di battaglia; il quäle richiama subito alla memoria il
f rammen to dello seudo Straugford (£), pertinente, come si sa, ad una
copia della Parthenos di Fidia. Spicca nel mezzo un guerriero vitto-
rioso, che sta per ueeidere un nemico, un barbaro, il quäle e giä ca-
(1) Una ricerca di questi tipi di monete nel medagliere del Museo Na-
zionale di Napoli, fece, da ine pregato, il mio dotto amico E. Gabrici, con
la sua ben nota competenza: e qui gliene rendo pubbliche grazie.
(2) Cfr. Conze, Die Athenastatue des Phidias im Parthenon; ed al-
trove.
3^4 G. K. RIZZO
duto dal cavallo ; e intorno a questo gruppo si addensano cavalieri e
pochi combattenti a piedi, in una mischia furiosa; concitati sono i
movimenti, ottima la distribuzione degli spazi nella superficie circo-
lare; sieche la composizione riesce piena ed armonica. L'origine di
queste scene di combattimento, diffuse nell'arte ellenistica e nel-
l'arte imperiale romana, e senza dubbio pittorica. E bene a ragione
queste rappresentanze sono state ricollegate con un ciclo, certa-
mente numeroso, di pitture ellenistiche ; poiehe non doveva essere
sola la pittura di Pergamo, descritta da Pausania (1,4,6), rap-
presentante la scontitta dei Galli in Asia.
I soggetti e i « motivi » di queste pitture servirono all'arte
romana, assumendo la signirieazione di vittorie dei Iiomani su
ßarbari, su Galli e su Daci, principalmente: basterä ricordare i
rilievi dei sareofago Amendola nel Museo Capitoliuo, dei sarco-
fago Ludovisi, e di altri dei Palazzo Giustiniani (1).
In tutti questi rilievi e ripetuta — quasi come un « motivo
di predilezione » — la figura dei combattente barbaro. nudo, che
cade dal cavallo, col dorso rovescio, e visto sempre da tergo:
l'identica figura, che e come un contrassegno dell'originale comune
o dell'unica fönte d'ispirazione, troviamo, appunto, nello seudo dei
sareofago Borghese ; nel quäle e anche ripetuto lo « Schema » dei
cavaliere vittorioso, che oecupa, come nel sareofago Giustiniani e
in altri simili, il centro della rappresentanza.
Volle lo scultore, neH'effigiare questa battaglia, alludere alle
lotte di Enea nel Lazio? Volle egli attenersi a quell'innegabile
concetto simbolico, al quäle e inspirata la rappresentanza dello
seudo col Lupereale? Certamente, noi vediamo, nel piecolo rilievo,
dne tipi di combattenti: i « barbari » nudi, e quelli che chiame-
remo « indigeni » vestiti, oltre che armati. Ma questo non puö
bastare, per dare una signifieazione determinata alla scena di com-
battimento, la quäle, forse, allude in generale ad una vittoria ge-
nerica di Romani su Barbari ; ed e quindi, come tante altre,
destinata a lusingare l'eterno orgoglio della stirpe dominatrice.
(') Sareofago Amendola: Heibig, Führer, P, n. 430; sareof. Ludovisi:
Schreiber, n. 138, Heibig, op. cit., II2, n. 936; sareof. Giustiniani: Rizzo,
Sculture ant. fiel Palazzo Giustiniani, Bull, comun. 1905, p, 02 ss., tav. IV
(ivi la bibliografia e gli studi precedenti).
I.EGGENUE I.ATINK ANTICHISSJME
Kimaue che io dica alcuue parole relative alla cronologia del
rilievo. Muoviamo dagli elementi stilistici esterni, per osservare che
i sarcofagi cou le rappresentanze mitiche sono straordinariamcnte
rari nel primo secolo dell'Impero; e che la forma del coperchio,
con la tabella allungata, terminata agli spigoli da due grandi
teste, o di Meduse, o di Barbari, diveuta giä comune nel secondo
secolo ('). Notiamo, inoltre, che nessuno dei sarcofagi con scene di
matrimonio e anteriore al principio del secondo secolo; air/i la mag-
gior parte, e i migliori di questi sarcofagi, devono sicuramente essere
riferiti alVetä degli Antonini, come, per esempio, quello di Mantova,
nel quäle il tipo delle teste e la forma caratteristica della barba,
non lasciano alcun dubbio sulla precisa attribuzione cronologica del
rilievo. Alla medesima etä io riferisco il crrandioso
sarcofago Borghese; e precisamente all' etä fra
Adriano e Antonino Pio.
E noto come in quel tempo dell'impero. grande e potente,
ma non lontano dalla decadenza, si cercassero di richiamare in vita
le antiche tradizioni, la religione patria, e i prischi costumi in-
corrotti; ma questo richiamo ußciale e politico all'antieo rito,
non trovava piü una rispondente eco nell'anima romana. Teutato
giä da Augusto, quando la invasione dei culti e dei riti stranieri
cominciava, e rinnovato dagl'imperatori della famiglia degli An-
tonini, questo richiamo rimase infecondo, che la sentimentalitä
religiosa invano tentava frapporre un argine al freddo scetti-
cismo delle societä colte, alla moda de' piü strani culti orien-
tali, alla frenesia di misteriosi riti, e — confessiamolo ! — al ca-
lore sincero, onde l'unica e vera fede di quel tempo dava spe-
ranza di pace alle anime affaticate.
Ed anche l'arte rispecchia questo freddo richiamo alle prische
leggende, che oramai non avevano piü alcun altro valore, se non
quello letterario ed artistico. Basterä ch'io ricordi alcuni monumenti
di questa etä, dei quali e come una sintesi (ed e certamente la
piü solenne affermazione di questo idealismo religioso) il tempio
(') Cfr. Altmann, Archit. u. Ornam. der ant. Sarkophage, p. 05 ss.
21
306 G. E. RIZZO, LEGGENDK LATINR ANTICHISSIME
di Venere e Roma, amorosa opera di Adriano, nel cui frontone occi-
dentale stava effigiata la leggenda romulea: Marte e Rea Silvia, la
lupa allattante i Gemelli, e probabilmente la fondazioue di Roma.
Questo, come e notissimo, noi possiamo vedere nel frammento
di rilievo, con la rappresentanza del tempio di Venere e Roma;
rilievo ora conservato, in parte, nel Mnseo Nazionale Romano (*)•
Alla medesima etä appartiene certamente l'ara di Ostia (2);
come si puö desnmere, oltre che dalla dedica, con l'anno conso-
lare 124 d. Cr., dallo stile levigato e freddo, il quäle non puö
certamente essere di etä augustea.
Se dunque l'ara del Belvedere e le pitture del Columbario
dell'Esquilino, sono una fra le tante prove, desunte dall'arte figu-
rata, per quel ritorno alle antiche tradizioni, nel quäle si impernia
tutta la politica e tutta la religione dell'etä augustea, altri rao-
numenti dell'etä degli Antonini, ai quali viene ad aggiungersi
questo sarcofago, ci parlano del medesimo fatto. E ci sarebbe
anche da indagare — se fosse possibile — il perche di queste scene
della prisca leggenda latina nel rilievo di un sarcofago.
Esso doveva essere, forse, destinato ad un grande perso-
naggio, data la mole e l'eccellenza del lavoro, la magnificenza
e la raritä del soggetto ; e considerato anche il significato religioso,
e forse simbolico ed allusivo, delle rappresentanze figurate. E se
vorrä la fortima (il che non e ancora lontano dalle mie speranze)
che si ritrovino, se non tutti, alcuni almeno degli altri frammenti
del grandioso rilievo, noi potremo aggiungere alla storia della
plastica, meno incompleto, un monumento insigne, anche per il
modo in cui erano effigiati gli eroi tradizionali consaerati, oltre
che nella religione e nel culto, neu' arte schiettamente romana.
G. E. Rizzo.
Roma, nel dicembre del 1906.
(») Heibig, Führer, I=, n. 047, e IIa, n. 1037. Cfr. Preller-Jordan, II,
p. 357. Tralascio di citare altri monumenti di data incerta, per quanto pro-
babilmente dello stesso tempo, come l'Ara Casali ei frammenti dell'alto-
rilievo donato da P. Hartwig al Museo delle Terme (Roem. Mitteil, 1904,
p. 23 ss.).
(2) Notizie degli Scavi, 1881, p. 112 s., tav. II; Heibig, II«, n. 1086;
. 1 >ra — nel momento di correggere le bozze — l'articolo de] dott. P. Ducati,
L'Ara di Ostia, in Melange* d'Archeol et d'histoire, XXVI, p. 483 ss.
ZUR ERKLAERUNG DES LUDOVISISCHEN
MARMORTHRONES.
Die Schönheit der Reliefs, die den sog. ludovisischen Marmor-
thron zieren ('), ist ebenso allgemein bewundert wie ihre Erklä-
rung unsicher und umstritten ist. Nicht einmal die Bestimmung
des Monuments ist allem Zweifel entrückt. Der erste Herausgeber
C. L. Visconti meinte, dass die drei Platten als Umfriedigung einer
Treppe gedient hätten, die in ein unteres Stockwerk hinabführte,
eine Annahme, die nicht mehr widerlegt zu werden braucht. Pe-
tersen hat in einem Aufsatz, der für das Verständnis des Monu-
ments grundlegend ist (2), die Ansicht ausführlich begründet, dass
die drei Marmorplatten Rückwand und Seitenlehnen eines Thron-
sessels sind. Diese Erklärung ist jetzt herrschend, obgleich auch
sie Widerspruch erfahren hat. In seinem Führer II2 S. 118 nennt
Heibig das Monument ein dreiseitiges Marmorwerk und äussert
sich dahin, dass gewisse Einzelheiten sich nur in etwas gezwun-
gener Weise mit der Auffassung als Thron in Einklang bringen
lassen, weiss aber keine befriedigendere Hypothese vorzuschlagen.
Jene Einzelheiten hat er nicht näher ausgeführt. Jedenfalls kami
das Monument, das dem Anfang des 5. Jahrhunderts angehört,
nicht profanen Zwecken gedient haben, sondern muss einem Gott
geweiht gewesen sein. Dann legt jedoch die Form den Gedanken
an einen Throusitz am nächsten. Wir müssen uns vergegenwärtigen,
dass ein Götfcerthron wegen seiner besonderen Bestimmung sehr
wohl etwas abweichend von einem gewöhnlichen Thronos gestaltet
(i) Abbildungen Bull, comun. 1887 Tf. XV. XVI; Rom. Mitth. VII
^1892) Tf. II u. Fig. X u. XI S. 54 u. 55 ; Ant. Denkm. II Tf. 6 u. 7 u. ö.
(2) Petersen, Aphrodite, Rom. Mitt. VII (1802) S. 32 ff.
303 M. P. NILSSüN
sein kann. Auch die in Terrakotta vorhandenen Typen weisen sehr
mannigfaltige Formen auf. wie ein Blick auf die thronenden Fi-
guren in Winters Typen der figürlichen Terrakotten zeigt, obgleich
etwas genau entsprechendes sich nicht findet.
Es kommt noch eines hinzu. Wir wissen noch nicht, welche
Gottheit den Thron besessen hat; denn die Hypothese von Pe-
tersen a. a. 0. S. 61 ff., dass der kolossale archaische Kopf der
Sammlung Ludovisi (l) zu einer Statue der Aphrodite, die den
Thron einnahm, gehört habe, dürfte aufzugeben sein. Noch weniger
wissen wir, wie das Bild auf dem Thron aussah. Man stellt sich
es unwillkürlich als sitzend vor, aber auch das ist in dieser frühen
Zeit nicht sicher. Auf den Münzen von Ainos (2) ist ein hermen-
förmio-es Idol auf einem Thronsitz stehend dargestellt. Dasselbe
bezeugt uns Pausanias für das Bild des amykläischen Apollon.
Auch für unseren Fall muss diese Möglichkeit offen gehalten
werden. Jedenfalls spricht die höchste Wahrscheinlichkeit dafür.
dass die Platten zu einem Throne gehört haben. Sie dienten aber
nur als Füllungen der Rückwand und der Seitenlehnen. Peter-
*o~
seil hat darauf hingewiesen, dass die abgearbeiteten Ausschnitte
an den Unterkanten der Platten durch einen Metallbelag verdeckt
gewesen sein müssen. Auch die Innenseiten, die gerauht sind,
können nicht sichtbar gewesen sein. Mag das Bild gestanden
oder gesessen haben, unbedingt müssen auch sie auf irgend eine
Weise verdeckt gewesen sein, vielleicht auch durch Metall. Die
Sitzfläche fehlt, so dass wir von ihr nichts sagen können. Danach
will es uns am wahrscheinlichsten dünken, dass das Gerippe des
Thrones aus irgend einem anderen Materiale bestand und dass
an der Oberseite der Sitzfläche Falze angebracht waren, in denen
die als Füllungen dienenden Marmorplatten vermittels Dübel, für
welche die Löcher noch vorhanden sind, befestigt werden konn-
ten. Doch sind das nur Vermutungen. Bei der Erklärung ist an
der sacralen Bestimmung des Monuments unverrückt festzuhalten.
(') Mon. ined. X Tf. I; Baumeister, Denkm. des klass. Alt. I S. 337;
Heibig, Fülirer II* Nr. 027.
(2) Abbildung, z. B. Müller-Wieseler A. D. 11,28,298; Reiche!, Vorhell.
Götterkulte S. 16, Fig. 5 u. 6; vgl. Furtwängler, Meisterwerke IS. 001 A. 1,
wo noch andere Verweise.
ZUM LUDOVISISCHEN MARMORTHRON 309
Ich lasse zunächst die am lebhaftesten umstrittene Darstellung,
die der Rückwand, bei Seite und gehe von den beiden Seitenstücken
aus, die weniger Aufmerksamkeit erregt haben, aber m. E. weit
auffallender und noch nicht genügend erklärt sind. Auf der einen
Seite sieht man eine ganz nackte Hetäre in lässiger Stellung, das
eine Bein über das andere geschlagen, die Doppeltlöte blasen.
Dass diese Gestalt einen aus Vasengemälden vom Anfang des
5. Jahrhunderts bekannten Hetärentypus widergibt, ist gleich
ausgesprochen worden ('). Auf der anderen Seite sitzt eine Frau
in fast derselben Stellung, aber im Gegensatz zur ersteren dicht
eingehüllt ; sie hat ihr Himation über den Kopf gezogen, so dass
nur ein schmaler Streifen der Stirnhaare sichtbar ist; in der lin-
ken Hand hält sie ein Kästchen (mit Weihrauch), mit der rechten
streut sie einige Körner in das vor ihr stehende Thymiaterion.
Der Gegensatz ist augenfällig und deutlich von dem Künstler
beabsichtigt. Für unser Gefühl ist es ein Ämore sacro e profano
aus dem Anfang des 5. Jahrhunderts.
Allegorien sind freilich dieser Zeit fremd; Petersen hat daher
auch nur im Vorübergehen an jenen Vergleich erinnert, sachlich
fasst er die beiden Frauen als Verehrerinnen der Aphrodite auf,
die eine als eine Hetäre, die andere als eine Braut. Die Deutung
der einen Frauengestalt als Braut beruht aber ausschliesslich auf
ihrer Verhüllung ('-'). Genügt nun diese allein schon um eine Frau
als Braut zu kennzeichnen? Die Monumente lehren das Gegen-
teil. Allerdings war die Braut bei dem ersten Teil der Hoch-
zeitsfeier verhüllt, erst am Schlüsse des Festmahles wurde ihr
Antlitz dem Bräutigam enthüllt. Daher heissen die bei dieser Ge-
legenheit dargebrachten Geschenke caaxaXvjix^uia (3). Aber die
Verhüllung des Kopfes war keineswegs auf diese Gelegenheit
beschränkt, die Monumente zeigen vielmehr, dass die gänzliche
Einhüllung in den Mantel allgemein üblich war, wo Frauen in
der Oeffeiitlichkeit züchtig und angemessen auftraten und zwar
(') Petersen a. a. 0. S. 56; vgl. Klein, Gesch. d. gr. Kunst I, 395.
(?) H. v. Fritze, die Rauchopfer bei den Griechen S. 30 hat Wider-
sprach erhoben, dabei gibt er aber sowohl den offenbaren Gegensatz wie jede
Deutung preis.
(») S. Deuhner, Jahrb. d. Inst. XV (1900; S. 149.
310 M. P. MLSSON
sowohl für verheiratete wie für nicht verheiratete Frauen ('). Aus die-
sem Grunde sehen wir auch bei Opferszenen anwesende Frauen mit
über den Kopf gezogenem Mantel dargestellt (2). Dass man graeco
ritu unverhüllt opferte, gilt also nicht von ihnen. Dass übrigens die
Braut ein Rauchopfer darbrachte, ist nirgends bezeugt: die ttqo-
rsksta yafioor bestanden in ihrem Spielzeug, Mädchenkleidern
u. s. w.
Man darf also, wie mir auch ein vorzüglicher Kenner der Kul-
tusaltertümer, Dr. P. Stengel schreibt, in der Verhüllung der Frau
des Thrones Ludovisi nur deren Strassentoilette erkennen. Wenn man
sie trotzdem als eine Braut deutet, baut man auf jenen allegorisie-
renden Gegensatz zwischen Aphrodite Urania und Pandemos : der
Künstler soll unter den Verehrerinnen der Aphrodite eine Hetäre und
eine Braut ausgewählt haben, um durch sie die beiden Seiten der Lie-
besgöttin auszudrücken, richtiger zu svmbolisieren. Es hilft hierbei
nichts, wenn man mit Petersen auf die Hierodulen auf dem Eryx und
in Korinth hinweist. Der Anlass, die Hetäre neben die Braut zu set-
zen, könnte nur jener allegorisierende Gedanke gewesen sein. Das
ist aber dem Anfange des 5. Jahrhunderts fremd. Wenn die Dar-
stellungen, welche Tempel und Geräte der Götter schmücken,
nicht aus dem Mythenschatz geschöpft werden, sind sie durch
(') So richtig Heydemann, 4. Hall. Winckelmannsprogr. S. 14 f. Ich erin-
nere noch an die zierlichen Terracotta-Figuren : sie stellen sicherlich weder
Bräute noch Matronen dar ; vgl. Winter, Typen der figürl. Terrakotten I S.
90 n. 5 ; II S. 4 n. 6, 7 n. 3, 34 n. 7. 35 n. 7. Auf der Sosias-Schale (Berlin
n. 2278) haben auch die jungfräulichen Göttinnen Arterais und Athene,
ebenso Hebe und zwei der Hören den Mantel über den Kopf gezogen. Die-
selbe Tracht finden wir bei einem der Mädchen auf der Schale Gerhard
A. V. Tf. 297, 2 und an dem Innenbild Tf. 296, 3: beide Bilder stellen
Jünglinge im Verkehr mit Hetären dar. Sehr häufig ist die Verhüllung des
Kopfes auf den attischen Grabreliefs, und zwar nicht nur für die Hausfrau,
sondern auch für Nebenpersonen und Besuchende (z. B. Conze Tf. LXXII).
Schliesslich sei noch auf die Manteltänzerinnen hingewiesen, bei denen die
Verhüllung nur die Anmut der Tanzbewegung heben soll (vgl. Heydemann
a. a. 0.)
(2) Vgl. Relief im Louvre Clarac 214, 256 = Baumeister Denkm. I. 297;
Votivrelief aus Eleusis ebenda Baumeister I. 416; Relief in Villa Albain
Jahrb. d. Inst. II (1887) 109; Votivrelief an die Nymphen und Pan, Müller-
Wieseler II, 14, 555; Votivrelief an Asklepios aus Athen, Svoronos National-
mus. Tf. XXXV, 4. XXXVI, 3, die Fragmente ebenda XXXVII, 6. XL, 2.
ZUM LUDOVISISCHEN MARMORTHRON 311
bestimmte Anlässe des Kults hervorgerufen. So hat Pheidias auf
dem Cellafries des Parthenon nicht beliebige Verehrer der Athena
dargestellt, sondern die feierliche Prozession, die an dem Fest der
Göttin nach ihrem Tempel zog. Wir müssen also, um den Anfor-
derungen an eine Erklärung zu genügen, eine Gelegenheit suchen,
wo Bürgerinnen — eine solche ist jene Frau sicher, denn der Künstler
hat sie im bewussten Gegensatz zu der Nacktheit der Hetäre so
anstandsvoll dicht eingehüllt dargestellt — und Hetären an einem
Kult als solche teilnehmen und in ausgesprochenen Gegensatz
zu einander treten. Es giebt einen solchen Kult. In Korinth fei-
erten die Bürgerinnen für sich und die Hetären für sich der
Aphrodite ein öffentliches Fest, bei welchem die Hetären auch im
Komos umherzogen wie, eine Stelle des Komikers Alexis (') lehrt.
Die flöteuspielende Hetäre vertritt so recht die im lustigen
Komos umherschwärmenden Hierodulen, die dicht verhüllte Frau
die Bürgerinnen, welche gerade, weil sie gleichzeitig dieselbe
Göttin wie die Hetären feierten, noch strenger auf ein gemessenes
Auftreten Wert gelegt haben werden.
Bei der Besprechung unseres Monuments ist an das bekannte
Skolion von Pindar erinnert worden, wo er die Hierodulen zu Ko-
rinth ihre Göttin mit Räucherwerk verehren lässt (-). Nun ist es
gerade die Bürgerin, die Rauchopfer darbringt; warum sollte aber
nicht auch sie der Aphrodite ein so gewöhnliches und besonders
in dem Kreise dieser Göttin häufig vorkommendes Opfer darbrin-
gen können? Die Hetäre bläst die Flöte, weil der Künstler den
das Fest begleitenden Komos im Sinn hat.
Wenn also die Bilder der Seitenlehnen aus einem Fest der
Aphrodite zu erklären sind, so folgt, dass dasjenige der Rückwand
sich auf dieselbe Göttin beziehen muss. So wird hierdurch eine
(') Fr. 253 Kock:
'Jifoodiai i]yt taig tTatQaig ij nü'/.ig.
ereoa de /wjn'c toxi rmg ikerd-igats "
taig fjuegaig xavxatg tft x<o(id£eiv tüog
iaxlr vöuog xe lüg ixaloag iv&i'.Je
(us!>ve(y) fied-' ijuwv.
(2J Pindar Fr. 122 B4: iBg /honüg hßuvov gcci&ü ddxQTt 'Uutris. S.
Petersen a. a. 0. S. 57; v. Fritze- a. a. < >.
312 M. P. NILSSON
Stütze gefunden für die glückliche Deutung Petersens auf die aus
dem Meere auftauchende Aphrodite, welche die Hören empfangen
und bekleiden ('). Hierzu möchte ich noch auf eines aufmerksam
machen.
Die beiden Hören fassen auf dieselbe Weise jede einen Zip-
fel des Gewandes an, das vor dem Unterkörper der Göttin nieder-
hängt. Der obere Rand des Gewandes musste, wenn die Hand still
bleibt, von der Hand aus schräg einwärts verlaufen; so links. Nun
bildet er aber über dem Zeigefinger der Höre rechts, an welchen er
dicht gepresst liegt, einen Knick und nimmt darunter einen
zuerst etwas nach aussen abbiegenden Verlauf an. Ein solcher
Verlauf des Randes kann nicht entstehen, wenn das Tuch frei
niederhängt, sondern nur wenn es von der Hand nach hinten be-
wegt wird. Dieses Bewegungsmotiv zeigt also in der Tat, dass
die Höre im Begriff ist, das Kleid um die Göttin zu legen (2).
Stellen die Reliefs also die Feier eines korinthischen Aphro-
ditefests dar, so hat der Thron vermutlich der Aphrodite auf
Akrokorinth gehört. Eine Reihe korinthischer Münzen aus der Kai-
serzeit zeigen uns das Tempelbild: eine Aphrodite, die den Schild
des Ares als Spiegel vor sich hält; sie wird auch auf Akro-
(») Wolters, 'Ecf r,u. uQxaio'A. 1897 S. 222 hat die bekannte Hypothese
vorgetragen, dass eine Geburtsgöttin unter dem Typus einer in Kniestellung
gebärenden Frau dargestellt sei; ihm schliesst sich neuerdings Klein an,
Gesch. der gr. Kunst I, 397. Entschiedenen Widerspruch hat der Gynäkologe
Morgoulieff erhoben, Ftudes sur les mon. ant. repr. seines d'aecouchement,
Paris 1893, S. 45 ff.; vgl. Dümmler, Berl. philol. Wochenschr. 1894, S. 963.
Wolters hat selbst darauf aufmerksam gemacht, dass das kreuzweise über-
schlasene Bein der Hetäre als die Geburt hemmend betrachtet werden könnte,
dies aber abgewiesen, weil das Zeugnis römisch ist. Aehnlicher Aberglaube
begegnet aber auch in Griecheland, vgl. z.B. Schob Townley. T, 119: 'Iargog
de (frtaiv ätiivovarjg üXxfJirjvrjg xüg /eigug awax^v lüg Molgag. Uebrigens
dürfte die Flötenbläserin bei einer so ernsten Gelegenheit nicht nackt auf-
treten können. Heibig, Führer II3 119 vergleicht die Darstellung mit den
Vasenbildern mit der heraufsteigenden Göttin, hebt aber die grossen Ab-
weichungen hervor, welche hindern das Bild hierher zu ziehen.
(2) Leider ist dies in den bisherigen Abbildungen nicht genau zu er-
kennen, weil sie alle von rechts aufgenommen sind, so dass der Rand des
andes an der entscheidenden Stelle teils von der Hand, teils von dem
.Schatten verdeckt ist.
/IM I.rDOVISISCIlEN MARMORTIIRON 313
korinth oder in ihrem Tempel auf dein Berge dargestellt (').
Diese Statue kann aber erst der Zeit nach der Wiederherstellung
der Stadt durch die Römer angehören. Wie die ursprüngliche
Statue aussali, ist vielleicht aus einem Versehen des Pausanias
zu erschliessen. Er nennt II, 5, 1 die Aphrodite von Akrokorinth
eine (bnAiGfievr); man wird .sich aber schwer denken können, wie
er eine Gestalt, die sich halbnackt in einem Schild spiegelt, be-
waffnet nennen kann. Vielleicht beschreibt er hier nicht das zu
seiner Zeit tatsächlich vorhandene l>ild, sondern gehöpft nach seiner
Gewohnheit die Notiz aus einem älteren Periegeten. Man wird
auch leicht verstehen, dass bei der Wiederherstellung des Kultes
in der Römerzeit die fremdartig anmutende bewaffnete Aphro-
dite durch den geläufigen, etwas anklingenden Typus ersetzt wurde.
War aber das alte Idol bewaffnet, so müssen wir die oben er-
wähnte Möglichkeit in Anspruch nehmen, dass es auf dem Thron-
sitz stand.
Bei der Plünderung Korinths durch die Soldaten des Mum-
mius wurde auch der Aphroditetempel ausgeraubt. Die schönen
Reliefplatten, die den Hauptschmuck des Thrones der Göttin bil-
deten, sind mit so viel anderen nach Rom geführt worden, wo ein
günstiges Geschick sie uns bewahrt hat.
Martin P. Nilsson.
Rom, Februar 1907.
(') Catal. of. Greek Coins in, Brit. Mus. Corinth. n. 592, PI. XIX. 12;
n. 664 PL XXII, 7; im Tempel n. <i23, PI. XX. 23; die Münzen sind zu-
sammengestellt JUS. VI (1885) 75 ff. PI. Uli, <;. n. CXXI-CXXVI.
ARCHAISCHE ELFENBEINRELIEFS
(Mit Taf. XV-XVI).
Die auf Tafel XV in Originalgrösse reproduzierten archai-
schen von einem Kästchen stammenden Elfenbeinschnitzereien waren
in der Sammlung Guilhou und sind in Buvo gefunden (J) wor-
den. Die Anordnung auf der Tafel folgt der willkürlichen vom
früheren Besitzer vorgenommenen Verteilurjg auf dem modernen
Untergrunde, Man sieht zwei nach links sitzende als Appliquen
gedachte Löwen (Halbfigur, je 3,9 cm. lang, 1,75-1,9 cm. hoch)
und vier längliche dreimal mit seitlichen Falzen versehene, in
drei Fällen mit je vier, in einem mit nur zwei länglichen paral-
lelen Linien verzierte Streifen, deren Länge (einer ist fragmentiert)
von 4,9 cm. bis 10,7 cm. und deren Höhe von 1,2 cm. bis 1,8 cm.
variirt. Die ganz erhaltenen Leisten tragen auf ihrer schmalen
unteren Kante vier (das fragmentierte nur zwei) in regelmässigen
Abständen angebrachte Bohrlöcher; in dem einen auf A steckt
noch der Kest eines verrosteten Bronzenagels. Zwischen diesen
Streifen befinden sich nun zwei mit flachen Reliefs versehene oblonge
Platten. Die eine (auf A) ist 9,3 cm. lang und 3 cm. hoch. In
einem seitlich von einem Kymation begrenztem Rahmen sind zwei
mit jonischem Chiton und um den Unterleib geworfenem Himation
bekleidete Frauen auf einer Kline nach links hin gelagert. Unter
den 1. Armen kommt je ein Kissen zum Vorschein. Bei der rechts
gelagerten quellen unter der Spitzenhaube fünf sorgsam frisierte
gewellte Haarsträhnen hervor. Sie hat in eifriger Unterhaltung mit
der anderen ihr den Kopf zuwendenden Frau die rechte Hand ge-
sticulierend erhoben. Die andere Frau hält in der Rechten eine
(') Kurz erwähnt im Catalogue des oojets antiques et du moyen äge
provenant de la collection de M. Guilhou, Paris 1905 p. 49 n°. 327.
L. POLLAK, ARCHAISCHE ELFEN BEIKKEMEFS 31")
Blutenknospe am langen Stengel, in der Linken einen länglichen
Gegenstand, der seine Erklärung erst weiter unten finden wird.
Das Relief ist so wie es jetzt erhalten ist, nicht vollständig. Eine
untere Begrenzung fehlt. Hier schloss sich eine ebenso grosse Re-
liefplatte an, welche wahrscheinlich die Kline, dann vielleicht
noch ein Tischchen mit Speisen enthielt.
Den bankettierenden Frauen entspricht auf dem anderen leider
nicht so gut erhaltenen (9,8 cm. 1. 2,9 cm. h.) Relief B ein Jüng-
ling, der im Begriffe ist von einem nach links rennenden Rosse,
jenseits dessen ein zweites sichtbar wird, herunterzuspringen (').
Der Reiter, dessen lange Haarsträhne im Winde flattern, trägt
einen kurzärmeligen Chiton und eine Chlamys, deren Enden schwal-
benschwanzähnlich verlaufen. Vom jugendlichen Gesichte ist nur
ein Teil der Stirn und Nase und der Mund erhalten. Mit der ausge-
streckten Rechten hielt er die einst gemalt gewesenen Zügel, die
Linke scheint geballt gewesen zu sein und hielt einen stabarti-
gen Gegenstand vielleicht eine Peitsche. Die Pferde tragen vorne
auf der Stirne in der eiligen Bewegung hin und her geworfene
Haarbüschel, im Maule werden Zähne sichtbar. Auch hier schloss
sich eine zweite Platte an, welche das Relief weiter nacli unten
fortführte. Reste von roter Farbe sind auf dem ersten Relief in
der Haube, dem Gewände der Frau rechts und auf ihrem Kissen,
dann im Gewände der zweiten Frau und der von ihr gehaltenen
Knospe zu constatieren ; auf dem Reiterrelief in den Mähnen der
Pferde und der Chlamys. Auch der Löwe, welcher über dem Relief
sitzt, war bemalt. Dasselbe Rot sitzt noch jetzt in seinem Maule
und auf den Hinterbeinen. Auch die länglichen Streifen zeigen in
den parallelen Linien Spuren dieser Farbe.
Auf der Rückseite weisen alle diese Kästchenteile schräg ein-
geritzte, theils parallel laufende, theils sich kreuzende Linien auf.
Ihr Zweck kann- nur der gewesen sein, dem Klebemittel, mit dem
diese Blättchen auf dem hölzernen Gestelle befestigt waren, durch
die so erzielte Rauheit einen stärkeren Halt zu geben als ihn sonst
die flache Rückseite bot ('-).
(*) Vgl. die freilich ein Jahrhundert jüngere Gruppe aus Lokri Pe-
tersen Rom. Mitth. 1890 Taf. IX.
(a) So müssen wir auch die Linien auf dem Elfenbeinrelief aus Sputa
B. C. II. II pl. XVI. r. p. 2 13 erklären.
316 L- PULLAK.
Diese lleliefs stellen eine wichtige Frage für eine ganze
Klasse von Denkmälern aus Elfenbein und Kuochen, welche stili-
stisch und zeitlich einheitlich sind und im Zusammenhange bisher
nie behandelt wurden. Eine Aufzählung wird nötig sein. Es sind mir
folgende Exemplare — die meisten auch aus Autopsie — bekannt
geworden (*) :
I. Louvre. Aus der Sammlqng Campana. 1855 in Corneto gefunden. Elfenbein.
Brunn in Jen Ann. delVIst, 1860 p. 478, Mon. delVht. VI pl. 46 (1-4).
Hier auf Tafel XVI nach freundlichst von der Direktion des Louvre
gestatteten zum ersten Male hergestellten photographischen Aufnahmen.
Die aus je zwei separaten Täfelchen gearbeiteten keine richtigen
Oblongen bildenden Platten gehören, wie mir Michon schreibt, paar-
weise zusammen und zwar einerseits a) Bankettscene (11,4 cm. 1.,
6,6 cm. h.) und b) Wagen (11, 6 cm. 1., 6,4 cm. h.); andererseits c) Me-
erwesen (10, 6 cm. 1., 6,5 cm. h.) und d) Hirschjagd (11 cm. 1„ 6,5
cm. h.) Ich notierte mir im Sommer 1906 Reste von Rot im Haare des
Meerwesens, dann auf seinem Polster, in der Mähne der Flügelpferde;
Reste von aufgesetztem Schaumgolde in dem die Reliefs umgebenden
Kymation. Ob auf der Rückseite Buchstaben eingeritzt sind, kann man
nicht mehr entscheiden, da die sehr zerbrechlichen Platten seinerzeit
unlösbar auf Karton aufgeklebt wurden.
II. Museo archeologico in Florenz. Knochen. Aus Orvieto. Publ. Museo Ital.
III p. 213. Graeven, antike Schnitzereien Phot. 10. 11. Kymationrand
a) Zwei Jünglinge bankettierend ; b) Hirschjagd; c) fragmentiert, drei
bankettierende Personen; d) Löwe, Rundfigur.
III. Unsere auf Tafel XV publizierten Elfenbeinreliefs aus Ruvo.
IV. British Museum. Elfenbein. Neue Erwerbung 1906. Vgl. Archaeologischer
Anzeiger 1906 p. 250. Meiner Ansicht nach wahrscheinlich identisch
mit den im Catalogue Guilhou unter n. 328 ohne Provenienz angege-
benen drei Fragmenten.
Hier nach freundlichst von der Museumsleitung erlaubten Photogra-
phien publiziert (Fig. 1) und zwar: a) ein Steinbock wird von einem Löwen
in den Nacken gebissen, 10,5 cm. 1., 3,3 cm. h. Der untere Teil der
Platte fehlt; b) kleines Fragment, 4,6 cm. L, 2,2 cm. h. Zwei beflü-
gelte Vorderfüsse eines Pferdes. Die Darstellung muss dem Pariser Re-
lief Ib ähnlich gewesen sein; c) im Museum selbst zusammengestellt
und darnach so photographiert, aber meiner Ansicht nach trotz der
Ci Der Unterschied des Materials, ob Elfenbein oder Knochen, ist nicht
scheidend. Die Alten benützten beide gleichwertig. Ich habe hier nicht
bloss die Reliefs sondern auch die anderen in jeder Hinsicht zugehörigen
figürlichen Appliquen der Kästchen aufgezählt. Nicht notiert sind dagegen
die in vielen Sammlungen sieh findenden einfachen Leisten.
AHCHAISCHE F.LFENBEI.NRELIEFS 317
scheinbar auf der Rückseite übereinstimmenden schrägen Striche nicht
zusammengehörig. 11,5 cm. 1.. 6 cm. h. Oben Silen nach 1. gelagert.
Von einer zweiten links von ihm gelagerten Figur ist nur eine Hand
erhalten (die unmöglich zum silen gehört hat) die ihm eine Schalt (?)
(Trinkhorn?) reicht, unklar ist der über die Brusl des Silens querüber-
gehende Schweif. Gehörte er zu der fehlenden Figur links? Auf der
Fi?. 1.
unteren Platte sieht man einen Panther, über ihm ein Krotalenpaar,
links einen Silenschweif und dazwischen einen unklaren einem Thier-
schenkel ähnlichen Gegenstand.
V. Ebenda. Aus der Sammlung Millingen. Knochen. 10,5 cm. 1.. 2,3 cm. h.
Zwei nach 1. gelagerte Frauen mit Spitzhaube in Conversation. Auf der
Rückseite eingeritzt S'-fc .
VI. Ebenda. Bein. Einst Sammlung Chester. Aus Chiusi. 8.7 cm. 1., 1,2 cm. h.
Nach r. gelagerter Hund. Auf der Rückseite geritzt T-J' •
VII. Ebenda. Pein. Fragmentiert. 3,3 cm. 1., 2,2 cm. h. Nach 1. gelagerter
grosser Vierfüssler (Rind?).
318 L« POLLAK
VIII. Ebenda. Unter den Ivoiries befindet sich als n. 10 ein archaisches
Kiistchen aus Chiusi. Einst Coli. Castellani. Als einzig erhaltenes Spe-
cimen eines solchen Kästchens wäre es sehr wertvoll, wenn es nicht
leider ein Pasticcio wäre. Es sind darin folgende Reliefs eingelassen
(je ca. 12 cm. 1., 8 cm. h.): a) Mann mit einem Pferd (rote Farbspu-
ren); b) Sphinx nach r. gelagert; c) fliehende Gestalt (weiblich?). Iden-
tisch mit dem von Graeven a. a. 0. p. 36 (Anm. 4) citierten Kästchen ?
IX. Bei Pröhner in Paris. Elfenbein. Einst Sammlung Gre'au. Aus Etrurien.
7 cm 1., 2.8 cm. h. Nach von Froehner liebenswürdigst gesandter Pho-
tographie auf Taf. XVI publiziert. Drei Tauben fliegen nach 1. über
das Meer. Auf der Rückseite eingeritzt A-
X. Ebenda. Aus Etrurien. 6,6 cm. L, 2,2 cm. h. Kymationrand. Löwe nach
1. liegend leckt die linke Vorderpfote. Rückseite : L •
XL Ebenda. Aus Etrurien. 5,8 cm. 1., 1,7 cm. h. Kymationrand. Ein Löwe
beisst in den Rücken eines Esels, ein zweiter Esel liegt r.
XII. Ebenda. Aus Cypern. Einfacher Rand. 6,2 cm. 1., 2,5 cm. h. Hase nach
1. liegend. Rückseite A ■
XIII. Ebenda. Aus Cypern. Einfacher Rand. 7,4 cm. 1., 2,2 cm. h. Nach 1.
liegender nicht näher charakterisierter Vierfüssler.
XIV. Ebenda, Aus Cypern. Einfacher Rand. 8,2 cm. 1., 2.2 cm. h. Ein nach
1. laufender Hase wird von einem Hunde verfolgt. Rückseite 14^ N°. XII-
XIV stammen möglicherweise von eine m Kästchen.
XV. Im Pariser Kunsthandel. Elfenbein. 11 cm. 1., 3,3 cm. h. Kymationrand.
Zwei Löwen haben von r. und 1. her ein Rind überfallen und zu Boden
geworfen. Rückseite'. -^ ■ Ausgezeichnete Arbeit. Auf Tafel XVI nach
einem freundlichst von Froehner besorgten Abgüsse publiziert.
XVI. Genf. Musee Fol. Elfenbein. 10,3 cm. 1., 2,1 cm. h. Einfacher Rand.
Drei bankettierende Jünglinge (im Catalogua als Frauen bezeichnet).
Publ. Musee Fol, catalof/ue descriptif vol. II pl. XIV p. 551.
XVII. Berlin. Antiquarium- Knochen. Terr. luv. 2570. 7 cm. 1., 2,3 cm. h.
Kymationrand. Nach 1. gelagerte vollgekleidete Flügelfigur, die in der
B. einen Zweig hält. Wie die folgenden bis XXI von Gerhard, also
höchst wahrscheinlich aus Etrurien. Mit Erlaubnis des Geh. R. Kekule
v. Stradonitz, dem auch die Photographie verdankt wird, hier publi-
ziert. Spuren roter Bemalung in den Vertiefungen.
Fi«
ARCHAISCHE ELPBNBEINRELIKF8 319
XVIII. Ebenda. Knochen. luv. 2573. 8,1 cm. 1., 2,4 cm. h. Kymationrand.
Zwei gelagerte Frauen mit Spitzhaube. Die Frau links halt einen Zweig.
r -- ;\" \- " — • --.' ■ . * ■ -a
XIX. Ebenda. Knochen. Inv. 2569. 7,9 cm. 1., 2,8 cm. h. Einfacher Fand.
Nur die untere Hälfte des Reliefs ist erhalten. Man sieht den 1. Ann
mit der Hand und den in ein Gewand gehüllten Unterleib einer auf
Kissen gelagerten Gestalt.
Fig. 4.
XX. Ebenda. Knochen. Inv. 2572. 7,8 cm. 1., 2.3 cm. h. Vielleicht Pendant zum
vorhergehenden. Untere Hälfte eines nach r. liegenden geflügelten
Tieres mit Spalthufen.
Fig. 5.
XXI. Ebenda. Knochen. Inv. 6362. 11. 4 cm. 1. 2,3 cm. h. Einfacher Fand
Wasservogel und Hund? (geflügelt?) Rückseite A Vv
Fiff. 6.
320 L. POLLAK
XXII. Aus Marzabotto. Knochen. Publ. Gozzadini, ulteriori scoperte a Mar-
zabotto tav. XII, 4 p. 11. Drei nach r. fliegende Tauben Rückseite: f\.
XXIII. Aus Vulci. Von Micali, mon. per servire alla storia etc. tav. XLI,
n°. 10 publiziert. Verbleib unbekannt. Kymationrand. Bankettscene. Reste
von Vergoldung im Kymation, von Rot in den Haaren, Gewand, Kissen
und Kline.
XXIV. Ebendaher. Micali 1. c. XLI n°. 11. Kymationrand (Vergoldungsreste).
Ein nackter Jüngling attakiert einen überaus mächtigen Löwen (Kiefer
roth). Rückseite ^-Q.
XXV. Museo Gregoriano. Wie bis n°. XXXIII aus Vxüci. Elfenbein. Einfacher
Rand. S, 9 cm. 1., 2 cm. h. Zwei nach r. liegende grosse Hunde. Publ.
Mus. Greg. A. II tav. XCIX; Kanzler avori della biblioteca Vaticana
tav. d'app. n. 16 (mit Micali 1. c. n. 12 identisch). Rückseite: 4, Ö-
XXVI. Museo Gregoriano. 6, S cm. 1., 2, 4 cm. h. Einfacher Rand. Nach 1.
liegendes Rind. Kanzler 1. c. n. 15 Mus. Greg. A. II tav. XCIX, Mi-
cali 1. c. n°. 13. Rothe Farbenreste. Rückseite >j.
XXVII. Museo Gregoriano. Kymationrand, Spuren von Gold. 7, 2 cm. 1.,
2,8 cm. h. Zwei Tauben im Wappenschema zu Seiten eines palmartigen
Strauches etwas am Boden aufpickend. Auf der Rückseite sah ich die
bis jetzt übersehenen geritzten Zeichen: |>|(. Kanzler 1. c. n°. 10. Mus.
Greg. A. II tav. XCIX.
XXVIII. Museo Gregoriano. Sphinx 4, 5 cm. 1., 2 cm. h. Die Gestalt (der Kopf
fehlt) war aus zwei aneinander geleimten Hälften zusammengesetzt, die
später auseinander fielen und getrennt publiziert wurden. Kanzler 1. c.
n. 23. 24 (= Mus. Greg. A. I tav. VIII, 6). In einem Loch auf der
Unterseite sass ein Nagel, mit dem die Sphinx auf einem Kästchen
akroterienartig aufsass.
XXIX. Museo Gregoriano. Löwe, 3, 1 cm. 1., 2,2 cm. h. Wie bei der Sphinx
bildeten auch hier die von Kanzler 1. c. n. 11. 13 getrennt publizierten
zwei Teile ein Ganzes. Mus. Greg. A. I. t. VIII, 5. Loch auf der Un-
terseite.
XXX. Ebenda. Löwe, grösser als der vorhergehende. 4, 7 cm. 1., 2,1 cm. li.
Kanzler 1. c. n. 20; Mus. Greg. A. I. t. VIII, 7.
XXXI. Ebenda. Löwe, kleines Fragment 2,5 cm. 1., 2 cm. h. Kanzler 1. c. n. 17.
XXXII. Ebenda. Taube, ganz erhalten 4,5 cm. 1. 2,5 cm. h. Auf der Unter-
seite ein Loch. Kanzler 1. c. n. 25.
XXXIII. Ebenda. Drei Fragmente einer grösseren Platte aus Elfenbein. 8, 5
cm. 1., 7 cm. h. Die Darstellung zeigt einen Mann mit Lendenschurz
im Kampfe mit einem mäehtigen Thiere, das den Tatzen nach katzen-
artig gewesen sein muss. Der Mann würgt das Thier ungefähr wie der
Jüngling den Hirsch in II b. In der alten Publikation Mus. Greg. A.
I tav. VIII 4 sind die drei Fragmente in ihrer richtigen Lage publi
ziert, die neue von Kanzler (1. c. n. 28.36) besorgte hat nur zwei von
ihnen gebracht, diese in ihrer Zusammengehörigkeil nicht erkannt, das
dritte überhaupt weggelassen. Reste von Rot in den Haaren. Auf der
ARCHAISCHE ELFBNBETNREL1EFS 321
Rückseite nur schräge Linien. Die untere Einfassung ist nicht wie die
Publica! innen zeigen ein Wellenband, sondern das gewöhnliche Ky-
raation.
XXXIV. Rom, Kunsthandel. Die von Graeven Antike Schnitzereien Phofc. 76
(Text]). 121 f.) publizierten Knoclienreliefs aus Capua und zwar a) zwei
Eber (der eine zeigt ein Loch, der andere zwei zur Befestigung); //) zwei
Löwen, der kleinere ist intakt, der grössere hat auf der Rückseite ein |
eingeritzt.
XXXV. Bei mir. Elfenbein. Fragmentiert, 8, 0 cm. 1., 1,8 cm. h. Nach rechts
liegender grosser Hund (?).
XXXVI. Einst im Besitze Emil Brauns. Löwe. Elfenhein. 6 cm. 1. Pnhl.
Ann. 1856 tav. XXX p. 118, ss.
XXXVII. Museo Faina in Orvieto. Löwe. Graeven Phot. 11. Text p. 64.
XXXVIII. Aus Nora in Sardinien. Publiziert Patroni in Mon. dei Lincei XIV
(1904) p. 203-204 fig. 29. Knochen, a) Hase und Kalb?; b) Och- and
ein anderes fragmentirtes Thier ; c) Hase.
XXXIX. Hannover. Kestnermuseum. 1 — 2.5 cm. h., 5 — 6 cm. 1. Knochen.
Citiert Schuchhardt Führer2 S. 71 n. 1031-32 gelagerte Franen, n. 1033-
1034 liegende Thiere. (Reste von Blattgold, Kot und Blau nach freundli-
cher Mitteilung Schuchhardts). Vgl. auch Graeven 1. c. p. 21 A. 1.
Alle diese Elfenbein - oder Knochenschnitzereien bilden in jeder
Hinsicht eine einheitliche Gruppe von Denkmälern. Sie stammen
von kleinen Kästchen. Die grösseren Reliefs sassen höchst wahr-
scheinlich in der Mitte der Langseiten, die kleineren in den Neben-
seiten, die Rundfiguren wie die Löwen. Sphingen und Tauben muss
man sich akroterienartig auf den Deckeln befestigt denken. Wie
man sich eine solche Verteilung vorzustellen hat, versinnbildlicht
am besten der grosse Sarkophag aus Golgoi bei Cesnola Descr. Atlas
I, pl. LXX1V n. 476-479. Hier sehen wir auf den Hauptseiten
in durchaus rein griechischer Auffassung ein Bankett und eine
Jagdscene, auf den Nebenseiten in stark orientalisierender Dar-
stellung einerseits einen von zwei Pferden gezogenen "Wagen, ande-
rerseits Perseus und die Medusa. Auf dem Deckel ihn flankierend
vier Löwen. Für ein kleines Kästchen werden wir aber besser
statt des Satteldaches einen flachen Deckel mit oder ohne Char-
niere (') annehmen müssen. Leider ist nicht ein einziges .-olches
hölzernes Schmuckkästchen uns ganz erhalten geblieben (-). Was
(') Vgl. die Lade der Danae z. B. in der Vase Mus. Borh. II tav 30,4.
(2) Au- Mykenae iCypressenholz) vgl. Schliemann Mykenae S. IT."«
Fig. 222 dazu s. :'.79;als Nachahmung solcher Kästchen die Aschenkisten
•J-J
322 L- poi.i.ak
dem Zahne der Zeit widerstand, sind nur die festeren Teile; das
Holz selbst, welches das Gerüste bildete, zerfiel. Die seitliche Be-
grenzung dieser Reliefs bildet, wenn sich der Künstler nicht mit
einem blossen Rähmchen begnügt hat, ein Kymation, an dem in
einigen Fällen noch Spuren von Vergoldung zu constatieren sind.
War das Relief etwas grösser, so half sich der Künstler um Ma-
terial zu ersparen in der Weise, dass er es aus zwei aneinander-
schliessenden Platten herstellte. Jetzt da die Reliefs des sie festhal-
tenden Gerüstes entbehren, ist der Anschlusspalt oft störend
sichtbar. Er verschwand sobald das Relief in den Kasten eingelas-
sen war. Ueberdies hat der Künstler in dem Orvietaner Relief der
Hirschjagd (II b) diesen Spalt in sehr geschickter Weise dadurch zu
verdecken gesucht, dass er einen genau der Richtung des Spaltes
folgenden Speer schnitzte. Hat der Speer aber bei der Hirschjagd
einen Sinn, so entbehrt dessen der aus gleichem Grunde ange-
brachte Stab in der Rechten des bankettierenden Jünglings.
Was die näheren Fundumstände betrifft, so sind von der ganzen
Reihe nur die der Orvietaner und des gewiss gleichzeitigen Reliefs
aus Marzabotto genau bekannt. Von Wichtigkeit ist, dass man
in demselben Orvietaner Grabe eine Schale des Chachrylion (Mus.
Hai. III 209) und schwarz figurige Vasen fand, die man ungefähr
dem Ende des sechsten Jahrhundertes v. Chr. zuschreiben muss.
Aber die Reliefs sind entschieden altertümlicher und so mag schon
eine Generation das Kästchen, dem sie angehörten, als kostbares
Gut besessen haben ehe es dem Todten ins Grab mitgegeben wurde.
Einen entschieden noch etwas älteren Eindruck machen die Pariser
Reliefs aus Corneto (n. I), die Glanzstiicke der ganzen Serie. Die
markanteste Gestalt dieser Reliefs ist das merkwürdige Meerwesen.
aus Thera Dragendorff Thera p. 56 Abb. 190, p. 90; Fragment aus Lusoi
Oesterr. Jahresh. 1901 S. 57 Fig. 114; aus Dodona Carapanos Dodona
pl. 54,8. Kalkstein aus Cyperu Cesnola 1. c. pl. 79 n°. 505-507. Vgl. auch
das Kästchen der Hegeso, die xißtoroi des Parthenongiebels Studniczka
Jahrb. 1904 S. 5. Sehr gross ist die Zahl solcher Kästchen auf den unter-
italischen Vasen, vgl. Watzinger Holzsarkophage aus der Zeit Alexander d.
Gr. S. 90 f. Eine weitere Fortbildung dieser Kästchen Verzierung bilden,
freilich zu sepulkralen Zwecken, die stilistisch ganz anderswohin gehörenden
genannten 'nierischen' Thonreliefs.
ARCHAISCHE ELFENBEINREL IEFS '■•-■'>
Es ist die individuellste Gestalt unserer ganzen Keine. Die grosse
semitische Hakennase giebt ihm einen persönlichen Charakter, der
dieses Fabelwesen unter allen hervorhebt. Am nächsten stehen
ihm unter etwa gleichzeitigen Werken der Alkyoneus einer caere-
tanischen Hydria (') und der Eurytion des grossen Heraklespiede-
stalreliefs aus Golgoi (2). Auch auf anderen cyprischen Sculptu-
ren (:!) begegnen wir dieser so prononciert gebogenen Nase. Die
Anordnung des Haares hat er mit dem grossen Kopfe aus Didyma (')
gemeinsam. Die Fische, welche er symbolisch in den Händen hält,
scheinen eher Thunfische (5) als Delphine zu sein. Eine besondere
Aufmerksamkeit verdienen die prfichtigen Pferde der Wagenscene
(Taf. XVI), deren Köpfe bis in die Details hinein sich in den auf
Taf. XV publizierten fast identisch wiederholen. Es sind edle
Rennpferde, auf deren Pflege grosse Sorgfalt verwandt wurde.
Auch hier wieder ein geradezu frappierender Realismus, der
schwerlich überboten werden kann. Sie erinnern auffallend an die
assyrischen Pferde, die treulichsten des Alterthums (ö). Vorn auf
der Stirne die gesondert gekämmte lose Locke, weiche bei der
eiligen Bewegung zum Teile seitlich unterhalb der Ohren, zum
Teile zwischen ihnen im Winde flattert. Wir werden an die Stele
vom Dorylaion (7), an das Relief aus Brussa (8), an eines von Kv-
zikos (9) und an die Pferde des Frieses vom knidischen Schatz-
hause in Delphi (10) erinnert. Auch ein jonischer Goldring (u)
wäre hier herbeizuziehen. Für die Beflügelung, die auf der Pari-
ser Platte wie der Londoner Replik nur die ausgezeichneten Renn-
qualitäten der Thiere symbolisiert, sei hier nur auf die ungefähr
(') Mus. Greg.B. II T. XVI. 2; Endt Beitritte zur jonischen Vasenma-
lerei n. 4. Vgl. auch die Kentauren Ann. delVIst. 1863 tan. d? agg. E.
(2) Cesnola descr. atlas pl. 122 N°. 912.
(s) Vgl. Holwerda, die alten Kyprier in Kunst und Kultur p. 12 Taf. V. 16.
(4) Collignon hist. de la sculpt. I fig. 79.
(5) Vgl. den Goldfund von Vettersfelde Furtwängler S. 27; Münzen von
Kyzikos Cat. Brit. Mus. Mysia.
T) Vgl. Coli. Barracco pl. XVa Text p. 18 ff.
(7) Ath. M. 1895 Taf. II S. 5.
(8) Arch. Anz. 1905 S. 55.
(9) B. C. IL 1894 i». 49:].
(10) Fouilles de Delphes pl. VII- VIII.
(u) Furtwängler Gemmen Taf. VII, 1.
324 L- POLLAK
gleichzeitigen überirdischen Pferde des Peruginer Reliefs (') hin-
gewiesen. Die Zähne der Pferde werden auf den Vasen von Da-
phnae (2), Sarkophagen von Klazomenae (:i) und den Peruginer
Reliefs (4) ebenso sichtbar. Die Pferde der Elfenbeinreliefs sind
entschieden assyrischer Zucht. Von den persischen unterscheidet
sie deutlich das Fehlen des aufrechtstehenden aufgebundenen Scho-
pfes (5). Sie sind schlanker, ihr Kopf ist viel edler und. wenn man
sagen darf, mehr durchgeistigt gebildet als die plumperen gedrun-
genen persischen Rosse ihn besitzen. Zwischen diesen assyrisch-
griechischen Rossen und denen des Mutterlandes liegt eine weite
Kluft. Die letzteren sind eben eine andere Rasse, wie auch die
ganze Kultur eine andere war.
Der Lendenschurz des Jünglings in der Bankettscene links
(Tafel XVI), der in dem Luterion seine Hände wäscht, ehe er seine
Herren bedient, findet seine genaue Analogie im Relief n. XXXIII
und am Achill der stark unter jonischem Eimiuss stehenden Cor-
netaner tornba dei tori (6), die überhaupt auch in den wehenden
Haaren des Troilos an unsere Reliefs erinnert. Hingegen erschei-
nen, was sehr wichtig ist, die Haare auf den klazomenischen Sar-
kophagen ganz anders gebildet ("). Dass der ' Tutulus ' und die
Schnabelschuhe jonisch sind, weiss man schon seit längerer Zeit (8)
Aus dem Oriente kamen beide zu den Joniern und von da mit
vielen anderen jonischen Elementen auch nach Athen (9).
Die Kränze auf dem Pariser Bankettreliefe hängen an Wandnä-
geln. In gleicher Bildung, wie aus Ringen zusammengesetzt kom-
men sie auch auf einer jonischen Vase (10) vor. Zum Halsbande der
(i) A. Denkm. II Taf. 14.
(2) A. Denkm. II Taf. 21,2.
(3) Zum Beispiel A.D. II Taf. 26.
(*)R. M. 1894 B. 315.
T) Vgl. Amelung im Nachwort zu Clierbuliez Ath. Plaudereien über
ein Pferd des Phidias, S. 20 des Separatabdrucks.
(«) Ant. Denkm. IL Taf. 41 Text S. 3 ff.
V) Vgl. z. B. Ant. Denkm. II. 26.
(8) Dümmler IL M. 1887 p. 185; Savignoni Mon. dei Lincßi 1808
p. 534, R. M. 1906 p. 71 f.; Petersen a. a. 0. p. 290 fig. 4; Endt 1. c. 51. Vgl.
auch die Scherbe aus Eleusis Ath. M. 1906 Taf. XVII, I.
(9) Vgl. die Euthvmidcsvase Klein M. S.s 195, Euphronios' p. 110.
Micali mon. ined. tav. XXXVI. Vgl. auch diu Caeretaner Hydria
< 'astellani, Endt Abb. 3.
ARCHAISCHE ELFENBEIHEELIRFS 325
Frau vgl. die eine AViener Caeretaner Hydria Masner n. 218 und
Scherben aus Daphnae (M- Die auf dem Boden stehenden Gefässe
verdienen eine besondere Aufmerksamkeit. Solche Kannen mit hohem
Schnabel, runden seitlichen Knöpfen am oberen Austritte des Hen-
kels aus dem Gefässkörper, werden auf einem Bronzehenkelreliefe
aus Kition (2) von Löwendämonen gehalten. Eine ähnliche Kanne
sieht man im oberen Streifen des Wandgemäldes der tomba delle
leonesse ('■). Die auf hohem Fusse in Pariser Relief links von der
Kanne steheude henkellose Schale findet ihr Analogie auch in cy-
prischen Funden (4). In den vier auf der Schale liegenden länglichen
Gegenständen könnte man besten in Scheiben geschnittene Früchte
(Melonen?) erkennen. Eine solche Scheibe hält auch die eine Frau
des Ruveser Reliefs (Taf. XV).
Die Vorliebe für Flügel, welche der Künstler der Pariser
Reliefs überall wo es nur irgendwie ging, anbrachte, ist echt jo-
nisch (■') und bezeichnend für den am meisten poetisch beanlagten
aller griechischen Stämme. Die Flügel am Rücken und Füssen des
Hirschjägers (Taf. XVI) sollen auch nur die Schnelligkeit symbo-
lisieren, mit der er den flüchtigen Edelhirsch (6) eingeholt und
gestellt hat. In merkwürdigem Gegensatze zu der Wucht und
Schnelligkeit des Vorganges beisst das hündinähnliche Thier sehr
gemächlich den Hirsch in den Bauch. Die Hirschjagd ist ein be-
liebtes Thema klazomenischer Sarkophage und caeretanischer Hy-
drien (7). Ein Edelhirsch ist auch jedenfalls auf dem Orvietaner
Reliefe n. II £ gemeint. Die zwei Jünglinge haben eine mächtige
Arbeit das gewaltige Thier zu bewältigen. Der vom Löwen des
Londoner Relief (v. S. 317) in den Nacken gebissene Steinbock
(') Endt a. a. 0. S. 13.
(2) Cesnola Descr. Atl. vol. III pl. LIV ; Perrot-Chipiez hist. III p. 795
fig. 556.
(3) Antike Denkm. II Taf. 12.
(*) Murray excavaliom of Cyprus fig. 63 n". 1011.
(5) Vgl. Savignöni K.M. 1S97 p. oll ; Klein Kunstgesch. I. S. 189.
(öJ Wie auf den 'politischen' Vasen im Gegensatze zum Damhirsche, den
die caeretaner Eydrien und die klazomenischen Sarkophage bevorzugen. Vgl.
Endt 1. c. S. 71.
(T) Z.B. Sarkophag in Wien, Ant. Denkm. 1. Tai. 15; Paris, Caeretaner
Hydria E 697, B. C. H. 1892 fig. 8.
326 L. PÖLLAK
erinnert genau an die Steinböcke der altinilesischen Vasen und
klazomenischen Sarkophage (1).
Ein besonderes "Wort hoher Anerkennung erfordert das herr-
liche lebensvolle Relief (Taf. XVI) der zwei Löwen, welche das
Rind zu Fall gebracht haben. Der Typus ist häufig, aber dieses
Speciruen gehört zu den trefflichsten seiner Art und kein Lob ist
zu viel. Die griechische Heimat dieses Typus ist wahrscheinlich
Phokaea (2), seine Urheimat war aber der Osten.
Die nächsten Analogien boten also, wie wir sahen, jonische
oder durch diese beeinflusste Denkmäler. Oft wurden klazomenische
Sarkophage und , pontische ' Vasen zum Vergleiche herbeigezogen.
Nachdem einmal die Theorie des etrnskischen Ursprunges der
Pariser Reliefs — Milani (3) und Graeven (4) suchten sie als letzte
vergeblich noch festzuhalten — überwunden war, forderte die Pro-
venienzfrage eine strikte Antwort. Furtwängler (5) hat die Pariser
Reliefs als in Italien von Phokaeern gearbeitet erklärt. Furtwäng-
lers Hauptgrund war, dass es etruskische, nicht griechische Sitte
gewesen sei, Mann und Frau auf einem Lager beim Mahle darzu-
stellen. Der Grund ist nicht stichhaltig, wie letzthin G. Körte (6)
bewies. Ob die grossen jonischen Terracottasarkophage mit dem
Ehepaare auf den Deckeln aus Cervetri wirklich in Italien gear-
beitet sind, ist bis jetzt nicht erwiesen und scheint mir (7) sehr
wenig wahrscheinlich ; auch die von Furtwängler einer phokaeeisch-
italischen Fabrik zugewiesenen archaischen Goldringe sind wahr-
(') Vgl. Thiersch, tyrrhen. Amphoren S. 105.
(2) Usener, de Illiaclis carmine phocaico p. 6,15. Vgl. z. B. auch Ke-
kule Terr. v. Sicilien S. 47 Fig. 100, Taf. 54,2. Aus Lokri Epizephyrioi Not.
d.egli scavi 1906 p. 55.
(») Mus. Ital III. S. 213.
(*) A. a. 0. p. 124. Er setzt die zwei Eber auch sicher zu spät an.
Die Eber erinneren ganz an das Relief von Syme (B. C. IL 1894 pl. VIII ;
Perrot-Chipiez VIII p. 331) und an klazomenische Sarkophage (Endt S. 9).
Zu vergleichen ist noch der prächtige jonische Bronzeeber aus Cumae Bur-
lington föne arts club exhibition 1904 pl. LVIII, C. 63, (zu spät angesetzt).
Vgl. auch Furtwängler Gemmen VI »17. VII 67.
(5) Gemmen III S. 88 f.; vgl. Savignoni Jl/on. d. Lincei 1897 p. 367.
(•) Pauly-Wissowa s. v. Etrusker, S. 13 des S..«paratabdrucks.
(7) Allerdings kann ich mir sie nicht aus kretischer Provenienz stam-
mend denken wie Hauser Oest. Jahresh. 1906 p. 119 f. annehmen möchte.
ARCHAISCHE KLFENBEINRELIEKS 327
scheinlich doch ostjonisch. Ein typisch ganz ähnlicher, nur in dem
Motive des Zwillingskastens abweichender Goldring wurde in Cu-
rium auf Cypern gefunden (*), ein anderer derselben Provenienz
mit einfachem oblongem Kasten und zwei Flügeliiguren (2) schlicsst
sich ihm an. Dies sind genug Instanzen gegen eine phokaeisch-ita-
lische Provenienz (:1).
Wie verhält sich nun dazu die evident typisch wie künstle-
risch gleichartige auch chronologisch gleichzeitige Serie unserer
Elfenbeinreliefs?
Keines von ihnen stammt von dem kleinasiatischen Festlande.
Weitaus die Mehrzahl ist in Italien, die meisten von diesen wie-
derum in Etrurien gefunden worden, drei (n. XXXVIII) in Sar-
dinien ; die auf Taf. XV publicierten kamen in Apulien zum Vor-
schein, drei aber (n. XII-XIV), und das ist wichtig, stammen aus
Cypern.
Die die Reliefs seitlich einfassenden Kymatien finden ihre Ana-
logien in specifisch jonischen Denkmälern (4), die von den Frauen
gehaltenen Ranken und Knospen begegnen uns öfters in Bildern
der klazomenischen Sarkophage. Aber von Grund aus verschieden
und auf keinen andern, weder aus dem Mutterlande oder Kleinasien
noch Italien stammenden griechischen Werken genau so vorkom-
mend sind die merkwürdigen strauchartigen Gewächse wie sie auf den
Pariser Reliefs in der Bankettscene links, in der Hirschjagd rechts,
dann weiter auf dem fragmentierten grösseren Reliet des Museo
Gregoriano (n. XXXIII) und einfacher auf dem Taubenreliefe
(n. XX VII) sichtbar werden (s. u. S. 331). Man sieht am Stengel
eines ziemlich hohen Strauches eine pinienzapfenähnliche Knospe
und weiter oben eine zwar schon etwas mehr aufgegangene, aber
doch noch nicht offene Knospe. Dies sind ganz andere Gewächse als
aus dem Boden spriessenden das Terrain bezeichnenden Ranken, die
wie sie ostgriechische (5) Denkmäler öfters vor Augen führen. Die
(') Cesnola 1. c. III. pl. XXX n. 1 ; Furtwängler III S. 87.
(") Cesnola 1. c. n. 7. Dieser mag vielleicht wegen des 'Xilschlüssels'
ans Daphnae importiert sein.
(:i; Vgl. auch R. v. Schneider in der Festschrift für Th. Gomperz S. -Hl.
(*) Savignoni Mon. Lince» 1897 p. 278 ff., Rom. Mitth. 1906 Taf. II.
Fig. 1 S. 67.
(5) Klein Kunstgesch. I S. 159; Mon. Piot 1S97 pl. V-VII.
328 L. POLLAK
nächsten Analogien zu diesen vielleicht doch Lotos darstellenden
Gewächsen bieten im Orient entstandene Bildwerke. An assyri-
schen heiligen Bäumen (l) kommen solche noch geschlossene Blü-
tenknospen ähnlich vor, weiter aufgegangene Knospen derselben Art
zeigen cyprische (2) Denkmäler; ersteren ähnliche begegnen auch
auf einer rein aegyptischen Silberschale aus Caere (3). Es blieben
also für die Provenienz dieser Platten, welche mit den anderen
aufgezählten dieses Pflanzenornaments entbehrenden Reliefs stili-
stisch und zeitlich eine Einheit bilden, zwei Möglichkeiten: jo-
nisch-cypriscli oder jonisch-aegyptisch. Gegen die zweite Annahme
spricht aber, abgesehen davon, dass keines dieser Reliefs aus Ae-
gypten stammt, die trotz verschiedener Analogien im Kleinen doch
unleugbare Verschiedenheit des Stiles. So ist z. B. der assyrische
Pferdetypus der Elfenbeinreliefs weit entfernt von dem Pferde-
typus, den wir auf jonisch-aegyptischen Vasen sehen. Es bleibt also
als antike Provenienz dieser Elfenbein - und Knochenreliefs das jo-
nische Cypern übrig.
Schon Martha (4) hatte die Pariser Reliefs hypothetisch für
schlechthin cyprisch angesehen ohne eine Begründung oder einen
Beweis für seine Behauptung zu liefern. Unsere Sammlung aller
einschlägigen Reliefs führte mich unabhängig von Martha's flüchtig
hingeworfener Ansicht dahin, dass wir in ihnen nicht rein cypri-
sche, sondern von Joniern in Cypern hergestellte Arbeiten erkennen
müssen. Hiefür sprechen aber ausser dem Umstände, dass drei der
Reliefs unserer Aufzählung aus Cypern selbst stammen, noch an-
dere wichtige Gründe.
Die dicken auf den Oberarmen getragenen Armbänder des Meer-
wesens und der bankettierenden Frauen des Pariser Reliefs linden
sich gleichartig auf cyprischen Skulpturen (5) und in cyprischen
Metalloriginalen (6). Die Zweige des Berliner Reliefs n°. XVII,
(>) Pcrrot-Chipiez II fig. 411 p. 772.
(*) Ohnefalsch-Eichter 1. c. Tat 161,3; Perrot-Chipiez III fig. 603
p. 835. Vgl. auch Riegl Stilfragen S. 35 Fig. 4.
(3) Grifi monum. di Caere tav. X fig. I ( = Perrot Chipiez III fig. 553
p. 790).
(*) Vart Hrusque p. 304.
(5) Vgl. z. B. die Stele Sargons, Perrot-Chipiez II p. 631 frg. 308.
(•) Cesnola descr. atlas I. pl. VII, IX, XXXIII; III pl. II 1, 2.
ARCHAISCHE ELFENBEINRELIEFS 329
XVIII sind identischer Bildung mit den ' Lustrations ' - Zweigen,
welche cyprische Sculptureu (') in Händen halten. Auf den be-
rühmten Aphroditecultus in Paphos mögen das poesiedurchhauchte
Froehner'scho Taubenreliei' n. IX und die inhaltlich gleichen Re-
liefs n. XXII und XXX 11 zurückgehen Die Behandlung der Haare
an Menschen und Tieren in den Reliefs ist durchaus assyrisch beein-
rlusst. Was überhaupt von assyrischer Kunst nach Jonien und Grie-
chenland kam, wird erst durch Cypern, das gerade bis in die
Mitte des VI. Jahrhunderts, die Zeit unserer Reliefs, politisch zu
Assyrien gehörte, vermittelt worden sein. Auch auf die etruskische
Kunst des sechsten Jahrhunderts muss das jonische Cypern einen
grossen EinMuss geübt haben. In der iomba dei fori ('-) weist der
Mannsstier deutlich nach Assyrien, das Mittelglied wird Cypern
gebildet haben. Typen etruskischer und cyprischer Münzen des 5.
Jhdts. zeigen grosse oft zur Verwechslung führende Aehnlichkeit, das
lässt aufrege Beziehungen auch im sechsten Jahrhundert schlies-
sen (3).
Schon in mykenischer Zeit excellirte Cypern durch seine
herrlichen Elfenbeinarbeiten, von denen glänzende Exemplare eine
Zierde des Britischen Museums bilden (4). Dann wurde es wieder
im sechsten Jahrhunderte, der Zeit unserer Elfenbeinreliefs, ein
Hauptort für Verarbeitung dieses edlen Materials (/').
Von einem wichtigen Detail unserer Reliefreihe war hier noch
nicht im Zusammenhange die Rede und zwar von den auf der Rück-
seite eingeritzen Schriftzeichen. Bei einigen Buchstaben, wie dem
fl, E, », Y, vk / , kann man schwanken ob sie jonisch oder etrus-
kisch, bei den drei letzteren auch ob sie nicht cyprisch sind.
Für die ganze Frage aber direkt entscheidend ist die bisher noch
nicht beobachtete Inschrift auf n. XXVI I. Sie gehört evident nach
Cypern und ist im cyprischen Syllabar abgefasst wie die von Her-
mann auf cyprischen Vasen constatirten Graffiti ("). Zwei Zeichen,
das B auf n°. XXIV, XXV, das £ in n°. V wären dann von phöniki-
(') Z. ]!. Holwerda, die alten Eypricr Taf [V 1"«.
(2) G. Koerte in Auf. Deiikm. II. Taf. 11 S. 15.
(3) G. Koerte in Pauly-Wissowa s. v. Etrusker S. A. S. 15.
(•*) Murray excavations of Cyprus pl. I. II.
(5i Vgl. Perrot-Chipiez II p. 847, Ohnefalsch-Richter a. a. 0. p. 143.
(«) Gräberfeld von Marion S. 31 f.
330 L. POLLAK, ARCHAISCHE ELFENBEIMIELIKFS
sehen oder wahrscheinlicher etruskischen Händlern, welche die
c/rössten Abnehmer dieser Täfelchen waren, eingeritzt. Die Be-
dentuno- dieser eingeritzten Zeichen ist bisher nicht mit Sicher-
heit festzustellen. Der Gedanke an Versetzmarken mnss wohl bei
so kleinen Objekten ausgeschlossen werden (l). Diese haben nur bei
grossen Gegenständen wie z. B. Sarkophagen (2), wo jedem zie-
rendem Bestandteile sein Platz angewiesen werden soll, einen
Sinn. Bei kleinen Gegenständen wie Kästchen war das nicht nö-
tig. Die Zeichen bedeuteten wahrscheinlich Geheimmarken der
Künstler oder Händler, wie sie noch heutzutage im Handel im
Gebrauch sind und deren Sinn dem Nichteingeweihten entgeht.
Sicher aber geht daraus hervor, das die Täfelchen nicht montiert
in den Handel kamen und so exportiert wurden.
Von vergoldeten Kaninchen umgeben hoben sich die Reliefs
farbig vom sorgfältig geglätteten Grunde ab und mögen so einen
schönen Eindruck hervorgerufen haben, den wir freilich jetzt in ihrer
Zerstörung und Isolierung nur ahnen können. Ihr Inhalt zeugt nicht
von besonderer Vorliebe für den Mythus. Das Alltagsleben mit seinem
poetischen Realismus interessierte die Künstler dieser Reliefs sicht-
lich bedeutend mehr. Auch sie erzählen von der jonischen revyr],
uad man fühlt sich bei ihrem Anblicke versucht die Inschrift
einer römischen Spieltafel aus Timgad (3) ' venari, lavari, ludere,
ridere hoc esl'vivere, zu eitleren: liebenswürdige, des Lebens
sich so recht freuende Menschen, Poeten und Künstler.
Ludwig Pollak.
Rom, Januar 1907.
(>) So z. B. irrtümlicherweise Perrot-Chipiez III p. 851, 855 s. über
die Polledraraeier. Auch die Ansicht Schöne's in Comment. in honorem
Mommsenii S. 049 f. über analoge Vaseninschriften scheint sich nicht mehr
halten zu lassen. Vgl. Furtwängler - Reichhold Vasenmalerei Text zu Taf. 71,
S. 68, Serie I p. 179.
(a) Vgl. Koerte Gordion S. 110, 116 (wegen der speeifisch korinthischen
Form des Epsilon als korinthisches Fabrikat erklärt); hingegen Watzinger
1. c. S. 92, vgl. auch Watzinger 1. c. S. 36.
(3) Ihm, Rom. Spieltafeln in den Bonner Studien für Kekule S. 238
n°. 48; E. v. Schneider Oest. Jahresh. 1905 S. 296.
331
EXCURS ZU S. 327. 328.
Die auf den vorstellend beschriebenen Elfenbeintäfelchen vorkommenden
Pflanzengebilde stellen offenbar Korbblütler (Compositen) mit teils geschlos-
senen, teils aufblühenden Blütenkörbchen vor. Die ersteren zeigen die zapfen-
artigen, von kleinen Hüllblättern umschlossenen Knospen, die letzteren die
sich erschliessenden Blutenstände mit den aus dem Hüllkelche hervortretenden
« Zungenblüten » ( Rundblüten). Welche Pflanze specioll gemeint ist, lässt sich
nicht bestimmen, da viele Glieder dieser ausserordentlich reichen Pflanzenfa-
milie, wie z. B. die Centaurea- und Distelarten unter .sich g;nz verwandte For-
men aufweisen. Ganz identische Blüten and Knospen wie die vorliegenden finden
sich in unzähligen Beispielen unter den Schinuckgegenständen und in den
Wandmalereien des neuen aegyptischen Reiches von der 18. Dynastie ab, z. 1'..
in den aus mehrfarbiger Terracotta hergestellten Halsketten des neuen Reiches
und zwar ebensowohl als von oben gesehene Blütenrosettchen wie in der den
vorliegenden Darstellungen zu Grunde liegenden, noch nicht völlig geöffneten
Form der im Profil gesehenen Blüten. Als solche dienen sie in den künst-
lichen Halsketten der Aegypter in gleicher Weise als Bommeln wie sie zu-
vor in den Reihungen natürlicher Pflanzenelemente verwendet wurden, die
uns aegyptische Gräber aus den ersten Dynastien des neuen Reiches über-
liefert haben. Georg Schweinfurth wies unter den in Gräbern erhalten ge
bliebenen Pflanzenresten verschiedene Compositen nach, wie z. B. die Blü-
tenköpfchen von Pteris coronifera und Antaurea depressa in den Blumen-
gewinden der Mumie der Prinzessin Nsi-Chonsu (XX. Dyn.); Carthaunus tin-
ctorius (Saffior) in Guirlanden von Amenhotep I und andere mehr. Gleichen
Compositenblüten begegnen wir in den Wandmalereien thebanischer Gräber
der 18-19. Dynastie, von denen Prisse d'Avennes Abbildungen giebt. Dass die
ornamentalen Anwendungen von jenem natürlichen Pfianzenschmucke abge-
leitet sind, ergiebt sich sowohl aus der ganzen Anordnung der Gehänge, wie
aus Farbe und Form der angewendeten Compositenblüten.
Ausserhalb Aegyptens und wahrscheinlich von dort übertragen kommen
dieselben Compositenblüten namentlich in der assyrisch-babylonischen Kunst
häufig vor, zumeist als Rosetten, in welcher Form sie zu den in Jonien and
Griechenland allgemein angewendeten Typen wurden, für die die Trauerrose
der attischen Grabstelen das bekannteste Beispiel giebt. In der dem Cypri-
schen Elfenbeinrelief eigentümlichen Profilstellung, die dem Ornamente grie-
chischer Blütezeit fremd ist, finden sie sich in Assyrien als Gehänge an
Balken von zeltartigen Holzbauten wie z. B. an dem sogenannten Feldtaber-
nakel auf den Toren von Balawat aus der Zeit Salmanassars II ; ebenso auch
auf Elfenbeinarbeiten, wie auf einer phönizischer Provenienz zugeschriebenen
Täfelchen aus Nimrud (British Museum), das eine, aus einer Umbildung des
aegyptischen Südzeichens wachsenden Lotosblütenschaft darstellt, von dem
sich beiderseitig die gleichen Compositenblüten abzweigen, die jene cypri-
schen Elfenbeintafeln schmücken. M Meirer.
DIE THENSA CAPITOLINA.
(Mit Tf. XVII. XVIII).
I. Vorbemerkung.
Ueber die Fundgeschichte und Wiederherstellung der Thensa
gibt Augusto Castellani in seiner Veröffentlichung (Bull, comu-
aale II, 1874, p. 25(3, und V, 1877, p. 119-134, tav. xi-xv)
Auskunft. Ein Bauer aus Campanien brachte 1872 eine Anzahl
Bronzeblechstücke, die er aus der Erde gegraben hatte, zum Ver-
kauf nach Rom. Sie kamen in Castellani' s Besitz. Wie es dabei
zuging, dass ein Stück nach Paris verschlagen wurde (vgl. unten
S. 363), bleibt unklar. Als er die Stücke reinigte, ergab sich,
dass die Bronze von zahlreichen Bronzenägeln durchbohrt war, an
denen teilweise noch vermoderndes Holz hing. Die Bronze war
also ursprünglich auf einer Holzunterlage befestigt. Zwei geschwun-
gene, mit schweren Nägeln beschlagene Stücke konnten nichts
anderes sein als die Seitenteile eines Wagenkastens. Der gegossene
Oberkörper eines Eroten (Abb. 1) war offenbar das Kopfende einer
Deichsel. Die übrigen Bronzestücke zeigten Reliefs. Es Hessen
sich zwei Arten unterscheiden, nämliche höhere und niedrigere
Streifen. Die höheren stellen Scenen aus dem Leben Achills dar,
denen sich manchmal ein Venusmedaillon zugesellt. Von den nie-
drigeren Reliefs stellen die einen gleichfalls Achilleusbilder, aber
in kleinerem Format dar, die anderen einen bacchischen Thiasos.
Castellani gewann aus diesen Fundstücken die zweifellos richtige
Ueberzeugung die Ueberreste eines Wagens vor sich zu haben.
Er Hess daher einen Wagenkasten aus Holz herstellen und auf ihm
F. STAEHUN, DIE THENSA CAPITOLINA 333
die Bleche in der Weise anbringen, dass immer ein Streifen des
höheren mit einem des niedrigeren Formats abwechselt. Von unten
gezählt sind es folgende Streifen :
1. Thiasos (kleines Format).
2. Achilleusbilder (grosses Format).
3. Thiasos (kleines Format).
4. Achilleusbilder und Venusmedaillons (grosses Format).
5. Achilleusbilder (kleines Format).
6. Achilleusbilder (grosses Format).
Fig. 1.
In dieser Wiederherstellung wurde der Wagen von Castellani
veröffentlicht, der Stadt Rom geschenkt und im Conservatoren-
palast aufgestellt (Heibig I- 568). Kr wurde dann von Heyde-
mann einer flüchtigen Betrachtung unterzogen (Ber. d. sächs. Ges.
d. Wiss. 1878 p. 124 f.) und nach der Castellanisehen Publica-
tion in Baumeister (Denkm. d. kl. Altertums III Taf. xc fig. 2325
S. 2082) und in den AViener Vorlegeblättera (Serie B Tf. 7) abge-
bildet.
K. STAEHL1N
Die Zeichnungen Castellanis sind recht hübsch, aber vielfach
ungenau, so dass sie ein richtiges Verständnis der Reliefs hindern.
Bei einer neuen Bearbeitung die Reliefs nach Photographien zu
veröffentlichen, war deshalb nicht tunlich, weil jedes Relief
in mehreren Wiederholungen vorhanden ist, die unter sich nicht
gleich gut ausgeprägt erhalten sind. Sämtliche Reliefs in allen
Exemplaren photographiscli wiederzugeben, wäre aber sehr kostspie-
lig. Wir wählten daher den Weg, aus allen Wiederholungen durch
genaue Vergleichung das richtige Urbild durch Zeichnung herzu-
stellen. Herr Dr. Walter Altmaun photographierte in freund-
schaftlichster Bereitwilligkeit die ganze Thensa in vielen Teil-
aufnahmen; später Hess ich noch einige Teile von dem Berufs-
photographen Luigi Rocca in Originalgrösse photographieren. Nach
diesen Photographien stellte Hr. Architekt Kristenson die neuen
Zeichnungen (Abb. 2-5) her. Stehen diese auch an Eleganz den
Castellanischen nach, so sind dafür Bewegungen, Geräte, Kleidung
der Figuren und alles für das Verständnis der Bilder Wichtige
genauer angegeben. Für den Stil geben die beigefügten Tafeln
nach den Photographien Proben. Damit man den etwas schwie-
rigen Ausführungen über die technische Herstellung und Rekon-
struktion des Wagens, die oft sehr ins Einzelne gehen müssen,
leichter folgen könne, wende ich mich zunächst zur inhaltlichen
Erklärung der Reliefs. Bei den Parallelen, die ich zu den Darstel-
lungen der Thensa anführe, berücksichtige ich die Kunstwerke und
die Litteratiu- der römischen Zeit, während Darstellungen früherer
Perioden, z. B. auf Vasenbildern, nur ausnahmsweise in Betracht
kommen.
ÜIE 1 Hl- .N.SA i AMT' I.I.SA
335
II. — Die zwölf Achilleüs-bilder.
1 . Achills F e i u n g.
Der Mittelpunkt des Bildes ist Thetis; sie ist mit einem Chiton and
einem Mantel bekleidet. Die Verhüllung des Kopfes bezeichnet sie als eine
mütterliche Gottheit (vgl. Wiederholung 1, 3 und 4). Sie kniet auf dem
r. Fuss undj hält in der r. Hand den zappelnden (anaiqovta rhu nitida
Apollnd. 3, 13, 6 = Apollon. Rhod. Arg. IV, 874) Achilleus in das Wasser
der Styx, das aus einer Urne, über Felsen geflossen kommt. Auf den Felsen
sitzt die Personifikation der Styx als Quellnymphe. Sie ist am Unterkörper
von einem Mantel bedeckt, stützt den r. Arm auf die Urne und hält in der
Linken einen Schilfzweig. Während sie noch zur Handlung in Beziehung
steht und auch auf Wiederholungen (3 u. 4) sich findet, ist die Nymphe
zur Linken nur zur Raumfüllung beigegeben (vgl. über diese Lokalgötter
S. 382). Sie greift mit der Rechten in die Aeste eines Baumes und hält in
der Linken einen Zweig. Die Beine sind von einem Mantel bedeckt.
Die Darstellung der Feiung war in der römischen Epoche beliebt. Mir
sind folgende Wiederholungen bekannt (vgl. Stephani, Compte Rendu 18
76, 3. Conze, arch. epigr. Mitt. 1877, 73-76):
1. Relief im Johanneum in Graz. Muchav, Gesch. v. Steiermark I.
422 t. X, 2 = Wiener Vorlegeblätter Ser. 15 t. VII, I.
2. Relief von Champlieu. Rev. Archiol VIII, 1 (1851) p. 191
pl. 160, 5.
V. STAEHLIN
3. Monument von Igel. Abb. d. bayer. Ak. cl. W. I, 1835 S. 287.
4. Kapitolinische Brunnenmündung. Eighetti Mus. Capit. t. 277 =
Foggini, IV, t. 17.
5. Matz-Duhn 3344. Palazzo Castellani. Achills Festigung?
6. Dechelette, la Gaule Romaine, II, p. 212, nr. 76. Terrasigillata-
Relief von Lezoux, zu vergl. mit der Waschung Achills auf der kapitolin.
Brunnenmündung.
7. Cameo der Ermitage in Petersburg. Tommaso Cades. Sammlung
v (ii Gemmenabdrücken, Kasten 26, 147.
8. Cornalina der kaiserl. Sammlung in Wien. Cades 26, 148.
9. Gravierter Stein. Cades 26, 149.
Die letzteren drei sind mir nur aus der Photographie bekannt, nach
der beifolgende Abbildung gemacht ist und die ich Herrn Prof. Körte's Güte
Fig. 3.
verdanke. Die Echtheit, besonders von nr.'147, scheint mir verdächtig. Fälsch
lieh auf die Feiung bezogen wurde Heibig, Wandgemälde 1390.
Die Feiung Achills hängt mit seiner Unverwundbarkeit zusammen. Das
Alter beider Sagen ist umstritten. In der Ilias, die mährchenhafte Züge mei-
det, ist die Unverwundbarkeit von der Haut auf die Rüstung des Helden
übertrafen (* 165- 594. Y 264. Lehrs, de Aristarchi studiis Homericia
p. 178). Auf einer hocharchaischen chalkidischen Vase (Mon. d. Inst. I, 51)
ist Achilleus durch einen Pfeil der in seiner Ferse steckt, getötet. Ob ein
zweiter Pfeil in oder hinter der Leiche steckt, ist unklar. Die Darstellung
mit Xamenbeischriften schliesst sich in vielen Einzelheiten an die Aithiopis
an (Schneider, troisch. Sagenkr. 153) Also war auch die Auffassung, dass
Achilleus an der Ferse verwundbar sei, diesem Epos bekannt, das hierin
vielleicht noch älter ist als die Ilias (Gruppe 680 u. 682, 5), zumal die
Ilias, wie oben bemerkt, auf die Unverwundbarkeit auch anspielt (vgl. Eo-
berl (Bild und Lied 9; Studien zur Ilias S. 463).
\ '.,ii den Berichten über die Feiung können wir einen, wahrscheinlich die
Feiung durch Feuer, bis auf Sophokles zurückverfolgen (Nauck fr. tragg. 155).
DIB THENSÄ CAI'ITOLINA 337
Die Wasserprobe kam schon in dem alten Gedicht Aigimios vor (Kinkel fr.
Ep. Gr. I, 83). Die Feiung speziell durch Styxwasser tritt in unserer Ueber-
lieferung erst bei Stalins (Achill. I, 134. 269. 480) und anderen Spatlingen
(Röscher Lexicon I. 1, 8p. 21, 58) auf. Doch scheint auch diese Version
auf Vorstellungen zurückzugreifen, die von der ältesten Zeit Ins zum späten
Altertum lebendig blieben. Das Styxwasser war das Wasser der Unsterb-
lichkeit (Ber^k, kl. Schrift II, 700). Auf Gemmen der mykenischen Zeil
tragen Daemonen Styxwasser als belebendes Wunderwasser (Furtwängler <<>-u\-
men I, t. 2, 32. III, p. 40). Iris holt das Styxwasser zum Göttereid (Thei
gonie 784-806. Gerhard, etrusk. Spiegel I, Tf. 11).
Das hohe Alter der Feiungssage iiberhaupl geht am deutlichsten daraus
hervor, dass sich die gleiche Sage bei Demeter und Demophon findet (Hom.
hymn. in Ger er. 219 f.). Von Demeter aber ist Thetis (Kurzname zu <->s<t-
tuo9eti<; Gruppe 618') abgezweigt. Also gehörl dies..' Sage zu ihn ursprüngli-
chen Zügen, die Thetis und Demeter geraeinsam haben. Varianten zu der
Feuer- und Wasserprobe aus der indogermanischen Mythologie führt Elard
Hugo Meyer (Achilleis 659-661) an.
2. Begrüssung zwischen Peleus, Achilleus
und C h e i r o n .
Ein Schiff mit gerefften Segeln, die Argo, hat am Land angelegt. Es hat
•einen über das Wasser emporragenden Sporn (ifdßoXog). Das Vorderteil bil-
det einen nach innen geschweiften Halbkreis. Nicht so weit wie der Sporn
ragt das Proembolion vor, ein Balken, der in einen Tierkopf endigt. Der
Stolos oben läuft in ein schneckenförmig nach rückwärts gewundenes Akro-
stolion aus (ein ähnliches Schiffsvorderteil aus röm. Zeit bei Altmann. röm.
Grabaltäre p. 244, Abb. 192: Grabstein des L. Precilius). Auf römischen Kunst-
werken häufig ist das Missverhältnis zwischen der vorauszusetzenden Grösse
des Schiffes und der Insassen. Diese tragen vielleicht Schilde, entsprechend
der Weisung Iasons (Apoll. Rh. IV, 199-202), oder wie die Argonauten auf
der delphischen Metope (Assmann, das delphische Schiff Jahrb. 1905, 32).
Schilde am Bordrand sind das Gewöhnliche bei Kriegsschiffen von der Di-
pylonzeit her (Pernice, Athen. Mitt. 1892, 303) bis in die römische Epoche
(Brunn, urne Etr. I, 87,4. 90,1-94. 8 Schiff des Odysseus; Woermann, Odys-
seelandschaften t. III; Cod. Ambrosianus ed. Ceriani et Ratti, Mediolani
1905. pict. 31. 32. 36. u. a.). Ruder sind nicht vorhanden. Vorn im Schiff
steht aufrecht Peleus und empfängt mit ausgestreckten Bänden den kleinen
Achilleus, den Cheiron dein Vater hinreicht. Cheiron steht auf dem etwas
erhöhten, felsigen Ufer. Der Baum hinter ihm deutet den Bergwald des
Pelion an. Vor dem Schiff liegt die typische Gestalt eines Meergottes, der
den pagasaeischen Busen personifiziert. Er hall in der erhobenen Linken ein
Ruder; die Schenkel sind vom Gewand brduckt. Kr stützt sich auf den r.
23
338 F. STA EH LI N
Ellenbogen (Philostr. mai. II, 14 (fvMtxwv ib ig äyx&va vgl. 0. Schulz, die
Ortsgottheiten, Berliner Studien VIII, 3, 1889, p. 43).
Castellani erklärte unrichtig, dass hier Cheiron den Achilleus von Pe-
leus zur Erziehung erhalte. Allein diese Aufgabe fällt in römischer Sage, an
die sich die Thensabilder durchaus anschliessen, nicht Peleus, sondern der
Thetis zu (Orphica Arg. 387 u. die Achilleuscyclen S. 381). Auch lehrt der
Augenschein dass vielmehr umgekehrt Peleus das Kind von Cheiron empfängt :
es ist naturgemäss vom Ueberbringer fort zum Empfänger hin gewendet (vgl.
die Ueberbringung des Achilleus. an Cheiron durch Thetis auf der kapitolini-
schen Brunnenmündung Righetti, Mus. Cap. t. 277; Deidamia, dem Achilleus
den Pyrrhus reichend, auf dem Elfenbeinkästchen in Xanten, Bonner Jahrb. V
u. VI, t. 7 u. 8). Auch Heydemann erkannte nicht die dargestellte Sage
(Apollonius Rhod. I, 553 ff.) Als die Argonauten durch den pagasaeischen
Busen fuhren, staunten alle Nymphen des Pelion über das Schiff und die
Helden :
JvtC'.o öy' e| vtütov ögeng xCev tcy%i i'hakdaaTjg
Xelooji' <PiV.vni<frjg, noX(t} öinl xi\u((tog ilyfj
reyye n6(fc(g. . .
ovv xai oi naoäxotttg inwket'ioi' (pogeovoct
üifAslö^v 'A/iAfja (piXio ÖEiöiaxETo ttcctql.
Abweichend ist nui', dass Cheiron selbst das Kind trägt. Dieselbe Ab-
weichung findet sich bei dem römischen Dichter Valerius Flaccus, der im
übrigen diese Begegnung in deutlichem Zusammenhang mit Apollonius er-
zählt Argonaut. I, 255 :
Iamque aderat summo decurrens vertice Chiron
clamantemque patri procul ostentabat Achillem.
Nur ist Achilleus schon grösser; v. 260:
adsiluit caraque diu cervice pependit.
Auf dieses Ereignis Aveist vermutlich auch Statius Achill. I. 1 50-158
hin. Aehnlich ist Orphica rec. Abel 370-455. Vielleicht bietet unser Bild, auf
dem eine Ueberfüllung mit Figuren vermieden werden sollte, nur einen
Ausschnitt aus einer grösseren Komposition, in der auch Chariklo ihren
Platz hatte. Jedenfalls ist es lehrreich als Illustration zu einer alexandrini-
schen bezw. römischen Dichtung, an die sich der Künstler enge anschliesst
(vgl. Robert Bild und Lied p. 49).
3. U n t e r r i c h t im Leier spiel (vgl. Tafel XVIII, 1).
Die Vorlage zu diesem Bild gab die Gruppe, die in Rom in den Saepta
Julia stand und als Gegenstück Pan hatte, der den Olympos (besser Daphnie
iher III. I Sp. 1453) im Syrinxspiel unterwies (Plinius n. h. 36, 29).
DIE THENSA CAPITOLINA 339
Die Identifikation ist gesichert, weil beide Darstellungen in Herculaneum
als Gegenstücke gefunden wurden (Heibig, 226, 1291 ; Trendelenburg, Gegen-
stücke der Wandmalerei Archaeol. Zeit. 34, 1876, p. 3). Die Cheirongruppe
ist aus zahlreichen Nachbildungen bekannt (Wandbilder Heibig 1291-1!
Gemmen bei Overbeck, Bildw. zum theban. und troischen Sagenkr. p. 286,
13-16; Furtwängler, ant. Gemm. I, t. 24, 65. t. 43, 10 u. 16; Friederichs-Wol-
ters 1510). Muchar, Gesch. v. Steiermark 1, 430 n. 10 berichtet von einem anf
Schloss Seckau bei Lcibniz befindlicher, Fragment :« Der Centaur Chiron mit
der Lyra, neben ihm der kräftige Achill. Ein schön gearbeitetes, leider ver-
stümmeltes Werk ». Auch der Kentaur allein wurde gerne von der Kleinkunst
als Vorlage genommen (Silberbecher bei Zahn III, 28; Babelon Ant. de la
Biblioth. Hat. XIV u. LI).
Cheiron ist mit der Chlamys bekleidet. Er legt den 1. Arm um Achills
Schultern und fasst mit der Rechten Achills r. Arm, der als hochgewachse-
ner Knabe aufmerksam zu seinem Lehrer hinunterblickt. Er hat in der r.
Hand das Plektron und trägt eine Chlamys. Die Leier muss man sich durch
ein Band gehalten denken, von dem aber keine Spuren zu sehen sind. Im
Hintergrund dient ein nackter Berggott zur Raumfüllung. Die campani-
schen Maler haben der Gruppe bald eine architektonisch gegliederte Wand,
bald eine Landschaft als Hintergrund gegeben. Auf Gemmen findet sich ein
mal kein Hintergrund (Furtw. 24, 65) einmal Waffen (43, 10), einmal ein
flötenspielender Satyr (43, 16). Wir sehen daraus, dass das Beiwerk zur
Hauptgruppe vom Künstler nach Belieben aus seinem Typenvorrat gewählt
wurde.
Die Sage von dem musikalischen Unterricht will Gruppe (117 u. G68, 1)
unter Umständen für vorhomerisch gelten lassen. Die statuarische Gruppe
gehört ihrem Kunstcharakter nach in die hellenistische Zeit, wie auch der
mutmassliche Cheironskopf im Konservatorenpalast bezeugen würde (Heibig
I2 589. Heibig, Untersuchungen zur Wandmal. p. 156. Dagegen Brunn-Bruck-
mann 535; Kroker, Testa marmorea del palazzo dei Conservatori Ann. d.
Inst. LVI, 1884, 50-74). Der Schilderung in Orphica Arg. rec. Abel 394
hat zweifellos diese Gruppe als Muster gedient:
K«l ot xexXtfxeyog uh' i:i" oi&aloto yauti n.
xeuo (j.ey«s KevtavQog, änrjQijQStaro dt th-hd,
(Tineirjoi Ö7i'A.rjG(. Tuvvßü/uei'og froä xCbkct.
dy/ov cT iardfisvog @erodog xai JIf]keog vlbg
/egal Xvqtjv fjgaaoe, (pgevctg &J inetegneio Xsioo v,
Achills Gesang und Leierspiel blieb im Anschluss an II. IX, 186 be-
sonders bekannt als ein menschlich liebenswürdiger Zug, sogar in der sonst
nur das Morden schildernden Ilias Latina 586. Häutig ist die Darstellung des
leierspielenden Achilleus unter den Töchtern des Lykomedes (Stat. Ach.
573. Sarkophage Robert II t. VI, 22a. X, 22b. XVI 26a. Elfenbeinkästchen
von Xanten Bonner Jahrb. V u. VI, t. 7 u. 8). Andere hieher gehörige Kunst-
340
F. STAEHLIN
werke, besonders die prachtvolle Gemme des Pamphilos im Louvre (Furtw.
I. t. 49, 18) führt Sauer an (Strena Helbigiana 1900 p. 465 : Achilleus vom
Saitenspiel ausruhend, Marmorstatue in Neapel). Bilder des leierspielenden
Achilleus waren noch im späten Altertum allgemein bekannt (Aristaenet.
epist. II. 5 in Hercher, epistologr. Gr.). Bezeichnend für die Auffassung der
Alten von Achills Kunst ist das schöne Wort, das Kalliope zu Achilleus
sasrt Phil. her. 730 ed. Kayser II, p. 197: <i> n«T. /uovaix>]g /neu xal notqrixfjg
rftJutfii aoi tu drrn'/nwy, dig jjdiovg iiir tu; (Frame ioyü^oio. xoiultoig de
rüg Minus.
4. Unterricht im Reiten und Jagen (vgl. Tafel XVII, 3).
Fiff. 4.
Achilleus, Cheiron und ein Bär heben sich deutlich als der Kern des
Bildes ab. Es schliesst sich nicht an ein bestimmtes Kunstwerk an. Denn wenn
man für Cheiron ein wirkliches Pferd einsetzt, so hat man einen bekannten
Typus, der häufig auf Sarkophagen mit Jagddarstellungen, besonders ähnlich
aber auf dem Medaillon mit Trajans Bärenjagd am Konstantinsbogen vor-
kommt. Nur fällt bei diesem Vergleiche der dicke Leib und die kurzen Beine
Cheirons gegenüber den edleren, langgestreckten Formen der Pferde auf dem
Medaillon auf (vgl. Altmann, Archit. u. Ornam. d. Sark. p. 106). Es konnte
also dieses Bild auch von einem unbedeutenden Künstler mit leichter Umände-
rung des in den Vorlagebüchern für Jagden überkommenen Typus hergestellt
werden. Kr fügte der Mittelgruppe zwei weitere typische Figuren bei, links
DIE THENSA CAPITOLINA 341
eine Nymphe mit dum Mantel über den Beinen, rechts einen nackten Berg-
gott. Felsen, belaubte Zweige und ein Baum deuten den Bergwald an. Achil-
leus als Knabe, mit einer wehenden Chlamys bekleidet, schwingl einen Wurf-
speer. Phil. her. 7:;o ed. Kayser II, p. L97 /> fi «faß xal ut'/.ia u,y,><
rexiujiitvij f>nb nti> XeiQWPog xui iioxet tps^h^ofiivm ig tä no'liaixd.
Cheiron trägt einen Baumast, drehl sich zu seinem Zögling am und /•
mit der 1. Hand ermunternd auf den Bären, — als solcher is1 er am Bpitzen
Kopf und kurzen Schwanz kenntlich, von Castellani fälschlich als Fanther
gezeichnet — der in eiliger Flucht sich noch mit dem bis zum vollen Profil
gedrehten Kopf gegen seine Verfolger wend
Auf der kapitolinischen Brunnenmündung sitzt Achill als Waffen!
Kind jauchzend auf Cheirons Rücken, der eben mit glücklichem Pfeilscl
den verfolgten Löwen getroffen hat. Beide Darstellungen entfernen sich oichl
weit von Philostr. mai. imag. II, 2, 5: Mäaxet ö Xeiqmv tbv :t/t'/J.ku fand-
Ceo&ai . . . xay/ä^ovxi, 6e ccitG) inö top ijtfsa&cct, ngoauei&ia ueraoTQecpöuevos-
Eudociae violanum ed. Flach p. 143, 10-. imxad-ioag oiV aixbv önio&ev < ■
xazcc rov Inniov fiSQOvg ovxwg eyvixra^s xal id'üfccoxe aixbv xt}v xo^ixrjv, vgl.
Statius Achill. I, 116; Sidon. Apollin. ep. 9, 131; Lihanius fj&onobtat ed.
Reiske p. 1013. Wesentlich anders ist der Unterricht im Bogenschii
auf der Achilleusschale in Kairo dargestellt (vgl. unten S. 381).
Overbeck (Bildwerke 285. n. 10, n. 11) führt zwei Gemmen an, die
Achills Ritt auf Cheirons Rücken darstellen. Ein Relief in Turin (Marmora
Taurinensia, II, 23), stellt die Erziehung des Achilleus durch Cheiron und
die Naiaden Philyra und Chanklo dar (Ap. Rh. IV 811 mit Schol.). Das bei
Daremberg-Saglio (s. v. Chiron p. 1106 Anm. 28) angeführte Wandbild stellt
nicht Achilleus dar, welcher von Cheiron Unterricht in Heilkräutern erhält.
sondern Apollo, Cheiron und Asklepios, die drei Heilgötter (Helhig 'J'1,' .
5. Achilleus auf Skyros (vgl. Tafel XVIII, 5).
Das Bild wurde von Castellani richtig gedeutet; nur hielt er die Eaupt-
figur für Lykornedes. Heydemann wollte dagegen hier die Abholung der 1 iri-
seis erkennen, was Heibig I2 nr. 568 und andere übernahmen. Diese Erklä-
rung, die auch die zeitliche Reihenfolge der Bilder umstossen würde, ist aber
falsch, weil auf dem Bilde vier Personen in weiblicher Kleidung und nur
zwei Männer dargestellt sind. Auf dem hochlehnigen Thron, dessen Reine
in Lüwenklauen endigen, sitzt Achilleus. »eine Füsse ruhen auf einem Schemel.
Thron und Schemel wiederholen sich auf dem Mosaik in Sparta (Arch. Zeit.
1881, t. 6). Er trägt einen hochgegürteten Chiton, von dessen Vorhanden-
sein allerdings nur wenige feine Linien und die Zusammenschnürung unter
der Brust Zeugnis geben, und einen .Mantel, der den Oberkörper frei läast.
342 !•'. STAEHLIN
In der rechten Hand hält er ein Schwert am Griff, die Scheide ruht in der
Linken. Erträgt langwallendes Haupthaar. Daran ist er auch bei Philostr. min.
(Schenkl-Reisch) 1, 3 unter den Töchtern des Lykomedes kenntlich: r/eft de ij
ih'u/('iTiZoiac( tjjv xourji' .... airixa fiäka . . . rbv 'A%i%X£a ixdei^st. (Statins
Ach. I. 771 ; Philostr. her. 733 ed. Kayser p. 200; dagegen bei Bion id. II, 20
Mein, heisst es von ihm: xöixc.g ^snvxaCe xaXt'moc;.). Auf Sarkophagen ist
dies sein Hauptkennzeichen wenn er in Weiberkleidung unter den wohl-
gekämmten Mädchen sitzt (Robert II. t. VI, 20 a, u. t. X, 22 h).
Hinter ihm steht Deidamia. Sie ist wie Achilleus und ihre beiden Ge-
fährtinnen mit einem hochgegürteten Chiton und Mantel bekleidet. Ihre Haar-
tracht ist nicht deutlich zu erkennen. Sie stützt den 1. Arm auf die Stuhl-
lehne und legt die R. auf den Rücken. Gelassen schaut sie der Scene zu,
man möchte sagen, mehr bereit, den Achilleus vor unüberlegten Kundge-
bungen zurückzuhalten als die Fremden beachtend. Die beiden anderen Mäd-
chen sind aber durch den Besuch ganz ausser Fassung geraten. Die eine
spricht mit lebhaften Handbewegungen auf Achilleus ein, die andere sieht
neugierig die Gäste an. Bemerkenswert ist bei beiden die Haartracht. Das
Haar ist glatt zurückgekämmt, am Hinterkopf doppelt mit einem Band um-
wunden und in ein grosses Nest zusammengefasst. Die gleiche Mode be-
obachten wir auf Bild 6 und an dem weiblichen Kopf zwischen den Giebeln
(vgl. Tafel II, 5). Sie steht der sogenannten attischen Frisur noch näher als
der mit Beginn des 3. Jahrb. aufkommenden Tracht. Sie gehört dem Ende
des 2. Jahrhunderts an (über Datierung der Sarkophage nach Haarmoden
vgl. Altmann, Arch. u. Orn. der Sarkophage S. 99 ff.).
Rechts stehen zwei fast nackte, nur mit der Chlamys bekleidete Männer.
Der vordere ist Odysseus, der naturgemäss den Sprecher macht; er hält einen
undeutlichen Gegenstand in der R.. wahrscheinlich ein Geschenk für die
Mädchen, wie auf dem Kästchen in Xanten (Bonner Jahrb. V u. VI t. 7 u. 8
p. 365). Die 1. Hand ist zum Sprechen vorgestreckt. Der zweite hält in der
1. Hand eine Trompete (oder ein Schwert? also Agyrtes oder Diomedes).
Ueber den Unterarm fällt das Gewand. Die R. hält er mit ausgestrecktem
Zeigefinger an den Mund, wohl ein Zeichen der Ueberraschung, weil sich
Achilleus durch das Ergreifen und Anstaunen des Schwertes schon halb ver-
raten hat.
Widerspruchsvoll ist, dass Achilleus auf dem Bilde thront. Er wird
damit schon so geehrt, als ob er bereits erkannt wäre. Aber auch auf Sar-
kophagen finden sich ähnliche sinnstörende Verstösse. Achilleus sitzt mit
entblösstem Oberkörper unter den Mädchen, während sein Geschlecht doch
noch unentdeckt ist (vgl. Robert a. a. 0.). Eine solche Gleichmütigkeit gegen das
Naturgemäase pflegt einzutreten, wenn ein Typus nicht mehr frisch empfunden,
sondern als allbekannt nachgeahmt wird.
Den Hintergrund bilden nicht mehr Lokalgötter, wie in Bild 1, 3 u. 1,
von denen dieses Bild sich scharf scheidet. Ohne Hintergrund und Rauman-
dentung ist es in reinem Reliefstil gehalten. Es gehört enge zusammen mit
Bild
DIE THENSA CAPITOLINA 343
(5. Achills Erkennung (vgl. Tafel XVIII, 5)
Das Bild zeigt wie das vorige zwei Personen in männlicher und vier
Personen in weiblicher Kleidun". Achilleua träßl ein Gewand mit langem
Ueberschlag. Sein Haar ist langwallend. In der L. hält er den Schild, — der
1. Oberarm ist dabei perspektivisch verkürzt — , in der R. den Speer. Mit
gewaltigem Schritt stürmt er nach l., wo der Feind gemeldet ist. Auffallend
herausgetrieben ist der Unterleib und zwar auf beiden Wiederholungen. Dies
muss daher auf einen Fehler der Form selbst zurückgehen. Ob Achilleus einen
Frauenschuh trägt, lässt sich nicht erkennen, da die Bildung der Zehen auch
sonst verschwunden ist. Achilleus ist am einen halben Kopf grösser als die
Mädchen. Den Kopf wendet er zu Deidamia; doch verrät seine entschlossene
Bewegung, dass er ihrem Flehen kein Gehör schenken wird. Deidamia, in lang-
ärmeligem Chiton und Mantel, ist aufs 1. Knie gesunken, wobei der 1. 1
unnatürlich hoch in der Luft schwebt (vgl. Furtwängler Gemmen t. Gl, 47).
Sie uinfasst mit beiden Händen Achills Knie. Ihr Kopf ist flehend zu ihm
erhoben. Das Haar ist zu einem Nest aufgebunden. Zur L. sind zwei Töchter
des Lykomedes, die erschreckt entfliehen. Beide haben die bei Bild •'.
beschriebene Haartracht. Die Figur ganz 1. mit den entsetzt erhobenen Hän-
den kehlt wieder auf den Sarkophagen im Kapitol und im Louvre (Kohert,
IL n. 25 u. 26), auf letzterem auf der Vorder- und r. Schmalseite. Zur
R. steht ein, wie man auf den kleineren Bildern deutlich sieht, (vgl. Tafel
I, 2) runder Turm mit hohem Tor. Die Zinnen sind rund, die Quadern genau
angegeben. Am Tor befinden sich Querbeschläge. Die Lunette oben ist mit
einem Speichenornament verziert. Oben steht perspektivisch verkleinert Odys-
seus, der mit der Hand auf den angeblichen Feind zeigt, und Agyrtes. der in
eine lange Tuba bläst. Ob Odysseus eine Kopfbedeckung trä^T. lässt sich nicht
erkennen. Die Szene spielt im Freien ausserhalb der Burg. Die Oertlichkeit
stimmt zu der Schilderung bei Philostratus min. imag. 1 (ed. Schenkl-
Reisch). Auf dem dort beschriebenen Bild von Achills Entdeckung war ein
Turm unten am Berg (6 d" vnu toi$ nQonoaiv tov öooi's nvoyoc:). Auf einer Wiese
vordem Turm legte Odysseus seine Waren: Wollkörbe, Weberschiffchen, Kämme,
Frauengeräte und eine Rüstung ans. Den Raum vor einer Mauer zeigt auch
das Mosaik von Vienne (Arch. Zeitg. 1858 t. 113) und ein Sarkophag ( la-
bert II nr. 28). Bei Statius I, 812. Hygin f. 86. Schob T 326 ed. Bekker
spielt die Szene in einem geschlossenen Tnnenhof, ebenso im Mosaik von
Sparta (Arch. Zeitg. 1881 t. 6) und zwei Gemälden (Heibig 1297 = Herrmann-
Bruckmann Denkm. d. Malerei t. 5 und Genelhliacon Gottingense 1888 tab. I).
Den Aufenthalt des Achilleus auf Skyros kennt schon die Ilias (T 326.
I 668 m. Schob), die kleine Ilias (fr. -1 Kinkel) und nach Bethe auch die
Kypricn (theh. Heldenlieder 81). Ein Teil dieser Quellen erzählt ausdrücklich
eine gewaltsame Eroberung der Insel und damit auch der Deidamia (Paus.
I 22, 6). Robert (Bild und Lied •"•■">) schliesst mit Recht, dass erst später
344 F. STAF.HLIN
der Lokalpatriotismus der Skyrier aus der gewaltsamen Eroberung ein fried-
liches Liebesabenteuer gemacht habe. Indem sie aber dabei das Motiv des in
Weiberkleidern versteckten Achilleus benützten, schlössen sie sich an eine
alte Kultlegende an (Gruppe p. 669 u. 904). Die älteste Darstellung der Er-
kennung des Achilleus giebt das Bild eines Kraters im Louvre. das Ravaisson
[M6m. de VAcad. Paris 1895 pl. V p. 309-852) gegen Robert (archaeol. Zeitg.
1S81, 138) statt auf die Gesandtschaft (/ncä) der Ilias vielmehr auf Achills
Abholung aus Skyros deutete. Auf das von Paus. I 22, 6 erwähnte Gemälde
des Polygnot führt Robert (Arch. Anzeiger 1889 p. 151) die Darstellung auf
dem goldenen Köcherbeschlag von Tschertomlitsk (Cotnpte Rendu 1864 pl. 4)
zurück. Doch ist die Deutung unsicher. Denn die einzelnen Formen, aus denen
das Goldblech geprägt ist. stehen wenigstens teilweise offenbar unter sich in
keinem Zusammenhang. Man kann also nicht von einer einheitlichen Kompo-
sition reden. Das Stück zeigt in dem Aneinanderschluss der einzelnen Be-
standteile alle Merkmale einei nachlässigen Handwerkerkunst (vgl. Hauser.
die neuattischen Reliefs 127).
Auf dem Vasenbild im Louvre wird die Erkennung mit einfachen Mit-
teln, nämlich der Erregung des Heldenblutes durch den blossen Anblick von
Waffen hei beigeführt, wenn man hier überhaupt von der Erkennung und nicht
vielmehr von der Oeberredung zur Teilnahme am Kriege sprechen darf. Aus-
führlicher mag die Geschichte schon in den jüngeren Ixvoioi des Euripides
(Welcker Griech. Trag. I, 476) geschildert worden sein. Lycophron (276-278),
der mit Vorliebe älteren Quellen folgt, spielt darauf an. Besonders aber
mussten sich die Alexandriner in der Ausmalung dieses reizenden Verhältnisses
zwischen Achilleus. Deidamia und den anderen Töchtern gefallen, wie es das
IL Idyllion des Bion (ed. Meineke) bezeugt. Damals bereits wurde auch die
Erkennungsgeschichte in aller Breite ausgearbeitet, wie sie uns jetzt bei
Schriftstellern und Kunstwerken römischer Zeit vorliegt. Unbegründeter
Weise schreibt Fleischer (Röscher myth. Lex. I Sp. 27) erst dem Statius die
Aufstellung einerneuen Version zu. in der die Erkennung durch das Ergreifen
der Waffen und den Trompetenstoss erfolge. Offenbar falsch ist seine Behaup-
tung, bei Philostratus min. 1 erfolge die Erkennung nur durch das Ergreifen
der Waffen. Es wird j;i neben dem Kaufmann auch der Trompeter ausdrück-
lich genannt 6 r?, adXmyyt aTjfialvcov ri cf/; ßoiXsrai ;). Die sonstigen Quellen
übersehen offenbar nur der auch sonst bemerklichen Kürze halber bald die
Kaufwaren (Apollod. 3,13,8). bald den Trompetenstoss (Ovid. met. 13. 165.
schul. T 326), während schon Hygin (f. 86), jedenfalls nach einer älteren Quelle,
beide Motive verbindet. Weil also die Trompete und die Kaufwaren zusammen-
gehören, darf man auch nicht annehmen, dass die Wollkr.rbe, die auf zahlrei-
chen Darstellungen den Boden bedecken, bloss die Kemenate bezeichnen. Es
sind vielmehr die von den Autoren (vgl. Genethl. Gott. 119 Fussn. 1-8) aus-
drücklich genannten Geschenke, die am vollzähligsten ein Gemälde (Heibig
7) verführt. Nur aus Nachlässigkeit werden sie manchmal auf einen Woll-
korb beschränkt oder ganz weggelassen.
In zwei Stufen vollzieht sich also nach der Sacre und auf den Bildern
DIE THENSA CAPITOLINA :ii".
die Erkennung. Achilleus verrat sieh zuerst schon, indem er das Schwert in
die Hand nimmt (vgl. Statius I, 852 f.). Odysseus aher lässt, um sicher zu
gehen, auch die Trompete blasen, worauf Achilleus anzweifelhaft erkannt wird.
Bild- 5 und 6 gehören zusammen, ohne dass sich streng genommen Bild 0
aus 5 entwickeln könnte. Spielt doch Bild 5 in einem Innenraum, wie der Thron
beweist, Bild 6 aber im Freien. Ebenso isl die Kleidung Achills verschieden.
Auf Bild 5 hält er ferner das Schwert, auf Bild 'i die Lanze. An solchen
Kleinigkeiten nahmen aber die Alten keinen Anstoss. Auch am Telephosfries
tragen ein und dieselben l'ersonen in aufeinander folgenden Scenen verschie-
dene Kleidung (Hubert Jahrb. III. 1888. p. I:'. Schrader Jahrb. XV. 1!
p. 122). Die nämliche Zweiteilung der Scenen zeigt die Achilleusschüssel in
Paris (vgl. S.381), die sich enge au Statius anschliesst. ]\Iit diesem Dichter
zeigt unser Bild manche Berührungen: I, 6 dulichia tuba; •'■' ixmclipeus
breviorque manu conswnitur hasta;880 Achills plötzliche Riesengrösse ; 883
sein gewaltiger Sturmschritt, im Gegensatz zu Bions Schilderung id. II, 19
tö ßd&Ktftu naodsvtxSg ißdfo£e. I >ie Uebereinstimmung zwischen Dichter und
Künstler erklärt sich nicht aus gegenseitiger Abhängigkeit, sondern aus dein
Einwirken der bildlichen Tradition auf beide.
An der Komposition des Bildes ist die Entfernung des Bläsers vom Vor-
dergrunde anzuerkennen. Sie ist auch auf anderen Darstellungen angestrebt.
Auf dem Louvresarkophag (Robert II, 26) ist der Bläser auf die r. Schmäh
versetzt, wird aber doch auf der Vorderseite gehört. Beim Mosaik von Vienne
steht er mit Odysseus auf der Mauer im Hintergrund. Auf einem Gemälde
(Heibig 1296) steht er unter der Tliüre. Er ist nach der Absicht des Malers
jedenfalls ausserhalb des Zimmers zu denken.
"Während die Darstellung auf der Thensa wie eine Münze durch vielen
Gebrauch (die Aufzählung der vielen Reliefs, Gemälde und Mosaike bei Jahn,
arch. Beiträge 353, ergänzt von Graeven, Genethliacon Gottinijense 1888
p. 121) schon abgeschliffen ist, verdient das Vorbild, dessen Hauptzüire erhalten
sind, hohes Lob. Wenn man unter den erhaltenen Werken einzelne Typen un-
terscheiden will, darf man nicht von Unterschieden ausgehen, die nur durch
geringfügige zeichnerische Aenderungen bedingt sind, z. B. ob die Bewegung
nach r. oder 1. gewendet ist, oder ob Achill ins Frauengewand gehüllt oder
mit abgleitendem Gewand dargestellt ist (Altmann, Ornament, der Sark. p. 37).
Auch darf man nicht den vollbekleideten Achilleus auf Sarkophagen für älter,
den entblössten für jünger halten, da Achilleus entblösst schon früher als auf
Sarkophagen in Litteratur und Kunst vorkommt (Hygin. f. 86: veslem mu-
liebrem dilanlavit; Statius 1,878 illius intactae cecidere a peclore veates:
Heibig 1296; Baehrens Poet. Lat. min. IV p. 322 Verba Achillis v. 7).
Ein gewichtiger Unterschied scheint es mir aher zu sein, dass auf den
einen Darstellungen Deidamia flieht ",1er zur Flucht sich wendet oder voi
Schrecken ohnmächtig zurücksinkt (Heibig 1297; Genethl. Gottinj. t. I ; Mo-
saik bei Raoul-Rochette, choix de pcintures pl. XX p. 259. Mosaik von
Vienne; Robert Sark. II nr. 23), auf den anderen aber bleibt und Achill fuss-
fäilig zurückhalten will. Darstellungen, die' einen Uebergang zwischen beiden
346 F. STAEHLIN
bilden, indem sie Deidamia halb fliehend, halb den Geliebten festhaltend
zeigen, gibt es auf Sarkophagen (Eobert II nr. 22. 39. 25. 26) und Gemälden
(Heibig 1299) und dem Mosaik aus Sparta (arch. Zeit. 1881 t. 6).
Die erstere Darstellung stimmt mit dem Dichter Statins überein, die
zweite ist ein künstlerischer Fortschritt. Denn beim Dichter stiebt auf den
Trompetenstoss die Schar der Mädchen auseinander, Deidamia nicht ausge-
nommen (Statins I 876. 885. 918). Nur Achill bleibt mit den Waffen da.
Dann beginnen die Verhandlungen und geraume Zeit darnach erfolgt der
Abschied von Deidamia (Stat. I 940-960). Der Maler fasst dagegen die beiden
zeitlich getrennten Momente der Entdeckung und des endgiltigen Abschieds
zusammen. Es ist das echt hellenische Bestreben, den Gehalt einer ganzen
Geschichte in e i n Bild zusammenzufassen, wie es uns auf dem olympischen
Bronzerelief mit Hektors Lösung (Furtwängler in Festschrift für Curtius
Berlin 1884) so grossartig entgegentritt. Es ist der « distinguierende» Stil
Wickhoffs (Wiener Genesis S. 9). Diese Aenderung der dichterischen Ue-
berlieferung ist also ganz dem Wesen der bildenden Kunst entsprechend
und eines grossen Künstlers würdig. Wer dieser Künstler war, bleibt unbe-
kannt, wenn wir auch wissen, dass sich das erwähnte Gemälde des Polygnot
vielleicht, und eines von Atlienion von Maroneia (Plin. N. H. 35, 134) gewiss
auf diesen Gegenstand bezog. Lehrreich ist auch ein Vergleich mit Bion,
auf den oben mehrfach hingewiesen wurde. Der Dichter muss das in der
Vorstellung des Lesers festsitzende Bild des männlichen Achilleus verdrän-
gen durch Betonung seines weiblichen Aussehens z. B. in den Haaren und
im Gehen. Der Künstler aber muss, um verständlich zu sein, an dem weiblich
gekleideten Achilleus die männliche Art doch irgendwie zu Tage treten
lassen.
Bereits in krasser Weise sind die wirkenden psychologischen Momente
auf dem Elfenbeinkästchen in Xanten zusammengedrängt, wo Deidamia ihr neu-
gebornes Kind Pyrrhos dem dahinstürmenden Achilleus entgegenhält (Bonner
Jahrb. Bd. V u. VI, t. 7 u. 8 p. 365 f.). Aus diesem Zusammenhang ist wohl
das Relieffragment aus Athen, jetzt in Prag, wenn es nicht die Ueberbringung
des Achilleus durch Thetis an Cheiron darstellt, entsprechend der kapitolini-
schen Brunnenmündung (Wiener Vorlegeblätter Serie B, t. IX, 3a).
Die bisher besprochenen sechs Bilder umfassen die Zeit vor dem troja-
nischen Krieg, die folgenden sechs spielen vor Troja. Zur Trennung der beiden
Hälften sind in den Zwickeln statt der sonst verwendeten Medaillons zwei aus-
einander fließende Niken angebracht.
7. Achills Zorn.
Das Bild zerfällt in zwei durch eine Säule getrennte Hälften.
Zur L. sitzt Achill. Er ist mit einem lose umgeworfenen Mantel be-
kleidet. Die I>. ist auf den Speer gestützt, wobei der Zeigefinger lang aus-
DIE THENSA CAPITOUNA
:;i7
gestreckt ist. Die r. Hand ist vorgestreckt. Das bedeutel die Gewährung der
Bitte, ebenso wie auf Bild 10. Neben seinem Sitz ruhl ein Panzer. V'>r Achil-
leus kniet Patroklos. Er ist nackt abgesehen von einem Mantel, der über den
Rücken fällt. Mit beiden Händen berührt er Achills Küsse. Dargestellt ist,
wie Patroklos den zürnenden Freund bitte!, den Achaeern beistehen zu dürfen
(vgl. Walters, Bronzen in the Brit. Mus. n. 883 ; Strena Helbigiana p. 268;
Heibig Wandgem. 1404. 1389. 1389 3).
Die Erfüllung der Bitte zeigt uns die rechte Hälfte. Achilleus ist wie-
der nur mit dem Mantel bekleidet; obwohl unbewaffnet isl er doch gri
als der gewaffhete Patroklos. Er fasst den Patroklos mit der R. am rechten
Arm, den 1. Arm legt er ihm auf die Schultern, ihn so väterlich mahnend
Fig. 5.
wie auf Bild 3 Cheiron den Achill. Die Mahnung kann nur sein die von 7/.
87-96 ix vr\&v iXdaag levcu ndXiv. Patroklos trägt die volle Rüstnng Achills.
Die L. hält den Speer, die R. stützt sich auf den aufgestellten Schild. Der
Kopf ist zu Achilleus gewendet und erhoben.
Die trennende Säule hat ein fast altjonisch anmutendes Kapitell mit
stark hängenden Voluten. Oben steht eine Urne. Säulen und Pfeiler mit
Urnen bedeuten zwar ursprünglich Grabsäulen (Weisshäupl, Grabgedichte
p. 61 f.), aber allmählich verlieren sie ihre bestimmte Bedeutung und g
reu zum festen Bestand landschaftlicher Typik (Pfuhl. Jahrb. 1905, p. 63 f.).
Daher ist es hier unberechtigt, in der Säule einen Hinweis auf den
nahen Tod des Patroklos zu sehen, sondern der Künstler hat nur einen be-
liebten Typus als Trennung der beiden Scenen benützt. In ähnlicher A\
trennen auf dem Telephosfries Pfeilerund Bäume (Schrader Jahrb. 1900
Tf. I), an der Trajanssäule Bäume, auf Hipp rkophagen ein Thorbo-
348 F- STAEHLIN
gen die einzelnen Scenen. Zu vergleichen ist eine ähnliche Säule mit Urne
auf Dioskurensarkophagen (Robert III, 2 t. 57, 180« u. b. 181 a. Rilievi
delle urne Etrusche IL t. XXXVIII, 3). In diesem Fall bedeutet die Urne
einen Kampfpreis.
Das Bild stellt in einer Hinsicht einen grossen Gegensatz dar zu den
bisherigen. Es gehurt nicht dem distinguierenden Stil an, den wir besonders für
Bild 6 feststellten, sondern dem kontinuierenden, der, in römischer Zeit neu
belebt, sich die Zukunft erobern sollte Er lässt eine Handlung durch Bilder in
ununterbrochenem Fluss vor unseren Augen sich entwickeln (Hartel-Wickhoff,
die Wiener Genesis 7-8).
8. Hektors Tod.
Bild 8 und 9 bilden zusammen ein Bilderpaar, das nur einen Schritt
entfernt ist von dem rein kontinuierenden Stil. Dieser würde den Hintei-
grund, der beiden Bildern gemeinsam ist, nämlich die Mauer Trojas mit den
Eltern, nur einmal darstellen und davor die zwei Teile der Handlung. Diese
Art der Darstellung, auf die beide Bilder hinzudrängen scheinen, ist Hin-
durch ein äusseres Hemmnis, die Einrahmung, unmöglich geblieben. Beide
Bilder zerfallen in Vorder -und Hintergrund, dessen Personen wie auf Bild 6
perspektivisch verkleinert sind. Sie erinnern dadurch an malerische Vorbilder,
z. B. die Hydria der Münchener Sammlung Jahn n. 65.
Die Mauern Trojas zeigen regelmässigen Quaderbau, sogar die Rustika
scheint angedeutet. Das (skäische) Thor hat Querleisten, die mit grossen Nä-
geln beschlagen sind. Es ist oben halbrund. Die Zinnen sind rund. Links
steht ein runder Turm mit spitzem Dach. Hekuba auf der Mauer rauft sich
mit der R. das Haar, während sie die L. nach Hektor ausstreckt (ähn-
lich auf orientalischen Reliefs z. B. einer assyrischen Städteeroberung La-
yard Niniveh PI. 66). Priamos, kenntlich an der phrygischen Mütze, erhebt
die R. mit ausgestrecktem Zeigefinger an den Mund. Dieselbe Gebärde des
Schreckens und Schmerzes zeigt Decebalus auf der Trajanssäule (Cichorius
t. C'XXXT), der die Niederlage seiner Dacier ansieht.
Im Vordergrund stüsst Aehilleus, mit Helm, Schild, Panzer, Leibrock
und wehendem Mantel bekleidet, mächtig vorstürmend seine Lanze in
Hektors r. Seite. Dieser ist ebenso bewaffnet wie Aehilleus. Er ist im Fliehen
niedergestossen und in die Kniee gesunken. Der Kopf ist bis zum vollen
Profil rückwärts gegen Aehilleus gewendet. Es ist ein altertümliches Kam-
pfesschema. Bei Bie, Kampfgruppe und Kämpfertypen (Berlin 1891) p. 50 wird
als dritter Kampftypus genannt: Sieg eines Ausschreitenden gegen einen knie-
enden Umblickenden. Der Unterschied von unserer Darstellung ist nur der,
dass der Besiegte auf den alten Vasen den Rücken, Hektor aber die Brust
dem Beschauer zukehrt. Auch zielt meist der Besiegte noch im Knieen zurück,
DIE THENSA OAPJ 1'iI.INA.
IM!»
während Hektor keinen Widerstand mehr leistet (vgl. Gerhard A. V. III,
nr. 212, 1, Lenormant et de Witte Mite cSram. I, pl. 7).
9. Hektora Schleifung
Der Hintergrund ist wieder die Mauer Trojas. Sie hat eine runde Zinne
und einen runden Turm, dessen Zusammenhang mit der Mauer nicht weiter
angegehen ist. Oben stellen Priamos mit phrygischer Mütze und Eekuba und
strecken jammernd die Hände nach dem toten Sohn. Im Vordergrund stürmt
der mit zwei Pferden bespannte Streitwagen Achills dahin (II. Lat. 1000
altior ipsos fett domini sieccessus et/uos). Als Wagenrosse tragen sie den
Leihgurt. Die Zügel, über dem Rücken der Pferde deutlich sichtbar, sind
wahrscheinlich um Achills Leib geschlungen. Achilleus hat dieselbe Bewaff-
nung wie im vorigen Bild. Er kehrt sich um gegen Priamos und Bekuba
und sticht mit dem Speer nach Hektors Leiche. Es ist ein Zug wilder Kach-
sucht nach Ilias X 346. Die Ilias Latina hat trotz ihrer sonstigen Kürze
gerade diese grausamen Worte bewahrt v. 990. Hektor ist nackt; nur der
Oberkörper ist sichtbar. Der 1. Arm fällt über den Kopf zurück, der r. ist
unten an die Seite geschmiegt (Dieselbe Armlage auf einem Sarkophag
Bobert II nr. 34 am Helm Achills und auf der Patroklosvase in Neapel
Heydemann 3254, Furtwängler-Reichhold. t. 89).
Brüning (arch. Jahrb. IX, 1894) zeigt, dass die bildliche Ueberlieferung
in vielen Einzelzügen und dem ganzen Kolorit die Sage umgestaltet hat. so
dass sich in griechisch-römischer Zeit die Bilder und die Ilias Latina in
gegenseitiger Uebereinstimmung etwas von Homer entfernen. Der Gegenbe-
weis von Paulcke (de tabula Iliaca quaestiones Stesichoreae Diss. Königs-
berg in Pr. 1897) ist nicht gelungen (vgl. Philolngus 61. 1902. p. •">:'.:'
Weber, Homerus Italicus). Brüning handelt ausführlich über den Archetypus
dieses auf den ilischen Tafeln wiederkehrenden Bildes. Die verwandten Dar-
stellungen führt er p. 149. 37 und p. 154, 57 an: beizufügen ist Bartoli-
Bellori, lucerne antiche, III, 9 (wo auch Priamos auf der Mauer ist) und die
Oenochoe von Bernay (Babelon cab. d. ant. pl. XVII). Um das mehrfach
wiederkehrende Umdrehen Achills zu begründen, nimmt er aus der Zeichnung
des Codex Coburgensis (Robert IL nr. 45) in das Urbild die Figur des Odys-
seus auf, dem der davonfahrende Achilleus einige stolze Siegesworte zur
Allein gerade dieser Odysseus ist eine vielbenutzte Füllfieiir. die' ihren Platz
eigentlich im Palladionraub hat (Schreiber, hell. Reliefb. MI aus Palazzo
Spada u. unten. S. 353). Kr gehört also nicht in eine Originalkomposition. Die
Thensa scheint vielmehr den richtigen Grand des Umdrehens bewahrt zu
haben. Auch auf einer Gemme schwingt Achilleus die Lanze gegen den
schleiften Leichnam Hektors (Furtwängler I, t. 64,49). Wo diese Bedrohung
mit der Lanze fehlt, dreht sich Achilleus um, um sich an dem Anblick Beines
550
F. STAEHLIN
gedemüti<rten Feindes zu weiden. Dasselbe Motiv findet sich auf einer Vase
(Gerhard A. V. III, 199).
10. Hektors Lösung.
Fisr. 6.
Die Hauptpersonen sind Achilleus und Priaraos, von denen jeder einen
Diener bei sich hat. Zwischen ihnen am Boden liegt die Leiche Hektors.
Priamos trägt Chiton und Mantel, auf dein Haupte die phrygische Mütze.
Er ist vor Achill niedergekniet. Homers Worte 42 502 cpeQu) d'dneoeiai' änoiva
drückt das Bild durch die Geschenke aus, die er Achill anbietet. Er hält ein
breites Band in den Händen. Der Diener hinter ihm, der mit einer kurzen
Exomis und Mütze bekleidet ist. trägt einen grossen geriffelten Krug. Neben
Achills Sitz steht ein Panzer. Er trägt einen Mantel und eine Chlamys. Die
L. hält den Speer. Auch hier ist seine Grösse betont. Die offene vorge-
streckte R. drückt die Gewährung von Priamos Bitte aus. Hinter ihm steht
ein Speerträger mit Helm und Schild — man beachte den langen Zeigefinger
am Speer — , der jedenfalls ursprünglich Automedon bedeutet. Wenigstens ist
er noch auf einem römischen Mosaik von Varhely im Hanyader Comitat, das
unserem Bild in der Gruppierung entspricht, mit dieser Namensbeischrift
versehen (Arneth, archäol. Analekten. Sitzungsber. d. Wien. Ak. VI, 1851,
S. 281 t. XV).
Das Bild der Thensa ist nur ein Ausschnitt aus einer grösseren Kom-
position, die figurenreicher war. Neben Achill steht Hekuba (Robert II,
t. XX IV, 54). Links von Priamos ist meistens der Wagen mit Geschenken
und die Leiche Hektors. Diese wird entweder mit (lesclienken aufgewogen
DIE THKNSA CAP1T0LINA 351
(Babelon, cabinet des anliques, pl. XLI; Robert II, t. XXII, 17 c) oder von
Dienern herbeigetragen, am auf den Wagen gehoben 7.11 werden (Jahn-Mi-
chaelis, Griech. Bilderchroniken, tab. IliacaA, t. I n. II a. F t. IV) oder ist
auch noch zur Schleifung an den Streitwagen gebunden (Roberi II, u. 26c).
Die selbständige Gestaltung des Thensa-Bildes liegt darin, dass Ilektors
Leiche, die wegen Raummangels nicht links hinter Priamos angebracht werden
konnte, andererseits aber doch notwendig zum Verständnis war. zwischen
den beiden Hauptpersonen Tlatz fand. Die Anordnung ist übersichtlich and
fast symmetrisch. Man wird aber auch an ältere Bilder der Vasen erinnert,
wo die Leiche häufig unter Achills Kline liegt, eine Aenderung, die der
.Maler an Homers Darstellung </J" 24 vornehmen musste (vgl. Arthur Schnei-
der, Bildwerke zum troianischen Sagenkreise p. 34. Litteratur und Kunstwerke
zu den Xvtqk siehe bei Gruppe 679 a).
11. Achills Tod.
Achill steht in überragender Grösse da. Er ist nur mit einer über den
Rücken herabfallenden Chlamys bekleidet. In der L. hält er den Speer — wieder
mit lang ausgestrecktem Zeigefinger — , in der R., Trankopfer spendend, eine
Schale. Er steht vor einer Aedicula mit dem Kultbild Apollos. Der Giebel
ist von zwei jonischen Säulen gestützt. Apollo hält in der R. einen Lorbeer-
zweig. Er ist ganz nackt; das 1. Bein ist über das R. gekreuzt, der 1. Unter-
arm lehnt sich auf eine Stütze. Der Blick ist auf Achill gerichtet. Vor dem
Bild steht ein viereckiger Altar. Die Seiten tragen eingetiefte Felder. Auf
dem Altar steht eine Schale, in die Achill libiert. Aehnlich ist das Opfer
des Hippolytos an Artemis auf einem Sarkophag im Lateran (Robert III;
2.Teil t. 5-t nr. 167 a). Das Kultbild mit Altar soll den Tempel des thvin-
bräischen Apollo bezeichnen, so wie z. B. am Telephosfries der Tempel in
Delphi durch die Statue Apollos versinnbildlicht wird. Hinter Achills Rücken
und unbemerkt von ihm stehen Paris und Apollo. Paris trägt ein hochge-
gürtetes Gewand wie der Diener auf Bild 10, und dazu einen kurzen Mantel,
auf dem Kopfe die phrygische Mütze. Er hat schon den Pfeil auf den Bi
gelegt und die Sehne angezogen. Er steht in gespreizter Stellung da, so dass
er einen festen Stand bei der Abgabe des Schusses hat. Zugleich aber deutet
das zurückgesetzte und gebogene r. Bein an, dass er dann sofort entfliehen
will. Seine feige Natur ist dadurch aufs treffendste bezeichnet. Er würde nie
den Schuss wagen, wenn ihn nicht Apollo selbst ermutigte. Der Gott be-
teiligt sich nicht tätig am Morde, sondern sein Bogen hängt über dem
Rücken. Er trägt nur eine Chlamys. Mit der r. Hand stützt er Paris, der
fliehen will, von hinten, mit der 1. deutet er auf Achills Ferse, gegen die
der Pfeil gerichtet ist. Die Wendung des Kopfes zu Paris drückt noch aus-
serdem die Eindringlichkeit der göttlichen Mahnung aus.
352 F. STAEHLIN
Ohne Zweifel ist hier dargestellt, wie Achilleus in das Heiligtum des
thymbräischen Apollo kommt. Er trägt keine Rüstung {rvurpoarohy.ios tioqev-
öusvog Argum. II Hecuba; vvucfiy.ijv orokfjv ivdvoAperos, lustin. coli, ad Gr.
II, p. 37), da er um Polyxena freien will. Die Sage ist litterarisch vielfach
überliefert (vgl. Koscher I, 1, Sp. 48-50), als Darstellung der Kunst aber nur
in dem Madrider Sarkophagrelief (Robert II nr. 62*) und einer mir nicht
bekannten Vase (Bull. d. Inst. 1834, pp. 234-238). Wie nahe die litte-
rarische Ueberlieferung mit unserem Bild sich berührt, zeigt besonders
Seiwius Aen. VI. 57: Achilles cum amatam Pohjxenam ut in templo aeeipe-
ret, statuisset, insidiis Paridis post simulacrum latentis occisus est. Unde
fin<;iitur,quodtenente arcum Apolline Paris dir 'exerit tela; vgl. Hygin. fab. 110.
Man vermisst nur den Hinweis auf die Verwundung der Ferse oder des Knö-
chels (Achilleus an der Ferse oder dem Knöchel verwundet bei Furtwängler
Gemmen t. 16, 39. 18,22. 20,54. 64,67).
Das Bild ist künstlerisch und sagengeschichtiieh wertvoll. Es zerfällt
im zwei Hälften, die im nächsten Augenblick zu einer Handlung zusam-
menfliessen werden. Die Sorglosigkeit Achills, die Feigheit des Paris ist le-
bendig dargestellt. Apollo zeigt dieselbe Lust zu betrügen, mit der er
schon in der Ilias dem Achilleus entgegentritt. Derselbe Gott, dem Achill
auf der einen Seite ein frommes Opfer bringt, schickt ihm auf der anderen
Seite den Tod. So ist über das Ganze eine tragische Stimmung gelagert.
Man kann die Grundzüge des Bildes nur der Erfindung eines grossen Mei-
sters zutrauen.
Mythologisch betrachtet liegt das Bild in einem Knotenpunkt, an dem
die Sagen von Polyxena, Troilos, Achills Verwundbarkeit an der Ferse und
seinem Tod im Apollotempel zusammenlaufen, über deren Alter und Zusam-
menhang schwer zu urteilen ist. Auch die Ilias scheint ausser der Version,
dass Achilleus am skäischen Thor fällt, X 359, auch die andere zu kennen,
dass er von dem versteckten Paris durch einen Schuss in den Fuss erlegt
wurde. Freilich handelt es sich dabei nur um eine Anspielung. Diomedes
nämlich wird in einem Teil der Ilias als zweiter Achilleus hingestellt (Ro-
bert, Stud. z. Ilias 463). Er überwindet Hektor A 355, will mit Sthenelos al-
lein Troja erobern wie Achilleus mit Patroklos I 42 und 11 97. Nach allen
seinen Heldentaten wird er von Paris, der sich hinter das Grabmal des Hos
duckte, in den r. Fuss geschossen und ausser Kampf gesetzt A 369-379. Man
möchte vermuten, dass auch dies nach dem Vorbild der Achilleussage ge-
dichtet ist.
12. Die Kettung von Achills Leichnam
(vgl. Tafel XVII, 1, etwas unter natürlicher Grösse).
Den Hintergrund bilden zwei runde Türme mit spitzen Dächern und
ein Thor mit korinthischen Pilastern; die als Verbindung anzunehmende Mauer
DIE THKNSA CAPITOLINA
ist uichi ausgedrückt. Im Vordergrund trägl Aias den nackten Leichnam
Achills. Der Künstler hat dazu die Pasquinogruppe benützt, die Menelaos
und Patroklos darstellt. Der Mantel des Aias ist um die Hüften mit einem
Band festgehalten, aber verschoben, so dass die ganze rechte Seite entblösst
ist. Der Kopf mit dem Helm, der beim Tasquino bis zur Linie der Schultern
gedreht und etwas gehohen ist, zeigt eine ganz unnatürlich starke Wendung,
weil der Künstler das volle Profil gewinnen wollte. Am linken Arm trägt Aias
den Schild, dessen Rundung von der Schulter des Aias zu der des Achilleus
überleitet. Er hält mit der rechten Hand Achills Leiche am Leib gefasst, mit
der nicht sichtbaren Linken stützt er sie im Lücken an den Schultern, wie
man ans .1er Lage des Schildes schiiessen kann. An Achilleus sind die Glieder,
Haupt, linker Ann und Beine gelöst und hängen schwer lastend nieder. Unrichtig
ist die Stellung der Unterschenkel, die nachschleifen. Sie sollten in ver-
kürzter Ansicht gegeben sein. Das vermied der Künstler und brachte dadurch
eine ähnliche Verrenkung hervor wie bei der Stellung des Aiaskopfes. Der
rechte Arm ist gehoben. Eine längliche Relieferhöhung, die links von Aias
Kopf sichtbar wird, kann nur die offene Hand Achills sein, die über die 1.
Schulter des Aias hängt. Hinter Aias eilt Odysseus. Sein flatternder Mantel
wird durch ein Band gehalten. In der Linken trägt er das in der Scheide
steckende Schwert, mit der Rechten greift er zum Munde, ein vielfach vor-
kommendes Zeichen der Erregung und des Schmerzes (Vgl. S. 348). Ob der
Kopf unbedeckt ist oder ob über dem stark hervorquellenden Lockenkranz
ein eng anliegender Pilos liegt, ist nicht zu erkennen. Dieser Odysseus ist
eine beliebte Figur aus den Vorlagebüchern. Er kommt ganz ähnlich nach
links gewendet vor auf einem Silberbecher von Bernay, wie er mit Diontedes
den Dolon verfolgt (Raoul Röchelte, .Von. inecl. t. 53, wiederholt unten S. 386
Fig. 12; Babelon, cab. des antiques ä la Bibl. nat. pl. XVII. vgl. S. 380). Aehn-
lich bis auf die Kopfwendung ist der Odysseus von Antikythera, dem Svo-
ronos seinen Platz in der Scene des Palladionraubes zuweist (Tb iv l-llh'jvaig
'Efri'iy.bv Movaelov rsv^og 2 pl. XIII, p. 68. Tu £!■ llrtixi&ijnov tvo^uaret
vnb Bcdeoiov 2tärj. Athen 1905, elxiov 17, atk. 43).
Der Künstler hat also aus seinen Vorlagebüchern zwei Gestalten ge-
nommen, die eigentlich in anderen Zusammenhang gehören. Denn durch das
Thensabild kann die Deutung der Pasquinogruppe auf Menelaos und Patroklos
keine Aenderung erleiden. Sie begründet sich auf die Wunden des Toten am
Bauch und Rücken und auf seine Waffenlosigkeit. Diese ist für Patroklos, dem
Hektor die Rüstung geraubt, ebenso charakteristisch als die Rüstung es für
den toten Achilles wäre, um dessen Waffen ja dann der Streit entbrennt.
Deshalb hat der Künstler eines homerischen Bechers (Robert 50. Winkelmanns-
programm, homer. Becher E) gewissenhaft Achills Leiche in Waffen dargi -
stellt, obwohl ihm dabei vermutlich der Pasquino vorschwebte (ebenso die
archaische Vase Jl/on. delVInst. I, 51). Für Patroklos bezeichnend ist aber
auch besonders der Reiz, den die weichen fliessenden Formen, die rührende
Anmut des Toten hervorrufen. Denn Patroklos ist für die spätere Zeit der
Geliebte Achills (Aischylos bei Plato Symposion 179E-180A), während bei
24
354 P- STAEHLIN
Homer Achill jünger ist als Patroklos (Lehrs Aristarch2 187). Dem Thensa"
Künstler war die Gruppe wohl von Rom her geläufig. Dort und in der Villa
Hadrians sind fünf Kopien mehr oder weniger fragmentiert gefunden worden
(Friederichs-Wolters Bausteine nr. 1397, 1398). Eine Wiederholung nach dem
Pasquino vermutet Stais in einer schlecht erhaltenen Statue von Antikythera
(Stais a. a. 0. fig. 20 p. 44; Svoronos a. a. 0. p. 72).
Eine gewisse Uebereinstimmung mit dem Epos Aithiopis (Kinkel p. 34
und Ilias Parva p. 39 fr. 2) ist auf dem Thensabild erzielt, indem Aias die
Leiche trägt, Odysseus dahinter geht (vgl. Furtwänglcr Gemmen t. 23, 40
u. 41, t. 25, 13). Aber die Figur des ungerüsteten und den Feinden den
Kücken kehrenden Odysseus bleibt doch eigentlich sinnlos. Ganz anders zeigt
der erwähnte homerische Becher den Odysseus im heftigsten Kampf mit einem
nachdrängenden Troer. Durch den Vergleich wird die Mattigkeit des Then-
sabildes recht fühlbar. Man könnte einwenden, dass hier Achills Leiche nicht
aus der Feldschlafht gerettet werde, sondern aus dem Heiligtum des Apollo,
wie es Dictys Cretensis IV, c. 12 schildert. Daraus würde sich scheinbar
auch die Waffenlosigkeit gut erklären. Allein offenbar ist durch die Türme
und das Tor im Hintergrund Troja angedeutet, also der Tod Achills vor dem
skäisehen Tor vorausgesetzt. Es passt also dieser Ausgang auch nicht zum
vorhergehenden Bild 11.
Da der Künstler die Pasquinogruppe abgesehen von den durch sein
Unvermögen veranlassten Verrenkungen des Kopfes und der Beine offenbar
getreu kopiert hat, kommt seine Darstellung für die Ergänzung des Pasquino
in Betracht. Nur den Helm hat er geändert, da er ein bestimmtes Schema
für die Helme auf allen Bildern befolgt (vgl. S. 383). Der schon mehrfach
von Archaeologcn geforderte Schild, der den hässlichen Winkel zwischen den
Schultern des Menelaos und Patroklos schliessen und den dreieckigen Aufbau
der ganzen Gruppe vollenden soll, ist hier überliefert, und ebenso auf dem
homerischen Becher. Die Haltung des rechten Patroklosarmes und der
Hand stimmt mit dem Würzburger Fragment überein (L. Urlichs, über
die Gruppe des Pasquino. Bonner Winckelmannsprogramm 18G7). Das Bruch-
stück aus der Villa Hadrians, welches den r. Arm des Patroklos gestützt
von der 1. Hand des Menelaos zeigt (Heibig I2, 232) lehrt ebenfalls, dass der r.
Arm des Patroklos erhoben war (vgl. den im Dresdener Albertinum zusammen-
gesetzten Abguss, abgeb. Zeitschrift für bild. Kunst N F. XIV S. 178).
Diese Haltung erklärt sich nur, wenn man annimmt, dass Menelaos nur
1 mgsam gehend, wie die schleifenden Füsse zeigen, die Leiche eben nie-
derlegen will, die er bisher auf der 1. Schulter getragen, (vgl. Kekule, das
akadem. Kunstmuseum zu Bonn 1872, nr. 248, p.00). "Was uns hur der Thensa
Künstler über das Original lehrt, hat er selbst nicht verstanden. Denn er
hat den Menelaos mächtig eilend dargestellt und diesen Eindruck durch den
nachlaufenden Odysseus verstärkt.
DIE THEN8A CAPITOLINA ■'>'>'>
III. V e nu smedai Hon (vgl. Tafel XVIII, 1).
Das kreisrunde Bild ist v ünern Myrtenkranz eingerahmt, der unten
zusammengesteckt ist und oben eine oval'- Gemme umschliesst. Zwei -
kentauren, ein bärtiger und ein unbärtiger (weiblich?), halten eine grosse
Muschel, in der Venus sitzt. Sie haben Panshörner, Pferdefüsse und ''inen
Fischschwanz, der sich am .Myrtenkranz emporringelt. Unten ist 'las Meer in
Wellenlinien angedeutet mit zwei Delphinen. Venus ist als Anadyoineiie
dargestellt und ordnet ihr Haar nach einem bekannten Schema (vgl. Selbig
I2 nr. 260 u. Bronzestatuetten aus Aegypten in Collection de Clercq, III, pl. X,
l'aris 1905). Sie sitzt auf einem Gewandstück, das von ihrem Kücken über die
Oberschenkel fällt. Drei geflügelte Amoren stehen ihr bei der Toilette bei.
Der Linke hält einen Spiegel, der rechte ein Band, der oberste einen Kranz.
Während sonst auf allen Darstellungen die Köpfe im Profil stehen, sind sie hier
in Vorderansicht. Die Gesichtzüge sind daher auch entsprechend roh, be-
sonders die der Venus. Die Augen scheinen an allen drei Köpfen von aussen
bearbeitet worden zu sein.
Die Darstellung der von Tritonen in einer Muschel gehaltenen Venus
kehrt auf Sarkophagen häufig wieder (vgl. Altmann, Archit. u. Ornam. d. S.
p. 84). Die grösste Aehnlichkeit bietet ein Relief, das im vorderen Hof des
Palazzo Mattei links vom Eintretenden eingemauert ist (monum. .][ntthap'iana
III, 2 fig. 1 = Bartoli Admiranda t. 30). Eine ziemlich entsprechende Dar-
stellung findet sich auf einem späteren, gleichfalls mit einer Form hergestellten
Bronzeblech (Catalogue gen<!r. du J/usee du Gaire, vol. XII. Koptische Kunst
von Strzygowski 1904 nr. 9038 t. XXV, 13). Venus sitzt in einer Doppelmu-
schel, die von « zwei Knaben mit Hörnern » gehalten wird. Diese Knaben
scheinen aber Seekentauren zu sein. Man sieht in der Abbildung die dünnen
Pferdefüsse. Recht ähnlich ist auch ein 1856 in der römischen Villa in Ha-
likarnassos gefundenes Mosaik im britischen Museum.
IV. Der Thiasos (Abbildung 7).
Ein bärtiger, kahlköpfiger Silen (1), von den Hüften ab mil einem Rock
bekleidet, in der Linken eine starke Weinrebe haltend, greift mit der off
Hand nach einer Syrinx, die ihm ein bocksfüssiger Tan (2) entgegenhält.
i'an hält in der Linken ein Pedum. Eine Mänade $), die wie fast alle an-
deren, einen Peplos mit starkem Ueberschlag und einen flatternden .Mantel-
streifen trägt, tanzt nach rechts. Die Rechte hält den oben und unten mit
Bändern gezierten Thyrsos, die Linke streckt ein Tympanon vor. Die Hand ist
dabei durch eine der vielen daran angebrachten Schlingen gesteckt. Ein
35 G
F. STAEHI.IN
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nackter Satyr (4), zu dessen Füssen ein Pedum steht,
bläst die Doppelflöte. Zu der Musik führt eine Mä-
nade (5) einen Tanz aus, wobei sie anmutig über dem
Kopf die Cymbeln zusammenschlägt. Ihr Peplos ist übu-
dem Ueberschlag mit einem Band gegürtet. Nach links
hüpft ein nackter Satyr (6), über einen Panther weg-
springend. Die Linke hat das Pedum, mit der Re-
chten hält er neckend über dem rückwärts gewendeten
Kopf eine Traube, nach der eine nachfolgende Mä-
nade(7) mit offener Hand hascht, Sie ist bekleidet
und hat den Thyrsos geschultert. Den Mittelpunkt des
Frieses bildet der Wagen des Dionysos, dem sieben
Personen vorangehen und acht folgen. Ein nackter Sa-
tyr (8) mit Pedum führt an einem Band die beiden
Panther, die das Gespann bilden. Der vordere von ih-
nen ist weiblich. Neben ihnen eilt eine Mänade (9),
die Doppelflöte blasend. Der Wagen ist vierräderig
und reich mit Ornamenten verziert, wie wenn er mit
Metall beschlagen wäre. In ihm thront Dionysos (10).
Kr sitzt in dem bekannten Schema, das rückwärtige
Bein hochsetzend. Den Unterkörper bedeckt ein Man-
tel. Die Linke hält den Thyrsos, die Rechte einen Kan-
tbaros, aus dem reichlicher Wein fliesst. Von vornen
fliegt ihm ein Amor entgegen mit einem Kranz und
einer Traube. Hinter dem Wagen steht ein Pedum.
Ein nackter Satyr (11) bläst auf der Doppelflöte — fast
in derselben Haltung wie Figur 4 — , dazu tanzt eine
nackte Mänade (12), indem sie zierlich ihren ausgebrei-
teten Mantel wie eine Draperie hinter sich hält. Es
folgt eine Gruppe eines nackten Satyrs (13) und ei-
ner Mänade (14). Neben dem Satyr steht eine Keule.
Der trunkene, kahlköpfige Silen (15) sitzt auf einem
nach 1. schreitenden Esel. Er hält in der Rechten den
bändergezierten Thyrsos, die Linke mit einem doppel-
henkeligen Becher hängt schwer über den Rücken eines
Satyrknaben (16), der den vom Esel Sinkenden mühsam
stützt. Schon hebt sich bedenklich das r. Bein Silens
über den Eselsrücken, der Oberkörper fällt haltlos
zurück, der nächste Moment droht schweren Sturz.
Aber der Knabe hält mit den Armen den Oberkörper
und stützt mit dem r. Fuss. den er auf einen Stein
gesetzt hat, den Oberschenkel des Trunkenen. Neben
dem Knaben ist ein Pedum. Diese Gruppe ist fast
bis in die Einzelheiten genau wiederholt auf einem
bacchischen Sarkophag (Brit. Mus. X t. 39; Bartoli
DIE THENSA CAPITOLINA
Admiranda t. 49; Gerhard Auf. Bildwerke HO, I). Eine bekleidete Mä-
nade(17) spielt im Kreise tanzend die Doppelflöte, ein nackter Satyr (18),
in jeder Hand einen Stock haltend, tanzt um den heiligen Korb, ans dem
eben die Schlange zischend in die Höhe schiesst. Ein Panther hebt, von
der lebhaften Bewegung erregt, die Pfote gegen den Satyr.
Eine Besonderheit in der Trachi der Mänaden bildet das Mantelstück,
welches hinter den Schultern weil vom Luftzug gebläht wird und über die
beiden Arme in Zipfeln frei flattert. Es findet sich häufig an den Figuren der
sog. neuattischen Reliefs (Hauser t. II nr. 30). An die Figuren dieser Reliefs
und an die bacchischen Sarkophage schliesst sich unser Thiasos an. Bi
ders verwandt ist ein Relief in Pal. Mattei (Matz-Duhn II, 2291). Im Ver-
gleich mit Sarkophagdarstellungen fällt auf, dass die Figuren weil ausein-
ander gezogen sind. [Jeberschneidungen sind vermieden, sobald man den
Fries in seine acht deutlich sich absondernden Gruppen zerlegt (1 + 2,
3+4 + 5, 64-7, 8 + 9-1-10, 11 + 12, 13+ II, 15 + 16, 17 - Man
hätte die einzelnen Gruppen gesondert aus der Form ausprägen können, ohne
dabei Teile der anstossenden Gruppen mit auszuprägen (vgl. Häuser, die neuatt.
Reliefs p. 127)
An künstlerischer Schönheit ist dieser Fries den Achilleusbildern weit
überlegen. Er gehört dem Stile nach ganz an den Anfang der Antoninenzeit,
wenn nicht in die hadrianische Epoche, zu der besonders das Festhalten an
der ebenen Grundflache des überall sichtbaren Reliefgrundes passt. Jede
Gruppe zeigt gegen den Hintergrund die volle Silhouette. Verwandt ist etwa
die Hochzeit des Peleus (Robert Sark. II t. 1).
V. Technik.
Das Blech hat eine beträchtliche Dicke von c. 0,5 mm. Die Länge
der einzelnen jetzt erhaltenen Blechstücke lässt sich nicht überall
bestimmen: denn moderne Blechbänder mit Kugelstab unterbre-
chen die antiken Stücke und man kann nicht sehen, ob die antike
Bronze unter der modernen Ergänzung zusammenhängt oder ge-
trennt ist. Doch sind mehrfach Bleche von über 40 cm Länge erhal-
ten und im fünften Streifen vou über 55 cm. Die ausgeprägten Formen
sind ziemlich stumpf, rundlich und flau. Bei manchen Bildern sind
Einzelheiten undeutlich geblieben z. B. Zweige, Speere. Gerätschaf-
ten, die in den Händen gehalten werden. Ein Nachziselieren der
Oberfläche fand nicht statt, ausser an den Augen der Venus und der
Tritonen im Veuusmedaillon. Alan bemerkt bald, dass gewisse
Bilder stets in derselben Reihenfolge sich wiederholen. Daraus darf
358 F. STAKHLIN
man schliessen, dass die Reliefs mit Hilfe von negativen Formen
hergestellt sind. Auf diese wurde das Blech gelegt und sorgfältig
an den Rändern befestigt, so dass es sich nicht verschieben konnte.
Mit leichten Schlägen eines hölzernen Hammers trieb man es dann
im allgemeinen in die Form. Da das Blech an den Stellen, die
besonders hoch reliefiort werden sollten, leicht durch die Hammer-
schläge zerriss, legte man hierauf zum Schutze eine Lage Blei oder
anderes nachgiebiges und doch zähes Material über das Blech und
arbeitete jetzt erst mit sorgfältigen Hammerschlägen alle Einzel-
heiten aus. Wenn man heutigen Tages solche Reliefs ausprägen
will, so geschieht es auf galvanoplastischem Wege oder durch hy-
draulischen Druck.
Unsere Aufgabe ist es, aus dem Wirrwarr des jetzigen Zustandes
der Thensa, wo sich z. B. das Bild mit der Rettung von Achills
Leiche nur einmal, die Scene von Achills Jagd sechsmal findet,
die zur Herstellung verwendeten Formen herauszufinden (1).
Bei den grossen Achilleusbildern bemerkt man sofort, dass
die Form mindestens je drei Darstellungen umfasste, die mehrmals
in der gleichen Reihe folgen. So sehen wir im 2. und (i. Streifen je
einmal: Feiung, Begrüssung, Unterricht; im 2. Streifen zweimal:
Jagd, Gesandtschaft, Erkennung; im 6. Streifen zweimal: Achills
Zorn, Hektors Tod und Schleifung; im 2. Streifen zweimal: Hek-
tors Lösung, Achills Tod, Rettung seiner Leiche (letzteres Bild ist
einmal verloren gegangen). Aber eine genauere Beobachtung klärt
uns noch weiter über den Umfang der Form auf. Nämlich bei den
Uebergängen von Bild 3 (Unterricht) zu Bild 4 (Jagd) und von
Bild 9 (Schleifung) zu Bild 10 (Lösung), wo man dem ersten Eindruck
folgend ein Aufhören der Form annehmen möchte, ist die trennende
Säule (zwischen Bild 3 u. 4 eine geschuppte, zwischen 9 u. 10 eine
mit Spiralen nach rechts) mit dem darüber befindlichen Medaillon
immer zweimal ausgeprägt d. h. einmal als Abschluss rechts von Bild
3 bezw. 9 und einmal als Abschluss links von Bild 4 bezw. 10. Dazu
ist neben dem Medaillon abwechselnd der linke oder rechte Erote
ausgepr;'i'it. Mehrfach sind aber liiebei die Hände des gegenständigen
Eroten, die das Medaillon halten, mit ausgeprägt, so in Bild 9 und
(') Zu den folgenden Ausführungen wolle der Leser die Tafel XIV u. XV
Dei Castellani vergleichen.
DIE THENSA CAPITOMNA
359
Bild 3 rieben dein Venusmedaillon. Beide Arme des Eroten sind
im 2. Streifen links von Bild 4 erhalten; auch reicht an dieser
Stelle der Giebelarchitrav noch ein Stück weiter nach links (Ab-
bildung 9 u. Tafel XVII, 3). Was man schon aus der Gleichheit der
Säulen und des darüber befindlichen Kopfes schliessen durfte, wird
durch diese Spuren gesichert: zwischen Bild 3 und 4 und zwischen
Bild 9 u. 10 hörte die Form nicht auf, sondern ging in einem
Stück weiter. Bild 1 — 6 und Bild 7 — 12 waren in je einerForm
zusammengefasst. Der Handwerker prägte aber niemals die ganze
Fig. 8.
Form auf einmal aus, sondern immer nur die drei ersten oder drei
letzten Bilder (über den Grund vgl. S. 375). Dabei prägte er leicht
ein Stück des anstossenden Bildrahmens mit aus, besonders die
Hände des gegenständigen Eroten. Jede der Formen hat er ge-
rade zweimal benützt. Wir gewinnen als Resultat dieser Untersu-
chung das planvolle Ganze eines aus 12 Bildern bestehenden
Achilleuscyklus. Die Länge von 3 Bildern an der Thensa beträgt
0,395 m, die Länge von 6 Bildein dann 0,79 m. Davon müssen
wir die Breite einer Säule abziehen, die durch die Zerlegung des
Bleches in zwei Teile zweimal ausgeprägt wurde, und erhalten
360 F- STAF.HLIN
so 0,79 — 0,014 = 0,776 m als Länge der Form, die wir I
(Bild 1-6) und II (Bild 7-12) nennen. Oben und unten begrenzt
die Form ein Rundstab. Auf ihm stehen unten die Figuren des
Bildes, oben stossen an ihn. die Spitzen der Giebel und die Eroten
mit Kopf, Flügeln und Fnsssohlen.
Der Handwerker hatte nicht nötig immer die ganze Form
auszuprägen, sondern konnte auch einen einzelnen Teil mitten aus
der Form auswählen. Er legte dann das Blech auf die Form und
schlug es nur an dem Teil ins Negativ, den er ausgeprägt haben
wollte. An der Stelle, wo die Reliefierung enden sollte, bog er das
Blech etwas in die Höhe (vgl. Rom. Mitt. 1906 S. 84). Dies
Verfahren ist im 4. Streifen angewandt. Hier umfasste gleichfalls
je ein Blechstück drei Bilder, nämlich das Venusbild in der Mitte
und je ein Achilleusbild auf der Seite, das aus der Form I und II
genommen ist. Wo der Myrtenkranz des Venusbildes mit den zwei
inneren Säulen der Achilleusbilder zusaminenstossen musste, sind
die Spuren des leichten Knickes, den das in die Höhe gebogene
Blech erhielt, noch deutlich erhalten (vgl. Tafel XVIII, 1). Besondere
Sorgfalt hätte es dabei erfordert, die Grundlinie der beiden Seiten-
bilder in die gleiche Linie zu bringen. Allein sie haben ver-
schieden hohe Grundlinien und sind schief nach oben oder unten
geneigt. Dies entspricht der auch sonst mehrfach festzustellenden
Sorglosigkeit des Handwerkers. Zuerst wurden die beiden Achilleus-
bilder ausgeprägt, dann erst das Venusmedaillon. Sein Rahmen
greift auf die zwei inneren Säulen über und verwischt sie, soweit
sie überhaupt ausgeformt waren. Die Länge des relierierteu Teiles
beträgt wieder 0,395 m, der Länge von drei Achilleusbildern genau
entsprechend.
An diesem vierten Streifen sieht man, dass der Handwerker von
der Bedeutung der Achilleusbilder keine Kenntnis hatte. Er hielt
nämlich ihre Reihenfolge für gleichgiltig und verwendete sie nur
als Schmuckstücke. Ohne jeden Grundsatz wählte er das eine oder
andere Bild zur Verwendung aus. Nur seiner Bequemlichkeit trug
er Rechnung, indem er immer die Seitenbilder beide entweder der
Form I oder der Form II entnahm. So setzte er zusammen: Un-
terricht und Jagd. Begrüssung und Feiung (zweimal) aus Form
I, Hektors Schleifung und Achills Tod aus Form II. Wir ha-
ben also aus dem vierten Streifen als neue Form, die IV. benannt
DIR THENSA CAPITOLINA 361
sein soll, nur das Vennsmedaillon zu entnehmen, das 0,138 m
breit und hocli ist.
Die Achilleusbilder des tauften Streifens sind von einem
untergeordneten Künstler, nach dem Vorbild der grossen Bilder in
verkleinertem Massstab gefertigt (vgl. Tafel XVII, 2). Ihre Minder-
wertigkeit zeigt sich in der durchgehenden Verschlechterung der
Zeichnung, indem z. 13. die Personen un verhältnismässig grosse
Köpfe haben, besonders bei der Begrüssungsscene; ferner in der
missglückten Aenderung der Vorlage, wenn in der Jagdscene Achill
nicht auf dem Rücken Cheirons, sondern auf einem eigenen Pferd
reitet, sodann iu der Vernachlässigung der zeitlichen Ordnung,
indem die Gesandtschaft erst hinter Achills Zorn kommt. Solcher
Unkenntnis der Sage begegneten wir auch im vierten Streifen.
Eine Kleinigkeit ist, dass die jonische Säule iu Achills Zorn in
eine korinthische verwandelt ist.
Der Streifen beginnt mit Achills Feiung, ohne dass auf
dem breiten links erhaltenen Rand die linke Anfangssäule mit der
Zwickelfüllung darüber ausgeprägt wäre. Dagegen sieht man, dass
das Blech an dieser Stelle einem starken Druck (vgl. S. 375) ausge-
setzt war. Wir müssen daher annehmen, dass es hier unter
dem Wagenrand steckte und von ihm breitgedrückt wurde. Also
gehört dieses Bild ganz links an den Anfang des Streifens. Da-
rauf folgen in ungestörter Reihe die sieben ersten Achilleusbilder,
in denen aber die Gesandtschaft an den Schluss gestellt ist, was
dem besprochenen Unverständnis des Verfertigers zuzuschreiben
ist. Die Zwickelfüllung über der ersten Säule ist nicht erhalten.
Dann folgeu in drei Zwickeln drei nach rechts fliegende Eroten,
deneu iu den nächsten drei Zwickeln drei nach links fliegende
Eroten entgegenkommen. Ueber der letzten Säule ist im Zwickel
der aufgerichtete Oberkörper eines Eroten. Er bezeichnet das Ende
dieser Form. Wir haben eiue genaue Symmetrie in den Säuleu,
deren Spiralen nach rechts und links wechseln, und in den Zwik-
kelfüllungen (vgl. unten S. 369) und dürfen annehmen, dass auch
über der ersten Säule ein aufrechter Erote war. Die Einheit und
der Abschluss, der diesen sieben Bildern ihrem Inhalt nach
fehlt, ist der Form durch die symmetrische Ornamentik gegeben.
Die Länge dieser Form III ist 0.555 m.
Nachdem die Form einmal abgedrückt war, wurden ein oder
362
F. STA EH LI N
mehrere Bilder eingeschoben, die mitten aus der Form mit dem
oben bezeichneten Verfahren geprägt wurden. Die Reihenfolge der
Bilder war ja dem Handwerker gleichgiltig. Erhalten ist das an
die Gesandtschaft anstossende Stück des Jagdbildes (Abbildung 8).
Es ist jetzt zur Linken begrenzt von der Säule mit dem aufge-
richteten Eroten. Innerhalb der festen Form aber ist im Zwickel
Fisr. 0.
links über dem Jagdbild einer der nach rechts fliegenden Eroten.
Die hieraus sich ergebende Schwierigkeit hat ihre Spuren hinter-
lassen. Denn 1) reicht der flache Bogen über dem Jagdbild nicht
bis an die linke Säule; 2) ist das ganze Bild etwas von der linken
Säule abgerückt; 3) ist der Arm mit dem Kranze des nach rechts
fliegenden Eroten neben dem aufrechten Eroten mit ausgeprägt.
Nunmehr folgt ein völliger Bruch des Bleches, an den kein
anderes Stück anpasst. In Castellanis Rekonstruktion folgt nach
der Lücke der Unterricht und die weiteren vier Bilder bis zur Ge-
DIE THKNSA CAPITOLIKA 363
sandtschaft in der Reihenfolge der Form. Die beiden ersten Bilder,
nämlich Feiung und Begrüssung, fehlen. Merkwürdigerweise tauchten
sie aber in Paris auf und sind im Versteigerungskatalog der Col-
lection Hotfmann (von Froehner, Paris 1888) auf p. 107 n. 394
in Originalgrösse abgebildet (danach Abbildung 10). Ich verdanke
den mir sehr wertvollen Hinweis auf dies Stück Herrn Dr. Frie-
drich Hauser in Rom. Kann schon wegen der Maasse und der Dar-
stellung kein Zweifel sein an ihrer Zugehörigkeit zur Thensa, so
ist sogar ihr Platz zu bestimmen, da die rechte Bruchseite der
ppatä^
Fi«?. 10.
beiden in sich zusammenhängenden Pariser Stücke genau anpasst
an die linke Bruchseite des Unterrichts. Ich habe dies durch An-
passen einer ausgeschnittenen Pause am Original erprobt. Leider
ist auch an diesem Stück die Zwickelfüllung über der ersten Säule,
wenigstens nach der Abbildung, nicht zu erkennen. Wo es sich
jetzt befindet, ist mir nicht bekannt.
Es war also nach der oben bezeichneten Lücke noch einmal die
ganze Form mit den sieben Bildern ausgeprägt. An das siebente Bild
(Gesandtschaft) schliesst sich der Unterricht an. Auch an ihm sind
infolge dessen Unregelmässigkeiten zu bemerken : 1 ) Es hat zur
Linken die Schlusssäule der Form mit Spiralen nach links, während
364 F- STAEHLIN
es innerhalb der Form zur Linken eine Spiralsäule nach rechts hat;
2 1 auch hier reicht der Bogen über dem Bild nicht an die linke
Säule heran; 3) das Bild ist zu nahe an die Säule gerückt. Dadurch
ist vermieden oben im Zwickel ein Stück des fliegenden Eroten
neben dem aufrechten auszuformen. Dafür blieben aber auch der
linke Baum und die Füsse des Lokalgottes unausgesprägt. Von
dem hierauf folgenden Jagdbild ist nur ein kleines Stück der
fliegenden Chlamys Achills erhalten. Dann folgt eine glatte Fläche,
die unter dem Wagenrand verschwand. Wir haben also von diesem
Streifen die beiden unter den Wagenrand gehörenden Enden und
in der Mitte eine Lücke, die mindestens noch ein verlorenes Bild
umfasste. Es wird die an das Jagdbild anstossende Szene der
Erkennung gewesen sein. Es ist auch noch ein nach links fliegender
Erot erhalten, der zu diesem Bilde passen würde. Castellani hatte,
bevor die Pariser Stücke zu Verlust gingen (p. 131 Ire dei ret-
tangoli aadarono perduti), siebzehn Bilder dieses Streifens (p. 131
la quinta fascia era scompartita in dicisette rettangoli). Jetzt
sind noch fünfzehn am Original ganz oder teilweise erhalten.
Die Form V endlich bildet der Thiasos in der Reihenfolge,
wie er oben beschrieben ist. Castellani und Heydemann hielten irr-
tümlicherweise den Dionysos für Ariadne und gründeten darauf die
Vermutung, dass noch Reliefstücke mit Dionysos verloren seien.
Nach Beseitigung des Irrtums darf auch die Vermutung für ab-
getan gelten. Die Form ist von dem kahlköpfigen Silen bis zur
heiligen Cista mit der Schlange 55 cm lang, also der Länge von
Form III fast genau entsprechend. Au technischen Besonderheiten
ist Folgendes zu erwähnen: bei dreien der vier erhaltenen Stücke
bildet Figur 1 den Anfang. Also nahm der Handwerker jedesmal
für Ausprägung der Form ein eigenes Blechstück, das der Länge
der Form entsprach. Denn links von Figur 1 schneidet das Blech
immer glatt ab, nicht mit unregelmässigem Bruchrand. Nach wie-
derholter Ausprägung der V. Form blieb dem Handwerker noch
bis zum Seitenbord eiu leerer Raum von 0,095 cm Länge übrig.
Hier schob er mitten aus der Form nicht eine der oben (S. 357)
bezeichneten zusammengehörigen Gruppen ein, sondern Figur 5, 6
und 7. Mit so geringer Sorgfalt fügte er sie ein, dass die Grund-
Linie der angeflickten Figuren um 3 mm zu tief ist und schief nach
abwärts steht. Weil er sich nicht an die Gruppeneinteilung an-
DIK THENSA CAP1T0LINA 305
schloss, sind trotz der lichten Zwischenräume in dieser Form doch
nicht zugehörige Reliefteile mit ausgeprägt, so die Doppelflöte des
Satyrs 4, der Arm und das Pediini des Satyrs 8. Man sieht auch
an der Anschlussstelle den oben erwähnten senkrechten Knick im
Bleche.
Als Resultat der technischen Untersuchung stellt sich heraus,
das sämtliche Reliefs der Thensa mit nur fünf Formen ausgeprägt
sind, nämlich :
Form I (grosse Achilleusbilder 1-6).
Form II ( » » 7-12).
Form III (kleine Achilleusbilder).
Form IV (Venusmedaillon).
Form V (Thiasos).
VI. Ornam e n tik.
Aus den bei der technischen Untersuchung gewonnenen Re-
sultaten ergibt sich, dass wir zunächst nicht nach der Ornamentik
der ganzen Thensa fragen dürfen, sondern nach der der einzelnen
Formen. Was über die Ornamentik des ganzen Wagens zu sagen
ist. wird in Kap. VIII zur Sprache kommen.
Von den grossen (Form I und II) und kleinen (Form III)
Achilleusbildern ist jedes für sich eingerahmt, und zwar die
grossen Bilder mit Säulen und einem Giebeldreieck. Trennung der
einzelnen Bilder durch Ornamentstreifen (Flechtband, Triglyphen-
und Metopenband) war schon bei älteren griechischen Bronzen das
crewöhnliche Schema. Aber während diese die einzelnen Bildvier-
ecke senkrecht unter einander anordneten (De Ridder de eötypis
quibusdam, quae falso vocantur Argivo-Corinlhiaca Paris 1896)
und die Nebeneinanderreihung, wie sie die Bronze von Eleuthe-
rae zeigt (de Ridder nr. 36), eine Aenderung des ursprünglichen
Schemas bedeutet, befinden sich auf der Thensa die Bilder neben-
einander. Aller Nachdruck ist hier darauf zu legen, dass die Ein-
rahmung durch architektonische Vorbilder, die in wagrechter Linie
sich ausbreiten, bestimmt ist. Die Aedicula-artige Einrahmung
des Einzelbildes hat auf griechischen Votivtafeln und Grabreliefs.
366 F- STAEHLIN
den Mittelbildern ünteritalischer Prachtvasen, römischen Grabur-
nen (vgl. besonders Heibig IP nr. 1082) und Grabaltären und be-
sonders im Bildträger in der Wandmalerei ihre Vorläufer. Bei
der zusammenhängenden Säulenhalle aber, in der oder durch die
man die Achilleusbilder sieht, schwebten dem Künstler Werke
der Wandmalerei vor und zwar ein grösserer Cyklus von Gemäl-
den. Für die Darstellung eines grösseren Gemäldes auf einer
Wand ist eine durch einen Prospekt durchbrochene Wand mit
Einrahmung des Bildes durch seitliche Pfeiler oder Säulen das
naturgemäss geforderte Schema (Mau Gesch. d. Wandmalerei
S. 187 und die Wand aus der Villa des Diomedes Taf. 7). Ein
ganzer Cyklus derartiger Bilder ist uns in den Odysseelandschaf-
ten vom Esquilin (herausgegeben von Karl Woermann) erhalten,
auf die man durch eine kräftige Pfeilerarchitektur hinaussieht,
Da das gleiche Schema zur Einrahmung der Thensabilder ange-
wandt ist, so darf man einen direkten Einfluss der Architektur-
malerei auf die Gestaltung der Formen I und II annehmen.
Die Säulen sind korinthisch, an den Basen mit Tonis und Tro-
chilus versehen. Am Kapitell ist eine dreifache Akanthusausla-
dung nach den Seiten hin angegeben. Die Säulen sind so breit
wie in der Wirklichkeit Säulen als Dachträger sein müssten. Sie
gleichen hierin den Pfeilern der Odysseelandschaften, die dem ar-
chitektonischen (zweiten) Stil angehören (Mau, Wandmalerei S.
164). Wir unterscheiden Säulen mit geraden Rillen, mit Spiralen
nach links und rechts und mit Schuppen. Letztere, die ursprüng-
lich den Palmbaum nachahmen, sind in der römischen Wand-
malerei (Mau t. 13, 14) und Skulptur (Rom. Mit. 1904 p. 24.
Heibig P nr. 694 u. 695 ; E. Würz, plast. Dekoration des Stütz-
werkes, 1906 p. 87 f.) nicht selten. Gleichgeordnete Stützen der
Architektur sind in guter griechischer Zeit unter sich gleichartig.
Den Anlass zu Abweichungen scheint die Wandmalerei gegeben zu
haben. Schon im zweiten Stil werden die Säulen des Bildträgers, der
ja nach der Absicht des Malers peispeldivisch vor den Sockel vor-
springt, also der übrigen Wand nicht gleichgeordnet ist, vor den
übrigen Pfeilern oder Säulen der Wand ausgezeichnet (Mau t. 5 u. 6).
Der dritte ornamentale Stil, der diese perspektivisch gedachte Ar-
chitektur ins Flächenhafte überträgt, auch die Stützen ihres eigent-
lichen architektonischen Charakters entkleidet und sie als Orna-
DIE THKNSA CAP1T0MNA 36"i
mente verwendet, stellt auch in derselben Ebene Stützen von ver-
schiedener Art dar. So sind im Peristyl der casa del Citarista
(Mau S. 302 t. 11 e) schwarze Pfeiler, auf die in rytlimischem
Wechsel ein Kandelaber, eine Rundsäule und ein Pfeiler gemalt
sind (vgl. Zahn III, 59). Ein Beispiel aus der wirklichen Archi-
tektur liefert das Monument von Adamklissi, zu dem Studniczka
viele Analogieen anführt (Monumentum Traianum. Abli. d. sächs.
Ges. d. Wiss. Bd. 22, 1903 04, S. 38).
Besonders auffallend ist die Symmetrie der Säulenstellung.
Versteht man unter 1 Säuleu mit senkrechten Rillen, unter 2
mit Spiralen, unter 3 mit Schuppen, so ergibt sich folgende Reihe:
12 2 3 3 11 Mitte 112 2 3 3 1.
Die Säulen folgen also nach einer bestimmten Kunstabsicht.
Von der Mitte aus genommen sind beide Flügel symmetrisch.
Das Mittel des Kontrastes ist angewandt, indem die Säulenpaare
2 und 3 umgestellt sind. Sechs Bilder ergeben noch nicht die
Symmetrie, sondern erst alle zwölf zusammen. Sie werden durch
die Symmetrie zu einer Einheit zusammengefasst. Solche auf die
Mitte hinzielende Symmetrie klingt leise an bei den Odysseeland-
schaften (Wörman a. a. 0. S. 3). Sie geht aus von dem Augen-
winkel des Beschauers, der nach der Absicht des Malers dem Kirke-
bild als der Mitte gegenüberstehen . soll. Infolgedessen lassen die
fünf Bilder links vom Beschauer rechts hinter dem roten Pfeiler, die
fünf Bilder rechts vom Beschauer links hinter dem roten Pfeiler einen
schwarzen Pfeiler und in entsprechender Weise die Seitenansicht
des roten Pfeilers sehen (natürlich so weit eben die Bilder erhal-
ten sind). So sind diese gleichwertig aneinander gereihten Bil-
der doch gewissermassen zusammengefasst. Beherrscht von die-
sem Prinzip ist die symmetrische Anordnung der Wand mit einem
Gemälde in der Mitte (Mau Kap. 9). Der Hauptteil der Wand
zerfällt dabei in drei Teile, ein selbständiges Mittelstück und
zwei sich entsprechende Flügel. (Genau so findet sich — um dies
liier gleich vorwegzunehmen — an der Thensa die Form IV mit
Form I und II zusammengestellt. Das Venusmedaillon ist das
Mittelstück, zwei Achilleusbilder sind die Flügel). Besonders zu
beachten aber ist der obere Wandteil bei solchen Wänden. Da
gehen oft von dem festen Mittelpunkt 4-0 sich entsprechen'!.'
Glieder aus (Säulen, Gebäude, Veranden, Bilder, Pflanzen u. <1lt1 •
V. STAKH! IN
vgl. eine Wand vierten Stils bei Zahn 111, 9(3). Die künstlerische
Absicht ist dabei die gleiche wie an der Thensa, nämlich eine
langgestreckte Fläche durch Symmetrie zu einer Einheit zusam-
menzufassen. Freilich wird auch ein geschultes Auge eine solche
Entsprechung in der Verschiedenheit nicht leicht auffassen können.
Zu vergleichen sind auch die Säulensarkophage. An den He-
raklessarkophagen rinden wir nur, wie bei Form III, den rhyth-
mischen Wechsel zwischen Säulen mit Spiralen nach 1. oder r.
An den christlichen Sarkophagen ist es aber schon ganz geläufig,
dass zwei verschiedene Säulenarten (mit Ranken, Spiralen, gera-
den Rillen und Rillen, die in der unteren Hälfte wieder mit Rund-
stäben ausgefüllt sind) in bestimmtem Wechsel einander gleich-
geordnet sind (vgl. Garrucci, Storia dell'arte cristiana V t. 331,2.
347,2. 4.3).
Aehnliche Beobachtungen wie an den Säulen machen wir an
den Giebeldreiecken. Es folgt über dem Abacus der Säulen nicht Epi-
styl, Fries und Sima, sondern nur die aus einem Kugelstab be-
stehende Sima ist auf allen drei Seiten des Dreiecks herumge-
führt (vgl. Schild des Scipio Monum. Piot VI, 1S99. p. 29, fig. 3;
Terrakottafries des Octavius Oesterr. Jährest. VI, 1903, p. 16 t. II).
Im Tympanon ist der gebräuchliche Lorbeerkranz. Die kleinen A-
chilleusbilder in Form III sind mit ganz linienhaften, flachen Bögen
überspannt. Sie enden direkt am Abacus der korinthischen Säulen,
deren Kapitell nur zwei Akanthusausladungen zeigt. An den He-
raklessarkophagen sind die Bögen noch hochgewölbt, bei den
christlichen Sarkophagen findet man häutig Flachbögen.
Besondere Beachtung verdient die Füllung der Zwickel zwi-
schen den Giebeln bezw. Bögen. Leerer Raum wird vermieden und
bei der Raumfüllung wird nach den Gesetzen der Symmetrie und
der Centralisation verfahren (vgl. Alois Riegl, spätrömische Kunst-
industrie S. 78 f.). In Form I und II sind die Zwickel durch ge-
genständige, ganz von der Seite gesehene Eroten ausgefüllt, die
ein rundes Medaillon mit einem Porträt tragen. In den Medaillons
kehren stets die gleichen Köpfe wieder, nämlich ein nach links
.sehender männlicher und ein nach rechts sehender weiblicher Kopf.
Die Abwechslung der beiden Köpfe bringt in die sonst gleichartige
Reihung doch eine gewisse Gegensätzlichkeit. Die an den beiden
Enden der Form I und II befindlichen Köpfe sehen nach der
DIE THK.VSA CAI'ITOLINA 369
Mitte zu und dienen so der Centralisation, die nur schwach aus-
gedrückt ist. Auch in der Mitte ist sie mehr in negativer als in
positiver Weise angedeutet, indem dort zwei Niken mit Kränzen
auseinander fliegen und die Zwickel füllen (vgl. Viktorien als
Zwickelfüllung bei Triumphbogen). Durch diese Hervorhebung der
Mitte zwischen zwei sich entsprechenden Flügeln erhält das Ganze
eine symmetrische Anordnung.
Stärker noch ist das Prinzip der Centralisation und Sym-
metrie an Form III durchgedrungen. Im ersten (vgl. oben S. 361)
und im letzten (achten) Zwickel ist der Oberkörper eines aufrechten
Eroten, der gleichsam aus der Säule wächst. Im zweiten bis vier-
ten Zwickel fliegt je ein Erote mit Kranz in der vorgestreckten
Rechten nach rechts, während ihnen in Zwickel 5-7 je ein Erote
gleichfalls mit Kranz in der vorgestreckten Rechten entgegenkommt.
Alles strebt also der Mitte zu. Sehr ähnlich ist ein Sarkophagre-
lief im Palazzo Mattei (Robert III, 2 nr. 192 vgl. nr. 309). Zwik-
kelfüllung finden wir auch bei den Herakles-und anderen Säulen-
sarkophagen. Aber besonders ausgebildet ist sie bei den christlichen
Sarkophagen. Das symmetrische Spiel, das dort mit Pflanzen, Vö-
geln, weiuerntenden Eroten, Körben, Delphinen, Tritonen, geflügelten
Köpfen getrieben wird, erregt unser Staunen und geht für unseren
Geschmack ins Kleinliche (vgl. Garrucci, V, t. 315,2. 335,4).
Form IV, das Venusmedaillon, ist selbst als ein Ornament
aufzufassen (vgl. S. 367 über seine Zusammenstellung mit Form I
u. II). — Form V, der Thiasos, hat gar kein Ornament und beweist
auch hierin seinen von den anderen Formen abweichenden Cha-
rakter.
Während die figürlichen Darstellungen noch unter der Tra-
dition des griechischen Reliefstiles stehen, folgt die Ornamentik
den Gesetzen, die in der römischen Zeit immer mehr ihre volle
Ausbildung erhielten, nämlich der Verdrängung des Reliefgrundes
durch Ausfüllung des Raumes und dem Streben nach Svmmetrie
und Centralisation. Wir finden unter den christlichen Sarkopha-
gen des 3. und 4. Jahrhunderts mehr Analogieen zu der Orna-
mentik der Formen I-III als unter den Sarkophagen der Antoni-
nenzeit. Auch hier haben Neuerungen, denen die Zukunft gehören
sollte, zuerst in der Ornamentik sich Bahn gebrochen. Nach den
25
370 F- STAEHLIN
ornamentalen Elementen und dem Stil geordnet würde sich für
die fünf Formen folgende zeitliche Reihenfolge ergeben :
1. Form V (Thiasos).
2. Form I u. II (grosse Achilleusbilder).
3. Form III u. IV (kleine Achilleusbilder und das Venus-
medaillon).
VII. Die Medaillons.
Bei Verzierung der Thensa ist ein reichlicher Gebrauch ge-
macht von Medaillons. Als Zwickelfüllung bei den grossen Achilleus-
bildern sind Eroten verwendet, die ein rundes Medaillon (Durchm.
mit Rand 2 cm) mit abwechselnd einer männlichen und einer weib-
lichen Gewandbüste halten. Der männliche Kopf ist ziemlich aus-
druckslos, mit eingebogener Nase, halblangen Haaren, unbärtig,
runder Schädelform. Der weibliche Kopf ist durch seine Haartracht
bemerkenswert (vgl. S. 342). Man möchte glauben, dass die weiblichen
Köpfe nicht immer die gleichen seien. Der Hals scheint manchmal
dünner, die Nase spitzer, das Haar in einer Flechte am Hinter-
kopf hochgezogen. Doch können diese Unterschiede ihren Grund
nur in Unregelmässigkeiten bei der Ausprägung oder in späteren
Verletzungen haben. Die Gesichtszüge sind so matt ausgeprägt,
dass es aussichtslos wäre, die Köpfe mit bestimmten Personen
identifizieren zu wollen (vgl. Tafel XVIII, 5).
Während diese Köpfe mit zu Form I und II gehörten, sind
noch drei andere Medaillons vorhanden, die aus eigenen Formen
gepresst und dann auf die Bronzebleche aufgelötet sind. Sie sind
durch Stanzen hergestellt und haben schärfere Umrisse. Der Durch-
messer ist 4. 8 cm. Auf einem Medaillon (Tafel XVIII, 3 in Origi-
nalgrösse) ist Kopf und Hals (ohne Büste) einer unbärtigen Person
mit langem wallendem Haupthaar dargestellt. Die Haltung und
die Züge sind edel, die Stirne hoch, die Nase fein geschwungen,
die vollen Lippen fest geschlossen. Um den Hals scheint sie ein
nicht deutlich erkennbares Band zu tragen. Man wird unwillkür-
lich an eineu Kopf aus der Zeit Ludwigs XIV. erinnert. Der Kopf
sieht nicht römisch, sondern griechisch, fast wie ein Apollo!«*!»!'
DIE THENS.V CAPITOLINA 371
aus. Ich halte die festen, stark ausgeprägten Züge für männlich
Während dieser Kopf nach r. sieht, ist der andere (Tafel XVIII, 4)
nach 1. gewendet. Er hat kurzes Haar, hohe Stirn, starke Ein-
biegung am Nasensattel, ziemlich spitze Nase, festgeschlossenen
Mund mit schmalen Lippen, starkes, spitz vorspringendes Kinn. Die
Augen sind etwas zusammengekniffen, die Wangen mager, die
Ohren gross. Es ist ein soldatischer, römischer Charakterkopf, ver-
wandt im Aussehen mit der Togastatue im Lateran (Heibig I2,
674, abgeb. Garrucci, Museo Laterauo VIII ; Bernoulli, röm. Iko-
nographie II, 1 p. 214).
Das dritte Medaillon (Tafel II, 2) stellt den Kampf mit der
Chimaera dar. Bellerophon sitzt auf dem geflügelten Pegasos. Mit
der L. hat er den Kopf des Pferdes herumgerissen, mit der R.
stösst er die Lanze in den Rücken der Chimaera, die einen Lö-
wenkörper und Schlangenschwanz hat, während vom Ziegenkopf
nichts zu erkennen ist. Die Darstellung ist schwungvoll und be-
wegt. Sie fügt sich besonders gut in einen runden oder ovalen
Rahmen. Auf einem der eingeritzten schwarzen Grabsteine in
Theben, die Vollgraf veröffentlichen will, ist sie als Zeichnung auf
einem Schild benützt.
Vou diesen Medaillons ist ganz oder in Bruchstücken erhal-
ten der hellenistische Kopf viermal, der Römerkopf fünfmal, der
Chimaerakampf dreimal. Castellaui hat sie teils in den sechsten
Streifen unter die grossen Achilleusbilder gesetzt, und dafür hatte
er Spuren an den antiken Teilen, teils hat er sie an beliebigen
anderen Stellen angebracht. Das Wahrscheinlichste ist, dass sie im
zweiten und sechsten Streifen unter den grossen Achilleusbiidern
waren. Sicher bestimmen lässt sich das nicht, weil im zweiten
Streifen die Teile unter den Reliefs teils ganz verloren, teils so
oxydiert sind, dass sich Ansatzspuren nicht mehr feststellen lassen.
Die Wendung der beiden Porträte entspricht der in den Zwickel-
füllungen. War unter jedem x\.chilleusbild ein Medaillon, so müssten
es ursprünglich je 8 Medaillons gewesen sein. Sie schlössen dann
immer je 3 Achilleusbilder — so viele waren auf ein Blechstück
geprägt — zu einer Einheit zusammen.
Diese Medaillons sind Münzprägungen ähnlich. Die aufgelö-
teten Köpfe sind älter als die Gewandbüsten in den Zwickeln.
Erst seit Hadrian wird es Regel ausser Kopf und Hals auch ein
;372 V. STAEHLIN
Stück der Büste auf die Münzen zu prägen. Die Haartracht der
weiblichen Büste weist uns ins Ende des zweiten Jahrhunderts. Der
Chirnärakampf erinnert an die korinthischen Münzen (Catal. of
Greek Coins in the Brit. Mus. Corinth pl. XIX, 13. XX, 18.
XXIII, 13, 14. u. a. ; Etruskische Spiegel IV t. 334. V 72 u. 73).
Keine stimmt genau überein; besonders ist unserem Medaillon
allein eigen das lebendige Herumreissen des Pferdekopfes. Allein der
Künstler kann ja ein Münzbild auch in freier Weise benützt haben.
Porträtmedaillons als Ornamente waren in der römischen
Kaiserzeit beliebt. Sie treten an Sarkophagen auf (Altmann, Or-
namentik der Sark. S. 100). Kaiserporträts befanden sich als ima-
gines an den Fahnenstangen der Praetorianer (Domaszewski, die
Fahnen im röm. Heere Wien 1885 S. 69). Besonders bezeugt ist
die Benützung: der Münzen als Ornament in der Antoninenzeit.
Die von Münsterberg (Österr. Jahreshefte 1904 S. 139) veröffent-
lichten Proben eines Steinschneiders zeigen wahrscheinlich die
Köpfe des jugendlichen Marc Aurel und des Antoninus Pius. Jünger
ist das Bronzeblech im Kircherianum mit den Köpfen des Traianus
Decius, Herennins und der Etruscilla (Röm. Mitth. 1906 S. 83).
Das berühmteste Beispiel aber ist die Patera von Rennes (Babe-
lon, Cabinet des antigues ä la Bibl. nat. pl. VII). In ihren Rand
sind 16 Goldmünzen, die Zeit von Hadrian bis Caracalla umfas-
send, so eingelassen, dass Vorder - und Rückseite zu sehen sind
und immer ein bärtiger Kopf, von einem Lorbeerkranz umgeben,
mit einem weiblichen oder unbärtigen männlichen Kopf, von Akan-
thos umgeben, abwechselt. Auch die Art dieses Rhythmus erin-
nert an die Thensa. Die Schale ist wegen der Getamünze auf
210 n. Chr. zu datieren. Interessant ist, dass auf der Kehrseite bei
jeder Münze die Abkürzung des Namens steht, damit der Hand-
werker die richtige Münze einsetze und nicht aus Unverstand den
beabsichtigten Rhythmus störe. Solche Beaufsichtigung durch einen
Kundigen fehlte dem Handwerker der Thensa.
VIII. Zusammensetzung.
Der Wagen ist durch viele Hände gegangen, bis er vollendet
war. In einer Werkstatt wurden mit den fünf Formen die relie-
D1K THENSA CAPITOLINA 010
tierten Streifen hergestellt, deren Grösse genau bestellt war. Jedoch
stand die Länge der an dem Wagen zu besetzenden Strecken nicht
mit der Länge der Formen in einem bestimmten Verhältnis. Die
Länge der betreffenden Form ging nicht restlos auf in die Aus-
dehnung des Streifens, sondern es mussten mehrfach einzelne Stücke
aus der Form angesetzt (1. und 3. Streifen) oder eingeschoben
(5. Streifen) werden, um die ganze Länge des Streifens zu bedecken.
1. 2. 3.
5.3.4 6 7 5. (4>Lüc K e 1.8.3.4.6.7.5.3
V 4.
2. V 1.
12 3
T H I A S O S
T H ! A S O S
Fig. 11.
Im zweiten, vierten und sechsten Streifen, wo gleichfalls der zur
Verfügung stehende Raum von den reliefierten Stücken nicht ganz
ausgefüllt wurde, schob man glatte Bronzebleche dazwischen, von
denen einige erhalten, andere von Casteilani ergänzt sind. Man sieht
daraus, dass die Formen nicht eigens für die Theusa gemacht,
sondern dem in der Werkstatt vorhandenen Vorrat an Formen
entnommen wurden. Andere Arbeiter befestigten die Bronzeteile am
Wagenkasten aus Holz. Holzreste waren ja noch an den Pnndstiicken
erhalten. Zuerst wurden die reliefierten Teile festgenagelt. Die
Nägel sind dünn und kurz, haben aber grosse Köpfe von 1, 3 cm
Durchmesser, ähnlich unseren Reissbrettnägeln. Sie wurden ohne
Rücksicht auf das Relief eingeschlagen, wie wir das auch an an-
deren Brouzegeräten sehen. An der Vulcenter Ciste (Heibig II2
1388) ist durch einen Nagel gerade der Kopf einer Amazone ver-
deckt. Nach Befestigung der Reliefs wurden die senk- und wag-
rechten Lücken zwischen den einzelnen Bronzestücken mit einem
374 F. STAEHLIN
Kugelstab überdeckt. Der senkrechte Kugelstab fehlte im fünften
Streifen, dagegen im ersten und dritten Streifen muss er vor Figur 1
immer ergänzt werden. Zuletzt wurden die massiven Seitenteile mit
grossen Nägeln festgeschlagen. Sie gaben der ganzen Verkleidung
den grössten Halt. Sie sind die Grundlage jedes Rekonstruktionsver-
suches.
Dereine ist ganz, der andere zur Hälfte erhalten. Der Seiten-
teil ist geschwungen und oben und unten wagrecht d. h. parallel zum
oberen und unteren Rand des Wagenkastens abgeschnitten. Die
Länge von der Mitte dieser Schnittlinien gemessen, ist 0.95 m.
Dies bildete das Grundmass für Castellanis Rekonstruktion : der
jetzige Wagenkasten ist genau 0,95 m hoch. Allein dabei hat
Castellaui die Neigung des Seitenteils ausser Acht gelassen. Des-
halb ragt bei ihm auch der Wagenkasten oben und unten in
unschöner Weise über die Enden der Seitenteile hinaus. Man muss
als Höhe des Wagenkastens nicht die absolute, sondern die senk-
rechte Entfernung der oberen und unteren Schnittlinie nehmen.
Dann bekommen wir als Höhe des Wagenkastens 0,84 cm. Castel-
lani hat zur Ausgleichung seines ersten Fehlers noch einen zweiten
begangen. Er ergänzte nämlich in der wagrechten Linie immer
einen zweireihigen Kugelstab. Allein die zahlreichen erhaltenen
Bruchstücke zeigen den Kugelstab immer nur einreihig (0,015 m
breit). Zieht man von 0,95 m 5 X 0,015 ab, da Castellani den
Kugelstab 5 mal zu viel genommen hat, so erhält man 0,95 —
0,075 = 0,875 m, was mit der senkrechten Höhe des Seitenteils
ziemlich genau stimmt. Ganz genau kann man die senkrechte Höhe
der einzelnen Streifen nicht angeben, da man nicht weiss, wie weit
das Blech oberhalb und unterhalb der Reliefs sichtbar war. Setzt
man x = Höhe des 2. 4. und ß. Streifens, y = Höhe des 1. 3. und
5. Streifens, so erhält man die Gleichung
S.v -f- 3y + 7 X 0,015 m (Kugelband) — 0,84 m, ausgerechnet
x -j- y = 0,245 m, von denen man dann 17 cm auf x und 7,5 cm
auf y nehmen kann, was ungefähr mit Castellanis Maassen stimmt.
Es fragt sich nun, ob wirklich, wie bei letzterer Berechnung
vorausgesetzt ist, die senkrechte Ausdehnung in 6 Streifen zerlegt
war, und welche Länge für die einzelnen Streifen, d. h. für die
Entfernung der beiden Seitenteile von einander ermittelt werden
kann. Von vornherein ist dabei klar, dass durch die Einziehung
DIE THENSA CAPITOLINA 375
der beiden Seitenteile eine bedeutende Verkürzung der oberen
Streifen bedingt ist. Man hat also die Streifen je nach der Länge,
die sich von ihnen erweisen lässt, so anzuordnen, dass der kürzeste
oben und die anderen je nach zunehmender Länge weiter unten
anzuordnen sind.
Für die Ausdehnung der Streifen mit den grossen Achilleus-
bildern gibt uns folgende Erwägung einen Anhalt. Warum hat der
Handwerker nicht die ganze Form I und II in einem Blechstück
ausgeprägt? Da die Herstellung dieser fast 80 cm langen Form
besonders kostspielig gewesen sein muss, hätte sie doch auch aus-
genützt werden sollen! Der Grund kann nur der gewesen sein, dass
Streifen mit je 6 Bildern von 0,76 m Länge sich nicht auf den
zu besetzenden Raum verteilt hätten. Wie nämlich die Bilder der
Form I und II verteilt waren, können wir noch nachweisen. Der
Seitenteil griff wegen seiner Neigung auf das Relief über, wie man
es auch bei der jetzigen Zusammensetzung sieht. Durch die wuch-
tigen und rücksichtslosen Hammerschläge aber, mit denen der
schwere Seitenteil festgenagelt wurde, wurde der Rand des Reliefs
d. h. die Säule und der Medaillonkopf, breitgedrückt. Diese breit-
gedrückten Ecksäulen befinden sich bei der Castellanischen Anord-
nung teilweise in der Mitte des Wagens, wo eine solche Eindrük-
kuno- unerklärlich bliebe. Ordnet man aber die Bilder so, dass in
einen Streifen die Bilder 1-9 und in einen anderen Streifen die Bil-
der 10-12 und dann noch einmal die ganze Reihe von 1-12 kommt
(vgl. den Wiederherstellungsentwurf Abb. 11), so zeigen sämtliche
Säulen und Medaillons, die an den Enden der Streifen ihren Platz
erhalten, die Spuren vom Druck des Wagenbordes. Die Eindrückung
ist am stärksten an der linken Ecksäule eines Bildes 1, der rechten
Ecksäule eines Bildes 9 (Schleifung) und der 1. Ecksäule eines
Bildes 10 (Lösung). Geringer ist sie bei der r. Ecksäule eines
Bildes 12. An anderen Säulen findet sich diese Art der Beschädi-
gung nicht. Somit ist die angegebene Anordnung als die ursprüng-
liche bewiesen.
Recht augenscheinlich tritt uns dabei die Beobachtung ent-
gegen, dass Form I und II nicht etwa eigens für die Thensa ge-
macht oder ursprünglich für sie bestimmt waren. Denn ihr Haupt-
vorzug, die Länge und die Symmetrie, kam an dem Wragen gar
nicht zur Geltung. Die Niken z. B., die den Mittelpunkt bilden,
376 F. STAKHLIN
stehen niemals in der Mitte. Im kürzeren Streifen sind links von
den Niken 6, rechts 3 Bilder, im längeren Streifen links 9, rechts
(3 Bilder. Ganz verloren geht durch die bei der Zerlegung in 2
Teile notwendige Verdoppelung einzelner Säulen die feine Sym-
metrie der Säulen. Dem Verfertiger der Form I und II müssen wir
ein ungleich höheres Kunstverständnis zuschreiben als dem Hand-
werker, der daraus die Reliefs schlug. Dieser hatte von der Be-
deutung der Bilder keine Kenntnis, wie wir im 4. und 5. Streifen
sahen. Er hätte sie niemals zeitlich richtig zusammensetzen können
und noch weniger die troischen und vortroischeu Scenen gerade
durch die Mitte mit den Niken getrennt. Alle diese Feinheiten
geben der Form I und II eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.
Jedoch die interessante Frage, welches Gerät ursprünglich mit Re-
liefs aus Form I und II beschlagen werden sollte, kann ich leider
nicht beantworten.
Die vier Stücke mit dem Venusmedaillon in der Mitte, von
denen jedes eben so lang ist wie ein Stück mit drei grossen Achil-
leusbildern (0,395 m), gehören naturgemäss in eine Reihe. Wir
haben also einen kurzen Streifen mit Bild 1-9, der aus drei Stücken
besteht, den Streifen mit den Venusmedaillons, der aus 4 Stücken
besteht, und den langen Streifen mit Bild 10-12 und 1-12, der
aus 5 Stücken besteht. Nach dem oben aufgestellten allgemeinen
Grundsatz müssen wir diese drei stufenweise länger werdenden
Streifen so anordnen, dass der kürzeste an die schmälste Stelle d. h.
oben, der mittlere in die Mitte, der längste an die breiteste Stelle
d. h. unten hinkommt. Wenn aber diese drei Streifen unmittelbar
unter einander sich befänden, so würde ihr erlieblicher Längenun-
terschied zu der mehr allmählichen Ausbiegung der Seiteuteile
nicht passen. Deshalb muss man die höheren Streifen durch Ein-
schiebunu der niedrigen von einander trennen und erhält so die
auch au3 ästhetischen Gründen erforderliche Abwechselung zwischen
hohen und niedrigen Streifen. Durch die im wesentlichen vollstän-
dig erhaltenen hohen Streifen ist auch die Entfernung der beiden
Seitenteile von einander zwar nicht genau, aber doch im allge-
meinen bestimmt (bei Castellani 2, 11 m im untersten, 1,36 m
im obersten Streifen). Nach diesen allgemeinen Maassen muss man
sich auch bei den niedrigen Streifen richten. Aus den erhaltenen
Stücken des Thiasos sieht man, dass Form V mindestens viermal
DIE THENSA CAPITOLIN.Y 377
ausgeprägt war (4 X 0,55 = 2,20 m.). Dazu kommt noch zweimal
das angeflickte Stück (2.0,095 m). Das gäbe zusammen 2,89 m
und würde die Lauge des untersten Streifens jedenfalls über-
schreiten. Also müssen mit Reliefs aus Form V zwei Streifen ge-
füllt gewesen sein. Auch müssen diese zwei Streifen ziemlich gleich
lang gewesen sein, weil zur Füllung des Streifens beidemale gleich
viel Figuren angeflickt sind, die beidemale an das rechte Ende
des Streifens gehören. Diese Voraussetzung trifft aber nur für die
unteren Streifen zu. Also müssen mit dem Thiasos die zwei un-
teren niedrigen Streifen, mit den kleinen Achilleusbildern der al-
lein übrig bleibende oberste schmale Streifen gefüllt werden.
Erfreulicherweise stimmt die so begründete Zusammensetzung
mit der von Castellani bewerkstelligten in den Hauptzügen über-
ein. Nur hätte er die grossen Achilleusbilder in der von mir dar-
gelegten Weise auf den zweiten und sechsten Streifen verteilen
und den fünften Streifen anders anordnen sollen.
Der Deichselkopf Abb. 1 (S. 333) stellt einen Eroten dar, dessen
Oberkörper aus Akanthusblättern herauswächst. In den Händeu hält
er Spielzeug. Das Haar ist in einen Schopf an der Stirn hoch-
gebunden. Der Umfang an den Akanthusblättern beträgt 0,15 m.
Der Kopf ist bezeichnend für den friedlichen Charakter des Wa-
gens, der zu Festzügen gehörte. Streitwagen tragen am Deichsel-
ende z. B. einen Geierkopf.
IX. Art des Wagens.
Es sind aus dem Altertum mehrere Bronzewagon erhalten Z. B.
im Gregorianum (Heibig II2, 1352), von Perugia (Rom. Mittei-
lungen 1894), von Monteleone (Brunn-Bruckmann 586 u. 587), von
Brescia (Dütschke IV, p. 152), von Castellina {Notiz, d. Scavi 1905
p. 231). In Alter, Technik und Form unterscheiden sie sich wesent-
lich von unserer Thensa. Der Name thensa bezeichnet einen Wa<?eu
nicht so sehr nach seiner Form als nach seinem Zweck, nämlich die
Attribute {exuviae) der Götter oder als Götter geehrten Personen in
der feierlichen Pompa vom Capitol zum Circus Maximus zu fahren
(Mommsen. röm. Altertümer VI, 509. Marquardt, Privatleben II, 729.
F. STAEHLIN
Becker-Marquardt IV, 500). Die Form der Thensa wechselt. Die
Thensa mit Götterattributen war meist viereckig, dagegen die, in der
Imperatoren zum Schauspiel fuhren (thensa triumphalis), war
rund oder halbrund. Auch war der Wagen meist zweiräderig, zu-
weilen aber auch vierräderig und deshalb vom pilentum, das vier-
räderig und oben gedeckt war, nicht immer zu unterscheiden. Zwei-
räderig und rund ist die Thensa bei Visconti, Mus. Pio-Clement V,
t. 43. Zweiräderig und viereckig sind die Thensen auf den Münzen
der gens Kubria (Eckhel V, 296 = Babelon, Monn. d. 1. Rep.
Rom. II, 406 u. 407), ferner in Anc. Marbles in the British
Museum, X, t. 48, p. 122 und bei Gerhard, ant. Bildw. t. CXX, 1
und verschiedene der in Eckhel Bd. V-VII auf Münzen angeführten
Thensen. Vierräderig, nach vornen offen, nach hinten durch eine
halbkreisförmige Wand abgeschlossen ist die Thensa am Con-
stautinsbogen (Graeven, Gott. gel. Anzeigen 1901, 83-85) und die
Thensa, in der Dionysos auf dem Fries unseres Wagens sitzt. End-
lieh gibt es auch Thensen, die halbrund, vorn geschlossen und
zweiräderig sind (Dechelette, la Gaule Romaine, IL 217, nr. 81«
und b; 263, nr. 51).
Fast alle diese Nachbildungen von Thensen zeigen reichlichen
ßeliefschmuck. Das Material war, wie es dem feierlichen Zweck
entsprach, meist sehr kostbar, Elfenbein und Silber (Festus p. 364).
Der Luxus auch in dem für Privatwagen verwendeten Material
nahm in Rom zu (Friedländer Sittengesch 5I, 62). Den Metall-
beschlag seilen wir besonders deutlich an dem Marmorrelief einer
zweiräderigen Thensa im Lateran nachgeahmt (Benndorf-Schöne,
515, t. XX, 2 = Schreiber, heilenist. Reliefbilder t. 52). Bänder,
welche mit grossköpfigen Nägeln beschlagen oder mit Punkten
gesäumt sind, teilen den hohen Wagenkasten in wagrechter und
senkrechter Linie in parallele Streifen und in einzelne vertiefte
Felder, die mit Reliefs geschmückt sind. Es ist genau dieselbe
Technik, die bei der Aufnagelung unserer Bronzereliefs angewen-
det wurde.
Gesichert durch die Rekonstruktion ist an der Thensa nur
der Wagenkasten, der ziemlich hoch und halbrund ist. Es konnte
jemand in dem Wagen stehen (dann war die geschlossene Seite
vorn) oder sitzen (dann war die offene Seite vorn). Ob er aber
zwei oder vier Räder hatte, lässt sich nicht feststellen. Jedenfalls
DIE THENSA CAl'ITOLINA. 3/9
passt die Form ganz gut für eine thensa und der Wagen darf
seinen Namen, der an die aedes Ihensarum in Capitolio (Moram-
sen, Ann. d. List. 1858, 203) erinnert, mit Recht führen. Aus
dem Fundort und dem einfacheren Material darf man schliessen,
dass er nicht in Rom, sondern in einer campanischen Provinzial-
stadt die Festzüge verschönte.
X. Achilleuscyklen.
Form I und II geben eine gedrängte Uebersiclit aus einem
reichen Cyklus von Achilleusbildern. Spuren von allgemein be-
kannten Bilderkreisen, die die Ilias und besonders Achills Leben
darstellten, haben sich erhalten. Brüning (über die bildlichen
Vorlagen der irischen Tafeln, Jahrbuch IX, 1894, S. 13(3 f.) hat
nachgewiesen, dass die sog. ilischen Tafeln und die Ilias Latina
in vielen gemeinsamen Zügen von Werken der Malerei abhängen.
Von den so auf indirektem Wege erwiesenen Cyklen haben sich aber
auch litterarische Nachrichten (bei Brüning a. a. 0. S. 164 zu-
sammengestellt) und wirkliche Reste erhalten. In Rom fand mau
die Odysseelandschaften vom Esquilin. In der Porticus des Apollo-
tempels von Pompei war eine Reihe von Bildern zur Illustration
der Ilias gemalt, von denen mehrere noch erkennbar waren (Hei-
big 266 : Diomedes und Pallas, erläutert von Brüning a. a. 0.
S. 148; nr. 1306: Streit der Könige ; nr. 1324: Hektors Schlei-
fung?; nr. 1325: Hektors Lösung; Heibig Nachtrag S. 461: Kal-
chas und Achilleus, erläutert von Brüning a. a. 0. Abb. 6 ; Nach-
trag S. 462 : Raub des Palladiums. Alle diese Bilder sind veröf-
fentlicht bei Steinbüchel, grosser antiquarischer Atlas VIII. B 1 bis
VIII. D. 2.) Vier Bilder zur Ilias waren im Atrium der casa del
poeta tragico (Heibig 114: Hochzeit des Zeus und der Hera;
Streit der Könige, Archaeol. Zeitg. 34. 1876 p. 83 von Trende-
lenburg erkannt; Helb. 1308: Chryseis Abfahrt; 1309: Briseis
Wegführung; Hermann-Bruckmann, Denkm. d. Malerei t. 10,
11, 12). Auf einen Achilleuscyklus führt Graeven (Genethliacon
Gottiagense p. 144) drei im Cubiculum des Hauses reg. IX.
5, 2 gefundene Bilder zurück (Achills Entdeckung, Werkstätte
380 F. STAEHLIN
des Hephästus , Thetis auf einem Seekeutauren mit Achills
Waffen). In der casa dei Dioscuri war Achills Streit mit Aga-
memnon (Helb. 1307) und Achills Entdeckung (Helb. 1297).
Die zwei Oenoehoen von Bernay (Babelou cab. des antlques
pl. XVII u. XLI), die von einem Stifter und Künstler stammen,
zeigen vier Ächilleusbilder : die Beweinung des Tatroklos, die
Schleifung Hektors, die Lösung Hektors durch Aufwägung der
Leiche, und den Tod Achills vor den Mauern Trojas. Auf solche
Cyklen gehen auch zahlreiche einzelne Ächilleusbilder zurück,
die sich an Produkten des Kunsthandwerks wiederholen z. B.
Cheiron den Achilleus im Leierspiel unterrichtend (Helb. 1291-
1295), Achills Entdeckung (Helb. 1296-1303). Ein unentbehrliches
Hilfsmittel waren dabei die Skizzenbücher, die man sich in den
Händen der Wandmaler und aller Kunsthandwerker der römischen
Kaiserzeit denken muss. Diese haben auch oft auf eigene Faust
aus bedeutenden Originalen der Vorzeit neue Bilder zusammen-
gestellt. So kommt es, dass einzelne Typen in den verschiedenar-
tigsten Darstellungen sich wiederholen z. B. Odvsseus aus dem
Palladionraub vgl. S. 349 u. S. 353, die Lykomedestochter in
Achills Erkennung vgl. S. 343.
So schliessen sich auf der Thensa die Bilder an an Werke
der grossen Kunst, die nachweislich in Rom standen (Bild 3 Chei-
ron, Bild 12 Pasquino) und an Cyklusbilder, die in anderen
Cyklen wiederkehren (1. Feiung, 4. Jagd, 6. Erkennung, 7. Achills
Zorn, 9. Schleifung, 10. Lösung). Nur die Begrüssung (3), Gesandt-
schaft (5) und Hektors und Achills Tod (8. und 11) finden
wenig oder keine Anknüpfung in der gleichzeitigen Kunst.
Aus dem reichen Vorrat an Achilleusbildern, über den die
alten Kunsthandwerker verfugten, hat der Künstler der Form I
und II zwölf Bilder ausgewählt. Diese Zahl hat bei Achilleus keinen
tieferen Sinn. Man könnte, ohne den Sinn zu stören, die vortroischen
Bilder auf drei beschränken: Feiung, Unterricht bei Cheiron,
Entdeckung auf Skvros. Oder man köunte ebenso gut ein siebentes
Bild einschieben, das bei den späteren Achilleuscyklen immer vor-
kommt: wie Achilleus von Thetis (nicht mehr von Peleus wie auf
den griechischen Vaseubildern) dem Cheiron übergeben wird.
Ebenso fehlen in den troischen Bildern manche sonst beliebte
z. B. Wegfahrung der Briseis (Heibig 1309; Schild des Scipio
Diu THENSA CAPITOLINA ;>,sl
Monum. Piot. VI p. 29 ; Ceriani et Ratti, Homeri Iliadis pictae
fragm. Ambrosiana, 1905. pict. VI; Walters, bronzes in the Brit.
Mus. nr. 883; Secchia di bronso, Mon. d. last. VI, 48 == Brunn,
kleine Schriften I, 125). Es rnuss also ein äusserer Grund, eine
Analoo-ie, den Künstler zu der Zwölfzahl bestimmt haben, und das
waren jedenfalls die 12 Heraklestaten, die der Antoninenzeit so
geläufig waren.
Gerade der Achilleuscyklus hat sich lange erhalten. Man darf
das mit der Dichtung des Statius in Zusammenhang bringen, die
in Mittelalter sehr gelesen war. Statius wurde sogar für einen Christen
gehalten (vgl. Constans, la legende d'Oedipe dans le Roman de
Thebes. Paris 1881 p. 150. Philologie LH. 1898, p. 538-545
Manitius, Statius im Mittelalter). Drei Achillouscyklen aus spä-
terer Zeit sind erhalten.
In Rom ist die neu aufgestellte kapitolinische Brunnenmün-
dung (Righetti, dcscrizione del CampidogU.o. t. 277). Sie ist
bedeutend roher als die Zeichnung bei Righetti ahnen lässt.
besonders die riesigen, plumpen Augen. Sie umfasst acht Bilder
(Thetis im Wochenbett, Feiung, Achills Uebergabe an Cheiion
durch Thetis, Jagd, Achilleus und Deidamia, Achills Erkennung,
Hektors Tod, Schleifung). Bemerkenswert ist, dass die aegyptisch-
koptische Kunst den Achilleuscyklus kannte. Er findet sich auf
einer sehr roh gezeichneten Schüssel, die Strz3'gowski dem 4. -
8. Jahrb.. zuweist (Catalogue general du Musöe du Caire,
vol. XII. nr. 9039. Taf. 26). Sie umfasst sechs Bilder: Achills
Uebergabe durch Thetis an Cheiron, Achilleus im Bogenschiessen
unterrichtet, Jagd. Hektors Tod, Schleifung, Lösung. Dem 11.-12.
Jahrb. gehört eine Bronzeschüssel im Cabinet des Medailles in Paris
an {Gazette Archeologique XI, 18S6, p. 38 pl. V). Ihre sieben
Bilder sind alle vortroisch : Leierspiel, Achilleus von Thetis ent-
führt, dem Lykomedes vorgestellt, Odysseus als Kaufmann, Achills
Entdeckung, Werbung um Deidamia, Mittelbild: Achills Abfahrt
von Skyros. Sie sind mit Text versehen und schliessen sich enge
an Statius an, der auch an derselben Stelle abbricht. Ein Brief der
verlassenen Deidamia an Achilleus bildet den Gegenstand einer
mittelalterlichen Nachahmung der ovidischen Heroiden (Riese
Rhein. Mus. 34, 1879, 474-480). Auch dies ist ein Zeichen vom
Fortleben der Achilleussage.
382 F. STAEHLIN
XI. Stil.
In den figürlichen Darstellungen ist im ganzen der helle-
nistische Stil und der überkommene Besitz von Formen festo-c-
halten, wie sich an verschiedenen Eigentümlichkeiten zei^t. Da ist
besonders die Verwendung von Lokalgöttern zu nennen. In den
ersten vier Bildern unseres Cyklus ist die Oertlichkeit durch
symbolische Gestalten angegeben. Das ist nicht römisch. Auf der
Trajanssäule z. B. steht einer Personifikation, dem Danubius (Ci-
chorius t. VI, vgl. Juppiter auf t. XIX) eine ganze Keine von
realistischen Hintergrunddarstellungen gegenüber. Zur Verwendung
gelangen auf den Thensabildern nackte männliche oder am Un-
terkörper mit einem Mantel bekleidete weibliche Figuren, die auf
Felsen sitzen, sich an Bäumen halten und Zweige oder Schilf
tragen. Immer sitzen sie in gleichem Schema. Der Kopf sieht in
entgegengesetzter Richtung als die Beine. Das dem Beschauer zu-
nächst befindliche Bein ist gestreckt, das zurück befindliche ist
hochgestellt, so dass man das Knie und den hochgestellten Fuss
vom Knöchel abwärts sieht. Mit der gleichen Fussstellung: sitzen
die Fluss- und Lokalgötter, die als Zwickelfüllung an Triumph-
bögen beliebt sind z. B. am Septimius- oder Konstantinsbogen.
Auch im Osten des Reiches finden wir diese bequemen Typen z. B.
auf einer Caracalla-Münze von Laodikea (bei Imhof, antike Münz-
bilder, Archaeol. Jahrb. 1888 t. 9 nr. 18 S. 289). Uebrigens hat
der Künstler dies Schema auch auf Achilleus in Bild 7 und 10
übertragen. Es findet sich ebenso für Alexander d. Gr. angewendet
auf einem Goldmedaillon (Dressel, fünf Goldmed. von Abukir, 1906,
t. II E p. 51). Diese Lokalgötter gehören auch zum Repertoir der
Philostrafcischen Bilder. So sitzt auf dem Gemälde « Achilleus auf
Skyros» Phil. min. 392 K die Insel Skyros als Frau im Vorder-
grund und trägt ein Oelreis und eine Weinrebe (vgl. Flussgötter
405 K Xanthos, 35 t K Meles, 360 K Peneios und Titaresios, 402
K Phasis (J). Dass diese Personifikationen dem hellenistischen Stil
entstammen, führte Heibig aus (Rhein. Mus. 1869 S. 479 ff. u.
(') Sonstige Uebereinstimmungon mit philostr.-itischen Bildern s. S. ;Y.',S.
341. 342 343. 344, 385.
IHK THKNSA CAFITOMNA 383
Untersuchiuigeu zur kampan. Wandmalerei S. 84. 116. 288.) Sie
haben teils eine bestimmte Bedeutimg z. B. die Styx in Bild 1, der
pagasaeisehe Busen in Bild 2, teils sollen sie nur im allgemeinen
die Oertlichkeit als Fels- und Waldlandschaft bezeichnen und ihr
wesentlicher Zweck ist die Raumfüllung. Man darf die nackten
männlichen Figuren als Berggötter, die weiblichen als Nymphen
bezeichnen (vgl. Otto Schulz, die Ortsgottheiten. Berliner Studien
VIII, 3 p. 7(3). Verwandt mit diesen symbolischen Figuren ist die
Versinnbildlichung eiues Tempels durch die blosse Kultgestalt des
Gottes in Bild 11 (vgl. S. 351). Sie findet an der Statue des del-
phischeu Apollo im Telephosfries eine Analogie ebenso auch die
Lokalgötter in der Bergnymphe, die dem Verschmieren des Ka-
stens für Auge zusieht (Jahrbuch 1900 S. 114).
So verschieden Herkunft, Alter und Güte der einzelnen Bil-
der ist, so lässt sich doch nicht verkennen, dass sie alle schliess-
lich von einem Künstler überarbeitet wurden. Stilistische Eigen-
heiten, die sich bald auf diesem, bald auf jenem Bild finden,
drücken allen einen einheitlichen Stempel auf. Dahin gehört, dass
alle Köpfe in vollem Profil gebildet sind, selbst wenn dadurch
schwierige oder unmögliche Stellungen entstehen, so beim jagen-
den Cheiron und dem Bären in Bild 3, dem niedersinkenden
Hektor Bild 9, dem Aias Bild 12 und bei allen Lokalgöttern. Ueber
die missglückte Darstellung in Vorderansicht beim Venusmedail-
lon vgl. S. 355. Ferner ist Bild 5 — 12 gemeinsam die autfallende
Grösse Achills. Merkwürdig ist bei mehreren Figuren, die einen
Speer halten, der langgestreckte Zeigefinger (Bild 7. 10, 11).
Auf allen Bildern übereinstimmend ist auch die Bewaffnung.
Der Panzer ist erkennbar auf Bild 7, 8 und 10. Es ist nicht der
römische Soldatenpanzer, sondern der durch die Kunst idealisierte
griechische Panzer (Guhl-Koner Privatleben der Griechen u. Römer
p. 833). Der Helm ist auf Bild 7, 8, 9, 10 u. 12 gleich gebildet. Er
passt sich der runden Kopfform an und hat einen Stirnschirm. Aus
dem Bügel ragt über die ganze Scheitellänge der kurze Busch ; Bak-
kenschirme fehlen, sogar das Ohr bleibt frei. Der Schild ist läng-
lich rund; über dem Panzer wird ein kurzer Mantel getragen.
Da wir den Helm des Pasquino in mehreren Wiederholungen
kennen (Brunn-Bruckmann, Ant. Denkm. 207). so können wir fest-
stellen, dass der Künstler sein Vorbild zu Gunsten seines allge-
<3S4 V. ST A EH 1. IN
meinen Schemas geändert hat (Dressel, Goldmedaillons von Abu-
kir p. 18). Auch die Haartracht der Frauen ist in den vor-
kommenden Fällen gleich. Der weibliche Medaillonkopf und die
Lykomedesstöchter auf Bild 5 und 6 zeigen eine der unter Ha-
drian modernen attischen Hartracht noch nahestehende Frisur,
wie sie im ausgehenden 2. Jahrhundert n. Chr. gebräuchlich war.
Im Beginn des 3. Jahrhunderts kommt eine ganz andere Haarmode
auf, die man an Julia Mammaea sehen kann.
In Rücksicht auf den Hintergrund kann man die 12 Achil-
leusbilder in drei Gruppen teilen, nämlich solche ohne Hinter-
grund (Bild 5, 7, 10, 11), solche mit symbolischem Hintergrund
(Bild 1, 2, 3, 4) und solche mit realistischem Hintergrund (Bild 6,
8. 9, 12). Während die beiden ersten Gruppen im reinen griechi-
schen Reliefstil genug Analogieen findeu, zeigt die dritte Gruppe
den Einfiuss der malerischen Vorbilder. Im Hintergrund be-
iluden sich Gebäude uad die Stadtmauern, auf denen Menschen ste-
hen. Sogar die Perspektive ist dabei angewendet, indem die Personen
des Hintergrundes wesentlich kleiner sind. Es erinnern diese Bilder
aber auch au os tgriechische Darstellungen z. B. das Nerei-
denmonument (Brunn-Bruckmann 216) und an Gjölbaschi (Brunn-
Bruckm. 486). Von einer sehr verwandten Gattung von Kunstwerken,
den tabulae Iliacae, hat Jahn-Michaelis den alexandrinischen Ur-
sprung nachgewiesen. Auch in ihnen zeigt sich das Eindringen
ostgriechischer kleinasiatischer Formen, so in dem offenen Heroon
des Hektor (Benndorf-Niemann Gjölbaschi p. 44) und besonders dem
an lycische Monumente erinnernden Grab Achills (Jahn-Michaelis,
griech. Bilderchroniken p. 37 nr. 77 A). Ueber die Bedeutung
Kleinasiens für die Entwicklung des landschaftlichen Reliefs hat
sich Pfuhl geäussert (das Beiwerk auf den ostgriechischen Grab-
reliefs, archaeol. Jahrbuch 1905, p. 154). Orientalisch muten
auf der Thensa besonders die runden Mauerzinnen an, die ich
sonst auf römischen Kunstwerken nicht gefunden habe. Sie könnten
missverstandene Nachahmungen der lykischen Zinne in Spitzbo-
genform sein (Benndorf Reisen in Lykien 1, 102-107). Dass diese von
der aegyptischen Kunst übernommen wurden, zeigt das Berliner Stuck-
modell aus Benha (Theod. Schreiber, die alexandriuische Toreu-
tik Abi), d. sächs. Ges. d. Wiss. Bd. XIV, 1894 S. 470 t. V). Die
Zinnen krönen liier die Mauern eines heiligen Bezirks. Nach dem
DIE THENSA CAPITOLINA 385
Osten speziell nach Aegypten könnte uns noch der Umstand wei-
sen, dass der Achilleuscyklus und das Venusmedaillon in der
koptischen Kunst auftritt (vgl. S. 381 u. 355). Allein letztere
Uebereinstimmungen möchte ich doch nur mit der Gemeinsam-
keit der Vorlagebücher erklären, die für derartige mythologische
Gegenstände im ganzen römischen Reich wesentlich gleich gewe-
sen sein müssen.
Beachtenswert ist auch das Eindringen des kontin ui er enden
Stils, der gleichfalls im Osten seine Heimat hat (vgl. von
Hartel und Wickhoff, die Wiener Genesis S. 7, 8). An einzelnen
Bildern (6 und 11) ist oben der distinguierende, echtgriechische
Stil besonders hervorgehoben worden. Andere aber nähern sich dem
kontinuierenden Stil. Der Untericht im Leierspiel und in der
Jagd sind gleichsam zwei Teile eines Bildes, wie es Philostratus
mai. imag. 342 K. 3-5 schildert: auf der eineu Seite beschenkt
der Kentaur den Zögling mit Früchten, auf der anderen lässt er
ihn auf seinem Rücken reiten und jagen. In derselben Art gehören
noch paarweis zusammen und streben hin auf kontinuierende Dar-
stellung die Gesandtschaft und Achills Erkennung. Hektors Tod
und Schleifung, Achills Tod und Rettung seiner Leiche Ganz dem
kontinuierenden Stil gehört das Bild von Achills Zorn an (S. 348).
Die Frage, die sich aus allen diesen Beobachtungen erhebt,
ob die Thensa im Osten oder in Italien entstanden sei, vermag
ich nicht zu entscheiden. Ich will nur auch auf die Punkte hin-
weisen, die eine Entstehung in Campanien oder in Rom glaub-
haft machen können. Der Fundort ist Campanien. Der Künstler
konnte die Vorbilder für sein Werk, besonders troische Cyklen,
in den campanischen Städten und Rom leicht linden. Tatsächlich
hat er berühmte Kunstwerke, die in Rom standen, nachgeahmt,
die Cheirongruppe von den Saepta Julia und den Pasquino. Nocli
andere Bilder haben Aehnlichkeit mit Werken, die fest an Rom
gebunden sind, z. B. Hektors Lösung in Stuck an der via Latina
Mon. deW Inst. VI, t. 49, die Bärenjagd auf einem Medaillon des
Trajansbogens verglichen mit Bild 4, das Opfer Trajans an Diana
auf einem anderen Medaillon verglichen mit Bild 11. Der Thiasos
passt ebenfalls in die klassizistische Kunst der hadrianischen
Zeit. Auch gelangten römische Bronzefabrikate in auswärtigen
Handel (Marquardt, Privatleben II 714).
26
F. STAEHLI.N, DIE THE.NSA CAPITOLINA
Die Zeit der Thensa kann nur aus allgemeinen Erwägungen
erschlossen werden. Die Formen, die zur Herstellung benützt sind,
gehören nicht derselben Periode an. Die aufgelöteten Medaillon-
köpfe gehen wohl noch auf Formen des ersten Jahrhunderts zu-
rück (vgl. Dressel, Goldmedaillons von Abukir 1906, p. 25). Die an-
deren Formen reichen von der hadrianischen Zeit (Thiasos) bis
zum ausgehenden 2. Jahrh. n. Chr. Die Haartracht des 3. Jahr-
hunderts ist noch nicht angewendet. Auch die Ornamentik, in der
sich schon spätrömische Kunstprinzipien regen, weist uns an das
Ende des 2. Jahrhunderts, dem wir mithin die Verfertigung der
Thensa zuschreiben.
F. Staehlin.
München.
Fig. 12.
ZUR GESCHICHTE DES ETRUSKISCHEN EINFLUSSES
IN MITTELEUROPA.
Bei Gelegenheit wiederholten Besuches der reichhaltigen prä-
historischen Sammlung des ungarischen Nationalmuseums in Bu-
dapest ward meine Aufmerksamkeit auf einige Schmucksachen der
Eisenperiode gelenkt, welche inmitten der anderen Funde einzeln
dastehen und sich nur durch die Annahme erklären lassen, dass
ihre Entstehung durch den vom Süden kommenden Einrluss der
klassisch-antiken Formen hervorgerufen wurde. Die betreffenden
Schmuckstücke kamen in den Jahren 1890-1892 bei zwei Ort-
schaften des Tolnaer Komitates zum Vorschein und sind durch
Kauf in den Besitz des Nationalmuseums gelangt. Nähere An-
gaben über die Fundumstände, welche den Wert des Fundes nur
erhöhen könnten, sind leider nicht bekannt (1).
I. Aus Szarazol stammt die zum grössten Teil bereits in
Ar eh. Ertes. 1891 S. 279 publizierte Gruppe von Goldsachen,
welche hier zum zweiten Mal wiedergegeben sind. Es sind mei-
stens zerstreute Anhängsel von Halsketten in Form von Rädchen,
Perlen und cvlindrischen Röhrchen.
1. Sechs fünfspeichige Rädchen S. 890 Nr. 8-11 in drei Grös-
sen sind aus feinen zusammengelöteten Goldblechen verfertigt.
Dünne Filigrandrähte umsäumen die Enden der Achsen und Spei-
chen, der Reif selbst ist geperlt.
2. Sieben Goldperlen in Form von Doppelkegeln S. 890 Nr. 1-5
in vier Grössen, in der Mitte und an den Enden mit gedrehtem
Filigrandraht verziert. Der Schmuck der beiden streifenartigen
(!) Die folgenden Bemerkungen sind zuerst, in ungarischer Sprache, in
den Archaeologiai Ertesitö, XXXII (1907) S. 166-171 erschienen. — Hrn. Di-
rektor Hampel sage ich für die freundlichst gestattete Benutzung der Origi-
nalzinke besten Dank.
338 K- HADACZEK
Felder besteht aus je vier gestanzten menschlichen Köpfchen und
je vier konischen gerippten Buckeln, welche auf dem goldenen
Grunde durch Lötung symmetrisch befestigt sind. Kleine mit
Filierrandraht umsäumte Häuflein von Goldkörnchen füllen freie
Zwischenfelder aus. Filigrandraht und Reihen von winzigen Gold-
körnern sind gleichfalls zur Schrnückung der menschlichen Köpfe
und Buckeln verwendet.
3. Zwei Goldperlen in Form von Doppelkegeln S. 390 Nr. 6-7 ;
ihre Mitte und Enden sind mit gedrehtem Filigrandraht, die freien
Felder beiderseits mit doppelten Reihen von gebogenen glatten
Drähten verziert.
4. Drei cylindrische Röhrchen, von denen zwei gleicher Grösse,
S. 390 Nr. 12, ein Paar bilden; das dritte Exemplar, von ver-
schiedener Grösse, stellt eine etwas anders dekorierte Variante
desselben Typus dar. Die Röhren verjüngen sich an dem einen
Ende. Die äussere Oberfläche der zwei Röhren ist durch die
quer angebrachten Windungen von Filigrandraht in drei Streifen
geteilt, deren Felder mit Zickzackmotiven und Häufchen von Gold-
körnern geschmückt sind; das dritte Röhrchen, S. 391 Nr. 1, zeigt
nur zwei Streifen und an Stelle der Goldkörnchen kleine Kreise
aus Filigrandraht.
IL Stilistisch eng verbunden mit den beschriebenen Goldsa-
chen sind silberne, mit schwärzlicher Patina bedeckte Schmucksa-
chen, welche im Jahre 1892 bei Regöly ausgegraben wurden. Zu-
gleich mit ihnen kam auch eine bauchige Goldperle mit fein ge-
ripptem Körper zu Tage (S. 391 Nr. 2).
Die silbernen Schmuckstücke sind in sehr defektem Zustande
erhalten, durchweg nur in Fragmenten, aus denen der ganze Zier-
gegenstand erst rekonstruirt werden muss.
1. Vorwegzunehmen ist das kleine Fragment einer feinen
Kette aus doppelten Drahtgeflechten (S. 391 Nr. 3).
2. Andere Fragmente stammen von zwei fast gleichen, zerris-
senen Kettengehängen, deren ganze Form sich leicht erraten lässt.
(S. 392).
Die Fragmente (S. 391 Nr. 4-7) gehören dem oberen Teil
des Schmuckstückes an. Dieser hatte die Gestalt eines rechteckig
zugeschnittenen etwa 17 mm. langen und 7 mm. breiten Bleches,
an welches oben vier gebogene Haken angelötet, unten vier in Born-
ETRIJSKISCHER EINKLUSS IN MITTELEUROPA 380
mein endigende Ketten angehängt waren. Das Blech ist umsäumt
mit gewundenem Filigrandraht, die Dekoration des freien Feldes
bilden vier angelötete, gestanzte menschliche Köpfe, ferner runde
jetzt leere Hülsen, in denen einst wahrscheinlich kleine Bernstein-
perlen sassen, endlich Linien und Kreise von Silberkörnchen.
Jeder Haken ist unten und oben platt geschlagen. Mit dem un-
teren Ende war er an das viereckige Blech angelötet, sein oberes
Ende ist blattartig geformt und mit je einem menschlichen Köpf-
chen in Filigranumsäumung dekoriert.
Die Kettchen (S. 391 Nr. 8-9) sassen oben in kleinen cylin-
drischen Hülsen, vermittels deren sie an den unteren Rand des
beschriebenen Bleches so angelötet waren, dass jede Kette gerade
unter einem Köpfchen des Bleches und unter einem Haken er-
schien. Ihre Länge beträgt 9 cm., ihr feines Geflecht ist vierfach.
Bevor sie in Bommeln auslaufen, werden sie in ähnlicher Art wie
oben noch einmal durch ein mit Köpfchen verziertes viereckiges
Silberblech (S. 891 Nr. 10) aufgenommen und mit kurzen cylin-
drischen Hülsen (S. 391 Nr. 8) belastet, deren Filigranwerk aus
Drahteinrollungen, aus dem Wellenmotiv und Pünktchen besteht.
Auffallend ist die Form der durch kleine Ringe mit Ketten
verbundenen Anhängsel S. 391 Nr. 11. Sie sind aus zwei ge-
pressten Blechen zusammengesetzt, oben mit einer Oese versehen
und zeigen beiderseits eine stark stilisierte menschliche Büste,
welche unten in zwei schräg gestellte, fein profilierte Nägelchen
ausläuft. In den in Brusthöhe sichtbaren runden Vertiefungren sas-
sen ehemals wohl auch Bernsteinperlen.
Beide Gruppen von Schmucksachen verraten eine so enge
Verwandtschaft in Arbeit und Ziermotiven, dass sie nicht nur der-
selben Epoche, sondern aucli derselben Juwelierschule zugeschrie-
ben werden müssen. Deutlich lässt sich in diesen Werken der
Kleinindustrie der Einfluss griechisch-etruskischer Kunst erkennen
und durch genaueren Vergleich auch die Entstehungsepoche näher
bestimmen.
Die Abhängigkeit dieser Bijouterie vom Süden verrät schon
das Filigranwerk, welches in der griechisch-etruskischen Welt
seine schönste Ausbildung erfahren hatte. Hier arbeitet es mit
winzigen Edelmetallkörnchen und äusserst dünnem Draht, ganz
einfache Dekorationsmotive bildend, wie gerade oder Wellenlinien.
390
K. HADACZEK
10
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HF
ETRUSKISCHER EINFLUSS IN MITTELEUROPA
391
392
K. HADACZEK.
Diesen Charakter zeigt das griechische Filigranwerk im VII. und
VI. Jahrh. vor Chr. (*)■
Ungemein charakteristisch ist ferner auf den ungarischen
Schmucksachen das sicli öfters wiederholende Motiv der menschli-
chen Köpfchen, durch welches sie mit einer Gruppe von griechi-
schen (2) und etruskischen (3) Schmucksachen des VII Jahrh. ganz
(') Siehe Hadaczek, Der Ohrschmuck der Griechen und Etrusker S. 16.
(8) Zu berücksichtigen sind: goldenes Medaillon aus Melos abg. bei
Perrot-Chipiez, Hist. de Vart dans Vantiq. III S. 829 Abb. 591; goldene
Brosche im Museo civico in Bologna Arch. Ztg. 1884 S. III; Anhängsel aus
Delos abg. Arch. Ztg. 1884 Taf. IX 11-12; das Gehänge von Kameiros abg
Revue arch. 1863 Band VIII pl. X.
(a) Vergleiche etruskische Armbänder abg. in Studi e Materiali B. II
S. 106, Fig. 60; S. 107, Fig. 63-65; S. 116, Fig. 83; S. 117, Fig. 86, ferner
ETRUSKISCHER EINFLUSS IN MITTELEUROPA 393
eng verknüpft wird . Auch für menschliche Büsten, welche unten
in leblose Ziermotive auslaufen, lassen sich treffliche Parallelen
unter den etruskischen Schmucksachen (') jener Epoche auffinden.
Beachtenswert ist zugleich die starke barbarische Umbildung
der einzelnen Kunstformen, welche in der schematischen Model-
lierung der Köpfe ihren grellsten Ausdruck rindet. Infolge dieses
Umstandes kann an eine direkte Provenienz unserer Schmucksa-
chen aus Etrurien nicht gedacht werden, sondern sie dürfen nur
als freie, zum Teil unbeholfene Imitationen etruskischer Werke
der Kleinkunst gelten. Deshalb sind sie aber nicht gering zu
schätzen, denn sowohl für die Form der goldenen Perlen, als auch
des silbernen Gehänges sind bis jetzt ganz entsprechende Beispiele
aus dem Süden nicht bekannt.
Rom, im Dezember 1906.
Karl Haoaczek.
Anhängsel der Halsketten abg. ebda. S. 126, Fig. 107-100 und Tat. I
Abb. 1-4.
0) Vergleiche Anhängsel der etiuskischen Halskette abg. in Studi e
materiali Bd. III Taf. I. Abb. 6.
EINE NEQE INSCHRIFT AUS TERRACINA
Bei einem Besuche in Terracina im Mai d. J. hörte ich von
einer grossen Inschrift, welche in dem Grundstück des Herrn
Fitr. 1.
Crescenzo di Biagio, etwa drei Kilometer nördlich von der Stadt,
ausgegraben war. Ich begab mich an Ort und Stelle und fand
etwa 200 Meter östlich von der alten Via Appia einen grossen
Block aus weissem Marmor (0,65 h., 1, 56 1. 0,28 d.). Der Block,
welcher in vier Stücke gebrochen ist (Fig. 1), enthält das folgende
NEUE INSCHRIFT AIS TERRACINA 395
Fragment einer Mouumentalinschrift in schönen grossen Buch-
staben (0,14 m. hoch) der frühen Kaiserzeit;
Der Kahmen an der linken Seite des Steines zeigt, dass wir hier
den Anfang von zwei Zeilen haben; die glatte Fläche an den drei
andern Seiten, in Verbindung mit den Spuren von vorhergehenden
und folgenden Zeilen oberhalb und unterhalb ('), beweist, dass die
vollständige Inschrift mindestens sechs Blöcke umfasste. die wahr-
scheinlich von derselben Grösse wie der neuentdeckte waren.
Es ist auf den ersten Blick klar, dass wir es hier mit dem
Rest einer Inschrift von ungewöhnlichem Interesse zu tun haben.
Dass auf demselben Stein der Name der legiö sexta Victrix,
welche von Augustus bis auf Nero in Spanien stand, und der Name
des bellum Milhridaticum erscheint, könnte auffallen; wie es
überhaupt sonderbar scheinen dürfte, dass der Krieg mit dem be-
rühmten König von Pontus in einer Inschrift aus der frühen Kai-
serzeit noch erwähnt wird. Allenfalls könnte man an ein grosses
Grabmal denken, das für einen Tribunus oder Legatus der sechsten
Legion errichtet war, und welches gleichzeitig die Gebeine seines
am Kriege gegen Mithridates beteiligten Vaters geborgen hätte.
Jedoch war der berühmte Gegner des Pompejus nicht der einige
Mithridates, gegen den die Römer sich genötigt sahen die Waffen
zu ergreifen, und es ist sehr wahrscheinlich, dass, worauf Hr. Prof.
v. Domaszewski mich freundlichst hinweist, in unserer Inschrift
der weniger bekannte rex Bosporamts gemeint ist, dessen Empö-
rung, Unterwerfung und Gefangennahme Tacitus (Ann. XII, 15 ff.)
(M In der untersten Zeite scheinen die Reste deT letzten drei Buchsta-
ben sicher CAS; davor fehlt ein Buchstabe, am Anfang scheint prae gestan-
den zu haben.
396 H. L. WILSON
erzählt (s. auch Prosopogr. II, 382, n. 455). Das Datum dieser
unter Claudius Kegierung fallenden Kämpfe stimmt sehr gut zu
der Epoche unserer Inschrift, welche sich demnach auf einen an
diesem Feldzuge beteiligten Offizier beziehen wird. Tacitus (a. a. 0.)
nennt bei dieser Gelegenheit den C. Iulius Aquila (Prosopogr. II,
168, n. 108) und den A. Didius Gallus (Prosopogr. II, 9. 10, n. 60):
jedoch können wir von keinem dieser beiden nachweisen, dass er
mit der sechsten Legion oder mit Terracina in Beziehung gestan-
den habe. Da der erstgenannte von Herkunft Asiat und an Rang
niedriger war, so scheint mir die grössere Wahrscheinlichkeit für
den zweiten zu sprechen.
Gleichfalls ungewiss ist der Charakter des Denkmals, an wel-
chem die Inschrift angebracht war. Die Entfernung von der Via Appia
ist doch wohl zu gross für ein Grabmal von der Bedeutung wie
wir uns dieses vorstellen müssen, und andere Reste in unmittel-
barer Nachbarschaft legen die Vermutung nahe, dass es sich um
ein grosses Bauwerk von etwas verschiedenem Charakter handele.
In der Grube, aus welcher das Fragment herausgehoben ist, waren,
wie es scheint, andere grosse Blöcke von demselben Marmor zu
sehen, welche regelmässig wie ein Fundament lagen, jedoch war
es unmöglich zu sagen, wie weit sie sich ausdehnten. Dicht daneben
ist ferner eine kleine jüngst gemachte Oeffnung, die zu einer un-
terirdischen gewölbten Kammer führt, und in einem Abstand von
wenigen Metern davon ein grosses antikes Wasserreservoir. Diese
Reste in Verbindung mit den Fundamenten, welche aus grossen
Blöcken von lokalem Stein hergestellt sind und an zwei oder
drei Stellen in einem Abstand von hundert Metern auch über dem
modernen Boden sichtbar werden, deuten auf ein oder mehrere
grosse Gebäude, mit welchen unsere Inschrift in Verbindung stehen
dürfte. Weitere Ausgrabungen würden so gut wie sicher andere
Stücke dieser Inschrift zu Tage fördern und wertvolle Resultate
liefern ; und es ist zu hoffen, dass ein so wichtiges historisches
Denkmal nicht verschwinde, oder seinen Platz in irgend einem
modernen Bau finde, statt in einem Museum, wohin es gehört.
In einer kleinen Hütte etwa zehn Meter von dem oben
beschriebenen Fragment liegt ein Teil eines schönen Cippus von
Marmor, wahrscheinlich aus Angustischer Zeit. In der Oberseite
ist wie gewöhnlich die runde Vertiefung für die Aschenurne; an
NEUE [N8CHRIFT AIS TERKACINA
397
der Rückseite ein urceus, an der rechten Seite ein Ornament von
Blattwerk mit Vögeln in Relief (Ficr. 2); die linke Seite ist leider
nicht erhalten. Auf der Vorderseite des Bruchstückes, welches
Fig. 2.
Fig. 3.
43 X 50 cm. misst, sind folgende in einen verzierten Rahmen ein-
geschlossene Reste der Inschrift erhalten (Fig. 3) :
tius
ras I ... sibi et \ . . . e
Es war mir nicht möglich den Fundort dieses Stückes genau
festzustellen; doch ist es aller Wahrscheinlichkeit nach vor kurzem
in derselben Gegend ausgegraben.
Johns Hopkins University.
Harry Langford Wilson,
SÜLLE « LEGGENDE LATINE ANTICHISSIME ..
Aggiunta.
La mia interpetrazione dei frarnmenti del sarcofago di Torre
Nova, sia per il numero non piccolo di essi, sia per le gravi lacime
del monumento (rnancando per intero la parte superiore del rilievo),
ha potuto, forse, lasciar qualche dubbio, non ostaate la sicurezza
del metodo esegetico comparativo.
Una conferma inaspettata viene ora dall'esame di un singola-
rissimo monumento, non ricordato da quanti si sono oecupati delle
rappresentanze figurate relative ad Enea e alle altre leggende pre-
romulee.
Questo monumento, descritto piü recentemente dal Dütschke,
Zerstreute ant. Blldw. in Oberitalien, III, 526, trovasi nella
Galleria degli Uffizi a Firenze, ed io ne devo l'indicazione all'amico
dott. W. Amelung, il quäle contribuisce, cosi, a render sicura la
ricostruzione dei frammenti borghesiani da me fatta, merce il con-
fronto di altri monumenti della stessa classe (1).
La figura che qui presento del rilievo degli Uffizi mi di-
spensa da troppo lunghe descrizioni. Esso riproduce, con piena
concordanza schematica, il gruppo di sinistra, quello centrale e
una figura — vedremo come e perche moditicata — del gruppo
di destra del rilievo di Torre Nova ; e la disposizione delle singole
(') Per la bibliografia anteriore, cfr. il luogo citato del Dütschke. II
rilievo fu fotografato nelle Einzelaufnahmen (Serie I, anno 1894, n. 236)
aecompagnato da questa semplice nota : « Römisches Relief mit Darstel-
'ii : >l>-r Ai'net/ssage; wird von II. L. Urlichs demnächst
erläutert werden ••. Ma questa spiegazione si aspetta ancora; e cosi il singu-
lare monumento mi era rimasto i^noto. II rilievo; di marmo italic*;. e lungo
in. 1.21, alto in. 0,60; la sua conservazione e eccellente.
SÜLLE «LEGGENDE LATINE ANTICHISSIME » :;'-':'
figure conferma completamente il posto da nie assegaato a cia-
scuno dei numerosissimi frammenti. Un confronto con la tav. XI 11
dimostrerä che l'ordine e lazione dei singoli personaggi sono
assolutamente identici. Si aoti la piceola figura di Ascanio ri-
petuta anche — come l'avevo sup posto — nel gruppo di
sinistra.
Abbiamo perö due differenze, gravi in apparenza: 1) il rilievo
degli üffizi riproduce soltanto i due terzi di quello di Torre Nova;
2) le due figure sedute con accanto lo scudo, da nie interpetvate
come Marte, sono muliebri nel rilievo tiorentino ; e quella a destra
ha u n movimento diverso.
Per spiegare queste due differenze, e necessario premettere al-
cuue considerazioni stilistiche sul rilievo degli üffizi, dai prece-
denti editori e dal Dütschke ritenuto pertinente all'etä imperiale ro-
rnana. Esso e chiuso da due pilastrini ricavati nel medesimo marmo,
ornati di « candeliere > sorgenti da im piccolo vaso. Le figure,
piuttosto tozze, sono singolarmente notevoli per la forma delle
teste, i cui caratteri stilistici si allontanano da tutto quanto noi
conosciamo nella scultura imperiale romaua. Si osservino la dispo-
sizione dei capelli e della barba, la forma insolita delle corone di
alloro di cui sono einte le teste, i tratti faciali dei personaggio
che sta a destra dell'ara, di fronte ad Enea, si considerino
l'espressione e il ca rattere di queste fisonomie.
400 G. E. R1ZZO
Non minor campo di osservazione ci apprestano gli abiti delle
figure: fraintesi e falsati quasi tutti, con movimenti e con par-
ticolari non antichi. La forma e lo stile delle « candeliere » ,
l'aspetto generale delle figure, la stessa tecnica del rilievo devono
indurci a credere questa scultura eseguita nel rinascimento (').
Alcnne teste — come, p. es., quelle delle due figure stanti
nei lati estremi, quella del vecchio di fronte ad Enea — nulla
hanno di romano: e ricordano i busti di terracotta della line del
quattrocento e del Cinquecento: cosi dicono la forma ampia del
cranio. i piani asciutti e duri delle facce, e lo stesso « tipo » non
piü romano, ma italiano, starei quasi per dire toscano.
Non mi dilungo in altre piü minute osservazioni (la forma
dell'ara, p. es., e quella del praefericulum, che tiene uno dei
sacrificanti), constatando, invece, che lo scultore ebbe la buona
intenzione di imitare il suo modello, anche in alcuni particolari,
come negli alti calzari rimboccati delle figure sedute, nel costume
frigio del piccolo Ascanio. Altre volte, nelle proporzioni piü ri-
dotte della sua opera, preferi abbreviare: sostituendo, nel rilievo
dello scudo, alla rappresentazione della battaglia una semplice
testa di Medusa (poiche non sembra probabile che il modello
non fosse simile, anche in questo particolare notevolissimo, al sar-
cofago di Torre Nova), o tralasciando addirittura lo scudo nella
seconda tigura seduta. la quäle e modificata nello Schema
e nello atteggiamento.
*
Cosi siamo venuti alle due differenze principali, di cui ho
parlato in principio.
Era impossibile che nel rilievo originario mancasse la parte
di destra : il gruppo, cioe, in cui non solo si svolge, ma si com-
pleta l'azione che si voleva rappresentare, merce la dextrarum
iunctio di Enea con Lavinia. Senza questo gruppo, la scena sarebbe
monca e non avrebbe, quasi, un significato ; ed il perfetto paral-
I1) A questa eonclusione l'Ameluug ed io siamo arrivati l'uno indipen-
dentemente dall'altro: e mi piace dir questo, per aggiungere al mio giudizio
queil" >li un -l fine ed esperto conoscit"iv della scultura antica.
SÜLLE « LEOGENDE LATINE ANTICHISSIME » 401
lelismo da me stabilito fra i savcofagi romani rappresentanti il
matrimonio (sarcofago di Mantova ed altri numerosi) g il rilievo di
Torre Nova verrebbe a mancare.
Dunque il modello preso ad imitare dall' ignoto artista del
nostro rinascimento era frammentato a destra ; ed una sicura riprova
di ciö l'abbiamo neH'atteggiamento della ligura seduta: la quäle
in questo modello, come nel rilievo di Torre Nova, doveva esser
volta completamente verso destra. Ma nel rilievo degli Uffizi essa
e disegnata quasi di prospetto ed ha la testa volta a sinistra, perche
lo scultore moderno volle che questa figura chiudesse, dalla parte
destra, la scena rappresentata, della quäle egli non comprendeva
tutto il significato, e non ne sapeva, quindi, imaginäre e supplire
il seguito (dextrarum iuncüo : Enea-Imeneo-Lavinia). Quindi fu
costretto a modificare il movimento della ligura seduta.
Ma tanto questa che l'altra simile dell'angolo sinistro erano
veramente 'muliebri nell'originale imitato dallo scultore del rina-
scimento? E l'esame delle parti che di questa figura rimangono
nei frammenti da me ricomposti, puö forse lasciar dubbio sul
sesso della medesima? Insomma il mio preteso Marte diventa una
divinitä o una personiticazione muliebre ('), per la testimonianza
del rilievo di Firenze?
Vetamente direi di no! E basta osservare, per convincersene.
la gamba lunga e ossuta, dal polpaccio asciutto e muscoloso, il piede
di grandezza poco femminea di questo personaggio (tav. XIII, 2).
E nulla io aggiungo dell'ampio mantello, che lascia ie gambe a
metä scoperte : abito quasi incomprensibile in una figura muliebre.
Come mal, dunque, nel rilievo di Firenze la parte superiore
del corpo di questa ligura ha forme cosi spiccatamente femminili ?
Noi non sappiamo quäle parte del rilievo preso ad imitare fosse
conservata, e quanta, invece, fosse andata perduta. Credo di aver
dimostrato, in modo inoppugnabile, che mancava tutta la parte a
destra: e non ci sarebbe quindi da stupire, se fossero anche per-
(•) Per il Dütscbke, questa figura seduta sarebbe la personificazione
della cittä di Troia, per il berretto frigio (??) cb'essa porta e per le pan-
nocchie di grano turco (?) cbe tieue nella sinistra. La figura del fanciullo e
interpretata come Ascanio. II primo cbe nel rilievo di Firenze, creduto da
tutti antico, abbia intraveduto una rappresentanza relativa ad Enea, e stato
lo Zannoni (Galleria di Firenze, serie IV, tav. 119).
27
402 G. E. RIZZO, SÜLLE « LEGGENDE LATINE ANTICHISSIME »
dute o gravemente deteriorate altre parti comprendenti le tigure
male interpretate dall' ignoto scultore. U quäle, forse, fu indotto
ad interpretare la figura seduta come muliebre, dalla presenza del
piccolo Frigio che le sta accanto (').
Checche sia di ciö, io insisto nel credere che codesta figura,
virile senza dubbio, come fa vedere anche la riproduzione della
tavola rappresenti Marte. Onde il rilievo di Firenze, se da un canto
e la piü eloquente conferma della esegesi generale da me data, non
la modifica nemmeno in questo particolare.
Conchiudendo : il rilievo degli Uffizi e un' imitazione relati-
vamente fedele, eseguita forse nel principio del XVI secolo, di un
rilievo frammentato di etä imperiale romana, simile a quello di
Torre Nova; e serve a darci un"idea delle parti mancanti di questo
monumento, la cui interpretazione puö dirsi oramai assolutamente
sicura.
G. E. Rizzo.
(') E appena il caso di ricorJare qui le false interpretazioni e le in-
terpolazioni, spesso capricciose ed assurde, che non e raro riscontrare nelle
traduzioni, o imitazioni che dir si vogliano, che gli artisti del rinasci-
mento facevano da monumenti antichi, copiati nel loro insieme o in singoli
gruppi e figure adoperati come motivi ornamentali. Le Logge di Raffaello,
p. es., potrebhero fornire ancora ampia materia di ricerche e di confronti
particolari e minuti, dopo il molto che se n'e detto in generale. Io stesso ebbi
occasione di far vedere in quäl modo fossero State fraintese con aggiunte
assurde alcune figure del sarcofago Giustiniani rappresentante la morte
di Clitemnestra ed Egisto (Cfr. Rizzo, Sculture antiche del Palazzo Giusti-
niani, Bull, comun., 1905, pp. 18-36). Non potrebbe quindi sorprendere la
falsa interpretazione della figura di Marte nel nostro rilievo.
SITZUNGEN UND ERNENNUNGEN.
1. März 1907: M. Meurer, Die Entstehung des Decorations-
Scheinas aegyptischer und griechischer Decken aus dem Zeltbau.
15. März: F. Weege, Oskisclie Grabmalerei. — A. Haselofe,
Die Mosaiken von Casaranello.
5. April : R. Eisler, Weltenmantel und Himmelszelt. — 0. Schoe-
newolf, Elfenbeinrelief in München.
19. April (Festsitzung zur Feier der Gründung Roms): G. F. Ga-
murrini, della climora di alcuni re asiatici nel territorio
Falisco, — Ch. Huelsen, Der Hain der Furrina am Jani-
culum.
Am Palilientage wurden ernannt:
zum Ehrenmitgliede
Herr G. F. Gamurrini in Arezzo
zu ordentlichen Mitgliedern die Herren
G. E. Rizzo in Rom
L. Pernier in Florenz
zum correspondierenden Mitgliede
Herr E. Gabrici in Neapel.
REGISTER
Achilleuscyklen 379 f.
Achilleus Thaten, Bronzcreliefs 335 fF.
Achill leierspielend 339, jagend 340.
Achill auf Skyros Sil. 343.
Achills Feiung 335
Tod 351.
>j Zorn 346.
Aeneas, Hochzeit mit Lavinia 297.
Aestimare 212.
Anna Pexenna, Fest 217.
» n Hain 219.
Aphroditefest in Korinth 311.
Aphrodite-Kullhilder auf Akrokorinth
313.
Architrav, ionischer 270.
Argos 'Jod. Vasenhild 98 f.
Asiatische Elemente in röm. Archi-
tektur 82.
Attische Amphoren 111.
» Keramik des 4. Jlidts 140.
Aushängeschild, römisches 96.
Bankett auf Elfenbeinrelief 315.
Bellum Mithridaticum 395.
Berlin, Vase 3289 281.
Berlin, Antiquarium, Knochenreliefs
318 f.
Blockgesims, angebliches 185.
Böotische Keramik 138.
British Museum, Elfenbeinreliefs im
316.
Bryn Mawr College, Vase im 100.
Cadus 97.
i Iheiroballistra 1 52.
Cheiron und Achill 337 f.
Chimaerenkampf, Bronzerelief 371.
Cirta, Grabmonument bei 184.
Cista von Vulci im Gregorianum 84.
Columella X 357-366 214.
Comitium 193.
Coner, Andreas, Skizzenbuch 171.
Cornua 198.
Corsinisch.es Silbergefäss 280.
Deidamia 342. 343. 345 f.
Dextrarum iunctio 292.
Dorischer Tempel am Forum holito-
rium 169.
Elfenbeinreliefs, archaische 314 ff.
Erinys des Kalos od. Kaiamis 285.
Ermitage (Petersburg), Vasen in 98.
Erotenkopf, Bronze 333.
n als Deichselschmuck 377.
Etruscilla od. Otacilia, Porträt 86.
Etruskische Goldarbeiten 389 f.
Etruskische Terrakottenfriese 64. 67.
Forma Urbis Bomae 190.
Forum holitorium, Tempel am 189.
192.
Fortuna virilis, angebl. Tempel 221.
Fries, ionischer 270.
Fröhner, Sammlung (Paris), Elfenbein-
reliefs 318.
Gemmen mit Achills Feiung 336.
Gesims vom Tempel des Iuppiter La-
tiaris 186.
Gewandbewegungsmotiv am Ludovisi-
Thron 312.
Goldschmuck, etruskischer 387.
Grundrissform italischer Tempel 256.
REGISTKH
405
Haartracht auf röni. Reliefs 381.
Hektors Lösung 350.
n Schleifung 349.
Tod 348.
Heron, Mechaniker 142.
Hiketiden des Aeschylus, Erstauffüli
rung 107 f.
Hoffmann, Sammlung (Paris) 363.
Jagdreliefs 340
Lupa Capitolina auf Schildrelief 291.
303.
Lupercal, Schildrelief 291.
Lykische Grabbauten 78.
S. Maria Egiziaca 220.
Mars 297.
Martialis ep. IV 64. 11-24 211.
Mauerverhand an römischen Bauten
217.
Janus, Tempel am Forum holitorium Modena, architekton. Relief in 184.
189.
Jo, in Kuhgestalt 107.
Jonische Kunst 327.
Judicium Orestis 280 f.
Juno Sospita, Tempel am Forum ho-
litorium 191.
Münzporträts Bronzeblech 83.
Münzen als Ornament 86.
Museo Gregoriano, Elfenbeinreliefs 320.
Musterbücher 281.
S. Nicola in Oarcere 169.
Niger lapis 209.
Juppitersäule von Mainz, Relief an der Norchia, Grabfassaden 183.
Basis 280
Kästchen mit Elfenbeinreliefs 321
Kauaxiov 158.
Ka^iÜQioy 156.
Kafi^iarQta 151.
Knvoveg 146.
Nymphaeum 92.
Odysseus 353.
Gnsdorf, Relief von 282.
Palaekastro, Ausgrabungen in 65.
Paraskenien 6.
Paris 351 f.
Kapitell vom Tempel am Forum ho- Pasquino-Gruppe 353.
litorium 180
Kapitell vom Tempel des Juppiter La
tiaris 181. 186.
Kapitelle, ionische 266.
Klazomenä, Sarkophag von 68.
Kkeioos 150.
Kodros-Schale 122.
Kütuosidfj 160.
Kontinuierender Stil 385.
Patroklos 24'«.
353.
Pflanzenformen auf Elfenbeinreliefs
331.
Philippus Caesar, Porträt 85.
Pietas. Tempel am Forum holitorium
189.
Plattenbelag des Rundbaus an den
Rostra 57.
Kretische Künstler am Artemision in Podien italischer Tempel 254. 259
Ephesus 75.
Polygnot, Maler 119.
Kultbilder der Erinyen in Athen Pompeji, das grosse Theater 1 ff.
286.
Kyprische Kunst 328.
Schriftzeichen 329.
Porträtmedaillons als Ornament 372.
Prägung von Bronzereliefs 84. 358 f.
Priamos 350.
Lares Augusti, Altar im Belvedere Profile von Podien 260. 262
299.
Lavinium, Gründungssage 299 ff.
Lokalgötter auf Reliefs 382.
Louvre, Elfenbeinreliefs im 316.
» Relieffragment 90.
Ludovisischer Marmorthron 307 ff.
Prometheus des Aeschylus, Erstauf-
führung 106.
Regöly, Goldfunde 388.
Reliefstil 367 f.
Rheinische Provinzialkunst u. ihre
Vorlagen 284.
406
REGISTER
Römische Sarkophage und Architektur
79.
Romulusgrab 204.
Rostra 193.
n Caesaris 57.
Ruvo. Elfenbeinreliefs aus 314.
Säulenbasen, italische und römische
263.
Säulenschäfte 265.
Sallustius Crispus 87.
Sarkophag von Torre Nova 289.
Schildreliefs 303.
Schlachtscene, Schildrelief 303 f.
Scholion Soph. 0. C. 39 286.
Scipionengrab 263 f.
Septimius Severus, Münze des, von Ha-
drianopolis 93.
Septizonium 94.
Sidonischer Sarkophag « des Pleureu-
ses » 74.
Sima, Form 274.
» jonische Terrakotta — in Candia
64.'
Sima, jonische in Etrurien und auf
att. Grabstelen 77.
Sima aus Balustrade des flachen Da-
ches entstanden 76.
Simonius Julianus, Stadtpraefect 88.
Spes, Tempel am Forum holitorium
191.
Steinmetzzeichen 61.
Stele vom Diktynnaion in Creta 77.
Stuckformen römischer Bauten 179.
Stuckverkleidung an römischen Bauten
250. 272.
Sulla, gentilicium 87.
Szasazol, Goldfunde 387.
Tempel, ionischer, am Ponte Rotto
220.
Terracina. Inschrift aus 394.
Theaterfrage 53 ff.
Thensa Capitolina 332.
Thensa, Form 378.
Thiasos, Bronzerelief 355 f.
Torre Nova, Sarkophag von 289.
Trajans Rostrabau 62.
Traianus Decius, Porträt 85.
Travertin, Verwendung an röm. Bau-
ten 187.
Uffizi, Relief in 398 f.
Vatikan, Galleria delle Statue, Relief
89.
Venus, Medaillon in Bronze 355.
Verhüllung in der Frauentracht 309.
Wagen aus Bronze 377.
Wasserbassins im Theater von Pom-
peji 45 ff.
Zahnschnitt 272.
Zauberbräuche zur Vertreibung von
Ungeziefer 215.
TAFELN
I. Skenenbau und Orchestra des grossen Theaters in Pompeji.
II. Terrecotte cretesi di uso architettonico.
III-IV. Frammenti di vaso Attico nel Aluseo di Pietroburgo.
V. Tempel bei S. Nicola in Carcere, Ansicht.
VI. Ionischer Tempel am Ponte Kotto in Rom.
VII. Ionischer Tempel am' Ponte Rotto in Rom. Grundriss mit den moder-
nen Einbauten.
VIII. Ionischer Tempel am Ponte Rotto in Rom. Seitenansicht (Westseite)
und Rückansicht (Südseite) im gegenwärtigen Zustand (Kapitelle
ergänzt).
IX. Ionischer Tempel am Ponte Rotto in Rom. Schnitte und Details.
X. Ionischer Tempel am Ponte Rotto in Rom. Podium und Säulenbasis.
XL Ionischer Tempel am Ponte Rotto in Rom. Säulenkapitelle und
Gebälk.
XII. Ionischer Tempel am Ponte Rotto in Rom. Dritte und sechste Säule
der Ostseite.
XIII. Sarcofago di Torre Nova.
XIV. Rilieui romani con rappresentazioni di matrimonio.
XV-XVI. Archaische Elfenbeinreliefs.
XVTI-XVIII. Bronzereliefs von der Thensa Capitolina.
Abgeschlossen am 10. Juli 1907.
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TERRECOTTE CRETESI DI USO ARCHITETTONICO
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ARCHAISCHE ELFENBEINRELIEFS
Fotot. Danesi - Roma
ARCHAISCHE EL
JBEINRELIEFS
Futut. Hanesi - Roma
BRONZERELIEFS DER THENSA CAFITOLINA.
J. B. Obenietter, München.
J. B Obernetter. München.
XVIII.
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BRONZERELIEFS DER THEN5A CAPITOLINA.
GETTY CENTER LIBRARY
3 3125 00458 7180