! m
EISENHOWER LIBRARY
SC
J0o
*•
&
i tu^L »E*7
SOUND faY WILSON* SO»*
CAMHHIÜGI
"PC 'S 005"
•K15M5 LIBRARY
JOHNS HOPKINS UNIVERSITY
PRESENTED BY
Lady Walston
MITTEILUNGEN
DES KAISERLICH DEUTSCHEN
AßCHAEOLOGISCHEN INSTITUTS
ROEMISCHE ABTEILUNG
Band XX.
BULLETTINO
DELL' IMPERIALE
ISTITÜTO AECHEOLOGICO GERMANICO
SEZIONE ROMANA
Voi,. XX.
ROM
LOESCHER & G.
(BRETSCHNEIDER & REGENBERG)
1905
>C 5 005"
•A t5" MS
2* A*Jh
SB« os Lady Wm.ston.
INHALT
W. Amelüng, Zerstreute Fragmente römischer Reliefs (Taf. V)
S. 121-130.
— Weiblicher Kopf aus Glas (Taf. VI- VII) S. 131-135.
— Statuette der Artemis S. 136-155.
— Nachtrag zu S. 130. S. 184.
— Reste einer p er g amenischen Darstellung der Taten des He-
rakles S. 214-222.
— Judicium Orestis (Taf. IX, X) S. 289-309.
R. Delbrüeck, Erwiderung (zu Mitt. XIX, 253) S. 185-187.
A. von Domaszewski, Inschrift eines Germanenkrieges S. 156-
163.
D. Gnoli, II Giardino e l'antiquario del Cardinal Cesi S. 267-
276.
F. Haüser, Plinius und das censorische Verzeichnis S. 206-213.
Chr. Huelsen, Jahresbericht über neue Funde und Forschungen
zur Topographie der Stadt Rom. IL Die Ausgrabungen auf
dem Forum Romanum 1902-1904 (Taf. MV) S. 1-119.
G. Körte, Die Bronzeleber von Piacenza (Taf. XII-XIV) S. 348-
379.
K. Lohmeyer, Zu) ei Fluchtäfelchen von der Via Appia S. 164-
165.
A. Mau, Rostra Caesaris S. 230-266.
— Nochmals Micon und Pero S. 188-192.
— Nochmals die alte Säule in Pompeji S. 193-205.
A. Mau, Micon und Pero S. 380-382.
— Zur Casa del Faimo in Pompeji 382-383.
P. I. Meier, Eine Herstellung der Gruppe der Tyrannenmörder
(Taf. XI) S. 330-347.
R. Paribeni, Bei milites frumentarii e dell 'approvvigionamento
della corte imperiale S. 310-320.
— Bei Germani corporis custodes S. 321-329.
€. Patsch, Ber Illyrische Zoll und die Provinzialgrenzen S. 223-
229.
L. Pollak, Ber rechte Arm des Laokoon (Taf. VIII) S. 277-282.
R. Schneider, Geschütze auf antiken Reliefs S. 166-184.
O. Seeck, Inschrift des Lollianus Mavortius S. 283-285.
Sitzungen und Ernennungen S. 286-288. 383.
Register S. 384-386.
JAHRESBERICHT
UEBER NEUE FUNDE UND FORSCHUNGEN
ZUR TOPOGRAPHIE DER STADT ROM.
NEUE REIHE.
IL Die Ausgrabungen auf dem Forum Roman um
1902-1904.
(mit Tf. MV)
Der folgende Bericht, welcher den in diesen Mitteilungen
1902 S. 1-97 erschienenen fortsetzt (T), umfasst die Zeit vom Früh-
jahr 1902 bis Ende 1904. — Von den Ausgrabungen, welche
im vorigen Berichte (S. 4) für die nächste Zukunft in Aussicht
gestellt waren, ist eine wichtige bisher nicht in Angriff genom-
men, die weitere Freilegung der Basilica Aemilia, aber aus trif-
tigen Gründen. Die Häuser an der Südseite der Via Salara vec-
chia, welche demoliert werden müssen, gehören bereits der Aus-
grabungsverwaltung und dienen teils für die Bureaus der Direktion,
teils zur provisorischen Aufbewahrung der massenhaften Klein-
funde vom Forum. Ehe nicht für^ beide im « Forums-Museum ■
geeignete neue Locale geschaffen sind, kann an eine Beseitigung
(*) Ich citiere den ersten Forumsbericht als JB. 1902, den etwas ver-
besserten und ergänzten zweiten Abdruck (Rom 1903, Loescher u. C°) als
JB2. — Der erste Bericht ist besprochen worden von E. de Ruggero, La
Cultura 1903 n. 1, p. 7-9; von L. Cantarelli, Bollettino di Filologia Classica,
IX, 1903 p. 205 f.; H. Lanier, Neue Jahrb. für Philologie 1903 S. 146-148;
F. v. Buhn, Berliner philologische Wochenschrift 1903 n. 36 Sp. 1134-1136;
L. Mariani, Rivista storica italiana 1904, p. 12-17. Zum grossen Teil auf
demselben beruhen die Referate von P. Bierikowski (nowe odkrycia na Forum
w Rzymie (Eos, Krakau 1903, 129-137) und G. Finaly, A'satdsok a Römai
Forumon (Egyetemes Philologiai Közlöny, XXVII, 1903, S. 1-20). Eine kurze
populäre Uebersicht über das auf dem Forum in den letzten Jahren geleistete
giebt auch Ch. Buls, Revue de V Universite de Bruxelles, juillet 1904 (24 S. 8°).
CH. HUELSEN
der modernen Bauten und Fortsetzung der Ausgrabungen nicht
gedacht werden. — An der Freilegung der Nordseite des Palatins
und des Clivus sacer vorn Titusbogen nach der Front der Kaiser-
paläste hin ist gearbeitet worden, doch sind Funde ersten Ranges
an keiner von beiden Stellen gemacht. Dagegen hat eine Ausgra-
bung, die beim Abschlnsse des vorigen Berichtes noch in ihren
ersten Anfängen war, die des archaischen Grabfeldes beim Faustina-
tempel, Ergebnisse geliefert, die zu den wichtigsten überhaupt ge-
wonnenen gehören. Auf die Untersuchung dieser Gräber ist denn
auch die Arbeit der letzten zwei Jahre hauptsächlich concentrirt
gewesen. Doch sind auch sonst, namentlich in der Mitte des Fo-
rums unter dem Travertinpflaster der Kaiserzeit interessante Funde
gemacht orden (Basis des Domitian, Lacus Curtius u. A.).
Die 'Arbeiten für Einrichtung des Forums-Museums in dem
ehemaligen Kloster von S. Francesca Romana haben erfreuliche
Fortschritte gemacht (De Angelis, Relazione dei lavori eseguiti
dair Ufficio tecnico per la eonservazione di Roma e provincia
nel quadriennio 1899-1902, Rom 1903, S. 86). Zwar hat sich
die ursprünglich (1901) veranschlagte sehr bescheidene Summe
(23300 frs. für Bauarbeiten, 5300 für innere Einrichtung) als un-
zureichend herausgestellt, namentlich weil sich bei Entfernung der
modernen Anbauten im Kloster auf Schritt und Tritt Reste aus
älteren Epochen (13.-15. Jhdt.) fanden, deren sorgfältige Schonung
sich die Bauleitung zur Pflicht gemacht hat. Trotzdem ist es möglich
gewesen, einen grossen Teil der Räume namentlich im Erdgeschoss
und im dritten Stock, herzurichten. Das Museum verspricht einen
besondern Anziehungspunkt für die Forumsbesucher zu bilden.
Hoffen wir, dass die neuerdings zu Tage getretenen sehr weit-
aussehenden Pläne (Schaffung eines epigraphischen Museums in
S. Adriano, einer Abgusssammlung in S. Lorenzo in Miranda: No-.
tizie 1903 S. 427), bei denen schon die Erwerbung der Gebäude
viele Hunderttausende kosten und die Einrichtung wiederum Jahre
in Anspruch nehmen würde, nicht der Erreichung bescheidenerer
aber sehr erstrebenswerter Ziele in den Weg treten.
Die offizielle Berichterstattung in den Noti.de degll seavi ist
seit 1902 leider in einen bedauerlichen Stillstand verfallen. Die
Notizie von 1903 enthalten zwei sehr ausführliche und reich illu-
strierte Berichte über das alte Gräberfeld, dagegen über die son-
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 3
stigen Funde nicht einmal Vorläufiges ; in dem ganzen Jahrgang
1904 finden sich nur zwei ganze kurze epigraphische Mitteilungen
über das Forum! Wenn Notine 1903, 427 spezielle mit Zeichnun-
gen und Photographien ausgestattete Rapporte über Equus Domi-
tiani und Lacus Curtius, über das \ armamentarium per gli spet-
tacoli gladiatorü ' (u. S. 64 f.) und die fosse rituali bei den
Rostra versprochen werden, die nach vollständiger Publikation der
Gräber erscheinen sollen, so werden wir, falls die Veröffentlichung
in gleichem Schritte weiter geht, noch eine Reihe von Jahren dar-
auf zu warten haben. Nur teilweisen Ersatz bieten Gatti's und Va-
glieri's an sich höchst willkommene Notizen im Bidlettino comu-
nale. Hier Wandel zu schaffen wäre eine der wichtigsten Aufgaben
der Ausgrabungsleitung. Dass durch diesen Sachverhalt meine Be-
richterstattung — im Gegensatz auch zu dem ersten Bericht, fin-
den offizielles bald nach der Auffindung veröffentlichtes Material
reichlich vorlag — erschwert ist, liegt auf der Hand.
Unsere antiken Quellen zur Kenntnis des Forums haben
neuerdings eine Bereicherung erfahren durch die Auffindung der Li-
vius-Epitome von Oxyrhynchos ( The Oxyrhynchos Papyri vol. IV
p. 95 ff. n. 668), welche aus dem 50. und 55. Buche einige No-
tizen über Comitium und Regia bringt (s. u. S. 47 u. 79). Zu
erwähnen ist ferner hier das neue auf die Basilica Aemilia be-
Fragment der Forma Urbis Romae (u. S. 53).
Ich verzeichne zunächst mehrere Arbeiten welche über die
neuen Ausgrabungen im Zusammenhange berichten, und von de-
nen namentlich die erste im folgenden durchweg zu berücksichtigen
gewesen ist.
Dante Vaglieri, Gli scavi recenti nel Foro romano. Roma, Loescher u. C.
1903, 239 S. 8°., 121 Abb. im Text. (Sep.-Ausgabe aus Bull, comun.
XXXI, 1903 fasc. 1. 2.) — Supplemento I. 24 S. 8°, 4 Tf., 20 Text-
abbildungen (aus Bull. XXXI fasc. 3, 252-273).
Vaglieri's Arbeit umfasst ungefähr die gleiche Ausgrabungsperiode wie
mein erster Bericht, behandelt sie aber in grösserer Ausführlichkeit und mit
weit reicherer Illustration: sie ist daher für ein genaueres Studium sehr zu
empfehlen. Einige Punkte, an denen ich mit seinen Erklärungen nicht über-
einstimme, werden unten zur Sprache kommen. — Der Nachtrag beschäf-
tigt sich mit der archaischen Nekropole, den sogenannten ' cuniculi ' und der
Domitiansbasis.
4 CH. HUELSBN
Horace Marucchi, Le Forum Romain et le Palatin d'apres le dernieres de-
couvertes. Paris et Rome, 1902. 398 S. 8°. Mit 2 Plänen und zahlrei-
chen Textillustrationen
ist in seinem ersten grösseren Abschnitt, der uns hier allein angeht (S. 9-270)
eine zweite Auflage der 1883 erschienen Description du Forum Romain,
deren Text auf grosse Partien derselbe geblieben ist, leider auch unter Her-
übernahme vieler kleiner Versehen und in den griechischen Citaten unglaub-
lich zahlreicher Druckfehler. Die bedeutendsten neuen Funde (Lapis niger,
Basilica Aemilia, Lacus Juturnae) sind eingefügt und ausführlich beschrieben :
besonders stark erweitert ist das zehnte Kapitel, das ja auch des Verfassers
eigentlichstes Arbeitsfeld bildet, les Souvenirs chritiens du Forum Romain
(S- 226-270). Im übrigen lässt die Benützung der neueren Litteratur zu wün-
schen übrig: so wiederholt M. seine alte Hypothese über die trajanischen
Marmorschranken, die er sich nebeneinander aufgestellt denkt, ohne Petersens
Aufsatz (s. JB. 1902, 20 f.), der m. Er. jeden Zweifel an der ursprünglichen
parallelen Aufstellung der Reliefs beseitigt, überhaupt zu erwähnen. — Die
Abbildungen, für das Forum Romanum allein gegen 50, sind meist gut ge-
wählt und beziehen sich vorwiegend auf die neuen Funde. Der Plan ist (mit
wenigen Aenderungen besonders in der Nomenclatur) verkleinert nach dem in
den Notizie d. scavi 1900 (s. JB. 1902, 7 f.); störend nst das Fehlen eines
Maasstabes.
Henry Thedenat, Le Forum Romain et les Forums impe'riaux. Troisieme
edition entierement refondue. Paris, Hachette, 1904. XII u. 458 SS. 8°,
3 Pläne, 62 Textillustrationen, 8 Phototypien.
Die dritte Auflage des bekannten und bewährten Buches ist völlig um-
gearbeitet, der Text um ein Drittel vermehrt, das Illustrationsmaterial be-
deutend bereichert. Die neueste Litteratur (bis gegen Ende 1903) ist gewis-
senhaft ausgenützt und bequem zusammengestellt. Diese sehr umfänglichen
Literaturnachweise machen das Buch hervorragend geeignet zur Einführung
in ein genaueres Studium der Geschichte des Forums : nicht minder wird der
periegetische Teil (une visite au Forum Romain, p. 205-368) seine Brauch-
barkeit auch an Ort und Stelle bewähren. [Das von demselben Vf. in Ge-
meinschaft mit dem Architekten F. Hoffbauer herausgegebene Werk: Le
Forum Romain et la voie sacre'e ; aspect successif des monuments depuis le
IVe stiele jusqu'ä nos jours. Paris 1905. 153 S. fol., 7 Taf., 59 Textabbil-
dungen, führe ich hier nur vorläufig an, genaueres Eingehen dem nächsten
Berichte vorbehaltend.]
R. Thiele, Das Forum Romanum mit besonderer Berücksichtigung der neue-
sten Ausgrabungen (1898-1903) geschildert. Gymn.-Progr., Erfurt 1904,
24 S. 8., 1 Plan
beschreibt, nach einer Einleitung (S. 3-8) übex das Forum im Altertum, seine
Verschüttung und Ausgrabung: I. Die Umgebung der Aufgänge zum Capitol;
II. das eigentliche Forum; III. die Sacra Via und ihre Umgebung bis zum
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 5
Titusbogen. Die Beschreibung schliesst sich vielfach an den JB. 1902 an,
ebenso der Plan an Mitt. 1902 Tf. I. Als Leser wünscht sich der Verfasser
in erster Linie die Primaner seines Gymnasiums, und von diesen, wie auch wei-
teren gebildeten Kreisen wird das auf eigener Anschauung fussende und von
warmer Begeisterung getragene Schriftchen gewiss mit Nutzen gelesen werden.
E. Burton-Brown, Recent excavations in the Roman Forum. 1898-1904.
London, Murray. 1904. XVI u. 213 S. 12°
beschreibt, unter Weglassung des meisten aus früheren Forschungen bekann-
ten, die wichtigsten neuen Funde (Föns Juturnae, Aedes Vestae, Atrium Ve-
stalium, Regia, Area Volcani, Comitium, Lapis niger, Rostra, Caesarisch-
Augustische Monumente, alte Nekropole, Sacra Via, S. Maria Antiqua). In
den Erklärungen giebt die Vf. hauptsächlich die Ansichten G. Bonis wieder,
der das Buch durch eine Vorrede eingeführt hat. Neun nach Andersons und
Moscionis Photographien sehr sauber ausgeführte ganzseitige Veduten und vier
Pläne (Vestalenhaus, Regia, Lapis niger, Gesamtplan) schmücken das hand-
liche und lesbare Büchlein.
St. Clair Baddeley, Recent discoveries in the Forum, 1898-1904. London,
Allen, 1904. 115 S. kl. 8°, 45 Abbildungen, 1 Plan
umfasst, ausser den in der eben genannten Arbeit behandelten Funden, auch
schon die neuesten, Equus Domitiani (S. 47-51) und Lacus Curtius (S.J106-109).
Der Verfasser ist den Ausgrabungen seit ihrem Beginne mit lebhaftem Inte-
resse und Verständnis gefolgt ; der Zusatz auf dem Titel : by an eye-witness
charakterisiert das Büchlein, dessen frische und lebhafte Darstellung anzieht.
Von Wert sind auch die grossenteils nach eigenen Photographieen des Vf.
hergestellten (meist ganzseitigen) Abbildungen, Ansichten interessanter Stellen
nach und, was manchmal bereits besonders interessant ist, vor der letzten
Ausgrabung. Der Plan, für welchen auf Bonis Veranlassung offizielle Mate-
rialien bis in die neueste Zeit benutzt sind, bietet manche Ergänzungen zu
dem bisher vollständigsten offiziellen Plan vom Sommer 1900.
Der soeben erschienenene fünfte Band der Atti del Congresso interna-
zionale cli scienze storiche 1903 (Roma 1904) enthält unter n. XXVII einen
ausführlichen Vortrag (Zusammenfassung der comunicazione vom 4. und der
conferenza vom 8. April) G. Bonis, über das Forum (S. 495-584). Der Text,
welcher auch einige erst nach dem Frühjahr 1903 gemachte Funde {Equus
Domitiani, sog. « Equus Tremuli») bespricht, ist reich illustriert, als Tafel
beigegeben eine Reproduction der Ballon-Photographie (s. JB. 1902, 8) des
eigentlichen Forums, die grösser und klarer ist als die Not. d. scavi 1900,
227. 228 gegebenen Stücke. Auf das Einzelne wird im Verlaufe unseres Be-
richtes einzugehen sein.
Als fortgesetzte Berichte von Augenzeugen sind zu erwähnen die Mit-
teilungen Lanciani's im Athenaeum (z. B. n. 3884. 3906. 3913. 3928. 3938.
3950) und Th. Ashby's in der Classical Revieio XVI (1902). 94-96. 284-286.
XVII (1903) 134-137. 328; XVIII (1904) 137-141. 328-331, ferner die von
6 CH. HUELSEN
R. Artioli in der Florentinei Zeitschrift Arte e storia 1902, 50-53. 1904 p. 47
und die von Petersen im Archaeologischen Anzeiger 1903, 86-90. 1904, 111.
Eine bibliographische Verzeichnung der zahlreichen aus zweiter Hand schöpfen-
den Berichte, wie sie viele grosse Blätter Italiens und des Auslands bringen,
ist für unseren Zweck unnötig.
Als wichtiges Quellenwerk für die Geschichte der älteren Ausgrabungen
auf dem Forum ist Lanciani's Storia degli scavi di Roma bereits im vo-
rigen Berichte (S. 6) angeführt. Der seitdem erschienene zweite Band (Rom
1903, 265 S. 4°) umfasst ausser den letzten Jahren Clemens VII (1531-1534)
das Pontificat Pauls III, welches für das Forum so besonders unheilvoll wurde,
da fast alle seine Monumente für den Bau der Peterskirche oder des Pa-
lastes am Campo di Fiore Material liefern mussten. An Stelle der streng chro-
nologischen Anordnung hat L. in diesem zweiten Bande eine mehr sachliche
treten lassen: man findet also die auf das Forum Romanum bezüglichen
Notizen bequem zusammen, hauptsächlich p. 184-222; ausserdem kommt der
Abschnitt über den Einzug Karls V 1536, p. 58-63 in Betracht.
Ich selbst habe über die Resultate der Ausgrabungen bis Sommer 1903
auf der Philologenversammlung in Halle 8. Okt. einen Vortrag gehalten, der
im Auszuge in den Verhandlungen der Versammlung S. 19-21, ausführlicher
und durch Abbildungen erläutert in den « Neuen Jahrbüchern für Philolo-
gie etc. »' VII, 1904 S. 23-45 abgedruckt ist.
In dem kleinen Buche
Das Forum Romanum, seine Geschichte und seine Denkmäler. Rom, Loescher
1904. VII u. 219 S. 8°., 3 Pläne, 109 Abbildungen im Text,
habe ich versucht, einen gemeinverständlichen Ueberblick über die Geschichte
des Forums und seine Erforschung, sowie einen Führer zu den Monumenten
zu geben; zahlreiche Abbildungen, namentlich architektonische Reconstruc-
tionen, sollen dem Verständnis zu Hülfe kommen. Eine italienische Ueber-
setzung unter dem Titel II Foro Romano, storia e monumenti (XI u. 223 S.
8°, 1 Plan, 117 Abbildungen im Text) ist im Frühjahr 1905 in gleichem Ver-
lage erschienen. [Eine zweite deutsche Auflage, XII und 244 SS., 4 Tf., 131
Abb. im Text wird gleichzeitig mit diesem Berichte ausgegeben, eine englische
Uebersetzung im Herbst d. Jfj
Auch dieses Mal habe ich für freundliches Entgegenkommen
sowohl der Generaldirektion der Altertümer wie der speziellen
Leitung der Forums-Ausgrabungen meinen Dank abzustatten. Die
Pläne und Aufnahmen rühren wiederum von Hrn. G. Tognetti her.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
Westseite des Forums.
Am Abhänge des Capitols, zwischen Tabularium und Clivus
Capitolinus ist auch in den letzten zwei Jahren nicht gegraben
worden. Ueber den Saturntempel referirt kurz Vaglieri S. 162, der
mitteilt, dass an der Ostseite des Tempels un tratto curioso di
pavimenio a poligoni di pielra da molino gefunden sei ; über den
Concordientempel wird ebenda bemerkt, es seien strutture di tufo
gefunden, die für die Kenntnis des vortiberianischen Tempels von
Wichtigkeit werden könnten. Auf einigen Tuffquadern des Funda-
ments hat V. einzelne Buchstaben (Steinmetzzeichen) von altertüm-
licher Form bemerkt: ich habe dieselben nicht auffinden können.
R. Lanciani, L'ara di Volcano (le escavasioni del Foro n. IX).
Bull. com. 1902, p. 125-133 mit Tf. IV
beschreibt, nach ausführlicher Zusammenstellung der Schriftstel-
lerzeugnisse über den Volcancult am Forum, den schon JB. 1902,
S. 10 (vgl. JB2 S. 10) kurz angezeigten Fund. Ein hinter dem
Umbilicus Urbis Romae aus dem Tuff des capitolinischen Hügels
herausgehauenes Viereck von 3, 95 X 2,80 m. wird für den Rest
.des Unterbaus der Ära Volcani erklärt: an mehreren Stellen
sind Unregelmässigkeiten des gewachsenen Felsens durch Ausfül-
lung mit kleinen Steinen ausgeglichen; später, etwa nach dem
gallischen Brande, hat man dann das Ganze mit kräftig rotem
Stuck überzogen, von dem namentlich an der Vorderseite unten
Reiste erhalten geblieben sind. Die Höhe des Altars lässt sich nicht
bestimmen, da das Ganze schon wenige cm. über dem Niveau des
Clivus abgehauen und zerstört ist. — An Lanciani' s Beschreibung
schliesst sich im wesentlichen an Vaglieri Bull, comun. 1903,
159-161, an beide Burton-Brown Recent excavations 69 f., wo
die Ära auch nach Photographie von Moscioni(1) abgebildet wird.
(l) Eine Photographie des ganzen 'VolcanaW giebt Boni, Atti del Con-
gresso storico p. 555, eine der Ära ebda.; im Text äussert er sich zu beiden
nicht.
CH. HU ELSEN
Wer den Plan Lanciani's (Bull. Tf. IV) an Ort und Stelle
vergleicht, wird sich wundern, statt des schönen Rechtecks, welches
dort als Fundament des Altars gezeichnet ist, (') ein recht unre-
gelmässiges Trapezoid {ab cd Tf. I) zu finden, das an seiner Ober-
fläche yon mancherlei Rinnen und Gräben (namentlich a ß und y 6
Tf. I) (2) durchfurcht ist. Ganz ähnliche Bearbeitung zeigen auch
andere Felsvorsprünge zwischen Umbilicus und Concordientempel.
Fig. 1.
An der Vorderseite, wo der rote Stuck erhalten ist (bei £ rj & Tf. 1)
ist ein Kanal vorbeigeführt, dessen Aussen wand aus hochkantig
gestellten braunen Tuffplatten wohl erhalten ist. Die Benennung
Ära Volcani für diese Reste ist keineswegs über jeden Zweifel
erhaben. Freilich müssen Volcanal und Ära in dieser Gegend ge-
legen haben: jedoch die Umbauten, sowohl der augustischen wie
der severischen Zeit, endlich die Zerstörungen des Mittelalters
haben hier fast alle Spuren verwischt. Ob es je gelingen wird, die
vielfach durch- und übereinanderlaufenden Spuren verschiedener
(*) Auch sonst ist manches in L. 's Plan zu regelmässig: z. B. dürfte
der grosse Abzugscanal e f nicht parallel zur Front des Altars laufen.
(*) Vaglieri S. 159 f. glaubt dass einige fossette circolari a mo1 di sco-
delle (z. B. s Tf. I) für die Opfer lebendiger Fische an den ludi piscatorii
(Festus 238 M.) gedient hätten.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM V
Baiiperioden, meistens grosse Quadersubstructionen aus braunem
Tuff, zu deuten, bleibe dahingestellt.
Jedenfalls irrig aber ist Lanciani's Behauptung k l'altare di
Valcano, col suo tegumento augusteo, fu scoperto . . . nel 1548
in situ o quasi'. Die bekannte Inschrift vom Jahre 745/9 (CIL.
VI, 457) ist nicht zwischen Umbilicus und Concordientempel ge-
funden, sondern vor S. Adriano (!). Die Inschrift steht übrigens
nicht auf einer Ära sondern auf einer grossen Marmorplatte (1. 1,34,
h. 1,20 m.), die offenbar architektonisch verwendet gewesen ist:
sie hat an ihrem oberen Ende eine einfache 10 cm. breite, 2 cm.
vorspringende glatte Leiste. Sie kann, soviel ich sehe, weder mit
dem Tuff-Fundament, noch mit einer der andern Constructionen in
der Nähe in Verbindung gebracht werden (2).
Ueber die Station es municipiorum handelt J. Türze-
witsch in der (russisch geschriebenen) Abhandlung: Orbis in urbe
(Nieschin 1902, XXIII u. 87 S. 8°.; vgl. Netusil, Berl. phil. Wo-
chenschr. 1904 n. 19 Sp. 593-595), besonders S. 40 ff. Die fleissige
Arbeit, in der die neueste Litteratur, auch Cantarellis JB. 1902,
11 citierter Aufsatz, benutzt ist, kommt zu dem Besultat, diese
(1) S. JB. 1902, 10. Auch das von Lanciani für die Inschrift herangezo-
gene Zeugnis des Lafreri'schen Marforio-Stiches (a. MDXLVI1 ad arcum
Septimii Severi non procul ah hac Marfori s'atua erutae) beweist, dass
die Ausgrabungen nördlich, nicht südlich vom Severusbogen stattfanden. Vgl.
auch Storia d. scavi 2, 186 f.
(2) Dem im C. VI, 12717 aus Manutius Vat. 5237 f. 135 aufgenomme-
nen Fragment (in der Handschrift als vollständig gegeben):
M • ATTIVS
L • ATTIVS
L • ATILIVS
SEX • ATTIVS
möchte Lanciani S. 132 un posto piü onorevole di quello che gli sia stato
accordato dagli illustri ediiori del Corpus anweisen. Ich fürchte die Inschrift
wird überhaupt zu streichen sein, da sie weiter nichts ist als ein Auszug aus
der grossen Basis VI, 200, wozu die Fundangabe ' in marmore quadrato, quod
in foro Romano prope fornicem Septimii effossum est anno 1547 mense
Februario' stimmt. Alle vier Namen finden sich dort wieder: M. Attius
II, 15. VI, 15, L. Attius VI, 4, L. Atilius III, 5. VI, 6, Sex. Attius II, 11.
10 CH. HUELSEN
stationes seien , Vereinslokale für die als Corporationen organi-
sierten Einwohner fremder Städte gewesen. Dankenswert ist die
richtige Ergänzung der Inschrift der Claudiopoliten S. 42 n. 86:
CTATICON
nßf?\€UN • TGON • KAI ■ KAAYAIOHOAITGüN • CYPIA
~~\ n A /^€>xj £ I N H
DMONi \ TH • IIATPIAI
Der von Gatti und mir begangene Lesefehler PIcoN für PIGtoN
Z. 2 Anf. ist berichtigt von Vaglieri, Inscripliones graecae ad
res Romanas pertinentes I n. 135; dass damit die Ergänzung
Tv^qiswv (statt TvqCmv !) hinfällig wird, bemerkt Turzewitsch, und,
ohne von dessen Arbeit Kenntnis zu haben, Kubitschek Jahreshefte
des österreichischen Instituts 1903 S. 80. Auch der unerhörte
Beiname Claudiopolis, welcher für Tiberias durch Münzen gesi-
chert ist (s. Kubitschek a. a. 0.) und die unmögliche Attribution
von Tyrus zu Syria Palaestina hätten warnen sollen. Die Inschrift
gehört also zu derselben Statio wie die JB. 1902, 11 citierte
'iGprjvdg 'Iöfirjvov vlbz TißsQuvg rfj Gtccticovi (gefunden an der
Sacra Via). In Z. 3 ist der Rest von G nach A sicher, auch reicht
der Raum für nal\_M~]axsivri nicht aus. Z. 4 ergänzt Turzewitsch
'PoS/ti; fjyf\iiov[}di xcu] tfj naiqCdi und verweist auf C. III S. 14195:
rjytfiovidog "Pdofirjg. Aber dafür reicht der Raum nicht, namentlich
da vor TH • IIATPIAI der Stein unbeschrieben ist (Raum für er.
zwei Buchstaben). Ich vermute hier den Namen des Dedicanten,
der, da eine schwache Spur vor dem M vielleicht von P übrig ist,
jQg^6vi[og oder ähnlich gelautet haben mag. Aus einer Statio mag
auch folgende unedirte Inschrift stammen, die ich in der Basilica
Aemilia abschrieb:
AA€£**AKON
H^axAGA
TH KYPIA IIATPIAI
AIAIOI
nonnAioc kai
ACKAHFIIOAOTOC
(Marmorbasis, h. 0,87 im, br. 0,34 m., ziemlich gute Schrift 2/3
Jhdt.).
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 11
Im Nuovo Bullettino di archeologia cristiana 1902 p. 126
veröffentlicht 0. Marucchi ein im Tiber gefundenes Sklavenhals-
band aus Bronze, von vorzüglicher Erhaltung, mit der Inschrift
TENE ME FVGIO REBOCA ME IN GRECOSTADIO EVSEBIO MANCIPE
(das Original war im Sommer 1905 bei einem Antiquar in Rom).
Der Fund veranlasst zu erneuter Prüfung der Frage, wie sich das
Graecostadium der Spätzeit zur alten Graecostasis verhält.
Die Neueren (Jordan Top. 1, 2, 243 f.; Richter Top.2 84;
ich Nomencl. topogr. s. v.) haben meistens die locale Identität
beider angenommen (eine Ausnahme macht Detlefsen in dem immer
noch klassischen Aufsatze de comitio Romano, Annali 1860 p. 153);
da nun die alte republikanische Graecostasis ohne Zweifel dicht
bei den alten Rostra gelegen hat, suchte man auch das Graeco-
stadium in der Nähe der neuen Rostra. Jordan (Top. a. a. 0.)
wollte dem sog. Hemicyclium diesen Namen beilegen; Richter
glaubte aus einer Vergleichung des bekannten Fragments 19 der
Forma Urbis mit dem Grundriss der Rostra schliessen zu dürfen,
dass noch in severischer Zeit die Graecostasis sich südlich der
Rednerbühne in geringem Abstände von dieser befand.
Nun ist der Platz südlich der Rostra in den letzten Jahren
völlig freigelegt, und dabei hat sich gefunden, dass er grössten-
teils von den Fundamenten des Tiberiusbogens eingenommen wird:
zwischen diesem und den Rostra eingeklemmt ist der kleine un-
regelmässige Bau, in dem wir mit Wahrscheinlichkeit die Schola
Xantha erkennen (*). Das Graecostadium der Kaiserzeit aber war
nach den Zeugnissen der Autoren eine Anlage von einiger Ausdeh-
nung, deren Restitution durch mehrere Kaiser in der Stadtchronik
verzeichnet wurde, und zwar in einer Reihe mit Erneuerungen des
Caesarforums und der Basilica Julia (2) : für eine solche Anlage
ist zwischen Rostra und Vicus Jugarius absolut kein Platz.
(1) Lanciani Storia d. scavi 2, 186 macht mit Recht darauf aufmerksam,
dass das 1837 bei den Ausgrabungen am Clivus gefundene Fragment CIL.
VI. 1648 — Ehreninschrift für einen Procurator, gesetzt von den scribae
aedilium curulium — seinen ursprünglichen Platz wahrscheinlich in der
Schola gehabt hat.
(2) Hist. Aug. vita Pii c. 8 : Graecostadium post incendium restitutum ;
Chronogr. a. 354 p. 148 ed. Mommsen : (Carino et Numeriano imperatoribus)
arserunt senatum, forum Caesaris, basilicam Iuliam et Graecostadium.
12 CH. HUELSEN
Mit der Lage unmittelbar neben den Rostra ist aber ferner
nicht recht zu vereinigen die Reihenfolge der Namen im constan-
tinischen Stadtbuch. Die Ueberlieferung ist am Ende der Regio VIII
(Jordan II, 553j :
Curiosum Notitia
Capitolium Capitolium
miliarium aureum miliarium aureum
vicum iugarium
Graecostadium
basilicam Iuliam basilicam Iuliam
[folgen Castor-und Vestatempel, sowie Oertlichkeiten im Velabrum
bis zum Atrium Cacf]
vicum iugarium
et unguentarium
Graecostadium
porticum margaritarium porticum margarüarium
elefantum Herbarium elefantum Herbarium
Während die Abfolge im Curiosum es allenfalls denkbar erscheinen
lässt, das Graecostadium am Forum selbst zu suchen, schliesst
die in der Notitia bei vorurteilsfreier Erwägung diese ' Möglichkeit
aus. Wie soll, nachdem das ganze Forum und die Tempel am
Clivus längst vorher erwähnt sind, auf einmal dieser ganz verein-
zelte Name nachgetragen sein? Das Graecostadium muss vielmehr,
zwar auch in der Nähe des Vicus iugarius und der Basilica Julia,
aber nicht nördlich, sondern südlich von ihr gesucht werden, in
der Richtung wohin der letzte Name Elephas herbarius (an Via
Montanara) weist, also etwa auf dem Terrain welches heute vom
Hospital und der Kirche S. Maria della Consolazione eingenommen
wird.
Leider lässt sich das Fragment 19 der Forma (dessen Ori-
ginal verloren ist) mit keinem andern zusammensetzen : aber da
die Schrift entweder dem Namen der Basilica Julia oder der Aedes
Castoris und Saturni parallel laufen mu3s, bleiben für die Stel-
lung des Fragments nur zwei Möglichkeiten: der kleine Tempel,
dessen sechssäuliger Pronaos mit Treppe hier dargestellt ist (die
Beziehung auf die Rostra wird man definitiv aufgeben müssen),
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
13
hat entweder die Front nach Norden (wie Castor-und Saturntempel)
oder nach Westen gehabt. Letzteres ist mir das Wahrscheinlichere,
Fig. 2.
doch ist eine Entscheidung, bei dem Mangel an Nachrichten über
frühere Ausgrabungen bei der Consolazione, nicht zu geben (l).
(l) Ligorio cod. Paris. 1129 f. 337 zeichnet mehrere ohne Zweifel echte
Architekturfragmente (Basen, Kapitelle, Gebälk), welche gefunden seien ' nella
strada che anticamente si chiamava via nova, cioö a destra della via che
si parte da Santo Theodoro per andare alla chiesa di Sangiorgio ' (vgl.
Lanciani Storia d. scavi 2, 205) und die er einem Tempio di Vertumno
zuschreibt. Man könnte versucht sein, mit Rücksicht auf den von Ligorio
gleichfalls erwähnten Fund der bekannten Basis Vortumno temporibus Dio-
cletiani {CIL. VI, 804 vgl. Jordan Eph. epigr. III, 241, Topogr. I, 2 S. 374)
die Fundstelle in der Nähe der Consolazione zu suchen. Aber auf der Anteiquae
Urbis Imago (1553) zeichnet Ligorio das ' Templum Vertumni ' in ziemlicher
Entfernung von der ' Curia Hostilia ' (= Templum Divi Augusti),. fast gegen-
über der Westspitze des Palatins. Die Fundstelle dürfte also etwa zwischen
Via dei Fienili und S. Giorgio in Velabro gewesen sein.
14 CH. HUELSEN
Auf oder an diesem Graecostadium hatte also der manceps
Eusebius seine Wohnung oder sein Geschäftslokal ; man wird dabei
an Seneca de dementia 13 erinnern dürfen: gut ad Castoris nego-
tiantur nequam mancipia erneutes vendentesque, quorum tabernae
pessimorum servorum turba refertae sunt. Erhöhte Wahrschein-
lichkeit aber gewinnt eine Vermutung von Urlichs (die Tabernen
am röm. Forum, Rhein. Mus. 1857, 219), dass mit der cElh]voav
ccyoqcx bei Plutarch. de soller t. anim. 19 (II p. 973 C.) eben dies
Graecostadium gemeint sei. Plutarch erzählt dort: xovqsvq %ig
SQyuGirjQiov e%a)v ev cPoi^fj tiqo tov xs^isvovg o xaÄovGiv cEXh'j-
vwv äyoQccv, davßaavov %i XQV!^a nokvgxbvov xal noXvipüoyyov
xitzrjQ sOqexps. Als einst der Leichenzug eines vornehmen Mannes
vorbeikam, und an dem Platze wOtisq si'w&sv Halt machte, wurde
die Elster zur Nachahmung der Tuba-Töne gereizt, die ihr auch
wunderbar gelangen. Wie gut diese Anekdote zur Lage des Grae-
costadiums bei der Consolazione passt, liegt auf der Hand.
Ueber die als Rostri cesarei bezeichnete Substruction (')
(JB. 1902, S. 14 f.) referieren Vaglieri p. 155 f. und Mrs. Burton-
Brown p. 112-116 wesentlich im Anschluss an Boni, der Atti del
Congresso storico p. 554-556 seine Theorie wiederholt (unter Bei-
gabe einer Photographie). Lanciani in dem oben angeführten Auf-
satze über das Volcanal S. 128 erklärt sie für eine Substruction
der area Concordiae et Volcani aus sullanischer Zeit : bei dem
altertümlichen Aussehen des Quasireticulats in den Hinterwänden
der Kammern und des eigentümlichen Construction des Ziegelpfla-
sters ist diese Hypothese erwägenswert. Wenn jedoch Richter (Red-
nerbühne S. 8. 9) dieselbe durch Vergleichung der Höhenverhältnisse
zu stützen sucht und angiebt, das Pflaster aus Ziegelbrocken liege
12,476 m. ü. M., das späte Forumspflaster am westlichen Ende
des Forums 13,576 (nach Not. d. scavi 1900, Plan zu S. 229),
das caesarische etwa 13,176, so dass, bei einer Differenz von etwa
70 cm. zwischen Ziegelpaviment und caesarischem Pflaster, das
Niveau des ersteren der sullanischen Periode nicht unangemessen
(*) Die beiden letzten (nördlichsten) Kammern waren bereits i. J. 1835
einmal ausgegraben, ebenso der grosse Kanal aus Tuff: s. Angelini-Feas Plan
u. S. 25.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANLM 15
scheine, so ist dagegen zu bemerken, dass das Ziegelpflaster keines-
wegs in gleichem Niveau verläuft. Es steigt, wie unter dem Fun-
dament der ' Schola Xantha ' deutlich zu sehen ist, nach Osten
(Mitte des Forums) auf; ein Stück nach der Basilica Julia zu
(unter der neuen Wegesubstruction) liegt fast 50 cm. über dem
Fussboden der Kammern, also in einer Höhe, die Richter als 4 cae-
sarisches Pflaster ' bezeichnen würde. Aufklärung kann hier nur die
Fortsetzung der Ausgrabungen bringen (l).
Die Ruine der Rostra hat eine weitgehende Ergänzung er-
fahren. Die ganze* Vorderseite des Baus ist bis zur Höhe von
4 m., nicht in Quadern sondern in Tutfmauerwerk, dem man eine
gleichmässige braune Tünche gegeben hat, wiederhergestellt. Die
Zapfenlöcher fiir die Schiffsschnäbel sind überall angebracht, ebenso
die Eintiefungen für die Pilaster dazwischen. Auf der Höhe der
Mauer hat man die Reste des Gesimses befestigt. Ob eine derar-
tige Erneuerung einen Nutzen stiftet, der die erheblichen Kosten
verlohnt, ist sehr zweifelhaft. Dem Fachmann sagt sie nicht neues,
im Gegenteil sind durch die Ergänzung die erhaltenen antiken
Quadern eingebaut, und die Reste des Gebälkes bequemer Un-
tersuchung entzogen. Für das grössere Publikum aber ist der Auf-
bau des Tuffkerns allein keineswegs geeignet, richtige Vorstellun-
gen über die antike Gestalt der Rednerbühne zu erwecken. War
das beabsichtigt, so hätte man auch noch weiter gehen sollen, und
etwa an der fast ganz modernen Südecke über dem Tuffkern auch
den Marmorbelag samt einigen Schiffsschnäbeln, ferner oberhalb des
Gesimses die hermengeschmückte Balustrade restaurieren sollen.
Aber es ist überhaupt wünschenswert, dass man den schon einmal
zum Glück für die Ausgrabungen verlassenen Weg der umfänglichen
(*) Wenn R. gegen meine Angabe, die Front der Arkaden liege genau
in der Längsaxe des Saturntempels, einwendet « dies ist nicht richtig : die
Front weicht von dieser Längsaxe um 4 Grad ab, wie u. A. auch aus To-
gnettis Plan ersichtlich ist » so möchte ich fragen, auf welche Beobachtungen
diese angebliche Correctur begründet ist. Auf dem Plan Mitt. 1902 Tf. II
finde ich eine minimale Abweichung (er. 2°, nicht 4°) zwischen Arkadenfront
und Seite (nicht Axe) des Saturntempels. Jeder Sachverständige wird ausser-
dem nicht in Zweifel sein, dass man sich in diesem Falle an die ausdrück-
liche Angabe des Textes zu halten hat.
16 CH. HUELSEN
Erneuerungen (s. Archäol. Anz. 1899 S. 3 f.) nicht abermals be-
trete, namentlich so lange für das Forum und seine Denkmäler so
viel wichtigeres zu thun ist.
0. Richter, Die römische Rednerbühne (Beiträge zur römischen Topogra-
phie II). Berlin 1903. 30 S. 4°.
Der Vf. nimmt die meisten Sätze, die er in seinen früheren
Arbeiten (Rekonstruktion und Geschichte der römischen Redner-
bühne, Berlin 1884; Jahrbuch des Instituts 1889 S. 3 ff.) über
die Geschichte und die bauliche Entwickelung der Rostra aufge-
stellt hatte, zurück, und bekennt sich im Wesentlichen zu den von
Nichols (Notizie sui rostri del Foro Romano, Rom 1885) verfoch-
tenen Ansichten. Seit Bunsen war ziemlich allgemein angenommen,
der grosse rechteckige Bau aus Tuffquadern sei älter als das da-
hinter stehende marmorbekleidete ' Hemicycliura ', nur Nichols be-
trachtete das ' Hemicyclium ' (er nennt es Graecostasis) als den
ältesten Bestandteil des ganzen Complexes. Richter acceptiert diese
Chronologie, jedoch ist ihm der Rundbau nichts anderes als die im
J. 44 v. Chr. von Caesar an die Westseite des Forums verlegte
Rostra. Diese habe demnach aus einem Bogensegment von 23,60 m.
Radius bestanden : die Decoration denkt er sich, entsprechend der
Darstellung auf der Palikanus-Münze aus kleinen Bogen über Pi-
lastern, zwischen denen die Schiffsschnäbel angebracht gewesen
seien. — Vor diesen Rundbau sei dann, in trajanischer oder lia-
drianischer Zeit, der grosse viereckige Bau gesetzt, den wir bisher
für augustisch hielten.
Richter hat seine Hypothese durch eine Rekonstruction (S. 15
Abb. 16) in Plan und Aufriss erläutert, deren Unwahrscheinlich-
keit sofort in die Augen springt ('). Danach wäre die caesarische
Rostra eine Terrasse von der grössten Breite von 2,50 m., die aber
— sogar in der Mitte, wo der Sprechplatz ist — durch die auf-
gestellten Denkmäler auf wenig über 1 m. vermindert wird. Man
stelle sich die Situation des Redners vor, der, durch keine Balu-
strade geschützt am vorderen Rande der er. 4 M. hohen Plattform
zu agieren hatte! Und dann soll sich hundert und fünfzig Jahre
(J) Entschieden abgelehnt hat Richters Annahme auch Petersen in der
unten zu besprechenden Schrift: Comitium, Rostra, Grab des Romulus S. 33.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 17
nach Caesar, in einer Zeit, wo auf dem Forum die Rostra ad
Divi Juli existierten, wo das öffentliche Leben zum grossen Teil auf
die Kaiserfora übergegangen war, auf einmal das Bedürfnis heraus-
gestellt haben, die Rostra Caesars nicht etwa mit grösserem Prunk
neu zu dekorieren, sondern durch den grossen vorgeschobenen Qua-
derbau auf fast das siebenfache ihres Flächeninhaltes zu ver-
grössern ! Es bedürfte starker Beweise aus der baulichen Analyse
des Monuments, um eine derartige Annahme glaublich zu machen.
Prüfen wir die hauptsächlichsten von Richter vorgebrachten, soweit
dies bei dem Mangel einer neuen grossen Aufnahme der ganzen
Rostra, und ohne Ausgrabungen möglich ist.
Soll das b Hemicyclium ' die caesarische Rednerbühne sein, so
gehört zu ihr, wie Richter zugiebt, unzweifelhaft der Schmuck
mit den Schiffsschnäbeln, und den glaubt Richter auch nachweisen
zu können, i Spuren der Befestigung von Schiffsschnäbeln an dem
Rundbau (sagt er S. 21), sind nicht mit der Bestimmtheit wie am
Quaderbau nachzuweisen, aber sie fehlen auch nicht ganz t ; und
ausführlicher S. 13 : ■ der einzige grössere Rest einer Platte von
Portasanta zeigt ... in seiner oberen Hälfte eine Anzahl von bron-
zenen Stiften in sauber gebohrten Löchern, die, wie es scheint,
zum Festhalten von bronzenen Zierraten diente, ausserdem etwa in
der Mitte Löcher zum Einlassen grösserer Gegenstände « .
Sicher antik sind die kleinen sauber gebohrten runden Löcher
— ihre Existenz ist auch gleich nach der Ausgrabung von sorgfäl-
tigen Beobachtern bemerkt (*) — sowie einige rechteckige (0,06
X 0,02) schrägstehende in der oberen Hälfte der Platte. Diese sind
aber zu klein und zu wenig tief (sie gehen nicht einmal durch den
(0 So von Em. Sarti (unten S. 21); Bunsen Beschr. 3, 2, 104 (1836):
u jedermann kann sich leicht überzeugen, dass an der capitolinischen Redner-
bühne zwischen den Pilastern zwar leichte Bronzeverzierungen angebracht
waren, deren Reste noch teilweise sichtbar sind, nie aber Schiffsschnäbel».
Auch Canina hat in seinen ersten Arbeiten, wo er dem Monumente unbe-
fangen gegenüberstand, die Unmöglichkeit der Anbringung der Rostra aus-
drücklich hervorgehoben. So Atti delVAccad. pontif. VIII (1838) p. 109
(geschrieben 1836) : Ora di questi rostri non si vedono tracce, e piü non ve
ne potevano essere. Erst später (Indicazione ed. 3, 1844, p. 163 vi. s. w.)
behauptet er fälschlich, ancora veggonsi tracce dei perni che trattenevano i
rostri di bronzo.
2
18 CH. HUELSEN
Marmor hindurch), um schwere Gegenstände zu tragen. Dagegen
sind die grossen Löcher in der Mitte der Platte (auch auf Richters
Abbildung 9 sichtbar) m. Er. zweifellos modern und nur behufs
der Anheftung der Platten an den Gusskern gemacht : sie sind ihrer
rohen Ausführung nach ganz ähnlich denen an den unteren Bruchrän-
dern der meisten Platten. Da somit die Vorrichtungen zum Tragen
schwerer Gegenstände fehlen, so kann der Rundbau keine Schiffs-
schnäbel getragen haben, und damit entfällt auch die Möglichkeit,
ihn für die caesarische Rednerbühne zu halten und die Münze des
Palikanus auf ihn zu beziehen (1).
Ist nun aber das Hemicyclium, wenn nicht caesarische Rostra,
so doch älter als der grosse davor stehende Quaderbau ? Richter
glaubt dafür hauptsächlich zwei Argumente zu haben. Er kommt
erstens auf die bereits von Nichols (Rostri p. 38 u. Tf. VI) ge-
machte Beobachtung zurück, dass an der Stelle wo die Nordwand des
Quaderbaus gegen das Hemicyclium stösst, der Ablauf des letzteren
zum Theil abgearbeitet ist, um den der Quadermauer zu verlegen.
Daraus folge, dass der Sockel des Hemicycliums schon vorhanden
gewesen sei, als die Quadermauer errichtet wurde, mithin sei der
Quaderbau eine spätere Erweiterung des alten Hemicycliums.
Ich bin erstaunt, dass R. es für möglich hält, eine so rohe
und liederliche Arbeit wie die Verlegung des Sockels des Quader-
baus und die Abhackung des Sockels des Hemicycliums (s. R.'s
Abb. 6-8) sei in Trajanischer Zeit, als man die neuen Rostra vor
die alten setzte, gemacht worden. Richter hat m. Er. früher (Rostra
S. 30 f.) diese Reste besser beobachtet und beurteilt, auch vor
allem hervorgehoben, welche grossen Veränderungen die Errichtung
des Severusbogens für die ganze Nordseite der Quadermauer mit
sich gebracht hat. Ich möchte glauben, dass damals der Marmor-
sockel, der nach dem Umbau Träger eines Metallgitters werden
sollte, zeitweise aufgenommen und dann aufs neue verlegt worden
ist. Das letzte Stück, welches gegen den neuen Hemicycliumssockel
(!) Nicht weiter einzugehen ist hier auf Gegenbeweise secundärer Natur,
namentlich die prunkende Ausstattung mit buntem griechischem Marmor ver-
schiedener Sorten (nicht bunten Kalksteinplatten, wie Petersen a. a. 0. S.
33 sagt), die für die caesarische Zeit höchst unwahrscheinlich ist; auf die
Form des Ablaufes mit den griechischen Steinmetzzeichen, die mir eher für
das 3. Jhdt. nach Chr. als das erste vor Chr. passend scheint, u. a.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 19
stossen sollte, war ein wenig zu lang : infolge dessen wurde das
Profil des Hemicycliums in der rohen Weise, wie sie Nichols Tf. VI
und Richters Abb. 6 und 7 zeigen, abgearbeitet. Allerdings ist das
Eckstück des Hemicyclium-Profils früher an seinen Platz gelegt,
als das der graden Mauer : aber die zeitliche Distanz beträgt nicht
Jahrzehnte oder Jahrhunderte, sondern ^Wochen oder vielleicht nur
Tage.
Zweitens behauptet Richter (S. 12), das ' Hemicyclium ' sei
50-60 cm. tiefer fundiert, als der davorliegende Quaderbau, dem
höheren Niveau müsse aber auch jüngere Entstehungszeit entspre-
chen. Hierbei werden zwei Dinge gleichgesetzt, die in Wirklichkeit
recht verschieden sind, nämlich der Gusswerkkern des Rundes und
seine Marmordekoration. Die Fundamente des erste ren sind deutlich
zu erkennen nur an der Südseite, wo durch den Rostrabau die Ter-
rasse der sog. Rostri cesarei verdeckt und zum Teile ausgefüllt
ist. Hier musste natürlich das Gusswerk bis auf das Ziegelpavi-
ment hinabgeführt werden, also tiefer als die Fundamente des vor-
deren Quaderbaus, selbst wenn es mit diesem gleichzeitig war. Wie
die Sache an der Nordseite steht, wo jener Anlass zu besonders
tiefer Fundamentierung nicht vorhanden ist, lässt sich ohne weitere
Ausgrabung nicht sagen. Bei der Marmor wand aber liegt, unter
dem Ablauf von weissem Marmor, eine Travertinschwelle, die auf
Gusswerk ruht: der Travertin stösst an die sehr ähnliche Travertin-
schwelle des quadratischen Baus, aber er liegt nicht tiefer, sondern
höher als diese. Man müsste also annehmen, dass das Niveau der
4 caesarischen ' Zeit (um R.'s Terminologie einmal zu acceptieren)
um er. 1,20 m. über das ' sullanische ' erhöht, dann wiederum das
der Kaiserzeit um er. 30 cm. gesenkt worden sei : eine sehr künst-
liche Annahme, zu der man sich ohne zwingende Gründe nicht
entschliessen wird.
Die Annahme der Priorität des Rundbaus vor dem quadrati-
schen führt aber auch zu ganz sonderbaren Consequenzen hinsicht-
lich der Zerstörung des ersteren. Man muss nämlich annehmen, es
sei, bei Errichtung der grossen Quadermauern, vor die Rundmauer
eine dieselbe beinahe tangierende Mauer aus Ziegeln gesetzt, und
der Raum zwischen beiden teils mit Gusswerk, teils mit Schutt (so
wird man R.'s Abb. 13 verstehen müssen) ausgefüllt worden: wobei
die Marmordekoration in der südlichen Hälfte samt Ablauf und
20 CH. HUELSEN
Fundament herausgenommen, in der nördlichen völlig belassen sei.
Ein derartiges Verfahren ist sehr unwahrscheinlich schon für die
Epoche des Trajan, der Richter es zuschreiben möchte, ganz un-
möglich aber scheint es für die letzte republikanische oder frühe
augustische Zeit, der die Ziegelmauer gh (JB. 1902 Tf. II) nach
ihrem Material unzweifelhaft angehört (1). Wie sollte man damals
etwas so kostbares wie diese Portasantaplatten einfach in die Fun-
damente eingebaut haben?
Ich halte also an der bisherigen Annahme fest, dass das ' He-
micyclium ' aus dem früher bis an die Ziegelmauer reichenden Guss-
werkkern herausgeschnitten ist, und zwar wahrscheinlich in der Zeit
des Septimius Severus, als man einen direkten Zugang von der Seite
der Curie zur Plattform der Rostra schaffen wollte, diesen Zugang
aber, da der grosse Triumphbogen seine Anlage ausserhalb der Nord-
mauer nicht zuliess, in das Rechteck selbst hineinverlegte. Das Stu-
fenrund an der Rückseite des ' Hemicycliums ' dagegen halte ich,
namentlich nachdem das früher als Beweis für eine ursprünglich
ganz rechteckige Rostra angeführte Forma-Fragment eliminiert ist (o.
S. 13) für den ursprünglichen, dem rechteckigen Quaderbau gleich-
zeitigen Zugang zur Rostra- Plattform vom Clivus aus. In sofern
steht das Hemicyclium mit dem Quaderbau ohne Zweifel in engem
Zusammenhang (2).
(*) Diese Mauer hatte Richter früher für sehr alt, noch für voraugustisch
gehalten; jetzt soll sie trajanisch sein, denn « es wäre sehr falsch, anzunehmen,
dass die Zeit Trajans nicht ebenso sauber hätte bauen können oder wollen,
wie die Caesars». Um mehr oder minder saubere Ausführung handelt es sich
hier gar nicht, sondern um eine sehr charakteristische Eigentümlichkeit des
Materials. Die Mauer besteht nicht etwa aus kleinen dreieckig geformten
(resp. aus einem Quadrat halbirten) Ziegeln, wie sie seit Ende des 1. Jhdts.
in Rom allgemein in Gebrauch sind, sondern aus unregelmässigen, mit dem
Hammer zurechtgehauenen dreieckigen oder länglichen Stücken. Auf nicht
einem derselben — und es sind jetzt weit über hundert sichtbar — findet sich
der Rest eines Stempels, wie das bei Verwendung von Altmaterial in trajani-
scher Zeit fast unausbleiblich gewesen wäre. Ich halte nach wie vor diese
Mauer für ein Werk aus dem ersten Anfange der Kaiserzeit. [Dasselbe be-
merkt Boni in den mir während des Drucks zugehenden Atti del Congresso
storico, wo er S. 560 f. ausführlich über die structura testacea handelt].
(2) Ein Argument für diesen Zusammenhang, welches Richter S. 17 mit
besonderem Nachdruck vorbringt, muss ich allerdings ganz entschieden ableh-
nen. Die Travertinplatten, mit welchen der nördliche Teil des Rundbaus abge-
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 21
Dass diese Hypothese mehr als einen Zweifel übrig lässt, ver-
kenne ich nicht : aber ohne weitere Ausgrabungen wird man in der
Aufhellung weder der Geschichte noch der Construction der. Rostra
deckt ist, seien, meint er, nicht wie bei einem Rundbau zu erwarten, keilförmig
geschnitten, sondern lägen parallel nebeneinander, und zwar parallel den
Seitenwänden des Quaderbaus. « Die Aufnahme der Rednerbühne von Tognetti
. . . ist in der Wiedergabe dieses Details und auch anderer ungenau; T.'s Zeich-
nungen sind leider nicht durchaus zuverlässig ». Um dieser « von Hülsen nicht
bemerkten Mangelhaftigkeit n abzuhelfen, giebt dann Richter eine « neuste Auf-
nahme von Hülcker ». Der mir unbekannte Hr. Hülcker mag sich mit seiner
Aibeit redliche Mühe gegeben haben, hat aber sichtlich von den Anforde-
rungen, die man an die Aufnahme eines antiken Monumentes stellen muss,
keine Ahnung. Seine Zeichnung, bei der man nie unterscheiden kann, was
Plattenrand, was Bruch ist, bei der die Klammer- und sonstigen Löcher ganz
willkürlich und verständnislos bezeichnet sind, ist die eines Dilettanten, der
wohl selbst nicht beanspruchen würde, seine Arbeit gegen die bewährter
Fachleute ausgespielt zu sehen. — Wie die Sache wirklich aussieht, zeigt
Tf. I. Der Parallelismus der Fugen untereinander und mit den Wänden
des Quaderbaus existiert nicht, die Steine sind alle ungenau geschnitten, wie
auch auf F. 0. Schulze's Plan zu R.'s Rednerbühne 1886(1:80) zu sehen.
Auf dem Plan Mitth. 1902 Tf. II ist allerdings die Grenzlinie der zweiten
und dritten Platte nicht ganz correct gezeichnet : aber von einem Plan in 1 :
250 wird kein billiger Beurteiler Genauigkeit im Umriss jedes einzelnen
Pflastersteines verlangen. Zu erwähnen ist aber ein Detail, in dem Hrn. Hül-
ckers Plan scheinbar vollständiger ist als Tognettis; in den untersten Stu-
fen des Rundes (bei i Tf. I) hat er fünf Blöcke, die Tognetti auslässt. Der
Grund für diese Auslassung erklärt sich leicht: die Blöcke sind erst in
allerneuster Zeit dorthin verlegt (sie lagen z. B. noch nicht, als die Photo-
graphieen des Clivus vom Ballon aus — s. JB. 1902, 8 und die Tafel zu
Bonis oben S. 5 erwähntem Vortrag — gemacht wurden; vgl. auch Ange-
linas Plan, S. 25 Abb. 3). Die Verschiedenheit der Stücke ist weder Hrn.
Hülcker noch Richter aufgefallen; ja letzterer basiert sogar noch Folgerungen
auf einen dieser modern hingelegten Blöcke. « Genau in der Mitte der An-
lage » — heisst es S. 14 — « befindet sich in der untersten Stufe ein quadra-
tischer Einschnitt, das Einsatzloch für eine Säule oder Ära, deren Aufsatz-
spuren auch auf der Oberfläche der Stufe noch wahrnehmbar sind. Danach
stand diese Ära oder was es sonst war, nur zur Hälfte auf der untersten
Stufe, die andere war auf dem davor liegenden, jetzt spurlos verschwundenen
Pflaster der Area Concordiae fundiert ». In Wirklichkeit handelt es sich
um einen Block, der als Thürschwelle gedient hat: das Angelloch und die
halbkreisförmigen Thürspuren sind noch deutlich erkennbar (auf Tf. I sind
diese und einige andere modern hingelegte Blöcke punktiert gezeichnet).
22 CH. HUELSEN
weiter kommen (1). Hier musste ich mich darauf beschränken, die
neuen Beobachtungen, durch welche die ganze Vorstellung von der
Entwicklung des Bauwerks umgestaltet werden soll, als grossen-
teils unzutreffend zu erweisen.
Ich kann auf die übrigen Teile des~ Richterschen Programms nicht mit
gleicher Ausführlichkeit eingehen, möchte aber bemerken, dass ich auch seine
Aufstellungen über die Geschichte der Rednerbühne nicht zu ihrem Vorteil
verändert finde. So legt er jetzt entscheidendes Gewicht auf die Angabe des
Dio (43, 49) wonach die Verlegung der Rednerbühne i. J. 44 ausgeführt sei :
aber Dio ist für stadtrömische Vorgänge, die 250 Jahre vor seiner Zeit liegen
ein keineswegs immer zuverlässiger Zeuge (2), und das früher von Richter
selbst betonte völlige Schweigen Ciceros über eine bei seinen Lebzeiten voll-
zogene Veränderung scheint mir ebenso entscheidend gegen eine Vollendung
des Steinbaus noch durch Caesar, wie der Name rostra Augusti für seine
Vollendung durch den ersten Kaiser (3). Ebenso wenig brauche ich mich ein-
(1) Nicht eingehen kann ich auch auf die Gestaltung der Nordfas-
sade und ihres Einganges: die vor fast 20 Jahren von Nichols bemerkten
Spuren sind stets so unbedeutend gewesen und mit der Zeit so undeutlich
geworden, dass ich es für gewagt halte, so weitgehende Folgerungen zu ziehen,
wie das Richter S. 19 ff. thut. Nur bemerke ich, dass die Angabe «das Pa-
viment von Ziegelplatten (im Inneren des Unterraumes, mit severischen Stem-
peln, s. JB. 1902, 17) setzt sich auch ausserhalb des Quaderbaus fort » falsch
ist. Das Ziegelpaviment ausserhalb hat ganz verschiedenes Material, und ist
seiner Technik nach eine recht liederliche Arbeit aus später Zeit.
(2) So folgen gleich im nächsten Kapitel (43, 50) die falsche Angabe,
Caesar habe das städtische Pomerium erweitert (s. darüber Mommsen St. R. 2,
738 £ und C. I. L. VI p. 3106) und die sehr bedenkliche Anekdote über die
Demolitionen zum Behuf des Baus des Marcellustheaters ; weiter (49, 43) ver-
wechselt Dio die porticus Octaviae mit der porticus Octavia; die Einwei-
hung des Marcellustheaters wird zwei Jahre zu früh angegeben (54, 26) u. s. f.
(3) Es ist pure Willkür, wenn Richter S. 22 behauptet « die Stelle Pom-
ponius de origine iuris 43 gehört nicht hierher». Es ist da (Dig. 1,2, 2, 43)
die Rede von der aus Cicero (Phil. 9, 7, 16) bekannten Statue, die dem
Ser. Sulpicius vom Volke in rostris gesetzt war: et hodiegue extat pro ro-
stris Augusti. Hätte sie, wie Jordan Top. 1, 2 S. 228 A. 63 annimmt, zu
Pomponius Zeit vor dem Caesartempel gestanden, so wäre hodie translata
est ad (oder ante) rostra aedis divi Juli der einzig statthafte Ausdruck.
Ebenso wenig wie forum Augusti jemals einen andern Platz bedeutet als den
mit dem Mars Ultor-Tempel in der Mitte, kann rostra Augusti heissen « die
vom regierenden Kaiser restaurierte Rednerbühne ». Die Pomponius-Stelle kann
sich sachlich wie sprachlich nur auf die Bühne beziehen, welche als Ersatz
für die alte republikanische erbaut wurde, und das ist eben die am Westende
des Forums. Das « Schweigen des Monumentum Ancyranum über den Bau n wel-
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 23
zulassen auf Widerlegung dessen, was R. über die Aufstellung der trajani-
schen Marmorschranken sagt, wo er Petersens Ansicht als ' abgethan ' und ' ver-
fehlt' bezeichnet, ohne dessen Argumente überhaupt richtig gewürdigt zu
haben. Wenn er sich die beiden Schranken in der Mitte der Plattform auf-
gestellt denkt, um den l Sprechplatz ' abzugrenzen, so ist der ' praktische 1
Zweck eben so wenig einzusehen, wie der ' ideale ' (*)• Ich kann also auch
in diesen Ausführungen Richters keinen Fortschritt gegen seine früheren Ar-
beiten erkennen.
Ueber Ausgrabungen in der Renaissance bei den Rostra und
dem Severusbogen giebt Lanciani, Storia degli $c<will,p. 185-189
Nachricht. Von Interesse ist darunter besonders die aus Ligorio ge-
zogene genaue Fundnotiz der Diülius-Inschrift: fu trouato infra
l'arco di Severo et ü clivo Capitolino, muralo nel fondamento
d'una casaccia, cKera anche rovinataJ giä fatta addosso alVarco
triomphale (Taur. XV f. 71, ähnlich V, 97, wo hinzugefügt ist:
la quäl cosa fu scoperla Vanno del 1565). Ich halte mit Lan-
ciani diese Angabe für zuverlässig: danach wäre das Fragment fuori
diposto, vielleicht verbaut in ein Nebengebäude de*r Kirche S. Sergio
e Bacco, zu Tage gekommen.
Auf zwei für die Ausgrabung der Rostra in den 1830er Jahren
wertvolle Dokumente mag hier hingewiesen werden, da sie in der
neueren Litteratur ganz übersehen scheinen: erstens den Bericht
Emiliano Sartis. Dieser Gelehrte, der sich für die Rostra besonders
interessierte — hat er doch zuerst die Bedeutung der Zapfenlöcher
in den Quadern des grossen Rechtecks erkannt und dem Monumente
ches R. früher (Rednerbühne S. 51) gegen den augustischen Ursprung der
Rostra anführte, beweist gar nichts. Das Ancyranum will ja keinen vollstän-
digen Bautenkatalog des Kaisers geben, übergeht z. B. die notorisch von Au-
^gustus angelegte aqua Alsietina, während es die Wiederherstellung der Marcia
erwähnt. Und die Nichterwähnung der Rostra ist um so eher erklärlich, als es
sich dabei um einen bereits von Caesar begonnen oder geplanten Bau handelt.
S. Mommsen RGDA. 79.
(') Einen ganz falschen Eindruck ruft die Rekonstruction S. 29 hervor,
wo das Relief nur wenig über die Balustrade der Bühne hervorragend ge-
zeichnet ist. Diese Balustrade müsste, nach Ausweis des darunter gegebenen
Massstabes nicht weniger als 1,30, mit den daraufstehenden Hermen 1,80 m.
hoch sein! Das widerspricht aber jedem vernünftigen Zweck ebenso wie der
Darstellung auf dem Constantinsbogen-Relief.
24 CH. HUELSEN
den richtigen Namen gegeben (*) — beschreibt in seinen Bologneser
Scheden (herausg. von Pelliccioni, Arch. della Soc. romana di
storia patria IX, 1886 p. 438 f.) das Monument folgendermassen :
Nella platea del Foro alla altezza di palmi romani architettonici (Zahl
fehlt im Mscr.) si inalzava un corpo di fabbrica semicircolare. La parte cur-
vilinea di esso riguardava il Foro ed era decorata di pilastrini di ordine
corintio di marmo detto portasanta, i quali nelle loro facce avevano ornati
di metallo, come si riconosce dai forami che ancora vi restano. La larghezza
che in tutto il circuito della fabbrica era certamente uniforme, si divideva
in tre parti, o zone che dir si vogliano, concentriche, ognuna delle quali
era alValtra superiore di livello. Di queste zone, le due interne erano piü
larghe della terza esterna, e tutte forse erano ricoperte da una tettoia o inta-
volamento di marmo retto da colonne.
La fabbrica era forse terminata da due corpi cilindrici a piü ripiani,
Vuno a tramontana e Valtro a mezzogiorno, e la cima della fabbrica stessa
era forse ornata di una ringhiera o balaustrata tutto alVintorno di quella
parte che guarda il Foro.
DalVarea Concor diae o Saturni la fabbrica era accessibile piano pede.
Dal a parte del Fo%o vi si montava per una scala doppia a una sola rampa,
la quäle e stata da me veduta poco prima che fosse distrutta dal Severini
che nel 1834 dirigeva i lavori per incarico avuto dal cav. Salvi, e dal mar-
chese Biondi, membri ambedue della nuova commissione sugli scavi. Innanzi
alla descritta fabbrica era un grande suggesto rettangolare costruito di pietre
quadrale abhastanza spatioso Nella fronte e forse nei lati di cotesto
suggesto erano inßssi i rostri delle navi anziati (Folgt Beschreibung des
rechteckigen Quaderbaus mit den Spuren der Eostra).
Sartis Bericht wird ergänzt durch den trefflichen, leider selten
gewordenen und wenig bekannten Forumsplan von Angelini und
Fea (2). Aus diesem (s. Fig. 3) ist ersichtlich, dass in den dreissiger
Jahren nicht mehr als die nördliche Hälfte des Hemicycliums und
(l) Man sollte endlich aufhören, das Verdienst dieser schönen Beob-
achtung dem unfähigen Plagiator Tocco zuzuschreiben, der in allen seinen
Compilationen sich scrupellos Sarti's Gut angeeignet hat. S. Pelliccioni,
Emiliano Sarti p. 10; Arch. della soc. romana IX, 440 u. sonst.
(*) Von diesem Plane existirt nicht nur die von Jordan (Eph. epigr.
III p. 244, Topogr. I, 2 S. 155 u. ö.) citirte Ausgabe von 1837, sondern eine
in manchen Details davon verschiedene aus dem vorhergehenden Jahre; ein
drittes mir vorliegendes Exemplar, ohne Titel und ohne die später eingetra-
genen Längenmasse, offenbar ein er. 1835 gemachter Probedruck, hat wie-
derum allerlei kleine Abweichungen, zeigt aber die Rostra und das Hemicy-
clium ebenso wie die beiden anderen.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
25
der Rostra ausgegraben ist : und zwar hängt diese Ausgrabung zusam-
men mit der Anlage der Fahrstrasse vom Severusbogen nach dem
Kapitol. Bei Fundierung ihrer rechten (westlichen) Böschungsmauer
ist die später wieder verdeckte südliche Hälfte des Stufenrundes
Fig. 3.
sowie die beiden ersten Kammern der Clivus-Substruction (sog.
Rostri cesarei) zu Tage gekommen. Die von Sarti erwähnte Treppe
ist allerdings auch bei Angelini nicht gezeichnet, kann aber kaum
eine andere sein als die kleine an die Innenseite der Südmauer
angelehnte (e JB. 1902 Tf. II) welche, im rechten Winkel um-
biegend (* a doppia rampa '), von der 4 Schola Xantha ' hinauf-
26
CH. HUELSEN
führte. Das Fundament eines Pfeilers des modernen Viaducts, dem
die Treppe zum grossen Teil zum Opfer fallen musste, ist ober-
halb / auf dem citierten Plan noch zu erkennen.
Schliesslich mag hier eines mittelalterlichen Bauwerkes ge-
dacht werden, welches in den neueren Untersuchungen über die
■1
■■■■■■■■■■■
Fig. 4.
Rostra und die benachbarten Denkmäler eine Rolle spielt, nämlich
der Kirche S. Sergio e Bacco, welche bekanntlich im Einsiedeiner
Itinerar aufgeführt wird mit dem Zusätze : ibi umbilicum. Infolge
dessen hat man die Kirche meist unmittelbar am Severusbo-
gen (so Jordan, der Top. I, 2, 429 Spuren des Glockenturmes
zwischen Bogen und Focassäule zu finden glaubte; C. Re bull,
comun. 1882 tav. XIV und S. 120 ff.; Armellini chiese di Roma2 548;
Grisar Geschichte Roms im MA. I 619) oder auf den Rostra (Duchesne
zum Über Pontif. I p. 519; le Forum chretien 49; vgl. meinen
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
27
Aufsatz Bull, comun. 1888, 155 ff. u. Tf. IX) angesetzt. Dass
diese Lokalisierung nicht ganz richtig ist, ergiebt sich aus zwei
bisher unvollständig oder gar nicht veröffentlichten Zeichnungen,
Die erste dieser Zeichnungen (Abb. 4) findet sich in M. van
Heemskercks Cod. Berolin. II fol. 79. 80: es ist eine grosse Ve-
dute des Forums (beschrieben von Michaelis Jahrb. des Instituts
IM
Fig. 5.
1891, 167), aufgenommen von dem Abhänge vor dem Tabularium,
fast genau oberhalb der Mitte der grossen Basis in der Cella des
Vespasianstempels. Einen Teil davon hat Lanciani R. and E. 283
Fig. 107 skizziert, vollständig herausgegeben wird sie in der dem-
nächst erscheinenden Publication des Codex Escorialensis (Sonder-
schriften des Oesterr. Archaeol. Instituts Bd. III). Ich gebe beiste-
hend (Fig. 4) das uns interessirende Mittelstück nach einer Photogra-
phie, welche ich der Güte des Hrn. Dr. H. Egger in Wien verdanke.
28 CH, HUELSEN
Wichtiger noch ist die zweite (Fig. 5) von mir im römischen
Kunsthandel erworbene Zeichnung, eine Skizze des bekannten
Kupferstechers Luigi Rossini. Der Zeichner, dessen Standpunkt
etwa dem östlichen Bande der modernen Strasse vor dem Concor-
dientempel, gegenüber dem Mitteldurchgange des Severusbogens
entspricht, hat den Stand der Ausgrabungen am 7. Juni 1812
fixiert. Er schreibt dazu : Avanzi della chiesa di S. Sergio e Bacco
sotto il tempio di Giove TonanteJ scoperta nel mese dz maggio
1812 dopo il restauro di quel tempio. Später hat er dann noch
hinzugefügt: e nel maggio 1817 si e scoperto il Clivo Capitolino,
ed i fondamenti di detta chiesa sopra le pietre di detto clivo.
Ueber diesen letzteren Scavo bericht ausführlich Fea im Diario di
Roma vom 26. April 1817 (wiederabgedruckt Varietä di notizie,
1820, p. 65): das damals aufgedeckte Stück des Clivus liegt
vor der Front des Vespasian- und an der Westseite des Saturn-
tempels ; gut sichtbar ist der Scavo auch auf mehreren Stichen in
Rossinis Werk / sette colli (1827).
Da beide Zeichnungen von verschiedenen Standpunkten, doch
ganz in der Nähe aufgenommen sind, lässt sich die Stelle der
Kirche mit völliger Genauigkeit bestimmen. Sie lag demnach weiter
westlich als man bisher angenommen hat: ihre Apsis ganz nahe
den beiden Säulen der rechten (nördlichen) Langseite des Vespa-
sianstempels, ihre nördliche Langseite bis zum Pronaos des Con-
cordientempels reichend. Ihre Stätte wird jetzt gerade von der mo-
dernen Strasse überdeckt: von Resten ist nichts mehr vorhanden,
wenn man nicht etwa ein Stück schlechtes Gusswerk, das sich
an die linke (südliche) Ecke des Pronaos des Concordientempels
anlehnt, der Kirche zuschreiben will. Rossinis Zeichnung lässt
erkennen, dass die Kirche nach dem Jahre 1560 nicht abgerissen,
sondern absichtlich verschüttet worden ist: der grosse auf allen
Veduten des 16. und 17. Jhdts. sichtbare Hügel neben den drei
Säulen des Templum Vespasiani barg ihre Reste.
Der Severusbogen ist, namentlich in seinen oberen Teilen,
restauriert, mehrere schadhafte Stücke seines Gesimses sind neu
befestigt worden (Vaglieri, Bull, comun. 1902, 189; 1903, 151).
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 29
Comitium und Curia.
Die Ausgrabungen vor S. Adriano sind im Laufe der letzten
zwei Jahre nicht sehr gefördert worden: man hat einen Teil des
späten Travertinpüasters namentlich zwischen der Constantius-
Basis und der grossen Brunnenschale (s. JB. 1902 Fig. 7, b. vgl.
S. 33) aufgenommen und darunter noch mancherlei alte Tuffreste
entdeckt. Allerdings sind die bis jetzt zu Tage gekommenen Trüm-
mer so vereinzelt, auch in Höhenlage und Bauart so verschieden,
dass man leicht sieht, es handelt sich um die Beste mehrerer Mo-
numente aus verschiedenen Epochen, die alle arg verstümmelt sind.
Es ist dringend zu wünschen, dass die Ausgrabungen gerade an
dieser wichtigen Stätte energisch fortgesetzt werden: einstweilen
hätte ich mich am liebsten begnügt, die neu gefundenen Beste
kurz zu beschreiben und den Plan JB. 1902 S. 32 Fig. 7 zu er-
gänzen. Da aber der Versuch, nach jenen disjecta membra ein voll-
ständiges Bild des republikanischen Comitiums zu entwerfen, ge-
macht ist von
E. Petersen, Comitium, Rostra, Grab des Eomulus. Rom, Loescher
u. Co. 1904. 42 S. 8°.
und da diese neueste Arbeit die Topographie des republikanischen
Comitiums völlig umzugestalten unternimmt, so kann ich nicht
umhin, darauf etwas näher einzugehen. Ich schicke eine Erörterung
der neu gefundenen Beste voraus, wobei sich die hauptsächlichsten
Punkte, in denen ich von P. abweiche, schon von selbst heraus-
stellen werden.
Eine grössere offizielle Publikation, welche in Aussicht gestellt
war, ist bisher nicht erschienen : die Pläne und Durchschnitte, welche
unsere Taf. II, III geben, beruhen auf dem Plane Not. d. scavi 1900,
296, welcher von Hrn. Tognetti durch Aufnahmen an Ort und
Stelle ergänzt ist.
Unterhalb des Pflasters aus der Kaiserzeit (auf Taf. II schwarz
bezeichnet) finden sich zwei, nach Höhenlage, Material und Technik
verschiedene Schichten : die tiefere (auf Tf. II rot bezeichnet) setzt
auf in der Höhe ;les alten Comitiums-Bodens (Schicht s Fig. 9,
JB. 1902, 37), also etwa 11 m. ü. M.: sie entspricht annähernd
der untersten Stufe der Treppe l Tf. II (vgl. auch Fig. 9 a. a. 0.).
30 CH. HUELSEN
Wir rechnen dazu auch das ' Sacellum \ dessen Fundamente er.
0,50 m. höher liegen. — Die höhere Schicht (auf Tafel II gelb
bezeichnet), liegt etwa im Niveau 12-13 m. In jeder von beiden
Schichten finden wir natürlich mehrere auch zeitlich von einander
verschiedene Monumente.
In der unteren Schicht ist der am weitesten zu verfolgende
Rest eine Stufe aus Tuffstein {ab c d), welche sich von der West-
seite des Niger lapis bis fast zur Ecke des Platzes vor der kai-
serlichen Curie verfolgen lässt. Bei Errichtung des ' Sacellums '
ist eine ihrer Quadern abgearbeitet (s. die Zeichnung in Stud-
niczka's gleich zu erwähnender Arbeit S. 134 Fig. 81), das Sa-
cellum also jünger als die Stufe, wogegen die archaische In-
schriftstele noch älter sein dürfte. Von dieser Stufe führen am
Westrande, unter dem ' niger lapis ' (bei a), dann in der Mitte neben
dem fünfeckigen Pozzo II (bei b) (s. JB. 1902, 25 und Studniczka
a. a. 0.), endlich am Ostende bei d mehrere Stufen aufwärts. Das
Material ist brauner oder rötlicher Tuff, die Bearbeitung der ziem-
lich kleinen Quadern ist nicht besonders aecurat.
In einer Entfernung von etwas über 3 m. vor diesem Stufenbau
liegt, nach dem Forum zu, eine sehr altertümliche Mauer (e fg), die
bis zu vier Schichten herauf erhalten ist. Diese ist von R. Del-
brueck, der sie in seiner Monographie über den Apollotempel auf
dem Marsfelde S. 11 f. beschrieben und Tf. II, 2 abgebildet hat,
für eine ' Umfassungsmauer des Comitiums aus der Zeit des Tullus
Hostilius ' erklärt. Sie besteht überwiegend aus braunem Tuff, (nicht
' grünlichen mürbem Tuff ' wie D. angiebt), dem nur hin und
wieder Blöcke aus Cappellaccio eingefügt sind. Der oberste Rand
verläuft beinahe horizontal,die Lagerfugen der unteren Schichten
gehen auf- und abwärts, was vielleicht durch die Terrainverhält-
nisse bedingt, aber ohne weitere Ausgrabung nicht mit Sicherheit
zu erklären ist. Die Mauer scheint in zwei Stücken gebaut zu sein,
die unweit des Punktes f aneinander stiessen. An dieser Stelle
musste, da die Schichten der beiden Stücke eine verschiedene Hö-
henlage haben, ein Ausgleich stattfinden, wobei einige unregelmäs-
sigere Quadern, auch eine hakenförmig geschnittene, zur Anwendung
kamen. Delbrück bildet gerade dieses Stück als « charakteristisch ■
ab : was irreführend ist. Falsch ist auch, wie die beistehende Auf-
nahme (Fig. 6) zeigt, D'.s Behauptung: « der Begriff der Schicht
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
31
V4
Nf —
*V
Cx~
N~
fc —
«t*
-32 CH. HÜELSKN
klingt überhaupt erst schwach an ■ ; willkürlich die Datierung der
Mauer als • vortarquinisch ■ (*). Die Mauer mit dem Stufenbau
in Zusammenhang zu bringen zwingt uns weder ihr Lauf noch ihre
Bauart. Sie macht nicht den Eindruck, als wäre sie Front eines
monumentalen Bauwerks, oder überhaupt eines Gebäudes von eini-
ger Höhe gewesen. Eigentümlich ist, dass ihre oberste Schicht aus
ganz flachen Steinen — eher Platten als Blöcken — besteht, als wäre
hier schon ein gewisser Abschluss gewesen. Die Mauer ähnelt hierin
den Wänden der alten Kanäle, wie sie am Clivus Capitolinus, vor
dem Saturn- und Vespasianstempel, zwischen Vestatempel und
Kegia, beim Sepulcretum an der Sacra Via (vgl. Not. d. scavi 1903
p. 139 fig. 18) zu Tage gekommen sind. Die Eichtung der Mauer
/ g setzen einige Blöcke h i bis in die Nähe des Sacellums fort,
deren genaue Untersuchung einstweilen durch schlechte Zugänglich -
keit der Stelle erschwert wird.
In der oberen Schicht (auf Tf. II gelb) heben sich heraus
mehrere Lagen von grossen braunen Tuffquadern, die, wie Petersen
erkannt hat im Grundriss einen Kreisbogen von er. 18 m. Radius
bilden. Erhalten sind davon bei mno drei Blöcke, welche auf einem
Fundament aus kleinen flachen (h. 0,15) Stücken von grauem Tuff
oder Cappellaccio aufliegen ; zwischen diesem Fundament und den
unteren Tuff bauten ist der Raum ausgefüllt durch dieselbe Schüt-
tung aus Flusskies, die beim Lapis niger constatiert ist (u. S. 42).
Weiter finden sich zwei Blöcke ppr neben dem rhombischen Pozzo I,
und zwei q qr neben dem fünfeckigen II. Der Bau dem sie ange-
hören ist absichtlich zerstört, als einmal das Niveau des Comitiums
um er. 1,50 m. erhöht wurde. Man hat damals in das Stufenrund
mehrere « Pozzi ■ (2) eingeschnitten, deren Wände aus starken Tuff-
platten bestehen, ganz ähnlich z. B. dem unter der nordwestli-
chen Ecke des schwarzen Pflasters (III). Eigentümlich ist bei n. I.
II die Form: vielleicht durch Denkmäler auf der Oberfläche des
(l) Die Interpretation der Stelle Ciceros de rep. 2, 31 : fecit idem et
saepsit de manibus comitium et curiam woraus geschlossen wird, diese ' Um-
zäunung ' des Comitiums müsse ein grosser Monumentalbau gewesen sein, lehnt
auch Petersen S. 13 A. Hab.
(■)■ Ich behalte diese Benennung, welche sich in Rom eingebürgert hat,
bei, da sich ein entsprechender deutscher Ausdruck schwer finden lässt, so-
lange die Bedeutung der Constructionen ungewiss bleibt.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
33
neuen Pflasters bedingt gewesen sein mag. Mit den ■ Pozzi « schei-
nen die Reste mehrerer Röhrenleitungen zusammenzuhängen, die
in der Höhe der Oberkante der ■ Pozzi » , also im Niveau des er-
tt
J — h
±— f
Fig. 7.
höhten Forumspflasters liegen : eine solche wohlerhaltene Rinne aus
sehr gutem gleichmässigen braunen Tuff liegt bei r ; eine zweite,
verstümmelte neben dem fünfeckigen Pozzo II, s. Fig. 7 (').
0) Petersen S. 15 beschreibt den oben abgebildeten Rest neben dem
fünfeckigen Pozzo folgendermassen : « erhalten ist die erste Kreisstufe, dar-
3
34 CH. HUELSEN
Ein dritter Bau liegt südlich von den bisher beschriebenen,
rechts von dem « Sacellura ■ und der archaischen Stele. Er besteht
aus sehr exact geschnittenen und gefügten Quadern aus grauem und
braunem Tuff: deutlich zu erkennen ist eine Plattform s t u, deren
Boden in er. 13 m. Höhe liegt: sie ist umgeben von einer 0,20 m.
hohen, 0,40 m. breiten Schwelle, die bei t in stumpfen Winkel
umbiegt. Die Oberkante dieser Schwelle liegt in gleicher Niveau
mit dem später noch zu erwähnenden überhöhten Pozzo V (1).
Wie weit sich das braune Tuffpflaster nach rückwärts (nördlich)
der Schwelle erstreckt, ist nicht sicher anzugeben, da es unter dem
Travertinpflaster verschwindet. Auf ihm liegen bei u mehrere Plat-
ten aus graugrünen Tuff, mit runden Eintiefungen, wie Standspuren
von Basen oder Altären (vgl. auch den Durchschnitt Tf. 111).
lieber die relative Chronologie der Schichten wird man sich
leicht klar ; schwieriger ist es, für ihre absolute Datierung Anhalts-
punkte zu finden. Von Wichtigkeit sind besonders die « Pozzi i :
es ist klar, dass dieselben stets unter Terrain gewesen sein müssen,
dass also die Zerstörung des kreisförmigen Baus erfolgt ist, als
das Niveau des Comitiums auf die Höhe von er. 13 m. verlegt
wurde. An den pozzi V und VI erkennt man deutlich eine Auf-
höhung: bei V besteht die untere Hälfte aus grossen braunen
Tuffplatten ; aufgesetzt ist ein Kasten aus nur zwei hakenförmigen
grauen Tuffsteinen von 0,50 m. Höhe. Der obere Band des Auf-
satzes liegt, wie bemerkt, in der Höhe der Schwelle s t.
über eine zweite und etwas von der Vorderseite der dritten. Hier misst sich
ihre Breite zu ie 0,59 m. oder zwei Fuss römisch, die Höhe der 'unteren
zu 0,35, die der oberen zu 0,15 m. Also war die unterste zum Sitzen geeignet,
die obersten nur zum Stehen«. In Wirklichkeit liegt auf einem Fundament
aus kleinen durchschnittlich 0,15 m. hohen Platten aus braunem Tuff eine
Quader aus demselben Stein: über ihr ein hakenförmiger Stein, gleichfalls
brauner Tuff, dessen Breite 0,59, Höhe 0,30 beträgt. Die Oberfläche ist rauh
gespitzt, ebenso die Vorderfläche des Hakens; dagegen ist die obere Hori-
zontalkante geglättet. Einen so bearbeiteten Stein für eine Stufe, sei es zum
Stehen oder Sitzen, zu halten scheint mir unmöglich.
(!) Petersen betrachtet diesen Bau als Fortsetzung der archaischen
Mauer e f g, die durch Auflage mehrerer Schichten erhöht sei. Aber was
unter den Blöcken der Einfassung s t zu Tage kommt, ist nur eine Lage von
breiten Blöcken aus Cappellaccio, die ganz anders geschnitten sind als die
Quadern der archaischen Mauer.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 35
Welches Alter darf man diesen i Pozzi ■ zuschreiben? Im
Allgemeinen ist man wie mir scheint, geneigt, dasselbe weit zu
überschätzen. Dass sie noch bis in die cäsarische, ja bis in den
Anfang der augustischen Epoche auf dem Forum in Gebrauch
waren, lehren namentlich zwei Funde: erstens die Pozzi vor der
Front der Rostra (o o Abb. 21) welche ohne Zweifel jünger sind
als diese, also etwa das Jahr 40 v. Chr. Noch jünger sind die vor
der Westseite des 27 v. Chr. errichteten Augustusbogens, welche
nicht aus Tuff- sondern aus Travertinplatten zusammengesetzt,, aber
in ihrer Construction den anderen völlig gleich sind.
Wir sind auf keinen Fall genötigt, die Anlage der Pozzi I
und II und damit die Zerstörung des Stufenbaus in sehr alte Zeit
hinaufzurücken. Und das wird bestätigt durch das wenige was wir
über die Höhenlage benachbarter Denkmäler wissen. Das vortreff-
liche Pflaster aus Travertin (k Tf. II und JB. 1902, 37 Fig. 9) vor
der Front der Curie, welches Petersen der sullanischen Zeit zu-
schreibt, liegt er. 12,50 ü. M.; der Scheitel des cäsarischen Abzug-
kanals vor der Front der Curie liegt noch etwas höher, während
seine Sohle auf dem alten Comitiumspflaster aufsetzt. — Die grossen
Stücke Strassenpflaster, welcher an der W.-Ecke der Basilica Ae-
milia aufgedeckt wurden (s. u. Abb. 21), lagen nicht ganz zwei
Meter unter dem Pflaster der Kaiserzeit. Dass überhaupt der Boden
des mittleren Forums unter Caesar und Augustus um er. 1,50 m.
aufgehöht worden ist, wird unten erörtert werden.
Nun findet sich in unmittelbarer Nähe des Comitiums noch
ein Bauwerk, welches zwar auf dem Plan JB. 1902, 32 schon
angedeutet, aber von Petersen gar nicht berücksichtigt ist: ich
meine den Abzugskanal w x y z, welcher sich von der Front
der Terrasse s t bis unter diegrosse Marmorbasis mit der Constan-
tius-Inschrift verfolgen lässt. Er hat Wände von gutem Quasi-
Eeticulat und ist mit opus signiuum ausgestrichen. Hinter dem
Stück y z sieht man bei v zwei grosse, denen bei mno sehr ähnliche;
nur tiefer liegende Blöcke aus braunem Tuff: mehrere andere sehen
bei v' v" unter dem Ausgrabungsrande vor. Die Sohle des Kanals
liegt etwa in 12,20 m. Höhe. Die Fügung des Reticulats ähnelt
ungemein den Mauern der ' rostri cesarei ' (o. S. 14), die Lanciani
der sullanischen, ich der caesarischen Zeit zuzuschreiben geneigt
war. Ueber den Punkt w hinaus scheint der Kanal sich niemals
36 CH. HUELSEN
erstreckt zu haben, hier geht seine rechte (nördliche) Seitenmauer
über in ein Mauerwerk aus grauem Tuff. Bei seiner Construction
ist, wie es scheint, der Pozzo VII zerstört worden. Die Linie dieses
Kanals steht offenbar in Beziehung zu der des Bundes. Beide
Curven laufen, wenn nicht streng parallel, so doch sehr symme-
trisch, und die Niveauverhältnisse beider sind völlig gleich.
Dann aber drängt sich eine Vermutung auf, die ich zwar nur
mit allem Vorbehalt äussern möchte, deren Prüfung durch Fortset-
zung der Ausgrabung aber sehr erwünscht wäre. Lagen in dem
Kreissegment z' m q w die vorcaesarischen Bostra?
Die Stelle passt zu dem aus den antiken Zeugnissen zu ermitteln-
den : die Bostra müssen in der östlichen Hälfte der Comitiums-
grenze, ungefähr vor der östlichen Ecke von S. Adriano, ferner in
unmittelbarer Nähe des Bomulusgrabes und des Niger lapis gelegen
haben. Die Dimensionen scheinen, da die Länge des inneren Bo-
zens er. 14, die des äussern er. 20 m. beträgt, für die vorcaesa-
rische Bühne nicht unpassend. War ferner die Fassade der Bostra
leicht geschweift, so erklärt sich die Darstellung auf der bekannten
Münze des Palikanus endlich ungezwungen. Diesem Bostrabau wür-
den also die Tuffquadern mnopqvv' angehören; seine Zerstörung
fiele, wie die Anlage der Pozzi I. II beweist, wahrscheinlich in
die caesarische, seine Anlage möglicherweise in die sullanische
Zeit. Die Neubauten Sullas auf dem Comitium hätten somit einen
grösseren Umfang gehabt, als man nach den lakonischen Schrift-
stellerzeugnissen, die hauptsächlich vom Umbau der Curie spre-
chen, annehmen würde.
Aus dem eben gesagten ergiebt sich, dass ich die von Peter-
sen versuchte Bestimmung der Rednerbühne nicht für richtig halten
kann. P. nimmt an (S. 20 f.), die eigentliche Rednerbühne habe
auf dem Fundament hinter dem Sacellum (M Tf. II), wo Lanciani
und ich einen Altar vermuten, gestanden: dieser eigentliche
Sprechplatz sei ein Bau von 3,50X1,60 m. Grundfläche gewesen,
dessen Plattform nur durch eine beweglich * vermutlich nicht
ständig am Platze befindliche » Holztreppe zugänglich gewesen sei.
Da ein solcher Bau natürlich keinen Baum bietet für die zahl-
reichen Denkmäler, die in rostris erwähnt werden (*), so erschafft
(*) Zwei allerdings kann auch P. von dem eigentlichen Sprechplatze nicht
weginterpretieren, nämlich die Schiffsschnäbel selbst und die zwölf Tafeln.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 37
sich P. einen Begriff, von dem die antike Tradition nichts weiss,
nämlich der ■ Rostra im weiteren Sinne » . Diese, nicht mehr Red-
nerbühne, sondern Platz für Zuhörer, sollen sich auf dem Quader-
rund m n o p q aufgebaut haben, welches vermutungsweise bis in
die Gegend des Severusbogens fortgesetzt wird, so dass in seinem
Scheitel das Romulusgrab liegt (1). Die äussere Begrenzung dieses
' Suggestus ' habe die Mauer e fghist gebildet, von Innen hätten
fünf Stufen (s. o. S. 33) hinaufgeführt. Auf diesem Suggestus hätten
z. B. bei Leichenfeiern die Angehörigen des Verstorbenen Platz
genommen (Polyb. 6, 53), hier seien auch die Monumente aufgestellt
zu denken, für die auf den ■ eigentlichen Rostra » kein Raum vor-
handen ist.
Diese Hypothese basiert auf der Annahme, dass die Mauer
efghi mit der Terrasse stu (resp. deren unteren Teilen) zusam-
mengehörig und gleichzeitig sei; ferner auf der Ergänzung der Qua-
derreste mn o p q zu einem vollständigen, bis in die Gegend des
Severusbogens reichenden Halbkreise ; endlich auf der Interpretation
des Restes bei q q' als • Stufen * . Dass gegen alle drei Punkte sich
gewichtige Zweifel erheben, ist oben ausgeführt ; unwahrscheinlich
ist auch das Schlussresultat : ein Suggestus für bevorzugte Zu-
Man lese selbst (S. 26), wie er diesen auf den Seiten des von ihm konstruier-
ten Baus Platz zu verschaffen sucht. [Für unanehmbar erklärt P.'s Rostra
auch Studniczka in den Nachträgen zu seinem Aufsatz (u. S. 40) Oesterr.
Jahreshefte 1904, 241 f.].
(*) « Obwohl die bisherigen Aufnahmen (sagt P. S. 18) ... nicht ganz
genau damit übereinstimmen glaube ich doch, ohne Furcht durch genauere
Aufnahmen widerlegt zu werden, aufstellen zu dürfen, dass die das Grab hal-
bierende Mittellinie auch den Stufenkreis und das von ihm umgebene Planum
des Comitiums halbierte, oder dessen Axe wenigstens sehr nahe kam ».Da die
ganze rechte Hälfte des ' Stufenkreises ' frei ergänzt ist, macht es natürlich
keine Schwierigkeit, dieselbe symmetrisch zu der anderen zu gestalten; aber
was soll das beweisen? Auf seinem Plane S. 10 modifiziert P. jene Angabe
dahin, dass die beiden Bogenstücke, zwischen denen das Romulusgrab liegt sich
wie 2 : 3 verhalten (50° das rechte, 75° das linke) : damit ist die Symmetrie
aufgehoben, denn dass die Mittellinie des Stufenrundes durch den Cippus nnd
die Säule bestimmt wird, ist ein Notbehelf. Dass dadurch die weiteren Argu-
mentationen über das « theaterähnliche » Coraitium sehr beeinträchtigt wer-
den, liegt auf der Hand. .
38 CH. HUELSEN
schauer, der so angeordnet ist, dass alle Zuhörer oder Zuschauer
dem Kedner ganz oder beinahe den Rücken zuwenden! (*).
Derselbe Suggestus, der die « erweiterten Rostra * bedeutet,
soll nun aber auch die Umfassung des republikanischen Comitiums
vorstellen (3). Es soll also das vorcaesarische Comitium begrenzt
gewesen sein einerseits von dem Stufenkreise, andererseits von der
Front der Curia Hostilia, deren Lage nach P. nicht sehr verschieden
von derjenigen der Curia Julia war (die Reste des guten Traver-
tinpaviments bei k seien i schon ein Teil der älteren Curie, wenn
auch nur ihres Vorplatzes ■ gewesen). Demnach wäre das Co-
mitium bis auf Caesar (3) etwa halb so gross gewesen wie die mo-
derne Piazza del Campidoglio; und auf diesem durch zahlreiche
Denkmäler und sacella noch mehr eingeengten Platze soll sich das
ganze politische und gerichtliche Leben der Republik bis ins sie-
(*) Petersen hat das auch selber gefühlt, und spricht deshalb S. 21 da-
von, es seien wohl auch die Senatoren aus der Curie herausgetreten, um von
den Stufen vor der Curie der laudatio zuzuhören. Wozu dann aber der ganze
Suggestus ?
(2) Wesentlich für P.'s ganze Comitiums-Construction ist der Umstand,
dass einmal (bei Plin. 34, 26) von cornua comitii die Rede ist. Diese Meta-
pher, meint er, könne nur von den Enden eines Kreisbogens verstanden werden.
Aber dass das Bild nicht nur vom Grundriss des verglichenen Gegenstandes
hergenommen zu sein braucht, liegt auf der Hand. Wenn z. B. cornua die
Enden der Raaen oder die Knäufe der Stäbe für Bücherrollen heissen, so wird
doch Niemand daraus schliessen wollen, dass diese Stangen oder Stäbe krumm
gewesen seien. In cornu porticus sagt Plinius ep. 6, 23 in der Beschreibung
seiner tuskischen Villa von einer Halle, die nach dem ganzen Zusammen-
hange nur gradlinig gedacht werden kann (s. Winnefeld Jahrb. d. Inst. VII,
1892, 204 f.). Ich halte nach wie vor die von Detlefsen (.4»». d. Ist. 1860,
132) gegebene Erklärung des Ausdrucks cornua comitii für überzeugend: na-
mentlich wenn man sich vorstellt, dass der Bodens des Comitiums nach der
Seite der Curie hin etwas anstieg, wird das Bild der cornua für die beiden
vorspringenden Ecken des Platzes vollkommen verständlich. Wenn endlich P.
(S. 17) behauptet, bei Liv. XXV, 3, 17: in cornu primus sedebat Casca sei
der Suggestus auf dem Comitium zu verstehen, so hat er dabei übersehen,
dass jene Versammlung nach Livius eigener Angabe (§ 13) in area Capitolina
stattfand.
(3) Wenn man die weitere von P. vorgeschlagene Begrenzung des Platzes,
die nur durch unsymmetrische Anlage zum Romulusgrabe ermöglicht ist, ac-
ceptiert. Legt man das Romulusgrab wirklich in den Scheitel des Halbrundes,
so wird das ' Comitium ' noch kleiner.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 39
bente Jhdt. der Stadt abgespielt haten, bis in eine Zeit, wo Rom
über 300000 Bürger hatte und die Teilnehmer an den Versamm-
lungen nach Tausenden zählten! Und das wenig über 1 m. hohe
Mäuerchen des ■ Suggestus » soll die feste Position gewesen sein,
um die sich Milonianer und Clodianer und ähnliche Gesellschaft
mehu als einmal die Köpfe blutig schlugen! Petersen freilich
meint (S. 42) : i man wird das Comitium klein finden, doch ist
das als geschichtlich gegeben hinzunehmen, ein Argument gegen
das hier dargelegte ist daraus nicht zu gewinnen » ; ich fürchte,
die Historiker werden ihm auf diesem Wege nicht folgen.
Unter dem was P. sonst zur Geschichte der ßednerbühne aus-
führt nimmt den breitesten Kaum ein der Versuch (S. 35 ff.) nach-
zuweisen, die alte Eednerbühne habe noch bei Caesars Tode bestan-
den und von ihr herab habe Antonius seine Leichenrede gehal-
ten (l). Darauf will ich hier nicht ausführlich eingehen; ebenso-
wenig auf die Betrachtungen über die schlagende Aehnlichkeit
zwischen dem Suggestus und den Eostra ad Divi Juli: sie werden
hinfällig mit P.'s Theorie über den Suggestus und den Sprechplatz
beim ßomulusgrabe (2). Was P. über das Romulusgrab und den
Niger lapis beibringt, wird sogleich verwertet werden.
(*) Ein Hauptargument ist für P. wieder Cassius Dio XLIV, 49 der den
Antonius in seiner Leichenrede sagen lässt: inl rot) ß^uccrog eogiipca xara-
r£TQ(o[X8vog d(jp' ov noXXccxtg idf](nt]yÖQf]aag. Aber Dios Zuverlässigkeit für stadt-
römische Topographie älterer Zeit ist überhaupt gering, s. o. S. 22 ; und gar
in einer rhetorischen Composition wie dieser darf unmöglich jedes Wort so
genau genommen werden.
(2) Auch in eine Diskussion über die Beurteilung meines Comitiums-
aufsatzes von 1893, die P. S. 37 A. 44 giebt, einzutreten halte ich nicht für
erforderlich. P. findet, dass bei meiner Hypothese über die (von der Curia
Julia verschiedene) Lage der Curia Hostilia « fast allen Zeugnissen nicht ih
Eecht werde ». Wenn er jedoch dem des Cicero pro Flacco 57: ' speculatur atque
obsidet rostra . . . curia ' in der Weise zu seinem Eecht zu verhelfen sucht, dass
er schliesst : « also lagen die alten Rostra nicht schief zur Curie sondern gerade
vor ihrer Mitte», so gesteheich dieser Interpretationskunst nicht folgen zu
können. Cicero spricht von der relativen Rechtssicherheit in Rom gegenüber
der levitas Graecorum; da bedeuten mir — und wohl auch anderen — in der
Periode : hie, in gravissima et moderatissima civitate cum est forum plenum
iudiciorum, plenum magistratuum, plenum optimorum virorum et civium,
cum speculatur atque obsidet rostra vindex temeritatis et
moderat rix officii curia die herausgehobene Weite nichts weiter als:
40 CH. HUELSEN
Ueber das Romulusgrab hat F. Stüdniczka in dem Aufsatze:
Altäre mit Grubenkammern (Jahreshefte des Oesterreichischen Insti-
tuts VI, 1903, S. 123-186; Nachtrag VII, 1904, S. 239-244) seine
bereits JB. 1902, 28 wiedergegebene Ansicht weiter ausgeführt
(bes. S. 129-155). Er denkt sich die beiden länglichen Basen durch
entsprechende ausladende Oberteile ergänzt, so dass zwei parallele
Gebilde, jedes ähnlich den archaischen Altären vom Esquilin, dem
des Verminus u. A. entständen. Diese sollen auf ihren vorspringen-
den Anten zwei liegende er. 1 m. hohe Löwen getragen haben,
während ihre rückwärtigen Hälften, ähnlich einem Altar von Achna
auf Cypern (Ohnefalsch-Richter Kypros Tf. IV, 1 u. 3) durch eine
schmale Platte verbunden gewesen sei. Zwischen den beiden Basen
habe dann die Opfergrube « mit einem Schlachtbänklein fürs ivayC-
Ceiv y> gelegen. Auf dem Fundamente D denkt sich Stüdniczka, wie
Lanciani und ich, einen Altar, zum Verbrennen der Opfer.
Wir bekämen also eine doppelte Kultstätte: einen Brandop-
feraltar und eine überdeckte Grube für Blutopfer. Nun sind die
letzteren dem altrömischen Kultus überhaupt fremd, und was das
für eine Gottheit gewesen sein soll, der auf diese doppelte Weise
Verehrung an einer der ehrwürdigsten Stellen der alten Stadt darge-
bracht wurde, dürfte schwer zu sagen sein (*). Und wie sonderbar
ist die zweite Kultstätte nach Studniczka's Reconstruction ! das
« der Senat sieht den Volksrednern auf die Finger ». Was sich gegen P/s
Interpretation von Ascon. in Mit. 34. argum. 15. Varro 1. 1. 5, 155 sagen lässt,
werden sachkundige deutsche Leser leicht selbst finden.
(») Stüdniczka freilich findet (S. 136), dass der von Thurneysen in die
alte Cippusinschrift hinein ergänzte Soranus hierher passt. « Dieser Gott,
dessen Verbindung mit dem Soracte kein Grund ist, dass er nicht auch
anderswo zu Hause sein könnte (!), stellt nämlich Servius dem Dis Pater
gleich; der Unterweltsfürst aber ist der gegebene Schutzherr des locus fu-
nestus, in dessen Nähe auch die laudatio funebris stattfand » . So wird auf
eine fragwürdige Lesung, eine späte Scholiastennotiz und eine subjektive
Meinung die Theorie gebaut, dass « der Cult am Sacellum chthonisch gewesen
sein müsste»! Auch Wissowa (Berl. philol. Wochenschrift 1904, 1052) lehnt
die ■ Soranus ' - Hypothese sehr entschieden ab, und schliesst : « auf einer
altrömischen Inschrift dürfen wir ihn (den Soranus pater) ebenso wenig
suchen wie etwa den Reatinus pater (Dessau 4033) und den pater Pyrgensis
(CIL. XI 3710)«.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 41
' Schlachtbänklein ' zwischen den beiden Trägern ist so gut wie
unzugänglich; die Form der Träger selbst sehr unpraktisch und
durch keine Analogie gestützt, denn die Monumente, welche St.
heranzieht, sind alle in einem wesentlichen Punkte verschieden : sie
sind quadratisch, nicht länglich. Ferner hätte der Aufsatz mit den
Löwen den dahinterliegenden Altar grossenteils verdeckt und unzu-
gänglich gemacht (dies wendet auch Petersen S. 19 A. 16 ein).
So lange wir nicht für die Ergänzung des Oberbaus neue Mate-
rialien bekommen, wird es besser sein darauf überhaupt zu ver-
zichten (*).
Studniczka behandelt weiter (S. 138-145) die Entstehungszeit
des ' Romulusgrabes ' und zieht zunächst stilistische Analogien
heran. Die Form der Basen könne nicht älter sein als das fünfte
und nicht jünger als das zweite Jhdt. v. Chr. Die obere Altersgrenze
ist wohl jetzt allgemein angenommen und aus historischen Gründen
so gut wie selbstverständlich : was die untere betrifft, so irrt Stud-
niczka in der Datierung der jüngsten inschriftlich bezeichneten Denk-
mäler um ungefähr ein halbes Jahrhundert (2). Die Form des Altars
(l) St. glaubt für seine « chthonischen Altäre mit Grubenkammern » noch
andere Analogien auf römischem Boden zu finden. Das sind die bekannten
Münzreverse, auf denen Altäre mit Thüren abgebildet sind. « Die Widmung
an neu consecrirte Divi — in den mir bekannten Exemplaren Augustus, Vespa-
sian und Faustina die Mutter — gewährleistet den chthonischen Sinn der
Form » (S. 126). Man sollte demnach denken, dieser Revers käme aus-
schliesslich oder überwiegend auf Münzen vor, die für neu consecrierte
Divi geschlagen sind. Jeder Numismatiker weiss, das dies nicht richtig ist,
dass solche Altäre als Revers auch auf Münzen die bei Lebzeiten von Kaisern
geschlagen sind, häufig vorkommen. Studniczka hat sich leider auf einige
zufällig bei Cohen abgebildete Typen beschränkt — infolge dessen kommt
denn auch einer der häufigsten Altäre, der der Providentia (s. z. ß. Cohen I
Nero p.- 296 n. 255, Galba p. 329 p. 162, Vitellius p. 361 n. 71, Vespasian
p. 397 n. 396-410; Titus 444 n. 173-180, Domitian 505 n. 404-406 u. s. w.),
mit in diese Reihe (S. 126 Fig. 71), obwohl es schwer zu sagen sein dürfte,
was die ' Providentia ' für eine ■ chthonische ' Bedeutung haben soll.
(a) Den Altar des Verminus nennt St. a geweiht im Consulat eines A.
Postumius Albinus, nach dem Schriftcharakter wahrscheinlich 151 v. Chr. ».
Aber die Inschrift besagt ja nur, dass sie gesetzt sei von einem A. Postumius
A. f. A. n. duo vir lege Plaetoria; und dass der Verminus-Altar nach Sprach-
und Schriftformen in die sullanische Zeit gehöre, 'ist im CIL. ausdrücklich
gesagt. Da der Altar bisher nie genügend publiziert ist (Studniczka wieder-
holt Fig. 90 die schlechte Zeichnung aus dem Ball, comun. 1876 Tf. 3 als
42 CH. HUELSEN
mit Doppelwülsten ist mindestens noch bis in sullanische Zeit in
Rom üblich gewesen.
Fig. 8.
Zu genauerer Datierung nimmt St. dann (S. 145-155) die
Schichtenchronologie ' zu Hülfe (*). Er nimmt an dass der auf
' photographische Abbildung ' so gebe ich ihn beistehend nach einer neuen
Photographie. Er ist durchaus ähnlich dem palatinischen Altar sei deo sei
deivae, von dem neuerdings Blinkenberg, Archäologische Studien S. 124 eine
gute Abbildung gegeben hat, und welcher ohne Zweifel in die Sullanische
Zeit, nicht ins Jahr 124 v. Chr. gehört. Zerrbildern wie der auf Klausens Ae-
neas und die Penaten zurückgehenden Zeichnung der Ära von Bovillae sollte
man nicht durch Eeproduction (Studniczka Fig. 91) zu weiterer Verbreitung
verhelfen: schlimm genug, dass sie in Kitschis PLME. stehen!
(') Studniczka hat sich S. 147 ff. Mühe gegeben aus Bonis Einzelbeob-
achtungen möglichst viele ' durchgehende Schichten ' herauszukonstruieren.
Das ist eine Arbeit, die sich am Schreibtisch bequem machen lässt, na-
mentlich wenn man aus den Angaben der Augenzeugen dasjenige herauskor-
rigiert, was nicht in die Theorie passt. So schreibt St. bezüglich der Kies-
schicht (s. JB. 1902 S. 37): « Ihre nicht ausdrücklich angegebenen Stärke
unter dem niger lapis kann nur ungefähr so viel betragen haben, wie in
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 43
einer Ziegelschicht ruhende Tuffestrich, welcher er. 10,80-11 m.
u. M. liegt (Schichten s und f JB. 1902 S. 38) aus der Zeit nach
der gallischen Katastrophe stamme: was auch mir wahrscheinlich
ist. Das Sacellum könne man « so nah an 300 oder sogar darüber
hinab rücken, als irgend nöthig »; auch damit bin ich einverstanden,
und würde z. B. an die Forumsregulierung des C. Maenius 338 v.
Chr. denken. Auch darin stimme ich ihm bei (s. JB. 1902, 29 f.),
dass die Verstümmelung der Stele und der Säule nicht schon in
sehr alter Zeit, etwa bei der gallischen Katastrophe, erfolgt sein
kann: Stele und Säule haben so frische Kanten, dass sie gleich
überdeckt sein müssten. Wenig glücklich aber scheinen mir St.'s
weitere Ansätze: es sei wahrscheinlich in sullanischer Zeit das
Romulusgrab durch eine Tiberüberschwemmung zum Teil zerstört (x)
und man habe damals « um das praktisch wünschenswerte Verdecken
jener Monumente der patriotisch-religiösen Pietät erträglicher zu
machen ■ (S. 133) über dem locus funestus ein Feld mit schwarzen
Gestein gepflastert, an dem er auch späterhin erkenntlich bleiben
sollte. Dies schwarze Pflaster sei dann in cäsarischer Epoche ein
wenig gehoben, dabei seiner äussersten Platten nach Süden (dem
Forum zu) verlustig gegangen, aber in der ganzen Kaiserzeit an
seinem Platze sichtbar geblieben. Varro (geb. um 115) könne sehr
esplorazione X, wo sie 0,22 misst », wozu die Anmerkung: « Boni 1899 p. 153
erwähnt die Schicht als breccia sabbiosa, doch ohne Mass . . . Comparetti
p. 4 rechts giebt freilich 0,55 an, und "Bonis Diagramm IX zeichnet die
ghiaia gialla viel mächtiger als die Opferschicht, aber das kann gegen obige
Berechnung nichts ausmachen«. In Wirklichkeit kann sich noch heute jeder
Besucher der lavis niger überzeugen, dass die Kiesschicht am Ostrande der
Ausgrabung fast 60 cm. hoch ansteht. Ich habe absichtlich JB. 1902 a. a. 0.
mich darauf beschränkt, die sicheren und bedeutsamen Schichten zu consta-
tieren; allzuscharfes Spalten und unrichtiges Generalisieren kann die Lösung
der hier vorliegenden Probleme nicht fördern.
(*) «Durch eine Tiberüberschwemmung» meint Studniczka S. 150: «würde
sich vortrefflich der Zustand der Reste, namentlich die Verschiebung der Pro-
filstücke an der linken, durch den Stufenbau minder geschützten Wange . . .
erklären ». Ich kann mir wohl eine Tiberüberschwemmung auf dem Forum
denken, welche die Fundamente von Tempeln und Häusern — monurnenta
regis templaque Vestae — so unterwäscht, dass sie einstürzen; nicht aber
eine Flut, welche die Fundamente und Plinthen säuberlich liegen lässt,
dagegen die Oberteile der sehr massiven Basen ' verschiebt \
44 CH. HUELSEN
wohl die untere Denkmälergruppe noch selbst gesehen haben. Diese
untere Gruppe habe bestanden aus dem Romulusgrabe mit dem
Altar und Löwen, sowie der archaischen Stele. Ein ' schwarzer
Stein \ sei es im Pflaster oder auf einem Postament, habe in der
unteren Gruppe nie existiert: die Festusstelle beziehe sich nur auf
das in sullanischer Zeit hergestellte, in cäsarischer um ein ge-
ringes gehobene Marmorpflaster.
Hiergegen ist zunächst zu wiederholen, dass niger lapis eben
nicht mit locus lapide nigro stratus gleichbedeutend ist (x). Ferner
steht die Auffassung der Verriusstelle in Widerspruch mit dem gan-
zen Charakter des verriani sehen Werkes, beziehungsweise seiner
topographischen Artikel. Diese sollen ja keine Denkmäler aus des
Schriftstellers eigener Zeit beschreiben, sondern beschäftigen sich
durchweg mit der Erklärung der Namen alter, grossenteils schon
verschwundener Monumente. Und gerade der Artikel niger lapis
macht durchaus den Eindruck, als solle er ein altbekanntes geheim-
nisvolles Wahrzeichen des Forums und Comitiums erklären, um
das die Sage und die gelehrte Forschung sich längst und in mannig-
facher Weise bemüht hatten. — Endlich: was wäre das für eine
Pietät gewesen, die den vollständig erhaltenen Cippus — statt ihn,
was weniger mühsam gewesen wäre, auszuheben und anderswo-
hin zu transportieren — bis zur Hälfte abgehackt hätte um
dann den Platz des verstümmelten Monumentes sorgfältig mit
schwarzem Marmor zuzudecken? Die Verdeckung und gleichzeitige
Verstümmelung des Monuments erklärt sich nur dann, wenn sie
zu einer Zeit stattgefunden hat, wo man, bei einer gründlichen
Erneuerung des Comitiums und Forums diese archaischen Denk-
mäler verschwinden lassen wollte: und der einzige Zeitpunkt, der
dafür geeignet scheint, ist die cäsarisch-augustische Regulierung
der beiden Plätze.
Was das schwarze obere Marmorpflaster betrifft, so glaubt
(') Studniczka S. 131 versichert: «der Singular lapis zur Bezeichnung
eines Steinmaterials ist jedem Leser des Vitruv geläufig, somit kein Grund
an einen einzelnen schwarzen Stein ... zu denken ». Dass lapis Hymetlius
nicht immer einen einzelnen Block zu bezeichnen braucht, ist selbstverständ-
lich; aber glaubt St. wirklich, dass man es auch beliebig für statua ex
lapide Hymettio facta setzen könnte? Im Vitruv findet sich keine einzige
Stelle, die dem von St. supponierten Gebrauche analog wäre.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 45
P., dass es in cäsarisch-augustischer Zeit bei Verdeckung der
unteren Gruppe gelegt sei, während es mir eher als ein Werk der
späten Kaiserzeit erscheint. Die Frage ist im Vergleiche zu vielen
anderen von sekundärer Bedeutung; mir scheint der JB. 1902 ange-
gebene Weg noch immer am einfachsten die verschiedenen Schwie-
rigkeiten zu vermeiden. Das Argument aber, welchem Petersen (Arch.
Anz. 1901, 62; Rostra S. 7) und St. besonderes Gewicht beimessen,
ist meiner Ansicht nach nicht entscheidend. Da die Travertinplatten
des Pflasters, in das der schwarze Marmor samt der Bordschwelle
aus Travertin eingebettet ist, beim Severusbogen unterbrochen seien,
als man dessen Fundamente legte, so müsse das ganze Travertin-
pflaster, und mit ihm das schwarze Marmorpflaster, vorseverisch,
folglich caesarisch sein ('). Mit der Durchbrechung des Pflasters hat
es seine Richtigkeit, aber was soll dass beweisen für den er. 30 m.
entfernten ' niger lapis ' dessen Einfassung mit dem Pflaster gar
nicht im Verbände liegt? — Was die von Studniczka und Petersen
vermutete Verkleinerung des schwarzen Feldes betrifft (dasselbe
soll ursprünglich grösser gewesen sein, bei einer späten Erneuerung
mehrere Platten an der Südseite verloren und seine unregelmässige
Form erhalten haben) so geben dazu die Reste keinen Anhalt. Wie
mir scheint, hat das schwarze Feld immer die unregelmässig fünf-
eckige Form gehabt. Wenn man — und das ist der Hauptgrund
für die frühe Datierung — dem beginnenden vierten Jahrhundert
nicht mehr zutraut, es habe ein paar Quadratmeter Marmorpflaster
ordentlich bearbeiten und verlegen können, so thut man damit der
Zeit, die z. B. die technisch vortrefflichen Bauten in Salona schuf
sehr Unrecht (2). Dass aber — und auf diesen Punkt gehen St. und
P. gar nicht ein — das ' Romulusgrab ' die ganze Kaiserzeit hin-
(') Ich werde es immer für mein Recht, und in einem Berichte, der
auf knappen Räume viele und zum Teil verwickelte Fragen zu behandeln
hat, für meine Pflicht halten, Details zu übergehen, die m. Er. für die Sache
unwesentlich sind. Eine Monographie über das Travertinpflaster des Comitiums
müsste auf sehr viele Dinge eingehen, für die hier kein Raum ist, und die
auch Studniczka nicht berührt, ohne dass ich ihm d jsshalb den Vorwurf des
1 Ignorierens ' mache.
(*) Studniczka erklärt allerdings (S. 130. 148) auch das Pflaster aus grauen
Marmorplatten vor der Curie für ' caesarisch * : ich kann es nach Material
und namentlich nach der sehr geringen Abnützung nur für eine Arbeit aus
sehr später Zeit, wahrscheinlich der des Diocletian, halten.
46 CH. HUELSEN
durch in oculatissimo loco bestanden haben soll, ohne dass sich in
der ganzen Litteratur die geringste Anspielung darauf findet, muss
ich nach wie vor für sehr unwahrscheinlich halten.
Wenn die besprochenen neuen Untersuchungen über das alte
Comitium trotz allen Aufwandes von Gelehrsamkeit und Scharfsinn
zu gesicherten Resultaten nicht geführt haben, so liegt das vor
Allem an der bisher ungenügenden Aufdeckung der Reste. Die
Ausgrabung des Comitiums, vor sechs Jahren begonnen und so-
fort mit glänzenden Erfolgen belohnt, ist auf halbem Wege — oder
noch früher — abgebrochen ; die seit ebenso langer Zeit ver-
sprochene genaue Publikation der Funde am Romulusgrabe lässt
immer noch auf sich warten. Mögen die, welche es angeht, sich
daran erinneren, dass das Hüten solcher Schätze nicht nur Rechte
sondern auch Pflichten der wissenschaftlichen Welt gegenüber giebt!
Die Tintenflut um den archaischen Inschriftcippus hat sich glückli-
cherweise in den letzten zwei Jahren so ziemlich verlaufen : Tropea hat seine
dankenswerte Berichterstattung (s. JB. 1902, 27) nur noch zweimal, und mit
Artikeln geringen Umfanges {Riv. di storia antica VII, 1902-3, S. 425-427.
VIII 1903-4 S. 529-534) fortzusetzen gebraucht («). Unter den neuen Erschei-
nungen sind aber zwei wertvolle, die hier erwähnt werden müssen; erstens
Th. Mommsen, Tumentum (Hermes XXXVIII, 1903, 151-153)
eine der letzten Gaben, die wir dem grossen Meister verdanken. Ihm ist
ioujcmenta nicht = Jochtiere (von iugum), sondern = Hülfstiere (von iuvo).
Wichtiger noch als die Frage nach der Etymologie, auf die hier einzugehen
nicht notwendig ist (vgl. dazu noch E. Teza, Rivista di storia antica VII,
S. 428 und F. Buecheler Rhein. Mus. 1905, 318) ist die Altersschätzung;
Mommsen schreibt die Inschrift der Königszeit zu.
Einen Fortschritt in der Erklärung des Textes bedeutet auch die kurze
Bemerkung von
P. Kretschmer, Zum Cippus vom Forum Romanum (Wiener Studien für
klass. Philologie XXVI, 1904, S. 158 f).
K. fasst iovestodvelod auf der Südseite als archaische Haplographie für
iovestod (d)velod = iusto hello ; vorher sei vielleicht indictod zu ergänzen.
(») Die Bemerkungen von G. v. Sebestyen, Ueber den Ursprung der
Bustrophedonschrift (Zeitschrift für Ethnologie 1903, 755-771), mögen hier
angeführt werden, da sie auch Tropea entgangen sind. Der Vf. führt das ver-
tikale Bustrophedon auf eine uralte Kerbschrift zurück: über den Cippus handelt
er S. 768 f., wo auch das Facsimile aus den Beiträgen zur] AG. II S. 230
wiederholt ist.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 47
Ein neues Detail zur Geschichte des Comitiums bringen die in Oxy-
rhyuchos gefundenen Fragmente einer Livius-Epitome (Grenfell-Hunt, The
Oxyrhynchos Papyri, vol. IV, n. 668, p. 90 ff). Es heisst dort (col. VIII)
zum 55. Buche : desertores in comitio virgis cae[si sestertiis] singulis ve-
nierunt. Worauf sich dies bezieht, wird aus der alten Epitome ersichtlich:
C. Matienus accusatus est apud tribunos plebis quod exercitum ex Hispania
deseruisset, damnatusque sub furca diu virgis caesus est, et sestertio nummo
veniit (wozu noch Frontin strateg. IV, 1, 20, der gleichfalls von Deserteuren
im Plural spricht, zu vergleichen ist; s. Grenfells Anmerk. S. 114 f. und
Kornemann, Beitr. zur A. G. Beiheft 2 S. 66). Neu ist, dass die Execution
auf dem Comitium stattfand; ähnliche erwähnen Livius 22, 57, 3 und Plin.
ep. 4, 11, 10. S. Mommsen Strafrecht 914.
Die Untersuchung der Curia (S. Adriane-) ist nicht fortge-
setzt werden : über die Resultate der früheren Ausgrabungen han-
delt Vaglieri S. 143-149. Für die Reconstruction des diocletia-
nischen Baus waren wir bis jetzt hauptsächlich angewiesen auf die
Zeichnung des G-io. Colonna (1554) cod. Vat. 7721 f. 9 (reprodu-
ziert bei Lanciani Mem. dei Lincei ser. III vol. XI, 1882 Tf. III)r
sowie die Kupferstiche von Et. Duperac (vestigj di Roma, 1575,
Tf. 3, reproduziert bei Lanciani a. a. 0. und in meinem Forum
S. 101 Abb. 41) und Alö Giovannoli (vestigj di Roma, 1616
Tf. 53, reprod. N. Jahrb. für Philol. 1904 S. 33). Es scheint daher
nicht überflüssig, hier zwei wichtige Zeichnungen aus der Samm-
lung Destailleur (j. im Kunstgewerbemuseum zu Berlin) nach Pho-
tographien, welche ich der Güte des Hrn. Dir. Prof. Jessen verdanke,
zu publizieren.
Die erste Zeichnung (A, s. Abb. 9) ist enthalten in dem jetzt
n. 3268 f. bezeichneten Bande (Recueü de planches, d'elevations
et de details... des monuments . . . ä Rome) f. 45. Bereits Lan-
ciani {Ruins and Exe. S. 267) hatte auf sie hingewiesen, auch
einen Teil (nicht ganz genau) publiziert. Der Zeichner ist unbe-
kannt, die Beischrift aerarium in Campo vaccino a Roma stammt
nicht von seiner Hand. Wichtiger ist die gleichfalls anonyme (l)
(l) Die Schrift schien mir zunächst einige Aehnlichkeit mit einem der
jüngeren Sangallos (etwa dem « Gobbo ») zu haben. Aber Hr. Nerino Ferri,
dem ich Photographien der Blätter vorlegte, weist mit Recht darauf hin, dass
die Orthographie saturne, ciame, eher einen Nichitaliener als Autor vermu-
ten lässt.
.48
CH. HUELSEN
zweite (B), jetzt bezeichnet n. 4151 Bl. 7 Auf dieser sind eine
Gesamtansicht der Front (Abb. 10), und eine offenbar aus unmit-
telbarer Nähe aufgenommene Zeichnung der Gesimses und seiner
Fig.
Stuckreste (Abb. 11), beide mit zahlreichen Maassen, vereinigt.
Die zu Grunde liegende Einheit ist ein in 12 oncie zu je 12 minuti
geteilter Fuss. Die Länge lässt sich ermitteln durch Vergleichung
der Weite der antiken Thür (p. 11 '/*) m^ den Zeichnungen San-
AUSGRABUMGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
49
gallos Uff. 896 und Peruzzi's üffiz. 624. Bei Sangallo ist 16 l/2 Palm,
bei Peruzzi 12 l/2 pie eingeschrieben ; beide Masse sind = 3,70 m. ;
Fig. 10.
danach ist der auf dem Destailleurschen Blatte angewandte Fuss
etwas grösser war als der piede romano antico, nämlich etwa
0,315 m. (1 oncia etwa = 0,0264 m., 1 minuto = 0,0022 m.).
4
50
CH. HUELSEN
Die Tür der Kirche zeigt auf Blatt B noch die einfache Form,
welche sie auch auf der Zeichnung Colonnas hat : das Portal mit
zwei Säulen und flachbogigem Giebel, welches auf den Vignetten
Duperacs und G-iovannolis erscheint, und das Lanciani Mem. dei
Lincei S. 20 für wahrscheinlich antik erklärte, scheint erst kurz
Fig. 11.
vor 1575, vielleicht bei den Arbeiten des Cardinal Bellay, an Stelle
des älteren getreten zu sein. Wenn Colonna neben der grossen
Mitteltür noch zwei kleinere Seitentüren angiebt, so muss das
willkürlich sein ; die heute vorhandenen scheinen erst bei der Re-
stauration von 1654 eingebrochen zu sein (s. Overbeke, Ruinen
de Rone I Tf. 47), sie fehlen auf beiden Destailleur-Blättern
wie bei Duperac und Giovannoli. Am antiken Bau sind Türen
in dieser 'Höhe auch selbstverständlich unmöglich. Die antiken
Fenster über der Tür geben beide Destailleur-Zeichnungen als
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
51
offen an, übereinstimmend mit der Vedute Heemskercks (Berliner
Skizzenbuch II, 12, publiziert von Egger, Verzeichnis der Wiener
Handzeichnungen p. 35 Abb. 9) und Duperac (Colonna lässt sie
willkürlich aus). Die Reste des Marmorquadern nachahmenden
Fig. 12.
Stuckbelages, im 16. Jhdt. noch ziemlich reichlich vorhanden,
sind jetzt bis auf ganz wenige verschwunden. Das Profil der
Stuckspiegel zeichnen A und B etwas verschieden : dieser, soweit es
nach den dürftigen Resten scheint, richtiger. Am Gesimse sind jetzt
nur die kahlen Travertinconsolen (s. auch P auf Bl. A) geblieben :
der Zeichner von B hat noch erhebliche Reste von den in Stuck
anmodellierten Ornamenten (Delphinen auf der Vorderfläche, Akan-
52 CH. HUELSEN
thusranken an den Seiten), ferner zwischen den Consolen zwei
Köpfe in Vorderansicht und in den Lacunarien Rosetten aus Stuck
gesehen. Die Verzierungen des Frieses bestehen in einer Hänge-
platte mit Pfeifen (diese nur auf Bl. A angegeben), darüber einem
Blattkj'ma, und, über einer schmalen Leiste, einem glatten Kyma.
Diese Reste von Stuckdekoration eines Monumentalbaus aus dem
Anfange des 4. Jhdts. sind nicht ohne Interesse.
Der Giebel über der Fassade ist den Restaurationen von 1654
völlig zum Opfer gefallen: jetzt umrahmt nur eine dürftige Cor-
nice das Giebeldreieck, während im 16. Jhdt. das diokletianische
Gesims mit ähnlichen Consolen wie unter dem graden Gebälk
(18 auf jeder Seite nach Colonnas Angabe) erhalten war. Posta-
mente für Statuen auf der Mitte und an den beiden Ecken des
Giebels geben auch,Colonna und Duperac an: auf Bl. B wird eine
genaue Aufnahme des 'einen Postaments mit allen Massen gegeben.
Dasselbe trug auf der 1. Seite den lituus, auf der r. Seite ein
Schöpfgefäss ; wahrscheinlich war es eine bereits zum zweiten Male
verwendete Ehrenbasis, die ich freilich nicht nachweisen kann. Auf
den späteren Veduten, von Giovannoli an, sind die Reste der Basen
verschwunden. Die Front der Curie in ihrer Gesamtheit ist, mit
Hülfe der Berliner Zeichnungen, von Hrn. Tognetti in Abb. 12
reconstruiert.
P. Franchi dei Cavalieri, S. Martina (Rom. Quartalschrift für Christi. Ar-
chaeologie 1903 S. 222-236)
beschäftigt sich überwiegend mit der Legende der Heiligen, welche, wie mit
scharfer und überzeugender Kritik nächgewiesen wird, aus der Passio S. Ta-
tianae und der Passio S. Priscae zusammengestoppelt ist. Aber auch für
die Geschichte der Kirche und ihrer Umgebung wird mancherlei gewonnen:
überzeugend ist zum Beispiel, dass der (aus der Passio S. Tatianae, wo er
für die Sallustgärten steht, übernommene) Name hortus mirabilis die Gegend
bei S. Martina (nicht, wie Jordan 2, 425 wollte, das Forum Augusti) bezeichnet;
interessant die Vermutung, dass die Inschrift des Stadtpraefecten Flavius
Annius Eucharius Epiphanius (C. 6, 1718) zur Erfindung eines heiligen Epi-
phanius Anlass gegeben hat; plausibel auch die, dass in dem templum ubi
erant duodecim idola eine Erinnerung an die Porticus Deorum Consentium
erhalten sei.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
53
Nordseite des Forums.
Die Ausgrabungen der Basilica Aemilia (über welche
Vaglieri 83-99 ; Boni,^^' del Congresso storico 566-570 berichten)
sind nur unbedeutend erweitert worden, wie die Vergleichung des
Planes Abb. 14 mit JB. 1902 Abb. 11 zeigt: doch ist dabei eine
für die Rekonstruktion des Baus wichtige Tatsache festgestellt
worden. Es sind nämlich, als man den Ausgrabungsrand nach Via
Cavour zu ein wenig vorschob, in 5 m. Abstand von den Fundamen-
ten der Säulen des nördlichen Seitenschiffes, zwei ganz entspre-
chende, einer nördlich parallel laufenden Reihe angehörige Basen
gefunden. Also hatte der Hauptsaal zwar an der Südseite, wie üblich,
ein säulengetragenes Nebenschiff, an der
Nordseite aber deren zwei. Er erhält da-
durch eine wesentlich rationellere Form:
dem Mittelschiff von 12 m. Weite gesellen
sich drei Seitenschiffe von 5-5 Vi m., so
dass die Gesamtbreite des Saales etwa 28 m.
(vielleicht 29,5 = 100 röm. Fuss?) beträgt.
Diese eigentümliche Gestaltung des Grund-
risses wird bestätigt durcli ein neugefun-
denes Fragment der Forma Urbis Romae,
welches hier, auf ein Viertel verkleinert, ab-
gebildet ist. Obwohl von der Beischrift nur
die Buchstaben ASILI erhalten sind, zweifle
ich doch nicht, dass dieselben zu btälLlca aemilia ergänzt werden
müssen. Dafür spricht erstens die Aehnlichkeit des Grundrisses,
zweitens die Beschaffenheit des Marmors selbst: die Platte ist
auffallend dünn und hat durch Feuer stark gelitten. Genau von
der gleichen Dicke und ebenso beschädigt sind die auf das Nerva-
forum bezüglichen Fragmente (Jordan 116). Auch durch die Ver-
gleichung mit den übrigen zum Forum gehörenden Fragmenten der
Forma wird die Beziehung auf die Basilica Aemilia bestätigt. Stellt
man nämlich das neue Fragment so, da'ss die Schrift parallel wird
dem Namen Basilica IV Ha (Jordan fr. 20. 23), so bekommt die
Front der Basilica Aemilia auf dem Plan fast genau die Neigung
Fi*. 13.
54 CH. HUELSEN
zur Axe der Basilica Julia, die sie in Wirklichkeit hat (s. die
Abbildung 4 in meinem Forum Romanum S. 20). Wir dürfen also
aus dem Fragment der Forma schliessen, dass die Hauptfront der
Aemilia an der Nordseite zwei, aber auch nicht mehr als zwei
Seitenschiffe hatte. Es blieb dann zwischen der Aussenmauer und
der Umfassungsmauer des Nervaforums ein Zwischenraum von
er. 8 m. — annähernd ebensoviel, wie die Porticus nach dem
Forum hin tief ist.
Bereits JB2 S. 46 hatte ich hingewiesen auf eine unpublizierte
Ansicht der bis Ende des 15. Jahrhunderts erhaltenen Ecke der Ba-
silica, welche sich im cod. Escorial. f. 14 findet: ich gebe die-
selbe Fig. 15 nach einer von Hrn. Prof. Ficker mir gütigst zur
Verfügung gestellten Photographie (1). Durch Vergleichung der
vier ältesten und sicher von einander unabhängigen Zeichnungen
(Fr. di Giorgio, Giul. da Sangallo, sog. Bramantino, Escorialensis)
lässt sich m. Er. sicher feststellen, dass um 1490 ' gegenüber
der Ecke von S. Adriano ' von der Aussenarchitektur der Basilica
noch ein Eckpilaster mit danebenstehender Halbsäule, dann in er.
drei Meter Abstand eine zweite Halbsäule, zwischen ihnen eine
reich verzierte Tür- (oder Fenster-) Oberschwelle, vom dorischen
Gebälk aber vier Metopen zwischen fünf Triglyphen erhalten waren.
Von dem nördlich anstossenden Intervall war vielleicht noch der
Anfang vorhanden, aber die Ergänzung in Giuliano's barberinischem
Codex zu einem Gebäude mit drei Türen ist ebenso willkürlich,
wie die zu einem quadratischen Janustempeir Was die Höhen-
verhältnisse anlangt, so wird die Zahl von fünf Quaderlagen über
der verzierten Oberschwelle auch durch den Escorialensis bestätigt
(ebenso l Bramantino ' und Giul. da Sangallo; irrig sieben hat Ant.
da Sangallo Uffiz. 1590); ebenso stimmen die genannten zuver-
lässigen Zeichnungen darin überein, die Quaderteilung nicht mit
der Leiste des Kapitells durchlaufen zu lassen, wie Schulze und
ich, Labacco folgend, Mon. dell' Istituto XIX Tf. Fig. 6 ange-
(*) Eine andere unedierte Zeichnung der Ruine findet sich, wie Hr. Dr.
H. Egger mir freundlichst mitteilt, im Musee Wicar in Lille, im sog. Skiz-
zenbuche des Michelangelo (f. 813 Grundriss, f. 814 Aufriss « questo si e a
Roma drieto a Santo Adriano »)'. Der Aufriss ist nach Eggers Angabe « ganz
im Sinne des Escorialensis, nur mit Weglassung der Thür ».
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
55
Fi?. 14.
5fi CH. HUELSEN
nommen hatten. Bemerkenswert ist noch, dass der Escorialensis
den unteren Teil der CanneHaren in den Säulen mit Rundstäben
ausfüllt, wie dies auch Bramantino und Labacco andeuten, Bald.
Peruzzi Uffiz. 388 mit genauem Mass zeichnet.
Der von den Renaissancearchitekten noch gesehene Rest passt,
wie ich bereits JB. 1902 S. 50 bemerkte, gut in die Fundamente,
Fiff. 15.
welche 1902 an der Westseite der Basilica ausgegraben, jetzt wieder
zugeschüttet sind: ich gebe beistehend (Fig. 16) den Grundriss nach
einer Zeichnung von Tognetti. Demnach lag die Ruine am west-
lichen Abschluss der Vorhalle. Da zwei ziemlich kleine Türen
im Vergleich zu den gewaltigen Bogen eingängen auf der Forums-
seite wenig zweckmässig scheinen, hat man vielleicht eher anzu-
nehmen, dass hier zwei Fenster waren.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMAN UM
57
Eine sorgfältige mit zahlreichen Massen versehene Zeichnung
des Gesimses und der Pilasterkapitells giebt der von Th. Ashby
{Paper s of the British School at Rome, vol. II) publizierte Codex
des Museum Soane in London fol. 77. Nach Darstellung und Massen
steht dieselbe dem Blatt des Antonio da Sangallo Uff. 1413 beson-
ders nahe : eine ganz ähnliche Zeichnung findet sich, wie Hr. Ashby
S. 81 bemerkt, in Casa Buonarroti in Florenz (Cornice 22 n. 2).
Fig. 16.
Vor der Front der Basilica, nicht weit von der NW. — Ecke des
Cäsartempels, ist im März 1904 das Fragment eines beiderseitig
bearbeiteten Architravs (0,40 hoch, 0,80 br.) mit folgender Inscrift
(Buchstabenhöhe 11 resp. 7 cm.) gefunden:
PRO FELICITATEJ
AVR(
Dasselbe ist, wie Gatti Bull, comun. 1904, 192 erkannt hat, zu
verbinden mit einem vor zwei Jahren an derselben Stelle gefun-
denen Stücke
D NN cf
SYMMACHVS
HONORI
58
CH. HUELSEN
Danach ist zu ergänzen:
Pro felicitate [et victoria ? d~]d. n. n. Honori \_et Arcadi
Aur\_elius Anicius'] Symmachus [y. c. praef. urbi
Der Dedicant, von welchem auch die Inschrift CIL. VI, 1193
stammt, war Stadtpraefekt von 418-420 n. Chr. Die Inschrift be-
i — i — 4. — 1 — 1 — ( — \. — 1-
'S 'O ti ,>0
U
iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiim
Ficr. 17.
zieht sich also auf Bauten, welche kurz nach der Katastrophe
von 410 ausgeführt sind, wahrscheinlich an der Basilika selbst. Sie
tritt so in eine Reihe mit den von mir in Lehmanns Beiträgen zur
alten Geschichte 2, 269 zusammengestellten und bestärkt die Vermu-
tung, dass die Halle aus Granitsäulen, welche an die Stelle der ur-
sprünglichen grossen Pfeilerhalle getreten ist, aus honorianischer
Zeit stammt. Die Behauptung Boni's, die Restauration der Basilica
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 59
sei aus der Zeit Theoderichs braucht, so lange nicht bessere Argu-
mente dafür angeführt werden als dass diese Zeit • incapace ancora
e priva dl possibilitä rispondenti aWintento, ma feconda di aspi-
rasioni elevate e per cid commeadevole ' gewesen sei, nicht debat-
tiert zu werden. Von den Veränderungen, die Fassade und Vorhalle
der Basilica durch diese Restauration erlitten (JB. 1902 S. 53 f.)
mögen die Skizzen in Aufriss und Durchschnitt Abb. 17 eine
Vorstellung geben.
Dass die Basilica Aemilia in der Kaiserzeit zu einer Art Ruhmeshalle
für die alten Helden der Familie gemacht war — Aemilia monumenta und
avitum decus nennt sie Tacitus ann. 3,72 — hatte ich gelegentlich des Fun-
des des Elogiums des Siegers von Pydna (Beitr. zur AG. 2 S. 262 n. 40)
hervorgehoben: für ein zweites eben dort gefundenes und von mir a. a. 0. n. 41
publiziertes Fragment war es mir nicht gelungen, Beziehung auf einen Ae-
milier nachzuweisen, vielmehr hatte ich es auf C. Fabricius' ergänzt. Sehr
viel wahrscheinlicher aber ist mir jetzt Münzers Vermutung (Hermes 40, 98),
das Fragment beziehe sich auf Q. Aemilius Papus, « der mit Fabricius zwei-
mal Consul, einmal Censor, einmal Gesandter an Pyrrhus war, und nun auch
gern mit ihm als Muster römischer Tugend zusammengestellt wurde (Cic.
Laelius 39. Yal. Max. 4, 4, 3. Dionys. 19, 13)".
Die JB. 1902 S. 52 A. 2 erwähnten Blöcke mit der grossen
Ehreninschrift für Lucius Caesar liegen immer noch (s. die Pho-
tographie bei Vaglieri S. 84) in dem Zustande wie sie gefunden
sind: was für den malerischen Effekt förderlicher ist als für die
Untersuchung des Monuments. Schon jetzt aber mag auf einen
Zusammenhang hingewiesen werden, der zur Ermittelung der ur-
sprünglichen Anordnung nicht unwichtig ist.
Die Inschrift, deren Text hier wiederholt werden muss:
1,23 1,58
CAE;SARI- AVGk
PRINCIPI IVVENTVtf
CVM
tfSSET
ANN-Nö
SENATV
1.92
STI • F • DIVI N 0,24
S COS- DESIG o,i6
T • XIIII • AVG o.i6
S 0,15
zeichnet sich durch eine Schönheit der Schrift aus, von der die Li-
thographie Bull. com. 1899 Tf. XIII/X1V kaum eine dürftige Vor-
stellung giebt. Ich kenne auf dem Forum nur eine Inschrift, die ihr
60 CH. HUELSEN
in dieser Beziehung ganz ähnlich ist, und dies ist die öfter be-
handelte CIL. '6, 3747 = 31291:
1,02
IMP • C
AVGN
TRIB
PLEP S
0,26
0,25
0,21
0,21
Nicht nur Schriftcharakter und Grösse stimmen, auch die
einrahmende Leiste ist bei beiden Steinen identisch. Die Zusammen-
gehörigkeit beider Inschriften wäre auch wahrscheinlich längst
erkannt worden, wenn nicht die zweite mittelalterlich zu einer
Pavimentplatte zugeschnitten wäre (1).
Dadurch wird zunächst die Ergänzung der Augustusinschrift
folgendermassen gesichert:
Imp. C[_aesari divi Mi f.
Augu[_sto pont. max. cos. xiii
trib [ .pot. xxi. patri patriae
pieps \_omnis urbana xxxv tribuum
Hiernach lässt sich die Zeilenlänge auf er. fünf m. berechnen,
was zu der (4,73 m. langen) Lucius-Inschrift gut passt.
Der Titel patri patriae in Z. 4 ist so gut wie sicher, da sonst
die Zeile nicht voll wird. Nun ist, in demselben Jahre 752/2 v. Chr.
aus welchem die Lucius-Inschrift stammt, dem Augnstus der Titel
pater patriae gegeben, und zwar am 5. Februar. Es liegt nahe zu
vermuten, dass das Monument, zu welchem die beiden Inschriften
(') Ein weiteres Indicium für Zusammengehörigkeit kann man darin
erblicken, dass auf einem grossen in der Basilica gefundenen, der Lucius-
Inschrift, neben der er liegt, ganz gleichartigen Blocke sich die Buchstaben
EPSOM in 10 cm. hohen, guten augustischen Charakteren finden. Es sieht
aus, als hätte der Steinmetz den Anfang der vierten Zeile der Augustus-
inschrift zur Probe auf die rauhe Nebenseite eines für denselben Bau bestimm-
ten Blockes eingeritzt.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 61
gehören, mit dieser Ehrung in Zusammenhang steht; man erinnert
sich der Worte Ovid's (fast. 2,121): ■
sancte paler patriae, tibi plebs, tibi curia nomen
hoc dediU hoc dedimus nos tibi nomen eques.
Dazu stimmt, dass die Dedikanten gerade die tres ordines sind:
für Augustus die plebs, für Lucius der Senat, auf einer dritten
vorauszusetzenden für Gaius Caesar der equester ordo.
Wozu haben die Stücke ursprünglich gehört? das Fragment
der Augustus-Inschrift ist gefunden nello sgombrare uno degli
ambienti terreni della torre adossata all'ullimo dei basamenti,
ü quäle trovasi sullo svolto della Via sacra al tempio d'Anlo-
nino e Fauslina (Brizio, Bull, dell' Istituto 1872,235; vgl. Rosa
relazione p. 58). Das ist fast genau die Stelle, wo ganz neuer-
lich das Basament eines grossen Denkmals aus früher Kaiserzeit
zu Tage gekommen ist, das man ohne Grund ' equus Tremuli '
getauft hat (s. u. S. 74). Es läge nahe, die Augustus- wie die Lu-
cius-Inschrift mit diesem in Verbindung zu bringen: für ein grosses
Denkmal des Augustischen Hauses (') giebt es keinen passenderen
Platz, als hier, vor dem Tempel des Gründers der Dynastie ; und
die Distanz bis zur Westecke der Basilica Aemilia, wo die Steine
in dem mittelalterlichen Bau ihre zweite Verwendung gefunden ha-
ben (2), ist nicht gross. Bedenken macht nur ein Umstand : auf
dem einen Blocke der Luciusinschrift ist noch ein zu Befestigung
der Seile beim Heben dienender Marmorzapfen und unter dem An-
fange der dritten Zeile eine grosse runde Bosse stehen geblieben.
(*) Vgl. auch die in der Nähe gefundenen Ehreninschriften für Gaius und
Lucius, Mitth. 1899, 260-261 = Beiträge zur AG. 2 n. 239 n. 15, 16, welche
wie ihre Form (rechteckige Marmorblöcke ohne Profilierung) zeigt, zu einem
grösseren Ganzen gehört haben.
(2) Dass die Blöcke zu einer Attika über dem ersten Stockwerke der
Basilica Aemilia gehört hätten, scheint zwar das nächstliegende, ist aber m
Er. durch Lage und Erhaltung der Steine ausgeschlossen. Wären sie von mehr
als 10 m. Höhe herabgestürzt, so könnten sie unmöglich so wie sie jetzt liegen
auf den Boden des Forums gefallen sein. Vielmehr sind sie, wie es scheint,
in dem ganz späten hier in die Basilica eingebauten Hause in eine Wand des
Erdgeschosses vermauert gewesen, und als diese Wand einmal einstürzte, mit
grosser Kegelmässigkeit neben einander zu liegen gekommen.
62 CH. HUELSEN
Beides lässst darauf schliessen, dass die Inschrift in einiger Höhe
angebracht war, und*zwar in grösserer als das selbst bei einer Mo-
numentalbasis möglich ist.
H. Dressel, Das Sacrum Cloacinae (Wiener Studien XXIV, 1903,
S. 418-224)
giebt zum ersten Male eine genaue und correkte Beschreibung der
oft behandelten, von Jordan (Top. I, 2 S. 398 f.) völlig miss-
verstandenen Münzbilder auf den bald nach Caesars Tode ge-
Fig. 18.
prägten Denaren des Münzmeister L. Mussidius Longus, von denen
sieben verschiedene gut erhaltene Exemplare abgebildet werden.
Dargestellt ist eine runde Terrasse von massiger Höhe, die oben
mit einer gitterförmigen Brustwehr umgeben und vermittelst ei-
niger Stufen zugänglich ist. Auf der Plattform stehen zwei weib-
liche Figuren, zwischen beiden ein niedriger Pfeiler, auf welchem
ein Vogel mit angelegten Flügeln sitzt; auf diesen Pfeiler stützen
beide Frauen ihren rechten Arm leicht auf, während die erste in
der halberhobenen Linken eine Blume hält, die andere den ver-
hüllten linken Arm in die Seite stützt. Es sind zweifellos zwei
Standbilder der Venus ; das Wort CLOACIN (auf andern Exemplaren
CLOAC) dentet den Anfang der Weihinschrift an, die CLOACINAE •
SAC • oder CLOACINAE • SACRVM gelautet haben mag.
Das nach den Münzen sich ergebende ßekonstruktionsbild
stimmt nun, wie Dressel am Schluss hervorhebt, vortrefflich zu dem
vor der Front der Basilica Aemilia gefundenen kleinen Rundbau,
von dem bereits JB. 1902 S. 44 Fig. 12 eine Photographie gegeben
ist. Der Durchmesser des oberen Einges (Abb. 19) beträgt 2,40 m.,
an der westlichen (dem Kapitol zugewandten) Seite hat der Ring
einen rechteckigen Ansatz von 1,20 X 0,70 m., der wie die verschie-
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMA^UM
63
dene Abnutznag zeigt, an den Seiten von zwei Postamenten be-
setzt war, während die Mitte frei lag. Der Ablauf trug einen Bau
aus Marmurplatten, wie die an mehreren Stellen noch erhaltenen
Stemmlöcher beweisen: also eine den Münzbildern völlig entspre-
chende Konstruktion. Unter dem Marmor liegt zunächst eine 0,29 m.
hohe Travertinschicht, darunter eine Quaderlage aus grüngrauem
(0,29), eine aus braunem (h. 0,18) und weitere sechs aus grauem
Tuff. Westlich liegt, 1,18 m. tiefer als die Oberfläche des Mauer-
J-N
Fig. 19.
ringes, eine grosse graue Tuffquader, vielleicht zum Pflaster des
republikanischen Forums gehörig. Selbstverständlich hat das ur-
sprüngliche Sacellum seinen Platz auf diesem Niveau gehabt, der
Marmorring gehört einer Erneuerung aus der frühen Kaiserzeit
an, etwa der Epoche des Augustus und Tiberius, in der die Ba-
silica Aemilia restauriert wurde. Diese Erneuerung ist, wie der Ver-
gleich mit der Münze des Mussidius zeigt, in den alten Formen
hergestellt.
Von dem vor der Front der Basilica zeitweise aufgedeckten
Gewölbescheitel der Cloaca Maxima (JB. 1902, 58) kann ich, durch
die Güte von Miss E. Van Deman, umstehend (Abb. 20) eine Pho-
tographie geben, welche die Höhenlage der interessanten Ausgra-
bung erkennen lässt.
€4
CH. HUELSEN
Mitte des Forums.
Ueber die JB. 1902, 56 (JB.2 57 einige Zusätze) kurz beschrie-
benen unterirdischen Gänge haben wir zwar noch nicht die ver-
sprochene genaue Publikation mit Plänen und Zeichnungen, wohl
aber einige vorläufige Notizen (Bull, comun. 1902, 28. 190. 1903,
Für. 20.
101, 271 f.) erhalten, die wenigstens etwas weiter führen: auch ein
Plan ist Bull, comun. 1903, p. 100 Fig. 44 gegeben, auf dem,
mit einigen durch die neuesten Ausgrabungen (ebda. S. 271) be-
dingten Ergänzungen, der beistehende (Abb. 21) beruht.
Der Hauptstrang der cuniculi (a a Abb. 21) ist erforscht auf
eine Länge von er. 120 m., von der Front der Rostra bis zur Front
des Templum Divi Juli. Er wird in ziemlich gleichen Abständen
durchschnitten von vier Quergängen (b b, c c, d d, e e), die sich
stellenweise zu quadratischen Kammern erweitern. Die Gänge sind
2,40 m. hoch, 1,50 breit ; an mehreren Stellen finden sich im Scheitel
der Gewölbe quadratische mit grossen Travertinplatten umgebene
Oeffnungen. Die Oberfläche der Travertinplatten liegt er. 55-60 cm.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
65
IN
IM
* ^ $ ^
66 CH. HUEI-SEN
unter dem späten Pflaster des Forums, der Scheitel der Gewölbe
er. 1,50, die Sohle 3,90 m. unter demselben (also er. 3,30 unter
dem Niveau des älteren Travertinpflasters). Die Wände der Gänge
sind gutes Mauerwerk aus kleinen Tuffsteinen ('), die Wölbungen
opus incertum über Bretterverschalung gegossen.
In den Kammern der Quergänge findet sich in der Mitte des
Bodens jedesmal ein grosser Travertinblock : nach Spuren, die auf
diesen Blöcken constatiert sind, glaubt Boni, dass sie zur Aufstel-
lung von Hebemaschinen gedient hätten: Spuren von Winden für
verticale Drehung (troncature di assi torniti verticalmente) seien
noch vorhanden. In jedem der pozzetti seien elevatrici aufgestellt
gewesen, von deren Rahmen aus Tannen- und Ulmenholz (intelaia-
tura di abeto con eunei d'olmo incassati) gleichfalls Reste con-
statiert wurden. Boni hat Modelle dieser Vorrichtungen herstellen
lassen, die er zu publizieren verspricht (2).
Von besonderem Interesse für die Chronologie sind die in den
Gängen gefundenen Scherben, sämtlich aus dem Ende der Republik
oder dem Anfange der Kaiserzeit: leider noch unpubliziert und
unzugänglich.
Zu bemerken ist, dass die Cuniculi grösstenteils nicht in den ge-
wachsenen Boden eingeschnitten, sondern von einer offenbar absicht-
lich bei der grossen Erhöhung des Forums-Niveaus in caesarisch-au-
gustischer Zeit hierher gebrachten Schuttschicht umgeben sind. An-
dere Spuren einer entsprechenden Niveauveränderung finden sich am
Sacellum der Cloacina, am Lacus Curtius, an der Cloaca Maxima :
(a) In die Wände verbaut fanden sich schegge di lapis niger, gid li-
sciato e logorato (Vaglieri, p. 272).
(2) Gegen die Behauptung, diese Maschinerien müssten für Spiele auf
dem Forum bestimmt gewesen sein, habe ich mich bereits JB2 S. 57 ausge-
sprochen, und finde in den später beigebrachten Argumenten keine Widerle-
gung. Wenn einmal zu Strabo's Zeiten ein berüchtigter Eäuber auf dem Forum
so exekutiert wird, dass man ihn von oben in einen Käfig mit wilden Bestien
hineinfallen lässt (Strabo VI, 2, 2 citiert von Vaglieri, p. 101), so bedurfte
es dafür wahrlich keiner Versenkungen. Und was soll gar die bekannte Stelle
aus Calpurnius (ecl. 7), die ausdrücklich den Circus Maximus beschreibt, für
das Forum beweisen ? Die elevatori im Kolosseum u. s. w. haben auch ganz
andere Details, namentlich die Führungsrinne: und was hätte man aus den
schmalen Gängen, die fast ganz durch die Seilzüge eingenommen waren, her-
aufbringen sollen?
AUSGRABUNGEN AUF DEM FOKUM ROMANUM 67
der Scheitel des Fig. 20 abgebildete Stückes liegt in gleicher
Höhe mit der untersten Stufe der kaiserlichen Basilica Aemilia.
Dagegen lagen die in der Nähe aufgedeckten, jetzt wieder verschüt-
teten Stücke eines alten Pflasters aus grossen Platten von Cap-
pellaccio (x y Abb. 21, vgl. JB* 44. 58) etwa 1,80 m. tiefer als
diese Stufe ; ähnlich die ganz entsprechenden neben dem • Equus
Tremuli ' (u. S. 74). Die neuen Ausgrabungen sind, wie ersicht-
lich, im mittleren Teile des Forums bisher nur an wenigen Stellen
bis auf das Niveau des frührepublikanischen Forums hinabgedrungen.
Allerdings müsste, da dies Niveau nur er. 10-11 m. ü. M. liegt, der
Wasserabfluss geregelt werden, bevor man an eine Fortsetzung
dieser Untersuchungen in grossem Stile denken könnte. Aber dass
von einer vollständigeren Freilegung der älteren Schichten noch
bedeutende Resultate zu erhoffen sind, liegt auf der Hand.
Einen sehr interessanten Fund würde die Miscelle von J. M. Stowasser
(Wiener Studien 1903, 270 f.) bringen: nichts geringeres als eine auf die
Cloaca raaxima bezügliche Bauinschrift wenn — die Hypothese nur einiger-
massen wahrscheinlich wäre. In Musti (Henschir Me§t in der Proconsularis)
ist ein Stein von einem Epistyl gefunden (lg. 1,95, h. 0,45) mit der Inschrift
{CIL. VIII, 1584):
HONESTAM • PRAEBENS • ORNaTvI • PVBLICO • LAVDEM
FORVM • PRAEFVLGET • RERVM • SVBSTraTa • EMEaTv
Stowasser scandiert saturnisch:
honestdm praebens ornätui — publicö laü&lm
forum praefulget rerum — sübstrata emeätu
und meint, das Original dieser Inschrift habe (nur mit substratu meatu am Schlüs-
se) in Kom auf der Cloaca maxima gestanden « ganz so wie die zerstörte Inschrift
der basilica saneti Petri am Vatikan sich in Thebeste wieder gefunden hat
{CIL. VI, p. X, n. 10 = C. VIII, 10698)«. Aber so leicht erklärlich es ist, dass
man im 4. oder 5. Jhdt. beim Bau einer Kirche in Africa die nicht viel
ältere Inschrift von St. Peter wiederholte, so unglaublich ist es, das die Ma-
gistrate einer afrikanischen Kleinstadt zur Beschriftung ihrer Kloake sich das
Muster von Rom geholt haben sollten — abgesehen von der grossen Unwahr-
scheinlichkeit, dass im 3/4 Jhdt. eine archaische Inschrift in Saturniern über-
haupt noch auf dem Forum existiert hätte. Vor allem aber hat St. übersehen,
dass i. J. 1884 an der gleichen Stelle ein ganz entsprechender Stein gefun-
den ist {CIL. VIII S. 15584) mit der Inschrift:
HAEC TAM PRISCA SVIS LONGAQVE ORIGINE NOLIS
CVRATOR TITVLIS SEMPER VIVESCERE LECTIS
68 CH, HUELSEN
Hier wird doch St. wohl keine Saturnier erkennen ; ich denke, es bleibt auch
für die erste bei Wilmanns Urteil: barbarismis foedissimis par nobile hexa-
metrorum, und wir lassen den Ruhm der Autorschaft dem Lokalpoeten von
Musti ohne nach einem monumentalen römischen Vorbilde zu suchen.
Die Stufenpyramide um die F o k a s - S ä u 1 e ist an der Nord-
und Ostseite weggenommen, und der in der Mitte des Fundaments
befindliche Ziegelkern bis auf das Forumspflaster freigelegt worden
(Boni, Atti del Congr. storico 578-580). Dieser Ziegelkern, schon
von Valadier {colonna di Foca, Tf. I u. II) genau gezeichnet, er-
scheint nach Material und Arbeit den sieben Postamenten gegen-
über der Basilica Julia sehr ähnlich. Aber desshalb auch den Ober-
bau für ein Werk des beginnenden vierten Jhdts. zu erklären und
das ganze Monument in • Columna Diocletiani ' umzutaufen (Boni
a. a. 0.) ist vorschnell. Der Behauptung: ' reca Vücrizione, in-
tensamente osservata ora, traccie non lievi di assai piü antica
scrittura, anteriore forse di non meno che trecento anni al secolo
settimo ' muss ich, was die angeblichen älteren Schriftzüge be-
trifft, entschieden widersprechen. Dass die Steine schon einmal
gebraucht waren, ist wahrscheinlich : aber auch nur einen sicheren
Buchstaben älterer Schrift zu erkennen, geschweige denn zu da-
tieren, scheint mir unmöglich. Dass schon in der diokletianischen
Zeit ein Monument an dieser Stelle errichtet wäre, welches die
Rostrafront zum grössten Teile verdeckte, ist mir nach wie vor
höchst unwahrscheinlich.
Für die Monumente an der Südstrasse mag noch hingewiesen
werden auf eine wie es scheint allgemein übersehene Notiz Emiliano Sarti's
(Arch. della soc. romana IX 443) : nel 1818, negli scavi che si fecero nel Foto
romano, fu trovato presso uno dei piloni laterizi al mezzo di detta colonna
di Foca un consideverole tronco di grossa colonna di granito rosso (nach
Fea Varieta di notizie, p. 71 del diametro di palmi cinque e tre-quarti), che
giacque sul luogo sino al 1841. In queWanno, il cardinale Antonio 2yosti,
pro-tesoriere, lo fece togliere di lä, e portare al tempio della Pace, dove
fu segato in ruote per uso del pavimento della basilica di S. Paolo.
Zu den interessantesten Funden der letzten beiden Jahre
gehört ein unter dem Pflaster der Kaiserzeit zu Tage gekom-
menes Heiligtum, in welchem Boni mit Recht den L a c u s
Curtius erkannt hat. Die offizielle Publikation dürfte noch ge-
raume Zeit auf sich warten lassen; die beistehende Skizze, ent-
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
09
worfen mit Hülfe der Tafel zu Bonis Vortrag auf dem historischen
Congress {Ätti 580-582), der Massangaben in Tomassettis Aufsatz
{Bull, comua. 1904, 181-187) und eigener Beobachtungen, bean-
sprucht natürlich nicht, eine genaue Aufnahme zu sein, wird aber
wenigstens zur Veranschaulichung im Allgemeinen genügen.
psauner Tuff,
grauer Tuff.
Tr<ive7-/in.
Fig. 22.
Zwischen der dritten und vierten (von Westen gezählt) Basis
war immer ein zum übrigen Pflaster des Forums anormal liegen-
der Travertinstein sichtbar gewesen. Im April 1904 liess Hr. Boni,
von diesem Steine ausgehend, das späte Pflaster aufheben, und
fand, in etwa 60-80 cm. Tiefe, ein unregelmässig trapezoidisches,
mit Travertin gepflastertes und mit Bordsteinen aus demselben Ma-
terial umgebenes Feld. Dies Travertinpflaster liegt in der Höhe
der Oberkante der Travertinblöcke, welche die Mündung der Cu-
niculi umgeben: es ruht auf einem Unterlager von Blöcken aus
grauem und braunem Tuff. Es ist klar, dass die ganze Construction
70
CH. HUELSEN
nicht älter sein kann, als die cäsarisch-augustische Forurns-Regu-
lierung; andrerseits deutet der Befund darauf hin, dass man da-
mals ein älteres Heiligtum mit Sorgfalt auf dieses Niveau gehoben
hat. An östlichen Ende ist das Travertinpflaster unterbrochen
durch ein auf der Tuffschicht ruhendes Zwölfeck (Dm. 3,50 m.)
aus gleichem Material (grauem Tuff) welches den Unterbau eines
runden Altars (Dm. 0,71) umschliesst. Näher dem anderen (westli-
chen) Ende des Travertinpflasters sind die Standspuren von meh-
reren rechteckigen Basen oder Altären zu erkennen.
Dieser Complex stimmt, seiner Lage und seiner Beschaffenheit
nach, vortrefflich zu dem, was wir über den Lacns Curtius der
Kaiserzeit wissen (s. die Stellen bei Jordan 1, 2, 400 A. 117). Das
Fig. 23.
zwölfeckige Fundament trug ohne Zweifel das Puteal, in quod
omnes ordines quotannis pro salute Augusti ex voto stipem ia-
ciebant, die Standspuren am Westende erinnern an die arae
siccae, welche nach Ovid (fast. 6, 403), • auf dem Lacus * standen.
Um von der stipes sacra noch Reste zu finden, sind Ausgrabun-
gen zwischen dem Tuffpflaster und den Backsteinbasen bis zu
erheblicher Tiefe begonnen worden, aber durch aufsteigendes Grund-
wasser seit Sommer 1904 unterbrochen. Zur Seite des Fundaments
fand man ein menschliches Skelett ohne jegliche Spur von Grab-
beigaben, ferner ein wohlerhaltenes Rad aus Eichenholz, sowie
andere Reste von Balken und Stangen, die vielleicht zu einer
Hebemaschine gehörten haben.
Eintiefungen auf den Bordschwellen der obersten Schicht zei-
gen, dass der ganze trapezoidische oder dreieckige Bezirk mit
einer Schranke oder Balustrade eingehegt war : die Skizze Fig. 23,
von Tognetti, möge das Monument im Allgemeinen veranschauli-
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 71
chen. Eingefügt in diese Balustrade — und zwar nach dem in die-
sen Mitteilungen 1902, 322 auseinandergesetzten in ihre südliche
Seite — denke ich mir das bekannte im Jahre 1553 genau in
dieser Gegend ausgegrabene Curtius-Relief.
Zu den Rom. Mitth. a. a. 0. gegebenen Fundnotizen will ich hier eine
mir damals entgangene nachtragen, um so mehr als sie auch bei Lanciani
(Storia degli scavi di Roma, 2, 206) nicht aufgeführt ist. Piiaro Ligorio er-
zählt (cod. Taurin 15 p. 146, Ottobon.] 3374 f. 245: insino ad hoggidl si
vede in Campidoglio un sasso trovato in questo luogo [der Anfang des Ar-
tikels fehlt] dove l Curtio scolpito a cavallo, che cade nella palude, d'opera
modernaccia e gojfetta et vi e scritto di dietro il nome di Lucio Surdino
prefetto e pretore de' peregrini. Vi fu trovata la imagine dej, Curtio, grande
assai piü che del vero naturale, tenuta in vendita dalli superiori delVho-
spedale della Consolazione , non conosciuta per la memoria del Curtio, ma
stimata per la imagine di Cesare gittata a terra dove fu portata dalla
Curia di Pompeo, sendo stato ucciso et arso colle banche da sedere del Co-
mitio, et del senatulo, ma si gabano che di tale memoria sia, conciosiaco-
sache fosse la sembianza di Cesare non sarebbe finta di etä giovane et
formosa etc. Es ist derselbe Fund, von dem Flaminio Vacca mem. 4 Schreiber
berichtet: Me ricordo nel cimetterio della Consolatione vi fu trovata una
statua a giacere di marmo grande di naturale vestita alla consolare, di-
mostrava con un braccio coprirsi la testa, fu opinione comune che fusse
Cesare et il Signor Ferrante de Torres, ä quel tempo agente del V. Re
di Napoli D. Perafa de Riviera, la comprö, e volse che io li facessi la
testa per ritratto di Cesare quando Bruto Voccise, e detta statua fu tras-
portata in Sicilia. Ueber den Verbleib der Statue — die vielleicht nichts
anderes war als eine Sarkophagdeckel mit lebensgrosser Figur — kann ich
nichts nachweisen.
In geringer Entfernung von Lacus Curlius, fast genau in der
Mitte des Forums, ist im Frühjahr 1903 ein grosses Fundament
aus Gusswerk aufgedeckt worden. Die obere Fläche desselben, 11, 80 m.
(20 röm. Fuss) lang, 5,90 m. (10 Fuss) breit, liegt etwa 1,50 m.
unter dem Niveau des späten Travertinpflasters ; in die Tiefe
erstreckt sich das Gusswerk 2,78 m. Im unteren Teile seiner
Seitenflächen waren Stücke der ßüsthölzer und der Bretterverscha-
lung, hinter welcher das Fundament gegossen war, wohl erhal-
ten. Das Fundament muss jünger sein als die ■ Cuniculi »,
da bei seiner Errichtung sowohl der Hauptgang wie der dritte
Quergang unterbrochen worden sind. Andrerseits ist es auch kein
Werk aus später Zeit, da das Gusswerk nur aus Basalt- und
Travertinbrocken, ohne Beimischung von Marmor oder Ziegelbruch
72
CH. HUELSEN
besteht. Wir werden also berechtigt sein, es dem ersten Jhdt. m
Chr. zuzuschreiben. Charakteristisch ist ferner dass der ganze
Oberbau offenbar schon im Altertum absichtlich zerstört ist : von
den Quadern aus Travertin oder Marmor, die denselben gebildet
Fig. 24
haben müssen, ist auch nicht die geringste Spur gefunden worden.
Die von Boni sofort bei der Auffindung vorgeschlagene Beziehung
des Bauwerks auf den durch Statius' Beschreibung berühmten
Equus Domitiani hat daher hohe Wahrscheinlichkeit.
In die obere Fläche des Gusswerks sind drei grosse Quadern
aus Travertin eingebettet, welche in ihrer Mitte je eine Vertiefung
(er. 0,44 im Quadrat, 0,15 tief) haben, deren Zweck bisher nicht
klar ist.) (x). Einen ähnlichen, weit grösseren Block bemerkte man
(») Dass (wie in Fig. 24 angedeutet) in die drei Blöcke Metallstäbe
eingelassen gewesen wären, welche die Beine eines kolossalen schreitenden
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 73
im März 1904 an der Ostseite, wo er in das Gusswerk eingelas-
sen war. Bei näherer Untersuchung zeigte sich, dass derselbe
hohl war, und in seinem Inneren fünf Tongefässe enthielt (*),
die nach Form und Technik durchaus denen aus der alten Ne-
kropole entsprechen. In den meisten Gefässen waren nur Sand
und Steine, Pech und Bruchstücke von Schildkrötenschalen: nur
in dem grössten fand sich ausserdem ein kleines Stückchen Quarz,
dem etwas gediegenes Gold anhaftete. Ob diese Gefässe aus einem
archaischen Grabe stammen, das beim Ausschachten des Funda-
ments gefunden und dessen Inhalt dann aus Pietätsgründen an
der gleichen Stelle geborgen sei, oder ob es sich um Gefässe han-
dele, die bei Gründung des domitianischen Denkmals rituell
verwendet und zu diesem Zweck absichtlich in archaischen Formen
hergestellt gewesen seien, ist noch eine offene Frage. Gatti, der
(bull, comun. 1904, 75-82; 174-178) sehr entschieden für die
zweite Alternative eingetreten ist, betont namentlich die vorzüg-
liche Erhaltung der Gefässe; andrerseits ist Form und Technik
denen der wirklich archaischen so völlig gleich, dass man an
Nachahmungen aus der Kaiserzeit schwer denken kann.
Vor dem Caesartempel, genau in dessen Axe, ist (bei F Abb. 21)
ein grosses Fundament (er. 5X8 m.) aus Gusswerk aufgedeckt wor-
den, das im Niveau des caesarisch-augustischen Forums liegt. Da vom
Oberbau ausser einigen (schon früher sichtbar gewesenen) Traver-
Pferdes (von sechsfacher Lebensgrösse) hielten, während die Vertiefung in
der Mitte der Oberfläche für eine vierte Stütze, unter dem Bauche des
Pferdes, gedient hätte, ist sehr unwahrscheinlich. Die Metallstangen müssten
dann über 4 Meter lang gewesen und durch die Travertin-und Marmorblöcke
des Oberbaus hindurchgegangen sein. Auch ist von Verbleiung oder anderweiti-
ger Verfestigung von Metall in den Löchern keine Spur vorhanden. Die
obere Fläche der drei Quadern ist rauh ; es scheint nicht, dass sie mit Blöcken
oder Platten aus gleichem Material zugedeckt waren.
(*) Es sind (s. Gatti Bull, comun. 1904, 77): a) grosser kugelförmiger
Topf aas rotem Ton, mit verticalen Rippen verziert ; b) Amphora aus schwärz-
lichem Ton mit Bandhenkeln (ähnlich u. Abb. 44); c) ähnliche Amphora mit
Graffitoverzierungen (Doppelspirale und Fisch) ; d) Schale mit hohen Henkeln
aus schwärzlichem Ton, mit Gramtornamenten (fünfstrahliger Stern, auf den
Henkeln Svastika und Punktreihen) ähnlich u. Abb. 45; e) Schöpfgefäss aus
gelblichweissem Ton mit aufgemalten roten Bändern (ähnlich u. Abb. 47).
74 CH. HÜELSEN
tinblöcken nichts erhalten ist, lässt sich nur soviel mit Wahr-
scheinlichkeit sagen, dass es der frühen Kaiserzeit angehört. Ohne
triftigen Grund ist die von Boni (Atti del Coagresso Storico,
583 f.; vgl. Not. 1904, 106; Gatti bull, comun. 1904, 178) einge-
führte Bezeichnung Equus Tremuli; dieses aus einer Anführung
des Livius (9, 43, 22) und Cicero (Phil. 6, 5, 12) bekannte
Standbild des Consuls 448/306 v. Chr. befand sich ante Castoris
und war zu Plinius' Zeit (n. h. 34, 23) schon nicht mehr vorhan-
den (Jordan Top. 1, 2 S. 355 A. 63. 371 A. 79); wir müssen es
uns auch wohl von bescheidener Ausdehnung vorstellen als das
neu gefundene ist. Ob die grossen Inschriften für Augustus und
seine Familie (o. S. 60) mit diesem Fundament in Beziehung
gebracht werden dürfen, steht dahin. Neben der Basis, an ihrer
Nordseite, ist ein grosser Stück wohl erhaltenen Pflasters aus
recht alter Zeit gefunden: es besteht aus grossen unregelmässi-
gen Platten von cappellaccio und liegt er. 1,70 m. unter dem Ni-
veau der Kaiserzeit.
Eine Abhandlung, die schon im vorigen Bericht durch ein
mir bedauerliches Versehen übergangen worden ist,
E. Babut, Les statues equestres du Forum {Melanges de Vecole Fr ansähe
de Rome XX, 1900, S. 209-222 mit Tf. V).
hat das Verdienst, auf eine bisher übersehene Stelle des Herodian
aufmerksam zu machen, durch welche die Existenz einer grossen
Reiterstatue des Severus auf dem Forum bezeugt wird ('). Der
weiteren Hypothese, dass zu dieser Kolossalstatue das gewöhnlich
dem Equus Constantini zugeschriebene Postament gehöre, kann
ich mich nicht anschliessen. Diese scheint mir ihrer Bauart nach
zu schlecht sogar für die constantinische, geschweige denn für
die severische Zeit. Ebenso möchte ich Bedenken tragen, die Re-
verse mehrerer Münzen des Severus mit Adventus August i (gut
(') Herodian 2, 9 erzählt einen wunderbaren Traum, den Severus vor
seiner Thronbesteigung hatte, fxsyav xe xai ysvvcuov innov ßaaihxoig cpaXü-
qo's xexoafxrj^iivov (brjSr] ßXeneiy, (p&Qovxct xbv JleQxivax« ino-^oi^vov diä
(isorjs xf)g iv P(t)tuTj legüg 6db© .... auf dem Forum wirft das Pferd den
Pertinax ab und lässt den Severus aufsitzen ; /us'vei de xai eig fjpäg iv ixsivio
xG> #w£hw fj xoV övetQaxog eixtbv fieyiarf] /a'ÄxoV nsnoirjfxzvr]. Des Traumes,
nicht der Statue gedenkt auch Cassius Dio 74, 3.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 75
reproduziert auf Tf. V) mit der von Herodian erwähnten Statue in
Verbindung zu bringen: der Revers ist im 2/3 Jhdt. sehr häufig.
Auch der Versuch, mit Hülfe des Einsiedeiner Itinerars nachzu-
weisen, dass der Caballus Constantini auf der nördlich an die
Rostra angebauten Ziegelbasis gestanden habe, scheint nicht glück-
lich. Meine Bemerkungen Rom. Mitth. 1895, 62 sind dem Vf.
unbekannt geblieben.
Südseite des Forums.
Die Basilica Julia und der Vicus Jugarius sind in den
letzten zwei Jahren von den Ausgrabungen nicht berührt worden.
Die Untersuchung der älteren Schichten an der Nordwestecke der
Basilica (vgl. JB. 1902, 60 und Vaglieri, p. 164) hat bisher we-
sentliches nicht ergeben.
Vor der Front der Basilica wurde i. J. 1900 als Deckplatte eines
modernen Kanals ein bedeutendes Fragment der Forma Urbis Romae mit
dem Grundriss der Agrippathermen (Not. degli scavi 1900, 633 p Bull, comun.
1901, 3) gefunden. Lanciani (Storia degli scavi 2, 209) bringt jetzt den Nach-
weis, dass dies Stück bereits einmal im Jahre 1813 ausgegraben gewesen ist.
Die Herzogin von Devonshire, welcher bekanntlich die Aufdeckung der Basis
der Phokassäule verdankt wird, erzählt in einem Briefe an ihren Sohn (publ.
von Vere Foster, the two Duchesses, p. 424) nachdem sie zuerst ihrer Utile
excavation bei der Säule gedacht hat: uat the great excavation they found
a part of the plan of Rome which joins on to that which is preserved in
the Capitoline Museum; nothing can be greater than the interest which
this excites». Trotzdem verschwand das wertvolle Fragment durch Nachläs-
sigkeit eines unwissenden Arbeiters wieder für beinahe 90 Jahre — ein ku-
rioser Zug zur Charakterisierung früherer Forums- Ausgrabungen, welcher der
Vergessenheit entrissen zu werden verdiente !
Ueber Ausgrabungen in der Basilica 1553-54 findet sich einiges
(nichts Neues) zusammengestellt bei Lanciani Stör. d. scavi 2, 205 f.
Ostseite des Forums.
Ueber den Caesartempel berichten Vaglieri 81-83; Boni
Atti del Congresso storico 563-566; die Ausgrabungen sind in
den letzten zwei Jahren nicht erheblich weiter gekommen. Es mag
76 CH. HUELSEN
aber hier auf ein kleines aus Gallien stammendes und wahrschein-
lich auf den Tempel bezügliches Tonrelief hingewiesen werden,
von dem J. Dechelette in seinem grundlegenden Werk Les vases
ceramiques de la Gaule romaint zwei wenig von einander verschie-
dene Exemplare (II p. 288, n. 98, gefunden 1885 bei Lyon; ebda,
n. 98# ein Fragment aus Vienne, jetzt in Paris bei Fröhner) pu-
bliziert hat. Eine Vergleichung mit den Münzen des Hadrian,
welche die Rostra ad divi Juli darstellen (Richter Jahrb. des
Instituts 1889, 144) macht es wahrscheinlich, dass der Revers der
bekannten hadrianischen Bronze dafür in ähnlicher Weise zum
Fig. 25.
Vorbild gedient hat, wie der des Marcus mit Armenia für das
Medaillon n. 96 bei Dechelette. Dies ist freilich für die Datierung
dieser Klasse von Reliefs interessanter, als für die Rekonstruktion
des Tempels, da das Münzbild von dem Tonbildner offenbar in
manchen Details, z. B. den an der unteren Hälfte der Front ange-
brachten Schiffsschnäbeln, missverstanden worden ist.
Auf die Fundamente des A u g u s t u s b o g e n s hat man meh-
rere Stücke vom Sockel des Mittelpfeilers wieder aufgelegt (s. Va-
glieri S. 91). Ausgrabungen im Sommer 1904 haben gezeigt, dass
der Bogen direkt aufgesetzt ist auf das Pflaster einer republika-
nischen Strasse (h Abb. 26), welche, ziemlich genau in der Queraxe
des Caesartempels, von Norden nach Süden lief. Die Pflastersteine
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 77
aus Basalt und die Bordschwellen aus Tuff sind gut erhalten. Vor
der westlichen Front des Bogens (bei g Abb. 26) sind mehrere sog.
*poszi rituali* gefunden, deren Wände nicht aus Tuff-, sondern
aus Travertinplatten bestehen. Wenn irgendwo, so ist in diesen
Fällen die Bestimmung nicht zu ritualen, sondern zu praktischen
Zwecken, sowie die relativ späte Eutstehungszeit deutlich zu erken-
nen. — Oestlich vom Bogen, bis zur Regia und zum Vestatempel,
sind Reste von Privatbauten, Abzugskanäle aus Tuff u. dgl. aufge-
deckt, die ihrer Konstruktion nach in republikanische Zeit gehören.
Diese Ausgrabungen sind wieder zugeschüttet.
Ueber die Ausgrabungen ander Regia 1898-1902 berichten
Vaglieri 42-44 und Boni Atti 518-525, unter Beifügung zahlrei-
cher Abbildungen. Die neuen Ausgrabungen haben erkennen lassen,
dass die republikanische Sacra Via kurz vor ihrem Eintritt ins Forum
sich verbreiterte, vielleicht ein kleinen dreieckigen Platz bildete
(s. Abb. 26). Dass die Regia von dieser Seite einen Eingang hatte,
ist an sich sehr wahrscheinlich, auch von mir schon früher (s. den
Plan zu CIL. I2 Tf. I und a Abb. 26) vermutungsweise abgenommen.
Nur muss ich, wie bereits Arch. Anz. 1900, 8 und JB. 1902, 63,
entschieden in Abrede stellen, dass dieser Haupteingang gebildet
gewesen sei durch die Tür, deren Marmorschwelle jetzt noch erhalten
ist (c auf dem Plane JB. 1902 S. 63, s. auch Abb. 26) Denn die
südliche Mauer des Gebäudes ging, wie die Fundamente und das
charakteristische Stück vom Gebälk beweisen, noch über diesen
Punkt fort, und bog erst er. 5 m. weiter in stumpfem Winkel
um (Jahrbuch 1889, 242).
Auf der irrigen Annahme, die Tür c sei der Haupteingang
der Regia, basiert nun wesentlich der Versuch einer neuen An-
ordung der capitolinischen Fasten von G. Schön (der Anteil des
Domitius Calvinus an der Regia und an den kapitolinischen Fasten,
Wiener Studien XXIV, 324-335). Schön behauptet, rechts und
links neben der Tür c seien die beiden ersten Tafeln der Con-
sularliste, und zwar jede in einer aedicula (l), angebracht gewesen,
(!) u Trotz Hülsen ■ zweifelt Hr. Schön S. 333 nicht. « dass die erste
und zweite Tafel ebenso eingerahmt waren wie die dritte und vierte. Da-
durch setzt er sich nicht mit mir sondern direkt mit den Steinen in Wir
78 CH. HUELSEN ■
an der in rechten Winkel damit zusammenstossenden Nordwand
(bd Abb. 26), i an welcher die Triumphzüge vorbeigingen » die
anderen beiden Tafeln und die Triumphalliste. Die Frage ist im
Grunde von geringer Bedeutung: ohne also einer ausführlichen
Widerlegung der Schönschen Vermutungen viel Raum zu opfern,
beschränke ich mich darauf, festzustellen, dass sie ohne Kenntnis
der neuen Ausgrabungen (*), mit ungenügender Benutzung der
älteren Berichte (2) aufgestellt und in allem Wesentlichen verfehlt
sind. Auch das Argument, welchem Vf. einen besonderen Wert
beizulegen scheint, die Zusammengehörigkeit von Triumphalfasten
und Triumphalstrasse (3), ist hinfällig: die Wand bd an der er
derspruch. Sowohl das längst bekannte Fragment V, wie das neugefundene
auf die Jahre 422-424 bezügliche haben neben der rechten Seite der Schrift
einen unbeschriebenen Rand von 12cm. Breite. Neben der Tür c fänden
übrigens nicht einmal zwei Aediculae wie die um Tf. III. IV Platz, ge-
schweige denn zwei noch je 25cm. breitere.
(x) Die neuen Ausgrabungen kennt Schön nur aus dem ungenügenden
Referat in Richters Topographie : dass weder « an der Westecke des Regia
das Amtshaus der Kalatores Pontificum lag», noch an dieser Seite «die
Regia bis auf zwei Meter an das Heroon des Divus Julius herantrat » zeigt
jedem Sachverständigen der Augenschein.
(a) Dass die Berichte über den Fund der Fastenfragmente aus dem 16.
Jhdt. auf eine Stelle hindeuten, die nicht unmittelbar vor dem Faustinatempel,
sondern halbwegs zwischen diesem und dem Castortempel lagen, ist CIL. I2
p. 5 f. ausführlich auseinandergersetzt: und als Bestätigung kommt hinzu, dass
die nach dem Zeugnisse des Smetius, Manutius u. A. mit den Fasti zusammen
gefundenen Inschriften, wie wir jetzt noch deutlicher erkennen, alle besser an
die Süd- als an die Nordseite der Regia passen. Von Wichtigkeit ist hier na-
mentlich das Epistyl der Kalatores, von dem die eine Hälfte zusammen mit
den Fasti 1546, die andere 1899 an der Südwestecke der Regia vermauert ge-
funden ist.
(3) S. 333 versichert Hr. Schön: «in meiner Arbeit über das Trium-
phalverzeichnis habe ich mit möglichster Genauigkeit die Notizen über die
Bauten infolge von Triumphen gesammelt . . . Diese Bauten waren errichtet
einerseits vom Marsfelde an längs der Via Triumphalis, andrerseits an der
Via Appia bis zum Albanerberge ». Ein solcher lokaler Zusammenhang zwischen
Triumphalstrasse und Triumphalbauten wäre sehr interessant, wenn er sich
nachweisen Hesse; den Nachweis sucht man jedoch in der früheren Arbeit
des Vf. vergebens. Bauten von Triumphatoren sind in Wirklichkeit fast auf
allen sieben Hügeln errichtet worden, Aventin und Quirinal nicht ausgeschlos-
sen, die doch mit dem Triumphzuge nicht das Geringste zu thun haben.
AUSGRABUNGEN ALF DEM FORUM RGMANUM
79
Uoy^J — ÄTRIVM.
KM ■ •
(
/
D
Ü
D
_ G
OOOQQQQQODn
□T.CA5TORVM
D Jl
iniliml
ö^
jw ^-<y \?0
Fisr. 26.
y<?<?. //z.
80 CH. HUELSEN
die Triumphalfasten anbringen will, ist ja gar keine Aussenwand,
und eine dort angebrachte Inschrift von der Sacra Via aus keinesfalls
lesbar. Die im CIL. P gegebene Anordnung der Fasten ist immer
noch die einzige, welche sowohl den Fundberichten des 16. Jhdts.
wie der Tatsache Rechnung trägt, dass an der ganzen Regia nur
einmal zwei Aussenwände im rechten Winkel zusammenstossen,
nämlich eben an der Südwest-Ecke (e Abb. 26).
Drei neue Fragmente der Consular- und Triumphalfasten habe ich in
diesen Mitteilungen 1904, 117-123 veröffentlicht; s. auch Boni Notizie d. scavi
1904, 8-10; Gatti Bull, comun. 1904, 188 ff. Für das Bauliche ist nur das auf
die Jahre 434, 435 bezügliche grösste Stück von einigem Interesse: es bestä-
tigt, was vermutungsweise schon aus den kapitolinischen Fragmenten IX und X
erschlossen war, dass mit dem Jahre 436 d. St. eine Quader der [tabula se-
cunda begann (s. Beitr. zur AG. 2, 255). — Das zweite Stück ergänzt das fragm.
triumph. II (Triumphe des Tarquinius Priscus); das dritte ist ein unbedeu-
tender, bisher nicht sicher einzureihender Splitter.
Die neue Livius-Epitome aus Oxyrh\nchos (Grenfell-Hunt the Oxyrhyn-
chos Papyri vol. IV p. 99) enthält Z. 127-129 die Worte (aus dem Ende
des 50. Buches) : sacrarium [ . . . ~\us soci maximo ineendio . . . Wie Wissowa
und Kornemann (bei Grenfell p. 106) bemerken, ist dasselbe Factum bei
Obsequens 19 (78) z. J. 606/148 verzeichnet : vasto ineendio Romae cum regia
quoque ureretur, sacrarium et ex duabus altera laurus ex mediis ignibus
inviolata extiterunt. Das soci ist eine der zahllosen Korruptelen das Papyrus ;
es sollte wohl, wie die Hsg. bemerken, gesagt sein sacrarium et laurus
Opis. Vgl. auch Kornemann Beitr. zur AG. Beiheft II S. 25. 54.
Die Ausgrabung des Castortempels ist fortgesetzt und das
Fundament auf allen Seiten isoliert worden. An der Westseite, nach
dem Vicus Tuscus zu, ist die aus grossen sorgfältig behauenen
Tuffquadern zusammengesetzte platea zu Tage gekommen (1), auf
der sich die Fundamente der rechten Säulenhalle erhoben. An
der Rückseite sind die Fundamente bis in grosse Tiefe (er. 6m.)
hinab untersucht; an der Aussenseite des Gusswerks waren hier
noch an mehreren Stellen die Balken und Bretter der Schalung erhal-
ten, hinter der das Fundament gegossen war. Gleichfalls in bedeu-
tender Tiefe sind Reste von Mauern und Kanälen aus Tuff gefun-
den, die wohl noch der republikanischen Zeit angehören (Vaglieri
Bull, comun. 1902, 190. 1903, 165).
(*) In den Klammerlöchern dieser Blöcke sind einige kleine Münzen aus
dem 4. Jhdt. gefunden. Daraus zu schliessen (Vaglieri 165), dass schon in
constantinischer Zeit der Castortempel halb in Trümmern gelegen habe, ist
untunlich.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 81
Juturna-Heiligtum und Augustustempel.
Am Lac us Juturnae sind in den letzten zwei Jahren neue
Ausgrabungen nicht gemacht ; über die früheren berichten Boni Atti
del Congresso storico 530-539 und Vaglieri Bull, comun. 1903,
166-198, beide mit reichem Material an Abbildungen (*). Unter
den dort abgebildeten Fundstücken ist auch eine kleiner fein gear-
beiteter Fries mit Masken und Palmetten (Not. degli scavi 1901
p. 130, Fig. 122; Vaglieri p. 196, Fig. 102), den die Herausgeber
als « decorazione interna di uno dei locali del sacrario di Ju-
Fig. 27.
turaa » erklären. Allerdings sind zwölf Fragmente bei der Aus-
grabung des Lacus gefunden: aber auch an anderen Stellen des
Forums sind nicht wenige zu Tage gekommen. Bei den neuen Aus-
grabungen z. B. drei Stücke vor dem Templum Divi Romuli ; zwei
in den östlichsten Tabernen der Basilica Aemilia ; drei in christli-
chen Gräbern zwischen dem Lacus und S. Maria Antiqua. Es ist
ferner den Herausgebern nicht entgangen, dass zwei ganz entspre-
chende Stücke eingemauert sind in S. Giorgio in Velabro und
S. Maria in Trastevere (Boni Not. 1901, 128). Aber damit ist die
Zahl der bekannten Stücke noch nicht erschöpft : zwei Fragmente
(0,55 m. und 0,75 m. lang) befinden sich im lateranischen Museum
(*) Die neuen Ausgrabungen werden zum Ausgangspunkte genommen auch
in G. Bonis Aufsatze Quadrantal (Nuova Antologia, 16. August 1902). Auf
die weitausgreifenden Hypothesen desselben kann hier nicht eingegangen wer-
den : die Behauptung, das am Lacus Juturnae sich das CentrabAichungsamt
von Rom befunden und dass das Wasser des Juturna-Brunnens als Norm für
römisches Gewicht, Münze und Mass gedient hätte, ist unhaltbar. Schon die
feststehende Bezeichnung des Normallängenmasses als pes monetalis spricht
dagegen.
6
82 CH. HUELSEN
(Benndorf-Schöne n. 67 a. 67£); eines in Conservatorenpalast, eines
im kapitolinischen Tabularium ; eins (1. 0,30) im Treppenhause des
Palazzo Corsetti in Via Monserrato ; eins (vielleicht das in S. Giorgio
in Velabro), ist gezeichnet von Baldassarre Peruzzi in seinem Siene-
ser Skizzenbuche (J). Die jetzt beim Lacus vereinigten Stücke haben
eine Länge von beinahe 15, alle zusammen eine solche von fast 20 m.
Dass sie nicht sämtlich in gerader Linie standen, ergiebt sich daraus,
dass mehrere Stücke auf Gehrung geschnitten sind (die Schrägflä-
chen von der Vorderseite des Reliefs zurücktretend) ; in eine Mauer
als Wandfries waren sie schwerlich eingelassen, da viele Fragmente
auf der oberen Kante sorgfältig gebohrte runde Löcher, wie für
Metallstifte, haben. Ob der ganze Fries überhaupt in einem der
Räume am Lacus (die alle ziemlich klein sind) Platz findet, ist
mir zweifelhaft.
Ueber das Templum DiviAugusti handeln Vaglieri Bull,
comun. 1903, 230-236; Boni Atti del Congresso storico 530-539.
Ohne auf einzelne kleine Meinungsverschiedenheiten einzugehen,
möchte ich hier nur ein Wort einfügen über die auf den Tempel
bezüglichen Münzen aus dem zweiten Jhdt.
Keinem Zweifel unterworfen sein konnte die Erklärung der
Münzen des Antoninus Pius mit templum divi Aug(usti) rest(i-
tutum), von denen es zahlreiche Exemplare in Gold, Silber und
Bronze giebt (Cohen 2 Antonin n. 797-810); diese sind, wie die
Ziffer der tribunicia potestas XXI. XXII. XXIII beweist, zwi-
schen 158 und 160 geschlagen. Sie zeigen den Tempel mit acht
Säulen in der Front, vor den äussersten beiden Säulen Statuen auf
Postamenten, im Inneren der Cella, auf hohem Piedestal, zwei sit-
zende Cultbilder. Einen bis ins Detail völlig ähnlichen Tempel
stellt nun eine zweite Grossbronze des Pius (Cohen 2 Antonin
n. 618) dar, welche die Aufschrift PIETAS • TR • POT - XIIII •
COS • III S • C • trägt, also i. J. 151 geschlagen ist. Eckhel (D.N. VII
(x) Dass der Fries bereits in der Ptenaissancezeit bekannt und geschätzt
gewesen sein muss, haben auch Benndorf und Schoene bemerkt, die darauf
hinweisen, dass er in den Stuccaturen der Decken einer der letzten Abteilun-
gen von Raffaels Loggien kopiert ist. Auch in dem Eckzimmer des ersten
Stockwerkes des Conservatorenpalastes (früher Sola della Lupa) ist im 17.
Jhdt. derselbe Fries in Stuck nachgebildet.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 83
p. 22) hat die letztere Münze auf das Hadrianeum bezogen und
H. Lucas ist ihm in seiner tüchtigen Arbeit Zur Geschichte der
Neptunsbasilica (Progr. des Kaiser- Wilhelm-Realgymnasiums zu
Berlin 1904; auf S. 25 eine gute Abbildung der Münze nach einem
Pariser Exemplar) darin gefolgt. Gegen die Erklärung spricht schon
die vollständige Uebereinstimmung der beiden Tempelabbildungen :
und es handelt sich hier nicht um kleine schematische Darstel-
lungen von Tempelfronten, sondern um sehr detaillierte Bilder; auch
ist dieser achtsäulige Prostylos der einzige Tempel, der überhaupt
auf Münzen des Pius vorkommt, abgesehen von dem kleinen runden
Bacchusheiligtume, über welches vgl. JB. 1902, 96. Ferner ist es,
bei der stets gepriesenen Pietät des Antoninus gegen seinen Vor-
gänger, nicht gerade wahrscheinlich, dass er den Tempel für Hadrian
erst in seinem vierzehnten Regierungsjahre geweiht habe. Wi-
derlegt aber wird Eckhels Annahme durch eine Notiz über die
Weihung des Hadrianeums in der Vita Veri. Es heisst dort c. 8,
1 : qua die togam virilem Verus accepit, Antoninus Pius ea oc-
casionej qua patris templum dedicabat, populo Überaus fuü.
Der am 15. Dezember 130 geborene Verus erhielt die toga virilis
im Jahre 145; auf die Liberalitas beziehen sich die Münzen Cohen
490-501 (vgl. Prosopogr. I p. 329). Der Hadrianstempel war also
schon sechs Jahre fertig als die Bronze mit Pietas geschlagen wurde :
diese bezieht sich somit wahrscheinlich auf den von Pius i. J. 151
gefassten Beschluss, das Templum Divi Augusti zu erneuern. Dass
es sich bei dieser Restauration, welche etwa sieben Jahre Bauzeit
in Anspruch nahm, nicht um einen Neubau der Mauern, sondern
um eine Wiederherstellung der Dekoration handelt, zeigen die
Münzbilder wie die erhaltenen Reste (*).
(') Den erhaltenen Bau will Vaglieri, Boni folgend, für hadrianisch
halten sia per il interna della costruzione, sia per i bolli, tra cid dobbiamo
servirci per la cronologia dei piü recenti: e appunto al suo regno che essi,
specialmente quellt che, secondo il Boni, si trovano nella strutlura. Ich muss
demgegenüber wiederholen, dass es mir ebensowenig wie Dressel gelungen
ist, in den Mauern in opera andere Ziegel als solche aus dem Ende des er-
sten Jhdts. zu finden. Ein Exemplar von CIL. 15, 1097 Cn. Domiti Amandi
val. qui fec, sicher im ursprünglichen Teile der Mauer (im r. Seitenschiff
von S. Maria Antiqua, etwa über der Nische mit den ' tre Madonne ') wies
mir Hr. W. v. Grüneisen nach. Die zahlreichen hadrianischen Ziegel stammen
fast alle nachweislich aus Pavimenten u. dgl.
84 CH. HUELSEN
An der Südseite der Tempelcella sind die Ausgrabungen fort-
gesetzt und bis in die Nähe von S. Teodoro geführt worden. Die
dort zu Tage gekommenen Reste gehören einem grossen einheit-
lichen Bau an : es sind quadratische oder rechteckige Räume mit
Wänden aus braunen Tuffquadern und Tonnengewölben, die sich
um einen grossen trapezförmigen Hof gruppieren; nach der Pa-
latinseite zu sind Reste eines oberen Stockwerks aus Ziegelwerk
erhalten. Die Richtung der östlichen Wand folgt dem Clivus
Victoriae, die der westlichen, wie es scheint, dem Vicus Tuscus.
Dass die Räume weder zu Wohn- noch zu Kultzwecken gedient
haben, ist klar: der Grundriss stimmt vielmehr zu den auf der
Forma Urbis häufig dargestellten horrea. Solche erscheinen auch
auf dem bekannten Fragment 87 -j- 37 Jord. neben dem Clivus
Victoriae, und in derselben Gegend nennt die Notitia die horrea
Germaniciana et Agrippiana. Die Vermutung liegt nahe, dass die
neu ausgegrabenen Reste zu diesen Anlagen in Beziehung stehen.
S. Maria Antiqua.
Die Publikation der Fresken von S. Maria Antiqua hat der hervor-
ragendste Kenner der altchristlichen Malerei Roms, Mgr. G. Wilpert, über-
nommen und die Vorbereitungen zu einem Werke, welches sich den « Ka-
takombengeniälden » desselben Verfassers würdig anreihen wird, sind schon
ziemlich weit gediehen. Da jedoch bis zum Erscheinen des Buches ohne
Zweifel noch einige Zeit vergehen, und auch später das Prachtwerk schwer-
lich allen deutschen Forschern zugänglich sein wird, halte ich es nicht für
überflüssig, hier ein kurzgefasstes Inventar der figürlichen Fresken, mit Hin-
weis auf die bereits an verschiedenen Stellen publizierten Stücke, nament-
lich aber auf die im photographischen Kabinett des Unterrichtsministeriums
unter Leitung des Hr. Dr. G. Gargiolli hergestellten käuflichen Photogra-
phieen (1), zu geben.
(') Ich benutze die Gelegenheit, um auf den reichhaltigen Katalog die-
ser Photographien hinzuweisen, den das Ministerium i. J. 1904 veröffent-
licht hat (259 SS. qu. 4°): er enthält er. 3000 Blätter nach Monumenten
aus Rom und dem übrigen Königreich, namentlich antike und mittelalterliche
Architektur, aber auch Plastik, Malerei, Codices mit Miniaturen. Die Formate
sind: A 40X50, B 30X40, C 24x30, D 21x27, E 18X24, F 13X18 cm. Die
Preise variieren von 0,35 bis zu er. 3 Lire pro Blatt. Bestellungen sind an
das Gabinetto Fotografico, Via in Miranda 1 zu richten.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 85
Unter den litterarischen Behandlungen der Fresken ist vor Allem zu
nennen die gründliche und gelehrte Arbeit von G. Mc. N. Rushforth (The
church of S. Maria Antiqua, Papers of the British School at Rome, vol. I,
1902, Ui 1-123: kurz erwähnt schon JBa 83 f.), dessen Nummern im folgen-
den und auf dem Plane Abb. 28 durchweg zitiert sind. Die treffliche Arbeit ist
leider, ohne Schuld des Verfassers, ohne alle Reproductionen nach den Bildern
selbst: hier treten ergänzend ein der ausführliche Bericht Vaglieris, bull,
comun. 1903, 199-230 sowie die auf S. Maria Antiqua bezüglichen Abschnitte
in Venturis Storia delVarte italiana (Bd. II S. 257 ff. 377 ff). Auch P. Grisar
hat seine sachkundige Berichterstattung in. der Civiltä Cattolica fortgesetzt
(qu. 1254. p. 717-729. qu. 1258 p. 463 ff.); von minderem Belang sind die
Referate Gerspach's (in der Zeitschrift Arte e Storia, Firenze 1902, n. 1-8).
Manche andere Artikel in populären Zeitschriften brauchen hier nicht ver-
zeichnet zu werden.
Was die Entstehungszeit der Fresken betrifft, so ist schon im vorigen
Berichte hervorgehoben, dass einige Bilder absolut sicher datiert sind durch
die darauf mit quadratischem blauem Nimbus, also als lebend, abgebildeten
Päpste. Demnach gehören in die Regierungszeit Hadrians I (772-793) die Ma-
lereien an der rechten Wand des Vorhofes (wo auch ein Graffit aus den 790er
Jahren, s. u. S. 88) ; in die Zeit Pauls I (757-767) die Apsisbilder des Presbyte-
riums ; in die des Zacharias (741-752) die Fresken der Kreuzigungskapelle. Dazu
kommt jetzt der wichtige von Prof. Brightmän in Oxford (bei Rushforth S. 72)
gegebene Nachweis, dass die langen Citate auf den Scliriftrollen der Kirchen-
väter in der zweiten Schicht der Presbyteriumsfresken sämtlich in den Akten
des lateranischen Concils von 649 wiederkehren, wo Papst Martin I die Lehre
der Monotheleten verwarf: demnach ist diese Schicht jünger, aber wahrschein-
lich nicht viel jünger als die Mitte des siebenten Jhdts. Die dritte Schicht,
welche jünger als diese, aber älter als die Apsisfresken Pauls 1 ist, schreibt
Rushforth Johann VII zu, dessen Tätigkeit für die malerische Ausschmü-
ckung der Kirche im Liber Pontificalis ausdrücklich hervorgehoben wird.
Ebenfalls zu den Arbeiten Johanns VIF rechnet Rushforth die Malereien an
den Schranken des Presbyteriums und der Schola cantorum. Die unterste,
älteste Schicht im_Presbyterium datiert Rushforth ins sechste Jhdt. ; Wilpert
ist sogar geneigt, hoch etwas höher hinauf zugehen. Auf die Diskussion der
stark abweichenden Ansätze Venturis, der die unterste Schicht mit der Ma-
donna in die Zeit Johanns VII, die zweite mit dem schönen weiblichen Kopf
um das Jahr 1000, die übrigen Malereien im Presbyterium (Apostelköpfe
und neutestamentliche Bilder an den Seitenwänden, Kreuzigung in der Lü-
nette) dem 11-12. Jhdt. zuschreibt, kann hier nicht eingegangen werden.
Kapelle der vierzig Maertyrer (JB. 1902, S. 82; JB. 2 S. 83).
Am Pfeiler der Eingangswand: S. Leo mit Schriftrolle, auf der ein
langes Citat, wie in der Kirche aus dem « Tomus « c. 4 (s.u.) (Rushforth
p. 110 ir. 88) Daneben mehrere Medaillons mit Köpfen von Heiligen, In-
schrift nur erhalten bei 6 äyioq Ev&vptog. An der Wand daneben Höllenfahrt
Christi (?), sehr zerstört. R. p. 110 n. 89.
86 CH. HUELSEN
Inneres ; Eingangswand zur linken (zur rechten alles zerstört): Madonna,
der ein Heiliger einen Papst mit quadratischem Nimbus vorstellt ; sehr frag-
mentarisch. R. p. 110 n. 90.
Apsis: Martyrium der Vierzig, die in einem eiskalten Teiche erfrieren.
Von den beigeschriebenen Namen leserlich Kvgltov, [_'E]xdlxios, Zev[r}Qictv6g~],
&ik[6&eog] ["Jy~]ysog. R. p. 112 n. 93; Venturi 2 p. 251, der das Apsisfresko
dem sechsten Jhdt., die Seitenwände späterer Zeit zuschreiben will.
Rückwand neben der Apsis, links : zwei (ursprünglich drei) grosse latei-
nische Kreuze, mit Medaillons (Christuskopf, Madonna) in der Mitte; darun-
ter Lämmer und Pfauen. R. p. 111 n. 92. Rechts schwache Spuren, Madonna (?)
und Heilige. R. p. 112 n. 94.
Rechte Seitenwand : Scenen vielleicht aus dem Leben Antonius des Ere-
miten. R. p. 113 n. 95-98.
Vorhof von S. Maria Antiqua.
Eingangswand, links von der Tür: S. Agnes {vAyvr}), S. Caecilia
(Ktixrjktfa) und eine dritte zerstörte Figur, vielleicht Anastasia. R. p. 94 n. 69 ;
Venturi 382. Rechts von der Tür drei männliche Heilige, Beischriften
zerstört. R. p. 94 n. 68.
RechteSeitenwand (s. JB2. 84) : Papst Hadrian überreicht der Ma-
donna ein Buch. R. p. 102 n. 84; daneben S. Silvester u. a. Heilige (Sergius
und Bacchus?) Photogr. Gargiolli E, 241. 243. 244.
Daneben: thronender Christus (R. p. 101 n. 83), Antonius der Einsied-
ler und Maria Aegyptiaca (?) R. p. 101 n.83. Photogr. Gargiolli E, 243.
Die von De Rossi 1885 beschriebenen Fresken in der mittelalterlichen
Tür zwischen Vorhof und Augustustempel sind fast zerstört. R. p. 100 n. 81.
In der Südecke des Hofes: Heilige ganzer Figur, Name zerstört, von
der Widmungsinschrift erhalten [JmsQ] d(peo[e\a)g «(a«(>rföv rf)g JoiXijs afjg.
R. p. 100 n. 80.
Linke Seitenwand. In der in später Zeit zu einer Art Apsis, viel-
leicht für einen Altar, erweiterten Mittelnische, an der rechten Innenwand
Geschichten Antonius des Eremiten. Diese Bilder, deren Niveau höher ist
als das der übrigen, vielleicht sehr jung: E. p. 95 n. 70. Ansprechend ist
die Vermutung, dass diese Kapelle des hl. Antonius identisch sei mit der
rätselhaften ecclesia S. Antonii, die in den Mirabilien c. 24 in Verbindung
mit dem palatium Catilinae und dem locus qui dicitur infernus genannt wird.
Rechts und links davon ältere Medaillons von Päpsten u. a., sehr zerstört.
Inschrift mit schwarzen Buchstaben auf weissem Grunde:
[Dicata sancto] tuo nomine Christe [föde]l(es)
Istoria gaudent; [noscas] qui pingere fecit
Ego Leo [dedi pictujras Christi sacerdos et monachus.
R. p. 97 n. 74.
In der Südecke: Kolossalkopf des hl. Abbakyros, mit ärztlichen Emble-
men (spatula und Arzeneibüchse). R. p. 98 n. 76. Photogr. Gargiolli E, 240 ;
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
87
88 CH. HUELSEN
241. Oberhalb der Nische Christus mit Abbakyros und Johannes. Inschrift..
[Aibd]curus et Johs. [. . . ping]ere rog\_a]vit . . .
Wand gegenüber dem Eingange: links alles zerstört, r. auf dem Kalk
Graffitto : heXeib&t] $v x(vql)(o e(ra), %*' Das Jahr der Welt 6300 ist
nach der Aera von Constantinopel = 792 n. Chr.; da die Schrift rechts un-
vollständig ist, lässt sich das Jahr nicht genau bestimmen, doch kommen
wir wohl in Hadrians I. Regierungszeit. R. p. 99 n. 78.
Basilica S. Maria Antiqua.
Hauptschiff, am ersten Pfeiler rechts: Kopf der Madonna, darunter
Daniel mit Löwen Photogr. Gargiolli E, 244; R. p. 87 n. 61.
An den Schranken der schola cantorum im Inneren : Unterteil eines
Reiters, sehr frisch erhalten. R. p. 88 n. 62 ; Photogr. Gargiolli E, 245.
Am zweiten Pfeiler rechts: schöne fast lebensgrosse Figur der hl. Solo-
mone mit ihren sieben Söhnen (2. Makk. 6). R. p. 85 n. 59 ; Photogr. Gar-
giolli E, 221 ; Vaglieri p. 209 fig. 108 ; Venturi p. 380. Darüber Christus
thronend zwischen Engeln.
Am zweiten Pfeiler links : zwei Schichten übereinander, in beiden Ver-
kündigung. R. p. 83 n. 57. Daneben Einzelfigur des hl. Demetrius.
Schranken des Presbyteriums, Aussenseite : Judith mit dem Haupte des
Holofernes kehrt nach dem belagerten Bethulia zurück. R. p. 86 n. 60.
Rechtes Seitenschiff. In einer kleinen Nische: Maria mit dem
Jesuskinde, Anna mit der kleinen Maria und Elisabeth mit Johannes dem
Täufer. R. p. 82 n. 56; Photogr. Gargiolli E, 242. Vgl. JB2 85.
Obere Wandhälfte, fast ganz zerstört: Geschichten des neuen Testaments :
Tempelgang Marias (?) Geburt Christi, Anbetung der Magier. R. p. 81 n. 55.
Linkes Seitenschiff (s. das Schema S. 89).
Untere Hälfte : in der Mitte Christus mit elf lateinischen Heiligen zur
Rechten, neun griechischen zur Linken (vgl. JB.2 S. 85) R. p. 29-36 n. 14-34 ;
Photogr. Gargiolli E, 222-228. 238-239. - Zwei ähnliche Figuren, sehr zer-
stört, nur die Beischrift zu einer ö äyiog Mcc[fj,~\äg noch lesbar, links von
der Tür zur Rampe nach dem Palatin. R. p. 29 n. 13.
Obere Hälfte : Geschichten des alten Testaments in zwei Reihen überein-
ander, beginnend mit der Schöpfung bis zu den Erzvätern. Am besten er-
halten die Geschichte des Joseph, aus der publiziert Vaglieri* p. 210-213
fig. 109. 110. 111. Photogr. Gargiolli E, 199. 214. (10) 220. 234. R.p. 25 n. 1-12.
Vorraum der Kreuzigungskapelle: rechts unten, neben den
grossen Heiligen, zwei nackte männliche Figuren (JB.2 85 falsch als Adam
und Eva bezeichnet), vielleicht Fragment einer Darstellung der vierzig Mär-
tyrer. R. p. 38 n. 37. Darunter die Inschrift; fj yqacff} rf)g etxövog aha...
Am Pfeiler nach dem Hauptschiff zu: Christus zwischen Heiligen. R.
p. 84 n. 58.
Gegenüber, am Pfeiler nach dem Presbyterium : die drei Männer im
feurigen Ofen. R. p. 85 n. 58 a.
Presbyterium. Schranken, Innenseite links : der kranke Hiskias ; Go-
liath und David. Photogr. Gargiolli E, 245, danach publiziert in meinem Forum
Romanum S. 145 Abb. 72. Vgl. Vaglieri 208; Venturi 380.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
89
§ -ix
-2 =.2
1 na a « s
■E 5 c * o 5 , 3
"5 RääS.S 2 3
! cd cd cd cd cd cd tu
i N n so so eo sc so
= § res = s s « 0 2 1
cd cd cd cd cd cd cd cd cd cd cd cd
ji
-
ot>
■
So
I
•
1
©
<
TT -
© .^
^ ex
X 3
•q £ ° © s 5)
6
o 1
= -
_ 9
f.!
JJ
^K
H^s*ooi»»a>
90 CH. HUELSEN
Rückwand (s. Schema S. 91 ) Lünette über der Apsis: der Crucifixus
angebetet von Engeln, darunter lange griechische Inschrift (vgl. JB.2 82). R.
p. 59 n. 49. Photogr. Gargiolli E, 183. 185. Die ganze Wand ebda. A, 1. 2.
Unterhalb: vier Halbfiguren von Päpsten, einer mit blauem quadrati-
schem, drei mit gelbem Nimbus. Einem der letzteren ist beigeschrieben Scs.
Martinus p(a)p(a) Romanus. Nach Photogr. Gargiolli publiziert von Venturi
p. 385 fig. 272. Vgl. Rushforth p. 62.
Darunter, rechts von der Apsis: drei Schichten übereinander (der sog.
« Palimpsest *), nach Photogr. Gargiolli E, 216 reproduzirt auf Tf. IV. Vgl.
Vaglieri 223 fig. 113; Hülsen Forum Roman um p. 146 Abb. 73; Venturi
p. 283 n. 271. — Unterste, vor dem Einbrechen der Apsis gemalte Schicht:
Madonna auf dem Throne, von Engeln angebetet. R. p. 67 n. 51. Zweite
Schicht: Verkündigung, erhalten 1. Kopf der Madonna, r. Engelskopf von
hervorragender Schönheit. Nach Photogr. Gargiolli abgebildet bei Venturi
p. 381 fig. 270. — Dritte Schicht: S. Gregor von Nazianz, S. Basilius in
fast lebensgrossen Figuren. R. p. 62. Von der entsprechunden Schicht links
der Apsis (51a S. 91) ist nur ein Nimbus mit dem Namen S. Augus[t\in\u]s
erhalten.
Unterster Wandteil: erhalten nur die zweite Schicht, zwei Kirchenväter
in dreiviertel Lebensgrösse mit Schriftrollen in den Händen: S. Basilius mit
Citat aus dem Tractat de spiritu sancto § 12; S. Johannes Chrysostomus
mit Citat aus dem sermo in Thomam apostolum, R. p. 71. 72.
Links von der Apsis sind die Fresken am oberen Teil der Wand fast
zerstört ; erhalten die dem untersten Wandteile rechts entsprechenden: S.Leo
mit Citat aus dem tomus c. 4; S. Gregor von Nazianz mit Citat aus
erat. XXX c. 12. R. p. 69. 70.
Ebda, in der dritten obersten Schicht: Reste der Dedikationinschrift
scae. d(e)i genetrici semperque virgini Mariae ... (Facsimile bei Grisar, Ci-
viltä cattolica 1901 p. 225) R. p. 66.
Apsis: stehender Christus zwischen zwei Tetramorphen, von Papst
Paul I angebetet. R. p. 73; Vaglieri p. 219; Venturi 256; Photogr. Gargiolli
E 219. Publiziert nach Zeichnung (ungenau und stillos) von Wüscher-Becchi,
Zeitschrift für christliche Kunst 1904 n. 10.
Die Seitenwände haben in ihrer oberen Hälfte einen zusammenhängenden
Cyklus von Bildern aus dem NT. in zwei Reihen übereinander. Die Erzäh-
lung begann an der linken Wand, dem Eingange zunächst. Die ersten vier
oder fünf Bilder sind zerstört, erhalten in der r. Ecke: Anbetung der Magier.
R. p. 55 n. 43. Photogr. Gargiolli E, 196; Venturi p. 387 fig. 273. In der
-oberen Reihe der rechten Wand folgen : Darstellung im Tempel, Flucht nach
Aegypten (R. p. 55 n. 44); dann fehlen wieder je 4-5 Bilder in dieser Reihe
und in der unteren Reihe der linken Wand. In letzterer erhalten : die beiden
letzten Bilder Christus vor Pilatus (x) und Kreuztragung R. p. 56 n. 45;
(') Die Deutung dieses von Rushforth nicht erwährten Bildes danke ich
Hrn. W. von Grüneisen, von dem bald eine ausführliche, die Stellung der
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
91
ii igsi
S<! g | «.2
SP«* *• g>
•* ■* <o so O «o 2
s
B > 3
ffi©OS<1Hi-(HN
e B « «
eo in »o oo
92
CH. HUELSEN
Photogr. Gargiolli E, 229. vgl. Vaglieri 221 ; Venturi p. 379. Die Kreuzigung
selbst bildete das Motiv der Darstellung in der Lünette der Rückwand: in
der unteren Reihe links folgen, nach einem zerstörten Bilde (Auferstehung?):
Fig. 29.
Unglaube des Thomas (R. p. 56 n. 46), Erscheinung am See Tiberias (R.
n. 47); Verleihung der Schlüssel an Petrus, Erscheinung in Galiläa, letztere
beiden sehr zerstört.
Fresken in der römisch-byzantinischen Kunst beleuchtende Arbeit {Sainte
Marie Antique, etudes comparatives) zu erwarten ist.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
93
In der unteren Hälfte der Wand ; Streifen mit Apostelköpfen auf gelbem
Grunde : links Bartholomaeus, Johannes, Andreas, Paulus, namentlich die drei
letzten relativ sehr gut erhalten, rechts fünf Köpfe ohne Namen. R. p. 57;
Photogr. Gargiolli 257. 258. 259. 266.
Fig. 30.
Auf dem untersten Teile der Wand, dessen Dekoration aufgespante
Teppiche nachahmt, neben der Tür in der rechten Seitenwand: schöne Einzel-
figur einer Heiligen mit Kind (ohne Nimbus) auf dem Arme, von der Bei-
schrift nur erhalten f} äyltt. . . (nicht Anna) R. p. 58 n. 47. An der 1. WTand:
Reste einer Madonna mit Kind. R. p. 59 n. 48.
94 CH. HUELSEN
Seitenkapelle links (s. JB2 86 f.).
Rückwand: Kreuzigung. R. p. 40 n. 36; Photogr. Gargiolli C. 140, da-
nach Vaglieri p. 215 fig. 112; Venturi p. 215 fig. 178; Huelsen Forum Ro-
manum S. 148 Abb. 79. Darunter : Madonna mit Petrus und Paulus, Quiricus
und Julitta; an den Enden Papst Zacharias und Theodotus R. p. 42 n. 39;
Photographie Gargiolli B, 1 (rechte Hälfte) und B, 4 (linke Hälfte), daraus
hier Figuren des Papstes und des Stifters Abb. 29. 30; Vaglieri 216; Ven-
turi 254.
Linke und hintere Hälfte der rechten Seitenwand: Geschichte des Quiri-
cus und der Julitta in acht Bildern (s. JB2 87). R. p. 45-50 n. 40 ; Vaglieri
und Venturi a. a. O.
Rechte Wand, vordere Hälfte: Familie des Theodotus anbetend vor der
Madonna (?). R. p. 50 n. 41.
Eingangswand, r. der Tür: Theodotus (?) knieend vor Quiricus und Ju-
litta. R. p. 52 n. 42. Links: Vier Heilige, einer bezeichnet als SCS. AR-
MENTIS E. Rushforth p. 53 n. 43.
Seitenkapelle rechts.
Eingangswand zur r. der Tür: Hl. Celsus, Johannes und Abbakyros ;
vier andere Figuren bis auf geringe Reste zerstört. R. p. 78 n. 53.
Rechte Seitenwand: ganze Figur eines Heiligen, Beischrift zerstört, hl.
Pantaleo (TlavTElerj^üiv), Heiliger ohne Namen, hl. Dometius und Barachisius.
R. p. 77 n. 53.
Rückwand : in einer später eingebrochenen Nische fünf Heilige : in der
Mitte Stephanus, r. Abbakyros und Kosmas, 1. Prokopius und Damianus
R. p. 79. 80 n. 54.
Vestatempel und Vestalenhaus.
Ueber die Ausgrabungen bis 1902 berichten Vaglieri 55-80
und Boni Atti del Congresso Storico 525-530. Seitdem sind die
Nachforschungen im grossen Hofe, namentlich in der westlichen
Hälfte (s. JB2 91) fortgesetzt. Die wahrscheinlich zum republi-
kanischen Atrium gehörigen Reste liegen etwa 1,20 m. unter dem
Niveau der Kaiserzeit, ihre Orientierung stimmt mit der « alten
Regia » . Die Pavimente bestehen meist aus kleinen Stücken weissen
Kalksteins, zwischen denen hier und da bunte Marmorbrocken
eingelegt sind. Andere Mauerreste sind in der östlichen Hälfte des
Hofes, zwischen dem grossen Achteck und der quadratischen Gü-
stern*, konstatiert worden. Da eine zusammenfasende Untersuchung
über das Vestalenhaus und seine Baugeschichte von einem Mit-
gliede der American School, Miss E. Van Deman, baldigst zu er-
warten ist, verspare ich die genauere Erörterung für den nächsten
Bericht.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 95
Die archaische Nekropole.
Die Freilegimg des archaischen Grabfeldes an der Sacra Via,
östlich vom Faustinentempel, über deren erste Anfänge im JB.
1902, 92-94 (einige Zusätze JB2 94-96) berichtet werden konnte,
bildet das Hauptergebnis der letzten Jahre. Leider' ist die Veröf-
fentlichung der Funde hinter diesen selbst weit zurückgeblieben :
die drei offiziellen Kapporte, welche wir bis jetzt erhalten haben
(Not. degli scavi 1902, 96-111. 1903, 123-170. 375-427) ent-
halten die Beschreibung nicht einmal des dritten Teiles der Gräber.
Geht die Veröffentlichung in den Notizie in gleicher Ausführlichkeit
und in gleichem Tempo weiter, so werden noch Jahre vergehen,
ehe auch nur die bis 1904 gefundenen Gräber (und die Erforschung
der Nekropole ist noch keinesweges abgeschlossen) bekannt gemacht
sind, kui den offiziellen Rapporten beruht aber Alles, was sonst
über die Nekropole veröffentlicht ist (*).
Obwohl infolge dieser Sachlage mein diesmaliger Bericht un-
vollständiger ausfällt als ich wünschte, hoffe ich doch, dass die
im folgenden gegebene Zusammenstellung den deutschen Fachge-
nossen, welchen die Notizie degli scavi nicht zur Hand sind, von
einigem Nutzen sein wird. Der Plan Abb. 31 beruht, mit einigen
Ergänzungen, auf dem in den Not. degli scavi 1902 S. 125; die
Ansicht des Grabfeldes aus der Vogelperspektive (vom Gesims des
Faustinatempels aus aufgenommen), giebt den Zustand der Aus-
grabung im Frühjahr 1903, s. Not. 1903 p. 377 und Atti del
Congresso storico p. 500. Die Originalphotographie ist von Hrn.
Boni gütigst mitgeteilt. Fiir vielfache Belehrung über die kerami-
(J) Dazu gehören sowohl Bonis eigene Veröffentlichungen (in den Atti
del Congresso storico 499-51-4; ferner zwei populäre Aufsätze : Dalle origini,
Nuova Antologia, 16. Juni 1903, und Bimbi romulei, ebda. 16. Febr. 1904)
wie diejenigen Vaglieris (bull, comun. 1902, 186-189. 1903, 38-42. 252-272)
und Pinzas (bull, comun. 1902, 37.55). Auch das illustrative Material ist in
allen dreien identisch, am reichsten natürlich in den Notizie, die deshalb im
folgenden allein citiert sind. Die Artikel des P. de Cara in der Civiltä Cat-
tolica (qu. 1261, 61-73. 1263, 290. 1266, 673-683. 1269, 275) brauchen wir
hier nicht zu berücksichtigen, ebensowenig die zahlreichen gelegentlichen
Mitteilungen in illustrierten und nicht illustrierten populären Zeitschriften.
96
CH. HUELSEN
o
o
Fig. 31.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
97
Fig. 32.
98 CH. HUELSEN
sehen Funde bin ich meinem Collegen G. Körte, der die im Fo-
rums-Magazin aufbewahrten Stücke mit mir einer eingehenden Prü-
fung unterworfen hat, dankbar.
Der vorige Bericht meldete die Auffindung von vier resp.
fünf Gräbern; jetzt sind etwa 40 ausgegraben. Sie liegen meist
in 10-11 m. Meereshöhe also 3-5 m. unter dem Pflaster der kai-
serlichen Sacra Via. Es sind teils Brand-, teils Bestattungsgräber:
unter den 24, über welche wenigstens vorläufige Notizen veröf-
fentlicht sind, zählen wir 11 Brandgräber, 2 Bestattungsgräber
für Erwachsene, 9 für Kinder. Da bekanntlich für Kinder auch
in Epochen, in denen sonst das Verbrennen herrscht, die Bestat-
tung gebräuchlich bleibt, so kann man sagen, dass die Nekropole
überwiegend der Periode der Leichenverbrennung angehört. Dass
die Bestattungsgräber jünger sind als die Brandgräber wird be-
sonders deutlich an Fällen, wo ein (rundes) Grabe der ersten Art
durchschnitten wird von einem (länglichen) der zweiten (s. Abb. 37).
Eine Sonderstellung nehmen die zwei Kindergräber E und F
ein. Sie finden sich in einer Schicht, die er. 2 m. über dem Niveau
des übrigen Grabfeldes liegt, und von diesem auch durch die Spu-
ren eines Paviments aus Tuff- und Kieselschotter gretrennt wird.
Boni schreibt diese Reste einer abitazione primitiva zu, doch ist
die Deutung der sehr spärlichen Reste nicht zweifellos (*). Die
Gräber selbst, ärmlich und ohne alle Beigaben, sind, abweichend
von allen anderen konstruiert, und die Verwendung von Dachziegeln
deutet auf Entstehung in späterer Zeit. Die Ansicht Bonis, dass
es sich hier um Begräbnisse innerhalb der Wohnungen (suggrun-
(!) Am Südrande der Ausgrabung ist ein sehr alter Brunnen (VII) mit
tönernem Puteal {formato dalla parte superiore di un grande dolio a
quattro anse ad oreebhia... solcato verticalmente neWinlerno dal fruscio delle
corde usate per attingere Vacqua) gefunden, und um denselben herum ein mit
Kieselschotter und Tuffstücken belegter Platz. Boni erklärt diesen Platz, der
von einer Reihe nebeneinandergesetzter Tuffstücke (« ß Abb. 31) begrenzt war,
für einen cortile aperto : « al di qua della fila di tufi il terreno presentava
Vaspetto di un pavimentum di terra battuta a superficie curva e annerita
dal fuoco, e che scendeva dal rialzo della fila di tufi in direzione sud-ovest,
passando sopra la colmatura del pozzo primitivo VII, alla quota di m. 12,15
sul livello del mare ». Wieder 0,18 m. unter diesem Paviment ist dann ein
zweites, das bis zu der kleinen runden Tuffmauer / <f reichte, gefunden, auch
dieses mit Spuren von Feuer (Not- 1903 p. 165).
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
99
daria) handele, beruht im Wesentlichen auf dem mehr als frag-
würdigen Zeugnisse des Schwindlers Fulgentius (s. Wissowa Bei:
der Römer 153 A. 6; Archiv für Religionsgesch. 1904, S. 44 f.).
Interessant ist die von Boni konstatierte Tatsache, dass in der
Nähe der Gräber sich öfters röhrenförmige Gruben, die zum Teil
bis zu den Bestatteten hinabführen, gefunden haben. Der Inhalt
scheint aus verbrannten Früchten und Milch (?) bestanden zu haben.
Fig. 33.
Boni betrachtet dies (Not. 1903, 169) als Vorrichtungen für bezw.
Reste von Totenspenden (parentalia).
In republikanischer Zeit war das ganze Terrain überdeckt von
Privatbauten (s. Abb. 32), welche zum Teil behufs Erforschung
des Grabfeldes zerstört werden mussten. In der Kaiserzeit sind
dann hier die Fundamente des Faustiuatempels bis zu grosser Tiefe
eingesenkt ; am Rande des mächtigen Gusswerkkernes sind noch
Gräber gefunden, doch ist die weitere Untersuchung wegen techni-
scher Schwierigkeiten bisher nicht möglich gewesen.
Ich verzeichne nunmehr zuerst kurz den Inhalt der einzelnen
Gräber, und lasse ein nach Material und Technik geordnetes In-
ventar der einzelnen Fundstücke folgen.
100
CH. HUELSEN
Grab A. (Not. degli scavi 1902, 96-111, vgl. 1903, 131; Vaglieri Bull.
comun. 1903, 33-41 ; Pinza Bull, comun. 1902, 37-55; Barnabei Nuova Anto-
logia 1902, 709-720; JB. 1902, 92, JB.2 94). Brandgrab, in 10,66 m. ü. M. (*)•
In einem Dolium stand die Aschenurne und acht kleinere Gefässe (Abb. 33):
1. 2) eiförmige henkellose Becher mit Schnurverzierung;
3) einhenklige Schale ohne Fuss ;
4) kugelförmiger Napf ohne Henkel;
5) flacher einhenkliger Napf;
Fig. 34.
6) flacher Napf mit (abgebrochenem) Horizontalhenkel;
7) länglicher Teller mit Ansätzen;
8) kleines Schöpfgefäss.
Alle Stücke einheimischer (latialer) Fabrik. Ausserdem fanden sich in
der Aschenurne noch einige Weizenkörner und eine Bohne.
Grab B. (Not. 1903, 131-133; Vaglieri Bull, comun. 1903, 253-255;
JB.2, 94). Bestattungsgrab, 11,50 m. ü. M., lang. 2,0 m., breit 1 m., tief
1,20 m. Die Grube mit grossen Tuffbrocken überdeckt; zu Häupten des wohl-
erhaltenen Skeletts drei einhenklige Näpfe, auf der Brust eine Scheibenfibula
aus Bronze (Abb. 34).
Grab C. (Not. degli scavi 1903, 143-159. Vaglieri Bull, comun. 1903,
255-265. JB. * 95). Brandgrab, 11,38 m. ü. M. In einem mit Tuffsteinen zuge-
deckten Dolium stand eine Hüttenurne (Abb. 35), darin neun kleine Gefässe
einheimischer Fabrik (Abb. 36):
1) flache Schale mit drei Füssen;
2) flacher zweifüssiger Napf mit Ansätzen;
(!) Die Höhenangaben beziehen sich auf den oberen Rand der Gräber.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM
3. 4) einhenklige Näpfe;
101
Fig. 35.
5) Tasse mit hohem Henkel;
Fig. 36.
6) einhenkliger tiefer Napf;
7. 8. 9) drei kugelige henkellose Gefässe.
102
CH. HUELSEN
Die Näpfe 2, 4 und 6 enthielten Speisereste, n. 2 einige Fischgräten (von
barbus fluviatilis), n. 4 Schaf-oder Schweinefleisch, n. 6 Mehlbrei. Ausserdem
in der Urne allerlei kleine Bronzefragmente.
Fig. 37.
Grab D. (Not. 1903, 159-164) ; Vaglieri Bull, comun. 19.3, 39. 262-266;
JB. 95). Der Leichnam beigesetzt in einem ausgehöhlten Baumstamm ; dabei
vier Gefässe:
1) kugeliges aus rotem Ton (u. S. 109);
2) Amphora mit gedrehten Henkeln (u. Abb. 43);
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUxM 103
3) Skyphos mit eingeritztem Ornament (u. Abb. 42) ;
4) Topf mit geometrischem Ornament in rot (u. Abb. 47).
Ferner mehrer Fibeln aus oxydierten Metall (Silber?) und drei Getrei-
dekörner.
Grab E. {Not. 1903, 165-167; Vaglieri Bull, comun. 1903, 268; JB.a 95).
Kindergrab, 12,44 m. ü. M., zusammengesetzt aus zwei mittelgrossen bau-
chigen Tontöpfen, die mit den Mündungen ineinander geschoben sind. Keine
Beigaben.
Grab F. {Not. 1903, 168 f.; Vaglieri Bull. cowm.'1903, 169; JB.8 95).
Kindergrab, in gleicher Höhe mit dem vorigen, bestehend aus einem hori-
zontal gelegten Dolium, dessen Mündung mit Stücken eines grossen Dach-
ziegels geschlossen war. Keine Beigaben.
Grab G. {Not. 1903, 379-393). Kindergrab, 11,80 ü. M., der Leichnam in
einem ausgehöhlten Baumstamm beigesetzt. Bei Anlage diese Grabes, welches
jedenfalls eines der jüngsten ist, sind sowohl die beiden Erandgräber Q R,
wie das Doliengrab H angeschnitten (Abb. 37). In der westlichen Ecke des
Grabes war aus Tuffplatten eine « aedicula » erbaut, in welcher sich acht
Tongefässe fanden:
1. 2) kugelige Töpfe aus rotem Ton (u. S. 109);
3. 4) Schüsseln aus gelblichem Ton mit rotbraunen Streifen;
5) Kantharos mit gedrehten Henkeln (u. A. 41);
6) protokorinthische Lekythos (u. A. 50);
7) einhenklige Schale mit Zickzackverzierung;
8) henkellose Schale mit Palmettenverzierung (u. A. 44).
Grab H. (Not. 1903, 393 f.) Kindergrab, bestehend aus einem horizon
tal gelegten Tongefäss (nur der Rand erhalten), dessen Mündung mit einer
Tuffplatte verschlossen war. Keine Beigaben.
Grab I. {Not. 1903, 394-414). Kindergrab, in gleicher Höhe mit G.
Rechteckige Grube (1, 56 X 1,09), mit Tuffplatten überdeckt, darin Sarg aus
einem ausgehöhlten Baumstamm, mit wohlerhaltenem Skelett eines etwa vier-
jährigen Mädchens (Abb. 38). Im Sarge Reste eines Gürtels aus Bronze, zahl-
reiche Glasperlen, kleiner Ring aus Kupfer, Bruchstücke von Bronzefibeln,
Armring aus Elfenbein. Um den Sarg zehn Gefässe:
1. 2) kugelförmige Töpfe aus rotem Ton (u. S. 109);
3) Schöpfgefäss aus weissem Ton mit braunen Streifen (u. Abb. 48);
4) kugelförmige Terrine mit zwei Henkeln ;
5) zweihenkliger Napf aus gelblichem Ton mit roten Streifen;
6) Skyphos mit eingeritztem Linienornament ;
7) Amphora aus Bucchero mit eingeritztem Ornament (u. A. 46) ;
8) Teller aus hellrotem Ton mit roten Streifen;
9) Schale aus rötlichem Ton mit zwei Henkeln;
10) henkellose runde Tasse (u. S. 108).
In dem Teller 8 fanden sich ein Löffelchen (?) aus Eisen, und Gräten eines
Fisches {mugil chelö), in dem Napf 10 nicht näher zu bestimmende Speisereste.
Grab J. {Not. 1903, 414-416) Bestattungsgrab mit Resten eines Ske-
letts, fast ganz zerstört bei Anlage des Grabes I.
104
CH. HUELSEN
Grab K. (Not. 1903, 416427). Bestattungsgrab, 11, 69 ü. M. In einer
Grube (1,44 X 1,13 m.) ein Sarg aus einem ausgehöhlten Baumstamm, in
dem das Skelett eines etwa zweijährigen Kindes. Dabei ein bronzener Arm-
ring. Neben dem Sarge Beste einer Schale aus Bronze, und sechs Tonge-
fässe :
Fig. 38.
1) Amphora aus Bucchero mit eingeritzten Verzierungen;
2) henkellose Schale auf Fuss mit eingeritztem Ornament;
3. 4) zweihenklige Schalen aus gelblichem Ton mit roten Streifen;
5) Schüssel aus gelblichem Ton mit roten Streifen;
6) kugelförmiger Topf ohne Henkel.
Die Einzelfunde aus den übrigen Gräbern sind bisher nicht
veröffentlicht ; ich wiederhole einstweilen das Verzeichnis der Grä-
ber Notizie 1903 S. 376 f.:
L. M. zwei Bestattungsgräber für Kinder, beide durchschnit-
ten bei Anlegung von
N. Brandgrab mit Aschenurne.
0. P. Bestattungsgräber für Kinder.
Q. Brandgrab mit Hüttenurne, durchschnitten bei Anlegung
von G. (s. Abb. 37).
K. Brandgrab mit Aschenurne, gleichfalls von G durch-
schnitten.
S. T. Brandgräber.
U. Brandgrab mit Hüttenurne.
V. Brandgrab mit Aschenurne.
X. Brandgrab mit Aschenurne, zerstört bei Anlage von B.
[Y. Brandgrab mit Hüttenurne, s. Atli p. 500].
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROM AN UM |öf
Ueber die seit Sommer 1903 gefundenen Gräber — es sind
etwa 20 — ist noch nichts veröffentlicht. Wir stellen nunmehr
die Funde nach Material und Technik geordnet zusammen.
I. TONGEFAESSE.
A. Einheimische, sog. « latiale * Ware.
1) einfache.
a) grosse Dolia.
Grab A. Bauchig, h. 0,36, grösster Dm. 0,45 m. Rand etwas aufgebogen,
beide Henkel abgebrochen. Not. 1902, 103 und Fig. 6.
Grab C. Schlanke Form, h. 0,66, o. Dm. 0,45 m. Der Rand ein wenig
aufgebogen, unterhalb desselben plastisch aufgesetztes Schnurornament. Not.
1903, 150 und Fig. 28. Vgl. oben Abb. 35.
Grab F. Eiförmig mit wenig aufgebogenem Rande, h. 0,41, ob. Dm.
0,38 m. Not. 1903, 168 und Fig. 50.
Grab H. Oberer Rand eines ähnlichen Doliums, Dm. 0,41. Not. 1903,
393 und Fig. 21.
Aehnliche Dolien in den Gräbern N. S. T. V.
b) Hüttenurnen.
.Grab C. Kreisrunder Grundriss. Dm. 0,31 m., Höhe der Wand 0,17, des
Daches 0,13. Die Tür trapezoidisch mit henkelartigem Ansatz und zwei Lös-
chern zur Befestigung vermittelst eines Bronzedrahts. Not. 1903, 150 und
Fig. 29. vgl. oben Abb. 36.
Grab A. Deckel einer Hüttenurne, fast kreisrund, hoch 0,09, Dm. 0,20.
Not. 1902, 106 und Fig. 9. 10; vgl. oben Abb. 33.
Aehnliche Hüttenurnen aus Grab Q, U, Y; ein dachförmiger sehr kleiner
Deckel aus Grab R.
c) Töpfe ohne Henkel {doliola).
Grab C. Kugelförmig mit aufgebogenem Rande, h. 0,16, Dm. 0,11 m.
Not. 1903, 158 und Fig. 37. Vgl. oben Abb. 36.
Aehnlich, h. 0,14, Dm. 0,10. Not. a. a. O. und Fig. 38. Vgl. Abb. 36.
Aehnlich, h. 0,13, Dm. 0,10. Not. a. a. O. und Fig. 39. Vgl. Abb. 36.
Grab D. Kugelförmig, mit kurzem trichterförmigen Halse, h. 0,18,
Dm. 0,10 Not. 1903, 162, und Fig. 42.
Grab E. Zwei mit den Mündungen ineinandergelegtc Töpfe, h. er. 0,25,
o. Dm. 0,22. Not. 1903, 167 und Fig. 48.
d) Töpfe mit Henkeln (Terrinen).
Grab A. Bauchig mit zwei fast horizontalen Henkeln, h. 0,25, Dm.
der Mündung 0,138. Rand aufgebogen Not. 1902, 113 und Fig. 8. Vgl. oben
Abb. 33.
Grab I. Kugelförmig mit kurzem trichterförmigem Halse, h. 0,27, Dm.
der Mündung 0,17, in der Mitte des Bauches zwei fast horizontale Henkel.
Not. 1903, 406 und Fig. 35.
106 CH. HUELSEN
e) Schüsseln und Henkelnäpfe, Becher und Tassen.
Grab A. Zwei henkellose Becher, h. 0,135, o. Dm. 0,08 resp. 0,09, mit
aufgelegter Schnurverzierung. Not. 1902, 106, 107 Fig. 11. 12; vgl. oben
Abb. 33.
Tasse mit Henkel, h. 0,07, o. Dm. 0,08. Not. 1902, 108 und Fig. 11. 12;
vgl. oben Abb. 33.
Kugelförmiger Becher ohne Henkel, h. 0,09, Dm. der Mündung 0,07.
Not. 1902, 108 Fig. 14; vgl. oben Abb. 33.
Grab B. Halbkugelige Tasse mit einem (abgebrochenen) Henkel ; h. 0,09,
o. Dm. 0,14. Not. 1903, 131 und Fig. 9.
Bauchige Tasse mit Doppelringhenkel; h. 0,65 (mit Henkel 0,095), o.
Dm. 0,07. Not. 1903, 131 und Fig. 10; danach hier Abb. 39.
Bauchiger Napf mit zwei Henkeln (einer abgebrochen) in Doppelring'
form, h. 0,08, Dm. 0,11. Auf dem Bauche drei von konzentrischen Kreisen
umgebene Buckel. Not. 1903, 133 und Fig. 11; danach hier Abb. 40.
4
Fig. 39. Fig. 40.
Grab C. Konische tiefe Schüssel mit einem Henkel, h. 0,08, Dm. 0,16.
Not 1903, 157 und Fig. 36; vgl. oben Abb. 36.
Kleine Tasse mit Doppelringhenkel, h. 0,05, o. Dm. 0,06. Not. 1903,
155 und Fig. 33. Vgl. o. Abb. 36.
Henkellose bauchige Tasse, mit vier Buckeln, h. 0,045. Dm. 0,07. Not.
1903, 156 und Fig. 34; Vgl. o. Abb. 36.
Napf mit einem horizontalen Henkel, h. 0,04, Dm. 0,10. Not. 1903, 156
und Fig. 35. Vgl. o. Abb. 36.
Im Terrain neben Grab C: kleine Tasse mit rundlichem Griff statt
Henkel, h. 0,04, o. Dm. 0,08. Not 1903, 158.
Grab G. Kantharos mit zwei gedrehten Henkeln, h. 0,10, o. Dm. 0.17.
Not. 1903, 389 und Fig. 16; danach hier Abb. 41.
f) Schalen und kleine Gefässe.
Grab A. Schale mit (abgebrochenem) Henkel, h. 0.035, Dm. 0,10. Not.
1902, 108 Fig 15. Vgl. Abb. 33.
Aehnlich, h. 0,05, Dm, 0,13 Not 1903, 109 Fig. 16. Vgl. Abb. 33.
Elliptisches flaches Schälchen mit zwei rechteckigen Ansätzen, h. 0,03,
lg. mit den Ansätzen 0,17. Not 1902, 109 und Fig. 17. Vgl. Abb. 33.
AUSGRABUNGEN AUK DKM FORUM ROMANUM
107
Kleine Tasse mit ansa lunata, h. 0,02, Dm. 0,05. Not. 1902, 109 und
Fig. 18. Vgl. Abb. 33.
Fig. 41.
Grab C. Flache Schale auf drei Füssen, h. o. 0,15, Dm. 0;20. Not.
1903, 152 und Fig. 31. Vgl. Abb. 36.
Fig. 42.
Elliptisches flaches Schälchen mit zwei rechteckigen Ansätzen und Buckel
in der Mitte des Badens, auf zwei Füssen H. er. 0,05, Länge mit den An-
sätzen 0,14. Not. 1903, 154 und Fig. 32. Vgl. Abb. 36.
2. Mit Verzierungen.
Grab D. Skyphos mit zwei wagerechten Henkeln, h. 0,105, o. Dm. 0.12,
mit eingeritztem Linienornament, sehr dünnwandig. Not. 1903, 164 und
Fig. 44; danach hier Abb. 42.
108 CH. HUELSF.N
Kleine Amphora mit gedrehten Henkeln h. 0,18, Dm. der Mündung
0,10. Auf beiden Seiten des Halses je drei konzentrische Kreise. Not. 1903,
163 und Fig. 43. Danach hier Abb. 43.
Grab G. Becher mit niedrigem Fuss, ohne Henkel; h. 0,08, o. Dm. 0,13.
Dekoriert mit eingeritzten Palmetten, in denen noch Reste von rotem Ocker.
Not. 1903, 392 und Fig. 20; danach hier Abb. 44.
Grab I. Henkellose Tasse, h. 0,08, o. Dm. 0,145. Um den Körper acht
eingeritzte Streifen, am oberen Rande zwei Löcher zum Aufhängen. Not. 1903,
412 und Fig. 43.
Fig. 44.
Grab K. Becher mit niedrigem Fuss, ohne Henkel; h. 0,09, o. Dm. 0,15.
Aussen eine eingeritzte grade Linie, von welcher sich schneidende Halbkreise
herabhängen; in den Linien Spuren von Ocker. Not. 1903, 423 und Fig. 54.
Unter den sonstigen zu dieser Kategorie gehörigen Geräten verdient
hervorgehoben zu werden ein im Grabe Y gefundener sog. calefattore (auf
einem kastenartigen durchbrochenen Untersatz ein bauchiges Gefäss, umgeben
von vier kleinen Näpfchen): ähnlich Bull, comun. 1898 Tf. VI n. 3, aus Albano ;
Not. 1902, 185 Fig. 94 ab aus Grottaferrata ; vgl. Mayer Mitteil. 1904, 236.
Die vorstehend beschriebenen Gefässe ähneln durchaus denje-
nigen, welche aus den albanischen und anderen Nekropolen der
Bronze- und ersten Eisenzeit zu Tage gekommen sind (*). Sie sind,
wenn auch zum Teil recht regelmässig, sämtlich ohne Drehschei-
be angefertigt. Das Material ist ein nicht besonders reiner rötli-
cher Ton, der, an offenem Feuer gebrannt, durch die Einwirkung
(*) Reichhaltiges Vergleichsmaterial findet sich bei Mariani Bull, comun.
1896 Tf. V (Rom, Esquilin); Pinza Bull, comun. 1898 Tf. VI, VII. VIII:
(Latium, namentlich Albano); Colini und Mengarelli Not. degli scavi, 1902
p. 135-198 (Gräberfeld in Villa Cavalletti bei Grottaferrata).
AUSGRABUNGEN' AUF DEM FORUM ROMANUM 109
der Flamme grau bis schwarz wird, im geschlossenen Ofen dagegen
rotbraune Färbung annimmt. Hr. Boni hat sehr interessante Ver-
suche über die Herstellung dieser Töpferwaare gemacht, welche
zeigen, dass eine Fabrikation derselben mit dem in Rom, ja im
Forumstale selbst zu findenden Material sehr wohl möglich ist (1).
B. Roter Ton (Kupfer nachahmend). Gefässe auf der Dreh-
scheibe hergestellt. Häufig zusammen mit Villanova-Urnen in
etruskischen und latialen tombe a pozzo.
Grab D. Kugelförmig, ohne Henkel mit auswärts gebogenem Rande;
h. 0,19, o. Dm. 0,15. Not. 1903, 162 und Fig. 42.
Grab G. Zwei ähnliche, h. 0,245 resp. 0,26, o. Dm. 0,18 resp. 0,17.
Not. 1903, 388 und Fig. 12. 13.
Grab I. Zwei ähnliche, h. 0,225 resp. 0,21, Dm. der Mündung 0,17
resp. 0,16. Not. 1903, 405 f. Fig. 32. 33.
Grab K. Aehnlich, h. 0,19, Dm. der Mündung 0.15.
C. Aechter Bucchero.
Grab G. Schale mit hohem Henkel, am unteren Rande eingeritztes
Ornament (Dreiecke), in denen Spuren weisser Farbe; h. 0,05 (mit Henkel
0,12), o. Dm. 0,13. Not. 1903, 391 und Fig. 19; danach hier Abb. 45.
(l) Ich gebe das Referat Bonis über seine Versuche mit seinen eigenen
Worten Not. degli scavi, 1902, 110: Supponendo che i prischi Romani non
cercassero lontano il materiale per le loro stoviglie, provai ad impastare
un po' di terreno entro il quäle stava sepolto il dolio. Ne ottenni una ar-
gilla viscosissim.a, di coiore marrone-verdiccio. Modellatene alcune scodelle,
che s'indurirono molto durante Vessiccamento, ne lisciai con una stecca di
osso la superficie, la quäle acquistö la lucentezza cerosa, propria dei vasi
italici. Invero la pressione esercitata dalla stecca ha per effetto di far scom-
parire i cristallini e le altre impuritä dentro la massa deWargilla di modo
che questa va sempre piü affinandosi alla superficie, la quäle finisce col
riprodurre la levigatezza del lisciatoio. Infatti, adoperandone uno di smalto,
ottenni sulla siessa rozza argilla cruda, e non ancora del tutto essiccata,
la lucentezza vitrea. — L 'esperimento di cottura, fatto in unfornello di terra
refrattaria e mantenuto incandescente a circa 1000°, per la durata di dieci
ore, ha dato ottimi risultati. I vasi non si screpolarono, non cambiarono la
lucentezza della superficie, ma acquistarono un coiore rossiccio deciso, che
si mantiene eguale per tutto lo spessore della terracotta; questa poi, oltre a
conservare i cristulli di decomposizione del tufo, visibili anche neWargilla
cruda, apparisce seminata di pagliette lucenti di mica, divenuta aurea, ed
ha trasudato qualche pallina di vetro lucentissimo. Mediante la cottura a
fuoco libero, ho invece otttnuto vasi di coiore rosso marrone ed in parte
neri, cosl somiglianti a quelli preistorici laziali, da doverli contrassegnare
a crudo per evitare possibili confusioni.
110 CH. HUELSEN
Grab I. Skyphos mit zwei wagrechten Henkeln, h. 0,09, o. Dm. 0,09
Fig. 45. :
mit ähnlichem Linienornament wie Abb. 42. Sehr fragmentarisch. Not. 1903,
406 und Figr. 37.
Fisr. 46.
Amphora mit zwei breiten Henkeln, h. 0,205, Dm. der Mündnng 0,09;
mit reichem eingeritztem Ornament: doppelte Spirale, darüber Vogel, u. s. w.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 11 1
In den Linien Spuren von rotem Ocker. Not. 1903, 408 und Fig. 38; danach
hier Ahb. 46.
Grab K. Aehnliche Amphora, h. 0,18, o. Dm. 0,075. Not. 1903, 422
und Fig. 53.
Im Terrain beim Brunnen n. IV: henkelloser Napf auf niedrigem Fuss,
h. 0,06, o. Dm. 0,155; lag als Deckel auf der Schale u. Abb. 49.
D. Italisch-geometrische Waare.
Etwas ausgebildetere Dekoration zeigen nur die drei ersten
Gefässe, bei den übrigen beschränkt sie sich auf rote resp. rotbraune
Fig. 47. Fig. 48.
Firnisstreifen. Alle sind aus gelblich-weissem Ton auf der Dreh-
scheibe gearbeitet. Die ganze Klasse von Gefässen schliesst an B
an, und ist schon ins 7. Jhdt. zu setzen.
Grab D. Zweihenkliger Topf, nahezu kugelförmig, h. 0,12, Dm. der
Mündung 0,09. Untere Hälfte mit rötlichem Firnis überzogen, obere mit
abwechselnd wager^chten und senkrechten roten Linien. Not. 1903, 163 und
Fig. 45; danach hier Abb. 47.
Grab I. Schöpfgefäss mit Henkel, h. 0,14 (mit Henkel 0,15), o. Dm. 0,07.
Um den Körper drei Streifen und eine Schlangenlinie in stumpfem Braun ;
ähnliche Streifen im Inneren der Mündung und am Henkel. Not. 1903, 406
und Fig. 34; danach hier Abb. 48.
Im Terrain beim Brunnen IV: flache Schale, h. 0,08, Dm. 0,075 mit
zwei horizontalen Henkeln und niedrigem Fuss. Im Inneren rotbraun gefir-
nisst, aussen zwei Vögel (Schwäne?) zwischen Linienornament. Not. 1903,.
137, und Fig. 17; danach hier wiederholt Abb. 49 links.
Grab G. Zwei kleine Schüsseln, am oberen Rande mit zwei Löchern
zum Aufhängen; h. 0.04, o. Dm. 0,135. Aussen und innen je drei braunrote
Streifen. Not. 1903, 339 und Fig. 14. 15.
112
CH. HUELSEN
Grab I. Niedriger Napf mit zwei Henkeln, h. 0,07, o. Dm. 0,14. Not.
1903, 406 und Fig. 36.
Aehnlicher henkelloser Napf, am Rand zwei Löcher zum
Aufhängen ; aussen breite und schmale braunrote Linien. Vor
dem Brennen zwei Zeichen eingeritzt. Not". 1903,409 und Fig. 39.
Fig. 49.
Becher mit zwei horizontalen Henkeln, h. 0,09, o. Dm. 0,15. Ganz mit
rotem Firnis überzogen, nur «in breiter und zwei schmale Streifen in der
(gelblichen) Naturfarbe des Tones geblieben. Not. 1903, 442 und Fig. 42.
Grab K. Becher mit zwei horizontalen
Henkeln, h, 0,085, o.Dm. 0,125. Aussen das
untere Drittel rot gefirnisst, darüber ein brei-
ter, drei schmale Streifen von gleicher Farbe.
Not. 1903, 424 und Fig. 55.
Aehnlicher Becher, h. 0.09, o. Dm. 0,15.
Not. 1903, 424 und Fig. 57.
Napf ohne Henkel mit zwei Löchern
zum Aufhängen am oberen Rande. Aussen rot-
gelbe Streifen. H. 0,05, o. Dm. 0,145. Not.
1903, 424 und Fig. 56.
E. Protokorinthisch.
Grab G. Kleine Lekythos, 0,065 hoch,
gelblicher Ton mit rotbrauner Bemalung. Am
Körper in zwei Streifen übereinander drei
resp. vier laufende Hunde ; auf der Schulter
des Gefässes drei halbe Spiralen, auf dem
Henkel vertikales Zickzack zwischen zwei gra-
den Linien, auf dem Teller der Mündung ein
Fi£- 50- sechsstrahliger Stern. Not. 1903, 389 f. und
Fig. 17, 18; nach ersterer Abb. 50.
Das Stück dürfte dem 6/7. Jhdt. angehören, ohne dass sich
bei dem elementaren Charakter der Malerei eine genauere Datie-
rung geben liesse. Es für argivischen Ursprungs zu halten, weil
ähnliche Exemplare in Argos gefunden sind (Americ. Journal,
1900, p. 441, Tf. IV, V) liegt kein zwingender Grund vor.
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 113
II. Figürliche Terracotta.
Am nördlichen Bande der Ausgrabung (unweit M' Abb. 31) gefunden :
"Roh modellierter Kopf und Hals eines Pferdes, h. 0,10. Dunkelroter Ton,
ähnlich dem der archaischen Dachziegel (von der Curie und sonst). Der Hals
verziert mit Doppelspiralen, welche offenbar mit einem Metallgegenstande
(Schmuckstück?) eingedrückt sind. Not. 1903, 136 und Fig. 14.
III. Metall.
A. Silber (?).
Grab D. Fünf Bögen von kleinen Fibeln (1. 0,02) ; Nadeln und Spann-
ringe fehlen. So stark oxydiert, dass die Qualität des Metalls nicht sicher
feststeht. Not. 1903, 164 und Fig. 46.
Fig. 51.
B. Bronze.
Grab B. Scheibenfibula mit abgebrochener Nadel, 1. 0,10, Not. 1903
134 und Fig. 12, 13; letztere hier wiederholt Abb. 51.
Grab C. Neun kleine Fragmente, darunter eines von einer Fibula. Not.
1903, 153 und Fig. 30.
Grab I. Arco a navicella von einer Fibula (1. 0,017;, verziert mit einem
eingelassenen Stückchen Bernstein. Not. 1903, 397 und Fig. 29. Aus einem
zweiten ähnlichen Stücke ist der Bernstein ausgebrochen.
Grab K. Armring, Dm. 0,06, aus einem 4 mm. dicken Draht, der nicht
ganz drei Spiralwindungen macht, zurechtgebogen. Not. 1903, 419 und Fig. 52.
Stücke einer kleinen runden Schale (Dm. er. 0,18), der Rand verziert
mit ausgeschlagenen Buckeln. Not. 1903, 426 und Fig. 59.
Im Terrain beim Brunnen IV, in den beiden Schalen o. Abb. 48. Unregel-
mässig geschnittenes Stück Bronzeblech, 1. 29 mm. br. 26 mm. Nach Boni
Not. 1903, 138 « parrebbe la testa di una delle note figurine votive (ipsul-
lices), ritagliate da una lamina metallica, le quali furono trovate anche
nella stipe votiva del tempio della Mater Matuta a Concan.
Scheibenfibeln ähnlich der aus Grab B enthalten auch die Gräber N, S
und U; sie kommen nicht selten in etruskischen und latialen tombe a pozzo
8
114 CH. HUELSEN
vor, die nicht später sind als das 8. Jhdt, Im Kindergrabe M finden sich nicht
weniger als fünf Fibeln a navicella, sowie eine sechste, einfacher Bogen mit
Bernstein verziert. Grab T enthielt eine einfache Bogenfibel. — Im. Grabe M
fanden sich ferner Reste ven Bronzegefässen und ein zu einem Kreissegment
v s zusammengebogenes Bronzeblech als Brustschmuck.
C. Kupfer.
Grab I. Kleiner Ring aus Draht spiralig zusammengewunden, Dm. 11 m.
Not. 1903, 397.
Gürtel, 5 cm. breit, sehr beschädigt, die Schliesse gänzlich zerstört.
Not. 1903, 397.
D. Eisen.
Grab I. Stark verrostetes Stück eines Löffels (?) 1. 0,105 br. 0,01
Not. 1903, 410 und Fig. 40.
Grab G. Lanzenspitze, 1. 0,09 mit anhaftenden Resten des 0,012 dicken
Holzschaftes, Not. 1903, 386 und Fig. 10.
IV. Glas und Smalt.
Grab I. Fünf* runde Glasperlen (weiss, schwarz, blau) von 1-8 mm. Dm.;
Fragmente mehrerer anderen. Zahlreiche kleine Ringe oder flache Perlen aus
Smalt (Dm. 3 mm.), die wie es scheint als Brustschmuck auf Fäden aufgereiht
waren. Not. 1903, 397 und Fig. 29.
Grab K. Mehrere durchbohrte blaue Glasperlen und zahlreiche den vo-
rigen ähnliche kleine Smaltringe, ebenso verwendet. Not. 1903, 419.
Mehrere Glasperlen auch in Grab M.
V. Elfenbein.
Grab I. Armring, 0,08 Dm. 0,014 dick.
Ein ähnlicher Armring gefunden in dem Kindergrabe M.
VI. Bernstein.
Als Dekoration- von Fibeln verwandt im Grabe I. In dem Kindergrabe
M gefunden zwei Ohrringe aus Bernstein, eine Fibula mit mehreren hinter-
einander aufgezogenen Bernsteinscheiben, sowie mehrere kleine Stücke Bern-
stein, vielleicht Amulette.
Im Ganzen last sich als sicher aussprechen, dass die ursprüng-
lichen Gräber der Nekropole (*) keine Gegenstände enthalten, die
jünger wären als das sechste Jhdt. v. Chr. Die am zahlreichsten
vertretene Klasse der einheimischen Keramik dürfte spätestens dem
(l) Dass die Gräber E und F eine Sonderstellung einnehmen, ist oben
S. 98 bemerkt. Boni Atti del Congresso storico 500 unterscheidet tombe ad
inumazione arcaiche (BHJP); tombe a cremazione (A C N Q R S T U V X Y)
und tombe ad inumazione romulee (D E F G I K L M O).
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 115
7/8. Jhdt. zuzuteilen sein: wie viel weiter hinauf die ältesten
Stücke zu datieren sind, entzieht sich bis jetzt unserer Schätzung.
Dass die Nekropole wahrscheinlicher der Septimontialstadt als dem
palatinischen Urrom zuzuschreiben sei, ist bereits JB 2 96 aus-
gesprochen. Ein bedeutsame Stütze erhält diese Annahme, durch
die von Boni gemachte Beobachtung, dass die Hüttenurnen in den
Brandgräbern regelmässig so gestellt waren, dass ihre Türen sich
der Seite des Esquilins zuwandten. Das Bestatten an dieser Stelle
muss selbstverständlich aufgehört haben, nachdem das Forum zum
Marktplatz gemacht war. Wenn nun die litterarische Ueberliefe-
rung den Bau der Cloaca Maxima, ohne welche eine solche Ver-
wendung des Tales nicht denkbar ist, den letzten Königen d. h.
dem sechsten Jhdt. zuschreibt, und wenn der archäologische Befund
auf ein Aufhören der Begräbnisse im Forumstal in eben dieser Zeit
hindeutet, so ist diese Uebereinstimmung in der Tat bedeutsam für
die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der römischen Tradition. In
diesem Sinne darf man sagen, das die Aufdeckung der Nekropole
das historisch wichtigste Resultat der gesamten neuen Forums-Aus-
grabungen gebracht hat.
Die Sacra Via.
Ueber die Ausgrabungen an der Sacra Via berichten Va-
glieri 19-27; Boni Atti del Congresso storico 514-518. Die neuauf-
gedeckten Reste, von denen ich im vorigen Berichte noch keinen
Plan geben konnte, sind verzeichnet bei Vaglieri fig. 4. 8. 11. Auch
der Plan in Baddeleys oben S. 5 citierten Buche ist auf grund
offizieller Materialien ergänzt. S. auch Abi). 26.
Vor dem Templum Divi Romuli gefunden ist das Fragment
einer mit elegantem Profil eingerahmten Marmorplatte, auf der mit
schönen Buchstaben (h. 0,09) die Inschrift:
marga RlTARIVS
0,72
116
CH. HUELSEN
Est ist eines der seltenen Beispiele eines antiken Ladenschil-
des: margarilarü de sacra via sind bekannt genug, s. CIL. VI,
9545-9549; Jordan 1, 2,287.
Dass einige vor und neben dem Templum Divi Romuli auf-
gedeckten Kellerräume an der Sacra Via zu einem 'Carcer'ge-
Pig. 52.
hörten, hatte ich schon JB. 1902, 94 kurz zurückgewiesen, und
JB.2 97 hinzugefügt, dass die ganze Anlage (s. Abb. 52) grosse
Aehnlichkeit habe mit Kellern in pompejanischen Privathäusern,
z. B. dem zu einer Bäckerei gehörigen Reg. VII Ins. 15 (Casa dei
Niobidi\ vgl. Mau Bull. dell'Ist. 1874, 154). Auch in dem was
zu gunsten jener Hypothese weiter vorgebracht ist, finde ich kein
einziges erhebliches Argument. Die ganze Benennung ist abgeleitet
aus der modernen Vorstellung des Zellengefängnisses für Einzel-
haft — eines Begriifes, den das römische Strafrecht nun einmal nicht
AUSGRABUNGEN ALF DEM FORUM ROMANUM 117
kennt (s. Mommsen Strafrecht 301 ff.). Dass die sichersten Zeug-
nisse aus der alten Litteratur übergangen oder umgedeutet werden
müssen, um die Existenz eines ' Carcer Lautumiarum ' (!) an dieser
Stelle möglich scheinen zu lassen, genügt, wie ich JB.2 97 ausge-
führt habe, um die Unhaltbarkeit der ganzen Hypothese zu erweisen.
In der Constantinsbasilica hat man an mehreren Stellen
Reste des Paviments aus bunten Marmorplatten (Giallo, Serpen-
tin, Pavonazzetto) wieder aufgedeckt: die Muster, grosse von Qua-
draten eingefasste Kreise, entsprechen ganz den bei früheren
Ausgrabungen, namentlich 1828 gefundenen. Auch Stücke der
Deckenwölbung mit Resten des Stucks in den Kassetten, sowie
Spuren der älteren Gebäude, über welchen die Basilica errichtet ist,
sind gefunden (Boni, Alti del Congresso siorico 583 f.).
Beinahe auf der Höhe der Velia,, in denselben Privatbauten,
aus denen auch die als Baumaterial verwandten Ehreninschriften
für Maximinus und Maxentius (Beiträge zur AG. 2 p. 243 n. 25. 27)
zu Tage gekommen sind, ist, als Deckplatte über einem Abzugska-
nal liegend, ein Fragment einer grossen Marmortafel gefunden,,
welches die rechte Hälfte einer Ehreninschrift für die Mutter des
Kaisers Theodosius enthält :\_Fl. ? Thermantf\ae [janctissimae] ac
nobilissimae \_memoriae femi\aae, coniugi divi \_Theodosi, in-
lustr~]is comitis utrius\_que militiae, m~\atri d. n. Theodon. \jper-
petui Augusti,~\ aviae dd. nn. \_Arcadi fortif\nmi principis [et.
Honori piidjßimi i Uveitis \_praestaatia indo~]lis suae [augenti di-
vlnam] prosapiam [_Ceionius Rufbus Albinus v. c. [praefectus
urbf\ iudex Herum \jacrarum coga~\üionum d, c. (Gatti Rendic.
dei Lineei 1902, 587 ff.; Not. degli scavi 1903. 21 ; Vaglieri Bull,
comun. 1902, 256-263).
(*) Degering Berl. philol. Wochenschrift 1903, 1647 ist geneigt, die
Lautumiae östlich vom Oomitium zu suchen, leugnet den Zusammenhang
mit ).ccTouia und hält lautumiae für ein veraltetes aber gut lateinisches Wort,
welches ' das Wäscherviertel ' bedeuteten soll (von einem gleichfalls veralteten
lautumus = lavitumus). Dieses Wäscherriertel habe an dem Bache gelegen,
der später zur Cloaca Maxima kanalisiert wurde : was mir sehr unwahrschein-
lich ist.
118 CH. HUELSEN
Die Behauptung, dass der Titusbogen nicht an seinem
ursprünglichen Platze stehe, sondern erst nach Erbauung des Venus-
und Romatempels dorthin gerückt sei, wo wir ihn jetzt sehen
(s. JB. 1902, 97) wird aufs neue verfochten von Vaglieri p. 17
und von Boni Atti del Congresso storico 517. Das einzige Ar-
gument, welches zunächst einigen Eindruck macht, dass nämlich
die Gusswerkfundamente des Bogens direkt auf einem älteren
Strassenpflaster stehen, was für einen Bau aus früher Kaiser-
zeit nicht glaublich sei, hat seine Ueberzeugungskraft verloren,
seitdem sich gezeigt hat, dass der Augustusbogen, bei dem doch
an eine Versetzung von einem anderen Standort nicht zu den-
ken ist, in gleicher Weise konstruiert ist. Die Begründung Bonis
S. 517: der Bogen sei sorto dapprima, pel coslume infallanta-
mente osservato nelV antica Roma lä dove prolungendosi giun-
geva l'asse dell'edifizio piü cospicuo neU'Urbs bleibt mir un-
verständlich. Dass die Sacra Via in allerer Zeit den steilen Velia-
Abhang schnurgerade erstiegen haben sollte, ist sehr unwahrschein-
lich; auch die vor der Constantinsbasilica gefundenen Reste, die
jedenfalls älter sind als der Bogen deuten darauf hin, dass die
Strasse schon damals die Richtung hatte, die man auch naturge-
mäss erwarten muss, nämlich auf die Porta vetus Palatii zu.
Die JB. 1902, 97 kurz angekündigten Ausgrabungen zwischen
dem Titusbogen und der Front der Kaiserpaläste sind weiterge-
führt und bis in grosse Tiefen gedrungen, ohne jedoch besonders
interessante Resultate zu ergeben. Gefunden sind zahlreiche Mauern
aus Tuffreticulat und Ziegelwerk, die meist zu Privatbauten gehört
haben. Da sie in verschiedenen Schichten übereinander, sich mannig-
fach überdeckend und schneidend, verlaufen, ist eine ausführliche
Beschreibung ohne genaue Planaufnahme umständlich und nicht
eben belehrend (s. den vorläufigen Bericht von F. Brunswick in der
Berliner philol. Wochenschrift 1905, 428 f.). Am Schnittpunkte
der Nova Via und des Clivus Sacer, gegenüber der SW. Ecke des
Titusbogens, sind mehrere Lagen Tuffquadern mit wenigen archi-
tektonischen Gliederungen aus Travertin erhalten. Die Aehnlichkeit
mit einem Tempelchen in antis ist nur scheinbar; was in der
Berl. philol. Wochenschr. a. a. 0. als ein mit opus spicatum-ge-
pflasterter, auf die nördliche Schmalseite des Heiligtumes zuführen-
AUSGRABUNGEN AUF DEM FORUM ROMANUM 119
der Anstieg beschrieben wird, sind die Pavimente von Kammern
und Tabernen, welche die Westseite der Sacra Via flankierten.
Auch die Begrenzung des Grundrisses auf 9 Meter Länge, 4 m.
Breite ist durch die Fortsetzung des Ausgrabungen als irrig er-
wiesen : die Fundamente aus grauen Tuffquadern setzen sich in ganz
entsprechender Weise bis gegenüber der NW-Ecke des Titusbogens
fort. Der ganze Baucomplex ist schon im Altertum, namentlich bei
der grossen Regulierung der Sacra Via im Anfang des 4. Jhdt.
n. Chr., zerstört worden, so dass es schwer sein wird, ihm einen
bestimmten Namen zu geben. Sehr unsicher ist der von Boni vor-
geschlagene Name Aedes Lamm in summa sacra via. Diese
Aedes muss allerdings in der JJähe gelegen haben, aber die An-
nahme, dass sie nur ein Bau von sehr massigen Dimensionen ge-
wesen sei (Jordan 1, 2, 420), fusst auf der sehr fragwürdigen
Gleichsetzung mit dem sacellum Larum, welches als Eckpunkt des
palatinischen Pomeriums genannt wird.
Vom Clivus, der zur Front der Kaiserpaläste hinaufführte,
ist ein wohlerhaltenes Stück des Pflasters aus Lavapolygonen mit
Bordsteinen aus Travertin dem Titusbogen gegenüber, in der Höhe
des kaiserlichen Pflasters, aufgedeckt. Spuren einer erheblich tiefer
liegenden Strasse sind zwischen den erwähnten Reticulatmauern
südlich der Nova Via sichtbar, ohne dass* sich jedoch bisher ihr
Gang genau verfolgen liesse.
Rom.
Ch. Huelsen.
Abgeschlossen am 26. August 1905.
ZERSTREUTE FRAGMENTE RÖMISCHER RELIEFS.
(Taf. V).
1. Gigantomachie.
Im Belvedere des Vatican befindet sich ein grösseres Frag-
ment aus einer augenscheinlich ehemals ausgedehnten Fries-Dar-
stellung der Gigantomachie (!). Links kämpft Artemis gegen einen
schlangenfüssigen Gegner, der eben einen Felsstein aus seiner Lin-
ken entsendet; einen anderen hält er in der Rechten bereit; aber
schon droht ihm der untrügliche Pfeil der Göttin, die von ihrem
Hunde unterstützt wird. Rechts stürmt eine verschleierte matro-
nale Göttin mit zwei Fackeln gegen ein Gigantenpaar heran, von
dem der eine, bärtige, rückwärts auf ein Knie gesunken nach einem
Felsblock greift, den der andere, junge, heranschleppt; beider Au-
gen sind in. ohnmächtigem Trotz auf die Göttin gerichtet. Im Hin-
tergrunde steigen Felsen empor, auf denen links eine kurze Platane
wächst; rechts von der Fackelschwingerin Blumen und ein Eich-
baum; der Ast eines zweiten wird rechts oben sichtbar. Unten
springt ein Rand mit flacher Hohlkehle an der Oberkante vor. Die
Motive der Figuren wirken lebendig, ohne dass man den Eindruck
hätte, sie seien frisch empfunden.
Die Arbeit erhebt sich nicht über das Niveau des decorativ
Effectvollen, beschäftigt aber doch den aufmerksamen Beschauer
durch allerlei eigenartige Züge, wie die Darstellung des Terrains,
aus der ein deutliches Bewusstsein von dem besonderen Charakter
derartiger Felsenhänge spricht mit ihrem spärlichen Pflanzen- und
Baum- Wuchs, den Vorboten dichter Waldung. Daneben und neben
einem so überlegten Motiv, wie der Fall des Mantels über das rechte
(!) Nr. 38 im Cortile. Vgl. zuletzt Heibig, Führer nr. 145.
122 W. AMELUNG
Bein der Fackelschwingerin, wirkt die kümmerliche Darstellung
des Hundes der Artemis mit seinem Halsband doppelt befremdend.
Nach der Entdeckung der grossen Altarreliefs in Pergamon hat
man dem vaticanischen Fragment wegen des gleichen Gegenstandes
erneutes Interesse gewidmet. Für « hellenistisch ■ taxierte man es
schon vordem, und nun fand sich dort das Motiv des Schlangenfüssi-
gen fast übereinstimmend wieder und neben der halbtierischen Bild-
ung der Giganten die rein menschliche. So vermutete man Abhäng-
igkeit, und, da die pergamenischen Sculpturen so viel bedeutender
wirkten, konnte es nicht ausbleiben, dass man ihnen die Priorität zu-
sprach (Friederichs- Wolters 1859). Vorsichtiger urteilte Heibig, der
in seinem Führer nur annimmt, die Composition des römischen Re-
liefs sei durch ältere Motive bestimmt gewesen, die zum Teil auch
von den Künstlern des pergamenischen Frieses benutzt worden seien.
Auf eine für diese Frage wichtige Einzelheit, wurde noch nicht
hingewiesen: betrachten wir die Beine des Schlangenfüssigen, so
muss es uns auffallen, dass der Oberschenkel bis zum Knie —
dieses noch eingeschlossen — ganz menschlich gelassen ist. Auf den
pergamenischen Reliefs beginnt die Auflösung des menschlichen
Organismus in den Schlangenkörper viel weiter oben. Vergleicht
man eine andere Darstellung von Giganten — auf dem Sarkophag
der Galleria delle statue Nr. 413 a — , die Heibig (Führer Nr. 219)
auf ein hellenistisches Gemälde zurückführt, und deren Vorbild
wir nach der Uebereinstimmung der Gigantenköpfe mit denen dei
Gallier in den Sculpturen der ersten pergamenischen Schule (s. die
Abbildung) unter den Werken eben dieser Schule suchen dürfen (]),
— vergleichen wir diese Darstellung, so bemerken wir, dass der
menschliche Organismus hier wenigstens bis zum Knie in seiner
Form belassen ist. Darin scheint sich doch eine Entwickelung
anzuzeigen, die zudem viel innere Wahrscheinlichkeit hat, und in
(*) Man ächte auf den Schnurrbart des jugendlichen Giganten und ver-
gleiche den bärtigen besonders mit dem Kopf nr. 535 im Museo Chiaramouti
(Köm. Mitth. 1895 Taf. II, V) und einer kleinen Büste in Berlin (Archäol.
Anzeiger 1903 S. 34 f. Abb. 14). Dass man den Giganten die Züge der Gal-
lier gab, ist nicht zu verwundern; man erinnere sich der Parallelisierung
beider Kämpfe im attalischen Weihgeschenk und, dass Kallimachos (hymn.
del. V. 174) die Gallier 6\plyovoi Titfjieg nennt. Titanen und Giganten wurden
aber in später Zeit vermengt und verwechselt.
ZERSTREUTE FRAGMENTE RÖMISCHER RELIEFS 123
der also das Vorbild des vaticanischen Reliefs seine Stelle vor dem
des Sarkophags finden würde. Auf die attalischen Weihgeschenke
auf der athenischen Akropolis selbst hat man mit grösster Wahr-
scheinlichkeit Fragmente einer Gruppe zurückgeführt, die Satyrn im
Kampf mit Giganten darstellt (Heibig Nr. 618). Hier ist ein Gi-
gantenbein fast ganz erhalten und wieder bis zum Knie — dieses
einbegriffen — menschlich. Dazu kommt, dass die Giganten des Re-
liefs im Belvedere sich mit den Figuren des attalischen Weihge-
schenks wohl vergleichen Hessen. Will man diese Folgerungen nicht
anerkennen, so müsste man das Vorbild des Reliefs in einer anderen,
der pergamenischen gleichzeitigen Schule suchen und dann am ehe-
sten in der von Rhodos. Dass man aber in hellenistischer Zeit jene
Bildung kannte, zeigen eine Gemme eben jener Epoche (Furtwäng-
ler, Ant. Gemmen Taf. XXXIV, 37) und eine tönerne Relief-Form
aus Girgenti (Rizzo, Rom. Mitt. 1897 p. 267 Taf. XI 1.).
Stark hat darauf hingewiesen (Gigantomachie auf antiken Re-
liefs (S. 18 ff.), dass sich im Museum des Lateran ein Relieffrag-
ment befindet mit der Darstellung eines berganstürmenden Gigan-
ten, das augenscheinlich vom demselben Friese stammt, wie das
vaticanische (Benndorf-Schöne, Die antiken Bildwerke des lat. Mu-
seums Nr. 450 Taf. VIII 2); Stil, Figuren-Maasse und Reliefer-
124 W. AMELl^G
hebung stimmen vollkommen überein. Allerdings macht das Stück
im Lateran einen besseren Eindruck: es ist eben weniger zerstört
und garnicht überarbeitet, sodass man hier noch durchweg die
Raspelstriche sieht, die man im Vatican nur in den unberührten
Tiefen findet (die Brustwarzen sind im Lateran leicht umrissen).
Uebrigens mag auch das Fragment von einer besser gearbeiteten
Platte des Frieses stammen ; man vergleiche in dieser Hinsicht die
sehr verschiedenwertigen Teile der Reliefs vom Nerva-Forum, die
uns nachher noch beschäftigen werden (Blümmer, Ann. d. I. 1877
S. 33). Ganz übereinstimmend ist an beiden Stücken die Behand-
lung von Haar und Bart ; im Nacken des Giganten erkennt man
das gleiche Eichenlaub wie dort, unten den gleichen Fels. Der
Marmor ist wieder feinkörnig und gelblich ; nur fehlen ihm die
grauen Streifen. Das Fragment ist aus den Magazinen des Vatican
iu den Lateran gelangt, die Möglichkeit also gegeben — mehr
lässt sich vorläufig nicht sagen — , dass es wie das vaticanische
unter Pius VII. aus dem Besitz der Mattei erworben wurde.
Wo Tauben sind, da fliegen Tauben zu.
Im städtischen Antiquarium zu Rom werden zwei weitere
Fragmente von einer Friesdarstellung der Gigantomachie aulbe-
wahrt (Visconti im Bulletino comunale 1887 S. 241 ff. Taf. XIV ;
Heibig Führer Nr. 727); (*); auf dem einen steht in der Mitte
(*) Wie ich nachträglich bemerke, hat schon Wace in dem Annual of
the British school at Athens IX S. 239 diese Fragmente im Zusammenhang
mit dem vaticanischen erwähnt, ohne aber ihre Zusammengehörigkeit zu be-
haupten. Ja, er will die beiden Stücke im Antiquarium von einander trennen :
« lt is necessary to observe that the two fragments do not belong to the same
frieze. One shows quietly moving figures against an open landscape back-
groünd; the other figures in violent motion with the background filled up
by flying drapery. Further the relief-height and style are not the same », Um
mit dem Aeusserlichsten zu beginnen: die Eeliefhöhe ist tatsächlich gleich,
wie sich Jeder überzeugen kann (0,5-0,7 m. auf beiden Platten). Dass der
Reliefgrund auch sonst auf dem Friese verschieden behandelt war, zeigt das
Fragment im Vatican, und es ist nur natürlich, dass der Künstler an den
Stellen, wo er den Hintergrund nicht mit landschaftlichen Details bedeckte,
die Gewandung zur Füllung der Fläche benutzte. Im Uebrigen mag in Bezug
auf den Stil, zugegeben werden, dass die beiden Fragmente auf den ersten
Blick verschiedenartig scheinen; doch hat dieser Eindruck nur in dem ver-
schiedenen Charakter der Figuren seinen Grund. Dass das grössere Fragment
von dem vaticanischen nicht zu trennen ist, zeigt sich vor Allem in der Wie'
ZERSTREUTE FRAGMENTE RÖMISCHER RELIEFS 125
ruhig eine matrouale Göttin; rechts von ihr ein Baumstamm, dann
Reste des Hephaistos; links eine Gestalt, die man für eine ge-
flügelte Artemis erklärte, nach links eilend und einen Pfeil aus
dem Köcher ziehend; am Rande die Hälfte eines Lorbeerbaumes.
Auf dem zweiten Fragment sieht man links Teile einer langgewan-
deten Göttin, die mit geschwungener Waffe nach links stürmt ;
rechts eine weibliche Gestalt mit massig langem Gewand, den
.Mantel um die Hüften geschlungen; unklar bleibt, wie mit dem
übrigen Gewand der Mantel zusammenhängt, der sehr wirkungs-
voll im Rücken der Figur bogenförmig emporgeweht wird; an den
Füssen träp-t sie hohe Schnürstiefel; an den Knöcheln und am
Kopf inmitten des wilden Lockengewirres setzen kurze Flügel an ;
die Rechte trägt eine grosse Fackel. Während die Figur nach
links hin stürmt, wendet sich der Blick mit erregtem Ausdruck
nach rechts.
Nun haben diese Fragmente dieselbe Höhe wie das vatica-
nische, den gleichen Rand mit flacher Hohlkehle (jetzt vermauert;
sichtbar auf den Tafeln der ersten Publication), die gleiche Re-
lieferhöhunp- und dieselben Figurenmaasse. Mit dem lateranensi-
sehen Fragment stimmt die Plattenstärke und die Art des Mar-
mors; auch sieht man hier die gleichen Raspelstriche, und, wie
dort, so ist hier die Pupille durch eine leichte Einsenkung im
Augapfel angegeben. Dann vergleiche man die Rinde des Baumes
links vom Hephaistos mit der an der Eiche im Vatican ; die nacli
links stürmende Göttin im Antiquarium (auf dem zweiten Fragment
links) trägt die gleichen Schuhe, vie die verschleierte Göttin im
Vatican ; und so vergleiche man weiter.
Die Fragmente im Antiquarium wurden 1887 an der Ecke
der Via del Coliseo und Via S. Pietro in Vincoli gefunden ; sie
hatten einen Abzugsgraben überdeckt. In der gleichen Gegend
dergabe des Baumstammes (alles Weitere siehe oben!); ebenso lässt sich auf
dem kleineren Fragment das Gewand der rechten Figur in seinen unteren
Partieen mit dem der verschleierten Göttin im Vatican vergleichen. Schliess-
lich vergleiche, wer noch nicht überzeugt ist, die Reliefs vom Nerva-Forum
(Monum. d. I. X Taf. XL-XLI a ; Brunn-Bruckmann, Denkmäler Nr. 489); dort
rindet er in ganz entsprechender Weise neben einander Teile mit glattem
Reliefgrund und solche mit Wiedergabe von allerlei landschaftlichen Ein-
zelheiten.
126 W. AMELUNG
(siehe Lanciani F. U. R. 29) hat es einen Orto Mattei gegeben ;
nach Lanciani's Angabe hat nun die Familie Mattei am 31. Au-
gust 1693 die Erlaubnis erhalten, dort Ausgrabungen veranstalten
zu lassen (1). Auf dem vaticanischen Relief findet sich aber rechts
von dem Bogen der Artemis dicht über dem Felsen eine drei-
zeilige Kritzelei. In der obersten Reihe erkennt man nur noch
zwei schräg nach links unten hängende Schleifen; in der zweiten
scheint erkennbar dendini; in der dritten aber ist deutlich die
Jahreszahl 1693. Damit ist denn auch der äusserliche Beweis für
die Zusammengehörigkeit all dieser Fragmente gegeben.
Endlich folgt in Friederichs- Wolters' Bausteinen auf die
Besprechung des Gypsabgusses der vaticanischen Platte unter
Nr. 1860 die eines kleinen Bruchstücks, das angeblich auf dem
Palatin gefunden sein und einem Teil des Gegners der Artemis
auf jenem Relief genau entsprechen soll. Den Abguss hat Heibig
vor vielen Jahren nach Berlin besorgt; damals wäre das Original
seiner Erinnerung nach in dem palatinischen Museum gewesen
(darauf allein beruht augenscheinlich die Fundangabe bei Fr.-W.).
Es gelang mir nun, den Marmor auf dem Palatin wiederzufinden;
er war in einen Pfeiler im Flavier-Palaste eingemauert. Prof. Gatti
Hess ihn von dort entfernen, so dass ich ihn mit seiner gütigen
Erlaubnis photographieren konnte. Dargestellt ist das r. Bein
eines schlangenfüssigen Giganten von rückwärts gesehen mit dem
grössten Teil der Schlange, der Hinterbacke und Hüfte; in der
Bewegung entspricht dies Bein nicht dem rechten, wie Friederichs-
Wolters angiebt, sondern dem linken des Gegners der Artemis ; im
Grunde erkennt man einige Terrainwellen. Die Oberfläche hat so
gelitten, dass sich die Körner des Marmors bei der geringsten Be-
0) Lanciani teilt dazu Folgendes mit: // documento ch'io posseggo
circa gli scavi Mattei c quello della licenza rilasciata dal Commissario
delle antichitä Giampietro Bellori : u Concediamo licenza alVIll.mo et
Ecc.mo Sigr. Duca di Paganica cauare e far cauare nelVhorto giardino e
boschetto di d.o Ecc.mo Sigr. Duca posto in Roma nella Piazza di S. Pietro
in Vincoli corrispondente al Colosseo riscontro le monache e Conservatorio
del P. Carauita . . . pietra tevolezza marmi statue ecc». E possibile, ma
non certo, che da questo luogo e da questi scavi provenga la fistula plumbea
faeniorvm (Bianchini, Veron. 362). I frammenti della Gigantomachia editi
dal Visconti furono trovati — me presente — a poca distanza dal confine
delVorto Mattei.
ZERSTREUTE FRAGMENTE RÖMISCHER RELIEFS 127
rübnmg ablösen. Der Marmor ist übrigens der gleiche wie bei dem
Stück im Vatican; gleich sind auch Maasse (H. 0,46), Reliefer-
hebung (0,06), Stil und die charakteristische Bildung des Beines
mit menschlichem Knie. Aber die Platte schneidet unten nach ei-
nem schmalen Rande ab und ist nur 0,08 m. dick (an der Rückseite
ein Dübelloch); doch braucht es uns nicht irre zu machen, wenn
wir heute keine Spur mehr davon erkennen, dass die Platte erst
in moderner Zeit unten abgeschnitten und hinten zubehauen worden
sei, da das Stück jedenfalls schon lange auf dem Palatin gewesen
und durch viele Hände gegangen ist; es bleibt doch das Wahr-
scheinlichste, dass auch hier ein Fragment unseres Frieses erhalten'
ist, das ja von dem Fundort der übrigen leicht auf den nahen
Palatin verschleppt werden konnte, wo zudem die Mattei im 16.-17.
Jahrhundert ein Terrain besassen (Lanciani, F. U. R. XXIX).
Zunächst ergiebt sich nun für die Deutung der einzelnen Fi-
guren das eine sichere, wenn auch nur negative Resultat: die
Geflügelte im Antiquarium kann nicht Artemis sein, da diese Göttin
zweifellos im Vatican dargestellt ist. Mir ist nur ein Monu-
ment bekannt, auf dem eine ganz übereinstimmende Figur gebil-
det ist: eine der Reliefplatten, die erst im vorigen Jahre durch
die österreichischen Ausgrabungen in Ephesos zu Tage gekommen
sind. Heberdey beschreibt in dem vorläufigen Bericht (Oesterr.
Jahreshefte 1904 Beiblatt S. 54 f. mit Abb.) die Darstellung so :
« Auf einem von drei Hirschkühen gezogenen Wagen fährt nach
rechts eine weibliche Gestalt in rauschendem Gewand (es ist kurz
und der Mantel ist um die Hüften geschlungen; Stiefel an den
Füssen), Stabattribut in der Linken (die Rechte fehlt), einen Kö-
cher auf dem Rücken tragend, nach deutlichen Ansätzen auf den
Schultern geflügelt. . . Vor der Inhaberin des Wagens schwebt ein
bis auf die im Rücken nachflatternde Chlamys nackter Knabe,
der nach der Armhaltung Wagenlenkerdienste zu leisten scheint;
den Abschluss rechts bildet eine ruhig stehende weibliche Gestalt
in doppeltem Gewände, das Oberkleid schleierartig über den Hin-
terkopf gezogen (die Motive der Gewandung entsprechen denen
eines Demeter-Typus; s. Ruhland, Die eleusinischen Gottheiten
S. 64f. Taf. III 1, 2) ». Zu den Füssen des Gespannes lagert Tha-
lassa, deren Deutung gesichert ist. Dadurch, dass auf der ent-
sprechenden Platte die Auffahrt eines Heros (?) im Beisein des
128 W. AMELUNG
Helios dargestellt ist, liegt es nahe, hier Selene zu suchen; sie
aber mit Heberdey in der Lenkeria des Wagens zu erkennen, kann
ich mich nicht entschliessen ; nicht nur die Beflügelung, sondern
vor Allem das kurze Gewand spricht dagegen. Ebenso wie auf der
andern Platte Helios nicht selber auf dem Wagen steht, braucht
hier Selene ihn nicht bestiegen zu haben. Am nächsten würde es
liegen, eine der Mondgöttin verwandte oder dienstbare Gottheit in
ihr zu erkennen, und dazu würde es denn auffallend gut stimmen,
dass uns eine analoge Figur — abgesehen von Köcher und Bogen —
auch sonst in Zusammenhang mit Selene begegnet : ich meine jene
Gestalt, die auf Reliefs mit Darstellung der Endymion-Sage die
Pferde der Selene hält (Robert Die antiken Sarkophagreliefs III 1
S. 60) ; sie ist von Gerhard Iris, von Brunn Hekate, von Robert Aura
genannt worden. Von diesen Namen scheint einzig der der Hekate
in allen drei Fällen zu passen. Jedenfalls hat Aura im Giganten-
kampf keine Stelle und ebenso wenig auf dem Hirschgespann; eher
könnte man sich für Iris entscheiden: in der Gigantomachie ist die
matronale Göttin neben Hephaistos am wahrscheinlichsten Hera,
die dann wie ihren Sohn, auch ihre besondere Dienerin zur Seite
hätte. In Iris' Hand wäre schliesslich der Bogen eine Allegorie,
aber nicht sinnlos, verständlich in spät- hellenistischer oder römi-
scher Zeit. Auch auf dem Hirschgespann wäre Iris möglich, abei
doch nur zur Not. Wenn nun schliesslich Hekate übrig bleibt
und auch inhaltlich an den drei Stellen wohl am Platze wäre,
so muss man andererseits zugeben, dass sonst keine entsprechende
Darstellung oder Schilderung dieser Göttin erhalten ist. Vielleicht
bringen uns weitere Entdeckungen in Ephesos die Lösung dieses
Rätsels. Erwähnt muss aber noch werden, dass man schon in der
Verschleierten auf dem vaticanischen Fragment und nicht unpas-
send Hekate vermutet hat (*).
Die Figur mit Kopf- und Fussflügeln wird man richtig Eri-
nys genannt haben; jedenfalls ist damit die Art der Wesen, zu
denen sie gehört, bezeichnet.
Noch ist zu erwähnen, dass auf dem Fragment im Lateran
links oben die Spitze eines Flügels erhalten ist, der, wie es
(*) Kuhnert schlägt allerdings in Roscher's mythol. Lexicon I 2 Sp. 1669
vor, die Figur lieber Leto zu nennen, die auch in Pergamon neben der Ar-
temis kämpfe. Eine Entscheidung zu geben, ist unmöglich.
ZERSTREUTE FRAGMENTE RÖMISCHER RELIEFS 129
scheint, eher zu einem Vogel als zu einer göttlichen Gestalt oder
einem Giganten gehört hat; ist dem so, dann war auf der links
anstossenden Platte Zeus mit seinem Adler dargestellt.
Die zusammengefundenen Fragmente fügen sich leider nicht
zu einem Ganzen an einander. Was wir von der Gesamt-Composi-
tion erschliessen können, ist nur, dass sie sich in verschiedenen
Richtungen bewegte. Die stehende Göttin scheint einen ruhigen
Mittelpunkt zu bilden ; von ihr geht die Bewegung deutlich nach
links hin ; der gleichen Richtung folgen die Erinys und ihre Nach-
barin; gegenan kämpft der Gigant im Lateran. Entgegengesetzt
ist die Richtung des Kampfes im Vatican. Da die eine Figur
so unbeteiligt stehen kann, ist augenscheinlich der Beginn des
Kampfes als Moment der Darstellung gewählt worden ; immerhin
bleibt die vollkommene Ruhe dieser Göttin sehr befremdend. War
etwa rechts von ihr Hephaistos nicht auf dem Kampfplatz, son-
dern in seiner Schmiede? Dass am Boden Hammer und Zange
liegen, scheint fast dafür zu sprechen, ebenso das deutliche Bedürf-
nis des Künstlers nach malerischer Abwechselung der Scenerie.
In der Gegend des Fundortes der Fragmente hat ein Hei-
ligtum der Tellus gelegen, mit deren Tempel Visconti die zwei
Stücke im Antiquarium in Verbindung bringen wollte. Aber es
ist schwer denkbar, dass man den Tempel der Erdgöttin gerade
mit einer Darstellung des Kampfes geschmückt haben sollte, in
dem all ihre Söhne zu Grunde gingen. Eher könnte man an die
in eben jener Gegend gelegene Porticus Tellurensis denken (oder
Secretarium Tellurense ; Lanciani, F. U. R. XXIX ; Hülsen, Rom.
Mitteil. 1893 S. 299 ff.). Die erhaltenen Platten haben keine An-
zeichen, die uns lehren könnten, an welch einem Gebäude sie etwa
angebracht waren. Dagegen lässt sich aus der Art der Arbeit recht
deutlich erkennen — man beachte besonders die Wiedergabe von
Haar und Bart mit Hülfe des Bohrers und die Angabe der Au-
gensterne — dass der Fries in spät-hadrianischer oder früh-anto-
ninischer Zeit ausgeführt worden ist (l). Die Frage bleibt, ob der
(x) An einigen von den Provinzen der Basilica Neptuni, die man jetzt
für hadrianisch hält, sind die Augensterne ebenso angegeben, an anderen
allerdings schon ganz in der späteren Art (Halbkreis und Mondsichel). Die
Umreissung der Figuren mit einer vertieften Linie, die bei den Provinzen
durchweg angewendet ist, findet sich an dem vaticanischen Stück an drei
ICO W. AMELUNG
römische Bildhauer eine ältere, griechische Darstellung benutzt oder
gar copiert hat. Letzteres ist kaum denkbar, wir müssten denn an-
nehmen, das Original sei nach Rom verschleppt gewesen. Reliefs sind
sonst nur copiert worden, wenn sie geringen Umfang hatten, also
leicht transportiert werden konnten. Desto wahrscheinlicher ist die
andere Annahme, dass der Bildhauer eine griechische Darstellung
benutzt habe, von der er mittels Zeichnungen oder plastischer Ver-
kleinerungen Kunde haben konnte, denn so wenig befriedigend in
künstlerischer Hinsicht, so mager auch das Erhaltene wirken mag,
so ist das Gepräge seines Stiles doch zu einheitlich-hellenistisch,
als dass es uns wahrscheinlich sein könnte, ein römischer Künstler
habe diese Composition neu geschaffen. Ueber Zeit und Entstehungs-
ort des Vorbildes können wir auch jetzt nach Vermehrung des Ma-
teriales nicht anders urteilen, als oben nach dem vaticanischen
Fragment allein. Die stehende Göttin auf dem einen Fragment
im Magazzino archeologico erinnert stark an weibliche Gewand-
statuen, die man heute mit Grund der rhodischen Kunst zu-
schreibt (vgl. das 63. Berliner Winckelmannsprogramm von Wat-
zinger). Nach Kleinasien weist zunächst auch die Wiederkehr der
geflügelten Göttin auf dem ephesischen Relief (1). Aber auch bei der
Annahme eines derartigen Vorbildes bleiben die Fragmente in
erster Linie charakteristische Reste monumentaler Decorations-
kunst spät-römischer Zeit, in der sie schon des nicht historischen
Gegenstands wegen mit dem Elementenrelief der Ära Pacis und
dem Fries des Nerva-Fornms eine besondere Gruppe bilden, und
da ist es sicherlich wieder bedeutungsvoll, dass diese drei Werke
sich auch in künstlerischer Beziehung dadurch zusammenschliessen,
dass sie den gleichen hellenistischen Reliefstil nachahmen, dessen
bedeutendste Leistung uns in dem kleinen Friese des pergameni-
schen Zeusaltares erhalten ist.
Wo der Boden soviel wiedergegeben hat, wird er noch mehr
bewahren. Möge der Wink des Zufalls nicht ungenutzt bleiben!
W. Amelüng.
Stellen: an der 1. Flanke des Schlangenfüssigen, an der 1. Seite des Eich-
baums und rings um die untere Blume.
(l) Die Arbeit des ephesischen Eeliefs ist allerdings nach Heberdey
römisch (« manche Stellen erinnern auffällig an die Ära Pacis Augustae »).
AVEIBLICHER KOPF AUS GLAS.
(Taf. Yl-Vir.
In der Festgabe, die das archaeologische Institut zu Strass-
burg der XLVL Philologen-Versammlung dargebracht hat, wird
auf S. 12-13 das Oberteil eines weiblichen Kopfes aus Glas ver-
öffentlicht; von den drei Figuren (5-7) können wir die eine mit
gütiger Erlaubnis des Herrn Prof. Michaelis wiedergeben. Der Text
bemerkt dazu : « H. 0,06. Br. 0,065. Vom römischen Institut. Der
Kopf ist aus zweierlei Glas zusammengeschmolzen. Das schwarze
Glas des Haares hat durch Oxydation eine glänzend blaue Farbe
132 W. AMELUNG
mit reichem Goldschimmer bekommen ; das Gesicht zeigt Fleisch-
farbe ; die Augen waren aus anderem ' Stoff eingesetzt ■ . Die ur-
sprüngliche Gesichtslänge wird auf 0,09 m. berechnet. Dann wird
erwähnt, dass die beiden Glasmassen zackig in einander geflossen
sind, was auch auf der Abbildung deutlich zu sehen ist. Der Ver-
fasser gesteht schliesslich, er habe weder aus der Litteratur noch
durch Befragen bei sach- und denkmälerkundigen Collegen über
einen statuarischen Glasguss von ähnlicher Grösse etwas ermitteln
können.
Und doch befindet sich — allerdings erst seit Kurzem dem
Publicum sichtbar — in einer römischen Sammlung ein voll-
kommen entsprechendes Stück, so genau entsprechend, dass über
die Gemeinsamkeit der Entstehung beider kein Zweifel aufkom-
men kann. Dieser Zwillingskopf steht jetzt in einem der Schränke
im Oberstock des Conservatoren- Palastes, wo Terracotten, Bronzen
und sonstige Werke der Kleinkunst vereinigt sind (j). Er hat vor
dem Strassburger Fragment den grossen Vorzug, fast unversehrt
erhalten zu sein (2). Eingelassen ist er in eine gelbliche Ala-
baster-Büste, die ihrer Form nach antik sein könnte ; dagegen sind
der schwarze Marmorfuss und die weisse Basisplatte sicher modern.
Die Inschrift an dieser belehrt uns, dass der Kopf im Jahre 1751
durch Benedict XIV. erworben wurde. Das Glas der Fleischteile ist
rosa, das der Haare schwarz; an einigen Stellen irisiert es. An
der Grenze der beiden Glasflüsse bemerken wir die gleichen zacki-
gen Einströmungen des schwarzen Glases, wie in Strassburg.
Eigentümlich ist es nun, dass die Fleischteile noch mit einer
feinen Farbenschicht bedeckt sind, die sich am vollständigsten auf
dem Obergesicht erhalten hat ; auf dem Untergesicht ist sie flecken-
weise abgeblättert und an den Seiten des Halses und im Nacken
fehlt sie heute ganz, sodass dort das glänzende rosa Glas zum
Vorschein kommt. Diese Farbenschicht hat einen geblichen Ton.
(*) Dorthin wurde er durch den Obercustoden Schmid gebracht, der
ihn in einem verschlossenen Schranke bei Gelegenheit der Umordnung des
Museums entdeckt hatte. Die Erlaubnis zur Publication verdanken wir der
Liebenswürdigkeit des Herrn Commendatore Castellani. Die Vorlagen unserer
Tafeln hat Herr Maler Otto hergestellt.
(2) Nur hinter dem 1. Ohr ist etwas abgesplittert. Der Hals war durch-
gebrochen. Die Haare sind auf dem Oberschädel etwas abgeschliffen.
-\YEII3UCHER KOPF AUS GLAS 133
Unmöglich kann man annehmen, dass sie modern sei ; man würde
sich weder den Grund, weshalb sie aufgestrichen wurde, noch die
Ursache ihrer teilweisen Zerstörung, noch endlich ihre Widerstands-
kraft gegen Feuchtigkeit erklären können. Dagegen kann man sich
denken, der Künstler habe damit die Unvollkommenheiten des
Gusses (das Ineinander-Fliessen der beiden Farben) verdecken wol-
len. So sind an dem römischen Kopf nicht nur an Stirn und Schlä-
fen schwarze Zacken zu bemerken ; auch beide Ohren sind fast ganz
schwarz gekommen. Das wird man so nicht haben lassen wollen.
Merkwürdig bleibt dabei, dass der Künstler diesem Anstrich nicht
den gleichen Ton des Glases gab, dessen lebhaftes Rosa der na-
türlichen Fleischfarbe mehr entspricht, als das aufgestrichene Gelb.
Vielleicht aber hat der Anstrich nur seine Farbe geändert.
Ueber die Art der Herstellung äussert Michaelis folgende Vermut-
ung : ■ Nach Laienurteil möchte man annehmen, dass das schwarze
Glas zuerst in die Form gegossen wäre bis etwa zur Grenze des
Haares, und gleich darauf das helle » . So würde sich nach ihm das
zackige Ineinanderfliessen erklären; er fährt dann fort: « Ob jener
Vorgang technisch denkbar ist, mögen Kundige entscheiden ; mein
in technologischen Fragen sehr erfahrener College Professor Eose
hegt Zweifel ■ . Es war mir leider nicht möglich, eine technische
Autorität über diesen Punkt zu befragen. Eine Einzelheit an dem
römischen Kopf scheint in der Tat für die Annahme von Mi-
chaelis zu sprechen : auf der linken Profilansicht erkennt man, dass
an dem Haarschopf im Nacken nur die äussere Schale aus schwar-
zem Glas besteht oder bestand, der Kern aus eingeflossenem rosa
Glas; da die äussere Schale zum Teil abgesplittert ist, kommt der
rosa Kern an einigen Stellen zum Vorschein ; an der Unterseite ist
ein isoliertes Stück schwarzen Glases stehen geblieben. Das scheint
nur verständlich bei der Annahme, dass bei dem Eingiessen des
schwarzen Glases durch irgend einen unvorhergesehenen Zufall die
betreffenden Teile des Schopfes ausgeblieben sind, sodass dann das
rosa Glas die gebliebene Leere füllte.
An dem römischen Kopf haben sich nun auch die Augen er-
halten; sie sind aus Metall, augenscheinlich aus schwarz oxydier-
tem Silber, und in die Höhlungen, die übringens nicht ganz gleich
stehen, eingesetzt; von einer Angabe der Pupillen ist nichts mehr
zu erkennen. Die Haare sind an beiden Köpfen ganz übereinstim-
134 W. AMELUNG
mend geordnet und von einem schmalen. Reifen durchzogen, hinter
dessen oberer Mitte man in Rom zwei einander zugekehrte läng-
liche und rundliche Erhöhungen bemerkt, die wie Blätter aussehen.
Die Maasse des römischen Kopfes sind folgende: H. mit Büste,
aber ohne Fuss 0,17 m. H. ohne Büste 0,13 m. Gesichtslänge
0,07 m. Das dem Strassburger Fragment entsprechende Stück hat
dieselben Maasse, wie sie Michaelis angiebt.
Leichte Abweichnungen beweisen, dass die beiden Köpfe nicht
in der gleichen Form gegossen sind ; und doch ist ihre Ueberein-
stimmung so gross, als ob sie bestimmt gewesen wären, als Pen-
dants einander zu entsprechen (*). Augenscheinlich also stammen
beide aus der gleichen Werkstatt. Ob wir diese mit Prof. Rose, dessen
Meinung Michaelis wiedergiebt, in Aegypten oder Syrien und nicht
in Italien zu suchen haben, muss vorläufig dahingestellt bleiben (2).
Wegen des Goldschimmers, der das Haar des Strassburger
Fragmentes auszeichnet, fühlte sich Michaelis an die Statuen aus
Gold und Elfenbein erinnert; man könne, meint er, danach vielleicht
annehmen, dass das Haar an jenen Statuen nicht immer in reinem
Gold geglänzt habe. Das ist möglich, wenngleich man das Gold
wohl niemals soweit patiniert haben wird, dass es nur an einzelnen
Stellen durchflimmerte. Wir dürfen da nicht nach unserm moder-
nen Geschmack urteilen. Da schliesslich das schwarze Glas des rö-
mischen Kopfes an den wenigen Stellen, an denen es irisiert, eben-
falls eine bläuliche Farbe mit Goldschimmer angenommen hat, so
werden wir nicht fehlgehen, wenn wir diese Färbung auch an dem
Fragment auf chemische Veränderungen zurückführen und nicht
der Absicht des Künstlers zuschreiben; da*s Ursprüngliche bietet
eben der römische Kopf mit seinem schwarzen Haar.
Die besondere Bedeutung der beiden Stücke scheint mir dem-
nach, abgesehen von der Seltenheit einer derartigen Technik (3), viel-
(*) Vgl. Pernice, Oesterreichische Jahreshefte 1904 S. 154 ff.
(2) Man vergleiche ausser den bekannten Notizen der Handbücher jetzt
Furtwänglers Bemerkungen im 3. Bande der Antiken Gemmen S. 218 ff.
310 ff. 342.
(•) Von einer etwa 10 cm. hohen Glasbüste, die aus römischem Kunst-
handel in pariser Privatbesitz gelangt ist, macht mir Dr. Pollak Mitteilung.
Dargestellt wäre der junge Marc Aurel oder Commodus, die ganze Büste mit
prächtiger Iris bedeckt gewesen.
WEIBLICHER KOPF AUS GLAS . 135
mehr in der lebhaften und doch feinen polychromen Wirkung zu
bestehen, durch die ein neues Gewicht in die Wagschale der
Ansicht fällt, nach der an den antiken Marmorwerken auch die
Fleischteile der Natur entsprechend gemalt wurden, denn die Far-
ben, die wir hier angewendet sehen, sind nicht etwa durch die
besondere Natur des Materials bestimmt ; der römische Kopf wirkt
ganz wie ein kleiner Marmorkopf (1).
Nach der einfachen, idealen, etwas leeren Formengebung wird
man geneigt sein, zu vermuten, dass beide Köpfe in der augustei-
schen Zeit entstanden sind. Dazu scheint denn auch die Form des
kleinen Schopfes im Nacken zu stimmen, soweit er an dem rö-
mischen Exemplar noch zu erkennen ist. Gerade in augusteischer
Zeit findet sich dieses Merkmal der zeitgenössischen Frisur bei
sonst idealer Haarordnung und Formengebung häufiger (2). Auch
die Form der kleinen Alabasterbüste würde der in jener Zeit übli-
chen Form entsprechen, aber ihre Zugehörigkeit ist nicht gesichert ;
ja, man wird, da der Kopf kein Porträt ist, eher schliessen müs-
sen, dass er von einer Statuette stammt, an der dann auch Arme
und Füsse von Glasfluss, die Gewandung aus Metall oder farbigem
Stein zu denken wäre. *
W. Amelüng.
(l) Zu den bisher bekannten Beispielen, die zuletzt von Treu (Jahrbuch
d. Inst. 1889 S. 22 ff.) zusammengestellt worden sind, kann ich ein weite-
res fügen, das sich im Musee Calvet zu Avignon befindet; es ist ein weib-
licher Kopf etwa halb-lebensgross ; die Stilstufe entspricht der der Köre des
Euthydikos; die Nase ist bestossen und die Augen, die eingesetzt waren,
fehlen jetzt; auf den Wangen hat sich Eosa erhalten, in den Haaren Schwarz
(der Kopf ist bezeichnet mit No. 68; meine Notizen wurden durch eine lie-
benswürdige Mitteilung des Conservators Mr. Labande ergänzt). Ausserdem
ist zu vergleichen — was Treu noch nicht kennen konnte — Hamdi-Bey
et Reinach, Necropole de Sidon S. 252 u. 328 f., besonders Anm. 2.
02) Arndt-Amelung, Einzel-Aufnahmen Text zu No. 1121/2.
STATUETTE DER ARTEMIS.
In dem ersten Bande des Vatican-Kataloges habe icli bei der
Besprechung der reizenden Artemis-Statuette im Museo Chiaramonti
Fisr. 1.
Nr. 122 einen Versuch, dem Tofso (Fig. 1) einen Mädchenkopf pra-
xitelischen Stiles zuzuweisen, mit verschiedenen Gründen bekam-
STATUETTE DER ARTEMIS
137
pfen müssen. Das beste Mittel zur Widerlegung fehlte mir damals;
jetzt hat es mir der inzwischen erschienene Katalog einer belgi-
schen Privatsammlung in die Hand gegeben (*) : eine Eeplik dessel-
ben Typus mit erhaltenem Kopfe (Fig. 2). Ich wiederhole die haupt-
sächlichsten Angaben des Kataloges mit Hinzufügung einiger Noti-
Fig. 2.
zen, die mir sein Verfasser, Fr. Cumont, freundlichst gesandt hat:
H. 0,45 m. Der Kopf war gebrochen; hinten und an der linken
Seite des Halses sind Splitter ausgesprungen ; die Beine sind unter
0) Collection Raoul Warocque; Mariemont 1904, Nr. 154. Die Figur
stammt aus der Sammlung Somzöe, die in diesem Jahre aufgelöst worden
ist. Wir danken dem jetzigen Besitzer die liebenswürdige Erlaubnis, die Fi-
gur abermals abbilden zu dürfen.
10
138 W. AMELUNG
den Knieeu und über den Knöcheln gebrochen ; ebenso der Stamm
in 2/3 seiner Höhe und die Figur vom Stamme. Alles Erhaltene
ist in dem gleichen Marmor gearbeitet, hat die gleiche Patina
und ist bedeckt mit bräunlichen Flecken. Die Ansätze der zierlich
aufgestützten rechten Hand sind auf der Hüfte erhalten. Der linke
Arm hing abwärts und zu seiner Befestigung, falls er besonders
gearbeitet war, oder zu der des Bogen s, den die Hand zweifellos
hielt, diente ein Loch im Stamme; ein anderes in der rechten
Schulter hinten zur Befestigung des Köchers. Die Rückseite ist
nicht ganz ausgearbeitet; am Hinterkopf erkennt man nur, dass
die Haare keinen Schopf bilden, sondern alle nach oben gekämmt
sind ; die angedeuteten Linien verlaufen hier alle von unten linka
nach oben rechts (l). Erworben Avurde die Figur aus Griechenland;
näheres war leider nicht zu erfahren.
Die grosse Aehnlichkeit mit dem Torso jener Statuette im
Museo Chiaramonti ist ohne Weiteres deutlich; geringe Abwei-
chungen bestehen nur in der Art, wie beidemal das Köcherband
befestigt ist, und in der verschiedenen Länge des Chiton-Bausches.
Wir werden uns ferner erinnern, dass im Vatican-Katalog auf ein
griechisches Votivrelief in der Villa Albani hingewiesen wurde, auf
dem der gleiche Typus wiederkehrt (Fig. 3 nach einer Zeichnung,
die ich der Güte Prof. Löwy's verdanke) ; auch dort lehnt sich die
Göttin mit der Schulter gegen einen Stamm; dass dies tatsächlich
ebenso für die Replik im Vatican anzunehmen ist, beweist ein
kleines modernes Einsatzstück, das ich zunächst übersehen habe,
und das gerade an der Stelle sitzt, wo die Berührung mit dem
Stamm stattfinden musste. Die Statuette in Mariemont unterschei-
det sich von der Relieffigur nur dadurch, dass ihre Füsse bloss
sind, während jene hohe Jagdstiefel trägt.
Wir haben also hier an drei Orte versprengt Werke, die
einst aller Wahrscheinlichkeit nach dasselbe Heiligtum geschmückt
(') Besonders ähnlich ist die Frisur eines sitzenden Mädchens im Con-
servatoren-Palast das in der Bewegung wie eine Steigerung der "Tyche voa
Antiochia wirkt (S. Reinach, Repertoire de la statuaire II, 2 S. 686, Nr. 2 ;
vgl. ebenda Nr. 1 eine Bronze im Louvre; Dechelette, Les vases ceramiques
de la Gaule romaine II S. 91 Nr. 554 [vases moule's]; auch S. Reinach,
Pierres gravees PI. 57, 383 [Gori, ; verdächtige Gemme in Florenz]). Aehnlich
ist auch die des Jünglings in Boston (Klein, Praxitelische Studien S. 14 u. 16).
STATUETTE DER ARTEMIS
139
haben : den Torso im Vatican, die Statuette in Mariemont und das
Relief in Villa Albani. Dass der Torso von griechischer Hand
gearbeitet sei, kann Niemand bezweifeln ; ihn würde man zu-
nächst geneigt sein, für einen Rest der Cultstatue selber zu halten;
aber Nachlässigkeiten in der Ausführung der Rückseite legen es
vielleicht näher, in ihm das Fragment eines Weihgeschenkes zu
erkennen; so geht der gürtelartige Teil des Köcherbandes hinten
in die Falten des umgewundenen Mantels über, und die Falten
des Chiton darunter sind recht oberflächlich angegeben und lassen
\ 1 // /
Fig. 3.
vor Allem den Esprit vermissen, der uns in der Ausführung der
Vorderseite entzückt.
Weihgaben waren sicherlich die Statuette und das Relief.
Die Statuette giebt uns die vollkommenste Vorstellung von der
Composition im Ganzen, der Torso von der eigenartigen, äusserst
flotten Behandlung des Einzelnen.
Das Motiv des Lehnens gegen einen Stamm ist so neu, dass
ich es bei Abfassung des Vätican-Kataloges dem Relief nicht
hatte glauben wollen. Es ist mir nur ein analoges Beispiel be-
kannt, bei dem denn auch die gleiche Körperhaltung und Bein-
stellung wiederkehrt: die Statue eines Satyrs in Berlin (Antike
140 W. AMELUKG
Skulpturen Nr. 260) ; er wird richtig mit der Flöte in den Hän-
den zu ergänzen sein. Das Motiv beider Gestalten ist augenschein-
lich entwickelt aus dem speciell lysippischen Motive des Herakles,
der sich ermüdet auf seine Keule lehnt, und des Silens mit dem
Dionysoskinde. Dort wie hier ist die eine Schulter sicher ge-
stützt, und der Fuss der gleichen Seite ist nicht, wie bei praxi-
telischen Werken üblich, zurück-, sondern lose vorgesetzt. Ein Un-
terschied besteht nur darin, dass Herakles und Silen mit voller
Wucht auf der tragenden Stütze lasten, während Artemis und
Satyr sich leicht dagegen lehnen. Wahrscheinlich ist das Motiv
zuerst für den Herakles erfunden worden, denn hier ist es durch-
aus charakteristisch und wenigstens das schwere] Auflehnen fin-
det sich gerade bei Darstellungen dieses Heros schon in älterer
Zeit (vgl. Archaeol. Anzeiger 1894 S. 25 f.). Uebertragen ist das
Motiv dann auch auf den Eros in der bekannten Gruppierung mit
Psyche und auf den ganz frei stehenden Satyr, dessen zwei Repli-
ken aus rotem Marmor im Vatican und im capitolinischen Mu-
seum am bekanntesten sind. Wegen des Motives allein all diese
Figuren dem lysippischen Kreise zuzuteilen, wäre nicht richtig
findet sich doch das gleiche Motiv auch bei dem neapeler i Nar-
ciss » , wenn er nur richtig gestellt wird (vgl. Hauser Jahrbuch
d. I. 1889 S. 113 ff.), und sein Original war zweifellos ein Werk
der praxitelischen Schule; auch dürften die Originale des roten
Satyrs und der Eros- Gruppe kaum noch zu Lebzeiten des Lysipp
entstanden sein. Anders steht es mit dem Berliner Satyr und der
Artemis; bei jenem sprechen für Herkunft aus lysippischer Schule
die einfachem, aber im Gegensatz zu dem praxitelischen Satyr
realistischen Formen ; doch wegen des geringen Wertes der Arbeit
lässt sich nichts weiteres behaupten. Von jener kann man wenigstens
sagen, dass die Schlankheit des Körpers und die Züge des Kopfes,
soweit sie sich an der kleinen- Statuette erkennen lassen, jener
Rückführung nicht widersprechen, während mir ein bedeutsames
Indicium, das entschieden dafür spricht, die nahe Verwandtschaft
zu sein scheint, die sich in der eigenartigen Gewandbehand-
lung zwischen dem vaticanischen Torso und der Figur des älteren
Sisyphos in der lysippischen Gruppe der Thessalier zu Delphi
nicht verkennen lässt (Bullet, de corr. hell. 1899 pl. 24; Fouil-
les de Delphes PI. LXV). Zunächst vergleiche man am Oberkör-
STATUETTE PER ARTEMIS 141
per die allgemeine Disposition: auf der einen Seite, unter der
rechten Achsel, die dicht an einander geschobenen, straff und schräg
nach oben gezogenen Falten, auf der andern Seite der leichter
gelockerte Stoff durchfurcht von der Diagonale des Bandes, das bei-
demal in gleicher Entfernung von dem wagerechten unteren Ab-
schluss des Oberkörpers — dort dem Gürtel, hier dem umgewun-
denen Mantel — nach dem Rücken herumbiegt, sodass sich bei-
demal unter dem Bande ein schmaler Streifen leicht vorquellender
kleiner Falten bildet. Und nun vergleiche man weiter die eigen-
tümliche Art, wie diese Falten und nicht nur diese gebildet sind,
die sehr lebendig wirkende, aber unruhige Fülle kleiner und
kleinster Motive und man wird die enge künstlerische Verwandt-
schaft der beiden Werke nicht verkennen; auch in der Bildung
des vorn herabhängenden Mantelzipfels hier und dem Teil des
Mantels, der dort über den Arm fällt, tritt die Verwandtschaft
zu Tage.
Der Kopf der Göttin ist leicht zur Seite gewendet und mit
freudigem Ausdruck erhoben. Le regard parait qner quelque gi-
bier au vol, sagt der Verfasser des Kataloges. Für ein Götterbild,
vollends für ein Cultbild — und wir wissen, dass wir- es hier mit
einem solchen zu tun haben — ist eine derartige Hebung des
Kopfes auf den ersten Blick befremdlich. Man sollte meinen, das
Cultbild müsse durch Haltung und Blick in Beziehung gesetzt
werden mit dem Betenden, und die Gottheit kann wirklich kaum
deutlicher zeigen, dass sie unbekümmert nur für sich existiere,
als wenn sie den Blick, statt ihn zu neigen, erhebt.
Das Aufwärtsblicken ist noch in andrer Hinsicht Charakteri-
stik. Kein andres Motiv versetzt die Gottheit so deutlich in ir-
dische Sphären im Gegensatz zu der olympischen Welt hoch oben,
aus der man nur abwärts blicken kann. Wir wissen, dass es im
vierten Jahrhundert das Trachten der Künstler war, die Götter in
echt homerischem Geiste zu vermenschlichen, sie mit menschlichen
Stimmungen zu erfüllen, in menschlichen Situationen darzustellen.
Es ist dieselbe Entwickelung, wie sie sich in der christlichen
Kunst vom Trecento zum Quattrocento abgespielt hat. Nicht an-
ders als aus diesem Trachten ist es denn auch zu erklären, dass
sich in eben jener Zeit an mehr als einem Götterbilde der Kopf
nach oben wendet; und es werden manche von diesen Statuen, wie
142 W. AMELUNG
die der Artemis, zum Cultbild in einem Heiligtum bestimmt ge-
wesen sein. So erinnere ich vor Allem an jene eigenartige Dar-
stellung der Athena, deren beste Copie in Florenz steht ('); die
Göttin, als ganz junges Mädchen gebildet, steht aufrecht, die
eine Hand keck in die Seite gestützt, in der andern den Speer; der
Kopf aber ist stark zur Seite gewendet und in den Nacken ge-
worfen, der Blick schwärmerisch emporgerichtet; wollen wir ihm
ein Ziel geben, so kann das kein andres sein, als das Antlitz des
Vaters Zeus.
Daneben sei gleich jener jugendliche Gott im Palazzo Pitti ge-
nannt, den man bisher nicht sicher hat deuten können (2). Bestimm-
ter dürfen wir Zeus als das Ziel dieses Aufblicks nennen bei zwei
Darstellungen des Hermes, die eine wieder in Florenz (3), die an-
dere der berühmte Hermes mit dem aufgestützen Fuss (4). Dort
steht der Gott aufrecht und, während die Rechte den Petasos fest
auf die dicht-sprossenden Locken drückt, richtet sich das Auge
nach oben zu dem, dessen Befehl den Boten der Götter im näch-
sten Augenblick über Meer und Lande senden wird ; hier ist
Hermes beschäftigt die Sandale zu binden; doch richtet sich der
Kopf aufmerksam zurück und empor, denn schon trifft den Ewig-
Bereiten der Zuruf seines Herrn.
In unbestimmte Fernen emporgerichtet ist das Auge des
Asklepios von Melos (5), des mitleidsvoll sinnenden Arztes, und
des Bacchus Richelieu (6), des in seliger Trunkenheit schwärmen-
den Jünglings, ebenso der jener eigentümlichen Figur in der kürz-
lich der Pothos des Skopas vermutet worden ist (7).
(*) Amelung Führer Nr. 77; die Figur ist hier, ebenso später von
Furtwängler (Sitzungsberichte der bayer. Akad. d. Wiss. 1903 S. 445) in
Beziehung zu Timotheos gesetzt worden.
(2) Amelung a. a. 0. Nr. 194.
(3) Amelung a. a. 0. Nr. 43.
(4) Michaelis Ancient marbles, Tafel zu Lansdowne House 85.
(5) Wolters, Athenische Mitteilungen 1892 S. 1 ff. Taf. II-IV.
(6) Bouillon Musee des Antiques I Taf. 31 Vgl. Arndt- Amelung Einzel-
Aufnahmen Nr. 1527.
(7) Furtwängler Sitzungsberichte d. bayer. Akad. d. Wiss. 1901 S. 783 ff.
Die Benennung kann Geltung behalten. Wenn man aber dieses Werk für
skopasisch halten will, muss man erst beweisen, dass die Köpfe aus dem
tegeatischen Giebel garnichts mit Skopas zu tun haben, denn die Züge des
STATUETTE DER ARTEMIS 143
Beim Asklepios und Dionysos ist das Motiv weniger auffal-
lend als in den erstgenannten Fällen, denn Asklepios ist durch
seine Tätigkeit, Dionysos duch seine Machtsphaere an die Erde
gebunden. Dennoch wird Jeder empfinden, bis zu welchem Grade
die Vermenschlichung der Götter vorgeschritten sein musste, wenn
man ihnen eine Bewegung gab, die für uns Menschen der sprechend-
ste Ausdruck für das Hinaus-und Hinauf-Sehnen aus irdischer
Befangenheit ist; und das gilt auch für den selig schwärmenden
Dionysos.
Bei unserer Artemis liegt es wirklich sehr nahe, sich als Ziel
der emporblickenden Augen einen fliegenden oder singenden Vogel
zu denken, und die Darstellung bekommt dadurch etwas Liebens-
würdig-Idyllisches, wie der Apollon Sauroktonos des Praxiteles
und der Apollon Smintheus des Skopas. Ausruhend lehnt die jugend-
liche Jägerin an einem Stamm des Waldes und sendet den Blick
froh empor, dem leichten Flug der Vögel nach und ihren Liedern
lauschend.
Dass dieses seitliche Heben des Kopfes bei sonst ruhig ge-
stelltem Körper in der Entwicklungs-Geschichte der formalen Mo-
tive, specieller in der Geschichte der allmählichen Ueberwindung
der Frontalität seine besondere Bedeutung hat, braucht hier nur
angedeutet zu werden ('). Ein merkwürdiger verfrühter Vorbote
« Pothos »- Kopfes haben nichts gemein mit denen jener Köpfe. Dasselbe
müsste man übrigens von L. Curtius verlangen, der es für möglich hält, dass
der von ihm sehr glücklich als Hygieia erkannte Kopf von einem Werk
des Skopas stamme und ausserdem, dass ein in Tegea gefundener weiblicher
Kopf zu der Atalante des Giebels gehöre, den auch er als Werk des Skopas
annimmt. Die beiden weiblichen Köpfe haben nicht nur nichts mit den
andern Köpfen des Giebels, sondern auch nichts unter einander gemein
(Jahrbuch d. I. 1904 S. 78 ff.).
f) Hat die Erscheinung Alexanders d. Gr. auf diese Entwickelung einge-
wirkt? Oder übertrug man das ävm ßtensiv, das fjav%f] naosyxkiysiy rbv xqcc-
%t]Xov oder, wie es sonst heisst, die dnoaiQocpf] rof rga/^kov (Schreiber, Stu-
dien über das Bildnis A. d. Gr. S. 10) nur von den Bildnissen auf den Men-
schen? Aber die Diadochen sollen es ihm nachgemacht haben. Andrerseits
wird die Mehrzahl der oben angeführten Werke zu einer Zeit entstanden
sein, als die Erscheinung Alexanders noch keine Wirkung üben konnte. Der
junge König wird eben diese Pose willkürlich oder unwillkürlich aus demsel-
ben Grunde angenommen haben, weshalb die Künstler sie ihren Götterbildern
gaben : weil keine andere wie sie dem neuen Zeitgeiste, der alle durchglühte,
Ausdruck gab.
144 W. AMELUNG
dieser Entwicklung ist eine Figur des fünften Jahrhunderts, die
für uns bisher nicht nur in dieser einen Hinsicht ein ungelöstes
Rätsel geblieben ist: der archaische Eros in St. Petersburg (*).
Ich habe oben die Thessaler-Gruppe zu Delphi kurzweg lysip-
pisch genannt, und damit die vorsichtig gezogenen und formulier-
ten Schlüsse Preuners in seiner Dissertation (Ein delphisches
Weihgeschenk, 1899), denen sich schon Homolle im Bulletin de
correspondance hell. 1899 S. 441 ff. angeschlossen hatte, in ihrem
ganzen Umfange anerkannt. Da indes von zwei Gelehrten, wie Löwy
(Rom. Mitteil. 1901 S. 392) und Furtwängler (Sitzungsberichte der
bayer. Akad. d. Wissensch. 1904 S. 379 Anm. 1) die Beziehung
der delphischen Statuen auf Lysipp in Zweifel gezogen wurde,
halte ich es für meine Pflicht, näher auf die Frage einzugehen.
Die Uebereinstimmung der Inschriften von Delphi und Pharsalos
macht es jedenfalls zunächst sehr wahrscheinlich, dass auch die
Figuren, denen die Epigramme galten, übereinstimmten. Und da
es ganz unwahrscheinlich ist, dass in Pharsalos der Agias allein
gestanden habe, so darf man zunächst auch für die übrigen Glieder
der delphischen Gruppe schliessen, dass ihnen wahrscheinlich gleiche
Figuren in Pharsalos entsprochen haben. Dass die delphischen Sta-
tuen keine Originale sind, ergiebt sich aus einer gewissen summa-
rischen Nachlässigkeit der Arbeit, die auch an den vorzüglichen He-
liogravüren der grossen Publication (Fouilles de Delphes PI. LXIII-
LXVIII) deutlich ist, an bestimmten technischen Eigenheiten und
daran, dass die Figur des Agias zweifellos für Bronze gedacht ist und
nicht für Marmor. Sind diese Statuen aber Copieen, so ist es selbst-
verständlich, dass man die Originale dort sucht, wohin uns die
Inschriften weisen, also in Pharsalos, wo für den Agias die Urhe-
berschaft des Lysipp bezeugt ist. Prüfen wir nun den delphischen
Agias auf seine künstlerische Eigenart, so muss uns sofort die ly-
sippische Proportion des Kopfes zum Körper auffallen. Dann liegt
(*) Archaeologische Zeitung 1878 S. 126 Taf. 16; Kieseritzky, Eremi-
tage Nr. 153; Michaelis, Festgabe f. d. archaeol. Sect. d. XL VI. Philol.-Vers.
Nr. 28.
STATUETTE DER ARTEMIS 145
in der ganzen Art der Haltung, so einfach sie ist, etwas federnd
Elastisches, das dem Blick recht fassbar wird, wenn man die Figur
mit einer anderen vergleicht, die gerade so dasteht, mit dem Hera-
kles Lansdowne — auch Homolle hat ihn schon verglichen, — und
diese Elasticität ist eben lysippisch. Bei dem Vergleich der Ein-
zelformen muss man gewiss vom Apoxyomenos ausgehen, aber man
muss sich auch gegenwärtig halten, dass dieses Werk uns den
Meister nur von einer Seite und zweifelsohne auf der Höhe seiner
Entwicklung zeigt, zu der viele Stufen allmählich emporführen
mussten ; man darf nicht vergessen, dass es gerade bei einem Künst-
ler wie Lysipp, der so durchschlagend Neues brachte, von vorn-
herein vorauszusetzen ist, dass er viele Entwickelungsphasen hat
durchmachen müssen, die sich jedenfalls sehr deutlich von einander
haben scheiden lassen, und dass sich auch innerhalb der einzelnen
Epochen je nach dem Gegenstände starke Schwankungen markiert
haben werden. Eine Persönlichkeit wie Praxiteles, so voll inneren
Gleichgewichts und so stark vom Strome alter Traditionen getra-
gen, konnte sich viel ruhiger und gleichmässiger in einer Linie
entwickeln ; und doch wird uns auch bei ihm die Länge der durch-
messenen Bahn immer deutlicher. Man stelle sich neben einander
den Kopf der Venus von Arles (oder des Sauroktonos), den der
Knidierin und drittens den der Aphrodite Petworth (oder des
Hermes von Olympia), und ebenso die Körper des Sauroktonos und
des Hermes. Suchen wir in einer anderen Kunstentwickelung, die
mannigfache Vergleichspunkte bietet, in der Geschichte der Renais-
sance, nach einer Parallele, so könnten wir Praxiteles mit Ghi-
berti gleichsetzen, Skopas mit Quercia, Lysipp aber dem Donatello^
der ebenso wie jener mit Riesenkräften die Entwickelung vorwärts-
getrieben und der Kunst der folgenden Zeit mehr als einer der
andern die Bahnen gewiesen hat. Und nun erinnere man sich, wie
gleich sich trotz aller Fortschritte Ghiberti und Quercia geblieben
sind, und welch ungeheure Wandlungen Donatello durchgemacht hat ;
auch ist es kein Zufall, dass bei ihm Einwirkungen des Quercia
fühlbar sind, des Ghiberti nirgends.
Dass sich der eigenartig lysippische Stil, den uns der Apoxyo-
menos repräsentiert, erst allmählich gebildet habe und dass wir
Uebergangsstufen annehmen müssen, die noch deutliche Reste äl-
terer Formengebung bewahrt haben, nimmt Furtwängler selber
146
W. AMELUNG
an ; man vergleiche seine Ausführungen in den t Meisterwerken »
S. 596 f. Charakteristisch dafür sind zwei Hermes-Figuren: die
Fig. 4.
eine der Hermes von Atalanti (Fig. 4); über ihn habe ich zuletzt
im Text der Einzel-Aufnahmen Nr. 1138 gehandelt; von allen Ge-
lehrten, die sich seither über ihn geäussert haben, ist sein lysippi-
STATUETTE DER ARTEMIS 147
scher Charakter anerkannt worden, und er ist wirklich unverkennbar.
Aber welch ein Abstand im Körper von dem des Apoxyomenos ! Von
diesem Hermes hat Furtwängler mit Recht einen anderen Typus
getrennt, der ihm zwar sehr ähnlich ist, abes in bestimmten Ein-
zelkeiten abweicht und den Kopf nach der andern Seite wendet
(Collection Somzee S. 9 Nr. 9); er ist entschieden der ältere von
beiden, denn seine Formen sind noch schwerer und massiger, und
doch trägt der in einem Fall erhaltene Kopf nach Bulle's und Furt-
Avängler's Zeugnis entschieden lysippisches Gepräge (der Typus ist
der des Hermes Richelieu im Louvre; das Exemplar mit dem zu-
gehörigen Kopfe befindet sich in Kopenhagen).
Endlich hat- Furtwängler mit Recht eine Berliner Figur (Nr.
471) dem Lysippos zugeschrieben, zugleich aber betont, dass der
Körper noch sehr an ältere Werke mit flächiger Formengebung
gemahne (Meisterwerke S. 597 Anm. 2). Ich kann diese Ansicht
nur unterschreiben und gebe zu ihrer Erläuterung zwei Abbildun-
gen der Statue (Fig. 5 und 6) nach dem Gypsabguss in München,
deren Vorlagen ich der Liebenswürdigkeit Sievekings verdanke (den
Kopf siehe auf S. 151). Der Vergleich mit dem Agias ist ausser-
ordentlich lehrreich, deshalb so lehrreich, weil neben dieser Figur,
deren lysippischen Charakter ja wohl niemand verkennen wird, und
die so ähnlich in der Stellung ist, der Agias immer mehr Züge of-
fenbart, die ihn enger mit dem Apoxyomenos verbinden; er steht
diesem in den Proportionen näher, er hat lockerer gefügte und
elastischer bewegte Formen. Wir müssten also, wollten wir die
Figuren danach chronologisch ordnen, die Berliner, in der sich
noch mehr Spuren älteren Stiles zeigen, für die frühere erklären.
Kehren wir nun zum Agias zurück, so wird uns die Tatsache,
dass er noch nicht dreidimensional componiert ist, schon weniger
befremden, um so weniger als Preuner überzeugend berechnet hat,
die Gruppen von Pharsalos und Delphi seien um 338 v. Chr. ent-
standen, d. h. zu einer Zeit, als Lysipp noch nicht lange tätig war
(der Beginn seiner Tätigkeit wird um 350 angenommen). Drei-
dimensional im Sinne des Apoxyomenos ist auch der ausruhende
Herakles des Lysipp nicht componiert; eher Hesse sich das von
dem alten Silen mit dem Dionysoskinde behaupten, den man nun
doch wohl allgemein dem Lysipp zuschreiben wird ; aber auch er
ist noch ganz auf eine Hauptansicht berechnet. Endlich erinnere
148 W. AMELUNG
man sich des sandalenbindenden Hermes, bei dem sich ebenfalls
nur in der einen Hauptansicht alle Motive klar entwickeln, sodass
Fig. 5.
die Statue im Grunde wie ein allerdings sehr hohes Relief wirkt ;
es ist interessant, sie in dieser Hinsicht mit dem Diskobolen des
Myron zu vergleichen.
STATUETTE DER ARTEMIS
149
Aber am Agias ist nicht nur die Haltung des Körpers, sondern
auch die reiche Durchbildung der Einzelformen — ich verweise auf
Fig. 6.
die ausführlichen Darlegungen Homolle's, — von einer Art, wie
wir sie aus keiner andern Schule, als eben aus^der ly sippischen
kennen, und entschieden ist er darin viel weiter entwickelt als
150 W. AMELUNG
z. B. der Hermes von Atalanti, der sich im Uebrigen wegen seiner
Stellung gut zum Vergleiche eignet. Dabei ist es zunächst ganz
gleichgültig, ob man darauf besteht, dass das Original des Hermes
ein Werk des Lysipp gewesen sei, oder nicht; zu beweisen gilt es
vor der Hand nur, dass der Agias in der Entwicklung der lysip-
pischen Stilrichtung seine Stelle findet.
Was seinen Kopf betrifft, so muss ich gestehen, dass es mir
unbegreiflich scheint, dass Jemand den lysippischen Charakter dieses
Kopfes verkennen könnte. Nur versteife man sich nicht auf eine
Einzelheit, wie die Bildung des Haares, die der Copist, wie schon
Homolle richtig bemerkt hat, der Natur seines Materiales ent-
sprechend und nur ganz oberflächlich decorativ angedeutet hat. Die
Copisten des Hermes und der Berliner Figur waren darin viel
sorgfältiger. Für die allgemeine Bildung des Gesichtes und für
seine Einzelformen giebt es wiederum nirgend anders Parallelen
als gerade bei Lysipp; man beachte die Bildung und Form der
Stirn, die Umgebung der Augen, die magere Form des Wangen
und die Bildung des Mundes. Von den allgemein anerkannten, ly-
sippischen Köpfen ist der, den wir am besten vergleichen können,
die Fagan'sche Keplik des sandalenbindenden Hermes im briti-
schen Museum; dort finden wir auch die tiefer als beim Apoxyo-
menos liegenden und runder gebildeten Augen, die am Agias viele
Betrachter an die Augen des Skopas erinnert haben. Ausserdem aber
vergleiche man auch den Kopf der oben genannten Berliner Figur,
den wir ebenfalls nach Photograph ieen Sievekings abbilden (Fig. 7).
Auch bei ihm erinnert die Bildung der Augen und ihrer Umgebung
weit mehr als beim Apoxyomenos an die Art des Skopas ; ja der Kopf
erinnert nicht nur in dieser Einzelheit so stark an ein Werk des
Pariers oder seiner Schule, an den Kopf des Meleager, dass man
wohl eine bewusste oder unbewusste Anlehnung wird annehmen
müssen. Und wirklich wäre es ja nicht zu verwundern, wenn sich bei
Lysipp derartige Anklänge an den Stil des Skopas fänden. Ist es
uns doch schon deutlich geworden, dass zwischen beiden Künstlern
innige Zusammenhänge bestehen, die es denn auch erklären mögen,
dass Furtwängler ein so ur-lysippisches Werk, wie den Ares Ludo-
visi für skopasisch erklären konnte (Meisterwerke S. 525 f.).
In unserem Fall aber hat vielleicht noch ein besonderer Grund
mitgewirkt zu dieser so charakteristischen Formengebung. Preuner
STATUETTE DER ARTEMIS
151
schreibt S. 31 f. : i Wir dürfen obigem Verse weiter entnehmen,
vielleicht nicht nur, dass dem Verfasser des Epigramms in seiner
eigenen Vorstellung der Pankratiast Agias als ein väog cHqaxXrtg
vor Augen stand, sondern dass in der Statue selbst der Athlet dem
Heros angeglichen war * . Das ist nach dem Erhaltungszustand der
Statue immerhin möglich: war es aber der Fall, so lag es auch
nahe, dass sich der Künstler eine der berühmtesten Darstellungen
Fig7.
des jugendlichen Herakles zum Muster nahm, die vor nicht allzu
langer Zeit geschaffen war, eben den Herakles des Skopas, der uns
in vielen Wiederholungen des Kopfes, am vollständigsten in der
wundervollen Figur des Herakles Lansdowne vor Augen steht; wir
haben ihn schon vorher verglichen. Aber allein das Bestreben, dem
Ethos dieses väog cHqaxlftg Ausdruck zu geben, konnte zu einer
derartig ausdrucksvollen Bildung der Augen führen ; man vergleiche
in dieser Hinsicht den Kopf des ermüdeten Herakles, dessen ver-
schiedenartige Repliken von der kleinen Bronze bis zum Marmor-
coloss alle darin übereinstimmen, mit dem Kopf des alten Silens
152 W. AMELUNG
mit dem Dionysoskinde, und man wird wiederum bei dem schwer
leidenden Heros sehr viel tiefer liegende, mehr der skopasischen
Art entsprechende Augen finden als bei dem alten humorvollen
Paedagogen des Dionysos. Endlich scheint sich eine analoge Be-
ziehung, wie hier auf den Herakles, auch bei der Figur des Age-
laos zu verraten ; dort ist Hermes der. Gott, dessen Bilde das des
Sterblichen angeglichen ist. Homolle sagt (S. 436) ganz mit Recht :
« II semble, parmi ses compagnons, comme un jeune dieu ... on
dirait Hermes lui~meme, patron de la jeunesse et de la gymnas-
tique ■ ; und bedeutsam ist auch die Herme, auf die er sich lehnt.
Dabei müssen wir uns erinnern, dass diese Figur die Mitte der
ganzen Composition einnahm, Agias die Mitte des rechten Flügels ;
und ist es nun ein Zufall, dass auch die dem Agias in der Mitte
des linken Flügels entsprechende Statue, die des älteren Sisyphos,
auffällt durch ihre Erscheinung und die grossartige Pose? Da in
seinem Epigramm Kriegstaten gerühmt werden, hat er in der er-
hobenen Rechten doch wohl den Speer gehalten, und es wird nicht
zu kühn sein anzunehmen, dass sein Haupt vom Helm bedeckt
war. So würde dieser Günstling der Pallas in einer Gestalt vor
uns stehen, die uns an die Freunde dieser Göttin aus der Vorzeit,
vor Allen an Achilleus, den Thessalier, selber, erinnern müsste.
Nach alledem scheint es mir geraten zuzugestehen, dass uns
der Agias in den Punkten, in denen er vom Apox}'Omenos abweicht,
eben etwas Neues über Lysipp, seine Kunst und seine Entwickl-
ung zu lehren berufen ist, trotzdem es mir sicher scheint, dass
der Copist, den wir angenommen haben, nicht der Meister selber
war. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass er in den Haupt-
sachen genau copiert hat und also mit der Eigenart des Lysipp
wohl vertraut war. Eine andre Frage ist aber, ob wir auch die
anderen Figuren der Gruppe, wie ich oben getan, für unsere
Kenntnis lysippischer Kunst verwerten dürfen. Wir wissen, dass
Lysipp in einer Gruppe gemeinsam mit Leochares, und dass dieser
in einer anderen, die wie die delphische aus einer Reihe von Por-
trätstatuen bestand, neben Sthennis gearbeitet hat. Nun ist es
gleich bedeutsam, dass der Torso, den Homolle dem Telemachos
zuschreibt, mit dem Agias stilistisch unverkennbar übereinstimmt,
wie der französische Gelehrte richtig hervorgehoben hat; ja, nach
der Abbildung (Bull. a. a. 0. PL XXVI) scheint er sogar mehr
STATUETTE DER ARTEMIS 153
mit dem Apoxyomenos übereinzustimmen, als der Agias; und nicht
anders steht es mit dem auf derselben Tafel abgebildeten Kopfe,
der doch aller Wahrscheinlichkeit nach zu dem Weihgeschenk gehört.
In der Figur des Agelaos (ebenda XII ; Fouilles LXVII) hat Ho-
molle die Spur einer Einwirkung praxitelischer Kunst auf Lysipp
vermutet. Mit Unrecht; das Motiv des Auflehnens kannte nicht
Praxiteles allein. Zudem scheint es mir nach der schrägen Stellung
des Standbeins und dem Ansatz des Spielbeins sehr wahrscheinlich,
dass der Fuss dieses Beines nicht zurückgezogen, sondern vorgesetzt
war, wie bei der Artemis-Statuette, von der wir ausgingen. Die Figur
findet ihrer ganzen Formengebung nach und mit der sehr eigenartig
um den Arm gezogenen Chlamys innerhalb irgend einer attischen
Schule keine Stelle, wo man sie durch einen überzeugenden Ver-
gleich anreihen könnte. Dagegen scheint mir Homolle vollkommen
recht zu haben, wenn er auch in ihr lysippischen Stil erkennt,
wenngleich ein gewisser Unterschied zwischen ihr und dem Agias
wohl zu bestehen scheint, der vielleicht auf einen anderen Künstler
aber doch auf einen Genossen des Lysipp schliessen lässt.
An dieser Stelle sei auch ein Wort gesagt über die Statue
des jüngeren Sisyphos (Bull. pl. IX; Fouilles pl. LXVIII), die
zweifellos nicht in dem ursprünglichen Plan beabsichtigt war, also
in Pharsalos jedenfalls gefehlt hat, die aber nach Homolle sehr bald
zugefügt und ihrer Technik nacn in demselben Atelier gearbeitet
wäre, wie die übrigen Teile der Gruppe. Dieser Schluss wird jeden-
falls empfohlen durch die deutliche Verwandtschaft dieser Figur
mit einer Statue, die wir schon oben herangezogen haben, mit dem
Hermes von Atalanti ; man vergleiche Stellung, Formen und Wurf
der Chlamys. Hierin scheint mir ein Beweis zu liegen, dass die
Copisten der delphischen Gruppe eben in dem Kreise des Lysippos
lebten, und das giebt uns wieder eine Gewähr für die stilistische
Treue ihrer Arbeit.
Schwieriger ist die Entscheidung über den Stil bei den beklei-
deten Figuren. Ausser der einen Analogie, auf die oben hingewie-
sen wurde, wüsste ich nur eine andere zu nennen, und zwar zu der
Figur der Aknonios (Bull, de corr. hell. a. a. 0. pl. XXV r. ;
Fouilles de Delphes pl. LXVI 1.) eine Hermes-Statue im Braccio
nuovo Nr. 132; bei ihr scheint mir in der Art, wie die Chlamys
arrangiert ist und wie die Falten wiedergegeben sind, der gleiche
11
154
W. AMELUNG
künstlerische Sinn zu walten. Sonst kann man von der Figur nur
sagen, dass sie zweifellos dem vierten Jahrhundert angehört und
Abhängigkeit von Polyklet verrät ; man könnte ihr etwa eine Stelle
zwischen Polyklet und Lysipp anweisen, wie sie Furtwängler a. a.
0. für einen Herakles des Museo Chiaramonti angenommen hat.
Uebrigens hat augenscheinlich sowohl der Aknonios, wie der Dao-
chos I in der Composition der Gruppe eine untergeordnete Kolle
gespielt: beide haben den künstlerischen Hauptfiguren nur als Folie
dienen sollen, als Thesen zwi-
schen den Arsen. Dadurch erklärt
sich vor Allem die so auffallend
schlichte Erscheinung des Dao-
chos. die dazu verführen konnte,
ihn mit dem sog. Phokion im
Vatican (Heibig, Führer Nr. 339)
zu vergleichen, einer Statue, die
ein Werk des fünften Jahrhun-
derts copiert.
Wenden wir uns zum Schluss
noch einmal zu der Figur, von
der unsere Betrachtungen über
die delphische Gruppe veranlasst
wurden, zu der Statue des älte-
ren Sisyphos, um uns den Unter-
schied zwischen ihrem Stil und
dem praxitelischen insbesondere
klar zu machen. Zu diesem Ende
rücken wir neben sie einen schönen männlichen Torso, der ebenso
bekleidet ist, und dessen Original nach der Eigenart seiner Gewand-
behandlung augenscheinlich im Kreise des Praxiteles entstanden ist
(im Belvedere des Vatican Nr. 5 ; hier Fig. 8). Seine Faltengebung
macht einen üppigeren und doch ruhigeren Eindruck; siegiebt nicht
so viel gleichwertige kleine Motive, sondern hebt die grösseren Züge
entschiedener hervor, sodass sich leichter übersehbare und wirkungs-
vollere Gegensätze von Licht und Schatten ergeben ; das praxitelische
Gewand hängt loser um den Körper, sodass sich einerseits jene stark
gebrochenen oder curvenartig geschwungenen Falten mit weit vor-
tretenden hellen Rücken und dunklen Tiefen bilden, und dass andrer-
Fig. 8.
STATUETTE DER ARTEMIS 155
seits die dagegen ruhig wirkende Senkrechte in den ungebrochen
abwärts hängenden Teilen stark zur Geltung kommt, weit stärker
als in dem dichter dem Körper angeschmiegten Gewände des Si-
syphos, an dem uns dagegen die Fülle der lebhaften Einzelheiten
und das scheinbar Regellosere, weniger Arrangierte im Wurfe freut.
Um auf etwas Specielles hinzuweisen, so würde sich an einer pra-
xitelischen Figur kaum jenes so charakteristisch wirkende Motiv
linden, dass die beiden Hauptfalten an dem unteren Teil des Chiton
nach unten convergieren. Auch vergleiche man den Mantel 'des
Sisyphos und sein scheinbar zufälliges Durcheinander mit der
Chlamys des praxitelischen Hermes und ihrer deutlich planvollen
Ordnung. Der attische Meister erscheint auch auf diesem Gebiete
vielmehr als der letzte und reichste Vollender dessen, was seine
grossen Vorfahren begonnen, während in dem Gewand des Sisyphos
eine durchaus neue künstlerische Anschauungsweise ihren Ausdruck
findet.
Combinieren wir nun das Resultat dieser Vergleichung mit
der Beobachtung, dass der Sisyphos stilistisch verwandt ist mit
einer Darstellung der Artemis, die wir nach allerlei sonstigen
Gründen wohl geneigt sein konnten, dem Lysipp oder seiner Um-
gebung zuzuschreiben, so ergiebt sich eben auch für den Sisyphos
die Wahrscheinlichkeit, dass sein Original ein Werk des Lysipp
oder seines Ateliers war.
W. Amelung.
INSCHRIFT EINES GERMANENKRIEGES.
In dem Cimitero di Commodilla an der Via Ostiensis wurde
im Jahre 1904 das Fragment einer hochbedeutenden Inschrift ge-
funden, die nach den Schriftzügen am Ende des zweiten oder am
Anfange des dritten Jahrhunderts geschrieben wurde (') :
c
T
1Y1 ~ — o —
GERM'ANIAE ■ G E N T I V\
,'ATA-MOX -IN (CREDIBILI-CELI
Wenn es auch als ein Wagnis erscheinen mag, so spärlichen
Resten eine historische Deutung geben zu wollen, so wird doch eine
Umgrenzung der bekannten Tatsachen, in deren Kreis das neue
Monument einzureihen ist, dem Verständnis von Nutzen sein.
Das Fragment ist 0,64 m. breit und 0,17 m. hoch. Die
Grösse der Buchstaben nimmt von Zeile zu Zeile ab und demge-
mäss wächst in demselben Verhältnis ihre Zahl.
Zeile 1 : 7 Buchstaben
Zeile 2 : 15 Buchstaben
Zeile 3: 20 Buchstaben
Zeile 4: 20 Buchstaben.
(*) Publiziert sind die Fragmente a und c (in unrichtiger Reihenfolge)
von Marucchi, Nuovo bull, di Archeologia cristianaX, 1904 p. 130 n. 114;
das mittelste Stück ist erst ganz neuerdings hinzugekommen. Die Kenntnis
des Monumentes verdanke ich Huelsen, der auch die Zeitbestimmung ge-
geben hat; einen Abklatsch der Freundlichkeit des Hrn. Marucchi.
INSCHRIFT EINES GERMANENKRIEGES 157
Nach seinem Stile ist das Monument kenntlich als das Elo-
gium eines Feldherrn. Inschriften dieser Art standen an den Basen
der auf Senatsbeschluss an öffentlichen Plätzen errichteten Statuen.
Dann wären die erhaltenen Worte ein Teil der Begründung des
Senatsbeschlusses (l). Oder das Elogium war an dem Grabmale des
Feldherrn angeschrieben (2).
Wie der Versuch einer Ergänzung sofort zeigt, ist uns ein
mittleres Stück erhalten, was die Bestimmung des Sinnes erschwert.
Man erkennt, dass an einen Kampf gegen germanische Stämme
sich unmittelbar eine Unternehmung gegen Feinde anschliesst, die
von einer Barbarenflotte unterstützt wurden. Denn die Ergänzung
der Zeile 4 : eu\m a barbaris classem habu[issent lässt sich nicht
abweisen. Dann aber sind die Gegner Roms in diesem Seekriege
keine Ausländer, barbari, sondern Unterworfene, die sich gegen
die Herrschaft Borns aufgelehnt hatten. Der enge Zusammenhang
der zwischen dem ersten und zweiten Ereignis besteht, macht es
wahrscheinlich, dass eben jene gentes Germaniae die Empörer
sind. Das in Zeile 3 sich incredibili cel\jritate vollziehende Erei-
gnis war ein begleitender Umstand des Seekampfes, wie der
mit. .ata endende Ablativus absolutus erkennen lässt. Die eigentüm-
liche Hervorhebung der feindlichen Flotte lässt es als möglich
erscheinen, dass jener begleitende Umstand des Seekrieges die Er-
bauung einer eigenen Flotte war. Zwischen der ersten und zweiten
Zeile fehlt als notwendiges Glied die Bezeichnung der Germaniae
gentes als im Kriege besiegter, also bello [deuictarurn] Germa-
niae gentium. Vor bello ist an der Endung rum kenntlich, dass
hier die Namen dieser Völker standen. Mit diesen Ergänzungen ist
die Lücke bestimmt:
Zeile 1 am Anfange 1, am Ende 7 Buchstaben.
Zeile 2 am Anfange 3, am Ende 15 Buchstaben.
Zeile 3 am Anfange 5, am Ende 20 Buchstaben
ebenso Zeile 4.
Die Gesamtbreite der Schriftfläche betrüge dann 4 römische
Fuss; breiter kann weder eine Basis noch die Tafel eines Grab-
(*) Vgl. Dessau 1098 am Ende.
(8) Dessau 918. 939. 986. Oesterr. Jahresh. 7, 229.
158 A. v. DOMASZEWSKI
males angenommen werden, wenn man die Zeilen leicht überblicken
soll. Entsprechend dem oben entwickelten Sinne, würde die Er-
gänzung der ganzen Inschrift lauten:
\_Huic senatus auctore
imperatore quod rebellionem
~\rum hello [devicta-
runi] Germaniae gentiu[_m suppressit, et ae-
dißc]ata mox incredibili cel\erüate classe defecto-
res cu]m a barbaris classem habu[issent subiecit . . .
statuam armatam poni in foro divi Traiani
pecunia publica censuit.
In der Periode, während welcher die Inschrift geschrieben
sein muss, haben nur Kaiser Marcus nach Beendigung des Mar-
comanenkrieges und Septimius Severus nach Besiegung seiner
Gegenkaiser ihren Feldherren Denkmäler errichtet. Um das tiefe
Dunkel, welches die Gestalt des Septimius Severus umhüllt, in
einigen merkwürdigen Momenten aufzuhellen, werde ich versuchen,
die Inschriften jener Feldherren nach ihrer Beziehung zu dem
neuen Monument zu prüfen.
Die Errichtung einer Ehrenstatue ist bekanntlich an Stelle
der ornamenta triumphalia getreten, und diese an Stelle des
Triumphes. Demnach kann die Ehre nur in einem bellum iustum
gewonnen werden. Es ist aber bezeichnend, dass Septimius Severus
diese Ehre im Bürgerkriege verliehen hat. CIL. VI, 1566: [tri-
b(uno) müi(tum) leg(ionis) . . pi~]ae ßdelis, it(em) leg{ionis) \_XI
Claudiae~] ({) piae ßdelis. \_Huic sen\atus auctore [imp. caes. l.~]
(*) Bormanns Lesung lässt auch meine Ergänzung zu, die der Sinn for-
derte, da an dieser Stelle nur der Legionstribunat stehen kann. Henzens Er-
klärung des II als it(erum) mit Mommsens Erläuterung als Zeichen der Ite-
ration der Beinamen pia ßdelis widerspricht der stehenden Formel, wonach
das Iterationszeichen den Worten pia fidelis vorangeht. [Mir schien bei Re-
vision des Steines nach leg die untere Hälfte von xi sicher: jedenfalls steht
nicht LEGAT, da. Ch. H.] Auch giebt es in der Zeit des Septimius Severus keine
Legion, bei welcher diese Beinamen verdoppelt wären. C. III 4300 Deo Soli
Alagabal — gewiss indeclinabel, vgl. C. III 7954 — Ammudati mü(ites) le-
g{ionis) I ad(iutricis) bis p{iae) f[idelis) cons\Jantis~\ ist aus der Zeit Elagabals.
Die Legio I adiutrix hat an dem Orientzug Caracallas teilgenommen. Bull. Corr.
INSCHRIFT EINES GERMANENKRIEGES 159
Septimio Severo [pertinace] Aug. statuam \_habitu milita]ri in
foro divi \_Traiani ponend~\am censuit. Unter den Feldherren des
Septimius Severus stand an erster Stelle Claudius Candidus, der
die Dynastie durch seine Siege geschaffen hatte (x). Seine Ehrenin-
schrift Dessau 1140, vgl. dazu West. Korr. Bl. 1892 p. 231 und
1893 p. 37 nennt die Aemter: leg. Augg. pr. pr. provinc. H{i-
spaniae) c(iterioris) et in ea duci terra marique adver sus re~
belles h(ostes) p(ublicos) item Asiae item Noricae, duci exerci-
tus Illirici expeditione Asiana, item Parthica, item Gallica. Der
Name des Candidus ist auf der Inschrift eradiert und dann restau-
riert; also sein Andenken muss einmal geächtet und später wie-
derhergestellt worden sein. Da er unter den einflussreichen Rat-
gebern des Severus, die Caracalla mordete oder zu morden versuchte,
nicht genannt wird, so dürfte ihm Plautianus den Untergang
bereitet haben (2). Nach dessen Sturze mag Severus selbst sein
Andenken wieder zu Ehren gebracht haben: die Unterdrückung
der Revolten in Spanien Noricum und Asien wird sich an die Be-
siegung des Albinus angeschlossen haben. Denn Novius Rufus,
Statthalter in Hispania citerior im Jahre 193, findet sich in der
Liste der durch Severus hingerichteten Senatoren (3). Es fehlt
auch nicht an Zeugnissen, dass es im Laufe von Severus' Re-
gierung wiederholt zu Revolten kam (4). Besonders merkwürdig ist
Hell. 25 p. 59 u. 205 (aus Bithynien) : dvvuyvaQxrjactg XeyiQoi a xai ß' diödoig
[eni] Ileqaag. Die Persae sind eine Erfindung Caracallas — vgl. Wolters
Athen. Mitth. 28 p. 296. — Da beide Legionen eine Einheit bilden, so kann
es nur das Heer Niederpannoniens sein — vgl. Rhein. Mus. 45, 208 — ; Ela-
gabal hat der Truppe den Ehrennamen verdoppelt, denn nach seinem Tode
verschwindet er wieder. Der Anlass wird eine der Revolten in Syrien gewesen
sein, über welche Dio 79, 7, wie er selbst sagt, schlecht genug unter-
richtet war. Ueber die spätere Verleihung dieser Ehrennamen durch Gallienus
als eine Form die Regierungsjahre zu zählen vgl. Rhein. Museum 57, 515.
0) Rhein. Mus. 53, 638.
(*) Vgl. Vita Severi 15, 4 f. Auch wissen wir von keinem zweiten Con-
sulat des Candidas, das doch er vor allem, früher noch als Cilo, der im Jahre
204 zum zweiten Mal Consul war, erhalten hätte. Diese Erwägung bestimmt
wieder die Zeit seiner Aechtung, die vor 204, also vor den Sturz des Plautianus
fallen muss.
(8) C. II 4125. Vita Severi 13, 7.
(*) Asien: Dessau n. 430; Africa: Dessau 429 (a. 208).
160 A. v. DOMASZEWSKI
die Aufbietung der ganzen germanischen Armee gegen defectores
et rebelies um das Jahr 205 (1).
Auch die Commandos des Fabius Cilo während des Bürger-
krieges haben für die Kenntnis der Zeit Bedeutung: Dessau 1141.
1142. In beiden Inschriften ist durch die Zasammenziehung gleich-
artiger Aemter die zeitliche Folge gestört. Aber es ist leicht
zu erkennen, dass Cilo als Consular im Jahre 193 das Commando
der Vexillationes übernahm, welche Perinth gegen die Feldherren
Nigers vertheidigt hatten (2). Nachdem er mit seinen Truppen bei
Nicaea gefochten, übernahm er die für die Durchmärsche der
europäischen Truppen nach Asien wichtige Provinz Bithynien (3) ;
Dann verwaltet er vor dem Kriege gegen Albinus die Provinz
Moesia superior. Es scheint, dass der Kaiser während seiner Kämpfe
im Orient dem Cilo den Schutz seiner unmündigen Kinder an-
vertraut hatte. Denn in Viminacium, dem Hauptquartier des Cilo,
wurde Caracalla im Jahre 196 zum Caesar ernannt und bei einem
solchen persönlichen Verhältnis erklärt es sich, dass Caracalla
(Dio 77, 4) den Mann, den er ermorden wollte, rgoysa xal svsq-
yäTrjv nannte. Dem entspricht es auch, dass Cilo die zum persön-
lichen Schutze des Kaisers bestimmten Truppen befehligt, mit
welchen Severus im Jahre 196 nach Rom marschierte (4): duci
vexilliationum) per Italiam exereitus imp. Severi Pii Pertinacis
Aug. et M. Äureli Antonini Aug. Die Alpenpässe gegen Gallien hatte
Severus durch vorausgesandte Truppen gesichert; Herodian 3, 6, 10:
ETtspLXps Sh xal (TTQccTijbv (jistcc) (5) dwäfiscog xbv xa axeva
twv 'ÄXtisiov xaxaXrjxpo^svov xal (fQOVQrjaovxa x^g ^Ixaliag rag
slaßokag. Wir kennen den Mann. Es ist C. Iulius Pacatianus.
Seine Inschrift Dessau 1253 militiis equestribus perfuncto proc.
(») Dessau 1153. Vgl. röm. Mitth. 17, 335.
(2) Perinth ist die Hauptstadt Thrakiens. Vgl. W.estd. Zeitschr. 21, 189.
Dasselbe Amt bezeichnet die Inschrift 1142 mit comiti Augg. Vgl. Vita
Severi 8, 13. Dio 74, 6. Statthalter Galatiens war Cilo als Praetorier unter
Commodus gewesen.
(3) Vgl. die Inschriften aus Prusias ad Hypium in Inscr. Graecae ad
res Rom. pert. 3 n. 66 sq.
(*) Eckhel d. n. 7, 157.
(5) Nach Reiskes Emendation, denn die appositiven Participia fordern
eine handelnde Person.
INSCHRIFT EINES GERMANENKRIEGES 161
provinc. 0\_sr\hoene,praefecto legionis Parthicae (l),proc. Alpium
Cottiarum, adlecto inter comites Auggg. nnn. (2). Mit der neuge-
bildeten legio Parthica und anderen Truppen hatte er die im
Winter allein gangbaren Alpes Cottiae besetzt. Aus diesen histo-
rischen Verhältnissen erklärt sich die regelwidrige Beförderung von
der Praefectura legionis ducenaren Ranges (3) zur Procuratur der
Alpes Cottiae centenaren Ranges. Comes war er im Kampfe gegen
Albinus.
An der Germanengrenze finden wir nach dem Siege über Al-
binus den Marius Maximus tätig. Dessau 2955: leg. Aug. pr.
pr. provinciae Germaniae inferioris, item provinciae Belgicae
duci exercüi [sie] Mysiaci apud Byzantium et apud Lugudunum.
Und auch Anullinus, der zusammen mit Candidus bei Issus ge-
siegt hat, scheint Germania superior verwaltet zu haben, wenn
sein Name in den Inschriften C. XIII, 6542. 6543 zu ergänzen
ist. Er allein von den genannten Feldherren könnte der in der
Inschrift C. VI, 1566 (oben S. 158 f.) Geehrte sein, da seine Car-
riere (Dessau 1139) nicht vollständig bekannt ist (4). Mommsen
hat aus der Mainzer Inschrift C. XIII, 6800 in h(onorem) Z.- Se-
ptimi Severi Pii invicti imp(eratoris) et M. Aureli Antonini
Caes(aris) legioni XXII pr. p. f. honoris virtutisque causa ci-
vitas Treverorum in obsidione ab ea defensa geschlossen (5), dass
der Bürgerkrieg gegen Albinus auch zu einer Erhebung der Ger-
manischen Stämme an der Reichsgrenze geführt hat, die Bela-
gerer Triers Germanen gewesen seien. Entwickelten sich dann die
Verhältnisse am Rheine ähnlich, wie im Jahre 70 n. Chr., so
können die Kämpfe gegen die Germanen in einer Weise verlaufen
(1) Es gab also damals nur eine Legio Parthica; es ist die, welche
später als II Parthica auf dem Albanerberge die orientalische Garde der
Dynastie bildet.
(2) Die Augusti tres sind für Unkundige eine grosse Versuchung die
Inschrift falsch zu datieren. Aber er war Praefectus alae am Ende der Re-
gierung des Commodus. Vgl. C. III 865 und dazu p. 1380.
(3) Vgl. meine Darlegungen Wiener Studien 9, 1887, p. 297, die Hirsch-
feld (Berl. Sitz. B. 1889, p. 434) sowie Dessau (zur Inschrift) unbekannt ge-
blieben sind; dagegen hat sie Mommsen berücksichtigt Hermes 25, 234.
(4) Die drei anderen Generale sind sicher ausgeschlossen durch die
Namen der Legionen, in denen sie als Tribuni gedient haben.
(5) Westd. Korr.-Bl. 1886 p. 185.
162 A. v. DOMASZEWSKI
sein, wie das Fragment der Inschrift es andeutet. Aber die Deu-
tung der Mainzer Inschrift ist durchaus nicht gesichert und so ist
man berechtigt die Zeugnisse aus der Zeit des Markomanenkrieges
zu prüfen, um zu sehen ob das Fragment nicht besser auf diesen
Krieg bezogen wird. Da bieten sich von selbst die Nachrichten
der Vita Iuliani dar 1, 6: post praeturam legioni praefuit in
Germania vicensimae secundae Primigeniae, inde Delgicam sancte
ac diu rexit. ibi Cauchis, Germaniae populisJ qui Albim fluvium
adcolebantj erumpentibus restitit , tumultuariis auxilüs provin-
cialium. ob quae consulatum meruit testimonio imperatoris. Cattos
etiam debellavit. Man bestimmt diese Ereignisse gewöhnlich nach
Iulians Consulat, das er wie die Vitae wollen zugleich mit Per-
tinax bekleidet hat (l). Aber das durchaus glaubwürdige Zeugnis
der Fragmenta Vaticana nennt den Collegen des Pertinax Aelia-
nus (2), auch das Jahr in welches man dieses Consulat gewöhnlich
setzt, 175, beruht nur auf der christlichen Interpolation im Dio-
text (3). Vielmehr war Pertinax 173 Consul, da der Kampf in
Eaetien und Noricum ins Jahr 172 fällt. Für die Zeit von Ju-
lian^ Statthalterschaft in der Belgica fehlt es daher an einem
sichern Anhalt; doch ist sie jedenfalls in die Zeit des Markoma-
nenkrieges zu setzen. Wenn die Chauken damals ihre Raubfahrten
bis an die Küsten der Belgica erstreckten und die Chatten bei
einem Einfall das Gebiet der Belgica erreichten, so muss der
Grenzschutz am Ober- wie am Niederrhein versagt haben. Wir
finden denn auch, dass ein im Markomanenkriege an der Donau
bewährter General an den Niederrhein gesandt wurde. Dies lehrt
die merkwürdige Inschrift des L. Antistius Adventus ; Cagnat annee
epigr. 1893 n. 88 legato Augusti pro praetore provinciae Ger-
maniae inferioris, legato Augusti ad praetenturam Italiae et
Alpium expeditione Germanica. Die Statthalterschaft Niederger-
maniens fällt 173/174, da die expeditio Germanica 172 zu Ende
(0 Vita Juliani 2, 3; Vita Pertinacis 14, 4, 5.
(*) § 203. Die Inschrift C. VI, 3702 = 30967 ist aus dem Jahre 192.
(») Vgl. Rhein. Mus. 49, 162; Heidelb. Jahrb. 5, 116; Mommsens Ver-
such, Harnack zu retten, Hermes 30, 90, scheitert an der Chronologie der
Reliefs, die den Commodus nicht kennen. Nur Boissevain, in seiner Vorliebe
für Dio, verschliesst sich dem Argument. Sonst hat man, so viel ich sehe
meine Chronologie anerkannt.
INSCHRIFT EINES GERMANENKRIEGES 163
ging. Damit waren die schwersten Zeiten an der Donau überwun-
den. Aber Antistius kann am Niederrhein keine hervorragenden
Verdienste erworben haben, da er nicht durch Orden ausgezeichnet
wurde. Vielmehr halte ich es für durchaus möglich, dass unser
Fragment sich auf Didius Iulianus beziehe. Die Chatten hatten
einige Jahre früher Aufidius Victorinus besiegt (') ; die Flotte der
Chauken kann mit der classis a barbarn gemeint sein. Natürlich
ist dies eine blosse Vermutung.
Heidelberg.
A. V. DOMASZEWSKI.
(») Prosop. Imp. Eom. I, 184 n. 1160.
ZWEI FLUCHTAEFELCHEN VON DER VIA APPIA.
Bei einer im Oktober 1903 unter Leitung des Herrn Prot.
Hülsen unternommenen Excursion auf die Via Appia glückte es
mir, dort zwei bleierne Verfluchungstäfelchen zu linden und zu
erwerben
Das erste fand sich neben dem Columbarium der Freigelas-
senen der Marcella in der Vigna Codini unter Schutt und Mar-
morbrocken, wo es unbeachtet schon lange gelegen haben mochte,
wohl in der Nähe der Platzes, an dem man es im Altertum ge-
borgen hatte. Wenn das Täfelchen, was wahrscheinlich ist, bei der
Ausräumung des im ersten nachchristlichen Jahrhundert gebrauch-
ten Columbariums mit herausgeworfen wurde, so ist dieses Stück
älter als die sonst in Rom zu Tage gekommenen Devotionstafeln.
Die kleine Tafel, 10 cm. breit, 17 hoch, aus ziemlich star-
kem Blei bestehend, zeigt charakteristische Formen. An den vier
Ecken und in der Mitte sind sechs starke, z. T. noch erhaltene
ZWEI FLUCHTAEFELCHEN VON DER VIA APPIA 165
Eisennägel von viereckigem Querschnitt durchgetrieben, regelmäs-
sig gestellt wie die Siegel eines Briefes. Dann hat der Verflu-
chende die Tafel, ehe er sie von der einen Schmalseite her halb
aufrollte, auf den weichen Boden gelegt und durch zwei mit
grosser Kraft geführte Dolchstösse durchbohrt. Die Lesung, bei
der Dr. Voigtländer in Hamburg freundlichst mir half, liat zu keinem
Ergebnis geführt Es zeigen sich Reste von griechischen Buch-
staben und Zeichnungen, die sich aber einer sicheren Deutung
nicht fügen. Die Zerstörung der Schrift und der Linien ist so
gleichmässig, dass man an blossen Zufall nicht wohl denken kann.
Man muss vielmehr mit R. Wünsch, der die Tafel untersucht
hat, annehmen, dass der Fluchende eine bereits beschriebene Blei-
tafel für seine Zwecke benutzt und die vorhandene Schrift zunächst
durch Hämmern vernichtet hat. Dabei sind nur einige Reste (z.
B. am oberen Rande die Figur eines nagsdgog) sichtbar geblie-
ben. Die so zum Gebrauche vorbereitete Tafel hat der Fluchende
sodann mit Nägeln und Dolchstichen durchbohrt und ohne auch
nur den Namen des Verfluchten einzuritzen an der Begräbnisstätte
in den Bereich der Unterirdischen gebracht, in der Erwartung, dass
schon der gesprochene Fluch wirksam sein und die Wunden, die
er dem Bleistück zugefügt, auch den Verfluchten treffen würden.
Das Täfelchen bildet also in dieser Beziehung eine Parallele zu
der von R. Wünsch (Piniol. 1902, 27 ff.) veröffentlichten und be-
sprochenen bleiernen Rachepuppe.
Das zweite Bleitäfelchen fand sich an demselben Tage weiter
draussen an der Via Appia bei dem von Lugari für das zweite
Grab des hl. Urbanus gehaltenen Gebäude in der Vigna Lugari,
und ist wohl bei der Eröffnung eines der zahlreichen dort befind-
lichen Gräber zu Tage gekommen. Das zusammengefaltete Blei
ist durch die Einflüsse der Witterung, der es lange ausgesetzt
gewesen sein muss, stark angegriffen und zeigt ausser den Resten
der üblichen Zeichnungen (vgl. Wünsch Seth. Verfluchungstafeln
20 b) keine lesbaren Inschriften mehr. Soweit bekannt, sind bisher
an diesem Platze Verfluchungstäfelchen nicht gefunden worden.
Brüssel.
Karl Lohmeyer.
GESCHÜETZE AUF ANTIKEN RELIEFS.
Wer sich über antike Geschütze zu unterrichten sucht, mag
anfangen wo er will, er wird überall hingewiesen auf das Werk,
das allen heutigen Darstellungen zu Grunde liegt: auf Köchly
und Rüstow, Griechische Kriegsschriftsteller (1853). Das Urteil
der öffentlichen Meinung lautet : ■ Köchly und Rüstow haben in
der Geschichte des Griechischen Kriegswesens sehr sorgfältig und
mit Sachkenntnis über diesen Gegenstand gehandelt und darauf
durch Herausgabe und eingehende Erklärung von Herons ßsXo-
Ttoüxa und Philons Buch neql ßsXonotixSiv sowie der bisher völlig
unverständlichen Stelle des Vitruv über die Geschütze die schwie-
rige Untersuchung über diesen Gegenstand einer lang ersehnten
Lösung entgegengeführt ■ (1).
Man muss sich über dieses Urteil einigermassen verwundern,
weil die praktischen Versuche mit Geschützen, die genau nach
den Anweisungen von Köchly und Rüstow rekonstruiert waren, ein
ganz negatives Resultat ergeben haben. « Auf 60 Schritt durch-
bohrt der Pfeil noch ein 1 l/, zölliges Brett ■ und « eine neun
Pfund schwere Steinkugel wurde mit dieser Maschine auf etliche 40
Schritt geschleudert » , sind miserable Ergebnisse (2), die der Kon-
strukteur, der badische Hauptmann Deimling, allerdings durch die
obwaltenden « ökonomischen Rücksichten » zu entschuldigen sucht
(man benutzte statt der Tiersehnen oder Rosshaare ■ unelastische
Hanftaue » und auch diese nur in ganz unzureichender Menge,
weil man sie nicht recht einzuspannen verstand) ; aber der Haupt-
grund des Misserfolges war doch die fehlerhafte Konstruktion der
(») Marquardt Kömische Staatsverwaltung8 (Leipzig 1884) S. 518 A. 6.
(2) Verhandlungen der 24. Versammlung deutscher Philologen und Schul-
männer in Heidelberg 1865.
R. SCHNEIDER, GESCHUETZE AUF ANTIKEN EELIEFS 167
sog. Bailiste d. h. des Palintonon. Ueber diesen prinzipiellen
Irrtum jener beiden Autoritäten, der seit fünfzig Jahren dem rich-
tigen Verständnisse der antiken Geschütze im Wege gestanden
hat, äussert sich ein anderer erfahrener Techniker folgendermas-
sen (*) : ■ Köchly und Rüstow übersetzten Euthytonon und Palinto-
non in Geradspanner und Winkelspanner unter der Behauptung,
dass beim Euthytonon die Bogenarme die Spannnervenbündel unter
einem rechten bezw. wenig verschiedenen Winkel durchdringen,
während beim Palintonon dieser Winkel 45° betrage. Die Bewe-
gungsebene der Bogensehne, also auch die der Bogenarme, muss
unbedingt rechtwinkelig zu den Achsen der Spannnervenbündel lie-
gen. Jede Verdrückung aus dieser Ebene ergiebt eine Einbusse an
Kraft. Eine Schrägstellung bis zu 459 ist ganz unmöglich, wie
durch den allereinfachsten Versuch ohne weiteres nachzuweisen ist ■ .
Der Major Schramm, dessen Schrift die eben angeführten
Worte entnommen sind, hat zuerst den Nimbus zerstört, der sich
um die Arbeit von Köchly und Rüstow gelagert hatte. Es soll
aber darüber nicht vergessen werden, dass schon vor vierzig Jahren
ein sehr tüchtiger Artillerist erkannt hatte, dass die ganze Unter-
suchung von vorn angefangen und auf neuen festen Boden gestellt
werden müsse : der Kaiser Napoleon III. Er liess in den sechziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts die Trajanssäule abformen, die
griechischen Techniker durch Wescher kritisch bearbeiten und be-
auftragte seinen Ordonnanzoffizier Verchere de Reffye, nach der
Angabe der alten Schriftsteller Geschütze in Originalgrösse zu
erbauen, wozu er ihm alle nötigen Mittel mit freigebiger Hand
zur Verfügung stellte.
De Reffye hat zwar seine Geschütze fertig gebaut, ist aber
bedauerlicherweise gestorben, ohne eine einzige Zeile über seine
Arbeiten zu hinterlassen; damit ist leider das grossartige Unter-
nehmen um sein bestes Resultat gebracht. So blieb es denn einem
deutschen Offizier vorbehalten, das unterbrochene Werk zu vollen-
den, und wir haben allen Grund uns zu freuen, dass diese Auf-
gabe jetzt in die rechten Hände gekommen ist.
(*) E. Schramm, Bemerkungen zu den Rekonstruktionen griechisch-römi-
scher Geschütze. Sonderabzug aus dem Jahrbuche der Gesellschaft für lothrin-
gische Geschichte und Altertumskunde XVI S. 4.
168 R. SCHNEIDER
Der sächsische Artillerie-Major E. Schramm in Metz erhielt
im Sommer 1903 von Dragendorff einen Fundbericht über die
Ausgrabungen bei Haltern in Westfalen zugeschickt, konstruierte
nach den gefundenen Pfeilspitzen den ganzen Pfeil, dann dazu ein
Versuchsgeschütz, und mit so gutem Erfolge, dass die Gesellschaft
für lothringische Geschichte und Altertumskunde ihm die Mittel
zum Bau der Geschütze des Altertums in Originalgrösse bewilligte ;
und als die Kosten den Voranschlag weit überstiegen, übernahm
es der Fürst Hohenjohe-Langenburg, Statthalter von Elsass-Lo-
thringen, in hochherziger Weise, für die nötigen Geldmittel zu
sorgen (1). Die Geschütze wurden am 7. Mai 1904 dem Statthalter
und am 16. Juni dem Kaiser vorgeführt, und sie erreichten bei
diesen Schiessproben gleichmässig folgendes Resultat:
Euthytonon (mit einem Pfeile von 88 cm.) = 369,5 Meter
Palintonon (mit zweipfündiger Steinkugel) = 184 »
(mit einpfündiger Bleikugel) = 300 »
Onager (mit einpfündiger Bleikugel) =140 »
Die beiden erstgenannten Geschütze sind genau nach den
Massen der antiken Techniker rekonstruiert ; für den Onager (Rie-
senschleuder mit einem Spannnervenbündel), den Ammian 23, 4, 4
beschreibt, ohne irgend ein Mass anzugeben, ist ein Anfangsdruck
des Spannnervenbündels von 12000 Kg. eingesetzt, der jedenfalls
erheblich hinter der Kraft des antiken Geschützes zurückbleibt,
aber trotzdem ein sehr bemerkenswertes Ergebnis lieferte. Der
Anfangsdruck beim Euthytonon und Palintonon ist doppelt so gross,
weil sie zwei Nervenbündel (== 24000 Kg.) haben, und deren
Leistungen kommen denen der antiken Geschütze gewiss gleich.
Denn: « sowie aus irgend einem Grunde ein Teil schwächer als
nach der Beschreibung hergestellt wurde, deformierte er sich oder
ging zu Bruch ». Woraus Schramm mit gutem Grunde schliesst,
dass die Angaben der einschlägigen Schriftsteller richtig sind, und
dass er sie auch richtig verstanden hat. Die Leistung des Euthy-
tonon mag dem Leser noch durch folgende Angabe anschaulich
gemacht werden: « Die verwendeten vierspithamigen (88 cm.
0) Vgl. meinen Aufsatz ' Ueber Rekonstruktionen antiker Geschütze ' in
der Berliner Philologischen Wochenschrift 1905 N. 6. S. 203-208.
GESCHUETZE AUF ANTIKEN RELIEFS 169
langen) Pfeile durchschlugen einen eisenbeschlagenen 30 mm. star-
ken Schild so, dass der Pfeil auf seine halbe Länge (44 cm.)
den Schild durchdrang, also den Schildträger ausser Gefecht ge-
setzt haben würde i .
Die wolgelungenen Rekonstruktionen antiker Geschütze durch
Schramm hatten mich bereits veranlasst, nunmehr die Ueberliefe-
rung vom Geschützwesen von philologischer Seite zu prüfen, als
eine Bemerkung Hülsens ('), dem ich die Schrammschen Untersu-
chungen mitgeteilt hatte, mich auf eine andere bisher nicht ge-
nügend verwertete Quelle unserer Kenntnis hinwies: er erkannte
nämlich auf einem vatikanischen Grabsteine die Abbildung eines
römischen Geschützes, und die erneute Untersuchung des Monu-
ments zeigte mir, dass die Darstellung auf demselben eine vor-
züglich genaue sei, und uns mancherlei interessante Details über
die römische Geschützkonstruktion lehre. Dieser Erfolg ermutigte
mich auch andere Reliefs zu untersuchen, unter steter Heranzie-
hung der alten Schriftsteller, die in den Ausgaben von Wescher und
R. Schöne gereinigt vorliegen. Das Resultat meiner Untersuchun-
gen gebe ich auf den folgenden Seiten : eine Fortführung, die na-
mentlich die Geschützabbildungen in den Handschriften der grie-
chischen Kriegsschriftsteller ins- Auge fassen soll, behalte ich mir
für später vor.
Das Relief von Pergamon.
Das Heiligtum der Athena Polias Nikephoros in Pergamon
war mit einem Balustradenrelief geschmückt, das in einer Höhe
von 4-5 Metern über dem Fussboden Waffen aller Art in male-
rischer Gruppierung zeigte (2). Und mitten zwischen Panzer Schwert
und Schild steht ein Geschütz, oder eigentlich nur ein Geschütz-
(*) Vortrag gehalten in der Institutssitzung am 23. Dezember 190-4;
s. Mitteilungen 1904, 255.
(a) S. Altert, v. Pergamon II Tf. 45, 1. Im Berliner Museum ist die ur-
sprüngliche Anordnung genau wieder hergestellt. Auf meinen Wunsch ist ein
Gipsabguss des Geschützes angefertigt, der jetzt auf der Saalburg aufgestellt
ist. Prof. Karl Beucke in Berlin übersandte mir eine genaue Abzeichnung
davon in Originalgrösse, wonach die Maassangaben gemacht sind. Der Di-
rektion des Berliner Museums und dem dienstwilligen Freunde sage ich mei-
nen besten Dank.
12
170
R. SCHNEIDER
teil, darum besonders interessant, weil es die älteste und einzige
Urkunde auf Stein aus dem griechischen Altertume ist. Die Pfeile
und der Bogen, die rechts hervorragen und mit den anderen En-
den sich hinter dem Geschütze verstecken, brauchen nicht als zu-
gehörig aufgefasst zu werden, denn unser Relief zeigt die ver-
schiedensten Waffenarten neben-und durcheinander, ebenso wie der
Fig. l.
Sockel der Trajanssäule ; und der Bogen darf nicht mit dem Ge-
schütze verbunden werden, weil er elastisch ist: bei jedem tor-
mentum aber liegt die Elasticität, d. h. die Spannkraft, lediglich
in den Spannnerven, die Bogenarme sind aus unbiegsamem Holze
gefertigt. Wir haben also hier vom ganzen Geschütze nur die Vor-
deransicht des Plinthion, des Spannkastens, und zwar ohne die
beiden Bogenarme. Das Plinthion ist an der oberen Ecke links
abgeschlagen und auf der linken Seite oben beschädigt, wodurch
einige Masse verloren gegangen sind. In der Hauptsache aber kom-
men wir doch zu einem genügenden Eesultate. Die grösste Höhe
beträgt 52 cm., die grösste Breite 36 cm.; und im Einzelnen ist
Folgendes festzustellen.
GESCHUETZE AUF ANTIKEN RELIEFS 171
Die Peritreten d. li. die beiden zur Aufnahme der Nerven-
stränge durchbohrten Querleisten, sind (nur unten messbar) 36,5 cm.
lang und 5,5 cm. breit (das untere schwankt von 5,2 - 6,0 cm.);
sie ragen an den Seiten 3,5 cm. heraus und bauchen sich beide
in der Mitte um 1,5 cm. aus. Alle vier senkrechten Ständer, die
Mesostaten wie die Parastaten, müssten an Länge einander gleich
sein = 27 cm. ; aber der linke Seitenständer misst nur 26,5 cm.,
der rechte dafür an der inneren Kante 27,3 cm. ; und ihre Breite,
durchschnittlich = 4,5 cm., schwankt von 4,0-4,8 cm. Die Mit-
telständer haben eine glatte Oberfläche; aber der rechte Seiten-
ständer schwillt in der Mitte sehr merklich an : oben hebt er sich
1,8 cm. vom Reliefgrunde ab, unten 1,7 cm., in der Mitte aber
2,3 cm. Von einer Ausbauchung der Mitte des linken Aussen-
ständers ist nichts wahrzunehmen. Die beiden Nervenstränge liegen
nur ein wenig tiefer als die angrenzenden Ständer. Sie sind in
entgegengesetzter Richtung zusammengedreht, der linke nach
rechts, der rechte nach links, und laufen also beide nach Innen.
Der rechte Nervenstrang erreicht mit 18 Windungen eine Länge
von 26,9 cm. und ist durchschnittlich 3,1 cm. breit; der linke
zeigt eine Breite von durchschnittlich 3,8 cm. Durch den Spalt
in der Mitte (26 cm. lang und durchschnittlich 2,9 cm. breit)
müsste man eigentlich ins Innere des Geschützes blicken; aber
das Relief zeigt nur, was über die Vorderseite herausragt: das
Mundstück der Syrinx. So nannte man die Rinne, auf der die
Diostra, d. h. das bewegliche Geschosslager, auflag, die beim Span-
nen des Geschützes mit der Bogensehne zurückgezogen wurde.
Das allein dargestellte Ende der Syrinx ist als wirkliche Rinne
deutlich erkennbar, oben konkav, unten schräg aufsteigend und
rundlich gewölbt, und liegt genau in der Mitte des Spaltes (13 cm.
von oben und unten entfernt). Die Nervenstränge liefen durch die
Bohrlöcher der Peritreten hindurch und waren oben und unten an den
Epizygides (Spannbolzen) befestigt. Diese Spannbolzen sind nicht
sichtbar, sondern liegen innerhalb der Choinikides d. h. in den runden
Kapseln mit dem kleineren Vierkante darunter, verborgen. Diese
Kapseln sind an Höhe recht ungleich (2,5—3,7 cm.); ihr Durchmes-
ser ist unten gleich (6,0 cm.), oben rechts nur 5,5 cm. Die kleineren
Vierkante haben dieselbe Länge, 6,7 cm., aber deren Höhe ist
unten (1,3 cm.) und oben (1,1 cm.) verschieden. Und gerade
172 R. SCHNEIDER
so stehts mit dem Hypothema, dem grösseren Vierkant : die Länge
ist gleich (8,4 cm.), aber die Höhe unten (durchschnittlich 1,5 cm.)
und oben (1,0 cm.) verschieden. Das Hypothema ist kein unbe-
dingt notwendiger Bestandteil des Geschützes : es dient nur als
Zwischenlager zwischen Choinikis und Peritreton, damit die Zap-
fenlöcher für die Zapfen der Choinikis nicht zu dicht aneinander
kommen und dadurch die Widerstandsfähigkeit des Peritreton
schwächen.
Die Durchsicht dieser Massangaben zeigt, dass das Relief
nicht mit der nötigen Sorgfalt ausgearbeitet worden ist; bei ge-
höriger Anwendung von. Lineal und Zickel hätten sich diese Fehler
vermeiden lassen. Da aber die richtigen Masse überall leicht zu
ermitteln sind, so scheint die Zeichnung, die dem Steinmetzen als
Vorlage gedient hat, genau gewesen zu sein; und deshalb wird
der einzige Verstoss gegen die Konstruktionsgesetze des wirklichen
Geschützbaues auch nur dem Steinmetzen zur Last zu fallen,
nicht dem Zeichner der Vorlage. Ich meine die Stellung der
Choinikides. Diese müssen natürlich genau in der Achse der
Nervenstränge liegen ; aber auf dem Relief steht nur eine einzige
(oben rechts) an der richtigen Stelle, die ihr entsprechende (unten
rechts) ist schon nach innen verschoben, und die linken Choinikides
liegen bedeutend zu weit nach der Mitte zu. Doch ist es ja
schliesslich gleichgültig, ob der Steinmetz oder Zeichner sich geirrt
hat, die Hauptsache ist, dass wir den Irrtum ohne weiteres be-
richtigen können und dann ein regelrechtes Abbild eines Euthy-
tonon vor uns haben.
Denn unser Relief ist die Illustration zum folgenden Texte:
« Die Euthytona haben alle übrigen Bestandteile genau so wie
das Palintonon, nur sind die beiden Sehnenstränge mit ihrer Um-
rahmung (= TjituTona) in einem einzigen Kasten zusammengefügt,
und sind nur um die Breite des Läufers von einander entfernt. —
Die unteren beiden Querhölzer (des Palintonon) werden hier aus
einer einzigen Bohle gefertigt, ebenso die oberen. Man rechnet also
die Dicke der Seitenständer und der Mittelständer und dazu die
Durchmesser der Bohrlöcher und die Breite des Läufers (die ja
den Zwischenraum zwischen den Mittelständern ausmacht) zusam-
men * — und konstruiert wie folgt.
» Diese Uebersetztung ist gemacht nach "Hqcovoq BsXonoüxa
GESCHUETZK AUF ANTIKEN RELIEFS 173
ed. C. Wescher, Poliorcetique des Grecs, Paris 1867, p. 104, 4-12:
Tu dt evd-vtovct ta (.ihv ccXXa navxa xa avxä e%si xcj) näXw-
tovo), nXi]v oxi xa ovo fj/nixovia slg ev nXiv&iov Gvyxeixai,
cm&fpvxa aXXr}Xm> xb %%% S icböx q ag nXäxog. — riyvsxao
dt xa xaxoo Svo nsqixQrpa £% svbg £vXov, xal öfxoicog xaavw.
2vXXoyiöafxsvog 6rj xa xs ncty^ xwv nuQuGxax&v xal xwv [i€-
GoGxuxwv . . . xal ext xag xwv xor^uccxcov dia/uäxQOvg, xal xb xrtg
diwöxqag nXaxog (o &rj {.isxa^v eöxi xwv fuso'oGxaxwv), exÜov inl
Cavidog xxk.
Hans Droysen hat in seinem eingehenden Aufsatze mit grossem
Scharfsinne den Fehlern nachgespürt, die das Relief von Pergamon
enthält ('). Ich gebe ihm ohne weiteres zu, dass die Darstellung
flüchtig ist; bestreite aber mit Entschiedenheit seinen Schlusssatz:
■ Für uns sinkt damit die einzige uns aus dem griechischen Alter-
tume erhaltene Abbildung des wichtigsten Geschützteiles zu einer
blossen Kuriosität herab ■ .
Die Gründe meines Widerspruches sind:
1) Die Zahl- und Massangaben der griechischen Techniker
sind noch nicht methodisch nachgeprüft, können also auch nicht
als Richtschnur benutzt werden, um die Fehler des Reliefs aufzu-
finden. Es ist sogar nicht unmöglich, dass umgekehrt ein genau
gezeichnetes Relief uns dazu helfen könnte, Fehler in der schrift-
lichen Ueberlieferung aufzudecken und zu verbessern.
2) Ob die Peritreten seitlich überragten oder nicht, ist aus
der handschriftlichen Ueberlieferung .noch nicht festgestellt.
3) Der Bogenarm auf dem Relief gehört zu einem gewöhn-
lichen Handbogen und ist bei der malerischen Gruppierung nur
durch Zufall neben das Geschütz gekommen. Man darf unmöglich
dem griechischen Künstler aufbürden, dass er einen elastischen
Bogenarm in ein Spannerven-Geschütz habe einfügen wollen, das
einen festen unbiegsamen Arm verlangt.
4) Die Nervenstränge der Reliefs sind allerdings ganz anders
dargestellt, als die Schriften der Techniker angeben. Ich gehe noch
einen Schritt weiter und sage: es ist nicht zu begreifen, wo und
wie eigentlich die Bogenarme in diese tauartigen fest zusammenge-
drehten Nervenstränge einzuschieben seien.
(') Altertümer von Tergamon Band II, Text, Berlin 1885, S. 95-127.
174 R. SCHNEIDER
Ist also das Relief von Pergamon nun doch eine blosse Ku-
riosität ?
Man hat übersehen, dass die Techniker, wenn' sie von den
Spannnerven reden, immer nur das Palintonon im Auge haben,
dessen Konstruktion schwieriger ist, und woraus sich jeder dann
den einfacheren Bau des Euthytonon leicht ableiten konnte. Für
uns ist das freilich nicht so einfach, weil uns oft die wichtigsten
Begriffe und Handwerksausdrücke, wie z. B. sv&vxovov und na-
XCvtovov nicht ohne weiteres klar sind, und wir erst auf Umwegen
den Sinn aufsuchen müssen. Gehen wir also diesen Wörtern, die
von den verschiedenen Forschern in verschiedenem Sinne gedeutet
sind, ohne dass einer die Sache entschieden hätte (vgl. Berl.
Philol. Wochenschrift 1905 Nr. 18) auf etymologischen Wege nach,
so erhalten wir folgende Deutung:
sv&vrovov heisst ein Geschütz, dessen Nervenstrang nur einmal
(vom unteren "zum oberen Spannbolzen) hinläuft, also nicht wieder
zurückkehrt ;
nalivxovov heisst ein Geschütz, dessen Nervenstrang wieder-
holt über die beiden Spannbolzen hin und her gezogen ist.
Diese Erklärung entspricht durchaus der Bedeutung von tovog
und stellt den Gegensatz zwischen svdvg und naliv klar heraus ;
ausserdem ist sie so einfach, dass die Verfasser der technischen
Schriften, die niemals eine wirkliche Schwierigkeit unerläutert ge-
lassen haben, hier auf jede weitere Erörterung verzichten durften.
Nun kommt uns das Relief von Pergamon in erwünschtester Weise
zu Hilfe und bezeugt, dass der Nervenstrang beim Euthytonon (denn
das ist es nach den oben angeführten Worten Herons) wirklich nur
einmal zwischen den beiden Spannbolzen hinlief. Und dieses Er-
gebnis wird zum dritten bestätigt durch die Zeichnungen in den
Bilderhandschriften der griechischen Techniker,
Ich kann nicht angeben, was Köchly und Rüstow von diesen
Bildern gewusst haben und worauf sie ihr abfälliges Urteil ei-
gentlich gründeten. Jedenfalls ist ihre Ansicht ganz unrichtig, und
die Neueren hätten sich hüten sollen, das dort gesagte als bare
Münze anzunehmen und weiterzugeben. Mir sind vorläufig nur die
fünf vatikanischen Bilderhandschriften bekannt, und deshalb kann
ich auch nur sagen, was ich aus ihnen gelernt habe. Aber ich will
doch noch hinzufügen, dass die volle Ausnutzung dieses unbeach-
GESCHUETZE AUF ANTIKEN RELIEFS 175
teten Materiales einen reichen Ertrag verspricht und nicht nur
für die Geschütze, sondern auch für die gesamte Belagerungs-
kunst neue und unerwartete Funde bringen wird; es müssten
allerdings dazu erst alle die Handschriften, die in Bologna und
Neapel, in Wien und München, in Paris u. s. w. zerstreut sind,
sorgsam durchgearbeitet werden. Diese Ueberzeugung ruht auf
Folgendem.
Die vatikanischen Handschriften bieten so genaue Zeichnungen,
dass sie einem mathematischen Lehrbuche heutigen Tages zur Zierde
dienen könnten ; sie illustrieren und veranschaulichen den Text
aufs beste. Ausserdem aber gehen die Zeichnungen, meist ohne die
geringste Aenderung, aus einer Handschrift in die andere über und
zeigen — von einem späten cod. Urbinas abgesehen — nirgends
die geringste bewusste Abänderung (Interpolation). Und drittens
stimmen die Abbildungen bei Wescher, die aus dem ältesten Ver-
treter der ersten Handschriftenklasse entnommen sind, bis ins
Kleinste mit dem cod. Vaticanus graecus 1164, der die zweite
Klasse anführt: die jahrhundertelange Trennung der Ueberliefe-
rung hat demnach die Zuverlässigkeit der Bilder nicht beeinträch-
tigt. Und wenn damit der Wert dieser Zeichnungen bewiesen ist,
so darf ich wol auch schon jetzt ihnen ein neues Zeugnis ent-
nehmen für meine Deutung des Wortes evdwovov; ich meine
Figur XXXIIL bei Wescher p. 106, die nur einen Nervenstrang
hat, gerade wie das pergamenische Relief und die Etymologie es
fordern. Und um das, was wir weiter unten brauchen werden, gleich
liier mit abzumachen: Figur XXXIIII bei Wescher p. 106 ist ein
nalivxovov mit mehrfach hin und herlaufendem Nervenstrange.
Wenn Wescher p. 371 sagt: argumentum idem atque praecedens
so hat er ausser der ganz anderen Art der Spannung auch andere
Teile der Zeichnung übersehen, die nur dem Palintonon zukommen,
wie ich ein ander Mal ausfahren werde.
Somit ist bewiesen, dass das Relief von Pergamon trotz der
flüchtigen Ausführung in der Zeichnung und der falschen Stellung
der Choinikides für uns von hohem Werte ist: wir lernen daraus,
wie beim Euthytonon der Nervenstrang eingezogen war und sehen
damit die Deutung bestätigt, die wir auf etymologischem Wege
bereits gefunden hatten.
176 R. SCHNEIDER
Der Grabstein des Vedennius.
Im Vatikanischen Museum steht in der Galleria Lapidaria 128
ein Grabstein mit folgender Inschrift auf der Vorderseite (vgl.
Corpus Inscriptionum Latinarum VI n. 2725) :
C. Vedennius C. /. Qui(rina) Moderatus Antio, milü(avit)
in leg(ione) XVI Gal(lica) a{nnis) X, tran{s)lat{us) in coh(ortem)
IX pr(aetoriam) in qua milit(avit) ann(is) VIII, missus honesta
mission(e), revoc(atus) ab imp(eratore) fact{us) evoc(atus) Au-
g{usti) arc{h)itect(us) armament(arii) imp(eratoris), evoc(atus)
ann(is) XXIII, donis militarib(us) donat(us) bis, ab divo Vesp(a-
siano) et imp(eratore) Domitiano Aug(usto) Germ(anico) ... —
der Schluss fehlt.
Ueber das Aeussere giebt W. Amelung (die Skulpturen des
vatikanischen Museums, Berlin 1903, I, S. 257) folgende Auskunft:
« Höhe 1,10 m.; Breite 0,945 m. Ziemlich grosskörniger hellgrauer
Marmor. Schräger Bruch in der Mitte von r. nach 1. Die Inschrift
sehr Verstössen; ebenso die hinteren Kanten; verletzt die 1. Hälfte
des Reliefs auf der 1. Nebenseite; unten unvollständig ». Der Grab-
stein wurde 1816 an der Via Nomentana bei S. Agnese 15 palmi
unter der Erde gefunden (Pea, Varietä di Notizie, Roma, 1820.
S. 85).
Die Inschrift unseres Grabsteines gibt, wenn wir die Erläu-
terungen von Mommsen (Hermes XIV, 1879, S. 12, A. 1) und
Dessau (Inscr. lat. setectae 2034) zu Rate ziehen, von dem Le-
benslaufe des wackereu Soldaten ein sehr anschauliches und histo-
risch interessantes Bild. C. Vedennius Moderatus, der Sohn des
Gaius, zur Tribus Quirina zugehörig ]), trat im J. 59/60 ins Heer
(l) [Dass der Geburtsort des Vedennius Antium gewesen sei, haben alle
früheren Herausgeber als selbstverständlich angenommen. Aber Mommsen, der
zuerst (Hermes a. a. 0.; CIL. X, p. 661) gleichfalls dieser Ansicht gefolgt
war, hat sie später (StR. 3 S. 165 A. 2) als unmöglich zurückgewiesen, weil
die Bürgercolonie Antium 436/338 v. Chr. deduziert, die Tribus Quirina aber
erst 513/241 begründet worden sei. Er nimmt daher an, dass in unseer
Inschrift zu verstehen sei Antio(chia), wo auch andere römische Bürger mit
der Quirina vorkommen. Bedenken erregt zunächst die ungewöhnliche und
GESCHUETZE AUF ANTIKEN RELIEFS 177
ein und diente zehn Jahre in der Legio XVI Gallica, die in Mainz
ihr Standquartier hatte. Er zog mit Valens nach Italien, kämpfte
für Vitellius, bis Vespasian den Sieg errang und die 16. Legion
auflöste, um dafür eine neue Legion, die XVI Flavia Firma, zu
errichten. Aber Vedennius wurde nicht entlassen, sondern in die 9.
Cohorte der Praetorianer aufgenommen, eine Auszeichnung, die nach
Tac. Hist. II, 94 auch anderen seiner Kameraden zuteil wurde. Im
Jahre 77 war seine Dienstzeit um, und er erhielt seinen ehren-
vollen Abschied. Nun trat er jedoch nicht ins bürgerliche Leben
ein, sondern wurde, im kaiserlichen Zeughause zu Kom als Militär-
beamter beschäftigt und zeichnete sich so aus, dass sowohl Vespa-
sian wie sein Sohn Domitian ihm militärische Auszeichnungen ver-
liehen . . . (hier bricht die Inschrift ab). Während die Inschrift des
Grabsteines die gebührende Beachtung gefunden hat, sind die
Reliefs auf den beiden Nebenseiten fast ganz vergessen worden.
Die rechte Nebenseite ist allerdings ohne Bedeutung, denn sie bietet
nur ein einfaches Winkelmass. Aber die linke Nebenseite hat man
lediglich darum beiseite liegen lassen, weil man den dargestellten
Gegenstand nicht verstand. Die meisten sahen darin ein Türschloss ;
Hülsen dachte früher (bei Amelung a. a. 0.) an ein Präcisions-
oder Nivellierinstrument, als Pendant zu dem Winkelmass auf
der anderen Seite. Der Wahrheit am nächsten kam ein Ano-
nymus in der Beschreibung Roms (Bd. 2, 2, S. 34), der es für
eine Belagerungsmaschine erklärte (1). Nachdem einmal die richtige
dem römischen System widersprechende Abkürzung des Stadtnamens: jedoch
wird dieselbe dadurch entschuldbar, dass, wie eine genaue Prüfung des Steines
zeigt, die Heimatsbezeichnung aiTio am Ende der zweiten Zeile ein späterer
Nachtrag ist; da der Platz nicht reichte, hat der Schreiber n und t in Li-
gatur zusammengezogen, und das n kleiner geschrieben; auch ist das n viel
schmaler als die beiden in der ersten Zeile. Ch. H.].
0) [Bei einem Besuche im Museum von S. Germain im September d. J.
fand ich zu meiner Ueberraschung einen Gipsabguss des Vedennius- Reliefs
am Untersatze des von de Reffye rekonstruiertes Euthytonon angebracht : die
richtige Erklärung muss also bereits von jenem trefflichen Forscher ge-
funden gewesen sein. Aber die Erinnerung an die Herkunft des Abgusses war
gänzlich verloren gegangen, so dass das Stück im Museum als ein Teilabguss
von der Trajanssäule galt; das Inventar des Museums, welches S. Reinach
mir freundlichst zugänglich machte, giebt als Provenienz einfach ' Borne '
an. Ch. H.].
178
R. SCHNEIDER
Erklärung ausgesprochen ist, braucht man sich mit Widerlegung der
falschen nicht aufzuhalten : und dass der Zeughauptmann, der
mit Zirkel, Lineal und Winkelmass zu arbeiten verstau d, auf seinem
Grabsteine, dessen Zeichnung er wohl selbst entworfen hat, uns
ein sehr genaues und getreues Abbild eines römischen Geschützes
geliefert hat, wird sich sofort zeigen.
Fig. 2.
Auf dem römischen Grabsteine ist, wie auf dem Relief von
Pergamon, nur der Teil eines Geschützes abgebildet, ebenfalls von
vorne gesehen. Die grösste Höhe beträgt 27 cm., die grösste
Breite 39 cm. Das Plinthion wird von den zwei wagerechten Pe-
ritreten und den zwei senkrechten Parastaten gebildet, die den
merklich nach aussen gewölbten Kasten umrahmen; rechts und
links ragt je ein Bogenarm heraus, oben und unten je zwei Köpfe
mit den Spannnerven. Die Peritreten, beide etwa 18 cm. lang und
2, 6 cm. dick, heben sich am inneren Rande gleichmässig 1 cm.
vom Grunde des Kastens ab; sie ragen beide links etwas über
die Ständer hinaus, aber rechts schneiden sie mit den Ständern
ganz glatt ab ; beide haben einen eisernen Beschlag, der mit je
drei starken Nägeln (der linke oben ist weggeschlagen) befestigt
GESCHUETZE AUF ANTIKEN RELIEFS 179
ist. Der mittlere Nagel unten steht nicht in der Mitte der beiden
anderen, sondern um 1,3 cm. weiter rechts, aber genau in der
Achse, die das Mündungsloch senkrecht durchschneidet. Von den
beiden Parastaten ist nur der rechte unversehrt, er ist 2,5 cm.
breit, erhebt sich oben und unten nur unmerklich vom Grunde
das Kastens, baucht sich aber nach der Mitte allmählich bis zu 2
cm. aus. Oben und unten sieht man an jedem der Parastaten Na-
gelköpfe; sie zeigen, dass die Parastaten ebenfalls einen Eisen-
beschlag hatten.
Der Kasten. 14 cm. hoch und 11 cm. breit, ist mit einem
Schilde, vermutlich aus Eisenblech, verdeckt, der den Einblick in
das Innere des Geschützes verhindert. Auf dem Schilde sind als
Verzierung vier Säulen angebracht, die drei Bogen tragen, mit Pal-
metten in den Zwickeln ; davon ist aber die rechte Säule so schwach
angedeutet und der zugehörige Bogen so verschoben, dass beides
wegen der ungünstigen Beleuchtung des Steines leicht übersehen
werden konnte (Vgl. Amelung Vat. Mus. 1, 257). Die Mündung,
in deren Oeffnung das Ende des Läufers nur angedeutet ist, hat
an ihren Aussenrändern einen schmalen Kranz zum Schmucke
und ist 2,6 cm. hoch, 1,3 cm. breit. Sie steht nicht in der Mitte
des Kastens, sondern um 2 cm. tiefer und um 1,3 cm. weiter nach
rechts ; links sieht man ein Stück hinein in den Innenrand, rechts
nicht. Die beiden Bogenarme, aus starkem Bundholze gefertigt,
sind an Länge (10,5 cm.) und Umfang (der Durchmesser am
Kastenrande 4 cm.) einander gleich. Am rechten Bogenarme be-
findet sich ziemlich in der Mitte (5,5 cm. vom Ständer) das Band,
mit dem hinten die Bogensehne angeknüpft war; der linke Arm
ist stark Verstössen, lässt aber doch noch an der entsprechenden
Stelle einen schmalen Wulst erkennen, den man mit dem Finger
sofort fühlt.
Die Spannköpfe lassen vier Teile unterscheiden : die Spannner-
ven, die Spannbolzen, die Ringe zwischen den Spannbolzen und
den Peritreten, endlich die nach innen gerichteten Bandeisen mit
dem Loche.
Die Spannnerven wurden aus Tiersehnen oder Rosshaaren her-
gestellt, indem man die einzelnen Fäden, wie der Seiler den Strick,
zu einem Strange zusammendrehte. An jedem Spannkopfe sind
drei solcher Stränge sichtbar ; sie sind mit der rechten Hand nach
180 R. SCHNEIDER
aussen, also nach rechts gedreht und laufen, jeder vom ande-
ren getrennt, um die oberen Spannbolzen zur linken hinauf und
zur rechten hinunter, und dem entsprechend, um die unteren
Spannbolzen zur rechten hinunter und zur linken hinauf, Die
Spannbolzen scheinen starke Holzleisten zu sein, die vorn in einen
Knuppen auslaufen, wie unten links deutlich zu sehen, aber auch
an den zwei anderen Spannköpfen erkennbar ist, nur nicht am
linken oben, wo das Kelief beschädigt wurde. Nach der Mitte
schwellen die Spannbolzen an, damit sie dem Drucke der gespann-
ten Nerven an der gefährlichen Stelle, wo sie sich am weitesten
von ihrer festen Unterlage entfernen, Widerstand leisten können;
und auf diese Weise werden drei Stränge hintereinander sichtbar.
Zwischen den Spannbolzen und den Peritreten ist an allen
vier Spannköpfen ein metallener Ring dargestellt, auf dem der
Spannbolzen ruht : eine Unterlage gehört als notwendiger Bestand-
teil der Choinikis dazu, um die Verbindung mit dem Peritreten
zu ermöglichen. Eine zweite Unterlage (das Hypothema) war, wie
bereits oben gesagt worden ist, nicht notwendig, aber sie ist wün-
schenswert, um das Peritreton nicht durch zu nahe gebohrte Za-
pfenlöcher zu schwächen. Dieses Hypothema ist an den oberen
Spannköpfen, die beschädigt und abgestossen sind, nicht zu bemer-
ken; da aber unten links eine Erhebung über dem Ringe der
Choinikis sich zeigt, und unten rechts deutlich ein grösserer schma-
ler Ring über dem kleineren hervortritt, so stehe ich nicht an,
ein Hypothema für alle vier Spannköpfe anzusetzen. Hierbei ist
aber wohl zu beachten, dass beide Teile, der kleinere und der
grössere Ring, sich von den entsprechenden Teilen des pergame-
nischen Geschützes wesentlich unterscheiden : das Euthytonon hat
zwei breite Vierkanter, das römische Relief zwei schmale Ringe.
Hinter den Nervensträngen des Reliefs, in Wirklichkeit also
wol aus ihrer Mitte, geht schräg nach der Innenseite je ein Band-
eisen, das am Ende eine runde Oeffnung hat, oben aufwärts und
unten abwärts gerichtet; das Ganze* sieht ungefähr aus wie ein
Schlittschuhschlüssel. So viel ist klar, dass dieser Geschützteil beim
Nachspannen der Nervenstränge zur Verwendung kam, wenn näm-
lich die Spannung nachgelassen hatte und man durch Umdrehung
der Spannbolzen sie wieder zu verstärken suchte. Nur weiss ich
nicht, ob man mit diesem Hebel die Spannbolzen umdrehte, oder
GESCHUETZE AUF ANTIKEN RELIEFS 181
ob es nur die Vorstecker sind, um die Spannbolzen nach der Um-
drehung festzuhalten. Für einen Vorstecker sind die Oesen überflüs-
sig, und für einen Hebel scheinen die Bandeisen zu schwach zu
sein.
•Ueberblicken wir nun die Massangaben der einzelnen Teile,
die überall gut zusammenstimmen, und beobachten wir die Gewis-
senhaftigkeit, mit der die Konstruktion der Spannköpfe wiederge-
geben ist, so kommen wir zur festen Ueberzeugung, dass Veden-
nius selber mit eigener Hand die Vorzeichnung für seinen Grab-
stein geliefert hat, und wir demnach ein unbedingt zuverlässiges
Abbild eines römischen Geschützes vor uns haben. Wie sind dann
aber zwei handgreifliche Fehler, die falschen Stellungen des Mün-
dungsloches und der Spannköpfe zu erklären? Denn das Mündungs-
loch kann doch natürlich nur genau in der Mitte zwischen den
Parastaten angebracht sein ; und die Spannköpfe der beiderseitigen
Nervenstränge müssen doch selbstverständlich genau senkrecht
übereinander stehen : und doch steht auf dem Relief das Mün-
dungsloch um 1,3 cm. zu weit nach rechts, und die senkrechte
Achse des oberen Spannkopfes links geht um mehr als 1 cm. links
vor der Achse des unteren vorüber.
In letzterem Falle liegt ein Fehler der Zeichnung vor, der
sich leicht nachweisen lässt. Der Bogenarm wurde durch die Seh-
nenstränge so weit durchgesteckt, das der innere (kurze) Hebel-
arm sich an den Antistates (der beim Euthytonon Mesostates
heisst) anlehnt ; der äussere lange Hebelarm ruhte in der inneren
Einkehlung des Parastates, der die Ausladung desselben, wie auch
auf dem Kelief sichtbar ist, genau entspricht. Also müssen die
Spannköpfe zwischen den Parastaten und Antistaten liegen, und es
muss demnach der linke Spannkopf oben, dessen senkrechte Achse
grade durch den linken Parastates läuft, falsch dargestellt sein.
Die anderen drei Spannköpfe stehen richtig : ihre Achse läuft über
den inneren Rand der Parastaten, und dahin ist also auch der
obere linke Spannkopf zu rücken.
Ganz anders steht es mit dem Mündungsloche. Es ist bereits
erwähnt worden, dass man links ins Innere hineinsieht, so dass
es nicht von vorn, sondern von rechts her dargestellt erscheint.
Ferner ist die Verzierung des Schildes an der rechten Seite so
zusammengedrückt, dass der rechte Bogen nur etwa die Hälfte der
182 R. SCHNEIDER
richtigen Breite erhalten hat. Endlich nagelt doch jeder Schmied
oder Stellmacher seinen Eisenbeschlag so an, dass die Nägel in
gleichem Abstände von einander sich befinden, und dass von dreien
der mittlere genau auf dem rechten Flecke sitzt : auf dem Relief
aber ist unten der Mittelnagel dem rechten erheblich näher, — und
doch sitzt er richtig, denn er hat seinen Platz genau unter dem
Mündungsloche. Die Erklärung ist einfach genug. Vedennius hat
an den Wanderer gedacht, der einstmals an seiner Grabstätte an
der Via Nomentana vorübergehen würde. Wenn der die Inschrift
gelesen hatte und sich dann das Relief auf der linken Nebenseite
betrachten wollte, so zwängte er sich nicht in die Reihe der Grab-
steine hinein, um das Bild von vorne zu sehen, sondern trat vorne
einen Schritt nach links und hatte nun das Relief in seiner per-
spektivischen Verkürzung vor sich, • — genau so wie es Vedennius auf-
genommen hatte (1). Und nun werden wir uns hüten, demsel-
ben Meister einen Fehler aufzubürden, der gegen die Konstruk-
tionsgesetze der Geschütze verstösst, sondern mit Fug und Recht
sagen : der falsch dargestellte Spannkopf ist auf der Vorzeichnung
auch richtig gewesen, es kann nur der Steinmetz dafür verantwort-
lich gemacht werden.
Nach der oben gegebenen Definition ist das Geschütz des
Vedennius ein Palintonon, weil' der Nervenstrang wiederholt, über
die beiden Spannbolzen gezogen ist. Die Form und die Masse des
Mündungsloches, die auf ein Pfeilgeschoss schliessen lassen, spre-
chen nicht dagegen. Allerdings sagt Philon (ed. R. Schoene 54,
47), indem er vom Palintonon zum Euthytonon übergeht: xal
tcc [x&v fodoßohxct tcov ogyccvcov eksyov dslv Tovrcp xy TQoncp
GwCtivatidca. tce ii ö£vßslrj, xa&ou [xäkkofisv dyXovv, d. h.
(!) Da die perspektivische Art der Darstellung an dem Grabsteine des
Vedennius von den Archäologen noch nicht bemerkt worden war, und ich
selbst kein anderes Beispiel dafür zu finden wusste, wandte ich mich an
Walter Altmann, der mit Grabsteinen trefflich Bescheid weiss, und er be-
stätigte mir in einem ausführlichen Briefe, dass meine Annahme gar keine
Schwierigkeiten habe. Aus der Zahl seiner Belege führe ich hier nur die
Cinerar-Ara der Messerschmiede aus der Galleria Lapidaria 147 an, die
bei Amelung, Vatikan. Museum auf Tf. XXX abgebildet ist; hoffentlich
wird Altmann bald die Gelegenheit finden, seine eingehenden und gründli-
chen Studien über die Verwendung der Perspektive allen zugänglich zu
machen.
GESCHUETZE AUF ANTIKEN RELIEFS 183
i und die Steinwerfer unter den Geschützen, sagen sie, mussten
auf diese (vorbeschriebene) Art konstruiert werden ; die Pfeilwerfer
aber so, wie wir es nunmehr zeigen wollen ■ . Wir wissen aber aus
Herons ßelopoeica (ed. Wescher, p. 74, 7) ganz bestimmt (denn
die Unsicherheit der Textesworte hat den Sinn der Stelle zum
Glücke nicht angetastet), dass die Geschossart keinen durchgrei-
fenden Unterschied macht : ia plv sv&vvovcc olüTovg fiovovg
ag>irj<fi, xa d& naXivxova svioi xal Xi&oßoÄa xaXovGi, dia %b
Äi&ovg i^anoCtsXXsiv rj xal olc t ovg' Tzeiinei ds toi oltstovg
rj... xal (fvvcefMpÖTSQa, was Köchly und Rüstow 1, 203 dem Sinne
nach getreu wiedergegeben haben : « die Euthytona entsenden nur
Pfeile; die Palintona nennen einige auch Steinwerfer, weil sie
Steine entsenden ; sie werfen freilich auch Pfeile oder auch beides » .
Nach diesem Zeugnisse Herons bleibt es — wenigstens vorläufig —
unentschieden, ob das Geschütz des Vedennius nur auf Pfeile
eingerichtet war, oder ob man den Schild auch abnehmen und
statt der gewöhnlichen strickartigen Bogensehne die für das Stein-
geschoss notwendige gürtelartige Sehne an die Bogenarme anknüpfen
konnte : genug, das ändert nichts an der Tatsache, dass wir auf dem
römischen Relief ein Palintonon vor uns haben, das in ganz beson-
derem Masse als getreu und zuverlässig gelten muss, weil die
Vorlage von einem kundigen und geschickten Zeichner entworfen
ist, der berufsmässig Geschütze zu konstruieren hatte.
Auf die in den Reliefs der Trajanssäule dargestellten Geschütze
— es sind ihrer im ganzen sieben, alle von gleicher Art und von
gleichem Baue — soll für diesmal nicht eingegangen werden.
Sie sind bei Fröhner und Cichorius mit genügender Deutlichkeit
reproduziert: Art und Bau ist auf den Säulenreliefs getreu und
klar wiedergegeben, dagegen wäre es bei der genugsam bekannten
Art ihrer Darstellung ganz zwecklos, an ihnen genaue Messungen
der Geschütze und ihrer Teile vorzunehmen. Viel wichtigere Quellen
unserer Kenntnis werden aus den Texten der Techniker und den
handschriftlichen Bildern zu denselben zu erschliessen sein. Die
Metzer * Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertums-
kunde », welche Schramms Rekonstruktionen unterstützt und ge-
fördert hat, wird diese grundlegenden Vorarbeiten veröffentlichen,
184 R. SCHNEIDER, GESCHUETZE AUF ANTIKEN RELIEFS
und die Direktion des Saalburg-Museums hat sich bereit erklärt,
für weitere Rekonstruktionen Schramms die ausreichenden Mittel
zu beschaffen. Mit dieser dankenswerten Unterstützung dürfen wir
hoffen, unsere Kenntnisse von der antiken Artillerie zu sichern
und erheblich zu erweitern.
Rudolf Schneider.
NACHTRAG zu S. 130.
Nachträglich bemerke ich, dass die Praxis, den Umriss einer
Relieffigur mit einer vertieften Linie zu markieren, in Rom schon
am Ende der flavischen Zeit nachweisbar ist. Auf einem grossen
Grabrelief im capitolinischen Museum (Foggini, Museo capitolino
IV Tav. XX; Mori, Sculture del M. C. tav. 6; Nuova descri-
zione p. 112 f.) ist der Kopf des auf der Kline liegenden Mannes
und zum Teil auch der des Knaben mit dem Zählbrett von einer
solchen Linie umzogen. Die Frau, die rechts neben der Kline sitzt,
hat eine Frisur der flavischen Zeit ; nach den Köpfen des Liegen-
den und der Medaillon-Büste würde man schon auf trajanische Zeit
raten ; ein solches Nebeneinander trajanischer und flavischer Indi-
cien, das auf den Uebergang der einen Epoche in die andere deutet,
rindet sich auch auf einer Grabara in der Galleria lapidaria des
Vatican (Die Sculpturen des vaticanischen Museums GL. 115 a).
W. Amelung.
ERWIDERUNG.
A. Schulten hat sehr dankenswerter Weise in diesen Mittei-
lungen XIX S. 253 f. ein Architekturstück aus Pietrabbondante
veröffentlicht, das mir bei meiner Anwesenheit im Jahre 1903
(vgl. Mitt. XVIII, 1903, 141 ff.) entgangen war.
Das Stück besteht vermutlich aus Tuff oder Kalkstein, welche
für die Bauten von Bovianum vetus, soviel ich weiss, ausschliess-
lich zur Verwendung gekommen sind. Es ist ein auf drei Seiten
profilierter Block, 0,32 m. hoch, 0,48 breit, 0,25 tief; die Aus-
ladung der Profilierung beträgt 0,25 m., die grösste Breite also
0,73 m. Die nicht profilierte senkrechte Fläche des Blockes wird
eine Anschlussfläche sein, die untere Lagerfläche scheint eben, auf
der oberen sieht man die Hälfte einer beckenförmigen Aushöhluug,
deren andere Hälfte in einen anstossenden Block eingearbeitet war.
Die Profilierung — von unten nach oben beschrieben — zeigt
Taenia, Triglyphen — auf der Breitseite drei, auf den Schmalseiten
vermutlich anderthalb, — gerades Gesims mit glatter Hängeflä-
che, die hohe Stirnfläche in der unteren Hälfte sculpiert mit sehr
schmalem Zahnschnitt zwischen zwei dünnen Profilen, einem lesbi-
schen unten, einem Viertelstab oben. Die Aushöhlung in der obe-
ren Fläche des Steines betrachtet Schulten als jünger, soweit ich
sehe, ohne zwingenden Grund. Vielleicht ist sie antik, und dann
hätten wir die Hälfte eines Beckens vor uns, das durch einen an-
dern entsprechenden Block ergänzt wurde und in einem Sockel
von etwa quadratischem Querschnitte lag (0,48: 0,50, wenn der
zweite Block dem ersten genau entsprach, vielleicht auch 0,48:
0,48). Aber selbst wenn die Höhlung nachantik sein sollte, dürfte
das von Schulte veröffentlichte Stück als ein Teil der Deckplatte
eines Postamentes zu betrachten sein, weil seine Profilierung und
Dekoration derjenigen entspricht, die im grossgriechisch-helleni-
13
186 R. DELBRUECK.
stischen Kunstkreise für die Gesimse von Altären etc. beliebt
war. Einige Beispiele, welche mir im Augenblicke zur Hand sind,
stelle ich in der Anmerkung zusammen (!). Ausser an Posta-
menten finden sich ähnliche Deckplatten wohl nur vereinzelt an
sehr schweren Pfeilern wie sie z. B. am Bühnenhause des Thea-
ters von Aizani das untere Stockwerk bilden (2).
Schulten ist anderer Ansicht : er sagt das Stück sei ein i dori-
sches Antenkapitell ■ . Ich muss gestehen, dass mir aus dem Kul-
turkreise, zu dem Bovianum vetus gehört, ein irgend ähnliches An-
tenkapitell nicht bekannt ist; meistens haben solche in Sicilien
und Süditalien die Form eines lesbischen Kymas mit Hohlkehle
darüber, selten tritt j noch ein schmales Profil anderer Art dazu,
aber niemals ist wenigstens mir bisher ein Triglyphenfries am Hals
und ein ausladendes Gesims mit Zahnschnitt begegnet (3). Da
auch ausserhalb des grossgriechischen Kulturkreises Antenkapitelle
der Form des in Rede stehenden Stückes meines Wissens nicht
vorkommen, muss man, so scheint mir, Schultens Auffassung so
lange zurückstellen bis er Analogien liefert. Dieses ■ Antenkapi-
tell ■ nun, so schliesst Schulten weiter, habe an der einen vorde-
ren Ecke des Tempels von Bovianum vetus seinen Platz gehabt,
weil es in den Maassen passe, und in dem Ausgrabungsbericht
von 1859 erwähnt werde. Auch hier kann ich Schulten nicht folgen.
Die Uebereinstimmung der Maasse ist zwar vorhanden, aber ent-
scheidet selbstverständlich nichts; und der Fundbericht sagt, es sei
ein Eckpilasterkapitell gefunden worden — oder was die Ausgrä-
ber dafür hielten — • modulato con ovolo e grande tegola, quasi-
chö dl ordine toscano » ; das kann sich kaum auf das in Rede
stehende Stück beziehen, bei dem der feine Yiertelsstab über dem
Zahnschnitte zu wenig hervortritt, um bei einer kurzen Beschrei-
bung ausser der Deckplatte allein erwähnt zu werden, unter Ue-
0) Grabmäler aus Akrae, Serradifalco IV T. 33; Altar des Hieron
Koldewey-Puchstein S. 73 F. 56; Pompeji, Altar des 'Zeus Meilichios '
Mazois IV T. 6 ; Capua, Grabmäler aus der Nekropole, Museo Campano ; Prae-
neste, Seminario, Phot. Moscioni, Canina VI, T. 117.
(a) Lebas-Reinach T. 259.
(3) Selinus B, Koldewey-Puchstein S. 94 F. 67; Oratorium des Phala-
ris ebd. S. 182 F. 27; Buscemi, Notizie 1899 s. 452 f.; Pompeji, Mazois II
T. 18; Capua, Riesenaltar aus der Nekropole, Museo Campano.
ERWIDERUNG 187
bergehung des Zahnschnittes und der Triglyphen, passt aber genau
auf ein Postament, das noch jetzt im Tempel liegt, und von dem
ich eine Profilskizze gegeben habe (a. a. 0. S. 156 F. 6, d). Wenn
Schulten ferner den von mir angenommenen geschlossenen Prodomos
des Tempels als « im höchsten Grade problematisch ■ , bezeichnet,
so würden die Gründe dieses so bestimmten Urteils mich auf das
lebhafteste interessieren ; es sind erhalten drei Steine der Vorder-
wand und die Türschwelle mit Angelpfannen und Kiegellagern,
und ich vermag nicht zu sehen, wie man diese Tatsachen mit
einer anderen Rekonstruktion vereinigen will, so gern und dankbar
ich mich auch eines besseren werde belehren lassen. Ob die Vor-
derwand etwa nur halbhoch war, oder Fenster hatte, oder viel-
leicht auch die von Degering bei Schulten vorgeschlagene äusserst
befremdliche Gestalt aufwies, — darüber möchte ich nicht urtei-
len, weil ich bei dem Mangel an Belegstücken keinen Weg sehe,
um zu einer Sicherheit zu gelangen. Die Analogien für einen Pro-
naos mit ganz geschlossener Vorderwand wären übrigens die
häufigsten ('). Da ich vermute, dass auch andere Archaeologen,
die sich mit antiker Baukunst beschäftigen, die von mir hier vor-
getragenen Bedenken teilen werden, würde ich es für recht dan-
kenswert halten, wenn Schulten sie zerstreuen wollte.
Berlin, Juni 1905.
R. Delbrüeck.
(») Belege vgl. Delbrüeck, Signia, S. 24 f.
NOCHMALS MICON UND PERO.
Auf das dem pompeianischen Bilde von Micon und Pero bei-
geschriebene Epigramm (Mitth. XIX 1904 S. 259-263) zurück-
zukommen veranlasst mich ein in Atene e Roma VIII 1905
Sp. 211-219 erschienener Aufsatz eines jungen neapolitanischen
Gelehrten, F. C. Wick. Der Aufsatz ist übermässig lang und
enthält mancherlei überflüssiges (1) und auch verfehltes; aber er
bedeutet in so fern einen Fortschritt, als der Vf. die zweite
Hälfte der dritten Zeile besser gelesen hat als seine Vorgänger.
Es ist richtig, dass hier deutlich DIGNVM • OPVS ■ EST steht,
noch deutlicher als es nach Wick's Worten (217) scheinen könnte:
D und I sind nicht, wie er sagt, irgendwie mit einander vermischt,
und auch der erste Strich des N ist sichtbar; das P konnte ich
im Original nicht mehr entdecken, aber es ist in Sogliano's Facsi-
mile, wo der ganze Passus, sind wir einmal darauf aufmerksam
geworden, hinlänglich deutlich zu lesen ist. Verfehlt ist es aber,
wenn er vorher sANE liest: sane dignum opus est. Das dürftige
Füllwort und das absolut gesagte dignum könnten wir doch nur
auf Grund ganz sicherer Lesung annehmen. Wick hat aber hier
nicht gut gelesen ; hinlänglich klar steht da AEVO : aevo dignum
opus est, was vollkommen befriedigend ist. Opus ist natürlich
(*} Es heisst doch wirklich dem Leser zuviel zumuten, wenn die ohne
Kenntniss des Facsimile unternommene und daher weder mit dem Ptaum
noch mit dem Schriftresten vereinbare Restitution Buechelers nun auch noch
zwei Spalten hindurch sachlich zerpflückt wird — cui bono? — und wenn die
Lesung erst auf Grund des Facsimile und dann erst auf Grund der erneuten
Prüfung des Originals besprochen wird. Solche Exercitien sollten lieber un-
gedruckt bleiben.
A. MAU, NOCHMALS MICON UND PERO 189
nicht das Kunstwerk, sondern die Handlung der Pero. Das Ge-
richt ist Auslegung des Bildes. Die leere und nichtssagende
Anpreisung würde nur störend dazwischen treten, während für
die Handlung aevo dignum ein gutes Praedicat ist. Ueber opus
in diesem Sinne s. Georges.
Bei Prüfung der Buchstabenreste an den verblichenen Stel-
len sind zweierlei Spuren sorgfältig zu unterscheiden. An wenigen
Stellen sind Reste der weissen Farbe der Buchstaben geblieben;
diese Spuren sind natürlich vollständig zuverlässig. In weit grös-
serer Ausdehnung aber ist diese Farbe abgefallen und hat die
grünlich-graue Farbe des Grundes, auf den sie aufgesetzt und mit
dem sie fest verbunden war, mitgenommen, so dass nun die Buch-
staben als Lücken in dem Grunde erscheinen. Diese Spuren sind
natürlich nur dann zuverlässig, wenn die Buchstabenform deut-
lich hervortritt. Denn Lücken im Grunde, Abblätterungen, giebt
es auch sonst, auch zwischen den Zeilen, und wo sie dicht stehen
wird man, je länger man hinsieht, um so mehr versucht sein, sie
zu Buchstaben zu verbinden: hier ist der Autosuggestion Tür
und Tor geöffnet. Nun ist hier von dem A der linke Schräg-
strich und der Punkt, in den er ausläuft, als Farbrest deutlich
erhalten, besonders deutlich der Punkt, der rechte Schrägstrich
als Lücke. Da wo die Krümmung des S sein müsste, ist der Grund
gut erhalten und es ist vollkommen klär, dass sie nicht vorhan-
den war. Das E ist in Original und Facsimile so zweifellos deut-
lich, dass man nicht begreift, wie Wick hier ein A sehen konnte.
Auch das V ist deutlich: es ist unzutreffend, wenn W. sagt, die
erste Hasta sei zu schräg, die zweite zu steil. Und der ganze
Kreis des O ist als (wenn auch schwacher) Farbrest kenntlich;
die Querlinie, die W. verführt hat hier ein E zu sehen, ist Ab-
blätterung. Damit ist der zweite Hexameter hergestellt.
Nun der Schluss der vierten Zeite der Inschrift. Wick glaubt
am Ende VT zu sehen, und ergänzt weiter: aspice iam ut venae
lade meante micant. Von dem Schluss dieses Pentameters soll
gleich die Rede sein. Dass aber VT unmöglich ist, bedarf für
keinen Kenner lateinischer Poesie irgendwelcher Begründung. Aus-
serdem aber steht auch das was V sein müsste in der Senkrech-
ten der Endbuchstaben der Zeilen, das vermeintliche T — ich
glaube es gesehen zu haben: es sind ganz unsichere Spuren —
190 A. MAU
rechts derselben, obgleich in der Zeile auch für iam at reichlich
Platz gewesen wäre. So hätte also der Schreiber die sonst genau
innegehaltene Zeilenlänge unnötiger Weise überschritten, um ein
ganz überflüssiges, den guten Pentameter heillos verderbendes
Wort einzuschieben. Nein: aspice, iam venae ist vollkommen
befriedigend, und das M am Schluss der Zeile hinlänglich
deutlich. Der Kaum ist für aspice iam reichlich gross. Aber
das darf uns nicht stören. Der Schreiber befand sich in einer
Zwangslage: er hält darauf, dass die Zeilenenden — ausser
Z. 6 und 7, wo das Bild hindernd dazwischen tritt — senkrecht
unter einander stehen; Wortbrechung am Zeilenschluss vermeidet
er; venae konnte er nicht mehr in diese Zeile bringen; so blieb
ihm garnichts anderes übrig, als die Buchstaben weitläuftig zu
stellen und mit aspice iam den Rest der Zeile auszufüllen.
Weiter Zeile 5, der Schluss eben dieses Pentameters und
der Anfang des folgenden Hexameters. In Anlehnung an Bueche-
ler ergänzte ich lade replente tument, was vollständig befrie-
digend ist. W. zieht vor lacte meante micant. Denn erstens' sei
nach lacte eher M al RE zu erkennen. Dies bestreite ich auf das
bestimmteste. Die Reste — Farbreste — sehen etwa so aus:
J
was sehr wohl RE, nicht aber M sein kann. Zweitens sei für
replente tument der Raum nicht ausreichend. Auch dies kann ich
nicht zugeben: replente tument incertoq (oder ambiguoq, oder,
wie W. will, admotoq) sind 22, bezw. 21 Buchstaben. In der fol-
genden Zeile entspricht (f)riat ipsa Miconem Pero, 19 Buchsta-
ben, und am Schluss bleibt noch Platz für 2. In der vorherge-
henden Zeile (cerv)ice seniles aspice iam: 19 Buchstaben; aber
am Schluss mussten sie, wie schon eben gesagt, sehr weitläuftig
stehen, so dass W. iam ut vermuten konnte. Also replente ist in
jeder Beziehung, auch dem Sinne nach, dem farblosen meante
vorzuziehen.
Wir erfahren nicht, weshalb W. das ganz einwandfreie tu-
NOCHMALS MICON UND PERO 191
ment verschmäht und dafür das unmögliche micant setzt. Es soll
heissen : sie pulsiren. Stände micant deutlich da, so müssten wir
uns ja damit abfinden; aber wir dürfen doch nicht ein Wort in
den Text hineinconjicieren, mit dem der Dichter auf etwas auf-
merksam machen würde, was weder in Wirklichkeit existiren noch
im Bilde dargestellt sein konnte. Denn wenn auch einmal aller
Physiologie zum Trotz die am Halse hervortretenden Venen pul-
siert hätten, so hat doch die Malerei kein Mittel etwas nur in der
Zeitfolge wahrnehmbares darzustellen. Auch hätte der Dichter
doch wohl den Anklang von micant an Micon vermieden, der,
wenn beabsichtigt, die reinste Albernheit wäre.
Am Schluss derselben Zeile glaubt W. vor Q noch TO zu
erkennen. Er würde deshalb unter den drei von mir vorgeschla-
genen Wörtern incertoq(ue) vorziehen, entscheidet sich aber für
admotoq(ue) wegen eines etwas weiter links sichtbaren schrägen
Striches, den er für den ersten Teil eines M hält. In der That
könnte es nicht gut der zweite sein, weil links von ihm der graue
Grund ohne Buchstabenrest zu gut erhalten ist. Dann aber ist
der Raum zwischen M und Q ungenügend für OTO ; ja er würde
auch ungenügend sein, wenn der schräge Strich der letzte des M
wäre. Ich halte diesen Strich für eine Beschädigung. Er ist ja
auch im Facsimile sichtbar, und es ist dort ziemlich klar, dass
er durch andere Spuren hindurchgeht, die viel besseren Anspruch
haben, für (leider unlesbare) Buchstabenreste zu gelten. Auch TO
konnte ich trotz häufig wiederholter Versuche nicht wahrnehmen
und glaube, dass Wick hier durch die allzu lange Betrachtung
der grade an dieser Stelle zahllosen kleinen Beschädigungen irre
geführt worden ist. Farbenreste sind hier absolut keine, nur Ab-
blätterungen. Ich kann also admoto nicht für hinlänglich be-
glaubigt halten. Wie minderwertig es aber dem Sinne nach ist,
das bedarf doch wohl keiner weiteren Ausführung. Es findet auch
gar keine Stütze in dem Bilde; denn die leichte Neigung des
Kopfes so zu bezeichnen ist ganz unzulässig. Dagegen wird ein
Wort wie incerto, ambiguo oder dgl. hier so dringend erfordert,
dass nur auf Grund deutlicher Lesung etwas anderes angenommen
werden dürfte. Dies nochmals auszuführen (s. Mitth. XIX S. 262)
ist überflüssig.
192 A. MAU, NOCHMALS MICON UND PERO
So lautet also die Inschrift:
QVÄE • PÄRVlS • MXTER • NXTIS • ALIMENTÄ
PXrXBÄTFORTVNX • IN-PÄTRlOS- VERTIT
INlQVÄ.ClbOSÄEVODlGNVM • OPVS EST
TEN Vi • CERVICE • S E N IL E S • ÄSP //////////////// M
VENÄE • LÄCTE ■ RE //////////////////// '///////// '////// 'Q
SIMVL ■ VOLTV ■ FRIÄT ? IPSÄ • MICONEM • PERO
TRISTIS • INEST • C VM • PIEtXtE • PVDOR
Quae parvis mater natis alimenta parabat,
Fortuna in patrios vertu iniqua cibos.
Aevo dignum opus est. Tenui cervice seniles,
Aspice, iam venae lade replente tument.
Ambiguoq(ue) simul voltu friat ipsa Miconem
Pero : tristis inest cum pietate pudor.
A. Mau.
Abgeschlossen am 13. November 1905.
NOCHMALS DIE ALTE SAEULE IN POMPEJI.
In Studi e Materialilll 1905 S. 216-229 veröffentlicht G. Pa-
troni einen Aufsatz : Bau alla micenea in colonne italo-doriche.
Er vertritt hier von Neuem seine Auffassung der alten Säule in
Pompeji, dass sie nämlich von Anfang an eine ■ mykenische Basis »
gehabt habe, gegenüber meinen Ausführungen Mitt. XIX 1904
S. 124-131. Die dort geltend gemachten Tatsachen erklärt er teils
anders, teils leugnet er sie.
Ein Hauptargument war für mich, dass die Peripherien der
« Basis t und des auf ihr stehenden reducirten Schaftes nicht con-
centrisch sind. ■ Wer möchte annehmen » , so fragte ich, ■ dass man
ohne denkbaren Zweck die Säule auf ihrer Basis um einige Centi-
meter verschoben hätte, mit solcher Vorsicht, dass die drei Stücke,
aus denen sie besteht, genau in ihrer ursprünglichen Lage blieben? ■ .
In der Tat liegen die beiden Schaftstücke so fest und genau auf
einander, dass niemand auf den Gedanken kommen wird, sie hätten
je eine Störung erlitten. Mit dem Kapitellstück ist es etwas an-
ders; davon gleich. Patroni meint nun, die Säule sei durch ein
Erdbeben seitwärts geschoben worden. Und wenn die beiden Schaft-
stücke so ungestört beisammen geblieben sind, so vermutet er, sie
seien wohl durch einen Zapfen verbunden. Das Kapitellstück aber,
so sagt er, sei in der Tat um c. 0,03 nach Osten verschoben wor-
den. Also ein Erdstoss warf den Schaft nach Süden, das Kapitell
nach Osten : darüber mag sich Patroni mit den Sismologen aus-
einander setzen. Aber wie kam man dazu, in dieser einen Fuge
einen so mächtigen Zapfen anzubringen, nicht aber in den anderen ?
Und hätte doch Patroni, statt zwei Maurermeister wegen der Ober-
fläche der Säule zu consultieren, einmal einen Ingenieur gefragt,
wie denn ein solcher Zapfen beschaffen sein müsste, mittels dessen
eine 0,685 hohe Säulentrommel, durch einen Erdstoss seitwärts
14
194 A. MAU
geworfen, die auf ihr stehende, 1,66 hohe so mit sich führen könnte
als ob es nur ein Stück wäre. Ich habe dies gethan und natürlich
die Antwort erhalten, das sei nicht möglich : auch der stärkste
Zapfen müsste, wenn aus Holz brechen, wenn aus Metall sich bie-
gen. Es ist ferner nicht wahr, dass das Kapitellstück um 3 Cm.
nach Osten verschoben ist. Dann müsste ja im Westen das untere
Stück um 0,03 vor das obere, im Osten dieses um eben so viel
vor das untere vorspringen. Statt dessen springt zwar im Westen
die grosse Schafttrommel um kaum 0,015 vor das an das Kapitell
angearbeitete Schaftstück vor ; im Osten dagegen liegen beide Pe-
ripherien vollkommen senkrecht über einander. Es war also das
Kapitellstück separat gearbeitet und etwas zu klein geraten, und
man hat dann vorgezogen, es so zu legen, dass die Differenz nicht
ringsum sondern nur im Westen hervortrat ; natürlich war sie durch
den Stuck ausgeglichen (l). Also mit dem Erdbeben ist es nichts.
Wenn dann Patroni noch meint, die Säule habe auch auf andere
Weise verschoben werden können, so muss ich nähere Präcisirung
dieser mir einstweilen unverständlichen Behauptung abwarten. Dass
es durch Menschenhand geschehen sei, gehört zu den allerunglaub-
lichsten Dingen.
Nun aber die Hauptsache. Es ist nicht genau, wenn Patroni
nur so einfach sagt, dass der Schaft irn Süden um 2 Cm. hinter
die i Basis » zurücktritt, gegen 4, 6 und 7 auf den anderen Seiten.
Das Zurücktreten des Schaftes auf der Südseite reicht nur bis kaum
0,15 über der «Basis»; wenn in dieser Höhe (man könnte auch
sagen 0,10) noch eine Differenz ist, so beruht sie nur auf dem an
der ■ Basis ■ erhaltenen, am Schaft fehlenden Stuck. Von da ab
verjüngt sich der Schaft erst wenig, dann immer stärker nach oben.
Da nun dies geringe, übrigens ganz rauhe und unregelmässige Zu-
rückweichen auf eine Höhe von nur 10-15 Cm. unmöglich als be-
absichtigte Kunstform gelten kann, so ist also auf der Südseite
weder Zurücktreten des Schafts gegen die « Basis » noch Ver-
jüngung nach unten vorhanden, sondern wir haben von unten an,
f1) Dies ist auf der sehr guten Photographie, nach der P.'s Fig. 1 ge-
macht ist, vollkommen klar. Die Figur selbst ist merkwürdig schlecht und
undeutlich geraten. Ich kann mir P.'s Behauptung nur so erklären, dass er
diese, nicht die Photographie benutzt hat : ein durchaus nicht empfehlens-
wertes Verfahren.
NOCHMALS DIE ALTE SAEL'LE IN POMPEJI 195
einschliesslich « der Basis ■ , das Profil einer ganz regelmässig sich
nach oben verjüngenden Säule. Dies war aus dem Mitt. XIX
S. 124 und 126 gesagten hinlänglich zu entnehmen, und Patroni
hätte sich bei seiner zweimaligen Untersuchung der Säule davon
überzeugen müssen. Es ist sehr leicht wahrzunehmen: wir haben
als Senkrechte die Südfläche der Wand, in der die Säule früher
teilweise verborgen war ; an ihr entlang blickend sieht man sofort,
dass die Säule in der Höhe von 0,25 etwas (vielleicht 1 Cm.) vor
sie vortritt, bei 0,50 in gleicher Fläche mit ihr liegt, bei 1,40
(in der Höhe des jetzt grössten Durchmessers) um etwa 0,015, weiter
oben also noch mehr hinter sie zurücktritt.
Wenn nun also die Verjüngung nach unten nur auf drei Seiten
stattfindet, auf der vierten ganz fehlt, so ergiebt sich daraus mit
Notwendigkeit, dass der untere Kreis (es ist ein ungefährer Kreis)
des auf der * Basis » stehenden Schaftstückes nicht nur der Ober-
fläche der ■ Basis ■ excenfrisch ist, sondern auch der Kreisfläche
des oberen Schaftendes, kurz, dass die Axe der Säule nicht das
Centrum des redimierten unteren Schaltendes trifft, sondern etwa
3 Cm. weiter nördlich, in das Centrum der Oberfläche der ■ Basis »
fällt, dass also die Säule auf ihrem ursprünglichen Platze steht
und die Excentricität jener beiden Kreise so alt ist, wie die Ver-
jüngung nach unten. Die Verjüngung selbst ist eben excentrisch;
und da dies unmöglich ursprüngliche Kunstform sein kann, so bleibt
gar nichts anderes übrig, als dass sie das Resultat nachträglicher
Verstümmelung ist.
Um dies ganz klar zu machen gebe ich umstehend den ungefähren
NS-Durchschnitt der Säule mit Einzeichnung der Axe und punk-
tirter Andeutung des ursprünglichen Profils. Die noch später im
N abgehackten Teile sind heller schraflirt.
Dazu kommt nun, dass die nach unten verjüngten Teile nir-
gends den geringsten Rest der ursprünglichen Oberfläche zeigen,
wie sie in den oberen Teilen kenntlich ist, vielmehr überall spä-
tere Abarbeitung und Verstümmelung. Es ist wirklich eine starke
Leistung, wenn Patroni diesen offen und unverkennbar zu Tage
liegenden Tatbestand leugnet. Er fasst seinen Widerspruch in fünf
Punkte zusammen, die ich, um keinen Zweifel zu lassen, einzeln
bespreche.
1. « Das glattere Aussehen des oberen Teiles beruht auf dem
196
A. MAU
hier erhaltenen Stuck». Das ist nicht wahr. Hält denn Herr Pa-
troni mich für so m asslos unverständig, dass ich die unteren Teile
für überarbeitet halten sollte, weil sie, ohne Stuck, nicht den stuck-
bekleideten Teilen der oberen Hälfte gleichen ?
In Wahrheit ist oben ein beträchtlicher Teil
der Oberfläche, in unmittelbarem Contact mit
deni noch vom Stuck bedeckten (gegen SW, 1.
auf 'der Abbildung XIX S. 125), ohne Stuck,
sonst aber völlig intact erhalten; sie ist durchaus
charakteristisch: nichtsehr sorgfältig bearbeitet,
etwas wellig, aber vollständig glatt (*). Wir
wissen also ganz genau, wie die nicht über-
arbeitete Steinoberfläche aussieht und sind voll-
kommen in der Lage, sie mit der Oberfläche
der unteren Teile zu vergleichen.
2. ■ Die vermeintliche Ueberarbeitung
beschränkt sich nicht auf den Teil unterhalb
des jetzt grössten Durchmessers (2), sondern
reicht höher und lässt nur das obere Drittel
frei; cid che e assurdo, perche lo scalpellino
non avrebbe potulo raccordare la superficie
e sarebbe stato costretto a digrossare ü f'usto
fino al capitello » . Dunkel ist der Sinn dieser
letzten Worte, und es lohnt nicht die Mühe
ihm nachzuspüren; denn um so klarer ist der
wirkliche Sachverhalt. Die ganz charakteristische
Abarbeitung der unteren Teile, mit schrägen
Strichen von 1. oben nach r. unten, ist deutlich
im S und W auf der untersten Trommel, im
W ein weniges auf die zweite übergreifend
und hier bis 0,82 über dem Plinthus reichend.
Darüber im W bis zu c. 1,25 eine abweichende, offenbar viel
weniger starke Abarbeitung, wohl um einen Uebergang herzu-
stellen von den intacten oberen zu den stark abgearbeiteten
Fiff. l
(x) Gut sichtbar auf der für Patroni's Fig. 1 benutzten Photographie ;
die Eeproduction ist auch hierfür unbrauchbar.
(2) Diesen nennt P. entasi, obgleich die wirkliche Entasis oberhalb des-
selben deutlich vorhanden ist.
NOCHMALS DIE ALTE SAEULE IN POMPEJI 197
unteren Teilen. Darüber die ursprüngliche glatte Fläche, zum
grossen Teil frei von Stuck. Man kann aber sagen, dass im W
oberhalb 1,15 die alte Fläche ziemlich intact und das Profil nicht
wesentlich alterirt ist; von da ab beginnt die Verjüngung nach
unten und mit ihr die spätere Abarbeitung. Im Osten beschränkt
sich die Abarbeitung mit schrägen Strichen auf die unterste
Trommel, bis 0,79 über dem Plinthus. Die zweite Trommel ist
im S und 0 sehr rauh, und zwar ist klar, dass sie, aus weicherem
Stein als die untere, starke Corrosionen erlitten hat: ganz ähnliche
Unebenheiten und Vertiefungen zeigen die Säulenstümpfe des
Tempels auf dem Forum trianguläre, wo über ihren Ursprung
kein Zweifel ist. Dazwischen sind aber auch Meisselstriche kennt-
lich, namentlich im Osten: es scheint dass man die durch Cor-
rosion entstandenen Unebenheiten durch eine freilich sehr rohe
Bearbeitung etwas vermindern wollte. Dies reicht bis reichlich
1,60 ; und zwar ist offenbar im 0 mehr verloren gegangen als im S.
Und es ist ja auch aus den Abbildungen (XIX S. 125, Patroni
S. 218) ersichtlich, dass im 0 eben hier, bei 1,60, wenn nicht
die Verjüngung nach unten beginnt, so doch die Entasis (die wirk-
liche, nicht was P. so nennt) aufhört, während im W die schön
geschwungene Profillinie, mit Verjüngung nach oben, bis 1,15 hin-
abreicht. Die Abarbeitung ist eben eine ungleichmässige. Was P.
daraus für Schlüsse ziehen will, bleibt unklar ; es mit ihm absurd
zu finden, ist bei der rohen Art dieser ganzen Ueberarbeitung wirk-
lich nicht der Mühe wert : wenn P. an der excentrischen Verjün-
gung nach unten keinen Anstoss nimmt, so kann er wohl auch
diese Kleinigkeit noch mit in den Kauf nehmen.
3. « Die für Abarbeitung gehaltenen Rauheiten sind z. T.
Vorbereitung der Oberfläche zur Aufnahme des Stuckes, z. T. be-
ruhen sie auf verschiedener Beschaffenheit des Steines (d. h. es
sind Corrosionen) » . Auch dies ist nicht wahr. Von den Corrosionen
war schon die Rede (2). Und auf welche Weise die Oberfläche für
den Stuck vorbereitet wurde, das ist doch an der oberen Hälfte
der Säule vollkommen kenntlich (s. oben unter 1) : sie wurde sorg-
fältig geglättet, nicht rauh gemacht. Eben so charakteristisch aber
wie diese Glättung ist die eigentümliche Bearbeitung des unteren
Teils mit schrägen Meisselstrichen von 1. oben nach r. unten. Sie
ist besonders deutlich sichtbar in unserer die N.seite darstellenden
198
A. MAU
Fig. 2 (dieselbe Photographie, die ich der Freundlichkeit Sogliano's
verdanke, liegt auch Patroni's Fig. 2 zu Grunde), aber auch auf der
Mitt.XIX S. 125 wiedergegebenen Photographie, während Patroni\
Fig. 2.
Fig. 1 auch hier versagt ('). Diese beiden Arten von Oberfläche unter
einander oder mit den Corrosionen zu verwechseln ist ganz unmög-
lich ; die eine ist ausschliesslich auf den nach oben, die andere eben
(l) Sehr deutlich auf der für sie benutzten Photographie.
NOCHMALS DIE ALTE SAEULE IN POMPEJI 199
so ausschliesslich auf den nach unten verjüngten Teil beschränkt.
Patroni's Behauptung ist also ganz unbegreiflich; mag er selbst
sehen, wie er sie verantworten will. Ich bemerke noch, dass die
Abarbeitung auf der Südseite viel schwächer ist als auf den anderen
Seiten, so schwach, dass sie nicht einmal den Stuck vollständig
entfernt hat; so ist hier das Profil kaum alterirt und Verjüngung
nach unten findet, wie schon oben bemerkt, nicht statt.
4. « Ein beträchtlicher Teil des ursprünglichen Stuckes be-
kleidet und umfasst noch jetzt den Rand (die Kante) der Basis ».
D. h. also, der Stuck bekleidet nicht nur die senkrechte, sondern
auch einen Teil der horizontalen Oberfläche der « Basis » . Wären
wirklich solche Stuckreste vorhanden, so könnten sie nach dem oben
Ausgeführten nicht der ursprünglichen Stuckbekleidung angehören.
Aber auch diese Behauptung Patroni's ist nicht wahr. Nur an einer
Stelle, im NW (Fig. 2 r. von der Mitte) ist der Stuck auf einer
Strecke von c. 15 Cm. bis an die Kante erhalten, aber die obere
Fläche bedeckt er auch hier nicht, zeigt auch nicht die mindeste
Neigung umzubiegen und selbst eine Kante zu bilden ; man möchte
fast sagen : es ist klar, dass er weiter senkrecht aufstieg. Wie Pa-
troni zu obiger Behauptung gekommen ist, bleibt unklar. Er ver-
weist auf seine Figur 2 (gleich unserer Fig. 2) rechts : hat er
vielleicht die dort sichtbare, von der Sonne beschienene und daher
weiss erscheinende Oberfläche des Plinthus für Stuck der « Basis »
gehalten? Ich suche mildernde Umstände. Was nutzt aber Pa-
troni's zweimalige Besichtigung, wenn er sich nachher auf Photo-
graphien verlässt und diese noch missversteht?
5. Der Werkführer von Pompeji, C. Davino, und sein Bruder
haben Patroni gesagt, nach ihrem Urteil habe der Säulenschaft
keine zweite Bearbeitung erfahren. Ob die beiden sehr achtbaren
Männer sich wohl bewusst waren, in ihrem Gespräch mit Patroni
ein wissenschaftlich zu verwertendes Gutachten abzugeben? Von
mir befragt erklärte der eine sofort seine gänzliche Incompetenz;
der andere musste vor der Säule selbst, wie es ja garnicht anders
möglich war, den Unterschied der intacten oberen und der über-
arbeiteten unteren Fläche anerkennen, grade so wie ich ihn sah,
und selbstverständlich auch die daraus sich ergebende Folgerung.
Patroni wird doch wissen, wie sehr manchmal die Antwort von der
Fragestellung beeinflusst wird; brauchte er ein Zeugnis, so konnte
200 A. MAU
er sich an einen der Verantwortlichkeit seines Gutachtens bewussten
Gelehrten wenden. Ich habe eben diesen Weg für den allein gang-
baren gehalten, und da ich das Glück hatte, mit Herrn Professor
R. Borrmann in Pompeji zusammenzutreffen, habe ich ihm, dessen
Competenz niemand bezweifeln wird, den Fall vorgelegt. Wir ha-
ben zusammen die Säule genau untersucht, und Prof. Borrmann
ermächtigt mich zu der Erklärung, däss er meine Angaben über
den Tatbestand, gegenüber den ihm bekannten Angaben Patroni's,
rücklialtslos bestätigt, namentlich in Betreff der intacten und über-
arbeiteten Oberfläche. Auch der daraus sich ergebenden Folgerung,
dass die Verjüngung nach unten und die « Basis » Resultate einer
Ueberarbeitung sind, stimmt er bei. Ich will nochmals betonen,
dass es sich hier überall nicht um Dinge handelt, die sich leicht
dem Auge entziehen oder die man so und auch anders sehen kann ;
der Tatbestand ist vollkommen zweifellos und klar : wer Gele-
genheit hat, die Säule zu sehen, wird sich ohne viel Zeitverlust
von der Richtigkeit meiner Angaben überzeugen; wer dies nicht
kann, muss sich freilich entscheiden, ob er Patroni oder Borrmann
und mir glauben will. Mag nun Patroni auch seinerseits einen
competenten Gelehrten auffordern, vor der Säule diese meine Aus-
führungen zu lesen und dann ein Gutachten, namentlich aber ein
Zeugnis über den Tatbestand abzugeben.
Es liegt mir fern, den guten Glauben meines Gegners in Frage
zu stellen ; er ist ja nicht der erste, den eine vorgefasste Meinung
(P. sprach die seinige öffentlich aus, bevor er die Säule gesehen
hatte) (l) so blendet, dass er überall nur Bestätigungen derselben
sieht. Aber wem das begegnet, der hat allen Grund, sorgsam auf
sein Temperament zu achten, dass es nicht mit ihm durchgeht. Was
wird sonst aus seiner Glaubwürdigkeit?
Damit sind die entscheidenden Argumente erledigt. Ihr Re-
sultat ist so zwingend, dass daneben allerlei kleine Wahrschein-
lichkeitsbetrachtungen, mit denen Patroni operiert, ganz bei Seite
bleiben können. Wem dies nicht genügt, dem kann ich nicht helfen.
(') Patroni wird gewiss der Wissenschaft noch manchen guten Dienst
erweisen. Es wäre aber gut, wenn er nicht gar so eilig seine Einfälle in die
Druckerei befördern wollte. Dann wären doch vielleicht auch gewisse wunder-
same Varro- und Lukianinterpretationen unediert geblieben, sehr zum Vorteil
ihres Urhebers.
NOCHMALS DIE ALTE SAEULE IN POMPEJI 201
Die vermeintliche Basis ist mit dem Stylobatstein aus einem
Stück (l). Diese Besonderheit glaubte und glaube ich noch am
wahrscheinlichsten so erklären zu können, dass man aus irgend
einem uns unbekannten Grunde nach Aufstellung der Säule die
Oberfläche des Stylobats um 0,11 abgearbeitet hat. Patroni (S. 226)
erklärt dies mit inconcludenten Redewendungen für unmöglich (2) ;
dass wir das Warum nicht wissen, ist ihm Widerlegung genug.
Er wird nun ja ohne Zweifel, auch wenn er sich überzeugen sollte
dass dies unterste Schaftstück nicht vortrat, es doch für eine my-
kenische Basis erklären wollen. Ich habe schon früher erklärt, dass
ich auf diese Art Fragen nicht eingehen will : sie müssen auf viel
breiterer Grundlage behandelt werden. Da ich aber nicht einzusehen
vermag, weshalb meine oben angedeutete Erklärung unmöglich sein
soll, so scheint mir dies mykenische Ueberlebsel einigermassen
unsicher.
Eine solche nicht vor den Schaft vortretende mykenische Basis
will nun Patroni auch an dem dorischen Tempel auf dem Forum
trianguläre erkennen, wo ja ebenfalls an den erhaltenen Säulen-
stümpfen das unterste Ende, 5-6 Cm. (3), aus einem Stück mit
dem Stylobatstein ist. Puchstein und Koldewey erkennen in der
Oberfläche dieses kleinen Säulenstückes die alte Oberfläche des Sty-
lobats und nehmen an, dass zum Zweck einer Erneuerung des Pa-
viments von dieser Oberfläche etwas abgehackt wurde, natürlich
bis an die Säulen,* und dass so diese niedrigen ■ Basen » entstanden.
Mir scheint diese Annahme durchaus wahrscheinlich. Es ist klar, dass
in der letzten Zeit des Tempels das Signinumpaviment bis an die
Kante der Randsteine reichte, idass also die Kante des Stylobaten
in Signinum gebildet war. Die, wie Puchstein und Koldewey richtig
(>) Dies hatte ich in meiner ersten Notiz (Mitt. XVII 1902 S. 305)
nicht erwähnt ; es ist und war namentlich vor Ausgrabung der Nordseite nicht
leicht zu constatieren. Aber es ist nicht wahr (Patroni S. 217), das sich ge-
sagt habe, sie sei aus einem Stück mit dem übrigen Schaft.
(*) « Povero pavimento, costretto ad abbassarsi ed a rialzarsi secondo
che fa comodo alla teoria del Mau ! » Dies als Stilprobe.
(3) Genaue Massangaben sind bei der grossen Unebenheit der Stylobat-
fläche unmöglich. So ist es vollkommen begreiflich, dass Puchstein und Kol-
dewey einmal 5, einmal 6 Cm. angeben, und es ist ganz unberechtigt dies
mit einem Ausrufungszeichen zu notiren (Patroni S. 224 Anm. 16).
202 A. MAU
bemerken, ganz roh behauene Oberfläche der Randsteine war offen-
bar bestimmt, unter dem Signinum zu verschwinden, und nur so
ist ihre Beschaffenheit zu erklären. Es ist aber mehr als wahrschein-
lich, dassdies nicht von Anfang an so war, sondern auf nachträglicher
Veränderung beruht, und dass eben dieser Veränderung die ver-
meintlichen mykenischen Basen ihren Ursprung verdanken.
Zunächst ist festzustellen, dass dies Paviment wohl das letzte,
aber keineswegs das erste des Pteron war. Es ist ja und war noch
mehr vor den Ausgrabungen des Jahres 1889 ziemlich vollständig
erhalten, so dass man, wie ich schon Mitt. XV 1900 S. 128 her-
vorhob, die Linie der verschwundenen Westmauer der Cella in ihm
erkennen konnte: zwar in gutem Zustande ist es nicht, vielmehr
fast in seine Bestandteile aufgelöst, aber es liegt doch am Platze.
Nun haben eben jene Ausgrabungen im Pteron Manufacte zu Tage
gebracht, die bis Ende des 3. Jh. herabreichen. Diese lagen also
unter diesem Paviment, welches mithin nicht vor Ende des 3. Jh.
gelegt worden ist. Damit erledigt sich auch der seltsame Einfall
Patroni's, aus eben diesen Funden zu schliessen, der Tempel sei
schon damals zerstört gewesen ; denn den Fussboden hat man doch
nicht nach Zerstörung des Tempels gelegt.
Was war also vor diesem Paviment? Eine solche Kantenbil-
dung in Signinum ist recht unzweckmässig und war eben deshalb
sicher nicht immer und allgemein üblich. Die einfachste und natür-
lichste Annahme ist ohne Zweifel die, dass ursprünglich die Ober-
fläche der Stylobatsteine bloss, und nur innerhalb ihrer, bis an die
Cella, ein Paviment lag, wie in den Portiken aller öffentlichen
Gebäude Pompeji's. Später war es* dann einmal eine Zeitlang in
Pompeji Mode, die Stylobatsteine unter dem Paviment verschwin-
den zu lassen, dieses auch zwischen die Säulen zu erstrecken und
in ihm die Kante zu bilden. Es scheint, dass diese Mode aufkam
nach dem Bau der Casa del Fauno, deren zweites Peristyl nach-
träglich in diesem Sinne umgestaltet wurde. Von den Tuffblöcken
des Stylobats wurde dort ganz roh ein der Stärke des Paviments
entsprechendes Stück abgehauen, so dass das Niveau des Stylobats
nicht verändert wurde, wobei natürlich unter den Säulen, mit ihrer
runden ionischen Basis (der Tuffstil kennt keinen Plinthus), je ein
ziemlich unregelmässiges Stück stehen blieb. Ebenso ist man am
dorischen Tempel verfahren, nur mit zwei Unterschieden. Erstens,
NOCHMALS DIE ALTE SAEULE IN POMPEJI 203
da es bei den basenlosen dorischen Säulen nicht so genau darauf
ankam, das alte Niveau des Stylobaten festzuhalten, so war die
Stärke wenigstens des noch jetzt z. T. erhaltenen Paviments grösser
als die Tiefe der Abhackung ; es wurde also der Stylobat etwas er-
höht und ein kleines Stück der alten Säulenschäfte verschwand
in der Fussbodenmasse. Zweitens hat man — was in der Casa
del Fauno durch die Basen ausgeschlossen war — die Canneluren
auf den stehen gebliebenen Stumpf, der in der Fussbodenmasse
verschwinden sollte, übergeführt. Dies ist vollkommen verständlich
und berechtigt. Sonst wäre ja, wenn die alte Stylobathöhe nicht
überschritten wurde, in den Canneluren statt des Paviments die
Steinfläche sichtbar geblieben. Aber auch wenn eine Erhöhung
stattfand, war es doch technisch durchaus wünschenswert, dass
auch die unteren Schichten der Fussbodenmasse in die Canneluren
eindrangen und auch hier der Fussboden seine ganze Stärke hatte.
Es ist also ganz unberechtigt, wenn Patroni (S. 225) aus der Can-
nelirung des Stumpfes schliesst, er habe sichtbar bleiben sollen.
Dennoch aber ist diese bei der Weichheit des Steines geringfügige
Arbeit nicht consequent durchgeführt worden : an dem nördlichsten
der drei erhaltenen Säulenreste hat man sich wenigstens auf der
gut sichtbaren Südseite diese Mühe gespart (l):4ich schliesse dar-
aus, dass wahrscheinlich schon der erste zwischen die Säulen
erstreckte Fussboden über die alte Stylobatoberfläche erhöht wurde.
Wie es an den 29 spurlos verschwundenen Säulen war, können
wir natürlich nicht wissen. Gleichzeitig, und zwar vor Legung
des Fussbodens, müssen dann auch die Säulen eine neue Stuck-
bekleidung erhalten haben ; denn es ist klar, dass die jetzt noch
z. T. erhaltene sich auch auf den untersten Stumpf erstreckt und
vom Fussboden bedeckt wird. Alle diese Annahmen stossen auf
keinerlei Schwierigkeit.
Das Pavinient der Casa del Fauno gehört wohl sicher noch
der Tuffperiode an. Es ist nicht gut zu trennen von den übrigen
Fussboden des Hauses, die, wie es scheint, der noch erhaltenen
Wanddecoration ersten Stiles — sie ist bekanntlich nicht die erste
des in der Tuffperiode erbauten Hauses — gleichzeitig, keinesfalls
C1) Dies leugnet Patroni (S. 225) auf Grund eigener Besichtigung. Es
ist aber doch so.
204 A. MAU
aber jünger sind (l). Also in der späteren Zeit der Tuffperiode,
gegen Ende des 2. Jh., scheint diese Mode aufgekommen zu sein.
Und da alle Moden in ihrer ersten Zeit am stärksten wirken, na-
mentlich aber der Bundesgenossenkrieg die Continuität solcher Tra-
ditionen stark gestört haben wird, so werden wir die Umgestaltung
des Tempelpterons am wahrscheinlichsten in eben jene Zeit setzen.
Keineswegs aber braucht das damals gelegte Paviment dasselbe zu
sein, dessen Reste noch erhalten sind; sehr wohl konnte später noch
einmal ein Erneuerung des Fussbodens stattfinden, und es ist ganz
wertlos, wenn Patroni (übrigens mit einer mir unverständlichen
Logik) aus der Höhenlage des erhaltenen^Paviments schliesst, dieses
habe nicht den Anlass zur Verstümmelung des Stylobaten und zur
Entstehung der ■ Basen ■ geben können. Der damals gelegte Fuss-
boden konnte, wenn er mit dem erhaltenen nicht identisch war,
recht wohl etwas niedriger sein ; freilich nicht so niedrig, wie sich
Patroni seinen ursprünglichen Fussboden denkt und nach seiner
Theorie denken muss.
Nämlich Patroni's Hauptargument gegen Puchstein sind ja die
Canneluren an dem kleinen Säulenstumpf, deren unvollkommene
Durchführung ihm entgangen ist: sie sollen beweisen, dass dieser
nicht bestimmt war, im Fussboden zu verschwinden ; was dies Ar-
gument wert ist, haben wir oben (S. 203) gesehen. Andererseits
aber erklärt auch er (S. 225) die rauhe Oberfläche des Stylobats
durch Annahme eines Paviments, nur dass dies (wegen der ver-
meintlich zu kurzen Lebenszeit des Tempels (2) : oben S. 202) nicht
nachträgliche Veränderung, sondern ursprünglich sein soll. Nun
sollte man denken, auch in diesem Fussboden hätte der nur 5-6 Gm.
hohe Säulenstumpf und mit ihm Patroni's Argument verschwinden
müssen. Aber nein! Patroni äussert sich zwar hierüber nicht aus-
drücklich, doch soll offenbar sein ursprünglicher Fussboden eine
so minimale Stärke gehabt haben, dass er wohl die Unebenheit des
Stylobats, nicht aber die Canneluren des Stumpfes verdeckte. Aus
welcher Art Masse denn ein so dünner Fussboden bestanden haben
soll, darüber schweigt Patroni gänzlich. Und dass so massive Uneben-
(») Mau Gesch. d. decor. Wandmalerei S. 35-37. 53-56; Pompeji in Le-
ben u. Kunst S. 273 f.
(a) Uebrigens dürften doch auch die von P. dem Tempel zugebilligten
c. 300 Jahre für einige Fussbodenveränderungen ausreichen.
NOCHMALS DIE ALTE SAEULE IN POMPEJI • 205
heiten, wie sie die Stylobatfläche zeigt, nicht durch ein ganz dünnes
Paviment ausgeglichen werden konnten, daran hätte doch der blosse
Augenschein auch Patroni keinen Zweifel'lassen sollen : es ist gar-
nicht möglich, auf weniger als 5-6 Cm., die Höhe der Stümpfe,
zu kommen.
Damit erledigt sich auch noch ein anderes Argument Patroni's.
Er meint nämlich, dass nach Puchstein's Auffassung die oberste
(Stylobat-)Stufe zu viel höher werden würde, als die übrigen dem
Unterbau vorgelegten Stufen: diese sind nach ihm c. 0,3 hoch,
jene jetzt 0,4, müsste also, wenn die von Puchstein angenommene
Abhackung stattgefunden hätte, ursprünglich 0,46 hoch gewesen
sein. So schlimm ist es nun nicht. Ich fand an messbaren Stellen
für die unterste Stufe (im 0) 0,38, für die drei folgenden je 0,32,
für die oberste 0,36 bis zur Kante, 0,37-0,38 bis zum Säulenfuss,
höchstens 0,43 bis zur Oberfläche der «Basis»; also ein Un-
terschied von höchstens 11, nicht von 16 Cm. Und wenn so
wie so die oberste Stufe höher war als die nächstunteren, was will
man da aus einem geringen Mehr oder Weniger schliessen ? Ferner
musste, wie eben ausgeführt, auch nach Patroni's Annahme zu
der Steinhöhe die des Paviments hinzukommen, und es ist nicht
erfindlich, wie er mit dieser unter der Oberfläche der Basen blei-
ben will.
Ich glaube damit hinlänglich gezeigt zu haben, dass Patroni
gegen die Puchstein-Koldewey'sche Auffassung nichts gegründetes
vorgebracht hat, diese vielmehr ganz einwandfrei, dagegen Patroni's
eigene Auffassung mindestens unwahrscheinlich ist.
Ueber Aufidena und die sicilischen Tempel, wo Patroni eben-
falls mykenische Basen nachweisen will, bin ich nicht competent;
da mögen Andere zusehen. In Betreff der Chronologie der alten
Säule kann ich Patroni nicht hindern, auch fernerhin die Gleichung
700 -j- * + y — * •*» 800 für zulässig zu halten.
A. Mau.
PLINIUS UND DAS CENSORISCHE VERZEICHNIS.
In zwei Aufsätzen im Jahrbuch 1901 S. 75-107 — wir eitleren
diese Abhandlung mit I — und 1905 S. 113-122 (II) ver-
suchte Detlefsen den Nachweis zu führen, dass Plinius fast alles,
was er über in Rom befindliche Schöpfungen der Kunst zu sagen
weiss, einem censorischen Verzeichnis der im Staatsbesitz befind-
lichen Kunstwerke verdanke. Da es den Verfasser interessiert, ob
seine Annahme in den Kreisen der Archäologen mehr Gegner oder
mehr Freunde gefunden habe, so möchte ich wenigstens für meine
Person die Gründe darlegen, welche mir verbieten, seiner Beweis-
führung zu folgen.
Dass in Rom über die Wertgegenstände in Tempeln und
andern öffentlichen Gebäuden unter der Form von Inventarien Buch
geführt wurde, halte auch ich für selbstverständlich, trotzdem ich
Detlefsen nicht zugeben kann, dass diese Annahme durch Tacitus
Agricola ö geradezu gefordert werde. Denn in diesem Fall handelt es
sich nach den klaren Worten des Historikers um eine ausserordent-
liche Mission der Agricola: tum electus a Galba ad dona tem-
plorum recognoscenda düigentissima conquisitione effecit, ne
cuius alterius sacrüegium res publica quam Neronis sensisset.
Auf die von Nero in so grossem Umfang betriebenen Brandschat-
zungen der Heiligthümer hin lag wohl für manchen moralisch
nicht ganz festen Beamten die Versuchung nahe, dies oder jenes
Stück aus dem Tempelschatz zwischen seinen eigenen Penaten
verschwinden zu lassen und den ■ Abmangel » dann auf den grossen
Conto Neros zu schreiben. Es musste festgestellt werden, was noch
da ist, damit das Verschwinden der Wertgegenstände aus den
Tempeln nicht lawinenartig weitergeht. Man muss sogar sagen,
gerade weil Tacitus die Revision durch einen bestimmten Grund,
die abnormen Zustände unter Nero, motiviert, kann es sich hier
F. HAUSER, PLINIUS UND DAS CENSORISCHE VERZEICHNIS 207
nicht um eine reguläre Function handeln. Detlefsen citiert zur
Beglaubigung die zweite Auflage von Mommsens Staatsrecht II
433, wo allerdings ausgesprochen ist, es sei nicht nötig an einen
ausserordentlichen Auftrag des Agricola zu denken ; Galba könne
ihn zum curator operum publicorum ernannt haben. Allein in der
dritten Auflage II 443 hat Mommsen seine Ansicht mit dem
besten Grund in ihr Gegenteil verwandelt. Seine letzte Aeusserung
lautet: ■ so ist dieser durch Neros Plünderung der Tempel ver-
anlasste Auftrag wohl eher als eine besondere cura gegeben als
an die cura operum publicorum angeknüpft worden i Der Fall
des Agricola lässt sich also zwar nicht generalisieren ; immerhin
müssen damals Inventare aufgenommen worden sein, wohlbe-
merkt aber Inventare der ■ dona templorum », nicht etwa bloss ein
Verzeichnis der Statuen und Gemälde, was Detlefsen dann ohne
weiteres an Stelle von censorischem Verzeichnis setzt.
Bevor wir auf Quellen zurückführen, scheint es mir nicht
überflüssig, zunächst einmal zu fragen: wie sahen denn diese
Quellen aus? Um einen Einblick in censorische Akten zu be-
kommen, giebt es nur ein Mittel, .das Curiosum urbis regionum
XIV oder die Notitia durchzulesen, welche von censorischen Ver-
zeichnissen abhängen. Aus dieser Fundgrube wollen wir ausschöpfen,
was darin von Angaben über Kunstwerke enthalten ist, indem wir
die einzelnen Eubriken nach der Seitenzahl von Jordan Stadt
Rom II citieren:
statuam Mamuri (549). Apollinem caelespicem. Herculem
olivarium (559). statuam Valerianam. Caput Gorgonis. Herculem
sub terram medium cubantem sub quem plurimum auri positus
est (563). equi magni XXII. dei aurei LXXX. eburnei LXX1III
(572). Dazu kämen noch die Angaben des Zacharias : signa aurea
deorum magna LXXX. eburnea item deorum LXVI. aenea si-
mulacra regum et ducum MMMDCCLXXXV. similiter alia aenea
simulacra Abrahami Sarae et Hagarae XXVquae Vespasianus
imperator detulit post deletam Hierosolymam cum eiusdem urbis
portis aliisque monumentis. Colossi duo. equi aenei grandes atque
magnifici XXXII (576).
Wer sich diese Register noch nie angesehen hat, der denke
nicht etwa, dass die Kunstwerke in den Verzeichnissen einen
breiten Raum einnehmen; im Gegentheil, sie verschwinden ge-
208 F. HAUSER
genüber den ständigen Rubriken der insulae, domus, horrea bis
herab zu den lupanarid und latrinae publicae (573). Für sta-
tistische Angaben, für die Zahl der Bildwerke in Rom konnten
sie allenfalls als Grundlage dienen ; aber auch nicht ein einziger
Künstlername leuchtet aus diesen öden Listen heraus. Besonders
sprechend wirkt die Aufnahme des neronischen Kolosses (546):
colossum altus pedes CII s. habet in capite radia VII singula
pedum XXII s. Wie viele Strahlen der Koloss auf dem Kopf hat
und wie laug jeder Strahl ist, das interessiert den Herrn Re-
gistratur, denn das sind Wertgegenstände; der Künstler Zenodoros
aber ist amtlicherseits nicht bekannt.
Das wäre zugleich die einzige Statue, über die sowohl von
Plinius als aus censorischen Akten detaillierte Angaben worliegen,
deren Uebereinstimmung nun die Probe auf die Richtigkeit von
Detlefsens Vermutung ergeben müsste. Merkwürdigerweise liess
sich Detlefsen I 95 diese einzige Gelegenheit zur Nachprüfung
entgehen. Allerdings fällt sie auch nicht bestätigend aus. Von den
102 4- Fuss der censorischen Bestimmung weicht die Höhenangabe
in der Naturalis Historia 34, 45 ab, mag man nun mit Det-
lefsen CVIS oder mit Uliichs CXIXS oder mit dem Bambergensis
nonaginta lesen. Ebenso verschieden ist auch der Gesichtspunkt,
unter welchem Plinius den Koloss betrachtet. Ihm dient er als
Beleg für das Aussterben der Kunstfertigkeit im Bronzeguss, eine
Inferiorität gegenüber früheren Perioden, die ihm um so signifi-
kanter scheint, je höher er Zenodoros als Künstler einschätzen zu
müssen glaubt, den er selbst in seinem Atelier aufsuchte.
Die Statue der Valeria erwähnt auch Plinius 34, 29 und
giebt sogar seine Quelle an; nur war in diesem Fall die Quelle
gerade nicht ein censorisches Verzeichnis, sondern der sonst un-
bekannte Schriftsteller Annius Fetialis. Die übrigen von der No-
titia aufgezählten Statuen nennnt Plinius nicht oder wenigstens
nicht so, dass sie sich mit Sicherheit identifizieren Hessen. Wenn
also aus diesen wenigen Berührungspunkten zwischen Plinius und
der Notitia überhaupt etwas geschlossen werden darf, so wäre zu
schliessen, dass die Naturalis Historia censorische Akten nicht
verwertete.
Der Einwand, dass im Curiosum und der Notitia nur ganz
späte Verarbeitungen amtlicher Akten vorliegen, schlägt nicht
PLINIUS UND DAS CENSORISCHE VERZEICHNIS 209
durch ; ausser diesen späten Quellen haben wir eben keinen andern
Anhaltspunkt, um eine Vorstellung vom Charakter eines censo-
rischen Verzeichnisses zu gewinnen. Finden wir in diesen Quellen
nichts, was auch nur von ferne nach kunsthistorischem Interesse
ausschaut, dann schwebt die ganze geplante Zurückführung in der
Luft. An stelle von jenen censorischen Akten könnte man sich
nun an die Inventare der dona templorum, welche jedenfalls auch
Kunstwerke enthielten, klammern wollen. Diese Register waren
ohne Zweifel viel detaillierter durchgeführt als ein censorisches
Verzeichnis. Da Detlefsen ein erhaltenes Beispiel nicht zu citieren
weiss und ich ein solches nicht kannte, so stellte ich mir diese
Inventare nach Analogie der griechischen Schatzverzeichnisse vor:
all der grosse und kleine Kram, der sich im Laufe der Jahrhun-
derte in einem Heiligthum ansammelt, wird gebucht; Zahl und
Gewicht genau angegeben, auch der Weihende manchmal genannt ;
aber dafür dass auch der Verfertiger des Weihgeschenks mit
Namen aufgeführt würde, dafür bieten die griechischen Inschriften
keine Analogie (!) und ob wir berechtigt sind bei den Römern
(*) Ich möchte durch ein Beispiel, das bis jetzt von Niemand be-
merkt wurde, zeigen, wie wenig für die Inventare das Kunstwerk als solches
oder gar dessen Verfertiger in Betracht kommt. In dem erst neuerdings
vollständig bloss gelegten Schatzverzeichnis von der Akropolis aus dem
Jahr 368-7 (Ephem. Archaeol. 1903 S. 140) wird in Zeile 95 als iv rm dQ-
Xalm psu)t befindlich aufgezählt : dnoQQCcvTrJQiov /qvoov b 6 ät><¥(>iüg e%ei.
Für änoQQavTrJQioi' ist die gleiche Bedeutung bezeugt wie für neQiQQa^ri]-
qiov. Nun sah Pausanias I 23,7 auf der Akropolis, anscheinend nahe beim
Heiligtum der Brauronia: Avxlov zov Mvqiavog %cihy.oVv ncci&cc 8g rö nsQiQ-
QdvtriQLov s/ei. Die im Inventar genannte Statue darf man sich wegen des
Metallzusatzes, welcher einen integrierenden Theil der Komposition bildet, eher
aus Bronze als aus Marmor gearbeitet vorstellen. Da wir zum mindesten von
keiner dritten männlichen Statue mit diesem Attribut auf der Akropolis wis-
sen, kann die Identification für sehr wahrscheinlich, wenn nicht für sicher
gelten. Ich glaube auch zunächst für die Gleichsetzung Beifall zu finden und
fürchte nur, dass der Leser sein Ja wieder zurückzieht, sobald er die Konse-
quenzen überblickt, welche die Identifikation mit sich bringt. Denn ist, wie
die Meisten annehmen werden, mit dem ägxcuog rewg der Neubau des Erech-
theion gemeint, dann erklärt sich der Wechsel des Standorts der Statue nicht
leicht; die Aenderung wäre aber selbstverständlich beim alten Tempel, den
sich mit Ausnahme von Doerpfeld doch fast Alle später abgebrochen denken.
Immerhin wäre die Identificierung Wasser auf Doerpfeld's Mühle, da sie auf
eine Fortexistenz des alten Tempels bis mindestens 367 führen würde. Für
15
210 K. HAUSER
mehr künstlerische Interessen vorauszusetzen, das wäre doch noch
die Frage.
Allein wir brauchen uns'gar nicht bei diesem Analogieschluss
zu beruhigen. Prof. Hülsen weist mich freundlichst darauf hin, dass
ein lateinisches Tempelinventar sich thatsächlich erhielt und zwar
aus der nächsten Nähe von Rom, aus Nemi. Ausserdem trifft es
sich noch recht glücklich, dass dieses Inventar gerade aus der
Zeit dds Plinius stammt ; denn ein Kenner wie Henzen (Hermes,
VI, 7) erklärt es für nicht jünger als das erste Jahrhundert unse-
rer Zeitrechnung. Es handelt sich um eine C. I. L. XIV 2215
veröffentlichte Uebernahmsurkunde aus den fana der Isis und Bu-
bastis in Nemi : res traditae fanis utrisque. Aus dem Register hebe
ich nur heraus, was uns den richtigen Standpunkt zur Beurtheilung
der Art des Inventarisierens bei Kunstwerken giebt: Signa n(u-
mero) XVII \ caput Solis I; imagmes argenteas IUI; clupeum I;
aras aeneas duas folgen Dreifüsse, Kannen, Schmucksa-
chen; darunter. . . . collarem alterum cum gemmis n. VII...
Corona analempslaca I cum gemmis topazos n. XXI et c'arbun-
culos n. LXXXIIIL... dann Kleidungstücke... veslem lin(te)am, tu-
nicam /, . . zona I cum segmentis argenteis. . . vestem altera lintea
pura. . . . labellum marmoreum cum columella; hydria Hypsiana
et lintea purpurea cum clavis aureis et zona aurea (1).
So sieht ein römisches Tempelinventar aus. Diademe und
Kleidungstücke werden in einzelnen Nummern aufgeführt und mit
Details registriert ; sämtliche Statuen aber fasst man unter einem
Item zusammen; für sie genügt die Zahlangabe. Um sich da-
rüber zu unterrichten, wie in neueren Zeiten Kjinstinventare aussehen,
uns erklärt der Abbruch des alten Tempels die verschiedene Aufstellung.
In diesem Fall nennt also das Inventar die Statue überhaupt nur wegen des
werthvollen Materials, aus welchem der Zusatz besteht; die Statue an sich
oder gar ihr Urheber ist, trotzdem er bekannt war, dem Beamten völlig
gleichgiltig. Wenn Jemand behaupten wollte, Pausanias erwähne das Werk nur
nach dem Inventar, so hätte er bessere Gründe als Detlefsen für die ent-
sprechende Annahme bei Plinius. Dass ich diese Gründe nicht anerkennen
würde, wird man mir wohl ohne ausdrückliche Versicherung glauben.
(») Prof. Hülsen weist auch noch auf C. I. L. X, 2 n. 7939 hin. Es
werden hier vier silberne Statuen des Antoninus Pius, der Faustina und von
zweien ihrer Söhne inventarisiert; Silber als Material und dessen Gewicht
wird haarscharf angegeben, von einer Nennung des Künstlers aber keine Spur.
PLINIUS UND DAS CENSORISCHE VERZEICHNIS 211
empfehlen wir Detlefsen die Leetüre der vier Bände ■ Doamenti
ineditiper servire alla storia dei musei d'Italia ■ . Aber die ■ Fund-
grube von Namen und Nachrichten von Künstlern ■ , wie sie Detlefsen
(II 113) diesen censorischen Verzeichnissen zuschreibt, ist lediglich
ein Phantasiegebilde, das weder mit dem antiken noch mit dem mo-
dernen bureaukratischen Betriebe rechnet.
Trotzdem aber Detlefsen die Verfertiger römischer Inventare
zu angehenden Kunsthistorikern stempelt, so genügen ihre Ver-
zeichnisse doch nicht für die plinianischen Angaben. Detlefsen muss
doch noch Zusätze und zwar recht reichliche Zusätze zugeben,
welche der Verfasser der Naturalis Historia « wahrscheinlich aus
eigener Erfahrung oder aus den Inschriften der Statuen und ihrer
Basen oder aus dem Gerede des römischen Publikums hinzufügte i .
Also ist Plinius zuweilen wohl im Stand, die von seinen griechischen
und römischen Quellen genannten Kunstwerke mit den nach Rom
überführten Originalen zu identificieren, eine Zumuthung an den
Schriftsteller, welche Detlefsen vorher (I 76) für undenkbar erklärte.
Sobald man aber Plinius diese Fähigkeit einmal zutraut, und das
will wirklich nicht zuviel heissen, so liegt überhaupt kein Grund
mehr vor, für die Angaben über Kunstwerke in Rom eine andere
Quelle zu suchen als Autopsie und gelegentliche aus Büchern
aufgeschnappte Zusätze.
Ja Detlefsen versteigt sich gar zu der Vermuthung, dass
das censorische Verzeichnis vom Jahr 73 unter amtlicher Mitwir-
kung des Plinius ausgearbeitet sei (II 113). Diese Hypothese mit
dürren Worten wiedergegeben, hiesse also: Plinius ist seine eigene
Quelle und ■ die Fundgrube von Nachrichten über Künstler ■ ,
welche das censorische Verzeichnis angeblich bieten konnte, hat
Plinius selbst gegraben. Wir sehen daraus, dass nach Detlefsens
Ansicht wie nach der unsrigen, die Angaben des Plinius über in
Rom befindliche Kunstwerke nichts enthalten, was der Schriftsteller
nicht selbständig, ohne Hilfe des censorischen Verzeichnisses finden
konnte. Der Nicht-Philologe wird angesichts dieses verblüffenden
Resultats freilich fragen, warum denn rebus sie stantibus um jeden
Preis ■ zurückgeführt » werden muss und zu was die Unbekannte
des censorischen Verzeichnisses überhaupt in die Rechnung ein-
gestellt wurde.
Dass Plinius mehreremale örtlich zusammenstehende Monu-
212 F. HAUSER
mente in seiner Kunstgeschichte bei einander lässt, erklärt sich
durch an Ort und Stelle gemachte Notizen ebenso leicht als durch
Abschreiben von Inventaren. Und Plinius lässt ja hauptsächlich
solche Werke bei einander, deren Urheber er nicht kennt, die er also
aus diesem Grund nicht in die historische Entwicklung einreihen
kann. Es ist dies ein Notbehelf wie das Aufzählen einer Gruppe von
Künstlern in alphabetischem Hintereinander anstatt in geschicht-
licher Abfolge. Ebenso oft als Plinius am gleichen Ort befindliche
Werke bei einander lässt, ebenso oft reisst er sie auch aus ihrer localen
Verbindung heraus. Im 36. Buch werden Werke in der Porticus der
Octavia genannt in §15, 22, 24, 28,29,34,42; vom Palatin § 13, 24,
25, 32, 36 (und nach Nennung eines Werks in den horti Serviliani)
§ 37. Die Statuen bei Asinius Pollio sind genannt § 23 (nach nicht
dort befindlichem) in § 24, 33 ; die horti Serviliani in § 23, 25,
36. Local angeordnete Inventare wären zum mindesten gründlich
umgearbeitet.
Wollten wir aber auch Detlefsens Hypothese ihre allzu ver-
wegene Spitze, die in Plinius als Pliniusquelle gipfelt, wohlmeinend
abschneiden, so würde sie damit noch lange nicht lebensfähig;
sie leidet an dem wunden Punkt, dass an Stelle von Inventaren,
deren Existenz zugegeben werden kann, vielmehr gesetzt werden
muss : i Statuenverzeichnis ■ (I 99) und ■ Verzeichnis der in Rom
befindlichen Kunstwerke i (I 78, 106). Kein antiker Schriftsteller
oder irgend eine andere Quelle giebt den Beleg für ein solches
Statuenverzeichnis. Die Annahme antiker Kunstkataloge wurde
von Schreiber im Rhein. Museum XXXI, 219 mit guten Gründen
widerlegt, zu denen Furtwängler, Plinius und seine Quellen S. 8,
einige weitere hinzufügte. Es darf wohl überraschen, diese so
triftig widerlegte Annahme, die Furtwängler mit vollem Recht eine
oberflächliche Hypothese nennt, wie eine erwiesene Thatsache be-
handelt zu sehen. Nicht um ein Statuenverzeichnis könnte es
sich handeln, sondern höchstens um ein Inventar der dona tem,plo-
rum, das in hundert und aber hundert von Item jede Lampe und
jedes Lämpchen, jede Kanne und jedes Kännchen, das der oder
die gestiftet hatte, gewissenhaft registriert. Aus ellenlangen Ver-
zeichnissen hätte Plinius das für ihn Brauchbare ausziehen und
das local Geordnete in eine kunsthistorische Abfolge bringen
müssen. War er im Archiv mit seinen Collectaneen fertig, dann
PLINIUS UND DAS CENSORISCHE VERZEICHNIS 213
sah er ein, dass ihm der Weg in die Tempel und Hallen zu den
Originalen doch nicht erspart wird. Was er brauchte, fand er vor
den Originalen viel rascher ; denn hier hob sich eine Statue für
den ersten Blick heraus, während sie im Inventar nur eine Num-
mer unter Nummern ist, gleich rangiert mit einer Räucherpfanne
oder einem Stuhl. Den Schriftsteller, der auf so unnötigen Um-
wegen sein Material sammelt, halte ich vorläufig lediglich für
eine gelehrte Konstruktion. Legen wir also das censorische Ver-
zeichnis, dessen Natur als Kunstkatalog ganz und gar nicht er-
wiesen ist und das auf keinen Fall für die Quellenuntersuchung
irgend etwas erklärt, dorthin wohin ein Inventar gehört, nämlich
ad acta.
Rom.
Friedrich Hauser.
RESTE EINER PERGAMENISCHEN DARSTELLUNG
DER TATEN DES HERAKLES.
Im ersten Bande der Beschreibung der vaticanischen Skulp-
turen hat Petersen im Text zu einem kleinen Relieffragment im
Giardino della Pigna (l) den endgültigen Beweis erbracht, dass
eine bekannte Gruppe im Worlitzer Schlosse, die man früher auf
die Befreiung der athenischen Kinder durch Theseus oder die Ver-
gewaltigung der Auge durch Herakles bezogen hatte (2) — nur die
weitgreifende Ergänzung erklärt diese allerdings etwas disparaten
Deutungen — dass die Gruppe vielmehr Herakles am Hesperiden-
Baum unter den erschreckt aus einander flüchtenden Nymphen
darstelle oder doch einstens dargestellt habe, denn, wie gesagt,
ist von dem Antiken nicht allzuviel erhalten geblieben. Im-
merhin besitzen wir doch Mittel, uns die Gruppe wenigstens im
Geiste zu reconstruieren. Von der Hesperide, die in Wörlitz links
neben dem Heros kniet und am erhobenen Arm ergriffen wird, ist
nur der unterste Teil in einer Höhe von etwa 2 cm. antik; eben
diese Gestalt findet sich nun wieder — allerdings im Gegensinne
wiederholt und auf die rechte Seite gerückt — in einer kleinen
fragmentierten Gruppe, die aus afrikanischer Erde zu Tage kam (3).
Wir sehen, dass der Oberkörper mit einem hochgegürteten Chiton
bekleidet war; der vorgesetzte Unterschenkel trat in der Tat nackt
aus dem Gewände vor und die äussere Hand stützte sich auf das
hochgestellte Knie, während die andere seitlich erhoben war, je-
denfalls mit der Gebärde des Schreckens; der Kopf blickte zum
(») S. 830 f. Taf. 92.
(*) Arndt-Amelung, Einzel-Aufnahmen II Nr. 385, wiederholt in Brunn's
kleinen Schriften II S. 498; S. Reinach, Repertoire de la statuaire II, 2
S. 510 Nr. 5.
(3) Musee de LambHe Taf. IV 6; S. Reinach a. a. 0. Nr. 3.
AMELUNG, PERGAMENISCHE DARSTELLUNG DER TATEN DES HERAKLES 215
Heros empor. An der andrerseits entsprechenden Hesperide ist in
Wörlitz der rechte Arm falsch ergänzt; das Relief-Fragment im
Vatican zeigt uns, dass die Hand bis in Brusthöhe staunend erho-
ben sein miisste. Vom Herakles, von dem in Wörlitz nur ein Fuss
und Teile des anderen erhalten sind, giebt uns das Gruppenfrag-
ment in Lambaesis schon die ganzen Beine mit dem Ansatz des
Unterleibes; in ganzer Figur aber sehen wir ihn in Gemeinschaft
mit der dritten Hesperide auf der Nebenseite eines Sarkophages (l).
Dass jene Figur dort wiedergegeben ist, wird dem, der mit der
Arbeitsweise der Sarkophag-Skulptoren vertraut ist, nicht zwei-
felhaft sein, wenn auch die Bewegung der Arme vertauscht und
die ganze Gestalt im Gegensinne dargestellt ist, ebenso wie die
andere Hesperide in der Gruppe zu Lambaesis. Herakles steht
ruhig aufrecht; er ist bärtig, wie meist bei diesem Abenteuer.
Der Kopf ist vom Löwenfell bedeckt, das vor der Brust verkno-
tet und dann über den linken Arm geschlagen ist ; die Enden des
Felles sind an dieser Seite auch in Wörlitz und im Vatican erhal-
ten. Die seitlich vorgestreckte Linke hält den Bogen, dessen un-
tere Spitze Petersen auch auf dem Fragment im Vatican erkannte,
während die Keule im rechten Arme ruht (2). Der Köcher, der
neben dem Bogen nicht gefehlt haben kann, hängt in Lambaesis
links an einem Baumstumpf, der dort der rechts knieenden Hespe-
ride entspricht, der aber in Wörlitz, wo wir ihn zwischen Hera-
kles und der links Knieenden suchen müssten, niemals vorhanden
war; am Hesperiden-Baume selber war er augenscheinlich auch
nicht aufgehängt, und so müssen wir annehmen, dass der Heros
ihn um den Oberkörper am Köcherband getragen oder mit dem
Bogen in der Linken gehalten hat, von der er am Bande nieder-
hing. Der Sarkophagarbeiter hat ihn ausgelassen. Mindestens bis
zur Höhe des Heros muss der Baum mit einigen Aesten aufgeragt
haben, von denen der getödtete Drache niederhing ; sein Schwanz-
ende bemerkte Petersen zuerst auf dem Fragment im Vatican.
(') Robert, Die antiken Sarkophagreliefs III 1 Taf. XXX 106«; im
Text S. 120 c.
(2) Dass in Wörlitz der Ast, auf dem der Ergänzer die Keule hat auf-
ruhen lassen, in seinem Ansatz antik ist, bedeutet für das ehemalige Vorhan-
densein der Keule an diesem Platze nichts (vgl. Arndts Text zu den Einzel-
Aufnahmen).
216 W. AMELUNG
Dass uns die Wörlitzer Gruppe, in dieser Weise vervollständ-
igt, das getreueste Bild der ehemaligen Composition giebt, ge-
treuer als die afrikanische Gruppe und das Sarkophagrelief, bei-
des nur Auszüge aus dem grösseren Ganzen und veränderter Be-
stimmung entsprechend variiert, kann nicht bezweifelt werden ; ist
sie doch selber noch in ■ pergamenischem ■ Marmor gearbeitet
und auf eine Basis mit dem charakteristisch pergamenischen Profil
gestellt. In den Einzelheiten entspricht sie allerdings trotz Brunn 's
leider nicht präcisierten Urteils über die Gewandmotive durchaus
nicht den Vorstellungen, die wir uns von dem Aussehen eines perga-
menischen Originales gebildet haben. Ich wüsste wirklich nicht,
worin sich die Arbeit der Gruppe von « römischen i Dutzendco-
pieen unterschiede. Und dass wir diesen Anspruch auf höhere Voll-
endung auch in unserm Falle nicht mit Unrecht gemacht haben,
zeigt uns die Qualität der Darstellung einer anderen Tat des He-
rakles, die mit jener aus den verschiedensten Gründen in unmit-
telbaren Zusammenhang zu bringen ist: auch sie ist in pergame-
nischem Marmor gearbeitet; die Basis zeigt das gleiche pergame-
nische Profil, und auf dem römischen Sarkophage stösst ein Bild
des gleichen Schemas an die schon erwähnte Darstellung des Aben-
teuers bei den Hesperiden (I). Die Gruppe, die Herakles mit dem
getöteten Löwen darstellt und die im Zusammenhang mit den
Sarkophagen schon Robert erwähnt hat, ohne weitere Schlüsse zu
ziehen, steht in der Sala degli animali im Vatican (s. unsere Ab-
bildung) (2). In der Tat i3t hier das einzig Erhaltene ausser der
(») Robert a. a. 0. Taf. XXX 106; die Darstellung findet sich in der
ganzen von Robert zusammengeordneten ersten Gruppe der Sarkophage mit
den Taten des Herakles: Taf. XXVIII-XXX 101-107. S. im Text S. 117, b.
Auf den Sarkophagen fasst H. die 1. Hinterpranke des Löwen, nicht, wie in
der Gruppe, die rechte ; nur der Sarkophag Corsini (Nr. 106) stimmt auch
hierin mit der Gruppe überein.
(2) H. ohne die der Basis untergelegte Platte 0,82 m., H. des Antiken
0,29 m., Gesamt-Lange der Basis 0,74 m. Ergänzt die Platte unter der Basis
in einer Höhe von 3 cm., der untere Teil der r. Nebenseite der Basis, Flicken
vorne zwischen den Vorder-und Hinterpranken des Löwen, kleine Flicken im
Hinterteil der Tiers und der r. Hinterpranke, der ganze Stamm, die Füsse
des Herakles, r. Arm mit Keule, 1. Unterarm mit grösstem Teil der Löwen-
pranke, verschiedene Brüche und Sprünge. Der Herakles aus anderem Marmor
als das TJebrige. Die Angaben bei Heibig Führer 169 sind falsch.
PERGAMENISCHE DARSTELLUNG DER TATEN DES HERAKLES 217
Basis — der Löwe — hervorragend gut und eigenartig gearbeitet,
trotz der Kleinheit ganz in dem breiten energisch-realistischen
Stil, den wir an den grossen Werken der ersten pergamenischen
Schule bewundern ; ja, in dem Kopf des toten Löwen ist mit we-
nigen Zügen ein so tiefer Schmerz zum Ausdruck gebracht, dass
unser Auge unwillkürlich auf das Tier gebannt bleibt und den
vom Restaurator* abscheulich zusammengeflickten Helden gar nicht
beachtet. Wie er gestaltet war, lehren uns nur die Sarkophage:
er war unbärtig, das Haupt nach der linken Schulter gewen-
det und bekränzt, wohl mit dem charakteristischen Kranz der
218 W. AMELUNG
Weisspappel, dessen Bandenden auf die Schultern fallen; stolz
steht er aufrecht, den linken Fuss schreitend zur Seite gesetzt;
während die gesenkte Linke den bezwungenen Löwen schleift,
schultert die erhobene Rechte die Keule (*). •
Mit dieser Stellung stimmen die Fussspuren, die der mo-
derne Ergänzer vorgefunden und in seiner Weise benutzt hat,
überein. Auch von dem Stamm wird eine Spur auf der Basis
gewesen sein. Es ist wohl möglich, dass er einstmals wie auf
dem Sarkophagrelief bis zum Scheitel des Helden emporragte,
dem Hesperidenbaum, mit dem er dort in eins verbunden ist, ent-
sprechend.
Ausser in der Qualität der Arbeit unterscheiden sich die bei-
den Gruppen auch in den Dimensionen-: die Löwengruppe ist fast
doppelt so gross, wie die der Hesperiden (2). Trotzdem — die
Sarkophage erheben diesen Schluss zur Gewissheit — kann es
nicht zweifelhaft sein, dass uns in der Wörlitzer und der Va-
ticanischen Gruppe zwei Glieder einer Kette erhalten sind, Teile
einer Reihe von Darstellungen der Taten des Herakles, die in
Pergamon entstanden ist. Dass diese auf römischen Sarkopha-
gen nachgeahmt wurde, kann uns nicht Wunder nehmen, wenn
wir uns erinnern, dass auch andere pergamenische Werke, die atta-
lischen Weihgeschenke und die Marsj'asgruppe, den Verfertigern
der römischen Sarkophage als Vorbilder gedient haben (3), und
sicher sind wir berechtigt, uns eine Vorstellung von den übrigen
Gliedern dieser Kette nach den Sarkophagreliefs zu bilden, so sehr
uns auch unsere bisherigen Erfahrungen inbetreff der Einzelheiten
zur Vorsicht mahnen. Es wird kein Zufall sein, dass uns gerade
jene beiden Darstellungen als Gruppen erhalten sind ; es sind fast
die einzigen dieser Reihe, die sich charakteristisch vor den ent-
sprechenden Darstellungen der andern Klassen von Sarkophagen
auszeichnen. Nur eine der andern Gruppen wünschte man noch in
ursprünglicher Gestalt erhalten zu sehen: die Gruppe, die den
f1) Die Figur ist am besten erhalten auf dem Sarkophag Nr. 103.
(2) Die Höhe der Wörlitzer Gruppe beträgt 0,54 m., die Länge der
Basis 0,41 m.
(3) Vgl. Habich, Die Amazonengruppe des attalischen Weihgeschenks
S. 40 ff. Dort ist die ältere Litteratur verzeichnet. Amelung, Moderner Cice-
rone, Rom I S. 360 f.; ders., Führer d. d. Ant. in Florenz S. 63.
PERGAMENISCHE DARSTELLUNG DER TATEN DES HERAKLES 219
Kampf des Herakles mit den Rossen des Diomedes darstellt. Hier
muss die Figur des Heros in ihrer starken Bewegung halb von
rückwärts gesehen sehr ausdrucksvoll gewirkt haben; zudem ist
eins bedeutsam: sie ist im Motiv sehr ähnlich einem Gallier, der
zweifellos eine der schönsten Gestalten in der attalischen Gallier-
schlacht zu Athen gewesen ist (l). Den Diomedes werden wir in
dem pergamenischen Vorbilde so annehmen können, wie er auf
dem einen Sarkophag (Nr. 106) gebildet ist : er entspricht im Ge-
gensinne fast genau der knieenden Hesperide.
Dass man in Pergamon die Taten des Herakles neu zur
Darstellung brachte, erklärt sich leicht: der Heros war der Vater
des Telephos. Dass uns von dieser Originalschöpfung in einer der
erhaltenen Gruppen ein Rest erhalten sei, scheint mir ausgeschlossen.
In Rücksicht auf die Qualität der Arbeit könnte zudem nur die
Löwengruppe in Frage kommen. Aber aus welchem Grunde hätte
der Bildhauer des afrikanischen Fragments ein grösseres Format
gewählt — das Erhaltene misst 0,80 m. — , ein Format, das
sicher nicht zufällig mit dem der Figuren aus dem attalischen
Weihgeschenk übereinstimmt (2) ? Dazu kommt die Analogie eben
dieser Figuren und der anderen aus dem grossen Siegesdenkmal
des Attalos, die uns zeigt, dass man die pergamenischen Skulp-
turen in Pergamon selbst für den römischen Markt copierte. All
das legt die Vermutung nahe, dass man die vaticanische und
Wörlitzer Gruppe für den Export nach Rom verkleinert habe.
Zweifelhaft bleibt es, ob wir uns die Originalschöpfung nach dem
Zeugnis des Fragments in Lambaesis wirklich in der Grösse der
attalischen Weihgeschenke vorstellen können, und ob wir nach
Analogie mit diesen schliessen dürfen, jenes Original sei eine
Reihe von Bronzegruppen gewesen, für die wir dann eine einheit-
liche Basis annehmen müssten (3).
0) Vgl. Habich a. a. 0. S. 63 Figur 14.
(*) Dies ist unter den in Afrika gefundenen Skulpturen nicht das ein-
zige Beispiel einer Nachwirkung pergamenischer Kunst. Unter den Votiv-
reliefs an Saturn, den Baalsamim der Karthager, stellt eins (Delamare, Ex-
ploration scientifique de VAlge'rie, Archeologie pl. 93, 2; Clarac 161c, 9;
Fröhner, Notice p. 467 Nr. 514) den Gott im Typus des pergamenischen
Asklepios des Phyromachos dar (Rom. Mitteil. 1903 S. 1 ff, vgl. zu dieser
Tatsache Revue archeologique 1903 p. 198).
(3) Vgl. den Schleifer, der in der Originalgruppe natürlich mit den
übrigen Figuren auf einer gemeinsamen Basis stand.
220 W. AMELUKG
Von der Kunst des Schöpfers dieser Gruppen gewinnen wir
aus dem, was uns geblieben, keine hohe Vorstellung. Das Beste
ist wirklich der tote Löwe. Aber in beiden Darstellungen steht der
Heros ostentativ theatralisch da; am unmotiviertesten wirkt das
inmitten der erschreckten Hesperiden. Wir müssen die Situation
wohl so verstehen : Herakles ist unerwartet angekommen, hat mit
einem Pfeil von fern oder mit einem Schlag seiner Keule den
Drachen erlegt und steht nun als Sieger zwischen den auseinander
flüchtenden Nymphen. Eine Verbesserung kann man es auch nicht
nennen, wenn von dem nemeischen Abenteuer nicht das Kingen
selbst, sondern der Moment nach dem Tode des Löwen zur Dar-
stellung gewählt wurde. Den Kampf schildern uns verschiedene
Compositionen in packender Lebendigkeit, und notwendiger Weise
müssen sie Alle weit tiefer und interessanter wirken, als die hier
beliebte Schaustellung des Siegers mit seiner Beute. Zur Erklärung
kann man Folgendes vermuten: das Löwen-Abenteuer war sicher
das erste in der Eeihe ; das bei den Hesperiden wahrscheinlich das
letzte (Robert S. 115). Da kann es dem Bildhauer darauf ange-
kommen sein, an Beginn und Ende einen aufrecht stehenden Hera-
kles hinzustellen, um das Ganze durch diese beiden Figuren ein-
zurahmen, deren Wirkung er noch durch die daneben gestellten
Bäume verstärkte.
Noch Anderes wirkt an den Gruppen befremdlich. Man hatte
bisher die puppenhafte Kleinheit der Gegner des Herakles oder
der Nebenpersonen bei seinen Taten der Geschmacklosigkeit spätrö-
mischer Skulptoren zur Last gelegt, kannte man sie doch nur von
Sarkophagen und einzelnen Gruppen spätester Zeit, wie zweien der
vier grösseren Heraklesgruppen, die auch in der Sala degli ani-
mali stehen (l). Jetzt erfahren wir, dass sich die Römer dafür
schon auf den Vorgang der Pergamener berufen konnten und zum
Teil nach diesen einfach copierten, denn nicht nur die Hesperiden
sind nur dreiviertel so gross wie der Heros: auch der Löwe ist,
im Gegensatz zu seiner erschreckenden, dämonischen Grösse in
anderen Darstellungen, so klein, dass uns das stolze Auftreten des
Siegers doppelt übertrieben scheint. Das Bestreben der Künstler
war doch wohl, einerseits die Hauptperson so stark als irgend mög-
(l) Clarac 797, 2001 und 800, 2000.
PERGAMENISCHE DARSTELLUNG DER TATEN DES HERAKLES 221
lieh hervorzuheben, andrerseits das Wunder ihrer Heldenkraft
auch äusserlich begreiflich erscheinen zu lassen. Merkwürdig ist
nur, dass es ihnen nicht beifiel, wie sehr sie das Verdienst des
Heros dadurch herabsetzten; aber die Folgezeit hat ihnen gegen
solch ein Bedenken Recht gegeben.
Tatsächlich ist nun diese Erscheinung in der Antike und be-
sonders in der hellenistischen Epoche nicht so isoliert, wie es zuerst
scheinen will. Seit der archaischen Zeit waren die Griechen ge-
wöhnt, auf ihren Votivreliefs neben Göttern, Heroen oder heroi-
sierten Toten anbetende Menschen in kleinerem Massstabe zu sehen.
Die eigentümliche Ausstattung der Schauspieler erhob die Haupt-
personen eines Drama weit über menschliches Mass; daneben
erschien die dienende Umgebung in natürlicher Gestalt (l). Auf
den kleinen hellenistischen Grabreliefs aus Klein-Asien und von
den Inseln stehen neben den gross gebildeten Verstorbenen Diener
und Dienerinnen in unverhältnismässiger Kleinheit (2). Endlich sei
an ein berühmtes Beispiel erinnert, an die Söhne des Laokoon.
Dann die Gruppenbildung. Hier kommt der Herakles mit dem
Löwen kaum in Betracht, und doch muss hervorgehoben werden,
dass es aus keiner anderen Zeit eine Composition giebt, in der die
Bestandteile so wenig gegen einander abgewogen sind, der eine
hoch aufgerichtet, der andre auf dem Boden hinschleifend. Ebenso-
wenig einheitlich wirkt der Umriss der Hesperidengruppe, in der
die eine Knieende kein ausreichendes Gegengewicht gegen die
grössere Masse der beiden Fliehenden bildet und in der Mitte
Herakles und der Baum unvermittelt aufragen. Die gleiche Beob-
achtung können wir bei jener anderen pergamenischen Gruppe
machen, die den Schleifer, Marsyas und Apollon zusammenstellte,
und es wird kein Zufall sein, dass die Massen dort ebenso verteilt
sind, wie in der Hesperidengruppe: der knieenden Nymphe links
entspricht der hockende Skythe ; in der Mitte haben wir dort den
am Baum hängenden Marsyas, rechts den sitzenden Apollon, der
(l) Ein frappantes Bild dieses merkwürdigen Oontrastes giebt uns das
kürzlich von Rizzo publicierte Terracottarelief : Notizie degli seavi 1905
S. 19 ff. und Jahreshefte des österr. arch. Inst. 1906 S. 203 ff. T. V.
(*) Siehe die kürzlich von Pfuhl im Archäol. Jahrbuch 1905 S. 47 ff.
T. 4-6 publicierten Stücke.
222 \V. AMELUNG.. PEKGAMKMSCUE DARSTELLUNG DES HERAKLES cCC.
an Grösse und Masseden beiden Hesperiden rechts gleichkam (').
Zweifellos ist hier ein Prinzip der Gruppenbilduug wirksam, das
wesentlich von dem abweicht, das wir sonst in der Antike herrsch-
end finden; hier fehlt das strenge Gleichgewicht der Massen und
der architektonisch geschlossene Umriss. Die Figuren scheinen
aus einem Gemälde herausgeschnitten, ohne dass man ihre Com-
position doch malerisch nennen könnte. Ich wüsste aus der Antike
zunächst nur ein weiteres Beispiel einer ähnlich losen Gruppen-
bildung zu nennen: die Darstellung des Polyphem mit dem von links
herantretenden Odysseus (2). Zweifellos stammt auch sie aus helle-
nistischer Zeit ; sie der pergamenischen Schule zuzuschreiben, fehlt
jeder weitere Anlass. Man ist augenscheinlich von diesem neuen
Prinzip später wieder zurückgekommen; der Laokoon ist ein
Musterbeispiel der streng geschlossenen Gruppenbildung. In ihm,
wohl der letzten bedeutenden Schöpfung des barocken Helle-
nismus (3), der in Pergamon einsetzt, tritt die klassizistische Richt-
ung, deren erste Spuren wir ebenfalls in Pergamon wahrnehmen (4),
als reactionäre Macht bereits herrschend zu Tage, wenn auch
zunächst nur in der Composition ; das Letzte, die akademische
Neugestaltung der Einzelformen, folgte bald. Aber da traten noch
andere äussere Factoren, die Entwickelung fördernd, hinzu: die
Kunst wurde, wie sie im Beginn der hellenistischen Zeit in die
orientalisch-griechischen Reiche der Diadochen verpflanzt worden
war, jetzt nach Rom übertragen, in das Rom des Augustus, das
nach dem wilden Rausch der Bürgerkriege wieder ernüchtert die
lang ersehnte Ruhe unter der zielbewussten, besonnenen Herr-
schaft dieses Kaisers genoss, dessen kühles vornehmes Wesen der
ganzen Gultur jener Zeit seine eigenartige Physiognomie verlieh.
W. Amelung.
(') Vgl. über diese Gruppe Amelung, Führer durch die Antiken in Flo-
renz a. a. 0.
(2) Beschreibung der Skulpturen des vaticanischen Museums I MCh 704.
(3) Die lang umstrittene Frage der Entstehungszeit des Laokoon ist
jetzt entschieden: Blinkenberg und Kinch, Oversigt over det Kong. Danske
Videnskabernes Selskabs Forhandlinger 1905 S. 75 ff.
(4) Vgl. Habich a. a. 0. S. 90 ff. und Amelung in diesen Mitteil. 1903
S. 10 ff.
DER ILLYRISCHE ZOLL UND DIE PROVINZIALGRENZEN.
Von der allgemein gültigen Auffassung des publicum portorii
vectigaiis Illyrici als eines Grenzzolles ausgehend, gelangte A. von
Domaszewski in der nachhaltig wirkenden Untersuchung ü Die
Grenzen von Moesia superior und der illyrische Grenzzoll » (Ar-
chaeologisch-epigraphische Mitteilungen XIII S. 129 ff.) zu der
■ sicheren Beobachtung, dass die Stationen des vectigal Illy-
rici an den Provinzialgrenzen lagen », und nahm mit ihrer
Beihülfe an der unteren Donau eine neue Gebiets Verteilung vor.
Obermoesien wurde zu Gunsten Dalmatiens das ganze westliche
Serbien abgesprochen, dagegen erhielt sie nördlich der Donau da»
Banat. Dacien verlor nicht nur letzteres, sondern auch die Grosse
Walachei, die mit Moesia inferior vereinigt wurde. Diese Kor-
rekturen fanden Zustimmung (*) und, mit einer Abweichung im
Westen Daciens, durch H. und R. Kiepert kartographische Fe-
stigung und Verbreitung (?).
Allein schon das Domaszewski zur Verfügung stehende Ma-
terial hätte Bedenken erregen können insbesondere, ob die Zollsta-
tionen tatsächlich ausschliesslich an den Grenzen lagen.
In Obermoesien weist Domaszewski a. a. 0. S. 144 in Run-
jevo bei Kacanik auf Grund von CIL. III 8155 (3) eine Zoll-
stätte nach und doch sieht er sich auf seinem Kärtchen S. 154
infolge der S. 152 gemachten Wahrnehmung, dass « das Hochtal
(») Vgl. z. B. 0. Hirschfeld, CIL. III p. 1474; A. von Premerstein,
Jahreshefte 1900 Beiblatt Sp. 110. 153; M. Rostowzew, Geschichte der
Staatspacht in der römischen Kaiserzeit bis Diokletian S. 394.
(2) Formae orbis antiqui XVII Beiblatt S. 3 ff.; CIL. III S. tab. IV-VL
Auf den letztgenannten Karten lässt sich die folgende Erörterung am be-
quemsten verfolgen.
(3) Vgl. Premerstein-Vulic, Jahreshefte 1903 Beiblatt Sp. 35.
224 C. PATSCH
von Prizren noch zu Moesia superior zu ziehen sei », und mit
Piücksicht auf die Tatsache, dass Scupi eben derselben Provinz
angehörte, genötigt, die Grenzlinie im Westen sowohl wie im Süden
in einer viele Meilen betragenden Entfernung von Runjevo einzu-
zeichnen. Ebenso weicht im Osten der Grenzstrich der Station Kuma-
nova aus. Wie in Moesia superior ist man auch im Westen Daciens
gezwungen, gegen das Wesentliche einer Grenzstation zu Verstössen.
Die supponierte Grenze verläuft hier in gerader Richtung nord-
südlich im Westen von Värhely, Veczel und Zalatna, während sie
folgerichtig eine mehrfach gebrochene Linie beschreiben sollte, da
sich die « Grenzstationen ■ in Pons Augusti, Värhely, Veczel, Za-
latna (*) und Verespatak (2) befinden. Diese Konsequenz konnte
aber nicht gezogen werden, da die Provinzialhauptstadt Sarmize-
getusa unmittelbar an die Grenze , zu liegen gekommen und der
Golddistrikt entzweigeschnitten worden wäre (3).
In Noricum ist Domaszewski S. 138 Anm. 58 gegen die
bestimmte Provenienzangabe der Inschrift CIL. III 5620 gez-
wungen, die statio Esc . . . von Ischl an der Traun nach • Ischel
am Chiem-See i zu verlegen, weil sie sich im erstgenannten Orte
mit seiner These im völligen Widerspruche befände. Ebenso kann
man in Pannonien, man mag versuchen, was man will, Savaria (4)
und Sirmium (5) nicht an eine Grenze bekommen; sie bleiben viel-
mehr Binnenstationen.
Und wie die Beobachtung, dass die Stationen an den Provin-
zialgrenzen lagen, wenigstens nicht überall zutrifft, so undurchführ-
bar ist auch das aus ihr von Domaszewski S. 143 gewonnene
« feststehende Gesetz, dass die Zollinien mit den Provinzialgrenzen
zusammenfallen ».
In Kulic an der Einmündung der Morava in die Donau ist
durch CIL. 1647=8140 eine Zollstätte gesichert; es müsste hier
also eine Provinzialgrenze gelaufen sein. Nach Domaszewski gehört
(!) Domaszewski a. a. 0. S. 142 f.
(2) CIL. III p. 958.
(3) Dieser Widerspruch ist C. G. Brandis, Pauly-Wissowa s. v. Dacia
Sp. 1970 nicht entgangen; er meint deshalb, dass Värhely und Zalatna keine
Zollstationen waren.
(4) Domaszewski a. a. 0. S. 138.
(6) Ebenda S. 136.
DER ILLYRISCHE ZOLL UND DIE PROVINZIALGRENZEJS 225
aber das Banat wegen der Zollinie Alt-Orsova-Zalatna (l) zu Ober-
moesien. Nicht minder steht im Widerspruche mit der Vereini-
gung der Grossen Walachei mit Moesia inferior die Station in
Durostorum (2). Auch hier würde eine Grenzlinie zwischen zwei
Teilen einer Provinz hindurchführen.
Die Bedenken stiegen, als sich die Nachrichten über das
Illyricum namentlich in Moesia superior Dank den Keisen der
Herren von Premerstein und Vulic vermehrten. Die Liste der nun
in dieser Provinz bekannten Stationen umfasst :
1. Kulic: s. o.
2. Viminacium: Jahreshefte 1905 Beiblatt Sp. 3 n. 8: M. Antoni(o)
M. f. Fabia Fabiano, proc. XL Galliarum et portus, item argentariar.
Pannonicar., c(onductori) portori Illyrici, patrono bono Mercator üb. In
Viminacium konnte die Widmung Fabianus nur als conductor gelten.
3. Katiaria: Domaszewski a. a. 0. S. 136.
4. Ravna: Jahreshefte 1903 Beiblatt Sp. 50 n. 59: Dis Man. Mia
Antonia, v. a. XXIX, et Calbo alumn., v. a. V. Achilleus vil{icus) co-
niugi et alumno b. m. et Antoni Jnvictianus, Achillius, Achillia m. dulc.
* b. m.p. Achilleus ist, wie Premerstein erkannt hat, identisch mit dem
vilicus, der früher oder später auf der Station Kumanova (n. 6) gewirkt
hat.
5. Lomnica bei Trn: Domaszewski a. a. 0. S 153 (3).
6. Kumanova: CIL. III 1697=8243: 7] 0. M. D. pro salute imp. M. Au-
reli Antonini PH Aug. et Iuliae Aug. matris käst. Achilleus eorun-
dem ser. vi[L] pos. kal. Novembr\ib7\ Sabino II et Annul[T\ino cos.
(216 n. Chr.).
7. Klecovac (4): Jahreshefte 1903 Beiblatt Sp. 39 n. 45 = 1904 Bei-
C1) S. 142 f.
(2) Domaszewski a. a. 0. S. 136.
(3) Die Fundstelle, « Prestol », befindet sich im Dorfe Lomnica an der
Sukovska oder Golema reka eine halbe Stunde nördlich von Trn. Dass dieses
Tal von einer lebhaften Handelsroute durchzogen wurde, welche die Strassen
Naissus-Scupi und Naissus-Serdica verband, zeigen die Funde, welche C.
Jirecek, Arch.-epigr. Mitt. X. S. 52 ff. notiert. Sie umfassen auch Drachmen
von Dyrrhachium und thasische Tetradrachmen und reichen später von Iulius
Caesar bis in die Komnenenzeit. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde der Weg
Vranja-Trn-Sofia oft benutzt (Jirecek a. a. 0. S. 54 und Das Fürstentum
Bulgarien S. 465).
(4) Klecovac liegt an der Eoute, welche von Uesküb in den Minen-
bezirk von Kratovo (Ami Boue, Die europäische Türkei I S. 241 ; Jirecek,
Arch.-epigr. Mitth. X S. 78) und über Egri Palanka nach dem reichen Pau-
talia-Küstendil führt.
16
226 C. PATSCH
blatt Sp. 3 n. 3: Fano magino) pro sal. Aug\jf\. n[n.] Apollonides eorund,
vect. Illyr. ser. (contra)sc(riptor) stat(ionis) Lamud., quam voverat (con-
tra)sc(riptor) stat(ionis) Vizi(ani), v. s. L m. Vizianus. Oentiano et
Basso [cos] (211 n. Ch.).
8. Eunjevo: s. o. S. 221.
9. Gornja Gusterica: CIL. III 8170 (vgl. n. 12664 und Jahreshefte
1903 Beiblatt Sp. 25): /. 0. m. [e\t felicit[a]ti statio(nis) [H]ercu-
la[nus] vi[l{icus).. .
10. Lapje seloO): Jahreshefte 1903 Beiblatt Sp. 29 n. 36 (vgl.
Hirschfeld, Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian2 S. 88
Anm. 4): Qenio Illyrici pro salute imp. Caes. M. Aur. Severi Aleoo-
andri Aug. et Mameae Aug. sub cura Ant(oni) [Si]lvani v(iri) e(gregii)
proc(uratoris) lulianus vilic{us) stat(ionis) Ulp{ianensis) tabul{arium)
sumpt{u) suo \fe\c{it) Albino et Maximo consulibus (227 n. Chr.).
11. Statio Vizianus an der Strasse Naissus-Lissus, vgl. o. n. 7. Pre-
raerstein, Jahreshefte 1903 Beiblatt Sp. 39.
12. Guberevac: Domaszewski a. a. O. S. 133.
Keine der neuen Stationen, ausser vielleicht Klecovac, erscheint
an einer der von Domaszewski angenommenen Grenzen. Im Ge-
genteil! Zu Kulic tritt nun im Norden Viminacium mitten in der
erweiterten Provinz hinzu, so dass man jetzt schon von einer
Zollinie gegen das Banat sprechen müsste. Ebenso und. mit der
gleichen Folgerung reiht sich donauabwärts Durostorum (o. S. 225)
die Station Dimum (2) an. Im Osten von Moesia superior wäre
nach Domaszewskis Prinzip infolge der Station Ravna der ganze
Oberlauf des Timok aus der Provinz auszuscheiden und doch ge-
hörte nach der Dedikation CIL. III 8260= 14572 : Herculi Naisati
noch das von Ravna südöstlich gelegene Zukovac zum Territorium
von Naissus (3). Und auch ßemesiana, den Sitz des obermoesischen
Landtages, könnte man nur durch eine gewundene Linie der Provinz
Obermoesien erhalten. Denselben Ausweg müsste man angesichts
der Linie Kunjevo-Lapje selo, auch wenn man Gusterica als nicht
sicher unberücksichtigt Hesse, im Südwesten der Provinz im Inte-
resse Ulpianas suchen.
([) Ueber Lapje selo lief offenbar die Strasse Ulpianum (Lipljan)-
Pristina-Prepelac-Kursumlija-Prokuplje-Naissus, ein Segment der Handelsroute,
welche von Lissus an der Adria heraufführte und nach Münzfunden (Glasnik
1902 S. 402) bereits in vorrömischer Zeit frequentiert wurde.
(2) CIL. III 12363. 12399.
(3) Vgl. Premerstein, Jahreshefte 1901 Beiblatt Sp. 139 f.
DER ILLYRISCHE ZOLL UND DIE PROVINZIALGRENZEN 227
Nach all diesen Instanzen, die sich aus anderen Provinzen
vermehren Hessen — in Dalmatien z. B. ist die Station Vratnik (!)
von der Seegrenze in Zengg elf km. entfernt — kann man sich, glaube
ich, nicht mehr der Erkenntnis verschliessen, dass die Stationen
nicht lediglich an den Grenzen lagen, sondern dass auch Binnensta-
tionen bestanden. Der selbstverständliche weitere Schluss daraus ist,
dass das vectigal Illyricum auch ein Binnenzoll war. Der Verkehr
wurde demnach in den illyrischen Provinzen vom Fiscus noch
weiter stärker besteuert als man bislang annahm (2). Damit wird
aber für das Reich nichts neues ermittelt, sondern wir sehen nur,
dass das ägyptische Vorbild auch darin befolgt wurde (3).
Welcher Art die Abgaben waren, die innerhalb der Provinzen
dem Verkehre auferlegt wurden, dürfte in Ermangelung anderer
Indizien eine in Zukunft genauere Beachtung der Lage der Sta-
tionen (4), ihrer Dichte und Entfernung von einander sowie der
Stärke des Personals im Zusammenhange mit der Würdigung der
kommerziellen Bedeutung der einzelnen Routen zum Teil erschlies-
sen lassen.
Eher auf Strassengeld für die Benutzung der Strasse als
auf Durchgangszoll deutet ihre schnelle Folge an einer Route:
Tsierna-ad Mediam (5), Pons Augusti-Sarmizegetusa, Pontebba-
Saifnitz (6), Pleckenalp-Reisach (östlich von Mauthen, (7) u. s. w.
(») CIL. III 13283, vgl. p. 2328175.
(a) Entsprechendes wird sich ohne Zweifel auch in den anderen Zollge-
bieten ergeben. Die statio Turicensis des gallischen Zollgebietes z. B., die
« beträchtlich weiter zurückliegt, als die gallische Ostgrehze gelaufen sein
kann n (Mommsen, Hermes XVI S. 494), findet nun eine einfachere Er-
klärung.
(■) Vgl. Marquardt-Dessau, Rom. Staatsverwaltung II2 S. 274. Ueber die
schwere Belastung des Verkehres innerhalb Aegyptens s. U. Wilcken, Grie-
chische Ostraka aus Aegypten und Nubien I S. 278.
(4) Ueber die Vermutungen von W. Gurlitt hinsichtlich Pettaus vgl.
u. S. 228.
(5) Domaszewski a. a. 0. 142.
(6) CIL. V 8650. CIL. III 4716.
0) CIL. V 1864 (vgl. Domaszewski, Arch.-epigr. Mitt. XIII S. 134
Anm. 28). CIL. III 4720. Die beiden letztgenannten Aemterpaare werden « als
Doppelstationen diesseits und jenseits der Grenze « angesehen (Domaszewski
a. a. 0. 137), so dass Pontebba und die Pleckenalp in Italien, Saifnitz und
Reisach hingegen in Noricum lagen. Es ist dabei aber übersehen worden,
228 C. PATSCH
Ausserdem scheinen an bestimmten Punkten noch besondere Ge-
bühren eingehoben worden zu sein. Der Name der Station Pons
Augusti und die Lage von Kulic an der Morawamündung (l) lassen
vermuten, dass eine Brückenmaut oder, wo keine feste Flussü-
bersetzung bestand, ein Fährgeld entrichtet werden musste (2).
Die Station Vratnik am Fusse des gleichnamigen Passes dürfte
errichtet worden sein, um ein Passgeld einzuheben.
Ist ferner unsere Annahme einer Strassenmaut richtig, so
können auch die in der Kaiserzeit so stark ausgenutzten Wasser-
wege (3) nicht abgabenfrei gewesen sein, weil sonst die längs der
Flüsse (Donau, Drau, Save, Maros u. s. w.) laufenden Strassen ge-
mieden worden wären und sie den Verkehr, der Fiscus an Ein-
nahmen eingebüsst hätte (4).
Gurlitt (5) unterschied in Poetovio drei Stationen. Die eine
bei der Kirche St. Martin in Ober-Haidin vermutlich an der
Keichsstrasse von Celeia nach Poetovio; die zweite • am
Fusse des Schlossberges in der jetzigen Stadt Pettau am linken
Drauufer, vermutlich an der Brücke, die hier in alter Zeit,
oberhalb der jetzigen Brücke, über die Drau führte » , und die
dritte in Unter-Haidin unmittelbar über dem Drauufer auf dem
dortigen Umschlagplatze. Für grosse, verkehrsreiche Plätze
dass auch in Pontebba und auf der Pleckenalp, wie ausdrücklich bezeugt ist,
der illyrische und nicht, wie man erwarten müsste, der italische Zoll ein-
gehoben wurde. Beide Stationen gehörten somit zu Illjricum. Aus dem-
selben Grunde — der in CIL. V 5079. 5080 genannte T. Iulius Saturninus ist
bekanntlich Pächter des illyrischen Zolles — fällt Seben nicht, wie R. Kie-
pert CIL. III tab. VIII und Formae orbis antiqui XXIII verzeichnet hat,
Italien, sondern Illyricum zu.
0) Die statio Enensis = Pons Aeni (CIL. III 151 847), Boiodurum (CIL.
III 5691) an der Innmündung, Confluentes (CIL. III 151848) an der Vereini-
gung der Save mit der Donau, Tsierna und Celei (CIL. III 8042), wo wich-
tige Strassen die Donau traversierten, mögen vorderhand ausser Acht bleiben,
da sie an einer Provinzial-, beziehungsweise an der Reichsgrenze lagen.
(2) Aegyptische Parallelen für Strassen- und Fährgeld bietet Wilcken
a. a. 0. S. 280 ff. 349 f. 361. 386. 394 f. Vgl. auch J. W. Kubitschek, Mo-
natsblatt der Numismat, Gesellschaft in Wien 1899 S. 425.
(3) Vgl. Patsch, Jahreshefte 1905 S. 139 ff.
(4) Ueber Schiffahrtsabgaben in Aegypten vgl. Wilcken a. a. 0. S. 284.
(5j Arch. epigr. Mitt. XIX S. 22 Anm. 42.
DER ILLYRISCHE ZOLL UND DIE PROVINZIALGRENZEN 229
wird die Annahme von mehreren Sonderstationen richtig sein; in
kleineren Orten sind die verschiedenen Gebühren (wie Strassen-
und Brückenmant) wohl an einer Stätte eingehoben worden.
Mit der Aenderung des Begriffes des illyrischen Zolles haben
wir uns eines Mittels, die Grenzen der Provinzen zu ermitteln,
begeben. Die Vereinigung des Banats mit Moesia superior z. B.
muss demnach wieder zweifelhaft werden, ja sie kann m. E. schon
ganz aufgehoben werden, denn auch der zweite Grund, den Do-
maszewski S. 143 ausser dem nun hinfälligen wichtigeren, der
Zolllinie Alt-Orsova-Zalatna, dafür anführte, dass nämlich im Banat
■ nicht dacische Truppenkörper, sondern vielmehr solche des ober-
mösischen Heeres ihr Standquartier hatten », kann nicht als be-
weiskräftig gelten, da man dem nämlichen Argument zufolge auch
Sarmizegetusa, Maros-Nemeti und Sirmium, wo Denkmäler der Le-
gionen IUI Flavia felix und VII Claudia vorkommen, Moesia su-
perior einverleiben müsste (1). Die städtischen Konnexionen lassen
im Gegenteil deutlich erkennen, dass die Ebene an der Temes
zu Dacien gehörte. Wie Alt-Orsova-Tsierna, das Domaszewski von
Dacien loslöste, in der Weihinschrift Jahreshefte 1900 Beiblatt Sp.
113 mit durchwegs dacischen Städten (Apulum, Drobeta, Napoca
und Porolissum) vereinigt erscheint, so wird auf dem in Feny (auf
dem rechten Ufer der Temes) gefundene Grabmonumente CIL. III
12595 ein Decurio des municipium Tibiscum genannt.
Sarajevo.
C. Patsch.
i1) So ist die Bemerkung von J. Jung, Fasten der Provinz Dacien S. 16
(vgl. Domaszewski, Die Religion des römischen Heeres S. 31 Anm. 135) zu
verstehen. Das Auftreten von Monumenten der legio IUI in Dacien hat Jung,
Jahreshefte 1900 Beiblatt Sp. 183 f. -erklärt. Maros-Nemeti: Jahreshefte 1902
Beiblatt Sp. 127; Sirmium: CIL. 3251. 10684. 10666 (vgl. p 2328187).
ROSTRA CAESARIS.
Dass in dem Rostra-Complex das Hemicyclium der älteste
Bestandteil, der Quaderbau ihm nachträglich vorgelegt ist, hat
schon vor zwanzig Jahren Fr. M. Nichols klar und bündig bewiesen.
Sein kleines Buch Notizie dei rostri del Foro romano (Rom, Spi-
thoever, 1885) ist das beste von allem was bisher über die Rostra
geschrieben wurde. Aber er fand keinen Beifall. 0. Richter, in
seiner kurz vorher, 1884, erschienenen Rekonstruktion der Redner-
bühne vertrat die entgegengesetzte Ansicht: die Stufen des Hemi-
cyclium seien der alte Aufgang zur Rednerbühne, die halbrunde
Front aber sei erst später, in Anlass der Anlage einer inneren
Treppe, aus dem früher nach Osten gradlinig abschliessenden
Mauerwerk « herausgeschnitten n worden. Und an dieser Ansicht
hielt er noch im Jahre 1889 fest (1). Erst 1903, in seinen Bei-
trägen zur römischen Topographie II, bekennt er sich zu Ni-
chols' Ansicht, von dem er freilich in Benennung und Datirung
der beiden Teile des Baues abweicht. Aber jetzt fand auch er keinen
Beifall: ich wüsste nicht, wer ihm öffentlich zugestimmt hätte;
wohl aber wurde ihm sehr lebhaft widersprochen. E. Petersen (2),
erledigt die entscheidenden Argumente mit dem Machtspruch:
« die Beweise sind null » , und sucht dann aus allerlei nebensächli-
chen Erwägungen eine Art Gegenbeweis zu construiren. Chr. Hülsen
(oben S. 16 ff.) erhebt ebenfalls Einwendungen gegen das Hemicy-
clium als Rostrabau Caesars, und sucht dann Nichols' und Rich-
ters Argumente zu entkräften mit Hülfe einer Hypothese — es ist
wesentlich die früher von Richter vertretene — von der er selbst
einräumt, dass sie mehr als eipen Zweifel übrig lässt. Letzteres
(0 Jahrb. d. Inst. 1889, S. 3 ff.
(2) Comitium, Rostra, Grab des Romulus, Rom 1905, S. 33 Anm.
A. MAU, ROSTRA CAESARIS 231
ist sehr wahr, und wir werden diese Zweifel weiterhin zu formu-
liren haben.
Wer das relative Alter zweier Gebäude oder Gebäudeteile
zu bestimmen hat, wird sich vor Allem den Stellen zuwenden, wo
"«#* — <J^X>r^ß
■ '^/'Cr^z^^^
Fie. 1.
sie zusammenstossen. Meistens wird sich hier eine Entscheidung
ergeben, der gegenüber alle anderen Erwägungen — Charakter des
Mauerwerks u. dgl. — in zweiter Linie bleiben müssen. Besonders
deutlich wird die Entscheidung sein, wenn, um den Ansatz des
jüngeren Baues zu ermöglichen, Teile des älteren zerstört wor-
den sind.
Und eben dies ist hier, am Nordende des Hemicycliums, zwei-
fellos der Fall. Auch Hülsen muss es anerkennen, sucht es aber
durch eine gleich zu besprechende' Hypothese anders zu erklären.
Die Nordecke des Hemicycliums stösst hier zusammen mit dem
Westende der Nordmauer des Quaderbaues; und zwar sind die
232
A. MAU
ziisammenstossenden Teile folgende. Seitens des Hernicyclium: 1,
zu unterst, ein auf einer Incertumunterlage ruhender Sockel aus
Travertin, hoch c. 0,30 ; 2, auf diesem liegend, ein Ablauf aus
weissem Marmor, hoch 0,28, breit unten 0,45 ; 3, nur an der Nord-
ecke erhalten, eine besonders und besser gearbeitete auf dem
Ablauf liegende Basis (man könnte sie auch als den obersten Teil
Fig. 2.
des Ablaufes bezeichnen) hoch 0,06, auch aus weissem Marmor.
Umstehend (S. 231) Durchschnitt (in dem 3 fehlt) mit Innenan-
sicht der Reste der Nordwand. Seitens der Nordmauer des Quader-
baues: 1, eine breite Unterlage aus Travertinquadern ; 2, in diese
etwa 0,02 tief eingebettet, ein Sockel aus weissem Marmor, hoch
0,29, breit 0,30. Auf diesem liegt 3, ein Ablauf, auch aus weissem
Marmor, hoch 0,21. Beistehend Durchschnitt dieser Teile, dem, um
das Höhenverhältniss zu zeigen, die eben aufgezählten Teile des
Hemicyclium (auch 3) in Vorderansicht beigefügt sind. Wie ver-
halten sich nun diese Teile beim Zusammentreffen?
Zu unterst die Travertinglieder. Anscheinend endet jetzt der
Sockel des Hemicycliums da wo er dem Marmorsockel der Nord-
ROSTKA CAESARIS
233
wand begegnet. Und zwar endet er in unregelniässiger Fläche,
offenbar nachträglich abgehauen imi eben dem Marino rsockel Platz
zu machen. Das ist aber nur Schein : sein unterer Teil setzt sich
fort unter dem Marmorsockel, kommt nördlich desselben wieder
Fig. 3.
zum Vorschein und reicht um c. 0,50 über die obere Mauerecke
des Hemicycliums hinaus, d. h. ungefähr so weit, wie der Sockel
vorn vor den Mauerkern vorspringt und auch seitlich vorspringen
musste. Fig. 3, wiederholt nach Richter Beitr. II S. 11 Abb. 8,
lässt dies gut erkennen; die zu Grunde liegende Photographie
wurde gemacht während einer auf Richters Veranlassung vorge-
nommenen, nachher wieder verschütteten Ausgrabung an der Aussen-
seite dieser Ecke. Eine Ecke ist hier nicht erhalten; der Sockel
endet in unregelmässig abgehauener Fläche. Es ist also das Nord-
ende des Travertinsockels, etwa 0,4, nicht ganz beseitigt, son-
dern von oben herab soweit abgehackt worden, dass die Oberfläche
234
A. MAU
des Uebriggebliebenen in gleicher Höhe mit der Oberfläche der
Travertinunterlage der Quaderwand liegt und ihre Fortsetzung
bildet. Gleichzeitig wurde das entsprechende Stück des auf dem
Sockel liegenden Marmorablaufes beseitigt. Dass auch dieser ur-
sprünglich bis an die Ecke des Baues reichte, schliessen wir nicht
nur daraus, dass dies für den Travertinsockel erwiesen ist, der
doch nur dazu da war, den Ablauf zu tragen, sondern es ist
auch grade hier die sonst überall verlorene, auf dem Ablauf
liegende kleine Marmorbasis (oben S. 232 n. 3) erhalten, bis zur
L
Fi er 4.
stumpfwinkligen Ecke : auch das Seitenprofil ist, wenn auch
sehr verstümmelt, doch kenntlich. In die so entstandene Fortsez-
zung der Wandunterlage ist dann auch die Einbettung des auf
dieser liegenden Marmorsockels fortgesetzt worden, auf eine Strecke
von 0,25 (im Mittel); denn weiter sollte der Sockel nicht rei-
chen. Beistehende Zeichnung zeigt die Oberansicht der beiden
Travertinglieder nach Entfernung des auf ihnen Liegenden, mit
Andeutung der Einbettung.
Auf der Wandunterlage fehlt an dieser Stelle die Wand;
aber in der in unserer Zeichnung angedeuteten Bettung liegt, sie
<janz ausfällend, der 0,30 hohe Marmorsockel und auf ihm der
0,21 hohe Ablauf. Dieser endet im W mit Bruchfläche etwa 0,06
vor dem Westende des Sockels; dass vor der Beschädigung die
Enden beider Glieder senkrecht über einander lagen, hat Nichols
richtig aus den Klammern geschlossen,' mit denen das Endstück
des Ablaufs an der Wand befestigt war: ihrer waren zwei, nahe
den Enden: es ist an sich wahrscheinlich, dass sie gleich weit
ROSTRA CAESARIS 235
von den Enden entfernt waren, und da dies zutrifft, wenn der
Ablauf westlich genau so weit reichte wie der Sockel, so dürfen
wir dies für sicher halten. Sockel und Ablauf schneiden also ein
in die Linie der entsprechenden Teile der Hemicyclium front, und
um ihretwillen sind diese in der oben angegebenen Weise ver-
stümmelt worden.
Aus diesem vollkommen klaren Thatbestand ergiebt sich mit
voller Evidenz, dass von den beiden hier zusammenstossenden
Bauteilen das Hemicyclium der ältere, die Quadermauer der jün-
sss
sm
qm*mammwm&*m*in**r*+7f?* " •" "f
Fiff. 5.
gere ist. Die entgegengesetzte Annahme ist ganz undurchführbar.
Am deutlichsten ist das Verhältniss der Travertinteile (oben
Fig. 4). War die Wandunterlage das Aeltere, und lag sie schon
bevor hier eine Rundung vorhanden war, so musste sie natürlich
nach Westen rechtwinklig abschliessen und mindestens so lang
sein, wie jetzt ihre Nordseite. Und hätte man nun später die He-
micycliumfront angelegt, die in spitzem Winkel mit ihr zusam-
mentreffen sollte, so würde man natürlich einfach deren Sockel an sie
hinan geführt haben, wie beistehend Fig. 5 zeigt. Statt dessen
hätte man nun, wenn das Hemicyclium das Jüngere war, die Run-
dung seines Sockels (und mit ihm die oberen Teile) um etwa 1,20
weiter geführt als nötig war, alsdann die mächtige Endquader der
Wandunterlage aufgehoben (denn am Ort lässt sich eine so ge-
naue Arbeit nicht machen), in ihr Westende mit grösster Sorgfalt
eine genau entsprechende Rundung eingeschnitten und sie dann
wieder an den Sockel hinangelegt. Wer wird an eine solche un-
sinnige Arbeitsverschwendung glauben wollen? Dagegen erklärt
236 A. MAU
sich Alles auf das einfachste, wenn die Rundung das Aeltere ist.
Und wenn nun weiter für Sockel und Ablauf der Quaderwand
Platz geschaffen werden musste durch Abhackung vom Sockel des
Hemicycliums, so ist doch auch hier die Zeitfolge evident. Diese
einmal erkannt ist Alles klar: die Mauer, und namentlich die
Marmorbekleidung ihrer Aussenseite, sollte natürlich nicht bis nur
an die untersten, vortretenden Teile der Eundung reichen, sondern
sich anschliessen an das Eckglied ihrer Hauptfläche. Ob nun
dies Eckglied den die grossen Marmorfelder trennenden « Pfei-
lern ■ gleichartig oder irgendwie anders gestaltet war, sicher ist
— durch die erhaltene Basis — dass es eben so weit wie diese
« Pfeiler ■ vortrat. Und wenn wir an der Marmorbekleidung der
Quaderwand die deutlich kennbare Aussenlinie verfolgen bis senk-
recht über der Endfläche des Sockels, so linden wir, dass sie
sich an diesem Punkte dem Eckpilaster bis auf etwa 0,05 nä-
herte. Ob nun hier wirklich diese kleine Lücke klaffte? Es ist
durchaus nicht unmöglich, dass die Plattenbekleidung der Wand,
mit oder ohne den Ablauf, um diesen kleinen Betrag über das
Ende des Sockels hinausreichte und so den Anschluss herstellte.
Für den Mauerkörper der .Nordwand wurde nicht in gleicher
Weise verfahren wie für die Marmorbekleidung. Wo er an die
Rundung stossen sollte, wurde von den vorspringenden Gliedern
derselben — Sockel und Ablauf — nichts abgehackt, so dass also
das Auflager der Wandquadern um den Betrag des Vorsprunges
dieser Glieder von der oberen Wandfläche der Rundung entfernt
blieb. Dass aber hier eine Lücke geklafft haben sollte, ist natür-
lich ganz unglaublich, und es lässt sich direkt erweisen, dass es
nicht der Fall war. Nämlich in der Oberfläche des Wandablaufes
sind nahe dem Westende, innerhalb der dem Ablauf der Rundung
entsprechenden Strecke, das Loch und die Metallspuren einer
Klammer erhalten, die den Ablauf an der Mauer festhielt ; also
war auch hier, oberhalb des Ablaufs der Rundung, die Mauer
vorhanden. Aber auch ohne dies positive Zeugniss wäre es not-
wendig, und es hat auch garkeine Schwierigkeit, mit Nichols
(S. 40) anzunehmen, dass die Wandquadern bis an den Platten-
belag des Hemicycliums reichten, aber an ihrer westlichen unte-
ren Ecke einen dem Sockel und Ablauf mehr oder weniger genau
entsprechenden Ausschnitt hatten. Und es ist auch vollkommen in
KOSTRA CAESARIS
237
der Ordnung, dass in dieser Beziehung Wandkörper und Wand-
bekleidung verschieden behandelt waren: in letzterer musste die
Flickerei verdeckt werden ; erstere war wohl an dieser Stelle von
keiner Seite sichtbar, da ja das Mauerwerk, dessen Ziegelfront den
Raum unter der Platform nach Westen abschloss, offenbar bis an
das Hemicyclium reichte und diese ganze Ecke ausfüllte.
Fig. 6.
Das Südende des Hemicycliums ist ja zerstört. Aber in dem
zu unterst stehen gebliebenen Incertum erkennt man deutlich die
Linie der Untermauerung seines Sockels, grade da, wo die noch
jetzt bis auf 1,10 an ihn heranreichende Quadermauer ihn decken
musste: s. Fig. 6. Also auch hier ergiebt sich die Priorität der
Rundung.
Was sagen denn nun dem gegenüber die Vertreter der Prio-
rität des Quaderbaues? Hülsen meint, die Verlegung des Wand-
sockels und die Abhackung des Sockels der Rundung sei liederlich
und trajanischer Zeit nicht zuzutrauen. Nun ist aber erstens Lie-
derlichkeit kein sicheres chronologisches Kriterium: dergleichen
kann wohl ceteris paribus den Ausschlag geben, nicht aber gegen-
über entscheidenderen Argumenten. Zweitens, ein solches Ver-
238 A. MAU
fahren, wie es sich Hülsen denkt, dass man einen Neubau — die
Hemicycliumfront — ausgeführt, dann aber bemerkt hätte, dass die
Stücke des alten Baues, die an ihn passen sollten, und die man
während der Arbeit zeitweise fortgenommen hatte, zu lang waren,
und dass man nun, statt von diesen alten Stücken so viel wie
nötig abzuschneiden, vielmehr den Neubau angehackt hätte, ein
solches Verfahren ist für severische Zeit genau so unglaublich wie
für trajanische. Und drittens: Hülsen spricht nur von dem Mar-
morsockel (nebst Ablauf), nicht von der Travertinunterlage, deren
Yerhältniss zu dem Travertinsockel der Rundung allein schon die
Frage entscheidet (oben S. 233 mit Fig. 4). Und hier ist von
Liederlichkeit keine Spur, vielmehr höchst exakte Arbeit. Also
während man mit der mächtigen, im Boden verschwindenden Tra-
vertinquader sich die grosse Mühe machte, sie sorgfältig, genau
der Rundung entsprechend auszuschneiden, soll man, statt von dem
kleinen Marmorsockel so viel wie nötig abzunehmen, jene « Lie-
derlichkeit ■ begangen hahen, die nun nach Hülsen' s Annahme —
dass nämlich hier nur ein Metallgitter, keine Mauer ansetzte —
offen vor Augen lag. Das ist doch ganz unglaublich. Kurz gesagt:
der Beweis für die Nichols-Richtersche Annahme beruht nicht da-
rauf, dass von Sockel und Ablauf abgehackt ist, sondern darauf, dass
sie vor der Abhackung dahin reichten wohin sie bei Priorität des
Quaderbaues nicht reichen durften. Von Liederlichkeit kann nach
unserer Annahme nicht die Rede sein, da die Abhackung, von aussen
durch den Marmorsockel nebst Ablauf, von innen durch die Mauer -
quadern verdeckt, Niemandem zu Gesicht kam.
Wir kommen hier auf einen weiteren Punkt der gegnerischen
Auffassung. Bei Gelegenheit des Hemicycliumbaues soll die westli-
che Hälfte der nördlichen Quadermauer entfernt worden, nur Sockel
und Ablauf ihrer äusseren Marmorbekleidung am Ort gelassen und
auf ihnen ein Metallgitter angebracht worden sein. Dies hat Rich-
ter Rednerb. S. 29-31 zu begründen versucht. Jetzt giebt er na-
türlich diese Meinung auf, unterlässt es aber, sich selbst zu wider-
legen ; so konnte Hülsen sie wieder aufnehmen, ohne sie von neuem
zu begründen. Aber Richters Begründung beruht auf Irrtum und unge-
nauer Beobachtung der auf dem Ablauf sichtbaren Löcher und Me-
tallspuren. Nach ihm soll hier eine Anzahl teils länglich viereckiger,
teils quadratischer Einschnitte sein, die sich auf keinem der an-
ROSTRA CAESARIS
239
deren Stücke des Ablaufs finden und die das Gitter getragen haben
sollen. Das ist ganz falsch; das Richtige hat auch hier Nichols.
Der Thatbestand ist vollkommen klar. Beistehend Oberansicht
des Ablaufes. Man erkennt 1. eine Klammer um die beiden Ablauf-
stücke zusammen zu halten (von Richter irrtümlich für Einbettung
eines Bronzepilasters gehalten); 2. in jedem der beiden Stücke zwei
Klammern, im östlichen noch die Spur einer dritten, um sie an
der Wand festzuhalten; 3. in der Mitte jedes der beiden Stücke
Fig. 7.
ein länglich viereckiges schmales Loch (das ganz erhaltene in dem
westlichen 0,065 X 0,02), das sich in der Längenrichtung nach unten
erweitert. Ich werde von Herrn Tognetti darauf aufmerksam gemacht,
dass diese Löcher (die keinerlei Eisen- oder Bleispuren enthalten)
nicht etwa zur Verzapfung der auf dem Ablauf stehenden Verklei-
dungsplatten dienten, sondern zum Heben der Werkstücke mittels
einer Vorrichtung wie die noch jetzt übliche, von Piranesi Antich.
Rom. III 53. 54 abgebildete uliveUa. Sie finden sich ebenso auch
in den Sockelsteinen, und zwar in jedem eines, ziemlich genau in
der Mitte der Länge; ebenso auch am Sockel des Sevenisbogens.
Endlich 4. zweimal drei jener ganz rauh gearbeiteten, immer in
Gruppen von dreien zusammen stehenden Horizontaldurchschnitte
durch das oberste Glied des Ablaufs, denen, wie namentlich am
Ostende der Südseite des Quaderbaues, aber auch sonst, zu sehen
240 • A. MAU
ist, Löcher in den Quadern entsprachen. Alles dies findet sich genau
so in den sonstigen Resten des Ablaufs ; die Bedeutung von 1-3 ist
zweifellos klar, die von 4 bleibt dunkel (1). Richter will offenbar die
Löcher 3 für das Gitter oder, wie er sagt, die Balustrade in An-
spruch nehmen ; dass sie auch an anderen Resten des Ablaufs (und
auch des Sockels) vorkommen, ist ihm entgangen, und irrig ist
seine Angabe, dass sie jünger seien als die Abhackungen 4; es ist
vielmehr vollkommen klar, das das eine der Löcher 3 (sowie auch
eines von 2) durch 4 beschädigt und teilweise verschwunden ist. Es
ist eine ganz unmögliche Vorstellung, dass man die vermeintlichen
Verzapfungen 3, wenn die Löcher 4 schon da waren, in diesen, wo
sie keinen Halt hatten, und nicht in den unbeschädigten Teilen der
Oberfläche des Ablaufs angebracht haben sollte. Nein, zweifellos
gehören 1-3 dem ursprünglichen Bau an, 4 ist spätere Zuthat; und
da vollkommen feststeht, dass die uns unbekannte Verwendung der
Abhackungen 4 eine Fortsetzung in den Mauerkörper hinein erfor-
derte, so ist erwiesen, dass noch zu ihrer Entstehungszeit dieser vor-
handen war, mithin alle älteren Spuren, wenn auch ihre Bedeutung
nicht feststünde, doch nie für ein an Stelle der Mauer getretenes
Gitter gedient haben könnten.
Also von einem Gitter ist keine Spur und es ist hier nie ge-
wesen, vielmehr war hier noch zur Zeit von 4 Mauer. Und sie
war hier bis zur schliesslichen Zerstörung des Baues; denn Sockel
und Ablauf behalten jetzt ihre Beweiskraft für das Dasein der
Mauer. Schon das Gitter war auch an sich wenig glaublich ; ganz
undenkbar aber ist es, dass man bei Beseitigung der Quadern die
Fussglieder ihrer Marmorbekleidung sollte liegen gelassen haben,
ohne anderen Zweck als etwa eine Trennung zu markiren : hierfür
würde, wer die kostbare Marmorfassade baute, sicher etwas neues
geschaffen haben. Somit ist also erwiesen, dass die Fassade auf
etwa 0,7 von der Mauer verdeckt war (2), was nur verständlich ist,
wenn diese und mit ihr der Quaderbau das Jüngere war.
(*) Ebensolche Einhackungen finden sich auch an der Westfront des
Caesartempels, hier ohne entsprechende Löcher in der Wand.
(2) Dass dies der Fall war, will Nichols auch aus der besseren Erhaltung
des betreffenden Teils des Ablaufs schliessen ; ich habe mich aber von dieser
nicht überzeugen können. Und in der That war doch auch, wie dies Endstück
von der Quadermauer, so das Uebrige von dem Mauerwerk mit Ziegelfront
bedeckt.
ROSTRA CAESAKIS ' 241
Noch auf einem anderen Wege kann an dieser wichtigen
Ecke eben dies erwiesen werden. Niemand hat je bezweifelt, dass
die hier erhaltenen Mauerteile — Travertinunterlage, Sockel, Ablauf
— dem ursprünglichen Quaderbau, nicht etwa der vermeintlichen
späteren Umgestaltung angehören (l) ; die vollkommene Gleichheit
mit den sonst erhaltenen entsprechenden Teilen ist unmittelbar
einleuchtend. Auch das ist nie bezweifelt worden, dass eben hier
ursprünglich auch die Quadermauer lief. Ganz sicher ist ferner,
dass Sockel und Ablauf stets da endeten, wo der Sockel jetzt endet,
ohne Fortsetzung nach Westen. Denn erstens lagen hier allem An-
schein nach ihre Schnittflächen senkrecht über einander (oben S. 234),
was doch nur am Ende der Reihe zulässig ist ; zweitens hatten sie
keine Klammern zur Verbindung mit westlich anstossenden Stücken ;
drittens war der Fortsetzung der Weg gesperrt durch den Mauer-
körper des Hemicycliums. Denn gesetzt auch, die Rundung wäre
erst nachträglich aus dem Mauerkörper herausgeschnitten worden,
so musste doch dieser selbst vorhanden sein und so weit reichen,
wie noch jetzt die untersten Teile des Sockels der Rundung (oben
S. 233 mit Fig. 4). Und wenn er auch nur so weit reichte, wie
das erhaltene Eckstück der auf dem Ablauf liegenden Basis (oben
S. 232), so genügte auch dies, um der Mauer nebst ihrer Beklei-
dung die Fortsetzung zu sperren. Der Quadermauer selbst liegt ja
die Incertumsmasse deutlich gegenüber, und es kann Niemandem
in den Sinn kommen, dass sie sich je weiter fortgesetzt hätte. Fast
noch deutlicher ist dies auf den Südseite des Baues. Hier ist die
gerundete Fassade zerstört; aber die Linie der Untermauerung
ihres Sockels ist, wie schon oben (S. 237 mit Fig. 6) bemerkt, voll-
kommen kenntlich ; bis an sie hinan reicht die Travertinunterlage
der Quadermauer, und es ist ganz klar, wegen des entgegenste-
henden Mauerkörpers, dass sie nie weiter reichte.
Dass nun die Mauer von je her grade bis zu diesem Punkte
reichte und nicht weiter, ist von unserem Standpunkt ganz selbst-
verständlich : hier hörte eben das Alte auf und begann das Neue.
Aber es wird ganz unverständlich, wenn vor der Herausschneidung
der Rundung ein unterschiedsloser Mauerkörper von der den Raum
unter der Platform westlich begrenzenden Ziegelfront bis an den
(') Richter Rednerb. S. 29 f. Hülsen Mitth. XX 1905 S. 18 f.
17
242 N A. MAU
Aufgang von der area Volcatii reichte; denn dann hatte doch
damals dieser Punkt gar keine Bedeutung. Wir würden es verstehen,
wenn die Mauer die ganzen Flanken des Baues bis an die West-
ecken neben dem Treppenaufgange bekleidet hätte. Wir würden
es auch verstehen, wenn sie gereicht hätte bis da wo der Hohlraum
aufhörte und der feste Mauerkörper begann, also bis an die be-
kannte Ziegelfront. Aber bis zu einem beliebig gewählten Punkt,
und grade bis zu dem Punkt, der Jahrhunderte später durch die
Herausschneidung eine Bedeutung erhalten sollte : das Zusammen-
treffen wäre doch allzu merkwürdig.
Dass die Quadermauer je bis an die Westecken gereicht haben
sollte, ist, wie gesagt, durch den entgegenstehenden Mauerkörper
ausgeschlossen. Nun könnte ja aber Jemand, und namentlich wer
nicht an Ort und Stelle nachprüfen kann, darauf verfallen, sie
habe vielleicht ursprünglich nur bis an die Ziegelfront gereicht,
und das weitere Stück sei, allem Anschein zum Trotz, doch jünger,
aus der Zeit der Herausschälung. In diesem Falle müsste natürlich,
der Ziegelfront entsprechend, ein Abschnitt, ein Ansatz in der
Mauer gewesen sein. Und hierfür könnte Jemand sich auf einen
Ausspruch Richter' s berufen, Rednerb. S. 31 : «der Sockel auf
dem sie stand » (die vermeintliche Balustrade) ■ ist genau in der
ehemaligen Frontlinie der Ziegelmauer abgeschnitten » . Aber diese
Angabe ist missverständlich. Erstens ist das Wort « genau » zu
streichen ; zweitens sind Sockel und Ablauf hier nicht abgeschnit-
ten, sondern ganz roh und unregelmässig abgehauen, reichten
also früher weiter nach Osten. Wie weit dieser Sockelstein reichte,
wissen wir nicht. Wohl aber können wir die Länge des Ablauf-
steines ziemlich genau ermitteln mit Hülfe des S. 239 unter 3 be-
sprochenen Loches für eine Hebevorrichtung, das ja die Mitte be-
zeichnet: da seine Mitte 1,40 vom Westende des Steines entfernt
ist, so war dieser 2,80 lang und reichte bis 0,22 östlich der
Ziegelfront, an der also der Ablauf keine Fuge hatte. Zu demsel-
ben Resultat führt die Betrachtung der Travertinunterlage. Teile
derselben sind ja später einmal fortgenommen worden, um den
von Anfang an vorhandenen Eingang des Unterraumes tiefer zu
legen. Aber die erste Quader westlich der Lücke beginnt erst
etwa 0,07 hinter der Ziegelfront, wäre also von einer nur bis an
sie reichenden Mauer um eben diesen Betrag entfernt geblieben,
ROSTRA CAESARIS 243
was mit der vorzüglich sorgfältigen Arbeit dieser Travertinunter-
lage, auch des westlichen Stücks, ganz unvereinbar ist. Also ein
Abschnitt, ein Ansatz in der Linie der Ziegelfront war nicht vor-
handen, und damit ist obige Annahme ausgeschlossen. Sie würde
übrigens auch der Herausschälungstheorie nicht zu Gute kommen,
weil auch so die Mauer einen beträchtlichen Teil der ihr nun
gleichzeitigen kostbaren Marmorfront zugedeckt haben würde.
Und nun noch eine Spur aus späterer Zeit. An die Nord-
westecke des Hemicycliumbaues ist bekanntlich in später, nicht
näher bestimmbarer Zeit der sogen. Umbilicus angebaut worden.
Mit ihm ist untrennbar verbunden die einst mit Marmorplatten
belegte Ziegelverkleidung der Nordseite bis zum Ansatz der Run-
dung. Es setzt also dies Mauerwerk zweifellos den Fortbestand des
Baues voraus. Andererseits aber eben so sicher die Zerstörung der
Nordecke der Marmorfront : sei es nun, dass sie schon früher zer-
stört war, sei es, dass sie eben diesem Anbau zum Opfer fiel, sicher
ist, dass dessen Ziegelwerk dahin reicht, wo früher der letzte
« Pfeiler ■ , das Eckglied, gestanden hatte. Es bedarf wohl keiner
weiteren Ausführung, dass dies vollkommen verständlich ist, wenn
zur Zeit des Anbaues die Marmorfront längst hinter dem Qua-
derbau verschwunden war, dagegen schwer begreiflich, wenn sie
späten Ursprunges ist, vielleicht kaum ein Jahrhundert älter als
der Umbilicus, und zu seiner Zeit noch in voller Geltung war
und bleiben sollte.
Damit ist nun wohl so ziemlich gesagt, was sich aus der
Betrachtung dieser Ecken, namentlich der nördlichen, ergiebt. Wie
immer wir es versuchten, immer ergab sich auf Grund der Prio-
rität des Hemicycliums ein vollkommen verständlicher Thatbestand,
während die entgegengesetzte Annahme überall auf unlösbare
Schwierigkeiten stiess.
Aber nicht nur an diesen Ecken berühren sich die beiden
Bestandteile des Baucomplexes. Wir müssen uns jetzt dem Innen-
raum zuwenden und das ihn im Westen begrenzende Mauerwerk
mit Ziegelfront ins Auge fassen. Dass dies Mauerwerk nicht jün-
ger ist als die ursprünglichen Bestandteile des Quaderbaues, ist
unbezweifelt, da es ja auch als Fundament unter den Quadern
liegt. Nämlich die gleiche Ziegelfront setzt sich fort, mit Anschluss
in der Ecke, unter der Travertinunterlage der Nordwand (hier
244 A. MAU
0,73 tief), unter der Ostmaiier (sichtbar in der Nordecke) und
nach Richters Angabe (Rednerb. S. 12; jetzt nicht sichtbar) auch
unter der Südmauer (*). Endlich durchquert eine gleichartige
Mauer, im Anschluss an die Westfront, den Innenraum südlich der
Mitte bis an den nächsten Travertinpfeiler. Und da ein so tiefes Fun-
dament mit gut gearbeiteter Ziegelfront doch sehr auffallend ist, auch
an der Ostseite die Ziegelfront nicht der Innenseite der Quadern ent-
spricht, sondern um 0,50 weiter einwärts liegt, so könnte man wohl
versucht sein, hier einen Rest und den Grundriss eines noch älteren
Baues, mit tiefer liegendem Innenraum, zu erkennen. Und diese
Ansicht ist in der That von G. Boni (Ätti del Congr. stör., vol. V, S.
560 f.) vertreten worden. Mir schien jedoch auch dies ausgeschlossen.
Die schon erwähnte Quermauer endet an einem der Travertinpfeiler ;
sie ist etwas schmäler als er, steht aber vollständig symmetrisch
zu ihm. Da nun für die von der Disposition des ganzen Baues
abhängige Stellung des Pfeilers nicht die Mauer massgebend sein
konnte, so musste das Umgekehrte der Fall sein. Auch ist ganz
zweifellos die Mauer an den Pfeiler hinangearbeitet, also jünger
als er, und ebenso stösst die Ziegelfront so unmittelbar an die süd-
liche Quadermauer, wie es nicht der Fall sein könnte, wenn diese
jüngeren Ursprungs wäre. Ausgeschlossen ist auch, dass innerhalb
des Quaderbaues der Fussboden ursprünglich tiefer gelegen habe;
denn unter zweien der Travertinpfeiler sind Travertinplatten kennt-
lich, auf denen sie stehen, in der Höhe des jetzigen Fussbodens.
Endlich giebt Richter Rednerb. S. 12 an, dass unter der Ziegelmauer
nur eine 0,07 hohe Schicht von Tuffbrocken liegt. Da diese als
Fundament nicht genügen konnte, so muss wohl die Ziegelmauer
selbst von Anfang an bestimmt gewesen sein, als Fundament zu
dienen. Aber wie dem auch sei, #die Frage was älter ist, Ziegel-
mauer oder Hemicyclium ist unbedingt entscheidend auch für den
Quaderbau.
Das westliche Ziegelwerk war keine freistehende, zweiseitige
Mauer. Hinter den Frontziegeln folgen zunächst Ziegelbrocken, bis
0) Richter giebt an, von unten beginnend: 1. Tuffbrocken als Funda-
ment der Ziegelmauer 0,07. — 2. Ziegelmauer 0,55. — 3. Tuffquadern 0,29 innen,
wo sie auf der Ziegelmauer liegen, 0,75 aussen, wohin die Ziegelmauer
nicht reicht. Dies kann nicht richtig sein: die Tuffquadern sind innen über
0,50 hoch (die Unterkante ist nicht sichtbar), aussen sichtbar bis 0,45.
ROSTRA. CAESARIS 245
etwa 0,50 von der Front. Diese reichen in der Mitte bis an den
Sockel der Eundung; im Uebrigen geht nach Westen das Ziegel-
werk in Incertnm aus Tuff über, mit einzelnen Travertinbrocken,
das sich bis an die Eundung des Hemicycliums erstreckt zu haben
scheint.
Von dieser Ziegelfront soll nun ursprünglich bis an den Auf-
stieg im Westen ein fester Mauerkörper gereicht haben. Später
hätte man dann, in Anlass einer Treppenanlage (Eichter, Hülsen)
oder aus unbekannten Gründen (Petersen), von diesem Mauerkör-
per so viel abgenommen, dass statt der gradlinigen Ziegelfront
eine etwas weiter zurückliegende gerundete Fassade blieb, die
dann so wie wir sie noch sehen mit Marmorplatten decorirt wurde :
es soll die Eundung aus dem Mauerkörper ■ herausgeschnitten ■
oder i herausgeschält ■ worden sein.
Da bemerken wir nun aber sofort, dass die Herausschälung
eine sehr unvollkommene ist. Zwar im nördlichsten Teil — nicht
ganz der Hälfte — ist vor der Marmorfront das Mauerwerk bis
auf den Erdboden beseitigt, und man mag ja glauben, dass dies
geschehen sei um sie frei zu machen. Aber schon in der Mitte be-
ginnen seine Eeste sich über den Boden zu erheben : hier ist wohl
Zerstörung zu constatiren, nicht aber planmässige Abtragung. Und
weiter nach Süden steht die Ziegelfront aufrecht bis zur Höhe von
1,60, ohne einen Abschluss, und war offenbar noch wesentlich
höher. Und zwar bleibt das so aufstehende Mauerwerk an der Süd-
ecke nur etwa 0,40 von der, wie oben (S. 237) erwähnt, noch
sichtbaren Eundung des Sockels entfernt. Weiter nördlich rückt es
unmittelbar an ihn hinan, zwar jetzt in geringer Höhe; doch be-
ruht dies nur auf der hier durch Anlage eines mittelalterlichen
Brunnens bewirkten Zerstörung. Der Eaum wird so eng, dass hier
das Legen des Sockels und weiterhin das Hantieren mit den grossen
und schweren Platten ungemein erschwert, wir dürfen wohl sagen
unmöglich sein musste. Aber wichtiger als dies ist doch die Er-
wägung, dass man eine so prachtvolle und kostspielige Marmor-
fassade nicht anlegt um sie hinter einer unmittelbar vor ihr ste-
henden, ihr gegenüber nur roh abgehackten Mauer verschwinden
zu lassen : die Marmorfassade unmittelbar hinter der Ziegelmauer
ist nur verständlich, wenn erstere ursprünglich frei stand und die
Mauer nachträglich vor sie gesetzt wurde. So sieht sich denn in
246 A. MAU
der That Hülsen zu der Annahme gedrängt, die er in seinem Fo-
rum Romanum S. 68 in beistehend wiederholter Zeichung veran-
schaulicht und folgendermassen formulirt hat : « Diese Bogentreppe
führte nicht mehr in ganzer Breite auf die Plattform, sondern nur
auf die südliche Hälfte : in der nördlichen wurde, aus uns unbe-
kannten Gründen, ein dreieckiger offener Hof ausgespart, dessen
bogenförmige Westwand (Hemicyclium) mit Platten aus rotem
Fiff. 8.
Marmor (Porta santa) und Pilastern aus Marmo africano verziert
war ».. Als Zweck der Umgestaltung wird Mitth. XX 1905 S. 20
die Anlage einer Treppe bezeichnet : man habe einen direkten Zu-
gang von der Seite der Curie zur Platform der Rostra schaffen wollen,
diesen Zugang aber, da der Triumphbogen seine Anlage ausserhalb
der Nordmauer nicht zuliess, in das Rechteck selbst hinein verlegt.
Ich bemerke noch, dass die von Hülsen gezeichnete Treppe nur
etwa 1,60 breit und kaum 4,0 lang ist; dass sie auf diese Länge
eine Höhe von 3,50 erreichen, also unbequem steil sein, endlich
dass sie aus Holz sein musste. Denn eine Steintreppe war hier
nie vorhanden. Diese hätte ein starkes Fundament erfordert, und
dies musste kenntlich sein; dagegen sehen wir hier deutlich die
Fundamente dreier Ostwestmauern — der mit der bekannten Zie-
gelfront zusammengehenden und zweier jüngeren — und es ist
ganz klar, dass zwischen ihnen und ausser ihnen hier weiter nichts
vorhanden war.
Eine derartige Umgestaltung der Rostra ist nun ganz un-
glaublich. Die Hälfte des grossen Aufganges soll man geopfert
ROSTRA CAESARIS
247
haben, um da eine dürftige Diensttreppe anzubringen, die doch
wahrlich auch unter der Platform bleiben und zu einer Oeffnung
in ihr hinaufführen konnte. Und wie ist es verständlich, dass man
für diese Treppe sich nicht mit dem vorhandenen viereckigen In-
nenraum begnügte, sondern ihn zu einem sonderbar unregelmässig
geformten Hofe erweiterte, indem man rechts vom Eingang einen
Fisr. 9.
todten Winkel schuf, der Niemandem zu Gute kam? Und was
sollte diesem Treppenhof eine so kostbare Decoration, und zwar
nur auf einer Seite?
Richter nahm früher statt der kleinen Diensttreppe eine die
ganze Breite des Raumes zwischen der Ziegelfront und der nächsten
Pfeilerreihe ausfüllende monumentale Treppe an, als nunmehrigen
Hauptaufgang, wie beistehende Zeichnung (nach Beitr. II S. 2)
zeigt. Aber eine solche Treppe war sicher nie vorhanden. Wo sie
gewesen sein müsste, liegt der sich durch den ganzen Innenraum
erstreckende Fussboden (oder Unterlage eines solchen) aus Ziegel-
platten mit Stempeln severischer Zeit. So lange dieser Fussboden
lag, war hier natürlich keine Treppe. Aber auch später nicht ; denn
um ihr Fundament zu legen, hätte man den Fussboden entfernen
müssen, was nicht geschehen ist. Und auch mit einer solchen
248 A. MAU
Treppe wird es nicht viel besser. Denn auch für sie war ja der
vorhandene rechtwinklige Raum ein vollkommen geeigneter, der
Hof mit dem toten Winkel und der einen gerundeten Wand ein
sehr seltsamer Zugang. Und unmittelbar vor diesem Monumen-
talzugang hätte die zum Severusbogen hinauf führende Rampe ge-
legen. Auch die Beschränkung der Marmordecoration auf nur eine
Seite des Zugangsraumes bliebe unverständlich.
Und alles dies zugegeben, was soll es heissen, dass man die
k Herausschälung ■ der Rundung auch durch die andere Hälfte
des Baues durchführte, unter der hier auch jetzt noch gebliebenen
Platform, unmittelbar hinter dem stehen gebliebenen Mauerwerk
der Ziegelfront, so dass zwischen dieser und der Rundung absolut
kein irgendwie benutzbarer Raum entstand ? Dies allein wäre schon
ein vollgültiger Beweis für die Priorität der Rundung.
Bei oberflächlicher Betrachtung der Südhälfte könnte ja viel-
leicht die Vorstellung aufkommen, die Rundung sei hier nicht
vorhanden gewesen, und was jetzt so aussieht sei Product der
Zerstörung und modernen Aufbaues. Aber die mehrfach (oben
S. 237) erwähnte Spur des Sockels am Südende beweist die voll-
ständige Durchführung, und sie wird auch von Hülsen stillschwei-
gend zugegeben. Dagegen ist er offenbar der Meinung, die Mar-
mordecoration habe nur die Westwand des Treppenhofes, nicht die
Südhälfte der Rundung bedeckt : die Marmorfront hinter der stehen
gebliebenen Ziegelmauer würde doch allzu deutlich die Posterio-
rität der letzteren erweisen. In der That aber erstreckte sich die
Marmordecoration sicher auch auf die Südhälfte.
Wir bemerken zunächst, dass die den Sockel tragende und
nur für ihn bestimmte Stufe nicht nur bis zur Mitte vorhanden
ist, sondern noch etwa 2 m über sie hinaus deutlich verfolgt wer-
den kann ; weiterhin ist dann alles zerstört und erst am Südende
kommt wieder die schon mehrfach erwähnte Spur zum Vorschein.
Also bis dahin reichte der Sockel, und so wird auch die auf ihm
stehende Marmordecoration, um deren willen er vorhanden ist,
auch hier nicht gefehlt haben.
Ferner: die Annahme, als sei die Südhälfte ohne Decoration
gewesen, wurde dadurch ermöglicht, dass sie hier jetzt fehlt. Um
aber dies Factum richtig zu beurteilen, dürfen wir es nicht trennen
von dem anderen, dass auf derselben Strecke auch die Stufen des
KOSTRA CAESAR1S 249
Aufganges fehlen. Die Logik der Forschung verlangt, dass wir bis
auf Gegenbeweis für beides eine gemeinsame Ursache annehmen,
die nur in späterer Beraubung gefunden werden kann. Indess das
ist ja vielleicht nicht zwingend. Aber es giebt auch einen posi-
tiven Beweis.
Die Anordnung der Marmorplatten ist wohl noch nie genü-
gend untersucht worden. Es sind ja breite Portasantaplatten (stellen-
weise zwei schmälere statt einer breiten), wechselnd mit schmalen,
pfeilerartigen, um 0,07 weiter vortretenden Platten — wenn es
erlaubt ist sie so zu nennen — aus Africano. Die breiten Platten
standen sicher unmittelbar auf dem Ablauf; dagegen scheint es,
dass die kleine Marmorbasis, die, auf dem Ablauf liegend, vor
ihnen entlang lief (*), sich in ihre Zwischenräume hinein erstreckte
und die Africanopfeiler auf ihr standen: sicher verhielt es sich
so mit dem nördlichen Endpfeiler, der seiner berechenbaren Aus-
dehnung nach von den übrigen kaum verschieden sein konnte.
Die grossen Platten haben in jeder ihrer Seitenflächen zu unterst
eine kleine Eisenklammer (in der Zeichnung 25.250 punktirt),
die, in die Oberfläche des Ablaufs eingelassen etwa, 0,04 senkrecht
aufsteigt, dann, so scheint es, horizontal, gegen den Zwischenraum
der Platten, umbiegt. Da diese kleinen Klammern für das Festhalten
der Riesenplatten kaum in Betracht kamen, zumal sie nicht sehr
tief in den Ablauf eingelassen waren, so müssen sie wohl zur Be-
festigung jener in die Zwischenräume hineinreichenden Basis gedient
haben. Wie dem auch sei, sie ermöglichen uns, die Anordnung der
Platten auch da zu erkennen, wo sie fehlen, aber der Ablauf vorhan-
den ist: die Zwischenräume der grossen Platten sind durch je zwei
etwa 0,15 von einander entfernte solche Klammern oder Klammer-
löcher bezeichnet.
Die grossen Platten, bezw. die aus je zwei Platten zusam-
(*) Richter Beitr. II S. 13 missversteht diese Basis; er meint, es seien
Basen der einzelnen ' Pfeiler ', die also auch je ein Capitell gehabt haben
müssten. Neben jedem ' Pfeiler ' ist jederseits in den grossen Platten ein
Klammerloch zur Befestigung der Basis; aus diesen würde sich bei R.'s
Annahme eine Minimalbreite der Pfeilerbasis von 0,50 ergeben, bei nur 0,18
Frontbreite der ' Pfeiler \ was natürlich unmöglich ist. Die Basis lief sicher
an der ganzen Front entlang; dafür, dass die Africanoplatten als Pfeiler
ausgebildet gewesen wären, ist keinerlei Anhalt vorhanden.
250
A. MAU
mengesetzten Felder, sind nicht gleich breit : von der südlichsten
erhaltenen beginnend messen sie 0,895-0,915-0,91-0,91-0,91-
0,92 - 0,98 - 0,96 - 0,90. Die grössere Breite der beiden vorletzten kann
bei der sorgfältigen Arbeit der ganzen Fassade keinenfalls aus
Nachlässigkeit erklärt werden. Was man sich dabei gedacht hat,
mag dunkel bleiben, aber erträglich wird eine solche Ungleich-
r /
//' A
^
JA^
\K
.Mala.
Fig. 10.
mässigkeit nur, wenn sie sich symmetrisch am anderen Ende wie-
derholte. Wichtiger noch ist, dass links (südlich) der ersten erhal-
tenen nach dem trennenden « Pfeiler ■ eine nur 0,35 breite Platte
folgte: von dieser gilt natürlich das eben Gesagte in noch viel
höherem Grade. Wie die weitere Anordnung war, muss zweifelhaft
bleiben, da Sockel und Ablauf nicht weiter erhalten sind; sicher
aber ist, dass hier ein besonderes Mittelmotiv ausgebildet war.
Der auf die schmale Platte folgende ■ Pfeiler ■ bleibt, so gut ich
messen konnte (es kommt ja auf eine Kleinigkeit nicht an), 2,20
von der Mitte, also 4,40 von dem s}*mmetnsch entsprechenden
Punkte entfernt ; es konnten also — da selbstverständlich die Axe
ROSTRA. CAESARIS 251
des Baues durch die Mitte eines Feldes gehen musste (l) — hier
drei je 1,365 breite Platten stehen, getrennt durch zwei ■ Pfeiler »
von je 0,15. Es konnte aber auch das Mittelfeld grösser und
besonders einp-efasst sein und vielleicht die Inschrift enthalten.
Wie dem auch sein mochte, das Mittelmotiv war durch die beiden
es einfassenden schmalen Platten von der übrigen Front getrennt
und dadurch hervorgehoben. So und nur so wird die schmale Platte
verständlich ; sie beweist, dass die Marmordecoration sich auch auf
die Südhälfte, hinter der Ziegel mauer, erstreckte, also älter war
als diese und damit älter als der ganze Quaderbau.
Zu diesem Resultat können wir aber auch hier noch auf einem
anderen Wege gelangen. Wenn früher ein Mauerkörper ununter-
brochen von dem Aufgange bis an die Ziegelfront reichte, wie ja
unsere Gegner annehmen, so waren an ihm, wie die gerundete
Fassade, so auch deren Gliederungen — Sockel, Ablauf usw. —
ursprünglich nicht vorhanden; denn die Ziegelfront ist ungeglie-
dert. Und wenn wir nun beweisen könnten, dass eben diese
(l) Es wird wohl Niemand einwenden wollen, dass die Fassade des Qua-
derbaues eine grade Zahl von Feldern hatte : an einer langen gradlinigen Front
hat die Mitte wenig Bedeutung. Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dass
Eichters Reconstruction dieser Fassade irrig ist. Die in der Breite den Streifen
in der Tuffmauer entsprechenden Einschnitte des Ablaufs sind nicht vorhanden :
was Richter irre geführt hat, ist der Einschnitt für die zwei Stücke des Ablaufs
verbindende Klammer (an der N-Seite), zwischen dem und dem Rande des
Ablaufs der Marmor weggebrochen ist, so dass die von R. S. 22 beschrie-
bene Form entsteht. Also von Bronzepilastern ist keine Spur, und da sie auf
dem genügend langen Ablaufstück der N-Seite vorhanden sein müsste, so sind
solche auch nicht dagewesen. Auch die mit dem unteren Ende der « Pilaster-
einbettungen » in Verbindung stehenden horizontalen Einschnitte (R. S. 12)
sind nicht vorhanden. R. will einen solchen « unwiderleglich » wenigstens an
einer Stelle gefunden haben. Ich habe ihn vergeblich gesucht ; vor allem aber
ist doch für einen Einschnitt entscheidend nicht die Stelle, wo eine Spur sich
findet, die ja irgendwie entstanden sein kann, sondern die vielen , wo er be-
stimmt nicht war. Also die Verticaleinschnitte der Tuffmauer bezeichnen wohl
eine Gliederung, aber wie diese beschaffen war, wissen wir nicht, und vor
allem für die an sich unglaubliche Metalleinrahmung der Marmorplatten fehlt
jeder Anhalt. Es sei noch bemerkt, dass die Einschnitte nicht höher hinauf
reichten als 1,65 über dem Ablauf; dies ist auf der Nordseite an dem ersten
Einschnitt von Osten sichtbar und auch von Boni in seiner Restauration be-
achtet worden.
252
A. MAU
Gliederungen von Anfang an vorhanden waren, so wäre doch damit
die Herausschälungstheorie endgültig widerlegt. Und wir können
es beweisen.
Betrachten wir von Süden den durch den jetzt beseitigten
modernen Stiassenpfeiler veranlassten Ostwestdurchschnitt durch
das Hemicyclium, so sehen wir in seinem Incertum gewisse weisse
J
I
xJ
Fig. 11.
Horizontalstreifen ; man hat beim Bau von Zeit zu Zeit, in gewissen
Höhenabständen, eine Schicht Travertinsplitter eingelegt. Wir be-
merken zunächst, dass diese Streifen sich nicht in das hinter der
Ziegelfront aufstehende Mauerwerk fortsetzen, wie sie doch müssten,
wenn dies alles früher ein einziger Mauerkörper gewesen wäre.
Schon damit ist wieder einmal die Herausschälung widerlegt. Und
wenn wir dann die Fassade betrachten an dem Punkte, wo die
erhaltenen Teile des Sockels und des Ablaufs nach Süden aufhören,
so können wir leicht feststellen, dass eine dieser Zwischenschichten
dem Auflager des Ablaufs, eine zweite (an der Front nur schwach
aber doch sicher kenntlich) seiner Oberfläche entspricht. Diese letz-
tere ist nicht ganz horizontal sondern leicht gewölbt, erscheint
daher im Durchschnitt etwas zu hoch ; in der Front läuft sie genau
ROSTRA CAESAR! S 253
in richtiger Höhe. Eine dritte entspricht dem Auflager des Sockels ;
sie läuft im Durchschnitt etwas höher als das Auflager der erhal-
tenen Sockelsteine, und so auch noch auf eine ganz kleine Strecke
am Südende des erhaltenen Teiles der Front; dann aber senkt sie
sich, und es ist ganz deutlich, dass die Travertinblöcke des Sockels
auf ihr liegen. Fig. 11 veranschaulicht dies Verhältniss. Der etwas
unregelmässige Verlauf der letztgenannten Schicht darf uns nicht
Wunder nehmen : da die Sockelsteine von verschiedener Höhe sind,
kann natürlich ihr Auflager nicht gleichmässig horizontal laufen. Das
beim Bauen befolgte Verfahren ist ganz klar. Man baute zuerst auf
bis zur Höhe des Sockelauflagers ; dann legte man die Schicht von
Travertinsplittern und auf diese den Sockel. Dann baute man weiter
und mauerte hierbei an den Sockel hinan — auch dies ist vollkom-
men kenntlich — bis zur Höhe seiner Oberfläche. Nun legte man
wieder eine Schicht Travertinsplitter und dann teils auf den Sockel
teils auf das frische Mauerwerk den Ablauf, um nun wieder bis zu
seiner Höhe an ihn hinanzumauern und dann — nach Einlegung einer
weiteren Travertinschicht — weiter aufwärts zu gehen. Nicht so deut-
lich ist das Verfahren in dem den grossen Platten entsprechenden
Höhenabschnitt. Es scheint aber sicher, dass man, wie schon Ni-
chols S. 34 angiebt, nicht etwa erst eine fertige Aussenfläche
herstellte und dann die Platten an ihr befestigte, sondern dass
diese selbst die Stelle der Mauerfläche — Reticulat, Ziegel— vertraten.
Man muss es also wohl ermöglicht haben, erst^ die Platten aufzu-
stellen, was bei einer Grundfläche von 0,08 Breite wohl denkbar
ist, und dann hinter ihnen und an sie hinan aufzumauern. Und
zwar geschah diese Aufmauerung in Abschnitten : eine weitere Tra-
vertinschicht liegt innerhalb der Höhe der Platten.
Indess, wie dem auch sei, für jetzt interessirt uns der untere
Teil des Baues, Sockel und Ablauf. Also diese Gliederungen setzen
sich fort in den Mauerkörper hinein, durch ihn hindurch, waren
also an ihm von Anfang an vorhanden. Wer mag da noch von
Herausschälung reden?
Und nun mag nur einmal Jemand ohne vorgefasste Meinung
die Mitte der gerundeten Front, unten am Boden, betrachten : ist
es nicht klar, wie sich da der Sockel der Rundung von selbst
herausschält aus dem an ihn angemauerten Ziegelwerk, indem dies
zerfällt, er aber als festerer, älterer Kern stehen bleibt? Dieser
254 A. MAU
Anblick allein hätte genügen sollen, den wahren Sachverhalt zur
Geltung zu bringen.
Dazu kommt nun (Richter Beitr. II S. 1 2), dass das Hemi-
cyclium wesentlich tiefer fundamentirt ist als der Quaderbau.
Hülsen wendet ein. dass dies nur für die südliche Hälfte consta-
tirt ist und hier durch den in dieser Tiefe vorhandenen Fussboden
vor dem bekannten, von Boni für die caesarischen Rostra gehal-
tenen Bogenbau veranlasst war ; die Nordhälfte sei vielleicht weniger
tief fundamentirt, weil hier, wie auch für den Quaderbau, dieser
Grund fehlte. Nun ist ja freilich das Fundament der Nordhälfte
nicht sichtbar ; aber es ist doch immer bedenklich, eine Ansicht dar-
auf zu stützen, dass das nicht sichtbare ihr günstiger sein kann als
das sichtbare. Und was den Quaderbau betrifft: das Paviment vor
den Arkaden reicht freilich nach Osten nur wenig über die Ecke der
Rundung hinaus. Aber es lehrt uns doch ein älteres Forumsniveau
kennen ; östlich von ihm war der alte Forumsboden, der, wie im-
mer beschaffen, doch zum Fundamentiren nicht weniger geeignet
und einladend sein musste, als jenes Ziegelmosaik. Wenn man
dennoch für den Quaderbau nicht so tief gegangen ist, so sind
wir wohl berechtigt, nach der Ursache dieser Verschiedenheit zu
fragen und sie in zeitlicher Verschiedenheit zu suchen. Es mag ja
dieser Beweis nicht zwingend sein; aber als eine starke Bestäti-
gung des auf anderen Wegen Gefundenen dürfen wir ihn doch wohl
geltend machen.
Alledem gegenüber ist gesagt worden, es wäre sonderbar, dass
man bei Anlage des Quaderbaues die Marmorbekleidung zwar von der
Südhälfte der Rundung entfernt, auf der Nordhälfte aber das kostbare
Material am Ort gelassen haben sollte, so dass es nun in dem Neubau
verschwunden wäre. Wir können hinzufügen, dass auch für die Süd-
hälfte die Entfernung des Marmors zur Zeit des Quaderbaues kei-
neswegs feststeht : es wurde schon bemerkt (S. 248 f.), dass das Fehlen
der Marmorplatten nicht gut getrennt werden kann von dem Fehlen
der Stufen des Aufganges und also vermutlich auf viel spätere
Beraubung zurückgeht. Aber dies müssen wir uns gefallen lassen
angesichts so zwingender Beweise. Bunter Marmor mag eben da-
mals, etwa in trajanischer Zeit, reichlich gewesen sein, und der
Wert dieser Platten war doch durch die starke Zerlöcherung be-
deutend vermindert. Wie dem auch sei : die Belassung des Marmors
ROSTRA CAESARIS 255
mag sonderbar sein, der Bau der Fassade unmittelbar hinter der
Ziegelmauer ist unmöglich.
Hülsen meint ferner, weil die Travertinunterlage der Nordwand
niedriger liegt als der Sockel des Hemicycliums, so müsste, wenn
erstere jünger wäre, zwischen dem einen und dem anderen Bau das
Forumsniveau um 0,30 erniedrigt worden sein, was nicht wahr-
scheinlich sei. Auch dies sind ja Erwägungen, die stärkeren Be-
weisen gegenüber zurücktreten müssen. Aber es ist auch nicht
zutreffend. Der Travertinsockel der Rundung, mit seiner glatten
Vorderfläche, sollte zweifellos über' das Forumpflaster aufragen :
dieses haben wir zu suchen im ungefähren Niveau seines Aufla-
gers, vielleicht um ein Weniges höher. Dagegen das Fornmsniveau
des Quaderbaues liegt im Niveau des Auflagers des Marmorsockels,
also der Oberfläche der Travertinunterlage. So der Absicht nach
auch das jetzige Forumpflaster; thatsächlich ist es im Norden etwas
höher, im Süden etwas niedriger. Danach konnte also das Forum
zur Zeit des Hemicycliums um eine Kleinigkeit niedriger liegen
als zur Zeit des Quaderbaues (s. hierzu Fig. 1. 2).
Wir können demnach die Priorität des Hemicycliums als voll-
kommen gesichertes Resultat betrachten und dürfen es jetzt auch
wohl mit grösserer Zuversicht aussprechen, dass eigentlich alle
diese Beweise überflüssig waren, dass eine so kostbare Marmorfassade
nur denkbar ist, wenn sie frei auf das Forum hinausblickte. Wel-
cher Zeit gehören nun aber die beiden Bauten an, und wie ist das
Hemicyclium zu benennen? Ein Bau, jünger als die nicht über Sulla
hinaufzurückenden Arkaden, nach der reichen Marmorbekleidung
nicht älter als caesarische Zeit, der späteren Rednerbühne, deren
Breite und Höhe der seinigen genau entspricht, als ihr Aufgang
einverleibt: ich denke man kann der Richter' sehen Auffassung, dass
das Hemicyclium die Rostra Caesars, der Quaderbau eine spätere Er-
weiterung derselben ist, wenigstens den Anspruch auf sehr ernstliche
Inbetrachtnahme nicht bestreiten. Die entscheidenden Fragen sind
zwei: erstens, können an der gerundeten Front Rostra befestigt
gewesen 3ein? zweitens, kann der Quaderbau jünger sein als die
caesarische (oder augustische?) Zeit? Ich glaube bestimmt, beide
Fragen bejahen zu dürfen.
Von den grossen Platten ist eine, unter den erhaltenen die
erste von Süden, annähernd vollständig. Sie ist, unterhalb der
256 A. MAU
Mitte ihrer Höhe, durchbohrt von zwei grossen, ziemlich unregel-
mässig geformten Löchern, hoch etwa 0,08, breit 0,06, deren Cen-
trum etwa 0,85 vom unteren Rande der Platte entfernt ist. Um
diese Löcher stehen rechts und links oben und rechts unten drei
kleinere Löcher, die in Bleiverguss die Reste starker Eisen ent-
halten; ein viertes wird in dem links unten abgebrochenen Teil
der Platte anzunehmen sein. Sie bildeten dann um die beiden
grossen Löcher ein nicht ganz regelmässiges, mehr breites als hohes
Viereck, und es kann kaum zweifelhaft sein, dass etwas grosses
und schweres in die zwei grossen Löcher eingelassen und dann nach
vier Seiten hin befestigt war. So vollständig findet sich alles dies
nur hier ; aber ausnahmslos alle genügend hoch erhaltenen Platten
zeigen Reste und sichere Spuren dieser Löcher. Beistehende Zeich-
nungen, mit punktirter Angabe des Fehlenden, überheben mich
weiterer Worte; die beigeschriebenen Zahlen geben an, die wie vielte
Platte von Süden es ist, wobei die aus zwei schmäleren Platten
zusammengesetzten Felder als eine gerechnet sind.
Hülsen hält die grossen Löcher für modern und meint, sie
seien nur zur Befestigung der Platten gemacht worden. Aber wer
soll denn so barbarisch mit den Resten des Altertums umgegangen
sein, ganz ohne Not Lnd noch in so unzweckmässiger Weise?
Wer wird solche Platten durch Löcher in der Mitte statt durch
Klammern am Rande befestigen? Letzteres ist in der That ge-
schehen, in diskreter Weise, so dass die Eisenklammern nur in
die Schnitt- oder Bruchflächen eingreifen, die Vorderflächen aber
unberührt lassen. An der 4. Platte deren Bruch durch die grossen
Löcher hindurch geht, sind die so entstandenen Einschnitte am Rande
des Uebriggebliebenen zur Anbringung der Eisenklammern benutzt
worden, dagegen an der 7. eben so gebrochenen stehen diese
gleich neben ihnen.
Der antike Ursprung dieser Spuren wird aber auch verbürgt
durch die Regelmässigkeit mit der sie sich wiederholen, einschliess-
lich der vier umgebenden, nich ganz durch die Platten hindurcn
gehenden Nagellöcher. Und wenn Hülsen die grossen Löcher ver-
gleicht mit « denen an den unteren Brnchrändern (soll heissen
Schnitträndern) der meisten Platten » so ist dagegen wenig ein-
zuwenden; denn auch diese sind sicher antik und ihre Bedeu-
tung ganz klar: sie dienten zum Festhalten der mehrfach er-
wähnten auf dem Ablauf liegenden Mavmorbasis ; zur Befestigung
ROSTKA CAESARIS
257
Fig. 12.
IS
258 A. MAU
der Platten konnten sie nicht dienen, da sie nicht durch sie hin-
durchgehen.
Wenn nun die hier angebrachten Gegenstände Rostra waren,
so waren sie freilich anders befestigt als an dem Quaderbau.
Auch ist es ja unbestreitbar, dass die dort wahrnehmbare Art die
natürlichere und zweckmässigere ist, und dass unser Resultat
noch klarer und sicherer sein würde, wenn die beiden Löcher
nicht neben sondern unter einander ständen. Anderereits aber,
wo so yieles dahin führt, hier die Rostra zu erkennen, wer möchte
behaupten, es sei unmöglich, dass hier Schiffschnäbel angebracht
waren? Vielleicht haben die hier gemachten ungünstigen Erfah-
rungen für die späteren Rostra ein zweckmässigeres Verfahren
veranlasst. Endlich wissen wir doch auch garnicht, was an den
sehr starken schmalen Platten, den sogen. Pfeilern, befestigt sein
konnte : Spuren sind hier keine, aber von keinem ist so viel erhal-
ten, dass man sagen könnte, sie seien nicht da gewesen. Und es
wird gut sein, daran zu erinnern, dass auf der bekannten Pali-
kanusmünze, die wenn nicht diese so doch eine Rednerbühne dar-
stellt, die Rostra an den Pilastern befestigt zu sein scheinen.
Also die Möglichkeit, dass am Hemicyclium Rostra angebracht
waren, kann wohl nicht gut geleugnet werden.
Fragen wir nun nach der Zeitbestimmung des Quaderbaues,
so ist wohl unbestritten, dass das Quaderwerk selbst kein chro-
nologisches Kriterium abgiebt. In Betreff der Marmorprofile fehlt
es an Vergleichsmaterial aus caesarischer Zeit; für augusteische
würden wir grössere Zierlichkeit und mehr Reichtum an Details
erwarten, namentlich an dem sehr summarisch und decorativ be-
handelten und eben deshalb eher auf spätere Zeit deutenden Ge-
simse. Indess das mag nicht entscheidend sein. So hat sich denn
mit Recht die Discussion an die Ziegelbestandteile des Baues
geknüpft.
Es handelt sich hier natürlich um das mehrfach erwähnte
Mauerwerk mit Ziegelfront (oben S. 243 f.). Dass es jünger sein
könne, hat Hülsen (S. 20 Anm. 1) mit grosser Bestimmtheit be-
stritten, weil die Frontverkleidung nicht aus eigens zu diesem
Zweck geformten und gebrannten dreieckigen Ziegeln besteht, wie
sie seit Ende des ersten Jahrhunderts allgemein in Gebrauch
sind, sondern aus unregelmässig zurechtgehauenen Stücken von
ROSTRA CAESARIS 259
Dachziegeln (Boni, Atti del Congr. Stör. V S. 560 f.). Aber sind
wir denn wirklich in der Lage, einen solchen Schluss mit solcher
Bestimmtheit zu ziehen ? Ich meine, da fehlen noch die Vorarbei-
ten. Wer hat denn untersucht, ob nach dem Ueblichwerden der
dreieckigen Ziegel diese nun auch überall und ausnahmslos ver-
wendet worden sind, ob man nicht gelegentlich, wo grade geeig-
netes Material zur Hand war, sich auch später noch mit zurecht-
gehauenen Dachziegeln beholfen hat ? Die Untersuchung ist nicht
leicht zu machen, weil an manchen Bauten garkeine, an anderen
nur sehr wenige Frootsteine hinlänglich sichtbar sind; aber an
sich ist es doch sehr wahrscheinlich, und es ist ein glückliches
Zusammentreffen, dass grade jetzt die Ausgrabungen des Forums
ein entscheidendes Beispiel geliefert haben. Das von Boni neben
dem Lacus Curtius ausgegrabene Bauwerk, wie immer es zu be-
nennen sein mag, liegt mit seinen Fundamenten zum Teil auf
denen der Reiterstatue Domitian's, setzt also deren Beseitigung
voraus und ist aus nachdomitianischer Zeit. Es enthält Mauer-
fronten aus zurechtgehauenen Dachziegeln, ohne — so weit kennt-
lich — einen einzigen Dreieckziegel, ganz wie das in Frage
stehende Mauerwerk (l). Aber von der sorgfältigen Arbeit, die hier
zu so früher Datirung verführt hat, ist dort keine Spur; nach
dem ganzen Aussehen würde gegen Boni's Datirung in trajanische
Zeit, ja auch gegen noch spätere Ansetzung nichts einzuwenden
sein. Damit ist wohl dies Argument endgültig beseitigt.
Hülsen legt ferner Gewicht darauf, dass sich keine Ziegel-
stempel finden. Aber die hier zerhauenen Dachziegel sind doch
sicher nicht zu diesem Zweck gebrannt worden, stammen vielmehr
wahrscheinlich (oder doch möglicherweise, was uns genügt), von
einem älteren Bau, für dessen Datirung, nicht für die dieses
Mauerwerkes, das Fehlen der Stempel Bedeutung haben könnte.
Ferner ist doch in dieser Beziehung grade bei zerhauenem Mate-
rial dem Zufall ein weites Feld geöffnet. Und endlich: gewiss
nicht mehr als zwanzig Frontziegel sind hinlänglich sichtbar, um
sagen zu können, dass sie auf der Oberseite nicht gestempelt sind;
ob auf der Unterseite, das wissen wir nicht. Hier ist wirklich
das argumentum ex silentio ein sehr gewagtes Ding.
(*) Herr Boni selbst war so freundlich, mich auf diesen Sachverhalt
aufmerksam zu machen.
260 A. MAU
Im Uebrigen, woher stammt denn eigentlich das Urteil, dass
dies Mauerwerk auf so frühe Zeit deuten soll? Ich finde zuerst
bei Nichols S. 19 f., dass es den Charakter der ersten Kaiserzeit
habe. Und dort finde ich auch die Begründung: er sagt S. 20 Anm.
es gleiche dem des Pantheon, das er natürlich für augustisch hält,
während wir jetzt wissen, dass es hadrianisch ist. Ich wüsste
wirklich nicht, was uns hindern sollte, das Mauerwerk der Rostra
in den Anfang des zweiten Jahrhunderts zu setzen, und ich möchte
sogar fragen, ob es so alt sein kann, wie es sein müsste, wenn
wir hier die caesarischen Rostra vor uns hätten. Was steht denn
aus caesarischer und meinetwegen auch aus frühaugustischer Zeit
zum Vergleich? Wandmalerei zweiten Stiles finden wir in Rom
nur auf Reticulatwänden : das Haus der Odysseelandschaften, das
der Livia, das Haus bei der Farnesina. Und so auch noch die
Decorationen dritten Stiles: das sogen. Auditorium des Maecenas
und kleinere Reste auf dem Palatin (1). Reticulat ist das Mauer-
werk des Pompejustheaters, des Marcellustheaters, des Mausoleums
des Augustus (3). In Reticulat sind auch die älteren Columbarien
gebaut. So die bei der Porta Praenestina ausgegrabenen, unter
ihnen das mit den Malereien zur Gründungssage Roms (2). Ferner
in Vigna Codini das der Familia der Marcella (in Gebrauch seit
10 n. Chr.: C. I. L. VI S. 10) und das 1852 ausgegrabene (in
Gebrauch unter Tiberius und Gaius: C. L L. S. 941). Dagegen
zeigt das ebenda 1840 ausgegrabene (Tiberius und Claudius: a.
0. S. 927) Ziegelwerk; ebenso das der Sclaven und Freigelassenen
der Livia (a. 0. S. 877 ; Photographie des Ziegelwerks bei Parker
Tombs pl. 11), dies aus der späteren Zeit des Augustus. Offenbar
war also in der für die caesarischen Rostra in Betracht kommenden
Zeit Ziegelbau wenig üblich: es ist so recht die Zeit des Reti-
culats. Und hier ist er nun schon so gemein geworden, dass man
als Fundament unter die Quadern eine Futtermauer mit gut gear-
(*) In die Zeit des dritten Stils gehört nach dem Charakter der Deco-
ration, obgleich die eigentlich entscheidenden Details fehlen, das Columba
rium des Pomponius Hylas bei Porta Latina, nach den Inschriften (CLL. VI
S. 956; aus der Zeit des Tiberius. Hier besteht das Mauerwerk aus Ziegeln.
(2) Piranesi Campus Martius XVIII. XXL XXVII.
(3) Brizio Pitture e sepolcri S. 8. 121. Piranesi Ant. Rom. IV 9. 10. 12-16.
Parker Tombs in and near Rome pl. 4. 17.
ROSTRA CAESARIS 261
beiteter Ziegelfront gelegt hat. Aber auch ohne dieses: an einer
Mauer aus dem Jahre 44, und auch noch aus frühaugustischer
Zeit, erwarten wir Keticulat und wundern uns, wenn wir Ziegel-
front finden.
Und hier möchte ich noch eine Bemerkung hinzufügen. Die
Frontziegel dieses Mauerwerkes sind, soweit kenntlich, abgesehen
von ihrer Frontseite, ganz unregelmässig abgehackt. Jedoch be-
merkte ich in der Westmauer, gleich nördlich von dem den In-
nenraum in ostwestlicher Richtung durchquerenden Fundament,
einen Ziegel, der mir ein richtiger Dreieckziegel der später üblichen
Art zu sein schien, nur etwas reichlich gross: seine Frontseite
misst 0,32, die beiden anderen 0,23 und 0,22. Herr Boni, den
ich auf diesen Stein aufmerksam machte, erkannte sofort aus der
Beschaffenheit der Oberfläche, dass es sich auch hier nur um einen
zerhauenen Dachziegel handeln könne. Dennoch Hess er ihn auf-
heben, und in der That zeigte sich, dass auf der Unterseite, an der
Front entlang, der aufragende Band des Dachziegels abgehackt
war. Also meine Vermutung war irrig. Aber auch jetzt schien es
mir fast unglaublich, dass die beiden kürzeren Seiten behauen,
nicht geformt seien; so sorgfältig sind sie bearbeitet. Es ist also
hier von der sonst beobachteten Technik abgewichen worden : ein
Arbeiter hat sich die Mühe gemacht, einen Ziegel, der nach Art
der Dreieckziegel verwendet werden sollte, auch als solchen sorg-
fältig zurechtzuhauen. Ist nun aber dieser Vorgang denkbar, wenn
damals die Dreieckziegel noch nicht üblich, noch nicht erfunden
waren ? Ich glaube wir müssen auf Grund dieses Ziegels das Mau-
erwerk und mit ihm den ganzen Quaderbau in die Zeit der Drei-
eckziegel datiren.
Dagegen finde ich nicht, dass der Datirung des Hemicycliums
in caesarische Zeit irgend etwas entscheidendes entgegensteht. Das
Incertum ist gewiss nicht zu loben, ja man kann es wohl als
schlecht bezeichnen: übermässig grosse Brocken z. T. schlechten
Tuffs, nicht besonders guter und allzu reichlich verwendeter Mörtel.
Aber bei Beurteilung des Incertum gilt doch keineswegs die Regel:
je besser desto älter. Dem in Rede stehenden sehr ähnliches
finden wir ganz in der Nähe: in den Unterbauten der Vorhalle
und Treppe des Concordiatempels und unter der Treppe des Sa-
turntempels; an beiden Stellen findet sich auch die oben S. 252
erwähnte Abschichtung mit Travertinsplittern. Und beides ist
262 A. MAU
altes Mauerwerk: der Vor- und Unterbau des Concordiatempels
geht spätestens zurück auf den von Tiberius 7 v. Chr. begonnenen
Bau ; die Treppe des Saturntempels wird dem Bau des Munatius
Plancus 42 v. Chr. angehören. Auch im Unterbau des Caesar-
tempels ist das Incertum um nichts besser, vielmehr recht ähnlich,
und auch hier finden wir ganz ähnliche Abschichtungen, entspre-
chend den einfassenden Quaderschichten, an die das Incertum von
innen hinangemauert ist. Und ähnlich steht es mit dem Unterbau
des Castortempels, dessen Mauerwerk wahrscheinlich der 6 n. Chr.
von Tiberius dedicirten, aber namentlich im Unterbau gewiss be-
trächtlich früher begonnen Erneuerung des Tempels angehört.
Ganz unberechtigt ist es auch, die solide Pracht der Mar-
morfassade als Kennzeichen späterer Zeit in Anspruch zu nehmen :
wie gross der Marmorluxus schon in Caesar's Zeit war, ist bekannt
genug, und über Art und Geschmack desselben wissen wir zu
wenig, um darauf ein ausschliessendes Urteil zu gründen. Die
griechischen Buchstaben auf dem Ablauf geben keine Entscheidung.
Dass aber der Ablauf selbst, unter einer solchen Prachtfassade,
nicht besser geformt und seine Oberfläche unfertig ist, darüber
mögen wir uns wundern, aber wir müssten uns ebenso darüber
wundern, wenn die Entstehung des Baues in severischer Zeit
feststünde. Denn es wird doch Niemand glauben, man sei damals
nicht mehr im Stande gewesen ein eben so gutes Profil zu bilden,
wie das am Fusse des späteren Bostrabaues, und es sei damals
nicht üblich oder man sei nicht im Stande gewesen an einem
kleinen Luxusbau wie dieser die Oberfläche der Marmorgliede-
rungen fertig zu machen. Der Ablauf ist eben aus uns unbekannten
Gründen vernachlässigt worden ; schon die auf ihm liegende Basis
war besser gearbeitet. Wollte man vielleicht durch den Contrast
der unfertigen Oberfläche den Glanz der oberen Teile heben?
Uebrigens trägt der Ablauf mit seinen vielen aber flachen Glie-
dern (gut sichtbar in Fig. 13, wiederholt aus Kichter Beitr. II
S, 11 Abb. 7) keineswegs den Charakter einer späten Zeit, für die
man eine mehr decorative Behandlung erwarten möchte, mit we-
nigen aber kräftigen Gliederungen (1).
(') Auf die von Petersen (Comitium S. 33 Anm.) an diesem Ablauf
ROSTRA CAESARIS
263
Gar keine Schwierigkeit macht es endlich, dass die Oberfläche
des Hemicycliums, wie sie jetzt ist, sich zur Rednerbühne nicht
eignet. Was wir da jetzt vor uns haben, braucht doch nicht höher
hinauf zu reichen, als in die Zeit, wo den caesarischen Bostra der
Quaderbau vorgelegt wurde ; wie es liier zur Zeit Caesars aussah,
Fig. 13.
ist uns ganz unbekannt. Der Mauerkern des Hemicycliums ist nahe
dem Nordende bis etwa 2 M. westlich der jetzigen Treppe zu ver-
folgen und mochte auch noch weiter reichen; es war also Platz
beobachteten verschiedenen Hände einzugehen, muss ich denen überlassen, die
etwa im Stande sein sollten, sie zu sehen. Irrtum ist was Petersen a. 0. über
von früherer Verwendung herrührende, nachher unbedeckt gebliebene Klam-
mern auf seiner Oberfläche sagt; er scheint die einst diese ganze Oberfläche
deckende, am Nordende erhaltene Basis (oben S. 249 Anm.) nicht bemerkt
zu haben. Die Bedeutung aller vorhandenen Klammerspuren ist vollkommen
klar.
264 A. MAU
genug um einen bequemen Aufgang und eine hinlängliche Piat-
form zu schaffen.
Ob die jetzt auf der Rundung liegenden Steine mit der z. T.
erhaltenen Treppe zusammengehören, ist zweifelhaft. Richter setzt
sie in die Zeit, wo die caesarischen Rostra als Aufgang zu der spä-
teren Rednerbühne dienten, und zwar deshalb, weil sie nicht ra-
dial geschnitten seien, wie man erwarten müsste, wenn zu ihrer Zeit
der gerundete Bau für sich bestanden hätte, sondern einander pa-
rallel in der Richtung der Ostwestaxe.des Gebäudes. Hülsen wi-
derspricht ihm, und in so fern mit Recht, als die Steine diese
Richtung nicht haben: nicht nur der nördlichste erhaltene ist
entschieden radial geschnitten, sondern auch die übrigen haben
eine geringe Abweichung nach Norden, so gering freilich, etwa
7 bis 8 Grad, dass sie ohne Visiren und Messen nicht leicht wahr-
nehmbar ist; und wir dürfen annehmen, dass in der südlichen
Hälfte, wo sie nicht erhalten sind, eine entsprechende Abweichung
nach Süden stattfand. Aber es bleibt doch bestehen, dass sie bei
weitem nicht diejenige radiale Richtung haben, die man nach der
Form des Baues erwarten müsste, vielmehr, auch unter einander
wenig abweichend, sich in auffallender Weise der Axenrichtung
des Baues nähern. Ist es vielleicht ein Uebergang von der ra-
dialen Anordnung der Treppen zu einer parallelen Anordnung im
Anschluss an die grosse Platform des Quaderbaues? Mir scheint
dies nicht undenkbar, wenn ja gleich ein solcher Uebergang nicht
notwendig gewesen wäre.
Zu demselben Resultat führt noch eine andere Erwägung
Wenn, als diese Steine gelegt wurden, das Hemicyclium für sich
bestand, so konnte doch dieser Travertinfussboden ostwärts nicht
weiter reichen als höchstens bis senkrecht über der Aussenfläche
der Marmorfront. Nun ist aber diese Linie von dem Ostrand der
jetzt liegenden Platten in der Mitte der Rundung nicht mehr
als 0,ö0, am Nordende gar nur 0,40 entfernt (vgl. Nichols S. 38) :
also breiter konnte die fehlende Plattenreihe nicht sein, während
die vorhandene circa 1,10 misst. Es lässt sich wohl nicht leug-
nen, dass dies Verhältniss etwas wunderlich wäre, und dass sich
eine viel wahrscheinlichere Anordnung denken lässt, wenn wir hier
den Uebergang zu einem sich auf die Platform des Quaderbaues
erstreckenden Fussboden vor uns haben. Noch mehr aber giebt
ROSTRA CAESARIS 265
zu denken, dass der von der Ostlinie der erhalteneu Steine gebildete
Bogen nicht dem der Fassade concentrisch, sondern, wie schon aus
obigen Angaben hervorgeht, flacher ist, im Anschluss an die Treppe.
Wenn die beiden Bogenlinien so nahe an einander verlaufen soll-
ten, wäre es doch mehr als auffallend, dass man sie nicht parallel
gemacht hätte; und da dies nicht geschehen ist, so ist die Ver-
mutung gestattet, . dass, als die innere Linie gelegt wurde, die
äussere nicht mehr vorhanden sondern unter der sich über den
Quaderbau fortsetzenden Platform verschwunden war oder eben
damals verschwand. Weiterhin ging dann die bogenförmige Anord-
nung in eine gradlinige über. Mir scheint dies recht wahrschein-
lich.
Nach allem Gesagten bleibt mir kaum ein Zweifel, dass
wir im Hemicyclium die Rostra Caesars vor uns haben ; und eine
sehr erwünschte Bestätigung wäre es, wenn, wie sich herauszu-
stellen scheint (Hülsen oben S. 36), auch die vorcaesarischen
Rostra die Form eines Kreissegments gehabt haben sollten. Ich
sage die Rostra Caesars, nicht ■ des Augustus ; denn ich halte es
für ganz unzulässig, das Zeugniss des Dio zu verwerfen. Es darf
uns nicht irre machen, wenn Dio gelegentlich unrichtige Angaben
über stadtrömisches hat. Denn wenigstens die von Hülsen S. 22
A. 2 aufgeführten Beispiele sind mit der Nachricht über die
Rostra nicht zu vergleichen : alles das konnte auf Missverständniss,
auf Benutzung einer unzuverlässigen Quelle beruhen. Dass aber
die Rednerbühne von Antonius dedicirt und sein Name in der In-
schrift genannt war: wie ist es denkbar, dass Cassius Dio Coc-
ceianus, Senator und zweimal Consul, der vorzügliche Historiker,
grade hier, über die gleich bei der Curie liegenden Rostra, falsch
unterrichtet gewesen sein sollte? Obige Nachricht setzt doch vor-
aus, dass die Inschrift des Antonius einmal vorhanden war; und
darüber konnten bei zeitgenössischen Schriftstellern, die doch Dio
sicher benutzt hat, garkeine Zweifel und widersprechenden An-
gaben aufkommen. Wenn sie 31 v., Chr. getilgt worden war, so
musste doch hinlängliche Kunde von ihr geblieben sein.
Und was steht denn diesem Zeugniss erster Güte gegenüber?
Die Nichterwähnung der von Antonius dedicirten Rostra bei Ci-
cero und die Bezeichnung als rostra Augusli bei Pomponius
Dig. I 2, 2, 43. Da glaube ich doch vor Allem mich an die alte
266 A. MAU, ROSTRA OAESARIS
und gute Regel historischer Kritik halten zu sollen, dass das argu-
mentum ex silentio dem ausdrücklichen Zeugniss, die gelegentliche
Erwähnung der Berichterstattung ex professo zu weichen hat.
Ueber Cicero's Schweigen mögen wir uns wundern; aber von da ist
es noch weit zur Verwerfung eines so guten Zeugnisses. Und Pom-
ponius: meint er denn wirklich diese Rostra? Mir scheint nicht
ausgeschlossen, dass er mit rostra Augusti die. von Augustus am
Tempel des Divus Julius erbauten meinte, und dass, zur Entlastung
der caesarischen Rostra, einige Statuen dorthin gebracht waren (l).
Hülsen scheint aus hodieque zu schliessen, dass diese Uebertragung
nicht stattgefunden habe. Aber dieser Schluss ist nicht notwendig :
es ist erlaubt hodieque nur auf extat zu beziehen : ■ sie ist noch
heute vorhanden, und zwar jön? rostris Augusti «. Hat er aber wirk-
lich die caesarischen Rostra gemeint, wem ist eher ein Irrtum
zuzutrauen, ihm oder Dio? Ich finde keinen Grund, daran zu zwei-
feln, dass das Hemicyclium die von Caesar erbaute, von Antonius
dedicirte Bühne ist, dass hier Antonius dem ermordeten Caesar die
Leichenrede hielt.
A. Mau.
(') Uebrigens ist Jordan I 2, 228 von Richter und Hülsen missverstanden
worden. Dass rostra Augusti nicht heissen kann « die vom regierenden
Kaiser wiederhergestellten Rostra ü, wusste Jordan so gut wie einer von uns.
Die ganze Anmerkung will ja zeigen, dass ausser den vorher angeführten sich
keine Erwähnung der rostra aedis Divi Juli findet. So versteht er unter r. A-
die u caesarischen», d. h. die von Caesar verlegten, und scheint zu meinen,
der « seltsame Ausdruck » sei dadurch veranlasst, dass durch eine Wiederher-
stellung Hadrians die allgemeine Aufmerksamkeit eben damals auf die r. aedis
D. Juli gerichtet und es deshalb nötig war, die alten R. von ihnen zu un-
terscheiden. Mir scheint dies freilich wenig überzeugend.
IL GIARDINO E L'ANTIQUARIO
DEL CARDINAL CESI
II cardinale Federico Cesi, creato da Paolo III nel 1544 e
morto nel 1565, fu un de' piü munifici che ricordino gli annali del
Sacro Collegio. Le sue immense ricchezze egli spese in costruzioni
e in opere d'arte, adoperandovi i piü illustri artefici del suo tempo,
e in raccogliere da ogni parte antichi marmi. Riedificö da' fonda-
menti, co' disegni di Giacomo Della Porta, la bella chiesa di S. Ca-
terina de' Funari, e l'annesso edificio a ricovero delle povere gio-
vani; fondö, su disegno di Michelangelo, la cappella tli S. Maria
della Pace, piccola ma splendidamente scolpita di figure e d'ornati ;
e un'altra, oggi de' Massimo duchi di Rignano, a S. Maria Mag-
giore, dove egli e sepolto in un monumento disegnato ed eseguito
da fra Guglielmo Della Porta (1).
Ma piü che per queste opere, il Cesi fu a' suoi giorni famoso
pel museo di marmi e d'oggetti antichi, ch'egli, innamorato del-
l'antichitä classica, raccoglieva amorosamente nel suo palazzo e
giardino. Questa raccolta, di cui l'Aldroandi ci ha lasciato il ca-
talogo nel suo libro delle Statue antiche (2) era senza paragone
(*) La seguente iscrizione si legge sul suo sepolcro : D. 0. M. \ Fede-
rico Caesio S. R. E. cardinali Portuensi | qui hoc sacellum et alterum in
aede divae | Mariae Pacis et templum divae Gatharinae I virginum misera-
bilium fundavit et dica\vit Angelus Caesius patruo opt. posuit \ Vixit
ann. LXIV mens. VI dies XXVII \ Obiit V Kai febr. MDLXV.
(2) Delle statue an\tiche che per tutta Roma in diversi | luoghi et case
si veggono \ di messer Ulisse Aldroandi (appresso alle antichitä di Roma di
Lucio Mauro) Venezia, Giordano Ziletti, 1556 (seconda edizione ivi 1558).
II testo fu compilato nel 1550: v. Michaelis Archäol. Zeitung (1876) p. 150
e seg.; H. L. Urlichs in questo Bullettino VI (1891) p. 250. Un inventario
dei marmi contenuti nel palazzo e nel giardino, compilato nel 1622, sitrova
neH'Archivio di Stato di Roma. V. Theodor Schreiber, Die* antiken Bild-
268 D. GNOLI
la piü ricca e preziosa che fosse in Roma; anzi puö dirsi ch'egli
per primo avesse il concetto d'un vero museo. Per questo titolo
lo magnificava, tra gli altri, Giano Vitale :
34 Tu legis eversae lacrymosa cadavera Romae
Et facis aeterno, posteritate frui.
Viva tibi Spirant romanae robora molis,
Imperiis quorum vix satis orbis erat.
Dispersa la raccolta del Cesi, si perdette quasi col tempo anclie
la memoria del luogo dov'egli aveva adunato tanti tesori, e co-
struito appositamente im Antiquario per contenerli. Quel luogo,
chiaramente indicato dalla pianla di Koma del Bufalini e da altre
posteriori, e stato bensi riconosciuto da alcuni dotti, fra i quali
Teodoro Schreiber (*), che ne fa cenno incidentalmente, ma rimase
generalmente sconosciuto, tantoche nella Porti ca di San Pietro del-
l'Adinolfi e nell' Indice della pianta del Bufalini riprodotta nel 1879,
il palazzo del card. Federico Cesi fu confiiso con quello del
card. Pierdonato Cesi in Borgo Vecchio. L'illustre archeologo Giam-
battista De Rossi, conoscitore d'ogni cosa romana, partecipö anch'egli
all'errore comune.
II palazzo del card. Federico era, ed e ancora, appunto lä dove
lo indica la pianta del Bufalini, P. Cesis, sotto il Gianicolo, presso
la porta Posterula, ora Cavalleggeri, nella via del S. Uffizio, al
n. 1. Oggi e ridotta a casa generalizia deH'Ordine degli Agosti-
niani. La fronte del palazzo fu tagliata e ricostruita in arco per
far luogo al colonnato del Bernini; ma quella che ora si vede e
in tutto modern a.
La pianta qui unita, corrispondente quasi in tutto allo stato
odierno, e im ingrandimento tratto dalla pianta di Roma del Nolli
(1748). Colla guida dell'Aldroandi ricerchiarao quel che resta di
quell'antica sede dell'arte.
werke der Villa Ludovisi in Rom. Leipzig, 1880, pag. 7. Una traduzione
francese del libro dell'Aldovrandi fu teste pubblicata dal eh. S. Reinach L% Al-
bum de Pierre Jacques, Parigi 1901, p. 23-92): ivi nelle note a p. 25-30 sono
identificate, per quanto e possibile, le opere d'arte della collezione Cesi.
(1) Schreflber, loc. cit.
IL GIARDINO E L ANTIQUARIO DEL CARDINAL CESI
269
L'Aldroandi, che descrive il giardino dall'interno, dice: i Dal-
l'altra parte di questo portone e una bella maschera di marmo
bianco, antica e grande ■ (p. 33). II portone del giardino, a bu-
gnato di stucco, si vede ancora intatto, a lianco del palazzo colla
sua maschera di marmo bianco nell'alto.
/ Portd?ie.
Z. Cortile
2>. Jngretjff alaiardi??(r
A Fo7?tcuzct-
6- Antiau&rio
8. Cesiacolcr
Fig. 1.
Per l'ingresso del palazzo s'entra in un cortile (l'Aldroandi
dice cortiglio) a guisa di chiostro, cinto da doppio ordine di por-
tici sorretti da que' pilastri ottangolari che vediamo usati nella
massima parte degli edifici romani della seconda metä del Quattro-
cento. Gli archi sono stati chiusi di recente, e sopra essi, che do-
vevano terminale con una cornice a mensole, come nel giardino di
San Marco e nella facciata de' SS. Apostoli, e stato di recente
aggiunto un piano. II cortile, che doveva esser quadrato, oggi e
oblungo, poiche il lato piü prossimo alla strada dovette esser ta-
gliato e ricostruito piü addentro, quando si fecero i colonnati di
San Pietro.
E strano che di questo palazzo e del grande cortile, uno
senza dubbio dei piü notevoli di quell' etä, non faccia menzione
270 B. GNOLI
l'Albertini, nel capitolo « De domibus cardinalium • , ne altri dopo
di lui. Ne sapremmo chi facesse costruire questo palazzo, se non
ci fosse in alcuni capitelli scolpito lo stemma del fondatore. Esso
appartiene al cardinale Giovanni Antonio di San Giorgio, milanese
(e non piacentino come dice il Ciacconio), detto il cardinale Ales-
Fig. 2.
sandrino, creato da Alessandro VI nel 1493, e morto sotto Giulio II
nel 1511. L'Adinolti, nella Portica di San Pietro, pubblicö il
testamento col quäle il cardinale, nel 1505, lasciava al piü antico
di sua famiglia palatium cum vinea et stabulo et aliis pertinen-
tiis suis, quod edificavit idem testator in Burgo S. Petri de
Urbe* (J). II palazzo fu acquistato poi dal cardinal Paolo Cesi,
creato nel 1517, cioe sei anni dopo la morte del San Giorgio; e
da esso, morto nel 1537, passö al cardinal Federico suo fratello,
creato cardinale dopo soli sette anni dalla morte di lui, nel 1544.
Nel lato del cortile che, come abbiam veduto, e stato rifatto, si
(*) Adinolfi, La Portica di San Pietro, p. 280.
IL GIARDINO E l'aNTIQUARIO DEL CARDINAL CESI 271
vede scolpito, ne' capitelli de' pilastri del secondo piano, lo stemma
de' Cesi.
In questo cortile, oltre a raolte epigrati e frammenti, erano
sotto i portici tre statue. Quella di mezzo, creduta allora un'amaz-
zone, oggi giudicata una Giunone, passata al rnuseo Capitolino, era
■ stata da Michelangelo lodata per la piü bella cosa che sia in
tutta Roma ■ (p. 122). In mezzo al cortile era una maschera grande
di porfido per ricevere le acque.
Pel lato destro del portico si entra nel giardino, che nella
sua parte piana e inferiore, era diviso in quattro quadri (AI. p. 123)
ornati di 22 termini antichi e d'un gran numero di statue; altre
erano situate lungo il muro a destra, dove ora sta sorgendo una
nuova fabbrica. Lungo lo stesso muro, a capo del viale, era una
fontana, in cui le acque cadevano da una lumaca di marmo : « e
poco sopra questa lumaca (cosi l'Aldroandi) e un putto con
una urna in collo in atto di versare giü acqua » (p. 125). II livello
del giardino e sollevato, forse per terra trasportatavi quando si fece li
colonnato del Bernini. La fontana colla lumaca non esiste piü ; ma
nell'angolo, in un cavo che tocca l'antico livello del giardino, c' e
ancora il putto coli' urna in collo, che versa acqua entro una tazza
di granito.
Era qui presso una loggetta copertacon varie sculture di
cui non si vede piü traccia. « Nel frontispizio del giardino, al di-
ritto della prima porta onde vi s' entra » (AI. p. 126) e una grotta
oggi in parte interrata, scavata nel torrione che fiancheggia la porta
Cavalleggeri, e in fondo ad essa sono tre nicchie vuote, che con-
tenevano, quella di mezzo, la Roma trionfante, e le due laterali,
i re barbari di marmo bigio, che si vedono riprodotte ne' disegni
dell' Hemskerck, e nella stampa del Lafreri. demente XI, nel 1720,
acquistö il gruppo delle tre statue, che collocö in Campidoglio nel
cortile del palazzo de' Conservatori, sotto un portico appositamente
costrtüto, dove anche oggi si vedono.
Voltando pel lato del giardino parallelo al palazzo, s'incon-
travano le statue delle Parche, poi due sfingi di marmo bigio, e
finalmente, di fronte al portone d' ingresso del giardino, sorgeva e
sorge ancora sulla falda del colle, Y Antiquario.
E questo un edificio in forma di croce greca, formante una
sala coperta nel mezzo da una cupola piana, ed eretta apposita-
272
D. GNOLI
mente per collocarvi gli antichi rnarmi. Ricordo d'averlo visitato
molti anni fa, quando il palazzo e il giardino erano occupati dalla
Stamperia Reale ; e allora era aperto il grande arco d'ingresso, ne
c' era ancora quella baracca addossatavi dai frati quando l'Anti-
quario e sta^to ridotto a cantina. Era il prospetto tutto ornato di
stucchi, di cui rimangono poche traccie. Que' due busti che sono
Fig. 3.
rimasti al loro posto, in cattivo stato, e di cui le parti mancanti
sono rifatte di stucco, rappresentano, secondo l'Aldroandi, l'impe-
ratore Ottone, e Poppea sua moglie. Sul rnezzo dell' arco era un
busto di Giove, di porfido, e sopra al. frontispizio, cinque statue
femminili vestite.
L' interno della sala, in cui s'aprono nicchie di varia forma e
grandezza per accogliervi statue e busti, e notevole per le traccie
di ricca policromia che rivestiva le pareti e 1' interno delle nic-
chie. ■ Ha l'Antiquario, scriveva l'Aldroandi, un bei cielo moderno
di stucchi con varie e belle figure » (p. 131); e si conserva ancora,
ma assai guasto dalle pioggie che han penetrato nella volta. In
mezzo all'arco di fronte e dipinto uno sternma sorretto da due an-
IL GIARDINO E L'aNTIQUARIO DEL CARDINAL CESI 273
geli e sormontato dal triregno, probabilmente quello di Paolo III,
e in mezzo all'arco di destra e uno stemma cardinalizio, anch'esso
Fig. 4.
non piü ricoaoscibile. Negli altri due archi e affatto caduto l'in-
tonaco. II nicchio e il muro d'uua capelletta in cui era collocato
19
274 D. GNOLI
un satiro che insegna a suonar la zampogna a im garzone, passato
poi nella villa Ludovisi, erano incrostati di marmo. Seguendo l'Al-
droandi, si possono rimettere a posto nelle nicchie vuote le statue e
i busti ; tre de' quali, nelle grandi nicchie sotto gli archi delle
volte, sono ancora al loro luogo. Ma non sono che frammenti di
busti decorativi, che erano integrati e quasi rifatti di stucco.
Questa bella sede, questo tempio cosi riccamente decorato,
eretto dal card. Cesi ai tesori dell'arte antica, anche nello stato
miserabile in cui oggi e ridötto, ha un insigne valore storico, poiche
e forse il primo edificio che sia stato costruito unicamente a scopo
di rauseo.
Uscendo dall'Antiquario, si sale a destra fuori del recinto del
giardino inferiore ; ed ivi si vede ancora, ridotta a rudere, la c a p-
pelletta, cioe un nicchione fra due mezze colonne, dov'era la
statua creduta d' Eliogabalo ; epoi ilcenacolo in forma quasi
di mezzo cerchio, dove erano infisse al muro le iscrizioni rela-
tive all'antica famiglia Caesia, dalla quäle i Cesi pretendevano di
discendere: iscrizioni oggi disperse in vari musei (1).
Ancora una porta di passaggio dal giardino inferiore al supe-
riore, di cui non restano che ruderi, ornata un tempo di due leoni
di granito rosso e di una statua di Pomona ; e finalmente si torna
0) [Le iscrizioni relative alla famiglia Cesi, che stavano presso la u cap-
pelletta » sono annoverate nel codice di Stockholma di Giangiacomo Boissard,
f. 38. 38'. Ivi sono copiate:
'prope fontem ad dextram ' t • caesivs • priscillae • l • hermes, CIL. VI,
13979 ; ora nella Gall. lapidaria.
' aßxa parieti supra mensa lapidea"1 cn • caesio zosimo, CIL. 13998; ora
perduta.
' super capite Bacchi porphyritici (questa maschera di porfido passö poi
alla Villa Ludovisi: Schreiber p. 72, n. 46). e regione mensae' d • m -
Caesiae daphnidianae, CIL. 14005 ; ora nel pal. Cavaceppi ad Albano.
' in muro mensae vicino ' d • m • m • caesio epafrodito, CIL. 13973, ora
nella Gall. lapidaria.
ibidem caesoniae • m • f -prima, CIL. 14019; ora perduta.
Oltracciö si trovavano nella raccolta Cesi anche le iscrizioni della gente Caesia
CIL. VI, 13982 (ora perduta), 13983 (ora nel mus. Capitolino), 13989 (ora
perduta), 13992 (ora perduta), 14018 (ora perduta). Ch. H].
IL GIARDINO E L ANTIQUARIO DEL CARDINAL CESI
275
aH'interno del portone di cui sulla strada abbiam veduto l'esterno.
i Passando oltre, si vede una testa di Giove col petto vestito,
posta sopra im gran portone di stucco che e all'injontro dell'An-
tiquario del quäle s' e ragionato ■ (A. p. 133). Questo portone col
suo busto, e interamente conservato, anche nel lato interno, nella
sua forma primitiva.
Fig. 5.
Passa poi l'Aldroandi a numerare e descrivere gli oggetti]di
marmo e di bronzo che si conservavano nell' interno del palazzo ; ma
noi non lo seguiremo, poiche di questi non c' e piü traccia.
L'Aldroandi, commosso a tante meraviglie, esclamava: ■ Tutte
le statue antiche che in questa casa e giardino sono, sono bellis-
sime e rare; perche il gentilissimo spirito del Beverendissimo di
Cesis, innamorato forte delle cose antiche, senza perdonare a spesa
alcuna, ha sempre da varii luoghi havute e raccolte le piü belle
276 D. GNOLI, IL GIARDINO E L'aNTIQUARIO DEL CARDINAL CESl
cose che ritrovate si sieno, per ornar poi, come ha fatto, questo
suo cosi bei palagio e giardino ; ne' quali luoghi chi entra, resta
attonito e pieno di meraviglia e di piacere. e gli pare d' entrar in
paradiso * (p. 136).
Oggi quel paradiso non e che devastazione e squallore. La
collezione andö dispersa, ma la maggior parte dei marmi passarono
alla collezione del card. Ludovisi, oggi al museo delle Terme Dio-
cleziane, e parte al museo Capitolino. Un breve papale di Gre-
gorioXV, Ludovisi, autorizzava, nel 1622, il duca Giovanni Fede-
rico Cesi a cedere in* dono al card. Ludovisi, i marmi conservati
nel palazzo, nel giardino e neli'Antiquario del card. Cesi, descritti
in apposito foglio ; e lo Schreiber enumera quelli che fanno ancora
parte della raccolta Ludovisi (l). Un secolo appresso, nel 1720, il
papa demente XI comprava quel che era rimasto delle sculture,
e le trasportava al museo Capitolino. II Michaelis ricercö i marmi
di questo museo provenienti dalla collezione Cesi (2). Pochi e mi-
seri avanzi, come abbiam veduto, sono rimasti sul luogo: la ma-
schera e il busto di Giove a' due lati del portone, il putto della
fontana, e ilaceri busti posti in alto sul prospetto e neirinterno
dell'Antiquario. Erano marmi decorativi e di poco valore, ne si
volle guastare il portone e la fontana, ne parve che valesse la
pena di tirar giu dall'alto que' busti frammentari e malconci del-
FAntiquario.
Ma il luogo silenzioso e solenne, dominato da' colonnati e
dalla grande cupola vaticana, e pieno di memoria ; e l'edifizio del-
d'Antiquario, ridotto oggi a cantina, merita un posto notevole
nella storia delle collezioni e de' musei.
D. Gnoli.
(•) Op. cit., p. 7-8.
(2) A. Michaelis, Storia della collezione capitolina di antichitä, fino
alVinaugurazione del museo (1734); in questo Bullettino vol. VI, an. 1891,
p. 56.
DER RECHTE ARM DES LAOKOON
(mit Taf. VIII).
Die Frage der Ergänzung des rechten Armes des Laokoon
ist so alt wie der Fund der Gruppe selbst. Das grossartige Bild-
werk erregte im höchsten Grade die Bewunderung der Zeitgenossen
des Fundes. Der Wunsch, es wieder intakt zu sehen, war begreif-
lich. Die Scheu unserer Zeit, die Antiken nicht zu berühren, eine
Scheu, die in unseren Tage vielleicht zu weit geht, kannte die formen-
freudige Renaissance nicht. Merkwürdigerweise war es aber nicht ein
Bildhauer, sondern ein Maler, der zuerst das ungefähr Richtige fand.
Tizian hat in seinem von Boldrini in Holz geschnittenen Affenlao-
koon (*), der beissenden geistreichen Satire auf Bandinelli, den
eingebildeten Autor der grossen, noch jetzt in der Uffizien aufbe-
wahrten Copie der Gruppe (2), dem Arme des Affenvaters eine
Haltung gegeben, die so ziemlich das Richtige traf. Die Lehre
blieb aber unbeherzigt. Der grosse, im Gabinetto del Laocoonte
liegende abozzirte dem Giovanni Montorsoli zugeschriebene Arm (3)
ist total verfehlt und so ging es mit allen anderen Ergänzungen,
den nicht genau bekannten, wahrscheinlich Pariser (4) Autor der
Stuckergänzung, die man noch heute am Original sieht, mit inbe-
griffen.
Zweifel an der Richtigkeit dieser Ergänzung hat, soviel ich
sehe, zum erstenmale, als die Gruppe noch in Paris war, Ch. Petit
Radel schriftlich niedergelegt (5). Seiner Meinung, dass der rechte
Arm gegen den Kopf hin gebogen sein müsse, fügt er irrig hinzu
(*) Ed. Fuchs, die Karikatur der europäischen Völker 2. Aufl. Tafel zu
S. 41. Vgl. auch Sittl, Empirische Studien über die Laokoongruppe S. 26.
(f) Venturi in Archivio storico deWarte II, p. 111.
(3) Skizzirt bei Sittl 1. c. Taf. III Fig. 4 S. 15.
(*) Sittl, 1. c. S. 20.
(5) Monuments antiques du Musee Napoleon 1804 p. 137.
278 L. POLLAK.
, sans cependant la toucher '. Der Erste, der theoretisch das Rich-
tige fand, scheint C. Prien (*) gewesen zu sein, der die abgebro-
chenen Locken am Kopfe dadurch erklärte, dass hier eben die rechte
Hand oder eine sie verbindende Stütze aufsass, die beim Bruche
mit abbrach. Das ist seither allgemein angenommen und Priens Ke-
construction öfters (2) reproducirt worden. Es trifft sich nun zur
Vierhundertjahrfeier gut, dass mir ein neuer Fund es ermöglicht,
diese Frage wohl endgültig ihrer Lösung zuzuführen. Den Arm, den
Tafel VIII in zwei Ansichten, von vorn und rückwärts, zeigt, fand
ich bei einem kleinen römischen scalpellino unter allerlei alten
Marmorfragmenten. Diese Leute kaufen gewöhnlich solche Frag-
mente an um sie dann zu verarbeiten. Der Arm war ihm als eben
gefunden von der ' via Labicana ' ohne nähere Provenienzangabe
zugetragen worden. Gleich sah ich, dass es der rechte Arm eines
Laokoon sei und erwarb ihn um ihn vor dem sicheren Untergange
zu retten. Der Arm ist aus grobkörnigem parischem Marmor; der
Oberarm misst, soweit er erhalten ist, 42 cm., der Unterarm bis zur
Handwurzel — die Hand selbst fehlt-31.5 cm. In antiker Zeit war
der Arm schon einmal an zwei Stellen gebrochen gewesen und wieder
angesetzt worden. Beim Bruche wurde die Schlange mitbeschädigt,
doch kann man noch sehr gut an den verletzten Stellen ihre Windungen
verfolgen. Der Schlangenleib zeigt jene auffallende glatte Oberfläche,
wie sie die Gruppe sehen lässt. Wahrscheinlich waren auch hier
die Schuppen durch Farbe wiedergegeben. Am äusseren Theile des
Unterarms bemerkt man die ovale, 16 cm. lange und 9 cm. hohe
ein wenig rauh gelassene Ansatzstelle eines angekittet gewesenen
4 tassello ■', der seither, wie man so oft bei Antiken constatirt, mit
der Zeit sich loslösend verloren ging. Kleinere Abschürfungen an
der Epidermis sind hauptsächlich an der 'Innenseite des Armes be-
merkbar. Am Oberarme ebenfalls an der Innenseite sind drei Hiebe
zu sehen, die nur von der spitzen Hacke herrühren können, welche
ihn beim Graben fand. /
Die Differenz des Marmors — die Gruppe ist aus ' grechetto \
der Arm aus parischem Marmor — schliesst schon von vornherein
(') Ueber die Laokoongruppe, ein Werk der rhodischen Schule S. 7.
(2) Overbeck Plastik4 II S. 313; Blümner Lessings Laokoon Taf. I.
DER RECHTE ARM DES LA.OKOON. 279
eine Zugehörigkeit zum vaticanischen Originale aus. Dazu kommt
noch der Unterschied der Arbeit. Von jenem wunderbaren von
allen Zeiten angestaunten Eingehen in die feinsten Subtilitäten
der Formen zeigt unser Arm nur wenig. Er ist eine summarische
Arbeit, die sich damit begnügte, die grossen Züge festzulegen.
Hingegen würde die Differenz in den Maassen dieses rechten Ober-
armes und des erhaltenen linken, der 1.5 cm. länger ist, bei den
thatsächlich bestehenden und schon öfters constatirten Maassunter-
schieden verschiedener Theile der Gruppe keine Rolle spielen, Un-
terschiede, die wir bei der ausserordentlichen Leistung der Künstler
nicht einem Mangel an Können zuschreiben dürfen, sondern die
ihre Erklärung in der uns nicht mehr bekannten Originalaufstel-
lung in Rhodos rinden.
Wir müssen also besonders nach den zwei ersten eben hervor-
gehobenen Punkten unseren Arm als den Rest einer leider bis auf
ihn verloren gegangenen antiken Copie ansehen (*), die den Maassen
nach ungefähr ein Neuntel kleiner war als das Original. Auch an
diesem muss der nun fehlende rechte Arm schon einmal in an-
tiker Zeit gebrochen, angesetzt und dann wieder endgiltig verloren
gegangen sein. Der Arm brach wahrscheinlich ab, als die Gruppe
von ihren Postamente in Rhodos weggenommen wurde und die
Reise nach Rom machte (*). Der Arm war mit einem Bronzestifte
(*) Andere Copien der Gruppe (vgl. auch das sicher antike, von mir
publizierte Köpfchen Mitth. 1898 S. 146 Taf. VI) sind verschiedentlich ver-
muthet worden. So sollte eine colossale Copie unter den Fundamenten von
S. Pudenziana sich befinden, vgl. Tschudi in Arch. epigr. Mitth 1882 p. 69 ss.
(das Excerpt stammt, worauf mich Hülsen aufmerksam macht, wörtlich aus
dem Buche, Memoria fatta dal Sgr. Gaspare Celio, delVhabito di Cristo,
delli nomi delli artefici delle Pitture che sono in alcune chiese, facclate e
palazzi di Roma, Napoli 1 638). Auf Grund dieser sehr confusen und vagen
Nachricht wurden in jüngster Zeit an Ort und Stelle Ausgrabungen veran-
staltet, die kein Resultat ergaben. Vgl. auch Montfaucon, Diarium italicum
Cap. IX p. 136 über angebliche Laokoonfragmente beim Spital S. Giovanni,
welche Flaminio Vacca gesehen haben wollte. Andere freie, mehr oder we-
niger problematische Copien: Fragmente in Agram, J. Brunsmid, Vjesnik 1905
p. 47 ss. n. 87; Terracotta in Taormina Kekule, Terr. von Sicilien Fig. 81
S. 39; in Tarsos Förster Jahrbuch 1891 S. 188.
(2) Worauf sich die von Hiller von Gaertringen (vgl. Arch. Anzeiger 1905
S. 119) ausgesprochene Vermuthung, dass, die Laokoongruppe vielleicht in
Italien hergestellt worden sei, stützt, ist unklar. Die in Italien gefundenen
280
L. POI.LAK
angesetzt gewesen. Der Beweis dafür ist ein. soviel ich sehe, bisher
nicht beachteter grosser rothb raungoldiger Fleck auf der rechten
Fig. 1.
Schulter des Laokoon, der nur dadurch hervorgebracht sein kann,
Inschriften rhodischer Meister sind doch wohl nur antike Copien und selbst
wenn sie Originale wären, bewiese das auch nichts. Die Römer nahmen dann
eben Originale und ihre Inschriften.
DER RKCHTE ARM DES LAOKOON. 281
dass der Bronzestift durch Jahrhunderte im Marmor steckend sich
selbst und den Marmor zersetzte.
Wertvoll bleibt nun der Arm der Copie, weil er uns in den
Stand setzt, den Originalarm zu reconstruiren. Ich Hess desshalb
auf Grundlage eines Abgusses des Armes und einer Aufnahme des
Rückens des Laokoon (diese nach dem Gipse im Lateran) und mit
Zuhilfenahme eines lebenden Modells die auf S. 280. 282 reproducirten
anspruchslosen Zeichnungen durch den Zeichner Herrn Ernst Sopp
herstellen. Es ergibt sich, dass der Schlangenleib vom Rücken her
herübergreifend den Beginn des Deltamuskels umspannt, dann den
Unterarm ganz umschlingend nach hinten sich biegt und wieder
hervorkommend hierauf die Handwurzel fest umschnürt. Wie dann
das Ende des Schlangenschwanzes verlief, lässt sich mit Sicherheit
nicht mehr feststellen, da die Hand fehlt. Am vaticanischen Origi-
nale endet die ergänzte Spitze des Schwanzes ungefähr in der Mitte
des Rückens rechts aufsitzend, doch ist dies eine ganz willkürliche
Annahme, da am ganzen Rücken kein einziger Bruch oder eine An-
satzstelle zu constatiren ist.
Wahrscheinlich befand sich das Ende der Schlange dicht bei
der Hand oder, was noch wahrscheinlicher und in der Zeichnung
angenommen ist, die Hand selbst hatte das Ende festgepackt.
Abzuweisen ist hingegen die von Prien auf seiner Tafel angenom-
mene und nach ihm von Overbeck u. a. wiederholte Ergänzung
des rechten Armes des jüngeren dem Tode verfallenen Sohnes.
Es ist unmöglich, dass dieser rechte Arm parallel zu dem des
Vaters verlief. Das hätte eine unschöne langweilige, für einen
griechischen Meissel unmögliche Linie ergeben. Vielleicht war
dieser r. Arm ein wenig nach innen gebogen, wie ihn unsere
Zeichnung annahmsweise zeigt.
Wie sehr die Gruppe durch den nunmehr pyramidenförmigen
Aufbau gewinnt, ist ohne weiteres klar. Der Stuckarm wirkte wie
ein declamatorisches Ausrufungszeichen von hohlem falschem Pa-
thos. Durch das Zurückführen des Armes zum Kopfe hat die
Gruppe an Einfachheit und Geschlossenheit, der Ausdruck des
Leidens an innerer Intensität entschieden sehr gewonnen.
Ein glücklicher Zufall hat es also genau vier Jahrhunderte nach
dem Funde ermöglicht, die Gruppe in einem Hauptpunkte richtig
zu reconstruiren. Möchte nun die Leitung des Vaticanischen Mu-
282
L. POLLAK, DER RECHTE ARM DES LAOKOON.
seums, dein ich den Arm als kleines d&Qov darbrachte, ihrerseits
das Jubilaeum dadurch feiern, dass sie das opus omnibus et pictu-
Fig.2 .
rae et statuariae praeferendum von jener hässlichen falschen
Stuckergänzung befreit und an ihre Stelle eine richtige auf Grund
des gefundenen Armes setzt.
Ludwig Pollak.
INSCHRIFT DES LOLLIANÜS MAVORTIUS.
Im sechzehnten Jahrhundert wurde auf dem Aventin bei der
Kirche S. Alessio die folgende Inschrift gefunden:
[comiti OrQentis v(ice) s(acra) iudicanti, procons(uli) |
pro(vinciae) Africae et v(ice) s(acra) iudicanti, praef(ecto)
urbis ei v(ice) s(acra) iudicanti, ite\rum comiti ord{inis)
primi intra pa\latium, praef(ecto) praet(orio), consuli or-
d{inario), \ Placidus Severus v(ir) c(larissimus) filius patri
religioso \ et Antonio, Marcianilla c(larissima) f(emina)
nurus | socero sanctissimo.
Der Stein befindet sich jetzt im Capitolinischen Museum; nur
die erste Zeile ist zerstört, aber durch glaubwürdige Zeugen über-
liefert. Dessau 1232 = CIL. VI 1757.
Nach dem ersten Namen des Sohnes, der gemeinsam mit sei-
ner Frau das Denkmal gesetzt hat, glaubte Rossi es dem M. Mae-
cius Memmius Furius Baburius Caecilianus Placidus, Consuln des
J. 343, zuschreiben zu müssen. Da man aber zu jener Zeit die
Kinder nicht nur nach dem Vater, sondern auch nach der Mutter
oder nach Seitenverwandten und selbst nach Freunden des Hauses zu
benennen pflegte, sind Schlüsse aus dem Namen sehr unsicher. Und
der cursus honorum, der ein viel zuverlässigeres Kennzeichen bietet
und für jenen Placidus CIL. X 1700 erhalten ist, stimmt keines-
wegs mit demjenigen überein, welchen unsere Inschrift aufweist.
Dagegen passt dieser genau zu der Laufbahn, die wir aus anderen
Quellen für Q. Flavius Maesius Egnatius Lollianus Mavortius
nachweisen können, und das zwar nicht nur in den Aemtern
selbst, sondern auch in ihrer Zeitfolge. Derselbe war nämlich :
284 O. SEECK
comes Orientis unter Constantin dem Grossen, also noch
vor 337: Firm. Matern, math. I 1, 7; vgl. CIL. X 1695. 1696.
Eph. ep. VIII 365 = Dessau 1224.
proconsul Africae etwas später, aber auch noch vor dem Tode
Gonstantins: Firm. Matern. I 1, 8 und die schon angeführten In-
schriften.
praefectus urbis vom 1. April bis zum 5. Juli 342 : Mommsen,
Chronica minora I S. 68.
praefectus praetorio im J. 355: Cod. Theod. VI 29, 1. XI
30, 25. 36, 11. Ammian XVI 8,5. Nichts hindert die Annahme,
dass er diese Praefektur vor dem 1. Januar 355 angetreten habe,
dass sie also schon vor seinem Consulat begonnen sei, wie die
Reihenfolge unserer Inschrift schliessen lässt.
eonsul Ordinarius im J. 355 : Mommsen, Chronica minora III
S. 522.
Nun ist durch alte Abschriften von diesem Lpllianus Mavor-
tius ein Inschriftenfragment überliefert, das nach dem Zeugnis des
Ligorius gleichfalls bei S, Alessio, also ungefähr an demselben
Orte gefunden ist, wie unser Stein (CIL. VI 1723). Es endet mit
den Silben, Ori und dieser beginnt mit entis ; die Stücke schliessen
sich also ohne Lücke an einander an. Beide zusammen ergeben die
folgende beinahe vollständige Inschrift:
MAVORTII
FL ■ LOLLIANO • V . C ■ Q_- K • PRAET ■ VRB
CVRAT • ALVEI • TIBERIS • ET ■ OPERVM
MAXIMORVM • ET • AQ_VARVM • CONS
5 CAMP ■ COMITI • INTRA • ?ALatium ET
ulCE SA er a iudicanti c omiti ORI
ENTIS- V • S • . I V dTca NTI • PROCONS
PROV • AFRICAE • ET . V • S • IVDICANTI
PRAEF • VRBIS • ET V- S • IVDICANTI • ITE
10 RVM • COMITI • ORD • PRIMI • INTRA PA
LATIVM • PRAEF • PRAET • CONSVLI • ORD
PLACIDVSSEVERVS-VOFILIVSPATRI-RELIGIOSO
ET. ANTONI A- MA RCI ANILLA • C • F • NVRVS
SOCERO • SANCTISSIMO
INSCHRIFT DES LOLLIANUS MAVORTIUS 285
Das Amt eines curator aquarum bekleidete Lolliaims zufolge
der neuerdings auf dem Forum beim Lacus luturnae gefundenen
Inschrift Not. d. scavi 1901 p. 129 (vgl. Hülsen in Lehmanns Bei-
trägen zur AG. 2, 244 n. 29) in Jahre 328. Der Sohn Placidus
Severus hat als agens vices praefectorum praetorio dem Kaiser
Valens auf dem Forum eine Ehrenbasis gesetzt: Not. d. scavi 1899
p. 333, vgl. Hülsen a. a. 0. p. 245 n. 32. Diese ist nicht nur durch
den Kaisernamen, sondern auch dadurch zeitlich bestimmbar, dass
sie den Petronius Maximus als praefectus urbis Herum nennt.
Seine erste Stadtprä fectur hatte er in den Jahren 361-363 be-
kleidet (Seeck. Hermes XVIII S. 301); von der zweiten ist sonst
nichts bekannt, obgleich uns für die Regierung des Valens bis zum
Tode seine Bruders, d. h. bis zum 17. Novembei 375, die Reihe der
römischen Stadtpraefekten vollständig erhalten ist (Seeck, Hermes
XVIII S. 289 ff.). Maximus muss also jenes Amt zwischen diesem
Datum und dem 3. August 378, an dem Valens bei Adrianopel
fiel, bekleidet haben. Aus dieser Zeit sind folgende Stadtpraefekten
überliefert :
Furius Maecius Gracchus am 1. Dec. 376: Cod. Theod. II, 2.
Derselbe am 4. Jan. 377 : Cod. Theod. IX 35, 3.
Probianus am 17. Sept. 377: Cod. Theod. IX 2, 3.
Mithin bleiben für die zweite Praefektur des Maximus nur
die Zeiträume zwischen dem 17. November 375 und dem 1. De-
zember 376 oder zwischen dem 17. September 377 und dem 3.
August 378 übrig, womit auch der vicariatus Urbis des Placidus
Severus annähernd datiert ist.
Greifswald.
0. Seeck.
SITZUNGEN UND ERNENNUNGEN
15. Dezember 1905 zur Feier von Winckelmanns Geburtstag:
C. Ricci, La Porta Aurea dz Ravenna (s. Mitteilungen später). —
G. Koerte, Das Volumniergrab bei Perugia.
Koerte erläuterte auf grund von eingehenden im August 1905 an Ort
und Stelle gemachten Studien und neuen photographischen Aufnahmen das
Grab und die in demselben gefundenen Denkmäler (Urnen). Er führte aus,
das diese, bis auf eine auch im Material von den übrigen abweichende mit rö-
mischer Inschrift, gleichzeitig mit der Anlage des Grabes nach einer einheit-
lichen Idee ausgeführt sind und dass als Stifter der in der grössten und
schönsten Graburne in der Mitte beigesetzte Arnfr Velimnas Aules anzusehen
ist. Nach seinem Tode ist das Grab geschlossen und nicht wieder benutzt
worden, bis in augusteischer Zeit die Beste eines ganz latinisierten Nach-
kommen des Geschlechts dort beigesetzt wurden. Der Buchstabencharakter
der Inschriften, der Stil der Skulpturen, die Form der gefundenen und im
Relief abgebildeten Waffen (Schilde und Helme) weisen übereinstimmend
auf die Wende des vierten und dritten Jhdts. als Gründungszeit hin. Das
Grab selbst ist die getreue Nachbildung eines Hauses und zwar finden sich
die Bestandteile des römischen Hauses (Atrium, Tablinum usw.) wieder. Die
Ausbildung dieses Haustypus ist demnach in Etrurien im vierten Jhdt. erfolgt
und von dort nach Rom übertragen.
12. Januar 1906: B. Nogara, Intorno alla presunta Byblis delle
eroine di Tor Marancia. — R. Engelmann, Das Mosaik
Scalambrini. Dazu Koerte. — L. Pollak, Laocoonte (s. o.
S. 277-282).
Engelmann: über das Mosaik Scalambrini, welches gegen 1700 in der
Villa Cavalieri in Frascati aufgefunden, von Montfaucon (Ant. eocpl. Suppl. II
Taf. ^3) und von Guattani (Mem. enciclop. III Tf. 47) veröffentlicht war,
hatte der Vortragende in der Archäol. Zeitung XXXI (1874) S. 128 ff.s
Zweifel an der Echtheit aussprechen müssen. Diese verschwanden, als e
SITZUNGEN UND ERNENNUNGEN 287
ihm gelang, das Original bei dem Kunsthändler Scalambrini aufzufinden.
Leider ist das Mosaik seitdem verschwunden. Für die Deutung des figu-
renreichen Mosaiks wurde die euripideische Tragödie Erechtheus herange-
zogen, auch die Fragmente des Erechtheionfrieses, die von C. Robert auf den
Streit zwischen Erechtheus und Eumolpos bezogen sind, scheinen die Deu-
tung zu empfehlen.
26. Januar : Ch. Hüelsen, Die Curia auf den Münzen des
Augustus. — Th. Ashby, The four great Roman acqueducts.
Hüelsen : Ein zwischen 35 und 28 v. Chr. geschlagener Denar (Cohen 2
Auguste 122), den der Vortragende (Forum Romanum* 1905 Fig. 16) zwei-
felnd auf die Basilica Julia bezogen hatte, stellt vielmehr die von Augustus
vollendete Curia Julia dar. Die Vermutung war schon von Eckhel geäussert,
aber bei allen Neueren in Vergessenheit geraten : zur Evidenz erhoben wird sie
durch Vergleichung guter Abdrücke der Münze mit den erhaltenen Resten (s.
Hülsen Le Forum Romain, 1906, fig. 52 und 54). Durch das Münzbild wird
die Existenz einer Säulenhalle vor der Front (wie sie auch auf dem Relief
der Traiansschranken erscheint) bestätigt. Die Victoria auf dem Giebel, ohne
Zweifel eine Nachbildung des goldenen Bilds in der Curie selbst, trägt in der
1. einen Kranz, in der r. ein Tropäum. Sie entspricht demnach der Berliner
Glaspaste, welche Bulle (Roschers Lexikon III 354) als treuste Wiederholung
der Victoria in der Curie erkannt hat.
9. Februar : R. Delr/ujeck, Das Tabularium.
23. Februar: R. Engelmann, Verwandlungen. — K. F. Mueller,
Die Kyniatien an den Bauten der Kaiserzeit in Rom.
Engelmann: die Beobachtung, welche Wilpert für die Katakomben-
gemälde gemacht hat, gilt in gewissem Grade auch für die im 17. «nd 18.
Jhdt. genommenen Kopieen von antiken Gemälden. Die Zeichner haben viel-
fach zerstörte Teile willkürlich ergänzt, haben sich durch die von ihnen
angenommenen Deutungen (aus der römischen Geschichte regelmässig) ver-
leiten lassen, und haben bei der Uebertragung auf Kupfer fast regelmässig
links und rechts vertauscht. Dadurch ist man gezwungen, um die ursprüng-
liche Bedeutung der Bilder herauszufinden, an den Kopieen eine Anzahl von
Verwandlungen vorzunehmen: dies wurde an einer Anzahl von Bildern aus
Bartolis Publikationen und einem Codex des Gabinetto nazionale delle Stampe
(Palazzo Corsini) nachgewiesen.
9. März: R. Paribeni, Frumentarii e Germani corporis custo-
des. — Ch. Hüelsen, Tribunalia auf dem Forum Romanum. —
A. Mau, Die Rostra des Forum Romanum (s. o. S. 230-266).
288 SITZUNGKN UND ERNENNUNGEN
Zu ordentlichen Mitgliedern wurden ernannt die Herren
T. W. Heermance in Athen
G. Karo in Athen
E. v. Stern in Odessa
zu correspondiernden Mitgliedern die Herren
L. Correra in Neapel
A. D. Keramopoullos » Athen
L. Kjellberg » Upsala
W. Kolbe t] Rostock
B. Nogara " Rom
H. Thiersch " Freiburg i/B.
M. Tsakuroölü « Srnyrna.
Abgeschlossen am 27. März 1906.
JUDICIUM ORESTIS.
(Taf. IX. X).
Zu den bisher bekannten Wiederholungen jener Darstellung,
die den tief ergreifenden Wendepunkt im Schicksal des Orestes
schildert, den Augenblick, in dem Athena auf dem Areopag ihren
Stimmstein in die Urne legt, kann ich das Fragment einer Re-
liefdarstellung fügen, das sich im römischen Antiquarium befin-
det (1). Da seine Grundfläche leicht gerundet ist, muss das Relief
ein grosses Prachtgefäss oder ein Puteal geschmückt haben. Die
Arbeit ist nicht schlecht, aber weichlich und flüchtig, von der
Art, wie man sie an ■ neu-attischen ■ Sculpturen häufig findet.
Ist in dieser Beziehung das neue Fragment wenig wertvoll so
beweist es uns doch endgültig, dass die sitzende Gestalt ebenso
(*) Die Photographie, nach der unsere Abbildung (Fig. 1) hergestellt ist,
konnte ich mit gütiger Erlaubnis des Herrn Prof. Gatti aufnehmen lassen. H.
0,623 m.Br. 0,38 m. Grosskrystallinischer gelblicher Marmor. Die bisher bekannten
20
290 W. AMELUNG
wie die links vom Tische stehende (*) eine Erinys ist; in der links
von der Erinys stehenden Figur ist nach Vergleich mit den an-
deren Darstellungen trotz der Verstümmelung des Kopfes zwei-
fellos Athena zu erkennen ; ihre ganze linke Körperhälfte mit dem
Arm wird vom Mantel bedeckt, eine Einzelheit, die wir aus die-
ser Copie auch für das Original erschliessen können, das all die
anderen Copisten insofern « corrigiert » haben, dass die Hand in
ganz unmöglicher Weise aus dem Mantel, wie aus einem Aermel,
herauskommt. Auch der kurze Ueberschlag des Mantels auf dem
Silberbecher wird eine Zutat sein; er fehlt auf dem neuen
Fragment. Die Figuren sind auf diesem enger an und vor einan-
der gerückt als sonst, und man kann zweifeln, was das Ursprüngli-
che war (2) ; jedenfalls hat diese staffeiförmige Ordnung der Figuren
für unsern Geschmack den Vorzug, dass die Darstellung dadurch
an räumlicher Tiefe gewinnt. Dass der Jüngling rechts von der
Erinys, von dem hier nur zwei Gliedmassen erhalten sind, nicht
den Orestes darstellt, sollte meiner Meinung nach nicht bezwei-
felt werden ; Orest ist der abgewandt Stehende am rechten Ende ;
er wird auf der Original-Darstellung wohl einen etwas geistreiche-
Wiederholungen der Darstellung sind letzthin aufgezählt bei Baumeister,
Denkmäler des klass. Altertums II p. 1119 f. und Röscher, Mythol. Lexicon III
Sp. 989 ff. Vgl. ferner Robert, Die antiken Sarkophagreliefs II p. 172 ff. und
Furtwängler, Die antiken Gemmen Taf. L VIII 4 und 8. Der Corsini'sche Silber-
becher ist übrigens nicht, wie Michaelis in seiner Schrift über das Gefäss p. 1
angiebt, 1761, sondern schon zwei Jahre vorher gefunden worden ; unter der Ab-
bildung bei Paciaudi, Mon. pelopon. I p. 68 steht Ad Portum Antü inventum
anno 1759. Michaelis' Angabe ist nach dem Text p. 67 gemacht, dessen
Worte sich aber nur auf das Jahr beziehen, in dem er geschrieben, nicht
auf das, in dem er gedruckt ist.
Die Photographieen, die der neuen Publication des Corsinischen Bechers
zu Grunde liegen, konnten dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen des
Directors der Galleria Corsini, Herrn Prof. Hermanin, hergestellt werden.
Ihm sei auch an dieser Stelle besonders gedankt.
(*) Als solche gegen Michaelis' Zweifel verteidigt von Petersen, Ar-
chaeol. Zeitung 1862 p. 279.
(*) Die eigenartige Schleife im Rücken der sitzenden Erinys — sie wird
uns nachher beschäftigen — konnte der Toreut des Corsini'schen Bechers,
auch wenn sie auf dem Original nicht sichtbar wurde, nach dem Muster
der stehenden anfügen.
JUDICIUM ORESTIS
291
ren Gestus mit der Rechten gemacht haben, als auf dem Silber-
becher (*). Dass dieser übrigens den einen Becher des Zopyros
copiert, ist sehr wahrscheinlich, und jedenfalls giebt er uns das
Fig. 1.
vollständigste Bild der ursprünglichen Composition, gleichviel ob
dieser Zopyros, von dessen Zeit wir nichts wissen, erfunden oder
selbst schon copiert hat. Wir haben demnach auch keinen Grund —
(]) Wie viel ausdrucksvoller ist schon die Rechte der Erinys auf dem
Marmorfragment, so wenig auch sie gelungen ist.
292 W. AMELUNG
und die übrigen Copieen bestärken uns darin — anzunehmen, dass
dieser Teil der Composition ursprünglich figurenreicher gewesen
sei; sehr wohl. möglich ist es andrerseits, dass die Areopagiten,
die jener Toreut auf einem Pendant des genannten Bechers dar-
gestellt hatte, den teilnehmenden Chor eben der Abstimmung über
Orest in einer grossen Darstellung bildeten, nach der sie Zopyros
copierte. Ja, im Grunde ist dieser Schluss selbstverständlich : die
Trennung der beiden Compositions-Elemente konnte nicht das Ur-
sprüngliche sein.
Wenn wir uns der aeschyleischen Tragoedie erinnern, so muss
uns das Fehlen des Apollon auffallen; aber wir wissen ja, dass
es in Athen eine Ueberlieferung von dem Gericht über Orestes
gab, in der Apollon keine Bolle hatte, und nach der das Urteil
von dem längst tagenden Areopag gefällt wurde, dessen Einsetz-
ung erst der Tragiker mit jenem Gericht in Zusammenhang ge-
bracht hat (,).
Auch abgesehen von dem Fehlen des Apollon, will die erhal-
tene Darstellung zweifellos nicht eine Illustration der entsprechenden
Scene im aeschyleischen Drama sein. Die beiden Gestalten zwi-
schen Orest und Erinys - Jüngling und Jungfrau - kann man un-
möglich, wie Feuerbach (Vatic. Apollon, p. 368) wollte, als Ver-
treter des athenischen Volkes auffassen; sie stehen ebenbürtig
zwischen Göttern und Heros, und ihre Teilnahme ist viel zu in-
tensiv für derartig typische Eepräsentanten eines Volkes, dem an
dem Ausgang dieses Processes an sich wenig gelegen sein konnte.
Die späteren Erklärer haben in ihnen Pylades und Elektra er-
kennen wollen, im Grunde nur in Ermangelung einer besseren
Deutung und trotzdem keine Sage Schwester und Freund dem
Orest nach Athen folgen lässt. Noch ist er ja» allein, noch ab-
geschieden von allen Lieben, das Wild der Erinyen; und so hat
ihn auch der Künstler dargestellt. Für jene Beiden aber lässt sich
eine andere Deutung finden, die zum mindesten ebensoviel für
sich hat, wie die seither übliche. Wo ist der Ankläger? Sind
es die Erinyen? Dazu will die Stellung der einen am Tisch mit
der Urne wenig passen. Sie beaufsichtigt die Stimmabgabe wie
(*) Von Wilamowitz-Moellendorf, Einleitung zur Uebersetzung der Eu-
meniden p. 37 f.
JUDICIUM ORESTIS 293
ein Gerichtsdiener oder allenfalls der Vorsitzende des Gerichtshofes,
aber nicht wie eine der beiden streitenden Parteien. Eher könnte
man meinen, dass sich die sitzende Erinys durch ihre Haltung
als Klägerin verrate.
Aber kann diese Haltung wirklich Trauer über die verlorene
Sache bedeuten? Sie kann ja noch garnicht ahnen, wie die Ent-
scheidung ausfallen wird. Wilde, mühsam gezähmte Rachgier oder
gespannteste ängstliche Aufmerksamkeit würde man bei einer Erinys
,als Klägerin erwarten, und so schildert sie Aeschylus. Bedeutsam
aber bleibt die Abstimmung für die Erinyen in jedem Falle,
auch wenn sie nicht als Kläger beteiligt sind, und das bringt
denn auch die Haltung der Sitzenden — mehr aber nicht — zum
Ausdruck. Gespannteste Aufmerksamkeit beobachten wir dagegen
bei jenem Paar; und insofern wäre die Deutung auf Pylades und
Elektra wohl begründet, denn dass sie der Entscheidung mit höch-
ster Spannung harren würden, ist selbstverständlich. Selbstverständ-
lich wäre es aber auch bei den Klägern, und da es sich in jenem
Process nach der attischen Sage nicht mehr um den Muttermord
handelte, sondern um das vergossene Blut des Aegisth, müssten
wir in ihnen Nächstverwandte, am ehesten Kinder des Ermordeten
vermuten. Dass Aegisth mit Clytaemnestra Kinder gezeugt habe,
die von den Kindern des Agamemnon gehasst und verachtet wurden,
sagt uns Sophocles (El. 589) und nach ihm Euripides (El. 62
und 626). Namentlich kennen wir von ihnen den Aletes und die
Erigone, und diese tritt denn auch wirklich in der attischen Ver-
sion der Sage als Klägerin gegen Orestes auf, allerdings nur in
später Ueberlieferung und in Gesellschaft ihres Grossvaters Tyn-
dareos (Mann. Par. 25 ; Dict. Cret. VI 4 ; Etym. magn. AidoQa.
Das sind augenscheinlich auch ol ix Aaxedcciiiovoq iX$6vTsg
im Scholion zu Eur. Or. 1648; sie kamen aus dem Wohnsitz des
Tyndareos). Eine ebenfalls späte Ueberlieferung nennt den Oiax,
einen Vetter der Clytaemnestra, als Kläger (Ioann. Malal. Chron.
V171); auch der kann der Jüngling auf dem Becher nicht sein.
Wir müssten diesen Aletes nennen, obwohl keine Schrift uns da-
von erzählt, dass er neben seiner Schwester Klage geführt habe.
Aber den gleichen Mangel der Ueberlieferung kann man, wie ge-
sagt, auch gegen Pylades geltend machen. Zweifellos würde die
Darstellung an innerlichem, dramatischen Interesse gewinnen,
294 W. AMELUNG
wenn wir in jenem Paar die Kläger erkennen dürften; beson-
ders die Jungfrau musste auf den sagenkundingen antiken Be-
schauer ergreifend wirken; wusste er doch, dass Erigone aus
Schmerz über die Freisprechung des Orest sich selber den Tod
gegeben hatte.
Bleibt aber auch hier die Entscheidung und damit die Be-
ziehung auf die attische Sage unsicher, etwas Anderes weist mit
Entschiedenheit nach Athen : die Zweiheit der Erinyen. Eine ver-
einzelte, aber unanfechtbare Notiz des Phylarchos bezeugt uns,
dass der athenische Cult ursprünglich nur zwei Erinyen oder
Semnai kannte; wie spät man hier die Zweiheit zur Dreiheit er-
weitert habe, lehrt uns die Ueberlieferung, nach der noch Skopas
zwei Statuen der Erinyen gearbeitet und im athenischen Heilig-
tume " aufgestellt hat. Später, wir wissen nicht, wann, hat man
ihnen die eine Bildsäule des Kalos beigesellt (l).
Die beiden Erinyen sehen wir hier in einer eigenartigen
Kleidung, auf deren charakteristische Einzelheiten schon Michae-
(*) So deuten die Ueberlieferung in der einfachsten Weise Loeschcke
(Die Enneakrunosepisode bei Pausanias p. 25 f.) und Toepffer (Attische Ge-
nealogie p. 171 Arnn. 3). Die entgegengesetzte Ansicht vertritt Robert in der
neuen Auflage der griechischen Mythologie Preller's (p. 841 Anm. 3); er
will jener Ueberlieferung folgen, die als Künstler des dritten Bildes Kaia-
mis nennt, muss nun aber den vollkommen hypothetischen älteren Skopas zu
Hülfe rufen, da es in der Tat ganz unverständlich wäre, wie man dazu hätte
kommen sollen, zuerst nur ein Bild aufzustellen. Sicherlich ist es wahrschein-
licher, dass man im Lauf der Zeit statt des unbekannten Kalos den berühmten
Kaiamis eingesetzt habe, als umgekehrt. Es beweist nichts für den athenischen
Cult, wenn Euripides im Orestes, der in Argos spielt, von drei Eumeniden spre-
chen lässt (v. 408 und 1650), auch wenn an der zweiten Stelle vom Areopag die
Rede ist (vgl. Rohde, Psyche2 p. 295 Anm. 2); der Dichter wusste zweifellos,
dags die Eumeniden in Argos von Alters her zu dritt gedacht wurden. In der
taurischen Iphigenie (v. 968 ff.) nimmt er eine unbestimmte Anzahl an (baai
fiev — 8occi de). Auf den Sarkophagen wechselt die Zahl zwischen eins und
drei (Robert, Die antiken Sarkophagreliefs II Taf. LIV-LVIj: vor dem Grab
Agamemnons schläft eine; an derselben Stelle, d. h. auf der Vorderseite links
schlafen sonst drei ; im Hause, nach dem Mord der Mutter taucht einmal eine
auf, sonst erscheinen sie zu zweit, und rechts davon schläft wieder eine unter
dem Dreifuss ; doch kommen hier auch zwei vor. Auf den Nebenseiten, auch wo
das iudicium dargestellt ist, sehen wir stets nur eine Erinys. Aus all dem
lässt sich für keinen Cult etwas schliessen. Vgl. dagegen auch Usener, Göt-
ternamen p. 226 Anm. 18; ders., Dreiheit p. 327.
JUDICIUM ORESTIS 295
lis (p. 12 f.) aufmerksam gemacht hat. Die richtigen Schlüsse
konnte er damals noch nicht ziehen, weil das ursprüngliche We-
sen der Erinyen als Erdgottheiten noch nicht ergründet war. Den
Chiton, der nur etwa bis zu den Knöcheln reicht, treffen wir auch
sonst als Gewand jener Göttinnen ; ebenso die hohen Stiefel (1).
Aber die Fransen, die den Saum bei der Stehenden in der Mehr-
zahl der Wiederholungen zieren, wüsste ich sonst bei einer Erinys
nicht nachzuweisen, und vollends eine andere Besonderheit: die
merkwürdige Schleife, in die der gürtelartig umgewundene Man-
tel im Kücken gebunden ist (2); auch beachte man die kurzen
Aermel der Sitzenden auf dem neuen Fragment. All das findet
sich indes auf einem anderen Gebiete wieder, und auch diese Pa-
rallele weist uns, zwar nicht nach Athen, doch in seine nächste
Nähe : nach Eleusis. Die gleiche Tracht finden wir tatsächlich in
allen Einzelheiten bei dem Hierophanten der eleusinischen Myste-
rien, wie ihn uns die bekannten Terracotta-Keliefs (Fig. 2) und die
Marmorurne im Thermen-Museum darstellen (3) ; da sehen wir die
gleichen Stiefel, den gleich langen, unten mit Fransen besetzten
Chiton (4) mit den kurzen Aermeln, wie bei der sitzenden Eri-
nys, — zu ihm kommt beim Hierophanten als Untergewand noch
der yuQidwvbg %ird)v — und endlich den gürtelartig umgewun-
denen Mantel mit der gleichen Schleife im Rücken. Woher
(!) Robert, Die antiken Sarkophagreliefs II Taf. LV-LVI, p. 172 f.
p. 174 und 176.
(2) Es ist seltsam, dass beide Erinyen noch einen kurzen Mantel haben,
der beidemal um den linken Arm gewunden ist. Demnach kann nach der
Vorstellung des Künstlers das gürtelartig umgewundene Gewandstück nie
als Mantel haben dienen können, und wir müssen es so, wie er es darstellt,
zur unveränderlichen Tracht der Erinyen rechnen.
(3) Der Hinweis auf das neapeler Relief findet sich schon bei Michae-
lis p. 13. Ueber die ganze Gruppe von Monumenten vgl. zuletzt Pringsheim
Archaeologische Beiträge zur Geschichte des eleus. Kultes p. 9 ff. Dass es
sich in diesen Reliefs um unverfälschte Darstellung der eleusinischen Riten
handelt, wird Rizzo binnen Kurzem bei Gelegenheit der Publication eines
neu gefundenen Denkmals des gleichen Kreises gegen Pringsheim beweisen,
der die Entstehung der Composition in Alexandria annimmt.
(4) Die Fransen finden wir auch sonst in Eleusis und in Andania;
vgl. Pringsheim a. a. 0. p. 12. Sie wurden aus Aegypten eingeführt, das für
die Griechen die geheimnisvolle Heimat aller verborgenen Wissenschaft und
Offenbarungen war.
296
W. AMELUNG
diese Uebereinstimmung ? Man könnte an jene Ueberlieferung
bei Athenaeus (I p. 21 e) denken, nach der die eleusinischen
Hierophanten und Daduchen ihre Tracht nach dem Muster der
Fig. 2.
ßühnentracht gestaltet hätten, wie sie von Aeschylus geschaffen
war(!), vorausgesetzt dass der Künstler seine Erinyen in das Co-
stüm gekleidet habe, das sie in der aeschyleischen Trilogie trugen.
P) Vgl. zuletzt Pringsheim a. a. 0. p. 7, wo er mir in Anm. 2 einen
Nonsens schuld giebt, den ich nie behauptet habe (Pauly-Wissowa, Realency-
klopädie 111,2 Sp. 2212 f.).
JUDICIUM ORESTIS 297
Aber wir haben gesehen, dass das Kunstwerk nicht die Seene
des Dramas illustriert. Zudem wissen wir, dass Aeschylus seinen
Chor mit allen Schrecknissen der Erscheinung ausgestattet hatte,
während uns die schlichte menschliche Erscheinung der Erinyen
in dem Bildwerk die Worte des Pausanias ins Gedächtnis ruft,
der sich darüber wundert, dass die Bilder der Semnai in dem
athenischen Heiligtum nichts Entsetzliches hatten. Ausserdem wäre
immer noch zu erklären, wie es gekommen sei, dass sich die eleu-
sinischen Priester gerade die Tracht der Eumeniden zum Muster
genommen, die keineswegs typische Bühnentracht ist (1).
Eine andere Tradition hat eher den Anschein, als könnte sie
die Lösung bringen: aus mehreren Inschriften, die Koehler im
Hermes VI p. 106 publiciert hat, geht hervor, dass der eleusi-
nische Hierophantes in Athen Lectisternien für Pluton anzuordnen
hatte; da kein anderer Plutoncult für Athen bezeugt ist, als der
bei der Semnenschlucht unter dem Areopag, so Hess Koehler den
Hierophanten dort fungieren. Danach also wäre der Priester, in
dessen Tracht wir in unserer Darstellung die Erinyen sehen, in einem
jener Heiligtümer tätig gewesen, die äusserlich und innerlich mit
dem der Erinyen eng verbunden waren. Aber diese Tätigkeit war
doch nur vorübergehend ; sie allein kann zur Erklärung jener Ueber-
tragung sicherlich nicht hinreichen. Und doch ist sie wertvoll, da
sie uns in die gleiche Richtung weist; sie bestärkt uns in der
Annahme, dass jene Uebereinstimmung der Tracht ein äusserli-
ches Zeugnis für den innerlichen Zusammenhang des Erinyencul-
tes mit dem Cult der chthonischen Mächte und insbesondere der
eleusinischen Gottheiten ist..
Für die älteren Mythologen war es einzig das Bild des un-
gestüm dahinfahrenden dunklen Wetters, der in Blitz und Donner
sich entladenden Gewitterwolke, nach dem sich die Urväter der
Griechen ihre Vorstellung von den in wilder Hast jagenden, brül-
lenden, peitschenden, schlangenwerfenden Erinyen gebildet, und
(!) Die Hauptpersonen der Tragödien tragen stets den ganz langen
Chiton, wie es ja auch notwendig war, nur Nebenpersonen den kürzeren.
Fransen finden sich hie und da; aber die Darstellungen stammen alle aus
später Zeit, als die ursprünglich fremde Tracht dieses Besatzes auch im
gewöhnlichen Leben Mode geworden war. Nirgend sonst finden wir den Man-
tel mit der Schleife im Rücken.
298 W. AxMELUNG
wenn diese wilden Dämonen der Luft auch zur Unterwelt in Be-
ziehung traten, so erklärte man das durch die in der Wolke und
den unterirdischen Reichen gleichmässig herrschende Finsternis und
durch die Vermittelung der Begriffe des Todes und des Todbrin-
genden ('). Neuere tiefere Erkenntnis hat uns gelehrt, dass der
Ursprung jener eigenartigen Vorstellungen, die sich zum Bilde
der Erinyen gestalteten, vielmehr in der ehrfürchtigen Scheu vor
dem gewaltigen unerschöpflichen Schoss der Erde zu suchen ist,
aus dem alles Leben aufsteigt und in den es zurücksinkt, aus dem
Segen und Verderben wie aus einer Wurzel zum Lichte dringen (2).
Die Doppelseitigkeit ist den Erinyen von Anbeginn eigen, und
erst späte Zeiten, die diesen Urzusammenhang nicht mehr begrif-
fen, suchten ihn sich dadurch zu erklären, dass sie erzählten,
einmal sei die wilde dämonische Natur verwandelt und zum Seg-
nen gewöhnt worden.
Dass trotzdem auch jenes Bild der im Sturme jagenden Ge-
witterwolke mitgewirkt habe, der Vorstellung von den Erinyen die
Züge zu leihen, durch die sie sich von anderen verwandten Gott-
heiten unterscheiden, kann nicht geleugnet werden und ist auch
nicht geleugnet worden (3). Wir werden noch hören und sehen,
in welch nahen Beziehungen nicht nur diese Götter der Erden-
tiefe zu den sausenden, scheinbar ganz vom Boden gelösten Win-
den gedacht wurden.
Den tiefsten Einblick in das Wesen der Erinyen, wie sie we-
nigstens in Athen geglaubt und verehrt wurden, lässt uns jener
Schluss der aeschyleischen Tragoedie tun. Und was ist es nun
da, was sie dem athenischen Volke zuschwören als Entgelt für
den versprochenen Cult? Blühendes Gedeihen der Feldfrucht, der
Herden und des Menschensamens, Frieden im Jnnern und Kraft,
wenn ein Krieg Gegenwehr heischt ; dagegen wird gedroht mit Mis-
(*) So Rapp in dem Artikel Erinys bei Röscher, Mythologisches Lexi-
con II Sp. 1310 ff.
(*) All das ist ausgeführt und belegt bei Preller-Robert, Griechische
Mythologie I p. 834 ff., bei Usener, Götternamen p. 225 (vgl. auch von
demselben Dreiheit p. 327 und Dieterich, Mutter Erde p. 39 f.) und vor Allem
von Wilamowitz in seiner Einleitung zu der deutschen Uebersetzung der Eu-
meniden.
(3) Man lese in der genannten Einleitung von Wilamowitz p. 17-19.
JUDICIUM ORESTIS 299
4
wachs aller Art, Pest und Bürgerkrieg. Wie man darauf kam, das
Gedeihen der Früchte, Tiere und Menschen derartig zusammen-
zufassen, hat erst kürzlich Dieterich tiefer, als seither geschehen, in
seinem Buch von der Mutter Erde ergründet, von der grossen Mutter
alles Lebens. Dort hat er auch darauf hingewiesen, dass die Neben-
einander-Ordnung von Früchten und Menschen sich ebenso in dem
ersten Chor des König Oedipus findet, und es ist zweifellos bedeut-
sam, dass der Untergang der Felder und Geburten dort dem Gott
der Pest schuldgegeben wird und dass dieser Vernichter Ares heisst.
Ares wird auch in den Liedern der Eumeniden genannt, aber dort ist
er der Schirmer des Landes. Noch in einem andern Chorlied des
Aeschylus treffen wir auf den gleichen Vorstellungskreis, nur in
abweichender Gruppierung des Einzelnen: in dem Chorliede, mit
dem die Danaiden Segen auf Argos herabflehen zum Dank dafür,
dass es die Hilfe suchenden Fremden in seinen Schutz genommen.
Auch dort das Nebeneinander der Feldfrucht, der Herden und
des Menschengeschlechts; nie solle Seuche oder Krieg das Land
verheeren ; allezeit solle das Volk gesegnet sein durch eine streng
gesetzliche Herrschaft, allezeit der fromme Dienst der Götter
währen, getreu der Sitte der Väter:
to yixQ tsxovtwv Gäßccg
TQITOV TO(T €V ÜGGfiCoiC.
JCxag yäyqaTiTca, [isyiöTOTifiov.
Die Scholien verzeichnen dazu die drei Gesetze : tzq&tov &eovc,
Ssvrsoov vofxovg, tqCtov 6b toSs, tö rovg yovelg tifk&V. Dieselben
Satzungen hat Euripides in der Antiope ausgesprochen (Nauck 219):
Tqtig siciv ccqstccI, Tag %qsa)v & aöxslv, tsxvov,
Üeovg ts Tificcv, Tovg i€ (pvticcVTccg yovslg,
vo/iiovg TS xoivovg cEXkaSog.
Das klingt ganz, wie eine verallgemeinernde Fassung jener
Gesetze, die man dem Triptolemos zuschrieb : denn wenn jene über-
liefert werden: yovtlg Tijuav, dsovg xctQTioTg ccyaXXeiv, ^fya firj
GireaSat, ( [), so hat Preller (Demeter u. Persephone p. 892) schon
(*) Porphyrius, de a,bstinentia IV, 22; Böttiger, Archaeologie der Ma-
lerei I, p. 359 ; Welcker, Polygnotische Gemälde p. 67 ; Brunn, Nuove Me-
300 W. AMELUXG
bemerkt, dass sich in der Fassung des zweiten gegenüber der ein-
facheren (&€ovg tiiiav) zweifellos die spätere Tendenz gegen blu-
tige Opfer verrät.
Auch der Demeter selber wurden derartige Gesetze zugeschrie-
ben (Preller-Robert p. 782); das Scholion zu Theocrit. IV 25
spricht von heiligen Büchern oder Rollen der Demeter, die von
Frauen oder Jungfrauen in Procession nach Eleusis getragen
wurden.
Endlich ist mir noch eine Dichterstelle bekannt, in der jene
Vorstellungen in den gleichen Zusammenhang gebracht sind : die
Verse 225-247 in den Werken und Tagen des Hesiod. Dort heisst
es: wer Fremden und Einheimischen stets lauteres Recht gönne,
dessen Stadt und Volk werden blühen :
elQrjvt] f äva yrjv xovooTQO(pog, ovSe nox ccvxoig
aqyotXeov tvüXsixov TexficciQtTcci svQVorra Zeig '
ToXdi (fegst fiev yatcc noXvv ßiov
iUfcovaiv de yvvalxeg soixota rsxra Toxsvtfi'
Den Uebermütigen aber schafft Zeus grosses Leid:
Aifibv öfiov xal Xoifibv ' cc7io(p&ivv&ovGi, St laot,
ov$6 yvvcuxeg tixxovGiv.
Ueberall sehen wir die elementarsten Segnungen, die Glück
und Wohlsein der Menschen bedingen, oder ihre Gegensätze eng
aneinander gekettet. Nur aus der festen Verkettung dieser Vorstel-
lungen erklärt es sich, wenn im König Oedipus die Wirkung der
Pest sich auch im Versagen der Feldfrucht und dei Menschenge-
burten äussert, wenn bei Hesiod das ungerechte Regiment dazu führt,
dass die Weiber nicht mehr gebären und das Volk durch Hunger
— also auch die Feldfrucht bleibt aus — und Pest zu Grunde geht.
Zweifellos hat diese Verkettung ihren Grund darin, dass eben jene
Segnungen alle aus der gleichen Quelle herzuleiten sind, und nur
chthonische Mächte konnten es sein, denen man sie dankte. Meist
sind die Segnungen an gewisse elementare Forderungen menschli-
morie delV Ist. II, p. 386; Toepffer, Attische Genealogie, p. 140; Preller-Ro-
bert, Griech. Mythologie I, p. 783 Anm. 1.
JUDICIUM ORESTIS 301
eher Moral geknüpft. Aeschylus nennt uns als Gesetzgeberin Dike ;
erinnern wir uns, dass Dike bei Hesiod eine der Hören, der Göt-
tinnen des wechselnden Gedeihens, ist und dass ihre Schwestern
Eunomia und Eirene heissen : im Grunde haben wir auch hier wie-
der den gleichen geschlossenen Kreis von Vorstellungen, wie oben.
Wir sahen, dass jene Gesetze fast identisch waren mit denen des
Triptolemos, des Königssohnes von Eleusis, und dass man der De-
meter selber solche Satzungen zuschrieb. Das gewinnt jetzt, nach-
dem wir den Zusammenhang zwischen Erinyen und Eleusis, wenn
auch nur aus einem äusserlichen Kennzeichen, geschlossen haben,
besondere Bedeutung. Und vielleicht lässt sich dafür, dass auch
in Eleusis der ganze Kreis von Ideen, der uns hier beschäftigt,
gepflegt worden sei, noch ein Zeichen finden. Der Chor der Mysten
in den Fröschen des Aristophanes singt am Schluss seines Liedes
(v. 455 f.) :
[lovoig yceo f^itv r^Xiog xcel (ftyyog lAcc^ov ititiv,
oöoi fi€fivr)ii€&' sv-
aeßT] TS dirjyofisv
ßi'ov 7isgl tovg £avovg
xai Tovg IdicoTag.
Kohde sagt in der Psyche2 p. 299 Anm. 1 : das daoi [isfivrj-
[isdu stehe nur lose neben dem Folgenden. Aber der ganze Chor
besteht doch aus Mysten, und wie sollten diese dazu kommen, als
Grund dafür, dass sie im Tode das Himmelslicht genossen, ausser
der vollzogenen Einweihung gerade ihr frommes Verhalten gegen
Fremde und Einheimische zu nennen, wenn das nicht tatsächlich
eine Hauptbedingung gewesen wäre, zu der sie sich bei der Ein-
weihung verpflichtet hatten. Noch an einer anderen Stelle der
« Frösche » ist von dem Verhalten gegen Fremde die Rede (v. 146 ff.) :
wer Fremden Unrecht tat, liegt als Büsser im Schlamm neben
denen, die Vater oder Mutter mishandelt, und neben dem Mein-
eidigen. Aehnlich heisst es an einer andern Stelle der « Eumeniden»
(v. 269 ff.): büssen wird drunten, wer sich an einem Gott, an
Fremden oder den Eltern verging. Erinnert uns das an die Gesetze
der Dike und des Triptolemos, so zeigt es uns auch, wie hoch man
das fromme gerechte Verhalten gegen Fremde achtete. Und nun
erinnere man sich jener Verse des Hesiod und daran, dass in den
302 W. AMELUNG
Hiketiden des Aeschylus die bekannten Segnungen als Belohnung
dafür erfleht werden, dass Argos sich der Fremden hülfreich ange-
nommen. Mir scheint jener Schluss des Aristophanischen Liedes
allein zu beweisen, dass man sich in Eleusis nicht damit begnügt
habe, gewisse Stimmungen und Hoffnungen zu erwecken, sondern
dass man den Genuss der verheissenen Segnungen im Diesseits und
Jenseits abhängig gemacht habe von der Erfüllung der elementarsten
Forderungen sittlichen Verhaltens wie man sie vor Allem in den Ge-
setzen der Dike, der Demeter oder des Triptolemos zusammenfasste.
Im Grunde würde dieser Rückschluss ja nur bedeuten, was ohne-
dem fast selbstverständlich ist, dass man den chthonischen Ge-
walten von Eleusis die gleichen Gebote und Segnungen zuschrieb,
die wir vorher bei verschiedenen Dichtern und in verschiedenen
Zeiten eng mit einander verknüpft gefunden haben. Dafür, dass
man die Demeter von Eleusis auch in engster Beziehung zur Wirk-
samkeit heilender Mächte glaubte, konnte man sich bis zum
Jahre 1892 nur auf die Tatsache berufen, dass dem Heilgott Askle-
pios bei seinem Einzug in Athen ein ganzer Tag der Eleusinien
geweiht worden war (^). Aber in diesem Jahre machte 0. Kern
in der 3E(prjfisQig aQx^oXoyixrj (S. 113 ff. Taf. 5) ein Votiv be-
kannt, das in Eleusis zu Tage gekommen war und eine Weihung
darstellt, die ein Augenkranker der Demeter gemacht hatte. Kern
(*) Hier ist der Ort, an zwei Darstellungen zu erinnern, die Brunn (Nuove
Memorie dell'Ist. II, p. 383 ff.) in Zusammenhang mit Eleusis zu bringen
suchte und die jedenfalls ihre Erklärung erst in dem oben behandelten Zusam-
menhange finden. Auf dem Unterweltsbilde des Polygnot waren unter dem Nachen
des Charon mit seinen Insassen Tellis und Kleoboia, die die Weihen der De-
meter von Paros nach Thasos brachten, zwei merkwürdige Gruppen gemalt:
ein ruchloser Sohn von seinem eigenen Vater gewürgt (ävrjQ oi tfixtxiog ig
naxeqa äy/ä/uevög iaxiv inö rov natgög) und ein Tempelräuber bestraft
von einem Weibe, von dem Pausanias bemerkt: i] Sh ywr\ f] xoXäCovact
aitxbv cp&Qfjictxa &XXcc xe xal ig alxictv oidev äv&qwniav. Man ist jetzt einig
darin, dass dieses Weib nur eine Göttin sein konnte, in deren Bereich
es lag, die in der Erdentiefe schlummernden cpctQftaxa zu Wohl oder Wehe
der Menschheit, als toedtliches Gift oder Heilmittel zu verwenden. Uns kann
es hier gleich sein, wordurch Polygnot das in seiner Darstellung zum Aus-
druck brachte (vgl. Robert, Die Nekyia des Polygnot p. 60 und Dieterich,
Nekyia p. 68). Es ist eine Vorstellung, wie wir sie unter anderem mythi-
schen Bilde bei Apollodor (III 10, 3, 9) finden, wo von dem Asklepios berichtet
wird, er habe von Athena die Blutstropfen aus den Adern der Medusa erhalten
JUDICIUM ORESTIS 303
verwies mit Recht auf ein anderes inhaltlich entsprechendes Weihge-
schenk an eine andere Demeter (Annaii d. I. 1861, S. 380, tav. 5)
und vor Allem auf drei Verse des 40 orphischen Hymnus an die
eleusinische Demeter, Verse, die auch für die hier entwickelten
Fragen von der tiefsten Bedeutung sind:
iX&e, fidxaiQ*, ayvrj, xaqnoig ßqi&ovöa Ssgefotg,
eiQrjvrjv xaxäyovGa xccl evvofiirjv €QccT€ivi]v
xai ttXovtqv 7ioXvoXßov, öfiov <T vyisiav ävaGäav.
Endlich ist nicht zu übersehen, dass Artemis in Eleusis als Pro-
pylaia verehrt wurde ja als Tochter der Demeter und des Poseidon
galt (i).
Und nun noch etwas aus den i Eumeniden »: als der Chor
v. 884 fragt, welchen Segen er dem Lande singend erflehen solle,
antwortet Athene (v. 886 ff.):
yrftsv ex %s novxCag SqoCov
€<£ ovqccvov TS xävsfi(ov ärj flava
sviqdmg tivsovt eniCxeiisiv %&6va,
worauf denn der Chor später zurückkommt (v. 910):
d€vdQ07if][uov de [ir] Ttvsoi ßXdßa.
und die der linken Seite zum Untergang, die der rechten zur Heilung der
Menschen verwendet, oder bei Euripides im Jon (v. 989 ff.), wo Erichthonios
die Blutstropfen erhält, von denen die einen Tod bringen, die andern Heil
und Leben; Medusa aber ist bei Euripides ein Kind der Erde, das sie als
Schrecknis der Götter während des Gigantenkampfes gebiert. Jene Giftmi-
scherin des Polygnot wird inschriftlich als Pharmakis bezeichnet gewesen sein
und wir werden uns in Erinnerung an die oben behandelten Vorstellungsreihen
nicht mehr scheuen, sie trotz der scheinbar so verschiedenartigen Betätigung
in Zusammenhang zu bringen mit den Pharmakiden, die Hera zur Alkmene
sendet, um die Geburt des Herakles aufzuhalten (Paus. IX, 11, 3); man ver-
gleiche dazu den Artikel «fap^axtcfe? in Roscher's Mythologischem Lexicon,
wo diese Gottheiten geradezu mit den Moiren und Eileithyien gleichgesetzt
werden, und die eigentümliche Bedeutung der Bilderfolge am Kypselos-Kasten,
— Nacht mit Schlaf und Tod, Dike und Adikia, zwei Pharmakeutrien an einem
Mörser — in's rechte Licht gebracht wird.
(') Vgl. Wernicke bei Pauly-Wissowa, Real-Encyklopädie II, p. 1363, 7
und besonders Preller-Robert p. 781.
304 W. AMELUNG
Solch ein Uebergreifen der Machtsphaere chthonischer Gott-
heiten auf das Reich der Lüfte wirkt zunächst befremdlich; dass
indes nicht etwa dichterische Willkür diesen Zug erfunden hat, kann
uns die Tatsache beweisen, dass unter dem Areopag an der Schwelle
des Eleusinions der Heros Heudanemos, der Sturmbeschwörer, sei-
nen Altar hatte ; von ihm leitete das eleusinische Priestergeschlecht
der Heudanemoi seinen Ursprung ab, ein Geschlecht, das in Athen
irgend welche gottedienstliche Handlungen, wie es scheint, den Ke-
ryken in Eleusis entsprechend, zu erfüllen hatte (man vergleiche in
Töpffers Attischer Genealogie p. 110 ff.). Zugleich ist es bedeutsam,
dass wir auch hier wieder von den Erinyen nach Eleusis geführt wer-
den. Endlich wissen wir jetzt, dass man in ältester Zeit die Wind-
götter als erdgeboren mit Schlangenfüssen darstellte ; lange hat man
das misverstanden oder geleugnet ; nach Furtwänglers Ausführun-
gen über die Tritopatoren kann daran kein Zweifel mehr sein
(Sitzungsber. d. Bayr. Akad. d. Wiss. 1905 p. 450 ff.); ja, sie
finden an unseren eine neue Stütze (1). Und noch ein bildli-
ches Zeugnis für die nahe Beziehung der Erdmacht zu den
luftigen Winden besitzen wir, auf das durch diese Betrachtun-
gen ein eigenes Licht fällt, wenn es auch viel jüngerer Zeit und
römischem Boden entstammt: das Eelief der Elemente von der
Ära Pacis (2). Da sitzt in der Mitte Tellus, die nährende
Erdmutter, und zu ihren Seiten werden die Aurae durch die Luft
getragen, Personificationen der Lüfte, die durch ihr Wehen Ge-
sundheit und Gedeihen über die Ende bringen, links auf einem
Schwan über süssen Wassern aufsteigend, rechts auf einem Meer-
drachen über den Wellen des Oceans. Man könnte die Worte der
Athene darunter schreiben. Längst ist erkannt worden, dass in der
Darstellung der Tellus und in dem, was gleichzeitige Dichter
singen von dem Segen, den Augustus der Welt gebracht, Vorstel-
lungen nachklingen, wie die, deren Zeugnisse wir oben zusammen-
gestellt haben, und dass die römische Pax, ebenso wie die grie-
chische Eirene, nur eine ethische Hypostase der Erdgöttin sei.
Erinnern wir uns nur, wie in den oben angeführten Dichterstellen
stets der Frieden als Segnung neben Fülle und Gesundheit steht,
0) Vgl. auch Tümpel bei Pauly-Wissowa I p. 2176 ff. (Aneraoi).
(*) Petersen, Ära Pacis Augustae p. 49 ff. und 173 ff. Taf. III.
JUDICIUM ORESTIS 305
wie insbesondere die Eumeniden verheissen, kein Bürgerkrieg solle
das Volk zerreissen, und denken wir daran, dass Augustus jenes
Heiligtum der Pax weihte, als das römische Keich nach unsäg-
lichen Leiden endlich im Innern und an seinen Grenzen befriedet
aufatmen konnte. Mir scheint dieses Resultat nicht gleichgültig
in zweierlei Hinsicht. Es zeigt uns an dem römischen Monument
noch intensiver als vorher das Herrschen griechischer religiö-
ser Vorstellungen; wir haben es uns augenscheinlich nicht so vorzu-
stellen, wie Petersen meinte, dass der Künstler oder, wer ihm das
Programm machte, gleichsam die bekannten Verse des Horaz aus
dem Carmen saeculare habe illustrieren wollen, in denen die aurae
wohl in Zusammenhang mit der Fruchtbarkeit der Erde genannt
werden, aber aurae Jovis heissen, und wo eine Teilung in Lüfte
der süssen Wasser und des Meeres nicht angedeutet ist. Vielmehr
waren doch wohl der Künstler und Horaz beide abhängig von uralt-
griechischen religiösen Vorstellungen, wie sie uns am klarsten die
Dichtung des Aeschylus verrät. Eine Spur davon, dass diese Vostell-
ungen schon früher nach Rom gedrungen, ist möglicherweise in dem
von Varro (L. L. V 24) ausgeschriebenen Verse des Pacuvius (fr. XI
ine. R.) erhalten: terra exalat auram atque auroram umidam. Dann
aber scheint mir unser Resultat zu beweisen, dass die Composition
des Reliefs von der Ära Pacis ursprünglich ist und für ihre Verwend-
ung geschaffen, nicht aus einem grösseren Ganzen herausgeschnitten
wurde, wie es Petersen mit Hülfe des Reliefs aus Karthago reconstru-
iert (p. 173 ff.). Da wir garnicht wissen, aus welchem Zusammenhang
diese Variation des römischen Reliefs stammt, können wir auch
nicht ahnen, ob ihre Abweichungen planvoll oder sinnlos sind. Die
Art, wie sie sich Petersen entstanden denkt, scheint mir ganz
unmöglich; so arbeitet kein Künstler, auch nicht der geringste:
wenn uns das Gewand und seine Lage beim Triton unerklärlich
ist, so kann diese Schwierigkeit sich doch nicht durch die An-
nahme lösen, der Künstler habe das Gewand von einer Nereide
auf den Triton übertragen, von einer Nereide, die wir uns der
Aura entsprechend vorstellen sollen und bei der also das Gewand
ganz anders gelegen hat. Uebrigens ist ein Triton mit einem Ge-
wandstück noch auf einem andern Bildwerk, allerdings auch erst
römischer Zeit, erhalten: der eine von den beiden, die auf dem
Relief vom Altar der Domitius Ahenobarbus den Hochzeitswagen
21
306 W. AMELUNG
des Poseidon ziehen (Furtwängler, Glyptothek p. 238). Das Relief
von Karthago ist demnach ebenfalls römisch und nach-augusteisch ;
die von Schreiber gegen Wickhoff verteidigte Annahme, das land-
schaftliche Relief sei eine hellenistische Schöpfung, verliert da-
mit nur eine entbehrliche Stütze. Aber unsere Achtung vor dem
Bildhauer der Ära Pacis kann dadurch, dass wir ihn nun als den
Schöpfer des Tellus-Reliefs erkannt haben, nur gesteigert werden.
Seinen zwei Aurae werden die duae Aurae velißcantes sua veste,
Werke eines unbekannten Künstlers (Plin. XXXVI 29) inhaltlich,
vielleicht auch in ihrer Gestaltung entsprochen haben ; und sollte
man nicht auch die beiden « Nereiden ■ vom Asklepiostempel in
Epidauros lieber Avgca nennen? Dass der Künstler sie auf Rossen
reiten lässt, würde für Göttinnen des Windes besser passen, als
für die Töchter des Meeres, die zudem als Akroterien auf einem
Tempel des Heilgottes wenig Sinn haben, während ich nicht mehr
auszuführen brauche, wie bedeutungsvoll dort die Göttinnen der
Gesundheit und Fruchtbarkeit bringenden Winde wären.
Wir stehen am Ende unserer Betrachtungen, die uns gezeigt
haben, wie der Künstler dazu gelangen konnte, den Erinyen jene
eleusinische Priestertracht zu geben; noch lässt sich nicht weiter
gehen, um etwa zu erfahren, ob sich aus dieser Uebertragung auch
etwas für die besondere Bedeutung oder Aufgabe des Hierophanten im
eleusinischen Culte ergiebt; spätere Studien werden hier weiter helfen.
Aber noch ein Wort über das Kunstwerk! Man hat in dem
ursprünglichen Original der Darstellung wohl ein Gemälde ver-
mutet ; und tatsächlich würden sich bei dieser Annahme die Ue-
bertragung in die verschiedensten Gebiete künstlerischer Tätigkeit
und die Abweichungen der einzelnen Wiederholungen von einan-
der am ehesten erklären. Doch lässt sich dafür noch ein Moment
verwerten: ich wüsste keine andere antike Darstellung, die mit
der vorliegenden so verwandt wäre, wie das Relief der Kleomenes-
Ara in Florenz, dessen Composition aller Wahrscheinlicheit nach
das berühmte Gemälde des Timanthes, seine Opferung der Iphi-
genie, im Auszuge wiedergiebt (x). Bisher hat man in dem be-
kannten pompeianischen Wandbild (Heibig Wandgemälde p. 283)
die Schöpfung des Timanthes zu erkennen gemeint — und in den
(*) Amelung, Florentiner Führer p. 55 f.
JUDICIUM ORESTIS
307
Handbüchern wird diese Ansicht immer noch verbreitet — , trotz-
dem dort Iphigenia nicht am Altar steht, wie es von jenem Ge-
mälde überliefert ist, sondern getragen wird, nicht ergeben ist,
sondern zu den Göttern fleht, trotzdem Kalchas nicht traurig sei-
nes Amtes waltet, sondern aufmerksam noch oben lauscht, trotzdem
im Grunde mit der Ueberlieferung vom Bilde des Timanthes nichts
übereinstimmt, als die verhüllte Gestalt des Agamemnon.
In dem Kelief der Ära ist aber Iphigenia wirklich stehend
gebildet und selbst in dem flauen Bildwerk wirkt ihre sanfte,
Fig.
gehaltene Ergebenheit noch rührend; Kalchas ist ernst mit der
Todesweihe beschäftigt; der einfach stehende Agamemnon wirkt
viel ergreifender als der auf dem pompejanischen Bilde mit seinem
hochgestellten Fuss. Ausserdem kann kein Zweifel darüber herr-
schen, dass die Darstellung der Ära in stilistischer Hinsicht wohl
zur Zeit des Timanthes stimmt, nicht aber das erhaltene Bild, auf
dem die Gewandung des Kalchas, die Motive der Tragenden —
man vergleiche die Gruppe des Menelaos mit der Leiche des
Patroklos — und das Pathos der Iphigenie auf erheblich spä-
tere Zeit hinweisen. Wenn Michaelis (Rom. Mitteil. 1893
p. 201 ff.) die Gruppe der drei Figuren des Kalchas, der Iphi-
genie und des Jünglings auf der Ära für die Nachbildung eines
attischen Reliefs nach Art des Orpheus-Reliefs erklärt und in
diesem Original das Weihgeschenk des Euripides nach der Auf-
führung seiner aulischen Iphigenie vermutet, so ist dagegen nicht
308 . W. AMELUNG
nur einzuwenden, dass die Annahme dieser ganzen Art von Weihge-
schenken siegreicher Dichter nur hypothetisch ist, und dass es
willkürlich ist, den Agamemnon von der Darstellung zu trennen ;
es kommt hinzu, dass wir noch zwei Wiederholungen der glei-
chen Composition kennen, die uns einerseits beweisen, dass das
Original figurenreicher war, und von denen die zweite uns noch
mit Gewissheit schliessen lässt, dass dieses Original eben ein Ge-
mälde war. Die eine Wiederholung ist kürzlich von R. von Schnei-
der in den Serta Harteliana p. 287 veröffentlicht worden; es ist
das Relief eines Elfenbeinkästchens aus dem 10. oder 11. Jahr-
hundert n. Chr. Der Agamemnon fehlt ; dafür ist rechts von der
Iphigenie noch ein Jüngling mit hochgestelltem Fuss hinzuge-
fügt und links ein nach rechts hin sitzender bärtiger Mann, der
das Haupt traurig auf die erhobene Rechte stützt. Nach Alter
und Ausdruck könnte das sehr wohl der Menelaos des Timan-
thes sein. Die zweite Wiederholung ist ein Bild aus Herculanum
(Zahn, Die schönsten Ornamente II 61; Heibig a. a. 0. Nr. 1305;
Conze, Wiener Vorlegeblätter Ser. V Taf. 8, 2), auf dem aller-
dings die Gruppe von Iphigenia und Kalchas umgedreht und
Kalchas anders gewandet ist; aber in Haltung und Gebärden sind
beide unverkennbar, und hier hat sich nun auch ein Rest des
Altars erhalten, von dem Plinius spricht, und links ist noch ein
Jüngling zugefügt, der mit Himation und Lanze traurig gebeugt
und von der Mitte abgewendet sitzt: natürlich nicht ein mis-
verständlich jugendlicher Agamemnon, wie Heibig wollte, sondern
Achill, wie Zahn schon richtig gedeutet hatte (1).
Nehmen wir nun zusammen, was uns von dieser Composi-
tion geblieben ist, so können wir das mit Bestimmtheit sagen,
dass es dem Künstler darauf angekommen, den Vorgang nicht
äusserlich effektvoll, sondern innerlich ergreifend darzustellen;
und so wählte er nicht den höchsten Punkt des Geschehnisses,
sondern die stille Vorbereitung, einen jener Momente, in denen,
wer sie miterlebt, den Athem voll beklommener Erwartung
anhält, die geheimnisvolle Ruhe vor dem Sturm; und diese
(l) Seither hat man den Jüngling auf der Ära, der Iphigenia führt,
für Achill erklärt; das war nur solange berechtigt, als man glauben konnte,
dass die Darstellung niemals weitere Figuren umfasst habe.
JUDICIUM ORESTIS 30
Wahl eines vorbereitenden, aber doch entscheidenden Momentes —
wenn Kalchas die Locke vom Haupte geschnitten hat, ist Iphige-
n ia dem Tode verfallen — diese Wahl des Momentes hatte dem
Künstler die Möglichkeit gegeben, den Vorgang in den Seelen
aller Dargestellten mit vollster Intensität und in reichster Ab-
wechselung zu spiegeln. Ich spreche von den Resten der erhal-
tenen Compositum, und doch sind das fast die gleichen Worter
mit denen die antiken Quellen von den Werken und der Eigen-
art des Timanthes sprechen. Und — das ist es, worauf ich
hinauswollte — das Gleiche kann man von dem iudieium Ore-
stis sagen. Da wird es denn nicht zufällig sein, dass die beiden
Figuren der Iphigenie und der « Erigone ■ sich auch in ganz be-
stimmten Einzelheiten der künstlerischen Gestaltung ähneln ; und
dass das Motiv des von der Mitte abgewandten Orest, einer Figur,
auf die sich das mitfühlende Interesse des Beschauers trotz oder
gerade wegen ihrer Absonderung besonders stark concentriert,
auffallend an das des Agamemnon erinnert; dass endlich das
Wenige, was sich überhaupt noch an dieser und den andern Figuren
von besonderer Stilisierung erkennen lässt, durchaus in die Zeit des
berühmte Kythniers passt, brauche ich nur anzudeuten. Zweifelsohne
genügt all das noch nicht, das Vorbild der erhaltenen Darstellung
des iudieium als ein Gemälde des Timanthes nachzuweisen. Aber es
ist schon ein Gewinn, wenn wir einem bisher nicht fixierten Kunst-
werk seine Stelle in dem unendlich reichen Strome der Entwicklung
griechischer Kunst neben einem fest datierten Werke zuweisen
können.
W. Amelüng.
DEI MILITES FRUMENTARII
E
DELL'APPROVVIGIONAMENTO DELLA CORTE IMPERIALE.
Per due volte nel 1851 e nel 1884 in questo Bullettino
trattö dei milites frumentarii con l'alta sua dottrina Guglielmo
Henzen (*). In quegli scritti raccolse egli, ed illuströ i dati dei
classici e delle epigrafi su questi soldati, parlö dei tempo della
loro istituzione, degli ufficiali loro preposti, dei castra peregri-
norum, dove essi alloggiavano, e descrisse le loro funzioni, per
quel tanto che i testi e le iscrizioni ce ne informano.
Ora gli autori non parlano di frumentarii che come corrieri
imperiali, spie, addetti alla polizia segreta; ma deve necessaria-
mente ammettersi, e fu ammesso, che queste funzioni essi abbiano
avute come accessorie, e che scopo fundamentale della loro isti-
tuzione sia stato il servizio di sussistenza militare. Io credo di
poter provare, che tale servizio compivano non solo i frumentarii
delle provincie, ma anche quelli distaccati dalle legioui e di pre-
sidio in Roma.
Frumentarius o miles frumentarius col senso di soldato ad-
detto alla cura deH'approvvigionamento nei classici non si trova.
Livio parla una volta di frumentarii (IV, 12) ma egli intende i
negotiatores frumentarii; Irzio usa la parola frumentarii per
designare alcuni drappelli di Galli dell'esercito dei Cadurco Lucte-
rio, che furono colti dai Romani, mentre raccoglievano frumento
(B. Galt. VIII, 35) e in questo caso sarebbe stato forse piü proprio
dire frumentatores. Sieche quanti dei moderni scrittori hanno par-
lato dei frumentarii dei periodo imperiale, hanno fatto rilevare,
(*) Pull delVIsl 1851, p. 113 e 1884, p. 21.
DEI MILITKS FRUMENTARII eCC. 311
che essi avevano V ufficio di spie, di gendarmi, di corrieri, ma
hanno appena accennato, che il nome frumentarii ha relazione
con l'annona militare.
Ora ognuno sa, di che immensa importanza e per un eser-
cito un regolare approvvigionamento, e non puö ammettersi, che i
Komani riuscissero a compire guerre cosi lunghe e cosi lontane,
quante ne hanno condotte, se il servizio delle sussistenze non fosse
stato organizzato con la piü alta perfezione. D'altronde sappiamo
anche direttamente, qnanta fu la cura dei generali romani a questo
riguardo; Cesare nei Commentarii parla spessissimo della expe-
dienda o comparanda res frumentaria (B. Galt. I, 16, 23, 37, 39,
40, etc; B. Civ. III, 16, etc.) e, quando i suoi soldati atterriti dai
racconti dei Galli sulla prodigiosa forza dei Germani, minacciano
di non volerlo seguire contro Ariovisto, e portano per scusa alla
loro viltä la preoccupazione che manchino le vettovaglie, egli li
riprende aspramente, perche si arrogano di pensare a quello che
e dovere dei capitano provvedere, e che egli ha giä abbondante-
mente provvisto. B. Gall. I, 40. Come si puö accordare dunque
tutto questo con l'assenza completa di ogni menzione dei frumen-
tarii come compagnie di sussistenza? .
La questione dei vettovagliamento dell'esercito romano e stata
studiata dallo Zander in un opuscolo piuttosto antiquato (*), dal
Cagnat aella sua Arrake romaine d'Afrique, pag. 378 e piü par-
ticolarmente dal Langen in tre programmi successivi dei ginnasio
di Brieg (2).
Da questi studi risulta, che anche dopo le brevi spedizioni
dei primi tempi, durante le quali naturalmente ciascuno pensava
a portare con se le necessarie provvigioni, la fornitura delle vet-
tovaglie fu sempre raggiunta con la maggiore semplicitä di mezzi
possibili. La materia prima per il nutrimento dei soldato romano,
quella di cui solo paiiano i classici, fu il frumento che era dato
ai soldati tale qual'e in natura, restando loro 1' incarico di maci-
narlo e di cuocerlo in forma di pane o piü spesso forse di una
pulticula (*).
C) Kriegswesen Borns, 1849.
(a) Beeresverpflegung der Römer, 1878 sg.
(3) L'ipotesi dello Zander (o. c. p. 16) che ai soldati fosse data anche carne,
e fondata sul dono di dieci buoi fatto al tribuno M. Valerio Corvo (Liv. 7, 26)
312 R. PARIBENI
Lo Stato non passava alle truppe altro che il sale e il fru-
mento ; chi voleva poteva acquistarsi altri cibi dai cannabarii che
seguivano l'esercito. In tal modo si riusciva a ottenere, che ogni
soldato portasse con se il proprio vettovagliamento per im periodo
di tempo che va da quindici a venti giorni (1). Un grande aiuto
a questo pitagorico e monotono nutrimento dovevano darlo le fru-
mentationes e le pabulationes ossia requisizioni di frumento, di
foraggio^ di bestiame eseguite dai soldati stessi sul territorio vi-
cino al loro campo, tutte le volte che potessero. II « bellum se
ipsum alit » di Catone aveva in pratica una estesa applicazione ;
sappiamo, che alle volte i capitani romani tenevano il loro eser-
cito non ad im immediato contatto col nemico, appunto perche vi
fosse spazio libero a raccogliere il frumento ; cosi nella guerra
contro Filippo di Macedonia il console Sulpicio Galba si ritrae
di otto miglia, perche, essendo troppo vicino a Filippo, non poteva
frumentari (Liv. 31, 36). Troviamo persino una legione intera
missa frumentatum (la settima legione di Cesare B. Gall. 4, 32).
Kiassumendo si deduce, che durante la repubblica e al prin-
cipio dell' impero il servizio dei viveri era infinitamente piü sem-
plice che non negli eserciti attuali, e che il treno di im esercito
romano non doveva essere molto poderoso. Per esempio il treno dei
due eserciti consolari (30 o 40 mila uomini) riuniti nelle mani di
C. Sulpicio dittatore nel 397 a Cr. e solo di mille bestie da soma
(Liv. 7, 14). Anche dal punto di vista filologico il vedere, che ai
bagagli si dava il nome di impedimenta, mostra come nel rigido
concetto che si aveva in Roma di una spedizione militare, essi do-
vevano essere considerati come tali, e che doveva quindi badarsi
ad assottigliarli, per quanto era possibile.
e di cento buoi al tribuno P. Decio (Liv. VII, 34, 37) durante la prima guerra
Sannitica. Come si vede, di fronte alla mancanza di qualunque altro accenno
l'argomento e molto poco convincente, e credo, non valga la pena fermarcisi
a confutarlo, come non ci si e fermato il Langen.
(x) Le opinioni sono discordi su questo punto, ma forse meritano piü
fede degli altri il Langen (o. c.) e il Marquardt {Rom. Alterth. 11,426) che
sulla base di tre testi appartenenti a tre periodi diversi della storia delle
milizie romane (Cic. Tusc. 2,16, 37; vita Sev. Alex. 47; Amm. Marceil. 17,9)
fissano questo periodo a 17 giorni.
DEI MILITES FRUMENTARII eCC. 313
Similmente era semplificato l'acquisto delle vettovaglie; in
tempo di pace la cosa non dava pensiero, se ne dava 1'iiicarioo
a qualcuno degli ufficiali, e probabilmente i mercanti stessi do-
vevano prender cura del trasporto al campo; cosi sarä il caso di
M. Clodius Faustus Secundus missus ob comparationem fru-
menti ex provincia ad gentes Maurorum (Eph. Epigr. V, n. 1210)
probabilmente qualche centurione, perche poi riceve come onori-
ficenza un vexillum e unhasta pura. In tempo di guerra si ri-
chiedevano contribuzioni agli alleati; delle necessarie requisizioni
e del trasporto al campo dovevano incaricarsi i magistrati stessi
degli alleati; a loro infatti son diretti i rimproveri di Cesare,
quando gli Edui non gli portano il grano (Caes. B. Gall. 1, 16 :
convocatis principibus graviter eos accusai). Forse alle volte
erano mandati degli ufficiali romani, ma solo a sorvegliare e a far
pressione sui magistrati ; cosi si comportano ad esempio i praefecti
e tribuni militum mandati da Crasso, legato di Cesare, presso i
Veneti (Caes. B. Gall. 3, 7).
Da tutte queste considerazioni risulta, che il servizio delle
sussistenze era raggiunto con i minimi mezzi possibili, e proba-
bilmente finche le cose rimasero cosi, non si senti il bisogno di
istituire una compagnia specialmente destinata a quest' opera.
Quando perö nell' impero il vettovagliamento divenne piü com-
plesso (*), quando si fondarono i grandi magazzini militari (2) e
si volle raggiungere in tutto una maggiore regolaritä e divisione
di lavoro, si istituirono dei soldati che non dovessero attendere
ad altro che alle provvigioni.
A quando si dovrä rimandare questa istituzione ? Non lo sap-
piamo con certezza, e credo, che non potremo dir nulla di vera-
mente sicuro in proposito. Per lo piü si ritiene come fondatore
di questa milizia Adriano, nella cui vita i fnimentarii (c. 11)
sono nominati per la prima volta. Veramente il passo sarebbe
tale, che farebbe piuttosto pensare a una fondazione antecedente;
infatti i frumentarü vi sono presentati giä come incaricati del
servizio di spionaggio, sieche sembrerebbe improbabile, che Adriano
(l) Cfr. De Ruggiero, Diz. Epig. s. v. Annona militaris.
(*) Cfr. Cagnat, ArmSe, p. 381; Petersen e. v. Luschan, Reisen in
Lykien II, p. 41, tav. 39.
314 R. PARIBENI
istitutore dei frumentarü come cornpagnie di sussistenza, li
avesse egli stesso destinati ad altri uffici. Ma d'altra parte at-
tese le grandi innovazioni di Adriano in tutti i campi della
amministrazione, e anche nelle cose militari delle quali era esper-
tissimo (prova l'allocuzione di Lambese e pel nostro argomento
in specie le ispezioni che nei suoi viaggi soleva fare ai rna-
gazzini militari) (') atteso il fatto, che i frumentarü non sono
finora mai apparsi in legioni che come la IV Macedonica e
la V Alaudae erano state disciolte prima di Adriano, sarä piü
ragionevole ammettere, che Sparziano o chi per lui nel passo in
questione sia stato inesatto, dando a questi spioni di Adriano il
nome che loro conveniva piü tardi, e che Adriano sia veramente
stato il loro fondatore (2).
In ogni modo 1' unico dato propriamente sicuro e che al tempo
di Marco Aurelio esistevano, rimontando al 170 il piü antico do-
cumento epigrafico datato sul conto loro (C. I. L. III, 19).
Ho detto, che mancano negli autori classici che piü comune-
mente si consultano come fonti per la storia deH'impero, testimo-
nianze che ci mostrino i primitivi frumentarü come soldati addetti
alle provvigioni. Ma non e a fare cosi grandi meraviglie, se gli autori
antichi si occupano spesso dei frumentarü come spioni, e non ne par-
lano mai come provveditori di frumento. Gli storici che sono restati
a noi, per lo piü ci narrano non la storia dell'impero, ma quella della
corte imperiale, e gli aneddoti e le biografie degli imperatori con la
tendenza a fare di ciascuno di essi o un mostro o un modello di
(!) ... laborabat ut condita militaria dilig enter agnosceret. Vita
Hadr. 11,1.
(2) I primi spioni devono essere stati gli speculatores che esistevano
giä in repubblica, cfr. i relativi passi di Cesare in Menge Preuss Lexic. Caes.
p. 1248. E da notarsi, che per un certo tempo essi fanno il loro servizio
nel pretorio, ma senza esser contati tra i pretoriani; un diploma militare di
Vespasiano dell'a. 76 distingue gli speculatores dai praetorium e dagli urbani
{CLL. D. X, cfr. Hirschfeld, Sicherheitspolizei in Sitzungsberder Berlin.
Akad. 1891, II, 846 seg.); piü tardi invece essi sono completamente incorpo-
rati tra i pretoriani, e allora devono essere successi nelFufficio di spie i fru-
mentarü. Forse una traccia di questa successione e neli'iscrizione CLL.
III, 3524 dell'anno 224 dove la schola speculatorum delle due legioni Adiu-
trici e restaurata a spese di personaggi non noti, curante Aurelio Pertinace
frumentario.
DKI MILITES FRUMENTARII eCC. 315
virtü; inoltre anche per i somrai, come Tacito e Dione Cassio,
la storia era sempre im genus Oratorium. Che interesse c'era a
esporre rorganamento del servizio delle sussistenze militari? Quanto
invece valeva a gettare im lampo fosco sulla tirannide di im im-
peratore il dipingere le mene degli esosi delatori e ministri delle
sue crudeltä, i frumentarii?
Non mancano altre prove che compensano questo silenzio
degli storici antichi piü reputati. Troviamo un frumentario che si
dice missus ad frumentarias res curandas (C. I.L. VI, 3340) e
in queste sue parole mi sembra quasi di vedere una certa cura di
separarsi da quegli altri suoi colleghi, che erano missi per servire
alla polizia segreta, e si erano meritati la universale esecra-
zione.
Un'epigrafe Ostiense (C. I. L. XIV, 125) dice, che ad Ostia
il luogo per la stazione dei frumentarii e assegnato dal procurator
(probabilmente annonae Ostiensis) e da un Petronio Massimo cen-
turio annonae, sieche questa dipendenza prova, che anche in
questo tempo (siamo all'anno 224 ossia solo un sessanta anni
prima dell'abolizione dei frumentarii per opera di Diocleziano) essi
non avevano deposta la cura delle vettovaglie. Inoltre, come os-
serva rettamente il Marquardt (j), le iscrizioni dei frumentarii
d'Italia si trovano (tolte le romane) quasi esclusivamente a Ostia (2),
a Puteoli (3) e nelle cittä comprese fra Roma e Puteoli per le
quali passa la via Appia (4). Questo che non puö essere un caso,
e perfettamente spiegabile, quando si pensi, che Ostia e Puteoli
erano i due grandi scali che portavano grani dalla Sicilia e dal-
l'Africa, e i frumentarii vi si dovevano recare, perche incaricati
di servizii annonarii.
E con questo io credo, che non ostante l'assenza di testimo-
nianze nei classici, sia sufficientemente provato, che Tufficio pri-
mitivo e fundamentale dei frumentarii ebbe relazione con l'ap-
provvigionamento. Ora pero si presenta una questione; finche troviamo
frumentarii ascritti alle legioni, e le cui iscrizioni vengono dalla
0) Handbuch, II, 492, note 5, 7.
(2) C. L L. XIV, 125; Not. seavi 1881, p. 116.
(3) CLL. X, 1771.
(4) Velitrae, CLL. X6575; Formiae, ibid., 6095.
316 R. PARIBEM
provincia, dove la legione stanziava, crediamo senz'altro, che siano
gli approvvigionatori di quella data legione (1). Ma la grande mag-
gioranza delle iscrizioni di frumentarii viene da Roma; che cosa
facevano tutti costoro in cittä? Che provvedessero al vettovaglia-
mento delle milizie di guarnigione a Roma, non e probabile ; an-
zitutto sarebbero troppi, inoltre, le guarnigioni di Roma avevano
i loro frumentarii, ma costoro non erano distaccati da legioni, e
non ne portavano il numero, come avviene invece nelle iscrizioni
che ho nominato sopra (2).
(!) Ogni legione dovette avere i suoi frumentarii, e credo, dipenda dal
caso, che di alcune legioni non se ne conoscano. Le iscrizioni in cui questi
soldati danno il numero della loro legione non sono cosi abbondanti, che si
possa pretendere vi siano rappresentate tutte le legioni. Mancano i frumen-
tarii oltre che nelle legioni preadrianee nella I ltalica, III Gallica, IV Scy-
thica, VI Ferrata, IX Hispana, XI Claudia, XII Fulminata, XIV Gemina
Martia Victrix, XV Primigenia, XVI Flavia, XXI Rapax, XXII Deiota-
riana. L'osservazione del Marquardt (1. c, p. 491) che mancano i frumentarii
delle legioni Egiziane e Asiatiche, oltre che non e del tutto esatta (ve ne
sono della X Fretensis di Giudea e della III Cyrenaica d'Egitto) credo, non
ci possa autorizzare ad alcuna conclusione.
(2) Nessuno ha finora ammesso, come nessuno ha negato, che le milizie
di presidio a Roma avessero i loro frumentarii. Io credo, che non possa
dubitarsene. Nei primi tempi dell'impero troviamo, come vedremo piü sotto
a p. 317, dei servi o liberti imperiali a copiis militaribus destinati a questo
ufficio. Dopo Adriano abbiamo monumenti di genere diverso. L'iscrizione
C. I- L. VI, 1063, del tempo di Caracalla da due nomi di centurioni frumen-
tarii uniti a quelli dei comandanti dei vigili a proposito di ludi scenici
rappresentati dai vigili e dai classiarii Misenati. La posizione perö di questi
due centurioni frumentarii non e troppo chiara. Piü importante e uno dei
graffiti dell'escubitorio della VII coorte dei vigili:
COHOR VII VigUL NIIRON
1 FAVSTINI HARIVS FRVM1INTARI CH VII VIG
1 FAVSTINI TIIRMIS NllR
HARIVS PRIMVS
(C L L. VI, 3052; ricordo, che i graffiti sono tutti del III sec, posteriori
quindi ad Adriano). Se anche si abbia scrupolo a leggere Harius frumenta-
ri(us) coh(ortis) (septimae) vig[ilum), resta sempre il fatto, che questo Harius
frumentario, per poter scrivere il proprio nome sulle pareti, doveva abi-
tare entro l'escubitorio o per lo meno averci libero ingresso. Per gli equites
DEI M1LITES FRUMENTARII eCC. 317
Vediamo anzitutto, quanto possiamo sapere di questi fru-
mentarii stanziati a Roma. Non costituivano propriamente un corpo
speciale, perche appartenevano a legioni diverse, e ne conserva-
vano il numero; ma nello stesso teinpo abitavano insieme nei
castra peregrina (v. Richter Top.2 p. 337), si chiamavano colleghi,
anche se assegnati a legioni diverse (cfr. C. I. L. VI, 230. 3332),
sembra avessero dei comandanti nei centuriones frumentarii che
vengono nominati spesso in Roma (C. I. L. VI, 423. 428. 1063.
1110. 3326. 3331), tanto che in qualche iscrizione, forse con non
troppa esattezza, si chiamano numerus frumentariorum (C. I. L.
VI, 3341. XIV-125).
Dunque qui ci troviamo dinanzi a gente che mentre non e
unita organicamente, perö per un certo riguardo costituisce un
tutto, e prende anche il nome di numerus. L'unitä non puö venir
loro, che dall'esser destinati ad uno stesso ufficio; e questo ufficio
unico grandioso, al quäle forse qualche centinaio di frumentarii
serviva, non puö essere altro, che l'approvvigionamento della casa
singulares si ha un'iscrizione trovata sulla via Labicana a Tor Pignattara,
disgraziatamente monca proprio nella parte piü interessante ('€. I. L. VI, 3365 )
D. M. S.
Valerius Eis] panus frumentarius stip. XVII
imp. n. natus in provincia Maure
tania Caes] ariensi vixit ann XXXV1I1. m IUI d III
mil. ann ] Valerius frater et heres fac. c.
Gli editori del Corpus non suppliscono la seconda linea ; ma a me pare,
che il luogo della scoperta che corrisponde al famoso sepolcreto degli equiti
singolari ad duas lauros, la presenza di queWimpleratoris) (nostri) e anche
Je ragioni di spazio, ci rendano quasi sicuri del supplemento equit(um) sing{u-
larium). II Cauer in Eph. Epigr. IV p. 457 n. 70 pensa, che egli possa
essere stato prima frumentario poi equite singolare, ma anzitutto non sta-
rebbe al posto la menzione del numero degli stipendii, inoltre per evitare
una cosa nuova, si cadrebbe in una nuovissima e inaudita. II Mommsen (ibid.)
supplisce [yernd] Imp. n. ,*ma il suo supplemento deve prima giustificare
l'ugo della parola verna per un uomo libero, e si oppone poi alle ragioni dello
spazio. Ritengo pertanto piü probabile il mio supplemento e faccio notare,
che mentre i frumentarii danno quasi sempre il numero della loro legione, il
noströ Valerio Ispano non dice nulla, forse appunto perche non apparteneva
ad una legione ma al corpo degli equiti.
318 R. PARIBEM
imperiale. L' enorme falange di servi, di liberti, di soldati, e di
addetti in un modo o nell'altro alla corte richiedeva im servizio
ben organizzato, destinato esclusivamente a provvederla di vitto.
Ora io credo d'aver raccolto tutte le iscrizioni dei servi e li-
berti imperiali che rivestivano uffici di qualche analogia con questa
amministrazione (l) ed ecco a quali risultati sono giunto. Ho
trovato :
Due dispensatores a frumento, servi imperiali ambedue, uno
dell'epoca dei Flavii {CLL. III, 333), l'altro forse dei Glaudii
(CLL. XIV, 2833).
Due liberti a frumento, l'uno dei tempo di Traiano (C L. L.
VI, 8851), l'altro forse di Adriano (C L L. VI, 8852, e un fram-
mentino P. Aelius | a frumento | . . .).
Due procuratores Augusti a frumento, uno ingenuo di epoca
ignota (C. L. L. X, 8295), l'altro forse servo dei tempo dei Claudii
(CLL. X, 6523).
Tre a frumento cubiculariorum, uno di Traiano (C. L. L. VI,
8772), gli altri due di Adriano (CLL. VI, 8518, 8771), ed e
notevole che uno di questi due P. Aelius Aug(usti) lib(ertus) Chry-
santhus dopo essere stato a frumento cubiculariorum fu esone-
rato da questö servizio, e gli fu data la cura ab aegris.
Tre a frumento ministratorum Augusti uno dei periodo dei
Claudii (C L. L. VI, 8924), gli altri due di etä non determinabile
(CLL. VI, 8925, 8926).
Due dispensatores frumenti mancipalis, uno servo dei Flavii
(C L L. VI, 8853), l'altro ingenuo dei tempo di Traiano (C 1. L.
III, 6065).
Otto horrearii o ab horreis, dei quali due probabilmente
Augustei (C L. L. VI, 4239, 4240, vengono dal colombario dei
servi e liberti di Livia), tre dei Claudii (C L L. VI, 4226, 8682 ;
XI, 1358), uno servo di Galba (C L L. VI, 8680), uno liberto di
Nerva (C L L. VI, 8681), uno di etä ignota (Eph. Ep., VII-704).
Cinque a copiis militaribus, probabilmente per i soldati di
guardia a Corte, uno dei tempo dei Claudii (C I. L. VI, 8538),
(*) Devo ringraziare la cortesia dei mio buon amico dott. Schianchi che
mi ha permesso di consultare il suo ricco e ben ordinato schedario relativo
agli uffici della domus Augusta. .
DEI MILITES FRUMEXTARII eCC. 319
tre dei Flavii (C. I. L. VI, 8532, 8539; XIV, 2840), uno di epoca
ignota (CLL. VI, 8540).
Come si vede, di tutta questa gente nessuno e posteriore ad
Adriano: Adriano dunque ha secondo ogni probabilitä istituito i fru-
mentarü, e uniflcando il servizio di approvvigionamento della corte
che prima appare diviso per i diversi uffici (efr. a frumento cubicula-
riorum, ministratorum, ecc ), lo ha affidato a loro. Quanto bene con-
corda questa ipotesi con la tendenza vigente durante l'impero'di
Adriano di nobilitare gli uffici di corte ! Negli uffici piü alti al posto
dei liberti entrano i cavalieri procuratores Augusti; in queste fun-
zioni piü basse di vettovagliamento i servi e i liberti sono sosti-
tuiti da soldati. Ne questo carattere militare dei frurnentarii rni
sembra, che si opponga all'ipotesi nostra. Giä quanto v'ha di mi-
litare a Roma dipende tutto piü o meno direttamente dairimpe-
ratore, e con lui e stato introdotto ; inoltre la casa stessa imperiale
non abborre dal militarismo, anche dove non e necessario. Militare
e la divisione e l'organizzazione della numerosissima servitü, ar-
mati sono gli apparitori imperiali gli statores (!); militare e il
nome di ratio e fiscus caslrensis, sia essa la cassa generale di
Corte, come vuole lo IJirschfeld, o solo una parte di essa, come
vuole il Mommsen, militare il nome di castrensis sacri paiatii
dei basso impero, veri legiönarii gli addetti nel servizio delle mi-
niere imperiali (2), Giovenale puö usare la parola castra per de-
signare il palazzo imperiale (3), ecc. Ma senza indugiarmi piü a
lungo su considerazioni secondarie, in Giovanni Lido trovo un
passo, al quäle non si-era finora posto mente, e che costituisce
della mia ipotesi una piena conferma : i awwvca ovg Bixtcoq 6 lato-
qixoq iv la%oQia %G)v i^L(pvXi(ov (pQovfievvaQiovg olds ib nglv.dvo-
lAaG&rjvcci, ort rrjg tov naXaviov sv&rjviccg €(pQovTi£ov » (Jo. Lyd ,
tisqI dcQxäv *% cPa>li<xi(*>v ixoXiTsiag ed. Wuensch Leipzig, 1903,
p. 92).
E allora possiamo spiegarci piü agevolmente quel BurwQiog
2ccßtvog Xsyswvog 7VQ(brrjg Meivegßag (pQovfxevvaqiog Abyovtixov di
un'iscrizione di Eraclea Pontica (4).
0) Cfr. Bull, della Comm. Arch. comunale 1901, p. 286.
(2) Bruzza, in Ann. Ist., 1870, p. 130.
(3) Sat. IV, 134.
(*) Bull. Corr. Hell, 1889, p. 317.
320 R. PARIBENI, DEI MILITES FRUMENTARII 6CC.
Sieche a me sembra sufficientemente provato, che almeno in
origine noi non dobbiamo vedere nei frumentarii di Roma altro
che gli approvvigionatori della corte. Si comprende perö, come
presto gli imperatori dovefctero servirsi di loro per altri usi. II
loro girare per le cittä e per le provincie a causa della requisi-
zione e degli acquisti di viveri li rendeva atti a trasmettere or-
dini, o a riportaro informazioni, e in breve ebbero appunto, pro-
babilmente conservando sempre le loro antiche funzioni, l'incarico
di corrieri e di spioni, del quäle parlano cosi spesso e con tanti
lamenti i classici.
R. Paribeni.
Post Scriptum.
Nello scrivere il mio studio mi sfuggirono tre iscrizioni di
servi o liberti imperiali che hanno relazione col servizio d'approv-
vigionamento. Essendo giä composto il fascicolo, non mi resta, che
annetterle in fondo.
C. /. L. VI, 33769 Aur. Strato . . . | a f~\rumentis \ cub[icu-
lariorum.
C.I. L. VI, 33778 . . . Augg. n. n. \ a frument t . .
C. I. L. VI, 33795 Antiochus L a fru . . .
Come si vede, sebbene si tratti di frammentini, due di essi
hanno importanza cronologica. \1 Aur(eUu$ Strato della prima e
il servo o liberto (Aug(ustorum) n(ostrorum) della seconda mostrano,
che contro quanto risultava dall'esame delle altre iscrizioni, uffici
relativi al servizio di vettovagliamento tra i servi imperiali figu-
rano anche dopo Adriano. Questo non infirma la mia tesi nelle sue
conclusioni piü generali; i frumentarii ebbero, e probabilmente
proprio da Adriano la cura del vettovagliamento di corte ma accanto
a loro rimasero aleuni servi e liberti imperiali nel disimpegno delle
stesse funzioni.
DEI GERMINI CORPORIS CüSTODES.
II numerus dei Germani corporis custodes non potrebbe a
rigore esser computato tra le milizie imperiali di stanza a Roma,
perche vera milizia non fu mai, ma sempre mantenne, pur atte-
nuandolo verso gli Ultimi anni della sua esistenza, il carattere
di guardia privata. La storia di questo corpo puö perö conside-
rarsi quasi corae un'introduzione a quello degli equites singulares,
e non manca quindi di una certa importanza.
E noto, come i generali romani oltre la loro cohors praetoria
che era una milizia ufficiale pubblica, riconosciuta e pagata dallo
Stato, solevano anche, almeno da Silla in poi, circondarsi di una
guardia loro particolare di schiavi, o di liberti, o di barbari, di
uomini insomma che erano loro devoti per la vita e per la morte.
Cosi Cesare ebbe una custodia Hispanorum (Suet. Caes. 86), De-
cimo Bruto nella guerra di Modena un manipolo di Celti (App.
B. c. 3, 97) ecc. Quest'uso che dapprima era in vigore solo durante
una guerra, si perpetuö poi anche in tempo di pace. Cesare tor-
nato in Roma ritenne ancora per un certo tempo la sua guardia
di Ispani, e cosi gl'imperatori oltre alle coorti pretorie, si circon-
darono anche di guardie del corpo.
Ma noi troviamo le guardie del corpo non per i soli impe-
ratori, ma anche per i membri della famiglia imperiale, perfino
per le donne (*) e in questo caso piü che alle coorti dei generali
in campo si poträ riconnettere l'istituzione all'uso invalso nel
(») Cfr. custodi di Germanico CLL. VI, 4337. 4339. 4341. 4344;
dei suoi figli Nerone e Druso, ibid. 4337. 4342. 4343. Suetonio poi ricorda
Germani al servizio di Agrippina madre di Nerone: Suet. Nero, 34.
22
322 R. PARIBENI
torbido periodo della fine della repubblica, di teuere presso di se
schiavi armati o gladiatori. Milone e Clodio erano circondati da
armati (*), e anche altri uomini di quel tempo certo meno faziosi
di loro, per esempio P. Plauzio Ipseo, e Q. Metello Scipione can-
didati al consolato nel 52, per loro sicurezza avevano degli ar-
mati (2). Lo stato tollerava, o non riusciva a impedire. Quest'uso durö
anche nell'impero, sebbene poi le famiglie private e per la cre-
sciuta sicurezza e per la sospettosa sorveglianza del governo do-
vessero ben presto smettere. Tuttavia ricaviamo dalle iscrizioni, che
la potente gens Statuta nel primo secolo dell'impero scimmiottando
la corte, come ebbe un anfiteatro, cosi si concesse il lusso di una
guardia del corpo (CLL. VI, 6221. 6229. 6237).
II nome ufficiale di questa guardia e corporis custodes
(CLL. VI, 8803 segg.) spesso storpiato in corpore custodes
(C L L. VI, 4340. 4342. 4343. 8810); siccome perö i componenti
la guardia sono esclusivamente Germani, e piü che altro Batavi (3)
cosi l'uso comune negli scrittori, e non raro neppure nelle iscri-
zioni, e di chiamarli Germani o Batavi (4). La guardia rimonta
alle origini dell'impero; Augusto aveva una guardia di Calagur-
ritani, che disciolse dopo la battaglia d'Azio, volendo dar segno
di confidenza e d'intenti pacifici (5). Ma poco dopo la ricostitui,
componendola questa volta di Germani (6). Svetonio racconta, che
all'annunzio della strage Variana, l'impressione dolorosa nella cittä
fu cosi grave, che Augusto dovette porre dei presidii per la cittä,
% ne quis tumultus exsisteret * e poi dare una soddisfazione alla
opinione pubblica sciogliendo la sua guardia Germanica (Suet.
Aug. 23).
Ma dove ricomporla presto, forse appena sopito il ricordo del
disastro, perche ai primi giorni di Tiberio la guardia esiste giä
(l) Cic. pro Milone, 29.
(*) Asconio, com. in pro Milone ed. Weidmann. 1875 p. 29 n. 35.
(3) II Mommsen (Neues Archiv VIII, p. 349) ha studiato nelle iscri-
zioni la nazionalitä di queste guardie, e le ha trovate della Germania ro-
mana; che perö la truppa si reclutasse anche dalla Germania libera, lo mo-
stra il fatto di Caligola, che secondo Suetonio avrebbe intrapreso la spedi-
zione Germanica per fornirsene.
(*) Tac. Ann. 1, 24; 12, 18; Suet. Caius, 43, 54.
(*) Suet Aug. 49.
(•) Ibid.
DEI GERMANI CORPORIS CUSTODES 323
pienamente costituita (!) e sono ancora Germani quelli che la com-
pongono (Tac. Ann. 1, 24). Ne abbiamo testimonianza sotto Cali-
gola che anzi secondo Svetonio avrebbe intrapresa la spedizione
Germanica al solo scopo di rifornirsi di guardie del corpo (Suet.
Caius, 43), sotto Claudio (C. I. L. VI, 8802. 8804 ecc), sotto Nerone
(Suet. Nero, 34. Tac. Ann. 13, 18). Sappiamo finalmente, che Galba
in parte per economia, in parte per sospetto, soppresse la guardia
(Suet. Galba, 12). D'allora in poi non se ne parlö piü ; quando Tacito
scriveva, al tempo di Traiano, certo non esisteva (2). Fu questione, se
di loro volesse intendere Erodiano, quando parlö di cavalieri Germani
al seguito dell'imp. Caracalla (Herod. 4, 13), ma molto probabil-
lnente con ogni ragione il Mommsen riconosce in quei cavalieri
gli equites singulare?, anche essi in gran parte Germani (3).
Quanto alla costituzione del corpo questi Germani non sono
veri soldati; gli scrittori distinguono con cura i Germani dai
müiies (4). Gli scrittori moderni (5) trattando incidentalmente di
questa esigua milizia, 1' hanno ritenuta composta di schiavi, solo il
Mommsen notö, che vi erano anche dei liberti.
Un esame piü accurato delle poche iscrizioni rimasteci (ventitre
in tutto) pud gettar nuova luce sulla loro condizione civile. Tranne
due iscrizioni isolate, una romana (C. VI, 4305), l'altra di Centum-
cellae (C. L L. XI, 3526), i documenti dei Germani si possono
dividere in due gruppi ben distinti topograficamente e cronolo-
gicamente. II primo gruppo e uscito da un sepolcreto tra la via Appia
e la Latina, appartiene al regno di Tiberio, e vi e ricordato 1' im-
peratore stesso, e i figli di Germanico (C. I. L. VI, 4334 e 4337 —
(') Non mi pare molto attendibile l'ipotesi del Jullian (Bull. Epigra-
phique de la Gaule, III p. 61) che cioe della guardia siano stati licenziati solo
i Cherusci causa del disastro. Si oppone il testo, e anche la convenienza;
Roma in quei giorni aveva in odio tutti i Germani, e non andava a badare,
se i rimasti nella guardia fossero Batavi o Frisoni.
(2) Ann. 1-24.
(3) Mommsen in Hermes, XVI, p. 459, nota 4.
(4) Tac. Ann. 13, 18: excubias militares et Germanos; 15,58: pedites
equitesque permixti Germanis; Suet. Nero 34: abducta militum et Germa-
norum statione; Tac. Ann. 1, 24: equites praetoriani et robora Germa-
norum.
(5) Henzen in Ann. Ist. 1850 p. 14. Jullian 1. c; Marquardt. Staatsverw.
II p. 471 ; Mommsen 1. c.
324 R. PARIBEM
4345). II secondo gruppo trovato nella vigna Ginnetti e in villa
Pamfili lungo la via Aurelia comprende delle epigrafi del tempo
di Claudio e del tempo di Nerone (C. L L. VI, 8802-8812).
Ora le differenze tra i due gmppi d' iscrizioni, sebbene non siano
state rilevate, mi sembrano tuttavia molto notevoli. Le iscrizioni
del primo gruppo furono trovate insieme a raolte altre di schiayi e
liberti imperiali; sono poveri titoletti che danno semplicemente il
nonie del defanto, e una qualifica della sua occupazione nella casa
imperiale. I Germani hanno sempre un nome solo « Bassus Tiberii
Germanici Germanus « (GL L. VI, 4338), ■ Macer Tiberii
Germanici Germanus corpore custos ■ (GL L. VI, 4340 ecc).
Alcuni aggiungono anche il cognome Germanicianus che e evi-
dentemente la designazione del padrone precedente, secondo l'uso
dei nomi servili. Sieche mi sembra, che senza dubbio nel prin-
cipio dell' impero, al quäl tempo si riferiscono queste iscrizioni, i
corporis custodes erano degli schiavi. E questo e confermato dalla
notizia di Svetonio, che Caligola pose loro a capo dei gladiatori (]).
AI contrario le iscrizioni del secondo gruppo non furono tro-
vate insieme a titoli di schiavi, ne presentano la meschina bre-
vitä che abbiamo notato nelle prime. Quelle due che sono esposte
tuttora ai lati della entrata di vigna Ginnetti in via delle For-
naci. sono lunghe, di bei carattere, ed assumono quasi le propor-
zioni di modesti elogi fimebri.
Inoltre troviamo non solo la qualifica di Germanus e Ger-
manus corporis custos ma anche quella di miles o la formola
militavit annos tot (C. L. Z. VI, 8806. 8808). Accanto ai soldati
con un solo cognome, come nel primo gruppo, abbiamo quattro
liberti (C.LL.VI, 4305. 8803. 8811) e avendoci il caso conser-
vato tanto nel primo che nel secondo gruppo una lapide di un decu-
rione, vediamo, che il primo e uno schiavo, il secondo e un liberto (2).
Ma v' e di meglio ; queste seconde iscrizioni parlano di un colle-
gium Germanorum (3) e sono sempre poste a cura di uno o piü eredi.
(*) Threces quosdam Germanis corporis custodibus praeposuit Suet.
Caius, 58.
(8) C. VI, 4345 Proculus decurio Germanorum; G. VI, 8811: Ti{berio)
Claudio Aug(usti) lib(erto) Ducto dec(urioni) Germanorum.
(8) II cur-ator Germanorum che ci e dato dall1 iscrizione C. VI, 4305,
e probabilmente un ufficiale del loro collegio.
DEI germani corporis custodes 325
Ora tutto questo viene a mostrare, che la condizioae di questa
gente e rnigliorata ; probabilrnente gl' iniperatori, per averli piü
fedeli, hanno largheggiato con loro in favori. Forse piü benevolo
di tutti si sarä mostrato Caligola, che sappiamo dagli storici,
per le sue liberalitä fu singolarrnente amato dai suoi Ger-
mani, i quali alla sua morte, ebbri di furore, tentarono di vendi-
carlo (1). E quali saranno stati questi favori? Un uomo che si dice
miles, che dispone per testamento dei propri beni, non puö essere
uno schiavo (2) e se questi soldati hanno im solo nome, questo
prova unicamente, che essi non sono cittadini romani. Non e ve-
rosimile, che si cercasse di dare a questi peregrini che dovevano
vivere a Roma dei nomi meno barbari dei loro propri, dei nomi
Romani, ma che nell'istesso tempo non li facessero credere citta-
dini? E si noti, che i loro nomi sebbene isolati non sono perfr
da schiavi, abbiamo NobilisJ Severus, Baebius, Paetinus, Postu-
mus (C. L L. VI, 8802. 8812). Ma un altro argomento piü forte
in fayore della mia ipotesi e dato dalle parole di Svetonio con cui
dice, che Galba « Germanorum cohortem dissolvil, ac sine com-
modo ullo remisit in palriam ■ (Suet. Galba 12).
Ora una famiglia di schiavi non si rimanda al proprio paese,
anche volendo disciogliere la guardia, i componenti potevano essere
adoperati o ad altri usi, o anche venduti, ma non rimandati in
patria, e sarebbe inconcepibile la maraviglia dello scrittore per
questo congedo, sine commodo ullo, quasi che non fosse giä gran-
dissimo beneficio il rimandarli a casa, restituendoli alla libertä.
Sieche da tutti questi fatti mi sembra di poter concludere,
che questa guardia, prima privatissima e composta di soli schiavi,
fu poi formata di barbari non aventi cittadinanza romana, ma li-
beri, sinche dopo qualche interruzione, quando si alfermö sempre
piü l'idea monarchica, si mutö nella milizia dei tutto pubblica
degli equites singulares.
Non sappiamo, quäle nome ufficiale avesse l'intero corpo, sep-
pure ne aveva uno ; gli autori lo chiamano con nomi diversi, ma
(l) los. Flav. Ant. lud. XIX, 15.
(8) II Jullian (1. c.) sostiene di si, ricordando che Plinio in una sua
lettera (Fpist. VIII, 10) dice, che egli permette ai propri schiavi il piü
largo uso dei proprio peculio; ma si capisce bene, che questa e l'eccezione
e non la regola.
326 R. PARIBENI
sempre piü o nieno impropri cohors, numerus, manus. Non sono
divisi in centurie; ma essendosi sin da principio praticata la di-
visione in decurie, conie si soleva fare nelle famüiae molto nu-
merose di schiavi, si continuö anche piü tardi in questo sistema.
II comandante della intera guardia e da Giuseppe Flavio chiamato
xdiccQx&v nome ehe corrisponde al latino tribunus (]) ma proba-
bilmente si tratta di un nome convenzionale e dato impropriamente.
Questo comandante non yiene dall' esercito regolare, e scelto pro-
babilmente a Capriccio dell' imperatore ; difatti Caligola prepone
dei gladiatori (Suet. Caius, 58) e anche Sabino il xihaQx&v ricor-
dato da Giuseppe e un gladiatore.
Ogni decuria era comandata da un decurio (2); abbiamo di
loro parecchi nomi, perche nell'epigrafe di ciascuna guardia e ag-
giunto il nome del rispettivo decurione; inoltre due delle nostre
iscrizioni sono epitafii propriamente di decurioni. Una appartiene
al primo gruppo, e offre 1' immagine di una iscrizione di schiavo
molto semplice e povera Proculus decurio Germanorum Tib(erii)
Germanici {C. I. L. VI, 4345); l'altra invece del secondo gruppo
ci da un liberto, e piü ricca, ed era incisa secondo lo Smezio ■ in
urna marmorea elegantissima » (C 1. L. VI, 8811).
Quante decurie componessero il corpo non possiamo sapere ;
nelle undici iscrizioni di vigna Ginnetti che su per giü sono di
una stessa etä (Claudio e Nerone) troviamo i nomi di otto decu-
rioni; se ogni decuria fosse composta di diecr" uoinini si potrebbe
pensare a un centinaio di custodes divisi in dieci decurie ; cfr. C. I. L.
VI, 8802, 8812.
II collegium Germanorum ricordato nelle iscrizioni del se-
condo gruppo e un collegio funeraticio, come giä dicemmo, e un
ufficiale di questo collegio e il curator Germanorum dell'iscri-
zione C. L L. VI, 4305.
0) Ant. lud. 19-15, 122.
(2) Non credo esatto quel che dice il Jullian (1. c), che la divisione in de-
curie era praticata solo in quanto i Germani formavano un collegio funeraticio;
mi sembra piü probabile, che la divisione abbia avuto, per cosi dire, un va-
lore tattico, e abbia servito alla distribuzione del servizio. Infatti Tiscrizione,
C. I. L. VI, 4345 che appartiene al primo gruppo per il quäle non abbiamo
ricordi di collegio, nomina un decurio.
DEI GERMANI CORPORIS CUSTODES 327
E probabile, che almeno alcuni di questi Gerrnani servissero
a cavallo; oltre il fatto di trovarli spesso scelti tra i Batavi,
cavalieri abilissimi, lo prova l'iscrizione C. L L. VI, 4334: Fe-
lix Tiberii Claudii Germanici eques. Tra le iscrizioni degli
uomini di truppa e interessantissima quella trovata a Civitavec-
chia (Not. scavi 1877, 123 = C. I. L. XI-3526) : D(is) M(anibus)
C. Caecilio Volenti mü(üi) cl(assis) pr(aeloriae) Misen(atium)
triere Salamina milit(avit) ann(os) VIII vix(it) ann(os) XXXI.
C. Lucilius Valens corporis) custos f(ecit) b(ene) m(erenti).
Vi troviamo dunque un corporis custos che ha nome C. Luci-
lius Valens ; non si puö credere, che egli sia un ingenuo, sarä un
liberto, ma e molto notevole, che non solo i liberti imperiali
dei quali ho giä segnalati quattro (C. I. L. VI,4305. 8803, 8811,
cfr. sopra pag. 323) ma anche i liberti di altre famiglie pren-
devano servizio nella guardia imperiale. Non ho potuto trarre pro-
titto di questa importante iscrizione, lä dove ho parlato delle con-
dizioni civili dei Gerrnani, mancandoci qualunque notizia sicura
sull'etä dei dbcumento.
L'ufficio di questi custodes corporis doveva essere di non
abbandonare mai l'imperatore, tanto in pace e dentro il suo pa-
lazzo, che in guerra, dove pure lo accompagnavano (Suet. Caius, 43).
Giä degli Ispani di Cesare sappiamo, che lo seguivano dovunque
con le spade sguainate (Suet. Caes. 86). L'episodio narratoci da
Tacito, che il senatore Q. Aterio entrato nel Palatium per salu-
tare Tiberio, corse rischio di essere ucciso a militibus, perche per
caso aveva fatto incespicare l'imperatore (Tac. Ann. 1, 13) meglio
che ad altri si puö ascrivere a questi Gerrnani, e ci manifesta
bene il loro attaccamento ' e la loro fedeltä selvaggia.
Abolita la guardia da Galba, finche da Traiano o da uno dei
Flavii non furono istituiti gli equites singulares, non si sa con
certezza, come gli imperatori abbiano provveduto alla propria sicu-
rezza personale, ma vista la gran parte che alla battaglia di Be-
briaco prendono i gladiatori di Otone (l) si puö supporre, che questi
fossero i nuovi corporis custodes.
Un altro problema resterebbe, quello topografico della sta-
zione di questi Gerrnani, a risolvere il quäle ci invoglia, ma non
(») Plut. Otho, 10, 12.
328 R. PARIBENI
ci aiuta un passo di Svetonio. Dice egli, che Galba disciolse la
guardia, perche la ritenne segretamente legata a Cornelio Dolabella
« iuxta cuius hortos tendebant ■ . Anzitutto la parola tendere
ci permette di credere, che i Germani alloggiassero entro un edi-
ficio, o ci obbliga a ritenere, che essi fossero semplicemente accam-
pati? In secondo luogo dov'erano questi horti Dolabellae? II per-
sonaggio e noto, e il figlio o il nipote del console dell'anno 10
P. Cornelio Dolabella ricordato col collega Silano nell'iscrizione
dell'arco sul Celio. I sospetti di Galba non erano forse del tutto
infondati, perche anche Otone non si fidö troppo di lui, e lo cacciö
in esilio, e Vitellio, dubitando, che egli volesse temptare cohor-
tem quae Ostiae ageret (coorte di vigili forse) lo fece uccidere (l).
Probabilmente i suoi horti saranno stati allora confiscati, e se noi
riuscissimo a stabilire, quali alterazioni subi la proprietä impe-
riale urbana tra Vitellio e Vespasiano, potremmo forse sperare di
risolvere il problema. A me non e riuscito di trovar nulla in
proposito; il prof. Hülsen perö ebbe a manifestarmi l'idea, che
alrneno per il tempo in cui i Germani avevano il loro sepolcreto
sulla via Aurelia, la loro stazione potesse essere in Trastevere. Si
costituirebbe un parallelo con quello che vediamo per i classiarii
Ravennates, le cui castra erano presso S. Maria in Trastevere (2)
e il cui sepolcreto e pure sull' Aurelia in villa Pamphili (3). Ana-,
logie nelle rispettive posizioni delle caserme e dei sepolcreti si
possono osservare anche per altri soldati, nel senso, che i sepolcreti
non sembra dovessero essere in regioni del tutto staccate dalle
caserme. Cosi i pretoriani erano sepolti principalmente nella vasta
necropoli tra la via Nomentana e la Salaria (4), gli equites sin-
gulares sulla via Labicana ad duas lauros non lungi dai loro castra
di S. Giovanni e di via Tasso (5). II Trastevere sarebbe stato in
tal modo presidiato anche dai Germani oltre che dai Ravennates
l1) Tac. Hist. 2-63.
(a) Richter Topographie der Stadt Rom2 p. 275.
(3) G. I. L. VI p. 762.
(*) -Cfr. C. I. L. VI p. 672 seg. e per le scoperte degli ultimi anni Not.
Scavi dal 1896 ad oggi.
(5) Lanciani in Bull. Com. 1885-137, cfr. C. I. L. VI p. 766 seg.; Bull.
Crist. 1898 p, 192.
DEI GERMANI CORPORIS CUSTODES 329
e dalla settima coorte dei vigili (1). Non si puö pensare perö, che
gli alloggiamenti dei Germani possano essere stäti molto lontani
dal palazzo imperiale; quindi le maggiori probabilitä sono per i
tratti dei Trastevere incontro al Palatino e all'Aventino, dietro
forse le horrea delle rive dei fiume, dove l'esistenza degli horti
Caesaris ci puö far ammettere nel primo secolo dell'impero anche
altri giardini tra i quali quelli di Dolabella.
K. Paribeni.
(l) De Rossi in Ann. Ist. 1858 p. 295 cfr. per Pescubitorio Richter To-
pographie* p. 274.
EINE HERSTELLUNG
DER GRUPPE DER TYRANNENMÖRDER
{Tafel XI).
Wenn man die in der letzten Zeit sich häufenden, aber weit
auseinandergehenden Ausführungen über die Herstellung der Gruppe
der Tyrannenmörder (l) überschaut, so versteht man wohl, wie selbst
noch Koepp (2) erklären kann, dass sich diese Frage wissenschaft-
licher Feststellung entzöge. Aber die Aufgabe, ein so wichtiges
Kunstwerk, die erste wirkliche Gruppe der griechischen Plastik,
wiederherzustellen, ist doch zu verlockend, und der Mut, sich an
ihre Lösung zu wagen, kann auch nur steigen, sobald man erkennt,
dass die Zahl der denkbaren Möglichkeiten sofort zusammen-
schrumpft, wenn man die z. T. ganz unbegreiflichen Fehler wer-
meidet, die hüben und drüben gemacht sind. So hatte — um hier
zunächst nur einen zu erwähnen — Friederichs 1859 in seinem
grundlegenden Aufsatze über die Neapler Figuren (3), vielleicht
(1) Es kommen besonders in Betracht ausser den älteren Arbeiten von
Overbeck (Verhandlungen der XXVII. Philologen-Versammlung in Kiel
1869, 37 ff. Geschichte der griechischen Plastik I4 156. Verhandlungen der
sächs. Gesellsch. der Wissensch. Philol. Histor. Kl. XLIV, 1892, 34 ff.) und
Petersen (Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus Oesterreich III, 1879,
73 ff.) : Sauer, Die Anfänge der statuarischen Gruppe 43 ff. und Römische
Mitteilungen XV (1900) 219 ff. — Petersen ebda. XVI (1901) 97 ff. — Michaelis,
Festgabe f. d. aich. Section d. XL VI. Philologen-Versammlung 1901 in Strass-
burg 24 f. — Hauser, Römische Mitteilungen XIX (1904) 163 ff. — Die Behand-
lung, die die Gruppe in Kleins Geschichte der Griech. Kunst I 376 ge-
funden hat, bedeutet einen unverständlichen Missgriff.
(2) Neue Jahrb. für das klass. Altert. IX 1902 620 Anm. 2. Vergl. auch
Curtius' Worte (Hermes XV, 1880, 149): «Wo giebt es eine Doppelgruppe
antiker Plastik, mit deren Elementen man so hin und her probieren kann,
ohne irgendwie ein harmonisches Ganze herzustellen ? n
(8) Arch. Zeitung. XVII (1859)65.
EINE HERSTELLUNG DER GRUPPE DER TYRANNENMÖRDER 331 *
durch die hässlichen Ergänzungen des Aristogeiton getäuscht, aus-
geführt, dass dieser nur in der Rolle des Sekundanten dargestellt
sei, und das hatte Overbeck 1869 aufgegriffen, aber nun auch aus
Thukydides (VI 54 ff) heraus- oder vielmehr in ihn hineingelesen
und selbst noch in seiner letzten Besprechung der Frage (1892)
festgehalten. Bei Thukydides steht aber klar und deutlich zu lesen,
dass die beiden Freunde ganz gleichmässig ergrimmt waren, dass
sie im Augenblick, da sie sich an Hippias verraten glauben, so
wie sie stehen und gehen, zusammen ins Toi laufen, in gleicher
Hast über den Gegner herfallen und die Ermordung gemeinsam
ausführen, keineswegs aber so, dass etwa Harmodios den Todes-
streich führt und Aristogeiton ihm dabei nur behülflich ist (1).
Und wenn man mit Recht geltend macht, dass auch Thukydides
durch hundert Jahre von dem Ereigniss getrennt war und vielleicht
nicht unbedingt zuverlässiges berichten konnte, so tritt dafür das
Epigramm des Simonides ein, das Hauser jetzt mit Recht als
Unterschrift für die Gruppe erklärt, also ein Zeugnis, das mit
dieser gleichzeitig ist. Denn wenn in den Skolien, und dann im
Anschluss an sie meist auch sonst, Harmodios an erster Stelle
genannt wird, so hat das lediglich metrische Gründe — auf andere
Weise fügen sich eben die beiden Namen nicht in das Versmass —
und wird durch das Epigramm wieder aufgehoben, das genau aus
demselben Grunde den Aristogeiton voranstellt (2), ja das xtsTvs die-
sem beifügt, dagegen den Harmodios scheinbar nur lose anschliesst
und wenn ferner ein Skolion nur den Harmodios erwähnt und ihm
gleich Achilleus ein Weiterleben in den Gefilden der Seligen
nachsagt, so könnte man diese Bevorzugung auf seinen Tod in
jungen Jahren zurückführen, braucht es aber nicht einmal zu tun,
da Aristophanes (Lysistr. 633 f.) wiederum den älteren Freund
allein nennt. Man sieht also, die 'literarische Ueberlieferung bietet
keinen Anhalt, dem einen eine bedeutendere Rolle zu geben, als
dem anderen ; aber ebenso wenig auch die plastische Gruppe. Wird
das auch erst im weiteren Verlaufe der Untersuchung hervortreten,
(*) VI 56, 2 sagt Thukydides sogar xa^enG>s Ä ivsyxovtog roC 'Jq/uo-
Slov tioXXq $t) uakXov SC ixetvovxai ö ÜQiaroyeitcoy nctQwZvvexo.
(2) Etwas anderes sagt auch Aristoteles in der noXitela Kap. XVIII
nicht. Auch Herodot stellt einmal (V 55) Aristogeiton voran.
332 P. J. MEIER
so mag doch schon hier bemerkt werden, dass, wenn der Anteil
der Freunde an der Ermordung des Hipparch ein ungleicher gewesen
wäre, ihnen doch kaum die gleichen Ehren erwiesen worden wären,
und ist nicht auch die für jene Zeit ganz ausserordentliche
Schwierigkeit, die dem Bildhauer gestellt wurde, zwei Figuren
zu einer geschlossenen künstlerischen Gruppe zu vereinigen, Beweis
genug für den hervorragenden Anteil, den auch Aristogeiton an der
Tat hatte?
Aehnliche Fehler sind aber auch sonst bei dem Bemühen, die
Gruppe herzustellen, gemacht worden, und doch hat mich der ei-
gene Versuch, den ich vor 3 Jahren an den Gipsen des herzogl.
Museums in Braunschweig anstellte (*), gelehrt, dass es nur darauf
ankommt, den richtigen Ausgangspunkt zu gewinnen, um von ihm
aus in streng logischer Folge ans Ziel zu gelangen, an ein Ziel
allerdings, das in allem wesentlichen schon längst erreicht, dann
aber wieder vielfach aus den Augen verloren war und daher noch
einmal von neuem gesteckt werden musste.
Wer die Gruppe herstellen will, muss die Arbeit bei den
Eii^elfiguren beginnen. Bei der. Figur des Harmodios steht die
Sache noch verhältnismässig gut; hier ist vor allem der pracht-
volle Kopf erhalten und die an sich falsche Ergänzung der Arme
konnte doch nicht vollständig die Wucht und die Leidenschaft der
hochgewölbten herrlichen Brust vernichten. Anders beim Aristo-
geiton. Die Bewegung des Vorwärtsstürmens selbst ist freilich
nie gestört gewesen, da Rumpf und Beine nicht beschädigt sind,
aber im übrigen wäre es wirklich schwer, eine Ergänzung ausfindig
zu machen, die die Wirkung der Figur noch mehr verdorben hätte,
als es jetzt schon der Fall ist. Dabei hätte der antike, aber aus
dem Ganzen herausfallende Kopf Lysippischen Stils, den man ihr
im Original aufgesetzt hat, noch nicht einmal soviel Unheil an-
gerichtet, wenn man nicht bei der Herstellung auch dessen Hals
mit seiner, für die archaische Figur unpassenden Drehung und
Neigung verwendet hätte, die die einseitige, aber im höchsten
(*) Die Ausführung lag in den Händen des Bildhauers E. Kircheisen
in Braunschweig, der sich der Arbeit mit grösstem Interesse und nicht gerin-
gerem Geschick annahm. Mir standen aber auch beständig ratend und helfend
meine beiden Kollegen, der Bildhauer Karl Echtermeier und der Architekt
Hermann Pfeifer, in liebenswürdigster Weise bei.
EINE HERSTELLUNG DER GRUPPE DER TYRANNENMÖRDER 333
Masse kraftvolle Bewegung der Figur nahezu aufhob. Selbst der
zuerst durch Treu an den Berliner Abgüssen gemachte Versuch,
an die Stelle des Lysippischen Kopfes den Madrider Pherekydes-
kopf zu setzen, der jetzt wirklich, wie mir scheint, als der fehlende
Aristogeitonkopf durch Hauser nachgewiesen ist, hat mehr Schaden
als Nutzen gestiftet, weil hierbei das falsche Aufsitzen des ersten
beibehalten wurde, das aber bei den archaischen Formen des Ma-
drider Kopfes noch erheblich störender wirkte. Und doch brauchte
man nur den Hals des Harrriodios im Gegensinne und mit den ge-
ringen Aenderungen, die die verschiedene Haltung der Arme forderte,
auf den Aristogeiton zu übertragen, so sass der Kopf richtig.
Das Weichliche und Schlaffe, das der bärtige Kopf in seiner
verkehrten Stellung bot, fand nun aber sein würdiges Gegenstück
in der Haltung der Arme; der rechte vor allem ist am Neapler
Original nicht viel anders als eine unorganische Masse gestaltet,
die an den erhaltenen Armstumpf angehängt wurde und nun von
dort leblos, als gehörte sie nicht zu dem stürmisch bewegten Körper,
herabhieng. In dieser Herstellung musste Aristogeiton in der Tat
den Eindruck machen, als ob er nur dem Freunde im Falle der
Not eine noch dazu fragwürdige Hülfe gewähren wollte; aber es
lässt sich aus der Figur ein ebenso überzeugender Beweis, wie aus
den Zeugnissen der Schriftsteller, führen, dass auch der ältere Freund
entscheidend bei dem Ueberfall eingreifen sollte. Petersen macht mit
Kecht darauf aufmerksam, dass auf dem Würzburger Stamnos und auf
der ähnlichen Vase aus Gela, die beide unter dem Einflüsse der
Gruppe stehen, grade Aristogeiton den ersten Stoss führt. Auch auf
der Münze von Kyzikos und auf der Lekythos sieht dieser nicht aus,
als wollte er sich mit einer Nebenrolle begnügen. Das ist aber vol-
lends ausgeschlossen, wenn man sich die Neapler Figur selbst ge-
nauer ansieht.
Die erhaltene rechte Schulter ist nämlich soweit zurückge-
nommen, dass die Brust des Aristogeiton, zum mindesten auf dieser
Seite, nicht weniger gewaltsam herausgewölbt ist, wie die des. Har-
modips, und wenn hier, wie wir sehen werden, .auch noch ein an-
derer Umstand mitgewirkt hat, so lässt sich jene Haltung docli
auch nicht ohne die Annahme erklären, dass der rechte Arm zum
kräftigen Stosse ausholte, und die vollständige Symmetrie der beiden
Figuren somit auch an dieser Stelle hervortrat. Aristogeiton ist
334 P. J. MEIER
gleich Harmodios in machtvoller Ausfallstellung gegeben ; nur setzt
der eine den rechten, der andere den linken Fuss vor, und dem
entspricht es auch, wenn beide in dem Augenblick dargestellt
sind, wo die Waffe den Gegner treffen soll, aber der eine den Arm
zum Schlag erhebt, der andere ihn zum Stosse zurücknimmt, ein
wichtiger Umstand, der bisher nicht beachtet worden ist und
der doch in voller Uebereinstimmung mit den Schriftzeugnissen
steht.
Die matte und flaue Bewegung aber, die Aristogeiton so in
der fehlerhaft ergänzten Neapler Figur bot, wurde weiter noch
durch den linken Arm mit dem Gewände gesteigert. Es ist ganz
richtig betont worden, dass diese Teile der Statue im wesentlichen
alt sind. Nun bemerkt man aber auf den Photographien, was bisher
gleichfalls übersehen zu sein scheint, dass der oberste Teil des
Gewandes mit dem darunter liegenden Arm, also auffallenderweise
grade dessen widerstandsfähigster Teil, wie die an beiden Seiten
entlang laufende Fuge erkennen lässt, aufgesetzt ist; aber es handelt
sich hier nicht um einen völlig neuen Ersatz, sondern man hatte
ohne Zweifel die antike stark bestossene Oberfläche der Länge
nach abgesägt, um sie durch ein neues Stück zu ersetzen, sich
aber dann doch entschlossen, das alte beizubehalten und es in
roher Weise soweit zu bearbeiten, dass eine Verbindung zwischen
den Falten der Vorder- und der Rückseite hergestellt wurde. Kein
Wunder, dass der Arm, dem man noch dazu die Hand zu kurz
ansetzte, vollkommen verkrüppelte und die Schulter nach ihm zu
in ganz formloser Art abfiel.
Unter Vermeidung aller dieser Fehler ist nun die Figur des
Aristogeiton bei uns hergestellt worden (s. Fig. 2 auf S. 346). Der
Kopf wurde gerade gerückt, der rechte Arm völlig neu modelliert,
der linke gehoben, verlängert und auf dem obersten Stück gleich-
falls neu modelliert. Es verstand sich ferner von selbst, dass man
hierbei nicht stehen bleiben durfte ; der Baustamm wurde entfernt,
so dass das Gewand ganz frei herabhing, und dieses selbst nach
Petersens Vorschlag in seiner Endigung unten ergänzt.
Es ist gar nicht zu sagen, wie die Figur jetzt gewonnen hat.
Statt Mattigkeit und Kraftlosigkeit ein unaufhaltsamer Ansturm,
statt eines nichtssagenden Zurückhaltens ein energischer Stoss, statt
stilistischer Gegensätze eine einheitliche Wirkung. Erst jetzt hat
EINE HERSTELLUNG DEK GRUPPE DER TYRANNENMÖRDER 335
Harmodios einen ebenbürtigen Gefährten gewonnen, ja einen Ge-
fährten, der ihm vielleicht den Rang abläuft (').
Die Figur des jüngeren Freundes war leichter zu behandeln.
Kopf und Rumpf sind fast tadellos erhalten, die Beine wenigstens
soweit richtig ergänzt, dass die Wirkung bewahrt blieb — nur
hätte auch das vorgesetzte rechte in genauer Uebereinstimmung
mit dem linken des Genossen ergänzt werden müssen — , beim
linken Arm genügte eine Aenderung der Hand; dagegen musste
der rechte Arm ganz neu modelliert werden, wobei sich, nachträglich
erhebliche, aber doch unnötige Bedenken einstellten, auf die erst
später eingegangen werden kann. Die Entfernung der Stütze auch
beim Harmodios und die Vereinigung der beiden Plinthen (2) boten
kein Hindernis, und so war nur eine schwierige Frage zu lösen,
über die der Streit noch hin und hergeht : Wie waren die beiden
Figuren zu einander zu stellen?
Es galt hier mit den verschiedenen Ansichten abzurechnen
und bis auf 0 verbeck zurückzugehen, der den ersten Versuch einer
Herstellung der Gruppe wenigstens auf dem Papiere gemacht hatte.
Er ging davon aus, dass eine vollkommen parallele Aufstellung
der Figuren, wie sie die meisten Nachbildungen zeigen, nur im
Reliefstil möglich sei, in der Rundplastik diese aber auseinander
fallen Hesse, und er schloss daraus eine keilförmige Aufstellung.
Dass er zugleich, unter falscher Berufung auf Thukydides und in
Anlehnung an Friederichs, den Harmodios als den eigentlichen
Mörder etwas voranstellte, war oben schon erwähnt. Petersen aber,
der zehn Jahre später und dann noch einmal 1901 die Frage wieder
aufgriff, begnügte sich nicht damit, diese zweite Forderung Over-
becks, erst aus ästhetischen Gründen (3), dann auch unter Hinweis
auf die Geschichtsquellen, zurückzuweisen, sondern er griff auch
(») Dass die Figur des Aristogeiton in der Tat besser gearbeitet ist,
hat Giov. Patroni in den Atti della Reale Accademia di Napoli XIX (1897/8)
II 2 erwiesen.
(2) Dass die Neapler Figuren selbst stets Einzelfiguren, vermutlich deko-
rativer Art gewesen sind, hat Patroni erwiesen.
(3) Wenn die Gruppe in den Nachbildungen nicht überhaupt aufgelöst
ist, erscheint meist die tiefer stehende Figur etwas vorgezogen, gleichviel
von welcher Seite her die Nachbildung genommen ist. Es giebt keinen zwin-
genderen Beweis für die Aufstellung der Figuren in grader Linie.
336
P. J. MEIER
die Dreieckstellung an, indem er behauptete — das ist offenbar
der eigentliche Kern seiner Ansicht — , dass die Freunde in 0\Ter-
becks Keilstellung zwar auf ein Ziel hin, aber nicht von einem
Ausgang her stürmten. Erstellte also die beiden Flächen, in die
die Beine jeder Figur fallen, nicht im spitzen Winkel, sondern
parallel zu einander, und darin folgte ihm Michaelis in seiner be-
Fig. 1.
kannten Herstellung der Strassburger Abgüsse (vgl. Fig. 1). Im Ge-
gensatz zu Michaelis rückt aber Petersen nicht, wie üblich, den
Harmodios sondern den Aristogeiton vor, weil sonst bei den Seitenan-
sichten dessen Gewand die Wirkung der Gruppe stark beeinträchtigte,
auch weil dies angeblich durch die verschiedene Bewegung der
Freunde begründet war, und führt aus, dass diese in erster Linie
auf die rechte, jedoch dann auch auf die linke Seitenansicht (vom
Beschauer aus), in keinem Falle aber auf die Vorderansicht berech-
net sei (*).
(l) Ihm folgte Sauer.
EINE HERSTELLUNG DER GRUPPE DER TYRANNENMÖRDER 337
Ich beginne die Begründung meiner eigenen Ansicht, wie sie
in der Umgestaltung der Abgüsse hervortritt, mit der Frage, ob
Keilschema oder Parallelismus für die Figuren anzunehmen sei,
und muss allerdings gleich bekennen, dass es einem militärisch oder
turnerisch vorgebildeten Menschen ganz ausserordentlich schwer
fällt, zu verstehen, wie Petersen überhaupt zu seiner Polemik
gegen das Keilschema kommen konnte. Man mache am lebenden
Modell den Versuch, stelle zwei Männer — so breitschultrig, wie
die Tyrannenmörder brauchen sie nicht einmal zu sein — ganz
dicht neben einander und lasse sie je mit dem inneren Beine in
Ausfallstellung übergehen, sofort ist das Keilschema da. Zwei
Männer, die nebeneinander auf ein Ziel herlaufen, können eben
gar nicht von einem Punkte, sondern nur von einer ziemlich
breiten Linie ausgehen. Es wirkt gradezu erheiternd, dass
selbst Overbeck ('), der doch das richtige empfunden und stets
verteidigt hatte, in seiner Erwiderung- auf Petersens Angriff offenbar
in Verlegenheit war, weil er allerdings das von diesem geforderte
Ausgehen von einem Punkte nicht beachtet fand; so spricht er
wohl davon, dass die Figuren bei Petersen auseinanderfielen, aber
denkt nicht daran, dass sie sich gradezu über den Haufen rennen
müssten, sobald sie aus der Ausfallbewegung in die Grundstellung
zurückgehen wollten. Wir werden freilich noch sehen, dass die For-
derung nicht immer berechtigt ist, bei der Herstellung der Gruppe
auf die Wirklichkeit zurückzugehen, dass der Künstler vielmehr
auch in der Bewegung sehr stark stilisierte, aber es wird sich auch
weiter ergeben, dass die parallele Stellung noch aus anderen Grün-
den ausgeschlossen ist.
Auch ein anderes stilistisches Moment spielt bei Petersen
eine Rolle. Es ist ihm nämlich mehr als fraglich, ob man einem
so frühen Werke, wie den Tyrannenmördern, die Anwendung der
dritten Dimension, die sich allerdings bei der Vorderansicht er-
geben müsste, zutrauen darf, und er zieht deshalb eine Aufstel-
lung vor, bei der der Künstler sich mit den üblichen zwei Di-
(l) Wäre übrigens doch eine Figur voranzustellen, so könnte dies al-
lerdings nur der Aristogeiton sein, sowohl wegen des Gewandes, als weil
beim Harmodios, von seiner rechten Seite gesehen, der erhobene Arm den
Kopf verdecken würde.
23
338 P. J. MEIER
mensionen begnügen konnte, die also die Gruppe ans dem Flächen-
oder Reliefstil der alten Zeit entstanden sein liess. Ich brauche ja
hier nicht weiter auszuführen, mit welcher Zähigkeit der Grieche
an dieser Auffassung fest gehalten hat, sondern nur an die Nio-
biden und den Laokoon zu erinnern. Aber zwischendurch ent-
stehen doch auch dreidimensionale Werke, wie der Dornauszieher,
der aus diesem Grunde noch ebensowenig in die römische Zeit
hätte gesetzt werden sollen, wie der Diskuswerfer, der ganz fraglos
dreidimensional ist (J), und wie war es möglich, z. B. ein Vier-
gespann mit dem Wagenlenker zu schaffen, das sich mit zwei Di-
mensionen behalf? Hier ging es doch nicht an, etwa die Pferde
nach einander jedesmal ein Stück vorzuschieben, damit auch das
letzte sichtbar wurde, wie es im Ostgiebel des olympischen Zeus-
tempels der Fall ist. Hier mussten vielmehr die Pferde einzeln
gegossen und dann nebeneinander in eine Linie gestellt, auch der
Wagen der Wirklichkeit entsprechend gegeben werden, wie es schon
die frühsten Beispiele zeigen, und damit war die dritte Dimension
ohne Weiteres gefunden. Es gab eben Aufgaben, die mit dem her-
gebrachten Schulschema nicht zu lösen waren, sondern nur unter
Zurückgreifen auf die Wirklichkeit.
Trotzdem wäre es an sich gewiss nicht unmöglich gewesen,
die Aufgabe, zwei angreifende Männer zu einer plastischen Gruppe
zu vereinen, mit den hergebrachten Mitteln zu lösen. Man brauchte
nur die beiden Figuren ähnlich wie die Pferde des Giebelfeldes zu
stellen und in volkommenem Parallelismus jeden mit dem linken
Fuss ausfallen, zugleich jedoch mit Hieb und Stoss wechseln zu
lassen, so hatte man eine vortreffliche Gruppe, die freilich nur,
gleich der Myronischen Gruppe Athena und Marsyas, die eine
Seitenansicht bot, aber hierbei jede Figur mit der vollen Brust-
seite zeigte. Aristogeiton hätte dann gleichzeitig vorgezogen und
für den Beschauer jenseits des Harmodios gestellt werden, dieser
aber die rechte Schulter und den rechten Arm zurücknehmen
müssen. Bedenken aber erregt die Aufstellung Petersens schon
dadurch, dass die vorgeschobene Figur nicht die Brust, sondern
den Rücken in der Hauptansicht zeigt und dass dies in der zweiten
(*) Trotz der Ausführungen Auberts, Ztschr. f. bild. Kunst N. F. XII
(1901) 40 ff.
EINE HERSTELLUNG DER GRUPPE DER TYRANNKNMÖRDER 339
Seitenansicht beim Harmodios ähnlich wiederkehrt; Petersen hat
auch kein sicheres Beispiel für eine derartige Gruppierung in der
Vasenmalerei nachweisen können. Aber gesetzt auch, es fände sich
ein solches — und in der Tat Hessen sich die Tyrannenmörder,
wenn auch nur mittels einschneidender Aenderungen so denken — ,
so besitzen wir doch ganz bestimmte Anzeichen dafür, dass die
Gruppe in der Hauptsache auf die Vorderseite berechnet ist. Das
erste besteht in der auf das genauste durchgeführten Symmetrie der
beiden Figuren, die so gross ist, dass sie unerträglich wäre,
wenn nicht wenigstens der Unterschied zwischen dem unbär-
tigen und dem bärtigen, dem ohne Deckung unvorsichtig zum
Hiebe und dem unter vorsichtiger Deckung zum Stoss ausholen-
den Angreifer, der Chlamys des einen und dem Schwertgehäng
des anderen die nötige Abwechslung brächte. Man verfolge aber
sonst in der beigegebenen Aufnahme der Gruppe die Gestalten von
unten auf, so wird man erstaunt sein über die vollkommene Ueber-
einstimmung beider im Gegensinne, die im Original noch grösser
war, als in den Neapler Marmorkopien, bei deren Ergänzung das
rechte Bein des Harmodios etwas abweichend gearbeitet wurde.
Von vorn gesehen, zeigt der eine genau soviel vom Rumpf, wie
der andere, stellt jener das Hinterbein genau so, wie dieser, muss
daher auch der Kopf bei beiden ganz gleichmässig aufsitzen. Man
beachte besonders, wie der tätige rechte Arm des Aristogeiton dem
untätigen linken des Harmodios vollkommen entspricht, ja die Sym-
metrie in den Umrissen der Gruppe scheint es sogar gefordert zu
haben, dass die linke Hand des Harmodios die von Hauser aus
zwei Nachbildungen mit Recht erschlossene Haltung erhielt, damit
sie der rechten Hand des Aristogeiton mit dem Schwert besser
entsprach. Eine solche Symmetrie hatte aber keinen Zweck, wenn
sie nicht in die Erscheinung trat, und das konnte natürlich nur
in der Vorderansicht geschehen.
Nicht weniger beweiskräftig ist ein zweites. Es ist zuzugeben,
dass jede einzelne Figur der Gruppe mit den parallel gestellten
Armen und Beinen aus dem Flächenstil heraus entwickelt ist. Die
Angriffsbewegung besonders des Aristogeiton kam diesem von selbst
entgegen. Arme und Beine fielen mit Leichtigkeit in eine Fläche,
aber dieser hätte sich im vorliegenden Fall auch eigentlich der
Rumpf einordnen müssen, und dazu lag um so mehr Grund vor,
340 P. J- MEIER
als der Körper, dem Feinde in der Schmalseite dargeboten, viel
weniger Gefahr lief, von diesem mit einem Gegenstosse bedacht
zu werden. Studien am lebenden Modell würden dies leicht be-
stätigen, es genügt aber auch, die kleine Berliner Bronzefigur eines
Kriegers mit vorgestrecktem Schild und hochgeschwungenem Speer
zu vergleichen. Von diesem Schema weicht nun aber die Figur des
Aristogeiton ganz erheblich ab. Während Arme und Beine in einer
Fläche liegen, ist die Brust, was in dem ganzen Streite nie betont
wurde, mit aller Gewalt nach innen gedreht, so dass schon hier-
durch die Ketten des zweidimensionalen Reliefstils gesprengt wer-
den. Ja man kann an sich selbst die Erfahrung machen, dass diese
Haltung der Brust recht unbequem und unnötig ist. Genau das-
selbe ist beim Harmodios der Fall, nur Hess sich die Sache bei
ihm nicht so klar erfassen, weil hier der Einwurf möglich war,
dass die Bewegung des rückwärts zum Schlage gebogenen Armes
die Innendrehung der Brust veranlasst haben könnte. Diese Ab-
weichung vom Schema, ja teilweise von der Wirklichkeit hat aber
nur dann Sinn, wenn der Künstler in erster Linie für die Vor-
deransicht arbeitete, die freilich nicht wirken konnte, ohne dass
sie die Brust und den ganzen Rumpf der Figuren in vollster Breite
dem Beschauer bot. Nur der Zwang der selbstgewählten Stellung
konnte den Künstler auf diese Bahn locken.
Petersen behauptet allerdings, die von 0 verbeck hergestellte
Gruppe in Vorderansicht wirke unschön ; ich will dies Urteil einst-
weilen auf sich beruhen lassen, obgleich schon jetzt gesagt sein
mag, dass fein empfindende Künstler wie Kunstverständige grade
von der Vorderansicht unsrer hergestellten Gruppe gewaltig gepackt
wurden. So scheidet denn Petersen diese Ansicht vollkommen aus
und preist um so lauter die Seitenansichten, die eine etwas mehr,
als die andere, aber doch nicht so, dass er die zweite entbehren
möchte. Er beschäftigt sich auch viel mit dem Platz, den die
Gruppe seiner Meinung nach auf dem Markte einnahm, erörtert
eingehend, dass die Athener beim Aufstieg zur Akropolis am Pan-
athenaeenfeste erst die Seite mit dem Harmodios, dann bei der
Rückkehr auch die mit dem Aristogeiton erblicken mussten; von
der Wirkung in der Vorderansicht ist keine Rede. Es fragt sich
nur, wie kam der Beschauer, der sich zur Betrachtung der Gruppe
mehr Zeit nahm, als die Prozession, und von der einen Seiten-
EINE HERSTELLUNG DER GRUPPE DER TYRANNENMÖRDER 341
ansieht zur andern überging, um die unglückliche Vorderseite herum?
Soll man sich denn denken, dass er ob ihrer Hässlichkeit die Augen
schioss, bis er auf die andere Seite gelangt war? Ein Denkmal,
an der einen Seite eines freien Platzes aufgestellt, an dessen an-
derer Seite die Feststrasse entlang zog, mit den Köpfen seiner Fi-
guren senkrecht auf diese stossend, sollte nicht auch, ja sollte
nicht in allererster Linie auf Vorderansicht berechnet sein ?
Das Unmögliche der Petersen'schen Ansicht hat auch Michaelis
richtig empfunden; ihm sind zwar ebenfalls die Nebenseiten die
wichtigsten, aber er lässt doch auch die Vorderseite bestehen
und hat ihr zu liebe die Figuren wenigstens in gleiche Linie ge-
bracht. Indessen, wer einmal die Vorderansicht nicht ganz beseitigt,
kommt unaufhaltsam in das Getriebe einer mit logischer Strenge
arbeitenden Maschine. Michaelis hat sich der notwendigen Schluss-
folgerung dadurch scheinbar entzogen, dass er die Gruppe nicht von
vorn, sondern zweimal schräg aufgenommen hat. Denn sobald man
die Figuren nicht keilförmig, sondern streng parallel stellt, ist es
freilich mit der Vorderansicht, auch bei Michaelis Herstellung,
vorbei. Harmodios geht nach links, Aristogeiton geht nach rechts
ab, von dem Losstürmen auf den einen Hipparch ist keine Kede
mehr. Es sieht vielmehr so aus, als sei das Signal « Schwärmen ■
geblasen oder als wären die Freunde rings von Gegnern umstellt
und müssten nach verschiedenen Seiten hin Front machen. Ganz
unerträglich wird die Sache, wenn man den Köpfen die Augen
aufmalt, dann fällt die Gruppe in der Vorderansicht rettungslos
auseinander.
Wie man sich also auch dreht und wendet, es giebt nur eine
Möglichkeit der Aufstellung, die von 0 verbeck empfohlene keil-
förmige. Hat man aber dies einmal erkannt, so sind so viele
Anhaltspunkte vorhanden, dass man kaum vom rechten Wege
abirren kann. Harmodios, dessen Kopf erhalten ist, bildet mit
seinen gradeaus gerichteten Augen den festen Punkt auch für
Aristogeiton, der in genauester Symmetrie neben den Gefährten zu
stellen, dessen Kopf auch, wie bereits bemerkt war, dem des Har-
modios entsprechend aufzusetzen ist. Damit ist harscharf der Winkel
gegeben, in dem sich die Figuren treffen. Im übrigen sind sie,
um als geschlossene Gruppe wirken zu können, so weit dicht an
einander zu schieben, dass Harmodios unbehindert von dem weit
342 P. J. MEIER
vorgestreckten, in seiner ursprünglichen schrägen Richtung durch
den antiken Stumpf bestimmten Arm des Aristogeiton zuschlagen
kann. Andrerseits zwingt die vollkommene Symmetrie der Figuren,
die wir oben für die Vorderansicht geltend machten, ebenso
zur Gleichstellung der beiden, die dicht vor ihrem Opfer
stehen und eben den tödtlichen Hieb und Stoss führen wollen, so
dass es unmöglich erscheint, dem einen zum Nachteil des anderen
den Vorrang zu geben. Ich vermag auch nicht einzusehen, in
wiefern das Gewand des Aristogeiton dafür sprechen soll, dass
dieser dem jüngeren Gefährten vorangeht. Ich finde beide Seiten,
wenn auch unter sich sehr verschieden, so doch gleichmässig reich
ausgeführt. Ja, wenn der antike Kopist die Falten des Originals
richtig wiedergegeben hat, so ist die innere Seite des Gewandes,
die die archaische Regelmässigkeit schon glücklich überwunden
hat, erheblich lebensvoller. Hat sich übrigens Petersen auch klar
gemacht, welche absonderliche Form die Plinthe erhält, wenn man
die eine Figur halb vor die andere stellt?
Es wird hier der rechte Ort sein, eines weiteren Einwurfes
Petersens gegen die keilförmige Anordnung der Gruppe zu ge-
denken. Er führt aus, dass der Künstler die Freunde allein und
ohne den Gegner losstürmend dargestellt und es somit der Phan-
tasie überlassen hätte, diesen hinzuzudenken oder an seine Stelle
jeden Freiheitsfeind einzusetzen, dass man aber mit solcher Phan-
tasie die beiden Freunde doch nur von der Seite her, nicht von
vorn betrachten könne, wo man selber ihrem Ansturm ausgesetzt
war. In der Tat, wer sich der von uns hergestellten Gruppe grade
gegenüber stellt, kann sich des zwingenden Eindrucks nicht er-
wehren, dass die beiden in ihrer unaufhaltsamen Bewegung, in
der gewaltigen Wucht ihres Angriffs, die auch Overbeck richtig
empfand, jeden zermalmen werden, der sich ihnen in den Weg
stellt oder nicht vor ihnen die Flucht ergreift. Unwillkürlich setzte
sich der Beschauer an die Stelle des verhassten Tyrannen ; er
konnte nicht zweifeln, dass es im nächsten Augenblick um diesen
geschehen sei. Aber wenn das Werk diese Wirkung ausübt, dann
ist ja eben das erreicht, was der Künstler wollte ; grade das Ge-
genteil von dem, was Petersen meint, ist daraus zu folgern.
Ja dieser eine Umstand würde vollkommen ausreichen, um zu
beweisen, dass unsre Aufstellung das richtige getroffen hat.
EINE HERSTELLUNG DER GRUPPE DER TYRANWENMÖRDER 343
Denn, wenn irgendwo, so hat hier Konrad Langes Lehre von
der bewussten Selbsttäuschung als Kern des künstlerischen Ge-
nusses ihre Geltung. Dem Beschauer standen Mittel genug zur
Verfügung, um sich jeden Augenblick sagen zu können, dass die
bevorstehende Gefahr, die man empfand, künstlich erzeugt war und
in Wirklichkeit nicht bestand. Dieser fast lähmende Eindruck aber
ist nur in der Vorderansicht, niemals in der Seitenansicht möglich,
bei der die Figur des Gegners nur ungern entbehrt würde. Der
aber musste fehlen, denn die Gruppe sollte ja doch, wie Koepp
keineswegs zum Ueberfluss nochmals hervorhebt, nicht ein geschicht-
liches Ereignis in der Erinnerung festhalten, sondern war von
vornherein als Ehrendenkmal für die Männer gedacht, die im
Laufe der Zeit für das Volksbewusstsein Befreier vom Tyrannen-
joch wurden, was sie ja niemals gewesen waren, und für die wohl
gleichzeitig mit der Aufstellung des Denkmals auch die Opfer ein-
gesetzt wurden, die der Archon Polemarchos darzubringen hatte.
Ein Ergänzungsversuch an Abgüssen, wie wir ihn gemacht
haben, setzt an Stelle theoretischer Erwägungen praktische Erfah-
rungen. Verleiht ihm dies seinen besonderen Wert, so ist doch
auch nicht zu leugnen, dass er gleichzeitig eine gewisse Unduld-
samkeit gegen die abweichenden Ansichten im Gefolge hat. Jetzt,
wo die Gruppe der entstellenden Ergänzungen und der Stütze be-
raubt, fertig vor uns steht und durch eine geschickte Bemalung
völlig den Eindruck eines Bronzewerkes erlangt hat, ist für mich
jeder Zweifel an der Richtigkeit der Herstellung in allem wesent-
lichen völlig ausgeschlossen.
Kam mir während der Arbeit des Bildhauers noch das eine
oder andere Bedenken am Schreibtisch, so schwand es sofort, wenn
ich wieder der Gruppe gegenüber trat ; jetzt vollends, wo sie drei
Jahre strengster Prüfung Stand gehalten hat, darf ich mich wohl
zufrieden geben. Aber auf ein Bedenken, das uns noch besonders
beschäfiigte und das ich oben bereits streifte, muss hier noch ein-
gegangen werden, weil es ungemein lehrreich für das Verständnis
der Gruppe ist. Ich hatte den Bildhauer gebeten, den rechten Arm
des Harmodios in genauer Anlehnung an die Strassburger Ergän-
zung zu modellieren; als wir aber an den rechten Arm des Ari-
stogeiton gingen, mussten wir das lebende Modell zu Hülfe rufen,
und dabei ergab sich, dass die rechte Hand, die stossen will, beim
344 P. J. MEIER
ausholen hinter das Gesäss genommen wird, so dass die Schwert-
spitze in nahezu senkrechtem Winkel von dem Körper absteht,
und dass dann das Schwert beim Stosse selbst nicht in einer
graden Linie sondern in einer Kurve bewegt wird. Gleichzeitig
wurde ich durch P. Hermann darauf aufmerksam gemacht, dass
auch beim Schlagen mit dem Schwert Arm und Waffe sich
keineswegs in einer graden Fläche bewegen, sondern dass beim
Ausholen die Hand über dem Scheitel zu stehen kommt, so dass
sich auch hier das Schwert fast senkrecht zur Figur stellt, und
dass Arm und Waffe noch viel verwickeitere Kurven beschreiben.
In dieser der Wirklichkeit abgelauschten Haltung sind die rechten
Arme in der Dresdener Herstellung gegeben, aber schon der Um-
stand, dass das zum Schlage erhobene Schwert des Harmodios
liier in einer, wie mir scheint, unmöglichen Kürze gehalten ist,
zeigt, dass die natürliche Haltung bei der Gruppe ausgeschlossen
ist. Geben wir nämlich den Schwertern die Länge, wie es etwa
das des Kämpfers auf der Vase Aren. Zeitung 1870 Taf. 24 hat,
so stehen sie soweit aus der Gruppe heraus, dass sie deren sorg-
fältig erwogene Umrisse einfach vernichten und ein unerträgliches
Bild geben. Wir kamen daher zu der Ueberzeugung, dass die
Strassburger Herstellung beim Harmodios das Richtige getroffen
hätte, und dass wir beim Aristogeiton in gleicher Weise stili-
sieren müssten. Denn auch sonst macht ja die Gruppe den Eindruck
des eng Umgrenzten. Festen, streng Stilisierten. Von der umfassenden
Symmetrie der beiden Figuren, die in den Beinen, dem Rumpfe, dem
Kopfe und je dem gesenkten Arm, namentlich aber in den Umrissen
der ganzen Gruppe zu Tage tritt, war schon gesprochen. Mit welcher
fast raffinierten Ueberlegung der Künstler aber auch sonst zu Werke
gegangen ist, zeigt namentlich der vorgestreckte Arm des Aristo-
geiton mit dem Gewandstück. Man braucht sich dieses nämlich nur
fortzudenken, so erkennt man auch, dass dann in der Vorderansicht
— und für diese allein ist das Gewand, so schön es auch seitlich
wirkt, berechnet — eine hässliche Lücke klafft, die die Figuren aus
einander reisst, die Einheit der Gruppe auflöst. Dazu kommt noch
ein Zweites. Wie die erhobene Faust des Harmodios das Ganze krönt
und für die senkrechten Körperfiächen Fortsetzung und Vollendung
bildet, so deuten Arm und Gewand des Aristogeiten in ihrer
schrägen Richtung auf den gemeinsamen Gegner zu gleichzeitig
EINE HERSTELLUNG DER GRUPPE DER TYRAN>ENMÜRDER 345
die Fortsetzung der durch die Bein- und Rumpfstellung des Ari-
stogeiton gegebenen Fläche und die Linie an, in der sich jene
mit der Fortsetzung der gleichen Fläche beim Harmodios schnei-
den würde, und so trägt der kräftig ausgestreckte, vom Gewand
geschützte Arm mit der Scheide ganz erheblich dazu bei, das
Unaufhaltsame in der Angriffsbewegung der Freunde zum Aus-
druck zu bringen. Man beachte aber auch, wie der Künstler hier,
wo die Umrisse der Gruppe nicht mehr gefährdet sind, in der
Haltung der inneren Arme der Figuren sich die Abweichung von
der Symmetrie erlaubt, die sonst, wie wir schon sahen, zu weit
gegangen wäre und auch ihrerseits das Band, das die Freunde zur
Gruppe vereint, zerrissen hätte.
Ist nun aber auch die Gruppe in erster Linie auf die Vordei-
ansicht berechnet, so muss man doch auch rechts und links zur
Seite gehen, und die beigegebene Seitenansicht zeigt, dass hier
trotz der Keilstellung eine Wirkung erzielt worden ist, die hinter
der von Michaelis nicht zurücksteht. Zum vollen Genuss jeder
einzelnen Figur kommt man freilich erst, wenn man sie
genau von der Seite betrachtet ; besonders günstig wirkt hier Ari-
stogeiton, weil dessen Bewegung viel mehr in die Breite geht,
während die des Harmodios stärker auf die senkrechte Linie be-
rechnet ist. Dass bei der Seitenstellung des Beschauers, bei der
der Oberköper des dahinter befindlichen Genossen verdeckt wird,
dessen Arme für das Auge in eine unangenehme Verbindung mit
denen des anderen gebracht werden, soll nicht verschwiegen werden.
Aber dies hat doch selbst Michaelis, wie grade seine Aufnahme
von der Aristogeitonseite her zeigt, nicht vermeiden können und
man muss doch auch bedenken, d<iss es der erste künstlerische
Versuch war, zwei Figuren von gleicher Grösse und gleicher Hand-
lung in einer Gruppe zu vereinen, die noch dazu auf die Vorder-und
die beiden Schrägansichten berechnet war. Sollte dies jedoch trotz-
dem als ein Uebel betrachtet werden, so ist es jedenfalls im Vergleich
zu dem, das Petersens gradezu stilwidrige Aufstellung mit sich bringt,
bei weitem das kleinere. Unsere Ergänzung der Tyrannenmörder kann
nicht den Anspruch erheben (l) nun auch in allen Teilen das für
(*) Ich bemerke übrigens, dass wir auch sonst an unseren Gipsen, die der
Reihe nach im Sinne der ursprünglichen Originale getönt oder bemalt werden,
346 P. J. MEIER
immer verlorene Original zu treffen; es sind im einzelnen auch
andere Lösungen möglich, und vor allem stört der Pherek}<deskopi
dadurch, dass er zu klein ist und dass er in dem unteren, doch
Fi*. 2.
wohl ergänzten Teil des Bartes, im Gegensatz zum Schnurrbart
und zur Fliege, stilistisch reife Formen zeigt. Aber trotz ihrer
im Sinne von Amelungs Vorschlägen (Ztschr. f. bild. Kunst N. F. XIII 150 ff.
171 ff.) Ergänzungen vorgenommen haben, so ist z. B. beim Polykletischen
Diadumenos Vaison der Dresdener Kopf aufgesetzt und die linke Hand nach
einer Photographie des Madrider Exemplars neu modelliert, dann natürlich
der Baumstamm entfernt und die Siegerbinde ergänzt.
EINE HERSTELLUNG DER GRUPPE DER TYRANNENMÖDDER 347
Unzulänglichkeit hat erst die Herstellung der Gruppe uns einen
Einblick verschafft in das Geheimnis der künstlerischen Erfindung,
in das innerste Leben dieses Werkes, das einen der wichtigsten
Marksteine in der Entwickelung der griechischen Plastik bedeutet.
Es ist nicht meine Absicht, bei dieser Gelegenheit den un-
fruchtbaren Streit zu erneuern, ob wir in den Neapler Figuren
eine Nachbildung der Gruppe des Antenor oder derjenigen des
Kritios und Nesiotes zu erkennen haben. Denn wenn wir einer-
seits durch Lucian hören, dass es wider Erwarten grade das jün-
gere Werk war, das in der römischen Kaiserzeit durch Nachah-
mungen verbreitet war, so hat uns doch andererseits P. Corssen (*)
gelehrt, dass auch die Gruppe des Antenor nur ein Jahrzehnt
älter war und daher sehr wohl die stilistisch fortgeschrittenen
Formen der Neapler Figuren tragen konnte. Dagegen scheint es
mir von grösster Bedeutung zu sein, festzustellen, dass die so
überaus kunstvolle Erfindung der Komposition, das Hauptverdienst
der ganzen Gruppe, bereits das Werk des Antenor gewesen sein
muss, der trotzdem in seinen jungen Jahren die noch streng-ar-
chaische Frauenfigur von der Akropolis geschaffen hat (2).
Braunschweig.
P. J. Meier.
(») Arch. Anzeiger 1903, 41.
(2) Vgl. Winter, Oesterr. Arch. Jahreshefte III (1900) 132.
DIE BRONZELEBEß VON PIACENZA (>;
(mit Tafel XII-XIV).
Die Ergebnisse einer über 25 Jahre zurückreichenden Beschäf-
tigung mit einem merkwürdigen und einzigartigen Monumente den
Fachgenossen endlich vorzulegen veranlasst mich vor allem der
Umstand, dass bisher eine wirklich genaue Publikation noch fehlt.
Eine solche und damit eine zuverlässige Grundlage für weitere
Studien zu bieten ist der vornehmste Zweck dieser Arbeit. Zu
einer über Vermutungen hinausgehenden Deutung der auf dem
Monumente vorkommenden etruskischen Götternamen — soweit sie
nicht anderweitig feststeht — reichen meines Erachtens die gegen-
wärtig vorhandenen Hilfsmittel nicht aus, aber wenigstens ihre
Lesung lässt sich bis auf einige durch Oxydation hoffnungslos
zerstörte feststellen und für die Auffassung des Ganzen und seine
Bedeutung für unsere Kenntnis der etruskischen Haruspicin glaube
ich neue Gesichtspunkte gewonnen zu haben.
(*) Die Hauptergebnisse der folgenden Arbeit sind von mir in der Sitz-
ung des Instituts am 23. März d. J. vorgetragen worden. Als die Ausarbei-
tung in erweiterter Fassung für den Druck schon weit vorgeschritten war,
erhielt ich durch die Güte des Verfassers 2 Arbeiten von CO. T h u 1 i n , nämlich
« Die Götter des Martianus Capella und der Bronzeleber von Piacenza »
(Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten herausg. v. A. Dieterich
u. R. Wünsch III Bd. I. Heft) Giessen 1906, und « Die etruskische Disci-
plin. IL Die Haruspicin » (Göteborgs Högskolas Arsskrift 1906). Auf die
von den meinigen in mehrfacher Bezieheng abweichenden Auffassungen der
ersten Schrift habe ich in Anmerkungen Bezug genommen, die zweite in dem
entsprechenden Teile meiner Arbeit im Texte berüchsichtigt. Dass ich vor
diesen gewissenhaften, gelehrten und scharfsinnigen Forschungen alle Achtung
habe, auch wo ihre Ergebnisse von den meinigen abweichen, möchte ich hier
ausdrücklich bemerken.
G. KÖRTE, DIE BR0N7ELEBER VON PIACENZA 349
Auffindung und gegenwärtiger Aufbewahrungs-
ort. Die Bronze wurde im J. 1877 auf einem Acker der Grafen
Arcelli bei Settima, Gemeinde Gossolengo unweit Piacenza von
einem Landmann beim Pflügen gefunden und dann von dem Grafen
Francesco Caracciolo erworben, welcher sie später dem Museo
Civico in Piacenza schenkte. Früher mit der Biblioteca
comunale Passerini-Landi vereinigt, hat dieses jetzt, durch die
vereinten Bemühungen patriotischer Männer ausserordentlich ver-
mehrt, eine würdige Aufstellung in dem Istituto di Belle Arti
Gazzola (*) gefunden.
Im April 1898 konnte ich die Bronze an ihrem damaligen
Aufbewahrungsort in der Biblioteca comunale eingehend untersu-
chen, im September j 1905 an dem neuen Sitz des Museo Civico
in dem Istituto Gazzola eine Anzahl zweifelhafter Lesungen feststel-
len und 6 photographische Aufnahmen des Monumentes machen.
Für liebenswürdige Unterstützung dabei bin ich den Herren
Cav. Luigi Scotti, dem hochverdienten Erfoscher der praehisto-
rischen Altertümer der Provinz, und Francesco Ghittoni, Direktor
des Istituto di Belle Arti Gazzola und Conservator des Museo Ci-
vico zu lebhaftem Danke verpflichtet.
Echtheit. Die Zweifel an der Echtheit der Bronze, welche
Männer wie Ariodante Fabretti (2) und G. F. Gamurrini (3) von
einer näheren Beschäftigung mit dem Monumente abgehalten haben,
sind, wie hier ausdrücklich bemerkt sei, gänzlich unbegrün-
det. Abgesehen von den wohlbezeugten Fundtatsachen ist auch die
äussere Beschaffenheit desselben eine solche, dass jeder Kenner
antiker Bronzen nicht einen Augenblick über die Echtheit sowohl
des ganzen Monumentes wie der Inschriften in Zweifel sein kann.
Die genannten Gelehrten hätten die ihrigen sicherlich fallen
lassen, wenn sie das Original hätten untersuchen können, ganz
besonders nachdem dessen wirkliche Bedeutung als Darstellung
einer Schafsleber erkannt war.
Die Bronze eine Schafs lebe r. Diese Erkenntnis wird
Wilhelm Deecke verdankt. Nachdem die Bronze zuerst von V i fc-
(*) Giulio Ferrari, il Civico Museo di Piacenza vgl. S. 38.
(a) In einem Briefe an W. Deecke (1879) s. dessen « Templura von
Piacenza » S. 4.
(3) Append. al Corp. Inscr. Ital. p. VII.
350 G. KÖRTE
t o r i o P o g gi (*), welchem dazu das Original zur Verfügung gestanden
hatte, in drei anspruchslosen, aber im Allgemeinen getreuen Umriss-
zeichnungen veröffentlicht und die Inschriften sorgfältig und in den
meisten Fällen richtig gelesen, auch in ihrer Bedeutung als Götter-
namen erkannt waren, hatte De ecke selbst in einer durch Ge-
lehrsamkeit und Scharfsinn ausgezeichneten Schrift (2) eine Erklä-
rung der seltsamen Form versucht und ausgehend von der Sech-
zehnteilung des Randes und den Inschriften der Rückseite, die
Bronze als Templum, als Gerät zur Beobachtung von Him-
melszeichen in Anspruch genommen, zugleich glaubte er in dem
Grössenverhältnis der beiden Hälften eine Beziehung auf die Son-
nen- und Mondbahn nachweisen zu können. Seine Abbildungen sind
nach einem Gipsabguss angefertigt, geben den Umriss des Gerätes
genauer wieder wie von Poggi, das Liniensystem dagegen nicht ganz
getreu, sondern regelmässiger als es in Wirklichkeit ist. Die In-
schriften sind aufgrund des Götterzeichnisses bei Martianus Capella
und, wie es sich von selbst versteht, mit völliger Beherrschung des
ganzen einschlägigen Materiales gedeutet, die Lesungen jedoch —
weil nur auf einem nicht besonders guten Ab guss beruhend —
mehrfach zu berichtigen. In einigen Fällen hatte Poggi richtiger
gelesen.
Unter dem frischen Eindruck dieser von mir öffentlich bespro-
chenen (3) Arbeit stehend, fiel mir in Museum von Volterra im
Herbst 1881 die Deckelfigur einer Aschenkiste von Alabaster
Nr. 136 auf, welche, als einzige unter allen mir bekannt gewor-
denen, einen der Piacentiner Bronze völlig gleich gestalteten Ge-
genstand in der linken Hand hält. Eine Zeichnung desselben teilte
ich alsbald Deecke mit und erwähnte beiläufig, dass man ihn. in
Volterra für eine Leber hatte. Diesen Hinweis griff Deecke auf
die Untersuchung von Kalbs- und Schafslebern ergab die zweifel-
lose Richtigkeit desselben und Deecke beeilte sich, den inte-
(*) Di un bronzo Piacentino con leggende etrusche (Estratto dagli Atti
e Memorie delle Deputazioni di Storia Patria delFEmilia. Nuova serie, vol. IV,
Modena, Vincenzi 1878), mit einer Tafel.
(2) Das Templum von Piacenza (Etruskische Forschungen, viertes Heft.
Stuttgart 1880 mit 5 Tafeln). Im Folgenden als D. I citiert.
(3) Deutsche Litteraturzeitung 1880 Nr. 13 Sp. 456 f.
DIE BRONZELEBER VON PIACENZA 351
ressanten Fund als Nachtrag zu seiner ersten Schrift zu veröffen-
tlichen il).
Es fragt sich, in wieweit die Ergebnisse der ersten Deeckeschen
Schrift über unsere Bronze, insbesondere ihre Bezeichnung als
Templum nunmehr, nachdem sie als Leber erkannt ist, noch Geltung
behalten.
Deecke selbst hält sie (a. a. 0. S. 81) im Wesentlichen auf-
recht. * So bleibt », sagt er, ■ die Bedeutung der von mir nach-
gewiesenen mathematischen und arithmetischen Verhältnisse beste-
hen, ebenso die ganze Deutung als Templum, nur dass das Gerät
in erster Linie eine Leber und erst in zweiter ein Templum darstellt,
so dass wir zwar das Schema des Templum aus ihm kennen lernen,
aber nicht in seiner ursprünglichen Reinheit, sondern auf die
Leber übertragen, was nicht ohne gewisse Variationen und Abwei-
chungen denkbar ist» («Hierher gehört z. B. wohl die nicht
rechtwinklige Durchschneidung von cardo und decumanus » D.
Anm. 278). « Danach tritt die astronomische Bedeutung des In-
strumentes zurück; kaum hat es zum Orientieren gedient; auch
die Himmelseinteilung zur Beobachtung der Blitze und des Vo-
gelfluges wurde schwerlich vermittelst seiner angestellt. Der Ge-
winn aber, der dafür eingetauscht wird, ist immerhin ein ausser-
ordentlicher. Es kommt auf einen Schlag Zusammenhang in die
Gesammtheit der etruskischen Disciplin: wie der Himmel, die
(*) Etr. Forschungen u. Studien. Zweites Heft. II. Nachtrag zum
templum von Piacenza (die Leber ein templum). Im Folgenden als D. IL
citiert. Taf. I-IH der ersten Schrift sind hier wiederholt, Abbildungen der
Leber in der Hand der volterraner Deckelfigur (IV), einer Kalbs- (V) und
Schafsleber (VI) hinzugefügt. D's Taf. I ist wiederholt bei Daremberg et
Saglio, dict. des. ant. II, 1 p. 298 Fig. 2473 (divinatio) und III, 1 p. 23
Fig. 3713 {Haruspices), Taf. II ebenda Fig. 3714, ferner Taf. I bei G. Ble-
cher, de extispicio capita tria S. 201 [31] (in Dieterich u. Wünsch, Re-
ligionsgeschichtl. Versuche u. s. w. II, S. 171-245, Giessen 1905). Auf gute
aber stark verkleinerte Photographien G. Karos gehen zurück die Abbildun-
gen bei L. A. Milan i, Rendic. d. R. Acc. dei Lincei, vol. IX (1900)
p. 296 Fig. 6 und vol. X (1901) p. 141 Fig. 10 und L. Stieda, Anatomisch-
archäolog. Stud. I (S. A. aus Bonnet-Merkels auatom. Heften Bd. 15-16. 1901).
Taf. I, 4-5 (in wenig gelungenen lithographischen Nachbildungen). Diese Ar-
beit ist durch eine Reihe von anatomischen Bemerkungen, sowie durch die
Berichtigung der Terminologie von Wert. Vgl. jetzt auch die Tafeln in den
beiden Schriften von C. 0. Thulin (s. oben).
352 G. KÖRTE
Erde, jedes sacral begrenzte Gebiet, eine Stadt, ein Lager, ein
Gotteshaus, selbst der Mensch, so galt auch die Leber als ein
Tempi um und die Haruspicin beruhte auf demselben Funda-
ment und Schema wie Augurium und Fulgurition ». Meiner
Ueberzeugung nach sind diese Sätze im wesentlichen irrig, bezw.
anders zu formulieren, die Bronze stellt einfach eine tierische
Leber und zwar die eines Schafes dar, dieBezeichnung als T e m-
plum ist unzutreffend und irreführend. Dadurch dass er an dieser
Bezeichnung festhielt, hat sich Deecke das volle Verständnis- der
spärlichen Ueberlieferung von der Ausübung der Haruspicin selbst
verschlossen.
Wir beginnen mit einer kurzen Feststellung des Tatsächli-
chen.
Die Bronze misst in ihrer grössten Längsausdehnung 126 mm.
(D. I S. 5 giebt 124 mm. an). Von ihrer Form geben die ein
wenig verkleinerten Abbildungen 1-4 aufTafel XII, XIII nach meinen
Photographien eine klare Vorstellung. Abb. 1 zeigt das Gerät von
obenher gesehen, Abb. 2 aufgerichtet, so dass das Liniensystem
und die Inschriften vollständig zu sehen sind, Abb. 3 gibt eine
Ansicht von der entegegengesetzten Seite aus wie 1, Abb. 4 eine
solche der Unterseite.
Die beistehende Fig. 1 stellt eine Schafsleber dar, von mei-
nem früheren Collegen, dem Professor der Anatomie Friedrich
Merkel, damals in Eostock, jetzt in Göttingen, welcher mich bei
der Untersuchung verschiedener tierischer Lebern durch seinen
fachmännischen Beirat zu unterstützen die Güte hatte, nach der
Natur mittels des Diopters auf die Grösse der Bronze reduciert,
hier auf 2/3 der Originalzeichnung verkleinert.
Die Unterschrift giebt die anatomischen Bezeichnungen der
einzelnen Teile an, bezüglich c, d nach der berichtigten Termino-
logie von L. Stieda (*) (a. a. 0. S. 14 ff. insbesondere S. 23 u. 25).
Der Processus pyramidalis (d) ist künstlich in die Höhe gerichtet;
im natürlichen Zustand hängt" er bis zum Leberrande herab.
Ein Vergleich mit den Abbildungen der Bronze lässt keinen
Zweifel darüber, dass diese ebenfalls eine Schafsleber darstellt : die
wesentlichen Teile, nämlich die beiden grossen Leberlappen (lobus
0) S. oben S. 351 Anm.
BERICHTIGUNG
zu Bd. XX S. 353.
Die Unterschrift der Figur 1 muss lauten
Fig. 1. Schafsleber.
a: lolus simster, b: loius dexter, c: processus papillaris, d: processus pyramidalis, e: vesiea
fellea, f: incisura umbilicalis, g: porta Aepatis. h: vena portae, b/: ramus venae portae
ad processum pyramidalem, i: vena cava inferior.
Teil, dem Körper (corpus), in der Natur wohl niemals eine so re-
gelmässige Rundung und reicht durch die grössere Länge des Halses
(cervix) meist nicht unbeträchtlich über den Leberrand hin-
aus (J). Regelmässiger als in der Natur ist auch der ganze Umris
der Bronze; dasselbe gilt von der völlig ebenen Gestaltung der
oberen Fläche. Die grösste Abweichung aber ist die, dass der pro-
cessus papillaris viel weiter nach links, nach dem lobus sinister
zu verlegt ist, als er in der Natur sich findet. Der erhöhte « wegar-
tige » Streifen auf der Unterseite der Bronze (Taf. XIII Abb. 4)
(') Freilich nicht immer, wie ich an einer der von mir untersuchten
Schafslebern feststellen konnte, vgl. auch Stieda Taf. I, 2.
24
nauiu uiiiuns ue» jjiopiers aur die u rosse der rironze reduciert,
hier auf 2/3 der Originalzeichnung verkleinert.
Die Unterschrift giebt die anatomischen Bezeichnungen der
einzelnen Teile an, bezüglich c, d nach der berichtigten Termino-
logie yon L. Stieda (*) (a. a. 0. S. 14 ff. insbesondere S. 23 u. 25).
Der Processus pyramidalis (d) ist künstlich in die Höhe gerichtet;
im natürlichen Zustand hängt* er bis zum Leberrande herab.
Ein Vergleich mit den Abbildungen der Bronze lässt keinen
Zweifel darüber, dass diese ebenfalls eine Schafsleber darstellt : die
wesentlichen Teile, nämlich die beiden grossen Leberlappen (lobus
0) S. oben S. 351 Anm.
DIE BRONZELEBER VON PIACENZA
35 3
dexter u. sinister), der processus papillaris und der proc. pyramida-
lis, die Gallenblase, femer die incisura umbilicalis, sind unverkennbar
wiedergegeben, freilich derart schematisiert, dass an eine Herstellung
unmittelbar nach der Natur nicht gedacht werden kann. Besonders
stark ist der processus pyramidalis stilisiert, abgesehen davon, dass er
Fig. 1. Schafsleber.
a: lobus simster, b: lobus dexter, c: processus pyramidalis, d: vesica fellea, f: incisura umbi-
licalis, g : porta hepatis, h : vena portae, b/: ramus venae portae ad processum pyrami-
dalem, i: vena cava inferior.
in der Natur herabhängt. Die Gallenblase zeigt in ihrem unteren
Teil, dem Körper (cor]ms), in der Natur wohl niemals eine so re-
gelmässige Rundung und reicht durch die grössere Länge des Halses
(cervix) meist nicht unbeträchtlich über den Leberrand hin-
aus (,). Regelmässiger als in der Natur ist auch der ganze Umris
der Bronze; dasselbe gilt von der völlig ebenen Gestaltung der
oberen Fläche. Die grösste Abweichung aber ist die, dass fax pro-
cessus papillaris viel weiter nach links, nach dem lobus sinister
zu verlegt ist, als er in der Natur sich findet. Der erhöhte ■ wegar-
tige » Streifen auf der Unterseite der Bronze (Taf. XIII Abb. 4)
(*) Freilich nicht immer, wie ich an einer der von mir untersuchten
Schafslebern feststellen konnte, vgl. auch Stieda Taf. I, 2.
24
354 G. KÖRTE
entspricht dem Suspensorium hepatis, einem Gewebe, an welchem
die Leber im tierischen Körper hängt. In der Natur verläuft es
von der incisura umbilicalis aus etwas mehr nach links (auf der
Abbildung), nach dem rechten Leberlappen (lob. dexter) hin. Die
convexe, der Unterseite der Bronze entsprechende Fläche der Leber
liegt also, worauf wir um Missverständnisse zu vermeiden ausdrück-
lich hinweisen, oben, * nach dem Eiicken des lebenden Tieres hin
(« dorsale » Fläche), die andere concave (an der Bronze ebene),
mit Gallenblase, processus papillaris und pyramidalis, unten, dem
Bauche zugewendet (• ventrale * Fläche). Die incisura umbilicalis
liegt nach dem Schwänze zu. Die anatomischen Bezeichnungen der
beiden grossen Leberlappen als rechter und linker (lobus dexter und
sinister) sind vom aufgerichten bezw. auf dem Rücken liegenden,
geschlachteten Tiere zu verstehen. Von den vier Löchern, welche
die Bronze aufweist, entspricht Nr. 1 (nach der Zählung von
Deecke), auf Taf. XII Abb. 1, sowie Taf. XIII Abb. 4 am unteren
Rand deutlich erkennbar, der Einmündungsstelle der vena umbi-
licalis, Nr. 2, auf Taf. XIII Abb. 3 links sichtbar, bezeichnet nach
dem Urteil meines anatomischen Gewährsmannes F. Merkel (*)
die Einmündungssteile eines Nebenastes der vena portae in diese,
nicht wie Deecke II S. 67 angibt den Austritt der vena cava in-
ferior. Dieser Nebenast führt in den processus pyramidalis-,
auch das Loch Nr. 4 an der linken Seite dieses, auf Taf. XIII
Abb. 3 sichtbar, bezieht sich auf denselben Nebenast, Nr. 3, an
der Unterseite der Bronze (Taf. XIII Abb. 4 links), den andern,
in den lobus dexter führenden Nebenast der vena portae. Somit
gilt auch von Nr. 2 was Deecke in Bezug auf Nr. 3 und 4 ausführt
(D. II S. 67 f.), nämlich dass an den betreffenden Stellen die
Venen in der Natur nicht an die Oberfläche treten, aber ein leich-
ter Einschnitt sie zutage fördert.
Es sei schliesslich in Uebereinstimmung mit Deecke und Stieda
noch bemerkt, dass die Bronze eine entschieden grössere Ueber-
einstimmung mit der Leber eines Schafes als mit der eines Kalbes
oder Rindes aufweist : bei diesen ist das Grössenverhältnis der bei-
den Leberlappen ein viel ungleicheres, sie greifen übereinander
und sind nicht so bestimmt durch die incisura umbilicalis von
0) Vgl. auch Stieda S. 32 f.
DIE BRONZELEBER VON PIACENZA
355
einander getrennt. Auch ist der processus pyramidalis unregelmässi-
ger gestaltet, seine Ansatzfläche nimmt einen verhältnismässig
grösseren Raum ein, und der processus papillaris ist nur ausnahms-
weise stärker entwickelt. Die Leber der Ziege, des ausser Schaf
und Rind am häufigsten den Göttern geopferten Tieres, kommt
Fig. 2. (nat. Gr.).
nicht in Betracht, da sie von der des Schafes noch mehr abweicht
(vgl. Stieda a. a. 0. S. 27).
Regioneneinteilung. Wir betrachten nunmehr das Li-
niensystem, durch welches die obere ebene Fläche der Bronze (der
concaven, ventralen Fläche der Leber im Tierkörper entsprechend)
in eine Anzahl von Bezirken oder Regionen eingeteilt ist, in
denen je ein oder zwei Götternamen verzeichnet sind.
Für die Abbildung Fig. 2 habe ich mit Dank eine sehr sorg-
fältige Zeichnung des Herrn Dr. Girolamo Oriani in Venedig
benutzt, welche dieser im Jahre 1883 an meinen Freund F. von
356 G. KÖRTE
Dukn gesandt hatte, der sie mir mit seiner gütiger Zustimmung
zu freier Benutzung für meine Studien überliess. Auf Grund einer
genauen Vergleichung dieser und der von Deecke veröffentlichten
Abbildung mit dem Original ist dann unter Benutzung der von
mir genommenen Photographien die neue hier wiedergegebene Zeich-
nung genau in natürlicher Grösse hergestellt worden. Zum Vergleich
ist in Fig. 3 die Deeckesche Tafel I, auf 2/3 verkleinert, wiederholt.
Fig. 3 nach Deecke Taf. I (2/3).
Die neue* Abbildung Fig. 2, deren Genauigkeit mittels der
mechanischen Reproduktionen, namentlich Taf. XII 2, nachgeprüft
werden kann, lehrt zunächst, dass die Linienführung eine weit
weniger regelmässige, flüchtigere ist als sie in Deecke' s Abbildung
erscheint. Eine vollkommen durchgehende Teilungslinie ist über-
haupt auf dieser Fläche nicht vorhanden, sondern nur auf der
unteren, (der convexen, dorsalen der natürlichen Leber), nämlich
der dem Verlauf des Suspensorium hepaäs entsprechende erhöhte
Streifen (vgl. Taf. XIII 4). Dieser teilt die Leber der Natur gemäss
in eine rechte und eine linke Hälfte, (die beiden grossen Leberlap-
pen), von denen durch die Inschriften usus und tivs jene dem
Tages-, diese dem Nachtgestirn geweiht ist. Den Endpukten dieser
Teilungslinie, von denen der untere auch in der natürlichen Leber
DIE BRONZKLEBER VON PIACENZA 357
;üs incisura umbilicalis, Eintrittspunkt der vena umbilicalis, be-
deutsam hervortritt, entsprechen nun auf der andern Fläche die
Punkte A-B. Diese sind Grenzpunkte je zweier Regionen und
durch eine, freilich nicht ununterbrochene Linie verbunden. Also
ist, vollkommen der Natur entsprechend, auch die Einteilung der-
concaven Fläche der Leber durch die Querteilung in zwei
Hälften bedingt. Dagegen ist eine Längsteilung, wie. sie Deecke
durch Hilfslinien (S-N) herstellen will, nicht vorhanden und für
die Abteilung der Randregionen massgebend gewesen: Deecke's
Südpunkt (S) fällt mitten in eine Region (10). Damit ist ab ei-
se i n e r Behauptung, die Leber sei durch Cardo und de-
cumanus als templum limitiert, der Boden entzogen.
Die ganze Einteilung geht aus von der incisura umbilicalis
(Fig. 2 : A). Von ihr gehen die beiden auf die zwei grossen Leber-
lappen bezüglichen Inschriften der convexen Fläche aus, auf die
Ansicht von A aus sind die Inschriften der concaven Fläche mit
wenigen Ausnahmen berechnet. Es ist nun zunächst durch eine dem
äusseren Contur der Leber parallele Linie, in welche der untere
Contur der Gallenblase einbezogen ist, ein Randstreifen ab- und
in 16 Randregionen von sehr ungleicher Grösse eingeteilt und zwar,
wie gesagt, mit Berücksichtigung der Punkte A, B (0-W bei Deecke).
Von diesen 16 Randregionen entfallen 9 auf die rechte, 7 auf
die linke Hälfte der Leber. Die innere Fläche ist dann wiederum
in Regionen eingeteilt und zwar ist das Prinzip der Einteilung für
beide Leberlappen ein verschiedenes. Auf dem linken gehen von
einem kleinen ovalen Mittelfelde radienförmig 6 Linien aus, eine
siebente grenzt diesen Teil gegen die Mitte der Leber zu ab, so
dass zwischen dieser Grenzlinie und der Linie A-B ein keilförmiges
Stück übrig bleibt, welches zwei (allerdings nicht durch eine Tren-
nungslinie geschiedene) Regionen aufweist. Im Ganzen sind so auf
der linken Hälfte 8 innere Regionen vorhanden.
Die Einteilung der rechten Hälfte geht aus von der Grund-
linie der vorderen Seite der Pyramide, des stilisierten processus
pyramidalis. Parallel zu ihr sind andere Linien gezogen und
diese werden auf der Fläche rechts von der Gallenblase von
senkrecht zu ihnen stehenden Linien geschnitten. Die ersteren
wagerechten Linien sind aber auch auf der Gallenblase und
ebenso in dem keilförmigen Stück zwischem dem linken Contur
358 G. KÖRTE
dieser und der Linie A-B zur Abteilung von Regionen verwandt.
Links neben der Pyramide ist noch eine vereinzelte Region, die
nicht schwarf abgetrennt ist; im Ganzen sind deren auf dieser
Hälfte 16 vorhanden.
Die Einteilung des linken Leberlappens scheint nun im
wesentlichen auf Naturbeobachtung zu beruhen : die Gallengänge
(ductus hepatici) verlaufen in der Tat ungefähr radienförmig (*).
Dagegen hat die des rechten Lappens, keinerlei Anhalt in anato-
mischen Verhältnissen. Das System aber von wagerechten paral-
lelen Linien, welche von senkrechten geschnitten werden, ist ein-
fach das der Limitation: jene sind als cardines, diese als
decumani zu bezeichnen.
Familiaris und hostilis pars. Wir erinnern uns nun,
dass in den römischen Zeugnissen über Haruspicin, *welche zwei-
fellos auf etruskische Lehre zurückgehen, die Unterscheidung
einer familiaris und hostilis (inimica) pars der Leber eine grosse
Rolle spielt. Wie die natürliche Leber, so hat auch unsere Bronze
nur eine durchgehende Scheidung in den rechten und linken Leber-
lappen; jener ist dem Tages-, dieser dem Nachtgestirn geweiht,
auf jenem befindet sich der processus pyramidalis, der für die
Leberschau wichtigste Teil, 6 Xoßog, lat. caput; von seiner stili-
sierten Gestalt ist die ganze Innenteilung des rechten Leberlappens
auf der Bronze abhängig. Das alles führt mit zwingender Notwen-
digkeit zu dem Schlüsse, dass eben im rechten Leber läppen
d i e familiaris, im linken die hostilis pars zu erkennen
sei.
Es stimmt nun völlig zu etruskischer Auffassung, dass nur
die familiaris pars limitiert, d. h. nach dem heiligen Schema
durch cardines und decumani eingeteilt ist. In dem merkwür-
digen Fragmente der Vegoia (Lachmann Gromatici vet. I, 350),
welche C. 0. Thulin (2) gewiss mit Recht mit der Nymphe Bigois
(l) Deutlicher wird dies durch einen Krankheitsprozess, welcher bei in
Niederungsgegenden gehaltenen Schafen häufig auftritt, wie ein Fachmann,
Herr Dr. H. Bohtz, bei Thulin Haruspicin S. 38 ausführt. Den etruskischen
Haruspices ist aber eine allgemeine Kenntnis des Verlaufes der Gallengänge
auch im normalen Zustande wohl zuzutrauen.
(") Die etruskische Disciplin. I Die Blitzlehre (Göteborgs Högskolas
Arsskrift 1905) S. 6.
DIE BRONZELEBER VON PIACENZA 359
(Begoe)(1) identificiert, heisst es nämlich: Cum autem luppiter
terram Aetruriae sibi vindicavit, constituit iussitque metiri
campos signarique agros. Wie nach göttlichem Gebot die Limi-
tation, auf welcher die Ackervermessung beruht, nur für das dem
höchsten Gott speciell geweihte und am Herzen liegende Land
Etrurien angeordnet ist, so ist sie für die Leber auf die fami-
liaris pars (vom etruskischen Standpunkt aus) beschränkt. Dersel-
ben Bevorzugung entspricht es, dass auf sie von den 16 Randre-
gionen 9, von den 24 Innenregionen 16 entfallen.
Die Abteilung eines Randstreifens überhaupt und dessen Ein-
teilung in 16 Regionen hat keinen Anhalt in der natürlichen Be-
schaffenheit der Leber: es muss eine Uebertragung der nur der
etruskische Lehre eigentümlichen Sechzehnteilung des Himmelstem-
plums auf die Leber angenommen werden. Diese konnte bei der
unregelmässigen Gestalt des Leberumrisses nur so geschehen, dass
die einzelnen Regionen verschiedene Grösse erhielten, während das
Himmelsgewölbe zur Beobachtung gewisser göttlicher Zeichen selbst-
verständlich in gleichgrosse Kreisabschnitte geteilt wurde. Dass wei-
ter auch die Innenfläche des rechten Leberlappens, der f amiliar is
pars, in 16 Regionen eingeteilt ist, kann ebenfalls nicht zufällig
sein, sondern muss auf bewusster Uebertraguug derselben heiligen
Sechzehnteilung beruhen.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich Deecke's Ansicht
(D. I. 20 f.), von den 24 Innenregionen hiengen 16 mit den Rand-
regionen zusammen, nicht teilen kann. Die Beobachtung, dass in
Region 9 und 9l, 10 und 101 (nach seiner Zählung) — nach der
berichtigten Lesung und Abteilung der Regionen 7 und 8 kämen
noch 8 und 81 hinzu — ferner 6l und 6, 16l und 16, d. h. in 5
von 16 angeblichen Parallelregionen, dieselben Götternamen wie-
derkehren, genügt nicht zur Begründung und ein Blick auf die Dee-
ckesche Bezifferung der Innenregionen erweist, dass der Zusam-
menhang äusserlich nicht hervortritt, vielmehr namentlich auf dem
rechten Leberlappen die angeblich zusammengehörigen Regionen
ganz regellos durcheinander gewürfelt sind.
Zählung der Regionen. Wir haben ferner aus der oben
(») Vgl. Servius ad Aen. VI, 72. Thulin a. a 0. S. 3 f. und C. I. L. XI
3370 ebenda 7 f.
360 G. KÖRTE
geschehenen Feststellung, dass die Verteilung der Regionen nicht
durch die imaginäre (nicht vorhandene) Linie S-N (D.) sondern
vielmehr durch die Linie A-B bestimmt und dass A der wichtigste
Punkt für das ganze Regionensystem ist, die Folgerung zu ziehen,
dass von diesem Punkt die Zählung der Regionen zu beginner habe.
Nach diesen Grundsätzen ist die neue Bezifferung in unserer Fi-
gur 2 erfolgt.
Die Leber orientiert. A entspricht der incisura umbi-
licalis, welche die beiden Leberlappen von einander trennt; eine
noch erhöhte Bedeutung aber gewinnt diese Stelle durch die Ein-
mündung der vena umbilicalis, durch welche der Embryo ernährt
wird und welche auf der Bronze durch ein Loch bezeichnet ist.
Wenn nun von dieser Stelle auf der convexen Fläche der Leber
die Inschriften ausgehen, welche die beiden Leberlappen der Sonne
und dem Monde weihen, so ist damit deutlich ausgesprochen, dass
sie als Ausgangspunkt des Lebens dem Aufgangspunkte der Ge-
stirne, dem Osten im Weltkörper, gleichgesetzt ist. Die Linie A-B
entspricht also der Ost- Westlinie, dem decumanus des Templums.
Nun besitzen wir in den Schriften der römischen Feldmesser
ein ausdrückliches Zeugnis des Varro, dass die von 0. nach W.
gezogene Linie die erste und Hauptlinie des Templums nach
etru skischer Lehre war. Grom. vet. ed Lachmann p. 27 (Fron-
tinus, nach ihm Hyginus p. 166, Dolabella p. 303) : limilum prima
origo, sicut Varro descripsit, a disciplina Etrusca; quod aru-
spices orbem terrarum in duas partes diviserunt, dextram appel-
laverunt quae septentrioni subiaceret, sinistram, quae ad meri-
dianum terrae esset, ab Oriente ad occasum, quod eo
sol et tu na spectar et , sicut quidam architecti delubra in
occidentem recte spectare scripserunt. aruspices altera linea ad
septentrionem a meridiano diviserunt terram, et a media ultra
anüca, citra postica nominaverunt. Ab hoc fundamento maiores
nostri in agrorum mensura videntur constituisse rationem (l).
(l) Damit stimmt völlig überein Plinius N. H. II, 143: In sedecim
partes caelum in eo spectu diinsere Tusci. prima est a septemtrionibus ad
aequinoctialem exortum, secunda ad meridiem. lertia ad aequinoctialem
occasum, quarta obtinet quod reliquum est ab occasu ad septemtriones. haec
iterum in quaternas divisere partes, ex quibus octo ab exortu sini-
«Lras, totidem e contrario appellavere dextras. Also 8 Re-
DIE BRONZELEBER VON PIACENZA 361
Die Frage ob in der Tat die Limitation und das Schema des
Templum, auf welchem sie beruht, von den Etruskern herrührt,
oder, wie wir jetzt auch aufgrund von monumentalen Belägen
annehmen müssen, altitalisch war, können wir hier bei Seite lassen.
Genug, dass die West Orientierung als echtetruskische Leh-
re (') bezeugt ist.
Unsere Bronze gibt uns eine erwünschte Bestätigung dafür,
indem sie diese Orientierung auf die Leber übertragen zeigt. Die
zweite Linie, der cardo, ist auf der Bronze nicht gezogen, weil
die Leber ihrer Natur nach eben eine Zweiteilung in eine rechte
und linke Hälfte, nicht eine weitere in eine vordere und hintere
zulässt und die Beobachtung nicht von der Mitte, sondern vom
Punkt A (dem Ostpunkte) ausgehen soll.
gionen von Osten an nach links (bei der Zählung von Norden durch Osten-
Süden-Westen-Norden), d. h. von 0. bis W., heissen die linken, die 8 .von
0. nach rechts (O.-W.) die rechten.
(>) Die Süd Orientierung des Himmelstemplums, bei welcher also
Osten links, Westen rechts, Süden vorn, Norden hinten liegt, bezeugt Varro
1. 1. VII, 6 aber ohne Berufung auf etruskische Lehre. Sie geht aus von der
etruskischen Ansicht, dass die Götter ihren Sitz im Norden haben, also nach
Süden schauen. Demgeraäss sind die etruskischen Tempel, die Wohnunngen
der Götter auf Erden, nach Süden orientiert, so die Tempel von Marzabotto
und, vom etruskischen Kitus abhängig, der des capitolinischen Juppiter und
der von Alatri (Beispiele, welche Nissen, Templum S. 176 noch nicht kannte
cf. Th. Wiegand, le temple Hr. d'aprts Vitruve in Glyptotheque Ny-Carls-
bergpl. 170-179, p. 7). Dagegen ist sie für die etruskische Auspication
nicht bezeugt, für die römische durch die Geschichte von Attus Navius (Ci-
cero de div. I, 17, 31, und Varro bei Festus p. 339). Bei der Inauguration des
Numa (Livius I, 18, 6) sitzt dieser nach Süden gewandt (gleichsam als Ver-
treter des Gottes?), der Augur neben ihm mit dem Gesicht nach Osten.
Diese Ostorientierung ist offenbar die nach römischem Ritus vorgeschrie-
bene. Daraus, dass der Augur in jedem Falle bestimmt was für ihn rechts und
links, vorn und hinten sein soll, ist m. E. nicht mit Wissowa zu schliessen
(Realencyclop. II Sp. 2341), dass die Bestimmung in seinem Belieben
lag, also verschiedene Orientierungen möglich waren; nur das Aussprechen
dieser ein für allemal feststehenden Bestimmnung scheint mir zum Ritus zu
gehören. An etruskische Lehre erinnert es, dass der Augur in dem eben
citierten Falle regiones ab Oriente in occa&um deßnivit, vielleicht auch die
römische Sitte, dass man, nachdem ein Teil des Gebetes gen Osten gespro-
chen, sich rechtsum drehend, das Antlitz nach Westen wandte (Nissen, Tem-
plum S. 170).
362 G. KÖRTE
So ist allerdings durch unsere Bronze ein Zusammenhang der
Haruspicin mit dem Ganzen der etruskischen disciplina bezeugt.
Die Leber, der Sitz des Lebens nach antiker
Auffassung, erscheint als ein Abbild des Weltgan-
zen im kleinen. Wie dieses ist sie in eine rechte und
eine linke Hälfte, eine Tages- und Nachtseite geteilt,
die Trennungslinie entspricht der Ost- Westlinie
des Weltalls. Wie das Himmelsgewölbe ist ihr
Rand in 16 Regionen geteilt, in denen Götter walten
und Zeichen geben können.
Als templum erscheint die Leber nicht, wohl aber ist dessen
Schema und ebenso die Sechzehnzahl der Randregionen auf der
rechten Hälfte, der familiaris pars, wiederholt, während auf die
linke Hälfte nur halb so viel, 8, Innenregionen entfallen, deren
Abteilung nicht auf dem heiligen Schema, sondern auf Beobach-
tung der natürlichen Structur der Leber beruht.
Die Inschriften. Wir geben nun die Inschriften nach un-
serer Zählung (Fig. 2) mit Hinzusetzung der Deeckeschen Zahlbe-
zeichnungen und seiner Lesung wo sie abweicht in Klammern
wieder; berichtigte Lesungen sind mit vorgesetztem * bezeichnet.
Die Randregionen, a. Rechte Hälfte.
1. CaÜ (D. 6).
2. 0 (D. 5).
3. le&n (D. 4).
4. *tee/vm (D. 3 teO/vm).
5. uni I *mae (D. 2 mar).
6. anil fue (D. 1).
7. tin/Ovf(V. 16).
8. tin/ cülen (D. 15).
9. eilend (D. 14).
b. Linke Hälfte.
10. vetisl (D. 13). [
11. cvlalp (D. 12).
12. *cel (D. 11: ce).
13. tluscv (D. 10).
14. led-ns (D. 9).
DIE BRONZELEBEN VON PIACENZA 363
15. *selva (D. 8: Ivn).
16. *fuflu/ns (D. 7 fuflunsl / nc) (l).
Die Innen regionen. a. Rechte Hälfte.
17. ca&a{D. 61).
18. *tinsV-/*ne# (D. 15 * tf£f#£
Xtoi+flykU'QX 51 fufluns).
20. &ufl/&as(D. 16 x).
21. /a/«/D. 41).
22. toM ,^vf(D. I1).
23. /*#» (D. 2 1).
24. */*£ (D. 31 »).
25. *tv.& (D. 24 A).
26. mariü'laS (D. 23);
oo ' + /r^ '^-i \ > auf der Gallenblase.
28. *n (D. 21 np).
29. # (D. 20).
30. *herc (D. 19 Am?/).
31. *mari (D. 18 mars).
32. *m/ar / tlusc (D. 14 * tlusc / aplc).
b. Linke Hälfte.
' 33. te#aw (D. 17).
34. *&etlvmV D. 13 L &etlvmr).
35. foH / *WJ (D. 11 ' Ivsl I velx (2).
36. tlusc (D. 10 x).
37. le&ms (D. 9 *).
(*) Die Hegionen 15 und 16 (8, 7) sind bei Deecke wie schon bei Poggi
falsch abgeteilt und dem zufolge die Inschriften unrichtig gelesen. Die
richtige von C. 0. Thulin schon nach den Karoschen Photographieen auf-
gestellte Lesung zu 15 (D. 8) fand ich bei der zweiten Vergleichung des Ori-
ginals 1905 bestätigt.
(2) Der Tatbestand ist in Fig. 2 genau wiedergegeben. Das von Deecke
und Poggi gelesene x W nicht vorhanden, sondern der senkrechte Strich
sowie die beiden Punkte rühren von zufälligen Verletzungen der Oberfläche
bezw. Unvollkommenheiten des Gusses her; solche Gusspunkte (von der
Sandform) finden sich in grösserer Zahl auf der Bronze, der senkrechte
Strich ist nicht scharf eingeschnitten wie die sicheren Buchstaben, sondern
nur ganz flach. Danach ist der zweite Name dieser Region zu lesen: vel.
364 G. KÖRTE
38. *selua (D. 8 * selvan).
39. eilen (D. 7 l).
40. satr/es (D. 12 x).
Auf der convexen Seite:
links (auf dem rechten Leberlappen) : usus ; rechts (auf dem
linken Leberlappen): tivs (l). ,
Die Namen sind zum weitaus grössten Teil abgekürzt; von
den vollständig ausgeschriebenen stehen im Nominativ: uni,
mae (5), ani (6), fufluns (16 vgl. fuflus 19), led-am (23); im Ge-
nitiv: cilensl (9), vetisl (10), las(a)l (4), -Oufl&as (20), marisl(26),
satres (40), p*& und tivs; ausserdem scheint der Genitiv noch
sicher in ans (22), le&ns (14), Ivsl (35), Wws (37), so dass
dessen Anwendung in den controllierbaren Fällen überwiegt.
Deutungen. Sicher zu deuten (2) sind von diesen Götterna-
men: tin (7. 8. 18. 22) vollst, tinia = Juppiter, uni (5) = Juno,
fufluns (16. 19).= Liber (Dionysos), maris (26. 31. 32) = Mars,
herc(le) = Hercules, usil (R.) = Sol; es kommt hinzu aufgrund
der neuen Vergleichung des Originals: nett vollst, ne&uns (18,
wahrscheinlich auch n in 28) = Neptunus (3), mae = Maius, nach
Macrobius Sat. I, 12, 17 ein in Tusculum verehrter Gott = Jup-
piter (*). Endlich darf auch die Deutung tiv = Lima schon durch
die Zusammenstellung mit usil als gesichert gelten (5).
Als wahrscheinlich dürfen wir ferner die aus lautlichen Grün-
den von Deecke aufgestellten folgenden Gleichungen betrachten:
1. ani (6) = Janus. Die Namensform ist allem Anschein nach echt
(*) Der letzte Buchstabe zeigt oben einen vollständige Oese, so wie sie
sonst das r auf der Bronze hat. Ich habe deshalb auch hier früher r gelesen
und dies nebst den übrigen vor mir gefundenen Varianten Herrn C. 0. Thu-
lin mitgeteit, der meine Lesung angenommen hat (a. a. 0. S. 7). Bei näherer
Erwägung glaube ich doch zu Deecke's Lesung zurückkehren zu sollen, da
ein r mit gewundener Haupthasta (gleich dem s) sonst auf der Bronze nicht
vorkommt.
(2) Die Beläge s. bei Deecke I passim.
(3) Auf einem Spiegel des Museo Gregoriano Gerhard LXXVI mit Drei-
zack, Gemme aus Vulci Furtwängler D. ant. G. XVII, 12 (Ne&unus). Thulin
S. 26, 3 hält den Namen mit guten Gründen für echt etruskisch.
(4) C. 0. Thulin a. a. 0. S. 12 f. nach Herbig.
(5) Deecke I S. 8 vgl. jetzt Thulin.
DIE BRONZELEBER VON PIACENZA 365
etruskisch, also auch der Gott, der dann in Rom recipiert wurde (1),
2. selva(ns) (15. 38) = Silvanus (2) dem Namen nach ebenfalls
echt etruskischer Gott, der aber seiner Bedeutung nach mit dem
römischen Silvanus (nach Wissowa's scharfsinniger Darlegung Rel. u.
Kult. d. R. 175 ff. Epitheton des silvicola Faunus) nicht identisch
gewesen zu sein braucht. Die etruskischen Bronzen mit Inschriften,
in denen das Wort selvansl vorkommt, können nicht als Darstel-
lungen des Gottes angesehen werden. 3. satres (40) = Saturnus (3),
das Verhältnis ebenso zu beurteilen wie bei den vorhergehenden
und bei: 4. vetisl (10) = Vedius, Veiovis (4). Endlich ist auch
5. die Gleichung Ivsl (35) = Lynsa (Martianus Capella) lautlich
wohl begründet ohne die Deutung zu fördern, da Lynsa sonst
nicht vorkommt.
Dagegen scheidet vel (35) = vel%ans = Vulcanus aus, da
das % nicht auf der Bronze steht (s. oben), und aus innern Gründen
das Vorhandensein dieser Namensform neben der auf Spiegeln
constant für den griechischen Feuergott gebrauchten se&lans zum
mindesten unwahrscheinlich ist. Wie vel zu ergänzen sei, bleibt
ganz unsicher. Von den übrigen Götternamen sind uns die folgen-
den aus andern Quellen bekannt:
ca& (1) ca&a (17) ist wahrscheinlich zu identifizieren mit
dem Worte cauOas der Bleiplatte von Magliano (am Anfang),
welches, wenn diese Identification zutrifft, Genitiv eines Götter-
namens sein muss (5). Für die Deutung des Gottes (dessen Ge-
schlecht nach der Namensform nicht feststeht) gewinnen wir
dadurch nichts. Dass er auf unserer Bronze an hervorragender
Stelle ('« nominato per il primo, al posto d'onore ») stehe, hat Mi-
lani (Mon. ant. dell'Acc. d. Line. vol. II 1893, 56) richtig be-
merkt, ftü* seine Deutung aber vermag ich irgend eine tatsächliche
(*) Thulin S. 22 f.
(8) Thulin S. 29.
(8) Thulin S. 29.
(*) Thulin S. 29 f.
(5) An sich ist dies keineswegs selbstverständlich: Bugge Etr. Forsch.
u. Stud. IV, 71 hatte es für eine Verbalform erklärt. Aber die von Torp nach-
gewiesene Inschrift an einem Bronzegefäss von Perugia (Torp Etr. Beitr.
I, 23 ; Not. d. sc. 1895, 242) spricht allerdings dafür, dass cau&a, kaud-a Name
eines Gottes sei s. Thulin S. 49. \
366 G. KÖRTE
Unterlage nicht zu erkennen. Ueber Deecke's und seine « Ueber-
setzung ■ dieses merkwürdigen Schriftdenkmals kann ich nicht
anders urteilen wie Breal und Pauli (Altit, Stud. 3. 1884 S. 129 f. ).
eü- (2) vielleicht mit Deecke (I, 45) zu ' e&ausoa zu ergän-
zen, dem Namen einer Göttin, die auf dem Spiegel Etr. Sp. V, 6
mit danr als Geburtshelferin bei der Geburt der Menrva er-
scheint (]).
leOn (3. 23), le&ns'(U), leta (27), le&am (33), le&ms (37),
der am häufigsten wiederholte Göttername, kommt nur einmal auf
einem Spiegel vor (Etr. Sp. V. S. 12 u. 82, 2). Die leider ganz
zerstörte Darstellung scheint sich auf die Geburt der Menrva zu
beziehen, auf dem Rande stehen die Namen : uni, -dalna, menrva,
tinia, le&am, laran. Irgend ein Anhalt für die Deutung von
le&am ist daraus leider nicht zu gewinnen.
&trf (7. 22), Ü-uflO-as (20) eine aus 3 etruskischen Weihin-
schriften bekannte Gottheit, deren Natur unbekannt ist (2).
eilen (8. 39) cilensl (9). Derselbe Name in der Nominativform
cüens findet sich an einem Stirnziegel aus Terracotta von Bolsena
unter einer mit Chiton und Himation bekleideten, zweifellos weib-
lichen Gestalt, leider ohne Kopf, welche in ruhiger Haltung neben der
in hastiger Bewegung dargestellten Mera = Menrva steht. (Mon.
d. I. VI/VII, 72, 2 Ann. 1862, 274 ff. = Brunn Kl. Sehr. I, 219 f.)
cvlalp (11) ist von Deecke in zwei Namen cvl = culkc (Unter-
weltsdaemon) und aipan (mehrfach auf Spiegeln vorkommende
weibliche Göttin, welche dem Kreise der Aphrodite (Turan) an-
zugehören scheint vgl. Körte Etr. Sp. V S. 41 f. 43 f.) getrennt
worden. M. E. ist diese Trennung unwahrscheinlich weil wir in
den Randregionen sonst niemals zwei Namen nebeneinander
linden und zudem in der Region 11 genügend Raum war um die
Trennung anzudeuten und wenigstens einen der beiden Namen
auszuschreiben (3).
(*) EO-is (D. ebenda) fällt weg, da auf dem Spiegel Gerhard CLXIV
vielmehr 6e&is zu lesen ist (Etr. Sp. V, S. 220, 1).
(2) Thulin S. 34 ff., der mit Recht hervorhebt, dass das o. W. ange-
nommene weibliche Geschlecht aus der Namensform # ufl&a nicht mit Not-
wendigkeit folgt, und dass das schliessende s Genitiv- aber auch Pluralbe-
zeichnung sein kann.
(3) Vgl. Thulin S. 41 f., der die Trennung für möglich hält, aber auch
DIE BRONZELEBER VON PIACEN7.A. 367
last (21), Genitiv von lasa einer auf Spiegeln häufig vorkom-
menden dienenden Göttin aus dem Kreise der Aphrodite ( 7uran)({).
Martianus Capeila. Es fragt sich nun ob wir für die
Deutung dieser und der noch übrigen Götternamen der Bronze von
dem nach den 16 Himmelsregionen geordneten Verzeichnis bei
Martianus Capella Hilfe erwarten dürfen. Diese Frage scheint
mir verneint werden zu müssen. Zwar ist durch die offenbar beab-
sichtigte Gleichsetzung der Linie A-B auf der Bronzeleber mit der
Ost- West- Linie am Himmelstemplum eine Orientierung der Leber
gegeben, Norden rechts, Süden links anzusetzen. Also wäre die
Zählung Deecke's, vom (imaginären) Nordpunkt beginnend, für den
Vergleich mit Martianus an sich geeignet. Aber, da eine klare,
augenfällige Entsprechung von 16 Innenregionen zu den Randre-
gionen nicht vorliegt, so ist die Vergleichung auf die 16 Rand-
regionen zu beschränken. Da finden wir von sichern oder wahr-
scheinlich zu deutenden Namen — und von diesen ist doch zu-
nächst auszugehen — nur ani (D. 1), uni (D. 2), fufluns (D. 7) in
denselben Regionen bei Martian wieder. Es ist ferner zu beachten,
dass die Regionen am Himmelstemplum gleich gross angenommen
die Annahme, cvlalp sei ein zusammengesetztes Wort wie A/arshercles auf
dem von mir Etr. Sp. V S. 219 publicierten Spiegel. Dieser Vergleich trifft
nicht zu, denn in Marshercles sind 2 vollständig ausgeschriebene Götter-
namen enthalten, die ebensogut durch einen Punkt hätten getrennt werden
können: Mars des Herde (Sohn). Sichere Beispiele solcher zusammengesetzter
Worte, wie sie Thulin annimmt, sind mir nicht bekannt. Deshalb kann ich
auch seine Erklärung von ca&esan (S. 41, 2) nicht für richtig halten.
(J) Thulins Ausführungen S. 44 ff. gehen aus von irrigen Vorstellungen
über die Arbeitsweise der etruskischen Handwerker, die nicht erfinden, son-
dern reproducieren bezw. Figuren ihres Repertoirs zusammenstellen.
Aus augenfällig irrigen Beischriften, wie auf den Spiegeln Gerhard CXV
Cwo eine männliche, im grieschischen Original zweifellos Eros darstellende,
geflügelte Gestalt Lasa sitmica genannt ist) oder CCCLIX, (wo eine bekleidete
geflügelte Schicksalsgöttin mit Rolle zwischen den im Hades gedachten Aivas
und Hamcpiar(e) den Namen Lasa trägt) oder ganz flüchtigen, charakterlosen
Bildern wie Gerh. XXX, 4, 5 sind keine Schlüsse auf religiöse Vorstellungen
der Etrusker zu ziehen. Mit demselben Rechte könnte man aus dem Spiegel
V, 104 2 vgl. S. 136 folgern, dass auch Menrva doppelgeschlechtig sei, wie
angeblich Lasa.
368 G. KÖRTE
werden müssen ('), auf der Bronzeleber dagegen auf den Abschnitt
N-O: 6, O-S: 4, S-W: 3 und W-N: 3 Regionen entfallen. Daraus
folgt dass, wie die Verteilung der Regionen, so auch die der
Götter in diese für den Zweck der Leberschau höchstens in An-
lehnung an des Himmelstemplum und nicht ohne erhebliche Ab-
weichungen erfolgt sein kann und dass aus dem dürftigen Nieder-
schlag etruskischer Lehre bei Martian sichere Belehrung über die
Bedeutung der uns einstweilen unverständlichen etruskischen Göt-
ternamen nicht zu erhoffen ist (2). Nur einige mehr allgemeine
Beobachtungen und Schlüsse scheinen statthaft. Die auffallende
Bevorzugung des rechten Leberlappens, der familiaris pars, hin-
sichtlich der Zahl der auf ihn entfallenden Rand- und Innenre-
gionen ist schon hervorgehoben. Namentlich drängen sich diese
auf dem Raum unterhalb der Pyramide und in dem ganzen dem
Nord- Ost- Quadranten des Himmelstemplums entsprechenden Teile.
Hier finden wir hohe Götter- wie tinia, uni, ani, ne&uns vereinigt;
diesen werden wir die gleichfalls nur hier vorkommenden ca&a
und &ufl&a anreihen dürfen. Bedeutsam scheint, dass links von
der Gallenblase hercl(e) und mari(s) neben einander stehen; ist
doch letzterer nach dem Zeugnis des Spiegels (Etr. Sp. V S. 216)
nach etruskischer Ueberlieferung Sohn des ersteren. Die nahelie-
gende Identificierung der Gallenblase mit der Keule des Herakles
mag mitgewirkt haben (3). Sollte es Zufall sein, dass dieses eng
verbundene Paar den Platz längs der Linie A-B, welche die
familiaris von der hostilis pars scheidet, erhalten hat ? Sie schei-
nen geradezu die Grenze zu bewachen. Ihnen steht auf der an-
deren Seite derselben le&am gegenüber. Es liegt nahe in diesem
ebenfalls einen kriegerischen Gott zu vermuten, sein Name erscheint
0) Das geht auch aus Plinius N. H. II, 143 deutlich hervor.
(2) Die mit grossem Scharfsinn begründeten, aber meines Erachtens auf
unsichrer Grandlage aufgebauten neuen Deutungen Thulins kann ich mir aus
diesem Grunde nicht aneignen. Es sind: &ufl&as = Di Consentes penates,
cilens = Favores opertanei (di involuti, superiores), cvlalp = Saturni Iuno
caelestis, tecvm = Minerva, led-n = Lar militaris, lad = Lar caelestis,
e&(ausva) = Ceres, ca&a = Pales, ce.. — Manes, tluscv = Consus.
(3)'Für Milanis « symbolische» Erklärungen dieser und der übrigen Er-
höhungen auf der Bronze (Rendic. dei Line. IX 1900 S. 296 f.) vermisse ich
jedes sichere Fundament. Vgl. Thulin Haruspicin S. 36.
DIE BRONZELEBER VON PIACENZA 369
je dreimal sowohl auf der famüiaris wie auf der hostüis pars
der Leber. Ausser diesem kommen nur noch cilens, tluscv und
fufluns auf beiden Seiten vor; die übrigen Götter sind je auf
eine der beiden beschränkt.
Sehr auffallend ist, dass auf der Bronze die uns wohlbe-
kannten und häufig auf Spiegeln erscheinenden menrva, turan,
turms, seülans fehleu, namentlich die erstgenannte Göttin, die
doch nach der bekannten Stelle des Servius (Aen. I, 422) in jeder
etruskischen Stadt neben Juppiter und Juno ihren Tempel hatte.
Allerdings ist der Name menrva sicher italisch, aber das trifft
auch für uni und maris zu, und hercle, der gleich diesen auf der
famüiaris pars der Leber seinen Bezirk hat, und zwar an be-
deutungsvoller Stelle, ist gleichfalls kein echt etruskischer, sondern
ein recipierter Gott, dessen Name lautlich ebenso gut vom grie-
chischen cHQaxXrtg wie vom italischen Hercules abgeleitet werden
kann, so dass die Herkunft sowohl des etruskischen wie des ita-
lischen von Kyme in Campanien überaus wahrscheinlich ist (vgl.
Wissowa, Rel. u. Kult. d. Rom. S. 220). Aber auch die Reception
der drei italischen Götter menrva, uni und maris durch die
Etrusker reicht sicher in sehr alte Zeit hinauf. Vielleicht ist für
alle drei, fast sicher für menrva und uni der wohbezeugte alte
Kult in Falerii die Veranlassung der Aufnahme in den etruski-
schen Götterkreis gewesen. Maris ist als etruskischer Gott schon
für das VI. Jahrhundert v. C. nachzuweisen: sein Name er-
scheint auf der merkwürdigen Bleiplatte von Magliano,
welche nach den durchweg überaus altertümlichen Schriftformen,
namentlich aber nach der Anordnung der Inschrift in einer Spi-
rale sicher diesem Jahrhundert, nicht wie Milani (*) will dem III.
zugewiesen werden muss. Die ältesten inschriftlichen Zeugnisse
für Menrva reichen zwar nicht so hoch hinauf, aber doch bis
ins V. (2), die für uni wenigstens bis in IV. Jhdt. v. C. (3).
Ebenfalls aus dem IV. Jhdt. stammen die Zeugnisse für den ge-
nealogischen Zusammenhang, in welchen diese 4 recipierten Götter
(*) u II piombo scritto di Magl. » Mon. ant. dell' Acc. dei Lincei II
1893 p. <o6. Vgl. auch Deecke Programm von Buchsweiler 1885 S. 7.
(a) Diesem sind die Spiegel Gerhard CXXXIII, CXXXIV, CXL und V
67 zuzuweisen.
(3) Etr. Spiegel V, 49. 59. 60.
25
370 G. KÖRTE
nach italischem, von den Etruskern angenommenem Mythus unter-
einander gesetzt wurden, indem her de als Sohn der uni, und
durch menrva als Vater des maris galt (l). Ob die Etrusker bei
der Einwanderung in Italien andere, diesen Gottheiten der Bedeu-
tung nach entsprechende mitbrachten, wissen wir nicht; jeden-
falls dürfen wir annehmen, dass sie durch die übernommenen ita-
lischen in Vergessenheit geraten sind (2).
Ausser den genannten Namen ist nur noch usü = Sol ita-
lischen Ursprungs (3), aber ebenfalls schon früh recipiert wie sein
Vorkommen auf dem seiner Form nach sicher ins V. Jh. v. C-
zu setzenden Spiegel Gerhard CCCLXIV beweist. Alle übrigen
Namen (zu ne&uns, ani, selva(?is), satres, vetisl s. oben) sind echt
etruskisch; von einer « starken Göttervermengung ■ (Deecke I
S. 22) kann keine Rede sein, insbesondere findet sich von römi-
schem Einfluss keine Spur.
Ueber Zeit und Verfertigungsort geben die Buchstaben-
formen keine bestimmte Auskunft. Immerhin weisen die Formen
des m, l und h deutlich auf Umbrien und die diesem nächstlie-
genden etruskischen Gebiete hin, wie Deecke I S. 22 f. nach-
gewiesen hat. Von dorther wird die Bronze an den Fundort ge-
kommen sein. Aber sicherlich setzt sie Deecke ■ mit der grossen
Masse der chiusinischen Aschenkisten ■ wesentlich zu jung an, wenn
er an die letzten Zeiten der Republik oder den Beginn der Kai-
serzeit denkt. Wir werden sie mit Wahrscheinlichkeit dem IL,
vielleicht noch dem III. Jh. v. C. zuschreiben dürfen.
Zweck. Die Bronze ist ein stilisiertes Modell einer Schafs-
(*) herde unial clan Etr. Sp. V, 60, von mir mit Unrecht (S. 75) statt
auf italische Ueberlieferung auf freie Interpretation des Künstlers zurückge-
führt, mark hercles ebenda Nachtrag 16 S. 220.
(2) Aus diesem Grunde kann ich Thulins Vermutung (S. 42), dass auf
der Bronzeleber tecom = Minerva zu setzen sei, nicht für wahrscheinlich
halten. Dass laran nicht = maris, als der echtetruskische Kriegsgott neben
seinem « italischen Doppelgänger », sein kann (nach Torp ebenda S. 43), wird
durch das gleichzeitige Vorkommen beider Namen in ein und derselben Spie-
geldarstellung erwiesen, wie schon Deecke (I S. 37 f) erkannt hat. laran braucht
überhaupt kein Gott zu sein (vgl. Marx, Arch. Zeit. 1885 S. 7).
(3) Sab. ausel ; zur selben Wurzel gehört aur, welchen Namen der Son
nengott auf einem Spiegel von Perugia des IV. Jhs. v. C. (Etr. Sp. V, 78)
trägt.
DIE BRONZELEBER VON PIACENZA 371
leber; die Einteilung in Regionen, denen die Namen der in ihnen
(vorzugsweise) wirksam gedachten Götter eingeschrieben sind, gab
die Möglichkeit bei der praktischen Ausübung der Haruspicin etwa
auftretende Zeichen zu deuten, bezw. die Gottheit zu bestimmen,
welche ihren Willen kundgab, oder zu wersöhnen war. Es ist
eine Art Compendium der Haruspicin, ein (vermutlich verein-
fachtes) Anschauungsmittel zum Verständnis der complicierten Lehre
dieses Teils der disciplina. Man möchte vermuten, dass die Ha-
ruspices sich derartiger Modelle bei der Ausübung ihrer Kunst,
vielleicht auch bei der Unterweisung von Schülern bedienten (x).
Auch an ein Weihgeschenk eines Haruspex könnte man denken.
Extispicin bei Etruskern, Griechen und Chal-
daeern. Die spärlichen Nachrichten über et russische Exti-
spicin sind soeben von C. 0. Thulin (2) so vollständig und
umsichtig zusammengestellt und erklärt worden, dass ich mich hier
auf einige Bemerkungen beschränke, welche teils meine abweich-
ende Ansicht über Einzelheiten näher begründen, teils Thulins
Ausführungen ergänzen sollen.
Thulin bat (S. 28) richtig erkannt, dass die Linie A-B
unserer Fig. 2. (D. 0-W), welche dem Verlauf des Suspensorium
hepatis auf der convexen Seite entspricht, die Leber in eine rechte
und linke Hälfte teilt. Den von uns oben gezogenen Schluss, dass
die Teilung in eine familiarls und hostilis pars mit dieser na-
türlichen identisch sei, lehnt er ab weil das Kegionensystem der
Bronze dem (etruskischen) System der Himmelsregionen (Plinius II,
143) entspreche, dieses aber nach Süden orientiert sei. Demnach
(*) Dies ist für Babylonien anzunehmen, wie Thulin (S. 15, 1) aus der
mir unzugänglichen neuen Schrift von Boissier (Textes relatifs ä la divina-
tion Assyro-Babylonienne 1905) mitteilt. Die von ihm angedeutete Möglichkeit,
dass unsere Bronze zur Statue eines Haruspex gehört habe, scheint mir aus-
geschlossen durch den Mangel jeder Befestigungsvorrichtung oder von Löt-
spuren. Zudem würden die beiden Inschriften auf der convexen Seite bei solcher
Anbringung verdeckt gewesen sein.
(2) Die Haruspicin. Vgl. ausserdem Blech er, de extispicio capita tria,
dessen Hauptverdienst in der sorgfältigen Sammlung und Sichtung des Quel-
lenmaterials (cap. I) besteht, welche gegenüber der hastigen und ohne die
erforderliche Kritik gemachten Zusammenstellung bei Deecke II einen ent-
schiedenen Fortschritt bedeutet. Blechers Folgerungen und Schlüsse dagegen
sind mehrfach irrig und von Thulin berichtigt worden.
372 G. KÖRTE
müsse auch auf der Leber die Scheidung der beiden partes durch
die imaginäre Linie S-N (Fig. 3) bestimmt sein, der obere Teil
beider Leberlappen als hostilis, der untere als familiaris pars
aufgefasst werden.
Dem gegenüber kann ich auf die oben gegebene Darlegung
verweisen wonach die Kegioneneinteilung der Leber zweifellos
nicht nach Süden sondern nach Westen orientiert ist, ebenso
aber auch die des Himmels nach dem Zeugnis des Varro, der sich
ausdrücklich auf die aruspices beruft. Auch meine Auffassung der
Pliniustelle (o. S. 360, l) glaube ich nach dem Zusammenhange fest-
halten zu dürfen, wenn auch die von Thulin sprachlich ebenso
möglich ist (1). Auf jeden Fall müsste das Zeugnis des Plinius
hinter dem durch die Bronzeleber gestützten des Varro zurück-
stehen. Gegen Thulins Annahme spricht ferner, dass die Regionen
13, 40, 33, 31 teils zur hostilis, teils zur familiaris pars, 17 u.
18 zu jener, die unmittelbar darunter folgenden und mit 17 und
18 durch das gleiche Schema der Einteilung werbundenen 19 u. ff.
zu* dieser gehören würden. Eine reinliche Scheidung der Regionen
in zwei Hälften ist nur durch die Linie A-B (O-W) gegeben.
Unzweifelhaft wurden von den haruspices Folgerungen daraus
gezogen wenn die eine der beiden partes besonders stark, die andere
dagegen schwächer entwickelt oder krank war; das beweisen die
im Einzelnen freilich phantastischen und gänzlich unmöglichen (2)
Schilderungen bei Seneca Oed. 353 ff. und Lucanus Phars. I, 617 ff.,
vgl. besondeis Sen. 363, Luc. 628 f. Eine solche auffallende Ver-
schiedenheit kann aber wohl zwischen den beiden grossen Leber-
0) Vgl. Thulin, Die etruskische Disciplin. I. Die Blitzlehre. Göteborgs
HögskolasÄrsskrift 1905 S. 16. Die vorhergehenden "Worte des Plinius (II, 142) :
laeva prospera existimantur, quoniam laeva parte mundi ortus est scheinen
mir nicht (mit Thulin S. 18) zur etruskischeu Lehre zu gehören, die erst
im § 143 ausdrücklich angeführt wird.
(■) Hieher gehört die Vertauschung der Lage der einzelnen Organe im
Tierkörper Sen. 366 ff. und Luc. 629: pars (seil, iecoris) micat et celeri venas
movet improba pulsu: klopfende Adern in der Leber des geschlachteten
Tiers sind ein Unding, wie ich zum Ueberfluss durch Intersuchung einer
noch rauchend warmen Schafsleber unmittelbar nach der Schlachtung fest-
gestellt habe. Was der Scholiast zu Lucanus I, 621 bemerkt, ist nur Um-
schreibung der Worte des Dichters, insbesondere auch des v. 629, und kann
daher ebensowenig auf etruskischer Lehre beruhen wie die Worte seines Autors
(dies gegen Thulin S. 37).
DIE BRONZELEBER VON PIACENZA
373
läppen, nicht hingegen zwischen der oberen und unteren Seite
beider stattfinden.
Der processus pyramidalis, der wichtigste Teil der Leber,
das caput fibrarum (ö koßog) würde nach Thulins Ansicht auf der
Bronze ganz in die hoslilis pars fallen. Aber auch in der prak-
tischen Ausübung der Haruspicin wurde er offenbar in aufge-
richtetem Zustande untersucht. So bot er,
wie die Pyramide des bronzenen Lebermodells,
eine Vorder- sowie eine rechte und linke Seite
dar. Je nachdem die eine oder die andere einen
Spalt oder Einschnitt aufwies, sprach man vom
caput a familiari (rechts) oder ab hoslili parte
(links) caesum. Jenes war für den Opfernden,
dieses für die Gegenpartei eines der schlimm-
sten Zeichen, wie der Fall des Decius Liv. VIII,
9. 1 lehrt. Fig. 4 zeigt ein solches caput a
\j# f * familiari 'parte caesum, d. h. mit einem Ein-
schnitt auf der rechten Fläche, nach der Natur
von Prof. F. Merkel für mich gezeichnet. So
scheint mir auch die Praxis der Haruspicin
allein von meiner Auffassung der beiden partes
aus verständlich zu werden.
Den fundamentalen Unterschied zwischen römischer und
etruskischer Extispicin hat schon Wissowa Rel. u. Kult. d. R.
353 richtig hervorgehoben, Thulin näher ausgeführt (S. 4 ff.) Jene
beschränkt sich auf eine Fragestellung, auf welche die extra mit
ja oder nein (litare — noa perlitare) antworten.
Die griechische Hieroskopie zeigt, wie Thulin S. 50 ff.
ausführt, einerseits grosse Uebereinstimmung mit der römischen
(xccXXisqsTv = litare), andererseits in den spärlichen Nachrichten
über bestimmte Weissagungen eine principielle Uebereinstimmung
mit der etruskischen Extispicin. Dass auch die griechischen fiavTsig
auf der Leber eine freundliche und eine feindliche Seite unter-
schieden, wie Thulin S. 20 behauptet, ist an sich nicht unwahr-
scheinlich, wird aber durch das von ihm angeführte einzige Zeugnis
des späten Scholion zu Aeschylos Prom. 484 nicht erwiesen : die
Worte zoXrjg, itTig exßlri&elact xai ävtiTivccyeTöu TiQog xb tcov 7io>
Xefiicov iieqoq r(txav tovicov i(Xt]fj,aiv£v passen nicht zum Text,
Fig. 4.
374 G. KÖRTE
wo von der noixtlr) sv^oQ(fta der Gallenblase und des Xoßoz die
Rede ist, also ton den Zeichen, "welche sich aus deren äusserer
Beschaffenheit ergeben, und beziehen sich offenbar auf Empyro-
mantie. Ganz ähnliches steht in den Scholien zuEurip. Phoen. 1256.
Dagegen scheint mir in einem anderen Punkte ein beachtens-
werter Unterschied der griechischen von der etruskischen Extispicin
vorzuliegen, nämlich in der Betonung der Leberpforte, nvXai.
Sollte es zufällig sein, dass sie unter den vorzugsweise wich-
tigen Teilen viermal (l) in griechischen Quellen genannt wird,
während die Zeugnisse für die etruskische Extispicin ihrer niemals
erwähnen? Ich glaube dies um so weniger als auch auf dem pia-
centiner Lebermodell die Leberpforte gar nicht angegeben, die
Regioneneinteilung ohne Rucksicht auf sie ausgeführt und ihre
Stelle durch keinen Götternamen bezeichnet ist. Wir dürfen daraus,
im Verein mit dem Schweigen unserer litterarischen Quellen, wohl
den Schluss ziehen, dass der Leberpforte in der etruskischen Lehre
eine besondere Bedeutung nicht zukam.
Dagegen war dies in hervorragendem Masse der Fall bei den
Chaldaeern. In Fig. 5 ist die Abbildung des babylonischen Le-
bermodells (Bu. 89-4-26, 238) aus an der Sonne getrocknetem
Ton nach Guneiform texts from Babylonian tablets in (he Bri-
tish Museum 1898 Taf. I wiederholt. Die aufmerksame Betrach-
tung dieser Abbildung lässt nun klar erkennen, dass die Regionen-
teilung hier in erster Linie durch den wagerechten Verlauf der
sehr deutlich wiedergegebenen Leberp forte bedingt ist. Ein
System von parallel zu dieser, gezogenen Linien erstreckt sich
über beide Leberlappen, nur den unteren Teil des rechten frei-
lassend. Ein zweites System von Parallellinien, welche ungefähr
senkrecht zu den erstgenannten verlaufen, geht aus von der inci-
sura umbilicalis, deren Fortsetzung die Trennungslinie der beiden
grossen Lappen bildet. So ist eine Anzahl von Quadraten her-
gestellt, welche den linken Leberlappen ganz, den rechten nur
zum Teil bedecken. Auch auf den processus pyramidalis ist dieses
Liniensystem übertragen. Er ähnelt hier wie auf der etruskischen
(') Eurip. El. 828, Nicander Ther. 561, Pollux Onom. II, 215, Rufus
Ephesius p. 38. Auch die von Blecher unter die testimonia ritus etrusci sive
romani versetzte Stelle des Cassius Dio LXXVIII, 7. 2 dürfte eher hieher zu
ziehen sein, wie übrigens Blecher selbst mutmasst S. 194 (24).
DIE BRONZELEBER VON PIACENZA 375
Bronzeleber einer Pyramide, die aber etwas anders wie dort, nämlich
mit einer Kante nach vorn gestellt ist, so dass zwei Seiten-
flächen (rechts und links) stark betont und, wie gesagt, in das
die Einteilung der ganzen Leber bestimmende Liniensystem mit
einbezogen sind. In die einzelnen Quadrate, bezw. (auf dem rechten
Fig. 5.
Leberlappen) Streifen sind Inschriften eingeschrieben, welche Weissa-
gungen enthalten. Die runden Löcher oder Vertiefungen, welche sich
innerhalb der Quadrate oder im Verlaufe der trennenden Linien finden,
scheinen mir keinen andern Zweck zu haben als den, die Stellen
genau zu bezeichnen, auf welche sich die Inschriften beziehen und
der beobachtende Priester seine Aufmerksamkeit richten soll (1).
0) Stieda's Meinung, sie seien Durchschnitte von Blutgefässen, verwirft
Thulin (S. 37) mit Recht, aber seine eigne, dass sie « der chaldaeischen
Terracottatechnik zuzuschreiben n seien, ist ebenso wenig überzeugend. An-
scheinend denkt Thulin an « Brennlöcher », aber das Lebermodell ist über-
haupt nicht gebrannt, sondern an der Sonne getrocknet, und ich vermag
nicht einzusehen, welchen Zweck überhaupt Brennlöcher bei einem derartigen
massiven, nicht hohlen Gegenstand haben sollten.
376 G. KÖRTE
Thulin findet nun in den Chaldaeischen Texten und Leberabbil-
dungen den etruskischen Begriff einer familiaris und hostilis pars
wieder. Wie mir scheint mit gutem Grunde. Dagegen irrt er, meines
Erachtens, wie für die etruskische, so auch für die chaldaeische Lehre
in der Lokalisierung dieser beiden partes auf die obere {hostilis
p.) und untere (familiaris p.) Hälfte der beiden Leberlappen. We-
nigstens vermag ich in den von ihm (S. 29 f.) angezogenen chal-
daeischen Texten — auf diese beschränkt sich meine Kenntnis —
keinen durchschlagenden Grund für diese Lokalisierung zu erkenneD.
Es tritt darin « die Unterscheidung einer glücklichen rechten und
unglücklichen linken Seite stark hervor ■ . ■ Aber diese Teile werden
wiederum in einen rechten und linken geteilt » (K. 1999 col. IV 1.
« si le lobe droit du foie, la droite de la droile, la gauche de
la droite et la gauche est se'pare'e » Boissier, choix de textes
S. 278) « und es ist auch die Eede von einem oberen und un-
teren Teile (ebenda S. Iö7, 162, 8) ». Weisen diese Stellen nicht
vielmehr auf den rechten und linken Leberlappen, und stimmen
sie somit nicht besser zu der von mir für die etruskische Lehre,
wie ich glaube, erwiesenen Scheidung? Die Entscheidung soll
(S. 30) die Terracottaleber Rm 620 bringen, deren Abbildung
Thulin nach Boissier pl. I. II auf seiner Tafel III wiederholt.
« Auf dieser Leber ist der processus caudatus [von uns nach
Stiedas Terminologie pr. pyramidalis genannt] in phantastischer
Form abgebildet » [heruntergebogen, wie im natürlichen Zustand ?
Es fehlt die Angabe der Gallenblase, ebenso auch jede Regionen-
einteilung]. « Und hier wird der obere Teil als die linke Seite
bezeichnet, der untere als die rechte (durch die Inschriften I
si le mont du foie de gauche IV si le mont du foie de droite
Boissier (S. 76 u. pl. II) und dem entsprechend hat der Processus
caudatus eine linke und eine rechte Seite also pars hostilis und
familiaris ». Von einem oberen und unteren Teil des proc. py-
ramidalis (caudatus) kann man doch nur im natürlichen Zustand,,
wo er herab hängt, sprechen. Das sorgfältigere, die hieratische Re-
gioneneinteilung zeigende Lebermodell (Fig. 5) und die Texte
scheinen aber zu beweisen, dass die Chaldaeer wie die Etrusker
diesen Nebenlappen vielmehr in aufgerichtetem Zustand
untersuchten und deshalb eine rechte und linke Seite an ihm
unterschieden. Dies beweisen auch die von Thulin S. 33 ci-
DIE BRONZELEBER VON PIACENZA 377
tierten Stellen ; sie ergeben ferner die interessante Tatsache, dass
der terminns caput ebenfalls der chaldaeischen Lehre eigentüm-
lich ist. Bis auf weiteres glaube ich also auch den Chaldaeern
die etruskische Scheidung : lobus dexter = famüiaris pars, lobus
sinister = hostilis -pars vindizieren zu dürfen (t).
Ein Zusammenhang zwischen der chaldaeischen und etruski-
schen Lehre, d. h. die Abhängigkeit dieser von jener scheint
mir mit Thulin (S. 35) unabweisbar. Für ebenso gesichert halte
ich im Einverständnis mit ihm (S. 54) die Abhängigkeit der
griechischen Hieroskopie von Chaldaea. Sehr gut weist Thulin
auf eine schlagende Uebereinstimmung in der Terminologie hin,
nämlich die Benennung eines Teiles der Leber als Fluss (He-
sychius s. v. noiai\6<; und Boissier choix de textes S. 71). Der
so benannte Teil kann kein ander sein als die Leberpforte: auf
dem vollständigen babylonischen Lebermodell (Fig. 5) hat sie ganz
das Aussehen eines breiten Flusses mit hohem Ufer, wenigstens
an der oberen Seite und namentlich rechts vom processus papil-
laris (vgl. : ■ si le bord de la riviere du har (= Leber) ä droite
en haut est enleve » ).
Dass die auf eine und dieselbe Quelle zurückgehende ge-
heimnisvolle Kunst von den Etruskern und Griechen (bei diesen
wohl noch lokal verschieden) selbständig und mit Abweichungen
im einzelnen weiter entwickelt worden ist, kann nicht wunder
nehmen. Spuren dieser Abweichungen unter einander und von der
chaldaeischen Mutterlehre sind noch erkennbar. Die Etrusker haben
die Kunst der Eingeweideschau allem Anschein nach noch in der
alten kleinasiatischen Heimat übernommen, weiter ausgebildet aber
wohl erst in Italien. Zu den Griechen scheint sie erst verhältnis-
mässig spät gekommen zu sein, da sie dem Epos noch fremd
ist («). -
(*) Dass auf der Leber Rm. 620 die convexe Seite durch eine tiefe
Linie in eine obere und untere Hälfte getrennt ist,' steht nicht im Wider-
spruch dazu.
(a) Vgl. Stengel, Gr. Kultusaltert. (J\v. Müllers Handb. V, 3) S. 56.
378 G. KÖRTE
BILDNIS EINES HARUSPEX
(Taf. XIV).
Die oben erwähnte Deckelfigur einer etruskischen Urne aus
Alabaster von Vol terra im Museo Guarnacci daselbst (Nr. 136)
verdient, als das einzige bisher bekannte Bildnis eines etruskischen
Haruspex, auch nach der neuerdings erfolgten Veröffentlichung in
ziemlich kleinem Masstabe bei Blecher tab. III, 2 S. 240 (70)
im Anschluss an die vorstehende Arbeit hier abgebildet und kurz
besprochen zu werden.
Die Länge des Deckels beträgt 0,76 in., an seinem unteren
vorderen Rand befindet sich die linksläufige Inschrift: au. prcu.
L Hl. XXXV (0 d. i.: Au{le) pr(e)cu des lard- (Sohn), 35
(oder einige mehr) Jahre alt.
Die Gestalt zeigt die gewöhnlichen fehlerhaften Proportionen
dieser Monumentenklasse, namentlich einen zu grossen Kopf. Sie
ist in gewohnter Weise gelagert, mit dem linken Ellenbogen auf
zwei Kissen gestützt, und mit Chiton und Mantel bekleidet, welcher
letztere über den Hinterkopf gezogen ist. Ein dicker Kranz aus
Blättern und (an den Schläfen) Blüten, der wohl golden zu denken
ist, schmückt den Kopf. Der rechte Arm ist nur bis zur Mitte
des Oberarms erhalten, die linke Hand hält eine Schafsleber,
deren verhältnismässige Grösse ungefähr der Natur entspricht, in
der Art, dass der rechte Lappen in der Hand ruht, deren Daumen
auf dem Rande liegt, der linke Lappen, wie es der Structur der
natürlichen Leber entspricht, ein wenig gebogen auf dem Kissen
liegt. Im Uebrigen ist die Leber ähnlich stilisiert wie die Bron-
0) Fabretti C. 1. 1. 320 bis a (tab. XXV) liest ircu und giebt von den
Zahlzeichen nur das erste (X), Pauli C. I. E. I, 92 prcu entsprechend seiner
schon früher (Etr. Forsch, u. Stud. III S. 105 Nr. 104) ausgesprochenen
Vermutung^, dass der obere Seitenstrich erloschen sei. Die Zahl liest er XXV,
die Möglichkeit, dass noch Einer gefolgt seien, offen lassend. Die Namens-
lesung kann ich aufgrund erneuter Vergleichung im September v. J. bestä-
tigen: es ist in der Tat der obere Seitenstrich, wenn auch sehr schwach, zu
erkennen. Die Ziffern sind stark verwittert, doch glaube ich das Vorhanden-
sein von drei Zehnern und einer A (von dieser nur der erste Strich erhalten)
verbürgen zu können; möglich, dass noch Einer nachfolgten.
DIE BRONZELEBER VON PIACENZA 379
zeleber, der processus pyramidalis als Pyramide gebildet, die
Gallenblase kurz und keulenartig ; die Gegend wo der processus
papillaris sich befand ist verletzt, man erkennt aber, dass seine
Lage wie auf der Bronzeleber in der Richtung der verlängerten
incisura umbilicalis war, welche deutlich angegeben ist. Man
gewinnt also den Eindruck, dass die Leber nicht nach der Natur,
sondern nach einem ähnlich wie die Bronzeleber stilisierten Leber-
m o d e 1 1 gefertigt sei : eine Bestätigung unserer Vermutung, dass
sich die Haruspices gewohnheitsmässig solcher Modelle bedienten.
Aule pr(e)cu ist nicht in der Ausübung seiner Kunst dargestellt,
denn dann müsste er die Leber mit der incisura umbilicalis nach
dem Körper zu halten (l), auch ist sein Blick nicht auf die
Leber, sondern über sie hinweg ins Weite gerichtet, sie ist ihm
nur als Attribut in die Hand gegeben. Auf priesterliche
Würde deutet die Verhüllung des Hauptes, welche unter den
Deckelfiguren nicht gewöhnlich ist, auch die Bekleidung mit dem
Chiton (sehr viel häufiger ist der Oberkörper der Deckelfiguren
unbekleidet) gehört wohl dahin. Die Haltung hat etwas ausge-
sprochen Stolzes und Selbstbewusstes, wie denn die Ausübung der
Haruspicin und die Bekleidung priesterlicher Würden ein Vorrecht
des Adels gewesen zu sein scheint (vgl. Müller-Deecke II, 2 ff.).
Die Bildung des Gesichts wie die Körperformen weisen auf einen
jüngeren Mann und stimmen wohl zu dem in der Inschrift an*
gegebenen Alter.
G. KÖRTE.
(') Das schliessen wir aus der Bronzeleber, welche für die Betrachtung
von dieser Seite aus bestimmt ist. Freilich der auf dem Spiegel Gerhard
CCXXI1I dargestellte geflügelte Seher Xal/as hält sie ebenso wie unser
Haruspex, obwohl er mit ihrer Beobachtung beschäftigt ist. Aber von einer
derartigen Darstellung dürfen wir nicht absolute Genauigkeit in solchen
Nebendingen erwarten, wie denn auch der deutlich angegebene processus py-
ramidalis fälschlich auf den linken Leberlappen verlegt ist. Dem Künstler
kam es in erster Linie auf die Wiedergabe der ganzen Situation an, welche
denn auch äusserst charakteristisch und lebenswahr ausgefallen ist. Genauer
ist die Lunge wiedergegeben, welche auf einem Tisch vor dem Seher liegt:
mm erkennt deutlich beide Lungenflügel nebst zwei Nebenlappen und die
trachea mit ihren Knorpelringen.
MICON UND PERO.
V
IT*
^
Ich muss noch einmal auf das vielbesprochene Epigramm
zurückkommen. Beistehend die Spuren am Schluss der zweiten
Zeile, wie ich sie sehe und so gut ich sie zeichnen konnte, etwas
vergrössert; schwarz sind die Farbenreste, schraffiert die Abblätte-
rungen : zuerst, in Farbenresten, das von mir für M gehaltene,
dann eine Hasta, dann etwas wie ein T, endlich etwas einem S
ähnliches. Es ist behauptet worden, hier sei deutlich VT zu lesen ;
und zwar sehe ich jetzt aus Ätene e Roma VIII 1903, 384 dass
das T in der Hasta, nicht, wie ich gemeint hatte, in der fol-
genden Spur erkannt werden sollte. Nach sorgfältiger und oft wie-
derholter Betrachtung kann* ich hier nichts weiter als eine Hasta
erkennen, die, für sich betrachtet, Rest eines T sein kann, aber
nicht muss. Da ich aber absolut keinen Unterschied sehe zwischen
dem Charakter dieser Spur und dem der beiden folgenden, und
da diese, jenseits der Senkrechten der ^eilenschlüsse stehend, sicher
bedeutungslose Beschädigungen sind, so halte ich mich für be-
rechtigt, wenn andere Erwägungen dahin führen, auch jene Hasta
für eine solche zu halten.
Wie wäre der Zwischenraum zwischen ASP und VT auszu-
füllen? Aspice iam ut ist unmöglich. Dem Dichter — und er
ist doch nicht der erste beste — standen zwei tadellose Wen-
dungen zu Gebote: aspice iam und aspicite ut, allenfalls auch
aspicite en. Statt dessen soll er nun zwei dem Sinne nach über-
flüssige Partikeln in den Vers gezwängt haben, von denen die zweite
weggelassen werden kann, ohne sei es im Satz sei es im Metrum
eine Lücke zu lassen ; sie wäre nur eingeschoben, um iam in der
Elision verschwinden zu lassen, also um den Vers zu verschlechtern ;
A. MAU, MICON UND PERU 331
auch macht sie die Rede weniger lebhaft und eindrucksvoll. Wer
wird das glauben? Wenn ut dastände, so könnte, soviel ich sehe,
nur aspicite ut ergänzt werden, und dies wäre insofern die beste Lö-
sung, als mit ihr das dem Sinne nach überflüssige tarn (vgl. Mitth.
XIX 1904 S. 261) verschwinden würde. Aber erstens müssten wir
dann die Farbenreste, in denen ich die letzte Hasta des M erkenne,
für zufällig halten, was doch nur im äussersten Notfall erlaubt
wäre. Zweitens müssten bei dieser Lesung die Buchstaben PICITE • V
sehr weitläuftig gestellt sein; dann aber wird es unverständlich,
dass V und T so dicht an einander gedrängt sein sollen. Ich halte
also nach wie vor aspice tarn für das wahrscheinlichste.
Es wird bestritten (A. e R. 384), dass in der fünften Zeile die
von mir S. 190 wiedergegebenen Reste von RE so deutlich vorhan-
den seien. Ganz recht: mein Facsimile will die Form, nicht den
Grad der Deutlichkeit zeigen. Aber auch in Sogliano's photogra-
phischem Facsimile sind die Reste des R, wie ich sie gab, deut-
lich genug, freilich nicht so deutlich wie im Original. Die des E
sind dort nicht recht herausgekommen ; ich füge jetzt hinzu, dass
der oberste der drei Striche weniger deutlich ist: ich sehe da eine
Abblätterung und über ihr einen geringen Rest weisser Farbe. In
Betreff micant hätte doch der einmalige Hinweis auf den Unter-
schied zwischen Venen und Arterien, Bild und Kinematograph, Con-
jectur und Ueberlieferung genügen sollen; nun wird es wieder
verteidigt (A. e R. 384 f.), als wäre es beste, um jeden Preis zu
haltende Ueberlieferung.
Am Schluss derselben Zeile soll vor Q noch N ///OTO zu lesen
sein (A. e R, 385). Ich kann auch jetzt nach oft wiederholtem
Bemühen von OTO nichts sehen; und statt des vermeintlichen
M-Striches finde ich nur eine breite Abblätterung und über ihr
zerstreute, ganz unbrauchbare Farbenreste. Wie zwischen ihr und
Q. der zweite Teil des M und OTO untergebracht werden soll,
ist mir nach wie vor unklar. Nun soll freilich nach A. e R. 386
meinen Augen nicht zu trauen sein. Einige Leute sind anderer An-
sicht, und ich selbst bemerke bis jetzt keine Abnahme meiner
Sehfähigkeit, bin ja auch kein Neuling im Lesen schwieriger Hand-
schriften und Inschriften. Aber freilich, wer hier MOTO oder
sonst etwas lesen kann, der kann mehr als ich. Ob sich wohl
noch ein zweites hierzu befähigtes Paar Augen finden wird ? Auch
382 A. MAU, MICON UND PERO
werden a. 0. unbefangenere Augen {occhi piü sereni) gewünscht;
ich wüsste nicht, was ich mir in dieser Beziehung vorzuwerfen
hätte. Die Lesung admoto nochmals sachlich zu discutieren, habe
ich keine Veranlassung; sie erweckt die Vorstellung, dass Pero
ihr Gesicht an dem Vater reibt. Ambiguo habe ich natürlich bei-
spielsweise gesetzt: gegen incerto z. B. wäre nichts einzuwenden.
Will jemand unter dem aevo dignum opus das Bild, nicht
die Handlung verstehen (A. e R. 383), meinetwegen! Aber Va-
lerius Maximus V 4, 7 verstehe ich nicht so, dass er den Kunst-
wert des Bildes preist; sondern durch den moralischen Eindruck
der dargestellten Handlung wird die Phantasie der Beschauer
so angeregt,dass sie den Vorgang selbst zu sehen glauben. Man
muss die Stelle im Zusammenhang lesen.
Auf die a. 0. mehrfach berührte Frage, wie viel in meiner
Restitution mir, wie viel meinen Vorgängern verdankt wird, soll
ich doch wohl nicht eingehen, so wenig wie auf die anmutvolle
Redeweise (') des Mitarbeiters von Atene e Roma. Alles das tut
ja nichts zur Sache und soll wohl nur die jenem Herrn so am
Herzen liegende Serenität befördern.
A. Mau.
ZUR CASA DEL FAUNO IN POMPEJI.
Das oben S. 202 über das zweite Peristyl der Casa del Fauno
Gesagte bedarf der Berichtigung: es wurde aus dem Gedächtnisse
geschrieben, und das Gedächtnis hat sich als nicht ganz treu
erwiesen. Es ist nicht richtig, dass dort das Paviment erst nach-
träglich bis an die Kante des Stylobaten ausgedehnt worden
ist; sondern es war von Anfang an so. Die Säulenbasen stehen
je auf einem bis zu 0,09 hohen Tuffcylinder, der aus einem Stück
mit dem Stylobatstein gearbeitet ist; seine Höhe bezeichnet die
(') Zur Erheiterung eine Probe: Ami io, che dl Mau reluttante dl mio
micant perchü tumido del non abbastanza suo tument avrei potuto doman-
dare u. s. w.
A. MAU, ZUR CASA DEL FAUNO IN POMPEJI 383
Stärke des Paviments. Und diese Cylinder konnten so nur bear-
beitet werden, bevor die Säulenbasen auf sie gestellt wurden.
Auch ist die Oberfläche des Steines zwischen den Cylindern nicht
roh, sondern ziemlich glatt gearbeitet. Später hat sich dann die
in der Pavimentmasse gebildete Kante als nicht praktisch erwiesen ;
man hat ein Stück abgehackt und einen Steinrand an die Stelle
gelegt.
Es durfte also nicht gesagt werden, diese Mode sei aufge-
kommen nach dem Bau der Casa del Fauno, sondern sie war
üblich zur Zeit eben dieses Baues, in der Tuffperiode, dem 2. Jh.
v. Chr.
A. Mau.
SITZUNGEN UND ERNENNUNGEN
23. März: L. Pollak, .Antike Votivgaben. — G. Körte, Die
Bronzeleber von Piacenza (s. o. S. 348-379).
6. April : L. Savignoni, Bassi rilievi ionici delV isola di
Greta. — W. Amelung, Das Corsinische Silbergefäss (s. o.
S. 289-309).
20. April (Festsitzung zur Feier der Gründung Roms): L. Savi-
gnoni, Tempio di Apollo ed Heroon in Gortyna. — Chr.
Hüelsen, Die ältesten Reconstructionen des alten Roms.
Zu ordentlichen Mitgliedern wurden ernannt die Herren :
D. Comparetti in Florenz
F. Noack » Kiel
S. Reinach » Paris
zu correspondierenden Mitgliedern die Herren:
W. Altmann in Marburg a/L
R. Paribeni » Rom
E. Pfühl » Göttingen
REGISTER
Q. Aemilius Papus 59.
Agias 144 ff.
AXfooi Tlonnmog xal XoxXr]m6<?oTog 10.
Antenor 347.
Antiquarium des Card. Cesi 267.
iAnoQQttvzriQiov 209.
Aquaducte in der Campagna 287.
Ära des Kleomenes 306 ff.
Ära Providentiae 41.
Ära Volcani 7 f.
Aristogeiton, Ergänzung d. Figur 334.
Aristogeiton, Kopf des 333.
Artemis 136 ff.
Athleten statue in Berlin 147 f.
Augustusbogen auf dem Forum 76.
Augustus, Ehreninschrift 60.
Aurae 304 ff.
Aurelius Anicius Symmachus, Stadt-
präfekt 58.
Backsteinbasen am Forum 68.
P. S. Bartoli, Zeichnungen und Stiche
nach Antiken 287.
Basilica Aemilia 53 ff.
Basilica Julia 75.
Bleiplatte von Magliano 369.
Bovianum, Architekturstück aus 185.
Bronzeleber von Piacenza 348 ff. 355
Fig. 2.
Bustrophedonschrift 46.
Byblis, angebl. Gemälde von Tor Ma-
rancia 286.
L. Caesar, Ehreninschrift 59.
Caesartempel 75.
Caput a familiari parte caesum 373.
Carcer, angeblicher, an der Sacra Via
116.
Cardo 361.
Castortempel 80.
Censorische Verzeichnisse von Tem-
pelbesitz 206.
Cesi'öche Antikensammlung 267.
Cippus, archaischer auf dem Comi-
tium 46.
Claudius Candidus 159.
Cloaca Maxima, angebl. Inschrift 67.
Cloacina, Heiligtum auf dem Forum 62.
Coemeterium Commodillae 156.
Collegium Germanorum 326.
Comitium 29.
Comitium, Umfang des republikani-
schen 38.
Constantinsbasilica, Ausgrabung 117.
Cornua 38.
Cuniculi unter dem Forum 64.
Curator Germanorum 326.
Curia 47.
Curia Julia auf Münzen 287.
Curtius-Relief, capitolinisches 69.
Dalmatia und Dacia, Grenzen 223.
Deckelfigur 378.
Decumanus, Hauptlinie des Templum
360.
Didius Julianus 162.
Domitians-Basis auf dem Forum 69.
Dreieckziegel 258-261.
Duilius-Inschrift (columna rostrata) 23.
Eleusis 301 f.
'EXXrjvcov dyogd am Forum 14.
Elogien aus der Basilica Aemilia 59.
Equus Domitiani 72.
Equus Severi 74.
Equus Tremuli, angebl. 74.
REGISTER
385
Erinyen in Attika 294.
» » Eleusis 295 ff.
Euthytonon 175.
Extispicin der Etrusker 371.
■ n Körner 373.
9 » Griechen 373 f.
■ n Chaldaeer 374 ff.
Fabius Cilo 160.
Familiaris pars 358. 371 ff. 376.
Fasti consulares et triumphales 11 f.
Fl. Lollianus Mavortius, Stadtpraefekt
284.
Fluchtäfelchen 164.
Fluss, Teil der Leber 377.
Fokassäule 68.
Forma Urbis Romae, neues Fragment
mit den Agrippathermen.
FÜR. Fragment 19 Jord. 13.
FÜR., neues Fragment mit \b~\asili\ca
Aemilia] 53.
Frumentarii (milites) 310.
» «ih Rom 310.
» n in Ostia 315.
A fruniento (dispensatores, procura-
tores, liberti) 318.
Gela, V. von 333.
Germanenkriege im 2. Jhdt. n. Chr.
156.
Germani corporis custodes 321.
Geschütze auf Reliefs 166.
Götter italischer Herkunft 369.
Götternamen, etr. der Bronzeleber v.
P. 362 ff.
Graecostadium 11.
Gruppenbildung in Pergamon 221 f.
Hadrian 319.
Harmodios, Ergänzung 335. 343 f.
Haruspex 378.
Hebemaschinen auf dem Forum 66.
Heeresverpflegung der Römer 311.
Hemicyclium, sog. 17 ff.
Herakles-Taten in pergamenischer
Kunst 214 ff.
HQaxkfjg dkeHxcty.og 10.
Hermes von Atalanti 146 f. . .
Honorius et Arcadius 58.
Horrea Germaniciana et Agrippiana.
84.
Horrearii 318.
fforti Dolabellae 328.
/{Ostitis pars 358. 371 ff. 376.
iouestod (d)uelod 46.
iouxmenta 46.
Keilschema 337. 341 f.
Kritios 347.
Kymatien 287.
Kyzikos, Mze. v. 333.
Lacus Curtius 68.
Lacus Iuturnae 81.
Laokoon, rechter Arm des 277.
Larentempel in summa sacra via 119»
Lautumiae 117.
Leberpforte 374.
Limitation 358.
Livius-Epitome von Oxyrhynchos 3. 47
80.
Lysippos 140 ff.
» und Skopas 150.
» und Praxiteles 154 f.
Magliano, Bleiplatte von 369.
Margaritarius 115.
S. Maria Antiqua 84.
Marius Maximus 161.
Martianus Capeila 350. 367.
S. Martina, Legende 52.
Micon u. Pero, Epigramm in Pompeji
188. 380.
Modelle der Leber 371.
Mosaik Scalambrini 286.
Münze des Pius (Cohen n. 618) 82.
Museum des Forums 2.
Musti (Africa) Inschriften aus 67.
Nekropole, archaische, auf dem Forum
95.
Nesiotes 347.
Niger lapis 44 ff.
Opferung der Iphigenie 306 ff.
Orest vor dem Areopag 289 ff.
Orientierung der Leber 360 f.
n des Himmelstemplums
360 f.
Palintonon 175.
386
REGISTER
Pergamon, Eeliefs von der Balustrade
des Poliastempels 169.
Pero und Micon, Epigramm in Pom-
peji 188.
Pherekydes, s. g. 333. 346.
Piacenza, Bronzeleber von 348 ff.
Pompeji, alte Säule 194.
Pompeji, Casa del Fauno 202.
Pompeji, dorischer Tempel 201.
Pompeji, Epigramm von Micon u. Pero
188. ■ »"
Puzzi rituali, sog. 32 f. 77.
Eavenna, Porta Aurea 286.
Eegia 77.
Reiterstatuen auf dem Forum 74.
Beticulat 260.
Ptomulusgrab 40.
Eossini L., Zeichnung von S. Sergio e
Bacco 28.
Eostra 15 ff.
Eostra Augusti 22.
Eostri cesarei, sog. 14.
Eostra des Forum Romanum 230.
Eostra, Lage der vorcaesarischen 36.
Sarti Em. über Ausgrabung der Rostra
23 f.
Saturntempel am Forum 7.
Satyrstatue in Berlin 139 f.
Säule, alte in Pompeji 194.
Schafsleber 349. 353 Fig. 1.
Sei deo sei deivae, Altar am Palatin
42.
S. Sergio e Bacco, Kirche 26 f.
Silberbecher Corsini 289 ff. Taf. VII.
VIII.
Simonides, Epigramm des 331.
Sisyphos d. ä. 140 f. 152.
ZiTtovca 319.
Sklavenhalsband, bronzenes 11.
Soranus, Gott 40.
Spiele auf dem Forum 66.
Stationes municipiorum 9.
Stufenbau auf dem Comitium 32 ff.
Suggestus, sog. auf dem Comitium 37.
Tabularium, capitplinisches 287.
Templum 350.
Templum Divi Augusti 82.
Terracottaleber v. Babylon 375.
Theodotus primicerius 93.
Thermantia 117.
Thessaler-Gruppe in Delphi 144 ff.
TißEQisTg KkavtfionoXfrcci 10.
Timanthes 306 ff.
Titusbogen 118.
Tongefässe, archaische, in der Domi-
tiansbasis 73.
Töpfervvaare, altlatiale, ihre Herstel-
lung 109.
Tribunalia auf dem Forum Eomanum
287.
Tyrannenmörder, Gr. 330 ff.
Ulivella 249.
Umfassungsmauer, angebl. des Comi-
tiums 30.
Vedennius Moderatus, Grabschrift 176.
Verminus-Altar 41.
Vestatempel, Vestalenhaus 94.
Vierzig Märtyrer, Kapelle 85.
Villa Cesi beim Vatican 267.
Volcanal 7.
Volterra 378.
Volumniergrab bei Perugia 286.
Vortumnustempel, angebl. 13.
Windgötter 304 ff.
Würzburg, Stamnos in 333.
Zacharias, Papst 92.
Ziegelbairtechnik 258.
Zoll, illyrischer 223.
Abgeschlossen am 14. Juli 1906.
VERZEICHNIS
DER MITGLIEDER
DES
KAISERLICH DEUTSCHEN
ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS
DEZEMBER 1905
ZENTRALDIREKTION
Herr O. Puchstein, General-Sekretär
„ A. Conze
„ A. Er man
„ O. Hirschfeld
„ R. Kekule von Stradonitz
„ C. Klügmann
„ R. Schöne
„ U.von Wilamowitz-Moellendorff
„ G. Loeschcke in Bonn.
„ A. Michaelis in Straßbnrg i. E.
„ F. Studniczka in Leipzig.
P. Wolters in Würzburg.
SEKRETARIATE
IN ROM
Herr G. Körte, Erster Sekretär.
„ Ch. Hülsen, Zweiter Sekretär.
in Berlin.
IN ATHEN
Herr W. Dörpfeld, Erster Sekretär.
., G. Karo, kommissarischer Zweiter Sekretär
RÖMISCH-GERMANISCHE KOMMISSION
IN FRANKFURT a. M.
Herr H. Dragendorff, Frankfurt a. M., Direktor.
„ O. Puchstein, Berlin, als General-Sekretär.
„ O. Hirschfeld, Berlin, \ von der Zentraldirektion
„ G. Loeschcke, Bonn, J aus ihrer Mitte gewählt.
„ F. Adickes, Frankfurt a. M., ]
„ E. Meyer, Berlin, \ vom Reichskanzler berufen.
C. Schumacher, Mainz,
L. Jacobi, Homburg v. d. H., berufen von Preußen.
J. Ranke, München, „ „ Bayern.
E. von Herzog, Tübingen, „ „ Württemberg.
E. Fabricius, Freiburg i. Br., „ „ Baden.
vacat „ „ Hessen.
R. Henning, Straßburg i. Eis., „ „ Elsaß-Lothringen.
A. von Domaszewsky, Heidelberg
F. Ohlenschlager, München,
E. Ritterling, Wiesbaden,
K. Schuchhardt, Hannover,
G. Wolff, Frankfurt a. M.,
berufen vom Reichskanzler
auf Antrag
der Zentraldirektion.
MITGLIEDER DES INSTITUTS
EHREN-MITGLIEDER
Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit Erzherzog Rainer.
Seine Königliche Hoheit Prinz Rupprecht von Bayern.
Seine Hoheit Erbprinz Bernhard von Sachsen-Meiningen.
Seine Hoheit Prinz Friedrich Karl von Hessen.
Seine Durchlaucht Fürst Johann von und zu Liechtenstein.
Seine Durchlaucht Fürst von Radolin, Paris.
Herr F. Adickes, Frankfurt a. M.
„ C. Freiherr von Bildt, Rom.
„ C. Klügmann, Berlin.
„ H. Lehmann, Halle a. S.
„ H. Graf von und zu Lerchenfeld, Berlin.
Donna Ersilia Caetani contessa Lovatelli, Rom.
Herr A. von Nelidow, Paris.
„ Graf von Plessen-Cronstern, Stuttgart.
„ J. von Radowitz, Madrid.
II
ORDENTLICHE MITGLIEDER
Herr F. Adler, Berlin.
„ W. Amelung, Rom.
„ Conte A. Antonelli, Rom.
„ B. von Arnold, München.
„ E. Babelon, Paris.
„ F. Barn ab ei, Rom.
„ Barone G. Barracco, Rom,
Herr O. Benndorf, Wien.
„ M. R. de Berlanga, Malaga.
„ J. J. Bernoulli, Basel.
„ H. Binderna gel, Frankfurt
a. M.
„ H. Blümner, Zürich.
„ J. Boehlau, Kassel.
— 6
Herr
G. Boni, Rom.
L. Borchardt, Kairo.
E. Bormann, Wien.
R. Borrmann, Berlin.
R. C. Bosanquet, Athen.
M. Botkin, 5V. Petersburg.
E. Brizio, Bologna.
A. Brueckner, Berlin.
F. Bücheier, Bonn.
F. Bulic, Spalato.
R. Cagnat, Paris.
G. Calderini, ./&?//■/.
F. Calvert, Dardanellen.
A. Castellani, to.
Marchese B. Chigi, Siena.
W. von Christ, München,
M. Collignon, Paris.
S. (Tolvin, London.
A. Conze, Berlin.
F. Cumont, Brüssel.
A. L. Delattre, Tunis.
G. De Petra, Neapel.
E. De Ruggiero, jfä?///.
H. Dessau, Berlin.
H. Diels, Berlin.
K. Dilthey, G'öttingen.
W. Dittenberger, .//#//<? #. 5.
A. von Domaszewski, Heidel-
berg.
O. Donner- von Richter, Frank-
furt a. M.
W. Dörpfeld, ^//^;/.
J. Dragatsis, Piräus.
H. D ragen dorff, Frankfurt
a.M.
St. Dragumis, Athen.
H. Dressel, Berlin.
L. Duchesne, T&wz.
F. von Duhn, Heidelberg.
Herr J. Durm, Karlsruhe.
„ F. Ehrle, &?#».
„ R. Engelmann, AVw.
„ A. Erman, Berlin.
„ A. J. Evans, Oxford.
„ E. Fabricius, Freiburg i. Br.
„ J. Ficker, Straßburg i. E.
„ F. Fita, Madrid.
R. Foerster, Breslau.
P. Foucart, Paris.
J. G. Frazer, Cambridge.
L. Friedländer, Straßburg i. E.
W. Fröhner, Paris.
A. Furtwängler, München.
G. F. Gamurrini, Arezzo.
E. A. Gardner, London.
P. Gardner, Oxford.
G. Gatti, &M*?.
P. F. Gauckler, Tunis.
G. Ghirardini, Padua,
W. W. Goodwin, Cambridge,
F. Graeber, Bielefeld.
B. Graef, y^/^.
Fr. LI. Griffith, O^W.
F. Halbherr, 7&w/.
Halil - Edhem - Bey, Konstan-
tinopel.
O. Hamdy-Bey, Konstantirwpel.
J. Hampel, Budapest.
A. Harnack, Berlin.
W. von Hartel, £%?#.
P. Hartwig, i&w*.
B. Haussoullier, Paris.
F. Haverfield, Oxford.
B. V. Head, Londo7i.
R. Heberdey, Athen.
J. L. Heiberg, Kope?ihagen.
W. Heibig, Jftw*.
7 —
[er
r E. von Herzog, Tübingen.
Herr E. Löwy, Rom.
55
L. Heuzey, Paris.
55
H. Luckenbach, Karlsruhe.
55
F. Freiherr Hiller von Gaert-
55
O. Lüders, Athen.
r in gen, Berlin.
55
G. Lumbroso, Rom.
■»
O. Hirschfeld, Berlin.
55
L. Mari an i, Pisa.
55
M. Holleaux, Athen.
55
O. Marucchi, Rom.
»
A. E. J. Holwerda, Leiden.
55
G. Maspero, Paris.
55
Th. Homolle, Paris.
55
A. Mau, Rom.
55
Ch. Hülsen, Rom.
55
A. Meletopulos, Piräus.
JJ
F. Imhoof- Blumer, Winter-
55
E. Meyer, Berlin.
thur.
55
A. Michaelis, Straßburg i. E.
55
L. Jacobi, Homburg v. d. H.
55
L. A. Milani, Florenz.
75
H. St. Jones, Oxford.
55
A. Mommsen, Hamburg.
5?
C. Justi, Bonn.
55
O. Montelius, Stockholm.
55
E. Kaiinka, Innsbruck.
55
J. H. Mordtmann, Smyma.
55
G. Karo, Athen.
55
R. Mowat, Paris.
55
P. Kavvadias, Athen.
55
N. Müller, Be?'lin.
55
B. Keil, Straßburg i. E.
55
K. Mylonas, Athen.
55
R. Kekule von Stradonitz,
55
G. Niemann, Wien.
Berlin.
55
B. Niese, Marburg i. H.
55
F. Kenner, Wien.
55
H. Nissen, Bonn.
55
A. Kirchhof!, Berlin.
55
Ch. E. Norton, Cambridge,
55
W. Klein, Prag.
Mass.
55
F. Koepp, Münster i. W.
55
R. Norton, Rom.
55
R. Koldewey, Babyloji.
55
F. Ohlenschlager, Mimchen.
55
A. Kondostavlos, Athen.
55
P. Orsi, Syrakus.
55
A. Körte, Basel.
55
E. Pais, Neapel.
55
G. Körte, 7?<?w.
55
A. Pasqui, ivW/.
55
W. Kubitschek, Ef&».
55
C. Patsch, Serajezvo.
55
Sp. Lambros, Athen.
55
E. Pernice, Greifswald.
55
R. A. Lanciani, 7&wz.
55
G. Perrot, /W.
55
C. Graf Lanckoronski-Brzezie,
55
E. Petersen, Berlin.
ffzV//.
55
W.M.FlindersPetrie, London.
55
B. Latyschew, St. Petersburg.
55
D. Philios, Athen.
55
H. Lee hat, Lyon.
55
L. Pigorini, i&wz.
55
H. Lehn er, Zfo«#.
55
E. Pottier, Paris.
55
F. Leo, Göttingen.
55
A. Prachow, St. Petersburg.
55
V. Leonardos, Athen.
55
E. Pridik, 5/. Petersburg.
55
G. Loeschcke, Zfo/z«.
55
0. Puchstein, Berlin.
8 —
Herr
W. M. Ramsay, Aberdeen.
E. Reisch, Wien.
R. B. Richardson, New York.
O. Richter, Berlin.
E. Ritterling, Wiesbaden.
C. Robert, Halle a. S.
H. von Rohden, Hagenau.
M. Rostowzew, St. Petersburg.
G. McN. Rushforth, Grasmere,
Mähern.
A. Salinas, Palermo.
B. Sauer, Gießen.
L. Savignoni, Messina.
R. von Schneider, Wien.
R. Schöne, Berlin.
H. Schrader, Innsbruck.
Th. Schreiber, Leipzig.
J. Schubring, Lübeck.
K. Schuchhardt, Hannover.
W. Schulze, Berlin.
C. Schumacher, Mainz.
L. von Schwabe, Tübingen.
Jonkheer J. Six vanHillegom,
Amsterdam. .
A. H. Smith, London.
Cecil H. Smith, London.
A. Sogliano, Neapel.
G. Sotiriadis, Athen.
V. Stai's, Athen.
E. von Stern, Odessa.
J. Strzygowski, 6*;^^.
F. Studniczka, Leipzig.
Hei
J. N. Svoronos, Athen.
L. von Sybel, Marburg i. H.
G. Tocilescu, Bukarest.
A. Trendelenburg, Berlin.
G. Treu, Dresden.
Ch. Tsuntas, Athen.
D. Vaglieri, ta.
J. Vahlen, Berlin.
A. Heron de Viliefosse, Paris.
G. Vitelli, Florenz.
M. Graf de Vogüe, Paris.
E. Wagner, Karlsruhe.
H. Graf von Walderdorff,
Regensburg.
Ch. Waldstein, Cambridge.
G. Weber, Smyrna.
R. Weil, Ä?r/*k
J. W. White, Cambridge, Mass.
F. Wickhoff, F$&».
Th. Wiegand, Konstantinopel.
U. von Wilamowitz-Moellen-
dorff, Berlin.
U. Wilcken, Äs//* a. 5.
A. Wilhelm, W%».
A. Wilmanns, Berlin.
J. Wilpert, ^;;/.
H. Winnefeld, Berlin.
F. Winter, (SVtf.s'.
G. Wissowa, ^^//^ <^. 5.
G. Wolff, Frankfurt a. M.
P. Wolters, Würzburg.
R. Zahn, Berlin.
III
KORRESPONDIERENDE MITGLIEDER
Herr G. Alacevic, Z^ra.
„ Marchese C. Antaldi, Pesaro.
„ E. Anthes, Darmstadt.
Herr Marchese G. Antimi- Clari,
Macerata Feltria.
„ Conte Aria, Marzabotto.
Herr
P. Arndt, München.
Th. Ashby, Rom.
O. N. Askitis, Chalki.
E. Assmann, Berlin.
F. Baraibar, Vittoria.
C. Bardt, Berlin.
F. Baumgarten, Freiburg i. Br,
G. Bellucci, Perugia.
O. Beriet, Glogau.
L. Berthomieu, Narbonne.
A. Bertrand, Moulins.
E. Bethe, Gießen.
F. Freiherr von Bissing,
Mimchen.
R. Blair, South-Shields.
Ch. Blinkenberg, Kopenhagen.
E. Bodensteiner, München.
R. Bodewig, Oberlalmstein.
O. Bonn, Berlin.
U. Ph. Boissevain, Groningen.
C. G. Brandis, y<?/2#.
A. van Branteghem, Paris.
F. Brun, Nizza.
H. Bulle, Erlangen.
A. Calabrese, Treviso.
G. Caminiti, Reggio.
G. Canna, Pavia.
L. Cantarelli, i&w/.
G. Caraba, Bisaccia.
W. Cart, Lausamie.
A. Casilli, Rhodos.
F. B. Castiglioni, Spongano.
F. Catone, Gesualdo.
R. Cavarocchi, Chieti.
J. Centerwall, Söderhamn.
A. van Ceuleneer, 6V«/.
J. Chatzidakis, Candia.
C. Chiavarini, A?icona.
V. Cicerchia, Palestrina.
Herr A. Coelho, Lissabon.
„ G. A. Colini, .fa?/«.
„ Conte F. de principi Colonna-
Stigliano, Neapel.
„ G. F. Comfort, Meadville.
„ D. Comparetti, Flore7iz.
„ A. Conrads, Haltern.
„ F. Corazzini, Florenz.
„ F. Cordenons, Padua.
„ L. Correra, Neapel.
„ Conte A. Cozza, .fow/.
„ C. de la Croix, Poitiers.
„ C. Curtius, Lübeck.
„ P. Da Ponte, Brescia.
„ H. Daum et, Paris.
„ P. Decharme, Paris.
„ M. Deffner, <4/£*».
„ R. Delbrueck, Berlin.
„ J. Dell, Czernowitz.
„ A. De Nino, Sulmona.
„ De Persiis, Assisi.
„ D. Detlefsen, Glückstadt.
„ M. Dimitsas, Athen.
„ P. Dissard, Zj/öä.
„ P. Di Tucci, 7&W2.
„ W. Dobrusky, S^yfo.
„ A. Dohrn, Neapel.
„ F. Donati, Siena.
„ F. Dürrbach, Toulouse.
„ O. Egger, J'FzV/z.
„ E. Esperandieu, Paris.
„ Conte E. Faina, Orvieto.
„ I. Falchi, Montopoli di Val-
damo.
„ D. Farabulini, i?öw.
„ G. Faraone, Caiazzo.
„ L. R. Farnell, Oxford.
„ E. Ferrero, Turin.
„ A. Fontrier, Smyrna.
— 10
Herr H. N. Fowler, Cleveland, Ohio.
He
11
S. Frankfurter, Wien.
ii
11
C. Fredrich, Posen.
ii
ii
H. von Fritze, Berlin.
ii
ii
A. L. Frothingham jun.,
ii
Princeton, N. J.
ii
ii
G. Gabrielli, Ascoli Piceno.
ii
ii
A. Galli, Rom.
ii
ii
P. Gau d in, Smyrna.
ii
ii
G. Gelcich, Ragusa.
ii
ii
H. Geizer, Jena.
ii
ii
N. Georgiadis, Volo.
ii
ii
A. Gercke, Greifswald.
ii
ii
Giannopulos, Halmyros.
ii
ii
H. Gies, Konstantinopel.
ii
ii
E. Gillieron, Athen.
ii
ii
G. B. Giovenale, Rom.
ii
ii
P. des Granges, Rom.
ii
ii
B. Graser, Hei sing fors.
ii
ii
F. Grossi, Arce.
ii
ii
St. Gsell, Algier.
ii
ii
H. Guhrauer, Wittenberg.
ii
ii
D. Hadjidimu, A'idin.
ii
ii
W. G. Haie, Chicago.
ii
ii
A. Harn m eran , Frankfurt a. M.
ii
Miß
J. Harrison, Cambridge.
ii
Herr F. Haug, Mannheim.
ii
ii
P. Herrmann, Dresden.
ii
ii
R. Herzog, Tübingen.
ii
ii
E. L. Hicks, Manchester.
ii
ii
G. F. Hill, London.
ii
ii
T. Hodgkin, Newcastle-upon-
ii
Tyne.
ii
ii
M. Hoernes, Wien.
ii
ii
F. Hultsch, Dresden.
ii
K
P. Ibarra y Ruiz, Elche.
ii
11
G. Ioannidis, Pergamon.
ii
11
C. Jacobsen, Kopenhagen.
ii
11
A. Jatta, Ruvo.
ii
R. C. Jebb, Cambridge.
L. Jelic, Zara.
W. Judeich, Erlangen.
C. Jullian, Bordeaux.
A. Kandakidis, Larissa.
K. Karapanos, Athen.
P. Kastriotis, Athen.
G. Kavverau, Milet.
Ä. D. Keramopullos, Athen.
0. Kern, Rostock.
B. Keune, Metz.
J. Kirchner, Berlin.
L. Kjellberg, Upsala.
H. Knackfuß, Milet.
C. L. Koehl, Worms.
C. Koenen, Bonn.
J. Kokidis, Athen.
W. Kolbe, Rostock.
N. Kondakow, St. Petersburg.
A. Kondoleon, Delphi.
P. Kretschmer, ft%K.
M. Krispis, Kalavryta.
E. Kroker, Leipzig.
J. Kromayer, Czernowitz.
E. Krüger, 7>^>r.
K. Kuruniotis, Athen.
V. Kuzsinsky, Budapest.
K. von Lange, Tübingen.
N. Limnios, Artake.
S. D. G. Llabres, Motion.
F. Lombardini, Sezze.
1. A. Londos, Athen.
R. Löper, Konstantinopel.
G. Lorin g, Malaga.
G. Lucciola, Sangiorgio a Liri.
H. Lugon, 6>. 5/. Bernhard.
A. Lupatelli, Perugia.
F. von Luschan, Berlin*
E. Maass, Marburg i. H.
II —
Herr L. Maggiulli, Muro.
H. Maionica, Aquileja.
W. Malmberg, Dorpat.
C. Mancini, Neapel.
R. Mancini, Orvieto.
G. Mantovani, Bergamo.
G. Mariotti, Parma.
L. Martens, Elberfeld.
van Marter, Washington.
E. Martinelli, Anagni.
F. Marx, Leipzig.
C. Masner, Breslau.
A. Matsas, Chalkis.
L. Mauceri, Messina.
M. Mayer, Berlin.
G. Mazzatinti, Forli.
P. J. Meier, Braunschweig.
J. R. Melida, Madrid.
A. Meomartini, Benevento.
J. Merz, Stuttgart.
W. Meyer, G'öttinge?i.
E. Michon, Paris.
G. Milella, 2far£
A. Elias de Molins, Barcelona.
Marqnes de Monsalud,
Madrid.
A. Mordtmann, Konstantino-
pel.
M. G. Moreno, Granada.
F. Morlicchio, Scafati.
S. Müller, Kopenhagen.
J. L. Myres, Oxford.
J. Navpliotis, Naxos.
G. Nervegna, Briudisi.
F. M. Nichols, Laztford (bei
Manningto?i, Essex).
A. Nikitsky, Moskau.
F. Nissardi, Cagliari.
F. Noack, Ä7^7.
Herr
B. Nogara, 7&w/.
N. Novosadsky, Warschau.
G. Oberziner, Maihmd.
R. Oehler, &rä».
L. Otto, Dresden.
G. Paci, Ascoli Piceno.
F. S. Palazzetti, Urbisaglia.
L. Pallat, Är#«.
A. Papadopulos - Keramevs,
5/. Petersburg.
M. Papa-Konstandinu, Äidin.
M. Pardo de Figueroa, Medina
Sidonia.
P. Paris, Bordeaux.
W. R. Paton, Viroflay.
G. Patroni, Pavia.
E. Paulus, Metz.
G. Pellegrini, Bologna.
P. Perdrizet, Nancy.
L. Pernier, Florenz.
W. C. Perry, London.
N. Persichetti, Aquila.
B. Pharmakowsky, 5/. Peters-
burg.
A. Philadelphevs, Athen.
A. Philippson, ifcz72.
E. Piccolomini, Siena.
F. Pichler, Gras.
B. Pick, Gotha.
G. Pinto, Venosa.
G. Pinza, 7&w/.
V. Poggi, Savo?ia.
N. G. Politis, ^/Ä^».
L. Pollak, /fo*»;
J. Pomialowsky, 5/. Peters-
burg.
G. Porri, Sezze.
A. von Premerstein, Jf&v/.
A. Preuner, Greifswald.
12
er
r E. Premier, Straßburg i. E.
Herr A. Schulten, Göttingen.
55
A. Prosdocimi, Este.
55
E. Schwartz, Göttingen.
55
K. Purgold, Gotha.
55
P. Serlendis, Syra.
55
A. Puschi, Trust
55
M. Siebourg, Bonn.
55
Q. Quagliati, Tarent.
55
Conte A. Silveri-Gentiloni,
55
G. Rallis, Pergamon.
Tolentino.
55
F. von Reber, München.
55
A. Skias, Athen.
55
S. Reinach, Paris.
55
H. Skorpil, RustscJnik.
55
L. Reinisch, Wien.
55
K. Skorpil, Warna.
55
von Rekowski, Wiesbaden.
55
E. Solaini, Volterra.
.55
S. Ricci, Mailand.
55
G. J. Solotas, Chios.
55
E. Ridolfi, Florenz
55
Th. Sophulis, Samos.
55
P. Rizzini, Brescia.
55
G. Sordini, Spoleto.
55
G. E. Rizzo, Rom.
55
G. Sotiriu, Smyrna.
55
H. Röhl, Halberstadt.
55
A. Spagnolo, Verona.
55
J. Roman, Embrun.
55
A. G. Spinelli, Modena.
55
O. Rossbach, Königsberg i.Pr.
55
Barone M. V. Spinelli de
55
Conte G. B. Rossi - Scotti,
principi di Scalea, Neapel.
Perugia.
55
A. Stamatiadis, Samos.
55
O. Rubensohn, Kairo.
55
D. Stavropulos, Myko?ws.
55
A. Rubini, Formia.
55
H. Stein, Oldenburg.
55
C. Ruga, Mailafid.
55
N. Stephanopulos, Tripolis.
55
E. Saavedrä, Madrid.
55
L. Stern, Berlin.
55
N. Sakkelion, Tinos.
55
I. R. S. Sterrett, Ithaca, N. V.
55
F. Salvatore-Dino, Portici.
55
P. Stettiner, Rom.
55
A. Santarelli, Forli.
55
C. Stornaiolo, Rom.
55
D. Santoro, 5. Giovanni
55
M. L. Strack, Gießen.
bicarico.
55
H. Swoboda, Prag.
55
F. Sarre, Berlin.
55
Conte E. Tambroni-Armaroli,
55
H. Schäfer, Berlin.
Appig7iano (bei Mac er ata).
55
A. Schiff, Berlin.
55
A. Taramelli, Cagliari.
55
R. Schillbach, Potsdam.
55
A. Tardieu , Clermont - Fer-
55
A. Schindler, Wien.
rand.
55
J. von Schlumberger, Geb-
55
J. Thacher-Clarke, Harrow.
weiler.
55
F. von Thiersch, München.
55
H. Schmidt, Berlin.
55
H. Thiersch, Freiburg i. Br.
55
A. Schöne, Kiel.
55
E. Thraemer, Straßburg i. E.
55
H. Schöne, Königsberg i. Pr.
55
G. Tomassetti, Rom.
55
P. Schröder, Beirut.
55
G. Tria, Polatli.
13
Herr
G. Tropea, Padua.
M. Tsakyroglu, Smyma.
D. Tscholakidis, Pergamon.
D. Tsopotos, Volo.
H. L. Urlichs, München.
J. L. de Vasconcellos, Lissa-
bon.
J. de Vasconcellos, Oporto.
E. Vassiliu, Thera.
F. A. Vera, Cadix.
A. Vernarecci, Fossombrone.
D. Vikelas, Athen.
L. Viola, Tarent.
S. Vitali, Venafro.
J. C. Vollgraff, Wfcfdß
G. Vyzantinos, Athen.
J. Wackernagel, G'öttingen.
V. Waille, Algier.
M. Waltrowitz, Belgrad.
K. Watzinger, Rostock.
Herr
A. Weckerling, Worms.
W. Weißbrodt, Braunsberg.
P. Weizsäcker, £>/w.
C. Wichmann, j%?/#.
S. Wide, Upsala.
A. Wiedemann, ä?////.
W. Wilberg, I^>;/.
P. Wilski, Freiberg i. S.
B. I. Wheeler, Berkeley, Cal.
K. Woermann, Dresden.
G. Wolfram, Metz.
J. Wordsworth, Salisbury.
F. Zamboni, Ff%w.
A. Zannoni; Bologna.
L. Zdekauer, Macerata
(Marche).
J. Ziehen, Berlin.
Th. Zielinski, 5/. Petersburg.
E. Ziller, Athen.
IV
ÜBERSICHT SÄMTLICHER MITGLIEDER
NACH ÖRTLICHKEITEN GEORDNET
1. Ägypten.
ÄÄftro: 0. M.: L. Borchardt, £ M.
O. Rubensohn.
2. Belgien.
Brüssel: 0. M.: F. Cumont.
Gent: C. M.: A. van Ceuleneer.
3. Bosnien.
Serajewo: 0. M.: C. Patsch.
4. Bulgarien.
Sofia: C. M.: W. Dobrusky.
Rustschuk: C. M.: H. Skorpil.
Warna: C. M.: K. Skorpil.
5. Dänemark.
Kopenhagen: 0. M.: J. L, Heiberg,
£ ^/.: Ch. Blinkenberg, C. Ja-
cobsen, S. Müller.
6. Deutschland.
Berlin und Vororte: E.M.: C. Klüg-
mann, H. Graf von und zu Ler-
H
chenfeld, Ü.M.; F. Adler, R.Borr-
mann, A. Brueckner, A. Conze,
H. Dessau, H. Diels, H. Dressel,
A. Erman, A. Harnack, F. Frei-
herr Hiller von Gaertringen,
O. Hirschfeld, R. Kekule von
Stradonitz, A. Kirchhoff, E.
Meyer, N. Müller, E. Petersen,
O. Puchstein, O. Richter, R.
Schöne, W. Schulze, A. Tren-
delenburg, J. Vahlen, R. Weil,
U. von Wilamowitz - Moellen-
dorff, A. Wilmanns, H. Winne-
feld, R. Zahn, C. M.: E. Ass-
mann, C. Bardt, O. Bohn, R. Del-
brueck, H. v. Fritze, J. Kirchner,
F. v. Luschan, M. Mayer, R.
Oehler, L. Pallat, F. Sarre, H.
Schäfer, A. Schiff, H. Schmidt,
L. Stern, J. Ziehen.
Bielefeld: 0. M.: F. Graeber.
Bonn: 0. M.: F. Bücheier, C. Justi,
H. Lehner, G. Loeschcke, H.
Nissen, C. M.: C. Koenen, M.
Siebourg, A. Wiedemann.
Braunsberg: C. M.: W.Weißbrodt.
Braunschweig: C. M.: P. J. Meier.
Breslau: O.M.: R. Foerster, C. M.:
C. Masner.
Calw i. Württ: C. M.: P. Weiz-
säcker.
Darmstadt: C. M.: E. Anthes.
Dresden: 0. M.: G. Treu, C. M.:
P. Herrmann, F. Hultsch, L.Otto,
K. Woermann.
Elberfeld: C. M.: L. Martens.
Erlangen: C. M.: H. Bulle, W. Ju-
deich.
Frankfurt u.M.: E. M.: F. Adickes,
O.M.:W. Bindernagel, O.Donner-,
von Richter, H. Dragendorff, G.
Wolff, C. M.: A. Hammeran.
Freiberg i. S.: C. M.: P. Wilski.
Freiburg i. Br.: 0. M.: E. Fabri-
cius, C. M.: F. Baumgarten, H.
Thiersch.
Gebweiler i. Eis.: C. M.: J. von
Schlumberger.
Gießen: 0. M,: B. Sauer, C. M.:
E. Bethe, M. L. Strack.
Glogau: C. M.: O. Beriet.
Glückstadt: C M.: D. Detlefsen.
Gotha: C. M.: B. Pick, K. Pur-
gold.
Göttingen : 0. M. : K. Dilthey, F. Leo,
C M.: W. Meyer, A. Schulten,
E. Schwartz, J. Wackernagel.
Greifswald: 0. M.: E. Pernice,
C. M.: A. Gercke, A. Preuner.
Hagenau i. E.: 0. M.: H. von
Rohden.
Halberstadt: C. M.: H. Röhl.
Halle a. S.: E. M.: H. Lehmann,
0. M.: W. Dittenberger, C. Ro-
bert, U. Wilcken, G. Wissowa.
Haltern i. Westf: C. M.: A. Con-
rads.
Hamburg: 0. M.: A. Mommsen.
Hannover: O.M.: K. Schuchhardt.
Heidelberg: 0. M.: A. von Doma-
szewski, F. von Duhn.
Homburg v. d. H: 0. M.: L. Jacobi.
Jena: 0. M.; B. Graef, C. M.; C.
G. Brandis, H. Geizer.
Karlsruhe: 0. M.: J. Durm, H.
Luckenbach, E. Wagner.
Kassel: 0. M.: J. Boehlau.
Kiel: C. M.: F. Noack, A. Schöne.
IS —
Königsberg i. Fr,: C. M.: O. .Ross-
bach, H. Schöne.
Leipzig: 0. M.: Tb, Schreiber, F.
Studniczka, C. M.: E. Kroker,
F. Marx.
Lübeck: 0. M.: J. Schubring, C. M.:
C. Curtius.
Mainz: 0. M.: C. Schumacher.
Mannheim: C. M.: F. Haug.
Marburg i. H.: 0. M: B. Niese, L.
von Sybel, C. M.: E. Maass.
Meiningen: E. M.: Erbprinz Bern-
hard von Sachsen Meiningen.
Metz: C. M.: B. Keune, E. Paulus,
C. Wichmann, G. Wolfram.
München: E.M.: Prinz Rupprecht
von Bayern, 0. M.: B. von Ar-
nold, W. von Christ, A. Furt-
wängler, F. Ohlenschlager, C.
M.: P. Arndt, F. Freiherr von
Bissing, E. Bodensteiner, F. von
Reber, F. von Thiersch, H. L.
Urlichs.
Münster i. West/.: O.M.: F. Koepp.
Oberlahnstein: C. M.: R. Bodewig.
Oldenburg: C. M.: H. Stein.
Posen: C. M.: C. Fredrich.
Potsdam: C. M.: R. Schillbach.
Regensburg: 0. M.: H. Graf von
Walderdorff.
Rostock i,M.: C.M.: O.Kern, W.
Kolbe, K. Watzinger.
Rumpenheim (Schloß) i. H.\ E.
M.: Prinz Friedrich Karl von
Hessen.
Straßburg i.E.: 0. M.: J. Ficker,
L. Friedländer, B. Keil, A. Mi-
chaelis, C. M.: E. Preuner, E.
Thraemer.
Stuttgart: E.M.: Graf von Plessen-
Cronstern, C. M.: J. Merz.
Trier: C. M.: E. Krüger.
! Tübingen: O.M.: E. von Herzog,
L. von Schwabe, C. M.: R. Her-
zog, K. von Lange.
Wiesbaden: 0. M.: E. Ritterling,
C. M.: von Rekowski.
Wittenberg: C. M.: H. Guhrauer.
Worms: C. M.: C. L. Koehl, A.
Weckerling.
Würzburg: 0. M.: P. Wolters.
7. Frankreich.
Paris: E. M.: Fürst von Radolin,
A. von Nelidow, O.M.: E. Ba-
belon, R. Cagnat, M. Collignon,
P.Foucart, W. Fröhner, B. Haus-
soullier, L. Heuzey, Th. Homolle,
G. Maspero, R. Mowat, G. Perrot,
E. Pottier, A. Heron de Ville-
fosse, M. Graf de Vogüe, C. M.:
A. van Branteghem, H. Daumet,
P. Decharme, E. Esperandieu,
E. Michon, S. Reinach.
Algier (Afrika): C. AI.: St. Gsell,
V. Waille.
Bordeaux: C. M.: C. Jullian, P.
Paris.
Clermont-Ferrand: C. M.: A. Tar-
dieu.
Embrun (Haut es Alpes): C. M.:
J. Roman.
Lyon: 0. M.: H. Lechat, C. M.:
P. Dissard.
Moulins: C. M.: A. Bertrand.
Nancy: C. M.: P. Perdrizet.
Narbonne: C. M.: L. Berthomieu.
Nizza: C. M.: F. Brun.
Poitiers: C M.: C. de la Croix.
Toulouse: C M.: F. Dürrbach.
Viroflay (Seine et Oise): C M.:
W. R. Paton.
8. Griechenland.
Athen: 0. M.: R. Bosanquet, W.
Dörpfeld, St. Dragumis, R. He-
berdey, M. Holleaux, G. Karo,
P. Kavvadias, A. Kondostavlos,
Sp. Lambros, V. Leonardos, O.
Lüders, K. Mylonas, D. Philios,
G. Sotiriadis, V. Stais, J. N. Svo-
ronos, Ch. Tsuntas, C M.: M.
Deffner, M. Dimitsas, E. Gillieron,
K. Karapanos, P. Kastriotis, A.
D. Keramopullos, J. Kokidis, K.
Kuruniotis, J. A. Londos, A. Phi-
ladelphevs, N. G. Politis, A. Skias,
D.Vikelas, G. Vy zantinos, E.Ziller.
Chalkis: C M.i A. Matsas.
Delphi: C M.: A. Kondoleon.
Halmyros: C M.: Giannopulos.
Kalavryta: C M.: M. Krispis.
Larissa: C M.: Kandakidis.
Mykonos: C M,: D. Stavropulos.
Naxos: C M.: J. Navpliotis.
Pträus; 0. M\: J. Dragatsis, A. Me-
letopulos.
Syra: C. M.: P. Serlendis.
Therä: C. M.: E. Vassiliu.
Tinos: C. M: N. Sakkelion.
Tripolis: CM.: N. Stephanopulos.
Volo: C. M.: N. Georgiadis, D. Tso-
potos.
9. Großbritannien.
London: 0. M.: S. Colvin, E. A.
Gardner, B. V. Head, W. M.
Flinders Petrie, A. H. Smith,
Cecil H. Smith, C M.: G. F. Hill,
W. C. Perry.
Aberdcen: 0. M.: W. M. Ramsay.
Cambridge: 0. AI.: J. G. Frazer,
Ch. Waldstein, C M.: J. Harri-
son, R. C. Jebb.
Grasmere, Mähern: O.M.: G. Mc
N. Rushforth.
Harrow: C M.: J. Thacher-Clarke.
Lawford (bei Mannington, Essex):
C M.: F. M. Nichols.
Manchester: CM.: E. L. Hicks.
Newcastle-upon-Tyne: C M.: T.
Hodgkin.
Oxford: 0. M.: A. J. Evans, P.
Gardner, Fr. LI. Griffith, F. Ha-
verfield, H. St. Jones, C M.:
L. R. Farnell, J. L. Myres.
Salisbury: C M.: J. Wordsworth.
South- Shields: C M.: R. Blair.
10. Italien.
Rom: E. M.: C. Freiherr von Bildt,
Contessa E. Caetani-Lovatelli,
0. M.: W. Amelung, Conte A.
Antonelli, F. Barnabei, Barone
G. Barracco, G. Boni, G. Calderini
A. Castellani, E. De Ruggiero
L. Duchesne, F. Ehrle, R. Engel
mann, G. Gatti, F. Halbherr, P
Hartwig, W. Heibig, Ch. Hül
sen, G. Körte, R. A. Lanciani
E. Löwy, G. Lumbroso, O. Ma
rucchi, A. Mau, R. Norton, A
Pasqui, L. Pigorini, D. Vaglieri
J. Wilpert, C M.: Th. Ashby
L, Cantarelli, G. A. Colini, Conte
A. Cozza, P. Di Tucci, D. Fara-
— 17
bulini, A. Galli, G. B. Giovenale,
P. des Granges, B. Nogara, G.
Pinza, L. Pollak, G. E. Rizzo,
P. Stettiner, C. Stornaiolo, G.
Tomassetti.
Anagni: C M.: E. Martinelli.
Ancona: C M.: C. Chiavarini.
Appignano (bei Macer ata): C M.:
Conte E. Tambroni-Armaroli.
Aquila: C M.: N. Persichetti.
Arezzo: 0. M.: G. F. Gamurrini.
Arce: C M.: F. Grossi.
Ascoli Piceno: C M.: G. Gabrielli,
G. Paci.
Assist: C M.: De Persiis.
Bari: C M: G. Milella.
Benevento: C M.: A. Meomartini.
Bergamo: C M.: G. Mantovani.
Bologna: 0. M.: E. Brizio, C M.:
G. Pellegrini, A. Zannoni.
Brescia: C M.: P. Da Ponte, P.
Rizzini.
Brindisi: C. M.: G. Nervegna.
Cagliari: C. M.: F. Nissardi, A. Ta-
ramelli.
Caiazzo: C. M.: G. Faraone.
Chieti: C. M.: R. Cavarocchi.
Este: C. M.: A. Prosdocimi.
Florenz: 0. M.: L. A. Milani, G.
Vitelli, C. M.: D. Comparetti,
F. Corazzini, L. Pernier, E. Ri-
dolfi.
Forli: C. M.: G. Mazzatinti, A. San-
tarelli.
Formia: C. M.: A. Rubini.
Fossombrone: C. M.: A.Vernarecci.
Gesualdo: C. M.: F. Catone.
S.Giovanni Incarico : C. M.: D. San-
toro.
Maccrata Feltria: C. M.: Marchese
G. Antimi-Clari.
Macer ata- Mar die: C. M.: L. Zde-
kauer.
Mailand: C. M.: G. Oberziner, S.
Ricci, C. Ruga.
Mar zab otto: C. M.: Conte Aria.
Messina : 0. M. : L. Savignon i , C. M. :
L. Mauceri.
Modena: C. M.: A. G. Spinelli.
Montopoli di Valdamo: C. M.: I.
Falchi.
Montenero di Bisaccia: C. AI.: G.
Caraba.
Muro: C. M.: L. Maggiulli.
Neapel: 0. M.: G. De Petra, E.
Pais, A. Sogliano, CM: Conte
F. Colonna-Stigliano, L. Correra,
A. Dohrn, C. Mancini, Barone
M. V. Spinelli di Scalea.
Orvieto: C. M.: Conte E. Faina,
R. Mancini.
Padna: O.M.: G. Ghirardini, CM.:
F. Cordenons, G. Tropea.
Palermo: 0. M.: A. Salinas.
Palestrina: C M.: V. Cicerchia.
Parma: C M.: G. Mariotti.
Pavia: C M.: G. Canna, G. Pa-
troni.
Perugia: C M.: G. Bellucci, A.
Lupatelli, Conte G. B. Rossi-
Scotti.
Pesaro: C M.: Marchese C. An-
taldi.
Pisa: 0. M.: L. Mariani.
Portici: C M: F. Salvatore Dino.
Reggio (Calabria): CM.: G. Cami-
niti.
Rnvo: C M.: A. Jatta.
2
— I
Saugiorgio a Liri: C AI.: G. Luc-
ciola.
Savona: C M.: V. Poggi.
Scafati: C M.: F. Morlicchio.
Sezze: C M.: F. Lombardini, G.
Porri.
Siena: 0. M.: Marchese B. Chigi,
CM.: F. Donati, E. Piccolomini.
Spoleio: C M.\ G. Sordini.
Spongano: C M.: F. B. Castiglioni.
Stilmona: C M.: A. De Nino.
Syrakus: 0. M.: P. Orsi.
TarefU: C M.: Q. Quagliati, L.
Viola.
Tolentino: C. M.: Conte A. Silveri-
Gentiloni.
Turin: C. M.: E. Ferrero.
Treviso: C. M.: A. Calabrese.
Urbisaglia: C. M.: F. S. Palazzetti.
Venafro: C. M.: S. Vitali.
Venosa: C. M.: G. Pinto.
Vero?ia: C. M.: A. Spagnolo.
Volterra: C. M.: E. Solaini.
11. Niederlande.
Amsterdam: O.M.: Jonkheer J. Six
van Hillegom.
Groningen: C. M.: U. Ph. Boisse-
vain.
Leiden: 0. M.: A. E. J. Holwerda.
Utrecht: C. M.: J. C. Vollgraff.
12. Österreich-Ungarn.
Wien: E. M.: Erzherzog Rainer,
Fürst Johann von und zu Liech-
tenstein, 0. M.: O. Benndorf,
E. Bormann, W. von Hartel,
F. Kenner, W. Kubitschek, C.
Graf Lanckoronski-Brzezie, G.
Niemann, E. Reisch, R. von
Schneider, F. Wickhoff, A. Wil-
helm, C. M.: O. Egger, S. Frank-
furter, M. Hoernes, P. Kretsch-
mer, A. von Premerstein, L.
Reinisch, A. Schindler, W.Wil-
berg, F. Zamboni.
Budapest: 0. M.: J. Hampel, CM.:
V. Kuzsinsky.
Aquileja: C M.: H. Maionica.
Czemowitz: C M.: J. Dell, J. Kro-
mayer.
Graz: 0. M.: J. Strzygowski, F.
Winter, C M.: F. Pichler.
Innsbruck: 0. M.: E. Kaiinka, H.
Schrader.
Prag: 0. M.: W. Klein, C M.:
H. Swoboda.
Ragusa: C M.: G. Gelcich.
Spalato: 0. M.: F. Bulic.
Trust: C M: A. Puschi.
Zara: C M.: G. Alacevic, L. Jelic.
13. Portugal.
Lissabon: C M.: A. Coelho, J. L.
de Vasconcellos.
Oporto: CM.: J. de Vasconcellos.
14. Rumänien.
Bukarest: 0. M.: G. Tocilescu.
15. Rußland.
St, Petersburg: 0. M.: M. Botkin,
B. Latyschew, A. Prachow, E.
19
Pridik, M. Rostowzew, C. AI:
N. Kondakow, A. Papadopulos-
Keramevs, B. Pharmakowsky,
J. Pomialowsky, Th. Zielinski.
Dorpat: C. AI: W. Malmberg.
Hei sing fors: C. AI: B. Graser.
Moskau: C. AI: A. Nikitsky.
Odessa: 0. AI: E. von Stern.
Warschau: C. AI: N. Novosadsky.
16. Schweden.
Stockholm: 0. M.: O. Montelius.
Söderliamii: C. AI: J. Centerwall.
Upsala: C. AI: L. Kjellberg, S.
Wide.
17. Schweiz.
Basel: O. AI: J. J. Bernoulli, A.
Körte.
Bern: C. M.: A. Philippson.
Gr. St. Bernhard: CM : H. Lugon.
Lausanne: C. M.: W. Cart.
Winter thur: 0. AI.: F. Imhoof-
Blumer.
Zürich; 0. AI: H. Blümner.
18. Serbien.
Belgrad: C. AI: M. Waltrowitz.
19. Spanien.
Madrid: E. AI: J. von Radowitz,
0. AI: F. Fita, C. AI: J. R. Me-
lida, Marques de Monsalud, E.
Saavedra.
Barcelona: C. AI: A.Elias de Mö-
llns.
Cadix: C. M.: F. A. Vera.
Elche: C. M.: P. Ibarra y Ruiz.
Granada: C. AI: M. G. Moreno.
Alahon: C. AI: S. D. G. Llabres.
Malaga: 0. AI: M. R. de Berlanga,
C. AI: G. Loring.
Aledma Sidonia: C. AI: M. Pardo
de Figueroa.
Vittoria: C. AI: F. Baraibar.
20. Tunis.
Tunis: 0. AI: A. L. Delattre, P.
F. Gauckler.
21. Türkei.
Konstantinopel: O.AI .-Halil-Edhem-
Bey, O. Hamdy-Bey, Th. Wie-
gand, C. M.: H. Gies, R. Löper,
A. Mordtmann.
Äidin: C. AI: D. Hadjidimu, M.
Papa - Konstandinu.
Artake: C. AI: N. Limnios.
Babylon: 0. M.: R. Koldewey.
Beirut: C. M.: P. Schröder.
Candia: C. AI: J. Chatzidakis.
Chalki: C. M.: O. N. Askitis.
Chios: C. AI: G. J. Solotas.
Dardanellen: 0. AI: F. Calvert.
Alilet: C. AI: G. Kawerau, H.
Knackfuß.
Pergamon: C. AI: G. Ioannidis, G.
Rallis, D. Tscholakidis.
Polatli: C. AI: G. Tria.
Rhodos: C. AI: A. Casilli.
Sa?uos: C. M.: Th. Sophulis, A. Sta-
matiadis.
Smyrna: 0. AI: J. H. Mordtmann,
G. Weber, C. M.: A. Fontrier,
P. Gaudin, G. Sotiriu, M. Tsa-
kyroglu.
20
22. Vereinigte Staaten von
Amerika.
Berkeley, Ca/.: CM: B.J.Wheeler.
Cambridge, Mass.: 0. M.: W. W.
Goodwin, Ch. E. Norton, J. W.
White.
Chicago, III.: C M.: W. G. Haie.
Cleveland, Ohio: C M.: H. N.
Fowler.
Ithaca, N. Y.: C M.: I. R. S. Ster-
rett.
Meadville, Perms.: C M.: G. F.
Comfort.
New- York: 0. M.: R. B. Richard-
son.
Princeton, N. J.: C M.: A. L. Fro-
thingham jun.
Washington: C. M.: van Marter.
— 21 —
Publikationen
des Kaiserlich Deutschen Archäologischen Instituts.
h. P. = herabgesetzter Preis (nur bis auf weiteres g-ültig).
A. Periodische Publikationen.
1. *Monumenti inediti. 12 Bände. Rom 1829 — 1885. Supplemento. Berlin 189 1.
Gr. Folio. Berlin, Georg Reimer. — Jeder Jahrgang bis 1860 M. 12, h. P. M. 6,
von 1 861 — 1885 M. 20, h. P. M. 10. Das Supplementheft M. 40, h. P. M. 20.
Die ganze Serie M. 444.
2. *Annali. 54 Bände. Rom 1829 — 1885. 8°. Berlin, Georg Reimer. — Jeder
Jahrgang bis 1860 M. 8, h. P.M. 4, von 1861 ab M 15, h. P. M. 7,50. Die ganze
Serie M. 303,50.
3. *Bullettino. 55 Bände. Rom 1829—1885. 8°. Berlin, Georg Reimer. — Jeder
Jahrgang bis 1860 M. 4, h. P. M. 2, von 1861 ab M. 5, h. P. M. 2,50. Die
ganze Serie M. 122,50.
Annali, Bulletino und Monumenti 1854 und 1855. — Je M. 24, h. P. M. 12.
Annali und Monumenti 1856. — M. 24, h. P. M. 12.
4. *Repertorio universale (Inhaltsverzeichnis zu 1, 2, 3). Berlin, Georg Reimer.
— Band 1, Rom 1834— 1843. 8°. M. 8, h. P. M. .4. Band II, Rom 1844— 1853.
8°. M. 8, h. P. M. 4. Band III, Rom 1854— 1856. Folio. M. 2,40, h. P.
M. 1,20. Band IV, Rom 1857— 1863. 8°. M. 4,80, h. P. M. 2,40. Band V,
Rom 1864— 1873. 8°- M- 5>6o> ü- p- M- 2>8°- Band VI> Rom 1874— 1885
und Supplement, Berlin 1891. 8°. M. 4.60, h. P. M. 2,30.
5. *Memorie. Rom 1832. 8°. Berlin, Georg Reimer. — M. 12, h. P. M. 6.
6. *Nuove Memorie. Leipzig 1865. 8°. Berlin, Georg Reimer. — M. 18, h. P. M. 9.
7. Archäologische Zeitung. Berlin, Georg Reimer. 1843 — 1885. 43 Bände.
40. — Jeder Jahrgang M. 12, soweit noch vorhanden. Die ganze Serie M. 600.
Register dazu 1886. M. 12.
8. Antike Denkmäler. Berlin, Georg Reimer. i886ff. Imp. -Folio. — Jedes
Heft M. 40. Bisher erschienen Band I, Heft 1 — 5. Band II, Heft 1 — 4.
9. Jahrbuch und Anzeiger. Berlin, Georg Reimer. i886ff. 8°. — Jeder Jahr-
gang M. 16, Der Anzeiger von 1896 an allein M. 3; ab 1901 Jahrbuch M. 20,
Anzeiger M. 4.
[o. Jahrbuch, Ergänzungshefte. Berlin, Georg Reimer.
I. J. Strzygowski, Die Kalenderbilder des Chronographen vom Jahre 354.
1888. 8°. M. 30.
II. R. Bohn, Altertümer von Aegae. 1889. 8°. M. 24.
III. H. Winnefeld, Die Villa des Hadrian. 1895. 8°- M- 2°-
* Einzelne Bände und Einzelserien nur nach Maßgabe des Vorrats.
— 22 —
IV. C. Humann, C. Cichorius, W. Judeich, F. Winter, Altertümer von Hierapolis.
1898. 8°. M. 24.
V. G. Körte und A. Körte. Gordion. Ergebnisse der Ausgrabung im Jahre 1900.
Mit einem Anhang von R. Kobert. Mit 235 Abbildungen im Text, 3 Bei-
lagen und 10 Tafeln. 1904. 8°. M. 28.
VI. R. Wünsch, Antikes Zaubergerät aus Pergamon. 1905. 8°. M. 7,50.
11. Mitteilungen. Römische Abteilung (Bullettino, Sezione Romana). Rom,
Loescher & Comp. 1886 ff. 8°. — Jeder Jahrgang M. 12.
12. Mitteilungen. Athenische Abteilung. Athen, Beck & Barth. 1876fr. 8°. —
Jahrgang I — X M. 15. Jahrgang XI ff. M. 12.
Nachdem die ganze Serie durch (anastatischen) Neudruck wieder vervoll-
ständigt ist, bei einmaliger Abnahme ganzer Reihen:
(Die Transportkosten sind zu Lasten der Abnehmer.)
Band I — XX (nebst Registern), statt für 270 M., für 220 M.
n * X „ „ „ „ 150 „ „ I25 „
„ XI— XX „ „ „ „ 120 „ „ 100 „
Bei der Abnahme von einzelnen Bänden bleiben die bisherigen Ladenpreise
bestehen. Band IX und X werden einzeln nicht geliefert.
13. Ephemeris epigraphica, Corporis Inscriptionum Latinarum Supplementum, edita
iussu Instituti Archaeologici Romani. 8 Bände. Berlin, Georg Reimer. 1872 fr.
— Band I, M. 6. Band II, M. 8. Bd. III, M. 10. Band IV, M. 16. Band V,
M. 20,20. Band VI, M. 8. Bd. VII, M. 18. Bd. VIII, M. 25. Bd. IX,
Fase. 1 — 2 M. 17.
14. Römisch-Germanische Kommission. Bericht über die Fortschritte der Römisch-
Germanischen Forschung im Jahre 1904. Frankfurt a. M., Jos. Baer & Co.
1905. 8°. M. 3.
B. Serien-Publikationen.
15. I Rilievi delle Urne Etrusche. Band I von H. Brunn. Rom 1870. 40.
Berlin, Georg Reimer. — M. 60, h. P. M. 40. — Band II, 1 von G. Körte.
Berlin 1890, Georg Reimer. 40. — M. 40, h. P. M. 30. — Band II, 2 von
G. Körte. Berlin 1896. M. 40.
16. E. Gerhard, Etruskische Spiegel. Band V, bearbeitet von G. Körte und
A. Klügmann. Berlin, Georg Reimer. 1884 — 1897. 40. M. 144.
17. C. Robert, Die antiken Sarkophagreliefs. Band II, Mythologische Cyklen.
Berlin, Grote. 1890. Fol. M. 225. — Band III, erste Abteilung. 1897. Fol.
M. 160; zweite Abteilung. 1904. Fol. M. 200.
18. R. Kekule von Stradonitz, Die antiken Terrakotten. Berlin und Stutt-
gart, W. Spemann, Fol. Band I, Die Terrakotten von Pompeji, bearbeitet von
H. von Roh den. 1880. M. 60. — Bd. II, Die Terrakotten von Sicilien, be-
arbeitet von R. Kekule von Stradonitz. 1884. M. 75. — Band IV, Die
Typen der figürlichen Terrakotten, bearbeitet von Fr. Winter. 1903. M. 80.
19. A. Furtwängler und G. Loeschcke, Mykenische Tongefäße. Berlin 1879.
Georg Reimer. Fol. M. 40, h. P. M. 30.
20. A. Furtwängler und G. Loeschcke, Mykenische Vasen, vorhellenische
Tongefäße aus dem Gebiete des Mittelmeeres. Berlin 1886. Georg Reimer,
Fol. M. 115, h. P. M. 75.
— 23 —
2r. E. Curtius und J. A. Kaupert, Karten von Attika. Berlin, Dietrich Reimer.
Gr. Fol. 1881 — 1895. — Heft I, mit Text von E. Curtius, G. von Alten und
A. Milchhöfer, M. 12. Heft II, mit Text von A. Milchhöfer, M. 16. Heft III,
M. 12. Heft IV, M. 10. Heft V, M. 8. Heft VI, mit Text zu Heft III— VI
von A. Milchhöfer, M. 7. Heft VII, M. 6. Heft VIII, M. 13. Text zu Heft
VII— VIII von A. Milchhöfer, M. 2. Heft IX (Übersichts- und Gesamtkarte
von Attika) im Maßstab 1 : 100 000. Mit Text und Register. M. 17. Heft X
(Schlußheft) mit antiken Ortsbezeichnungen. M. 4.
22. F. Ohlenschlager, Römische Überreste in Bayern. München, J. Lindauer.
Heft 1. 1902. Heft II. 1903. 8°. Je M. 4.
C. Einzelwerke.
23. Steffen, Karten von Mykenai. Berlin, Dietrich Reimer. 1884. 40. Text von
Steffen und Lolling. — M. 12.
24. R. Koldewey, Antike Baureste der Insel Lesbos. Mit 29 Tafeln und Textab-
bildungen, 2 Karten von H. Kiepert. Berlin, Georg Reimer. 1890. Fol.
M. 80, h. P. M. 40.
25. Das Kuppelgrab von Menidi. Athen, Beck & Barth. 1880. 40. — M. 8.
26. Dressel & Milchhoefer, Die antiken Kunstwerke aus Sparta und Umgebung.
(Aus den Mitt. des K. D. Arch. Instituts Ath. Abt. II.) Mit 6 Tafeln. 1877. M. 8.
27. Die Arbeiten zu Pergamon 1886 — 1898. (Aus den Mitt. des K. D. Arch. Instituts
Ath. Abt. XXIV). 1899. M. 3. 1900— 1901 (Aus den Mitt. des K. D. Arch.
Instituts Ath. Abt. XXVII). M. 3. 1902— 1903 (Aus den Mitt. des K. D. Arch.
Instituts Ath. Abt. XXIX). M. 3.
28. G. Koerte, Die antiken Skulpturen aus Boeotien. (Aus den Mitt. des K. D. Arch.
Instituts Ath. Abt. III). Mit 2 Tafeln. 1878. M. 4.
29. Th. Wiegand, Antike Skulpturen in Samos. (Aus den Mitt. d. K. D. Arch.
Instituts Ath. Abt. XXV). Mit 2 Tafeln und zahlreichen Abbildungen im Text.
1900. M. 2,50.
30. E. Pfuhl, Der archaische Friedhof am Stadtberge von Thera. (Aus den Mitt.
des K. D. Arch. Instituts Ath. Abt. XVIII). 290 S. mit 5 Tafeln, 40 Beilagen
und 83 Abb. im Text. M. 6.
31. Chr. Hülsen, Die Ausgrabungen auf dem Forum Romanum. (Aus den Mitt. des
K. D. Arch. Instituts Rom. Abt.)
a) 1898 — 1902. Rom 1903^.
b) 1902 — 1904. „ 1905 J je ' 4*
32. G. B. de Rossi, Piante icnografiche e prospettiche di Roma anteriori al
secolo XVI. Roma 1879. 40. Berlin, Georg Reimer. M. 32, h. P. M. 18.
33. R. Schöne, Le Antichitä del Museo Bocchi di Adria. Roma 1878. Berlin, Georg
Reimer. 40. M. 24, h. P. M. 12.
34. Kellermann, Vigilum Romanorum latercula duo Caelimontana. Roma 1835. 40.
Berlin, Georg Reimer. M. 6,40, h. P. M. 3,20.
35. W. Henzen, Scavi nel bosco sacro dei Fratelli Arvali. Roma 1868. Fol. Berlin,
Georg Reimer. M. 16, h. P. M. 8.
36. H. Jordan, De formae Urbis Romae fragmento novo. Roma 1883. 40. Berlin.
Georg Reimer. M. 1,60, h. P. M. 1.
— 24 —
37- A. Michaelis, Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts 1829 — 1879.
Berlin 1879, Georg Reimer. 8°. M. 6, h. P. M. 3. — Italienische Ausgabe
M. 4,80, h. P. M. 2,40.
38. J. Lessing und A. Mau, Wand- und Deckenschmuck eines römischen Hauses
aus der Zeit des Augustus. Berlin 1891, Georg Reimer. Fol. M. 40, h. P. M. 25.
39. Alexander Iwanoff, Darstellungen aus der heiligen Geschichte. 14 Lieferungen
zu je 15 Blatt. Berlin, Georg Reimer. Fol. — Jede Lieferung M. 80, h. P.
M. 20. (Lieferung 2 ist vergriffen.)
40. Sergius Iwanoff, Architektonische Studien. Heft I. Aus Griechenland. Mit
Text von R. Bohn. Folio und Quart. 1892. M. 96. — Heft II. Aus Pompeji.
Mit Text von A. Mau. Folio und Quart. 1895. Dazu Nachtrag. Folio und
Quart. 1898. M. 40. — Heft III. Aus den Thermen des Caracalla. Mit Text
von Chr. Hülsen. Folio und Quart. 1898. M. 120.
41. M. Botkin, Biographie A. Iwanoffs. Berlin, Georg Reimer. 1880. 40-. M. 10,
h. P. M. 5.
42. A. Mau, Katalog der Bibliothek des Kaiserlich Deutschen Archäologischen Instituts
in Rom. Band I. Rom, 1900. Band IL Rom, 1902. Loescher & Co. 8°.
je M. 4.
43. F. von Platner, Katalog der Bibliotheca Platneriana, enthaltend Munizipalstatuten
und Städtegeschichten Italiens (1886. Supplement 1894). Rom, E. Loescher & Co.
Fr. 12, Suppl. Fr. 3.
44. W. Amelung, Die Skulpturen des Vatikanischen Museums. Band I. Text in 8°.
121 Tafeln in 40. Berlin, Georg Reimer. 1903. M. 40.
D. Schul-Wandtafeln.
45. Grabstele der Hegeso.
46. Sog. Alexander-Sarkophag aus Sidon.
47. Augustus-Statue von Prima Porta.
Deutsche und österreichische Unterichtsanstalten, welche ihre Bestellungen an
den Generalsekretär des Instituts. (Berlin W. 10, Corneliusstr. 1) richten, erhalten jede
dieser Tafeln zum Preise von 5 Mark 80 Pfennigen (einschließlich der Verpackung, aus-
schließlich des Porto) direkt von der Verlags-Anstalt Fr. Bruckmann AG. -München
zugesandt, an welche dann auch der Preis direkt einzuzahlen ist. . Bei Bestellung
mehrerer Exemplare für dieselbe Adresse ermäßigt sich der für Verpackung berech-
nete Betraer. *
1
Stab. A. Marzi. Roma.
JRundlau
£ ' fy&g&Q&^&t&t'
>
WA
GLASKOPF SM CONSERVATORENPÄLAST
JP
<
-j
<
Z
tu
ü:
o
<
>
q:
uj
o
a.
O
<
Vlll
DER RECHTE ARM DES LAOKOON
ROMA - FOTOT. DANESI
X!
X
CO
CO
Lü
<
UJ
o
DC
UJ
DQ
_J
CO
UJ
X
ü
CO
2
CO
LT
O
Ü
CO
<
Q
XI
DIE TYRANNENMORDER. HERSTELLUNG IM HERZOGLICHEN
MUSEUM IN BRAUNSCHWEIG
Roma - Fotot. Danesi
XII
BRONZELEBER VON PIACENZA
Ronia-Fotot. Danesi
XIII
4
BRONZELEBER VON PIACENZA
Roma -Fotot. Danesi
Mit dem 31. März d. J. ist der erste Sekretär des Instituts
in Rom, Herr Eugen Petersen, in den Ruhestand getreten. Er
verabschiedete sich in der an diesem Tage abgehaltenen Sitzung,
in welcher auch Seine Excellenz der Kaiserliche Botschafter, Graf
von Monts, erschienen war. Derselbe überreichte dem Scheidenden
den von Seiner Majestät dem Kaiser allergnädigst verliehenen
Roten-Adler-Orden zweiter Klasse und gab der warmen Aner-
kennung der beendeten Amtsführung Ausdruck. Der ebenfalls an-
wesende Generalsekretär des Instituts, Herr Conze, sprach in
gleichem Sinne im Auftrage der Centraldirektion.
Zum Nachfolger des Herrn Petersen haben Seine Majestät
geruht Herrn Gustav Körte, bisher ordentlichen Professor an der
Universität Rostock, zu ernennen. Herr Körte führte sich in der
Sitzung am 14. April mit einer Rede über die Aufgaben seines
Amtes ein und empfieng die herzliche Begrüssung seines Kollegen.
-■ *
m*
m
<•>:-
wfäMH