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Full text of "Mitteilungen des Deutschen Archaeologischen Instituts, Romische Abteilung. Bullettino dell'Istituto archeologico germanico, Sezione romana"

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THE  J.  PAUL  GETTY  MUSEUM  LIBRARY 


MITTEILUNGEN 

DES     KAISERLICH     DEUTSCHEN 

AßCHAEOLOGISCHEN  INSTITUTS 

ROEMISCHE   ABTEILUNG 
Band   XXI. 


BULLETTINO 

DELL*    IMPERIALE 


ISTITUTO  AttCHEOLOGICO  GERMANICA 


SEZIONE   ROMANA 
Vol.   XXI. 


ROM 
LOESCHER     &     C.g 

(w.  regenberq) 
1906 


INHALT 


W.  Amelung,  Zum  Silberbecher  Corsini  S.  280-287. 

P.  Ducati,  Frammenti  di  vaso  altico  con  dipinto  rappresen- 
tante  la  morte  di  Argo  (tav.  III,  IV)  S.  98-141. 

E.  R.  Fiechter,  Der  ionische  Tempel  am  Ponte  Rotto  in  Rom 
(S.  Maria  Egiziaca)  (Taf.  VI-XII)  S.  220-279. 

K.  Hadaczek,  Zur  Geschichte  des  elruskischen  Einflusses  in  Mit- 
teleuropa tf.  387-393. 

Ch.  Huelsen,  Neue  Inschriften  S.  87-88. 

—  Der   dorische   Tempel    bei   S.  Nicola   in    Carcere   (Taf.    V) 

S.  169-192. 
A.  Mau,  Das  grosse   Theater  in  Pompeji  (Taf.  I)  S.  1-49. 
M.  Nilsson,  Zur  Erklärung   des  Ludovisischen  Marmorthrones 

S.  307-313. 
E.  Petersen,  Rostra  Caesaris  nochmals  S.  50-63. 

—  Comitium  und  Rostra  S.  193-210. 

L.  Pollak,  Archaische  Elfenbeinreliefs  (Taf.  XV,  XVI)  S.  314- 

331. 
G.  E.  Rizzo,  Leggende  latine  antichissime  (tav.  XIII,  XIV)  S.  289- 

306.  Aggiunta  S.  398-402. 
L.  Savignoni,  Di  una  Sima  ionica  con  bassorilievi  delV  isola 

di  Creta  (tav.  II)  S.  64-82. 
H.  Schenkl,  Der  Hain  der  Anna  Perenna  bei  Martial  S.  211- 

219. 
RüD.  Schneider,  Herons  Cheiroballistra  S.  142-168. 


|V  INHALT 

I.  Sieveking,  Römisches  Aushängeschild  mit  Darstellung   eines 

Nymphaeums  S.  89-97. 
F.  Staehlin,  Bronzeblech  mit  Münzporträten  im  Kircherianum 

S.  83-86. 
-  Die  Thema  Capitolina  (Taf.  XVII,  XVIII)  S.  332-386. 
H.  L.  Wilson,  Eine  neue  Inschrift  aus   Terracina  S.  394-397. 
Sitzungen  und  Ernennungen  S.  288.  S.  403. 
Register  S.  404. 


DAS  GROSSE  THEATER  IN  POMPEJI. 

(mit  Taf.  Ij 


Die  Erforschung  der  älteren  Formen  des  grösseren  Theaters 
in  Pompeji  wird  W.  Dörpfeld  verdankt,  der  im  Juni  1902  zu 
diesem  Zwecke  nach  Pompeji  kam.  Herr  Professor  Pais,  damals 
Direktor,  liess  bereitwilligst  die  nötigen  Nachgrabungen  am 
Skenengebäude  vornehmen,  die  dann  nach  Dörpfelds  Abreise  unter 
meiner  Leitung  fortgesetzt  wurden.  Noch  im  Laufe  desselben 
Sommers  veranstaltete  der  Inspektor  Graf  Cozza  eine  Ausgrabung 
in  der  Cavea  des  Theaters  und  wurde  auf  meine  Veranlassung 
die  Erforschung  der  Orchestra  begonnen.  Letztere  wurde  im  Sommer 

1904  in  Gegenwart  Dörpfelds  fortgesetzt,    aber    erst   im   Sommer 

1905  unter  Sogliano*s  und  meiner  Leitung  ganz  zum  Abschluss 
gebracht.  Im  Sommer  1904  wurde  auch  unter  Mitwirkung  Kawe- 
rau's  das  Skenengebäude  aufs  neue  genau  untersucht  und  wurdeu 
von  Dörpfeld  die  hochwichtigen  Spuren  eines  einst  im  Hinterraum 
vorhandenen,  von  Balken  getragenen  Zwischenbo'dens  entdeckt. 
Kurze  Berichte  über  diese  Ausgrabungen  sind  erschienen  Notiz-ie 
degliscavi  1902  S.  512  ff.  (Paribeni)  und  1906  S.  100  ff.  (Sogliano). 

Die  folgende  Darstellung  berichtet  über  den  Tatbestand  nach 
Auffassung  des  Unterzeichneten;  Dörpfeld  wird  später  Gelegenheit 
nehmen,  seine  Stellung  zu  derselben  klar  zu  legen.  Doch  ist,  was 
hier  vorgelegt  wird,  Resultat  gemeinsamer  Bemühung;  Teilung 
des  geistigen  Eigentumes  ist  kaum  möglich,  und  keiner  von  uns 
beiden  legt  Wert  darauf.  Auch  wo  ich  Ansichten  vortrage,  denen 
vielleicht  Dörpfeld  nicht  zustimmen  wird,  bin  ich  doch  auf  Schritt 
und  Tritt  durch  seine   Mitwirkung   wesentlich    gefördert    worden. 

Das  Ganze  unserer  Ausgrabungen  wird  durch  den  Plan  Tf.  I 
veranschaulicht.  Auf  demselben  sind  die  Mauerteile  der  verschie- 
denen Perioden  des  Skeneubaues  so  unterschieden,    dass   die  deuo 

1 


•2  A.    MAU 

ursprünglichen  Bau  angehörigen  einfach,  die  des  ersten  Umbaues 
kreuzweise  schraffiert,  die  der  Umgestaltung  in  augusteischer  Zeit 
und  die  wenigen  noch  späteren  schwarz  sind.  Einfach  schraffiert, 
wie  die  ältesten  Teile  des  Skenenbaues,  sind  auch  die  auf  dem 
Plan  sichtbaren  Teile  des  Zuschauerbaues.  Sie  sind  zwar  ihrem 
Ursprünge  nach  älter  als  der  Skenenbau;  da  sie  aber  deutlich 
von  ihm  getrennt  sind,  so  entsteht  hier  durch  die  gleiche  Be- 
zeichnung nicht  gleichartiger  Teile  keine  Unklarheit.  Sie  enthalten 
ferner  auch  Teile  die  dem  Umbau  der  augusteischen  Zeit  angehören; 
aber  bei  der  Art  wie  hier  älteres  und  jüngeres  durch  einander 
geht,  war  gesonderte  Bezeichnung  nicht  möglich.  Sie  war  auch 
nicht  nötig,  da  diese  längst  bekannten  Dinge  in  unserer  Erör- 
terung keine  Rolle  spielen. 

Der  zeitlichen  Unterscheidung  ist  die  Unterscheidung  höheren 
und  niedrigeren  Mauerwerks  geopfert  worden.  Es  handelt  sich  hier 
nur  um  die  letzte  Periode  (schwarz).  Das  Podium  der  augustei- 
schen Bühne,  die  innerhalb  des  Vorhangsraumes  laufende  Was- 
serrinne,  die  an  diese  angesetzten  Stützpfeiler  des  Bühnenfussbo- 
dens  wird  jeder  leicht  erkennen.  Der  in  der  Mitte  quer  durchge- 
hende breite  schwarze  Streif  bezeichnet  den  unter  der  Bühne  durch- 
gehenden Abzugskanal,  der  von  W  (rechts)  an  der  scaenae  frons 
entlang  und  dann  schräg  nach  vorn  gehende  schwarze  Streif  eine 
Wasserrinne,  von  der  weiter  nicht  die  Rede  sein  wird.  Etwas 
unklar  musste  unser  Plan  in  der  Mitte  der  Rückwand  (oben) 
ausfallen:  hier  bedeutet  das  Schwarze  in  der  Mitte  die  Vermaue- 
rung  der  alten  Thür  im  unteren  Teil  der  Mauer,  die  beiden  nach 
rechts  und  links  nicht  scharf  begrenzten  Mauerteile  die  Pfosten 
der  dann  im  oberen  Wandteil    eröffneten   Rampenthür. 

Unsere  Darstellung  wird  ferner  erläutert  durch  beistehenden  Ge- 
sammtduichschnitt  (Fig.  1),  und  mehrere  Teildurchschnitte  und 
Aufrisse.  In  diesen  sind  die  verschiedenen  Arten  von  Mauerwerk  — 
Quadern,  ziegeiförmige  Steine,  Ziegel,  Incertum  —  unterschieden 
und  die  Mauerdurchschnitte  durch  eine  über  diese  Materialbe- 
zeichnungen hinweggehende  schräge  Schraffierung  kenntlich  gemacht. 

Wir  beginnen  mit  der  scaenae  frons.  Sie  erhielt  ihre  letzte 
Gestalt  im  wesentlichen  durch  einen  Neubau  in  Ziegeln,  der  dem 
durch  die  bekannte  Inschrift  (MM.  Holconii  Rufus  et  Celer  cryp- 


DAS   GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI 


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A.    MAU 


tarn  tribimalia  theatrum  s.  p.)  bezeugten  Umbau  des  Zuschauer- 
raumes durch  die  Holconier  ziemlich  gleichzeitig  sein  muss.  Dies 
ist  zu  schliessen  aus  einer  Eigentümlichkeit  des  Ziegelwerkes, 
indem  nämlich  der  Mörtel  der  Fugen  mit  einer  Kante  in  der 
Mitte  vorspringt,  genau  so  wie  an  den  antiken  Teilen  der  Thür 
die  aus  dem  unregelmässigen  Raum  zwischen  Theater,  Forum 
trianguläre,  Palaestra  und  Isistempel  in  die  Crypta  führt :  eine 
Eigentümlichkeit  die  sonst  meines  Wissens  in  Pompeji  nicht 
vorkommt. 

Auf  diesen  in  die  Zeit  des  Augustus,  um  den  Beginn  unserer 
Zeitrechnung  fallenden  Bau  folgten  nur  noch  einige  nicht  wesent- 
liche Veränderungen.  Die  am  meisten  vorspringenden  Teile  der 
Fassade  wurden  noch  um  0,24  vorgerückt.  Dieser  Vorsatz  besteht 
aus  Ziegelwerk,  verschieden  von  dem  der  ganzen  Fassade.  Er  reicht 
nur  bis  zur  Sockelhöhe  und  ist  hier  durch  Tuffsteine  bekrönt  und 
abgeschlossen.  Ferner  sind  die  ursprünglich  durch  die  drei  Thüren  aut 
die  Bühne  herabführenden  Stufen  später  überbaut  worden,  vielleicht 
weil  man  die  Thürschwellen  etwas  höher  legte.  Die  Reste  sind 
ganz  formlos. 

Spuren  einer  älteren,  gradlinig  verlaufenden  Frontwand  waren 
schon  immer  kenntlich.  Ihre  Vorderfläche  fällt  zusammen  mit  der 
Vorderfläche  der  augusteischen  Ziegelfront,  abgesehen  von  den 
ebenerwähnten  Zusätzen  derselben;  diese  springen  vor  die  ältere 
Mauer  vor. 

Diese  ältere  Mauer  nun  wurde  näher  untersucht.  Es  ergab 
sich,  dass  sie  in  der  Mitte  eine  vorn  1,78,  hinten  1,76  breite  Thür 
hatte,  deren  aus  ziemlich  grossen,  nicht  sehr  gleichmässigen, 
durchschnittlich  0,22  hohen  ziegelförmigeu  Tuffsteinen  bestehende 
Pfosten  um  1,15  unter  die  jetzige  Oberfläche  des  Podiums  der 
Bühne  der  letzten  Zeit,  und  damit  unter  das  ungefähre  Niveau  eben 
dieser  Bühne,  um  reichlich  0,10  unter  das  der  Orchestra  hinab- 
reichen. Nun  ist  das  jetzige  Niveau  der  Orchestra,  wie  weiterhin 
zu  zeigen  sein  wird,  späten  Datums  und  Resultat  mehrfacher  Ver- 
änderungen :  es  ist  zu  Zeiten  höher  gewesen,  kann  aber  wegen  des 
hier  anstehenden  natürlichen  Lavabodens  nur  ganz  unwesentlich 
niedriger  gewesen  sein.  Und  da  es  nicht  wohl  denkbar  ist,  dass 
die  Orchestra  höher  gewesen  wäre,  als  die  Thürschwellen  der 
Skene,  so  werden  wir  diese  als  im  Niveau  der  alten  Orchestra  lie- 


DAS   GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  5 

gend  betrachten  dürfen.  Die  Pfosten  sind  breit  1,19;  dies  ist  also 
die  Dicke  der  Mauer.  Eine  Schwelle  ist  nicht  vorhanden ;  den  Thür- 
boden  bildet  eine  mörtolartige  Masse.  In  der  westlichen  Hälfte 
der  Thür  ist  der  Boden  um  0,43  erhöht  durch  den  auch  unter  der 
Bühne  hindurch  nach  Süden  führenden  Abzugskanal.  Dieser  war 
also  damals  noch  nicht  vorhanden. 

Diese  Thür  liegt  grade  vor  der  Mittelthür  der  späteren  Skenen- 
front.  Von  zwei  weiteren  Thüren  ist  nur  je  ein  Pfosten  kenntlich : 
sie  lagen  zwischen  der  Mittelthür  und  den  beiden  Nebenthüren 
der  späteren  Bühne.  Von  der  westlichen  ist  der  westliche,  von  der 
östlichen  der  östliche  Pfosten  sichtbar,  östlich,  beziehungsweise 
westlich  der  späteren  Thüren ;  die  beiden  anderen  Pfosten  sind  unter 
den  vorspringenden  Teilen  der  späteren  Front  verborgen.  Mauer- 
stärke und  Schwellenniveau  sind  hier  nicht  kenntlich ;  wir  nehmen 
an,  dass  sie  mit  der  Mittelthür  übereinstimmen.  Da  ferner  diese 
genau  der  weiterhin  zu  besprechenden  alten  Mittelthür  in  der 
Rückwand  des  Gebäudes,  die  beiden  sichtbaren  Pfosten  der  Seiten- 
thüren  aber  je  einem  Pfosten  zweier  anderen  einst  dort  befindlichen 
Thüren  genau  entsprechen,  so  ist  sicher  anzunehmen,  dass  auch  ihre 
anderen  Pfosten  den  anderen  Pfosten  jener  beiden  Thüren  entsprechen. 
Damit  ergeben  sich  die  drei  Frontthüren  als  wesentlich  gleich  weit. 

Von  dieser  alten  Frontwand  aus  verlief  jederseits,  nahe  den 
Enden,  eine  Mauer  schräg  nach  aussen  gegen  den  Zuschauerraum. 
Der  am  höchsten  erhaltene  und  deutlichste  Rest  ist  auf  der  Ost- 
seite, links  im  Plan  Tf.  I ;  er  ist  erhalten,  weil  er  hier  für  die 
gleich  zu  erwähnenden  Vorbauten  benutzt  und  ihnen  einverleibt 
ist.  Es  ist  nämlich  ganz  klar,  dass  die  westliche  (rechte)  Ecke  des 
mittleren,  am  meisten  vorspringenden  Teils  der  östlichsten  dieser 
fünf  Vorbauten  nicht  der  übrigen  Masse  gleichartig,  sondern  ein 
Rest  einer  älteren,  schrägen  Mauer  ist;  daher  die  Schiefwinkligkeit 
dieses  Vorsprunges.  Dieser  ältere  Rest  setzt  sicli  rückwärts  fort 
durch  den  hinteren  Teil  des  Vorbaues  und  schliesst  an  die  alte 
Frontwand  an,  der  er  auch  im  Mauerwerk  gleichartig  ist.  Es  ist 
deutlich,  dass  die  schräge  Mauer  sich  einst  nach  vorn  weiter  fort- 
setzte und  an  der  Front  des  Vorbaues  abgehackt  ist.  Der  der  Mitte 
zugewandte  Winkel  ist  4  m.  vom  Ende  der  Skene  entfernt. 

Die  Fortsetzung  dieses  Restes  gegen  den  Zuschauerraum  fehlt, 
weil  hier  der  Raum  unter  der  späteren  Bühne  so  stark  vertieft  ist, 


6  A.    MAU 

dass  auch  die  Fundamente  verschwinden  mussten.  Dagegen  wurde 
auf  der  Westseite  durch  unsere  Ausgrabungen  ein  in  genau  entspre- 
chender schräger  Linie  verlaufendes  Mauerfundament  aufgedeckt; 
wir  können  nicht  zweifeln,  dass  hier  das  im  Osten  verlorene  erhal- 
ten ist.  Für  den  späteren  Vorbau  ist  hier,  im  Westen,  die  schräge 
Mauer  nicht  benutzt  worden ;  in  ihm  sind  keine  älteren  Reste  zu 
constatieren.  Dagegen  sehen  wir  hier  deutlich,  wie  sie  an  die 
Südwand  des  Zuschauerbaues  stösst  und  an  ihr  entlang,  in  stum- 
pfem Winkel  umbiegend,  sich  nach  Westen  bis  an  die  Aussen- 
wand  des  Gebäudes  fortsetzt,  in  der  Ecke  durch  eine  viel  jüngere 
Basis  bedeckt.  Und  kehren  wir  nun  nach  Osten  zurück,  so  dürfen 
wir  wohl  annehmen,  dass  dieser  Fortsetzung  die  sich  dort  an  glei- 
cher Stelle  findenden,  jetzt  ganz  formlosen  Reste  entsprechen.  S. 
hierzu  den  Plan  Tf.  I. 

Es  ergiebt  sich  also  jederseits  ein  schiefwinkliger  Raum 
zwischen  der  schrägen  Mauer,  ihrer  Fortsetzung  am  Zuschauerbau, 
der  äusseren  Seitenwand  des  Skenengebäudes  und  der  alten  Front- 
wand: ein  Paraskenion.  Selbstverständlich  standen  diese  beiden 
Räume  in  Verbindung  mit  dem  Räume  hinter  der  Front,  dem 
Skenensaal.  Und  zwar  war  diese  Verbindung  nicht  etwa  so  her- 
gestellt, dass  sich  die  Frontwand  nicht  über  den  Ansatz  der  schrä- 
gen Mauer  hinaus  nach  aussen  fortgesetzt  hätte  —  die  Fortsetzung 
ist  im  Westen  sichtbar  —  sondern  durch  je  eine  Thür  iu  der 
Frontwand.  Diese  Thüren  sind  nicht  kenntlich,  weil  die  betreffen- 
den Teile  von  der  späteren  Bühneufront  bedeckt  sind.Da  aber,  wie 
oben  ausgeführt,  den  drei  sichtbaren  Thüren  der  Front  drei  Thüren 
in  der  Rückwand  des  Skenengebäudes  genau  gegenüber  standen,  und 
da  diese  Rückwand  nahe  den  Ecken  noch  zwei  kleinere  Thüren  hatte, 
so  ist  wohl  kein  Zweifel,  dass  diesen  die  beiden  eben  geforderten 
Thüren  entsprachen.  Ob  die  Paraskenien  auch  durch  Thüren  in  den 
schrägen  Mauern  mit  dem  von  diesen  und  der  Front  umfassten, 
gegen  die  Zuschauer  sich  erweiternden  Raum  in  Verbindung  stan- 
den, ist  nicht  kenntlich,  doch  wird  es  wohl  anzunehmen  sein. 

Beistehend  (Fig.  2)  der  im  übrigen  weiterhin  zu  begründende 
Gnvndriss  des  Skenengebäudes  in  seiner  ältesten  Form :  ein  gutes 
Beispiel  dos  von  Puchstein  als  der  altattisch-westliche  bezeichneten 
Typus.  Es  wird  gut  sein,  gleich  hier  die  Art  zu  besprechen,  wie 
sich  dies  Skenengebäude  an  den  Zuschauerbau  anschloss.  Da  wo  die 


DAS   GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  7 

Reste  der  schrägen  Wand  des  westlichen  Paraskenion  an  den  Zu- 
schanerbau  stossen,  sind  an  diesem  die  Reste  eines  mit  weissem 
Stuck  —  er  würde  gut  in  die  Tuffperiode  passen  —  bekleideten  Pi- 
lasters  kenntlich  (im  Plan  Tf.  I  angedeutet),  der  hier  eine  Ecke 
nach  Osten   bildete;  was    weiter  östlich  folgt  ist  späterer  Zusatz. 


Fig.  2.  —  Aelteste  Form  des  Skenenbaues. 


Sein  Fuss  ist  nicht  erhalten,  wir  wissen  also  nicht,  wie  tief  er 
stand;  aber  das  erhaltene  Schaftstück  reicht  0,80  unter  die  Ober- 
fläche der  Schwelle  des  westlichen  Bühneneinganges,  und  damit 
unter  den  Spielboden  der  letzten,  und  vielleicht  noch  tiefer,  sicher 
nicht  weniger  tief,  unter  den  der  vorletzten  Form  des  Skenenbaues. 
Er  ist  aber  auch  älter  als  die  älteste  erkennbare  Form  desselben ; 
denn  es  konnte  vollkommen  sicher  festgestellt  werden,  dass  die 
eben  dieser  Form  angehörige  schräge  Mauer  an  ihn  hinangemauert 
wurde,  als  er  schon  teilweise  zerstört  war.  Also  ein  Rest  aus  einer 
Zeit,  in  der  der  Zuschauerbau  schon  in  seiner  jetzigen  Ausdehnung 
stand,  noch  nicht  aber  das  jetzige  Skenengebäude. 

Ueber  die  Bedeutung  dieser  als  Pilaster  gebildeten  Ecke  kann 
kein  Zweifel  aufkommen.  Hier  war  schon  damals  die  jetzige,  durch 
den  Bogen  mit  dem  Satyrkopf  zugängliche,  rechtwinklig  gebrochene 
Parodos,  und  die  Ecke  bezeichnet  das  Ende  der  Mauer,  die  sie 
von  dem  Räume  südlich  des  Theatron   trennte;    sie    ist  die  Ecke 


8  A.    MAU 

der  flügelartigen  Erweiterung  der  Orchestra,  die  dadurch  entsteht, 
dass  natürlich  in  der  Breite  der  Parodos  die  untersten  Sitzstufen, 
von  der  Höhe  des  Parodoseinganges  abwärts,  fehlen;  hier  endete 
der  bedeckte  und  begann  der  unbedeckte  Teil  der  Parodos  (s.  Fig.  2). 
Später  wurde  durch  den  Bau  der  weiter  in  die  Orchestra  vorsprin- 
genden Tribunalien  der  bedeckte  Teil  in  eben  dieser  Richtung  ver- 
längert und  inusste  mithin  die  alte  Ecke  verschwinden.  Ausge- 
schlossen ist  also  die  Vorstellung,  als  habe  damals  ein  älteres 
Skenengebäude  weiter  südwärts,  in  einiger  Entfernung  vom  Thea- 
tron  gestanden,  und  es  seien  zwischen  beiden  die  Parodoi  ge- 
wesen ;  diese  waren  wo  sie  jetzt  sind.  Sondern,  so  dürfen  wir  weiter 
schliessen,  hier  lag  schon  damals,  unmittelbar  am  Theatron,  ein 
älteres  Skenengebäude;  es  lag  da,  wo  es  mutmasslich  schon  vor 
der  weiterhin  zu  besprechenden  Vergrösserung  des  Theatron  gelegen 
hatte.  Zwischen  der  Orchestra,  d.  h.  dem  unbedeckten  Teil  der  Pa- 
rodoi, und  dem  Innenraum  der  Skene  waren  freistehende,  als  Pilaster 
ausgebildete  Ecken.  Es  ist,  soviel  ich  sehe,  nichts  im  Wege,  zwischen 
diesen  beiden  Pilastern  die  Säulenreihe  eines  Proskenion  zu  ergänzen; 
seine  Spuren,  wenn  es  hier  war,  mussten  beim  Bau  des  unterir- 
dischen Ganges  unter  dem  Vorhangsraum  verschwinden.  War  es 
nicht  vorhanden,  so  öffnete  sich  der  Innenraum  des  damaligen  Ske- 
nenbaues  zu  ebener  Erde  frei  auf  die  Orchestra;  es  wäre  dann  wohl 
unvermeidlich,  in  ihm  den  Spielplatz  zu  erkennen. 

Dieser  Rest  also  bezeugt  uns  eine  Zeit,  in  der  der  Zuschauerbau 
schon  seine  jetzige  Ausdehnung  hatte,  das  jetzige  Skenengebäude 
aber  noch  nicht  vorhanden  war.  Wenn  wir  nun  aber  sehen,  wie  in 
diesem  die  schräge  Mauer  grade  an  dem  Pilaster  endete,  so  dass 
die  Vorderecke  des  Paraskenion  zusammenfiel  mit  der  Ecke  des  Pi- 
lasters,  so  dürfen  wir  daraus  schliessen  —  woran  zu  zweifeln  ja 
auch  gar  kein  Grund  ist  —  dass  die  beiden  Eckpilaster  auch  da- 
mals noch,  als  diese  Skene  gebaut  wurde,  frei  stehen  blieben  und  die 
Südöffnung  der  Orchestra  einschliesslich  der  unbedeckten  Teile  der 
Parodoi  einfassten,  und  dass  für  den  Gruudriss  der  jetzigen  Skene 
in  ihrer  ältesten  Form  (Fig.  2)  die  Absicht  massgebend  war,  die 
Oeffnung  des  schiefwinkligen,  gegen  die  Zuschauer  sich  erweiternden 
Raumes  zwischen  den  Paraskenien  zusammenfallen  zu  lassen  mit 
der  Oeffnung  der  Orchestra  bis  an  die  Parodoswölbungen.  Auf  dieser 
Annahme  beruht  der  rekonstruierte  Grundriss  Fig.  2. 


DAS    GROSSE    TIIEATKR    IN    POMPEJI  V 

Und  wenn  wir  nun  fragen,  ob  diese  älteste  Form  der  jetzigen 
Skene  ein  Proskenion  hatte,  so  werden  wir  aucli  für  diese  Zeit  vor 
allem  die  Möglichkeit  in  Betracht  ziehen,  dass  es  in  der  Linie 
der  beiden  Pilaster  lag.  Und  wir  werden  antworten:  es  konnte  sein, 
konnte  auch  nicht  sein.  Es  konnte  aber  auch  um  eine  Mauerstärke 
weiter  südlich  liegen,  in  der  Linie  der  Paraskenienfronten.  Hier 
ist  ein  Fundament  vorhanden:  es  trägt  jetzt  die  Südwand  der  an 
der  Innenseite  des  Vorhangsraumes  entlang  laufenden  Wasserrinne, 
ist  aber  sicher  nicht  für  diese  gelegt  worden,  da  es  sich  ostwärts 
bis  an  das  Paraskenion  erstreckt,  während  die  Rinne  nicht  so  weit 
reicht.  Es  reicht  um  reichlich  0,10  weniger  weit  nach  Süden  als 
die  0,80-0,85  starken  Fundamente  der  Nordmauern  der  Paraske- 
nien.  Wie  weit  es  nach  Norden  reicht,  kann  nicht  constatiert  werden ; 
wenn  weiter  als  die  Paraskenien,  so  ist  der  betreffende  Teil  durch 
den  Vorhangsbau  bedeckt.  Man  kann  wohl  nicht  leugnen,  dass 
dies  Fundament  ein  Proskenion  getragen  haben  kann,  sowohl  ein 
solches  das  als  Spielhiutergrund  diente,  als  ein  den  Spielboden 
tragendes.  Aber  freilich  eben  so  gut  kann  es  das  Bühnenpodium 
der  folgenden,  gleich  zu  besprechenden  Form  des  Baues  getragen 
haben  und  erst  für  dieses  gelegt  worden  sein ;  dies  ist  in  unserem 
Plan  Tf.  1  angenommen  worden.  Ein  von  diesem  Fundament  bis 
an  die  Skenenfront,  quer  durch  den  Raum  unter  der  späteren  Bühne 
gezogener  Graben  stiess  auf  keinerlei  Fnndamentreste:  es  darf  als 
sicher  gelten,  dass  auf  dieser  Strecke,  also  rückwärts  der  Paraske- 
nienfronten, kein  Proskenionfundament  vorhanden  ist.  Also  die  Frage, 
ob  Proskenion  oder  nicht,  findet  aus  den  Resten  keine  Beantwortung. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zur  Betrachtung  der  späteren  Umgestal- 
tungen der  Front. 

Nämlich  die  so  eben  ermittelte  Form  ist  keineswegs  die  der 
augusteischen  unmittelbar  vorhergehende,  vielmehr  ergab  sich  aus 
unseren  Nachgrabungen  noch  eine  zwischen  beiden  liegende  Um- 
gestaltung.  S.  zum  Folgenden  auf  dem  Plan  Tf.  I  das  kreuzweise 
schraffierte,  und  umstehende  Fig.  3. 

Wir  beginnen  mit  der  Mittelthür.  Diese  ist  einmal  mindestens 
bis  zur  Höhe  der  Buhne  der  letzten  Zeit  zugemauert  worden.  Doch 
füllt  die  Verschlussmauer  nicht  die  ganze  Tiefe  der  Thür,  sondern 
nur  ihren  vorderen,  der  Orchestra  zugewandten  Teil,  bis  0,44  von 


10 


A.    MAU 


der  Vorderkante;  erbalten  ist  sie  natürlich,  wie  auch  die  Thür- 
pfosten,  nur  bis  zur  Höhe  des  späteren  Bühnenbodens.  Ihr  Mauerwerk 
aber  tritt  vor  die  alte  Frontwand  vor  und  bildet  hier  einen  5,88 
langen,  etwa  0,50  breiten  Vorsprung,  der  in  der  Mitte  wieder  einen 
eben  so  breiten,  3.69  langen  Vorsprung  hat.  Alles  dies  liegt  sym- 
metrisch zu  der  Thür,  die,  1,77  breit,  der  Mitte  dieses  letzteren, 
kleineren  Vorsprunges  entspricht. 


1 

Fig-.  3.  —  Zweite  Form  des  Skenenbaues. 


Ebensolche  doppelte  VorsprüDge  finden  sich  auch  vor  den  beiden 
Nebenthüren ;  nur  sind  sie  hier  kürzer,  und  der  vordere,  kleinere 
Vorsprung  erstreckt  sich  im  Osten  nur  um  0,32  über  die  östliche, 
in  Westen  um  0,14  über  die  westliche  Thürkante  hinaus. 

Endlich  sind  noch  zwei  solche  doppelte  Vorsprünge  an  beiden 
Enden  der  Frontwand,  über  die  schrägen  Mauern  hinausreichend, 
der  Art,  dass  die  innere  Ecke  des  vorderen,  kleineren  Vorsprunges 
mit  dem  Ansatz  der  schrägen  Mauer  zusammenfällt.  Es  wurde 
schon  oben  (S.  5)  bemerkt,  dass  im  Osten  ein  Rest  der  schrägen 
Mauer  diesem  Vorsprung  einverleibt  ist ;  wohl  dadurch  ist  er  hier 
etwas  länger  geworden  als  vor  den  eben  erwähnten  Nebenthüren 
(2,40  gegen  2,30),  während  er  im  Westen  kürzer  ist  (2,10).  Diese 
mit  ihrem  hinteren  Teil  bis  an  die  Seitenwände  des  ganzen  Baues 
reichenden  Vorspränge  liegen  nicht  symmetrisch  zu  den  früheren 
Thüren  zwischen  Hinterraum   und   Paraskenien ;    diese  wird  man 


DAS    GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  11 

also  wohl  vermauert  haben.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  dafür  in 
der  neuen  Form  den  Vorsprüngen  entsprechende  Thüren  durchge- 
brochen waren;  aber  constatiert  kann  dies  nicht  werden.  AVar  es  nicht 
der  Fall,  so  dienten  hier  die  Vorsprünge  und  was  sie  trugen  nur 
als  Decoration.  In  unserem  Grundriss  Fig.  3  sind  diese  jüngeren 
Thüren  nicht  angegeben,  weil  sie  mit  der  Angabe  der  vermauerten 
älteren  Thüren  collidieren  würden. 

Diese  Vorbauten  bestehen  aus  Incertum,  vorwiegend  Kalkstein 
und  Tuff,  wenig  Lava,  mit  Ecken  aus  ziegeiförmigen  Steinen  der 
gleichen  Materialien ;  doch  erscheinen  in  diesen  Ecken  stellenweise 
auch  viel  grössere,  viereckig  behauene  Steine,  die  wohl  verwendet 
wurden,  weil  sie  grade  zur  Hand  waren.  Einen  besonders  alter- 
tümlichen Eindruck  macht  das  Ganze  nicht,  hat  auch  keinen  rech- 
ten chronologischen  Charakter;  man  könnte  an  die  erste  Zeit  der 
römischen  Colonie  denken. 

Der  durch  diese  Reste  bezeugte  Vorgang^ist  also  ein  dreifacher. 
Erstens  werden  die  Thüren  von  unten  bis  zu  einer  gewissen 
Höhe  vermauert,  d.  h.  höher  gelegt;  denn  Thüren  mussten  natür- 
lich auch  später  dasein,  und  die  jetzt  sichtbaren  Teile  der  umgestal- 
teten Frontwand,  ohne  Thüren,  sollten  natürlich  unter  dem  Spiel- 
boden  bleiben.  Also  erhöhte  Buhne,  unter  deren  Spielboden  ein 
Hohlraum  war,  von  gleicher  Tiefe  wie  in  der  letzten  Zeit  PompejTs 
(abgesehen  von  dem  tieferen  östlichsten  Teil).  Denn  bis  zu  dieser 
Tiefe  ist  die  Vorderfläche  der  Vorsprünge  durchaus  als  Mauer- 
fläche  behandelt,  erst  hier  beginnt  die  Fundamentschicht. 

Zweitens  wird  aus  der  einfachen  Mauer  eine  reicher  entwickelte 
Fassade,  deren  Schmuck  in  Umrahmung  der  Thüren  mit  Säulen 
und  Gebälk  bestanden  haben  muss.  Da  vor  den  Nebenthüren  der 
kleinere,  vordere  Vorsprung  die  Thürweite  nur  ganz  wenig  überschrei- 
tet, so  können  auf  ihm,  hier  wenigstens,  keine  Säulen  gestanden 
haben;  denn  diese  wären  vor  die  Thüröffnung  zu  stehen  gekommen. 
Er  trug  also  nur  eine  vor  die  Thür  und  ihre  Einfassung  vortre- 
tende Stufe.  Sicher  sind  aber  auf  dem  hinteren,  längeren  Teil  des 
Vorsprunges  säulenartige  Glieder  als  Thüreinfassuug  anzunehmen. 
Zwar  würde  der  höchstens  0,55  breite  Vorsprung  für  Säulen  keinen 
genügenden  Raum  bieten ;  aber  es  ist  ganz  sicher,  dass  die  Front- 
mauer dieser  zweiten  Form  nicht  die  gleiche  Stärke  hatte,  wie  die 
ältere  (1,19).  Ihre  Ansätze  sind  an  den  Seitenmauern  des  Gebäudes, 


12  A.   MAU 

deren  betreffende  Teile  eben  dieser  zweiten  Form  angehören  (s.  unten 
S.  17  ff.),  deutlich  sichtbar,  und  beweisen,  dass  ihre  Vorderfläche 
um  etwa  0,25  weiter  zurücktrat  als  die  der  alten  Front.  Man  hat 
also  behufs  dieser  Umgestaltung  den  über  die  damals  eingerichtete 
Bühne  aufragenden  Teil  der  Frontmauer  eingerissen  und  in  gerin- 
gerer Stärke  wieder  aufgebaut.  So  erhalten  wir  für  die  Stufe  eine 
Breite  von  mindestens  0,75,  vollkommen  ausreichend  um  auch  Säulen 
auf  sie  zu  stellen.  Aus  der  grösseren  Länge  der  Stufe  vor  der  Mit- 
telthür  dürfen  wir  schliessen,  das  hier  jederseits  zwei  Säulen  stan- 
den, vor  den  Nebenthüren  je  eine. 

Drittens  endlich  wurde  unter  Beseitigung  der  Paraskenien  die 
Front  verlängert  bis  an  die  Seitenwände  des  ganzen  Baues.  Die 
einst  die  Paraskenien  mit  dem  Hinterraum  verbindenden  Thüren 
blieben  nicht  als  Thüren  der  erweiterten  Front;  dies  geht,  wie  schon 
gesagt  (S.  10  f.),  daraus  hervor,  dass  die  Vorbauten  zu  ihnen  nicht 
symmetrisch  liegen.  Dass  diesen  entsprechend,  also  weiter  gegen 
die  Mitte,  Thüren  durchgebrochen  wurden,  dürfen  wir  annehmen, 
können  es  aber  nicht  constatieren,  da  ja  die  Frontmauer  nicht  bis 
zur  späteren  Schwellenhöhe  erhalten  ist. 

Es  soll  nicht  verschwiegen  werden,  dass  das  bei  dieser  Um- 
gestaltung eingeschlagene  Verfahren  in  einer  Beziehung  seltsam  und 
mir  unverständlich  ist.  Die  Fassade  erhob  sich  über  einem  von 
Balken  getragenen,  einen  ziemlich  tiefen  Hohlraum  bedeckenden 
Boden.  Wenn  nun  zu  unterst  der  Fassade  Stufen,  hier  mehr,  dort 
weniger,  vortreten  sollten,  so  war  doch  das  einzig  zweckmässige 
Verfahren,  diese  Gliederung  erst  über  dem  Boden  beginnen  zu 
lassen,  unter  diesem  aber  die  Futtermauer  gradlinig  durchzu- 
führen, sei  es  in  der  Linie  der  am  meisten  vorspringenden  Stufen, 
sei  es  —  noch  besser  —  etwas  weiter  vortretend,  als  Auflager 
für  die  Balken  des  Spielbodens.  Statt  dessen  ist  die  aus  den  Stu- 
fen sich  ergebende  Gliederung  ganz  unnötigerweise  auch  unter 
den  Spielboden  bis  auf  den  Boden  des  Hohlraumes  hinabge- 
führt worden,  so  dass  hier  die  Futtermauer  in  vielfach  gebroche- 
ner Linie  verlief.  Wenn  hiermit  eine  geringe,  für  einen  solchen  Bau 
kaum  in  Betracht  kommende  Ersparniss  an  dem  nicht  kostspieli- 
gen Material  verbunden  war,  so  wurde  diese  mehr  als  aufgewo- 
gen durch  die  vermehrte  Arbeit  an  den  vielen,  aus  sorgfältig  be- 
hauenen  Steinen  hergestellten  Ecken.  Ausserdem  mussten  nun  auch 


DAS   GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  ]3 

die  Balken  länger  und  ungleich  lang  sein.  Und  wollten  wir  statt 
Balkenboden  und  Hohlraum  Erdfüllung  unter  dem  Spielboden  an- 
nehmen, so  würde  dadurch  die  Arbeitsverschwendung  an  allen 
den  Ecken  und  Vorsprüngen  nur  noch  unverständlicher.  Indess,  wie 
immer  das  zu  erklären  sein  mag,  an  der  Tatsache  ist  kein  Zwei- 
fel möglich.  Dagegen  ist  der  Umbau  in  augusteischer  Zeit  voll- 
kommen rationell  durchgeführt:  man  füllte  die  Zwischenräume 
zwischen  den  Stufen  aus,  so  dass  nun  die  Futtermauer  in  der  Linie 
der  am  meisten  vortretenden  Stufen  verlief,  und  legte  die  Fas- 
sade so  weit  zurück,  dass  ihre  vortretenden  Teile  nicht  die 
Linie  der  alten  Frontmauer,  ohne  die  Stufen,  überschritten  und 
die  ganze  Breite  dieser  letzteren,  ziemlich  1  m,  als  Auflager  für 
die  Balken  vor  die  Fassade  vortrat. 

Ich  habe  von  erhöhter  Bühne  gesprochen ;  dies  Wort  bedarf 
etwas  näherer  Begründung.  Unter  Bühne  verstehen  wir  einen  über 
die  Orchestra  erhöhten  Spielplatz ;  wir  haben  aber  bis  jetzt  nur 
nachweisen  können,  dass  er  über  die  Orchestra  der  ersten  Form 
des  Gebäudes  erhöht  war:  war  er  es  auch  über  die  seiner  Zeit? 
Wir  müssen  hier  einige  Tatsachen  vorwegnehmen,  die  sich  uns  bei 
Betrachtung  der  Aussenseite  des  Gebäudes  ergeben  werden. 

Nämlich  von  dieser  zweiten  Form  an  hatte  der  innerhalb 
des  Skenenbaues  liegende  Spielplatz  zwei  grosse,  monumentale  Sei- 
teneingänge. Die  Schwellenhöhe  dieser  Thüren  giebt  uns  das  Ni- 
veau des  Spielbodens;  sicher  das  der  letzten  Zeit,  nach  meiner  Mei- 
nung aber  auch  das  dieser  zweiten  Form ;  dies  wird  weiterhin  zu 
begründen  sein.  Nun  lagen  diese  Eingänge  der  westliche  1,06,  der 
der  östliche  1,225  über  dem  Fundament  des  Skenenbaues  und  un- 
gefähr so  viel  auch  über  der  Orchestra  der  letzten  Zeit ;  sie  wurden 
zugänglich,  indem  man  den  äusseren  Boden  bis  etwa  0,20  unter 
ihrer  Schwellenhöhe  erhöhte.  Auch  hinter  dem  ganzen  Gebäude 
wurde  der  Boden  erhöht,  aber  weniger,  um  etwa  0,50,  so  dass 
er  an  den  Seiten  und  gegen  die  Parodoseingänge  anstieg.  Und  end- 
lich wird  sich  uns  aus  den  einst  in  der  Orchestra  befindlichen  Bas- 
sins ergeben,  dass  auch  diese  zur  Zeit  dieser  zweiten  Form  höher 
lag  als  vorher  und  nachher.  Wieviel  höher,  dass  können  wir  nicht 
mit  Sicherheit  sagen,  können  also  nicht  von  vorn  herein  die  Mög- 
lichkeit ausschliessen,  dass  die  Erhöhung  der  des  Spielbodens  gleich 
kam,  so  dass  dieser  und  die  Orchestra    in    einer    Ebene    gelegen 


14  A.    MAU 

hätten.  Zur  Zeit  der  ersten  Form  ging  man  auf  ebener  Fläche  in 
die  Orchestra;  von  augusteischer  Zeit  an,  da  die  äussere  Erhöhung 
blieb,  die  innere  aber  beseitigt  wurde,  stieg  man  stark  hinab. 
Wie  war  es  in  der  Zwischenzeit?  bei  obiger  Annahme  hätte  man 
fast  unmerklich  ansteigen  müssen. 

Nach  Erwägung  aller  Umstände  scheint  es  mir  aber  doch 
wahrscheinlich,  dass  der  Spielboden  über  die  Orchestra  erhöht  war, 
also  als  Bühne  bezeichnet  werden  darf.  Erstens  ergab  sich  uns 
ein  Hohlraum  unter  dem  Spielboden,  was  doch  weniger  verständ- 
lich ist,  wenn  dieser  nur  eine  Fortsetzung  der  Orchestra  war, 
Zweitens:  wir  werden  rinden,  dass  zur  Zeit  der  ersten  Form  in 
der  Orchestra  ein  grosses,  etwa  0,70  tiefes  Bassin  war.  Die  der 
zweiten  Form  gleichzeitigen  Bassins  —  es  sind  ihrer  mehrere  auf 
einander  gefolgte  —  sind  kleiner,  also  grössere  Tiefe  derselben  nicht 
wahrscheinlich.  Ihr  Boden  liegt  von  0,17  bis  0,30  unter  der  Or- 
chestra der  letzten  Zeit;  wollten  wir  nun  eine  Orchestra  in  der  Höhe 
des  Spielbodens  annehmen,  so  würden  sie  bei  z.  T.  sehr  geringer 
Ausdehnung  bis  zu  etwa  1,45  tief  werden,  was  immerhin  unwahr- 
scheinlich ist.  Endlich  hat  das  kleine  Theater  (und  hatte  von  An- 
fang an)  eine  über  die  Orchestra  erhöhte  Buhne.  Es  ist  datiert 
bald  nach  80  v.  Chr.,  und  wir  werden  weiterhin  sehen,  dass  die 
zweite  Form  unseres  Skenenbaues  wohl  jünger,  aber  nicht  älter 
sein  kann;  es  ist  also  wahrscheinlich,  dass  auch  sie  eine  erhöhte 
Bühne  hatte. 

Es  konnte  aber  nur  eine  niedrige  Bühne  sein.  Denn  auch  für 
die  kleinen  Bassins  müssen  wir  doch  wohl  eine  Tiefe  von  etwa 
0,60  annehmen.  Dann  aber  lag  die  Orchestra  damals  um  etwa 
0,40  höher  als  früher  und  später,  und  das  Podium  der  Bühne 
erhob  sich  über  sie  um  etwa  0,75. 

Wir  haben  also  hier  drei  auf  einander  gefolgte  Formen  des 
Raumes  vor  der  Front  constatiert.  Zuerst  lag  er  im  Niveau  der 
Orchestra,  mit  schrägen,  gegen  die  Zuschauer  divergierenden  Sei- 
tenwänden, drei  Thüren  in  der  glatten  Rückwand  und  wohl  auch 
Thüren  in  den  schrägen  Seitenwändeu.  Zweitens  erhöhte  Bühne,  so 
hoch  wie  die  der  letzten  Zeit  aber  weniger  über  die  (damals  erhöhte) 
Orchestra  aufragend,  in  der  Länge  des  ganzen  Baues,  mit  wahr- 
scheinlich fünf  Thüren,  diese  eingefasst  von  Säulen,  die  auf  vor- 


DAS   GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  15 

tretenden  Stufen  standen.  Drittens  die  Bühne  der  augusteischen 
Zeit,  in  gleicher  Höhe  mit  der  vorigen,  aber  höher  aufragend  über 
die  jetzt  wieder  niedrigere  Orchestra,  auch  in  der  Länge  des  ganzen 
Baues,  mit  drei  Thüren  und  vor-  und  zurücktretenden  Teilen. 
Unser  Theater  bietet  also  ein  ganz  sicheres  Beispiel  einer  Bühne, 
die  nicht  in  einem  Teil  der  Orchestra  entstanden  ist,  sondern  an 
der  Stelle  der  Paraskeuien  und  des  von  ihnen  eingeschlossenen 
Raumes. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zur  weiteren  Betrachtung  des  ganzen 
Skenengebäudes  und  seiner  Umfassungsmauern. 

In  der  letzten  Zeit  Pompeji's  war  das  Gebäude  zugänglich 
durch  drei  Thüren:  zwei  weite  und  hohe  in  den  Seitenwänden, 
den  Schmalseiten  der  Bühne  entsprechend,  im  Niveau  ihres  Fussbo- 
dens,  und  eine  um  etwa  0,65  höher  liegende  in  der  Mitte  der  Rück- 
wand. Diese,  von  aussen  durch  eine  Rampe  zugänglich,  führte  in  den 
Raum  hinter  der  Bühne,  Skenensaal,  und  bezeichnet  das  Niveau 
seines  Fussbodens,  der  also  um  0.65  über  den  der  augusteischen 
Bühne  erhöht  war.  Nichts  führte  bisher  darauf,  dass  diese  Thüren 
nicht  von  Anfang  an  vorhanden  gewesen  sein  sollten. 

Ausserdem  sah  man  in  der  Rückwand,  nahe  den  Enden,  die 
Pfosten  zweier  schmäleren  (1,29-1,30)  vermauerten  Thüren,  aber 
nur  von  aussen,  weil  sie  innen  unter  dem  Fussboden  blieben. 
Ueber  der  westlichen  dieser  beiden  Thüren  sieht  man  (Fig.  9,  S.  26), 
ebenfalls  nur  von  aussen,  einen  Bogen  aus  unvollkommen  keilförmig 
geschnittenen  und  noch  unvollkommener  gefugten  Steinen.  Von 
innen  ist  dieser  Bogen  nicht  sichtbar,  da  er  nicht  durch  die  Mauer 
hindurch  geht.  An  der  östlichen  Thür  ist  nur  auf  dem  Westpfosten 
der  aus  zwei  Steinen  bestehende  Ansatz  eines  ähnlichen  Bogens  und 
unter  ihm  ein  Stein  mit  schräger  östlicher  Seitenfläche  sichtbar, 
dieser  offenbar  der  Ansatz  einer  als  Thürsturz  dienenden  Horizontal- 
wölbung (Fig.  7,  S.  22).  Auf  alles  dies  ist  weiter  unten  zurück- 
zukommen. 

Die  Wände  sind  aussen  durch  Pilaster  geteilt,  von  denen 
keiner  in  ganzer  Höhe  erhalten  ist.  Das  untere  Ende  derselben 
verlor  sich  vor  unseren  Ausgrabungen  im  Erdboden,  ohne  eine 
Spur  einer  Basis  oder  eines  unteren  Abschlusses.  Von  diesen  Pila- 
stern  sah  man  auf  den  Schmalseiten,  ausser  den  Eckpilastern,  je 


16 


A.    MAU 


einen ;  im  übrigen  waren  diese  Wände  von  den  grossen  Seitenein- 
gängen und  ihren  Quaderpfosten  eingenommen.  Auf  der  Bückseite 
sah  man  ihrer  zwölf;  doch  hatte  der  mittelste,  die  Thür  enthal- 
tende Zwischenraum  dreifache  Breite,  so  dass  die  Einteilung  der 
Wand  für  vierzehn  Pilaster  gemacht  schien. 


7?l.  c 


*S 


Fig.  4.  —  Westseite  des  Skenenbaues  von  aussen. 


Durch  unsere  Ausgrabungen  ist  die  Umfassungsmauer  aussen 
auf  allen  drei  Seiten,  innen  auf  der  Rückseite  und  der  östlichen 
Schmalseite  des  Skenensaales  bis  an  die  Fundamente  freigelegt 
worden.  Den  Skenensaal  ganz  auszuräumen  wäre  sehr  wünschens- 
wert, und  hoffentlich  wird  es  früher  oder  später  geschehen.  Auch 
so  aber    ergaben    sich    überraschende    und    wichtige    Thatsachen. 

Unsere  Ausgrabungen  begannen  ausserhalb  der  grossen  Seiten- 
eingänge (S.  16.  1 7  Fig.  4-5).  Hier  stellte  sich  sofort  heraus,  dass  die 
äussere  Bodenfläche  in  früherer  Zeit  beträchtlich  tiefer  lag:  im 
Westen  1,06,  im  Osten  1,225  unter  der  Oberfläche  der  Schwelle 
des  Einganges  (genauer  der  beiden  die  jetzt  fehlende  Schwelle  seit- 


DAS   GROSSE   THEATKR    IN    POMPEJI  17 

wärts  einfassenden  Steine).  Bis  dahin  reichen  die  Mauern  und  Pi- 
laster  des  Gebäudes  hinab,  dort  beginnt  das  Fundament. 

Weiter  zeigte  sich,  dass  die  grossen  Seiteneingänge  späterer 
Zusatz  sind,  dass  damals,  als  der  äussere  Boden  noch  so  tief  lag, 
die  Wände  der  beiden  Schmalseiten  ganz  geschlossen  und  durch 


771.    c 


3  O 


Fiff.  5.  —  Ostseite  des  Skenenbaues  von  aussen. 


je  fünf  Pilaster  (einschliesslich  des  Eckpilasters)  gegliedert  waren. 
Es  kamen  nämlich  an  dem  bisher  im  Erdboden  verborgenen  Teil 
der  Wand  auf  der  Westseite  drei  weitere  Pilaster  zum  Vorschein : 
einer  ganz  am  Nordende,  an  der  Ecke  zwischen  Bühnen-  und  Zu- 
schauergebäude, einer  unter  der  (fehlenden)  Schwelle,  mehr  nach 
Süden,  einer  südlich  vom  Eingang,  unterhalb  der  Tuffquadern  seines 
Südpfostens.  Dieselben  Pilaster  fanden  sich  auch  auf  der  Ostseite, 
nur  ist  hier  der  dritte  verborgen  hinter  dem  Fundament  eines 
später  hier  angebauten  Portikus,  dessen  abschliessende  Halbsäule 
da  steht  wo  früher  der  Pilaster  stand. 

Die  Pfosten  der  grossen  Seiteneingänge  bestehen  nicht  ganz 
bis  auf  die  Schwelle  hinab  aus  Tuffquadern,  sondern  diese  begin- 

2 


18 


A.    MAU 


nen  erst  in  einer  gewissen  Höhe,  im  Osten  bei  0,70  und  0,72,  im 
Westen  bei  0,82  und  0,87  über  der  Schwelle.  Bis  zu  dieser  Höhe 
bestehen  die  Pfosten  aus  Lavaincertum,  das  nur  gegen  die  Thüröff- 
nung  mit  einem  schmalen  (0,20-0,24),  aufrecht  stellenden  Tuffstein 
verkleidet  ist.  Hierauf  wird  weiterhin  zurückzukommen  sein.  Zu- 
nächst soll  nur  festgestellt  werden,  dass  dies  Incertum  der  Thür- 


m. 

Fig.  6. 


=3^ 


Ostseite  des  Skenenbaues  von  innen. 


pfosten  noch  frisch  war,  als  die  erste  Quader  daraufgelegt  wurde,  und 
dass  das  Incertum  des  oberen  Wandteils  au  diese  und  die  weiter 
oben  folgenden  Quadern,  als  sie  schon  an  ihrem  Platze  lagen, 
hinangemauert,  also  der  Oeffnung  der  Thür  gleichzeitig,  nicht  älter 
ist.  Es  zerfallen  also  zunächst  die  Schmal  wände  in  einen  unteren, 
älteren,  und  einen  oberen,  jüngeren  Teil.  Jener  stammt  aus  der 
Zeit,  wo  hier  geschlossene  Mauer  mit  Pilastern  war,  dieser  aus 
der  Zeit  der  Thürölfnung.  Das  Lavaincertum  beider  Teile  ist  sehr 
ähnlich ;  doch  ist  auf  der  Westseite  gleich  rechts  (S)  der  Thür 
die  Ansatzlinie  kenntlich.  Hier  ist  nämlich  der  nächste  Pilaster 
ganz  unten  vorhanden  und  sind  noch   etwas    höher    seine   Spuren 


DAS   GROSSE   THEATER    IN    POMPEJI  19 

kenntlich,  während  weiter  oben  klar  ist,  dass  er  hier  nie  vorhanden 
war.  so  dass  also  deutlich  jene  Teile  der  älteren,  diese  der  jün- 
geren Form  der  Mauer  angehören.  Hier  ist  der  Scheidepunkt  zu 
linden,  und  von  hier  aus  zeigt  sicli  bei  genauem  Hinsehen  die 
nach  links  (N)  genau  an  die  Unterfläche  der  Schwelle  laufende 
Ansatzlinie  (angedeutet  Fig.  4).  Weiter  südlich  ist  es  mir  nicht 
gelungen,  sie  mit  Sicherheit  zu  verfolgen,  und  auch  auf  der  Ost- 
seite ist  sie  wegen  des  erhaltenen  Stuckes  nicht  kenntlich. 

Es  ist  hier  wohl  der  Ort,  die  von  Puchstein  und  Koldewey 
(Puchstein,  Griech.  Bühne  S.  76)  an  den  Seiteneingängen  beob- 
achteten Spuren  zu  besprechen.  Schon  oben  wurde  gesagt,  dass 
die  Quadern  erst  0,70-087  über  der  Schwelle  beginnen,  dass  bis 
dahin  die  Pfosten  aus  Lavaincertum  bestehen,  das  nur  getjen 
die  Thüröffnung  durch  einen  schmalen,  aufrecht  stehenden  Tuff- 
stein verkleidet  und  abgeschlossen  ist  (sichtbar  Fig.  10,  S.  41). 
Dazu  kommt  die  weitere  Beobachtung,  dass  am  Südpfosten  des 
Westeinganges  das  Incertum  allem  Anschein  nach  nicht  an  diesen 
schmalen  Stein  hinangearbeitet,  vielmehr  von  ihm  etwas  abgehackt 
und  an  die  Stelle  des  Abgehackten  der  Stein  gesetzt  worden  ist. 
An  den  anderen  Pfosten  kann  dies  Verhältniss  nicht  festgestellt 
werden ;  es  ist  aber  ja  wahrscheinlich,  dass  es  da  ebenso  war.  Fer- 
ner ist  an  allen  vier  Pfosten  in  die  unterste  Quader,  nach  der 
Thüröffnung  zu,  eine  Horizontallinie  eingeritzt,  im  Westen  1,24 
und  1,25,  im  Osten  1,03  und  1,04  über  der  Schwelle. 

Natürlich  hat  alles  dies  irgend  etwas  zu  bedeuten.  Puchstein 
hat  geschlossen,  dass  in  einer  früheren  Zeit  die  Schwellen  der 
Seiteneingänge  und  mit  ihnen  der  Spielboden  um  so  viel  höher 
lag,  da  wo  jetzt  die  Quaderpfosten  beginnen;  die  eingeritzte  Linie 
könnte  dann  die  Oberfläche  der  Schwelle  bezeichnen.  Setzen  wir 
dies  in  Beziehung  zu  dem,  was  wir  über  die  Geschichte  des  Raumes 
vor  der  Front  ermittelt  haben,  so  käme  nur  die  zweite  Form 
desselben  in  Frage:  hat  etwa  die  Bühne  mit  den  S.  10 ff.  bespro- 
chenen Vorbauten  diese  Höhe  gehabt?  Die  Annahme  ist  sehr 
verführerisch,  um  so  mehr,  als  sich  uns  für  diese  Periode  auch 
eine  höhere  Orchestra  als  für  die  letzte  Zeit  ergiebt.  Wir  müssen 
aber  dann  fragen:  wie  waren  die  so  hoch  liegenden  Thüren  von 
aussen  zugänglich?  Es  müssten  hier  Rampen  angenommen  werden 


"20  A.    MAU 

(so  Puchstein),  was  nicht  ohne  grosse  Schwierigkeit  ist.  Denn  er- 
stens würden  solche  Rampen  die  Parodoszugänge  in  der  lästigsten, 
ja  iu  ganz  unmöglicher  Weise  gesperrt  haben,  namentlich  im  Westen, 
während  im  Osten  dieser  Zugang  etwas  weiter  vom  Bühnengebäude 
entfernt,  auch  noch  ein  zweiter  Zugang  vorhanden  war.  Und  es  wird 
gut  sein,  ausdrücklich  festzustellen,  dass  der  westliche  Parodoszu- 
gang,  mit  dem  Satyrkopf  als  Schlussstein  der  Wölbung,  nie  höher 
war,  auch  nie  die  Wölbung  ganz  offen,  sondern  von  Anfang  an  der 
gewölbte  Teil  zwar  aussen  als  Nische  erschien,  weiter  innen  aber 
durch  Mauerwerk  geschlossen  war,  das  von  einer  Sturzbohle  in  Käm- 
pferhöhe getragen  wurde.  Dies  ergiebt  sich  teils  aus  der  Beschaffenheit 
4es  Mauerwerks,  teils  aus  der  Gewölbeconstruction  im  Innern  der 
Parodos.  Dieselbe  Thürform  haben  die  aus  der  gleichen  Periode 
stammenden  Thürme  der  Stadtmauern  und  das  kleine  Theater. 
Zweitens,  wenn  auch  eine  solche  Rampe  später,  als  man  den  Bühnen- 
boden niedriger  legte,  beseitigt  worden  wäre,  so  müssten  sich  doch 
ihre  Fundamente  finden.  Denn  diese  zu  beseitigen  konnte  nieman- 
dem in  den  Sinn  kommen,  da  ja  der  äussere  Boden  erhöht  blieb. 
Von  solchen  Fundamenten  halten  aber  unsere  Ausgrabungen  keine 
Spur  ergeben;  es  ist  vielmehr  evident,  dass  sie  nie  vorhanden  waren. 
Sollen  wir  nun  etwa  unzugängliche  Seitenöffnungen,  fast  1  m. 
über  dem  äusseren  Boden,  annehmen?  Vergebens  fragen  wir  nach 
Zweck  und  Analogien.  Und  dann  müssten  wir  uns  doch  solche 
Oeffnunofen  mit  Brüstungen  versehen  denken.  Waren  diese  zwischen 
die  Quaderpfosten  eingesetzt,  so  hätten  sie  doch  wohl  Spuren  hin- 
terlassen. Es  hätte  ja  aber  weit  näher  gelegen,  wenn  eine  Brüstung 
sein  sollte,  die  Pfosten  nicht  gleich  in  der  Höhe  des  Bühnenbodens 
beginnen  zu  lassen,  sondern  bis  zur  Brustungshöhe  eine  geschlossene 
Mauer  aufzufuhren  und  erst  auf  diese  die  Pfosten  aufzusetzen. 
Sollen  wir  also  vielleicht  in  den  zwei  untersten  Quadern  jedes 
Pfostens  die  Reste  der  bis  zur  Brüstungshöhe  reichenden  Quader- 
mauer erkennen,  deren  mittleren,  dem  Fenster  entsprechenden  Teil 
und  noch  ein  Stück  der  ihn  tragenden  Incertumsmauer  man  weg- 
genommen und  so  das  Fenster  in  eine  noch  unter  den  früheren 
Boden  hinabreichende  Thür  verwandelt  hätte?  Das  würde  doch 
sicher  an  einem  Unterschied  in  der  Bearbeitung  der  Thürwaudungen 
kenntlich  sein.  Und  endlich,  wenn  wir  eine  Brüstung  annehmen, 
so  entziehen  wir  dieser  ganzen  Hypothese  ihren  logischen  Boden. 


DAS    GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  21 

Denn  dann  ist  es  doch  viel  einfacher,  in  dem  Incertum  der  unteren 
Teile  der  Pfosten  die  Reste  einer  Brüstung  zu  erkennen,  die  sich 
über  einen  Bühnenboden  im  Niveau  der  letzten  Zeit  erhoben  hätte. 

Dazu  kommt  die  oben  (S.  18  f.)  erwähnte  Ansatzlinie  zwischen 
dem  älteren  und  dem  jüngeren,  der  Thüröffnung  gleichzeitigen 
Mauerwerk.  Wenn  sie  genau  die  Unterfläche  der  Schwelle  trifft, 
so  ist  es  doch  schwer  dem  Schluss  auszuweichen,  dass  eben  der 
Thüröffnung  halber  nur  hier  das  alte  Mauerwerk  so  tief  hinab  be- 
seitigt wurde,  dass  also  von  Anfang  an  die  Thüröffnung  so  tief  lag. 

Wie  nun  freilich  obige  Eigentümlichkeiten  der  Thürpfosten 
zu  erklären  sind,  das  weiss  ich  nicht  zu  sagen.  Unbefriedigend 
wäre  die  Vermutung,  dass  man  angefangen  hatte,  sie  einfach  aus 
Incertum,  oder  mit  einem  Abschluss  aus  ziegelförmigren  Steinen, 
aufzubauen,  und  dass  man  erst  als  sie  schon  0,70-0,87  hoch  ge- 
diehen waren,  sich  entschloss,  sie  aus  Quadern  herzustellen  und 
schliesslich,  um  das  unterste  Stück  dem  Uebrigen  ähnlich  zu  ma- 
chen, hier  einen  Streifen  Incertum,  beziehungsweise  die  Verklei- 
dung aus  ziegeiförmigen  Steinen  wegbrach  und  dafür  den  schmalen, 
aufrecht  stehenden  Tuffstein  einsetzte.  Denn  Thürpfosten  einfach 
aus  Incertum  sind  sehr  selten,  und  Pfosten  aus  ziegeiförmigen 
Steinen  würden  wohl  weiter  in  das  Incertum  eingegriffen  haben. 
Auch  bleibt  so  die  eingeritzte  Linie  unerklärt.  Aber  wenn  sich 
eine  befriedigende  Erklärung  nicht  findet,  so  kann  uns  doch  das 
nicht  berechtigen,  die  Puchsteinsche  Hypothese  anzunehmen,  der 
sich  noch  viel  schwerere  Bedenken  entgegenstellen. 


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Wir  wenden  uns  jetzt  der  Rückseite  des  Bühnengebäudes  zu; 
über  das  hier  vor  unserer  Ausgrabung  sichtbare  s.  oben  S.  15  f.  Die 
Ausgrabung  der  Aussenseite  ergab  zunächst  (s.  den  Aufriss  Fig.  7), 
dass  auch  hier  Mauern  und  Pilaster  ziemlich  tief  unter  die  spätere 
Bodenfläche  hinabreichen,  bis  fast  1,80  unter  die  Oberfläche  der 
Schwelle  der  durch  die  Rampe  zugänglichen  Thür,  d.  h.  bis  auf 
das  Schwellenniveau  der  Thüren  der  alten  Frontwand.  Drei  Pi- 
laster —  der  erste,  dritte  und  sechste  von  Osten  —  haben  einfache 
rechtwinklige  Basen,  die  übrigen  nicht.  Von  zwei  auf  einander  ge- 
folgten weissen  Stuckbekleidungen  sind  die  untersten  Teile  erhalten. 
Beide  reichen,  nicht  überall  gleichmässig,  hinab  bis  etwa  0,40 
bis  0,60  über  der  ursprünglichen  Bodenfläche;  auf  dem   grössten 


22 


A.    MAU 


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DAS   GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  23 

Teil  der  Mauer  fallen,  wie  es  scheint,  ihre  unteren  Ränder  zusam- 
men, stellenweise  reicht  die  ältere  tiefer,  wovon  weiterhin  die  Rede 
sein  wird.  Unterhalb  dieser  Linie  ist  keine  Spur  von  Stuck  vor- 
handen. 

Wichtigere  Resultate  ergaben  die  Ausgrabungen  in  Inneren 
des  Raumes  hinter  der  Bühne,  namentlich  an  der  Rückmauer 
entlang:  s.  den  Aufriss  Fig.  8. 

Die  beiden  bisher  nur  von  aussen  kenntlichen  vermauerten 
Thüren  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Pilaster  von  Osten  und 
von  Westen  wurden  nun  auch  von  innen  sichtbar.  Ferner  zeigten 
sich  noch  drei  weitere,  beträchtlich  grössere  vermauerte  Thüren, 
jede  den  ganzen  Zwischenraum  zwischen  zwei  Pilastern  einnehmend. 
so  dass  diese  als  Thürpfosteu  dienten.  Von  diesen  Thüren  ist  die 
mittlere,  sammt  ihren  beiden  Pilastern,  von  aussen  durch  die 
Rampe  verdeckt;  die  beiden  anderen  sind  zwischen  .dem  vierten 
und  fünften  Pilaster  je  von  rechts  und  von  links.  Das  Incertum 
der  Füllung  dieser  beiden  Thüren  ist  von  aussen  dem  der  ganzen 
Mauer  so  ähnlich,  das  man  ohne  Ausgrabung  schwerlich  je  darauf 
gekommen  wäre,  hier  vermauerte  Thüren  zu  suchen.  Im  Inneren 
sind  die  Pfosten  aller  fünf  Thüren  mit  ziegeiförmigen  Tuff-  und 
Kalksteinen  verkleidet,  und  das  Incertum  der  Füllung  hebt  sich 
deutlich  von  dem  der  übrigen  Mauer  ab.  Am  deutlichsten  in  der 
Mittelthür,  wo  es  aus  Tuff  ist,  und  in  der  kleinen  östlichsten,  wo 
die  Oeffnung  nicht  ganz  ausgefüllt  ist  und  sich  nach  Innen  als 
flache  Nische  mit  ganz  rauher  Rückwand  zeigt  (sichtbar  Fig.  G, 
S.  18).  Noch  anders  ist  es  bei  der  westlichsten:  hier  zeigt  die 
innere  Vermauerungsfläche  deutlich  Holzeindrücke;  man  hat  also 
die  Oeffnung  von  innen  mit  Brettern  geschlossen  und  an  diese  von 
aussen  angemauert.  In  allen  fehlt  der  oberste  Teil  des  Fundaments ; 
wir  müssen  wohl  annehmen,  dass  hier  Schwellen  lagen,  die  vor  Ver- 
mauerung  der  Thüren  fortgenommen  wurden,  um  anderweitige  Ver- 
wendung zu  finden. 

Ueber  vier  dieser  Thüren  —  nicht  über  der  mittleren  —  erkennt 
man  von  innen  vollkommen  deutlich  die  Spuren  einer  hölzernen, 
sturzartigen  Deckung,  jederseits  um  etwa  0,30  übergreifend.  Ueber 
den  beiden  Thüren  neben  der  mittleren  war  es  zweifellos  eine  flache 
Bohle,  die  man  zunächst  als  Sturzbohle  bezeichnen  möchte;  über 
den  beiden  kleineren  Thüren  war   die  Deckung   anders   gestaltet. 


24  A.    MAU 

Alle  diese  Holzdeckungen  lagen  in  der  gleichen  geringen  Höhe : 
ihre  Unterfläche  lag  ziemlich  0,20  unter  der  Oberfläche  der  Schwelle 
der  Rampenthür,  rund  1,60  über  dem  Fundament.  Dass  dies  die  ur- 
sprüngliche Thürhöhe  gewesen  sein  sollte  —  ein  mittelgrosser  Mann 
hätte  nur  gebückt  eintreten  können  —  ist  ganz  undenkbar.  Die  drei 
grossen  Thüren  erhielten  durch  ihre  Breite  —  von  einem  Pilaster 
zum  anderen,  so  dass  diese  als  Pfosten  dienten  —  einen  entschieden 
monumentalen  Charakter:  am  liebsten  möchte  man  sie  bis  an  das 
Gebälk  der  Pilaster  reichend  denken ;  aber  auch  wenn  dies  nicht  der 
Fall  war,  mussten  sie  doch  allermindestens  2,50,  wahrscheinlicher 
3,0  hoch  sein.  Für  die  beiden  kleineren  Thüren  nahe  den  Ecken  kön- 
nen wir  die  ursprüngliche  Höhe  genau  feststellen:  wie  schon  oben 
bemerkt,  ist  über  dem  westlichen  Pfosten  der  östlichen  der  Ansatz  einer 
als  Sturz  dienenden  Horizontalwölbung  und  des  sie  überspannenden 
EntlastiiDgsbogens  kenntlich.  Erstere  lag  mit  ihrer  Unterfläche  1,94 
über  dem  äusseren  Fuss  der  Mauer;  dies  war  also  die  Thürhöhe 
vor  der  Verrnauerung,  während  die  innere  Holzdeckung  etwa  bei 
1,65  liegt.  An  der  westlichen  Thür  ist  dies  weniger  deutlich;  aber 
es  sind  doch  von  aussen  die  Pfosten  bis  1,91  und  1.93  erhalten, 
bei  der  gleichen  geringeren  Höhe  der  inneren  Holzdeckung.  Selbst- 
verständlich waren  die  grossen  Thüren  höher.  Es  ist  aloo  klar,  dass 
hier  nicht  einfach  Thüren  zugemauert  sind,  sondern  ein  complicir- 
terer  Vorgang  stattgefunden  hat.  Dieser  wird  klar  durch  eine  weitere 
Beobachtung. 

Der  Raum,  in  den  diese  fünf  Thüren  führten,  war  in  der 
letzten  Zeit  Pompeji's  ausgefüllt  mit  allerlei  Schutt  und  Bau- 
trümmern  bis  etwas  über  die  Höhe  der  erwähnten  Thürdeckungen, 
bis  an  die  Schwellenhöhe  der  Rampenthür.  Doch  lässt  sich  auch 
hier,  wie  an  der  Front,  ein  Zwischenstadium  zwischen  dem  Zu- 
stand der  letzten  Zeit  und  der  ursprünglichen    Form   nachweisen. 

Nach  teilweiser  Entfernung  jener  Ausfüllungsmassen  sind  auf 
der  Innenseite  der  Rückwand,  in  gleicher  Höhe  mit  den  Holz- 
deckungen der  Thüren,  die  Spuren  einer  Reihe  von  Balkenlöchern 
sichtbar  geworden :  s.  Fig.  8.  Sio  sind,  nicht  ganz  regelmässig, 
von  Mitte  zu  Mitte  etwa  1,25  von  einander  entfernt;  die  hier 
einst  liegenden  Balken  waren  etwa  0,17  breit  und  0,37  hoch.  Diese 
Löcher  sind  dann  später  sehr  sorgfältig  ausgefüllt  worden,  so  sorg- 
fältig, dass  wir  einige  der  in  unserer  Zeichnung  angegebenen  ge- 


DAS    GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  25 

wiss  übersehen  hätten,  wenn  wir  nicht  durch  andere,  hesser  kennt- 
liche, aufmerksam  geworden  wären.  Offenbar  trugen  diese  Balken 
einen  Zwischenboden,  der  aber  vor  oder  bei  Erbauuug  der  augu- 
steischen Bühnenfront  wieder  entfernt  worden  war;  denn  in  der 
Rückseite  dieser  sind  keinerlei  Spuren  von  Löchern  für  die  ande- 
ren Enden  der  Balken:  an  seine  Stelle  war  die  schon  erwähnte 
Aufhöhung  des  Hinterraumes  getreten.  Und  da  andererseits  der 
Zwischenboden  nicht  der  ältesten  Form  des  Baues  angehören  kann, 
weil  er  unvereinbar  ist  mit  der  für  diese  anzunehmenden  grösse- 
ren Höhe  der  Thüren,  so  ergeben  sich  drei  auf  einander  gefolgte 
Formen  dieses  Baumes.  Erstens  hohe  Thüren,  die  in  einen  ent- 
sprechend hohen  Raum  führen  mussten.  Zweiteus  Höhenteilung  des 
Raumes  durch  einen  von  Balken  getragenen  Zwischenboden,  dessen 
Fussboden  etwa  2,0,  über  dem  Fundament  lag.  Drittens  Beseitigung 
des  Zwischenbodens  und  Aufhöhung  des  Innenraumes  bis  zur 
Schwellenhöhe  der  Rampenthür,  1,80  über  dem  Fundament.  Offen- 
bar entspricht  tue  erste  dieser  Formen  der  ersten  Form  des  Rau- 
mes vor  der  Front;  ebenso  zweifellos  geht  die  letzte  mit  der 
augusteischen  Bühne  zusammen;  es  bleibt  also  wohl  kein  Zweifel, 
dass  die  zweite  der  zweiten  Form  jenes  Raumes  entspricht,  der 
ersten  erhöhten  Bühne  mit  den  Vorbauten. 

Wir  müssen  nun  noch  einiges  nähere  zu  ermitteln  suchen 
über  die  Art,  wie  sich  diese  Veränderungen  vollzogen  haben. 

Die  Balkenlöcher  sind  nicht  etwa  nachträglich  in  das  Mauer- 
werk eingehauen  worden,  sondern  augenscheinlich  so  entstanden,  dass 
erst  die  Balken  gelegt,  dann  um  sie  und  über  ihnen  aufgemauert 
wurde.  Man  hat  also  die  alte  Mauer  bis  zur  Höhe  des  Balken- 
auflagers abgetragen,  dann  die  Balken  gelegt,  dann  wieder  auf- 
gemauert. Und  da,  wie  oben  (S.  24)  bemerkt,  die  Pfosten  der 
beiden  kleineren  Thüren  aussen  noch  etwas  höher  erhalten  sind, 
so  müssen  wir  schliessen,  dass  man  nur  den  inneren  Teil  der 
0,59  dicken  Mauer,  soweit  die  Balken  eingreifen  sollten  (etwa 
0,25)  ganz  bis  zur  Höhe  ihres  Auflagers  abtrug,  den  äusseren 
Teil  aber  etwas  höher  stehen  liess.  Dass  man  aber  wirklich 
abtrug,  nicht  etwa  —  was  ja,  stückweise  vorgehend,  möglich 
gewesen  wäre  —  eine  etwa  0,30  tiefe,  0,50  hohe  Einhöhlung 
aushackte  und  nach  Legung  der  Balken  wieder  zumauerte,  ist  zwei- 


26 


A.    MAU 


fellos.  Denn  sonst  müsston  ja  innen  an  den  beiden  Thüren  neben 
4er  Mitte  weiter  oben  die  Pfosten  siebtbar  sein,  und  es  müsste 
aussen  über  den  beiden  kleinen    Thüren    ihr    ganzer    oberer   Ab- 


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Fig.  9. 


Westlichste  vermauerte  Thür  von  aussen. 


schluss  —  der  horizontal  gewölbte  Sturz  und  der  Entlastungs- 
bogen  —  erhalten  sein,  was  beides  nicht  der  Fall  ist.  Ueber  die 
östliche  kleine  Thür  s.  oben  S.  15;  über  der  westlichen  (Fig.  9) 


DAS   GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  27 

ist  zwar  ein  Bogen  sichtbar,  alter  es  ist  sicher  nicht  der  ursprüng- 
liche. Eine  Vergleichung  mit  den  echten  alten  Resten  über  der  Ost- 
thür  lässt  hierüber  keinen  Zweifel:  über  beiden  Pfosten  fehlt  der 
dort  erhaltene  Stein  mit  schräger  Seitenfläche,  der  Ansatz  des  hori- 
zontal gewölbten  Sturzes,  und  der  Bogen  setzt  links  unmittelbar 
auf  dem  Pfosten  an,  also  um  circa  0,20  niedriger  als  an  der  Ostthür; 
rechts  ist  an  der  Stelle  des  Sturzansatzes  Incertum,  auf  dem  der 
Bogen  ansetzt.  Dieser  selbst  ist  sehr  schlecht  gefügt ;  besonders  auf- 
fallend ist,  dass  in  der  r.  Hälfte  einer  der  keilförmigen  Steine  um- 
gekehrt steht,  mit  der  schmalen  Seite  nach  oben,  und  dass  der 
Bogen  zwar  links  mit  seiner  Innenkante  grade  über  der  Pfosten- 
kante ansetzt,  rechts  aber  um  0,025  weiter  auswärts  (0).  Augen- 
scheinlich haben  die  Maurer  beim  Wiederaufbau  den  früher  hier 
gewesenen  Bogen  aus  den  noch  vorhandenen  Steinen  so  ungefähr 
wieder  zusammengesetzt. 

Es  ergiebt  sich  demnach,  dass  wir,  wie  in  den  Seitenwänden 
des  Skenenbaues  (oben  S.  18),  so  auch  in  der  Rückwand  einen 
unteren,  älteren  und  einen  oberen,  jüngeren  Teil  unterscheiden 
müssen:  jenem  gehören  die  Thürpfosten,  diesem  die  Balkenlöcher, 
untrennbar  und  ursprünglich  an.  Und  da  die  Pfosten  fast  bis  zur 
Höhe  des  Balkenautlagers  erhalten  sind,  so  ist  damit  die  Höhe 
der  Ansatzfuge  genau  gegeben.  In  der  Tat  ist  nun  wenig  unterhalb 
des  Balkenauflagers,  in  der  Horizontalen  der  Unterflächen  der  Sturz- 
bohlen, etwas  wie  eine  Ansatzfuge  kenntlich.  Es  ist  eine  undeutliche 
Spur,  weil  das  obere  Mauerwerk  auch  hier,  wie  in  den  Seitenwänden, 
dem  unteren  merkwürdig  ähnlich  ist.  Sie  wäre  auch  für  sich  betiach- 
tet  unzuverlässig,  weil  sie  ziemlich  zusammenfällt  mit  der  inne- 
ren Bodenfläche  nach  der  Aufhöhung,  und  weil  bis  eben  dahin  die 
aus  eben  dieser  Zeit  stammende  Stuckbekleidung  reichte,  und  so 
ein  Unterschied  in  der  Verwitterung  entstehen  musste.  Da  sich 
nun  aber  diese  Spur  genau  da  findet,  wo  nach  dem  eben  ge- 
sagten die  Ansatzfuge  sein  musste,  so  dürfen  wir  diese  in  ihr 
erkennen. 

Wir  constatieren  sodann,  dass  die  jetzige  Rampenthür  mit 
dem  Zwischenboden  nichts  zu  tun  hat  Ein  Blick  auf  Fig.  8,  S.  22 
zeigt,  dass  ihre  Schwellenhöhe  mindestens  0,20  unter  dem  von  den 
Balken  getragenen  Fussboden  blieb;  nicht  diesem  also  entspricht 
sie,  sondern  dem  später  durch  Aufhöhung  geschaffenen  Boden  des 


28  A.    MAU 

Innenraumes.  Nun  wäre  es  ja  freilich  denkbar,  dass  dem  Zwi- 
schenboden eine  höhergelegene  Rampenthür  entsprochen,  und  dass 
man  bei  Erniederungf  des  inneren  Fnssbodens  auch  die  Thürsch welle 


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niedriger  gelegt  hätte.  Es  lässt  sich  aber  auf  anderem  Wege 
erweisen,  dass  dies  nicht  der  Fall  war,  dass  vielmehr  zur  Zeit 
des  Zwischenbodens  die  untere  Mittelthür  offen  blieb  und  mau 
durch  sie  das  Gebäude  betrat. 

Schon  erwähnt  wurden  (S.  21)  die  beiden  Schichten  weis- 
sen Stuckes  auf  der  Aussenseite  der  Rückwand.  Sie  enden  unten, 
mit  einer  gleich  zu  erwähnenden  Ausnahme,  an  der  späteren, 
erhöhten  äusseren  Bodenfläche  (S.  21),  sind  also  nicht  älter  als 
die  zweite  Form  des  Baues,  eben  die  mit  dem  Zwischenboden.  Sie  er- 
strecken sich  auch  beide  unterschiedslos  über  die  Vermauerung  der 
beiden  grossen  Thüren  neben  der  mittleren,  während  auf  der  der  beiden 
kleinen  Thüren  die  ältere  nicht  sichtbar  ist.  Natürlich  folgt  hieraus 
nicht  im  geringsten,  dass  sie  dort  nicht  vorhanden,  dass  etwa  zu 
ihrer  Zeit  diese  Thüren  noch  offen  waren;  denn  es  ist  ja  Regel,  dass 
bei  Legung  einer  neuen  Wanddecoration  die  ältere  verschwindet,  und 
es  ist  ein  für  uus  glücklicher  Zufall,  dass  sie  in  diesem  Falle 
teilweise  sichtbar  geblieben  ist.  Nun  endet  die  jüngere  Schicht 
beiderseits  an  den  von  der  Rampe  bedeckten  Pilastern,  ist  also 
jünger  als  die  Rampe.  Die  ältere  aber  bedeckt  auch  diese  Pi- 
laster,  ist  also  älter  als  die  Rampe  und  also  auch  als  der  nur 
durch  sie  zugängliche  obere  Eingang  (Rampenthür).  Und  da  ein 
Eingang  doch  sein  musste,  so  folgt,  dass  damals  die  untere  Mit- 
telthür noch  offen  war. 

Dies  wird  noch  bestätigt  durch  eine  weitere  Beobachtung. 
Nämlich  während  im  Uebrigen  auch  dieser  ältere  Stuck  nicht 
hinabreicht  bis  an  den  Fuss  der  Mauer,  sondern  an  der  späteren, 
erhöhten  Bodenfläche  endet,  senkt  er  sich  gegen  die  Rampe,  d.  h. 
gegen  die  untere  Mittelthür,  von  beiden  Seiten  bis  auf  das  Fun- 
dament. Natürlich  folgt  hier  der  Stuck  einer  Senkung  der  Bo- 
denfläche: der  Platz  hinter  dem  Spielhaus  war  im  Uebrigen  auf- 
gehöht, nicht  aber  vor  der  Mittelthür,  woraus  wieder  hervorgeht, 
dass  diese  damals  noch  offen,  also  Rampe  und  Rampenthür  nicht 
vorhanden  waren.  S.  hierzu  Fig.  7. 

Wenn  nun  damals  die  untere  Mittelthür  der  einzige  Zugang 
zum  Spielhause  war,  so  konnte  sie    nicht    so    niedrig    sein,    dass 


DAS   GROSSE   THEATER    IN    POMPEJI  29 

sie  unter  dem  Balkenboden  blieb,  ihr  Sturz  konnte  nicht  in 
gleicher  Höhe  mit  den  sturzartigen  Holzdeckungen  der  anderen  vier 
Thüren  liegen.  Dutch  die  Thür  eintretend  musste  man  den  Ske- 
nensaal  über  eine  innere  (wohl  hölzerne)  Treppe  erreichen;  der 
mittlere  Teil  des  Raumes  war  ja  damals,  da  die  Front  gradli- 
nig verlief,  viel  breiter  als  jetzt,  etwa  3,80,  so  dass  zwischen  dem 
oberen  Ende  der  Treppe  und  der  Mittelthür  der  Front  hinlänglicher 
Kaum  bleiben  konnte.  Es  musste  also  hier  von  der  Rückwand  bis 
ziemlich  dicht  an  die  Frontmauer  eine  grosse  Oeffnung  im  Zwi- 
schenboden  sein ;  die  Balkenreihe  musste  hier  unterbrochen  und 
weiter  einwärts,  vor  der  Frontthür,  die  beiden  nächsten  Balken 
durch  einen  eingezapften  Querbalken  oder  durch  aufgelegte  Bohlen 
verbunden  sein.  So  stand  also  hier  die  Balkendecke  einer  grös- 
seren Thürhöhe  nicht  im  Wege,  und  nichts  hindert  uns,  dieselbe 
anzunehmen.  Spuren  eines  Sturzes  sind  nicht  vorhanden,  dagegen 
die  Pfosten  etwas  höher  erhalten,  als  an  den  anderen  Thüren. 

Nicht  so  einfach  liegt  die  Frage  im  Betreff  der  anderen  vier 
Thüren.  Waren  sie  in  der  zweiten  Form  des  Gebäudes  von  An- 
fang an  geschlossen,  oder  blieben  sie,  alle  oder  zum  Teil,  noch 
eine  Zeit  lang,  vielleicht  gar  zum  Teil  die  ganze  Zeit  bis  zum 
augusteischen  Umbau  offen?  Wir  müssen  die  Art  ihrer  Vermaue- 
rung  etwas  näher  ins  Auge  fassen ;  und  zwar  sind  hier  einerseits 
die  beiden  grossen  Thüren  neben  der  Mitte  und  andererseits  die 
beiden  kleineren  nahe  den  Ecken  gesondert  zu  behandeln. 

Wir  beginnen  mit  den  beiden  grossen  Thüren.  Ihre  Vermau- 
erung  zeigt  auch  nach  innen  vollkommen  glatte  und  fertige  Ober- 
fläche, wie  sie  nur  hergestellt  werden  konnte,  so  lange  der  In- 
nenraum  zugänglich  war.  Damit  wäre  nun  freilich  nicht  aus- 
geschlossen, dass  die  Vermauerung  gleichzeitig  mit  oder  gleich 
nach  dem  Bau  der  augusteischen  Fassade,  aber  noch  vor  der  zu 
ihr  gehörigen  Auf  höhung  des  Innenraumes  stattgefunden  hätte. 
Aber  es  steht  ja  auch  fest  (oben  S.  28),  dass  diese  Thüren  schon 
vermauert  waren  während  die  Mittelthür  noch  offen  stand.  Dazu 
kommt  das  Verhältniss  der  Vermauerung  zur  Balkendecke. 

Besonders  lehrreich  ist  für  dieses  die  Thür  westlich  von  der 
mittleren.  Hier  ist  der  Abdruck  der  Sturzbohle  in  dem  über  ihr 
aufgeführten  Mauerwerk  vollkommen  erhalten.  Sie  war  nur  unten 
horizontal  geschnitten;  oben  zeigte    sie    die   natürliche  Form  des 


30  A.    MAU 

Holzes,  war  daher  auch  von  ungleichrnässiger  Höhe,  von  0,08  bis 
0,16,  und  wenig  geeignet,  die  grosse  Last  des  über  ihr  noch  hoch 
aufsteigenden  und  mit  keinem  Entlastungsbogen  versehenen  Mauer- 
werkes zu  tragen.  Ferner  sind  unmittelbar  über  der  Bohle  zwei 
Balkenlöcher  der  Zwischendecke  sichtbar:  nirgends  in  der  ganzen 
Reihe  sind  die  Abdrücke  der  Holzbalken  so  scharf  wie  hier;  da 
natürlich  die  Oberflächen  der  Balken  in  einer  Ebene  liegen  muss- 
ten,  die  Unterflächen  der  übrigen  Balken  aber  in  gleicher  Höhe 
mit  den  Unterflächen  der  Sturzbohlen  lagen,  so  mussten,  wie  es 
in  der  Tat  der  Fall  ist,  die  auf  diesen  liegenden  Balken  und  Bal- 
kenlöcher etwas  niedriger  sein.  Der  eine  dieser  Balken,  0,44  vom 
Ostpfosten,  war  regelmässig  bearbeitet,  0,16  breit,  0,22  hoch  und 
so  in  die  Bohle  eingelassen,  dass  ihre  Höhe  hier  auf  etwa  0,12 
reducirt  wurde.  Nun  ist  es  doch  mindestens  im  höchsten  Grade 
unwahrscheinlich,  dass  eine  so  schwache  Bohle,  über  einer  Oeffnung 
liegend,  ausser  mit  dem  aufsteigenden  Mauerwerk  auch  noch  mit 
zwei  Balken  der  Zwischendecke  belastet  gewesen  sein  sollte.  Da- 
gegen ist  ihre  geringe  Stärke  vollkommen  verständlich  unter  der 
Voraussetzung,  dass  die  Oeffnung  unter  ihr  vermauert  war.  Dann 
war  sie  nicht  bestimmt,  eine  Thüröflfnung  zu  decken;  ihr  Zweck 
war  lediglich,  die  Senkung  des  frischen  Mauerwerkes  unter  dem  auf 
ihm  lastenden  Drucke  und  namentlich  das  Einsinken  der  Balken 
in  dasselbe  zu  verhindern :    sie   war   eine  sogenannte   Mauerlatte. 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  der  Thür  östlich  von  der  Mitte, 
nur  dass  hier  über  der  Sturzbohle  nur  ein  Balkenloch  sichtbar, 
das  andere  unkenntlich  geworden  ist. 

Ist  dies  richtig,  so  sind  hier  Vermauerung  der  Thür  und 
Leo-unc  der  Balkendecke  Teile  eines  einzigen  und  untrennbaren 
Vorganges :  man  trug  ab  bis  zum  Balkenauflager,  mauerte  in  dem 
nun  übrig  gebliebenen  Mauerteil  die  Thüröifnungen  zu  und  legte 
dann  die  Balken.  Und  dies  wird  noch  bestätigt  durch  andere 
Beobachtungen. 

Es  ist  namentlich  an  der  Westthiir  ganz  klar,  dass  die  Sturz- 
bohle nicht  breiter  war  als  0,40,  also  nur  so  weit  in  die  0,59 
starke  Mauer  hineinreichte.  Hätte  man  nun  hier  nach  Legung  des 
Balkenbodens  zunächst  noch  eine  Thür  gelassen,  und  wäre  wegen 
dieser  Thür  die  Sturzbohle  gelegt  worden,  so  wäre  es  ganz  un- 
verständlich, dass  man    sie    nicht  in  der  ganzen  Mauerstärke  ge- 


DAS   GROSSE   THEATER    IN    POMPEJI  3t 

legt  hätte.  Dagegen  ist  alles  klar,  wenn  sie  nur  den  beiden  Balken 
als  Unterlage  über  dem  frischen  Mauerwerk  dienen  sollte.  Wollten 
wir  aber  trotz  alledem  eine  Thür  annehmen,  so  musste  doch  diese 
nach  aussen  einen  oberen  Abschluss  haben,  der,  da  die  Bohle  so 
weit  nicht  reichte,  nicht  gut  etwas  anderes  sein  konnte,  als  eine 
Horizontalwölbung,  die  bei  späterer  Zumauerung  sichtbar  bleiben 
musste.  Nun  ist  aber  von  aussen  nichts  der  Art  sichtbar.  Vor  der 
Ostthür  erstreckt  sich  das  Incertum  unterschiedslos  auch  über  die- 
Stelle,  wo  innen  die  Bohle  liegt.  Im  Westen  ist  es  etwas  anders. 
Hier  sieht  man  mitten  in  dem  Lavaincertum  einen  Horizontal- 
streifen aus  Tuffbrocken.  Sein  unterer  Rand  ist  unter  der  Stuck- 
bekleidnng  der  Wand  verborgen ;  nach  oben  aber  reicht  er  bis  0,30 
über  dem  Auflager  der  Sturzbohle,  entspricht  also  wohl  dieser  und 
den  auf  ihr  liegenden  Balken.  Nun  könnte  jemand  auf  den  Ge- 
danken kommen,  diese  Tuffbrocken  seien  an  die  Stelle  eines  einst 
hier  liegenden  hölzernen  Thürsturzes  getreten  und  hätten  die  durch 
Vermoderung  desselben  entstandene  Lücke  ausgefüllt.  Dies  war 
aber  sicher  nicht  der  Fall.  Nicht  nur  ist,  wie  schon  gesagt,  von 
innen  vollkommen  kenntlich,  dass  die  Sturzbohle  nicht  weiter 
reichte,  als  0,40  von  der  Innenfläche  der  Mauer,  sondern  es  ist 
auch  ganz  klar  dass  jene  Tuffbrocken  nicht  nachträglich  einge- 
schoben wurden,  sondern  schon  an  ihrem  Platze  waren,  als  das  auf 
ihnen  liegende  Lavaincertum  gemauert  wurde.  Sie  sind  aber  auch 
nicht  etwa  ein  aus  Stein  gebildeter  Thürsturz;  denn  dann  müssten 
sie  nach  Art  einer  horizontalen  Wölbung  angeordnet  sein,  was  nicht 
der  Fall  ist:  es  ist  ganz  gewöhnliches  Incertum.  Also  auch  hier 
ist  oder  war  keine  Art  von  Thürsturz  vorhanden,  es  ist  vielmehr 
klar,  dass  gleichzeitig  mit  dem  Wiederaufbau  des  oberen  Wand- 
teils auch  diese  Oeffnung  geschlossen  wurde.  Die  Entstehung  dieses 
Tutfstreifens  können  wir  vermutungsweise  einigermassen  rekonstruie- 
ren. Man  trug  ab  bis  zur  beabsichtigten  Höhe  des  Balkenaufiagers, 
liess  aber  den  äusseren  Teil  der  Mauer,  in  den  die  Balken  nicht 
reichen  sollten,  etwas  höher  stehen.  Dann,  oder  auch  schon  wäh- 
rend des  Abtragens,  mauerte  man  die  Thüren  zu,  wiederum  bis  zur 
Höhe  des  Balkeuaufiagers  und  legte  nun  die  Balken.  Darauf,  so 
scheint  es,  mauerte  man,  ehe  man  an  den  Wiederaufbau  des  ganzen 
oberen  Wandteiles  ging,  zunächst  in  den  Thüröffnuugen  den  äus- 
seren Wandteil  so  weit  auf,  wie  er  im  übrigen  stehen   geblieben 


32  A.    MAU 

war.  So  war  dies  gewisserinassen  ein  gesonderter  Teil  der  Arbeit, 
und  es  konnte  durch  irgend  welche  Umstände  veranlasst  werden, 
dass  hier,  in  dieser  Thür,  anderes  Material  zur  Verwendung  kam. 
Nötig  war  ja  freilich  diese  Trennung  der  Arbeit  nicht;  aber  ich 
finde  keine  bessere  Hypothese,  um  das  abweichende  Material  dieses 
Stückes  zu  erklären. 

Es  wurde  schon  oben  (S.  23)  hervorgehoben,  dass  die  unteren, 
älteren  und  oberen,  jüngeren  Teile  des  Baues  so  vollkommen 
gleiches  Mauerwerk  zeigen,  dass  ohne  die  von  uns  gefundenen 
Tatsachen  niemand  an  zeitliche  Verschiedenheit  denken  würde; 
<lies  wird  nicht  zum  wenigsten  daraus  zu  erklären  sein,  dass  beim 
Wiederaufbau  das  alte  Material,  so  weit  es  reichte,  verwendet 
wurde.  Dieselbe  Gleichheit  erstreckt  sich  auch  auf  die  Vermau- 
^rungen  dieser  Thüreu,  d.  h.  auf  die  Aussenseite  derselben ;  denn 
im  Innern  zeigen  sie  ganz  anderes  Mauerwerk,  auch  z.  T.  anderes 
Material  (oben  S.  23).  Nun  stossen  in  Pompeji  in  zahllosen  Fällen 
älteres  und  jüngeres  Mauerwerk  zusammen,  und  stets  heben  sie 
sich  deutlich  von  einander  ab;  es  sind  auch  zahllose  Thüren  ver- 
mauert, ohne  dass  je  Gleichheit  des  Mauerwerks  mit  dem  der 
Mauer  erstrebt  worden  wäre.  Es  ist  daher  äusserst  unwahrschein- 
lich, dass  eine  solche  Gleichmachung  hier  zweimal  zu  verschie- 
denen Zeiten  stattgefunden  haben  sollte,  zumal  Verwendung  des 
alten  Materials  bei  Vermauerung  der  Thüren,  wenn  diese  später 
fällt,  nicht  gut  angenommen  werden  kann;  denn  dies  wurde  doch 
sicher    beim    Wiederaufbau    aufgebraucht,  um    so    mehr    als    die 


©■ 


Erhöhung  des  Skenensaales  vermutlich  eine  Erhöhung  des  ganzen 
Gebäudes  bedingte.  Nachdem  dann  auch  noch  der  Platz  hinter 
dem  Theater  aufgehöht  worden  war,  konnte  hier  schwerlich  noch 
altes  Material  vorhanden  sein.  Wir  werden  also  hier  von  allen 
Seiten  zu  dem  Resultat  geführt,  dass  diese  beiden  Thüren  in  der 
zweiten  Form  des  Gebäudes  von  Anfang  an  zugemauert  waren. 

Etwas  anders  steht  es  mit  den  beiden  kleinen  Thüren  nahe 
den  Ecken.  Dass  ihre  Vermauerung  von  innen  ganz  anders  aus- 
sieht, als  die  der  drei  grossen  Thüren,  wurde  schon  oben  (S.  23), 
gesagt.  In  der  Ostthür  füllt  sie  die  Thürölmung  nicht  ganz  aus, 
sondern  lässt  innen  eine  etwa  0,13  tiefe  Nische,  mit  ganz  rauher, 
offenbar  nicht  von  der  Maurerkelle  berührter  Rückwand.  Die 
Westthür  aber  ist    augenscheinlich    so   zugemauert    worden,    dass 


DAS   GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  33 

man  sie  einwärts  mit  Brettern  schloss  nnd  an  diese  wie  an  eine 
Form  anmauerte;  es  handelt  sich  nicht  etwa  um  die  stehen  ge- 
bliebene Holzthür.  Beides  scheint  zunächst  darauf  zu  führen,  dass, 
als  diese  Vermauerung  stattfand,  der  Innenraum  nicht  mehr  zu- 
gänglich, sondern  aufgeschüttet  war,  also  das  Gebäude  schon 
seine  dritte  Form,  die  der  augusteischen  Zeit,  hatte.  Aber  näher 
betrachtet  ist  diese  Erklärung  gänzlich  unbefriedigend.  Es  wäre 
doch  ein  ganz  unglaubliches  Verfahren  gewesen,  dass  man  zuerst 
den  Innenraum  aufgehöht  und  erst  nachher  die  Thüren  vermauert 
haben  sollte,  nicht  umgekehrt.  Wie  dürfen  uns  hier  auf  die  Mit- 
telthür  berufen,  die  vermutlich  zu  allerletzt  geschlossen  und  durch 
deren  Verschluss  der  Innenraum  unzugänglich  wurde:  hier  beweist 
die  Beschaffenheit  der  Innenfläche  zweifellos,  dass  man  von  beiden 
Seiten  arbeitete,  also  die  innere  Aufhöhung  noch  nicht  stattge- 
funden hatte.  Und  betrachten  wir  nun  jene  rauhe  Innenfläche  in 
der  kleinen  Ostthür  etwas  näher,  so  müssen  wir  uns  überzeugen, 
dass  sie  nicht  an  die  Aufschüttungsmasse  hinan  gemauert  ist; 
dafür  ist  sie  doch  zu  senkrecht  und  regelmässig,  und  sie  sieht 
auch  sonst  nicht  so  aus.  Ich  nehme  daher  an,  dass  man  beabsich- 
tigte, diese  Thüröffnung  ganz  auszufüllen  und  der  Füllung  von 
innen  wie  von  aussen  eine  fertige  Oberfläche  zu  geben,  es  aber 
bequemer  fand,  beide  nicht  gleichzeitig  von  zwei  Maurern,  son- 
dern nach  einander  von  einem  herstellen  zu  lassen,  und  dass  dann 
aus  irgend  einem  Grunde  die  Vervollständigung  nach  innen  un- 
terblieb. Und  auch  die  Bretterform  an  der  Westthür  sollte  viel- 
leicht nur  ermöglichen,  von  einer  Seite  arbeitend  doch  auf  beiden 
Seiten  eine  einigermassen  glatte  Oberfläche  zu  erzielen. 

Auf  den  innen  rund  1,60  hohen  Pfosten  dieser  Thüren  sind  die 
Auflager  für  in  Mörtel  gebettete  Holzbalken  kenntlich.  Besonders 
charakteristisch  ist  der  Abdruck  auf  dem  linken  Pfosten  der 
Ostthür:  Unter-  und  1.  Seitenfläche  vereinigen  sich  hier  zu  einer 
Rundung,  die  von  der  Kante  des  Pfostens  in  das  Innere  der  Mauer 
aufsteigt.  Die  Höhe  der  Bettung  erscheint  jetzt  hier,  links.  0,20. 
Doch  ist  das  Mauerwerk  gleich  über  der  Oeffnung  zweifelhaften 
Alters:  viel  Kalkstein,  auch  in  sehr  grossen  Blöcken,  auch  ein 
grosser  Lavastein,  während  sonst  die  ganze  Mauer  aus  Lavabrocken 
sehr  gleichmässiger  Grösse  besteht;  wir  dürfen  hier  spätere  Flik- 
kerei    erkennen.    Der  Balken  konnte  also  höher  sein.  Auf  dem  r. 


34  A.    MAU 

Pfosten  ist  die  Lagerfläche  nicht  gerundet,  aber  schräg:  auf  eine 
Strecke  von  0,16  steigt  sie  nach  r.  um  0,025.  Für  einen  Thür- 
sturz  (und  auch  für  eine  Mauerlatte:  oben  S.  30)  sind  dies  ganz 
unglaubliche  Formen.  Und  auch  nähere  Betrachtung  des  Abdruckes 
links  lässt  erkennen,  dass  hier  ein  Holz  nicht  in  der  Richtung 
der  Mauer,  sondern  senkrecht  zu  ihr  lag:  es  lagen  hier  auf  den 
Pfosten  zwei  Balken  der  Zwischendecke ;  waren  sie  0,26  hoch,  so 
lag  ihre  Oberfläche  im  Niveau  der  Oberfläche  der  anderen  Balken. 
Dies  wird  bestätigt  durch  Betrachtung  der,  wie  schon  gesagt, 
um  0,13  hinter  die  innere  Mauerfläche  zurücktretenden  Thürfül- 
lung.  Wenn  die  beiden,  0,30  in  die  Wand  eingreifenden  Hölzer 
die  Enden  einer  eben  so  breiten  Sturzbohle  oder  auch  einer  Mauer- 
latte wären,  so  müsste  ja  die  Füllung,  wie  in  den  beiden  grossen 
Thüren,  an  dieser  endigen  und  es  müssten  sich  also,  wie  eben 
dort,  nicht  nur  die  Spuren  der  beiden  Enden,  sondern  der  ganzen 
Bohle  finden.  Dies  ist  aber  nicht  der  Fall.  Vielmehr  ist  ganz 
klar,  dass  die  Füllmauer  nach  oben  nicht  in  der  Linie  der  beiden 
Auflager  auf  den  Pfosten  aufhört,  hier  auch  keinen  Abschnitt  hat, 
sondern  sich  ununterbrochen  und  gleichmässig  weiter  nach  oben 
erstreckt,  hinter  (einwärts)  der  gleich  zu  erwähnenden  Füllung. 
Die  0,13  tiefe  Nische  der  ehemaligen  Thüröffnung  wird  sturz- 
artig überdeckt  durch  einen  etwa  0,15  hohen  Streifen  Mauer- 
werks, das  sich  bestimmt  abhebt  sowohl  von  dem  der  ganzen 
Mauer  und  der  Füllung,  als  auch  von  dem  oben  (S.  33)  erwähn- 
ten oberhalb  der  Balkenspuren  (mit  den  grossen  Steinen);  es  ist 
eine  Reihe  horizontal  liegender  Steine:  Lava,  Kalkstein,  Tuff;  aus 
letzterem  ein  ziegeiförmiger  Stein ;  die  Unterfläche  besteht  aus 
Mörtel,  an  dem  teils  Stücke  der  späteren  Auffüllung  des  Innen- 
raumes haften,  teils  Eindrücke  derselben  kenntlich  sind.  Es  stammt 
also  aus  der  Zeit  nach  dieser  Aufhöhung  und  nach  Beseitigung 
des  Zwischenbodens,  was  auch  dadurch  zweifellos  wird,  dass  es 
auch  die  beiden  Balkenlöcher  über  den  Pfosten  ausfüllt:  in  dem 
rechten  liegt  es  noch  jetzt,  aus  dem  linken  ist  es  entfernt  worden. 
Wie  es  also  hier  den  Platz  des  fortgenommenen  oder  vermoderten 
Holzwerkes  eingenommen  hat,  so  ist  wohl  zweifellos  anzunehmen, 
dass  auch  der  im  Niveau  der  beiden  Balken  liegende  und  sie 
verbindende  Streifen  ein  früheres  Holzglied  bezeichnet:  eine  die 
0,13  tiefe  Nische    überdeckende    Sturzbohle,    die    in    die    beiden 


DAS    GROSSE    THEATER    IM    POMPEJI  35 

Balken  eingezapft  sein  musste;  sie  lag  vor,  nicht  auf  der  Füllmauer 
und  war  nicht  breiter  als  0,13. 

Ist  alles  dies  richtig  beobachtet,  so  ist  damit  auch  bewiesen, 
dass  gleich  bei  Legimg  des  Balkenbodens  auch    diese    Thür   ver- 
mauert wurde.  Denn  es  ist  ja  ganz  klar,  dass  die  beiden  Balken 
(besonders  deutlich   der   linke,  östliche,  mit  der  gerundeten    Un- 
terfläche,  deren  tiefster    Punkt    auf   der  Kante   des   Thürpfostens 
ruhte)  nicht  liegen  konnten,  ehe    die    Thür    vermauert    war:    ein 
Teil  ihrer  Unterflächen  und  je  eine  Seitenfläche  wären  ohne  Stütze 
gewesen.  So  lagen  sie  nun  zwar  auf  eine   Strecke   von    0,13    auf 
den  Kanten  der  Pfosten,  wurden  aber  weiter   einwärts    noch    auf 
0.17  von  der  Füllmauer    umschlossen.    Und    jenem    0,13   langen 
Stück  kam  man  zu  Hülfe  durch  das  die   beiden    Balken    verbin- 
dende und  versteifende  sturzartige  Querholz;    dies  tritt  gewisser- 
massen  an  die  Stelle  des  fehlenden  inneren  Teils  der  Füllmauer. 
Wesentlich  ebenso  findet  sich  alles  dies  auch  an  der  westli- 
chen Thür.  Auf  dem  r.  (westl.)    Pfosten    ist    die    Holzspur    0,30 
hoch,  also  zu  hoch  für  eine  Sturzbohle  oder  Mauerlatte.  Ihre  west- 
liche Seitenfläche  ist  leicht  gerundet  (d.  h.  das  Holz  verjüngte  sich 
nach  oben),  was  wenig  geeignet  ist  für  eine  doch  jedenfalls  abge- 
sägte Endfläche,  wohl    aber   für    die    Seitenfläche    eines    Balkens. 
Und  es  schien  mir  auch  sicher,  dass  in  dem  Abdruck  nordsüdlich, 
d.  h.  senkrecht   auf  die    Mauerrichtung    laufende    Holzfasern    zu 
erkennen  sind.  Ein  Unterschied  ist,  dass   keine  Nische  geblieben, 
sondern  die  Thüröffnung  ganz  zugemauert  ist.  So  diente  also  hier 
das  die  beiden    Balken    verbindende  Querholz,    dessen  Spur    auch 
hier  deutlich  ist,  nicht  zur  Versteifung,  da  ja  die  Balken  fest  im 
Mauerwerk  lagen.  Wir  müssen  wohl  annehmen,  dass  es  hier,  wie 
in  den  grossen  Thüren,  das  frische  Mauerwerk  gegen  den  auf  ihm 
lastenden  Druck  schützen  sollte. 

Endlich  gilt  auch  für  diese  beiden  kleinen  Thüren  das  oben 
(S.  31)  in  Betreff  der  grossen  Thüren  geltend  gemachte  Argument: 
wären  sie  offen  geblieben,  so  hätten  sie  auch  nach  aussen  einen 
oberen  Abschluss  erhalten  müssen,  und  dieser  müsste  sichtbar  sein. 
Dies  ist  aber  nicht  der  Fall :  die  Thürstürze  der  ersten  Form  des 
Gebäudes  sind  beim  Wiederaufbau  bis  auf  einen  geringen  Best  über 
der  Ostthür  verschwunden,  und  neue  sind  nicht  gemacht  worden 
(s.  oben  S.  15.  26). 


36  A.    MAU 

Ich  halte  somit  für  vollkommen  erwiesen,  dass  in  der  zweiten 
Form  des  Gebäudes,  mit  dem  Balkenboden,  nur  die  Mittelthür, 
und  diese  vermutlich  in  ihrer  alten  Höhe,  offen  blieb,  die  vier 
anderen  aber  sofort  vermauert  wurden.  Die  jetzige  Rampenthür 
ist  dann  in  dieser  Mauer  nicht  von  Anfang  an  vorhanden  gewesen, 
sondern  erst  später  durchgebrochen  worden;  wir  müssen  fragen, 
ob  dies  auch  an  ihr  selbst  irgendwie  kenntlich  ist. 

Wir  können  hierfür  geltend  machen,  dass  ihre  Pfosten  nicht 
aus  Quadern  oder  ziegeiförmigen  Steinen  bestehen,  sondern  das 
Lavaincertum  der  ganzen  Mauer  bis  an  die  Thürötfnung  reicht: 
Thürpfosten  aus  Incertum  gehören  in  Pompeji  zu  den  grössten 
Seltenheiten.  Das  Wenige,  was  von  der  Aussenüäche  der  Pfosten 
antik  zu  sein  scheint,  machte  mir  eher  den  Eindruck,  dass  es 
durch  Aufmauerung  als  dass  es  durch  Abhacken  entstanden  sei; 
aber  das  kann  täuschen,  und  es  könnte  erst  abgehackt,  dann  dem 
Ursprünglichen  sehr  ähnlich  aufgemauert  sein. 

Ferner  die  Bettung  der  Schwelle.  Namentlich  auf  der  Ostseite 
ist  von  innen  kenntlich,  dass  sie  in  einer  Lücke  des  Mauerwerkes 
liegt,  die  nicht  unbeträchtlich  grösser  ist  als  sie  selbst.  Danach 
scheint  es  also,  dass  die  Mauer  nicht  an  die  Schwelle  hinaugearbeitet, 
sondern  in. die  schon  bestehende  ein  Loch  für  die  Schwelle,  na- 
türlich grösser  als  diese,  gehauen  wurde. 

Es  darf  aber  nicht  verschwiegen  werden,  dass  diese  von  der 
Beschaffenheit  der  Pfosten  und  der  Schwelle  hergenommenen  Argu- 
mente mit  einem  gewissen  Vorbehalt  aufzunehmen  sind  :  wir  können 
nicht  die  Möglichkeit  ausschliessen,  dass  die  Thür  einmal  verbreitert 
wurde  und  dadurch  obige  Eigentümlichkeiten  entstanden.  Zwei  Um- 
stände könnten  diese  Vermutung  nahe  legen.  Erstens  nämlich  ist 
die  Thür  breiter  als  die  Rampe,  was  zunächst  seltsam  erscheinen 
muss.  Aber  es  wäre  doch  denkbar,  dass  man  über  die  Rampe 
Din^e  in  den  Skenensaal  gefahren  hätte,  die  breiter  waren  als  die 
Achsweite  des  Fuhrwerks.  Und  schliesslich  kann  die  Annahme  einer 
nachträglichen  Erweiterung  der  Thür  uns  nicht  über  die  Seltsam- 
keit hinweghülfen. Wenn  man  <?>e  Thür  erweiterte,  nicht  aber  die 
Rampe,  so  geht  doch  daraus  hervor,  dass  man  eine  Thür  die  breiter 
war  als  die  Rampe  für  nützlich,  ja  für  nötig  hielt;  und  genau 
dieselbe  Erwägung  könnte  von  Anfang  an  bei  der  Anlage  von 
Thür  und  Rampe  ma.^sgebend  gewesen  sein. 


DAS    GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  :'7 

Zweitens  besteht  dis  Schwelle  nicht  ans  einem  einzigen  Stein, 
sondern  aus  dreien :  an  die  eigentliche  Schwelle,  lang  2,24,  ist 
au  den  Enden  noch  je  ein  Stein  angesetzt,  lang  im  W  0,31,  im 
0  0,38.  Die  eigentliche  Schwelle  bleibt  jederseits  0,20  vom  Rande 
der  Rampe  entfernt;  sie  hat  an  ihrem  Westende  eine  unregelmässig 
viereckige  Vertiefung  für  rinen  Cardo  und  eine  rechtwinklig  gebro- 
chene Rille  für  Antepagmenta.  Fände  sich  dies  auch  am  Ostende, 
so  wäre  die  nachträgliche  Erweiterung  erwiesen;  so  müssen  wir 
wohl  annehmen,  dass  es  Reste  von  einer  früheren  Verwendung  der 
Schwelle  sind.  Wenn  aber  die  Schwelle  nicht  für  diese  Thür  ge- 
macht sondern  schon  früher  gebrauchte  Schwellensteine,  die  grade 
zur  Hand  waren,  benutzt  wurden,  so  darf  ihre  Zusammensetzung 
aus  mehreren  Stücken  nicht  Wunder  nehmen  und  dürfen  aus  der- 
selben keine  Schlüsse  gezogen  werden. 

Also  die  nachträgliche  Erweiterung  der  Rampenthür  ist  mög- 
lich, aber  keineswegs  erwiesen.  Hat  sie  stattgefunden,  so  können 
durch  sie  Thürpfosten  aus  ziegeiförmigen  Steinen  verschwunden 
sein,  und  kann  die  Lücke  des  Mauerwerks,  in  die  der  Schwellen- 
stein, genauer  der  östliche  der  drei  Schwellensteine  gelegt  ist,  auf 
die » Vergrösserung  zurückgehen. 

Somit  sind  freilich  die  von  der  Beschaffenheit  der  Thürpfosten 
und  der  Schwellenbettung  hergenommenen  Argumente  nicht  streng 
beweisend.  Doch  mögen  wir  sie  immerhin  mit  Wahrscheinlichkeit 
als  Bestätigung  der  auf  Grund  anderer  Erwägungen  völlig  festste- 
henden nachträglichen  Entstehung  der  Rampenthür  geltend  machen. 

So  haben  wir  denn  nuu,  wie  für  die  Front  und  den  Raum 
vor  ihr,  so  auch  für  den  Hinterraum,  den  Skenensaal,  drei  auf 
einander  gefolgte  Formen  constatiert.  Und  da  die  beiderseits  ge- 
fundenen Formen  trefflich  zu  einander  passen,  so  ist  damit  die 
Geschichte  des  Spielhauses  im  Wesentlichen  klargestellt.  Sie  ist 
also  folgende. 

I.  Ursprünglicher  Bau  (Fig.  2,  S.  7).  Die  ganze  hintere 
Hälfte  wird  eingenommen  von  einem  grossen,  hohen,  rechteckigen 
Saal  zu  ebener  Erde,  im  Niveau  der  Orchestra.  Er  hat  in  seiner 
Rückwand  drei  grosse  und  hohe,  von  Pilaster  zu  Pilaster  reichende 
und  zwei  kleinere  Thüren.  Da  sich  an  den  Wänden  keinerlei 
Maueransätze  finden,  so  war  der  Ra»',m   wohl  ungeteilt.  Den  fünf 


38  A.    MAU 

Thüren  der  Rückwand  entsprachen  eben  so  viele  und  eben  so 
grosse  in  der  Vorderwand,  von  denen  die  beiden  äussersten  in  die 
schiefwinkligen  Paraskenien  führten,  die  drei  mittleren  auf  den 
von  diesen  und  der  Vorderwand  des  Skenensaales  (scaenae  frons) 
eingeschlossenen,  gegen  die  Zuschauer  sich  mit  schrägen  Seiten- 
wänden erweiternden  Raum,  ebenfalls  im  Niveau  der  Orchestra. 
Ob  dieser  Raum  irgendwie  von  der  Orchestra  getrennt  war,  ob  sich 
von  einem  Paraskenion  zum  anderen,  vor  der  scaenae  frons,  ein 
Proskenion  erstreckte,  das  liess  sich  nicht  mit  Sicherheit  ermitteln. 
Die  Front  der  Skene  war  nicht  als  Fassade  ausgebildet,  sondern 
bestand  aus  einer  glatten  Mauer  mit  drei  Thüren. 

II.  Der  Skenensaal  und  der  Raum  vor  der  Front,  jetzt  sicher 
Spielplatz,  werden  höher  gelegt.  Ersterer  mittels  eines  von  Balken 
getragenen  Zwischenbodens,  so  hoch,  dass  sein  Fussboden  fast 
2  m  über  dem  ursprünglichen  Niveau  —  dem  Niveau  der  Or- 
chestra —  liegt.  Die  Bühne  vor  der  Front  war  wahrscheinlich  nicht 
höher  als  in  der  folgenden  Periode,  etwa  1,15  über  dem  Funda- 
ment (Niveau  der  Orchestra),  also  etwa  0,80  niedriger  als  der 
Skenensaal.  Von  den  fünf  Thüren  in  der  Rückwand  dieses  letzteren 
werden  vier  vermauert.  Nur  die  mittlere  bleibt;  durch  sie  »und 
über  eine  innere  Treppe  ist  der  Skenensaal  zugänglich.  Vor  der  Front 
werden  die  Paraskenien  beseitigt,  die  Front  selbst,  und  mit  ihr 
die  Bühne,  auf  die  ganze  Länge  des  Spielhauses  ausgedehnt,  ver- 
mutlich mit  fünf  Thüren  (die  beiden  äussersten  sind  nicht  ganz 
sicher),  die  je  mit  einem  von  Säulen  getragenen  Vorbau  versehen 
sind:  vor  der  Mittelthür  standen  wahrscheinlich  vier,  vor  den  an- 
deren je  zwei  Säulen.  Ausserdem  erhält  jetzt  die  Bühne  zwei  grosse 
Seiteneingänge.  Gleichzeitig  mit  diesen  Veränderungen  wird  der 
äussere  Boden  hinter  und  neben  dem  Spielhause  erhöht,  hinten  um 
c.  0,50,  an  den  Seiten  um  c.  1,0. 

III.  Zur  Zeit  des  Augustus  wird  die  Säulen  verzierte,  im  Ue- 
brigen  aber  gradlinige  Bühnenfront  ersetzt  durch  eine  reich  ent- 
wickelte dreithürige  Fassade  in  Ziegelbau,  mit  vor-  und  zurück- 
tretenden Teilen.  Ob  die  Bühne  niedriger  gelegt  wurde,  als  in  der 
vorigen  Form,  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden,  es  ist 
aber  nicht  wahrscheinlich  (S.  19  ff.).  Dieser  Periode  gehört  auch  die 
Vorrichtung  für  den  Vorhang  an;  es  muss  zweifelhaft  bleiben,  ob 
schon  in  der  zweiten  Periode  etwas  gleichartiges  vorhanden  war; 


DAS   GROSSK    THEATER    IN    POMPEJI  39 

vermutet  werden  darf  es  auf  Grund  der  Analogie  des  kleineren 
Theaters.  Gleichzeitig  wird  der  Skenensaal  etwas  niedriger  gelegt 
(um  etwa  0,20),  sein  Holzboden  entfernt  und  durch  Auffüllung 
mit  Schutt  und  Bautrümmern  ersetzt,  so  dass  der  Unterraum 
wegfällt.  Die  mittlere  Thür  der  Rückmauer  wird  vermauert  und 
der  Skenensaal  zugänglich  gemacht  durch  eine  Thür  im  Niveau 
seines  Fussbodens,  die  man  von  aussen  über  eine  Rampe  erreichte. 
Die  Schwelle  dieser  Thür  und  die  der  grossen  Seiteneingänge 
geben  uns  das  Niveau  des  Skenensaales  und  der  Bühne  dieser  Pe- 
riode: jener  lag  c.  1,80,  diese  c.  1,15  (die  östliche  Schwelle  1,225, 
die  westliche  1,06-1,07)  über  dem  Fundament,  d.  h.  so  ziemlich 
über  dem  Niveau  der  Orchestra. 

Ich  habe  oben  gesagt,  dass  wahrscheinlich  in  der  zweiten 
Periode  die  Bühne  nicht  höher  war  als  in  der  dritten,  mit  anderen 
Worten  dass  auch  nach  der  zeitlichen  Gleichsetzung  der  ersten 
erhöhten  Bühne  und  des  Skenensaales  auf  dem  Balkenboden  ich 
keinen  Grund  sehe,  aus  den  von  Puchstein  und  Koldewey  an  den 
Seiteneingängen  beobachteten  Spuren  auf  einen  so  viel  höheren 
Spielboden  zu  schliessen.  Die  dort  eingeritzten  Linien  liegen  2,26 
und  2,31  über  dem  Fundament.  Wollten  wir  in  ihnen  die  Höhe 
der  Bühne  erkennen,  so  wäre  sie  nicht  unbeträchtlich  höher  gewe- 
sen als  der  kaum  2,0  hohe  Skenensaal,  was  ganz  unglaublich. 
Das  Incertum  der  Thürpfosten  reicht  bis  c.  1,95;  hier  beginnt 
die  unterste  Quader:  war  dies  die  Höhe  der  Bühne,  so  lag  sie 
ziemlich  im  Niveau  des  Skenensaales.  Gewiss  dürfen  wir  dies 
nicht  als  unmöglich  bezeichnen,  und  wenn  diese  Annahme  sonst 
auf  keine  Schwierigkeiten  stiesse,  so  dürften  wir  sie  wohl  nicht 
abweisen.  Aber  recht  wahrscheinlich  ist  sie  doch  auch  in  sich 
nicht.  Wenn  man  in  der  letzten  Form  den  Skenensaal  um  c.  0.65 
höher  legte  als  die  Bühne,  so  ist  es  doch,  wenn  wir  einmal  mit 
Wahrscheinlichkeiten  rechnen  sollen,  das  Wahrscheinlichste,  dass 
man  sich  damit  an  früher  gewesenes  anschloss.  Denn  die  Höhen- 
ditferenz  der  letzten  Periode  ist  ja  nicht  etwa  so  entstanden,  dass 
man  den  älteren,  höheren  Fussboden  des  Skenensaales  beibehalten 
hätte.  Sondern  er  wurde  niedriger  gelegt,  dennoch  aber  beträchtlich 
höher  gelassen  als  die  Bühne.  Mithin  war  diese  Höhendifferenz 
beabsichtigt,  und  wenn  sie  nun  in    der   vorletzten    Periode    noch 


40  A.    MAU 

um  0,20  grösser  war,  so  ist  dieser  Unterschied  nicht  gross  genugr 
um  das  eine  für  wahrscheinlich,  das  andere  für  unwahrscheinlich 
zu  halten.  Und  da  nun  ausserdem  der  Annahme  einer  so  hohen 
Bühne  die  oben  S.  19  f.  dargelegten  schweren  Bedeuken  entgegen- 
stehen, so  kann  ich  meine  ablehnende  Haltung  ihr  gegenüber  auch 
jetzt  nicht  ändern.  Jene  Besonderheiten  der  Seiteneingänge  müssen 
vorläufig  unerklärt  bleiben. 

Sehr  gern  hätten  wir  eine  Erklärung  gefunden  für  die  ungleich- 
massige  Anordnung  der  Pilaster  an  der  Aussenseite  des  Spielhauses, 
sowie  auch  dafür,  dass  auf  der  Rückseite  drei  derselben  —  der 
erste,  dritte  und  sechste  von  Osten  —  einfache  rechtwinklige 
Basen  haben,  die  übrigen  nicht.  Man  könnte  ja  versucht  sein,  an 
zeitliche  Verschiedenheit  zu  denken,  und  es  müssten  dann  natür- 
lich die  mit  den  Thüren  als  Pfosten  untrennbar  verbundenen  ba- 
senlosen Pilaster  der  älteren  Form  —  mit  offenen  Thüren,  ohne 
Balkenboden  und  Bühne  ■ —  zugeschrieben  werden.  Das  ist  aber 
nicht  durchführbar.  Die  Mauer  der  ersten  Form  wurde  doch  nur 
abgetragen  um  den  Zwischenboden  zu  legen,  und  nur  bis  zum 
Niveau  seines  Balkenlagers.  Dass  sie  zwischen  den  zweifellos  der 
ersten  Form  angehörigen  Thürpfosten  an  drei  Stellen  bis  an  das 
Fundament  beseitigt  und  erneuert  sein  sollte,  ist  ganz  unglaublich, 
auch  wenn  die  oben  (S.  27)  beobachtete  Ansatzfuge  auf  Täuschung 
beruhen  sollte.  Besonders  klar  ist  dies  an  dem  südöstlichen  Eckpi- 
laster:  es  ist  unmöglich,  ihn  von  dem  unmittelbar  anstossenden 
Thürpfosten  zu  trennen  und  für  jünger  zu  halten.  Vielmehr  ist 
umgekehrt  klar,  dass  der  Pilaster  schon  stand,  als  der  Thürpfosten 
gemauert  wurde.  Wir  werden  also  diese  Unregelmässigkeiten  und 
Verschiedenheiten  der  auch  sonst  recht  nachlässig  und  ungleich- 
massig  gebauten  Pilaster  einfach  als  Tatsache  hinnehmen  müssen. 

Unsere  bisherigen  Untersuchungen  bezogen  sich  auf  die  Ge- 
schichte des  Spielhauses.  Aber  auch  der  Zuschauerbau  hat  seine 
Geschichte. 

Seine  Südfront,  in  der  sich  der  Bogen  mit  dem  Satyrkopf  öffnet 
(Fig.  10)  reicht  zweifellos  in  die  vorrömische  Zeit,  in  die  Tutfperiode 
hinauf.  Ich  hatte  bisher  geglaubt  —  und  es  war  wohl  die  allge- 
meine Ansicht  —  dass  dies  der  ursprüngliche  Bau  sei.  Denn  dass 


DAS   GRÖSSE   THEATER    IN    POMPEJI  -11 

auch  der  durch  eine  bekannte  Inschrift  den  Holconiern  zugeschrie- 
bene Bau  der  Crypta  nur  eine  Erneuerung  des  schon  früher  beste- 


Fig.  10.  —  Parodoseingang  mit  Satyrkopf  und  Westseite  des  Skenenbaues. 


henden  war,  ergab   sich   aus    den    älteren,    unteren    Teilen    ihrer 
Mauern,  die  jener  Front  gleichartig  sind  (Overbeck-Mau,  Pompeji4 


42  .  A     MAU 

S.  158).  Diese  Ansicht  hat  sich  als  irrig  herausgestellt:  der  uns 
vorliegende  Bau  der  Tuffperiode  verdankt  einem  erweiternden  Um- 
bau seine  Entstehung. 

Während  die  von  uns  veranlassten  Ausgrabunsren  in  Gange 
waren,  unternahm  der  Inspector  Graf  Cozza  eine  Untersuchung  der 
Oavea.  Einwärts  der  südlichen  Abschlussmauer  des  westlichen  Flü- 
gels kam,  5,60  von  ihr  entfernt,  eine  Parallelmauer  zu  Tage,  dick 
0,63  ohne  den  Stuck,  mit  dem  ihre  Südseite  bekleidet  ist:  Sand- 
stuck, darüber  eine  dünne  aber  feste  und  harte  Schicht  Zie- 
gelstuck, zusammen  etwa  0,03  stark.  Die  Mauer  stand  also  nach 
Süden  frei  und  war  offenbar  eine  ältere  Abschlussmauer  der  damals 
um  so  viel  kleineren  Cavea.  Sie  endet  oben,  gebrochen,  5  m  vor 
der  Crypta,  unten  0,50  vor  der  Rückwand  des  Tribunal,  mit  dessen 
Bau  ohne  Zweifel  das  hier  an  ihre  Stelle  tretende  jüngere  Mauer- 
werk zusammenhängt.  Sie  besteht  aus  Incertum:  Kalkstein  und 
Lava  mit  Kalkmörtel;  ihre  Nordseite  ist  ohne  Stuck  und  rauh. 
Vielleicht  ist  sie  frei  aufgeführt,  jedenfalls  diente  sie  als  Fut- 
termauer. 

Südlich,  also  ausserhalb  dieser  alten  Abschlussmauer,  sichtbar 
auf  der  Strecke  oben  wo  diese  fehlt,  c.  0,40  von  ihrer  Front  ent- 
fernt, läuft  eine  schräg  absteigende  Mauer.  Nur  ihre  Nordseite, 
ohne  Stuck,  ist  sichtbar.  Erhalten  ist  auch  ihre  ursprüngliche  obere 
Fläche,  die  schräg  absteigt,  weniger  steil  als  die  Neigung  der  Stufen 
und  die  jetzige  Oberfläche  nach  Entfernung  derselben,  so  dass  sie 
zu  unterst  knapp  Im,  zu  oberst  c.  1,40  unter  dieser  bleibt.  Sie 
gehört  zu  den  Substructionen  der  Stufen  über  dem  Tribunal,  hängt 
aber  mit  dem  Bau  des  Tribunal  nicht  zusammen,  sondern  ist  äl- 
ter. Denn  über  ihr  sind  deutlich  gemauerte  Stufen  kenntlich,  wäh- 
rend die  Holconier,  die  Erbauer  der  Tribunalien,  grade  die  ge- 
mauerten Stufen  beseitigten  und  eine  schräge  Fläche  herstellten, 
auf  der  die  Stufenblöcke  mit  schräger  Unterfläche  lagen.  Aus  den 
in  der  westlichen  Parodos  zu  nehmenden  Maassen  ergiebt  sich  das 
bei  der  Vergrösserung  eingeschlagene  Verfahren.  An  die  alte  Ab- 
schlussmauer wurde  eine  etwa  0,75  starke  Mauer  angesetzt,  dann 
in  der  Entfernung  von  3,80  die  neue,  1,74  starke  Abschlussmauer 
mit  dem  Satyrkopf  gebaut  und  beide  durch  eine  Wölbung  ver- 
bunden. Die  oben  erwähnte  schräg  absteigende  Mauer  steht  auf 
der  Wölbung. 


DAS   GROSSE   THEATER    IN    POMPEJI  43 

Dieser  jetzt  zu  Tage  gekommene  Abschnitt  im  Westflügel  ist 
schon  früher  einmal  sichtbar  gewesen.  Man  erkennt  ihn  deutlich 
bei  H.  Wilki n s ,  Suite  de  vues  piltoresques  des  ruines  de  Pompe'i, 
Rome  1819.  Man  sieht  dort  auch,  dass  das  Mauerwerk  des  hin- 
zugefügten Teiles  Stufen  hat,  während  es  im  übrigen  als  schräge 
Fläche  erscheint. 

Im  Osten  ist  von  der  Mauer  mit  Ziegelstuck  nur  ein  kleines 
Stück,  gleich  über  dem  Tribunal,  erhalten,  an  seinem  Platz,  aber 
ein  wenig  weiter  südlich  als  im  Westen.  Weiter  hinauf  sind  ihre 
Spuren  in  dem  anstossenden  Erdreich  und  Mauerwerk  kenntlich. 
Ganz  erhalten  ist  hier  die  südliche  Parallelmauer:  sie  hat  oben 
Anschluss  an  ein  gradliniges  Fundamentstück,  das  an  das  gekrümmte 
der  Innenmauer  der  Crypta  angesetzt  ist.  Dies  Fundamentstück 
konnte  erst  nach  Beseitigung  des  oberen  Endes  der  alten  Abschluss- 
mauer gelegt  werden.  So  wird  wohl  auch  im  Westen  gleich  bei 
der  Vergrößerung,  um  dies  Fundament  zu  legen,  das  obere  Ende 
der  Abschlussmauer  entfernt  worden  sein. 

Wir  bemerken  noch,  dass  dies  Fundamentstück  von  dem  Fun- 
dament der  Ciwpta  nicht  verschieden  ist.  Es  steht  also  nichts  der 
Annahme  entgegen,  dass  diese  gleichzeitig  mit  der  Verlängerung 
der  Flügel  entstanden  ist,  welche  Annahme  empfohlen  wird  durch 
die  Gleichartigkeit  ihres  Mauerwerkes  mit  dem  der  Abschlussmauer 
der  erweiterten  Cavea. 

Ob  und  wo  vor  dem  alten,  kleineren  Theatron  eine  Skene  war, 
wo  und  wie  damals  gespielt  wurde,  darüber  fehlt  jede  positive 
Spur.  Aber  das  wahrscheinlichste  ist  doch  wohl,  dass  eine  Skene 
ungefähr  da  lag,  wo  sie  jetzt  liegt,  und  dass  zwischen  ihr  und 
den  Flügeln  des  Zuschauerbaues  unbedeckte  Parodoi  in  die  Or- 
chestra  führten.  Durch  Ueberdeckung  dieser  Parodoi  wurde  dann 
die  Erweiterung  des  Sitzraumes  erzielt. 

Es  ist  sogar  nicht  unwahrscheinlich,  dass  auch  nach  dieser 
Erweiterung  das  alte  Skenengebäude,  mehr  oder  weniger  umgestaltet, 
fortbestand.  Denn  dass  der  Bau  des  jetzigen  Skenengebäudes  nicht 
im  Zusammenhang  mit  der  Erweiterung,  sondern  erst  nach  einer 
Zwischenzeit  erfolgt  ist,  wurde  schon  oben  (S.  7  ff.)  unzweifelhaft 
festgestellt.  Ich  füge  jetzt  noch  einige  dies  bestätigende  Beobach- 
tungen hinzu. 

Augenscheinlich  und  zweifellos  ist  das  Spielhaus  an  den  schon 


44  A.    MAU 

stehenden  Zuschauerbau  hinangeinaiert  worden:  an  der  Nordwestecke 
des  Skenenbaues,  wo  jetzt  beide  bis  an  das  Fundament  frei  gelegt 
sind,  ist  dies  deutlich  sichtbar. 

Ferner  sind  die  beiden  Teile  des  Theaters  in  ihrem  baulichen 
Charakter  nicht  gleichartig.  Der  Zuschauerbau  zeigt  grade  in  den 
an  das  Spielhaus  anstossenden  Teilen  auf  das  entschiedenste  den 
Charakter  der  «Tuffperiode»,  der  letzten  vorrömischen  Zeit:  der 
westliche  Parodoseingang,  mit  dem  Satyrkopf  aus  Tuff  als  Schluss- 
stein der  Wölbung,  lässt  darüber  nicht  den  mindesten  Zweifel.  Auch 
das  Lavaincertum  der  untersten  Teile  der  Aussenwand  der  Crypta, 
mit  einer  Wölbung  in  der  Achse  des  Gebäudes,  ist  durchaus  cha- 
rakteristisch; die  Wölbung  gleicht  Wölbungen  im  Tribunal  der  Ba- 
silica. 

Dasselbe  kann  nicht  auch  von  dem  Spielhause  gesagt  werden. 
Das  Lavaincertum  hat  durch  seinen  rötlichen  Mörtel  einen  ganz  be- 
sonderen Charakter;  aber  es  der  Tuffperiode  abzusprechen,  wäre 
kein  Grund  vorhanden.  Dagegen  passen  die  Pilaster,  aus  sehr  un- 
gleich grossen  ziegeiförmigen  Steinen  ziemlich  nachlässig  aufge- 
setzt, garnicht  recht  in  die  vorrömische  Zeit.  Dasselbe  gilt  von  den 
Thürpfosten  der  alten  Frontwand  und  denen  der  Rückwand.  Auch 
sie  bestehen  aus  ziegeiförmigen  Steinen,  einem  Material,  das  der 
eigentlichen  Tuffperiode,  soweit  bis  jetzt  beobachtet,  fremd  ist.  Das 
älteste  Beispiel  ihrer  Verwendung  sind  die  Pilaster  im  Inneren 
des  Juppitertempels,  also  in  einem  Gebäude,  das  in  der  ersten  Zeit 
der  Colonie  wenn  nicht  von  Grund  auf  gebaut  so  doch  vollendet 
wurde.  Dagegen  ist  nicht  zu  leugnen,  das  die  der  jüngeren  Form 
des  Baues  angehörenden  Pfosten  der  Seitenthüren,  aus  Tuffquadern, 
gut  aus  der  vorrömischen  Zeit  stammen  könnten.  Aber  sie  können 
ebenso  gut  auch  aus  späterer  Zeit  stammen;  denn  Tuffquadern  sind 
auch  der  römischen  Zeit  keineswegs  fremd:  sie  finden  sich  an  dem 
in  der  ersten  Zeit  der  Colonie  erbauten  Amphitheater.  Alles  in 
allem  zeigt  das  Spielhaus  am  ehesten  den  Charakter  der  ersten 
Zeit  der  römischen  Colonie.  Als  sicher  freilich  kann  diese  Datierung 
nicht  gelten,  und  es  wäre  wohl  voreilig,  es  mit  Bestimmtheit  der 
vorrömischen  Zeit  abzusprechen.  Zweifellos  aber  ist  sein  baulicher 
Charakter  jünger  als  der  des  Zuschauerbaues. 

An  der  schon  erwähnten  NW-Ecke  des  Skenenhauses,  wo  die 
Fundamente    beider    Gebäude  zusammenstosseu,  ist  jetzt  sichtbar 


DAS   GROSSE   TIIH/TER    IN    POMPEJI  45 

dass  das  des  Zuschauerbaues  um  0,50  tiefer  liegt  als  das  des 
Skenenhauses,  seine  Mauer  also  um  so  viel  tiefer  hinabreicht. 
Wären  beide  gleichzeitig  und  nach  einem  Plane  erbaut  worden, 
so  hätte  man  sie  doch  wohl  in  gleiches  Niveau  gelegt. 

Endlich  liegt  das  Skenenhaus  nicht  ganz  symmetrisch  am  Zn- 
schauerbau:  unser  Plan  (Tf.  I)  zeigt,  dass  die  westliche  Seiten- 
wand des  ersteren  näher  am  Parodoseingang  liegt  als  die  östliche. 
Auch  dies  spricht  dafür,  dass  beide  nicht  gleicher  Gründung,  son- 
dern das  Skenengebäude  später  angesetzt  ist. 

Wir  würden  also  auch  ohne  jenen  Pilaster  (S.  7)  berechtigt 
sein,  das  jetzige  Skenenhaus  für  jünger  als  den  vergrösserten 
Zuschauerbau  zu  halten.  Dieser  bezeichnet,  von  der  Skene  ausge- 
hend und  abgesehen  von  den  unwichtigen  Veränderungen  der 
allerletzten  Zeit,  die  viertletzte,  das  unvergrösserte  Theatron  die 
fünftletzte  Form  des  Theaters. 

Ueberraschend  waren  die  Ergebnisse  unserer  Ausgrabungen  in 
der  Orchestra.  Es  fanden  sich  die  Reste  von  nicht  weniger  als 
sechs  Wasserbassins,  verschiedener  Form  und  Grösse,  und  zeitlich 
auf  einander  gefolgt.  In  welcher  Periode  diese  Reihe  beginnt,  kann 
nicht  mit  Sicherheit  gesagt  werden  ;  das  vorletzte  dieser  Bassins  ist 
älter  als  das  den  augusteischen  Ziegelbauten  angehörige  Bühnen- 
podium der  letzten  Zeit  und  spätestens  bei  dessen  Bau  beseitigt 
worden.  Ich  zähle  sie  auf  nach  ihrer  zeitlichen  Reihenfolge  (s.  den 
Plan  Tf.  I). 

1.  Kreisrundes  Bassin  im  innersten  Teil  der  Orchestra.  Durch- 
messer 7,10  (24  röra.  Fuss).  Sein  Centrum  liegt  etwa  0,35  ein- 
wärts (N)  von  dem  des  Halbkreises  der  Orchestra;  so  bleibt  es 
in  der  Achse  des  Theaters  1,50  vom  Stufenrande  entfernt,  seitwärts, 
wo  der  Halbkreis  der  Stufen  in  die  Tangente  übergeht,  1,80. 
Tiefe  0,75  unter  der  letzten  Oberfläche  der  Orchestra.  Der  Winkel 
zwischen  Wand  und  Boden  ist  abgerundet;  beide  sind  mit  Ziegel- 
stuck verkleidet.  In  der  dem  Skenenbau  zugewendeten  Hälfte  sind 
S3rmmetrisch  zur  Achse  zwei  Ausflussrinnen  kenntlich  (s.  den  Plan), 
die  östliche  am  Ausrluss  etwa  0,35  weit  (an  der  Peripherie  des  Bas- 
sins gemessen),  dann  sich  auf  reichlich  0,10  verengend;  von  der 
westlichen  war  nur  die  Ostwand  kenntlich.  Beide  —  mit  Ziegelstuck 
wie  das  Bassin   —   richten    sich    gegen    die    Mitte    des   jetzigen 


46  A.   MAU 

Bühnen podiums  und  waren  wohl  sicher  bedeckt.  Ihr  Boden  liegt 
0,25  unter  dein  Orchestraboden  der  letzten  Zeit;  er  giebt  uns 
zugleich  den  Wasserspiegel  des  Bassins,  der  also  recht  gut  mit 
eben  diesem  Orchestraboden,  nicht  wohl  aber  mit  einem  höheren 
vereinbar  ist. 

2.  Kleineres  kreisrundes  Bassin,  dem  vorigen  concentrisch. 
Durchmesser  5,90  (20  röm.  Fuss).  Tiefe  unter  dem  letzten  Or- 
chestraboden etwa  0,30.  Wand  und  Boden  —  Ziegelstuck  mit 
Resten  blauer  Farbe  —  treffen  sich  in  rechtem  Winkel. 

3.  Länglich  viereckiges  Bassin,  6,60  (24  osk.  Fuss)  X  0,75,  tief 
0,35,  vom  Buhnenpodium  entfernt  2,15.  Ziegelstuck. 

4.  Länglich  viereckiges  Bassin,  zum  Teil  den  Platz  des  vo- 
rigen einnehmend,  5,90  X  1,48  (20  X  5  röm.  Fuss),  tief  0,25,  vom 
Bühnenpodium  entfernt  1,50.  Ziegelstuck. 

5.  Länglich  viereckiges  Bassin,  wieder  z.  T.  den  Platz  des 
vorigen  einnehmend,  9,0  X  1,68,  tief  0,17.  Ziegelstuck  mit  deutli- 
chen Resten  blauer  Farbe.  Seine  Südwand  steht  senkrecht  unter 
der  Vorderfläche  des  Bühnenpodiums. 

6.  Grosses  länglich  viereckiges  Bassin  mit  abgerundeten  Ecken, 
im  vorderen  Teil  der  Orchestra,  alle  früheren  durchschneidend, 
5,90  (20  röm.  Fuss)  X  3,90,  tief  1,65.  Auch  der  Winkel  zwischen 
Wand  und  Boden  ist  abgerundet.  Ziegelstuck.  Dies  Bassin  konnte 
nicht  ganz  ausgegraben  werden,  weil  es  nach  seiner  Zuschüttung 
mit  einer  0,50  starken  Schicht  [ncertum  überdeckt  worden  ist.  Es 
wurde  ausgegraben  ein  Stück  an  der  NW-Ecke,  ferner  die  NO  und 
SW-Ecke  constatiert.  Und  da  die  Meinung  auftauchte,  es  könnte 
eine  bedeckte  Cisterne  gewesen  sein,  so  wurde  durch  eine  unterir- 
dische Grabung  festgestellt,  dass  in  der  Mitte  keine  Stütze  vor- 
handen ist.  —  Diesem  Bassin  ist  wohl  sicher  gleichzeitig  der  nur 
in  den  Parodoi,  am  besten  in  der  östlichen,  nicht  in  der  Orche- 
stra erhaltene  Fussboden  aus  gutem,  starkem  Signinum.  Hiervon 
soll  weiter  unten   (S.  49)  die  Rede  sein. 

7.  Vorn,  in  der  Achse,  2,40  vom  Bühnenpodium,  also  inner- 
halb des  Umfanges  des  Bassins  6  und  jünger  als  dessen  Ausfül- 
lung, ist  ein  kleines  Bassin  kenntlich,  0,30  X  0,34,  tief  0,30,  aus 
dem  ein  0,16  breiter  Kanal  durch  den  Vorhangsraum,  etwas  nach 
Osten  umbiegend,  in  die  hinter  diesem  entlang  laufende  Rinne  führt, 
Natürlich  sollte  hier  das  in  Cavea  und  Orchestra  gefallene  Regen- 


DAS   GROSSE    THEATKR    IN    POMPEJI  47 

wasser  zusanimenfiiesseii  und  abgeführt  werden;  den  Kanal  haben 
wir  wohl  bedeckt  zu  denken.  Doch  war  dies  nicht  der  einzige  Abfluss : 
ein  zweiter  (nur  die  Rinne,  nicht  das  Bassin)  war  schon  immer 
kenntlich  bei  der  Einmündung  der  östlichen  Parodos,  und  ein 
entsprechender  wird  auch  im  Westen  anzunehmen  sein;  s.  hier- 
über Overbeck-Mau,  Pompeji4  S.  167. 

Von  diesen  Bassins  konnten  das  grosse  runde  und  das  älteste 
viereckige  (1  und  3)  nicht  gleichzeitig  sein,  wie  der  Plan  zeigt. 
Zwischen  dem  kleinen  runden  und  dem  ältesten  viereckigen  (2  und  3) 
blieb  ein  Zwischenraum  von  knapp  0,70.  Gleichzeitigkeit  ist  also 
nicht  unmöglich,  und  für  dieselbe  spricht  vielleicht  die  Erwägung, 
dass  das  sehr  schmale  Bassin  3  als  einziges  doch  seltsam  wäre, 
und  dass,  wenn  der  Durchgang  zwischen  beiden  Bassins  etwas  eng 
war.  man  Sorge  getragen  hatte,  den  Raum  zwischen  den  Parodoi 
frei  zu  lassen.  Dann  konnte  natürlich  das  kleine  runde  Bassin  (2) 
auch  neben  den  beiden  folgenden  viereckigen  (4  und  5)  bestehen, 
so  dass  es  erst  bei  Anlage  des  grossen  Bassins  6  verschwunden 
wäre.  Unter  dieser  Voraussetzung  haben  wir  also  sechs  Formen  der 
Orchestra :  1,  2  +  3,  (2  -4-  ?)  4,  (2  +  ?)  5,  6,  7. 

Um  nun  diese  Geschichte  der  Orchestra  in  Beziehung  zu 
setzen  zu  dem  sonst  über  die  Geschichte  des  Baues  ermittelten, 
ist  vor  allem  die  verschiedene  Tiefe  der  Bassins  zu  beachten.  Es 
wurde  schon  bemerkt  (S.  46),  dass  das  grosse  runde  Bassin  (1) 
ein  wenig  oder  garnicht  von  dem  der  letzten  Zeit  verschiedenes 
Niveau  der  Orchestra  voraussetzt.  Ebenso  klar  aber  ist,  dass  das 
letzte  der  sehr  länglichen  Bassins  im  vordem  Teil  der  Orchestra  (5), 
nur  0,17  tief,  ein  höheres  Niveau  verlangt.  Und  nachdem  damit 
constatiert  ist,  dass  zwischen  der  ältesten  und  letzten  Zeit  eine 
zeitweilige  Erhöhung  der  Orchestra  stattgefunden  hat,  werden  wir 
kein  Bedenken  tragen,  der  Zeit  dieser  Erhöhung  auch  die  beiden 
vorhergehenden  (3.  4)  und  das  nur  0,30  tiefe  kleinere  runde  Bas- 
sin (2)  zuzuschreiben.  Das  grosse  und  tiefe  Bassin  6  endlich  ist 
sowohl  mit  dem  Niveau  der  letzten  Zeit  als»  mit  einem  höheren 
vereinbar. 

Nun  ist  ein  dem  der  letzten  Zeit  wesentlich  gleiches  Niveau 
der  Orchestra  wie  für  das  älteste  Bassin  so  auch  für  die  älteste 
Form  des  Skenenbaues  (S.  7  Fig.  2)  erfordert.  Denn  niemand 
wird  denken,  die  Orchestra   sei   höher  gewesen  als  die  Schwellen 


48  A.    MAU 

der  Thüren  in  der  Skenenfront,  und  tiefer  konnte  sie  auch  nicht 
liegen,  weil  wir  da  gleich  auf  den  gewachsenen  Fels  stosseu. 
Es  kann  also  das  grosse  runde  Bassin  nicht  jünger  sein  als  die 
älteste  Form  des  Skenenbaues ;  und  eben  dieser  Form  kann  keines 
der  folgenden  Bassins  gleichzeitig  sein :  sie  alle  stammen  aus  der- 
zeit der  erhöhten  Bühne.  Ob  vielleicht  das  grosse  Bassin  noch  älter 
ist.  ob  es  schon  vor  dem  Bau  der  jetzigen  Skene.  ob  gar  schon 
vor  der  Vergrösserung  des  Zuschauerraumes  vorhanden  war,  das 
können  wir  nicht  wissen.  Es  lässt  sich  sogar  die  abstrakte  Mög- 
lichkeit  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  es  in  einer  dieser  ältesten 
Perioden  bestand,  zur  Zeit  der  ersten  Form  der  Skene  aber  ab- 
geschafft und  die  Orchestra  damals  ganz  frei  war,  bis  nach  ihrer 
Erhöhung  —  und  natürlich  auch  nach  der  der  Bühne  —  das  kleinere 
runde  Bassin  (2)  angelegt  wurde.  Pur  wahrscheinlich  freilich 
werden  wir  eine  solche  Unterbrechung  der  Continuität  der  Bassins 
nicht  halten.  Ferner  könnte  auch  vielleicht  gefragt  werden,  ob  etwa 
gleichzeitig  mit  dem  grossen  runden  auch  im  vorderen  Teil  der  Or- 
chestra irgend  ein  Bassin  vorhanden  war,  dessen  Reste  unter  denen 
der  späteren  Bassins  verschwunden  wären.  Doch  ist  dies  nicht 
wahrscheinlich.  Dass  solche  Reste  dort  nicht  vorhanden  sind, 
wurde  durch  eine  Versuchsgrabung  im  Juli  1906  festgestellt,  und 
bei  der  Art,  wie  im  Uebrigen  die  Reste  älterer  Bassins  unter  den 
späteren  erhalten  sind,  darf  dies  fast  als  Beweis  gelten.  Es  steht  also 
nichts  der  Annahme  entgegen,  dass  damals  der  vordere  Teil  der  Or- 
chestra frei  war.  Dies  ist  auch  au  sich  in  so  fern  wahrscheinlich, 
als  es  nahe  liegt,  die  Verkleinerung  des  runden  Bassins  eben  mit 
der  Anlage  des  ersten  viereckigen  in  Beziehung  zu  setzen. 

War  nun  damals  in  der  Orchestra  nur  das  grosse  runde  Bas- 
sin, so  linden  wir  auch  hier  keine  entscheidende  Antwort  auf  die 
Frage,  ob  Spiel  in  der  Orchestra,  ob  auf  einer  irgendwie  gestal- 
teten Bühne  oder  Proskenion.  Denn  das  grosse  Bassin  bleibt  von 
der  Linie  der  Paraskenienfronten  ziemlich  (3  m  entfernt;  es  blieb 
also  hinlänglicher  Platz  für  Spiel  in  der  Orchestra.  Nur  freilich  wohl 
mit  der  Einschränkung,  dass  dann  für  den  Chor  kein  Platz  war. 
während,  wenn  die  Schauspieler  zwischen  den  Paraskenieu  auftraten, 
dieser  6  m  breite  Raum  ihm  eine  massige  Entwickelung  gestattete. 

Das  kleinere  runde  Bassin  und  die  drei  länglichen  vorn  in 
der  Orchestra  (2-5)  drängen  sich  zusammen  in  die  Zeit  der    ver- 


DAS   GROSSE    THEATER    IN    l'OMPEJI  49 

mutlich  fünfthürigen  Bühne  mit  den  Vorbauten  (S.  10  Fig.  3); 
denn  vorher  war  die  von  ihnen  vorausgesetzte  Erhöhung  der  Or- 
chestra  unmöglich,  und  der  Ziegelbau  der  augusteischen  Zeit  kehrt 
wieder  zu  dem  früheren,  tieferen  Niveau  zurück. 

Der  augusteischen  Zeit  werden  wir  das  letzte  grosse  Bassin  mit- 
ten in  der  Orchestra  zuschreiben  dürfen.  Denn  bei  seiner  ohnehin 
bedeutenden  Tiefe  scheint  es  nicht  eben  wahrscheinlich,  dass  zu 
seiner  Zeit  die  Orchestra  noch  das  höhere  Niveau  hatte.  Und  wenn 
wir  der  —  wie  weiterhin  zu  zeigen  —  kurzen  Zeit  der  Bühne  mit 
den  Vorbauten  ohnehin  schon  mindestens  drei  Formen  der  Orche- 
stra (2  -f-  3,  4,  5)  zuteilen  müssen,  so  werden  wir  wenig  geneigt 
sein,  noch  eine  vierte  hinzuzufügen,  zumal  diese  letzte,  auch  ab- 
gesehen von  der  Niveauveränderung,  eine  so  eingreifende  Umgestal- 
tung bedeutet,  dass  man  sie  ungern  von  der  ihr  zeitlich  jedenfalls 
nahestehenden  Umgestaltung  des  ganzen  Theaters  trennen  möchte. 

Geht  nun  dies  grosse  und  tiefe  Bassin  zusammen  mit  den 
Bauten  der  Holconier  um  den  Beginn  unserer  Zeitrechnung,  so 
werden  wir  derselben  Zeit  auch  den  guten  und  starken  Signinum- 
fussboden  zuschreiben,  dessen  Reste  in  den  Parodoi  erhalten  sind. 
Denn  zweifellos  setzt  er  die  wieder  erniedrigte  Orchestra  voraus 
und  ist  in  den  Parodoi  an  das  Ziegelwerk  hinan  gearbeitet,  also 
nicht  älter  als  dieses.  Wollten  wir  aber  an  eine  noch  spätere  Zeit 
denken,  nach  Zuschüttung  des  letzten  Bassins,  so  dass  es  auf  der 
diese  deckenden  Incertumschicht  (oben  S.  46)  gelegen  hätte,  so 
wäre  sein  gänzliches  und  spurloses  Verschwinden  aus  der  Orchestra 
unbegreiflich.  Mit  viel  grösserer  Wahrscheinlichkeit  können  wir 
annehmen,  dass  seine  Beseitigung  eben  durch  die  Ausfüllung  des 
Bassins  veranlasst  wurde,  dass  man  beabsichtigte  einen  neuen  Fuss- 
boden  zu  legen,  dies  aber,  sei  es  durch  das  Erdbeben  des  J.  63,  sei 
es  durch  die  Schlusskatastrophe  verhindert  wurde. 

Unsere  bisherigen  Untersuchungen  haben  für  die  ältere  Ge- 
schichte des  Baues,  bis  zum  Beginn  unserer  Zeitrechnung,  nur 
eine  relative  Chronologie  ergeben.  Diese  in  eine  absolute  zu  ver- 
wandeln  ist  leider  nur  in  unvollkommener  Weise  möglich;  aber  es 
fehlt  doch  nicht  ganz  an  Anhaltspunkten. 

Der  wichtigste  Anhaltspunkt  ist  der  bauliche  Charakter  des 
vergrösserten  Zuschauerbaues,  mit  dem  gewölbten  Parodoseingang, 


50  A.    MAU 

in  den  als  Schlussstein  der  Satyrkopf  auz  Tuff  eingefügt  ist,  und 
der  ihm  gleichartigen  Substructionen  der  Crypta.  Die  Art  wie  die 
Gewölbe  gebildet  sind,  im  Parodoseingang  und  in  der  Substruction 
in  der  Achse  des  Baues  (zu  vergleichen  die  Fenster  des  Kellerrau- 
mes im  Tribunal  der  Basilika),  die  Tuffskulptur,  in  der  trotz  der 
schlechten  Erhaltung  ein  gutes  Exemplar  eines  hellenistischen 
Typus  kenntlich  ist,  alles  dies  weist  für  jeden,  der  einige  Erfah- 
rung in  pompejanischer  Architektur  hat,  unwidersprechlich  auf  die 
Tuffperiode,  die  Zeit  zwischen  dem  hannibalischen  und  dem  Bun- 
desgenossenkrieg, die  Zeit  des  Hellenismus  in  Pompeji.  Auch  der 
Stuckpilaster  an  der  Südfront  (S.  7)  ist  ganz  im  Charakter  dieser 
Periode. 

Damit  rückt  der  ursprüngliche  Bau  des  Zuschauerraumes  mit 
einiger  Wahrscheinlichkeit  hinauf  in  die  Zeit  vor  dem  hannibali- 
schen Kriege;  eine  nähere  Bestimmung  ist  wohl  nicht  möglich. 

Auf  die  Vergrösserung  des  Zuschauerraumes  in  der  Tuffpe- 
riode folgte  der  Bau  des  jetzigen  Spielhauses  nicht  unmittelbar, 
sondern  es  lag  eine  Zeit  dazwischen,  in  der  vermutlich  ein  dem 
jetzigen  vorhergehendes  und  von  ihm  verschiedenes  Spielhaus  an 
den  Zuschauerbau  angebaut  war.  Und  wenn  wir  nun  die  Bauart  der 
ältesten  Form  des  Spielhauses  von  der  der  Tuffperiode  ganz  ver- 
schieden, dagegen  zu  der  folgenden,  uns  wohl  bekannten  Baupe- 
riode  Pompeji's,  der  ersten  Zeit  der  römischen  Colonie,  gut  pas- 
send fanden,  so  scheint  zunächst  der  Schluss  unausweichlich,  dass 
eben  damals  das  Spielhaus  in  seiner  ersten  Form,  mit  den  Thüren 
im  Niveau  der  Orchestra,  erbaut  wurde. 

Hier  ergiebt  sich  nun  freilich  die  Schwierigkeit,  dass  dann, 
wie  es  scheint,  die  erste  und  die  zweite  Form  des  Spielhauses 
(erhöhte  Bühne  und  Balkenboden)  übermässig  nahe  zusammen- 
rücken. Die  Bauart  auch  dieser  zweiten  Form,  an  den  Ecken  der 
Vorbauten  vor  den  Thüren  der  Front,  weist  am  ehesten  auf  die 
erste  Zeit  der  Colonie,  oder  doch  auf  republikanische  Zeit.  Ferner 
war  mit  dieser  Form  die  Erhöhung  des  Platzes  hinter  dem  Spiel- 
hause um  etwa  0,50  verbunden  (S.  16).  Und  in  diesem  erhöhten 
Niveau  wurde  das  kleinere  Theater  erbaut,  dessen  Entstehung  in 
den  ersten  Jahren  der  Colonie  vollkommen  feststeht.  In  eben  diese 
Zeit  muss  also,  so  scheint  es,  die  zweite  Form  des  Skenenbaues 
gesetzt  werden.  Und  wenn  nun  auch  vielleicht  diese  Datierung  nicht 


DAS   GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  51 

unbedingt  zwingend  ist  —  die  Bauart  schliesst  spätere  republi- 
kanische Zeit  nicht  aus,  und  es  Hesse  sich  ja  vielleicht  auch  ir- 
gend ein  Vorgang  denken,  durch  den  die  Aufhöhung  hinter  dem 
Spielhause  und  der  Bau  des  kleinen  Theaters  zeitlich  getrennt 
würden  —  so  ist  doch  auch  wieder  zu  bedenken,  dass  bei  späterer 
Datierung  wir  dem  Umbau  der  Holconier,  dessen  Zeit  um  den 
Beginn  unserer  Zeitrechnung  feststeht,  bedenklich  nahe  kommen, 
um  so  bedenklicher  als  der  zweiten  Form  des  Skenenbaues  min- 
destens drei  Formen  der  Orcliestra  parallel  gehen. 

Wenn  wir  alle  diese  Bedenken  bei  Seite  setzen  und  die  erste 
Form  des  Spielhauses,  ihren  baulichen  Charakter  und  ihren  zeit- 
lichen Abstand  von  der  in  der  Tuffperiode  erfolgten  Vergrösserung 
des  Zuschauerbaues  als  Ausgangspunkt  nehmend,  in  sullanische 
Zeit  datieren,  so  fällt  seine  erste  Umgestaltung  (zweite  Form)  in 
die  Zwischenzeit  zwischen  dieser  und  dem  Beginn  unserer  Zeit- 
rechnung, ohne  dass  nähere  Bestimmung  möglich  wäre.  Für  die 
drei  Formen  ergeben  sich  dann  in  runden  Zahlen  etwa  die  Jahre 
80,  40,  1  v.  Chr. 

Gehen  wir  dagegen  von  der  zweiten  Form  aus  und  legen  wir 
mehr  Gewicht  auf  die  eben  entwickelten  Bedenken,  namentlich 
auf  die  anscheinende  Gleichzeitigkeit  der  zweiten  Form  mit  dem 
kleinen  Theater,  so  müssen  wir  mit  der  ersten  Form  in  die  Zeit 
vor  dem  Bundesgenossenkriege,  in  die  Tuffperiode,  hinaufrücken. 
Da  sie  aber  auf  einen  Bau  eben  dieser  Periode  (Vergrösserung 
des  Theatron)  erst  nach  einer  Zwischenzeit  gefolgt  ist,  und  ihre 
Bauart  ganz  den  Charakter  der  folgenden  Periode  zeigt,  so  kann 
es  sich  nur  um  die  allerletzte  Zeit  der  Tuffperiode  handeln :  in 
runden  Zahlen  wären  die  drei  Formen  des  Spielhauses  um  100, 
80,  1  v.  Chr.  entstanden.  Mir  persönlich  wird,  in  Anbetracht  der 
Bauart,  diese  letztere  Datierung  der  ersten  Form  sehr  schwer;  aber 
für  unmöglich  mag  ich  sie  nicht  erklären,  und  die  Bedenken  gegen 
ein  späteres  Datum  sind  gewiss  nicht  minder  gewichtig. 


Wir  sind  am  Ziel  unserer  Untersuchung.  Wenn  auch  einzel- 
nes dunkel  geblieben  ist,  hat  sich  doch  im  Grossen  und  Ganze« 
die  Geschichte  des  Theaters  mit  hinlänglicher  Klarheit  ermitteln 
lassen.  Wir  fassen  sie  kurz  zusammen. 

1.  Vor  oder  zu  Anfang  der  Tuffperiode  (200  v.  Chi'.)    erster 


52  A.    MAU 

Bau.  Wir  kennen  von  ihm  nur  den  Zuschauerbau,  dessen  Flügel 
um  etwa  6,0  kürzer  waren  als  jetzt;  vermutlich  fehlte  auch  die 
ihn  später  oben  umkreisende  Crypta.  Eine  Skene  bestand  wahr- 
scheinlich, vielleicht  an  der  Stelle  der  späteren.  Unbekannt  ist,  ob 
schon  damals  in  der  Orchestra  das  grosse  runde  Bassin  war. 

2.  In  der  Tuffperiode  —  2.  Jh.  v.  Chr.  —  wird  der  Zuschauer- 
bau auf  seinen  jetzigen  Umfang  vergrössert  durch  Verlängerung 
der  Flügel  (Eingangsbogen  mit  Satyrkopf)  und  vermutlich  auch 
durch  Hinzufügung  der  die  summa  cavea  tragenden  Crypta.  Von 
der  Skene  dieser  Zeit  ist  nichts  erhalten.  Auch  jetzt  noch  ist  un- 
bekannt, ob  in  der  Orchestra  das  grosse  runde  Bassin  war. 

3.  Um  100  (oder  erst  um  80?)  v.  Chr.  Bau  des  jetzigen,  an  den 
Zuschauerbau  angelehnten  Skenengebäudes  in  seiner  ältesten  Form 
(S.  7  Fig.  2) :  Front  mit  drei  Thüren  zu  ebener  Erde  zwischen 
schiefwinkligen  Paraskenien;  hinter  ihr  Skenensaal  mit  fünf  Thü- 
ren. In  der  Orchestra  das  grosse  runde,  den  vorderen  Teil  frei  las- 
sende Bassin. 

4.  Um  80  (oder  erst  um  40  ?)  v.  Chr.  Umgestaltung  des  Ske- 
nengebäudes (S.  10  Fig.  3).  Beseitigung  der  Paraskenien.  Erhöhte 
Bühne  in  der  ganzen  Länge  des  Gebäudes,  mit  grossem  Seitenein- 
gängen. Gradlinige  Front  mit  vermutlich  fünf  von  Säulen  einge- 
fassten  Thüren.  Hinter  ihr  auf  einem  Balkenboden  der  ebenfalls 
erhöhte  Skenensaal,  zugänglich  durch  die  allein  offen  gebliebene  Mit- 
telthür  der  Rückseite  und  über  eine  innere  Holztreppe.  Die  Orchestra 
wird  erhöht;  doch  brauchte  die  Erhöhung  nicht  mehr  als  etwa  0,40 
zu  betragen.  In  ihr  das  kleinere  runde  Bassin  und  vielleicht  von  An- 
fang an  gleichzeitig  das  älteste  (nördlichste)  der  drei  länglichen 
Bassins ;  dann  die  beiden  anderen ;  es  ist  zweifelhaft,  ob  neben 
ihnen  das  runde  fortbestand.  Ueber  die  erhöhte  Orchestra  erhob 
sich  die  Bühne  nur  wenig,  etwa  0,70. 

5.  Um  1  v.  Chr.  Bauten  der  Holconier  und  Gleichzeitiges. 
Ziegelbau  der  dreithürigen  Bühnenfront  in  reicher  architektonischer 
Entwickelung,  mit  vor-  und  zurücktretenden  Teilen.  Hinter  ihr  wird 
der  Skenensaal  etwas  niedriger  gelegt,  sein  Balkenboden  entfernt 
und  statt  dessen  der  Unterraum  mit  Trümmern  der  älteren  Fas- 
sade aufgehöht,  .endlich  die  alte  Mittelthür  zugemauert  und  der 
Skenensaal  zugänglich  gemacht  durch  eine  Thür  im  Niveau  seines 
Fussbodens,  die  man  von  aussen   über   eine   die   alte  vermauerte 


DAS   GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  53 

Thür  verdeckende  Rampe  erreichte.  Im  Zuschauerraum  werden  die 
Tuftstufen  durch  Marmorstufen  ersetzt;  über  den  Parodoi  werden 
die  Tribunalia  gebaut  und  die  vermutlich  schadhaft  gewordene 
Crypta  auf  den  alten  Fundamenten  neu  aufgeführt.  Die  Orchestra 
wird  wieder  auf  ihr  altes  Niveau  erniedrigt  und  in  ihr  statt  der 
früheren  Bassins  ein  grosses  und  tiefes  in  der  Mitte  angelegt,  läng- 
lich mit  abgerundeten  Ecken.  Guter  Signinumfussboden  in  Parodoi 
und  Orchestra. 

6.  Noch  später,  in  nicht  näher  bestimmbarer  Zeit  wird  das 
Bassin  zugeschüttet  und  mit  einer  Incertumschicht  überdeckt  und 
der  Fussboden  der  Orchestra  entfernt.  Zur  Legung  eines  neuen 
kam  es  nicht.  Kleine,  flache  Bassins  zur  Abführung  des  Regen- 
wassers. 

Wie  stellt  sich  nun  unser  Theater  zu  der  bekannten  Theater- 
kontroverse? Erst  jetzt  übersehen  wir  hinlänglich  alles  in  Betracht 
kommende,  um  uns  diese  Frage  vorlegen  zu  können.  Es  handelt 
sich  um  die  oben  mit  3  bezeichnete  Form,  die  erste  Form  des 
Skenenbaues  (S.  7  Fig.  2).  Ist  damals  in  der  Orchestra,  vor 
einem  Proskenion  gespielt  worden  (Dörpfeld)  oder  auf  einer  von 
dem  Proskenion  getragenen  Bühne  (Puchstein)  oder  wie  sonst?  Es 
wäre  verwegen,  diese  Frage  von  Pompeji  aus  entscheiden  zu  wollen; 
die  pompejanische  Forschung  wird  sich  hier  den  auf  breiterer 
Grundlage  zu  gewinnenden  Resultaten  fügen  müssen.  Aber  das 
Verhälfcniss  des  pompejanischen  Gebäudes  zu  der  Frage  muss  doch 
kurz  festgestellt  werden.  Wie  würden  wir  uns  entscheiden,  wenn 
es  sich  nur  um  Pompeji  handelte? 

Dass  man  vor  einem  zwischen  den  beiden  die  Orchestraöff- 
nung  einfassenden  Pilastern  (S.  7-9)  oder  auch  zwischen  den  Pa- 
raskenienfronten  sich  erstreckenden  Proskenion,  in  der  Orchestra 
gespielt  hätte,  scheint  mir  sehr  wenig  wahrscheinlich.  Dagegen 
spricht  die  grosse  Breite  (etwa  5  m.)  des  Raumes  zwischen  den 
Paraskenien,  der  dann  keine  andere  Bestimmung  hatte,  als  zwischen 
Frontmauer  und  Proskenion  zu  verschwinden.  Es  scheint  vielmehr 
kaum  vermeidlich,  in  eben  diesem  Räume,  dem  zu  Liebe  der  Saal 
hinter  der  Front  sich  mit  einer  Breite  von  nur  3,80  hat  begnügen 
müssen,  den  Spielplatz  zu  erkennen.  Als  solchen  charakterisirt  ihn 
ausser  seiner  grossen  Breite  auch  seine  Form:  wenn  er  sich  mit 


54  A.    MAU 

schrägen  Seitenwänden  gegen  die  Zuschauer  erweitert,  wie  sollen 
wir  das  anders  verstehen,  als  dass  er  dem  Einblick  von  allen  Seiten 
möglichst  geöffnet  werden  sollte?  Und  endlich:  hier  war  von  der 
folgenden  Periode  an  sicher  der  Spielplatz ;  so  brauchen  wir  keine 
Verlegung  desselben  anzunehmen,  wie  wir  müssten,  wenn  anfangs 
in  der  Orchestra  gespielt  wurde;  diese  zweifellose  Tatsache  giebt 
unserem  Theater  eine  besondere  Wichtigkeit.  Weniger  entscheidend 
ist  das  grosse  Bassin  in  der  Orchestra.  Aber  gesetzt  auch  —  was 
wahrscheinlich  ist  —  dass  damals  nur  dies  Bassin  bestand,  nicht 
noch  ein  zweites  vorn  in  der  Orchestra,  so  dass  für  die  Schauspieler 
vor  dem  Proskenion  ein  materiell  ausreichender,  6  m.  breiter  Bo- 
denstreif frei  blieb;  gesetzt  auch  —  was  nicht  bewiesen  ist  — 
dass  hier  keine  Chöre  auftraten,  so  wird  man  doch  sagen  dürfen : 
wenn  die  Orchestra  Spielplatz  war,  so.  wäre  es  das  natürlichste 
gewesen,  sie  grundsätzlich  frei  zu  halten. 

Versuchen  wir  nun  aber,  in  eben  diesem  Eaume  eine  hohe, 
von  einem  Proskenion  in  der  bezeichneten  Linie  getragene  Bühne 
anzunehmen,  so  stossen  wir  wieder  auf  die  grössten  Schwierigkeiten. 
Die  1,78  breiten  Thüren  der  Frontmauer  können  wir  uns  doch 
nicht  gut  viel  niedriger  als  3  m.  denken ;  dann  aber  konnte  der 
Spielboden  nicht  viel  unter  4  m.  bleiben.  Und  was  soll  uns  in 
solcher  Höhe  eine  5  m.  breite  Bühne?  Wenn  der  Schauspieler  sich 
auch  nur  um  2  m.  vom  Vorderrande  entfernte,  so  sahen  die  Zu- 
schauer der  besten  Plätze,  bis  einschliesslich  der  obersten  Decu- 
rionenstufe,  wenn  sie  in  der  Achse  des  Theaters  sassen,  etwa  noch 
die  obere  Hälfte  seines  Körpers;  sassen  sie  mehr  seitwärts,  so 
sahen  sie  garnichts. 

In  gleicher  Höhe  mit  dem  Spielboden,  wenn  nicht  noch  höher, 
musste  ein  oberer  Saal  hinter  der  Front  liegen.  Wie  war  dieser 
zugänglich ?  Ein  äusserer  Aufgang  war  nicht  vorhanden;  also  innere 
Treppen.  Aber  wo  waren  diese  augebracht?  Wir  möchten  zuerst 
die  grossen  Thüren  —  alle  drei,  oder  ihrer  eine  oder  zwei  —  als 
Zugänge  zu  ihnen  betrachten.  Aber  hier  haben  wir  einen  nur  etwa 
3,80  tiefen  Raum  vor  uns;  und  da  doch  oben  ein  Austrittsraum 
bleiben  musste,  so  war,  auch  wenn  die  Treppe  gleich  an  der  Thür 
begann,  doch  jene  Höhe  auf  einer  Grundfläche  von  kaum  mehr  als 
3  m  zu  ersteigen :  Jeder  sieht,  dass  dies  eine  Hühnerleiter  aber 
keine  Theatertreppe  sein  konnte.  Das  einzig  denkbare   wären,   so 


DAS   GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI  55 

viel  ich  sehe,  zwei  von  den  Thüren  neben  der  Mitte  seitwärts  an 
der  Wand  entlang  gegen  die  Seitenwände,  nach  0  und  W,  ge- 
richtete Treppen.  Die  beiden  kleinen  Thüren  wären  dann  unter 
den  Treppen  durchgegangen.  Aber  es  ist  doch  kaum  denkbar,  dass 
diese  für  die  Bestimmung  des  ganzen  Baues  so  wesentlichen  Truppen 
aus  Holz  gewesen  sein  sollten.  Von  Steintreppen  aber  müssten  wir 
Spuren  finden;  und  selbst  wenn  sie  von  Holz  waren,  so  wären  doch 
sicher  nach  constantem  pompejanischen  Gebrauch  ihre  untersten 
Stufen  aus  Mauerwerk  gewesen  und  müssten  Spuren  hinterlassen 
haben. 

Aber  gesetzt  auch,  es  wäre  doch  so,  dann  war  doch  die  we- 
sentliche Bedeutung  dieses  Unterraumes  die,  dass  er  ein  Treppen- 
raum war.  Und  wozu  dann  alle  die  Thüren,  die  den  nach  vorn, 
durch  die  Frontmauer,  führenden  genau  entsprechen?  Der  ganze 
Grundriss  sagt  mit  unübertrefflicher  Deutlichkeit,  dass  dies  ein 
Durchgangsraum  ist  nicht  nach  oben  sondern  nach  vorn.  Oder  sollen 
da  etwa  nur  die  «  thymelischen  Künstler»  durchgegangen  sein? 
Für  die  war  doch  in  der  Orchestra  mit  dem  grossen  Bassin  kein 
rechter  Platz,  und  es  ist  schwer  zu  glauben,  dass  ihretwegen  dies 
ganze  System  von  Thüren  gemacht  sein  sollte. 

Wenn  der  Hauptraum  oben  war,  so  war  es  doch  merkwürdig, 
dass  man  nicht  auf  den  Gedanken  kam,  ihn  von  aussen  durch  eine 
Treppe  oder  Rampe  oder  deren  zwei  zugänglich  zu  machen,  da 
doch  der  etwa  14  m  breite  Platz  dazu  die  beste  Gelegenheit  bot. 
In  den  späteren  Formen  des  Baues  verfiel  man  bald  auf  diesen 
nahe  liegenden  Ausweg. 

Um  alles  in  Betracht  kommende  zu  erwägen,  müssen  wir  noch 
einen  Blick  auf  die  Rückfassade  des  Baues  werfen.  Wenn  erst  von 
etwa  4,0  aufwärts  der  Hauptraum  war,  so  konnte  das  ganze  Ge- 
bäude nicht  viel  unter  10  m  hoch  sein.  Seine  Wand  ist  aussen 
durch  Pilaster  gegliedert,  deren  Breite  von  0,46  bis  0,60  variirt 
und  nur  an  den  Eckpilastern  auf  0,75  steigt.  Es  ist  also  undenk- 
bar, dass  unter  obiger  Voraussetzung  die  Pilaster  mit  ihrem  Ge- 
bälk bis  an  das  Dach  gereicht  hätten.  Wir  wären  vielmehr  ge- 
zwungen, anzunehmen,  was  ja  auch  an  sich  wahrscheinlicher  ist, 
dass  die  innere  Gliederung  auch  in  der  Fassade  zum  Ausdruck 
kam  und  ein  Gebälk  in  der  Höhe  des  Zwischenbodens  lief,  doch 
wohl  so,  dass  dessen  Fussboden  der  Oberkante  des  Gebälkes  ent- 


56  A.    MAU,    DAS   GROSSE    THEATER    IN    POMPEJI 

sprach.  Dann  also  hätten  wir  in  einer  Höhe  von  etwa  4  m  ein  Ge- 
bälk und  noch  Pilaster  von  Durchmessern  bis  zu  0,75  unterzu- 
bringen ;  die  letzteren  hätten  eine  Höhe  von  etwa  4  1  Durchm. 
gehabt:  ein  Verhältniss  dass  für  diese  Zeit,  namentlich  wenn  es 
sich  um  die  Tuffperiode  handelt  (oben  S.  50  f.),  nicht  eben  wahr- 
scheinlich ist,  aber  doch  nicht  für  unmöglich  erklärt  werden  kann, 
zumal  nur  die  Eckpilaster  Schwierigkeit  machen  und  für  die  an- 
deren sich  ein  wesentlich  schlankeres  Verhältniss  ergiebt.  Wurde 
dagegeu  zu  ebener  Erde  gespielt  und  haben  wir  mit  keinem  Ober- 
raum zu  rechnen,  oder  war  doch  der  Hauptraum  zu  ebener  Erde, 
so  brauchte  dieser  kaum  über  6  m  hoch  zu  sein,  und  wenn  hier 
das  Gebälk  lief,  so  ergeben  sich  Verhältnisse,  die  zwar  für  die 
schmäleren  Pilaster  sehr  schlank,  aber  keineswegs  unmöglich  sind: 
es  ist  leicht,  an  Häusern  der  Tuffperiode  noch  schlankere  Pilaster 
zu  finden.  Diese  Lösung  ist  wahrscheinlicher  als  die  vorige,  aber 
freilich  nicht  in  entscheidender  Weise. 

Alles  dies  mögen  Wahrscheinlichkeitserwägungen  sein,  keine 
Beweise.  Aber  wenn  nun  alle  diese  Erwägungen  für  das  Spiel  in 
dem  Raum  zwischen  den  Paraskenien  sprechen,  aber  gegen  das 
Spiel  auf  einer  in  eben  diesem  Räume  enthaltenen  Bühne,  so  scheint 
nur  übrig  zu  bleiben,  dass  in  diesem  Räume  gespielt  wurde,  aber 
zu  ebener  Erde.  Ein  Proskenion  gab  es  dann  nicht,  es  sei  denn, 
dass  man  irgend  welche  vor  die  scaeuae  frons  gestellte  Decoration 
als  bewegliches  Proskenion  bezeichnen  wollte. 

Wenn  es  sich  nur  um  Pompeji  handelte,  würde  ich  diese 
Lösung  für  so  gut  wie  erwiesen  halten;  und  sie  ist,  soviel  ich 
sehe,  auch  für  andere  Theater  dieses  Typus  —  z.  B.  Athen  I  — 
zulässig.  Aber  freilich  da  ist  noch  mancherlei  zu  bedenken,  was 
ich  denen  überlasse,  die  mit  der  Theaterfrage  vertrauter  sind  als  ich. 

A.  Mau. 


ROSTRA  CAESAR1S  NOCHMALS. 


Nach  dem  was  Mau  hier,  1905  S.  230  ff.  auseinandersetzte, 
steht  die  Priorität  des  Rundbaus  (R)  vor  dem  vorgelegten  Vierecks- 
bau (V)  ausser  Zweifel.  Entscheidend  ist  vor  allem  die  auch  von 
Mau  vorangestellte  Tatsache,  die  0.  Richter  zuerst  ermittelte, 
und  von  der  ich  mich  jüngst  auch  persönlich  überzeugen  konnte, 
dass  die  NW-Ecke  der  Travertinschwelle  von  V  auf  derjenigen 
von  R  eingebettet  ist  (1).  Nicht  minder  gewiss  ist  jedoch,  dass 
die  jetzige  Anordnung  der  bunten  Marmortafeln  nicht,  wie  Mau 
annimmt,  die  ursprüngliche  ist  sondern  eine  spätere,  die,  immer 
noch  dem  Altertum  angehörig,  von  einer  ganz  späten  zu  unter- 
scheiden ist,  die  erst  nach  Aufdeckung  der  Ruine,  im  ersten  Halb 
des  vorigen  Jahrhunderts  ausgeführt  worden  ist. 

Diese  letzte,  moderne  hat  das  Getäfel  und  die  Reste  von  zwei 
Pilastern,  so  wie  man  sie  vorfand,  neu  hintermauert  (2)  und  mit 
grossen  Eisenklammern  befestigt,  die  in  den  Gusskern  eingetrieben 
und  an  den  Plattenräudern  seitlich  oder  oben  verbleit  sind. 

Neben  dieser  findet  sich  eine  andre,  ganz  verschiedene  Art 
der  Befestigung,  die  schon  durch  diese  Verschiedenheit,  und  da- 
durch dass  sie  öfters  verloren  ging  und  nur  Spuren  hinterliess, 
sich  als  antik  zu  erkennen  gibt.  Jede  Volltafel,  und  ebenso  je 
zwei  zur  Einheit  verbundene  Halbtafeln,  haben  nämlich  an  den 
Seiten  unten  Einschnitte,  in  welche  Eisenzapfen  eingreifen,  die  iu 


(')  Auch  die  scharfsinnige  Beobachtung  und  Verwertung  der  Splitter- 
schichten ist,  wenigstens  soweit  sie  den  Travertinsockel  des  Bundes  treffen, 
durchaus  einwandfrei. 

(2)  Ob  neben  dem  augenscheinlich  modernen  Gemäuer  auch  ein  älteres, 
spätantikes  zu  unterscheiden  sei,  wage  ich  nicht  sicher  zu  bestimmen. 


5S  E.    PETERSEN 

den  Ablauf  eingefügt,  hier  und  in  jenen  Einschnitten  gleichzeitig 
vergossen  worden  sind.  Diese  Eisen  haben  sich  am  1.  Ende  der 
Ablaufplatte  r  (über  die  Signierung  nachher!)  erhalten,  wo  die 
Tafeln  rechts  und  links  verloren  gingen.  Natürlich  mussten,  wo 
statt  einer  Volltafel  zwei  Halbtafeln  stehen,  diese  auch  in  der 
Mitte  irgendwie  befestigt  werden;  und  das  ist  meistens,  doch 
nicht  immer,  auch  zu  sehen.  Dass  die  Eisen  von  den  Tafeln 
jedoch  auch  in  die  zwischen  ihnen  stehenden  Pilaster  eingegriffen 
hätten,  ist  nirgends  zu  erkennen. 

Von  dieser  etwas  dürftigen  Befestigung  der  grossen  Tafeln 
mit  den  wenig  tief  in  den  Ablauf  eingelassenen  Eisen,  sticht  auf- 
fällig eine  andre  ab :  Bronzedübel  4  X  1  1/2  cm.  stark,  in  tieferen 
Löchern  vergossen,  von  denen  zwei  noch  am  Platze,  von  andern 
nur  die  Löcher  mit  oder  ohne  Blei  vorhanden  sind.  Sie  sollen, 
wie  mit  Nichols  und  Richter  auch  Mau  meint,  zur  Befestigung 
der  Basis  gedient  haben,  von  der  ein  Fragment  ganz  rechts  am 
Ende  übrig  blieb,  und  die  man  nach  Ausweis  dieses  einzigen 
Stückes  vor  die  Tafeln  aber  unter  die  Pilaster  gelegt  denkt.  An- 
ders jedoch  stellt  sich  die  Sache  auf  einer  Zeichung  dar,  die 
L.  Rossini,  laut  seiner  Unterschrift  im  J.  1843,  von  dem  rechten 
Ende  der  runden  Front  verfertigte,  und  von  der  Lanciani,  ihr  Be- 
sitzer, mir  freundlichst  Kenntnis  zu  nehmen  gestattete,  wofür 
ihm  hier  Dank  gesagt  wird.  Hier  sieht  man  nur  im  unteren  Teil, 
soweit  aber  gut  erhalten,  ausser  dem  Eckpilaster  noch  vier  andre, 
dazwischen  viermal  zwei  Halbtafeln;  aber  nur  unter  den  Pi- 
lastern  liegen  Basen. 

Ist  es  denkbar,  dass  das  Monument  damals  noch  so  gut 
erhalten  war?  Angesichts  des  jetzt  so  verschiedenen  Erhaltungs- 
zustandes drängt  sich  der  Verdacht  auf,  dass,  wie  in  der  Be- 
schreibung Roms  III  in  Worten,  so  hier  in  Zeichnung  eine  Her- 
stellung versucht  worden,  die,  um  das  Fragmentarische  des  Ueber- 
lieferten  anzudeuten,  sich  begnügte  Tafeln  und  Pilaster  oben  abge- 
brochen darzustellen;  und  der  Verdacht  wird  sich  bestätigen. 

Das  Basisfragment  selbst  scheint  zunächst  der  Nichols-Mau- 
sclien  Annahme  einer  durchgehenden  Basis  günstig,  bei  genauerem 
Zusehen  aber  Rossinis  Herstellung  zu  empfehlen.  Reifliche  Er- 
wägung des  gesammten  Tatbestandes  schliesst  jedoch  beide  aus. 
Fasst  man  nur  den  Basisausschnitt,  der  augenscheinlich   gemacht 


ROSTRA    CA.ESA.RIS    NOCHMALS  59 

ist,  die  Tafel  einzufügen,  ins  Auge,  so  findet  man,  dass  das  Stück 
von  der  Tiefe  des  Ausschnitts  noch  jetzt  mit  dem  Bruchrand 
um  3  cm.  weiter  links  reicht,  als  für  den  Pilastervorsprung  und 
die  Ausladung  der  Basis  (2  +  4  cm.)  erforderlich  wäre.  Also,  scheint 
es,  lag  die  Basis  auch  vor  der  Tafel.  Nun  hat  sich  aber  45  mm. 
links  von  dem  Ende  des  Ausschnitts  das  Loch  und  der  Bleiver- 
guss  vom  Plattenende  erhalten ;  also  reichte  die  Tafel  nicht  bis  in 
die  Tiefe  des  Einschnitts,  und  damit  schiebt  sich  auch  der  Pi- 
laster  um  so  viel  weiter  links,  und  nun  braucht  dies  Basisstück 
nicht  mehr  über  den  Pilaster  hinausreichend  gedacht  zu  werden. 
Es  erheben  sich  aber  weiter  gegen  die  ursprüngliche  Zu- 
gehörigkeit der  Basis  ernste  Bedenken.  Nicht  genug,  dass  sie 
nicht  normal  zum  Ablauf  sondern  merklich  verschoben  liegt;  sie 
wird  in  dieser  Lage  unverrückbar  festgehalten  durch  die  auf  ihr 
liegenden  Ziegel  der  Verkleidung,  welche  hier  die  nördliche  Schmal- 
seite der  Rostra  im  Zusammenhang  mit  dem  Bau  des  'Umbilicus' 
erhalten  hat,  und  deren  Hintermauerung  bis  0,40  m.  in  den  Kern 
des  alten  Rostrakörpers  eingreift.  Vor  diesen  Ziegeln  kann  auf 
der  Basis  weder  nach  Ost  noch  nach  Nord  ein  Pilaster  gleich 
denen  des  alten  Rostrabaues  gestanden  haben,  weil  diese  15  cm. 
tief  sind,  vor  den  Ziegeln  aber,  auf  der  Basis  unten  jetzt  nur  etwa 
6  cm.,  einst,  und  höher  hinauf  auch  jetzt  noch,  weniger  Raum 
bleibt.  Wir  erkennen  hier  also  eine  späte  Aenderung,  die  jeden- 
falls an  der  Ecke  auch  auf  die  runde  Front  übergriff.  All  dies 
schlösse  freilich  noch  nicht  aus,  dass  die  Basis  ursprünglich 
wäre,  und  vor  der  genannten  Aenderung  auf  ihr  ein  Pilaster  wie 
die  andern  gestanden  hätte.  Dies  wird  jedoch  durch  folgende 
Tatsachen  ausgeschlossen.  Die  Basis  ruht  auf  zwei  Steinen,  die 
so  wie  jetzt  ursprünglich  gar  nicht  nebeneinander  gelegen  ha- 
ben können :  links  der  in  unregelmässiger  Bruchlinie  endende 
Ablaufstein  K,  rechts  ein  unförmliches  Stück,  das  nur  drei  ebene 
Flächen  hat:  oben,  unten  und  links,  dagegen  vom,  rechts  und 
hinten  zerschlagen  ist.  Marmor  und  Dimensionen,  die  wohl  ge- 
ringer aber  nirgends  grösser  sind,  verbieten,  so  viel  ich  sehe, 
nicht,  ihn  für  einen  Teil  des  ursprünglichen  Abiauls  zu  halten, 
der  an  der  Nordseite  nicht  gefehlt  haben  kann.  Unmöglich  aber 
kann  dieser  Block  so  mit  seiner  ebenen  Fläche  an  die  abgeschla- 
gene des  A"-Blockes  gestossen,  d.  h.   mit  weit  klaffender  Fuge  ge- 


60  E.    PETERSEN 

stossen  haben.  Die  Basis,  die  zum  grösseren  Teil  auf  dem  unförm- 
lichen Block  liegt,  ist  also  erst  bei  Erbauung  der  nördlichen 
Ziegelverkleidung  hingelegt  worden  und  kann  gar  nicht  beanspru- 
chen als  zum  ersten  Kostrabau  zugehörig  angesehen  zu  werden  ;  am 
allerwenigsten,  wenn  ihr  Marmor,  wie  ich  zu  sehen  glaube,  nicht 
griechisch,  jedenfalls  nicht  von  derselben  Qualität  wie  die  Ablaufs- 
blöcke und  die  Splitter  in  den  von  Mau  beobachteten  Schichten, 
ist.  Eine  weitere  Bestätigung  wird  sich  gleich  noch  ergeben. 

Jetzt  müssen  wir  zunächst  zu  den  Bronzedübeln  zurückkehren. 
Dass  sie  bei  der  spätantiken  Wiederaufstellung  des  Getäfels 
nicht  zur  Befestigung  einer  Basis,  wie  Nichols  und  Mau  dachten, 
gehört  haben  können,  geht  unwidersprechlich  daraus  hervor,  dass 
der  achte  und  neunte  von  links  her  gezählt  so  dicht  oder  unmittelbar 
neben  der  Tafel  liegen,  dass  das  Dübelloch  in  die  Basis  an  der 
Kante  eingeschnitten  sein  müsäte  statt,  wie  es  sich  gehört,  in  die 
Mitte. 

Die  Dübel  liegen  ferner  in  gleichmässigen  Abständen  von 
rund  1.10  m.,  wie  es  selbstverständlich  nicht  für  die  Basis,  son- 
dern nur  für  die  Pilaster  zu  geschehen  hatte.  Das  erhellt  am 
besten,  wenn  ich  die  Maasse  von  Mitte  der  Dübellöcher  zu  den 
Mitten  der  spätantiken  Pilasteraufstellung  notiere :  es  liegt  das 
erste  19  cm.  links  davon,  das  zweite  18  cm.,  das  dritte  17,  das 
vierte  15  V«»  das  fünfte  8,  das  sechste  und  siebente  grad  vor  dem 
Pilaster,  das  achte  und  neunte,  wie  schon  gesagt,  rechts  neben 
dem  hinteren  Pilasterteil,  das  zehnte  fehlt  mit  dem  abgehauenen 
Block,  der  nur  1,05  über  das  neunte  hinausreicht.  Es  ist  klar,  dass 
die  Dübel  zu  einer  nur  wenig  andern  Pilasterstellung  gehörten : 
die  Pilaster  selbst  sind,  so  viel  man  an  den  zwei  einzigen  Besten 
sehen  kann,  unverändert  geblieben;  die  Tafeln  aber  sind  wahrschein- 
lich an  den  Seiten  etwas  verkürzt.  Aber  es  sind  sicherlich  die 
Pilaster  selbst  gewesen,  nicht  etwa  untergelegte  Basen,  die  mit 
den  Dübeln  befestigt  wurden.  Das  beweisen  folgende  Dinge: 

1.  die  Stärke  der  Dübel,  die  wenn  alles  von  einer  Hand  wäre, 
in  aulfallendem  Misverhältniss  ständen  zu  den  dünnen  Eisen,  von 
denen  die  grossen,  aufrechten  Tafeln  gehalten  werden ; 

2.  die  tektonische  Logik;  denn  die  Pilaster  und  ihr  jederseits 
um  2  cm.  vortretender  Vorderteil,  der  ebensoweit  vor  den  Tafeln 
vorsprang,  als  der  schmalere  Hinterteil  in  die  Lücke  zwischen  den 


ROSTRA    CAESARIS    NOCHMALS  61 

Tafeln  eingriff,  waren  augenscheinlich  bestimmt,  mit  dem  vorderen 
Teil  die  Tafeln  zu  halten.  Folglich  war  vor  allem  die  Befestigung 
der  Pilaster  selbst  von  Belang;  sie  musste  im  Ablauf,  nicht  in 
einem    dünnen    Zwischenglied    bewerkstelligt    werden.    Das    wird 

3.  durch  das  zwischen  Tafel  IV  und  V  erhaltene  Pilasterstück 
erhärtet,  das  nur  38  cm.  hoch  und  ganz  nach  unten  gerutscht,  sich 
als  Kopfstück  zu  erkennen  gibt.  Denn  auf  der  ebenen  Oberseite, 
in  einer  geringen  von  vorn  nach  hinten  reichenden  Eintiefnng  liegt, 
etwas  zur  rechten  Seite  hin  verschoben,  ein  Dübelloch,  nach  seinen 
Maassen  ziemlich  zu  den  Dübeln  im  Ablauf  passend.  Also  waren  die 
Pilaster  oben  in  dem  aufliegenden  Baugliede  befestigt,  wie  es  um 
so  mehr  nun  auch  in  dem  unteren,  dem  Ablauf  anzunehmen  ist  (1). 

Diese  Argumentation  wird  durch  das  einzige  Basisstück  insofern 
bestätigt,  als  die  glatte  Unterseite  desselben,  die  ich,  weil  das 
Stück  ziemlich  hohl  liegt,  bis  15  cm.  tief  von  vorn  nach  hinten 
mit  dem  Maasstab  abtasten  konnte,  kein  Dübelloch  hat,  so  wenig 
wie  der  unter  ihr  liegende  Stein  rechts.  Sie  hat  aber  auch  oben 
kein  Zapfenloch,  sondern  ist  nur  gerauht.  Sie  hat  also  in  keiner 
Weise  etwas  mit  den  Pilastern  und  den  Dübellöchern  des  Ablaufs 
zu  tun,  sondern  bildet  einen  Teil  des  Eckabschlusses  der  beim  Bau 
des  Umbilicus,  wie  es  scheint,  neu  hergerichteten  runden  Front.  Ob 
man  damals  auch  unter  die  andern  Pilaster  solche  Basen  legte,  ob 
zugleich  auch  noch  vor  die  Tafeln,  was  ja  eine  ganz  unpraktische 
und  sinnwidrige  Aaordnung  gewesen  wäre,  statt  die  Basen  auch 
unter  die  Tafeln  zu  legen,  das  vermögen  wir  nicht  zu  sagen,  weil 
keine  Spuren  davon  vorhanden  sind.  Die  Löcher  mit  Bleiverguss, 
die  regelmässig  unten  an  den  Tafeln  links  und  rechts  vorhanden 
sind,  wären  ein  sehr  ungewöhnliches  Mittel  zur  Befestigung  vorge- 
legter Basenstücke  gewesen,  weil  sie  über  diese  hinausragen,  auch 
sehr   gleichmässige    Grösse  der    Stücke    vorauszusetzen    nötigten. 

Die  Blöcke  des  Ablaufs  hat  man  offenbar  in  ihrem  ursprüngli- 
chen Verbände  gelassen.  Das  zeigt  die  Buchstabenfolge  ihrer  Signie- 

(•)  In  der  spätantiken  Neuaufstelluno:  hat  man,  wie  wir  gesehen,  zunächst 
die  Tafeln  aufgestellt  und  befestigt ;  die  Pilaster  sodann,  für  die  keine  neuen 
Dübellöcher  gemacht  wurden,  in  ziemlich  ruher  Weise  durch  Eisen  festge- 
klemmt, die  man  oben  zwischen  dem  Pilaster  und  den  Tafeln  beiderseits 
eintrieb.  Das  herabgerutschte  Kopfstück  hat  die  zwei  durch  Oxyd  festgeklebten 
Eisen  mit  hinabgenommen  und  noch  neben  sich. 


62  E.    PETERSEN 

rimg  von  r  bis  ÜT,  obgleich  das  Vorhandensein  von  zwei  Blöcken 
zwischen  0  und  K bisher  nicht  erklärt  werden  konnte.  Diese  Signierung, 
die  bei  der  spätantiken  Aufstellung  entweder  gar  nicht  oder  durch 
übel  vorgelegte  Basen  verdeckt  war,  konnte  ursprünglich  unter  den 
Tafeln  liegen,  wenn  man  die  Pilaster  wenigstens  in  der  Mitte  der 
Rundung  bis  hart  an  das  Profil  des  Ablaufs  vortreten  liess.  Das 
Profil  ist  von  ungewöhnlicher  Form  und  mit  grosser  Sorglosigkeit 
gearbeitet.  Die  Rauheit  in-  den  Hohlkehlen  ist  nicht  Folge  der 
Verwitterung  sondern  Meisselarbeit ;  wäre  diese  ursprünglich,  so 
gäbe  sie  uns  keinen  hohen  Begriff  von  der  auf  diesen  Bau  ver- 
wendeten Sorgfalt. 

Da  die  Buchstaben  als  solche  zählen,  nicht  als  Zahlzeichen  nach 
Zehnern,  so  fehlen  vorT,  wenn  doch  die  Täfelung,  wie  billig,  die  ganze 
Rundung  bekleidete,  nicht  nur  AB  sondern  noch  einmal  ein  ganzes 
Alphabet.  Der  Ablauf  würde  damit  nicht  nur  an  der  Süd-  sondern  auch 
über  einen  Teil  der  Westseite  sich  erstreckt  haben.  Wie  weit  aber 
die  Neuaufstellung  der  Tafeln  sich  erstreckte,  vermögen  wir  aus  den 
Buchstaben  nicht  zu  entnehmen.  Da  nur  0,20  m.  von  dem  jetzigen 
Abbruch  des  Ablaufs  das  Eisen  einer  nach  links  sich  erstreckenden 
Tafel  sich  erhielt,  und  diese  doch  wohl  nicht  schmaler  als  die 
nächste  rechts  war,  kann  jener  Abbruch  nicht  die  Grenze  der  Neuauf- 
stellung sein.  Aber  dass  die  vorletzte  noch  nachweisbare  Tafel  nur 
etwa  30  cm.  breit  war,  was  für  Mau  ein  '  Mittelmotiv  '  bedeutete, 
könnte  eher  ein  Vorspiel  des  Endes  sein.  Auch  die  weiterhin  vor 
der  Randung  stehen  gebliebene  Ziegelmauer  verbietet  die  Neuauf- 
stellung bis  hier  gehend  zu  denken.  Was  mit  dieser  bezweckt  wurde 
weiss  ich  nicht  zu  sagen. 

Die  Geschichte  der  Rostra  seit  Caesar  ist  also  kurz  diese:  Caesar 
baute,  Antonius  weihte  die  Rednerbühne  mit  gerundeter  Front.  Als 
solche  musste  sie  natürlich  grössere  Tiefe  haben  als  bis  zu  den 
jetzt  hinten  liegenden  Stufen ;  sie  reichte  soweit  wie  der  Gusskern 
nach  hinten  und  war  hinten  grad,  vielleicht  mit  vorgelegter 
Treppe.  Trajan  war  es  dann  der  die  grosse  Erweiterung  der  Bühne 
nach  Osten  vor  die  runde  Front  legte.  Das  sagen  uns  doch  wohl 
die  Forumsschranken,  die  freilich  aus  den  schweren  Blöcken  nicht 
auf  dem  hohlen,  nur  von  Pfeilern  getragenen  Rostraboden  aufgebaut 
sein  werden,  sondern  auf  den  soliden  Seitenmauern,  wo  sie  auch  nach 
ihrer  klaren,  freilich  immer  noch  nicht  von  allen  verstandenen  Bil- 


ROSTRA   CAESARIS   NOCHMALS  63 

dersprache  allein  ihren  Platz  haben  konnten.  Als  damals  statt  der 
ruuden  Front  eine  grade  beliebt  ward,  wird  man  die  Rundung 
nach  hinten  in  die  Stufen  verlegt  haben,  ob  auch  die  jetzigeu 
nicht  auf  Trajan  zurückgehen.  Wie  der  Anschluss  des  trajanischen 
an  den  caesarischen  Bau  sich  an  den  Seiten  darstellte  vermögen 
wir  nicht  mehr  zu  erkennen,  da  die  nördliche  beim  Bau  des  Umbi- 
licus  verändert  und  später  geplündert  wurde,  und  auch  die  südliche 
schon  beim  Anbau  der  '  Scliola  Xantha  '  ihres  Schmuckes  entkleidet 
war.  Die  grosse  Marmorplatte  und  die  Stufenreste  daselbst  bedeuten 
spätere  Eingriffe.  Die  Täfelung  der  caesarischen  Front  muss,  wenn 
sie  später  wieder  zum  Vorschein  kam,  vom  trajanischen  Architekten 
einfach  in  den  Gusskern  eingeschlossen  worden  sein,  der  bis  an  die  das 
Rund  fast  tangierende  Ziegelmauer  reichte.  Nur  die  Bekrönung  und 
obere  Abdeckung  muss  des  gleichmässigen  Fussbodens  halber,  von  dem 
heute  nichts  übrig  ist,  beseitigt  worden  sein.  So  konnte  allerdings  die 
Lockerung  des  Getäfels  und  die  Notwendigkeit  einer  Neuordnung  her- 
beigeführt werden.  Zu  welchem  Zwecke  das  geschah  und  wie  es  kam, 
dass  der  damals  freigelegte  Teil  des  Rundes  noch  so  viel  von  dem 
alten  Schmuck  behielt,  während  die  südliche  Hälfte  zur  selben  Zeit  im 
Gemäuer  stecken  blieb,  um  bei  späterer  Gelegenheit  völlig  entkleidet 
zu  werden,  das  wird  man  wohl  schwerlich  je  sagen  können. 

Die  am  Constantinsbogen  dargestellten  Rostra  sind  natürlich 
die  trajanischen  mit  grader  Front,  ohne  dass  ihre  rückwärtige 
Ausdehnung  noch  die  alte  zu  sein  brauchte,  und  die  hinter  dem 
Kaiser  und  seinen  Beisitzern  sichtbaren  Säulen  haben  natürlich 
auf  dem  trajanischen  Anbau  gestanden,  den  wir  ja  durch  spätere 
Unterwölbung  solche  Lasten  zu  tragen  fähig  gemacht  sehen. 

Rom,  24.  Mai  1906. 

E.  Petersex. 


DI    UNA    SIMA    IONICA    CON    BASSORILIEVI 

DELL'  ISOLA   DI   CRETA  (1). 

(con  tav.  II). 


Quando  nel  1896  io  andai  per  la  prima  volta  a  studiare  il 
piccolo  ma  giä  allora  importante  Museo  del  Syllogos  di  Candia,  tra 
gli  oggetti  degni  di  particolare  attenzione  notai  alcune  lastre  in 
terracotta  piü  o  meno  frammentarie,  ornate  di  bassorilievi,  e  ne 
coinpresi  subito  il  duplice  valore  cosi  per  la  storia  della  plastica 
corne  per  la  storia  dell'architettura.  Per  la  prima  esse  si  riconnet- 
tono  con  certi  fregi  di  terracotta  rinvenuti  da  lungo  tempo  ed 
anche  recentemente  in  Etruria  e  ci  danno  una  prova  novella  e 
decisiva  della  dipendenza  di  questi  medesimi  da  prototipi  ionici; 
per  la  seconda  esse  vengono  ad  aggiungersi  ai  pochi  documenti 
che  possediarno  di  una  peculiare  forma  architettonica  che  e  rara 
nella  Ionia  stessa,  suo  paese  d'origine. 


(l)  Pubblico  qui  questo  niio  studio  nel  testo  stesso  che  fu  letto  da  mo 
nell'adunanza  dell'Istituto  Arch.  Germ,  del  6  aprile  u.  s.  Tale  pubblicazione 
potrebbe  serabrare  in  contradizione  con  quanto  si  legge  alla  p.  300  del  vol.  XI 
deWAnnual  of  the  British  School  at  Athens,  teste  venuto  alla  luce,  dove  il 
sig.  R.  C.  Bosanquet  annunzia  questo  mio  medesimo  studio  corne  destinato  al 
detto  periodico.  Veramente,  al  fine  di  offrire  agli  studiosi  tutto  ciö  che  poteva 
costituire  un  insieme,  il  mio  scritto  era  stato  da  me  offerto  alla  Scuola  Inglese 
dopo  che  io  aveva  saputo  che  negli  scavi  di  questa  a  Palaekastro  erano  stati 
rinvenuti  altri  frammenti  fittili  della  stessa  serie  di  quelli  giä  da  me  stu- 
diati  e  pronti  per  la  pubblicazione.  Stando  ad  una  lettera,  in  data  12  inarzo 
u.  s.,  de]  sig.  Bosanquet,  che  volentieri  accettava  la  mia  offerta,  esso  avrebbe 
dovuto  essere  accompagnato  ad  un  disegno  del  sig.  F.  Orr,  il  quäle  «would 
appear  in  the  Annual  of  the  British  School  at  Athens,  vol.  XIII,  in  the  spring 
of  1007,  in  the  ordinary  course  ofthingsn.  Ora  invece  tale  pubblicazione  e 
stata  fatta  da  lui  stesso,  senza  che  io  abbia  ricevuto  ne  alcun  avviso  clell'ina- 


L.   SAVIUNONI,    SIMA    IONICA   CON    BASSOKILIEVI  65 

Codesti  frammenti,  quattro  in  tutto,  furono  ricuperati  dal  prof. 
Halbherr  a  Palaekastro  di  Sitia,  nella  parte  Orientale  dell'isola  di 
Creta,  e  da  lui  portati  al  Museo  del  Syllogos.  Egli  stesso  no 
rece  im  breve  cenno,  accompagnato  da  un  piccolo  schizzo  della 
rappresentazione  figurata  ne\V Antiquar y  di  Londra  ('),  ma  ciö 
non  e  bastato  a  far  conoscere  agli  studiosi  gli  oggetti  in  parola, 
che  possono  pertanto  considerarsi,  pei  piü,  corae  inediti,  e  tanto 
meno  valse  a  dare  un'  idea  adeguata  del  loro  pregio  speciale. 
Perciö  io  stimo  di  far  cosa  utile  se  li  tolgo  dall'oblio  e  se  ne  pre- 
sento  qui  alla  tav.  II  le  fotografie  da  nie  fatte  nel  1896,  e  se  vi 
a^siungo  le  considerazioni  suggeritemi  da  tali  oggetti.  Non  tra- 
scurerö  di  premettere  che  la  Direzione  della  scuola  Inglese  di  Atene. 
avendo  teste  eseguito  degli  scavi  nel  luogo  dove  1.'  Halbherr  aveva 
raccolto  le  lastre  in  parola,  vi  ha  trovato,  insieme  con  altri  avanzi 
architettonici,  parecchi  altri  fraramenti  della  medesima  serie ; 
ma  di  questi  non  mi  e  stato  possibile  avere  fotografie  o  notizie 
precise.  Ma  ciö  poco  ci  nuoce,  perche  qui  abbiamo  giä  tutto  l'es- 
seuziale.  Sebbene  le  quattro  lastre,  che  io  presento,  siano  tutte 
frarnmentate,  tuttavia  poco  manca  alla  maggiore  di  esse,  e  quello 
che  vi  manca  puö  facilmente  completarsi  guardando  gli  altri  tre 
pezzi  in  cui  si  ripete  la  stessa  decorazione  eseguita  con  una  me- 
desima forma;  onde  puö  ricostruirsi  per  intero  tutta  la  rappresen- 
tazione figurata  (v.  fig.  1).  Soltanto  e  a  deplorarsi  che  le  figure 
di  uomini  siano  molto  fruste  nella  loro  parte  superiore;  ma  in 
corapenso  sono  quasi  perfettamente  conservate  le  figure  di  animali 


spettato  cambiamento,  ne  alcuna  risposta  a  due  mie  lettcre  contenenti  appunto 
pmposte  di  piü  sollecita  pubblicazione;  e  tuttavia  nel  volume  stesso  si  an- 
nunzia  come  annessa  al  rapporto  inglese  una  mia  discussione,  la  quäle  vice- 
oeversa  non  c'e,  non  per  mia  colpa,  come  ognun  vede!  II  vantaggio  di  una 
tale  anticipazione  puö  ben  misurarsi  da  chi  tenga  presente  che  la  primizia 
della  scoperta  e  della  sua  comunicazione  al  pubblico  fu  data  giä  da  molti 
anni  dal  prof.  F.  Halbherr,  e  che  il  mio  commento,  per  se  staute  e  vera- 
mente  in  nulla  pregiudicato  dal  fatto  suesposto,  e  anteriore,  per  lo  meno, 
alla  data  del  6  aprile  p.  p.  (cfr.  queste  Mitth.  1905,  p.  383;  Kunstchronik, 
1906,  27  aprile,  n.  23,  p.  36t,  dove  il  resoconto  dell'adunanza  sopra  ricordata). 
(')  Marzo  1892,  n.  27,  p.  115  segg.;  «  Researches  in  Crete,  Palaekaslron 
of  Sitia  »  dove  egli  anche  preannunzia  di  giä  l'importanza  del  luogo,  nel 
senso  preistorico,  dimostrata  ora  dalle  scoperte.  Lo  schizzo,  che  rende  tutti 
i  tratti  principali  della  composizione,  e  a  p.  117. 


66 


L.    SAVIGNONI 


in  uno    dei  frammenti    piü   piccoli,  di   guisa   che  se   ue   possono 
apprezzare  tutti  i  particolari  stilistici  ('). 

Poco  e  a  dire  sulla  rappresentazione.  Vedesi  una  biga  tirata 
da  due    cavalli    lanciati  al  galoppo   e    guidati  da   im    auriga  con 


^^-i^—SsJ~-^' 


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Fig.  1. 

cortissiraa  giubba,  fianchi  e  gambe  nude,  chioma  fluente,  il  quäle 
curvato  in  avanti,  regge  con  una  inano  le  briglie,  coll'altra  il 
pungolo ;  intanto  un  oplita  armato  di  elmo,  scudo  e  laucia,  fa  l'atto 

(')  Nel  nostro  disegno,  giä  eseguito  a  solo  contomo  prima  della  pub- 
blicazione  daWAnnual  e  contenente  tutto  l'essenziale  della  composizione,  ho 
tuttavia  stimato  utile  fare  aggiungere  in  linee  punteggiate  quei  pochi  par- 
ticolari che  non  si  vedevano  nei  quattro  soli  pezzi  da  me  conosciuti  e  che 
si  trovano  invece  nel  disegno  edito  nel  voluine  predetto,  dove  nondimeno 
non  mancano  delle  inesattezze,  come  puö  rilevare  chiunque  lo  confronti  colla 
nostra  fig.  1,  e  coi  pezzi  della  tavola  II.  Quest'ultima  poi  credo  che  raostri 
lo  stile  delle  terrecotte  meglio  che  il  disegno  abbellito  della  pubblicazione 
inglese.  Avverto  poi  che  all'elmo  del  secondo  oplita  ho  fatto  dare,  nel  nostro 
disegno,  una  forma  uguale  a  quella  del  primo,  laddove  nel  disegno  inglese 
e  differente  ma,  a  mio  parere,  sospetta. 

Ecco  poi  alcnne  notizie  sui  quattro  frammenti.  A  (tav.  II  n.  l):Lastra 
completa  coi  due  margini  laterali,  ma  guasta  nel  margine  superiore  e   nella 

delle  figure.  Posteriormente  e  con iri u nf ;i  ad  essa  in  basso  e  in  senso 
non  esattamente  orizzontale  una  seconda  lastra,  il  cui  margine  e   ingrossato 


SIMA    10NICA    CON   BASSORILIKVI  67 

di  raontare  sul  carro  tr^nquillamente  col  piede  destro,  e  im  altro 
oplita,  in  tutto  a  lui  somigliantc,  lo  segne  lenfcaniente.  Sotto,  o, 
per  meglio  dire,  se  vi  fosse  prospettiva,  accanto  ai  cavalli  corre  a 
tutta  furia  un  caue  di  forme  snelle.  La  composizione  e  poi  limitata 
in  basso  e  in  alto  da  uno  stretto  listello  e  da  una  cordicella  rilevata, 
in  alto  anche  da  un  kvmatiou  con  foglie  diritte  e  arcnate;  tntti 
elementi  classici  dell'architettura  ionica  arcaica. 

Le  lastre  sono  fatte  di  argilla  grossolana  frammista  a  detriti 
vulcanici,  la  quäle  fu  ingubbiata  esteriormente  con  uno  strato  di 
creta  piü  fina  e  depurata,  e  sopra  questo  furono  applicate  ed  ese- 
guite  a  stampo  ed  a  crudo  le  figure,  colla  medesima  creta.  h  la 
tecnica  consueta  cosi  in  Grecia,  come  in  Etruria. 

II  rilievo  e  molto  basso  e  piatto;  i  contorni  delle  figure  e 
del  carro  furono  stondati  mediante  ritocchi  a  fresco  collo  stecco, 
ed  ugualmente  ritoccate  furono  le  parti  piü  essenziali  dei  qua- 
drupedi,  degli  opliti  e  degli  ornati.  AI  lavoro  dello  stecco  fu  ag- 
giunto  anche  quello  del  pennello ;  alcuni  residui  qua  e  lä  di  colore 
rosso  stanno  ad  attestarci  l'originaria  policromia  (1). 

Ho  giä  ricordato  in  principio  che  lastre  fittili  di  questo  ge- 
liere, pure  di  uso  architettonico,  sono  state  trovate  in  buon  nu- 
mero  in  Italia  e  specialin ente  nell' Etruria.  Le  piü  belle  sono 
alcune  di  Velletri  e  di  Cervetri  ed  inoltre  una  terza  di  prove- 
nienza  ignota  che  sta  ora  nel  Cabinet  des  medailles  a  Parigi. 
Da  poco  ne  possediamo  anche   una   trattazione  generale  fatta  con 


e  rialzato  come  un  dente  (v.  fig.  2).  Alt.  della  prima  m.  0,335,  lungh.  0,64, 
spessore  medio  0,063;  larghezza  della  seconda,  nella  superficie  di  posa,  0,425; 
spessore  ineguale,  cioe  nel  mezzo  del  fianco  sin.  0,08,  del  destro  0,05,  ciö 
che  rivela  una  lieve  pendenza  del  piano  verso  questa  parte. 

B  (tav.  II  n.  2) :  Un  terzo  circa  della  lastra  coi  margini  e  colle  figure 
di  aniraali  quasi  intatte.  Alt.  m.  0,35;  aggetto  del  rilievo  0,016;  manca  per 
frattura  la  lastra  posteriore. 

C  (tav.  II  n.  3):  Frammento  alto  0,27,  largo  0,17;  sotto  il  cane  resta 
la  metä  di  un  buco  circolare  (cliam.  0,055).  Dietro  vi  aderisce  ancora  un 
pezzo  della  seconda  lastra,  per  la  quäle  cfr.  appreso  p.  73  fig.  3. 

D  (non  riprodotto):  Frammento  molto  guasto  della  estremitä  sin,  in 
cui  resta  solo  il  btisto  dei  cavalli.  Alt.  0,25,  lungh.  ftiassima  0,20. 

(')  I  particolari  di  questa  sarehbero  meglio  conservati  nei  pezzi  nuo- 
vameute  rinvenuti;  cfr.  Annual,  1.  c;  p.  es.  gli  episemi  degli  scudi  sono 
dipinti. 


.(53  L.    SAYIGNONI 

molta    diligenza    e    dottrina    dal    niio  arqjco  dott.  Giuseppe  Pel- 

legrini  (x)- 

Tutte  codeste  lastre,  ornate  di  bassorilievi,  appartengono  vi- 
sibilraente  ad  una  medesima  corrente  artistica.  A  parte  la  mag- 
«riore  o  minore  finitezza  della  esecuzione  e  le  differenze  delle  di- 
mensioni,  tutte  preseutano  comuni  caratteri  di  un  peculiare  stile 
arcaico,  ed  anclie  i  soggetti  rappresentati  si  ripetono,  e  appaiono 
derivati  da  im  repertorio  comune.  Sono  processioni,  riunioni  di 
uomini  e  di  dei,  feste  eonvivali,  corse  a  cavallo  o  su  carri,  ed  infine 
anche  partenze  di  guerrieri  per  la  battaglia,  non  dissimili  da  queste 
del  fregio  cretese  (2).  Persino  il  costume  dell'auriga  e  gli  episemi 
de^li  scudi  si  ritrovano  nelle  terrecotte  italiane.  Ho  appena  bi- 
sogno  di  ricordare  che  anche  quest' ultimo  soggetto,  al  pari  degli 
altri,  si  riscontra  non  solo  in  Etruria  e  in  questa  sorta  di  monu- 
menti,  ma  che  e  anzi  uno  dei  tipi  artistici  pifi  antichi  ed  ovvii 
dell'arte  decorativa  in  Grecia,  a  cominciare  dalle  stele  funebri  di 
Micene  (3)  per  venire  giü  ai  vasi  del  Dipylon.  ai  bronzi  dell'Antro 
Ideo  (4),  ai  vasi  dipinti  attici,  corintii  e  ATia  dicendo  (5). 

Nemmeno  ci  mancano  in  Grecia  esempi  di  scene  simili  rile- 
vate  in  terracotta,  non  importa  se  espresse  su  grandi  vasi  invece 
che  su  lastre  piane  come  in  Italia  (d).  Un  maggiore  valore  hanno  nel 
caso  nostro  i  riscontri  che  ci  offrono  i  monumenti  dell'arte  ionica. 
Ricordo  principalmente  un  sarcofago  di  Clazomene,  ora  al  Museo 


(')  In  Studi  e  materiali  di  archeol.  e  num.  pubbl.  da  L.  A.  Milani, 
vol.  I,  p.  87  segg.  ;  per  quelle  di  Velletri  e  di  Cervetri  cfr.  p.  97  segg.  La 
lastra  di  Parigi  in  Gazette  Archeologique,  1883,  tav.  XLIX  (Rayet,  ivi, 
p.  305,  suppone  da  Cuma)  e  Daremberg  et  Saglio,  Dictionnaire,  I,  p.  1636, 
fig.  2205. 

(2)  P.  es.  in  un  fregio  di  Poggio  Buco,  Pellegrini,  1.  c,  p.  92,  fig.  3, 
(non,  a  mio  avviso,  jtrocessione  religiosa);  di  Toscanella,  p.  96,  fig.  4  (cfr. 
anclie  Pottier,  Bull.  corr.  hell.,  1888,  p.  507);  di  Cervetri  p.  98,  fig.  7  e  Suf- 
plem.  ai  Mon.  delVInst.  tav.  I,  an.  1  e  2. 

(3)  Salvo  cbe  qui  il  guerriero  e  giä  sul  carro. 

IM  Halbherr  ed  Orsi,  Äntro  di  Zeus  Ideo,  Atlante,  tav.  XI,  fig.  2  = 
Perrot-Chipiez,  ffist.  de  Vart,  VIII,  fig.  198. 

(s)  Per  il  lipo  e  la  sua  origine  si  puö  confrontare  Pellegrini,  1.  c,  p.  90. 
E  noto  che  da  questo  ha  origine  il  tipo  delle  rappresentazioni  della  partenza 
di  Anfiarao. 

Cfr.  p.  es.  Pottier,  Bull.  corr.  hell,  1888,  p.  492  seg. 


S1MA.    IONICA    CON    HASSORII.I  EVI  69 

Britannico,  dove  sono  dlpinte  partenze  per  la  guerra  e  vivaci  sceDo 
di  battaglia.  (J);  il  fregio  del  Tesauro  dei  Cnidii  a  Delfo  con 
scene  analoghe  (2)  ed  intino  un  bei  frammento  marmoreo  da  Ci- 
zico,  ora  a  Costantiuopoli  (3),  che  ha  una  speciale  importanza  pei- 
le sue  piü  strette  somiglianze  con  la  lastra  fittile  d'  ignota  prove- 
nienza  italiana  che  ho  detto  essere  a  Parigi. 

In  tutti  codesti  monumenti,  del  pari  che  nelle  nostre  lastre 
cretesi,  ricorre  lo  stesso  teina  trattato  con  forme  analoghe  di 
composizione  e  di  stile  (4).  Due  cose  sopratntto  ci  fa  impressione  di 
ritrovare  nel  ricordato  sarcofago  di  Clazomene,  cioe  prima  l'in- 
conseguenza  ingenna  e  tntta  propria  dell'arcaismo,  in  cui  e  cadnto 
il  dipintore  rappresentando,  come  nel  nostro  caso,  i  cavalli  in  cor.<a 
nel  tempo  stesso  che  il  guerriero  sta  montando  sul  carro  tran- 
quillamente  come  se  stessero  fermi  (5);  in  secondo  luogo  i  cani 
che  ugualmente  si  vedono  correre  sotto  i  carri.  Basterebbero  giä 
qnesti  due  particolari,  e  specialmente  il  secondo,  per  collegare 
senz'altro  i  bassorilievi  cretesi  coi  prodotti  dell'arte  ionica. 

I  cani,  che  si  veggono  qui  e  li,  non  sono  un  mero  motivo 
decorativo  per  riempitura  dei  vuoti,  come  tante  volte  si  fece  in- 
ditferentemente  con  ogni  sorta  di  animali,  ma  sono,  come  si  sa, 
una  ligurazione  desunta  dal  fatto.  Sono  cani  da  guerra,  validi  au- 
siliarii  dell'  uomo  per  dare  la  caccia  aH'uomo  sul  campo  di  bat- 
taglia,  precisamente  come  nella  caccia  alla  selvaggina.  Anche 
oggidi  si  adoperano  utilmente  i  cani  in  alcuni  servizi  militari, 
sebbene  diversi  da  quelli  proprii  dell'antichitä.  L'uso  di  essi  nella 
guerra  fu  praticata  da  varii  popoli,  fra  cui  i  Celti,  e,  se  non 
m'  inganno,  se  ne  trova  una  traccia  anche  in  un  insigne  monu- 
mento  romano  (6).  Ma  si  fatto  uso  di  cani  rabbiosi  e  mordaci  era 

(')  Monuments  Piot,  IV,  tavv.  IV-VI,  specialmente  quest' ultima;  cfr. 
Murray,  p.  27  segg. 

f2)  Perrot-Chipiez,  o.  c.  fig,  164  seg. 

(3)  Bull.  corr.  hell.,  1894,  p.  493  (Joubin);  anche  Eoscher,  Lexikon, 
I,  p.   1767.  Simile  in  un  pithos  cretese  trovato  dal  Pernier  a  Prinia. 

(4)  Piccole  varianti  nella  forma  del  carro  o  delle  ruote  ora  a  quatlro 
raggi,  come  a  Creta  ed  a  Micene,  ora  a  piü  raggi,  non  costituiscono  diver- 
genze  essenziali. 

(5)  II  Murray,  1.  c,  p.  37,  non  sapeva  spiegarsi  l'azione. 

(s)  Nel  bassorilievo  della  corazza  indossata  da  Augusto  nella  statua  di 
Primaporta  il  duce  :  omano,  che  riceve  dal  barbaro  le  insegne  di  Roma,  e  ac- 


70  L-    SAVIGNONI 

specialmente  diffuso  ab  antico  nell'Asia  e  noi  sappiamo  pure  che 
essi  furono  utilizzati  in  certe  battaglie  storiche  dai  Magnesii, 
dai  Colofoni  e  da  Aliatte,  re  di  Lidia  (').  Eeco  perche  le  raede- 
sime  bestie  si  veggono  comparire  in  rappresentazioni  guerresche 
prima  dell'arte  Orientale  e  quindi  della  ionica  (2),  donde  poi  pas- 
sarono  anche  nel  carnpo  ideale  della  Gigantomachia  insieme  coi 
leoni  e  con  altre  fiere,  come  si  vede  tanto  in  opere  arcaiclie  (3), 
quanto  nella  grande  Ära  di  Pergamo.  Per  noi  anzi  una  nota  cosi 
caratteristica  puö  talvolta  essere  im  argomento  di  piü,  e  decisivo, 
per  aggiudicar.e  a  quell'arte  certe  opere  che  furono  giä  attribuite 
ad  altra  gente,  come  p.  es.  un  vaso  a  fig.  nere  del  Museo  di 
Berlino,  rino  a  poco  tempo  fa  tenuto  per  etrusco  (4),  ed  anche  i 
famosi  uovi  di  struzzo  rinvenuti  in  una  antichissima  tomba  di 
Viüci,  dove  pervennero  evidentemente  per  le  vie  del  commercio  (5). 


compagnato  da  un  cane,  che  ha  le  stesse  forme  di  quelli  delle  terrecotte  e 
di  altre  rappresentazioni  citate.  Non  e  inutile  ricordare  che  anche  qui  la 
scena  e  in  Asia.  Heibig,  Führer2,  I,  n.  5  penso  ad  un  cane  da  guardia  simile 
a  quello  che  si  vede  accanto  a  Silvano  ;  invece,  seconclo  Amelung,  Sculpt. 
des  Vatic.  Mus.  I,  p.  22  il  guerriero  romano  sarebbe  Marte  e  la  bestia  un  lupo. 

(1)  Cfr.  Cougny  in  Daremberg  et  Saglio,  Dictionnaire,  I,  p.  888,  s.  v. 
cauis;  Pottier,  o.  c,  1892,  p.  250  seg. ;  Reinach,  Revue  des  etudes  grecques, 
1895,  p.  175;  Murray,  1.  c,  p.  29. 

(2)  P.  es.  due  cani  veggonsi  tra  i  combattenti  in  una  coppa  di  Prae- 
neste,  ed  uno  sotto  il  carro  da  guerra  in  un'altra  di  Amathus:  Perrot-Chi- 
piez,  o.  c.  p.  759,  fig.  543  ;  p.  775,  fig.  547.  In  un'anfora  ionica  o  calcidese 
a  Firenze,  Museo  Archeol.  n.  1800,  con  figure  in  assetto  di  guerra  non  manca 
il  cane. 

(3)  P.  es.  in  una  tazza  a  fig.  n.,  Mayer,  Giganten,  tav.  1,1;  e  in  un 
kantharos  ed.  da  Hartwig,  Bull.  corr.  hell.,  1896,  tav.  VII,  1. 

i'i  Gerhard,  Auserl.  Vasenb.,  tav.  CXCIV;  cfr.  Studniczka,  Jahrb.  d. 
InsliL,  V,  1890,  p,  146.  La  presenza  del  cane  di  fronte  all'arciere  e  un  ar- 
gomento di  piü  in  favore  del  suo  giudizio,  che  ignoro  se  ha;  avuto  poi  la 
promessa  dilucidazione.  Anche  qui  rappresentazioni  di  combattimenti  e  di 
partenze  su  carri.  Coll'Aphrodite  con  ali  cfr.  l'Athena  alata  del  vaso  edito  da 
ine,  Rom.  Mitth.,  1897,  p.  307  sgg. 

(5)  Perrot-Chipiez,  o.  c,  III,  p.  855  segg.  fig.  624-8  dove  sono  attri- 
buiti  ai  Penicii;  Furtwängler  (presso  Röscher,  Lexikon,  I,  p.  1761,  s.  v. 
Gryps),  riconosce  il  carattere  schiettamente  greco-ionico  della  decorazione, 
ma  non  osclude  che  cosi  questi  come  la  situla  in  avorio  di  Pania  (Monum.  d. 
Instit.  X.  tav.  XXXVIII)  abbiano  potuto  essere  lavorati  in  Etruria;  Pelle- 
grini,  p.  83,  segg.  li  attribuisce  senz'altro  agli  Etruschi.  Ma  basta    conside- 


SIMA    10NICA    CON    HASSORII.IEVl  71 

Sa  questi  uovi  sono  incisi  e  dipinti  disegni  in  parte  analoghi 
a  quelli  di  cui  ora  ci  occupiarao;  disegui  eseguiti,  a  mio  avviso, 
iioii  da  aitisti  etruschi  o  fenicii,  come  altri  credettero,  uia  da  ar- 
tisti  ionici,  sia  delle  cittä  asiaticlie,  sia  delle  stazioni  greche  nel- 
1'  Egitto  e  nella  Libia. 

E  logico  pertanto  che  alla  medesirna  corrente  artistica  Tioi 
diciamo  appartenere  anche  le  nostre  terrecotte  dell'isola  di  Creta. 
Ed  alla  loro  volta  queste  ci  forniseono,  se  ancora  occorresse,  una 
nuova  prova  lampante  che  le  terrecotte  della  stessa  categoria  rin- 
venute  in  Italia  rientrino  nella  corrente  medesirna. 

Ciö  ha  dovuto  riconoscere  di  giä  il  Pellegrini,  ma  tuttavia 
egli  s'  indngia  ancora  troppo,  a  mio  parere,  ad  attribuire  agli 
arterici  etruschi  una  parte  maggiore  di  quella  che  loro  veramente 
spetta,  fondando  il  suo  giudizio  su  particolari  di  secondaria  im- 
portanza  e  niente  affatto  caratteristici  e  decisivi.  Tutte  codeste 
terrecotte  lianuo  un'impronta  schiettamente  ellenica,  e  questa  spicea 
particolarmente  tanto  negli  esemplari  di  Velletri  e  di  Cervetri, 
quanto  in  quello  di  provenienza  ignota  che  conservasi  a  Parigi  ('). 
Ma  senza  che  vi  sia  l'obbligo  di  ammettere  una  diretta  importa- 
zioue  dalla  Ionia  lontana  od  ariche  dalle  colonie  della  Magna 
Grecia,  vi  e  un'altra  via  che  credo  piü  probabile  e  naturale  per 
prodotti  ceramici  cosi  fatti,  i  quali  come  e  facile  intendere,  piü 
utilmente  si  fabbricano  non  troppo  lungi  dal  posto  dove  si  fanno 
gli  edifici  cui  sono  destinati  a  decorare. 

Io  credo  cioe  sempre,  nonostante  le  denegazioni  di  alcuni,  che 
in  principio  non  solo  mercanti  ma  anche  arterici  greci  siano  ve- 
nuti  in  Etruria,  particolarmente  a  Caere  ed  a  Tarquinii,  e  vi  ab- 


rare  che  cotesti  uovi  dovettero  necessariamente  essere  iinportati  dall'Africa  o 
clairAsia  e  che  e  cosa  affatto  arbitraria  e  innaturale  il  pensare  che  siano  ginnt  i 
qua  lisci  per  essere  poi  decorati  da  Etruschi  con  rappresentazioni  complc- 
tamente  greche.  Lo  stesso  vale  per  la  situla  di  Pania,  dov'e  pure  un  soggetto 
analogo  al  nostro,  da  Heibig  e  Perrot  giudicata  fenicia,  da  Milani  e  Pelle- 
grini (p.  90,  nota  7)  etrusca,  da  Dümmler  [Jahrbuch  d.  Instit.,  1887,  p.  Ol)  e 
da  Böhlau  [Ion.  u.  Ital,  Nekropolen,  p.  119)  greca.  Come  i  vasi  dipinti, 
anche  queste  opere  giungevano  in  Italia  pronte  e  complete  si  nella  materia 
che  nella  forma. 

(l)  Per  quei  di  Cervetri  cfr.  anche  Dümmler,  Athen.  Mitth.,  1896,  p.  235, 
nota. 


72  L.    SAVIGKONI 

biano  lavorato  per  gli  Etruschi,  divenendo  in  pari  tempo  loro 
maestri  cosi  per  questo  come  per  altri  rami  dell'arte  (l).  Tale 
opinione,  che  ebbi  giä  occasioue  di  accentuare  quando  pubblicai 
il  sarcofago  di  Caere  che  e  nel  Museo  di  Villa  Giulia,  e  bene 
fondata  cosi  sul  carattere  stilistico  di  molte  delle  piü  antiche 
opere  che  si  vanno  discoprendo  in  Italia,  come  pure  sui  cenni 
della  tradizione  scritta  e  Bulla  nostra  couoscenza  del  continuo  via- 
vai  dei  Greci,  sia  dalla  bassa  Italia  sia  dalla  madrepatria,  sul  1  e 
coste  tirrene  ed  anche  a  Koma,  donde  veniva  loro  l'invito  a  lauti 
guadagni  (2).  E  per  questo  che  Vitruvio  non  sapeva  distinguere  le 
terrecotte  e  pitture  di  Damotilo  e  Gorgaso,  artisti  greci  chiamati 
a  Roma,  da  quelle  tuscaniche  che  si  vedevano  nella  stessa  cittä  (3). 

Nessuno  nega  che  pure  gli  Etruschi  divennero  ottimi  ed 
anche  famosi  artetici  nell'arte  della  terracotta;  ma  prima  di  tutto 
bisogna  vedere  quando  ciö  avvenne;  e  in  secondo  luogo  e  chiaro 
che  anche  in  questa,  come  in  tante  altre  cose,  si  tratta  piü  spesso 
di  manifattura  che  di  arte,  e  in  ogni  caso  di  un'arte  non  origi- 
nale ma  d'  imprestito,  la  cui  fönte  pura  e  fresca  era  presso  le  sponde 
orientali  dell'Egeo.  Allo  spirito  della  storia  importa  molto  la  genesi 
dei  fatti  prima  che  i  fatti  stessi. 

Quauto  ho  detto  riceve  una  conferma  dalle  medesime  lastre 
cleH'isola  di  Creta  a  causa  dell'uso  cui  furono  una  volta  destinate. 
La  loro  costrnzione  ci  prova  che  esse  non  erano  inchiodate,  come 
al  solito,  nella  trabeazione  di  un  edificio  per  formarvi  un  fregio, 
ma  che  occupavano  ivi  un  altro  posto. 

Osserviamo  la  lastra  piü  grande  ed  un  altro  dei  frammenti 
ov'e  meglio  conservata  anche  la  parte  posteriore.  Dietro  la  lastra 
grande  (fig.  2),  in  basso,  e  attaccata  in  senso  quasi  orizzon- 
tale  (non  perfettamente,  essendo  1'  angolo  un  poco  obliquo)  una 
seconda  lastra  larga    centimetri    42  l/a  •    Come    si    vede    dal   di- 

(')  Anche  Pellegrini,  p.  118,  pensa  a  Caere  come  uno  dei  centri  di 
fabbricazione  tanto  di  queste  come  di  altre  opere  fittili,  da  lui  tuttavia  attri- 
buite  agli  Etruschi. 

(2)  Cfr.  Mon.  Lincei,  VIII,  p.  536  segg. 

(3)  Vitruv.,  de  arch.,  III,  3,5:  «  ornanturque  signis  fictililus  aut  ae- 
reis  inauratis  earum  (aedium)  fastif/ia  tuscanico  more,  uti  est  ad  Cir- 
cum  Maximum  Cereris  et  Herculis  Pompeiani,  item  Gapitolii  ».  Cfr.  invece 
Plinio,  N.  II.  XXXV,  154. 


SIMA    IONICA    CON    BASSORIMEVI  73 

segno  eseguito  da  fotograrla,  questa  seconda  lastra  presenta  l'orlo 
rialzato  corne  im  dente,  ed  inoltre  essa  e  alquanto  concava  nel 
mezzo  con  una  leggiera  inclinazione  verso  una  parte.  Durique  ab- 
biamo  una  fronte  ed  im  piano  di  posa,  ed  e  facile  capire  che 
questo  secondo  doveva  adagiarsi  sul  margine  del  tetto;  con  che  si 
spiega  tanto  quel  dente  destinato  a  servire  da   presa    alle   tegole 


t 


■*LL-&iü&_uj>:  -u*«bfa.<ao>  »Hü  tfLdutmj&iM« 


Wg.  2-  Fig.  3. 

che  vi  si  sovrapponevano,  quanto  la  concavitä  e  l'inclinazione  desti- 
nato a  facilitare  il  deflnsso  dell'acqua  piovaua. 

La  riprova  si  ha  nella  esistenza  di  im  buco  circolare.  con- 
servato  per  metä  (frammento  a  destra  nella  tav.  II  n.  2,  sotto 
la  figura  del  cane)  che  era  destinato  evidentemente  a  far  scolare 
fuori  l'acqua  in  modo  analogo,  sebbene  ancora  troppo  semplico, 
dei  cannelli  e  mascheroni  nelle  grondaie  piü  perfette. 

Va  poi  notato  che  questo  frammento  (di  cui  presento  la  ve- 
duta  del  margine  sinistro  quasi  intatto  alla  fig.  3)  era  un  pezzo 
di  angolo  di  uno  dei  lati  maggiori  dell'edificio,  come  e  provato 
dalla  sua  particolare  struttura. 

Infatti  da  questa  parte,  presso  l'angolo  di  congiunzione  delle 
due  lastre,  vi  e  un  rialzo  od  una  gobba,  che  dir  si  voglia,  e  un  po' 
piü  in  dentro  e  una  seconda  gobba  alquanto  piü  bassa,  e  poi  fra 
l'una  e  l'altra  e  un  leggiero  incavo  in  cui  doveva  far  presa  un 
altro  oggetto,  cioe,  a  mio  avviso,  la  lastra  angolare  del  lato  mi- 
nore adiacente,  sul  quäle,  come  vedremo,  doveva  continuare  la  stessa 
linea  dei  lati  maggiori. 

Essendo  questo  pezzo  destinato  a  poggiare  sul  priucipio  del 
piano  inclinato  del  timpano,  il  suo  piano  di  posa   forma   qui   an 


74  L.    SAVIGNOM 

angolo  molto  maggiore  che  quello  della  prima  lastra,  cioe  di  quasi 

15  gradi  (l)- 

Insomma  questi  frammenti  facevano  parte  di  una  specie  di 
sima.  Non  era  perö  una  sima  della  forma  piü  usitata,  a  linee  fra- 
stadiate  od  a  trafori  e  coi  soliti  ornamenti  a  fiorami,  ma  essa  co- 
stituiva  come  una  balaustrata  o  un  parapetto  a  linea  orizzontale 
che  correva  attorno  a  tutto  il  tetto,  anche  al  disopra  dei  frontoni  (2). 

Essa  era  relativamente  alta  (cent.  35),  e  munita  di  goccio- 
latoi  solo  negli  angoli,  come  sembra.  Quäle  dovesse  essere  il  suo 
aspetto  noi  possiamo  immaginarcelo  guardando  il  famoso  sarco- 
fao-o  di  Sidone  detto  «  des  Pleureuses  »  direi  piü  propriamente 
delle  Addolorate  (3). 

Questo  (flg.  4)  ci  rappresenta  un  edificio  ionico  coronato  da  un 
finale  analogo  a  foggia  di  balaustrata  adorna  di  bassorilievi :  nei  due 
lati  lunghi  si  ripete  esattamente  il  corteo  funebre,  nei  lati  brevi  si 
ripetono  pure  quasi  esattamente  delle  figure  in  mesti  atteggiamenti. 
Noq  possediamo  finora  altro  esempio  che  ci  mostri  codesto  membro 
architettonico  messo  in  opera;  e  certo  perö  che  esso  e  non  una 
aggiunta  capricciosa  dello  scultore,  ma  l'imitazione  di  un  elemento 
tradizionale  dell'architettura  vera,  per  la  quäle  l'artista  non  merita 
certo  le  censure  che  alcuno  volle  fargli  (4).  La  prova  piü  cospicua 
e  piü  antica  ci  e  fornita,  come  si  sa,  dal  tempio  di  Artemide  in  Efeso. 
Giä  prima  della  scoperta  del  sarcofago,  il  Murray  sagacemente 
era  riuscito  a  ricomporre  con  varii  frammenti  una  sima  di  tal 
sorta,  adorna  di  bassorilievi  con  soggetti  diversi,  fra  cui  si  no- 
tano  anche  dei  guerrieri  a  piedi  e  su  carri  che  ricordano  le  ter- 
recotte  cretesi  (5). 

(')  Altre  sezioni  delle  lastre  possono  vedersi  ora  neWAnnual  citato, 
1>    302,  fig.  19. 

{-)  Queste  conclusioni,  cui  io  era  pervennto  per  mezzo  dei  soli  pezzi 
da  nie  conosciuti,  sono  ora  confermate  dalla  scoperta  di  un  pezzo  speciale 
con  due  soli  opliti,  ancora  inedito,  che  dicesi  costrutto  in  guisa  da  poterc 
sovrapporsi    all'apice    del  frontone.  Cfr.  Annual,  p.  301. 

(;)  Eamdy-Bey  et  Th.  Reinach,  Une  ne'cropole  royale  ä  Sidon,  tav.  VI, 

I,  (donde  la  nostra  figura),  cfr.  p.  238  segg.  Veggasi  la  sezione  in  Jahrb.  d. 
Inst.  1894,  p.  237,  fig.  10. 

(4j  Cfr.  Une  necropole  royale  ä  Sidon,  p.  246. 

(sj  Murray,  Journal  of  Hell.  Studies.  p.  1  segg.,  figg.  1    e    2.  Cfr.    A. 

II.  Smith,  Oatalogue  of  Sculpture,  p.  30  segg.,  nn.  46  segg.    II    ravvicina- 


SIMA    IONICA    CON    BASSORILIEVI  75 

E  le  terrecotte  cretesi  sono  appnuto  il  secondo  esempio  che 
provenga  da  un  editicio  conosciuto. 

II  trovare  in  Creta  insieme  con  un  tipo  plastico  anche  una 
forma  architettonica,  che  sembra  propria  della  Ionia,  si  puö  bene 


Ji-    4. 


spiegare  col  fatto  generale  della  grande  espansione  deH'influenza 
ionica  non  solo  nelle  isole  e  nel  continente  della  Grecia,  ma  al- 
tresi  in  tutte  le  regioni  bagnate  dal  Mediterraneo ;  tuttavia  per 
questo  caso  speciale,  il  legame  ci  e  indicato  meglio  da  un  fatto 
piü  eloquente,  questo  cioe,  che  proprio  delTArtemision  di  Efeso 
furono  costruttori  due  architetti  cretesi,  Chersiphron  e  Metagenes 
di  Cnossos.  Nessuna  raeraviglia  che  una  forma  adibita  nel  tempio 
asiatico  (sia  essa  originaria  dell'Asia  o  di  Creta)  si  ripeta  nella 
loro  isola  natia,  in  un  editicio  press'a  poco  contemporaneo. 


mento  del  parapetto  di  Efeso  con  quello  del  sarcofago  fu  fatto   primamentc 
dal  Petersen;  cfr.  Rom.  Mitth..  VIII,  1893,  p.  100. 


76  L-    SA.VIGNOM 

E  questo  era  il  ternpio,  pur  esso  insigne,  di  Zeus  Diktaeos, 
corae  e  diinostrato  dalla  scoperta  ivi  fatta  di  una  iscrizione  con- 
tenente  un  inno  a  questa  divinitä  ('). 

L'origine  di  codesta  specie  di  sima  io  credo  che  debba  ricer- 
carsi  nell'uso,  tuttavia  vigente  nei  paesi  caldi  dell'Oriente,  di  ter- 
minare  le  case  con  una  copertura  orizzontale  anziehe  a  tetto  incli- 
nato,  la  quäle,  divenendo  una  terrazza,  richiede  appunto  un  para- 
petto  od  una  balaustrata. 

I  citati  esempi  dell'architettura  ionica  potrebbero  dirsi  corne 
un  compromesso  od  uua  combinazione  del  sistema  a  tetto  con 
quello  della  terrazza  spianata. 

Dato  lo  stato  di  rovina  degli  edifici  ionici  che  si  conoscono, 
noi  non  siamo  in  grado  di  sapere  quanto  favore  abbia  goduto  nel- 
l'antichitä  codesta  specie  di  sima.  Tuttavia  serubra  ch'essa  fosse 
nieno  rara  di  quanto  si  potrebbe  supporre.  Infatti  giä  da  qualche 
anno  si  conosce  un'altra  lastra  di  terracotta  (proveniente  dal  mer- 
cato  di  Smirne  e  perciö  senza  dubbio  da  un  edificio  greco  del- 
l'Asia  Minore)  la  quäle  faceva  parte  di  una  sima  foggiata  simil- 
mente  come  un  piano  tutto  unito,  decorato  a  bassorilievo  con 
Grifoni  di  tipo  ionico  arcaico  (2).  Anche  una  lastra  frammentaria 
del  Museo  di  Capua,  in  cui  e.rilevata  una  Sirena,  pur  essa  di 
tipo  ionico  arcaico,  fu  adibita  una  volta  nel  medesimo  modo  (3); 
e  di  questo  si  ha  forse  un  altro  esempio  nei  frammenti  di  una 
sima  di  Neandria  ornata  a  rilievo  con  animali  correnti  e  terminata 
dalla  Corona  Orientale  di  merli  dentati  che  opportunamente  rom- 
pono  la  monotonia  della  linea  orizzontale,  come  in  origine  si  era 
fatto  anche  nella  balaustrata  del  sareofago  di  Sidone  (*). 

(M  Cfr.  Annual,  XI,  p.  298,  e  Journal  of  Hell  St.,  1904,  p.  lvi  seg. 
L'iscrizione,  ancora  inedita,  comincia  colla  invoeazione:  'l<b  tusyiars  KoVqs 
XCUQS   '""    Kq6vhe. 

(*)  Furtwängler,  Münch.  Sitzungsber.,  1897,  p.  136,  tav.  IX. 

(3)  Minervini,  Terrecotte  del  Museo  Campano,  2a  categ.,  tav.  XI;  cfr. 
Furtwängler,  Meisterwerke,  p.  254,  nota  1. 

(4)  Koldewey,  Neandria,  p.  48.  fig.  68,  A.  I  merli  dentati  veggonsi  p. 
is.  nella  tomba  frigia  citata  sotto.  Forse  questo  di  Neandria  ne  e  il  primo 
esempio  greco.  Sul  margine  della  sima  del  sareofago  sono  dei  buchi  in  cni 
erano  immessi  oggetti  d'ornamento,  forse  dei  vasi.  Ancbe  sopra  qualcuno  dei 
nuovi  frammenti  di  Palaekastro  e  im  bueo  per  inserirvi.  a  quanto  si  dice, 
un'aquila,  tuttavia,  come  sembra,  solo  negli  angoli  a  gnisa  di  acroterio. 


SIMA.    IONICA    CON    HASSORIUEVI  77 

E  non  altro  che  una  Variante  di  questo  stesso  principio  for- 
mano  alcune  figure  isolate  di  guerrieri  in  pose  variate  si  da  com- 
porre  insieme  im  combattimento,  che  erano  collocate  sui  declivi 
del  timpano  di  un  arcaico  edificio  di  Caere:  la  differenza  sta  in 
ciö  che  qui  fu  soppresso  il  fondo  e  cosi  le  singole  figure  spicca- 
vano  coi  contorni  liberi  sull'azzurro  del  cielo  come  avveniva  degli 
ornanienti  nelle  sime  fatte  a  traforo,  nelle  antefisse  e  negli  acro- 
terii  (')• 

Non  mancano  poi  le  imitazioni  in  opere  di  altro  genere  ispi- 
rate  all'architettura.  Oitre  all'  esempio  giä  citato  del  sarcofago  di 
Sidone  noi  abbiamo  delle  stele  attiche  rilevate  a  foggia  di  terapietto 
con  un  timpano  sorraontato  da  un'alta  sima,  che  talvolta  e  divisa 
in  due  ed  e  inclinata  parallelamente  ai  lati  del  timpano  (2),  tal'altra 
invece  riproduce  in  un  solo  listone  unito  e  orizzontale  la  forma 
caratteristica  della  balaustrata  ionica,  che  appunto  nella  facciata 
fa  una  maggiore  impressione  (3). 

A  togliere  ogni  dubbio,  che  questo  finale  sia  deliberataraente 
voluto  dagli  scultori  delle  stele,  e  non  giä  determinato  dalla  na- 
turale riquadratura  delle  medesime;  che  in  altri  termini  sia  una 
specie  di  attico,  presento  qui  (fig.  5)  la  parte  superiore  di  una  stela 
proveniente  dal  Dictynnaeon  in  Creta  e  giä  da  me  pubblicata  nei 
Monumenii  dei  Liacei  (4).  Qui  l'attico  e  chiaro  non  solo  per  la 
sua  altezza  e  per  gli  acroterii  che  l'adornavano,  ma  anche  perche 
gli  spazi  sovrastanti  ai  lati  obliqui  del  timpano  non  sono  lasciati 
lisci,  come  nelle  ricordate  stele  attiche,  ma  sono  decorate  con  bas- 
sorilievi,  come  abbiamo  veduto  essere  anche  nel   sarcofago  di  Si- 

(')  Cfr.  Furtwängler,  1.  c.  nota  2:  una  flgura  in  Catal.  de  la  Col- 
lection  Castellani,  tav.  IX,  cfr.  ivi,  im.  488-498;  Petersen,  Rom.  Mitth. 
1893,  p.  100  seg.  Pellegrini,  1.  c.  p.  98,  nota  31.  Sono  parte  a  Berlino,  parte 
a  Copenaghen.  Nel  Museo  di  Villa  Giulia  e  un  bell'acroterio  inedito  con  due 
combattenti  in  alto  rilievo  policromo,  di  tipo  greco  arcaico,  proveniente  dal 
tempio  di  Mercurio  a  Falerii.  Pellegrini,  1.  c.  nota  2.  fa  cenno  di  framinenti 
di  rilievi  da  Poggio  Buco  che  apparterrebbero  alla  decorazione  esterna  del 
tempio,  ma  non  si  sa  di  quäl  parte. 

(2)  Cfr.  Collection  Barracco,  tav.  51. 

(3)  Conze,  Grubreliefs,  tav.  XV  e  XXIX.  Cfr.  Une  ne'cropole  royale 
p.  246  seg.  Veggasi  anche  la  facciata  della  tomba  frigia  di  Ayazinn,  Perrot- 
Chipiez,  o.  c,  p.  139,  fig,  92. 

(4)  Vol.  XL  p.  301,  fig.  9. 


78 


L.    SAVIGNONI 


done  (')•  Questa  lastra  contiene  in  basso  una  lunga  iscrizione,  che 
a  causa  della  erosione  e  difficilissima  a  leggersi,  tuttavia  si  e  po- 
tuto  desumere  che  e  un  trattato  tra  Polyrhenion  e  Phalasarna,  due 
cittä  della  Creta  occidentale,   fatto  coH'intervento  di  Cleoniino  in- 


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Fi sr.  5. 


viato  di  Sparta,  sieche  la  stela  appartiene  alla  prima  metä  del  III  sec. 
a.  Cr.  Le  due  cittä  sono  rappresentate  dalle  rispettive  deitä  tutelari, 
Polyrhenion  da  Dictynna-Artemis,  Phalasarna  da  Aphrodite  Ma- 
rina, che  si  stringono  la  mano  in  segno  del  patto  giurato.  I  bas- 
sorilievi  dell'attico,  ugualmente  che  la  capra  selvatica  e  l'albero 
posto  accanto  a  Dictynna,  sono  imrnagini  allusive  al  carattere  di 
questa  dea  delle  selve  e  della  caccia,  che  godeva  una  particolare  ve- 
nerazione  in  Creta. 

Una  ulteriore  reminiscenza  della  medesima  forma  architetto- 
nica,  io  credo  di  ritrovare  anche  in  quei  monumenti  funebri  della 
Licia  che  hanno  un  coperchio  a  struttura  ogivale,  quali  la  tomba 


(')  Cfr.  anche  il  frammento  della  parte  superiore  di  una  stelal?)  di  Oinoe, 
Bull.  Corr.  HM.  1893,  p.  199  seg.,  dove  pure  e  rilevata  sul  pendio  di  an 
timpan'i  una  leonessa  divorante  un  uccello. 


SIMA    IONICA    CON    BASSORILIEVI  79 

di  Payava,  che  sta  ora  al  Museo  Britannico  ('),  e  il  sarcofago  di 
Dereimis  ed  Aischylos,  ora  a  Vienna  (2).  Non  solo  le  protorui  di 
leoni  che  sporgono  ai  quattro  angoli  del  coperchio,  senza  che  vi 
abbiano  alcuna  fnnzione  organica,  sono  imitate  dalle  groodaie  (:1), 
ma  anche  i  sovrastanti  bassorilievi  con  carri  correnti  (si  badi  anche 
al  soggetto  tradizionale)  sono  per  me  una  imitazione  servile  e  male 
appropriata  del  fregio  combinato  colle  grondaie ;  imitazione,  che 
in  questo  caso  e  in  contrasto  colla  superficie  cnrva  del  coperchio 
che.  sfngge  all'occhio  di  chi  la  guardi  dal  basso.  Ciö  tanto  e  vero  che 
piü  tardi  lo  scnltore  greco  del  sarcofago  licio,  trovato  a  Sidone  in- 
sieme  con  quello  delle  Addolorate,  sopprime  quella  decorazione  nel 
coperchio,  che  cosi  rimane  liscio,  pur  lasciandovi  snssistere  le  pro- 
tomi  leonine  (4).  E  qui  aggiungerei  che  forse  anche  la  decora- 
zione con  figure,  la  quäle  gira  attorno  a  tutti  quattro  i  lati  della 
grossa  trave  maestra  rettangolare,  impostata  sul  culmine  acuto  dei 
coperchi  stessi,  ha  avuto  l'ispirazione  dalla  medesima  fönte. 

Parlando  dei  sarcofagi  di  Sidone,  il  Petersen  (5)  propose  di 
riconoscere,  nella  balaustrata  del  sarcofago  delle  Addolorate,  im  pre- 
cedente  di  quel  listone  adorno  di  rilievi,  che  forma  quasi  un  fron- 
tale, tra  due  maschere  od  altri  ornati  di  angolo,  nei  coperchi  di 
alcuni  sarcofagi  romani.  Ciö  mi  sembra  ormai  piü  che  probabile, 
sia  perche  quegli  ornati  di  angolo  richiamano  gli  acroterii  degli 
edificii,  sia  anche  perche,  cosi  qui  come  nel  sarcofago  di  Sidone, 
si  vede  di  solito  mantenuta  nel  cielo  del  coperchio  la  doppia  pen- 
denza  a  tetto. 

Ma  ben  altre  remini scenze  io  credo  che  possiamo  ritrovarne 
nella  stessa  architettura  romana.  Cioe  io  propongo  a  chi  e  piü  com- 

(')  A.  H.  Smith,  Catalotjue  of  sculpture,  n.  950,  tavv.  V-VI. ;  Benndorf, 
Trysa,  p.  60,  fig.  40. 

(2)  Benndorf,  o.  c,  p.  226  segg.,  tavv.  I-II. 

(3)  Nel  sarcofago  simile  di  Merehi  (A.  H.  Smith,  Catalogue,  n.  951, 
tav.  XIII;  Benndorf,  1.  c,  fig.  41)  al  posto  delle  protomi  suddette,  si  vede 
in  uno  dei  lati  una  Chimera,  nell'altro  una  pantcra  (Benndorf,  p.  64,  credette 
un  leone),  che  non  hannu  alcun  rapporto  colla  quadriga.  Io  credo  che  anche  qui 
si  tratti  di  una  ulteriore  e  malintesa  manifestazione  di  quella  tendenza  che 
prima  aveva  trasformato  le  inerti  bozze  del  coperchio  in  animate  protomi  leonine. 

(4)  Une  necropole  royale,  p.  209,  tav.  XII;  Collignon,  Sculpture  grecque, 
II,  p.  400,  fig.  211. 

(s)  Rom.  Mitth.,  VIII,  1893.  p.  100. 


80  L.    SAVIGNONI 

potente  di  me  il  quesito,  se  in  codesta  peculiarita  della  architettura 
ionica  si  possa  rintraceiare  l'origine  (per  quanto  io  sappia  non 
aucora  spiegata)  di  una  cosa  assai  importante ;  intendo  dire  del- 
l'attico  che  nell'architettura  romana  ebbe  tanta  parte  e  tanto  svi- 
luppo.  ßicordo  come  esempio  soltanto  il  tempio  di  Giove  Statore  che 
si  vede  figurato  nel  noto  rilievo  degli  Haterii  (x).  Aggiungo  poi  che 
le  statue  di  divinitä,  che  im  noto  rilievo  ci  mostra  scaglionate  sulla 
duplice  chiaa  del  frontone  del  tempio  di  Giove  Capitolino,  si  spie- 
gano  nel  miglior  modo,  se  si  pongano  in  relazione  colla  decora- 
zione  che  abbiamo  veduto  essere  richiesta  da  quel  principio  archi- 
tettonico;  con  questa  riserva  che  im  artista  greco  facilmente 
avrebbe  evitato  il  doppio  errore  contro  l'estetica  e  contro  la  na- 
turalezza  di  plantare  delle  figure  diritte  sopra  im  piano  inclinato. 
Gli  stessi  esempi  che  io  ho  presentato  piü  sopra  (fra  cui  debbonsi 
qui  particolarmente  ricordare  le  figure  fittili  del'  timpano  di  Caere) 
ci  presentano  una  disposizione  assai  piü  bella  e  razionale,  nel 
tempo  stesso  che  c' indicano  l'origine  di  quest'uso.  Giä  la  stessa 
architettura  doriea  non  aveva  potuto  sottrarsi  al  fascino  di  una 
decorazione  cosi  ricca  ed  animata.  Le  iouizzanti  statue  di  fanciulle 
che  fiancheggiano  gli  acroterii  del  tempio  di  Egina  possono  essere 
citate,  insieme  col  fregio  ionico  del  Partenone,  tra  gli  esempi  clas- 
sici  piü  antichi  e  piü  insigni  di  codesta  penetrazione  di  gusti 
ionici  nel  severo  dorismo. 

In  secondo  luogo  si  ricordino  gli  archi  di  trionfo.  Se  si  guardano 
i  piü  antichi,  p.  es.  l'Arco  di  Augusto  a  Rimini  (fig.  6  dall'opera 
di  L.  Rossini,  gli  archi  trionfali  tav.  XII)  od  altri  figurati  sulle 
monete,  noi  troviamo  che  la  loro  facciata  ci  presenta  superior- 
mente  im  finale  del  tutto  corrispondente  a  quello  delle  stele  giä 
ricordate:  cioe  im  triangolo  sormontato  da  im  piano  liscio  e  chiuso 
in  alto  da  una  linea  orizzontale,  sopra  la  quäle  sorgevano  la  qua- 
driga  imperiale  nel  mezzo  e  le  altre  statue  agli  angoli,  cosi  come 
sopra  i  templi  i  tre  acroterii,  che  talvolta,  come  a  Delo,  erano 
appunto  statue  e  gruppi  statuarii  (2).  Ma  tanto  negli  archi,  quanto 
nelle  stele,  il  triangolo  non  ha  una  intrinseca  ragion  d' essere,  e  vi 
resta  solamente  come  motivo  decorativo  e  come  una  reminiscenza 
della  sua  origine.  L'arte,  che  e  conservativa,  stenta  a  sopprimerlo; 

(M  Mon.  d.  Inst.,  V,  tav.  VII. 

Cfr.  per  questi  Furtwängler,  Ärch.  Zeitung,  1882,  p.  33  segg. 


SIMA    IONICA    CON    BASSORILIKVI  81 

raa    pur    lo    sopprime   fiualmente,   ed   ecco   che   giä    nell'Arco  di 
Tito  il  triangolo    del  timpano  e  scomparso,    e  resta   solo  l'attico, 


Fie.  6. 


cbe  allora  veramente    vi    acquista,  per  cosi  dire,  una    espressione 
piü  chiara  e  solida  di  sublime  piedistallo  per  il  carro  trionfale  (1). 

(')  Cfr.  Pliu  ,  X.  H.  XXXIV,  27:    columnarum   ratio   erat  tollt  super 
ceteros  mortales,  quod  et  arcus  significant  novicio  invento. 

6 


82  L.    SA.VIGNONI,    SIMA    IONICA    CON    BASSORILIEVI 

Se  si  pensa  che  questa  forma  di  sirna  e  originaria  dell' Asia ;  se 
si  riüette  che  nel  priücipio  dell'epoca  ellenistica  essa  era  favorita 
tanto,  che  la  ritroviamo  imitata  nel  sarcofago  di  Sidone  e  nella  stela 
del  Dictynnaeon;  e  se  infme  si  ricorda  quanto  l'architettura  ro- 
mana  debba  alla  ellenistica,  in  ispecie  alla  asiatica,  nessuno  re- 
sterä  sorpreso  di  trovare  ancor  nuovi  eleraenti  asiatici  nelle  opere 
dell'architettura  romana,  e  di  vedere  persino  lo  Schema  fundamen- 
tale dell'arco  di  trionfo,  direi  quasi,  anticipato  in  qualche  monu- 
mento  dell'Asia,  come  p.  es.  nella  facciata  di  una  tomba  frigia 
che  ho  dianzi  ricordata  (').  Dalla  stessa  lontana  regione,  donde  nel 
secolo  sesto  a.  Cr.  giungevano  agli  Etruschi  i  modelli  per  la  de- 
corazione  fittile  dei  loro  fragili  edificii  di  legno,  piü  tardi  veniva 
ancora  ai  Romani  l'ispirazioue  per  altre  forme  architettoniche,  che, 
perpetuate  da  loro  nel  travcrtino  e  nel  marmo,  restarono  esempi 
classici  per  l'arte  dei  secoli  successivi. 

(')  V.  p.  77.  n.  3. 

Luigi  Savjgnoni. 


BRONZEBLECH    MIT    MUNZPORTRÄTEN 
IM  KIRCHERIANüM 


Das    in    natürlicher    Grösse    abgebildete    Bronzeblech    bietet 
durch  die  dargestellten  Köpfe  und  durch  einen  hier  ersichtlichen 


Kunstgriff  der  Technik  Interesse. 


Wir   sehen    die    Gewandbüste    eines    unbärtigen    Mannes    in 


o 


vorgerücktem  Alter  mit  sehr  kräftigem  Profil,  tiefliegenden  Augen, 
gebogener  Nase  und  energischen,  scharf  ausgeprägten  Gesichts- 
zügen. Der  Lorbeerkranz  in  den  militärisch  kurzgeschorenen 
Haaren  kennzeichnet  ihn  als  Imperator.  Dicht  hinter  dem  Kopf 
verläuft  das  Segment  eines  kreisrunden  erhöhten  Randes.  Er- 
gänzt man  das  Segment  zu  einem    Kreis,    so    hat    dieser  —  den 


84  F.    STAEHLIN 

ßundstab  nicht  mitgerechnet  —  einen  Durchmesser  von  3,6  cm., 
und  es  hat  in  ihm  noch  ein  zweiter  Kopf  Platz,  der  das  Gegen- 
stück bildete. 

Zwischen  diesem  Kopf  und  der  folgenden  Gewandbüste  eines 
Knaben  geht  ein  senkrechter  Knick  in  geschwungener  Linie  durch 
das  Blech.  Er  erklärt  sich  so:  Sollte  das  in  derselben  Form 
(Negativ)  befindliche  Gegenstück  des  Imperatorkopfes  nicht  mit 
ausgeprägt  werden,  so  war  es  nötig,  das  Blech  etwas  aufwärts  zu 
biegen  und  das  nicht  gebogene  Stück  in  das  Negativ  zu  treiben. 
Das  zeigt,  wie  es  einem  Handwerker  möglich  war,  mitten  aus 
siner  grösseren  Form  heraus  einzelne  Stücke  auszuprägen.  Wenn 
man  die  dabei  mit  unterlaufenden  Störungen  genau  beobachtet, 
so  erhält  man  unter  Umständen  wertvolle  Aufschlüsse  über  die  bei 
den  einzelnen  Bronzewerken  angewandten  Formen.  Wurde  aus  ir- 
gend einem  Grund  das  Umbiegen  des  Bleches  unterlassen,  so 
musste  es  fast  notwendig  vorkommen,  dass  von  dem  anschliessen- 
den Teil  der  Form  auch  ein  Stück  mitausgeprägt  wurde.  Dies 
ist  z.  B.  der  Fall  bei  den  Dioskuren  des  Sabaziosreliefes  in  Ko- 
penhagen (Bliukenberg,  Archaeol.  Studien,  1904  Tf.  II  p.  93),  wo 
oben  im  Eck  vor  jedem  Dioskuren  das  Vorderbein  des  in  der 
Form  gegenüberstehenden  Pferdes  mitausgeprägt  ist. 

Lichte  Zwischenräume  zwischen  den  Figuren  waren  überhaupt 
eine  Forderung  dieser  Technik.  Sonst  war  es  nicht  möglich,  ein- 
zelne Stücke  der  Form  zu  entnehmen,  ohne  zugleich  Bruchstücke 
der  angrenzenden  Teile  mitauszuprägen.  Nehmen  wir  als  Beispiel 
die  Cista  von  Vulci  im  Gregorianum  (Heibig  IP  nr.  1388).  Der 
Fries  mit  Amazonenkämpfen  ist  mit  einer  einzigen  Form  herge- 
stellt, die  mit  dem  Krieger,  der  die  Amazone  vom  Pferde  zieht,  be- 
ginnt und  nach  links  hin  mit  einem  Griechen,  der  von  einer  Ama- 
zone erstochen  wird,  endigt.  Die  Form  umfasst  16  Personen,  die 
Toten  mitgerechnet.  Sie  ist  zweimal  ganz  und  ein  drittes  Mal  von 
Figur  1-13  einschliesslich  ausgeprägt.  Dann  folgen  Fig.  2,  3  und 
4,  Fig.  14,  15  u.  16,  womit  der  Fries  endigt.  Bei  der  letzten 
Fig.  2,  der  vom  Pferde  gezogenen  Amazone,  war  es  wegen  der 
dichten  Stellung  der  Figuren  nicht  zu  vermeiden,  dass  das  Bein 
von  Fig.  1  mitausgeprägt  wurde.  Daher  steht  mitten  im  Fries 
ein  Bein  ohne  den  dazu  gehörigen  Krieger.  Dass  dem  Handwer- 
ker nur  eine  eiuzige  Form  vorlag,  ist  zunächst  daraus  zu  schlies- 


BRONZEBLECH  MIT  MÜNZPORTRÄTEN  85 

sen,  dass  die  Figuren  des  Frieses  sich  fast  dreimal  in  derselben 
Reihenfolge  wiederholen.  Aber  sehr  unterstützt  wird  dieser  Schluss 
durch  die  Wahrnehmung,  dass  jenes  Bein  mitausgeprägt  ist. 
Denn  hätte  der  Handwerker  3-4  Formen  gehabt,  wie  Abeken 
(Arch.  Intelligenzblatt  1837  S.  65)  annahm,  so  hätte  er  gewiss 
den  letzten  Raum  mit  einzelnen  in  sich  abgeschlossenen  Formen 
ausgefüllt  und  nicht  ein  Bild  mitten  aus  einer  Form  herausge- 
griffen. Von  dem  Knicken  des  Bleches  ist  dabei  keine  Spur  mehr  zu 
sehen.  Bei  einer  Publication  dieser  Cista  muss  diese  Form  be- 
sonders   abgebildet   werden  (vgl.  Gerhard,   Etr.  Spiegel  I,  T.  X). 

Kehren  wir  zu  der  Gewandbüste  des  Knaben  zurück.  Er  hat 
einen  runden  Kopf  mit  noch  ziemlich  unentwickelten  Gesichtszü- 
gen. Sein  Haar  ist  ganz  kurz  geschoren.  Der  Rand  der  Form  ist 
nur  unten  mitausgeprägt.  Ergänzt  man  dies  Segment,  so  erhält 
man  einen  Kreis  von  ungefähr  3,5  cm.  Durchmesser.  Der  Kopf 
befindet  sich  in  der  Mitte  des  Kreises,  ohne  ein  Gegenüber  zu 
haben.  Er  ist  deshalb  auch  verhältnismässig  grösser  als  die  bei- 
den anderen  Köpfe.  Es  folgt  nun  wieder  derselbe  Knick  des  ge- 
bogenen Bleches  und  dann  eine  weibliche  Gewandbüste  nach  links. 
Das  Gesicht  ist  langgestreckt,  die  Stirne  rund  und  niedrig,  die 
Nase  lang,  die  Lippen  voll  und  etwas  vorstehend.  Das  Haar  ist 
in  parallelen  Wellenlinien  angeordnet.  Ein  Diadem,  das  zugleich 
als  Kamm  dient,  hält  es  in  seiner  Lage.  Eine  starke  Flechte  hängt 
hinter  dem  Ohre  zum  Hals  herab.  Am  Hinterkopf  ist  das  Haar 
in  einem  Zopf  von  unten  nach  oben  bis  zur  Höhe  des  Scheitels 
gezogen.  Hinter  dem  Kopf  ist  der  Rand  der  Form  in  schwachen 
Spuren  erhalten.  Das  Segment  ergibt  ebenfalls  einen  Kreis  von  un- 
gefähr 3,6  cm.  Durchmesser.  Die  Grösse  des  Kreises  and  die  an 
den  Rand  gerückte  Stellung  des  Kopfes  beweist,  dass  auch  er  auf 
derselben  Form  ein  Gegenüber  hatte. 

Die  Züge  des  Imperators  gleichen  am  meisten  denen  des  Tra- 
ianus  Decius  f  251  (Cohen2  V  p.  185  f.).  Die  starken  Falten, 
die  sich  an  den  Nasen-  und  Mundwinkeln  abwärts  ziehen,  wiederho- 
len sich  besonders  deutlich  an  seiner  Büste  im  kapitolinischen  Mu- 
seum (Heibig  I2  p.  315  nr.  70).  Bei  dem  Knaben  kann  man  we- 
gen der  unentwickelten  Gesichtszüge  sowohl  an  Philipp  d.  J. 
(Cohen  V  p.  160)  als  auch  an  Herennius,  den  Sohn  des  Traiauus 
Decius  (Cohen  V  p.  215),  denken.  Die  Frau,    deren    Haar    nach 


86  F.    STAEHLIX,    BROXZEBLECH    MIT    MÜNZPORTRATEX 

der  Mode  des  3.  Jahrhunderts  gekämmt  ist,  hat  Aehnlichkeit  mit 
Etruscilla,  der  Gattin  des  Decius,  die  zwar  meistens  ungewell- 
tes  Haar  trägt,  aber  bei  Cohen  V  p.  206  nr.  1  gewelltes  hat. 
Fast  noch  mehr  aber  gleicht  sie  Otacilia,  der  Gattin  Philipps  des 
Aeltern  (Cohen  V  p.  143  f.  vgl.  besonders  nr.  58).  Die  wahrschein- 
lichste Lösung  der  Schwierigkeiten  scheint  mir  die,  dass  der  Kopf 
Trajans  und  der  Frau  auf  derselben  Medaillon  form  in  einem 
Kreis  von  3,60  cm.  Durchmesser,  den  erhaltenen  Segmenten  ent- 
sprechend, als  Gegenstücke  sich  befanden.  Die  Frau  muss  dann 
Etruscilla  sein.  Zwischen  die  Büsten  der  Eltern  hat  der  Künstler 
den  Kopf  des  Sohnes  Herennnius  zur  Spielerei  eingefügt. 

Das  Blechstück  ist  mehrfach  von  Nagellöchern  durchbrochen, 
zeigt  aber  sonst  keine  Spuren  einer  Verwendung.  Wie  Münster- 
berg in  der  Steinplatte  aus  Janina  (Oesterr.  Jahresh.  1904  p.  139  f.) 
die  Probe  eines  sich  im  Steinschneiden  übenden  Künstlers  erkannt 
hat,  so  haben  wir  hier  ein  Bronzeblech,  an  dem  ein  Künstler 
seine  neugefertigten  Formen  versuchte.  Vielleicht  waren  sie  dazu 
bestimmt,  als  Prägestöcke  für  Münzen  zu  dienen ;  vielleicht  wollte 
er  aber  die  Porträte  als  Verzierung  eines  Bronzebeschlages  benüt- 
zen. Denn  Münzen  und  Münztypen  wurden  damals  als  Ornamente 
verwendet.  Das  zeigen  die  Patera  von  Rennes  (Babelon,  Cabinet 
des  anliques  I  pl.  VII)  und  die  Porträtmedaillons  an  der  Tensa 
Capitolina  (Ballett,  comunale  V  1877,  t.  XI-XV.  Heibig  P 
nr.  568). 

Fr.  Staehlin. 


NEUE  INSCHRIFTEN 


Aus  der  grossen  Nekropole  an  der  Via  Salaria,  die  in  den 
letzten  Jahren,  wie  schon  im  17.  und  18.  Jhdt.,  tausende  von 
Inschriften  geliefert  hat,  kommen  zwei  von  mir  im  römischen 
Kuusthandel  copierte  Inschriften,  die  ein  gewisses  topographisches 
Interesse  beanspruchen. 

Die  erste  steht  auf  einem  ziemlich  dicken  Marmorstück 
(0,19  X  0,10  X  0,05  m.),  welches  schon  im  späten  Altertum  zum 
zweiten  Male  verwendet  gewesen  ist,  und  daher  links  und  rechts 
nicht  Bruch-,  sondern  Schnittrand  zeigt. 


M  •  SVLLAE  •  JW  •  L 

FL1\ 

H1LARIONI 

A  M  AN  O 

MV 

C  ■  SALVSTI  •  CR 

PICTORI 

A 


Die  Buchstaben  sind  sehr  nachlässig,  doch  im  Charakter  der  ersten 
Kaiserzeit;  Z.  3-5  der  mittleren  Columne  sind  ein  wenig  später 
von  anderer  Hand  hinzugefügt. 

Ungewöhnlich  ist  der  Gebrauch  von  Sulla  als  Gentilicium. 
eben  so  die  Abkürzung  des  Cognomens  Cr(ispus).  Der  Patron  ist 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  der  Neffe  des  Geschichtschreibers 
und  Eigentümer  der  berühmten  Gärten.  Dass  seine  Sclaven  in  der 
Nähe  der  Gärten  eine  Begräbnisstätte  hatten,  war  bereits  aus 
früheren  Funden  (G.  L  L.  VI,  25781  a.  25788  a.  25792  a.  33642. 
33643)  zu  erschliessen.  Amanus  als  Cognomen  findet  sich  auch  in 
der  Inschrift  (v.  J.  57  n.  Chr.)   C.  I  L.  VI,  268. 


Die  zweite  Inschrift  ist  auf  einer  Marmorplatte  von  22  X  20  cm. 
mit  rohen  aber  tiefen  und  sicheren  Schriftzügen  des  dritten  Jhdts., 


£8  HUELSEN,    NEUE    INSCHRIFTEN 

in  denen  noch   reichliche  Spuren  von  Minium  erhalten  sind,  ein- 


gehauen. 


D       M 

SIMONI 

I  V  L  I  A  N  I 

P  •  R  •  A  •  LVM 

.  PO  S  IT  V  S 

NO    CYR ACOS 

SI-QVI  -MOVER 

PY  •  FERET 

Der  sehr  unorthographische  Text  durfte  so  zu  verstehen  sein:  d(is) 
m{anibus).  Simoni  Iuliani  pr(aefeeti)  alum{aus)  posüus  no{mine) 
Cyr(i)acos;  si  qui  moverit  py.  feret. 

Der  Patron,  mit  vollständigem  Namen  D.  Simonius  Proculus 
Iulianus,  ist  ein  bereits  aus  mehreren  Inschriften  bekannter   vor- 
nehmer   Mann  aus  der   ersten    Hälfte  des  dritten   Jhdts.    Seinen 
cursus  honorum  lernen  wir  kennen  hauptsächlich  aus  der  stadtrö- 
mischen  Inschrift  C.  L  L.  VI,  1520,  aus  der  dacischen   C.  I.  L. 
III,  1573,   und  aus  der  thrakischen  Archäol.  epigr.  Mitth.   1892 
p.  92   n.    3.    Danach   war  er    iuridicus   per   Transpadum,    dann 
praeses   provinciae   Thraciae  wahrscheinlich    zwischen  235   und 
238,  dann  Consul  suffectus  (Jahr  unbekannt),  Praeses  der  drei  da- 
cischen Provinzen  und  von  Syria  Coele.  Endlich  bekleidete  er  die 
Stadtpräfektur,  vielleicht  unter  Philippus  Arabs  oder  unter  Decius, 
jedenfalls  vor  254,  da  sein  Name  in  dem  mit  diesem  Jahre   be- 
ginnenden Präfektenverzeichnis  des  Chronographen  von  354  fehlt. 
Sein  Name  als  Stadtpräfekt  erscheint  auch  auf  der  bekannten  Ai- 
chungsinschrift    des    Congius    Farnesianus  (Gori  I.  E.  III  tab.   I 
n.  2).  Eine   neuerdings  im  Gebiet  der  Villa    Ludovisi   gefundene 
Bleiröhre  (C.  L  L.  XV,  7528,  wo  der  Name  SEMONI  gelesen  ist) 
macht  es  wahrscheinlich,  dass  er  in  der  Nähe  der   Porta  Salaria 
oder  Pinciana  ein  Haus    besessen    habe:    eine   Bestätigung   dafür 
bietet  auch  unser  einem  seiner  Bediensteten  angehörige  Grabstein. 
—  Die  Strafandrohung  am  Schlnss  ist  von  dem   des  lateinischen 
wenig  kundigen  Concipienten  bis  zur  Unkenntlichkeit  entstellt:  an 
die  Ergänzung  p(ondo)  [  V~\  {in) feret  wird  kaum  zu  denken  sein. 

Ch.  Hu  ELSEN. 


Abgeschlossen  am  30.  September  1906. 


ROMISCHES  AUSHANGESCHILD 
MIT  DARSTELLUNG  EINES  NYMPHAEUMS 


Das  beistellend  Fig.  1  abgebildete  in  der  Galleria  delle-  Statue 
des  Vatikans  befindliche  Relief  (')  ist  in  der  Archäologischen  Zeitung 
1847  Taf.  IV,    1    in   Zeichnung    veröffentlicht   und   von    Gerhard 


Fig.  1. 


S.  50  ff.  unter  der  Ueberschrift  Roma  und  Fortuna  besprochen  wor- 

(')  Ich  erhielt  die  Photographie  vom  römischen  Institut  durch  Amelungs 
freundliche  Vermittlung,  dem  ich  auch  die  folgenden  Angaben  über  das  Relief 
verdanke:  es  ist  im  Postament  der  Niobidengruppe  eingelassen;  die  Maasse 
betragen  0,415  cm.  in  der  Höhe,  0,595  in  der  Breite;  das  Material  ist  gross- 
körniger,  grauer  Marmor. 


90  J-    SIEVEKING 

den.  Gerhard  erkennt  in  dem  Gebäude  eine  eigentümliche  Tempel- 
darstellnng  mit  einem  basilikenartigen  Bau  im  Hintergrund  und 
einer  sechssäuligen  Vorhalle,  zu  der  eine  achtstufige  von  zwei  ein- 
gehegten Sprenggefässen,  Perirrhanteria,  flankierte  Treppe  führt. 
Die  runde,  die  Stufen  zum  Teil  überschneidende  Aushöhlung 
nimmt  er  als  Wasserbehälter.  Eine  solche  Tempeldarstellung  mit 
zwei  Seitenflügeln  und  einer  im  Verhältnis  zu  den  Säulen  ge- 
waltigen Treppe,  die  durch  ein  grosses  Wassergefäss  völlig  ver- 
sperrt ist,  wäre  nun  allerdings  mehr  als  eigentümlich,  ganz  ab- 
gesehen von  dem  merkwürdigen  Platz  der  beiden  Eigentümer  auf 
einer  gemeinsamen  Bank  direkt  hinter  den  Säulen.  Daher  erklärt 
denn  auch  Jordan  (*),  der  an  dem  Tempel  festhält,  in  seinem  vor- 
trefflichen Aufsatz  über  römische  Aushängeschilder  das  vatikanische 
Relief  für  rätselhaft.  Dass  die  kreisförmige  Höhlung  keine  spätere 
Zuthat  sein  kann,  giebt  er  zwar  der  Inschrift  wegen,  die  auf  jene 
Rücksicht  nimmt,  zu,  aber  die  Erklärung  als  Wasserbehälter  hält 
er  für  unmöglich.  Und  doch  ist  dieses  grade  der  einzige  Punkt, 
in  dem  Gerhard  richtig  gesehen  hatte.  Es  kann  in  der  That  nur 
ein  Wasserbecken  gemeint  sein,  das  den  unteren  Abschluss  der  aus 
Brunnendarstellungen  (2)  bekannten  stufenartigen  Absätze  bildet. 
Zu  beiden  Seiten  steht  in  auffallender  Umrahmung  ein  Schöpfge- 
fäss.  Die  eigentümliche  auf  Perspektive  völlig  verzichtende  Wie- 
dergabe des  Beckens  scheint  mir  absichtlich  gewählt  und  durch 
den  praktischen  Zweck  der  Marmorplatte  bedingt  zu  sein,  worauf 
weiter  unten   bei   Behandlung  der  Inschrift  zurückzukommen  ist. 

Eine  ganz  analoge  Darstellung  zeigt  ein  viel  besser  gearbei- 
tetes Relieffragment  aus  Cherchel  im  Louvre  (3),  abgebildet  Fig.  2. 

An  einen  Pfeiler  stossend  erscheinen  dort  wieder  die  flachen 
stufenartigen  Absätze  und  unter  ihnen  von  einer  Atlasfigur,  der 
weiter  rechts  eine  gleiche  entsprochen  haben  muss,  getragen  die 
Reste  einer  runden  Scheibe.  Es  ist  das,  wie  ich  glaube,  keine  Him- 
melskugel,  sondern  wieder  ein  Wasserbecken,  hiervon  dem  Künstler 
zu  einer  leicht   konvexen    Rundung  umstilisiert,    in    der   Absicht 


(»')  Archäol.  Zeitung  1871,  S.  71  Amn.  2. 
T)  Vgl.  z.  B.  Amelung,  Vatikan  I  S.  2S9  nr.  170,  Taf.  29. 
(3)  Arrha- ,1.  Zeitung  1862,  Taf.  166,  1.  S.  207  IT.  (Mercklin);  Schreiber, 
Hellenist.  Reliefs  Taf.  49;  Robert,  Sarkophage  III,  S.  220  Anm. 


RÖMISCHKS    AUSHANGESCHILI) 


91 


darauf  die  Weihinschrift  anzubringen.  Dazu  stimmt  gut  die  da- 
neben stehende  weibliche  Figur,  die  sicli  auf  eine  grosse  reich 
verzierte  Amphora  stützt  und  zweifellos  eine  Nymphe  darstellt  ('), 
worauf  auch  die  Dioskurendarstellung  des  Gefiisses  hinweist  (2). 


Fig.  2. 

(:)  Mercklin  dachte  an  eine  über  einer  Graburne  mit  den  Besten  des 
Verstorbenen  trauernde  und  betonte  den  sepulkralen  Cbarakter  des  Reliefs. 
Mit  dem  Gebäude  wusste  er  nichts  anzufangen.  Auch  Roberts  Deutung  der  weib- 
lichen Figur  auf  eine  afrikanische  Stadt  ist  unhaltbar.  Sie  beruft  sich  auf  den 
Atlas  mit  der  Himmelskugel,  beruht  also  auf  einer  falschen  Voraussetzung, 
die  allerdings  scheinbar  durch  ein  zweites  Relieffragment  italischer  Herkunft 
im  Louvre  (Schreiber,  hellenist.  Reliefs  Taf.  50)  gestützt  wird.  Auf  diesem 
wiederholt  sich  die  weibliche  Figur  in  der  gleichen  Haltung,  im  übrigen  ist 
die  Sccnerie  verändert.  An  Stelle  der  Wasseranlage  ist  felsiges  Terrain  ge- 
treten, an  Stelle  des  Beckens  eine  Kugel,  die  auf  einem  von  einer  geflügelten 
Atlasfigur  gestützten  Untersatz  ruht.  Die  beiden  Darstellungen  gehen  auf 
dasselbe  Original  zurück,  doch  gibt  die  zweite  dieses  missverstanden  wieder. 

(-)  Bim.Mitt.  1000,  S.  344  ff.  ;  Neue  Jahrb.  für  d.  klass.  Alt.  1902,S.3S2ff. 


92  J.    SIEVEKING 

Aber  noch  eine  weitere  bedeutsame  Uebereinstiramnng  mit  dem 
vatikanischen  zeigt  das  Relief  von  Cherchel,  die  Konstruktion  des 
Gebäudes.  Die  ganz  geringe  Tiefe  der  beiden  Seitenflügel  ist  bei 
jenem  in  unverkennbarer  Absicht  deutlich  veranschaulicht,  bei  die- 
sem ist  nur  der  eine  Flügel  erhalten,  aber  auch  er  lässt,  da  das 
Eelief  auf  der  linken  Seite  vollständig  ist,  die  gleiche  Eigenart 
erkennen.  Charakteristisch  für  beide  Architekturen  ist  ferner  die 
starke  Dnrchbrochenheit  der  einzelnen  Banglieder,  die  gradezu  ba- 
rock wirkt.  Sie  sowie  die  geringe  Tiefe  der  Gebäude  erinnern  sofort 
au  die  dekorativen  Wasserfassaden  der  römischen  Kaiserzeit,  eine 
willkommene  Bestätigung  der  für  die  Mitte  erschlossenen  Wasser- 
kunst. 

Ich  glaube  mit  Sicherheit  in  den  beiden  Gebäuden  Nym- 
phaeen  erkennen  zu  dürfen.  Für  das  Relief  von  Cherchel  wird  diese 
Deutung  noch  durch  die  Figur  der  Nymphe  gestützt,  für  das  va- 
tikanische Relief  durch  den  Platz  der  beiden  Götterbilder  gleichsam 
zwischen  den  Säulen,  der  für  einen  Tempel  unerhört,  für  Nymphäen 
durch  Münzen  bezeugt  ist  (s.  Abb.  3).  Auch  die  leichte  Krümmung, 
die  die  Fassade  zeigt,  passt  gut  für  einen  solchen  Bau.  Den  Namen 
des  auf  dem  römischen  Relief  dargestellen  Nymphaeums  lassen  wir 
am  besten  offen,  denn  die  Deutung  der  einen  Figur  auf  Fortuna 
scheint  mir  unwahrscheinlich,  eher  möchte  ich  an  Vesta  denken. 
Für  das  afrikanische  Relief  werden  wir  vielleicht  irgend  einen 
stadtrömischen  Nymphaeumsbau  als  Vorbild  annehmen  dürfen,  je- 
denfalls ist  die  zweimal  erhaltene  Nymphe  mit  dem  Dioskuren- 
krater  offenbar  die  Wiederholung  eines  bekannten  öffentlichen  Kunst- 
werkes hellenistischer  Erfindung  in  Rom. 

Auf  dem  Pariser  Relief  ist  nur  ein  Stück  des  Unterbaues  er- 
halten, das  Nymphaeum  des  römischen  Reliefs  wird  dagegen  nach 
den  Seiteubauteu  zu  schliessen  bis  auf  das  krönende  Gesims  über 
deu  Säulen  vollständig  sein,  also  nur  ein  Stockwerk  besessen  haben, 
wie  es  bei  der  geringen  Breite  des  Baues  auch  wahrscheinlich  ist. 
Das  Wasser  war  auf  den  mittleren  Teil  beschränkt  und  bespülte  nur 
den  Unterbau  desselben.  Anders  war  es  am  Wasserschloss  von  Side(') 
wo  die  neun  Wasserausflüsse  sich  zwischen  den  Säulen  in  den  drei 


(')  Petersen  bei   Lanclcoronski,    Städte    Pampüyliens    und    risidiens    I, 
Taf.  30.  Danach  Durm,  Baukunst  der  Etrusker  u.  Römer  S.  470. 


KOMISCHES    AUSHÄNGESCHILD  93 

Nischen  befinden.  Dagegen  zeigt  eine  analoge  Konstruktion  die 
Nymphaeumdarstellung  auf  einer  Münze  des  Septimius  Severus  von 
Hadrianopolis  in  Thrakien.  Ich  gehe  unter  3  die  vergrösserte  Ab- 
bildung des  Pariser  Exeuiplares  bei  Donaldsou,  Architectura  numis- 
matica  no.  77  wieder,  -die,  wie  ich  nach  dem  mir  vorliegenden 
Münzabdruck  (l)  konstatieren  kann,  im  wesentlichen  zuverlässig  ist. 


Fig.  3. 


Auch  hier  strömt  das  Wasser  aus  der  Urne  des  gelagerten  Okeanos 
nur  über  den  Unterbau  und  ergiesst  sich  in  ein  grosses  rechteckiges 
Bassin,  in  dem  sieben  runde  kleine  Becken  angegeben  sind,  die 
wahrscheinlich  als  vor  dem  grossen  Bassin  liegend  und  als  Schöpf- 
bassins dienend  zu  denken  sind.  Nach  dem  vorläufigen  Bericht  über 
die  Ausgrabungen  in  Milet  (2)  ist  für  das  dortige  Nymphaeum  ein 


(')  Ich  verdanke  den  Abdruck  der  Güte  Babelons.  Pick,  den  ich  wegen 
der  Deutung  des  Münzbildes  auf  ein  Nymphaeum  um  Rat  fragte,  bestätigte 
mir  dieselbe  und  teilt  mir  freundlichst  mit,  dass  er  schon  vor  längerer  Zeit 
für  die  Rekonstruktion  des  milesischen  Nymphaeums  Wiegand  auf  die  Münze 
hingewiesen  habe. 

(2)  Archäol.  Anzeiger  1905  S.  151. 


94  J-    SIEVKKING 

Hauptbassin  sowie  ein  diesem  vorgelagertes  Schöpfbassin  ermittelt, 
und  die  Rekonstruktionsskizze  zeigt  an,  dass  auch  hier  nur  der 
Unterbau  durch  das  Wasser  bespült  wurde. 

Die  von  Maass  in  seinem  Buche  über  die  Tagesgötter  nieder- 
gelegte Ansicht,  dass  das  römische  Septizonium  des  Septimius  Se- 
verus  nur  ein  Unterbau  gewesen  wäre,  der  die  Statuen  der  sieben 
Tagesgötter  trug,  ist,  so  viel  ich  sehe,  allgemein  abgelehnt  wor- 
den zu  Gunsten  der  Wasserfassade,  und  auch  wer  die  Deutung  von 
Maass  auf  ein  Haus  der  Tagesgötter  annimmt  wie  Durra  (*),  hält 
die  Vereinigung  mit  einer  Wasserkunst  für  wahrscheinlich.  Konnte 
schon  die  zweimalige  Verbindung  des  Septizoniums  mit  einem  Nym- 
phaeum  sowohl  in  der  Stelle  Amraians  wie  in  der  Inschrift  von 
Lambaesis  (2)  kaum  einen  Zweifel  aufkommen  lassen,  so  scheint 
mir  jetzt  durch  die  vordere  Linie  auf  dem  kapitolinischen  Stadt- 
plan, die,  worauf  Petersen  (3)  und  Puchstein  (4)  hingewiesen  haben 
nur  den  vorderen  Rand  eines  Wasserbassins  bedeuten  kann,  die 
Wasserfront  des  Septizoniums  völlig  gesichert. 

Man  darf  daher,  glaube  ich,  bei  der  Rekonstruktion  desselben 
die  Münze  von  Hadrianopolis  sowie  die  allerdings  bedeutend  be- 
scheidenere Anlage  auf  dem  vatikanischen  Relief  zu  Rate  ziehen, 
vor  allen  Dingen  für  den  Unterbau.  Dieser  ist  sowohl  in  der  Hül- 
se n-Graefschen  Rekonstruktion  (5)  als  auch  in  der  von  Durra  (,3) 
zu  niedrig  angenommen,  kaum  höher  als  Gesims  und  Stylobat  der 
oberen  Stockwerke.  Das  wirkt  sehr  ungünstig,  weil  das  Gebäude 
im  Boden  zu  stecken  scheint  und  die  luftigen  Säulenhallen  sich 
nicht  frei  herausheben.  Beeinflussend  haben  hier  wahrscheinlich  die 
alten  Zeichnungen  des  Septizoniumrestes  gewirkt,  die   aber  deut- 

(')  Baukunst  der  Römer  S.  474. 

(a)  Maass,  Tagesgötter  s.  96.  Das  ursprüngliche  Verhältnis  von  Septizo- 
nium und  Nyinphaeum  ist  allerdings  auch  bei  der  Erkenntnis,  dass  beides 
Wasseranlagen  waren  und  in  der  Kaiserzeit  wenigstens  in  formaler  Beziehung 
ereinstimrnung  zeigten,  so  dass  Maass  zugeben  muss,  die  Septizonien  seien 
in  dieser  Hinsicht  ein  Sondertypus  der  Nymphäon.  keineswegs  klar.  Die  An- 
nahme Petersens,  dass  Septizonium  die  Fassade,  Nyinphaeum  das  Bassin  be- 
deute, thut  der  Ueberlieferung  Gewalt  an. 

(»)  Deutsche  Litt.  Ztg.  1887,  Sp.  1016. 

(')  Jahrbuch  1902  S.  122  Anm.  70. 

(5)  46.  Berliner  Winckelmansprogrumm  Taf.  3  u    4. 

(«)  a.  a.  0.  S.  473. 


RÖMISCHES   AUSHANGESCHILD  95 

lieh  zeigen,  dass  der  Unterbau  damals  nicht  frei  lag,  sondern  stark 
vom  Erdreich  bedeckt  war.  Die  Zeichnung  der  Marciana  (Steven- 
son Bull.  Com.  18S8  Tf.  XIII,  XIV)  giebt  die  Höhe  des  Unterbaus 
für  den  1585  zerstörten  Seitenflügel:  für  den  Unterbau  des  mittle- 
ren Teils  der  Fassade,  der,  wie  die  Bassinlinie  des  Stadtplanes  zeigt 
und  Relief  wie  Münze  bestätigen,  allein  vom  Wasser  bespült  wurde, 
ergibt  sich  durch  die  davorliegende  Bassinvertiefung  eine  grössere 
Höhe,  so  dass  die  herabströmenden  Wassermassen  bei  der  gewalti- 
gen Breitenausdehnung  gewiss  einen  imponierenden  Anblick  dar- 
boten. Ferner  werden  wir  auch  nach  der  Münze  annehmen  dürfen, 
dass  der  Unterbau  zwischen  den  Seitenflügeln  als  Rückwand  des 
Bassins  eine  grade  Front  bildete,  die  nicht  mit  den  Nischen  zu- 
rücktrat, wie  die  bisherigen  Rekonstruktionen  annehmen.  Ebenfalls 
anders  wie  in  diesen  stand  das  Bild  des  Kaiser  Septimius  Severus 
zwischen  den  Säulen  des  Erdgeschosses.  Die  in  einer  Fläche  fortlau- 
fende  Front  des  Unterbaues  war  entsprechend  den  sieben  Abteilun- 
gen des  Mittelbaus,  nämlich  drei  Nischen  und  vier  vorspringenden 
Partieen,  durch  Pfeiler,  wie  sie  auf  dem  vatikanischen  Relief  den 
Lauf  des  Wassers  flankieren,  in  sieben  Abteilungen  gegliedert,  über 
die  das  Wasser  sich  in  sieben  Streifen  ergoss.  Das  scheint  mir  eine 
natürliche  Erklärung  des  Namens  Septizonium,  Siebenstreifenbau  für 
das  als  Wasserfront  gedachte  Gebäude.  Nimmt  man  an,  dass,  wie  es 
in  Side  der  Fall  war,  auch  der  Unterbau  der  Gliederung  des  Ober- 
baues folgte  und  in  den  Nischen  zurücktrat,  so  ergiebt  sich  von 
selbst  ohne  Pfeilerteilung  eine  Gliederung  für  das  herabströmende 
Wasser  in  sieben  Streifen  (J). 

Den  sieben  Wasserstreifen,  die  sich  in  das  grosse  Bassin  er- 
gossen, werden  sieben  Schöpfbassins  entsprochen  haben,  wofür  wie- 
der die  Münze  als  Vorbild  heranzuziehen  ist,  und  eine  Spur  dieser 
sieben  Bassins  glaube  ich  noch  in  dem  mittelalterlichen  Namen 
septemsolia  maior  und  minor  für  die  damals  noch  stehenden  Flü- 
gel des  Severusbaus  zu  finden,  der  doch  sicher  auf  einer  antiken 
Ueberlieferung  beruht.  Charakteristisch  ist  die  Pluralbildung  bei 
der  Benennung  jedes  Flügels.  Solium  ist  der  Name  für  Wanne  oder 
kleines  Bassin  in  den  Thermen,  wir  werden  ihn  aber  ohne  Schwie- 

(/)  Verglichen  werden  kann,  worauf  mich  Hülsen  aufmerksam  macht, 
die  Wasseranlage  der  sog.  Piazza  d'Oro  in  der  Villa  Hadriana  (Winnefeld 
S.  70.  71.  Taf.  VI,  B),  ein  Pentazonium  mit  runder  Fassade. 


96  J.    SIEVEKIX« 

rigkeit  für  die  öffentlichen  Schöpfbassins  gegenüber  lacus  als  gros- 
ser Bassin  anwenden  können,  von  denen  dann  der  Platz  und  das 
Gebäude  seinen  Namen  erhielt. 

Das  vatikanische  Relief  ist  trotz  seiner  Unscheinbarkeit  nicht 
nur  von  Bedeutung  als  seltene  Darstellung  einer  stadtrömischen 
Wasserbaufassade,  sondern  auch  antiquarisch  interessant  durch  den 
Zweck,  dem  es  gedient  hat.  Er  ist  aus  Bild  und  Inschrift  sicher 
zu  erschliessen.  Schon  Gerhard  hatte  mit  Recht  angenommen,  dass 
an  dem  Marmor  auf  beiden  Seiten  nicht  mehr  viel  fehle  und  Bor- 
ghesi  (!),  den  Gerhard  um  seinen  epigraphischen  Rat  fragte,  die 
Inschrift  vermutungsweise  ergäuzt  zu  a'N  Wac  AEDe  saB\N\  MA- 
Terni  hiDl  LOCaNTVr.  Er  dachte  an  eine  Magistratsverkündigung 
der  Verpachtung  festlicher  Spiele  zur  Feier  des  Tempels,  für  welche 
Verpachtung  nach  Gerhards  Ansicht  das  Relief  als  Aushängeschild 
diente.  Jordan  (2)  fand  diese  Erklärung  der  Inschrift  begreiflicher- 
weise unverständlich,  glaubte  aber  auch,  dass  man  es  mit  einer  Art 
Aushängeschild  zu  thun  habe,  ohne  für  dasselbe  eine  weitere  Erklä- 
rung zu  finden.  Im  G.  I.  L.  VI,  29816  hat  Bormann  für  die  ersten 
zwei  Zeilen  die  Ergänzung  in  honorem  divinae  domus  vorgeschlagen. 

Jetzt  wo  wir  den  Tempel  beseitigt  und  au  seine  Stelle  ein 
Nymphäum  gesetzt  haben,  können  wir  einerseits  die  Idee  des  Aus- 
hängeschildes, für  welches  die  Maasse  des  Marmors  vortrefflich 
passen,  mit  mehr  Recht  wieder  aufnehmen,  andrerseits  eine  der 
Darstellung  entsprechende  Ergänzung  der  Inschrift  geben.  Wie  mich 
Hülsen  belehrt,  ist  ihr  Anfang  nach  Analogie  anderer  Inschriften, 
namentlich  CT.  L.  VI,  29791  und  XIV,  4015  (vgl.  auch  C.  IV,  1136) 
zui>  h[is  pr]aed\_iis  zu  ergänzen:  «  in  diesem  Besitztum  des  Sabi- 
nius  Maternus »  —  wie  wir  den  Mann  mit  Borghesi  nennen  wollen,  — 
-  werden  [gewisse  Dinge]  vermietet » .  Was  vermietet  wurde,  wird  die 
Ergänzung  des  Wortes  vor  locanlur  ergeben,  von  dem  nur  die  beiden 
letzten  Buchstaben  DI  erhalten  sind.  Die  Ergänzung  muss  von  dem 
Nymphaeum  ausgehen,  denn  es  ist  unwahrscheinlich,  dass  dieses 
nur,  weil  in  der  Nähe  des  Besitztums  befindlich,  als  Schmuck  für  das 
Schild  gewählt  wurde.  Dagegen  spricht  schon  die  merkwürdige  Art, 
in  der  das  Wasserbecken  nicht  perspektivisch  dargestellt  ist.  Sie 

(')  bei  Gerhard  a.  a.  0.  S.  52  Anm.  12  u.  13. 
(a)  Archäol.  Zeitung  a.  a.  0. 


RÖMISCHES   AUSHÄNGESCHILD  97 

ist  unverkennbar  in  der  Absicht  gewählt,  dieses  den  Vorüberge- 
henden möglichst  in  die  Augen  fallen  zu  lassen  und  erfüllt  diesen 
Zweck  auch  vollkommen,  denn  beim  Anblick  des  Reliefs  haftet  das 
Auge  unwillkürlich  an  der  runden  Höhlung.  Mit  dem  Wasser- 
becken des  Nymphaeums  muss  der  zu  vermietende  Gegenstand  in  Ver- 
bindung stehen,  und  da  liegt  es  am  nächsten  an  die  grossen  Schöpf- 
gefässe  zu  denken,  wie  sie  zu  beiden  Seiten  des  Beckens  stehen, 
durch  die  eigenartige  Einhegung  die  Blicke  ebenfalls  besonders 
auf  sich  ziehend. 

Ich  ergänze  daher  den  Schluss  der  Inschrift  zu  ca~\di  locantur 
(vgl.  den  Artikel  cadus  bei  Daremberg-Saglio).  Cadus  Graeca  am- 
phora  est,  continens  urnas  Ires  sagt  Isidor  XVI,  26.  Columella 
d.  r.  r.  XII.  28  spricht  von  einem  cadus  duarum  urnarum,  dem 
Maasse  einer  römischen  Amphora.  In  einer  Stolle  des  Philippides 
bei  Athenäus  XT,  781  ist  von  xctdoi  die  Rede,  die  grösser  sind 
als  ein  Mann.  Qadus  war  also  ein  wenn  auch  schwankendes  Flüs- 
sigkeitsmaass  der  Römer,  das  sich  als  solches  zur  Bezeichnung 
der  auf  dem  Relief  dargestellten  Amphoren  vortrefflich  eignet.  Dass 
sich  ein  spekulativer  Mann  die  Vermietung  solcher  grösserer  Schöpf- 
gefässe  zum  Erwerbszweig  machte,  darf  in  dem  durch  Was- 
serreichtum so  verwöhnten  Rom  der  Kaiserzeit  nicht  Wunder 
nehmen  ('). 

Für  die  Entstehungszeit  des  vatikanischen  Reliefs  ist  bei  der 
handwerksmässigen  Ausführung  desselben  schwer  ein  Anhalt  zu 
finden:  die  in  erhabenen  Buchstaben,  ein  seltner  Fall,  sauber  aus- 
geführte Inschrift  weist  auf  das  erste  bis  zweite  nachchristliche 
Jahrhundert. 

München. 

J.    SlEVEKING. 


(')  Hülsen  denkt  vermutungsweise  an  die  Ergänzung  futQdi  locantn[r, 
da  man  von  dem  grossen  Becken  hauptsächlich  den  Boilen,  den  fundus  sieht: 
des  Work  wäre  dann  mit  demselben  Doppelsiun,  den  auch  das  deutsche  '  Bu- 
den' hat,  gebraucht,  und  wir  hätten  das  Aushängeschild  eines  Grundstücks- 
maklers oder  Vermieters. 


FRAMMENTI  DI  VASO  ATTICO  CON  DIPINTO 
UAPPßESENTANTE  LA  MOKTE   DI  AKGO. 

(con  tav.  I1I-IY). 


I  frammenti  di  vaso,  che  presento  riprodotti,  sono  da  parecchi 
aniii  pubblicati  (').  Eppure  sembra  che  essi  siano  sfuggiti  quasi  del 
tutto  all'attenzione  degli  studiosi  (2),  sebbene  a  tale  attenzione 
avrebbero  dovuto  raceomandarli  e  la  bellezza  del  disegno  ed  il 
fatto  che  il  loro  primo  editore,  eruditissimo  interprete  di  monumenti, 
ne  lasciö  del  tutto  inesplicato  il  loro  couteuuto. 

Ed  invero  lo  Stephani  emise  la  ipotesi  che  questi  frammenti 
rappresentassero  im  inizio  di  combattimento  e  vide  una  spalliera 
di  im  aQf.ia,  su  cui  avrebbe  dovuto  salire  l'uomo  che  sta  suudando 
una  spada,  nolla  striscia  curva  che  si  stacca  sul  corpo  della  donua 
posta  di  dietro  (tav.  III,  grande  fr.  n.  1).  AI  lato  posteriore  di  questo 
vaso  apparterrebbero  pure,  secondo  lo  Stepliani,  pel  loro  disegno  meno 
diligente,  i  frammenti  riuniti  nol  grande  fr.  n.  2  (tav.  IV)  a  sinistra 
della  palmetta,  e  ciö  mi  pare  con  ragione.  A  questo  proposito  osservo 
che  qui  si  ha  il  gruppo  di  una  figura  femminile  con  ali,  che  con 
oinoclioe  alzata  e  patera  abbassata  amministra  una  anovdi)  ad  im 
uomo  ammantato  ed  appoggiato  ad  im  bastone.  Avremmo  qui  uno 

(')  Provenienti  da  tomba  nello  vicinanze  di  Kertsch,  nel  pudere  Elti- 
i^lieii,  e  trasportati  a  Pietroburgo  all'Eremitaggio,  questi  frammenti  furono 
editi  e  descritti  dallo  Stepliani  (Compte  Rendu,  Atlas,  1877,  t.  IV,  n.  4-10 
=  S.  Reinach,  Repertoire  des  vases,  v.  I,  p.  51,  n.  4-10,  testo  al  Compte 
Rendu,  1877,  p.  213  e  sog.).  Vennero  riprodotti  nei  Wiener  Vorlegeblätter, 
1890-91,  t.  XI,  2.  Debbo  alla  intercessione  gentile  di  E.  Pridik,  conservatore 
in  capo  de-U'Eremitaggio,  se  ho  potuto  ottenere  dalla  liberale  Direzione  di 
questo  istituto  il  calco  qui  riprodotto.  Biunovo  pertanto  pubblicainente  i  rin- 
graziamenti  a  S.  E.  il  Direttore  dell'Eremitaggio  ed  al  prof.  Pridik. 

(2)  Una  eeeezione  6  il  Benndorf,  il  quäle  li  pubblicö  con  altri  monu- 
menti riferibili  al  mito  di  lo  nei  Wiener  Vorlegeblätter,  dando  in  tal  modo 
ünplicitamente  la  giusta  spiegazione  di  essi  frammenti. 


FRAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  99 

degli  ovvi  grnppi  nella  pittura  vasculare  di  stile  sovero  e  di  stile 
hello  di  una  doiina  alata  che  versa  da  bere  ad  im  mortale.  Pure 
di  due  figure  ammantate  sono  i  resti  nello  stesso  framineiito  nell'altro 
grande  n.  1  a  destra  della  palmetta,  onde  si  puö  trarre  la  facile 
deduzione  che  nel  lato  mono  nobile  del  vaso  doveva  essere  rappresen- 
tata  un'accolta,  usando  la  parola  tedesca,  di  Mantel figuren  da  la- 
sciare  anonime  e  senza  importanza  specificata  e  riprodotte  iu  tanti 
e  tanti  vasi  con  l'unico  scopo  di  riempire  con  decorazione  figura- 
tiva  la  parte  piü  trascurabile  del  vaso  stesso;  una  di  quelle  pro- 
fane conversazioni  in  cui  tuttavia  eccelse  l'arte  dei  grandi  cera- 
misti  del  periodo  pre-persiano  (!)  e  di  cui  tanto  abusarono  i  cera- 
misti  posteriori. 

Ma,  ritornando  ai  frammenti  del  lato  nobile,  che  quasi  uni- 
carnente  ci  debbono  interessare,  assai  manifesta  appare  l'assurditä 
della  spiegazione  dello  Stephaui  riguardo  alla  creduta  spalliera  del 
carro,  e  per  l'assoluta  mancanza  dell'altra  spalliera,  che  pur  do- 
vrebbe  essere  visibile  se  si  ammette  che  1'uomo  dal  petaso  sia  giä 
con  un  piede  sull'<%m,  e  pel  medesimo  livello  a  cui  verrebbero 
a  trovarsi  ed  il  detto  uomo  e  la  donna  coi  due  uomini  accauto. 
Ma  a  chiuuque  sarä  manifesto  che  questa  striscia,  divenendo  sottile 
dall'alto  verso  il  basso,  combina  perfettamente  con  un  ciuifb  for- 
mato  da  linee  parallele  sotto  la  gamba  del  combattente  per  for- 
mare  una  coda  la  quäle,  non  solo  per  la  sua  grandezza,  ma  per 
la  sua  forma,  si  deve  necessariamente  attribuire  ad  un  essere 
bovino. 

Dal  grosso  frammento  in  questione  possiamo  arguire  che  un 
essere  bovino  era  rappresentato  nella  parte  nobile  del  vaso  e  che 
esso  precisamente  occupava  il  mezzo  all'  incirca  di  questa  parte. 
Tnvero  vien  fatto  subito  di  pensare  ad  Io,  e  la  direzione  del  volto 
(ielYaQysiyovTrjg,  cosi  senza  preamboli  chiamo  la  hgura  barbuta 
dal  petaso  e  dalla  elamide,  mi  pare  che  essa  pure  dimostri  che 
mira  della  spada  non  sia  1' essere  bovino,  ma  un'altra  figura  a  noi 
non  arrivata,  Argo  dai  cento  occlii. 

Due  recenti  articoli  hanno  contribuito  ad  arricchire  di  nuovi 
monumenti  ed  osservazioni  le  notizie  che  si  riferiscono  al  mito  di 
Io  neH'arte  antica:  il  primo  di  Hoppin  (Argus,,  Io  and  the  Pro- 

(')  Cito  come  csempio  nobilissimo  la  parte  posteriore  dello  skyphos 
vieimese  riferibile  al  ceramista  Brigo  (Mon.  d.  Inst.,  v.  VIII,  t.  28). 


100 


P.    DUCATI 


melheus  of  Aesch/jlns  negli  II ar ward  Sludies  in  classical  philo- 
logij,  v.  XII,  1901,  pp.  335-345),  il  secoiido  deH'Eugelmauu,  che 
pel  personaggio  di  Io  deve  essere  citato  per  altri  due  lavori  (') 
{Die  lo-Sage  in  Jahrbuch  d.  Inst.,  1903,  pp.  37-58).  Tra  i  rno- 


Fig.  1. 


numenti  citati  da  questi  due  dotti,  quello  che  ha  maggior  impor- 
tanza  pel  nostro  assnnto  e  che  potra,  credo,  dissipare  ogni  ulteriore 
scetticLsmo  riguardo  alla  spiegazione  ora  da  me  proposta  pei  fram- 
meiiti  di  Pietroburgo,  e  la  pittura  doli'  idria  edita  da  Hoppiu  o 
riprodotta  da  Engelmann  a  misura  minore,  ma  con  maggior  esat- 
tezza,  a  p.  43,  hg.  2,  d'onde  e  tratta  la  tig.  1  del  mio  articolo, 
esistente  a  Bryn  Mawr  College  (Nord-America)  (2). 

i'l  De  Ione,  Halle,  1868  e  Tarticolo  Io  nel  Lexikon  del  Röscher,  v.  II, 
col.  2G3  e  seg.  Cito  anclie  i  De  lus  fabula  capita  selecta,  Upsala,  1901,  del 
Meilen  che  minor  attinenza  hanno  con  quel  che  posso  osservare  riguardo  ai 
nostri  fnimmenti. 

(2)  Non  consento  con  Iloppin  nel  giudicave  come  affine  all'altimo  stile 


FRAMMKNTI    DI    VASO   ATTICO  101 

II  momento  rappresentato  nelle  pitture  dell'idriae  dei  fram- 
menti  e  il  medosimo  e  ad  ognuno  sara  palese  la  grande  analogia 
che  hanno  tra  di  loro  e  l'Ermete  dell'idria  e  quello  del  frammento. 
Ma  la  pittura  del  vaso  annericano,  coq  la  giusta  spiegazione  che 
ne  ha  dato  Hoppin,  ci  aiuta  a  renderci  facilmente  esplicabili  le 
particolaritä  che  ci  appariscono  e  nel  grande  frammento  e  negli 
altri  tre  che  indubbiamente  appartengono  al  medesimo  lato  del  vaso 
(n.  15,  4,  5). 

Nella  pittura  dell'  idria  per  Tara,  per  la  colonna  designante 
im  edificio,  per  la  presenza  della  rigura  femminile  con  chiave  in 
raano,  cioe  della  sacerdotessa,  si  deve  riconoscere  che  la  uccisione 
del  guardiano  di  Io  e  raffigurata  nell'Heraion  di  Argo,  nel  sacrario 
stesso  della  dea  a  cui  giä  lo  aveva  servito  e  del  cui  geloso  furore 
e  stata  crudelmente  punita: 

xX^ffots^ov  "Hgag  q>aai  dwfit'awv  note 
I(b  yevtad-cn  Tfj&'  iv  lipyeui  %t)ovi, 

(v.  291,  292  tlelle  Supplici  di  Eschilo,  ed.  Weil). 

Che  pure  nel  magnifico  vaso  di  cui  i  pochi  frammenti  sono 
riraasti  fosse  accennato  il  sacrario  di  Era,  lo  deduco  dal  frammento 
n.  3  (tav.  III),  ove  a  sinistra  del  resto  di  donna  fnggente,  e  l'avanzo 
di  un  oggetto  che  ritengo  essere  una  colonnetta  con  volute  ioniche  sor- 
montate  da  un  tripode  votivo.  Simili  colonnette  con  relativi  tripodi 
si  riscontrano  di  frequente  su  pitture  di  vasi  e  se  anche  talora  si 
vuole  ammettere  che  esse  abbiano  scopo  puramente  decorativo  (cosi 
nel  cratere  di  Bologna  di  Teseo  ed  Eracle,  nel  lato  che  rappre- 
senta  Tiucontro  di  Teseo  e  di  Posidone  {Mon.  d.  Inst.,  supplemento, 
t.  XXI)  (*),  si  deve  accordare  che  per  la  maggior   parte  dei  casi 


di  Brigo  quello  di  questa  idria.  Manca  del  tutto  la  impronta  del  focoso  pen- 
nello  di  questo  ceraraista  e  mancano  pure  i  segni  particolari  ovvi  nelle  suc 
opere.  Convengo  nel  ritenere  la  idria  posteriore  al  480. 

(')  I  vasi  ritenuti  polignotei  dal  Robert  riguardo  alla  loro  composizione, 
su  cui  si  veda  recentemente  il  lavoro  del  Rizzo  (Vasi  greci  della  Sicilia  in 
Mon.  dei  Lincei,  v.  XIV,  p.  12)  a  cui  apparterrebbe  detto  cratere  bolognese, 
hanno  appunto  non  raramente  tali  tripodi  su  colonnc.  In  essi  tuttavia  non 
consentirei  a  vedere  con  questo  dotto  (Rivista  di  filologia,  1902,  pp.  488  e  l!»2) 
un  accenno  alla  presunta  fönte  delle  pitture  di  cui  essi  vasi  sono  adorni,  al 
ditirambo,  ma  vi  vedrei  un  semplice  motivo  di  decorazione  per  concorreiv  a 
meglio  rieinpire  gli  spazi  vuoti  tra  le  persone  c  gli  oggetti  posti  a  livello 
diverso. 


102  p.    DUCATI 

si  e  voluto  con  questi  tripodi  su  colonne  denotare  un  luogo  sacro. 
Cito  tra  questi  vasi  i  frammenti  di  Halle  col  rapimento  delle  Leu- 
cippidi  {Jahrb.  d.  Inst.,  1886,  t.  10,  2;  Robert,  Marathonschlacht, 
pp.  56  e  57,  fr.  4)  che,  come  avrö  campo  di  accennare  ancora,  tanta 
affinitä  stilistica  presentano  coi  nostri  frammenti  e  dove  il  tripode 
su  ionica  colonnetta  serve  a  denotare  il  luogo  sacro  d'onde  i  Dio- 
scuri  rapiscono  le  giovinette  (1). 

Era,  la  quäle  nell'  idria  americana  sarebbe,  secondo  Hoppin, 
la  donna  dietro  Ermete  con  la  testa  ricoperta  da  cuffia  e  con  atto 
di  stupore,  nel  frammento  di  Pietroburgo  n.  1  ci  apparisce,  a  mio 
avviso,  nella  donna  che  non  giä  si  accontenta  di  esprimere  la 
propria  meraviglia,  ma  che  piü  logicamente  rispetto  alla  parte  che 
essa  dea  ha  nel  mito,  tenta  di  distogliere  Ermete  dal  compiere  la 
uccisione  di  Argo  (2).  Di  piü  la  condizione  di  dea  in  questa  figura, 
meglio  che  nell' idria  ove  non  le  e  dato  alcun  attributo,  mi  pare 
cliiaramente  indicata  e  dal  diadema  e  dal  ricamato  vestito  e  dallo 
scettro  tenuto  nella  mano  sinistra. 

E  pertanto  esisterebbe  grande  concordanza  tra  la  pittura  del- 
1"  idria  e  quella  dei  frammenti  non  solo  pel  momento  rappresen- 
tato,  che  e  il  medesimo  e  che  non  e  su  alcun  altro  dei  vasi  del 
recente  elenco  dell' Engelmann,  quello  cioe  in  cui  l'argicida  sta 
snudando  la  spada;  ma  tale  concordanza  esisterebbe  anche  per  la 
scelta  del  luogo,  il  santuario  argivo,  la  direzione  ed  il  movimento 
di  Ermete,  la  presenza  di  Era. 

Nuovo  elemento  estraneo  agli  altri  vasi  sarebbe  nell' idria  la 
sacerdotessa  indicata  come  tale  dalla  chiave  da  lei  tenuta  in  mano ; 
tale  sacerdotessa  sarei  incline  a  riconoscere  in  uno  dei  nostri  fram- 
menti, nel  resto  di  figura  fuggente  nel  piccolo  frammento  n.  3.  Ma 
di  piü  nella  pittura  dell'  idria   sarebbe,    secondo  Hoppin,   Zeus  il 


(')  II  tripode  del  frammento  delle  Leucippidi  manca  delle  aste  che  uni- 
scono  verso  il  basso  fe  tre  gambe  dell'utensile;  e  perö  il  tripode  del  fram- 
mento di  Pietroburgo  avrä  avuto  un  aspetto  assai  simile  a  quello  del  tripode 
alato  su  cai  siede  Apollo  nella  idria  del  Vaticano  (Mon.  d.  Inst.,  v.  I,  t.  46). 
Si  cfr.  anche  il  tripode  sull'anfora  a  volute  bolognese  contemporanea  ai  fram- 
menti (Mon.  d.  Inst.,  v.  X,  t.  54). 

(2)  Era,  spaventata  per  la  uccisione  di  Argo  con  braccia  alzate  e  su 
on'anfora  a  figure  nere  del  Museo  Britannico  (Bril.JiJus.  Calal.,  v.  II,  13,  1GG, 
presso  Overbeck,  Gr.  Kunstmyth.,  Alias,  t.  7,  9). 


FRAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  103 

quäle,  diversamente  dal  Zeus  che  seduto  su  sedia  con  aspetto  e 
scettro  degni  del  re  degli  dei,  assiste  alla  morte  di  Argo  su  stamno 
di  Vieuua  (Ann.  d.  Inst,  1865,  t.  I,  K),  sarebbe  trasformato  in 
una  di  quelle  solite  figure  di  semplici  mortali  che,  avvolte  in  man- 
tello  e  poggiate  su  bastone,  s'incontrano  cosi  spesso  sui  vasi  di  stile 
severo. 

Ad  uno  espediente  artistico  per  compiere  la  decorazione  pit- 
torica  sulle  spalle  deH'idria  e  forse  dovuta  la  intrusione  di  questa 
figura  quasi  pacifleamente  astratta  da  ciö  che  accanto  succede  e  che 
si  puö  denominare  con  eguale  probabilitä  o  Zeus  o  Inaco,  padre 
di  Io.  Ma  pure  nella  pittura  del  vaso  a  noi  arrivato  in  frammenti 
sono  introdotti  personaggi  accessorii  che  minor  o  maggior  rapporto 
hanno  con  la  scena  rappresentata  in  mezzo  e  che  piü  che  altro 
servono  a  riempire  il  vasto  lato  del  vaso.  Due  figure  a  destra  della 
scena  centrale  sono  barbute,  una  di  esse  e  in  modo  ovvio  ricono- 
scibile  pel  tridente  per  Posidone,  divinitä  che  aveva  rapporti  con 
la  terra  argiva  (');  l'altra  per  lo  scettro  e  pel  diadema  e  pel  suo 
atteggiameuto  nobile  e  dignitoso  col  quäle  sta  rivolta  verso  Posi- 
done come  verso  im  eguale,  puö  essere  identiücata  per  Zeus  alla 
cui  presenza  si  compirebbe  l'atto  da  lui  ordinato. 

Dalla  parte  sinistra  del  lato  di  questo  vaso  Iride  fini.a  la 
composizione.  Ma  non  Iride  solamente,  i  frammenti  nn.  4e  5  che  ben 
si  uniscono  insieme  mostrano  la  parte  inferiore  di  due  figure  poste 
sopra  il  meandro:  il  movimento  dei  due  piedi  a  sinistra  ben  si 
adatta  al  movimento  delle  gambe  della  figura  alata  e  cosi  concor- 
dano  le  pieghe  del  chitone,  onde  esso  frammento  potrebbe  ben  ri- 
connettersi  col  frammento  n.  2  a  destra  della  palmetta :  ma  di  piü 
allato  di  questi  due  piedi  ne  sono  altri  due  di  altra  persona  che,  pel 
loro  atteggiameuto,  chiaramente  dimostrano  di  appartcnere  ad  una 
figura  ferma  e  di  fronte,  forse  ad  Inaco.  Pertanto  non  solo  a  destra, 
ma  pure  a  sinistra  sarebbe  stato  un  gruppo  di  due  figure  spettatrici 
che  avrebbero  bene  incorniciato  con  l'aspetto  loro  tranquillo  la  scena 
agitata  di  morte  e  di  fuga  posta  nel  mezzo. 

(')  E  noto  che  nella  contesa  tra  Era  e  Posidone  pel  possesso  del  paese 
argivo  il  fiumc  Inaco,  nominato  con  Cefiso  ed  Asterio  a  giudicc  della  contesa, 
deliberö  in  favore  della  dea  e  per  tale  ragione  ebbe  il  sno  lctto  disscccalo 
nella  stagione  cakla  da  Posidone  (Pausania,  II,  15,  4;  Pseudo-Apollodoro, 
II,  1,   4).' 


104  P.    DUCATI 

In  conclusione  il  lato  piü  bello  di  questo  maguifico  vaso  sa- 
rebbo  stato  adorno  delle  seguenti  figure:  ai  lati  i  due  gruppi  di 
Zeus  e  di  Posidone,  di  Iride  e  forse  d'Inaco,  poi  da  destra  verso  si- 
nistra  Era,  Ermete,  Argo  (dietro  Ermets  ed  Argo  la  vacca  lo),  la 
saccrdotessa  fuggente,  la  colonnetta  col  tripode.  A  ricomporre  in 
tal  modo  il  lato  nobile  di  questo  vaso  sarei  indotto  anche  dalla 
grandezza  dei  personaggi  egnale  del  tutto  a  quella  delle  figure  sul- 
l'anfora  con  amazzonomachia  da  ßuvo  (Furtwaengler  e  Reichhold, 
Griechische  Vasenmalerei,  t.  26-28)  si  da  dedurre  che  essi  frarn- 
menti,  come  accenuerö  meglio  piü  sotto,  abbiano  appartenuto  ad 
un  vaso  e  della  forma  e  della  grandezza  di  questo  celebre  di  Ruvo. 

Piü  piena  di  movimento  sarebbe  stata  rappresentata  la  scena 
della  morte  di  Argo  su  questo  vaso  che  non  nella  idria  americana. 
AI  contrario  di  questa  idria.  che  ritengo  esempio  d'intirizzimento 
di  un  indirizzo  artistico  giä  glorioso  ed  ora  nelle  sue  forme  per 
dir  cosi  cristallizzato,  il  vaso  cosi  miseramente  in  parte  distrutto 
doveva  mostrare  una  composizione  piü  mossa  e  degna  di  un  in- 
dirizzo nuovo  di  arte.  Era,  nulla  perdendo  della  serenitä  olimpica 
di  dea,  vuole  trattenere  Ermete  nell'  impeto  omicida,  mentre,  vol- 
gendo  il  viso  dalla  scena  di  morte,  fugge  spaventata  la  mortale, 
la  sacerdotessa. 

Sorge  legittimo  il  pensiero  che  queste  figure  principali  siano 
state  tolte  da  un  monumento  della  grande  arte  pittorica  contem- 
poranea  ove  da  sole  forse  costituivano  la  intera  composizione.  Tra- 
sportate  queste  figure,  certo  non  di  sana  pianta,  ma  con  modificazioni 
da  presupporsi,  credo,  sempre  presso  qualunque  opera  d'imitazione 
di  artista  greco,  sia  pure  di  sfera  inferiore  e  mediocre  (l)  sul  lato 
del  vaso  proporzionatamente  troppo  ampio,  le  si  sono  apposte  come 
aggiunta,  come  cornice,  si  puö  dire,  quattro  altre  figure,  che  quasi 

(')  Prescindendo  dalle  esigenze  della  decorazione  di  superfici  curve  nci 
vasi  per  cui  ben  difficilmente  si  possono  in  esse  trasportare  tali  e  quali  com- 
posizioni  escogitate  per  grandi  pareti  o  per  quadri,  ö  inammissibilc  la  esi- 
stenza  di  esatte  copie  nel  tanto  fecondo  secolo  V.  Ripcto  le  giuste  parole  di 
Häuser  (Oesterr.  Jahresh.,  1905.  p.  32):  wenn  der  Unterschied  zwischen  Va- 
senbild  und  in  Farben  durchgeführtem  Gemälde  so  gross  ist  wie  zwischen 
Marmorcopie  und  chrysoelephantinem  Original,  so  kommt  im  Gegensatz  zu 
jenen  römischen  Copien  bei  unseren  Nachbildungen  aus  dem  fünften  Jahrhun- 
dert noch  das  für  die  Vorstellung  vom  Original  erschwerende  Moment  hinzu, 
dass  die  frühe  Periode  sclavische  Copien  noch  nicht  kennt. 


FRAMMENtI    DI    VASO    ATTICO  105 

niuno  altro  scopo  hanno  che  di  concorrere  con  le  altre  pertinenti 
alla  morte  di  Argo  a  decorare  armonicamente  un  lato  del  graride 
e  nobile  vaso.  Ed  in  appoggio  a  questo  cito  un  esempio  solo  e  tolto 
da  un  vaso  che  pur  esso  presenta  analogie  profonde  di  stile  coi  fram- 
menti.  Quäle  profunda  attinenza  hanno  infatti  sulla  nota  anfora  di 
Bologna  con  la  morte  di  Priauio  (Mon.  d.  Inst.,  v.  XI,  t.  14)  i  due 
guerrieri  rappresentati  ciascuno  allato  brandendo  l'asta? 

La  rappresentazione  della  morte  di  Argo  comporta  pochissimi 
personaggi  e  perö  non  puö  essere  trasportata  su  ampi  vasi  se  non 
con  l'aggiunta  di  vari  elementi  del  tutto  o  quasi  del  tutto  estranei. 

Non  si  provö  necessitä  di  queste  aggiunte  nella  ceramica  a 
figtire  nere  e  nei  vasi  di  dimensioni  miuori  a  figure  rosse  (per  es. 
stamno  citato  di  Vienna,  tondo  giä  Pizzati  in  Ar  eh.  Zeitg.,  1847, 
t.  2,  oinochoe  di  Napoli  in  Jahrb.  d.  Inst.,  1903,  t.  II  ed  ora  anche 
la  kelebe  deWAshmolean  Museum  in  Journal  of  Hell.  St.,  1905, 
p.  65).  Come  si  e  notato,  l'intrusione  di  elementi  accessori  si  ha 
nella  idria  americana  prima,  nei  frammenti  di  Pietroburgo  poi. 
Ulteriori  esempi  della  stessa  scena  della  uccisione  di  Argo  ampliata 
mediante  l'aggiunta  di  altri  personaggi  ci  sono  dati  e  dal  piü  re- 
cente  cratere  assai  noto  di  Ruvo  (Mon.  d.  Inst.,  v.  II,  t.  59)  e  dalla 
tarda  pittura  apula  assai  restaurata  su  vaso  viennese  (Arch.  Zeitg., 
1873,  t.  15)  ove  il  grande  numero  di  personaggi  di  fantasia  ag- 
giunti  ottenebra  la  visione  netta  del  soggetto  a  cui  la  pittura  allude  : 
la  domanda  di  Ermete  ad  Argo  di  liberare  Io  ('). 

(')  Altro  esempio  bellissimo  di  adattamento  mediante  aggiunta  di  altre 
figure  accessorie  di  una  scena  con  contenuto  relativo  a  pochi  personaggi  a 
grandi  superfici  di  vasi  ci  e  dato  dal  giudizio  di  Paride  riprodotto  attorno 
alle  ampie  pareti  di  idrie  c  crateri.  L'elenco  seguente  di  vasi  ci  fa  vedere 
questo  processo  di  adattamento  dai  primi  tentativi  sino  al  perfetto  sciogli- 
mento  del  problema:  la  idria  della  collezione  Spinelli  (Roem.  Jl/itth.,  1887, 
t.  11,  12),  2a  idria  di  Palermo  (Gerhard,  Apul.  Vasenb.,  t.  D.  1),  3a  idria  di 
Berlino  (Gerhard,  op.  cit,  t.  C,  1),  4a  idria  di  Carlsruhe  (Furtwaengler  e 
Reichhold,  Gr.  Vasen  ,  t.  20),  5a  cratere  a  campana  di  Vienna  (Wiener  Yorlefl., 
S.  E,  t.  11),  Ga  cratere  a  calice  dell'Eremitaggio  {C.  R.,  Atlas.  1861,  t.  III, 
1,  2).  AI  contrario  del  Von  Dulin  (Rom.  Mitlh.,  1887,  p.  264),  che  per  Pidria 
Spinelli  asseri  essere  nella  sua  pittura  riuniti  due  momenti  della  vita  di  Pa- 
ride, credo  di  vedere  nell'aggiunta  delle  quattro  rozze  e  trascurate  figure  at- 
torno alla  scena  del  giudizio  un  complement'o  decorativo  per  la  IuOga  fascia 
da  decorarc  con  figure  attorno  all'idria.  II  pittore  di  questa  idria  Spinelli  pel 
problema  suddetto  di  adattamento  non  ha  saputo  trovare  una  giusta  soluzione 

8 


10G  p.  ducati 

Di  sopra  ho  usato  la  espressione  di  vacca  Io.  Ora  e  noto  che 
l'Engelmann,  seguito  in  ciö  da  Hoppin  ('),  e  davviso  che  i  mo- 
nnmenti  rappresentanti  questo  personaggio  sotto  forma  intierainente 
di  animale  debhano  essere  anteriori  alla  esecuzione  del  Prometeo 


ed  ha  pertaato  dovuto  ricorrere  a  riempitivi  che  gli  potevano  essere  forniti 
dal  repertorio  di  figure  note  presso  i  ccramisti.  Egli  ha  aggiaiito  quattro 
figure,  dne  femminili  e  due  maschili,  delle  quali  uliime  una  ha  il  solito  schema 
delle  figure  amm antäte,  l'altra,  in  vista  all'croe  della  scena,  ha  assunto  an 
vestito  Orientale.  La  stessa  cosa  si  pnö  ripetcre  per  l'altra  idria  di  Palermo, 
ma  qui  il  ceramista  lia  saputo  dare  una  importanza  piü  che  di  semplice  de- 
corazione  alle  figure  del  lato  posteriore  perche  PEros  e  la  Nike  che  tra  di 
esse  appariscono  ben  possono  esprimere  im  legame  un  po'  piü  inümo  coi  pcr- 
sonaggi  della  scena  principale.  Nelle  figure  accessorie  dell'idria  berlinese, 
ove  la  composizione  divcnta  piü  libera,  piü  pittoresca,  si  e  voluto  esprimere 
cliiaramente  mediante  attributi  quäle  genere  di  personaggi  e  stato  riprodotto: 
alla  scena  del  giudizio  assistono  Artemide  ed  un  uomo  barbuto  (Zeus),  Apollo 
e  Ganimede  (giovinetto  troiano).  Ma,  e  per  la  scelta  di  queste  figure  (all'in 
fuori,  come  si  vedrä,  di  Zeus)  e  pel  punto  di  vista  artistico  sul  modo  della 
uaione  di  questi  personaggi  con  la  scena  del  giudizio,  la  composizione  della 
pittara  del  vaso  berlinese  mostra  cliiaramente  che  non  ancora  si  e  raggiunta 
una  soluzione  del  tutto  dcfinitiva  neiradattameuto  della  rappresentanza  del 
giudizio  di  Paride  sullc  spalle  di  nn'idria.  II  problema  e  invece  pienameute 
risolto  nell'idria  di  Carlsrahe;  la  figura  ammantata  dell'idria  Spinelli  diventa 
proprio  Z;us  cd  il  carro  di  Elios  sorge  dietro  nn'altara  soprastante  al  luogo 
ove  al  livello  diverso  stanno  i  vari  personaggi  si  da  presentare  un  quadro  del 
tutd>  armonico  e  connesso  in  ogni  sua  parte.  Nel  cratere  viennese  v'ha  di  piti ; 
al  Carro  di  Elios  e  conirapposta  Selene  che  cala.  Concepito  con  piü  profondo 
pensiero  mi  pare  infine.il  giudizio  di  Paride  nel  cratere  dell'Eremitaggio  ove 
1 1  scena  e  divisa  in  due  piani.  In  terra  avviene  il  giudizio  coi  personaggi 
che  fin  dalle  piü  antiche  rappresentanze  vi  jtrendono  parte  e  con  le  figure 
scguaci  di  Ebe  e  di  Eros.  Nel  piano  Celeste  non  piü  Elios  e  Selene  sono  con- 
trapposti,  ma  tra  due  quadrighe  condotte  da  Iride  e  da  Nike,  Temide  ed 
Bride  (la  quäle  ultima  di  nuzzo  busto  apparc  minacciosa  nell'idria  di  Carls: 
ruhe),  incontratesi,  giä  sono  in  colloquio  per  cio  che  sotto  succede,  menlre 
Zeus  dietro  la  quadriga  di  Temide  in  disparte,  pur  esteriormente  essendo 
quasi  un  membro  accessorio  e  trascurabile,  tuttavia  e  qui  riportato  in  atteg- 
giamcnto  quäle  si  conviene  ad  un  alto  e  vigile  spettatore  all'aTVonimento 
foriero  di  si  infinita  gaerra  (si  osservi  la  forte  analogia  coi  principio  delle 
Ciprie). 

(')  Ilopjiin  aminette  tuttavia  che,  essendo  Parte  conservatriee,  una  radi- 
cale  introdazione  di  una  ragazza  in  laogo  di  una  bestia  non  poteva  essere 
subito  gencralmente  accettata. 


FRAMMKNTI    DI    VASO    ATTICO  107 

eschileo  il  quäle,  trasportando  sulla  scena  il  personaggio  di  Io, 
avrebbü  dato  occasione  a  tralasciare  il  corpo  bovino  ed  a  trasfor- 
maro  Io  in  una  BovxeQaq  naqü-aroq.  II  Prometeo  adunque,  presu- 
mibilmente  negli  anni  tra  il  471  ed  il  468  (''),  sarebbe  stato  di 
assai  grave  importanza  per  lo  sviluppo  della  figura  di  Io  nell'arte 
Hgurativa. 

Uno  stadio  breve  ed  intermedio  tra  la  forma  intieramente 
bestiale  e  quella  di  donna  cornuta  per  l'Engelinann  e  rappresen- 
tato  in  im  luogo  delle  Supplici  di  Escbilo  (2)  e  per  l'arte  figurativa 
dalla  oinochoe  di  Boston  dallo  stesso  Engelmaun  riprodotta  (Jahrb. 
d.  last.,  1903,  p.  39,  fig.  1)  e  di  fabbrica  apula. 

Ora  il  nostro  frammento  mostra  Io  con  corpo  bestiale,  ma 
purtroppo  non  ci  e  dato  di  sapere  se  sul  vaso  intiero  tutta  la 
figura  fosse  di  vacca  o  se  al  corpo  bestiale  fosse  adattato  un  capo 
umano.  Ad  ogni  modo  il  detto  frammento  e  una  prova  contro 
l'asserzione  dell'Engelmann  del  pronto  influsso  del  Prometeo  nel- 
l'arte, perche,  anticipo  fin  d'ora  il  mio  giudizio  cronologico,  esso 
frammento  appartiene  ad  im  vaso  che,  secondo  verosimiglianza, 
non  puö  risalire  ad  un'etä  anteriore  al  4(30  o  al  465  al  massimo. 

Ma  sono  di  avviso  che  nel  vaso  di  cui  sono  parte  i  fram- 
menti  di  Pictroburgo  Io  fosso  rappresentata  con  corpo  del  tutto 
bovino.  Sopra  ho  notato  come,  nonostante  un  aspetto  assai  piü 
lodevole  artisticamente,  la  pittura  dei  frammenti  si  unisca  in  modo 
stretto  a  quella  dell'idria  di  stile  severo.  Chiaro  mi  pare  il  col- 
legamento  per  quello  che  riguarda  la  morte  di  Argo  p:esso  il 
valente  ceramista  dei  frammenti  con  lo  schema  quäle  ci  e  noto  e 
dalla  detta  idria  e,  sebbene  con  varianti  ed  in  direzione  inversa, 
dalla  oinochoe  napoletana,  dal  tondo  Pizzati,  dalla  kelebe  di 
Oxford  (3).  Potrebbe  solo  ammettersi  che  il  ceramista  dei  fram- 
menti avesse  espresso  in  modo  totalmente  nuovo  e  diverso  da  vasi 
anteriori  di  dieci  anni  o  poco  piü  la  figura  di  lo,  qnalora  nel  bre- 
vissimo  spazio  di  tempo  tra  i  vasi  di  stile  severo  teste  citati  ed 
i  frammenti    fosse    avvenuto    tale  mutamento  nella  concezione    di 

(')  Wilainowitz,  Hermes  XXI,  611,  n. 

(*)  V.  568  e  569. 

(3)  Si  potrebbe  aggiungere  ancbe  lo  siamiio  viennese  ove  il  gruppo  di 
Ermete  od  Argo  ricorda  quello  dei  vasi  citali,  ma  dove  I"  e  per  errore  sotto 
forma  di  toro. 


108  P.    DUCATI 

essa  figura  nello  svilnppo  verso  forme  parzialmente  umane  da  es- 
sere  subito  accolto  dall'arte  figurativa.  Una  prova  di  tale  muta- 
mento  vuol  vedere  l'Eugelmann  nei  versi  delle  Supplicl,  versi  che, 
secondo  lo  stesso  dotfco,  avrebbero  avuto  per  fondamento  l'analoga 
figura  artistica  di  mostro  mezzo  bovino  e  mezzo  nmano  il  quäle, 
aualogamente  älla  forma  di  Acheloo,  sarebbe  stato  creato  sotto 
influsso  di  forme  dell'Orieute. 

Ma  ora  e  stato  dimostrato  da  Alfredo  Koerte  (')  che  la  ese- 
cuzione  delle  Supplicl  deve  cadere  negli  auni  481  e  480  in  etä 
pertanto  contemporauea  ed  auche  anteriore  ai  vasi  citati  poche 
righe  sopra,  i  quali  tutti  vappresentauo  lo  in  forme  totalmente 
bovine. 

Si  deve  osservare  inoltre  che  un  passo  solo,  come  nota  A.  Koerte, 
delle  Supplicl  ci  da  lo  sotto  la  mostruosa  forma  mista,  mentre 
costantemente  in  detta  tragedia  questo  personaggio  e  considerato 
come  vacca,  ed  e  pertanto  poco  plausibile  che  im  passo  solo  di 
una  tragedia  sia  stato  di  cosi  grave  momento  da  inrluire  sulla 
concezione  artistica  di  un  dato  personaggio. 

Per  di  piii  il  racconto  nelle  Supplici  di  ciö  che  succede  ad 
lo  nella  valle  del  Nilo  (v.  310  e  seg.)  concorda  col  parallelo  rac- 
conto eschileo  del  Prometeo  (v.  846  e  seg.) :  ora  nella  valle  del 
Nilo  appunto  la  dea  Iside  era  veuerata  con  l'aspetto  eguale  del 
tutto  a  quello  di  lo  sotto  forma  di  donna  cornuta  (2),  e  giä  per 
questo  mi  pare  meno  probabile  in  Egitto  l'apparizione  di  lo  con 
figura  mostruosa  mezzo  bovina  e  mezzo  umana,  quäle  rEngelmann 
vorrebbe  vedere  nei  versi  delle  Supplici,  che  non  quella  umana 
cornuta. 

E  questo  sarebbe  comprovato  da  una  testimoniauza  monu- 
mentale, dalla  pelike  Spinelli  (Engelmann,  arfc.  cit..  pp.  46  e  47, 
figg.  3  e  4)  ove  e  appunto  rappresentata  la  fine  del  lungo  errare 
di  lo  nei  momento  in  cui  essa  e  toccata  da  Zeus  ed  e  in  aspetto 
di  donna  cornuta.  Ora  questa  pelike  Spinelli  per  lo  stile  dclla 
sua  pittura    non    puö    essere   ritenuta    posteriore,    anzi   si    palesa 

(')  Die  Entstehungszeit  der  Hiketiden  des  Aischylos,  p.  289-300 
delle  Melanies  Nieole.  Debbo  alla  gentilezza  <lel  prof.  Gustavo  Koerte  di 
essere  stato  informat"  iü  questo  articolo  o  di  arerlo  potnto  leggere. 

(2)  Erodoto,  II,  41.    Kpafo  e  poi  identificato    col    buc  Api    presso    lo 
t(    so  Erodoto  (II,  153;  III,  27,  28). 


FRAMMENTI    DI    VASO   ATTICO  109 

eontemporanea  ai.  frammenti  di.  Pietroburgo  che  avrebbero  serbato 
aucora  la  figura  boviua  di  Io. 

Eschilo  ha  contribuito  col  suo  Promcleo  a  togliere  questa 
disü'ordauza  dolla  figura  di  Io  nei  due  momenti  di  sua  vita,  e 
l'aspetto  di  fanciulla  cornigera  applicato  a  questo  personaggio 
resta  fissato  nella  posteriore  arte  ügurativa  anche  quando  esso  e 
rappresentato  sotto  la  custodia  di  Argo. 

Ma  si  potrebbe  obbiettare  che  la  forma  mista  appare  su  im 
monumento,  uella  oinochoe  apula  del  museo  di  Boston  gia  citata 
ove  Io  e  rappreseutata  sotto  forma  ambigua  (').  Ma  per  la  sua 
tesi  l'Eugelmann  e  costretto  a  porre  questa  oinochoe  in  un'epoca 
piuttosto  remota  in  un'etä  anteriore  al  471-468  (anni  del  Pro- 
meteo)  ed  a  collocare  accanto  all'  idria  di  Bryn  Maiur  Colleye, 
che,  in  seguito  alle  scoperte  della  macerie  persiana  dell'acropoli 
ateniese  ed  alle  ricerche  di  Hartwig  sulla  ceramica  di  stile  severo, 
non  puö  essere  ritenuta  di  molto  anteriore  al  470,  questa  oinochoe 
che,  pur  essendo  d'  imitazione  apula,  palesa  uuo  stile  tanto  piü 
sviluppato  di  quelle  dell'  idria  (2). 

Naturalmente  il  pittore  apulo  della  oinochoe  era  in  ragione 
di  dipendenza  da  un  modello  attico  che  si  puö  ammettere  con- 
temporaneo  o  di  poco  posteriore  ai  vasi  che  ci  danno  l'intiera 
forma  bovina  di  Io,  e  si  deve  forse  al  Capriccio  di  esso  pittore  o  al 
desiderio  di  rendere  piü  chiaro  per  la  sua  clientela  il  soggetto 
della  morte  di  Argo,  la  cui  pluralitä  di  occhi  non  e  riprodotta,  e 
forse  anche  alla  mancanza  di  gusto  artistico,  se  ha  voluto  indi- 
care  l'antica  sacerdotessa  di  Era  trasformata  in  giovenca  con  ag- 
giungere  una  testa  femminile  umana  ad  un  corpo  bovino. 

La  pittura  del  noto  cratere  ruvestino  e  stata  posta  anche  assai  di 
recente  (3)  in  relazione  con  l'arte  polignotea;  il  fatto  invece  che  i 

(1)  Si  potrebbe  aggiungere,  coine  fu  aggiunta  dall'Engelmann,  una  ter- 
racotta  siciliana  di  Cavlsruhe  (Kekule,  Terracotten  von  Sicilien,  t.  1!'.  1 
=  Röscher,  Lexikon,  v.  II,  col.  279) ;  ma  il  corpo  bovino  attaccato  alla  pro- 
tomo  femminile  cornuta  e  opera  di  an  restauratore,  il  quäle  tuttavia  per 
l'Engelraann  avrebbe  restaurato  bene.  La  eseeuzione  di  questa  terracotta  nun 
perraette  poi  di  farla  risalire  ad  epoca  anteriore  al  470  a.  C;  tutt'altro.  essa 
e  opera  del  IV  secolo  avanzato. 

(2)  Cosi  noWArch.  Anz ,  1901,  p.  167,  n.  21  e  stata  ritenuta  come  imi 
tata  da  vaso  attico  della  metä  del  V  secolo. 

(3)  Eizzo,  J/on.  dei  Lincei,  v.  XIV,  p.  12.  In  altro  suo  scritto    (Sludi 


]10  P.    DUCATI 

frammeuti  nostvi  con  Io  con  corpo  bestiale  appartengono  circa 
al  460  a.  C  al  tempo  in  cui,  come  e  presumibile,  fu  specialmeute 
attivo  il  grande  Polignoto,  ritengo  che  faccia  escludere  totalmente 
la  derivazione  di  esso  cratere  da  im  modello  dell'arte  polignotea. 
E  ad  accentuare  vieppiü  la  distanza  tra  questo  cratere  ed  i  vasi  a 
cui  si  collegano,  corne  si  vedrä,  i  nostri  frarnmenti.  distanza  che  il 
Rizzo  vuol  restringere  a  solo  poco  piü  di  dieci  anni  (*)  e  destinata 
specialmente  la  seconda  parte  di  questo  mio  articolo  contenente 
osservazioni  d'indole  prettamente  stilistica. 

Debbo  peraltro  fare  ruenzione  di  un  ultimo  vaso  con  la  morte 
di  Argo  in  cui  si  e  mantenuto  lo  Schema  e  di  Ermete  e  del  nav- 
öiiii^  noto  a  noi  dalla  maggioranza  dei  vasi:  cioe  la  kotyle  del 
museo  di  Atene  (2)  (Engelmann  art.  cit.,  pp.  48  e  49,  figg.  5  e  6) 
pertinente  alla  ceramica  locale  beotica  (v.  nota  in  appendice  p.  138). 


* 


Sopra  ho  detto  che  le  nobili  fignre  dei  frarnmenti  di  Pietro- 
burgo  hanno  l'eguale  altezza  di  quelle  componenti  l'amazzono- 
machia  attorno  il  ventre  della  nota  anfora  a  volnte  del  museo  di 
Napoli  (Furtwaengler  e  Reichhold,  op.  cit.,  t.  20-28),  ed  appunto 
ad  una  grandiosa  anfora  a  volute  gemella  piü  che  ad  un  vaso  di 
forma  diversa  sono  convinto  che  essi  frarnmenti    dovevano   appar- 


archeologici  sulla  tragedia  ed  il  äitirambo.  nella  Rivista  di  Filologia  das- 
sica,  1902,  p.  501)  il  Rizzo  erroneamente,  come  notö  rEngelmann,  lia  voluto 
sostcnere  la  derivazione  della  pittura  ruvestina  dal  ditirambo,  meiitre  nel 
ditirambo  di  Bacchilide  (XVIII.  ed.  Blass,  v.  16)  Io  e  chiainata  XQva^((  ß(,t'S- 
(')  Mon.  dei  Lincei,  v.  XIV,  p.  49.  II  Rizzo  per  la  cronologia  dei  vasi 
segue  le  vedute  del  Milchhoefer  (Jahrb.  d.  Inst.,  1894,  Zur  jüngeren  attischen 
Vasenmalerei,  pp.  57-82). 

-)  Qui  manca  la  figura  di  Io  ed  invece  sono  un  flautista  ed  un  Sileno 
danzante.  Di  tale  mancanza  ha  voluto  vedere  la  ragione  1'Eugelmann  nel  fatto 
della  dipendenza  di  questa  pittura  da  un  mftno,  dipendenza  rneramente  ipote- 
tica  c  non  avvalorata  da  alcuna  ragione.  Io  non  e  rappresentata  perche  nel 
inimo,  non  essendovi  nessuna  necessitä  di  far  parlare  questo  personaggio,  essa 
aveva  mantenuto  la  sua  forma  intieramente  bovina!  Cosi  viene  spiegata  la 
mancanza  di  Io  nella  pittura  di  un  tardo  ed  ignorante  ceramista.  Ed  allora  la 
mancanza  di  Io  nella  pittura  arcaica  della  morte  di  Argo  su  pelike  del  LouVTfl 
[Mon.  d.  lnst.,v.  II.  t.  59,  5)? 


FRAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  111 

teuere  (')•  Ed  allora  a  cMunque  e  im  po'  famigliare  coi  prodotti 
deH'indiisti'ia  ceramica  atfcica  verrä  fatto  di  porre  i  nostri  fram- 
menti  in  uia  serie  nobilissima  di  anfore  a  voluto  che,  raccolte 
dal  Robert  (')  e  dal  Furtwaengler  (:!),  fonnano  nn  gruppo  in  se 
omogeneo  dovuto  all'arte  attica  in  im  brevissimo  periodo  di  tempo. 
Gli  esempi  uoti  di  questo  gruppo  credo  pertanto  opportuno  racco- 
gliere  : 

1)  Da  Altamura,  museo  britannico,  Brit.  Mus.  Cat.,  v.  III,  E,  4G9;  sul 
collo:  partcnza  di  Trittolemo  ed  incoronazione  di  an  citaredo;  sul  venire: 
gigantomachia  (Hoydemann,  Giqantomachie  auf  einer  Vase  aus  Alta- 
mura, 1881). 

2)  Da  Gela,  museo  di  Palermo,  amazzonomachia  (in  parte  edita 
presso  Furtwaengler  e  Reichhold,  op.  cit.,  testo,  S.  I,  pp.  125,  128-128,  132). 

3)  Da  Ruvo,  museo  di  Napoli,  n.  2121  (Heydemann) ;  sul  collo:  in- 
Seguimento  di  una  giovine  e  lotta  di  Peleo  e  Tetide;  sul  venire:  amazzo- 
nomachia (l'ultimo  disegno  e  del  Reichhold,  op.  cit.,  t.  26-28). 

4)  Da  Bologna,  museo  tli  Bologna;  sul  collo:  centauromachia  cd 
Eracle  presso  Folo;  sul  ventre:  scene  della  Iliuperside  {Mon.  d.  Inst.,  v  XI, 
t.  14-15). 

5)  Da  Bologna,  museo  di  Bologna;  sul  collo:  inseguimento  di  una 
giovane  e  sacririzio;  sul  venire:  Elena  e  Menelao,  Etra  coi  Tescidi  e  qua- 
driga  con  due  gucrrieri  (Mon,  d.  Inst.,  v.  X.  t.  54,  54a). 

6)  Da?  Loa  vre  ;  sul  collo:  partenza  di  Trittolemo  e  caccia  ad  una 
cerva;  sul  ventre:  commiato  di  gucrrieri  e  combattimento.  (Millingen,  An- 
cient  uned.  mon.,  v.  I,  t.  20-24  . 

7)  Da  Ruvo,  Halle,  frammenti  che  si  riferiscono  al  rapimento  delle 
Lcucippidi  (Robert,  Marathonschlacht,  pp.  56-57). 

Si  deve  poi  aggiungere : 

8)  Da  Bologna,  museo  di  Bologna;  sul  collo:  scena  di  simposio;  sul 
ventre:  amazzonomachia  (Pellegrini,  Di  alcuni   vasi  con  rapp.  di  Amazzoni. 

(')  II  Pridik  ini  scrive  che  il  diametro  interno  del  vaso  alle  spalle  mi- 
sura  cm.  49,2,  l'esterno  cm.   50,6. 

(2)  Marathonschlacht,  p.  55;  Mon.  dei  Lincei,  v.  IX,  p.  24. 

(3)  Testo  alla  Gr.  Vas.,  S.  I,  p.  131  e  seg.  —  Rimando  al  testo  del 
Furtwaengler  (op.  cit.,  S.  II,  p.  4)  per  le  osservazioni  riguardo  al  legame 
che  uirsce,  per  cio  che  spetta  a  forme  tettoniche  del  vaso,  Fanfora  delFamaz- 
zonomachia  ruvestina,  l'esempio  piü  chiaro  di  queste  anfore,  con  le  autece- 
denti  Fran^ois  ed  aretina  {Gr.  Vas.,  t.  61,  62,  attribuita  a  Smicro  da  Gaspar 
in  Mon.  et  Mim.  Piol,  1902,  p.  28  e  seg.,  a  Smicro  o  ad  Eufronio  dal 
Furtwaengler)  e  con  la  posteriore  anfora  di  Talos.  E  singolare  poi  osservare 
il  modo  coi  quäle  fu  trattato  BulFanfora  aretina  il  tema  deH'amazzonomachia 
tanto  preferito  nella  ceramica  attorno  la  metä  del  V  secolo  e  non  piü  ap- 
plicato  ad  Eracle,  ma  a  Teseo  o  ad   Achille. 


112  p-    DUCATI 

Atti   e    Memorie    della    Dep.    di    storia   palria   per    le    Romogve,    S.    III, 
v.  XXI,  t.  2)  (»). 

Ed  invero  lo  stile  dei  nostii  frammenti  in  modo  cosi  mani- 
festo  presenta  analogie  vivissime  ed  innegabili  con  quello  delle 
pitture  dei  vasi  teste  citati  in  nota  che  mi  pare  inutile  insistere 
su  questi  faeili  confronti  tra  i  frammenti  ed  i  vasi.  II  nostro  Er- 
mete  non  pare  forse  una  delle  figure  di  Greci  coinbattenti  con 
petaso  dell'anfora  mvestina? 

E  la  ligura  di  Era  non  fa  sorgere  impellente  il  confronto  con 
quella  di  Elena  su  anfora  bolognese?  Si  deve  aggiungere  che  il 
Posidone  dei  frammento  nell'attitudine  sua  e  dei  tutto  eguale  al- 
1' Apollo  sull'anfora  bolognese  con  l'inseguimento  di  Elena. 

Ma  se  si  pongono  questi  frammenti  di  Pietroburgo  nella  serie 
delle  aufore  a  volute,  ad  ognuuo  apparira  la  grande  importanza 
dei  rinvenimento  di  frammenti,  adorni  secondo  questo  indirizzo  di 
arte  attiea,  nella  lontana  Crimea,  prova  ulteriore  dei  giä  iniziato 
commercio  tra  1' Attiea  e  le  regioni  dei  Bosforo  ciinmerio,  com- 
mercio  che  giunge  a  tanta  importanza  nel  secolo  IV  (2). 

(')  Si  potrebbe  aggiungere  ua'altra  anfora  la  quäle  tuttavia  non  palese- 
rebbe  tutti  i  caratteri  stilistici  delle  aufore  suddette;  e  l'anfora  a  volute 
deWAshmolean  Museum  in  Oxford,  edita  in  Journal  of  Hell.  St.,  190!,  t.  I, 
e  rappresentante  ZEYZ,  HEPME2,  EniME&EYI,  IUNJOPJ.  Vi  e  la  scritta 
di  iiXxluaxog  xa'Aög,  sul  quäle  Alchimaco  si  v.  Klein  {Vasen  mit  Lieblings- 
namen, p.  105).  Le  orribili  riproduzioni  dell'anfora  londinese  con  Aiace  e 
Cassandra  (Röchelte,  Mon.  inöd.,  v.  I,  t.  00  da  cui  Arch.  Zeug.,  1848, 
t.  14,  2  ed  Overbeck,  Her.  Bildwerke,  t.  27,  n.  4)  non  sono  base  sicura, 
perche  essa  anfora  sia  posta  col  Furtwaengler  nella  suddetta  serie.  —  AI 
museo  di  Bologna,  come  provenienti  da  necropoli  felsinee  si  notano  altre 
aufore  a  volute  appartenenti  a  questa  serie;  solo  una  di  esse  e  edita  da 
Zannoni  {GH  seavi  della  Certosa  di  Bologna,  t.  135,  figg.  1-6);  ma,  come 
per  quasi  tutti  i  monumenti  pubblicati  in  quest'opera,  la  riproduzione  colä 
offerta  e  senza  valore  aleuno.  Essa  anfora  ci  offre  da  an  lato  le  tre  divinitä 
apollinee  in  scena  di  libazione.  Hi  aggiungano  le  anfore  con  le  seguenti 
scene:  Achille  che  si  arina  alla  presenza  di  Tetide,  di  sette  Nereidi,  di  Nereo 
(Museo  italiano,  v.  II,  p.  37),  Borea  ed  Orizia  e  sette  donne  faggenti  da 
Eretteo  (id.,  pp.  19,  20),  centauromachia  con  episodio  di  Ceneo  (id.,  p.  11), 
frammenti  di  Dioniso,  di  un  uomo,  di  Sileni,  di  Menadi  (id.,  pp.  39,  -10,  sei 
frammenti  bellissiini  riferibili  con  verosimiglianza  alla  scena  di  Efesto  ricon- 
dotto  all'  Olinipo). 

(2)  Riguardo  agli  sbocchi  principali  dei  commercio  ceramico  atlico  in 
questo  periodo  si  veda  l'articolo  citato  dei  Pellegrini,  p.  7  e  seg. 


FRAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  113 

Giä  il  Furtwaengler  lia  osservato  conie  non  tutte  le  anfore 
di  questa  serie  siano  all'identico  livello  stilistico  o  perö  cronolo- 
gico  e  per  di  piü  e  noto  che  accanto  a  queste  anfore  a  volute  altri 
vasi  di  altre  forme  sono  stati  posti  dallo  stesso  Furtwaengler  e 
dal  Robert  ('). 

Certo  la  piü  antica  opera  di  tutta  la  serie  e,  come  ebbe  a 
notare  il  Furtwaengler,  quella  che  ci  offre  attorno  al  ventre  la 
scena  di  gigantomachia;  questa,  per  quanto  si  puö  capire  dalla 
riproduzione  di  Heydemann,  quasi  quasi  si  accosta  ai  vasi  di  stile 
severo,  e  basti  a  tal  scopo  osservare  il  rendimento  delle  barbe 
e  dei  capelli,  il  disegno  dell'occhio,  lo  schematismo  nelle  pieghe 
dei  vestiti.  Maggiore  omogeneitä  presentano  tra  di  loro  le  altre 
anfore  si  da  ascriverle  aila  niedesinia  fase  artistica,  sebbene  qual- 
che  differenza  si  possa  percepire  (2)  e  sebbene  la  singulare  anfora 
edita  dal  Pellegrini  con  amazzonomachia,  sulla  cui  importanza 
rimando  alle  giuste  osservazioni  di  questo  dotto,  si  palesi  di  di- 
segno piü  recente  della  maggioranza  delle  altre  anfore  (3). 

E  noto  che  il  Robort  (4)  pose  tra  lo  stile  severo  e  questo  gruppo 
di  anfore  1' opera  dei  due  pittori  di  stamni,  Errnonatte  e  Polignoto. 
Negando  fin  d'ora  le  grandi  affinitä  tra  questi  due  ceramisti  ed 
auzi  giudicando  le  opere  dei  secondo  piü  recenti  di  quelle  di  Er- 
rnonatte non  solo,  ma  di  quelle  della  serie  di  anfore  a  volute, 
credo  che  all'incontro  un'affinitä  disegnatoria,  tale  da  dedurne  una 
identitä  di  cronologia,  colleghi  la  gigantomachia  di  Altamura  con 
le  pitture  di  Errnonatte. 

Lo  stamno  Faina  di  Orvieto  (Arch.  Ztg.  1878,  t.  12)  e  la 
pelike  .viennese  con  la  stinge  {Mon.  d.  Inst.,  v.  VIII,  t,  45)  di 
questo  ceramista  palesano  invero  lo  stesso  stadio  artistie.o  del- 
l'anfora  di    Altamura,  giä    una  cspressione  della    figura  che,   pur 

(')  Si  vcda  pure.  Milchhoefer,  Zur  jüngeren  attischen  Vasenmalerei 
{Jahrb.  d.  Inst.,  1894,  p.  77,  n.  44  e  45). 

(2)  II  Furtwaengler  avvicina  1' amazzonomachia  geloa  all'anfora  con 
Iliuperside,  quella  ruvestina  all'anfora  con  l'incontro  di  Menelao  cd  Elena  e 
crede  anteriori  i  due  priini  vasi  agli  altri  due.  Posteriori  per  nie  sarebbero 
i  frammenti  di  Pietroburgo  che  daterei  pertanto  verso  il  450,  e  questo  in 
base  specialmente  al  disegno  dell'occhio  qui  reso  piü  di  profilo  che  nelle 
opere  antecedenti. 

(*)  Pellegrini,  op.  cit.,  p.  25  e  seg. 

(4)  Mon.  dei  Lincei,  v.  IX,  Sopra  i  vasi  di  Polignoto. 


114  P.    DUCATl 

non  essendo  piü  quella  dei  grandi  pittori  di  tazze  del  periodo 
persiano,  ha  mantenuto  ancora  molto  di  essa.  E  la  stessa  espres- 
sioue  che  si  puö  scorgere  in  pitture  di  altri  stainni  che  pertanto 
con  probabilitä  possono  essere  riferiti  ad  Ermonatte  e  cioe  uno 
con  nascita  di  Atena  (')  (a  Londra,  Gerhard,  Auserl.  Vasenb.,  t.  4), 
im  secondo  con  Menadi  contro  Orfeo  (Gerhard,  op.  eil,  t.  156;  si 
confrontino  le  Menadi  con  le  donne  fnggenti  snllo  stamno  Faina), 
un  terzo  infine  con  lo  stesso  soggetto  (al  Louvre,  Mon.  d.  last., 
v.  IX.   t.  30)  (*). 

Ma,  se  cronologicamente  il  vaso  di  Altamura  e  queste  opere 
di  Ermonatte  stanno  all'identico  livello,  noi  vediamo  che  al  primo 
sussegue  il  grnppo  nobilissimo  delle  anfore  a  volute  con  caratteri 
tutti  particolari,  alle  seconde  invece  col  Furtwaengler  si  puö  ac- 
cordare  come  sviluppo  ulteriore  il  cratere  del  museo  di  Villa  Giulia 
da  Faleri  con  le  ragazze  che  eseguiscono  un  nctqfrkviov  (Gr.  Va- 
senmalerei, t.  17,  18,  testo.  S.  1°,  p.  81)  con  disegno  che  pa- 
lesa  una  mano  diversa  da  quella  degli  autori  di  dette  anfore,  la 
mauo  di  im  pittore  che,  pur  essendo  abile  e  coscienzioso  nel  ren- 
dere  le  figure  umane,  non  mostra  arditezza  e  vivacitä  di  motivi 
c  di  composizione,  la  mano  infine  di  un  pittore  il  cui  carattere 
combina  del  tutto  con  quello  a  noi  noto  di  Ermonatte.  E  perö  le 
opere  a  noi  note  di  questo  ceramista,  non  tanto  lontane  da  quelle 
di  stile  severo  (:t),  ammettendo  che  l'epoca  dei  grandi  pittori  di 
tazze  si  sia  estesa  per  tutto  il  primo  quarto  del  V  secolo,  ritengo 


(')  Giä  dal  Winter  (Die  jüngeren  attischen  Vasen,  p.  23)  avvicinato  ad 
Ermonatte, 

(*)  Di  poco  anteriore  a  questi  vasi  sarebbe  lo  stamno  di  Würzburg 
(Arch.  Ztg.,  1883,  t  12)  con  la  morte  di  Ipparco,  ove  la  figura  di  Armodio 
ben  palesa  di  esserc  inspirata  dall'originale  della  statua  napoletana  (477  a.  C). 
Lo  stile  vi  e  ancora  severo  e  la  testa  di  Armodio  e  simile  a  quella  di  Acbille 
sulla  nota  tazza  policroma  di  Eufronio.  Probabilmente  questo  stamno  e  di 
poco  posteriore  al  475. 

(•'')  Pel  suo  carattere  conservatore  delle  forme  e  dei  motivi  l'opera  di 
Ermonatte  si  puö  collegare  a  quella  antecedente  di  Duride  definita  dal  Furt- 
waengler (Gr.  Vas.,  testo,  S.  I,  p.  111)  con  le  parole:  bei  ihm  (Duride)  ist 
alles  ordentlich  und  sauber;  allein  Geist,  Feuer  und  Schwung  fehlen  ihm. 
Si  confrontino  le  Nereidi  dello  stamno  Faina  con  le  Nereidi  della  tazza  di 
Monaco  (Gr.  Vas.,  t.  21),  i  Tebani  della  pelike  viennese  con  gli  Acbei  della 
tazza  viennese  (Gr.  Vas.,  t.  54). 


FRAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  115 

che  nei  quindici  anni  appnnto  prima  del  460  circa  (cratere  di 
Faleti)  debbano  essere  poste. 

Quasi  coutemporaneitä  con  l'anfora  di  Altamura  mi  pare  che 
presenti  la  tazza  monacense  di  Tityos  (FurtwaeDgler  e  Reichhold, 
op.  cit. ,  t.  55)  che  parecchio  ancora  ritiene  dello  stile  severo  ('); 
tuttavia  le  sue  figure  mostrano  alla  pari  di  quelle  della  gigan- 
tomachia  citata  un  passaggio  ad  uü  disegno  meno  schernatico.  La 
tazza  di  Titj^os,  segnende-  il  Furtwaengler  (2),  si  colleglierebbe 
con  una  serie  di  tazze  che  dalla  policroma  berlinese  della  officina 
di  Eufronio  (Hartwig,  Melslerschalen.  t.  51-52),  andrebbe  fino  a 
quella  di  Pentesileia  di  Monaco  (Gr.  Vas.,  t.  6)  gruppo  che  si 
dovrebbe  ad  im  solo  artista,  al  maestro  della  tazza  di  Pentesileia, 
e  che,  in  base  al  nome  di  rXavxo)v  in  aleune  di  queste  tazze  lodato, 
si  dovrebbe  porre  nel  decennio  tra  il  470  ed  il  4(30. 

Consento  nella  deterininazione  cronologica  di  tutte  le  tazze 
citate  dal  Furtwaengler,  rna  non  consento  nel  vedere  in  esse  l'opera 
di  un  solo  artista.  Ed  invero  come  si  spiegherebbe  in  questo  caso 
quell'assenza  di  nädoq  laddove  si  richiederebbe  che  fosse  espresso, 
cioe  nei  frammenti  con  la  raorte  di  Orfeo  (Journal  of  Hell. 
St.,  1888,  t.  6)  (3)  accanto  a  quolla  viva  espressione  degli  intimi 
sentimenti  dell'auimo  per  cui  sono  veramente  degne  di  essere  am- 
mirate  le  tazze  di  Tityos  e  di  Pentesileia? 

Anello  di  congiunzione  tra  l'anfora  di  Altaraura  con  la  tazza 
di  Tityos  e  le  due  anfore  con  amazzonomachia  di  Napoli  e  di  Pa- 
lermo ci  rappresenterebbe  la  preziosa  tazza  di  Pentesileia  snl  cui 
alto  valore  artistico  non  ho  che  da  riraandare  alle  osservazioni 
del  Furtwaeugler  nel  testo  della  sua  pubblicazione.  Dopo  essa 
tazza,  e  ciö  e  sfuggito  al  Furtwaengler,  non  giä  al  Klein  iu  nn  suo 
vecchio  lavoro  (4),  si  deve  porre  quella  del  Louvre  con  Aiace  e  Cas- 

(')  IIa  antecedente  della  tazza  di  Tilyos  e  deH'anfora  di  Altamura 
nello  stile  severo  dell'ultima  fase  sarebbe  dato  dal  vaso  di  Berlino  (Gerhard, 
Etr.  und  Kamp.  Vasenb.,  t.  VI,  VII)  col  rapimento  di  Arianna  da  parte  di 
Di<>niso. 

(2)  Testo  alla  Gr.  Vas.,  S.  I,  p.  283  e  seg. 

(8)  Questi  frammenti  ci  offrirebbero  un  esempio  dell'esaurimento  dello 
stile  severo,  esaurimento  manifestatoci  e  dalla  kelebe  di  Villa  Giulia  con 
Iliuperside  e  da  numerose  kelebai  di  varia  provenienza  (si  v.  le  mie  Brevi 
osserv.  sul  ceramista  attico  Brigo,  p.  64). 

(4)  Ann.  d.  Inst.,  1877,  pp.  216-267. 


116  P.    DUCATI 

sandra  (Ann.  d.  Inst.,  1877,  t.  IV).  Sebbene  la  pubblicazione  di 
questa  pittura  non  sia  di  certo  esatta,  pure  essa  rende  sempre 
abbastanza  manifesta  la  piena  del  sentimento  che  anima  quelle 
(igure  allo  stesso  modo  di  quelle  della  tazza  di  Pentesileia  alla 
quäle  credo  che  sia  di  qualche  anuo  posteriore. 

Le  tre  tazze  di  cui  ho  fatto  ora  nienzione  appartengono  al 
gruppo  di  vasi  da  porre  allo  stesso  livello  stilistico  della  serie 
delle  anfore  a  volute;  di  essi  vasi  faccio  seguire  iu  nota  l'elenco 
rnettendo  accanto  a  ciascuno  di  essi  i  nomi  dei  dotti  che  hanuo 
riconosciuto  la  loro  pertinenza  alla  fase  della  ceramica  attica  di 
cui  qui  faccio  cenno  ('). 

Ed  a  questi  vasi  ue  aggiungo  altri,  senza  tuttavia  pretendere 

(')  1.  Stamno;  da  S.  Agata  de'  Goti.  Napoli.  Eracle  e  Dessameno  (uiii- 
maniente  riprodotto  nei  Mon.  dei  Lincei,  v.  IX,  p.  10,  fig.  2  (Robert). 

2.  Frarnmenti  di  stamno;  Berlino.  Centauromacbia.  Arch.  Ztg.,  1883, 
t.  17  (Milchhoefer,  Robert,  Fnrtwängler). 

3.  Cratere  di  Bologna.  Museo  di  Bologna.  Amazzonomacliia.  Furtwängler 
e  Reiclibold,  op.  cit.,  t.  75-76,  (Pellegrini,  Furtwängler). 

4.  Cratere;  dall'Italia  meridionale.  Louvre.  Monomachia  di  Achille  e 
Memnone  e  Filottete  ferito.  Millingen-Reinach,  Peintures  des  vases,  t.  49-50 
(Robert,  Furtwängler). 

5.  Cratere;  giä  Campana.  Eremitaggio.  Quadriga  corj  due  guerrieri  ed 
un  nemo,  scena  di  libazione.   C.  R.  Alias,  1874,  t.  5,  (Furtwängler). 

6.  Idria;  da  Capua.  Museo  britannico.  (Brit.  Mus.  Cat.,  v.  III,  E,  170). 
Apollo  iusegue  una  donna    Mon.  d.  Inst .,  v.  IX,  t.  28  (Milchhoefer,  Robert). 

7.  Idria;  da  Capua,  ove  ?  Ermete,  Apollo,  Arteniide,  Latona.  Mon.  d. 
Inst.,  v.  IX,  t.  17,  1,  (Robert). 

8.  Idria;  da  Capua.  ove?  Borea  ed  Orizia.  Mon.  d.  Inst.  v.  IX,  t.  17,2. 
(Rohert). 

9.  Tazza;  da  Vulci.  Monaco.  I.  Apollo,  Tityos,  Gea.  Furtwängler  e 
Reichhold,  op.  cit.,  t.  55  (Furtwängler). 

10.  Tazza;  da  Vulci.  Monaco.  I.  Achille  e  Pentesileia.  Furtwängler  e 
Reichhold,  op.  cit.,  t.  6  e  t.  50, 1-3    (Furtwängler). 

11.  Lekythos;  da  Gela.  Giä  coli.  Navarra  in  Terranova.  Amazzone 
Benndorf,  Griech.  u.  Sicil.    Vasenb.,  t.  46,  2  (Furtwängler). 

Eseludo  da  questo  elenco  l'anfura  del  Louvre  con  Apollo  e  Tityos,  inessa 
giä  qui  dal  Milchhoefer,  non  apparendo  dalla  sua  riproduzione,  certo  ine- 
satta  {Mon.  d.  Inst.,  1856,  t.  10,2)  le  particolaritä  del  nostro  gruppo  di  vasi. 
La  tazza  di  Tityos  e  certo  il  piü  antico  vaso  della  serie,  dopo  porrei  lo 
stamno  di  S.  Agata  (n.  1),  mentre  tra  i  piü  reeenti  sarebbero  da  porre  i 
frarnmenti  con  centauromaebia  (n.  2),  il  cratere  deirEreniitaggio  (n.  5),  la 
lekythos  di  Gela  (n.  1 1). 


FRAMMENTI    U I    VASO    ATTICO  117 

di  riuseire  a  dare  im  elcnco  compinto  di  tutto  qnesto  gi'iippo  ccra- 
mico.  dovendomi  basare  spesso  su  cattive  riproduzioni  (')  : 

1.  Cratere,  giä  coli.  Laval.  Eremitaggio.  Lolta  di  Dionisio  cd  an  gi- 
gante,  Monade  c  Sileno  con  armatura.  G.  R.  Alias,  1807,  t.  6. 

2-  Idria  da  Vulci.  Inseguimcnto  di  Elena  da  j»artc  di  Menclao  (2).  Des 
Verges,  VEtrwie  et  les  Etrusques,  t.  39. 

3.  Stamno  da  Gela.  Ashmolean  Museum.  Tosco  c  Reco  contro  duc 
Amazzoni.  Journal  of  Hell.  Studies  1004,  t.  8. 

4.  Stamno.  Musco  gregoriano.  Duc  greci  contro  un'Aniazzone.  Gerhard, 
Aus.   Vasenb.,  t.  16. 

5.  Anfora,  da  Capua.  Musco  Britannico  (E.  280).  Acliille  e  Pentesileia. 
i/o»,  d.  Inst.  v.  X.  t.  9.  1. 

6.  Pelike.  Museo  di  Lecce.  Polinice  offre  la  collana  dell'Armonia  ad 
Erifile.  Furtwänglcr  e  Reichhold,  op.  cit.,  t.  66. 

7.  Kelebc,  giä  Campana. Louvre.  Centauromachia.  Ann.  d.  Inst.,  1860,  t.  1. 

8.  Kelebe.  Vienna.  Centauromachia.  Labnrde,  Vases  Lamberg,  v.  I,  t.  36. 
La  pittura  e  identica  a  quella  pure  su  kelebe  riprodotta  presso  Millingcn, 
Vases  Coghill,  t.  40  per  la  cui  autenticitä  S.  Reinach  (Repertoire,  v.  II, 
p.  14)  esterna  dei  dubbi. 

9.  Lekythos,  centauromachia,  presso  Millingen,  Vases  Coghill,  t.  35,  2. 

10.  Coperchio  di  tazza,  da  Locri.  Napoli.  Peleo  e  Tetide,  Mon.  d.   Inst. 
v.  I,  t.  37. 

11.  Tazza,  giä  Campana.    Louvre,    I.    Aiace  e  Cassandra,   Ann.  d.  Inst., 
1877,  t.  N. 

12.  Frammento  di  anfora  o  di  pelike.    Nascita  di  Erittonio   ed  apertura 
della  cista  da  parte  dellc  Cecropidi.  Jahrb.  d.  Inst.  1896,  pp.  189/190  (3). 


(')  Cosi  e  incerto  il  mio  giudizio  su  questi  vasi:  stamno  da  Vuki,  al- 
l'Eremitaggio  col  congedo  di  Amfiarao  da  Erifile  (Mon.  d.  Inst.,  v.  III,  t.  54) 
idria  del  Louvre  con  la  scena  di  Peleo  che  sorprende  Telide  (Mon.  d.  Inst. 
v.  I,  t.  7),  idria  di  Palermo  con  Zeus  e  Semele  (Arch.  Ztg.,  1870,  t.  31,  1) 
cratere  della  coli,  ßiscari  a  Catania  con  scena  relativa  a  Perseo  (Milliu- 
Reinach,  Vases  antiques,  v.  II,  t.  3,4),  una  riprodnzione  presso  Tischbein, 
(Coli,  of  Engravings,  v.  IV,  t.  41  =  Reinacb,  Repertoire,  v.  II,  p.  330,1) 
di  Ermete  che  afferra  Ersc  in  modo  da  riprodurre  esattamente  la  piltnra 
di  una  kelebe  da  Camarina  (edita  da  Orsi  in  Mon.  dei  Lineei,  v.  XIV,  t.  50). 

(*)  Come  nella  notissima  brocca  del  Vaticano  (Museo  Gregoriano,  v.  II, 
t  5,  2)  Menclao  lascia  cadere  la  spada  e  fra  gli  sposi  e  la  dea  Afrodite. 
Elena  poi  e  una  figura  quasi  eguale  a  quella  dello  stesso  persouaggio  sulTan- 
fora  a  volute   bolognese,  e    comune  a  questi  due  vasi  e  la  figura  di  Apollo. 

(3)  Tra  questi  dodici  vasi  il  frammento  sarebbe  il  piü  antico  e  ]iiii  re- 
cente  di  tutta  la  tazza  n.  11.  Affini,  ma  palcsanti  an  disegno  sotto  certi  punti 


118  P.    DUCATI 

In  tal  modo  ritengo  che  si  debba  alimentäre  la  serie  di  questi 
magnifici  prodotti  di  ceramica,  magnifici  non  solo  per  lo  stile 
grandioso  non  scevro  di  tratti  di  arcaismo  in  cui  le  loro  pifcturc 
sono  espresse,  ma  anche  per  la  bellezza  delle  forme  tettoniche, 
degli  ornamenti  decorativi  distribuiti  con  gnsto  squisito  snlle  parti 
di  ciascun  vaso,  della  intera  composizione  delle  pitture  ottima- 
mente  adattata  alla  superflcie  da  doversi  adornare,  della  diligenza 
con  cui  sono  rappresentati  i  miuimi  e  ricchi  particolari. 

Giä  e  nota  la  perfetta  corrispondenza  di  stile,  si  da  conclu- 
dere  ad  una  contemporaneitä  di  esecuzione,  tra  le  pitture  di 
questi  vasi  e  le  sculture  del  tempio  di  Zeus  ad  Olimpia  ('),  ondo 
la  considerazione  di  tale  corrispondenza,  unita  alle  altre  riguardo 
allo  sviluppo  dello  stile  severo  della  pittura  vascolare,  iuduce  a 
ritenere  questo  gruppo  di  vasi  uscito  da  una  o  püi  officine  atti- 
che  (2)  negli  anni  465  o  poco  piü  in  su  ed  il  450  circa. 


un  po'  diver  so  sarobbero  i  dipinti  di  due  kelebai  bolognesi:  uno  con  Eracle 
accolto  in  Olimpo  {Mon.  d.  Inst.,  v.  XI,  t.  19),  l'altro  piü  antico  in  cattivo 
modo  edito  presso  Zannoni  (Scavi  della  Cerlosa,  t.  79,  f.  3),  con  la  mortc 
di  Egisto. 

(')  II  Curtias  fa  il  priino  a  notare  tale  affinitä  a  proposito  del  fram- 
racnto  di  stamno  con  centauromachia  (Arch.  Ztg.,  1883,  p.  347). 

(2)  Non  piü,  coine  nel  periodo  dulla  ceramica  di  stile  severo,  si  lianno 
forti  ed  indipendcnti  individualitä  come  sarebbero  i  grandi  pittovi  di  tazzc ; 
ma  rari  si  fanno  i  nomi  dei  ceramisti  le  cui  opere  in  realtä  poco  o  nulla 
differiscono  dalla  maggioranza  delle  opere  anonime.  Ai  gruppi  cbe  si  pos- 
sono  collcgare  a  vari  e  distinti  ceramografi.  succedono  i  gruppi  di  vnsi  cse- 
gniti  sccondo  determinati  indirizzi,  indirizzi  che,  con  le  dovute  trasforma- 
zioni  di  stile,  si  mantengono  attraverso  il  secolo  V.  Ancora  piü  anonima 
diventa  nel  secolo  saccessivo  la  produzione  ceramica  con  aspetto  maggior- 
mente  uniforme.  A  questo  processo  di  annullamento  delle  pcrsonalitä  arti- 
Btiche  si  accompagna  l'apparizione  sempre  piü  frequente  di  opere  lontane  da 
quella  dxqi^eva  di  cui  belli  e  numerosi  esempi  ci  offrono  i  ])ittori  a  figure 
nerc  e  i  pittori  di  tazze.  Cosi  in  un  medesimo  vaso,  nella  tazza  di  Pentesi- 
leia,  accanto  alla  magnifica  pittura  deH'interno  si  lianno  le  figure  dei  lati 
csterni  espresse  in  modo  aegligente  e  tutt'altro  che  lodevole.  E  cosi  accanto 
alle  belle  anfore  a  volute  ed  ai  crateri  a  calice  accurati  nel  discgno  (in  ta- 
lnni  tuttavia  appare  la  fretta  nel  comporre)  si  lianno  altri  vasi  decoraü  in 
modo  del  tutto  trascnrato,  kelebai  e  crateri  a  campana  (noto  alcuni  usciti 
dalla  necropoli  di  Camarina  editi  da  P.  Orsi  in  Mon.  dei  Lincei,  v.  XIV  ed 
anche  il  cratere  a  campana  edito  dal  Rizzo,  Mon.  dei  Lincei,  v.  XIV,  t.  4, 


l'RAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  119 

Anche  qui,  como  negli  stadii  precedenti  della  pittura  cera- 
mica  attica,  lo  scopo  principale  delle  figure  rappresentate  e  quello 
di  coprire  il  meglio  armonicamente  possibile  le  varie  paiti  del 
corpo  del  vaso  ed  a  concorrere  a  raggiungere  questo  fine  insieme 
coi  puri  ornati.  Ed  invero,  pur  mutaudo  la  forma  prediletta  della 
tazza  nelle  forme  piii  voluminöse,  atte  a  raccogliere  piü  vaste 
composizioni,  e  ciö  probabilmente  perche  si  voleva  mantenere  il 
ricordo  delle  grandi  pitture  monumentali  contemporanee,  questa 
armonia  tra  forma  tettonica  e  decorazione  pittorica  si  e  mante- 
nuta  perfetta.  Ed  alla  ragione  di  questo  principio  di  armonia  si 
debbono  i  mutamenli  uelle  figure  di  im  medesimo  vaso:  cosi  sul- 
l'anfora  a  volute  accanto  alle  tozze  figure  attorno  al  collo  sono 
le  snelle  figure  della  pittura  principale  attorno  al  ventre. 

A  Polignoto  ed  alla  sua  scuola  si  fa  risalire  con  ragione  il 
metodo  d'  introdurre  nella  pittura  vari  piani  in  cui  sono  poste  le 
figure ;  ora  in  questo  gruppo  di  vasi  e  palese  il  tentativo  di  mu- 
tare,  in  ragione  dell'  influsso  esercitato  dalla  pittura  monumentale, 
ciö  che  sinora  si  era  osservato  nella  pittura  ceramica  attica,  la 
positura  su  una  linea  sola  di  tutti  i  personaggi.  Questa  introdu- 
zione  timida  da  prima,  frutto  di  prove  ripetute,  ci  appare  su  al- 
cuni  vasi,  per  esempio  sui  frammenti  berlinesi  di  stamno  con  gi- 
gautomacliia,  ed  in  modo  non  tanto  ben  riuscito  nell'amazzono- 
machia  dell'anfora  a  volute  bolognese. 

Ma  l'espressione  piü  compiuta  di  questo  adattamento  del 
nuovo  metodo  di  composizione  ci  e  dato  dal  notissimo  cratere  di 
Orvieto  del  Louvre  il  quäle,  sebbene  anteriore  all'anfora  bolo- 
gnese con  amazzonomachia,  ci  mostra  in  bei  modo  risolto  il  pro- 
blema  ('). 


ivi  giudicato  a  torto  posteriore  al  cratere  a  calice  da  Camarina  edito  dallo 
stesso  dotto).  Le  pitture  sin  qui  da  me  menzionate,  essendo  espresse  con  di- 
segno  accurato  e  presentando  carattere  imifurme  tra  di  loro,  possono  esserc 
consideiate  come  coinposte  contemporaneamente  e  condottc  sccondo  im  daio 
iudirizzo,  indirizzo  clie,  in  relazionc  alla  contemporanea  pittura  di  Polignoto 
denomino  poligaoteo  seguendo  Tavviso  di  altri.  Non  cosi  spiccatamente  po- 
lignotea  e  invece  l'altra  classe  di  vasi  mono  numerosa,  <piella  dei  crateri  & 
zone  di  cui  diede  Telenco  l'Hartwig  (in  queste  Mitth.,  1897,  p.  102,  n.  1). 

(lj  Mon.  d.  Inst.,  v.  XI,  t,  38-39.  Dal    Furtwängler  e    stato    posto    ac- 
cauto all'anfora  ruvestina  con  ainazzouomacliia;  tuttavia  il  carattere  stilislico 


120  P.    DUCATI 

Anche  in  tal  caso,  come  del  resto  in  tutta  la  ceramica  at- 
tica,  si  vede  il  solito  sforzo  di  coordiDare  il  piü  armonicamente 
possibile  alla  forma  del  vaso  l'oniamento  pittorico,  ed  in  tal 
modo  si  vede  la  innovazione  polignotea  della  grande  pittura  in- 
trodursi,  adattarsi,  assimilarsi  al  ramo  minore  dell'arte  ceramica. 

Inoltre  i  mezzi  di  quest'ultima  erano  assai  limitati  in  con- 
fronto  di  quelli  piü  ricchi  della  pittura  parietaria;  qui  si  poteva 
far  uso  di  policromia,  la  invece  le  figure  erano  lasciate  in  rosso 
su  cui  si  delineavano  i  vari  elementi  di  esse  figure  e  solo  in  po- 
chissimi  accessori  accedevano  come  colori  sussidiari  o  il  bianco  o 
il  violetto.  Cosi  nella  pittura  parietaria  si  potevauo  aggruppare 
insieme  varie  figure  senza  che  ciö  nuocesse  alla  chiarezza  della 
rappresentazione,  il  che  non  poteva  farsi  se  non  con  prudenza  da 
parte  dei  ceramisti  per  tema  d'incorrere  in  difetto  di  perspicuitä. 
Onde  e  che,  pur  essendo  dipendenti  questi  vasi  dell'arte  polignotea 
per  lo  stile,  pel  modo  di  rappresentazione  a  livello  diverso,  pei 
motivi  delle  figure  ed  anche  pel  contenuto  delle  rappresentazioni, 
nondimeno  questi  elementi  poliguotei  sono  stati  adattati  ed  assi- 
milati  dai  ceramisti  nei  loro  prodotti  in  modo  cosi  vario  ed  arti- 
stico  che  essi  prodotti  non  debbono  essere  considerati  come  sem- 
plici  imitazioni,  ma  come  splendidi  esempi  di  un  ramo  speciale 
dell'arte  attica. 

II  metodo  di  composizione  a  livello  diverso  si  pud  osservare 
non  solo  nel  citato  cratere  di  Orvieto,  ma  in  una  serie  di  vasi  che 


della  pittura  ini  pare  un  po'  diverso  da  quello  della  serie  suddetta  di  vasi. 
E  noto  poi  che  il  Fürtwängler  ed  il  Girard  (Jl/on.  grecs,  1895,  p.  44)  lianno 
posto  in  relazione  con  questo  cratere  la  bella  kelebe  di  Orfeo  da  Gcla  ora 
a  Berlino  (Fürtwängler,  Orpheus,  attische  Vase  aus  Gela)  la  quäle  ritengp 
dipinta  con  disegno  un  po'  piü  progredito.  Ed  accanto  a  questi  due  vasi 
allri  ne  porrei  che  qiu  menziono  :  1.  Stamno  del  Louvre  con  Filottete  ferito 
(Mon.  d.  Inst.,  v.  VI,  t.  8).  —  2.  Cratere  a  campana  con  Perseo,  Andromeda. 
Atena  (Arch.  Ztg.,  1852,  t.  42).  —  3.  Anfora,  giä  Pizzati  con  Eracle  Ira  Er- 
mete  ed  Atena  (Gerhard,  Auserl.  Vasenh  ,  t.  114).  —  4.  Vaso  da  Girgenli,  con 
la  uccisione  di  Tityos  {Ann.  d.  Inst.,  1830,  t.  H).  —  5.  Idria  di  Napoli  (Arch. 
Ztg.,  1845,  t.  29.  migliore  pubblicazione  e  in  Museo  Borbonico,v.  II,  t.  29); 
]>cr  ciö  che  essa  idria  rappresenta  sarei  incline  a  seguirc  il  Pottier  prcsso 
li'einach  (Repertoire,  v.  I,  p.  357)  nel  vedervi  un  frammento  di  un  giudijsio 
di  Paride.  —  6.  Idria  del  Museo  Britannico  (E,  1G9)  col  inito  di  Andromeda 
(Fortwacngler  e  Reichhold,  op.  cit.,  t.  77). 


FRAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  121 

si  e  voluta  riconnettere  con  l'arte  poliguoteaC),  serie  in  cui  si  e 
voluto  porre  pure  il  cratere  di  Ruvo  con  la  morte  di  Argo  c  che 
si  e  giudicato  audio  reccntemcnte  (2)  non  esscre  tanto  lontana  pel 
tempo  dell'altra  serie  di  vasi  di  cui  e  ceuno  nelle  righe  prece- 
denti. 

Ed  iuvero  questa  seconda  serie  di  vasi  creduti  poliguotei,  es- 
sendo  nel  diseguo  meno  fedeli  traduttori  dello  stile  della  mega- 
lografia,  rua  serveudo  nella  composizione  a  far  meglio  comprendere 
le  linee  generali  dei  prodotti  dell'arte  di  Polignoto,  sarebbe  lon- 
tana dalla  prima  della  distanza  di  solo  10  o  15  anni  e  questo 
secondo  il  giudizio  del  Eizzo  (')•  AI  contrario  di  questo  dotto  credo 
che  questa  seconda  serie  di  vasi  sia  piü  lontana  cronologicamente 
della  prima. 

Sopra  ho  notato  come  per  varie  considerazioni  si  debba  am- 
mettere  che  le  anfore  a  volute  ed  i  vasi  affini  da  me  citati  non 
possano  oltrepassare  come  limite  di  tempo  in  cifra  tonda  il  450, 
anno  nel  quäle  io  porrei  la  esecuzione  delle  piü  recenti  pitturc 
della  serie.  Tra  di  esse  annovero  1'amazzonomacliia  su  anfora  a  vo- 
lute bolognese,  amazzonomacliia  che,  essendo  appunto  un  tema  assai 
in  voga  nella  pittura  ceramica  di  questa  etä,  ci  puö  offrire,  insieme 
con  gli  esempi  a  noi  giunti  dalla  tazza  di  Pentesileia  in  poi,  un 
gruppo  di  vasi  di  egual  contenuto  dipinti  l'uno  di  seguito  all'altro. 
Nel  tempo  stesso  si  puö  notare  come  dopo  la  detta  anfora  a  vo- 
lute bolognese  il  tema  polignoteo  dell'amazzonomachia  venga  espresso 
dai  ceramisti  non  piü  con  quella  esattezza  di  particolari  e  con 
quella  diligenza  di  disegno  che  si  ammirano  nella  tazza  di  Pen- 
tesileia e  nelle  due  anfore  di  Gela  e  di  Ruvo,  ma  con  una  certa 
fretta,  col  mero  intento  di  raggiungere  una  bella  composizione  pit- 
torica  senza  scrupoloso  ed  esatto  rendimento  dei  particolari  e  delle 
forme.  All'anfora  a  volute  bolognese  succede  il  deinos  giä  Forman 
(Museo  Britannico,  Furtwaengler  e  Reichhold,  op.  cit.,  t.  58),  che 
ben  puö  essere  considerato  come  esempio  di  questo  decadimento 
pittorico  delle  amazzonomachie   polignotee  e  che  d'altro   lato   pel 


(')  Uobert,  Die  Nekijia,  p.  43;  Die  Mamthonschlacht.  p.  72. 
{-)  Rizzo,   Vasi    greci    della   Sicilia  (Mon.  d.  Lincei.  v.  XIV),   p.   12 
p.  49. 

(s)  Art.  cit.,  p.  49. 

9 


122  P.    DUCATI 

suo  stile  piü  sviluppato  ben  puö  essere  posto,  come  fu  fatto   dal 
Furtwaengler  (l),  verso  il  440  (2). 

Questa  data  del  440  mi  serve  come  punto  di  partenza  per 
porre  con  detto  deinos  in  rapporto  di  cronologia  altri  vasi.  Un  con- 
fronto  tra  le  figure  del  deinos  e  quelle  della  tazza  di  Codro  mi 
convince  nel  dare  a  q liest' ultima  e  perciö  a  tutti  i  vasi  che  ad  essa 
si  collegano  per  identitä  di  stile  (3),  una  etä  un  po'  piü  recente  (4). 
Sebbene  le  tigure  del  deinos  siano  espresse  con  diseguo  leggero  e 
rapido  e  per  questo  lontano  dalla  diligente  cura  con  cui  sono  con- 
dotte  le  figure  della  tazza  di  Codro,  tuttavia  nella  nobiltä  dei  mo- 
tivi  e  dell'  indirizzo  pittorico  comune  ad  ambedue  i  vasi  vedo  una 
quasi  contemporaneitä  di  esecuzione.  Ho  aggiunto  la  parola  quasi 
perche,  ponendo  accanto  la  riproduzione  certamente  esatta  del  deinos 
con  quel  poco  che  con  esattezza  e  stato  riprodotto  fin  ora  della 
tazza  di  Codro  (Jahrb.  d.  Inst.,  1898,  1' interno  a  t.  lVa,  parte 
superiore  di  Medea  a  p.  70,  d'Egeo  a  p.  71,  di  Aiace  a  p.  71)  (5), 
vedo  un  profilo  piü  sviluppato  sciolto  dagli  Ultimi  legami  dell'ar- 
caismo  nella  tazza  di  Codro  ed  un  rendimento  dell'occhio  piü  con- 
forme  a  veritä. 

(«)  Gr.   Vas.,  testo,  S.  I,  p.  294. 

(2j  Anteriori  al  deinos  sarebbero  lo  stamnos  del  Louvre  edito  ncgli  Ann. 
d.  Inst.,  1867,  t.  F,  ed  il  cratere  gia  Luynes  in  Luynes,  Vascs,  t.  43,  ove  il 
disegno  ö  giä  sciolto  dalle  convenzioni  arcaiche ;  non  crcdo  pertanto  cbe  abbia 
ragionc  il  Purtwaengler  nel  porre  il  cratere  Luynes  nella  scrie  di  vasi  di  cni 
e  ccnno  nelle  pagine  addietro. 

(s)  Per  vasi  dipinti  nello  stile  della  tazza  bologuese  rimando  all'articolo 
del  Graef,  Die  Zeit  der  Kodrosschale  (Jahrb.  d.  Inst.,  1898,  pp.  6Ge67).  Tra 
i  vasi  qui  citati  giudico  il  piü  antico  la  tazza  dei  Niobidi  (Berichte  der 
suchs.  G eselisch.,  1875,  t.  III),  cbe  ricorda  ancora  lo  stile  dei  vasi  polignotei. 

(4)  E  noto  cbe  il  Graef,  csagcrando  i  risultati  dell'articolo  giä  citato 
dal  Milchhoefer,  innalzö  fin  verso  il  480,  verso  il  periodo  delle  lazze  di  stile 
severo,  la  tazza  di  Codro.  Con  ragione  questo  dato  cronologico  fu  oppngnato 
dal  Robert  [Man.  d.  Lincei,  1899,  p.  1  e  seg.)  e  con  tagliente  fräse  del  tntto 
respinto  dal  Furtwaengler  (testo  alla  Gr.  Vas.,  S.  I,  p.  30,  n.  2).  Ma  i  pit- 
tori  di  stamni  (Ermonatte  prima,  Polignoto  poi)  ed  i  grandi  vasi  polignotei 
e  lo  stesso  deinos  giä  Fonnan  che  mostrano  il  normale  evolvcrsi  di  un'arte 
disegnatoria,  debbono  forse  essere  ammassati  nel  brevissimo  intervallo  veduto 
del  Graef  tra  Brigo  ed  Eufronio  ed  il  pittore  della  tazza  di  Codro  ? 

(5)  Esistendo  solo  la  veccbia  riproduzione  del  Braun  (Die  Schale  des 
Kodros,  1813),  non  e  forse  desiderabile  una  pubblicazione  piü  esatta  di  questo 
iraportante  eimelio  di  arte  greca? 


FRAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  123 

La  tazza  di  Codro,  su  cui  sono  notni  scritti  nell'alfabeto  non 
puramente  euclideo  con  la  forma  ancora  della  f  per  rj,  sarel)be  po- 
steriore ancora,  ma  di  pochissimo,  aH'ariballo  giä  Sabouroff  ora  a 
Berlino  con  thiasos  bacchico  (Furtwaengler,  Sammlung  Sabouro/f,  I, 
t.  55),  e  cotiteiuporanea  invece  al  cratere  di  Bologna  cou  cousa- 
crazione  di  un  tripode  (Pellegrini,  Calalogo  dei  vasi,  coli.  Palagi 
ed  Universitaria,  n.  286,  fig.  35),  che  tuttavia  appartengono  ad 
im  indirizzo  di  disegno  diverso,  indirizzo  di  miniatura  che  rag- 
ginnge  il  suo  culmine  nella  idria  di  Midia  (Furtwaengler  e  Reich- 
hold, op.  cit.,  t.  8-9)  e  nelle  due  idrie  fiorentine  di  Faone  e  di 
Adono  (Milani,  Mo)i.  scelti  di  Firenze,  fasc.  I,  t.  3  e  4). 

Ma  di  piü  il  Robert  (Mou.  dei  Lirice i,  1899,  pp.  27,  28),  ha 
colto  le  somiglianze  tra  le  figure  dei  pittore  di  stamui  Polignoto 
e  figure  di  questo  ciclo  di  pitture,  chiamiamole  cosi,  di  Codro. 
Pertanto  non  consento  con  lo  stesso  Robert  nel  volere  avvicinare 
Polignoto  ad  Ermonatte,  im  ceramista  prossimo  allo  stile  nobile 
dei  Partenone,  per  prendere  i  paragoni  dalla  scultura  a  noi  nota, 
ad  im  ceramista  ancora  imbevuto  deli'arte  di  Duride  con  uno  stile 
ancor  anteriore  a  quello  delle  sculture  di  Olimpia. 

Dove  si  ridurrebbe,  secondo  il  Robert,  il  creduto  arcaismo  di 
Polignoto?  Per  lo  stamno  londinese  di  Dessameno  (Mon.  dei  Lincei, 
1899,  t.  3)  al  contorno  tondeggiante  di  Eracle,  ai  delicati  ricci 
di  Eneo  (e  ciö  e  un  contrassegno  di  arte  arcaica?),  alla  tigura  di 
Deianira  che  sembra  una  Nereide  di  Duride  ridotta  alla  moderna 
(ma  da  una  somiglianza  di  motivo  si  e  forse  costretti  a  dedurre 
una  somiglianza  di  stile?). 

Un  confronto  tra  detto  stamno  e  lo  stamno  da  S.  Agata  dei 
Goti  (riprodotto  certo  iuesattamente  negli  stessi  Mon.  dei  Lincei, 
1899,  p.  19)  mi  pare  che  parli  in  favore  di  un'anterioritä  dei  se- 
condo stamno  al  primo  (profilo  di  Eneo  piu  arcaico  nello  stamno 
napoletano,  drappeggio  di  Eneo  piii  schematico).  L'Eneo  di  Poli- 
gnoto si  avvicina  dei  tutto  ad  una  figura  su  stamno  di  Pietro- 
burgo  con  scena  di  partenza  di  un  giovane  (posto  con  ragioue  dal 
Furtwaeuglor  neH'etä  periclea,  si  v.  il  testo  alla  Gr.  Vas.,  p.  189, 
ove  e  riprodotto  il  vaso)  ('). 

(')  Kaffigarato  dal  Fuitwaengler  per  la  quasi  identitä  con  la  pittura  di 
altro  stamno  di  Monaco  (Gr.    Vas.,  t.  35). 


124  P.    DUCATI 

Giä  lo  sfcesso  Fnrtwaengler,  ammettendo  che  l'eta  in  cui  do- 
vette  principalmente  lavorare  Polignoto  ceramista  doveva  essere  la 
etä  di  Pericle,  ha  notato  le  analogie  tra  l'anfora  londinese  di  Po- 
lignoto con  scena  di  preparativi  di  un  sacrifizio,  piü  antica  {Mon. 
dei  Lineei,  1899,  t.  1),  e  lo  stamno  di  Monaco  con  egual  conte- 
nuto  (Fnrtwaengler  e  Reichhold,  op.  cit.,  t.  19),  al  quäle  il  Furt- 
waengler  ha  dato  come  limite  di  esecuzione  il  decennio  tra  il  450 
ed  il  440  (p.  83  del  testo,  S.  Ia  alla  Gr.  Vas.)  e  che  io,  in  vista 
specialmente  della  data  proposta  dallo  stesso  dotto  pel  deinos  delle 
Amazzoni,  porrei  piuttosto  verso  il  440.  In  conclusione,  come  Er- 
monatte  sarebbe  il  precursore  della  serie  di  vasi  polignotei,  Poli- 
gnoto ceramista  sarebbe  di  poco  anteriore  ai  vasi  nello  stile  della 
tazza  di  Codro,  e  perö  sarei  incline  neH'ammettere  una  contempo- 
raneitä  tra  alcuni  prodotti  di  questo  ceramista  (forse  lo  stamno 
monacense  e  una  delle  sue  opere  piu  recenti)  ed  il  deinos  delle 
Amazzoni. 

Non  credo  pertanto  di  essere  lontano  dal  vero  nel  porre  la 
esecuzione  della  tazza  di  Codro  e  dei  vasi  che  ne  mostrano  lo 
stesso  stile  (')  attorno  o  poco   dopo  il  440.  Con    ciö    combina   la 


(')  Altro  eollegamento  della  tazza  di  Codro  e  del  suo  gruppo  di  vasi 
con  pitture  anteriori  vedrei  in  questo:  su  una  tazza  il  cui  interne-  rappresen- 
tante  due  efebi  fu  edito  da  Hauser  {Jahrb.  d.  Inst.,  1890,  p.  143,  n.  40),  e 
che  appartiene  alla  collezione  universitaria  di  Lipsia,  e  la  scritta  Ku'/.lins 
xaX6g.  Lo  Hauser  noto  la  somiglianza  con  la  tazza  berlinesc  della  nascita  di 
Erittonio  (Mon.  d.  Inst.,  vol.  X,  t.  38),  tazza  che  per  tanti  rapporii  si  col- 
lcga  con  quella  di  Codro  a  cui  pertanto  il  vaso  di  Lipsia  deve  essere  avvi- 
cinato.  Ora  lo  stesso  Callia  e  lodato  sul  cratere  di  Napoli  inedito  con  scena 
di  convito  (Klein,  Lieblingsnamen",  p.  131),  ma  e  lodato  con  un  altro  nome 
noto,  quello  di  Eiaiwv,  nome  conosciuto  appunto  da  alcuni  vasi  che,  presen- 
tando  una  unitä  di  stile,  palcsano  ancora  qualche  piecolo  resto  di  arcaismo 
e  debbono  essere  posti  pel  tempo  accanto  e  prima  del  deinos  giä  Forman  ed 
essere  ritenuti  come  post-polignotei  pei  legami  che  li  avvicinano  ancora  :ii 
veri  polignotei.  Giä  il  Milchhoefer  (art  cit.,  p.  74,  n.  11)  ha  notato  lc  rcla- 
zioni  tra  i  vasi  con  Eialtou  xukög  ed  i  vasi  precedenti.  Specialmente  il  cra- 
tere a  campana  con  la  morte  di  Atteone  {Mon.  d.  Inst.,  vol.  XI,  t.  12,  1,  la) 
e  la  pelike  con  la  libazione  di  un  guerriero  (Gerhard,  Auserl.  Vasmb.,  t.  150), 
si  avvicinano  ai  vasi  polignotei;  piu  il  cratere  ancora  della  pelike.  Ad  etä 
piü  recente  rimonterebbe  invece  la  idria  del  Vaticano  con  Tamiri  {Mon.  d. 
Inst.,  vol.  II,  t.  23),  con  la  quäle  si  possono  aggruppare  .alt ri  due  vasi  con 
scena  relativa  allo  stesso  personaggio,  cioc  la  idria  di  Napoli  (Mon.  d.  Inst., 


KRAMMENTI    DI    VASO   ATTICO  125 

corrispondenza  del  tutto  palese  di  stile  che  con  le  figure  di  questo 
grnppo  di  vasi  (')  presentano  le  figure  del  fregio  fidiaco  del  Par- 
tenooe,  la  cui  eseeuzione  sarebbe  appunto  anteriore,  ma  di  poco, 
al  438  a.  C.  ('-). 

Manifestamente  in  etä  piü  recente  mostrauo  di  essere  stati 
esegniti  i  vasi  creduti  polignotei  nella  composizione;  ma  a  raeglio 
determihare  l'etä  loro  giova  osservare  che  essi  mostrano  differenze 
stilistiche  tra  di  loro  si  da  non  concludero  ad  nna  perfetta  con- 
temporaneitä. 

In  ima  nota  precedente  ho  citato  alcuni  vasi  con  la  scena  di 
gindizio  di  Paride  che  apparterrebbero  appunto  al  grnppo  ceramico 
in  questione  e  li  ho  citati  secondo  il  grado  di  sviluppo  che  presso 
di  essi  manifesta  la  composizione  di  questa  scena,  sviluppo  di  com- 
posizione al  qnale  corrisponde,  a  mio  avviso,  uno  sviluppo  di  stile. 
Cito  pertanto  di  nuovo  gli  stessi  vasi  nell'ordine  che  a  rae  pare 
esatto  rispetto  alla  cronoTogia  da  etä  meno  a  piü  recente, 

Quattro  idrie :  la  prima  della  coli.  Spinelli  (in  questo  MitL, 
1887,  t.  11,  12),  la  seconda  di  Palermo  (Gerhard,  Apulische  Va- 
senbüder,  t.  D,  1),  la  terza  di  Berlino  (Gerhard,  op.  cit,  t.  G,  1), 
la  quarta  di  Carlsruhe  (Fnrtwaengler  e  Reichhold,  op.  cit.,  t.  30). 
Un  cratere  a  calice  da  Jouz-Oba,  all'Eremitaggio  (C.  R.  Atlas, 
1861,  t.  III,  1,  2,  l'altro  lato  del  cratere,  t.  IX,  ha  la  nota  scena 
dell'  incontro  amichevole  di  Apollo  e  Dioniso  a  Delfi).  Un  cratere 
a  campana  di  Vienna  al  Kansthistor Ische  Hofmuseum  ( Wiener 
Vorleg.,  S.  E.  t.  11,  sull'altro  lato  del  cratere  sono  varie  divi- 
nitä). 

Manifeste  assai  sono  le  somiglianze  che  tra  di  loro  presentano 
le  idrie  Spinelli  e  di  Palermo,  tali  che  credo  superfluo  insistervi 


v.    VIII,  t.  43,    2),  e  la    idria    di  Oxford  {Journal   of  Hell.  St.,  1905,  t.  1), 
che  ci  mostra  la  rovina  di  Tamiri  giä  reso  cieco. 

•(')  Un'opera  assai  simile  a  quelle  del  grappo  della  tazza  di  Codro,  ma 
di  etä  piü  recente,  ci  e  data  dalla  tazza  madrilena  con  la  firma  di  Aison, 
adorna  degli  u&Xcc  di  Teseo  {Ant.  Denkm.,  vol.  II.  t.  1);  il  Bethe  nella  breve 
notizia  con  cui  ne  accompagnö  la  pubblicazione  notö  le  analogie  di  questa 
tazza  con  quella  londinese  di  egual  contenuto  {Journal  of  Hell.  St.,  vol.  II, 
t.  10),  la  quäle  rientra  nel  gruppo  della  tazza  di  Codro  (si  cfr.  specialmente 
coi  lati  esicrni  della  tazza  Lerlincse  di  Egeo  edita  in  Gerhard,  Auserl.  Vasenb., 
t.  327-328). 

(2)  Fnrtwaengler,  Meisterwerke,  p.  73. 


126  P.    DUCATI 

sopra.  Alla  stessa  fabbrica  se  non  alla  stessa  mano  si  debbono 
ascrivere  i  due  vasi  e  pure  a  questa  medesima  fabbrica  appartcr- 
rebbe  l'idria  berlinese  (!).  Giä  il  Furtwaengler  (2)  ba  cliiaramente 
osservato  ed  esposto  le  ragioni  per  cui,  pur  ammettendo  le  analogie 
manifeste  dell'idria  di  Carlsrube  con  l'idria  di  Midia,  non  e  pro- 
penso  a  credere  che  la  mano  di  questo  ceramista  si  sia  acciuta  a 
riprodurre  qui  la  scena  del  giudizio  di  Paride.  Lo  stesso  dotto  ha 
notato  la  inabilitä  nel  rendere  i  volti  quasi  di  tre  quarti  di  pro- 
spetto  in  questa  dipinto.  L'autore  di  questa  idria  non  si  e  accinto 
ad  espriraere  volti  di  quasi  pieno  prospetto  in  uno  Schema  frequente 
piuttosto  nella  ceramica  anteriore  e  nella  cui  esprcssione  egli,  pit- 
tore  altrimenti  cosi  abile,  non  poteva  incontrare  gravi  difficoltä, 
ma  ha  voluto  rendere  essi  volti  in  modo  che  di  metä  di  essi 
grandissima  parte  rimanesse  nascosta.  Ma  ciö  che  non  e  riu- 
scito  all'autore  dell'idria  di  Carlsruhe  era  giä  stato  raggiunto  dagli 
autori  dell'anfora  di  Talos  (Furtwaengler  e  Reichold,  op.  cit., 
t.  38-39)  e  del  cratere  falisco  di  Villa  Giulia  (Furtwaengler  e 
Reichhold,  op.  cit.,  t.  20)  (3)  Ed  invero  contemporanea  a  questo 
cratere  giudicherei  la  bella  idria  di  Carlsruhe,  ai  quali  due  vasi 
pure  comune  sarebbe  l'aspetto  nobile  e  per  nulla  agitato  delle  tigure 
veramente  olimpiche. 

Perfetta  analogia  di  stile  presenterebbero  invece  con  1'  idria 
berlinese  un'altra  idria  pure  come  quella  ritrovata  a  Vulci  e 
che  e  nella  raccolta  di  vasi  a  Berlino  ed  un'anfora  a  volute  da 
Ruvo  della  collezione   Iatta.  La  seconda  idria    vulcente    e   quella 

(')  Ermete  e  quivi  discostato  da  Paride  che  e  posto  a  livello  piü  alto; 
l'Atena  ha  lo  stesso  atteggiamento  della  dea  snll'  idria  di  Suessula,  solo 
l'elmo  e  il  corinzio,  ma  l'egida  ha  l'ornato  peculiare  a  scacchi,  ornato  che 
si  osserva  pure  neH'egida  del  cratere  di  Villa  Giulia  con  Tapoteosi  di  Eracle 
(Furtwaengler  e  Eeichhold,  op.  cit.,  t.  20),  il  quäle  vaso  credo  tuttavia  po- 
steriore. 

(2)  Testo  alla  Gr.    Vas.,  S.  I,  p.  143. 

(3)  Allato  di  questo  cratere  ne  porrei  un  altro  come  uscito  contempo- 
raneamente  dalla  stessa  fabbrica,  se  non  dalla  stessa  mano,  uno  cioe  di  Chiusi 
adorno  di  scene  di  saghe  puramente  attiche,  la  consegna  del  piccolo  Erittonio 
da  <iea  ad  Atena  (Mon.  cl.  Inst.,  v.  III,  t.  30),  rinseguimento  di  Cefalo  da 
parte  di  Eos.  Nella  vecchia  riproduzione,  certo  indcgna  deH'originale,  noto 
la  piecola  figura  di  Nike  volante  e  la  ricchezza  non  barocca  dell1  inep^vrrjq 
(per  questo  nome  si  v.  Hauser  in  Oesterr.  Jahresh.,  1905,  p.  33)  di  Cecrope. 


FKAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  127 

adorna  della  lutta  tra  Cadmo  ed  il  dragone  (Gerbard,  Etrusk.  u. 
Camp.  Vasenb.,  t.  G.  3,  fotografia  del  vaso  in  Mon.  dei  Lincei, 
v.  XIV,  t.  3),  l'anfora  a  voluto  ha  da  im  lato  la  gara  tra  Marsia 
ed  Apollo  (Mon.  d.  Ist.,  v.  VIII,  t.  42),  dall'altro  Dioniso  ed  il 
suo  seguito  (Heydemaan,  Satyr-  und  Bacchennamen,  1880).  Sebbune 
le  riproduzioni  delle  due  idrie  berlinesi  e  dell'anfora  di  Ruvo  non 
diano,  come  pare,  con  la  massima  esattezza  gli  originali,  tuttavia 
la  identitä  del  modo  col  quäle  sono  trattate  le  figure  in  questi 
tre  vasi  e  cosi  manifesta  che  ritengo  superflua  ogni  parola  a  difesa 
di  questo  aggruppamento  giä  da  altri  riconosciuto  (1). 

Non  nego  la  identitä  d'indirizzo  sia  per  disegno  che  per  mo- 
tivi  identici  ed  analoga  composizione  per  questi  tre  vasi  e  pei  crateri 
di  Bologna  (2)  e  di  Camarina  il  quäle  ultimo  ci  e  noto  dalla  recente 
sua  pubblicazione  nei  Mon.  del  Lincei  (3),  ma,  e  appunto  la  ri- 
prodnzione,  certo  esatta,  di  quest' ultimo  vaso  e  la  visione  del  cratere 
bolognese  mi  hanno  persuaso  a  credere  che,  mentre  nelle  due  idrie 
berlinesi  e  nell'  anfora  di  Ruvo  si  hanno  nobili  e  sobrie  figure  con- 
dotte  con  uno  stile  del  tutto  diligente,  in  questi  due  ultimi  vasi  si 
ha  un  decadimento  di  stile,  una  trascuranza  palese. 

I  profili  dei  volti  non  sono  sempre  condotti  secondo  un  mede- 
simo  schema,  con  negligenza  sono  trattati  vari  accessori,  vi  si  vede 

(0  Si  noti  nelle  pitture  di  questi  tre  vasi,  la  figura  di  Atena  quasi  simile 
per  ogni  dipinto  con  l'elmo  corinzio  e  con  lunga  treccia  che  cade  sulla  uuca. 

(2)  Mon.  d.  fast.,  supp.  t.  21  e  22.  Enoto  di  quante  controversie  sia  stato  og- 
getto  il  lato  di  questo  cratere  con  la  rapp.  di  Teseo  ricevuto  come  figlio  da  Posi- 
done.  Cito  la  bibliografia:  Klein  (Euphronios  2,  p.  186  e  seg.),  Ghirardini 
(Museo  ital,,  v.  III,  pp.  1-40),  Robert  e  Furtwaengler  (Arch.  Am.,  1889. 
p.  141),  Iatta  (Not.  degli  scavi,  1893,  p.  241),  Ghirardini  (Rend.  Acc.  d.  Lincei, 
1895,  pp.  86-99),  Robert  (Marathonschlacht,  p.  50),  Schreiber  (Wandbilder  des 
Polygnotos,  p.  132  e  seg.),  Robert  per  la  terza  volta  (Theseus  und  Meleagros 
bei  Bakchylides:  Hermes,  vol.  XXXIII,  1898,  p.  130),  Sauer  (Das  sogennante 
Theseion,  p.  75),  Svoronos  (Jounal  d' 'Arch.  nun.  1901,  p.  454).  Mi  associo, 
senza  perdermi  in  discussione  sulle"  altre  opinioni  che  mi  fuorvierebbero 
d'assai,  alle  idee  del  Ghirardini  di  vedere  rappresentato  nel  vaso  bolognese 
non  il  fondo  del  mare,  ma  un  luogo  roccioso  vicino  alle  acque  e  sono  con- 
trario al  Robert  negando  ogni  rapporto  da  lui  veduto  con  la  pittura  di  Micone 
nel  Theseion  ateniese  (Pausania,  I,  17,  2)  e  col  peana  Jbacchilideo  fn.  XVII 
della  edizione  del  Blass). 

(3)  All'abbandono  di  Arianna  da  parte  di  Teseo  su  di  un  lato  corri- 
sponde  sull'altro  la  gara  tra  Marsia  ed  Apollo. 


128  P-    DUCATI 

inline  il  lavoro  di  un  routinienpiu  che  qnello  di  im  vero  artista. 
Alla  maneanza  di  axqißsia  nel  disegno  si  aceompagna  una  com- 
posizione  non  sempre  lodevole.  Nella  sceiia  di  Teseo  presso  Posi- 
done  conie  riscontro  alle  principali  figure  dell'eroe  e  del  Tri  tone, 
alla  prora  della  nave,  all'elemento  non  del  tutto  secondario  della 
quadriga  di  Elios,  sono  state  poste  due  figure  di  Nereidi  all'avve- 
nimento  superflue  e  di  cui  una,  quelle  che  suona  il  tamburello,  del 
tutto  estranea  per  la  sua  azione,  e  stuechevolmente  riprodotta  su 
altri  vasi  (1). 

Se  questi  due  crateri  rni  sembrano  esempi  del  decadimento 
di  un  indirizzo  al  quäle  si  debbono  le  idrie  giä  sopra  notate  col 
giudizio  di  Paride,  non  ritengo  d'altra  parte  lontana  da  essi  pel 
tempo  la  esecuzione  dell'  idria  di  Midia.  11  Teseo  nel  cratere  di 
Siracusa,  piü  recente  forse  del  bolognese,  arieggia,  sia  nell'atteg- 
giamento  che  nel  trattamento  le  figure  di  giovinetti  presso  Midia, 
per  esempio,  mutato  lo  Spielbein  dalla  gamba  sinistra  alla  destra, 
il  Deinofoonte  nella  zona  di  figure  dell'idria  londinese.  Ma  in  questa 
idria  si  ha  un'opera  yeramente  artistica  ove  l'indirizzo  miniatu- 
ristico  assurge  appunto  alla  cima  sua  piü  alta  per  poi  ben  presto 
cadere  nel  convenzionale  e  nel  manierato  di  cui  le  tracce  appa- 
riscono  nel  cratere  palerinitano  di  Faone  da  porre  col  Furtwaengler 
giä  aU'inizio  del  secolo  IV  (Furtwaengler  e  Reichhold,  op.  cit.  t.  59, 
testo,  S.  Ia,  p.  296  e  seg.) ;  nei  crateri  invece  di  Bologna  e  di  Si- 
racusa contemporanei  o  quasi  si  hanno  giä  gli  esempi  di  decadimento 
di  un  altro  indirizzo  in  cui  e  le  figure  ed  il  contenuto  dei  dipiuti 
lianuo  qualche  cosa  di  piü  alto  e  di  piü  eroico.  Nella  sua  idria  il 
pennello  di  Midia  si  Sforza  di  rendere  le  forme  che  vuole  esprimere 
secondo  il  meglio  che  puö  fare  e  che  vuole  raggiungere ;  il  cera- 
mista  o  i  ceramisti  anonimi  dei  due  crateri  con  imprese  di  Teseo 
giovinetto,  causa  l'abitudine  contratta  nel  dipingere  secondo  altre 
tendenze  piü  antiche,  dipingono  in  fretta  e  non  producono  pertanto 
vere  opere  artistiche. 

Crederei  pertanto  giusto  assegnare  come  data  di  esecuzione  pei- 
le due  idrie  berlinesi  e  per  l'anfora  ruvestina  gli  anni  primi  dol- 

(')  Xotu  per  di  piü  che  l'Atena  nella  gara  di  Marsia  ed  Apollo  ha  l'egida 
a  scacchi  nota  a  noi  dallo  rappresentanze  del  giudizio  di  Paride;  ma  qui  la 
La  sembra  piü  Parma  terribile  della  dea,  ma  an  giubbetto  femminile 


FRAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  129 

l'ultimo  quarfco  del  V  secolo  (')  e  di  credere  posteriori  di  almeno 
dieci  auni  i  due  crateri  bolognese  e  siraeusano,  le  quali  date  ri- 
tengo  di  poter  convalidare  mediante  altre  osservazioni. 

Piü  sopra  ho  citato  due  pitture  del  giadizio  di  Paride  su  due 
crateri,  uno  di  Vienna,  l'altro  dell'Eremitaggio.  II  primo,  che  ha 
traccia  di  dorature  negli  accessori,  sarebbo  da  ritenere  come  uno 
svilnppo  ulteriore  dello  stile  quäle  ci  e  presentato  dall'idria  di 
Carlsruhe.  Tuttavia  nelle  figure  appare  uua  schematizzazione  piü 
spinta  assai  (Atena  da  un  lato  ed  Afrodite  dall'altro  hanno  l'ovvio 
Schema  di  tenere  una  gamba  sollevata  su  altura)  ed  un  segno  di 
etä  relativarnente  recente  vedrei  auche  nella  figura  di  Afrodite 
(giudizio  di  Paride),  aualogamente  alla  Io  del  cratere  ruvestino,  giä 
denudata  fino  alla  cintura.  E  per  questo  crederei  contemporanei  i 
dne  crateri  di  Ruvo  e  di  Vienna  che  sarebbero  giä  del  IV  secolo 
e  ad  essi  aggiungerei  per  le  sue  analogie  fortissime  un  cratere  a 
campaua  da  Creta  esistente  nel  museo  di  Atene  (2). 

Sebbene  la  composizione  della  scena  del  giudizio  di  Paride 
sul  cratere  a  calice  dell'Eremitaggio  presenti  un  grado  di  svilnppo 
ulteriore  rispetto  al  cratere  viennese,  sono  tuttavia  incline  a  cre- 
dere il  primo  cratere  anteriore  a  quest' ultimo.  Contemporaneitä 
presenterebbe  a  mio  avviso   il  vaso  di  Pietroburgo  con  l'idria  di 

(')  Con  ciö  combinerebbe  anche  1'  uso    dell'alfabeto  puraraente   iouico. 

(")  II  lato  principale  e  edito  nella  'Eqpißti.  uo/.  ,  1886,  t.  1  e  rappresenta 
da  sinistra  verso  destra  Artemide,  Marsia  aulete,  una  piccola  Nike  volante 
verso  Atena,  Apollo;  nel  lato  inedito  sono  un  Sileno  e  due  Menadi.  Lo  stile 
nella  pittura  di  questo  cratere  si  appalesa  meno  diligente  e  con  tendenza 
vieppiü  spiccata  ad  uno  schematismo  indizio  di  decadimento  e  di  lavoro  di 
un  artigiano  che  segue  la  cieca  pratica.  Cosi  quella  irregolaritä  nel  rendi- 
racnto  dei  profili  delle  figure,  irregolaritä  che  ho  giä  osservato  a  proposito 
dei  crateri  di  Bologna  e  di  Siracusa,  si  manifesta  anche  in  questo  cratere.  la 
quäle  cosa  ho  avuto  campo  di  poter  osservare  nell'  originale  al  museo  di 
Atene.  La  piccola  Nike  volante  con  vestito  a  pieghe  del  tutto  stilizzato  fa 
venire  alla  mente  le  piecole  figure  di  Nike  dei  crateri  di  Chiusi  e  di  Villa 
Giulia.  Ma  quäle  inferioritä  pel  piü  recente  cratere  di  Creta!  E  curioso  che 
come  avversaria  del  Sileno  Marsia  e  posta  Atena  verso  cui  vola  la  Nike  por- 
tando  la  benda  simbolo  di  vittoria,  mentre  al  dio  Apollo  e  riserbato  un  posto 
accessorio  e  secondario  del  tutto  come  pendant  ad  Artemide.  Lo  stesso  sna- 
turamento  del  mito  si  puö  notare nelle  kelebe  del  museo  brittannico  (/•.'</■>,//. 
"Qu-,  18S6,  p.  5)  che  ci  si  presenta  come  uno  sviluppo  ulteriore  verso  un 
convenzionalismo  piü  banale. 


130  P.    DUCATI 

Midia;  comuni  ai  dipinti  sono  parecchi  particolari  dei  vestiti,  si- 
mile  al  cocchio  deH'auriga  Crisippo  si  mostra  quello  d'Iride  nella 
posa  g  nel  rendimento  dei  cavalli.  Analoglii  poi  per  stile  al  detto 
cratere  dell'Eremitaggio  sono  altri  due  vasi  della  stessa  collezione, 
la  idria  di  Taman  con  Cadtno  incoraggiato  da  Atene  contro  il  dra- 
gone  (')  ed  il  frammento  col  mito  singulare  della  punizione  di 
Iasios  (2). 

Cito  in  in  appendice  (p.  140)  altri  esempi  a  me  noti  di  pitture 
vasculari  condotte  secondo  questo  indirizzo  stilistico  e  che,  giä  im- 
pregnate  di  un  convenzionalismo  e  di  una  negligenza  maggiore,  rno- 
strano  di  appartenere  alla  languente  cerarnica  attica  dei  IV  secolo. 

Da  altre  considerazioni  sono  indotto  a  porre  i  vasi  attribniti 
ultimamente  dal  Rizzo  agli  anni  subito  dopo  la  metä  dei  V  secolo 
ad  etä  piü  recente.  La  prima  di  queste  considerazioni  mi  e  sug- 
srerita  dal  fatto  che  uno  dei  vasi  teste  citati,  e  che  sarebbe  tra  i 
piü  recenti  di  quelli  adorni  col  giudizio  di  Paride,  cioe  il  bei 
cratere  dell'Eremitaggio,  proviene  dal  tumiüo  di  Jouz-Oba  in  Cri- 
mea,  tumulo  la  cui  esplorazione  ha  procurato  una  bella  serie  di 
vasi  edita  nel   Compte  Rendu. 

II  Milchhoefer  (3),  basandosi  specialmente  sulla  magniiica 
gemma  di  Dessameno  trovata  iu  una  tomba  di  detto  tumulo,  giä 
posta  dal  Furtwaengler  (4)  nel  V  secolo,  ascrisse  tutto  il  materiale 
ceramico  rinvenuto  in  questo  tumulo  a  detto  secolo.  Prescindendo 
da  Offni  altra  osservazione  di  stile  dei  vasi,  il  fatto  solo  dei  rin- 
venimento  di  una  gemma  di  Dessameno  insieme  a  prodotti  cera- 
mici  non  sarebbe  ragione  sufficiente  per  porre  questi  Ultimi  vicini 
di  tempo  ad  essa.  Ed   invero  dallo   stesso   tumulo  di  Jouz-Oba  e 

(')  C.  R.,  Altas,  1860,  t.  V,  1,  2.  Segao  La  opinione  dei  Crusius  (Röscher, 
Lexikon,  art.  Kadrnos)  in  vista  alle  analogie  di  comnosizione  con  la  idria  di 
Berlino  di  egual  contenuto. 

(9)  Strena  Helbigiana,  1900,  p.  161  (Kieseritzky,  Iasios,  pp.  160-163, 
da  la  spiegazione  dei  frammento  che  b  veramente  un  unicum  e  ne  afferma 
rafQnitä  col  cratere  di  Jouz-Oba). 

(3j  Art.  cit.,  n.  52. 

(Jj  Jahrb.  d.  Inst.,  1888,  p.  200.  E  edita  questa  gemma,  rappresentante 
un  airmi''  rolante  nell'opera  dello  stesso  Furtwaengler  {Die  antiken  Gemmen, 
Tafelland,  t.  XIV,  4).  Su  Dessameno  e  sulle  sue  opere  si  veda  pure  il  testo 
dei  Furtwaengler  nella  stessa  opera,  v.  III,  p.  137.  L\cxf*rj  di  questo  artista 
sarebbe  appnnto  rappresentata  da  questa  gemma  ed  andrebbe  dal  430  al  420. 


FRAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  131 

uscita  anche  una  pietra  co:i  una  Gorgono  di  tipo  jonico  {Antike 
Gemmen,  t.  VIII,  52)  innegabilmente  anteriore  e  di  non  pochi 
anni  non  solo  ai  vasi  rinvenuti,  ma  alla  stessa  gemma  di  Dessa- 
meno.  Qaest' ultima  pertauto  insieme  con  l'altra  piü  antiea  come 
oggetti  preziosi  ed  autichi  furono  deposte  nelle  tombe  in  cui  al 
momento  della  sopoltura  dovettero  essere  pure  collocati  i  vasi  che, 
per  essere  di  materia  esposta  facilmente  a  guasti,  non  potevano 
essere  stati  fabbricati  in  epoca  molto  anteriore  a  quella  del  sep- 
pellimento. 

Ora  questi  prodotti  ceramici  noti  a  noi  dalle  riproduzioni  del 
Compte  Rendu  ci  si  mostrano  come  anelli  di  una  catena  nello  svi- 
luppo  dell'arte  ceramica  attraverso  la  fine  del  V  secolo  e  grande 
parte  del  successivo  (').  II  piü  antico  e  certo  il  cratere  suddetto 
col  giudizio  di  Pari  de  al  quäle  si  collegherebbe  il  coperchio  di 
tazza  con  la  consegna  di  Dioniso  bambino  a  una  Menade  (C.  R., 
Atlas,  1861,  t.  2)  dipinto  che,  presentando  analogie  con  quello 
su  vaso  napoletano  con  personaggi  del  dramma  satirico  (Mon.  d. 
Inst.,  v.  III,  t.  31)  pud  benissimo  essere  posto  agli  albori  del 
IV  sec.  La  idria  con  Elena  e  Paride  e  con  tante  figure  accessorie 
e  di  mero  scopo  decorativo  e  1'ariballo  col  rapimento  di  Elena, 
dipinti  riprodotti  nella  tav.  V  dell'atlante  del  C.  R.  per  l'anno 
1861,  formerebbero  insieme  con  un'idria  di  Berlino  {Jahrb.  d.  Inst., 
1889,  p.  208,  Afrodite  su  di  una  capra  (2))  il  passaggio  ad  una 
serie  di  vasi  del  sec.  IV  in  cui  si  ha  un  breve  rinascimento  doll'in- 
tirizzita  arte  ceramica,  rinascimento  su  cui  e  merito  del  Furtwaen- 
gler  aver  rivolto  l'attenzione  ed  aver  espresso  giuste  osservazioni  (3). 
A  questa  serie  appartengono  tre  vasi  usciti  da  Jouz-Oba  e  certo 
non  tra  i  peggiori :    il  coperchio  di  tazza  con    scena    allusiva  ad 

(')  La  esecuzione  della  maggior  parte  di  questi  vasi  importati  in  Crimca 
cadrebbe  appunto  nel  periodo  di  maggior  impulso  ateniese  sotto  il  re  bosfo- 
rano  Leucone  (393-353). 

(2)  Tale  e  l'animale  cavalcato  dalla  dea,  come  nota  il  Furtwaengk-r  nel 
suo  articolo:  Aphrodite  Pandemos  als  Lichtgöttin  {Sitzungs  berichte  deröayrr. 
Akad.,  1899,  v.  II). 

(3)  Testo  alla  Gr.  Vas.,  alle  t.  40,  G8,  69.  70.  AI  Furtwaengler  fa  se- 
guito  lo  Hauser  (Oesterr  Jahresh.,  1903,  p.  94)  che  istittu  confronli  con 
rilievi  neo-attici.  E  noto  che  il  punto  di  partenza  ])er  determinazioni  cruno- 
logiche  di  questo  gruppo  di  vasi  fu  dato  al  Furtwaengler  dall'idria  di  Ales- 
sandria (Gr.  Vas.,  t.  40)  che  ci  da  una  tra  le  piü  stilizzate  pitture  del  gruppo. 


■J32  P-    DUCA.TI 

uno  sposalizio  {Gr.  Vas.,  t.  68),  im  secondo  coperchio  di  tazza 
con  varie  donne  in  vari  momenti  di  toilette  (C.  R.,  Alias,  1861, 
t.  1)  e  la  pelike  con  la  scena,  secondo  il  Furtwaengleu,  che  segne 
lo  Sfcrtibe  ('),  del  consulto  di  Zeus  con  Temide  e  divinitä  per  la 
guerra  di  Troia  {Gr.  Vas.,  t.  69).  A  questi  vasi  si  aggiunga  infine, 
conio  proveniente  da  Jonz-Oba,  nna  pelike  con  figure  di  Nereidi  sn 
ippocampi  {CR-,  titolo  del  testo  per  l'anno  1863)  che  rientra  nel 
crenere  delle  rappresentazioni  marine  che  adornano  piatti  per  pesci, 
e  sn  cni  giä  trattö  lo  Stephani  (2)  e  sn  cui  ha  richiamato  recen- 
tamente  l'attenzione  il  Watzinger  (3). 

E  da  questa  ennmerazione  credo  che  ben  apparirä  chiaro  il 
carattere  omogeneo  della  serie  di  vasi  usciti  da  Jonz-Oba  si  da 
dednrre  nna  data  non  molto  lontana  dalla  fine  del  qninto  secolo  pel 
cratere  del  gindizio  di  Paride  e  consegnentemente  per  tntti  gli 
altri  vasi  di  diverse  provenienze  che  con  esso  cratere  formano 
ornppo  per  analogie  di  stile. 

Un'altra  considerazione  mi  viene  offerta  dal  confronto  di  questi 
dipinti  vasculari  con  la  pittnra  di  im  vaso  che  credo  di  poter 
datare  con  snfficiente  probabilitä.  Intendo  parlare  dell'anfora  a 
volnte  ritrovata  nelle  vicinanze  di  Bologna  ed  osistente  al  mnseo 
di  questa  cittä,  anfora  che  reca  attorno  al  suo  corpo  im  epi- 
sodio  largamente  rappresentato  sni  prodotti  della  ceramica  at- 
tica,    il  ritorno  di  Efesto    all'Olimpo  {Antike  Denkmaeler,  v.  I, 

t.  36)  (*). 

üu  pimto  di  attacco  che  tende  a  dimostrare  pur  esso  la  vici- 
nanza  cronologica  di  questa  anfora  a  volnte  e  di  quella  notissima 
con  ravventnra  di  Talos  e  dato    dalle    rappresentazioni    snl  collo 

(»)  Bilderkreis  von  Eleusis,  p.  86,  si  v.  anclie  Klein   {Jahrb.  d.  Inst., 

1894,  p.  251  e  seg.) 

("-)  C.  R-,  187G,  }).  164  e  seg,  si  v.  i  frammenti    a  t.  V  {Atlas,   1876) 

nn.  4-15. 

(3)  Ath.  Mitth.,  1901,  p.  51. 

{*)  Solo  nel  vaso  Francis  riappare  Era  seduta  in  trono  come  nel  vaso 
bolognese.  Nella  lacuna  di  questo  vaso  tra  Efesto  ed  Era  dobbiamo  iraraa- 
ginarci,  come  si  vede  nel  vaso  Frai^ois,  Afrodite,  la  figura  di  colei  che, 
c  ime  premio,  servirä  a  persuadere  Efesto  a  liberare  la  madre  ?  Sotto  Efesto 
e  conservata  la  parte  inferiore  di  una  donna  ed  accanto  ad  Era  e  un'altra 
figura  femminile;  ma  gli  avanzi  di  tirsi  posti  accanto  dissuadono  dal  vedere 
in  una  delle  due  figure  la  dea  Afrodite. 


FRAMMENTJ    DI    VASO    ATTICO  133 

dell'anfora  ruvestina  (l)  ehe  rientrano  nel  ciclo  dionisiaco  con  mo- 
tivi  che  sono  riprodotti  con  maggiore  o  minore  varietä  presso  Si- 
leni  e  Menadi  di  altri  vasi.  II  motivo  della  prima  danzatrice 
sulla  fascia  del  collo  dell'anfora  con  la  testa  rovesciata  all'indietro 
e,  come  e  noto,  assai  frequente  nella  pittura  ceramica.  Esso,  che 
ci  si  presenta  pure  nello  stile  severo  (2),  s'incontra  anche  appli- 
cato  nella  pittura  dello  stamno  di  Napoli  proveniente  da  Nocera 
dei  Pagani  (Furtwaengler  e  Reichhold,  op.  cit.,  t.  36-37)  (:!). 

La  stessa  figura  di  Menade  esaltata  e  pure  nella  pittura  del- 
l'anfora bolognese  sotto  il  gruppo  di  Arianna  e  di  Dioniso;  tut- 
tavia  qui  si  ha  una  varietä  del  tipo  ed  una  ulteriore  trasforma- 
zione ;  la  Menade  ha  la  parte  destra  del  petto  scoperta  e  nella 
forte  agitazione  prodotta  dalla  danza  il  corpo  si  ripiega  assai  si 
da  presentare  una  linea  piü  curva. 

Pure  nella  striscia  inferiore  della  nota  idria  di  Carlsruhe  due 
Menadi,  l'una  di  fronte  all'altra,  sono  in  rnoviniento  a^itato  di 
danza  con  la  testa  all'indietro;  ma  quivi,  conformemente  a  ciö  che 
si  osserva  nelle  pitture  d'indirizzo  miniaturistico,  il  sottile  vestito 
a  linee  numerosissime  e  parallele  nella  loro  ondulazione  lascia 
apparire  le  forme  del  corpo  sotto  il  rnoviniento  vorticoso  causato 
dalla  sfrenata  dauza.  Sebbene,  come  pare,  la  pittura  del  vaso  bolo- 
gnese mostri  altre  tendenze  e  carattere  diverso,  tuttavia  essa  sembra 
tutt'altro  che  lontaua  pel   tempo   in    cui   dovette   essere   eseguita 

(')  Per  la  riproduzione  delle  figure  del  collo  del  vaso  di  Talos  bisogna 
ricorrere  sempre  al  Bull,  nap  ,  III,  t.  2  e  6. 

(2)  Cito  la  preziosa  anfora  di  Monaco  edita  da  Furtwaengler  e  Reichhold 
(op.  cit.,  t.  44-45)  per  la  Menade  a  sinistra  nella  t.  45;  noto  poi  che  la  Me- 
nade a  destra  nella  t.  44  si  puö  confrontare  pel  motivo  con  la  QaXei«  dello 
stamno  napoletano.  Lo  stesso  motivo  di  Menade  esaltata  e  in  una  tazza  ber- 
linese  (Gerhard,  7'rinksch.  u.  Gefässe,  t.  6,  7)  che  il  Furtwaengler  {Sammlang 
Sabouroff,  Einl.  z.  d.  Vasen,  p.  7)  disse  essere  opera  meno  recente  del  pittore 
del  noto  ariballo  giä  Sabouroff  (op.  cit.,  t.  55).  Si  veda  per  questo  motivo 
anche  Eapp  presso  Röscher  Lexikon,  v.  II,  col.  2266,  e  Winter  (50.  Berl. 
JVinckelmannsprogr.,  p.  112  e  seg.).  II  medesimo  motivo  e  noto  che  si  trova 
di  frequente  usato  nei  rilievi  neo-attici;  ne  sono  prova  i  tipi  nn.  29,  32,  24  (Me- 
nade che  lascia  apparire  nuda  la  parte  laterale  del  corpo  e  che  nelle  maiii 
ha  un  timpano,  es.  cratere  napoletano  di  Salpione),  di  figure  da  s.  verso  d., 
il  tipo  n.  30  da  d.  a  s.  in  Häuser,  Die  neu-attischen  Reliefs. 

(3)  Identica  scena  come  e  nello  stamno  napoletano  e  nella  tazza  berli- 
nese  di  Ierone  [Wiener   Vorlegehi,  S.  A,  t.  4). 


134  P-    DUCATI 

detta  idria  basandoini  in  questo  specialmente  sul  rendimento   dei 
profili  e  delle  forme  delle  figure. 

Di  pochissirno  anteriore  deve  essere  all'anfora  bolognese  quella 
ruvestina  cou  la  gara  di  Apollo  e  Marsia  e  col  thiasos  baccbico 
dati  i  eonfronti  che  alcuue  figure  di  questi  due  vasi  possono  richia- 
mare  tra  di  loro.  E  questa  brevissima  anterioritä  del  ruvestino 
rispetto  al  vaso  bolognese  mi  sarebbe  data  dai  profili  delle  figure 
e  dall'aspetto  delle  figure   stesse  piu  severe  lä  che  qui. 

La  pittura  del  vaso  bolognese  e  certamente  condotta  con  un 
indirizzo  intermedio  tra  il  grandioso  e  l'aggraziato ;  se  da  un  lato 
le  figure  sono  espresse  con  uno  stile  ancora  nobile  nella  sua  so- 
brietä,  dall'altro  lato  e  nella  composizione  e  nei  rnotivi  delle  figure 
o  nel  trattamento  del  drappeggio  si  palesa  1'influsso  assai  forte 
della  nuova  tendenza  alla  miniatura  siguoreggiaute  nella  pittura 
ceramica  della  fine  del  V  secolo  ('). 

Giä  il  Milchhoefer  (2)  espresse  la  ipotesi  di  una  dipendenza 
del  disegno  sul  vaso  bolognese  dalla  pittura  su  cui  con  parecchie 
parole  si  sofferma  Pausania  (I,  20,  3)  e  che  adornava  il  piü  re- 
ceute  ternpio  di  Dioniso  nel  peribolo  del  dio  presso  il  teatro  in 
Atene.  Tale  ipotesi  mi  si  ripresenta  ora  cosi  attraente  che  quasi 
sarei   indotto   ad  identificaiia   con  la  veritä. 

La  vasta  composizione  che  gira  tutto  attorno  a  quest'anfora 
a  volute,  e  nelle  anfore  a  volute  siamo  abituati  a  vedere  i  ricordi 
della  grande  pittura  monumentale  polignotea,  o  che  ci  porge  in 
modo  del  tutto  nuovo  e  ricco  la  scena  deH'arrivo  del  dio  ubbriaco 
neirOlimpo  nolvJeiQag,  e  pei  nostri  occhi  come  una  pittura 
celebrante  l'invitto  Dioniso  ed  il  suo  sfrenato  corteggio.  Nou 
potrommo  pertanto  pensare  che  altrimenti  fosse  concepita  ed  espressa 
la  medesima  scena  sulle  pareti  del  ternpio,  dimora  appunto  del 
culto  del  dio. 

(')  La  figara  di  Efesto  conserva  nel  suo  aspetto  analogia  con  quella 
dello  stesso  dio  su  pitture  di  cgual  contcnuto  riferibili  all'etä  periclea  c 
certo  dipendenti  da  un  unico  modello  :  cratere  di  Monaco  {Gr.  Vas.,  t.  7), 
cotyle  del  Louvre  {Elite  cdram.,  v.  I,  t.  4G),  stamno  (Gerhard,  Aus.  Vascnb., 
t.  58),  vaso  (Tischbein,  op.  cit.,  v.  IV,  t.  38  =  Reinach,  Repertoire,  v.  II, 
p.  329).  Cosi  la  figura  di  Sileno  nell'atteggiamento  MYünooxonf-vow  e  quasi 
identica  nel  cratere  pure  bolognese  con  scena  di  consacrazione  di  un  tri- 
pode  coragico  alla  figura  di  lluog. 

(«)  Art.  cit,  p.  82. 


FRAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  135 

Si  aggiunga  che  la  unione  di  Menadi  L'una  quasi  sovrap- 
posta  all'altra  sotto  Diouiso  ed  Arianna  si  da  formafe  im  gruppo 
del  tatto  contrario  all'indole  eminentemente  lineare  del  disegno 
su  vasi,  ci  obbliga,  come  pel  caso  del  gruppo  centrale  nol  vaso  di 
Talos,  a  pensare  ad  im  prototipo  della  pittura  monumentale. 

Tale  prototipo  non  doveva  essere  condotto  secondo  le  tendenze 
poliguotee  in  uno  stile  nobile  nella  sua  grandiositä  e  con  le  traccie 
ancora  di  arcaismo;  al  contrario  le  movonze  delicate  delle  Menadi, 
tutta  la  vita  focosa  che  agita  le  flgure  del  thiasos  fanno  legit- 
timamente  supporre  im  prototipo  monumentale  assai  posteriore  e, 
prescindendo  dai  punti  di  appoggio,  se  si  vuole,  non  tanto  fissi  di 
pitture  ceramiche  e  basandosi  su  quelli  piü  determinati  di  opere 
scultorie,  non  tanto  lontano  dagli  albori  del  IV  secolo. 

Ma  allora  tutto  ciö  puö  benissimo  combiuare  con  la  data  che 
necessariamente  si  deve  dare  e  al  nuovo  tempio  di  Dioniso  in 
Atene  e  alla  statua  crisoelefantina  del  dio,  opera  di  Alcamene  (') 
e  di  conseguenza  alla  pittura  nel  tempio  ateniese  d'identico  con- 
tenuto  dell'anfora  bolognese  fabbricata  e  dipinta  nella  stessa 
Atene. 

Ma  se  si  ammette,  e  non  vedrei  ragioni  in  contrario,  la  dipen- 
denza  dell'anfora  bolognese  dalla  pittura  del  Dioniseion,  si  ha 
im  dato  importaute  per  porre  essa  anfora  verso  la  fine  del  V  se- 
colo e  presumibilmente  verso  1' ultimo  decennio  di  tal  secolo  e, 
per  via  di  confronti,  si  puö  con  sufficiente  e  plausibile  probabilitä 
datare  la  serie  di  vasi  piü  o  meno  distanti  dall'anfora  bolo- 
gnese, ma  pure  o  contemporanei  o  da  lei  lontani  breve  numero 
di  anni. 

(')  Per  l'uso  della  breccia  nelle  fondamenta  del  tempio  il  Doerpfeld 
(Doerpfeld  e  Eeisch,  Das  griechische  Theater,  p.  22)  crede  che  esso  tempio 
si  debba  riportare  persino  ai  primi  anni  del  IV  secolo,  il  che  mi  sembra  una 
data  troppo  bassa  anche  in  relazione  a  ciö  che  si  sa  di  Alcamene  autore  della 
statua  del  culto.  II  Reisch  invece  {Eranos  Vindobonensis,  p.  1  e  seg.)  pro- 
pose  giustamente  lo  spazio  di  tempo  421-415  per  la  csecuzione  della  statua 
del  cnlto  e  eiö  combinerebbe  con  la  data  (un  po'  prima  del  410)  che  darei 
all'anfora  bolognese.  II  Milchhoefer  invece,  partendo  dalla  sua  esagerata  cro- 
nologia  dei  vasi  attici,  credette  di  potere,  in  base  ad  una  supposta  anterio- 
rioritä  dell'anfora  bolognese,  distruggere  gli  argomenti  solidi  della  costruttura 
dell'edifizio  e  della  esecuzione  della  statua  e  dare  al  tempio  di  Dionisiu  um 
etä  molto  piü  antica. 


136  P.    DUCATI 

Neue  due  idrie  berlinesi  col  giudizio  di  Paride  e  con  la 
lotta  di  Cadmo  col  dragone,  nell'anfora  nivestina  con  Apollo  e 
Marsia,  nei  crateri  bolognese  e  siracusano  di  Teseo  appare  la  figura 
di  Atena  che  sembra  derivazione  da  im  tipo  unico,  con  la  chioma 
in  lunga  treccia  che  sfugge  dall'elmo  corinzio.  In  questa  figura 
vedrei  l'influsso  di  un'opera  monumentale  che  specialmente  vedrei 
imitata  neH'Atena  deH'abbandono  di  Arianna  sul  cratere  di  Sira- 
cusa.  Con  grande  probabilitä  il  Keisch  (')  ha  indentiticato  1' origi- 
nale di  una  statua  di  Cherchel  acefala  di  Atena  alla  quäle  ben 
si  adatta  la  testa  di  un  tipo  Disney  {Journal  of  Hell.  St.,  1899, 
t.  I)  e  Louvre  (Oesterr.  Jahresh.,  1898,  fig.  32),  con  1' Atena 
Efestia  di  Alcamene  la  cui  esecuzione  lo  stesso  dotto  ha  dirao- 
strato  doversi  porre  tra  il  421  ed  il  417.  Ora  grande  affinitä,  che 
ritengo  innegabile,  collega  questa  statua  specialmente  con  1' Atena 
del  cratere  siracusano  e  per  questo  dovremmo  ammettere  una  certa 
contemporaneitä  tra  queste  opere  ceramiche  e  l'opera  di  Alcamene. 

Tale  affinitä  invece  non  fu  veduta  dal  Rizzo  che  erroneamente 
credette  derivazioni  contemporanee  da  un  medesimo  prototipo  della 
grande  arte  prefidiaca  la  figura  di  Atena  del  cratere  e  quella  del 
noto  rilievo  dell' Atena  cosidetta  melanconica  del  museo  dell'acro- 
poli  di  Atene.  Ma  forse  nella  pittura  ceramica  sono  quegli  stessi 
carattori  ancora  arcaici  del  rilievo  per  cui  a  giusta  ragione  esso 
rilievo  fu  posto  nel  decennio  dal  460  al  450?  (2).  Ma  un  con- 
fronto  tra  lo  stesso  rilievo  e  1' Atena  del  cratere  bolognese  (scena 
di  Eraele  e  della  cerva)  che  ne  riproduce  l'identico  motivo,  di- 
mostra  chiaramente  che  uno  spazio  di  tempo  non  breve  deve  esi- 
stere  tra  le  due  opere  e  questo  specialmente  riguardo  al  tratta- 
monto  del  vestito  cosi  diverso  nelle  due  figure  del  rilievo  e  del 
vaso  piii  che  del  viso  che  in  quest' ultimo  monumento  e  gnasto  (:i)- 


(»)  Alhena  Hephaistia  (Oesterr.  Jahresh.,  1898,  p.  35-93). 

(2)  Joubin,  Sculpture  grecque  entre  les  guerres  mediques  et  Periclis, 
1».   196. 

(3)  ün'analogia  di  motivo  che  appare  evidente  tra  queste  due  figure  di 
Atena  si  da  concludere  ad  un  unico  prototipo  non  e  una  ragione  bastante 
per  ritenere  queste  due  figure  contemporanee.  AI  contrario  di  qu'i,  in  un  altro 
caso  il  motivo  artistico  ci  si  e  conservato  neiresempio  piü  antico  in  una 
pittara  ceramica,  in  un  rilievo  neH'esempio  piü  recente.  C^uesto  si  puo  osser- 
vare  pel  gruppo  della  Nike  che  governa  il  toro   sulla  balaustrata   del    tem- 


KKAMMENTI    DI    VASO    ATTICO  137 

A  presupporre  im  modello  comnne  all'Atena  del  cratere  sira- 

cusano  ed  all'Atena  del  rilievo,  pur  diverse  l'una  dall'altra,  piü 
che  a  riconoscere  la  identitä  di  tipo  per  l'Atena  del  detto  vaso  e 
l'Atena  di  Cherchel,  fu  indotto  il  Rizzo  dalla  sua  cronologia  per 
nie  esagerata  della  ceramica  attica  posteriore  allo  stile  severo. 

Ma  il  Rizzo  trova  una  con forma  per  quosta  sua  alta  data 
pel  cratere  di  Siracusa  e  pei  vasi  che  ad  esso  cratorc  si  avvicinano 
in  considerazioni  d'indole  politica  date  dalle  condizioni  di  Cama- 
rina  d'onde  esso  cratere  proviene.  Nel  quinto  secolo  si  ha  il  periodo 
461-405  iü  cui  fu  importato  nella  cittä  questo  vaso;  pel  Rizzo 
si  deve  escludere  il  tratto  dal  427  al  405  per  la  guerra  tra  Siracusa 
ed  Ateue  che,  secondo  la  pereDtoria  affermazione  sua  e  del  Milch- 
hoefer,  deve  aver  interrotto  il  commercio  dell' Attica  con  tutta  Visola. 

Ma  giä  nella  breve  guerra  tra  il  427  ed  il  424  Camarina 
tenne  il  campo  con  Leontini  ed  Atene  contro  Siracusa;  perö  se  si 
vuole  ammettere  la  esagerata  e  non  plausibile  ipotesi  che  per  la 
guerra  tra  Atene  e  la  cittä  di  Siracusa  dovette  estinguersi  ad  un 
tratto  il  commercio  tra  l'Attica  e  tutta  la  Sicilia,  si  deve  notare 
che  ciö  non  pote  avvenire  se  non  negli  anni  tra  il  415  ed  il  413 
in  cui  ebbe  misera  fine  la  spedizione  di  Sicilia. 

Di  piü  per  esempio  un  vaso  aucor  posteriore,  la  oinochoe 
Vagliasindi  (Mon.  d.  Lincei,  XIV,  t.  5)  uscita  dal  suolo  sici- 
liano  e  ritenuta  dallo  stesso  Rizzo  (lvi,  p.  82)  come  pertinente 
all'ultimo  scorcio  del  V  secolo,  onde  ben  si  puö  ammettere  che 
aache  dopo  il  413,  in  seguito  alle  vittorie  navali  di  Alcibiade 
(Abido  e  Cizico)  ed  al  ripristinamento  della  signoria  marittima  di 
Atene  (410  a.  C.)  si  siano  mantenuti  legami  di  commercio  tra 
l'isola  ed  Atene.  E  per  questo  non  sarei  alieno  daH'attribuire  il 
cratere  del  museo  siracusano  agli  anni  immediatamente  antece- 
dens alla  distruzione  di  Camarina  per  opera  dei  Cartaginesi 
(405  a.  C.)  0). 

Bologna,  marzo  1906.  Pericle  Ducati. 


pietto  di  Atcna  Nike  e  sul  vaso    ad    essa   balaustrata    anteriore    del    museo 
di  Bologna  giä  altrove  da  me  citato. 

(')  Si  aggiunga  che  il  cratere  proviene  dal  sepolcreto  Face,  che,  e  pel  suo 
matcriale  (vi  compariscono  i  vasetti  grezzi  di  fabbrica  locale  del  sec.  IV)  e 
per  ragioni  topografiche  (lontano  da  m.  1.200  a  2.000  dalle  inura  urbane) 
deve  essere  ascritto  alla  fine  del  V  ed  al  prineipio  del  IV  secolo  (Orsi, 
Camarina,  p.  246  nei  Mon.  del  Lincei,  v.  IX,  1899). 

10 


P.    DTICATI 


APPENDICE 


1.  Sulla  ceramica  locale  beotica. 


Che,  dopo  lc  fabbviche  beotiche  del  periodo  geometrico  a  cui  sub- 
entrö  una  lunghissima  fase  di  quiete  per  la  produzione  ceramica  beotica, 
oltre  ai  curiosi  prodotti  noti  specialmerite  dagli  scavi  del  Kabirion  tebano  (si 
v.  Winncfeld,  in  Ath.  Mitth.,  1888,  pp.  411-428  ed  in  Arch.  Am.,  1893, 
pp.  63-64;  il  Wolters,  in  Jonrn.  of  Hell.  St.,  1892-3,  pp.  77-87;  il  Bloch,  ncl 
Lexikon  del  Ro.cher,  art.  Megaloi  Theoi),  oltre  ai  cinque  singolari  vasetti 
studiati  dal  Wide  (Ath.  Mitth.,  1901,  pp.  143-150)  non  si  debba  attribuire 
alla  Beozia  alcun  altro  prodotto  ceramico  e  una  opinione  che  trovö  anni  ad- 
dictro  il  suo  principale  sostenitore  nel  Pottier  (in  Duraont  et  Chaplain,  Les  cc- 
ramiques  de  la  Grcce  propre,  v.  I,  p.  375  e  sog.)  e  che  pare  abbia  im  difen- 
sore  nel  Furtwaengler,  sebbene  questi  non  si  sia  espresso  esplicitamente  nel 
testo  alle  Griechische  Vasenmalerei  (S.  Ia,  p.  207),  e  ciö  conlro  le  opinioni 
del  Pumont (Peintures  ceram.,  p.  51),  del  Collignon  (CWaJ.  d.  vases  d'Athenes. 
n.  545),  del  Benndorf  (Gr.  und  Sicil.  Vasenb.,  p.  G8).  II  Pottier  credeva  in 
questo  stretto  esclusivismo,  che  cioe  i  Beoti  si  fossero  dedicati  solamente  alla 
fabbrica  delle  figurine  in  terracotta,  gli  Attici  a  quella  dei  vasi,  e  per  la  man- 
canza  di  qualunque  fabbrica  ceramica  beotica  egli  si  fondava  sul  fatto  che 
vasi  snpposti  beotici  si  erano  trovati  in  ogni  parte  del  mondo  ellenico.  Ciö 
per  se  stesso  non  sarebbe  stata  una  ragione  sufficientc  per  arrivare  alla  con- 
clnsione  del  Pottier,  ma  di  piü  gli  esempi  di  vasi  citati  da  questo  dotto  a 
conferma  della  sua  tesi  hanno  tra  di  loro  caratteri  cosi  spiccatamenie  diversi 
da  dover  concludere  non  giä  ad  una  unicitä  di  provenienza  che  dovrebbc  es- 
sere  l'attica.  ma  a  fabbriche  diverse,  beotiche,  attiche,  italiote. 

Sta  invece  chiaro  il  fatto  che  prodotti  ceramici  con  provenienza  sicnra 
dalla  Beozia  a  figure  rosse  presentano  tali  caratteri  speciali  c  per  forme  tet- 
toniche  e  per  disegno  ora  accurato,  ora  simile  del  tutto  o  ad  uno  schizzo 
senza  pretesa  o  ad  uno  sgorbio  quasi  infantile  da  non  poterli  a  mio  avviso 
confondere  con  la  rimanente  produzione  attica  sia  pur  negligente  e  da  doverli 
ascrivere  ad  un'altra  fabbrica  ceramica  che,  in  base  alla  provenienza  dei  vasi. 
si  dovrebbc  porre  appunto  in  Beozia.  Su  questa  classe  di  vasi  beotici  qnalche 
notizia  ha  dato  sinora  il  Rubensobn  a  proposito  di  uno  di  essi,  uno  skyphos 
di  Berlino  (Ath.  Mitth.,  1899,  p.  67,  t.  VII).  facendo  una  suddivisione  in  un 
grappo  piü  antico,  al  quäle  apparterrebbe  il  detto  skyphos.  ed  in  uno  piü 
recentc  in  cui  sarebbe  l'uso,  anzi  Vabuso  del  bianco.  Convengo  col  Rubensohn 
in  questa  suddivisione,  ma  piü  che  Bull'uso  del  bianco  credo  che  si  dovrebbc 
basare  sul  carattere    del   disegno  piü  o  meno  accurato.    Faccio    pertanto  se- 


FRAMMENT1    DI    VASO   ATTICO  139 

guire  un  olenco  di  alcuni  di  questi  vasi  pubblicati  in  base  a  cio  che  ho  po- 
tuto  osservare  al  museo  d'Atene. 

1°  gruppo:  1)  kantharos;  Atene:  pel  Couve  (n.  1583  del  catalogo  dei 
vasi  del  museo  di  Atene)  e  rappr.  Dioniso,  pel  Rubensohn  un  morto  eroieiz- 
zato  (Rayet  e  Collignon,  Hist.  d.  I.  ceram.  yrecque,  fig.  111).  —  2)  cratcre  a 
campana;  Atene:  A.  Asclepio,  B.  Igea  {'E'f.  «(»/.,  1890,  t.  VII).  —  3)  cra- 
tere  a  campana;  Atene:  parodia  del  mito  delle  Esperidi  ('Etp,  «p/.,  1883, 
t.  VII,  «).  —  -1)  cratere  a  campana;  Atene:  Dioniso  che  assiste  ad  una 
danza  di  donna  in  costume  frigio  (Dumont  e  Chaplain,  op.  cit.,  v.  I.  t.  17, 
riproduzione  inesatta  per  cui  roriginale  e  reso  abbellito).  —  5)  cratere  a  cam- 
pana; Biblioteca  Nazionale  di  Parigi:  Artemide,  Apollo,  Ermete  (De  Biddcr, 
Gat.  d.  vas.  de  la  Bibl.  Nat.,  v.  II,  fig.  2). 

2°  gruppo:  1)  skyphos;  Berlino:  A)  Giudizio  di  P aride;  B)  Tritto- 
lemo  (Atk.  Jllitth.,  1899,  t.  VII  e  p.  67).  —  2)  skyphos;  Atene:  A  e  B)  due 
uomini  barbuti  di  fronte  stendono  la  mano ;  scena  di  giuramento?  (Jahrb. 
d.  Inst.,  1895,  p.  186,  n.  7).  -  -  3)  kotyle;  Atene:  A)  uccisione  di  Argo;  B) 
Ermete,  Dioniso  bambino,  Ire  ninfe  (Jahrb.  d.  Inst.,  1903,  pp.  48  e  49).  — 
4)  cratere  a  campana;  Atene:  A)  Selene  su  carro;  B)  Atena  su  quadriga 
(Journ.  of  Hell.  St,  1899,  t.  X  e  p.  269).  —  5)  cratere  a  campana;  Atene; 
due  uomini  con  mortaio  in  mezzo  che  respingono  eiaseuno  un'oca  (Ath.  Jllitth., 
1894,  p.  346).  —  6)  cratere  a  calice  ;  Zurigo:  Menelao  insegue  Elena  (E.  Mueller, 
Drei  gr.  Vasenb.,  1887,  t.  I). 

Caratteristica  in  questa  serie  e  la  forma  di  kantharos  ad  alto  piede  e 
provvisto  di  alte  anse,  come  peculiari  sono  pure  le  forme  del  cratere  a  campana 
e  dello  skyphos.  Ma  piü  che  le  forme  dei  vasi,  sebbene  io  creda  che  questi 
alti  kantharoi  siano  esclusivamente  beotici,  ein  che  indica  Torigine  beotica 
dei  vasi  e  lo  stile  del  disegno  il  quäle  e  qnasi  sempre  di  caricatura.  Ed  e 
questa  tendenza  al  grottesco  che  collega  in  special  modo  questi  vasi  a  quelli 
cosidetti  dei  Cabiri :  la  figura  della  divinitä  sdraiata  su  letto  che  si  ripetepiü 
volte  nei  vasi  specialinente  del  primo  gruppo,  rammenta  assai  da  vicino  Tana- 
loga  figura  di  KäßiQog  sdraiato  sul  noto  frammento  di  Atene  (Ath.  Jllitth., 
1888,  t.  IX).  Le  intiere  composizioni  di  questi  singolari  frammenti  di  ceramica 
a  figure  nere  hanno  il  suggello  di  un  umorismo  sfrenato,  umorismo  pur  comune, 
ma  non  in  cosi  grande  copia  espresso,  ai  vasi  della  serie  beotica. 

Nel  primo  gruppo  di  questi  vasi  si  nota  una  ricercatezza,  una  diligenza 
di  espressione  la  quäle  tuttavia  non  supera  i  difetti  palesi  di  disegno  e  pare 
anzi  di  essi  compiacersi,  diligenza  che  manca  affatto  agli  esemplari  del  se- 
condo  gruppo  in  cui  le  pitture  talora,  piü  che  il  valore  di  rozzo  schizzo  sono 
veri  sgorbi  lontani  da  ogni  pretesa  artistica.  Si  notano  in  tutti  questi  vasi 
una  secchezza,  una  rigidita  di  linee,  una  mancanza  di  proporzione  delle  vavie 
parti  del  copo  tra  di  loro  nelle  figure  dalle  grosse  estremitä  e  dalle  gigantesche 
teste.  Si  aggiungono  le  irregolarita  della  rappresentazione  che  allontanano 
assai  questi  vasi  dalla  produzione  attica,  o  con  accenni  forti  a  eulti  locali 
nelle  figure  di  divinitä  sdraiate  o  sedute,  o  con  allontanamento  pel  modo  con 
cui  sono    trattati  i  miti    nella  ceramica  attica  e  con  snaturamento  dei    miti 


140  P.    DUCATI 

stessi  come  nella  singulare  parodia  del  mito  delle  Esperidi,  o  nell'insegui- 
mento  di  Elena,  o  con  burlesche  scene  senza  significato  apparente  come  nel 
vaso  n.  5  del  secondo  gruppo. 


2.  Sulla  ceramica  attica  del  IV  secolo  (v.  p.  130). 

Propongo  qui  gli  eserapi  a  mc  noti  di  pitture  vascolari  condotte  secondo 
il  sopra  esposto  indirizzo  stilistico,  ed  impregnate  giä  di  un  convenzionalismo 
e  di  una  negligenza  maggiore. 

1.  Idria  da  Creta:  Giudizio  di  Paride  (meschinamente  riprodotta  in 
'Ecp.  <IqX-,  1862,  t.  14)#  —  2)  cratere  a  calice  di  Berlino:  Perseo  ed  An- 
dromeda  (Jahrb  d.  Inst.,  1896,  t.  2).  —  3)  cratere  a  campana;  di  Bologna: 
apoteosi  di  Eracle  {Ann.  d.  Inst.  1880,  t.  N).  —  4)  cratere  a  campana  di 
Kiew:  danza  arm  ata  di  un  giovane  guerriero  {C.  R.,  Atlas,  1864,  t.  6).  — 
5)  cratere  a  campana:  Leda  scopre  Povo  di  Elena  [Arch.  Ztg.,  1853,  t.  59). 
—  6)  cratere  a  campana  di  Berlino:  Apollo,  Ermete,  Menade,  Sileno,  {Arch. 
Ztg.,  1865,  t.  202,  1).  —  7)  cratere  a  campana:  riconciliazione  di  Apollo  ed 
Ercole  (Miliin gen,  Vase»  Coghill,  t.  11).  —  8)  pelike  dell' Eremitaggio : 
ovo  di  Leda  su  altare  (C.  R.  Atlas,  1861,  t.  6,  1,  2).  —  9)  oinochoe  di  Ber- 
lino: Afrodite  su  cigno  {Jahrb.  d.  Inst.,  1886,  t.  11,  2).  —  10)  vaso:  Dioniso  e 
thiasos  (Tischbein,  Coli,  of  engr.,  v.  II,  t.  46  =  Reinach,  Repertoire,  v.  II, 
p.  303,  1).  —  11)  vaso:  ievodog  di  Iacco  (cosi  il  Furtwaenglcr,  nel  testo  alla 
Gr.  Vas.,  S.  II,  p.  60)  in  presenza  di  thiasos  dionisiaco  (Tischbein,  op.  cit., 
v.  I,  t.  32  =  Reinach,  op.  cit.,  v.  II,  p.  287,  2). 

I  caratteri  stilistici  di  questi  dipinti  vasculari,  fine  di  un  indirizzo  della 
ceramica  attica  del  V  secolo,  si  ripetono  tali  e  quali  in  una  serie  di  vasi  pro- 
venienti  dall'Italia  e  pei  quali  e  assai  difficile  deeidere  so  si  tratta  di  prodotti 
importati  dall'Attica  o  di  prodotti  di  una  fabbrica  locale.  Intendo  parlare  di 
vasi,  crateri  a  campana  per  lo  piü,  di  cui  possono  essere  citati  come  esempi 
i  seguenti:  il  cratere  berlinese  edito  in  Arch.  Ztg.,  1865,  t.  203,  un  altro  con 
scena  dionisiaca,  in  Arch.  Ztg.,  1855,  t.  84,  i  frammenti  di  cratere  pure  con 
scena  dionisiaca  dell'Eremitaggio  in  C.  R.  Atlas.  1860,  t.  3,  il  vaso  edito  in 
Panofka  {Cabinet  Pourtalcs,  t.  16)  ed  in  Gerbard  (Gesamm.  Akad.  Abhand., 
t.  71)  con  la  iniziazione  di  Eracle  e  dei  Dioscuri  ai  misteri  eleusinii.  A  questi 
vasi  altri  se  ne  collegano  di  origine  evidentemente  italiota  come  il  cratere  a 
campana  di  Napoli  coi  preparativi  per  la  gara  tra  Pelope  ed  Enomao  {Arch. 
Ztg.,  1853,  t.  55)  che  col  Patroni  {Ceramica  delVItalia  meridionale,  p.  94 
e  seg.)  ascriverei  alla  fabbrica  italiota  dell'antica  Saticula  corris])ondente 
aH'odierna  S.  Agata  dei  Goti.  I  caratteri  di  talo  ceramica  furono  sufiieiente- 
mente  messi  in  chiaro  dal  Patroni  per  cui  essa  ceramica  tra  le  altre  fabbriche 
italiote  ci  presenterebbe  conservata  in  modo  piü  genuino  la  impronta  attica. 
Non  sembra  dunque  azzardato  supporre  che  una  fabbrica  attica  sul  ])rincipio 
del  IVr  .secolo  si  sia  impiantata  in  Saticula  ed  abbia  continuato  a  produrre 
in  terreno  italioto  sino  al  suo  irrieidimento  ed  isolamento  in  mezzo  allo  fio- 


FRAMMENTI    DI    VASO   ATTICO  ]|] 

renti  fabbriche  di  Pesto  o  di  Cama.  Porse  esempi  di  questa  prima  ceramica 
attica  trapiantata  su  suolo  straniero  li  abbiamo  su  vasi  di  carattere  ancoi 
dubbio  quali  i  due  citati  crateri  a  campana  di  Berlino  che  il  Furtwaengler  (Be- 
schreibung der  Vasensammlung,  nn.  2642  e  2645)  non  si  peritö  di  ascrivero 
alla  produzione  attica  e  che  sono  provenienti  da  S.  Agata.  Anche  recenteraente 
il  Furtwaengler  (testo  alla  Gr.  Vas.,  S.  I,  p.  207  e  S.  II,  pp.  46,  51  e  56)  «- 
ritornato  sulla  atticitä  di  questi  vasi  e  degli  altri  citati  ora  in  nota,  prove- 
nienti dalla  Campania  e  specialmente  da  S.  Agata.  Ma  la  presenza  ivi  di  nn 
dato  materiale  ceramico  del  tutto  omogeneo  con  dati  caratteri  a  lui  propri 
(quali  la  prevalenza  o  la  quasi  esclusivitä  di  soggetti  dionisiaci  o  di  soggetti 
adattati  nel  ciclo  dionisiaco  c  della  forma  del  cratere  a  campana)  con  svi- 
lappo  proprio,  mi  pare  che  parli  a  favore  dell'impianto  di  una  oflicina  attica 
in  Saticula  a  cui  si  dovrebbero  i  prodotti  cosi  profondamente  atticizzanti. 
Scene  dionisiache  che  sono  su  vasi  di  Saticula  si  notano  poi  con  analogie 
caratteristiche  di  motivi  e  di  stile  su  vari  vasi  inediti  del  museo  di  Atene 
che  non  si  puö  credere  che  siano  stati  importati  nelPAttica  dalla  cittä  cam- 
pana. Si  ha  forse  in  questi  vasi  una  prova  che  resaurimento  di  un  indirizzo 
pittorico  vasculare  ha  dato  luogo,  sia  nel  suolo  ove  esso  nacque  e  si  sviluppö, 
sia  nel  suolo  ove  fu  trasportato,  ad  analoghi  prodotti ? 


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HE  RONS  CHEIROBALLISTIU. 


Im  Museum  zu  St.  Germain  -  en  -  Laye  steht  neben  den  Ge- 
schützen, die  der  General  de  ßeffye  im  Auftrage  Napoleons  des  III. 
erbaut  hat,  ein  sehr  zierlich  ausgearbeitetes  Modell  (s.  die  Abbil- 
dung am  Kopfe  dieses  Aufsatzes)  mit  der  Aufschrift :  «  B allste,  Re- 
stauration de  Mr.  Victor  Prou,  Execution  de  Mr.  Albert  Plat », 
die  gemeinsam  dem  Museum  diese  Gabe  überreicht  haben. 

Der  eigentliche  Urheber  ist  also  Victor  Prou,  ein  französischer 
Civil-Ingenieur,  der  ein  gut  Stück  seines  Lebens  darauf  verwendet 
hat,  das  kurze  Schriftstück,  ohne  Anfang  und  ohne  Ende,  zu  er- 
läutern, das  uns  unter  dem  Titel  "Hqmvog  XeiQoßaXXtaroag  xata- 
tfxsvri  xal  avfifisTQia  überliefert  ist  (').  Den  Gang  und  das  Ergeb- 
nis seiner  unablässigen  Studien  hat  Prou  in  einer  umfangreichen 
Schrift  dargestellt,  die  im  Jahre  1877  auf  Staatskosten  gedruckt 


(l)  C.  Wescher,  Poliorcetique  des  ßrecs.  Paris  1867  p.  123-134. 


HEKO.NS   CHEIROIJAI.LISTRA  143 

worden  ist  ('),  mit  der  Ueberschrift  «  La  Chirobaliste  d'JIcron 
d' Alexaadrie  * .  Der  Verf.  ist  in  das  ihm  anfänglich  ganz  fremde 
Gebiet  der  Philologie  tief  eingedrungen;  er  hat  nicht  nur  die 
Litteratur  gewissenhaft  durchgearbeitet  und  den  griechischen  Text 
sorgsam  gemustert,  sondern  hat  sogar  neue  Handschriften  ausge- 
kundschaftet, die  den  Fachgelehrten  entgangen  waren.  Aber  neben 
diesen  Vorzügen  stehen  leider  bedeutende  Fehler.  Alles  misst  er 
lediglich  nach  seiner  Elle :  wer  zu  widersprechen  wagt,  wird  schroff 
abgetan;  wer  zustimmt,  ist  immer  der  rechte  Mann.  Und  doch 
ist  sein  Resultat  verfehlt,  da  die  ganze  Arbeit  von  einer  leiten- 
den Idee  beherrscht  war,  die  sich  als  vollkommen  irrig  erweisen 
lässt.  Diese  leitende  Idee  ist,  dass  «  Herons  Cheiroballistra  »  ein 
vollständiges  Schriftwerk  sei  und  in  seinen  einzelnen  Teilen  fest 
zusammenhänge:  und  nun  konstruiert  er  alles  gehörig  so  zurecht, 
dass  daraus  eine  Art  Chalkotonon,  d.  i.  ein  Geschütz  mit  elasti- 
schen Schienen  aus  Stahl,  Avird,  bringt  daran,  um  dem  Namen  der 
Ueberschrift  gerecht  zu  werden,  auch  noch  zwei  Hände  an,  von 
denen  die  Beschreibung  des  Textes  nichts  weiss,  deutet  diese  tech- 
nisch ganz  überflüssigen  Hände  in  mystischem  Symbolismus  aus 
und  ist  zum  Schlüsse  von  seinem  Werke  so  begeistert,  dass  er 
seine  Cheiroballistra  zu  den  interessantesten  Entdeckungen  des  19. 
Jahrhunderts  rechnet  (2). 

Unsere  deutschen  Fachmänner  sind  Herons  Cheiroballistra 
geflissentlich  aus  dem  Wege  gegangen.  Der  Grund  ist  klar,  und 
die  Herausgeber  der  griechischen  Kriegsschriftsteller  haben  ihn 
ehrlicher  Weise  eingestanden  (3) :  «  Heron  hat  ausser  der  hier 
gelieferten  Schrift  {Bslonoiixä)  noch  mehrere  andere  über  Gegen- 
stände der  Naturkunde  und  Mechanik  geschrieben,  darunter  auch 
eine  über  die  Konstruktion  der  Handballiste  (jtiQo^ülhaiQa,  ma- 
nuballisla)  deren  Verständnis  uns  aber  bis  jetzt  verschlossen  ge- 
blieben ist,  das  wir  folglich  auch  dem  Publikum  nicht  vorlegen 
konnten  ». 

(')  Notices  et  Extraits  des  manuscrits  de  la  Bibliothtque  nationale  et 
untres  bibliothcqv.es.  t.  XXVI,  2  p.  1-319.  Paris  1877. 

(a)  p.  25:  le  dechi/frement  de  1%  Xeigo^dUarQ«  comptera,  fen  ai 
Vespoir,  parmi  les  plus  interessantes  trouvailles  de  ce  siede. 

(:))  H.  Köchly  und  W.  Rüstow.  Griechische  Kriegsschriftsteller.  Leipzig 
1853.  I,  199. 


144  RUD.    SCHNEIDER 

Vom  persönlichen  Standpunkte  aus  betrachtet,  ist  gegen  diese 
Erklärung  nichts  einzuwenden.  Aber  wir  dürfen  doch  darum  die 
Sache  nicht  immer  wieder  auf  die  lange  Bank  schieben  und  ge- 
mächlich zusehen,  wenn  ein  Techniker  in  Holz  und  Eisen  aus 
derselben  Schrift  uns  ein  kunstvolles  Gebilde  herauszaubert,  die 
wir  nicht  anrühren,  weil  wir  sie  nicht  verstehen.  Und  nehmen  wir 
dazu,  dass  unser  Schriftstück  gut  überliefert  ist,  dass  der  Wort- 
laut des  Textes  durchaus  verständlich  ist,  dass  die  in  den  Hand- 
schriften überlieferten  Bilder  genau  zum  Texte  stimmen,  so  ist 
damit  eine  Grundlage  gegeben,  auf  der  die  Philologie  aufbauen 
kann  und  aufbauen  muss,  um  so  ihrerseits  dem  Techniker  wie- 
derum erst  den  festen  Boden  zu  bereiten. 

Auch  ich  bin  nicht  ganz  freiwillig  an  dieses  Thema  herange- 
gangen. Da  ich  mich  aber  verpflichtet  habe,  dem  Oberstleutnant 
Schramm  in  Metz  die  philologische  Grundlage  für  seine  weiteren  Re- 
konstruktionen antiker  Geschütze  zu  beschaffen,  musste  ich  unbedingt 
zu  einem  Schriftstücke  Stellung  nehmen,  das  seit  tausend  Jahren 
XsiQoßalXfarQct  heisst.  Dabei  habe  ich  für  die  folgende  Untersu- 
chung auf  die  Beihülfe  des  Technikers  zunächst  verzichtet,  was 
mir  der  besondere  Charakter  der  «  Cheiroballistra  »  zu  fordern 
schien.  Ich  hatte  nämlich  bemerkt,  dass  diese  Ueberschrift  den 
Konstrukteur  bereits  in  eine  bestimmte  Bahn  drängt  und  ihn 
zwingt,  die  einzelnen  Bilder,  die  dem  überlieferten  Texte  beige- 
geben sind,  von  diesem  Standpunkte  aus  zu  betrachten;  und  wenn 
er  sich  davon  gewaltsam  freimacht,  wird  er,  seinem  Naturtriebe 
folgend,  doch  immer  wieder  die  Einzelbilder  componieren.  Von 
diesem  Einflüsse  musste  ich  mich  fernhalten,  um  ganz  unbefangen 
die  einzelnen  Abschnitte  und  einzelnen  Bilder  zu  betrachten,  was 
sie  an  und  für  sich  darstellen,  ohne  jede  Rücksicht  auf  etwaigen 
Zusammenhang. 

Der  folgende  Text  und  die  kritischen  Noten  beruhen  auf 
der  Ausgabe  von  C.  Wescher,  Polio rcctique  des  Grecs,  Paris 
1867.  Diese  Arbeit  entspricht  durchaus  den  Anforderungen  einer 
kritischen  Ausgabe,  wie  sie  die  heutige  Philologie  stellt;  man 
merkt  nur,  dass  dem  Verfasser  technische  Kenntnisse  fehlen,  die 
ihm  der  General  de  Reft'yo  leicht  hätte  schatten  können.  Und  um- 
gekehrt:    wenn    der   General    für   seine    Rekonstruktionen    antiker 

chütze    Weschers    philologische    Kenntnisse   ausgenützt  hätte, 


HERONS    CHEIROBA.JXISTRA  ]-l") 

würde  er  die  ihm  vom  Kaiser  Napoleon  gestellte  Aufgabe  besser 
gelöst  haben.  —  Weschers  Poliorcetique  ist  vergriffen,  und  Vin- 
cent, La  Chirobaliste,  Paris  1866,  den  ich  unten  nach  Wescher 
eitiere,  überhaupt  nicht  mehr  zu  beschaffen. 

Die  im  kritischen  Apparate  aufgeführten  Handschriften  sind : 

M=  Cod.  Parisinus  Suppl.  Gr.  607.  saec.  X-XI. 
P  =  Cod.  Parisinus  Gr.  2442.  saec.  XI-XII. 
V=  Cod.  Vaticanus  Gr.  1164.  saec.  XI-XII. 
F  =  Fragmenta  Vindobonensia  in  codice  ms.  philo- 
losoph.  graec.  olim.  113  nunc  120.  saec.  XVI. 

Neben  der  ältesten  Handschrift  M  haben  die  Zwillingsbrüder 

P  und  V  selbständigen  Wert;  F  dient  nur  gelegentlich  als  Zeuge, 
wenn  M,  der  Führer  dieser  Handschriftenklasse,  versagt.  —  Den 
Wert    der    einzelnen    Handschriften    für    die  Textsrestaltuncr    hat 

o  o 

Wescher  richtig  festgestellt;  dass  sein  Resultat  auch  für  die  Bilder 
gilt,  wird  die  Untersuchung  über  «  Geschütze  auf  handschriftlichen 
Bildern  »  nachweisen,  die  demnächst  in  Metz  erscheinen  soll.  — 
Die  Abbildungen  sind  sämtlich  auf  die  Hälfte  der  Originalgrösse 
reduziert,  mit  Ausnahme  der  xXetaig  aus  cod.  M  (S.  150),  welche 
im  Interesse  der  Deutlichkeit  nur  auf  er.  '2/3  verkleinert  ist. 


UG 


RUD.    SCHNEIDER 


HPSiNOZ  XEIP0BAAAI2TPA2  KATA2KEYH 
KAI  2YMMETP1A   ■)• 


p.  123 w  1.  rsyovscaMfccv  xavörsg  ovo  rcsXsxii'coioi  ol  Aß,  rj,  ev  '-') 

tsrqaywvoig  nsXsxivoig,  uav  6TtXvg  /utv  sffvu)  ö  AB,  äoQrjv  (Je  ö  TJ. 
Kai  tu  (ihv  (jl7jxo$  e%biw  6  AB  nodag  y  xcä  öaxivXovg  d',  xb  d& 
nXcuog  3)  dctxTvXovg  y'c,   io  dt    näyjiK    daxzvXovg    d'c.    O  di  fJ 


cod.  M  fol.  5G. 


')  Ueberschrift :  avfifieiQiu  Malhemalici  veteres  cd.  The'vcnot;  ai\u/us- 
rniiq  MPV.  —  Am  Schlüsse  der  Fragmentes  stellt  in  P  V"  "Hgcovog  %6iqo- 
ßaXXioTQas  xctTctaxtvrjv  xcd  avfx/nerQiag,  M  hat  keine  Unterschrift.  —  2)  lieber 
tr  zur  Bezeichnung  der  Qualität  von  Mass,  Materie,  Preis  in  hellenistischer 
Sprache  vgl.  Kuhring,  De  praeposilionibics  Graecis  in  chartis  Aeijyptiis. 
Bonn,  Dissert.  1900  p.  21.    --  3)  nUrog  ixerat  PV. 


HERONS    CHF.IKOHAU.ISTRA 


117 


Heron,    Aufbau    und    Verhältnisse 
der    C  h  e  i  r  o  b  a  1 1  i  s  t  r  a . 


1«  Es  seien  zwei  auf  Schwalbenschwanz  gearbeitete  Latten  (') 
AB  und  rJ  mit  vierkantigen  Schwalbenschwänzen,  davon  heisse  die 


*v 


cod.  P  f.d.  68". 


weibliche  AB,    die  männliche   TJ.    Und  AB    soll    eine   Länge 
haben  von  3r  4"  (=  961  mm)  (2)  eine  Breite  von  3  4"  (=  65,0  nun), 

(')  Man  verbindet  zwei  Latten  durch  den  «  Schwalbenschwanz  »  (nefa- 
xtvog)  indem  man  der  oberen  unten  einen  Vorstoss  giebt  — 7        - — '    der  in 

die  eingeschnittene  Kinne  der  unteren  hineinpasst  j"  [.Der  obere  Teil 

heisst  «  Schwalbenschwanzfeder  »   {netextvog  äQQtjv)  der  untere   «  Schwalben- 
schwanznute »  {netexivog  #/;Ar?). 

(a)  Die  Massbestimmungen  sind  nach  der  früher  bei  uns  üblichen  Weise 
wiedergegeben:  31  4"  =  3  Puss  4  Zoll.  Gemeint  ist  der  griechische  Fuss 
(jiovg)  =  c.  30  cm.  und  der  griechische  Zoll  {tftixtvkog).  Der  Fuss  hat  IG  Zoll. 


148  RL'D.    SCHNEIDER 

tu  }t7]xog  sxstut  nbdag  y',  xb  6i  nXiuog  [wc]  ')  (öc<xxvXovg)  2)  fi'c, 
p.  124Wto   (H   näyog    däxxvXov   cid.    *E%biw  3)   de  xb  ßäOog  b  Gtoiijv    xov 
AB   xccvovog   (jukxvXov  d  4).  xov  öi  AB  5)  r)  fihv  AZ  °)  GtawXij- 
viffOeo  otöct  nodibv   ß'c  (xai)  7)  daxxvXwv  q'.   Xoitvi)    aoa  stixiv    r) 
ZA  daxxvXu)v  <;'.   AjreiXt'jcpOco  60  netkiv  xov  AB  xavövog  rj  (1U6v)s) 
A&  Ttoöbg   a'c  xal  daxxvXarv  6' .   rj  di   Ali  9)   rroöb;  a    xal  öaxxv- 
Xoiv  t'   10).  Xotni)    aoa  r)  K&   sGiai,  daxxvXwv  £' '.    AnsiXr)<p\)  (o  dt 
nahv  tov  AB  xavövog  xov  nayovg  tSav  d'c  ")  öaxxvXwv   düxxv- 
Xog  a'c  ie),   xal  xsxurjödco  t'cog  xr)g  AK  xal  xTjg  AQ,   mGis  sivai  xb 
K0  l3)  fit'Qog  iu)v  avewv  d'axivXo)v  ö'c,  xovrtöct  xijv  14)   XQ)Y(lK 
reyove'xM  d£  xal  GsXyrosidc'g  15)  xi  GyTjtia  ib  HB  1(i),  xal  xorjÖsv 
sv  [ik'Grp  xsTQaywr«)  xQijfiaxi  GiuKpvi;  ysysvijGÖo)  xio  AB  '')  axo'p 
rov  AB  xavovi'ov,   mg  xb  GyT^ia   vrroxeixui. 
P.125W  Tov  6s  rj  [gcoXTj i'o;]  1s)   r)  [tsv   E  /  e'axu)  aoorjV  ntXsxTvog, 

xal    aotLiuGtbg    ysyorsxu)  xio   Ot'jXt-i   nsXsxivfp  xov  AB  (7mA/~i'oc   xio 
AZ  /ik'oei,   rovxeoxi  xb  JE  fisoog  xov   TJ  xavövog. 


')  [w?]  R  Sehn.  -  -  2)  (JaxTvkovg)  Vincent.  —  3)  «cF.   'E^ereo   Vincent, 
A  i):yi,w   M.,    ö    Äl  i/eio)   l'V.  —   4)  1  M.  ÄE  PV.  B)   AB   M,    AB 

owhjtxK  l'V  —  a)  rj  ptv  AZ  M,  6  fiev  OZ  P  V.  —  ")  (xal)  R  Sehn.  - 
")  (uir)  Vincent.  —  3)  AK  II,  X  PV.  -  10)  daxtikcav  e'  R  Sehn.,  öaxtvlov 
A  MPV.  -  ")  iGiv  JC'M.tö  v  JZ  PV.  —  •*)  ,T6'M,^Z  PV.  -  13)  K9  M, 
0K  l'V.  -  «*;  xi]V  M;  fehlt  PV.  —  ,5j  fftf^voniMf  PV.  --  ,6)  HB  MV, 
,v///'.  _  •')  Ali  l'V ,  AB  M.  —  lli)  [awXfjyog]  R  Sehn ;  denn  TA  («ee^)  hat 
keine  Nute  {auArjv);  y.uvövog  Vincent, 


HERONS   CHEIROBALLISTRA  149 

eine  Dicke  von  4  \"  (=  83,2  mm).  TJ  aber  soll  eine  Länge  haben 
von  3'  (=  887  mm),  eine  Breite  von  [beiläufig]  2  \"  (=  46,2  nun), 
eine  Dicke  von  \\"  (=  23,1  mm). 

Die  Kinne  der  Latte  AB  soll  eine  Tiefe  haben  von  1"  (=  18,5 
mm);  es  soll  aber  von  AB  nur  das  Stück  AZ  gerillt  werden  in 
einer  Länge  2'  14"  (=  850,1  mm);  somit  bleibt  das  Stück  ZA 
mit  6"  (=111  mm)  übrig.  Weiter  aber  soll  auf  der  Latte  A  li 
das  Stück  A0  abgemessen  werden  =  1'  12"  (=517,5  mm),  und 
AK=  V  5"  (=  388,1  mm)(1),  somit  wird  K&  =  7"  (=  129,4  mm) 
übrig  bleiben.  Es  soll  aber  weiter  auf  der  Dicke  der  Latte  AB, 
die  A\"  (=  83,2  mm)  beträgt,  1  V'  (=  27,7  mm)  abgemessen  und 
von  A  bis  K,  und  von  A  bis  0  (unten)  weggeschnitten  werden;  also 
das  Stück  von  K  bis  0  behält  seine  frühere  Dicke  von  4  \" 
(=83,2  mm)  und  soll  XWYQ  heissen  (2). 

Es  sei  ferner  ein  halbmondförmiges  Stück  HB,  das  soll  in 
der  Mitte  mit  einem  vierkantigen  Loche  durchbohrt  mit  dem  (un- 
teren) Rande  AB  der  Latte  AB  fest  verbunden  sein,  wie  die  Figur 
unten  zeigt. 

Von  der  Latte  TJ  soll  das  Stück  EJ  eine  Schwalbenschwanz- 
feder sein,  die  in  die  Scliwalbenschwanznute  auf  AB  d.  h.  in  die 
Rinne  von  A  bis  Z  hineinpasst,  d.  i.  der  Teil  J  E  &m  Latte  rJ. 


(')  In  dem  überlieferten  Texte  steckt  ein  Rechenfehler:  ist  ./  0=  1'  12" 
und  AK  =  V  1",  so  bliebe  für  K  &  —  11"  statt  7".  Die  Aenderung  /ml  <fnx- 
xvliav  E  statt  xcti  tfaxTtiXov  A  bringt  Ordnung  ins  Exempel;  aber  der  Fehler 
kann  natürlich  eben  so  gut  in  SaxxiXmv  Z  stecken,  oder  auch  in  SaxxiXmv  ./. 

(2)  Auf  der  Figur  in  M  stellt  XlIiY4>  links  heraus;  nach  dem  Texte 
gehört  dieses  Stück  auf  die  Rückseite,  die  bei  der  Vorderansicht  der  Figur 
verdeckt  bleibt.  Die  Beischriften  &f)Xvs  äyxtiv  und  tlyxibr  xärw  müssten  lau- 
ten: DrfAvg  y.arwv  und  üoQrjv  xaviov.  Die  Zeichnung  in  M  wird  durch  P  be- 
richtigt: die  Schwalbenschwanzfeder  ist  durch  die  stereometrische  Wiedergabe 
in  P  gut  veranschaulicht,  und  auch  das  mondfrrmige  Stück  erscheint  als 
ein  Körper. 


150 


RUD.    SCHNEIDER 


2.  Nvv  dij  tu  ttsqI  xTyc  xXsia ta>g  l)  sx8rla6(.itßa.  rsyovtiw 

e£  idrjg  2)   (Tiörjoug  %£iQoläßi]  r)    ABTJ  zip    ai^naxi   ol'cc   vnoyi- 

P.12GW yqajitcu.  JC%rjXov  St  tö  EZ  /utQog  e%ov  :?)  to  St  Z0  roQ^og  ')  saxm 

TSTQaymog,  ü^aarqqia  St  <■/)>  5)  KAM  6),  Sqaxöitiov  Sh  zb  IV3"7), 

miccQiov  s)  St  vb  0J1P2. 


cod.  M.  fol.  56". 


■)  xXeiaeux;  Vincent,  yXaem;  MPV.  —  2)  ex  2tfXi]Q  V,  ex  gvXüoyg  P.  — 
:!)  e^oy  P  V,  t/o,y  M.  —  4)  rdppo«  M.  —  5)  <£>  R  Sehn.  —  e)  KAM  M.  K.tMV 
l>y_  _   7j  7y/T  py#  _  8)  mTU'iaici>  M  V,  niryÜQiov  P. 


HERONS   CHEIROIUIXISTKA  151 

2.  Wir  wollen  also    nun    vom  Verschlusse    sprechen   ('). 
Es  sei  eine  Handhabe  aus  Eisenmaterial  (2)  AB  TJ  von  der  Ge- 


XV 


V, 


Uli 


_ 


cod.  P  fol.  69. 


stalt,  wie  sie  unten  gezeichnet  ist;  und  eine  zweizinkige  Gabel 
EZ  mit  einem  viereckigen  Zapfen  ZQ  (3);  ein  Drücker  KAM; 
ein    Riegel   N  S ;    und    ein    viereckiger,    unten    offener,    Rahmen 

o  n  pz. 


(')  Ueberliefert  ist  xXiaecog,  was  aber  gewiss  mit  Vincent  in  xXslaems 
geändert  werden  muss,  denn  dieses  Kapitel  handelt  vom  «  Verschlusse  ». 

(2)  Auf  der  Figur  in  P  stehen  die  Beischriften  M%r}Xov  und  nixaqiov 
richtig,  aber  ä/srokus  muss  getrennt  werden  in  A,  das  an  die  linke  Ecke 
oben  gehört,  und  /stoXrcg  das  aus  %EiQoXäßi]  entstellt  ist.  Ebenso  ist  oticus 
verschrieben  statt  a/aartjoia. 

(3)  Es  fällt  auf,  dass  der  Buchstabe  H  im  Texte  und  auf  der  Figur 
fehlt;  und  man  muss  auch  annehmen,  dass  das  Si^tiXav  mit  4  Buchstaben 
bezeichnet  wird,  also  EZH&.  Aber  es  heisst  hier  EZ  und  später  (12G,  8  und 
127,  2)  E  9.  Diese  letztere  Bezeichnung  E  &  passt  aber  wiederum  nicht  zur 
Bezeichnung  des  Zapfens  Z  0.  Ich  glaube,  die  ganze  Figur  hiess  EZ  H  9,  der 
Zapfen  Z  //  und  die  Gabel  ohne  den  Zapfen  E  &.  Uebrigens  hat  diese  Verwir- 
rung bei  der  Verteilung  der  Buchstaben  glücklicherweise  gar  keinen  Einfluss 
auf  das  Verständnis  der  Konstruktion. 


152  RUD.    SCHNEIDER 

Kai  TiTQrj&üto  /)  ABVA  %HQoXdßr)  xaxa  xb  /f.   b  dt-  E1  xa- 

rior,  ö  sv  tm  7iQ(sn<<)  dsojQrjitaxi,  xsxq/jo'Oü)  xara  (xa)  l)  M,  N,  Js, 
xal  xara  fisv  ia  M,  JV  2)  GiQoyyvX'p  TQrjficcxi  diafiTtsQhg,  xara 
(U  xb  Js  TtaQaXXqXoyQäfifirp  3).  xal  ovriog  svr]Qfi6(fd(o  fj  %siooXäß>], 
wGxe  nsQovrjv  4)  did  rmv  M,  N  dmtfö-fjvai  xal  chd  xov  J  rQ*J- 
fiaxog  xfjg  %eiQ<)Xdßrjg  xoivuBTjvai  5). 

To/jöavxsc  di  xo  E0  ')  3C%r]Xov  xara  <t«)  "')  TY  xal  x>]v 
KAM  G%uGxn]Qiav  xaid  xo  CT>,  xal  SitßaXovxsg  8)  nsqoviqv  c)V 
dacpoTtocov  xo)V  ö/rwi1  °)  xfi>v  T,  Y,  <J),  xoivovfisr,  wffxs  10)  ntgl 
ai'xijv  xwelaOai  xr)v  <7yriaVxy]oiav  dv£}inodio~xit}g.  'Ey^ü  uj  6*  i) 
(T^affrrjoia  n)   svxofirjv  xi]i>  AM  zyovtav  xara  /iiTjxog  ödxivXov  a '. 

P.127W  (^An6)Xaßövx£g  12)  ovv  xrjv  JO  13)  srii  xov  FJ  xavovog  daxxv- 

hov  s  xal  xQijtiai'xsg  xaxa  16  O,  xatiis^isv  [i)  xo  E0  Si'yrjXor 
xal  xoivovfisv,   müts  axivtjxov  diafit'vsiv. 

"Eneira  XQrjcTavtfg  xo  NB  '')  ÖQaxövxiov  xaid  xo  N  ll?),  xal 
tbv  T/l  xavöva  xaid  xo  II  n)  xov  sv  xio  Tioioxy  Oso)Qt'jfiaxi,  äni- 
yjov  18)  xov  M  d'axxvXovg  cT,  xal  xatiitvxsg  öid  xt  ll)  xov  xQi'jfiaxog 
xov  ÖQaxorxi'ov  xal  xov  II  nsooviqr,  xoivovfjLSV,  wöia  tvftSQüK  xi- 
VHGÜai  xo   NB  2n)  Sqaxorxiov   nsgl  avn'jv. 

Kai  ndXiv  aTtoöxrfiarxtg  anb  x7tc  %eiQoXaßr)$  /'~c  (AB)  TA  21) 
xrjv  BP-,  xixQwfxsv  xaxa  xb  P,  xal  ndXiv  an  avxov  ßaxQrjo'avx{-g 
öaxxvXovg  6'c  [ß><f\  ")  TfjV  P2  23),  xiiQMiitv  xaxa  xb  2,  xal  ovto)g 

p.i-23Wxa0f£f.isv  (•■••)  li)  sv  xm  TA   xavovi,    offcig    iäilv    sv    xfh  rrQwxro 
dswgrjßaxi. 

[_'E£r)g  xsixai~\  25). 


')  (xti)  I!  Sehn. ;  y.uik  MV,  xarä  to  X .  —  2)  xktCc  tu,8V  MNCM.  —  3)  na- 
QttXkrjXoyQti/tfMog  l'V.  —  4)  nsQÖvr]  rjv  M.  —  r')  xoovtodfjvca  jüiio-.  Ildscli  ; 
xsxvvcoöfjvai  M,  xal  xvvotöfjvai  PV.  —  c)  10  l'V.  —  7)  (rCt)  Vincent.  - 
Bj  ifjßükXoyieg  l'V.  —  :i)  <37iw^  PV;  fiBQtav  M.  —  l0)  xoivofifzet'  üaie  PV 
ynovfxsfovg  re  M.  —  ")  r\  iy^usjrrjnia  M.  —  l2)  'Anoh<ß6uT(-g  \\,  Sehn  ,  'J.aßövieg 
M  l'V.  Vgl  124,  3  ü.  ü.  --  ")  JO  M,  J©  PV.  -  ■  «*)  xadiapev  M.  —  '•)  '<' 
V3  I'"  rbi>  5  M  P  V.  —  "')  t<)  N  V  V,  tov  N  M.  --  ,7)  to  11  M,  föv  II  P  V.  — 
"i   (cit/mr   M.  —  >»)t6  —  t'otJTS  fehlt   P.   -  -    ü")    rbv  3  M  V.    -  -    -')    rjj?   (Ali) 

r ,  Wescher.  —  2")  [c&<r]  R.  Sehn  -  ■•)  i>z  PV;  Ci>  M.  --  ^4)  Hier  Fehlt 
ein  Stück,  worin  das  Pitarion  genannt  war;  der  Schlusssatz  ist  unverständlich. 
—  25)  rE*fjs  xehat  l'V,  fehlt  M. 


HKRONS   CHEIROBALLISTRA  153 

Die  Handhaba  ABTJ  soll  bei  ^  durchbohrt  sein;  und  die 
Latte  rJ,  die  im  ersten  Abschnitte  genannt  ist  (1),  soll  durch- 
gebohrt sein  bei  M,  N  und  3,  und  zwar  bei  M  und  N  mit  ei- 
nem runden  Loche  ganz  durch,  bei  S  aber  mit  einem  rechtecki- 
gen; und  die  Handhabe  soll  so  eingefügt  sein,  das3  ein  Bolzen, 
durch  M  und  N  und  durch  das  Loch  der  Handhabe  durchgesteckt, 
eine  Verbindung  herstellt. 

Dann  durchbohren  wir  die  Gabel  ES  bei  T  und  Y,  den  Drü- 
cker KAM  bei  <P,  schieben  einen  Bolzen  durch  die  Löcher  beider 
Teile  T,  Y  und  </>,  und  stellen  eine  derartige  Verbindung  her, 
dass  der  Drücker  sich  ungehindert  um  den  Bolzen  drehen  kann. 
Der  Drücker  soll  der  Länge  nach  einen  Einschnitt  haben  A  M=  1" 
(=  18,5  mm). 

Wir  messen  nun  das  Stück  JO  auf  der  Latte  rJ  ab  =  5" 
(=  92,4  mm),  bohren  bei  O  durch,  setzen  die  Gabel  E0  ein,  und 
stellen  eine  derartige  Verbindung  her,  dass  sie  unbeweglich  ver- 
bleibt. 

Darauf  durchbohren  wir  den  Riegel  NB  bei  N ,  und  die  Latte 
rJ,  die  im  ersten  Abschnitte  genannt  ist,  bei  dem  Punkte  II, 
der  4"  (=  74  mm)  von  M  entfernt  ist,  lassen  durch  das  Loch  im 
Riegel  und  durch  II  einen  (senkrechten)  Bolzen  ein,  und  stellen 
eine  derartige  Verbindung  her,  dass  der  Riegel  N  3  sich  leicht 
um  den  Bolzen  drehen  kann. 

Wir  messen  nun  weiter  von  der  Handhabe  (AB)rJ  aus  das 
Stück  SP  ab  und  bohren  bei  P  durch;  darauf  messen  wir  von 
diesem  Punkte  aus  4|"  (=  83,2  mm)  weiter,   nämlich  das  Stück 

P2.  und  bohren  bei  2  durch;  und  nun  setzen  wir  ein in  der 

Latter,/,  die  ja  im  ersten  Abschnitte   genannt  ist  ('). 


(')  Worauf  der  Hinweis  «  in  dem  ersten  Kapitel  »  gilt,  wissen  wir  nicht, 
auch  127,  1  rbv  iv  xw  tiqwuo  OsüjQi^uaxi  und  128,1  oarig  sgtIv  iv  rffl  nQ(t>Tia 
Oswnt'junri,  klären  uns  nicht  auf.  Die  Figur  zeigt  diesen  xavüv  als  ein  ein* 
faches  Brett,  das  zur  Beschreibung  passt.  Mit  den  durch  «  Schwalbenschwanz» 

verbundenen  Latten  der  ersten  Figur,  die  unten  einen  Halbmond  haben,  darf 
unsere  Konstruktion  nicht  in  Verbindung  gesetzt  werden. 

11 


154  RUD.    SCHNEIDER 

3.  Kaxsüxe väffdatffccv  *)  dh  xal  ict  xccXovfisvct  xccfiß  Jtfi  q  i  a 
tQOTZOJ    toi  (nde. 

üoi^Caizsg  yao  Gidygovg  xavöva;  ti-GGaoag,  ^i^xog  s^pvcag 
ixarsgov  önxcvXovg  i'c  2),  nXaxog  dh  SaxzvXov  dif.iotQOV  [iixqm  ') 
tjXuw  4),   ncc^ng  dt  r'),   u'xTts  fiij   tv%f  qwg  xdfirtriaOai '  (■  •  •)  G). 


f  ./\.. 


cod.  M  ful.  58. 


EaiwGctv  dh  ol  AB,  Fz/,  EZ,  HO,  o'toi,  elcfi  7)  t~»  c^ijfimi, 
xaraysyqaßfisvoi,  tyovxtg  Gr/HpvtTg  xoixovg  zovg  KA,  MN,  jETO, 
IIP,  zo  svoog  s%0VTCcg  daxivXovg  ß' ,  ro  J£  nXciiog  öäxzvXov  a' , 
zo  dt  nityog  ro  avzb  zotg  xavovioig. 

" 5&T0)  (U  zo  fitza'§h   Siaütmiu  zfitv  xctvovcov    daxzi>X(ov  y'c, 


')  xaieaxeviiffdfoaav  Vinccnl  \xctTccaxFvünO(»<mi  steh!  in  allen]  Handschrif- 
ten und  kann  nach  IC.  Pieterich,  die  griechische  Sprache  S.  212  richtig  sein.  — 
2)  10  M;  elxoai  PV.  'Error  ßuxit  ex  similitudine  htlerarum  numeralium 
IC  cum  littera  K"  Wescher.  —  3)  {j.iy(>g>  l'V;  (UxqoV  M.  —  *)  ntei'u  ist 
Nebenform  von  nhüov.  Vgl.  Willi.  Ciönert.  Philologus  LXI,  2  S.  161  ff.  — 
')  Sk  M;  JFPV.    —    °)  BVfiEQßg    xXtfnTSoOci    M.  7)    oTol   siai,    M;    otov 

eioi  l'V. 


IIERONS   CHEIROBALLISTRA  1 55 

3.  Es  sollen  aber   auch    die   sogenannten   Kambestria  (') 
auf  folgende  Weise  hergestellt  werden. 


\\ 


' 


Ha 


w 


cod.  P  fol.  69». 


Nachdem  wir  nämlich  vier  Eisenstäbe  angefertigt  haben,  die 
eine  beiderseitige  Länge  von  10 4"  (=  195  mm)  haben,  eine  Breite 
von  2/3"  (=  12,3  mm)  und  etwas  mehr,  eine  Dicke,  so  dass  sie  sich 

nicht  leicht  biegen Sie  sollen   AB,  TJ,  E  Z,  HO  heissen, 

wie  sie  in  der  Figur  bezeichnet  sind;  mit  angefügten  Ringen  KA, 
M N,  SO,  IIP,  die  eine  Weite  von  2"  (=  37  mm)  haben,  eine 
Breite  von  l"  (=  18,5  mm),  und  dieselbe  Dicke  wie  die  Eisenstäbe. 
Der  Abstand  der  Eisenstäbe  im  Lichten  soll  3?,"  (=  65,6  mm) 
betragen  (2). 


(l)  Ueber  die  Bedeutung  dieses  Wortes  s.  u.  S.  165. 

(3)  Die  Figur  zeigt  nicht  vier  gerade  Eisenstäbe,  wie  unser  Text  es  ver- 
langt, sondern  die  beiden  äusseren  Stäbe  sind  in  der  Mitte  nach  Innen  um- 
gebogen. Diese  Abweichung  vom  Texte  ist  mir  ebenso  unverständlich,  wie 
die  Bedeutung  dieses  Bogens.  Nach  meinen  sonstigen  Erfahrungen  muss  ich 
die  Zeichnung  für  zuverlässiger  halten  als  den  Text,  denn  so  gewaltsame 
Umänderungen  des  überlieferten  Bildes  sind  in  M  und  P  nirgends  nachzu- 
weisen. 


15<'>  RUD.    SCHNEIDER 

Tsyovävmüav  dh  xal  mxaiia  ')  xa  1,  T,  Y,  <P,  X,  *P,  42, 
,./  '-')  avu(pv7j  xoig  3)  ./ß,  Fz/,  isZ,  H0  xavovioig  syovxa  4)  nXatog 
xf«    rcir/og  xb  avib    xoTg    xavovioig,  xb  ob    evQvg  5)  J«xrtUoi>    <?,'- 

IIOIQOV  °). 

"EtTxaMlav  <T£  xcm  xi;  avÖqoi  %aXxol  xovipoi  01  fB  rF,  rJ  rE,  rg  ,Z 

,H ,0  7)  /LiTjxo;  t%mv  i'xadxog  s)   tfaxrvAeoi'  /?r,  näyog  db    l'aov  xo)v 

xavoviiav  '),  tijv  db  SiafisxQov  xov  svqov;  daxxvXov   a'y  10). 

'E%iTG)7ccv  ob  xal  rsviKfVbTq  xofxovg    nsQixeifisvovg  xf)  xvqxTj 

AB       TA       Et  ZU 

emtpaveia  xwv  xvXivöowr  zovg  MM,  MM,  M(M)  il),  MM,  an*- 

Xovxag  ccTib  xatv  ,B  fJ  ,g  ,11  12)  öaxivlov   a'ö  13)  nXäio;  ob  £%J- 

xwGav  daxivXov  öiitoiQov,  na%og  6b  xö  i'tiov  xwv  xavovicov. 

Ol  Je  ,B ,r ,  ,J rE ,  rg,Z,  ,H ,0  u)  xvXivSüoi  15)  svtoßag  t%J- 

Kotfccv  xccxa  diä/ibxoov  lag  g,  g,  (g,  g),  l6)  big  ag  n)  xavöna  ffißs- 

P.130W ßXrjce 0a>    ag/no(fxa    xaxd    xqöxayov    xa  1S)  M,  M,  M,  M  19)   |i*iJxo; 
e%ov  *°)  txarsQov  daxxvXovg  y',  nXäxog  dh  daxxvkov  difioiqov  21). 


rsyorsvco  rJt  xal  2i)  xb  xaXovfJisror  x  a  ii  ä  q  i  o  v  23)  r£»  Gyj'jiiart 
oiov  vnoyiyqanxat  xb  ABEJEZH-1),  s%ov  xi]v  2~J)  jiitv  T E  iG) 


')  ni.tzihnu  MPV.  —  2)  2TY<£X42  M.  —  SJ  rof?  M ;  r//<  P  V.  — 
4)  s%ovxa-xa.vovioiq  fehlt  PV.  —  B)  evqov  M.  —  8)  SifXoiQOv  Weschor ;  Ji/aoIqoü 
MP,  doipolgov  V.  —  7)  ,iirr,,j,E,  ,g,z,,//,@  Wescher;  /;  r  ./  E,g  rZ  ,//  ,0 
P  V.  ,./  ,/<  ,/' ,./ ,]')  t'A  iH  r&  M.  —  K)  /LiTjxog  e/tov  s/mozo;  F  ;  /urjxog  e/.ccatog  hx"n' 
M  PV  vgl.  1.30,  2.  —  9)  xavovlcov  M;  x«roVwr  PV  vgl.  129,  1  u.  11.  —  10)  AI 

M  PV.  —  ")  (ji/)  Wescher  «  ßa;  figura  ».  —  '-)  ,fi  r^  /?  r'^  Wescher  «  e.i'  figura  »  ; 
,li ,  l^  II  P  V  //j  x?  //  M.  —  13)  2  d1 ' ;  ]7  x?  d"  M  P  V.  —  »*)  ot  ,j  ,//  ,r  ,//, 
rE  ,/  ,//  ,0  PV.  —  '«)  xiU^dpoi  fehlt  P  V.  —  "!,  gg<gg>  Wescher  «ex  figura  »  ; 

,S  Z  M,  gg  PV.  -  -  ,7)  fiff  fehlt  M.  —  IS)  rä  fehlt  M.    -  '")  M  MM  PV.  - 
2eJ  t'/wv  M.  —  21)  (hu(H(>ov  P  V.  —  2a)  de  x«(  F,    cFä  M,  xal  P  V.  —   --1)  ««<!- 
nmr  M      -  24)   ro   AliTAK7.ll  M;     rö   J/   P  V.    —   23)  6/ov    r»;«/  M,      e/o*rt 
r^»*  V,     t/o/rt  ro^üf  P.   —  -a)  TE  M.  iE  PV. 


HERONS   CHEIRORALUSTRA.  157 

Es  seien  aber  auch  <S>  Vierkante  2.  T.  Y.  <D.  X.  «P.  Si.  ,A  an 
die  Eisenstäbe  AB,  r  J,  E  Z,  HO  angesetzt,  die  mit  den  Eisen- 
stäben gleiche  Breite  und  Dicke  haben,  und  eine  Weite  (')  von  2/V' 
(=  12,3  mm). 

Es  seien  aber  auch  (4)  leichte  Cylinder  aus  Erz,  ,B ,r ,  ,/l rE, 
rgrZ,rHr0,  jeder  mit  einer  Länge  von  2"  (=  37  mm),  derselben 
Dicke,  wie  sie  die  Eisenstäbe  haben,  und  mit  einem  Durchmesser 
ihrer  Weite  von  1  l/3"  (=  24,6  mm). 

Ihnen  sollen  aber  auch  Ringe  angefügt  sein,  die  um  die  kon- 

I  ii  r  j  e  g  zu 
vexe  Oberfläche  der  Cylinder  herumlaufen  MM  MM  MM  MM 

und  von  den  (4)  Punkten  ,B  ,J  ,g  und  ,H  1 1/4"  (=  23,1  mm) 
abstehen.  Sie  sollen  eine  Breite  von  2/3"  {—  12,3  mm)  haben  und 
eine  Dicke  wie  die  Eisenstäbe. 

Die  Cylinder  ,B ,r,  ,J ,E,  ,c;,Z,  ,H,&  sollen  in  der  Richtung 
des  Durchmessers  die  Einschnitte  g,  g,  (g,  g,)  haben,  in  welche 
kleine  Eisenstäbe  von  der  Seite  eingepasst  werden  M  M  M  M, 
die  eine  beiderseitige  Länge  von  3"  (=  55,4  mm)  haben,  und  eine 
Breite  von  2/3"  (=12,3  mm). 


4.  Es  sei  aber  das  sogenannte  Kamarion,  nach  der  Figur 
wie  sie  unten  gezeichnet  ist,  ABTJEZH;  die  Linie  rE  soll 


(')  Die  "Weite"   (svQog)  bezeichnet  wohl  den  lichten  Abstand,  und  die 
Ureile  (nhiiog),  denke  ich,  den  umschliessenden  Band  des  Ringes. 


158 


R.    SCHNEIDER 


nodbg  u  xal  duxivXwv  £'c<  to  J£  diaßtr^icc  rov  xaitaQi'ov  to  OK  l) 
daxTvXtüV  (■'.  Tb  dt  fxfjxog  excnkqag  twv  A,  Z  2)  daxTvXwv  <T, 
sxarsQag  3)  dt  tüov  B,  H  daxT&Xwv  ß' .  to  S&  fjtsra^v  diatfi-rjfia 
Tun'  A,  B  xal  Z,  H  \_6)g~\  i)  daxivXoiv  y'c.  näyog  dl  i%kTU)  i'cov 
Tun'  TTQOsior/u'rcov   xaroriwv. 

Tb  d&  xaXovfievov  xafiaxiov  5)  söia  to  A  M  N  3  O  II P  2. 
ix  dvo  xavoviov  6)  xttt  <Xpjtaaci  o'iov  vTtoy&yqunTcti,  /uTjXog  s%(ov  b 
p.  i:;iW((ii'  0IIP2  xavwv  nodbg  et  xal  docxxvXwv  i\  b  dt  A  M N 3  nodbg 
a  xal  daxTvXwv  >/,  nXäxog  d£  ngbg  /.ih'  ToTg  Y  T  ~)  /jh'qsGi  di<- 
xtvXcik  s)  ß',  Tiobg  dt  ToTg  O  II P 2  ddxivXov  ad.  9)  nä%og  dt(-  ■  ■  ■) 
l'xaöiog  xun'  10)  ArB,  N,r,  0,z/,  PrE  ")  ibo/iuir  efftu)  daxTvXcov  B. 


r  -r 

V 


cod.  M'fol.  58". 


1  @K  M,  OK  PV.  ■  -  2)  AZ  M,  AB  PV.  -  -  ;1)  exattgeeg  M,  txurtQov 
V.  ■  4)  [a>?]  E  Schi).  —  B)  xauüxiov  M,  xhfxt'cxiov  Pb,  xXtfidxtv  Pa  V.  — 
'  I  y.ftvnvitov  PV.  —  7)  YT  M;  ^YT  P V.  -  -  8)  rfrcxrt'Aw»'  PV.  —  9)  ~Ä~J 
M.  /4  0  P  V.  -  ,u)  u  Post  7i(c%og  de  lacunam  esse  suspicatur  vir  doctis- 
simusVincent,  quam  explevit  in  hunc  modwn  nci/og  JV  ixdarov  (ßa.y.rvXu)v 
ßf.  /ufjxog  Je  ex«<xro»>)  xtov  xis.  Ipse  sxiiorov  tG>v  scripsi  ex  coniecturu  ». 
r.  -")  lHNTÖTPEM  J,U,  N,r,  0,J,  V,B  Wescher;  ~i  b  NP  Ö  J 
/'  I  PV. 


IIERONS    CIIEIROHALLISTHA  159 

1'  7  ' ;'■/'  (=  424,3  mm)  betragen,  die  Weite  im  Licliten  von  0  bis  K 
aber  5"  (=  92,4  mm) ;  die  Länge  der  beiden  Stücke  A  und  Z  soll 
je  4"  (=  74  mm)  sein  ;  der  beiden  Stücke  B  und  U  je  2"  (=37  mm); 


cod.  P  fol.  70. 


der  Abstand  im  Lichten  zwischen  A  und  B,  Z  und  K  beiläufig 
3  y2"  (=  64,6  mm)  betragen.  Die  Dicke  aber  soll  dieselbe  sein 
wie  bei  den  vorher  genannten  Eisenstäben. 

Das  sogenannte  Kamakion  AM  N S O  77 P  2  soll  aus 
zwei  Latten  bestehen,  der  Figur  entsprechend,  wie  sie  unten  gezeich- 
net ist;  und  die  Latte  O  n P 2  soll  eine  Länge  haben  von  1'  10" 
=  480,5  mm,  aber  A  M  N  5  eine  Länge  von  1'  8"  (=  443,7  mm) ; 
die  Breite  soll  bei  den  Teilen  Y  und  T  2"  =  37  mm  betragen, 
bei  O  n  und  P2  1  \W  (=23,1  mm).  Die  Dicke...  eines  jeden 
der  <4>  Zapfen  AfB,N,r,  O  ,,/ ,  P ,E  soll  2"  (=  37  mm)  be- 


160  RUD.   SCHNEI OER 

Ka  dirjQrjGÜooGav  ol  A  M N 'S,  O  TJ  P  ~  xavors;  tlg  zout  l'Ga 
i«  (I>,  T,  *P,  Ä',  Y,  ü  1).  x«?  zsxQ-qGÜw  %a  fi&v  T,  Y  2)  xaxa  tb 
fjiTJxog    TQtjfiaGi    7zagaXXr]Xoy()ä[ifJotg,  zd  dt   <V,  X,  *P,  ii    tqi'^iciGi 

GTooyyvXoi :. 

Kai  yeysvfjüd-oo  dianrjytov  zb  T  Y,  £%or  zb  tih>  fxrjxog  %ooQlg 
zun'  TOQficov  daxTvXovg  y  ,  zb  dt  nXdiog   daxzvXovg  ß'c. 

"EGtwGav   dt  xal  GivXäoia  tcc   (I>  X,  *P/<?,   8%ovrcc  !)   ro  iiT^xog 
X(ooic  Tübv  TOQficov   daxzvXovg  y',  zb  de   nXäzog  daxzvXovg  ß'c. 
p.  132  w  Kai  xaOtfaüwGav  4)  zd  Tt  r>)  GzvXdqia  xal  zb   diani'jyiov  slg 

rag  öndg  T(bv  xavörcov,  xal  xaO-rjXwGÜcoGav  ol  ibo/iot  zov  dia- 
mjyiov  rzobg  Toig  xavoöiv  snl  ovoäg,  ()  wGzt  GvvsytGUai  zovg  xa- 
vorag  xal  sivai  avi&v  tb  (Jtsta^v   dtdGzrj'ia  daxTvXonr   y. 

"Ezi  ö£  firjv  xaO-rjXwGO-jtüav  zip  A  N  "')  xavovi  xal  rw  OP  s) 
zd  z;,z;  stp  sxatsqa  zov  TY  diaTT^yiiarog,  (i^xog  eyovza  daxxv- 
Xmv  y',  JiXdzog  de  !1)  ddxzvXor  a',  ndypg  dt  GvfifisTQOV  '  xal  ts- 
i roi'lffOo)ffar  xazd  zu  fit'Gor,  cerrsy^ex eoo'ar  d^  an  dXXifXwv  daxzv- 
Xovg ß'c. 


5.  JlsnoiijG^oiGav  dh  xal  xo)  voeid  Tj  dvo  zd  ABT  /,  EZ HO, 
e%ov  (Jihv  ,0)  txdztQov  u)  iiTjxog  daxzvXmv  id .  Tb  dt  nd%og  T&v 
AB,  E Z  xoQi>(jun>  exdffzov  xwvosidovg  txk,0)  daxzvXov  li)  zb  Yjiigv, 
zb  dt  v-qg  ßaGscog  ndyog  ixddzov  zwv  EA,  H  &  daxzvXov  d.  E%t- 


')  <P  T  '!'  X  r  11  P.   —  s)    TY  l'V;    toi  M.  s)  t'/oy  M.  -  -    ')   xadi- 

othoma'  M.  —  )  tu  re  M;  tu  j  TV.  —  B)  i-ni  oigßg  Wescher;  iniovQae  L'V 
iniovQog  M.  -  ■  7)  tö  A  M N  i\I  «  sed  litteram  M  delendam  notavit  prima 
mannt »  Wescher;  tö  AM  PV  —  a)  tö  Ol'  M.  —  y)  öaxtvkwv  r  nXiaog 
dl  F,  düxTvXov  a  nXuTog  tft  M ,  fehlt  in  P  V.  —  lu)  I^fov  /ulv  M  h/oiuey  V  V 
i'/or    1"'.       -    •!)    ixäzeQOP   P6;      tTtoov   MPV.    -       '-)    ihcxu'hor  V  X . 


HERONS    CHEIROBALLISTRA.  ]G1 

tragen.  Nun  sollen  die  Latten  AMNS  und  0 // P  Z  in  drei 
gleiche  Teile,  d>,  T,  «P  und  X,  r,  £  geteilt  werden ;  dann  soll  T 
und  F  der  Länge  nach  mit  rechteckigen  Löchern  durchgebohrt 
werden;  aber  4>  und  X,  *P  und  ß  mit  runden. 

Nun  sei  der  Qnerriegel  TV  in  einer  Länge  von  3"  (=55,4  mm), 
ohne  die  Zapfen;  in  einer  Breite  von  2  l/2"  (=  46,2  mm).  Es  seien 
aber  auch  <2>  Stützen  0>  X  und  *P  &  in  einer  Länge  von  3" 
(=  55,4  mm),  ohne  die  Zapfen ;  in  einer  Breite  von  2  l/2" 
(=  46,2  mm). 

Nun  sollen  beide  Teile,  die  Stützen  und  der  Querriegel,  in 
die  Löcher  der  Latten  eingelassen  werden;  und  die  Zapfen  des 
Querriegels  sollen  hinten  au  den  Latten  festgenagelt  werden,  so 
dass  die  Latten  zusammengehalten  werden  und  deren  Abstand  im 
Lichten  3"  (=  55,4  mm)  beträgt. 

Es  sollen  aber  ferner  an  der  Latte  /i  N  und  der  Latte  O  P 
die  (Träger)  g ,  g  zu  beiden  Seiten  des  Querriegels  T  Y  festgena- 
gelt werden,  die  eine  Länge  haben  von  3"  (=55,4  mm),  eine  Breite 
von  l"(=18,5mm)  und  eine  entsprechende  Dicke;  in  der  Mitte 
sollen  sie  durchbohrt  sein  und  von  einander  2  V'  (=  46,2  mm) 
abstehen. 


5.  Es  sollen  aber  auch  zwei  k  e  g  e  ]  f  ö  r  m  i  g  e  K  ö  r  p  e  r  ange- 
fertigt werden  AB  r  J  und  EZ  HO,  in  einer  Länge  von  je  11" 
(=  203,3  mm).  Die  Dicke  der  Spitze  jedes  Kegels  AB  und  EZ 
soll  Va"   (=9,2  mm)   betragen,  die    Dicke  der  Grundflächen   rj 
undff©  je  1"  =  18,5. 


•jß)  RUÜ.    SCHNEIDER 

twdav  dh  xara  fifjxog  ötölyvccg  vsTQCcywvovg  xai  ioQ{XOvg  er  l) 
rate  A  B,  E Z  xoQvyaic,  mäis  xavoviav  ysvofie'vwv  2)  (fvficpv&v 
xoUoic,  äquoavibv  ;?)  rotg  TOQfXoig  xcä  toTg  atotfdiv,  eIöxo^s- 
ö))ca   4)    im  T&v  Gwb'p'cov   xal    rmv    voq{imv  ev  toig    xavoeidettt 

yeyovoGir. 


cod.  M.  fol.  57". 


"Etfcwttav  de  t«  ph'  xavovia  GviupvTj  xoig  xoixoig  ia  5) 
KAMN,  *OnP  )  xoi'xoi  ds  ol  KA,  SO  '),  ävccxa/iTCag  s)  de 
exs-cmöav  *«  xavovia  nqbg  xoig  nsgaGi  tag  9)  M N,  IIP,  vipog 
6e  10)  sfovdag  öaxivXov  tb  rjfiiav  . .  . 


')  iv  PV;  fehlt  M.  —  2)  yeveaOai  P  V.  -  3)  cäy,oGTwv  V  V.  —  4)  etoxo- 
ui&Bai  Bruno  Keil;  ixxop&adai  PV  ixxoaui&aOai  M.  s)  rtPVj  *d  «f! 
M.  -  6)  K  .4  M  A,  HO  7/  2'  Wcsclier  ;  K  M  A  P  S  U  M,  KAMNPSlI?  V.  — 
»)  KA&0  P.  -  K)  «vafxvas  M.  —  9)  rö;  Wesclicr,  tä  MPT.  -  ,0)  *§  M, 
fehlt  P  V. 


HERONS    CHEIROBALLISTRA 


163 


Sie  sollen  aber  der  Länge  nach  viereckige  Rinnen  haben,  und 
Zapfen  an  den  Spitzen  AB  und  EZ,  so  dass  die  mit  Ringen  ver- 
sehenen Stücke,  die  für  die  Zapfen  und  Rinnen  passend  angefertigt 
sind,  auf  die  Rinnen  und  Zapfen  der  hergestellten  Kegel  eingefügt 
werden  können. 


cod.  P  fol.  70». 


Die  mit  Ringen  versehenen  Stücke  sollen  KAMN  und  SO  77 P 
heissen,  die  Ringe  KA  und  SO.  Die  Stücke  aber  solleu  (oben) 
an  ihren  Enden  M  N  und  II P  jedes  eine  Umbiegung  haben,  deren 
Höhe  Y2"  (=  9,2  mm)  beträgt. .  . 


1G4  RUD     SCHNEIDER 

Die   Bestandteile   der   Schriftstückes. 

Selieu  wir  uns  nunmehr  die  Bilder  einzeln  an,  unbekümmert 
um  die  Ueberschrift  und  ohne  den  Versuch  zu  machen,  aus  den 
Einzelabschnitten  ein  Ganzes  herzustellen. 

Das  erste  Kapitel  handelt  von  zwei  Latten,  die  durch 
den  Schwalbenschwanz  verbunden  sind;  die  untere 
Latte  ist  auf  der  Rückseite  oben  und  unten  beschnitten,  in  der 
Mitte  ist  ein  Stück  in  seiner  ursprünglichen  Dicke  stehen  geblieben. 
Am  unteren  Rande  der  unteren  Latte  ist  ein  halbmondförmiges 
Stück  angesetzt.  Wozu  diese  Konstruktion  weiter  gedient  habe, 
wissen  wir  nicht.  Ich  will  meinetwegen  zugeben,  dass  man  dabei 
an  Geschützteile  denken  kann,  weil  die  Diostra  als  Schwalben- 
schwanzfeder in  die  Syrinx  (Schwalbenschwanznute)  eingreift,  auch 
das  halbmondförmige  Stück  erinnert  an  die  Wölbung  des  Gastra- 
phetes,  worein  der  Schütze  seinen  Bauch  stemmte,  um  die  Arm- 
brust zu  spannen.  Aber,  bei  Lichte  besehen,  sind  doch  diese 
Aehnlichkeiten  recht  allgemeiner  Art,  unsere  Konstruktion  passt 
ebensogut  auf  verschiedene  andere  Dinge;  und  wenn  sie  denn 
durchaus  zum  Gastraphetes  gehören  soll,  so  ist  sie  kein  Teil  eines 
Geschützes  (balista),  denn  eine  Armbrust  ist  kein  Geschütz,  und 
sei  sie  noch  so  gross  und  stark. 

Das  zweite  Kapitel  «  vom  Verschlusse  »  erinnert  weit 
lebhafter  an  technische  Ausdrücke,  die  wir  bei  der  Geschützbe- 
schreibung wiederrinden.  KaraxXek  heisst  der  Riegel,  der  in  die 
seitlichen  Zahnstangen  eingreift,  um  das  Spannen  zu  erleichtern; 
die  Wörter  di%)]Xov  und  a%<cc;z^Qict  kommen  dort  auch  vor,  und 
die  Funktion  des  dQctxuvrwv  ist  dieselbe  wie  die  der  axaffIVQlcc 
bei  den  Geschützen.  Aber  der  Schein  trügt.  Zunächst  ist  die  Ver- 
schiebung der  Namen  höchst  auffallend,  da  die  Techniker  immer 
mit  der  grössten  Genauigkeit  dasselbe  Ding  mit  demselben  Namen 
bezeichnen.  Und  auch  sachlich  ergeben  sich  wesentliche  Unter- 
schiede. Das  ÖQaxovxiuv  hat  nach  der  Figur  eine  Krümmung  die  bei 
jener  a%ciati-)Qia  fehlt  und  zwecklos  wäre.  Unsere  ayiaaii^iu  heisst 
bei  den  Geschützen  %h'q  5  während  aber  die  «  Hand  »  bei  den  Ge- 
schützen gerade  ist,  muss  sie  hier  gebogen  sein,  weil  sie  von 
oben  tiefer  nach  unten  greifen  soll.  Und  dC%i]lov  heisst  bei  den 
G    ehützen  die  Zweiteilung  des  eben  besprochenen  Geschützteiles, 


HEKONS    CHEIROBALLISTRA  165 

hier  aber  ein  ganz  selbständiger  Konstniktionsteil,  von  dem  in  den 
Geschützbesclireibnngon  so  wenig  die  Kede  ist  wie  von  der  x^QoXaßtj 
und  dem  tiuccqiov. 

Was  die  xa/Ltße'GiQtct  des  dritten  Kapitels  betrifft,  so  kommt 
das  Wort  nur  hier  vor  (')  und  ist  aus  dem  Griechischen  nicht  zu 
erklären:  ich  stimme  daher  einer  Vermutung  Hülsens  bei,  welcher 
annimmt,  dass  darin  nichts  anderes  stecke  als  das  lateinische 
campestria.  Campestre  heisst  der  Schurz  (Augustinus  de  civ.  Dei 
XIV,  17:  campestria  Latinum  quidem  verbum  est,  sed  ex  eo 
dictum  quod  iuvenes,  qui  midi  exercebantur  in  campo,  pndeuda 
operiebant;  s.  a.  Forcellini  s.  v.);  das  beschriebene  Gerät  besteht 
aus  zwei  durch  vier  Stäbe  verbundene  Eisenringen,  welche  man  sich 
als  Bekleidung  der  Mitte  eines  hölzernen  Schaftes  oder  einer  Stange 
wol  denken  kanu  (2).  Aber  kein  einziger  Teil  erinnert  auch  nur  im 
Entferntesten  an  irgend  einen  uns  bekannten  Geschützteil  (:5). 

Und  mit  derselben  Sicherheit  stellen  wir  fest,  dass  auch  das 
vierte  Kapitel  {xanäqiov  und  xctßäxiov)  und  das  letzte  (xarosidT,) 
nichts  mit  dem  Geschützbau  zu  tun  haben. 

In  dieses  Dunkel  dringt  plötzlich  ein  schwacher  Lichtstral 
von  ganz  anderer  Seite.  Der  Mathematiker  Eutocius,  aus  Justinians 
Zeit,  sagt  in  seinem  Kommentar  zu  den  Schriften  des  Archimedes 
(ed.  Heiberg,  Leipzig  1880,  III  p.  98)  ganz  beiläufig  Folgendes: 
Fqc((fsiai  d&  r)  nccQccßoXi]  diu  rov  svqedsi'toq  diaßrjtov  rio  Mi~ 
Xrßioj  [irj%avixu)  'Iffidcoqco  zip  rj^isrsqro  diduGxüXy,  yqccyi-vzoq,  d& 
vn^  avxov  sig  rb  yeroiisvov   avrih   vnofivr^ia  tmv  "äqwvog  xafia- 

(')  [Als  Lehnwort  kommt  xä^imaxqov  =  campestre  vor  in  einer  soeben 
von  Th.  Beinach  {Revue  des  etudes  grecques  1906  p.  104)  herausgegebenen 
und  erläuterten  Inschrift  aus  den  Thermen  von  Aphrodisias  in  Karien :  i&v 
Ttg  e/ioi'  %a'kxbv  /ui)  n ceoa^el^rj,  ^re  ev  (povv3r\  ijrs  iv  xaixnlaTQM,  uvrbv  ra- 
ndasTCci.  Ch.  H.]. 

(2)  Dass  wir  es  mit  einem  Gegenstande  römischen,  nicht  griechischen 
Ursprunges  zu  tun  haben,  wird  (wie  Hülsen  bemerkt)  durch  die  Maasso  be- 
stätigt: dieselben  gehen  nämlich  nicht  auf  den  griechischen  sechzehnteiligen, 
sondern  auf  den  römischen  zwölfteiligen  Fuss  zurück.  Daher  die  in  diesem 
(und  nur  in  diesem)  Paragraphen  so  häufigen  Masse  1  Vs"  =  und«,  2/3"  =  se- 
muncia  u.  s.  w. 

(3)  Prou  in  seiner  phantastischen  Rekonstruktion  (oben  S.  112)  machl 
die  xcciuJeotQicc  zu  Trägern  der  von  ihm  hinzugedichteten  Hände  :  die  Abbil- 
dung mag  wenigstens  zeigen,  wie  sich  ein  moderner  Techniker  den  Gegen- 
stand in  Metall  ausgeführt  denkt. 


166  RUD.    SCHNEIDER 

oixSäv.  «  Die  Parabel  zeichnet  man  mit  dem  Diabetes,  den  mein 
Lehrer  Isidorns  ans  Milet  erfunden  hat.  Beschrieben  hat  er  dieses 
Instrument  in  seinem  Kommentar  zu  Herons  Schrift  Kamarika  » . 

Den  Wert  dieser  kurzen  Notiz  hat  bereits  Baldi  richtig  er- 
kannt, nur  darin  irrte  er,  dass  er  hinter  den  xcc/iiccQixa  ein 
Geschütz  suchte  (*) ;  xa/jiaQa  heisst  die  Wölbung,  und  diese 
Bedeutung  passt  ausgezeichnet  zum  Texte  und  Bilde  unseres  Frag- 
mentes. Und  daraus  folgern  wir,  dass  Heron  ein  Buch  «  über  die 
Gewölbe  »  geschrieben  hat,  und  dass  der  Baumeister  Isidorns  von 
Milet,  der  im  Auftrage  Justinians  mit  Anthemius  aus  Tralles  die 
Sophienkirche  nach  dem  Brande  von  532  wieder  aufbaute,  diese 
Schrift  kommentiert  hat,  weil  sie  ein  grundlegendes  Werk  über  die 
Konstruktion  der  Gewölbe  war. 

Ueber  die  xmoeidTj,  die  kegelförmigen  Körper,  besitzen  wir 
keine  Tradition.  Aber  hier  führen  uns  Text  und  Bild  selber  zu 
einem  greifbaren  Ziele.  Das  genaue  Ineinanderpassen  der  Zapfen 
und  Rinnen  bezweckt  doch  offenbar  einen  luftdichten  Verschluss; 
und  «  die  mit  Ringen  versehenen  Stücke  »  sind  nach  der  Figur 
Röhren,  die  oben  «  eine  Umbiegung  haben  ».  Danach  scheint  es 
mir  sicher,  dass  wir  hier  ein  Instrument  vor  uns  haben,  durch  das 
man  Wasser  aufsteigen  lassen  kann. 

Ueberblicken  wir  nun  nach  diesen  Einzelbetrachtungen  das 
ganze  Schriftstück,  so  haben  wir  leider  feststellen  müssen,  dass 
wir  über  den  Inhalt  nur  wenig  Positives  herausbringen.  Nur  das 
negative  Resultat  ist  gesichert,  dass  vom  Geschützwesen  kaum  eine 
Spur  darin  zu  linden  ist,  und  dass  die  Einzelabschnitte  für  sich 
stehen  und  sich  nicht  aufeinander  beziehen  (2). 

(1)  Baldi,  Heronis  Ctesibii  Belopoeca  seu  telifactiva.  Augsburg  1G1G. 
]>.  71  «  Scripsit  praeterea  quaedarn  (Heron)..  de  Gamaricis.  Ilarum  machi- 
narum  descriptionem  quandam  habemus  in  calce  libri  ßelopoeecon.  »  (nach 
Trou). 

(2)  Henri  Martin,  Recherches  sur  la  vie  et  les  ouvrages  d'IIeron  d'Alex- 
andrie  (Mimoire*  prcsentcs  ä  VAcade'mie  des  inscriptions  et  belies  lettres 
t.  IV,  1  Paris  1854)  hat  das  Richtige  herausgefühlt,  sich  aber  zuletzt  doch 
noch  durch  die  Ueberschrift  xst,(jnßcMiaTQK  täuschen  lassen.  Er  sagt  p.  38 
.  rompose  de  trois  parties;  et  le  titre  commun  pourrait  bien  ne  convenir 
qu'ä  lapremüre,  qui  parait  un  fragment  plutöt  qu'un  opuscule  complet;  et 
qul  est  peu  intelligible.  La  x^QoßaXXlaTgn  rCest  pas  nommöe  dans  le  texte 
mdme  man  st-ulement  dans  le  titre. 


HERONS   CHEIKOBALLISTRA  167 

Dieses  Resultat  findet  eine  überraschende  Bestätigung  durch 
die  einfache  Aufzeichnung  der  Kapitelüberschriften  : 

Kavövsg 

KluGig 

KccjLißt'criQia 

Kafiaoiov 

Ka/iäxior 

KmrosidTj 

Alle  diese  Wörter  haben  den  Anfangsbuchstaben  K.  Demnach 
haben  wir  dao  Bruchstück  eines  (antikem  Brauche  gemäss  nur 
nach  dem  ersten  Buchstaben  der  einzelnen  Worte  geordneten) 
Lexikons  für  Konstrukteure  vor  uns,  dessen  Inhalt  uns  unklar 
bleiben  musste,  weil  wir  durch  eine  täuschende  Gesamtüberschrift 
irregeführt  wurden.  Von  dem  richtigen  Verständnisse  der  einzelnen 
Abschnitte  sind  wir  allerdings  noch  weit  entfernt,  aber  wir  sind 
doch  nun  wenigstens  auf  dem  richtigen  Wege  und  dürfen  hoffen, 
dass  das  Ingenium  geübter  Techniker,  oder  auch  ein  zufälliger 
Fund,  uns  weiter  helfen. 

Die   Uebersclirift   und   das   Schlusswort. 

Die  Uebersclirift  unseres  Fragmentes  hat  auf  die  Forscher 
genau  so  eingewirkt  wie  ein  Gespenst:  die  einen  wichen  schau- 
dernd vor  dem  Anblicke  zurück,  die  anderen  folgten  dem  geheimnis- 
vollen Winken  und  Hessen  sich  in  einen  grundlosen  Sumpf  locken. 
Dagegen  giebt  es  nur  ein  einziges  Mittel,  aber  das  hat  auch  noch 
niemals  versagt;  tritt  mau  dicht  ans  Gespenst  heran  und  fragt  es 
dreist  nach  Namen  und  Herkunft,  so  verschwindet  es. 

Also  was  heisst  denn  %HQoßaXXiavQ<x  eigentlich?  Das  Wort 
giebt  es  gar  nicht,  weder  bei  den  griechischen  Technikern  noch  bei 
den  griechischen  Historikern.  Und  damit  wir  jede  Gegenrede  kurz 
abschneiden:  auch  ßaX{X)(axu,  ßaX(X)iGxoct  sind  keine  ursprünglich 
griechischen  Wörter.  Die  Griechen  kennen  nur  xuxanäXxi]q,  xa- 
xccTisXx^g,  XifroßoXog,  nsxooßoXog  u.  dergl. ;  nirgends  ein  Wort  von 
der  Stammstufe  ßaX-,  wodurch  es  mir  beinahe  zweifelhaft  wird, 
ob  die  heutigen  «  Balistiker  «  ihren  Namen  mit  Recht  vom  Ver- 
bum  ßaXXnv  herleiten.  Sicher  ist  jedenfalls,  dass  das  älteste  Zeug- 


1G8  RUD.    SCHNEIDER,    HERONS   CHEIROBALLISTRA 

nis  für  «  Balliste  »  aus  dem  Lateinischen  stammt  und  dort  den 
Grundstock  bildet  für  allerlei  Ableitungen  und  Kompositionen: 
balistarius,  arcubalista,  carrobalista,  manubalista  etc.,  und  dass 
erst  die  Byzantiner  nach  diesem  römischen  Vorbilde  diese  Ausdrücke 
in  ihr  Griechisch  aufgenommen  haben.  Die  richtige  Schreibung 
der  einzelnen  Wörter  ist  bisher  weder  für  das  Lateinische  noch 
für  die  Byzantiner  genau  festgestellt,  man  schwankt  zwischen: 
balista  und  ballista,  zwischen  balistarius  und  balistrarius,  zwi- 
schen xBiQoßaXUarQa  und  xeiQoßoUa-cqu  u.  s.  f.  Aber  das  küm- 
mert uns  hier  nicht  weiter,  denn  es  kann  in  keinem  Falle  die 
Tatsache  umstossen,  dass  die  Byzantiner  die  lateinischen  Wörter 
übernommen  haben,  und  dass  also  xsiQoßallidiQcc  in  unserer 
Ueberschrift  nach  dem  lateinischen  Worte  manubalista  gebil- 
det ist  (»). 

Haben  wir  somit  festgestellt,  dass  ein  byzantinischer  Biblio- 
thekar dem  überlieferten  Fragmente  einen  Namen  gegeben  hat, 
um  es  zu  rubrizieren,  so  brauchen  wir  uns  wohl  nicht  weiter  den 
Kopf  zu  zerbrechen,  warum  er  gerade  diesen  Namen  gewählt  hat. 
Es  kann  ja  sein,  dass  der  Autor  der  Ueberschrift  ein  bischen  von 
der  Sache  verstand  und  dass  er  durch  die  Figur  zum  ersten  Ka- 
pitel an  den  rc«jroa<psvr]g  des  Heron  erinnert  wurde,  der  unten 
auch  ein  «  mondförmiges  Stück  »  als  Ansatz  zeigt  und  oben  einen 
««  Schwalbenschwanz  » ;  vielleicht  hat  auch  die  Beischrift  auf  der 
zweiten  Figur  auf  ihn  eingewirkt:  aber  das  sind  alles  Nebensa- 
chen, die  nur  dadurch  ein  gewisses  Interesse  haben,  weil  durch 
den  falschen  Namen  für  Jahrhunderte  eine  falsche  Auffassung  her- 
vorgerufen worden  ist.  Denn  ohne  diese  irreführende  Ueberschrift 
wäre  sicherlich  unsere  Schrift  längst  als  das  erkannt  worden,  was 
sie  ist:  als  ein  Fragment  aus  einer  Konstruktionslehre,  die  aus 
guten  Quellen  in  lexikalischer  Ordnung   zusammengestellt  wurde. 


Heidelberg.  Rudolf  Schneider. 


C)  Ich  läugne  natürlich  nicht,  dass  die  Römer  die  Geschütze  und  deren 
Namen  von  den  Griechen  in  hellenistischer  Zeit  entlehnt  haben;  aber  ich 
bestreite  die  landläufige  Ahleitung  vom  Verbum  ßäXXeiv  mit  Entschiedenheit. 
Die  militärischen  Kunstausdrücke  verdienen  eine  sorgsame  Untersuchung, 
die  für  Sprache  und  Geschichte  wertvolle  Resultate  bringen  wird. 


DER  DORISCHE  TEMPEL  BEI  S.  NICOLA  IN  CARCERE. 

(Mit  Taf.  V). 


Während  den  Architekten  der  Renaissance  für  ihre  Studien 
über  composite,  korinthische  und  ionische  Ordnung  ein  äusserst 
reichhaltiges  Material  in  den  Bauten  der  römischen  Kaiserzeit  zu 
Gebote  stand,  waren  Monumente  dorischer  oder  « tuscanischer »  Ord- 
nung ihnen  nur  in  geringer  Anzahl  zugänglich.  Die  unteren  Stock- 
werke  des  Colosseums  und  des  Marcellustheaters,  die  Reste  der 
Basilica  Aemilia  am  Forum,  die  Substructionen  des  Caelius  bei 
S.  Giovanni  e  Paolo  (sog.  Vivarium),  ein  jetzt  verschwundenes  Grab 
bei  Ponte  Nomentano  (v.  Fabriczy  Giuliano  da  Sangallo  S.  51.  81) 
sind  deshalb  immer  und  immer  wieder  aufgenommen  worden,  und 
ihre  Zeichnungen  von  einem  Künstler  zum  andern,  aus  einem 
Musterbuch  ins  andere  gewandert:  denn  der  praktische  Gesichtspunkt 
der  Wiederverwendung  für  moderne  Bauten  stand  bei  diesen  Auf- 
nahmen fast  immer  in  erster  Linie.  Zu  den  im  sechzehnten  Jahrhun- 
dert viel  studierten  Monumenten  dorischen  Stils  gehört  auch  ein 
heut  nur  noch  zum  Teil  erhaltenes,  der  südlichste  unter  den  drei 
Tempeln  bei  S.  Nicola  in  Carcere  am  Forum  holitoriuin :  eine  Zusam- 
menstellung der  Renaissance  -  Zeichnungen  und  eine  kritische  Erör- 
terung ihres  Wertes  scheint  um  so  erforderlicher,  als  in  der  neuesten 
Monographie  (*),  die  sich  mit  diesem  Bauwerk  beschäftigt,  jenes 

(')  R.  Delbrück,  Die  drei  Tempel  am  Forum  holitoriuin  in  Uom  (1903). 
Auf  S.  8.  werden  ausser  Serlios  und  Labaccos  Publikationen  noch  citieit 
«  B.  Peruzzi  Ufliz.  n.  477.  478.  536.  537.  573.  631  »  (das  sind  die  von  Lanciani, 
Ruins  and  Excavations  S.  514  angeführten  Blätter)  und  »  Sangallo  Uli/. 
1657;  danach  lieber  Ruinen  Korns  Taf.  zu  S.  208».  Schon  aus  X.  I-Yrris  In- 
dice  geografico-analüico  dei  dlsegni  di  architettura   d--  Uleria   degli 

U/fizi  (Rom  1885)  hätte  D.  entnehmen   können,  wie    zahlreiche  Blätter   sich 
ausserdem  allein  in  Florenz  befinden. 

12 


170  CH.    HUELSEN 

reiche  und  wichtige  Material  sehr  mit  Unrecht  fast  ganz  vernach- 
lässigt ist. 

Ich  stelle  zunächst  die  mir  bekannt  gewordenen  Zeichnungen, 
die  sich  ganz  oder  hauptsächlich  auf  den  südlichen  Tempel  be- 
ziehen, zusammen.  Manches,  und  vielleicht  manches  wichtige  wird 
sich  noch  in  mir  unzugänglichen  Sammlungen  verbergen,  oder  in 
den  von  mir  durchgesehenen  übergangen  sein  (J) :  mögen  diese  Zeilen 
dazu  beitragen,  solche  Nachträge  ans  Licht  zu  fördern ! 

I.  Baldassarre  Peruzzi  (1481-1536)  hat,  als  er  für  die 
Massimi  ihren  Palast  auf  den  Ruinen  des  Marcellustheaters  um- 
baute, die  drei  Tempel,  wie  überhaupt  alle  benachbarten  Ruinen, 
für  sein  beabsichtigtes  libro  dell'Antichitä  di  Roma,  gründlich 
studiert.  Auf  den  dorischen  beziehen  sich: 

Uffiz.  477.  Sorgfältige  Federzeichnung  mit  vielen  Maassen  in  braccie  Fio- 
rentine.  Plan,  Aufriss  der  Fassade,  Profil  von  Kapitell  und  (iebälk,  Ober- 
schwclle  und  Gewände  der  Tür.  Reproduziert  auf  Tf.  V. 

Uffiz.  478-f- 631.  Desgleichen.  Pläne  aller  drei  Tempel;  vom  südlichen 
nur  ein  kleiner  Teil  (2). 

Uffiz.  536.  Skizze  in  Rotstift.  Profil  von  Kapitell  und  Gebälk  «  in  carcere 
Tulliano  »;  Plan    des  Tempels  «  prope  theatrum  Mareelli». 

Uffiz.  536  v.  Skizze  in  Rotstift  mit  wenigen  Maassen.  Plan  des  Tempels 
und  Profil  des  Türgewändes. 

Auf  Peruzzi  beruhen  (3)  die  von  Seb.  Serlio  {Architeltura, 
1551)  publizierten  Zeichnungen  (1.  III  p.  25:  Plan  des  dorischen 

(l)  Absichtlich  nicht  weiter  berücksichtigt  ist  im  Folgenden  der  kurze 
Abschnitt  aus  Ligorius  Bodleianus  f.  14  (Middleton,  Archacologia,  LI,  1, 
p.  196),  wo  zwei  restaurirten  Plänen  des  mittleren  und  südlichen  Tempels 
beigeschrieben  ist:  Quesle  (lue  piante  sono  delli  due  templi;  questa  pianta 
disegniata  minore  et  segniata  A  e  di  un  tempio  Dorico ;  la  pianta  mag- 
giore  ctie  segnata  G  e  del  tempio  lonico.  Ambedue  li  templi  parte  sono 
pigliati  dalle  ruine,  et  parte  le  ho  consideratc  dalle  istesse  ruine,  secondo 
si  e  potuto  considerare.  I  detti  templi  erano  Vuno  appresso  deWaltro,  come 
mostrano  le  presenti  piante. 

(3)  Die  beiden  Blätter  478  und  631  sind  seit  Jahren  als  zusammenge- 
hörig erkannt  und  vereinigt :  sie  waren  es  freilich  noch  nicht,  als  Lanciani 
.-'■ine  Studien  über  die  Florentiner  Zeichnungen  machte. 

(9)  Vgl.  Vasari  Vita  cli  Baldassarre  (vol.  IV  p.  606  ed.  Milanesi  1879): 
rima  i  molte  cose  di  Baldassarre,  Sebastiano  Serlio  bolognese  ;  il 

quäle  [<■<  e  il  terzo  libro  deWarchitettura  ed  i!  quarto  deWantichitä  di  Borna 
misurate;  cd  in  queste  le  giä  dette  fatiche  di  Baldassarre  furono  parte  messe 
in  margine,  e  parte  furono  di  molto  aiuto  alVautore. 


DER    DORISCHE    TEMPEL    BEI    S.    NICOLA    IN    CARCERE  171 

Tempels;    p.  26  Kapitell.    Gebälk,    Türgewände;  1.  IV  p.  19  v. : 
Kapitell  allein). 

II.  Skizzenbuch  aus  dem  Anfang  des  16.  Jhdts.,  sog.  An- 
dreas Coner,  (')  im  Museum  Soane  in  London  (herausgegeben  von 
Ashbj,  Papers  of  the  British  School  al  Home  vol.  II.  1904)  f.  74. 
Saubere  Federzeichnung,  mit  Lineal,  in  den  Schatten  ein  wenig 
laviert.  Perspektivische  Ansicht  des  Kapitells  mit  vielen  Maassen 
nach  Florentiner  oiice  und  minuti;  vom  Architiav  darüber  nur 
die  Hauptmaasse   verzeichnet. 

Copiert  nach  dieser  Zeichnung  resp.  nach  gemeinsamer  Vorlage 
ist  ein  Kotstiftblatt  ohne  Maasse,  in  Casa  Buonarroti  in  Florenz. 
S.  Ashby  p.  82.  Dass  dies  letztere  eine  eigenhändige  Zeichnung 
Michelangelos  sei,  bestätigt  mir  Hr.  Dr.  H.  E«-£rer. 

III.  Sehr  eingehend  haben  sich  die  San  gallo,  namentlich  An- 
tonio d.  J.  mit  dem  Tempel  beschäftigt:  wir  werden  unten  (S.  176) 
sehen,  aus  welchem  äusseren  Anlass.  Ausser  den  nachstehend  ver- 
zeichneten Blättern  finden  sich  gelegentliche  Erwähnungen  des  dori- 
schen Tempels  auch  auf  anderen,  welche  hauptsächlich  den  mittleren 
und  nördlichen  behandeln.  Alle  Blätter  bei  denen  nichts  anderes 
bemerkt  ist,  sind  Handskizzen  in  Federzeichnung,  ohne  Lineal 
und  Zirkel,  von  Antonio  d.  J. : 

Uffizi  1090  (Ferri  Inclice  p.  195).  Skizze  mit  vielen  Maassen  :  «  questo  era 
Joricho  caveva  lo  intercolumnio  degli  angoli  piü  stretti  tanto  che  il  trigliffo 
veniva  in  sul  canto  e  le  metofe  si  erano  equale  e  le  colonne  none  avevano  basi». 

Ufliz.   1090  v.  Vordere  Ecke  des  Tempels,  Plan  mit  einigen  Maassen. 

TJffiz.  1174.  Pläne  aller  drei  Tempel  und  Kekonstruktionsversuche, 
namentlich  auf  Grund  der  Aufnahmen  Bl.  1090.  Dem  dorischen  ist  beige- 
schrieben: «questo  aveoa  li  triglifi,  in  sul  canto  eile  metofe  eguale,  maliin- 
tercolumni   di   sul  cantone  erano  piü  stretti  chelli  altri  d'da  8,  cosl  delli 

(')  Die  Benennung  des  Skizzenbuches  beruht  darauf,  dass  auf  f.  47 
ein  Brief  dieses  Gelehrten  an  Bernardo  Bucellai  (über  das  Menologium  rusli- 
cum  Vallense)  in  Abschrift  enthalten  ist.  Aber  Coner  war,  wie  der  Brief  und  die 
von  Ashby  im  Anhange  S.  75-79  herausgegebenen  Dokumente  zeigen,  Philo- 
loge und  Astronom,  und  verstand  ohne  Zweifel  mehr  Latein  als  der  Autor  der 
Zeichnungen.  Eher  dürfte  der  Zeichner  oder  Sammler  ein  den  Kucellai  naheste- 
hender Florentiner  Architekt  gewesen  sein,  worauf  auch  schon  die  durchgän- 
gige Anwendung  des  Florentiner  Maasstabes  hinweist.  Vgl.  auch  H.  Egger's 
Besprechung  in  den   Wiener  «  Kunstgeschichtlichen    Anzeigen  »    1906  n.  3. 


r/2 


CH.    HUELSEN 


(due)  lali  come  per  faccia,  quäle  e  uno  dei  due  inconvenienli  che  dice  Vi- 
truvio  che  sie  quando  si  mette  li  triglifi  in  sulli  canti  che  necessario  o  che 
si  faccia  ditto  intercolumnio  piü  stretto  e  la  metofa  del  canto  piüllarga 
chellaltri ». 


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TOT 

Fig.  1. 

Uffiz.  L230  (Ferri  Indice  p.  195.  199).  Gebälk,  mit  Maassen:  «  la  cor, 
doriea  di  giovc  Statoren.  Durchgestrichen.  Darüber:  Versucb  der  Triglyphen- 
ung,  ähnlich  1090. 

üffiz.  1233  (Ferri   p.  195).   System    der    Intercoluinnicn  (ohne    Maa 
und    Gesims  (mit  wenigen  Maassen):  «  di  love  Statore». 


DER   DORISCHE   TEMPEL    BEI    S.    NICOLA    IN    CARCERE 


IT:'. 


Nach  diesem  Blatt  ist  copiert  (von  Gio.  Battista  da  Sangallo)  Uffiz.  1270 
(Ferri  p.  199):  «  cornice  dorica  di  guel  tempio  presso  S.  Nicola;  porta  delle 

carceri  ". 

Uffiz.  1372  (Ferri  p.  199.  195).  Schcmatischc  Skizze  von  Podium,  Siiulen- 


>   Jörne    Y)  ^pr> 


Fig.  2. 


Ordnung  und  Gebälk  mit  wenigen  Maassen :  «  Tempio  doricho  acanto  S'°  Ni- 

chola». 

Uffiz.    1373  v.  Planskizzen    der  drei  Tempel;    der    südliche   bezeichnet 

u  quello  del  fieno  achanto  a  Sto.  iXiehola». 

Uffiz.  1374  v.  Plan  der  Pronaos  (ohne  Masse)  und  Skizze  der  Thiir  (mit 
wenigen  Maassen):  «  achanto  a  S.  Nichola  in  charcere  ». 


174  CH.    HUKLSEN 

Uffiz.  1375.  Gio.  Batt.  da  Sangallo  (Ferri  p.  190).  Thüreinfassung  mit  vielen 
Maassen  in  braccia  und  minuti.  «  Questa  porta  doricha  si  e  dirieio  savegli  a 
rischontro  a  S.  Nichola  in  charciere  cioe  alla  porta  del  fiancho  ». 

Uffiz.  1376  (Ferri  p.  195).  Skizze  in  Rotstift,  einiges  mit  der  Feder 
nachgezogen.  Grundriss  der  Vorhalle  :  «  a  Santo  Nichola  in  carcere  adentro  ». 

—  Profil  des  Kapitells  mit  zahlreichen  Massen:  «  chapitegli  di  queslo  edifizio 
di  studio  ». 

Uffiz.  1377  (Ferri  p.  195).  Grundriss  mit  Maassen  an  der  Rückwand  des 
Tempels:  «  da  mezo  a  mezo  delle  cholone  —  da  chapo,  perche  non  si  puo 
misurare  dapie».  Nach  einer  von  mir  genommenen  Pause  reproduziert  (in 
er.  lU  der  Originalgrösse)  S.  172  Fig.  1. 

Uffiz.  1377  v.  Aufriss  des  Gebälkes  und  der  Giebelecke,  mit  vielen  Maassen. 
«  Di  dentro  posava  la  volta  suWarchitrave  coine  qui  in  disegno  —  Archi- 
traue  groso  el  suo  letto  dove  posa  sulle  cholonne  B.  I  o.  3  ».  Nach  einer 
Pause,  die  ich  der  Güte  von  IL  Brockhaus  verdanke,  reproduziert  (in  '/-) 
S.  173  Fig.  2. 

Uffiz.  1657.  Gio.  Batt.  da  Sangallo  (Ferri  p.  195.  199).  Planskizzen  aller 
drei  Tempel,  mit  vielen  Maassen,  einige  Details.  Reproduziert  auf  Taf.  V. 

Uffiz.  1658.  Derselbe  (Ferri  p.  195.  199).  Profil  des  Thürgewändes,  mit 
Maassen.  «  Cornicie  de  quell o  tempielto  dove  staoa  giä  el  fieno  acanto  a  Santo 
Nicola  in  carciero,  sta   nel  cortile  de  farnese   adesso,  del  difizio    dorico  ». 

Uffiz.  1883.  Derselbe.  (Ferri  p.  195).  Fassade  des  dorischen  Tempels, 
flüchtig  mit  wenigen  Maassen.  «  Acanto  S.  Nicola  in  carcere  ». 

IV.  Andrea  Palladio  (in  Rom  1541-1548)  hat  unter 
seinen  Zeichnungen,  früher  in  der  Sammlung  des  Duke  of  Devon- 
shire,  jetzt  im  Royal  Institute  of  British  Architects  in  London, 
Band  XL  Blatt  5,  Grundriss,  Aufriss  und  Details  vom  dorischen 
Tempel.  Sorgfaltige  Linearzeichnungen, in  den  Schatten  etwas  laviert. 

-  Questo  lempio  c  appresso  S.  Nicola  in  Carcere  Tuliano,  et  c  di 
travertlno,  coperto  di  studio  » .  Masse  in  Vicentiner  Fuss  (zu  12  once 
zu  je  4  minuti:  der  Maasstab  am  oberen  Rande  angegeben).  Beiste- 
hend (Fig.  3)  auf  etwa  '/3  der  Originalgrösse  reduziert. 

Nimmt  man  hierzu  noch  die  publizierten  Blätter  in  Antonio 
Labaccos  Libro  appartenente  all' Architettura  (Tf.  24  Plan  und 
Gesamtansicht  der  drei  Tempel;  Tf.  25  grössere  Perspektivansicht 
des  dorischen  Tempels  allein),  so  wird  jeder  Sachkundige  zugeben, 
ilass  wir  für  nicht  viele  der  verschwundenen  Monumente  des  alten 
Roms  ein  so  reiches  Material  besitzen,  wie  für  den  « lempio  dorico  » . 
Und  die  Zeugen,  auf  welche  dies  Material  zurückgeht,  sind  in 
hohem  Grade  sachverständig  und  vertrauenswürdig.  Selbst  wenn  nur 
die  eine  Zeichnung  Baldassarre  Peruzzis  n.  477  auf  uns  gekommen 


DER    DORISCHE    TEMPEL    HEI    S.    NICOLA    IN    CARCERE 


175 


Piff.  3. 


176  CH.    HUELSEN 

wäre,  dürfte  sie  nicht  unberücksichtigt  bleiben;  werden  nun  Pe- 
ruzzis  Angaben  noch  durch  andere  von  ihm  unabhängige  (')  Zeug- 
nisse bestätigt,  so  hat  eine  methodische  Untersuchung  die  Pflicht, 
mit  ihnen  als  mit  Tatsachen  zu  rechnen  (2). 

Fassen  wir  zunächst   zusammen,  was    sich  aus  den  Angaben 
Peruzzis  und  Sangallos  über  die  Gesamtanlage  des  Tempels  ergiebt. 
Es  standen  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  nicht  nur,  wie  heute, 
einige  Säulen  des  nördlichen  Pteron,  sondern  auch  grosse  Teile  des 
Pronaos,  ferner  die  Cellamauern  und  das  rückwärtige  Pteron:  von 
allen  drei  Tempeln  war  damals  dieser  der  am  besten  erhaltene  (3). 
Wahrscheinlich   in   dem    Dezennium    1540-1550  fiel  er  dann  der 
Zerstörung  zum  Opfer:    bei  welcher  Gelegenheit,  deutet    uns   die 
Beischrift  auf  Gio.  Batt.  da  Sangallo's  Blatt  1658  an :  «  comice  di 
quello  tempio  clove  stava  giä  ü  fieno  [vgl.  n.  1373  «  quello  del 
fieno  »]  accanto   a    San   Nicola  in  Carcere,  sta    nel   cortile  de 
Farnese  adesso,  del  edißäo  dorico  » .  Ohne  Zweifel  gehörte  also 
der  Tempel  zu    den   zahlreichen    antiken    Gebäuden,   die  für  den 
Palazzo  Farnese,  wahrscheinlich  in  der  grossen  Bauperiode  1542- 
1549,  Material  liefern  mussten;    dass    urkundliche    Belege    dafür 
bisher  nicht  zu  geben  sind,  kann  nicht  verwundern,  wenn  man  be- 
denkt, wie  wenig  die  (von  Lanciani  slor.  d.  scavi  2,  149  f.  zusam- 
mengestellten) Dokumente  gerade  darüber  lehren,  woher  die  Ma- 
terialien genommen  wurden. 

(')  Von  Peruzzi  abhängig  scheint,  ausser  Serlio,  auch  Palladio  :  auffällig 
ist  namentlich,  dass  auf  demselben  Palladio-Blatte  links  unten  (unbezeichnet) 
das  rrofil  vom  Basament  des  Grabes  der  Caecilia  Metella  erscheint,  gerade  so 
wie  bei  Peruzzi  477.  Doch  scheint  er,  wofür  sowohl  die  Verwendung  des 
verschiedenen  Massstabes  wie  manche  Abweichungen  im  Einzelnen  (s.  u. 
S.  180  Fig.  5)  sprechen,  die  Details  selbst  aufgenommen  und  gemessen  zu- 
haben. 

(2j  Delbrück,  der  freilich  das  Material  nur  sehr  ungenügend  gekannt  hat, 
verwirft  diese  sämtlichen  Zeugnisse  weil  «  die  Zeichnungen  der  Renaissance  - 
Architekten  bei  ihren  starken  Abweichungen  von  der  Wirklichkeit  [wir  werden 
unten  seilen  wie  es  sich  damit  verhält]  nicht  zur  Ergänzung  verlorener  For- 
men und  Maasse  zu  gebrauchen  sind  ».  Ich  kann  dies  Verfahren  nicht  eben 
lugisch  finden.  Wer  einem  Peruzzi  und  Sangallo  nicht  traut,  dürfte  conse- 
quenter  Weise  auch  die  Angaben  Caninas  und  Uggeris  nicht  verwerten. 

Dies    bestätigt  auch  die  Häufigkeit    der   Zeichnungen:    ist    er    doch 
der  einzige  von  den  dreien,  den  Serlio  überhaupt,  und  den  Labacco  in  grös- 
m   Maasstabe  in  seine  Sammlung  aufgenommen  hat. 


DER    DORISCHE   TEMPEL    BEI    S.    NICOLA    IN    CARCERE  177 

Ueber  den  Grundriss  des  Tempels,  von  dem  nach  Delbrück 
so  gut  wie  nichts  bekannt  wäre  ('),  können  wir  demnach  folgendes 
als  gesichert  annehmen :  es  war  ein  Peripteros  mit  acht  Säulen  in 
der  (dem  Forum  holitorium  zu,  nach  Osten  gerichteten)  Front,  elf 
Säulen  an  den  Seiten.  Die  Vorhalle  war  drei  Intervalle  tief:  ihre 
Ausgestaltung  bleibt  infolge  der  starken  Zerstörung  ungewiss  (2). 
Erhalten  war  die  Vordermauer  der  Cella,  und  in  ihr  die  unge- 
wöhnlich hohe  Tür  mit  marmornem  Gewände  (')•  Grossenteils 
erhalten  waren  auch  die  äusseren  Langwände  der  Cella:  sie  waren, 
entsprechend  den  sieben  Säulen  der  Ptera  durch  ebensoviele  Pi- 
laster   gegliedert.    Das   Material    der    Cellamauern   war   Peperin. 

Die  Angaben  über  die  Axweite  der  Säulen  des  Pterons  stim- 
men hinlänglich  zu  den  von  Delbrück  festgestellten,  um  die  Genauig- 
keit der  alten  Aufnahmen  zu  gewährleisten.  Peruzzi  und  Sangallo 
1377  geben  dafür  br.  3  m.  14  =  m.  1,865,  Sangallo  1657  giebt  6 
p.  6  onc.  =  m.  1,92  (m.  1,875  Delbrück).  Dagegen  weichen  sie 
nicht  unerheblich  ab  für  die  Säulendicke.  Delbrück  giebt  den  un- 
teren Durchmesser  an  mit  625  mm.,  die  Zahl  für  den  oberen  ist 
auf  seiner  Taf.  II  augenscheinlich  fehlerhaft  mit  452  eingeschrie- 
ben, vielleicht  ist  542  gemeint.  Dagegen  haben 

Peruzzi  Sang.  1377  Sang.   1657 

unterer  Durchm.  br.  1  m.  18  br.  1  m.  20  p.  2  V« 

=  m.  0,  707  =m.  0,728  =  m.  0,735 

oberer  Durchm.  br.  1  m.  5  br.   1   m.  3 

=  m.  0,604  =m.  0,574 

Canina  giebt  p.  2  o.  ' /.  =  m.  0,663  und  p.  1  o.  9  =  m.  0,569  an. 


(')  S.  23:  «  Die  Fassade  sah  nicht  nach  Norden,  weil  hier  der  mittlere 
Tempel  so  nahe  an  das  Podium  herantritt,  dass  kein  Raum  für  die  Treppe 
bleibt;  wohin  die  Fassade  aber  gerichtet  war,  ist  unbekannt,  ebenso  Länge, 
Breite  und  Form  des  Tempels  ». 

(2)  Vgl.  Serlio  p.  25:  11  portico  inlorno  al  tempio  era  lacunariato,  cioe 
fatto  a  quadroni  (flüchtige  Andeutung  von  «  lacunari  »  haben  die  Zeich- 
nungen Sangallos  Uffiz.  1174),  ma  la  parte  davanti  spacciosa  non  si  com 
prende  in  che  modo  fasse  coperta  per  essere  ruinata. 

(3)  Die  Oberschwelle  der  Tür  lag  in  gleicher  Hübe  mit  dem  Abacus  des 
Kapitells  der  Säulen,  wie  Peruzzi  und  Sangallo  ausdrücklich  bezeugen  (diese 
Dimensionen  giebt  der  Tür  auch  Labacco  Tf.  25,  während  Serlio  sie  zu  klein 


178 


CH.    HUELSEN 


Direkt  messbar  ist  heute  keine  einzige  Säule,  da  alle  zur  Hälfte 
und  mehr  eingemauert  sind.  Auch  ist  Bearbeitung  und  Erhal- 
tung der  einzelnen  Schäfte  so  verschieden,  dass  sich  volle  Ueber- 


•      "■v"  .       "     ^* 


Fi.  4. 


einstimmuug   in   den  Maassen   nicht   erwarten  lässt.  Die   einzige 
von  aussen  sichtbare  Säule  des  nördlichen  Pfceron  ist  in  Fig.  4  wie- 


dergegeben. 


zeichnet).  Die  Grösse  der  Tür  wird  dadurch  erklärlich,  das.s  sie  die  einzige 
Lichtquelle  für  den  Innenraum  bildete;  Serlio  a.  a.  0.  Bagt  ausdrücklich:  non 
vi  si  veggono  veslvji  di  finestre. 


DER    DORISCHE    TEMPEL    BEI    S.    NICOLA    IN    CARCHRE  179 

Nicht  minder  wichtige  Aufschlüsse  geben  uns  die  alten  Zeich- 
nungen über  die  Einzelformen  des  Tempels.  Ganz  verloren  ist 
heutzutage  das  Giebelgeisou  mit  weit  ausladender  Hohlkehle:  zu 
seiner  Rekonstruktion  bieten  die  Detailzeiclinungen  Peruzzi's  und 
Sangallos  hinlänglichen  Anhalt. 

Das  Gebälk  war  im  16.  Jhdt.  gleichfalls  besser  erhalten. 
Das  Gesims  au  der  Aussenseite  hatte  als  oberstes  Glied  eine  ziem- 
lich stark  ausladende  Hohlkehle  mit  schmalem  Streifen  darüber. 
Heutzutage  fehlt  diese:  statt  ihrer  sieht  man  nur  einen  er.  10  cm. 
hohen  Streifen  mit  rauher  Oberfläche  (')•  Irrtümlich  giebt  Delbrück's 
Zeichnung  Tf.  II  hier  eine  senkrechte  glatte  Fläche:  im  Text 
wird  dies  Gebilde  beschrieben  als  «  stark  ausladendes  Blockgesims 
mit  wagerechter  Häugefläche  und  senkrechter  Stirnfläche,  die  in 
zwei  gleich  hohe  Streifen  zerlegt  ist  »  —  eine  unschöne  und  plumpe 
Form,  für  die  sich  im  Bereich  der  griechischen  und  italischen  Ar- 
chitektur keine  Analogien  linden  lassen. 

Dem  Friese  sehreibt  Peruzzi  bei:  ' opera  dl  tiburtino  giä  co- 
perta  dl  stucchi  ' ;  und  offenbar  ist  von  der  Dekoration  hier  schon  im 
16.  Jhdt.  nichts  mehr  vorhanden  gewesen.  Den  Triglyphenfries  mit 
Waffen  in  den  Metopen  auf  Labaccos  Stich  wird  natürlich  niemand 
ernst  nehmen;  auch  die  Beischriften  A.  da  Sangallos  zu  Uff.  1090 
und  1174  sind  nur  als  Erläuterungen  zu  einer  hypothetischen 
Kekonstruktion  zu  betrachten. 

Den  Architrav,  den  äusseren  wie  den  inneren,  zeichnen  die 
alten  Architekten  sowie  er  sich  jetzt  zeigt.  Sehr  bemerkenswert  ist 
dagegen  die  Differenz  in  der  Darstellung  des  Kapitells.  Während 
jetzt  über  dem  obersten  glatten  Streifen  des  Schaftes  nur  ein  ein- 
faches dorisches  Kapitell  mit  niedrigem  straffen  Echinus  und 
ebenfalls  niedrigem  Abacus  sichtbar  ist,  zeichnen  die  Architekten 
der  Renaissance  ein  weit  reicheres,  durch  Riemcheu,  Stäbe  und 
Kymata  belebtes  Profil.  Delbrück  (S.  8)  findet  sich  mit  dieser  Dif- 
ferenz sehr  leicht  ab,  indem  er  erklärt,  Peruzzi  habe  sein  Kapitell 
«  ähnlich  dem  vom  Scenenhause  des  Marcellustheaters  •>,  Sangallo 
das  seinige  «  ähnlich  dem  aus  dem  Stadium  des  Palatins  »  (das 
aber  erst  im  19.  Jhdt.  bekannt  geworden  ist)  ergänzt.  Wer  einige 


(')  Hr.  Dr.  H.  Egger  macht  mich  darauf  aufmerksam,  dass  die  oberste 
Hohlkehle  möglicherweise  auf  dieser  rauhen  Fläche  in  Stuck  anmodelliert  war. 


180 


CH.    HUELSEN 


Vertrautheit  mit  der  Arbeitsweise  der  Renaissance-Architekten  be- 
sitzt, wird  es  unglaublich  finden,  dass  beide  Künstler  sich  das  Ver- 
gnügen gemacht  haben  sollten,  einem  von  ihnen  restaurierten  Detail 
so  viele  genaue  Masse  beizuschreiben.  Die  beistehende  Figur  5 
gicbt  die  Profile  nach  den  vier  wichtigsten  Zeichnungen:  die  Ue- 
bereinstimmung  ist  so  gross,  wie  man  sie  bei  nicht  in  Stein  ge- 


Peruzxl  4//.  Janßatlo  13/6 


Ct 


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j     g     ?     -fr     f     t 


^  friede  vicenhno  0.?W? in  föojice  e  4- Minute . 


Fig.  5. 


hauenen,  wohl  auch  in  der  Ausführung  und  Erhaltung  verschie- 
denen Formen  erwarten  kann.  Unsere  Gewährsmänner  haben  ohne 
Zweifel  alle  nur  gezeichnet  und  gemessen  was  sie  sahen ;  und  die 
scheinbare  Differenz  mit  dem  heutigen  Zustande  erklärt  sich  durch 
die  wiederholte  ausdrückliche  Angabe,  Säulen  und  Kapitelle  seinen 
dl  studio  oder  coperte  di  stucho  gewesen.  Der  jetzt  übrige  Tra- 
vertin-Abacus  und  Echinus  sind  nur  die  Unterlage,  übe*  welche 
jene  Zierglieder  in  Stuck  anmodelliert  waren:  wie  man  sich  das 
zu  'lenken  hat,  und  wie  die  Maasse  der  alten  Autoren  dazu  stimmen, 
mag  Figur  6  zeigen. 


DER    DORISCHE    TEMPEL    UFA    S.    NICOLA    IN    CARCERE 


181 


Dass  diese  Kapitellform  die  ursprüngliche  des  Tempels  ge- 
wesen sei,  kann  natürlich  nicht  mit  Sicherheit  behauptet  werden : 
möglich  dass  die  erste  einfacher  war,  und  sich  derjenigen  der  Ka- 
pitells vom  Tempel  des  Juppiter  Latiaris  (u.  S.  186)  näherte.  Bei 


Fig.  6. 

späteren  Restaurationen  wurden  dann  allmählich  reichere  aufge- 
tragen, in  ähnlicher  Weise  wie  dies  bei  dem  Tempel  aui  Ponte  Rotto 
(Delbrück  Tf.  III,  1)  oder  dem  Magna  Mater-Tempel  auf  dem 
Palatiu  der  Fall  ist. 


Die  Berichtigungen  und  Ergänzungen,  welche  wir  so  aus  den 
alten  Zeichnungen  gewinnen,  wirken  aber  wesentlich  ein  auf  die  Ge- 
samtresultate der  D. 'sehen  Untersuchung.  Weder  die  relative  noch 


182  CH.    HUEI.SEN 

die  absolute  Chronologie  der  Bauten,  wie  D.  sie  ermittelt  zu  haben 
glaubt,  lässt  sich  aufrecht  erhalten. 

Für  den  ältesten  Tempel  erklärt  D.  den  südlichen  «  dori- 
schen »  und  zwar  nur  auf  Grund  stilistischer  Analyse  der  Einzel- 
formen,  da  er  sich  die  Beurteilung  des  Grundrisses  durch  Nicht- 
beachtung der  älteren  Quellen  unmöglich  gemacht  hat.  D.  findet 
(S.  24) :  «  ohne  weiteres  wird  jeder  zugestehen,  dass  seine  (des 
dorischen  Tempels)  Formen  ganz  ungriechisch  sind,  die  der  beiden 
anderen  Tempel  aber  hellenistisch,  dass  er  also,  wie  die  römische 
Kunstgeschichte  verlaufen  ist,  älter  sein  muss  als  seine  Nachbaren  » . 
Die  Säulen,  heisst  es  weiter  S.  45  sind  ausgesprochen  etruskischen 
Stils,  mit  glattem  Schaft,  und  einem  Kapitell,  das  fast  nur  in 
Etrurien  und  Nordafrika  einige  Analogien  hat. 

Nun  sind  aber  sämtliche  Säulenschäfte  (wie  D.  S.  23  selbst 
angibt)  gerauht  zur  Aufnahme  von  Stuck.  Ob  dieser  Stuck  eine  glatte 
cyliudrische  Fläche  repräsentierte,  oder  ob  flache  Kanneluren  an- 
modelliert waren,  ist  nicht  zu  entscheiden ;  für  die  erste  Möglichkeit 
spricht  Sangallos  Zeichnung  Uff.  1657  (S.  Tf.  V)  vom  >  Capitello 
dello  Loscano  ». 

Auf  die  Form  des  Kapitells  legt  Delbrück  besonderes  Gewicht; 
am  Schlüsse  seiner  ausführlichen  Erörterung  bezeichnet  er  es  als 
«  eine  nicht  unwahrscheinliche  Vermutung  dass  hier  vielleicht  eine 
chalkidische  Säulenform  vorliegt,  die  in  vorderasiatischer  Tradition 
stände  und  von  den  chalkidischen  Colonien  Campaniens  sich  nach 
Mittelitalien  und  Afrika  verbreitet  und  dort  im  stillen  Wasser 
erhalten  hätte,  während  sie  in  Griechenland  früh  von  den  kano- 
nisch-dorischen Formen  verdrängt  worden  wäre  ■ .  Sehen  wir,  wie 
es  mit  der  Begründung  steht. 

Für  den  chalkidischen  Ursprung  soll  beweisen  die  Amphora 
bei  Gerhard  AV.  190  (das  Original,  nach  einer  freundlichen  Mit- 
teilung F.  Hausers,  j.  in  Paris  Cabinet  des  medaüles).  Auf  dieser 
ist  eine  Säule  mit  mykenischen  Toruskapitell  (also  sehr  verschieden 
von  dem  römischen)  sichtbar,  um  deren  Hals  eine  horizontale  Linie 
geht.  Dass  das  einen  breiten  Halsmantel  bedeuten  solle,  ist  ganz 
unsicher,  da  die  Hauptsache,  nämlich  ob  der  Streifen  plastisch 
abgesetzt  sein  soll  (wie  auch  D.  selbst  zugiebt)  gar  nicht  zu  sehen 
ist.  Darauf  dass  die  Säule  keine  Kanneluren  hat,  wird  bei  der  Dar- 
stellungsweise  schwarzfiguriger  Vasen  wohl  Niemand  Gewicht  legen. 


DKR    DORISCHE    TEMPEL    BEI    S.    NICOLA    IN    CARCERE  183 

Reichlicher  sind  scheinbar  die  rnittelitalischen  Beispiele ;  aber 
schon  das  einzige  welches  D.  abbildet,  die  Mittelstütze  in  der 
Grotta  della  Colonna  bei  Bornarzo  (')  zeigt  in  der  Kapitellform 
wesentliche  Unterschiede,  da  dort  kein  Abacus  und  statt  des  breiten 
Halsmantels  nur  ein  schmaler  Streifen  vorhanden  ist.  Das  Fehlen 
von  Kauneluren  am  Schaft  ist  hier  auch  kein  Beweis,  da  es  sicli 
gar  nicht  um  eine  Vollsäule,  sondern  um  eine  Stütze  von  unre- 
gelmässigen  Querschnitt  handelt.  An  den  Grabfassaden  von  Nor- 
chia  sind  heutzutage  nur  ganz  kümmerliche  und  fast  formlose 
.Reste  vom  Abacus  des  Kapitells  vorhanden ;  Delbrück  hält  sich 
an  Cauinas  Kecoustruction  {Etruria  marütima  II  Tf.  94),  deren 
Zuverlässigkeit  er  durch  eine  sehr  gezwungene  Argumentation  zu 
retten  sucht  (2).  Schlägt  man  Cauinas  Werk  selbst  auf,  so  wird 
man  erstaunen,  wie  D.  an  diesen  winzigen  und  schematischen 
Zeichnungen  charakterische  Aehnlichkeit  mit  dem  römischen  Ka- 
pitell zu  erkennen  in  Stande  gewesen  ist.  Noch  mehr  aber  wird 
man  überrascht  sein  wenn  man  Caninas  andere  beiden  auf  diesel- 
ben Grabfassaden  bezüglichen  Tafeln  ansieht:  Tf.  93  zeisffc  statt 
der  Säulen  quadratische  Pilaster  mit  ganz  verschiedenen  Kapitel- 
len, und  der  stato  attuale  Tf.  91  bestätigt,  was  auch  in  Text  (p.  68) 
ausdrücklich  steht,  dass  Canina  von  den  Säulenschäften  gar  nichts 
mehr  gesehen,  und  die  Kapitelle  frei  ergänzt  hat !  —  Sehr  entfernt 

(')  Nach  der  Zeichnung  Knapps  Mon.  delVIst.  I  Tf.  40,  deren  geringe 
Zuverlässigkeit  im  Vergleich  zu  Dennis  ( Cities  and  Cemeteries  of  Etruria 
I3  p.  167)  neuerdings  Petersen  (in  diesen  Mitteilungen  1904,  247)  dargetan 
hat. 

(2)  S.  44:  «die  Felsfassaden  von  Norchia  scheinen  Säulen  zu  haben, 
welche  denen  des  tuscanischen  Tempels  sehr  nahe  stehen.  Die  Capitelle  glei- 
chen sich  —  nach  Caninas  Reconstruction  — ,  auch  in  Norchia  sind  die 
Schäfte  glatt  und  fehlen  die  Basen.  Die  Photographioen  lassen  nicht  erkennen, 
ob  Canina  die  Formen  richtig  auffasste ;  dafür  spricht  aber  der  Umstand, 
dass  sie  ihm  wenig  geläufig  waren,  und  man  nicht  versteht  wie  er  auf  sie 
geführt  wurde,  wenn  nicht  durch  das  Aussehen  der  Reste  «.  Als  ob  Canina 
oder  seine  Zeichner  bei  dem  Grossbetriebe,  der  in  seinen  Ateliers  in  den  vier- 
ziger Jahren  berrschte,  für  millimeterhohe  Details  viel  Zeit  und  Gedanken  übrig 
gehabt  hätten  !  Die  ganzen  auf  die  Gräber  von  Norchia  bezüglichen  Tafeln  sind 
nichts  als  eine  Ueberarbeitung  der  Leuoirschen  (Mem.  dell'Istit.  I  Tf.  18),  mit 
wenigen  auf  eigener  Beobachtung  beruhenden  Veränderungen  und  Zusätzen 
Ein  Kapitell  aber  wie  das  Tf.  94  zu  rekonstruieren  konnte  dein  Autor  der  Ar- 
chiteltura  antica  wahrlich  nicht  schwer  fallen. 


184  CH.    HUELSEN 

ist  auch  die  Aehnlichkeit  mit  den  Waudpilastern  in  den  Gräbern 
von  Cerveteri  und  Corneto. 

Die  Säule  vom  Mons  Albanus  (Fig.  8  S.  186)  zeigt,  neben  eini- 
gen Aehnlichkeiten,  auch  manche  Abweichungen,  und  ist  für  die  Da- 
tierung des  römischen  Baues  jedenfalls  nicht  zu  gebrauchen.  Die  ein- 
zige wirkliche  Parallele  bietet  das  Kapitell  des  griechisch  punischen 
Mausoleums  Souma-el  Kroub  bei  Cirta :  namentlich  hat  es  den  auffal- 
lend breiten  Halsmantel.  «  Nach  ihrem  Schnitte  »  sagt  D.  S.  45 
«  würde  man  diese  Kapitelle  in  Griechenland  in  das  sechste  Jhdt. 
setzen,  während  mau  in  Afrika  wohl  erheblich  herabgehen  muss  » . 
Das  unbestimmte  «  erheblich  »  können  wir  ruhig  durch  ein  «  etwa 
400  Jahre  »  ersetzen.  Das  Mausoleum  von  Soumaistein  Prachtgrab 
von  so  komplizierter  Form  (massives  quadratisches  Sockelgeschoss, 
zweites  Stockwerk  von  vier  massigen  Pfeilern,  oben  eine  lichte  Halle 
von  acht  Säulen  mit  Giebeln  nach  den  vier  Seiten)  wie  sie  in 
Griechenland  und  dem  Osten  schwerlich  vor  dem  4.  Jhdt.  nachzu- 
weisen ist:  in  Cirta  wird  man  es  mit  der  Epoche  des  Micipsa  zu- 
sammenbringen, der  nach  Strabos  Zeugnis  (')  «  die  Stadt  stark 
befestigte  und  schön  ausbaute,  und  auch  Griechen  dort  ansiedelte  » . 
Damit  kommen  wir  aber  ans  Ende  des  zweiten,  wenn  nicht  noch 
in  das  erste  vorchristliche   Jahrhundert. 

Wollte  man  Abbildungen  dorischer  Architekturen  auf  Reliefs 
heranziehen,  so  wäre  es  nicht  schwer,  noch  manche  Beispiele  mit 
dem  breiten  Halsmantel  zu  finden,  die  jedoch  keineswegs  hochar- 
ehaisch  sind.  Ein  solches,  von  besonders  guter  Ausführung  und 
Erhaltung,  ist  ein  Relief  im  Museum  zu  Modena,  welches  von 
einem  Grabmonument  aus  dem  Anfange  der  Kaiserzeit  herrührt,  und 
beistehend  (Fig.  7)  zum  ersten  Male  vollständig  abgebildet  wird  (2). 
Das  Pilasterkapitell  hat  breiten  Halsmantel,  welcher  deutlich 
plastisch   abgesetzt    ist.   Aber    folgern    wird    man    daraus    weiter 

(')  17  p.  832:  KiQta . ..  rröhg  tvsQxeari'arj  xal  /.((xaaxevnauivt]  xu'ACog  roTg 
no.ai .  yav  fidXiora  bnb  Mcxiipa,  ügrtg  xal  "EXXrjvag  awioxiasv  £v  ai>t%.  S.  Gsell 
Mon.  de  VAlgSrie  I,  62  f. 

('-)  Das  Relief,  mit  mehreren  arideren  Stücken  gefanden  bei  Saliceto 
Panaro  2  kra.  östlich  von  Modena,  bestellt  aus  zwei  Tafeln  von  je  1,04  m. 
(=4  rüin.  Fubs.)  im  Quadrat.  Nur  die  Phalerae  sind,  nach  einer  ungenügen- 
den Zeichnung,  abgebildet  Annali  1846  tav.  d'agg.  D  (mit  Commentar  von 
i  pp.  110-128). 


DER    D01USCMK    TEMPEL    BEI    S.    NICOLA    IN    CAKCERE 


185 


niclits  dürfen,  als  dass  Laune  oder  Ungeschick  eines  provinzialen 
Steinmetzen  gelegentlich  auch  noch  in  später  Zeit  eine  Kapitell- 
form entstehen  Hess,  welche  mit  entlegenen  archaischen  eine  ge- 
wisse Aehnlichkeit  zeigt,  obwohl  der  Urheber  wohl  selbst  sehr 
erstaunt  wäre,  sein  Elaborat  mit  Khorsabad  und  Ninive  in  Ver- 
bindung gebracht  zu  sehen. 


Fig. 


Ein  zweites  Merkmal  von  hohem  Archaismus  soll  die  Ge- 
simsform des  römischen  Tempels  sein,  ein  «  Blockgesims  »:  als 
hauptsächliche  Analogien  werden  zwei  etruskische  Hausurnen  an- 
geführt, welche  eine  Holzkonstruktion  darstellen,  die  als  Urform 
des  Horizoutalgeisons  des  südlichen  Tempels  zu  betrachten  sei. 
Bewirkt  wird  die  Aehnlichkeit  hauptsächlich  dadurch,  dass  sich 
zwei  Trägerschichten  übereinander  vorschieben,  so  dass  die  Balken- 
köpfe zwei  ziemlich  gleich  hohe  Streifen  bilden.  Aber  dass  etwas 
ähnliches  an  dem  Steingesims  der  Fall  gewesen  sein  sollte,  beruht 
nur  auf  einer  ungenauen  Beobachtung  Delbrücks  (s.  o.  S.  179). 

13 


186 


CH.    HCELSEX' 


Dagegen  ähnelt  allerdings  das  Gesims  vorn  Mons  Albanns  dem 
römischen  mehr,  nur  in  einer  andern  Weise  als  Delbrück  annimmt. 
Die   «  starke  Bosse  au  der  oberen  Hälfte  der  Stirn  »   ist  nämlich 


cv 


A 


«Hfl 


5  ..    .     . ,'  -..-.■  -  ...  tati 
nsfia  Tav.J.con  la 

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£  Ccrn ice  natata  uet  - 
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j.zfrjrtlur-.      -.-.._-  ..  lor  •  a  ■■': U'ercfine  njtiti  nel/a 
"  /j  rupe  JfJ/j  n/un  de/  m 


cvr 


•tipe  t 


'  monte  ver/i  {.Aricciji 


Fig.  8. 


viel  stärker  als  sie  auf  dem  Facsimile  Tat'.  IV.  2  erscheint.  D. 
muss  hier  durch  ein  schadhaftes  oder  interpoliertes  Exemplar  des 
Piranesisehen  Stiches  irre  geführt  worden  sein:  wie  die  Form  in 
sämtlichen    mir    hier  zugänglichen  Abdrücken  Piranesis  aussieht, 


DER    DORISCHE    TEMPEL    BEI    S.    NICOLA    IN    CARCERE  187 

zeigt  Fig.  8.  Und  nur  zu  dieser  stimmt  auch  die  (von  D.  über- 
sehene) perspektivische  Darstellung  desselben  Gesimses  auf  Tf.  I, 
D  der  Antichitä  di  Albano. 

Nehmen  wir  hinzu,  dass  auch  der  Grundriss  des  Tempels  nicht 
(wie  der  des  nördlichen)  italisch,  mit  dreiseitiger  Peristasis  und 
verlängerter  Rückwand  der  Cella  war,  sondern  ein  griechischer 
Peripteros,  so  wird  der  Glaube  an  den  hohen  Archaismus  des 
Baus  wohl  einigermassen  erschüttert  sein.  Und  zum  gleichen  Re- 
sultat führt  uns  die  Prüfung  des  für  den  Bau  verwendeten  Ma- 
terials. 

Am  südlichen  Tempel  ist  Peperin  nur  für  Podium  und  Cel- 
lawände,  Travertin  für  Säulen,  Kapitelle  und  Gebälk  verwendet: 
charakteristisch  im  Vergleich  zu  den  beiden  benachbarten  Tempeln 
ist  die  starke  Verwendung  von  Travertin.  Delbrück  (S.  24)  rindet 
sich  mit  diesem  Tatbestande  einfach  so  ab :  «  sicherlich  der  älteste 
Tempel  ist  der  südliche,  er  ist  blos  aus  Travertin  gebaut,  die 
beiden  andern  technisch  vollkommener  aus  mehreren  Steinarten  » . 
Dass  dieses  « technisch  vollkommnere »  Verfahren  auch  bei  dem  südli- 
chen Tempel  angewandt  war,  lehren  die  alten  Zeichnungen  (o.  S.  177). 
Ferner  aber  ist  es  bekanntlich  noch  ungewiss,  wann  denn  eigentlich 
die  Ausnützung  der  Brüche  von  Tivoli  begonnen  habe.  Für  die  Ent- 
scheidung dieser  Frage  ist  von  grosser  Bedeutung  ein  Gesichtspunkt, 
den  schon  H.  Jordan  (Topogr.  I,  1,8)  mit  Recht  hervorgehoben  hat, 
dass  nämlich  die  Verwendung  des  Travertins  als  Baumaterial  nicht 
zu  trennen  ist  von  der  als  Inschriftenmaterial.  Die  von  Jordan  (a.  a. 
0.  S.  8  A.  11)  gegebenen  Zusammenstellungen  sind  durch  die  Ergeb- 
nisse der  Ausgrabungen  in  den  letzten  30  Jahren,  die  so  viel  datier- 
bare Inschriften  aus  älterer  Epoche  zu  Tage  gefördert  haben,  vollauf 
bestätigt  worden.  Man  verwendet  in  Rom  noch  in  der  Mitte  des  2. 
Jhdts.  v.  Chr.  als  Material,  auch  für  Monumentaliuschriften  von 
Bedeutung,  überwiegend  den  vulkanischen  Tuff  oder  Peperin,  ob- 
wohl dieser  we^eu  seiner  ungleichen  Struktur  und  seiner  dunkeln 
Farbe  keinesweges  zum  Inschriften tnaterial  besonders  geeignet 
ist  (1).  Daneben  findet  sich,  aber  meist  nur   in    kleinen  Stücken, 


(')  Aus  Tuff  oder  Peperin  sind  z.  B.  die  Basen  für  die  Weihgeschenke 
des  M.  Claudius  Consul  543/21 1  aus  der  Beute  von  Enna  (CIL.  VI,  1281; 
474-30771),  des  M.  Fulvius    Nobilior    Co::sul    5G7/187    (CIL.    VI,  1307)    aus 


188  CH.    HUELSEN 

ein  feiner  Kalkstein  verwendet,  der  sich  aber  durch  seine  gleich- 
massige  Struktur  und  das  Fehlen  von  Einschlüssen  vom  Tra- 
vertin  merklich  unterscheidet  (').  Inschriften  auf  wirklichem 
lapis  Tiburtinus  kommen  in  Rom  nicht  vor  der  gracchischen  Zeit 
vor  (2).  Häufig  wird  er  als  Material  für  Inschriften  erst  seit  der 
sullanischen  Zeit.  Und  es  ist  selbstverständlich,  dass  die  Verwen- 
dung für  grosse  Bauteile  analog  vor  sich    gegangen  sein  muss. 

Also  auch  von  dieser  Seite  werden  wir  bestimmt,  den  südlichen 
Tempel  nicht  für  den  ältesten  sondern  für  den  jüngsten  zu  halten. 
Und  zu  dieser  relativen  Chronologie  stimmt  schliesslich  die  absolute, 
wie  sie  sich  aus  der  litterarischen  Ueberlieferung  über  die  Namen 
und  Gründungsdaten  der  Tempel  feststellen  lässt. 


der  Beute  von  Ambrakia,  ebenso  die  Inschriften  des  C.  Fannius  Consul 
632/122  (CIL,  VI,  1306)  und  des  T.  Quinctius  Consul  631/123  (CIL.  VI,  1322), 
die  Grabschrift  des  Ser.  Sulpicius  Galba  Consul  610/144  —  oder  646/108?  — 
(CIL.  VI,  31617),  ferner  die  altertümlichen  Altäre  des  Verminus  (CIL.  VI, 
31057)  und  der  Fortuna  (30870);  auch  noch  die  Bauinschrift  der  curatores 
viarum  von  683/71  CIL.  VI,  1299. 

(')  Von  solchem  Stein  ist  z.  B.  die  uralte  Strassensäule  von  der  via 
Ostiensis  (CIL.  VI,  30913),  welche  der  Geologe  Ponzi  für  pietra  Corniculana 
(aus  der  Gegend  von  Monticelli)  erklärt  hat.  Aehnlicher  Qualität  sind  die 
im  Tiber  gefundenen  hocharchaischen  Weihinschriften  an  Aesculap  (CIL.  VI, 
30842-30846)  und  Hercules  (n.  30898),  ebenso  die  Weihung  an  Numisios 
Martios  (n.  30986)  und  das  Fragment  vom  Quirinal  n.  31113. 

(3)  Vielleicht  die  älteste  annähernd  zu  datierende  Travertiniuschrift  in 
Born  ist  das  Edict  über  den  esquilinischen  Begräbnisplatz  des  paagus  Mon- 
tanus  (CIL.  VI,  31"77):  wegen  der  Vokalgemination  dürfte  sie  älter  sein  als 
das  Jahr  120.  Dagegen  gehört  die  Bauinschrift  der  Via  Caecilia  (CIL.  VI, 
31603)  nicht,  wie  Jordan,  Henzen  und  Mommsen  folgend,  annahm  in  das 
Jahr  639/115,  sondern  etwa  in  die  sullanische  Zeit.  Dem  Edict  vielleicht 
gleichzeitig  sind  die  Inschrift  des  Q.  Marcius  Eex  Consul  636/118  (CIL. 
VI,  31613)  und  die  Weihinschrift  des  Bicoleius  (C.  n.  30913).  Etwas  jün- 
ger, etwa  um  100  v.  Chr..  mögen  anzusetzen  sein  der  palatinische  Altar 
sei  cleo  sei  deivae  (CIL.  VI,  110  =  30694),  die  Grabschrift  des  Bibulus 
(n.  1319)  und  das  Edict  des  Prätors  Sentius  (n.  31614.  31015).  Im  Scipionen- 
grab  ist  nur  der  später  eingebaute  Sarkophag  der  Paulla  Cornelia  Hispalli 
(<'.  n.  1  •_".»!)  zum  Teil  aus  Travertin.  Aus  sullanischer  Zeit  stammen  CIL. 
VI,  1297  Weihung  an  den  Dictator  Sulla  von  den  Vicani  des  Lacus  Fun- 
danus;  n.  1303-1305  Inschriften  des  restaurierten  Fornix  Fabianus;  n.  372-371. 
30920-30929  Weihinschriften  der  lykischen  Gemeinden  nach  dem  mithridati- 
Bchcn  Kriege,  u.  s.  w. 


DER    DORISCHE    TEMPEL    »EI    S.    NICOLA    IN    CARCERE  189 

Delbrück  formuliert  seine  Zeitansätze  am  Schlüsse  seiner  Unter- 
suchung (S.  07)  mit  grosser  Bestimmtheit  folpendermassen:  «  Den 
südlichen  Tempel  liess  vielleicht  in  der  Mitte  des  dritten  Jahr- 
hunderts A.  Atilius  Calatinus  bauen,  der  Griechenland  nie  gesehen 
hatte;  er  nahm  sich  einen  einheimischen  Meister,  der  mit  römi- 
schen Arbeitern  den  Auftrag  ausführte,  in  Stil  und  Technik  nach 
italischer  Art.  Freilich  ist  die  frühe  Datierung  nicht  sicher,  und 
der  Tempel  kann  ein  Geschlecht  später  sein ;  dann  ist  er  aber  von 
ähnlichen  Menschen  in  gleicher  Gesinnung  erbaut » .  Und  auf  dieser 
Datierung  beruht  seiner  Ansicht  nach  zum  grossen  Teil  die 
historische  Bedeutung  der  Tempel:  «  Zwischen  der  Erbauung  des 
tuscanischen  Tempels  und  der  beiden  jonischen  vollzog  sich  die 
grösste  Wandlung,  welche  die  römische  Architektur  je  erfahren  hat, 
derüebergang  aus  dem  etruskischen  in  den  griechischen  Formenkreis, 
in  eine  neue  Aera,  in  die  sie  aus  der  Vergangenheit  nur  weniges 
herübernahm.  Die  historische  Bedeutung  der  drei  Tempel  liegt  eben 
darin,  dass  sie  in  der  kritischen  Zeitspanne  der  römischen  Kul- 
turentwickelung erbaut  sind,  um  die  verhängnisvolle  Wende  des 
dritten  und  zweiten  Jahrhunderts,  und  dass  sich  an  ihren  Formen 
der  für  immer  entscheidende  Wechsel  der  gesamten  Bildung  beob- 
achten lässt,  der  damals  den  Römern  widerfuhr  » . 

Diese  Ansätze  beruhen  hauptsächlich  auf  der  Identifikation  des 
südlichen  Tempels  mit  dem  der  Spes  (den  mittleren  hält  D.  für 
das  Templum  Pietatis,  den  nördlichen  für  das  Templum  Junonis 
Sospitae).  Aber  diese,  durch  sehr  weni  *  methodische  Behandlung  der 
historischen  Zeugnisse  gewonnenen  Benennungen  sind  unhaltbar,  wie 
schon  G.  Wissowa  in  seiner  ausführlichen  Besprechung  des  D.  sehen 
Buches  (Gott.  gel.  Anzeigen  1903  S.  556-563)  gezeigt  hat.  Ich 
kann  mich  in  Rücksicht  auf  Wissowas  Ausführungen,  mit  denen 
ich  in  allem  Wesentlichen  übereinstimme,  kurz  fassen. 

Von  den  vier  Namen  von  Tempeln,  die  am  Forum  holitorium 
ihren  Platz  hatten,  ist  zunächst  auszuschalten  der  der  Pietas, 
weil  dieses  Heiligtum  dem  Bau  des  Marcellustheaters  zum  Opfer 
fiel.  In  dem  nördlichsten  erhaltenen  Tempel  ist  ohne  Zweifel  der 
von  C.  Duilius  zur  Zeit  des  ersten  punischen  Krieges  gegrün- 
dete des  Janus  zu  erkennen :  nur  dieser  kann,  wie  es  in  den  Heme- 
rologien  der  Kaiserzeit  ständig  ist,  ad  theatrum  Marcelli  genannt 
werden.  Nur  durch  Strassenbreite  von  der  SW.  Ecke  des  Theaters 


190  CH-    HUELSEN 

getrennt  erscheint  er  auf  der  severianischen  Forma  Urbis,  deren 
bezügliche  Fragmente  beistehend  (Fig.  9)  zum  ersten  'Male  in  rich- 
tiger Zusammensetzung  publiziert  werden  (').  Als  ältester  zeigt  er 
das  italische  Grundrissschema  mit  dreiseitiger  Peristasis  und  ver- 
längerter Cellarückwand,  welches  ihm  auch  durch  die  Restauration 
unter  Tiberius  nicht   genommen  ist. 


Fig. 


Für  die  beiden  anderen  Tempel,  den  ionischen,  der  unter  allen 
dreien  der  grösste  ist,  und  den  dorischen,  mit  dem  wir  uns   hier 


(M  Das  Fragment  Jord.  118  hatte  Guattani  Mon.  ined.  1816  p.  17  ganz 
richtig  auf  den  nördlichen  und  mittleren  Tempel  bezogen:  Delbrück  vorwirft 
die  Vermutung  aus  unzureichenden  Gründen.  Bestätigt  wird  sie  jetzt  durch  das 
neugefnndene  Stück,  welches  die  Westecke  der  Cavea  zugleich  mit  dem  n<".r.l- 
lichen  Pteron  des  Janustempels  zeigt.  Die  übrigen  Fragmente  der  Cavea 
hatte  man  bisher  unrichtig  auf  das  Mausoleum  Augusti  bezogen.  Die  Zusam- 
mengehörigkeit aller  Stücke  ist,  nach  Arbeit,  Dicke  der  Platten  und  Qualität 
der  .Marmors  zweifellos. 


DRK    DORISCHE    TEMPEL    BEI    S.    NICOLA    IN    CABCERE  191 

beschäftigen,  bleiben  die  Namen  Juno  Sospita  und  Spes  übrig. 
Der  Tempel  der  Juno  Sospita  wird  selten  erwähnt  (')  und  kommt 
in  den  Hemerologien  der  Kaiserzeit  nicht  mehr  vor;  der  Spestempel 
wurde  von  Tiberius  wiederhergestellt  und  die  Hemerologien  ver- 
zeichnen seinen  Gründungstag,  den  1.  August  (')•  Man  würde  also 
an  sicli  geneigt  sein,  den  grösseren  Tempel  für  die  Spes  in  An- 
spruch zu  nehmen;  und  bestätigt  wird  diese  Benennung  m.  Er. 
durch  die  bekannte  Nachricht  bei  Livius  40,  51,  4  (z.  J.  1  79  v.  Chr.) 
M.  Fulvius  locavit...  porticum...  post  Spei  a  Tiberi  od  aedem  {ad 
Tiberim  aedem  die  Hs.)  Äpollinis  Mediä.  Die  Ortsbezeichnung 
wird  erst  recht  verständlich,  wenn  der  Tempel  der  Spes  der  grösstc, 
dem  Tiber  nächste  war.  Demnach  bleibt  für  den  südlichen  Tempel 
der  Name  der  Juno  Sospita  übrig. 

Das  wenige  was  wir  aus  der  Geschichte  dieses  Tempels  wissen, 
stimmt  hierzu:  wurde  er,  wie  Cicero  und  Obsequens  angeben,  in 
der  sullanischen  Zeit  restauriert,  so  ist  es  sehr  verständlich,  wenn 
bei  dieser  Gelegenheit  das  Baumaterial  aus  den  neuerschlossenen 
Brüchen  von  Tivoli  ausgiebig  verwendet  ward. 

(')  Die  Gelobung  und  Weihung  des  Tempels  berichtet  Livius  XXXII, 
30,  10.  XXXIV,  53,3.  Wahrscheinlich  auf  den  römischen,  nicht  den  lanuvi- 
nischen  Tempel  der  Sospita  bezieht  sich  auch  Cicero  de  divin.  1,  2,  4:  me- 
moria nöstra  templum  Iunonis  Sospitae  L.  Julius,  qui  cum  P.  Rutilio  consul 
fuit  (00  v.  Chr.),  de  senatus  sententia  refecit  ex  Caeciliae,  Baliarici  filiae 
somnio-,  ders.  1,  44,  90:  Caeciliae  Q.  filiae  somnio  modo  Manko  b 
templum  est  a  senatu  Iunonis  Sospitae  restitutum.  Ausführlicher  Obsequens 
55  (115):  L.  Iulw  Caesare,  P.  Rutilio  coss.  Metella  Caecilia  somnio  Iwnonem 
Sospitam  profur/ientem,  quod  immunde  sua  templa  foedarentur,  cum  suis 
preeibus  aerjre  revocatam  diceret,  aedem  matronarum  sordidis  obscoenisque 
corporis  conquinatam  ministeriis,  in  qua  etiam  sub  simulacro  deae  cubile 
canis  confetae  erat,  commundatam  supplicationibus  habitis  pristino  splendori 
restituit.  Dagegen  bezieht  sich  Ovid  fast.  2,  55,  falls  der  Dichter  nicht  über- 
haupt eine  Confusion  gemacht  hat,  auf  ein  sonst  unbekanntes  Heiligtum  aut 
dem  Palatin. 

(2)  Hemerol.  Antiat.  Vall.  Arv.  zum  1.  August;  desgleichen  des  neue 
Fragment  aus  Praeneste  Not.  degli  seavi  1897,422.  Alle  vier  Zeugnisse  fehlen 
bei  Delbrück  S.  3  (allerdings  auch  in  meinem  Nomenciator  Topograjihicus). 
Der  bei  Cassius  Min  50,10,3  genannte  vabg  'Ekniäos,  den  eine  Feuersbrunsl 
zusammen  mit  Teilen  des  grossen  Circus  und  dem  Cerestempel  zerstört,  isl 
natürlich  weder  der  der  Spes  vetus  bei  Porta  Maggiore,  noch  das  Templum 
Spei  novum,  welches  die  constantinischen  Regionarier  in  der  7.  Region  auf- 
führen, sondern  eben  der  des  Forum  holitorium. 


192         CH.    HOELSENj    DER    DORISCHE    TEMPEL    BKI    S.    NICOLA    IN    CARCERE 

Die  Reihenfolge  der  vier  Tempel  ist  also: 


197-194  v.  Chr. 


ca.  258 


ca.  260 


181 


J  u  iio  S  »spita 


Sj>es 


Janus 


rictas 


Die  Bebauung  der  Westseite  des  Forum  Holitoriuni  hat  sich  in 
der  Weise  entwickelt,  dass  zuerst,  um  die  Zeit  des  ersten  punischen 
Krieges,  die  beiden  grossen  Tempel  des  Janus  und  der  Spes  be- 
gründet wurden,  dann,  fünfzig  bis  sechzig  Jahre  später,  in  dem 
zwischen  ihnen  und  der  Serviusmauer  verbliebenen  Räume  der 
kleine  Tempel  der  Juno  Sospita,  und  nördlich  von  allen  der  nicht 
mehr  vorhandene  der  Pietas.  Von  der  interessanten  Periode  römi- 
scher Kunstgeschichte,  in  welcher  sich  der  Uebergaug  aus  dem 
ctruskisch-italischen  in  den  hellenistischen  Formenkreis  vollzog, 
können  uns  die  existierenden  Ruinen  kein  Zeugnis  mehr  geben: 
die  der  grösseren  Tempel  nicht,  weil  wir  sie  nur  in  späteren 
Umbauten  haben,  die  des  kleinen  südlichen  nicht,  weil,  als  er  ge- 
gründet wurde,  jener  Uebergang  bereits  vollzogen  war. 

Ch.  Huelsen. 


abgeschlossen  am  30.  November  1906. 


COMITIUM  UND  ROSTRA 


Hülsen  hat  Mitt.  XX,  S.  36  die  kreisbogeuförmig  vom  alten 
Comitiuin  aufsteigenden  Rostra,  die  ich  (Comitium  Rostra  Grab 
des  Romulus  S.  14)  in  der  Ausgrabung  um  den  niger  lapis  und 
vor  der  Caesarischen  Curia  nachgewiesen  hatte,  angenommen.  Auch 
hat  er  durch  eine  Beobachtung,  die  sich  mir  kürzlich  bei  einer  Nach- 
prüfung an  Ort  und  Stelle  bewährte,  eine  Lücke  in  meinem  Nach- 
weise ergänzt.  Denn  rückwärts,  gegen  das  Forum,  wo  ich  keine 
andre  Grenze  jenes  Tribunal  oder  Suggestus  fand  als  dieselbe 
gradlinige,  nur  im  Winkel  gebrochene  alte  Mauer,  die  einen  noch 
älteren  Suggest  gegen  das  Forum  abgestützt  hatte,  erkannte  H.  2 
bis  3  Meter  weiter  gegen  das  Forum  eine  nicht  nur  in  Material 
und  Technik  sondern  auch  in  der  Rundung  gleichartige  Mauer 
(in  seiner  Tafel  II  v  v'  v"),  von  der  allerdings  nur  eine  Steinlage 
noch  erhalten  und  nur  c.  7  m.  lang  freigelegt  ist,  und  zwar  fast 
nur  an  ihrer  Innenseite,  die  natürlich  minder  sorgfältig  bearbeitet  ist. 

Den  weiteren  Zusammenhang  freilich,  in  den  ich  diesen  Rostra- 
bau  brachte,  sucht  H.  mit  seinen  Bemerkungen  zu  durchkreuzen. 
Er  leugnet  S.  33,  l  zunächst,  dass  der  Suggestus  gestuft  sei, 
(obgleich  er,  S.  32  unten,  selbst  von  dem  Stufenrund  spricht).  Seine 
eigene  Abbildung  (S.  33)  jedoch  bestätigt  die  Stufen.  Denn  hier 
sieht  man  über  einem  wenig  vortretenden  Unterlager  eine  erste 
Stufe  von  0,30  m.  Steigung  und  0,59  m.  Auftritt,  sodann  eine 
zweite  von  gleichem  Auftritt,  doch  nur  halber  Höhe  und  den  Be- 
ginn einer  dritten.  Nun  hat  freilich  H.  richtig  gesehen,  dass  zwar 
nicht  auf  der  Horizontalfläche  dieser  zweiten  (wo  nur  Verwitte- 
rung wie  auf  der  ersten  zu  erkennen),  wohl  aber  an  der  Vertikal- 
fläche der  dritten  die  zweite    halbhohe  Stufe  als  erst  später  ein- 

14 


294  E-    PETERSEN 

gehauen  worden  sich  kundgibt.  Ergänzt  man  aber  die  ursprüngli- 
che Höhe  der  zweiten,  so  hat  man  eben  zwei  ganz  genau  gleiche 
Stufen  und  ein  Stück  vom  Unterlager  einer  dritten,  wenn  eine 
solche  sonst  wahrscheinlich  ist.  Ferner  stellt  man  sich  angesichts 
von  H.'s  Durchschnitt  und  Ansicht  auf  Taf.  III  leicht  vor,  wie  die 
zweite,  bezw.  dritte  Stufe  hinterher  aus  irgend  einem  Grunde  halbiert 
und  aus  zweien  drei,  oder  aus  dreien  fünf  gemacht  wurden.  Dass 
es  wirklich  drei  bezw.  fünf  waren  ergibt  sich  daraus,  dass  die 
hinter  dem  Bomulusgrabe  vorzüglich  erhaltene  Plattform  (stu  im 
Plan),  die  jenen  Rostrastufen  gleich  an  Material  und  Technik  ist, 
genau  die  Höhe  jener  drei  Stufen  hat,  wie  ich  a.  a.  0.  behauptet 
hatte,  und  an  H.'s  Durchschnitt  Taf.  III  (D  verglichen  mit  H 
daselbst)  ein  jeder  leicht  abmisst. 

Auch  hier  freilich  sucht  H.  den  von  mir  behaupteten  Zusam- 
menhang zu  zerreissen,  indem  er  die  Rostrastufen  S.  32  als 
zweiten,  die  Plattform  S.  32  als  dritten  Bau  bezeichnet  und 
jene  als  aus  grossen  braunen  Tuffquadern  bestehend  beschreibt, 
von  deren  Bearbeitung  er  schweigt,  diese  als  aus  sehr  exakt  ge- 
schnittenen und  gefügten  Quadern  aus  grauem  und  braunem  Tuff 
bestehend.  Und  doch  ist,  wie  wir  alsbald  bestätigt  sehen  werden, 
nicht  nur  das  Material  und  die  Technik  sondern  auch  der  Erhal- 
tungszustand, wo  nicht  gewaltsame  Hand  eingriff,  an  beiden  Teilen 

gleich. 

Auch  die  Beziehung  dieses  gerundeten  Suggest  zu  einem  äl- 
teren gradlinigen,  der  ebenfalls  in  Stufen  über  dem  Comitium  sich 
erhob  und  später,  wie  ich  ausgeführt  hatte,  von  dem  höher  ge- 
legenen neueren  ersetzt  worden  wäre,  sucht  H.  zu  beseitigen.  Denn 
er  sagt  kein  Wort  darüber,  dass  der  gerundete  über  dem  graden 
liegt  (wie  doch  sein  Plan  erkennen  lässt),  und  bestreitet  auch  die 
Zusammengehörigkeit  der  beiden  Teile  des  gradlinigen  Suggest, 
d.  h.  der  Stufen  am  Comitium  (a-d  im  Plan)  und  der  Stützmauer 
am  Forum  (e-i).  Doch  sind  seine  Einwendungen  unzutreffend,  und 
es  ist  einfach  unmöglich  in  dem  geringen  Zwischenraum  von  reich- 
lich 3  Metern  zu  den  Stufen  noch  einen  andern  Suggest  und  zu 
der  Stützmauer  ein  andres  Vorderteil  zu  ergänzen.  Dass  der  tiefer- 
gelegene gradstufige  Suggest  (rot  im  Plan)  durch  den  höherge- 
legten rundstufigen  (gelb  im  Plan)  ersetzt  wurde,  erhellt  ja  auch 
nur  um  so  mehr,  wenn  man  zu  diesem  zweiten  die  von  H.  nach- 


C0M1TIUM    UND    ROSTRA  195 

gewiesene  runde  Mauer  zieht;  denn  nun  greift  der  jüngere  nach 
beiden  Seiten  über  den  älteren  hinaus,  und  dieser  ist  jenem  völlig 
einverleibt. 

Meine  Darlegungen,  die  ich  hiermit  gegen  H.  aufrechterhalte, 
wurden  inzwischen  aber  auch  von  andrer  Seite  her  bestätigt  in 
einer  Studie  ü  comizio  nella  elä  repubblicana  ed  i  suoi  monu- 
menli,  die  Giov.  Pinza  in  den  Annali  della  Sociela  degli  Inge- 
gneri  ed  Architetti  Itallani  1905,  2  veröffentlichte.  So  sehr  dieser 
ungemein  rührige,  auch  im  Technischen  nicht  unerfahrene  Forscher 
hier  seinen  eigenen  Weg  zu  gehen  bemüht  ist,  so  geht  er  doch 
grossenteils  den  meinigen ;  und  so  sehr  er  in  der  Ergänzung  des 
unvollständig  erhaltenen  oder  des  noch  nicht  ausgegrabenen  und 
in  der  zeitlichen  Bestimmung  der  verschiedenen  Perioden  von  mir 
abweicht,  so  sehr  stimmt  er  doch  in  der  Auffassung  der  vorhan- 
denen Reste  mit  mir  überein.  Was  Studniczka  (I  Wiener  Jahres- 
hefte 1903  S.  129,  II  1904  S.  239)  zuerst  ernstlich  in  Angriff 
nahm,  führt  Pinza,  so  weit  es  mit  Bonis  stratigrafia  möglich  ist, 
zu  Ende,  indem  er  in  den  fünf  Durchschnitten  Bonis  (IX-XIII) 
durchgehende  Bodenflächen  mit  autliegenden  Massen,  je  eine  Periode 
darstellend  nachweist.  Lässt  man  von  diesen  die  praehistorische  A 
(gleich  Bonis  Schicht  1  und  2),  die  mir  gänzlich  aus  dem  Spiele 
blieb,  bei  seite,  so  sind  diese  Perioden  —  von  der  zeitlichen  Be- 
stimmung abgesehen  —  keine  andern  als  die  auch  ich  unterschied : 
B  (Schicht  3),  deren  einziger  in  situ  befindlicher  Rest,  der 
Inschriftcippus  mit  seioem  Unterbau,  nicht  recht  genügend  ist,  um 
einen  Suggestus  dazu  zu  ergänzen;  C  (4-6)  mein  Comitium  mit 
gradstufigem  Tribunal;  D  (7-9)  das  mit  dem  rundstufigen  und 
dem  Grabe  des  Romulus;  E  (10-12)  die  Sullanische,  F  (13-15) 
die  Caesarische  Regulierung.  Schon  ein  vergleichender  Blick  auf 
Pinzas  Grundriss  (seiner  Taf.  1)  und  den  meinigen  (CRGdR.  S.  10), 
den  Pinza  auf  S.  7  wiedergegeben  hat,  lässt  erkennen,  dass  Pinza 
den  östlichen  Teil  des  Comitium  bis  etwas  über  das  Grab  hinaus, 
d.  h.  soweit  es  bis  jetzt  in  Resten  kenntlich  wurde,  fast  ganz  so 
zeichnet  und  deutet  wie  ich.  So  betont  er  auch  im  Text  nament- 
lich, dass  die  Suggeste  sich  einer  über  den  andern  legen,  jeder 
spätere  (denn  er  zählt  drei:  BCD)  den  vorhergehenden  möglichst 
an  gleicher  Stelle  ersetzend;  und  die  uns  vorliegenden  Reste  des 
Romulusgrabes  gehören  auch  nach  Pinza  zum  Comitium  D. 


iQß  R.   PETERSEN 

Pinza  hat  mm  aber  den  Mut  gehabt,  unbeirrt  durch  Orien- 
tiernngstfaeorien,  die  alten  Stufen,  die  vor  der  späteren  Curia  auf 
dem  Boden  C  sichtbar  gworden  sind  (l  in  H.'s  Plan)  als  die  Stufen 
vor  der  Curia  Hostilia  zu  verstehen  (was  vor  ihm  schon  Boni  ver- 
mutet und  bestimmter  Studniczka  I  135  und  152  ausgesprochen 
und  begründet  hatte)  und  zwar  die  drei  unteren  zur  Curia  C,  die 
oberste,  deren  Verschiedenheit  von  den  andern  mir  nicht  entgan- 
gen war,  zur  Curia  D.  Ich  hatte  S.  38  wohl  anerkannt,  dass  sich 
aus  Dios  (XLIV  17,  8)  Angabe:  Caesar,  der  die  Sullauische  Curia 
abgebrochen  hatte,  habe  Auftrag  erhalten  die  Hostilia  wiederauf- 
zubauen, allerdings  ergebe,  dass  nicht  Caesar  sondern  Sulla  vom 
Alten  abgewichen,  Caesar  dagegen  zum  Ursprünglichen  zurückge- 
kehrt sei.  Weil  aber  der  alte  Suggest  C  so  genau  ostwestlich  orien- 
tiert ist,  hatte  ich  auch  die  Curiafront  ihm  parallel  gedacht,  und 
da  die  mit  andern  zum  Sullanischen  Neubau  gezogenen  Travertin- 
platten  (bei  k  in  H.'s  Plan)  von  jener  Orientierung  nur  wenig 
abweichen,  glaubte  ich,  bis  zu  Caesar  sei  die  Front  der  Curia  im 
Wesentlichen  dieselbe  geblieben.  Und  doch  war  nicht  zu  verkennen, 
dass  grade  so  wie  in  der  Ueberlieferung  Sulla  als  der  Neuerer  — 
auf  sie  bezieht  sich  ja  auch  Cicero  de  flu.  VI  —  Caesar  als 
Wiederhersteller  des  Alten  erscheint,  auch  die  Sullanischen  Tra- 
vertinplatten  mit  ihrer  abweichenden  Richtung  zwischen  den  gleich- 
gerichteten Stufen  und  Platten  der  älteren  Perioden  C  D  und  der 
letzten  F  liegen.  Jene  alten  Stufen  (bei  /  im  Plan),  die  ich  zur 
Curia  zu  ziehn  mich  scheute,  lassen  sich  schlechterdings  nicht  an- 
ders verstehen  als  Pinza  sie  versteht. 

Wie  war  denn  nun  das  Verhältniss  der  Rostra  zur  Curia?  In 
seiner  früheren  Konstruktion  des  Comitium,  oben  1893  S.  79  ff., 
entworfen,  als  noch  kein  Stück  weder  vom  Comitium  noch  von  Curia 
und  Rostra  republikanischer  Zeit  sichtbar  war,  legte  H.  zwischen 
die  Curia  im  Norden  und  die  Rostra  im  Süden,  beide  als  Recht- 
ecke gedacht  und  gezeichnet,  einen  Zwischenraum  von  30  Metern. 
Das  fand  ich  Anm.  44  in  Widerspruch  mit  dem  Zeugniss  des  Asco- 
ii iib.  Milon.  34,  wonach  die  alten  Rostra  prope  iuncta  curiae 
waren.  Diese  Worte,  unbegreiflich,  wenn  man  Curia  und  Rostra  als 
zwei  Rechtecke  mit  parallelen  Fronten  einander  gegenüberliegend 
denkt,  ebenso  wie  die  von  Plinius  n.  h.  XXXIV  26  uns  erhaltene 
Nachricht  von  den  comua  comilii,  und  darauf  aufgestellten  Statuen, 


C0M1TIUM    LM)    ROSTKA  197 

werden  plötzlich  verständlich  und  lichtvoll,  sowie  man  dies    Stu- 
fenrund,  das  auch  nach  H.  ja  die   Bostra   sind,    ins   Auge    fasst, 
und  diese  auch  da,  wo  das  Cömitium  noch  nicht  ausgegraben  ist, 
den  locus  inferior  des  Cömitium  (vgl.  CRGdR.  S.  23)  umkreisend 
denkt,  wie  die  Orchestra  von  den  Stufen  des    Theaters    umkreist 
wird.  Auch  dies  will  H.  nicht  gelten  lassen.  Die  weitere  Ausdeh- 
nung des   Bostrakreisbogens   über   die  aufgedeckten  Keste   hinaus 
findet  er  unstatthaft,  und  meine  Auffassung  der  Zeugnisse  des  Asco- 
nius,  des  Plinins,  von  Varro  und  Cicero  pro  Flacco  57  und  meine 
Kritik  der   seinigen    weist  er  ab.  Ausführlich    ergeht  er  sich  nur 
über  die  wenigst   belangvollen  Worte   Ciceros:   speculatur  atque 
obsidet  curia  roslra,  um  deren  ausdrucksvolle  Anschaulichkeit  zu 
dem  wenigstens  topographisch  nicht  anschaulichen  :  '  der  Senat  sieht 
den  Volksrednern  auf  die  Finger'   zu   verflüchtigen.    Ausweichend 
dagegen  äussert  sich  H.  über  die,  namentlich  mit  jener  Plinius- 
stelle    verbunden,    belangvollste    Stelle    des    Asconius:  'was  sich 
gegen  P.'s   Interpretation   von   Asconius   Milon.    34,    argum.    15, 
Varro  1.  1.  V  155  sagen  lässt,  werden  sachkundige  deutsche  Leser 
selbst  finden  '.  Was  das  sein  sollte  ist  mir  den  ganz  unzweideuti- 
gen  Worten  des  Asconius  gegenüber  unerfindlich.  In  Varros  ante 
haue  (sc.  Cariam)  rostra,  quoins  id  vocabuhm,  ex  hostibus  capta 
ßxa  sunt  rostra.  sub  dextra  huius  a  comitio   locus   substruetus 
u.s.  w.  werden  'sachkundige  Leser',  auch  'deutsche',  die  Worte 
a  comitio  gewiss  nicht  mit  sub  dextra  huius  verbinden,  um  'rechts 
vom  Cömitium  aus  gesehen'  zu  verstehen,  sondern,  wie  z.  B.  auch 
Detlefsen  in  seinem  '  klassischen '  Aufsatz,  mit  substruetus.  Solche 
Leser  haben  es  auch  immer  schwierig  befunden  cuius  und   huius 
in  dem  Text,  wie  er  überliefert  ist  und  von  H.  citiert  war,    auf 
rostra  zu  beziehen.  Schiebt  man  mit  K.  0.  Müller  nach    quoius 
loci  (und  nach  vocabulum  qitod)  ein,  so  ist  die  Beziehung  natür- 
lich möglich  und  vielleicht  richtiger  als  huius  ohne  loci  auf  curia 
zu  beziehen,  anaphorisch  wie  etwa  V   41  und   58.    So   hatte   ich 
gemeint,  weil  doch  sowohl  für  die  Lage  der  Rostra  wie  der  Grae- 
costasis  die  Curie  maassgebend  gewesen  war.  Für  die  Sache  ist  es 
freilich  einerlei,  ob  wir  sub  dextra  'zur  Rechten'   der  Curia  (d. 
h.  vor,  nicht  neben  ihr,  wo  die  Basilica  Porcia  lag)  oder  rechts 
von  den  Rostra  (für  den  vom  Cömitium    Schauenden)    verstehen: 
wir  wissen  ja  anderswoher  dass  die  Graecostasis  westlich  lag.  Aber 


19S  E.    PETERSEN 

freilich,  wenn  diese  sub  dextra  der  Kostra  lag,  dann  konnten  die 
Rostra  nicht  schon  östlich  vorn  Romulusgrabe  ihr  Ende  haben, 
weil  dann  dieses,  nicht  jene  an  der  bezeichneten  Stelle  lag. 

Auch  was  H.  jetzt  (S.  38,  2)  über  die  cornua  ausfuhrt  ver- 
kehrt die  Sache.  Nicht  darauf  kommt  es  an,  ob  auch  solche 
viereckige  Zipfel  des  Comitium,  wie  sie  Detlefsens  und  Hülsens 
schematischer  Grundriss  neben  der  Curia  (an  einer  Stelle  wo  nach- 
weislich kein  freier  Raum  war)  voraussetzten,  cornua  ge- 
nannt sein  könnten,  sondern  vielmehr  darauf,  ob  es  richtig  ist,  die 
Pliuianischen  cornua  in  etwas  ungewöhnlichem  Sinne  verstanden 
auf  etwas  das  garnicht  gegeben  ist  und  der  Basilica  Porcia  wegen 
kaum  existieren  konnte  zu  beziehen,  oder  in  durchaus  gewöhnlicher 
Bedeutung  auf  etwas  das  in  der  Ausgrabung  wirklich  zutage  kam? 
Ganz  überflüssig  war  es  darauf  hinzuweisen  dass  gelegentlich  die 
Enden  einer  Rolle  oder  eines  Rollenstabes  cornua  genannt  werden. 
Hier  ist  das  tertium  comparationis  freilich  ein  andres  als  bei  den 
cornua  eines  Theaters  oder  des  Sigraaförmigen  Lagers  um  den 
runden  Speisetisch;  wiederum  ein  andres  beiden  'Hörnern'  eines 
zur  Schlacht  aufgestellten  Heeres;  immer  jedoch  sind  es  konkrete, 
so  zu  sagen  vorstossende  Dinge,  die  so  angeschaut  und  genannt 
werdeu.  Die  willkürlich  vorausgesetzten  Zipfel  eines  Platzes, 
selbst  wenn  sie,  wie  H.  jetzt  weiter  vorauszusetzten  beliebt,  gegen 
Norden  etwas  anstiegen,  hätten  doch  nur  dann  so  angeschaut 
werden  können,  wenn  sie  sich  auch  über  ihre  Umgebung  erhoben, 
wovon  grade  das  Gegenteil  der  Fall  war.  Das  cornu  einer  Portikus 
der  Tusci-Villa  des  Plinius  ep.  V  6,  23  endlich  bestätigt,  richtig 
verstanden,  das  Avas  ich  eben  sagte,  ergäbe  zu  H.'s  Vorstellung 
jedesfalls  auch  dann  keine  Analogon,  wenn  es  richtig  wäre,  dass  diese 
Halle  'nach  dem  ganzen  Zusammenhang  nur  gradlinig  gedacht 
werden  kann '.  Doch  ist  es  leider  nicht  richtig,  was  hier  dargetan 
werden  darf.  Die  Halle  sah  nach  Süden,  und  von  ihrem  einen  Ende 
caput  — ,  wir  nehmen  mit  Winnefeld  in  seiner  sehr  durchdachten 
Erläuterung  (Jahrbuch  1891)  an,  dass  es  das  rechte  war  — ,  sprang 
ein  Speisezimmer  vor  iriclinium  excurrit;  an  dem  audern,  das 
nun  eben  cornu  genannt  wird,  lag  ein  Schlafzimmer;  doch  von 
diesem  heisst  es  occurrit  triclinio.  Die  in  beiden  Verba  ausge- 
sprochene Richtung  war  also  eine  verschiedene.  Wie  ist  das  mög- 
lich, wenn  beide  Zimmer  von  der  Halle    nach    Süden   vortraten? 


COMITIUM    IIiND    UOSTRA  199 

Bei  dem  Text,  den  die  schlechteren  Handschriften  geben,  dem 
Winnefeld  S.  207,  12  ausdrücklich  den  Vorzug  gibt,  wie  Keil 
und  Müller  in  den  kleinen  Ausgaben,  ist  es  unmöglich.  Danach 
hätte  Plinius  die  Halle,  wo  sie  zuerst  erwähnt  wird,  latam  et  pro 
modo  longam  genannt.  Erregt  dies  schon  an  sich  Bedenken,  weil 
es  bei  Hallen  keine  Norm  (modus)  für  das  Verhältniss  von  Länge 
und  Breite  gab  —  und  das  war  wohl  der  Grund  weshalb  Keil  in  der 
grossen  Ausgabe  villae  vor  longam  einschob  —  so  muss  weiter 
eben  auch  das  eine  cornu  einer  solchen  Halle  stutzig  machen. 
Alles  klärt  sich,  sobald  man  statt  pro  modo  longam  das  promi- 
nulam  der  besten  Handschrift  einsetzt:  prominula  war  die  Plini- 
anische  Portikus  am  linken,  wie  die  der  Basilica  Aemilia  am  rech- 
ten Ende.  In  cornu,  d.  h.  an  der  nach  Süden  gehenden,  Umbie- 
gung  des  westlichen  Hallenendes  hing  wieder  das  nach  Osten 
gerichtele  cubiculum.  Das  Schema  war  also  nicht  sondern 

|_  |.  Genug,  was  unter  den  cornua  comitii  zu  verstehen  ist 

kann,  seitdem  das  Stufenrund  der  Eostra  am  Comitium  zutage 
kam,  füglich  nicht  zweifelhaft  sein.  Weil  darauf  die  von  Plinius 
genannten  Statuen  standen,  werden  wir,  obgleich  sowohl  der  Ge- 
brauch von  '  cornua '  wie  von  '  comitium '  beides  gestattet  (vgl. 
CRGdR.  S.  17)  doch  besser  die  Erhöhung  des  Suggestus  als  das 
Planum  des  inferior  locus  (vgl.  a.  a.  0,  23)  verstehen. 

Von  diesen  Cornua  nun  sehen  wir  eines,  im  Unterteil  erhalten, 
ganz  wie  ein  Theatev-cornu  an  der  Parodos  abgeschnitten,  in  etwa 
5  Meter  Abstand  der  zur  Hostilia-Julia  Curia  gehörigen  Stufen- 
flucht (l  im  Plan)  gegenüberliegen :  das  ist  im  wörtlichsten  Ver- 
stände was  Asconius  sagt  rostra  prope  iuncla  curiae.  Obgleich 
nun  mit  solcher  Annäherung  eines  der  beiden  cornua  dem  Wort- 
sinne genügt  sein  könnte,  wird  es  doch,  sofern  nicht  andres  im 
Wege  steht,  das  Nächstliegende  sein,  der  Forderung  architekto- 
nischer Symmetrie  Gehör  zu  geben,  und  auch  das  andre,  in  ent- 
sprechender Weise  geschmückte  cornu  gleichermaassen  der  an- 
dern 'Parodos'  der  Curia  gegenüberliegend  zu  denken.  Gewissheit 
können  hierüber  nur  Spaten  und  Hacke  bringen,  wenn  Boni  sich 
entschliesst  das  nur  Angefangene  fortzusetzen. 

Schon  jetzt  aber  müssen  wir  sagen  (vgl.  CRGdR  S.  IG),  dass 
es  keinen  rechten  Sinn  hätte,  an  Stelle  des  graden  Tribunal  die 
schwierigere  Rundform  zu  setzen,  wenn  man  sich  auf  einen  so  klei- 


200  K.    PETERSEN 

uen  Kreisbogen  beschränken  wollte :  zu  aesthetischer  Wirkung  kam 
ein  solcher  erst  bei  grösserer  Ausdehnung.  Dass  dafür  auch  die 
oben  besprochene  Varrostelle  eintritt,  grade,  wenn  man  sie  mit 
H.  erklärt,  ward  schon  gesagt.  Denn,  wenn  rechts,  nahe  (sub)  den 
Rostra  die  Graecostasis  lag,  müssen  die  Rostra  sich  bis  in  die  Nähe 
der  Severusbogens  und  des  Volcanal,  wo  jene  lag,  erstreckt  haben. 

Uebrigens  ist  durch  die  Ausgrabung  doch  auch  soviel  bereits 
erwiesen,  dass  die  Plattform  der  Rostra  D  nicht  vor  der  Nische 
mit  dem  Grabe  und  dem  Cippus  endete,  sondern  um  dieses  her- 
umreichte, folglich,  eben  jener  Unterbrechung  wegen,  um  so  ge- 
wisser jenseits  sich  weiter  erstreckt  haben  muss.  Es  war  ein  un- 
richtiges Bestreben,  dass  ich  früher  (S.  18)  das  Grab  in  die  Mit- 
tellinie der  Rostra  zu  bringen  suchte ;  dass  aber  der  uns  vorliegende 
Grabbau  zu  den  runden  Rostra  D  gehört  und  zu  ihnen  normal 
liegt  erkennt  auch  Pinzas  Text  und  Tafel  an.  Wenn  das  Königs- 
grab  nicht  in  der  Mitte  der  Rostra  liegt,  wohin  es  doch  gehörte, 
so  ist  das  nur  ein  weiterer  Beweis  dafür  dass  das  'Grab'  selbst 
älter  ist  als  das  Comitium  D. 

Das  letzte  Argument,  das  H.  bleibt,  ist  der  Protest  gegen  die 
Kleinheit  des  Comitium.  Was  hilft  das  aber,  wenn  den  auch  von 
ihm  anerkannten  Rostra  so  nahe  gegenüber,  prope  iuncta  die 
Stufen  liegen  die  nur  der  Hostilia  gehören  können?  Nur  nach 
einer  Seite  hin,  nach  Nordwesten  gibt  das  noch  nicht  durchforschte 
Comitiumsgebiet  der  Phantasie  etwas  Spielraum,  das  republika- 
nische Comitium  zu  erweitern,  und  eben  da  tut  das  Pinza  mit  einer 
Ergänzung  der  Rostra,  die  das  Ueberlieferte  geschickt  benützt,  aber 
auch  mehrfachen  Anstoss  gibt. 

Die  Plattform  hinter  dem  Grabe  bildet  mit  ihrer  bestimmt 
angezeigten  Umgrenzung,  einer  niedrigen  Schwelle,  an  der  Sud-, 
West-,  und  Nordseite  (die  letzte  in  H.s  Plan  nicht  angegeben, 
obwohl  sie,  wie  bei  Pinza,  schon  in  meiner  Grundrissskizze  (bei 
b2)  eingetragen  war,  ein  Trapez,  das  hinter  den  Rostra,  wie  ich  sie 
skizziert  hatte,  ausspringend,  allerdings  befremdlich  aussieht.  Um 
so  ansprechender  ist  Pinzas  Vorschlag,  diese  Schwierigkeit  zu  lö- 
sen, indem  er  die  Schwelle  an  der  Westseite  des  Trapezes  grade 
weiter  gehen  lässt,  als  hinteren  Abschluss  der  an  seine  Nordseite 
gelegten  grossen  rechteckigen  Tribima  degli  oratori.  Diese  dehnt 
er  soweit  aus,  dass  das  zum  erhaltenen  Ostcornu  symmetrisch  er- 


COMITIUM    UND   ROSTRA  201 

gänzte  westliche  dem  andern  Ende  der  Curiafront  ebenso  gegen- 
überliegt, wie  jenes  dem  östlichen.  Unter  der  Voraussetzung  ferner, 
dass  so  wie  das  Osteom u  ü  über  dem  graden  Suggest  C  liegt, 
auch  den  übrigen  Teilen  des  ganzen  von  ihm  ergänzten  Rostrabaus 
schon  ähnliche  von  C  und  gar  von  B  entsprochen  hätten,  gibt  P. 
auch  diesen  älteren  Suggesten  schon  ein  Mittelstück  mit  vortre- 
tenden corma,  nur  gradlinigen  statt  gerundeten,  alles  von  gleichem 
Längen  -  aber  geringerem  Breitenmaass. 

Haben  diese  älteren  solchergestalt  ergänzten  Tribunale  in  den 
Resten  noch  keinen  speciellen  Anhalt,  so  findet  das  letzte,  D  mit 
den  gerundeten  cornua  einen  solchen,  wie  gesagt  wenigstens  an 
der  Gestalt  jener  Plattform.  Eben  hier  erhebt  sich  indessen  auch 
der  erste  Anstoss :  die  Schwelle,  welche  einst  allem  Anschein  nach 
an  allen  drei  genannten  Seiten  herumging,  bekommt  in  Pinzas 
Projekt  an  der  Nordseite  eine  ganz  andre  Bedeutung  als  an  den 
beiden  andern:  hier  niedre  Schranke,  soll  sie  dort  eine  Stufe  zur 
Besteigung  der  Tribuna  sein. 

Schwerer  wiegt  ein  zweites  Bedenken:  auf  Pinzas  'Redner- 
bühne',  die  ihm  die  Rostra  ist,  passt,  was  auch  immer  er  S.  54 
sagen  mag,  nicht  wohl  was  Varro  von  dem  Grabe  bezeugt  hatte, 
dass  es  in  oder  pro  rostris  oder  post  rostra  gelegen  habe. 

Noch  unverträglicher  mit  Pinzas  Hypothese  ist  die  bis  ins 
dritte  Jahrhundert  v.  C.  hinaufgehende  Ueberlieferung  bei  Plinius 
n.  h.,  VII  212,  wonach  der  Accensus  der  Consuln  Mittag  und  Abend 
von  der  Curia  aus  abzurufen  pflegte,  Mittag  sobald  die  Sonne 
in  der  Zwischenraum  zwischen  Rostra  und  Graecostasis  eingetreten 
war.  Ein  Blick  auf  Pinzas  Tafel  III  zeigt,  dass  man  auch  von  dem 
westlichsten  Punkt  der  Caesarischen  Curia,  die  doch  sicherlich 
nicht  kleiner  war  als  die  Curia  zur  Zeit  der  punischen  Kriege, 
die  Sonne  Mittags  nicht  neben,  sondern  noch  über  seinen  Rostra 
sah.  So  hat  denn  Pinza  dies  Zeugniss,  soweit  es  die  Rostra  betrifft, 
S.  56  verschwiegen,  und  den  Rest,  der  den  Abend  nach  dem  Son- 
nenstande zu  andern  Denkmälern  des  Forums  bestimmt,  dadurch 
sinnlos  gemacht,  dass  er  die  suprema  für  den  Mittag  statt  für  den 
Abend  erklärt.  Auf  solche  Weise  jedoch  lässt  sich  dies  wertvolle 
Zeugniss  nicht  diskreditieren. 

Feststehen  nach  allem  die  Tatsachen,  dass  am  Comitium  zuerst, 
für  unser  Wissen,  auf  erhöhtem  Platze  der  Inschriftcippus  errichtet 


202  E.    PETERSEN 

wurde;  dass  später  gleichzeitig  eine  (neue)  Curia  über  den  Stufen 
l  erbaut  wurde  und  schräg  gegenüber  —  ob  auch  grade  vor  ist 
zweifelhaft  —  das  gradgestufte  Tribunal;  dass  danach  abermals 
der  Boden  des  Comitiums  erhöht  wurde,  ebenso  das  Tribunal,  das 
jetzt,  das  neu  hergerichtete  Grab  einschliessend  und  das  Comitium 
umfassend,  seine  Arme,  oder  wie  der  Römer  sagt  cornua  bis  nah  an 
die  auf  erhöhten  Stufen  neugebaute  Curia  vorstreckt.  Und  so  viel  ist 
gewiss,  dass  wir  für  die  Glanzzeit  der  römischen  Republik  nur  die 
Wahl  haben  zwischen  den  Comitien  C  und  D.  Denn  dies  letzte 
dauerte  bis  zur  Regulierung  des  Faustus  Sulla,  der  die  Caesarische 
innerhalb  eines  Decenniums  folgte.  Aber  während  ich  D  bereits 
zur  Zeit  des  Galliersturmes  existierend  dachte,  wäre  nach  Pinza 
schon  C  nachgallisch.  Ja,  in  seiner  Neigung  das  Alter  aller  Pe- 
rioden herabzudrücken  steht  er  nicht  an,  den  Inschriftcippus,  den 
Mommsen  nach  reiflicher  Ueberlegung  der  Königszeit  zuschrieb,  in 
die  Mitte  des  5.  Jahrhunderts  herabzusetzen  und  vermisst  sich  gar, 
.mittels  einer  Behandlung  der  Schriftzeugnisse,  die  den  Praehisto- 
riker  verrät,  fast  aufs  Jahr  sein  Alter  zu  bestimmen.  Ebenso  ge- 
wagt ist  es  die  gerundeten  Rostra  mitsamt  dem  Grabe  erst  in 
Pompeius'  Tagen  erbaut  sein  zu  lassen.  Denn  wie  hätte  Varro,  fin- 
den doch  des  Grab  das  ursprüngliche,  nicht  ein  renoviertes  ist,  von 
einem  Grabe  des  Romulus  sprechen  können,  wenn  dies  erst  in  seinen 
Tagen  erbaut  wurde;  wie  den  Gebrauch  der  laudationes  funebres, 
den  uns  Polybius  um  200  v.  C.  schildert,  von  diesem  Grabe  her- 
leiten? Hatten  doch  die  Statuen  des  Pythagoras  und  des  Alcibiades, 
die  erst  der  Sullanischen  Regulierung  weichen  mussten,  nach  Pli- 
nius  a.  a.  0.  seit  etwa  300  v.  C.  auf  den  cornua  gestanden. 

Pinzas  Hauptbeweis  sind  die  Spuren  von  Feuersbrünsten,  durch 
welche  sowohl  Curia  und  Comitium  von  B  wie  von  D  betroffen 
wären,  und  die  er  mit  den  zwei  überlieferten  Bränden  beim  Gal- 
liersturm und  dem  Tode  des  Clodius  identificiert.  Ferner  operiert 
er,  immer  mit  gleicher  Zuversichtlichkeit,  mit  den  Vasenscherben, 
die  in  den  verschiedenen  Schichten  gefunden  wurden.  Ohne  auf 
Einzelnes  einzugehn,  muss  ich  einige  allgemeinere  Bedenken  er- 
heben. Erstens  ist  es  fraglich,  ob  die  Gattungen  von  Vasen,  deren 
Scherben  inbetracht  kommen,  wirklich  innerhalb  so  niedriger  Zeit- 
grenzen eingeschlossen  sind,  wie  z.  B.  der  bucchero  greve  vom  5. 
bis  :;.  Jahrhundert.  Sodann  ist  der  Grundsatz,  eine  Schicht  nach 


COMITIUM    UND    ROSTRA  203 

den  jüngsten  in  ihr  gefundenen  Stücken  zu  datieren,  selbstvertänd- 
lich  richtig;  sobald  jedoch  vereinzelte  Stücke  viel  jüngeren  Datums 
gegen  eine  Menge  älterer  stehen,  ist  doch  die  Frage  der  l  iafil- 
trazione  \  d.  h.  späteren  Eindringens  solcher  Einzelstücke  in  eine 
ältere  Schicht  ernstlicher  zu  erwägen  als  es  von  Pinza  geschehen 
ist.  Die  wichtigsten  Durchschnitte  IX  und  X  sind  die  Ergebnisse 
von  Boni's  esplorazioni  bei  zweien  der  posti,  Schachten,  die  ein- 
gestandenermaassen  in  Caesarischer  Zeit  durch  die  älteren  Schich- 
ten hinab  getrieben  wurden.  Ihnen  entstammt  die  einzelne  Buc- 
cheroscherbe  die  gegen  das  Votum  der  'rhodischen'  Vasen  das  Co- 
mitium  B  herabdrückt;  ihnen  die  einzelne  Scherbe  '  etruskisch- 
campanischer'  Gattung,  mit  um  deren  willen  C  ins  vierte  Jahr- 
hundert gesetzt  wird,  während  die  zahlreichen  Scherben  der- 
selben Gattung,  die  auf  dem  Boden  von  D  lagen,  vielmehr  dieses 
so  hoch  hinauf  zu  setzen  empfehlen. 

Doch  das  schwerwiegendste  Argument  bleiben,  namentlich 
nach  der  eingehenden  Behandlung  Studniczkas  I  145,  die  Dach- 
ziegel und  Brandreste  der  B  -  Periode,  die  ja  Boni  Hülsen  und  an- 
dre dem  Gallierbrande  zuschrieben.  Studniczka  war  sich  dabei  al- 
lerdings der  Gegeninstanzen  gegen  so  späte  Datierung  von  B,  na- 
mentlich des  archaischen  Charakters  des  Gemäuers  am  Susrsrest  C 
und  der  rhodischen  Scherben,  wohl  bewusst,  und  in  sorgfältiger 
Prüfung  das  Alter  von  D,  d.  h.  des  Grabes  aus  den  tektonischen 
Formen  ermittelnd,  kam  er  für  dieses  wenigstens  zu  einem  weit 
höheren  Ansatz  als  Pinza.  Solange  wir  indes  nicht  in  der  Lage  sind, 
die  Technik  und  Formen  des  Grabes  mit  Sicherheit  genauer  zu 
bestimmen,  und  auch  die  Ausgrabung  nicht  zwingendere  Beweise 
liefert,  gilt  es  m.  E.  Schwierigkeiten,  die  der  früheren  wie  der 
späteren  Datierung  von  C  und  D  im  Wege  stehen,  gegeneinander 
abzuwägen.  Ist  es  denn  unmöglich,  den  Brand  von  B  älter  als  den 
Galliersturm  zu  denken,  ihn  als  ein  so  zu  sagen  gewöhnliches  Er- 
eigniss  anzusehn,  von  dem  uns  keine  Nachricht  blieb?  Mir  scheint 
so  etwas  anzunehmen  weit  leichter  als  vom  Standpunkte  Studniczkas 
und  Pinzas  der  andern  Frage  zu  begegnen :  wie  ist  der  Zustand 
zu  erklären,  in  dem  das  Romulusgrab  zutage  kam,  da  doch  nie- 
mand zweifelt,  dass  es  so  gefunden  wurde,  wie  es  durch  Sulla  oder 
Caesar  unter  die  Erde  kam:  nicht  allein  die  Löwen  verschwunden, 
sondern  auch  ihre  Basen  zertrümmert,  z.  T.  ebenfalls  verschwun- 


204  E.    PETERSEN 

den,  z.  T.  verschoben?  Dass  Studniczkas  Erklärung  (I  150)  durch 
ein  Tiberhochwasser  unmöglich  ist  liegt  auf  der  Hand.  Pinza 
meint  S.  42,  dass  der  Sullanischen  Aut'höhung  und  der  Eindeckung 
des  Grabes  die  Plünderung,  spogliazione  aller  monumentalen  Teile 
und  die  Beschädigung,  scannezzamento,  die  man  heute  an  jenen 
Denkmälern  beklage,  habe  vorausgehen  müssen.  Eine  Erklärung 
die  keine  ist  und  sowenig  einer  Kritik  bedarf  wie  die  Weiterbil- 
dung von  Studniczkas  (S.  132)  haltloser  Vermutung,  dass  einer 
der  beiden  Löwen  vor  der  Verschüttung  des  Grabes  aufgehoben 
und  konserviert  worden  sei.  Und  wollte  man  auch  diesen  Phan- 
tasien Kaum  geben,  so  wäre  der  Zustand  des  Grabes  damit  ja 
doch  nicht  erklärt:  das  kahle  Fundament  das  hinter  dem  Grabe 
liegt,  sieht  so  aus,  als  wäre  sein  Aufbau  reinlich  abgenommen 
um  ihn  anderswo  wiederaufzurichten;  die  Basen  sehen  nicht  so 
aus.  Wer  die  Pietät  besass,  die  Stätte  wo  in  der  Tiefe  das  Kö- 
ni^sorab  las,  bei  der  notwendig  befundenen  Bodenerhöhung  durch 
das  schwarze  Pflaster  kenntlich  zu  machen,  der  konnte  das  Grab 
nicht  vorher  schänden.  Also  sage  man,  wer  anders  als  Barbaren,  als 
Feinde  des  römischen  Namens,  d.  h.  die  Gallier  dies  verübt  ha- 
ben kann.  Bis  das  geschieht,  scheint  es  mir  sehr  viel  wahrschein- 
licher, Curia  und  Comitium  B  von  einem  nicht  überlieferten  Brande 
betroffen  zu  denken  und  D  für  einen  Zeugen  des  Galliersturmes, 
doch  weiterbestehend  dis  zur  Sullanischen  Regulierung:  die  Curia 
konnte  ja  wiederaufgebaut  sein;  das  Comitium  d.  h.  die  Rostra- 
stufen  mochten  wenig  oder  gar  nicht  beschädigt  worden  sein.  Ue- 
brigens  sahen  wir  ja,  dass  die  Stufen  zwei  und  drei  wahrscheinlich 
einmal  durch  Reducierung  auf  die  halbe  Höhe  erneuert  wurden. 
Und  das  Grab?  Sollte  dies  Heiligtum  über  drei  Jahrhunderte 
lancj  in  so  zerstörtem  Zustande  belassen  worden  sein?  Wenn  nach 
Isokrates  die  Jonier,  nacli  Herodot  die  sämtlichen  Hellenen  (vgl. 
Koepp  im  Jahrbuch  1890  S.  271)  vor  der  Schlacht  bei  Plataiai 
geschworen  hatten,  die  von  den  Mederu  zerstörten  Heiligtümer  als 
vTiofivrifia . . .  z/~c  tav  ßuQßüooov  titffeßsfag  im  Zustande  der  Zerstö- 
rung zu  belassen,  so  konnten  die  Römer  solchen  Beschluss  wohl 
auch  fassen:  es  wäre  weder  die  erste  noch  die  letzte  Wirkung 
griechischen  Vorbildes,  von  der  das  Comitium  zu  sagen  wüsste. 
EÜ8  war  ja  doch  sehr  viel  einfacher  und  unanstössiger  ein  Grab  in 
solcher  Verfassung  zu  belassen  als  einen  Tempel.  Dieser  war  für 


COMITIOM    UND    ROSTRA  205 

den    Gottesdienst    nicht  weiter  wie    bisher  zu  benutzen;    die    Op- 
fergaben, die  man  auf  das  Grab  legte,  konnte  man  auch  ferner  nur 
mit  um  so  besserem  Fug  und  Hecht  darauf  breiten,  ohne  dass  das 
Aussehen  des  Grabes  viel  anders  war  als  früher.  Pinza  meint  zwar 
durch  seine  Argumentation  S.  42  f.  die   stipe    votiva    als    einen 
Wahn  beseitigt  und  erwiesen  zu  haben,  dass  diese  Opfergaben  an- 
derswoher geholt  und  liier  lediglich  als  Schutt  werwendet  worden 
seien.  Radikal  wie  er  ist,  leugnet  er  S.  28  auch    das  Grab,  weil 
jede  Analogie  eines  so  beschaffenen  Grabes  fehle.    Doch   scheinen 
Fossagräber  und  grabhütende  Löwen  Etruriens  immer   noch   ana- 
loger als  —  der  lacus  Juturnae  mit  seinem  Postament  darin,  den 
Pinza  als  analog  geformtes  Heiligtum  anführt.   Mag   also  immer- 
hin die  Schuttmasse  mit  Opfergaben,  so  wie  sie  über  dem  Grabe 
liegend   gefunden    wurde,  nur  die    continuazione   des    über  dem 
ganzen  Comitium  ausgebreiteten  Schuttes  sein,  so  ist  doch  darin, 
dass  die  Opfergaben  nur  über  dem  Grabe  und  seiner  nächsten  Um- 
gebung lagen,  ausgesprochen,  dass  jene  zu  diesem  gehörten. 

Wenn  der  Aufbau  hinter  dem  Grabe  vor  der  Verschüttuno- 
bis  auf  das  Fundament  herab  abgehoben  wurde,  um  vermutlich 
wiederbenut/.t  zu  werden,  so  spricht  eben  das  gegen  die  Heiligkeit 
desselben :  wäre  es  ein  Altar  des  Romulus  gewesen,  so  hätte  man 
ihn  doch  wohl  mit  verschüttet.  Wenn  ein  solcher,  wie  Studniczka 
I  136  meinte,  'abgetragen  worden  wäre  um  anderswo  neu  errichtet 
zu  werden'  so  wäre  es  allerdings  auffallend,  wenn  wir  keine  Kunde 
von  ihm  hätten.  Die  Front  des  Grabes  wird  durch  die  Löwenbasen 
angezeigt,  sie  kehrte  sich,  wie  ja  auch  die  Gesamtanlage  des  Co- 
mitium D  heischt,  gegen  Comitium  und  Curia.  Wie  käme  also  der 
Altar  dahinter,  dahin  wo  er  auch  mit  der  o-eringen  Erweiteruno-, 
die  die  Plattform  durch  die  von  H.  nachgewiesene  Rückmauer 
erhielt,  noch  recht  unzugänglich  blieb,  wenn  auch  nicht  so  unzu- 
gänglich wie  das  vermeintliche  Schlachtbänklein  vorn  zwischen 
den  Löwen  ? 

Ich  gründete  auf  die  von  Varro  konstatierte  Beziehung  der 
laudatio nes  funebres  zum  Romulusgrabe,  womit  m.  E.  ein  fester 
Standort  des  jeweiligen  Redners  zu  dem  Grabe  (wie  zu  dem  zu 
feiernden  Toten)  gegeben  ist,  die  Vermutung,  dass  auf  jenem  Fun- 
dament hinter  dem  Grabe  die  eigentliche  Rednerbühne  gestanden 
habe.  Dies  schien  mir    bestätigt  zu  werden  durch   die   Nachricht 


206  E-    PETERSEN 

bei  Livius  VIII  14,  12  von  den  verbrannten  Äntiatenschiffen  ro- 
strisque  earum  Suggestion  in  foro  extructum  aclornari  placuit. 
Rostraque  id  templum  appellatum.  Florus  I  11  und  Neuere  ha- 
ben hier  allerdings  einen  bereits  vorhandenen  Suggest  verstanden ; 
man  braucht  die  Worte  aber  nur  ins  Deutsche  zu  übertragen  um 
inne  zu  werden,  dass  dann  extructum  und  erst  recht  das  nach- 
drücklich verweisende  id  templum  nicht  zu  ihrem  Rechte  kommen. 
Es  scheint  also  mir  wie  auch  andern  richtiger,  dass  an  einen  neu 
erbauten  und  inaugurierten  Suggest  zu  denken  ist.  Damit  steht 
nicht  in  Widerspruch  dass  Livius  bereits  II  56,  10  und  III  17,  2 
den  Amtsplatz  der  Tribunen  templum  nennt,  da  er  —  ob  mit 
Recht  lasse  ich  dahingestellt  —  der  Meinung  sein  konnte,  dass 
dieser  Platz  inauguriert  sein  müsste.  Wirklich  widersprechend  ist, 
es,  dass  Livius  auch  die  Rostra  bereits  IV  17,  6  als  Ort  wo  Sta- 
tuen errichtet  werden  nennt,  aber  widersprechend  doch  nur  inso- 
fern, als  er  einem  älteren  Suggest,  den  ja  jetzt  niemand  leugnen 
kann,  schon  den  späteren  Namen  beilegt.  Meine  Auffassung  von 
Livius  VIII  14  schien  mir  eben  in  so  gutem  Einklang  mit  der  Tat- 
sache, dass  das  Fundament  hinter  dem  Grabe  zwar  dem  Grabe  an- 
gepasst  aber  von  ihm  isoliert  ist;  denn  der  mit  Rostra  geschmückte 
Suggest  wurde  erst  838  v.  C.  erbaut,  wogegen  das  Grab  m.  E. 
schon  ca.  50  Jahre  früher  von  Barbarenhand  angetastet  worden  war. 
Ja,  man  könnte  in  der  Erbauung  eben  dieses  Suggest  und  der  viel- 
leicht schon  alsbald  damit  in  Verbindung  gebrachten  Einrichtung 
der  Leichenfeiern  berühmter  Männer  eine  weitere  Sühne  für  den 
Stadtgründer  sehen.  Doch  habe  ich  Einwendungen  zu  begegnen. 

Studniczka  betonte  I  136,  dass  der  oblonge  Bau  hinter  dem 
Grabe  nicht  jünger,  sondern  älter  als  dieses  scheine,  weil  das  Grab 
mit  den  hinten  nicht  profilierten  Löwenbasen  denselben  vorausset- 
zen. Dem  gegenüber  will  ich  nicht  geltend  machen,  dass  die  Deck- 
ung jenes  Mangels  ungenügend  war,  da  grade  das  abgeschnittene 
Profil  beiderseits  sichtbar  blieb;  will  auch  nicht  fragen  was  denn 
in  der  Lücke  vor  dem  vermeintlichen  Altar  gewesen  sei :  mir  ge- 
nügt als  Analogon  des  nur  für  drei  Ansichten  berechneten  Grab- 
monuments der  tuskanische  Tempel  mit  der  gleichen  Beschrän- 
kung auf  eine  Front. 

Gegen  meine  Unterscheidung  des  im  J.  338  erbauten  rostra- 
geschinückten  kleinen  Suggestus,  der  'eigentlichen  Rednerbühne' 


C0M1TIUM    UND    ROSTRA  207 

und  des  grossen  Suggestus,  auf  dem  Ehrendenkmäler  errichtet  zu 

werden  pflegten,  haben  Studniczka  II  24  und  namentlich  Hülsen 
oben  S.  36  f.  Einwendungen  erhoben.  Ich  erschaffte  mir,  heisst  es 
da,  einen  Begriff,  von  dem  die  antike  Tradition  nichts  weiss.  Nun 
jedesfalls  kennt  doch  die  Tradition  den  Unterschied  von  Rostra  in 
eigentlichem  und  in  uneigentlichem  Sinne:  jene  gab  es  erst  seit  dem 
Jahre  338,  diese  eben  in  jener  Liviustelle  schon  vorher,  und  die 
Tradition  bei  Livius,  so  wie  ich  sie  im  Einklang  mit  den  bauli- 
chen  Besten  erklärte,  weiss  von  einem  Suggest  der   als  templum 
erst  338  erbaut  und  mit    sechs  rostra  (die  Zahl  bei  Florus)  ge- 
schmückt wurde;  dieselbe  weiss  aber  auch  von  Ehrenmälern,  die 
schon  früher  auf  einem  Suggestus  errichtet  worden  waren.  Ist  es  denn 
an  sich  so  unwahrscheinlich,  dass  der  Name  rostra,  wenn  er  zuerst 
nur  einem  kleinen  Suggest  zukam,  von  diesem  allmählich  auf  den 
grossen,  dem  jener  eingefügt  war,  überging?  Oder  ist  es  etwa  un- 
wahrscheinlich, dass  das  Rostratemplum  von   Anfang  an  klein  war 
und  nicht  den  ganzen  grossen  Suggest  bedeutete,  auf  dem  die  Denk- 
mäler Platz  fanden;  das  die  Beamten  nicht    allein,    sondern  mit 
Scharen  ihres  Gefolges  bestiegen;  von   wo   bevorzugte   Zuschauer 
den  Anblick    der   Spiele  genossen?  Bietet   nicht   die    Curia    eine 
Analogie?  Auch  sie  war  nicht  ganz  und  gar  ein  templum,  sondern 
enthielt  ein  solches,  wenn  wir  wörtlich  nehmen  was  Gellius  XIV 
7,  7  aus  Varro  überliefert:  propterea  et  in  curia  Hostilia  et  in 
Pompeja  et  post  in  Julia,  cum  profana  ea  loca  fuissent,  templa 
esse  per  augures  constitula.  Für  die  Kleinheit  der  eigentlichen  Ro- 
stra machte   ich   ja  auch   die   geringe   Zahl  der   sechs   Schnäbel, 
die  nicht  anders  als  von  den  ersten  eigentlichen    Rostra  überlie- 
fert sein  kann,  geltend;  zumal  wenn  sie  in  der  typischen  Weise, 
alternierend  übereinander  angebracht  waren,  wie  es  nur  zu  dreien 
auf  zwei  Seiten  möglich  war.  Um  solchergestalt  auf  dem  3,50  m. 
langen  Suggest  Platz  zu  finden,   brauchten    sie    nicht    dichter  als 
an  den  Caesarischen  (s.  S.  60)  oder  den  Trajanischen  Rostra  ange- 
bracht zu  werden.  Für  wirkliche  rostra  wie  es  diese  ersten  gewiss 
waren,  möchte  auch  eine  Höhe  des  kleinen  Suggest  über  dem  gros- 
sen von  einem  Meter  genügen,  und  diese  Höhe  zu  ersteigen,  mochten 
an  beiden  Schmalseiten  ein  paar  Stufen  vorgelegt  sein,  die  aus  Holz 
zu  denken  allerdings  unnötige  Bescheidenheit  war.  Die  Zwölf  Ta- 
feln, die  ja  mehr  als  hundert  Jahre,  bevor  es  'eigentliche  Rostra' 


208  E-    PETERSEN 

gab,  aufgestellt  wurden,  gehören  deshalb  nicht  an  den  Suggest, 
von  338,  wie  H.  S.  36,  1  meint  sondern  an  den  grossen  alten. 

Wenn  endlich  Studniczka  II  241  f.  diesen  kleinen  Suggest 
für  so  lebhaft  agierende  Redner  wie  Tiberius  Gracchus  nicht  gross 
genug  fand,  so  ist  zunächst  zu  erwidern,  dass  solche  Redeweise 
um  338  natürlich  noch  nicht  gebräuchlich  war,  und  weiter  fragt 
sich,  ob  jeder  Redner  notwendig  die  Bühne  besteigen  musste. 

Uebrio-ens  hielt  ia  doch  auch  Mommsen,  wenn  auch  aus  an- 
dem,  nicht  stichhaltigen  Gründen  (vgl.  CRGdR.  S.  23)  dieselbe 
Unterscheidung  auch  grade  zweier  Sprechplätze  für  möglich. 

So  führt  mich  auch  heute  noch  der  Versuch,  die  aufgedeckten 
Reste  durchdenkend  mit  der  litterarischen  Ueberlieferung  zu  ver- 
einigen, zu  der  Ansicht  zurück,  dass  das  Comitium  D  mit  dem 
Romulusgrabe,  den  Galliersturm  überdauernd,  bis  zur  Sullanischen 
Regulierung  bestand.  Was  ich  S.  31  f.,  Lanciani  folgend,  über  die 
Aehnlichkeit  ausführte,  welche  die  rostra  ad  D.  lull  mit  dem 
Altar  des  Divus  und  die  republikanischen  rostra  mit  Grab  und 
Opferstätte  des  Romulus  verbindet,  wird  mitnichten,  wie  K.  S.  39 
sagt,  hinfällig  mit  meiner  Unterscheidung  von  Rostra  in  engerem 
und  weiteren  Sinne:  die  Aehnlichkeit  besteht  auch  ohne  sie. 

AVer  nun  an  der  Kleinheit  des  Comitium,  das  mit  Aner- 
kennung der  Curiastufen  (/  im  Plan)  ja  noch  kleiner  geworden,  und 
dessen  Erweiterung  durch  Pinzas  Hypothese  dahingestellt  bleibt, 
anstoss  nimmt,  der  bedenke,  dass  die  Volksmenge,  die  auf  dem 
Comitium  nicht  Platz  fand,  ja  Freiheit  hatte  auf  dem  Forum  rings 
um  das  Comitium  herum  sich  zu  scharen.  Was  bedeutet  denn 
die  Nachricht,  dass  Gracchus  und  Crassus  angefangen  hätten  ge- 
gen das  Forum  hin,  statt  wie  früher  gegen  das  Comitium  gekehrt 
zu  reden,  als  dass  sich  die  Menge,  auf  die  man  einwirken  wollte, 
dort  auf  dem  Forum  befand,  und  schon  aus  dem  Jahre  218  v.  C. 
berichtet  Livius  XXII  7,  6  von  der  das  Comitium  umdrängenden 
Menge  auf  dem  Forum. 

Ob  auch  unter  Sulla  schon  das  Grab  eingedeckt  wurde  oder 
erst  unter  Caesar,  macht  an  sich  wenig  aus,  und  auch  wer  jenes  an- 
nimmt kann  doch  nicht,  es  sei  denn  mit  einigen  tiefer  gedrunge- 
nen schwarzen  Splittern,  erweisen,  dass  auch  damals  schun  des 
Grabes  Stelle  durch  ein  schwarzes  Viereck  im  Pflaster  angezeigt 
worden  sei.  Im  Gegenteil  könnte  man  die  maugelhafte  Kongruenz 


C0MIT1UM    UND    ROSTKA  209 

des  niger  lapis  mit  dem  Grabe  eben  daraus  herleiten,  dass  er  erst 
später  gelegt  wurde.  Gegen  zweimaliges  Verlegen  und  nachträgliche 
Erhöhung  des  schwarzen  Piiasters  schien  mir  jetzt  wie  früher  die 
Gleichartigkeit  der  Schuttmasse  zu  sprechen,  die  man  auf  der 
rechten  Löwenbasis,  bis  zum  niger  lapis  reichend,  liegen  gelassen 
hat.  Jedenfalls  ist  es  kein  glücklicher  Gedanke,  die  Defekte  des 
schwarzen  Vierecks  aus  dieser  zweifachen  Manipulation  zu  erklären, 
wie  Studniczka  II  148  tut.  Noch  mehr  streitet  es  freilich  gegen 
den  Augenschein,  wenn  H.  S.  15  diese  Unregelmässigkeiten  für 
ursprünglich  hält:  nicht  genug,  dass  der  niger  lapis  eben  gegen 
Süden,  wo  die  eine  Ecke  abgestumpft  ist,  wirklich  höchst  schad- 
haft ist,  auch  die  Schwelle,  in  welche  die  Balustrade  eingelassen 
ist  (diese  selbst  ist  viel  späteren  Datums)  liegt  an  der  Ost  - 
und  Westseite  in  ursprünglichem  Verbände,  ist  dagegen  an  der 
Südseite  ein  rohes  Werk  später  Zeit.  Das  Travertinpflaster  das  den 
niger  lapis  auf  drei  Seiten  in  gleichem  Niveau  umgibt,  war.  weil 
weiterhin  beim  Grundlegen  für  den  Severusbogen  abgebrochen,  für 
vorseverisch,  also  wohl  Caesarisch  erklärt.  Um  seine  Datierung  des 
niger.  lapis  unter  Maxentius  zu  retten,  sagt  H.  S.  45,  mit  jener 
Durchbrechung  habe  es  wohl  seine  Richtigkeit,  doch  beweise  das 
nichts  für  den  er.  30  m.  entfernten  n.  lapis.  Das  tut  es  dennoch; 
denn  vom  Severusbogen  bis  zu  diesem  ist  das  Pflaster  ganz  gleich- 
artig, und  hat  gleichgerichtete  Fugen;  erst  östlich  vom  n.  lapis 
ändert  sich  das. 

Hülsen  fährt  eben  fort,  das  schwarze  Pflaster  das  tatsächlich, 
wenn  auch  ein  wenig  schief,  über  dem  Romulusgrabe  hegt,  nicht 
für  den  niger  lapis  zu  halten,  der  nach  Verrius  locum  funestum 
significat...  Romuli  morti  destinatum,  sondern  diesen  für  irgend 
ein  mit  dem  Grabe  verschüttetes  Symbol  zu  erklären.  Auf.  S.  44 
findet  er  jene  andre  Auffassung  sogar  'in  Widerspruch  mit  dem  gan- 
zen Charakter  des  Verrianischen  Werkes',  zumal  der  topographischen 
Artikel,  die  überhaupt,  und  grade  der  über  den  n.  lapis,  nicht 
'Denkmäler  aus  des  Schriftstellers  eigener  Zeit  beschreiben,  son- 
dern sich  durchweg  mit  der  Erklärung  der  Namen  alter  grossen- 
teils  schon  verschwundener  Monumente  beschäftigen'.  Und  das 
träfe  hier  bei  der  von  H.  bekämpften  Ansicht  nicht  zu?  War 
denn  das  Grab  nicht  ein  zu  Verrius'  Zeit  schon  'verschwundenes 
Monument'?  Freilich,  H.  scheint  aber  zu  verlangen,  dass  auch  der 

15 


210  E.    PETERSEN,    COMITIUM    UND    ROSTRA. 

'  Schwarze  Stein '  damals  schon  verschwunden  sein  müsse.  Ja,  wer 
würde  dann  nach  ihm  fragen  ?  Und  würde  Verrius  dann  im  Praesens 
von  ihm  sagen :  significat,  und  zwar  niger  lapis  in  comitio  ?  Versteht 
das  H.  etwa  so:  'wenn  irgendwo  von  einem  n.  I.  i.  c.  die  Rede 
ist,  so  bedeutet  das  das  Romulusgrab',  und  nicht  der  kn.  I.  i.  c.  be- 
zeichnet die  Stelle  u.  s.  w.'  ? 

Hülsen  '  wiederholt '  S.  44  auch  die  alte  Behauptung,  '  dass 
niger  lapis  eben  nicht  mit  locus  lapide  nigro  stralus  gleichbe- 
deutend ist?  Hätte  denn  Verrius  in  unserem  Sinne  etwa  sagen  sol- 
len: locus  lapide  nigro  stratus  in  comitio  locam  funestum 
significat?  Was  zeigt  denn  die  Stelle  des  Grabes  an?  Die  Stelle 
die  mit  dem  schwarzen  Stein  gepflastert  ist,  oder  eben  das  Ma- 
terial des  Pflasters?  Was  ist  dies  für  ein  Material?  Eben  lapis 
niger,  oder  vielmehr,  da  nicht  der  Stein  sondern  die  Farbe  das 
Merkmal  ist,  niger  lapis.  Wer  das  noch  bezweifelt,  der  lese  doch 
Juvenals  VI,  350  nee  melior,  silicem  pedibus  quae  content 
atrum. 

E.  Petersen. 


DER  HAIN  DER  ANNA  PERENNA  BEI  MARTIAL. 


Zu  den  in  Rom  am  häutigsten  zitierten  Versen  gehören  gewiss 
die  bekannten  Hendekasyllaben,  in  denen  Martial  die  Aussicht  von 
dem  auf  dem  Janiculum  gelegenen  Landgütchen  seines  Verwandten 
Julius  Martialis  schildert  (IV,  64,  11-24): 

11        Hitic  septem  dominos  videre  montes 

Et  totam  licet  aestimare  Romain, 

Albanos  quoque   Tusciilosque  colles 

Et  quodcumque  iacet  sub  urbe  frigus, 
15         Fidenas  veter  es  brevesque  Rubras 

Et  quod  virgineo  cruore  gaudet 

Annae  pomiferum  nemus  Perennae. 

Illinc  Flaminiae  Salariaeque 

Gestator  patet  essedo  tacente, 
20         Ne  blando  rota  sit  molesta  somno, 

Quem  nee  rumpere  nauticum  celeuma 

Nee  clamor  valet  helciariorum, 

Cum  sit  tarn  \wope  Mulvius  sacrumque 

Lapsae  per  Tiberim  volent  carinae. 

Dass  in  ihnen  noch  manches  der  Erklärung  harrt,  weiss  der 
Kundige.  Zwar  die  topographischen  Schwierigkeiten  haben  sich 
beträchtlich  vermindert,  seit  man  das  Landgut  nach  dem  Vorgänge 
A.  Elters  (Rhein.  Mus.  46,  411)  nicht  mehr  bei  der  ungefähr 
vier  Kilometer  entfernten  Villa  Lante  oder  noch  südlicher  sucht, 
sondern  auf  dem  Monte  Mario.  Der  Dichter  bezeichnet  die  Mul- 
vische  Brücke  ausdrücklich  in  V.  21-23  als  so  nahe  gelegen,  dass 
man    sich   wundern   müsse,    das    Geschrei    der   Schitfsleute   nicht 


212  H-    SCHENKL 

stärker  zu  vernehmen.  Das  lässt  sich  nur  durch  eine  verhältnis- 
mässig hohe  Lage  erklären,  eine  Bedingung,  die  einzig  und  allein 
der  von  Ponte  Molle  1-2  Kilometer  entfernte  Monte  Mario  erfüllt. 
Ausserdem  scheint  es,  dass  der  Dichter  den  Hain  der  Anna  Per- 
enna.  die  Via  Flaminia  und  Salaria,  sowie  den  Pons  Mulvius  als 
nahe  gelegene  ßuhepunkte  für  das  Ause  bezeichnet,  im  Gegen- 
satze zu  den  in  weiter  Ferne  sichtbaren  Hügelketten  und  Ort- 
schaften, die  in  V.  13-15  genannt  sind.  Zwischen  diesen  beiden 
Grenzen  erstreckt  sich  Rom,  das  man  «  wie  auf  der  Landkarte«  über- 
blicken kann.  Denn  diese  Bedeutung  nehme  ich  für  das  bisher  nicht 
richtig  gewürdigte  aestimare  (V.  12)  in  Anspruch.  Die  Glosse 
Corp.  Gl.  Lat.  II,  12,  28:  aeslimatum  rfv  avvoipiv  Vjtoi  €£ccq- 
yvQKTiibv  rjroi  diaTi'firjöiv  empfängt  ihre  richtige  Beleuchtung  durch 
Tebtunis  Pap.  82,  1  f.:  Maydwfojv  xlrjgovxix^g  avvcoipMT/ievriv 
TTQbi  tu  eyvaxffiiva  e£  imaxsipswg,  womit  wieder  der  Brief  des 
Strategen  Revenue  Laws  26,  13  ff.,  worin  er  die  Schreiber  auffor- 
dert \'v  oi'v  rovg   avvoipiovvTccg x-ttjüiv  rwv    ix  iTtg  enslsv- 

osm;  ('Begehung';  auch  irre'QxsOai  (i)  lässt  sich  so  nachweisen) 

(pccve'vTwv ävadwts,  sich  inhaltlich  vollständig  deckt.  Da  von 

dem  Verbum  (fvvotfß&iv  das  Lexikon  von  Sophokles  Weiterbil- 
dungen wie  Gvvoipiafiog  und  sogar  awoipicig  nachweist,  so  wird 
man  kein  Bedenken  tragen,  Corp.  Gloss.  III,  367,  64  f.  in  aesti- 
mator  Uoxpidtog  und  aestimatores  laoipiitca  das  aktive  Verbal- 
substantivum  awoipKJrrjg  herzustellen;  denkbar  wäre  allenfalls 
enoipMrtrjg;  sehr  schwer  glaublich  das  allerdings  ohne  Aenderung 
herstellbare  elaoipirrt/jg.  Nach  den  oben  angeführten  Papyrusbe- 
legen  haben  wir  in  der  imöxexpig  die  Aufnahme  oder  Vermessung 
durch  den  Geometer,  in  der  avvoxpig  die  Verarbeitung,  Zusammenstel- 
lung und  Ausgleichung  der  Vermessungsergebnisse  zu  Steuerzwecken, 
also  die  Herstellung  des  Katasters  durch  einen  Finanzbeamten  zu 
verstehen,  wie  ja  auch  Constantinus  Porphyr,  de  caerim.  717,  9  f. 
zwischen  den  irnaxenryxai  und  inörtrai  unterscheidet.  Bei  der  (fvv- 
oiptg  ging  es  ohne  Abrundungund  ähnliche  arbiträre  Entscheidungen 
nicht  ab ;  so  gewinnen  die  Ausdrücke  opinio  (opinator)  und  taxatio, 


(l)  Zu  den  sonstigen  Belegen  kommt  Basil.  LVIII,  Tit.  9  p.  HG  Mer- 
cati-Ferrini  El  de  /p«t«  xektvaei  y.al  airbg  (6  juerp^rr/?)  inikei'aei  (1.  inelev- 
(TtT((i)  rovg  TÖnovs. 


DER    HAIN    DER    ANNA    PERENNA    HEI    MARTIAI.  213 

welcho  die  Glossen  (s.  den  Index  von  Heraeus)  mit  cvvoipig  identi- 
fizieren, erst  ihre  richtige  Bedeutung.  In  der  römischen  Amtssprache 
lässt  sich  ein  lateinisches  Aequivalent  für  snidxs\pig  erst  seit 
Konstantin  nachweisen:  Cod.  Theod.  II,  26,  1  (v.J.  330)  electus 
agrimensor  dirigatur  ad  loca,  ut  si  ßdelis  inspectio  tenentis  locum 
esse  probaverit,  pelitor  vicius  abscedat,  womit  4  demselben  Titels 
(v.  J.  385)  artis  haius  peritis  omnem  commisimus  sab  fideli  ar- 
bitrio  noüonem  und  Dig.  X,  8  mensores  mitlere  —  oculisque  suis 
subiectis  locis  zu  verbinden  ist.  Die  ars  ist  natürlich  die  Feld- 
messkunst und  eine  Anweisung  zu  derselben  ist  uns  noch  erhalten 
in  der  Abhandlung  Agrorum  quae  sit  inspectio  (Agrim.  281). 
Hingegen  lässt  sich  aeslimare  mit  seinen  Ableitungen  aus  der 
amtlichen  Ueberlieferung,  wenn  man  von  einem  leisen  Anklang  in 
dem  obencitierten  fidele  arbitrium  absieht,  nicht  belegen ;  dass  die 
Juristen  es  in  dieser  Bedeutung  zu  gebrauchen  vermeiden  (man 
vgl.  das  Vocabularium  Jur.  Rom.),  ist  nicht  auffallend,  da  eine 
Verwechslung  mit  althergebrachten  Rechtsbegriffen  nahegelegen 
hätte.  Aber  der  Gebrauch  ist  durch  die  Glossen  hinreichend  festge- 
stellt und  wenn  anders  meine  Deutung  des  Martialverses  richtig 
ist,  sogar  schon  für  das  erste  Jahrh.  n.  Chr.  gesichert.  Er  hat  in  der 
Tat  nichts  Unwahrscheinliches.  Denn  dass  unter  Umständen  beide 
Amtshandlungen  von  einer  und  derselben  Person  besorgt  werden 
konnten  und  dass  man  die  Vermessung  auch  etwas  ungenau  als 
aestimatio  bezeichnen  konnte,  liegt  auf  der  Hand.  Dass  wie  in 
unserer  Martialstelle,  so  auch  in  einigen  anderen  die  eben  hervor- 
gehobene Bedeutung  von  aestimare  schärfer  betont  werden  muss, 
als  es  in  dem  betreffenden  Thesaurusartikel  geschehen  ist,  sei  nur 
im  Vorübergehen  erwähnt. 

Eine  weit  grössere  Schwierigkeit,  eine  wahre  crux philologorum^ 
bietet  jedoch  der  Vers  16,  der  trotz  aller  Bemühungen  eine  befriedi- 
gende Lösung  bis  jetzt  noch  nicht  gefunden  hat.  Einen  Niederschlag 
dieser  Bemühungen  aus  älterer  Zeit  findet  man  in  den  Anmerkungen 
der  Ausgabe  Lemaires,  meist  offenbare  Ungereimtheiten,  wie  die 
Deutung  der  Worte  virgineo  cruore  auf  blutige  Opfer,  auf  Knaben- 
geisselung  am  Altare,  auf  den  Tod  der  Anna  Perenna  oder  gar  (man 
staune)  auf  das  von  der  jungfräulichen  Diana  erlegte  Wild  u.  dgl. 
Nur  Heinsius  meinte,  dass  hier  das  Faunsohr  des  lascivus  Mar- 
tialis  irgendwo  hervorgucken  müsse:  er  erinnerte  sich  des  lustigen 


214  H.    SCHENKL 

Treibens  am  Feste  der  Anna  Perenna,  das  Ovid  (fasti  III,  522  ff.) 
schildert,  und  änderte  demgemäss.  Ihm  sind  andere  gefolgt  (man- 
chen gefiel  Munro's  virgine  nequiore),  auch  Wissowa  in  den  beiden 
von  ihm  bearbeiteten  Artikeln  über  Anna  Perenna  bei  Röscher  und 
in  seiner  Real-Encyklopädie.  Andrerseits  haben  Fr.  Härder  (Wo- 
chenschr.  f.  kl.  Philologie  1902,  164)  und  Assmann  (Rh.  Mus. 
60,637)  unabhängig  von  einander  durch  die  Aenderung  virgineo 
liquore  eine  Beziehung  auf  die  Aqua  Virgo  herstellen  wollen.  Alle 
stimmen  aber  darin  überein,  dass  der  Vers  eine  schwere  Corruptel 
zu  enthalten  scheine. 

Und  doch  klingt  das  überlieferte  virgineo  cruore  so  sicher 
und  echt  lateinisch;   es  ist  auch  römisches  Versgut: 

virgineamque  alte  bibit  acta  cruorem 

schrieb  Vergil  (Aen.  XI,  804)  und  der  Prinzenerzieher  Ausonius 
hat  sich  die  billige  Gelegenheit  nicht  entgehen  lassen,  den  Vers 
zur  Zote  zu  missbrauchen,  wie  man  in  seinem  Cento  nuptialis 
nachlesen  mag.  Fände  sich  eine  anderweitige  Ueberlieferung,  die 
einen  Obstgarten  mit  « jungfräulichem  Blute »  in  Verbindung  bringt 
und  Nota  bene  ein  wenig  —  martialisch  gefärbt  ist,  so  würde  man, 
glaube  ich,  kaum  zögern,  in  ihr  die  Erklärung  für  den  seltsamen 
Ausdruck  zu  finden. 

Diese  Ueberlieferung  existiert  in  der  That  und  nicht  bloss 
einmal.  Ich  fand  sie  zuerst  im  10.  Buche  Columella's,  der  von  den 
Feinden  der  Obstgärten,  dem  Ungeziefer  und  den  Raupen,  sowie 
den  Mitteln  zu  ihrer  Vertilgung  viel  zu  sagen  weiss  und  dann  so 
fortfährt : 

357      At  si  nulla  valet  medicina  repetiere  peslem 
Dardanicae  veniunt  artes,  nudataque  plantar 
Femina,  quae  iuslis  tum  demum  operata  iuventae 

360       Legibus  obsceno  manat  pudibunda  cruore, 
Sed  resoluta  sinus,  resoluto  maesla  capillo 
Ter  circum  areolas  et  saepem  ducitur  horti, 
Quae  cum  lustravit  gradiens,  —  mirabile  visu  — 
Non  aliter  quam  decussa  pluit  arbore  nimbus 

365        Vel  tereti  mali  vel  tectae  cortice  glandis 

Volvitur  in  lerram  distorto  corpore  campe. 


DER    HAIN    DER    ANNA    PERENNA    BEI    MARTIAI.  215 

Ein  Kommentar  ist  überflüssig;  besser  und  überzeugender  als 
durch  die  einfache  Gegenüberstellung  kann  die  Beziehung  der 
beiden  Stellen  zu  einander  nicht  dargetan  werden.  Dagegen  mö- 
gen hier  die  übrigen  Zeugnisse  für  den  von  Columella  geschil- 
derten, von  Martial  in  deutlicher  Anspielung  gestreiften  Zauber- 
brauch aufgeführt  werden,  die  mit  Hilfe  der  Kommentare  zu  den 
Bei  rusticae  scriptores  leicht  zusammenzubringen  waren,  nachdem 
einmal  der  Ausgangspunkt  gefunden  war.  Am  nächsten  kommt 
Pliuius  Nat.  Hist.  XXVIII,  77:  iam  primum  abigi  grandines  tur- 
binesque  contra  fulgura  ipsa  mense  nudato  . .  (78)  quoeumque  autem 
alio  menstruo  si  nudatae  segetem  ambiant,  urucas  ac  vermiculos 
scarabaeosque  ac  noxia  alia  decidere.  Metrodorus  Scepsius  in  Cap- 
padocia  inventum  prodit  ob  midtitudinem  cantharidum,  ire  ergo 
per  media  arva  retectis  super  clunis  vestibus ;  alibi  servatur, 
ut  nudis  pedibus  eant  capülo  cinctuque  dissoluto.  Es  werden 
hierauf  auch  schädliche  Einflüsse  der  menses  auf  die  Saaten  ge- 
schildert, mit  dem  Zusätze  (79):  quin  et  adspectu  omnino  quamvis 
procul  visas,  si  purgatio  illa  post  virginitatem  prima  sit  aut 
in  virgine  aetatis  sponte.  Beide  Autoren  schreiben  also  bei  dem 
Zauber  der  Jungfräulichkeit  grosse  Bedeutung  zu;  bei  den  fol- 
genden Zeugnissen  ist  dieser  Umstand  ausser  Acht  gelassen.  Eine 
andere  Quelle  nennt  ausdrücklich  Columella  XI,  3,  64:  Sed  De- 
mocritus  in  eo  libro,  qui  graece  inscribitur  nsol  ävxinaBibv  af- 
firmat  has  ipsas  bestiolas  (er  spricht  von  den  xdi.inai)  enecari,  si 
mulier,  quae  in  menstruis  est,  solutis  crinibus  et  nudo  pede 
unamquamque  aream  ter  circum  eat:  post  hoc  enim  decidere 
omnes  vermiculos  et  ita  emori.  Kurz  Plinius  Nat.  Hist.  XVII 
266  privatim  autem  contra  urucas  ambiri  arbores  singulas  a 
midiere  incitati  mensis,  nudis  pedibus,  recincta.  —  Daran  schlies- 
sen  sich  Apuleius  in  den  Geoponica  XII,  8;  Tivlg  dt',  oxav  xdfinai 
noXXa  wert,  yvvaixa  xu\)aiQO[.isvr>v  siöayovGiv  slg  %bv  x\]nov  ävv- 
Ttoderov  XvG[TQi%a  sv  fJiovov  irdedvfitnjv  l/AaTiov  xal  /nrjd&v  aXXo 
oXcog  syjovGav  [irres  nsoi^coßcc  f.irjT£  k'rsoöv  zr  avxrj  yao  iv  tovx(o 
T(ö  Gyj)iia%i  rolg  TtsQieX&ovGa  rbv  xT-nov  xal  diu  i^ieGov  i%eX- 
Oovüa  ev&soog  noilfiei  äcpavsig  Tag  xäfiTvctg,  und  eine  knappe 
Notiz  bei  Aelian  Hist.  anim.  VI,  36 :  avcöXXvvxai  61  xal  abtat 
(at  xafinai),  yvvrj  tijv  «7iY(urJi70v  xaOaqaiv  xa^aioo/ntirj  ei  di&Xüoi 
(ittfr)  twv    Xaxavcov.  —  Ein  Nachhall  aus  späterer  Zeit  ist  Pal- 


216  H.    SCHENKL 

ladius  I,  35,  3 :  Aliqui  midierem  menstruantem  nusquam  cinctam 
solutis  capillis  nudis  jwdibus  contra  erucas  et  cetera  hört  um 
faciunt  circumire. 

Die  gegenseitigen  Beziehungen  dieser  verschiedenen  Zeugnisse 
mit  ihren  Übereinstimmungen  und  Abweichungen  oder  die  Frage 
nach  ihrer  Abhängigkeit  von  einander  zu  erörteren,  hat  —  hier  we- 
nigstens —  keinen  Zweck.  Das  Demokritzitat  des  Columella  hat 
schon  Diels  (Vorsokratiker  461,3  und  462,  8)  mit  Recht  unter  die 
späteren  Apokrypha  eingereiht.  Die  Metrodorosstelle  sucht  Müller 
(fragm.  Hist.  Graec.  III,  204)  in  der  Schrift  ttsqi  laxoqiug.  Sie 
könnte  nach  allem,  was  wir  wissen,  ebensogut  in  der  nsol  owrj- 
tieiac,  gestanden  haben ;  und  wenn  ich  richtig  vermuthe,  dass  die 
beiden  Schriften  ehemals  als  Gegenstücke  die  Unterabteilungen 
eines  Werkes  gebildet  haben,  so  ist  das  letztere  sogar  viel  wahr- 
scheinlicher. Der  Gegensatz  der  beiden  Begriffe  ist  hinlänglich 
bekannt  und  schon  von  Aristoteles  in  seinen  tisqI  xa  £']>«  '«fzogiai 
I,  16  =  494  b  19  ff.  klar  ausgesprochen:  Ta  füv  olv  ^ogia  xa 
TTQog  zijV  t£o)  imipävsiav  xovxov  xsxaxxai  xbv  xqotiov  xca',  xa&- 
antQ  tXk'y&rt,  öicovo^ciGxaC  xs  [läXiGta  xcti  yvcogi/Jict  dia  xt]v 
Gvvrj&eiav  sGzir,  xa  6'ivTog  xovvaviCov.  Auch  das  Sachliche  kann 
hier  nicht  besprochen  werden.  In  dem  grossen  Sammelsurium  von 
Ploss-Bartels,  '  Das  Weib  ',  findet  sich  sonst  Material  genug  über 
die  Rolle,  welche  die  menses  im  Volksaberglauben  spielen,  aber  nichts, 
die  hier  behandelte  Frage  förderte.  Darum  sei  hier  auf  die  Note  des 
alten  Needham  zu  den  Geoponica  hingewiesen,  der  aus  Antonius  Mi- 
tzaldis  de  secretis  hortorum  lib.  I  zitiert:  '  huius  modi  praeüi- 
gium  referre  puduisset,  nisi  multi  experti  fuissent  scripsissetque 
doctissimus  medicus  lo.  Langius  in  Noricorum  terris  observa- 
tum  et  approbatum  fuisse  '. 

Aus  den  Worten  Martials  geht  deutlich  genug  hervor,  dass 
der  erwähnte  Gebrauch  etwas  war,  was  zu  seiner  Zeit  zum  Hain 
der  Anna  Perenna  gehörte;  etwas,  woran  jeder  dachte,  wenn  man 
des  Hains  erwähnte,  was  ihm  eine  gewisse  Berühmtheit  verschaffte. 
Das  Verbum  gaudere  wird  mit  Vorliebe  zur  Bezeichnung  von 
Dingen  verwendet,  auf  die  jemand  stolz  ist.  Zahlreiche  Stellen, 
wie  natis  gaudeat  illa  tribus  oder  gaudent  iocosae  Cassio  suo 
Gades  bei  Martial  selbst  oder  das  allbekannte  Maniua  Vergitio 
gaudet,    Verona  Catullo  beweisen  es.  Damit  ist   aber   nicht   ge- 


DER    HAIN    DRR    ANNA    PERENNA    BEI    MARTIAI,  217 

sagt,  dass,  was  zu  Marfcials  Zeit  so  war,  auch  von  Alters  her  so 
gewesen  sein  rnuss.  Und  hier  erhebt  sich  eine  wichtige  Frage,  die 
wichtigste,  die  sich  an  die  Martialstelle  und  ihre  eben  gegebene 
Erklärung  knüpft.  Hängt  vielleicht  dieser  Gebrauch,  die  Lustratio 
des  Obsthaines  der  Anna  Perenna,  mit  dem  Kult  selbst  seit  alter 
Zeit  zusammen?  Erklärt  sich  vielleicht  die  Ausgelassenheit,  die 
sich  an  diesem  Tage  kund  gab,  aus  dem  Seltsamen  und  zugleich 
Obscönen  dieses  Gebrauches?  Wenn  sich  ein  solcher  Zusammenhang 
sicher  nachweisen  liesse,  so  wäre  man  in  der  Tat  berechtigt,  dar- 
aus weitere  Schlüsse  auf  die  bekanntlich  noch  immer  in  tiefes 
Dunkel  gehüllte  mythologische  Figur  der  Anna  Perenna  zu  ziehen. 
So  verlockend  dies  wäre,  so  muss  doch  die  Frage  verneint  werden. 
Martial,  der  den  Gebrauch  kennt,  spricht  nur  vom  Haine 
und  nicht  vom  Fest.  Ovid,  der  den  Verlauf  des  Festtages  schil- 
dert, erwähnt  den  Gebrauch  mit  keinem  Worte.  Es  ist  übrigens 
nicht  zu  verkennen,  dass  die  ganze  Ovidstelle  sich  aus  zwei  scharf 
von  einander  getrennten  Teilen  zusammensetzt.  In  dem  ersten 
(fasti  III,  513-674)  erzählt  Ovid  zunächst  von  dem  lustigen  Trei- 
ben im  Haine  (523-542),  worauf  er  seine  eigene  Aetiologie  folgen 
lässt  (543-656),  um  anhangsweise  noch  einiger  anderer  Deutun- 
gen der  Anna  Perenna  zu  gedenken  (657-674).  Nun  folgt,  ganz 
äusserlich  mit  nunc  mihi  superat  -  dicere  angeknüpft,  die  Er- 
wähnung des  Brauches  der  Mädchen,  an  diesem  Tage  obseöne 
Lieder  zu  singen  und  seine  Erklärung  durch  das  Geschichtcheu 
vom  gefoppten  Mars  (675-696).  Unrichtig  ist  es,  wenn  Peter 
meint,  dass  «  dieser  Abschnitt  angemessener  hinter  der  Beschrei- 
bung des  Festes  v.  542  seine  Stelle  gefunden  hätte  »;  Ovid  sagt 
auch  gar  nicht,  dass  die  obscönen  Lieder  beim  Feste  im  Hain 
gesungen  werden.  Die  beiden  Angaben  sind  vielmehr  ganz  ausein- 
ander zu  halten.  Im  ersten  Teile  berichtet  der  Dichter,  dass  die 
Pärchen  (nicht  durchwegs  '  Liebespärchen  '  im  strengen  Sinne  des 
Wortes ;  vgl.  542  senem  potum  poia  trahebat  anus)  im  Haine  sin- 
gen quiequid  didicere  theatris  (535)  und  um  den  Weinkrug  tan- 
zen :  dueunt  posito  duras  cratere  choreas  (537 ;  Tänze  im  kräf- 
tigen trochäischen  Rhythmus,  im  Gegensatze  zu  weichlich  üppigen, 
wie  z.  B.  dem  jonischen).  Von  obscönen  Liedern,  von  Spottgesän- 
gen ist  hier  gar  nicht  die  Rede;  die  Leutchen  singen  eben  die 
gerade  beliebten  Couplets.  Ganz  anders  lautet  die  Schilderung  des 


218  H.    SCHBKK.L 

zweiten  Teiles.  Die  Mädchen  tun  sich  an  diesem  Tage  zusammen 
und  singen  herausfordernde  Lieder:  coeunt  certaque  probra  ca- 
uviit  (676).  Die  Situation  ist  ganz  deutlich  gezeichnet.  Wer  Volks- 
sitte kennt,  der  weiss,  dass  die  Mädchen,  wo  sie  sich  in  grösserer 
Zahl  oder  in  Ueberzahl  zusammenfinden  und  demgemäss  gesi- 
chert fahlen,  gegen  die  Burschen  allerlei  Trutzliedeln  und  Schna- 
dahüpfeln loslassen,  die  häufig  an  Saftigkeit  gar  nichts  zu  wün- 
schen übrig  lassen.  Unbefangene  Deutung  der  Verse  Ovid's  lässt 
nur  die  Auffassung  zu,  dass  diese  Spottverse  das  Missgeschick  des 
Mars  bei  seiner  Werbung  um  Minerva  und  seine  Täuschung  durch 
die  alte  Anna  Perenna  zum  Gegenstande  oder  doch  zum  Ausgangs- 
punkte hatten:  lade  ioci  veteres  obscenaque  dicta  canuntur 
(695) ;  und  ebenso,  dass  diese  Lieder  der  Befriedigung  über  die 
Anführung  des  verliebten  Gottes  Ausdruck  gaben :  iuvat  hanc 
magno  verba  dedisse  deo  (696).  Es  war  eben  ein  Abenteuer,  bei 
dem  einmal  der  weibliche  Teil  besser  abschnitt,  im  Gegensatze 
zu  dem  Lied  des  Demodokos,  das  die  Männer  gerne  hören.  Dass 
es  von  Ovid  erfunden  sein  sollte,  wie  Wissowa  annimmt,  wird 
durch  nichts  bewiesen. 

Auch  in  diesem  zweiten  Teile  ist  jenes  Zauberbrauches  gar 
nicht  gedacht.  Er  wäre  auch  schlecht  geeignet  gewesen,  für  Mädchen 
die  Veranlassung  zu  obscena  dicta  und  certa  probra  ihrerseits 
abzugeben ;  weit  eher  hätte  der  männliche  Teil,  der  den  Mädchen 
die  Antwort  gewiss  nicht  schuldig  geblieben  ist,  eine  gute  Ver- 
anlassung gehabt,  dieselben  damit  zu  necken.  Der  Gedanke  vol- 
lends, dass  die  Zeremonie  selbst  bei  dieser  Gelegenheit  öffentlich 
vorgenommen  und  bewitzelt  wurde,  ist  ganz  abzuweisen;  solchen 
Zauberspuk  treibt  man  eher  bei  Nacht  und  unter  ehrfürchtiger, 
peinlicher  Beobachtung  aller  Förmlichkeiten.  Auch  das  resolulo 
maesta  capillo  bei  Columella  ist  zu  beachten. 

AVie  nun  das  Schweigen  Ovids  über  einen  so  auffallenden 
Vorgang  es  höchst  unwahrscheinlich  macht,  dass  er  zu  seiner  Zeit 
bestand  und  bekannt  war,  so  spricht  auch  der  Wortlaut  bei  Co- 
lumella deutlich  dagegen.  Ganz  ausdrücklich  sagt  er:  Dardanicae 
veniunt  arles  (358)  und  bezeichnet  damit  den  Gebrauch  als  einen 
fremdländischen,  als  ein  äusserstes  und  letztes  Mittel,  das  ihm 
eher  als  ein  notwendiges  Uebel  erscheint.  Dort  wo  er  in  Prosa 
spricht,  wo  er  sich  sozusagen  '  fachwissenschaftlich  '  ausdrückt,  zi- 


DER    HAIN    DER   ANNA    PERENNA    BEI    MARTIAL  219 

tiert  er  keine  römische  Autorität,  sondern  einen  Griechen;  ebenso 
Plinius. 

Der  Gebranch  kann  also  kein  altrömischer  gewesen  sein;  ja 
er  muss,  wenn  wir  die  Zeitverhältnisse  berücksichtigen,  offenbar 
erst  nach  Ovid,  vielleicht  sogar  erst  nach  Columella  and  Plinius, 
also  gar  nicht  lange  vor  der  Abfassung  der  Verse  Martials  (88 
n.  Chr.)  eingeführt  worden  sein,  so  dass  an  der  Berühmtheit,  auf 
die  Martial  durch  jenes  gaudet  hinweist,  eher  die  Neuheit  als 
das  ehrwürdige  Alter  des  Gebrauches  Schuld  gewesen  zu  sein 
scheint.  Ob  endlich  die  seltsame  Lustration  eine  förmliche  offizielle 
Einsetzung  erfahren  oder  sich  so  unter  der  Hand  eingebürgert  hat, 
wissen  wir  nicht;  ebenso  wenig,  wie  lang  sie  sich  in  Uebung  er- 
hielt. Vielleicht  geriet  sie  schon  sehr  bald  wieder  in  Verges- 
senheit. Die  Kirchenväter,  denen  sie  ein  wirksames  Beispiel  von 
der  Unsittlichkeit  des  antiken  Kultes  geboten  hätte,  sagen  nichts 
davon  ('). 

Rom. 

Heinrich  Schenkl. 


(')  [Was  die  Lage  des  Haines  der  Anna  Perenna  betrifft,  so  scheint  es 
mir  überzeugend,  dass  er  ein  augenfälliger  Punkt  für  die  Aussicht  von  der 
Villa  des  Iulius  MaTtialis  war  (o.  S.  212).  Damit  ist  eine  Lage  innerhalb 
des  jetzigen  Stadtgebietes,  etwa  bei  Via  Vittoria,  wie  Assmann  zu  gunsten 
der  unnötigen  Aenderung  virgineo  liquore  will,  nicht  zu  vereinen.  Wohl  wa- 
ren diese  Gegenden  noch  im  dritten  Jhdt.  privatorum  possessionibus  et  hortis 
et  aedificiis  occupata  (Hist.  Aug.  Gordian.  c.  32),  aber  gerade  bei  dieser 
Verzettelung  des  Grundbesitzes  hätte  ein  pomiferum  nemus,  das  auf  drei  Ki- 
lometer Entfernung  sichtbar  gewesen  wäre,  doch  eine  Grösse  nach  Hektaren 
haben  müssen:  und  für  ein  solches  ist  in  der  siebenten  Region  kein  Platz. 
Aber  man  darf,  wie  mir  scheint,  die  Angabe  des  Hemerologium  Vaticanum 
ad  primum  lapidem  hier  ebenso  wenig  wie  in  ähnlichen  Fällen  so  pressen, 
als  habe  die  Kultstätte  und  der  Hain  genau  am  ersten  Meilensteine  gelegen. 
Genauer  würde  man  gesagt  haben :  inter  lapides  1  et  IL  wobei  sich  ver- 
stand, dass  die  Stelle  dem  lapis  I  näher  lag.  Für  die  Via  Flaminia  haben 
wir  zwar  keine  Meilensteine  aus  der  Nähe  der  Stadt  (s.  CIL.  XI  p.  005  ; 
aber  die  Gewissheit,  dass  der  Ausgangspunkt  der  Strasse  am  Norderide  des 
Kapitols  lag,  und  die  Angabe  der  Itinerarien,  dass  der  Pons  Mulvius  ad  la- 
pidem III  war,  geben  hinreichenden  Anhalt.  Die  Mitte  zwischen  Piazza  Ve- 
nezia  und  Ponte  Molle  —  mp.  IS.  —  fällt  etwa  in  die  Gegend  von  Villa  Ponia- 
towski,  wenig  diesseits  der  Via  deH'Arco  Oscuro.  Demnach  wird  der  Hain 
der  Anna  Perenna  auf  der  Höhe  ein  wenig  stadtwärts,  etwa  bei  der  jetzigen 
Villa  Strohl-Fern  gelegen  haben.  Ch.  H.]. 


DER  IONISCHE  TEMPEL  AM  PONTE  ROTTO  IN  ROM 

(S.  Maria  Egiziaca) 


(mit    Taf.    VI-XII). 

Die  vorliegende  Arbeit  (*)  befasst  sich  mit  einem  der  kleinen 
Denkmäler  römischer  Baukunst,  das  noch  ziemlich  wohlerhalten, 
doch  trotz  mannigfacher  Aufnahmen  und  Beschreibungen,  die  da- 
rüber veröffentlicht  worden  sind,  nie  genügend  untersucht  worden 
ist,  so  dass  seine  Stellung  in  der  römischen  Baugeschichte  bis 
heute  zweifelhaft  blieb. 

Seit  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  (2)  wird  unser  kleiner 
Pseudoperipteros,  die  heutige  Kirche  S.  Maria  Egiziaca,  Tempel 
der  Fortuna  virilis  genannt :  ein  Name  für  den  aus  der  alten  Lit- 
teratur  kein  Zeugnis  beizubringen  ist  (3).  Nur  so  viel  steht  fest, 

(')  Besonders  erwähnen  möchte  ich  an  dieser  Stelle  die  überaus  gütige 
Unterstützung  meiner  Arbeit  von  Seiten  des  Hrn.  Prof.  Chr.  Hülsen,  dem  ich 
vielfache  Litteraturangaben  sowie  die  nötigen  Empfehlungen  zur  Erlangung 
der  Permessi  verdanke.  Auch  für  seine  wohlwollende  Durchsicht  meines  Ma- 
nuscripts  hin  ich  ihm  sehr  verbunden.  Herrn  Dr.  R.  Delbrück  danke  ich  für 
seine  Mitteilungen  und  Aufschlüsse  über  seine  Studien  am  Tabularium  und 
Pons  Milvius  ebenfalls  bestens. 

(2)  Der  erste  welcher  diesen  Namen  aufgebracht  hat,  ist  Bartolomeo 
Marliani  (Topogr.  1.  IV  cap.  3.  f.  76  ed.  1534,  1.  III  c.  p.  16  p.  57  ed.  1544); 
vorher  hatte  Flavius  Blondus  {Roma  instaurata,  1.  II  §  59  f.  18  ed.  Venet. 
1510)  den  Bau  templum  Asyli,  Andreas  Fulvius  {Antiquitates  urbis  1.  III 
f.  46'  ed.  1527)  aedes  Pudicitiae  Patriciae  getauft.  Marlianis  Benennung, 
obwohl  nur  auf  irriger  Deutung  der  Dionysstelle  (s.  A.  3)  beruhend,  behielt 
trotz  Ligorios  Widerspruch  {Paradossi,  1553,  p.  45),  der  nach  dem  Inschrif- 
tenfunde von  1551  (s.  S.  221)  das  Gebäude  mit  grosser  Sicherheit  für  die  '  Ba- 
silica  Gai  et  Luci  Caesaris'1  erklären  wollte,  für  die  Folgezeit  die  Oberhand. 

(3)  Dionys.  Halic.  IV".  27  sagt  von  Servius  Tullius:  vctovg  di'w  xaiaaxevct' 
aäutiog  Tv%t]g,  ibv  [iev  iv  äyoQu  t#  tcaXovfiivff  Uoccqiu,  t6v  d'  eitgov  £ni 
ralg  r/iöoi  xot  Teßegtog,  i)v  tU'^QElav  nQogtjyöfjsvost',  wg  x«l  i^v  vnö  Vw- 
H«ioi>  xaXehc.i.  Mit  dem  zweiten  Tempel  '  am  Tiberufer '  ist  die  aedes  Fortis 
Fortunae  an  der  Via  Portuensis  rechts  vom  Tiber  gemeint;  Dionys  hat  falsch 
Fortis  für  ein  Adjectivum  gehalten,  spätere  Uebersetzer  haben  den  Fehler 
durch  Uebertragung  von  dvögeia-virilis  vergröbert. 


DER    IÜMSCHK   TEMPEL    AM    PONTE    ROTTO  221 

dass  am  Forum  boarium  —  so  hiess  der  Platz  an  dem  unser  Bau 
liegt  —  zwei  Tempel  standen,   welche   zwei    ihrem   Wesen    nach 
verwandten  Göttinnen  an  demselben  Tage  (11.  Juni)  geweiht  waren 
und  stets  zusammen  erwähnt  werden  :    die    Tempel    der   Fortuna 
und  der  Mater  Matuta  (l).   Vor  den  Tempeln  errichtete  L.  Ster- 
tinius  i.  J.  196  v.  Chr.   zwei  Bögen   (fomices)   mit   vergoldeten 
Statuen  darauf  (Livius  XXXIII,  27).  Wir  werden  uns  daher  beide 
Tempel  symmetrisch  gestellt,   und    wohl    auch    baulich    überein- 
stimmend denken.  Dass  jedoch    unser   Tempel    einer    von    diesen 
beiden  sei,  ist  bisher  nur  Vermutung.  Auch  ältere  Ausgrabungen 
haben  für  die  Geschichte  des  Baus  nur  eine  Thatsache  constatiert: 
nämlich  dass  im  Jahre  2  v.  Chr.  den  beiden  Adoptivsöhnen   des 
Augustus  C.  und  L.  Caesar  Statuen  vor  dem  Tempel,  wahrschein- 
lich auf  den  Treppenwangen,  gesetzt  worden  sind.  Im  Jahre  1551 
fand  man  vor  der  Kirche  zwei  gleiche  Travertinblöcke  von  1,35  m. 
Höhe,  0,90  m.  Breite,  welche  nach  dem  Wortlaut   der  alten  Be- 
richte mit  dem  Bauwerk  in  Verband  gewesen  zu  sein  scheinen  (2). 
Doch  lassen  sich  die  angegebenen  Breiten-  und  Höhenmaasse  der 
Stücke  nicht  mit  Maassen  des  Podiums  in  Zusammenhang;  bringen. 
Immerhin  ist  es  möglich,  dass  beim  scavo  von  1551  die  Tempel- 
treppe zerstört  worden  ist.  Für  den  Namen  unseres  Baues  jedoch 
erfahren  wie  aus  diesen  Notizen  nichts. 

Zur  genauen  Kenntnis  des  Bauwerks  ist  eine  Untersuchuno- 
der  technischen  und  formalen    Einzelheiten    notwendig.   Der  aus- 

(')  lieber  Fortuna  und  Mater  Matuta  s.  Wissowa  Religion  der  Römer 
p.  207.  Beides  sind  Frauengottheiten;  die  erstere  will  Wissowa  mit  Pudicitia 
identifizieren.  Ganz  verschieden  von  ihr  ist  die  nur  einmal  (in  den  Kalenda- 
rien  zum  1.  April)  erwähnte  Fortuna  Virilis,  die  mit  der  Pudicitia  in  einem 
gewissen  Gegensatze  gestanden  zu  haben  scheint. 

(2)  Mart.  Smetius  inscr.  49,  4,  5  giebt  an:  bases  duae  aequales  ex  Ti- 
burtino  altae  palmos  VI,  latae  IUI  coronis  suis  spollatae,  repertae  Romae 
a.  1551  ante  aediculam  S.  Mariae  Aegyptiacae;  in  seinem  Neapolitaner  Ms. 
(p.  114)  sagt  derselbe:  a.  1551  e  basi  templi,  quod  quidam  Forti  Fortunae, 
alii  vero  Pudicitiae  hactenus  ascripserunt.  diculsae.  Aldus  Manutius  (cod. 
Vat.  5253  f.  348)  fügt  hinzu :  horum  (saxorum)  alterum  e/fossum  a  dextris, 
alterum  a  sinistris. —  Endlich  erzählt  Pyrrho  lAgovio,delle  antichiiä  di  Roma  ; 
paradossi  (1553)  p.  45:  essendosi  cavato  Vanno  passato  in  questo  luogo 
(S.  Maria  Egiziaca)  s'e  trovato  per  lettere  che  v'erano  intagliate,  che  questa 
era  la  Basilica  di  Caio  e  di  Lucio.  Vgl.  C.  I.  L.  VI,  897.  898,  wo  weiter«' 
Litteratur. 


222  E-    R-    F1ECHTER 

führlichen  Baubeschreibung  aber  sei  zuerst  ein  kurzer  Bericht 
über  die  bisherigen  wichtigsten  Darstellungen  und  Veröffentlichungen 
des  Denkmals  vorangeschickt. 

Bisherige  Kenntnis  des  Tempels. 

I.  Alte  Zeichnungen  und  Aufnahmen. 

Aus  der  Zeit  der  Renaissance,  in  der  die  Künstler  mit  gros- 
sem Eifer  die  antiken  Bauten  studierten  und  zeichneten,  sind  mir 
folgende  Berichte  und  Darstellungen  bekannt  geworden: 

1.  Zeichnungen  in  Florenz,    Uffizien. 

a)  Antonio  da  Sangallo  il  giovane  (1485-1546).  N.  1166 
Grundriss  mit  Maassen  der  Axweiten  und  der  Türöffnung.  Die  Sei- 
tenansicht mit  Pfeilerpodium  ohne  Einzelheiten.  Zwischen  den 
Wandsäulen  ist  ein  Sockel  mit  Abschlussleiste,  darüber  12  gleich - 
grosse  Qnaderschichten.  Flüchtige  Darstellung  des  Frieses :  über  den 
Säulen  Stierschädel,  über  den  Intervallmitten  je  ein  Putto,  und 
beiderseitig  zwischen  Stierschädel  und  Putto  je  ein  Kandelaber, 
alle  durch  Laubgewinde  verbunden.  Einzelheiten  und  Profile  nicht 
gezeichnet.  Auf  dem  Giebel  erheben  sich  Postamente  von  First-  und 
Eckakroterien. 

b)  Salvestro  Peruzzi,  Sohn  des  Baldassarre  (geb.  1500, 
lebte  bis  1573).  N.  664  u.  689  nur  flüchtig  gezeichnete  Grund- 
risse ohne  Einzelheiten. 

c)  Giovanni  Antonio  Dosio  (1533-1609)  N.  2027,  2028, 
2029 bis;  gibt  sorgfältige  Aufzeichnungen,  meist  wohl  nicht  vor 
dem  Objekt  selbst  gemacht,  obschon  er  dies  genau  beobachtet 
hat.  2027  und  2029  bis  v.  Grundriss  mit  wenig  Maassen.  Türweite 
auf  10  f.  angegeben.  2027  r.  u.  2028  geometrisch  aufgezeichnete 
Vorderansicht  mit  Stufen  eines  Peripteraltempels.  Im  Fries  über 
den  Säulenaxen  Stierschädel,  in  den  Zwischenräumen  je  zwei  Kan- 
delaber und  ein  Putto  (wie  bei  Sangallo).  Ferner  Basis,  Kapitell- 
und  Gesimseinzelheiten  mit  grosser  Sorgfalt.  Die  Formen  sind 
gegenüber  der  Wirklichkeit  verfeinert.  Am  Architrav  sind  beide 
Fascien  mit  Perlschnüren  geziert.  Auf  Blatt  N.  2027  die  Notiz: 
« tutli  gli  intagli  che  sono  in  detto,  sono  coperti  di  stucco  e  fatti 
con  bellissima  grazia  » .   N.   2029  bis  enthält   noch    einmal    ein 


DER    IONISCHE    TEMPEL    AM    PONTE    ROTTO  223 

Gebälkdetail  mit  gross  gezeichnetem  Stierschädel  und  wulstigem 
Laubgewinde  —  den  leeren  Raum  über  dessen  Rundung  füllt 
eine  Scheibe  aus  —  ferner  ein  grosses  schematisch  es  Kapitell- 
detail ohne  Einzelheiten. 

In  der  Mappe :  Vedute  degli  antichi  Edißsi  dl  Roma,  dise- 
gnati  da  Giovanni  Antonio  Dosio  {dipoi  incisi  da  Giovanni  Bat- 
tista  de'  Cavalicri  l'anno  1569)  sind  noch  zwei  malerische  An- 
sichten 2506  y.  u.  2530  r.  Die  eine  giebt  den  Tempel  restauriert 
und  mit  peripteralem  Stufenbau  (ohne  Podium);  die  andere  zeigt 
den  damaligen  Zustand  mit  vermauerter  Vorhalle,  aber  ohne  die 
Fenster  an  der  Langseite.  Der  Bau  steckt  ganz  im  Schutt.  Im 
Fries  nur  Stierschädel  und  Gewinde  angegeben. 

2.  Zeichnungen  in  anderen  Sammlungen. 

a)  Berlin,  Kunstgewerbe-Museum,  Sammlung  Destailleur. 
Grosses  Blatt,  von  demselben  unbekannten  französischen  Kunst- 
ler, der  um  1550  namentlich  die  Kaiserthermen  äusserst  sorgfäl- 
tig studiert  hat  (Jessen,  Aus  der  Anomia,  1890,  p.  114  ff.).  Auf 
der  r.  Hälfte:  Ansicht  der  westlichen  Langseite;  1.  Details  der 
Basen,  Kapitell  und  Gebälk.  Eine  Photographie  der  1.  Hälfte  ver- 
danke ich,  durch.  Herrn  Professor  Hülsens  Vermittelung,  der  Güte 
der  Hrn.  Prof.  Loubier. 

b)  Wien,  Hofbibliothek. 

1)  Unbekannter  Franzose  (XVI.  Jhdt.):  Kopie  nach  dem  eben 
genannten  Blatte  des  Anonymus  Destailleur. 

2)  Unbekannter  Italiäner  (XVII.  Jhdt.):  Profil  der  Halbsäu- 
lenbasis  und  des  Unterbaues  —  «  questo  e  il  pidistallo  di  quello 
tenpieto  dove  ogi  e  la  chiesa  di  Santa  Maria  Egitiacha  »  etc.; 
Grundriss  einer  Säule  und  einer  Halbsäule. 

Ueber  diese  beiden  Blätter  vgl.  H.  Egger,  Katalog  der  Wiener 
Handzeichnungen  p.  46.  47  n.  152.  153,  dem  ich  auch  eine  Pho- 
tographie von  n.  2  verdanke. 

3)  Unbekannter  Italiäner  (XVI  Jhdt.) :  Grundriss  mit  wenigen 
Maassen :  c  ternpio  di  martte  a  ponte  Sta.  Maria,  hopera  ionica 
composta  di  studio  in  Roma '.  [Auf  demselben  Blatte  Grund- 
riss eines  Rundbaus:  «  di  la  da  Palestrina,  ternpio  di  mattoni 
arrotati  »;  auf  der  Rückseite  Grundrisse  dreier  anderen  Rund- 
bauten u.  A.  eines  angeblichen  «  Ternpio  di  Äpolline  a  Bene- 
vento  »]. 


a 


224  E.    R.    FIECHTEH 

3.  Darstellungen  in  verschiedenen  alten  Architektunverken. 

a)  Bartolomeo  Marliani,  Urbis  Romae  Topographia, 
Romae  1544  p.  57,  giebt  nur  einen  Grundriss,  ohne  die  moderne 
Vermauerung  der  Vorhalle  von  den  antiken  Cellawäuden  zu  unter- 
scheiden. Sein  Text  ist  lediglich  topographischer  Natur. 

b)  Stich  im  Speculum  Romana e  Magnificentiae, 
N{icolaus)  B(eatricet)  f(ecit),  Tomasius  Barl(acchi)exc(udit)M'DL. 
Beischrift:  «  Templum  Fortmae  Virilis  ad  ripas  Tiber is  in  Foro 
Piscario,  nunc  Mariae  Aegyptiacae  sacratum,  Romae  ».  Vielleicht 
abhängig  von  der  angeführten  Zeichnung  von  A.  da  Sangallo.  Es 
ist  eine  perspektivische,  rekonstruierte  Ansicht.  Das  Podium  der 
Vorhalle  erscheint  ganz  aufgelöst  in  Pfeiler,  auf  welchen  die  Säulen 
stehen;  im  Fries  nur  Stierschädel  und  Vasen  gezeichnet.  Oft  nach- 
gestochen, z.  B.  in  Jac.  Lauri  Splendor  Antiquae  Urbis  (1613); 
P.  Schenk,  Roma  aeterno,  (Haag  1705)  T.  64,  u.  A. 

c)  Sebastiano  Serlio.  Architettura  1.  IV.  Venezia  1552 
f.  38'  giebt  eine  schematische  Ansicht  des  Kapitells  bei  Anlass 
seiner  Auseinandersetzung  von  Vitruvs  Regel  (Vitruv.  III  5,  5  f.) 

d)  Andrea  Palladio  (1518-1580),  /  quattro  libri  del- 
V architettura  1576.  1.  IV.  S.  48  giebt  auf  3  Tafeln  1)  einen  er- 
gänzten Grundriss  mit  wenig  Maassen  (Türweite  9  V4  f-),  gänzlich 
falsche  Profilzeichnung  des  Podiums,  eine  Türverdachung  in  Einzel- 
heiten, deren  Schönheit  er  besonders  rühmt;  2)  eine  Vorderansicht 
mit  hohen  Akroterpostamenten  und  Figuren;  im  Fries  über  den 
Säulen  Putti,  dazwischen  Stierschädel  und  Guirlanden,  keine  Kande- 
laber; dann  Kapitelleinzelheiten;  3)  eine  Seitenansicht  mit  durch- 
geführtem Basisprofil  als  Sockel  der  Cellawand;  schöne  üppige  Fries- 
zeichnung  und  genaue  Kapitelluntersicht.  Stucküberzug    erwähnt. 

Wenn  diese  alten  Aufnahmen  meist  in  der  Angabe  der  Einzel- 
heiten von  bedeutender  Genauigkeit  sind,  so  dürfen  doch  weder  die 
Grundrisse,  noch  die  Aufrisse  und  Schnitte,  also  die  Gesamtdarstel- 
lungen mit  dem  Maasstab  archäologischer  Gewissenhaftigkeit  geprüft 
werden.  Sie  stellen  vielmehr  meist  geniale  Ergänzungen  dar,  die  die 
tatsächliche  Wirklichkeit  wenig    oder   gar   nicht   berücksichtigen. 

e)  Ans  Ende  dieser  Reihe  stelle  ich  den  französischen  Ar- 
chitekten Ant.  Desgodetz,  welcher  in  Colberts  Auftrage  1675- 
76  die  Ruinen  Roms  genau  untersuchte,  und  1682  in  Paris  sein 
Werk  u  ßdiföces  antiques  de  Rome  »   veröffentlichte.  PI.  38-41  ent- 


DER    IONISCHE    TEMPEL   AM    PONTE    ROTTO  225 

halten  eine  Aufnahme  unseres  Tempels.  Trotz  seiner  lauten  Rügen 
über  die  Darstellungen  älterer  Architekten  begegnen  auch  ihm  ver- 
schiedene Fehler;  doch  bedeutet  sein  Werk  für  seine  Zeit  eine 
ganz  bewunderungswürdige  Leistung.  Er  ist  der  erste,  der  das 
Podiurnpiofil  richtig  zeichnet,  und  zwar  auf  Grund  eigener  Gia- 
bung  (p.  98).  Auch  erkannte  er  richtig  den  Unterschied  zwischen 
Stuck-  und  Steinformen,  wenngleich  er  für  seine  Publication  ein 
Normalkapitell  zurechtzeichnet.  Unrichtig  sind  nur  die  Mauer- 
maasse  im  Grundriss  und  die  Friesornamente.  Er  zeichnet  Eichen- 
kränze, steife  Putti,  Kandelaber  und  Stierschädel  ('). 

Aus  den  unzähligen  römischen  Vedulen  des  17.  und  begin- 
nenden 18.  Jhdts  (-)  lernen  wir  für  das  Bauliche  unseres  Monu- 
ments nichts.  Den  Erhaltungszustand  zeigen  am  treusten  die 
Vedute  in  Alö  Giovannolis  Antichi  vestigj  di  Roma  (circa  1616) 
Tav.  66,  und  (fast  hundert  Jahre  später)  Bonaventura  van  Over- 
beke  Iteliquiae  antiquae  urbis  Romae  (1709-1753)  I  Tf.  55. 
Danach  war  der  Tempel  bis  über  die  Säulenbasen  verschüttet  und 
besonders  an  der  Südseite  durch  Anbauten  entstellt. 

Eine  beklagenswerte  Beschädigung  erlitt  der  Tempel  im  Jahre 
1718,  als  Papst  Clemens  XI  das  Gebäude  des  armenischen  Hospizes 
vergrössern  liess:  damals  Avurde  ein  Teil  des  Gebälks  weggenom- 
men, und  der  Travertin  für  die  Fassade  der  nahen  Basilika  von 
S.  Maria  in  Cosmedin,  die  gleichzeitig  auf  Veranlassung  des  Car- 
dinais Hannibal  Albaui  restauriert  wurde,  verwendet  (3).  —  Den 
Zustand  des  Monuments  (westliche  Langseite)  um  1750  zeigt  eine 
Vedute  G.  Vasi's  {Magnificense  di  Roma,  1.  V,  1754,  Tav.  94). 

t1)  Nach  den  Aufnahmen  von  Desgodetz  hat  G.  Ant.  Guattani  in  den 
monumenti  antichi  tnediti  (1789)  T.  III  und  seiner  Borna  antica  descritta 
e  i  Hlustrata  (1805)  T.  XXII  eine  Darstellung  im  kleinsten  Maasstab  nach- 
gestochen. Im  Fries  zeichnet  er  bewegte  Putti,  Stierschädel,  wesentlich  ab- 
weichende Kandelaber  und  wulstige  Laubgewinde.  Guattani  berichtet  in  den 
Memorie  enciclopediche  Romane  (1816),  p.  5  von  der  Absicht  der  Wieder- 
herstellung des  Tempels. 

(-)  Ein  reichhaltiges  Verzeichnis  von  solchen  giebt  F.  Hermanin,  Cata- 
logo  delle  incisioni  con  vedute  romane  nel  Gabinetlo  Nazionale  delle  Stamp>\ 
Rom  1897.  Hervorgehoben  seien  die  entzückende  kleine  Radierung  von  Gio- 
vanni Mercati,  Alcune  vedute  dei  luoghi  dishabitati  di  Roma  (1629)  und  der 
Stich  des  Israel  Silvestre  (1621-1691). 

(3)  G.  M.  Crescimbeni,  Stato  della  Basilica  di  S.  Maria  in  Cosmedin 
(Roma  1719.  4)  p.  41:  notiü    che  i  trivertini  adoperati  {nella    nuova   fac- 

16 


226  k     K-    FIECHTEK 

IL  Neuere  Aufnahmen   und  Bearbeitungen. 

1.  Mit  Giovanni  Battista  Piranesi  beginnt  eine  neue  Aera 
in  der  Stellung  zur  Antike.  In  «  Le  antichitä  Romane  »  T.  IV 
(1756)  Tav.  XXXXVIII-LII  giebt  er  Ansichten  und  Einzelheiten 
unter  Weglassung  alles  Modernen.  Der  Bau  war  nach  seinen 
Angaben  bis  über  die  Säulenbasen  verschüttet ;  aber  die  Podium- 
profilierung  ist  richtig  gezeichnet.  Auf  der  Cellawand  giebt  Pira- 
nesi vielfache  Reste  der  Stuckverkleidung  mit  der  Quaderzeich- 
nung an.  Unrichtig  ist  der  wirkliche  Steiuschnitt  und  unwahr- 
scheinlich  seine  ganze  Darstellung  des  (unzugänglichen)  Unterbau.?. 
Beide  Räume,  Vorhalle  und  Cella  waren  nach  ihm  überwölbt.  Treff- 
lich sind  die  Einzelheiten:  er  unterscheidet  Steinform  und  Stuck- 
überzug; freilich  am  Kapitell  nicht,  da  ist  auch  die  Herausdre- 
hung der  Voluten  ein  Irrtum.  Von  der  Friesdekoration  giebt  er 
einen  mageren  Putto  mit  fadendünnen  Laubgewinden;  sonst  nichts. 
In  Piranesis  Werk:  Bella  magnißcenza  ed  architettura  clei  Ro- 
mani  (1761)  Tav.  VI  fig.  II  ist  die  stark  idealisierte  jonische 
Ordnung  unseres  Tempels  besonders  wiedergegeben. 

2.  Uggeri,  Journees  piltoresques  vol.  II  (1800)  pl.  XII,  ver- 
öffentlicht einen  sehr  genauen  Grundriss  des  Tempels  unter  Angabe 
der  modern  ergänzten  Teile.  In  seiner  Collection :  Les  trois  ordres 
grecs  d' apres  les  monuments  de  Rome  antique  (1803)  vol.  IV  ordre 
jonique  pls.  XIV-XVII,  sind  gute  Aufnahmen.  Abgesehen  von  kleinen 
Fehlern  ist  im  allgemeinen  das  Bild  des  dick  mit  Stuck  überzogenen 
Bauwerks  dargestellt.  Im  Fries  aber  stehen  geflügelte  Putti,  welche 
feinteilige  Laubgewinde  mit  flatternden  Bändern  tragen. 

3.  Eine  durch  ihre  Trefflichkeit  ausgezeichnete  Darstellung  des 
Tempels  geben:  Taylor  und  Cresy  The  architeclural  antiqui- 
ties  of  Rome  {taken  in  1817  to  1810)  ed.  1874  pl.  XCVII-CI. 
Die  malerische  Ansicht  des  Tempels  mit  den  Anbauten  und  dem 
Glockentürmchen  zeigt,  dass    an    der    Nordfront    von    den  Säulen 


data  della  chiesa)  sono  i  medesimi  che  sono  stati  levati  dal  cornicione 
delVantico  Tempio  etnico,  poi  imitolato  a  S.  Maria  Eyisiaca,  per  poU rvi 
fabbricare  Vappartamento  {per  comodo  de'  Vescovi  Armeni)  Vgl.  ebda.  S.  82 
über  das  Ospizio  degli  Armeni.  —  Nocb  Rid.  Venuii,  Descrisione  Topograßca 
delle  antichitä  di  Roma  (Roma  1703)  p.  II  c.  2,  sagt:  le  colonne  del  prin- 
cipal  prospetto  e  quelle  d'ua  lato  non  e  gran  tempo  che  vennero  rovinate. 


DER    IONISCHE    TEMPEL   AM    PONTE    ROTTO  _''_' i 

nichts  mehr  zu  sehen  ist;  von  der  westlichen  Laugseite  ist  nur 
das  nördliche  Stück  (wie  heute  noch)  besser  konserviert.  Der 
Grundriss  (Tat*.  XCIX)  mit  ergänzter  Treppe  (aber  wohl  unrichtig), 
die  Seitenansicht  (Taf.  C)  mit  Andeutungen  des  Steinschnitts.  Die 
Einzelheiten  unterscheiden  am  Architrav  deutlich  zwischen  Stuck- 
und  Steinformen;  im  Fries  werden  die  Kränze,  Zweige  und  Bänder 
annähernd  richtig  beobachtet,  zum  ersten  Mal  die  üblichen  Laubge- 
winde nicht  schematisch  dargestellt.  Das  Kapitell  wird  ohne  die 
Stuckumhüllung  gezeichnet. 

4.  Eine  gute  und  grosse  Ansicht  der  Vorder-  und  der  rechten 
(westlichen)  Langseite  der  Baus  giebt  L.Rossini,  Le  antichitä 
di  Roma  (R.  1822)  T.  51.  Im  Fries  sind  Stierschädel,  Laubge- 
winde und  Putti  angedeutet. 

5.  In  «  Aggiunte  e  correzioni  all'opera  sugli  edlßci  antichi 
di  Roma  dell'Arch.  Desgodetz  »  von  Valadier  und  Canina, 
1843,  wird  von  einer  Ausgrabung  beim  Tempel  berichtet,  bei  welcher 
hinter  der  Rückfront  eine  nach  der  Stadt  sich  wendende  Strasse  ent- 
deckt   wurde.    T.  19    giebt    eine    kleine  perspektivische  Ansicht. 

6.  Die  Aufnahmen  in  Canina' s  grossem  Werk:  Edißzi  di 
Roma  atitica,  1848,  vol.  II,  Tav.  XLI  und  XLII,  Text  S.  8G 
lehren  nach  Uggeri  nichts  neues.  Inkonsequent  sind  teils  Stuck- 
teils Steinformen  gezeichnet.  Die  ergänzten  Plan-  und  Aufrisszeich- 
nungen enthalten  keine  Maasse.  Auf  der  Vedute  des  gegenwärtigen 
Zustands  ist  die  bereits  renovierte  Vorderseite  zu  sehen. 

7.  Als  «  Architecte  pensionnaire  de  l'Academie  de  France  ä 
Rome  »  machte  Blondel  zwischen  1878  und  1880  Aufnahmen  an 
unserem  Tempel,  die  soviel  mir  bekannt  ist,  nur  in  der  Collectioii 
Lampue  (N.  202-207)  veröffentlicht  sind.  In  vorzüglicher  Darstel- 
lung sind  Grundplau  und  Aufrisse  unter  Weglassung  alles  Mo- 
dernen gegeben.  Die  Profillinie  im  Gebälkdetail  zeigt  eine  etwas 
unsichere  Trennung  von  Stucküberzug  und  Steinform.  Zum  erstenmal 
aber  ist  die  Friesdekoration  genauer  nach  dem  Original  darge- 
stellt. Fraglich  bleibt  freilich,  ob  Blondel  die  steifen  Putti,  die 
sehr  an  Piranesi  erinnern,  wirklich  noch  gesehen  hat.  Der  Mäander 
auf  der  Abschlussleiste  des  Architravs  ist  wohl  Erfindung  des  Ver- 
fassers. Das  ganze  Gebälkdetail  auf  Blatt  N.  206  giebt  ein  vor- 
zügliches Bild  der  Architektur,  wie  sie  durch  die  Ueberstuckie- 
rung  der  Steinformen  entstanden  ist. 


228  E-    R-    FIECHTER 

8.  Vortreffliche  photographische  Wiedergaben  des  jetzigen  Zu- 
standes  findet  man  in  Stracks  Baudenkmälern  des  alten  Rom, 
Berlin  1870  Taf.  14  und  23;  gute  Abbildungen  blos  des  Kapi- 
tells in  R.  Delbrück  die  drei  Tempel  am  Forum  holitorium 
Taf.  IV  1  u.  in  K.  Ronczewski:  Motive.  Riga  1905.  S.  37. 

Die  Zeichnungen  und  Berichte  vermitteln  bereits  eine  genaue 
Kenntnis  unseres  Tempels  Zu  dem  heutigen  Erhaltungszustand 
geben  sie  die  fast  übereinstimmende  Notiz,  dass  im  Fries  Putten 
die  Laubgewinde  trugen.  Ferner  überliefert  Palladio  Formen  der 
Cellatürumrahmung.  Nur  von  der  Freitreppe  vor  der  Nordfront  weiss 
niemand  etwas  genaues  zu  berichten.  Entweder  ist  sie  gänzlich 
verschwunden  (vielleicht  bei  der  Ausgrabung  1551,  s.o.  S.  221) 
oder  man  hat  nur  nie  nach  ihren  Resten  gesucht. 

Wenn  ich  nun  trotz  dieser  Menge  von  Berichten  es  unter- 
nehme, den  kleinen  Bau  am  Forum  boarium  zu  beschreiben,  so  ge- 
schieht dies  einmal,  um  eine  Reihe  von  Beobachtungen  über  Ma- 
terial und  Technik,  die  uns  heute  beim  archäologisch  gewissen- 
haften Studium  der  alten  Bauwerke  nötig  sind,  in  Bezug  auf  diesen 
Bau  mitzuteilen,  und  zum  andern  möchte  ich,  angeregt  durch  die 
Beschreibung  der  drei  Tempel  am  Forum  holitorium  (')  versuchen, 
den  ionischen  Pseudoperipteros  zu  den  ihm  nächst  verwandten  Bauten 
in  Beziehung  zu  stellen,  dann  aus  dem  Vergleich  aller  Formen  von 
Grundriss  und  Aufbau  ein  Datum  seiner  Entstehungszeit  abzuleiten 
und  zugleich  sein  Verhältnis  zu  den  altitalisch  -  einheimischen 
wie  zu  den  hellenistisch  -  kleinasiatischen  Bauwerken  festzustellen. 


II.  Baubesckreibimg. 

A.  Lage   des   Tempels  (Fig.  1). 

Unser  Tempel  liegt  am  ehemaligen  Forum  boarium,  am  Rin- 
dermarkt des  alten  Rom  (2).  Der  Platz  wurde  westlich  durch  den 

(')  1!.  Delbrück,  Die  drei  Tempel  am  Forum  holitorium  in  Rom.  Rom  1903. 

(2i  Nibby,  Roma  neu" anno  1838,  parte  antica  II  p.  666  ff.;  Jordan,  To- 
raphie  1,  2.  S.  470  ff.;  Hülsen,  II  Foro  boario  e  le  sue  adiacenze  neWanti- 
chitä.  Dissertazioni  delVAccademia  Pontificia,  Ser.  II  vol.  VI  (1808)  p.  231  ff.; 
0.  Richter,  Topographie2  S.  165  f. 


DER    IONISCHE   TEMPEL    AM    PONTE    ROTTO 


229 


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230  E.    R.    FIECHTER 

Tiber  begrenzt,  über  den  vom  nördlichen  Ende  des  Forums  der 
Pons  Aemilius  nach  der  Regio  Transtiberina  (XIV)  hinüberführte. 
Am  Südende  standen  die  Carceres  des  Circus  Maximus  und  der 
Cerestempel.  Die  jetzt  in  die  Kirche  S.  Maria  in  Cosmedin  verbaute 
antike  Säulenreihe  wird  der  Statio  Annonae  zugeschrieben;  die  in 
der  orleichen  Kirche  rückwärts  eingeschlossenen  Tuffmauern  dem 
Tempel  des  Hercules  Pompeianus  (l).  Der  Eingang  zum  Forum  boa- 
rium  bildete  im  Osten  in  späterer  Zeit  der  sogenannte  Arcus  Jani 
(Constantini).  Auf  dem  Platz  selbst  standen  der  bronzene  Stier  aus 
Aegina,  die  Ära  maxima,  und  dicht  dabei  der  Rundtempel  des  Her- 
cules Victor  mit  der  Bildsäule  dieses  Gottes.  Gegenüber  erhoben 
sich  die  Tempel  der  Fortuna  und  der  Mater  Matuta,  und  vor  ihnen 
die  Bögen  des  L.  Stertinius. 


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B.  Erhaltungszustand. 

Der  Tempel  stand  einst  frei.  Auf  das  hohe  Podium  führte 
eine  Freitreppe,  die  die  ganze  Breite  der  Nordfront  umfasste.  Das 
ist  ersichtlich  an  der  über  die  Nordwestecke  vortretenden  Wan- 
genmauer (Taf.  VIII).  Die  Mehrzahl  der  früheren  Darsteller  ergänzte 
diese  Wan^enmauer  conaxial  zu  den  Ecksäulen.  Wie  im  übrigen 
die  Treppe  angeordnet  war,  ist  nicht  zu  bestimmen.  Es  fehlen  zu- 
verlässige Angaben  aus  früheren  Darstellungen,  und  Untersuchungen 
an  Ort  und  Stelle.  Wahrscheinlich  waren  für  den  Auf-  und  Ab- 
stieg am  rechten  und  linken  Ende  verhältnismässig  schmale  Trep- 
penläufe angelegt,  zwischen  welchen  sich  etwa  auf  halber  Podium- 
höhe  ein  Altar  erhob  (2). 

Die  Länge  des  Podiums  ist  also  unbestimmt;  sie  mag  etwa 
26  m.  gemessen    haben.  Die  Breite    beträgt  11,  13  m.  Sichtbar 

(»)  Giovenale,  Annuario  delVAssociazione  artistica  fra  i  cultori  di  ar- 
chiteltura,  V,  1895;  Hülsen,  Atti  deWAcc.  Pontif  S.  271. 

(2)  Aehnliche  Treppenanlagen  mit  Altar  am  Treppenaufgang:  der 
Tempel  des  Zeus  Meilichios  in  Pompei  (Mau,  Pompei  S.  168);  ebenda  der 
Tempel  der  Fortuna  Augusta  (Mau  a.  a.  0.  S.  118).  Am  Forum  Romanum : 
der  Tempel  des  Divus  Julius  (Hülsen,  Forum  Romanum,  1905,  S.  140),  der 
Tempel  des  Antonin  und  der  Faustina  (Hülsen  Mitth.  1902  S.  92)  und  wahr- 
scheinlich auch  der  Castortempel.  Vergl.  auch  das  kleine  naive  Relief  am 
Larenaltar  im  Hause  des  Caecilius  Jucundus  in  Pompeji  (Weichardt  Pompeji 
S.  102). 


DER    IONISCHE    TEMl'EL    AM    PONTE    ROTTO 


231 


Fi?.  2.  Nördliche  Hälfte  der  Westseite. 


Fig.  3.  Nordosteeksäule  (teilweise  ein  getaut). 


232 


E.    R.   FIECHTER 


vom  Podium  ist  ausser  der  westlichen  Langseite  beinahe  die  ganze 
Südseite;  verdeckt  durch  die  Anbauten  des  ehemaligen  armenischen 
Hospitals,  die  zur  Kirche  gehörigen  Sakristei  räume  und  die  Tauf- 
kapelle ist  die  ganze  Ostseite  des  Baues,  so  dass  jetzt  der  Tempel 
au  diese  ihn  überragenden  Bauten  anzulehnen  scheint   (Taf.  VI). 


Fisf.  4.  YVandecksäule  an  der  Westseite. 


Vom  Aufbau  erhalten  und  sichtbar  sind  die  Nord-,  West-  und 
Südseite  sammt  dem  oberen  Gesimsabschluss.  In  den  oberen  Sa- 
kristeiräumen  der  jetzigen  Kirche  sind  von  der  Ostfront  die  Säulen 
der  Vorhalle  halb\rerrnauert  noch  zu  sehen  und  die  Cellawand  bis 
zum  dritten  Interkolumnium.  Die  sechste  und  siebente  (Ecksäule) 
sind  verbaut.  Der  Architrav  liegt  noch  über  den  freistehenden  und 
den  Wand-Säulen;  das  Gebälk  wird  durch  die  Deckenkonstruktion 
des  Sakristei-Anbaus  verdeckt,  ist  aber  wahrscheinlich  überhaupt 
nicht  mehr  da,  oder  gänzlich  abgeschlagen  (s.  o.  S.  225). 

Völlig  fehlt  jeder  Anhaltspunkt  für  die  antike  Decken-  und 
Dachkonstruktion,  da  das  Gebäude  innen  gänzlich  mit  modernem 


DER    IONISCHE   TEMPEL   AM    PONTE    ROTTO  233 

Stuck   ausgekleidet   ist   (s.   u.   S.   240   A.  1)   Ebenso  wissen  wir 

nichts  über  den  antiken  Fussboden,  dessen  Höhenlage  aber  etwa 
der  des  heutigen  entsprochen  haben  rnuss  (Taf.  IX). 


Fi£.  5.  Wandsäulcn  an  der  Ostseite  (in  der  Sakristei). 


Die  ursprünglich  offene  Vorhalle  ist  durch  Mauern  zwischen 
den  Säulen  ganz  geschlossen  und  mit  zum  Kirchenraum  zugezogen 
worden  (vergl.  Taf.  Vll  u.  Fig.  2  u.  3). 

In  der  Vorderwand  der  ehemaligen  Cella  befindet  sich  jetzt 
eine  grosse  Oeffnung,  die  von  einem  —  wahrscheinlich  antiken  — 
Wandbogen  überspannt  ist.  Alle  übrigen  in  die  Kirche  hineingrei- 


234  E.    R.    FIECHTER 

fenden  Mauerkörper  sind  aus  nicht  antikem  Ziegel mauerwerk.  Auf 
Taf.  VIII  ist  der  Erhaltungszustand  so  gut  als  möglich  dargestellt. 
Im  einzelnen  ist  er  folgender: 

Nordseite :  Säulenbasen  modern  vorgesetzt,  auch  die  Stufen  und  Stjdobat- 
platten,  Schäfte  mit  rötlichem  Mörtel  neu  aufgeputzt,  Kapitelle  ebenso. 
Das  rechte  Eckkapitell  nur  teilweise  und  unrichtig  ergänzt  (vergl. 
Fig.  2).  Das  ganze  Gebälk  ebenso  neu  aufgeputzt.  Giebel  im  antiken 
Zustand  erhalten,  aber  übermauert. 

Westseite,  erstes  Interkolumnium:  Stylobat  modern  ergänzt.  Ecksäule  :  rechte 
Volute  i:i  der  ersten  Form  ohne  Blume  im  Volutenzentrum.  An  der  zweiten 
Säule  (von  der  Nordseite  gerechnet,  Ecksäule  immer  mitgezählt)  unten 
die  Steinform  des  Schaftes,  oben  die  erste  und  zweite  Stuckschicht,  Ka- 
pitell in  der  zweiten  Form  gut  erhalten  (im  Innern  der  Kirche  stark  zer- 
stört). Darüber  Architrav,  Fries  und  Gesims  sehr  deutlich,  ebenfalls  in 
der  zweiten  Form  (Fig.  6).  Dritte  Säule  (Wandecksäule)  hat  unten  modern 
vorgelegte  Basis.  Schaft  wie  bei  der  zweiten  Säule.  Diagonalvolute  ganz 
abgebrochen,  die  andere  stark  verstümmelt  (Fig.  4).  An  Säule  4-7  mo- 
derne Basisergänzungen.  Schäfte  teilweise  geflickt.  Kapitelle  bis  zur 
Unkenntlichkeit  verstümmelt.  Architrav  und  Gesims  darüber  ohne  Stuck- 
überzug erhalten.  Tuffquaderwand  im  3.-6.  Interkolumnium  durch  drei 
moderne  Fenster  durchbrochen.  Stuckreste  der  Quaderimitation  im  3. 
Interkolumnium. 

Südseite:  Basis  der  Ecksäule  und  der  2.  Säule  durch  überputztes  Ziegel- 
mauerwerk ergänzt,  ebenso  der  ganze  Stylobat.  An  der  Basis  der  dritten 
Säule  modernes  gegen  das  Lager  gestelltes  Travertinflickstück.  Säulen- 
schäfte und  Wand  fast  ganz  überputzt.  Kapitell  der  zweiten  Säule  in 
der  zweiten  Form  gut  erhalten.  Kapitell  der  dritten  Säule  ziemlich  zerstört. 
Von  der  Wandecksäule  ein  Viertel  sichtbar;  das  übiige  eingebaut  und 
sehr  zerstört.  Das  horizontale  Gebälk  modern  überstrichen  und  geflickt, 
Giebel  im  antiken  Zustand,  aber  mit  moderner  Aufmauerung. 

Ostseite:  Südostecksäule  zu  drei  Viertel  eingebaut.  Zweite  Säule  ebenso. 
Dritte  bis  siebente  (vordere  Ostfrontecksäule)  im  oberen  Teil  erhalten; 
unten  abgeschlagen  und  überputzt,  bezw.  eingemauert.  Kapitell  der 
dritten  Säule  ganz  zerschlagen.  Am  Schaft  beide  Stuckschichten  sehr 
gut  sichtbar.  Kapitell  der  vierten  Säule:  rechte  Volute  in  der  ersten 
Form  mit  den  umhüllenden  Akanthusblättern  gut  erhalten.  Schaft  stark 
zertrümmert  und  wie  die  Wand  mit  Ziegel  und  Kalk  geflickt  (Fig.  5). 
Kapitell  der  fünften  (Eck-)  Säule  :  Diagonalvolute  gut  erhalten.  Auf  dem 
Rücken  derselben  in  der  ersten  Form  ein  Akanthusblatt.  Kapitell  der 
sechsten  (Vorhalle)  Säule  am  besten  erhalten  (Tf.  XII),  rechts  in  der 
zweiten,  links  in  der  ersten  Form.  Schaft  in  der  zweiten  Form,  nach 
innen  gegen  die  Vorhalle  ganz  verstümmelt.  Nordosteckkapitell:  Diago- 
nalvolute abgeschlagen,  linke  Volute  in  der  ersten  Form  erhalten,  mit  deut" 
liebem  erstem  Stücküberzug.  Cellawand  meist  modern  verputzt.  Zwischen 
der   1.    u.  5.   Säule    (von    links    gezählt)  Reste  der    Quaderstuckierung. 


DER    IONISCHE    TEMPEL    AM    PONTE    ROTTO  235 

Die  modernen  Ergänzungen  und  Erneuerungen  sind  1830  ge- 
macht worden.  Der  dazu  verwendete  rötliche  Mörtel  lässt  sich 
leicht  von  dem  antiken  unterscheiden. 

C.  Beschreibung   der   Einzel  formen. 
Podium  (Tf.  X). 

Auf  einem  roh  bearbeiteten  Sockel vorsprung  steht  das  Fuss- 
glied  des  Podiums:  eine  niedrige  Platte,  darüber  eine  abgesetzte 
schlanke  Sima,  darauf  wieder  durch  ein  Plättchen  abgetrennt  ein 
umgekehrtes  lesbisches  Kvma.  Die  Pussgliedschicht  ist  als  Bin- 
derschicht  aufzufassen.  Darauf  stehen  die  glatten  Verkleidungs- 
platten des  Podiumkörpers.  Das  Abschlussgesims  ist  aus  mehreren 
Formen  zusammengesetzt.  Zu  unterst  ein  lesbisches  Kvma  mit 
Plättchen,  dann  ein  glatter  Zahnschnittstreif,  darüber  ein  kleineres 
und  ein  grösseres  Kyma  und  zuletzt  eine  weitausladende  schwache 
Platte  mit  schwerem  lesbischem  Kyma  und  oberem  Plattenrand. 
Um  die  ganze  Ausladung  zurückspringend  liegt  darüber  als  Ab- 
schluss  des  Podiums  eiue  durchgehende  Stufe,  die  mit  dem  Gesims 
zusammen  aus  einem  Stein  geschnitten  ist  (Tf.  VIII).  Die  ganze 
Steinlage  ist  merkwürdigerweise  eine  Läuferschicht.  Nur  an  der 
Ecke  auf  der  Südseite  ist  ein  kurzes  Binderstück  eingeschoben, 
dann  folgen  wieder  Läufer.  Konsequent  folgt  dann  eine  aus  Bindern 
gefügte  Stufe,  die  bereits  zum  Aufbau  des  Tempels  gehört  und  als 
Stylobat  zu  bezeichnen  ist. 

Basen  (Tf.  X). 

Die  Basen  der  freistehenden  und  die  der  Wandsäulen  ruhen 
auf  diesem  Stylobat.  Nur  an  den  vier  Gebäudeecken  sind  sie  mit 
dem  Stylobat  aus  einem  einzigen  Travertinblock  gebildet.  Die  Form 
der  Basen  ist  die  attische :  eine  kräftige  Plinthe,  starke  Tori  und 
dazwischen  eine  ziemlich  gedrückte  Kehle. 

Säulen  (Tf.  XI  und  XII). 

Die  nach  Norden  gerichtete,  einst  offene  Vorhalle  ist  in  der 
Front  viersäulig,  und  zwei  Jochweiten  tief.  Die  dritte  Säule  der 
Langseiten  des  Baues  (von  Norden  gezählt)  verwächst  als  Dreivier- 
telssäule mit  der  Cellawand,  an  welcher   dann  in  gleichen  Inter- 


236  E.    R.   FIECHTER 

vallen  der  Rhythmus  der  Säulen  Stellung  in  weiteren  3  Halbsäulen 
wiederholt  und  endlich  mit  einer  Dreiviertelssäule  die  hintere  Eck- 
lösung gebildet  wird.  Die  Rückfront  (Südseite)  ist  demnach  durch 
zwei  Dreiviertel-Ecksäulen  und  zwei  Wand-Halbsäulen  gegliedert. 

Die  Schäfte  der  meist  freistehenden  und  der  übrigen  Säulen 
endigen  oben  und  unten  im  Ablauf  und  Plättchen.  Zwanzig  ionische 
Kanneluren  umgeben  die  freien  Schäfte,  vierzehn  die  Dreiviertel- 
säulen-, und  elf  die  Halbsäulenschäfte.  Sie  sind  oben  und  unten 
bis  nahe  an  die  Ablaufkante  geführt  und  endigen  rundbogig.  Die 
Bearbeitung  der  Hohlflächen  ist  äusserst  roh  (s.  u.  S.  250),  die  der 
Stege  sorgfältiger.  Ein  Stucküberzug  hatte  sie  zu  verdecken,  und 
das  für  die  Erscheinung  der  Säule  fertige  Bild  abzugeben.  Das  Maass 
des  unteren  Durchmessers  schwankt  zwischen  0,445-0,465,  das  gerin- 
gere bei  den  Halbsäulen,  das  stärkere  bei  den  freistehenden;  die 
Maasse  sind  aber  wegen  des  schlechten  Erhaltungszustandes  und 
der  modernen  Renovationen  nicht  mehr  ganz  genau  zu  bestimmen. 
Der  obere  Durchmesser  misst  ca.  0,79-0,71  m.  Die  Säulenhöhe  be- 
trägt 8,22  m.,  die  Verjüngung  also  ca.  ein  Achtel. 

Ueber  der  ursprünglichen  Stuckschicht  befindet  sich  auf  den. 
Säulen  noch  ein  zweiter  späterer  Ueberzug  aus  Kalkmörtel,  der 
mit  groben  Marmorkörnern  gemischt  ist.  Die  ganze  Säule  wird 
dadurch  im  ca.  5-6  cm.  verdickt,  der  Anschnitt  der  Kanäle  an 
der  Basis  wird  sehr  stumpf,  und  das  Verhältnis  der  Verjüngung 
auf  etwa  1/10  verringert.  Der  Schaft  verliert  an  Grazie  und 
erhält  mehr  einen  derbkräftigen  Charakter. 

Beim  jonischen  Kapitell  der  Säulen  unterscheiden  wir  eben- 
falls zwischen  einer  ursprünglichen  Steinform  mit  dem  gleichzei- 
tigen Stucküberzug  und  einer  späteren  umgestalteten  Stuckforra. 
Der  Abakus  des  Kapitells  hat  eine  hohlkehlige  Abschrägung  der 
unteren  Kante.  Der  Canalis  ist  niedrig  und  nur  nach  oben  von  einem 
Mach  vortretenden  Saum  begrenzt;  nach  unten  stösst  er  an  das 
stark  vortretende  Eierstabkyma  an.  Die  Voluten  rollen  sich  dreimal 
auf.  Die  Canalisrläche  liegt  in  einer  mit  dem  Architrav  parallelen 
vertikalen  Ebene ;  weder  das  Volutenzentrum  noch  die  Volutengäge 
drehen  sich  hinter  oder  vor  diese  Ebene  heraus  ('). 

(')  Im  Gegensatz  zu  verschiedenen  Aufnahmen  aus  früherer  Zeit,  z.  B. 
Taylor  und  Cresy  Taf.  Ol.  vergl.  Durm  a.  a.  o.  S.  381  Abb.  411. 


DEK    IONISCHK    TEMPEL    AM    PONTE    ROTTO  237 

Von  den  einzeln  beobachteten  Kapitellen  (die  fünf  nördlichen 
der  Ost-  und  das  zweite  und  dritte  von  Norden  an  der  Westseite) 
haben  alle  eine  glatte  Scheibe  als  Volutenzentrum ;  nur  am  Dia- 
gonalkapitell der  nordwestlichen  Wandecksäule  (Fig.  4)  fand  ich 
eine  vierteilige  Blüte  an  dieser  Stelle;  da  die  übrigen  Säulen 
der  Vorhalle  entweder  zerstört  oder  gänzlich  verdeckt  sind,  ist 
nicht  zu  bestimmen,  ob  nicht  vielleicht  alle  Kapitelle  daselbst 
so  verzierte  Volutenzentren  besassen. 

Das  Kyma  ist  kräftig  entwickelt,  der  Eierstab  hat  klassische 
Form.  Die  Zwickel  werden  durch  äusserst  flache  vierblättriere  Pal- 
metten  ausgefüllt.  Unter  dem  Kyma  folgt  ein  herunterhängender 
Kundstab.  Die  Polster  treten  weit  vor;  ein  breites  glattes  Band 
umfasst  sie  in  der  Mitte.  Daneben  liegen  auf  den  Flächen  sehr 
weich  modellierte  Akanthusblätter,  die  keine  Zeichnung  der  Blatt- 
rippen zeigen.  Zwischen  den  Akanthusblättern  erscheinen  noch  die 
Spitzen  von  einfachen  Lanzettblättern.  Die  dem  Beschauer  immer 
unsichtbare  obere  Seite  der  Polster  war  nicht  verziert.  Ein  Akan- 
thusblatt  gleichen  Stils,  dessen  Blattspitze  aufgebogen  war,  ist 
auch  auf  der  einzigen  noch  erhalteuen  Diagonalvolute  der  nord- 
östlichen Wandecksäule  aufgelegt. 

So  die  alte  ursprüngliche  Form,  die  nur  mit  einer  leichten 
Stuckhaut  überzogen  war.  Eine  neue  Gestalt  erhielten  die  Kapitelle 
durch  einen  späteren  Ueberzug  mit  einer  bis  zu  4  cm.  starken  Stuck- 
schicht. Bisher  wurde,  wie  wir  oben  sahen,  niemals  ein  klarer 
Unterschied  der  beiden  Gestaltungen  des  Kapitells  festgehalten. 
Nur  Delbrück  (a.  a.  0.  Tf.  V,  1)  zeichnet  Stein-  und  Stuckform 
nebeneinander.  Der  Ueberzug  verändert  das  Kapitell  wesentlich. 
Der  Abakus  erhält  ein  richtig  lesbisch  profiliertes  Kyma ;  der  obere 
Canalisrand  wird  als  Rundstab  mit  Plättchen  ausgebildet,  dem 
sich  um  die  Voluten  herum  nach  aussen  noch  ein  begleitendes 
Rundstabprofü  anschliesst.  Er  wird  erheblich  erhöht,  so  dass  die 
Canalisfläche  tief  ausgehöhlt  erscheint;  im  Zentrum  wird  die  vier- 
blättrige Blume  eingesetzt.  Die  Zwickelpalmetten  wölben  sich  stark 
vor  und  bekommen  eine  ganz  neue  Zeichnung ;  sie  sind  nur  noch 
dreiteilig.  Das  Eierstabkyma  wird  nach  oben  erhöht  und  nach  unten 
durch  den  neuen  Ueberzug  stärker  vorgezogen,  um  an  den  eben- 
falls verdickten  Rundstab  besser  anzuschliessen.  Plättchen  und 
stumpfe  Lysis  bilden  den  Uebergang  zum  Schaft.    Die    seitlichen 


238  E.    R.    FIECHTER 

Polster  erhalten  ebenfalls  einen  entsprechend  starken  Ueberzug; 
die  ursprünglichen  Akanthusblätter  werden  zugedeckt;  neue,  kräftig 
in  Stuck  modellierte  aufgelegt,  die  durch  Gurtbänder  mit  Bandlei- 
sten und  Schuppenmuster  zusammengehalten  werden.  Die  Ausbil- 
dung der  Diagonalvolute  der  Eckkapitelle  im  zweiten  Stadium  ist 
nicht  mehr  anzugeben,  da  kein  Originalstück  mehr  vorhanden  ist. 
Die  Eckvolute  der  Säule  an  der  Nordwestecke  ist  modern  und  falsch 
ergänzt.  Von  der  Ausbildung  der  Innenseite  der  Eckkapitelle  ist 
nichts  mehr  zu  sehen. 

Cella. 

Die  Cellawände  bestehen  aus  Tuflfquadern  (').  In  die  Westwand 
sind  drei  moderne  Fenster,  in  die  Ostwand  eine  Sakristeitüre  ein- 
geschnitten worden.  Sonst  sind  sie  noch  intakt.  In  der  Nordwand 
der  Cella  war  einst  die  Eingangstüre  (Taf.  IX,  1).  Die  beiden  jetzt 
kulissenartig  vortretenden  Wandteile  sind  durch  einen  hohen  Bogen 
verbunden,  von  dem  nur  der  Schlusstein  sichtbar  ist.  Im  übrigen 
sind  die  Mauerflächen  durch  modernen  Putz  verdeckt.  Nur  unge- 
fähr  vier  Meter  über  dem  jetzigen  Kirchenfussboden  ist  beiderseitig 
der  moderne  Ueberzug  beseitigt  (Taf.  IX,  5-7).  An  den  inneren  Mauer- 
kanten beider  Wandteile  rinden  sich  dort  rohe  Abschrägungen,  die 
sich  nach  oben  verbreitern ;  beide  in  gleicher  Höhe  ungefähr  gleich 
gross.  Wie  weit  sie  sich  nach  unten  fortsetzen,  ist  ohne  Beseiti- 
gung des  Mörtels  nicht  zu  bestimmen.  Rechts  (von  innen  gesehen) 
ist  in  Schicht  8  ein  15  cm.  grosses  quadratisches  tiefes  Loch, 
an  der  gleichen  Stelle  links  jedoch  keines.  Diese  Einarbeitun- 
gen sind,  wie  die  ganze  Maueröftnuug,  antik.  Aber  erklären 
kann  ich  sie  nicht.  Hier  stand  der  Türrahmen  aus  Stein,  dessen 
Sturz  jedenfalls  bedeutend  unter  dem  Architrav  der  Vorhalle  lag 
und  durch  den  grossen  Bogen  entlastet  wurde.  Auch  die  Cella- 
wände waren  anfänglich  mit  einen  Stucküberzug  sowohl  innen  als 
aussen  verkleidet  (Reste  davon  deutlich  am  ersten  Mauerintervall 
der  Ostwand,  von  Norden  gezählt,  und  am  gleichen  der  Westwand). 
Die  Dicke  desselben  beträgt  etwa  2  cm.  Das  Material  ist  feiner 
grauer  Sand  und  Kalk.  Bei  der  Umgestaltung  des  Baues  erhielten 

(')  Ueber  den  Mauerverband  siehe  unten  S.  247. 


DER    IONISCHE    TEMPEL    AM    PONTE    ROTTO  23'J 

auch  die  Wäude  einen  Ueberzug  aus  den  gleichen  Materialien 
wie  der  an  den  Säulen.  Darauf  wurden  flache  Bossenquadern  mit 
breiten  Nuten  uud  eingeritzten  Fugen  aufgetragen.  Piranesi  (l) 
sah  noch  grosse  Reste  davon;  ebenso  zeichnen  die  meisten  frühe- 
ren Darsteller  diese  Quadrierung.  Zu  erkennen  und  zu  messen  ist 
sie  noch  an  der  Ostwand. 

Gesims. 

Ueber  den  Säulen  der  Vorhalle  besteht  der  Architrav  aus 
einsteinigen  bis  zu  3,05  m.  langen  Balken  aus  Travertin.  An  den 
Ecken  sind  diese  innen  in  Gehrung  geschnitten.  Die  Gliederuug 
ist  beiderseitig,  nach  aussen  und  gegen  die  Vorhalle,  gleich : 
drei  übereiuandergelegte,  nach  oben  höher  werdende  Platten,  die 
mit  Kyma  und  Plättchen  bekrönt  werden  (2).  Dieses  oberste  Ab- 
schlussprofil ist  ausserordentlich  hoch  an  allen  freitragenden  Archi- 
traven  und  setzt  daun  plötzlich  noch  vor  dem  Uebergang  zum 
Architrav  über  der  Cellawand  ca.  8  cm.  ab  (an  der  Westseite  sicht- 
bar, s.  Tf.  VIII).  Ein  zwingender  Grund  zu  solcher  Verschiedenheit 
ist  nicht  ersichtlich.  Die  Wandarchitrave  sind  als  scheitrechte  Bogen 
konstruiert  (3).  Zwischen  den  sehr  ungleichen  Widerlagerstücken 
aus  Travertin  über  den  Säulenkapitellen  sind  je  2  oder  3,  ungleich 
grosse  Tuffkeilquadern  eingespannt.  Die  Eckverspanuung  ist  nicht 
mehr  ersichtlich  (vergl.  Tf.  VIII). 

Jm  Innern  der  Cella  ist  überhaupt  keine  Horizontalteilung, 
auch  nicht  in  Architravhöhe,  zu  erkennen.  Der  moderne  Putz 
verdeckt  die  Mauern  bis  unter  den  wahrscheinlich  aus  dem  18. 
Jahrhundert  stammenden  Dachstuhl  (s.  o.  S.  232). 

Aehnlich  wie  Säulen  und  Wände  erlitt  auch  der  Architrav 
eine  Umgestaltung  durch  Putzummantelung  (Taf.  XI).  Der  Perl- 
stab und  das  von  Taylor  und  Cresy  überlieferte  (bei  Durm  Abb.  420 
reproduzierte)  Blattornament  des  Kymas  sind  in  Marmorstuck 
aufgetragen,  ebenso  die  veränderte  Soffite  der  freien  Architrave. 


(i)  A.  a.  0.  Tav.  L  fig.  2. 

(a)  Durm  a.  a.  o.  Abb.  420.    Die    S.    385    zitierte    Zurückneigung    dei 
vertikalen  Flächen  kann  ich  nicht  bestätigen. 
(3)  Durm  a.  a.  o.  Abb.  243.;  s.  u.  S.  249. 


240  E.    H.    F1ECHTER 

Ueber  den  Mauerarchitraven  der  Cellawände  besteht  der  platte 
Fries  aus  normalen  Tuffquadern;  nur  das  sichtbare  Eckstück  ist 
Travertin.  Ueber  den  freien  Architraven  der  Vorhalle  hingegen 
sind  die  Quadern  des  Frieses  durchaus  Travertin  und  zur  Ent- 
lastung ihrer  Unterlage  als  scheitrechte  Bögen  gefügt.  Sie  sind 
einsteinig;  ihre  rauh  gespitzte  Rück-,  d.  i.  Innenseite  ist  gegen 
oben  etwas  nach  vorn  geneigt,  so  dass  die  obere  rohe  und  unre- 
gelmässig  verlaufende  Innenkante  ca.  11  cm.  vor  der  Architravflucht 
vorsteht.  Man  ist  versucht,  diese  Vorkragungen  für  die  Anfänger 
eines  muldenförmigen  Gewölbes  (*)  zu  halten,  wobei  freilich  sofort 
ein  statisches  Bedenken  aufsteigt,  denn  ein  solches  Gewölbe  übt 
einen  starken  Schub  nach  aussen  auf  seine  Unterstüzung  aus;  in 
diesem  Falle  auf  ein  schlankes  Gerüst  von  Säulen,  das  hier  wohl 
kaum  geeignet  wäre,  einen  solchen  aufzunehmen.  Piranesi  zeichnet 
(a.  a.  o.  Tav.  L)  ebenfalls  ein  Gewölbe,  und  überdeckt  auch  die 
Cella  mit  einem  solchen.  Er  hat  aber  sicherlich  nicht  mehr  ge- 
sehen, als  heute  noch  vorhanden  ist,  soweit  man  aus  seinen  Zeich- 
nungen erkennen  kann.  Und  in  der  Cella  kragt  überhaupt  kein 
einziger  Stein  aus  der  Wand  vor.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die 
Vorkragung  zur  Vergrößerung  des  Balkenauflagers  angeordnet 
wurde;  denn  hinter  den  Gesimssteinen,  die  doch  tief  einbinden 
müssen,  war  nur  sehr  wenig  Platz  zum  Auflegen  eines  leichten 
Balkengerüstes,  das  verschalt  und  dann  mit  Stuckdekoration,  die 
ringsum  an  den  Architrav  anschloss,  verziert  zu  denken  ist. 

Auch  der  Fries  trug  über  seiner  ziemlich  rauhen  Oberfläche 
eine  ursprüngliche  Stuckschichte,  die  jedoch  nur  da  noch  sicher 
zu  erkennen  ist,  wo  die  zweite  spätere  darüber  erhalten  ist.  Ob  die 
erste  eine  Stuckverzierung  trug,  konnte  ich  nicht  ermitteln.  Die  zweite 
aber  besitzt  an  der  Westseite  (s.  o.  S.  234)  eine  solche.  Was  jedoch 
davon  übrig  blieb,  ist  wenig  genug  (Abb.  6 ;  Tf.  XI) :  zwei  Laub- 

(l)  Vergl.  Tf.  IX.  Antike  Muldengewölbe  aus  opus  caementicium  im  Ta- 
bularium,  78  v.  Chr.;  dorischer  Tempel  bei  S.  Nicola  in  Carcere,  s.  o.  S.  173 
Fig.  2.  Auf  der  oben  S.  223  genanten  Zeichnung  in  der  Wiener  Hofbibliothek 
nr.  3  sind  in  der  Cella  Kreuzgewölbe  angedeutet;  ob  die  Angabe  auf  wirkli- 
cher Beobachtung  beruht,  bleibt  fraglich.  Immerhin  könnten  solche  Gewölbe 
auf  den  in  die  Cella  (s.  Taf.  VII)  eingebauten  modernen  Pfeilenvorlagen,  die 
für  die  heutige  Deckenkonstruktion  gar  keine  Bedeutung  haben,  aufgelegt 
gewesen  sein.  Antik  war  eine  solche  Gewölbeanordung  also  nicht. 


DKR    IONISCHK   TEMPEL  AM    PONTE    ROTTO  241 

gewinde,  die  von  einem  Kandelaber  ausgehen,  und  links  ein  fast 
noch  ganz  erhaltener  Stierschädel.  Weiter  rechts  davon  in  der  Mitte 
des  zweiten  Interkolumniums  noch  ein  Teil  eines  Stierschädels,  und 
im  dritten  lnterkolumniiim  der  Oberteil  eines  Kandelabers.  Mehr 
nicht!  Auch  diese  Reste  sind  sehr  brüchig  und  werden  bald  herun- 


Ficr.  6.  Stuckiertes  Friesornanient  an  der  "Westfront. 


terfallen.  Frühere  Beobachter  haben  noch  mehr  gesehen;  denn  fast 
alle  zeichnen  über  den  Säulenaxen  noch  stehende  Figürchen,  welche 
die  Laubgewinde  tragen.  Freilich  sind  die  Darstellungen  sehr  ver- 
schieden: Desgodetz,  Piranesi,  Uggeri,  Canina  und  Blondel  geben 
sie  in  steifer  strenger  Stellung  mit  symmetrisch  erhobenen  Armen 
und  geschlossenen  Beinen  ;  andere  aber,  Palladio,  Serlio,  Taylor  und 
Cresy  zeichnen  lebendig  bewegte  Formen.  Es  ist  nach  dem  Erhal- 
tungszustand von  heute  nicht  mehr  auszumachen,  wer  besser  beob- 
achtet hat.  Wahrscheinlich  sind  diese  (auf  Tf.  XI  nach  den 
früheren    Darstellungen  frei  ergänzten)  Putti   nicht  ganz  so  steif 

17 


242  E-    R-    FIECHTEK 

gewesen,  wie  sie  besonders  Canina  abbildet;  im  übrigen  mögen 
die  strengen  Formen,  die  Desgodetz  und  Piranesi  geben,  zu  be- 
vorzugen sein.  Am  besser  erhaltenen  Stierschädel  fehlen  die  Hörner 
und  ihr  Ansatz,  sonst  ist  die  Umrisslinie  ganz  sicher  zu  bestimmen, 
das  plastische  Detail  freilich  kaum  mehr.  Neben  dem  Schädel  flat- 
terten buntbewegte  Bänder,  das  sieht  man  (Fig.  6)  noch  an  den 
vom  dunkleren  Grund  sich  abhebenden  helleren  Streifen.  Die  Laub- 
gewinde sind  vielfach  recht  flüchtig  betrachtet  und  falsch  abge- 
bildet worden.  Am  meisten  weichen  von  der  Wirklichkeit  ab : 
Dosio,  Palladio,  Desgodetz,  Piranesi,  näher  stehen  Taylor-Cresy 
und  Canina,  richtig  hat  Blondel  (Coli.  Lampue  BL  206)  beob- 
achtet. Die  Laubgewinde  sind  nicht  geflochtene  Kränze,  sondern 
lose  gebundene  Blätter,  zwischen  denen  vielleicht  Beeren  gesteckt 
haben.  Der  Stuckauftrag  ist  sehr  schwach,  die  Blätter  waren  einzeln 
auf  und  neben  einem  wulstigen  Kranz  aufgesetzt,  sind  aber  nun 
abgefallen.  Man  sieht  ihre  Form  nur  noch  durch  die  hellere  Tö- 
nuno- des  Grundes.  Wenig  deutlich  erkennbar  sind  die  Spuren  der 
kleinen  Zweige,  die  ober-  und  unterhalb  der  Gewinde  vorhanden 
waren.  Blondel  zeichnet  sie  unabhängig  von  den  Guirlanden;  ich 
klaube  deutlich  erkannt  zu  haben,  dass  sie,  an  dünnen  Stielen 
herauswachsend,  mit  den  grösseren  Kränzen  zusammenhingen.  Das 
ist  nicht  nur  nach  dem  Befund  wahrscheinlicher,  sondern  auch 
organischer.  Die  Kranzenden  werden  abwechselnd  von  den  Putten 
getragen  und  abwechselnd  an  den  Stierschädeln  aufgebunden.  Je- 
desmal fallen  flatternde  Bänder  den  Kaum  gut  aus.  Gegen  die 
Kandelaber  laufen  die  Kranzgewinde  ohne  organischen  Zusammen- 
hang an.  Die  Kandelaber  selbst  sind  ziemlich  roh;  drei  scheiben- 
artige Füsse  tragen  den  Unterteil  des  Leuchters.  Der  Schaft  ist 
durch  ein  doppeltes  Blattbüschel  verziert,  vom  dem  sich  eben- 
falls flatternde  Bänder  loslösen.  Der  Lichtträger  ist  mit  einem 
gelappten  Rand  versehen.  Die  Ornamentausteilung  richtete  sicli 
nach  den  Säulenasen.  Ueber  jeder  Säule  stand  ein  Putto,  über 
jedem  Interkolumniummittel  war  ein  Stierschädel  aufgehängt ; 
zwischen  diesen  aber  stand  jeweils  ein  Kandelaber  und  die  Laub- 
gewinde bildeten  von  Figur  zu  Figur  eine  weiche  Verbindung. 
Die  ganze  Dekoration  ist  im  Vergleich  zu  den  übrigen  plastischen 
Formen  das  Gebäudes  zart.  Sicherlich  war  sie  einst  durch  Bema- 
lung wirkungsvoller  gemacht  worden. 


DER    IONISCHE    TEMPEL   AM    PONTE    ROTTO  2-13 

Vom  Hauptgesims  ist  das  Stück  unmittelbar  über  dem  eben 
beschriebenen  noch  gut  erhaltenen  Friesornament  am  geeignetsten 
zur  Untersuchung,  denn  sonst  sind  fast  alle  Teile  durch  mo- 
dernen Putz  verdeckt  und  verschmiert.  Tf.  XI  zeigt  uns  das 
ursprüngliche  Steinprotil,  und  das  durch  die  spätere  Ueberstuckie- 
riiDg  umgestaltete.  Man  sieht,  dass  die  ganzen  Verhältnisse  des 
Gesimses  durch  diese  spätere  Ueberkleidung  wesentlich  verändert 
worden  sind.  Das  Verhältnis  der  Frieshöhe  zu  der  des  Gesimses 
wurde  von  3:4  auf  2y2:4  erniedrigt,  der  Architrav  ausserdem 
wenig  erhöht.  Die  Steinformen  des  Gesimses  sind  einfach:  Kyma 
mit  Plättcheu,  darüber  eine  Zahnscbuittleiste,  darüber  dann  eine 
kleinere  Platte  und  ein  jonisches  Kyuia.  Die  Hängeplatte  wird 
durch  ein  lesbisches  Kyma  bekrönt.  Bei  der  späteren  Umge- 
staltung wird  das  Kyma  über  dem  Fries  verziert  mit  grossem  breit- 
lappigem Blattstab;  darüber  folgt  dann  ein  Zahnschnitt,  mit  breiten 
Zähnen  und  schmalen  Zwischenräumen,  der  ganz  in  Stuck  aufge- 
trogen und  mit  der  darunter  befindlichen  Steinform  verquickt  ist. 
Die  Zwischenräume  sind  dadurch  flach  statt  tief  geworden.  Ueber 
dem  Zahnschnitt  folgt  ein  skulpiertes  Eierstabkyma,  das  in  einer 
ca.  7-8  cm.  starken  Stuckschicht  aufgelegt  ist.  Dadurch  wird  die 
Unterschneidung  der  Corona  geringer  als  in  der  Steinform;  das 
Ganze  sieht  also  stumpfer  aus.  Die  Untersicht  der  Corona  und  die 
Vorderseite  waren  glatt  verputzt.  Darüber  folgte,  wahrscheinlich 
ähnlich  gebildet  wie  im  Stein,  das  oberste  Kyma,  von  dessen  anti- 
kem Stucküberzug  jedoch  nichts  mehr  erhalten  ist. 

Eine  ungemein  schwere  und  massige  Sima  bekrönt  das  Ge- 
sims. Sie  ist  auf  der  Westseite  ganz  erhalten  und  besteht  aus 
vielen  kurzen,  jedenfalls  tief  einbindenden  Travertinstücken.  Lö- 
wenköpfe in  Abständen  von  ca.  1,25  m.  —  ohne  Rücksicht  auf 
die  Axenteilung  des  Gebäudes  durch  die  Säulen  —  sind  daran 
als  Zierrat  angebracht.  Das  Relief  derselben  ist  ursprünglich 
zart  gezeichnet,  doch  jetzt  fast  ganz  durch  Verwitterung  ver- 
wischt. Eine  reiche  flache  Mähne  legt  sich  krauzartig  um  die 
Köpfe.  Auch  hier  veränderte  die  spätere  Ueberstuckieruug  die 
frühere  Bildung.  Die  Simafläche  wurde  mit  einer  grossen  breitlappi- 
gen Blattverzierung  überzogen,  welche  dicht  an  die  Löwenköpfe,  die 
Mähnen  verdeckend,  auschloss  gut  zu  sehen  am  (3.  und  7.  Kopf  der 
Westseite,  von  Norden  gezählt).  AVahrscheinlich  waren  dann  auch 


244  E.    R.    FIECHTER 

die  Köpfe  selbst  durch  Stuck  vergröbert  und  vergrössert  (Tf.  XI). 
Wie  die  Sirna  im  übrigen  beschaffen  war,  konnte  leider  nicht  er- 
mittelt Averden,  da  das  moderne  Dach  sonst  hätte  aufgebrochen 
werden  müssen.  Die  Akroteraufsätze,  die  Palladio  zeichnet  (s.  o. 
S.  224)  sind  selbstverständlich  nur  Gebild  seiner  Phantasie,  denn 
ausser  ihm  und  Sangallo  hat  kein  gleichzeitiger  Beobachter  solche 
notiert  (1). 

Endlich  noch  die  Giebel  dor  Schmalseiten.  Die  Tympana  sind 
aus  Travertinquadern  in  zwei  Schichten  aufgemauert.  Mit  flacher 
Neigung,  1 : 2  V2  liegen  darauf  die  schweren  Gesimsblöcke,  die 
die  ganze  Horizontalgesimsgliederung  wiederholen.  Der  Nordgiebel 
ist  bemerkenswert  dadurch,  dass  der  Zahnschnitt  und  das  darüber- 
liegende  Eierstabkyma  nicht  in  Stuck,  sondern  in  Stein  gebildet 
wird,  während  am  Südgiebel  nur  die  einfachere  «  Stein  form  »  wie 
am  Hauptgesims  ausgebildet  ist.  Da  wir  durchaus  am  ganzen  Bau 
einfachste  Gesimsprotilierungen,  und  gar  keine  skulpierten  Glieder 
gefunden  haben,  werden  wir  wohl  richtig  annehmen,  dass  die  Ver- 
zierung der  Nordgiebelprofile  eine  nachträgliche  sei,  also  wohl  je- 
ner Veränderung  angehöre,  die  wir  bisher  an  allen  Formen  des 
Aufbaues  feststellen  konnten.  Auch  die  Formbildung  spricht 
für  diese  Annahme  (s.  u.).  An  beiden  Giebeln  ist  die  Corona  und 
ihre  ganze  Untersicht  völlig  und  bis  in  die  Ecken  hinein  heraus- 
geschlagen; allerdings  sehr  roh.  Es  hat  aber  dennoch  den  An- 
schein, als  ob  darin  eine  bestimmte  Absicht  liege.  Man  könnte 
dann  annehmen,  dass  man  bei  der  Bauveränderuug  das  Gebälk, 
das  durch  den  Ueberzug  noch  schwerer  gewirkt  hätte,  leichter 
gestalten  wollte.  Von  einem  Stucküberzug,  der  diese  Abarbeitung 
bedeckt  hätte,  konnte  ich  jedoch  nichts  mehr  beobachten  (2). 

D.  Technische    Eigenschaften. 

Material:  An  dem  relativ  kleinen  Bauwerk  sind  zweierlei 
Steinmaterialien  verwendet,  jedoch  nicht  regellos  verteilt,  sondern 
nach  bestimmten  Absichten  angeordnet. 

(')  Vgl.  Palladios  Zeichnung  des  dorischen  Tempels  bei  S.  Nicola  in 
Carcere,  o.  S.  175  Fig.  3. 

{•)  Die  Beobachtung  war  nur  von  den  Fenstern  des  angebauten  Hospi- 
tals aus  möglich,  da  es  nicht  gelang,  mit  den  schwachen  Leitergerüsten  zu 
jungen  an  die  Profile  des  Giebels  heranzukommen. 


DER    IONISCHE    TEMPEL   AM    PONTE    KOTTO  245 

Travertin  ist  verwendet  für  alle  Bauteile,  welche  statisch  wich- 
tig sind,  also  für  die  Säulen,  dio  freien  Architrave  und  die  Platten 
des  Hauptgesimses;  ferner  für  alle  jene  Bauglieder,  die  der  Wit- 
terung sehr  ausgesetzt  sind,  wie  die  Basen  der  Säulen,  das  Po- 
diumgesinis  und  die  Sima;  dann  für  solche  Teile,  die  vom  Ver- 
kehr berührt  werden :  also  die  Treppenstufen  und  die  Podiumver- 
kleidung;  endlich  für  alle  feiner  skulpierten  Teile,  also  auch  für 
die  Kapitelle  der  Wandsäulen  (l). 

Tuff,  grünlicher  und  bräunlicher,  wurde  für  alle  geschützten 
Wandteile  und  die  in  die  Wände  einbindenden  Halbsänlen  ver- 
wendet. Eine  so  zweckmässige  Materialverteilung  setzt  eine  grosse 
praktische  Bauerfahrung  voraus,  nicht  nur  die  Kenntnis  der  Lei- 
stungsfähigkeit des  verwendeten  Steins  selbst,  sondern  auch  be- 
stimmteste Vorstellungen  von  den  in  einem  Bau  auftretenden  Be- 
wegungs-  und  Druckkräften.  Der  Erbauer  arbeitet  mit  den  gering- 
sten Mitteln  und  muss,  wo  er  kann  und  wo  es  zulässig  ist,  das 
geringere  Material  anwenden.  Die  Bauten  der  caesarisch-augusti- 
schen  Epoche  (Marcellustheater,  Basilica  Julia,  Basilica  Aemilia) 
verwenden  den  geringen  Tuff  nicht  mehr,  oder  dann  nur  als  Kern- 
mauerwerk hinter  Verkleidungen  ans  hartem  Stein.  Dieselbe  ge- 
mischte Bauweise  wie  hier  zeigen  der  110  v.  Chr.  erbaute  Pons 
Milvius,  der  Pons  Aemilius  (Ponte  rotto)  und  besonders  das  Ta- 
bularium;  dort  bestehen  die  Pfeiler  der  grossen  Arkadenarchitek- 
tur aus  Travertin ;  die  Halbsäulen,  die  nur  davorgestellt  sind  und 
statisch  keine  Bedeutung  haben,  aus  dem  grünlichen  Peperin.  Mar- 
mor wird  erst  bei  den  Bauten  der  caesarischen  Zeit  beliebt 
und  dann  in  der  Kaiserzeit  für  den  Monumentalbau  fast  aus- 
schliesslich als  Verkleidungsmaterial  und  für  Säulen  gebraucht. 

Steinformat.  Auffallend  ist  die  Verschiedenheit  der  Stein- 
grössen.  Bei  streng  konzipierten  Bau  formen  ist  die  Konkordanz  der 
Stoss-  und  Lagerfugen  doch  sehr  naheliegend.  Griechische  Bau- 
meister erstrebten  sie,  und  wandten  sie  dann  Jahrhunderte  lang 
an.  Der  durchaus  praktische  Römer  legt  mehr  Wert  auf  eine 
zweckmässige  Ausnutzung  seines  Steinmaterials,  als  auf  ein  idea- 


'6 


(')  Auf  Taf.  VIII  sind  die  Mauerquadern  von   Travertin    durch   Punk- 
tierung ausgezeichnet.  Ueber  die   Verwendung  des  Travertins  als  Baumaterial 


siehe  Hülsens  Ausführungen  oben  S.  187  f. 


24t")  E.    R.    FIECHTER 

leres  Einheitsformät  der  Baublöcke.  Travertiü  ist  für  ein  solches 
ungeeignet;  er  bricht  schwer,  ist  vielfach  muschelig  und  löche- 
rig (').  Es  ist  also  unzweckmässig  und  darum  teuer,  eine  einheit- 
liche Steingrösse  anzuwenden ;  man  würde  viele  kleinere  gute 
Blöcke  nicht  brauchen  können,  und  wäre  andrerseits  gezwungen, 
andere  grössere  zu  zerteilen,  wobei  unbrauchbare  Abfälle  übrig 
blieben.  Aus  diesem  Grund  nützte  man  jeden  einmal  gebrochenen 
guten  Block  möglichst  aus.  Dieselbe  Ausnützung  rinden  wir  viel 
später  bei  der  sorgfältigsten  Arbeitsweise  auch  unter  ähnlichen 
Materialverhältnissen  an  deutschen  Domen.  Es  haben  daher  Blöcke 
von  gleicher  Funktion  im  Baukörper  ungleiche  Abmessungen.  An 
unserem  Bau  schwanken  z.  B.  die  Maasse  der  Podiumgesimsplatten 
zwischen  1 ,20  bis  2,57  m,  oder  die  der  Verkleidungsstücke  des  Po- 
diumkörpers zwischen  0,68-1,69  m.  Die  Wandquadern  wechseln 
in  Längen  von  0,70-1,30  m.  Aehnlich  wechselnd  sind  die  Bogen- 
einfassuugssteine  aus  Travertin  an  den  aus  Tuft'quadern  hergestell- 
ten Gewölben  des  Ponte  Molle.  Auch  die  späteren  Travertin- 
bauten,  wie  z.  B.  das  Colosseum  zeigen  von  Bossen  zu  Boszen 
wechselnden  Fugenschnitt.  Anders  beim  Tuffstein:  wir  sahen, 
dass  er  vorzüglich  für  geschützte  Bauteile,  besonders  für  Wand- 
und  Bogenleibungsquadern  verwendet  wurde.  Für  solche  Kon- 
struktionsteile ist  ein  Einheitsformat  erwünscht,  und  dieses  er- 
möglicht der  Tuff;  er  ist  dem  Einheitsformat  günstig,  weil  er 
leicht  bricht,  leicht  zu  bearbeiten  und  homogener  Natur  ist.  Es 
lassen  sich  also  schon  im  Bruch  gleiche  Abmessungen  herstellen. 
Wir  rinden  demnach  bei  allen  Tuffmauern  schon  von  frühester 
Zeit  an  ein  bewusst  angewandtes  gleiches  Steinformat  (2).  Wo  Ab- 
weichungen vorkommen,  geschieht  dies  in  Rücksicht  auf  ein  an- 
stossendes  Travertinstück,  das  man  ganz  ausnützen  wollte;  man 
nahm  lieber  den  Tuffstein  ab.  Solche  Abweichungen  sind  recht 
deutlich  an  den  Bögen  des  Ponte  Molle  zu  sehen ;  an  unserem  Bau 
richtet  sich  die  unterste  Tuffquaderschicht  der  Wand  nach  der 
Basishöhe  der  Säulen,  die  oberste  nach  der  Kapitellhöhe.  An  den 

(')  Gottgetreu,  Baumaterialien,  I,  S.  98  f. 

(2)  Einheitliches  Format  annähernd  am  Unterbau  des  capitolinischen 
Jupitertempels  (vgl.  Durm  Baustile  11,2;  Baukunst  der  Etrusker  u.  Kömer, 
26  ;  Delbrück,  Apollotempel  a.  d.  Marsfeld  S.  13),  am  Kern  des  älteren 
Castortempels  (484),  an  der  Stützmauer  des  alten  «  Agger  ». 


DER    IONISCHE    TEMPEL    AM    PONTE   ROTTO  247 

Eckverzahnungen  aus  Travertin  sind  vielfach  kleinere    Tuffstücke 
eingepasst. 

Der  Mauerverband  wird  an  den  beiden  Langseiten  durch  ge- 
kreuzte Schichten  bewirkt;  aber  genau  senkrecht  stehen  weder  die 
Stossfugen  der  Binder-  noch  die  der  Läuferschichten  übereinan- 
der.  Das  kommt  einerseits  von  den  beträchtlichen  Ungenauigkei- 
ten  in  den  Quaderabmessungen,  andrerseits  von  den  ungleichen 
Travertinecksteinen,  an  die  man  das  normale  Quaderwerk  an- 
schloss,    wodurch    Verschiebungen    der    Vertikalfugen     entstehen 


Fisr.  7.  Mauerverband  der  Cellawände. 


mussten.  Die  Abmessungen  der  Quadern  entsprechen  einem  Nor- 
malmass  von  2  Fuss  Höhe,  2  Fuss  Breite  und  4  Fuss  Länge.  In 
die  Cellalängswände  sind  die  Halbsäulen  folgerichtig  eingebunden. 
Je  zwei  benachbarte,  zu  Viertelstrommeln  abgerundete  Quadern 
bilden  in  den  Binderschichten  den  Halbsäulenkörper;  in  den 
Läuferschiohten  ist  eine  Halbsäulentrommel  vor  die  glatt  durch- 
laufenden Wandsteine  gestellt.  Es  fällt  also  in  jeder  zweiten 
Schicht  eine  Stossfuare  in  die  Säulenmitte.  Ein  solcher  Steinschnitt 
vereinigt  den  Vorzug  guten  Verbandes  und  sparsamer  Material- 
verwendung (Fig.  7). 

Von  den  14  Wandschichten  ist  die  dreizehnte  im  Gegensatz 
zu  allen  übrigen  durchgehends  aus  Travertin  hergestellt.  Auf  ihr 
ruhen  die  Halbsäulenkapitelle  aus  Travertin,  welche  ihrerseits  den 
Architrav  aufnehmen.  Die  Absicht  dieser  Anordnung  erscheint  uns 


248  E.    R.    FIECHTER 

klar,  wenn  wir  vermuten,  dass  sie  aus  statischen  Gründen  zu 
erklären  ist.  Man  schuf  dadurch  eine  durchgehende  Basis  für  die 
Last  des  Gebälks,  die  sich,  von  den  Kapitellen  übertragen,  auf 
die  ganze  Cellawand  gleichrnässig  verteilen  konnte  (').  Die  Schmal- 
wände  sind  einsteinig.  Die  Südwand  besteht  aus  zwar  gleich  ho- 
hen, aber  ungleich  langen,  ohne  Wahl  und  Regel  nebeneinander 
geschichteten  Quadern.  Die  nördliche  Cellawand,  welche  die  Tür 
enthielt,  ist  ganz  modern  verputzt.  Wo  die  Putzdecke  fehlt,  ist 
zu  ersehen,  dass  die  Mauer  meist  aus  schmalen,  quer  zur  Mauer- 
flucht gelegten  Stücken  besteht.  Auch  eine  zweisteinige  Schicht 
ist  dazwischen  (Tf.  IX). 

Das  System  gekreuzter  Schichten  ist  in  Rom  schon  früh  an- 
gewendet worden.  So  am  Mauerkern  des  älteren  Castorentempels 
(484  geweiht)  und  am  Unterbau  des  kapitolinischen  Jupitertempels. 
Dort  wechseln  aber  die  Längenmaasse  der  Quadern  noch  vielfach. 
Für  zweisteinige  Wände  kam  man  auf  ein  bewusstes  Verhältnis 
von  Steinlänge  zu  Steinbreite.  So  entsteht  ein  Mauerwerk  von 
Quadern,  die  doppelt  so  lang  als  breit  sind,  bei  denen  aber  die 
Schichtenhöhe  noch  in  keiner  Beziehung  zu  den  anderen  Steiuab- 
messungen  steht  (2).  Endlich  aber  wurden  Quadern  von  quadrati- 
schem Querschnitt  angewandt,  die  ebenfalls  doppelt  so  breit  als 
lang  sind  und  die  nun  beliebig  entweder  als  Läufer  oder  als  Bin- 
der in  jeder  Schicht  verlegt  werden  konnten  und  keinerlei  Diffe- 
renzierung ihrer  Lager-  oder  Stossfugenflächen  mehr  erhielten. 
Solches  Normalquaderwerk  hommt  in  Rom  bereits  an  der  «  ser- 
vianischen  »  Mauer  vor,  die  nach  Richter  (3)  mit  dem  Könige  Ser- 
vius  Tullius  nichts  zu  tun  hat,  sondern  weit  jünger  sein  muss  (4). 
Ebensolche  Quadertechnik  finden  wir  am  Tabularium,  au  den  Fun- 

('}  Nicht  ganz  ausgeschlossen  wäre  auch  die  Begründung  dieser  Anord- 
nung durch  die  Annahme,  dass  diese  Travertinschicht  einem  Gewölbe  über 
der  Cella  als  Auflager  gedient  hätte.  Darüber  wäre  aber  nur  durch  Beseiti- 
gung des  jetzigen  Wandputzes  etwas  Bestimmtes  zu  erfahren. 

(2)  Terrassenmauern  am  Tempel  der  Aphaia  von  Aegina:  Heiligtum  d. 
Aphaia.  Bd.  I,  S.  88. 

(3)  Topographie  a.  a.  o.  S.  41  ff.  T.  5. 

(4)  Hülsen  setzt  sie  in  die  Zeit  zwischen  der  Gallierkatastrophe  (364 
a.  u.,  390  v.  Chr.)  und  den  Samniterkriegen.  Nach  Livius  VII,  20  wurde  402 
a.  it.,  352  v.  Chr.  reliquum  anni  muris  turribusque  reficie?idis  consumptum. 
In  diese  Zeit  passt  der  Mauerbau  vortrefflich. 


DER    IONISCHE   TEMPEL    AM    l'ONTE    ROTTO  249 

damenteii  des  Rundtempels  am  Forum  boarium,  und  weiterhin  an 
der  Abschlussmauer  des  Augustus-Forums  (Arco  dei  Pantani)  ('). 

Die  Architrave  über  den  freistehenden  Säulen  der  Vorhalle 
sind  einsteinig  und  aus  Travertin.  Die  Fuge  über  den  Ecksäulen 
erscheint  von  innen  her  auf  Gehrung  geschnitten.  Von  aussen  ist 
sie  durch  Putz  verdeckt.  Ueber  den  Halbsäulen  den  Wänden  ent- 
lang waren  grosse  Steinbalken  unnötig;  man  konnte  den  Archi- 
trav  aus  mehreren  Stücken  zusammenfügen  und  musste  nur  Vor- 
sorge treffen,  dass  diese,  bei  der  starken  Ausladung  vor  der  Wand- 
flucht, nicht  nach  vorne  umkippten.  Man  legte  demgemäss  über 
die  Kapitelle  in  der  Art  von  Sattelhölzern  Travertinstücke,  schrägte 
diese  beiderseitig  als  Widerlager  ab,  und  spannte  so  von  Säule 
zu  Säule  mit  2  oder  3  Keilsteinen  aus  Tuff  scheitrechte  Bögen 
(Tf.  IX).  Starker  Horizontalschub  war  ausgeschlossen,  da  die  Ar- 
chitravkeilsteine  gut  in  die  Mauer  einbinden.  Scheitrechte  Bögen 
sind  im  ersten  vorchristlichen  Jahrhundert  bereits  datiert  am  Ta- 
bularium,  wo  sie  nicht  nur  am  Aussen-,  sondern  auch  im  Innen- 
bau wiederholt  vorkommen.  Ebenso  sind  scheitrechte  Bögen  von 
Noack  an  zwei  Toren  von  Perugia  und  am  Theater  von  Ferento  (2) 
nachgewiesen  worden.  Wenn  diese  vorrömisch  sind,  so  ist  die  Er- 
findung dieser  Konstruktion  den  Etruskern  anzurechnen.  In  Rom 
ist  sie  vielfach  angewandt  worden  (Colosseum,  Severus-Bogen. 
Janusbogen  u.  a.). 

Den  Fries  bilden  über  diesen  so  gefügten  Architraven  klei- 
nere Tuffquadern.  Ueber  den  Travertinbalken  der  Vorhalle  jedoch 
sind  zur  Entlastung  ebenfalls  scheitrechte  Bögen  konstruiert;  das 
ist  im  Innern  der  Kirche  deutlich  sichtbar.  Dort  ragen  die  ein- 
zelnen Quadern,  rauh  gespitzt,  aus  der  Wand  heraus. 

Eisenklammern  sind  an  den  Orthostaten  des  Podiums 
sichtbar.  Ihre  Länge  beträgt  22  ein.  d.  i.  genau  einen  römischen 
Palm.  Wie  weit  zum  Aufbau  sonst  Klammern  und  Dübel  ver- 
wendet wurden,  entzieht  sich  unserer  Betrachtung. 


(«)  Abb.  201  bei  Durm  a.  a.  0. 

(2)  Noack  in  diesen  Mitt.  XII,  171  f.  Daselbst  werden  auch  die  Porta 
Marzia  und  der  Aico  di  Augustö  mit  den  Resten  der  Torre  S.  (.liacomo  und 
bei  Madonna  della  Luce  ins  vierte  vorchristliche  Jahrhundert  hinein  datiert. 
Vgl.  dagegen  Durin  a.  a.  0.  S.  35  ff.  u.  Abb.  234. 


250  F..   R.    FIECHTER 

Fugondichtung  mit  Kalk  lässt  sich  an  der  Tuffquadermauer 
mehrfach  beobachten ;  nicht  aber  an  den  Travertinteilen  des  Po- 
diums. Die  Fugen  selbst  sind  durchweg  sehr  fein,  kaum  mehr 
als  '/2-I  nam.  In  Pompei  ist  Fugendichtnng  mit  Kalk  mehrfach 
nachzuweisen. 

Stein bearbei tu ng.  An  den  Travertinteilen  sind  ebene  Flä- 
chen mit  dem  Zahneisen  ziemlich  roh  geglättet,  unter  dessen  Spuren 
erkennt  mau  noch  Schläge  des  Spitzhammers.  Die  letzte  Abrich- 
tung der  Verkleidungsplatten  am  Podium  wurde  nach  dem  Ver- 
setzen der  Steine  vorgenommen  (1).  Mit  dem  Meissel  sind  alle 
profilierten  Teile,  die  Bildhauerarbeit  und  die  Stege  der  Säulen 
behandelt,  Nur  gespitzt  aber  sind  die  Kanäle  der  Sänlenschäfte 
und  die  Stossflächen  der  Quadern.  Gegen  den  Rand  der  Stossfugen- 
flächen  ist  mit  Zahneisen  und  Meissel  eine  feine  Auschlussfläche 
für  einen  guten  Fugenschluss  angearbeitet.  Eine  richtige  Anathy- 
rose  ist  das  also  nicht.  Die  Lagerflächen  wurden  mit  dem  Zahnei- 
sen gleichmässig  übergangen. 

Bei  den  Tutfquadern  ist  die  Bearbeitung  eine  ähnliche:  glatte 
Flächen  sind  jetzt  allerdings  kaum  mehr  vorhanden.  Man  erkennt 
an  den  Architravkeilstücken  noch  Spuren  der  Behandlung  mit  dem 
Zahneisen.  Die  Sänlentrommeln  sind  gleich  bearbeitet,  wie  die 
Schäfte  aus  Travertin.  Die  feine  Anathyrose,  die  alle  griechischen 
Bauten  zeigen,  ist  bei  dem  geringeren  Material  hier  nicht  durch- 
geführt. An  den  Gesimsstücken  der  Unterbaues  der  Fassade  am 
Scipionengrab  (■)  aber  ist  der  Fugenschluss  mit  einem  äusserst 
präcisen  Randstreifen  hergestellt,  ebenso  am  Podium  des  Apollo- 
tempels (3),  weniger  schön  auch  in  Tivoli  am  rechteckigen  Tempel. 
In  Pompeji  finden  wir  schöne  Anathyrose  an  oskischen  Bauten, 
z.  B.  an  der  alten  Forumshalle  (')  und  an  der  Stadtmauer.  In 
Rom  findet  sie  sich  auch  bei  den  Marmorbauten   nicht. 

Stuck  Verkleidung.  Die  Verschiedenheit  der  Baumateria- 
lien in  Farbe  und  Struktur  verlangt  aus  praktischen  und  aesthetischen 
Gründen  eine  Bekleidung  mit  Stuck.  Alle  alten  Tuffbauten  waren 

(')  Die  Unterseite  der  Arcliitrave  (Soffitte)  ist  mit  dem  Zalineisen  ziemlich 
10I1  bearbeitet,  die  Ansichtseiten  innen  und  aussen  aber  feiner. 
12)  Piranesi,  Monumenti  degli  Scipioni  Tav.  2. 
(■'')  Delbrück,  der  Apollotempel  auf  dem  Marsfelde  S.  9. 
(<)  Mau,  Pompeji  S.  43  f. 


DER  IONISCHE  TEMPEL  AM  PONTE  ROTTO  251 

mit  Stuck  überzogen,  nicht  nur  in  Rom,  sondern  auch  in  Pompeji, 
im  ganzen  Süden,  überall,  wo  ungleiches,  leicht  verwitterndes 
Material  verwendet  wurde.  In  Griechenland  war  es  Tradition,  die 
aus  Kalktuffen  oder  ähnlichen  Steinen  erbauten  Gebäude  mit  Stuck 
zu  überziehen,  auch  die  sorgfältigst  ausgeführten  (')  und  zwar 
bis  ins  fünfte  Jahrhundert  hinein,  als  dann  die  Marmorbauten  die 
Monumentalbauten  in  geringerem  Material  verdrängten.  Der  Stuck- 
mantel war  geeignet,  den  ungleichen  löcherigen  Baustein  zu 
verdecken  und  farbigen  Schmuck  zu  ermöglichen.  In  Sicilien,  wo 
der  Marmorbau  nie  geübt  wurde,  blieb  die  Technik  bestehen  (2) ; 
sie  ist  dann  in  Pompei  vom  ersten  Tag  an  zu  Hause  und  wohl 
ebenso,  wie  gesagt,  im  ganzen  Süden  Italiens. 

Auch  unser  kleiner  Tempel  war  mit  Stuck  bekleidet.  Beste 
von  diesem  Ueberzug  können  noch  an  den  Säulen  und  Wänden 
und  am  Gebälk  (siehe  oben)  nachgewiesen  werden.  Ob  das  Podium 
auch  verkleidet  war,  bleibt  unbestimmt.  An  und  für  sich  hat  Tra- 
vertin,  auch  besonders  unten  am  Sockel,  einen  Ueberzug  nicht  so 
nötig.  Nur  wo  er  neben  Tuff  verwendet  ist,  wird  er  verputzt.  Es 
ist  daher  ungewiss,  ja  unwahrscheinlich,  dass  z.  B.  das  Colosseum 
als  reiner  Travertinbau  aussen  mit  Stuck  bekleidet  war.  Meines 
Wissens  wurden  nie  Spuren  eines  solchen  Ueberzugs  daran  beobachtet. 

Die  Stuckhaut  auf  den  glatten  Wänden  ist  1  l/t-2  mm.  stark. 
Sie  besteht  aus  grauem  Sand  und  Kalk  und  ist  äusserst  fein  und 
glatt.  An  den  Säulenschäften  bildet  ein  etwas  gröberer  Ueberzug 
über  den  nur  gespitzten  Kanälen  erst  die  reine  Form,  die  dann 
mit  einer  feinen  Haut  noch  überzogen  wird.  An  den  Kapitellen 
und  am  Gesims  folgte  die  Stuckhaut  genau  den  in  Stein  vorgebil- 
deten Formen;  sie  ist  beinahe  so  dünn  wie  ein  einfacher  Kalkan- 
strich (darum  auch  die  glatte  Behandlung  der  Steinflächen !).  Es 
ist  leicht  einzusehen,  dass  man  mit  einem  so  feinen  Ueberzug 
nicht  Formen  oder  Profile  bilden,  sondern  eben  nur  überkleiden 
wollte. 

(')  S.  Aegina  I  Heiligtum  d.  Aphaia  S.  46;  vgl.  auch  die  aus  Mexer- 
stein  hergestellten  Architekturen  in  Alexandrien,  die  durchweg  mit  Stuck  beklei- 
det und  bemalt  waren  (im  Museum  von  Alexandria)  ;  ebenso  H.  Thierseb, 
Zwei  antike  Grabanlagen  in  Alexandria  S.  5. 

(2)  Vgl.  Koldewey  u.  Puchstein,  die  griechischen  Tempel  in  Unteritalien 
und  Sicilien. 


252  E-    R-   FIECHTER 

Ausser  diesem  ersten,  gleich  nach  der  Erbauung  des  Tempels 
aufgetragenen  Stuckmantel,  ist  an  unserem  Bau  viel  deutlicher  der 
zweite  kräftige  Stucküberzug  zu  beobachten.  Er  ist  von  ganz  unglei- 
cher Dicke,  und  wir  erkennen,  dass  er  nicht  die  im  Stein  vorge- 
bildeten  Formen    wiederholt,    sondern    vielmehr    umbildet    (siehe 

Tf.  XI). 

Seine  Masse  besteht  aus  einer  groben  Unterschicht  von  Kalk 
mit  3-4  mm.  grossen  Marmorkörnern;  diese  Schicht  ist  oft,  z.  B. 
in  den  Säulenkanneluren,  an  den  aufgesetzten  Wandquadrierungen 
und  am  Gesims  2-3  cm.  und  mehr  stark.  Darüber  folgt  noch  eine 
feine  Ueberzugsschicht  grauem  Saud  und  Marmorstaub  gemischt, 
deren  glatte  Oberfläche  dann  äusserst  hart  ist. 

Schon  aus  der  Zusammensetzung,  mehr  noch  aus  der  Selb- 
ständigkeit dieses  Ueberzugs,  erkennen  wir  im  Gegensatz  zum 
ersten  Stucküberzug,  dass  dieser  zweite  nicht  ursprünglich  ist, 
also  nicht  die  Formen,  die  der  Baumeister  und  seine  Zeit  dem  Bau 
geben  wollten,  wiedergiebt,  sondern  in  einer  späteren  Zeit  ent- 
standen sein  muss,  sei  es  aus  Gründen  eines  veränderten  Zeitge- 
schmackes, oder  einer  nötigen  Renovation,  oder  aus  beiden.  Solche 
Formveränderungen  sind  nicht  selten.  Von  Pompeji  (l)  sind  viele 
Beispiele  anzuführen ;  weniger  bekannt  aber  ist,  dass  auch  die 
mit  unserem  Bau  oft  in  einem  Atem  zitierten  Bauten  am  Forum 
holitorium  (2)  und  ebenso  der  Magna-Mater  Tempel  auf  dem 
Palatin  (3)  ganz  ähnliche   Umgestaltungen    durchgemacht    haben. 


(')  Pompeji:  Hof  des  Apollotempels  s.  Mazois  IV,  XXI;  Mau,  Pompeji 
S.  75;  Stabianerthermen  Mau  S.  183;  Isistempel  Mau  S.  15G  f.  Von  Privat- 
häusern z.  B.  Casa  delle  nozze  d'argento  Mau  S.   288. 

(2)  Rom,  Forum  holitorium:  Tempel  A  (Delbrück  a.  a.  0.  S.  15)  eine 
ältere  Stuckschicht  aus  Kalk  und  vulkanischem  (?)  Sand,  bis  zu  8  mm.  stark, 
Zahnscbnitt  noch  zu  erkennen;  sie  ist  aufgerauht  zur  Aufnahme  einer  zweiten 
gröberen,  die  Puzzolane  enthält.  Marmorteilchen  fehlen,  so  weit  erkennbar, 
durchaus.  Tempel  B:  am  Gesims  (im  Hof  von  S.  Nicola  in  Carcere)  vom 
alten  Stucküberzug  nichts  mehr  zu  sehen,  ausser  im  Zusammenhang  mit  einem 
Stück  späteren  Ueberzugs,  für  den  jedoch  die  Flächen  aufgerauht  worden 
sind.  Ebenso  am  Architravblock  (im  Keller  der  Kirche).  Die  untere  Schicht 
besteht  nur  aus  Weisskalk  u.  Sand;  die  obere  aus  einem  Gemisch  von  klei- 
neren .Marmorkörnern  und  Kalk.  Tempel  C:  Kapitell,  vgl.  Hülsen  o.  S.  109  ff. 

(3)  Besonders  deutlich  an  dem  auf  der  Südseite  neben  der  Statue  auf  einer 
Säulentrommel  liegenden  Gebälkstück  zu  sehen:  ältere  Stuckschicht  sehr  dünn, 


DER    IONISCHE   TEMPEL   AM    PONTE    ROTTO  253 

Wir  erkennen  also  eine  durchgehende  Praxis:  die  Bauten  aus 
Tuff  oder  aus  gemischtem  Hausteinmaterial  waren  mit  Stuck 
überzogen.  Dieser  Ueberzug  passte  sicli  genau  den  im  Stein  vor- 
gebildeten Formen  an,  und  erhielt  keine  selbständige  Ausbildung 
(Ausnahmen  kommen  höchstens  bei  feinen  Blattornamenten  vor,  wo 
die  Blattrippen  in  Stuck  noch  schärfer  betont  werden  konnten  oder 
z.  B.  in  Pompeji  bei  feineu  Leistchen  oder  liiemchen  unter  Ka- 
pitellen). Die  Stuckhaut  war  geeignet,  glatte  glänzende  Wandflä- 
chen  zu  bilden,  die  Känder  zu  verschärfen  und  dem  Schattenspiel 
durch  die  weisse  oder  helle  Farbe  mehr  Intensität  zu  verleihen, 
endlich  besonders  als  Grundlage  der  buntfarbigen  Behandlung  der 
mancherlei  Bauglieder  zu  dienen. 

Das  Kernmauerwerk  des  Podiums  besteht  wahrscheinlich  aus 
opus  caementicium.  So  scheint  es  nach  dem,  was  man  durch  die 
klaffende  Fuge  der  Travertinplatten  am  Podium  erkennen  kann  (*). 
Aus  opus  caementicium  ist  auch  der  Podiumkern  des  Magna  Mater- 
Tempels  auf  dem  Palatin  und  des  Tempels  B  am  Forum  holito- 
rium.  Nach  Promis  ('-)  und  Delbrück  (3)  sind  die  Mauererneu- 
rungen von  Alba  Fucens  das  älteste  Beispiel  dieser  Bauweise. 
(302  v.  Chr.).  Zur  Erweiterung  des  grossen  Theaters  in  Pompeji  (4), 
die  aus  stilistischen  Gründen  noch  in  die  Tuffperiode  dieser 
Stadt  zu  setzen  ist,  wurde  ebenfalls  opus  caementicium  verwendet. 
Sicher  datiert  sind  die  Gewölbe  des  Tabulariums  (78  v.  Chr.). 
Daselbst  ist  schon  ein  sehr  weitgehender  Gebrauch  dieser  Mauer- 
technik und  eine  grosse  Erfahrung  über  ihre  Güte  und  Haltbar- 
keit vorauszusetzen. 

Für  die  Datierung  unseres  Baues  lässt  sich  aus  der  Be- 
schreibung der  technischen  Eigenschaften  Folgendes  entnehmen :  die 
Verwendung  von  Normalformat  der  Tuffquadern  kommt  wahrschein- 


enthält  feinen  Marmorstaub;  die  zweite  bildet  neue  Formen  und  bestellt  aus 
Weisskalk,  mit  Ziegelmehl  und  Kieseln  vermischt.  Darüber  ist  noch  eine 
glatte  feinere  Oberschicht    wieder    mit    Marmorteilchen. 

(!)  Es  war  mir  nicht  möglich,  näher  an  den  Baukörper  heranzugelan- 
gen;  Piranesis  Zeichnung  (a.  a.  0.  Tf.  L)  vom  Unterbau  ist  jedenfalls  unrichtig 
und  stellt  im  Widerspruch  zu  ähnlichen,  besser  bekannten  Anlagen. 

(2)  Promis,  Antichitä  cli  Alba  Fucense.  Mauer,   S.  110. 

(3)  a.  a.  0.  S.  63. 

(*)  Mau,  Pompeji  S.  136. 


254  E-    R-    FIECHTER 

lieh  schon  im  vierten  Jahrhundert  in  Rom  vor.  Die  scheitrechten 
Böo"en  im  Tabularium  lehren  uns  für  die  geschichtliche  Stellung 
unseres  Tempels  nichts,  da  die  Konstruktion  vielleicht  schon  früher 
angewendet  wurde.  Ob  Stuckierung  von  Quadermauern  in  Etrurien 
üblich  war,  ist  mir  unbekannt;  sie  scheint  auf  den  Einfluss  von 
Süditalien  und  Sicilien  hinzuweisen,  der  wahrscheinlich  schon  mit 
der  Eroberung  von  Campanien  (Ende  des  dritten  Jahrhunderts)  be- 
gonnen hat. 

Die  geschichtliche  Stellung  eines  Bauwerks  aus  seinen  techni- 
sehen  Eigenschaften  zu  ermitteln  ist  nur  möglich,  wenn  eine 
grosse  Anzahl  von  datierten  Bauten  technisch  genau  bekannt  und 
zugänglich  gemacht  wird. 

III.  Stilistische  Untersuchung. 

A.  Grundriss  und  Aufbau. 

Im  Anschluss  an  die  Baubeschreibung  untersuchen  wir  nun, 
welche  Stellung  der  Pseudoperipteros  am  Forum  boarium  in  der 
Entwicklung  der  römischen  Baukunst  einnimmt.  Seine  Formen  und 
Eigenschaften  in  Grundriss  und  Aufbau  sollen  mit  ähnlichen  und 
womöglich  zeitlich  genau  bestimmten  Bauten  verglichen  werden, 
damit  ihr  Verhältnis  zu  diesen  festgestellt,  und  auch  eine  annä- 
hernde Entstehungszeit  unseres  Tempels  daraus  abgeleitet  werden 
könne. 

Podium. 

Unser  Pseudoperipteros  ist  ein  Podiumtempel.  Wir  wissen, 
dass  der  Podiumtempel  in  Rom  häutig  vorkommt.  Femer  erfahren 
wir  aus  Delbrücks  (')  Zusammenstellung  der  bis  jetzt  bekannten 
Podientempel,  dass  die  Podien  von  den  ältest  erhaltenen  her  eine 
allmähliche  Veränderung  in  Gestalt  und  Form  erlitten  haben.  Die 
älteren  Podien  sind  fast  quadratisch  oder  haben  ein  Verhältnis  von 
ca.  5:6  (2)  so  das  des  kapitolinischen  Jupitertempels  in  Rom  mit 
ca.  52: 57  m.  (auf  dem  allerdings  drei  Cellen  stehen),  und  ein  Tem- 
pelpodium in  Alba  Fucens  (3).  Mit  der  überhandnehmenden  Herr- 

(')  a.  a.  0.  pag.  26  ff.;  Capitol  v.  Si<rnia  p.  21  ff. 
(a)  Nach   Yitruv  IV  7,  1.  Darm  a.  a.  0.  S.  97  Abb.  108. 
Promii  a.  a.  0.  S.  232  T.  2.  G. 


DER    IONISCHE    TEMPEL    AM    PONTE    ROTTO  255 

schaft  der  Podientempel  von  Etrurien  über  Latium  und  den  Süden 
Italiens  (')  veränderte  sich  auch  ihre  Gestalt:  ihr  Verhältnis  von 
Länge  zu  Breite  verschiebt  sich  nach  und  nach  bis  auf  2:1.  So 
verlaugt  Vitruv  vom  Massverhältnis  des  «  Tempels  -,  dass  die 
Breite  die  Hälfte  der  Länge  betrage.  Unser  Pseudoperipteros  hat 
ein  Podium  von  ulibekannter  Länge,  nach  der  mutmasslichen 
Ergänzung  aber  ungefähr  das  Verhältnis  1 : 2.  Ebenso  der  Saturn- 
tempel  (*)  (bei  beiden  der  Treppenaufgang  eingerechnet).  Eine 
weitere  Veränderung  erfuhr  das  Podium  durch  die  Profilierung 
seiner  Fuss-  und  Gesimsglieder  nach  der  Art  griechischer  Gesims- 
formen. Die  etruskischen  Podien  waren  entweder  glatt,  oder  mit 
wuchtigen,  den  griechischen  gänzlich  unähnlichen  Gesimsen  ver- 
ziert (3).  Ferner  scheint  es  einer  ebenfalls  durchgehenden  Regel  zu 
entsprechen,  dass  bei  den  etruskischen  Podien  meist  nur  schmale 
Treppenaufgänge  vorhanden  waren,  Avährend  bei  den  Podien  späterer 
Zeit  die  Freitreppen  die  ganze  vordere  Breite  einnahmen.  In  der 
Kaiserzeit  freilich  hört  ein  einfaches  gesetzmässiges  Fortschreiten 
der  Entwicklung  und  Veränderung  der  Podien  auf.  Die  Mannig- 
faltigkeit der  Bedürfnisse  und  der  Platzbedingungen  ist  einer  ge- 
radlinigen Entwicklung  ungünstig. 

Vorhalle. 

Die  frühitalische  Tempelform  verlangt  vor  dem  Cellahaus 
eine  tiefe  Vorhalle.  Entweder  sind  neben  dem  Mitteltempel  Seiten- 
cellen  oder  offene  Seitenhallen.  Mit  dem  Vordringen  des  itali- 
schen Podientempels  nach  Latium,  und  weiter  nach  Campanien 
und  Süditalien  verändert  sich  sein  Charakter  durch  die  Einflüsse 
der  dortigen  griechischen  Kultur.  Die  Eigenschaften  des  länglich 
gestreckten  Peripteralbaues  werden  auf  den  von  den  vordringenden 
Römern  mitgebrachten  norditalischen  Bau  übertragen ;  es  entstellen 
neue  Gestaltungen. 

(')  Vitruv.  1.   IV,  41. 

(2)  Hülsen,  Forum  Romanum  1905  S.  74. 

(3)  Tempel  d  in  Marzabotto,  Mon.  dei  Lincei  I,  t.  II  hat  ein  wuchtig 
profiliertes  Podium.  Glatte  Podien  in  Alba  Fucens  gehören  wahrscheinlich  der 
römischen  Kolonie  (bald  nach  304  v.  C.)  an:  Delbrück,  Tempel  am  For.  hol. 
p.  28.  Glatte  Podien  wahrscheinlich  auch  in  Cosa  (Ansedonia)  soweit  gegen- 
wärtig davon  etwas  zu  erkennen  ist,  obschon  von  Dennis,  cities  and  cimit. 
3.  Aufl.  1883  p.  245  ff.  Podien  nicht  ausdrücklich  erwähnt  werden. 


256  E.    R.    FIKCHTER 

Grrundriss. 

Die  gestreckte  Grundrissform  wird  durchaus  angenommen; 
bei  vielen  Bauten  freilich  nur  diese  ohne  die  anderen  peripteralen 
Eigenschaften.  Dahin  gehört  z.  B.  der  Magna  Mater-Tempel  auf 
dem  Palatin  ('),  der  Jupitertempel  auf  dem  Forum  in  Pompeji  (2) 
u.  a.  Gerade  diese  neue  Form  wurde  sehr  beliebt  und  vielfach  an- 
gewandt in  Rom,  z.  B.  der  Saturntempel,  die  Tempel  des  Vespasian 
und  der  Faustina  am  Forum  Romanum ;  ausserhalb  Roms  z.  B. 
Pola  (3),  Pergamon,  etc.  Dies  ist  der  spezifisch  römische  Tempel 
Vitruvs  (Lib.  IV). 

Zugleich  mit  der  gestreckten  Grundrissform  nehmen  aber  eine 
Reihe  anderer  Bauten  durch  eine  Halbsäulen-  oder  Pilasterglie- 
derung  der  Cellawände  auch  den  Rhythmus  der  peripteralen  Halle 
an.  Für  bescheidene  Verhältnisse  ist  diese  Anpassung  des  grie- 
chischen Vorbilds  besonders  geeignet.  Tempel  mit  gleichmässig 
angeordneter  Pilastergliederung  der  Cellawände  stellen  den  Pe- 
ripteros  gleichsam  in  Flachrelief  dar,  so  z.  B.  der  sogenannte 
Herkulesternpel  in  Cori  (4),  das  Grabdenkmal  des  Bibulus  am  Fusse 
des  Kapitols  (5),  der  kleine  Bau  des  sogenannten  Dens  Redi- 
culus  (6)  vor  der  Porta  Latina,  die  Tempel  in  Tebessa  (7),  in  Henchir 
Debbik,  und  die  Seitentempel  auf  dem  Kapitol  zu  Sbeitla  (8). 

Noch  besser  ist  der  peripterale  Charakter  durch  vorgestellte 
Halbsäulen,  gewissermassen  in  Hochrelief,  zum  Ausdruck  gebracht. 
Dieser  Gruppe  gehört  unser  kleiner  Pseudoperipteros  an.  Ferner 
der  kleine  sog.  Tiburtustempel  (9)  in  Tivoli,  und  der  mittlere 
Tempel  am  erwähnten  Kapitol  zu  Sbeitla.  Vielleicht  gehört  in 
diese  Gruppe  auch  das  Asklepieion  von  Agrigent  (,0). 


(lJ  Hülsen  Rom.  Mitt.  X  S.   1  ff. 

(2)  Mau,  Pompeji  S.  53  ff;  Weichardt,  Pompeji  vor  der  Zerstörung,  Abb.  72. 

(3)  Darm.  a.  a.  o.  Abb.  617;  Pontremoli-Collignon,  Pergame,  p.  178  ss- 

(4)  Piranesi,  Antichitä  cli  Cora;  Canina,  Edifizi  T.  CI. 
(B)  Canina,  Edifizi  di  Roma  antica  LXXVII  A.  1-4. 

(«]  Canina,  Edifizi  CCLXXVI  1-5  (falsch  ergänzt). 
(7)  Gsell,  Monuments  antiques  de  VAlge'rie  1  pl.  XIX. 

Darm,  a.  a.  0.  Abb.  665,  665  bis,  668. 
i'i  Canina,  Edifizi  VI  T.  CXXXIII. 
(,0j  Koldewey  und  Puchstein  a.  a.  0.  S.  183.  T.  27. 


DER    IONISCHE    TEMPEL    AM    PONTE    ROTTO  257 

und  in  Rom  der  Tempel  A  am  Forum  holitorium  (');  zur  zweiten 
der  Mars  Ultor-Tempel  am  Augustusforum  in  Korn.  Frühe  Peripte- 
roi  auf  italischem  Podium  sind  der  Apollotempel  in  Pompeji  (2), 
und  in  Korn  die  Tempel  B  und  C  am  Forum  holitorium :  diesen  folgt 
dann  eine  lauge  Reihe  von  stadtrömischen  Kultbauten  der  Kaiser- 
zeit. Der  eigentliche  griechische  Peripteros  —  also  ohne  Podium  — 
kommt  erst  durch  Hadrian,  den  Griechenfreund,  mit  dem  Bau  des 
Tempels  der  Venus  und  Roma  in  summa  sacra  via  nach  Rom. 

Sobald  der  Rhythmus  der  Säulenstellung  um  den  ganzen  Bau 
herumgeführt  wird,  ist  das  Verhältnis  der  Tiefe  der  offenen  Vor- 
halle zum  geschlossenen  Cellakörper  gebunden.  Aus  der  folgenden 
Zusammenstellung  ergiebt  sich  ausser  der  zahlenmässigen  Darstel- 
lung dieses  Verhältnisses  für  einige  der  genannten  Bauten  auch 
zugleich  die  Proportion  des  Gesamtgrundplans  für  dieselben. 

Tempel  Säulenintervalle 

Vorderfront         Seitenfront 

oft'en        geschlossen 

des  Tiburtus,   Tivoli  (3) .     .     .  3  1  4 

dorischer,  Cori  (4) 3  3  ? 

Tempel  am  Ponte   Rotto     .     ,  3  2  4 

Maison  carree,    Nimes  (5)    .     .  5  3  7 

Mittlerer,  Kapitol  Sbeitla  (6)  .3  2  5 

Seitliche,       "           »             .     .  3  2  5 

Henchir  Debbik  (7)     ....  3  2  5 

(')  Delbrück  a.  a.  0.  S,  38. 

(a)  Mau,  Pompeji  S.  72  f;  Mazois,  IV  T.  16-23. 

(3)  Gründungszeit  unbestimmt.  Wird  im  allgemeinen  an  das  Ende  des 
II.  Jahrhunderts  v.  Chr.  gesetzt. 

(*)  Annähernd  datiert  durch  den  Charakter  seiner  Inschrift.  CIL.  X, 
6517  und  seiner  Formen  auf  den  Anfang  des  ersten  Jahrhunderts,  v.  Chr.  Doch 
steht  er  nicht  in  Rom.  sondern  draussen  in  der  Provinz.  Wenn  er,  was  wahr- 
scheinlichist, von  der  tonangebenden  Hauptstadt  beeinflusst  wurde,  kann  seine 
Gründungszeit  für  den  Vergleich  mit  einem  stadtrömischen  Bau  nur  mit  einem 
gewissen  Abzug  in  Betracht  gezogen  werden.  Piranesi,  Antichitä  di  C 
Tav.  IV-X;  Canina,  Edißzi  CI;  Antonio  Antolini,  Uordine  dorico  ossia  il 
tempio  d'Ercole  nella  cittä  di  Cora,  4  Tafeln  (Born  1785);  Attigli  Sev. 
Tempio  d'Frcole  e  gli  altri  monumenti  di  Cora,  Roma  1001. 

(5)  Cltfrisseau,  Antiquars  de  France,  Tome  I,  pl.  III-XI. 

(ö)  Sufetula:  Schulten,  das  römische  Africa(1899)  S.  39  Anm.;  Cagnat- 
Gauckler  Monuments  de  la  Tunisie  I  pl.  VIII.  IX. 

(7)  Dünn,  a.  a.  0.  Abb.  055;  Cagnat-Gauckler  a.  a.  0.  pl.  XXXIII. 

18 


258  E.    R     FIECHTER 

Nur  beim  kleinen  Tiburtustempel  ist  die  Vorhalle  seicht,  sonst 
aber  an  den  viersäuligen  zwei,  an  den  sechssäuligen  drei  Intervalle 
tief.  Die  Seiten  des  Grundrissrechtecks  verhalten  sich,  wie  wir  be- 
reits feststellten. wie  3:4  in  Tivoli;  wie  3:  (3  oder  5:10,  also  wie 
1:2  an  den  drei  folgenden  Bauten  und  endlich  wie  3:7,  also  mehr 
als  1:2  an  den  afrikanischen  Tempeln  der  späten  Zeit  (').  Die 
Reihe  ist  aber  zu  klein  um  ein  klares  Resultat  zu  geben;  wir 
nehmen  daher  noch  einige  Peripteroi  zum  Vergleich  dazu : 

Tempel  Säulenintervalle 

Vorderfront       Seitenfront 

Apollo,  Pompeji  (2) 5  9 

Tempel  B,  Forum  holitorium     .     .  5  10 

der  Castoren,  Rom  (Umbau)  (3).     .  7  10 

der  Venus  und  Roma,  Rom  (4)  .     .  9  20 

des  Jupiter,  Baalbek  (5)    ....  7  14 

Wir  erhalten  auch  hier  eine  gleiche  Folgerung.  Die  Gruud- 
rissform  hat  in  der  letzten  Zeit  der  Republik  etwa  das  Verhältnis 
1:2;  in  der  Kaiserzeit  ist  sie  zumeist  mehr  in  die  Länge  gestreckt. 

Die  Säulen  stehen  am  grossgriechisch  dorischen  Tempel  eng; 
weit  aber  am  italisch-etruskischen  (6).  Die  Tendenz  zur  Weitsäulig- 
keit  ist  in  der  Tiiit'periode  noch  vorherrschend  (').  Von  Osten  aber 
dringt  mit  der  griechischen  Bauart  auch  die  griechische  Engsäu- 
ligkeit  ein.  Vitriiv  beschreibt  die  5  Tempelarten  und  verlangt  den 
Eustylos    «  welcher    am    meisten    zu   billigen   ist  »   (*).    Die  fol- 

(')  Womit  nicht  gesagt  sein  soll,  dass  nicht  manche  späte  Tempel  auch 
kürzere  Podien  haben,  wie  z.  B.  der  Tempel  von  Zanfour  (Assuras).  Cagnat- 
Gauckler  a.  a.  0.  p.  142  pl.  XXXIX. 

(a)  Aus  vorrömischer  Zeit.  Mau  Pompeji  S.  73.  Mazois  IV,  XVII-XX. 

(3)  Der  jetzige  Peripteros  ist  ein  Umbau  aus  hadrianischer  Zeit,  der 
im  Anschluss  an  die  ältere  Gestalt  und  wohl  auch  aus  Platzbeschränkung 
die  kurze  Grundrissform  beibehielt:  Hülsen,  Forum  Romanum  1905  S.  142. 

(4)  Canina,  FAijxzi  Tf.  LI-LVI;  Reber,  Ruinen  Roms  400-405;  Hülsen, 
Forum  Romanum  1905  S.  218.  Von  Hadrian  im  Jahr  135  n.  Chr.  geweiht. 

(5)  Wool,  Ruins  of  Balbek  XXIV-VI;  Puchstein,  Zweiter  Jahresbericht 
über  die  Ausgrabungen  zu  Baalbek,  Jahrb.  d.  Inst.  1902,  T.  V. 

(6)  Vitruvs  tuskischer  Tempel  IV,  7.  vgl.  Durm  a.  a.  0.  96  ff.  u. 
Abb.  129. 

(7)  Forumshallen  in  Pompei,  mit  Holzarchitraven  und  Steingebälke. 

(8)  Vitruv  III,  3,  1-8. 


DER    IONISCHE   TEMPEL   AM    PONTE  ftOTTO                                      259 

gende  Zusammenstellung  giebt  ein  Bild  der  mit  dem  Vordringen 
klassischer  Formen  zunehmenden  Eagsäuligkeit  römischer  Tempel. 

Tempel               Axenabst.  in  u.  D.  Bezeichg.  nachVitruv 

Cori :  dorischer  T.  (l) .     .     3  V,  <  diastyl 

»       korinth.  Tempel  (2).     3  »/,  <  diastyl 

Tivoli:  Tiburtus    »     .     .     3 '/,  >  eustyl 

Rom :  Magna  Mater    »(3).     31-?  <  eustyl 

Pseudoperipteros    .     3  l/A-S  l/5  <  eustyl 

"       Tempel  A.Forum  h.     3  tyl 

B.      »      »      2 "  „  <  systyl 

Pompeji:  Jupitertempel (')    2  2/3  <  systyl 

Rom:  Divus  Julius  (5)    .     2  \  ,  pyknostyl 

»        Castoren      ...     2  72  » 

»        Venus  u.  Roma  (c).     2  2/3  » 


Unser  Pseudoperipteros  ist  somit  vom  engsäuligen  langge- 
streckten griechischen  Peripteros  bereits  stark  beeinflusst,  und  steht 
dem  alten  etruskischen  quadratischen  und  weitsäuligen  Tempel 
schon  recht  fern.  Aber  er  hat  noch  nicht  jene  Stufe  der  Klassi- 
zität der  grossen  Bauten  der  Kaiserzeit  erreicht. 

B.  Einzelformen. 

Podium.  Für  das  Fussprofil  bieten  die  Podien  der  Tuffpe- 
riode keine  nahen  Analogien ;  diese  haben  meist  stark  ausladende, 
grosszügige,  aber  durch  zarte  Zwischenglieder  fein  geteilte  Haupt- 
formen mit  scharfen  Kanten.  Knapper  sind  die  römischen  an  den 
Tempeln  A  und  B  am  Forum  holitorium.  Am  nächsten  steht  das 
Fussglied  unseres  Baues  demjenigen  des  Divus  Julius-Tempels  am 
Forum  Romanum  (Abb.  8).  Weit  entfernt  ist  es  aber  von  allen 
den  schlichten  tuskischen  Profilierungen,  wie  sie  an  den  Tempeln 

(i)  Canina,  Edifizi  T.  CI. 

(2)  Canina,  Edifizi  T.C. 

(3)  Säulenstellung  nur  in  der  Kekonstruktion  bestimmt.  Rom  Mitt.  X. 
S.  19  ff. 

(4)  Mazois  III,  XXX. 

(5)  Jahrbuch  d.  Inst.  IV,  1S89,  S.  137  f.;  Rom.  Mitt.  1902,  61.  62. 

(6)  Canina,  Edifizi  LI. 


260 


E.    R.    F1ECHTER 


TIBUKTUS.T-TIVOÜ 


VE-STA  X  TIVOLI 


M. 


J 


POMPEI 

3UPITLR -TEMPEL 


TABUUARIU/A 


PRAENE.STE. 


PSEUDO  PERI  PTE.R05 


D'V.  JUUVJi>  T.  T£.A\PEUA.FOR  HOL. 


;  '.'  •.■.te./v\pel|b-  for  hol 


Fig.  8.  Verschiedene  Fussgesimsprofile  von  Podien. 


DER    IONISCHE    TEMPEL   AM    PONTE    KOTTO  2Ö1 

in  Tivoli  vorkommen.  Die  Ausladung  wird  an  den  Profilen  der 
ausgehenden  Republik  geringer  als  im  eigentlichen  Tuffstil.  Fig.  8 
gibt  eine  Zusammenstellung  einiger  Fussprofile  ('). 

Auch  die  Bekrönungsprofile  machen  ähnliche  Phasen  durch. 
Wir  finden  einerseits  die  grossen  derben  Gesimse  etruskischer  Art, 
andrerseits  die  feingegliederten  Tuffstilformen  mit  ihren  zarten 
entzückenden  Leistchen  und  den  scharfen  Unterschneidungen,  die  so 
wirksame  Gegensätze  zu  hell  beleuchteten  Kanten  erzielen.  Eines 
der  schönsten  Gesimse  dieser  Art  ist  das  vom  Podium  der  Tabula- 
rium-Rückwand  (s.  A.  1).  Während  die  Tuffstilgesimse  das  Motiv 
eines  Hauptgesimses  mit  vortretender  Hängeplatte  noch  erkennen 
lassen,  vertreten  die  Profile  der  Tempel  A  und  B  eine  Gruppe 
ohne  solche  Teilung,  so  etwa  wie  sie  an  griechischen  Basen  man- 
nigfach vorkommt.  Auch  die  Gesimse  der  klassischen  Zeit  zeigen 
mehr  oder  minder  bewiest  die  ganze  Gesimsgliederung,  zuerst  ohne 
gut  abgewogene  Verhältnisse  der  Einzelglieder,  wie  an  unserem 
Bau,  später  mit  mehr  Eleganz.  So  besonders  am  Castorentempel, 
wo  man  schon  am  Gesimsprofil  ersieht,  dass  es  einem  Bau  von 
ganz  hervorragend  künstlerischer  Gestaltung  angehört  haben  muss. 
Fig.  9  giebt  eine  Zusammenstellung  einiger  solcher  (meist  nach 
eigenen  Aufnahmen  gezeichneter)  Bekrönungsprofile.  Sehr  nahe 
sind  unserem  Podiumprofil  auch  diejenigen  in  Praeneste  am  Ron- 
dell und  in  der  Aula  des  sullanischen  Fortunatempels  (Canina  Eäi- 
fiti  VI  Tf.  CXVI.  UXVII).  Die  Häufung  von  kleinen  Profilierungen 
erinnert  noch  an  den  Tuffstil,  ihre  formale  Ausbildung  jedoch  nicht 
mehr,  soweit  sie  Canina  mitteilt.  Eigene  Untersuchung  an  Ort 
und  Stelle  war  mir  nicht  möglich.  Eine  klare  Reihe  sich  in 
gerader  Linie  entwickelnder  Profilierungen  können  wir  jedoch 
nicht  darstellen.  Oertliche  Traditionen  und  Vorbilder  wirken  bei 
der  Ausbildung  der  Einzelformen  mehr  mit  als  in  der  Anlage 
der  Gesamtverhältnisse  (*).  Wir  erkennen  aber  immerhin  aus  der 
gegebenen  Zusammenstellung  der  verschiedenen  Podiengesimse, 
dass  die  unseres  Podiums  entschieden  vor  denjenigen  des  Divus 
Julius-Tempels  und  nach  denen  des  Tabulariums  anzusetzen  sind. 

(^  Profil  4  vom  Podium  der  Nordseite  des  Tabulariums  unter  Michel- 
angelos Freitreppe  des  ^heutigen  Senatorenpalastes.  Die  Originalzeichnung 
wurde  mir  von  Delbrück  gütigst  zum  kopieren  zur  Verfügung  gestellt. 

(2)  Puchstein  und  Koldewey  a.  a.  0.  S.  30  ff.  Aegina  a.  a.  0.  S.  59. 


262 


E.    K.    FIECHTEK 


TiBüRTUST.-TIVOU 


5GPIONE.NQRAB 


VE.  STA  X  TiVOU. 


POAAPEI  . 

TRlßUNAUBASlUCA 


TABULARIUA'S 


PRaeine-ste. 


P5EU  DOPER  IPTE.ROS 


3i+   DIV."JUUU5T. 


TE^PELB  FoR.HOU. 


296 ?[ 


TEMPELA    FOK  HOL 


CASTORT.  RO/a 


Fig.  9.  Verschiedene  Bekrünungsprofile  von  Podien. 


DER  IONISCHE  TEMPEL  AM  PONTE  ROTTO  263 

Säulen.  An  unserem  Bau  halten  die  Säulen  die  normale 
attische  Basis  mit  quadratischer  Plinthe.  Wie  ist  die  Basis  älterer 
Gebäude?  Die  tuskische  Säule  hat  keine  quadratische,  sondern 
eiue  kreisrunde  Fussplatte  (').  Die  quadratische  schreibt  Vitruv  III 
52  vor,  offenbar  auf  Grund  römischer  Bauten  seiner  Zeit.  In 
Athen  haben  die  jonischeu  Basen  keine  Plinthe.  Aber  im  helle- 
nistischen Kleinasien  kommt  sie  an  den  attischen  und  jonischen 
Basen  vor  (Priene,  Magnesia)  und  ebenso  an  spätgriechischen,  von 
Kleiuasien  aus  beeinrlussten  Bauten  in  Olympia  und  Athen.  Ur- 
sprünglich mag  sie  aus  Vorderasien  stammen  (2),  wo  sie  z.  B.  am 
Felsgrab  des  Amyntas  zu  Telmissos  (3)  der  jonischen  Basis  einer 
primitiven  jonischen  Säule  untergeschoben  erscheint.  Jedenfalls 
kommt  sie  mit  den  übrigen  klassischen  Formen  nach  Rom.  Wenn 
man  annimmt,  dass  die  Halbsäulenfassade  des  Scipionengrabes  (4) 
erstlich  mit  der  sehr  uuregelmässigen  Grabanlage,  für  die  nach 
neuesten  Beobachtungen  ein  Steinbruch  benützt  worden  ist,  zu- 
sammengehörte, und  zum  andern,  dass  sie  mit  dem  Podium, 
auf  dem  sie  sich  erhob,  gleichzeitig  entstanden  sei,  dann  wäre 
bei  der  bisherigen  Datierung  des  Grabmals  nach  dem  vatikani- 
sehen  Scipiosarkophag  die  quadratische  Plinthe  in  Rom  schon  im 
ersten  Viertel  des  III.  Jahrhunderts  üblich  gewesen.  Aber  es  be- 
stehen schwere  Bedenken  gegen  diese  Annahme.  Einmal  ist  nicht 
nur  die  Datierung  des  berühmten  Sarkophags  des  Cornelius  L.  Sci- 
pio.  der  im  Jahr  298  Konsul  war,  ganz  sicher,  da  die  jetzige 
Schrift  an  der  Stelle  einer  früheren  weggemeisselten  steht;  zwei- 
tens ist  es  sehr  unwahrscheinlich,  dass  das  Felspodium,  in  dem 
jene  rohe  Bogenöffuung  eingebaut,  und  dessen  oberste  Kante  durch 
eine  Schichte  von  ungleich  grossen  Quadern  abgeglichen  und  dann 
von  einem  altertümlichen  (Abb.  9)    Gesims  bekrönt   ist,  wirklich 


(')  Vgl.  die  Säulenbasen  von  Marzabotto  JlJon.  dei  Lincei  I  t.  VIII.  9 
Tempel  d  (Brizio);  Alba  Fucense  (Promis);  Alatri  (Winnefeld);  tuskisches 
Gebälk  (nach  Piranesi)  vom  Mons  Albanus  (oben  S.  186);  ebenso  die  beim 
Kundtempel  am  Forum  boarium  liegende  Rundbasis  (Köm.  Mitt.  VII  S.  108). 

(2)  Vgl.  Delbrück  a-  a.  0.  S.  54,  ferner  die  runde  Basis  plinthe  am  ko- 
rinthisch-dorischen Tempel  in  Paestum  KoMewey  und  Pnchstein  a.  a.  0.  S.  33. 

(3)  Bühlmann  Architektur  I,  19,  1  u.  2. 

(4)  Piranesi.  Monumenti  degli  Scijnoni  T.  '_'. 


264  E.    R.    FIECHTER 

gleichaltrig  sei  mit  der  darüber  zurückstehenden  Halbsäulen fas- 
sade  (').  In  Stil  und  Technik  sind  beide  Bauteile  verschiedeu.  Auf 
der  Podiumwand  sind  wenigstens  zwei  Stuckschichten  aufgetragen, 
auf  der  oberen  konnte  ich  bei  genauer  Betrachtung  noch  deutlich  die 
rote  Zeichnung  eines  Mäanderbandes,  eines  sogenannten  laufenden 
Hundes,  erkennen,  das  von  roten  Linien  eingefasst,  offenbar  die  Ab- 
schlussleiste eines  dunkler  bemalten  Sockels  bildete  (1,45  unter  dem 
Bekrönungsgesims).  Diese  Dekoration  passt  zu  der  späteren  Halb- 
säulenfassade  gut  und  ist  also  jedenfalls  erst  bei  einer  späten  Um- 
gestaltung der  älteren  Wand,  die  dann  als  Podium  für  den  Aufbau 
benützt  wurde,   entstanden. 

Es  ist  somit  kein  sicheres  Datum  für  das  erstmalige  Auftreten 
der  quadratischen  Plinthe  in  Rom  gegeben.  Bei  den  Bauten  des 
k  Tuffstils  »  fehlt  überall  die  Plinthe,  in  Pompeji  (2)  sowohl  als 
in  Rom  (3)  und  seiner  Umgebung. 

Meines  Wissens  stehen  jedoch  am  älteren  Bau  des  Atrium 
Vestae  (4)  auf  dem  jetzt  freigelegten  Stylobat  Basen  aus  Travertin 
mit  Plinthe.  Ferner  stehen  die  Säulen  der  sogenannten  Aula  in 
Praeneste  auf  Basen  mit  Plinthe  (5).  Die  jonischen  Säulen  des 
Marcellustheaters  haben  mit  denen  unseres  Tempels  fast  genau 
gleiche  Basen  (6).  Die  Tempel  A  und  B  am  Forum  holitorium 
jedoch  besitzen  Standplatten  unter  jonischen  Basen.  Die  einfache 
attische  Form  scheint  in  der  Kaiserzeit  weniger  beliebt;  denn  viele 
Bauten  zeigen  Kombination  von  jonisch-attischen  Basen:  z.  B.  der 
Saturntempel,  geweiht  44  v.  Chr.,  der  Tempel  des  Divus  Julius, 
geweiht  29  v.  Chr. ;  oder  sie  werden  reich  ornamentiert,  wie  Bei- 

(')  Nach  den  Beobachtungen  von  Prof.  Hülsen  und  mir  (16.  VI.  05)  steht 
übrigens  fast  noch  genau  so  viel  davon  als  Piranesi  zeichnete ;  die  Fassade 
ist  also  nicht,  wie  Delbrück  sagt,  verschwunden.  Man  erkennt  die  Plinthe 
und  die  stark  verwitterte  attische  Basis  deutlich.  Höhe  der  ganzen  Basis 
0,56m.;  Platte  0,11  h.,  0,93  br.,  0,48  t;  u.  D.  der  Säule  0,55. 

(-)  Basilica,  Apollotempel  und  in  den  Privathäusern  des  Tuffstils,  auch 
im  römisch  erneuerten  Jupitertempel. 

(3)  An  den  beiden  Tempeln  in  Tivoli,  am  Castortempel  in  Cori  (Pira- 
nesi, Antickitä  di  Cora,  T.  III),  am  sog.  Magna  Mater-Tempel  auf  dem  Pa- 
latin  (Rom.  Mitt.  X,  1  ff.) 

(■*)  Hülsen,  Forum  Romanum  1905,  S.  184. 

(s)  Nibby,  il  tempio  della  Fortuna  Praenestina  Tav.  V. 

(c)  Vgl.  Durm  a.  a.  0.  Abb.  411;  Canina,  Edißzi  CLVII,  6. 


DER    IONISCHE   TEMPEL    AM    PONTE   ROTTO  265 

spiele  im  jetzigen  Museo  Capitoliöo,  die    Basen    vom    Concordia- 
tempel  (7  v.  Chr.),  und  viele  andere  beweisen  ('). 

Die  Schaftform  der  Säulen  unseres  Tempels  ist  die  klassische; 
d.  h.  der  Schaft  endigt  oben  und  unten  mit  einer  Lvsis  und  die 
Kanneluren  sind  ruudbogig  abgeschlossen.  Diese  Art  der  Ausbil- 
dung unterscheidet  sich  von  der  des  Tuffstils  bei  jonischen  kannel- 
lierteu  Säulen  wesentlich.  Dort  stehen  die  Stege  hart  auf  einer 
schrägen  Profilfläche  auf;  der  Schaft  hat  keinen  Ablauf  (Lysis).  Es 
entstehen  also  scharfe  Kanten  und  Kehlen  und  scharfe  Schatten,  wie 
man  es  im  «  Tuffstil »  (2)  liebte.  Die  Ausladung  der  Basis  vor  dem 
Schaft  ist  meist  ziemlich  gross,  wird  aber  gegen  Ende  des  Tuffstils 
knapper.  Auch  die  obere  Schaftendigung  ist  verschieden  von  der  « klas- 
sischen ».  Die  Tuffstil-Säulen  besitzen  oben  einen  breiten  glatten 
Halsstreif  (Kragen),  an  dem  die  Kanäle  geradlinig  abgeschnitten 
endigen.  Bei  den  jüngeren  Ausbildungen  folgt  dann  der  Uebergang 
zum  Viertelstab  mit  Lysis  und  Plättchen,  der  bei  den  älteren 
unvermittelt  war.  Wir  finden  diese  Tuffstilformen  besonders  in 
Pompeji  häufig  (?).  Auch  die  Schäfte  des  näherliegeaden  Tempels 
der  Vesta  in  Tivoli  haben  noch  Tuffstilcharakter,  während  die  un- 
tere und  die  obere  Schaftendigung  an  den  Resten  des  Magna-Mater- 
Tempels  weichen,  aber  grossen  Ablauf  zeigen.  Die  beiden  jonischen 
Tempel  am  Forum  holitorium  haben  schon  die  reine  klassische 
Schaftform,  ebenso  die  jonischen  Säulen  am  Marcelinstheater  (4). 
Die  Tutfstilform  war  also  aus  Rom  verschwunden,  als  diese  Bauten 
errichtet  wurden.  Ein  Datum  des  gleichen  Umschwungs  für  Pompeji 
giebt  uns  der  Jupitertempel,  der  wahrscheinlich  in  der  Zeit  bald 
nach  80  v.  Chr.  seine  hauptsächlichste  Gestalt  erhielt  (5).  Dort 
haben  die  jonischen  Säulen  der  Cella  noch  keine  Plinthen,  aber 
die  Schaftendigungen  sind  weich  ausgezogen,  und  die  Kanneluren 
endigen  rundbogig.  Der  «  neue  Stil »  hat  sich  demnach  etwa  in 
der  Mitte  des  ersten  vorchristlichen  Jahrhunderts  durchgesetzt. 

(i)  Canina,  Edifizi  CCXCVI  1  und  2. 

(a)  Nicht  so  ausgeprägte  Taffistilformen  haben  Säulen  am  korinthisch- 
dorischen  Tempel  in  Paestum.  Pnchstein  und  Koldewey  a.  a.  0.  S.  33. 

(3)  Z.  B.  Eingangshalle  zum  Foruni  trianguläre,  Casa  del  Fauno,  del 
Cinghiale  und  unzählige  andere  Beispiele. 

(4)  Von  Caesar  begonnen,  also  frühestens  Mitte  des  ersten  vorchristli- 
chen Jahrhunderts.  Canina,  Edifizi  CLXII,  G. 

(b)  Mau,  Pompeji  S.  59. 


266  K.    R.    Kl  ECHTER 

Besser  noch  erkennen  wir  die  gleiche  Wandlung  beim  Ver- 
gleich der  Kapitelle  unseres  Baues  mit  anderen  jonischen  Säu- 
lenkapitellen. Die  ursprüngliche  Form  unserer  Kapitelle  hat,  wie 
wir  oben  sahen,  ein  glattes  Leistchen  als  Saum  des  flachen  Ca- 
nalis.  Der  Abacus  ist  ziemlich  schwer  und  nicht  klar  lesbisch 
profiliert.  Aehnlich  scheint,  nach  Caninas  Aufnahme  (l)  das  Kapi- 
tell vom  Tempel  A  am  Forum  holitorium  gewesen  zu  sein,  dessen 
Abacus  auch  eine  Schräge  zeigt,  und  dessen  glattes  Leistchen  sich 
in  zwei  Windungen  um  ein  glattes  Auge  herumlegt.  Verwandt 
ist  ferner  das  Kapitell  der  jonischen  Geschossordnung  am  Marcel- 
lustheater  (6).  Nach  Canina  hat  es  auch  einen  schweren  und  ähnlich 
profilierten  Abacus;  der  Saumstreifen  des  Canalis  ist  glatt  und 
verläuft  unter  der  Deckplatte  in  die  Canalisfläche.  Das  Kyma  ist 
mit  einem  Eierstab  verziert. 

Das  Gemeinsame  der  drei  Kapitelle  ist  der  mit  einer  Schräge 
profilierte  Abacus,  ferner  der  geradlinige  untere  Canalisrand  ohne 
Saumleiste,  das  glatte  Canalisleistchen  ;  ausserdem  liegen  die  Vo- 
lutenzentren bei  allen  dreien  ungefähr  in  der  Höhe  des  unteren 
Kymationrandes  und  ziemlich  nahe  der  Verlängerung  der  Schaft- 
umrissliuie.  Die  Lage  der  Volutenzentren  scheint  also  in  dei 
Komposition  mehr  oder  minder  gebunden.  Die  von  Vitruv  (III,  55) 
aufgestellte  Regel  über  die  Komposition  eines  jonischen  Kapitells 
verlangt  diese  Gebundenheit.  Dass  nun  das  nach  der  Vorschrift 
des  römischen  Baumeisters  konstruierte  Kapitell  mit  dem  kano- 
nischen des  Hermogenes  beinahe  identisch  ist,  bat  Puchstein  (3) 
nachgewiesen.  Die  Vorbilder  unseres  römischen  Kapitells  sind  in 
der  Tat  in  Kleinasien.  Dort  finden  wir  den  hermogenischen  Typus 
an  den  Bauten  von  Magnesia  (4)  am  reinsten  und  schönsten.  Die 
Kapitelle  des  Artemisions  und  des  Propylons  stehen  besonders 
nahe.  Sie  zeigen  alle  Eigenschaften  unserer  Kapitelle  vorgebildet : 
die  lesbisch  profilierte  Platte,  den  flachen  Saumstreif  des  Kanals, 
dessen  unterer  Rand  aber  ebenfalls  keinen  Saum  hat,  und  die 
Bindung  der  Volutenzentren.  Auch  am  Propylon  des  Athenetempels 


(»)  Canina,  Edifizi  T.  XXXIX;  Delbrück  a.  a.  o.  T.  II. 

(2)  Durm,  a.  a.  o.  Abb.  411;  Canina,  Edifizi  IV.  CLXII,  fig.  6-10. 

(3)  Puchstein,  Das  jonische  Kapitell.  Berl.  Winkelmannprogramm  47. 
(*j  Magnesia  Abb.  35  u.  Abb.  158. 


DKR    IONISCHE    TEMI'FL     AM    l'ONTO    ROTTO 


207 


in  Priene  ('),  an  den  Tempeln  in  Aphrodisiaa  und  in  Teos  sind  Kapi- 
telle dieser  Art  (8).  Sie  stellen  den  nach  Rom  übertragenen  Typus 
dar,  der  bis  in  Einzelheiten,  die  vierblättrige  Zwickelpalmette  und 
die  Bekleidung  der  Polster  mit  Akanthuslaub,  wiederholt  wird. 

Unsere  Kapitelle  sind  daher  wohl  in  erster  Linie  von  den 
kleinasiatischen  beeinflusst,  wir  haben  auch  für  den  Säulenfuss 
in  Kleinasien  die  nächsten  Vorbilder  gefunden.  In  der  Ausbildung 


Fig.  10.  Ionische  Säulen  in  der  Cella  des  Jupitertempels  am  Forum 

von  Pompeji. 

der  Form  mag  noch  eine  Reminiszenz  an  die  älteren  einheimi- 
schen Gestaltungen  stecken  (3).  Das  ist  das  Lokalcolorit  an  einem 
im  übrigen  hermogenischen  Kapitell  aus  dem  hellenistischen  Klei- 
nasien. 

Zur  zeitlichen  Bestimmung  dieser  neuen    Bildung  kann   uns 
der  Jupitertempel  in  Pompeji  ein  annähernd    bestimmtes  Datum 

0)  Priene,  Abb.  101. 

(")  Vgl.  die  Kapitelle  der  Palaestra  und  die  des  Leonidaions  in  Olympia 
Bd  I,  T.  LXV.  LXXIV. 

(3)  Vgl.  Säulen  an  etruskischen  Aschenkisten,  z.  B.  Glyptothek  München 

N.  53. 


268  E.    R.    FIECHTER 

geben-  Die  Kapitelle  (l)  der  Säulenstellung  in  der  Cella  dieses 
Baues  zeigen  zum  ersten  Mal  in  Pompeji  eine  von  der  früheren  Tuf- 
form  wesentlich  verschiedene  Ausgestaltung.  Einmal  ist  die  Nor- 
malform des  jonischen  Kapitells  wieder  angenommen  —  die  spezi- 
fisch pompejanischen  Tuffkapitelle  sind  Diagonalkapitelle — ;  dann 
scheinen  die  Volutenzentren  gebunden,  der  Abacus  ist  zart  und 
lesbisch  profiliert.  Der  Canalisrand  ist  mit  feinem  Rundstab, 
Plättchen  und  Lysis  eingefasst,  die  Canalisfläche  selbst  eben,  nicht 
wie  im  Tuffstil  gefurcht  oder  gekrümmt.  Das  Eierstabkyma  hat 
den  Tuffcharakter  auch  ganz  abgestreift.  Darunter  ist  der  Rund- 
stab als  Perlschnur,  allerdings  ohne  Axenübereinstimmung  mit 
den  Eiformen,  ausgebildet.  Wir  glaubten,  wie  schon  bemerkt,  den 
Jupitertempel  in  die  Zeit  nach  80  v.  Chr.  setzen  zu  müssen  (2), 
denn  es  ist  anzunehmen,  dass  die  Römer  bald  nach  der  Koloni- 
sierung von  Pompeji  den  Haupttempel  des  Forums  als  Capitolium 
einrichteten  (3). 

Das  jouische  Kapitell  der  oberen  Arkaden  des  Marcellus-Thea- 
ters  (4)  ist  unserem  Kapitell  am  nächsten  verwandt.  Das  des 
Tempels  A  am  Forum  holitorium  ist  nur  durch  Zeichnung  be- 
kannt, das  des  Tempels  B  ganz  verstümmelt.  Sie  können  zu  wenig 
als  Vergleiche  dienen  und  sind  ausserdem  nicht  datiert.  Ganz 
anders  sind  die  Kapitelle  der  zweiten  Arkade  am  Kolosseum  (5). 
Sie  haben  freilich  wie  die  korinthischen  dort  nur  abgekürzte, 
scliematisch  behandelte  Formen ;  aber  doch  ist  das  Breitenver- 
hältnis im  Vergleich  zur  kräftigeren  Höhe  der  früheren  Kapi- 
telle ein  ganz  anderes  geworden.  Das  jonische  Kapitell  war  in 
der  Kaiserzeit  nicht  so  beliebt,  wie  das  korinthische.  Erst  in  der 
späteren  Kaiserzeit  tritt  es  wieder  mehr  auf,  und  wird  dann  in 
reicher  üppiger  Ausbildung,  über  und  über  mit  Rankenwerk  ver- 
ziert (fi). 


(')  Mazois  III,  XXXV. 

(2)  Vgl.  dazu  Rom.  Mitt.  XI,  131  ff.  (Mau). 

(3)  Mau  Pompeji  S.  58. 

(*)  Von  Caesar    begonnen,  13  v.  Chr.  beendet.  Canina  Eclifizi  CLIX  ff. 

(5)  80  n.  Chr.  von  Titas  beendigt. 

(,;j  Kapitelle  in  S.  Maria  in  Trastevere;  vom  Portikus  an  der  Piazza 
Colonna,  die  aus  Veji  stammen,  ferner  vom  Portikus  der  Kirche  S.  Maria 
in  Cosmedin.  S.  o.  S.  225.  Kapitelle  im  Lateran  mnseum. 


DER    IONISCHE   TEMPEL   AM    PONTE    ROTTO  2G9 

Durch  die  Bekleidung  mit  Stuck  ist  das  ursprüngliche  Ka- 
pitell unseres  Baues  verändert  worden.  Die  platten  Canalissaum- 
streifen  werden  durch  Rundstäbe  und  schmale  begleitende  Plätt- 
chen ersetzt,  der  Abacus  wurde  rein  lesbiscb  profiliert,  die  Akan- 
thusblätter  der  Polster  und  die  Zwickelpalmetten  mit  kiäftigeren 
derberen  Formen  überkleidet,  so  dass    die    Gesamtgestalt,    wenn- 


Fig.  11.  Ionisches  Kapitt.ll  aus  Pergamön. 

gleich  nicht  wesentlich  umgeändert,  doch  schwerer  und  massiger 
geworden  ist.  In  dieser  Form  erinnert  es  immer  noch  an  die  klein- 
asiatischen Vorbilder,  und  ist  dann  den  Kapitelleu  vom  Zeustempel 
von  Magnesia  (')  oder  vom  didymäischen  Apollotempel  in  Milet  (2) 
freilich  ohne  skulpierten  Perlstab,  vergleichbar.  Ferner  gleicht  ihm 
ein  Kapitell  aus  Pergamön,  das  aus  dem  Hause  des  Konsuls 
Attalos  (am  Burgberg)  stammt;  vgl.  Fig.  11  (:i).  Auch  die  Säule, 
die  vor  dem  Apollotempel  (4)  in  Pompeji  die  Sonnenuhr  trug,  hat 
ein  analoges  Kapitell. 

(■)  Magnesia  Abb.  157  u.  158. 

(2)  Büblmann  Architektur  T.  20  B.  5. 

(3)  Bei  den  Ausgrabungen  1905  von  Dörpfeld  gefunden;  die  Photographie 
wurde  mir  in  liebenswürdigster  Weise  zur  Verfügung  gestellt. 

(*)  Mazois  IV,  XXXV;  Mau  Pompeji  S.  78. 


270  E.    R.    FIECHTEK 

Aus  dieser  Veränderung  unserer  Kapitelle  ist  nun  aber  auf 
keine  Regel  zu  schliessen,  etwa  dass  von  einem  bestimmten 
Zeitpunkt  an  die  jonischen  Kapitelle  in  Rom  keine  platten  Saum- 
streifen melir  hätten,  sondern  nur  noch  solche  mit  Rundstäbchen. 
In  der  späteren  Kaiserzeit  kommen  alle  möglichen  Spielarten 
vor,  streng  gebundene  und  ganz  vom  Kanon  gelöste  Kapitellformen; 
solche,  deren  Canalis  reich  mit  Blattwerk  verziert  ist,  andere  mit 
griechisch  profiliertem  Mittelstück  (*).  Es  ist  deshalb  für  die  Ver- 
änderung unserer  Säulenkapitelle  durch  Vergleich  kein  Datum  zu 
ermitteln.  Das  Akanthusornament  lässt  sich,  soweit  überhaupt 
noch  ein  Vergleich  möglich  ist,  neben  die  Formen  des  korinthi- 
schen Kapitells  des  palatinischen  Stadiums  stellen:  breitlappige 
längliche  Einzelblätter  ohne  Randkante,  ohne  scharfe  Blattrippe, 
von  wulstigem  Fleisch.  Auch  die  Hauptblattrippen  sind  wenig 
betont. 

Architrav.  Die  dreiteilige  Gliederung  des  Architravs  ist 
allgemein  jonisch.  Der  obere  Abschluss,  ein  lesbisches  Ivyma  mit 
Platte,  gleicht  den  kleinasiatischen  Formen  von  Pergamon,  Ma- 
gnesia und  Priene  nicht.  Bei  der  Umgestaltung  wird  auf  die  zweite 
Fascie  ein  grober  Perlstab  aufgelegt;  ob  auch  das  Kyma  eine  De- 
koration bekam,  bleibt  unsicher.  Der  Architrav  hat  eine  einfach 
profilierte  Soffite  im  ersten  Baustadium,  im  zweiten  wird  sie  mit 
einem  plastisch  vortretenden  Band  etwas  reicher  verziert. 

Fries.  Unser  Tempel  hat  einen  mit  dem  Architrave  fast  gleich 
hohen  Fries.  Er  sollte  nach  Vitruv  nur  3/4  der  Architravhöhe  messen, 
und  diese  wieder  müsste  bei  einer  Säulenhöhe  von  mehr  als  25 
Fuss  ein  Zwölftel  desselben  betragen.  Sie  misst  hingegen  fast  nur 
ein  Vierzehntel.  Die  Friesflächen  bekamen  im  zweitou  Baustadium 
eine  Dekoration  aus  Stuck:  Stierschädel,  Putten,  Kandelaber  und 
Laubcrewinde.  Sie  ist  weit  verschieden  von  den  Bukranienfriesen 
am  Vestatempel  in  Tivoli  oder  am  Bibulusgrab  (2),  die  schwere 
und  massige  Formen  zeigen.  Auch  an  dem  aus  augustischer  Zeit 
stammenden  Grabmal  der  Caecilia  Metella  sind  altertümliche 
Formen,  ebenso  aber  auch  am  Fries  der  Moles  Hadriana,  die  wohl 


(')  Vgl.  Pirancsi,  Marjnificenza  ed  architettura  dei  Romani.  Tav.  XIX 
und  XX. 

(2)  Piranesi,  Antichitd  II.  Tav.  4  u.  5. 


DER    IONISCH!'    TEMPKli    AM    PONTE    HOTTO  271 

bewusst  auf  ältere  Vorbilder  zurückgegriffen  hat  (').  Die  Schädel 
in  unserem  Fries  sind  ziemlich  zart  gezeichnet,  auch  die  Kande- 
laberfonn  ist  schlicht,  nicht  so  prächtig  wie  z.  B.  an  den  Gesim- 
sen des  Antoninustempels.  Die  Feinheit  des  Ornaments  möchte 
eher  an  die  augustische  Zeit  erinnern,  besonders  die  frei  am 
Kranz  hangenden  Blätter  und  Zweige.  Diese  Feinheit  ist  aber  wohl 
in  erster  Linie  im  Wesen  der  Stuckdekoration  begründet,  und  we- 
niger im  Zeitgeschmack.  An  den  Dekorationen  des  Isistempels  in 
Pompeji  (zwischen  63-79  n.  Chr.)  sind  ebenfalls  zarte  Stuckformen, 
die  Akauthusblätter  der  Pilasterkapitelle  am  kleinen  Brunnenhaus 
dort  erinnern  vollkommen  an  die  auf  den  Polstern  unserer  Kapi- 
telle. Auch  im  Laconicum  des  Frauenbads  der  Stabianerthermen 
von  Pompeji  sind  ähnliche  einfache  Gewinde  und  Kandelaber.  Eine 
genauere  Datierung  für  die  Stuckdekoration  ergiebt  sich  jedoch 
daraus  nicht.  Ein  Ornament  von  Putten  und  Stierschädeln  mit 
Laubgewinden  findet  sich  am  Bogen  der  Sergier  in  Pola  (2). 

Der  Friesabschluss  ist  dreiteilig:  Zahnschnittleiste  zwischen 
lesbischem  Kyma  und  Echinus;  alle  drei  sind  nicht  skulpiert, 
sondern  nur  als  glatte  Prorilstreifen  durchgezogen.  Man  wird 
erinnert  an  die  im  römischen  «  Tuffstil »  angewandte  Häufung 
von  Profilstreifen.  Die  Dreiteilung  (3)  selbst  mag  auch  auf  klein- 
asiatische Vorbilder  zurückzuführen  sein.  Auch  Vitruv  fordert 
einen  von  Gesimsleisten  eingefassten  Zahnschnitt.  Nur  sind  diese 
dort  sehr  schmal,  wie  am  Artemision  in  Magnesia,  während  sie  hier 
sehr  kräftig  entwickelt  sind  und  stark  ausladen.  Die  Verwandtschaft 
mit  den  kleinasiatischen  Bauten  ist  in  den  Einzelheiten  nicht  auf- 
recht zu  erhalten,  wohl  aber  mit  den  jonischen  Bauten  am  Forum 
holitorium.  Auch  das  Gesims  am  korinthisch-dorischen  Tempel  in 
Paestum  lässt  sich  damit  vergleichen.  Nur  sind  an  unserm  Bau 
die  Protilleisteu,  wenigstens  an  den  Nebenseiten,  nicht  skulpiert 
auch  sind  noch  mehrere  kleine  Plättchen  eingeschoben,  was  wir  als 
für  den  Tuffstil  charakteristisch  bereits  kennen. 


(')  Bruchstück  im  Museo  Nazionale,  Korn. 

(2)  R.  v.  Schneider  in  Kunstgeschichtliche  Charakterbilder  aus  Oesterreich- 
Üngarn  (Wien  1893)  S.  34  ff.  Datierung:  er.  vorletztes-letztes  Jahrzehnt  des 
ersten  vorchristlichen  Jahrhunderts. 

(•')  Vgl.  Delbrück  a.  a.  0.  S.  59. 


272 


E.    R.    FIECHTER 


Durch  die  spätere  Stuckumkleidung  ist  der  Formcharakter 
bereichert  und  verändert.  Das  untere  Kyrna  ist  mit  einer  wulsti- 
gen Blattwelle  verziert,  der  Zahnschnitt  mit  breiten  Zähnen  und 
schmalen  Zwischenräumen  ausgebildet,  worauf  dann  ein  plastisches 
Eierstabkvma  mit  breiten  kurzen  Eiformen  folsrt. 


TtA\PEl_A     FOR.HOL. 


PALATI  /V     /^AGfVA /vvatE.R 


Fig.   12. 


Fig.  12  a. 


Gesimse  mit  späterer  Stucküberkleidung. 


Alle  diese  neuen  Formen  sind  derb  und  schwer,  insbesondere 
der  Zahnschuitt.  Er  entspricht  noch  Weniger  den  von  Vitruv  aus 
den  kleinasiatischen  Vorbildern  entnommenen  Regeln;  die  Stirn- 
seite der  Zähne  hat  sonst  das  Verhältnis  1:2,  hier  ist  sie  quadra- 
tisch. An  der  Technik  liegt  das  nicht,  man  hätte  mit  Leichtigkeit 
auch  in  Stuck  feinere  Zähne  herstellen  können.  Die  Zahnschnittge- 
simse des  pompeianischen  (')  Tuffstils,  in  Stein  an  den  Aussen- 
seiten,  in  Stuck  zumeist  im  Innern    der   Häuser,    haben    äusserst 


(')  In  Pompeji  an  unzähligen  Bauten  der  vorrömischen  Zeit,  z.  B.  Nord- 
halle am  Forum  trianguläre  Mazois  III  19.  Wandverkleidungen  I.  u.  IL  Stils, 
tu  Rom  am  Scipiosarkophag.  Vgl.  auch  etrusK.  Terrakottagesims  Annali 
delVhtituto  1807  T.  I,  also  auch  nördlich  vom  Tiber. 


DER    IONISCHE    TEMPEL,    AM    PONTE    ROTTO  273 

schmale  und  lange  Zähne.  Am  Marcellnstheater  ist  das  Verhältnis 
von  Zahnbreite,  Höhe  und  Intervall  bereits  ein  anderes.  Wir  nennen 
diesen  Zahnschnitt  klassisch  (').  Aehnlich  sind  die  Zähne  am 
Tempel  A  und  B  am  Forum  holitorium.  Und  diese  von  Vitruv  ge- 
forderte Form  gilt  dann  im  ersten  Jahrhundert,  bis  in  der  Fla- 
vierzeit  jene  Löckchen  in  den  Zahnintervallen  beliebt  werden. 
Gleichzeitig  wird  auch  die  Zahnbreite  grösser,  die  Höhe  geringer, 
nach  und  nach  erhält  der  Zahn  fast  quadratische  Form.  Noch  den 
vollkommen  klassischen  Zahn,  allerdings  mit  den  Löckchen,  hat  der 
Castorentempel.  Den  gedrückten  breiten  finden  wir  aber  an  den 
severischen  Bauten :  Triumphbogen,  Arcus  argentariorum,  und  am 
Vestatempel  des  Forums.  Endlich  schon  mehr  liegende  als  ste- 
hende Zähne  sind  an  den  Gebälken  der  Kolonnaden  des  Nerva- 
forums  und  des  grossen  Saals  der  Diocletiansthermen  (S.  Maria 
degli  Angeli).  Es  zeigt  das  also  eine  fortlaufende  Entwicklung  von 
den  stabartig  schmalen  Zähnen  der  Tuffperiode  bis  zu  den  qua- 
dratisch breiten  der  späteren  Kaiserzeit. 

Wir  haben  der  späteren  Umformung  des  Gesimses  am  Tempel 
A  schon  gedacht  (2).  Durch  den  Stucküberzug  wurden  die  Ein- 
schnitte enger,  die  Zähne  aber  breiter  gemacht.  Ebenso  an  einem 
Gesims  im  Hof  von  S.  Nicola  in  Carcere.  Man  veränderte  also 
absichtlich  die  Form  der  Zahnschnittleiste  an  unserem  Bau  gerade 
so,  weil  dies  offenbar  der  augenblicklichen  Geschmacksrichtung 
entsprach,  während  ein  schmaler  stabartiger  Zahnschnitt  nicht  mehr 
beliebt  war. 

Die  Bildung  des  Eierstabs  erinnert  am  meisten  an  Stuck- 
formen in  den  Cassetten  der  palatinischen  Gewölbe  der  Palastgruppe 
des  Septimius  Severus;  an  die  pompejanischen  (3)  Formen  we- 
niger. 

Die  Hängeplatte  unseres  Tempels  ist  mit  einem  weitauskra- 
genden lesbischen  Kyma  bekrönt.  An  den  Nachbartempeln  des 
Forum  holitorium  ist  der  Abschluss  ähnlich,  nur  nicht  so  stark 
ausladend.  Also  auch  darin  wieder  ein  gewisser  Gegensatz  zu  den 
jonischen  Vorbildern  des  Ostens,  wo  diese  Leiste,  wie  auch  Vitruv 


(')  Vgl.  Lysikrates-Monument  in  Athen. 

(*)  Siehe  oben  S.  252. 

(3)  Isistempel :  Mau,  Pompeji  S.  154  ff. 

19 


274  E.    R.    FIECHTER 

fordert,  nur  niedrig  ist  und  den  Uebergang  zur  Sirna  vermittelt. 
Ein  schweres  Kyma  an  der  Gesimsstirn  kommt  in  Epidaurus  und 
in  Olympia  (')  vor.  Ausser  an  den  beiden  jonischen  Tempeln  am 
Forum  holitorium  ist  auch  am  palatinischen  und  am  Divus-Julius- 
Tempel  ein  ähnlich  schwerer  Abschluss. 

Endlich  die  Sima.  Sie  ist  sehr  gross,  etwa  ein  halbmal  höher  als 
die  Geisonstirn  samt  ihrer  Bekrönung.  Die  wenigen  Reste  der  Tuff- 
stilbauten Roms  zeigen  nirgends  das  Simaprofil,  ausgenommen  das 
Podium  am  Tabularium.  In  Pompeji  kommt  die  Sima  an  den  Wand- 
dekorationen ersten  Stils  vor  (2).  So  wie  sie  an  unserem  Bau  mit 
Löwenköpfen  verziert  ist,  erinnert  sie  entschieden  an  die  kleina- 
siatischen Vorbilder.  Nach  oder  gleichzeitig  mit  unserem  Bau 
finden  wir  überall  Simaprofile:  am  Forum  holitorium,  am  palati- 
nischen Tempel ;  auch  am  Jupitertempel  in  Pompeji,  dort  bezeich- 
nender Weise  in  Stuck  über  der  älteren  Hohlkehle  am  Podium. 

Z  u  s  am  menfassung. 

Aus  der  Betrachtung  und  dem  Vergleich  der  Formen  unseres 
Tempels  mit  den  Formen  anderer  verwandter  Bauten  ergiebt  sich 
demnach  Folgendes. 

Unser  Tempel  steht  auf  dem  italischen  Podium.  Aber  sein 
Grundriss,  seine  Aufbauverhältnisse  und  seine  Einzelformen  sind 
nicht  mehr  italisch  und  unterscheiden  sich  auch  von  der  in  Rom 
vor  der  Errichtung  dieses  Tempels  giltigen  «  Tuffstil  »-Bauweise  (3). 
Sie  erinnern  vielmehr  an  hellenistische  kleinasiatische  Vorbilder, 
etwa  vom  Beginn  des  zweiten  vorchristlichen  Jahrhunderts.  Die 
Grundrissform,  die  Stellung  der  Säulen,  ihre  Anordnung,  die  Aus- 

(')  Lechat,  Epidaure  I.  7;  Olympia,  IL  T.  81  Philippeion. 

(2)  Haus  des  Fauns  :  Mau,  Pompei  S.  274. 

(3)  Von  dieser  sind  uns  nur  wenige  Beste  erhalten  :  Aufzählung  bei 
Delbrück,  a.  a.  0.  S.  60  f.  Dazu  gehört  vor  allem  noch  das  Tabularium 
(78  v.  Chr.),  dann  das  Bibulusgrab  (vgl.  CIL.  I,  635),  ferner  der  Scipiosar- 
kophag  im  Vatikan,  ein  Travertinarchitrav  von  einem  kleinen  dorischen  Monu- 
ment mit  Taenia  und  Tropfenregula  in  den  Ruinen  des  Divus  Julius-Tempels 
am  Forum  liegend,  auch  ein  kleines  typisches  Kapitellfragment  im  Hof  von 
S.  Nicola  in  Carcere.  In  der  Umgebung  von  Rom  die  Bauten  von  Cori  und 
Palestrina  (Praeneste)  aus  sullanischer  Zeit,  und  in  Tivoli  die  Tempel  der 
Akropolis,  welche  sicherlich  von  Rom  aus  beeinflusst  sind. 


DER    I0NISCI1K    TEMPEL    AM    PONTE    UOTTO  275 

bildung  der  Bauglieder,  alles  verrät  den  Einfluss  von  Osten  und 
kennzeichnet  eine  neue  Stilrichtung,  neu  im  Gegensatz  zu  der  frü- 
heren Bauart.  Ob  nun  von  Kleinasien  direkt  oder  über  Alexandrien 
der  starke  Einfluss  griechischer  Formenwelt  eingedrungen  ist,  lässt 
sich  leider  nicht  mehr  beweisen.  Alexandria  selbst  ist  ja  ganz 
zerstört.  Nur  in  seinen  Totenstädten  können  wir  noch  etwas  von 
seiner  Kultur  sehen  (!).  Die  bildlichen  Darstellungen  in  Pompeji 
sind  nachweislich  von  alexandrinischen  Vorbildern  beeinflusst  (2). 
Auch  architektonische  Kunstformen  mögen  also  über  Alexandrien 
von  Kleinasien  nach  Italien  und  Rom  gekommen  sein.  Es  ist 
ebenso  möglich,  dass  zugleich  auch  die  Beziehungen  des  per- 
gamenischen  Königs  Attalos  III.  (f  133  v.  Chr.)  und  von  da  an 
die  vielen  Berührungen  mit  Kleinasien  überhaupt,  auch  die  mi- 
thradatischen  Kriege  die  Uebertragung  vermittelt  haben,  bis  im 
Jahre  64  v.  Chr.  der  Verkehr  durch  die  Errichtung  der  römischen 
Provinzen  in  Kleinasien  und  Syrien  ein  dauernder  wurde.  Die 
Wirkung  dieses  Einflusses  lässt  sich  in  Rom  einigermassen  zeit- 
lich bestimmen.  Wir  wissen,  dass  das  Tabularium  im  Jahre  78 
v.  Chr.  von  Q.  Lutatius  Catulus  gebaut  worden  ist.  Es  gehört 
noch  dem  «  Tuffstil »  an.  Das  zeigen  die  Säulen  des  Hauptge- 
schosses und  das  Podium  an  der  Nordseite.  Die  neuen  Formen 
sind  zunächst  datiert  am  Saturnustempel,  der  42  v.  Chr.  von  L. 
Munatius  Plancus,  dem  Sieger  über  die  Alpenvölker,  gänzlich 
erneuert  wurde ;  ferner  durch  das  Marcellustheater,  das  von  Caesar 
begonnen,  von  Augustus  13  v.  Chr.  fertiggestellt  nach  seinem 
Neffen  benannt  worden  ist. 

Man  könnte  aber  einwerfen,  der  Saturntempel  sei  in  seiner  noch 
erhaltenen  Gestalt  kein  Beispiel  der  Frühzeit  des  «  neuen  Stils  » . 
Das  ist  insofern  richtig,  als  seine  Säulen  und  Kapitelle,  und  auch 
die  Architrave  wirklich  nicht  vom  Bau  des  Munatius  stammen.  Aber 
ich  glaube  bestimmt,  dass  die  Basen  sowohl,  als  vor  allem,  und 
darauf  kommt    es    mir  in  erster  Linie   an,  die  Gesimse    bei    der 

f)  Gräber  in  Gabbari,  Sidigaber  und  Kom-es-Schug'afa  welclie  von  der 
Sieglin'  sehen  Expedition  im  Winter  1900/01  untersucht  wurden  und  deren 
Publikation  vorbereitet  wird. 

(2)  H.  Thierscb,  zwei  antike  Grabanlagen  in  Alexandrien  S.  16,  dort 
auch  die  Literatur  zitiert.  Vgl.  Loewy,  Festschrift  zu  0.  Hirschfelds  60.  Ge- 
burtstag (1903)  S.    117. 


276 


E.    R.    FIECHTER 


späten  rohen  Wiederherstellung  des  Tempels  wieder  verwendet 
worden  sind.  Das  scheint  einmal  aus  der  Darstellung  des  Gebälks 
bei  Canina  (')  hervorzugehen,  wo  man  deutlich  ersehen  kann,  dass 
Gebälk  und  Gesims  gar  nicht  zueinander  passen.  Zum  andern  aber 
aus  der  Verwandtschaft  dieses  Gebälks  mit  dem  vom  Divus- Ju- 
lius-Tempel,  der  42  v.  Chr.  beschlossen,  aber  erst  29  v.  Chr. 


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SATURN  TE/^PEL 


PALATlN    :/v\AQNA^V"«TER 

Fig.  13.  Verwandte  Konsolengesimse. 

geweiht  worden  ist  (2).  Beide  gleichen  sich  sehr.  An  dem  des  Cae- 
sartempels fehlt  die  Bohrlochtechnik,  die  schon  an  den  Ornamenten 
der  ersten  Jahrzehnte  nach  Chr.  überall  angewendet  wird,  gänz- 
ich.  Ich  halte  das  Gesims  deshalb  für  früh  und  zum  ersten  Bau 
des  Divus  Julius-Tempels  gehörig.  Darin  wird  man  bestärkt  bei  einem 
weiteren  Vergleich  dieses  Gesimses  mit  dem  des  palatinischen 
Tempels,  den  wir  oftmals  als  Vergleich  herangezogen  haben.  Beide 
haben  sehr  ähnliche  Formen  bei  fast  gleichen  absoluten  Grössen 
(vgl.  Fig.  13).  Am  Divus  Julius-Tempel  ist's  ein  Marmorgesims, 
hier  eines  aus  Peperin,  das  stuckiert  und  in  späteren  Zeit  noch- 
mals mit  einer  neuen  Stuckhaut  überkleidet  worden  ist.  Die  Ein- 


(>)  Edifizi,  Tav.  XXXIL 

(s)  Jahrb.  d.  Inst.  IV,  1889.  Einzelheiten  S.  137  ff. 


DER    IOMSCHE    TKMPEL    AM    TONTE    ROTTO  277 

facbheit  der  Formen,  besonders  der  Konsolen  ('),  die  schweren  Simeu, 
eine  gewisse  Häufung  von  Profilen  sind  beiden  gemeinsam.  Das 
frühere  mag  aber  immerhin  das  des  palatinischen  Tempels  sein  (2). 

Diesen  beiden  Gesimsen  (3)  steht  also  das  des  Saturntempels 
nicht  unähnlich  zur  Seite.  (Fig.  13)  Wir  werden  daher  wol  Recht  ha- 
ben, es  als  ursprüngliches  Bauglied  des  Tempels  vom  Jahr  42  v.  Chr. 
anzusehen.  Danach  kommen  wir  also  urteilen  und  ersehen,  dass  es 
bereits  den  Tuffstilcharakter  überwunden  hat,  und  dass  also  L.  Mu- 
natius  Plauens  seinen  Saturntempel  im  «  neuen  Stil  »  errichtete. 

Die  Zeitspanne  zwischen  den  so  bestimmten  Daten  ist  ge- 
ring. Der  Tuffstil  herrscht  noch  78  v.  Chr.  Der  klassische  Stil 
zeigt  sich  bereits  30  Jahre  später.  DerjjEiniluss  der  neuen  Formen 
mag  vielleicht  schon  früher  begonnen  haben,  aber  der  völlige  Sieg 
derselben  ist  doch  wohl  erst  in  der  baulustigen  Zeit  Caesars  zum 
Durchbruch  gekommeu.  Von  da  an  beherrschen  sie  das  ganze  Feld, 
der  Tuffstil  ist  überwunden. 

Wollte  man  aber  behaupten,  dass  sie  schon  früher  in  Rom 
eingedrungen  wären,  so  müsste  man  annehmen,  das  Lutatius  Ca- 
tulus  ein  bewusster  Reaktionär  gewesen  sei,  oder  als  Vertreter 
einer  ähnlich  gesinnten  Staatsleitung  im  Gegensatz  zu  den  impe- 


(•)  Canina,  Edifizi  Tav.  C  flg.  4.  Konsolengesims  ähnlicher  Art  am  Ca- 
starentempel  in  Cori  überliefert. 

(2)  Die  Gründungszeit  des  Magna  Matertempels  auf  dem  Palatin  fällt 
(nach  Hülsen  Rom.  Mitt.  X,  1.  ff.)  ins  Jahr  204  v.  Chr.  Aus  unserer  bishe- 
rigen Betrachtung  geht  aber  hervor,  dass  die  heute  noch  erhaltenen  Bausteine, 
die  um  den  Mauerkern  herumliegen,  jedenfalls  einer  späteren  Bauperiode 
angehören.  Die  ausgeprägten  korinthischen  Säulenkapitelle,  das  Konsolen- 
gesims und  die  Gestalt  der  Schäfte,  alles  weist  auf  eine  Erneuerung  des  Tem- 
pels etwa  in  der  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  hin.  Es  ist  dann  nicht  auffallend, 
dass  die  Formen  des  Akanthus  denen  unserer  Volutenpolster  nicht  unähnlich 
sind,  und  dass  auch  gegen  die  frühere]Annahme  der  Divus  Julius-Tempel  wahr- 
scheinlich korinthische  Kapitelle  und  Pilaster  hatte.  Die  Analogie  mit  dem  Sa- 
turntempel fällt  ja  nun  weg.  Der  «  palatinische  »  Tempel  ist  also  nicht  der 
älteste;  und  Durm  a.  a.  0.  S.  112  hat  Unrecht,  ihn  bei  der  Besprechung  der 
etruskischen  Baukunst  anzuführen. 

(3)  Aehnlich  nah  verwandt  scheint  ein  von  Canina  T.  LXXV  mitgeteiltes 
Gebälk  aus  dem  kleinen  von  Livia  erbauten,  unter  Septimius  Severus  erneu- 
erten Tempel  der  Fortuna  muliebris  (CIL.  VI,  S83)  am  vierten  Meilenstein  der 
via  Latina  (Original  jetzt  im  Tabularium). 


27S  E.    R.    FIECHTER 

ratorischen  «  modernen  »  Strömungen  gehandelt  hätte.  Doch  lässt 
sich  das  nicht  beweisen. 

Im  der  Umgebung  Roms  hat  der  Tuffstil  wohl  noch  länger 
geherrscht.  Aber  jetzt  erst  wird  es  verständlich,  dass  die  grossar- 
tigen Anlagen  Sulla's  in  Praeneste  noch  durchaus  Tuffstilcharakter 
zeigen,  denn  wir  wissen  nun,  dass  in  der  Hauptstadt  selbst  in 
den  90er  Jahren  des  ersten  Jahrhunderts  noch  so  gebaut  wurde. 
Sulla  hätte  sonst  wohl  seinen  Fortunatempel  «modern»  gebaut. 

Unser  Tempel  steht  also  in  der  Zeit  dieses  Uebergangs  vom 
Alten  zum  Neuen.  Wir  werden  ihn  daher  wohl  ungefähr  in  die 
Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  ansetzen  dürfen.  Die  jonischen  Tempel 
am  Forum  holitorium  sind  später  entstanden  und  A  sicher  vor  B: 
beide  zeigen  die  Formen  des  klassischen  Stils  entwickelter  als 
unser  Tempel.  Die  Datierung  dieser  beiden  Bauten  etwa  ums  Jahr 
200  v.  Chr.  (Delbrück  a.  a.  0.  S.  67)  —  in  Anlehnung  an  das 
bisher  fest  geglaubte  Datum  der  Erbauung  unseres  Tempels  —  lässt 
sich  demnach  nicht  mehr  halten.  Der  Einfluss  Kleinasiens  und 
Alexandriens  erscheint  bei  dieser  frühen  Ansetzung  geradezu  unmög- 
lich, besonders  im  Hinblick  auf  den  hermogenischen  Kanon;  sind 
ja  doch  die  Bauten  des  Hermogenes  in  Magnesia  und  Teos  selbst 
erst  um  200  v.  Chr.  entstanden !  Und  bis  diese  in  Rom  bekannt 
wurden,  und  die  Zeit  reif  war,  sie  nachzuahmen,  mag  es  immerhin 
lange  gedauert  haben.  —  Nach  Livius  (-')  fand  nach  dem  Brand 
vom  Jahre  213  im  darauffolgenden  Jahr  eine  Erneuerung  der  Tempel 
der  Fortuna  und  der  Mater  Matuta  statt.  Von  einer  späteren  Er- 
neuerung wird  nichts  mehr  berichtet.  Wenn  nun  unser  Tempel 
einer  der  beiden  genannten  war,  was  wir,  wie  eingangs  bemerkt 
wurde,  wegen  der  spärlichen  topographischen  Notizen  überhaupt  nicht 
wissen,  so  sind  wir  zur  Annahme  gezwungen,  der  im  Jahre  212 
neu  gebaute  Tempel  sei  in  der  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts,  also 
er.  160  Jahre  später  durch  einen  Neubau  ersetzt  worden. 


(l)  Livius  XXV,  7,  6:  comitia  deinde  a  praetore  urbano  de  senatus 
sententia  plebique  scitu  habita,  quibus  creati  sunt  quinqueviri  muris  et  tur- 
ribus  refteiendis,  et  triumviri  bini,  uni  sacris  conquirendis  donisque  persi- 
gnandis,  alteri,  reficiendis  aedibus  Forlunae  et  Matris  Matutae  intra  portam 
Carmcnlalem  et  Spei  extra  portam,  quae  priore  anno  incendio  consumptae 
fuer 


DER    IONISCHE   TEMPEL   AM    PONTE    ROTTO  279 

Schill  s  3. 

Wichtiger  als  die  genaue  Datierung  und  Benennung  unseres 
Tempels  ist  uns  die  genaue  Kenntnis  seiner  Eigenschaften.  Damit 
ist  ein  Beitrag  zur  römischen  Baugeschichte  gegeben.  Zusammen- 
fassende Ueberblicke  über  dieses  grosse  Gebiet  können  erst  ge- 
wonnen werden,  wenn  möglichst  viele  Monumente  beschrieben  und 
genau  untersucht  worden  sind. 

Möge  sich  die  Zahl  solcher  Beiträge  stetig  mehren,  damit  wir 
die  römische  Baukunst  in  ihrer  Fülle  und  Grösse,  in  ihren  inneren 
Zusammenhängen  und  in  ihrer  Stellung  zum  politischen  Leben 
kennen  und  begreifen  lernen.  Dazu  einen  kleinsten  Teil  beizu- 
tragen erschien  mir  wünschenswerter  Beruf. 

München,  Januar  1907. 

Ernst  R.  Fiechter. 


ZUM  SILBERBECHER  CORSINI. 


Die  Beobachtung,  der  die  folgenden  Zeilen  gelten,  würde  der 
vereinzelten  Publication  nicht  wert  sein,  wenn  sie  nicht  meine 
eben  gedruckten  Ausführungen  über  die  Darstellung  des  iudicium 
Orestis  auf  dem  Corsinischen  Silbergefäss  (Mitt.  1906,  S.  289  ff. 
Taf.  IX.  X)  ergänzte  und  für  die  Kenntnis  der  künstlerischen 
Quellen,  aus  denen  die  Bildhauer  der  römischen  Denkmäler  am 
Rhein  ihre  Motive  schöpften,  bedeutsam  wäre. 

Kürzlich  hat  Körber  in  der  Mainzer  Zeitschrift  (1906)  die 
glücklich  wieder  hergestellte  grosse  Juppiter-Säule  von  Mainz  ver- 
öffentlicht. Unter  den  Reliefs  der  würfelförmigen  Basis  ist  nun  eines, 
dessen  Compositum  zu  einem  Teile  jenes  Bildes  des  iudicium  Ore- 
stis in  unverkennbarer  Beziehung  steht,  trotzdem  es  inhaltlich  mit 
ihm  nicht  das  Geringste  zu  tun  hat:  das  Relief,  das  Minerva  und 
Fortuna  zu  beiden  Seiten  eines  Altars  darstellt  (Abb.  1)  (*). 

Die  beiden  Figuren  entsprechen  der  Athena  und  der  stehenden 
Erinys  zu  beiden  Seiten  des  Tisches.  Einfach  copiert  ist  die 
Athena ;  während  sie  dort  einen  Stimmstein  in  die  Urne  legt,  lässt 
sie  hier  ein  Weihrauchkorn  in  die  Flamme  des  Altars  fallen  (ob 
der  Bildhauer  dies  Motiv  wohl  zu  erklären  gewusst  hätte?).  Um 
keinen  Zweifel  zu  lassen,  hat  die  Göttin  auch  hier  jenen  seltsamen 
Aermel  am  1.  Arm  (vgl.  in  meinem  Aufsatz  S.  290),  und  es  zeigt 
sich  damit,  dass  der  Künstler  schon  aus  zweiter  Hand  die  Kenntnis 
der  Figur  empfangen  hat.  Einen  Vorzug  hat  diese  Copie  vor  allen 

(')  Nach  Taf.  III,  n  a  der  Publication,  zusammengestellt  mit  Abb.  2, 
der  Nebenseite  eines  Sarkophages,  auf  der  die  beiden  entsprechenden  Figu- 
ren wiederholt  sind  (=  Robert,  Die  ant.  Sarkophagreliefs  II,  S.  173  Abb. 
157'a). 


ZUM    SILBERBBCHER    CORSINI  281 

anderen:  sie  giebt  den  Kopf  der  Göttin  wohlerhalten,  in  guter 
Arbeit  und  in  einem  Typus  der  unserem  Zeitansatze  des  Originales  — 
an  das  Ende  des  5.  Jahrhunderts  —  durchaus  entspricht. 

Der  Altar  steht  ebenso  wie  der  Tisch  (auf  dem  Becher) 
mit  einer  Kaute  vorau.  Von  der  Erinys  ist  in  der  Fortuna  — 
einer  sehr  graziösen  Gestalt  —  abgesehen  von  ihrer  Stellung  in- 
nerhalb der  Composition  nur  ein  Zug  geblieben :  die  in  der  R. 
gehaltene  und  schräg  nach  vorn  gesenkte  Peitsche  wurde  zum 
horizontalen  Griff  des  Steuerruders.  Im  1.  Arm  ruht  statt  der 
Fackel  das  Füllhorn.  Sonst  aber  musste  natürlich  Alles  geändert 
werden.  Zu  der  Uebertragung  veranlasst  wurde  der  Bildhauer  zwei- 
fellos vor  Allem  durch  das  brauchbare  allgemeine  Schema  und 
sein  Gefallen  an  der  schönen  Athena. 

Will  man  nicht  annehmen,  dass  dem  Künstler  in  Mainz  zu- 
fällig eine  gute  Copie  jener  Darstellung  des  iudicium  Orestis  zu 
Gebote  stand,  so  ist  eine  derartig  genaue  und  geschickte  Ueber- 
tragung nur  erklärlich,  wenn  wir  voraussetzen,  dass  der  Mann 
selber  einst  eine  Reise  in  ein  reicheres  Kunstcentrum  unternommen 
und  von  dort  nach  Art  der  Renaissance-Künstler  ein  Skizzenbuch 
gefüllt  mit  Studien,  heimgebracht  habe,  oder  dass  es  planvoll  her- 
gestellte und  im  Handel  oder  doch  in  den  Bildhauerschulen  ver- 
vielfältigte Musterbücher  gab,  die  man  sich  sehr  sorgfältig  aus- 
geführt denken  müsste. 

Zweifellos  wird  man  geneigt  sein,  dieser  letzten  Annahme 
den  Vorzug  zu  geben,  zumal  man  ihrer  kaum  wird  entraten  können, 
um  sehr  ähnliche  Erscheinungen  auf  dem  Gebiet  der  decorativen 
Wandmalerei,  die  Jedem  geläufig  sind,  zu  erklären.  Auf  dem  der 
Vasenmalerei  ist  mir  ein  entsprechendes  Beispiel  gegenwärtig,  auf 
das  meines  Wissens  noch  nicht  hingewiesen  wurde:  man  vergleiche 
das  bekannte  Antigone-Bild  {Mon.  cl.  I.  X,  Taf.  XXVII  =  Ar- 
chaeol.  Zeitung,  XXVIII,  Taf.  40  =  Baumeister,  Denkmäler  d. 
kl.  Alt.  Abb.  88),  mit  einem  Berliner  Vasenbild  (Nr.  3289;  abgeb. 
bei  Röscher,  Mythol.  Lexikon  III,  Sp.  298,  Abb.  7),  das  Tele- 
machs  Ankunft  bei  Nestor  darstellt;  in  dem  Nestor  erkennt  man 
den  Kreon  des  andern  Bildes  wieder,  und  der  Telemach  entspricht, 
abgesehen  von  den  Attributen,  durchaus  dem  Herakles.  Da  Mo- 
tive und  Gruppierung  in  dem  Antigone-Bilde  sehr  charakteristisch 
und  natürlich  sind,  das  Berliner  Bild  in  dieser  Hinsicht  weniger 


282 


V.    AMELUNG 


überzeugend  wirkt  und  so  viel  schlechter  ausgeführt  ist,  kann  kein 
Zweifel  sein,  wo  wir  das  Original  zu  suchen  haben,  oder  welches 
von  beiden  Bildern  dem  Original,  für  das  die  Motive  geschaffen 
wurden,  näher  steht.  Immerhin  aber  haben  doch  die  Maler  der 
beiden  Yasen  zur  selben  Zeit  und  in  der  gleichen  Gegend  gelebt, 


Fig.  1. 


die  Uebertragung  könnte  also  ohne  jenen  Umweg  vor  sich  gegangen 
sein,  den  wir  in  unserm  Falle  unbedingt  annehmen  müssen. 

In  einer  seiner  letzten  Arbeiten  hat  Graeven  ein  Bildwerk 
der  Igeler  Säule  und  ein  Relief  aus  dem  Igel  benachbarten  Ons- 
dorf  auf  griechische  Vorbilder  zurückgeführt  (Zeitschrift  f.  bild. 
Kunst.  N.  F.  XVI,  S.  165  ff.),  auf  das  bekannte  Orpheus-Relief 
und  den  Hermes  des  Praxiteles  in  Olympia.  Die  zweite  dieser  Rück- 
führungen wäre  besonders  bedeutsam,  da  der  Hermes  an  seinem 
Ort  verblieben  und  augenscheinlich  niemals  copiert  worden  ist,  in 
Italien  also  unbekannt  war;  sie  wäre  es,  wenn  sie  schlagend  wäre. 


ZUM    SILBEKBECHEK    CORSINI 


•_'»'.", 


Nun  bat  es  aber  von  dem  Hermes  mit  dem  Dionysoskinde  mebrere 
Fassungen  gegeben,  und  darunter  aucb  eine,  die  weit  genauer  mit 
dem  Relief  in  Onsdorf  übereinstimmt  als  die  Statue  des  Praxi- 
teles. Die  Schöpfung  ist  uns  in  zwei  Bronzen  erhalten,  die  nur 
in  der  Haltung  des  r.  Armes  von  einander  abweichen  (beide  sind 
abgebildet  in  der  Gazelte  archeologique  1889,  pl.  XIX  und  bei 
Collignon,  Ilistoire  de  la  sadplure  grecque,  Fig.  151:  vgl.  Klein, 
Praxiteles,  S.  97  ff.   Fig.  10;    dort   weitere   Litteratur).  Bei   der 


P.a.  2. 


einen  ist  die  Hand  mit  einer  Traube  erhoben,  bei  der  andern  hing 
sie  nieder.  Da  diese  die  künstlerisch  bedeutendere  und  der  r.  Arm 
auch  auf  dem  Relief  gesenkt  ist,  dürfen  wir  dasselbe  am  Original 
voraussetzen  und  mit  Klein  die  Traube  in  der  Hand  der  andern 
Bronze  für  «  praxitelisches  Gewächs  »  halten.  Die  Wiederholung 
des  Typus  auf  dem  Onsdorfer  Relief  spricht  zweifellos  für  seine 
Berühmtheit,  und  so  ist  die  Vermutung  Kleins,  dass  uns  in  dieser 
Composition  das  von  Plinius  überlieferte  Werk  des  Kephisodot 
erhalten  sein  könnte,  nicht  ohne  Weiteres  von  der  Hand  zu  weisen. 
Wenigstens  lässt  sich  die  andere  Darstellung  des  gleichen  Gegen- 
standes, die  Klein  glücklich  wieder  hergestellt  hat,  kaum  auf  den 
gleichen  Künstler  wie  die  Eirene  zurückführen,  obwohl  sie  zwei- 
fellos dieser    zeitlich  näher  steht  als  dem  praxitelischen  Hermes. 


284  "W.    AMELUKG 

Uebrigens  darf  man  nicht  übersehen,  wie  geschickt  und  mit  wie 
viel  Stilgefühl  es  der  Onsdorfer  Bildhauer  verstanden  hat,  die 
Haltung  der  Linken  und  des  Kindes  soweit  zu  ändern,  dass  sie 
sich  vollkommen  ins  Relief  fügen. 

Mir  schien  dieser  Hinweis  in  dem  hier  gegebenen  Zusammen- 
hang nicht  überflüssig.  Gewiss  setzt  man  mit  Recht  voraus,  dass 
den  Bildhauern  der  römischen  Rheinlande  und  des  Moselgebiets 
viele  Anregungen  aus  rein  griechischer  Quelle  auf  dem  Wege  über 
Massilia  zugeströmt  seien,  ohne  Rom  zu  berühren.  Da  wir  hier 
aber  Alles  einzig  aus  den  Denkmälern  selbst  erschliessen  müssen, 
ist  Vorsicht  doppelt  geboten.  Allerdings  können  wir  ebenso  wenig 
behaupten  wie  verneinen,  dass  jener  Hermes  in  Rom  bekannt  ge- 
wesen sei  (die  kleinere  schlechtere  Bronze  ist  in  Frankreich  ge- 
funden worden;  der  Fundort  der  anderen,  auf  deren  Kopf  man 
übrigens  der  vielumstrittenen  Kopfschmuck  des  Hermes-Toth 
bemerkt  (')  ist  unbekannt):  keinesfalls  aber  ist  das  Onsdorfer 
Relief  eine  Nachbildung  der  in  Rom  unbekannten  Schöpfung  des 
Praxiteles. 

Zuletzt  hat  über  diese  Beziehungen  Michaelis  in  dem  Jahr- 
buch der  Gesellschaft  für  lothringische  Geschichte  u.  Altertums- 
kunde 1905,  S.  213  ff.  (mit  4  Tafeln)  gehandelt.  Er  geht  aus 
von  einer  weiblichen  Statue,  die  in  Metz  gefunden  wurde;  sie 
ist  in  einem  unweit  von  Metz  gebrochenen  Sandstein,  also  dort 
gearbeitet  worden ;  ihr  Stil  aber  ist  nur  mit  dem  kleinasiati- 
scher, hellenistischer  Werke  zu  vergleichen.  Mit  Recht  zieht 
Michaelis  zum  Vergleich  ähnliche  Statuen  aus  Oxford  und  zwei 
von  den  weiblichen  Einzelstatuen  aus  Pergamon  im  Berliner  Mu- 
seum heran,  erklärt  demnach  den  Stil  der  Metzer  Figur  für  per- 
gamenisch,  und  nimmt,  da  die  pergamenische  Kunst  aus  der  Zeit 
des  Altars,  aus  der  jene  Statuen  stammen,  in  Italien  mit  einer 
Ausnahme  keine  Spur  hinterlassen  habe,  an,  der  Metzer  Bild- 
hauer habe  die  Kenntnis  jenes  Stiles  über  Marseille  erhalten. 
Aber  die  Heimat  jener  eigenartigen  Darstellung  weiblicher  Ge- 
stalten war  nicht  Pergamon,  sondern  Rhodos.  Von  Rhodos  kam  die 
Anregung  nach  Pergamon  —  die  eine  jener  Figuren  ist  die  Nach- 
ahmung einer  Musenstatue  aus  der  berühmten  Gruppe  des  rliodi- 

(*)  Vgl.  zuletzt  Fnrtwängler  in  den  Rhein.  Jahrbüchern  1906  S.  193  ff. 


ZUM    SII.ÜERßECHER   CORSINI  285 

scheu  Künstlers  Philiskos  (Watzinger,  63.  Berliner  Winckelmanns- 
programm  S.  8)  — ,  von  Rhodos  kam  sie  nach  Magnesia  am  Maeander 
(Hnmann-Kohte- Watzinger  Magnesia  S.  197  ff.  Taf.  8),  von  dort  ver- 
breitete sie  sich  auf  die  ganze  kleinasiatische  Küste  und  die  nahen 
Inseln,  wo  wir  ihre  Wirkungen  auf  unzähligen  Grabreliefs  rinden, 
von  dort  nach  Italien  —  ich  brauche  nur  an  die  berühmteste  Figur 
dieser  Art,  die  Pudicitia,  und  Alles  was  mit  ihr  zusammenhängt, 
zu  erinnern.  Unter  all  diesen  Werken  nehmen  die  pergamenischen 
Statuen  eine  Sonderstellung  ein ;  sie  copieren  nicht  einfach,  son- 
dern sie  übersetzen  die  rhodischen  Motive  in  eine  eigene  Sprache, 
in  den  breiten,  monumental-decorativen  Stil  der  Altarreliefs. 

Wie  stellt  sich  nun  dazu  die  Metzer  Figur?  Ist  ihr  Stil  so 
ausgesprochen  pergamenisch  ?  oder  ist  es  nicht  vielmehr  der  rho- 
dische  Stil,  wie  er  in  Italien  wohlbekannt  und  häufig  nachgeahmt 
wurde?  Nach  der  Abbildung  scheint  sie  rhodischen  Stil  zu  haben. 
Ist  es  doch  auch  kaum  glaublich,  dass  jene  pergamenischen  Sta- 
tuen, die  in  Pergamon  selbst  augenscheinlich  vereinzelt  geblieben 
sind,  in  so  weite  Kreise  gewirkt  haben  sollten,  während  das  für 
die  rhodischen  Gestalten  ohne  Weiteres  verständlich  wäre.  Deren 
Weg  aber  geht  über  Rom. 


In  meinem  Aufsatz  über  das  iudicium  Orestis  habe  ich  S.  294 
mich  der  Ansicht  derer  angeschlossen,  die  annahmen,  von  den  drei 
Erinyenstatuen  in  Athen  seien  zwei  von  Skopas  gewesen,  die  dritte 
von  einem  Kalos  (nicht  von  Kaiamis).  Jetzt  hat  Reisch  uns  in  sei- 
nem vortrefflichen  Aufsatz  über  Kaiamis  (Oesterr.  Jahreshefte  1906, 
S.  212  ff.)  belehrt,  dass  es  einen  berühmten  Kaiamis  zur  Zeit  des 
Skopas  gegeben  habe ;  er  schliesst  daraus,  es  liege  kein  Grund  mehr 
vor,  der  Ueberlieferung,  nach  der  ein  Kaiamis  die  dritte  Brinys 
zu  den  zweien  des  Skopas  geliefert  habe,  zu  mistrauen;  und  zwar 
hätten  beide  Künstler  gleichzeitig  gearbeitet.  Das  Zeugnis  des  Phy- 
larchos  für  die  Zweizahl  der  athenischen  Erinyen  könne,  wenn  nicht 
ein  Missverständnis  vorliege,  nur  dadurch  erklärt  werden,  dass  Ph. 
von  den  zwei  «  Eumeniden  »  die  dritte  Genossin  unter  einem  Son- 
dernamen abgetrennt  habe.  Sollte  uns  aber  darüber  jede  sonstige 


286  W.    AMELÜNG 

Kunde  verloren  sein?  Die  Sache  liegt  doch  so:  Phylarchos  be- 
zeugt eine  Zweiheit  der  Erinyen,  der  in  Athen  auch  ein  Zweiheit 
von  Bildern  entsprochen  habe.  Polemon  dagegen  sagt,  der  Bilder 
seien  drei  gewesen,  darunter  zwei  von  Skopas,  das  dritte  von  Kalos 
oder  Kaiamis;  und  zwar  giebt  er  ganz  genau  an,  die  Bilder  des 
Skopas  hätten  zu  beiden  Seiten  gestanden,  jenes  andre  in  der  Mitte. 
So  war  also  zweifellos  die  Aufstellung  im  athenischen  Heiligtum 
zu  seiner  Zeit.  Wie  konnte  Phylarchos  nur  von  zwei  Bildern  reden, 
mit  denen  er  doch  augenscheinlich  die  beiden  des  Skopas  meinte? 

Wenn  auch  die  mittelste  einen  besonderen  Namen  trug,  dar- 
über, dass  sie  wesensgleich  mit  den  andern  sei,  konnte  doch  kein 
Zweifel  herrschen.  Deshalb  genügt  es  auch  nicht,  bedeutende  Un- 
terschiede in  der  äusseren  Erscheinung  der  Bilder  anzunehmen. 
Wie  sollten  auch  gleichzeitig  entstandene  und  für  das  gleiche 
Heiligtum  bestimmte  Darstellungen  so  verschieden  ausfallen  ?  Der 
Zwiespalt  ist  wohl  nur  auf  eine  Weise  zu  erklären:  zur  Zeit  des 
Phylarchos,  d.  h.  im  dritten  Jahrhundert  ('),  standen  im  atheni- 
schen Heiligtum  die  beiden  Statuen  des  Skopas  allein;  zur  Zeit 
des  Polemon,  zu  Beginn  des  zweiten  Jahrhunderts,  hatte  man  in 
ihre  Mitte  das  Bild  des  Kalos  oder  Kaiamis  gerückt.  Ob  Polemon 
gegen  Phylarchos  geradezu  polemisiert  hat,  können  wir  aus  dem 
Wortlaut  des  betreffenden  Scholions  (Soph.  Oed.  Col.  39)  nicht 
schliessen;  es  stellt  in  der  Tat  nur  die  beiden  Angaben  neben 
einander  (2). 

Hat  man  aber  die  mittlere  Statue  erst  am  Ende  des  dritten 
Jahrhunderts  zugefügt,  so  kann  sie  unmöglich  gleichzeitig  mit  den 
Werken  des  Skopas  entstanden  sein.  Es  bleiben  nur  die  zwei  Mög- 
lichkeiten: entweder  Avar  sie  eine  neue  Schöpfung  oder  ein  altes 
Bild,  das  man  zurückgestellt  hatte  und  nun  wieder  hervorholte. 
Einen  dritten  Kaiamis  wird  man  nicht  bemühen  wollen,  und  so 
gewinnen  Loeschcke's  Combinationen  (Enneakrunos-Episode  S.  25  f.), 

(')  Hecker  hat  im  Philologus  IV,  S.  489  statt  Phylarchos  Philochoroe 
als  Autor  der  Angabe  vermutet;  ob  mit  Recht,  entzieht  sich  meinem  Urteil. 
Zugestimmt  zu  haben  scheint  nur  Nauck  (ebenda  V,  S.  696).  Das  Zeugnis 
der  Zweiheit  würde  damit  höheres  Alter  und  einen  bedeutenderen  Gewährs- 
mann gewinnen. 

(2)  'I-t'/.un/ös  yrjoi  <h'o  avjüg  ttvta  iit  rs  'Afirjvrjoiv  äyukucerct  ovo.  JIo- 
ke'fio)y  ö'e   intii  (ccidg  q.ijoiv. 


ZUM    SII.BERHECHER    CORSINI  287 

nach  denen  man  das  alte  Bild  dem  kretischen  Meister  Kalos, 
dem  Neffen  des  Daidalos,  zugeschrieben  habe,  neues  Gewicht.  Der 
Einwurf  der  Geschmacklosigkeit  gegen  die  Zusammenstellung  eines 
so  altertümlichen  Bildes  mit  zwei  Werken  des  Skopas  verfängt 
nicht,  da  es  sich  um  Kultbilder  handelt.  Zweifelhaft  bleibt,  ob 
man  folgern  kann,  dass  es  in  Athen  ursprünglich  nur  eine  Bild- 
säule einer  Erinys  gegeben  habe. 

Werden  meine  Ausführungen  angenommen,  so  verliert  der 
jüngere  Kaiamis  ein  Werk,  die  Arbeit  ßeischs  nichts  an  überzeu- 
gendem Gehalt. 

W.  Amelung. 


SITZUNGEN  UND  ERNENNUNGEN. 


14.  December    1906    (Festsitzung    zur   Feier   von    Winckelmanns 

Geburtstag) :  G.  E.  Rizzo,  Le  origini  di  Lavinio  e  il  matri- 
monio  di  E/iea,  altorilievo  di  un  sarcofago  romano  (s.  Mit- 
teilungen   Heft  4).  —  G.  Körte,  Das  Alexandermosaik  aus 
Pompeji  (s.  Mitteilungen  später). 
18.    Januar    1907:    R.    Engelmann,    Herakles    und    Linos.    — 

G.  E.  Rizzo,  II  discobolo  di  Caslel  Pornano. 
1.  Februar:  G.  Boni,  77  locus  del  Forum   Ulpium. 

15.  Februar:  L.  Pollak,  Altgriechische  Elfenbeinreliefs  (s.  Mit- 
teilungen Heft  4). 


Am  Winckelmannstage  wurden  ernannt  zu  ordentlichen  Mit- 
gliedern die  Herren 

Corrado  Ricci  in  Rom 

A.  von  Premerstein  »    Athen 
Paul  Schazmann        »    Genf 

zum  correspondierenden  Mitgliede 

Mrs.  E.  Strong  nee  Sellers  in  Chatsworth. 


Abgeschlossen  am  26.  Februar  1007. 


LEGGENDE  LAUNE  ANTICHISSIME 

ALTORILIEVO     DI     UN     SARCOFAGO     ROMANO   (*). 
(Tav.  XIII-XIV). 


Nelle  Notine  clegli  Scavi  del  1905,  ho  pubblicato  una  prima 
relazione  sommaria  delle  scoperto  fortuite,  avvenute  nel  1903,  presso 
le  rovine  di  una  villa  roiuana,  a  Torre  Nova,  sulla  via  Labicana,  in 
una  tenuta  di  don  Scipione  Borghese.  Da  scavi  abusivi  e  clandestini 
provennero  tre  sarcofagi,  uno  dei  quali  veramente  insigne:  quello 
con  la  rappresentanza  di  una  sceoa  di  iniziazione  ai  Misteri  Eleu- 
sini  (').  I  frammenti  di  im  quarto  sarcofago  della  stessa  provenienza 
potei  studiarli,  col  gentile  consentimento  del  Principe  e  della 
Principessa  Borghese,  che  mi  e  caro  ringraziare  qui  pubblica- 
mente. 

Questi  frammenti  giacevano  nelle  cantine  dello  storico  palazzo, 
ed  erano  —  oltre  che  numerosissimi  —  piccoli;  e  talora  anche  in- 
certi  e  dispersi ;  e  fu  veramente  opera  non  facile  poter  ricomporre 

(*)  Questo  articolo,  con  lievi  modificazioni  nella  forma,  b  il  discorso  da 
me  tenuto  nell' Imperiale  Istituto  archeologico,  per  la  Festa  di  Winckelmann. 
il  14  dicembre  1906.  Esso  era  veramente  destinato  per  la  seduta  solenne  delle 
Palilie,  essendo  il  monumento  in  intima  relazione  con  le  origini  di  Roma:  ma 
nell'aprile  passato  ero  lontano  dalla  cittä,  e  la  mia  lettura  fu  necessariamente 
differita.  Ho  voluto  conservare  la  forma,  piuttosto  piana  e  semplice,  di  una 
conferenza  occasionale.  aggiungendo  qualche  breve  nota. 

(')  Per  le  condizioni  della  scoperta,  rimando  a  quanto  ebbi  a  riferire 
nelle  Notizia  degli  scavi,  anno  1905,  p.  408  s.  Del  sarcofago  con  rappresen- 
tanza di  Misteri  sarä  presto  pubblicata  un'ampia  illustrazione  nei  Monumenti 
antichi  dei  Lincei,  la  quäle  chiarirä  meglio  la  spiegazione  sommaria,  e  ne- 
cessariamente incompleta,  da  me  data  nelle  stesse  Notizie,  specialmente  per 
quanto  riguarda  una  piü  precisa  esegesi  dei  lati  corti  c  di  quello  dove  sono 
scolpite  le  Piangenti. 

20 


290  G.    E.    RIZZO 

la  parte  inferiore  del  rilievo  principale,  la  quäle,  quantunque  mu- 
tila,  puo  essere  perö  sicuramente  interpetrata,  per  il  confronto  con 
altri  monumenti  di  schema,  se  non  di  soggetto,  simile  ('). 


I. 

II  sarcofago,  di  marmo  pario,  era  lungo  ni.  2,42  (2),  con  im 
rilievo  cosi  considerevole,  che  raggiunge  spesso  i  15  cm.  di  al- 
tezza.  Anzi  parecchie  delle  figure  sono  interamente  s'accate  dal 
fondo,  simili  a  Statuette  riposanti  su  di  un  piano  ondulato,  che 
corre  lungo  il  prospetto  principale  del  sarcofago. 

Cosi  come  si  presenta  dai  frammenti  ricomposti  (cfr.  tav.  XIII), 
il  rilievo  puö  esser  descritto,  seguendone  Timagine,  a  questo  modo: 
abbiamo,  dalla  sinistra,  una  figura  seduta  sopra  un  rialto  roccioso, 
vestita  di  un  semplice  manto,  che  lascia  nude  le  gambe.  I  piedi  sono 
calzati  di  stiväli  (una  specie  di  e/ußädeg),  con  orli  rimboccati  e  va- 
riamente  ornati.  Accanto  ad  essa  sta  poggiato  un  graude  scudo  circo- 
lare,  sul  quäle  e  effigiata,  a  basso  rilievo,  una  scena  di  combatti- 
mento.  Segue  il  frammento  di  un'altra  figura  virile,  di  cui  esiste 
soltanto  il  piede,  con  parte  della  gamba  destra,  coperta  di  anassiridi ; 
e  a  questo  gruppo,  che,  com'e  meglio  dire  subito,  si  ripete  nella  parte 
centrale  del  rilievo,  segue  una  figura  incedente  a  grandi  passi  verso 
destra;  figura,  per  disgrazia,  anch'essa  talmente  frammentata,  che  ne 
esiste  soltanto  la  parte  inferiore  delle  gambe.  II  gruppo  centrale 
della  rappresentanza  e  occupato  da  una  scena  di  sacrificio.  Un'ara, 
con  frutta  e  con  liamme,  una  scrota,  accanto  alla  quäle  sei  porcellini, 
e  due  alte  figure :  evidentemente  quella  del  popa  e  del  vittimario. 
Una  di  queste  due  figure  e  appena  visibile  nella  fotografia;  poiche 
di  essa  non  esiste,  nel  secondo  piano  del  rilievo,  che  il  frammento 
di  una  gamba,  quasi  nascosta  dal  collo  della  scrofa.  AI  gruppo  del 
sacrificio  segue  ancora  un  altro  che,  come  sopra  ho  detto,  e  simile 
a  quello  che  e  scolpito  nell'angolo  sinistro  del  sarcofago.  La  stessa 

(')  Mio  collaboratore,  per  la  ricerca  e  la  materiale  ricomposizione  dei 
pezzi,  fu  il  valente  sig.  Dardano  Bernardini,  restauratore  nel  Museo  Nazio- 
nale  Romano. 

(')  Alt.  della  parte  conservata  alFangolo  sinistro  m.  0,49;  alt.  massima 
m.  0,59;  profonditä  del  sarcofago  m.  1,07;  alt.  del  coperchio  m.  0,37. 


LF.GGKNDE    LAHNE    ANTICIIISSIM  E 


291 


figura  troneggiante,  che  tiene  accanto  lo  scudo,  sul  quäle  e  rappresen- 
tato  il  Lupereale,  con  la  Lupa  allattaute  i  due  gemelli,  e  con  la  Ficus 
ruminalis,  i  cui  rami  si  svolgono  intorno  ai  inargiai  della  piecola 
caverna.  Uu  gioviuetto,  in  perfetto  costume  frigio,  sta  tra  le  gambe 
della  figura  sedtita:  anassiridi,  piecolo  chitone  manicato,  clamide 
fimbriata,  berretto  frigio;  e  non  mauca  il  pedum  a  reudere  com- 
pleto  il  costume  di  questo  piecolo    asiatico;  al  quäle    segne,  an- 


Fiir.  1. 


cora,  la  parte  inferiore  di  un'altra  figura,  incedente  verso  destra, 
nello  stesso  schema  di  quella  notala  nell'altro  lato  del  rilievo.  Di 
fronte  a  questa,  vediamo  la  parte  inferiore  di  una  figura  rauliebre, 
vestita  di  lunga  tunica;  e  fra  di  esse,  un  putto  tutto  nudo,  del 
quäle  e  stata  anche  ritrovata,  dopo  eseguita  la  fotografia,  la  parte 
del  braccio  destro  mancante,  con  la  mano  che  teneva  una  face. 
Un  frammento  di  questa  face,  capovolta,  si  vede  ancora  accanto 
ai  piedi  della  figura  virile  incedente. 

Oltre  questi  frammenti,  che  ho  potuto  a  stento  ricomporre, 
con  tutti  gli  attacchi  sicuri  e  senza  restauro  di  sorta  (la  testa  del 
piecolo  frigio,  p.  es.,  Consta  di  otto  frammenti,  ch'eran  qua  e  la 
dispersi),  avanzano  anche  altri  pezzi  minori,  che  non  poterono  trovai 


292  G-  E-  bizzo 

posto  nella  ricomposizione,  raa  che  mirabilmente  ci  aiutano  per  l'in- 
terpetrazione  della  scena  rappresentata  nel  rilievo  (cfr.  le  fig.  2  e  3). 
Altui  pezzi  appartengono  al  coperchio  del  grandioso  sarcofago; 
e  vi  si  possono  vedere  le  teste  barbariche  agli  angoli ;  e,  Della 
tabella  rettangolare,  avanzi  di  scene  di  combattimento  (fig.  1). 


* 


Non  era,  a  prima  vista,  facile  riconoscere  il  soggetto  della 
rappresentanza  figurata;  per  quanto  avessimo  giä  alcuni  accenni 
probabili,  come  la  scrofa,  lo  scudo  con  il  Lupereale  e  il  piecolo  Fri- 
gio.  Questi  accenni  facevan  giä  pensare  a  qualche  soggetto  che  si  ri- 
collegasse  con  le  prime  origini  di  Koma.  Ma  le  basi  dell'  inter- 
petrazione,  piü  che  in  questi  elementi,  non  troppo  sicuri,  dato 
lo  stato  frammentario  del  rilievo,  sono  nello  stesso  schema  della 
composizione;  ed  e  stata  questa  la  chiave  che  mi  ha  aperto  la  via  ad 
una  interpetrazione,  che  io  reputo  convincente  in  ogni   sua  parte. 

Esistono,  nell'arte  romana  dell'etä  imperiale,  molti  sarco- 
fagi,  nei  quali  e  rappresentata  una  scena  di  matrimonio;  questa 
nurnerosa  serie  di  sareofagi  puö  essere  divisa  in  varie  classi;  in 
quanto  che  la  scena  del  matrimonio  e  coneepita  in  maniera  di- 
versa  e  oecupa  un  posto  piuttosto  che  un  altro  nell'  insieme  della 
rappresentanza  figurata.  Seguendo  in  gran  parte  le  conclusioni  del 
noto  libro  del  Rossbach  sul  matrimonio  romano  ('),  noi  diremo  che 
una  classe  comprende  principalmente  i  sareofagi  nei  quali  la 
dextrarum  iunetio  e  rappresentata  insieme  con  il  corteo  nuziale; 
e  un'altra  classe  quei  sareofagi  nei  quali  la  dextrarum  iunetio 
costituisce,  per  dir  cosi,  un  episodio  della  vita  privata  o  militare 
della  persona  alla  quäle  il  sarcofago  era  destinato. 

Pero  e  da  notare  che,  tanto  nella  prima  che  nella  seconda 
classe,  la  dextrarum  iunetio  sta  sempre  nella  parte  destra  della 
rappresentanza:  cosi,  almeno,  in  tutti  i  sareofagi  romani  che  ho 
potuto  esaminare ;  e  questo  fatto  ci  guida  mirabilmente  alla  retta 
interpetrazione  del  nostro  rilievo. 


(')  Rossbach,  Römische  Hochzeits-  und  Ehedenkmäler ;  specialniente  a 
]  105  ss.  e  p.  118  ss.  Cfr.  le  principali  rapprosentanze  figurata  di  questi  sar- 
eofagi in  Wiener  Vorlegeblätter,  1888,  tav.  IX. 


LEGGENDE    LATINE    AMTICHISSIMK  293 

Ossermnio,  intanto,  che  tra  i  frammenti  superetiti,  che,  come 
ho  detto,  non  poterono  trovar  posto  nella  ricomposizione,  abhiamo 
due  mani  che  si  stringono  (fig.  2).  Ora  chiunque  esamini  l'ordine  e  la 
direzione  delle  (igure  del  nostro  rilievo,  potra,  senza  stento,  con- 
vincersi  che,  per  esclusioue,  queste  due  mani  che  si  stringono  non 
possono  appartenere  che  alle  due  figure  dell'angolo  destro;  le 
quali,  perciö,  si  completano,  come  le  due  figure  della  parte  destra 


Fiir.  2. 


di  tutti  gli  altri  sarcofagi,  in  un  gruppo  rappresentante  un  uomo 
incedente  a  destra,  che  stringe  la  mano  ad  una  donna  velata,  che 
gli  sta  di  fronte. 

Per  cbiarire  il  concetto,  scegliamo  uuo  di  questi  sarcofagi : 
p.  es.  quello  che  si  trova  nella  chiesa  di  s.  Lorenzo  fuori  le  Mura  (')> 
il  quäle  appartiene  alla  prima  classe  accennata,  in  cui  la  dextra- 
rum  iunctio  e  come  seguita  dal  corteo  nuziale  (Tav.  XIV.  tig.  1). 

Questo  e  il  famoso  sarcofago,  adoperato  come  tomba  del  Car- 
dinale Guglielmo  di  Lavagna,  nipote  di  Innocenzo  IV,  morto  nel 

(,')  Matz  o  von  Duhn,  Aat.  Bildw.  in  Rom,  n.  0090.  C'fr.  Rosabacb,  op. 
cit,  p.  40  ss.  (ivi  la  bibliografia  preccdente). 


294  o.  e.  rizzo 

1256.  Non  e  mio  compito  descrivere  qui  il  monumento,  piü  volte 
effigiato,  pubblicato  e  discusso.  Fermiamo,  pinttosto,  la  nostra  at- 
tenzione  sul  gruppo  a  destra  della  rappresentanza.  Un  uomo,  non 
piü  giovane,  in  tunica  e  toga,  con  le  tabelle  nuziali  nella  sini- 
stra,  da  la  mano  destra  ad  nna  donna,  velata  del  ßammeum.  Fra 
di  loro  sta  la  piccola  figura  di  Imeneo;  e,  nello  sfondo,  Iuno  Pro- 
nuba.  Gli  altri  personaggi  harmo,  per  il  confronto  col  nostro  ri- 
lievo,  un' importanza  molto  secundaria;  ed  ho  appena  bisogno  di 
ricordare  che  assai  diverse  sono  le  interpetrazioni  che  di  queste 
figure  si  sono  date.  Orä,  esaininando  lo  Schema  delle  due  figure  a 
destra  con  lo  Schema  delle  medesime  figure  nel  nostro  sarcofago, 
noi  non  troviamo  alcuna  differenza  notevole. 

*  * 

Ma  a  rendere  il  coafronto  ancor  piü  convincente,  sceglierö 
uno  dei  sarcofagi  della  seconda  classe:  di  quella,  cioe,  in  cui  il 
matrimonio  e  considerato  come  un  episodio  della  vita  del  defunto; 
di  modo  che  il  lato  principale  era  destinato  alla  rappresentanza 
dei  fatti  piü  importanti;  e  nei  lati  corti  si  svolgevano,  per  dir 
cos'],  le  minores  res  gestae,  le  quali  continuavano,  alcune  volte, 
anche  sul  coperchio  di  questi  sarcofagi,  come  appunto  doveva  es- 
sere  nel  nostro. 

E  stato  osservato  che  queste  interessanti  rappresentanze  del- 
l'arte  romana  dei  sarcofagi,  rassomigliano,  quasi,  ad  un  panegirico 
dell'estinto;  sono,  nella  storia  della  plastica  romana,  ciö  che  la 
laudatio  funebris  e  nella  storia  della  letteratura. 

Scegliamo  il  sarcofago  (tav.  XIV,  fig.  2),  ora  conservato  nel 
Museo  Civico  di  Mantova  ('),  e  confrontiamolo  direttamente  con 
quello  Borghese.  Tutto  il  rilievo  e,  come  nel  nostro,  tripartito:  nel 
centro  la  scena  del  sacrificio,  ai  due  lati  la  dexlrarum  iunctio  ed 
un  altro  fatto  insigne  della  vita.  Anche  qui  la  scena  di  destra  e 
concepita  ed  eseguita  come  nel  nostro  rilievo. 


(')  Pubblicato  <;üi  dal  Labus,  Museo  di  Mantova,  III,  52;  e  poi  y\i\ 
accuratamente  descritto  e  interpetrato  dal  Dütscbke,  Zerstreute  ant.  Bildw. 
in  Oberitalien,  IV,  n.  643.  Cfr.  Wiener  Vorleget/lütter,  1888,  tav.  IX,  n.  1 
(riproduce  la  infcdele  c  manicrata  incisione  del  Labusj. 


LEGGENDE    LATINE    ANTICHISSIME  295 

C'e  soltanto  di  piü  la  figura  di  Inno  Pronuba  e  quella  di 
ima  donna,  a  destra,  accanto  alla  sposa:  la  madre,  certamente, 
o  la  nutrice.  La  scena  centrale,  cioe  quella  del  sacrificio,  pu6 
essere  riferita  al  matrimonio,  o  secondo  altri,  puö  anche  esser  rife- 
rita  all'augurio  delle  imprese  militari  svolte  o  accennate  nel  resto 
del  rilievo.  Infatti  l'abito  militare  che  i  sacrificanti  indossano  in 
alcune  di  queste  scene,  lascia  credere  che  il  sacrihcio  non  sia 
sempre  e  necessariamente  collegato  col  matrimonio. 

Chiara  e  la  scena  che  sta  a  sinistra  del  sarcofago.  Una  fami- 
glia  di  barbari,  nemici  vinti  dall'  «  Imperator  »  romano,  a  cui  il 
sarcofago  era  destinato,  viene  condotta  dinanzi  a  lui,  per  implo- 
rare  pietä  e  benevolenza.  Questo  e  certamente  im  ricordo  del  prin- 
cipale  fatto  militare  dell'estinto;  onde  in  questi  sarcofagi  era 
gentile  uso  effigiare  i  momenti  fortunosi  della  vita,  sia  nella 
pace  serena  degli  sponsali,  che  nella  gloria  tumultuosa  della 
guerra. 

E  ben  noto  anche  che  nessuna  di  queste  rappresentanze  figu- 
rate,  finora  conosciute,  puö  esser  riferita  ad  uu  personaggio  stori- 
camente  noto;  ed  e  soltanto  per  la  fallace  interpetrazione  datane 
dal  Labus,  che  il  sarcofago  di  Mantova  pote  essere  riferito  alle 
gesta  di  Lucio  Vero:  ne  altrimenti  ancora  esso  e  chiamato. 

Tanto  meno  poi  queste  rappresentanze  conosciute  possono  es- 
sere riferite  a  miti  e  leggende  :  che  anzi  le  mitiche  nozze  greche 
sono  trattate  assai  diversamente  nei  rilievi  dei  sarcofagi  romani ; 
e  basterä  che  io  qui  richiami  alla  vostra  memoria  il  modo  in  cui 
e  concepita  la  scena  delle  nozze  di  Peleo  e  Teti,  nel  grazioso  sar- 
cofago di  Villa  Albani  ('). 


# 


Nel  nostro  rilievo,  intanto,  ci  sono  certamente  elementi  non 
comuni,  sia  nella  composizione,  che  nello  stile  e  nella  stessa  gran- 
diositä  delle  proporzioni. 

Imponente  e  la  figura  seduta,  che  si  ripete  per  due  volte 
nella  scena  figurata,  e  nell'identico  Schema.  Essa  si  appoggiava 
con  la  sinistra  ad  un  lungo  scettro  (cfr.  fig.  3),  del  quäle  e  conser- 

(l)  Robert,  Sarkophagreliefs,  II,  1. 


296  G-  E-  Rizzo 

vata  una  parte  invisibile  nella  fotografia ;  e  le  aggiungono  maestä 
la  posa  diversa  da  quella  di  tutte  le  altre  figure  ed  il  grande  scudo 
istoriato.  11  gruppo  centrale  non  puö  essere  riferito  ad  un  sacrificio 
cornune,  che  allora  noi  non  sapremmo  spiegarci  il  perche  dei  nu- 
merosi  porcellini  sotto  la  scrofa  e  accanto  all'ara. 

Singulare  e,  inoltre,  la  figura  del  giovinetto  frigio;  e  che 
qnesta  debba  avere,  nell' intenzione  dell'artista,  nno  speciale  si- 
gnificato,  che   non   possa   essere   nna  figura  di   geuere,   e   di    una 


Fig.  3. 

tale  evidenza,  che  non  sento  il  bisogno  di  troppe  dimostrazioni. 
E  tra  i  giovinetti  frigii,  poiche  si  deve  escludere  Paride,  al  quäle 
non  conviene  quell'  etä  troppo  giovanile,  noi  non  avrerno  altra 
scelta  che  fra  Astianatte  ed  Ascanio. 

Mi  sembra,  dunque,  che  sia  il  momento  di  dare  un  nome  a 
tutte  le  figure  del  nostro  rilievo:  Ascanio  e  Imeneo  sono,  per- 
tanto,  sicuri;  e  l'insieme  della  scena  ci  da  egualmente  come 
sicuri  Marte,  Enea,  Lavinia,  il  popa  e  il  vittimario. 

IL 

Nota  e  la  leggenda,  che  riposa  sul  culto  patrio  dei  Penati  (2)  : 
leggenda,  diro  cosi,  indigena,  essenzialmente  latina,    tradotta    nel 

(*)  Vedi,  per  le  fonti,  il  manuale  del  Preller-Jordan,  II,  325  ss. ;  e  cfr. 
l'artic.  «Aineias»  in  Roscher's  Lexikon,  I,  1,  p.  177  ss. ;  o  altrove.  Cfr.  poi 


I.KGGENDE    I.ATINK    ANTICHISSIME  297 

marrno  da  un'arte  esseuzialmentc  romana.  E  lo  scultore  ha  scelto, 
della  poetica  leggenda,  i  momenti  principali :  Yaugurium  che  pre- 
cede  la  fondazione  di  Lavinio,  col  sacrificio  della  bianca  scrofa ; 
ed  il  matrimonio  di  Enea  con  la  figlia  di  Re  Latino. 

L'  una  e  l'altra  scena  si  svolgono  alla  presenza  di  Marte;  ed 
e  notevole  che  fra  i  personaggi  nominati  nelle  fonti  superstiti 
(molte,  perö,  noi  ne  abbiamo  perdute,  sia  fra  le  storiche,  che  fra 
le  poetiche  antichissime),  —  e  notevole,  dicevo,  che  Marte  non  ap- 
paia,  con  intervento  diretto,  nel  prodigio  e  nella  pace,  seguita  dal 
matrimonio.  Perö  il  Dio  trova  benissimo  il  sno  posto  in  questa 
rappresentanza.  Non  e  forse  Marte  il  dio  italico  per  eccellenza  ? 
E  il  sno  cnlto  e  talmente  diifnso  nel  Lazio,  che  non  vale  addurre 
qni  citazioni  e  prove  di  im  fatto  assai  noto ;  ne  ho  bisogno  di 
soffermarmi  snlla  intima  relazione  di  qnesto  dio  con  tntta  la  leg- 
genda delle  origini  di  Roma. 

Vale  pinttosto  ricordare  che  Marte  era  per  gli  italici  il  di- 
vino  progenitore  di  stirpi,  protettore  delle  nnove  cittä,  fondate 
dagli  eroi  avventurosi  (').  Simile  all'Apollo  dell'Olimpo  greco,  vene- 
rato  dai  coloni,  che  propagavano,  per  i  mari  e  le  terre  lontane,  il 
nome  e  la  civiltä  della  patria,  Marte  e  anch'egli  Patroos  ed  Ar- 
chagetes;  e  cosi  si  spiegano  gli  appellativi  di  Mars  pater,  Mars- 
piter:  ne  altra  origine  e  significazione  hanno  alcnni  nomi  di 
popoli  e  di  cittä,  come  Mamertini,  Marsi,  Marrncini,  Mamertnm, 
Marrnvium  ed  altri. 

E  non  puö  davvero  presentare  difficoltä  la  figura  di  Ascanio 
accanto  alle  ginocchia  di  Marte;  che  Ascanio,  nipote  di  Veuere, 
e  intimamente  conginnto  con  il  dio  gnerriero,  che  ha  tanta  parte 
nell'Olimpo  italico  e  nelle  tradizioni  preromnlee.  Si  osservi,  poi, 
che  1'  etä  nella  quäle  lo  scultore  ha  rappresentato  il  piccolo  figlio 
di  Enea,  concorda  con  la  tradizione  piii  antica  e  piü  diffusa:  egli 
e  ancora  un  giovinetto,  quasi  un  bambino,  quando  il  padre  arriva 
nel  Lazio  e  stringe  lega  con  Latino;  onde  noi  ben  comprendiamo 


specialmente,  per  il  «  momento  »  rappresentato  nel    nostro    rilievo,   Dionys. 
I,  56  s.;  Varro  L.  I.  V,  144  etc. 

(•)  Vedi,  p.  es.,  Röscher,  Apollon  und  Mars,  p.  78  ss. ;  e  cfr.  Corssen, 
Aussprache,  I2,  p.  405. 


298  G.   E.    RIZZO 

la  tradizioue  acccolta  da  Tito  Livio  (I,  3,  1),  che,  morto  Enea,  il 
figlio  Ascanio  fosse  rimasto  sotto  la  tutela  della  matrigna  Lavinia. 
Ma  torniamo  ancora  alla  figura  di  Marte,  per  ricordare  come 
nelle  leggende  che  accompagnavano  la  fondazione  della  cittä,  aves- 
sero  sempre  parte  un  dio  e  i  suoi  figli,  da  un  canto ;  e,  dall'altro, 
un  prodigio.  Questo  dio  e  Apollo,  nel  mito  greco,  Marte,  nel  mito 
italico.  Basta  richiamare  alla  memoria  la  leggenda  di  Ciro,  quella 
di  Miletos  e  Kydon,  tigli  di  Apollo;  basta  appena  fare  im  cenno 
della  notissima  leggenda  di  Romolo  e  Remo;  e  ricordare  che  gli 
animali  del  prodigio  sono  sernpre  il  picchio  ed  il  lupo.  Onde  ben 
si  spiega  come  lo  scultore,  con  una  specie  di  prolessi  artistica, 
abbia  adornato  lo  scudo  di  Marte  con  la  simbolica  rappresentanza 
del  Lupereale,  quasi  a  significare 

l'alto  effetto, 

Che  uscir  dovea  di  lui,  e  il  chi  e  il  quäle. 

* 

E  una  vera  disgrazia  che  questa  figura  ci  sia  arrivata  tanto 
mutila;  pur  non  v'ha  dubbio  che  noi  dobbiamo  in  essa  ricono- 
scere  Marte  che  presiede  al  mitico  matrimonio  di  Enea  e  al  sa- 
crificio  per  la  fondazione  di  Lavinio,  nella  sua  qualitä,  molto  dif- 
fusa nel  mito  latino,  di  Nume  patroos  ed  archagetes.  A  rendere 
sernpre  piu  sicura  la  nostra  esegesi  del  rilievo,  vediamo  nella 
parte  destra  di  esso  la  figura  di  Imeneo,  da  me  fortunatamente 
rintracciata,  in  mezzo  ad  altri  frammenti. 

Che  manchino  in  questa  scena  la  figura  di  Iuno  Pronuba  ed 
altre  accessorie,  non  puö  sorprendere,  dato  il  carattere  divino,  o 
mitico  che  dir  si  voglia,  dei  personaggi  che  compiono  la  dextra- 
rum  iunetio.  Si  noti  perö  (il  che  non  so  quanto  possa  apparir 
chiaro  nella  figura),  che  proprio  nel  secondo  piano  del  rilievo,  tra 
Enea  ed  Imeneo,  era  soltanto  scolpita,  in  rilievo  basso,  un'altra 
figura  virile,  di  cui  rimangono  le  gambe :  forse  —  ma  non  oserei 
affermarlo  —  la  figura  di  Re  Latino. 

E  interessante  notare  che  la  scena  del  sacrificio  puö  avere  un 
significato  triplice:  in  quanto  che  puö  riferirsi,  oltre  che  al  pro- 
digio preannunziato  dell'Oracolo,  alla  lega  tra  Enea  e  Latino  e 
al  matrimonio  di  Enea  con  Lavinia. 


LEGGENDE    I. ATI  NE    AMICIIISSIMK  299 

E  questo,  per  il  ricordo  che  noi  ne  abbiamo  conservato  in 
Varrone  ('),  il  quäle  riferisce  che,  stringendosi  uu'alleanza,  si  deve, 
secondo  il  rito,  immolare  una  scrofa;  che  l'antico  Ke  e  gli  alti 
personaggi  dell'  Etruria  immolavano,  nel  momeuto  delle  nozze,  una 
simile  ostia;  e  che  anche  i  Latini  e  i  Greci  pare  abbiano  fatto 
altrettanto  in  Italia,  come  afferma  l'antico  scrittore. 

Nella  tradizione  antichissima,  rimane  un  famoso  esempio  di 
questa  rappresentanza  artistica  della  scrofa  (2) ;  il  cui  simulacro 
di  bronzo  era,  fino  a  tardi  tempi,  esposto  a  Lavinio. 

Da  questo  esempio  monumentale,  a  noi  tramandato  dalle  an- 
tiche  fonti  latine,  derivauo  le  rappresen tanze  snperstiti,  delle  quali 
gioverä  fare  un  rapido  cenno,  per  il  confronto  con  il  gruppo  cen- 
trale del  nostro  rilievo. 

Alla  prima  etä  imperiale  appartiene  Tara  dei  ■  Lares  Au- 
gusti » ,  conservata  nel  Belvedere  del  Vaticano  (3) ;  e  le  rappresen- 
tanze  figurate  di  questo  piccolo  monumento  sodo  intimamente 
connesse  con  lo  spirito  della  letteratura  e  della  religione  del 
tempo.  La  Vittoria  con  lo  scudo,  su  cui  e  inscritta  la  dedica  ad 
Augusto,  l'apoteosi  di  Augusto,  e  1' «  augurium  »  per  la  fondazione 
di  Lavinio(fig.  4),  sono  inspirate  ad  un  unico  concetto  politico  e  let- 
terario,  il  quäle,  anche  nei  piccoli  monnmenti  dell'arte,  voleva  ri- 


(')  Varro  R.  r.  II,  4,  9:  quod  inltiis  pacis  foedus  cum  feritur  porcus 
occiditur,  et  quod  nuptiarum  initio  antiqui  reges  ac  sublimes  viri  in  Etruria 
in  coniunctione  nuptiali  nova  nupta  et  novus  maritus  primum  porcum  immo- 
lant.  Prisci  quoque  Latini  et  etiam  Graeci  in  Italia  idem  factilasse  vi- 
dentur  Cfr.  l'reller- Jordan,  II,  325,  n.  3;  Wissowa,  Religion  und  Kultus  der 
Römer,  p.  477. 

(2)  Varro  R.  r.  II,  4,  18:  «  huius  suis  ac  porcorum  etiam  nunc  ve- 
stigia  apparent  Lavinii,  quod  et  simulacra  eorum  ahenea  etiam  nunc  in  pu- 
blico  posita  et  corpus  matris  ab  sacerdotibus  quod  in  salsura  fuerit  demon- 
stratur  ».  Quanto  alla  statua  di  bronzo  della  scrofa  coi  porcollini,  noi  possiam 
credere  clie  fosse  come  un'imagine  del  culto  esposta  nel  santuario  dei  Penati, 
oppure  anche  in  quello  di  Vesta;  e  quanto  al  corpo  conservato  in  salsura, 
sarä  facile  credere  alle  solite  imposture  sacerdotali.  Cfr.  Preller-Jordan,  II, 
p.  326,  2. 

I3)  Visconti,  Museo  Pio-Clementino,  VI,  20;  Jl/useo  Chiaramonti  III, 
tav.  XIX.  Eaoul-Rochette,  Monum.  ined.,  tav.  LXIX.  Qui  per  la  prima  volta 
riprodotta  fedelmente  con  mezzi  fotomeccanici.  Cfr.  Heydemann,  in  Arch.  Zei- 
tung, XXIX  [1872],  p.  122. 


300  G.    E.    RIZZO 

collegata  la  «  donius  Julia  »  alle  fcradizioni  antichissime  di  Enea 
e  di  Ascanio-Julo. 

Incerta  seinbra  anche  a  me  l'interpetrazione  del  lato  sul 
quäle  e  scolpita  la  scrofa  del  sacro  prodigio;  ue  oserei  afferuiare 
che  la  figura   seduta    sia    quella  di  Re  Latino,  che  legge  i  patti 


Fig.  4. 


di  alleanza  ad  Enea.  Ed  escludendo  che  questa  figura  sia  mu- 
liebre  e  che  possa  rappresentare  la  Sibilla,  rni  sorrido  quasi  l'idea 
che  im  poeta,  forse  Virgilio,  legga  dinanzi  ad  PJnea  il  racconto 
delle  gesta  future. 

Certo  e,  perö,  che  noi  abbiamo  qui  la  sicura  rappresentanza 
di  Enea  e  del  prodigio  per  la  fondazione  di  Lavinio;  ed  e  questo 
l'unico  raonumento  artistico  a  noi  rimasto  delletä  augustea,  nel 
quäle  si  possa  trovare  uua   certa  analogia  —  di  soggetto,  se   non 


[.EGGENDE    I- ATI  NE    ANT1CH1SS!  MK  301 

di  composizione  —  col   nostro   rilievo,    ü    quäle  ha,    peiö,    tutta 
rimpronta  di  una  eta  piii  tarda. 

Notissima  e  anche  la  scrofa  della  «  Sala  degü  animali  »  nel 
Vaticano(');  la  quäle  ha  comune  con  quella  del  rilievo  Borghese  e 
con  altre  uua  specie  di  «  abbreviazione  artistica  «:  poiche  lo  scul- 
tore,  non  potendo  scolpire  tutti  i  treuta  nati  dalla  scrofa,  si  e 
contentato  di  efh'giarne  dodici  in  quella  del  Vaticano,  sei  appena 
nella  nostra.  Dal  simulacro  di  Laviuio  (la  metropoli  Sacra  del- 
l'antica  Koma,  rioo  a  tarda  eta  imperiale)  derivano  certamente 
le  uguali  tigure  simboliche  o  religiöse  nelle  monele  di  Antonino 
Pio  (2),  ed  altre  che  qui  tralascio  di  enumerare  (')• 

* 

Della  leggenda  di  Enea  nel  Lazio,  ci  rimangono  altre  rappre- 
sentanze  di  eta  augustea:  principali  quelle  che  si  svolgono  nelle 
pitture  del  Columbario  dellEsquilino,  ora  conservate  nel  Museo 
Nazionale  Romauo.  Ma  di  queste  importantissime  pitture  sono 
andate  perdute  le  scene  iniziali  del  lato  occidentale ;  le  quali  do- 
vevano  appunto  contenere  l'arrivo  di  Enea  nelle  coste  del  Lazio,  e 
il  suo  incontro  con  Latino,  non  che  il  prodigio  della  scrofa  e  il 
raatrimonio  con  Lavinia;  di  modo  che  i  quadri  superstiti  comin- 
ciano  soltanto  con  la  fabbricazione  di  Lavinio  (4). 

Non  abbiamo,  quindi,  alcuna  altra  opera  d'arte,  non  una  sola 
rappresentanza  figurata  a  me  nota,  la  quäle  ci  rappfesenti  Marte 
che  assiste  e  presiede  al  sacrificio  della  scrofa  del  fatidico  prodigio, 
e  al  matrimonio  di  Enea  con  la  figlia  di  Re  Latino. 

Questi  episodi,  scolpiti  nel  lato  principale  del  sarcofago,  erano 
stati  certamente  concepiti  dallo  scultore  come  i  fatti  piü  insigni 


(')  Visconti,  Museo  Pioclem.,  VII,  32;  Heibig,  Führer,  P,  n.  182. 

(2)  Lenormant,  Trdsor  de  numism.  tav.  XXXII,  9,  10;  p.  60  (in  Da- 
remberg-Saglio,  I,  1,  107,  fig.  153  e  154). 

(3)  Singolare,  per  la  storia  della  diffusione  di  questo  simbolico  simulacro, 
e  il  ricordo  conservatosi  in  un1  iscrizione  di  Obulco  {CLL.  II,  2126),  mu- 
nicipio  romano  della  Hispania  Baetica,  ora  Porcuna,  nella  quäle  si 
legge  che  alti  magistrati  della  cittii  avevano  dedicato  «  scrofam  cum  porcis 
triginta  ». 

(4j  Cfr.  Robert,  in  Annali  delVIstiluto,  1878,  p.  267  ss. 


302  G.    E.    RIZZO 

relativi  alla  veuuta  di  Enea  Del  Lazio ;  ed  ho  giä  detto  quanta 
importanza  abbia  l'intervento  divino  di  Marte  Padre,  intervento 
che,  se  noa  e  tradizionale,  e  certarnente  dovuto  ad  una  fönte  poetica 
od  artistica,  che  noi  ignoriamo. 

Infatti  lo  scultore  ha  concepito  la  sua  composizione  romana, 
con  arte  essenzialmente  romana:  e  questo  e  pregio  singolarissimo 
del  nostro  rilievo.  Qui  Selene  non  discende  a  trovare  Endimione 
dormiente;  ne  Medea  fugge  dalla  reggia  fatale  sul  carro  tirato 
dagli  alati  dragoni,  ne  Fedia  gerne  per  Tamore  di  Ippolito,  ne 
le  Meaadi  sbranano  Penteo,  ne  altre  mitiche  leggende  g reche  — 
sia  pure  prescelte  con  signiticato  simbolico  —  adornano  la  funebre 
arca  di  maruio  pario.  Komano  e  sacro  e  il  soggetto  della  rappre- 
sentanza  figurata;  romane  le  fonti  tradizionali  o  artistiche  seguite 
dallo  scultore;  romano  lo  Schema  della  composizione,  come  nei 
sarcofagi  rappresentanti  il  matrimonio  della  vita  comune ;  romano 
e  lo  stile  della  scultura. 

Se  la  dextrarum  imictio  completava  gli  episodi  principali 
del  ciclo,  gli  altri  «  fatti  di  Enea  »  dovevano  certamente  svol- 
gersi  nei  lati  corti  e  nel  coperchio,  come  negli  altri  sarcofagi  men- 
zionati ;  tanto  verö  che  un  grande  frammento  del  fianco  sinistro 
del  sarcofago  Borghese  rappresenta  un  guerriero  incedente  a  destra. 
seguito  da  un  giovinetto  vestito  di  una  semplice  tunica. 

Non  fn  possibile  fotografare  questa  parte  del  rilievo,  sia  perche 
non  lo  permettessero  le  condizioni  di  luce,  sia  anche  perche  lo 
stato  di  conservazione  e  talmente  cattivo,  da  lasciar  appena  inter- 
petrare,  nelle  linee  generali,  le  due  tigure  rappresentate.  Nulla 
si  conserva  del  fianco  destro  del  sarcofago;  ma  da  quel  frammento 
che  ho  potuto  far  vedere,  si  desume  che  il  coperchio  doveva  anche 
esso  contenere  fatti  allusivi  alle  guerre  combattute  nel  suolo  latino; 
poiche  rimane  in  questo  frammento  la  figura  di  un  cavaliere  vit- 
torioso  incedente  sopra  un  nemico  abbattuto. 


Se  dai  frammenti  superstiti  non  e  facile  risalire  subito  all'ef- 
fetto  che  l'intera  composizione  doveva  produrre,  possiamo,  pero, 
affermare  che,  dal  lato  artistico,  la  distribuzione  delle  figure  e  ben 
riuscita,  quantunque  non  ci  sia  in  esse  una  soverchia  varietä,  per 
la  ripetizione  dei  due  grappi  piincipali  di  Marte,  Ascanio  ed  Enea. 


LEGGENDE    LATINE    ANTICHISSIME  303 

La  mancanza  della  testa  e  della  parte  principale  dei  personaggi 
ci  rende  disagevole  im  completo  esame  stilistico.  II  trattarnento 
della  scultura  e  fin  troppo  levigato,  di  una  fredda  eleganza,  quasi 
accademica.  Vi  si  nota  un'accuratezza  grande,  forse  soverchia, 
nei  particolari ;  il  nudo  e  disegnato  con  linea  convenzionale  e 
stentata. 

Ma  grande  e  l'abilitä  tecniea  del  nostro  scultore;  ed  ho  giä 
osservato  che  il  rilievo  e  molto  alto,  e  che  alcune  delle  figure 
sono,  si  puo  dire,  concepite  ed  eseguite  come  statue  interameute 
staccate  dal  fondo;  quantunquo,  date  le  proporzioni  del  rilievo,  esse 
fossero  grandi  im  terzo  del  voro.  Mirabile  per  la  tecniea  doveva 
essere  la  tigura  del  vittimario :  statua  non  staccata  dalla  base  del 
rilievo,  ma  insieme  con  esso  scolpita,  e  rieavata  da  un  unico 
masso. 

Elementi  raigliori  per  lo  studio  stilistico  troviamo  negli  seudi, 
dei  quali  non  abbiamo  nell'arte  rornana  altri  esempi  che  possano 
prestarsi  al  paragone.  II  rilievo,  basso  rna  nitido,  e  preciso  di  con- 
torni,  e  trattato  con  una  evidente  imitazione  della  metallotecnica ; 
e  la  conservazione  quasi  perfetta  di  questi  seudi,  ci  lascia,  oltre 
che  il  soggetto,  apprezzare  il  genere  d'arte  e  la  tecniea  prescelta 
dallo  scultore. 

In  quello  del  Lupereale  (tav.  XIII  n.  2),  la  lupa  volge  la  testa 
verso  i  gemelli :  e  questo  «  Schema  »  e  comune  nelle  monete  impe- 
riali.  a  cominciare  dai  Flavii  fino  a  Costantino,  ed  anche  piü  tardi. 
Solo  nella  serie  di  Adriano,  la  lupa  e  disegnata  nel  tipo  piü  antico, 
simile  alla  statua  di  bronzo  del  Campidoglio.  Con  Antonino  Pio 
troviamo  l'aggiunta  del  Lupereale ;  fatto  di  cui  bisogna  tener  conto, 
per  quanto  fra  poco  dirö  sulla  cronologia  del  nostro  rilievo  (1). 

Piü  importante  per  noi  e  l'altro  seudo  (tav.  XIII  n.  3)  con  rap- 
presentanza  di  battaglia;  il  quäle  richiama  subito  alla  memoria  il 
f rammen to  dello  seudo  Straugford  (£),  pertinente,  come  si  sa,  ad  una 
copia  della  Parthenos  di  Fidia.  Spicca  nel  mezzo  un  guerriero  vitto- 
rioso,  che  sta  per  ueeidere  un  nemico,  un  barbaro,  il  quäle  e  giä  ca- 

(1)  Una  ricerca  di  questi  tipi  di  monete  nel  medagliere  del  Museo  Na- 
zionale  di  Napoli,  fece,  da  ine  pregato,  il  mio  dotto  amico  E.  Gabrici,  con 
la  sua  ben  nota  competenza:  e  qui  gliene  rendo  pubbliche  grazie. 

(2)  Cfr.  Conze,  Die  Athenastatue  des  Phidias  im  Parthenon;  ed  al- 
trove. 


3^4  G.    K.    RIZZO 

duto  dal  cavallo ;  e  intorno  a  questo  gruppo  si  addensano  cavalieri  e 
pochi  combattenti  a  piedi,  in  una  mischia  furiosa;  concitati  sono  i 
movimenti,  ottima  la  distribuzione  degli  spazi  nella  superficie  circo- 
lare;  sieche  la  composizione  riesce  piena  ed  armonica.  L'origine  di 
queste  scene  di  combattimento,  diffuse  nell'arte  ellenistica  e  nel- 
l'arte  imperiale  romana,  e  senza  dubbio  pittorica.  E  bene  a  ragione 
queste  rappresentanze  sono  state  ricollegate  con  un  ciclo,  certa- 
mente  numeroso,  di  pitture  ellenistiche ;  poiehe  non  doveva  essere 
sola  la  pittura  di  Pergamo,  descritta  da  Pausania  (1,4,6),  rap- 
presentante  la  scontitta  dei  Galli  in  Asia. 

I  soggetti  e  i  «  motivi  »  di  queste  pitture  servirono  all'arte 
romana,  assumendo  la  signirieazione  di  vittorie  dei  Iiomani  su 
ßarbari,  su  Galli  e  su  Daci,  principalmente:  basterä  ricordare  i 
rilievi  dei  sareofago  Amendola  nel  Museo  Capitoliuo,  dei  sarco- 
fago  Ludovisi,  e  di  altri  dei  Palazzo  Giustiniani  (1). 

In  tutti  questi  rilievi  e  ripetuta  —  quasi  come  un  «  motivo 
di  predilezione  »  —  la  figura  dei  combattente  barbaro.  nudo,  che 
cade  dal  cavallo,  col  dorso  rovescio,  e  visto  sempre  da  tergo: 
l'identica  figura,  che  e  come  un  contrassegno  dell'originale  comune 
o  dell'unica  fönte  d'ispirazione,  troviamo,  appunto,  nello  seudo  dei 
sareofago  Borghese ;  nel  quäle  e  anche  ripetuto  lo  «  Schema »  dei 
cavaliere  vittorioso,  che  oecupa,  come  nel  sareofago  Giustiniani  e 
in  altri  simili,  il  centro  della  rappresentanza. 

Volle  lo  scultore,  neH'effigiare  questa  battaglia,  alludere  alle 
lotte  di  Enea  nel  Lazio?  Volle  egli  attenersi  a  quell'innegabile 
concetto  simbolico,  al  quäle  e  inspirata  la  rappresentanza  dello 
seudo  col  Lupereale?  Certamente,  noi  vediamo,  nel  piecolo  rilievo, 
dne  tipi  di  combattenti:  i  «  barbari  »  nudi,  e  quelli  che  chiame- 
remo  «  indigeni  »  vestiti,  oltre  che  armati.  Ma  questo  non  puö 
bastare,  per  dare  una  signifieazione  determinata  alla  scena  di  com- 
battimento, la  quäle,  forse,  allude  in  generale  ad  una  vittoria  ge- 
nerica  di  Romani  su  Barbari ;  ed  e  quindi,  come  tante  altre, 
destinata  a  lusingare  l'eterno  orgoglio  della  stirpe  dominatrice. 


(')  Sareofago  Amendola:  Heibig,  Führer,  P,  n.  430;  sareof.  Ludovisi: 
Schreiber,  n.  138,  Heibig,  op.  cit.,  II2,  n.  936;  sareof.  Giustiniani:  Rizzo, 
Sculture  ant.  fiel  Palazzo  Giustiniani,  Bull,  comun.  1905,  p,  02  ss.,  tav.  IV 
(ivi  la  bibliografia  e  gli  studi  precedenti). 


I.EGGENUE    I.ATINK    ANTICHISSJME 


Kimaue  che  io  dica  alcuue  parole  relative  alla  cronologia  del 
rilievo.  Muoviamo  dagli  elementi  stilistici  esterni,  per  osservare  che 
i  sarcofagi  cou  le  rappresentanze  mitiche  sono  straordinariamcnte 
rari  nel  primo  secolo  dell'Impero;  e  che  la  forma  del  coperchio, 
con  la  tabella  allungata,  terminata  agli  spigoli  da  due  grandi 
teste,  o  di  Meduse,  o  di  Barbari,  diveuta  giä  comune  nel  secondo 
secolo  (').  Notiamo,  inoltre,  che  nessuno  dei  sarcofagi  con  scene  di 
matrimonio  e  anteriore  al  principio  del  secondo  secolo;  air/i  la  mag- 
gior  parte,  e  i  migliori  di  questi  sarcofagi,  devono  sicuramente  essere 
riferiti  alVetä  degli  Antonini,  come,  per  esempio,  quello  di  Mantova, 
nel  quäle  il  tipo  delle  teste  e  la  forma  caratteristica  della  barba, 
non  lasciano  alcun  dubbio  sulla  precisa  attribuzione  cronologica  del 
rilievo.  Alla  medesima  etä  io  riferisco  il  crrandioso 
sarcofago  Borghese;  e  precisamente  all' etä  fra 
Adriano    e    Antonino    Pio. 

E  noto  come  in  quel  tempo  dell'impero.  grande  e  potente, 
ma  non  lontano  dalla  decadenza,  si  cercassero  di  richiamare  in  vita 
le  antiche  tradizioni,  la  religione  patria,  e  i  prischi  costumi  in- 
corrotti;  ma  questo  richiamo  ußciale  e  politico  all'antieo  rito, 
non  trovava  piü  una  rispondente  eco  nell'anima  romana.  Teutato 
giä  da  Augusto,  quando  la  invasione  dei  culti  e  dei  riti  stranieri 
cominciava,  e  rinnovato  dagl'imperatori  della  famiglia  degli  An- 
tonini, questo  richiamo  rimase  infecondo,  che  la  sentimentalitä 
religiosa  invano  tentava  frapporre  un  argine  al  freddo  scetti- 
cismo  delle  societä  colte,  alla  moda  de'  piü  strani  culti  orien- 
tali,  alla  frenesia  di  misteriosi  riti,  e  —  confessiamolo !  —  al  ca- 
lore  sincero,  onde  l'unica  e  vera  fede  di  quel  tempo  dava  spe- 
ranza  di  pace  alle  anime  affaticate. 

Ed  anche  l'arte  rispecchia  questo  freddo  richiamo  alle  prische 
leggende,  che  oramai  non  avevano  piü  alcun  altro  valore,  se  non 
quello  letterario  ed  artistico.  Basterä  ch'io  ricordi  alcuni  monumenti 
di  questa  etä,  dei  quali  e  come  una  sintesi  (ed  e  certamente  la 
piü    solenne  affermazione  di  questo  idealismo  religioso)  il  tempio 

(')  Cfr.  Altmann,  Archit.  u.  Ornam.  der  ant.  Sarkophage,  p.  05  ss. 

21 


306  G.    E.    RIZZO,    LEGGENDK    LATINR    ANTICHISSIME 

di  Venere  e  Roma,  amorosa  opera  di  Adriano,  nel  cui  frontone  occi- 
dentale  stava  effigiata  la  leggenda  romulea:  Marte  e  Rea  Silvia,  la 
lupa  allattante  i  Gemelli,  e  probabilmente  la  fondazioue  di  Roma. 
Questo,  come  e  notissimo,  noi  possiamo  vedere  nel  frammento 
di  rilievo,  con  la  rappresentanza  del  tempio  di  Venere  e  Roma; 
rilievo  ora  conservato,  in  parte,  nel  Mnseo  Nazionale  Romano  (*)• 

Alla  medesima  etä  appartiene  certamente  l'ara  di  Ostia  (2); 
come  si  puö  desnmere,  oltre  che  dalla  dedica,  con  l'anno  conso- 
lare  124  d.  Cr.,  dallo  stile  levigato  e  freddo,  il  quäle  non  puö 
certamente  essere  di  etä  augustea. 

Se  dunque  l'ara  del  Belvedere  e  le  pitture  del  Columbario 
dell'Esquilino,  sono  una  fra  le  tante  prove,  desunte  dall'arte  figu- 
rata, per  quel  ritorno  alle  antiche  tradizioni,  nel  quäle  si  impernia 
tutta  la  politica  e  tutta  la  religione  dell'etä  augustea,  altri  rao- 
numenti  dell'etä  degli  Antonini,  ai  quali  viene  ad  aggiungersi 
questo  sarcofago,  ci  parlano  del  medesimo  fatto.  E  ci  sarebbe 
anche  da  indagare  —  se  fosse  possibile  —  il  perche  di  queste  scene 
della  prisca  leggenda  latina  nel  rilievo  di  un  sarcofago. 

Esso  doveva  essere,  forse,  destinato  ad  un  grande  perso- 
naggio,  data  la  mole  e  l'eccellenza  del  lavoro,  la  magnificenza 
e  la  raritä  del  soggetto ;  e  considerato  anche  il  significato  religioso, 
e  forse  simbolico  ed  allusivo,  delle  rappresentanze  figurate.  E  se 
vorrä  la  fortima  (il  che  non  e  ancora  lontano  dalle  mie  speranze) 
che  si  ritrovino,  se  non  tutti,  alcuni  almeno  degli  altri  frammenti 
del  grandioso  rilievo,  noi  potremo  aggiungere  alla  storia  della 
plastica,  meno  incompleto,  un  monumento  insigne,  anche  per  il 
modo  in  cui  erano  effigiati  gli  eroi  tradizionali  consaerati,  oltre 
che  nella  religione  e  nel  culto,  neu' arte  schiettamente  romana. 

G.  E.  Rizzo. 
Roma,  nel  dicembre  del  1906. 

(»)  Heibig,  Führer,  I=,  n.  047,  e  IIa,  n.  1037.  Cfr.  Preller-Jordan,  II, 
p.  357.  Tralascio  di  citare  altri  monumenti  di  data  incerta,  per  quanto  pro- 
babilmente dello  stesso  tempo,  come  l'Ara  Casali  ei  frammenti  dell'alto- 
rilievo  donato  da  P.  Hartwig  al  Museo    delle    Terme  (Roem.  Mitteil,  1904, 

p.  23  ss.). 

(2)  Notizie  degli  Scavi,  1881,  p.  112  s.,  tav.  II;  Heibig,  II«,  n.  1086; 
.  1  >ra  —  nel  momento  di  correggere  le  bozze  —  l'articolo  de]  dott.  P.  Ducati, 
L'Ara  di  Ostia,  in  Melange*  d'Archeol  et  d'histoire,  XXVI,  p.  483  ss. 


ZUR  ERKLAERUNG  DES  LUDOVISISCHEN 
MARMORTHRONES. 


Die  Schönheit  der  Reliefs,  die  den  sog.  ludovisischen  Marmor- 
thron zieren  ('),  ist  ebenso  allgemein  bewundert  wie  ihre  Erklä- 
rung unsicher  und  umstritten  ist.  Nicht  einmal  die  Bestimmung 
des  Monuments  ist  allem  Zweifel  entrückt.  Der  erste  Herausgeber 
C.  L.  Visconti  meinte,  dass  die  drei  Platten  als  Umfriedigung  einer 
Treppe  gedient  hätten,  die  in  ein  unteres  Stockwerk  hinabführte, 
eine  Annahme,  die  nicht  mehr  widerlegt  zu  werden  braucht.  Pe- 
tersen hat  in  einem  Aufsatz,  der  für  das  Verständnis  des  Monu- 
ments grundlegend  ist  (2),  die  Ansicht  ausführlich  begründet,  dass 
die  drei  Marmorplatten  Rückwand  und  Seitenlehnen  eines  Thron- 
sessels sind.  Diese  Erklärung  ist  jetzt  herrschend,  obgleich  auch 
sie  Widerspruch  erfahren  hat.  In  seinem  Führer  II2  S.  118  nennt 
Heibig  das  Monument  ein  dreiseitiges  Marmorwerk  und  äussert 
sich  dahin,  dass  gewisse  Einzelheiten  sich  nur  in  etwas  gezwun- 
gener Weise  mit  der  Auffassung  als  Thron  in  Einklang  bringen 
lassen,  weiss  aber  keine  befriedigendere  Hypothese  vorzuschlagen. 
Jene  Einzelheiten  hat  er  nicht  näher  ausgeführt.  Jedenfalls  kami 
das  Monument,  das  dem  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  angehört, 
nicht  profanen  Zwecken  gedient  haben,  sondern  muss  einem  Gott 
geweiht  gewesen  sein.  Dann  legt  jedoch  die  Form  den  Gedanken 
an  einen  Throusitz  am  nächsten.  Wir  müssen  uns  vergegenwärtigen, 
dass  ein  Götfcerthron  wegen  seiner  besonderen  Bestimmung  sehr 
wohl  etwas  abweichend  von  einem  gewöhnlichen  Thronos  gestaltet 


(i)  Abbildungen    Bull,    comun.    1887    Tf.    XV.  XVI;  Rom.    Mitth.  VII 
^1892)  Tf.  II  u.  Fig.  X  u.  XI  S.  54  u.  55 ;  Ant.  Denkm.  II  Tf.  6  u.  7  u.  ö. 
(2)  Petersen,  Aphrodite,  Rom.  Mitt.  VII  (1802)  S.  32  ff. 


303  M.    P.    NILSSüN 

sein  kann.  Auch  die  in  Terrakotta  vorhandenen  Typen  weisen  sehr 
mannigfaltige  Formen  auf.  wie  ein  Blick  auf  die  thronenden  Fi- 
guren  in  Winters  Typen  der  figürlichen  Terrakotten  zeigt,  obgleich 
etwas  genau  entsprechendes  sich  nicht  findet. 

Es  kommt  noch  eines  hinzu.  Wir  wissen  noch  nicht,  welche 
Gottheit  den  Thron  besessen  hat;  denn  die  Hypothese  von  Pe- 
tersen a.  a.  0.  S.  61  ff.,  dass  der  kolossale  archaische  Kopf  der 
Sammlung  Ludovisi  (l)  zu  einer  Statue  der  Aphrodite,  die  den 
Thron  einnahm,  gehört  habe,  dürfte  aufzugeben  sein.  Noch  weniger 
wissen  wir,  wie  das  Bild  auf  dem  Thron  aussah.  Man  stellt  sich 
es  unwillkürlich  als  sitzend  vor,  aber  auch  das  ist  in  dieser  frühen 
Zeit  nicht  sicher.  Auf  den  Münzen  von  Ainos  (2)  ist  ein  hermen- 
förmio-es  Idol  auf  einem  Thronsitz  stehend  dargestellt.  Dasselbe 
bezeugt  uns  Pausanias  für  das  Bild  des   amykläischen  Apollon. 

Auch  für  unseren  Fall  muss  diese  Möglichkeit  offen  gehalten 
werden.  Jedenfalls  spricht  die  höchste  Wahrscheinlichkeit  dafür. 
dass  die  Platten  zu  einem  Throne  gehört  haben.  Sie  dienten  aber 
nur  als   Füllungen   der   Rückwand  und  der    Seitenlehnen.   Peter- 


*o~ 


seil  hat  darauf  hingewiesen,  dass  die  abgearbeiteten  Ausschnitte 
an  den  Unterkanten  der  Platten  durch  einen  Metallbelag  verdeckt 
gewesen  sein  müssen.  Auch  die  Innenseiten,  die  gerauht  sind, 
können  nicht  sichtbar  gewesen  sein.  Mag  das  Bild  gestanden 
oder  gesessen  haben,  unbedingt  müssen  auch  sie  auf  irgend  eine 
Weise  verdeckt  gewesen  sein,  vielleicht  auch  durch  Metall.  Die 
Sitzfläche  fehlt,  so  dass  wir  von  ihr  nichts  sagen  können.  Danach 
will  es  uns  am  wahrscheinlichsten  dünken,  dass  das  Gerippe  des 
Thrones  aus  irgend  einem  anderen  Materiale  bestand  und  dass 
an  der  Oberseite  der  Sitzfläche  Falze  angebracht  waren,  in  denen 
die  als  Füllungen  dienenden  Marmorplatten  vermittels  Dübel,  für 
welche  die  Löcher  noch  vorhanden  sind,  befestigt  werden  konn- 
ten.  Doch  sind  das  nur  Vermutungen.  Bei  der  Erklärung  ist  an 
der  sacralen  Bestimmung  des  Monuments  unverrückt  festzuhalten. 


(')  Mon.  ined.  X  Tf.  I;  Baumeister,  Denkm.  des  klass.  Alt.  I  S.  337; 
Heibig,  Fülirer  II*  Nr.  027. 

(2)  Abbildung,  z.  B.  Müller-Wieseler  A.  D.  11,28,298;  Reiche!,  Vorhell. 
Götterkulte  S.  16,  Fig.  5  u.  6;  vgl.  Furtwängler,  Meisterwerke  IS.  001  A.  1, 

wo  noch  andere  Verweise. 


ZUM    LUDOVISISCHEN    MARMORTHRON  309 

Ich  lasse  zunächst  die  am  lebhaftesten  umstrittene  Darstellung, 
die  der  Rückwand,  bei  Seite  und  gehe  von  den  beiden  Seitenstücken 
aus,  die  weniger  Aufmerksamkeit  erregt  haben,  aber  m.  E.  weit 
auffallender  und  noch  nicht  genügend  erklärt  sind.  Auf  der  einen 
Seite  sieht  man  eine  ganz  nackte  Hetäre  in  lässiger  Stellung,  das 
eine  Bein  über  das  andere  geschlagen,  die  Doppeltlöte  blasen. 
Dass  diese  Gestalt  einen  aus  Vasengemälden  vom  Anfang  des 
5.  Jahrhunderts  bekannten  Hetärentypus  widergibt,  ist  gleich 
ausgesprochen  worden  (').  Auf  der  anderen  Seite  sitzt  eine  Frau 
in  fast  derselben  Stellung,  aber  im  Gegensatz  zur  ersteren  dicht 
eingehüllt ;  sie  hat  ihr  Himation  über  den  Kopf  gezogen,  so  dass 
nur  ein  schmaler  Streifen  der  Stirnhaare  sichtbar  ist;  in  der  lin- 
ken Hand  hält  sie  ein  Kästchen  (mit  Weihrauch),  mit  der  rechten 
streut  sie  einige  Körner  in  das  vor  ihr  stehende  Thymiaterion. 
Der  Gegensatz  ist  augenfällig  und  deutlich  von  dem  Künstler 
beabsichtigt.  Für  unser  Gefühl  ist  es  ein  Ämore  sacro  e  profano 
aus  dem  Anfang  des  5.  Jahrhunderts. 

Allegorien  sind  freilich  dieser  Zeit  fremd;  Petersen  hat  daher 
auch  nur  im  Vorübergehen  an  jenen  Vergleich  erinnert,  sachlich 
fasst  er  die  beiden  Frauen  als  Verehrerinnen  der  Aphrodite  auf, 
die  eine  als  eine  Hetäre,  die  andere  als  eine  Braut.  Die  Deutung 
der  einen  Frauengestalt  als  Braut  beruht  aber  ausschliesslich  auf 
ihrer  Verhüllung  ('-').  Genügt  nun  diese  allein  schon  um  eine  Frau 
als  Braut  zu  kennzeichnen?  Die  Monumente  lehren  das  Gegen- 
teil. Allerdings  war  die  Braut  bei  dem  ersten  Teil  der  Hoch- 
zeitsfeier verhüllt,  erst  am  Schlüsse  des  Festmahles  wurde  ihr 
Antlitz  dem  Bräutigam  enthüllt.  Daher  heissen  die  bei  dieser  Ge- 
legenheit dargebrachten  Geschenke  caaxaXvjix^uia  (3).  Aber  die 
Verhüllung  des  Kopfes  war  keineswegs  auf  diese  Gelegenheit 
beschränkt,  die  Monumente  zeigen  vielmehr,  dass  die  gänzliche 
Einhüllung  in  den  Mantel  allgemein  üblich  war,  wo  Frauen  in 
der  Oeffeiitlichkeit  züchtig   und    angemessen  auftraten    und    zwar 

(')  Petersen  a.  a.  0.  S.  56;  vgl.  Klein,  Gesch.  d.  gr.  Kunst  I,  395. 

(?)  H.  v.  Fritze,  die  Rauchopfer  bei  den  Griechen  S.  30  hat  Wider- 
sprach erhoben,  dabei  gibt  er  aber  sowohl  den  offenbaren  Gegensatz  wie  jede 
Deutung  preis. 

(»)  S.  Deuhner,  Jahrb.  d.  Inst.  XV  (1900;  S.  149. 


310  M.    P.    MLSSON 

sowohl  für  verheiratete  wie  für  nicht  verheiratete  Frauen  (').  Aus  die- 
sem Grunde  sehen  wir  auch  bei  Opferszenen  anwesende  Frauen  mit 
über  den  Kopf  gezogenem  Mantel  dargestellt  (2).  Dass  man  graeco 
ritu  unverhüllt  opferte,  gilt  also  nicht  von  ihnen.  Dass  übrigens  die 
Braut  ein  Rauchopfer  darbrachte,  ist  nirgends  bezeugt:  die  ttqo- 
rsksta  yafioor  bestanden  in  ihrem  Spielzeug,  Mädchenkleidern 
u.  s.  w. 

Man  darf  also,  wie  mir  auch  ein  vorzüglicher  Kenner  der  Kul- 
tusaltertümer, Dr.  P.  Stengel  schreibt,  in  der  Verhüllung  der  Frau 
des  Thrones  Ludovisi  nur  deren  Strassentoilette  erkennen.  Wenn  man 
sie  trotzdem  als  eine  Braut  deutet,  baut  man  auf  jenen  allegorisie- 
renden  Gegensatz  zwischen  Aphrodite  Urania  und  Pandemos :  der 
Künstler  soll  unter  den  Verehrerinnen  der  Aphrodite  eine  Hetäre  und 
eine  Braut  ausgewählt  haben,  um  durch  sie  die  beiden  Seiten  der  Lie- 
besgöttin  auszudrücken,  richtiger  zu  svmbolisieren.  Es  hilft  hierbei 
nichts,  wenn  man  mit  Petersen  auf  die  Hierodulen  auf  dem  Eryx  und 
in  Korinth  hinweist.  Der  Anlass,  die  Hetäre  neben  die  Braut  zu  set- 
zen, könnte  nur  jener  allegorisierende  Gedanke  gewesen  sein.  Das 
ist  aber  dem  Anfange  des  5.  Jahrhunderts  fremd.  Wenn  die  Dar- 
stellungen, welche  Tempel  und  Geräte  der  Götter  schmücken, 
nicht  aus  dem   Mythenschatz    geschöpft    werden,    sind   sie    durch 

(')  So  richtig  Heydemann,  4.  Hall.  Winckelmannsprogr.  S.  14  f.  Ich  erin- 
nere noch  an  die  zierlichen  Terracotta-Figuren :  sie  stellen  sicherlich  weder 
Bräute  noch  Matronen  dar ;  vgl.  Winter,  Typen  der  figürl.  Terrakotten  I  S. 
90  n.  5  ;  II  S.  4  n.  6,  7  n.  3,  34  n.  7.  35  n.  7.  Auf  der  Sosias-Schale  (Berlin 
n.  2278)  haben  auch  die  jungfräulichen  Göttinnen  Arterais  und  Athene, 
ebenso  Hebe  und  zwei  der  Hören  den  Mantel  über  den  Kopf  gezogen.  Die- 
selbe Tracht  finden  wir  bei  einem  der  Mädchen  auf  der  Schale  Gerhard 
A.  V.  Tf.  297,  2  und  an  dem  Innenbild  Tf.  296,  3:  beide  Bilder  stellen 
Jünglinge  im  Verkehr  mit  Hetären  dar.  Sehr  häufig  ist  die  Verhüllung  des 
Kopfes  auf  den  attischen  Grabreliefs,  und  zwar  nicht  nur  für  die  Hausfrau, 
sondern  auch  für  Nebenpersonen  und  Besuchende  (z.  B.  Conze  Tf.  LXXII). 
Schliesslich  sei  noch  auf  die  Manteltänzerinnen  hingewiesen,  bei  denen  die 
Verhüllung  nur  die  Anmut  der  Tanzbewegung  heben  soll  (vgl.  Heydemann 
a.  a.  0.) 

(2)  Vgl.  Relief  im  Louvre  Clarac  214,  256  =  Baumeister  Denkm.  I.  297; 
Votivrelief  aus  Eleusis  ebenda  Baumeister  I.  416;  Relief  in  Villa  Albain 
Jahrb.  d.  Inst.  II  (1887)  109;  Votivrelief  an  die  Nymphen  und  Pan,  Müller- 
Wieseler  II,  14,  555;  Votivrelief  an  Asklepios  aus  Athen,  Svoronos  National- 
mus. Tf.  XXXV,  4.  XXXVI,  3,  die  Fragmente  ebenda  XXXVII,  6.  XL,  2. 


ZUM    LUDOVISISCHEN    MARMORTHRON  311 

bestimmte  Anlässe  des  Kults  hervorgerufen.  So  hat  Pheidias  auf 
dem  Cellafries  des  Parthenon  nicht  beliebige  Verehrer  der  Athena 
dargestellt,  sondern  die  feierliche  Prozession,  die  an  dem  Fest  der 
Göttin  nach  ihrem  Tempel  zog.  Wir  müssen  also,  um  den  Anfor- 
derungen an  eine  Erklärung  zu  genügen,  eine  Gelegenheit  suchen, 
wo  Bürgerinnen —  eine  solche  ist  jene  Frau  sicher,  denn  der  Künstler 
hat  sie  im  bewussten  Gegensatz  zu  der  Nacktheit  der  Hetäre  so 
anstandsvoll  dicht  eingehüllt  dargestellt  —  und  Hetären  an  einem 
Kult  als  solche  teilnehmen  und  in  ausgesprochenen  Gegensatz 
zu  einander  treten.  Es  giebt  einen  solchen  Kult.  In  Korinth  fei- 
erten die  Bürgerinnen  für  sich  und  die  Hetären  für  sich  der 
Aphrodite  ein  öffentliches  Fest,  bei  welchem  die  Hetären  auch  im 
Komos  umherzogen  wie,  eine  Stelle  des  Komikers  Alexis  (')  lehrt. 
Die  flöteuspielende  Hetäre  vertritt  so  recht  die  im  lustigen 
Komos  umherschwärmenden  Hierodulen,  die  dicht  verhüllte  Frau 
die  Bürgerinnen,  welche  gerade,  weil  sie  gleichzeitig  dieselbe 
Göttin  wie  die  Hetären  feierten,  noch  strenger  auf  ein  gemessenes 
Auftreten  Wert  gelegt  haben  werden. 

Bei  der  Besprechung  unseres  Monuments  ist  an  das  bekannte 
Skolion  von  Pindar  erinnert  worden,  wo  er  die  Hierodulen  zu  Ko- 
rinth ihre  Göttin  mit  Räucherwerk  verehren  lässt  (-).  Nun  ist  es 
gerade  die  Bürgerin,  die  Rauchopfer  darbringt;  warum  sollte  aber 
nicht  auch  sie  der  Aphrodite  ein  so  gewöhnliches  und  besonders 
in  dem  Kreise  dieser  Göttin  häufig  vorkommendes  Opfer  darbrin- 
gen können?  Die  Hetäre  bläst  die  Flöte,  weil  der  Künstler  den 
das  Fest  begleitenden  Komos  im  Sinn  hat. 

Wenn  also  die  Bilder  der  Seitenlehnen  aus  einem  Fest  der 
Aphrodite  zu  erklären  sind,  so  folgt,  dass  dasjenige  der  Rückwand 
sich  auf  dieselbe  Göttin  beziehen  muss.  So   wird    hierdurch    eine 


(')  Fr.  253  Kock: 

'Jifoodiai  i]yt   taig   tTatQaig   ij   nü'/.ig. 
ereoa  de  /wjn'c  toxi  rmg  ikerd-igats  " 
taig  fjuegaig  xavxatg  tft  x<o(id£eiv  tüog 
iaxlr  vöuog  xe  lüg  ixaloag  iv&i'.Je 
(us!>ve(y)  fied-'  ijuwv. 

(2J  Pindar  Fr.   122  B4:  iBg  /honüg    hßuvov  gcci&ü    ddxQTt    'Uutris.    S. 
Petersen  a.  a.  0.  S.  57;  v.  Fritze-  a.  a.  <  >. 


312  M.    P.    NILSSON 

Stütze  gefunden  für  die  glückliche  Deutung  Petersens  auf  die  aus 
dem  Meere  auftauchende  Aphrodite,  welche  die  Hören  empfangen 
und  bekleiden  (').  Hierzu  möchte  ich  noch  auf  eines  aufmerksam 
machen. 

Die  beiden  Hören  fassen  auf  dieselbe  Weise  jede  einen  Zip- 
fel des  Gewandes  an,  das  vor  dem  Unterkörper  der  Göttin  nieder- 
hängt. Der  obere  Rand  des  Gewandes  musste,  wenn  die  Hand  still 
bleibt,  von  der  Hand  aus  schräg  einwärts  verlaufen;  so  links.  Nun 
bildet  er  aber  über  dem  Zeigefinger  der  Höre  rechts,  an  welchen  er 
dicht  gepresst  liegt,  einen  Knick  und  nimmt  darunter  einen 
zuerst  etwas  nach  aussen  abbiegenden  Verlauf  an.  Ein  solcher 
Verlauf  des  Randes  kann  nicht  entstehen,  wenn  das  Tuch  frei 
niederhängt,  sondern  nur  wenn  es  von  der  Hand  nach  hinten  be- 
wegt wird.  Dieses  Bewegungsmotiv  zeigt  also  in  der  Tat,  dass 
die  Höre  im  Begriff  ist,  das  Kleid  um  die  Göttin  zu    legen  (2). 

Stellen  die  Reliefs  also  die  Feier  eines  korinthischen  Aphro- 
ditefests  dar,  so  hat  der  Thron  vermutlich  der  Aphrodite  auf 
Akrokorinth  gehört.  Eine  Reihe  korinthischer  Münzen  aus  der  Kai- 
serzeit zeigen  uns  das  Tempelbild:  eine  Aphrodite,  die  den  Schild 
des  Ares  als   Spiegel  vor    sich    hält;    sie   wird    auch  auf  Akro- 


(»)  Wolters,  'Ecf  r,u.  uQxaio'A.  1897  S.  222  hat  die  bekannte  Hypothese 
vorgetragen,  dass  eine  Geburtsgöttin  unter  dem  Typus  einer  in  Kniestellung 
gebärenden  Frau  dargestellt  sei;  ihm  schliesst  sich  neuerdings  Klein  an, 
Gesch.  der  gr.  Kunst  I,  397.  Entschiedenen  Widerspruch  hat  der  Gynäkologe 
Morgoulieff  erhoben,  Ftudes  sur  les  mon.  ant.  repr.  seines  d'aecouchement, 
Paris  1893,  S.  45  ff.;  vgl.  Dümmler,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1894,  S.  963. 
Wolters  hat  selbst  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  das  kreuzweise  über- 
schlasene  Bein  der  Hetäre  als  die  Geburt  hemmend  betrachtet  werden  könnte, 
dies  aber  abgewiesen,  weil  das  Zeugnis  römisch  ist.  Aehnlicher  Aberglaube 
begegnet  aber  auch  in  Griecheland,  vgl.  z.B.  Schob  Townley.  T,  119:  'Iargog 
de  (frtaiv  ätiivovarjg  üXxfJirjvrjg  xüg  /eigug  awax^v  lüg  Molgag.  Uebrigens 
dürfte  die  Flötenbläserin  bei  einer  so  ernsten  Gelegenheit  nicht  nackt  auf- 
treten können.  Heibig,  Führer  II3  119  vergleicht  die  Darstellung  mit  den 
Vasenbildern  mit  der  heraufsteigenden  Göttin,  hebt  aber  die  grossen  Ab- 
weichungen hervor,  welche  hindern  das  Bild  hierher  zu  ziehen. 

(2)  Leider  ist  dies  in  den  bisherigen  Abbildungen  nicht   genau    zu    er- 
kennen, weil  sie  alle  von  rechts  aufgenommen  sind,  so  dass   der    Rand    des 
andes  an  der  entscheidenden    Stelle    teils  von  der  Hand,  teils    von  dem 
.Schatten  verdeckt  ist. 


/IM    I.rDOVISISCIlEN    MARMORTIIRON  313 

korinth  oder  in  ihrem  Tempel  auf  dein  Berge  dargestellt  ('). 
Diese  Statue  kann  aber  erst  der  Zeit  nach  der  Wiederherstellung 
der  Stadt  durch  die  Römer  angehören.  Wie  die  ursprüngliche 
Statue  aussali,  ist  vielleicht  aus  einem  Versehen  des  Pausanias 
zu  erschliessen.  Er  nennt  II,  5,  1  die  Aphrodite  von  Akrokorinth 
eine  (bnAiGfievr);  man  wird  .sich  aber  schwer  denken  können,  wie 
er  eine  Gestalt,  die  sich  halbnackt  in  einem  Schild  spiegelt,  be- 
waffnet nennen  kann.  Vielleicht  beschreibt  er  hier  nicht  das  zu 
seiner  Zeit  tatsächlich  vorhandene  l>ild,  sondern  gehöpft  nach  seiner 
Gewohnheit  die  Notiz  aus  einem  älteren  Periegeten.  Man  wird 
auch  leicht  verstehen,  dass  bei  der  Wiederherstellung  des  Kultes 
in  der  Römerzeit  die  fremdartig  anmutende  bewaffnete  Aphro- 
dite durch  den  geläufigen,  etwas  anklingenden  Typus  ersetzt  wurde. 
War  aber  das  alte  Idol  bewaffnet,  so  müssen  wir  die  oben  er- 
wähnte Möglichkeit  in  Anspruch  nehmen,  dass  es  auf  dem  Thron- 
sitz stand. 

Bei  der  Plünderung  Korinths  durch  die  Soldaten  des  Mum- 
mius  wurde  auch  der  Aphroditetempel  ausgeraubt.  Die  schönen 
Reliefplatten,  die  den  Hauptschmuck  des  Thrones  der  Göttin  bil- 
deten, sind  mit  so  viel  anderen  nach  Rom  geführt  worden,  wo  ein 
günstiges  Geschick  sie  uns  bewahrt  hat. 

Martin  P.  Nilsson. 
Rom,  Februar  1907. 

(')  Catal.  of.  Greek  Coins  in,  Brit.  Mus.  Corinth.  n.  592,  PI.  XIX.  12; 
n.  664  PL  XXII,  7;  im  Tempel  n.  <i23,  PI.  XX.  23;  die  Münzen  sind  zu- 
sammengestellt JUS.  VI  (1885)  75  ff.  PI.  Uli,  <;.  n.  CXXI-CXXVI. 


ARCHAISCHE  ELFENBEINRELIEFS 
(Mit  Taf.  XV-XVI). 


Die  auf  Tafel  XV  in  Originalgrösse  reproduzierten  archai- 
schen von  einem  Kästchen  stammenden  Elfenbeinschnitzereien  waren 
in  der  Sammlung  Guilhou  und  sind  in  Buvo  gefunden  (J)  wor- 
den. Die  Anordnung  auf  der  Tafel  folgt  der  willkürlichen  vom 
früheren  Besitzer  vorgenommenen  Verteilurjg  auf  dem  modernen 
Untergrunde,  Man  sieht  zwei  nach  links  sitzende  als  Appliquen 
gedachte  Löwen  (Halbfigur,  je  3,9  cm.  lang,  1,75-1,9  cm.  hoch) 
und  vier  längliche  dreimal  mit  seitlichen  Falzen  versehene,  in 
drei  Fällen  mit  je  vier,  in  einem  mit  nur  zwei  länglichen  paral- 
lelen Linien  verzierte  Streifen,  deren  Länge  (einer  ist  fragmentiert) 
von  4,9  cm.  bis  10,7  cm.  und  deren  Höhe  von  1,2  cm.  bis  1,8  cm. 
variirt.  Die  ganz  erhaltenen  Leisten  tragen  auf  ihrer  schmalen 
unteren  Kante  vier  (das  fragmentierte  nur  zwei)  in  regelmässigen 
Abständen  angebrachte  Bohrlöcher;  in  dem  einen  auf  A  steckt 
noch  der  Kest  eines  verrosteten  Bronzenagels.  Zwischen  diesen 
Streifen  befinden  sich  nun  zwei  mit  flachen  Reliefs  versehene  oblonge 
Platten.  Die  eine  (auf  A)  ist  9,3  cm.  lang  und  3  cm.  hoch.  In 
einem  seitlich  von  einem  Kymation  begrenztem  Rahmen  sind  zwei 
mit  jonischem  Chiton  und  um  den  Unterleib  geworfenem  Himation 
bekleidete  Frauen  auf  einer  Kline  nach  links  hin  gelagert.  Unter 
den  1.  Armen  kommt  je  ein  Kissen  zum  Vorschein.  Bei  der  rechts 
gelagerten  quellen  unter  der  Spitzenhaube  fünf  sorgsam  frisierte 
gewellte  Haarsträhnen  hervor.  Sie  hat  in  eifriger  Unterhaltung  mit 
der  anderen  ihr  den  Kopf  zuwendenden  Frau  die  rechte  Hand  ge- 
sticulierend    erhoben.   Die  andere  Frau  hält  in  der  Rechten  eine 

(')  Kurz  erwähnt  im  Catalogue  des  oojets   antiques  et  du  moyen  äge 
provenant  de  la  collection  de  M.  Guilhou,  Paris  1905  p.  49  n°.  327. 


L.    POLLAK,    ARCHAISCHE    ELFEN BEIKKEMEFS  31") 

Blutenknospe  am  langen  Stengel,  in  der  Linken  einen  länglichen 
Gegenstand,  der  seine  Erklärung  erst  weiter  unten  finden  wird. 
Das  Relief  ist  so  wie  es  jetzt  erhalten  ist,  nicht  vollständig.  Eine 
untere  Begrenzung  fehlt.  Hier  schloss  sich  eine  ebenso  grosse  Re- 
liefplatte an,  welche  wahrscheinlich  die  Kline,  dann  vielleicht 
noch  ein  Tischchen  mit  Speisen  enthielt. 

Den  bankettierenden  Frauen  entspricht  auf  dem  anderen  leider 
nicht  so  gut  erhaltenen  (9,8  cm.  1.  2,9  cm.  h.)  Relief  B  ein  Jüng- 
ling, der  im  Begriffe  ist  von  einem  nach  links  rennenden  Rosse, 
jenseits  dessen  ein  zweites  sichtbar  wird,  herunterzuspringen  ('). 
Der  Reiter,  dessen  lange  Haarsträhne  im  Winde  flattern,  trägt 
einen  kurzärmeligen  Chiton  und  eine  Chlamys,  deren  Enden  schwal- 
benschwanzähnlich verlaufen.  Vom  jugendlichen  Gesichte  ist  nur 
ein  Teil  der  Stirn  und  Nase  und  der  Mund  erhalten.  Mit  der  ausge- 
streckten Rechten  hielt  er  die  einst  gemalt  gewesenen  Zügel,  die 
Linke  scheint  geballt  gewesen  zu  sein  und  hielt  einen  stabarti- 
gen Gegenstand  vielleicht  eine  Peitsche.  Die  Pferde  tragen  vorne 
auf  der  Stirne  in  der  eiligen  Bewegung  hin  und  her  geworfene 
Haarbüschel,  im  Maule  werden  Zähne  sichtbar.  Auch  hier  schloss 
sich  eine  zweite  Platte  an,  welche  das  Relief  weiter  nacli  unten 
fortführte.  Reste  von  roter  Farbe  sind  auf  dem  ersten  Relief  in 
der  Haube,  dem  Gewände  der  Frau  rechts  und  auf  ihrem  Kissen, 
dann  im  Gewände  der  zweiten  Frau  und  der  von  ihr  gehaltenen 
Knospe  zu  constatieren ;  auf  dem  Reiterrelief  in  den  Mähnen  der 
Pferde  und  der  Chlamys.  Auch  der  Löwe,  welcher  über  dem  Relief 
sitzt,  war  bemalt.  Dasselbe  Rot  sitzt  noch  jetzt  in  seinem  Maule 
und  auf  den  Hinterbeinen.  Auch  die  länglichen  Streifen  zeigen  in 
den  parallelen  Linien  Spuren  dieser   Farbe. 

Auf  der  Rückseite  weisen  alle  diese  Kästchenteile  schräg  ein- 
geritzte, theils  parallel  laufende,  theils  sich  kreuzende  Linien  auf. 
Ihr  Zweck  kann-  nur  der  gewesen  sein,  dem  Klebemittel,  mit  dem 
diese  Blättchen  auf  dem  hölzernen  Gestelle  befestigt  waren,  durch 
die  so  erzielte  Rauheit  einen  stärkeren  Halt  zu  geben  als  ihn  sonst 
die  flache  Rückseite  bot  ('-). 

(*)  Vgl.  die  freilich  ein  Jahrhundert  jüngere  Gruppe  aus  Lokri  Pe- 
tersen Rom.  Mitth.  1890  Taf.  IX. 

(a)  So  müssen  wir  auch  die  Linien  auf  dem  Elfenbeinrelief  aus  Sputa 
B.  C.  II.  II  pl.  XVI.  r.  p.  2  13  erklären. 


316  L-    PULLAK. 

Diese  lleliefs  stellen  eine  wichtige  Frage  für  eine  ganze 
Klasse  von  Denkmälern  aus  Elfenbein  und  Kuochen,  welche  stili- 
stisch und  zeitlich  einheitlich  sind  und  im  Zusammenhange  bisher 
nie  behandelt  wurden.  Eine  Aufzählung  wird  nötig  sein.  Es  sind  mir 
folgende  Exemplare  —  die  meisten  auch  aus  Autopsie  —  bekannt 
geworden  (*) : 

I.  Louvre.  Aus  der  Sammlqng  Campana.  1855  in  Corneto  gefunden.  Elfenbein. 

Brunn  in  Jen  Ann.  delVIst,  1860  p.  478,  Mon.  delVht.  VI  pl.  46  (1-4). 
Hier  auf  Tafel  XVI  nach  freundlichst  von  der  Direktion  des  Louvre 
gestatteten  zum  ersten  Male  hergestellten  photographischen  Aufnahmen. 
Die  aus  je  zwei  separaten  Täfelchen  gearbeiteten  keine  richtigen 
Oblongen  bildenden  Platten  gehören,  wie  mir  Michon  schreibt,  paar- 
weise zusammen  und  zwar  einerseits  a)  Bankettscene  (11,4  cm.  1., 
6,6  cm.  h.)  und  b)  Wagen  (11,  6  cm.  1.,  6,4  cm.  h.);  andererseits  c)  Me- 
erwesen (10,  6  cm.  1.,  6,5  cm.  h.)  und  d)  Hirschjagd  (11  cm.  1„  6,5 
cm.  h.)  Ich  notierte  mir  im  Sommer  1906  Reste  von  Rot  im  Haare  des 
Meerwesens,  dann  auf  seinem  Polster,  in  der  Mähne  der  Flügelpferde; 
Reste  von  aufgesetztem  Schaumgolde  in  dem  die  Reliefs  umgebenden 
Kymation.  Ob  auf  der  Rückseite  Buchstaben  eingeritzt  sind,  kann  man 
nicht  mehr  entscheiden,  da  die  sehr  zerbrechlichen  Platten  seinerzeit 
unlösbar  auf  Karton  aufgeklebt  wurden. 

II.  Museo  archeologico  in   Florenz.  Knochen.  Aus  Orvieto.  Publ.  Museo  Ital. 

III  p.  213.  Graeven,  antike  Schnitzereien  Phot.  10.  11.  Kymationrand 
a)  Zwei  Jünglinge  bankettierend ;  b)  Hirschjagd;  c)  fragmentiert,  drei 
bankettierende  Personen;  d)  Löwe,  Rundfigur. 

III.  Unsere  auf  Tafel  XV  publizierten  Elfenbeinreliefs  aus  Ruvo. 

IV.  British  Museum.  Elfenbein.  Neue  Erwerbung  1906.  Vgl.  Archaeologischer 

Anzeiger  1906  p.  250.  Meiner  Ansicht  nach  wahrscheinlich  identisch 
mit  den  im  Catalogue  Guilhou  unter  n.  328  ohne  Provenienz  angege- 
benen drei  Fragmenten. 

Hier  nach  freundlichst  von  der  Museumsleitung  erlaubten  Photogra- 
phien publiziert  (Fig.  1)  und  zwar:  a)  ein  Steinbock  wird  von  einem  Löwen 
in  den  Nacken  gebissen,  10,5  cm.  1.,  3,3  cm.  h.  Der  untere  Teil  der 
Platte  fehlt;  b)  kleines  Fragment,  4,6  cm.  L,  2,2  cm.  h.  Zwei  beflü- 
gelte Vorderfüsse  eines  Pferdes.  Die  Darstellung  muss  dem  Pariser  Re- 
lief Ib  ähnlich  gewesen  sein;  c)  im  Museum  selbst  zusammengestellt 
und    darnach    so    photographiert,  aber    meiner  Ansicht  nach    trotz  der 

Ci  Der  Unterschied  des  Materials,  ob  Elfenbein  oder  Knochen,  ist  nicht 

scheidend.  Die  Alten  benützten  beide   gleichwertig.   Ich   habe    hier   nicht 

bloss  die  Reliefs  sondern    auch  die  anderen    in  jeder    Hinsicht    zugehörigen 

figürlichen  Appliquen  der  Kästchen    aufgezählt.   Nicht  notiert  sind   dagegen 

die  in  vielen  Sammlungen  sieh  findenden  einfachen  Leisten. 


AHCHAISCHE    F.LFENBEI.NRELIEFS  317 

scheinbar  auf  der  Rückseite  übereinstimmenden  schrägen  Striche  nicht 
zusammengehörig.  11,5  cm.  1..  6  cm.  h.  Oben  Silen  nach  1.  gelagert. 
Von  einer  zweiten  links  von  ihm  gelagerten  Figur  ist  nur  eine  Hand 
erhalten  (die  unmöglich  zum  silen  gehört  hat)  die  ihm  eine  Schalt  (?) 
(Trinkhorn?)  reicht,  unklar  ist  der  über  die  Brusl  des  Silens  querüber- 
gehende   Schweif.    Gehörte   er  zu    der  fehlenden  Figur  links?  Auf  der 


Fi?.  1. 


unteren  Platte  sieht  man  einen  Panther,  über  ihm  ein  Krotalenpaar, 
links  einen  Silenschweif  und  dazwischen  einen  unklaren  einem  Thier- 
schenkel  ähnlichen   Gegenstand. 

V.  Ebenda.  Aus  der  Sammlung    Millingen.  Knochen.   10,5  cm.  1..  2,3  cm.  h. 

Zwei  nach  1.  gelagerte  Frauen  mit  Spitzhaube  in  Conversation.  Auf  der 
Rückseite  eingeritzt  S'-fc . 

VI.  Ebenda.  Bein.   Einst  Sammlung  Chester.  Aus  Chiusi.  8.7  cm.  1.,  1,2  cm.  h. 

Nach  r.  gelagerter  Hund.  Auf  der  Rückseite  geritzt  T-J'  • 

VII.  Ebenda.  Pein.   Fragmentiert.    3,3  cm.  1.,  2,2  cm.  h.  Nach  1.  gelagerter 
grosser  Vierfüssler  (Rind?). 


318  L«    POLLAK 

VIII.  Ebenda.  Unter  den  Ivoiries  befindet  sich  als  n.  10  ein  archaisches 
Kiistchen  aus  Chiusi.  Einst  Coli.  Castellani.  Als  einzig  erhaltenes  Spe- 
cimen  eines  solchen  Kästchens  wäre  es  sehr  wertvoll,  wenn  es  nicht 
leider  ein  Pasticcio  wäre.  Es  sind  darin  folgende  Reliefs  eingelassen 
(je  ca.  12  cm.  1.,  8  cm.  h.):  a)  Mann  mit  einem  Pferd  (rote  Farbspu- 
ren);  b)  Sphinx  nach  r.  gelagert;  c)  fliehende  Gestalt  (weiblich?).  Iden- 
tisch mit  dem  von  Graeven  a.  a.  0.  p.  36  (Anm.  4)  citierten  Kästchen  ? 

IX.  Bei  Pröhner  in  Paris.  Elfenbein.  Einst  Sammlung    Gre'au.  Aus  Etrurien. 

7  cm  1.,  2.8  cm.  h.  Nach  von  Froehner  liebenswürdigst  gesandter  Pho- 
tographie auf  Taf.  XVI  publiziert.  Drei  Tauben  fliegen  nach  1.  über 
das  Meer.  Auf  der  Rückseite  eingeritzt  A- 

X.  Ebenda.  Aus    Etrurien.  6,6  cm.  L,  2,2  cm.  h.    Kymationrand.  Löwe  nach 

1.  liegend  leckt  die  linke  Vorderpfote.  Rückseite  :   L  • 
XL  Ebenda.    Aus    Etrurien.  5,8  cm.   1.,  1,7  cm.  h.  Kymationrand.  Ein  Löwe 
beisst  in  den  Rücken  eines  Esels,  ein  zweiter  Esel  liegt  r. 

XII.  Ebenda.  Aus  Cypern.  Einfacher  Rand.  6,2  cm.  1.,  2,5  cm.  h.  Hase  nach 
1.  liegend.  Rückseite  A  ■ 

XIII.  Ebenda.  Aus    Cypern.    Einfacher  Rand.  7,4  cm.  1.,  2,2  cm.  h.   Nach  1. 
liegender  nicht  näher  charakterisierter  Vierfüssler. 

XIV.  Ebenda,  Aus  Cypern.  Einfacher  Rand.  8,2  cm.  1.,  2.2  cm.  h.  Ein  nach 
1.  laufender  Hase  wird  von  einem  Hunde  verfolgt.  Rückseite  14^  N°.  XII- 
XIV  stammen  möglicherweise  von  eine  m  Kästchen. 

XV.  Im  Pariser  Kunsthandel.  Elfenbein.  11   cm.  1.,  3,3  cm.  h.  Kymationrand. 

Zwei  Löwen  haben  von  r.  und  1.  her  ein  Rind  überfallen  und  zu  Boden 
geworfen.  Rückseite'.  -^  ■  Ausgezeichnete  Arbeit.  Auf  Tafel  XVI  nach 
einem  freundlichst  von  Froehner  besorgten  Abgüsse  publiziert. 

XVI.  Genf.  Musee  Fol.  Elfenbein.  10,3  cm.  1.,  2,1  cm.  h.  Einfacher  Rand. 
Drei  bankettierende  Jünglinge  (im  Catalogua  als  Frauen  bezeichnet). 
Publ.  Musee  Fol,  catalof/ue  descriptif  vol.  II  pl.  XIV  p.   551. 

XVII.  Berlin.  Antiquarium-  Knochen.  Terr.  luv.  2570.  7  cm.  1.,  2,3  cm.  h. 
Kymationrand.  Nach  1.  gelagerte  vollgekleidete  Flügelfigur,  die  in  der 
B.  einen  Zweig  hält.  Wie  die  folgenden  bis  XXI  von  Gerhard,  also 
höchst  wahrscheinlich  aus  Etrurien.  Mit  Erlaubnis  des  Geh.  R.  Kekule 
v.  Stradonitz,  dem  auch  die  Photographie  verdankt  wird,  hier  publi- 
ziert. Spuren  roter  Bemalung  in  den  Vertiefungen. 


Fi« 


ARCHAISCHE   ELPBNBEINRELIKF8  319 

XVIII.  Ebenda.  Knochen.  luv.  2573.  8,1  cm.   1.,    2,4    cm.    h.    Kymationrand. 
Zwei  gelagerte  Frauen  mit  Spitzhaube.  Die  Frau  links  halt  einen  Zweig. 

r     --  ;\"  \-  "  — •  --.'  ■     .       *    ■ -a 


XIX.  Ebenda.  Knochen.  Inv.  2569.  7,9  cm.  1.,  2,8  cm.  h.  Einfacher  Fand. 
Nur  die  untere  Hälfte  des  Reliefs  ist  erhalten.  Man  sieht  den  1.  Ann 
mit  der  Hand  und  den  in  ein  Gewand  gehüllten  Unterleib  einer  auf 
Kissen  gelagerten  Gestalt. 


Fig.  4. 

XX.  Ebenda.  Knochen.  Inv.  2572.  7,8  cm.  1.,  2.3  cm.  h.  Vielleicht  Pendant  zum 
vorhergehenden.  Untere  Hälfte  eines  nach  r.  liegenden  geflügelten 
Tieres  mit  Spalthufen. 


Fig.  5. 

XXI.  Ebenda.  Knochen.  Inv.  6362.  11.  4  cm.  1.  2,3  cm.  h.    Einfacher  Fand 
Wasservogel  und  Hund?  (geflügelt?)  Rückseite  A  Vv 


Fiff.  6. 


320  L.    POLLAK 

XXII.  Aus  Marzabotto.  Knochen.  Publ.  Gozzadini,  ulteriori  scoperte  a  Mar- 
zabotto  tav.  XII,  4  p.  11.  Drei  nach  r.  fliegende  Tauben  Rückseite:  f\. 

XXIII.  Aus  Vulci.  Von  Micali,  mon.  per  servire  alla  storia  etc.  tav.  XLI, 
n°.  10  publiziert.  Verbleib  unbekannt.  Kymationrand.  Bankettscene.  Reste 
von  Vergoldung  im  Kymation,  von  Rot  in  den  Haaren,  Gewand,  Kissen 
und  Kline. 

XXIV.  Ebendaher.  Micali  1.  c.  XLI  n°.  11.  Kymationrand  (Vergoldungsreste). 
Ein  nackter  Jüngling  attakiert  einen  überaus  mächtigen  Löwen  (Kiefer 
roth).  Rückseite  ^-Q. 

XXV.  Museo  Gregoriano.  Wie  bis  n°.  XXXIII  aus  Vxüci.  Elfenbein.  Einfacher 
Rand.  S,  9  cm.  1.,  2  cm.  h.  Zwei  nach  r.  liegende  grosse  Hunde.  Publ. 
Mus.  Greg.  A.  II  tav.  XCIX;  Kanzler  avori  della  biblioteca  Vaticana 
tav.  d'app.  n.  16  (mit  Micali  1.  c.  n.  12  identisch).  Rückseite:  4,  Ö- 

XXVI.  Museo  Gregoriano.  6,  S  cm.  1.,  2,  4  cm.  h.  Einfacher  Rand.  Nach  1. 
liegendes  Rind.  Kanzler  1.  c.  n.  15  Mus.  Greg.  A.  II  tav.  XCIX,  Mi- 
cali 1.  c.  n°.  13.  Rothe  Farbenreste.  Rückseite  >j. 

XXVII.  Museo  Gregoriano.  Kymationrand,  Spuren  von  Gold.  7,  2  cm.  1., 
2,8  cm.  h.  Zwei  Tauben  im  Wappenschema  zu  Seiten  eines  palmartigen 
Strauches  etwas  am  Boden  aufpickend.  Auf  der  Rückseite  sah  ich  die 
bis  jetzt  übersehenen  geritzten  Zeichen:  |>|(.  Kanzler  1.  c.  n°.  10.  Mus. 
Greg.  A.  II  tav.   XCIX. 

XXVIII.  Museo  Gregoriano.  Sphinx  4,  5  cm.  1.,  2  cm.  h.  Die  Gestalt  (der  Kopf 
fehlt)  war  aus  zwei  aneinander  geleimten  Hälften  zusammengesetzt,  die 
später  auseinander  fielen  und  getrennt  publiziert  wurden.  Kanzler  1.  c. 
n.  23.  24  (=  Mus.  Greg.  A.  I  tav.  VIII,  6).  In  einem  Loch  auf  der 
Unterseite  sass  ein  Nagel,  mit  dem  die  Sphinx  auf  einem  Kästchen 
akroterienartig  aufsass. 

XXIX.  Museo  Gregoriano.  Löwe,  3,  1  cm.  1.,  2,2  cm.  h.  Wie  bei  der  Sphinx 
bildeten  auch  hier  die  von  Kanzler  1.  c.  n.  11.  13  getrennt  publizierten 
zwei  Teile  ein  Ganzes.  Mus.  Greg.  A.  I.  t.  VIII,  5.  Loch  auf  der  Un- 
terseite. 

XXX.  Ebenda.  Löwe,  grösser  als  der  vorhergehende.  4,  7  cm.  1.,  2,1  cm.  li. 
Kanzler  1.  c.  n.  20;  Mus.  Greg.  A.  I.  t.  VIII,  7. 

XXXI.  Ebenda.  Löwe,  kleines  Fragment  2,5  cm.  1.,  2  cm.  h.  Kanzler  1.  c.  n.  17. 

XXXII.  Ebenda.  Taube,  ganz  erhalten  4,5  cm.  1.  2,5  cm.  h.  Auf  der  Unter- 
seite ein  Loch.  Kanzler  1.  c.  n.  25. 

XXXIII.  Ebenda.  Drei  Fragmente  einer  grösseren  Platte  aus  Elfenbein.  8,  5 
cm.  1.,  7  cm.  h.  Die  Darstellung  zeigt  einen  Mann  mit  Lendenschurz 
im  Kampfe  mit  einem  mäehtigen  Thiere,  das  den  Tatzen  nach  katzen- 
artig gewesen  sein  muss.  Der  Mann  würgt  das  Thier  ungefähr  wie  der 
Jüngling  den  Hirsch  in  II  b.  In  der  alten  Publikation  Mus.  Greg.  A. 
I  tav.  VIII  4  sind  die  drei  Fragmente  in  ihrer  richtigen  Lage  publi 
ziert,  die  neue  von  Kanzler  (1.  c.  n.  28.36)  besorgte  hat  nur  zwei  von 
ihnen  gebracht,  diese  in  ihrer  Zusammengehörigkeil  nicht  erkannt,  das 
dritte  überhaupt    weggelassen.  Reste  von  Rot  in  den  Haaren.  Auf  der 


ARCHAISCHE    ELFBNBETNREL1EFS  321 

Rückseite  nur  schräge  Linien.  Die  untere  Einfassung  ist  nicht  wie  die 
Publica!  innen  zeigen  ein  Wellenband,  sondern  das  gewöhnliche  Ky- 
raation. 

XXXIV.  Rom,  Kunsthandel.  Die  von  Graeven  Antike  Schnitzereien  Phofc.  76 
(Text]).  121  f.)  publizierten  Knoclienreliefs  aus  Capua  und  zwar  a)  zwei 
Eber  (der  eine  zeigt  ein  Loch,  der  andere  zwei  zur  Befestigung);  //)  zwei 
Löwen,  der  kleinere  ist  intakt,  der  grössere  hat  auf  der  Rückseite  ein  | 
eingeritzt. 

XXXV.  Bei  mir.  Elfenbein.  Fragmentiert,  8,  0  cm.  1.,  1,8  cm.  h.  Nach  rechts 
liegender  grosser  Hund  (?). 

XXXVI.  Einst  im  Besitze  Emil  Brauns.  Löwe.  Elfenhein.  6  cm.  1.  Pnhl. 
Ann.  1856  tav.  XXX  p.  118,  ss. 

XXXVII.  Museo  Faina  in  Orvieto.  Löwe.  Graeven   Phot.   11.  Text  p.  64. 

XXXVIII.  Aus  Nora  in  Sardinien.  Publiziert  Patroni  in  Mon.  dei  Lincei  XIV 
(1904)  p.  203-204  fig.  29.  Knochen,  a)  Hase  und  Kalb?;  b)  Och-  and 
ein  anderes  fragmentirtes  Thier ;  c)  Hase. 

XXXIX.  Hannover.  Kestnermuseum.  1  —  2.5  cm.  h.,  5  —  6  cm.  1.  Knochen. 
Citiert  Schuchhardt  Führer2  S.  71  n.  1031-32  gelagerte  Franen,  n.  1033- 
1034  liegende  Thiere.  (Reste  von  Blattgold,  Kot  und  Blau  nach  freundli- 
cher Mitteilung  Schuchhardts).  Vgl.  auch  Graeven  1.  c.  p.  21  A.  1. 

Alle  diese  Elfenbein  -  oder  Knochenschnitzereien  bilden  in  jeder 
Hinsicht  eine  einheitliche  Gruppe  von  Denkmälern.  Sie  stammen 
von  kleinen  Kästchen.  Die  grösseren  Reliefs  sassen  höchst  wahr- 
scheinlich in  der  Mitte  der  Langseiten,  die  kleineren  in  den  Neben- 
seiten, die  Rundfiguren  wie  die  Löwen.  Sphingen  und  Tauben  muss 
man  sich  akroterienartig  auf  den  Deckeln  befestigt  denken.  Wie 
man  sich  eine  solche  Verteilung  vorzustellen  hat,  versinnbildlicht 
am  besten  der  grosse  Sarkophag  aus  Golgoi  bei  Cesnola  Descr.  Atlas 
I,  pl.  LXX1V  n.  476-479.  Hier  sehen  wir  auf  den  Hauptseiten 
in  durchaus  rein  griechischer  Auffassung  ein  Bankett  und  eine 
Jagdscene,  auf  den  Nebenseiten  in  stark  orientalisierender  Dar- 
stellung einerseits  einen  von  zwei  Pferden  gezogenen  "Wagen,  ande- 
rerseits Perseus  und  die  Medusa.  Auf  dem  Deckel  ihn  flankierend 
vier  Löwen.  Für  ein  kleines  Kästchen  werden  wir  aber  besser 
statt  des  Satteldaches  einen  flachen  Deckel  mit  oder  ohne  Char- 
niere  (')  annehmen  müssen.  Leider  ist  nicht  ein  einziges  .-olches 
hölzernes  Schmuckkästchen  uns  ganz   erhalten  geblieben  (-).  Was 

(')  Vgl.  die  Lade  der  Danae  z.  B.  in  der  Vase  Mus.  Borh.  II  tav  30,4. 

(2)  Au-    Mykenae   iCypressenholz)    vgl.    Schliemann    Mykenae    S.    IT."« 

Fig.  222  dazu  s.  :'.79;als  Nachahmung  solcher    Kästchen   die   Aschenkisten 

•J-J 


322  L-  poi.i.ak 

dem  Zahne  der  Zeit  widerstand,  sind  nur  die  festeren  Teile;  das 
Holz  selbst,  welches  das  Gerüste  bildete,  zerfiel.  Die  seitliche  Be- 
grenzung dieser  Reliefs  bildet,  wenn  sich  der  Künstler  nicht  mit 
einem  blossen  Rähmchen  begnügt  hat,  ein  Kymation,  an  dem  in 
einigen  Fällen  noch  Spuren  von  Vergoldung  zu  constatieren  sind. 
War  das  Relief  etwas  grösser,  so  half  sich  der  Künstler  um  Ma- 
terial zu  ersparen  in  der  Weise,  dass  er  es  aus  zwei  aneinander- 
schliessenden  Platten  herstellte.  Jetzt  da  die  Reliefs  des  sie  festhal- 
tenden Gerüstes  entbehren,  ist  der  Anschlusspalt  oft  störend 
sichtbar.  Er  verschwand  sobald  das  Relief  in  den  Kasten  eingelas- 
sen war.  Ueberdies  hat  der  Künstler  in  dem  Orvietaner  Relief  der 
Hirschjagd  (II  b)  diesen  Spalt  in  sehr  geschickter  Weise  dadurch  zu 
verdecken  gesucht,  dass  er  einen  genau  der  Richtung  des  Spaltes 
folgenden  Speer  schnitzte.  Hat  der  Speer  aber  bei  der  Hirschjagd 
einen  Sinn,  so  entbehrt  dessen  der  aus  gleichem  Grunde  ange- 
brachte Stab  in  der  Rechten  des  bankettierenden  Jünglings. 

Was  die  näheren  Fundumstände  betrifft,  so  sind  von  der  ganzen 
Reihe  nur  die  der  Orvietaner  und  des  gewiss  gleichzeitigen  Reliefs 
aus  Marzabotto  genau  bekannt.  Von  Wichtigkeit  ist,  dass  man 
in  demselben  Orvietaner  Grabe  eine  Schale  des  Chachrylion  (Mus. 
Hai.  III  209)  und  schwarz  figurige  Vasen  fand,  die  man  ungefähr 
dem  Ende  des  sechsten  Jahrhundertes  v.  Chr.  zuschreiben  muss. 
Aber  die  Reliefs  sind  entschieden  altertümlicher  und  so  mag  schon 
eine  Generation  das  Kästchen,  dem  sie  angehörten,  als  kostbares 
Gut  besessen  haben  ehe  es  dem  Todten  ins  Grab  mitgegeben  wurde. 
Einen  entschieden  noch  etwas  älteren  Eindruck  machen  die  Pariser 
Reliefs  aus  Corneto  (n.  I),  die  Glanzstiicke  der  ganzen  Serie.  Die 
markanteste  Gestalt  dieser  Reliefs  ist  das  merkwürdige  Meerwesen. 


aus  Thera  Dragendorff  Thera  p.  56  Abb.  190,  p.  90;  Fragment  aus  Lusoi 
Oesterr.  Jahresh.  1901  S.  57  Fig.  114;  aus  Dodona  Carapanos  Dodona 
pl.  54,8.  Kalkstein  aus  Cyperu  Cesnola  1.  c.  pl.  79  n°.  505-507.  Vgl.  auch 
das  Kästchen  der  Hegeso,  die  xißtoroi  des  Parthenongiebels  Studniczka 
Jahrb.  1904  S.  5.  Sehr  gross  ist  die  Zahl  solcher  Kästchen  auf  den  unter- 
italischen Vasen,  vgl.  Watzinger  Holzsarkophage  aus  der  Zeit  Alexander  d. 
Gr.  S.  90  f.  Eine  weitere  Fortbildung  dieser  Kästchen  Verzierung  bilden, 
freilich  zu  sepulkralen  Zwecken,  die  stilistisch  ganz  anderswohin  gehörenden 
genannten  'nierischen'  Thonreliefs. 


ARCHAISCHE    ELFENBEINREL  IEFS  '■•-■'> 

Es  ist  die  individuellste  Gestalt  unserer  ganzen  Keine.  Die  grosse 
semitische  Hakennase  giebt  ihm  einen  persönlichen  Charakter,  der 
dieses  Fabelwesen  unter  allen  hervorhebt.  Am  nächsten  stehen 
ihm  unter  etwa  gleichzeitigen  Werken  der  Alkyoneus  einer  caere- 
tanischen  Hydria  (')  und  der  Eurytion  des  grossen  Heraklespiede- 
stalreliefs  aus  Golgoi  (2).  Auch  auf  anderen  cyprischen  Sculptu- 
ren  (:!)  begegnen  wir  dieser  so  prononciert  gebogenen  Nase.  Die 
Anordnung  des  Haares  hat  er  mit  dem  grossen  Kopfe  aus  Didyma  (') 
gemeinsam.  Die  Fische,  welche  er  symbolisch  in  den  Händen  hält, 
scheinen  eher  Thunfische  (5)  als  Delphine  zu  sein.  Eine  besondere 
Aufmerksamkeit  verdienen  die  prfichtigen  Pferde  der  Wagenscene 
(Taf.  XVI),  deren  Köpfe  bis  in  die  Details  hinein  sich  in  den  auf 
Taf.  XV  publizierten  fast  identisch  wiederholen.  Es  sind  edle 
Rennpferde,  auf  deren  Pflege  grosse  Sorgfalt  verwandt  wurde. 
Auch  hier  wieder  ein  geradezu  frappierender  Realismus,  der 
schwerlich  überboten  werden  kann.  Sie  erinnern  auffallend  an  die 
assyrischen  Pferde,  die  treulichsten  des  Alterthums  (ö).  Vorn  auf 
der  Stirne  die  gesondert  gekämmte  lose  Locke,  weiche  bei  der 
eiligen  Bewegung  zum  Teile  seitlich  unterhalb  der  Ohren,  zum 
Teile  zwischen  ihnen  im  Winde  flattert.  Wir  werden  an  die  Stele 
vom  Dorylaion  (7),  an  das  Relief  aus  Brussa  (8),  an  eines  von  Kv- 
zikos  (9)  und  an  die  Pferde  des  Frieses  vom  knidischen  Schatz- 
hause in  Delphi  (10)  erinnert.  Auch  ein  jonischer  Goldring  (u) 
wäre  hier  herbeizuziehen.  Für  die  Beflügelung,  die  auf  der  Pari- 
ser Platte  wie  der  Londoner  Replik  nur  die  ausgezeichneten  Renn- 
qualitäten der  Thiere  symbolisiert,  sei  hier  nur   auf  die  ungefähr 

(')  Mus.  Greg.B.  II  T.  XVI.  2;  Endt  Beitritte  zur  jonischen  Vasenma- 
lerei n.  4.  Vgl.  auch  die  Kentauren  Ann.  delVIst.  1863  tan.  d?  agg.  E. 
(2)  Cesnola  descr.  atlas  pl.  122  N°.  912. 
(s)  Vgl.  Holwerda,  die  alten  Kyprier  in  Kunst  und  Kultur  p.  12  Taf.  V.  16. 

(4)  Collignon  hist.  de  la  sculpt.  I  fig.  79. 

(5)  Vgl.  den  Goldfund  von  Vettersfelde  Furtwängler  S.  27;  Münzen  von 
Kyzikos  Cat.  Brit.  Mus.  Mysia. 

T)  Vgl.  Coli.  Barracco  pl.  XVa  Text  p.  18  ff. 

(7)  Ath.  M.  1895  Taf.  II  S.  5. 

(8)  Arch.  Anz.  1905  S.  55. 

(9)  B.  C.  IL  1894  i».  49:]. 

(10)  Fouilles  de  Delphes  pl.  VII- VIII. 
(u)  Furtwängler  Gemmen   Taf.   VII,   1. 


324  L-    POLLAK 

gleichzeitigen  überirdischen  Pferde  des  Peruginer  Reliefs  (')  hin- 
gewiesen. Die  Zähne  der  Pferde  werden  auf  den  Vasen  von  Da- 
phnae  (2),  Sarkophagen  von  Klazomenae  (:i)  und  den  Peruginer 
Reliefs  (4)  ebenso  sichtbar.  Die  Pferde  der  Elfenbeinreliefs  sind 
entschieden  assyrischer  Zucht.  Von  den  persischen  unterscheidet 
sie  deutlich  das  Fehlen  des  aufrechtstehenden  aufgebundenen  Scho- 
pfes (5).  Sie  sind  schlanker,  ihr  Kopf  ist  viel  edler  und.  wenn  man 
sagen  darf,  mehr  durchgeistigt  gebildet  als  die  plumperen  gedrun- 
genen persischen  Rosse  ihn  besitzen.  Zwischen  diesen  assyrisch- 
griechischen  Rossen  und  denen  des  Mutterlandes  liegt  eine  weite 
Kluft.  Die  letzteren  sind  eben  eine  andere  Rasse,  wie  auch  die 
ganze  Kultur  eine  andere   war. 

Der  Lendenschurz  des  Jünglings  in  der  Bankettscene  links 
(Tafel  XVI),  der  in  dem  Luterion  seine  Hände  wäscht,  ehe  er  seine 
Herren  bedient,  findet  seine  genaue  Analogie  im  Relief  n.  XXXIII 
und  am  Achill  der  stark  unter  jonischem  Eimiuss  stehenden  Cor- 
netaner  tornba  dei  tori  (6),  die  überhaupt  auch  in  den  wehenden 
Haaren  des  Troilos  an  unsere  Reliefs  erinnert.  Hingegen  erschei- 
nen, was  sehr  wichtig  ist,  die  Haare  auf  den  klazomenischen  Sar- 
kophagen ganz  anders  gebildet  (").  Dass  der  '  Tutulus  '  und  die 
Schnabelschuhe  jonisch  sind,  weiss  man  schon  seit  längerer  Zeit  (8) 
Aus  dem  Oriente  kamen  beide  zu  den  Joniern  und  von  da  mit 
vielen  anderen  jonischen  Elementen  auch  nach  Athen  (9). 

Die  Kränze  auf  dem  Pariser  Bankettreliefe  hängen  an  Wandnä- 
geln. In  gleicher  Bildung,  wie  aus  Ringen  zusammengesetzt  kom- 
men  sie  auch  auf  einer  jonischen  Vase  (10)  vor.  Zum  Halsbande  der 

(i)  A.  Denkm.  II  Taf.  14. 

(2)  A.  Denkm.  II  Taf.  21,2. 

(3)  Zum  Beispiel  A.D.  II  Taf.  26. 
(*)R.  M.  1894  B.  315. 

T)  Vgl.  Amelung  im  Nachwort   zu  Clierbuliez   Ath.   Plaudereien    über 
ein  Pferd  des  Phidias,  S.  20  des  Separatabdrucks. 
(«)  Ant.  Denkm.  IL  Taf.  41   Text  S.  3  ff. 
V)  Vgl.  z.  B.  Ant.  Denkm.  II.  26. 

(8)  Dümmler  IL  M.  1887  p.  185;  Savignoni  Mon.  dei  Lincßi  1808 
p.  534,  R.  M.  1906  p.  71  f.;  Petersen  a.  a.  0.  p.  290  fig.  4;  Endt  1.  c.  51.  Vgl. 
auch  die  Scherbe  aus  Eleusis  Ath.  M.  1906  Taf.  XVII,  I. 

(9)  Vgl.  die  Euthvmidcsvase  Klein  M.  S.s  195,  Euphronios'  p.  110. 

Micali  mon.  ined.  tav.  XXXVI.   Vgl.  auch  diu  Caeretaner  Hydria 
<  'astellani,  Endt  Abb.  3. 


ARCHAISCHE   ELFENBEIHEELIRFS  325 

Frau  vgl.  die  eine  AViener  Caeretaner  Hydria  Masner  n.  218  und 
Scherben  aus  Daphnae  (M-  Die  auf  dem  Boden  stehenden  Gefässe 
verdienen  eine  besondere  Aufmerksamkeit.  Solche  Kannen  mit  hohem 
Schnabel,  runden  seitlichen  Knöpfen  am  oberen  Austritte  des  Hen- 
kels aus  dem  Gefässkörper,  werden  auf  einem  Bronzehenkelreliefe 
aus  Kition  (2)  von  Löwendämonen  gehalten.  Eine  ähnliche  Kanne 
sieht  man  im  oberen  Streifen  des  Wandgemäldes  der  tomba  delle 
leonesse  ('■).  Die  auf  hohem  Fusse  in  Pariser  Relief  links  von  der 
Kanne  steheude  henkellose  Schale  findet  ihr  Analogie  auch  in  cy- 
prischen  Funden  (4).  In  den  vier  auf  der  Schale  liegenden  länglichen 
Gegenständen  könnte  man  besten  in  Scheiben  geschnittene  Früchte 
(Melonen?)  erkennen.  Eine  solche  Scheibe  hält  auch  die  eine  Frau 
des  Ruveser  Reliefs  (Taf.  XV). 

Die  Vorliebe  für  Flügel,  welche  der  Künstler  der  Pariser 
Reliefs  überall  wo  es  nur  irgendwie  ging,  anbrachte,  ist  echt  jo- 
nisch (■')  und  bezeichnend  für  den  am  meisten  poetisch  beanlagten 
aller  griechischen  Stämme.  Die  Flügel  am  Rücken  und  Füssen  des 
Hirschjägers  (Taf.  XVI)  sollen  auch  nur  die  Schnelligkeit  symbo- 
lisieren, mit  der  er  den  flüchtigen  Edelhirsch  (6)  eingeholt  und 
gestellt  hat.  In  merkwürdigem  Gegensatze  zu  der  Wucht  und 
Schnelligkeit  des  Vorganges  beisst  das  hündinähnliche  Thier  sehr 
gemächlich  den  Hirsch  in  den  Bauch.  Die  Hirschjagd  ist  ein  be- 
liebtes Thema  klazomenischer  Sarkophage  und  caeretanischer  Hy- 
drien  (7).  Ein  Edelhirsch  ist  auch  jedenfalls  auf  dem  Orvietaner 
Reliefe  n.  II  £  gemeint.  Die  zwei  Jünglinge  haben  eine  mächtige 
Arbeit  das  gewaltige  Thier  zu  bewältigen.  Der  vom  Löwen  des 
Londoner  Relief  (v.  S.  317)   in  den  Nacken  gebissene    Steinbock 


(')  Endt  a.  a.  0.  S.  13. 

(2)  Cesnola  Descr.  Atl.  vol.  III  pl.  LIV ;  Perrot-Chipiez  hist.  III  p.  795 
fig.  556. 

(3)  Antike  Denkm.  II  Taf.  12. 

(*)  Murray  excavaliom  of  Cyprus  fig.  63  n".    1011. 

(5)  Vgl.  Savignöni  K.M.  1S97  p.  oll  ;  Klein  Kunstgesch.  I.  S.  189. 

(öJ  Wie  auf  den  'politischen'  Vasen  im  Gegensatze  zum  Damhirsche,  den 
die  caeretaner  Eydrien  und  die  klazomenischen  Sarkophage  bevorzugen.  Vgl. 
Endt  1.  c.  S.  71. 

(T)  Z.B.  Sarkophag  in  Wien,  Ant.  Denkm.  1.  Tai.  15;  Paris,  Caeretaner 
Hydria  E  697,  B.  C.  H.  1892  fig.  8. 


326  L.    PÖLLAK 

erinnert  genau  an  die  Steinböcke  der  altinilesischen  Vasen  und 
klazomenischen  Sarkophage  (1). 

Ein  besonderes  "Wort  hoher  Anerkennung  erfordert  das  herr- 
liche lebensvolle  Relief  (Taf.  XVI)  der  zwei  Löwen,  welche  das 
Rind  zu  Fall  gebracht  haben.  Der  Typus  ist  häufig,  aber  dieses 
Speciruen  gehört  zu  den  trefflichsten  seiner  Art  und  kein  Lob  ist 
zu  viel.  Die  griechische  Heimat  dieses  Typus  ist  wahrscheinlich 
Phokaea  (2),  seine  Urheimat  war  aber  der  Osten. 

Die  nächsten  Analogien  boten  also,  wie  wir  sahen,  jonische 
oder  durch  diese  beeinflusste  Denkmäler.  Oft  wurden  klazomenische 
Sarkophage  und  ,  pontische  '  Vasen  zum  Vergleiche  herbeigezogen. 
Nachdem  einmal  die  Theorie  des  etrnskischen  Ursprunges  der 
Pariser  Reliefs  —  Milani  (3)  und  Graeven  (4)  suchten  sie  als  letzte 
vergeblich  noch  festzuhalten  —  überwunden  war,  forderte  die  Pro- 
venienzfrage eine  strikte  Antwort.  Furtwängler  (5)  hat  die  Pariser 
Reliefs  als  in  Italien  von  Phokaeern  gearbeitet  erklärt.  Furtwäng- 
lers  Hauptgrund  war,  dass  es  etruskische,  nicht  griechische  Sitte 
gewesen  sei,  Mann  und  Frau  auf  einem  Lager  beim  Mahle  darzu- 
stellen. Der  Grund  ist  nicht  stichhaltig,  wie  letzthin  G.  Körte  (6) 
bewies.  Ob  die  grossen  jonischen  Terracottasarkophage  mit  dem 
Ehepaare  auf  den  Deckeln  aus  Cervetri  wirklich  in  Italien  gear- 
beitet sind,  ist  bis  jetzt  nicht  erwiesen  und  scheint  mir  (7)  sehr 
wenig  wahrscheinlich ;  auch  die  von  Furtwängler  einer  phokaeeisch- 
italischen  Fabrik    zugewiesenen  archaischen  Goldringe  sind  wahr- 


(')  Vgl.  Thiersch,  tyrrhen.  Amphoren  S.  105. 

(2)  Usener,  de  Illiaclis  carmine  phocaico  p.  6,15.  Vgl.  z.  B.  auch  Ke- 
kule  Terr.  v.  Sicilien  S.  47  Fig.  100,  Taf.  54,2.  Aus  Lokri  Epizephyrioi  Not. 
d.egli  scavi  1906  p.  55. 

(»)  Mus.  Ital  III.  S.  213. 

(*)  A.  a.  0.  p.  124.  Er  setzt  die  zwei  Eber  auch  sicher  zu  spät  an. 
Die  Eber  erinneren  ganz  an  das  Relief  von  Syme  (B.  C.  IL  1894  pl.  VIII ; 
Perrot-Chipiez  VIII  p.  331)  und  an  klazomenische  Sarkophage  (Endt  S.  9). 
Zu  vergleichen  ist  noch  der  prächtige  jonische  Bronzeeber  aus  Cumae  Bur- 
lington föne  arts  club  exhibition  1904  pl.  LVIII,  C.  63,  (zu  spät  angesetzt). 
Vgl.  auch  Furtwängler  Gemmen  VI  »17.  VII  67. 

(5)  Gemmen  III  S.  88  f.;  vgl.  Savignoni   Jl/on.  d.  Lincei  1897  p.  367. 

(•)  Pauly-Wissowa  s.  v.  Etrusker,  S.  13  des  S..«paratabdrucks. 

(7)  Allerdings  kann  ich  mir  sie  nicht  aus  kretischer  Provenienz  stam- 
mend   denken  wie  Hauser    Oest.  Jahresh.  1906  p.  119  f.  annehmen  möchte. 


ARCHAISCHE    KLFENBEINRELIEKS  327 

scheinlich  doch  ostjonisch.  Ein  typisch  ganz  ähnlicher,  nur  in  dem 
Motive  des  Zwillingskastens  abweichender  Goldring  wurde  in  Cu- 
rium  auf  Cypern  gefunden  (*),  ein  anderer  derselben  Provenienz 
mit  einfachem  oblongem  Kasten  und  zwei  Flügeliiguren  (2)  schlicsst 
sich  ihm  an.  Dies  sind  genug  Instanzen  gegen  eine  phokaeisch-ita- 
lische  Provenienz  (:1). 

Wie  verhält  sich  nun  dazu  die  evident  typisch  wie  künstle- 
risch gleichartige  auch  chronologisch  gleichzeitige  Serie  unserer 
Elfenbeinreliefs? 

Keines  von  ihnen  stammt  von  dem  kleinasiatischen  Festlande. 
Weitaus  die  Mehrzahl  ist  in  Italien,  die  meisten  von  diesen  wie- 
derum in  Etrurien  gefunden  worden,  drei  (n.  XXXVIII)  in  Sar- 
dinien ;  die  auf  Taf.  XV  publicierten  kamen  in  Apulien  zum  Vor- 
schein, drei  aber  (n.  XII-XIV),  und  das  ist  wichtig,  stammen  aus 
Cypern. 

Die  die  Reliefs  seitlich  einfassenden  Kymatien  finden  ihre  Ana- 
logien in  specifisch  jonischen  Denkmälern  (4),  die  von  den  Frauen 
gehaltenen  Ranken  und  Knospen  begegnen  uns  öfters  in  Bildern 
der  klazomenischen  Sarkophage.  Aber  von  Grund  aus  verschieden 
und  auf  keinen  andern,  weder  aus  dem  Mutterlande  oder  Kleinasien 
noch  Italien  stammenden  griechischen  Werken  genau  so  vorkom- 
mend sind  die  merkwürdigen  strauchartigen  Gewächse  wie  sie  auf  den 
Pariser  Reliefs  in  der  Bankettscene  links,  in  der  Hirschjagd  rechts, 
dann  weiter  auf  dem  fragmentierten  grösseren  Reliet  des  Museo 
Gregoriano  (n.  XXXIII)  und  einfacher  auf  dem  Taubenreliefe 
(n.  XX VII)  sichtbar  werden  (s.  u.  S.  331).  Man  sieht  am  Stengel 
eines  ziemlich  hohen  Strauches  eine  pinienzapfenähnliche  Knospe 
und  weiter  oben  eine  zwar  schon  etwas  mehr  aufgegangene,  aber 
doch  noch  nicht  offene  Knospe.  Dies  sind  ganz  andere  Gewächse  als 
aus  dem  Boden  spriessenden  das  Terrain  bezeichnenden  Ranken,  die 
wie  sie  ostgriechische  (5)  Denkmäler  öfters  vor  Augen  führen.  Die 

(')  Cesnola  1.  c.  III.  pl.  XXX  n.  1  ;  Furtwängler  III  S.  87. 

(")  Cesnola  1.  c.  n.  7.  Dieser  mag  vielleicht  wegen  des  'Xilschlüssels' 
ans  Daphnae  importiert  sein. 

(:i;   Vgl.  auch  R.  v.  Schneider  in  der  Festschrift  für  Th.  Gomperz  S.  -Hl. 

(*)  Savignoni  Mon.  Lince»  1897  p.  278  ff.,  Rom.  Mitth.  1906  Taf.  II. 
Fig.  1  S.  67. 

(5)  Klein  Kunstgesch.  I  S.  159;  Mon.  Piot  1S97  pl.  V-VII. 


328  L.    POLLAK 

nächsten  Analogien  zu  diesen  vielleicht  doch  Lotos  darstellenden 
Gewächsen  bieten  im  Orient  entstandene  Bildwerke.  An  assyri- 
schen heiligen  Bäumen  (l)  kommen  solche  noch  geschlossene  Blü- 
tenknospen ähnlich  vor,  weiter  aufgegangene  Knospen  derselben  Art 
zeigen  cyprische  (2)  Denkmäler;  ersteren  ähnliche  begegnen  auch 
auf  einer  rein  aegyptischen  Silberschale  aus  Caere  (3).  Es  blieben 
also  für  die  Provenienz  dieser  Platten,  welche  mit  den  anderen 
aufgezählten  dieses  Pflanzenornaments  entbehrenden  Reliefs  stili- 
stisch und  zeitlich  eine  Einheit  bilden,  zwei  Möglichkeiten:  jo- 
nisch-cypriscli  oder  jonisch-aegyptisch.  Gegen  die  zweite  Annahme 
spricht  aber,  abgesehen  davon,  dass  keines  dieser  Reliefs  aus  Ae- 
gypten  stammt,  die  trotz  verschiedener  Analogien  im  Kleinen  doch 
unleugbare  Verschiedenheit  des  Stiles.  So  ist  z.  B.  der  assyrische 
Pferdetypus  der  Elfenbeinreliefs  weit  entfernt  von  dem  Pferde- 
typus, den  wir  auf  jonisch-aegyptischen  Vasen  sehen.  Es  bleibt  also 
als  antike  Provenienz  dieser  Elfenbein  -  und  Knochenreliefs  das  jo- 
nische Cypern  übrig. 

Schon  Martha  (4)  hatte  die  Pariser  Reliefs  hypothetisch  für 
schlechthin  cyprisch  angesehen  ohne  eine  Begründung  oder  einen 
Beweis  für  seine  Behauptung  zu  liefern.  Unsere  Sammlung  aller 
einschlägigen  Reliefs  führte  mich  unabhängig  von  Martha's  flüchtig 
hingeworfener  Ansicht  dahin,  dass  wir  in  ihnen  nicht  rein  cypri- 
sche, sondern  von  Joniern  in  Cypern  hergestellte  Arbeiten  erkennen 
müssen.  Hiefür  sprechen  aber  ausser  dem  Umstände,  dass  drei  der 
Reliefs  unserer  Aufzählung  aus  Cypern  selbst  stammen,  noch  an- 
dere wichtige   Gründe. 

Die  dicken  auf  den  Oberarmen  getragenen  Armbänder  des  Meer- 
wesens und  der  bankettierenden  Frauen  des  Pariser  Reliefs  linden 
sich  gleichartig  auf  cyprischen  Skulpturen  (5)  und  in  cyprischen 
Metalloriginalen  (6).    Die  Zweige  des    Berliner    Reliefs  n°.  XVII, 

(>)  Pcrrot-Chipiez  II  fig.  411  p.  772. 

(*)  Ohnefalsch-Eichter  1.  c.  Tat  161,3;  Perrot-Chipiez  III  fig.  603 
p.  835.  Vgl.  auch  Riegl  Stilfragen  S.  35  Fig.  4. 

(3)  Grifi  monum.  di  Caere  tav.  X  fig.  I  (  =  Perrot  Chipiez  III  fig.  553 
p.  790). 

(*)  Vart  Hrusque  p.  304. 

(5)  Vgl.  z.  B.  die  Stele  Sargons,  Perrot-Chipiez  II  p.  631  frg.  308. 

(•)  Cesnola  descr.  atlas  I.  pl.  VII,  IX,  XXXIII;  III  pl.  II  1,  2. 


ARCHAISCHE    ELFENBEINRELIEFS  329 

XVIII  sind  identischer  Bildung  mit  den  '  Lustrations  '  -  Zweigen, 
welche  cyprische  Sculptureu  (')  in  Händen  halten.  Auf  den  be- 
rühmten Aphroditecultus  in  Paphos  mögen  das  poesiedurchhauchte 
Froehner'scho  Taubenreliei'  n.  IX  und  die  inhaltlich  gleichen  Re- 
liefs n.  XXII  und  XXX 11  zurückgehen  Die  Behandlung  der  Haare 
an  Menschen  und  Tieren  in  den  Reliefs  ist  durchaus  assyrisch  beein- 
rlusst.  Was  überhaupt  von  assyrischer  Kunst  nach  Jonien  und  Grie- 
chenland kam,  wird  erst  durch  Cypern,  das  gerade  bis  in  die 
Mitte  des  VI.  Jahrhunderts,  die  Zeit  unserer  Reliefs,  politisch  zu 
Assyrien  gehörte,  vermittelt  worden  sein.  Auch  auf  die  etruskische 
Kunst  des  sechsten  Jahrhunderts  muss  das  jonische  Cypern  einen 
grossen  EinMuss  geübt  haben.  In  der  iomba  dei  fori  ('-)  weist  der 
Mannsstier  deutlich  nach  Assyrien,  das  Mittelglied  wird  Cypern 
gebildet  haben.  Typen  etruskischer  und  cyprischer  Münzen  des  5. 
Jhdts.  zeigen  grosse  oft  zur  Verwechslung  führende  Aehnlichkeit,  das 
lässt  aufrege  Beziehungen  auch  im  sechsten  Jahrhundert  schlies- 
sen  (3). 

Schon  in  mykenischer  Zeit  excellirte  Cypern  durch  seine 
herrlichen  Elfenbeinarbeiten,  von  denen  glänzende  Exemplare  eine 
Zierde  des  Britischen  Museums  bilden  (4).  Dann  wurde  es  wieder 
im  sechsten  Jahrhunderte,  der  Zeit  unserer  Elfenbeinreliefs,  ein 
Hauptort  für  Verarbeitung  dieses  edlen  Materials  (/'). 

Von  einem  wichtigen  Detail  unserer  Reliefreihe  war  hier  noch 
nicht  im  Zusammenhange  die  Rede  und  zwar  von  den  auf  der  Rück- 
seite  eingeritzen  Schriftzeichen.  Bei  einigen  Buchstaben,  wie  dem 
fl,  E,  »,  Y,  vk  /  ,  kann  man  schwanken  ob  sie  jonisch  oder  etrus- 
kisch,  bei  den  drei  letzteren  auch  ob  sie  nicht  cyprisch  sind. 
Für  die  ganze  Frage  aber  direkt  entscheidend  ist  die  bisher  noch 
nicht  beobachtete  Inschrift  auf  n.  XXVI I.  Sie  gehört  evident  nach 
Cypern  und  ist  im  cyprischen  Syllabar  abgefasst  wie  die  von  Her- 
mann auf  cyprischen  Vasen  constatirten  Graffiti  (").  Zwei  Zeichen, 
das  B  auf  n°.  XXIV,  XXV,  das  £  in  n°.  V  wären  dann  von  phöniki- 

(')  Z.  ]!.  Holwerda,  die  alten  Eypricr  Taf    [V    1"«. 

(2)  G.  Koerte  in  Auf.  Deiikm.  II.  Taf.    11   S.  15. 

(3)  G.  Koerte  in  Pauly-Wissowa  s.  v.   Etrusker  S.  A.  S.   15. 
(•*)  Murray  excavations  of  Cyprus  pl.  I.  II. 

(5i  Vgl.   Perrot-Chipiez  II  p.  847,   Ohnefalsch-Richter  a.  a.  0.    p.  143. 
(«)  Gräberfeld  von  Marion  S.  31    f. 


330  L.    POLLAK,     ARCHAISCHE   ELFENBEIMIELIKFS 

sehen  oder  wahrscheinlicher  etruskischen  Händlern,  welche  die 
c/rössten  Abnehmer  dieser  Täfelchen  waren,  eingeritzt.  Die  Be- 
dentuno-  dieser  eingeritzten  Zeichen  ist  bisher  nicht  mit  Sicher- 
heit  festzustellen.  Der  Gedanke  an  Versetzmarken  mnss  wohl  bei 
so  kleinen  Objekten  ausgeschlossen  werden  (l).  Diese  haben  nur  bei 
grossen  Gegenständen  wie  z.  B.  Sarkophagen  (2),  wo  jedem  zie- 
rendem Bestandteile  sein  Platz  angewiesen  werden  soll,  einen 
Sinn.  Bei  kleinen  Gegenständen  wie  Kästchen  war  das  nicht  nö- 
tig. Die  Zeichen  bedeuteten  wahrscheinlich  Geheimmarken  der 
Künstler  oder  Händler,  wie  sie  noch  heutzutage  im  Handel  im 
Gebrauch  sind  und  deren  Sinn  dem  Nichteingeweihten  entgeht. 
Sicher  aber  geht  daraus  hervor,  das  die  Täfelchen  nicht  montiert 
in  den  Handel  kamen  und  so  exportiert  wurden. 

Von  vergoldeten  Kaninchen  umgeben  hoben  sich  die  Reliefs 
farbig  vom  sorgfältig  geglätteten  Grunde  ab  und  mögen  so  einen 
schönen  Eindruck  hervorgerufen  haben,  den  wir  freilich  jetzt  in  ihrer 
Zerstörung  und  Isolierung  nur  ahnen  können.  Ihr  Inhalt  zeugt  nicht 
von  besonderer  Vorliebe  für  den  Mythus.  Das  Alltagsleben  mit  seinem 
poetischen  Realismus  interessierte  die  Künstler  dieser  Reliefs  sicht- 
lich bedeutend  mehr.  Auch  sie  erzählen  von  der  jonischen  revyr], 
uad  man  fühlt  sich  bei  ihrem  Anblicke  versucht  die  Inschrift 
einer  römischen  Spieltafel  aus  Timgad  (3)  '  venari,  lavari,  ludere, 
ridere  hoc  esl'vivere,  zu  eitleren:  liebenswürdige,  des  Lebens 
sich  so  recht  freuende  Menschen,  Poeten  und  Künstler. 

Ludwig  Pollak. 
Rom,  Januar  1907. 

(>)  So  z.  B.  irrtümlicherweise  Perrot-Chipiez  III  p.  851,  855  s.  über 
die  Polledraraeier.  Auch  die  Ansicht  Schöne's  in  Comment.  in  honorem 
Mommsenii  S.  049  f.  über  analoge  Vaseninschriften  scheint  sich  nicht  mehr 
halten  zu  lassen.  Vgl.  Furtwängler  -  Reichhold  Vasenmalerei  Text  zu  Taf.  71, 
S.  68,  Serie  I  p.  179. 

(a)  Vgl.  Koerte  Gordion  S.  110,  116  (wegen  der  speeifisch  korinthischen 
Form  des  Epsilon  als  korinthisches  Fabrikat  erklärt);  hingegen  Watzinger 
1.  c.  S.  92,  vgl.  auch  Watzinger  1.  c.  S.  36. 

(3)  Ihm,  Rom.  Spieltafeln  in  den  Bonner  Studien  für  Kekule  S.  238 
n°.  48;  E.  v.  Schneider  Oest.  Jahresh.  1905  S.  296. 


331 
EXCURS  ZU  S.  327.  328. 


Die  auf  den  vorstellend  beschriebenen  Elfenbeintäfelchen  vorkommenden 

Pflanzengebilde  stellen  offenbar  Korbblütler  (Compositen)  mit  teils  geschlos- 
senen,  teils  aufblühenden  Blütenkörbchen  vor.  Die  ersteren  zeigen  die  zapfen- 
artigen, von  kleinen  Hüllblättern  umschlossenen  Knospen,  die  letzteren  die 
sich  erschliessenden  Blutenstände  mit  den  aus  dem  Hüllkelche  hervortretenden 
«  Zungenblüten  »  (  Rundblüten).  Welche  Pflanze  specioll  gemeint  ist,  lässt  sich 
nicht  bestimmen,  da  viele  Glieder  dieser  ausserordentlich  reichen  Pflanzenfa- 
milie, wie  z.  B.  die  Centaurea-  und  Distelarten  unter  .sich  g;nz  verwandte  For- 
men aufweisen.  Ganz  identische  Blüten  and  Knospen  wie  die  vorliegenden  finden 
sich  in  unzähligen  Beispielen  unter  den  Schinuckgegenständen  und  in  den 
Wandmalereien  des  neuen  aegyptischen  Reiches  von  der  18.  Dynastie  ab,  z.  1'.. 
in  den  aus  mehrfarbiger  Terracotta  hergestellten  Halsketten  des  neuen  Reiches 
und  zwar  ebensowohl  als  von  oben  gesehene  Blütenrosettchen  wie  in  der  den 
vorliegenden  Darstellungen  zu  Grunde  liegenden,  noch  nicht  völlig  geöffneten 
Form  der  im  Profil  gesehenen  Blüten.  Als  solche  dienen  sie  in  den  künst- 
lichen Halsketten  der  Aegypter  in  gleicher  Weise  als  Bommeln  wie  sie  zu- 
vor in  den  Reihungen  natürlicher  Pflanzenelemente  verwendet  wurden,  die 
uns  aegyptische  Gräber  aus  den  ersten  Dynastien  des  neuen  Reiches  über- 
liefert haben.  Georg  Schweinfurth  wies  unter  den  in  Gräbern  erhalten  ge 
bliebenen  Pflanzenresten  verschiedene  Compositen  nach,  wie  z.  B.  die  Blü- 
tenköpfchen von  Pteris  coronifera  und  Antaurea  depressa  in  den  Blumen- 
gewinden der  Mumie  der  Prinzessin  Nsi-Chonsu  (XX.  Dyn.);  Carthaunus  tin- 
ctorius  (Saffior)  in  Guirlanden  von  Amenhotep  I  und  andere  mehr.  Gleichen 
Compositenblüten  begegnen  wir  in  den  Wandmalereien  thebanischer  Gräber 
der  18-19.  Dynastie,  von  denen  Prisse  d'Avennes  Abbildungen  giebt.  Dass  die 
ornamentalen  Anwendungen  von  jenem  natürlichen  Pfianzenschmucke  abge- 
leitet sind,  ergiebt  sich  sowohl  aus  der  ganzen  Anordnung  der  Gehänge,  wie 
aus  Farbe  und  Form  der  angewendeten  Compositenblüten. 

Ausserhalb  Aegyptens  und  wahrscheinlich  von  dort  übertragen  kommen 
dieselben  Compositenblüten  namentlich  in  der  assyrisch-babylonischen  Kunst 
häufig  vor,  zumeist  als  Rosetten,  in  welcher  Form  sie  zu  den  in  Jonien  and 
Griechenland  allgemein  angewendeten  Typen  wurden,  für  die  die  Trauerrose 
der  attischen  Grabstelen  das  bekannteste  Beispiel  giebt.  In  der  dem  Cypri- 
schen  Elfenbeinrelief  eigentümlichen  Profilstellung,  die  dem  Ornamente  grie- 
chischer Blütezeit  fremd  ist,  finden  sie  sich  in  Assyrien  als  Gehänge  an 
Balken  von  zeltartigen  Holzbauten  wie  z.  B.  an  dem  sogenannten  Feldtaber- 
nakel auf  den  Toren  von  Balawat  aus  der  Zeit  Salmanassars  II ;  ebenso  auch 
auf  Elfenbeinarbeiten,  wie  auf  einer  phönizischer  Provenienz  zugeschriebenen 
Täfelchen  aus  Nimrud  (British  Museum),  das  eine,  aus  einer  Umbildung  des 
aegyptischen  Südzeichens  wachsenden  Lotosblütenschaft  darstellt,  von  dem 
sich  beiderseitig  die  gleichen  Compositenblüten  abzweigen,  die  jene  cypri- 
schen  Elfenbeintafeln  schmücken.  M    Meirer. 


DIE    THENSA    CAPITOLINA. 
(Mit  Tf.  XVII.  XVIII). 


I.  Vorbemerkung. 

Ueber  die  Fundgeschichte  und  Wiederherstellung  der  Thensa 
gibt  Augusto  Castellani  in  seiner  Veröffentlichung  (Bull,  comu- 
aale  II,  1874,  p.  25(3,  und  V,  1877,  p.  119-134,  tav.  xi-xv) 
Auskunft.  Ein  Bauer  aus  Campanien  brachte  1872  eine  Anzahl 
Bronzeblechstücke,  die  er  aus  der  Erde  gegraben  hatte,  zum  Ver- 
kauf nach  Rom.  Sie  kamen  in  Castellani' s  Besitz.  Wie  es  dabei 
zuging,  dass  ein  Stück  nach  Paris  verschlagen  wurde  (vgl.  unten 
S.  363),  bleibt  unklar.  Als  er  die  Stücke  reinigte,  ergab  sich, 
dass  die  Bronze  von  zahlreichen  Bronzenägeln  durchbohrt  war,  an 
denen  teilweise  noch  vermoderndes  Holz  hing.  Die  Bronze  war 
also  ursprünglich  auf  einer  Holzunterlage  befestigt.  Zwei  geschwun- 
gene, mit  schweren  Nägeln  beschlagene  Stücke  konnten  nichts 
anderes  sein  als  die  Seitenteile  eines  Wagenkastens.  Der  gegossene 
Oberkörper  eines  Eroten  (Abb.  1)  war  offenbar  das  Kopfende  einer 
Deichsel.  Die  übrigen  Bronzestücke  zeigten  Reliefs.  Es  Hessen 
sich  zwei  Arten  unterscheiden,  nämliche  höhere  und  niedrigere 
Streifen.  Die  höheren  stellen  Scenen  aus  dem  Leben  Achills  dar, 
denen  sich  manchmal  ein  Venusmedaillon  zugesellt.  Von  den  nie- 
drigeren Reliefs  stellen  die  einen  gleichfalls  Achilleusbilder,  aber 
in  kleinerem  Format  dar,  die  anderen  einen  bacchischen  Thiasos. 
Castellani  gewann  aus  diesen  Fundstücken  die  zweifellos  richtige 
Ueberzeugung  die  Ueberreste  eines  Wagens  vor  sich  zu  haben. 
Er  Hess  daher  einen  Wagenkasten  aus  Holz  herstellen  und  auf  ihm 


F.    STAEHUN,   DIE   THENSA    CAPITOLINA  333 

die  Bleche  in  der  Weise  anbringen,  dass  immer  ein  Streifen  des 
höheren  mit  einem  des  niedrigeren  Formats  abwechselt.  Von  unten 
gezählt  sind  es  folgende  Streifen  : 

1.  Thiasos  (kleines  Format). 

2.  Achilleusbilder  (grosses  Format). 

3.  Thiasos  (kleines  Format). 

4.  Achilleusbilder  und  Venusmedaillons  (grosses    Format). 

5.  Achilleusbilder  (kleines  Format). 

6.  Achilleusbilder  (grosses  Format). 


Fig.  1. 


In  dieser  Wiederherstellung  wurde  der  Wagen  von  Castellani 
veröffentlicht,  der  Stadt  Rom  geschenkt  und  im  Conservatoren- 
palast  aufgestellt  (Heibig  I-  568).  Kr  wurde  dann  von  Heyde- 
mann  einer  flüchtigen  Betrachtung  unterzogen  (Ber.  d.  sächs.  Ges. 
d.  Wiss.  1878  p.  124  f.)  und  nach  der  Castellanisehen  Publica- 
tion  in  Baumeister  (Denkm.  d.  kl.  Altertums  III  Taf.  xc  fig.  2325 
S.  2082)  und  in  den  AViener  Vorlegeblättera  (Serie  B  Tf.  7)  abge- 
bildet. 


K.    STAEHL1N 

Die  Zeichnungen  Castellanis  sind  recht  hübsch,  aber  vielfach 
ungenau,  so  dass  sie  ein  richtiges  Verständnis  der  Reliefs  hindern. 
Bei  einer  neuen  Bearbeitung  die  Reliefs  nach  Photographien  zu 
veröffentlichen,  war  deshalb  nicht  tunlich,  weil  jedes  Relief 
in  mehreren  Wiederholungen  vorhanden  ist,  die  unter  sich  nicht 
gleich  gut  ausgeprägt  erhalten  sind.  Sämtliche  Reliefs  in  allen 
Exemplaren  photographiscli  wiederzugeben,  wäre  aber  sehr  kostspie- 
lig. Wir  wählten  daher  den  Weg,  aus  allen  Wiederholungen  durch 
genaue  Vergleichung  das  richtige  Urbild  durch  Zeichnung  herzu- 
stellen. Herr  Dr.  Walter  Altmaun  photographierte  in  freund- 
schaftlichster Bereitwilligkeit  die  ganze  Thensa  in  vielen  Teil- 
aufnahmen; später  Hess  ich  noch  einige  Teile  von  dem  Berufs- 
photographen Luigi  Rocca  in  Originalgrösse  photographieren.  Nach 
diesen  Photographien  stellte  Hr.  Architekt  Kristenson  die  neuen 
Zeichnungen  (Abb.  2-5)  her.  Stehen  diese  auch  an  Eleganz  den 
Castellanischen  nach,  so  sind  dafür  Bewegungen,  Geräte,  Kleidung 
der  Figuren  und  alles  für  das  Verständnis  der  Bilder  Wichtige 
genauer  angegeben.  Für  den  Stil  geben  die  beigefügten  Tafeln 
nach  den  Photographien  Proben.  Damit  man  den  etwas  schwie- 
rigen Ausführungen  über  die  technische  Herstellung  und  Rekon- 
struktion des  Wagens,  die  oft  sehr  ins  Einzelne  gehen  müssen, 
leichter  folgen  könne,  wende  ich  mich  zunächst  zur  inhaltlichen 
Erklärung  der  Reliefs.  Bei  den  Parallelen,  die  ich  zu  den  Darstel- 
lungen der  Thensa  anführe,  berücksichtige  ich  die  Kunstwerke  und 
die  Litteratiu-  der  römischen  Zeit,  während  Darstellungen  früherer 
Perioden,  z.  B.  auf  Vasenbildern,  nur  ausnahmsweise  in  Betracht 
kommen. 


ÜIE     1  Hl- .N.SA     i  AMT'   I.I.SA 


335 


II.  —  Die  zwölf  Achilleüs-bilder. 


1 .  Achills   F  e  i  u  n  g. 


Der  Mittelpunkt  des  Bildes  ist  Thetis;  sie  ist  mit  einem  Chiton  and 
einem  Mantel  bekleidet.  Die  Verhüllung  des  Kopfes  bezeichnet  sie  als  eine 
mütterliche  Gottheit  (vgl.  Wiederholung  1,  3  und  4).  Sie  kniet  auf  dem 
r.  Fuss  undj  hält  in  der  r.  Hand  den  zappelnden  (anaiqovta  rhu  nitida 
Apollnd.  3,  13,  6  =  Apollon.  Rhod.  Arg.  IV,  874)  Achilleus  in  das  Wasser 
der  Styx,  das  aus  einer  Urne,  über  Felsen  geflossen  kommt.  Auf  den  Felsen 
sitzt  die  Personifikation  der  Styx  als  Quellnymphe.  Sie  ist  am  Unterkörper 
von  einem  Mantel  bedeckt,  stützt  den  r.  Arm  auf  die  Urne  und  hält  in  der 
Linken  einen  Schilfzweig.  Während  sie  noch  zur  Handlung  in  Beziehung 
steht  und  auch  auf  Wiederholungen  (3  u.  4)  sich  findet,  ist  die  Nymphe 
zur  Linken  nur  zur  Raumfüllung  beigegeben  (vgl.  über  diese  Lokalgötter 
S.  382).  Sie  greift  mit  der  Rechten  in  die  Aeste  eines  Baumes  und  hält  in 
der  Linken   einen  Zweig.  Die  Beine  sind  von  einem  Mantel  bedeckt. 

Die  Darstellung  der  Feiung  war  in  der  römischen  Epoche  beliebt.  Mir 
sind  folgende  Wiederholungen  bekannt  (vgl.  Stephani,   Compte  Rendu  18 
76,  3.  Conze,  arch.  epigr.  Mitt.  1877,  73-76): 

1.  Relief  im  Johanneum    in    Graz.    Muchav,  Gesch.   v.  Steiermark  I. 
422  t.  X,  2  =  Wiener  Vorlegeblätter  Ser.  15  t.  VII,    I. 

2.  Relief   von  Champlieu.    Rev.    Archiol    VIII,    1    (1851)    p.    191 
pl.  160,  5. 


V.    STAEHLIN 


3.  Monument  von  Igel.  Abb.  d.  bayer.  Ak.  cl.  W.  I,  1835  S.  287. 

4.  Kapitolinische    Brunnenmündung.  Eighetti  Mus.  Capit.  t.  277  = 

Foggini,  IV,  t.  17. 

5.  Matz-Duhn  3344.  Palazzo  Castellani.  Achills  Festigung? 

6.  Dechelette,  la  Gaule  Romaine,  II,  p.  212,  nr.  76.  Terrasigillata- 
Relief  von  Lezoux,  zu  vergl.  mit  der  Waschung  Achills  auf  der  kapitolin. 
Brunnenmündung. 

7.  Cameo  der  Ermitage  in  Petersburg.  Tommaso  Cades.  Sammlung 
v  (ii  Gemmenabdrücken,  Kasten  26,  147. 

8.  Cornalina  der  kaiserl.  Sammlung  in  Wien.  Cades  26,  148. 

9.  Gravierter  Stein.  Cades  26,  149. 

Die  letzteren  drei  sind  mir  nur    aus   der   Photographie  bekannt,    nach 
der  beifolgende  Abbildung  gemacht  ist  und  die  ich  Herrn  Prof.  Körte's  Güte 


Fig.  3. 


verdanke.  Die  Echtheit,  besonders  von  nr.'147,  scheint  mir  verdächtig.  Fälsch 
lieh  auf  die  Feiung  bezogen  wurde  Heibig,  Wandgemälde  1390. 

Die  Feiung  Achills  hängt  mit  seiner  Unverwundbarkeit  zusammen.  Das 
Alter  beider  Sagen  ist  umstritten.  In  der  Ilias,  die  mährchenhafte  Züge  mei- 
det, ist  die  Unverwundbarkeit  von  der  Haut  auf  die  Rüstung  des  Helden 
übertrafen  (*  165-  594.  Y  264.  Lehrs,  de  Aristarchi  studiis  Homericia 
p.  178).  Auf  einer  hocharchaischen  chalkidischen  Vase  (Mon.  d.  Inst.  I,  51) 
ist  Achilleus  durch  einen  Pfeil  der  in  seiner  Ferse  steckt,  getötet.  Ob  ein 
zweiter  Pfeil  in  oder  hinter  der  Leiche  steckt,  ist  unklar.  Die  Darstellung 
mit  Xamenbeischriften  schliesst  sich  in  vielen  Einzelheiten  an  die  Aithiopis 
an  (Schneider,  troisch.  Sagenkr.  153)  Also  war  auch  die  Auffassung,  dass 
Achilleus  an  der  Ferse  verwundbar  sei,  diesem  Epos  bekannt,  das  hierin 
vielleicht  noch  älter  ist  als  die  Ilias  (Gruppe  680  u.  682,  5),  zumal  die 
Ilias,  wie  oben  bemerkt,  auf  die  Unverwundbarkeit  auch  anspielt  (vgl.  Eo- 
berl  (Bild  und  Lied  9;  Studien  zur  Ilias  S.  463). 

\ '.,ii  den  Berichten  über  die  Feiung  können  wir  einen,  wahrscheinlich  die 
Feiung  durch  Feuer,  bis  auf  Sophokles  zurückverfolgen  (Nauck  fr.  tragg.  155). 


DIB    THENSÄ    CAI'ITOLINA  337 

Die  Wasserprobe  kam  schon  in  dem  alten  Gedicht  Aigimios  vor  (Kinkel  fr. 
Ep.  Gr.  I,  83).  Die  Feiung  speziell  durch  Styxwasser  tritt  in  unserer  Ueber- 
lieferung  erst  bei  Stalins  (Achill.  I,  134.  269.  480)  und  anderen  Spatlingen 
(Röscher  Lexicon  I.  1,  8p.  21,  58)  auf.  Doch  scheint  auch  diese  Version 
auf  Vorstellungen  zurückzugreifen,  die  von  der  ältesten  Zeit  Ins  zum  späten 
Altertum  lebendig  blieben.  Das  Styxwasser  war  das  Wasser  der  Unsterb- 
lichkeit (Ber^k,  kl.  Schrift  II,  700).  Auf  Gemmen  der  mykenischen  Zeil 
tragen  Daemonen  Styxwasser  als  belebendes  Wunderwasser  (Furtwängler  <<>-u\- 
men  I,  t.  2,  32.  III,  p.  40).  Iris  holt  das  Styxwasser  zum  Göttereid  (Thei 
gonie  784-806.  Gerhard,  etrusk.  Spiegel  I,  Tf.   11). 

Das  hohe  Alter  der  Feiungssage  iiberhaupl  geht  am  deutlichsten  daraus 
hervor,  dass  sich  die  gleiche  Sage  bei  Demeter  und  Demophon  findet  (Hom. 
hymn.  in  Ger  er.  219  f.).  Von  Demeter  aber  ist  Thetis  (Kurzname  zu  <->s<t- 
tuo9eti<;  Gruppe  618')  abgezweigt.  Also  gehörl  dies..'  Sage  zu  ihn  ursprüngli- 
chen Zügen,  die  Thetis  und  Demeter  geraeinsam  haben.  Varianten  zu  der 
Feuer-  und  Wasserprobe  aus  der  indogermanischen  Mythologie  führt  Elard 
Hugo  Meyer  (Achilleis  659-661)  an. 


2.  Begrüssung  zwischen  Peleus,  Achilleus 

und  C  h  e  i  r  o  n . 

Ein  Schiff  mit  gerefften  Segeln,  die  Argo,  hat  am  Land  angelegt.  Es  hat 
•einen  über  das  Wasser  emporragenden  Sporn  (ifdßoXog).  Das  Vorderteil  bil- 
det einen  nach  innen  geschweiften  Halbkreis.  Nicht  so  weit  wie  der  Sporn 
ragt  das  Proembolion  vor,  ein  Balken,  der  in  einen  Tierkopf  endigt.  Der 
Stolos  oben  läuft  in  ein  schneckenförmig  nach  rückwärts  gewundenes  Akro- 
stolion  aus  (ein  ähnliches  Schiffsvorderteil  aus  röm.  Zeit  bei  Altmann.  röm. 
Grabaltäre  p.  244,  Abb.  192:  Grabstein  des  L.  Precilius).  Auf  römischen  Kunst- 
werken häufig  ist  das  Missverhältnis  zwischen  der  vorauszusetzenden  Grösse 
des  Schiffes  und  der  Insassen.  Diese  tragen  vielleicht  Schilde,  entsprechend 
der  Weisung  Iasons  (Apoll.  Rh.  IV,  199-202),  oder  wie  die  Argonauten  auf 
der  delphischen  Metope  (Assmann,  das  delphische  Schiff  Jahrb.  1905,  32). 
Schilde  am  Bordrand  sind  das  Gewöhnliche  bei  Kriegsschiffen  von  der  Di- 
pylonzeit  her  (Pernice,  Athen.  Mitt.  1892,  303)  bis  in  die  römische  Epoche 
(Brunn,  urne  Etr.  I,  87,4.  90,1-94.  8  Schiff  des  Odysseus;  Woermann,  Odys- 
seelandschaften t.  III;  Cod.  Ambrosianus  ed.  Ceriani  et  Ratti,  Mediolani 
1905.  pict.  31.  32.  36.  u.  a.).  Ruder  sind  nicht  vorhanden.  Vorn  im  Schiff 
steht  aufrecht  Peleus  und  empfängt  mit  ausgestreckten  Bänden  den  kleinen 
Achilleus,  den  Cheiron  dein  Vater  hinreicht.  Cheiron  steht  auf  dem  etwas 
erhöhten,  felsigen  Ufer.  Der  Baum  hinter  ihm  deutet  den  Bergwald  des 
Pelion  an.  Vor  dem  Schiff  liegt  die  typische  Gestalt  eines  Meergottes,  der 
den  pagasaeischen  Busen  personifiziert.  Er  hall  in  der  erhobenen  Linken  ein 
Ruder;  die  Schenkel  sind  vom    Gewand    brduckt.   Kr  stützt   sich  auf    den  r. 

23 


338  F.    STA  EH  LI  N 

Ellenbogen  (Philostr.  mai.  II,  14  (fvMtxwv  ib  ig  äyx&va  vgl.  0.   Schulz,  die 
Ortsgottheiten,  Berliner  Studien  VIII,  3,  1889,  p.  43). 

Castellani  erklärte  unrichtig,  dass  hier  Cheiron  den  Achilleus  von  Pe- 
leus  zur  Erziehung  erhalte.  Allein  diese  Aufgabe  fällt  in  römischer  Sage,  an 
die  sich  die  Thensabilder  durchaus  anschliessen,  nicht  Peleus,  sondern  der 
Thetis  zu  (Orphica  Arg.  387  u.  die  Achilleuscyclen  S.  381).  Auch  lehrt  der 
Augenschein  dass  vielmehr  umgekehrt  Peleus  das  Kind  von  Cheiron  empfängt : 
es  ist  naturgemäss  vom  Ueberbringer  fort  zum  Empfänger  hin  gewendet  (vgl. 
die  Ueberbringung  des  Achilleus. an  Cheiron  durch  Thetis  auf  der  kapitolini- 
schen Brunnenmündung  Righetti,  Mus.  Cap.  t.  277;  Deidamia,  dem  Achilleus 
den  Pyrrhus  reichend,  auf  dem  Elfenbeinkästchen  in  Xanten,  Bonner  Jahrb.  V 
u.  VI,  t.  7  u.  8).  Auch  Heydemann  erkannte  nicht  die  dargestellte  Sage 
(Apollonius  Rhod.  I,  553  ff.)  Als  die  Argonauten  durch  den  pagasaeischen 
Busen  fuhren,  staunten  alle  Nymphen  des  Pelion  über  das  Schiff  und  die 
Helden : 

JvtC'.o  öy'  e|  vtütov  ögeng  xCev  tcy%i  i'hakdaaTjg 
Xelooji'  <PiV.vni<frjg,  noX(t}  öinl  xi\u((tog  ilyfj 
reyye  n6(fc(g.  . . 

ovv  xai  oi  naoäxotttg  inwket'ioi'    (pogeovoct 
üifAslö^v   'A/iAfja  (piXio  ÖEiöiaxETo  ttcctql. 

Abweichend  ist  nui',  dass  Cheiron  selbst  das  Kind  trägt.  Dieselbe  Ab- 
weichung findet  sich  bei  dem  römischen  Dichter  Valerius  Flaccus,  der  im 
übrigen  diese  Begegnung  in  deutlichem  Zusammenhang  mit  Apollonius  er- 
zählt Argonaut.  I,  255 : 

Iamque  aderat  summo  decurrens  vertice  Chiron 
clamantemque  patri  procul  ostentabat  Achillem. 

Nur  ist  Achilleus  schon  grösser;  v.  260: 

adsiluit  caraque  diu  cervice  pependit. 

Auf  dieses  Ereignis  Aveist  vermutlich  auch  Statius  Achill.  I.  1 50-158 
hin.  Aehnlich  ist  Orphica  rec.  Abel  370-455.  Vielleicht  bietet  unser  Bild,  auf 
dem  eine  Ueberfüllung  mit  Figuren  vermieden  werden  sollte,  nur  einen 
Ausschnitt  aus  einer  grösseren  Komposition,  in  der  auch  Chariklo  ihren 
Platz  hatte.  Jedenfalls  ist  es  lehrreich  als  Illustration  zu  einer  alexandrini- 
schen  bezw.  römischen  Dichtung,  an  die  sich  der  Künstler  enge  anschliesst 
(vgl.  Robert  Bild  und  Lied  p.  49). 


3.  U  n  t  e  r  r  i  c  h  t  im  Leier  spiel  (vgl.  Tafel  XVIII,  1). 

Die  Vorlage  zu  diesem  Bild  gab  die  Gruppe,  die  in  Rom  in  den  Saepta 

Julia  stand  und  als  Gegenstück  Pan  hatte,  der  den  Olympos  (besser  Daphnie 

iher  III.   I    Sp.   1453)    im    Syrinxspiel    unterwies    (Plinius  n.  h.  36,  29). 


DIE    THENSA   CAPITOLINA  339 

Die  Identifikation  ist  gesichert,  weil  beide  Darstellungen  in  Herculaneum 
als  Gegenstücke  gefunden  wurden  (Heibig,  226,  1291 ;  Trendelenburg,  Gegen- 
stücke der  Wandmalerei  Archaeol.  Zeit.  34,  1876,  p.  3).  Die  Cheirongruppe 
ist  aus  zahlreichen  Nachbildungen  bekannt  (Wandbilder  Heibig  1291-1! 
Gemmen  bei  Overbeck,  Bildw.  zum  theban.  und  troischen  Sagenkr.  p.  286, 
13-16;  Furtwängler,  ant.  Gemm.  I,  t.  24,  65.  t.  43,  10  u.  16;  Friederichs-Wol- 
ters  1510).  Muchar,  Gesch.  v.  Steiermark  1, 430  n.  10  berichtet  von  einem  anf 
Schloss  Seckau  bei  Lcibniz  befindlicher,  Fragment :«  Der  Centaur  Chiron  mit 
der  Lyra,  neben  ihm  der  kräftige  Achill.  Ein  schön  gearbeitetes,  leider  ver- 
stümmeltes Werk  ».  Auch  der  Kentaur  allein  wurde  gerne  von  der  Kleinkunst 
als  Vorlage  genommen  (Silberbecher  bei  Zahn  III,  28;  Babelon  Ant.  de  la 
Biblioth.  Hat.  XIV  u.  LI). 

Cheiron  ist  mit  der  Chlamys  bekleidet.  Er  legt  den  1.  Arm  um  Achills 
Schultern  und  fasst  mit  der  Rechten  Achills  r.  Arm,  der  als  hochgewachse- 
ner Knabe  aufmerksam  zu  seinem  Lehrer  hinunterblickt.  Er  hat  in  der  r. 
Hand  das  Plektron  und  trägt  eine  Chlamys.  Die  Leier  muss  man  sich  durch 
ein  Band  gehalten  denken,  von  dem  aber  keine  Spuren  zu  sehen  sind.  Im 
Hintergrund  dient  ein  nackter  Berggott  zur  Raumfüllung.  Die  campani- 
schen Maler  haben  der  Gruppe  bald  eine  architektonisch  gegliederte  Wand, 
bald  eine  Landschaft  als  Hintergrund  gegeben.  Auf  Gemmen  findet  sich  ein 
mal  kein  Hintergrund  (Furtw.  24,  65)  einmal  Waffen  (43,  10),  einmal  ein 
flötenspielender  Satyr  (43,  16).  Wir  sehen  daraus,  dass  das  Beiwerk  zur 
Hauptgruppe  vom  Künstler  nach  Belieben  aus  seinem  Typenvorrat  gewählt 
wurde. 

Die  Sage  von  dem  musikalischen  Unterricht  will  Gruppe  (117  u.  G68, 1) 
unter  Umständen  für  vorhomerisch  gelten  lassen.  Die  statuarische  Gruppe 
gehört  ihrem  Kunstcharakter  nach  in  die  hellenistische  Zeit,  wie  auch  der 
mutmassliche  Cheironskopf  im  Konservatorenpalast  bezeugen  würde  (Heibig 
I2  589.  Heibig,  Untersuchungen  zur  Wandmal.  p.  156.  Dagegen  Brunn-Bruck- 
mann  535;  Kroker,  Testa  marmorea  del  palazzo  dei  Conservatori  Ann.  d. 
Inst.  LVI,  1884,  50-74).  Der  Schilderung  in  Orphica  Arg.  rec.  Abel  394 
hat  zweifellos  diese  Gruppe  als  Muster  gedient: 

K«l  ot  xexXtfxeyog  uh'  i:i"  oi&aloto  yauti  n. 
xeuo  (j.ey«s  KevtavQog,  änrjQijQStaro  dt  th-hd, 
(Tineirjoi  Ö7i'A.rjG(.  Tuvvßü/uei'og  froä  xCbkct. 
dy/ov  cT iardfisvog   @erodog  xai   JIf]keog  vlbg 
/egal  Xvqtjv  fjgaaoe,  (pgevctg  &J  inetegneio  Xsioo  v, 

Achills  Gesang  und  Leierspiel  blieb  im  Anschluss  an  II.  IX,  186  be- 
sonders bekannt  als  ein  menschlich  liebenswürdiger  Zug,  sogar  in  der  sonst 
nur  das  Morden  schildernden  Ilias  Latina  586.  Häutig  ist  die  Darstellung  des 
leierspielenden  Achilleus  unter  den  Töchtern  des  Lykomedes  (Stat.  Ach. 
573.  Sarkophage  Robert  II  t.  VI,  22a.  X,  22b.  XVI 26a.  Elfenbeinkästchen 
von  Xanten  Bonner  Jahrb.  V  u.  VI,  t.  7  u.  8).  Andere  hieher  gehörige  Kunst- 


340 


F.    STAEHLIN 


werke,  besonders  die  prachtvolle  Gemme  des  Pamphilos  im  Louvre  (Furtw. 
I.  t.  49,  18)  führt  Sauer  an  (Strena  Helbigiana  1900  p.  465  :  Achilleus  vom 
Saitenspiel  ausruhend,  Marmorstatue  in  Neapel).  Bilder  des  leierspielenden 
Achilleus  waren  noch  im  späten  Altertum  allgemein  bekannt  (Aristaenet. 
epist.  II.  5  in  Hercher,  epistologr.  Gr.).  Bezeichnend  für  die  Auffassung  der 
Alten  von  Achills  Kunst  ist  das  schöne  Wort,  das  Kalliope  zu  Achilleus 
sasrt  Phil.  her.  730  ed.  Kayser  II,  p.  197:  <i>  n«T.  /uovaix>]g  /neu  xal  notqrixfjg 
rftJutfii  aoi  tu  drrn'/nwy,  dig  jjdiovg  iiir  tu;  (Frame  ioyü^oio.  xoiultoig  de 
rüg  Minus. 


4.  Unterricht   im  Reiten  und  Jagen  (vgl.  Tafel  XVII,  3). 


Fiff.  4. 


Achilleus,  Cheiron  und  ein  Bär  heben  sich  deutlich  als  der  Kern  des 
Bildes  ab.  Es  schliesst  sich  nicht  an  ein  bestimmtes  Kunstwerk  an.  Denn  wenn 
man  für  Cheiron  ein  wirkliches  Pferd  einsetzt,  so  hat  man  einen  bekannten 
Typus,  der  häufig  auf  Sarkophagen  mit  Jagddarstellungen,  besonders  ähnlich 
aber  auf  dem  Medaillon  mit  Trajans  Bärenjagd  am  Konstantinsbogen  vor- 
kommt. Nur  fällt  bei  diesem  Vergleiche  der  dicke  Leib  und  die  kurzen  Beine 
Cheirons  gegenüber  den  edleren,  langgestreckten  Formen  der  Pferde  auf  dem 
Medaillon  auf  (vgl.  Altmann,  Archit.  u.  Ornam.  d.  Sark.  p.  106).  Es  konnte 
also  dieses  Bild  auch  von  einem  unbedeutenden  Künstler  mit  leichter  Umände- 
rung des  in  den  Vorlagebüchern  für  Jagden  überkommenen  Typus  hergestellt 
werden.  Kr  fügte  der  Mittelgruppe  zwei  weitere  typische  Figuren  bei,  links 


DIE   THENSA    CAPITOLINA  341 

eine  Nymphe  mit  dum  Mantel  über  den   Beinen,  rechts  einen  nackten  Berg- 
gott. Felsen,  belaubte  Zweige  und  ein  Baum  deuten  den   Bergwald  an.  Achil- 
leus  als  Knabe,  mit  einer  wehenden  Chlamys  bekleidet,  schwingl  einen  Wurf- 
speer.  Phil.    her.   7:;o  ed.   Kayser  II,   p.    L97  />  fi   «faß  xal    ut'/.ia   u,y,>< 
rexiujiitvij  f>nb   nti>  XeiQWPog  xui  iioxet  tps^h^ofiivm  ig  tä  no'liaixd. 

Cheiron  trägt  einen  Baumast,  drehl  sich  zu  seinem  Zögling  am  und  /• 
mit  der  1.  Hand  ermunternd  auf  den   Bären,  —  als  solcher  is1  er  am  Bpitzen 
Kopf  und  kurzen  Schwanz   kenntlich,  von  Castellani   fälschlich    als  Fanther 
gezeichnet  —  der  in  eiliger  Flucht  sich  noch  mit  dem  bis  zum  vollen  Profil 
gedrehten  Kopf  gegen  seine  Verfolger  wend 

Auf  der    kapitolinischen    Brunnenmündung  sitzt  Achill  als  Waffen! 
Kind  jauchzend  auf  Cheirons  Rücken,  der   eben  mit  glücklichem    Pfeilscl 
den  verfolgten  Löwen  getroffen  hat.  Beide  Darstellungen  entfernen  sich  oichl 
weit  von  Philostr.  mai.  imag.  II,  2,  5:  Mäaxet  ö  Xeiqmv  tbv  :t/t'/J.ku  fand- 
Ceo&ai  . .  .  xay/ä^ovxi,  6e  ccitG)  inö  top  ijtfsa&cct,  ngoauei&ia  ueraoTQecpöuevos- 
Eudociae  violanum  ed.  Flach  p.  143,  10-.  imxad-ioag  oiV  aixbv  önio&ev  <  ■ 
xazcc  rov  Inniov  fiSQOvg  ovxwg  eyvixra^s  xal  id'üfccoxe  aixbv  xt}v  xo^ixrjv,  vgl. 
Statius    Achill.  I,  116;    Sidon.    Apollin.  ep.  9,   131;  Lihanius   fj&onobtat  ed. 
Reiske  p.   1013.   Wesentlich  anders    ist    der    Unterricht    im    Bogenschii 
auf  der  Achilleusschale  in  Kairo  dargestellt  (vgl.  unten  S.  381). 

Overbeck  (Bildwerke  285.  n.  10,  n.  11)  führt  zwei  Gemmen  an,  die 
Achills  Ritt  auf  Cheirons  Rücken  darstellen.  Ein  Relief  in  Turin  (Marmora 
Taurinensia,  II,  23),  stellt  die  Erziehung  des  Achilleus  durch  Cheiron  und 
die  Naiaden  Philyra  und  Chanklo  dar  (Ap.  Rh.  IV  811  mit  Schol.).  Das  bei 
Daremberg-Saglio  (s.  v.  Chiron  p.  1106  Anm.  28)  angeführte  Wandbild  stellt 
nicht  Achilleus  dar,  welcher  von  Cheiron  Unterricht  in  Heilkräutern  erhält. 
sondern  Apollo,  Cheiron  und  Asklepios,  die  drei  Heilgötter  (Helhig  'J'1,'  . 


5.  Achilleus   auf  Skyros   (vgl.  Tafel  XVIII,  5). 


Das  Bild  wurde  von  Castellani  richtig  gedeutet;  nur  hielt  er  die  Eaupt- 
figur  für  Lykornedes.  Heydemann  wollte  dagegen  hier  die  Abholung  der  1  iri- 
seis erkennen,  was  Heibig  I2  nr.  568  und  andere  übernahmen.  Diese  Erklä- 
rung, die  auch  die  zeitliche  Reihenfolge  der  Bilder  umstossen  würde,  ist  aber 
falsch,  weil  auf  dem  Bilde  vier  Personen  in  weiblicher  Kleidung  und  nur 
zwei  Männer  dargestellt  sind.  Auf  dem  hochlehnigen  Thron,  dessen  Reine 
in  Lüwenklauen  endigen,  sitzt  Achilleus.  »eine  Füsse  ruhen  auf  einem  Schemel. 
Thron  und  Schemel  wiederholen  sich  auf  dem  Mosaik  in  Sparta  (Arch.  Zeit. 
1881,  t.  6).  Er  trägt  einen  hochgegürteten  Chiton,  von  dessen  Vorhanden- 
sein allerdings  nur  wenige  feine  Linien  und  die  Zusammenschnürung  unter 
der  Brust  Zeugnis  geben,  und  einen  .Mantel,  der  den  Oberkörper   frei    läast. 


342  !•'.    STAEHLIN 

In  der  rechten  Hand  hält  er  ein  Schwert  am  Griff,  die  Scheide  ruht  in  der 
Linken.  Erträgt  langwallendes  Haupthaar.  Daran  ist  er  auch  bei  Philostr.  min. 
(Schenkl-Reisch)  1,  3  unter  den  Töchtern  des  Lykomedes  kenntlich:  r/eft  de  ij 
ih'u/('iTiZoiac(  tjjv  xourji' ....  airixa  fiäka  .  .  .  rbv  'A%i%X£a  ixdei^st.  (Statins 
Ach.  I.  771  ;  Philostr.  her.  733  ed.  Kayser  p.  200;  dagegen  bei  Bion  id.  II,  20 
Mein,  heisst  es  von  ihm:  xöixc.g  ^snvxaCe  xaXt'moc;.).  Auf  Sarkophagen  ist 
dies  sein  Hauptkennzeichen  wenn  er  in  Weiberkleidung  unter  den  wohl- 
gekämmten Mädchen  sitzt  (Robert  II.  t.  VI,  20  a,  u.  t.  X,  22  h). 

Hinter  ihm  steht  Deidamia.  Sie  ist  wie  Achilleus  und  ihre  beiden  Ge- 
fährtinnen mit  einem  hochgegürteten  Chiton  und  Mantel  bekleidet.  Ihre  Haar- 
tracht ist  nicht  deutlich  zu  erkennen.  Sie  stützt  den  1.  Arm  auf  die  Stuhl- 
lehne und  legt  die  R.  auf  den  Rücken.  Gelassen  schaut  sie  der  Scene  zu, 
man  möchte  sagen,  mehr  bereit,  den  Achilleus  vor  unüberlegten  Kundge- 
bungen zurückzuhalten  als  die  Fremden  beachtend.  Die  beiden  anderen  Mäd- 
chen sind  aber  durch  den  Besuch  ganz  ausser  Fassung  geraten.  Die  eine 
spricht  mit  lebhaften  Handbewegungen  auf  Achilleus  ein,  die  andere  sieht 
neugierig  die  Gäste  an.  Bemerkenswert  ist  bei  beiden  die  Haartracht.  Das 
Haar  ist  glatt  zurückgekämmt,  am  Hinterkopf  doppelt  mit  einem  Band  um- 
wunden und  in  ein  grosses  Nest  zusammengefasst.  Die  gleiche  Mode  be- 
obachten wir  auf  Bild  6  und  an  dem  weiblichen  Kopf  zwischen  den  Giebeln 
(vgl.  Tafel  II,  5).  Sie  steht  der  sogenannten  attischen  Frisur  noch  näher  als 
der  mit  Beginn  des  3.  Jahrb.  aufkommenden  Tracht.  Sie  gehört  dem  Ende 
des  2.  Jahrhunderts  an  (über  Datierung  der  Sarkophage  nach  Haarmoden 
vgl.  Altmann,  Arch.  u.  Orn.  der  Sarkophage  S.  99  ff.). 

Rechts  stehen  zwei  fast  nackte,  nur  mit  der  Chlamys  bekleidete  Männer. 
Der  vordere  ist  Odysseus,  der  naturgemäss  den  Sprecher  macht;  er  hält  einen 
undeutlichen  Gegenstand  in  der  R..  wahrscheinlich  ein  Geschenk  für  die 
Mädchen,  wie  auf  dem  Kästchen  in  Xanten  (Bonner  Jahrb.  V  u.  VI  t.  7  u.  8 
p.  365).  Die  1.  Hand  ist  zum  Sprechen  vorgestreckt.  Der  zweite  hält  in  der 
1.  Hand  eine  Trompete  (oder  ein  Schwert?  also  Agyrtes  oder  Diomedes). 
Ueber  den  Unterarm  fällt  das  Gewand.  Die  R.  hält  er  mit  ausgestrecktem 
Zeigefinger  an  den  Mund,  wohl  ein  Zeichen  der  Ueberraschung,  weil  sich 
Achilleus  durch  das  Ergreifen  und  Anstaunen  des  Schwertes  schon  halb  ver- 
raten hat. 

Widerspruchsvoll  ist,  dass  Achilleus  auf  dem  Bilde  thront.  Er  wird 
damit  schon  so  geehrt,  als  ob  er  bereits  erkannt  wäre.  Aber  auch  auf  Sar- 
kophagen finden  sich  ähnliche  sinnstörende  Verstösse.  Achilleus  sitzt  mit 
entblösstem  Oberkörper  unter  den  Mädchen,  während  sein  Geschlecht  doch 
noch  unentdeckt  ist  (vgl.  Robert  a.  a.  0.).  Eine  solche  Gleichmütigkeit  gegen  das 
Naturgemäase  pflegt  einzutreten,  wenn  ein  Typus  nicht  mehr  frisch  empfunden, 
sondern  als  allbekannt  nachgeahmt  wird. 

Den  Hintergrund  bilden  nicht  mehr  Lokalgötter,  wie  in  Bild  1,  3  u.  1, 
von  denen  dieses  Bild  sich  scharf  scheidet.  Ohne  Hintergrund  und  Rauman- 
dentung  ist  es  in  reinem  Reliefstil  gehalten.  Es  gehört  enge  zusammen  mit 
Bild 


DIE    THENSA    CAPITOLINA  343 


(5.   Achills   Erkennung  (vgl.  Tafel  XVIII,  5) 


Das  Bild  zeigt  wie  das  vorige  zwei  Personen  in  männlicher  und  vier 
Personen  in  weiblicher  Kleidun".  Achilleua  träßl  ein  Gewand  mit  langem 
Ueberschlag.  Sein  Haar  ist  langwallend.  In  der  L.  hält  er  den  Schild,  —  der 
1.  Oberarm  ist  dabei  perspektivisch  verkürzt  — ,  in  der  R.  den  Speer.  Mit 
gewaltigem  Schritt  stürmt  er  nach  l.,  wo  der  Feind  gemeldet  ist.  Auffallend 
herausgetrieben  ist  der  Unterleib  und  zwar  auf  beiden  Wiederholungen.  Dies 
muss  daher  auf  einen  Fehler  der  Form  selbst  zurückgehen.  Ob  Achilleus  einen 
Frauenschuh  trägt,  lässt  sich  nicht  erkennen,  da  die  Bildung  der  Zehen  auch 
sonst  verschwunden  ist.  Achilleus  ist  am  einen  halben  Kopf  grösser  als  die 
Mädchen.  Den  Kopf  wendet  er  zu  Deidamia;  doch  verrät  seine  entschlossene 
Bewegung,  dass  er  ihrem  Flehen  kein  Gehör  schenken  wird.  Deidamia,  in  lang- 
ärmeligem  Chiton  und  Mantel,  ist  aufs  1.  Knie  gesunken,  wobei  der  1.  1 
unnatürlich  hoch  in  der  Luft  schwebt  (vgl.  Furtwängler  Gemmen  t.  Gl,  47). 
Sie  uinfasst  mit  beiden  Händen  Achills  Knie.  Ihr  Kopf  ist  flehend  zu  ihm 
erhoben.  Das  Haar  ist  zu  einem  Nest  aufgebunden.  Zur  L.  sind  zwei  Töchter 
des  Lykomedes,  die  erschreckt  entfliehen.  Beide  haben  die  bei  Bild  •'. 
beschriebene  Haartracht.  Die  Figur  ganz  1.  mit  den  entsetzt  erhobenen  Hän- 
den kehlt  wieder  auf  den  Sarkophagen  im  Kapitol  und  im  Louvre  (Kohert, 
IL  n.  25  u.  26),  auf  letzterem  auf  der  Vorder-  und  r.  Schmalseite.  Zur 
R.  steht  ein,  wie  man  auf  den  kleineren  Bildern  deutlich  sieht,  (vgl.  Tafel 
I,  2)  runder  Turm  mit  hohem  Tor.  Die  Zinnen  sind  rund,  die  Quadern  genau 
angegeben.  Am  Tor  befinden  sich  Querbeschläge.  Die  Lunette  oben  ist  mit 
einem  Speichenornament  verziert.  Oben  steht  perspektivisch  verkleinert  Odys- 
seus,  der  mit  der  Hand  auf  den  angeblichen  Feind  zeigt,  und  Agyrtes.  der  in 
eine  lange  Tuba  bläst.  Ob  Odysseus  eine  Kopfbedeckung  trä^T.  lässt  sich  nicht 
erkennen.  Die  Szene  spielt  im  Freien  ausserhalb  der  Burg.  Die  Oertlichkeit 
stimmt  zu  der  Schilderung  bei  Philostratus  min.  imag.  1  (ed.  Schenkl- 
Reisch).  Auf  dem  dort  beschriebenen  Bild  von  Achills  Entdeckung  war  ein 
Turm  unten  am  Berg  (6  d"  vnu  toi$  nQonoaiv  tov  öooi's  nvoyoc:).  Auf  einer  Wiese 
vordem  Turm  legte  Odysseus  seine  Waren:  Wollkörbe,  Weberschiffchen,  Kämme, 
Frauengeräte  und  eine  Rüstung  ans.  Den  Raum  vor  einer  Mauer  zeigt  auch 
das  Mosaik  von  Vienne  (Arch.  Zeitg.  1858  t.  113)  und  ein  Sarkophag  ( la- 
bert II  nr.  28).  Bei  Statius  I,  812.  Hygin  f.  86.  Schob  T  326  ed.  Bekker 
spielt  die  Szene  in  einem  geschlossenen  Tnnenhof,  ebenso  im  Mosaik  von 
Sparta  (Arch.  Zeitg.  1881  t.  6)  und  zwei  Gemälden  (Heibig  1297  =  Herrmann- 
Bruckmann  Denkm.  d.  Malerei  t.  5  und  Genelhliacon  Gottingense  1888  tab.  I). 

Den  Aufenthalt  des  Achilleus  auf  Skyros  kennt  schon  die  Ilias  (T  326. 
I  668  m.  Schob),  die  kleine  Ilias  (fr.  -1  Kinkel)  und  nach  Bethe  auch  die 
Kypricn  (theh.  Heldenlieder  81).  Ein  Teil  dieser  Quellen  erzählt  ausdrücklich 
eine  gewaltsame  Eroberung  der  Insel  und  damit  auch  der  Deidamia  (Paus. 
I  22,  6).  Robert  (Bild  und  Lied  •"•■">)    schliesst   mit  Recht,   dass    erst    später 


344  F.    STAF.HLIN 

der  Lokalpatriotismus  der  Skyrier  aus  der  gewaltsamen  Eroberung  ein  fried- 
liches Liebesabenteuer  gemacht  habe.  Indem  sie  aber  dabei  das  Motiv  des  in 
Weiberkleidern  versteckten  Achilleus  benützten,  schlössen  sie  sich  an  eine 
alte  Kultlegende  an  (Gruppe  p.  669  u.  904).  Die  älteste  Darstellung  der  Er- 
kennung des  Achilleus  giebt  das  Bild  eines  Kraters  im  Louvre.  das  Ravaisson 
[M6m.  de  VAcad.  Paris  1895  pl.  V  p.  309-852)  gegen  Robert  (archaeol.  Zeitg. 
1S81,  138)  statt  auf  die  Gesandtschaft  (/ncä)  der  Ilias  vielmehr  auf  Achills 
Abholung  aus  Skyros  deutete.  Auf  das  von  Paus.  I  22,  6  erwähnte  Gemälde 
des  Polygnot  führt  Robert  (Arch.  Anzeiger  1889  p.  151)  die  Darstellung  auf 
dem  goldenen  Köcherbeschlag  von  Tschertomlitsk  (Cotnpte  Rendu  1864  pl.  4) 
zurück.  Doch  ist  die  Deutung  unsicher.  Denn  die  einzelnen  Formen,  aus  denen 
das  Goldblech  geprägt  ist.  stehen  wenigstens  teilweise  offenbar  unter  sich  in 
keinem  Zusammenhang.  Man  kann  also  nicht  von  einer  einheitlichen  Kompo- 
sition reden.  Das  Stück  zeigt  in  dem  Aneinanderschluss  der  einzelnen  Be- 
standteile alle  Merkmale  einei  nachlässigen  Handwerkerkunst  (vgl.  Hauser. 
die  neuattischen  Reliefs  127). 

Auf  dem  Vasenbild  im  Louvre  wird  die  Erkennung  mit  einfachen  Mit- 
teln, nämlich  der  Erregung  des  Heldenblutes  durch  den  blossen  Anblick  von 
Waffen  hei  beigeführt,  wenn  man  hier  überhaupt  von  der  Erkennung  und  nicht 
vielmehr  von  der  Oeberredung  zur  Teilnahme  am  Kriege  sprechen  darf.  Aus- 
führlicher mag  die  Geschichte  schon  in  den  jüngeren  Ixvoioi  des  Euripides 
(Welcker  Griech.  Trag.  I,  476)  geschildert  worden  sein.  Lycophron  (276-278), 
der  mit  Vorliebe  älteren  Quellen  folgt,  spielt  darauf  an.  Besonders  aber 
mussten  sich  die  Alexandriner  in  der  Ausmalung  dieses  reizenden  Verhältnisses 
zwischen  Achilleus.  Deidamia  und  den  anderen  Töchtern  gefallen,  wie  es  das 
IL  Idyllion  des  Bion  (ed.  Meineke)  bezeugt.  Damals  bereits  wurde  auch  die 
Erkennungsgeschichte  in  aller  Breite  ausgearbeitet,  wie  sie  uns  jetzt  bei 
Schriftstellern  und  Kunstwerken  römischer  Zeit  vorliegt.  Unbegründeter 
Weise  schreibt  Fleischer  (Röscher  myth.  Lex.  I  Sp.  27)  erst  dem  Statius  die 
Aufstellung  einerneuen  Version  zu.  in  der  die  Erkennung  durch  das  Ergreifen 
der  Waffen  und  den  Trompetenstoss  erfolge.  Offenbar  falsch  ist  seine  Behaup- 
tung, bei  Philostratus  min.  1  erfolge  die  Erkennung  nur  durch  das  Ergreifen 
der  Waffen.  Es  wird  j;i  neben  dem  Kaufmann  auch  der  Trompeter  ausdrück- 
lich genannt  6  r?,  adXmyyt  aTjfialvcov  ri  cf/;  ßoiXsrai  ;).  Die  sonstigen  Quellen 
übersehen  offenbar  nur  der  auch  sonst  bemerklichen  Kürze  halber  bald  die 
Kaufwaren  (Apollod.  3,13,8).  bald  den  Trompetenstoss  (Ovid.  met.  13.  165. 
schul.  T  326),  während  schon  Hygin  (f.  86),  jedenfalls  nach  einer  älteren  Quelle, 
beide  Motive  verbindet.  Weil  also  die  Trompete  und  die  Kaufwaren  zusammen- 
gehören, darf  man  auch  nicht  annehmen,  dass  die  Wollkr.rbe,  die  auf  zahlrei- 
chen Darstellungen  den  Boden  bedecken,  bloss  die  Kemenate  bezeichnen.  Es 
sind  vielmehr  die  von  den  Autoren  (vgl.  Genethl.  Gott.  119  Fussn.  1-8)  aus- 
drücklich genannten  Geschenke,  die  am  vollzähligsten  ein  Gemälde  (Heibig 
7)  verführt.  Nur  aus  Nachlässigkeit  werden  sie  manchmal  auf  einen  Woll- 
korb  beschränkt  oder  ganz  weggelassen. 

In  zwei  Stufen  vollzieht  sich  also  nach  der   Sacre  und  auf  den    Bildern 


DIE   THENSA    CAPITOLINA  :ii". 

die  Erkennung.  Achilleus  verrat  sieh  zuerst  schon,  indem  er  das  Schwert  in 
die  Hand  nimmt  (vgl.  Statius  I,  852  f.).  Odysseus  aher  lässt,  um  sicher  zu 
gehen,  auch  die  Trompete  blasen,  worauf  Achilleus  anzweifelhaft  erkannt  wird. 
Bild- 5  und  6  gehören  zusammen,  ohne  dass  sich  streng  genommen  Bild  0 
aus  5  entwickeln  könnte.  Spielt  doch  Bild  5  in  einem  Innenraum,  wie  der  Thron 
beweist,  Bild  6  aber  im  Freien.  Ebenso  isl  die  Kleidung  Achills  verschieden. 
Auf  Bild  5  hält  er  ferner  das  Schwert,  auf  Bild  'i  die  Lanze.  An  solchen 
Kleinigkeiten  nahmen  aber  die  Alten  keinen  Anstoss.  Auch  am  Telephosfries 
tragen  ein  und  dieselben  l'ersonen  in  aufeinander  folgenden  Scenen  verschie- 
dene Kleidung    (Hubert    Jahrb.  III.  1888.  p.    I:'.  Schrader  Jahrb.    XV.  1! 

p.  122).  Die  nämliche  Zweiteilung  der  Scenen  zeigt  die  Achilleusschüssel  in 
Paris  (vgl.  S.381),  die  sich  enge  au  Statius  anschliesst.  ]\Iit  diesem  Dichter 
zeigt  unser  Bild  manche  Berührungen:  I,  6  dulichia  tuba;  •'■'  ixmclipeus 
breviorque  manu  conswnitur  hasta;880  Achills  plötzliche  Riesengrösse ;  883 
sein  gewaltiger  Sturmschritt,  im  Gegensatz  zu  Bions  Schilderung  id.  II,  19 
tö  ßd&Ktftu  naodsvtxSg  ißdfo£e.  I  >ie  Uebereinstimmung  zwischen  Dichter  und 
Künstler  erklärt  sich  nicht  aus  gegenseitiger  Abhängigkeit,  sondern  aus  dein 
Einwirken  der  bildlichen  Tradition  auf  beide. 

An  der  Komposition  des  Bildes  ist  die  Entfernung  des  Bläsers  vom  Vor- 
dergrunde anzuerkennen.  Sie  ist  auch  auf  anderen  Darstellungen  angestrebt. 
Auf  dem  Louvresarkophag  (Robert  II,  26)  ist  der  Bläser  auf  die  r.  Schmäh 
versetzt,  wird  aber  doch  auf  der  Vorderseite  gehört.  Beim  Mosaik  von  Vienne 
steht  er  mit  Odysseus  auf  der  Mauer  im  Hintergrund.  Auf  einem  Gemälde 
(Heibig  1296)  steht  er  unter  der  Tliüre.  Er  ist  nach  der  Absicht  des  Malers 
jedenfalls  ausserhalb  des  Zimmers  zu  denken. 

"Während  die  Darstellung  auf  der  Thensa  wie  eine  Münze  durch  vielen 
Gebrauch  (die  Aufzählung  der  vielen  Reliefs,  Gemälde  und  Mosaike  bei  Jahn, 
arch.  Beiträge  353,  ergänzt  von  Graeven,  Genethliacon  Gottinijense  1888 
p.  121)  schon  abgeschliffen  ist,  verdient  das  Vorbild,  dessen  Hauptzüire  erhalten 
sind,  hohes  Lob.  Wenn  man  unter  den  erhaltenen  Werken  einzelne  Typen  un- 
terscheiden will,  darf  man  nicht  von  Unterschieden  ausgehen,  die  nur  durch 
geringfügige  zeichnerische  Aenderungen  bedingt  sind,  z.  B.  ob  die  Bewegung 
nach  r.  oder  1.  gewendet  ist,  oder  ob  Achill  ins  Frauengewand  gehüllt  oder 
mit  abgleitendem  Gewand  dargestellt  ist  (Altmann,  Ornament,  der  Sark.  p.  37). 
Auch  darf  man  nicht  den  vollbekleideten  Achilleus  auf  Sarkophagen  für  älter, 
den  entblössten  für  jünger  halten,  da  Achilleus  entblösst  schon  früher  als  auf 
Sarkophagen  in  Litteratur  und  Kunst  vorkommt  (Hygin.  f.  86:  veslem  mu- 
liebrem  dilanlavit;  Statius  1,878  illius  intactae  cecidere  a  peclore  veates: 
Heibig  1296;  Baehrens  Poet.  Lat.  min.  IV  p.  322  Verba  Achillis  v.  7). 

Ein  gewichtiger  Unterschied  scheint  es  mir  aher  zu  sein,  dass  auf  den 
einen  Darstellungen  Deidamia  flieht  ",1er  zur  Flucht  sich  wendet  oder  voi 
Schrecken  ohnmächtig  zurücksinkt  (Heibig  1297;  Genethl.  Gottinj.  t.  I ;  Mo- 
saik bei  Raoul-Rochette,  choix  de  pcintures  pl.  XX  p.  259.  Mosaik  von 
Vienne;  Robert  Sark.  II  nr.  23),  auf  den  anderen  aber  bleibt  und  Achill  fuss- 
fäilig  zurückhalten  will.  Darstellungen,  die'  einen  Uebergang  zwischen  beiden 


346  F.    STAEHLIN 

bilden,  indem  sie  Deidamia  halb  fliehend,  halb  den  Geliebten  festhaltend 
zeigen,  gibt  es  auf  Sarkophagen  (Eobert  II  nr.  22.  39.  25.  26)  und  Gemälden 
(Heibig  1299)  und  dem  Mosaik  aus  Sparta  (arch.  Zeit.  1881  t.  6). 

Die  erstere  Darstellung  stimmt  mit  dem  Dichter  Statins  überein,  die 
zweite  ist  ein  künstlerischer  Fortschritt.  Denn  beim  Dichter  stiebt  auf  den 
Trompetenstoss  die  Schar  der  Mädchen  auseinander,  Deidamia  nicht  ausge- 
nommen (Statins  I  876.  885.  918).  Nur  Achill  bleibt  mit  den  Waffen  da. 
Dann  beginnen  die  Verhandlungen  und  geraume  Zeit  darnach  erfolgt  der 
Abschied  von  Deidamia  (Stat.  I  940-960).  Der  Maler  fasst  dagegen  die  beiden 
zeitlich  getrennten  Momente  der  Entdeckung  und  des  endgiltigen  Abschieds 
zusammen.  Es  ist  das  echt  hellenische  Bestreben,  den  Gehalt  einer  ganzen 
Geschichte  in  e  i  n  Bild  zusammenzufassen,  wie  es  uns  auf  dem  olympischen 
Bronzerelief  mit  Hektors  Lösung  (Furtwängler  in  Festschrift  für  Curtius 
Berlin  1884)  so  grossartig  entgegentritt.  Es  ist  der  «  distinguierende»  Stil 
Wickhoffs  (Wiener  Genesis  S.  9).  Diese  Aenderung  der  dichterischen  Ue- 
berlieferung  ist  also  ganz  dem  Wesen  der  bildenden  Kunst  entsprechend 
und  eines  grossen  Künstlers  würdig.  Wer  dieser  Künstler  war,  bleibt  unbe- 
kannt, wenn  wir  auch  wissen,  dass  sich  das  erwähnte  Gemälde  des  Polygnot 
vielleicht,  und  eines  von  Atlienion  von  Maroneia  (Plin.  N.  H.  35,  134)  gewiss 
auf  diesen  Gegenstand  bezog.  Lehrreich  ist  auch  ein  Vergleich  mit  Bion, 
auf  den  oben  mehrfach  hingewiesen  wurde.  Der  Dichter  muss  das  in  der 
Vorstellung  des  Lesers  festsitzende  Bild  des  männlichen  Achilleus  verdrän- 
gen durch  Betonung  seines  weiblichen  Aussehens  z.  B.  in  den  Haaren  und 
im  Gehen.  Der  Künstler  aber  muss,  um  verständlich  zu  sein,  an  dem  weiblich 
gekleideten  Achilleus  die  männliche  Art  doch  irgendwie  zu  Tage  treten 
lassen. 

Bereits  in  krasser  Weise  sind  die  wirkenden  psychologischen  Momente 
auf  dem  Elfenbeinkästchen  in  Xanten  zusammengedrängt,  wo  Deidamia  ihr  neu- 
gebornes  Kind  Pyrrhos  dem  dahinstürmenden  Achilleus  entgegenhält  (Bonner 
Jahrb.  Bd.  V  u.  VI,  t.  7  u.  8  p.  365  f.).  Aus  diesem  Zusammenhang  ist  wohl 
das  Relieffragment  aus  Athen,  jetzt  in  Prag,  wenn  es  nicht  die  Ueberbringung 
des  Achilleus  durch  Thetis  an  Cheiron  darstellt,  entsprechend  der  kapitolini- 
schen Brunnenmündung  (Wiener  Vorlegeblätter  Serie  B,  t.  IX,  3a). 

Die  bisher  besprochenen  sechs  Bilder  umfassen  die  Zeit  vor  dem  troja- 
nischen Krieg,  die  folgenden  sechs  spielen  vor  Troja.  Zur  Trennung  der  beiden 
Hälften  sind  in  den  Zwickeln  statt  der  sonst  verwendeten  Medaillons  zwei  aus- 
einander fließende  Niken  angebracht. 


7.  Achills  Zorn. 

Das  Bild  zerfällt  in  zwei  durch  eine  Säule  getrennte  Hälften. 
Zur  L.  sitzt  Achill.  Er  ist    mit  einem    lose   umgeworfenen  Mantel  be- 
kleidet. Die  I>.  ist  auf  den  Speer  gestützt,  wobei  der   Zeigefinger    lang  aus- 


DIE    THENSA    CAPITOUNA 


:;i7 


gestreckt  ist.  Die  r.  Hand  ist  vorgestreckt.  Das  bedeutel  die  Gewährung  der 
Bitte,  ebenso  wie  auf  Bild  10.  Neben  seinem  Sitz  ruhl  ein  Panzer.  V'>r  Achil- 
leus  kniet  Patroklos.  Er  ist  nackt  abgesehen  von  einem  Mantel,  der  über  den 
Rücken  fällt.  Mit  beiden  Händen  berührt  er  Achills  Küsse.  Dargestellt  ist, 
wie  Patroklos  den  zürnenden  Freund  bitte!,  den  Achaeern  beistehen  zu  dürfen 
(vgl.  Walters,  Bronzen  in  the  Brit.  Mus.  n.  883 ;  Strena  Helbigiana  p.  268; 
Heibig    Wandgem.  1404.  1389.  1389  3). 

Die  Erfüllung  der  Bitte  zeigt  uns  die  rechte  Hälfte.  Achilleus  ist  wie- 
der nur  mit  dem  Mantel  bekleidet;  obwohl  unbewaffnet  isl  er  doch    gri 
als  der  gewaffhete  Patroklos.  Er  fasst  den  Patroklos  mit  der  R.  am    rechten 
Arm,  den  1.  Arm  legt  er  ihm  auf  die  Schultern,  ihn    so    väterlich   mahnend 


Fig.  5. 


wie  auf  Bild  3  Cheiron  den  Achill.  Die  Mahnung  kann  nur  sein  die  von  7/. 
87-96  ix  vr\&v  iXdaag  levcu  ndXiv.  Patroklos  trägt  die  volle  Rüstnng  Achills. 
Die  L.  hält  den  Speer,  die  R.  stützt  sich  auf  den  aufgestellten  Schild.  Der 
Kopf  ist  zu  Achilleus  gewendet  und  erhoben. 

Die  trennende  Säule  hat  ein  fast  altjonisch  anmutendes  Kapitell  mit 
stark  hängenden  Voluten.  Oben  steht  eine  Urne.  Säulen  und  Pfeiler  mit 
Urnen  bedeuten  zwar  ursprünglich  Grabsäulen  (Weisshäupl,  Grabgedichte 
p.  61  f.),  aber  allmählich  verlieren  sie  ihre  bestimmte  Bedeutung  und  g 
reu  zum  festen  Bestand  landschaftlicher  Typik  (Pfuhl.  Jahrb.  1905,  p.  63  f.). 
Daher  ist  es  hier  unberechtigt,  in  der  Säule  einen  Hinweis  auf  den 
nahen  Tod  des  Patroklos  zu  sehen,  sondern  der  Künstler  hat  nur  einen  be- 
liebten Typus  als  Trennung  der  beiden  Scenen  benützt.  In  ähnlicher  A\ 
trennen  auf  dem  Telephosfries  Pfeilerund  Bäume  (Schrader  Jahrb.  1900 
Tf.  I),  an  der  Trajanssäule  Bäume,  auf  Hipp  rkophagen  ein    Thorbo- 


348  F-    STAEHLIN 

gen  die  einzelnen  Scenen.  Zu  vergleichen  ist  eine  ähnliche  Säule  mit  Urne 
auf  Dioskurensarkophagen  (Robert  III,  2  t.  57,  180«  u.  b.  181  a.  Rilievi 
delle  urne  Etrusche  IL  t.  XXXVIII,  3).  In  diesem  Fall  bedeutet  die  Urne 
einen  Kampfpreis. 

Das  Bild  stellt  in  einer  Hinsicht  einen  grossen  Gegensatz  dar  zu  den 
bisherigen.  Es  gehurt  nicht  dem  distinguierenden  Stil  an,  den  wir  besonders  für 
Bild  6  feststellten,  sondern  dem  kontinuierenden,  der,  in  römischer  Zeit  neu 
belebt,  sich  die  Zukunft  erobern  sollte  Er  lässt  eine  Handlung  durch  Bilder  in 
ununterbrochenem  Fluss  vor  unseren  Augen  sich  entwickeln  (Hartel-Wickhoff, 
die  Wiener  Genesis  7-8). 


8.  Hektors  Tod. 


Bild  8  und  9  bilden  zusammen  ein  Bilderpaar,  das  nur  einen  Schritt 
entfernt  ist  von  dem  rein  kontinuierenden  Stil.  Dieser  würde  den  Hintei- 
grund, der  beiden  Bildern  gemeinsam  ist,  nämlich  die  Mauer  Trojas  mit  den 
Eltern,  nur  einmal  darstellen  und  davor  die  zwei  Teile  der  Handlung.  Diese 
Art  der  Darstellung,  auf  die  beide  Bilder  hinzudrängen  scheinen,  ist  Hin- 
durch ein  äusseres  Hemmnis,  die  Einrahmung,  unmöglich  geblieben.  Beide 
Bilder  zerfallen  in  Vorder -und  Hintergrund,  dessen  Personen  wie  auf  Bild  6 
perspektivisch  verkleinert  sind.  Sie  erinnern  dadurch  an  malerische  Vorbilder, 
z.  B.  die  Hydria  der  Münchener  Sammlung  Jahn  n.  65. 

Die  Mauern  Trojas  zeigen  regelmässigen  Quaderbau,  sogar  die  Rustika 
scheint  angedeutet.  Das  (skäische)  Thor  hat  Querleisten,  die  mit  grossen  Nä- 
geln beschlagen  sind.  Es  ist  oben  halbrund.  Die  Zinnen  sind  rund.  Links 
steht  ein  runder  Turm  mit  spitzem  Dach.  Hekuba  auf  der  Mauer  rauft  sich 
mit  der  R.  das  Haar,  während  sie  die  L.  nach  Hektor  ausstreckt  (ähn- 
lich auf  orientalischen  Reliefs  z.  B.  einer  assyrischen  Städteeroberung  La- 
yard  Niniveh  PI.  66).  Priamos,  kenntlich  an  der  phrygischen  Mütze,  erhebt 
die  R.  mit  ausgestrecktem  Zeigefinger  an  den  Mund.  Dieselbe  Gebärde  des 
Schreckens  und  Schmerzes  zeigt  Decebalus  auf  der  Trajanssäule  (Cichorius 
t.  C'XXXT),  der  die  Niederlage  seiner  Dacier  ansieht. 

Im  Vordergrund  stüsst  Aehilleus,  mit  Helm,  Schild,  Panzer,  Leibrock 
und  wehendem  Mantel  bekleidet,  mächtig  vorstürmend  seine  Lanze  in 
Hektors  r.  Seite.  Dieser  ist  ebenso  bewaffnet  wie  Aehilleus.  Er  ist  im  Fliehen 
niedergestossen  und  in  die  Kniee  gesunken.  Der  Kopf  ist  bis  zum  vollen 
Profil  rückwärts  gegen  Aehilleus  gewendet.  Es  ist  ein  altertümliches  Kam- 
pfesschema. Bei  Bie,  Kampfgruppe  und  Kämpfertypen  (Berlin  1891)  p.  50  wird 
als  dritter  Kampftypus  genannt:  Sieg  eines  Ausschreitenden  gegen  einen  knie- 
enden  Umblickenden.  Der  Unterschied  von  unserer  Darstellung  ist  nur  der, 
dass  der  Besiegte  auf  den  alten  Vasen  den  Rücken,  Hektor  aber  die  Brust 
dem  Beschauer  zukehrt.  Auch  zielt  meist  der  Besiegte  noch  im  Knieen  zurück, 


DIE    THENSA    OAPJ  1'iI.INA. 


IM!» 


während  Hektor   keinen    Widerstand  mehr    leistet    (vgl.    Gerhard  A.  V.  III, 
nr.  212,  1,  Lenormant  et  de  Witte  Mite  cSram.  I,  pl.  7). 


9.  Hektora  Schleifung 


Der  Hintergrund  ist  wieder  die  Mauer  Trojas.  Sie  hat  eine  runde  Zinne 
und  einen  runden  Turm,  dessen  Zusammenhang  mit  der  Mauer  nicht  weiter 
angegehen  ist.  Oben  stellen  Priamos  mit  phrygischer  Mütze  und  Eekuba  und 
strecken  jammernd  die  Hände  nach  dem  toten  Sohn.  Im  Vordergrund  stürmt 
der  mit  zwei  Pferden  bespannte  Streitwagen  Achills  dahin  (II.  Lat.  1000 
altior  ipsos  fett  domini  sieccessus  et/uos).  Als  Wagenrosse  tragen  sie  den 
Leihgurt.  Die  Zügel,  über  dem  Rücken  der  Pferde  deutlich  sichtbar,  sind 
wahrscheinlich  um  Achills  Leib  geschlungen.  Achilleus  hat  dieselbe  Bewaff- 
nung wie  im  vorigen  Bild.  Er  kehrt  sich  um  gegen  Priamos  und  Bekuba 
und  sticht  mit  dem  Speer  nach  Hektors  Leiche.  Es  ist  ein  Zug  wilder  Kach- 
sucht nach  Ilias  X  346.  Die  Ilias  Latina  hat  trotz  ihrer  sonstigen  Kürze 
gerade  diese  grausamen  Worte  bewahrt  v.  990.  Hektor  ist  nackt;  nur  der 
Oberkörper  ist  sichtbar.  Der  1.  Arm  fällt  über  den  Kopf  zurück,  der  r.  ist 
unten  an  die  Seite  geschmiegt  (Dieselbe  Armlage  auf  einem  Sarkophag 
Bobert  II  nr.  34  am  Helm  Achills  und  auf  der  Patroklosvase  in  Neapel 
Heydemann  3254,  Furtwängler-Reichhold.  t.  89). 

Brüning  (arch.  Jahrb.  IX,  1894)  zeigt,  dass  die  bildliche  Ueberlieferung 
in  vielen  Einzelzügen  und  dem  ganzen  Kolorit  die  Sage  umgestaltet  hat.  so 
dass  sich  in  griechisch-römischer  Zeit  die  Bilder  und  die  Ilias  Latina  in 
gegenseitiger  Uebereinstimmung  etwas  von  Homer  entfernen.  Der  Gegenbe- 
weis von  Paulcke  (de  tabula  Iliaca  quaestiones  Stesichoreae  Diss.  Königs- 
berg in  Pr.  1897)  ist  nicht  gelungen  (vgl.  Philolngus  61.  1902.  p.  •">:'.:' 
Weber,  Homerus  Italicus).  Brüning  handelt  ausführlich  über  den  Archetypus 
dieses  auf  den  ilischen  Tafeln  wiederkehrenden  Bildes.  Die  verwandten  Dar- 
stellungen führt  er  p.  149.  37  und  p.  154,  57  an:  beizufügen  ist  Bartoli- 
Bellori,  lucerne  antiche,  III,  9  (wo  auch  Priamos  auf  der  Mauer  ist)  und  die 
Oenochoe  von  Bernay  (Babelon  cab.  d.  ant.  pl.  XVII).  Um  das  mehrfach 
wiederkehrende  Umdrehen  Achills  zu  begründen,  nimmt  er  aus  der  Zeichnung 
des  Codex  Coburgensis  (Robert  IL  nr.  45)  in  das  Urbild  die  Figur  des  Odys- 
seus  auf,  dem  der  davonfahrende  Achilleus  einige  stolze  Siegesworte  zur 
Allein  gerade  dieser  Odysseus  ist  eine  vielbenutzte  Füllfieiir.  die'  ihren  Platz 
eigentlich  im  Palladionraub  hat  (Schreiber,  hell.  Reliefb.  MI  aus  Palazzo 
Spada  u.  unten.  S.  353).  Kr  gehört  also  nicht  in  eine  Originalkomposition.  Die 
Thensa  scheint  vielmehr  den  richtigen  Grand  des  Umdrehens  bewahrt  zu 
haben.  Auch  auf  einer  Gemme  schwingt  Achilleus  die  Lanze  gegen  den 
schleiften  Leichnam  Hektors  (Furtwängler  I,  t.  64,49).  Wo  diese  Bedrohung 
mit  der  Lanze  fehlt,  dreht  sich  Achilleus  um,  um  sich  an  dem  Anblick  Beines 


550 


F.    STAEHLIN 


gedemüti<rten  Feindes  zu  weiden.  Dasselbe  Motiv  findet  sich  auf  einer  Vase 
(Gerhard  A.  V.  III,  199). 


10.  Hektors   Lösung. 


Fisr.  6. 


Die  Hauptpersonen  sind  Achilleus  und  Priaraos,  von  denen  jeder  einen 
Diener  bei  sich  hat.  Zwischen  ihnen  am  Boden  liegt  die  Leiche  Hektors. 
Priamos  trägt  Chiton  und  Mantel,  auf  dein  Haupte  die  phrygische  Mütze. 
Er  ist  vor  Achill  niedergekniet.  Homers  Worte  42  502  cpeQu)  d'dneoeiai'  änoiva 
drückt  das  Bild  durch  die  Geschenke  aus,  die  er  Achill  anbietet.  Er  hält  ein 
breites  Band  in  den  Händen.  Der  Diener  hinter  ihm,  der  mit  einer  kurzen 
Exomis  und  Mütze  bekleidet  ist.  trägt  einen  grossen  geriffelten  Krug.  Neben 
Achills  Sitz  steht  ein  Panzer.  Er  trägt  einen  Mantel  und  eine  Chlamys.  Die 
L.  hält  den  Speer.  Auch  hier  ist  seine  Grösse  betont.  Die  offene  vorge- 
streckte R.  drückt  die  Gewährung  von  Priamos  Bitte  aus.  Hinter  ihm  steht 
ein  Speerträger  mit  Helm  und  Schild  —  man  beachte  den  langen  Zeigefinger 
am  Speer  — ,  der  jedenfalls  ursprünglich  Automedon  bedeutet.  Wenigstens  ist 
er  noch  auf  einem  römischen  Mosaik  von  Varhely  im  Hanyader  Comitat,  das 
unserem  Bild  in  der  Gruppierung  entspricht,  mit  dieser  Namensbeischrift 
versehen  (Arneth,  archäol.  Analekten.  Sitzungsber.  d.  Wien.  Ak.  VI,  1851, 
S.  281  t.  XV). 

Das  Bild  der  Thensa  ist  nur  ein  Ausschnitt  aus  einer  grösseren  Kom- 
position, die  figurenreicher  war.  Neben  Achill  steht  Hekuba  (Robert  II, 
t.  XX IV,  54).  Links  von  Priamos  ist  meistens  der  Wagen  mit  Geschenken 
und  die   Leiche    Hektors.  Diese    wird  entweder    mit   (lesclienken    aufgewogen 


DIE    THKNSA    CAP1T0LINA  351 

(Babelon,  cabinet  des  anliques,  pl.  XLI;  Robert  II,  t.  XXII,  17 c)  oder  von 
Dienern  herbeigetragen,  am  auf  den  Wagen  gehoben  7.11  werden  (Jahn-Mi- 
chaelis, Griech.  Bilderchroniken,  tab.  IliacaA,  t.  I  n.  II  a.  F  t.  IV)  oder  ist 
auch  noch  zur  Schleifung  an  den  Streitwagen  gebunden  (Roberi  II,  u.  26c). 

Die  selbständige  Gestaltung  des  Thensa-Bildes  liegt  darin,  dass  Ilektors 
Leiche,  die  wegen  Raummangels  nicht  links  hinter  Priamos  angebracht  werden 
konnte,  andererseits  aber  doch  notwendig  zum  Verständnis  war.  zwischen 
den  beiden  Hauptpersonen  Tlatz  fand.  Die  Anordnung  ist  übersichtlich  and 
fast  symmetrisch.  Man  wird  aber  auch  an  ältere  Bilder  der  Vasen  erinnert, 
wo  die  Leiche  häufig  unter  Achills  Kline  liegt,  eine  Aenderung,  die  der 
.Maler  an  Homers  Darstellung  </J"  24  vornehmen  musste  (vgl.  Arthur  Schnei- 
der, Bildwerke  zum  troianischen  Sagenkreise  p.  34.  Litteratur  und  Kunstwerke 
zu  den  Xvtqk  siehe  bei  Gruppe  679  a). 


11.  Achills  Tod. 


Achill  steht  in  überragender  Grösse  da.  Er  ist  nur  mit  einer  über  den 
Rücken  herabfallenden  Chlamys  bekleidet.  In  der  L.  hält  er  den  Speer  —  wieder 
mit  lang  ausgestrecktem  Zeigefinger — ,  in  der  R.,  Trankopfer  spendend,  eine 
Schale.  Er  steht  vor  einer  Aedicula  mit  dem  Kultbild  Apollos.  Der  Giebel 
ist  von  zwei  jonischen  Säulen  gestützt.  Apollo  hält  in  der  R.  einen  Lorbeer- 
zweig. Er  ist  ganz  nackt;  das  1.  Bein  ist  über  das  R.  gekreuzt,  der  1.  Unter- 
arm lehnt  sich  auf  eine  Stütze.  Der  Blick  ist  auf  Achill  gerichtet.  Vor  dem 
Bild  steht  ein  viereckiger  Altar.  Die  Seiten  tragen  eingetiefte  Felder.  Auf 
dem  Altar  steht  eine  Schale,  in  die  Achill  libiert.  Aehnlich  ist  das  Opfer 
des  Hippolytos  an  Artemis  auf  einem  Sarkophag  im  Lateran  (Robert  III; 
2.Teil  t.  5-t  nr.  167  a).  Das  Kultbild  mit  Altar  soll  den  Tempel  des  thvin- 
bräischen  Apollo  bezeichnen,  so  wie  z.  B.  am  Telephosfries  der  Tempel  in 
Delphi  durch  die  Statue  Apollos  versinnbildlicht  wird.  Hinter  Achills  Rücken 
und  unbemerkt  von  ihm  stehen  Paris  und  Apollo.  Paris  trägt  ein  hochge- 
gürtetes Gewand  wie  der  Diener  auf  Bild  10,  und  dazu  einen  kurzen  Mantel, 
auf  dem  Kopfe  die  phrygische  Mütze.  Er  hat  schon  den  Pfeil  auf  den  Bi 
gelegt  und  die  Sehne  angezogen.  Er  steht  in  gespreizter  Stellung  da,  so  dass 
er  einen  festen  Stand  bei  der  Abgabe  des  Schusses  hat.  Zugleich  aber  deutet 
das  zurückgesetzte  und  gebogene  r.  Bein  an,  dass  er  dann  sofort  entfliehen 
will.  Seine  feige  Natur  ist  dadurch  aufs  treffendste  bezeichnet.  Er  würde  nie 
den  Schuss  wagen,  wenn  ihn  nicht  Apollo  selbst  ermutigte.  Der  Gott  be- 
teiligt sich  nicht  tätig  am  Morde,  sondern  sein  Bogen  hängt  über  dem 
Rücken.  Er  trägt  nur  eine  Chlamys.  Mit  der  r.  Hand  stützt  er  Paris,  der 
fliehen  will,  von  hinten,  mit  der  1.  deutet  er  auf  Achills  Ferse,  gegen  die 
der  Pfeil  gerichtet  ist.  Die  Wendung  des  Kopfes  zu  Paris  drückt  noch  aus- 
serdem die  Eindringlichkeit  der  göttlichen  Mahnung  aus. 


352  F.    STAEHLIN 

Ohne  Zweifel  ist  hier  dargestellt,  wie  Achilleus  in  das  Heiligtum  des 
thymbräischen  Apollo  kommt.  Er  trägt  keine  Rüstung  {rvurpoarohy.ios  tioqev- 
öusvog  Argum.  II  Hecuba;  vvucfiy.ijv  orokfjv  ivdvoAperos,  lustin.  coli,  ad  Gr. 
II,  p.  37),  da  er  um  Polyxena  freien  will.  Die  Sage  ist  litterarisch  vielfach 
überliefert  (vgl.  Koscher  I,  1,  Sp.  48-50),  als  Darstellung  der  Kunst  aber  nur 
in  dem  Madrider  Sarkophagrelief  (Robert  II  nr.  62*)  und  einer  mir  nicht 
bekannten  Vase  (Bull.  d.  Inst.  1834,  pp.  234-238).  Wie  nahe  die  litte- 
rarische Ueberlieferung  mit  unserem  Bild  sich  berührt,  zeigt  besonders 
Seiwius  Aen.  VI.  57:  Achilles  cum  amatam  Pohjxenam  ut  in  templo  aeeipe- 
ret,  statuisset,  insidiis  Paridis  post  simulacrum  latentis  occisus  est.  Unde 
fin<;iitur,quodtenente  arcum  Apolline  Paris  dir 'exerit  tela;  vgl.  Hygin.  fab.  110. 
Man  vermisst  nur  den  Hinweis  auf  die  Verwundung  der  Ferse  oder  des  Knö- 
chels (Achilleus  an  der  Ferse  oder  dem  Knöchel  verwundet  bei  Furtwängler 
Gemmen  t.  16,  39.  18,22.  20,54.  64,67). 

Das  Bild  ist  künstlerisch  und  sagengeschichtiieh  wertvoll.  Es  zerfällt 
im  zwei  Hälften,  die  im  nächsten  Augenblick  zu  einer  Handlung  zusam- 
menfliessen  werden.  Die  Sorglosigkeit  Achills,  die  Feigheit  des  Paris  ist  le- 
bendig dargestellt.  Apollo  zeigt  dieselbe  Lust  zu  betrügen,  mit  der  er 
schon  in  der  Ilias  dem  Achilleus  entgegentritt.  Derselbe  Gott,  dem  Achill 
auf  der  einen  Seite  ein  frommes  Opfer  bringt,  schickt  ihm  auf  der  anderen 
Seite  den  Tod.  So  ist  über  das  Ganze  eine  tragische  Stimmung  gelagert. 
Man  kann  die  Grundzüge  des  Bildes  nur  der  Erfindung  eines  grossen  Mei- 
sters zutrauen. 

Mythologisch  betrachtet  liegt  das  Bild  in  einem  Knotenpunkt,  an  dem 
die  Sagen  von  Polyxena,  Troilos,  Achills  Verwundbarkeit  an  der  Ferse  und 
seinem  Tod  im  Apollotempel  zusammenlaufen,  über  deren  Alter  und  Zusam- 
menhang schwer  zu  urteilen  ist.  Auch  die  Ilias  scheint  ausser  der  Version, 
dass  Achilleus  am  skäischen  Thor  fällt,  X  359,  auch  die  andere  zu  kennen, 
dass  er  von  dem  versteckten  Paris  durch  einen  Schuss  in  den  Fuss  erlegt 
wurde.  Freilich  handelt  es  sich  dabei  nur  um  eine  Anspielung.  Diomedes 
nämlich  wird  in  einem  Teil  der  Ilias  als  zweiter  Achilleus  hingestellt  (Ro- 
bert, Stud.  z.  Ilias  463).  Er  überwindet  Hektor  A  355,  will  mit  Sthenelos  al- 
lein Troja  erobern  wie  Achilleus  mit  Patroklos  I  42  und  11  97.  Nach  allen 
seinen  Heldentaten  wird  er  von  Paris,  der  sich  hinter  das  Grabmal  des  Hos 
duckte,  in  den  r.  Fuss  geschossen  und  ausser  Kampf  gesetzt  A  369-379.  Man 
möchte  vermuten,  dass  auch  dies  nach  dem  Vorbild  der  Achilleussage  ge- 
dichtet ist. 


12.  Die   Kettung   von    Achills    Leichnam 
(vgl.  Tafel  XVII,  1,  etwas  unter  natürlicher  Grösse). 

Den  Hintergrund  bilden    zwei  runde  Türme   mit  spitzen  Dächern    und 
ein  Thor  mit  korinthischen  Pilastern;  die  als  Verbindung  anzunehmende  Mauer 


DIE   THKNSA    CAPITOLINA 

ist  uichi  ausgedrückt.  Im  Vordergrund  trägl  Aias  den  nackten  Leichnam 
Achills.  Der  Künstler  hat  dazu  die  Pasquinogruppe  benützt,  die  Menelaos 
und  Patroklos  darstellt.  Der  Mantel  des  Aias  ist  um  die  Hüften  mit  einem 
Band  festgehalten,  aber  verschoben,  so  dass  die  ganze  rechte  Seite  entblösst 
ist.  Der  Kopf  mit  dem  Helm,  der  beim  Tasquino  bis  zur  Linie  der  Schultern 
gedreht  und  etwas  gehohen  ist,  zeigt  eine  ganz  unnatürlich  starke  Wendung, 
weil  der  Künstler  das  volle  Profil  gewinnen  wollte.  Am  linken  Arm  trägt  Aias 
den  Schild,  dessen  Rundung  von  der  Schulter  des  Aias  zu  der  des  Achilleus 
überleitet.  Er  hält  mit  der  rechten  Hand  Achills  Leiche  am  Leib  gefasst,  mit 
der  nicht  sichtbaren  Linken  stützt  er  sie  im  Lücken  an  den  Schultern,  wie 
man  ans  .1er  Lage  des  Schildes  schiiessen  kann.  An  Achilleus  sind  die  Glieder, 
Haupt,  linker  Ann  und  Beine  gelöst  und  hängen  schwer  lastend  nieder.  Unrichtig 
ist  die  Stellung  der  Unterschenkel,  die  nachschleifen.  Sie  sollten  in  ver- 
kürzter Ansicht  gegeben  sein.  Das  vermied  der  Künstler  und  brachte  dadurch 
eine  ähnliche  Verrenkung  hervor  wie  bei  der  Stellung  des  Aiaskopfes.  Der 
rechte  Arm  ist  gehoben.  Eine  längliche  Relieferhöhung,  die  links  von  Aias 
Kopf  sichtbar  wird,  kann  nur  die  offene  Hand  Achills  sein,  die  über  die  1. 
Schulter  des  Aias  hängt.  Hinter  Aias  eilt  Odysseus.  Sein  flatternder  Mantel 
wird  durch  ein  Band  gehalten.  In  der  Linken  trägt  er  das  in  der  Scheide 
steckende  Schwert,  mit  der  Rechten  greift  er  zum  Munde,  ein  vielfach  vor- 
kommendes Zeichen  der  Erregung  und  des  Schmerzes  (Vgl.  S.  348).  Ob  der 
Kopf  unbedeckt  ist  oder  ob  über  dem  stark  hervorquellenden  Lockenkranz 
ein  eng  anliegender  Pilos  liegt,  ist  nicht  zu  erkennen.  Dieser  Odysseus  ist 
eine  beliebte  Figur  aus  den  Vorlagebüchern.  Er  kommt  ganz  ähnlich  nach 
links  gewendet  vor  auf  einem  Silberbecher  von  Bernay,  wie  er  mit  Diontedes 
den  Dolon  verfolgt  (Raoul  Röchelte,  .Von.  inecl.  t.  53,  wiederholt  unten  S.  386 
Fig.  12;  Babelon,  cab.  des  antiques  ä  la  Bibl.  nat.  pl.  XVII.  vgl.  S.  380).  Aehn- 
lich  bis  auf  die  Kopfwendung  ist  der  Odysseus  von  Antikythera,  dem  Svo- 
ronos  seinen  Platz  in  der  Scene  des  Palladionraubes  zuweist  (Tb  iv  l-llh'jvaig 
'Efri'iy.bv  Movaelov  rsv^og  2  pl.  XIII,  p.  68.  Tu  £!■  llrtixi&ijnov  tvo^uaret 
vnb  Bcdeoiov  2tärj.  Athen  1905,  elxiov  17,  atk.  43). 

Der  Künstler  hat  also  aus  seinen  Vorlagebüchern  zwei  Gestalten  ge- 
nommen, die  eigentlich  in  anderen  Zusammenhang  gehören.  Denn  durch  das 
Thensabild  kann  die  Deutung  der  Pasquinogruppe  auf  Menelaos  und  Patroklos 
keine  Aenderung  erleiden.  Sie  begründet  sich  auf  die  Wunden  des  Toten  am 
Bauch  und  Rücken  und  auf  seine  Waffenlosigkeit.  Diese  ist  für  Patroklos,  dem 
Hektor  die  Rüstung  geraubt,  ebenso  charakteristisch  als  die  Rüstung  es  für 
den  toten  Achilles  wäre,  um  dessen  Waffen  ja  dann  der  Streit  entbrennt. 
Deshalb  hat  der  Künstler  eines  homerischen  Bechers  (Robert  50.  Winkelmanns- 
programm, homer.  Becher  E)  gewissenhaft  Achills  Leiche  in  Waffen  dargi  - 
stellt,  obwohl  ihm  dabei  vermutlich  der  Pasquino  vorschwebte  (ebenso  die 
archaische  Vase  Jl/on.  delVInst.  I,  51).  Für  Patroklos  bezeichnend  ist  aber 
auch  besonders  der  Reiz,  den  die  weichen  fliessenden  Formen,  die  rührende 
Anmut  des  Toten  hervorrufen.  Denn  Patroklos  ist  für  die  spätere  Zeit  der 
Geliebte  Achills  (Aischylos  bei  Plato  Symposion  179E-180A),  während   bei 

24 


354  P-    STAEHLIN 

Homer  Achill  jünger  ist  als  Patroklos  (Lehrs  Aristarch2  187).  Dem  Thensa" 
Künstler  war  die  Gruppe  wohl  von  Rom  her  geläufig.  Dort  und  in  der  Villa 
Hadrians  sind  fünf  Kopien  mehr  oder  weniger  fragmentiert  gefunden  worden 
(Friederichs-Wolters  Bausteine  nr.  1397,  1398).  Eine  Wiederholung  nach  dem 
Pasquino  vermutet  Stais  in  einer  schlecht  erhaltenen  Statue  von  Antikythera 
(Stais  a.  a.  0.  fig.  20  p.  44;  Svoronos  a.  a.  0.  p.  72). 

Eine  gewisse  Uebereinstimmung  mit  dem  Epos  Aithiopis  (Kinkel  p.  34 
und  Ilias  Parva  p.  39  fr.  2)  ist  auf  dem  Thensabild  erzielt,  indem  Aias  die 
Leiche  trägt,  Odysseus  dahinter  geht  (vgl.  Furtwänglcr  Gemmen  t.  23,  40 
u.  41,  t.  25,  13).  Aber  die  Figur  des  ungerüsteten  und  den  Feinden  den 
Kücken  kehrenden  Odysseus  bleibt  doch  eigentlich  sinnlos.  Ganz  anders  zeigt 
der  erwähnte  homerische  Becher  den  Odysseus  im  heftigsten  Kampf  mit  einem 
nachdrängenden  Troer.  Durch  den  Vergleich  wird  die  Mattigkeit  des  Then- 
sabildes  recht  fühlbar.  Man  könnte  einwenden,  dass  hier  Achills  Leiche  nicht 
aus  der  Feldschlafht  gerettet  werde,  sondern  aus  dem  Heiligtum  des  Apollo, 
wie  es  Dictys  Cretensis  IV,  c.  12  schildert.  Daraus  würde  sich  scheinbar 
auch  die  Waffenlosigkeit  gut  erklären.  Allein  offenbar  ist  durch  die  Türme 
und  das  Tor  im  Hintergrund  Troja  angedeutet,  also  der  Tod  Achills  vor  dem 
skäisehen  Tor  vorausgesetzt.  Es  passt  also  dieser  Ausgang  auch  nicht  zum 
vorhergehenden  Bild  11. 

Da  der  Künstler  die  Pasquinogruppe  abgesehen  von  den  durch  sein 
Unvermögen  veranlassten  Verrenkungen  des  Kopfes  und  der  Beine  offenbar 
getreu  kopiert  hat,  kommt  seine  Darstellung  für  die  Ergänzung  des  Pasquino 
in  Betracht.  Nur  den  Helm  hat  er  geändert,  da  er  ein  bestimmtes  Schema 
für  die  Helme  auf  allen  Bildern  befolgt  (vgl.  S.  383).  Der  schon  mehrfach 
von  Archaeologcn  geforderte  Schild,  der  den  hässlichen  Winkel  zwischen  den 
Schultern  des  Menelaos  und  Patroklos  schliessen  und  den  dreieckigen  Aufbau 
der  ganzen  Gruppe  vollenden  soll,  ist  hier  überliefert,  und  ebenso  auf  dem 
homerischen  Becher.  Die  Haltung  des  rechten  Patroklosarmes  und  der 
Hand  stimmt  mit  dem  Würzburger  Fragment  überein  (L.  Urlichs,  über 
die  Gruppe  des  Pasquino.  Bonner  Winckelmannsprogramm  18G7).  Das  Bruch- 
stück aus  der  Villa  Hadrians,  welches  den  r.  Arm  des  Patroklos  gestützt 
von  der  1.  Hand  des  Menelaos  zeigt  (Heibig  I2,  232)  lehrt  ebenfalls,  dass  der  r. 
Arm  des  Patroklos  erhoben  war  (vgl.  den  im  Dresdener  Albertinum  zusammen- 
gesetzten Abguss,  abgeb.  Zeitschrift  für  bild.  Kunst  N  F.  XIV  S.  178). 
Diese  Haltung  erklärt  sich  nur,  wenn  man  annimmt,  dass  Menelaos  nur 
1  mgsam  gehend,  wie  die  schleifenden  Füsse  zeigen,  die  Leiche  eben  nie- 
derlegen will,  die  er  bisher  auf  der  1.  Schulter  getragen,  (vgl.  Kekule,  das 
akadem.  Kunstmuseum  zu  Bonn  1872,  nr.  248,  p.00).  "Was  uns  hur  der  Thensa 
Künstler  über  das  Original  lehrt,  hat  er  selbst  nicht  verstanden.  Denn  er 
hat  den  Menelaos  mächtig  eilend  dargestellt  und  diesen  Eindruck  durch  den 
nachlaufenden  Odysseus  verstärkt. 


DIE    THEN8A    CAPITOLINA  ■'>'>'> 


III.  V e nu smedai Hon  (vgl.  Tafel  XVIII,   1). 


Das  kreisrunde  Bild  ist  v ünern  Myrtenkranz  eingerahmt,  der  unten 

zusammengesteckt  ist  und  oben    eine    oval'-    Gemme    umschliesst.  Zwei    - 
kentauren,  ein  bärtiger  und  ein  unbärtiger   (weiblich?),    halten    eine    grosse 

Muschel,  in  der  Venus  sitzt.  Sie  haben  Panshörner,  Pferdefüsse  und  ''inen 
Fischschwanz,  der  sich  am  .Myrtenkranz  emporringelt.  Unten  ist  'las  Meer  in 
Wellenlinien  angedeutet  mit  zwei  Delphinen.  Venus  ist  als  Anadyoineiie 
dargestellt  und  ordnet  ihr  Haar  nach  einem  bekannten  Schema  (vgl.  Selbig 
I2  nr.  260  u.  Bronzestatuetten  aus  Aegypten  in  Collection  de  Clercq,  III,  pl.  X, 
l'aris  1905).  Sie  sitzt  auf  einem  Gewandstück,  das  von  ihrem  Kücken  über  die 
Oberschenkel  fällt.  Drei  geflügelte  Amoren  stehen  ihr  bei  der  Toilette  bei. 
Der  Linke  hält  einen  Spiegel,  der  rechte  ein  Band,  der  oberste  einen  Kranz. 
Während  sonst  auf  allen  Darstellungen  die  Köpfe  im  Profil  stehen,  sind  sie  hier 
in  Vorderansicht.  Die  Gesichtzüge  sind  daher  auch  entsprechend  roh,  be- 
sonders die  der  Venus.  Die  Augen  scheinen  an  allen  drei  Köpfen  von  aussen 
bearbeitet  worden  zu  sein. 

Die  Darstellung  der  von  Tritonen  in  einer  Muschel  gehaltenen  Venus 
kehrt  auf  Sarkophagen  häufig  wieder  (vgl.  Altmann,  Archit.  u.  Ornam.  d.  S. 
p.  84).  Die  grösste  Aehnlichkeit  bietet  ein  Relief,  das  im  vorderen  Hof  des 
Palazzo  Mattei  links  vom  Eintretenden  eingemauert  ist  (monum.  .][ntthap'iana 
III,  2  fig.  1  =  Bartoli  Admiranda  t.  30).  Eine  ziemlich  entsprechende  Dar- 
stellung findet  sich  auf  einem  späteren,  gleichfalls  mit  einer  Form  hergestellten 
Bronzeblech  (Catalogue  gen<!r.  du  J/usee  du  Gaire,  vol.  XII.  Koptische  Kunst 
von  Strzygowski  1904  nr.  9038  t.  XXV,  13).  Venus  sitzt  in  einer  Doppelmu- 
schel, die  von  «  zwei  Knaben  mit  Hörnern  »  gehalten  wird.  Diese  Knaben 
scheinen  aber  Seekentauren  zu  sein.  Man  sieht  in  der  Abbildung  die  dünnen 
Pferdefüsse.  Recht  ähnlich  ist  auch  ein  1856  in  der  römischen  Villa  in  Ha- 
likarnassos  gefundenes  Mosaik  im  britischen  Museum. 


IV.  Der   Thiasos  (Abbildung  7). 

Ein  bärtiger,  kahlköpfiger  Silen  (1),  von  den  Hüften  ab  mil  einem  Rock 
bekleidet,  in  der  Linken  eine  starke  Weinrebe  haltend,  greift  mit  der  off 
Hand  nach  einer  Syrinx,  die  ihm  ein  bocksfüssiger  Tan  (2)  entgegenhält. 
i'an  hält  in  der  Linken  ein  Pedum.  Eine  Mänade  $),  die  wie  fast  alle  an- 
deren, einen  Peplos  mit  starkem  Ueberschlag  und  einen  flatternden  .Mantel- 
streifen trägt,  tanzt  nach  rechts.  Die  Rechte  hält  den  oben  und  unten  mit 
Bändern  gezierten  Thyrsos,  die  Linke  streckt  ein  Tympanon  vor.  Die  Hand  ist 
dabei  durch  eine  der    vielen    daran    angebrachten    Schlingen    gesteckt.    Ein 


35  G 


F.    STAEHI.IN 


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nackter  Satyr   (4),  zu  dessen  Füssen    ein  Pedum  steht, 
bläst  die   Doppelflöte.    Zu    der    Musik    führt  eine  Mä- 
nade  (5)  einen  Tanz  aus,  wobei  sie  anmutig  über    dem 
Kopf  die  Cymbeln  zusammenschlägt.  Ihr  Peplos  ist  übu- 
dem  Ueberschlag  mit  einem  Band  gegürtet.  Nach  links 
hüpft   ein  nackter  Satyr   (6),  über  einen  Panther  weg- 
springend.   Die    Linke   hat    das  Pedum,    mit   der    Re- 
chten hält  er  neckend  über  dem  rückwärts  gewendeten 
Kopf  eine    Traube,    nach    der    eine    nachfolgende  Mä- 
nade(7)    mit    offener    Hand    hascht,  Sie    ist  bekleidet 
und  hat  den  Thyrsos  geschultert.   Den  Mittelpunkt  des 
Frieses    bildet    der    Wagen  des  Dionysos,  dem   sieben 
Personen  vorangehen  und  acht  folgen.  Ein  nackter  Sa- 
tyr (8)  mit  Pedum  führt  an    einem    Band   die    beiden 
Panther,    die  das  Gespann  bilden.  Der  vordere  von  ih- 
nen ist  weiblich.    Neben   ihnen    eilt    eine  Mänade  (9), 
die    Doppelflöte    blasend.    Der   Wagen    ist   vierräderig 
und  reich    mit   Ornamenten  verziert,  wie  wenn  er  mit 
Metall  beschlagen  wäre.  In  ihm  thront   Dionysos  (10). 
Kr  sitzt    in  dem    bekannten  Schema,    das  rückwärtige 
Bein  hochsetzend.    Den  Unterkörper  bedeckt  ein  Man- 
tel. Die  Linke  hält  den  Thyrsos,  die  Rechte  einen  Kan- 
tbaros,  aus    dem  reichlicher  Wein  fliesst.    Von  vornen 
fliegt   ihm    ein    Amor    entgegen  mit  einem  Kranz  und 
einer    Traube.    Hinter    dem  Wagen    steht    ein  Pedum. 
Ein  nackter  Satyr  (11)  bläst  auf  der  Doppelflöte  —  fast 
in  derselben  Haltung  wie  Figur  4  — ,  dazu  tanzt  eine 
nackte  Mänade  (12),  indem  sie  zierlich  ihren  ausgebrei- 
teten Mantel  wie   eine   Draperie   hinter   sich   hält.  Es 
folgt  eine  Gruppe    eines    nackten    Satyrs  (13)  und   ei- 
ner Mänade  (14).  Neben  dem    Satyr  steht  eine    Keule. 
Der  trunkene,    kahlköpfige    Silen  (15)  sitzt    auf  einem 
nach  1.  schreitenden  Esel.  Er  hält  in  der  Rechten  den 
bändergezierten  Thyrsos,  die  Linke  mit   einem  doppel- 
henkeligen  Becher  hängt  schwer  über  den  Rücken  eines 
Satyrknaben  (16),  der  den  vom  Esel  Sinkenden  mühsam 
stützt.  Schon  hebt    sich    bedenklich  das  r.  Bein  Silens 
über    den    Eselsrücken,    der    Oberkörper    fällt    haltlos 
zurück,    der    nächste    Moment    droht    schweren    Sturz. 
Aber  der  Knabe  hält  mit  den  Armen    den   Oberkörper 
und  stützt  mit  dem    r.  Fuss.    den    er    auf    einen    Stein 
gesetzt  hat,   den    Oberschenkel   des  Trunkenen.  Neben 
dem     Knaben    ist    ein  Pedum.    Diese    Gruppe  ist  fast 
bis    in    die    Einzelheiten  genau  wiederholt  auf    einem 
bacchischen   Sarkophag   (Brit.  Mus.  X    t.    39;  Bartoli 


DIE    THENSA    CAPITOLINA 


Admiranda  t.  49;  Gerhard  Auf.  Bildwerke  HO,  I).  Eine  bekleidete  Mä- 
nade(17)  spielt  im  Kreise  tanzend  die  Doppelflöte,  ein  nackter  Satyr  (18), 
in  jeder  Hand  einen  Stock  haltend,  tanzt  um  den  heiligen  Korb,  ans  dem 
eben  die  Schlange  zischend  in  die  Höhe  schiesst.  Ein  Panther  hebt,  von 
der  lebhaften  Bewegung  erregt,  die  Pfote  gegen  den  Satyr. 

Eine  Besonderheit  in  der  Trachi  der  Mänaden  bildet  das  Mantelstück, 
welches  hinter  den  Schultern  weil  vom  Luftzug  gebläht  wird  und  über  die 
beiden  Arme  in  Zipfeln  frei  flattert.  Es  findet  sich  häufig  an  den  Figuren  der 
sog.  neuattischen  Reliefs  (Hauser  t.  II  nr.  30).  An  die  Figuren  dieser  Reliefs 
und  an  die  bacchischen  Sarkophage  schliesst  sich  unser  Thiasos  an.  Bi 
ders  verwandt  ist  ein  Relief  in  Pal.  Mattei  (Matz-Duhn  II,  2291).  Im  Ver- 
gleich mit  Sarkophagdarstellungen  fällt  auf,  dass  die  Figuren  weil  ausein- 
ander gezogen  sind.  [Jeberschneidungen  sind  vermieden,  sobald  man  den 
Fries  in  seine  acht  deutlich  sich  absondernden  Gruppen  zerlegt  (1  +  2, 
3+4  +  5,  64-7,  8  +  9-1-10,  11  +  12,  13+  II,  15  +  16,   17  -     Man 

hätte  die  einzelnen  Gruppen  gesondert  aus  der  Form  ausprägen  können,  ohne 
dabei  Teile  der  anstossenden  Gruppen  mit  auszuprägen  (vgl.  Häuser,  die  neuatt. 
Reliefs  p.  127) 

An  künstlerischer  Schönheit  ist  dieser  Fries  den  Achilleusbildern  weit 
überlegen.  Er  gehört  dem  Stile  nach  ganz  an  den  Anfang  der  Antoninenzeit, 
wenn  nicht  in  die  hadrianische  Epoche,  zu  der  besonders  das  Festhalten  an 
der  ebenen  Grundflache  des  überall  sichtbaren  Reliefgrundes  passt.  Jede 
Gruppe  zeigt  gegen  den  Hintergrund  die  volle  Silhouette.  Verwandt  ist  etwa 
die  Hochzeit  des  Peleus  (Robert  Sark.  II  t.  1). 


V.   Technik. 

Das  Blech  hat  eine  beträchtliche  Dicke  von  c.  0,5  mm.  Die  Länge 
der  einzelnen  jetzt  erhaltenen  Blechstücke  lässt  sich  nicht  überall 
bestimmen:  denn  moderne  Blechbänder  mit  Kugelstab  unterbre- 
chen die  antiken  Stücke  und  man  kann  nicht  sehen,  ob  die  antike 
Bronze  unter  der  modernen  Ergänzung  zusammenhängt  oder  ge- 
trennt ist.  Doch  sind  mehrfach  Bleche  von  über  40  cm  Länge  erhal- 
ten und  im  fünften  Streifen  vou  über  55  cm.  Die  ausgeprägten  Formen 
sind  ziemlich  stumpf,  rundlich  und  flau.  Bei  manchen  Bildern  sind 
Einzelheiten  undeutlich  geblieben  z.  B.  Zweige,  Speere.  Gerätschaf- 
ten, die  in  den  Händen  gehalten  werden.  Ein  Nachziselieren  der 
Oberfläche  fand  nicht  statt,  ausser  an  den  Augen  der  Venus  und  der 
Tritonen  im  Veuusmedaillon.  Alan  bemerkt  bald,  dass  gewisse 
Bilder  stets  in  derselben  Reihenfolge  sich  wiederholen.  Daraus  darf 


358  F.    STAKHLIN 

man  schliessen,  dass  die  Reliefs  mit  Hilfe  von  negativen  Formen 
hergestellt  sind.  Auf  diese  wurde  das  Blech  gelegt  und  sorgfältig 
an  den  Rändern  befestigt,  so  dass  es  sich  nicht  verschieben  konnte. 
Mit  leichten  Schlägen  eines  hölzernen  Hammers  trieb  man  es  dann 
im  allgemeinen  in  die  Form.  Da  das  Blech  an  den  Stellen,  die 
besonders  hoch  reliefiort  werden  sollten,  leicht  durch  die  Hammer- 
schläge  zerriss,  legte  man  hierauf  zum  Schutze  eine  Lage  Blei  oder 
anderes  nachgiebiges  und  doch  zähes  Material  über  das  Blech  und 
arbeitete  jetzt  erst  mit  sorgfältigen  Hammerschlägen  alle  Einzel- 
heiten aus.  Wenn  man  heutigen  Tages  solche  Reliefs  ausprägen 
will,  so  geschieht  es  auf  galvanoplastischem  Wege  oder  durch  hy- 
draulischen Druck. 

Unsere  Aufgabe  ist  es,  aus  dem  Wirrwarr  des  jetzigen  Zustandes 
der  Thensa,  wo  sich  z.  B.  das  Bild  mit  der  Rettung  von  Achills 
Leiche  nur  einmal,  die  Scene  von  Achills  Jagd  sechsmal  findet, 
die  zur  Herstellung  verwendeten  Formen  herauszufinden  (1). 

Bei  den  grossen  Achilleusbildern  bemerkt  man  sofort,  dass 
die  Form  mindestens  je  drei  Darstellungen  umfasste,  die  mehrmals 
in  der  gleichen  Reihe  folgen.  So  sehen  wir  im  2.  und  (i.  Streifen  je 
einmal:  Feiung,  Begrüssung,  Unterricht;  im  2.  Streifen  zweimal: 
Jagd,  Gesandtschaft,  Erkennung;  im  6.  Streifen  zweimal:  Achills 
Zorn,  Hektors  Tod  und  Schleifung;  im  2.  Streifen  zweimal:  Hek- 
tors  Lösung,  Achills  Tod,  Rettung  seiner  Leiche  (letzteres  Bild  ist 
einmal  verloren  gegangen).  Aber  eine  genauere  Beobachtung  klärt 
uns  noch  weiter  über  den  Umfang  der  Form  auf.  Nämlich  bei  den 
Uebergängen  von  Bild  3  (Unterricht)  zu  Bild  4  (Jagd)  und  von 
Bild  9  (Schleifung)  zu  Bild  10  (Lösung),  wo  man  dem  ersten  Eindruck 
folgend  ein  Aufhören  der  Form  annehmen  möchte,  ist  die  trennende 
Säule  (zwischen  Bild  3  u.  4  eine  geschuppte,  zwischen  9  u.  10  eine 
mit  Spiralen  nach  rechts)  mit  dem  darüber  befindlichen  Medaillon 
immer  zweimal  ausgeprägt  d.  h.  einmal  als  Abschluss  rechts  von  Bild 
3  bezw.  9  und  einmal  als  Abschluss  links  von  Bild  4  bezw.  10.  Dazu 
ist  neben  dem  Medaillon  abwechselnd  der  linke  oder  rechte  Erote 
ausgepr;'i'it.  Mehrfach  sind  aber  liiebei  die  Hände  des  gegenständigen 
Eroten,  die  das  Medaillon  halten,  mit  ausgeprägt,  so  in  Bild  9  und 


(')  Zu  den  folgenden  Ausführungen  wolle  der  Leser  die  Tafel  XIV  u.  XV 
Dei  Castellani  vergleichen. 


DIE    THENSA    CAPITOMNA 


359 


Bild  3  rieben  dein  Venusmedaillon.  Beide  Arme  des  Eroten  sind 
im  2.  Streifen  links  von  Bild  4  erhalten;  auch  reicht  an  dieser 
Stelle  der  Giebelarchitrav  noch  ein  Stück  weiter  nach  links  (Ab- 
bildung 9  u.  Tafel  XVII,  3).  Was  man  schon  aus  der  Gleichheit  der 
Säulen  und  des  darüber  befindlichen  Kopfes  schliessen  durfte,  wird 
durch  diese  Spuren  gesichert:  zwischen  Bild  3  und  4  und  zwischen 
Bild  9  u.  10  hörte  die  Form  nicht  auf,  sondern  ging  in  einem 
Stück  weiter.  Bild  1  — 6  und  Bild  7  —  12  waren  in  je  einerForm 
zusammengefasst.  Der  Handwerker  prägte  aber  niemals  die  ganze 


Fig.  8. 


Form  auf  einmal  aus,  sondern  immer  nur  die  drei  ersten  oder  drei 
letzten  Bilder  (über  den  Grund  vgl.  S.  375).  Dabei  prägte  er  leicht 
ein  Stück  des  anstossenden  Bildrahmens  mit  aus,  besonders  die 
Hände  des  gegenständigen  Eroten.  Jede  der  Formen  hat  er  ge- 
rade zweimal  benützt.  Wir  gewinnen  als  Resultat  dieser  Untersu- 
chung das  planvolle  Ganze  eines  aus  12  Bildern  bestehenden 
Achilleuscyklus.  Die  Länge  von  3  Bildern  an  der  Thensa  beträgt 
0,395  m,  die  Länge  von  6  Bildein  dann  0,79  m.  Davon  müssen 
wir  die  Breite  einer  Säule  abziehen,  die  durch  die  Zerlegung  des 
Bleches  in  zwei  Teile    zweimal  ausgeprägt    wurde,    und    erhalten 


360  F-    STAF.HLIN 

so  0,79  —  0,014  =  0,776  m  als  Länge  der  Form,  die  wir  I 
(Bild  1-6)  und  II  (Bild  7-12)  nennen.  Oben  und  unten  begrenzt 
die  Form  ein  Rundstab.  Auf  ihm  stehen  unten  die  Figuren  des 
Bildes,  oben  stossen  an  ihn.  die  Spitzen  der  Giebel  und  die  Eroten 
mit  Kopf,  Flügeln  und  Fnsssohlen. 

Der  Handwerker   hatte  nicht  nötig    immer    die    ganze  Form 
auszuprägen,  sondern  konnte  auch  einen  einzelnen  Teil  mitten  aus 
der  Form  auswählen.  Er  legte  dann  das  Blech  auf  die  Form  und 
schlug  es  nur  an  dem  Teil  ins  Negativ,  den  er  ausgeprägt  haben 
wollte.  An  der  Stelle,  wo  die  Reliefierung  enden  sollte,  bog  er  das 
Blech  etwas  in  die    Höhe    (vgl.    Rom.    Mitt.  1906  S.  84).    Dies 
Verfahren  ist  im  4.  Streifen  angewandt.  Hier  umfasste  gleichfalls 
je  ein  Blechstück  drei  Bilder,  nämlich  das  Venusbild  in  der  Mitte 
und  je  ein  Achilleusbild  auf  der  Seite,  das  aus  der  Form  I  und  II 
genommen  ist.  Wo  der  Myrtenkranz  des  Venusbildes  mit  den  zwei 
inneren  Säulen  der  Achilleusbilder  zusaminenstossen  musste,  sind 
die  Spuren  des  leichten   Knickes,  den  das  in  die  Höhe  gebogene 
Blech  erhielt,  noch  deutlich  erhalten  (vgl.  Tafel  XVIII,  1).  Besondere 
Sorgfalt  hätte  es  dabei  erfordert,  die  Grundlinie  der  beiden  Seiten- 
bilder  in  die   gleiche  Linie    zu   bringen.    Allein    sie    haben  ver- 
schieden hohe  Grundlinien   und  sind   schief  nach  oben  oder  unten 
geneigt.  Dies  entspricht  der  auch  sonst  mehrfach  festzustellenden 
Sorglosigkeit  des  Handwerkers.  Zuerst  wurden  die  beiden  Achilleus- 
bilder ausgeprägt,    dann    erst   das  Venusmedaillon.    Sein  Rahmen 
greift  auf  die  zwei  inneren  Säulen  über  und  verwischt  sie,  soweit 
sie  überhaupt  ausgeformt  waren.  Die  Länge  des  relierierteu  Teiles 
beträgt  wieder  0,395  m,  der  Länge  von  drei  Achilleusbildern  genau 
entsprechend. 

An  diesem  vierten  Streifen  sieht  man,  dass  der  Handwerker  von 
der  Bedeutung  der  Achilleusbilder  keine  Kenntnis  hatte.  Er  hielt 
nämlich  ihre  Reihenfolge  für  gleichgiltig  und  verwendete  sie  nur 
als  Schmuckstücke.  Ohne  jeden  Grundsatz  wählte  er  das  eine  oder 
andere  Bild  zur  Verwendung  aus.  Nur  seiner  Bequemlichkeit  trug 
er  Rechnung,  indem  er  immer  die  Seitenbilder  beide  entweder  der 
Form  I  oder  der  Form  II  entnahm.  So  setzte  er  zusammen:  Un- 
terricht und  Jagd.  Begrüssung  und  Feiung  (zweimal)  aus  Form 
I,  Hektors  Schleifung  und  Achills  Tod  aus  Form  II.  Wir  ha- 
ben  also  aus   dem  vierten  Streifen  als  neue  Form,  die  IV.  benannt 


DIR    THENSA    CAPITOLINA  361 

sein  soll,  nur  das  Vennsmedaillon    zu    entnehmen,   das    0,138  m 
breit  und  hocli  ist. 

Die  Achilleusbilder  des  tauften  Streifens  sind  von  einem 
untergeordneten  Künstler,  nach  dem  Vorbild  der  grossen  Bilder  in 
verkleinertem  Massstab  gefertigt  (vgl.  Tafel  XVII,  2).  Ihre  Minder- 
wertigkeit zeigt  sich  in  der  durchgehenden  Verschlechterung  der 
Zeichnung,  indem  z.  13.  die  Personen  un verhältnismässig  grosse 
Köpfe  haben,  besonders  bei  der  Begrüssungsscene;  ferner  in  der 
missglückten  Aenderung  der  Vorlage,  wenn  in  der  Jagdscene  Achill 
nicht  auf  dem  Rücken  Cheirons,  sondern  auf  einem  eigenen  Pferd 
reitet,  sodann  iu  der  Vernachlässigung  der  zeitlichen  Ordnung, 
indem  die  Gesandtschaft  erst  hinter  Achills  Zorn  kommt.  Solcher 
Unkenntnis  der  Sage  begegneten  wir  auch  im  vierten  Streifen. 
Eine  Kleinigkeit  ist,  dass  die  jonische  Säule  iu  Achills  Zorn  in 
eine  korinthische  verwandelt  ist. 

Der  Streifen  beginnt  mit  Achills  Feiung,  ohne  dass  auf 
dem  breiten  links  erhaltenen  Rand  die  linke  Anfangssäule  mit  der 
Zwickelfüllung  darüber  ausgeprägt  wäre.  Dagegen  sieht  man,  dass 
das  Blech  an  dieser  Stelle  einem  starken  Druck  (vgl.  S.  375)  ausge- 
setzt war.  Wir  müssen  daher  annehmen,  dass  es  hier  unter 
dem  Wagenrand  steckte  und  von  ihm  breitgedrückt  wurde.  Also 
gehört  dieses  Bild  ganz  links  an  den  Anfang  des  Streifens.  Da- 
rauf folgen  in  ungestörter  Reihe  die  sieben  ersten  Achilleusbilder, 
in  denen  aber  die  Gesandtschaft  an  den  Schluss  gestellt  ist,  was 
dem  besprochenen  Unverständnis  des  Verfertigers  zuzuschreiben 
ist.  Die  Zwickelfüllung  über  der  ersten  Säule  ist  nicht  erhalten. 
Dann  folgeu  in  drei  Zwickeln  drei  nach  rechts  fliegende  Eroten, 
deneu  iu  den  nächsten  drei  Zwickeln  drei  nach  links  fliegende 
Eroten  entgegenkommen.  Ueber  der  letzten  Säule  ist  im  Zwickel 
der  aufgerichtete  Oberkörper  eines  Eroten.  Er  bezeichnet  das  Ende 
dieser  Form.  Wir  haben  eiue  genaue  Symmetrie  in  den  Säuleu, 
deren  Spiralen  nach  rechts  und  links  wechseln,  und  in  den  Zwik- 
kelfüllungen  (vgl.  unten  S.  369)  und  dürfen  annehmen,  dass  auch 
über  der  ersten  Säule  ein  aufrechter  Erote  war.  Die  Einheit  und 
der  Abschluss,  der  diesen  sieben  Bildern  ihrem  Inhalt  nach 
fehlt,  ist  der  Form  durch  die  symmetrische  Ornamentik  gegeben. 
Die  Länge  dieser  Form  III  ist  0.555  m. 

Nachdem  die  Form  einmal  abgedrückt  war,  wurden  ein  oder 


362 


F.    STA  EH  LI  N 


mehrere  Bilder  eingeschoben,  die  mitten  aus  der  Form  mit  dem 
oben  bezeichneten  Verfahren  geprägt  wurden.  Die  Reihenfolge  der 
Bilder  war  ja  dem  Handwerker  gleichgiltig.  Erhalten  ist  das  an 
die  Gesandtschaft  anstossende  Stück  des  Jagdbildes  (Abbildung  8). 
Es  ist  jetzt  zur  Linken  begrenzt  von  der  Säule  mit  dem  aufge- 
richteten Eroten.  Innerhalb  der  festen  Form  aber  ist  im  Zwickel 


Fisr.  0. 


links  über  dem  Jagdbild  einer  der  nach  rechts  fliegenden  Eroten. 
Die  hieraus  sich  ergebende  Schwierigkeit  hat  ihre  Spuren  hinter- 
lassen. Denn  1)  reicht  der  flache  Bogen  über  dem  Jagdbild  nicht 
bis  an  die  linke  Säule;  2)  ist  das  ganze  Bild  etwas  von  der  linken 
Säule  abgerückt;  3)  ist  der  Arm  mit  dem  Kranze  des  nach  rechts 
fliegenden  Eroten  neben  dem  aufrechten  Eroten  mit  ausgeprägt. 

Nunmehr  folgt  ein  völliger  Bruch  des  Bleches,  an  den  kein 
anderes  Stück  anpasst.  In  Castellanis  Rekonstruktion  folgt  nach 
der  Lücke  der  Unterricht  und  die  weiteren  vier  Bilder  bis  zur  Ge- 


DIE    THKNSA    CAPITOLIKA  363 

sandtschaft  in  der  Reihenfolge  der  Form.  Die  beiden  ersten  Bilder, 
nämlich  Feiung  und  Begrüssung,  fehlen.  Merkwürdigerweise  tauchten 
sie  aber  in  Paris  auf  und  sind  im  Versteigerungskatalog  der  Col- 
lection  Hotfmann  (von  Froehner,  Paris  1888)  auf  p.  107  n.  394 
in  Originalgrösse  abgebildet  (danach  Abbildung  10).  Ich  verdanke 
den  mir  sehr  wertvollen  Hinweis  auf  dies  Stück  Herrn  Dr.  Frie- 
drich Hauser  in  Rom.  Kann  schon  wegen  der  Maasse  und  der  Dar- 
stellung kein  Zweifel  sein  an  ihrer  Zugehörigkeit  zur  Thensa,  so 
ist  sogar  ihr  Platz   zu   bestimmen,  da  die  rechte  Bruchseite  der 


ppatä^ 


Fi«?.  10. 


beiden  in  sich  zusammenhängenden  Pariser  Stücke  genau  anpasst 
an  die  linke  Bruchseite  des  Unterrichts.  Ich  habe  dies  durch  An- 
passen einer  ausgeschnittenen  Pause  am  Original  erprobt.  Leider 
ist  auch  an  diesem  Stück  die  Zwickelfüllung  über  der  ersten  Säule, 
wenigstens  nach  der  Abbildung,  nicht  zu  erkennen.  Wo  es  sich 
jetzt  befindet,  ist  mir  nicht  bekannt. 

Es  war  also  nach  der  oben  bezeichneten  Lücke  noch  einmal  die 
ganze  Form  mit  den  sieben  Bildern  ausgeprägt.  An  das  siebente  Bild 
(Gesandtschaft)  schliesst  sich  der  Unterricht  an.  Auch  an  ihm  sind 
infolge  dessen  Unregelmässigkeiten  zu  bemerken :  1 )  Es  hat  zur 
Linken  die  Schlusssäule  der  Form  mit  Spiralen  nach  links,  während 


364  F-    STAEHLIN 

es  innerhalb  der  Form  zur  Linken  eine  Spiralsäule  nach  rechts  hat; 
2 1  auch  hier  reicht  der  Bogen  über  dem  Bild  nicht  an  die  linke 
Säule  heran;  3)  das  Bild  ist  zu  nahe  an  die  Säule  gerückt.  Dadurch 
ist  vermieden  oben  im  Zwickel  ein  Stück  des  fliegenden  Eroten 
neben  dem  aufrechten  auszuformen.  Dafür  blieben  aber  auch  der 
linke  Baum  und  die  Füsse  des  Lokalgottes  unausgesprägt.  Von 
dem  hierauf  folgenden  Jagdbild  ist  nur  ein  kleines  Stück  der 
fliegenden  Chlamys  Achills  erhalten.  Dann  folgt  eine  glatte  Fläche, 
die  unter  dem  Wagenrand  verschwand.  Wir  haben  also  von  diesem 
Streifen  die  beiden  unter  den  Wagenrand  gehörenden  Enden  und 
in  der  Mitte  eine  Lücke,  die  mindestens  noch  ein  verlorenes  Bild 
umfasste.  Es  wird  die  an  das  Jagdbild  anstossende  Szene  der 
Erkennung  gewesen  sein.  Es  ist  auch  noch  ein  nach  links  fliegender 
Erot  erhalten,  der  zu  diesem  Bilde  passen  würde.  Castellani  hatte, 
bevor  die  Pariser  Stücke  zu  Verlust  gingen  (p.  131  Ire  dei  ret- 
tangoli  aadarono  perduti),  siebzehn  Bilder  dieses  Streifens  (p.  131 
la  quinta  fascia  era  scompartita  in  dicisette  rettangoli).  Jetzt 
sind  noch  fünfzehn  am  Original  ganz  oder  teilweise  erhalten. 

Die  Form  V  endlich  bildet  der  Thiasos  in  der  Reihenfolge, 
wie  er  oben  beschrieben  ist.  Castellani  und  Heydemann  hielten  irr- 
tümlicherweise den  Dionysos  für  Ariadne  und  gründeten  darauf  die 
Vermutung,  dass  noch  Reliefstücke  mit  Dionysos  verloren  seien. 
Nach  Beseitigung  des  Irrtums  darf  auch  die  Vermutung  für  ab- 
getan gelten.  Die  Form  ist  von  dem  kahlköpfigen  Silen  bis  zur 
heiligen  Cista  mit  der  Schlange  55  cm  lang,  also  der  Länge  von 
Form  III  fast  genau  entsprechend.  Au  technischen  Besonderheiten 
ist  Folgendes  zu  erwähnen:  bei  dreien  der  vier  erhaltenen  Stücke 
bildet  Figur  1  den  Anfang.  Also  nahm  der  Handwerker  jedesmal 
für  Ausprägung  der  Form  ein  eigenes  Blechstück,  das  der  Länge 
der  Form  entsprach.  Denn  links  von  Figur  1  schneidet  das  Blech 
immer  glatt  ab,  nicht  mit  unregelmässigem  Bruchrand.  Nach  wie- 
derholter Ausprägung  der  V.  Form  blieb  dem  Handwerker  noch 
bis  zum  Seitenbord  eiu  leerer  Raum  von  0,095  cm  Länge  übrig. 
Hier  schob  er  mitten  aus  der  Form  nicht  eine  der  oben  (S.  357) 
bezeichneten  zusammengehörigen  Gruppen  ein,  sondern  Figur  5,  6 
und  7.  Mit  so  geringer  Sorgfalt  fügte  er  sie  ein,  dass  die  Grund- 
Linie  der  angeflickten  Figuren  um  3  mm  zu  tief  ist  und  schief  nach 
abwärts  steht.  Weil   er  sich  nicht  an  die  Gruppeneinteilung  an- 


DIK    THENSA    CAP1T0LINA  305 

schloss,  sind  trotz  der  lichten  Zwischenräume  in  dieser  Form  doch 
nicht  zugehörige  Reliefteile  mit  ausgeprägt,  so  die  Doppelflöte  des 
Satyrs  4,  der  Arm  und  das  Pediini  des  Satyrs  8.  Man  sieht  auch 
an  der  Anschlussstelle  den  oben  erwähnten  senkrechten  Knick  im 

Bleche. 

Als  Resultat  der  technischen  Untersuchung  stellt  sich  heraus, 
das  sämtliche  Reliefs  der  Thensa  mit  nur  fünf  Formen  ausgeprägt 
sind,  nämlich : 

Form  I  (grosse  Achilleusbilder  1-6). 

Form  II  (  »  »      7-12). 

Form  III  (kleine  Achilleusbilder). 

Form  IV  (Venusmedaillon). 

Form  V  (Thiasos). 


VI.  Ornam  e  n  tik. 

Aus  den  bei  der  technischen  Untersuchung  gewonnenen  Re- 
sultaten ergibt  sich,  dass  wir  zunächst  nicht  nach  der  Ornamentik 
der  ganzen  Thensa  fragen  dürfen,  sondern  nach  der  der  einzelnen 
Formen.  Was  über  die  Ornamentik  des  ganzen  Wagens  zu  sagen 
ist.  wird  in  Kap.  VIII  zur  Sprache  kommen. 

Von  den  grossen  (Form  I  und  II)  und  kleinen  (Form  III) 
Achilleusbildern  ist  jedes  für  sich  eingerahmt,  und  zwar  die 
grossen  Bilder  mit  Säulen  und  einem  Giebeldreieck.  Trennung  der 
einzelnen  Bilder  durch  Ornamentstreifen  (Flechtband,  Triglyphen- 
und  Metopenband)  war  schon  bei  älteren  griechischen  Bronzen  das 
crewöhnliche  Schema.  Aber  während  diese  die  einzelnen  Bildvier- 
ecke  senkrecht  unter  einander  anordneten  (De  Ridder  de  eötypis 
quibusdam,  quae  falso  vocantur  Argivo-Corinlhiaca  Paris  1896) 
und  die  Nebeneinanderreihung,  wie  sie  die  Bronze  von  Eleuthe- 
rae  zeigt  (de  Ridder  nr.  36),  eine  Aenderung  des  ursprünglichen 
Schemas  bedeutet,  befinden  sich  auf  der  Thensa  die  Bilder  neben- 
einander. Aller  Nachdruck  ist  hier  darauf  zu  legen,  dass  die  Ein- 
rahmung durch  architektonische  Vorbilder,  die  in  wagrechter  Linie 
sich  ausbreiten,  bestimmt  ist.  Die  Aedicula-artige  Einrahmung 
des  Einzelbildes  hat  auf  griechischen  Votivtafeln  und  Grabreliefs. 


366  F-    STAEHLIN 

den  Mittelbildern  ünteritalischer  Prachtvasen,  römischen  Grabur- 
nen (vgl.  besonders  Heibig  IP  nr.  1082)  und  Grabaltären  und  be- 
sonders im  Bildträger  in  der  Wandmalerei  ihre  Vorläufer.  Bei 
der  zusammenhängenden  Säulenhalle  aber,  in  der  oder  durch  die 
man  die  Achilleusbilder  sieht,  schwebten  dem  Künstler  Werke 
der  Wandmalerei  vor  und  zwar  ein  grösserer  Cyklus  von  Gemäl- 
den. Für  die  Darstellung  eines  grösseren  Gemäldes  auf  einer 
Wand  ist  eine  durch  einen  Prospekt  durchbrochene  Wand  mit 
Einrahmung  des  Bildes  durch  seitliche  Pfeiler  oder  Säulen  das 
naturgemäss  geforderte  Schema  (Mau  Gesch.  d.  Wandmalerei 
S.  187  und  die  Wand  aus  der  Villa  des  Diomedes  Taf.  7).  Ein 
ganzer  Cyklus  derartiger  Bilder  ist  uns  in  den  Odysseelandschaf- 
ten vom  Esquilin  (herausgegeben  von  Karl  Woermann)  erhalten, 
auf  die  man  durch  eine  kräftige  Pfeilerarchitektur  hinaussieht, 
Da  das  gleiche  Schema  zur  Einrahmung  der  Thensabilder  ange- 
wandt ist,  so  darf  man  einen  direkten  Einfluss  der  Architektur- 
malerei auf  die  Gestaltung  der  Formen  I  und  II  annehmen. 

Die  Säulen  sind  korinthisch,  an  den  Basen  mit  Tonis  und  Tro- 
chilus  versehen.  Am  Kapitell  ist  eine  dreifache  Akanthusausla- 
dung  nach  den  Seiten  hin  angegeben.  Die  Säulen  sind  so  breit 
wie  in  der  Wirklichkeit  Säulen  als  Dachträger  sein  müssten.  Sie 
gleichen  hierin  den  Pfeilern  der  Odysseelandschaften,  die  dem  ar- 
chitektonischen (zweiten)  Stil  angehören  (Mau,  Wandmalerei  S. 
164).  Wir  unterscheiden  Säulen  mit  geraden  Rillen,  mit  Spiralen 
nach  links  und  rechts  und  mit  Schuppen.  Letztere,  die  ursprüng- 
lich den  Palmbaum  nachahmen,  sind  in  der  römischen  Wand- 
malerei (Mau  t.  13,  14)  und  Skulptur  (Rom.  Mit.  1904  p.  24. 
Heibig  P  nr.  694  u.  695 ;  E.  Würz,  plast.  Dekoration  des  Stütz- 
werkes, 1906  p.  87  f.)  nicht  selten.  Gleichgeordnete  Stützen  der 
Architektur  sind  in  guter  griechischer  Zeit  unter  sich  gleichartig. 
Den  Anlass  zu  Abweichungen  scheint  die  Wandmalerei  gegeben  zu 
haben.  Schon  im  zweiten  Stil  werden  die  Säulen  des  Bildträgers,  der 
ja  nach  der  Absicht  des  Malers  peispeldivisch  vor  den  Sockel  vor- 
springt, also  der  übrigen  Wand  nicht  gleichgeordnet  ist,  vor  den 
übrigen  Pfeilern  oder  Säulen  der  Wand  ausgezeichnet  (Mau  t.  5  u.  6). 
Der  dritte  ornamentale  Stil,  der  diese  perspektivisch  gedachte  Ar- 
chitektur ins  Flächenhafte  überträgt,  auch  die  Stützen  ihres  eigent- 
lichen architektonischen   Charakters    entkleidet  und  sie  als  Orna- 


DIE    THKNSA    CAP1T0MNA  36"i 

mente  verwendet,  stellt  auch  in  derselben  Ebene  Stützen  von  ver- 
schiedener Art  dar.  So  sind  im  Peristyl  der  casa  del  Citarista 
(Mau  S.  302  t.  11  e)  schwarze  Pfeiler,  auf  die  in  rytlimischem 
Wechsel  ein  Kandelaber,  eine  Rundsäule  und  ein  Pfeiler  gemalt 
sind  (vgl.  Zahn  III,  59).  Ein  Beispiel  aus  der  wirklichen  Archi- 
tektur liefert  das  Monument  von  Adamklissi,  zu  dem  Studniczka 
viele  Analogieen  anführt  (Monumentum  Traianum.  Abli.  d.  sächs. 
Ges.  d.  Wiss.  Bd.  22,  1903  04,  S.  38). 

Besonders  auffallend  ist  die  Symmetrie  der  Säulenstellung. 
Versteht  man  unter  1  Säuleu  mit  senkrechten  Rillen,  unter  2 
mit  Spiralen,  unter  3  mit  Schuppen,  so  ergibt  sich  folgende  Reihe: 

12     2     3     3     11    Mitte    112     2     3     3     1. 

Die  Säulen  folgen  also  nach  einer  bestimmten  Kunstabsicht. 
Von  der  Mitte  aus  genommen  sind  beide  Flügel  symmetrisch. 
Das  Mittel  des  Kontrastes  ist  angewandt,  indem  die  Säulenpaare 
2  und  3  umgestellt  sind.  Sechs  Bilder  ergeben  noch  nicht  die 
Symmetrie,  sondern  erst  alle  zwölf  zusammen.  Sie  werden  durch 
die  Symmetrie  zu  einer  Einheit  zusammengefasst.  Solche  auf  die 
Mitte  hinzielende  Symmetrie  klingt  leise  an  bei  den  Odysseeland- 
schaften (Wörman  a.  a.  0.  S.  3).  Sie  geht  aus  von  dem  Augen- 
winkel des  Beschauers,  der  nach  der  Absicht  des  Malers  dem  Kirke- 
bild  als  der  Mitte  gegenüberstehen  .  soll.  Infolgedessen  lassen  die 
fünf  Bilder  links  vom  Beschauer  rechts  hinter  dem  roten  Pfeiler,  die 
fünf  Bilder  rechts  vom  Beschauer  links  hinter  dem  roten  Pfeiler  einen 
schwarzen  Pfeiler  und  in  entsprechender  Weise  die  Seitenansicht 
des  roten  Pfeilers  sehen  (natürlich  so  weit  eben  die  Bilder  erhal- 
ten sind).  So  sind  diese  gleichwertig  aneinander  gereihten  Bil- 
der doch  gewissermassen  zusammengefasst.  Beherrscht  von  die- 
sem Prinzip  ist  die  symmetrische  Anordnung  der  Wand  mit  einem 
Gemälde  in  der  Mitte  (Mau  Kap.  9).  Der  Hauptteil  der  Wand 
zerfällt  dabei  in  drei  Teile,  ein  selbständiges  Mittelstück  und 
zwei  sich  entsprechende  Flügel.  (Genau  so  findet  sich  —  um  dies 
liier  gleich  vorwegzunehmen  —  an  der  Thensa  die  Form  IV  mit 
Form  I  und  II  zusammengestellt.  Das  Venusmedaillon  ist  das 
Mittelstück,  zwei  Achilleusbilder  sind  die  Flügel).  Besonders  zu 
beachten  aber  ist  der  obere  Wandteil  bei  solchen  Wänden.  Da 
gehen  oft  von  dem  festen  Mittelpunkt  4-0  sich  entsprechen'!.' 
Glieder  aus  (Säulen,  Gebäude,  Veranden,  Bilder,  Pflanzen  u.  <1lt1  • 


V.    STAKH!  IN 

vgl.  eine  Wand  vierten  Stils  bei  Zahn  111,  9(3).  Die  künstlerische 
Absicht  ist  dabei  die  gleiche  wie  an  der  Thensa,  nämlich  eine 
langgestreckte  Fläche  durch  Symmetrie  zu  einer  Einheit  zusam- 
menzufassen.  Freilich  wird  auch  ein  geschultes  Auge  eine  solche 
Entsprechung  in  der  Verschiedenheit  nicht  leicht  auffassen  können. 

Zu  vergleichen  sind  auch  die  Säulensarkophage.  An  den  He- 
raklessarkophagen rinden  wir  nur,  wie  bei  Form  III,  den  rhyth- 
mischen Wechsel  zwischen  Säulen  mit  Spiralen  nach  1.  oder  r. 
An  den  christlichen  Sarkophagen  ist  es  aber  schon  ganz  geläufig, 
dass  zwei  verschiedene  Säulenarten  (mit  Ranken,  Spiralen,  gera- 
den Rillen  und  Rillen,  die  in  der  unteren  Hälfte  wieder  mit  Rund- 
stäben ausgefüllt  sind)  in  bestimmtem  Wechsel  einander  gleich- 
geordnet sind  (vgl.  Garrucci,  Storia  dell'arte  cristiana  V  t.  331,2. 
347,2.  4.3). 

Aehnliche  Beobachtungen  wie  an  den  Säulen  machen  wir  an 
den  Giebeldreiecken.  Es  folgt  über  dem  Abacus  der  Säulen  nicht  Epi- 
styl,  Fries  und  Sima,  sondern  nur  die  aus  einem  Kugelstab  be- 
stehende Sima  ist  auf  allen  drei  Seiten  des  Dreiecks  herumge- 
führt (vgl.  Schild  des  Scipio  Monum.  Piot  VI,  1S99.  p.  29,  fig.  3; 
Terrakottafries  des  Octavius  Oesterr.  Jährest.  VI,  1903,  p.  16  t.  II). 
Im  Tympanon  ist  der  gebräuchliche  Lorbeerkranz.  Die  kleinen  A- 
chilleusbilder  in  Form  III  sind  mit  ganz  linienhaften,  flachen  Bögen 
überspannt.  Sie  enden  direkt  am  Abacus  der  korinthischen  Säulen, 
deren  Kapitell  nur  zwei  Akanthusausladungen  zeigt.  An  den  He- 
raklessarkophagen sind  die  Bögen  noch  hochgewölbt,  bei  den 
christlichen  Sarkophagen  findet  man  häutig  Flachbögen. 

Besondere  Beachtung  verdient  die  Füllung  der  Zwickel  zwi- 
schen den  Giebeln  bezw.  Bögen.  Leerer  Raum  wird  vermieden  und 
bei  der  Raumfüllung  wird  nach  den  Gesetzen  der  Symmetrie  und 
der  Centralisation  verfahren  (vgl.  Alois  Riegl,  spätrömische  Kunst- 
industrie  S.  78  f.).  In  Form  I  und  II  sind  die  Zwickel  durch  ge- 
genständige, ganz  von  der  Seite  gesehene  Eroten  ausgefüllt,  die 
ein  rundes  Medaillon  mit  einem  Porträt  tragen.  In  den  Medaillons 
kehren  stets  die  gleichen  Köpfe  wieder,  nämlich  ein  nach  links 
.sehender  männlicher  und  ein  nach  rechts  sehender  weiblicher  Kopf. 
Die  Abwechslung  der  beiden  Köpfe  bringt  in  die  sonst  gleichartige 
Reihung  doch  eine  gewisse  Gegensätzlichkeit.  Die  an  den  beiden 
Enden    der    Form  I  und  II  befindlichen   Köpfe    sehen    nach    der 


DIE    THK.VSA    CAI'ITOLINA  369 

Mitte  zu  und  dienen  so  der  Centralisation,  die  nur  schwach  aus- 
gedrückt ist.  Auch  in  der  Mitte  ist  sie  mehr  in  negativer  als  in 
positiver  Weise  angedeutet,  indem  dort  zwei  Niken  mit  Kränzen 
auseinander  fliegen  und  die  Zwickel  füllen  (vgl.  Viktorien  als 
Zwickelfüllung  bei  Triumphbogen).  Durch  diese  Hervorhebung  der 
Mitte  zwischen  zwei  sich  entsprechenden  Flügeln  erhält  das  Ganze 
eine  symmetrische  Anordnung. 

Stärker  noch  ist  das  Prinzip  der  Centralisation  und  Sym- 
metrie an  Form  III  durchgedrungen.  Im  ersten  (vgl.  oben  S.  361) 
und  im  letzten  (achten)  Zwickel  ist  der  Oberkörper  eines  aufrechten 
Eroten,  der  gleichsam  aus  der  Säule  wächst.  Im  zweiten  bis  vier- 
ten Zwickel  fliegt  je  ein  Erote  mit  Kranz  in  der  vorgestreckten 
Rechten  nach  rechts,  während  ihnen  in  Zwickel  5-7  je  ein  Erote 
gleichfalls  mit  Kranz  in  der  vorgestreckten  Rechten  entgegenkommt. 
Alles  strebt  also  der  Mitte  zu.  Sehr  ähnlich  ist  ein  Sarkophagre- 
lief im  Palazzo  Mattei  (Robert  III,  2  nr.  192  vgl.  nr.  309).  Zwik- 
kelfüllung  finden  wir  auch  bei  den  Herakles-und  anderen  Säulen- 
sarkophagen. Aber  besonders  ausgebildet  ist  sie  bei  den  christlichen 
Sarkophagen.  Das  symmetrische  Spiel,  das  dort  mit  Pflanzen,  Vö- 
geln, weiuerntenden  Eroten,  Körben,  Delphinen,  Tritonen,  geflügelten 
Köpfen  getrieben  wird,  erregt  unser  Staunen  und  geht  für  unseren 
Geschmack  ins  Kleinliche  (vgl.  Garrucci,  V,  t.  315,2.  335,4). 

Form  IV,  das  Venusmedaillon,  ist  selbst  als  ein  Ornament 
aufzufassen  (vgl.  S.  367  über  seine  Zusammenstellung  mit  Form  I 
u.  II).  —  Form  V,  der  Thiasos,  hat  gar  kein  Ornament  und  beweist 
auch  hierin  seinen  von  den  anderen  Formen  abweichenden  Cha- 
rakter. 

Während  die  figürlichen  Darstellungen  noch  unter  der  Tra- 
dition des  griechischen  Reliefstiles  stehen,  folgt  die  Ornamentik 
den  Gesetzen,  die  in  der  römischen  Zeit  immer  mehr  ihre  volle 
Ausbildung  erhielten,  nämlich  der  Verdrängung  des  Reliefgrundes 
durch  Ausfüllung  des  Raumes  und  dem  Streben  nach  Svmmetrie 
und  Centralisation.  Wir  finden  unter  den  christlichen  Sarkopha- 
gen des  3.  und  4.  Jahrhunderts  mehr  Analogieen  zu  der  Orna- 
mentik der  Formen  I-III  als  unter  den  Sarkophagen  der  Antoni- 
nenzeit.  Auch  hier  haben  Neuerungen,  denen  die  Zukunft  gehören 
sollte,  zuerst  in  der  Ornamentik  sich   Bahn  gebrochen.  Nach  den 


25 


370  F-    STAEHLIN 

ornamentalen  Elementen  und  dem  Stil  geordnet   würde    sich    für 
die  fünf  Formen  folgende  zeitliche  Reihenfolge  ergeben : 

1.  Form  V  (Thiasos). 

2.  Form  I  u.  II  (grosse  Achilleusbilder). 

3.  Form  III  u.  IV  (kleine  Achilleusbilder  und  das  Venus- 
medaillon). 


VII.   Die   Medaillons. 

Bei  Verzierung  der  Thensa  ist  ein  reichlicher  Gebrauch  ge- 
macht von  Medaillons.  Als  Zwickelfüllung  bei  den  grossen  Achilleus- 
bildern  sind  Eroten  verwendet,  die  ein  rundes  Medaillon  (Durchm. 
mit  Rand  2  cm)  mit  abwechselnd  einer  männlichen  und  einer  weib- 
lichen Gewandbüste  halten.  Der  männliche  Kopf  ist  ziemlich  aus- 
druckslos, mit  eingebogener  Nase,  halblangen  Haaren,  unbärtig, 
runder  Schädelform.  Der  weibliche  Kopf  ist  durch  seine  Haartracht 
bemerkenswert  (vgl.  S.  342).  Man  möchte  glauben,  dass  die  weiblichen 
Köpfe  nicht  immer  die  gleichen  seien.  Der  Hals  scheint  manchmal 
dünner,  die  Nase  spitzer,  das  Haar  in  einer  Flechte  am  Hinter- 
kopf hochgezogen.  Doch  können  diese  Unterschiede  ihren  Grund 
nur  in  Unregelmässigkeiten  bei  der  Ausprägung  oder  in  späteren 
Verletzungen  haben.  Die  Gesichtszüge  sind  so  matt  ausgeprägt, 
dass  es  aussichtslos  wäre,  die  Köpfe  mit  bestimmten  Personen 
identifizieren  zu  wollen  (vgl.  Tafel  XVIII,  5). 

Während  diese  Köpfe  mit  zu  Form  I  und  II  gehörten,  sind 
noch  drei  andere  Medaillons  vorhanden,  die  aus  eigenen  Formen 
gepresst  und  dann  auf  die  Bronzebleche  aufgelötet  sind.  Sie  sind 
durch  Stanzen  hergestellt  und  haben  schärfere  Umrisse.  Der  Durch- 
messer ist  4.  8  cm.  Auf  einem  Medaillon  (Tafel  XVIII,  3  in  Origi- 
nalgrösse)  ist  Kopf  und  Hals  (ohne  Büste)  einer  unbärtigen  Person 
mit  langem  wallendem  Haupthaar  dargestellt.  Die  Haltung  und 
die  Züge  sind  edel,  die  Stirne  hoch,  die  Nase  fein  geschwungen, 
die  vollen  Lippen  fest  geschlossen.  Um  den  Hals  scheint  sie  ein 
nicht  deutlich  erkennbares  Band  zu  tragen.  Man  wird  unwillkür- 
lich an  eineu  Kopf  aus  der  Zeit  Ludwigs  XIV.  erinnert.  Der  Kopf 
sieht  nicht  römisch,   sondern   griechisch,  fast   wie   ein  Apollo!«*!»!' 


DIE    THENS.V    CAPITOLINA  371 

aus.  Ich  halte  die  festen,  stark  ausgeprägten  Züge  für  männlich 
Während  dieser  Kopf  nach  r.  sieht,  ist  der  andere  (Tafel  XVIII,  4) 
nach  1.  gewendet.  Er  hat  kurzes  Haar,  hohe  Stirn,  starke  Ein- 
biegung am  Nasensattel,  ziemlich  spitze  Nase,  festgeschlossenen 
Mund  mit  schmalen  Lippen,  starkes,  spitz  vorspringendes  Kinn.  Die 
Augen  sind  etwas  zusammengekniffen,  die  Wangen  mager,  die 
Ohren  gross.  Es  ist  ein  soldatischer,  römischer  Charakterkopf,  ver- 
wandt im  Aussehen  mit  der  Togastatue  im  Lateran  (Heibig  I2, 
674,  abgeb.  Garrucci,  Museo  Laterauo  VIII ;  Bernoulli,  röm.  Iko- 
nographie II,  1   p.  214). 

Das  dritte  Medaillon  (Tafel  II,  2)  stellt  den  Kampf  mit  der 
Chimaera  dar.  Bellerophon  sitzt  auf  dem  geflügelten  Pegasos.  Mit 
der  L.  hat  er  den  Kopf  des  Pferdes  herumgerissen,  mit  der  R. 
stösst  er  die  Lanze  in  den  Rücken  der  Chimaera,  die  einen  Lö- 
wenkörper und  Schlangenschwanz  hat,  während  vom  Ziegenkopf 
nichts  zu  erkennen  ist.  Die  Darstellung  ist  schwungvoll  und  be- 
wegt. Sie  fügt  sich  besonders  gut  in  einen  runden  oder  ovalen 
Rahmen.  Auf  einem  der  eingeritzten  schwarzen  Grabsteine  in 
Theben,  die  Vollgraf  veröffentlichen  will,  ist  sie  als  Zeichnung  auf 
einem  Schild  benützt. 

Vou  diesen  Medaillons  ist  ganz  oder  in  Bruchstücken  erhal- 
ten der  hellenistische  Kopf  viermal,  der  Römerkopf  fünfmal,  der 
Chimaerakampf  dreimal.  Castellaui  hat  sie  teils  in  den  sechsten 
Streifen  unter  die  grossen  Achilleusbilder  gesetzt,  und  dafür  hatte 
er  Spuren  an  den  antiken  Teilen,  teils  hat  er  sie  an  beliebigen 
anderen  Stellen  angebracht.  Das  Wahrscheinlichste  ist,  dass  sie  im 
zweiten  und  sechsten  Streifen  unter  den  grossen  Achilleusbiidern 
waren.  Sicher  bestimmen  lässt  sich  das  nicht,  weil  im  zweiten 
Streifen  die  Teile  unter  den  Reliefs  teils  ganz  verloren,  teils  so 
oxydiert  sind,  dass  sich  Ansatzspuren  nicht  mehr  feststellen  lassen. 
Die  Wendung  der  beiden  Porträte  entspricht  der  in  den  Zwickel- 
füllungen. War  unter  jedem  x\.chilleusbild  ein  Medaillon,  so  müssten 
es  ursprünglich  je  8  Medaillons  gewesen  sein.  Sie  schlössen  dann 
immer  je  3  Achilleusbilder  —  so  viele  waren  auf  ein  Blechstück 
geprägt  —  zu  einer  Einheit  zusammen. 

Diese  Medaillons  sind  Münzprägungen  ähnlich.  Die  aufgelö- 
teten Köpfe  sind  älter  als  die  Gewandbüsten  in  den  Zwickeln. 
Erst  seit  Hadrian  wird  es  Regel  ausser  Kopf  und  Hals  auch  ein 


;372  V.    STAEHLIN 

Stück  der  Büste  auf  die  Münzen  zu  prägen.  Die  Haartracht  der 
weiblichen  Büste  weist  uns  ins  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts.  Der 
Chirnärakampf  erinnert  an  die  korinthischen  Münzen  (Catal.  of 
Greek  Coins  in  the  Brit.  Mus.  Corinth  pl.  XIX,  13.  XX,  18. 
XXIII,  13,  14.  u.  a.  ;  Etruskische  Spiegel  IV  t.  334.  V  72  u.  73). 
Keine  stimmt  genau  überein;  besonders  ist  unserem  Medaillon 
allein  eigen  das  lebendige  Herumreissen  des  Pferdekopfes.  Allein  der 
Künstler  kann  ja  ein  Münzbild  auch  in  freier  Weise  benützt  haben. 
Porträtmedaillons  als  Ornamente  waren  in  der  römischen 
Kaiserzeit  beliebt.  Sie  treten  an  Sarkophagen  auf  (Altmann,  Or- 
namentik der  Sark.  S.  100).  Kaiserporträts  befanden  sich  als  ima- 
gines  an  den  Fahnenstangen  der  Praetorianer  (Domaszewski,  die 
Fahnen  im  röm.  Heere  Wien  1885  S.  69).  Besonders  bezeugt  ist 
die  Benützung:  der  Münzen  als  Ornament  in  der  Antoninenzeit. 
Die  von  Münsterberg  (Österr.  Jahreshefte  1904  S.  139)  veröffent- 
lichten Proben  eines  Steinschneiders  zeigen  wahrscheinlich  die 
Köpfe  des  jugendlichen  Marc  Aurel  und  des  Antoninus  Pius.  Jünger 
ist  das  Bronzeblech  im  Kircherianum  mit  den  Köpfen  des  Traianus 
Decius,  Herennins  und  der  Etruscilla  (Röm.  Mitth.  1906  S.  83). 
Das  berühmteste  Beispiel  aber  ist  die  Patera  von  Rennes  (Babe- 
lon,  Cabinet  des  antigues  ä  la  Bibl.  nat.  pl.  VII).  In  ihren  Rand 
sind  16  Goldmünzen,  die  Zeit  von  Hadrian  bis  Caracalla  umfas- 
send, so  eingelassen,  dass  Vorder  -  und  Rückseite  zu  sehen  sind 
und  immer  ein  bärtiger  Kopf,  von  einem  Lorbeerkranz  umgeben, 
mit  einem  weiblichen  oder  unbärtigen  männlichen  Kopf,  von  Akan- 
thos  umgeben,  abwechselt.  Auch  die  Art  dieses  Rhythmus  erin- 
nert an  die  Thensa.  Die  Schale  ist  wegen  der  Getamünze  auf 
210  n.  Chr.  zu  datieren.  Interessant  ist,  dass  auf  der  Kehrseite  bei 
jeder  Münze  die  Abkürzung  des  Namens  steht,  damit  der  Hand- 
werker die  richtige  Münze  einsetze  und  nicht  aus  Unverstand  den 
beabsichtigten  Rhythmus  störe.  Solche  Beaufsichtigung  durch  einen 
Kundigen  fehlte  dem  Handwerker  der  Thensa. 


VIII.   Zusammensetzung. 


Der  Wagen  ist  durch  viele  Hände  gegangen,  bis  er  vollendet 
war.  In  einer   Werkstatt  wurden  mit  den  fünf  Formen  die  relie- 


D1K    THENSA    CAPITOLINA  010 

tierten  Streifen  hergestellt,  deren  Grösse  genau  bestellt  war.  Jedoch 
stand  die  Länge  der  an  dem  Wagen  zu  besetzenden  Strecken  nicht 
mit  der  Länge  der  Formen  in  einem  bestimmten  Verhältnis.  Die 
Länge  der  betreffenden  Form  ging  nicht  restlos  auf  in  die  Aus- 
dehnung des  Streifens,  sondern  es  mussten  mehrfach  einzelne  Stücke 
aus  der  Form  angesetzt  (1.  und  3.  Streifen)  oder  eingeschoben 
(5.  Streifen)  werden,  um  die  ganze  Länge  des  Streifens  zu  bedecken. 


1.     2.    3. 


5.3.4  6  7  5.  (4>Lüc  K  e  1.8.3.4.6.7.5.3 


V  4. 


2.  V   1. 


12    3 


T      H      I     A     S      O     S 


T    H     !    A    S    O  S 


Fig.  11. 


Im  zweiten,  vierten  und  sechsten  Streifen,  wo  gleichfalls  der  zur 
Verfügung  stehende  Raum  von  den  reliefierten  Stücken  nicht  ganz 
ausgefüllt  wurde,  schob  man  glatte  Bronzebleche  dazwischen,  von 
denen  einige  erhalten,  andere  von  Casteilani  ergänzt  sind.  Man  sieht 
daraus,  dass  die  Formen  nicht  eigens  für  die  Theusa  gemacht, 
sondern  dem  in  der  Werkstatt  vorhandenen  Vorrat  an  Formen 
entnommen  wurden.  Andere  Arbeiter  befestigten  die  Bronzeteile  am 
Wagenkasten  aus  Holz.  Holzreste  waren  ja  noch  an  den  Pnndstiicken 
erhalten.  Zuerst  wurden  die  reliefierten  Teile  festgenagelt.  Die 
Nägel  sind  dünn  und  kurz,  haben  aber  grosse  Köpfe  von  1,  3  cm 
Durchmesser,  ähnlich  unseren  Reissbrettnägeln.  Sie  wurden  ohne 
Rücksicht  auf  das  Relief  eingeschlagen,  wie  wir  das  auch  an  an- 
deren Brouzegeräten  sehen.  An  der  Vulcenter  Ciste  (Heibig  II2 
1388)  ist  durch  einen  Nagel  gerade  der  Kopf  einer  Amazone  ver- 
deckt. Nach  Befestigung  der  Reliefs  wurden  die  senk-  und  wag- 
rechten Lücken  zwischen  den  einzelnen  Bronzestücken  mit  einem 


374  F.    STAEHLIN 

Kugelstab  überdeckt.  Der  senkrechte  Kugelstab  fehlte  im  fünften 
Streifen,  dagegen  im  ersten  und  dritten  Streifen  muss  er  vor  Figur  1 
immer  ergänzt  werden.  Zuletzt  wurden  die  massiven  Seitenteile  mit 
grossen  Nägeln  festgeschlagen.  Sie  gaben  der  ganzen  Verkleidung 
den  grössten  Halt.  Sie  sind  die  Grundlage  jedes  Rekonstruktionsver- 
suches. 

Dereine  ist  ganz,  der  andere  zur  Hälfte  erhalten.  Der  Seiten- 
teil ist  geschwungen  und  oben  und  unten  wagrecht  d.  h.  parallel  zum 
oberen  und  unteren  Rand  des  Wagenkastens  abgeschnitten.  Die 
Länge  von  der  Mitte  dieser  Schnittlinien  gemessen,  ist  0.95  m. 
Dies  bildete  das  Grundmass  für  Castellanis  Rekonstruktion :  der 
jetzige  Wagenkasten  ist  genau  0,95  m  hoch.  Allein  dabei  hat 
Castellaui  die  Neigung  des  Seitenteils  ausser  Acht  gelassen.  Des- 
halb ragt  bei  ihm  auch  der  Wagenkasten  oben  und  unten  in 
unschöner  Weise  über  die  Enden  der  Seitenteile  hinaus.  Man  muss 
als  Höhe  des  Wagenkastens  nicht  die  absolute,  sondern  die  senk- 
rechte Entfernung  der  oberen  und  unteren  Schnittlinie  nehmen. 
Dann  bekommen  wir  als  Höhe  des  Wagenkastens  0,84  cm.  Castel- 
lani  hat  zur  Ausgleichung  seines  ersten  Fehlers  noch  einen  zweiten 
begangen.  Er  ergänzte  nämlich  in  der  wagrechten  Linie  immer 
einen  zweireihigen  Kugelstab.  Allein  die  zahlreichen  erhaltenen 
Bruchstücke  zeigen  den  Kugelstab  immer  nur  einreihig  (0,015  m 
breit).  Zieht  man  von  0,95  m  5  X  0,015  ab,  da  Castellani  den 
Kugelstab  5  mal  zu  viel  genommen  hat,  so  erhält  man  0,95  — 
0,075  =  0,875  m,  was  mit  der  senkrechten  Höhe  des  Seitenteils 
ziemlich  genau  stimmt.  Ganz  genau  kann  man  die  senkrechte  Höhe 
der  einzelnen  Streifen  nicht  angeben,  da  man  nicht  weiss,  wie  weit 
das  Blech  oberhalb  und  unterhalb  der  Reliefs  sichtbar  war.  Setzt 
man  x  =  Höhe  des  2.  4.  und  ß.  Streifens,  y  =  Höhe  des  1.  3.  und 
5.  Streifens,  so  erhält  man  die  Gleichung 

S.v  -f-  3y  +  7  X  0,015  m  (Kugelband)  —  0,84  m,  ausgerechnet 
x  -j-  y  =  0,245  m,  von  denen  man  dann  17  cm  auf  x  und  7,5  cm 
auf  y  nehmen  kann,  was  ungefähr  mit  Castellanis  Maassen  stimmt. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  wirklich,  wie  bei  letzterer  Berechnung 
vorausgesetzt  ist,  die  senkrechte  Ausdehnung  in  6  Streifen  zerlegt 
war,  und  welche  Länge  für  die  einzelnen  Streifen,  d.  h.  für  die 
Entfernung  der  beiden  Seitenteile  von  einander  ermittelt  werden 
kann.  Von  vornherein  ist  dabei  klar,  dass  durch   die   Einziehung 


DIE   THENSA    CAPITOLINA  375 

der  beiden  Seitenteile  eine  bedeutende  Verkürzung  der  oberen 
Streifen  bedingt  ist.  Man  hat  also  die  Streifen  je  nach  der  Länge, 
die  sich  von  ihnen  erweisen  lässt,  so  anzuordnen,  dass  der  kürzeste 
oben  und  die  anderen  je  nach  zunehmender  Länge  weiter  unten 
anzuordnen  sind. 

Für  die  Ausdehnung  der  Streifen  mit  den  grossen  Achilleus- 
bildern  gibt  uns  folgende  Erwägung  einen  Anhalt.  Warum  hat  der 
Handwerker  nicht  die  ganze  Form  I  und  II  in  einem  Blechstück 
ausgeprägt?  Da  die  Herstellung  dieser  fast  80  cm  langen  Form 
besonders  kostspielig  gewesen  sein  muss,  hätte  sie  doch  auch  aus- 
genützt werden  sollen!  Der  Grund  kann  nur  der  gewesen  sein,  dass 
Streifen  mit  je  6  Bildern  von  0,76  m  Länge  sich  nicht  auf  den 
zu  besetzenden  Raum  verteilt  hätten.  Wie  nämlich  die  Bilder  der 
Form  I  und  II  verteilt  waren,  können  wir  noch  nachweisen.  Der 
Seitenteil  griff  wegen  seiner  Neigung  auf  das  Relief  über,  wie  man 
es  auch  bei  der  jetzigen  Zusammensetzung  sieht.  Durch  die  wuch- 
tigen und  rücksichtslosen  Hammerschläge  aber,  mit  denen  der 
schwere  Seitenteil  festgenagelt  wurde,  wurde  der  Rand  des  Reliefs 
d.  h.  die  Säule  und  der  Medaillonkopf,  breitgedrückt.  Diese  breit- 
gedrückten Ecksäulen  befinden  sich  bei  der  Castellanischen  Anord- 
nung teilweise  in  der  Mitte  des  Wagens,  wo  eine  solche  Eindrük- 
kuno-  unerklärlich  bliebe.  Ordnet  man  aber  die  Bilder  so,  dass  in 
einen  Streifen  die  Bilder  1-9  und  in  einen  anderen  Streifen  die  Bil- 
der 10-12  und  dann  noch  einmal  die  ganze  Reihe  von  1-12  kommt 
(vgl.  den  Wiederherstellungsentwurf  Abb.  11),  so  zeigen  sämtliche 
Säulen  und  Medaillons,  die  an  den  Enden  der  Streifen  ihren  Platz 
erhalten,  die  Spuren  vom  Druck  des  Wagenbordes.  Die  Eindrückung 
ist  am  stärksten  an  der  linken  Ecksäule  eines  Bildes  1,  der  rechten 
Ecksäule  eines  Bildes  9  (Schleifung)  und  der  1.  Ecksäule  eines 
Bildes  10  (Lösung).  Geringer  ist  sie  bei  der  r.  Ecksäule  eines 
Bildes  12.  An  anderen  Säulen  findet  sich  diese  Art  der  Beschädi- 
gung nicht.  Somit  ist  die  angegebene  Anordnung  als  die  ursprüng- 
liche bewiesen. 

Recht  augenscheinlich  tritt  uns  dabei  die  Beobachtung   ent- 
gegen, dass  Form  I  und  II  nicht  etwa  eigens  für  die  Thensa  ge- 
macht oder  ursprünglich  für  sie  bestimmt  waren.  Denn  ihr  Haupt- 
vorzug, die  Länge  und  die  Symmetrie,  kam   an  dem  Wragen   gar 
nicht  zur  Geltung.  Die  Niken  z.  B.,  die  den  Mittelpunkt  bilden, 


376  F.    STAKHLIN 

stehen  niemals  in  der  Mitte.  Im  kürzeren  Streifen  sind  links  von 
den  Niken  6,  rechts  3  Bilder,  im  längeren  Streifen  links  9,  rechts 
(3  Bilder.  Ganz  verloren  geht  durch  die  bei  der  Zerlegung  in  2 
Teile  notwendige  Verdoppelung  einzelner  Säulen  die  feine  Sym- 
metrie der  Säulen.  Dem  Verfertiger  der  Form  I  und  II  müssen  wir 
ein  ungleich  höheres  Kunstverständnis  zuschreiben  als  dem  Hand- 
werker, der  daraus  die  Reliefs  schlug.  Dieser  hatte  von  der  Be- 
deutung der  Bilder  keine  Kenntnis,  wie  wir  im  4.  und  5.  Streifen 
sahen.  Er  hätte  sie  niemals  zeitlich  richtig  zusammensetzen  können 
und  noch  weniger  die  troischen  und  vortroischeu  Scenen  gerade 
durch  die  Mitte  mit  den  Niken  getrennt.  Alle  diese  Feinheiten 
geben  der  Form  I  und  II  eine  nicht  zu  unterschätzende  Bedeutung. 
Jedoch  die  interessante  Frage,  welches  Gerät  ursprünglich  mit  Re- 
liefs aus  Form  I  und  II  beschlagen  werden  sollte,  kann  ich  leider 
nicht  beantworten. 

Die  vier  Stücke  mit  dem  Venusmedaillon  in  der  Mitte,  von 
denen  jedes  eben  so  lang  ist  wie  ein  Stück  mit  drei  grossen  Achil- 
leusbildern  (0,395  m),  gehören  naturgemäss  in  eine  Reihe.  Wir 
haben  also  einen  kurzen  Streifen  mit  Bild  1-9,  der  aus  drei  Stücken 
besteht,  den  Streifen  mit  den  Venusmedaillons,  der  aus  4  Stücken 
besteht,  und  den  langen  Streifen  mit  Bild  10-12  und  1-12,  der 
aus  5  Stücken  besteht.  Nach  dem  oben  aufgestellten  allgemeinen 
Grundsatz  müssen  wir  diese  drei  stufenweise  länger  werdenden 
Streifen  so  anordnen,  dass  der  kürzeste  an  die  schmälste  Stelle  d.  h. 
oben,  der  mittlere  in  die  Mitte,  der  längste  an  die  breiteste  Stelle 
d.  h.  unten  hinkommt.  Wenn  aber  diese  drei  Streifen  unmittelbar 
unter  einander  sich  befänden,  so  würde  ihr  erlieblicher  Längenun- 
terschied zu  der  mehr  allmählichen  Ausbiegung  der  Seiteuteile 
nicht  passen.  Deshalb  muss  man  die  höheren  Streifen  durch  Ein- 
schiebunu  der  niedrigen  von  einander  trennen  und  erhält  so  die 
auch  au3  ästhetischen  Gründen  erforderliche  Abwechselung  zwischen 
hohen  und  niedrigen  Streifen.  Durch  die  im  wesentlichen  vollstän- 
dig erhaltenen  hohen  Streifen  ist  auch  die  Entfernung  der  beiden 
Seitenteile  von  einander  zwar  nicht  genau,  aber  doch  im  allge- 
meinen bestimmt  (bei  Castellani  2,  11  m  im  untersten,  1,36  m 
im  obersten  Streifen).  Nach  diesen  allgemeinen  Maassen  muss  man 
sich  auch  bei  den  niedrigen  Streifen  richten.  Aus  den  erhaltenen 
Stücken  des  Thiasos  sieht  man,  dass  Form  V  mindestens  viermal 


DIE    THENSA    CAPITOLIN.Y  377 

ausgeprägt  war  (4  X  0,55  =  2,20  m.).  Dazu  kommt  noch  zweimal 
das  angeflickte  Stück  (2.0,095  m).  Das  gäbe  zusammen  2,89  m 
und  würde  die  Lauge  des  untersten  Streifens  jedenfalls  über- 
schreiten. Also  müssen  mit  Reliefs  aus  Form  V  zwei  Streifen  ge- 
füllt gewesen  sein.  Auch  müssen  diese  zwei  Streifen  ziemlich  gleich 
lang  gewesen  sein,  weil  zur  Füllung  des  Streifens  beidemale  gleich 
viel  Figuren  angeflickt  sind,  die  beidemale  an  das  rechte  Ende 
des  Streifens  gehören.  Diese  Voraussetzung  trifft  aber  nur  für  die 
unteren  Streifen  zu.  Also  müssen  mit  dem  Thiasos  die  zwei  un- 
teren niedrigen  Streifen,  mit  den  kleinen  Achilleusbildern  der  al- 
lein übrig  bleibende  oberste  schmale  Streifen  gefüllt  werden. 

Erfreulicherweise  stimmt  die  so  begründete  Zusammensetzung 
mit  der  von  Castellani  bewerkstelligten  in  den  Hauptzügen  über- 
ein. Nur  hätte  er  die  grossen  Achilleusbilder  in  der  von  mir  dar- 
gelegten Weise  auf  den  zweiten  und  sechsten  Streifen  verteilen 
und  den  fünften  Streifen  anders  anordnen  sollen. 

Der  Deichselkopf  Abb.  1  (S.  333)  stellt  einen  Eroten  dar,  dessen 
Oberkörper  aus  Akanthusblättern  herauswächst.  In  den  Händeu  hält 
er  Spielzeug.  Das  Haar  ist  in  einen  Schopf  an  der  Stirn  hoch- 
gebunden. Der  Umfang  an  den  Akanthusblättern  beträgt  0,15  m. 
Der  Kopf  ist  bezeichnend  für  den  friedlichen  Charakter  des  Wa- 
gens, der  zu  Festzügen  gehörte.  Streitwagen  tragen  am  Deichsel- 
ende z.  B.  einen  Geierkopf. 


IX.  Art   des  Wagens. 

Es  sind  aus  dem  Altertum  mehrere  Bronzewagon  erhalten  Z.  B. 
im  Gregorianum  (Heibig  II2,  1352),  von  Perugia  (Rom.  Mittei- 
lungen 1894),  von  Monteleone  (Brunn-Bruckmann  586  u.  587),  von 
Brescia  (Dütschke  IV,  p.  152),  von  Castellina  {Notiz,  d.  Scavi  1905 
p.  231).  In  Alter,  Technik  und  Form  unterscheiden  sie  sich  wesent- 
lich von  unserer  Thensa.  Der  Name  thensa  bezeichnet  einen  Wa<?eu 
nicht  so  sehr  nach  seiner  Form  als  nach  seinem  Zweck,  nämlich  die 
Attribute  {exuviae)  der  Götter  oder  als  Götter  geehrten  Personen  in 
der  feierlichen  Pompa  vom  Capitol  zum  Circus  Maximus  zu  fahren 
(Mommsen.  röm.  Altertümer  VI,  509.  Marquardt,  Privatleben  II,  729. 


F.    STAEHLIN 

Becker-Marquardt  IV,  500).  Die  Form  der  Thensa  wechselt.  Die 
Thensa  mit  Götterattributen  war  meist  viereckig,  dagegen  die,  in  der 
Imperatoren  zum  Schauspiel  fuhren  (thensa  triumphalis),  war 
rund  oder  halbrund.  Auch  war  der  Wagen  meist  zweiräderig,  zu- 
weilen aber  auch  vierräderig  und  deshalb  vom  pilentum,  das  vier- 
räderig  und  oben  gedeckt  war,  nicht  immer  zu  unterscheiden.  Zwei- 
räderig und  rund  ist  die  Thensa  bei  Visconti,  Mus.  Pio-Clement  V, 
t.  43.  Zweiräderig  und  viereckig  sind  die  Thensen  auf  den  Münzen 
der  gens  Kubria  (Eckhel  V,  296  =  Babelon,  Monn.  d.  1.  Rep. 
Rom.  II,  406  u.  407),  ferner  in  Anc.  Marbles  in  the  British 
Museum,  X,  t.  48,  p.  122  und  bei  Gerhard,  ant.  Bildw.  t.  CXX,  1 
und  verschiedene  der  in  Eckhel  Bd.  V-VII  auf  Münzen  angeführten 
Thensen.  Vierräderig,  nach  vornen  offen,  nach  hinten  durch  eine 
halbkreisförmige  Wand  abgeschlossen  ist  die  Thensa  am  Con- 
stautinsbogen  (Graeven,  Gott.  gel.  Anzeigen  1901,  83-85)  und  die 
Thensa,  in  der  Dionysos  auf  dem  Fries  unseres  Wagens  sitzt.  End- 
lieh  gibt  es  auch  Thensen,  die  halbrund,  vorn  geschlossen  und 
zweiräderig  sind  (Dechelette,  la  Gaule  Romaine,  IL  217,  nr.  81« 
und  b;  263,  nr.  51). 

Fast  alle  diese  Nachbildungen  von  Thensen  zeigen  reichlichen 
ßeliefschmuck.  Das  Material  war,  wie  es  dem  feierlichen  Zweck 
entsprach,  meist  sehr  kostbar,  Elfenbein  und  Silber  (Festus  p.  364). 
Der  Luxus  auch  in  dem  für  Privatwagen  verwendeten  Material 
nahm  in  Rom  zu  (Friedländer  Sittengesch  5I,  62).  Den  Metall- 
beschlag seilen  wir  besonders  deutlich  an  dem  Marmorrelief  einer 
zweiräderigen  Thensa  im  Lateran  nachgeahmt  (Benndorf-Schöne, 
515,  t.  XX,  2  =  Schreiber,  heilenist.  Reliefbilder  t.  52).  Bänder, 
welche  mit  grossköpfigen  Nägeln  beschlagen  oder  mit  Punkten 
gesäumt  sind,  teilen  den  hohen  Wagenkasten  in  wagrechter  und 
senkrechter  Linie  in  parallele  Streifen  und  in  einzelne  vertiefte 
Felder,  die  mit  Reliefs  geschmückt  sind.  Es  ist  genau  dieselbe 
Technik,  die  bei  der  Aufnagelung  unserer  Bronzereliefs  angewen- 
det wurde. 

Gesichert  durch  die  Rekonstruktion  ist  an  der  Thensa  nur 
der  Wagenkasten,  der  ziemlich  hoch  und  halbrund  ist.  Es  konnte 
jemand  in  dem  Wagen  stehen  (dann  war  die  geschlossene  Seite 
vorn)  oder  sitzen  (dann  war  die  offene  Seite  vorn).  Ob  er  aber 
zwei  oder  vier  Räder  hatte,  lässt  sich  nicht  feststellen.  Jedenfalls 


DIE    THENSA    CAl'ITOLINA.  3/9 

passt  die  Form  ganz  gut  für  eine  thensa  und  der  Wagen  darf 
seinen  Namen,  der  an  die  aedes  Ihensarum  in  Capitolio  (Moram- 
sen,  Ann.  d.  List.  1858,  203)  erinnert,  mit  Recht  führen.  Aus 
dem  Fundort  und  dem  einfacheren  Material  darf  man  schliessen, 
dass  er  nicht  in  Rom,  sondern  in  einer  campanischen  Provinzial- 


stadt  die  Festzüge  verschönte. 


X.    Achilleuscyklen. 

Form  I  und  II  geben  eine    gedrängte  Uebersiclit  aus  einem 
reichen  Cyklus    von  Achilleusbildern.   Spuren    von    allgemein  be- 
kannten Bilderkreisen,  die  die  Ilias  und  besonders  Achills  Leben 
darstellten,  haben    sich    erhalten.    Brüning    (über    die    bildlichen 
Vorlagen  der  irischen  Tafeln,  Jahrbuch  IX,  1894,  S.  13(3  f.)  hat 
nachgewiesen,  dass  die  sog.  ilischen  Tafeln  und  die   Ilias  Latina 
in  vielen  gemeinsamen  Zügen  von  Werken  der  Malerei  abhängen. 
Von  den  so  auf  indirektem  Wege  erwiesenen  Cyklen  haben  sich  aber 
auch  litterarische  Nachrichten  (bei  Brüning  a.  a.  0.  S.  164   zu- 
sammengestellt) und  wirkliche  Reste  erhalten.  In  Rom  fand  mau 
die  Odysseelandschaften  vom  Esquilin.  In  der  Porticus  des  Apollo- 
tempels von  Pompei  war  eine  Reihe  von  Bildern  zur   Illustration 
der  Ilias  gemalt,  von  denen  mehrere  noch  erkennbar  waren  (Hei- 
big 266 :    Diomedes   und   Pallas,    erläutert  von  Brüning  a.  a.   0. 
S.  148;  nr.  1306:  Streit  der  Könige ;  nr.   1324:  Hektors  Schlei- 
fung?; nr.  1325:  Hektors  Lösung;  Heibig  Nachtrag  S.  461:  Kal- 
chas  und  Achilleus,  erläutert  von  Brüning  a.  a.  0.  Abb.  6  ;  Nach- 
trag S.  462 :  Raub  des  Palladiums.  Alle  diese  Bilder  sind  veröf- 
fentlicht bei  Steinbüchel,  grosser  antiquarischer  Atlas  VIII.  B  1  bis 
VIII.  D.  2.)  Vier  Bilder  zur  Ilias  waren  im  Atrium  der  casa  del 
poeta   tragico   (Heibig    114:    Hochzeit  des  Zeus  und    der  Hera; 
Streit  der  Könige,    Archaeol.  Zeitg.  34.  1876  p.  83  von  Trende- 
lenburg   erkannt;   Helb.  1308:  Chryseis  Abfahrt;  1309:    Briseis 
Wegführung;    Hermann-Bruckmann,    Denkm.    d.    Malerei    t.   10, 
11,  12).    Auf  einen  Achilleuscyklus  führt  Graeven  (Genethliacon 
Gottiagense   p.   144)    drei   im   Cubiculum   des   Hauses    reg.    IX. 
5,  2  gefundene    Bilder    zurück  (Achills  Entdeckung,    Werkstätte 


380  F.  STAEHLIN 

des  Hephästus ,  Thetis  auf  einem  Seekeutauren  mit  Achills 
Waffen).  In  der  casa  dei  Dioscuri  war  Achills  Streit  mit  Aga- 
memnon (Helb.  1307)  und  Achills  Entdeckung  (Helb.  1297). 
Die  zwei  Oenoehoen  von  Bernay  (Babelou  cab.  des  antlques 
pl.  XVII  u.  XLI),  die  von  einem  Stifter  und  Künstler  stammen, 
zeigen  vier  Ächilleusbilder :  die  Beweinung  des  Tatroklos,  die 
Schleifung  Hektors,  die  Lösung  Hektors  durch  Aufwägung  der 
Leiche,  und  den  Tod  Achills  vor  den  Mauern  Trojas.  Auf  solche 
Cyklen  gehen  auch  zahlreiche  einzelne  Ächilleusbilder  zurück, 
die  sich  an  Produkten  des  Kunsthandwerks  wiederholen  z.  B. 
Cheiron  den  Achilleus  im  Leierspiel  unterrichtend  (Helb.  1291- 
1295),  Achills  Entdeckung  (Helb.  1296-1303).  Ein  unentbehrliches 
Hilfsmittel  waren  dabei  die  Skizzenbücher,  die  man  sich  in  den 
Händen  der  Wandmaler  und  aller  Kunsthandwerker  der  römischen 
Kaiserzeit  denken  muss.  Diese  haben  auch  oft  auf  eigene  Faust 
aus  bedeutenden  Originalen  der  Vorzeit  neue  Bilder  zusammen- 
gestellt. So  kommt  es,  dass  einzelne  Typen  in  den  verschiedenar- 
tigsten Darstellungen  sich  wiederholen  z.  B.  Odvsseus  aus  dem 
Palladionraub  vgl.  S.  349  u.  S.  353,  die  Lykomedestochter  in 
Achills  Erkennung  vgl.  S.  343. 

So  schliessen  sich  auf  der  Thensa  die  Bilder  an  an  Werke 
der  grossen  Kunst,  die  nachweislich  in  Rom  standen  (Bild  3  Chei- 
ron, Bild  12  Pasquino)  und  an  Cyklusbilder,  die  in  anderen 
Cyklen  wiederkehren  (1.  Feiung,  4.  Jagd,  6.  Erkennung,  7.  Achills 
Zorn,  9.  Schleifung,  10.  Lösung).  Nur  die  Begrüssung  (3),  Gesandt- 
schaft (5)  und  Hektors  und  Achills  Tod  (8.  und  11)  finden 
wenig  oder   keine  Anknüpfung  in  der  gleichzeitigen  Kunst. 

Aus  dem  reichen  Vorrat  an  Achilleusbildern,  über  den  die 
alten  Kunsthandwerker  verfugten,  hat  der  Künstler  der  Form  I 
und  II  zwölf  Bilder  ausgewählt.  Diese  Zahl  hat  bei  Achilleus  keinen 
tieferen  Sinn.  Man  könnte,  ohne  den  Sinn  zu  stören,  die  vortroischen 
Bilder  auf  drei  beschränken:  Feiung,  Unterricht  bei  Cheiron, 
Entdeckung  auf  Skvros.  Oder  man  köunte  ebenso  gut  ein  siebentes 
Bild  einschieben,  das  bei  den  späteren  Achilleuscyklen  immer  vor- 
kommt: wie  Achilleus  von  Thetis  (nicht  mehr  von  Peleus  wie  auf 
den  griechischen  Vaseubildern)  dem  Cheiron  übergeben  wird. 
Ebenso  fehlen  in  den  troischen  Bildern  manche  sonst  beliebte 
z.  B.   Wegfahrung    der  Briseis   (Heibig  1309;    Schild  des  Scipio 


Diu   THENSA    CAPITOLINA  ;>,sl 

Monum.  Piot.  VI  p.  29 ;  Ceriani  et  Ratti,  Homeri  Iliadis  pictae 
fragm.  Ambrosiana,  1905.  pict.  VI;  Walters,  bronzes  in  the  Brit. 
Mus.  nr.  883;  Secchia  di  bronso,  Mon.  d.  last.  VI,  48  ==  Brunn, 
kleine  Schriften  I,  125).  Es  rnuss  also  ein  äusserer  Grund,  eine 
Analoo-ie,  den  Künstler  zu  der  Zwölfzahl  bestimmt  haben,  und  das 
waren  jedenfalls  die  12  Heraklestaten,  die  der  Antoninenzeit  so 
geläufig  waren. 

Gerade  der  Achilleuscyklus  hat  sich  lange  erhalten.  Man  darf 
das  mit  der  Dichtung  des  Statius  in  Zusammenhang  bringen,  die 
in  Mittelalter  sehr  gelesen  war.  Statius  wurde  sogar  für  einen  Christen 
gehalten  (vgl.  Constans,  la  legende  d'Oedipe  dans  le  Roman  de 
Thebes.  Paris  1881  p.  150.  Philologie  LH.  1898,  p.  538-545 
Manitius,  Statius  im  Mittelalter).  Drei  Achillouscyklen  aus  spä- 
terer Zeit  sind  erhalten. 

In  Rom  ist  die  neu  aufgestellte  kapitolinische  Brunnenmün- 
dung (Righetti,  dcscrizione  del  CampidogU.o.  t.  277).  Sie  ist 
bedeutend  roher  als  die  Zeichnung  bei  Righetti  ahnen  lässt. 
besonders  die  riesigen,  plumpen  Augen.  Sie  umfasst  acht  Bilder 
(Thetis  im  Wochenbett,  Feiung,  Achills  Uebergabe  an  Cheiion 
durch  Thetis,  Jagd,  Achilleus  und  Deidamia,  Achills  Erkennung, 
Hektors  Tod,  Schleifung).  Bemerkenswert  ist,  dass  die  aegyptisch- 
koptische  Kunst  den  Achilleuscyklus  kannte.  Er  findet  sich  auf 
einer  sehr  roh  gezeichneten  Schüssel,  die  Strz3'gowski  dem  4.  - 
8.  Jahrb..  zuweist  (Catalogue  general  du  Musöe  du  Caire, 
vol.  XII.  nr.  9039.  Taf.  26).  Sie  umfasst  sechs  Bilder:  Achills 
Uebergabe  durch  Thetis  an  Cheiron,  Achilleus  im  Bogenschiessen 
unterrichtet,  Jagd.  Hektors  Tod,  Schleifung,  Lösung.  Dem  11.-12. 
Jahrb.  gehört  eine  Bronzeschüssel  im  Cabinet  des  Medailles  in  Paris 
an  {Gazette  Archeologique  XI,  18S6,  p.  38  pl.  V).  Ihre  sieben 
Bilder  sind  alle  vortroisch :  Leierspiel,  Achilleus  von  Thetis  ent- 
führt, dem  Lykomedes  vorgestellt,  Odysseus  als  Kaufmann,  Achills 
Entdeckung,  Werbung  um  Deidamia,  Mittelbild:  Achills  Abfahrt 
von  Skyros.  Sie  sind  mit  Text  versehen  und  schliessen  sich  enge 
an  Statius  an,  der  auch  an  derselben  Stelle  abbricht.  Ein  Brief  der 
verlassenen  Deidamia  an  Achilleus  bildet  den  Gegenstand  einer 
mittelalterlichen  Nachahmung  der  ovidischen  Heroiden  (Riese 
Rhein.  Mus.  34,  1879,  474-480).  Auch  dies  ist  ein  Zeichen  vom 
Fortleben  der  Achilleussage. 


382  F.    STAEHLIN 


XI.   Stil. 


In  den  figürlichen  Darstellungen  ist  im  ganzen  der  helle- 
nistische Stil  und  der  überkommene  Besitz  von  Formen  festo-c- 
halten,  wie  sich  an  verschiedenen  Eigentümlichkeiten  zei^t.  Da  ist 
besonders  die  Verwendung  von  Lokalgöttern  zu  nennen.  In  den 
ersten  vier  Bildern  unseres  Cyklus  ist  die  Oertlichkeit  durch 
symbolische  Gestalten  angegeben.  Das  ist  nicht  römisch.  Auf  der 
Trajanssäule  z.  B.  steht  einer  Personifikation,  dem  Danubius  (Ci- 
chorius  t.  VI,  vgl.  Juppiter  auf  t.  XIX)  eine  ganze  Keine  von 
realistischen  Hintergrunddarstellungen  gegenüber.  Zur  Verwendung 
gelangen  auf  den  Thensabildern  nackte  männliche  oder  am  Un- 
terkörper mit  einem  Mantel  bekleidete  weibliche  Figuren,  die  auf 
Felsen  sitzen,  sich  an  Bäumen  halten  und  Zweige  oder  Schilf 
tragen.  Immer  sitzen  sie  in  gleichem  Schema.  Der  Kopf  sieht  in 
entgegengesetzter  Richtung  als  die  Beine.  Das  dem  Beschauer  zu- 
nächst befindliche  Bein  ist  gestreckt,  das  zurück  befindliche  ist 
hochgestellt,  so  dass  man  das  Knie  und  den  hochgestellten  Fuss 
vom  Knöchel  abwärts  sieht.  Mit  der  gleichen  Fussstellung:  sitzen 
die  Fluss-  und  Lokalgötter,  die  als  Zwickelfüllung  an  Triumph- 
bögen beliebt  sind  z.  B.  am  Septimius-  oder  Konstantinsbogen. 
Auch  im  Osten  des  Reiches  finden  wir  diese  bequemen  Typen  z.  B. 
auf  einer  Caracalla-Münze  von  Laodikea  (bei  Imhof,  antike  Münz- 
bilder, Archaeol.  Jahrb.  1888  t.  9  nr.  18  S.  289).  Uebrigens  hat 
der  Künstler  dies  Schema  auch  auf  Achilleus  in  Bild  7  und  10 
übertragen.  Es  findet  sich  ebenso  für  Alexander  d.  Gr.  angewendet 
auf  einem  Goldmedaillon  (Dressel,  fünf  Goldmed.  von  Abukir,  1906, 
t.  II  E  p.  51).  Diese  Lokalgötter  gehören  auch  zum  Repertoir  der 
Philostrafcischen  Bilder.  So  sitzt  auf  dem  Gemälde  « Achilleus  auf 
Skyros»  Phil.  min.  392  K  die  Insel  Skyros  als  Frau  im  Vorder- 
grund und  trägt  ein  Oelreis  und  eine  Weinrebe  (vgl.  Flussgötter 
405  K  Xanthos,  35  t  K  Meles,  360  K  Peneios  und  Titaresios,  402 
K  Phasis  (J).  Dass  diese  Personifikationen  dem  hellenistischen  Stil 
entstammen,  führte  Heibig  aus    (Rhein.  Mus.   1869    S.  479  ff.  u. 

(')  Sonstige  Uebereinstimmungon  mit  philostr.-itischen  Bildern  s.  S.  ;Y.',S. 
341.  342    343.  344,  385. 


IHK    THKNSA    CAFITOMNA  383 

Untersuchiuigeu  zur  kampan.  Wandmalerei  S.  84.  116.  288.)  Sie 
haben  teils  eine  bestimmte  Bedeutimg  z.  B.  die  Styx  in  Bild  1,  der 
pagasaeisehe  Busen  in  Bild  2,  teils  sollen  sie  nur  im  allgemeinen 
die  Oertlichkeit  als  Fels-  und  Waldlandschaft  bezeichnen  und  ihr 
wesentlicher  Zweck  ist  die  Raumfüllung.  Man  darf  die  nackten 
männlichen  Figuren  als  Berggötter,  die  weiblichen  als  Nymphen 
bezeichnen  (vgl.  Otto  Schulz,  die  Ortsgottheiten.  Berliner  Studien 
VIII,  3  p.  7(3).  Verwandt  mit  diesen  symbolischen  Figuren  ist  die 
Versinnbildlichung  eiues  Tempels  durch  die  blosse  Kultgestalt  des 
Gottes  in  Bild  11  (vgl.  S.  351).  Sie  findet  an  der  Statue  des  del- 
phischeu Apollo  im  Telephosfries  eine  Analogie  ebenso  auch  die 
Lokalgötter  in  der  Bergnymphe,  die  dem  Verschmieren  des  Ka- 
stens für  Auge    zusieht  (Jahrbuch  1900  S.  114). 

So  verschieden  Herkunft,  Alter  und  Güte  der  einzelnen  Bil- 
der ist,  so  lässt  sich  doch  nicht  verkennen,  dass  sie  alle  schliess- 
lich von  einem  Künstler  überarbeitet  wurden.  Stilistische  Eigen- 
heiten, die  sich  bald  auf  diesem,  bald  auf  jenem  Bild  finden, 
drücken  allen  einen  einheitlichen  Stempel  auf.  Dahin  gehört,  dass 
alle  Köpfe  in  vollem  Profil  gebildet  sind,  selbst  wenn  dadurch 
schwierige  oder  unmögliche  Stellungen  entstehen,  so  beim  jagen- 
den Cheiron  und  dem  Bären  in  Bild  3,  dem  niedersinkenden 
Hektor  Bild  9,  dem  Aias  Bild  12  und  bei  allen  Lokalgöttern.  Ueber 
die  missglückte  Darstellung  in  Vorderansicht  beim  Venusmedail- 
lon vgl.  S.  355.  Ferner  ist  Bild  5  —  12  gemeinsam  die  autfallende 
Grösse  Achills.  Merkwürdig  ist  bei  mehreren  Figuren,  die  einen 
Speer  halten,  der  langgestreckte  Zeigefinger  (Bild  7.  10,  11). 
Auf  allen  Bildern  übereinstimmend  ist  auch  die  Bewaffnung. 
Der  Panzer  ist  erkennbar  auf  Bild  7,  8  und  10.  Es  ist  nicht  der 
römische  Soldatenpanzer,  sondern  der  durch  die  Kunst  idealisierte 
griechische  Panzer  (Guhl-Koner  Privatleben  der  Griechen  u.  Römer 
p.  833).  Der  Helm  ist  auf  Bild  7,  8,  9,  10  u.  12  gleich  gebildet.  Er 
passt  sich  der  runden  Kopfform  an  und  hat  einen  Stirnschirm.  Aus 
dem  Bügel  ragt  über  die  ganze  Scheitellänge  der  kurze  Busch ;  Bak- 
kenschirme  fehlen,  sogar  das  Ohr  bleibt  frei.  Der  Schild  ist  läng- 
lich rund;  über  dem  Panzer  wird  ein  kurzer  Mantel  getragen. 
Da  wir  den  Helm  des  Pasquino  in  mehreren  Wiederholungen 
kennen  (Brunn-Bruckmann,  Ant.  Denkm.  207).  so  können  wir  fest- 
stellen, dass  der  Künstler  sein  Vorbild  zu  Gunsten  seines    allge- 


<3S4  V.    ST A EH  1. IN 

meinen  Schemas  geändert  hat  (Dressel,  Goldmedaillons  von  Abu- 
kir  p.  18).  Auch  die  Haartracht  der  Frauen  ist  in  den  vor- 
kommenden Fällen  gleich.  Der  weibliche  Medaillonkopf  und  die 
Lykomedesstöchter  auf  Bild  5  und  6  zeigen  eine  der  unter  Ha- 
drian  modernen  attischen  Hartracht  noch  nahestehende  Frisur, 
wie  sie  im  ausgehenden  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  gebräuchlich  war. 
Im  Beginn  des  3.  Jahrhunderts  kommt  eine  ganz  andere  Haarmode 
auf,  die  man  an  Julia  Mammaea    sehen   kann. 

In  Rücksicht  auf  den  Hintergrund  kann  man  die  12  Achil- 
leusbilder  in  drei  Gruppen  teilen,  nämlich  solche  ohne  Hinter- 
grund (Bild  5,  7,  10,  11),  solche  mit  symbolischem  Hintergrund 
(Bild  1,  2,  3,  4)  und  solche  mit  realistischem  Hintergrund  (Bild  6, 
8.  9,  12).  Während  die  beiden  ersten  Gruppen  im  reinen  griechi- 
schen Reliefstil  genug  Analogieen  findeu,  zeigt  die  dritte  Gruppe 
den  Einfiuss  der  malerischen  Vorbilder.  Im  Hintergrund  be- 
iluden sich  Gebäude  uad  die  Stadtmauern,  auf  denen  Menschen  ste- 
hen. Sogar  die  Perspektive  ist  dabei  angewendet,  indem  die  Personen 
des  Hintergrundes  wesentlich  kleiner  sind.  Es  erinnern  diese  Bilder 
aber  auch  au  os tgriechische  Darstellungen  z.  B.  das  Nerei- 
denmonument  (Brunn-Bruckmann  216)  und  an  Gjölbaschi  (Brunn- 
Bruckm.  486).  Von  einer  sehr  verwandten  Gattung  von  Kunstwerken, 
den  tabulae  Iliacae,  hat  Jahn-Michaelis  den  alexandrinischen  Ur- 
sprung nachgewiesen.  Auch  in  ihnen  zeigt  sich  das  Eindringen 
ostgriechischer  kleinasiatischer  Formen,  so  in  dem  offenen  Heroon 
des  Hektor  (Benndorf-Niemann  Gjölbaschi  p.  44)  und  besonders  dem 
an  lycische  Monumente  erinnernden  Grab  Achills  (Jahn-Michaelis, 
griech.  Bilderchroniken  p.  37  nr.  77  A).  Ueber  die  Bedeutung 
Kleinasiens  für  die  Entwicklung  des  landschaftlichen  Reliefs  hat 
sich  Pfuhl  geäussert  (das  Beiwerk  auf  den  ostgriechischen  Grab- 
reliefs, archaeol.  Jahrbuch  1905,  p.  154).  Orientalisch  muten 
auf  der  Thensa  besonders  die  runden  Mauerzinnen  an,  die  ich 
sonst  auf  römischen  Kunstwerken  nicht  gefunden  habe.  Sie  könnten 
missverstandene  Nachahmungen  der  lykischen  Zinne  in  Spitzbo- 
genform sein  (Benndorf  Reisen  in  Lykien  1,  102-107).  Dass  diese  von 
der  aegyptischen  Kunst  übernommen  wurden,  zeigt  das  Berliner  Stuck- 
modell aus  Benha  (Theod.  Schreiber,  die  alexandriuische  Toreu- 
tik  Abi),  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  Bd.  XIV,  1894  S.  470  t.  V).  Die 
Zinnen  krönen  liier  die  Mauern  eines  heiligen  Bezirks.  Nach  dem 


DIE    THENSA    CAPITOLINA  385 

Osten  speziell  nach  Aegypten  könnte  uns  noch  der  Umstand  wei- 
sen, dass  der  Achilleuscyklus  und  das  Venusmedaillon  in  der 
koptischen  Kunst  auftritt  (vgl.  S.  381  u.  355).  Allein  letztere 
Uebereinstimmungen  möchte  ich  doch  nur  mit  der  Gemeinsam- 
keit der  Vorlagebücher  erklären,  die  für  derartige  mythologische 
Gegenstände  im  ganzen  römischen  Reich  wesentlich  gleich  gewe- 
sen sein  müssen. 

Beachtenswert  ist  auch  das  Eindringen  des  kontin  ui  er  enden 
Stils,  der  gleichfalls  im  Osten  seine  Heimat  hat  (vgl.  von 
Hartel  und  Wickhoff,  die  Wiener  Genesis  S.  7,  8).  An  einzelnen 
Bildern  (6  und  11)  ist  oben  der  distinguierende,  echtgriechische 
Stil  besonders  hervorgehoben  worden.  Andere  aber  nähern  sich  dem 
kontinuierenden  Stil.  Der  Untericht  im  Leierspiel  und  in  der 
Jagd  sind  gleichsam  zwei  Teile  eines  Bildes,  wie  es  Philostratus 
mai.  imag.  342  K.  3-5  schildert:  auf  der  eineu  Seite  beschenkt 
der  Kentaur  den  Zögling  mit  Früchten,  auf  der  anderen  lässt  er 
ihn  auf  seinem  Rücken  reiten  und  jagen.  In  derselben  Art  gehören 
noch  paarweis  zusammen  und  streben  hin  auf  kontinuierende  Dar- 
stellung die  Gesandtschaft  und  Achills  Erkennung.  Hektors  Tod 
und  Schleifung,  Achills  Tod  und  Rettung  seiner  Leiche  Ganz  dem 
kontinuierenden  Stil  gehört  das  Bild  von  Achills  Zorn  an  (S.  348). 

Die  Frage,  die  sich  aus  allen  diesen  Beobachtungen  erhebt, 
ob  die  Thensa  im  Osten  oder  in  Italien  entstanden  sei,  vermag 
ich  nicht  zu  entscheiden.  Ich  will  nur  auch  auf  die  Punkte  hin- 
weisen, die  eine  Entstehung  in  Campanien  oder  in  Rom  glaub- 
haft machen  können.  Der  Fundort  ist  Campanien.  Der  Künstler 
konnte  die  Vorbilder  für  sein  Werk,  besonders  troische  Cyklen, 
in  den  campanischen  Städten  und  Rom  leicht  linden.  Tatsächlich 
hat  er  berühmte  Kunstwerke,  die  in  Rom  standen,  nachgeahmt, 
die  Cheirongruppe  von  den  Saepta  Julia  und  den  Pasquino.  Nocli 
andere  Bilder  haben  Aehnlichkeit  mit  Werken,  die  fest  an  Rom 
gebunden  sind,  z.  B.  Hektors  Lösung  in  Stuck  an  der  via  Latina 
Mon.  deW Inst.  VI,  t.  49,  die  Bärenjagd  auf  einem  Medaillon  des 
Trajansbogens  verglichen  mit  Bild  4,  das  Opfer  Trajans  an  Diana 
auf  einem  anderen  Medaillon  verglichen  mit  Bild  11.  Der  Thiasos 
passt  ebenfalls  in  die  klassizistische  Kunst  der  hadrianischen 
Zeit.  Auch  gelangten  römische  Bronzefabrikate  in  auswärtigen 
Handel  (Marquardt,  Privatleben  II  714). 

26 


F.    STAEHLI.N,    DIE    THE.NSA    CAPITOLINA 


Die  Zeit  der  Thensa  kann  nur  aus  allgemeinen  Erwägungen 
erschlossen  werden.  Die  Formen,  die  zur  Herstellung  benützt  sind, 
gehören  nicht  derselben  Periode  an.  Die  aufgelöteten  Medaillon- 
köpfe gehen  wohl  noch  auf  Formen  des  ersten  Jahrhunderts  zu- 
rück (vgl.  Dressel,  Goldmedaillons  von  Abukir  1906,  p.  25).  Die  an- 
deren Formen  reichen  von  der  hadrianischen  Zeit  (Thiasos)  bis 
zum  ausgehenden  2.  Jahrh.  n.  Chr.  Die  Haartracht  des  3.  Jahr- 
hunderts ist  noch  nicht  angewendet.  Auch  die  Ornamentik,  in  der 
sich  schon  spätrömische  Kunstprinzipien  regen,  weist  uns  an  das 
Ende  des  2.  Jahrhunderts,  dem  wir  mithin  die  Verfertigung  der 
Thensa  zuschreiben. 


F.  Staehlin. 


München. 


Fig.  12. 


ZUR  GESCHICHTE  DES  ETRUSKISCHEN  EINFLUSSES 

IN  MITTELEUROPA. 


Bei  Gelegenheit  wiederholten  Besuches  der  reichhaltigen  prä- 
historischen Sammlung  des  ungarischen  Nationalmuseums  in  Bu- 
dapest ward  meine  Aufmerksamkeit  auf  einige  Schmucksachen  der 
Eisenperiode  gelenkt,  welche  inmitten  der  anderen  Funde  einzeln 
dastehen  und  sich  nur  durch  die  Annahme  erklären  lassen,  dass 
ihre  Entstehung  durch  den  vom  Süden  kommenden  Einrluss  der 
klassisch-antiken  Formen  hervorgerufen  wurde.  Die  betreffenden 
Schmuckstücke  kamen  in  den  Jahren  1890-1892  bei  zwei  Ort- 
schaften des  Tolnaer  Komitates  zum  Vorschein  und  sind  durch 
Kauf  in  den  Besitz  des  Nationalmuseums  gelangt.  Nähere  An- 
gaben über  die  Fundumstände,  welche  den  Wert  des  Fundes  nur 
erhöhen  könnten,  sind  leider  nicht  bekannt  (1). 

I.  Aus  Szarazol  stammt  die  zum  grössten  Teil  bereits  in 
Ar  eh.  Ertes.  1891  S.  279  publizierte  Gruppe  von  Goldsachen, 
welche  hier  zum  zweiten  Mal  wiedergegeben  sind.  Es  sind  mei- 
stens zerstreute  Anhängsel  von  Halsketten  in  Form  von  Rädchen, 
Perlen  und  cvlindrischen  Röhrchen. 

1.  Sechs  fünfspeichige  Rädchen  S.  890  Nr.  8-11  in  drei  Grös- 
sen sind  aus  feinen  zusammengelöteten  Goldblechen  verfertigt. 
Dünne  Filigrandrähte  umsäumen  die  Enden  der  Achsen  und  Spei- 
chen, der  Reif  selbst  ist  geperlt. 

2.  Sieben  Goldperlen  in  Form  von  Doppelkegeln  S.  890  Nr.  1-5 
in  vier  Grössen,  in  der  Mitte  und  an  den  Enden  mit  gedrehtem 
Filigrandraht    verziert.    Der   Schmuck  der    beiden    streifenartigen 

(!)  Die  folgenden  Bemerkungen  sind  zuerst,  in  ungarischer  Sprache,  in 
den  Archaeologiai  Ertesitö,  XXXII  (1907)  S.  166-171  erschienen.  —  Hrn.  Di- 
rektor Hampel  sage  ich  für  die  freundlichst  gestattete  Benutzung  der  Origi- 
nalzinke besten  Dank. 


338  K-    HADACZEK 

Felder  besteht  aus  je  vier  gestanzten  menschlichen  Köpfchen  und 
je  vier  konischen  gerippten  Buckeln,  welche  auf  dem  goldenen 
Grunde  durch  Lötung  symmetrisch  befestigt  sind.  Kleine  mit 
Filierrandraht  umsäumte  Häuflein  von  Goldkörnchen  füllen  freie 
Zwischenfelder  aus.  Filigrandraht  und  Reihen  von  winzigen  Gold- 
körnern sind  gleichfalls  zur  Schrnückung  der  menschlichen  Köpfe 
und  Buckeln  verwendet. 

3.  Zwei  Goldperlen  in  Form  von  Doppelkegeln  S.  390  Nr.  6-7 ; 
ihre  Mitte  und  Enden  sind  mit  gedrehtem  Filigrandraht,  die  freien 
Felder  beiderseits  mit  doppelten  Reihen  von  gebogenen  glatten 
Drähten  verziert. 

4.  Drei  cylindrische  Röhrchen,  von  denen  zwei  gleicher  Grösse, 
S.  390  Nr.  12,  ein  Paar  bilden;  das  dritte  Exemplar,  von  ver- 
schiedener Grösse,  stellt  eine  etwas  anders  dekorierte  Variante 
desselben  Typus  dar.  Die  Röhren  verjüngen  sich  an  dem  einen 
Ende.  Die  äussere  Oberfläche  der  zwei  Röhren  ist  durch  die 
quer  angebrachten  Windungen  von  Filigrandraht  in  drei  Streifen 
geteilt,  deren  Felder  mit  Zickzackmotiven  und  Häufchen  von  Gold- 
körnern geschmückt  sind;  das  dritte  Röhrchen,  S.  391  Nr.  1,  zeigt 
nur  zwei  Streifen  und  an  Stelle  der  Goldkörnchen  kleine  Kreise 
aus  Filigrandraht. 

IL  Stilistisch  eng  verbunden  mit  den  beschriebenen  Goldsa- 
chen sind  silberne,  mit  schwärzlicher  Patina  bedeckte  Schmucksa- 
chen, welche  im  Jahre  1892  bei  Regöly  ausgegraben  wurden.  Zu- 
gleich mit  ihnen  kam  auch  eine  bauchige  Goldperle  mit  fein  ge- 
ripptem Körper  zu  Tage  (S.  391  Nr.  2). 

Die  silbernen  Schmuckstücke  sind  in  sehr  defektem  Zustande 
erhalten,  durchweg  nur  in  Fragmenten,  aus  denen  der  ganze  Zier- 
gegenstand erst  rekonstruirt  werden  muss. 

1.  Vorwegzunehmen  ist  das  kleine  Fragment  einer  feinen 
Kette  aus  doppelten  Drahtgeflechten  (S.  391  Nr.  3). 

2.  Andere  Fragmente  stammen  von  zwei  fast  gleichen,  zerris- 
senen Kettengehängen,  deren  ganze  Form  sich  leicht  erraten  lässt. 
(S.  392). 

Die  Fragmente  (S.  391  Nr.  4-7)  gehören  dem  oberen  Teil 
des  Schmuckstückes  an.  Dieser  hatte  die  Gestalt  eines  rechteckig 
zugeschnittenen  etwa  17  mm.  langen  und  7  mm.  breiten  Bleches, 
an  welches  oben  vier  gebogene  Haken  angelötet,  unten  vier  in  Born- 


ETRIJSKISCHER    EINKLUSS    IN    MITTELEUROPA  380 

mein  endigende  Ketten  angehängt  waren.  Das  Blech  ist  umsäumt 
mit  gewundenem  Filigrandraht,  die  Dekoration  des  freien  Feldes 
bilden  vier  angelötete,  gestanzte  menschliche  Köpfe,  ferner  runde 
jetzt  leere  Hülsen,  in  denen  einst  wahrscheinlich  kleine  Bernstein- 
perlen  sassen,  endlich  Linien  und  Kreise  von  Silberkörnchen. 
Jeder  Haken  ist  unten  und  oben  platt  geschlagen.  Mit  dem  un- 
teren Ende  war  er  an  das  viereckige  Blech  angelötet,  sein  oberes 
Ende  ist  blattartig  geformt  und  mit  je  einem  menschlichen  Köpf- 
chen in  Filigranumsäumung  dekoriert. 

Die  Kettchen  (S.  391  Nr.  8-9)  sassen  oben  in  kleinen  cylin- 
drischen  Hülsen,  vermittels  deren  sie  an  den  unteren  Rand  des 
beschriebenen  Bleches  so  angelötet  waren,  dass  jede  Kette  gerade 
unter  einem  Köpfchen  des  Bleches  und  unter  einem  Haken  er- 
schien. Ihre  Länge  beträgt  9  cm.,  ihr  feines  Geflecht  ist  vierfach. 
Bevor  sie  in  Bommeln  auslaufen,  werden  sie  in  ähnlicher  Art  wie 
oben  noch  einmal  durch  ein  mit  Köpfchen  verziertes  viereckiges 
Silberblech  (S.  891  Nr.  10)  aufgenommen  und  mit  kurzen  cylin- 
drischen  Hülsen  (S.  391  Nr.  8)  belastet,  deren  Filigranwerk  aus 
Drahteinrollungen,  aus  dem  Wellenmotiv  und  Pünktchen  besteht. 

Auffallend  ist  die  Form  der  durch  kleine  Ringe  mit  Ketten 
verbundenen  Anhängsel  S.  391  Nr.  11.  Sie  sind  aus  zwei  ge- 
pressten  Blechen  zusammengesetzt,  oben  mit  einer  Oese  versehen 
und  zeigen  beiderseits  eine  stark  stilisierte  menschliche  Büste, 
welche  unten  in  zwei  schräg  gestellte,  fein  profilierte  Nägelchen 
ausläuft.  In  den  in  Brusthöhe  sichtbaren  runden  Vertiefungren  sas- 
sen  ehemals  wohl  auch  Bernsteinperlen. 

Beide  Gruppen  von  Schmucksachen  verraten  eine  so  enge 
Verwandtschaft  in  Arbeit  und  Ziermotiven,  dass  sie  nicht  nur  der- 
selben Epoche,  sondern  aucli  derselben  Juwelierschule  zugeschrie- 
ben werden  müssen.  Deutlich  lässt  sich  in  diesen  Werken  der 
Kleinindustrie  der  Einfluss  griechisch-etruskischer  Kunst  erkennen 
und  durch  genaueren  Vergleich  auch  die  Entstehungsepoche  näher 
bestimmen. 

Die  Abhängigkeit  dieser  Bijouterie  vom  Süden  verrät  schon 
das  Filigranwerk,  welches  in  der  griechisch-etruskischen  Welt 
seine  schönste  Ausbildung  erfahren  hatte.  Hier  arbeitet  es  mit 
winzigen  Edelmetallkörnchen  und  äusserst  dünnem  Draht,  ganz 
einfache  Dekorationsmotive  bildend,  wie  gerade  oder  Wellenlinien. 


390 


K.    HADACZEK 


10 


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HF 


ETRUSKISCHER    EINFLUSS    IN    MITTELEUROPA 


391 


392 


K.    HADACZEK. 


Diesen  Charakter  zeigt  das  griechische  Filigranwerk  im  VII.  und 
VI.  Jahrh.  vor  Chr.  (*)■ 

Ungemein    charakteristisch    ist    ferner   auf   den    ungarischen 
Schmucksachen  das  sicli  öfters  wiederholende  Motiv  der  menschli- 


chen Köpfchen,  durch  welches  sie  mit  einer  Gruppe  von  griechi- 
schen (2)  und  etruskischen  (3)  Schmucksachen  des  VII  Jahrh.  ganz 

(')  Siehe  Hadaczek,  Der  Ohrschmuck  der  Griechen  und  Etrusker  S.  16. 

(8)  Zu  berücksichtigen  sind:  goldenes  Medaillon  aus  Melos  abg.  bei 
Perrot-Chipiez,  Hist.  de  Vart  dans  Vantiq.  III  S.  829  Abb.  591;  goldene 
Brosche  im  Museo  civico  in  Bologna  Arch.  Ztg.  1884  S.  III;  Anhängsel  aus 
Delos  abg.  Arch.  Ztg.  1884  Taf.  IX  11-12;  das  Gehänge  von  Kameiros  abg 
Revue  arch.  1863  Band  VIII  pl.  X. 

(a)  Vergleiche  etruskische  Armbänder  abg.  in  Studi  e  Materiali  B.  II 
S.   106,  Fig.  60;  S.  107,  Fig.  63-65;  S.  116,  Fig.  83;  S.  117,  Fig.  86,  ferner 


ETRUSKISCHER    EINFLUSS    IN    MITTELEUROPA  393 

eng  verknüpft  wird  .  Auch  für  menschliche  Büsten,  welche  unten 
in  leblose  Ziermotive  auslaufen,  lassen  sich  treffliche  Parallelen 
unter  den  etruskischen  Schmucksachen  (')  jener  Epoche  auffinden. 
Beachtenswert  ist  zugleich  die  starke  barbarische  Umbildung 
der  einzelnen  Kunstformen,  welche  in  der  schematischen  Model- 
lierung der  Köpfe  ihren  grellsten  Ausdruck  rindet.  Infolge  dieses 
Umstandes  kann  an  eine  direkte  Provenienz  unserer  Schmucksa- 
chen aus  Etrurien  nicht  gedacht  werden,  sondern  sie  dürfen  nur 
als  freie,  zum  Teil  unbeholfene  Imitationen  etruskischer  Werke 
der  Kleinkunst  gelten.  Deshalb  sind  sie  aber  nicht  gering  zu 
schätzen,  denn  sowohl  für  die  Form  der  goldenen  Perlen,  als  auch 
des  silbernen  Gehänges  sind  bis  jetzt  ganz  entsprechende  Beispiele 
aus  dem  Süden  nicht  bekannt. 


Rom,  im  Dezember  1906. 


Karl  Haoaczek. 


Anhängsel    der    Halsketten    abg.    ebda.    S.    126,    Fig.    107-100    und    Tat.    I 
Abb.  1-4. 

0)  Vergleiche    Anhängsel    der    etiuskischen  Halskette  abg.    in  Studi  e 
materiali  Bd.  III  Taf.  I.  Abb.  6. 


EINE  NEQE  INSCHRIFT  AUS  TERRACINA 


Bei  einem  Besuche  in  Terracina  im  Mai  d.  J.  hörte   ich  von 
einer   grossen    Inschrift,  welche    in    dem    Grundstück   des    Herrn 


Fitr.  1. 


Crescenzo  di  Biagio,  etwa  drei  Kilometer  nördlich  von  der  Stadt, 
ausgegraben  war.  Ich  begab  mich  an  Ort  und  Stelle  und  fand 
etwa  200  Meter  östlich  von  der  alten  Via  Appia  einen  grossen 
Block  aus  weissem  Marmor  (0,65  h.,  1,  56  1.  0,28  d.).  Der  Block, 
welcher  in  vier  Stücke  gebrochen  ist  (Fig.  1),  enthält  das  folgende 


NEUE    INSCHRIFT   AIS   TERRACINA  395 

Fragment    einer   Mouumentalinschrift   in   schönen   grossen    Buch- 
staben (0,14  m.  hoch)  der  frühen  Kaiserzeit; 


Der  Kahmen  an  der  linken  Seite  des  Steines  zeigt,  dass  wir  hier 
den  Anfang  von  zwei  Zeilen  haben;  die  glatte  Fläche  an  den  drei 
andern  Seiten,  in  Verbindung  mit  den  Spuren  von  vorhergehenden 
und  folgenden  Zeilen  oberhalb  und  unterhalb  ('),  beweist,  dass  die 
vollständige  Inschrift  mindestens  sechs  Blöcke  umfasste.  die  wahr- 
scheinlich  von  derselben  Grösse  wie  der  neuentdeckte  waren. 

Es  ist  auf  den  ersten  Blick  klar,  dass  wir  es  hier  mit  dem 
Rest  einer  Inschrift  von  ungewöhnlichem  Interesse  zu  tun  haben. 
Dass  auf  demselben  Stein  der  Name  der  legiö  sexta  Victrix, 
welche  von  Augustus  bis  auf  Nero  in  Spanien  stand,  und  der  Name 
des  bellum  Milhridaticum  erscheint,  könnte  auffallen;  wie  es 
überhaupt  sonderbar  scheinen  dürfte,  dass  der  Krieg  mit  dem  be- 
rühmten König  von  Pontus  in  einer  Inschrift  aus  der  frühen  Kai- 
serzeit noch  erwähnt  wird.  Allenfalls  könnte  man  an  ein  grosses 
Grabmal  denken,  das  für  einen  Tribunus  oder  Legatus  der  sechsten 
Legion  errichtet  war,  und  welches  gleichzeitig  die  Gebeine  seines 
am  Kriege  gegen  Mithridates  beteiligten  Vaters  geborgen  hätte. 
Jedoch  war  der  berühmte  Gegner  des  Pompejus  nicht  der  einige 
Mithridates,  gegen  den  die  Römer  sich  genötigt  sahen  die  Waffen 
zu  ergreifen,  und  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass,  worauf  Hr.  Prof. 
v.  Domaszewski  mich  freundlichst  hinweist,  in  unserer  Inschrift 
der  weniger  bekannte  rex  Bosporamts  gemeint  ist,  dessen  Empö- 
rung, Unterwerfung  und  Gefangennahme  Tacitus  (Ann.  XII,  15  ff.) 


(M  In  der  untersten  Zeite  scheinen  die  Reste  deT  letzten  drei  Buchsta- 
ben sicher  CAS;  davor  fehlt  ein  Buchstabe,  am  Anfang  scheint  prae  gestan- 
den zu  haben. 


396  H.    L.    WILSON 

erzählt  (s.  auch  Prosopogr.  II,  382,  n.  455).  Das  Datum  dieser 
unter  Claudius  Kegierung  fallenden  Kämpfe  stimmt  sehr  gut  zu 
der  Epoche  unserer  Inschrift,  welche  sich  demnach  auf  einen  an 
diesem  Feldzuge  beteiligten  Offizier  beziehen  wird.  Tacitus  (a.  a.  0.) 
nennt  bei  dieser  Gelegenheit  den  C.  Iulius  Aquila  (Prosopogr.  II, 
168,  n.  108)  und  den  A.  Didius  Gallus  (Prosopogr.  II,  9.  10,  n.  60): 
jedoch  können  wir  von  keinem  dieser  beiden  nachweisen,  dass  er 
mit  der  sechsten  Legion  oder  mit  Terracina  in  Beziehung  gestan- 
den habe.  Da  der  erstgenannte  von  Herkunft  Asiat  und  an  Rang 
niedriger  war,  so  scheint  mir  die  grössere  Wahrscheinlichkeit  für 
den  zweiten  zu  sprechen. 

Gleichfalls  ungewiss  ist  der  Charakter  des  Denkmals,  an  wel- 
chem die  Inschrift  angebracht  war.  Die  Entfernung  von  der  Via  Appia 
ist  doch  wohl  zu  gross  für  ein  Grabmal  von  der  Bedeutung  wie 
wir  uns  dieses  vorstellen  müssen,  und  andere  Reste  in  unmittel- 
barer Nachbarschaft  legen  die  Vermutung  nahe,  dass  es  sich  um 
ein  grosses  Bauwerk  von  etwas  verschiedenem  Charakter  handele. 
In  der  Grube,  aus  welcher  das  Fragment  herausgehoben  ist,  waren, 
wie  es  scheint,  andere  grosse  Blöcke  von  demselben  Marmor  zu 
sehen,  welche  regelmässig  wie  ein  Fundament  lagen,  jedoch  war 
es  unmöglich  zu  sagen,  wie  weit  sie  sich  ausdehnten.  Dicht  daneben 
ist  ferner  eine  kleine  jüngst  gemachte  Oeffnung,  die  zu  einer  un- 
terirdischen gewölbten  Kammer  führt,  und  in  einem  Abstand  von 
wenigen  Metern  davon  ein  grosses  antikes  Wasserreservoir.  Diese 
Reste  in  Verbindung  mit  den  Fundamenten,  welche  aus  grossen 
Blöcken  von  lokalem  Stein  hergestellt  sind  und  an  zwei  oder 
drei  Stellen  in  einem  Abstand  von  hundert  Metern  auch  über  dem 
modernen  Boden  sichtbar  werden,  deuten  auf  ein  oder  mehrere 
grosse  Gebäude,  mit  welchen  unsere  Inschrift  in  Verbindung  stehen 
dürfte.  Weitere  Ausgrabungen  würden  so  gut  wie  sicher  andere 
Stücke  dieser  Inschrift  zu  Tage  fördern  und  wertvolle  Resultate 
liefern ;  und  es  ist  zu  hoffen,  dass  ein  so  wichtiges  historisches 
Denkmal  nicht  verschwinde,  oder  seinen  Platz  in  irgend  einem 
modernen  Bau  finde,  statt  in  einem  Museum,  wohin  es  gehört. 

In  einer  kleinen  Hütte  etwa  zehn  Meter  von  dem  oben 
beschriebenen  Fragment  liegt  ein  Teil  eines  schönen  Cippus  von 
Marmor,  wahrscheinlich  aus  Angustischer  Zeit.  In  der  Oberseite 
ist  wie  gewöhnlich  die  runde  Vertiefung  für  die  Aschenurne;  an 


NEUE    [N8CHRIFT    AIS   TERKACINA 


397 


der  Rückseite  ein  urceus,  an  der  rechten  Seite  ein  Ornament  von 
Blattwerk  mit  Vögeln  in  Relief  (Ficr.  2);  die  linke  Seite  ist  leider 
nicht    erhalten.    Auf  der   Vorderseite  des   Bruchstückes,    welches 


Fig.  2. 


Fig.  3. 


43  X  50  cm.  misst,  sind  folgende  in  einen  verzierten  Rahmen  ein- 
geschlossene Reste  der  Inschrift  erhalten  (Fig.  3) : 


tius 


ras  I   ...  sibi  et  \   . . .  e 


Es  war    mir    nicht    möglich    den    Fundort    dieses    Stückes  genau 
festzustellen;  doch  ist  es  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  vor  kurzem 


in  derselben  Gegend  ausgegraben. 


Johns  Hopkins  University. 


Harry  Langford  Wilson, 


SÜLLE   «  LEGGENDE   LATINE   ANTICHISSIME  .. 

Aggiunta. 

La  mia  interpetrazione  dei  frarnmenti  del  sarcofago  di  Torre 
Nova,  sia  per  il  numero  non  piccolo  di  essi,  sia  per  le  gravi  lacime 
del  monumento  (rnancando  per  intero  la  parte  superiore  del  rilievo), 
ha  potuto,  forse,  lasciar  qualche  dubbio,  non  ostaate  la  sicurezza 
del  metodo  esegetico  comparativo. 

Una  conferma  inaspettata  viene  ora  dall'esame  di  un  singola- 
rissimo  monumento,  non  ricordato  da  quanti  si  sono  oecupati  delle 
rappresentanze  figurate  relative  ad  Enea  e  alle  altre  leggende  pre- 
romulee. 

Questo  monumento,  descritto  piü  recentemente  dal  Dütschke, 
Zerstreute  ant.  Blldw.  in  Oberitalien,  III,  526,  trovasi  nella 
Galleria  degli  Uffizi  a  Firenze,  ed  io  ne  devo  l'indicazione  all'amico 
dott.  W.  Amelung,  il  quäle  contribuisce,  cosi,  a  render  sicura  la 
ricostruzione  dei  frammenti  borghesiani  da  me  fatta,  merce  il  con- 
fronto  di  altri  monumenti  della  stessa  classe  (1). 

La  figura  che  qui  presento  del  rilievo  degli  Uffizi  mi  di- 
spensa  da  troppo  lunghe  descrizioni.  Esso  riproduce,  con  piena 
concordanza  schematica,  il  gruppo  di  sinistra,  quello  centrale  e 
una  figura  —  vedremo  come  e  perche  moditicata  —  del  gruppo 
di  destra  del  rilievo  di  Torre  Nova ;  e  la  disposizione  delle  singole 

(')  Per  la  bibliografia  anteriore,  cfr.  il  luogo  citato  del  Dütschke.  II 
rilievo  fu  fotografato  nelle  Einzelaufnahmen  (Serie  I,  anno  1894,  n.  236) 
aecompagnato  da  questa  semplice  nota :  «  Römisches  Relief  mit  Darstel- 
'ii :  >l>-r  Ai'net/ssage;  wird  von  II.  L.  Urlichs  demnächst 
erläutert  werden  ••.  Ma  questa  spiegazione  si  aspetta  ancora;  e  cosi  il  singu- 
lare monumento  mi  era  rimasto  i^noto.  II  rilievo;  di  marmo  italic*;.  e  lungo 
in.  1.21,  alto  in.  0,60;  la  sua  conservazione  e  eccellente. 


SÜLLE    «LEGGENDE    LATINE    ANTICHISSIME  »  :;'-':' 

figure  conferma  completamente  il  posto  da  nie  assegaato  a  cia- 
scuno  dei  numerosissimi  frammenti.  Un  confronto  con  la  tav.  XI 11 
dimostrerä  che  l'ordine  e  lazione  dei  singoli  personaggi  sono 
assolutamente  identici.  Si  aoti  la  piceola  figura  di  Ascanio  ri- 
petuta   anche  —  come    l'avevo   sup posto  —  nel    gruppo  di 

sinistra. 

Abbiamo  perö  due  differenze,  gravi  in  apparenza:  1)  il  rilievo 
degli  üffizi  riproduce  soltanto  i  due  terzi  di  quello  di  Torre  Nova; 


2)  le  due  figure  sedute  con  accanto  lo  scudo,  da  nie  interpetvate 
come  Marte,  sono  muliebri  nel  rilievo  tiorentino ;  e  quella  a  destra 
ha  u n  movimento  diverso. 

Per  spiegare  queste  due  differenze,  e  necessario  premettere  al- 
cuue  considerazioni  stilistiche  sul  rilievo  degli  üffizi,  dai  prece- 
denti  editori  e  dal  Dütschke  ritenuto  pertinente  all'etä  imperiale  ro- 
rnana.  Esso  e  chiuso  da  due  pilastrini  ricavati  nel  medesimo  marmo, 
ornati  di  «  candeliere  >  sorgenti  da  im  piccolo  vaso.  Le  figure, 
piuttosto  tozze,  sono  singolarmente  notevoli  per  la  forma  delle 
teste,  i  cui  caratteri  stilistici  si  allontanano  da  tutto  quanto  noi 
conosciamo  nella  scultura  imperiale  romaua.  Si  osservino  la  dispo- 
sizione  dei  capelli  e  della  barba,  la  forma  insolita  delle  corone  di 
alloro  di  cui  sono  einte  le  teste,  i  tratti  faciali  dei  personaggio 
che  sta  a  destra  dell'ara,  di  fronte  ad  Enea,  si  considerino 
l'espressione   e   il  ca rattere   di  queste  fisonomie. 


400  G.    E.    R1ZZO 

Non  minor  campo  di  osservazione  ci  apprestano  gli  abiti  delle 
figure:  fraintesi  e  falsati  quasi  tutti,  con  movimenti  e  con  par- 
ticolari  non  antichi.  La  forma  e  lo  stile  delle  «  candeliere  » , 
l'aspetto  generale  delle  figure,  la  stessa  tecnica  del  rilievo  devono 
indurci   a  credere  questa    scultura   eseguita  nel   rinascimento  ('). 

Alcnne  teste  —  come,  p.  es.,  quelle  delle  due  figure  stanti 
nei  lati  estremi,  quella  del  vecchio  di  fronte  ad  Enea  —  nulla 
hanno  di  romano:  e  ricordano  i  busti  di  terracotta  della  line  del 
quattrocento  e  del  Cinquecento:  cosi  dicono  la  forma  ampia  del 
cranio.  i  piani  asciutti  e  duri  delle  facce,  e  lo  stesso  « tipo  »  non 
piü  romano,  ma  italiano,  starei  quasi  per  dire  toscano. 

Non  mi  dilungo  in  altre  piü  minute  osservazioni  (la  forma 
dell'ara,  p.  es.,  e  quella  del  praefericulum,  che  tiene  uno  dei 
sacrificanti),  constatando,  invece,  che  lo  scultore  ebbe  la  buona 
intenzione  di  imitare  il  suo  modello,  anche  in  alcuni  particolari, 
come  negli  alti  calzari  rimboccati  delle  figure  sedute,  nel  costume 
frigio  del  piccolo  Ascanio.  Altre  volte,  nelle  proporzioni  piü  ri- 
dotte  della  sua  opera,  preferi  abbreviare:  sostituendo,  nel  rilievo 
dello  scudo,  alla  rappresentazione  della  battaglia  una  semplice 
testa  di  Medusa  (poiche  non  sembra  probabile  che  il  modello 
non  fosse  simile,  anche  in  questo  particolare  notevolissimo,  al  sar- 
cofago  di  Torre  Nova),  o  tralasciando  addirittura  lo  scudo  nella 
seconda  tigura  seduta.  la  quäle  e  modificata  nello  Schema 
e    nello    atteggiamento. 


* 


Cosi  siamo  venuti  alle  due  differenze  principali,  di  cui  ho 
parlato  in  principio. 

Era  impossibile  che  nel  rilievo  originario  mancasse  la  parte 
di  destra :  il  gruppo,  cioe,  in  cui  non  solo  si  svolge,  ma  si  com- 
pleta  l'azione  che  si  voleva  rappresentare,  merce  la  dextrarum 
iunctio  di  Enea  con  Lavinia.  Senza  questo  gruppo,  la  scena  sarebbe 
monca  e  non  avrebbe,  quasi,  un  significato ;  ed  il  perfetto   paral- 


I1)  A  questa  eonclusione  l'Ameluug  ed  io  siamo  arrivati  l'uno  indipen- 
dentemente  dall'altro:  e  mi  piace  dir  questo,  per  aggiungere  al  mio  giudizio 

queil"  >li  un  -l  fine  ed  esperto  conoscit"iv  della  scultura  antica. 


SÜLLE    « LEOGENDE    LATINE    ANTICHISSIME  »  401 

lelismo  da  me  stabilito  fra  i  savcofagi  romani  rappresentanti  il 
matrimonio  (sarcofago  di  Mantova  ed  altri  numerosi)  g  il  rilievo  di 
Torre  Nova  verrebbe  a  mancare. 

Dunque  il  modello  preso  ad  imitare  dall'  ignoto  artista  del 
nostro  rinascimento  era  frammentato  a  destra ;  ed  una  sicura  riprova 
di  ciö  l'abbiamo  neH'atteggiamento  della  ligura  seduta:  la  quäle 
in  questo  modello,  come  nel  rilievo  di  Torre  Nova,  doveva  esser 
volta  completamente  verso  destra.  Ma  nel  rilievo  degli  Uffizi  essa 
e  disegnata  quasi  di  prospetto  ed  ha  la  testa  volta  a  sinistra,  perche 
lo  scultore  moderno  volle  che  questa  figura  chiudesse,  dalla  parte 
destra,  la  scena  rappresentata,  della  quäle  egli  non  comprendeva 
tutto  il  significato,  e  non  ne  sapeva,  quindi,  imaginäre  e  supplire 
il  seguito  (dextrarum  iuncüo :  Enea-Imeneo-Lavinia).  Quindi  fu 
costretto  a  modificare  il  movimento  della  ligura  seduta. 

Ma  tanto  questa  che  l'altra  simile  dell'angolo  sinistro  erano 
veramente 'muliebri  nell'originale  imitato  dallo  scultore  del  rina- 
scimento? E  l'esame  delle  parti  che  di  questa  figura  rimangono 
nei  frammenti  da  me  ricomposti,  puö  forse  lasciar  dubbio  sul 
sesso  della  medesima?  Insomma  il  mio  preteso  Marte  diventa  una 
divinitä  o  una  personiticazione  muliebre  ('),  per  la  testimonianza 
del  rilievo  di  Firenze? 

Vetamente  direi  di  no!  E  basta  osservare,  per  convincersene. 
la  gamba  lunga  e  ossuta,  dal  polpaccio  asciutto  e  muscoloso,  il  piede 
di  grandezza  poco  femminea  di  questo  personaggio  (tav.  XIII,  2). 
E  nulla  io  aggiungo  dell'ampio  mantello,  che  lascia  ie  gambe  a 
metä  scoperte :  abito  quasi  incomprensibile  in  una  figura  muliebre. 

Come  mal,  dunque,  nel  rilievo  di  Firenze  la  parte  superiore 
del  corpo  di  questa  ligura  ha  forme  cosi  spiccatamente  femminili  ? 
Noi  non  sappiamo  quäle  parte  del  rilievo  preso  ad  imitare  fosse 
conservata,  e  quanta,  invece,  fosse  andata  perduta.  Credo  di  aver 
dimostrato,  in  modo  inoppugnabile,  che  mancava  tutta  la  parte  a 
destra:  e  non  ci  sarebbe  quindi  da  stupire,  se  fossero  anche  per- 

(•)  Per  il  Dütscbke,  questa  figura  seduta  sarebbe  la  personificazione 
della  cittä  di  Troia,  per  il  berretto  frigio  (??)  cb'essa  porta  e  per  le  pan- 
nocchie  di  grano  turco  (?)  cbe  tieue  nella  sinistra.  La  figura  del  fanciullo  e 
interpretata  come  Ascanio.  II  primo  cbe  nel  rilievo  di  Firenze,  creduto  da 
tutti  antico,  abbia  intraveduto  una  rappresentanza  relativa  ad  Enea,  e  stato 
lo  Zannoni  (Galleria  di  Firenze,  serie  IV,  tav.  119). 

27 


402  G.    E.    RIZZO,    SÜLLE    «  LEGGENDE   LATINE    ANTICHISSIME  » 

dute  o  gravemente  deteriorate  altre  parti  comprendenti  le  tigure 
male  interpretate  dall' ignoto  scultore.  U  quäle,  forse,  fu  indotto 
ad  interpretare  la  figura  seduta  come  muliebre,  dalla  presenza  del 
piccolo  Frigio  che  le  sta  accanto  ('). 

Checche  sia  di  ciö,  io  insisto  nel  credere  che  codesta  figura, 
virile  senza  dubbio,  come  fa  vedere  anche  la  riproduzione  della 
tavola  rappresenti  Marte.  Onde  il  rilievo  di  Firenze,  se  da  un  canto 
e  la  piü  eloquente  conferma  della  esegesi  generale  da  me  data,  non 
la  modifica  nemmeno  in  questo  particolare. 

Conchiudendo :  il  rilievo  degli  Uffizi  e  un'  imitazione  relati- 
vamente  fedele,  eseguita  forse  nel  principio  del  XVI  secolo,  di  un 
rilievo  frammentato  di  etä  imperiale  romana,  simile  a  quello  di 
Torre  Nova;  e  serve  a  darci  un"idea  delle  parti  mancanti  di  questo 
monumento,  la  cui  interpretazione  puö  dirsi  oramai  assolutamente 
sicura. 

G.  E.  Rizzo. 


(')  E  appena  il  caso  di  ricorJare  qui  le  false  interpretazioni  e  le  in- 
terpolazioni,  spesso  capricciose  ed  assurde,  che  non  e  raro  riscontrare  nelle 
traduzioni,  o  imitazioni  che  dir  si  vogliano,  che  gli  artisti  del  rinasci- 
mento  facevano  da  monumenti  antichi,  copiati  nel  loro  insieme  o  in  singoli 
gruppi  e  figure  adoperati  come  motivi  ornamentali.  Le  Logge  di  Raffaello, 
p.  es.,  potrebhero  fornire  ancora  ampia  materia  di  ricerche  e  di  confronti 
particolari  e  minuti,  dopo  il  molto  che  se  n'e  detto  in  generale.  Io  stesso  ebbi 
occasione  di  far  vedere  in  quäl  modo  fossero  State  fraintese  con  aggiunte 
assurde  alcune  figure  del  sarcofago  Giustiniani  rappresentante  la  morte 
di  Clitemnestra  ed  Egisto  (Cfr.  Rizzo,  Sculture  antiche  del  Palazzo  Giusti- 
niani, Bull,  comun.,  1905,  pp.  18-36).  Non  potrebbe  quindi  sorprendere  la 
falsa  interpretazione  della  figura  di  Marte  nel  nostro  rilievo. 


SITZUNGEN  UND  ERNENNUNGEN. 


1.  März    1907:    M.   Meurer,    Die  Entstehung  des  Decorations- 
Scheinas  aegyptischer  und  griechischer  Decken  aus  dem  Zeltbau. 

15.  März:  F.  Weege,  Oskisclie  Grabmalerei.    —   A.  Haselofe, 

Die  Mosaiken  von  Casaranello. 
5.  April :  R.  Eisler,  Weltenmantel  und  Himmelszelt.  —  0.  Schoe- 
newolf,  Elfenbeinrelief  in  München. 

19.  April  (Festsitzung  zur  Feier  der  Gründung  Roms):  G.  F.  Ga- 
murrini,  della  climora  di  alcuni  re  asiatici  nel  territorio 
Falisco,  —  Ch.  Huelsen,  Der  Hain  der  Furrina  am  Jani- 
culum. 


Am  Palilientage  wurden  ernannt: 

zum  Ehrenmitgliede 

Herr    G.  F.  Gamurrini  in  Arezzo 

zu  ordentlichen  Mitgliedern  die  Herren 

G.  E.  Rizzo  in  Rom 

L.  Pernier  in  Florenz 

zum  correspondierenden  Mitgliede 

Herr    E.  Gabrici  in  Neapel. 


REGISTER 


Achilleuscyklen  379  f. 
Achilleus  Thaten,  Bronzcreliefs  335  fF. 
Achill  leierspielend  339,  jagend  340. 
Achill  auf  Skyros  Sil.  343. 
Achills  Feiung  335 
Tod  351. 
>j        Zorn  346. 
Aeneas,  Hochzeit  mit  Lavinia  297. 
Aestimare  212. 
Anna  Pexenna,  Fest  217. 
»  n  Hain  219. 

Aphroditefest  in  Korinth  311. 
Aphrodite-Kullhilder  auf  Akrokorinth 

313. 
Architrav,  ionischer  270. 
Argos  'Jod.  Vasenhild  98  f. 
Asiatische    Elemente   in    röm.   Archi- 
tektur 82. 
Attische  Amphoren   111. 

»         Keramik  des  4.  Jlidts  140. 
Aushängeschild,  römisches  96. 
Bankett  auf  Elfenbeinrelief  315. 
Bellum  Mithridaticum  395. 
Berlin,  Vase  3289  281. 
Berlin,    Antiquarium,    Knochenreliefs 

318  f. 
Blockgesims,  angebliches  185. 
Böotische  Keramik  138. 
British  Museum,  Elfenbeinreliefs  im 

316. 
Bryn  Mawr  College,  Vase  im  100. 
Cadus  97. 

i  Iheiroballistra  1  52. 
Cheiron  und  Achill  337  f. 


Chimaerenkampf,  Bronzerelief  371. 

Cirta,  Grabmonument  bei  184. 

Cista  von  Vulci  im   Gregorianum  84. 

Columella  X  357-366  214. 

Comitium  193. 

Coner,  Andreas,  Skizzenbuch  171. 

Cornua  198. 

Corsinisch.es  Silbergefäss  280. 

Deidamia  342.  343.  345  f. 

Dextrarum  iunctio  292. 

Dorischer    Tempel  am  Forum   holito- 

rium  169. 
Elfenbeinreliefs,  archaische  314  ff. 
Erinys  des  Kalos  od.  Kaiamis  285. 
Ermitage    (Petersburg),  Vasen   in  98. 
Erotenkopf,  Bronze  333. 

n  als  Deichselschmuck  377. 

Etruscilla  od.  Otacilia,   Porträt  86. 

Etruskische  Goldarbeiten  389  f. 

Etruskische  Terrakottenfriese  64.  67. 

Forma  Urbis  Bomae  190. 

Forum   holitorium,    Tempel   am   189. 
192. 

Fortuna  virilis,  angebl.    Tempel  221. 

Fries,  ionischer  270. 

Fröhner,  Sammlung  (Paris),  Elfenbein- 
reliefs 318. 

Gemmen  mit  Achills  Feiung  336. 

Gesims  vom  Tempel  des  Iuppiter  La- 
tiaris  186. 

Gewandbewegungsmotiv  am  Ludovisi- 
Thron  312. 

Goldschmuck,  etruskischer  387. 

Grundrissform  italischer  Tempel  256. 


REGISTKH 


405 


Haartracht  auf  röni.  Reliefs  381. 
Hektors  Lösung  350. 
n        Schleifung  349. 
Tod  348. 
Heron,  Mechaniker  142. 
Hiketiden  des  Aeschylus,    Erstauffüli 

rung  107  f. 
Hoffmann,  Sammlung  (Paris)  363. 
Jagdreliefs  340 


Lupa  Capitolina  auf  Schildrelief  291. 

303. 
Lupercal,  Schildrelief  291. 
Lykische  Grabbauten  78. 
S.  Maria  Egiziaca  220. 
Mars  297. 

Martialis  ep.  IV  64.   11-24  211. 
Mauerverhand    an    römischen    Bauten 

217. 


Janus,  Tempel  am  Forum  holitorium     Modena,  architekton.  Relief  in  184. 


189. 

Jo,  in  Kuhgestalt  107. 

Jonische  Kunst  327. 

Judicium  Orestis  280  f. 

Juno  Sospita,  Tempel  am  Forum  ho- 
litorium 191. 


Münzporträts  Bronzeblech  83. 

Münzen  als  Ornament  86. 

Museo  Gregoriano,  Elfenbeinreliefs  320. 

Musterbücher  281. 

S.  Nicola  in  Oarcere    169. 

Niger  lapis  209. 


Juppitersäule  von  Mainz,  Relief  an  der     Norchia,  Grabfassaden  183. 


Basis  280 
Kästchen  mit   Elfenbeinreliefs  321 
Kauaxiov  158. 
Ka^iÜQioy   156. 
Kafi^iarQta  151. 
Knvoveg  146. 


Nymphaeum  92. 

Odysseus  353. 

Gnsdorf,  Relief  von  282. 

Palaekastro,  Ausgrabungen  in  65. 

Paraskenien  6. 

Paris  351  f. 


Kapitell  vom    Tempel  am  Forum  ho-     Pasquino-Gruppe  353. 


litorium  180 
Kapitell  vom  Tempel  des  Juppiter  La 

tiaris  181.  186. 
Kapitelle,  ionische  266. 
Klazomenä,  Sarkophag  von  68. 
Kkeioos  150. 
Kodros-Schale  122. 
Kütuosidfj  160. 
Kontinuierender  Stil  385. 


Patroklos  24'«. 
353. 
Pflanzenformen    auf     Elfenbeinreliefs 

331. 
Philippus  Caesar,  Porträt  85. 
Pietas.  Tempel  am  Forum  holitorium 

189. 
Plattenbelag    des    Rundbaus    an    den 

Rostra  57. 


Kretische   Künstler  am  Artemision  in     Podien  italischer  Tempel  254.  259 


Ephesus  75. 


Polygnot,  Maler  119. 


Kultbilder     der     Erinyen     in     Athen     Pompeji,  das  grosse  Theater  1  ff. 


286. 
Kyprische  Kunst  328. 

Schriftzeichen  329. 


Porträtmedaillons  als  Ornament  372. 
Prägung  von  Bronzereliefs  84.  358  f. 
Priamos  350. 


Lares    Augusti,    Altar    im    Belvedere     Profile  von  Podien  260.  262 


299. 

Lavinium,  Gründungssage  299  ff. 
Lokalgötter  auf  Reliefs  382. 
Louvre,  Elfenbeinreliefs  im  316. 

»        Relieffragment  90. 
Ludovisischer  Marmorthron  307  ff. 


Prometheus  des  Aeschylus,  Erstauf- 
führung 106. 

Regöly,  Goldfunde  388. 

Reliefstil  367  f. 

Rheinische  Provinzialkunst  u.  ihre 
Vorlagen  284. 


406 


REGISTER 


Römische  Sarkophage  und  Architektur 

79. 
Romulusgrab  204. 
Rostra  193. 

n       Caesaris  57. 
Ruvo.  Elfenbeinreliefs  aus  314. 
Säulenbasen,    italische   und    römische 

263. 
Säulenschäfte  265. 
Sallustius  Crispus  87. 
Sarkophag  von  Torre  Nova  289. 
Schildreliefs  303. 
Schlachtscene,  Schildrelief  303  f. 
Scholion  Soph.  0.  C.  39  286. 
Scipionengrab  263  f. 
Septimius  Severus,  Münze  des,  von  Ha- 

drianopolis  93. 
Septizonium  94. 
Sidonischer  Sarkophag  «  des  Pleureu- 

ses  »  74. 
Sima,  Form  274. 

»     jonische  Terrakotta  —  in  Candia 

64.' 
Sima,    jonische    in    Etrurien    und  auf 

att.  Grabstelen  77. 
Sima  aus  Balustrade  des  flachen  Da- 
ches entstanden  76. 
Simonius   Julianus,    Stadtpraefect  88. 
Spes,    Tempel  am  Forum    holitorium 

191. 


Steinmetzzeichen  61. 

Stele  vom  Diktynnaion  in  Creta  77. 

Stuckformen  römischer  Bauten  179. 

Stuckverkleidung  an  römischen  Bauten 
250.  272. 

Sulla,  gentilicium  87. 

Szasazol,  Goldfunde  387. 

Tempel,  ionischer,  am  Ponte  Rotto 
220. 

Terracina.  Inschrift  aus  394. 

Theaterfrage  53  ff. 

Thensa  Capitolina  332. 

Thensa,  Form  378. 

Thiasos,  Bronzerelief  355  f. 

Torre  Nova,  Sarkophag  von  289. 

Trajans  Rostrabau  62. 

Traianus  Decius,  Porträt  85. 

Travertin,  Verwendung  an  röm.  Bau- 
ten 187. 

Uffizi,  Relief  in  398  f. 

Vatikan,  Galleria  delle  Statue,  Relief 
89. 

Venus,  Medaillon  in  Bronze  355. 

Verhüllung  in  der  Frauentracht   309. 

Wagen  aus  Bronze  377. 

Wasserbassins  im  Theater  von  Pom- 
peji 45  ff. 

Zahnschnitt  272. 

Zauberbräuche  zur  Vertreibung  von 
Ungeziefer  215. 


TAFELN 


I.  Skenenbau  und  Orchestra  des  grossen  Theaters  in  Pompeji. 

II.  Terrecotte  cretesi  di  uso  architettonico. 

III-IV.  Frammenti  di  vaso  Attico  nel  Aluseo  di  Pietroburgo. 

V.  Tempel  bei  S.  Nicola  in  Carcere,  Ansicht. 

VI.  Ionischer  Tempel  am  Ponte  Kotto  in  Rom. 

VII.  Ionischer  Tempel  am'  Ponte  Rotto  in  Rom.  Grundriss  mit  den  moder- 

nen Einbauten. 

VIII.  Ionischer  Tempel  am  Ponte  Rotto  in  Rom.   Seitenansicht  (Westseite) 

und  Rückansicht   (Südseite)  im  gegenwärtigen  Zustand  (Kapitelle 
ergänzt). 

IX.  Ionischer  Tempel  am  Ponte  Rotto  in  Rom.  Schnitte  und  Details. 

X.  Ionischer  Tempel  am  Ponte  Rotto  in  Rom.  Podium  und  Säulenbasis. 
XL        Ionischer    Tempel    am    Ponte    Rotto    in    Rom.    Säulenkapitelle    und 

Gebälk. 

XII.  Ionischer  Tempel  am  Ponte  Rotto  in  Rom.   Dritte  und  sechste  Säule 

der  Ostseite. 

XIII.  Sarcofago  di  Torre  Nova. 

XIV.  Rilieui  romani  con  rappresentazioni  di  matrimonio. 
XV-XVI.  Archaische  Elfenbeinreliefs. 

XVTI-XVIII.  Bronzereliefs  von  der  Thensa  Capitolina. 


Abgeschlossen  am  10.  Juli  1907. 


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TERRECOTTE    CRETESI    DI    USO    ARCHITETTONICO 


Ruma  -  Fotot.Danesi 


FRAMMENTI    DI    VASO    AT 


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Putz  u  moder- 
ne RENOVATION 


IONISCHER    TEMPHL    AM 
Grundriss  mit  den  n 


aufgenommen  und  gezeichnet  von  E.  Fieciiter. 


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ernen  Einbauten. 


IONISCHER    TEMPEL    AM    I 

Podium  und  S 
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Aufgenommen  und  gezeichnet  von  E.  Fiechter. 


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5ARCOFAGO  DI  TORI 


XIII 


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NOVA. 


J.  B    Obernetter,  Mütichen. 


i.  -  SARCOFAGO  DI  S.  LORE 


SARCOFAGO  NHL  MUSEO 


XIV. 


O    FUORI    LH    MURA. 


LVICO  1)1    MANTOVA. 


ARCHAISCHE    ELFENBEINRELIEFS 


Fotot.  Danesi  -  Roma 


ARCHAISCHE    EL 


JBEINRELIEFS 


Futut.  Hanesi  -  Roma 


BRONZERELIEFS  DER  THENSA  CAFITOLINA. 


J.  B.  Obenietter,  München. 
J.  B    Obernetter.  München. 


XVIII. 


^TM 


BRONZERELIEFS  DER  THEN5A  CAPITOLINA. 


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3  3125  00458  7180