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Full text of "Mitteilungen des Kaiserlich Deutschen Archaeologischen Instituts, Roemische Abtheilung = Bullettino dell'Imperiale instituto archeologico germanico, sezione romana"

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JOHNS    HOPKINS    UNIVERSITY 


PRESENTED  BY 


Lady  Walston 


MITTEILUNGEN 

DES     KAISERLICH     DEUTSCHEN 

AßCHAEOLOGISCHEN  INSTITUTS 

ROEMISCHE  ABTEILUNG 
Band  XX. 


BULLETTINO 

DELL'    IMPERIALE 


ISTITÜTO  AECHEOLOGICO  GERMANICO 


SEZIONE   ROMANA 
Voi,.  XX. 


ROM 

LOESCHER     &     G. 

(BRETSCHNEIDER    &   REGENBERG) 

1905 


>C  5  005" 

•A  t5"  MS 

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SB«  os  Lady  Wm.ston. 


INHALT 


W.  Amelüng,  Zerstreute  Fragmente  römischer  Reliefs  (Taf.  V) 
S.  121-130. 

—  Weiblicher  Kopf  aus  Glas  (Taf.  VI- VII)  S.  131-135. 

—  Statuette  der  Artemis  S.  136-155. 

—  Nachtrag  zu  S.  130.  S.  184. 

—  Reste  einer  p  er  g  amenischen  Darstellung  der   Taten  des  He- 

rakles S.  214-222. 

—  Judicium  Orestis  (Taf.  IX,  X)  S.  289-309. 

R.  Delbrüeck,  Erwiderung  (zu  Mitt.  XIX,  253)  S.  185-187. 
A.  von  Domaszewski,  Inschrift  eines  Germanenkrieges  S.  156- 

163. 
D.  Gnoli,  II  Giardino  e  l'antiquario  del  Cardinal  Cesi  S.  267- 

276. 

F.  Haüser,  Plinius  und  das  censorische  Verzeichnis  S.  206-213. 
Chr.  Huelsen,  Jahresbericht  über  neue  Funde  und  Forschungen 

zur  Topographie  der  Stadt  Rom.  IL  Die  Ausgrabungen  auf 
dem  Forum  Romanum  1902-1904  (Taf.  MV)  S.  1-119. 

G.  Körte,  Die  Bronzeleber  von  Piacenza  (Taf.  XII-XIV)  S.  348- 

379. 
K.  Lohmeyer,  Zu) ei  Fluchtäfelchen  von  der   Via  Appia  S.  164- 

165. 
A.  Mau,  Rostra  Caesaris  S.  230-266. 

—  Nochmals  Micon  und  Pero  S.  188-192. 

—  Nochmals  die  alte  Säule  in  Pompeji  S.  193-205. 


A.  Mau,  Micon  und  Pero  S.  380-382. 

—  Zur  Casa  del  Faimo  in  Pompeji  382-383. 

P.  I.  Meier,  Eine  Herstellung  der  Gruppe  der  Tyrannenmörder 

(Taf.  XI)  S.  330-347. 
R.  Paribeni,  Bei  milites  frumentarii  e  dell 'approvvigionamento 

della  corte  imperiale  S.  310-320. 

—  Bei  Germani  corporis  custodes  S.  321-329. 

€.  Patsch,  Ber  Illyrische  Zoll  und  die  Provinzialgrenzen  S.  223- 

229. 
L.  Pollak,  Ber  rechte  Arm  des  Laokoon  (Taf.  VIII)  S.  277-282. 
R.  Schneider,  Geschütze  auf  antiken  Reliefs  S.  166-184. 
O.  Seeck,  Inschrift  des  Lollianus  Mavortius  S.  283-285. 
Sitzungen  und  Ernennungen  S.  286-288.  383. 
Register  S.  384-386. 


JAHRESBERICHT 

UEBER   NEUE    FUNDE    UND    FORSCHUNGEN 

ZUR  TOPOGRAPHIE  DER  STADT  ROM. 

NEUE    REIHE. 


IL  Die  Ausgrabungen  auf  dem  Forum  Roman  um 
1902-1904. 

(mit  Tf.  MV) 

Der  folgende  Bericht,  welcher  den  in  diesen  Mitteilungen 
1902  S.  1-97  erschienenen  fortsetzt  (T),  umfasst  die  Zeit  vom  Früh- 
jahr 1902  bis  Ende  1904.  —  Von  den  Ausgrabungen,  welche 
im  vorigen  Berichte  (S.  4)  für  die  nächste  Zukunft  in  Aussicht 
gestellt  waren,  ist  eine  wichtige  bisher  nicht  in  Angriff  genom- 
men, die  weitere  Freilegung  der  Basilica  Aemilia,  aber  aus  trif- 
tigen Gründen.  Die  Häuser  an  der  Südseite  der  Via  Salara  vec- 
chia,  welche  demoliert  werden  müssen,  gehören  bereits  der  Aus- 
grabungsverwaltung und  dienen  teils  für  die  Bureaus  der  Direktion, 
teils  zur  provisorischen  Aufbewahrung  der  massenhaften  Klein- 
funde vom  Forum.  Ehe  nicht  für^  beide  im  «  Forums-Museum  ■ 
geeignete  neue  Locale  geschaffen  sind,  kann  an   eine  Beseitigung 

(*)  Ich  citiere  den  ersten  Forumsbericht  als  JB.  1902,  den  etwas  ver- 
besserten und  ergänzten  zweiten  Abdruck  (Rom  1903,  Loescher  u.  C°)  als 
JB2.  —  Der  erste  Bericht  ist  besprochen  worden  von  E.  de  Ruggero,  La 
Cultura  1903  n.  1,  p.  7-9;  von  L.  Cantarelli,  Bollettino  di  Filologia  Classica, 
IX,  1903  p.  205  f.;  H.  Lanier,  Neue  Jahrb.  für  Philologie  1903  S.  146-148; 
F.  v.  Buhn,  Berliner  philologische  Wochenschrift  1903  n.  36  Sp.  1134-1136; 
L.  Mariani,  Rivista  storica  italiana  1904,  p.  12-17.  Zum  grossen  Teil  auf 
demselben  beruhen  die  Referate  von  P.  Bierikowski  (nowe  odkrycia  na  Forum 
w  Rzymie  (Eos,  Krakau  1903,  129-137)  und  G.  Finaly,  A'satdsok  a  Römai 
Forumon  (Egyetemes  Philologiai  Közlöny,  XXVII,  1903,  S.  1-20).  Eine  kurze 
populäre  Uebersicht  über  das  auf  dem  Forum  in  den  letzten  Jahren  geleistete 
giebt  auch  Ch.  Buls,  Revue  de  V  Universite  de  Bruxelles,  juillet  1904  (24  S.  8°). 


CH.    HUELSEN 


der  modernen  Bauten  und  Fortsetzung  der  Ausgrabungen  nicht 
gedacht  werden.  —  An  der  Freilegung  der  Nordseite  des  Palatins 
und  des  Clivus  sacer  vorn  Titusbogen  nach  der  Front  der  Kaiser- 
paläste hin  ist  gearbeitet  worden,  doch  sind  Funde  ersten  Ranges 
an  keiner  von  beiden  Stellen  gemacht.  Dagegen  hat  eine  Ausgra- 
bung, die  beim  Abschlnsse  des  vorigen  Berichtes  noch  in  ihren 
ersten  Anfängen  war,  die  des  archaischen  Grabfeldes  beim  Faustina- 
tempel, Ergebnisse  geliefert,  die  zu  den  wichtigsten  überhaupt  ge- 
wonnenen gehören.  Auf  die  Untersuchung  dieser  Gräber  ist  denn 
auch  die  Arbeit  der  letzten  zwei  Jahre  hauptsächlich  concentrirt 
gewesen.  Doch  sind  auch  sonst,  namentlich  in  der  Mitte  des  Fo- 
rums unter  dem  Travertinpflaster  der  Kaiserzeit  interessante  Funde 
gemacht  orden  (Basis  des  Domitian,  Lacus  Curtius  u.  A.). 

Die  'Arbeiten  für  Einrichtung  des  Forums-Museums  in  dem 
ehemaligen  Kloster  von  S.  Francesca  Romana  haben  erfreuliche 
Fortschritte  gemacht  (De  Angelis,  Relazione  dei  lavori  eseguiti 
dair  Ufficio  tecnico  per  la  eonservazione  di  Roma  e  provincia 
nel  quadriennio  1899-1902,  Rom  1903,  S.  86).  Zwar  hat  sich 
die  ursprünglich  (1901)  veranschlagte  sehr  bescheidene  Summe 
(23300  frs.  für  Bauarbeiten,  5300  für  innere  Einrichtung)  als  un- 
zureichend herausgestellt,  namentlich  weil  sich  bei  Entfernung  der 
modernen  Anbauten  im  Kloster  auf  Schritt  und  Tritt  Reste  aus 
älteren  Epochen  (13.-15.  Jhdt.)  fanden,  deren  sorgfältige  Schonung 
sich  die  Bauleitung  zur  Pflicht  gemacht  hat.  Trotzdem  ist  es  möglich 
gewesen,  einen  grossen  Teil  der  Räume  namentlich  im  Erdgeschoss 
und  im  dritten  Stock,  herzurichten.  Das  Museum  verspricht  einen 
besondern  Anziehungspunkt  für  die  Forumsbesucher  zu  bilden. 
Hoffen  wir,  dass  die  neuerdings  zu  Tage  getretenen  sehr  weit- 
aussehenden Pläne  (Schaffung  eines  epigraphischen  Museums  in 
S.  Adriano,  einer  Abgusssammlung  in  S.  Lorenzo  in  Miranda:  No-. 
tizie  1903  S.  427),  bei  denen  schon  die  Erwerbung  der  Gebäude 
viele  Hunderttausende  kosten  und  die  Einrichtung  wiederum  Jahre 
in  Anspruch  nehmen  würde,  nicht  der  Erreichung  bescheidenerer 
aber  sehr  erstrebenswerter  Ziele  in  den  Weg  treten. 

Die  offizielle  Berichterstattung  in  den  Noti.de  degll  seavi  ist 
seit  1902  leider  in  einen  bedauerlichen  Stillstand  verfallen.  Die 
Notizie  von  1903  enthalten  zwei  sehr  ausführliche  und  reich  illu- 
strierte Berichte  über  das  alte  Gräberfeld,  dagegen  über  die  son- 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  3 

stigen  Funde  nicht  einmal  Vorläufiges ;  in  dem  ganzen  Jahrgang 
1904  finden  sich  nur  zwei  ganze  kurze  epigraphische  Mitteilungen 
über  das  Forum!  Wenn  Notine  1903,  427  spezielle  mit  Zeichnun- 
gen und  Photographien  ausgestattete  Rapporte  über  Equus  Domi- 
tiani  und  Lacus  Curtius,  über  das  \  armamentarium  per  gli  spet- 
tacoli  gladiatorü  '  (u.  S.  64  f.)  und  die  fosse  rituali  bei  den 
Rostra  versprochen  werden,  die  nach  vollständiger  Publikation  der 
Gräber  erscheinen  sollen,  so  werden  wir,  falls  die  Veröffentlichung 
in  gleichem  Schritte  weiter  geht,  noch  eine  Reihe  von  Jahren  dar- 
auf zu  warten  haben.  Nur  teilweisen  Ersatz  bieten  Gatti's  und  Va- 
glieri's  an  sich  höchst  willkommene  Notizen  im  Bidlettino  comu- 
nale.  Hier  Wandel  zu  schaffen  wäre  eine  der  wichtigsten  Aufgaben 
der  Ausgrabungsleitung.  Dass  durch  diesen  Sachverhalt  meine  Be- 
richterstattung —  im  Gegensatz  auch  zu  dem  ersten  Bericht,  fin- 
den offizielles  bald  nach  der  Auffindung  veröffentlichtes  Material 
reichlich  vorlag  —  erschwert  ist,  liegt  auf  der  Hand. 

Unsere  antiken  Quellen  zur  Kenntnis  des  Forums  haben 
neuerdings  eine  Bereicherung  erfahren  durch  die  Auffindung  der  Li- 
vius-Epitome  von  Oxyrhynchos  ( The  Oxyrhynchos  Papyri  vol.  IV 
p.  95  ff.  n.  668),  welche  aus  dem  50.  und  55.  Buche  einige  No- 
tizen über  Comitium  und  Regia  bringt  (s.  u.  S.  47  u.  79).  Zu 
erwähnen  ist  ferner  hier  das  neue  auf  die  Basilica  Aemilia  be- 
Fragment der  Forma  Urbis  Romae  (u.  S.  53). 

Ich  verzeichne  zunächst  mehrere  Arbeiten  welche  über  die 
neuen  Ausgrabungen  im  Zusammenhange  berichten,  und  von  de- 
nen namentlich  die  erste  im  folgenden  durchweg  zu  berücksichtigen 
gewesen  ist. 

Dante  Vaglieri,  Gli  scavi  recenti  nel  Foro  romano.  Roma,  Loescher  u.  C. 
1903,  239  S.  8°.,  121  Abb.  im  Text.  (Sep.-Ausgabe  aus  Bull,  comun. 
XXXI,  1903  fasc.  1.  2.)  —  Supplemento  I.  24  S.  8°,  4  Tf.,  20  Text- 
abbildungen (aus  Bull.  XXXI  fasc.  3,  252-273). 

Vaglieri's  Arbeit  umfasst  ungefähr  die  gleiche  Ausgrabungsperiode  wie 
mein  erster  Bericht,  behandelt  sie  aber  in  grösserer  Ausführlichkeit  und  mit 
weit  reicherer  Illustration:  sie  ist  daher  für  ein  genaueres  Studium  sehr  zu 
empfehlen.  Einige  Punkte,  an  denen  ich  mit  seinen  Erklärungen  nicht  über- 
einstimme, werden  unten  zur  Sprache  kommen.  —  Der  Nachtrag  beschäf- 
tigt sich  mit  der  archaischen  Nekropole,  den  sogenannten  '  cuniculi '  und  der 
Domitiansbasis. 


4  CH.    HUELSBN 

Horace  Marucchi,  Le  Forum  Romain  et  le  Palatin  d'apres  le  dernieres  de- 
couvertes.  Paris  et  Rome,  1902.  398  S.  8°.  Mit  2  Plänen  und  zahlrei- 
chen Textillustrationen 

ist  in  seinem  ersten  grösseren  Abschnitt,  der  uns  hier  allein  angeht  (S.  9-270) 
eine  zweite  Auflage  der  1883  erschienen  Description  du  Forum  Romain, 
deren  Text  auf  grosse  Partien  derselbe  geblieben  ist,  leider  auch  unter  Her- 
übernahme vieler  kleiner  Versehen  und  in  den  griechischen  Citaten  unglaub- 
lich zahlreicher  Druckfehler.  Die  bedeutendsten  neuen  Funde  (Lapis  niger, 
Basilica  Aemilia,  Lacus  Juturnae)  sind  eingefügt  und  ausführlich  beschrieben : 
besonders  stark  erweitert  ist  das  zehnte  Kapitel,  das  ja  auch  des  Verfassers 
eigentlichstes  Arbeitsfeld  bildet,  les  Souvenirs  chritiens  du  Forum  Romain 
(S-  226-270).  Im  übrigen  lässt  die  Benützung  der  neueren  Litteratur  zu  wün- 
schen übrig:  so  wiederholt  M.  seine  alte  Hypothese  über  die  trajanischen 
Marmorschranken,  die  er  sich  nebeneinander  aufgestellt  denkt,  ohne  Petersens 
Aufsatz  (s.  JB.  1902,  20  f.),  der  m.  Er.  jeden  Zweifel  an  der  ursprünglichen 
parallelen  Aufstellung  der  Reliefs  beseitigt,  überhaupt  zu  erwähnen.  —  Die 
Abbildungen,  für  das  Forum  Romanum  allein  gegen  50,  sind  meist  gut  ge- 
wählt und  beziehen  sich  vorwiegend  auf  die  neuen  Funde.  Der  Plan  ist  (mit 
wenigen  Aenderungen  besonders  in  der  Nomenclatur)  verkleinert  nach  dem  in 
den  Notizie  d.  scavi  1900  (s.  JB.  1902,  7  f.);  störend  nst  das  Fehlen  eines 
Maasstabes. 

Henry  Thedenat,  Le  Forum  Romain  et  les  Forums  impe'riaux.  Troisieme 
edition  entierement  refondue.  Paris,  Hachette,  1904.  XII  u.  458  SS.  8°, 
3  Pläne,  62  Textillustrationen,  8  Phototypien. 

Die  dritte  Auflage  des  bekannten  und  bewährten  Buches  ist  völlig  um- 
gearbeitet, der  Text  um  ein  Drittel  vermehrt,  das  Illustrationsmaterial  be- 
deutend bereichert.  Die  neueste  Litteratur  (bis  gegen  Ende  1903)  ist  gewis- 
senhaft ausgenützt  und  bequem  zusammengestellt.  Diese  sehr  umfänglichen 
Literaturnachweise  machen  das  Buch  hervorragend  geeignet  zur  Einführung 
in  ein  genaueres  Studium  der  Geschichte  des  Forums :  nicht  minder  wird  der 
periegetische  Teil  (une  visite  au  Forum  Romain,  p.  205-368)  seine  Brauch- 
barkeit auch  an  Ort  und  Stelle  bewähren.  [Das  von  demselben  Vf.  in  Ge- 
meinschaft mit  dem  Architekten  F.  Hoffbauer  herausgegebene  Werk:  Le 
Forum  Romain  et  la  voie  sacre'e ;  aspect  successif  des  monuments  depuis  le 
IVe  stiele  jusqu'ä  nos  jours.  Paris  1905.  153  S.  fol.,  7  Taf.,  59  Textabbil- 
dungen, führe  ich  hier  nur  vorläufig  an,  genaueres  Eingehen  dem  nächsten 
Berichte  vorbehaltend.] 

R.  Thiele,  Das  Forum  Romanum  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  neue- 
sten Ausgrabungen  (1898-1903)  geschildert.  Gymn.-Progr.,  Erfurt  1904, 
24  S.  8.,  1  Plan 

beschreibt,  nach  einer  Einleitung  (S.  3-8)  übex  das  Forum  im  Altertum,  seine 
Verschüttung  und  Ausgrabung:  I.  Die  Umgebung  der  Aufgänge  zum  Capitol; 
II.  das  eigentliche  Forum;  III.  die  Sacra  Via  und  ihre  Umgebung  bis   zum 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  5 

Titusbogen.  Die  Beschreibung  schliesst  sich  vielfach  an  den  JB.  1902  an, 
ebenso  der  Plan  an  Mitt.  1902  Tf.  I.  Als  Leser  wünscht  sich  der  Verfasser 
in  erster  Linie  die  Primaner  seines  Gymnasiums,  und  von  diesen,  wie  auch  wei- 
teren gebildeten  Kreisen  wird  das  auf  eigener  Anschauung  fussende  und  von 
warmer  Begeisterung  getragene  Schriftchen  gewiss  mit  Nutzen  gelesen  werden. 

E.  Burton-Brown,  Recent  excavations   in  the   Roman  Forum.  1898-1904. 
London,  Murray.  1904.  XVI  u.  213  S.  12° 

beschreibt,  unter  Weglassung  des  meisten  aus  früheren  Forschungen  bekann- 
ten, die  wichtigsten  neuen  Funde  (Föns  Juturnae,  Aedes  Vestae,  Atrium  Ve- 
stalium,  Regia,  Area  Volcani,  Comitium,  Lapis  niger,  Rostra,  Caesarisch- 
Augustische  Monumente,  alte  Nekropole,  Sacra  Via,  S.  Maria  Antiqua).  In 
den  Erklärungen  giebt  die  Vf.  hauptsächlich  die  Ansichten  G.  Bonis  wieder, 
der  das  Buch  durch  eine  Vorrede  eingeführt  hat.  Neun  nach  Andersons  und 
Moscionis  Photographien  sehr  sauber  ausgeführte  ganzseitige  Veduten  und  vier 
Pläne  (Vestalenhaus,  Regia,  Lapis  niger,  Gesamtplan)  schmücken  das  hand- 
liche und  lesbare  Büchlein. 

St.  Clair  Baddeley,  Recent  discoveries  in  the  Forum,  1898-1904.  London, 
Allen,  1904.  115  S.  kl.  8°,  45  Abbildungen,  1  Plan 

umfasst,  ausser  den  in  der  eben  genannten  Arbeit  behandelten  Funden,  auch 
schon  die  neuesten,  Equus  Domitiani  (S.  47-51)  und  Lacus  Curtius  (S.J106-109). 
Der  Verfasser  ist  den  Ausgrabungen  seit  ihrem  Beginne  mit  lebhaftem  Inte- 
resse und  Verständnis  gefolgt ;  der  Zusatz  auf  dem  Titel :  by  an  eye-witness 
charakterisiert  das  Büchlein,  dessen  frische  und  lebhafte  Darstellung  anzieht. 
Von  Wert  sind  auch  die  grossenteils  nach  eigenen  Photographieen  des  Vf. 
hergestellten  (meist  ganzseitigen)  Abbildungen,  Ansichten  interessanter  Stellen 
nach  und,  was  manchmal  bereits  besonders  interessant  ist,  vor  der  letzten 
Ausgrabung.  Der  Plan,  für  welchen  auf  Bonis  Veranlassung  offizielle  Mate- 
rialien bis  in  die  neueste  Zeit  benutzt  sind,  bietet  manche  Ergänzungen  zu 
dem  bisher  vollständigsten  offiziellen  Plan  vom  Sommer  1900. 

Der  soeben  erschienenene  fünfte  Band  der  Atti  del  Congresso  interna- 
zionale  cli  scienze  storiche  1903  (Roma  1904)  enthält  unter  n.  XXVII  einen 
ausführlichen  Vortrag  (Zusammenfassung  der  comunicazione  vom  4.  und  der 
conferenza  vom  8.  April)  G.  Bonis,  über  das  Forum  (S.  495-584).  Der  Text, 
welcher  auch  einige  erst  nach  dem  Frühjahr  1903  gemachte  Funde  {Equus 
Domitiani,  sog.  « Equus  Tremuli»)  bespricht,  ist  reich  illustriert,  als  Tafel 
beigegeben  eine  Reproduction  der  Ballon-Photographie  (s.  JB.  1902,  8)  des 
eigentlichen  Forums,  die  grösser  und  klarer  ist  als  die  Not.  d.  scavi  1900, 
227.  228  gegebenen  Stücke.  Auf  das  Einzelne  wird  im  Verlaufe  unseres  Be- 
richtes einzugehen  sein. 

Als  fortgesetzte  Berichte  von  Augenzeugen  sind  zu  erwähnen  die  Mit- 
teilungen Lanciani's  im  Athenaeum  (z.  B.  n.  3884.  3906.  3913.  3928.  3938. 
3950)  und  Th.  Ashby's  in  der  Classical  Revieio  XVI  (1902).  94-96.  284-286. 
XVII  (1903)  134-137.  328;  XVIII   (1904)    137-141.   328-331,   ferner   die  von 


6  CH.    HUELSEN 

R.  Artioli  in  der  Florentinei  Zeitschrift  Arte  e  storia  1902,  50-53.  1904  p.  47 
und  die  von  Petersen  im  Archaeologischen  Anzeiger  1903,  86-90.  1904,  111. 
Eine  bibliographische  Verzeichnung  der  zahlreichen  aus  zweiter  Hand  schöpfen- 
den Berichte,  wie  sie  viele  grosse  Blätter  Italiens  und  des  Auslands  bringen, 
ist  für  unseren  Zweck  unnötig. 

Als  wichtiges  Quellenwerk  für  die  Geschichte  der  älteren  Ausgrabungen 
auf  dem  Forum  ist  Lanciani's  Storia  degli  scavi  di  Roma  bereits  im  vo- 
rigen Berichte  (S.  6)  angeführt.  Der  seitdem  erschienene  zweite  Band  (Rom 
1903,  265  S.  4°)  umfasst  ausser  den  letzten  Jahren  Clemens  VII  (1531-1534) 
das  Pontificat  Pauls  III,  welches  für  das  Forum  so  besonders  unheilvoll  wurde, 
da  fast  alle  seine  Monumente  für  den  Bau  der  Peterskirche  oder  des  Pa- 
lastes am  Campo  di  Fiore  Material  liefern  mussten.  An  Stelle  der  streng  chro- 
nologischen Anordnung  hat  L.  in  diesem  zweiten  Bande  eine  mehr  sachliche 
treten  lassen:  man  findet  also  die  auf  das  Forum  Romanum  bezüglichen 
Notizen  bequem  zusammen,  hauptsächlich  p.  184-222;  ausserdem  kommt  der 
Abschnitt  über  den  Einzug  Karls  V  1536,  p.  58-63  in  Betracht. 

Ich  selbst  habe  über  die  Resultate  der  Ausgrabungen  bis  Sommer  1903 
auf  der  Philologenversammlung  in  Halle  8.  Okt.  einen  Vortrag  gehalten,  der 
im  Auszuge  in  den  Verhandlungen  der  Versammlung  S.  19-21,  ausführlicher 
und  durch  Abbildungen  erläutert  in  den  « Neuen  Jahrbüchern  für  Philolo- 
gie etc.  »'  VII,  1904  S.  23-45  abgedruckt  ist. 

In  dem  kleinen  Buche 
Das  Forum  Romanum,  seine  Geschichte  und  seine  Denkmäler.  Rom,  Loescher 

1904.  VII  u.  219  S.  8°.,  3  Pläne,  109  Abbildungen  im  Text, 
habe  ich  versucht,  einen  gemeinverständlichen  Ueberblick  über  die  Geschichte 
des  Forums  und  seine  Erforschung,  sowie  einen  Führer  zu  den  Monumenten 
zu  geben;  zahlreiche  Abbildungen,  namentlich  architektonische  Reconstruc- 
tionen,  sollen  dem  Verständnis  zu  Hülfe  kommen.  Eine  italienische  Ueber- 
setzung  unter  dem  Titel  II  Foro  Romano,  storia  e  monumenti  (XI  u.  223  S. 
8°,  1  Plan,  117  Abbildungen  im  Text)  ist  im  Frühjahr  1905  in  gleichem  Ver- 
lage erschienen.  [Eine  zweite  deutsche  Auflage,  XII  und  244  SS.,  4  Tf.,  131 
Abb.  im  Text  wird  gleichzeitig  mit  diesem  Berichte  ausgegeben,  eine  englische 
Uebersetzung  im  Herbst  d.  Jfj 

Auch  dieses  Mal  habe  ich  für  freundliches  Entgegenkommen 
sowohl  der  Generaldirektion  der  Altertümer  wie  der  speziellen 
Leitung  der  Forums-Ausgrabungen  meinen  Dank  abzustatten.  Die 
Pläne  und  Aufnahmen  rühren  wiederum  von  Hrn.  G.  Tognetti  her. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


Westseite  des  Forums. 

Am  Abhänge  des  Capitols,  zwischen  Tabularium  und  Clivus 
Capitolinus  ist  auch  in  den  letzten  zwei  Jahren  nicht  gegraben 
worden.  Ueber  den  Saturntempel  referirt  kurz  Vaglieri  S.  162,  der 
mitteilt,  dass  an  der  Ostseite  des  Tempels  un  tratto  curioso  di 
pavimenio  a  poligoni  di  pielra  da  molino  gefunden  sei ;  über  den 
Concordientempel  wird  ebenda  bemerkt,  es  seien  strutture  di  tufo 
gefunden,  die  für  die  Kenntnis  des  vortiberianischen  Tempels  von 
Wichtigkeit  werden  könnten.  Auf  einigen  Tuffquadern  des  Funda- 
ments hat  V.  einzelne  Buchstaben  (Steinmetzzeichen)  von  altertüm- 
licher Form  bemerkt:  ich  habe  dieselben  nicht  auffinden  können. 

R.  Lanciani,  L'ara  di  Volcano  (le  escavasioni  del  Foro  n.  IX). 
Bull.  com.  1902,  p.  125-133  mit  Tf.  IV 

beschreibt,  nach  ausführlicher  Zusammenstellung  der  Schriftstel- 
lerzeugnisse über  den  Volcancult  am  Forum,  den  schon  JB.  1902, 
S.  10  (vgl.  JB2  S.  10)  kurz  angezeigten  Fund.  Ein  hinter  dem 
Umbilicus  Urbis  Romae  aus  dem  Tuff  des  capitolinischen  Hügels 
herausgehauenes  Viereck  von  3,  95  X  2,80  m.  wird  für  den  Rest 
.des  Unterbaus  der  Ära  Volcani  erklärt:  an  mehreren  Stellen 
sind  Unregelmässigkeiten  des  gewachsenen  Felsens  durch  Ausfül- 
lung mit  kleinen  Steinen  ausgeglichen;  später,  etwa  nach  dem 
gallischen  Brande,  hat  man  dann  das  Ganze  mit  kräftig  rotem 
Stuck  überzogen,  von  dem  namentlich  an  der  Vorderseite  unten 
Reiste  erhalten  geblieben  sind.  Die  Höhe  des  Altars  lässt  sich  nicht 
bestimmen,  da  das  Ganze  schon  wenige  cm.  über  dem  Niveau  des 
Clivus  abgehauen  und  zerstört  ist.  —  An  Lanciani' s  Beschreibung 
schliesst  sich  im  wesentlichen  an  Vaglieri  Bull,  comun.  1903, 
159-161,  an  beide  Burton-Brown  Recent  excavations  69  f.,  wo 
die  Ära  auch  nach  Photographie  von  Moscioni(1)  abgebildet  wird. 


(l)  Eine  Photographie  des  ganzen  'VolcanaW  giebt  Boni,  Atti  del  Con- 
gresso  storico  p.  555,  eine  der  Ära  ebda.;  im  Text  äussert  er  sich  zu  beiden 
nicht. 


CH.    HU  ELSEN 


Wer  den  Plan  Lanciani's  (Bull.  Tf.  IV)  an  Ort  und  Stelle 
vergleicht,  wird  sich  wundern,  statt  des  schönen  Rechtecks,  welches 
dort  als  Fundament  des  Altars  gezeichnet  ist,  (')  ein  recht  unre- 
gelmässiges Trapezoid  {ab  cd  Tf.  I)  zu  finden,  das  an  seiner  Ober- 
fläche yon  mancherlei  Rinnen  und  Gräben  (namentlich  a  ß  und  y  6 
Tf.  I)  (2)  durchfurcht  ist.  Ganz  ähnliche  Bearbeitung  zeigen  auch 
andere  Felsvorsprünge  zwischen  Umbilicus  und  Concordientempel. 


Fig.  1. 

An  der  Vorderseite,  wo  der  rote  Stuck  erhalten  ist  (bei  £  rj  &  Tf.  1) 
ist  ein  Kanal  vorbeigeführt,  dessen  Aussen  wand  aus  hochkantig 
gestellten  braunen  Tuffplatten  wohl  erhalten  ist.  Die  Benennung 
Ära  Volcani  für  diese  Reste  ist  keineswegs  über  jeden  Zweifel 
erhaben.  Freilich  müssen  Volcanal  und  Ära  in  dieser  Gegend  ge- 
legen haben:  jedoch  die  Umbauten,  sowohl  der  augustischen  wie 
der  severischen  Zeit,  endlich  die  Zerstörungen  des  Mittelalters 
haben  hier  fast  alle  Spuren  verwischt.  Ob  es  je  gelingen  wird,  die 
vielfach    durch-  und  übereinanderlaufenden   Spuren   verschiedener 


(*)  Auch  sonst  ist  manches  in  L. 's  Plan  zu  regelmässig:  z.  B.  dürfte 
der  grosse  Abzugscanal  e  f  nicht  parallel  zur  Front  des  Altars  laufen. 

(*)  Vaglieri  S.  159  f.  glaubt  dass  einige  fossette  circolari  a  mo1  di  sco- 
delle  (z.  B.  s  Tf.  I)  für  die  Opfer  lebendiger  Fische  an  den  ludi  piscatorii 
(Festus  238  M.)  gedient  hätten. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  V 

Baiiperioden,  meistens  grosse  Quadersubstructionen  aus  braunem 
Tuff,  zu  deuten,  bleibe  dahingestellt. 

Jedenfalls  irrig  aber  ist  Lanciani's  Behauptung  k  l'altare  di 
Valcano,  col  suo  tegumento  augusteo,  fu  scoperto  . . .  nel  1548 
in  situ  o  quasi'.  Die  bekannte  Inschrift  vom  Jahre  745/9  (CIL. 
VI,  457)  ist  nicht  zwischen  Umbilicus  und  Concordientempel  ge- 
funden, sondern  vor  S.  Adriano  (!).  Die  Inschrift  steht  übrigens 
nicht  auf  einer  Ära  sondern  auf  einer  grossen  Marmorplatte  (1. 1,34, 
h.  1,20  m.),  die  offenbar  architektonisch  verwendet  gewesen  ist: 
sie  hat  an  ihrem  oberen  Ende  eine  einfache  10  cm.  breite,  2  cm. 
vorspringende  glatte  Leiste.  Sie  kann,  soviel  ich  sehe,  weder  mit 
dem  Tuff-Fundament,  noch  mit  einer  der  andern  Constructionen  in 
der  Nähe  in  Verbindung  gebracht  werden  (2). 

Ueber  die  Station  es  municipiorum  handelt  J.  Türze- 
witsch  in  der  (russisch  geschriebenen)  Abhandlung:  Orbis  in  urbe 
(Nieschin  1902,  XXIII  u.  87  S.  8°.;  vgl.  Netusil,  Berl.  phil.  Wo- 
chenschr.  1904  n.  19  Sp.  593-595),  besonders  S.  40  ff.  Die  fleissige 
Arbeit,  in  der  die  neueste  Litteratur,  auch  Cantarellis  JB.  1902, 
11   citierter  Aufsatz,  benutzt  ist,  kommt  zu  dem  Besultat,   diese 

(1)  S.  JB.  1902,  10.  Auch  das  von  Lanciani  für  die  Inschrift  herangezo- 
gene Zeugnis  des  Lafreri'schen  Marforio-Stiches  (a.  MDXLVI1  ad  arcum 
Septimii  Severi  non  procul  ah  hac  Marfori  s'atua  erutae)  beweist,  dass 
die  Ausgrabungen  nördlich,  nicht  südlich  vom  Severusbogen  stattfanden.  Vgl. 
auch  Storia  d.  scavi  2,  186  f. 

(2)  Dem  im  C.  VI,  12717  aus  Manutius  Vat.  5237  f.  135  aufgenomme- 
nen Fragment  (in  der  Handschrift  als  vollständig  gegeben): 

M  •  ATTIVS 
L  •  ATTIVS 
L  •  ATILIVS 
SEX  •  ATTIVS 

möchte  Lanciani  S.  132  un  posto  piü  onorevole  di  quello  che  gli  sia  stato 
accordato  dagli  illustri  ediiori  del  Corpus  anweisen.  Ich  fürchte  die  Inschrift 
wird  überhaupt  zu  streichen  sein,  da  sie  weiter  nichts  ist  als  ein  Auszug  aus 
der  grossen  Basis  VI,  200,  wozu  die  Fundangabe  '  in  marmore  quadrato,  quod 
in  foro  Romano  prope  fornicem  Septimii  effossum  est  anno  1547  mense 
Februario'  stimmt.  Alle  vier  Namen  finden  sich  dort  wieder:  M.  Attius 
II,  15.  VI,  15,  L.  Attius  VI,  4,  L.  Atilius  III,  5.  VI,  6,  Sex.  Attius  II,  11. 


10  CH.    HUELSEN 

stationes  seien ,  Vereinslokale  für  die  als  Corporationen  organi- 
sierten Einwohner  fremder  Städte  gewesen.  Dankenswert  ist  die 
richtige  Ergänzung  der  Inschrift  der  Claudiopoliten  S.  42  n.  86: 

CTATICON 
nßf?\€UN  •  TGON  •  KAI  ■  KAAYAIOHOAITGüN  •  CYPIA 
~~\         n  A  /^€>xj  £  I N  H 

DMONi  \    TH  •  IIATPIAI 

Der  von  Gatti  und  mir  begangene  Lesefehler  PIcoN  für  PIGtoN 
Z.  2  Anf.  ist  berichtigt  von  Vaglieri,  Inscripliones  graecae  ad 
res  Romanas  pertinentes  I  n.  135;  dass  damit  die  Ergänzung 
Tv^qiswv  (statt  TvqCmv  !)  hinfällig  wird,  bemerkt  Turzewitsch,  und, 
ohne  von  dessen  Arbeit  Kenntnis  zu  haben,  Kubitschek  Jahreshefte 
des  österreichischen  Instituts  1903  S.  80.  Auch  der  unerhörte 
Beiname  Claudiopolis,  welcher  für  Tiberias  durch  Münzen  gesi- 
chert ist  (s.  Kubitschek  a.  a.  0.)  und  die  unmögliche  Attribution 
von  Tyrus  zu  Syria  Palaestina  hätten  warnen  sollen.  Die  Inschrift 
gehört  also  zu  derselben  Statio  wie  die  JB.  1902,  11  citierte 
'iGprjvdg  'Iöfirjvov  vlbz  TißsQuvg  rfj  Gtccticovi  (gefunden  an  der 
Sacra  Via).  In  Z.  3  ist  der  Rest  von  G  nach  A  sicher,  auch  reicht 
der  Raum  für  nal\_M~]axsivri  nicht  aus.  Z.  4  ergänzt  Turzewitsch 
'PoS/ti;  fjyf\iiov[}di  xcu]  tfj  naiqCdi  und  verweist  auf  C.  III  S.  14195: 
rjytfiovidog  "Pdofirjg.  Aber  dafür  reicht  der  Raum  nicht,  namentlich 
da  vor  TH  •  IIATPIAI  der  Stein  unbeschrieben  ist  (Raum  für  er. 
zwei  Buchstaben).  Ich  vermute  hier  den  Namen  des  Dedicanten, 
der,  da  eine  schwache  Spur  vor  dem  M  vielleicht  von  P  übrig  ist, 
jQg^6vi[og  oder  ähnlich  gelautet  haben  mag.  Aus  einer  Statio  mag 
auch  folgende  unedirte  Inschrift  stammen,  die  ich  in  der  Basilica 
Aemilia  abschrieb: 

AA€£**AKON 

H^axAGA 
TH  KYPIA  IIATPIAI 
AIAIOI 

nonnAioc  kai 

ACKAHFIIOAOTOC 

(Marmorbasis,  h.  0,87  im,  br.  0,34  m.,  ziemlich  gute  Schrift  2/3 
Jhdt.). 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  11 

Im  Nuovo  Bullettino  di  archeologia  cristiana  1902  p.  126 
veröffentlicht  0.  Marucchi  ein  im  Tiber  gefundenes  Sklavenhals- 
band aus  Bronze,  von  vorzüglicher  Erhaltung,  mit   der  Inschrift 

TENE    ME    FVGIO    REBOCA    ME     IN     GRECOSTADIO    EVSEBIO    MANCIPE 

(das  Original  war  im  Sommer  1905  bei  einem  Antiquar  in  Rom). 
Der  Fund  veranlasst  zu  erneuter  Prüfung  der  Frage,  wie  sich  das 
Graecostadium  der  Spätzeit  zur  alten  Graecostasis  verhält. 

Die  Neueren  (Jordan  Top.  1,  2,  243  f.;  Richter  Top.2  84; 
ich  Nomencl.  topogr.  s.  v.)  haben  meistens  die  locale  Identität 
beider  angenommen  (eine  Ausnahme  macht  Detlefsen  in  dem  immer 
noch  klassischen  Aufsatze  de  comitio  Romano,  Annali  1860  p.  153); 
da  nun  die  alte  republikanische  Graecostasis  ohne  Zweifel  dicht 
bei  den  alten  Rostra  gelegen  hat,  suchte  man  auch  das  Graeco- 
stadium in  der  Nähe  der  neuen  Rostra.  Jordan  (Top.  a.  a.  0.) 
wollte  dem  sog.  Hemicyclium  diesen  Namen  beilegen;  Richter 
glaubte  aus  einer  Vergleichung  des  bekannten  Fragments  19  der 
Forma  Urbis  mit  dem  Grundriss  der  Rostra  schliessen  zu  dürfen, 
dass  noch  in  severischer  Zeit  die  Graecostasis  sich  südlich  der 
Rednerbühne  in  geringem  Abstände  von  dieser  befand. 

Nun  ist  der  Platz  südlich  der  Rostra  in  den  letzten  Jahren 
völlig  freigelegt,  und  dabei  hat  sich  gefunden,  dass  er  grössten- 
teils von  den  Fundamenten  des  Tiberiusbogens  eingenommen  wird: 
zwischen  diesem  und  den  Rostra  eingeklemmt  ist  der  kleine  un- 
regelmässige Bau,  in  dem  wir  mit  Wahrscheinlichkeit  die  Schola 
Xantha  erkennen  (*).  Das  Graecostadium  der  Kaiserzeit  aber  war 
nach  den  Zeugnissen  der  Autoren  eine  Anlage  von  einiger  Ausdeh- 
nung, deren  Restitution  durch  mehrere  Kaiser  in  der  Stadtchronik 
verzeichnet  wurde,  und  zwar  in  einer  Reihe  mit  Erneuerungen  des 
Caesarforums  und  der  Basilica  Julia  (2) :  für  eine  solche  Anlage 
ist  zwischen  Rostra  und  Vicus  Jugarius  absolut  kein  Platz. 

(1)  Lanciani  Storia  d.  scavi  2,  186  macht  mit  Recht  darauf  aufmerksam, 
dass  das  1837  bei  den  Ausgrabungen  am  Clivus  gefundene  Fragment  CIL. 
VI.  1648  —  Ehreninschrift  für  einen  Procurator,  gesetzt  von  den  scribae 
aedilium  curulium  —  seinen  ursprünglichen  Platz  wahrscheinlich  in  der 
Schola  gehabt  hat. 

(2)  Hist.  Aug.  vita  Pii  c.  8 :  Graecostadium  post  incendium  restitutum ; 
Chronogr.  a.  354  p.  148  ed.  Mommsen :  (Carino  et  Numeriano  imperatoribus) 
arserunt  senatum,  forum  Caesaris,  basilicam  Iuliam  et  Graecostadium. 


12  CH.    HUELSEN 

Mit  der  Lage  unmittelbar  neben  den  Rostra  ist  aber  ferner 
nicht  recht  zu  vereinigen  die  Reihenfolge  der  Namen  im  constan- 
tinischen  Stadtbuch.  Die  Ueberlieferung  ist  am  Ende  der  Regio  VIII 
(Jordan  II,  553j : 

Curiosum  Notitia 

Capitolium  Capitolium 

miliarium  aureum  miliarium  aureum 
vicum  iugarium 
Graecostadium 

basilicam  Iuliam  basilicam  Iuliam 

[folgen  Castor-und  Vestatempel,  sowie  Oertlichkeiten  im  Velabrum 
bis  zum  Atrium  Cacf] 

vicum  iugarium 
et  unguentarium 

Graecostadium 
porticum  margaritarium  porticum  margarüarium 

elefantum  Herbarium  elefantum  Herbarium 

Während  die  Abfolge  im  Curiosum  es  allenfalls  denkbar  erscheinen 
lässt,  das  Graecostadium  am  Forum  selbst  zu  suchen,  schliesst 
die  in  der  Notitia  bei  vorurteilsfreier  Erwägung  diese '  Möglichkeit 
aus.  Wie  soll,  nachdem  das  ganze  Forum  und  die  Tempel  am 
Clivus  längst  vorher  erwähnt  sind,  auf  einmal  dieser  ganz  verein- 
zelte Name  nachgetragen  sein?  Das  Graecostadium  muss  vielmehr, 
zwar  auch  in  der  Nähe  des  Vicus  iugarius  und  der  Basilica  Julia, 
aber  nicht  nördlich,  sondern  südlich  von  ihr  gesucht  werden,  in 
der  Richtung  wohin  der  letzte  Name  Elephas  herbarius  (an  Via 
Montanara)  weist,  also  etwa  auf  dem  Terrain  welches  heute  vom 
Hospital  und  der  Kirche  S.  Maria  della  Consolazione  eingenommen 
wird. 

Leider  lässt  sich  das  Fragment  19  der  Forma  (dessen  Ori- 
ginal verloren  ist)  mit  keinem  andern  zusammensetzen :  aber  da 
die  Schrift  entweder  dem  Namen  der  Basilica  Julia  oder  der  Aedes 
Castoris  und  Saturni  parallel  laufen  mu3s,  bleiben  für  die  Stel- 
lung des  Fragments  nur  zwei  Möglichkeiten:  der  kleine  Tempel, 
dessen  sechssäuliger  Pronaos  mit  Treppe  hier  dargestellt  ist  (die 
Beziehung  auf  die  Rostra  wird  man   definitiv    aufgeben  müssen), 


AUSGRABUNGEN    AUF   DEM    FORUM    ROMANUM 


13 


hat  entweder  die  Front  nach  Norden  (wie  Castor-und  Saturntempel) 
oder  nach  Westen  gehabt.  Letzteres  ist  mir  das  Wahrscheinlichere, 


Fig.  2. 


doch  ist  eine  Entscheidung,  bei  dem  Mangel  an  Nachrichten  über 
frühere  Ausgrabungen  bei  der  Consolazione,  nicht  zu  geben  (l). 


(l)  Ligorio  cod.  Paris.  1129  f.  337  zeichnet  mehrere  ohne  Zweifel  echte 
Architekturfragmente  (Basen,  Kapitelle,  Gebälk),  welche  gefunden  seien  '  nella 
strada  che  anticamente  si  chiamava  via  nova,  cioö  a  destra  della  via  che 
si  parte  da  Santo  Theodoro  per  andare  alla  chiesa  di  Sangiorgio '  (vgl. 
Lanciani  Storia  d.  scavi  2,  205)  und  die  er  einem  Tempio  di  Vertumno 
zuschreibt.  Man  könnte  versucht  sein,  mit  Rücksicht  auf  den  von  Ligorio 
gleichfalls  erwähnten  Fund  der  bekannten  Basis  Vortumno  temporibus  Dio- 
cletiani  {CIL.  VI,  804  vgl.  Jordan  Eph.  epigr.  III,  241,  Topogr.  I,  2  S.  374) 
die  Fundstelle  in  der  Nähe  der  Consolazione  zu  suchen.  Aber  auf  der  Anteiquae 
Urbis  Imago  (1553)  zeichnet  Ligorio  das  '  Templum  Vertumni '  in  ziemlicher 
Entfernung  von  der  '  Curia  Hostilia  '  (=  Templum  Divi  Augusti),.  fast  gegen- 
über der  Westspitze  des  Palatins.  Die  Fundstelle  dürfte  also  etwa  zwischen 
Via  dei  Fienili  und  S.  Giorgio  in  Velabro  gewesen  sein. 


14  CH.    HUELSEN 

Auf  oder  an  diesem  Graecostadium  hatte  also  der  manceps 
Eusebius  seine  Wohnung  oder  sein  Geschäftslokal ;  man  wird  dabei 
an  Seneca  de  dementia  13  erinnern  dürfen:  gut  ad  Castoris  nego- 
tiantur  nequam  mancipia  erneutes  vendentesque,  quorum  tabernae 
pessimorum  servorum  turba  refertae  sunt.  Erhöhte  Wahrschein- 
lichkeit aber  gewinnt  eine  Vermutung  von  Urlichs  (die  Tabernen 
am  röm.  Forum,  Rhein.  Mus.  1857,  219),  dass  mit  der  cElh]voav 
ccyoqcx  bei  Plutarch.  de  soller t.  anim.  19  (II  p.  973  C.)  eben  dies 
Graecostadium  gemeint  sei.  Plutarch  erzählt  dort:  xovqsvq  %ig 
SQyuGirjQiov  e%a)v  ev  cPoi^fj  tiqo  tov  xs^isvovg  o  xaÄovGiv  cEXh'j- 
vwv  äyoQccv,  davßaavov  %i  XQV!^a  nokvgxbvov  xal  noXvipüoyyov 
xitzrjQ  sOqexps.  Als  einst  der  Leichenzug  eines  vornehmen  Mannes 
vorbeikam,  und  an  dem  Platze  wOtisq  si'w&sv  Halt  machte,  wurde 
die  Elster  zur  Nachahmung  der  Tuba-Töne  gereizt,  die  ihr  auch 
wunderbar  gelangen.  Wie  gut  diese  Anekdote  zur  Lage  des  Grae- 
costadiums  bei  der  Consolazione  passt,  liegt  auf  der  Hand. 

Ueber  die  als  Rostri  cesarei  bezeichnete  Substruction  (') 
(JB.  1902,  S.  14  f.)  referieren  Vaglieri  p.  155  f.  und  Mrs.  Burton- 
Brown  p.  112-116  wesentlich  im  Anschluss  an  Boni,  der  Atti  del 
Congresso  storico  p.  554-556  seine  Theorie  wiederholt  (unter  Bei- 
gabe einer  Photographie).  Lanciani  in  dem  oben  angeführten  Auf- 
satze über  das  Volcanal  S.  128  erklärt  sie  für  eine  Substruction 
der  area  Concordiae  et  Volcani  aus  sullanischer  Zeit :  bei  dem 
altertümlichen  Aussehen  des  Quasireticulats  in  den  Hinterwänden 
der  Kammern  und  des  eigentümlichen  Construction  des  Ziegelpfla- 
sters ist  diese  Hypothese  erwägenswert.  Wenn  jedoch  Richter  (Red- 
nerbühne S.  8.  9)  dieselbe  durch  Vergleichung  der  Höhenverhältnisse 
zu  stützen  sucht  und  angiebt,  das  Pflaster  aus  Ziegelbrocken  liege 
12,476  m.  ü.  M.,  das  späte  Forumspflaster  am  westlichen  Ende 
des  Forums  13,576  (nach  Not.  d.  scavi  1900,  Plan  zu  S.  229), 
das  caesarische  etwa  13,176,  so  dass,  bei  einer  Differenz  von  etwa 
70  cm.  zwischen  Ziegelpaviment  und  caesarischem  Pflaster,  das 
Niveau  des  ersteren  der  sullanischen  Periode  nicht  unangemessen 


(*)  Die  beiden  letzten  (nördlichsten)  Kammern  waren  bereits  i.  J.  1835 
einmal  ausgegraben,  ebenso  der  grosse  Kanal  aus  Tuff:  s.  Angelini-Feas  Plan 
u.  S.  25. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANLM  15 

scheine,  so  ist  dagegen  zu  bemerken,  dass  das  Ziegelpflaster  keines- 
wegs in  gleichem  Niveau  verläuft.  Es  steigt,  wie  unter  dem  Fun- 
dament der  '  Schola  Xantha '  deutlich  zu  sehen  ist,  nach  Osten 
(Mitte  des  Forums)  auf;  ein  Stück  nach  der  Basilica  Julia  zu 
(unter  der  neuen  Wegesubstruction)  liegt  fast  50  cm.  über  dem 
Fussboden  der  Kammern,  also  in  einer  Höhe,  die  Richter  als  4  cae- 
sarisches Pflaster '  bezeichnen  würde.  Aufklärung  kann  hier  nur  die 
Fortsetzung  der  Ausgrabungen  bringen  (l). 

Die  Ruine  der  Rostra  hat  eine  weitgehende  Ergänzung  er- 
fahren. Die  ganze*  Vorderseite  des  Baus  ist  bis  zur  Höhe  von 
4  m.,  nicht  in  Quadern  sondern  in  Tutfmauerwerk,  dem  man  eine 
gleichmässige  braune  Tünche  gegeben  hat,  wiederhergestellt.  Die 
Zapfenlöcher  fiir  die  Schiffsschnäbel  sind  überall  angebracht,  ebenso 
die  Eintiefungen  für  die  Pilaster  dazwischen.  Auf  der  Höhe  der 
Mauer  hat  man  die  Reste  des  Gesimses  befestigt.  Ob  eine  derar- 
tige Erneuerung  einen  Nutzen  stiftet,  der  die  erheblichen  Kosten 
verlohnt,  ist  sehr  zweifelhaft.  Dem  Fachmann  sagt  sie  nicht  neues, 
im  Gegenteil  sind  durch  die  Ergänzung  die  erhaltenen  antiken 
Quadern  eingebaut,  und  die  Reste  des  Gebälkes  bequemer  Un- 
tersuchung entzogen.  Für  das  grössere  Publikum  aber  ist  der  Auf- 
bau des  Tuffkerns  allein  keineswegs  geeignet,  richtige  Vorstellun- 
gen über  die  antike  Gestalt  der  Rednerbühne  zu  erwecken.  War 
das  beabsichtigt,  so  hätte  man  auch  noch  weiter  gehen  sollen,  und 
etwa  an  der  fast  ganz  modernen  Südecke  über  dem  Tuffkern  auch 
den  Marmorbelag  samt  einigen  Schiffsschnäbeln,  ferner  oberhalb  des 
Gesimses  die  hermengeschmückte  Balustrade  restaurieren  sollen. 
Aber  es  ist  überhaupt  wünschenswert,  dass  man  den  schon  einmal 
zum  Glück  für  die  Ausgrabungen  verlassenen  Weg  der  umfänglichen 

(*)  Wenn  R.  gegen  meine  Angabe,  die  Front  der  Arkaden  liege  genau 
in  der  Längsaxe  des  Saturntempels,  einwendet  «  dies  ist  nicht  richtig :  die 
Front  weicht  von  dieser  Längsaxe  um  4  Grad  ab,  wie  u.  A.  auch  aus  To- 
gnettis  Plan  ersichtlich  ist »  so  möchte  ich  fragen,  auf  welche  Beobachtungen 
diese  angebliche  Correctur  begründet  ist.  Auf  dem  Plan  Mitt.  1902  Tf.  II 
finde  ich  eine  minimale  Abweichung  (er.  2°,  nicht  4°)  zwischen  Arkadenfront 
und  Seite  (nicht  Axe)  des  Saturntempels.  Jeder  Sachverständige  wird  ausser- 
dem nicht  in  Zweifel  sein,  dass  man  sich  in  diesem  Falle  an  die  ausdrück- 
liche Angabe  des  Textes  zu  halten  hat. 


16  CH.    HUELSEN 

Erneuerungen  (s.  Archäol.  Anz.  1899  S.  3  f.)  nicht  abermals  be- 
trete, namentlich  so  lange  für  das  Forum  und  seine  Denkmäler  so 
viel  wichtigeres  zu  thun  ist. 

0.  Richter,  Die    römische  Rednerbühne    (Beiträge  zur  römischen  Topogra- 
phie II).  Berlin  1903.  30  S.  4°. 

Der  Vf.  nimmt  die  meisten  Sätze,  die  er  in  seinen  früheren 
Arbeiten  (Rekonstruktion  und  Geschichte  der  römischen  Redner- 
bühne, Berlin  1884;  Jahrbuch  des  Instituts  1889  S.  3  ff.)  über 
die  Geschichte  und  die  bauliche  Entwickelung  der  Rostra  aufge- 
stellt hatte,  zurück,  und  bekennt  sich  im  Wesentlichen  zu  den  von 
Nichols  (Notizie  sui  rostri  del  Foro  Romano,  Rom  1885)  verfoch- 
tenen  Ansichten.  Seit  Bunsen  war  ziemlich  allgemein  angenommen, 
der  grosse  rechteckige  Bau  aus  Tuffquadern  sei  älter  als  das  da- 
hinter stehende  marmorbekleidete  '  Hemicycliura  ',  nur  Nichols  be- 
trachtete das  '  Hemicyclium '  (er  nennt  es  Graecostasis)  als  den 
ältesten  Bestandteil  des  ganzen  Complexes.  Richter  acceptiert  diese 
Chronologie,  jedoch  ist  ihm  der  Rundbau  nichts  anderes  als  die  im 
J.  44  v.  Chr.  von  Caesar  an  die  Westseite  des  Forums  verlegte 
Rostra.  Diese  habe  demnach  aus  einem  Bogensegment  von  23,60  m. 
Radius  bestanden :  die  Decoration  denkt  er  sich,  entsprechend  der 
Darstellung  auf  der  Palikanus-Münze  aus  kleinen  Bogen  über  Pi- 
lastern,  zwischen  denen  die  Schiffsschnäbel  angebracht  gewesen 
seien.  —  Vor  diesen  Rundbau  sei  dann,  in  trajanischer  oder  lia- 
drianischer  Zeit,  der  grosse  viereckige  Bau  gesetzt,  den  wir  bisher 
für  augustisch  hielten. 

Richter  hat  seine  Hypothese  durch  eine  Rekonstruction  (S.  15 
Abb.  16)  in  Plan  und  Aufriss  erläutert,  deren  Unwahrscheinlich- 
keit  sofort  in  die  Augen  springt  (').  Danach  wäre  die  caesarische 
Rostra  eine  Terrasse  von  der  grössten  Breite  von  2,50  m.,  die  aber 
—  sogar  in  der  Mitte,  wo  der  Sprechplatz  ist  —  durch  die  auf- 
gestellten Denkmäler  auf  wenig  über  1  m.  vermindert  wird.  Man 
stelle  sich  die  Situation  des  Redners  vor,  der,  durch  keine  Balu- 
strade geschützt  am  vorderen  Rande  der  er.  4  M.  hohen  Plattform 
zu  agieren  hatte!  Und  dann  soll  sich  hundert  und  fünfzig  Jahre 


(J)  Entschieden  abgelehnt  hat  Richters  Annahme  auch  Petersen  in  der 
unten  zu  besprechenden  Schrift:  Comitium,  Rostra,  Grab  des  Romulus  S.  33. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  17 

nach  Caesar,  in  einer  Zeit,  wo  auf  dem  Forum  die  Rostra  ad 
Divi  Juli  existierten,  wo  das  öffentliche  Leben  zum  grossen  Teil  auf 
die  Kaiserfora  übergegangen  war,  auf  einmal  das  Bedürfnis  heraus- 
gestellt haben,  die  Rostra  Caesars  nicht  etwa  mit  grösserem  Prunk 
neu  zu  dekorieren,  sondern  durch  den  grossen  vorgeschobenen  Qua- 
derbau auf  fast  das  siebenfache  ihres  Flächeninhaltes  zu  ver- 
grössern  !  Es  bedürfte  starker  Beweise  aus  der  baulichen  Analyse 
des  Monuments,  um  eine  derartige  Annahme  glaublich  zu  machen. 
Prüfen  wir  die  hauptsächlichsten  von  Richter  vorgebrachten,  soweit 
dies  bei  dem  Mangel  einer  neuen  grossen  Aufnahme  der  ganzen 
Rostra,  und  ohne  Ausgrabungen  möglich  ist. 

Soll  das  b  Hemicyclium  '  die  caesarische  Rednerbühne  sein,  so 
gehört  zu  ihr,  wie  Richter  zugiebt,  unzweifelhaft  der  Schmuck 
mit  den  Schiffsschnäbeln,  und  den  glaubt  Richter  auch  nachweisen 
zu  können,  i  Spuren  der  Befestigung  von  Schiffsschnäbeln  an  dem 
Rundbau  (sagt  er  S.  21),  sind  nicht  mit  der  Bestimmtheit  wie  am 
Quaderbau  nachzuweisen,  aber  sie  fehlen  auch  nicht  ganz  t  ;  und 
ausführlicher  S.  13 :  ■  der  einzige  grössere  Rest  einer  Platte  von 
Portasanta  zeigt ...  in  seiner  oberen  Hälfte  eine  Anzahl  von  bron- 
zenen Stiften  in  sauber  gebohrten  Löchern,  die,  wie  es  scheint, 
zum  Festhalten  von  bronzenen  Zierraten  diente,  ausserdem  etwa  in 
der  Mitte  Löcher  zum  Einlassen  grösserer  Gegenstände  « . 

Sicher  antik  sind  die  kleinen  sauber  gebohrten  runden  Löcher 
—  ihre  Existenz  ist  auch  gleich  nach  der  Ausgrabung  von  sorgfäl- 
tigen Beobachtern  bemerkt  (*)  —  sowie  einige  rechteckige  (0,06 
X  0,02)  schrägstehende  in  der  oberen  Hälfte  der  Platte.  Diese  sind 
aber  zu  klein  und  zu  wenig  tief  (sie  gehen  nicht  einmal  durch  den 


(0  So  von  Em.  Sarti  (unten  S.  21);  Bunsen  Beschr.  3,  2,  104  (1836): 
u  jedermann  kann  sich  leicht  überzeugen,  dass  an  der  capitolinischen  Redner- 
bühne zwischen  den  Pilastern  zwar  leichte  Bronzeverzierungen  angebracht 
waren,  deren  Reste  noch  teilweise  sichtbar  sind,  nie  aber  Schiffsschnäbel». 
Auch  Canina  hat  in  seinen  ersten  Arbeiten,  wo  er  dem  Monumente  unbe- 
fangen gegenüberstand,  die  Unmöglichkeit  der  Anbringung  der  Rostra  aus- 
drücklich hervorgehoben.  So  Atti  delVAccad.  pontif.  VIII  (1838)  p.  109 
(geschrieben  1836) :  Ora  di  questi  rostri  non  si  vedono  tracce,  e  piü  non  ve 
ne  potevano  essere.  Erst  später  (Indicazione  ed.  3,  1844,  p.  163  vi.  s.  w.) 
behauptet  er  fälschlich,  ancora  veggonsi  tracce  dei  perni  che  trattenevano  i 
rostri  di  bronzo. 

2 


18  CH.   HUELSEN 

Marmor  hindurch),  um  schwere  Gegenstände  zu  tragen.  Dagegen 
sind  die  grossen  Löcher  in  der  Mitte  der  Platte  (auch  auf  Richters 
Abbildung  9  sichtbar)  m.  Er.  zweifellos  modern  und  nur  behufs 
der  Anheftung  der  Platten  an  den  Gusskern  gemacht :  sie  sind  ihrer 
rohen  Ausführung  nach  ganz  ähnlich  denen  an  den  unteren  Bruchrän- 
dern der  meisten  Platten.  Da  somit  die  Vorrichtungen  zum  Tragen 
schwerer  Gegenstände  fehlen,  so  kann  der  Rundbau  keine  Schiffs- 
schnäbel getragen  haben,  und  damit  entfällt  auch  die  Möglichkeit, 
ihn  für  die  caesarische  Rednerbühne  zu  halten  und  die  Münze  des 
Palikanus  auf  ihn  zu  beziehen  (1). 

Ist  nun  aber  das  Hemicyclium,  wenn  nicht  caesarische  Rostra, 
so  doch  älter  als  der  grosse  davor  stehende  Quaderbau  ?  Richter 
glaubt  dafür  hauptsächlich  zwei  Argumente  zu  haben.  Er  kommt 
erstens  auf  die  bereits  von  Nichols  (Rostri  p.  38  u.  Tf.  VI)  ge- 
machte Beobachtung  zurück,  dass  an  der  Stelle  wo  die  Nordwand  des 
Quaderbaus  gegen  das  Hemicyclium  stösst,  der  Ablauf  des  letzteren 
zum  Theil  abgearbeitet  ist,  um  den  der  Quadermauer  zu  verlegen. 
Daraus  folge,  dass  der  Sockel  des  Hemicycliums  schon  vorhanden 
gewesen  sei,  als  die  Quadermauer  errichtet  wurde,  mithin  sei  der 
Quaderbau  eine  spätere  Erweiterung  des  alten  Hemicycliums. 

Ich  bin  erstaunt,  dass  R.  es  für  möglich  hält,  eine  so  rohe 
und  liederliche  Arbeit  wie  die  Verlegung  des  Sockels  des  Quader- 
baus und  die  Abhackung  des  Sockels  des  Hemicycliums  (s.  R.'s 
Abb.  6-8)  sei  in  Trajanischer  Zeit,  als  man  die  neuen  Rostra  vor 
die  alten  setzte,  gemacht  worden.  Richter  hat  m.  Er.  früher  (Rostra 
S.  30  f.)  diese  Reste  besser  beobachtet  und  beurteilt,  auch  vor 
allem  hervorgehoben,  welche  grossen  Veränderungen  die  Errichtung 
des  Severusbogens  für  die  ganze  Nordseite  der  Quadermauer  mit 
sich  gebracht  hat.  Ich  möchte  glauben,  dass  damals  der  Marmor- 
sockel, der  nach  dem  Umbau  Träger  eines  Metallgitters  werden 
sollte,  zeitweise  aufgenommen  und  dann  aufs  neue  verlegt  worden 
ist.  Das  letzte  Stück,  welches  gegen  den  neuen  Hemicycliumssockel 

(!)  Nicht  weiter  einzugehen  ist  hier  auf  Gegenbeweise  secundärer  Natur, 
namentlich  die  prunkende  Ausstattung  mit  buntem  griechischem  Marmor  ver- 
schiedener Sorten  (nicht  bunten  Kalksteinplatten,  wie  Petersen  a.  a.  0.  S. 
33  sagt),  die  für  die  caesarische  Zeit  höchst  unwahrscheinlich  ist;  auf  die 
Form  des  Ablaufes  mit  den  griechischen  Steinmetzzeichen,  die  mir  eher  für 
das  3.  Jhdt.  nach  Chr.  als  das  erste  vor  Chr.  passend  scheint,  u.  a. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  19 

stossen  sollte,  war  ein  wenig  zu  lang :  infolge  dessen  wurde  das 
Profil  des  Hemicycliums  in  der  rohen  Weise,  wie  sie  Nichols  Tf.  VI 
und  Richters  Abb.  6  und  7  zeigen,  abgearbeitet.  Allerdings  ist  das 
Eckstück  des  Hemicyclium-Profils  früher  an  seinen  Platz  gelegt, 
als  das  der  graden  Mauer :  aber  die  zeitliche  Distanz  beträgt  nicht 
Jahrzehnte  oder  Jahrhunderte,  sondern  ^Wochen  oder  vielleicht  nur 
Tage. 

Zweitens  behauptet  Richter  (S.  12),  das  '  Hemicyclium '  sei 
50-60  cm.  tiefer  fundiert,  als  der  davorliegende  Quaderbau,  dem 
höheren  Niveau  müsse  aber  auch  jüngere  Entstehungszeit  entspre- 
chen. Hierbei  werden  zwei  Dinge  gleichgesetzt,  die  in  Wirklichkeit 
recht  verschieden  sind,  nämlich  der  Gusswerkkern  des  Rundes  und 
seine  Marmordekoration.  Die  Fundamente  des  erste ren  sind  deutlich 
zu  erkennen  nur  an  der  Südseite,  wo  durch  den  Rostrabau  die  Ter- 
rasse der  sog.  Rostri  cesarei  verdeckt  und  zum  Teile  ausgefüllt 
ist.  Hier  musste  natürlich  das  Gusswerk  bis  auf  das  Ziegelpavi- 
ment  hinabgeführt  werden,  also  tiefer  als  die  Fundamente  des  vor- 
deren Quaderbaus,  selbst  wenn  es  mit  diesem  gleichzeitig  war.  Wie 
die  Sache  an  der  Nordseite  steht,  wo  jener  Anlass  zu  besonders 
tiefer  Fundamentierung  nicht  vorhanden  ist,  lässt  sich  ohne  weitere 
Ausgrabung  nicht  sagen.  Bei  der  Marmor  wand  aber  liegt,  unter 
dem  Ablauf  von  weissem  Marmor,  eine  Travertinschwelle,  die  auf 
Gusswerk  ruht:  der  Travertin  stösst  an  die  sehr  ähnliche  Travertin- 
schwelle  des  quadratischen  Baus,  aber  er  liegt  nicht  tiefer,  sondern 
höher  als  diese.  Man  müsste  also  annehmen,  dass  das  Niveau  der 
4  caesarischen '  Zeit  (um  R.'s  Terminologie  einmal  zu  acceptieren) 
um  er.  1,20  m.  über  das  '  sullanische  '  erhöht,  dann  wiederum  das 
der  Kaiserzeit  um  er.  30  cm.  gesenkt  worden  sei :  eine  sehr  künst- 
liche Annahme,  zu  der  man  sich  ohne  zwingende  Gründe  nicht 
entschliessen  wird. 

Die  Annahme  der  Priorität  des  Rundbaus  vor  dem  quadrati- 
schen führt  aber  auch  zu  ganz  sonderbaren  Consequenzen  hinsicht- 
lich der  Zerstörung  des  ersteren.  Man  muss  nämlich  annehmen,  es 
sei,  bei  Errichtung  der  grossen  Quadermauern,  vor  die  Rundmauer 
eine  dieselbe  beinahe  tangierende  Mauer  aus  Ziegeln  gesetzt,  und 
der  Raum  zwischen  beiden  teils  mit  Gusswerk,  teils  mit  Schutt  (so 
wird  man  R.'s  Abb.  13  verstehen  müssen)  ausgefüllt  worden:  wobei 
die  Marmordekoration   in   der  südlichen  Hälfte  samt  Ablauf  und 


20  CH.    HUELSEN 

Fundament  herausgenommen,  in  der  nördlichen  völlig  belassen  sei. 
Ein  derartiges  Verfahren  ist  sehr  unwahrscheinlich  schon  für  die 
Epoche  des  Trajan,  der  Richter  es  zuschreiben  möchte,  ganz  un- 
möglich aber  scheint  es  für  die  letzte  republikanische  oder  frühe 
augustische  Zeit,  der  die  Ziegelmauer  gh  (JB.  1902  Tf.  II)  nach 
ihrem  Material  unzweifelhaft  angehört  (1).  Wie  sollte  man  damals 
etwas  so  kostbares  wie  diese  Portasantaplatten  einfach  in  die  Fun- 
damente eingebaut  haben? 

Ich  halte  also  an  der  bisherigen  Annahme  fest,  dass  das  '  He- 
micyclium  '  aus  dem  früher  bis  an  die  Ziegelmauer  reichenden  Guss- 
werkkern herausgeschnitten  ist,  und  zwar  wahrscheinlich  in  der  Zeit 
des  Septimius  Severus,  als  man  einen  direkten  Zugang  von  der  Seite 
der  Curie  zur  Plattform  der  Rostra  schaffen  wollte,  diesen  Zugang 
aber,  da  der  grosse  Triumphbogen  seine  Anlage  ausserhalb  der  Nord- 
mauer nicht  zuliess,  in  das  Rechteck  selbst  hineinverlegte.  Das  Stu- 
fenrund an  der  Rückseite  des  '  Hemicycliums '  dagegen  halte  ich, 
namentlich  nachdem  das  früher  als  Beweis  für  eine  ursprünglich 
ganz  rechteckige  Rostra  angeführte  Forma-Fragment  eliminiert  ist  (o. 
S.  13)  für  den  ursprünglichen,  dem  rechteckigen  Quaderbau  gleich- 
zeitigen Zugang  zur  Rostra- Plattform  vom  Clivus  aus.  In  sofern 
steht  das  Hemicyclium  mit  dem  Quaderbau  ohne  Zweifel  in  engem 
Zusammenhang  (2). 

(*)  Diese  Mauer  hatte  Richter  früher  für  sehr  alt,  noch  für  voraugustisch 
gehalten;  jetzt  soll  sie  trajanisch  sein,  denn  «  es  wäre  sehr  falsch,  anzunehmen, 
dass  die  Zeit  Trajans  nicht  ebenso  sauber  hätte  bauen  können  oder  wollen, 
wie  die  Caesars».  Um  mehr  oder  minder  saubere  Ausführung  handelt  es  sich 
hier  gar  nicht,  sondern  um  eine  sehr  charakteristische  Eigentümlichkeit  des 
Materials.  Die  Mauer  besteht  nicht  etwa  aus  kleinen  dreieckig  geformten 
(resp.  aus  einem  Quadrat  halbirten)  Ziegeln,  wie  sie  seit  Ende  des  1.  Jhdts. 
in  Rom  allgemein  in  Gebrauch  sind,  sondern  aus  unregelmässigen,  mit  dem 
Hammer  zurechtgehauenen  dreieckigen  oder  länglichen  Stücken.  Auf  nicht 
einem  derselben  —  und  es  sind  jetzt  weit  über  hundert  sichtbar  —  findet  sich 
der  Rest  eines  Stempels,  wie  das  bei  Verwendung  von  Altmaterial  in  trajani- 
scher  Zeit  fast  unausbleiblich  gewesen  wäre.  Ich  halte  nach  wie  vor  diese 
Mauer  für  ein  Werk  aus  dem  ersten  Anfange  der  Kaiserzeit.  [Dasselbe  be- 
merkt Boni  in  den  mir  während  des  Drucks  zugehenden  Atti  del  Congresso 
storico,  wo  er  S.  560  f.  ausführlich  über  die  structura  testacea  handelt]. 

(2)  Ein  Argument  für  diesen  Zusammenhang,  welches  Richter  S.  17  mit 
besonderem  Nachdruck  vorbringt,  muss  ich  allerdings  ganz  entschieden  ableh- 
nen. Die  Travertinplatten,  mit  welchen  der  nördliche  Teil  des  Rundbaus  abge- 


AUSGRABUNGEN   AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  21 

Dass  diese  Hypothese  mehr  als  einen  Zweifel  übrig  lässt,  ver- 
kenne ich  nicht :  aber  ohne  weitere  Ausgrabungen  wird  man  in  der 
Aufhellung  weder  der  Geschichte  noch  der  Construction  der.  Rostra 


deckt  ist,  seien,  meint  er,  nicht  wie  bei  einem  Rundbau  zu  erwarten,  keilförmig 
geschnitten,  sondern  lägen  parallel  nebeneinander,  und  zwar  parallel  den 
Seitenwänden  des  Quaderbaus.  «  Die  Aufnahme  der  Rednerbühne  von  Tognetti 
. . .  ist  in  der  Wiedergabe  dieses  Details  und  auch  anderer  ungenau;  T.'s  Zeich- 
nungen sind  leider  nicht  durchaus  zuverlässig  ».  Um  dieser  «  von  Hülsen  nicht 
bemerkten  Mangelhaftigkeit  n  abzuhelfen,  giebt  dann  Richter  eine  «  neuste  Auf- 
nahme von  Hülcker  ».  Der  mir  unbekannte  Hr.  Hülcker  mag  sich  mit  seiner 
Aibeit  redliche  Mühe  gegeben  haben,  hat  aber  sichtlich  von  den  Anforde- 
rungen, die  man  an  die  Aufnahme  eines  antiken  Monumentes  stellen  muss, 
keine  Ahnung.  Seine  Zeichnung,  bei  der  man  nie  unterscheiden  kann,  was 
Plattenrand,  was  Bruch  ist,  bei  der  die  Klammer-  und  sonstigen  Löcher  ganz 
willkürlich  und  verständnislos  bezeichnet  sind,  ist  die  eines  Dilettanten,  der 
wohl  selbst  nicht  beanspruchen  würde,  seine  Arbeit  gegen  die  bewährter 
Fachleute  ausgespielt  zu  sehen.  —  Wie  die  Sache  wirklich  aussieht,  zeigt 
Tf.  I.  Der  Parallelismus  der  Fugen  untereinander  und  mit  den  Wänden 
des  Quaderbaus  existiert  nicht,  die  Steine  sind  alle  ungenau  geschnitten,  wie 
auch  auf  F.  0.  Schulze's  Plan  zu  R.'s  Rednerbühne  1886(1:80)  zu  sehen. 
Auf  dem  Plan  Mitth.  1902  Tf.  II  ist  allerdings  die  Grenzlinie  der  zweiten 
und  dritten  Platte  nicht  ganz  correct  gezeichnet :  aber  von  einem  Plan  in  1 : 
250  wird  kein  billiger  Beurteiler  Genauigkeit  im  Umriss  jedes  einzelnen 
Pflastersteines  verlangen.  Zu  erwähnen  ist  aber  ein  Detail,  in  dem  Hrn.  Hül- 
ckers  Plan  scheinbar  vollständiger  ist  als  Tognettis;  in  den  untersten  Stu- 
fen des  Rundes  (bei  i  Tf.  I)  hat  er  fünf  Blöcke,  die  Tognetti  auslässt.  Der 
Grund  für  diese  Auslassung  erklärt  sich  leicht:  die  Blöcke  sind  erst  in 
allerneuster  Zeit  dorthin  verlegt  (sie  lagen  z.  B.  noch  nicht,  als  die  Photo- 
graphieen  des  Clivus  vom  Ballon  aus  —  s.  JB.  1902,  8  und  die  Tafel  zu 
Bonis  oben  S.  5  erwähntem  Vortrag  —  gemacht  wurden;  vgl.  auch  Ange- 
linas Plan,  S.  25  Abb.  3).  Die  Verschiedenheit  der  Stücke  ist  weder  Hrn. 
Hülcker  noch  Richter  aufgefallen;  ja  letzterer  basiert  sogar  noch  Folgerungen 
auf  einen  dieser  modern  hingelegten  Blöcke.  «  Genau  in  der  Mitte  der  An- 
lage »  —  heisst  es  S.  14  —  «  befindet  sich  in  der  untersten  Stufe  ein  quadra- 
tischer Einschnitt,  das  Einsatzloch  für  eine  Säule  oder  Ära,  deren  Aufsatz- 
spuren auch  auf  der  Oberfläche  der  Stufe  noch  wahrnehmbar  sind.  Danach 
stand  diese  Ära  oder  was  es  sonst  war,  nur  zur  Hälfte  auf  der  untersten 
Stufe,  die  andere  war  auf  dem  davor  liegenden,  jetzt  spurlos  verschwundenen 
Pflaster  der  Area  Concordiae  fundiert  ».  In  Wirklichkeit  handelt  es  sich 
um  einen  Block,  der  als  Thürschwelle  gedient  hat:  das  Angelloch  und  die 
halbkreisförmigen  Thürspuren  sind  noch  deutlich  erkennbar  (auf  Tf.  I  sind 
diese  und  einige  andere  modern  hingelegte  Blöcke  punktiert  gezeichnet). 


22  CH.    HUELSEN 

weiter  kommen  (1).  Hier  musste  ich  mich  darauf  beschränken,  die 
neuen  Beobachtungen,  durch  welche  die  ganze  Vorstellung  von  der 
Entwicklung  des  Bauwerks  umgestaltet  werden  soll,  als  grossen- 
teils  unzutreffend  zu  erweisen. 

Ich  kann  auf  die  übrigen  Teile  des~ Richterschen  Programms  nicht  mit 
gleicher  Ausführlichkeit  eingehen,  möchte  aber  bemerken,  dass  ich  auch  seine 
Aufstellungen  über  die  Geschichte  der  Rednerbühne  nicht  zu  ihrem  Vorteil 
verändert  finde.  So  legt  er  jetzt  entscheidendes  Gewicht  auf  die  Angabe  des 
Dio  (43,  49)  wonach  die  Verlegung  der  Rednerbühne  i.  J.  44  ausgeführt  sei : 
aber  Dio  ist  für  stadtrömische  Vorgänge,  die  250  Jahre  vor  seiner  Zeit  liegen 
ein  keineswegs  immer  zuverlässiger  Zeuge  (2),  und  das  früher  von  Richter 
selbst  betonte  völlige  Schweigen  Ciceros  über  eine  bei  seinen  Lebzeiten  voll- 
zogene Veränderung  scheint  mir  ebenso  entscheidend  gegen  eine  Vollendung 
des  Steinbaus  noch  durch  Caesar,  wie  der  Name  rostra  Augusti  für  seine 
Vollendung  durch  den  ersten  Kaiser  (3).  Ebenso  wenig  brauche  ich  mich  ein- 

(1)  Nicht  eingehen  kann  ich  auch  auf  die  Gestaltung  der  Nordfas- 
sade und  ihres  Einganges:  die  vor  fast  20  Jahren  von  Nichols  bemerkten 
Spuren  sind  stets  so  unbedeutend  gewesen  und  mit  der  Zeit  so  undeutlich 
geworden,  dass  ich  es  für  gewagt  halte,  so  weitgehende  Folgerungen  zu  ziehen, 
wie  das  Richter  S.  19 ff.  thut.  Nur  bemerke  ich,  dass  die  Angabe  «das  Pa- 
viment  von  Ziegelplatten  (im  Inneren  des  Unterraumes,  mit  severischen  Stem- 
peln, s.  JB.  1902,  17)  setzt  sich  auch  ausserhalb  des  Quaderbaus  fort  »  falsch 
ist.  Das  Ziegelpaviment  ausserhalb  hat  ganz  verschiedenes  Material,  und  ist 
seiner  Technik  nach  eine  recht  liederliche  Arbeit  aus  später  Zeit. 

(2)  So  folgen  gleich  im  nächsten  Kapitel  (43,  50)  die  falsche  Angabe, 
Caesar  habe  das  städtische  Pomerium  erweitert  (s.  darüber  Mommsen  St.  R.  2, 
738  £  und  C.  I.  L.  VI  p.  3106)  und  die  sehr  bedenkliche  Anekdote  über  die 
Demolitionen  zum  Behuf  des  Baus  des  Marcellustheaters ;  weiter  (49,  43)  ver- 
wechselt Dio  die  porticus  Octaviae  mit  der  porticus  Octavia;  die  Einwei- 
hung des  Marcellustheaters  wird  zwei  Jahre  zu  früh  angegeben  (54,  26)  u.  s.  f. 

(3)  Es  ist  pure  Willkür,  wenn  Richter  S.  22  behauptet  «  die  Stelle  Pom- 
ponius  de  origine  iuris  43  gehört  nicht  hierher».  Es  ist  da  (Dig.  1,2,  2,  43) 
die  Rede  von  der  aus  Cicero  (Phil.  9,  7,  16)  bekannten  Statue,  die  dem 
Ser.  Sulpicius  vom  Volke  in  rostris  gesetzt  war:  et  hodiegue  extat  pro  ro- 
stris  Augusti.  Hätte  sie,  wie  Jordan  Top.  1,  2  S.  228  A.  63  annimmt,  zu 
Pomponius  Zeit  vor  dem  Caesartempel  gestanden,  so  wäre  hodie  translata 
est  ad  (oder  ante)  rostra  aedis  divi  Juli  der  einzig  statthafte  Ausdruck. 
Ebenso  wenig  wie  forum  Augusti  jemals  einen  andern  Platz  bedeutet  als  den 
mit  dem  Mars  Ultor-Tempel  in  der  Mitte,  kann  rostra  Augusti  heissen  «  die 
vom  regierenden  Kaiser  restaurierte  Rednerbühne  ».  Die  Pomponius-Stelle  kann 
sich  sachlich  wie  sprachlich  nur  auf  die  Bühne  beziehen,  welche  als  Ersatz 
für  die  alte  republikanische  erbaut  wurde,  und  das  ist  eben  die  am  Westende 
des  Forums.  Das  «  Schweigen  des  Monumentum  Ancyranum  über  den  Bau  n  wel- 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  23 

zulassen  auf  Widerlegung  dessen,  was  R.  über  die  Aufstellung  der  trajani- 
schen  Marmorschranken  sagt,  wo  er  Petersens  Ansicht  als  '  abgethan  '  und  '  ver- 
fehlt'  bezeichnet,  ohne  dessen  Argumente  überhaupt  richtig  gewürdigt  zu 
haben.  Wenn  er  sich  die  beiden  Schranken  in  der  Mitte  der  Plattform  auf- 
gestellt denkt,  um  den  l  Sprechplatz  '  abzugrenzen,  so  ist  der  '  praktische  1 
Zweck  eben  so  wenig  einzusehen,  wie  der  '  ideale  '  (*)•  Ich  kann  also  auch 
in  diesen  Ausführungen  Richters  keinen  Fortschritt  gegen  seine  früheren  Ar- 
beiten erkennen. 


Ueber  Ausgrabungen  in  der  Renaissance  bei  den  Rostra  und 
dem  Severusbogen  giebt  Lanciani,  Storia  degli  $c<will,p.  185-189 
Nachricht.  Von  Interesse  ist  darunter  besonders  die  aus  Ligorio  ge- 
zogene genaue  Fundnotiz  der  Diülius-Inschrift:  fu  trouato  infra 
l'arco  di  Severo  et  ü  clivo  Capitolino,  muralo  nel  fondamento 
d'una  casaccia,  cKera  anche  rovinataJ  giä  fatta  addosso  alVarco 
triomphale  (Taur.  XV  f.  71,  ähnlich  V,  97,  wo  hinzugefügt  ist: 
la  quäl  cosa  fu  scoperla  Vanno  del  1565).  Ich  halte  mit  Lan- 
ciani diese  Angabe  für  zuverlässig:  danach  wäre  das  Fragment  fuori 
diposto,  vielleicht  verbaut  in  ein  Nebengebäude  de*r  Kirche  S.  Sergio 
e  Bacco,  zu  Tage  gekommen. 

Auf  zwei  für  die  Ausgrabung  der  Rostra  in  den  1830er  Jahren 
wertvolle  Dokumente  mag  hier  hingewiesen  werden,  da  sie  in  der 
neueren  Litteratur  ganz  übersehen  scheinen:  erstens  den  Bericht 
Emiliano  Sartis.  Dieser  Gelehrte,  der  sich  für  die  Rostra  besonders 
interessierte  —  hat  er  doch  zuerst  die  Bedeutung  der  Zapfenlöcher 
in  den  Quadern  des  grossen  Rechtecks  erkannt  und  dem  Monumente 


ches  R.  früher  (Rednerbühne  S.  51)  gegen  den  augustischen  Ursprung  der 
Rostra  anführte,  beweist  gar  nichts.  Das  Ancyranum  will  ja  keinen  vollstän- 
digen Bautenkatalog  des  Kaisers  geben,  übergeht  z.  B.  die  notorisch  von  Au- 
^gustus  angelegte  aqua  Alsietina,  während  es  die  Wiederherstellung  der  Marcia 
erwähnt.  Und  die  Nichterwähnung  der  Rostra  ist  um  so  eher  erklärlich,  als  es 
sich  dabei  um  einen  bereits  von  Caesar  begonnen  oder  geplanten  Bau  handelt. 
S.  Mommsen  RGDA.  79. 

(')  Einen  ganz  falschen  Eindruck  ruft  die  Rekonstruction  S.  29  hervor, 
wo  das  Relief  nur  wenig  über  die  Balustrade  der  Bühne  hervorragend  ge- 
zeichnet ist.  Diese  Balustrade  müsste,  nach  Ausweis  des  darunter  gegebenen 
Massstabes  nicht  weniger  als  1,30,  mit  den  daraufstehenden  Hermen  1,80  m. 
hoch  sein!  Das  widerspricht  aber  jedem  vernünftigen  Zweck  ebenso  wie  der 
Darstellung  auf  dem  Constantinsbogen-Relief. 


24  CH.    HUELSEN 

den  richtigen  Namen  gegeben  (*)  —  beschreibt  in  seinen  Bologneser 
Scheden  (herausg.  von  Pelliccioni,  Arch.  della  Soc.  romana  di 
storia  patria  IX,  1886  p.  438  f.)  das  Monument  folgendermassen : 

Nella  platea  del  Foro  alla  altezza  di  palmi  romani  architettonici  (Zahl 
fehlt  im  Mscr.)  si  inalzava  un  corpo  di  fabbrica  semicircolare.  La  parte  cur- 
vilinea  di  esso  riguardava  il  Foro  ed  era  decorata  di  pilastrini  di  ordine 
corintio  di  marmo  detto  portasanta,  i  quali  nelle  loro  facce  avevano  ornati 
di  metallo,  come  si  riconosce  dai  forami  che  ancora  vi  restano.  La  larghezza 
che  in  tutto  il  circuito  della  fabbrica  era  certamente  uniforme,  si  divideva 
in  tre  parti,  o  zone  che  dir  si  vogliano,  concentriche,  ognuna  delle  quali 
era  alValtra  superiore  di  livello.  Di  queste  zone,  le  due  interne  erano  piü 
larghe  della  terza  esterna,  e  tutte  forse  erano  ricoperte  da  una  tettoia  o  inta- 
volamento  di  marmo  retto  da  colonne. 

La  fabbrica  era  forse  terminata  da  due  corpi  cilindrici  a  piü  ripiani, 
Vuno  a  tramontana  e  Valtro  a  mezzogiorno,  e  la  cima  della  fabbrica  stessa 
era  forse  ornata  di  una  ringhiera  o  balaustrata  tutto  alVintorno  di  quella 
parte  che  guarda  il  Foro. 

DalVarea  Concor diae  o  Saturni  la  fabbrica  era  accessibile  piano  pede. 
Dal  a  parte  del  Fo%o  vi  si  montava  per  una  scala  doppia  a  una  sola  rampa, 
la  quäle  e  stata  da  me  veduta  poco  prima  che  fosse  distrutta  dal  Severini 
che  nel  1834  dirigeva  i  lavori  per  incarico  avuto  dal  cav.  Salvi,  e  dal  mar- 
chese  Biondi,  membri  ambedue  della  nuova  commissione  sugli  scavi.  Innanzi 
alla  descritta  fabbrica  era  un  grande  suggesto  rettangolare  costruito  di  pietre 

quadrale  abhastanza  spatioso Nella  fronte  e  forse  nei  lati  di  cotesto 

suggesto  erano  inßssi  i  rostri  delle  navi  anziati  (Folgt  Beschreibung  des 
rechteckigen  Quaderbaus  mit  den  Spuren  der  Eostra). 

Sartis  Bericht  wird  ergänzt  durch  den  trefflichen,  leider  selten 
gewordenen  und  wenig  bekannten  Forumsplan  von  Angelini  und 
Fea  (2).  Aus  diesem  (s.  Fig.  3)  ist  ersichtlich,  dass  in  den  dreissiger 
Jahren  nicht  mehr  als  die  nördliche  Hälfte  des  Hemicycliums  und 

(l)  Man  sollte  endlich  aufhören,  das  Verdienst  dieser  schönen  Beob- 
achtung dem  unfähigen  Plagiator  Tocco  zuzuschreiben,  der  in  allen  seinen 
Compilationen  sich  scrupellos  Sarti's  Gut  angeeignet  hat.  S.  Pelliccioni, 
Emiliano  Sarti  p.  10;  Arch.  della  soc.  romana  IX,  440  u.  sonst. 

(*)  Von  diesem  Plane  existirt  nicht  nur  die  von  Jordan  (Eph.  epigr. 
III  p.  244,  Topogr.  I,  2  S.  155  u.  ö.)  citirte  Ausgabe  von  1837,  sondern  eine 
in  manchen  Details  davon  verschiedene  aus  dem  vorhergehenden  Jahre;  ein 
drittes  mir  vorliegendes  Exemplar,  ohne  Titel  und  ohne  die  später  eingetra- 
genen Längenmasse,  offenbar  ein  er.  1835  gemachter  Probedruck,  hat  wie- 
derum allerlei  kleine  Abweichungen,  zeigt  aber  die  Rostra  und  das  Hemicy- 
clium  ebenso  wie  die  beiden  anderen. 


AUSGRABUNGEN   AUF   DEM    FORUM    ROMANUM 


25 


der  Rostra  ausgegraben  ist :  und  zwar  hängt  diese  Ausgrabung  zusam- 
men mit  der  Anlage  der  Fahrstrasse  vom  Severusbogen  nach  dem 
Kapitol.  Bei  Fundierung  ihrer  rechten  (westlichen)  Böschungsmauer 
ist  die  später  wieder  verdeckte  südliche  Hälfte  des  Stufenrundes 


Fig.  3. 


sowie  die  beiden  ersten  Kammern  der  Clivus-Substruction  (sog. 
Rostri  cesarei)  zu  Tage  gekommen.  Die  von  Sarti  erwähnte  Treppe 
ist  allerdings  auch  bei  Angelini  nicht  gezeichnet,  kann  aber  kaum 
eine  andere  sein  als  die  kleine  an  die  Innenseite  der  Südmauer 
angelehnte  (e  JB.  1902  Tf.  II)  welche,  im  rechten  Winkel  um- 
biegend  (*  a  doppia  rampa '),  von   der  4  Schola  Xantha '  hinauf- 


26 


CH.   HUELSEN 


führte.  Das  Fundament  eines  Pfeilers  des  modernen  Viaducts,  dem 
die  Treppe  zum  grossen  Teil  zum  Opfer  fallen  musste,  ist  ober- 
halb /  auf  dem  citierten  Plan  noch  zu  erkennen. 

Schliesslich  mag  hier  eines  mittelalterlichen  Bauwerkes  ge- 
dacht werden,  welches  in  den  neueren   Untersuchungen   über   die 


■1 


■■■■■■■■■■■ 


Fig.  4. 


Rostra  und  die  benachbarten  Denkmäler  eine  Rolle  spielt,  nämlich 
der  Kirche  S.  Sergio  e  Bacco,  welche  bekanntlich  im  Einsiedeiner 
Itinerar  aufgeführt  wird  mit  dem  Zusätze :  ibi  umbilicum.  Infolge 
dessen  hat  man  die  Kirche  meist  unmittelbar  am  Severusbo- 
gen  (so  Jordan,  der  Top.  I,  2,  429  Spuren  des  Glockenturmes 
zwischen  Bogen  und  Focassäule  zu  finden  glaubte;  C.  Re  bull, 
comun.  1882  tav.  XIV  und  S.  120  ff.;  Armellini  chiese  di  Roma2  548; 
Grisar  Geschichte  Roms  im  MA.  I  619)  oder  auf  den  Rostra  (Duchesne 
zum  Über  Pontif.  I  p.  519;  le  Forum  chretien  49;  vgl.  meinen 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


27 


Aufsatz  Bull,  comun.  1888,  155  ff.  u.  Tf.  IX)  angesetzt.  Dass 
diese  Lokalisierung  nicht  ganz  richtig  ist,  ergiebt  sich  aus  zwei 
bisher  unvollständig  oder  gar  nicht  veröffentlichten  Zeichnungen, 
Die  erste  dieser  Zeichnungen  (Abb.  4)  findet  sich  in  M.  van 
Heemskercks  Cod.  Berolin.  II  fol.  79.  80:  es  ist  eine  grosse  Ve- 
dute des  Forums  (beschrieben  von  Michaelis  Jahrb.  des  Instituts 


IM 


Fig.  5. 


1891,  167),  aufgenommen  von  dem  Abhänge  vor  dem  Tabularium, 
fast  genau  oberhalb  der  Mitte  der  grossen  Basis  in  der  Cella  des 
Vespasianstempels.  Einen  Teil  davon  hat  Lanciani  R.  and  E.  283 
Fig.  107  skizziert,  vollständig  herausgegeben  wird  sie  in  der  dem- 
nächst erscheinenden  Publication  des  Codex  Escorialensis  (Sonder- 
schriften des  Oesterr.  Archaeol.  Instituts  Bd.  III).  Ich  gebe  beiste- 
hend (Fig.  4)  das  uns  interessirende  Mittelstück  nach  einer  Photogra- 
phie, welche  ich  der  Güte  des  Hrn.  Dr.  H.  Egger  in  Wien  verdanke. 


28  CH,   HUELSEN 

Wichtiger  noch  ist  die  zweite  (Fig.  5)  von  mir  im  römischen 
Kunsthandel  erworbene  Zeichnung,  eine  Skizze  des  bekannten 
Kupferstechers  Luigi  Rossini.  Der  Zeichner,  dessen  Standpunkt 
etwa  dem  östlichen  Bande  der  modernen  Strasse  vor  dem  Concor- 
dientempel,  gegenüber  dem  Mitteldurchgange  des  Severusbogens 
entspricht,  hat  den  Stand  der  Ausgrabungen  am  7.  Juni  1812 
fixiert.  Er  schreibt  dazu :  Avanzi  della  chiesa  di  S.  Sergio  e  Bacco 
sotto  il  tempio  di  Giove  TonanteJ  scoperta  nel  mese  dz  maggio 
1812  dopo  il  restauro  di  quel  tempio.  Später  hat  er  dann  noch 
hinzugefügt:  e  nel  maggio  1817  si  e  scoperto  il  Clivo  Capitolino, 
ed  i  fondamenti  di  detta  chiesa  sopra  le  pietre  di  detto  clivo. 
Ueber  diesen  letzteren  Scavo  bericht  ausführlich  Fea  im  Diario  di 
Roma  vom  26.  April  1817  (wiederabgedruckt  Varietä  di  notizie, 
1820,  p.  65):  das  damals  aufgedeckte  Stück  des  Clivus  liegt 
vor  der  Front  des  Vespasian-  und  an  der  Westseite  des  Saturn- 
tempels ;  gut  sichtbar  ist  der  Scavo  auch  auf  mehreren  Stichen  in 
Rossinis  Werk  /  sette  colli  (1827). 

Da  beide  Zeichnungen  von  verschiedenen  Standpunkten,  doch 
ganz  in  der  Nähe  aufgenommen  sind,  lässt  sich  die  Stelle  der 
Kirche  mit  völliger  Genauigkeit  bestimmen.  Sie  lag  demnach  weiter 
westlich  als  man  bisher  angenommen  hat:  ihre  Apsis  ganz  nahe 
den  beiden  Säulen  der  rechten  (nördlichen)  Langseite  des  Vespa- 
sianstempels,  ihre  nördliche  Langseite  bis  zum  Pronaos  des  Con- 
cordientempels  reichend.  Ihre  Stätte  wird  jetzt  gerade  von  der  mo- 
dernen Strasse  überdeckt:  von  Resten  ist  nichts  mehr  vorhanden, 
wenn  man  nicht  etwa  ein  Stück  schlechtes  Gusswerk,  das  sich 
an  die  linke  (südliche)  Ecke  des  Pronaos  des  Concordientempels 
anlehnt,  der  Kirche  zuschreiben  will.  Rossinis  Zeichnung  lässt 
erkennen,  dass  die  Kirche  nach  dem  Jahre  1560  nicht  abgerissen, 
sondern  absichtlich  verschüttet  worden  ist:  der  grosse  auf  allen 
Veduten  des  16.  und  17.  Jhdts.  sichtbare  Hügel  neben  den  drei 
Säulen  des  Templum  Vespasiani  barg  ihre  Reste. 

Der  Severusbogen  ist,  namentlich  in  seinen  oberen  Teilen, 
restauriert,  mehrere  schadhafte  Stücke  seines  Gesimses  sind  neu 
befestigt  worden  (Vaglieri,  Bull,  comun.  1902,  189;  1903,  151). 


AUSGRABUNGEN  AUF  DEM  FORUM  ROMANUM  29 

Comitium  und  Curia. 

Die  Ausgrabungen  vor  S.  Adriano  sind  im  Laufe  der  letzten 
zwei  Jahre  nicht  sehr  gefördert  worden:  man  hat  einen  Teil  des 
späten  Travertinpüasters  namentlich  zwischen  der  Constantius- 
Basis  und  der  grossen  Brunnenschale  (s.  JB.  1902  Fig.  7,  b.  vgl. 
S.  33)  aufgenommen  und  darunter  noch  mancherlei  alte  Tuffreste 
entdeckt.  Allerdings  sind  die  bis  jetzt  zu  Tage  gekommenen  Trüm- 
mer so  vereinzelt,  auch  in  Höhenlage  und  Bauart  so  verschieden, 
dass  man  leicht  sieht,  es  handelt  sich  um  die  Beste  mehrerer  Mo- 
numente aus  verschiedenen  Epochen,  die  alle  arg  verstümmelt  sind. 
Es  ist  dringend  zu  wünschen,  dass  die  Ausgrabungen  gerade  an 
dieser  wichtigen  Stätte  energisch  fortgesetzt  werden:  einstweilen 
hätte  ich  mich  am  liebsten  begnügt,  die  neu  gefundenen  Beste 
kurz  zu  beschreiben  und  den  Plan  JB.  1902  S.  32  Fig.  7  zu  er- 
gänzen. Da  aber  der  Versuch,  nach  jenen  disjecta  membra  ein  voll- 
ständiges Bild  des  republikanischen  Comitiums  zu  entwerfen,  ge- 
macht ist  von 

E.  Petersen,  Comitium,  Rostra,  Grab  des  Eomulus.  Rom,  Loescher 
u.  Co.  1904.  42  S.  8°. 

und  da  diese  neueste  Arbeit  die  Topographie  des  republikanischen 
Comitiums  völlig  umzugestalten  unternimmt,  so  kann  ich  nicht 
umhin,  darauf  etwas  näher  einzugehen.  Ich  schicke  eine  Erörterung 
der  neu  gefundenen  Beste  voraus,  wobei  sich  die  hauptsächlichsten 
Punkte,  in  denen  ich  von  P.  abweiche,  schon  von  selbst  heraus- 
stellen werden. 

Eine  grössere  offizielle  Publikation,  welche  in  Aussicht  gestellt 
war,  ist  bisher  nicht  erschienen :  die  Pläne  und  Durchschnitte,  welche 
unsere  Taf.  II,  III  geben,  beruhen  auf  dem  Plane  Not.  d.  scavi  1900, 
296,  welcher  von  Hrn.  Tognetti  durch  Aufnahmen  an  Ort  und 
Stelle  ergänzt  ist. 

Unterhalb  des  Pflasters  aus  der  Kaiserzeit  (auf  Taf.  II  schwarz 
bezeichnet)  finden  sich  zwei,  nach  Höhenlage,  Material  und  Technik 
verschiedene  Schichten :  die  tiefere  (auf  Tf.  II  rot  bezeichnet)  setzt 
auf  in  der  Höhe  ;les  alten  Comitiums-Bodens  (Schicht  s  Fig.  9, 
JB.  1902,  37),  also  etwa  11  m.  ü.  M.:  sie  entspricht  annähernd 
der  untersten  Stufe  der  Treppe  l  Tf.  II  (vgl.  auch  Fig.  9  a.  a.  0.). 


30  CH.   HUELSEN 

Wir  rechnen  dazu  auch  das  '  Sacellum  \  dessen  Fundamente  er. 
0,50  m.  höher  liegen.  —  Die  höhere  Schicht  (auf  Tafel  II  gelb 
bezeichnet),  liegt  etwa  im  Niveau  12-13  m.  In  jeder  von  beiden 
Schichten  finden  wir  natürlich  mehrere  auch  zeitlich  von  einander 
verschiedene  Monumente. 

In  der  unteren  Schicht  ist  der  am  weitesten  zu  verfolgende 
Rest  eine  Stufe  aus  Tuffstein  {ab  c  d),  welche  sich  von  der  West- 
seite des  Niger  lapis  bis  fast  zur  Ecke  des  Platzes  vor  der  kai- 
serlichen Curie  verfolgen  lässt.  Bei  Errichtung  des  '  Sacellums  ' 
ist  eine  ihrer  Quadern  abgearbeitet  (s.  die  Zeichnung  in  Stud- 
niczka's  gleich  zu  erwähnender  Arbeit  S.  134  Fig.  81),  das  Sa- 
cellum also  jünger  als  die  Stufe,  wogegen  die  archaische  In- 
schriftstele noch  älter  sein  dürfte.  Von  dieser  Stufe  führen  am 
Westrande,  unter  dem  '  niger  lapis  '  (bei  a),  dann  in  der  Mitte  neben 
dem  fünfeckigen  Pozzo  II  (bei  b)  (s.  JB.  1902,  25  und  Studniczka 
a.  a.  0.),  endlich  am  Ostende  bei  d  mehrere  Stufen  aufwärts.  Das 
Material  ist  brauner  oder  rötlicher  Tuff,  die  Bearbeitung  der  ziem- 
lich kleinen  Quadern  ist  nicht  besonders  aecurat. 

In  einer  Entfernung  von  etwas  über  3  m.  vor  diesem  Stufenbau 
liegt,  nach  dem  Forum  zu,  eine  sehr  altertümliche  Mauer  (e  fg),  die 
bis  zu  vier  Schichten  herauf  erhalten  ist.  Diese  ist  von  R.  Del- 
brueck,  der  sie  in  seiner  Monographie  über  den  Apollotempel  auf 
dem  Marsfelde  S.  11  f.  beschrieben  und  Tf.  II,  2  abgebildet  hat, 
für  eine  '  Umfassungsmauer  des  Comitiums  aus  der  Zeit  des  Tullus 
Hostilius '  erklärt.  Sie  besteht  überwiegend  aus  braunem  Tuff,  (nicht 
'  grünlichen  mürbem  Tuff '  wie  D.  angiebt),  dem  nur  hin  und 
wieder  Blöcke  aus  Cappellaccio  eingefügt  sind.  Der  oberste  Rand 
verläuft  beinahe  horizontal,die  Lagerfugen  der  unteren  Schichten 
gehen  auf-  und  abwärts,  was  vielleicht  durch  die  Terrainverhält- 
nisse bedingt,  aber  ohne  weitere  Ausgrabung  nicht  mit  Sicherheit 
zu  erklären  ist.  Die  Mauer  scheint  in  zwei  Stücken  gebaut  zu  sein, 
die  unweit  des  Punktes  f  aneinander  stiessen.  An  dieser  Stelle 
musste,  da  die  Schichten  der  beiden  Stücke  eine  verschiedene  Hö- 
henlage haben,  ein  Ausgleich  stattfinden,  wobei  einige  unregelmäs- 
sigere  Quadern,  auch  eine  hakenförmig  geschnittene,  zur  Anwendung 
kamen.  Delbrück  bildet  gerade  dieses  Stück  als  «  charakteristisch  ■ 
ab :  was  irreführend  ist.  Falsch  ist  auch,  wie  die  beistehende  Auf- 
nahme (Fig.  6)  zeigt,  D'.s  Behauptung:  «  der  Begriff  der  Schicht 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


31 


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-32  CH.   HÜELSKN 

klingt  überhaupt  erst  schwach  an  ■ ;  willkürlich  die  Datierung  der 
Mauer  als  •  vortarquinisch  ■  (*).  Die  Mauer  mit  dem  Stufenbau 
in  Zusammenhang  zu  bringen  zwingt  uns  weder  ihr  Lauf  noch  ihre 
Bauart.  Sie  macht  nicht  den  Eindruck,  als  wäre  sie  Front  eines 
monumentalen  Bauwerks,  oder  überhaupt  eines  Gebäudes  von  eini- 
ger Höhe  gewesen.  Eigentümlich  ist,  dass  ihre  oberste  Schicht  aus 
ganz  flachen  Steinen  —  eher  Platten  als  Blöcken  —  besteht,  als  wäre 
hier  schon  ein  gewisser  Abschluss  gewesen.  Die  Mauer  ähnelt  hierin 
den  Wänden  der  alten  Kanäle,  wie  sie  am  Clivus  Capitolinus,  vor 
dem  Saturn-  und  Vespasianstempel,  zwischen  Vestatempel  und 
Kegia,  beim  Sepulcretum  an  der  Sacra  Via  (vgl.  Not.  d.  scavi  1903 
p.  139  fig.  18)  zu  Tage  gekommen  sind.  Die  Eichtung  der  Mauer 
/  g  setzen  einige  Blöcke  h  i  bis  in  die  Nähe  des  Sacellums  fort, 
deren  genaue  Untersuchung  einstweilen  durch  schlechte  Zugänglich - 
keit  der  Stelle  erschwert  wird. 

In  der  oberen  Schicht  (auf  Tf.  II  gelb)  heben  sich  heraus 
mehrere  Lagen  von  grossen  braunen  Tuffquadern,  die,  wie  Petersen 
erkannt  hat  im  Grundriss  einen  Kreisbogen  von  er.  18  m.  Radius 
bilden.  Erhalten  sind  davon  bei  mno  drei  Blöcke,  welche  auf  einem 
Fundament  aus  kleinen  flachen  (h.  0,15)  Stücken  von  grauem  Tuff 
oder  Cappellaccio  aufliegen ;  zwischen  diesem  Fundament  und  den 
unteren  Tuff  bauten  ist  der  Raum  ausgefüllt  durch  dieselbe  Schüt- 
tung aus  Flusskies,  die  beim  Lapis  niger  constatiert  ist  (u.  S.  42). 
Weiter  finden  sich  zwei  Blöcke  ppr  neben  dem  rhombischen  Pozzo  I, 
und  zwei  q  qr  neben  dem  fünfeckigen  II.  Der  Bau  dem  sie  ange- 
hören ist  absichtlich  zerstört,  als  einmal  das  Niveau  des  Comitiums 
um  er.  1,50  m.  erhöht  wurde.  Man  hat  damals  in  das  Stufenrund 
mehrere  «  Pozzi  ■  (2)  eingeschnitten,  deren  Wände  aus  starken  Tuff- 
platten bestehen,  ganz  ähnlich  z.  B.  dem  unter  der  nordwestli- 
chen Ecke  des  schwarzen  Pflasters  (III).  Eigentümlich  ist  bei  n.  I. 
II  die  Form:  vielleicht  durch  Denkmäler  auf  der  Oberfläche  des 

(l)  Die  Interpretation  der  Stelle  Ciceros  de  rep.  2,  31 :  fecit  idem  et 
saepsit  de  manibus  comitium  et  curiam  woraus  geschlossen  wird,  diese  '  Um- 
zäunung '  des  Comitiums  müsse  ein  grosser  Monumentalbau  gewesen  sein,  lehnt 
auch  Petersen  S.  13  A.  Hab. 

(■)■  Ich  behalte  diese  Benennung,  welche  sich  in  Rom  eingebürgert  hat, 
bei,  da  sich  ein  entsprechender  deutscher  Ausdruck  schwer  finden  lässt,  so- 
lange die  Bedeutung  der  Constructionen  ungewiss  bleibt. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


33 


neuen  Pflasters  bedingt  gewesen  sein  mag.  Mit  den  ■  Pozzi «  schei- 
nen die  Reste  mehrerer  Röhrenleitungen  zusammenzuhängen,  die 
in  der  Höhe  der  Oberkante  der  ■  Pozzi » ,  also  im  Niveau  des  er- 


tt 


J — h 


±— f 


Fig.  7. 


höhten  Forumspflasters  liegen :  eine  solche  wohlerhaltene  Rinne  aus 
sehr  gutem  gleichmässigen  braunen  Tuff  liegt  bei  r ;  eine  zweite, 
verstümmelte  neben  dem  fünfeckigen  Pozzo  II,  s.  Fig.  7  ('). 

0)  Petersen  S.  15  beschreibt  den   oben  abgebildeten    Rest   neben  dem 
fünfeckigen  Pozzo  folgendermassen :  «  erhalten  ist  die   erste   Kreisstufe,  dar- 

3 


34  CH.    HUELSEN 

Ein  dritter  Bau  liegt  südlich  von  den  bisher  beschriebenen, 
rechts  von  dem  «  Sacellura  ■  und  der  archaischen  Stele.  Er  besteht 
aus  sehr  exact  geschnittenen  und  gefügten  Quadern  aus  grauem  und 
braunem  Tuff:  deutlich  zu  erkennen  ist  eine  Plattform  s  t  u,  deren 
Boden  in  er.  13  m.  Höhe  liegt:  sie  ist  umgeben  von  einer  0,20  m. 
hohen,  0,40  m.  breiten  Schwelle,  die  bei  t  in  stumpfen  Winkel 
umbiegt.  Die  Oberkante  dieser  Schwelle  liegt  in  gleicher  Niveau 
mit  dem  später  noch  zu  erwähnenden  überhöhten  Pozzo  V  (1). 
Wie  weit  sich  das  braune  Tuffpflaster  nach  rückwärts  (nördlich) 
der  Schwelle  erstreckt,  ist  nicht  sicher  anzugeben,  da  es  unter  dem 
Travertinpflaster  verschwindet.  Auf  ihm  liegen  bei  u  mehrere  Plat- 
ten aus  graugrünen  Tuff,  mit  runden  Eintiefungen,  wie  Standspuren 
von  Basen  oder  Altären  (vgl.  auch  den  Durchschnitt  Tf.  111). 

lieber  die  relative  Chronologie  der  Schichten  wird  man  sich 
leicht  klar ;  schwieriger  ist  es,  für  ihre  absolute  Datierung  Anhalts- 
punkte zu  finden.  Von  Wichtigkeit  sind  besonders  die  «  Pozzi  i : 
es  ist  klar,  dass  dieselben  stets  unter  Terrain  gewesen  sein  müssen, 
dass  also  die  Zerstörung  des  kreisförmigen  Baus  erfolgt  ist,  als 
das  Niveau  des  Comitiums  auf  die  Höhe  von  er.  13  m.  verlegt 
wurde.  An  den  pozzi  V  und  VI  erkennt  man  deutlich  eine  Auf- 
höhung:  bei  V  besteht  die  untere  Hälfte  aus  grossen  braunen 
Tuffplatten ;  aufgesetzt  ist  ein  Kasten  aus  nur  zwei  hakenförmigen 
grauen  Tuffsteinen  von  0,50  m.  Höhe.  Der  obere  Band  des  Auf- 
satzes liegt,  wie  bemerkt,  in  der  Höhe  der  Schwelle  s  t. 


über  eine  zweite  und  etwas  von  der  Vorderseite  der  dritten.  Hier  misst  sich 
ihre  Breite  zu  ie  0,59  m.  oder  zwei  Fuss  römisch,  die  Höhe  der  'unteren 
zu  0,35,  die  der  oberen  zu  0,15  m.  Also  war  die  unterste  zum  Sitzen  geeignet, 
die  obersten  nur  zum  Stehen«.  In  Wirklichkeit  liegt  auf  einem  Fundament 
aus  kleinen  durchschnittlich  0,15  m.  hohen  Platten  aus  braunem  Tuff  eine 
Quader  aus  demselben  Stein:  über  ihr  ein  hakenförmiger  Stein,  gleichfalls 
brauner  Tuff,  dessen  Breite  0,59,  Höhe  0,30  beträgt.  Die  Oberfläche  ist  rauh 
gespitzt,  ebenso  die  Vorderfläche  des  Hakens;  dagegen  ist  die  obere  Hori- 
zontalkante geglättet.  Einen  so  bearbeiteten  Stein  für  eine  Stufe,  sei  es  zum 
Stehen  oder  Sitzen,  zu  halten  scheint  mir  unmöglich. 

(!)  Petersen  betrachtet  diesen  Bau  als  Fortsetzung  der  archaischen 
Mauer  e  f  g,  die  durch  Auflage  mehrerer  Schichten  erhöht  sei.  Aber  was 
unter  den  Blöcken  der  Einfassung  s  t  zu  Tage  kommt,  ist  nur  eine  Lage  von 
breiten  Blöcken  aus  Cappellaccio,  die  ganz  anders  geschnitten  sind  als  die 
Quadern  der  archaischen  Mauer. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  35 

Welches  Alter  darf  man  diesen  i  Pozzi  ■  zuschreiben?  Im 
Allgemeinen  ist  man  wie  mir  scheint,  geneigt,  dasselbe  weit  zu 
überschätzen.  Dass  sie  noch  bis  in  die  cäsarische,  ja  bis  in  den 
Anfang  der  augustischen  Epoche  auf  dem  Forum  in  Gebrauch 
waren,  lehren  namentlich  zwei  Funde:  erstens  die  Pozzi  vor  der 
Front  der  Rostra  (o  o  Abb.  21)  welche  ohne  Zweifel  jünger  sind 
als  diese,  also  etwa  das  Jahr  40  v.  Chr.  Noch  jünger  sind  die  vor 
der  Westseite  des  27  v.  Chr.  errichteten  Augustusbogens,  welche 
nicht  aus  Tuff-  sondern  aus  Travertinplatten  zusammengesetzt,,  aber 
in  ihrer  Construction  den  anderen  völlig  gleich  sind. 

Wir  sind  auf  keinen  Fall  genötigt,  die  Anlage  der  Pozzi  I 
und  II  und  damit  die  Zerstörung  des  Stufenbaus  in  sehr  alte  Zeit 
hinaufzurücken.  Und  das  wird  bestätigt  durch  das  wenige  was  wir 
über  die  Höhenlage  benachbarter  Denkmäler  wissen.  Das  vortreff- 
liche Pflaster  aus  Travertin  (k  Tf.  II  und  JB.  1902,  37  Fig.  9)  vor 
der  Front  der  Curie,  welches  Petersen  der  sullanischen  Zeit  zu- 
schreibt, liegt  er.  12,50  ü.  M.;  der  Scheitel  des  cäsarischen  Abzug- 
kanals vor  der  Front  der  Curie  liegt  noch  etwas  höher,  während 
seine  Sohle  auf  dem  alten  Comitiumspflaster  aufsetzt.  —  Die  grossen 
Stücke  Strassenpflaster,  welcher  an  der  W.-Ecke  der  Basilica  Ae- 
milia  aufgedeckt  wurden  (s.  u.  Abb.  21),  lagen  nicht  ganz  zwei 
Meter  unter  dem  Pflaster  der  Kaiserzeit.  Dass  überhaupt  der  Boden 
des  mittleren  Forums  unter  Caesar  und  Augustus  um  er.  1,50  m. 
aufgehöht  worden  ist,  wird  unten  erörtert  werden. 

Nun  findet  sich  in  unmittelbarer  Nähe  des  Comitiums  noch 
ein  Bauwerk,  welches  zwar  auf  dem  Plan  JB.  1902,  32  schon 
angedeutet,  aber  von  Petersen  gar  nicht  berücksichtigt  ist:  ich 
meine  den  Abzugskanal  w  x  y  z,  welcher  sich  von  der  Front 
der  Terrasse  s  t  bis  unter  diegrosse  Marmorbasis  mit  der  Constan- 
tius-Inschrift  verfolgen  lässt.  Er  hat  Wände  von  gutem  Quasi- 
Eeticulat  und  ist  mit  opus  signiuum  ausgestrichen.  Hinter  dem 
Stück  y  z  sieht  man  bei  v  zwei  grosse,  denen  bei  mno  sehr  ähnliche; 
nur  tiefer  liegende  Blöcke  aus  braunem  Tuff:  mehrere  andere  sehen 
bei  v'  v"  unter  dem  Ausgrabungsrande  vor.  Die  Sohle  des  Kanals 
liegt  etwa  in  12,20  m.  Höhe.  Die  Fügung  des  Reticulats  ähnelt 
ungemein  den  Mauern  der  '  rostri  cesarei '  (o.  S.  14),  die  Lanciani 
der  sullanischen,  ich  der  caesarischen  Zeit  zuzuschreiben  geneigt 
war.  Ueber  den  Punkt  w  hinaus  scheint  der  Kanal  sich  niemals 


36  CH.    HUELSEN 

erstreckt  zu  haben,  hier  geht  seine  rechte  (nördliche)  Seitenmauer 
über  in  ein  Mauerwerk  aus  grauem  Tuff.  Bei  seiner  Construction 
ist,  wie  es  scheint,  der  Pozzo  VII  zerstört  worden.  Die  Linie  dieses 
Kanals  steht  offenbar  in  Beziehung  zu  der  des  Bundes.  Beide 
Curven  laufen,  wenn  nicht  streng  parallel,  so  doch  sehr  symme- 
trisch, und  die  Niveauverhältnisse  beider  sind  völlig  gleich. 

Dann  aber  drängt  sich  eine  Vermutung  auf,  die  ich  zwar  nur 
mit  allem  Vorbehalt  äussern  möchte,  deren  Prüfung  durch  Fortset- 
zung der  Ausgrabung  aber  sehr  erwünscht  wäre.  Lagen  in  dem 
Kreissegment  z'  m  q  w  die  vorcaesarischen  Bostra? 
Die  Stelle  passt  zu  dem  aus  den  antiken  Zeugnissen  zu  ermitteln- 
den :  die  Bostra  müssen  in  der  östlichen  Hälfte  der  Comitiums- 
grenze,  ungefähr  vor  der  östlichen  Ecke  von  S.  Adriano,  ferner  in 
unmittelbarer  Nähe  des  Bomulusgrabes  und  des  Niger  lapis  gelegen 
haben.  Die  Dimensionen  scheinen,  da  die  Länge  des  inneren  Bo- 
zens er.  14,  die  des  äussern  er.  20  m.  beträgt,  für  die  vorcaesa- 
rische  Bühne  nicht  unpassend.  War  ferner  die  Fassade  der  Bostra 
leicht  geschweift,  so  erklärt  sich  die  Darstellung  auf  der  bekannten 
Münze  des  Palikanus  endlich  ungezwungen.  Diesem  Bostrabau  wür- 
den also  die  Tuffquadern  mnopqvv'  angehören;  seine  Zerstörung 
fiele,  wie  die  Anlage  der  Pozzi  I.  II  beweist,  wahrscheinlich  in 
die  caesarische,  seine  Anlage  möglicherweise  in  die  sullanische 
Zeit.  Die  Neubauten  Sullas  auf  dem  Comitium  hätten  somit  einen 
grösseren  Umfang  gehabt,  als  man  nach  den  lakonischen  Schrift- 
stellerzeugnissen, die  hauptsächlich  vom  Umbau  der  Curie  spre- 
chen, annehmen  würde. 

Aus  dem  eben  gesagten  ergiebt  sich,  dass  ich  die  von  Peter- 
sen versuchte  Bestimmung  der  Rednerbühne  nicht  für  richtig  halten 
kann.  P.  nimmt  an  (S.  20  f.),  die  eigentliche  Rednerbühne  habe 
auf  dem  Fundament  hinter  dem  Sacellum  (M  Tf.  II),  wo  Lanciani 
und  ich  einen  Altar  vermuten,  gestanden:  dieser  eigentliche 
Sprechplatz  sei  ein  Bau  von  3,50X1,60  m.  Grundfläche  gewesen, 
dessen  Plattform  nur  durch  eine  beweglich  *  vermutlich  nicht 
ständig  am  Platze  befindliche  »  Holztreppe  zugänglich  gewesen  sei. 
Da  ein  solcher  Bau  natürlich  keinen  Baum  bietet  für  die  zahl- 
reichen Denkmäler,  die  in  rostris  erwähnt  werden  (*),  so  erschafft 

(*)  Zwei  allerdings  kann  auch  P.  von  dem  eigentlichen  Sprechplatze  nicht 
weginterpretieren,    nämlich  die  Schiffsschnäbel   selbst  und  die  zwölf  Tafeln. 


AUSGRABUNGEN   AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  37 

sich  P.  einen  Begriff,  von  dem  die  antike  Tradition  nichts  weiss, 
nämlich  der  ■  Rostra  im  weiteren  Sinne  » .  Diese,  nicht  mehr  Red- 
nerbühne, sondern  Platz  für  Zuhörer,  sollen  sich  auf  dem  Quader- 
rund m  n  o  p  q  aufgebaut  haben,  welches  vermutungsweise  bis  in 
die  Gegend  des  Severusbogens  fortgesetzt  wird,  so  dass  in  seinem 
Scheitel  das  Romulusgrab  liegt  (1).  Die  äussere  Begrenzung  dieses 
'  Suggestus  '  habe  die  Mauer  e  fghist  gebildet,  von  Innen  hätten 
fünf  Stufen  (s.  o.  S.  33)  hinaufgeführt.  Auf  diesem  Suggestus  hätten 
z.  B.  bei  Leichenfeiern  die  Angehörigen  des  Verstorbenen  Platz 
genommen  (Polyb.  6,  53),  hier  seien  auch  die  Monumente  aufgestellt 
zu  denken,  für  die  auf  den  ■  eigentlichen  Rostra  »  kein  Raum  vor- 
handen ist. 

Diese  Hypothese  basiert  auf  der  Annahme,  dass  die  Mauer 
efghi  mit  der  Terrasse  stu  (resp.  deren  unteren  Teilen)  zusam- 
mengehörig und  gleichzeitig  sei;  ferner  auf  der  Ergänzung  der  Qua- 
derreste mn  o p  q  zu  einem  vollständigen,  bis  in  die  Gegend  des 
Severusbogens  reichenden  Halbkreise ;  endlich  auf  der  Interpretation 
des  Restes  bei  q  q'  als  •  Stufen  * .  Dass  gegen  alle  drei  Punkte  sich 
gewichtige  Zweifel  erheben,  ist  oben  ausgeführt ;  unwahrscheinlich 
ist  auch  das   Schlussresultat :    ein   Suggestus   für  bevorzugte  Zu- 


Man  lese  selbst  (S.  26),  wie  er  diesen  auf  den  Seiten  des  von  ihm  konstruier- 
ten Baus  Platz  zu  verschaffen  sucht.  [Für  unanehmbar  erklärt  P.'s  Rostra 
auch  Studniczka  in  den  Nachträgen  zu  seinem  Aufsatz  (u.  S.  40)  Oesterr. 
Jahreshefte  1904,  241  f.]. 

(*)  «  Obwohl  die  bisherigen  Aufnahmen  (sagt  P.  S.  18)  ...  nicht  ganz 
genau  damit  übereinstimmen  glaube  ich  doch,  ohne  Furcht  durch  genauere 
Aufnahmen  widerlegt  zu  werden,  aufstellen  zu  dürfen,  dass  die  das  Grab  hal- 
bierende Mittellinie  auch  den  Stufenkreis  und  das  von  ihm  umgebene  Planum 
des  Comitiums  halbierte,  oder  dessen  Axe  wenigstens  sehr  nahe  kam  ».Da  die 
ganze  rechte  Hälfte  des  '  Stufenkreises  '  frei  ergänzt  ist,  macht  es  natürlich 
keine  Schwierigkeit,  dieselbe  symmetrisch  zu  der  anderen  zu  gestalten;  aber 
was  soll  das  beweisen?  Auf  seinem  Plane  S.  10  modifiziert  P.  jene  Angabe 
dahin,  dass  die  beiden  Bogenstücke,  zwischen  denen  das  Romulusgrab  liegt  sich 
wie  2 :  3  verhalten  (50°  das  rechte,  75°  das  linke) :  damit  ist  die  Symmetrie 
aufgehoben,  denn  dass  die  Mittellinie  des  Stufenrundes  durch  den  Cippus  nnd 
die  Säule  bestimmt  wird,  ist  ein  Notbehelf.  Dass  dadurch  die  weiteren  Argu- 
mentationen über  das  « theaterähnliche  »  Coraitium  sehr  beeinträchtigt  wer- 
den, liegt  auf  der  Hand.        . 


38  CH.    HUELSEN 

schauer,  der  so  angeordnet  ist,  dass  alle  Zuhörer  oder  Zuschauer 
dem  Kedner  ganz  oder  beinahe  den  Rücken  zuwenden!  (*). 

Derselbe  Suggestus,  der  die  «  erweiterten  Rostra  *  bedeutet, 
soll  nun  aber  auch  die  Umfassung  des  republikanischen  Comitiums 
vorstellen  (3).  Es  soll  also  das  vorcaesarische  Comitium  begrenzt 
gewesen  sein  einerseits  von  dem  Stufenkreise,  andererseits  von  der 
Front  der  Curia  Hostilia,  deren  Lage  nach  P.  nicht  sehr  verschieden 
von  derjenigen  der  Curia  Julia  war  (die  Reste  des  guten  Traver- 
tinpaviments  bei  k  seien  i  schon  ein  Teil  der  älteren  Curie,  wenn 
auch  nur  ihres  Vorplatzes  ■  gewesen).  Demnach  wäre  das  Co- 
mitium bis  auf  Caesar  (3)  etwa  halb  so  gross  gewesen  wie  die  mo- 
derne Piazza  del  Campidoglio;  und  auf  diesem  durch  zahlreiche 
Denkmäler  und  sacella  noch  mehr  eingeengten  Platze  soll  sich  das 
ganze  politische  und  gerichtliche  Leben  der  Republik  bis  ins  sie- 


(*)  Petersen  hat  das  auch  selber  gefühlt,  und  spricht  deshalb  S.  21  da- 
von, es  seien  wohl  auch  die  Senatoren  aus  der  Curie  herausgetreten,  um  von 
den  Stufen  vor  der  Curie  der  laudatio  zuzuhören.  Wozu  dann  aber  der  ganze 
Suggestus  ? 

(2)  Wesentlich  für  P.'s  ganze  Comitiums-Construction  ist  der  Umstand, 
dass  einmal  (bei  Plin.  34,  26)  von  cornua  comitii  die  Rede  ist.  Diese  Meta- 
pher, meint  er,  könne  nur  von  den  Enden  eines  Kreisbogens  verstanden  werden. 
Aber  dass  das  Bild  nicht  nur  vom  Grundriss  des  verglichenen  Gegenstandes 
hergenommen  zu  sein  braucht,  liegt  auf  der  Hand.  Wenn  z.  B.  cornua  die 
Enden  der  Raaen  oder  die  Knäufe  der  Stäbe  für  Bücherrollen  heissen,  so  wird 
doch  Niemand  daraus  schliessen  wollen,  dass  diese  Stangen  oder  Stäbe  krumm 
gewesen  seien.  In  cornu  porticus  sagt  Plinius  ep.  6,  23  in  der  Beschreibung 
seiner  tuskischen  Villa  von  einer  Halle,  die  nach  dem  ganzen  Zusammen- 
hange nur  gradlinig  gedacht  werden  kann  (s.  Winnefeld  Jahrb.  d.  Inst.  VII, 
1892,  204  f.).  Ich  halte  nach  wie  vor  die  von  Detlefsen  (.4»».  d.  Ist.  1860, 
132)  gegebene  Erklärung  des  Ausdrucks  cornua  comitii  für  überzeugend:  na- 
mentlich wenn  man  sich  vorstellt,  dass  der  Bodens  des  Comitiums  nach  der 
Seite  der  Curie  hin  etwas  anstieg,  wird  das  Bild  der  cornua  für  die  beiden 
vorspringenden  Ecken  des  Platzes  vollkommen  verständlich.  Wenn  endlich  P. 
(S.  17)  behauptet,  bei  Liv.  XXV,  3,  17:  in  cornu  primus  sedebat  Casca  sei 
der  Suggestus  auf  dem  Comitium  zu  verstehen,  so  hat  er  dabei  übersehen, 
dass  jene  Versammlung  nach  Livius  eigener  Angabe  (§  13)  in  area  Capitolina 
stattfand. 

(3)  Wenn  man  die  weitere  von  P.  vorgeschlagene  Begrenzung  des  Platzes, 
die  nur  durch  unsymmetrische  Anlage  zum  Romulusgrabe  ermöglicht  ist,  ac- 
ceptiert.  Legt  man  das  Romulusgrab  wirklich  in  den  Scheitel  des  Halbrundes, 
so  wird  das  '  Comitium  '  noch  kleiner. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  39 

bente  Jhdt.  der  Stadt  abgespielt  haten,  bis  in  eine  Zeit,  wo  Rom 
über  300000  Bürger  hatte  und  die  Teilnehmer  an  den  Versamm- 
lungen nach  Tausenden  zählten!  Und  das  wenig  über  1  m.  hohe 
Mäuerchen  des  ■  Suggestus  »  soll  die  feste  Position  gewesen  sein, 
um  die  sich  Milonianer  und  Clodianer  und  ähnliche  Gesellschaft 
mehu  als  einmal  die  Köpfe  blutig  schlugen!  Petersen  freilich 
meint  (S.  42) :  i  man  wird  das  Comitium  klein  finden,  doch  ist 
das  als  geschichtlich  gegeben  hinzunehmen,  ein  Argument  gegen 
das  hier  dargelegte  ist  daraus  nicht  zu  gewinnen  »  ;  ich  fürchte, 
die  Historiker  werden  ihm  auf  diesem  Wege  nicht  folgen. 

Unter  dem  was  P.  sonst  zur  Geschichte  der  ßednerbühne  aus- 
führt nimmt  den  breitesten  Kaum  ein  der  Versuch  (S.  35  ff.)  nach- 
zuweisen, die  alte  Eednerbühne  habe  noch  bei  Caesars  Tode  bestan- 
den und  von  ihr  herab  habe  Antonius  seine  Leichenrede  gehal- 
ten (l).  Darauf  will  ich  hier  nicht  ausführlich  eingehen;  ebenso- 
wenig auf  die  Betrachtungen  über  die  schlagende  Aehnlichkeit 
zwischen  dem  Suggestus  und  den  Eostra  ad  Divi  Juli:  sie  werden 
hinfällig  mit  P.'s  Theorie  über  den  Suggestus  und  den  Sprechplatz 
beim  ßomulusgrabe  (2).  Was  P.  über  das  Romulusgrab  und  den 
Niger  lapis  beibringt,  wird  sogleich  verwertet  werden. 

(*)  Ein  Hauptargument  ist  für  P.  wieder  Cassius  Dio  XLIV,  49  der  den 
Antonius  in  seiner  Leichenrede  sagen  lässt:  inl  rot)  ß^uccrog  eogiipca  xara- 
r£TQ(o[X8vog  d(jp'  ov  noXXccxtg  idf](nt]yÖQf]aag.  Aber  Dios  Zuverlässigkeit  für  stadt- 
römische Topographie  älterer  Zeit  ist  überhaupt  gering,  s.  o.  S.  22 ;  und  gar 
in  einer  rhetorischen  Composition  wie  dieser  darf  unmöglich  jedes  Wort  so 
genau  genommen  werden. 

(2)  Auch  in  eine  Diskussion  über  die  Beurteilung  meines  Comitiums- 
aufsatzes  von  1893,  die  P.  S.  37  A.  44  giebt,  einzutreten  halte  ich  nicht  für 
erforderlich.  P.  findet,  dass  bei  meiner  Hypothese  über  die  (von  der  Curia 
Julia  verschiedene)  Lage  der  Curia  Hostilia  «  fast  allen  Zeugnissen  nicht  ih 
Eecht  werde  ».  Wenn  er  jedoch  dem  des  Cicero  pro  Flacco  57:  '  speculatur  atque 
obsidet  rostra  . . .  curia  '  in  der  Weise  zu  seinem  Eecht  zu  verhelfen  sucht,  dass 
er  schliesst :  «  also  lagen  die  alten  Rostra  nicht  schief  zur  Curie  sondern  gerade 
vor  ihrer  Mitte»,  so  gesteheich  dieser  Interpretationskunst  nicht  folgen  zu 
können.  Cicero  spricht  von  der  relativen  Rechtssicherheit  in  Rom  gegenüber 
der  levitas  Graecorum;  da  bedeuten  mir  —  und  wohl  auch  anderen  —  in  der 
Periode  :  hie,  in  gravissima  et  moderatissima  civitate  cum  est  forum  plenum 
iudiciorum,  plenum  magistratuum,  plenum  optimorum  virorum  et  civium, 
cum  speculatur  atque  obsidet  rostra  vindex  temeritatis  et 
moderat  rix  officii  curia  die  herausgehobene  Weite  nichts  weiter  als: 


40  CH.    HUELSEN 

Ueber  das  Romulusgrab  hat  F.  Stüdniczka  in  dem  Aufsatze: 
Altäre  mit  Grubenkammern  (Jahreshefte  des  Oesterreichischen  Insti- 
tuts VI,  1903,  S.  123-186;  Nachtrag  VII,  1904,  S.  239-244)  seine 
bereits  JB.  1902,  28  wiedergegebene  Ansicht  weiter  ausgeführt 
(bes.  S.  129-155).  Er  denkt  sich  die  beiden  länglichen  Basen  durch 
entsprechende  ausladende  Oberteile  ergänzt,  so  dass  zwei  parallele 
Gebilde,  jedes  ähnlich  den  archaischen  Altären  vom  Esquilin,  dem 
des  Verminus  u.  A.  entständen.  Diese  sollen  auf  ihren  vorspringen- 
den Anten  zwei  liegende  er.  1  m.  hohe  Löwen  getragen  haben, 
während  ihre  rückwärtigen  Hälften,  ähnlich  einem  Altar  von  Achna 
auf  Cypern  (Ohnefalsch-Richter  Kypros  Tf.  IV,  1  u.  3)  durch  eine 
schmale  Platte  verbunden  gewesen  sei.  Zwischen  den  beiden  Basen 
habe  dann  die  Opfergrube  «  mit  einem  Schlachtbänklein  fürs  ivayC- 
Ceiv  y>  gelegen.  Auf  dem  Fundamente  D  denkt  sich  Stüdniczka,  wie 
Lanciani  und  ich,  einen  Altar,  zum  Verbrennen  der  Opfer. 

Wir  bekämen  also  eine  doppelte  Kultstätte:  einen  Brandop- 
feraltar und  eine  überdeckte  Grube  für  Blutopfer.  Nun  sind  die 
letzteren  dem  altrömischen  Kultus  überhaupt  fremd,  und  was  das 
für  eine  Gottheit  gewesen  sein  soll,  der  auf  diese  doppelte  Weise 
Verehrung  an  einer  der  ehrwürdigsten  Stellen  der  alten  Stadt  darge- 
bracht wurde,  dürfte  schwer  zu  sagen  sein  (*).  Und  wie  sonderbar 
ist  die  zweite  Kultstätte    nach    Studniczka's  Reconstruction !    das 


«  der  Senat  sieht  den  Volksrednern  auf  die  Finger  ».  Was  sich  gegen  P/s 
Interpretation  von  Ascon.  in  Mit.  34.  argum.  15.  Varro  1.  1.  5,  155  sagen  lässt, 
werden  sachkundige  deutsche  Leser  leicht  selbst  finden. 

(»)  Stüdniczka  freilich  findet  (S.  136),  dass  der  von  Thurneysen  in  die 
alte  Cippusinschrift  hinein  ergänzte  Soranus  hierher  passt.  «  Dieser  Gott, 
dessen  Verbindung  mit  dem  Soracte  kein  Grund  ist,  dass  er  nicht  auch 
anderswo  zu  Hause  sein  könnte  (!),  stellt  nämlich  Servius  dem  Dis  Pater 
gleich;  der  Unterweltsfürst  aber  ist  der  gegebene  Schutzherr  des  locus  fu- 
nestus,  in  dessen  Nähe  auch  die  laudatio  funebris  stattfand  » .  So  wird  auf 
eine  fragwürdige  Lesung,  eine  späte  Scholiastennotiz  und  eine  subjektive 
Meinung  die  Theorie  gebaut,  dass  «  der  Cult  am  Sacellum  chthonisch  gewesen 
sein  müsste»!  Auch  Wissowa  (Berl.  philol.  Wochenschrift  1904,  1052)  lehnt 
die  ■  Soranus  '  -  Hypothese  sehr  entschieden  ab,  und  schliesst :  «  auf  einer 
altrömischen  Inschrift  dürfen  wir  ihn  (den  Soranus  pater)  ebenso  wenig 
suchen  wie  etwa  den  Reatinus  pater  (Dessau  4033)  und  den  pater  Pyrgensis 
(CIL.  XI  3710)«. 


AUSGRABUNGEN    AUF   DEM    FORUM    ROMANUM  41 

'  Schlachtbänklein  '  zwischen  den  beiden  Trägern  ist  so  gut  wie 
unzugänglich;  die  Form  der  Träger  selbst  sehr  unpraktisch  und 
durch  keine  Analogie  gestützt,  denn  die  Monumente,  welche  St. 
heranzieht,  sind  alle  in  einem  wesentlichen  Punkte  verschieden :  sie 
sind  quadratisch,  nicht  länglich.  Ferner  hätte  der  Aufsatz  mit  den 
Löwen  den  dahinterliegenden  Altar  grossenteils  verdeckt  und  unzu- 
gänglich gemacht  (dies  wendet  auch  Petersen  S.  19  A.  16  ein). 
So  lange  wir  nicht  für  die  Ergänzung  des  Oberbaus  neue  Mate- 
rialien bekommen,  wird  es  besser  sein  darauf  überhaupt  zu  ver- 
zichten (*). 

Studniczka  behandelt  weiter  (S.  138-145)  die  Entstehungszeit 
des  '  Romulusgrabes  '  und  zieht  zunächst  stilistische  Analogien 
heran.  Die  Form  der  Basen  könne  nicht  älter  sein  als  das  fünfte 
und  nicht  jünger  als  das  zweite  Jhdt.  v.  Chr.  Die  obere  Altersgrenze 
ist  wohl  jetzt  allgemein  angenommen  und  aus  historischen  Gründen 
so  gut  wie  selbstverständlich :  was  die  untere  betrifft,  so  irrt  Stud- 
niczka in  der  Datierung  der  jüngsten  inschriftlich  bezeichneten  Denk- 
mäler um  ungefähr  ein  halbes  Jahrhundert  (2).  Die  Form  des  Altars 

(l)  St.  glaubt  für  seine  «  chthonischen  Altäre  mit  Grubenkammern  »  noch 
andere  Analogien  auf  römischem  Boden  zu  finden.  Das  sind  die  bekannten 
Münzreverse,  auf  denen  Altäre  mit  Thüren  abgebildet  sind.  «  Die  Widmung 
an  neu  consecrirte  Divi  —  in  den  mir  bekannten  Exemplaren  Augustus,  Vespa- 
sian  und  Faustina  die  Mutter  —  gewährleistet  den  chthonischen  Sinn  der 
Form »  (S.  126).  Man  sollte  demnach  denken,  dieser  Revers  käme  aus- 
schliesslich oder  überwiegend  auf  Münzen  vor,  die  für  neu  consecrierte 
Divi  geschlagen  sind.  Jeder  Numismatiker  weiss,  das  dies  nicht  richtig  ist, 
dass  solche  Altäre  als  Revers  auch  auf  Münzen  die  bei  Lebzeiten  von  Kaisern 
geschlagen  sind,  häufig  vorkommen.  Studniczka  hat  sich  leider  auf  einige 
zufällig  bei  Cohen  abgebildete  Typen  beschränkt  —  infolge  dessen  kommt 
denn  auch  einer  der  häufigsten  Altäre,  der  der  Providentia  (s.  z.  ß.  Cohen  I 
Nero  p.-  296  n.  255,  Galba  p.  329  p.  162,  Vitellius  p.  361  n.  71,  Vespasian 
p.  397  n.  396-410;  Titus  444  n.  173-180,  Domitian  505  n.  404-406  u.  s.  w.), 
mit  in  diese  Reihe  (S.  126  Fig.  71),  obwohl  es  schwer  zu  sagen  sein  dürfte, 
was  die  '  Providentia '  für  eine  ■  chthonische  '  Bedeutung  haben  soll. 

(a)  Den  Altar  des  Verminus  nennt  St.  a  geweiht  im  Consulat  eines  A. 
Postumius  Albinus,  nach  dem  Schriftcharakter  wahrscheinlich  151  v.  Chr.  ». 
Aber  die  Inschrift  besagt  ja  nur,  dass  sie  gesetzt  sei  von  einem  A.  Postumius 
A.  f.  A.  n.  duo  vir  lege  Plaetoria;  und  dass  der  Verminus-Altar  nach  Sprach- 
und  Schriftformen  in  die  sullanische  Zeit  gehöre,  'ist  im  CIL.  ausdrücklich 
gesagt.  Da  der  Altar  bisher  nie  genügend  publiziert  ist  (Studniczka  wieder- 
holt Fig.  90  die  schlechte  Zeichnung  aus  dem  Ball,  comun.  1876  Tf.  3  als 


42  CH.   HUELSEN 

mit  Doppelwülsten  ist  mindestens  noch  bis  in  sullanische  Zeit  in 
Rom  üblich  gewesen. 


Fig.  8. 

Zu  genauerer   Datierung   nimmt    St.  dann  (S.  145-155)  die 
Schichtenchronologie  '  zu  Hülfe  (*).   Er  nimmt   an  dass  der  auf 


'  photographische  Abbildung '  so  gebe  ich  ihn  beistehend  nach  einer  neuen 
Photographie.  Er  ist  durchaus  ähnlich  dem  palatinischen  Altar  sei  deo  sei 
deivae,  von  dem  neuerdings  Blinkenberg,  Archäologische  Studien  S.  124  eine 
gute  Abbildung  gegeben  hat,  und  welcher  ohne  Zweifel  in  die  Sullanische 
Zeit,  nicht  ins  Jahr  124  v.  Chr.  gehört.  Zerrbildern  wie  der  auf  Klausens  Ae- 
neas  und  die  Penaten  zurückgehenden  Zeichnung  der  Ära  von  Bovillae  sollte 
man  nicht  durch  Eeproduction  (Studniczka  Fig.  91)  zu  weiterer  Verbreitung 
verhelfen:   schlimm  genug,  dass  sie  in  Kitschis  PLME.  stehen! 

(')  Studniczka  hat  sich  S.  147  ff.  Mühe  gegeben  aus  Bonis  Einzelbeob- 
achtungen möglichst  viele  '  durchgehende  Schichten  '  herauszukonstruieren. 
Das  ist  eine  Arbeit,  die  sich  am  Schreibtisch  bequem  machen  lässt,  na- 
mentlich wenn  man  aus  den  Angaben  der  Augenzeugen  dasjenige  herauskor- 
rigiert, was  nicht  in  die  Theorie  passt.  So  schreibt  St.  bezüglich  der  Kies- 
schicht (s.  JB.  1902  S.  37):  «  Ihre  nicht  ausdrücklich  angegebenen  Stärke 
unter  dem  niger    lapis  kann   nur    ungefähr  so  viel    betragen  haben,   wie  in 


AUSGRABUNGEN   AUF   DEM    FORUM    ROMANUM  43 

einer  Ziegelschicht  ruhende  Tuffestrich,  welcher  er.  10,80-11  m. 
u.  M.  liegt  (Schichten  s  und  f  JB.  1902  S.  38)  aus  der  Zeit  nach 
der  gallischen  Katastrophe  stamme:  was  auch  mir  wahrscheinlich 
ist.  Das  Sacellum  könne  man  «  so  nah  an  300  oder  sogar  darüber 
hinab  rücken,  als  irgend  nöthig  »;  auch  damit  bin  ich  einverstanden, 
und  würde  z.  B.  an  die  Forumsregulierung  des  C.  Maenius  338  v. 
Chr.  denken.  Auch  darin  stimme  ich  ihm  bei  (s.  JB.  1902,  29  f.), 
dass  die  Verstümmelung  der  Stele  und  der  Säule  nicht  schon  in 
sehr  alter  Zeit,  etwa  bei  der  gallischen  Katastrophe,  erfolgt  sein 
kann:  Stele  und  Säule  haben  so  frische  Kanten,  dass  sie  gleich 
überdeckt  sein  müssten.  Wenig  glücklich  aber  scheinen  mir  St.'s 
weitere  Ansätze:  es  sei  wahrscheinlich  in  sullanischer  Zeit  das 
Romulusgrab  durch  eine  Tiberüberschwemmung  zum  Teil  zerstört  (x) 
und  man  habe  damals  «  um  das  praktisch  wünschenswerte  Verdecken 
jener  Monumente  der  patriotisch-religiösen  Pietät  erträglicher  zu 
machen  ■  (S.  133)  über  dem  locus  funestus  ein  Feld  mit  schwarzen 
Gestein  gepflastert,  an  dem  er  auch  späterhin  erkenntlich  bleiben 
sollte.  Dies  schwarze  Pflaster  sei  dann  in  cäsarischer  Epoche  ein 
wenig  gehoben,  dabei  seiner  äussersten  Platten  nach  Süden  (dem 
Forum  zu)  verlustig  gegangen,  aber  in  der  ganzen  Kaiserzeit  an 
seinem  Platze  sichtbar  geblieben.  Varro  (geb.  um  115)  könne  sehr 


esplorazione  X,  wo  sie  0,22  misst »,  wozu  die  Anmerkung:  «  Boni  1899  p.  153 
erwähnt  die  Schicht  als  breccia  sabbiosa,  doch  ohne  Mass . . .  Comparetti 
p.  4  rechts  giebt  freilich  0,55  an,  und  "Bonis  Diagramm  IX  zeichnet  die 
ghiaia  gialla  viel  mächtiger  als  die  Opferschicht,  aber  das  kann  gegen  obige 
Berechnung  nichts  ausmachen«.  In  Wirklichkeit  kann  sich  noch  heute  jeder 
Besucher  der  lavis  niger  überzeugen,  dass  die  Kiesschicht  am  Ostrande  der 
Ausgrabung  fast  60  cm.  hoch  ansteht.  Ich  habe  absichtlich  JB.  1902  a.  a.  0. 
mich  darauf  beschränkt,  die  sicheren  und  bedeutsamen  Schichten  zu  consta- 
tieren;  allzuscharfes  Spalten  und  unrichtiges  Generalisieren  kann  die  Lösung 
der  hier  vorliegenden  Probleme  nicht  fördern. 

(*)  «Durch  eine  Tiberüberschwemmung»  meint  Studniczka  S.  150:  «würde 
sich  vortrefflich  der  Zustand  der  Reste,  namentlich  die  Verschiebung  der  Pro- 
filstücke  an  der  linken,  durch  den  Stufenbau  minder  geschützten  Wange  . . . 
erklären  ».  Ich  kann  mir  wohl  eine  Tiberüberschwemmung  auf  dem  Forum 
denken,  welche  die  Fundamente  von  Tempeln  und  Häusern  —  monurnenta 
regis  templaque  Vestae  —  so  unterwäscht,  dass  sie  einstürzen;  nicht  aber 
eine  Flut,  welche  die  Fundamente  und  Plinthen  säuberlich  liegen  lässt, 
dagegen  die  Oberteile  der  sehr  massiven  Basen  '  verschiebt  \ 


44  CH.    HUELSEN 

wohl  die  untere  Denkmälergruppe  noch  selbst  gesehen  haben.  Diese 
untere  Gruppe  habe  bestanden  aus  dem  Romulusgrabe  mit  dem 
Altar  und  Löwen,  sowie  der  archaischen  Stele.  Ein  '  schwarzer 
Stein  \  sei  es  im  Pflaster  oder  auf  einem  Postament,  habe  in  der 
unteren  Gruppe  nie  existiert:  die  Festusstelle  beziehe  sich  nur  auf 
das  in  sullanischer  Zeit  hergestellte,  in  cäsarischer  um  ein  ge- 
ringes gehobene  Marmorpflaster. 

Hiergegen  ist  zunächst  zu  wiederholen,  dass  niger  lapis  eben 
nicht  mit  locus  lapide  nigro  stratus  gleichbedeutend  ist  (x).  Ferner 
steht  die  Auffassung  der  Verriusstelle  in  Widerspruch  mit  dem  gan- 
zen Charakter  des  verriani sehen  Werkes,  beziehungsweise  seiner 
topographischen  Artikel.  Diese  sollen  ja  keine  Denkmäler  aus  des 
Schriftstellers  eigener  Zeit  beschreiben,  sondern  beschäftigen  sich 
durchweg  mit  der  Erklärung  der  Namen  alter,  grossenteils  schon 
verschwundener  Monumente.  Und  gerade  der  Artikel  niger  lapis 
macht  durchaus  den  Eindruck,  als  solle  er  ein  altbekanntes  geheim- 
nisvolles Wahrzeichen  des  Forums  und  Comitiums  erklären,  um 
das  die  Sage  und  die  gelehrte  Forschung  sich  längst  und  in  mannig- 
facher Weise  bemüht  hatten.  —  Endlich:  was  wäre  das  für  eine 
Pietät  gewesen,  die  den  vollständig  erhaltenen  Cippus  —  statt  ihn, 
was  weniger  mühsam  gewesen  wäre,  auszuheben  und  anderswo- 
hin zu  transportieren  —  bis  zur  Hälfte  abgehackt  hätte  um 
dann  den  Platz  des  verstümmelten  Monumentes  sorgfältig  mit 
schwarzem  Marmor  zuzudecken?  Die  Verdeckung  und  gleichzeitige 
Verstümmelung  des  Monuments  erklärt  sich  nur  dann,  wenn  sie 
zu  einer  Zeit  stattgefunden  hat,  wo  man,  bei  einer  gründlichen 
Erneuerung  des  Comitiums  und  Forums  diese  archaischen  Denk- 
mäler verschwinden  lassen  wollte:  und  der  einzige  Zeitpunkt,  der 
dafür  geeignet  scheint,  ist  die  cäsarisch-augustische  Regulierung 
der  beiden  Plätze. 

Was  das   schwarze   obere  Marmorpflaster  betrifft,  so   glaubt 

(')  Studniczka  S.  131  versichert:  «der  Singular  lapis  zur  Bezeichnung 
eines  Steinmaterials  ist  jedem  Leser  des  Vitruv  geläufig,  somit  kein  Grund 
an  einen  einzelnen  schwarzen  Stein  ...  zu  denken  ».  Dass  lapis  Hymetlius 
nicht  immer  einen  einzelnen  Block  zu  bezeichnen  braucht,  ist  selbstverständ- 
lich; aber  glaubt  St.  wirklich,  dass  man  es  auch  beliebig  für  statua  ex 
lapide  Hymettio  facta  setzen  könnte?  Im  Vitruv  findet  sich  keine  einzige 
Stelle,  die  dem  von  St.  supponierten  Gebrauche  analog  wäre. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  45 

P.,  dass  es  in  cäsarisch-augustischer  Zeit  bei  Verdeckung  der 
unteren  Gruppe  gelegt  sei,  während  es  mir  eher  als  ein  Werk  der 
späten  Kaiserzeit  erscheint.  Die  Frage  ist  im  Vergleiche  zu  vielen 
anderen  von  sekundärer  Bedeutung;  mir  scheint  der  JB.  1902  ange- 
gebene Weg  noch  immer  am  einfachsten  die  verschiedenen  Schwie- 
rigkeiten zu  vermeiden.  Das  Argument  aber,  welchem  Petersen  (Arch. 
Anz.  1901,  62;  Rostra  S.  7)  und  St.  besonderes  Gewicht  beimessen, 
ist  meiner  Ansicht  nach  nicht  entscheidend.  Da  die  Travertinplatten 
des  Pflasters,  in  das  der  schwarze  Marmor  samt  der  Bordschwelle 
aus  Travertin  eingebettet  ist,  beim  Severusbogen  unterbrochen  seien, 
als  man  dessen  Fundamente  legte,  so  müsse  das  ganze  Travertin- 
pflaster,  und  mit  ihm  das  schwarze  Marmorpflaster,  vorseverisch, 
folglich  caesarisch  sein  (').  Mit  der  Durchbrechung  des  Pflasters  hat 
es  seine  Richtigkeit,  aber  was  soll  dass  beweisen  für  den  er.  30  m. 
entfernten  '  niger  lapis  '  dessen  Einfassung  mit  dem  Pflaster  gar 
nicht  im  Verbände  liegt?  —  Was  die  von  Studniczka  und  Petersen 
vermutete  Verkleinerung  des  schwarzen  Feldes  betrifft  (dasselbe 
soll  ursprünglich  grösser  gewesen  sein,  bei  einer  späten  Erneuerung 
mehrere  Platten  an  der  Südseite  verloren  und  seine  unregelmässige 
Form  erhalten  haben)  so  geben  dazu  die  Reste  keinen  Anhalt.  Wie 
mir  scheint,  hat  das  schwarze  Feld  immer  die  unregelmässig  fünf- 
eckige Form  gehabt.  Wenn  man  —  und  das  ist  der  Hauptgrund 
für  die  frühe  Datierung  —  dem  beginnenden  vierten  Jahrhundert 
nicht  mehr  zutraut,  es  habe  ein  paar  Quadratmeter  Marmorpflaster 
ordentlich  bearbeiten  und  verlegen  können,  so  thut  man  damit  der 
Zeit,  die  z.  B.  die  technisch  vortrefflichen  Bauten  in  Salona  schuf 
sehr  Unrecht  (2).  Dass  aber  —  und  auf  diesen  Punkt  gehen  St.  und 
P.  gar  nicht  ein  —  das  '  Romulusgrab  '  die  ganze  Kaiserzeit  hin- 

(')  Ich  werde  es  immer  für  mein  Recht,  und  in  einem  Berichte,  der 
auf  knappen  Räume  viele  und  zum  Teil  verwickelte  Fragen  zu  behandeln 
hat,  für  meine  Pflicht  halten,  Details  zu  übergehen,  die  m.  Er.  für  die  Sache 
unwesentlich  sind.  Eine  Monographie  über  das  Travertinpflaster  des  Comitiums 
müsste  auf  sehr  viele  Dinge  eingehen,  für  die  hier  kein  Raum  ist,  und  die 
auch  Studniczka  nicht  berührt,  ohne  dass  ich  ihm  d  jsshalb  den  Vorwurf  des 
1  Ignorierens '  mache. 

(*)  Studniczka  erklärt  allerdings  (S.  130.  148)  auch  das  Pflaster  aus  grauen 
Marmorplatten  vor  der  Curie  für  '  caesarisch  * :  ich  kann  es  nach  Material 
und  namentlich  nach  der  sehr  geringen  Abnützung  nur  für  eine  Arbeit  aus 
sehr  später  Zeit,  wahrscheinlich  der  des  Diocletian,  halten. 


46  CH.    HUELSEN 

durch  in  oculatissimo  loco  bestanden  haben  soll,  ohne  dass  sich  in 
der  ganzen  Litteratur  die  geringste  Anspielung  darauf  findet,  muss 
ich  nach  wie  vor  für  sehr  unwahrscheinlich  halten. 

Wenn  die  besprochenen  neuen  Untersuchungen  über  das  alte 
Comitium  trotz  allen  Aufwandes  von  Gelehrsamkeit  und  Scharfsinn 
zu  gesicherten  Resultaten  nicht  geführt  haben,  so  liegt  das  vor 
Allem  an  der  bisher  ungenügenden  Aufdeckung  der  Reste.  Die 
Ausgrabung  des  Comitiums,  vor  sechs  Jahren  begonnen  und  so- 
fort mit  glänzenden  Erfolgen  belohnt,  ist  auf  halbem  Wege  —  oder 
noch  früher  —  abgebrochen ;  die  seit  ebenso  langer  Zeit  ver- 
sprochene genaue  Publikation  der  Funde  am  Romulusgrabe  lässt 
immer  noch  auf  sich  warten.  Mögen  die,  welche  es  angeht,  sich 
daran  erinneren,  dass  das  Hüten  solcher  Schätze  nicht  nur  Rechte 
sondern  auch  Pflichten  der  wissenschaftlichen  Welt  gegenüber  giebt! 

Die  Tintenflut  um  den  archaischen  Inschriftcippus  hat  sich  glückli- 
cherweise in  den  letzten  zwei  Jahren  so  ziemlich  verlaufen :  Tropea  hat  seine 
dankenswerte  Berichterstattung  (s.  JB.  1902,  27)  nur  noch  zweimal,  und  mit 
Artikeln  geringen  Umfanges  {Riv.  di  storia  antica  VII,  1902-3,  S.  425-427. 
VIII  1903-4  S.  529-534)  fortzusetzen  gebraucht  («).  Unter  den  neuen  Erschei- 
nungen sind  aber  zwei  wertvolle,  die  hier  erwähnt  werden    müssen;    erstens 

Th.  Mommsen,  Tumentum  (Hermes  XXXVIII,  1903,  151-153) 
eine  der  letzten  Gaben,  die  wir  dem  grossen  Meister  verdanken.  Ihm  ist 
ioujcmenta  nicht  =  Jochtiere  (von  iugum),  sondern  =  Hülfstiere  (von  iuvo). 
Wichtiger  noch  als  die  Frage  nach  der  Etymologie,  auf  die  hier  einzugehen 
nicht  notwendig  ist  (vgl.  dazu  noch  E.  Teza,  Rivista  di  storia  antica  VII, 
S.  428  und  F.  Buecheler  Rhein.  Mus.  1905,  318)  ist  die  Altersschätzung; 
Mommsen  schreibt  die  Inschrift  der  Königszeit  zu. 

Einen  Fortschritt  in  der  Erklärung  des  Textes  bedeutet  auch  die  kurze 
Bemerkung  von 

P.  Kretschmer,    Zum    Cippus  vom  Forum    Romanum  (Wiener   Studien  für 
klass.  Philologie  XXVI,  1904,  S.  158  f). 

K.  fasst  iovestodvelod  auf  der  Südseite  als  archaische  Haplographie  für 
iovestod  (d)velod  =  iusto  hello ;  vorher  sei  vielleicht  indictod  zu  ergänzen. 

(»)  Die  Bemerkungen  von  G.  v.  Sebestyen,  Ueber  den  Ursprung  der 
Bustrophedonschrift  (Zeitschrift  für  Ethnologie  1903,  755-771),  mögen  hier 
angeführt  werden,  da  sie  auch  Tropea  entgangen  sind.  Der  Vf.  führt  das  ver- 
tikale Bustrophedon  auf  eine  uralte  Kerbschrift  zurück:  über  den  Cippus  handelt 
er  S.  768  f.,  wo  auch  das  Facsimile  aus  den  Beiträgen  zur]  AG.  II  S.  230 
wiederholt  ist. 


AUSGRABUNGEN   AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  47 

Ein  neues  Detail  zur  Geschichte  des  Comitiums  bringen  die  in  Oxy- 
rhyuchos  gefundenen  Fragmente  einer  Livius-Epitome  (Grenfell-Hunt,  The 
Oxyrhynchos  Papyri,  vol.  IV,  n.  668,  p.  90  ff).  Es  heisst  dort  (col.  VIII) 
zum  55.  Buche :  desertores  in  comitio  virgis  cae[si  sestertiis]  singulis  ve- 
nierunt.  Worauf  sich  dies  bezieht,  wird  aus  der  alten  Epitome  ersichtlich: 
C.  Matienus  accusatus  est  apud  tribunos  plebis  quod  exercitum  ex  Hispania 
deseruisset,  damnatusque  sub  furca  diu  virgis  caesus  est,  et  sestertio  nummo 
veniit  (wozu  noch  Frontin  strateg.  IV,  1,  20,  der  gleichfalls  von  Deserteuren 
im  Plural  spricht,  zu  vergleichen  ist;  s.  Grenfells  Anmerk.  S.  114  f.  und 
Kornemann,  Beitr.  zur  A.  G.  Beiheft  2  S.  66).  Neu  ist,  dass  die  Execution 
auf  dem  Comitium  stattfand;  ähnliche  erwähnen  Livius  22,  57,  3  und  Plin. 
ep.  4,  11,  10.  S.  Mommsen  Strafrecht  914. 


Die  Untersuchung  der  Curia  (S.  Adriane-)  ist  nicht  fortge- 
setzt werden :  über  die  Resultate  der  früheren  Ausgrabungen  han- 
delt Vaglieri  S.  143-149.  Für  die  Reconstruction  des  diocletia- 
nischen  Baus  waren  wir  bis  jetzt  hauptsächlich  angewiesen  auf  die 
Zeichnung  des  G-io.  Colonna  (1554)  cod.  Vat.  7721  f.  9  (reprodu- 
ziert bei  Lanciani  Mem.  dei  Lincei  ser.  III  vol.  XI,  1882  Tf.  III)r 
sowie  die  Kupferstiche  von  Et.  Duperac  (vestigj  di  Roma,  1575, 
Tf.  3,  reproduziert  bei  Lanciani  a.  a.  0.  und  in  meinem  Forum 
S.  101  Abb.  41)  und  Alö  Giovannoli  (vestigj  di  Roma,  1616 
Tf.  53,  reprod.  N.  Jahrb.  für  Philol.  1904  S.  33).  Es  scheint  daher 
nicht  überflüssig,  hier  zwei  wichtige  Zeichnungen  aus  der  Samm- 
lung Destailleur  (j.  im  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin)  nach  Pho- 
tographien, welche  ich  der  Güte  des  Hrn.  Dir.  Prof.  Jessen  verdanke, 
zu  publizieren. 

Die  erste  Zeichnung  (A,  s.  Abb.  9)  ist  enthalten  in  dem  jetzt 
n.  3268  f.  bezeichneten  Bande  (Recueü  de  planches,  d'elevations 
et  de  details...  des  monuments . . .  ä  Rome)  f.  45.  Bereits  Lan- 
ciani {Ruins  and  Exe.  S.  267)  hatte  auf  sie  hingewiesen,  auch 
einen  Teil  (nicht  ganz  genau)  publiziert.  Der  Zeichner  ist  unbe- 
kannt, die  Beischrift  aerarium  in  Campo  vaccino  a  Roma  stammt 
nicht  von  seiner  Hand.  Wichtiger  ist  die  gleichfalls  anonyme  (l) 

(l)  Die  Schrift  schien  mir  zunächst  einige  Aehnlichkeit  mit  einem  der 
jüngeren  Sangallos  (etwa  dem  «  Gobbo  »)  zu  haben.  Aber  Hr.  Nerino  Ferri, 
dem  ich  Photographien  der  Blätter  vorlegte,  weist  mit  Recht  darauf  hin,  dass 
die  Orthographie  saturne,  ciame,  eher  einen  Nichitaliener  als  Autor  vermu- 
ten lässt. 


.48 


CH.   HUELSEN 


zweite  (B),  jetzt  bezeichnet  n.  4151  Bl.  7  Auf  dieser  sind  eine 
Gesamtansicht  der  Front  (Abb.  10),  und  eine  offenbar  aus  unmit- 
telbarer Nähe  aufgenommene  Zeichnung   der  Gesimses  und  seiner 


Fig. 


Stuckreste  (Abb.  11),  beide  mit  zahlreichen  Maassen,  vereinigt. 
Die  zu  Grunde  liegende  Einheit  ist  ein  in  12  oncie  zu  je  12  minuti 
geteilter  Fuss.  Die  Länge  lässt  sich  ermitteln  durch  Vergleichung 
der  Weite  der  antiken  Thür  (p.  11  '/*)  m^  den  Zeichnungen  San- 


AUSGRABUMGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


49 


gallos  Uff.  896  und  Peruzzi's  üffiz.  624.  Bei  Sangallo  ist  16  l/2  Palm, 
bei  Peruzzi  12  l/2  pie  eingeschrieben ;  beide  Masse  sind  =  3,70  m. ; 


Fig.  10. 


danach  ist  der  auf  dem  Destailleurschen  Blatte  angewandte  Fuss 
etwas  grösser  war  als  der  piede  romano  antico,  nämlich  etwa 
0,315  m.  (1  oncia  etwa  =  0,0264  m.,  1  minuto  =  0,0022  m.). 

4 


50 


CH.    HUELSEN 


Die  Tür  der  Kirche  zeigt  auf  Blatt  B  noch  die  einfache  Form, 
welche  sie  auch  auf  der  Zeichnung  Colonnas  hat :  das  Portal  mit 
zwei  Säulen  und  flachbogigem  Giebel,  welches  auf  den  Vignetten 
Duperacs  und  G-iovannolis  erscheint,  und  das  Lanciani  Mem.  dei 
Lincei  S.  20  für  wahrscheinlich  antik  erklärte,  scheint  erst  kurz 


Fig.  11. 


vor  1575,  vielleicht  bei  den  Arbeiten  des  Cardinal  Bellay,  an  Stelle 
des  älteren  getreten  zu  sein.  Wenn  Colonna  neben  der  grossen 
Mitteltür  noch  zwei  kleinere  Seitentüren  angiebt,  so  muss  das 
willkürlich  sein ;  die  heute  vorhandenen  scheinen  erst  bei  der  Re- 
stauration von  1654  eingebrochen  zu  sein  (s.  Overbeke,  Ruinen 
de  Rone  I  Tf.  47),  sie  fehlen  auf  beiden  Destailleur-Blättern 
wie  bei  Duperac  und  Giovannoli.  Am  antiken  Bau  sind  Türen 
in  dieser  'Höhe  auch  selbstverständlich  unmöglich.  Die  antiken 
Fenster  über   der   Tür  geben    beide  Destailleur-Zeichnungen   als 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


51 


offen  an,  übereinstimmend  mit  der  Vedute  Heemskercks  (Berliner 
Skizzenbuch  II,  12,  publiziert  von  Egger,  Verzeichnis  der  Wiener 
Handzeichnungen  p.  35  Abb.  9)  und  Duperac  (Colonna  lässt  sie 
willkürlich    aus).    Die  Reste    des   Marmorquadern   nachahmenden 


Fig.  12. 


Stuckbelages,  im  16.  Jhdt.  noch  ziemlich  reichlich  vorhanden, 
sind  jetzt  bis  auf  ganz  wenige  verschwunden.  Das  Profil  der 
Stuckspiegel  zeichnen  A  und  B  etwas  verschieden :  dieser,  soweit  es 
nach  den  dürftigen  Resten  scheint,  richtiger.  Am  Gesimse  sind  jetzt 
nur  die  kahlen  Travertinconsolen  (s.  auch  P  auf  Bl.  A)  geblieben : 
der  Zeichner  von  B  hat  noch  erhebliche  Reste  von  den  in  Stuck 
anmodellierten  Ornamenten  (Delphinen  auf  der  Vorderfläche,  Akan- 


52  CH.    HUELSEN 

thusranken  an  den  Seiten),  ferner  zwischen  den  Consolen  zwei 
Köpfe  in  Vorderansicht  und  in  den  Lacunarien  Rosetten  aus  Stuck 
gesehen.  Die  Verzierungen  des  Frieses  bestehen  in  einer  Hänge- 
platte mit  Pfeifen  (diese  nur  auf  Bl.  A  angegeben),  darüber  einem 
Blattkj'ma,  und,  über  einer  schmalen  Leiste,  einem  glatten  Kyma. 
Diese  Reste  von  Stuckdekoration  eines  Monumentalbaus  aus  dem 
Anfange  des  4.  Jhdts.  sind  nicht  ohne  Interesse. 

Der  Giebel  über  der  Fassade  ist  den  Restaurationen  von  1654 
völlig  zum  Opfer  gefallen:  jetzt  umrahmt  nur  eine  dürftige  Cor- 
nice  das  Giebeldreieck,  während  im  16.  Jhdt.  das  diokletianische 
Gesims  mit  ähnlichen  Consolen  wie  unter  dem  graden  Gebälk 
(18  auf  jeder  Seite  nach  Colonnas  Angabe)  erhalten  war.  Posta- 
mente für  Statuen  auf  der  Mitte  und  an  den  beiden  Ecken  des 
Giebels  geben  auch,Colonna  und  Duperac  an:  auf  Bl.  B  wird  eine 
genaue  Aufnahme  des  'einen  Postaments  mit  allen  Massen  gegeben. 
Dasselbe  trug  auf  der  1.  Seite  den  lituus,  auf  der  r.  Seite  ein 
Schöpfgefäss ;  wahrscheinlich  war  es  eine  bereits  zum  zweiten  Male 
verwendete  Ehrenbasis,  die  ich  freilich  nicht  nachweisen  kann.  Auf 
den  späteren  Veduten,  von  Giovannoli  an,  sind  die  Reste  der  Basen 
verschwunden.  Die  Front  der  Curie  in  ihrer  Gesamtheit  ist,  mit 
Hülfe  der  Berliner  Zeichnungen,  von  Hrn.  Tognetti  in  Abb.  12 
reconstruiert. 


P.  Franchi  dei  Cavalieri,  S.  Martina  (Rom.  Quartalschrift  für  Christi.  Ar- 
chaeologie  1903  S.  222-236) 

beschäftigt  sich  überwiegend  mit  der  Legende  der  Heiligen,  welche,  wie  mit 
scharfer  und  überzeugender  Kritik  nächgewiesen  wird,  aus  der  Passio  S.  Ta- 
tianae  und  der  Passio  S.  Priscae  zusammengestoppelt  ist.  Aber  auch  für 
die  Geschichte  der  Kirche  und  ihrer  Umgebung  wird  mancherlei  gewonnen: 
überzeugend  ist  zum  Beispiel,  dass  der  (aus  der  Passio  S.  Tatianae,  wo  er 
für  die  Sallustgärten  steht,  übernommene)  Name  hortus  mirabilis  die  Gegend 
bei  S.  Martina  (nicht,  wie  Jordan  2,  425  wollte,  das  Forum  Augusti)  bezeichnet; 
interessant  die  Vermutung,  dass  die  Inschrift  des  Stadtpraefecten  Flavius 
Annius  Eucharius  Epiphanius  (C.  6,  1718)  zur  Erfindung  eines  heiligen  Epi- 
phanius  Anlass  gegeben  hat;  plausibel  auch  die,  dass  in  dem  templum  ubi 
erant  duodecim  idola  eine  Erinnerung  an  die  Porticus  Deorum  Consentium 
erhalten  sei. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


53 


Nordseite  des  Forums. 


Die  Ausgrabungen  der  Basilica  Aemilia  (über  welche 
Vaglieri  83-99 ;  Boni,^^'  del  Congresso  storico  566-570  berichten) 
sind  nur  unbedeutend  erweitert  worden,  wie  die  Vergleichung  des 
Planes  Abb.  14  mit  JB.  1902  Abb.  11  zeigt:  doch  ist  dabei  eine 
für  die  Rekonstruktion  des  Baus  wichtige  Tatsache  festgestellt 
worden.  Es  sind  nämlich,  als  man  den  Ausgrabungsrand  nach  Via 
Cavour  zu  ein  wenig  vorschob,  in  5  m.  Abstand  von  den  Fundamen- 
ten der  Säulen  des  nördlichen  Seitenschiffes,  zwei  ganz  entspre- 
chende, einer  nördlich  parallel  laufenden  Reihe  angehörige  Basen 
gefunden.  Also  hatte  der  Hauptsaal  zwar  an  der  Südseite,  wie  üblich, 
ein  säulengetragenes  Nebenschiff,  an  der 
Nordseite  aber  deren  zwei.  Er  erhält  da- 
durch eine  wesentlich  rationellere  Form: 
dem  Mittelschiff  von  12  m.  Weite  gesellen 
sich  drei  Seitenschiffe  von  5-5  Vi  m.,  so 
dass  die  Gesamtbreite  des  Saales  etwa  28  m. 
(vielleicht  29,5  =  100  röm.  Fuss?)  beträgt. 
Diese  eigentümliche  Gestaltung  des  Grund- 
risses wird  bestätigt  durcli  ein  neugefun- 
denes Fragment  der  Forma  Urbis  Romae, 
welches  hier,  auf  ein  Viertel  verkleinert,  ab- 
gebildet ist.  Obwohl  von  der  Beischrift  nur 
die  Buchstaben  ASILI  erhalten  sind,  zweifle 

ich  doch  nicht,  dass  dieselben  zu  btälLlca  aemilia  ergänzt  werden 
müssen.  Dafür  spricht  erstens  die  Aehnlichkeit  des  Grundrisses, 
zweitens  die  Beschaffenheit  des  Marmors  selbst:  die  Platte  ist 
auffallend  dünn  und  hat  durch  Feuer  stark  gelitten.  Genau  von 
der  gleichen  Dicke  und  ebenso  beschädigt  sind  die  auf  das  Nerva- 
forum  bezüglichen  Fragmente  (Jordan  116).  Auch  durch  die  Ver- 
gleichung mit  den  übrigen  zum  Forum  gehörenden  Fragmenten  der 
Forma  wird  die  Beziehung  auf  die  Basilica  Aemilia  bestätigt.  Stellt 
man  nämlich  das  neue  Fragment  so,  da'ss  die  Schrift  parallel  wird 
dem  Namen  Basilica  IV  Ha  (Jordan  fr.  20.  23),  so  bekommt  die 
Front  der  Basilica  Aemilia  auf  dem  Plan  fast  genau  die  Neigung 


Fi*.  13. 


54  CH.    HUELSEN 

zur  Axe  der  Basilica  Julia,  die  sie  in  Wirklichkeit  hat  (s.  die 
Abbildung  4  in  meinem  Forum  Romanum  S.  20).  Wir  dürfen  also 
aus  dem  Fragment  der  Forma  schliessen,  dass  die  Hauptfront  der 
Aemilia  an  der  Nordseite  zwei,  aber  auch  nicht  mehr  als  zwei 
Seitenschiffe  hatte.  Es  blieb  dann  zwischen  der  Aussenmauer  und 
der  Umfassungsmauer  des  Nervaforums  ein  Zwischenraum  von 
er.  8  m.  —  annähernd  ebensoviel,  wie  die  Porticus  nach  dem 
Forum  hin  tief  ist. 

Bereits  JB2  S.  46  hatte  ich  hingewiesen  auf  eine  unpublizierte 
Ansicht  der  bis  Ende  des  15.  Jahrhunderts  erhaltenen  Ecke  der  Ba- 
silica, welche  sich  im  cod.  Escorial.  f.  14  findet:  ich  gebe  die- 
selbe Fig.  15  nach  einer  von  Hrn.  Prof.  Ficker  mir  gütigst  zur 
Verfügung  gestellten  Photographie  (1).  Durch  Vergleichung  der 
vier  ältesten  und  sicher  von  einander  unabhängigen  Zeichnungen 
(Fr.  di  Giorgio,  Giul.  da  Sangallo,  sog.  Bramantino,  Escorialensis) 
lässt  sich  m.  Er.  sicher  feststellen,  dass  um  1490  '  gegenüber 
der  Ecke  von  S.  Adriano '  von  der  Aussenarchitektur  der  Basilica 
noch  ein  Eckpilaster  mit  danebenstehender  Halbsäule,  dann  in  er. 
drei  Meter  Abstand  eine  zweite  Halbsäule,  zwischen  ihnen  eine 
reich  verzierte  Tür-  (oder  Fenster-)  Oberschwelle,  vom  dorischen 
Gebälk  aber  vier  Metopen  zwischen  fünf  Triglyphen  erhalten  waren. 
Von  dem  nördlich  anstossenden  Intervall  war  vielleicht  noch  der 
Anfang  vorhanden,  aber  die  Ergänzung  in  Giuliano's  barberinischem 
Codex  zu  einem  Gebäude  mit  drei  Türen  ist  ebenso  willkürlich, 
wie  die  zu  einem  quadratischen  Janustempeir  Was  die  Höhen- 
verhältnisse anlangt,  so  wird  die  Zahl  von  fünf  Quaderlagen  über 
der  verzierten  Oberschwelle  auch  durch  den  Escorialensis  bestätigt 
(ebenso  l  Bramantino  '  und  Giul.  da  Sangallo;  irrig  sieben  hat  Ant. 
da  Sangallo  Uffiz.  1590);  ebenso  stimmen  die  genannten  zuver- 
lässigen Zeichnungen  darin  überein,  die  Quaderteilung  nicht  mit 
der  Leiste  des  Kapitells  durchlaufen  zu  lassen,  wie  Schulze  und 
ich,   Labacco  folgend,  Mon.  dell'  Istituto   XIX   Tf.  Fig.  6   ange- 


(*)  Eine  andere  unedierte  Zeichnung  der  Ruine  findet  sich,  wie  Hr.  Dr. 
H.  Egger  mir  freundlichst  mitteilt,  im  Musee  Wicar  in  Lille,  im  sog.  Skiz- 
zenbuche des  Michelangelo  (f.  813  Grundriss,  f.  814  Aufriss  «  questo  si  e  a 
Roma  drieto  a  Santo  Adriano  »)'.  Der  Aufriss  ist  nach  Eggers  Angabe  «  ganz 
im  Sinne  des  Escorialensis,  nur  mit  Weglassung  der  Thür  ». 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


55 


Fi?.  14. 


5fi  CH.   HUELSEN 

nommen  hatten.  Bemerkenswert  ist  noch,  dass  der  Escorialensis 
den  unteren  Teil  der  CanneHaren  in  den  Säulen  mit  Rundstäben 
ausfüllt,  wie  dies  auch  Bramantino  und  Labacco  andeuten,  Bald. 
Peruzzi  Uffiz.  388  mit  genauem  Mass  zeichnet. 

Der  von  den  Renaissancearchitekten  noch  gesehene  Rest  passt, 
wie  ich  bereits  JB.  1902  S.  50  bemerkte,  gut  in  die  Fundamente, 


Fiff.  15. 


welche  1902  an  der  Westseite  der  Basilica  ausgegraben,  jetzt  wieder 
zugeschüttet  sind:  ich  gebe  beistehend  (Fig.  16)  den  Grundriss  nach 
einer  Zeichnung  von  Tognetti.  Demnach  lag  die  Ruine  am  west- 
lichen Abschluss  der  Vorhalle.  Da  zwei  ziemlich  kleine  Türen 
im  Vergleich  zu  den  gewaltigen  Bogen eingängen  auf  der  Forums- 
seite wenig  zweckmässig  scheinen,  hat  man  vielleicht  eher  anzu- 
nehmen, dass  hier  zwei  Fenster  waren. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMAN UM 


57 


Eine  sorgfältige  mit  zahlreichen  Massen  versehene  Zeichnung 
des  Gesimses  und  der  Pilasterkapitells  giebt  der  von  Th.  Ashby 
{Paper s  of  the  British  School  at  Rome,  vol.  II)  publizierte  Codex 
des  Museum  Soane  in  London  fol.  77.  Nach  Darstellung  und  Massen 
steht  dieselbe  dem  Blatt  des  Antonio  da  Sangallo  Uff.  1413  beson- 
ders nahe :  eine  ganz  ähnliche  Zeichnung  findet  sich,  wie  Hr.  Ashby 
S.  81  bemerkt,  in  Casa  Buonarroti  in  Florenz  (Cornice  22  n.  2). 


Fig.  16. 

Vor  der  Front  der  Basilica,  nicht  weit  von  der  NW.  —  Ecke  des 
Cäsartempels,  ist  im  März  1904  das  Fragment  eines  beiderseitig 
bearbeiteten  Architravs  (0,40  hoch,  0,80  br.)  mit  folgender  Inscrift 
(Buchstabenhöhe  11  resp.  7  cm.)  gefunden: 

PRO    FELICITATEJ 

AVR( 


Dasselbe  ist,  wie  Gatti  Bull,  comun.  1904,  192  erkannt  hat,  zu 
verbinden  mit  einem  vor  zwei  Jahren  an  derselben  Stelle  gefun- 
denen Stücke 


D     NN     cf 

SYMMACHVS 


HONORI 


58 


CH.    HUELSEN 


Danach  ist  zu  ergänzen: 

Pro  felicitate  [et  victoria  ? d~]d.  n.  n.  Honori  \_et  Arcadi 

Aur\_elius  Anicius']  Symmachus  [y.  c.  praef.  urbi 

Der   Dedicant,   von   welchem  auch   die  Inschrift  CIL.  VI,    1193 
stammt,  war  Stadtpraefekt  von  418-420  n.  Chr.  Die  Inschrift  be- 


i — i — 4. — 1 — 1 — ( — \. — 1- 


'S  'O  ti  ,>0 


U 


iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiim 


Ficr.     17. 


zieht  sich  also  auf  Bauten,  welche  kurz  nach  der  Katastrophe 
von  410  ausgeführt  sind,  wahrscheinlich  an  der  Basilika  selbst.  Sie 
tritt  so  in  eine  Reihe  mit  den  von  mir  in  Lehmanns  Beiträgen  zur 
alten  Geschichte  2,  269  zusammengestellten  und  bestärkt  die  Vermu- 
tung, dass  die  Halle  aus  Granitsäulen,  welche  an  die  Stelle  der  ur- 
sprünglichen grossen  Pfeilerhalle  getreten  ist,  aus  honorianischer 
Zeit  stammt.  Die  Behauptung  Boni's,  die  Restauration  der  Basilica 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  59 

sei  aus  der  Zeit  Theoderichs  braucht,  so  lange  nicht  bessere  Argu- 
mente dafür  angeführt  werden  als  dass  diese  Zeit  •  incapace  ancora 
e  priva  dl  possibilitä  rispondenti  aWintento,  ma  feconda  di  aspi- 
rasioni  elevate  e  per  cid  commeadevole  '  gewesen  sei,  nicht  debat- 
tiert zu  werden.  Von  den  Veränderungen,  die  Fassade  und  Vorhalle 
der  Basilica  durch  diese  Restauration  erlitten  (JB.  1902  S.  53  f.) 
mögen  die  Skizzen  in  Aufriss  und  Durchschnitt  Abb.  17  eine 
Vorstellung  geben. 

Dass  die  Basilica  Aemilia  in  der  Kaiserzeit  zu  einer  Art  Ruhmeshalle 
für  die  alten  Helden  der  Familie  gemacht  war  —  Aemilia  monumenta  und 
avitum  decus  nennt  sie  Tacitus  ann.  3,72  —  hatte  ich  gelegentlich  des  Fun- 
des des  Elogiums  des  Siegers  von  Pydna  (Beitr.  zur  AG.  2  S.  262  n.  40) 
hervorgehoben:  für  ein  zweites  eben  dort  gefundenes  und  von  mir  a.  a.  0.  n.  41 
publiziertes  Fragment  war  es  mir  nicht  gelungen,  Beziehung  auf  einen  Ae- 
milier  nachzuweisen,  vielmehr  hatte  ich  es  auf  C.  Fabricius'  ergänzt.  Sehr 
viel  wahrscheinlicher  aber  ist  mir  jetzt  Münzers  Vermutung  (Hermes  40,  98), 
das  Fragment  beziehe  sich  auf  Q.  Aemilius  Papus,  «  der  mit  Fabricius  zwei- 
mal Consul,  einmal  Censor,  einmal  Gesandter  an  Pyrrhus  war,  und  nun  auch 
gern  mit  ihm  als  Muster  römischer  Tugend  zusammengestellt  wurde  (Cic. 
Laelius  39.  Yal.  Max.  4,  4,  3.  Dionys.  19,  13)". 

Die  JB.  1902  S.  52  A.  2  erwähnten  Blöcke  mit  der  grossen 
Ehreninschrift  für  Lucius  Caesar  liegen  immer  noch  (s.  die  Pho- 
tographie bei  Vaglieri  S.  84)  in  dem  Zustande  wie  sie  gefunden 
sind:  was  für  den  malerischen  Effekt  förderlicher  ist  als  für  die 
Untersuchung  des  Monuments.  Schon  jetzt  aber  mag  auf  einen 
Zusammenhang  hingewiesen  werden,  der  zur  Ermittelung  der  ur- 
sprünglichen Anordnung  nicht  unwichtig  ist. 

Die  Inschrift,  deren  Text  hier  wiederholt  werden  muss: 


1,23  1,58 

CAE;SARI-   AVGk 

PRINCIPI  IVVENTVtf 


CVM 


tfSSET 


ANN-Nö 
SENATV 


1.92 

STI  •  F  •  DIVI  N  0,24 

S  COS-    DESIG  o,i6 

T  •  XIIII  •  AVG  o.i6 

S  0,15 


zeichnet  sich  durch  eine  Schönheit  der  Schrift  aus,  von  der  die  Li- 
thographie Bull.  com.  1899  Tf.  XIII/X1V  kaum  eine  dürftige  Vor- 
stellung giebt.  Ich  kenne  auf  dem  Forum  nur  eine  Inschrift,  die  ihr 


60  CH.    HUELSEN 

in  dieser  Beziehung  ganz  ähnlich  ist,   und   dies  ist  die  öfter  be- 
handelte  CIL. '6,  3747  =  31291: 


1,02 

IMP  •  C 
AVGN 
TRIB 

PLEP  S 


0,26 
0,25 
0,21 
0,21 


Nicht  nur  Schriftcharakter  und  Grösse  stimmen,  auch  die 
einrahmende  Leiste  ist  bei  beiden  Steinen  identisch.  Die  Zusammen- 
gehörigkeit beider  Inschriften  wäre  auch  wahrscheinlich  längst 
erkannt  worden,  wenn  nicht  die  zweite  mittelalterlich  zu  einer 
Pavimentplatte  zugeschnitten  wäre  (1). 

Dadurch  wird  zunächst  die  Ergänzung  der  Augustusinschrift 
folgendermassen  gesichert: 

Imp.    C[_aesari    divi    Mi    f. 
Augu[_sto  pont.  max.  cos.  xiii 
trib  [  .pot.  xxi.  patri  patriae 
pieps  \_omnis  urbana  xxxv  tribuum 

Hiernach   lässt   sich   die  Zeilenlänge    auf  er.  fünf  m.  berechnen, 
was  zu  der  (4,73  m.  langen)  Lucius-Inschrift  gut  passt. 

Der  Titel  patri  patriae  in  Z.  4  ist  so  gut  wie  sicher,  da  sonst 
die  Zeile  nicht  voll  wird.  Nun  ist,  in  demselben  Jahre  752/2  v.  Chr. 
aus  welchem  die  Lucius-Inschrift  stammt,  dem  Augnstus  der  Titel 
pater  patriae  gegeben,  und  zwar  am  5.  Februar.  Es  liegt  nahe  zu 
vermuten,  dass  das  Monument,  zu  welchem  die  beiden  Inschriften 

(')  Ein  weiteres  Indicium  für  Zusammengehörigkeit  kann  man  darin 
erblicken,  dass  auf  einem  grossen  in  der  Basilica  gefundenen,  der  Lucius- 
Inschrift,  neben  der  er  liegt,  ganz  gleichartigen  Blocke  sich  die  Buchstaben 
EPSOM  in  10  cm.  hohen,  guten  augustischen  Charakteren  finden.  Es  sieht 
aus,  als  hätte  der  Steinmetz  den  Anfang  der  vierten  Zeile  der  Augustus- 
inschrift zur  Probe  auf  die  rauhe  Nebenseite  eines  für  denselben  Bau  bestimm- 
ten Blockes  eingeritzt. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  61 

gehören,  mit  dieser  Ehrung  in  Zusammenhang  steht;  man  erinnert 
sich  der  Worte  Ovid's  (fast.  2,121):  ■ 

sancte  paler  patriae,  tibi  plebs,  tibi  curia  nomen 
hoc  dediU  hoc  dedimus  nos  tibi  nomen  eques. 

Dazu  stimmt,  dass  die  Dedikanten  gerade  die  tres  ordines  sind: 
für  Augustus  die  plebs,  für  Lucius  der  Senat,  auf  einer  dritten 
vorauszusetzenden  für  Gaius  Caesar  der  equester  ordo. 

Wozu  haben  die  Stücke  ursprünglich  gehört?  das  Fragment 
der  Augustus-Inschrift  ist  gefunden  nello  sgombrare  uno  degli 
ambienti  terreni  della  torre  adossata  all'ullimo  dei  basamenti, 
ü  quäle  trovasi  sullo  svolto  della  Via  sacra  al  tempio  d'Anlo- 
nino  e  Fauslina  (Brizio,  Bull,  dell' Istituto  1872,235;  vgl.  Rosa 
relazione  p.  58).  Das  ist  fast  genau  die  Stelle,  wo  ganz  neuer- 
lich das  Basament  eines  grossen  Denkmals  aus  früher  Kaiserzeit 
zu  Tage  gekommen  ist,  das  man  ohne  Grund  '  equus  Tremuli  ' 
getauft  hat  (s.  u.  S.  74).  Es  läge  nahe,  die  Augustus-  wie  die  Lu- 
cius-Inschrift mit  diesem  in  Verbindung  zu  bringen:  für  ein  grosses 
Denkmal  des  Augustischen  Hauses  (')  giebt  es  keinen  passenderen 
Platz,  als  hier,  vor  dem  Tempel  des  Gründers  der  Dynastie ;  und 
die  Distanz  bis  zur  Westecke  der  Basilica  Aemilia,  wo  die  Steine 
in  dem  mittelalterlichen  Bau  ihre  zweite  Verwendung  gefunden  ha- 
ben (2),  ist  nicht  gross.  Bedenken  macht  nur  ein  Umstand :  auf 
dem  einen  Blocke  der  Luciusinschrift  ist  noch  ein  zu  Befestigung 
der  Seile  beim  Heben  dienender  Marmorzapfen  und  unter  dem  An- 
fange der  dritten  Zeile  eine  grosse  runde  Bosse  stehen  geblieben. 

(*)  Vgl.  auch  die  in  der  Nähe  gefundenen  Ehreninschriften  für  Gaius  und 
Lucius,  Mitth.  1899,  260-261  =  Beiträge  zur  AG.  2  n.  239  n.  15,  16,  welche 
wie  ihre  Form  (rechteckige  Marmorblöcke  ohne  Profilierung)  zeigt,  zu  einem 
grösseren  Ganzen  gehört  haben. 

(2)  Dass  die  Blöcke  zu  einer  Attika  über  dem  ersten  Stockwerke  der 
Basilica  Aemilia  gehört  hätten,  scheint  zwar  das  nächstliegende,  ist  aber  m 
Er.  durch  Lage  und  Erhaltung  der  Steine  ausgeschlossen.  Wären  sie  von  mehr 
als  10  m.  Höhe  herabgestürzt,  so  könnten  sie  unmöglich  so  wie  sie  jetzt  liegen 
auf  den  Boden  des  Forums  gefallen  sein.  Vielmehr  sind  sie,  wie  es  scheint, 
in  dem  ganz  späten  hier  in  die  Basilica  eingebauten  Hause  in  eine  Wand  des 
Erdgeschosses  vermauert  gewesen,  und  als  diese  Wand  einmal  einstürzte,  mit 
grosser  Kegelmässigkeit  neben  einander  zu  liegen  gekommen. 


62  CH.    HUELSEN 

Beides  lässst  darauf  schliessen,  dass  die  Inschrift  in  einiger  Höhe 
angebracht  war,  und*zwar  in  grösserer  als  das  selbst  bei  einer  Mo- 
numentalbasis möglich  ist. 

H.  Dressel,    Das   Sacrum    Cloacinae   (Wiener    Studien   XXIV,    1903, 
S.  418-224) 

giebt  zum  ersten  Male  eine  genaue  und  correkte  Beschreibung  der 
oft  behandelten,  von  Jordan  (Top.  I,  2  S.  398  f.)  völlig  miss- 
verstandenen  Münzbilder   auf  den    bald   nach   Caesars  Tode  ge- 


Fig.  18. 

prägten  Denaren  des  Münzmeister  L.  Mussidius  Longus,  von  denen 
sieben  verschiedene  gut  erhaltene  Exemplare  abgebildet  werden. 
Dargestellt  ist  eine  runde  Terrasse  von  massiger  Höhe,  die  oben 
mit  einer  gitterförmigen  Brustwehr  umgeben  und  vermittelst  ei- 
niger Stufen  zugänglich  ist.  Auf  der  Plattform  stehen  zwei  weib- 
liche Figuren,  zwischen  beiden  ein  niedriger  Pfeiler,  auf  welchem 
ein  Vogel  mit  angelegten  Flügeln  sitzt;  auf  diesen  Pfeiler  stützen 
beide  Frauen  ihren  rechten  Arm  leicht  auf,  während  die  erste  in 
der  halberhobenen  Linken  eine  Blume  hält,  die  andere  den  ver- 
hüllten linken  Arm  in  die  Seite  stützt.  Es  sind  zweifellos  zwei 
Standbilder  der  Venus ;  das  Wort  CLOACIN  (auf  andern  Exemplaren 
CLOAC)  dentet  den  Anfang  der  Weihinschrift  an,  die  CLOACINAE  • 
SAC  •  oder  CLOACINAE  •  SACRVM  gelautet  haben  mag. 

Das  nach  den  Münzen  sich  ergebende  ßekonstruktionsbild 
stimmt  nun,  wie  Dressel  am  Schluss  hervorhebt,  vortrefflich  zu  dem 
vor  der  Front  der  Basilica  Aemilia  gefundenen  kleinen  Rundbau, 
von  dem  bereits  JB.  1902  S.  44  Fig.  12  eine  Photographie  gegeben 
ist.  Der  Durchmesser  des  oberen  Einges  (Abb.  19)  beträgt  2,40  m., 
an  der  westlichen  (dem  Kapitol  zugewandten)  Seite  hat  der  Ring 
einen  rechteckigen  Ansatz  von  1,20  X  0,70  m.,  der  wie  die  verschie- 


AUSGRABUNGEN    AUF   DEM   FORUM    ROMA^UM 


63 


dene  Abnutznag  zeigt,  an  den  Seiten  von  zwei  Postamenten  be- 
setzt war,  während  die  Mitte  frei  lag.  Der  Ablauf  trug  einen  Bau 
aus  Marmurplatten,  wie  die  an  mehreren  Stellen  noch  erhaltenen 
Stemmlöcher  beweisen:  also  eine  den  Münzbildern  völlig  entspre- 
chende Konstruktion.  Unter  dem  Marmor  liegt  zunächst  eine  0,29  m. 
hohe  Travertinschicht,  darunter  eine  Quaderlage  aus  grüngrauem 
(0,29),  eine  aus  braunem  (h.  0,18)  und  weitere  sechs  aus  grauem 
Tuff.  Westlich  liegt,  1,18  m.  tiefer  als  die  Oberfläche  des  Mauer- 


J-N 


Fig.  19. 


ringes,  eine  grosse  graue  Tuffquader,  vielleicht  zum  Pflaster  des 
republikanischen  Forums  gehörig.  Selbstverständlich  hat  das  ur- 
sprüngliche Sacellum  seinen  Platz  auf  diesem  Niveau  gehabt,  der 
Marmorring  gehört  einer  Erneuerung  aus  der  frühen  Kaiserzeit 
an,  etwa  der  Epoche  des  Augustus  und  Tiberius,  in  der  die  Ba- 
silica  Aemilia  restauriert  wurde.  Diese  Erneuerung  ist,  wie  der  Ver- 
gleich mit  der  Münze  des  Mussidius  zeigt,  in  den  alten  Formen 
hergestellt. 

Von  dem  vor  der  Front  der  Basilica  zeitweise  aufgedeckten 
Gewölbescheitel  der  Cloaca  Maxima  (JB.  1902,  58)  kann  ich,  durch 
die  Güte  von  Miss  E.  Van  Deman,  umstehend  (Abb.  20)  eine  Pho- 
tographie geben,  welche  die  Höhenlage  der  interessanten  Ausgra- 
bung erkennen  lässt. 


€4 


CH.    HUELSEN 


Mitte   des   Forums. 

Ueber  die  JB.  1902,  56  (JB.2  57  einige  Zusätze)  kurz  beschrie- 
benen unterirdischen  Gänge  haben  wir  zwar  noch  nicht  die  ver- 
sprochene genaue  Publikation  mit  Plänen  und  Zeichnungen,  wohl 
aber  einige  vorläufige  Notizen  (Bull,  comun.  1902,  28.  190.  1903, 


Für.  20. 


101,  271  f.)  erhalten,  die  wenigstens  etwas  weiter  führen:  auch  ein 
Plan  ist  Bull,  comun.  1903,  p.  100  Fig.  44  gegeben,  auf  dem, 
mit  einigen  durch  die  neuesten  Ausgrabungen  (ebda.  S.  271)  be- 
dingten Ergänzungen,  der  beistehende  (Abb.  21)  beruht. 

Der  Hauptstrang  der  cuniculi  (a  a  Abb.  21)  ist  erforscht  auf 
eine  Länge  von  er.  120  m.,  von  der  Front  der  Rostra  bis  zur  Front 
des  Templum  Divi  Juli.  Er  wird  in  ziemlich  gleichen  Abständen 
durchschnitten  von  vier  Quergängen  (b  b,  c  c,  d  d,  e  e),  die  sich 
stellenweise  zu  quadratischen  Kammern  erweitern.  Die  Gänge  sind 
2,40  m.  hoch,  1,50  breit ;  an  mehreren  Stellen  finden  sich  im  Scheitel 
der  Gewölbe  quadratische  mit  grossen  Travertinplatten  umgebene 
Oeffnungen.  Die  Oberfläche  der  Travertinplatten  liegt  er.  55-60  cm. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


65 


IN 
IM 


*     ^       $      ^ 


66  CH.    HUEI-SEN 

unter  dem  späten  Pflaster  des  Forums,  der  Scheitel  der  Gewölbe 
er.  1,50,  die  Sohle  3,90  m.  unter  demselben  (also  er.  3,30  unter 
dem  Niveau  des  älteren  Travertinpflasters).  Die  Wände  der  Gänge 
sind  gutes  Mauerwerk  aus  kleinen  Tuffsteinen  ('),  die  Wölbungen 
opus  incertum  über  Bretterverschalung  gegossen. 

In  den  Kammern  der  Quergänge  findet  sich  in  der  Mitte  des 
Bodens  jedesmal  ein  grosser  Travertinblock :  nach  Spuren,  die  auf 
diesen  Blöcken  constatiert  sind,  glaubt  Boni,  dass  sie  zur  Aufstel- 
lung von  Hebemaschinen  gedient  hätten:  Spuren  von  Winden  für 
verticale  Drehung  (troncature  di  assi  torniti  verticalmente)  seien 
noch  vorhanden.  In  jedem  der  pozzetti  seien  elevatrici  aufgestellt 
gewesen,  von  deren  Rahmen  aus  Tannen-  und  Ulmenholz  (intelaia- 
tura  di  abeto  con  eunei  d'olmo  incassati)  gleichfalls  Reste  con- 
statiert wurden.  Boni  hat  Modelle  dieser  Vorrichtungen  herstellen 
lassen,  die  er  zu  publizieren  verspricht  (2). 

Von  besonderem  Interesse  für  die  Chronologie  sind  die  in  den 
Gängen  gefundenen  Scherben,  sämtlich  aus  dem  Ende  der  Republik 
oder  dem  Anfange  der  Kaiserzeit:  leider  noch  unpubliziert  und 
unzugänglich. 

Zu  bemerken  ist,  dass  die  Cuniculi  grösstenteils  nicht  in  den  ge- 
wachsenen Boden  eingeschnitten,  sondern  von  einer  offenbar  absicht- 
lich bei  der  grossen  Erhöhung  des  Forums-Niveaus  in  caesarisch-au- 
gustischer Zeit  hierher  gebrachten  Schuttschicht  umgeben  sind.  An- 
dere Spuren  einer  entsprechenden  Niveauveränderung  finden  sich  am 
Sacellum  der  Cloacina,  am  Lacus  Curtius,  an  der  Cloaca  Maxima : 


(a)  In  die  Wände  verbaut  fanden  sich  schegge  di  lapis  niger,  gid  li- 
sciato  e  logorato  (Vaglieri,  p.  272). 

(2)  Gegen  die  Behauptung,  diese  Maschinerien  müssten  für  Spiele  auf 
dem  Forum  bestimmt  gewesen  sein,  habe  ich  mich  bereits  JB2  S.  57  ausge- 
sprochen, und  finde  in  den  später  beigebrachten  Argumenten  keine  Widerle- 
gung. Wenn  einmal  zu  Strabo's  Zeiten  ein  berüchtigter  Eäuber  auf  dem  Forum 
so  exekutiert  wird,  dass  man  ihn  von  oben  in  einen  Käfig  mit  wilden  Bestien 
hineinfallen  lässt  (Strabo  VI,  2,  2  citiert  von  Vaglieri,  p.  101),  so  bedurfte 
es  dafür  wahrlich  keiner  Versenkungen.  Und  was  soll  gar  die  bekannte  Stelle 
aus  Calpurnius  (ecl.  7),  die  ausdrücklich  den  Circus  Maximus  beschreibt,  für 
das  Forum  beweisen  ?  Die  elevatori  im  Kolosseum  u.  s.  w.  haben  auch  ganz 
andere  Details,  namentlich  die  Führungsrinne:  und  was  hätte  man  aus  den 
schmalen  Gängen,  die  fast  ganz  durch  die  Seilzüge  eingenommen  waren,  her- 
aufbringen sollen? 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FOKUM    ROMANUM  67 

der  Scheitel  des  Fig.  20  abgebildete  Stückes  liegt  in  gleicher 
Höhe  mit  der  untersten  Stufe  der  kaiserlichen  Basilica  Aemilia. 
Dagegen  lagen  die  in  der  Nähe  aufgedeckten,  jetzt  wieder  verschüt- 
teten Stücke  eines  alten  Pflasters  aus  grossen  Platten  von  Cap- 
pellaccio  (x  y  Abb.  21,  vgl.  JB*  44.  58)  etwa  1,80  m.  tiefer  als 
diese  Stufe ;  ähnlich  die  ganz  entsprechenden  neben  dem  •  Equus 
Tremuli '  (u.  S.  74).  Die  neuen  Ausgrabungen  sind,  wie  ersicht- 
lich, im  mittleren  Teile  des  Forums  bisher  nur  an  wenigen  Stellen 
bis  auf  das  Niveau  des  frührepublikanischen  Forums  hinabgedrungen. 
Allerdings  müsste,  da  dies  Niveau  nur  er.  10-11  m.  ü.  M.  liegt,  der 
Wasserabfluss  geregelt  werden,  bevor  man  an  eine  Fortsetzung 
dieser  Untersuchungen  in  grossem  Stile  denken  könnte.  Aber  dass 
von  einer  vollständigeren  Freilegung  der  älteren  Schichten  noch 
bedeutende   Resultate   zu   erhoffen   sind,  liegt  auf  der  Hand. 

Einen  sehr  interessanten  Fund  würde  die  Miscelle  von  J.  M.  Stowasser 
(Wiener  Studien  1903,  270  f.)  bringen:  nichts  geringeres  als  eine  auf  die 
Cloaca  raaxima  bezügliche  Bauinschrift  wenn  —  die  Hypothese  nur  einiger- 
massen  wahrscheinlich  wäre.  In  Musti  (Henschir  Me§t  in  der  Proconsularis) 
ist  ein  Stein  von  einem  Epistyl  gefunden  (lg.  1,95,  h.  0,45)  mit  der  Inschrift 
{CIL.  VIII,  1584): 

HONESTAM  •  PRAEBENS  •  ORNaTvI  •  PVBLICO  •  LAVDEM 
FORVM   •   PRAEFVLGET  •  RERVM  •   SVBSTraTa   •   EMEaTv 

Stowasser  scandiert  saturnisch: 

honestdm  praebens  ornätui  —  publicö  laü&lm 
forum  praefulget  rerum  —  sübstrata  emeätu 

und  meint,  das  Original  dieser  Inschrift  habe  (nur  mit  substratu  meatu  am  Schlüs- 
se) in  Kom  auf  der  Cloaca  maxima  gestanden  «  ganz  so  wie  die  zerstörte  Inschrift 
der  basilica  saneti  Petri  am  Vatikan  sich  in  Thebeste  wieder  gefunden  hat 
{CIL.  VI,  p.  X,  n.  10  =  C.  VIII,  10698)«.  Aber  so  leicht  erklärlich  es  ist,  dass 
man  im  4.  oder  5.  Jhdt.  beim  Bau  einer  Kirche  in  Africa  die  nicht  viel 
ältere  Inschrift  von  St.  Peter  wiederholte,  so  unglaublich  ist  es,  das  die  Ma- 
gistrate einer  afrikanischen  Kleinstadt  zur  Beschriftung  ihrer  Kloake  sich  das 
Muster  von  Rom  geholt  haben  sollten  —  abgesehen  von  der  grossen  Unwahr- 
scheinlichkeit,  dass  im  3/4  Jhdt.  eine  archaische  Inschrift  in  Saturniern  über- 
haupt noch  auf  dem  Forum  existiert  hätte.  Vor  allem  aber  hat  St.  übersehen, 
dass  i.  J.  1884  an  der  gleichen  Stelle  ein  ganz  entsprechender  Stein  gefun- 
den ist  {CIL.  VIII  S.  15584)  mit  der  Inschrift: 

HAEC    TAM    PRISCA    SVIS    LONGAQVE    ORIGINE    NOLIS 
CVRATOR    TITVLIS    SEMPER    VIVESCERE    LECTIS 


68  CH,    HUELSEN 

Hier  wird  doch  St.  wohl  keine  Saturnier  erkennen ;  ich  denke,  es  bleibt  auch 
für  die  erste  bei  Wilmanns  Urteil:  barbarismis  foedissimis  par  nobile  hexa- 
metrorum,  und  wir  lassen  den  Ruhm  der  Autorschaft  dem  Lokalpoeten  von 
Musti  ohne    nach    einem    monumentalen    römischen    Vorbilde  zu  suchen. 

Die  Stufenpyramide  um  die  F  o  k  a  s  -  S  ä  u  1  e  ist  an  der  Nord- 
und  Ostseite  weggenommen,  und  der  in  der  Mitte  des  Fundaments 
befindliche  Ziegelkern  bis  auf  das  Forumspflaster  freigelegt  worden 
(Boni,  Atti  del  Congr.  storico  578-580).  Dieser  Ziegelkern,  schon 
von  Valadier  {colonna  di  Foca,  Tf.  I  u.  II)  genau  gezeichnet,  er- 
scheint nach  Material  und  Arbeit  den  sieben  Postamenten  gegen- 
über der  Basilica  Julia  sehr  ähnlich.  Aber  desshalb  auch  den  Ober- 
bau für  ein  Werk  des  beginnenden  vierten  Jhdts.  zu  erklären  und 
das  ganze  Monument  in  •  Columna  Diocletiani '  umzutaufen  (Boni 
a.  a.  0.)  ist  vorschnell.  Der  Behauptung:  '  reca  Vücrizione,  in- 
tensamente  osservata  ora,  traccie  non  lievi  di  assai  piü  antica 
scrittura,  anteriore  forse  di  non  meno  che  trecento  anni  al  secolo 
settimo '  muss  ich,  was  die  angeblichen  älteren  Schriftzüge  be- 
trifft, entschieden  widersprechen.  Dass  die  Steine  schon  einmal 
gebraucht  waren,  ist  wahrscheinlich :  aber  auch  nur  einen  sicheren 
Buchstaben  älterer  Schrift  zu  erkennen,  geschweige  denn  zu  da- 
tieren, scheint  mir  unmöglich.  Dass  schon  in  der  diokletianischen 
Zeit  ein  Monument  an  dieser  Stelle  errichtet  wäre,  welches  die 
Rostrafront  zum  grössten  Teile  verdeckte,  ist  mir  nach  wie  vor 
höchst  unwahrscheinlich. 

Für  die  Monumente  an  der  Südstrasse  mag  noch  hingewiesen 
werden  auf  eine  wie  es  scheint  allgemein  übersehene  Notiz  Emiliano  Sarti's 
(Arch.  della  soc.  romana  IX  443) :  nel  1818,  negli  scavi  che  si  fecero  nel  Foto 
romano,  fu  trovato  presso  uno  dei  piloni  laterizi  al  mezzo  di  detta  colonna 
di  Foca  un  consideverole  tronco  di  grossa  colonna  di  granito  rosso  (nach 
Fea  Varieta  di  notizie,  p.  71  del  diametro  di  palmi  cinque  e  tre-quarti),  che 
giacque  sul  luogo  sino  al  1841.  In  queWanno,  il  cardinale  Antonio  2yosti, 
pro-tesoriere,  lo  fece  togliere  di  lä,  e  portare  al  tempio  della  Pace,  dove 
fu  segato  in  ruote  per  uso  del  pavimento  della  basilica  di  S.  Paolo. 

Zu  den  interessantesten  Funden  der  letzten  beiden  Jahre 
gehört  ein  unter  dem  Pflaster  der  Kaiserzeit  zu  Tage  gekom- 
menes Heiligtum,  in  welchem  Boni  mit  Recht  den  L  a  c  u  s 
Curtius  erkannt  hat.  Die  offizielle  Publikation  dürfte  noch  ge- 
raume Zeit  auf  sich  warten   lassen;  die  beistehende  Skizze,  ent- 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


09 


worfen  mit  Hülfe  der  Tafel  zu  Bonis  Vortrag  auf  dem  historischen 
Congress  {Ätti  580-582),  der  Massangaben  in  Tomassettis  Aufsatz 
{Bull,  comua.  1904,  181-187)  und  eigener  Beobachtungen,  bean- 
sprucht natürlich  nicht,  eine  genaue  Aufnahme  zu  sein,  wird  aber 
wenigstens  zur  Veranschaulichung  im  Allgemeinen  genügen. 


psauner  Tuff, 
grauer  Tuff. 
Tr<ive7-/in. 


Fig.  22. 


Zwischen  der  dritten  und  vierten  (von  Westen  gezählt)  Basis 
war  immer  ein  zum  übrigen  Pflaster  des  Forums  anormal  liegen- 
der Travertinstein  sichtbar  gewesen.  Im  April  1904  liess  Hr.  Boni, 
von  diesem  Steine  ausgehend,  das  späte  Pflaster  aufheben,  und 
fand,  in  etwa  60-80  cm.  Tiefe,  ein  unregelmässig  trapezoidisches, 
mit  Travertin  gepflastertes  und  mit  Bordsteinen  aus  demselben  Ma- 
terial umgebenes  Feld.  Dies  Travertinpflaster  liegt  in  der  Höhe 
der  Oberkante  der  Travertinblöcke,  welche  die  Mündung  der  Cu- 
niculi  umgeben:  es  ruht  auf  einem  Unterlager  von  Blöcken  aus 
grauem  und  braunem  Tuff.  Es  ist  klar,  dass  die  ganze  Construction 


70 


CH.    HUELSEN 


nicht  älter  sein  kann,  als  die  cäsarisch-augustische  Forurns-Regu- 
lierung;  andrerseits  deutet  der  Befund  darauf  hin,  dass  man  da- 
mals ein  älteres  Heiligtum  mit  Sorgfalt  auf  dieses  Niveau  gehoben 
hat.  An  östlichen  Ende  ist  das  Travertinpflaster  unterbrochen 
durch  ein  auf  der  Tuffschicht  ruhendes  Zwölfeck  (Dm.  3,50  m.) 
aus  gleichem  Material  (grauem  Tuff)  welches  den  Unterbau  eines 
runden  Altars  (Dm.  0,71)  umschliesst.  Näher  dem  anderen  (westli- 
chen) Ende  des  Travertinpflasters  sind  die  Standspuren  von  meh- 
reren rechteckigen  Basen  oder  Altären  zu  erkennen. 

Dieser  Complex  stimmt,  seiner  Lage  und  seiner  Beschaffenheit 
nach,  vortrefflich  zu  dem,  was  wir  über  den  Lacns  Curtius  der 
Kaiserzeit  wissen  (s.  die  Stellen  bei  Jordan  1,  2,  400  A.  117).  Das 


Fig.  23. 


zwölfeckige  Fundament  trug  ohne  Zweifel  das  Puteal,  in  quod 
omnes  ordines  quotannis  pro  salute  Augusti  ex  voto  stipem  ia- 
ciebant,  die  Standspuren  am  Westende  erinnern  an  die  arae 
siccae,  welche  nach  Ovid  (fast.  6,  403),  •  auf  dem  Lacus  *  standen. 
Um  von  der  stipes  sacra  noch  Reste  zu  finden,  sind  Ausgrabun- 
gen zwischen  dem  Tuffpflaster  und  den  Backsteinbasen  bis  zu 
erheblicher  Tiefe  begonnen  worden,  aber  durch  aufsteigendes  Grund- 
wasser seit  Sommer  1904  unterbrochen.  Zur  Seite  des  Fundaments 
fand  man  ein  menschliches  Skelett  ohne  jegliche  Spur  von  Grab- 
beigaben, ferner  ein  wohlerhaltenes  Rad  aus  Eichenholz,  sowie 
andere  Reste  von  Balken  und  Stangen,  die  vielleicht  zu  einer 
Hebemaschine  gehörten  haben. 

Eintiefungen  auf  den  Bordschwellen  der  obersten  Schicht  zei- 
gen, dass  der  ganze  trapezoidische  oder  dreieckige  Bezirk  mit 
einer  Schranke  oder  Balustrade  eingehegt  war :  die  Skizze  Fig.  23, 
von  Tognetti,  möge  das  Monument  im  Allgemeinen  veranschauli- 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  71 

chen.  Eingefügt  in  diese  Balustrade  —  und  zwar  nach  dem  in  die- 
sen Mitteilungen  1902,  322  auseinandergesetzten  in  ihre  südliche 
Seite  —  denke  ich  mir  das  bekannte  im  Jahre  1553  genau  in 
dieser  Gegend  ausgegrabene  Curtius-Relief. 

Zu  den  Rom.  Mitth.  a.  a.  0.  gegebenen  Fundnotizen  will  ich  hier  eine 
mir  damals  entgangene  nachtragen,  um  so  mehr  als  sie  auch  bei  Lanciani 
(Storia  degli  scavi  di  Roma,  2,  206)  nicht  aufgeführt  ist.  Piiaro  Ligorio  er- 
zählt (cod.  Taurin  15  p.  146,  Ottobon.]  3374  f.  245:  insino  ad  hoggidl  si 
vede  in  Campidoglio  un  sasso  trovato  in  questo  luogo  [der  Anfang  des  Ar- 
tikels fehlt]  dove  l  Curtio  scolpito  a  cavallo,  che  cade  nella  palude,  d'opera 
modernaccia  e  gojfetta  et  vi  e  scritto  di  dietro  il  nome  di  Lucio  Surdino 
prefetto  e  pretore  de'  peregrini.  Vi  fu  trovata  la  imagine  dej,  Curtio,  grande 
assai  piü  che  del  vero  naturale,  tenuta  in  vendita  dalli  superiori  delVho- 
spedale  della  Consolazione ,  non  conosciuta  per  la  memoria  del  Curtio,  ma 
stimata  per  la  imagine  di  Cesare  gittata  a  terra  dove  fu  portata  dalla 
Curia  di  Pompeo,  sendo  stato  ucciso  et  arso  colle  banche  da  sedere  del  Co- 
mitio,  et  del  senatulo,  ma  si  gabano  che  di  tale  memoria  sia,  conciosiaco- 
sache  fosse  la  sembianza  di  Cesare  non  sarebbe  finta  di  etä  giovane  et 
formosa  etc.  Es  ist  derselbe  Fund,  von  dem  Flaminio  Vacca  mem.  4  Schreiber 
berichtet:  Me  ricordo  nel  cimetterio  della  Consolatione  vi  fu  trovata  una 
statua  a  giacere  di  marmo  grande  di  naturale  vestita  alla  consolare,  di- 
mostrava  con  un  braccio  coprirsi  la  testa,  fu  opinione  comune  che  fusse 
Cesare  et  il  Signor  Ferrante  de  Torres,  ä  quel  tempo  agente  del  V.  Re 
di  Napoli  D.  Perafa  de  Riviera,  la  comprö,  e  volse  che  io  li  facessi  la 
testa  per  ritratto  di  Cesare  quando  Bruto  Voccise,  e  detta  statua  fu  tras- 
portata  in  Sicilia.  Ueber  den  Verbleib  der  Statue  —  die  vielleicht  nichts 
anderes  war  als  eine  Sarkophagdeckel  mit  lebensgrosser  Figur  —  kann  ich 
nichts  nachweisen. 

In  geringer  Entfernung  von  Lacus  Curlius,  fast  genau  in  der 
Mitte  des  Forums,  ist  im  Frühjahr  1903  ein  grosses  Fundament 
aus  Gusswerk  aufgedeckt  worden.  Die  obere  Fläche  desselben,  11, 80  m. 
(20  röm.  Fuss)  lang,  5,90  m.  (10  Fuss)  breit,  liegt  etwa  1,50  m. 
unter  dem  Niveau  des  späten  Travertinpflasters ;  in  die  Tiefe 
erstreckt  sich  das  Gusswerk  2,78  m.  Im  unteren  Teile  seiner 
Seitenflächen  waren  Stücke  der  ßüsthölzer  und  der  Bretterverscha- 
lung, hinter  welcher  das  Fundament  gegossen  war,  wohl  erhal- 
ten. Das  Fundament  muss  jünger  sein  als  die  ■  Cuniculi  », 
da  bei  seiner  Errichtung  sowohl  der  Hauptgang  wie  der  dritte 
Quergang  unterbrochen  worden  sind.  Andrerseits  ist  es  auch  kein 
Werk  aus  später  Zeit,  da  das  Gusswerk  nur  aus  Basalt-  und 
Travertinbrocken,  ohne  Beimischung  von  Marmor  oder  Ziegelbruch 


72 


CH.    HUELSEN 


besteht.  Wir  werden  also  berechtigt  sein,  es  dem  ersten  Jhdt.  m 
Chr.  zuzuschreiben.  Charakteristisch  ist  ferner  dass  der  ganze 
Oberbau  offenbar  schon  im  Altertum  absichtlich  zerstört  ist :  von 
den  Quadern  aus  Travertin  oder  Marmor,   die   denselben  gebildet 


Fig.  24 

haben  müssen,  ist  auch  nicht  die  geringste  Spur  gefunden  worden. 
Die  von  Boni  sofort  bei  der  Auffindung  vorgeschlagene  Beziehung 
des  Bauwerks  auf  den  durch  Statius'  Beschreibung  berühmten 
Equus  Domitiani  hat  daher  hohe  Wahrscheinlichkeit. 

In  die  obere  Fläche  des  Gusswerks  sind  drei  grosse  Quadern 
aus  Travertin  eingebettet,  welche  in  ihrer  Mitte  je  eine  Vertiefung 
(er.  0,44  im  Quadrat,  0,15  tief)  haben,  deren  Zweck  bisher  nicht 
klar  ist.)  (x).  Einen  ähnlichen,  weit  grösseren  Block  bemerkte  man 

(»)  Dass  (wie  in  Fig.  24  angedeutet)  in  die  drei  Blöcke  Metallstäbe 
eingelassen  gewesen  wären,  welche  die    Beine    eines  kolossalen   schreitenden 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  73 

im  März  1904  an  der  Ostseite,  wo  er  in  das  Gusswerk  eingelas- 
sen war.  Bei  näherer  Untersuchung  zeigte  sich,  dass  derselbe 
hohl  war,  und  in  seinem  Inneren  fünf  Tongefässe  enthielt  (*), 
die  nach  Form  und  Technik  durchaus  denen  aus  der  alten  Ne- 
kropole  entsprechen.  In  den  meisten  Gefässen  waren  nur  Sand 
und  Steine,  Pech  und  Bruchstücke  von  Schildkrötenschalen:  nur 
in  dem  grössten  fand  sich  ausserdem  ein  kleines  Stückchen  Quarz, 
dem  etwas  gediegenes  Gold  anhaftete.  Ob  diese  Gefässe  aus  einem 
archaischen  Grabe  stammen,  das  beim  Ausschachten  des  Funda- 
ments gefunden  und  dessen  Inhalt  dann  aus  Pietätsgründen  an 
der  gleichen  Stelle  geborgen  sei,  oder  ob  es  sich  um  Gefässe  han- 
dele, die  bei  Gründung  des  domitianischen  Denkmals  rituell 
verwendet  und  zu  diesem  Zweck  absichtlich  in  archaischen  Formen 
hergestellt  gewesen  seien,  ist  noch  eine  offene  Frage.  Gatti,  der 
(bull,  comun.  1904,  75-82;  174-178)  sehr  entschieden  für  die 
zweite  Alternative  eingetreten  ist,  betont  namentlich  die  vorzüg- 
liche Erhaltung  der  Gefässe;  andrerseits  ist  Form  und  Technik 
denen  der  wirklich  archaischen  so  völlig  gleich,  dass  man  an 
Nachahmungen  aus  der  Kaiserzeit  schwer  denken  kann. 

Vor  dem  Caesartempel,  genau  in  dessen  Axe,  ist  (bei  F  Abb.  21) 
ein  grosses  Fundament  (er.  5X8  m.)  aus  Gusswerk  aufgedeckt  wor- 
den, das  im  Niveau  des  caesarisch-augustischen  Forums  liegt.  Da  vom 
Oberbau  ausser  einigen  (schon  früher  sichtbar  gewesenen)  Traver- 


Pferdes  (von  sechsfacher  Lebensgrösse)  hielten,  während  die  Vertiefung  in 
der  Mitte  der  Oberfläche  für  eine  vierte  Stütze,  unter  dem  Bauche  des 
Pferdes,  gedient  hätte,  ist  sehr  unwahrscheinlich.  Die  Metallstangen  müssten 
dann  über  4  Meter  lang  gewesen  und  durch  die  Travertin-und  Marmorblöcke 
des  Oberbaus  hindurchgegangen  sein.  Auch  ist  von  Verbleiung  oder  anderweiti- 
ger Verfestigung  von  Metall  in  den  Löchern  keine  Spur  vorhanden.  Die 
obere  Fläche  der  drei  Quadern  ist  rauh ;  es  scheint  nicht,  dass  sie  mit  Blöcken 
oder  Platten  aus  gleichem  Material  zugedeckt  waren. 

(*)  Es  sind  (s.  Gatti  Bull,  comun.  1904,  77):  a)  grosser  kugelförmiger 
Topf  aas  rotem  Ton,  mit  verticalen  Rippen  verziert ;  b)  Amphora  aus  schwärz- 
lichem Ton  mit  Bandhenkeln  (ähnlich  u.  Abb.  44);  c)  ähnliche  Amphora  mit 
Graffitoverzierungen  (Doppelspirale  und  Fisch) ;  d)  Schale  mit  hohen  Henkeln 
aus  schwärzlichem  Ton,  mit  Gramtornamenten  (fünfstrahliger  Stern,  auf  den 
Henkeln  Svastika  und  Punktreihen)  ähnlich  u.  Abb.  45;  e)  Schöpfgefäss  aus 
gelblichweissem  Ton  mit   aufgemalten    roten  Bändern    (ähnlich  u.  Abb.  47). 


74  CH.    HÜELSEN 

tinblöcken  nichts  erhalten  ist,  lässt  sich  nur  soviel  mit  Wahr- 
scheinlichkeit sagen,  dass  es  der  frühen  Kaiserzeit  angehört.  Ohne 
triftigen  Grund  ist  die  von  Boni  (Atti  del  Coagresso  Storico, 
583  f.;  vgl.  Not.  1904,  106;  Gatti  bull,  comun.  1904,  178)  einge- 
führte Bezeichnung  Equus  Tremuli;  dieses  aus  einer  Anführung 
des  Livius  (9,  43,  22)  und  Cicero  (Phil.  6,  5,  12)  bekannte 
Standbild  des  Consuls  448/306  v.  Chr.  befand  sich  ante  Castoris 
und  war  zu  Plinius'  Zeit  (n.  h.  34,  23)  schon  nicht  mehr  vorhan- 
den (Jordan  Top.  1,  2  S.  355  A.  63.  371  A.  79);  wir  müssen  es 
uns  auch  wohl  von  bescheidener  Ausdehnung  vorstellen  als  das 
neu  gefundene  ist.  Ob  die  grossen  Inschriften  für  Augustus  und 
seine  Familie  (o.  S.  60)  mit  diesem  Fundament  in  Beziehung 
gebracht  werden  dürfen,  steht  dahin.  Neben  der  Basis,  an  ihrer 
Nordseite,  ist  ein  grosser  Stück  wohl  erhaltenen  Pflasters  aus 
recht  alter  Zeit  gefunden:  es  besteht  aus  grossen  unregelmässi- 
gen Platten  von  cappellaccio  und  liegt  er.  1,70  m.  unter  dem  Ni- 
veau der  Kaiserzeit. 

Eine  Abhandlung,  die  schon  im  vorigen  Bericht  durch  ein 
mir  bedauerliches  Versehen  übergangen  worden  ist, 

E.  Babut,  Les  statues  equestres  du  Forum  {Melanges  de   Vecole   Fr  ansähe 
de  Rome  XX,  1900,  S.  209-222  mit  Tf.  V). 

hat  das  Verdienst,  auf  eine  bisher  übersehene  Stelle  des  Herodian 
aufmerksam  zu  machen,  durch  welche  die  Existenz  einer  grossen 
Reiterstatue  des  Severus  auf  dem  Forum  bezeugt  wird  (').  Der 
weiteren  Hypothese,  dass  zu  dieser  Kolossalstatue  das  gewöhnlich 
dem  Equus  Constantini  zugeschriebene  Postament  gehöre,  kann 
ich  mich  nicht  anschliessen.  Diese  scheint  mir  ihrer  Bauart  nach 
zu  schlecht  sogar  für  die  constantinische,  geschweige  denn  für 
die  severische  Zeit.  Ebenso  möchte  ich  Bedenken  tragen,  die  Re- 
verse mehrerer  Münzen  des   Severus  mit  Adventus   August i   (gut 

(')  Herodian  2,  9  erzählt  einen  wunderbaren  Traum,  den  Severus  vor 
seiner  Thronbesteigung  hatte,  fxsyav  xe  xai  ysvvcuov  innov  ßaaihxoig  cpaXü- 
qo's  xexoafxrj^iivov  (brjSr]  ßXeneiy,  (p&Qovxct  xbv  JleQxivax«  ino-^oi^vov  diä 
(isorjs  xf)g  iv  P(t)tuTj  legüg  6db©  ....  auf  dem  Forum  wirft  das  Pferd  den 
Pertinax  ab  und  lässt  den  Severus  aufsitzen ;  /us'vei  de  xai  eig  fjpäg  iv  ixsivio 
xG>  #w£hw  fj  xoV  övetQaxog  eixtbv  fieyiarf]  /a'ÄxoV  nsnoirjfxzvr].  Des  Traumes, 
nicht  der  Statue  gedenkt  auch  Cassius  Dio  74,  3. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  75 

reproduziert  auf  Tf.  V)  mit  der  von  Herodian  erwähnten  Statue  in 
Verbindung  zu  bringen:  der  Revers  ist  im  2/3  Jhdt.  sehr  häufig. 
Auch  der  Versuch,  mit  Hülfe  des  Einsiedeiner  Itinerars  nachzu- 
weisen, dass  der  Caballus  Constantini  auf  der  nördlich  an  die 
Rostra  angebauten  Ziegelbasis  gestanden  habe,  scheint  nicht  glück- 
lich. Meine  Bemerkungen  Rom.  Mitth.  1895,  62  sind  dem  Vf. 
unbekannt  geblieben. 


Südseite    des    Forums. 

Die  Basilica  Julia  und  der  Vicus  Jugarius  sind  in  den 
letzten  zwei  Jahren  von  den  Ausgrabungen  nicht  berührt  worden. 
Die  Untersuchung  der  älteren  Schichten  an  der  Nordwestecke  der 
Basilica  (vgl.  JB.  1902,  60  und  Vaglieri,  p.  164)  hat  bisher  we- 
sentliches nicht  ergeben. 

Vor  der  Front  der  Basilica  wurde  i.  J.  1900  als  Deckplatte  eines 
modernen  Kanals  ein  bedeutendes  Fragment  der  Forma  Urbis  Romae  mit 
dem  Grundriss  der  Agrippathermen  (Not.  degli  scavi  1900,  633  p  Bull,  comun. 
1901,  3)  gefunden.  Lanciani  (Storia  degli  scavi  2,  209)  bringt  jetzt  den  Nach- 
weis, dass  dies  Stück  bereits  einmal  im  Jahre  1813  ausgegraben  gewesen  ist. 
Die  Herzogin  von  Devonshire,  welcher  bekanntlich  die  Aufdeckung  der  Basis 
der  Phokassäule  verdankt  wird,  erzählt  in  einem  Briefe  an  ihren  Sohn  (publ. 
von  Vere  Foster,  the  two  Duchesses,  p.  424)  nachdem  sie  zuerst  ihrer  Utile 
excavation  bei  der  Säule  gedacht  hat:  uat  the  great  excavation  they  found 
a  part  of  the  plan  of  Rome  which  joins  on  to  that  which  is  preserved  in 
the  Capitoline  Museum;  nothing  can  be  greater  than  the  interest  which 
this  excites».  Trotzdem  verschwand  das  wertvolle  Fragment  durch  Nachläs- 
sigkeit eines  unwissenden  Arbeiters  wieder  für  beinahe  90  Jahre  —  ein  ku- 
rioser Zug  zur  Charakterisierung  früherer  Forums- Ausgrabungen,  welcher  der 
Vergessenheit  entrissen  zu  werden  verdiente  ! 

Ueber  Ausgrabungen  in  der  Basilica  1553-54  findet  sich  einiges 
(nichts  Neues)  zusammengestellt  bei  Lanciani  Stör.  d.  scavi  2, 205  f. 


Ostseite    des    Forums. 

Ueber  den  Caesartempel  berichten  Vaglieri  81-83;  Boni 
Atti  del  Congresso  storico  563-566;  die  Ausgrabungen  sind  in 
den  letzten  zwei  Jahren  nicht  erheblich  weiter  gekommen.  Es  mag 


76  CH.    HUELSEN 

aber  hier  auf  ein  kleines  aus  Gallien  stammendes  und  wahrschein- 
lich auf  den  Tempel  bezügliches  Tonrelief  hingewiesen  werden, 
von  dem  J.  Dechelette  in  seinem  grundlegenden  Werk  Les  vases 
ceramiques  de  la  Gaule  romaint  zwei  wenig  von  einander  verschie- 
dene Exemplare  (II  p.  288,  n.  98,  gefunden  1885  bei  Lyon;  ebda, 
n.  98#  ein  Fragment  aus  Vienne,  jetzt  in  Paris  bei  Fröhner)  pu- 
bliziert hat.  Eine  Vergleichung  mit  den  Münzen  des  Hadrian, 
welche  die  Rostra  ad  divi  Juli  darstellen  (Richter  Jahrb.  des 
Instituts  1889,  144)  macht  es  wahrscheinlich,  dass  der  Revers  der 
bekannten    hadrianischen    Bronze    dafür  in  ähnlicher  Weise    zum 


Fig.  25. 

Vorbild  gedient  hat,  wie  der  des  Marcus  mit  Armenia  für  das 
Medaillon  n.  96  bei  Dechelette.  Dies  ist  freilich  für  die  Datierung 
dieser  Klasse  von  Reliefs  interessanter,  als  für  die  Rekonstruktion 
des  Tempels,  da  das  Münzbild  von  dem  Tonbildner  offenbar  in 
manchen  Details,  z.  B.  den  an  der  unteren  Hälfte  der  Front  ange- 
brachten Schiffsschnäbeln,  missverstanden  worden  ist. 


Auf  die  Fundamente  des  A  u  g  u  s  t  u  s  b  o  g  e  n  s  hat  man  meh- 
rere Stücke  vom  Sockel  des  Mittelpfeilers  wieder  aufgelegt  (s.  Va- 
glieri  S.  91).  Ausgrabungen  im  Sommer  1904  haben  gezeigt,  dass 
der  Bogen  direkt  aufgesetzt  ist  auf  das  Pflaster  einer  republika- 
nischen Strasse  (h  Abb.  26),  welche,  ziemlich  genau  in  der  Queraxe 
des  Caesartempels,  von  Norden  nach  Süden  lief.  Die  Pflastersteine 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  77 

aus  Basalt  und  die  Bordschwellen  aus  Tuff  sind  gut  erhalten.  Vor 
der  westlichen  Front  des  Bogens  (bei  g  Abb.  26)  sind  mehrere  sog. 
*poszi  rituali*  gefunden,  deren  Wände  nicht  aus  Tuff-,  sondern 
aus  Travertinplatten  bestehen.  Wenn  irgendwo,  so  ist  in  diesen 
Fällen  die  Bestimmung  nicht  zu  ritualen,  sondern  zu  praktischen 
Zwecken,  sowie  die  relativ  späte  Eutstehungszeit  deutlich  zu  erken- 
nen. —  Oestlich  vom  Bogen,  bis  zur  Regia  und  zum  Vestatempel, 
sind  Reste  von  Privatbauten,  Abzugskanäle  aus  Tuff  u.  dgl.  aufge- 
deckt, die  ihrer  Konstruktion  nach  in  republikanische  Zeit  gehören. 
Diese  Ausgrabungen   sind  wieder  zugeschüttet. 

Ueber  die  Ausgrabungen  ander  Regia  1898-1902  berichten 
Vaglieri  42-44  und  Boni  Atti  518-525,  unter  Beifügung  zahlrei- 
cher Abbildungen.  Die  neuen  Ausgrabungen  haben  erkennen  lassen, 
dass  die  republikanische  Sacra  Via  kurz  vor  ihrem  Eintritt  ins  Forum 
sich  verbreiterte,  vielleicht  ein  kleinen  dreieckigen  Platz  bildete 
(s.  Abb.  26).  Dass  die  Regia  von  dieser  Seite  einen  Eingang  hatte, 
ist  an  sich  sehr  wahrscheinlich,  auch  von  mir  schon  früher  (s.  den 
Plan  zu  CIL.  I2  Tf.  I  und  a  Abb.  26)  vermutungsweise  abgenommen. 
Nur  muss  ich,  wie  bereits  Arch.  Anz.  1900,  8  und  JB.  1902,  63, 
entschieden  in  Abrede  stellen,  dass  dieser  Haupteingang  gebildet 
gewesen  sei  durch  die  Tür,  deren  Marmorschwelle  jetzt  noch  erhalten 
ist  (c  auf  dem  Plane  JB.  1902  S.  63,  s.  auch  Abb.  26)  Denn  die 
südliche  Mauer  des  Gebäudes  ging,  wie  die  Fundamente  und  das 
charakteristische  Stück  vom  Gebälk  beweisen,  noch  über  diesen 
Punkt  fort,  und  bog  erst  er.  5  m.  weiter  in  stumpfem  Winkel 
um  (Jahrbuch  1889,  242). 

Auf  der  irrigen  Annahme,  die  Tür  c  sei  der  Haupteingang 
der  Regia,  basiert  nun  wesentlich  der  Versuch  einer  neuen  An- 
ordung  der  capitolinischen  Fasten  von  G.  Schön  (der  Anteil  des 
Domitius  Calvinus  an  der  Regia  und  an  den  kapitolinischen  Fasten, 
Wiener  Studien  XXIV,  324-335).  Schön  behauptet,  rechts  und 
links  neben  der  Tür  c  seien  die  beiden  ersten  Tafeln  der  Con- 
sularliste,  und  zwar  jede  in  einer  aedicula  (l),  angebracht  gewesen, 


(!)  u  Trotz  Hülsen  ■  zweifelt  Hr.  Schön  S.  333  nicht.  «  dass  die  erste 
und  zweite  Tafel  ebenso  eingerahmt  waren  wie  die  dritte  und  vierte.  Da- 
durch   setzt    er   sich  nicht  mit  mir   sondern  direkt  mit  den  Steinen   in  Wir 


78  CH.    HUELSEN       ■ 

an  der  in  rechten  Winkel  damit  zusammenstossenden  Nordwand 
(bd  Abb.  26),  i  an  welcher  die  Triumphzüge  vorbeigingen  »  die 
anderen  beiden  Tafeln  und  die  Triumphalliste.  Die  Frage  ist  im 
Grunde  von  geringer  Bedeutung:  ohne  also  einer  ausführlichen 
Widerlegung  der  Schönschen  Vermutungen  viel  Raum  zu  opfern, 
beschränke  ich  mich  darauf,  festzustellen,  dass  sie  ohne  Kenntnis 
der  neuen  Ausgrabungen  (*),  mit  ungenügender  Benutzung  der 
älteren  Berichte  (2)  aufgestellt  und  in  allem  Wesentlichen  verfehlt 
sind.  Auch  das  Argument,  welchem  Vf.  einen  besonderen  Wert 
beizulegen  scheint,  die  Zusammengehörigkeit  von  Triumphalfasten 
und   Triumphalstrasse  (3),  ist  hinfällig:  die  Wand  bd  an   der   er 


derspruch.  Sowohl  das  längst  bekannte  Fragment  V,  wie  das  neugefundene 
auf  die  Jahre  422-424  bezügliche  haben  neben  der  rechten  Seite  der  Schrift 
einen  unbeschriebenen  Rand  von  12cm.  Breite.  Neben  der  Tür  c  fänden 
übrigens  nicht  einmal  zwei  Aediculae  wie  die  um  Tf.  III.  IV  Platz,  ge- 
schweige denn  zwei  noch  je  25cm.  breitere. 

(x)  Die  neuen  Ausgrabungen  kennt  Schön  nur  aus  dem  ungenügenden 
Referat  in  Richters  Topographie :  dass  weder  «  an  der  Westecke  des  Regia 
das  Amtshaus  der  Kalatores  Pontificum  lag»,  noch  an  dieser  Seite  «die 
Regia  bis  auf  zwei  Meter  an  das  Heroon  des  Divus  Julius  herantrat »  zeigt 
jedem  Sachverständigen  der  Augenschein. 

(a)  Dass  die  Berichte  über  den  Fund  der  Fastenfragmente  aus  dem  16. 
Jhdt.  auf  eine  Stelle  hindeuten,  die  nicht  unmittelbar  vor  dem  Faustinatempel, 
sondern  halbwegs  zwischen  diesem  und  dem  Castortempel  lagen,  ist  CIL.  I2 
p.  5  f.  ausführlich  auseinandergersetzt:  und  als  Bestätigung  kommt  hinzu,  dass 
die  nach  dem  Zeugnisse  des  Smetius,  Manutius  u.  A.  mit  den  Fasti  zusammen 
gefundenen  Inschriften,  wie  wir  jetzt  noch  deutlicher  erkennen,  alle  besser  an 
die  Süd-  als  an  die  Nordseite  der  Regia  passen.  Von  Wichtigkeit  ist  hier  na- 
mentlich das  Epistyl  der  Kalatores,  von  dem  die  eine  Hälfte  zusammen  mit 
den  Fasti  1546,  die  andere  1899  an  der  Südwestecke  der  Regia  vermauert  ge- 
funden ist. 

(3)  S.  333  versichert  Hr.  Schön:  «in  meiner  Arbeit  über  das  Trium- 
phalverzeichnis habe  ich  mit  möglichster  Genauigkeit  die  Notizen  über  die 
Bauten  infolge  von  Triumphen  gesammelt . . .  Diese  Bauten  waren  errichtet 
einerseits  vom  Marsfelde  an  längs  der  Via  Triumphalis,  andrerseits  an  der 
Via  Appia  bis  zum  Albanerberge  ».  Ein  solcher  lokaler  Zusammenhang  zwischen 
Triumphalstrasse  und  Triumphalbauten  wäre  sehr  interessant,  wenn  er  sich 
nachweisen  Hesse;  den  Nachweis  sucht  man  jedoch  in  der  früheren  Arbeit 
des  Vf.  vergebens.  Bauten  von  Triumphatoren  sind  in  Wirklichkeit  fast  auf 
allen  sieben  Hügeln  errichtet  worden,  Aventin  und  Quirinal  nicht  ausgeschlos- 
sen, die  doch  mit  dem  Triumphzuge  nicht  das  Geringste  zu  thun  haben. 


AUSGRABUNGEN    ALF    DEM    FORUM    RGMANUM 


79 


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80  CH.    HUELSEN 

die  Triumphalfasten  anbringen  will,  ist  ja  gar  keine  Aussenwand, 
und  eine  dort  angebrachte  Inschrift  von  der  Sacra  Via  aus  keinesfalls 
lesbar.  Die  im  CIL.  P  gegebene  Anordnung  der  Fasten  ist  immer 
noch  die  einzige,  welche  sowohl  den  Fundberichten  des  16.  Jhdts. 
wie  der  Tatsache  Rechnung  trägt,  dass  an  der  ganzen  Regia  nur 
einmal  zwei  Aussenwände  im  rechten  Winkel  zusammenstossen, 
nämlich  eben  an  der  Südwest-Ecke  (e  Abb.  26). 

Drei  neue  Fragmente  der  Consular-  und  Triumphalfasten  habe  ich  in 
diesen  Mitteilungen  1904,  117-123  veröffentlicht;  s.  auch  Boni  Notizie  d.  scavi 
1904,  8-10;  Gatti  Bull,  comun.  1904,  188  ff.  Für  das  Bauliche  ist  nur  das  auf 
die  Jahre  434,  435  bezügliche  grösste  Stück  von  einigem  Interesse:  es  bestä- 
tigt, was  vermutungsweise  schon  aus  den  kapitolinischen  Fragmenten  IX  und  X 
erschlossen  war,  dass  mit  dem  Jahre  436  d.  St.  eine  Quader  der  [tabula  se- 
cunda  begann  (s.  Beitr.  zur  AG.  2,  255).  —  Das  zweite  Stück  ergänzt  das  fragm. 
triumph.  II  (Triumphe  des  Tarquinius  Priscus);  das  dritte  ist  ein  unbedeu- 
tender, bisher  nicht  sicher  einzureihender  Splitter. 

Die  neue  Livius-Epitome  aus  Oxyrh\nchos  (Grenfell-Hunt  the  Oxyrhyn- 
chos  Papyri  vol.  IV  p.  99)  enthält  Z.  127-129  die  Worte  (aus  dem  Ende 
des  50.  Buches) :  sacrarium  [  . . .  ~\us  soci  maximo  ineendio  .  . .  Wie  Wissowa 
und  Kornemann  (bei  Grenfell  p.  106)  bemerken,  ist  dasselbe  Factum  bei 
Obsequens  19  (78)  z.  J.  606/148  verzeichnet :  vasto  ineendio  Romae  cum  regia 
quoque  ureretur,  sacrarium  et  ex  duabus  altera  laurus  ex  mediis  ignibus 
inviolata  extiterunt.  Das  soci  ist  eine  der  zahllosen  Korruptelen  das  Papyrus ; 
es  sollte  wohl,  wie  die  Hsg.  bemerken,  gesagt  sein  sacrarium  et  laurus 
Opis.  Vgl.  auch  Kornemann  Beitr.  zur  AG.  Beiheft  II  S.  25.  54. 

Die  Ausgrabung  des  Castortempels  ist  fortgesetzt  und  das 
Fundament  auf  allen  Seiten  isoliert  worden.  An  der  Westseite,  nach 
dem  Vicus  Tuscus  zu,  ist  die  aus  grossen  sorgfältig  behauenen 
Tuffquadern  zusammengesetzte  platea  zu  Tage  gekommen  (1),  auf 
der  sich  die  Fundamente  der  rechten  Säulenhalle  erhoben.  An 
der  Rückseite  sind  die  Fundamente  bis  in  grosse  Tiefe  (er.  6m.) 
hinab  untersucht;  an  der  Aussenseite  des  Gusswerks  waren  hier 
noch  an  mehreren  Stellen  die  Balken  und  Bretter  der  Schalung  erhal- 
ten, hinter  der  das  Fundament  gegossen  war.  Gleichfalls  in  bedeu- 
tender Tiefe  sind  Reste  von  Mauern  und  Kanälen  aus  Tuff  gefun- 
den, die  wohl  noch  der  republikanischen  Zeit  angehören  (Vaglieri 
Bull,  comun.  1902,  190.  1903,  165). 

(*)  In  den  Klammerlöchern  dieser  Blöcke  sind  einige  kleine  Münzen  aus 
dem  4.  Jhdt.  gefunden.  Daraus  zu  schliessen  (Vaglieri  165),  dass  schon  in 
constantinischer  Zeit  der  Castortempel  halb  in  Trümmern  gelegen  habe,  ist 
untunlich. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  81 

Juturna-Heiligtum   und   Augustustempel. 

Am  Lac us  Juturnae  sind  in  den  letzten  zwei  Jahren  neue 
Ausgrabungen  nicht  gemacht ;  über  die  früheren  berichten  Boni  Atti 
del  Congresso  storico  530-539  und  Vaglieri  Bull,  comun.  1903, 
166-198,  beide  mit  reichem  Material  an  Abbildungen  (*).  Unter 
den  dort  abgebildeten  Fundstücken  ist  auch  eine  kleiner  fein  gear- 
beiteter Fries  mit  Masken  und  Palmetten  (Not.  degli  scavi  1901 
p.  130,  Fig.  122;  Vaglieri  p.  196,  Fig.  102),  den  die  Herausgeber 
als   «  decorazione  interna  di  uno  dei  locali  del  sacrario  di  Ju- 


Fig.  27. 

turaa »  erklären.  Allerdings  sind  zwölf  Fragmente  bei  der  Aus- 
grabung des  Lacus  gefunden:  aber  auch  an  anderen  Stellen  des 
Forums  sind  nicht  wenige  zu  Tage  gekommen.  Bei  den  neuen  Aus- 
grabungen z.  B.  drei  Stücke  vor  dem  Templum  Divi  Romuli ;  zwei 
in  den  östlichsten  Tabernen  der  Basilica  Aemilia ;  drei  in  christli- 
chen Gräbern  zwischen  dem  Lacus  und  S.  Maria  Antiqua.  Es  ist 
ferner  den  Herausgebern  nicht  entgangen,  dass  zwei  ganz  entspre- 
chende Stücke  eingemauert  sind  in  S.  Giorgio  in  Velabro  und 
S.  Maria  in  Trastevere  (Boni  Not.  1901,  128).  Aber  damit  ist  die 
Zahl  der  bekannten  Stücke  noch  nicht  erschöpft :  zwei  Fragmente 
(0,55  m.  und  0,75  m.  lang)  befinden  sich  im  lateranischen  Museum 

(*)  Die  neuen  Ausgrabungen  werden  zum  Ausgangspunkte  genommen  auch 
in  G.  Bonis  Aufsatze  Quadrantal  (Nuova  Antologia,  16.  August  1902).  Auf 
die  weitausgreifenden  Hypothesen  desselben  kann  hier  nicht  eingegangen  wer- 
den :  die  Behauptung,  das  am  Lacus  Juturnae  sich  das  CentrabAichungsamt 
von  Rom  befunden  und  dass  das  Wasser  des  Juturna-Brunnens  als  Norm  für 
römisches  Gewicht,  Münze  und  Mass  gedient  hätte,  ist  unhaltbar.  Schon  die 
feststehende  Bezeichnung  des  Normallängenmasses  als  pes  monetalis  spricht 
dagegen. 

6 


82  CH.    HUELSEN 

(Benndorf-Schöne  n.  67  a.  67£);  eines  in  Conservatorenpalast,  eines 
im  kapitolinischen  Tabularium ;  eins  (1.  0,30)  im  Treppenhause  des 
Palazzo  Corsetti  in  Via  Monserrato ;  eins  (vielleicht  das  in  S.  Giorgio 
in  Velabro),  ist  gezeichnet  von  Baldassarre  Peruzzi  in  seinem  Siene- 
ser  Skizzenbuche  (J).  Die  jetzt  beim  Lacus  vereinigten  Stücke  haben 
eine  Länge  von  beinahe  15,  alle  zusammen  eine  solche  von  fast  20  m. 
Dass  sie  nicht  sämtlich  in  gerader  Linie  standen,  ergiebt  sich  daraus, 
dass  mehrere  Stücke  auf  Gehrung  geschnitten  sind  (die  Schrägflä- 
chen von  der  Vorderseite  des  Reliefs  zurücktretend) ;  in  eine  Mauer 
als  Wandfries  waren  sie  schwerlich  eingelassen,  da  viele  Fragmente 
auf  der  oberen  Kante  sorgfältig  gebohrte  runde  Löcher,  wie  für 
Metallstifte,  haben.  Ob  der  ganze  Fries  überhaupt  in  einem  der 
Räume  am  Lacus  (die  alle  ziemlich  klein  sind)  Platz  findet,  ist 
mir  zweifelhaft. 

Ueber  das  Templum  DiviAugusti  handeln  Vaglieri  Bull, 
comun.  1903,  230-236;  Boni  Atti  del  Congresso  storico  530-539. 
Ohne  auf  einzelne  kleine  Meinungsverschiedenheiten  einzugehen, 
möchte  ich  hier  nur  ein  Wort  einfügen  über  die  auf  den  Tempel 
bezüglichen  Münzen  aus  dem  zweiten  Jhdt. 

Keinem  Zweifel  unterworfen  sein  konnte  die  Erklärung  der 
Münzen  des  Antoninus  Pius  mit  templum  divi  Aug(usti)  rest(i- 
tutum),  von  denen  es  zahlreiche  Exemplare  in  Gold,  Silber  und 
Bronze  giebt  (Cohen  2  Antonin  n.  797-810);  diese  sind,  wie  die 
Ziffer  der  tribunicia  potestas  XXI.  XXII.  XXIII  beweist,  zwi- 
schen 158  und  160  geschlagen.  Sie  zeigen  den  Tempel  mit  acht 
Säulen  in  der  Front,  vor  den  äussersten  beiden  Säulen  Statuen  auf 
Postamenten,  im  Inneren  der  Cella,  auf  hohem  Piedestal,  zwei  sit- 
zende Cultbilder.  Einen  bis  ins  Detail  völlig  ähnlichen  Tempel 
stellt  nun  eine  zweite  Grossbronze  des  Pius  (Cohen  2  Antonin 
n.  618)  dar,  welche  die  Aufschrift  PIETAS  •  TR  •  POT  -  XIIII  • 
COS  •  III  S  •  C  •  trägt,  also  i.  J.  151  geschlagen  ist.  Eckhel  (D.N.  VII 

(x)  Dass  der  Fries  bereits  in  der  Ptenaissancezeit  bekannt  und  geschätzt 
gewesen  sein  muss,  haben  auch  Benndorf  und  Schoene  bemerkt,  die  darauf 
hinweisen,  dass  er  in  den  Stuccaturen  der  Decken  einer  der  letzten  Abteilun- 
gen von  Raffaels  Loggien  kopiert  ist.  Auch  in  dem  Eckzimmer  des  ersten 
Stockwerkes  des  Conservatorenpalastes  (früher  Sola  della  Lupa)  ist  im  17. 
Jhdt.  derselbe  Fries  in  Stuck  nachgebildet. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  83 

p.  22)  hat  die  letztere  Münze  auf  das  Hadrianeum  bezogen  und 
H.  Lucas  ist  ihm  in  seiner  tüchtigen  Arbeit  Zur  Geschichte  der 
Neptunsbasilica  (Progr.  des  Kaiser- Wilhelm-Realgymnasiums  zu 
Berlin  1904;  auf  S.  25  eine  gute  Abbildung  der  Münze  nach  einem 
Pariser  Exemplar)  darin  gefolgt.  Gegen  die  Erklärung  spricht  schon 
die  vollständige  Uebereinstimmung  der  beiden  Tempelabbildungen  : 
und  es  handelt  sich  hier  nicht  um  kleine  schematische  Darstel- 
lungen von  Tempelfronten,  sondern  um  sehr  detaillierte  Bilder;  auch 
ist  dieser  achtsäulige  Prostylos  der  einzige  Tempel,  der  überhaupt 
auf  Münzen  des  Pius  vorkommt,  abgesehen  von  dem  kleinen  runden 
Bacchusheiligtume,  über  welches  vgl.  JB.  1902,  96.  Ferner  ist  es, 
bei  der  stets  gepriesenen  Pietät  des  Antoninus  gegen  seinen  Vor- 
gänger, nicht  gerade  wahrscheinlich,  dass  er  den  Tempel  für  Hadrian 
erst  in  seinem  vierzehnten  Regierungsjahre  geweiht  habe.  Wi- 
derlegt aber  wird  Eckhels  Annahme  durch  eine  Notiz  über  die 
Weihung  des  Hadrianeums  in  der  Vita  Veri.  Es  heisst  dort  c.  8, 
1  :  qua  die  togam  virilem  Verus  accepit,  Antoninus  Pius  ea  oc- 
casionej  qua  patris  templum  dedicabat,  populo  Überaus  fuü. 
Der  am  15.  Dezember  130  geborene  Verus  erhielt  die  toga  virilis 
im  Jahre  145;  auf  die  Liberalitas  beziehen  sich  die  Münzen  Cohen 
490-501  (vgl.  Prosopogr.  I  p.  329).  Der  Hadrianstempel  war  also 
schon  sechs  Jahre  fertig  als  die  Bronze  mit  Pietas  geschlagen  wurde  : 
diese  bezieht  sich  somit  wahrscheinlich  auf  den  von  Pius  i.  J.  151 
gefassten  Beschluss,  das  Templum  Divi  Augusti  zu  erneuern.  Dass 
es  sich  bei  dieser  Restauration,  welche  etwa  sieben  Jahre  Bauzeit 
in  Anspruch  nahm,  nicht  um  einen  Neubau  der  Mauern,  sondern 
um  eine  Wiederherstellung  der  Dekoration  handelt,  zeigen  die 
Münzbilder  wie    die    erhaltenen  Reste  (*). 

(')  Den  erhaltenen  Bau  will  Vaglieri,  Boni  folgend,  für  hadrianisch 
halten  sia  per  il  interna  della  costruzione,  sia  per  i  bolli,  tra  cid  dobbiamo 
servirci  per  la  cronologia  dei  piü  recenti:  e  appunto  al  suo  regno  che  essi, 
specialmente  quellt  che,  secondo  il  Boni,  si  trovano  nella  strutlura.  Ich  muss 
demgegenüber  wiederholen,  dass  es  mir  ebensowenig  wie  Dressel  gelungen 
ist,  in  den  Mauern  in  opera  andere  Ziegel  als  solche  aus  dem  Ende  des  er- 
sten Jhdts.  zu  finden.  Ein  Exemplar  von  CIL.  15,  1097  Cn.  Domiti  Amandi 
val.  qui  fec,  sicher  im  ursprünglichen  Teile  der  Mauer  (im  r.  Seitenschiff 
von  S.  Maria  Antiqua,  etwa  über  der  Nische  mit  den  '  tre  Madonne  ')  wies 
mir  Hr.  W.  v.  Grüneisen  nach.  Die  zahlreichen  hadrianischen  Ziegel  stammen 
fast  alle  nachweislich  aus  Pavimenten  u.  dgl. 


84  CH.    HUELSEN 

An  der  Südseite  der  Tempelcella  sind  die  Ausgrabungen  fort- 
gesetzt und  bis  in  die  Nähe  von  S.  Teodoro  geführt  worden.  Die 
dort  zu  Tage  gekommenen  Reste  gehören  einem  grossen  einheit- 
lichen Bau  an :  es  sind  quadratische  oder  rechteckige  Räume  mit 
Wänden  aus  braunen  Tuffquadern  und  Tonnengewölben,  die  sich 
um  einen  grossen  trapezförmigen  Hof  gruppieren;  nach  der  Pa- 
latinseite  zu  sind  Reste  eines  oberen  Stockwerks  aus  Ziegelwerk 
erhalten.  Die  Richtung  der  östlichen  Wand  folgt  dem  Clivus 
Victoriae,  die  der  westlichen,  wie  es  scheint,  dem  Vicus  Tuscus. 
Dass  die  Räume  weder  zu  Wohn-  noch  zu  Kultzwecken  gedient 
haben,  ist  klar:  der  Grundriss  stimmt  vielmehr  zu  den  auf  der 
Forma  Urbis  häufig  dargestellten  horrea.  Solche  erscheinen  auch 
auf  dem  bekannten  Fragment  87  -j-  37  Jord.  neben  dem  Clivus 
Victoriae,  und  in  derselben  Gegend  nennt  die  Notitia  die  horrea 
Germaniciana  et  Agrippiana.  Die  Vermutung  liegt  nahe,  dass  die 
neu  ausgegrabenen  Reste  zu  diesen  Anlagen  in  Beziehung  stehen. 


S.  Maria  Antiqua. 

Die  Publikation  der  Fresken  von  S.  Maria  Antiqua  hat  der  hervor- 
ragendste Kenner  der  altchristlichen  Malerei  Roms,  Mgr.  G.  Wilpert,  über- 
nommen und  die  Vorbereitungen  zu  einem  Werke,  welches  sich  den  «  Ka- 
takombengeniälden  »  desselben  Verfassers  würdig  anreihen  wird,  sind  schon 
ziemlich  weit  gediehen.  Da  jedoch  bis  zum  Erscheinen  des  Buches  ohne 
Zweifel  noch  einige  Zeit  vergehen,  und  auch  später  das  Prachtwerk  schwer- 
lich allen  deutschen  Forschern  zugänglich  sein  wird,  halte  ich  es  nicht  für 
überflüssig,  hier  ein  kurzgefasstes  Inventar  der  figürlichen  Fresken,  mit  Hin- 
weis auf  die  bereits  an  verschiedenen  Stellen  publizierten  Stücke,  nament- 
lich aber  auf  die  im  photographischen  Kabinett  des  Unterrichtsministeriums 
unter  Leitung  des  Hr.  Dr.  G.  Gargiolli  hergestellten  käuflichen  Photogra- 
phieen  (1),  zu  geben. 

(')  Ich  benutze  die  Gelegenheit,  um  auf  den  reichhaltigen  Katalog  die- 
ser Photographien  hinzuweisen,  den  das  Ministerium  i.  J.  1904  veröffent- 
licht hat  (259  SS.  qu.  4°):  er  enthält  er.  3000  Blätter  nach  Monumenten 
aus  Rom  und  dem  übrigen  Königreich,  namentlich  antike  und  mittelalterliche 
Architektur,  aber  auch  Plastik,  Malerei,  Codices  mit  Miniaturen.  Die  Formate 
sind:  A  40X50,  B  30X40,  C  24x30,  D  21x27,  E  18X24,  F  13X18  cm.  Die 
Preise  variieren  von  0,35  bis  zu  er.  3  Lire  pro  Blatt.  Bestellungen  sind  an 
das  Gabinetto  Fotografico,  Via  in  Miranda  1  zu  richten. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  85 

Unter  den  litterarischen  Behandlungen  der  Fresken  ist  vor  Allem  zu 
nennen  die  gründliche  und  gelehrte  Arbeit  von  G.  Mc.  N.  Rushforth  (The 
church  of  S.  Maria  Antiqua,  Papers  of  the  British  School  at  Rome,  vol.  I, 
1902,  Ui  1-123:  kurz  erwähnt  schon  JBa  83  f.),  dessen  Nummern  im  folgen- 
den und  auf  dem  Plane  Abb.  28  durchweg  zitiert  sind.  Die  treffliche  Arbeit  ist 
leider,  ohne  Schuld  des  Verfassers,  ohne  alle  Reproductionen  nach  den  Bildern 
selbst:  hier  treten  ergänzend  ein  der  ausführliche  Bericht  Vaglieris,  bull, 
comun.  1903,  199-230  sowie  die  auf  S.  Maria  Antiqua  bezüglichen  Abschnitte 
in  Venturis  Storia  delVarte  italiana  (Bd.  II  S.  257  ff.  377  ff).  Auch  P.  Grisar 
hat  seine  sachkundige  Berichterstattung  in. der  Civiltä  Cattolica  fortgesetzt 
(qu.  1254.  p.  717-729.  qu.  1258  p.  463  ff.);  von  minderem  Belang  sind  die 
Referate  Gerspach's  (in  der  Zeitschrift  Arte  e  Storia,  Firenze  1902,  n.  1-8). 
Manche  andere  Artikel  in  populären  Zeitschriften  brauchen  hier  nicht  ver- 
zeichnet zu  werden. 

Was  die  Entstehungszeit  der  Fresken  betrifft,  so  ist  schon  im  vorigen 
Berichte  hervorgehoben,  dass  einige  Bilder  absolut  sicher  datiert  sind  durch 
die  darauf  mit  quadratischem  blauem  Nimbus,  also  als  lebend,  abgebildeten 
Päpste.  Demnach  gehören  in  die  Regierungszeit  Hadrians  I  (772-793)  die  Ma- 
lereien an  der  rechten  Wand  des  Vorhofes  (wo  auch  ein  Graffit  aus  den  790er 
Jahren,  s.  u.  S.  88) ;  in  die  Zeit  Pauls  I  (757-767)  die  Apsisbilder  des  Presbyte- 
riums ;  in  die  des  Zacharias  (741-752)  die  Fresken  der  Kreuzigungskapelle.  Dazu 
kommt  jetzt  der  wichtige  von  Prof.  Brightmän  in  Oxford  (bei  Rushforth  S.  72) 
gegebene  Nachweis,  dass  die  langen  Citate  auf  den  Scliriftrollen  der  Kirchen- 
väter in  der  zweiten  Schicht  der  Presbyteriumsfresken  sämtlich  in  den  Akten 
des  lateranischen  Concils  von  649  wiederkehren,  wo  Papst  Martin  I  die  Lehre 
der  Monotheleten  verwarf:  demnach  ist  diese  Schicht  jünger,  aber  wahrschein- 
lich nicht  viel  jünger  als  die  Mitte  des  siebenten  Jhdts.  Die  dritte  Schicht, 
welche  jünger  als  diese,  aber  älter  als  die  Apsisfresken  Pauls  1  ist,  schreibt 
Rushforth  Johann  VII  zu,  dessen  Tätigkeit  für  die  malerische  Ausschmü- 
ckung der  Kirche  im  Liber  Pontificalis  ausdrücklich  hervorgehoben  wird. 
Ebenfalls  zu  den  Arbeiten  Johanns  VIF  rechnet  Rushforth  die  Malereien  an 
den  Schranken  des  Presbyteriums  und  der  Schola  cantorum.  Die  unterste, 
älteste  Schicht  im_Presbyterium  datiert  Rushforth  ins  sechste  Jhdt. ;  Wilpert 
ist  sogar  geneigt,  hoch  etwas  höher  hinauf  zugehen.  Auf  die  Diskussion  der 
stark  abweichenden  Ansätze  Venturis,  der  die  unterste  Schicht  mit  der  Ma- 
donna in  die  Zeit  Johanns  VII,  die  zweite  mit  dem  schönen  weiblichen  Kopf 
um  das  Jahr  1000,  die  übrigen  Malereien  im  Presbyterium  (Apostelköpfe 
und  neutestamentliche  Bilder  an  den  Seitenwänden,  Kreuzigung  in  der  Lü- 
nette)    dem    11-12.    Jhdt.    zuschreibt,  kann  hier    nicht  eingegangen  werden. 

Kapelle  der  vierzig  Maertyrer  (JB.  1902,  S.  82;  JB. 2  S.  83). 

Am  Pfeiler  der  Eingangswand:  S.  Leo  mit  Schriftrolle,  auf  der  ein 
langes  Citat,  wie  in  der  Kirche  aus  dem  «  Tomus  «  c.  4  (s.u.)  (Rushforth 
p.  110  ir.  88)  Daneben  mehrere  Medaillons  mit  Köpfen  von  Heiligen,  In- 
schrift nur  erhalten  bei  6  äyioq  Ev&vptog.  An  der  Wand  daneben  Höllenfahrt 
Christi  (?),  sehr  zerstört.  R.  p.  110  n.  89. 


86  CH.    HUELSEN 

Inneres ;  Eingangswand  zur  linken  (zur  rechten  alles  zerstört):  Madonna, 
der  ein  Heiliger  einen  Papst  mit  quadratischem  Nimbus  vorstellt ;  sehr  frag- 
mentarisch. R.  p.  110  n.  90. 

Apsis:  Martyrium  der  Vierzig,  die  in  einem  eiskalten  Teiche  erfrieren. 
Von  den  beigeschriebenen  Namen  leserlich  Kvgltov,  [_'E]xdlxios,  Zev[r}Qictv6g~], 
&ik[6&eog]  ["Jy~]ysog.  R.  p.  112  n.  93;  Venturi  2  p.  251,  der  das  Apsisfresko 
dem   sechsten   Jhdt.,   die    Seitenwände    späterer    Zeit   zuschreiben  will. 

Rückwand  neben  der  Apsis,  links :  zwei  (ursprünglich  drei)  grosse  latei- 
nische Kreuze,  mit  Medaillons  (Christuskopf,  Madonna)  in  der  Mitte;  darun- 
ter Lämmer  und  Pfauen.  R.  p.  111  n.  92.  Rechts  schwache  Spuren,  Madonna  (?) 
und  Heilige.  R.  p.  112  n.  94. 

Rechte  Seitenwand :  Scenen  vielleicht  aus  dem  Leben  Antonius  des  Ere- 
miten. R.  p.  113  n.  95-98. 

Vorhof  von  S.  Maria  Antiqua. 

Eingangswand,  links  von  der  Tür:  S.  Agnes  {vAyvr}),  S.  Caecilia 
(Ktixrjktfa)  und  eine  dritte  zerstörte  Figur,  vielleicht  Anastasia.  R.  p.  94  n.  69 ; 
Venturi  382.  Rechts  von  der  Tür  drei  männliche  Heilige,  Beischriften 
zerstört.  R.  p.  94  n.  68. 

RechteSeitenwand  (s.  JB2.  84) :  Papst  Hadrian  überreicht  der  Ma- 
donna ein  Buch.  R.  p.  102  n.  84;  daneben  S.  Silvester  u.  a.  Heilige  (Sergius 
und  Bacchus?)  Photogr.  Gargiolli  E,  241.  243.  244. 

Daneben:  thronender  Christus  (R.  p.  101  n.  83),  Antonius  der  Einsied- 
ler und  Maria  Aegyptiaca  (?)  R.  p.  101  n.83.  Photogr.  Gargiolli  E,  243. 

Die  von  De  Rossi  1885  beschriebenen  Fresken  in  der  mittelalterlichen 
Tür  zwischen  Vorhof  und  Augustustempel  sind  fast  zerstört.  R.  p.  100  n.  81. 

In  der  Südecke  des  Hofes:  Heilige  ganzer  Figur,  Name  zerstört,  von 
der  Widmungsinschrift  erhalten  [JmsQ]  d(peo[e\a)g  «(a«(>rföv  rf)g  JoiXijs  afjg. 
R.  p.  100  n.  80. 

Linke  Seitenwand.  In  der  in  später  Zeit  zu  einer  Art  Apsis,  viel- 
leicht für  einen  Altar,  erweiterten  Mittelnische,  an  der  rechten  Innenwand 
Geschichten  Antonius  des  Eremiten.  Diese  Bilder,  deren  Niveau  höher  ist 
als  das  der  übrigen,  vielleicht  sehr  jung:  E.  p.  95  n.  70.  Ansprechend  ist 
die  Vermutung,  dass  diese  Kapelle  des  hl.  Antonius  identisch  sei  mit  der 
rätselhaften  ecclesia  S.  Antonii,  die  in  den  Mirabilien  c.  24  in  Verbindung 
mit  dem  palatium  Catilinae  und  dem  locus  qui  dicitur  infernus  genannt  wird. 
Rechts  und  links  davon  ältere  Medaillons  von  Päpsten  u.  a.,  sehr  zerstört. 
Inschrift  mit  schwarzen  Buchstaben  auf  weissem  Grunde: 

[Dicata  sancto]  tuo  nomine  Christe  [föde]l(es) 

Istoria  gaudent;  [noscas]  qui  pingere  fecit 

Ego  Leo  [dedi  pictujras  Christi  sacerdos  et  monachus. 

R.  p.  97  n.  74. 

In  der  Südecke:  Kolossalkopf  des  hl.  Abbakyros,  mit  ärztlichen  Emble- 
men (spatula  und  Arzeneibüchse).  R.  p.  98  n.  76.  Photogr.  Gargiolli  E,  240 ; 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


87 


88  CH.   HUELSEN 

241.  Oberhalb  der  Nische  Christus  mit  Abbakyros  und  Johannes.  Inschrift.. 
[Aibd]curus  et  Johs.  [.  .  .  ping]ere  rog\_a]vit . . . 

Wand  gegenüber  dem  Eingange:  links  alles   zerstört,  r.  auf  dem   Kalk 

Graffitto :  heXeib&t]  $v  x(vql)(o  e(ra),  %*' Das  Jahr  der  Welt  6300  ist 

nach  der  Aera  von  Constantinopel  =  792  n.  Chr.;  da  die  Schrift  rechts  un- 
vollständig ist,  lässt  sich  das  Jahr  nicht  genau  bestimmen,  doch  kommen 
wir  wohl  in  Hadrians  I.  Regierungszeit.  R.  p.  99  n.  78. 

Basilica  S.  Maria  Antiqua. 

Hauptschiff,  am  ersten  Pfeiler  rechts:  Kopf  der  Madonna,  darunter 
Daniel  mit  Löwen  Photogr.  Gargiolli  E,  244;  R.  p.  87  n.  61. 

An  den  Schranken  der  schola  cantorum  im  Inneren :  Unterteil  eines 
Reiters,  sehr  frisch  erhalten.  R.  p.  88  n.  62  ;  Photogr.  Gargiolli  E,  245. 

Am  zweiten  Pfeiler  rechts:  schöne  fast  lebensgrosse  Figur  der  hl.  Solo- 
mone  mit  ihren  sieben  Söhnen  (2.  Makk.  6).  R.  p.  85  n.  59 ;  Photogr.  Gar- 
giolli E,  221 ;  Vaglieri  p.  209  fig.  108  ;  Venturi  p.  380.  Darüber  Christus 
thronend  zwischen  Engeln. 

Am  zweiten  Pfeiler  links :  zwei  Schichten  übereinander,  in  beiden  Ver- 
kündigung. R.  p.  83  n.  57.  Daneben  Einzelfigur  des  hl.  Demetrius. 

Schranken  des  Presbyteriums,  Aussenseite  :  Judith  mit  dem  Haupte  des 
Holofernes  kehrt  nach  dem  belagerten  Bethulia  zurück.  R.  p.  86  n.  60. 

Rechtes  Seitenschiff.  In  einer  kleinen  Nische:  Maria  mit  dem 
Jesuskinde,  Anna  mit  der  kleinen  Maria  und  Elisabeth  mit  Johannes  dem 
Täufer.  R.  p.  82  n.  56;  Photogr.  Gargiolli  E,  242.  Vgl.  JB2  85. 

Obere  Wandhälfte,  fast  ganz  zerstört:  Geschichten  des  neuen  Testaments : 
Tempelgang  Marias  (?)  Geburt  Christi,  Anbetung  der  Magier.  R.  p.  81  n.  55. 

Linkes  Seitenschiff  (s.  das  Schema  S.  89). 

Untere  Hälfte :  in  der  Mitte  Christus  mit  elf  lateinischen  Heiligen  zur 
Rechten,  neun  griechischen  zur  Linken  (vgl.  JB.2  S.  85)  R.  p.  29-36  n.  14-34  ; 
Photogr.  Gargiolli  E,  222-228.  238-239.  -  Zwei  ähnliche  Figuren,  sehr  zer- 
stört, nur  die  Beischrift  zu  einer  ö  äyiog  Mcc[fj,~\äg  noch  lesbar,  links  von 
der  Tür  zur  Rampe  nach  dem  Palatin.  R.  p.  29  n.  13. 

Obere  Hälfte :  Geschichten  des  alten  Testaments  in  zwei  Reihen  überein- 
ander, beginnend  mit  der  Schöpfung  bis  zu  den  Erzvätern.  Am  besten  er- 
halten die  Geschichte  des  Joseph,  aus  der  publiziert  Vaglieri*  p.  210-213 
fig.  109. 110. 111.  Photogr.  Gargiolli  E,  199.  214.  (10)  220.  234.  R.p.  25  n.  1-12. 

Vorraum  der  Kreuzigungskapelle:  rechts  unten,  neben  den 
grossen  Heiligen,  zwei  nackte  männliche  Figuren  (JB.2  85  falsch  als  Adam 
und  Eva  bezeichnet),  vielleicht  Fragment  einer  Darstellung  der  vierzig  Mär- 
tyrer. R.  p.  38  n.  37.  Darunter   die   Inschrift;  fj  yqacff}  rf)g  etxövog  aha... 

Am  Pfeiler  nach  dem  Hauptschiff  zu:  Christus  zwischen  Heiligen.  R. 
p.  84  n.  58. 

Gegenüber,  am  Pfeiler  nach  dem  Presbyterium :  die  drei  Männer  im 
feurigen  Ofen.  R.  p.  85  n.  58  a. 

Presbyterium.  Schranken,  Innenseite  links :  der  kranke  Hiskias ;  Go- 
liath und  David.  Photogr.  Gargiolli  E,  245,  danach  publiziert  in  meinem  Forum 
Romanum  S.  145  Abb.  72.  Vgl.  Vaglieri  208;  Venturi  380. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


89 


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90  CH.   HUELSEN 

Rückwand  (s.  Schema  S.  91  )  Lünette  über  der  Apsis:  der  Crucifixus 
angebetet  von  Engeln,  darunter  lange  griechische  Inschrift  (vgl.  JB.2  82).  R. 
p.  59  n.  49.  Photogr.  Gargiolli  E,  183.  185.  Die  ganze  Wand  ebda.  A,  1.  2. 

Unterhalb:  vier  Halbfiguren  von  Päpsten,  einer  mit  blauem  quadrati- 
schem, drei  mit  gelbem  Nimbus.  Einem  der  letzteren  ist  beigeschrieben  Scs. 
Martinus  p(a)p(a)  Romanus.  Nach  Photogr.  Gargiolli  publiziert  von  Venturi 
p.  385  fig.  272.  Vgl.  Rushforth  p.  62. 

Darunter,  rechts  von  der  Apsis:  drei  Schichten  übereinander  (der  sog. 
«  Palimpsest  *),  nach  Photogr.  Gargiolli  E,  216  reproduzirt  auf  Tf.  IV.  Vgl. 
Vaglieri  223  fig.  113;  Hülsen  Forum  Roman  um  p.  146  Abb.  73;  Venturi 
p.  283  n.  271.  —  Unterste,  vor  dem  Einbrechen  der  Apsis  gemalte  Schicht: 
Madonna  auf  dem  Throne,  von  Engeln  angebetet.  R.  p.  67  n.  51.  Zweite 
Schicht:  Verkündigung,  erhalten  1.  Kopf  der  Madonna,  r.  Engelskopf  von 
hervorragender  Schönheit.  Nach  Photogr.  Gargiolli  abgebildet  bei  Venturi 
p.  381  fig.  270.  —  Dritte  Schicht:  S.  Gregor  von  Nazianz,  S.  Basilius  in 
fast  lebensgrossen  Figuren.  R.  p.  62.  Von  der  entsprechunden  Schicht  links 
der  Apsis  (51a  S.  91)  ist  nur  ein  Nimbus  mit  dem  Namen  S.  Augus[t\in\u]s 
erhalten. 

Unterster  Wandteil:  erhalten  nur  die  zweite  Schicht,  zwei  Kirchenväter 
in  dreiviertel  Lebensgrösse  mit  Schriftrollen  in  den  Händen:  S.  Basilius  mit 
Citat  aus  dem  Tractat  de  spiritu  sancto  §  12;  S.  Johannes  Chrysostomus 
mit  Citat  aus  dem  sermo  in  Thomam  apostolum,  R.  p.  71.  72. 

Links  von  der  Apsis  sind  die  Fresken  am  oberen  Teil  der  Wand  fast 
zerstört ;  erhalten  die  dem  untersten  Wandteile  rechts  entsprechenden:  S.Leo 
mit  Citat  aus  dem  tomus  c.  4;  S.  Gregor  von  Nazianz  mit  Citat  aus 
erat.  XXX  c.  12.  R.  p.  69.  70. 

Ebda,  in  der  dritten  obersten  Schicht:  Reste  der  Dedikationinschrift 
scae.  d(e)i  genetrici  semperque  virgini  Mariae ...  (Facsimile  bei  Grisar,  Ci- 
viltä  cattolica  1901  p.  225)  R.  p.  66. 

Apsis:  stehender  Christus  zwischen  zwei  Tetramorphen,  von  Papst 
Paul  I  angebetet.  R.  p.  73;  Vaglieri  p.  219;  Venturi  256;  Photogr.  Gargiolli 
E  219.  Publiziert  nach  Zeichnung  (ungenau  und  stillos)  von  Wüscher-Becchi, 
Zeitschrift  für  christliche  Kunst  1904  n.  10. 

Die  Seitenwände  haben  in  ihrer  oberen  Hälfte  einen  zusammenhängenden 
Cyklus  von  Bildern  aus  dem  NT.  in  zwei  Reihen  übereinander.  Die  Erzäh- 
lung begann  an  der  linken  Wand,  dem  Eingange  zunächst.  Die  ersten  vier 
oder  fünf  Bilder  sind  zerstört,  erhalten  in  der  r.  Ecke:  Anbetung  der  Magier. 
R.  p.  55  n.  43.  Photogr.  Gargiolli  E,  196;  Venturi  p.  387  fig.  273.  In  der 
-oberen  Reihe  der  rechten  Wand  folgen :  Darstellung  im  Tempel,  Flucht  nach 
Aegypten  (R.  p.  55  n.  44);  dann  fehlen  wieder  je  4-5  Bilder  in  dieser  Reihe 
und  in  der  unteren  Reihe  der  linken  Wand.  In  letzterer  erhalten :  die  beiden 
letzten    Bilder  Christus   vor   Pilatus  (x)  und  Kreuztragung   R.  p.    56  n.  45; 


(')  Die  Deutung  dieses  von  Rushforth  nicht  erwährten  Bildes  danke  ich 
Hrn.  W.  von  Grüneisen,  von    dem   bald   eine   ausführliche,  die  Stellung  der 


AUSGRABUNGEN    AUF   DEM    FORUM    ROMANUM 


91 


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CH.     HUELSEN 


Photogr.  Gargiolli  E,  229.  vgl.  Vaglieri  221 ;  Venturi  p.  379.  Die  Kreuzigung 
selbst  bildete  das  Motiv  der  Darstellung  in  der  Lünette  der  Rückwand:  in 
der  unteren  Reihe  links  folgen,  nach  einem  zerstörten  Bilde  (Auferstehung?): 


Fig.  29. 

Unglaube  des  Thomas  (R.  p.  56  n.  46),  Erscheinung  am  See  Tiberias  (R. 
n.  47);  Verleihung  der  Schlüssel  an  Petrus,  Erscheinung  in  Galiläa,  letztere 
beiden  sehr  zerstört. 


Fresken  in  der  römisch-byzantinischen    Kunst  beleuchtende    Arbeit    {Sainte 
Marie  Antique,  etudes  comparatives)  zu  erwarten  ist. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


93 


In  der  unteren  Hälfte  der  Wand ;  Streifen  mit  Apostelköpfen  auf  gelbem 
Grunde :  links  Bartholomaeus,  Johannes,  Andreas,  Paulus,  namentlich  die  drei 
letzten  relativ  sehr  gut  erhalten,  rechts  fünf  Köpfe  ohne  Namen.  R.  p.  57; 
Photogr.  Gargiolli  257.  258.  259.  266. 


Fig.  30. 


Auf  dem  untersten  Teile  der  Wand,  dessen  Dekoration  aufgespante 
Teppiche  nachahmt,  neben  der  Tür  in  der  rechten  Seitenwand:  schöne  Einzel- 
figur  einer  Heiligen  mit  Kind  (ohne  Nimbus)  auf  dem  Arme,  von  der  Bei- 
schrift nur  erhalten  f}  äyltt. . .  (nicht  Anna)  R.  p.  58  n.  47.  An  der  1.  WTand: 
Reste  einer  Madonna  mit  Kind.  R.  p.  59  n.  48. 


94  CH.    HUELSEN 

Seitenkapelle  links  (s.  JB2  86 f.). 
Rückwand:  Kreuzigung.  R.  p.  40  n.  36;  Photogr.  Gargiolli  C.  140,  da- 
nach Vaglieri  p.  215  fig.  112;  Venturi  p.  215  fig.  178;  Huelsen  Forum  Ro- 
manum  S.  148  Abb.  79.  Darunter :  Madonna  mit  Petrus  und  Paulus,  Quiricus 
und  Julitta;  an  den  Enden  Papst  Zacharias  und  Theodotus  R.  p.  42  n.  39; 
Photographie  Gargiolli  B,  1  (rechte  Hälfte)  und  B,  4  (linke  Hälfte),  daraus 
hier  Figuren  des  Papstes  und  des  Stifters  Abb.  29.  30;  Vaglieri  216;  Ven- 
turi 254. 

Linke  und  hintere  Hälfte  der  rechten  Seitenwand:  Geschichte  des  Quiri- 
cus und  der  Julitta  in  acht  Bildern  (s.  JB2  87).  R.  p.  45-50  n.  40 ;  Vaglieri 
und  Venturi  a.  a.  O. 

Rechte  Wand,  vordere  Hälfte:  Familie  des  Theodotus  anbetend  vor  der 
Madonna  (?).  R.  p.  50  n.  41. 

Eingangswand,  r.  der  Tür:  Theodotus  (?)  knieend  vor  Quiricus  und  Ju- 
litta. R.  p.  52  n.  42.  Links:  Vier  Heilige,  einer  bezeichnet  als  SCS.  AR- 
MENTIS  E.  Rushforth  p.  53  n.  43. 

Seitenkapelle  rechts. 

Eingangswand  zur  r.  der  Tür:  Hl.  Celsus,  Johannes  und  Abbakyros ; 
vier  andere  Figuren  bis  auf  geringe  Reste  zerstört.  R.  p.  78  n.  53. 

Rechte  Seitenwand:  ganze  Figur  eines  Heiligen,  Beischrift  zerstört,  hl. 
Pantaleo  (TlavTElerj^üiv),  Heiliger  ohne  Namen,  hl.  Dometius  und  Barachisius. 
R.  p.  77  n.  53. 

Rückwand :  in  einer  später  eingebrochenen  Nische  fünf  Heilige :  in  der 
Mitte  Stephanus,  r.  Abbakyros  und  Kosmas,  1.  Prokopius  und  Damianus 
R.  p.  79.  80  n.  54. 

Vestatempel  und  Vestalenhaus. 

Ueber  die  Ausgrabungen  bis  1902  berichten  Vaglieri  55-80 
und  Boni  Atti  del  Congresso  Storico  525-530.  Seitdem  sind  die 
Nachforschungen  im  grossen  Hofe,  namentlich  in  der  westlichen 
Hälfte  (s.  JB2  91)  fortgesetzt.  Die  wahrscheinlich  zum  republi- 
kanischen Atrium  gehörigen  Reste  liegen  etwa  1,20  m.  unter  dem 
Niveau  der  Kaiserzeit,  ihre  Orientierung  stimmt  mit  der  «  alten 
Regia  » .  Die  Pavimente  bestehen  meist  aus  kleinen  Stücken  weissen 
Kalksteins,  zwischen  denen  hier  und  da  bunte  Marmorbrocken 
eingelegt  sind.  Andere  Mauerreste  sind  in  der  östlichen  Hälfte  des 
Hofes,  zwischen  dem  grossen  Achteck  und  der  quadratischen  Gü- 
stern*, konstatiert  worden.  Da  eine  zusammenfasende  Untersuchung 
über  das  Vestalenhaus  und  seine  Baugeschichte  von  einem  Mit- 
gliede  der  American  School,  Miss  E.  Van  Deman,  baldigst  zu  er- 
warten ist,  verspare  ich  die  genauere  Erörterung  für  den  nächsten 
Bericht. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  95 


Die  archaische  Nekropole. 

Die  Freilegimg  des  archaischen  Grabfeldes  an  der  Sacra  Via, 
östlich  vom  Faustinentempel,  über  deren  erste  Anfänge  im  JB. 
1902,  92-94  (einige  Zusätze  JB2  94-96)  berichtet  werden  konnte, 
bildet  das  Hauptergebnis  der  letzten  Jahre.  Leider'  ist  die  Veröf- 
fentlichung der  Funde  hinter  diesen  selbst  weit  zurückgeblieben : 
die  drei  offiziellen  Kapporte,  welche  wir  bis  jetzt  erhalten  haben 
(Not.  degli  scavi  1902,  96-111.  1903,  123-170.  375-427)  ent- 
halten die  Beschreibung  nicht  einmal  des  dritten  Teiles  der  Gräber. 
Geht  die  Veröffentlichung  in  den  Notizie  in  gleicher  Ausführlichkeit 
und  in  gleichem  Tempo  weiter,  so  werden  noch  Jahre  vergehen, 
ehe  auch  nur  die  bis  1904  gefundenen  Gräber  (und  die  Erforschung 
der  Nekropole  ist  noch  keinesweges  abgeschlossen)  bekannt  gemacht 
sind,  kui  den  offiziellen  Rapporten  beruht  aber  Alles,  was  sonst 
über  die  Nekropole  veröffentlicht  ist  (*). 

Obwohl  infolge  dieser  Sachlage  mein  diesmaliger  Bericht  un- 
vollständiger ausfällt  als  ich  wünschte,  hoffe  ich  doch,  dass  die 
im  folgenden  gegebene  Zusammenstellung  den  deutschen  Fachge- 
nossen, welchen  die  Notizie  degli  scavi  nicht  zur  Hand  sind,  von 
einigem  Nutzen  sein  wird.  Der  Plan  Abb.  31  beruht,  mit  einigen 
Ergänzungen,  auf  dem  in  den  Not.  degli  scavi  1902  S.  125;  die 
Ansicht  des  Grabfeldes  aus  der  Vogelperspektive  (vom  Gesims  des 
Faustinatempels  aus  aufgenommen),  giebt  den  Zustand  der  Aus- 
grabung im  Frühjahr  1903,  s.  Not.  1903  p.  377  und  Atti  del 
Congresso  storico  p.  500.  Die  Originalphotographie  ist  von  Hrn. 
Boni  gütigst  mitgeteilt.  Fiir  vielfache  Belehrung  über  die  kerami- 

(J)  Dazu  gehören  sowohl  Bonis  eigene  Veröffentlichungen  (in  den  Atti 
del  Congresso  storico  499-51-4;  ferner  zwei  populäre  Aufsätze  :  Dalle  origini, 
Nuova  Antologia,  16.  Juni  1903,  und  Bimbi  romulei,  ebda.  16.  Febr.  1904) 
wie  diejenigen  Vaglieris  (bull,  comun.  1902,  186-189.  1903,  38-42.  252-272) 
und  Pinzas  (bull,  comun.  1902,  37.55).  Auch  das  illustrative  Material  ist  in 
allen  dreien  identisch,  am  reichsten  natürlich  in  den  Notizie,  die  deshalb  im 
folgenden  allein  citiert  sind.  Die  Artikel  des  P.  de  Cara  in  der  Civiltä  Cat- 
tolica  (qu.  1261,  61-73.  1263,  290.  1266,  673-683.  1269,  275)  brauchen  wir 
hier  nicht  zu  berücksichtigen,  ebensowenig  die  zahlreichen  gelegentlichen 
Mitteilungen  in    illustrierten  und  nicht  illustrierten  populären  Zeitschriften. 


96 


CH.   HUELSEN 


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Fig.  31. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


97 


Fig.  32. 


98  CH.    HUELSEN 

sehen  Funde  bin  ich  meinem  Collegen  G.  Körte,  der  die  im  Fo- 
rums-Magazin aufbewahrten  Stücke  mit  mir  einer  eingehenden  Prü- 
fung unterworfen  hat,  dankbar. 

Der  vorige  Bericht  meldete  die  Auffindung  von  vier  resp. 
fünf  Gräbern;  jetzt  sind  etwa  40  ausgegraben.  Sie  liegen  meist 
in  10-11  m.  Meereshöhe  also  3-5  m.  unter  dem  Pflaster  der  kai- 
serlichen Sacra  Via.  Es  sind  teils  Brand-,  teils  Bestattungsgräber: 
unter  den  24,  über  welche  wenigstens  vorläufige  Notizen  veröf- 
fentlicht sind,  zählen  wir  11  Brandgräber,  2  Bestattungsgräber 
für  Erwachsene,  9  für  Kinder.  Da  bekanntlich  für  Kinder  auch 
in  Epochen,  in  denen  sonst  das  Verbrennen  herrscht,  die  Bestat- 
tung gebräuchlich  bleibt,  so  kann  man  sagen,  dass  die  Nekropole 
überwiegend  der  Periode  der  Leichenverbrennung  angehört.  Dass 
die  Bestattungsgräber  jünger  sind  als  die  Brandgräber  wird  be- 
sonders deutlich  an  Fällen,  wo  ein  (rundes)  Grabe  der  ersten  Art 
durchschnitten  wird  von  einem  (länglichen)  der  zweiten  (s.  Abb.  37). 

Eine  Sonderstellung  nehmen  die  zwei  Kindergräber  E  und  F 
ein.  Sie  finden  sich  in  einer  Schicht,  die  er.  2  m.  über  dem  Niveau 
des  übrigen  Grabfeldes  liegt,  und  von  diesem  auch  durch  die  Spu- 
ren eines  Paviments  aus  Tuff-  und  Kieselschotter  gretrennt  wird. 
Boni  schreibt  diese  Reste  einer  abitazione  primitiva  zu,  doch  ist 
die  Deutung  der  sehr  spärlichen  Reste  nicht  zweifellos  (*).  Die 
Gräber  selbst,  ärmlich  und  ohne  alle  Beigaben,  sind,  abweichend 
von  allen  anderen  konstruiert,  und  die  Verwendung  von  Dachziegeln 
deutet  auf  Entstehung  in  späterer  Zeit.  Die  Ansicht  Bonis,  dass 
es  sich  hier  um  Begräbnisse  innerhalb  der  Wohnungen  (suggrun- 

(!)  Am  Südrande  der  Ausgrabung  ist  ein  sehr  alter  Brunnen  (VII)  mit 
tönernem  Puteal  {formato  dalla  parte  superiore  di  un  grande  dolio  a 
quattro  anse  ad  oreebhia...  solcato  verticalmente  neWinlerno  dal  fruscio  delle 
corde  usate  per  attingere  Vacqua)  gefunden,  und  um  denselben  herum  ein  mit 
Kieselschotter  und  Tuffstücken  belegter  Platz.  Boni  erklärt  diesen  Platz,  der 
von  einer  Reihe  nebeneinandergesetzter  Tuffstücke  («  ß  Abb.  31)  begrenzt  war, 
für  einen  cortile  aperto :  «  al  di  qua  della  fila  di  tufi  il  terreno  presentava 
Vaspetto  di  un  pavimentum  di  terra  battuta  a  superficie  curva  e  annerita 
dal  fuoco,  e  che  scendeva  dal  rialzo  della  fila  di  tufi  in  direzione  sud-ovest, 
passando  sopra  la  colmatura  del  pozzo  primitivo  VII,  alla  quota  di  m.  12,15 
sul  livello  del  mare  ».  Wieder  0,18  m.  unter  diesem  Paviment  ist  dann  ein 
zweites,  das  bis  zu  der  kleinen  runden  Tuffmauer  /  <f  reichte,  gefunden,  auch 
dieses  mit  Spuren  von  Feuer  (Not-  1903  p.  165). 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 


99 


daria)  handele,  beruht  im  Wesentlichen  auf  dem  mehr  als  frag- 
würdigen Zeugnisse  des  Schwindlers  Fulgentius  (s.  Wissowa  Bei: 
der  Römer  153  A.  6;  Archiv  für  Religionsgesch.  1904,  S.  44  f.). 
Interessant  ist  die  von  Boni  konstatierte  Tatsache,  dass  in  der 
Nähe  der  Gräber  sich  öfters  röhrenförmige  Gruben,  die  zum  Teil 
bis  zu  den  Bestatteten  hinabführen,  gefunden  haben.  Der  Inhalt 
scheint  aus  verbrannten  Früchten  und  Milch  (?)  bestanden  zu  haben. 


Fig.  33. 


Boni  betrachtet  dies  (Not.  1903,  169)  als  Vorrichtungen  für  bezw. 
Reste  von  Totenspenden  (parentalia). 

In  republikanischer  Zeit  war  das  ganze  Terrain  überdeckt  von 
Privatbauten  (s.  Abb.  32),  welche  zum  Teil  behufs  Erforschung 
des  Grabfeldes  zerstört  werden  mussten.  In  der  Kaiserzeit  sind 
dann  hier  die  Fundamente  des  Faustiuatempels  bis  zu  grosser  Tiefe 
eingesenkt ;  am  Rande  des  mächtigen  Gusswerkkernes  sind  noch 
Gräber  gefunden,  doch  ist  die  weitere  Untersuchung  wegen  techni- 
scher Schwierigkeiten  bisher  nicht  möglich  gewesen. 

Ich  verzeichne  nunmehr  zuerst  kurz  den  Inhalt  der  einzelnen 
Gräber,  und  lasse  ein  nach  Material  und  Technik  geordnetes  In- 
ventar der  einzelnen  Fundstücke  folgen. 


100 


CH.    HUELSEN 


Grab  A.  (Not.  degli  scavi  1902,  96-111,  vgl.  1903,  131;  Vaglieri  Bull. 

comun.  1903,  33-41  ;  Pinza  Bull,  comun.  1902,  37-55;  Barnabei  Nuova  Anto- 

logia  1902,  709-720;  JB.  1902,  92,  JB.2  94).  Brandgrab,  in  10,66  m.  ü.  M.  (*)• 

In  einem  Dolium  stand  die  Aschenurne  und  acht  kleinere  Gefässe  (Abb.  33): 

1.  2)  eiförmige  henkellose  Becher  mit  Schnurverzierung; 

3)  einhenklige  Schale  ohne  Fuss ; 

4)  kugelförmiger  Napf  ohne  Henkel; 

5)  flacher  einhenkliger  Napf; 


Fig.  34. 


6)  flacher  Napf  mit  (abgebrochenem)  Horizontalhenkel; 

7)  länglicher  Teller  mit  Ansätzen; 

8)  kleines  Schöpfgefäss. 

Alle  Stücke  einheimischer  (latialer)  Fabrik.  Ausserdem  fanden  sich  in 
der  Aschenurne  noch  einige  Weizenkörner  und  eine  Bohne. 

Grab  B.  (Not.  1903,  131-133;  Vaglieri  Bull,  comun.  1903,  253-255; 
JB.2,  94).  Bestattungsgrab,  11,50  m.  ü.  M.,  lang.  2,0  m.,  breit  1  m.,  tief 
1,20  m.  Die  Grube  mit  grossen  Tuffbrocken  überdeckt;  zu  Häupten  des  wohl- 
erhaltenen Skeletts  drei  einhenklige  Näpfe,  auf  der  Brust  eine  Scheibenfibula 
aus  Bronze  (Abb.  34). 

Grab  C.  (Not.  degli  scavi  1903,  143-159.  Vaglieri  Bull,  comun.  1903, 
255-265.  JB.  *  95).  Brandgrab,  11,38  m.  ü.  M.  In  einem  mit  Tuffsteinen  zuge- 
deckten Dolium  stand  eine  Hüttenurne  (Abb.  35),  darin  neun  kleine  Gefässe 
einheimischer  Fabrik  (Abb.  36): 

1)  flache  Schale  mit  drei  Füssen; 

2)  flacher  zweifüssiger  Napf  mit  Ansätzen; 


(!)  Die  Höhenangaben  beziehen  sich  auf  den  oberen  Rand  der  Gräber. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM 

3.  4)  einhenklige  Näpfe; 


101 


Fig.  35. 
5)  Tasse  mit  hohem  Henkel; 


Fig.  36. 

6)  einhenkliger  tiefer  Napf; 

7.  8.  9)  drei  kugelige  henkellose  Gefässe. 


102 


CH.    HUELSEN 


Die  Näpfe  2,  4  und  6  enthielten  Speisereste,  n.  2  einige  Fischgräten  (von 
barbus  fluviatilis),  n.  4  Schaf-oder  Schweinefleisch,  n.  6  Mehlbrei.  Ausserdem 
in  der  Urne  allerlei  kleine  Bronzefragmente. 


Fig.  37. 


Grab  D.  (Not.  1903,  159-164) ;  Vaglieri  Bull,  comun.  19.3,  39.  262-266; 
JB.  95).  Der  Leichnam  beigesetzt  in  einem  ausgehöhlten  Baumstamm ;  dabei 
vier  Gefässe: 

1)  kugeliges  aus  rotem  Ton  (u.  S.  109); 

2)  Amphora  mit  gedrehten  Henkeln  (u.  Abb.  43); 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUxM  103 

3)  Skyphos  mit  eingeritztem  Ornament  (u.  Abb.  42) ; 

4)  Topf  mit  geometrischem  Ornament  in  rot  (u.  Abb.  47). 

Ferner  mehrer  Fibeln  aus  oxydierten  Metall  (Silber?)  und  drei  Getrei- 
dekörner. 

Grab  E.  {Not.  1903, 165-167;  Vaglieri  Bull,  comun.  1903,  268;  JB.a  95). 
Kindergrab,  12,44  m.  ü.  M.,  zusammengesetzt  aus  zwei  mittelgrossen  bau- 
chigen Tontöpfen,  die  mit  den  Mündungen  ineinander  geschoben  sind.  Keine 
Beigaben. 

Grab  F.  {Not.  1903,  168  f.;  Vaglieri  Bull.  cowm.'1903,  169;  JB.8  95). 
Kindergrab,  in  gleicher  Höhe  mit  dem  vorigen,  bestehend  aus  einem  hori- 
zontal gelegten  Dolium,  dessen  Mündung  mit  Stücken  eines  grossen  Dach- 
ziegels geschlossen  war.  Keine  Beigaben. 

Grab  G.  {Not.  1903,  379-393).  Kindergrab,  11,80  ü.  M.,  der  Leichnam  in 
einem  ausgehöhlten  Baumstamm  beigesetzt.  Bei  Anlage  diese  Grabes,  welches 
jedenfalls  eines  der  jüngsten  ist,  sind  sowohl  die  beiden  Erandgräber  Q  R, 
wie  das  Doliengrab  H  angeschnitten  (Abb.  37).  In  der  westlichen  Ecke  des 
Grabes  war  aus  Tuffplatten  eine  «  aedicula  »  erbaut,  in  welcher  sich  acht 
Tongefässe  fanden: 

1.  2)  kugelige  Töpfe  aus  rotem  Ton  (u.  S.  109); 

3.  4)  Schüsseln  aus  gelblichem  Ton  mit  rotbraunen  Streifen; 

5)  Kantharos  mit  gedrehten  Henkeln  (u.  A.  41); 

6)  protokorinthische  Lekythos  (u.  A.  50); 

7)  einhenklige  Schale  mit  Zickzackverzierung; 

8)  henkellose  Schale  mit  Palmettenverzierung  (u.  A.  44). 

Grab  H.  (Not.  1903,  393  f.)  Kindergrab,  bestehend  aus  einem  horizon 
tal  gelegten  Tongefäss  (nur  der  Rand  erhalten),  dessen  Mündung  mit  einer 
Tuffplatte  verschlossen  war.  Keine  Beigaben. 

Grab  I.  {Not.  1903,  394-414).  Kindergrab,  in  gleicher  Höhe  mit  G. 
Rechteckige  Grube  (1,  56  X  1,09),  mit  Tuffplatten  überdeckt,  darin  Sarg  aus 
einem  ausgehöhlten  Baumstamm,  mit  wohlerhaltenem  Skelett  eines  etwa  vier- 
jährigen Mädchens  (Abb.  38).  Im  Sarge  Reste  eines  Gürtels  aus  Bronze,  zahl- 
reiche Glasperlen,  kleiner  Ring  aus  Kupfer,  Bruchstücke  von  Bronzefibeln, 
Armring  aus  Elfenbein.  Um  den  Sarg  zehn  Gefässe: 

1.  2)  kugelförmige  Töpfe  aus  rotem  Ton  (u.  S.  109); 

3)  Schöpfgefäss  aus  weissem  Ton  mit  braunen  Streifen  (u.  Abb.  48); 

4)  kugelförmige  Terrine  mit  zwei  Henkeln  ; 

5)  zweihenkliger  Napf  aus  gelblichem  Ton  mit  roten  Streifen; 

6)  Skyphos  mit  eingeritztem  Linienornament ; 

7)  Amphora  aus  Bucchero  mit  eingeritztem  Ornament  (u.  A.  46) ; 

8)  Teller  aus  hellrotem  Ton  mit  roten  Streifen; 

9)  Schale  aus  rötlichem  Ton  mit  zwei  Henkeln; 

10)  henkellose  runde  Tasse  (u.  S.  108). 

In  dem  Teller  8  fanden  sich  ein  Löffelchen  (?)  aus  Eisen,  und  Gräten  eines 
Fisches  {mugil  chelö),  in  dem  Napf  10  nicht  näher  zu  bestimmende  Speisereste. 

Grab  J.  {Not.  1903,  414-416)  Bestattungsgrab  mit  Resten  eines  Ske- 
letts, fast  ganz  zerstört  bei  Anlage  des  Grabes  I. 


104 


CH.   HUELSEN 


Grab  K.  (Not.  1903,  416427).  Bestattungsgrab,  11,  69  ü.  M.  In  einer 
Grube  (1,44  X  1,13  m.)  ein  Sarg  aus  einem  ausgehöhlten  Baumstamm,  in 
dem  das  Skelett  eines  etwa  zweijährigen  Kindes.  Dabei  ein  bronzener  Arm- 
ring. Neben  dem  Sarge  Beste  einer  Schale  aus  Bronze,  und  sechs  Tonge- 
fässe : 


Fig.  38. 


1)  Amphora  aus  Bucchero  mit  eingeritzten  Verzierungen; 

2)  henkellose  Schale  auf  Fuss  mit  eingeritztem  Ornament; 

3.  4)  zweihenklige  Schalen  aus  gelblichem  Ton  mit  roten  Streifen; 

5)  Schüssel  aus  gelblichem  Ton  mit  roten  Streifen; 

6)  kugelförmiger  Topf  ohne  Henkel. 

Die  Einzelfunde  aus  den  übrigen  Gräbern  sind  bisher  nicht 
veröffentlicht ;  ich  wiederhole  einstweilen  das  Verzeichnis  der  Grä- 
ber Notizie  1903  S.  376  f.: 

L.  M.  zwei  Bestattungsgräber  für  Kinder,  beide  durchschnit- 
ten bei  Anlegung  von 

N.  Brandgrab  mit  Aschenurne. 

0.  P.  Bestattungsgräber  für  Kinder. 

Q.  Brandgrab  mit  Hüttenurne,  durchschnitten  bei  Anlegung 
von  G.  (s.  Abb.  37). 

K.  Brandgrab  mit  Aschenurne,  gleichfalls  von  G  durch- 
schnitten. 

S.  T.  Brandgräber. 

U.  Brandgrab  mit  Hüttenurne. 

V.  Brandgrab  mit  Aschenurne. 

X.  Brandgrab  mit  Aschenurne,  zerstört  bei  Anlage  von  B. 

[Y.  Brandgrab  mit  Hüttenurne,  s.  Atli  p.  500]. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROM  AN  UM  |öf 

Ueber  die  seit  Sommer  1903  gefundenen  Gräber  —  es  sind 
etwa  20  —  ist  noch  nichts  veröffentlicht.  Wir  stellen  nunmehr 
die  Funde  nach  Material  und  Technik  geordnet   zusammen. 

I.    TONGEFAESSE. 

A.  Einheimische,  sog.   «  latiale  *   Ware. 
1)  einfache. 

a)  grosse  Dolia. 

Grab  A.  Bauchig,  h.  0,36,  grösster  Dm.  0,45  m.  Rand  etwas  aufgebogen, 
beide  Henkel  abgebrochen.  Not.  1902,  103  und  Fig.  6. 

Grab  C.  Schlanke  Form,  h.  0,66,  o.  Dm.  0,45  m.  Der  Rand  ein  wenig 
aufgebogen,  unterhalb  desselben  plastisch  aufgesetztes  Schnurornament.  Not. 
1903,  150  und  Fig.  28.  Vgl.  oben  Abb.  35. 

Grab  F.  Eiförmig  mit  wenig  aufgebogenem  Rande,  h.  0,41,  ob.  Dm. 
0,38  m.  Not.  1903,  168  und  Fig.  50. 

Grab  H.  Oberer  Rand  eines  ähnlichen  Doliums,  Dm.  0,41.  Not.  1903, 
393  und  Fig.  21. 

Aehnliche  Dolien  in  den  Gräbern  N.  S.  T.  V. 

b)  Hüttenurnen. 

.Grab  C.  Kreisrunder  Grundriss.  Dm.  0,31  m.,  Höhe  der  Wand  0,17,  des 
Daches  0,13.  Die  Tür  trapezoidisch  mit  henkelartigem  Ansatz  und  zwei  Lös- 
chern zur  Befestigung  vermittelst  eines  Bronzedrahts.  Not.  1903,  150  und 
Fig.  29.  vgl.  oben  Abb.  36. 

Grab  A.  Deckel  einer  Hüttenurne,  fast  kreisrund,  hoch  0,09,  Dm.  0,20. 
Not.  1902,  106  und  Fig.  9.  10;  vgl.  oben  Abb.  33. 

Aehnliche  Hüttenurnen  aus  Grab  Q,  U,  Y;  ein  dachförmiger  sehr  kleiner 
Deckel  aus  Grab  R. 

c)  Töpfe  ohne  Henkel  {doliola). 

Grab  C.  Kugelförmig  mit  aufgebogenem  Rande,  h.  0,16,  Dm.  0,11  m. 
Not.  1903,  158  und  Fig.  37.  Vgl.  oben  Abb.  36. 

Aehnlich,  h.  0,14,  Dm.  0,10.  Not.  a.  a.  O.  und  Fig.  38.  Vgl.  Abb.  36. 

Aehnlich,  h.  0,13,  Dm.  0,10.  Not.  a.  a.  O.  und  Fig.  39.  Vgl.  Abb.  36. 

Grab  D.  Kugelförmig,  mit  kurzem  trichterförmigen  Halse,  h.  0,18, 
Dm.  0,10  Not.  1903,  162,  und  Fig.  42. 

Grab  E.  Zwei  mit  den  Mündungen  ineinandergelegtc  Töpfe,  h.  er.  0,25, 
o.  Dm.  0,22.  Not.  1903,  167  und  Fig.  48. 

d)  Töpfe  mit  Henkeln  (Terrinen). 

Grab  A.  Bauchig  mit  zwei  fast  horizontalen  Henkeln,  h.  0,25,  Dm. 
der  Mündung  0,138.  Rand  aufgebogen  Not.  1902,  113  und  Fig.  8.  Vgl.  oben 
Abb.  33. 

Grab  I.  Kugelförmig  mit  kurzem  trichterförmigem  Halse,  h.  0,27,  Dm. 
der  Mündung  0,17,  in  der  Mitte  des  Bauches  zwei  fast  horizontale  Henkel. 
Not.  1903,  406  und  Fig.  35. 


106  CH.    HUELSEN 

e)  Schüsseln  und  Henkelnäpfe,  Becher  und  Tassen. 

Grab  A.  Zwei  henkellose  Becher,  h.  0,135,  o.  Dm.  0,08  resp.  0,09,  mit 
aufgelegter  Schnurverzierung.  Not.  1902,  106,  107  Fig.  11.  12;  vgl.  oben 
Abb.  33. 

Tasse  mit  Henkel,  h.  0,07,  o.  Dm.  0,08.  Not.  1902,  108  und  Fig.  11. 12; 
vgl.  oben  Abb.  33. 

Kugelförmiger  Becher  ohne  Henkel,  h.  0,09,  Dm.  der  Mündung  0,07. 
Not.  1902,  108  Fig.  14;  vgl.  oben  Abb.  33. 

Grab  B.  Halbkugelige  Tasse  mit  einem  (abgebrochenen)  Henkel ;  h.  0,09, 
o.  Dm.  0,14.  Not.  1903,  131  und  Fig.  9. 

Bauchige  Tasse  mit  Doppelringhenkel;  h.  0,65  (mit  Henkel  0,095),  o. 
Dm.  0,07.  Not.  1903,  131  und  Fig.  10;  danach  hier  Abb.  39. 

Bauchiger  Napf  mit  zwei  Henkeln  (einer  abgebrochen)  in  Doppelring' 
form,  h.  0,08,  Dm.  0,11.  Auf  dem  Bauche  drei  von  konzentrischen  Kreisen 
umgebene  Buckel.  Not.  1903,  133  und  Fig.  11;  danach  hier  Abb.  40. 


4 


Fig.  39.  Fig.  40. 

Grab  C.  Konische  tiefe  Schüssel  mit  einem  Henkel,  h.  0,08,  Dm.  0,16. 
Not  1903,  157  und  Fig.  36;  vgl.  oben  Abb.  36. 

Kleine  Tasse  mit  Doppelringhenkel,  h.  0,05,  o.  Dm.  0,06.  Not.  1903, 
155  und  Fig.  33.  Vgl.  o.  Abb.  36. 

Henkellose  bauchige  Tasse,  mit  vier  Buckeln,  h.  0,045.  Dm.  0,07.  Not. 
1903,  156  und  Fig.  34;  Vgl.  o.  Abb.  36. 

Napf  mit  einem  horizontalen  Henkel,  h.  0,04,  Dm.  0,10.  Not.  1903,  156 
und  Fig.  35.  Vgl.  o.  Abb.  36. 

Im  Terrain  neben  Grab  C:  kleine  Tasse  mit  rundlichem  Griff  statt 
Henkel,  h.  0,04,  o.  Dm.  0,08.  Not  1903,  158. 

Grab  G.  Kantharos  mit  zwei  gedrehten  Henkeln,  h.  0,10,  o.  Dm.  0.17. 
Not.  1903,  389  und  Fig.  16;  danach  hier  Abb.  41. 

f)  Schalen  und  kleine  Gefässe. 

Grab  A.  Schale  mit  (abgebrochenem)  Henkel,  h.  0.035,  Dm.  0,10.  Not. 
1902,  108  Fig  15.  Vgl.  Abb.  33. 

Aehnlich,  h.  0,05,  Dm,  0,13  Not  1903,  109  Fig.  16.  Vgl.  Abb.  33. 

Elliptisches  flaches  Schälchen  mit  zwei  rechteckigen  Ansätzen,  h.  0,03, 
lg.  mit  den  Ansätzen  0,17.  Not  1902,  109  und  Fig.  17.  Vgl.  Abb.  33. 


AUSGRABUNGEN    AUK    DKM    FORUM    ROMANUM 


107 


Kleine  Tasse  mit  ansa  lunata,  h.  0,02,  Dm.  0,05.  Not.  1902,  109  und 
Fig.  18.  Vgl.  Abb.  33. 


Fig.  41. 

Grab  C.  Flache    Schale  auf   drei    Füssen,  h.  o.  0,15,    Dm.  0;20.    Not. 
1903,  152  und  Fig.  31.  Vgl.  Abb.  36. 


Fig.  42. 


Elliptisches  flaches  Schälchen  mit  zwei  rechteckigen  Ansätzen  und  Buckel 
in  der  Mitte  des  Badens,  auf  zwei  Füssen  H.  er.  0,05,  Länge  mit  den  An- 
sätzen 0,14.  Not.  1903,  154  und  Fig.  32.  Vgl.  Abb.  36. 

2.  Mit  Verzierungen. 

Grab  D.  Skyphos  mit  zwei  wagerechten  Henkeln,  h.  0,105,  o.  Dm.  0.12, 
mit  eingeritztem  Linienornament,  sehr  dünnwandig.  Not.  1903,  164  und 
Fig.  44;  danach  hier  Abb.  42. 


108  CH.    HUELSF.N 

Kleine  Amphora  mit  gedrehten  Henkeln  h.  0,18,  Dm.  der  Mündung 
0,10.  Auf  beiden  Seiten  des  Halses  je  drei  konzentrische  Kreise.  Not.  1903, 
163  und  Fig.  43.  Danach  hier  Abb.  43. 

Grab  G.  Becher  mit  niedrigem  Fuss,  ohne  Henkel;  h.  0,08,  o.  Dm.  0,13. 
Dekoriert  mit  eingeritzten  Palmetten,  in  denen  noch  Reste  von  rotem  Ocker. 
Not.  1903,  392  und  Fig.  20;  danach  hier  Abb.  44. 

Grab  I.  Henkellose  Tasse,  h.  0,08,  o.  Dm.  0,145.  Um  den  Körper  acht 
eingeritzte  Streifen,  am  oberen  Rande  zwei  Löcher  zum  Aufhängen.  Not.  1903, 
412  und  Fig.  43. 


Fig.  44. 

Grab  K.  Becher  mit  niedrigem  Fuss,  ohne  Henkel;  h.  0,09,  o.  Dm.  0,15. 
Aussen  eine  eingeritzte  grade  Linie,  von  welcher  sich  schneidende  Halbkreise 
herabhängen;  in  den  Linien  Spuren  von  Ocker.  Not.  1903,  423  und  Fig.  54. 

Unter  den  sonstigen  zu  dieser  Kategorie  gehörigen  Geräten  verdient 
hervorgehoben  zu  werden  ein  im  Grabe  Y  gefundener  sog.  calefattore  (auf 
einem  kastenartigen  durchbrochenen  Untersatz  ein  bauchiges  Gefäss,  umgeben 
von  vier  kleinen  Näpfchen):  ähnlich  Bull,  comun.  1898  Tf.  VI  n.  3,  aus  Albano  ; 
Not.  1902,  185  Fig.  94 ab  aus  Grottaferrata ;   vgl.  Mayer  Mitteil.  1904,  236. 

Die  vorstehend  beschriebenen  Gefässe  ähneln  durchaus  denje- 
nigen, welche  aus  den  albanischen  und  anderen  Nekropolen  der 
Bronze-  und  ersten  Eisenzeit  zu  Tage  gekommen  sind  (*).  Sie  sind, 
wenn  auch  zum  Teil  recht  regelmässig,  sämtlich  ohne  Drehschei- 
be angefertigt.  Das  Material  ist  ein  nicht  besonders  reiner  rötli- 
cher Ton,  der,  an  offenem  Feuer  gebrannt,  durch  die  Einwirkung 

(*)  Reichhaltiges  Vergleichsmaterial  findet  sich  bei  Mariani  Bull,  comun. 
1896  Tf.  V  (Rom,  Esquilin);  Pinza  Bull,  comun.  1898  Tf.  VI,  VII.  VIII: 
(Latium,  namentlich  Albano);  Colini  und  Mengarelli  Not.  degli  scavi,  1902 
p.  135-198  (Gräberfeld  in  Villa  Cavalletti  bei  Grottaferrata). 


AUSGRABUNGEN'    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  109 

der  Flamme  grau  bis  schwarz  wird,  im  geschlossenen  Ofen  dagegen 
rotbraune  Färbung  annimmt.  Hr.  Boni  hat  sehr  interessante  Ver- 
suche über  die  Herstellung  dieser  Töpferwaare  gemacht,  welche 
zeigen,  dass  eine  Fabrikation  derselben  mit  dem  in  Rom,  ja  im 
Forumstale  selbst  zu  findenden  Material  sehr  wohl  möglich  ist  (1). 

B.  Roter  Ton  (Kupfer  nachahmend).  Gefässe  auf  der  Dreh- 
scheibe hergestellt.  Häufig  zusammen  mit  Villanova-Urnen  in 
etruskischen  und  latialen  tombe  a  pozzo. 

Grab  D.  Kugelförmig,  ohne  Henkel  mit  auswärts  gebogenem  Rande; 
h.  0,19,  o.  Dm.  0,15.  Not.  1903,  162  und  Fig.  42. 

Grab  G.  Zwei  ähnliche,  h.  0,245  resp.  0,26,  o.  Dm.  0,18  resp.  0,17. 
Not.  1903,  388  und  Fig.  12.  13. 

Grab  I.  Zwei  ähnliche,  h.  0,225  resp.  0,21,  Dm.  der  Mündung  0,17 
resp.  0,16.  Not.  1903,  405  f.  Fig.  32.  33. 

Grab  K.  Aehnlich,  h.  0,19,  Dm.  der  Mündung  0.15. 

C.  Aechter  Bucchero. 

Grab  G.  Schale  mit  hohem  Henkel,  am  unteren  Rande  eingeritztes 
Ornament  (Dreiecke),  in  denen  Spuren  weisser  Farbe;  h.  0,05  (mit  Henkel 
0,12),  o.  Dm.  0,13.  Not.  1903,  391  und  Fig.  19;  danach  hier  Abb.  45. 

(l)  Ich  gebe  das  Referat  Bonis  über  seine  Versuche  mit  seinen  eigenen 
Worten  Not.  degli  scavi,  1902,  110:  Supponendo  che  i  prischi  Romani  non 
cercassero  lontano  il  materiale  per  le  loro  stoviglie,  provai  ad  impastare 
un  po'  di  terreno  entro  il  quäle  stava  sepolto  il  dolio.  Ne  ottenni  una  ar- 
gilla  viscosissim.a,  di  coiore  marrone-verdiccio.  Modellatene  alcune  scodelle, 
che  s'indurirono  molto  durante  Vessiccamento,  ne  lisciai  con  una  stecca  di 
osso  la  superficie,  la  quäle  acquistö  la  lucentezza  cerosa,  propria  dei  vasi 
italici.  Invero  la  pressione  esercitata  dalla  stecca  ha  per  effetto  di  far  scom- 
parire  i  cristallini  e  le  altre  impuritä  dentro  la  massa  deWargilla  di  modo 
che  questa  va  sempre  piü  affinandosi  alla  superficie,  la  quäle  finisce  col 
riprodurre  la  levigatezza  del  lisciatoio.  Infatti,  adoperandone  uno  di  smalto, 
ottenni  sulla  siessa  rozza  argilla  cruda,  e  non  ancora  del  tutto  essiccata, 
la  lucentezza  vitrea.  —  L 'esperimento  di  cottura,  fatto  in  unfornello  di  terra 
refrattaria  e  mantenuto  incandescente  a  circa  1000°,  per  la  durata  di  dieci 
ore,  ha  dato  ottimi  risultati.  I  vasi  non  si  screpolarono,  non  cambiarono  la 
lucentezza  della  superficie,  ma  acquistarono  un  coiore  rossiccio  deciso,  che 
si  mantiene  eguale  per  tutto  lo  spessore  della  terracotta;  questa  poi,  oltre  a 
conservare  i  cristulli  di  decomposizione  del  tufo,  visibili  anche  neWargilla 
cruda,  apparisce  seminata  di  pagliette  lucenti  di  mica,  divenuta  aurea,  ed 
ha  trasudato  qualche  pallina  di  vetro  lucentissimo.  Mediante  la  cottura  a 
fuoco  libero,  ho  invece  otttnuto  vasi  di  coiore  rosso  marrone  ed  in  parte 
neri,  cosl  somiglianti  a  quelli  preistorici  laziali,  da  doverli  contrassegnare 
a  crudo  per  evitare  possibili  confusioni. 


110  CH.    HUELSEN 

Grab  I.  Skyphos  mit  zwei   wagrechten   Henkeln,   h.  0,09,  o.  Dm.  0,09 


Fig.  45.  : 

mit  ähnlichem  Linienornament  wie  Abb.  42.  Sehr  fragmentarisch.  Not.  1903, 
406  und  Figr.  37. 


Fisr.  46. 


Amphora  mit  zwei  breiten  Henkeln,  h.  0,205,  Dm.  der  Mündnng  0,09; 
mit  reichem  eingeritztem  Ornament:  doppelte  Spirale,  darüber  Vogel,  u.  s.  w. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  11 1 

In  den  Linien  Spuren  von  rotem  Ocker.  Not.  1903,  408  und  Fig.  38;  danach 
hier  Ahb.  46. 

Grab  K.  Aehnliche  Amphora,  h.  0,18,  o.  Dm.  0,075.  Not.  1903,  422 
und  Fig.  53. 

Im  Terrain  beim  Brunnen  n.  IV:  henkelloser  Napf  auf  niedrigem  Fuss, 
h.  0,06,  o.  Dm.  0,155;  lag  als  Deckel  auf  der  Schale  u.  Abb.  49. 

D.  Italisch-geometrische  Waare. 

Etwas  ausgebildetere  Dekoration  zeigen  nur  die  drei  ersten 
Gefässe,  bei  den  übrigen  beschränkt  sie  sich  auf  rote  resp.  rotbraune 


Fig.  47.  Fig.  48. 

Firnisstreifen.  Alle  sind  aus  gelblich-weissem  Ton  auf  der  Dreh- 
scheibe gearbeitet.  Die  ganze  Klasse  von  Gefässen  schliesst  an  B 
an,  und  ist  schon  ins  7.  Jhdt.  zu  setzen. 

Grab  D.  Zweihenkliger  Topf,  nahezu  kugelförmig,  h.  0,12,  Dm.  der 
Mündung  0,09.  Untere  Hälfte  mit  rötlichem  Firnis  überzogen,  obere  mit 
abwechselnd  wager^chten  und  senkrechten  roten  Linien.  Not.  1903,  163  und 
Fig.  45;  danach  hier  Abb.  47. 

Grab  I.  Schöpfgefäss  mit  Henkel,  h.  0,14  (mit  Henkel  0,15),  o.  Dm.  0,07. 
Um  den  Körper  drei  Streifen  und  eine  Schlangenlinie  in  stumpfem  Braun  ; 
ähnliche  Streifen  im  Inneren  der  Mündung  und  am  Henkel.  Not.  1903,  406 
und  Fig.  34;  danach  hier  Abb.  48. 

Im  Terrain  beim  Brunnen  IV:  flache  Schale,  h.  0,08,  Dm.  0,075  mit 
zwei  horizontalen  Henkeln  und  niedrigem  Fuss.  Im  Inneren  rotbraun  gefir- 
nisst,  aussen  zwei  Vögel  (Schwäne?)  zwischen  Linienornament.  Not.  1903,. 
137,  und  Fig.  17;  danach  hier  wiederholt  Abb.  49  links. 

Grab  G.  Zwei  kleine  Schüsseln,  am  oberen  Rande  mit  zwei  Löchern 
zum  Aufhängen;  h.  0.04,  o.  Dm.  0,135.  Aussen  und  innen  je  drei  braunrote 
Streifen.  Not.  1903,  339  und  Fig.  14.  15. 


112 


CH.    HUELSEN 


Grab  I.  Niedriger  Napf  mit  zwei  Henkeln,  h.  0,07,  o.  Dm.  0,14.  Not. 
1903,  406  und  Fig.  36. 

Aehnlicher  henkelloser  Napf,  am  Rand  zwei  Löcher  zum 
Aufhängen ;  aussen  breite  und  schmale  braunrote  Linien.  Vor 
dem  Brennen  zwei  Zeichen  eingeritzt.  Not".  1903,409  und  Fig.  39. 


Fig.  49. 


Becher  mit  zwei  horizontalen  Henkeln,  h.  0,09,  o.  Dm.  0,15.  Ganz  mit 
rotem  Firnis  überzogen,  nur  «in  breiter  und  zwei  schmale  Streifen  in  der 
(gelblichen)  Naturfarbe    des  Tones    geblieben.    Not.  1903,  442  und  Fig.  42. 

Grab  K.  Becher  mit  zwei  horizontalen 
Henkeln,  h,  0,085,  o.Dm.  0,125.  Aussen  das 
untere  Drittel  rot  gefirnisst,  darüber  ein  brei- 
ter, drei  schmale  Streifen  von  gleicher  Farbe. 
Not.  1903,  424  und  Fig.  55. 

Aehnlicher  Becher,  h.  0.09,  o.  Dm.  0,15. 
Not.  1903,  424  und  Fig.  57. 

Napf  ohne  Henkel  mit  zwei  Löchern 
zum  Aufhängen  am  oberen  Rande.  Aussen  rot- 
gelbe Streifen.  H.  0,05,  o.  Dm.  0,145.  Not. 
1903,  424  und  Fig.  56. 

E.  Protokorinthisch. 

Grab  G.  Kleine  Lekythos,  0,065  hoch, 
gelblicher  Ton  mit  rotbrauner  Bemalung.  Am 
Körper  in  zwei  Streifen  übereinander  drei 
resp.  vier  laufende  Hunde ;  auf  der  Schulter 
des  Gefässes  drei  halbe  Spiralen,  auf  dem 
Henkel  vertikales  Zickzack  zwischen  zwei  gra- 
den  Linien,  auf  dem  Teller  der  Mündung  ein 
Fi£-  50-  sechsstrahliger  Stern.  Not.  1903,  389  f.  und 

Fig.  17,  18;  nach  ersterer  Abb.  50. 

Das  Stück  dürfte  dem  6/7.  Jhdt.  angehören,  ohne  dass  sich 
bei  dem  elementaren  Charakter  der  Malerei  eine  genauere  Datie- 
rung geben  liesse.  Es  für  argivischen  Ursprungs  zu  halten,  weil 
ähnliche  Exemplare  in  Argos  gefunden  sind  (Americ.  Journal, 
1900,  p.  441,  Tf.  IV,  V)  liegt  kein  zwingender  Grund  vor. 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  113 

II.  Figürliche  Terracotta. 

Am  nördlichen  Bande  der  Ausgrabung  (unweit  M'  Abb.  31)  gefunden  : 
"Roh  modellierter  Kopf  und  Hals  eines  Pferdes,  h.  0,10.  Dunkelroter  Ton, 
ähnlich  dem  der  archaischen  Dachziegel  (von  der  Curie  und  sonst).  Der  Hals 
verziert  mit  Doppelspiralen,  welche  offenbar  mit  einem  Metallgegenstande 
(Schmuckstück?)  eingedrückt  sind.  Not.  1903,  136  und  Fig.  14. 

III.  Metall. 
A.  Silber  (?). 

Grab  D.  Fünf  Bögen  von  kleinen  Fibeln  (1.  0,02) ;  Nadeln  und  Spann- 
ringe fehlen.  So  stark  oxydiert,  dass  die  Qualität  des  Metalls  nicht  sicher 
feststeht.  Not.  1903,  164  und  Fig.  46. 


Fig.  51. 


B.  Bronze. 


Grab  B.  Scheibenfibula  mit  abgebrochener  Nadel,  1.  0,10,  Not.  1903 
134  und  Fig.  12,  13;  letztere  hier  wiederholt  Abb.  51. 

Grab  C.  Neun  kleine  Fragmente,  darunter  eines  von  einer  Fibula.  Not. 
1903,  153  und  Fig.  30. 

Grab  I.  Arco  a  navicella  von  einer  Fibula  (1.  0,017;,  verziert  mit  einem 
eingelassenen  Stückchen  Bernstein.  Not.  1903,  397  und  Fig.  29.  Aus  einem 
zweiten  ähnlichen  Stücke  ist  der  Bernstein  ausgebrochen. 

Grab  K.  Armring,  Dm.  0,06,  aus  einem  4  mm.  dicken  Draht,  der  nicht 
ganz  drei  Spiralwindungen  macht,  zurechtgebogen.  Not.  1903,  419  und  Fig.  52. 

Stücke  einer  kleinen  runden  Schale  (Dm.  er.  0,18),  der  Rand  verziert 
mit  ausgeschlagenen  Buckeln.  Not.  1903,  426  und  Fig.  59. 

Im  Terrain  beim  Brunnen  IV,  in  den  beiden  Schalen  o.  Abb.  48.  Unregel- 
mässig geschnittenes  Stück  Bronzeblech,  1.  29  mm.  br.  26  mm.  Nach  Boni 
Not.  1903,  138  « parrebbe  la  testa  di  una  delle  note  figurine  votive  (ipsul- 
lices),  ritagliate  da  una  lamina  metallica,  le  quali  furono  trovate  anche 
nella  stipe  votiva  del  tempio  della  Mater  Matuta  a  Concan. 

Scheibenfibeln  ähnlich  der  aus  Grab  B  enthalten  auch  die  Gräber  N,  S 
und  U;  sie  kommen  nicht  selten  in  etruskischen  und  latialen  tombe  a  pozzo 

8 


114  CH.    HUELSEN 

vor,  die  nicht  später  sind  als  das  8.  Jhdt,  Im  Kindergrabe  M  finden  sich  nicht 
weniger  als  fünf  Fibeln  a  navicella,  sowie  eine  sechste,  einfacher  Bogen  mit 
Bernstein  verziert.  Grab  T  enthielt  eine  einfache  Bogenfibel.  —  Im. Grabe  M 
fanden  sich  ferner  Reste  ven  Bronzegefässen  und  ein  zu  einem  Kreissegment 
v s  zusammengebogenes  Bronzeblech  als  Brustschmuck. 

C.  Kupfer. 

Grab  I.  Kleiner  Ring  aus  Draht  spiralig  zusammengewunden,  Dm.  11  m. 
Not.  1903,  397. 

Gürtel,  5  cm.  breit,  sehr  beschädigt,  die  Schliesse  gänzlich  zerstört. 
Not.  1903,  397. 

D.  Eisen. 

Grab  I.  Stark  verrostetes  Stück  eines  Löffels  (?)  1.  0,105  br.  0,01 
Not.  1903,  410  und  Fig.  40. 

Grab  G.  Lanzenspitze,  1.  0,09  mit  anhaftenden  Resten  des  0,012  dicken 
Holzschaftes,  Not.  1903,  386  und  Fig.  10. 

IV.  Glas  und  Smalt. 

Grab  I.  Fünf*  runde  Glasperlen  (weiss,  schwarz,  blau)  von  1-8  mm.  Dm.; 
Fragmente  mehrerer  anderen.  Zahlreiche  kleine  Ringe  oder  flache  Perlen  aus 
Smalt  (Dm.  3  mm.),  die  wie  es  scheint  als  Brustschmuck  auf  Fäden  aufgereiht 
waren.  Not.  1903,  397  und  Fig.  29. 

Grab  K.  Mehrere  durchbohrte  blaue  Glasperlen  und  zahlreiche  den  vo- 
rigen ähnliche  kleine  Smaltringe,  ebenso  verwendet.  Not.  1903,  419. 

Mehrere  Glasperlen  auch  in  Grab  M. 

V.  Elfenbein. 

Grab  I.  Armring,  0,08  Dm.  0,014  dick. 

Ein  ähnlicher  Armring  gefunden  in  dem  Kindergrabe  M. 

VI.  Bernstein. 

Als  Dekoration-  von  Fibeln  verwandt  im  Grabe  I.  In  dem  Kindergrabe 
M  gefunden  zwei  Ohrringe  aus  Bernstein,  eine  Fibula  mit  mehreren  hinter- 
einander aufgezogenen  Bernsteinscheiben,  sowie  mehrere  kleine  Stücke  Bern- 
stein, vielleicht  Amulette. 

Im  Ganzen  last  sich  als  sicher  aussprechen,  dass  die  ursprüng- 
lichen Gräber  der  Nekropole  (*)  keine  Gegenstände  enthalten,  die 
jünger  wären  als  das  sechste  Jhdt.  v.  Chr.  Die  am  zahlreichsten 
vertretene  Klasse  der  einheimischen  Keramik  dürfte  spätestens  dem 

(l)  Dass  die  Gräber  E  und  F  eine  Sonderstellung  einnehmen,  ist  oben 
S.  98  bemerkt.  Boni  Atti  del  Congresso  storico  500  unterscheidet  tombe  ad 
inumazione  arcaiche  (BHJP);  tombe  a  cremazione  (A  C  N  Q  R  S  T  U  V  X  Y) 
und  tombe  ad  inumazione  romulee  (D  E  F  G  I  K  L  M  O). 


AUSGRABUNGEN    AUF   DEM    FORUM    ROMANUM  115 

7/8.  Jhdt.  zuzuteilen  sein:  wie  viel  weiter  hinauf  die  ältesten 
Stücke  zu  datieren  sind,  entzieht  sich  bis  jetzt  unserer  Schätzung. 
Dass  die  Nekropole  wahrscheinlicher  der  Septimontialstadt  als  dem 
palatinischen  Urrom  zuzuschreiben  sei,  ist  bereits  JB  2  96  aus- 
gesprochen. Ein  bedeutsame  Stütze  erhält  diese  Annahme,  durch 
die  von  Boni  gemachte  Beobachtung,  dass  die  Hüttenurnen  in  den 
Brandgräbern  regelmässig  so  gestellt  waren,  dass  ihre  Türen  sich 
der  Seite  des  Esquilins  zuwandten.  Das  Bestatten  an  dieser  Stelle 
muss  selbstverständlich  aufgehört  haben,  nachdem  das  Forum  zum 
Marktplatz  gemacht  war.  Wenn  nun  die  litterarische  Ueberliefe- 
rung  den  Bau  der  Cloaca  Maxima,  ohne  welche  eine  solche  Ver- 
wendung des  Tales  nicht  denkbar  ist,  den  letzten  Königen  d.  h. 
dem  sechsten  Jhdt.  zuschreibt,  und  wenn  der  archäologische  Befund 
auf  ein  Aufhören  der  Begräbnisse  im  Forumstal  in  eben  dieser  Zeit 
hindeutet,  so  ist  diese  Uebereinstimmung  in  der  Tat  bedeutsam  für 
die  Beurteilung  der  Glaubwürdigkeit  der  römischen  Tradition.  In 
diesem  Sinne  darf  man  sagen,  das  die  Aufdeckung  der  Nekropole 
das  historisch  wichtigste  Resultat  der  gesamten  neuen  Forums-Aus- 
grabungen  gebracht  hat. 


Die  Sacra  Via. 

Ueber  die  Ausgrabungen  an  der  Sacra  Via  berichten  Va- 
glieri  19-27;  Boni  Atti  del  Congresso  storico  514-518.  Die  neuauf- 
gedeckten Reste,  von  denen  ich  im  vorigen  Berichte  noch  keinen 
Plan  geben  konnte,  sind  verzeichnet  bei  Vaglieri  fig.  4.  8.  11.  Auch 
der  Plan  in  Baddeleys  oben  S.  5  citierten  Buche  ist  auf  grund 
offizieller  Materialien  ergänzt.  S.  auch  Abi).  26. 

Vor  dem  Templum  Divi  Romuli  gefunden  ist  das  Fragment 
einer  mit  elegantem  Profil  eingerahmten  Marmorplatte,  auf  der  mit 
schönen  Buchstaben  (h.  0,09)  die  Inschrift: 


marga     RlTARIVS 


0,72 


116 


CH.    HUELSEN 


Est  ist  eines  der  seltenen  Beispiele  eines  antiken  Ladenschil- 
des: margarilarü  de  sacra  via  sind  bekannt  genug,  s.  CIL.  VI, 
9545-9549;  Jordan  1,  2,287. 

Dass  einige  vor  und  neben  dem  Templum  Divi  Romuli  auf- 
gedeckten Kellerräume  an  der  Sacra  Via  zu  einem  'Carcer'ge- 


Pig.  52. 


hörten,  hatte  ich  schon  JB.  1902,  94  kurz  zurückgewiesen,  und 
JB.2  97  hinzugefügt,  dass  die  ganze  Anlage  (s.  Abb.  52)  grosse 
Aehnlichkeit  habe  mit  Kellern  in  pompejanischen  Privathäusern, 
z.  B.  dem  zu  einer  Bäckerei  gehörigen  Reg.  VII  Ins.  15  (Casa  dei 
Niobidi\  vgl.  Mau  Bull.  dell'Ist.  1874,  154).  Auch  in  dem  was 
zu  gunsten  jener  Hypothese  weiter  vorgebracht  ist,  finde  ich  kein 
einziges  erhebliches  Argument.  Die  ganze  Benennung  ist  abgeleitet 
aus  der  modernen  Vorstellung  des  Zellengefängnisses  für  Einzel- 
haft —  eines  Begriifes,  den  das  römische  Strafrecht  nun  einmal  nicht 


AUSGRABUNGEN    ALF    DEM    FORUM    ROMANUM  117 

kennt  (s.  Mommsen  Strafrecht  301  ff.).  Dass  die  sichersten  Zeug- 
nisse aus  der  alten  Litteratur  übergangen  oder  umgedeutet  werden 
müssen,  um  die  Existenz  eines  '  Carcer  Lautumiarum  '  (!)  an  dieser 
Stelle  möglich  scheinen  zu  lassen,  genügt,  wie  ich  JB.2  97  ausge- 
führt habe,  um  die  Unhaltbarkeit  der  ganzen  Hypothese  zu  erweisen. 

In  der  Constantinsbasilica  hat  man  an  mehreren  Stellen 
Reste  des  Paviments  aus  bunten  Marmorplatten  (Giallo,  Serpen- 
tin, Pavonazzetto)  wieder  aufgedeckt:  die  Muster,  grosse  von  Qua- 
draten eingefasste  Kreise,  entsprechen  ganz  den  bei  früheren 
Ausgrabungen,  namentlich  1828  gefundenen.  Auch  Stücke  der 
Deckenwölbung  mit  Resten  des  Stucks  in  den  Kassetten,  sowie 
Spuren  der  älteren  Gebäude,  über  welchen  die  Basilica  errichtet  ist, 
sind  gefunden  (Boni,  Alti  del  Congresso  siorico  583  f.). 

Beinahe  auf  der  Höhe  der  Velia,,  in  denselben  Privatbauten, 
aus  denen  auch  die  als  Baumaterial  verwandten  Ehreninschriften 
für  Maximinus  und  Maxentius  (Beiträge  zur  AG.  2  p.  243  n.  25.  27) 
zu  Tage  gekommen  sind,  ist,  als  Deckplatte  über  einem  Abzugska- 
nal liegend,  ein  Fragment  einer  grossen  Marmortafel  gefunden,, 
welches  die  rechte  Hälfte  einer  Ehreninschrift  für  die  Mutter  des 
Kaisers  Theodosius  enthält :\_Fl.  ?  Thermantf\ae  [janctissimae]  ac 
nobilissimae  \_memoriae  femi\aae,  coniugi  divi  \_Theodosi,  in- 
lustr~]is  comitis  utrius\_que  militiae,  m~\atri  d.  n.  Theodon.  \jper- 
petui  Augusti,~\  aviae  dd.  nn.  \_Arcadi  fortif\nmi  principis  [et. 
Honori  piidjßimi  i  Uveitis  \_praestaatia  indo~]lis  suae  [augenti  di- 
vlnam]  prosapiam  [_Ceionius  Rufbus  Albinus  v.  c.  [praefectus 
urbf\  iudex  Herum  \jacrarum  coga~\üionum  d,  c.  (Gatti  Rendic. 
dei  Lineei  1902,  587  ff.;  Not.  degli  scavi  1903.  21 ;  Vaglieri  Bull, 
comun.  1902,  256-263). 

(*)  Degering  Berl.  philol.  Wochenschrift  1903,  1647  ist  geneigt,  die 
Lautumiae  östlich  vom  Oomitium  zu  suchen,  leugnet  den  Zusammenhang 
mit  ).ccTouia  und  hält  lautumiae  für  ein  veraltetes  aber  gut  lateinisches  Wort, 
welches  '  das  Wäscherviertel '  bedeuteten  soll  (von  einem  gleichfalls  veralteten 
lautumus  =  lavitumus).  Dieses  Wäscherriertel  habe  an  dem  Bache  gelegen, 
der  später  zur  Cloaca  Maxima  kanalisiert  wurde  :  was  mir  sehr  unwahrschein- 
lich ist. 


118  CH.    HUELSEN 

Die  Behauptung,  dass  der  Titusbogen  nicht  an  seinem 
ursprünglichen  Platze  stehe,  sondern  erst  nach  Erbauung  des  Venus- 
und  Romatempels  dorthin  gerückt  sei,  wo  wir  ihn  jetzt  sehen 
(s.  JB.  1902,  97)  wird  aufs  neue  verfochten  von  Vaglieri  p.  17 
und  von  Boni  Atti  del  Congresso  storico  517.  Das  einzige  Ar- 
gument, welches  zunächst  einigen  Eindruck  macht,  dass  nämlich 
die  Gusswerkfundamente  des  Bogens  direkt  auf  einem  älteren 
Strassenpflaster  stehen,  was  für  einen  Bau  aus  früher  Kaiser- 
zeit nicht  glaublich  sei,  hat  seine  Ueberzeugungskraft  verloren, 
seitdem  sich  gezeigt  hat,  dass  der  Augustusbogen,  bei  dem  doch 
an  eine  Versetzung  von  einem  anderen  Standort  nicht  zu  den- 
ken ist,  in  gleicher  Weise  konstruiert  ist.  Die  Begründung  Bonis 
S.  517:  der  Bogen  sei  sorto  dapprima,  pel  coslume  infallanta- 
mente  osservato  nelV antica  Roma  lä  dove  prolungendosi  giun- 
geva  l'asse  dell'edifizio  piü  cospicuo  neU'Urbs  bleibt  mir  un- 
verständlich. Dass  die  Sacra  Via  in  allerer  Zeit  den  steilen  Velia- 
Abhang  schnurgerade  erstiegen  haben  sollte,  ist  sehr  unwahrschein- 
lich; auch  die  vor  der  Constantinsbasilica  gefundenen  Reste,  die 
jedenfalls  älter  sind  als  der  Bogen  deuten  darauf  hin,  dass  die 
Strasse  schon  damals  die  Richtung  hatte,  die  man  auch  naturge- 
mäss  erwarten  muss,  nämlich  auf  die  Porta  vetus  Palatii  zu. 

Die  JB.  1902,  97  kurz  angekündigten  Ausgrabungen  zwischen 
dem  Titusbogen  und  der  Front  der  Kaiserpaläste  sind  weiterge- 
führt und  bis  in  grosse  Tiefen  gedrungen,  ohne  jedoch  besonders 
interessante  Resultate  zu  ergeben.  Gefunden  sind  zahlreiche  Mauern 
aus  Tuffreticulat  und  Ziegelwerk,  die  meist  zu  Privatbauten  gehört 
haben.  Da  sie  in  verschiedenen  Schichten  übereinander,  sich  mannig- 
fach überdeckend  und  schneidend,  verlaufen,  ist  eine  ausführliche 
Beschreibung  ohne  genaue  Planaufnahme  umständlich  und  nicht 
eben  belehrend  (s.  den  vorläufigen  Bericht  von  F.  Brunswick  in  der 
Berliner  philol.  Wochenschrift  1905,  428  f.).  Am  Schnittpunkte 
der  Nova  Via  und  des  Clivus  Sacer,  gegenüber  der  SW.  Ecke  des 
Titusbogens,  sind  mehrere  Lagen  Tuffquadern  mit  wenigen  archi- 
tektonischen Gliederungen  aus  Travertin  erhalten.  Die  Aehnlichkeit 
mit  einem  Tempelchen  in  antis  ist  nur  scheinbar;  was  in  der 
Berl.  philol.  Wochenschr.  a.  a.  0.  als  ein  mit  opus  spicatum-ge- 
pflasterter,  auf  die  nördliche  Schmalseite  des  Heiligtumes  zuführen- 


AUSGRABUNGEN    AUF    DEM    FORUM    ROMANUM  119 

der  Anstieg  beschrieben  wird,  sind  die  Pavimente  von  Kammern 
und  Tabernen,  welche  die  Westseite  der  Sacra  Via  flankierten. 
Auch  die  Begrenzung  des  Grundrisses  auf  9  Meter  Länge,  4  m. 
Breite  ist  durch  die  Fortsetzung  des  Ausgrabungen  als  irrig  er- 
wiesen :  die  Fundamente  aus  grauen  Tuffquadern  setzen  sich  in  ganz 
entsprechender  Weise  bis  gegenüber  der  NW-Ecke  des  Titusbogens 
fort.  Der  ganze  Baucomplex  ist  schon  im  Altertum,  namentlich  bei 
der  grossen  Regulierung  der  Sacra  Via  im  Anfang  des  4.  Jhdt. 
n.  Chr.,  zerstört  worden,  so  dass  es  schwer  sein  wird,  ihm  einen 
bestimmten  Namen  zu  geben.  Sehr  unsicher  ist  der  von  Boni  vor- 
geschlagene Name  Aedes  Lamm  in  summa  sacra  via.  Diese 
Aedes  muss  allerdings  in  der  JJähe  gelegen  haben,  aber  die  An- 
nahme, dass  sie  nur  ein  Bau  von  sehr  massigen  Dimensionen  ge- 
wesen sei  (Jordan  1,  2,  420),  fusst  auf  der  sehr  fragwürdigen 
Gleichsetzung  mit  dem  sacellum  Larum,  welches  als  Eckpunkt  des 
palatinischen  Pomeriums  genannt  wird. 

Vom  Clivus,  der  zur  Front  der  Kaiserpaläste  hinaufführte, 
ist  ein  wohlerhaltenes  Stück  des  Pflasters  aus  Lavapolygonen  mit 
Bordsteinen  aus  Travertin  dem  Titusbogen  gegenüber,  in  der  Höhe 
des  kaiserlichen  Pflasters,  aufgedeckt.  Spuren  einer  erheblich  tiefer 
liegenden  Strasse  sind  zwischen  den  erwähnten  Reticulatmauern 
südlich  der  Nova  Via  sichtbar,  ohne  dass*  sich  jedoch  bisher  ihr 
Gang  genau  verfolgen  liesse. 

Rom. 

Ch.  Huelsen. 


Abgeschlossen  am  26.  August  1905. 


ZERSTREUTE  FRAGMENTE  RÖMISCHER  RELIEFS. 

(Taf.  V). 


1.  Gigantomachie. 

Im  Belvedere  des  Vatican  befindet  sich  ein  grösseres  Frag- 
ment aus  einer  augenscheinlich  ehemals  ausgedehnten  Fries-Dar- 
stellung der  Gigantomachie  (!).  Links  kämpft  Artemis  gegen  einen 
schlangenfüssigen  Gegner,  der  eben  einen  Felsstein  aus  seiner  Lin- 
ken entsendet;  einen  anderen  hält  er  in  der  Rechten  bereit;  aber 
schon  droht  ihm  der  untrügliche  Pfeil  der  Göttin,  die  von  ihrem 
Hunde  unterstützt  wird.  Rechts  stürmt  eine  verschleierte  matro- 
nale  Göttin  mit  zwei  Fackeln  gegen  ein  Gigantenpaar  heran,  von 
dem  der  eine,  bärtige,  rückwärts  auf  ein  Knie  gesunken  nach  einem 
Felsblock  greift,  den  der  andere,  junge,  heranschleppt;  beider  Au- 
gen sind  in.  ohnmächtigem  Trotz  auf  die  Göttin  gerichtet.  Im  Hin- 
tergrunde steigen  Felsen  empor,  auf  denen  links  eine  kurze  Platane 
wächst;  rechts  von  der  Fackelschwingerin  Blumen  und  ein  Eich- 
baum; der  Ast  eines  zweiten  wird  rechts  oben  sichtbar.  Unten 
springt  ein  Rand  mit  flacher  Hohlkehle  an  der  Oberkante  vor.  Die 
Motive  der  Figuren  wirken  lebendig,  ohne  dass  man  den  Eindruck 
hätte,  sie  seien  frisch  empfunden. 

Die  Arbeit  erhebt  sich  nicht  über  das  Niveau  des  decorativ 
Effectvollen,  beschäftigt  aber  doch  den  aufmerksamen  Beschauer 
durch  allerlei  eigenartige  Züge,  wie  die  Darstellung  des  Terrains, 
aus  der  ein  deutliches  Bewusstsein  von  dem  besonderen  Charakter 
derartiger  Felsenhänge  spricht  mit  ihrem  spärlichen  Pflanzen-  und 
Baum- Wuchs,  den  Vorboten  dichter  Waldung.  Daneben  und  neben 
einem  so  überlegten  Motiv,  wie  der  Fall  des  Mantels  über  das  rechte 

(!)  Nr.  38  im  Cortile.  Vgl.  zuletzt  Heibig,  Führer  nr.  145. 


122  W.    AMELUNG 

Bein  der  Fackelschwingerin,  wirkt  die  kümmerliche  Darstellung 
des  Hundes  der  Artemis  mit  seinem  Halsband  doppelt  befremdend. 
Nach  der  Entdeckung  der  grossen  Altarreliefs  in  Pergamon  hat 
man  dem  vaticanischen  Fragment  wegen  des  gleichen  Gegenstandes 
erneutes  Interesse  gewidmet.  Für  «  hellenistisch  ■  taxierte  man  es 
schon  vordem,  und  nun  fand  sich  dort  das  Motiv  des  Schlangenfüssi- 
gen  fast  übereinstimmend  wieder  und  neben  der  halbtierischen  Bild- 
ung der  Giganten  die  rein  menschliche.  So  vermutete  man  Abhäng- 
igkeit, und,  da  die  pergamenischen  Sculpturen  so  viel  bedeutender 
wirkten,  konnte  es  nicht  ausbleiben,  dass  man  ihnen  die  Priorität  zu- 
sprach (Friederichs- Wolters  1859).  Vorsichtiger  urteilte  Heibig,  der 
in  seinem  Führer  nur  annimmt,  die  Composition  des  römischen  Re- 
liefs sei  durch  ältere  Motive  bestimmt  gewesen,  die  zum  Teil  auch 
von  den  Künstlern  des  pergamenischen  Frieses  benutzt  worden  seien. 
Auf  eine  für  diese  Frage  wichtige  Einzelheit,  wurde  noch  nicht 
hingewiesen:  betrachten  wir  die  Beine  des  Schlangenfüssigen,  so 
muss  es  uns  auffallen,  dass  der  Oberschenkel  bis  zum  Knie  — 
dieses  noch  eingeschlossen  —  ganz  menschlich  gelassen  ist.  Auf  den 
pergamenischen  Reliefs  beginnt  die  Auflösung  des  menschlichen 
Organismus  in  den  Schlangenkörper  viel  weiter  oben.  Vergleicht 
man  eine  andere  Darstellung  von  Giganten  —  auf  dem  Sarkophag 
der  Galleria  delle  statue  Nr.  413  a  — ,  die  Heibig  (Führer  Nr.  219) 
auf  ein  hellenistisches  Gemälde  zurückführt,  und  deren  Vorbild 
wir  nach  der  Uebereinstimmung  der  Gigantenköpfe  mit  denen  dei 
Gallier  in  den  Sculpturen  der  ersten  pergamenischen  Schule  (s.  die 
Abbildung)  unter  den  Werken  eben  dieser  Schule  suchen  dürfen  (]), 
—  vergleichen  wir  diese  Darstellung,  so  bemerken  wir,  dass  der 
menschliche  Organismus  hier  wenigstens  bis  zum  Knie  in  seiner 
Form  belassen  ist.  Darin  scheint  sich  doch  eine  Entwickelung 
anzuzeigen,  die  zudem  viel  innere  Wahrscheinlichkeit  hat,  und  in 

(*)  Man  ächte  auf  den  Schnurrbart  des  jugendlichen  Giganten  und  ver- 
gleiche den  bärtigen  besonders  mit  dem  Kopf  nr.  535  im  Museo  Chiaramouti 
(Köm.  Mitth.  1895  Taf.  II,  V)  und  einer  kleinen  Büste  in  Berlin  (Archäol. 
Anzeiger  1903  S.  34  f.  Abb.  14).  Dass  man  den  Giganten  die  Züge  der  Gal- 
lier gab,  ist  nicht  zu  verwundern;  man  erinnere  sich  der  Parallelisierung 
beider  Kämpfe  im  attalischen  Weihgeschenk  und,  dass  Kallimachos  (hymn. 
del.  V.  174)  die  Gallier  6\plyovoi  Titfjieg  nennt.  Titanen  und  Giganten  wurden 
aber  in  später  Zeit  vermengt  und  verwechselt. 


ZERSTREUTE    FRAGMENTE    RÖMISCHER    RELIEFS  123 

der  also  das  Vorbild  des  vaticanischen  Reliefs  seine  Stelle  vor  dem 
des  Sarkophags  finden  würde.  Auf  die  attalischen  Weihgeschenke 
auf  der  athenischen  Akropolis  selbst  hat  man  mit  grösster  Wahr- 
scheinlichkeit Fragmente  einer  Gruppe  zurückgeführt,  die  Satyrn  im 
Kampf  mit  Giganten  darstellt  (Heibig  Nr.  618).  Hier  ist  ein  Gi- 
gantenbein fast  ganz  erhalten  und  wieder  bis  zum  Knie  —  dieses 
einbegriffen  —  menschlich.  Dazu  kommt,  dass  die  Giganten  des  Re- 
liefs im  Belvedere  sich  mit  den  Figuren   des  attalischen  Weihge- 


schenks wohl  vergleichen  Hessen.  Will  man  diese  Folgerungen  nicht 
anerkennen,  so  müsste  man  das  Vorbild  des  Reliefs  in  einer  anderen, 
der  pergamenischen  gleichzeitigen  Schule  suchen  und  dann  am  ehe- 
sten in  der  von  Rhodos.  Dass  man  aber  in  hellenistischer  Zeit  jene 
Bildung  kannte,  zeigen  eine  Gemme  eben  jener  Epoche  (Furtwäng- 
ler,  Ant.  Gemmen  Taf.  XXXIV,  37)  und  eine  tönerne  Relief-Form 
aus  Girgenti  (Rizzo,  Rom.  Mitt.  1897  p.  267  Taf.  XI  1.). 

Stark  hat  darauf  hingewiesen  (Gigantomachie  auf  antiken  Re- 
liefs (S.  18  ff.),  dass  sich  im  Museum  des  Lateran  ein  Relieffrag- 
ment befindet  mit  der  Darstellung  eines  berganstürmenden  Gigan- 
ten, das  augenscheinlich  vom  demselben  Friese  stammt,  wie  das 
vaticanische  (Benndorf-Schöne,  Die  antiken  Bildwerke  des  lat.  Mu- 
seums Nr.  450  Taf.  VIII  2);  Stil,  Figuren-Maasse  und  Reliefer- 


124  W.    AMELl^G 

hebung  stimmen  vollkommen  überein.  Allerdings  macht  das  Stück 
im  Lateran  einen  besseren  Eindruck:  es  ist  eben  weniger  zerstört 
und  garnicht  überarbeitet,  sodass  man  hier  noch  durchweg  die 
Raspelstriche  sieht,  die  man  im  Vatican  nur  in  den  unberührten 
Tiefen  findet  (die  Brustwarzen  sind  im  Lateran  leicht  umrissen). 
Uebrigens  mag  auch  das  Fragment  von  einer  besser  gearbeiteten 
Platte  des  Frieses  stammen ;  man  vergleiche  in  dieser  Hinsicht  die 
sehr  verschiedenwertigen  Teile  der  Reliefs  vom  Nerva-Forum,  die 
uns  nachher  noch  beschäftigen  werden  (Blümmer,  Ann.  d.  I.  1877 
S.  33).  Ganz  übereinstimmend  ist  an  beiden  Stücken  die  Behand- 
lung von  Haar  und  Bart ;  im  Nacken  des  Giganten  erkennt  man 
das  gleiche  Eichenlaub  wie  dort,  unten  den  gleichen  Fels.  Der 
Marmor  ist  wieder  feinkörnig  und  gelblich ;  nur  fehlen  ihm  die 
grauen  Streifen.  Das  Fragment  ist  aus  den  Magazinen  des  Vatican 
iu  den  Lateran  gelangt,  die  Möglichkeit  also  gegeben  —  mehr 
lässt  sich  vorläufig  nicht  sagen  — ,  dass  es  wie  das  vaticanische 
unter  Pius  VII.  aus  dem  Besitz  der  Mattei  erworben  wurde. 

Wo  Tauben  sind,  da  fliegen  Tauben  zu. 

Im  städtischen  Antiquarium  zu  Rom  werden  zwei  weitere 
Fragmente  von  einer  Friesdarstellung  der  Gigantomachie  aulbe- 
wahrt (Visconti  im  Bulletino  comunale  1887  S.  241  ff.  Taf.  XIV ; 
Heibig  Führer  Nr.  727);  (*);    auf  dem  einen  steht  in  der  Mitte 

(*)  Wie  ich  nachträglich  bemerke,  hat  schon  Wace  in  dem  Annual  of 
the  British  school  at  Athens  IX  S.  239  diese  Fragmente  im  Zusammenhang 
mit  dem  vaticanischen  erwähnt,  ohne  aber  ihre  Zusammengehörigkeit  zu  be- 
haupten. Ja,  er  will  die  beiden  Stücke  im  Antiquarium  von  einander  trennen : 
«  lt  is  necessary  to  observe  that  the  two  fragments  do  not  belong  to  the  same 
frieze.  One  shows  quietly  moving  figures  against  an  open  landscape  back- 
groünd;  the  other  figures  in  violent  motion  with  the  background  filled  up 
by  flying  drapery.  Further  the  relief-height  and  style  are  not  the  same  »,  Um 
mit  dem  Aeusserlichsten  zu  beginnen:  die  Eeliefhöhe  ist  tatsächlich  gleich, 
wie  sich  Jeder  überzeugen  kann  (0,5-0,7  m.  auf  beiden  Platten).  Dass  der 
Reliefgrund  auch  sonst  auf  dem  Friese  verschieden  behandelt  war,  zeigt  das 
Fragment  im  Vatican,  und  es  ist  nur  natürlich,  dass  der  Künstler  an  den 
Stellen,  wo  er  den  Hintergrund  nicht  mit  landschaftlichen  Details  bedeckte, 
die  Gewandung  zur  Füllung  der  Fläche  benutzte.  Im  Uebrigen  mag  in  Bezug 
auf  den  Stil,  zugegeben  werden,  dass  die  beiden  Fragmente  auf  den  ersten 
Blick  verschiedenartig  scheinen;  doch  hat  dieser  Eindruck  nur  in  dem  ver- 
schiedenen Charakter  der  Figuren  seinen  Grund.  Dass  das  grössere  Fragment 
von  dem  vaticanischen  nicht  zu  trennen  ist,  zeigt  sich  vor  Allem  in  der  Wie' 


ZERSTREUTE    FRAGMENTE    RÖMISCHER    RELIEFS  125 

ruhig  eine  matrouale  Göttin;  rechts  von  ihr  ein  Baumstamm,  dann 
Reste  des  Hephaistos;  links  eine  Gestalt,  die  man  für  eine  ge- 
flügelte Artemis  erklärte,  nach  links  eilend  und  einen  Pfeil  aus 
dem  Köcher  ziehend;  am  Rande  die  Hälfte  eines  Lorbeerbaumes. 
Auf  dem  zweiten  Fragment  sieht  man  links  Teile  einer  langgewan- 
deten  Göttin,  die  mit  geschwungener  Waffe  nach  links  stürmt ; 
rechts  eine  weibliche  Gestalt  mit  massig  langem  Gewand,  den 
.Mantel  um  die  Hüften  geschlungen;  unklar  bleibt,  wie  mit  dem 
übrigen  Gewand  der  Mantel  zusammenhängt,  der  sehr  wirkungs- 
voll im  Rücken  der  Figur  bogenförmig  emporgeweht  wird;  an  den 
Füssen  träp-t  sie  hohe  Schnürstiefel;  an  den  Knöcheln  und  am 
Kopf  inmitten  des  wilden  Lockengewirres  setzen  kurze  Flügel  an ; 
die  Rechte  trägt  eine  grosse  Fackel.  Während  die  Figur  nach 
links  hin  stürmt,  wendet  sich  der  Blick  mit  erregtem  Ausdruck 
nach  rechts. 

Nun  haben  diese  Fragmente  dieselbe  Höhe  wie  das  vatica- 
nische,  den  gleichen  Rand  mit  flacher  Hohlkehle  (jetzt  vermauert; 
sichtbar  auf  den  Tafeln  der  ersten  Publication),  die  gleiche  Re- 
lieferhöhunp-  und  dieselben  Figurenmaasse.  Mit  dem  lateranensi- 
sehen  Fragment  stimmt  die  Plattenstärke  und  die  Art  des  Mar- 
mors; auch  sieht  man  hier  die  gleichen  Raspelstriche,  und,  wie 
dort,  so  ist  hier  die  Pupille  durch  eine  leichte  Einsenkung  im 
Augapfel  angegeben.  Dann  vergleiche  man  die  Rinde  des  Baumes 
links  vom  Hephaistos  mit  der  an  der  Eiche  im  Vatican ;  die  nacli 
links  stürmende  Göttin  im  Antiquarium  (auf  dem  zweiten  Fragment 
links)  trägt  die  gleichen  Schuhe,  vie  die  verschleierte  Göttin  im 
Vatican ;  und  so  vergleiche  man  weiter. 

Die  Fragmente  im  Antiquarium  wurden  1887  an  der  Ecke 
der  Via  del  Coliseo  und  Via  S.  Pietro  in  Vincoli  gefunden ;  sie 
hatten  einen  Abzugsgraben   überdeckt.    In    der    gleichen    Gegend 


dergabe  des  Baumstammes  (alles  Weitere  siehe  oben!);  ebenso  lässt  sich  auf 
dem  kleineren  Fragment  das  Gewand  der  rechten  Figur  in  seinen  unteren 
Partieen  mit  dem  der  verschleierten  Göttin  im  Vatican  vergleichen.  Schliess- 
lich vergleiche,  wer  noch  nicht  überzeugt  ist,  die  Reliefs  vom  Nerva-Forum 
(Monum.  d.  I.  X  Taf.  XL-XLI  a ;  Brunn-Bruckmann,  Denkmäler  Nr.  489);  dort 
rindet  er  in  ganz  entsprechender  Weise  neben  einander  Teile  mit  glattem 
Reliefgrund  und  solche  mit  Wiedergabe  von  allerlei  landschaftlichen  Ein- 
zelheiten. 


126  W.    AMELUNG 

(siehe  Lanciani  F.  U.  R.  29)  hat  es  einen  Orto  Mattei  gegeben ; 
nach  Lanciani's  Angabe  hat  nun  die  Familie  Mattei  am  31.  Au- 
gust 1693  die  Erlaubnis  erhalten,  dort  Ausgrabungen  veranstalten 
zu  lassen  (1).  Auf  dem  vaticanischen  Relief  findet  sich  aber  rechts 
von  dem  Bogen  der  Artemis  dicht  über  dem  Felsen  eine  drei- 
zeilige  Kritzelei.  In  der  obersten  Reihe  erkennt  man  nur  noch 
zwei  schräg  nach  links  unten  hängende  Schleifen;  in  der  zweiten 
scheint  erkennbar  dendini;  in  der  dritten  aber  ist  deutlich  die 
Jahreszahl  1693.  Damit  ist  denn  auch  der  äusserliche  Beweis  für 
die  Zusammengehörigkeit  all  dieser  Fragmente  gegeben. 

Endlich  folgt  in  Friederichs- Wolters'  Bausteinen  auf  die 
Besprechung  des  Gypsabgusses  der  vaticanischen  Platte  unter 
Nr.  1860  die  eines  kleinen  Bruchstücks,  das  angeblich  auf  dem 
Palatin  gefunden  sein  und  einem  Teil  des  Gegners  der  Artemis 
auf  jenem  Relief  genau  entsprechen  soll.  Den  Abguss  hat  Heibig 
vor  vielen  Jahren  nach  Berlin  besorgt;  damals  wäre  das  Original 
seiner  Erinnerung  nach  in  dem  palatinischen  Museum  gewesen 
(darauf  allein  beruht  augenscheinlich  die  Fundangabe  bei  Fr.-W.). 
Es  gelang  mir  nun,  den  Marmor  auf  dem  Palatin  wiederzufinden; 
er  war  in  einen  Pfeiler  im  Flavier-Palaste  eingemauert.  Prof.  Gatti 
Hess  ihn  von  dort  entfernen,  so  dass  ich  ihn  mit  seiner  gütigen 
Erlaubnis  photographieren  konnte.  Dargestellt  ist  das  r.  Bein 
eines  schlangenfüssigen  Giganten  von  rückwärts  gesehen  mit  dem 
grössten  Teil  der  Schlange,  der  Hinterbacke  und  Hüfte;  in  der 
Bewegung  entspricht  dies  Bein  nicht  dem  rechten,  wie  Friederichs- 
Wolters  angiebt,  sondern  dem  linken  des  Gegners  der  Artemis ;  im 
Grunde  erkennt  man  einige  Terrainwellen.  Die  Oberfläche  hat  so 
gelitten,  dass  sich  die  Körner  des  Marmors  bei  der  geringsten  Be- 

0)  Lanciani  teilt  dazu  Folgendes  mit:  //  documento  ch'io  posseggo 
circa  gli  scavi  Mattei  c  quello  della  licenza  rilasciata  dal  Commissario 
delle  antichitä  Giampietro  Bellori :  u  Concediamo  licenza  alVIll.mo  et 
Ecc.mo  Sigr.  Duca  di  Paganica  cauare  e  far  cauare  nelVhorto  giardino  e 
boschetto  di  d.o  Ecc.mo  Sigr.  Duca  posto  in  Roma  nella  Piazza  di  S.  Pietro 
in  Vincoli  corrispondente  al  Colosseo  riscontro  le  monache  e  Conservatorio 
del  P.  Carauita . . .  pietra  tevolezza  marmi  statue  ecc».  E  possibile,  ma 
non  certo,  che  da  questo  luogo  e  da  questi  scavi  provenga  la  fistula  plumbea 
faeniorvm  (Bianchini,  Veron.  362).  I  frammenti  della  Gigantomachia  editi 
dal  Visconti  furono  trovati  —  me  presente  —  a  poca  distanza  dal  confine 
delVorto  Mattei. 


ZERSTREUTE    FRAGMENTE    RÖMISCHER    RELIEFS  127 

rübnmg  ablösen.  Der  Marmor  ist  übrigens  der  gleiche  wie  bei  dem 
Stück  im  Vatican;  gleich  sind  auch  Maasse  (H.  0,46),  Reliefer- 
hebung  (0,06),  Stil  und  die  charakteristische  Bildung  des  Beines 
mit  menschlichem  Knie.  Aber  die  Platte  schneidet  unten  nach  ei- 
nem schmalen  Rande  ab  und  ist  nur  0,08  m.  dick  (an  der  Rückseite 
ein  Dübelloch);  doch  braucht  es  uns  nicht  irre  zu  machen,  wenn 
wir  heute  keine  Spur  mehr  davon  erkennen,  dass  die  Platte  erst 
in  moderner  Zeit  unten  abgeschnitten  und  hinten  zubehauen  worden 
sei,  da  das  Stück  jedenfalls  schon  lange  auf  dem  Palatin  gewesen 
und  durch  viele  Hände  gegangen  ist;  es  bleibt  doch  das  Wahr- 
scheinlichste, dass  auch  hier  ein  Fragment  unseres  Frieses  erhalten' 
ist,  das  ja  von  dem  Fundort  der  übrigen  leicht  auf  den  nahen 
Palatin  verschleppt  werden  konnte,  wo  zudem  die  Mattei  im  16.-17. 
Jahrhundert  ein  Terrain  besassen  (Lanciani,  F.  U.  R.  XXIX). 
Zunächst  ergiebt  sich  nun  für  die  Deutung  der  einzelnen  Fi- 
guren das  eine  sichere,  wenn  auch  nur  negative  Resultat:  die 
Geflügelte  im  Antiquarium  kann  nicht  Artemis  sein,  da  diese  Göttin 
zweifellos  im  Vatican  dargestellt  ist.  Mir  ist  nur  ein  Monu- 
ment bekannt,  auf  dem  eine  ganz  übereinstimmende  Figur  gebil- 
det ist:  eine  der  Reliefplatten,  die  erst  im  vorigen  Jahre  durch 
die  österreichischen  Ausgrabungen  in  Ephesos  zu  Tage  gekommen 
sind.  Heberdey  beschreibt  in  dem  vorläufigen  Bericht  (Oesterr. 
Jahreshefte  1904  Beiblatt  S.  54  f.  mit  Abb.)  die  Darstellung  so : 
«  Auf  einem  von  drei  Hirschkühen  gezogenen  Wagen  fährt  nach 
rechts  eine  weibliche  Gestalt  in  rauschendem  Gewand  (es  ist  kurz 
und  der  Mantel  ist  um  die  Hüften  geschlungen;  Stiefel  an  den 
Füssen),  Stabattribut  in  der  Linken  (die  Rechte  fehlt),  einen  Kö- 
cher auf  dem  Rücken  tragend,  nach  deutlichen  Ansätzen  auf  den 
Schultern  geflügelt. . .  Vor  der  Inhaberin  des  Wagens  schwebt  ein 
bis  auf  die  im  Rücken  nachflatternde  Chlamys  nackter  Knabe, 
der  nach  der  Armhaltung  Wagenlenkerdienste  zu  leisten  scheint; 
den  Abschluss  rechts  bildet  eine  ruhig  stehende  weibliche  Gestalt 
in  doppeltem  Gewände,  das  Oberkleid  schleierartig  über  den  Hin- 
terkopf gezogen  (die  Motive  der  Gewandung  entsprechen  denen 
eines  Demeter-Typus;  s.  Ruhland,  Die  eleusinischen  Gottheiten 
S.  64f.  Taf.  III  1,  2) ».  Zu  den  Füssen  des  Gespannes  lagert  Tha- 
lassa,  deren  Deutung  gesichert  ist.  Dadurch,  dass  auf  der  ent- 
sprechenden Platte  die  Auffahrt  eines  Heros  (?)  im    Beisein    des 


128  W.    AMELUNG 

Helios  dargestellt  ist,  liegt  es  nahe,  hier  Selene  zu  suchen;  sie 
aber  mit  Heberdey  in  der  Lenkeria  des  Wagens  zu  erkennen,  kann 
ich  mich  nicht  entschliessen ;  nicht  nur  die  Beflügelung,  sondern 
vor  Allem  das  kurze  Gewand  spricht  dagegen.  Ebenso  wie  auf  der 
andern  Platte  Helios  nicht  selber  auf  dem  Wagen  steht,  braucht 
hier  Selene  ihn  nicht  bestiegen  zu  haben.  Am  nächsten  würde  es 
liegen,  eine  der  Mondgöttin  verwandte  oder  dienstbare  Gottheit  in 
ihr  zu  erkennen,  und  dazu  würde  es  denn  auffallend  gut  stimmen, 
dass  uns  eine  analoge  Figur  —  abgesehen  von  Köcher  und  Bogen  — 
auch  sonst  in  Zusammenhang  mit  Selene  begegnet :  ich  meine  jene 
Gestalt,  die  auf  Reliefs  mit  Darstellung  der  Endymion-Sage  die 
Pferde  der  Selene  hält  (Robert  Die  antiken  Sarkophagreliefs  III  1 
S.  60) ;  sie  ist  von  Gerhard  Iris,  von  Brunn  Hekate,  von  Robert  Aura 
genannt  worden.  Von  diesen  Namen  scheint  einzig  der  der  Hekate 
in  allen  drei  Fällen  zu  passen.  Jedenfalls  hat  Aura  im  Giganten- 
kampf keine  Stelle  und  ebenso  wenig  auf  dem  Hirschgespann;  eher 
könnte  man  sich  für  Iris  entscheiden:  in  der  Gigantomachie  ist  die 
matronale  Göttin  neben  Hephaistos  am  wahrscheinlichsten  Hera, 
die  dann  wie  ihren  Sohn,  auch  ihre  besondere  Dienerin  zur  Seite 
hätte.  In  Iris'  Hand  wäre  schliesslich  der  Bogen  eine  Allegorie, 
aber  nicht  sinnlos,  verständlich  in  spät-  hellenistischer  oder  römi- 
scher Zeit.  Auch  auf  dem  Hirschgespann  wäre  Iris  möglich,  abei 
doch  nur  zur  Not.  Wenn  nun  schliesslich  Hekate  übrig  bleibt 
und  auch  inhaltlich  an  den  drei  Stellen  wohl  am  Platze  wäre, 
so  muss  man  andererseits  zugeben,  dass  sonst  keine  entsprechende 
Darstellung  oder  Schilderung  dieser  Göttin  erhalten  ist.  Vielleicht 
bringen  uns  weitere  Entdeckungen  in  Ephesos  die  Lösung  dieses 
Rätsels.  Erwähnt  muss  aber  noch  werden,  dass  man  schon  in  der 
Verschleierten  auf  dem  vaticanischen  Fragment  und  nicht  unpas- 
send Hekate  vermutet  hat  (*). 

Die  Figur  mit  Kopf-  und  Fussflügeln  wird  man  richtig  Eri- 
nys  genannt  haben;  jedenfalls  ist  damit  die  Art  der  Wesen,  zu 
denen  sie  gehört,  bezeichnet. 

Noch  ist  zu  erwähnen,  dass  auf  dem  Fragment  im  Lateran 
links  oben  die  Spitze    eines    Flügels    erhalten    ist,    der,    wie    es 

(*)  Kuhnert  schlägt  allerdings  in  Roscher's  mythol.  Lexicon  I  2  Sp.  1669 
vor,  die  Figur  lieber  Leto  zu  nennen,  die  auch  in  Pergamon  neben  der  Ar- 
temis kämpfe.  Eine  Entscheidung  zu  geben,  ist  unmöglich. 


ZERSTREUTE    FRAGMENTE    RÖMISCHER    RELIEFS  129 

scheint,  eher  zu  einem  Vogel  als  zu  einer  göttlichen  Gestalt  oder 
einem  Giganten  gehört  hat;  ist  dem  so,  dann  war  auf  der  links 
anstossenden  Platte  Zeus  mit  seinem  Adler  dargestellt. 

Die  zusammengefundenen  Fragmente  fügen  sich  leider  nicht 
zu  einem  Ganzen  an  einander.  Was  wir  von  der  Gesamt-Composi- 
tion  erschliessen  können,  ist  nur,  dass  sie  sich  in  verschiedenen 
Richtungen  bewegte.  Die  stehende  Göttin  scheint  einen  ruhigen 
Mittelpunkt  zu  bilden ;  von  ihr  geht  die  Bewegung  deutlich  nach 
links  hin ;  der  gleichen  Richtung  folgen  die  Erinys  und  ihre  Nach- 
barin; gegenan  kämpft  der  Gigant  im  Lateran.  Entgegengesetzt 
ist  die  Richtung  des  Kampfes  im  Vatican.  Da  die  eine  Figur 
so  unbeteiligt  stehen  kann,  ist  augenscheinlich  der  Beginn  des 
Kampfes  als  Moment  der  Darstellung  gewählt  worden ;  immerhin 
bleibt  die  vollkommene  Ruhe  dieser  Göttin  sehr  befremdend.  War 
etwa  rechts  von  ihr  Hephaistos  nicht  auf  dem  Kampfplatz,  son- 
dern in  seiner  Schmiede?  Dass  am  Boden  Hammer  und  Zange 
liegen,  scheint  fast  dafür  zu  sprechen,  ebenso  das  deutliche  Bedürf- 
nis des  Künstlers  nach  malerischer  Abwechselung  der  Scenerie. 

In  der  Gegend  des  Fundortes  der  Fragmente  hat  ein  Hei- 
ligtum der  Tellus  gelegen,  mit  deren  Tempel  Visconti  die  zwei 
Stücke  im  Antiquarium  in  Verbindung  bringen  wollte.  Aber  es 
ist  schwer  denkbar,  dass  man  den  Tempel  der  Erdgöttin  gerade 
mit  einer  Darstellung  des  Kampfes  geschmückt  haben  sollte,  in 
dem  all  ihre  Söhne  zu  Grunde  gingen.  Eher  könnte  man  an  die 
in  eben  jener  Gegend  gelegene  Porticus  Tellurensis  denken  (oder 
Secretarium  Tellurense ;  Lanciani,  F.  U.  R.  XXIX ;  Hülsen,  Rom. 
Mitteil.  1893  S.  299  ff.).  Die  erhaltenen  Platten  haben  keine  An- 
zeichen, die  uns  lehren  könnten,  an  welch  einem  Gebäude  sie  etwa 
angebracht  waren.  Dagegen  lässt  sich  aus  der  Art  der  Arbeit  recht 
deutlich  erkennen  —  man  beachte  besonders  die  Wiedergabe  von 
Haar  und  Bart  mit  Hülfe  des  Bohrers  und  die  Angabe  der  Au- 
gensterne —  dass  der  Fries  in  spät-hadrianischer  oder  früh-anto- 
ninischer  Zeit  ausgeführt  worden  ist  (l).  Die  Frage  bleibt,  ob  der 

(x)  An  einigen  von  den  Provinzen  der  Basilica  Neptuni,  die  man  jetzt 
für  hadrianisch  hält,  sind  die  Augensterne  ebenso  angegeben,  an  anderen 
allerdings  schon  ganz  in  der  späteren  Art  (Halbkreis  und  Mondsichel).  Die 
Umreissung  der  Figuren  mit  einer  vertieften  Linie,  die  bei  den  Provinzen 
durchweg  angewendet  ist,  findet  sich   an  dem  vaticanischen    Stück    an    drei 


ICO  W.    AMELUNG 

römische  Bildhauer  eine  ältere,  griechische  Darstellung  benutzt  oder 
gar  copiert  hat.  Letzteres  ist  kaum  denkbar,  wir  müssten  denn  an- 
nehmen, das  Original  sei  nach  Rom  verschleppt  gewesen.  Reliefs  sind 
sonst  nur  copiert  worden,  wenn  sie  geringen  Umfang  hatten,  also 
leicht  transportiert  werden  konnten.  Desto  wahrscheinlicher  ist  die 
andere  Annahme,  dass  der  Bildhauer  eine  griechische  Darstellung 
benutzt  habe,  von  der  er  mittels  Zeichnungen  oder  plastischer  Ver- 
kleinerungen Kunde  haben  konnte,  denn  so  wenig  befriedigend  in 
künstlerischer  Hinsicht,  so  mager  auch  das  Erhaltene  wirken  mag, 
so  ist  das  Gepräge  seines  Stiles  doch  zu  einheitlich-hellenistisch, 
als  dass  es  uns  wahrscheinlich  sein  könnte,  ein  römischer  Künstler 
habe  diese  Composition  neu  geschaffen.  Ueber  Zeit  und  Entstehungs- 
ort des  Vorbildes  können  wir  auch  jetzt  nach  Vermehrung  des  Ma- 
teriales  nicht  anders  urteilen,  als  oben  nach  dem  vaticanischen 
Fragment  allein.  Die  stehende  Göttin  auf  dem  einen  Fragment 
im  Magazzino  archeologico  erinnert  stark  an  weibliche  Gewand- 
statuen, die  man  heute  mit  Grund  der  rhodischen  Kunst  zu- 
schreibt (vgl.  das  63.  Berliner  Winckelmannsprogramm  von  Wat- 
zinger).  Nach  Kleinasien  weist  zunächst  auch  die  Wiederkehr  der 
geflügelten  Göttin  auf  dem  ephesischen  Relief  (1).  Aber  auch  bei  der 
Annahme  eines  derartigen  Vorbildes  bleiben  die  Fragmente  in 
erster  Linie  charakteristische  Reste  monumentaler  Decorations- 
kunst spät-römischer  Zeit,  in  der  sie  schon  des  nicht  historischen 
Gegenstands  wegen  mit  dem  Elementenrelief  der  Ära  Pacis  und 
dem  Fries  des  Nerva-Fornms  eine  besondere  Gruppe  bilden,  und 
da  ist  es  sicherlich  wieder  bedeutungsvoll,  dass  diese  drei  Werke 
sich  auch  in  künstlerischer  Beziehung  dadurch  zusammenschliessen, 
dass  sie  den  gleichen  hellenistischen  Reliefstil  nachahmen,  dessen 
bedeutendste  Leistung  uns  in  dem  kleinen  Friese  des  pergameni- 
schen  Zeusaltares  erhalten  ist. 

Wo  der  Boden  soviel  wiedergegeben  hat,  wird  er  noch  mehr 
bewahren.  Möge  der  Wink  des  Zufalls   nicht  ungenutzt   bleiben! 

W.  Amelüng. 


Stellen:  an  der  1.  Flanke  des  Schlangenfüssigen,  an  der  1.    Seite    des    Eich- 
baums und  rings  um  die  untere  Blume. 

(l)  Die  Arbeit  des  ephesischen  Eeliefs    ist    allerdings    nach    Heberdey 
römisch  («  manche  Stellen  erinnern  auffällig  an  die  Ära  Pacis  Augustae  »). 


AVEIBLICHER  KOPF  AUS  GLAS. 
(Taf.  Yl-Vir. 


In  der  Festgabe,  die  das  archaeologische  Institut  zu  Strass- 
burg  der  XLVL  Philologen-Versammlung  dargebracht  hat,  wird 
auf  S.  12-13  das  Oberteil  eines  weiblichen  Kopfes  aus  Glas  ver- 


öffentlicht; von  den  drei  Figuren  (5-7)  können  wir  die  eine  mit 
gütiger  Erlaubnis  des  Herrn  Prof.  Michaelis  wiedergeben.  Der  Text 
bemerkt  dazu :  «  H.  0,06.  Br.  0,065.  Vom  römischen  Institut.  Der 
Kopf  ist  aus  zweierlei  Glas  zusammengeschmolzen.  Das  schwarze 
Glas  des  Haares  hat  durch  Oxydation  eine  glänzend  blaue  Farbe 


132  W.    AMELUNG 

mit  reichem  Goldschimmer  bekommen ;  das  Gesicht  zeigt  Fleisch- 
farbe ;  die  Augen  waren  aus  anderem '  Stoff  eingesetzt  ■ .  Die  ur- 
sprüngliche Gesichtslänge  wird  auf  0,09  m.  berechnet.  Dann  wird 
erwähnt,  dass  die  beiden  Glasmassen  zackig  in  einander  geflossen 
sind,  was  auch  auf  der  Abbildung  deutlich  zu  sehen  ist.  Der  Ver- 
fasser gesteht  schliesslich,  er  habe  weder  aus  der  Litteratur  noch 
durch  Befragen  bei  sach-  und  denkmälerkundigen  Collegen  über 
einen  statuarischen  Glasguss  von  ähnlicher  Grösse  etwas  ermitteln 
können. 

Und  doch  befindet  sich  —  allerdings  erst  seit  Kurzem  dem 
Publicum  sichtbar  —  in  einer  römischen  Sammlung  ein  voll- 
kommen entsprechendes  Stück,  so  genau  entsprechend,  dass  über 
die  Gemeinsamkeit  der  Entstehung  beider  kein  Zweifel  aufkom- 
men kann.  Dieser  Zwillingskopf  steht  jetzt  in  einem  der  Schränke 
im  Oberstock  des  Conservatoren- Palastes,  wo  Terracotten,  Bronzen 
und  sonstige  Werke  der  Kleinkunst  vereinigt  sind  (j).  Er  hat  vor 
dem  Strassburger  Fragment  den  grossen  Vorzug,  fast  unversehrt 
erhalten  zu  sein  (2).  Eingelassen  ist  er  in  eine  gelbliche  Ala- 
baster-Büste, die  ihrer  Form  nach  antik  sein  könnte ;  dagegen  sind 
der  schwarze  Marmorfuss  und  die  weisse  Basisplatte  sicher  modern. 
Die  Inschrift  an  dieser  belehrt  uns,  dass  der  Kopf  im  Jahre  1751 
durch  Benedict  XIV.  erworben  wurde.  Das  Glas  der  Fleischteile  ist 
rosa,  das  der  Haare  schwarz;  an  einigen  Stellen  irisiert  es.  An 
der  Grenze  der  beiden  Glasflüsse  bemerken  wir  die  gleichen  zacki- 
gen Einströmungen  des  schwarzen  Glases,  wie  in  Strassburg. 

Eigentümlich  ist  es  nun,  dass  die  Fleischteile  noch  mit  einer 
feinen  Farbenschicht  bedeckt  sind,  die  sich  am  vollständigsten  auf 
dem  Obergesicht  erhalten  hat ;  auf  dem  Untergesicht  ist  sie  flecken- 
weise abgeblättert  und  an  den  Seiten  des  Halses  und  im  Nacken 
fehlt  sie  heute  ganz,  sodass  dort  das  glänzende  rosa  Glas  zum 
Vorschein  kommt.  Diese   Farbenschicht   hat  einen  geblichen  Ton. 

(*)  Dorthin  wurde  er  durch  den  Obercustoden  Schmid  gebracht,  der 
ihn  in  einem  verschlossenen  Schranke  bei  Gelegenheit  der  Umordnung  des 
Museums  entdeckt  hatte.  Die  Erlaubnis  zur  Publication  verdanken  wir  der 
Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Commendatore  Castellani.  Die  Vorlagen  unserer 
Tafeln  hat  Herr  Maler  Otto  hergestellt. 

(2)  Nur  hinter  dem  1.  Ohr  ist  etwas  abgesplittert.  Der  Hals  war  durch- 
gebrochen. Die  Haare  sind  auf  dem  Oberschädel  etwas  abgeschliffen. 


-\YEII3UCHER    KOPF    AUS    GLAS  133 

Unmöglich  kann  man  annehmen,  dass  sie  modern  sei ;  man  würde 
sich  weder  den  Grund,  weshalb  sie  aufgestrichen  wurde,  noch  die 
Ursache  ihrer  teilweisen  Zerstörung,  noch  endlich  ihre  Widerstands- 
kraft gegen  Feuchtigkeit  erklären  können.  Dagegen  kann  man  sich 
denken,  der  Künstler  habe  damit  die  Unvollkommenheiten  des 
Gusses  (das  Ineinander-Fliessen  der  beiden  Farben)  verdecken  wol- 
len. So  sind  an  dem  römischen  Kopf  nicht  nur  an  Stirn  und  Schlä- 
fen schwarze  Zacken  zu  bemerken ;  auch  beide  Ohren  sind  fast  ganz 
schwarz  gekommen.  Das  wird  man  so  nicht  haben  lassen  wollen. 
Merkwürdig  bleibt  dabei,  dass  der  Künstler  diesem  Anstrich  nicht 
den  gleichen  Ton  des  Glases  gab,  dessen  lebhaftes  Rosa  der  na- 
türlichen Fleischfarbe  mehr  entspricht,  als  das  aufgestrichene  Gelb. 
Vielleicht  aber  hat  der  Anstrich  nur  seine  Farbe  geändert. 

Ueber  die  Art  der  Herstellung  äussert  Michaelis  folgende  Vermut- 
ung :  ■  Nach  Laienurteil  möchte  man  annehmen,  dass  das  schwarze 
Glas  zuerst  in  die  Form  gegossen  wäre  bis  etwa  zur  Grenze  des 
Haares,  und  gleich  darauf  das  helle  » .  So  würde  sich  nach  ihm  das 
zackige  Ineinanderfliessen  erklären;  er  fährt  dann  fort:  «  Ob  jener 
Vorgang  technisch  denkbar  ist,  mögen  Kundige  entscheiden ;  mein 
in  technologischen  Fragen  sehr  erfahrener  College  Professor  Eose 
hegt  Zweifel  ■ .  Es  war  mir  leider  nicht  möglich,  eine  technische 
Autorität  über  diesen  Punkt  zu  befragen.  Eine  Einzelheit  an  dem 
römischen  Kopf  scheint  in  der  Tat  für  die  Annahme  von  Mi- 
chaelis zu  sprechen :  auf  der  linken  Profilansicht  erkennt  man,  dass 
an  dem  Haarschopf  im  Nacken  nur  die  äussere  Schale  aus  schwar- 
zem Glas  besteht  oder  bestand,  der  Kern  aus  eingeflossenem  rosa 
Glas;  da  die  äussere  Schale  zum  Teil  abgesplittert  ist,  kommt  der 
rosa  Kern  an  einigen  Stellen  zum  Vorschein ;  an  der  Unterseite  ist 
ein  isoliertes  Stück  schwarzen  Glases  stehen  geblieben.  Das  scheint 
nur  verständlich  bei  der  Annahme,  dass  bei  dem  Eingiessen  des 
schwarzen  Glases  durch  irgend  einen  unvorhergesehenen  Zufall  die 
betreffenden  Teile  des  Schopfes  ausgeblieben  sind,  sodass  dann  das 
rosa  Glas  die  gebliebene  Leere  füllte. 

An  dem  römischen  Kopf  haben  sich  nun  auch  die  Augen  er- 
halten; sie  sind  aus  Metall,  augenscheinlich  aus  schwarz  oxydier- 
tem Silber,  und  in  die  Höhlungen,  die  übringens  nicht  ganz  gleich 
stehen,  eingesetzt;  von  einer  Angabe  der  Pupillen  ist  nichts  mehr 
zu  erkennen.  Die  Haare  sind  an  beiden  Köpfen  ganz  übereinstim- 


134  W.    AMELUNG 

mend  geordnet  und  von  einem  schmalen.  Reifen  durchzogen,  hinter 
dessen  oberer  Mitte  man  in  Rom  zwei  einander  zugekehrte  läng- 
liche und  rundliche  Erhöhungen  bemerkt,  die  wie  Blätter  aussehen. 
Die  Maasse  des  römischen  Kopfes  sind  folgende:  H.  mit  Büste, 
aber  ohne  Fuss  0,17  m.  H.  ohne  Büste  0,13  m.  Gesichtslänge 
0,07  m.  Das  dem  Strassburger  Fragment  entsprechende  Stück  hat 
dieselben  Maasse,  wie  sie  Michaelis  angiebt. 

Leichte  Abweichnungen  beweisen,  dass  die  beiden  Köpfe  nicht 
in  der  gleichen  Form  gegossen  sind ;  und  doch  ist  ihre  Ueberein- 
stimmung  so  gross,  als  ob  sie  bestimmt  gewesen  wären,  als  Pen- 
dants einander  zu  entsprechen  (*).  Augenscheinlich  also  stammen 
beide  aus  der  gleichen  Werkstatt.  Ob  wir  diese  mit  Prof.  Rose,  dessen 
Meinung  Michaelis  wiedergiebt,  in  Aegypten  oder  Syrien  und  nicht 
in  Italien  zu  suchen  haben,  muss  vorläufig  dahingestellt  bleiben  (2). 

Wegen  des  Goldschimmers,  der  das  Haar  des  Strassburger 
Fragmentes  auszeichnet,  fühlte  sich  Michaelis  an  die  Statuen  aus 
Gold  und  Elfenbein  erinnert;  man  könne,  meint  er,  danach  vielleicht 
annehmen,  dass  das  Haar  an  jenen  Statuen  nicht  immer  in  reinem 
Gold  geglänzt  habe.  Das  ist  möglich,  wenngleich  man  das  Gold 
wohl  niemals  soweit  patiniert  haben  wird,  dass  es  nur  an  einzelnen 
Stellen  durchflimmerte.  Wir  dürfen  da  nicht  nach  unserm  moder- 
nen Geschmack  urteilen.  Da  schliesslich  das  schwarze  Glas  des  rö- 
mischen Kopfes  an  den  wenigen  Stellen,  an  denen  es  irisiert,  eben- 
falls eine  bläuliche  Farbe  mit  Goldschimmer  angenommen  hat,  so 
werden  wir  nicht  fehlgehen,  wenn  wir  diese  Färbung  auch  an  dem 
Fragment  auf  chemische  Veränderungen  zurückführen  und  nicht 
der  Absicht  des  Künstlers  zuschreiben;  da*s  Ursprüngliche  bietet 
eben  der  römische  Kopf  mit  seinem  schwarzen  Haar. 

Die  besondere  Bedeutung  der  beiden  Stücke  scheint  mir  dem- 
nach, abgesehen  von  der  Seltenheit  einer  derartigen  Technik  (3),  viel- 

(*)  Vgl.  Pernice,  Oesterreichische  Jahreshefte  1904  S.  154  ff. 

(2)  Man  vergleiche  ausser  den  bekannten  Notizen  der  Handbücher  jetzt 
Furtwänglers  Bemerkungen  im  3.  Bande  der  Antiken  Gemmen  S.  218  ff. 
310  ff.  342. 

(•)  Von  einer  etwa  10  cm.  hohen  Glasbüste,  die  aus  römischem  Kunst- 
handel in  pariser  Privatbesitz  gelangt  ist,  macht  mir  Dr.  Pollak  Mitteilung. 
Dargestellt  wäre  der  junge  Marc  Aurel  oder  Commodus,  die  ganze  Büste  mit 
prächtiger  Iris  bedeckt  gewesen. 


WEIBLICHER    KOPF    AUS   GLAS  .  135 

mehr  in  der  lebhaften  und  doch  feinen  polychromen  Wirkung  zu 
bestehen,  durch  die  ein  neues  Gewicht  in  die  Wagschale  der 
Ansicht  fällt,  nach  der  an  den  antiken  Marmorwerken  auch  die 
Fleischteile  der  Natur  entsprechend  gemalt  wurden,  denn  die  Far- 
ben, die  wir  hier  angewendet  sehen,  sind  nicht  etwa  durch  die 
besondere  Natur  des  Materials  bestimmt ;  der  römische  Kopf  wirkt 
ganz  wie  ein  kleiner  Marmorkopf  (1). 

Nach  der  einfachen,  idealen,  etwas  leeren  Formengebung  wird 
man  geneigt  sein,  zu  vermuten,  dass  beide  Köpfe  in  der  augustei- 
schen Zeit  entstanden  sind.  Dazu  scheint  denn  auch  die  Form  des 
kleinen  Schopfes  im  Nacken  zu  stimmen,  soweit  er  an  dem  rö- 
mischen Exemplar  noch  zu  erkennen  ist.  Gerade  in  augusteischer 
Zeit  findet  sich  dieses  Merkmal  der  zeitgenössischen  Frisur  bei 
sonst  idealer  Haarordnung  und  Formengebung  häufiger  (2).  Auch 
die  Form  der  kleinen  Alabasterbüste  würde  der  in  jener  Zeit  übli- 
chen Form  entsprechen,  aber  ihre  Zugehörigkeit  ist  nicht  gesichert ; 
ja,  man  wird,  da  der  Kopf  kein  Porträt  ist,  eher  schliessen  müs- 
sen, dass  er  von  einer  Statuette  stammt,  an  der  dann  auch  Arme 
und  Füsse  von  Glasfluss,  die  Gewandung  aus  Metall  oder  farbigem 
Stein  zu  denken  wäre.  * 

W.  Amelüng. 


(l)  Zu  den  bisher  bekannten  Beispielen,  die  zuletzt  von  Treu  (Jahrbuch 
d.  Inst.  1889  S.  22  ff.)  zusammengestellt  worden  sind,  kann  ich  ein  weite- 
res fügen,  das  sich  im  Musee  Calvet  zu  Avignon  befindet;  es  ist  ein  weib- 
licher Kopf  etwa  halb-lebensgross ;  die  Stilstufe  entspricht  der  der  Köre  des 
Euthydikos;  die  Nase  ist  bestossen  und  die  Augen,  die  eingesetzt  waren, 
fehlen  jetzt;  auf  den  Wangen  hat  sich  Eosa  erhalten,  in  den  Haaren  Schwarz 
(der  Kopf  ist  bezeichnet  mit  No.  68;  meine  Notizen  wurden  durch  eine  lie- 
benswürdige Mitteilung  des  Conservators  Mr.  Labande  ergänzt).  Ausserdem 
ist  zu  vergleichen  —  was  Treu  noch  nicht  kennen  konnte  —  Hamdi-Bey 
et  Reinach,  Necropole  de  Sidon  S.  252  u.  328  f.,  besonders  Anm.  2. 

02)  Arndt-Amelung,  Einzel-Aufnahmen  Text  zu  No.  1121/2. 


STATUETTE   DER  ARTEMIS. 


In  dem  ersten  Bande  des  Vatican-Kataloges  habe  icli  bei  der 
Besprechung  der  reizenden  Artemis-Statuette  im  Museo  Chiaramonti 


Fisr.  1. 


Nr.  122  einen  Versuch,  dem  Tofso  (Fig.  1)  einen  Mädchenkopf  pra- 
xitelischen  Stiles  zuzuweisen,  mit  verschiedenen  Gründen  bekam- 


STATUETTE    DER    ARTEMIS 


137 


pfen  müssen.  Das  beste  Mittel  zur  Widerlegung  fehlte  mir  damals; 
jetzt  hat  es  mir  der  inzwischen  erschienene  Katalog  einer  belgi- 
schen Privatsammlung  in  die  Hand  gegeben  (*) :  eine  Eeplik  dessel- 
ben Typus  mit  erhaltenem  Kopfe  (Fig.  2).  Ich  wiederhole  die  haupt- 
sächlichsten Angaben  des  Kataloges  mit  Hinzufügung  einiger  Noti- 


Fig.  2. 


zen,  die  mir  sein  Verfasser,  Fr.  Cumont,  freundlichst  gesandt  hat: 
H.  0,45  m.  Der  Kopf  war  gebrochen;  hinten  und  an  der  linken 
Seite  des  Halses  sind  Splitter  ausgesprungen ;  die  Beine  sind  unter 

0)  Collection  Raoul  Warocque;  Mariemont  1904,  Nr.  154.  Die  Figur 
stammt  aus  der  Sammlung  Somzöe,  die  in  diesem  Jahre  aufgelöst  worden 
ist.  Wir  danken  dem  jetzigen  Besitzer  die  liebenswürdige  Erlaubnis,  die  Fi- 
gur abermals  abbilden  zu  dürfen. 

10 


138  W.    AMELUNG 

den  Knieeu  und  über  den  Knöcheln  gebrochen ;  ebenso  der  Stamm 
in  2/3  seiner  Höhe  und  die  Figur  vom  Stamme.  Alles  Erhaltene 
ist  in  dem  gleichen  Marmor  gearbeitet,  hat  die  gleiche  Patina 
und  ist  bedeckt  mit  bräunlichen  Flecken.  Die  Ansätze  der  zierlich 
aufgestützten  rechten  Hand  sind  auf  der  Hüfte  erhalten.  Der  linke 
Arm  hing  abwärts  und  zu  seiner  Befestigung,  falls  er  besonders 
gearbeitet  war,  oder  zu  der  des  Bogen  s,  den  die  Hand  zweifellos 
hielt,  diente  ein  Loch  im  Stamme;  ein  anderes  in  der  rechten 
Schulter  hinten  zur  Befestigung  des  Köchers.  Die  Rückseite  ist 
nicht  ganz  ausgearbeitet;  am  Hinterkopf  erkennt  man  nur,  dass 
die  Haare  keinen  Schopf  bilden,  sondern  alle  nach  oben  gekämmt 
sind ;  die  angedeuteten  Linien  verlaufen  hier  alle  von  unten  linka 
nach  oben  rechts  (l).  Erworben  Avurde  die  Figur  aus  Griechenland; 
näheres  war  leider  nicht  zu  erfahren. 

Die  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  Torso  jener  Statuette  im 
Museo  Chiaramonti  ist  ohne  Weiteres  deutlich;  geringe  Abwei- 
chungen bestehen  nur  in  der  Art,  wie  beidemal  das  Köcherband 
befestigt  ist,  und  in  der  verschiedenen  Länge  des  Chiton-Bausches. 
Wir  werden  uns  ferner  erinnern,  dass  im  Vatican-Katalog  auf  ein 
griechisches  Votivrelief  in  der  Villa  Albani  hingewiesen  wurde,  auf 
dem  der  gleiche  Typus  wiederkehrt  (Fig.  3  nach  einer  Zeichnung, 
die  ich  der  Güte  Prof.  Löwy's  verdanke) ;  auch  dort  lehnt  sich  die 
Göttin  mit  der  Schulter  gegen  einen  Stamm;  dass  dies  tatsächlich 
ebenso  für  die  Replik  im  Vatican  anzunehmen  ist,  beweist  ein 
kleines  modernes  Einsatzstück,  das  ich  zunächst  übersehen  habe, 
und  das  gerade  an  der  Stelle  sitzt,  wo  die  Berührung  mit  dem 
Stamm  stattfinden  musste.  Die  Statuette  in  Mariemont  unterschei- 
det sich  von  der  Relieffigur  nur  dadurch,  dass  ihre  Füsse  bloss 
sind,  während  jene  hohe  Jagdstiefel  trägt. 

Wir  haben  also  hier  an  drei  Orte  versprengt  Werke,  die 
einst  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  dasselbe  Heiligtum  geschmückt 

(')  Besonders  ähnlich  ist  die  Frisur  eines  sitzenden  Mädchens  im  Con- 
servatoren-Palast  das  in  der  Bewegung  wie  eine  Steigerung  der  "Tyche  voa 
Antiochia  wirkt  (S.  Reinach,  Repertoire  de  la  statuaire  II,  2  S.  686,  Nr.  2  ; 
vgl.  ebenda  Nr.  1  eine  Bronze  im  Louvre;  Dechelette,  Les  vases  ceramiques 
de  la  Gaule  romaine  II  S.  91  Nr.  554  [vases  moule's];  auch  S.  Reinach, 
Pierres  gravees  PI.  57,  383  [Gori, ;  verdächtige  Gemme  in  Florenz]).  Aehnlich 
ist  auch  die  des  Jünglings  in  Boston  (Klein,  Praxitelische  Studien  S.  14  u.  16). 


STATUETTE    DER   ARTEMIS 


139 


haben :  den  Torso  im  Vatican,  die  Statuette  in  Mariemont  und  das 
Relief  in  Villa  Albani.  Dass  der  Torso  von  griechischer  Hand 
gearbeitet  sei,  kann  Niemand  bezweifeln ;  ihn  würde  man  zu- 
nächst geneigt  sein,  für  einen  Rest  der  Cultstatue  selber  zu  halten; 
aber  Nachlässigkeiten  in  der  Ausführung  der  Rückseite  legen  es 
vielleicht  näher,  in  ihm  das  Fragment  eines  Weihgeschenkes  zu 
erkennen;  so  geht  der  gürtelartige  Teil  des  Köcherbandes  hinten 
in  die  Falten  des  umgewundenen  Mantels  über,  und  die  Falten 
des  Chiton  darunter  sind  recht  oberflächlich  angegeben  und  lassen 


\      1  //  / 


Fig.  3. 


vor  Allem  den  Esprit  vermissen,  der  uns  in  der  Ausführung  der 
Vorderseite  entzückt. 

Weihgaben  waren  sicherlich  die  Statuette  und  das  Relief. 
Die  Statuette  giebt  uns  die  vollkommenste  Vorstellung  von  der 
Composition  im  Ganzen,  der  Torso  von  der  eigenartigen,  äusserst 
flotten  Behandlung  des  Einzelnen. 

Das  Motiv  des  Lehnens  gegen  einen  Stamm  ist  so  neu,  dass 
ich  es  bei  Abfassung  des  Vätican-Kataloges  dem  Relief  nicht 
hatte  glauben  wollen.  Es  ist  mir  nur  ein  analoges  Beispiel  be- 
kannt, bei  dem  denn  auch  die  gleiche  Körperhaltung  und  Bein- 
stellung wiederkehrt:  die  Statue  eines   Satyrs    in  Berlin    (Antike 


140  W.  AMELUKG 

Skulpturen  Nr.  260) ;  er  wird  richtig  mit  der  Flöte  in  den  Hän- 
den zu  ergänzen  sein.  Das  Motiv  beider  Gestalten  ist  augenschein- 
lich entwickelt  aus  dem  speciell  lysippischen  Motive  des  Herakles, 
der  sich  ermüdet  auf  seine  Keule  lehnt,  und  des  Silens  mit  dem 
Dionysoskinde.  Dort  wie  hier  ist  die  eine  Schulter  sicher  ge- 
stützt, und  der  Fuss  der  gleichen  Seite  ist  nicht,  wie  bei  praxi- 
telischen Werken  üblich,  zurück-,  sondern  lose  vorgesetzt.  Ein  Un- 
terschied besteht  nur  darin,  dass  Herakles  und  Silen  mit  voller 
Wucht  auf  der  tragenden  Stütze  lasten,  während  Artemis  und 
Satyr  sich  leicht  dagegen  lehnen.  Wahrscheinlich  ist  das  Motiv 
zuerst  für  den  Herakles  erfunden  worden,  denn  hier  ist  es  durch- 
aus charakteristisch  und  wenigstens  das  schwere]  Auflehnen  fin- 
det sich  gerade  bei  Darstellungen  dieses  Heros  schon  in  älterer 
Zeit  (vgl.  Archaeol.  Anzeiger  1894  S.  25  f.).  Uebertragen  ist  das 
Motiv  dann  auch  auf  den  Eros  in  der  bekannten  Gruppierung  mit 
Psyche  und  auf  den  ganz  frei  stehenden  Satyr,  dessen  zwei  Repli- 
ken aus  rotem  Marmor  im  Vatican  und  im  capitolinischen  Mu- 
seum am  bekanntesten  sind.  Wegen  des  Motives  allein  all  diese 
Figuren  dem  lysippischen  Kreise  zuzuteilen,  wäre  nicht  richtig 
findet  sich  doch  das  gleiche  Motiv  auch  bei  dem  neapeler  i  Nar- 
ciss  » ,  wenn  er  nur  richtig  gestellt  wird  (vgl.  Hauser  Jahrbuch 
d.  I.  1889  S.  113  ff.),  und  sein  Original  war  zweifellos  ein  Werk 
der  praxitelischen  Schule;  auch  dürften  die  Originale  des  roten 
Satyrs  und  der  Eros- Gruppe  kaum  noch  zu  Lebzeiten  des  Lysipp 
entstanden  sein.  Anders  steht  es  mit  dem  Berliner  Satyr  und  der 
Artemis;  bei  jenem  sprechen  für  Herkunft  aus  lysippischer  Schule 
die  einfachem,  aber  im  Gegensatz  zu  dem  praxitelischen  Satyr 
realistischen  Formen ;  doch  wegen  des  geringen  Wertes  der  Arbeit 
lässt  sich  nichts  weiteres  behaupten.  Von  jener  kann  man  wenigstens 
sagen,  dass  die  Schlankheit  des  Körpers  und  die  Züge  des  Kopfes, 
soweit  sie  sich  an  der  kleinen-  Statuette  erkennen  lassen,  jener 
Rückführung  nicht  widersprechen,  während  mir  ein  bedeutsames 
Indicium,  das  entschieden  dafür  spricht,  die  nahe  Verwandtschaft 
zu  sein  scheint,  die  sich  in  der  eigenartigen  Gewandbehand- 
lung zwischen  dem  vaticanischen  Torso  und  der  Figur  des  älteren 
Sisyphos  in  der  lysippischen  Gruppe  der  Thessalier  zu  Delphi 
nicht  verkennen  lässt  (Bullet,  de  corr.  hell.  1899  pl.  24;  Fouil- 
les  de  Delphes  PI.  LXV).  Zunächst  vergleiche  man  am  Oberkör- 


STATUETTE    PER    ARTEMIS  141 

per  die  allgemeine  Disposition:  auf  der  einen  Seite,  unter  der 
rechten  Achsel,  die  dicht  an  einander  geschobenen,  straff  und  schräg 
nach  oben  gezogenen  Falten,  auf  der  andern  Seite  der  leichter 
gelockerte  Stoff  durchfurcht  von  der  Diagonale  des  Bandes,  das  bei- 
demal in  gleicher  Entfernung  von  dem  wagerechten  unteren  Ab- 
schluss  des  Oberkörpers  —  dort  dem  Gürtel,  hier  dem  umgewun- 
denen Mantel  —  nach  dem  Rücken  herumbiegt,  sodass  sich  bei- 
demal unter  dem  Bande  ein  schmaler  Streifen  leicht  vorquellender 
kleiner  Falten  bildet.  Und  nun  vergleiche  man  weiter  die  eigen- 
tümliche Art,  wie  diese  Falten  und  nicht  nur  diese  gebildet  sind, 
die  sehr  lebendig  wirkende,  aber  unruhige  Fülle  kleiner  und 
kleinster  Motive  und  man  wird  die  enge  künstlerische  Verwandt- 
schaft der  beiden  Werke  nicht  verkennen;  auch  in  der  Bildung 
des  vorn  herabhängenden  Mantelzipfels  hier  und  dem  Teil  des 
Mantels,  der  dort  über  den  Arm  fällt,  tritt  die  Verwandtschaft 
zu  Tage. 

Der  Kopf  der  Göttin  ist  leicht  zur  Seite  gewendet  und  mit 
freudigem  Ausdruck  erhoben.  Le  regard  parait  qner  quelque  gi- 
bier  au  vol,  sagt  der  Verfasser  des  Kataloges.  Für  ein  Götterbild, 
vollends  für  ein  Cultbild  —  und  wir  wissen,  dass  wir-  es  hier  mit 
einem  solchen  zu  tun  haben  —  ist  eine  derartige  Hebung  des 
Kopfes  auf  den  ersten  Blick  befremdlich.  Man  sollte  meinen,  das 
Cultbild  müsse  durch  Haltung  und  Blick  in  Beziehung  gesetzt 
werden  mit  dem  Betenden,  und  die  Gottheit  kann  wirklich  kaum 
deutlicher  zeigen,  dass  sie  unbekümmert  nur  für  sich  existiere, 
als  wenn  sie  den  Blick,  statt  ihn  zu  neigen,  erhebt. 

Das  Aufwärtsblicken  ist  noch  in  andrer  Hinsicht  Charakteri- 
stik. Kein  andres  Motiv  versetzt  die  Gottheit  so  deutlich  in  ir- 
dische Sphären  im  Gegensatz  zu  der  olympischen  Welt  hoch  oben, 
aus  der  man  nur  abwärts  blicken  kann.  Wir  wissen,  dass  es  im 
vierten  Jahrhundert  das  Trachten  der  Künstler  war,  die  Götter  in 
echt  homerischem  Geiste  zu  vermenschlichen,  sie  mit  menschlichen 
Stimmungen  zu  erfüllen,  in  menschlichen  Situationen  darzustellen. 
Es  ist  dieselbe  Entwickelung,  wie  sie  sich  in  der  christlichen 
Kunst  vom  Trecento  zum  Quattrocento  abgespielt  hat.  Nicht  an- 
ders als  aus  diesem  Trachten  ist  es  denn  auch  zu  erklären,  dass 
sich  in  eben  jener  Zeit  an  mehr  als  einem  Götterbilde  der  Kopf 
nach  oben  wendet;  und  es  werden  manche  von  diesen  Statuen,  wie 


142  W.    AMELUNG 

die  der  Artemis,  zum  Cultbild  in  einem  Heiligtum  bestimmt  ge- 
wesen sein.  So  erinnere  ich  vor  Allem  an  jene  eigenartige  Dar- 
stellung der  Athena,  deren  beste  Copie  in  Florenz  steht  (');  die 
Göttin,  als  ganz  junges  Mädchen  gebildet,  steht  aufrecht,  die 
eine  Hand  keck  in  die  Seite  gestützt,  in  der  andern  den  Speer;  der 
Kopf  aber  ist  stark  zur  Seite  gewendet  und  in  den  Nacken  ge- 
worfen, der  Blick  schwärmerisch  emporgerichtet;  wollen  wir  ihm 
ein  Ziel  geben,  so  kann  das  kein  andres  sein,  als  das  Antlitz  des 
Vaters  Zeus. 

Daneben  sei  gleich  jener  jugendliche  Gott  im  Palazzo  Pitti  ge- 
nannt, den  man  bisher  nicht  sicher  hat  deuten  können  (2).  Bestimm- 
ter dürfen  wir  Zeus  als  das  Ziel  dieses  Aufblicks  nennen  bei  zwei 
Darstellungen  des  Hermes,  die  eine  wieder  in  Florenz  (3),  die  an- 
dere der  berühmte  Hermes  mit  dem  aufgestützen  Fuss  (4).  Dort 
steht  der  Gott  aufrecht  und,  während  die  Rechte  den  Petasos  fest 
auf  die  dicht-sprossenden  Locken  drückt,  richtet  sich  das  Auge 
nach  oben  zu  dem,  dessen  Befehl  den  Boten  der  Götter  im  näch- 
sten Augenblick  über  Meer  und  Lande  senden  wird ;  hier  ist 
Hermes  beschäftigt  die  Sandale  zu  binden;  doch  richtet  sich  der 
Kopf  aufmerksam  zurück  und  empor,  denn  schon  trifft  den  Ewig- 
Bereiten  der  Zuruf  seines  Herrn. 

In  unbestimmte  Fernen  emporgerichtet  ist  das  Auge  des 
Asklepios  von  Melos  (5),  des  mitleidsvoll  sinnenden  Arztes,  und 
des  Bacchus  Richelieu  (6),  des  in  seliger  Trunkenheit  schwärmen- 
den Jünglings,  ebenso  der  jener  eigentümlichen  Figur  in  der  kürz- 
lich der  Pothos  des  Skopas  vermutet  worden  ist  (7). 

(*)  Amelung  Führer  Nr.  77;  die  Figur  ist  hier,  ebenso  später  von 
Furtwängler  (Sitzungsberichte  der  bayer.  Akad.  d.  Wiss.  1903  S.  445)  in 
Beziehung  zu  Timotheos  gesetzt  worden. 

(2)  Amelung  a.  a.  0.  Nr.  194. 

(3)  Amelung  a.  a.  0.  Nr.  43. 

(4)  Michaelis  Ancient  marbles,  Tafel  zu  Lansdowne  House  85. 

(5)  Wolters,  Athenische  Mitteilungen  1892  S.  1  ff.  Taf.  II-IV. 

(6)  Bouillon  Musee  des  Antiques  I  Taf.  31  Vgl.  Arndt- Amelung  Einzel- 
Aufnahmen  Nr.  1527. 

(7)  Furtwängler  Sitzungsberichte  d.  bayer.  Akad.  d.  Wiss.  1901  S.  783  ff. 
Die  Benennung  kann  Geltung  behalten.  Wenn  man  aber  dieses  Werk  für 
skopasisch  halten  will,  muss  man  erst  beweisen,  dass  die  Köpfe  aus  dem 
tegeatischen  Giebel  garnichts  mit  Skopas  zu  tun  haben,  denn  die    Züge  des 


STATUETTE    DER    ARTEMIS  143 

Beim  Asklepios  und  Dionysos  ist  das  Motiv  weniger  auffal- 
lend als  in  den  erstgenannten  Fällen,  denn  Asklepios  ist  durch 
seine  Tätigkeit,  Dionysos  duch  seine  Machtsphaere  an  die  Erde 
gebunden.  Dennoch  wird  Jeder  empfinden,  bis  zu  welchem  Grade 
die  Vermenschlichung  der  Götter  vorgeschritten  sein  musste,  wenn 
man  ihnen  eine  Bewegung  gab,  die  für  uns  Menschen  der  sprechend- 
ste Ausdruck  für  das  Hinaus-und  Hinauf-Sehnen  aus  irdischer 
Befangenheit  ist;  und  das  gilt  auch  für  den  selig  schwärmenden 
Dionysos. 

Bei  unserer  Artemis  liegt  es  wirklich  sehr  nahe,  sich  als  Ziel 
der  emporblickenden  Augen  einen  fliegenden  oder  singenden  Vogel 
zu  denken,  und  die  Darstellung  bekommt  dadurch  etwas  Liebens- 
würdig-Idyllisches, wie  der  Apollon  Sauroktonos  des  Praxiteles 
und  der  Apollon  Smintheus  des  Skopas.  Ausruhend  lehnt  die  jugend- 
liche Jägerin  an  einem  Stamm  des  Waldes  und  sendet  den  Blick 
froh  empor,  dem  leichten  Flug  der  Vögel  nach  und  ihren  Liedern 
lauschend. 

Dass  dieses  seitliche  Heben  des  Kopfes  bei  sonst  ruhig  ge- 
stelltem Körper  in  der  Entwicklungs-Geschichte  der  formalen  Mo- 
tive, specieller  in  der  Geschichte  der  allmählichen  Ueberwindung 
der  Frontalität  seine  besondere  Bedeutung  hat,  braucht  hier  nur 
angedeutet  zu  werden  (').  Ein  merkwürdiger    verfrühter    Vorbote 


« Pothos »-  Kopfes  haben  nichts  gemein  mit  denen  jener  Köpfe.  Dasselbe 
müsste  man  übrigens  von  L.  Curtius  verlangen,  der  es  für  möglich  hält,  dass 
der  von  ihm  sehr  glücklich  als  Hygieia  erkannte  Kopf  von  einem  Werk 
des  Skopas  stamme  und  ausserdem,  dass  ein  in  Tegea  gefundener  weiblicher 
Kopf  zu  der  Atalante  des  Giebels  gehöre,  den  auch  er  als  Werk  des  Skopas 
annimmt.  Die  beiden  weiblichen  Köpfe  haben  nicht  nur  nichts  mit  den 
andern  Köpfen  des  Giebels,  sondern  auch  nichts  unter  einander  gemein 
(Jahrbuch  d.  I.  1904  S.  78  ff.). 

f)  Hat  die  Erscheinung  Alexanders  d.  Gr.  auf  diese  Entwickelung  einge- 
wirkt? Oder  übertrug  man  das  ävm  ßtensiv,  das  fjav%f]  naosyxkiysiy  rbv  xqcc- 
%t]Xov  oder,  wie  es  sonst  heisst,  die  dnoaiQocpf]  rof  rga/^kov  (Schreiber,  Stu- 
dien über  das  Bildnis  A.  d.  Gr.  S.  10)  nur  von  den  Bildnissen  auf  den  Men- 
schen? Aber  die  Diadochen  sollen  es  ihm  nachgemacht  haben.  Andrerseits 
wird  die  Mehrzahl  der  oben  angeführten  Werke  zu  einer  Zeit  entstanden 
sein,  als  die  Erscheinung  Alexanders  noch  keine  Wirkung  üben  konnte.  Der 
junge  König  wird  eben  diese  Pose  willkürlich  oder  unwillkürlich  aus  demsel- 
ben Grunde  angenommen  haben,  weshalb  die  Künstler  sie  ihren  Götterbildern 
gaben :  weil  keine  andere  wie  sie  dem  neuen  Zeitgeiste,  der  alle  durchglühte, 
Ausdruck  gab. 


144  W.    AMELUNG 

dieser  Entwicklung  ist  eine  Figur  des  fünften  Jahrhunderts,  die 
für  uns  bisher  nicht  nur  in  dieser  einen  Hinsicht  ein  ungelöstes 
Rätsel   geblieben  ist:    der  archaische  Eros  in  St.  Petersburg  (*). 


Ich  habe  oben  die  Thessaler-Gruppe  zu  Delphi  kurzweg  lysip- 
pisch  genannt,  und  damit  die  vorsichtig  gezogenen  und  formulier- 
ten Schlüsse  Preuners  in  seiner  Dissertation  (Ein  delphisches 
Weihgeschenk,  1899),  denen  sich  schon  Homolle  im  Bulletin  de 
correspondance  hell.  1899  S.  441  ff.  angeschlossen  hatte,  in  ihrem 
ganzen  Umfange  anerkannt.  Da  indes  von  zwei  Gelehrten,  wie  Löwy 
(Rom.  Mitteil.  1901  S.  392)  und  Furtwängler  (Sitzungsberichte  der 
bayer.  Akad.  d.  Wissensch.  1904  S.  379  Anm.  1)  die  Beziehung 
der  delphischen  Statuen  auf  Lysipp  in  Zweifel  gezogen  wurde, 
halte  ich  es  für  meine  Pflicht,  näher  auf  die  Frage  einzugehen. 
Die  Uebereinstimmung  der  Inschriften  von  Delphi  und  Pharsalos 
macht  es  jedenfalls  zunächst  sehr  wahrscheinlich,  dass  auch  die 
Figuren,  denen  die  Epigramme  galten,  übereinstimmten.  Und  da 
es  ganz  unwahrscheinlich  ist,  dass  in  Pharsalos  der  Agias  allein 
gestanden  habe,  so  darf  man  zunächst  auch  für  die  übrigen  Glieder 
der  delphischen  Gruppe  schliessen,  dass  ihnen  wahrscheinlich  gleiche 
Figuren  in  Pharsalos  entsprochen  haben.  Dass  die  delphischen  Sta- 
tuen keine  Originale  sind,  ergiebt  sich  aus  einer  gewissen  summa- 
rischen Nachlässigkeit  der  Arbeit,  die  auch  an  den  vorzüglichen  He- 
liogravüren der  grossen  Publication  (Fouilles  de  Delphes  PI.  LXIII- 
LXVIII)  deutlich  ist,  an  bestimmten  technischen  Eigenheiten  und 
daran,  dass  die  Figur  des  Agias  zweifellos  für  Bronze  gedacht  ist  und 
nicht  für  Marmor.  Sind  diese  Statuen  aber  Copieen,  so  ist  es  selbst- 
verständlich, dass  man  die  Originale  dort  sucht,  wohin  uns  die 
Inschriften  weisen,  also  in  Pharsalos,  wo  für  den  Agias  die  Urhe- 
berschaft des  Lysipp  bezeugt  ist.  Prüfen  wir  nun  den  delphischen 
Agias  auf  seine  künstlerische  Eigenart,  so  muss  uns  sofort  die  ly- 
sippische  Proportion  des  Kopfes  zum  Körper  auffallen.  Dann  liegt 


(*)  Archaeologische  Zeitung  1878  S.  126  Taf.  16;  Kieseritzky,  Eremi- 
tage Nr.  153;  Michaelis,  Festgabe  f.  d.  archaeol.  Sect.  d.  XL  VI.  Philol.-Vers. 
Nr.  28. 


STATUETTE    DER    ARTEMIS  145 

in  der  ganzen  Art  der  Haltung,  so  einfach  sie  ist,  etwas  federnd 
Elastisches,  das  dem  Blick  recht  fassbar  wird,  wenn  man  die  Figur 
mit  einer  anderen  vergleicht,  die  gerade  so  dasteht,  mit  dem  Hera- 
kles Lansdowne  —  auch  Homolle  hat  ihn  schon  verglichen,  —  und 
diese  Elasticität  ist  eben  lysippisch.  Bei  dem  Vergleich  der  Ein- 
zelformen muss  man  gewiss  vom  Apoxyomenos  ausgehen,  aber  man 
muss  sich  auch  gegenwärtig  halten,  dass  dieses  Werk  uns  den 
Meister  nur  von  einer  Seite  und  zweifelsohne  auf  der  Höhe  seiner 
Entwicklung  zeigt,  zu  der  viele  Stufen  allmählich  emporführen 
mussten ;  man  darf  nicht  vergessen,  dass  es  gerade  bei  einem  Künst- 
ler wie  Lysipp,  der  so  durchschlagend  Neues  brachte,  von  vorn- 
herein vorauszusetzen  ist,  dass  er  viele  Entwickelungsphasen  hat 
durchmachen  müssen,  die  sich  jedenfalls  sehr  deutlich  von  einander 
haben  scheiden  lassen,  und  dass  sich  auch  innerhalb  der  einzelnen 
Epochen  je  nach  dem  Gegenstände  starke  Schwankungen  markiert 
haben  werden.  Eine  Persönlichkeit  wie  Praxiteles,  so  voll  inneren 
Gleichgewichts  und  so  stark  vom  Strome  alter  Traditionen  getra- 
gen, konnte  sich  viel  ruhiger  und  gleichmässiger  in  einer  Linie 
entwickeln ;  und  doch  wird  uns  auch  bei  ihm  die  Länge  der  durch- 
messenen  Bahn  immer  deutlicher.  Man  stelle  sich  neben  einander 
den  Kopf  der  Venus  von  Arles  (oder  des  Sauroktonos),  den  der 
Knidierin  und  drittens  den  der  Aphrodite  Petworth  (oder  des 
Hermes  von  Olympia),  und  ebenso  die  Körper  des  Sauroktonos  und 
des  Hermes.  Suchen  wir  in  einer  anderen  Kunstentwickelung,  die 
mannigfache  Vergleichspunkte  bietet,  in  der  Geschichte  der  Renais- 
sance, nach  einer  Parallele,  so  könnten  wir  Praxiteles  mit  Ghi- 
berti  gleichsetzen,  Skopas  mit  Quercia,  Lysipp  aber  dem  Donatello^ 
der  ebenso  wie  jener  mit  Riesenkräften  die  Entwickelung  vorwärts- 
getrieben und  der  Kunst  der  folgenden  Zeit  mehr  als  einer  der 
andern  die  Bahnen  gewiesen  hat.  Und  nun  erinnere  man  sich,  wie 
gleich  sich  trotz  aller  Fortschritte  Ghiberti  und  Quercia  geblieben 
sind,  und  welch  ungeheure  Wandlungen  Donatello  durchgemacht  hat ; 
auch  ist  es  kein  Zufall,  dass  bei  ihm  Einwirkungen  des  Quercia 
fühlbar  sind,  des  Ghiberti  nirgends. 

Dass  sich  der  eigenartig  lysippische  Stil,  den  uns  der  Apoxyo- 
menos repräsentiert,  erst  allmählich  gebildet  habe  und  dass  wir 
Uebergangsstufen  annehmen  müssen,  die  noch  deutliche  Reste  äl- 
terer Formengebung   bewahrt  haben,   nimmt   Furtwängler    selber 


146 


W.    AMELUNG 


an ;  man  vergleiche  seine  Ausführungen  in  den  t  Meisterwerken » 
S.   596  f.   Charakteristisch  dafür  sind  zwei  Hermes-Figuren:    die 


Fig.  4. 


eine  der  Hermes  von  Atalanti  (Fig.  4);  über  ihn  habe  ich  zuletzt 
im  Text  der  Einzel-Aufnahmen  Nr.  1138  gehandelt;  von  allen  Ge- 
lehrten, die  sich  seither  über  ihn  geäussert  haben,  ist  sein  lysippi- 


STATUETTE    DER    ARTEMIS  147 

scher  Charakter  anerkannt  worden,  und  er  ist  wirklich  unverkennbar. 
Aber  welch  ein  Abstand  im  Körper  von  dem  des  Apoxyomenos !  Von 
diesem  Hermes  hat  Furtwängler  mit  Recht  einen  anderen  Typus 
getrennt,  der  ihm  zwar  sehr  ähnlich  ist,  abes  in  bestimmten  Ein- 
zelkeiten  abweicht  und  den  Kopf  nach  der  andern  Seite  wendet 
(Collection  Somzee  S.  9  Nr.  9);  er  ist  entschieden  der  ältere  von 
beiden,  denn  seine  Formen  sind  noch  schwerer  und  massiger,  und 
doch  trägt  der  in  einem  Fall  erhaltene  Kopf  nach  Bulle's  und  Furt- 
Avängler's  Zeugnis  entschieden  lysippisches  Gepräge  (der  Typus  ist 
der  des  Hermes  Richelieu  im  Louvre;  das  Exemplar  mit  dem  zu- 
gehörigen Kopfe  befindet  sich  in  Kopenhagen). 

Endlich  hat-  Furtwängler  mit  Recht  eine  Berliner  Figur  (Nr. 
471)  dem  Lysippos  zugeschrieben,  zugleich  aber  betont,  dass  der 
Körper  noch  sehr  an  ältere  Werke  mit  flächiger  Formengebung 
gemahne  (Meisterwerke  S.  597  Anm.  2).  Ich  kann  diese  Ansicht 
nur  unterschreiben  und  gebe  zu  ihrer  Erläuterung  zwei  Abbildun- 
gen der  Statue  (Fig.  5  und  6)  nach  dem  Gypsabguss  in  München, 
deren  Vorlagen  ich  der  Liebenswürdigkeit  Sievekings  verdanke  (den 
Kopf  siehe  auf  S.  151).  Der  Vergleich  mit  dem  Agias  ist  ausser- 
ordentlich lehrreich,  deshalb  so  lehrreich,  weil  neben  dieser  Figur, 
deren  lysippischen  Charakter  ja  wohl  niemand  verkennen  wird,  und 
die  so  ähnlich  in  der  Stellung  ist,  der  Agias  immer  mehr  Züge  of- 
fenbart, die  ihn  enger  mit  dem  Apoxyomenos  verbinden;  er  steht 
diesem  in  den  Proportionen  näher,  er  hat  lockerer  gefügte  und 
elastischer  bewegte  Formen.  Wir  müssten  also,  wollten  wir  die 
Figuren  danach  chronologisch  ordnen,  die  Berliner,  in  der  sich 
noch  mehr  Spuren  älteren  Stiles  zeigen,  für  die  frühere  erklären. 

Kehren  wir  nun  zum  Agias  zurück,  so  wird  uns  die  Tatsache, 
dass  er  noch  nicht  dreidimensional  componiert  ist,  schon  weniger 
befremden,  um  so  weniger  als  Preuner  überzeugend  berechnet  hat, 
die  Gruppen  von  Pharsalos  und  Delphi  seien  um  338  v.  Chr.  ent- 
standen, d.  h.  zu  einer  Zeit,  als  Lysipp  noch  nicht  lange  tätig  war 
(der  Beginn  seiner  Tätigkeit  wird  um  350  angenommen).  Drei- 
dimensional im  Sinne  des  Apoxyomenos  ist  auch  der  ausruhende 
Herakles  des  Lysipp  nicht  componiert;  eher  Hesse  sich  das  von 
dem  alten  Silen  mit  dem  Dionysoskinde  behaupten,  den  man  nun 
doch  wohl  allgemein  dem  Lysipp  zuschreiben  wird ;  aber  auch  er 
ist  noch  ganz  auf  eine  Hauptansicht    berechnet.  Endlich  erinnere 


148  W.    AMELUNG 

man  sich  des  sandalenbindenden   Hermes,  bei  dem  sich  ebenfalls 
nur  in  der  einen  Hauptansicht  alle  Motive  klar  entwickeln,  sodass 


Fig.  5. 

die  Statue  im  Grunde  wie  ein  allerdings  sehr  hohes  Relief  wirkt ; 
es  ist  interessant,  sie  in  dieser  Hinsicht  mit  dem  Diskobolen  des 
Myron  zu  vergleichen. 


STATUETTE    DER    ARTEMIS 


149 


Aber  am  Agias  ist  nicht  nur  die  Haltung  des  Körpers,  sondern 
auch  die  reiche  Durchbildung  der  Einzelformen  —  ich  verweise  auf 


Fig.  6. 


die  ausführlichen  Darlegungen  Homolle's,  —  von  einer  Art,  wie 
wir  sie  aus  keiner  andern  Schule,  als  eben  aus^der  ly sippischen 
kennen,  und  entschieden  ist   er  darin   viel  weiter   entwickelt  als 


150  W.    AMELUNG 

z.  B.  der  Hermes  von  Atalanti,  der  sich  im  Uebrigen  wegen  seiner 
Stellung  gut  zum  Vergleiche  eignet.  Dabei  ist  es  zunächst  ganz 
gleichgültig,  ob  man  darauf  besteht,  dass  das  Original  des  Hermes 
ein  Werk  des  Lysipp  gewesen  sei,  oder  nicht;  zu  beweisen  gilt  es 
vor  der  Hand  nur,  dass  der  Agias  in  der  Entwicklung  der  lysip- 
pischen  Stilrichtung  seine  Stelle  findet. 

Was  seinen  Kopf  betrifft,  so  muss  ich  gestehen,  dass  es  mir 
unbegreiflich  scheint,  dass  Jemand  den  lysippischen  Charakter  dieses 
Kopfes  verkennen  könnte.  Nur  versteife  man   sich  nicht   auf  eine 
Einzelheit,  wie  die  Bildung  des  Haares,  die  der  Copist,  wie  schon 
Homolle    richtig  bemerkt  hat,  der  Natur   seines   Materiales    ent- 
sprechend und  nur  ganz  oberflächlich  decorativ  angedeutet  hat.  Die 
Copisten   des  Hermes  und   der  Berliner   Figur  waren  darin  viel 
sorgfältiger.  Für  die   allgemeine  Bildung  des  Gesichtes   und    für 
seine  Einzelformen  giebt  es  wiederum   nirgend   anders  Parallelen 
als  gerade  bei  Lysipp;  man  beachte  die  Bildung   und  Form    der 
Stirn,  die  Umgebung  der  Augen,  die  magere  Form   des  Wangen 
und  die  Bildung  des  Mundes.  Von  den  allgemein  anerkannten,  ly- 
sippischen Köpfen  ist  der,  den  wir  am  besten  vergleichen  können, 
die  Fagan'sche  Keplik  des    sandalenbindenden  Hermes  im  briti- 
schen Museum;  dort  finden  wir  auch  die  tiefer  als  beim  Apoxyo- 
menos  liegenden  und  runder  gebildeten  Augen,  die  am  Agias  viele 
Betrachter  an  die  Augen  des  Skopas  erinnert  haben.  Ausserdem  aber 
vergleiche  man  auch  den  Kopf  der  oben  genannten  Berliner  Figur, 
den  wir  ebenfalls  nach  Photograph ieen  Sievekings  abbilden  (Fig.  7). 
Auch  bei  ihm  erinnert  die  Bildung  der  Augen  und  ihrer  Umgebung 
weit  mehr  als  beim  Apoxyomenos  an  die  Art  des  Skopas ;  ja  der  Kopf 
erinnert  nicht  nur  in  dieser  Einzelheit  so  stark  an  ein  Werk  des 
Pariers  oder  seiner  Schule,  an  den  Kopf  des  Meleager,  dass  man 
wohl  eine  bewusste    oder  unbewusste  Anlehnung  wird    annehmen 
müssen.  Und  wirklich  wäre  es  ja  nicht  zu  verwundern,  wenn  sich  bei 
Lysipp  derartige  Anklänge  an  den  Stil  des  Skopas  fänden.  Ist  es 
uns  doch  schon  deutlich  geworden,  dass  zwischen  beiden  Künstlern 
innige  Zusammenhänge  bestehen,  die  es  denn  auch  erklären   mögen, 
dass  Furtwängler  ein  so  ur-lysippisches  Werk,  wie  den  Ares  Ludo- 
visi  für  skopasisch  erklären  konnte  (Meisterwerke  S.  525  f.). 

In  unserem  Fall  aber  hat  vielleicht  noch  ein  besonderer  Grund 
mitgewirkt  zu  dieser  so  charakteristischen  Formengebung.  Preuner 


STATUETTE    DER    ARTEMIS 


151 


schreibt  S.  31  f. :  i  Wir  dürfen  obigem  Verse  weiter  entnehmen, 
vielleicht  nicht  nur,  dass  dem  Verfasser  des  Epigramms  in  seiner 
eigenen  Vorstellung  der  Pankratiast  Agias  als  ein  väog  cHqaxXrtg 
vor  Augen  stand,  sondern  dass  in  der  Statue  selbst  der  Athlet  dem 
Heros  angeglichen  war  * .  Das  ist  nach  dem  Erhaltungszustand  der 
Statue  immerhin  möglich:  war  es  aber  der  Fall,  so  lag  es  auch 
nahe,  dass  sich  der  Künstler  eine  der  berühmtesten  Darstellungen 


Fig7. 

des  jugendlichen  Herakles  zum  Muster  nahm,  die  vor  nicht  allzu 
langer  Zeit  geschaffen  war,  eben  den  Herakles  des  Skopas,  der  uns 
in  vielen  Wiederholungen  des  Kopfes,  am  vollständigsten  in  der 
wundervollen  Figur  des  Herakles  Lansdowne  vor  Augen  steht;  wir 
haben  ihn  schon  vorher  verglichen.  Aber  allein  das  Bestreben,  dem 
Ethos  dieses  väog  cHqaxlftg  Ausdruck  zu  geben,  konnte  zu  einer 
derartig  ausdrucksvollen  Bildung  der  Augen  führen ;  man  vergleiche 
in  dieser  Hinsicht  den  Kopf  des  ermüdeten  Herakles,  dessen  ver- 
schiedenartige Repliken  von  der  kleinen  Bronze  bis  zum  Marmor- 
coloss  alle  darin  übereinstimmen,  mit  dem  Kopf  des  alten  Silens 


152  W.    AMELUNG 

mit  dem  Dionysoskinde,  und  man  wird  wiederum  bei  dem  schwer 
leidenden  Heros  sehr  viel  tiefer  liegende,  mehr  der  skopasischen 
Art  entsprechende  Augen  finden  als  bei  dem  alten  humorvollen 
Paedagogen  des  Dionysos.  Endlich  scheint  sich  eine  analoge  Be- 
ziehung, wie  hier  auf  den  Herakles,  auch  bei  der  Figur  des  Age- 
laos  zu  verraten ;  dort  ist  Hermes  der.  Gott,  dessen  Bilde  das  des 
Sterblichen  angeglichen  ist.  Homolle  sagt  (S.  436)  ganz  mit  Recht : 
« II  semble,  parmi  ses  compagnons,  comme  un  jeune  dieu ...  on 
dirait  Hermes  lui~meme,  patron  de  la  jeunesse  et  de  la  gymnas- 
tique  ■ ;  und  bedeutsam  ist  auch  die  Herme,  auf  die  er  sich  lehnt. 
Dabei  müssen  wir  uns  erinnern,  dass  diese  Figur  die  Mitte  der 
ganzen  Composition  einnahm,  Agias  die  Mitte  des  rechten  Flügels ; 
und  ist  es  nun  ein  Zufall,  dass  auch  die  dem  Agias  in  der  Mitte 
des  linken  Flügels  entsprechende  Statue,  die  des  älteren  Sisyphos, 
auffällt  durch  ihre  Erscheinung  und  die  grossartige  Pose?  Da  in 
seinem  Epigramm  Kriegstaten  gerühmt  werden,  hat  er  in  der  er- 
hobenen Rechten  doch  wohl  den  Speer  gehalten,  und  es  wird  nicht 
zu  kühn  sein  anzunehmen,  dass  sein  Haupt  vom  Helm  bedeckt 
war.  So  würde  dieser  Günstling  der  Pallas  in  einer  Gestalt  vor 
uns  stehen,  die  uns  an  die  Freunde  dieser  Göttin  aus  der  Vorzeit, 
vor  Allen  an  Achilleus,  den  Thessalier,  selber,  erinnern  müsste. 
Nach  alledem  scheint  es  mir  geraten  zuzugestehen,  dass  uns 
der  Agias  in  den  Punkten,  in  denen  er  vom  Apox}'Omenos  abweicht, 
eben  etwas  Neues  über  Lysipp,  seine  Kunst  und  seine  Entwickl- 
ung zu  lehren  berufen  ist,  trotzdem  es  mir  sicher  scheint,  dass 
der  Copist,  den  wir  angenommen  haben,  nicht  der  Meister  selber 
war.  Alle  Wahrscheinlichkeit  spricht  dafür,  dass  er  in  den  Haupt- 
sachen genau  copiert  hat  und  also  mit  der  Eigenart  des  Lysipp 
wohl  vertraut  war.  Eine  andre  Frage  ist  aber,  ob  wir  auch  die 
anderen  Figuren  der  Gruppe,  wie  ich  oben  getan,  für  unsere 
Kenntnis  lysippischer  Kunst  verwerten  dürfen.  Wir  wissen,  dass 
Lysipp  in  einer  Gruppe  gemeinsam  mit  Leochares,  und  dass  dieser 
in  einer  anderen,  die  wie  die  delphische  aus  einer  Reihe  von  Por- 
trätstatuen bestand,  neben  Sthennis  gearbeitet  hat.  Nun  ist  es 
gleich  bedeutsam,  dass  der  Torso,  den  Homolle  dem  Telemachos 
zuschreibt,  mit  dem  Agias  stilistisch  unverkennbar  übereinstimmt, 
wie  der  französische  Gelehrte  richtig  hervorgehoben  hat;  ja,  nach 
der  Abbildung  (Bull.  a.  a.  0.  PL  XXVI)  scheint  er  sogar  mehr 


STATUETTE    DER    ARTEMIS  153 

mit  dem  Apoxyomenos  übereinzustimmen,  als  der  Agias;  und  nicht 
anders  steht  es  mit  dem  auf  derselben  Tafel  abgebildeten  Kopfe, 
der  doch  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  zu  dem  Weihgeschenk  gehört. 
In  der  Figur  des  Agelaos  (ebenda  XII ;  Fouilles  LXVII)  hat  Ho- 
molle die  Spur  einer  Einwirkung  praxitelischer  Kunst  auf  Lysipp 
vermutet.  Mit  Unrecht;  das  Motiv  des  Auflehnens  kannte  nicht 
Praxiteles  allein.  Zudem  scheint  es  mir  nach  der  schrägen  Stellung 
des  Standbeins  und  dem  Ansatz  des  Spielbeins  sehr  wahrscheinlich, 
dass  der  Fuss  dieses  Beines  nicht  zurückgezogen,  sondern  vorgesetzt 
war,  wie  bei  der  Artemis-Statuette,  von  der  wir  ausgingen.  Die  Figur 
findet  ihrer  ganzen  Formengebung  nach  und  mit  der  sehr  eigenartig 
um  den  Arm  gezogenen  Chlamys  innerhalb  irgend  einer  attischen 
Schule  keine  Stelle,  wo  man  sie  durch  einen  überzeugenden  Ver- 
gleich anreihen  könnte.  Dagegen  scheint  mir  Homolle  vollkommen 
recht  zu  haben,  wenn  er  auch  in  ihr  lysippischen  Stil  erkennt, 
wenngleich  ein  gewisser  Unterschied  zwischen  ihr  und  dem  Agias 
wohl  zu  bestehen  scheint,  der  vielleicht  auf  einen  anderen  Künstler 
aber  doch  auf  einen  Genossen  des  Lysipp  schliessen  lässt. 

An  dieser  Stelle  sei  auch  ein  Wort  gesagt  über  die  Statue 
des  jüngeren  Sisyphos  (Bull.  pl.  IX;  Fouilles  pl.  LXVIII),  die 
zweifellos  nicht  in  dem  ursprünglichen  Plan  beabsichtigt  war,  also 
in  Pharsalos  jedenfalls  gefehlt  hat,  die  aber  nach  Homolle  sehr  bald 
zugefügt  und  ihrer  Technik  nacn  in  demselben  Atelier  gearbeitet 
wäre,  wie  die  übrigen  Teile  der  Gruppe.  Dieser  Schluss  wird  jeden- 
falls empfohlen  durch  die  deutliche  Verwandtschaft  dieser  Figur 
mit  einer  Statue,  die  wir  schon  oben  herangezogen  haben,  mit  dem 
Hermes  von  Atalanti ;  man  vergleiche  Stellung,  Formen  und  Wurf 
der  Chlamys.  Hierin  scheint  mir  ein  Beweis  zu  liegen,  dass  die 
Copisten  der  delphischen  Gruppe  eben  in  dem  Kreise  des  Lysippos 
lebten,  und  das  giebt  uns  wieder  eine  Gewähr  für  die  stilistische 
Treue  ihrer  Arbeit. 

Schwieriger  ist  die  Entscheidung  über  den  Stil  bei  den  beklei- 
deten Figuren.  Ausser  der  einen  Analogie,  auf  die  oben  hingewie- 
sen wurde,  wüsste  ich  nur  eine  andere  zu  nennen,  und  zwar  zu  der 
Figur  der  Aknonios  (Bull,  de  corr.  hell.  a.  a.  0.  pl.  XXV  r.  ; 
Fouilles  de  Delphes  pl.  LXVI  1.)  eine  Hermes-Statue  im  Braccio 
nuovo  Nr.  132;  bei  ihr  scheint  mir  in  der  Art,  wie  die  Chlamys 
arrangiert  ist  und  wie  die  Falten  wiedergegeben  sind,  der  gleiche 

11 


154 


W.    AMELUNG 


künstlerische  Sinn  zu  walten.  Sonst  kann  man  von  der  Figur  nur 
sagen,  dass  sie  zweifellos  dem  vierten  Jahrhundert  angehört  und 
Abhängigkeit  von  Polyklet  verrät ;  man  könnte  ihr  etwa  eine  Stelle 
zwischen  Polyklet  und  Lysipp  anweisen,  wie  sie  Furtwängler  a.  a. 
0.  für  einen  Herakles  des  Museo  Chiaramonti  angenommen  hat. 
Uebrigens  hat  augenscheinlich  sowohl  der  Aknonios,  wie  der  Dao- 
chos  I  in  der  Composition  der  Gruppe  eine  untergeordnete  Kolle 
gespielt:  beide  haben  den  künstlerischen  Hauptfiguren  nur  als  Folie 

dienen  sollen,  als  Thesen  zwi- 
schen den  Arsen.  Dadurch  erklärt 
sich  vor  Allem  die  so  auffallend 
schlichte  Erscheinung  des  Dao- 
chos.  die  dazu  verführen  konnte, 
ihn  mit  dem  sog.  Phokion  im 
Vatican  (Heibig,  Führer  Nr.  339) 
zu  vergleichen,  einer  Statue,  die 
ein  Werk  des  fünften  Jahrhun- 
derts copiert. 

Wenden  wir  uns  zum  Schluss 
noch  einmal  zu  der  Figur,  von 
der  unsere  Betrachtungen  über 
die  delphische  Gruppe  veranlasst 
wurden,  zu  der  Statue  des  älte- 
ren Sisyphos,  um  uns  den  Unter- 
schied zwischen  ihrem  Stil  und 
dem  praxitelischen  insbesondere 
klar  zu  machen.  Zu  diesem  Ende 
rücken  wir  neben  sie  einen  schönen  männlichen  Torso,  der  ebenso 
bekleidet  ist,  und  dessen  Original  nach  der  Eigenart  seiner  Gewand- 
behandlung augenscheinlich  im  Kreise  des  Praxiteles  entstanden  ist 
(im  Belvedere  des  Vatican  Nr.  5 ;  hier  Fig.  8).  Seine  Faltengebung 
macht  einen  üppigeren  und  doch  ruhigeren  Eindruck;  siegiebt  nicht 
so  viel  gleichwertige  kleine  Motive,  sondern  hebt  die  grösseren  Züge 
entschiedener  hervor,  sodass  sich  leichter  übersehbare  und  wirkungs- 
vollere Gegensätze  von  Licht  und  Schatten  ergeben ;  das  praxitelische 
Gewand  hängt  loser  um  den  Körper,  sodass  sich  einerseits  jene  stark 
gebrochenen  oder  curvenartig  geschwungenen  Falten  mit  weit  vor- 
tretenden hellen  Rücken  und  dunklen  Tiefen  bilden,  und  dass  andrer- 


Fig.  8. 


STATUETTE    DER    ARTEMIS  155 

seits  die  dagegen  ruhig  wirkende  Senkrechte  in  den  ungebrochen 
abwärts  hängenden  Teilen  stark  zur  Geltung  kommt,  weit  stärker 
als  in  dem  dichter  dem  Körper  angeschmiegten  Gewände  des  Si- 
syphos, an  dem  uns  dagegen  die  Fülle  der  lebhaften  Einzelheiten 
und  das  scheinbar  Regellosere,  weniger  Arrangierte  im  Wurfe  freut. 
Um  auf  etwas  Specielles  hinzuweisen,  so  würde  sich  an  einer  pra- 
xitelischen  Figur  kaum  jenes  so  charakteristisch  wirkende  Motiv 
linden,  dass  die  beiden  Hauptfalten  an  dem  unteren  Teil  des  Chiton 
nach  unten  convergieren.  Auch  vergleiche  man  den  Mantel  'des 
Sisyphos  und  sein  scheinbar  zufälliges  Durcheinander  mit  der 
Chlamys  des  praxitelischen  Hermes  und  ihrer  deutlich  planvollen 
Ordnung.  Der  attische  Meister  erscheint  auch  auf  diesem  Gebiete 
vielmehr  als  der  letzte  und  reichste  Vollender  dessen,  was  seine 
grossen  Vorfahren  begonnen,  während  in  dem  Gewand  des  Sisyphos 
eine  durchaus  neue  künstlerische  Anschauungsweise  ihren  Ausdruck 
findet. 

Combinieren  wir  nun  das  Resultat  dieser  Vergleichung  mit 
der  Beobachtung,  dass  der  Sisyphos  stilistisch  verwandt  ist  mit 
einer  Darstellung  der  Artemis,  die  wir  nach  allerlei  sonstigen 
Gründen  wohl  geneigt  sein  konnten,  dem  Lysipp  oder  seiner  Um- 
gebung zuzuschreiben,  so  ergiebt  sich  eben  auch  für  den  Sisyphos 
die  Wahrscheinlichkeit,  dass  sein  Original  ein  Werk  des  Lysipp 
oder  seines  Ateliers  war. 

W.  Amelung. 


INSCHRIFT  EINES  GERMANENKRIEGES. 


In  dem  Cimitero  di  Commodilla  an  der  Via  Ostiensis  wurde 
im  Jahre  1904  das  Fragment  einer  hochbedeutenden  Inschrift  ge- 
funden, die  nach  den  Schriftzügen  am  Ende  des  zweiten  oder  am 
Anfange  des  dritten  Jahrhunderts  geschrieben  wurde  (') : 


c 

T 


1Y1        ~ — o — 

GERM'ANIAE    ■    G  E  N  T  I  V\ 
,'ATA-MOX  -IN  (CREDIBILI-CELI 


Wenn  es  auch  als  ein  Wagnis  erscheinen  mag,  so  spärlichen 
Resten  eine  historische  Deutung  geben  zu  wollen,  so  wird  doch  eine 
Umgrenzung  der  bekannten  Tatsachen,  in  deren  Kreis  das  neue 
Monument  einzureihen  ist,  dem  Verständnis  von  Nutzen  sein. 

Das  Fragment  ist  0,64  m.  breit  und  0,17  m.  hoch.  Die 
Grösse  der  Buchstaben  nimmt  von  Zeile  zu  Zeile  ab  und  demge- 
mäss  wächst  in  demselben  Verhältnis  ihre  Zahl. 

Zeile  1 :     7  Buchstaben 

Zeile  2 :  15  Buchstaben 

Zeile  3:  20  Buchstaben 

Zeile  4:  20  Buchstaben. 

(*)  Publiziert  sind  die  Fragmente  a  und  c  (in  unrichtiger  Reihenfolge) 
von  Marucchi,  Nuovo  bull,  di  Archeologia  cristianaX,  1904  p.  130  n.  114; 
das  mittelste  Stück  ist  erst  ganz  neuerdings  hinzugekommen.  Die  Kenntnis 
des  Monumentes  verdanke  ich  Huelsen,  der  auch  die  Zeitbestimmung  ge- 
geben hat;  einen  Abklatsch  der  Freundlichkeit  des  Hrn.  Marucchi. 


INSCHRIFT    EINES    GERMANENKRIEGES  157 

Nach  seinem  Stile  ist  das  Monument  kenntlich  als  das  Elo- 
gium  eines  Feldherrn.  Inschriften  dieser  Art  standen  an  den  Basen 
der  auf  Senatsbeschluss  an  öffentlichen  Plätzen  errichteten  Statuen. 
Dann  wären  die  erhaltenen  Worte  ein  Teil  der  Begründung  des 
Senatsbeschlusses  (l).  Oder  das  Elogium  war  an  dem  Grabmale  des 
Feldherrn  angeschrieben  (2). 

Wie  der  Versuch  einer  Ergänzung  sofort  zeigt,  ist  uns  ein 
mittleres  Stück  erhalten,  was  die  Bestimmung  des  Sinnes  erschwert. 
Man  erkennt,  dass  an  einen  Kampf  gegen  germanische  Stämme 
sich  unmittelbar  eine  Unternehmung  gegen  Feinde  anschliesst,  die 
von  einer  Barbarenflotte  unterstützt  wurden.  Denn  die  Ergänzung 
der  Zeile  4 :  eu\m  a  barbaris  classem  habu[issent  lässt  sich  nicht 
abweisen.  Dann  aber  sind  die  Gegner  Roms  in  diesem  Seekriege 
keine  Ausländer,  barbari,  sondern  Unterworfene,  die  sich  gegen 
die  Herrschaft  Borns  aufgelehnt  hatten.  Der  enge  Zusammenhang 
der  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Ereignis  besteht,  macht  es 
wahrscheinlich,  dass  eben  jene  gentes  Germaniae  die  Empörer 
sind.  Das  in  Zeile  3  sich  incredibili  cel\jritate  vollziehende  Erei- 
gnis war  ein  begleitender  Umstand  des  Seekampfes,  wie  der 
mit. .ata  endende  Ablativus  absolutus  erkennen  lässt.  Die  eigentüm- 
liche Hervorhebung  der  feindlichen  Flotte  lässt  es  als  möglich 
erscheinen,  dass  jener  begleitende  Umstand  des  Seekrieges  die  Er- 
bauung einer  eigenen  Flotte  war.  Zwischen  der  ersten  und  zweiten 
Zeile  fehlt  als  notwendiges  Glied  die  Bezeichnung  der  Germaniae 
gentes  als  im  Kriege  besiegter,  also  bello  [deuictarurn]  Germa- 
niae gentium.  Vor  bello  ist  an  der  Endung  rum  kenntlich,  dass 
hier  die  Namen  dieser  Völker  standen.  Mit  diesen  Ergänzungen  ist 
die  Lücke  bestimmt: 


Zeile  1  am  Anfange  1,  am  Ende     7  Buchstaben. 

Zeile  2  am  Anfange  3,  am  Ende  15  Buchstaben. 

Zeile  3  am  Anfange  5,  am  Ende  20  Buchstaben 
ebenso  Zeile  4. 

Die  Gesamtbreite   der  Schriftfläche  betrüge  dann  4  römische 
Fuss;  breiter  kann  weder  eine    Basis  noch  die  Tafel  eines  Grab- 


(*)  Vgl.  Dessau  1098  am  Ende. 

(8)  Dessau  918.  939.  986.  Oesterr.  Jahresh.  7,  229. 


158  A.    v.    DOMASZEWSKI 

males  angenommen  werden,  wenn  man  die  Zeilen  leicht  überblicken 
soll.  Entsprechend  dem  oben  entwickelten  Sinne,  würde  die  Er- 
gänzung der  ganzen  Inschrift  lauten: 

\_Huic  senatus  auctore 

imperatore quod rebellionem 

~\rum  hello  [devicta- 

runi]  Germaniae  gentiu[_m  suppressit,  et  ae- 
dißc]ata  mox  incredibili  cel\erüate  classe  defecto- 

res  cu]m  a  barbaris  classem  habu[issent subiecit . . . 

statuam  armatam  poni  in  foro  divi  Traiani 
pecunia  publica  censuit. 

In  der  Periode,  während  welcher  die  Inschrift  geschrieben 
sein  muss,  haben  nur  Kaiser  Marcus  nach  Beendigung  des  Mar- 
comanenkrieges und  Septimius  Severus  nach  Besiegung  seiner 
Gegenkaiser  ihren  Feldherren  Denkmäler  errichtet.  Um  das  tiefe 
Dunkel,  welches  die  Gestalt  des  Septimius  Severus  umhüllt,  in 
einigen  merkwürdigen  Momenten  aufzuhellen,  werde  ich  versuchen, 
die  Inschriften  jener  Feldherren  nach  ihrer  Beziehung  zu  dem 
neuen  Monument  zu  prüfen. 

Die  Errichtung  einer  Ehrenstatue  ist  bekanntlich  an  Stelle 
der  ornamenta  triumphalia  getreten,  und  diese  an  Stelle  des 
Triumphes.  Demnach  kann  die  Ehre  nur  in  einem  bellum  iustum 
gewonnen  werden.  Es  ist  aber  bezeichnend,  dass  Septimius  Severus 
diese  Ehre  im  Bürgerkriege  verliehen  hat.  CIL.  VI,  1566:  [tri- 
b(uno)  müi(tum)  leg(ionis)  . .  pi~]ae  ßdelis,  it(em)  leg{ionis)  \_XI 
Claudiae~]  ({)  piae  ßdelis.  \_Huic  sen\atus  auctore  [imp.  caes.  l.~] 

(*)  Bormanns  Lesung  lässt  auch  meine  Ergänzung  zu,  die  der  Sinn  for- 
derte, da  an  dieser  Stelle  nur  der  Legionstribunat  stehen  kann.  Henzens  Er- 
klärung des  II  als  it(erum)  mit  Mommsens  Erläuterung  als  Zeichen  der  Ite- 
ration der  Beinamen  pia  ßdelis  widerspricht  der  stehenden  Formel,  wonach 
das  Iterationszeichen  den  Worten  pia  fidelis  vorangeht.  [Mir  schien  bei  Re- 
vision des  Steines  nach  leg  die  untere  Hälfte  von  xi  sicher:  jedenfalls  steht 
nicht  LEGAT,  da.  Ch.  H.]  Auch  giebt  es  in  der  Zeit  des  Septimius  Severus  keine 
Legion,  bei  welcher  diese  Beinamen  verdoppelt  wären.  C.  III  4300  Deo  Soli 
Alagabal  —  gewiss  indeclinabel,  vgl.  C.  III  7954  —  Ammudati  mü(ites)  le- 
g{ionis)  I ad(iutricis)  bis  p{iae)  f[idelis)  cons\Jantis~\  ist  aus  der  Zeit  Elagabals. 
Die  Legio  I  adiutrix  hat  an  dem  Orientzug  Caracallas  teilgenommen.  Bull.  Corr. 


INSCHRIFT    EINES   GERMANENKRIEGES  159 

Septimio  Severo  [pertinace]  Aug.  statuam  \_habitu  milita]ri  in 
foro  divi  \_Traiani  ponend~\am  censuit.  Unter  den  Feldherren  des 
Septimius  Severus  stand  an  erster  Stelle  Claudius  Candidus,  der 
die  Dynastie  durch  seine  Siege  geschaffen  hatte  (x).  Seine  Ehrenin- 
schrift Dessau  1140,  vgl.  dazu  West.  Korr.  Bl.  1892  p.  231  und 
1893  p.  37  nennt  die  Aemter:  leg.  Augg.  pr.  pr.  provinc.  H{i- 
spaniae)  c(iterioris)  et  in  ea  duci  terra  marique  adver sus  re~ 
belles  h(ostes)  p(ublicos)  item  Asiae  item  Noricae,  duci  exerci- 
tus  Illirici  expeditione  Asiana,  item  Parthica,  item  Gallica.  Der 
Name  des  Candidus  ist  auf  der  Inschrift  eradiert  und  dann  restau- 
riert; also  sein  Andenken  muss  einmal  geächtet  und  später  wie- 
derhergestellt worden  sein.  Da  er  unter  den  einflussreichen  Rat- 
gebern des  Severus,  die  Caracalla  mordete  oder  zu  morden  versuchte, 
nicht  genannt  wird,  so  dürfte  ihm  Plautianus  den  Untergang 
bereitet  haben  (2).  Nach  dessen  Sturze  mag  Severus  selbst  sein 
Andenken  wieder  zu  Ehren  gebracht  haben:  die  Unterdrückung 
der  Revolten  in  Spanien  Noricum  und  Asien  wird  sich  an  die  Be- 
siegung des  Albinus  angeschlossen  haben.  Denn  Novius  Rufus, 
Statthalter  in  Hispania  citerior  im  Jahre  193,  findet  sich  in  der 
Liste  der  durch  Severus  hingerichteten  Senatoren  (3).  Es  fehlt 
auch  nicht  an  Zeugnissen,  dass  es  im  Laufe  von  Severus'  Re- 
gierung wiederholt  zu  Revolten  kam  (4).  Besonders  merkwürdig  ist 


Hell.  25  p.  59  u.  205  (aus  Bithynien) :  dvvuyvaQxrjactg  XeyiQoi  a  xai  ß'  diödoig 
[eni]  Ileqaag.  Die  Persae  sind  eine  Erfindung  Caracallas  —  vgl.  Wolters 
Athen.  Mitth.  28  p.  296.  —  Da  beide  Legionen  eine  Einheit  bilden,  so  kann 
es  nur  das  Heer  Niederpannoniens  sein  —  vgl.  Rhein.  Mus.  45,  208  — ;  Ela- 
gabal  hat  der  Truppe  den  Ehrennamen  verdoppelt,  denn  nach  seinem  Tode 
verschwindet  er  wieder.  Der  Anlass  wird  eine  der  Revolten  in  Syrien  gewesen 
sein,  über  welche  Dio  79,  7,  wie  er  selbst  sagt,  schlecht  genug  unter- 
richtet war.  Ueber  die  spätere  Verleihung  dieser  Ehrennamen  durch  Gallienus 
als  eine  Form  die  Regierungsjahre   zu   zählen  vgl.  Rhein.  Museum  57,  515. 

0)  Rhein.  Mus.  53,  638. 

(*)  Vgl.  Vita  Severi  15,  4  f.  Auch  wissen  wir  von  keinem  zweiten  Con- 
sulat  des  Candidas,  das  doch  er  vor  allem,  früher  noch  als  Cilo,  der  im  Jahre 
204  zum  zweiten  Mal  Consul  war,  erhalten  hätte.  Diese  Erwägung  bestimmt 
wieder  die  Zeit  seiner  Aechtung,  die  vor  204,  also  vor  den  Sturz  des  Plautianus 
fallen  muss. 

(8)  C.  II  4125.  Vita  Severi  13,  7. 

(*)  Asien:  Dessau  n.  430;  Africa:  Dessau  429  (a.  208). 


160  A.    v.    DOMASZEWSKI 

die  Aufbietung  der  ganzen  germanischen  Armee  gegen  defectores 
et  rebelies  um  das  Jahr  205  (1). 

Auch  die  Commandos  des  Fabius  Cilo  während  des  Bürger- 
krieges haben  für  die  Kenntnis  der  Zeit  Bedeutung:  Dessau  1141. 
1142.  In  beiden  Inschriften  ist  durch  die  Zasammenziehung  gleich- 
artiger Aemter  die  zeitliche  Folge  gestört.  Aber  es  ist  leicht 
zu  erkennen,  dass  Cilo  als  Consular  im  Jahre  193  das  Commando 
der  Vexillationes  übernahm,  welche  Perinth  gegen  die  Feldherren 
Nigers  vertheidigt  hatten  (2).  Nachdem  er  mit  seinen  Truppen  bei 
Nicaea  gefochten,  übernahm  er  die  für  die  Durchmärsche  der 
europäischen  Truppen  nach  Asien  wichtige  Provinz  Bithynien  (3) ; 
Dann  verwaltet  er  vor  dem  Kriege  gegen  Albinus  die  Provinz 
Moesia  superior.  Es  scheint,  dass  der  Kaiser  während  seiner  Kämpfe 
im  Orient  dem  Cilo  den  Schutz  seiner  unmündigen  Kinder  an- 
vertraut hatte.  Denn  in  Viminacium,  dem  Hauptquartier  des  Cilo, 
wurde  Caracalla  im  Jahre  196  zum  Caesar  ernannt  und  bei  einem 
solchen  persönlichen  Verhältnis  erklärt  es  sich,  dass  Caracalla 
(Dio  77,  4)  den  Mann,  den  er  ermorden  wollte,  rgoysa  xal  svsq- 
yäTrjv  nannte.  Dem  entspricht  es  auch,  dass  Cilo  die  zum  persön- 
lichen Schutze  des  Kaisers  bestimmten  Truppen  befehligt,  mit 
welchen  Severus  im  Jahre  196  nach  Rom  marschierte  (4):  duci 
vexilliationum)  per  Italiam  exereitus  imp.  Severi  Pii  Pertinacis 
Aug.  et  M.  Äureli  Antonini  Aug.  Die  Alpenpässe  gegen  Gallien  hatte 
Severus  durch  vorausgesandte  Truppen  gesichert;  Herodian  3,  6, 10: 
ETtspLXps  Sh  xal  (TTQccTijbv  (jistcc)  (5)  dwäfiscog  xbv  xa  axeva 
twv  'ÄXtisiov  xaxaXrjxpo^svov  xal  (fQOVQrjaovxa  x^g  ^Ixaliag  rag 
slaßokag.  Wir  kennen  den  Mann.  Es  ist  C.  Iulius  Pacatianus. 
Seine  Inschrift  Dessau  1253  militiis  equestribus  perfuncto  proc. 


(»)  Dessau  1153.  Vgl.  röm.  Mitth.  17,  335. 

(2)  Perinth  ist  die  Hauptstadt  Thrakiens.  Vgl.  W.estd.  Zeitschr.  21,  189. 
Dasselbe  Amt  bezeichnet  die  Inschrift  1142  mit  comiti  Augg.  Vgl.  Vita 
Severi  8,  13.  Dio  74,  6.  Statthalter  Galatiens  war  Cilo  als  Praetorier  unter 
Commodus  gewesen. 

(3)  Vgl.  die  Inschriften  aus  Prusias  ad  Hypium  in  Inscr.  Graecae  ad 
res  Rom.  pert.  3  n.  66  sq. 

(*)  Eckhel  d.  n.  7,  157. 

(5)  Nach  Reiskes  Emendation,  denn  die  appositiven  Participia  fordern 
eine  handelnde  Person. 


INSCHRIFT    EINES   GERMANENKRIEGES  161 

provinc.  0\_sr\hoene,praefecto  legionis  Parthicae  (l),proc.  Alpium 
Cottiarum,  adlecto  inter  comites  Auggg.  nnn.  (2).  Mit  der  neuge- 
bildeten  legio  Parthica  und  anderen  Truppen  hatte  er  die  im 
Winter  allein  gangbaren  Alpes  Cottiae  besetzt.  Aus  diesen  histo- 
rischen Verhältnissen  erklärt  sich  die  regelwidrige  Beförderung  von 
der  Praefectura  legionis  ducenaren  Ranges  (3)  zur  Procuratur  der 
Alpes  Cottiae  centenaren  Ranges.  Comes  war  er  im  Kampfe  gegen 
Albinus. 

An  der  Germanengrenze  finden  wir  nach  dem  Siege  über  Al- 
binus den  Marius  Maximus  tätig.  Dessau  2955:  leg.  Aug.  pr. 
pr.  provinciae  Germaniae  inferioris,  item  provinciae  Belgicae 
duci  exercüi  [sie]  Mysiaci  apud  Byzantium  et  apud  Lugudunum. 
Und  auch  Anullinus,  der  zusammen  mit  Candidus  bei  Issus  ge- 
siegt hat,  scheint  Germania  superior  verwaltet  zu  haben,  wenn 
sein  Name  in  den  Inschriften  C.  XIII,  6542.  6543  zu  ergänzen 
ist.  Er  allein  von  den  genannten  Feldherren  könnte  der  in  der 
Inschrift  C.  VI,  1566  (oben  S.  158  f.)  Geehrte  sein,  da  seine  Car- 
riere  (Dessau  1139)  nicht  vollständig  bekannt  ist  (4).  Mommsen 
hat  aus  der  Mainzer  Inschrift  C.  XIII,  6800  in  h(onorem)  Z.-  Se- 
ptimi  Severi  Pii  invicti  imp(eratoris)  et  M.  Aureli  Antonini 
Caes(aris)  legioni  XXII  pr.  p.  f.  honoris  virtutisque  causa  ci- 
vitas  Treverorum  in  obsidione  ab  ea  defensa  geschlossen  (5),  dass 
der  Bürgerkrieg  gegen  Albinus  auch  zu  einer  Erhebung  der  Ger- 
manischen Stämme  an  der  Reichsgrenze  geführt  hat,  die  Bela- 
gerer Triers  Germanen  gewesen  seien.  Entwickelten  sich  dann  die 
Verhältnisse  am  Rheine  ähnlich,  wie  im  Jahre  70  n.  Chr.,  so 
können  die  Kämpfe  gegen  die  Germanen  in  einer  Weise  verlaufen 

(1)  Es  gab  also  damals  nur  eine  Legio  Parthica;  es  ist  die,  welche 
später  als  II  Parthica  auf  dem  Albanerberge  die  orientalische  Garde  der 
Dynastie  bildet. 

(2)  Die  Augusti  tres  sind  für  Unkundige  eine  grosse  Versuchung  die 
Inschrift  falsch  zu  datieren.  Aber  er  war  Praefectus  alae  am  Ende  der  Re- 
gierung des  Commodus.  Vgl.  C.  III  865  und  dazu  p.  1380. 

(3)  Vgl.  meine  Darlegungen  Wiener  Studien  9,  1887,  p.  297,  die  Hirsch- 
feld (Berl.  Sitz.  B.  1889,  p.  434)  sowie  Dessau  (zur  Inschrift)  unbekannt  ge- 
blieben sind;   dagegen  hat  sie  Mommsen  berücksichtigt   Hermes   25,  234. 

(4)  Die  drei  anderen  Generale  sind  sicher  ausgeschlossen  durch  die 
Namen  der  Legionen,  in  denen  sie  als  Tribuni  gedient  haben. 

(5)  Westd.  Korr.-Bl.  1886  p.  185. 


162  A.    v.    DOMASZEWSKI 

sein,  wie  das  Fragment  der  Inschrift  es  andeutet.  Aber  die  Deu- 
tung der  Mainzer  Inschrift  ist  durchaus  nicht  gesichert  und  so  ist 
man  berechtigt  die  Zeugnisse  aus  der  Zeit  des  Markomanenkrieges 
zu  prüfen,  um  zu  sehen  ob  das  Fragment  nicht  besser  auf  diesen 
Krieg  bezogen  wird.  Da  bieten  sich  von  selbst  die  Nachrichten 
der  Vita  Iuliani  dar  1,  6:  post  praeturam  legioni  praefuit  in 
Germania  vicensimae  secundae  Primigeniae,  inde  Delgicam  sancte 
ac  diu  rexit.  ibi  Cauchis,  Germaniae  populisJ  qui  Albim  fluvium 
adcolebantj  erumpentibus  restitit ,  tumultuariis  auxilüs  provin- 
cialium.  ob  quae  consulatum  meruit  testimonio  imperatoris.  Cattos 
etiam  debellavit.  Man  bestimmt  diese  Ereignisse  gewöhnlich  nach 
Iulians  Consulat,  das  er  wie  die  Vitae  wollen  zugleich  mit  Per- 
tinax  bekleidet  hat  (l).  Aber  das  durchaus  glaubwürdige  Zeugnis 
der  Fragmenta  Vaticana  nennt  den  Collegen  des  Pertinax  Aelia- 
nus  (2),  auch  das  Jahr  in  welches  man  dieses  Consulat  gewöhnlich 
setzt,  175,  beruht  nur  auf  der  christlichen  Interpolation  im  Dio- 
text  (3).  Vielmehr  war  Pertinax  173  Consul,  da  der  Kampf  in 
Eaetien  und  Noricum  ins  Jahr  172  fällt.  Für  die  Zeit  von  Ju- 
lian^ Statthalterschaft  in  der  Belgica  fehlt  es  daher  an  einem 
sichern  Anhalt;  doch  ist  sie  jedenfalls  in  die  Zeit  des  Markoma- 
nenkrieges zu  setzen.  Wenn  die  Chauken  damals  ihre  Raubfahrten 
bis  an  die  Küsten  der  Belgica  erstreckten  und  die  Chatten  bei 
einem  Einfall  das  Gebiet  der  Belgica  erreichten,  so  muss  der 
Grenzschutz  am  Ober-  wie  am  Niederrhein  versagt  haben.  Wir 
finden  denn  auch,  dass  ein  im  Markomanenkriege  an  der  Donau 
bewährter  General  an  den  Niederrhein  gesandt  wurde.  Dies  lehrt 
die  merkwürdige  Inschrift  des  L.  Antistius  Adventus ;  Cagnat  annee 
epigr.  1893  n.  88  legato  Augusti  pro  praetore  provinciae  Ger- 
maniae inferioris,  legato  Augusti  ad  praetenturam  Italiae  et 
Alpium  expeditione  Germanica.  Die  Statthalterschaft  Niederger- 
maniens  fällt  173/174,  da  die  expeditio  Germanica  172  zu  Ende 

(0  Vita  Juliani  2,  3;  Vita  Pertinacis  14,  4,  5. 

(*)  §  203.  Die  Inschrift  C.  VI,  3702   =  30967  ist  aus  dem  Jahre  192. 

(»)  Vgl.  Rhein.  Mus.  49,  162;  Heidelb.  Jahrb.  5,  116;  Mommsens  Ver- 
such, Harnack  zu  retten,  Hermes  30,  90,  scheitert  an  der  Chronologie  der 
Reliefs,  die  den  Commodus  nicht  kennen.  Nur  Boissevain,  in  seiner  Vorliebe 
für  Dio,  verschliesst  sich  dem  Argument.  Sonst  hat  man,  so  viel  ich  sehe 
meine  Chronologie  anerkannt. 


INSCHRIFT    EINES   GERMANENKRIEGES  163 

ging.  Damit  waren  die  schwersten  Zeiten  an  der  Donau  überwun- 
den. Aber  Antistius  kann  am  Niederrhein  keine  hervorragenden 
Verdienste  erworben  haben,  da  er  nicht  durch  Orden  ausgezeichnet 
wurde.  Vielmehr  halte  ich  es  für  durchaus  möglich,  dass  unser 
Fragment  sich  auf  Didius  Iulianus  beziehe.  Die  Chatten  hatten 
einige  Jahre  früher  Aufidius  Victorinus  besiegt  (') ;  die  Flotte  der 
Chauken  kann  mit  der  classis  a  barbarn  gemeint  sein.  Natürlich 
ist  dies  eine  blosse  Vermutung. 

Heidelberg. 

A.    V.    DOMASZEWSKI. 


(»)  Prosop.  Imp.  Eom.  I,  184  n.  1160. 


ZWEI  FLUCHTAEFELCHEN  VON  DER  VIA  APPIA. 


Bei  einer  im  Oktober  1903  unter  Leitung  des  Herrn  Prot. 
Hülsen  unternommenen  Excursion  auf  die  Via  Appia  glückte  es 
mir,  dort  zwei  bleierne  Verfluchungstäfelchen  zu  linden  und  zu 
erwerben 


Das  erste  fand  sich  neben  dem  Columbarium  der  Freigelas- 
senen der  Marcella  in  der  Vigna  Codini  unter  Schutt  und  Mar- 
morbrocken, wo  es  unbeachtet  schon  lange  gelegen  haben  mochte, 
wohl  in  der  Nähe  der  Platzes,  an  dem  man  es  im  Altertum  ge- 
borgen hatte.  Wenn  das  Täfelchen,  was  wahrscheinlich  ist,  bei  der 
Ausräumung  des  im  ersten  nachchristlichen  Jahrhundert  gebrauch- 
ten Columbariums  mit  herausgeworfen  wurde,  so  ist  dieses  Stück 
älter  als  die  sonst  in  Rom  zu  Tage  gekommenen  Devotionstafeln. 

Die  kleine  Tafel,  10  cm.  breit,  17  hoch,  aus  ziemlich  star- 
kem Blei  bestehend,  zeigt  charakteristische  Formen.  An  den  vier 
Ecken  und  in  der  Mitte  sind   sechs  starke,  z.  T.  noch   erhaltene 


ZWEI    FLUCHTAEFELCHEN    VON    DER   VIA    APPIA  165 

Eisennägel  von  viereckigem  Querschnitt  durchgetrieben,  regelmäs- 
sig gestellt  wie  die  Siegel  eines  Briefes.  Dann  hat  der  Verflu- 
chende die  Tafel,  ehe  er  sie  von  der  einen  Schmalseite  her  halb 
aufrollte,  auf  den  weichen  Boden  gelegt  und  durch  zwei  mit 
grosser  Kraft  geführte  Dolchstösse  durchbohrt.  Die  Lesung,  bei 
der  Dr.  Voigtländer  in  Hamburg  freundlichst  mir  half,  liat  zu  keinem 
Ergebnis  geführt  Es  zeigen  sich  Reste  von  griechischen  Buch- 
staben und  Zeichnungen,  die  sich  aber  einer  sicheren  Deutung 
nicht  fügen.  Die  Zerstörung  der  Schrift  und  der  Linien  ist  so 
gleichmässig,  dass  man  an  blossen  Zufall  nicht  wohl  denken  kann. 
Man  muss  vielmehr  mit  R.  Wünsch,  der  die  Tafel  untersucht 
hat,  annehmen,  dass  der  Fluchende  eine  bereits  beschriebene  Blei- 
tafel für  seine  Zwecke  benutzt  und  die  vorhandene  Schrift  zunächst 
durch  Hämmern  vernichtet  hat.  Dabei  sind  nur  einige  Reste  (z. 
B.  am  oberen  Rande  die  Figur  eines  nagsdgog)  sichtbar  geblie- 
ben. Die  so  zum  Gebrauche  vorbereitete  Tafel  hat  der  Fluchende 
sodann  mit  Nägeln  und  Dolchstichen  durchbohrt  und  ohne  auch 
nur  den  Namen  des  Verfluchten  einzuritzen  an  der  Begräbnisstätte 
in  den  Bereich  der  Unterirdischen  gebracht,  in  der  Erwartung,  dass 
schon  der  gesprochene  Fluch  wirksam  sein  und  die  Wunden,  die 
er  dem  Bleistück  zugefügt,  auch  den  Verfluchten  treffen  würden. 
Das  Täfelchen  bildet  also  in  dieser  Beziehung  eine  Parallele  zu 
der  von  R.  Wünsch  (Piniol.  1902,  27  ff.)  veröffentlichten  und  be- 
sprochenen bleiernen  Rachepuppe. 

Das  zweite  Bleitäfelchen  fand  sich  an  demselben  Tage  weiter 
draussen  an  der  Via  Appia  bei  dem  von  Lugari  für  das  zweite 
Grab  des  hl.  Urbanus  gehaltenen  Gebäude  in  der  Vigna  Lugari, 
und  ist  wohl  bei  der  Eröffnung  eines  der  zahlreichen  dort  befind- 
lichen Gräber  zu  Tage  gekommen.  Das  zusammengefaltete  Blei 
ist  durch  die  Einflüsse  der  Witterung,  der  es  lange  ausgesetzt 
gewesen  sein  muss,  stark  angegriffen  und  zeigt  ausser  den  Resten 
der  üblichen  Zeichnungen  (vgl.  Wünsch  Seth.  Verfluchungstafeln 
20  b)  keine  lesbaren  Inschriften  mehr.  Soweit  bekannt,  sind  bisher 
an  diesem  Platze    Verfluchungstäfelchen    nicht    gefunden    worden. 

Brüssel. 

Karl  Lohmeyer. 


GESCHÜETZE  AUF  ANTIKEN  RELIEFS. 


Wer  sich  über  antike  Geschütze  zu  unterrichten  sucht,  mag 
anfangen  wo  er  will,  er  wird  überall  hingewiesen  auf  das  Werk, 
das  allen  heutigen  Darstellungen  zu  Grunde  liegt:  auf  Köchly 
und  Rüstow,  Griechische  Kriegsschriftsteller  (1853).  Das  Urteil 
der  öffentlichen  Meinung  lautet :  ■  Köchly  und  Rüstow  haben  in 
der  Geschichte  des  Griechischen  Kriegswesens  sehr  sorgfältig  und 
mit  Sachkenntnis  über  diesen  Gegenstand  gehandelt  und  darauf 
durch  Herausgabe  und  eingehende  Erklärung  von  Herons  ßsXo- 
Ttoüxa  und  Philons  Buch  neql  ßsXonotixSiv  sowie  der  bisher  völlig 
unverständlichen  Stelle  des  Vitruv  über  die  Geschütze  die  schwie- 
rige Untersuchung  über  diesen  Gegenstand  einer  lang  ersehnten 
Lösung  entgegengeführt  ■  (1). 

Man  muss  sich  über  dieses  Urteil  einigermassen  verwundern, 
weil  die  praktischen  Versuche  mit  Geschützen,  die  genau  nach 
den  Anweisungen  von  Köchly  und  Rüstow  rekonstruiert  waren,  ein 
ganz  negatives  Resultat  ergeben  haben.  «  Auf  60  Schritt  durch- 
bohrt der  Pfeil  noch  ein  1  l/,  zölliges  Brett  ■  und  «  eine  neun 
Pfund  schwere  Steinkugel  wurde  mit  dieser  Maschine  auf  etliche  40 
Schritt  geschleudert » ,  sind  miserable  Ergebnisse  (2),  die  der  Kon- 
strukteur, der  badische  Hauptmann  Deimling,  allerdings  durch  die 
obwaltenden  «  ökonomischen  Rücksichten  »  zu  entschuldigen  sucht 
(man  benutzte  statt  der  Tiersehnen  oder  Rosshaare  ■  unelastische 
Hanftaue  »  und  auch  diese  nur  in  ganz  unzureichender  Menge, 
weil  man  sie  nicht  recht  einzuspannen  verstand) ;  aber  der  Haupt- 
grund des  Misserfolges  war  doch  die  fehlerhafte  Konstruktion  der 


(»)  Marquardt  Kömische  Staatsverwaltung8  (Leipzig  1884)  S.  518  A.  6. 
(2)  Verhandlungen  der  24.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer in  Heidelberg  1865. 


R.    SCHNEIDER,    GESCHUETZE    AUF    ANTIKEN    EELIEFS  167 

sog.  Bailiste  d.  h.  des  Palintonon.  Ueber  diesen  prinzipiellen 
Irrtum  jener  beiden  Autoritäten,  der  seit  fünfzig  Jahren  dem  rich- 
tigen Verständnisse  der  antiken  Geschütze  im  Wege  gestanden 
hat,  äussert  sich  ein  anderer  erfahrener  Techniker  folgendermas- 
sen  (*) :  ■  Köchly  und  Rüstow  übersetzten  Euthytonon  und  Palinto- 
non in  Geradspanner  und  Winkelspanner  unter  der  Behauptung, 
dass  beim  Euthytonon  die  Bogenarme  die  Spannnervenbündel  unter 
einem  rechten  bezw.  wenig  verschiedenen  Winkel  durchdringen, 
während  beim  Palintonon  dieser  Winkel  45°  betrage.  Die  Bewe- 
gungsebene der  Bogensehne,  also  auch  die  der  Bogenarme,  muss 
unbedingt  rechtwinkelig  zu  den  Achsen  der  Spannnervenbündel  lie- 
gen. Jede  Verdrückung  aus  dieser  Ebene  ergiebt  eine  Einbusse  an 
Kraft.  Eine  Schrägstellung  bis  zu  459  ist  ganz  unmöglich,  wie 
durch  den  allereinfachsten  Versuch  ohne  weiteres  nachzuweisen  ist  ■ . 

Der  Major  Schramm,  dessen  Schrift  die  eben  angeführten 
Worte  entnommen  sind,  hat  zuerst  den  Nimbus  zerstört,  der  sich 
um  die  Arbeit  von  Köchly  und  Rüstow  gelagert  hatte.  Es  soll 
aber  darüber  nicht  vergessen  werden,  dass  schon  vor  vierzig  Jahren 
ein  sehr  tüchtiger  Artillerist  erkannt  hatte,  dass  die  ganze  Unter- 
suchung von  vorn  angefangen  und  auf  neuen  festen  Boden  gestellt 
werden  müsse :  der  Kaiser  Napoleon  III.  Er  liess  in  den  sechziger 
Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  die  Trajanssäule  abformen,  die 
griechischen  Techniker  durch  Wescher  kritisch  bearbeiten  und  be- 
auftragte seinen  Ordonnanzoffizier  Verchere  de  Reffye,  nach  der 
Angabe  der  alten  Schriftsteller  Geschütze  in  Originalgrösse  zu 
erbauen,  wozu  er  ihm  alle  nötigen  Mittel  mit  freigebiger  Hand 
zur  Verfügung  stellte. 

De  Reffye  hat  zwar  seine  Geschütze  fertig  gebaut,  ist  aber 
bedauerlicherweise  gestorben,  ohne  eine  einzige  Zeile  über  seine 
Arbeiten  zu  hinterlassen;  damit  ist  leider  das  grossartige  Unter- 
nehmen um  sein  bestes  Resultat  gebracht.  So  blieb  es  denn  einem 
deutschen  Offizier  vorbehalten,  das  unterbrochene  Werk  zu  vollen- 
den, und  wir  haben  allen  Grund  uns  zu  freuen,  dass  diese  Auf- 
gabe jetzt  in  die  rechten  Hände  gekommen  ist. 


(*)  E.  Schramm,  Bemerkungen  zu  den  Rekonstruktionen  griechisch-römi- 
scher Geschütze.  Sonderabzug  aus  dem  Jahrbuche  der  Gesellschaft  für  lothrin- 
gische Geschichte  und  Altertumskunde  XVI  S.  4. 


168  R.    SCHNEIDER 

Der  sächsische  Artillerie-Major  E.  Schramm  in  Metz  erhielt 
im  Sommer  1903  von  Dragendorff  einen  Fundbericht  über  die 
Ausgrabungen  bei  Haltern  in  Westfalen  zugeschickt,  konstruierte 
nach  den  gefundenen  Pfeilspitzen  den  ganzen  Pfeil,  dann  dazu  ein 
Versuchsgeschütz,  und  mit  so  gutem  Erfolge,  dass  die  Gesellschaft 
für  lothringische  Geschichte  und  Altertumskunde  ihm  die  Mittel 
zum  Bau  der  Geschütze  des  Altertums  in  Originalgrösse  bewilligte ; 
und  als  die  Kosten  den  Voranschlag  weit  überstiegen,  übernahm 
es  der  Fürst  Hohenjohe-Langenburg,  Statthalter  von  Elsass-Lo- 
thringen,  in  hochherziger  Weise,  für  die  nötigen  Geldmittel  zu 
sorgen  (1).  Die  Geschütze  wurden  am  7.  Mai  1904  dem  Statthalter 
und  am  16.  Juni  dem  Kaiser  vorgeführt,  und  sie  erreichten  bei 
diesen  Schiessproben  gleichmässig  folgendes  Resultat: 

Euthytonon  (mit  einem  Pfeile  von  88   cm.)  =  369,5  Meter 

Palintonon    (mit  zweipfündiger  Steinkugel)  =  184  » 

(mit  einpfündiger  Bleikugel)  =  300  » 

Onager         (mit  einpfündiger  Bleikugel)  =140  » 

Die  beiden  erstgenannten  Geschütze  sind  genau  nach  den 
Massen  der  antiken  Techniker  rekonstruiert ;  für  den  Onager  (Rie- 
senschleuder mit  einem  Spannnervenbündel),  den  Ammian  23,  4,  4 
beschreibt,  ohne  irgend  ein  Mass  anzugeben,  ist  ein  Anfangsdruck 
des  Spannnervenbündels  von  12000  Kg.  eingesetzt,  der  jedenfalls 
erheblich  hinter  der  Kraft  des  antiken  Geschützes  zurückbleibt, 
aber  trotzdem  ein  sehr  bemerkenswertes  Ergebnis  lieferte.  Der 
Anfangsdruck  beim  Euthytonon  und  Palintonon  ist  doppelt  so  gross, 
weil  sie  zwei  Nervenbündel  (==  24000  Kg.)  haben,  und  deren 
Leistungen  kommen  denen  der  antiken  Geschütze  gewiss  gleich. 
Denn:  «  sowie  aus  irgend  einem  Grunde  ein  Teil  schwächer  als 
nach  der  Beschreibung  hergestellt  wurde,  deformierte  er  sich  oder 
ging  zu  Bruch  ».  Woraus  Schramm  mit  gutem  Grunde  schliesst, 
dass  die  Angaben  der  einschlägigen  Schriftsteller  richtig  sind,  und 
dass  er  sie  auch  richtig  verstanden  hat.  Die  Leistung  des  Euthy- 
tonon mag  dem  Leser  noch  durch  folgende  Angabe  anschaulich 
gemacht    werden:    «    Die    verwendeten    vierspithamigen    (88  cm. 


0)  Vgl.  meinen  Aufsatz  '  Ueber  Rekonstruktionen  antiker  Geschütze  '  in 
der  Berliner  Philologischen  Wochenschrift  1905  N.  6.  S.  203-208. 


GESCHUETZE    AUF   ANTIKEN    RELIEFS  169 

langen)  Pfeile  durchschlugen  einen  eisenbeschlagenen  30  mm.  star- 
ken Schild  so,  dass  der  Pfeil  auf  seine  halbe  Länge  (44  cm.) 
den  Schild  durchdrang,  also  den  Schildträger  ausser  Gefecht  ge- 
setzt haben  würde  i . 

Die  wolgelungenen  Rekonstruktionen  antiker  Geschütze  durch 
Schramm  hatten  mich  bereits  veranlasst,  nunmehr  die  Ueberliefe- 
rung  vom  Geschützwesen  von  philologischer  Seite  zu  prüfen,  als 
eine  Bemerkung  Hülsens  ('),  dem  ich  die  Schrammschen  Untersu- 
chungen mitgeteilt  hatte,  mich  auf  eine  andere  bisher  nicht  ge- 
nügend verwertete  Quelle  unserer  Kenntnis  hinwies:  er  erkannte 
nämlich  auf  einem  vatikanischen  Grabsteine  die  Abbildung  eines 
römischen  Geschützes,  und  die  erneute  Untersuchung  des  Monu- 
ments zeigte  mir,  dass  die  Darstellung  auf  demselben  eine  vor- 
züglich genaue  sei,  und  uns  mancherlei  interessante  Details  über 
die  römische  Geschützkonstruktion  lehre.  Dieser  Erfolg  ermutigte 
mich  auch  andere  Reliefs  zu  untersuchen,  unter  steter  Heranzie- 
hung der  alten  Schriftsteller,  die  in  den  Ausgaben  von  Wescher  und 
R.  Schöne  gereinigt  vorliegen.  Das  Resultat  meiner  Untersuchun- 
gen gebe  ich  auf  den  folgenden  Seiten :  eine  Fortführung,  die  na- 
mentlich die  Geschützabbildungen  in  den  Handschriften  der  grie- 
chischen Kriegsschriftsteller  ins-  Auge  fassen  soll,  behalte  ich  mir 
für  später  vor. 

Das  Relief  von  Pergamon. 

Das  Heiligtum  der  Athena  Polias  Nikephoros  in  Pergamon 
war  mit  einem  Balustradenrelief  geschmückt,  das  in  einer  Höhe 
von  4-5  Metern  über  dem  Fussboden  Waffen  aller  Art  in  male- 
rischer Gruppierung  zeigte  (2).  Und  mitten  zwischen  Panzer  Schwert 
und  Schild  steht  ein  Geschütz,  oder  eigentlich  nur  ein  Geschütz- 

(*)  Vortrag  gehalten  in  der  Institutssitzung  am  23.  Dezember  190-4; 
s.  Mitteilungen  1904,  255. 

(a)  S.  Altert,  v.  Pergamon  II  Tf.  45,  1.  Im  Berliner  Museum  ist  die  ur- 
sprüngliche Anordnung  genau  wieder  hergestellt.  Auf  meinen  Wunsch  ist  ein 
Gipsabguss  des  Geschützes  angefertigt,  der  jetzt  auf  der  Saalburg  aufgestellt 
ist.  Prof.  Karl  Beucke  in  Berlin  übersandte  mir  eine  genaue  Abzeichnung 
davon  in  Originalgrösse,  wonach  die  Maassangaben  gemacht  sind.  Der  Di- 
rektion des  Berliner  Museums  und  dem  dienstwilligen  Freunde  sage  ich  mei- 
nen besten  Dank. 

12 


170 


R.    SCHNEIDER 


teil,  darum  besonders  interessant,  weil  es  die  älteste  und  einzige 
Urkunde  auf  Stein  aus  dem  griechischen  Altertume  ist.  Die  Pfeile 
und  der  Bogen,  die  rechts  hervorragen  und  mit  den  anderen  En- 
den sich  hinter  dem  Geschütze  verstecken,  brauchen  nicht  als  zu- 
gehörig aufgefasst  zu  werden,  denn  unser  Relief  zeigt  die  ver- 
schiedensten Waffenarten  neben-und  durcheinander,  ebenso  wie  der 


Fig.  l. 


Sockel  der  Trajanssäule ;  und  der  Bogen  darf  nicht  mit  dem  Ge- 
schütze verbunden  werden,  weil  er  elastisch  ist:  bei  jedem  tor- 
mentum  aber  liegt  die  Elasticität,  d.  h.  die  Spannkraft,  lediglich 
in  den  Spannnerven,  die  Bogenarme  sind  aus  unbiegsamem  Holze 
gefertigt.  Wir  haben  also  hier  vom  ganzen  Geschütze  nur  die  Vor- 
deransicht des  Plinthion,  des  Spannkastens,  und  zwar  ohne  die 
beiden  Bogenarme.  Das  Plinthion  ist  an  der  oberen  Ecke  links 
abgeschlagen  und  auf  der  linken  Seite  oben  beschädigt,  wodurch 
einige  Masse  verloren  gegangen  sind.  In  der  Hauptsache  aber  kom- 
men wir  doch  zu  einem  genügenden  Eesultate.  Die  grösste  Höhe 
beträgt  52  cm.,  die  grösste  Breite  36  cm.;  und  im  Einzelnen  ist 
Folgendes  festzustellen. 


GESCHUETZE    AUF    ANTIKEN    RELIEFS  171 

Die  Peritreten  d.  li.  die  beiden  zur  Aufnahme  der  Nerven- 
stränge durchbohrten  Querleisten,  sind  (nur  unten  messbar)  36,5  cm. 
lang  und  5,5  cm.  breit  (das  untere  schwankt  von  5,2  -  6,0  cm.); 
sie  ragen  an  den  Seiten  3,5  cm.  heraus  und  bauchen  sich  beide 
in  der  Mitte  um  1,5  cm.  aus.  Alle  vier  senkrechten  Ständer,  die 
Mesostaten  wie  die  Parastaten,  müssten  an  Länge  einander  gleich 
sein  =  27  cm. ;  aber  der  linke  Seitenständer  misst  nur  26,5  cm., 
der  rechte  dafür  an  der  inneren  Kante  27,3  cm. ;  und  ihre  Breite, 
durchschnittlich  =  4,5  cm.,  schwankt  von  4,0-4,8  cm.  Die  Mit- 
telständer haben  eine  glatte  Oberfläche;  aber  der  rechte  Seiten- 
ständer schwillt  in  der  Mitte  sehr  merklich  an :  oben  hebt  er  sich 
1,8  cm.  vom  Reliefgrunde  ab,  unten  1,7  cm.,  in  der  Mitte  aber 
2,3  cm.  Von  einer  Ausbauchung  der  Mitte  des  linken  Aussen- 
ständers  ist  nichts  wahrzunehmen.  Die  beiden  Nervenstränge  liegen 
nur  ein  wenig  tiefer  als  die  angrenzenden  Ständer.  Sie  sind  in 
entgegengesetzter  Richtung  zusammengedreht,  der  linke  nach 
rechts,  der  rechte  nach  links,  und  laufen  also  beide  nach  Innen. 
Der  rechte  Nervenstrang  erreicht  mit  18  Windungen  eine  Länge 
von  26,9  cm.  und  ist  durchschnittlich  3,1  cm.  breit;  der  linke 
zeigt  eine  Breite  von  durchschnittlich  3,8  cm.  Durch  den  Spalt 
in  der  Mitte  (26  cm.  lang  und  durchschnittlich  2,9  cm.  breit) 
müsste  man  eigentlich  ins  Innere  des  Geschützes  blicken;  aber 
das  Relief  zeigt  nur,  was  über  die  Vorderseite  herausragt:  das 
Mundstück  der  Syrinx.  So  nannte  man  die  Rinne,  auf  der  die 
Diostra,  d.  h.  das  bewegliche  Geschosslager,  auflag,  die  beim  Span- 
nen des  Geschützes  mit  der  Bogensehne  zurückgezogen  wurde. 
Das  allein  dargestellte  Ende  der  Syrinx  ist  als  wirkliche  Rinne 
deutlich  erkennbar,  oben  konkav,  unten  schräg  aufsteigend  und 
rundlich  gewölbt,  und  liegt  genau  in  der  Mitte  des  Spaltes  (13  cm. 
von  oben  und  unten  entfernt).  Die  Nervenstränge  liefen  durch  die 
Bohrlöcher  der  Peritreten  hindurch  und  waren  oben  und  unten  an  den 
Epizygides  (Spannbolzen)  befestigt.  Diese  Spannbolzen  sind  nicht 
sichtbar,  sondern  liegen  innerhalb  der  Choinikides  d.  h.  in  den  runden 
Kapseln  mit  dem  kleineren  Vierkante  darunter,  verborgen.  Diese 
Kapseln  sind  an  Höhe  recht  ungleich  (2,5—3,7  cm.);  ihr  Durchmes- 
ser ist  unten  gleich  (6,0  cm.),  oben  rechts  nur  5,5  cm.  Die  kleineren 
Vierkante  haben  dieselbe  Länge,  6,7  cm.,  aber  deren  Höhe  ist 
unten    (1,3    cm.)    und   oben    (1,1  cm.)  verschieden.   Und  gerade 


172  R.    SCHNEIDER 

so  stehts  mit  dem  Hypothema,  dem  grösseren  Vierkant :  die  Länge 
ist  gleich  (8,4  cm.),  aber  die  Höhe  unten  (durchschnittlich  1,5  cm.) 
und  oben  (1,0  cm.)  verschieden.  Das  Hypothema  ist  kein  unbe- 
dingt notwendiger  Bestandteil  des  Geschützes :  es  dient  nur  als 
Zwischenlager  zwischen  Choinikis  und  Peritreton,  damit  die  Zap- 
fenlöcher für  die  Zapfen  der  Choinikis  nicht  zu  dicht  aneinander 
kommen  und  dadurch  die  Widerstandsfähigkeit  des  Peritreton 
schwächen. 

Die  Durchsicht  dieser  Massangaben  zeigt,  dass  das  Relief 
nicht  mit  der  nötigen  Sorgfalt  ausgearbeitet  worden  ist;  bei  ge- 
höriger Anwendung  von. Lineal  und  Zickel  hätten  sich  diese  Fehler 
vermeiden  lassen.  Da  aber  die  richtigen  Masse  überall  leicht  zu 
ermitteln  sind,  so  scheint  die  Zeichnung,  die  dem  Steinmetzen  als 
Vorlage  gedient  hat,  genau  gewesen  zu  sein;  und  deshalb  wird 
der  einzige  Verstoss  gegen  die  Konstruktionsgesetze  des  wirklichen 
Geschützbaues  auch  nur  dem  Steinmetzen  zur  Last  zu  fallen, 
nicht  dem  Zeichner  der  Vorlage.  Ich  meine  die  Stellung  der 
Choinikides.  Diese  müssen  natürlich  genau  in  der  Achse  der 
Nervenstränge  liegen ;  aber  auf  dem  Relief  steht  nur  eine  einzige 
(oben  rechts)  an  der  richtigen  Stelle,  die  ihr  entsprechende  (unten 
rechts)  ist  schon  nach  innen  verschoben,  und  die  linken  Choinikides 
liegen  bedeutend  zu  weit  nach  der  Mitte  zu.  Doch  ist  es  ja 
schliesslich  gleichgültig,  ob  der  Steinmetz  oder  Zeichner  sich  geirrt 
hat,  die  Hauptsache  ist,  dass  wir  den  Irrtum  ohne  weiteres  be- 
richtigen können  und  dann  ein  regelrechtes  Abbild  eines  Euthy- 
tonon  vor  uns  haben. 

Denn  unser  Relief  ist  die  Illustration  zum  folgenden  Texte: 
«  Die  Euthytona  haben  alle  übrigen  Bestandteile  genau  so  wie 
das  Palintonon,  nur  sind  die  beiden  Sehnenstränge  mit  ihrer  Um- 
rahmung (=  TjituTona)  in  einem  einzigen  Kasten  zusammengefügt, 
und  sind  nur  um  die  Breite  des  Läufers  von  einander  entfernt.  — 
Die  unteren  beiden  Querhölzer  (des  Palintonon)  werden  hier  aus 
einer  einzigen  Bohle  gefertigt,  ebenso  die  oberen.  Man  rechnet  also 
die  Dicke  der  Seitenständer  und  der  Mittelständer  und  dazu  die 
Durchmesser  der  Bohrlöcher  und  die  Breite  des  Läufers  (die  ja 
den  Zwischenraum  zwischen  den  Mittelständern  ausmacht)  zusam- 
men *  —  und  konstruiert  wie  folgt. 

»  Diese  Uebersetztung  ist  gemacht  nach  "Hqcovoq  BsXonoüxa 


GESCHUETZK    AUF   ANTIKEN    RELIEFS  173 

ed.  C.  Wescher,  Poliorcetique  des  Grecs,  Paris  1867,  p.  104,  4-12: 
Tu  dt  evd-vtovct  ta  (.ihv  ccXXa  navxa  xa  avxä  e%si  xcj)  näXw- 
tovo),  nXi]v  oxi  xa  ovo  fj/nixovia  slg  ev  nXiv&iov  Gvyxeixai, 
cm&fpvxa  aXXr}Xm>  xb  %%%  S icböx q  ag  nXäxog.  —  riyvsxao 
dt  xa  xaxoo  Svo  nsqixQrpa  £%  svbg  £vXov,  xal  öfxoicog  xaavw. 
2vXXoyiöafxsvog  6rj  xa  xs  ncty^  xwv  nuQuGxax&v  xal  xwv  [i€- 
GoGxuxwv  .  .  .  xal  ext  xag  xwv  xor^uccxcov  dia/uäxQOvg,  xal  xb  xrtg 
diwöxqag  nXaxog  (o  &rj  {.isxa^v  eöxi  xwv  fuso'oGxaxwv),  exÜov  inl 
Cavidog  xxk. 

Hans  Droysen  hat  in  seinem  eingehenden  Aufsatze  mit  grossem 
Scharfsinne  den  Fehlern  nachgespürt,  die  das  Relief  von  Pergamon 
enthält  (').  Ich  gebe  ihm  ohne  weiteres  zu,  dass  die  Darstellung 
flüchtig  ist;  bestreite  aber  mit  Entschiedenheit  seinen  Schlusssatz: 
■  Für  uns  sinkt  damit  die  einzige  uns  aus  dem  griechischen  Alter- 
tume  erhaltene  Abbildung  des  wichtigsten  Geschützteiles  zu  einer 
blossen  Kuriosität  herab  ■ . 

Die  Gründe  meines  Widerspruches  sind: 

1)  Die  Zahl-  und  Massangaben  der  griechischen  Techniker 
sind  noch  nicht  methodisch  nachgeprüft,  können  also  auch  nicht 
als  Richtschnur  benutzt  werden,  um  die  Fehler  des  Reliefs  aufzu- 
finden. Es  ist  sogar  nicht  unmöglich,  dass  umgekehrt  ein  genau 
gezeichnetes  Relief  uns  dazu  helfen  könnte,  Fehler  in  der  schrift- 
lichen Ueberlieferung  aufzudecken  und  zu  verbessern. 

2)  Ob  die  Peritreten  seitlich  überragten  oder  nicht,  ist  aus 
der  handschriftlichen  Ueberlieferung  .noch  nicht  festgestellt. 

3)  Der  Bogenarm  auf  dem  Relief  gehört  zu  einem  gewöhn- 
lichen Handbogen  und  ist  bei  der  malerischen  Gruppierung  nur 
durch  Zufall  neben  das  Geschütz  gekommen.  Man  darf  unmöglich 
dem  griechischen  Künstler  aufbürden,  dass  er  einen  elastischen 
Bogenarm  in  ein  Spannerven-Geschütz  habe  einfügen  wollen,  das 
einen  festen  unbiegsamen  Arm  verlangt. 

4)  Die  Nervenstränge  der  Reliefs  sind  allerdings  ganz  anders 
dargestellt,  als  die  Schriften  der  Techniker  angeben.  Ich  gehe  noch 
einen  Schritt  weiter  und  sage:  es  ist  nicht  zu  begreifen,  wo  und 
wie  eigentlich  die  Bogenarme  in  diese  tauartigen  fest  zusammenge- 
drehten Nervenstränge  einzuschieben  seien. 

(')  Altertümer  von    Tergamon  Band   II,  Text,  Berlin    1885,  S.  95-127. 


174  R.    SCHNEIDER 

Ist  also  das  Relief  von  Pergamon  nun  doch  eine  blosse  Ku- 
riosität ? 

Man  hat  übersehen,  dass  die  Techniker,  wenn'  sie  von  den 
Spannnerven  reden,  immer  nur  das  Palintonon  im  Auge  haben, 
dessen  Konstruktion  schwieriger  ist,  und  woraus  sich  jeder  dann 
den  einfacheren  Bau  des  Euthytonon  leicht  ableiten  konnte.  Für 
uns  ist  das  freilich  nicht  so  einfach,  weil  uns  oft  die  wichtigsten 
Begriffe  und  Handwerksausdrücke,  wie  z.  B.  sv&vxovov  und  na- 
XCvtovov  nicht  ohne  weiteres  klar  sind,  und  wir  erst  auf  Umwegen 
den  Sinn  aufsuchen  müssen.  Gehen  wir  also  diesen  Wörtern,  die 
von  den  verschiedenen  Forschern  in  verschiedenem  Sinne  gedeutet 
sind,  ohne  dass  einer  die  Sache  entschieden  hätte  (vgl.  Berl. 
Philol.  Wochenschrift  1905  Nr.  18)  auf  etymologischen  Wege  nach, 
so  erhalten  wir  folgende  Deutung: 

sv&vrovov  heisst  ein  Geschütz,  dessen  Nervenstrang  nur  einmal 
(vom  unteren  "zum  oberen  Spannbolzen)  hinläuft,  also  nicht  wieder 
zurückkehrt ; 

nalivxovov  heisst  ein  Geschütz,  dessen  Nervenstrang  wieder- 
holt über  die  beiden  Spannbolzen  hin  und  her  gezogen  ist. 

Diese  Erklärung  entspricht  durchaus  der  Bedeutung  von  tovog 
und  stellt  den  Gegensatz  zwischen  svdvg  und  naliv  klar  heraus ; 
ausserdem  ist  sie  so  einfach,  dass  die  Verfasser  der  technischen 
Schriften,  die  niemals  eine  wirkliche  Schwierigkeit  unerläutert  ge- 
lassen haben,  hier  auf  jede  weitere  Erörterung  verzichten  durften. 
Nun  kommt  uns  das  Relief  von  Pergamon  in  erwünschtester  Weise 
zu  Hilfe  und  bezeugt,  dass  der  Nervenstrang  beim  Euthytonon  (denn 
das  ist  es  nach  den  oben  angeführten  Worten  Herons)  wirklich  nur 
einmal  zwischen  den  beiden  Spannbolzen  hinlief.  Und  dieses  Er- 
gebnis wird  zum  dritten  bestätigt  durch  die  Zeichnungen  in  den 
Bilderhandschriften  der  griechischen  Techniker, 

Ich  kann  nicht  angeben,  was  Köchly  und  Rüstow  von  diesen 
Bildern  gewusst  haben  und  worauf  sie  ihr  abfälliges  Urteil  ei- 
gentlich gründeten.  Jedenfalls  ist  ihre  Ansicht  ganz  unrichtig,  und 
die  Neueren  hätten  sich  hüten  sollen,  das  dort  gesagte  als  bare 
Münze  anzunehmen  und  weiterzugeben.  Mir  sind  vorläufig  nur  die 
fünf  vatikanischen  Bilderhandschriften  bekannt,  und  deshalb  kann 
ich  auch  nur  sagen,  was  ich  aus  ihnen  gelernt  habe.  Aber  ich  will 
doch  noch  hinzufügen,  dass  die  volle  Ausnutzung  dieses  unbeach- 


GESCHUETZE    AUF    ANTIKEN    RELIEFS  175 

teten  Materiales  einen  reichen  Ertrag  verspricht  und  nicht  nur 
für  die  Geschütze,  sondern  auch  für  die  gesamte  Belagerungs- 
kunst neue  und  unerwartete  Funde  bringen  wird;  es  müssten 
allerdings  dazu  erst  alle  die  Handschriften,  die  in  Bologna  und 
Neapel,  in  Wien  und  München,  in  Paris  u.  s.  w.  zerstreut  sind, 
sorgsam  durchgearbeitet  werden.  Diese  Ueberzeugung  ruht  auf 
Folgendem. 

Die  vatikanischen  Handschriften  bieten  so  genaue  Zeichnungen, 
dass  sie  einem  mathematischen  Lehrbuche  heutigen  Tages  zur  Zierde 
dienen  könnten ;  sie  illustrieren  und  veranschaulichen  den  Text 
aufs  beste.  Ausserdem  aber  gehen  die  Zeichnungen,  meist  ohne  die 
geringste  Aenderung,  aus  einer  Handschrift  in  die  andere  über  und 
zeigen  —  von  einem  späten  cod.  Urbinas  abgesehen  —  nirgends 
die  geringste  bewusste  Abänderung  (Interpolation).  Und  drittens 
stimmen  die  Abbildungen  bei  Wescher,  die  aus  dem  ältesten  Ver- 
treter der  ersten  Handschriftenklasse  entnommen  sind,  bis  ins 
Kleinste  mit  dem  cod.  Vaticanus  graecus  1164,  der  die  zweite 
Klasse  anführt:  die  jahrhundertelange  Trennung  der  Ueberliefe- 
rung  hat  demnach  die  Zuverlässigkeit  der  Bilder  nicht  beeinträch- 
tigt. Und  wenn  damit  der  Wert  dieser  Zeichnungen  bewiesen  ist, 
so  darf  ich  wol  auch  schon  jetzt  ihnen  ein  neues  Zeugnis  ent- 
nehmen für  meine  Deutung  des  Wortes  evdwovov;  ich  meine 
Figur  XXXIIL  bei  Wescher  p.  106,  die  nur  einen  Nervenstrang 
hat,  gerade  wie  das  pergamenische  Relief  und  die  Etymologie  es 
fordern.  Und  um  das,  was  wir  weiter  unten  brauchen  werden,  gleich 
liier  mit  abzumachen:  Figur  XXXIIII  bei  Wescher  p.  106  ist  ein 
nalivxovov  mit  mehrfach  hin  und  herlaufendem  Nervenstrange. 
Wenn  Wescher  p.  371  sagt:  argumentum  idem  atque  praecedens 
so  hat  er  ausser  der  ganz  anderen  Art  der  Spannung  auch  andere 
Teile  der  Zeichnung  übersehen,  die  nur  dem  Palintonon  zukommen, 
wie  ich  ein  ander  Mal  ausfahren  werde. 

Somit  ist  bewiesen,  dass  das  Relief  von  Pergamon  trotz  der 
flüchtigen  Ausführung  in  der  Zeichnung  und  der  falschen  Stellung 
der  Choinikides  für  uns  von  hohem  Werte  ist:  wir  lernen  daraus, 
wie  beim  Euthytonon  der  Nervenstrang  eingezogen  war  und  sehen 
damit  die  Deutung  bestätigt,  die  wir  auf  etymologischem  Wege 
bereits  gefunden  hatten. 


176  R.    SCHNEIDER 


Der  Grabstein  des  Vedennius. 

Im  Vatikanischen  Museum  steht  in  der  Galleria  Lapidaria  128 
ein  Grabstein  mit  folgender  Inschrift  auf  der  Vorderseite  (vgl. 
Corpus  Inscriptionum  Latinarum  VI  n.  2725) : 

C.  Vedennius  C.  /.  Qui(rina)  Moderatus  Antio,  milü(avit) 
in  leg(ione)  XVI  Gal(lica)  a{nnis)  X,  tran{s)lat{us)  in  coh(ortem) 
IX  pr(aetoriam)  in  qua  milit(avit)  ann(is)  VIII,  missus  honesta 
mission(e),  revoc(atus)  ab  imp(eratore)  fact{us)  evoc(atus)  Au- 
g{usti)  arc{h)itect(us)  armament(arii)  imp(eratoris),  evoc(atus) 
ann(is)  XXIII,  donis  militarib(us)  donat(us)  bis,  ab  divo  Vesp(a- 
siano)  et  imp(eratore)  Domitiano  Aug(usto)  Germ(anico) ...  — 
der  Schluss  fehlt. 

Ueber  das  Aeussere  giebt  W.  Amelung  (die  Skulpturen  des 
vatikanischen  Museums,  Berlin  1903,  I,  S.  257)  folgende  Auskunft: 
«  Höhe  1,10  m.;  Breite  0,945  m.  Ziemlich  grosskörniger  hellgrauer 
Marmor.  Schräger  Bruch  in  der  Mitte  von  r.  nach  1.  Die  Inschrift 
sehr  Verstössen;  ebenso  die  hinteren  Kanten;  verletzt  die  1.  Hälfte 
des  Reliefs  auf  der  1.  Nebenseite;  unten  unvollständig  ».  Der  Grab- 
stein wurde  1816  an  der  Via  Nomentana  bei  S.  Agnese  15  palmi 
unter  der  Erde  gefunden  (Pea,  Varietä  di  Notizie,  Roma,  1820. 
S.  85). 

Die  Inschrift  unseres  Grabsteines  gibt,  wenn  wir  die  Erläu- 
terungen von  Mommsen  (Hermes  XIV,  1879,  S.  12,  A.  1)  und 
Dessau  (Inscr.  lat.  setectae  2034)  zu  Rate  ziehen,  von  dem  Le- 
benslaufe des  wackereu  Soldaten  ein  sehr  anschauliches  und  histo- 
risch interessantes  Bild.  C.  Vedennius  Moderatus,  der  Sohn  des 
Gaius,  zur  Tribus  Quirina  zugehörig  ]),  trat  im  J.  59/60  ins  Heer 


(l)  [Dass  der  Geburtsort  des  Vedennius  Antium  gewesen  sei,  haben  alle 
früheren  Herausgeber  als  selbstverständlich  angenommen.  Aber  Mommsen,  der 
zuerst  (Hermes  a.  a.  0.;  CIL.  X,  p.  661)  gleichfalls  dieser  Ansicht  gefolgt 
war,  hat  sie  später  (StR.  3  S.  165  A.  2)  als  unmöglich  zurückgewiesen,  weil 
die  Bürgercolonie  Antium  436/338  v.  Chr.  deduziert,  die  Tribus  Quirina  aber 
erst  513/241  begründet  worden  sei.  Er  nimmt  daher  an,  dass  in  unseer 
Inschrift  zu  verstehen  sei  Antio(chia),  wo  auch  andere  römische  Bürger  mit 
der  Quirina  vorkommen.  Bedenken    erregt   zunächst    die  ungewöhnliche  und 


GESCHUETZE    AUF   ANTIKEN    RELIEFS  177 

ein  und  diente  zehn  Jahre  in  der  Legio  XVI  Gallica,  die  in  Mainz 
ihr  Standquartier  hatte.  Er  zog  mit  Valens  nach  Italien,  kämpfte 
für  Vitellius,  bis  Vespasian  den  Sieg  errang  und  die  16.  Legion 
auflöste,  um  dafür  eine  neue  Legion,  die  XVI  Flavia  Firma,  zu 
errichten.  Aber  Vedennius  wurde  nicht  entlassen,  sondern  in  die  9. 
Cohorte  der  Praetorianer  aufgenommen,  eine  Auszeichnung,  die  nach 
Tac.  Hist.  II,  94  auch  anderen  seiner  Kameraden  zuteil  wurde.  Im 
Jahre  77  war  seine  Dienstzeit  um,  und  er  erhielt  seinen  ehren- 
vollen Abschied.  Nun  trat  er  jedoch  nicht  ins  bürgerliche  Leben 
ein,  sondern  wurde,  im  kaiserlichen  Zeughause  zu  Kom  als  Militär- 
beamter beschäftigt  und  zeichnete  sich  so  aus,  dass  sowohl  Vespa- 
sian wie  sein  Sohn  Domitian  ihm  militärische  Auszeichnungen  ver- 
liehen . . .  (hier  bricht  die  Inschrift  ab).  Während  die  Inschrift  des 
Grabsteines  die  gebührende  Beachtung  gefunden  hat,  sind  die 
Reliefs  auf  den  beiden  Nebenseiten  fast  ganz  vergessen  worden. 
Die  rechte  Nebenseite  ist  allerdings  ohne  Bedeutung,  denn  sie  bietet 
nur  ein  einfaches  Winkelmass.  Aber  die  linke  Nebenseite  hat  man 
lediglich  darum  beiseite  liegen  lassen,  weil  man  den  dargestellten 
Gegenstand  nicht  verstand.  Die  meisten  sahen  darin  ein  Türschloss ; 
Hülsen  dachte  früher  (bei  Amelung  a.  a.  0.)  an  ein  Präcisions- 
oder  Nivellierinstrument,  als  Pendant  zu  dem  Winkelmass  auf 
der  anderen  Seite.  Der  Wahrheit  am  nächsten  kam  ein  Ano- 
nymus in  der  Beschreibung  Roms  (Bd.  2,  2,  S.  34),  der  es  für 
eine  Belagerungsmaschine  erklärte  (1).  Nachdem  einmal  die  richtige 


dem  römischen  System  widersprechende  Abkürzung  des  Stadtnamens:  jedoch 
wird  dieselbe  dadurch  entschuldbar,  dass,  wie  eine  genaue  Prüfung  des  Steines 
zeigt,  die  Heimatsbezeichnung  aiTio  am  Ende  der  zweiten  Zeile  ein  späterer 
Nachtrag  ist;  da  der  Platz  nicht  reichte,  hat  der  Schreiber  n  und  t  in  Li- 
gatur zusammengezogen,  und  das  n  kleiner  geschrieben;  auch  ist  das  n  viel 
schmaler  als  die  beiden  in  der  ersten  Zeile.  Ch.  H.]. 

0)  [Bei  einem  Besuche  im  Museum  von  S.  Germain  im  September  d.  J. 
fand  ich  zu  meiner  Ueberraschung  einen  Gipsabguss  des  Vedennius-  Reliefs 
am  Untersatze  des  von  de  Reffye  rekonstruiertes  Euthytonon  angebracht :  die 
richtige  Erklärung  muss  also  bereits  von  jenem  trefflichen  Forscher  ge- 
funden gewesen  sein.  Aber  die  Erinnerung  an  die  Herkunft  des  Abgusses  war 
gänzlich  verloren  gegangen,  so  dass  das  Stück  im  Museum  als  ein  Teilabguss 
von  der  Trajanssäule  galt;  das  Inventar  des  Museums,  welches  S.  Reinach 
mir  freundlichst  zugänglich  machte,  giebt  als  Provenienz  einfach  '  Borne  ' 
an.  Ch.  H.]. 


178 


R.    SCHNEIDER 


Erklärung  ausgesprochen  ist,  braucht  man  sich  mit  Widerlegung  der 
falschen  nicht  aufzuhalten :  und  dass  der  Zeughauptmann,  der 
mit  Zirkel,  Lineal  und  Winkelmass  zu  arbeiten  verstau d,  auf  seinem 
Grabsteine,  dessen  Zeichnung  er  wohl  selbst  entworfen  hat,  uns 
ein  sehr  genaues  und  getreues  Abbild  eines  römischen  Geschützes 
geliefert  hat,  wird  sich  sofort  zeigen. 


Fig.  2. 


Auf  dem  römischen  Grabsteine  ist,  wie  auf  dem  Relief  von 
Pergamon,  nur  der  Teil  eines  Geschützes  abgebildet,  ebenfalls  von 
vorne  gesehen.  Die  grösste  Höhe  beträgt  27  cm.,  die  grösste 
Breite  39  cm.  Das  Plinthion  wird  von  den  zwei  wagerechten  Pe- 
ritreten  und  den  zwei  senkrechten  Parastaten  gebildet,  die  den 
merklich  nach  aussen  gewölbten  Kasten  umrahmen;  rechts  und 
links  ragt  je  ein  Bogenarm  heraus,  oben  und  unten  je  zwei  Köpfe 
mit  den  Spannnerven.  Die  Peritreten,  beide  etwa  18  cm.  lang  und 
2,  6  cm.  dick,  heben  sich  am  inneren  Rande  gleichmässig  1  cm. 
vom  Grunde  des  Kastens  ab;  sie  ragen  beide  links  etwas  über 
die  Ständer  hinaus,  aber  rechts  schneiden  sie  mit  den  Ständern 
ganz  glatt  ab ;  beide  haben  einen  eisernen  Beschlag,  der  mit  je 
drei  starken  Nägeln  (der  linke  oben  ist  weggeschlagen)  befestigt 


GESCHUETZE    AUF    ANTIKEN    RELIEFS  179 

ist.  Der  mittlere  Nagel  unten  steht  nicht  in  der  Mitte  der  beiden 
anderen,  sondern  um  1,3  cm.  weiter  rechts,  aber  genau  in  der 
Achse,  die  das  Mündungsloch  senkrecht  durchschneidet.  Von  den 
beiden  Parastaten  ist  nur  der  rechte  unversehrt,  er  ist  2,5  cm. 
breit,  erhebt  sich  oben  und  unten  nur  unmerklich  vom  Grunde 
das  Kastens,  baucht  sich  aber  nach  der  Mitte  allmählich  bis  zu  2 
cm.  aus.  Oben  und  unten  sieht  man  an  jedem  der  Parastaten  Na- 
gelköpfe; sie  zeigen,  dass  die  Parastaten  ebenfalls  einen  Eisen- 
beschlag hatten. 

Der  Kasten.  14  cm.  hoch  und  11  cm.  breit,  ist  mit  einem 
Schilde,  vermutlich  aus  Eisenblech,  verdeckt,  der  den  Einblick  in 
das  Innere  des  Geschützes  verhindert.  Auf  dem  Schilde  sind  als 
Verzierung  vier  Säulen  angebracht,  die  drei  Bogen  tragen,  mit  Pal- 
metten in  den  Zwickeln ;  davon  ist  aber  die  rechte  Säule  so  schwach 
angedeutet  und  der  zugehörige  Bogen  so  verschoben,  dass  beides 
wegen  der  ungünstigen  Beleuchtung  des  Steines  leicht  übersehen 
werden  konnte  (Vgl.  Amelung  Vat.  Mus.  1,  257).  Die  Mündung, 
in  deren  Oeffnung  das  Ende  des  Läufers  nur  angedeutet  ist,  hat 
an  ihren  Aussenrändern  einen  schmalen  Kranz  zum  Schmucke 
und  ist  2,6  cm.  hoch,  1,3  cm.  breit.  Sie  steht  nicht  in  der  Mitte 
des  Kastens,  sondern  um  2  cm.  tiefer  und  um  1,3  cm.  weiter  nach 
rechts ;  links  sieht  man  ein  Stück  hinein  in  den  Innenrand,  rechts 
nicht.  Die  beiden  Bogenarme,  aus  starkem  Bundholze  gefertigt, 
sind  an  Länge  (10,5  cm.)  und  Umfang  (der  Durchmesser  am 
Kastenrande  4  cm.)  einander  gleich.  Am  rechten  Bogenarme  be- 
findet sich  ziemlich  in  der  Mitte  (5,5  cm.  vom  Ständer)  das  Band, 
mit  dem  hinten  die  Bogensehne  angeknüpft  war;  der  linke  Arm 
ist  stark  Verstössen,  lässt  aber  doch  noch  an  der  entsprechenden 
Stelle  einen  schmalen  Wulst  erkennen,  den  man  mit  dem  Finger 
sofort  fühlt. 

Die  Spannköpfe  lassen  vier  Teile  unterscheiden :  die  Spannner- 
ven, die  Spannbolzen,  die  Ringe  zwischen  den  Spannbolzen  und 
den  Peritreten,  endlich  die  nach  innen  gerichteten  Bandeisen  mit 
dem  Loche. 

Die  Spannnerven  wurden  aus  Tiersehnen  oder  Rosshaaren  her- 
gestellt, indem  man  die  einzelnen  Fäden,  wie  der  Seiler  den  Strick, 
zu  einem  Strange  zusammendrehte.  An  jedem  Spannkopfe  sind 
drei  solcher  Stränge  sichtbar ;  sie  sind  mit  der  rechten  Hand  nach 


180  R.    SCHNEIDER 

aussen,  also  nach  rechts  gedreht  und  laufen,  jeder  vom  ande- 
ren getrennt,  um  die  oberen  Spannbolzen  zur  linken  hinauf  und 
zur  rechten  hinunter,  und  dem  entsprechend,  um  die  unteren 
Spannbolzen  zur  rechten  hinunter  und  zur  linken  hinauf,  Die 
Spannbolzen  scheinen  starke  Holzleisten  zu  sein,  die  vorn  in  einen 
Knuppen  auslaufen,  wie  unten  links  deutlich  zu  sehen,  aber  auch 
an  den  zwei  anderen  Spannköpfen  erkennbar  ist,  nur  nicht  am 
linken  oben,  wo  das  Kelief  beschädigt  wurde.  Nach  der  Mitte 
schwellen  die  Spannbolzen  an,  damit  sie  dem  Drucke  der  gespann- 
ten Nerven  an  der  gefährlichen  Stelle,  wo  sie  sich  am  weitesten 
von  ihrer  festen  Unterlage  entfernen,  Widerstand  leisten  können; 
und  auf  diese  Weise  werden  drei  Stränge  hintereinander  sichtbar. 

Zwischen  den  Spannbolzen  und  den  Peritreten  ist  an  allen 
vier  Spannköpfen  ein  metallener  Ring  dargestellt,  auf  dem  der 
Spannbolzen  ruht :  eine  Unterlage  gehört  als  notwendiger  Bestand- 
teil der  Choinikis  dazu,  um  die  Verbindung  mit  dem  Peritreten 
zu  ermöglichen.  Eine  zweite  Unterlage  (das  Hypothema)  war,  wie 
bereits  oben  gesagt  worden  ist,  nicht  notwendig,  aber  sie  ist  wün- 
schenswert, um  das  Peritreton  nicht  durch  zu  nahe  gebohrte  Za- 
pfenlöcher zu  schwächen.  Dieses  Hypothema  ist  an  den  oberen 
Spannköpfen,  die  beschädigt  und  abgestossen  sind,  nicht  zu  bemer- 
ken; da  aber  unten  links  eine  Erhebung  über  dem  Ringe  der 
Choinikis  sich  zeigt,  und  unten  rechts  deutlich  ein  grösserer  schma- 
ler Ring  über  dem  kleineren  hervortritt,  so  stehe  ich  nicht  an, 
ein  Hypothema  für  alle  vier  Spannköpfe  anzusetzen.  Hierbei  ist 
aber  wohl  zu  beachten,  dass  beide  Teile,  der  kleinere  und  der 
grössere  Ring,  sich  von  den  entsprechenden  Teilen  des  pergame- 
nischen  Geschützes  wesentlich  unterscheiden :  das  Euthytonon  hat 
zwei  breite  Vierkanter,  das  römische  Relief  zwei  schmale  Ringe. 

Hinter  den  Nervensträngen  des  Reliefs,  in  Wirklichkeit  also 
wol  aus  ihrer  Mitte,  geht  schräg  nach  der  Innenseite  je  ein  Band- 
eisen, das  am  Ende  eine  runde  Oeffnung  hat,  oben  aufwärts  und 
unten  abwärts  gerichtet;  das  Ganze*  sieht  ungefähr  aus  wie  ein 
Schlittschuhschlüssel.  So  viel  ist  klar,  dass  dieser  Geschützteil  beim 
Nachspannen  der  Nervenstränge  zur  Verwendung  kam,  wenn  näm- 
lich die  Spannung  nachgelassen  hatte  und  man  durch  Umdrehung 
der  Spannbolzen  sie  wieder  zu  verstärken  suchte.  Nur  weiss  ich 
nicht,  ob  man  mit  diesem  Hebel  die  Spannbolzen  umdrehte,  oder 


GESCHUETZE   AUF    ANTIKEN    RELIEFS  181 

ob  es  nur  die  Vorstecker  sind,  um  die  Spannbolzen  nach  der  Um- 
drehung festzuhalten.  Für  einen  Vorstecker  sind  die  Oesen  überflüs- 
sig, und  für  einen  Hebel  scheinen  die  Bandeisen  zu  schwach  zu 
sein. 

•Ueberblicken  wir  nun  die  Massangaben  der  einzelnen  Teile, 
die  überall  gut  zusammenstimmen,  und  beobachten  wir  die  Gewis- 
senhaftigkeit, mit  der  die  Konstruktion  der  Spannköpfe  wiederge- 
geben ist,  so  kommen  wir  zur  festen  Ueberzeugung,  dass  Veden- 
nius  selber  mit  eigener  Hand  die  Vorzeichnung  für  seinen  Grab- 
stein geliefert  hat,  und  wir  demnach  ein  unbedingt  zuverlässiges 
Abbild  eines  römischen  Geschützes  vor  uns  haben.  Wie  sind  dann 
aber  zwei  handgreifliche  Fehler,  die  falschen  Stellungen  des  Mün- 
dungsloches und  der  Spannköpfe  zu  erklären?  Denn  das  Mündungs- 
loch kann  doch  natürlich  nur  genau  in  der  Mitte  zwischen  den 
Parastaten  angebracht  sein ;  und  die  Spannköpfe  der  beiderseitigen 
Nervenstränge  müssen  doch  selbstverständlich  genau  senkrecht 
übereinander  stehen :  und  doch  steht  auf  dem  Relief  das  Mün- 
dungsloch um  1,3  cm.  zu  weit  nach  rechts,  und  die  senkrechte 
Achse  des  oberen  Spannkopfes  links  geht  um  mehr  als  1  cm.  links 
vor  der  Achse  des  unteren  vorüber. 

In  letzterem  Falle  liegt  ein  Fehler  der  Zeichnung  vor,  der 
sich  leicht  nachweisen  lässt.  Der  Bogenarm  wurde  durch  die  Seh- 
nenstränge so  weit  durchgesteckt,  das  der  innere  (kurze)  Hebel- 
arm sich  an  den  Antistates  (der  beim  Euthytonon  Mesostates 
heisst)  anlehnt ;  der  äussere  lange  Hebelarm  ruhte  in  der  inneren 
Einkehlung  des  Parastates,  der  die  Ausladung  desselben,  wie  auch 
auf  dem  Kelief  sichtbar  ist,  genau  entspricht.  Also  müssen  die 
Spannköpfe  zwischen  den  Parastaten  und  Antistaten  liegen,  und  es 
muss  demnach  der  linke  Spannkopf  oben,  dessen  senkrechte  Achse 
grade  durch  den  linken  Parastates  läuft,  falsch  dargestellt  sein. 
Die  anderen  drei  Spannköpfe  stehen  richtig :  ihre  Achse  läuft  über 
den  inneren  Rand  der  Parastaten,  und  dahin  ist  also  auch  der 
obere  linke  Spannkopf  zu  rücken. 

Ganz  anders  steht  es  mit  dem  Mündungsloche.  Es  ist  bereits 
erwähnt  worden,  dass  man  links  ins  Innere  hineinsieht,  so  dass 
es  nicht  von  vorn,  sondern  von  rechts  her  dargestellt  erscheint. 
Ferner  ist  die  Verzierung  des  Schildes  an  der  rechten  Seite  so 
zusammengedrückt,  dass  der  rechte  Bogen  nur  etwa  die  Hälfte  der 


182  R.    SCHNEIDER 

richtigen  Breite  erhalten  hat.  Endlich  nagelt  doch  jeder  Schmied 
oder  Stellmacher  seinen  Eisenbeschlag  so  an,  dass  die  Nägel  in 
gleichem  Abstände  von  einander  sich  befinden,  und  dass  von  dreien 
der  mittlere  genau  auf  dem  rechten  Flecke  sitzt :  auf  dem  Relief 
aber  ist  unten  der  Mittelnagel  dem  rechten  erheblich  näher,  —  und 
doch  sitzt  er  richtig,  denn  er  hat  seinen  Platz  genau  unter  dem 
Mündungsloche.  Die  Erklärung  ist  einfach  genug.  Vedennius  hat 
an  den  Wanderer  gedacht,  der  einstmals  an  seiner  Grabstätte  an 
der  Via  Nomentana  vorübergehen  würde.  Wenn  der  die  Inschrift 
gelesen  hatte  und  sich  dann  das  Relief  auf  der  linken  Nebenseite 
betrachten  wollte,  so  zwängte  er  sich  nicht  in  die  Reihe  der  Grab- 
steine hinein,  um  das  Bild  von  vorne  zu  sehen,  sondern  trat  vorne 
einen  Schritt  nach  links  und  hatte  nun  das  Relief  in  seiner  per- 
spektivischen Verkürzung  vor  sich,  • —  genau  so  wie  es  Vedennius  auf- 
genommen hatte  (1).  Und  nun  werden  wir  uns  hüten,  demsel- 
ben Meister  einen  Fehler  aufzubürden,  der  gegen  die  Konstruk- 
tionsgesetze der  Geschütze  verstösst,  sondern  mit  Fug  und  Recht 
sagen :  der  falsch  dargestellte  Spannkopf  ist  auf  der  Vorzeichnung 
auch  richtig  gewesen,  es  kann  nur  der  Steinmetz  dafür  verantwort- 
lich gemacht  werden. 

Nach  der  oben  gegebenen  Definition  ist  das  Geschütz  des 
Vedennius  ein  Palintonon,  weil'  der  Nervenstrang  wiederholt,  über 
die  beiden  Spannbolzen  gezogen  ist.  Die  Form  und  die  Masse  des 
Mündungsloches,  die  auf  ein  Pfeilgeschoss  schliessen  lassen,  spre- 
chen nicht  dagegen.  Allerdings  sagt  Philon  (ed.  R.  Schoene  54, 
47),  indem  er  vom  Palintonon  zum  Euthytonon  übergeht:  xal 
tcc  [x&v  fodoßohxct  tcov  ogyccvcov  eksyov  dslv  Tovrcp  xy  TQoncp 
GwCtivatidca.    tce   ii    ö£vßslrj,    xa&ou    [xäkkofisv    dyXovv,    d.    h. 

(!)  Da  die  perspektivische  Art  der  Darstellung  an  dem  Grabsteine  des 
Vedennius  von  den  Archäologen  noch  nicht  bemerkt  worden  war,  und  ich 
selbst  kein  anderes  Beispiel  dafür  zu  finden  wusste,  wandte  ich  mich  an 
Walter  Altmann,  der  mit  Grabsteinen  trefflich  Bescheid  weiss,  und  er  be- 
stätigte mir  in  einem  ausführlichen  Briefe,  dass  meine  Annahme  gar  keine 
Schwierigkeiten  habe.  Aus  der  Zahl  seiner  Belege  führe  ich  hier  nur  die 
Cinerar-Ara  der  Messerschmiede  aus  der  Galleria  Lapidaria  147  an,  die 
bei  Amelung,  Vatikan.  Museum  auf  Tf.  XXX  abgebildet  ist;  hoffentlich 
wird  Altmann  bald  die  Gelegenheit  finden,  seine  eingehenden  und  gründli- 
chen Studien  über  die  Verwendung  der  Perspektive  allen  zugänglich  zu 
machen. 


GESCHUETZE  AUF  ANTIKEN  RELIEFS  183 

i  und  die  Steinwerfer  unter  den  Geschützen,  sagen  sie,  mussten 
auf  diese  (vorbeschriebene)  Art  konstruiert  werden ;  die  Pfeilwerfer 
aber  so,  wie  wir  es  nunmehr  zeigen  wollen  ■ .  Wir  wissen  aber  aus 
Herons  ßelopoeica  (ed.  Wescher,  p.  74,  7)  ganz  bestimmt  (denn 
die  Unsicherheit  der  Textesworte  hat  den  Sinn  der  Stelle  zum 
Glücke  nicht  angetastet),  dass  die  Geschossart  keinen  durchgrei- 
fenden Unterschied  macht :  ia  plv  sv&vvovcc  olüTovg  fiovovg 
ag>irj<fi,  xa  d&  naXivxova  svioi  xal  Xi&oßoÄa  xaXovGi,  dia  %b 
Äi&ovg  i^anoCtsXXsiv  rj  xal  olc  t  ovg'  Tzeiinei  ds  toi  oltstovg 
rj...  xal  (fvvcefMpÖTSQa,  was  Köchly  und  Rüstow  1,  203  dem  Sinne 
nach  getreu  wiedergegeben  haben :  «  die  Euthytona  entsenden  nur 
Pfeile;  die  Palintona  nennen  einige  auch  Steinwerfer,  weil  sie 
Steine  entsenden ;  sie  werfen  freilich  auch  Pfeile  oder  auch  beides » . 
Nach  diesem  Zeugnisse  Herons  bleibt  es  —  wenigstens  vorläufig  — 
unentschieden,  ob  das  Geschütz  des  Vedennius  nur  auf  Pfeile 
eingerichtet  war,  oder  ob  man  den  Schild  auch  abnehmen  und 
statt  der  gewöhnlichen  strickartigen  Bogensehne  die  für  das  Stein- 
geschoss  notwendige  gürtelartige  Sehne  an  die  Bogenarme  anknüpfen 
konnte :  genug,  das  ändert  nichts  an  der  Tatsache,  dass  wir  auf  dem 
römischen  Relief  ein  Palintonon  vor  uns  haben,  das  in  ganz  beson- 
derem Masse  als  getreu  und  zuverlässig  gelten  muss,  weil  die 
Vorlage  von  einem  kundigen  und  geschickten  Zeichner  entworfen 
ist,  der  berufsmässig  Geschütze  zu  konstruieren  hatte. 


Auf  die  in  den  Reliefs  der  Trajanssäule  dargestellten  Geschütze 
—  es  sind  ihrer  im  ganzen  sieben,  alle  von  gleicher  Art  und  von 
gleichem  Baue  —  soll  für  diesmal  nicht  eingegangen  werden. 
Sie  sind  bei  Fröhner  und  Cichorius  mit  genügender  Deutlichkeit 
reproduziert:  Art  und  Bau  ist  auf  den  Säulenreliefs  getreu  und 
klar  wiedergegeben,  dagegen  wäre  es  bei  der  genugsam  bekannten 
Art  ihrer  Darstellung  ganz  zwecklos,  an  ihnen  genaue  Messungen 
der  Geschütze  und  ihrer  Teile  vorzunehmen.  Viel  wichtigere  Quellen 
unserer  Kenntnis  werden  aus  den  Texten  der  Techniker  und  den 
handschriftlichen  Bildern  zu  denselben  zu  erschliessen  sein.  Die 
Metzer  *  Gesellschaft  für  lothringische  Geschichte  und  Altertums- 
kunde »,  welche  Schramms  Rekonstruktionen  unterstützt  und  ge- 
fördert hat,  wird  diese  grundlegenden  Vorarbeiten  veröffentlichen, 


184  R.    SCHNEIDER,    GESCHUETZE    AUF    ANTIKEN    RELIEFS 

und  die  Direktion  des  Saalburg-Museums  hat  sich  bereit  erklärt, 
für  weitere  Rekonstruktionen  Schramms  die  ausreichenden  Mittel 
zu  beschaffen.  Mit  dieser  dankenswerten  Unterstützung  dürfen  wir 
hoffen,  unsere  Kenntnisse  von  der  antiken  Artillerie  zu  sichern 
und  erheblich  zu  erweitern. 

Rudolf  Schneider. 


NACHTRAG  zu  S.  130. 

Nachträglich  bemerke  ich,  dass  die  Praxis,  den  Umriss  einer 
Relieffigur  mit  einer  vertieften  Linie  zu  markieren,  in  Rom  schon 
am  Ende  der  flavischen  Zeit  nachweisbar  ist.  Auf  einem  grossen 
Grabrelief  im  capitolinischen  Museum  (Foggini,  Museo  capitolino 
IV  Tav.  XX;  Mori,  Sculture  del  M.  C.  tav.  6;  Nuova  descri- 
zione  p.  112  f.)  ist  der  Kopf  des  auf  der  Kline  liegenden  Mannes 
und  zum  Teil  auch  der  des  Knaben  mit  dem  Zählbrett  von  einer 
solchen  Linie  umzogen.  Die  Frau,  die  rechts  neben  der  Kline  sitzt, 
hat  eine  Frisur  der  flavischen  Zeit ;  nach  den  Köpfen  des  Liegen- 
den und  der  Medaillon-Büste  würde  man  schon  auf  trajanische  Zeit 
raten ;  ein  solches  Nebeneinander  trajanischer  und  flavischer  Indi- 
cien,  das  auf  den  Uebergang  der  einen  Epoche  in  die  andere  deutet, 
rindet  sich  auch  auf  einer  Grabara  in  der  Galleria  lapidaria  des 
Vatican  (Die  Sculpturen  des  vaticanischen  Museums  GL.  115  a). 

W.  Amelung. 


ERWIDERUNG. 


A.  Schulten  hat  sehr  dankenswerter  Weise  in  diesen  Mittei- 
lungen XIX  S.  253  f.  ein  Architekturstück  aus  Pietrabbondante 
veröffentlicht,  das  mir  bei  meiner  Anwesenheit  im  Jahre  1903 
(vgl.  Mitt.  XVIII,  1903,  141  ff.)  entgangen  war. 

Das  Stück  besteht  vermutlich  aus  Tuff  oder  Kalkstein,  welche 
für  die  Bauten  von  Bovianum  vetus,  soviel  ich  weiss,  ausschliess- 
lich zur  Verwendung  gekommen  sind.  Es  ist  ein  auf  drei  Seiten 
profilierter  Block,  0,32  m.  hoch,  0,48  breit,  0,25  tief;  die  Aus- 
ladung der  Profilierung  beträgt  0,25  m.,  die  grösste  Breite  also 
0,73  m.  Die  nicht  profilierte  senkrechte  Fläche  des  Blockes  wird 
eine  Anschlussfläche  sein,  die  untere  Lagerfläche  scheint  eben,  auf 
der  oberen  sieht  man  die  Hälfte  einer  beckenförmigen  Aushöhluug, 
deren  andere  Hälfte  in  einen  anstossenden  Block  eingearbeitet  war. 
Die  Profilierung  —  von  unten  nach  oben  beschrieben  —  zeigt 
Taenia,  Triglyphen  —  auf  der  Breitseite  drei,  auf  den  Schmalseiten 
vermutlich  anderthalb,  —  gerades  Gesims  mit  glatter  Hängeflä- 
che, die  hohe  Stirnfläche  in  der  unteren  Hälfte  sculpiert  mit  sehr 
schmalem  Zahnschnitt  zwischen  zwei  dünnen  Profilen,  einem  lesbi- 
schen unten,  einem  Viertelstab  oben.  Die  Aushöhlung  in  der  obe- 
ren Fläche  des  Steines  betrachtet  Schulten  als  jünger,  soweit  ich 
sehe,  ohne  zwingenden  Grund.  Vielleicht  ist  sie  antik,  und  dann 
hätten  wir  die  Hälfte  eines  Beckens  vor  uns,  das  durch  einen  an- 
dern entsprechenden  Block  ergänzt  wurde  und  in  einem  Sockel 
von  etwa  quadratischem  Querschnitte  lag  (0,48:  0,50,  wenn  der 
zweite  Block  dem  ersten  genau  entsprach,  vielleicht  auch  0,48: 
0,48).  Aber  selbst  wenn  die  Höhlung  nachantik  sein  sollte,  dürfte 
das  von  Schulte  veröffentlichte  Stück  als  ein  Teil  der  Deckplatte 
eines  Postamentes  zu  betrachten  sein,  weil  seine  Profilierung  und 
Dekoration   derjenigen  entspricht,  die   im  grossgriechisch-helleni- 

13 


186  R.    DELBRUECK. 

stischen  Kunstkreise  für  die  Gesimse  von  Altären  etc.  beliebt 
war.  Einige  Beispiele,  welche  mir  im  Augenblicke  zur  Hand  sind, 
stelle  ich  in  der  Anmerkung  zusammen  (!).  Ausser  an  Posta- 
menten finden  sich  ähnliche  Deckplatten  wohl  nur  vereinzelt  an 
sehr  schweren  Pfeilern  wie  sie  z.  B.  am  Bühnenhause  des  Thea- 
ters von  Aizani  das  untere  Stockwerk  bilden  (2). 

Schulten  ist  anderer  Ansicht :  er  sagt  das  Stück  sei  ein  i  dori- 
sches Antenkapitell  ■ .  Ich  muss  gestehen,  dass  mir  aus  dem  Kul- 
turkreise, zu  dem  Bovianum  vetus  gehört,  ein  irgend  ähnliches  An- 
tenkapitell nicht  bekannt  ist;  meistens  haben  solche  in  Sicilien 
und  Süditalien  die  Form  eines  lesbischen  Kymas  mit  Hohlkehle 
darüber,  selten  tritt  j  noch  ein  schmales  Profil  anderer  Art  dazu, 
aber  niemals  ist  wenigstens  mir  bisher  ein  Triglyphenfries  am  Hals 
und  ein  ausladendes  Gesims  mit  Zahnschnitt  begegnet  (3).  Da 
auch  ausserhalb  des  grossgriechischen  Kulturkreises  Antenkapitelle 
der  Form  des  in  Rede  stehenden  Stückes  meines  Wissens  nicht 
vorkommen,  muss  man,  so  scheint  mir,  Schultens  Auffassung  so 
lange  zurückstellen  bis  er  Analogien  liefert.  Dieses  ■  Antenkapi- 
tell ■  nun,  so  schliesst  Schulten  weiter,  habe  an  der  einen  vorde- 
ren Ecke  des  Tempels  von  Bovianum  vetus  seinen  Platz  gehabt, 
weil  es  in  den  Maassen  passe,  und  in  dem  Ausgrabungsbericht 
von  1859  erwähnt  werde.  Auch  hier  kann  ich  Schulten  nicht  folgen. 
Die  Uebereinstimmung  der  Maasse  ist  zwar  vorhanden,  aber  ent- 
scheidet selbstverständlich  nichts;  und  der  Fundbericht  sagt,  es  sei 
ein  Eckpilasterkapitell  gefunden  worden  —  oder  was  die  Ausgrä- 
ber dafür  hielten  —  •  modulato  con  ovolo  e  grande  tegola,  quasi- 
chö  dl  ordine  toscano  » ;  das  kann  sich  kaum  auf  das  in  Rede 
stehende  Stück  beziehen,  bei  dem  der  feine  Yiertelsstab  über  dem 
Zahnschnitte  zu  wenig  hervortritt,  um  bei  einer  kurzen  Beschrei- 
bung ausser  der  Deckplatte  allein  erwähnt  zu  werden,  unter  Ue- 

0)  Grabmäler  aus  Akrae,  Serradifalco  IV  T.  33;  Altar  des  Hieron 
Koldewey-Puchstein  S.  73  F.  56;  Pompeji,  Altar  des  'Zeus  Meilichios  ' 
Mazois  IV  T.  6 ;  Capua,  Grabmäler  aus  der  Nekropole,  Museo  Campano ;  Prae- 
neste,  Seminario,  Phot.  Moscioni,  Canina  VI,  T.  117. 

(a)  Lebas-Reinach  T.  259. 

(3)  Selinus  B,  Koldewey-Puchstein  S.  94  F.  67;  Oratorium  des  Phala- 
ris  ebd.  S.  182  F.  27;  Buscemi,  Notizie  1899  s.  452  f.;  Pompeji,  Mazois  II 
T.  18;  Capua,  Riesenaltar  aus  der  Nekropole,  Museo  Campano. 


ERWIDERUNG  187 

bergehung  des  Zahnschnittes  und  der  Triglyphen,  passt  aber  genau 
auf  ein  Postament,  das  noch  jetzt  im  Tempel  liegt,  und  von  dem 
ich  eine  Profilskizze  gegeben  habe  (a.  a.  0.  S.  156  F.  6,  d).  Wenn 
Schulten  ferner  den  von  mir  angenommenen  geschlossenen  Prodomos 
des  Tempels  als  «  im  höchsten  Grade  problematisch  ■ ,  bezeichnet, 
so  würden  die  Gründe  dieses  so  bestimmten  Urteils  mich  auf  das 
lebhafteste  interessieren ;  es  sind  erhalten  drei  Steine  der  Vorder- 
wand und  die  Türschwelle  mit  Angelpfannen  und  Kiegellagern, 
und  ich  vermag  nicht  zu  sehen,  wie  man  diese  Tatsachen  mit 
einer  anderen  Rekonstruktion  vereinigen  will,  so  gern  und  dankbar 
ich  mich  auch  eines  besseren  werde  belehren  lassen.  Ob  die  Vor- 
derwand etwa  nur  halbhoch  war,  oder  Fenster  hatte,  oder  viel- 
leicht auch  die  von  Degering  bei  Schulten  vorgeschlagene  äusserst 
befremdliche  Gestalt  aufwies,  —  darüber  möchte  ich  nicht  urtei- 
len, weil  ich  bei  dem  Mangel  an  Belegstücken  keinen  Weg  sehe, 
um  zu  einer  Sicherheit  zu  gelangen.  Die  Analogien  für  einen  Pro- 
naos  mit  ganz  geschlossener  Vorderwand  wären  übrigens  die 
häufigsten  (').  Da  ich  vermute,  dass  auch  andere  Archaeologen, 
die  sich  mit  antiker  Baukunst  beschäftigen,  die  von  mir  hier  vor- 
getragenen Bedenken  teilen  werden,  würde  ich  es  für  recht  dan- 
kenswert halten,  wenn  Schulten  sie  zerstreuen  wollte. 

Berlin,  Juni  1905. 

R.  Delbrüeck. 

(»)  Belege  vgl.  Delbrüeck,  Signia,  S.  24  f. 


NOCHMALS  MICON  UND  PERO. 


Auf  das  dem  pompeianischen  Bilde  von  Micon  und  Pero  bei- 
geschriebene Epigramm  (Mitth.  XIX  1904  S.  259-263)  zurück- 
zukommen veranlasst  mich  ein  in  Atene  e  Roma  VIII  1905 
Sp.  211-219  erschienener  Aufsatz  eines  jungen  neapolitanischen 
Gelehrten,  F.  C.  Wick.  Der  Aufsatz  ist  übermässig  lang  und 
enthält  mancherlei  überflüssiges  (1)  und  auch  verfehltes;  aber  er 
bedeutet  in  so  fern  einen  Fortschritt,  als  der  Vf.  die  zweite 
Hälfte  der  dritten  Zeile  besser  gelesen  hat  als  seine  Vorgänger. 
Es  ist  richtig,  dass  hier  deutlich  DIGNVM  •  OPVS  ■  EST  steht, 
noch  deutlicher  als  es  nach  Wick's  Worten  (217)  scheinen  könnte: 
D  und  I  sind  nicht,  wie  er  sagt,  irgendwie  mit  einander  vermischt, 
und  auch  der  erste  Strich  des  N  ist  sichtbar;  das  P  konnte  ich 
im  Original  nicht  mehr  entdecken,  aber  es  ist  in  Sogliano's  Facsi- 
mile,  wo  der  ganze  Passus,  sind  wir  einmal  darauf  aufmerksam 
geworden,  hinlänglich  deutlich  zu  lesen  ist.  Verfehlt  ist  es  aber, 
wenn  er  vorher  sANE  liest:  sane  dignum  opus  est.  Das  dürftige 
Füllwort  und  das  absolut  gesagte  dignum  könnten  wir  doch  nur 
auf  Grund  ganz  sicherer  Lesung  annehmen.  Wick  hat  aber  hier 
nicht  gut  gelesen ;  hinlänglich  klar  steht  da  AEVO :  aevo  dignum 
opus  est,  was  vollkommen  befriedigend    ist.    Opus    ist   natürlich 

(*}  Es  heisst  doch  wirklich  dem  Leser  zuviel  zumuten,  wenn  die  ohne 
Kenntniss  des  Facsimile  unternommene  und  daher  weder  mit  dem  Ptaum 
noch  mit  dem  Schriftresten  vereinbare  Restitution  Buechelers  nun  auch  noch 
zwei  Spalten  hindurch  sachlich  zerpflückt  wird  —  cui  bono?  —  und  wenn  die 
Lesung  erst  auf  Grund  des  Facsimile  und  dann  erst  auf  Grund  der  erneuten 
Prüfung  des  Originals  besprochen  wird.  Solche  Exercitien  sollten  lieber  un- 
gedruckt bleiben. 


A.    MAU,    NOCHMALS    MICON    UND    PERO  189 

nicht  das  Kunstwerk,  sondern  die  Handlung  der  Pero.  Das  Ge- 
richt ist  Auslegung  des  Bildes.  Die  leere  und  nichtssagende 
Anpreisung  würde  nur  störend  dazwischen  treten,  während  für 
die  Handlung  aevo  dignum  ein  gutes  Praedicat  ist.  Ueber  opus 
in  diesem  Sinne  s.  Georges. 

Bei  Prüfung  der  Buchstabenreste  an  den  verblichenen  Stel- 
len sind  zweierlei  Spuren  sorgfältig  zu  unterscheiden.  An  wenigen 
Stellen  sind  Reste  der  weissen  Farbe  der  Buchstaben  geblieben; 
diese  Spuren  sind  natürlich  vollständig  zuverlässig.  In  weit  grös- 
serer Ausdehnung  aber  ist  diese  Farbe  abgefallen  und  hat  die 
grünlich-graue  Farbe  des  Grundes,  auf  den  sie  aufgesetzt  und  mit 
dem  sie  fest  verbunden  war,  mitgenommen,  so  dass  nun  die  Buch- 
staben als  Lücken  in  dem  Grunde  erscheinen.  Diese  Spuren  sind 
natürlich  nur  dann  zuverlässig,  wenn  die  Buchstabenform  deut- 
lich hervortritt.  Denn  Lücken  im  Grunde,  Abblätterungen,  giebt 
es  auch  sonst,  auch  zwischen  den  Zeilen,  und  wo  sie  dicht  stehen 
wird  man,  je  länger  man  hinsieht,  um  so  mehr  versucht  sein,  sie 
zu  Buchstaben  zu  verbinden:  hier  ist  der  Autosuggestion  Tür 
und  Tor  geöffnet.  Nun  ist  hier  von  dem  A  der  linke  Schräg- 
strich und  der  Punkt,  in  den  er  ausläuft,  als  Farbrest  deutlich 
erhalten,  besonders  deutlich  der  Punkt,  der  rechte  Schrägstrich 
als  Lücke.  Da  wo  die  Krümmung  des  S  sein  müsste,  ist  der  Grund 
gut  erhalten  und  es  ist  vollkommen  klär,  dass  sie  nicht  vorhan- 
den war.  Das  E  ist  in  Original  und  Facsimile  so  zweifellos  deut- 
lich, dass  man  nicht  begreift,  wie  Wick  hier  ein  A  sehen  konnte. 
Auch  das  V  ist  deutlich:  es  ist  unzutreffend,  wenn  W.  sagt,  die 
erste  Hasta  sei  zu  schräg,  die  zweite  zu  steil.  Und  der  ganze 
Kreis  des  O  ist  als  (wenn  auch  schwacher)  Farbrest  kenntlich; 
die  Querlinie,  die  W.  verführt  hat  hier  ein  E  zu  sehen,  ist  Ab- 
blätterung. Damit  ist  der  zweite  Hexameter  hergestellt. 

Nun  der  Schluss  der  vierten  Zeite  der  Inschrift.  Wick  glaubt 
am  Ende  VT  zu  sehen,  und  ergänzt  weiter:  aspice  iam  ut  venae 
lade  meante  micant.  Von  dem  Schluss  dieses  Pentameters  soll 
gleich  die  Rede  sein.  Dass  aber  VT  unmöglich  ist,  bedarf  für 
keinen  Kenner  lateinischer  Poesie  irgendwelcher  Begründung.  Aus- 
serdem aber  steht  auch  das  was  V  sein  müsste  in  der  Senkrech- 
ten der  Endbuchstaben  der  Zeilen,  das  vermeintliche  T  —  ich 
glaube  es  gesehen  zu  haben:  es  sind    ganz   unsichere    Spuren  — 


190  A.    MAU 

rechts  derselben,  obgleich  in  der  Zeile  auch  für  iam  at  reichlich 
Platz  gewesen  wäre.  So  hätte  also  der  Schreiber  die  sonst  genau 
innegehaltene  Zeilenlänge  unnötiger  Weise  überschritten,  um  ein 
ganz  überflüssiges,  den  guten  Pentameter  heillos  verderbendes 
Wort  einzuschieben.  Nein:  aspice,  iam  venae  ist  vollkommen 
befriedigend,  und  das  M  am  Schluss  der  Zeile  hinlänglich 
deutlich.  Der  Kaum  ist  für  aspice  iam  reichlich  gross.  Aber 
das  darf  uns  nicht  stören.  Der  Schreiber  befand  sich  in  einer 
Zwangslage:  er  hält  darauf,  dass  die  Zeilenenden  —  ausser 
Z.  6  und  7,  wo  das  Bild  hindernd  dazwischen  tritt  —  senkrecht 
unter  einander  stehen;  Wortbrechung  am  Zeilenschluss  vermeidet 
er;  venae  konnte  er  nicht  mehr  in  diese  Zeile  bringen;  so  blieb 
ihm  garnichts  anderes  übrig,  als  die  Buchstaben  weitläuftig  zu 
stellen  und  mit  aspice  iam  den  Rest  der  Zeile  auszufüllen. 

Weiter  Zeile  5,  der  Schluss  eben  dieses  Pentameters  und 
der  Anfang  des  folgenden  Hexameters.  In  Anlehnung  an  Bueche- 
ler  ergänzte  ich  lade  replente  tument,  was  vollständig  befrie- 
digend ist.  W.  zieht  vor  lacte  meante  micant.  Denn  erstens'  sei 
nach  lacte  eher  M  al  RE  zu  erkennen.  Dies  bestreite  ich  auf  das 
bestimmteste.  Die  Reste  —  Farbreste  —  sehen  etwa  so  aus: 


J 


was  sehr  wohl  RE,  nicht  aber  M  sein  kann.  Zweitens  sei  für 
replente  tument  der  Raum  nicht  ausreichend.  Auch  dies  kann  ich 
nicht  zugeben:  replente  tument  incertoq  (oder  ambiguoq,  oder, 
wie  W.  will,  admotoq)  sind  22,  bezw.  21  Buchstaben.  In  der  fol- 
genden Zeile  entspricht  (f)riat  ipsa  Miconem  Pero,  19  Buchsta- 
ben, und  am  Schluss  bleibt  noch  Platz  für  2.  In  der  vorherge- 
henden Zeile  (cerv)ice  seniles  aspice  iam:  19  Buchstaben;  aber 
am  Schluss  mussten  sie,  wie  schon  eben  gesagt,  sehr  weitläuftig 
stehen,  so  dass  W.  iam  ut  vermuten  konnte.  Also  replente  ist  in 
jeder  Beziehung,  auch  dem  Sinne  nach,  dem  farblosen  meante 
vorzuziehen. 

Wir  erfahren  nicht,  weshalb  W.  das  ganz   einwandfreie   tu- 


NOCHMALS    MICON    UND    PERO  191 

ment  verschmäht  und  dafür  das  unmögliche  micant  setzt.  Es  soll 
heissen :  sie  pulsiren.  Stände  micant  deutlich  da,  so  müssten  wir 
uns  ja  damit  abfinden;  aber  wir  dürfen  doch  nicht  ein  Wort  in 
den  Text  hineinconjicieren,  mit  dem  der  Dichter  auf  etwas  auf- 
merksam machen  würde,  was  weder  in  Wirklichkeit  existiren  noch 
im  Bilde  dargestellt  sein  konnte.  Denn  wenn  auch  einmal  aller 
Physiologie  zum  Trotz  die  am  Halse  hervortretenden  Venen  pul- 
siert hätten,  so  hat  doch  die  Malerei  kein  Mittel  etwas  nur  in  der 
Zeitfolge  wahrnehmbares  darzustellen.  Auch  hätte  der  Dichter 
doch  wohl  den  Anklang  von  micant  an  Micon  vermieden,  der, 
wenn  beabsichtigt,  die  reinste  Albernheit  wäre. 

Am  Schluss  derselben  Zeile  glaubt  W.  vor  Q  noch  TO  zu 
erkennen.  Er  würde  deshalb  unter  den  drei  von  mir  vorgeschla- 
genen Wörtern  incertoq(ue)  vorziehen,  entscheidet  sich  aber  für 
admotoq(ue)  wegen  eines  etwas  weiter  links  sichtbaren  schrägen 
Striches,  den  er  für  den  ersten  Teil  eines  M  hält.  In  der  That 
könnte  es  nicht  gut  der  zweite  sein,  weil  links  von  ihm  der  graue 
Grund  ohne  Buchstabenrest  zu  gut  erhalten  ist.  Dann  aber  ist 
der  Raum  zwischen  M  und  Q  ungenügend  für  OTO ;  ja  er  würde 
auch  ungenügend  sein,  wenn  der  schräge  Strich  der  letzte  des  M 
wäre.  Ich  halte  diesen  Strich  für  eine  Beschädigung.  Er  ist  ja 
auch  im  Facsimile  sichtbar,  und  es  ist  dort  ziemlich  klar,  dass 
er  durch  andere  Spuren  hindurchgeht,  die  viel  besseren  Anspruch 
haben,  für  (leider  unlesbare)  Buchstabenreste  zu  gelten.  Auch  TO 
konnte  ich  trotz  häufig  wiederholter  Versuche  nicht  wahrnehmen 
und  glaube,  dass  Wick  hier  durch  die  allzu  lange  Betrachtung 
der  grade  an  dieser  Stelle  zahllosen  kleinen  Beschädigungen  irre 
geführt  worden  ist.  Farbenreste  sind  hier  absolut  keine,  nur  Ab- 
blätterungen. Ich  kann  also  admoto  nicht  für  hinlänglich  be- 
glaubigt halten.  Wie  minderwertig  es  aber  dem  Sinne  nach  ist, 
das  bedarf  doch  wohl  keiner  weiteren  Ausführung.  Es  findet  auch 
gar  keine  Stütze  in  dem  Bilde;  denn  die  leichte  Neigung  des 
Kopfes  so  zu  bezeichnen  ist  ganz  unzulässig.  Dagegen  wird  ein 
Wort  wie  incerto,  ambiguo  oder  dgl.  hier  so  dringend  erfordert, 
dass  nur  auf  Grund  deutlicher  Lesung  etwas  anderes  angenommen 
werden  dürfte.  Dies  nochmals  auszuführen  (s.  Mitth.  XIX  S.  262) 
ist  überflüssig. 


192  A.  MAU,  NOCHMALS  MICON  UND  PERO 

So  lautet  also  die  Inschrift: 

QVÄE  •  PÄRVlS  •  MXTER  •  NXTIS  •  ALIMENTÄ 
PXrXBÄTFORTVNX  •  IN-PÄTRlOS-  VERTIT 
INlQVÄ.ClbOSÄEVODlGNVM  •  OPVS  EST 
TEN  Vi  •  CERVICE  •  S E N  IL E S  •  ÄSP  ////////////////  M 
VENÄE  •  LÄCTE  ■  RE //////////////////// '///////// '//////  'Q 
SIMVL  ■  VOLTV  ■  FRIÄT  ?  IPSÄ  •  MICONEM  •  PERO 
TRISTIS  •  INEST  •  C VM  •  PIEtXtE  •  PVDOR 


Quae  parvis  mater  natis  alimenta  parabat, 
Fortuna  in  patrios  vertu  iniqua  cibos. 

Aevo  dignum  opus  est.   Tenui  cervice  seniles, 
Aspice,  iam  venae  lade  replente  tument. 

Ambiguoq(ue)  simul  voltu  friat  ipsa  Miconem 
Pero :  tristis  inest  cum  pietate  pudor. 


A.  Mau. 


Abgeschlossen  am  13.  November  1905. 


NOCHMALS  DIE  ALTE  SAEULE  IN  POMPEJI. 


In  Studi  e  Materialilll  1905  S.  216-229  veröffentlicht  G.  Pa- 
troni einen  Aufsatz :  Bau  alla  micenea  in  colonne  italo-doriche. 
Er  vertritt  hier  von  Neuem  seine  Auffassung  der  alten  Säule  in 
Pompeji,  dass  sie  nämlich  von  Anfang  an  eine  ■  mykenische  Basis  » 
gehabt  habe,  gegenüber  meinen  Ausführungen  Mitt.  XIX  1904 
S.  124-131.  Die  dort  geltend  gemachten  Tatsachen  erklärt  er  teils 
anders,  teils  leugnet  er  sie. 

Ein  Hauptargument  war  für  mich,  dass  die  Peripherien  der 
«  Basis  t  und  des  auf  ihr  stehenden  reducirten  Schaftes  nicht  con- 
centrisch  sind.  ■  Wer  möchte  annehmen  » ,  so  fragte  ich,  ■  dass  man 
ohne  denkbaren  Zweck  die  Säule  auf  ihrer  Basis  um  einige  Centi- 
meter  verschoben  hätte,  mit  solcher  Vorsicht,  dass  die  drei  Stücke, 
aus  denen  sie  besteht,  genau  in  ihrer  ursprünglichen  Lage  blieben?  ■ . 
In  der  Tat  liegen  die  beiden  Schaftstücke  so  fest  und  genau  auf 
einander,  dass  niemand  auf  den  Gedanken  kommen  wird,  sie  hätten 
je  eine  Störung  erlitten.  Mit  dem  Kapitellstück  ist  es  etwas  an- 
ders; davon  gleich.  Patroni  meint  nun,  die  Säule  sei  durch  ein 
Erdbeben  seitwärts  geschoben  worden.  Und  wenn  die  beiden  Schaft- 
stücke so  ungestört  beisammen  geblieben  sind,  so  vermutet  er,  sie 
seien  wohl  durch  einen  Zapfen  verbunden.  Das  Kapitellstück  aber, 
so  sagt  er,  sei  in  der  Tat  um  c.  0,03  nach  Osten  verschoben  wor- 
den. Also  ein  Erdstoss  warf  den  Schaft  nach  Süden,  das  Kapitell 
nach  Osten :  darüber  mag  sich  Patroni  mit  den  Sismologen  aus- 
einander setzen.  Aber  wie  kam  man  dazu,  in  dieser  einen  Fuge 
einen  so  mächtigen  Zapfen  anzubringen,  nicht  aber  in  den  anderen  ? 
Und  hätte  doch  Patroni,  statt  zwei  Maurermeister  wegen  der  Ober- 
fläche der  Säule  zu  consultieren,  einmal  einen  Ingenieur  gefragt, 
wie  denn  ein  solcher  Zapfen  beschaffen  sein  müsste,  mittels  dessen 
eine  0,685  hohe  Säulentrommel,   durch   einen   Erdstoss   seitwärts 

14 


194  A.    MAU 

geworfen,  die  auf  ihr  stehende,  1,66  hohe  so  mit  sich  führen  könnte 
als  ob  es  nur  ein  Stück  wäre.  Ich  habe  dies  gethan  und  natürlich 
die  Antwort  erhalten,  das  sei  nicht  möglich  :  auch  der  stärkste 
Zapfen  müsste,  wenn  aus  Holz  brechen,  wenn  aus  Metall  sich  bie- 
gen. Es  ist  ferner  nicht  wahr,  dass  das  Kapitellstück  um  3  Cm. 
nach  Osten  verschoben  ist.  Dann  müsste  ja  im  Westen  das  untere 
Stück  um  0,03  vor  das  obere,  im  Osten  dieses  um  eben  so  viel 
vor  das  untere  vorspringen.  Statt  dessen  springt  zwar  im  Westen 
die  grosse  Schafttrommel  um  kaum  0,015  vor  das  an  das  Kapitell 
angearbeitete  Schaftstück  vor ;  im  Osten  dagegen  liegen  beide  Pe- 
ripherien vollkommen  senkrecht  über  einander.  Es  war  also  das 
Kapitellstück  separat  gearbeitet  und  etwas  zu  klein  geraten,  und 
man  hat  dann  vorgezogen,  es  so  zu  legen,  dass  die  Differenz  nicht 
ringsum  sondern  nur  im  Westen  hervortrat ;  natürlich  war  sie  durch 
den  Stuck  ausgeglichen  (l).  Also  mit  dem  Erdbeben  ist  es  nichts. 
Wenn  dann  Patroni  noch  meint,  die  Säule  habe  auch  auf  andere 
Weise  verschoben  werden  können,  so  muss  ich  nähere  Präcisirung 
dieser  mir  einstweilen  unverständlichen  Behauptung  abwarten.  Dass 
es  durch  Menschenhand  geschehen  sei,  gehört  zu  den  allerunglaub- 
lichsten  Dingen. 

Nun  aber  die  Hauptsache.  Es  ist  nicht  genau,  wenn  Patroni 
nur  so  einfach  sagt,  dass  der  Schaft  irn  Süden  um  2  Cm.  hinter 
die  i  Basis  »  zurücktritt,  gegen  4,  6  und  7  auf  den  anderen  Seiten. 
Das  Zurücktreten  des  Schaftes  auf  der  Südseite  reicht  nur  bis  kaum 
0,15  über  der  «Basis»;  wenn  in  dieser  Höhe  (man  könnte  auch 
sagen  0,10)  noch  eine  Differenz  ist,  so  beruht  sie  nur  auf  dem  an 
der  ■  Basis  ■  erhaltenen,  am  Schaft  fehlenden  Stuck.  Von  da  ab 
verjüngt  sich  der  Schaft  erst  wenig,  dann  immer  stärker  nach  oben. 
Da  nun  dies  geringe,  übrigens  ganz  rauhe  und  unregelmässige  Zu- 
rückweichen auf  eine  Höhe  von  nur  10-15  Cm.  unmöglich  als  be- 
absichtigte Kunstform  gelten  kann,  so  ist  also  auf  der  Südseite 
weder  Zurücktreten  des  Schafts  gegen  die  «  Basis  »  noch  Ver- 
jüngung nach  unten  vorhanden,  sondern  wir  haben  von  unten  an, 

f1)  Dies  ist  auf  der  sehr  guten  Photographie,  nach  der  P.'s  Fig.  1  ge- 
macht ist,  vollkommen  klar.  Die  Figur  selbst  ist  merkwürdig  schlecht  und 
undeutlich  geraten.  Ich  kann  mir  P.'s  Behauptung  nur  so  erklären,  dass  er 
diese,  nicht  die  Photographie  benutzt  hat :  ein  durchaus  nicht  empfehlens- 
wertes Verfahren. 


NOCHMALS   DIE    ALTE    SAEL'LE    IN    POMPEJI  195 

einschliesslich  « der  Basis ■ ,  das  Profil  einer  ganz  regelmässig  sich 
nach  oben  verjüngenden  Säule.  Dies  war  aus  dem  Mitt.  XIX 
S.  124  und  126  gesagten  hinlänglich  zu  entnehmen,  und  Patroni 
hätte  sich  bei  seiner  zweimaligen  Untersuchung  der  Säule  davon 
überzeugen  müssen.  Es  ist  sehr  leicht  wahrzunehmen:  wir  haben 
als  Senkrechte  die  Südfläche  der  Wand,  in  der  die  Säule  früher 
teilweise  verborgen  war ;  an  ihr  entlang  blickend  sieht  man  sofort, 
dass  die  Säule  in  der  Höhe  von  0,25  etwas  (vielleicht  1  Cm.)  vor 
sie  vortritt,  bei  0,50  in  gleicher  Fläche  mit  ihr  liegt,  bei  1,40 
(in  der  Höhe  des  jetzt  grössten  Durchmessers)  um  etwa  0,015,  weiter 
oben  also  noch  mehr  hinter  sie  zurücktritt. 

Wenn  nun  also  die  Verjüngung  nach  unten  nur  auf  drei  Seiten 
stattfindet,  auf  der  vierten  ganz  fehlt,  so  ergiebt  sich  daraus  mit 
Notwendigkeit,  dass  der  untere  Kreis  (es  ist  ein  ungefährer  Kreis) 
des  auf  der  *  Basis  »  stehenden  Schaftstückes  nicht  nur  der  Ober- 
fläche der  ■  Basis  ■  excenfrisch  ist,  sondern  auch  der  Kreisfläche 
des  oberen  Schaftendes,  kurz,  dass  die  Axe  der  Säule  nicht  das 
Centrum  des  redimierten  unteren  Schaltendes  trifft,  sondern  etwa 
3  Cm.  weiter  nördlich,  in  das  Centrum  der  Oberfläche  der  ■  Basis  » 
fällt,  dass  also  die  Säule  auf  ihrem  ursprünglichen  Platze  steht 
und  die  Excentricität  jener  beiden  Kreise  so  alt  ist,  wie  die  Ver- 
jüngung nach  unten.  Die  Verjüngung  selbst  ist  eben  excentrisch; 
und  da  dies  unmöglich  ursprüngliche  Kunstform  sein  kann,  so  bleibt 
gar  nichts  anderes  übrig,  als  dass  sie  das  Resultat  nachträglicher 
Verstümmelung  ist. 

Um  dies  ganz  klar  zu  machen  gebe  ich  umstehend  den  ungefähren 
NS-Durchschnitt  der  Säule  mit  Einzeichnung  der  Axe  und  punk- 
tirter  Andeutung  des  ursprünglichen  Profils.  Die  noch  später  im 
N  abgehackten  Teile  sind  heller  schraflirt. 

Dazu  kommt  nun,  dass  die  nach  unten  verjüngten  Teile  nir- 
gends den  geringsten  Rest  der  ursprünglichen  Oberfläche  zeigen, 
wie  sie  in  den  oberen  Teilen  kenntlich  ist,  vielmehr  überall  spä- 
tere Abarbeitung  und  Verstümmelung.  Es  ist  wirklich  eine  starke 
Leistung,  wenn  Patroni  diesen  offen  und  unverkennbar  zu  Tage 
liegenden  Tatbestand  leugnet.  Er  fasst  seinen  Widerspruch  in  fünf 
Punkte  zusammen,  die  ich,  um  keinen  Zweifel  zu  lassen,  einzeln 
bespreche. 

1.   «  Das  glattere  Aussehen  des  oberen  Teiles  beruht  auf  dem 


196 


A.    MAU 


hier  erhaltenen  Stuck».  Das  ist  nicht  wahr.  Hält  denn  Herr  Pa- 
troni  mich  für  so  m asslos  unverständig,  dass  ich  die  unteren  Teile 
für  überarbeitet  halten  sollte,  weil  sie,  ohne  Stuck,  nicht  den  stuck- 
bekleideten Teilen  der  oberen  Hälfte  gleichen  ? 
In  Wahrheit  ist  oben  ein  beträchtlicher  Teil 
der  Oberfläche,  in  unmittelbarem  Contact  mit 
deni  noch  vom  Stuck  bedeckten  (gegen  SW,  1. 
auf 'der  Abbildung  XIX  S.  125),  ohne  Stuck, 
sonst  aber  völlig  intact  erhalten;  sie  ist  durchaus 
charakteristisch:  nichtsehr  sorgfältig  bearbeitet, 
etwas  wellig,  aber  vollständig  glatt  (*).  Wir 
wissen  also  ganz  genau,  wie  die  nicht  über- 
arbeitete Steinoberfläche  aussieht  und  sind  voll- 
kommen in  der  Lage,  sie  mit  der  Oberfläche 
der  unteren  Teile  zu  vergleichen. 

2.  ■  Die  vermeintliche  Ueberarbeitung 
beschränkt  sich  nicht  auf  den  Teil  unterhalb 
des  jetzt  grössten  Durchmessers  (2),  sondern 
reicht  höher  und  lässt  nur  das  obere  Drittel 
frei;  cid  che  e  assurdo,  perche  lo  scalpellino 
non  avrebbe  potulo  raccordare  la  superficie 
e  sarebbe  stato  costretto  a  digrossare  ü  f'usto 
fino  al  capitello  » .  Dunkel  ist  der  Sinn  dieser 
letzten  Worte,  und  es  lohnt  nicht  die  Mühe 
ihm  nachzuspüren;  denn  um  so  klarer  ist  der 
wirkliche  Sachverhalt.  Die  ganz  charakteristische 
Abarbeitung  der  unteren  Teile,  mit  schrägen 
Strichen  von  1.  oben  nach  r.  unten,  ist  deutlich 
im  S  und  W  auf  der  untersten  Trommel,  im 
W  ein  weniges  auf  die  zweite  übergreifend 
und  hier  bis  0,82  über  dem  Plinthus  reichend. 
Darüber  im  W  bis  zu  c.  1,25  eine  abweichende,  offenbar  viel 
weniger  starke  Abarbeitung,  wohl  um  einen  Uebergang  herzu- 
stellen von    den    intacten    oberen    zu    den    stark    abgearbeiteten 


Fiff.  l 


(x)  Gut  sichtbar  auf  der  für  Patroni's  Fig.  1  benutzten  Photographie ; 
die  Eeproduction  ist  auch  hierfür  unbrauchbar. 

(2)  Diesen  nennt  P.  entasi,  obgleich  die  wirkliche  Entasis  oberhalb  des- 
selben deutlich  vorhanden  ist. 


NOCHMALS    DIE    ALTE    SAEULE    IN    POMPEJI  197 

unteren  Teilen.  Darüber  die  ursprüngliche  glatte  Fläche,  zum 
grossen  Teil  frei  von  Stuck.  Man  kann  aber  sagen,  dass  im  W 
oberhalb  1,15  die  alte  Fläche  ziemlich  intact  und  das  Profil  nicht 
wesentlich  alterirt  ist;  von  da  ab  beginnt  die  Verjüngung  nach 
unten  und  mit  ihr  die  spätere  Abarbeitung.  Im  Osten  beschränkt 
sich  die  Abarbeitung  mit  schrägen  Strichen  auf  die  unterste 
Trommel,  bis  0,79  über  dem  Plinthus.  Die  zweite  Trommel  ist 
im  S  und  0  sehr  rauh,  und  zwar  ist  klar,  dass  sie,  aus  weicherem 
Stein  als  die  untere,  starke  Corrosionen  erlitten  hat:  ganz  ähnliche 
Unebenheiten  und  Vertiefungen  zeigen  die  Säulenstümpfe  des 
Tempels  auf  dem  Forum  trianguläre,  wo  über  ihren  Ursprung 
kein  Zweifel  ist.  Dazwischen  sind  aber  auch  Meisselstriche  kennt- 
lich, namentlich  im  Osten:  es  scheint  dass  man  die  durch  Cor- 
rosion  entstandenen  Unebenheiten  durch  eine  freilich  sehr  rohe 
Bearbeitung  etwas  vermindern  wollte.  Dies  reicht  bis  reichlich 
1,60 ;  und  zwar  ist  offenbar  im  0  mehr  verloren  gegangen  als  im  S. 
Und  es  ist  ja  auch  aus  den  Abbildungen  (XIX  S.  125,  Patroni 
S.  218)  ersichtlich,  dass  im  0  eben  hier,  bei  1,60,  wenn  nicht 
die  Verjüngung  nach  unten  beginnt,  so  doch  die  Entasis  (die  wirk- 
liche, nicht  was  P.  so  nennt)  aufhört,  während  im  W  die  schön 
geschwungene  Profillinie,  mit  Verjüngung  nach  oben,  bis  1,15  hin- 
abreicht. Die  Abarbeitung  ist  eben  eine  ungleichmässige.  Was  P. 
daraus  für  Schlüsse  ziehen  will,  bleibt  unklar ;  es  mit  ihm  absurd 
zu  finden,  ist  bei  der  rohen  Art  dieser  ganzen  Ueberarbeitung  wirk- 
lich nicht  der  Mühe  wert :  wenn  P.  an  der  excentrischen  Verjün- 
gung nach  unten  keinen  Anstoss  nimmt,  so  kann  er  wohl  auch 
diese  Kleinigkeit  noch  mit  in  den  Kauf  nehmen. 

3.  «  Die  für  Abarbeitung  gehaltenen  Rauheiten  sind  z.  T. 
Vorbereitung  der  Oberfläche  zur  Aufnahme  des  Stuckes,  z.  T.  be- 
ruhen sie  auf  verschiedener  Beschaffenheit  des  Steines  (d.  h.  es 
sind  Corrosionen)  » .  Auch  dies  ist  nicht  wahr.  Von  den  Corrosionen 
war  schon  die  Rede  (2).  Und  auf  welche  Weise  die  Oberfläche  für 
den  Stuck  vorbereitet  wurde,  das  ist  doch  an  der  oberen  Hälfte 
der  Säule  vollkommen  kenntlich  (s.  oben  unter  1) :  sie  wurde  sorg- 
fältig geglättet,  nicht  rauh  gemacht.  Eben  so  charakteristisch  aber 
wie  diese  Glättung  ist  die  eigentümliche  Bearbeitung  des  unteren 
Teils  mit  schrägen  Meisselstrichen  von  1.  oben  nach  r.  unten.  Sie 
ist  besonders  deutlich  sichtbar  in  unserer  die  N.seite  darstellenden 


198 


A.    MAU 


Fig.  2  (dieselbe  Photographie,  die  ich  der  Freundlichkeit  Sogliano's 
verdanke,  liegt  auch  Patroni's  Fig.  2  zu  Grunde),  aber  auch  auf  der 
Mitt.XIX  S.  125  wiedergegebenen  Photographie,  während  Patroni\ 


Fig.  2. 


Fig.  1  auch  hier  versagt  (').  Diese  beiden  Arten  von  Oberfläche  unter 
einander  oder  mit  den  Corrosionen  zu  verwechseln  ist  ganz  unmög- 
lich ;  die  eine  ist  ausschliesslich  auf  den  nach  oben,  die  andere  eben 


(l)  Sehr  deutlich  auf  der  für  sie  benutzten  Photographie. 


NOCHMALS   DIE   ALTE    SAEULE    IN    POMPEJI  199 

so  ausschliesslich  auf  den  nach  unten  verjüngten  Teil  beschränkt. 
Patroni's  Behauptung  ist  also  ganz  unbegreiflich;  mag  er  selbst 
sehen,  wie  er  sie  verantworten  will.  Ich  bemerke  noch,  dass  die 
Abarbeitung  auf  der  Südseite  viel  schwächer  ist  als  auf  den  anderen 
Seiten,  so  schwach,  dass  sie  nicht  einmal  den  Stuck  vollständig 
entfernt  hat;  so  ist  hier  das  Profil  kaum  alterirt  und  Verjüngung 
nach  unten  findet,  wie  schon  oben  bemerkt,  nicht  statt. 

4.  « Ein  beträchtlicher  Teil  des  ursprünglichen  Stuckes  be- 
kleidet und  umfasst  noch  jetzt  den  Rand  (die  Kante)  der  Basis  ». 
D.  h.  also,  der  Stuck  bekleidet  nicht  nur  die  senkrechte,  sondern 
auch  einen  Teil  der  horizontalen  Oberfläche  der  «  Basis  » .  Wären 
wirklich  solche  Stuckreste  vorhanden,  so  könnten  sie  nach  dem  oben 
Ausgeführten  nicht  der  ursprünglichen  Stuckbekleidung  angehören. 
Aber  auch  diese  Behauptung  Patroni's  ist  nicht  wahr.  Nur  an  einer 
Stelle,  im  NW  (Fig.  2  r.  von  der  Mitte)  ist  der  Stuck  auf  einer 
Strecke  von  c.  15  Cm.  bis  an  die  Kante  erhalten,  aber  die  obere 
Fläche  bedeckt  er  auch  hier  nicht,  zeigt  auch  nicht  die  mindeste 
Neigung  umzubiegen  und  selbst  eine  Kante  zu  bilden ;  man  möchte 
fast  sagen :  es  ist  klar,  dass  er  weiter  senkrecht  aufstieg.  Wie  Pa- 
troni  zu  obiger  Behauptung  gekommen  ist,  bleibt  unklar.  Er  ver- 
weist auf  seine  Figur  2  (gleich  unserer  Fig.  2)  rechts :  hat  er 
vielleicht  die  dort  sichtbare,  von  der  Sonne  beschienene  und  daher 
weiss  erscheinende  Oberfläche  des  Plinthus  für  Stuck  der  «  Basis » 
gehalten?  Ich  suche  mildernde  Umstände.  Was  nutzt  aber  Pa- 
troni's zweimalige  Besichtigung,  wenn  er  sich  nachher  auf  Photo- 
graphien verlässt  und  diese  noch  missversteht? 

5.  Der  Werkführer  von  Pompeji,  C.  Davino,  und  sein  Bruder 
haben  Patroni  gesagt,  nach  ihrem  Urteil  habe  der  Säulenschaft 
keine  zweite  Bearbeitung  erfahren.  Ob  die  beiden  sehr  achtbaren 
Männer  sich  wohl  bewusst  waren,  in  ihrem  Gespräch  mit  Patroni 
ein  wissenschaftlich  zu  verwertendes  Gutachten  abzugeben?  Von 
mir  befragt  erklärte  der  eine  sofort  seine  gänzliche  Incompetenz; 
der  andere  musste  vor  der  Säule  selbst,  wie  es  ja  garnicht  anders 
möglich  war,  den  Unterschied  der  intacten  oberen  und  der  über- 
arbeiteten unteren  Fläche  anerkennen,  grade  so  wie  ich  ihn  sah, 
und  selbstverständlich  auch  die  daraus  sich  ergebende  Folgerung. 
Patroni  wird  doch  wissen,  wie  sehr  manchmal  die  Antwort  von  der 
Fragestellung  beeinflusst  wird;  brauchte  er  ein  Zeugnis,  so  konnte 


200  A.    MAU 

er  sich  an  einen  der  Verantwortlichkeit  seines  Gutachtens  bewussten 
Gelehrten  wenden.  Ich  habe  eben  diesen  Weg  für  den  allein  gang- 
baren gehalten,  und  da  ich  das  Glück  hatte,  mit  Herrn  Professor 
R.  Borrmann  in  Pompeji  zusammenzutreffen,  habe  ich  ihm,  dessen 
Competenz  niemand  bezweifeln  wird,  den  Fall  vorgelegt.  Wir  ha- 
ben zusammen  die  Säule  genau  untersucht,  und  Prof.  Borrmann 
ermächtigt  mich  zu  der  Erklärung,  däss  er  meine  Angaben  über 
den  Tatbestand,  gegenüber  den  ihm  bekannten  Angaben  Patroni's, 
rücklialtslos  bestätigt,  namentlich  in  Betreff  der  intacten  und  über- 
arbeiteten Oberfläche.  Auch  der  daraus  sich  ergebenden  Folgerung, 
dass  die  Verjüngung  nach  unten  und  die  « Basis »  Resultate  einer 
Ueberarbeitung  sind,  stimmt  er  bei.  Ich  will  nochmals  betonen, 
dass  es  sich  hier  überall  nicht  um  Dinge  handelt,  die  sich  leicht 
dem  Auge  entziehen  oder  die  man  so  und  auch  anders  sehen  kann ; 
der  Tatbestand  ist  vollkommen  zweifellos  und  klar :  wer  Gele- 
genheit hat,  die  Säule  zu  sehen,  wird  sich  ohne  viel  Zeitverlust 
von  der  Richtigkeit  meiner  Angaben  überzeugen;  wer  dies  nicht 
kann,  muss  sich  freilich  entscheiden,  ob  er  Patroni  oder  Borrmann 
und  mir  glauben  will.  Mag  nun  Patroni  auch  seinerseits  einen 
competenten  Gelehrten  auffordern,  vor  der  Säule  diese  meine  Aus- 
führungen zu  lesen  und  dann  ein  Gutachten,  namentlich  aber  ein 
Zeugnis  über  den  Tatbestand  abzugeben. 

Es  liegt  mir  fern,  den  guten  Glauben  meines  Gegners  in  Frage 
zu  stellen ;  er  ist  ja  nicht  der  erste,  den  eine  vorgefasste  Meinung 
(P.  sprach  die  seinige  öffentlich  aus,  bevor  er  die  Säule  gesehen 
hatte)  (l)  so  blendet,  dass  er  überall  nur  Bestätigungen  derselben 
sieht.  Aber  wem  das  begegnet,  der  hat  allen  Grund,  sorgsam  auf 
sein  Temperament  zu  achten,  dass  es  nicht  mit  ihm  durchgeht.  Was 
wird  sonst  aus  seiner  Glaubwürdigkeit? 

Damit  sind  die  entscheidenden  Argumente  erledigt.  Ihr  Re- 
sultat ist  so  zwingend,  dass  daneben  allerlei  kleine  Wahrschein- 
lichkeitsbetrachtungen, mit  denen  Patroni  operiert,  ganz  bei  Seite 
bleiben  können.  Wem  dies  nicht  genügt,  dem  kann  ich  nicht  helfen. 

(')  Patroni  wird  gewiss  der  Wissenschaft  noch  manchen  guten  Dienst 
erweisen.  Es  wäre  aber  gut,  wenn  er  nicht  gar  so  eilig  seine  Einfälle  in  die 
Druckerei  befördern  wollte.  Dann  wären  doch  vielleicht  auch  gewisse  wunder- 
same Varro-  und  Lukianinterpretationen  unediert  geblieben,  sehr  zum  Vorteil 
ihres  Urhebers. 


NOCHMALS    DIE    ALTE    SAEULE    IN    POMPEJI  201 

Die  vermeintliche  Basis  ist  mit  dem  Stylobatstein  aus  einem 
Stück  (l).  Diese  Besonderheit  glaubte  und  glaube  ich  noch  am 
wahrscheinlichsten  so  erklären  zu  können,  dass  man  aus  irgend 
einem  uns  unbekannten  Grunde  nach  Aufstellung  der  Säule  die 
Oberfläche  des  Stylobats  um  0,11  abgearbeitet  hat.  Patroni  (S.  226) 
erklärt  dies  mit  inconcludenten  Redewendungen  für  unmöglich  (2) ; 
dass  wir  das  Warum  nicht  wissen,  ist  ihm  Widerlegung  genug. 
Er  wird  nun  ja  ohne  Zweifel,  auch  wenn  er  sich  überzeugen  sollte 
dass  dies  unterste  Schaftstück  nicht  vortrat,  es  doch  für  eine  my- 
kenische  Basis  erklären  wollen.  Ich  habe  schon  früher  erklärt,  dass 
ich  auf  diese  Art  Fragen  nicht  eingehen  will :  sie  müssen  auf  viel 
breiterer  Grundlage  behandelt  werden.  Da  ich  aber  nicht  einzusehen 
vermag,  weshalb  meine  oben  angedeutete  Erklärung  unmöglich  sein 
soll,  so  scheint  mir  dies  mykenische  Ueberlebsel  einigermassen 
unsicher. 

Eine  solche  nicht  vor  den  Schaft  vortretende  mykenische  Basis 
will  nun  Patroni  auch  an  dem  dorischen  Tempel  auf  dem  Forum 
trianguläre  erkennen,  wo  ja  ebenfalls  an  den  erhaltenen  Säulen- 
stümpfen das  unterste  Ende,  5-6  Cm.  (3),  aus  einem  Stück  mit 
dem  Stylobatstein  ist.  Puchstein  und  Koldewey  erkennen  in  der 
Oberfläche  dieses  kleinen  Säulenstückes  die  alte  Oberfläche  des  Sty- 
lobats und  nehmen  an,  dass  zum  Zweck  einer  Erneuerung  des  Pa- 
viments  von  dieser  Oberfläche  etwas  abgehackt  wurde,  natürlich 
bis  an  die  Säulen,*  und  dass  so  diese  niedrigen  ■  Basen  »  entstanden. 
Mir  scheint  diese  Annahme  durchaus  wahrscheinlich.  Es  ist  klar,  dass 
in  der  letzten  Zeit  des  Tempels  das  Signinumpaviment  bis  an  die 
Kante  der  Randsteine  reichte,  idass  also  die  Kante  des  Stylobaten 
in  Signinum  gebildet  war.  Die,  wie  Puchstein  und  Koldewey  richtig 


(>)  Dies  hatte  ich  in  meiner  ersten  Notiz  (Mitt.  XVII  1902  S.  305) 
nicht  erwähnt ;  es  ist  und  war  namentlich  vor  Ausgrabung  der  Nordseite  nicht 
leicht  zu  constatieren.  Aber  es  ist  nicht  wahr  (Patroni  S.  217),  das  sich  ge- 
sagt habe,  sie  sei  aus  einem  Stück  mit  dem  übrigen  Schaft. 

(*)  «  Povero  pavimento,  costretto  ad  abbassarsi  ed  a  rialzarsi  secondo 
che  fa  comodo  alla  teoria  del  Mau ! »  Dies  als  Stilprobe. 

(3)  Genaue  Massangaben  sind  bei  der  grossen  Unebenheit  der  Stylobat- 
fläche unmöglich.  So  ist  es  vollkommen  begreiflich,  dass  Puchstein  und  Kol- 
dewey einmal  5,  einmal  6  Cm.  angeben,  und  es  ist  ganz  unberechtigt  dies 
mit  einem  Ausrufungszeichen  zu  notiren  (Patroni  S.  224  Anm.  16). 


202  A.    MAU 

bemerken,  ganz  roh  behauene  Oberfläche  der  Randsteine  war  offen- 
bar bestimmt,  unter  dem  Signinum  zu  verschwinden,  und  nur  so 
ist  ihre  Beschaffenheit  zu  erklären.  Es  ist  aber  mehr  als  wahrschein- 
lich, dassdies  nicht  von  Anfang  an  so  war,  sondern  auf  nachträglicher 
Veränderung  beruht,  und  dass  eben  dieser  Veränderung  die  ver- 
meintlichen mykenischen  Basen  ihren  Ursprung  verdanken. 

Zunächst  ist  festzustellen,  dass  dies  Paviment  wohl  das  letzte, 
aber  keineswegs  das  erste  des  Pteron  war.  Es  ist  ja  und  war  noch 
mehr  vor  den  Ausgrabungen  des  Jahres  1889  ziemlich  vollständig 
erhalten,  so  dass  man,  wie  ich  schon  Mitt.  XV  1900  S.  128  her- 
vorhob, die  Linie  der  verschwundenen  Westmauer  der  Cella  in  ihm 
erkennen  konnte:  zwar  in  gutem  Zustande  ist  es  nicht,  vielmehr 
fast  in  seine  Bestandteile  aufgelöst,  aber  es  liegt  doch  am  Platze. 
Nun  haben  eben  jene  Ausgrabungen  im  Pteron  Manufacte  zu  Tage 
gebracht,  die  bis  Ende  des  3.  Jh.  herabreichen.  Diese  lagen  also 
unter  diesem  Paviment,  welches  mithin  nicht  vor  Ende  des  3.  Jh. 
gelegt  worden  ist.  Damit  erledigt  sich  auch  der  seltsame  Einfall 
Patroni's,  aus  eben  diesen  Funden  zu  schliessen,  der  Tempel  sei 
schon  damals  zerstört  gewesen ;  denn  den  Fussboden  hat  man  doch 
nicht  nach  Zerstörung  des  Tempels  gelegt. 

Was  war  also  vor  diesem  Paviment?  Eine  solche  Kantenbil- 
dung in  Signinum  ist  recht  unzweckmässig  und  war  eben  deshalb 
sicher  nicht  immer  und  allgemein  üblich.  Die  einfachste  und  natür- 
lichste Annahme  ist  ohne  Zweifel  die,  dass  ursprünglich  die  Ober- 
fläche der  Stylobatsteine  bloss,  und  nur  innerhalb  ihrer,  bis  an  die 
Cella,  ein  Paviment  lag,  wie  in  den  Portiken  aller  öffentlichen 
Gebäude  Pompeji's.  Später  war  es*  dann  einmal  eine  Zeitlang  in 
Pompeji  Mode,  die  Stylobatsteine  unter  dem  Paviment  verschwin- 
den zu  lassen,  dieses  auch  zwischen  die  Säulen  zu  erstrecken  und 
in  ihm  die  Kante  zu  bilden.  Es  scheint,  dass  diese  Mode  aufkam 
nach  dem  Bau  der  Casa  del  Fauno,  deren  zweites  Peristyl  nach- 
träglich in  diesem  Sinne  umgestaltet  wurde.  Von  den  Tuffblöcken 
des  Stylobats  wurde  dort  ganz  roh  ein  der  Stärke  des  Paviments 
entsprechendes  Stück  abgehauen,  so  dass  das  Niveau  des  Stylobats 
nicht  verändert  wurde,  wobei  natürlich  unter  den  Säulen,  mit  ihrer 
runden  ionischen  Basis  (der  Tuffstil  kennt  keinen  Plinthus),  je  ein 
ziemlich  unregelmässiges  Stück  stehen  blieb.  Ebenso  ist  man  am 
dorischen  Tempel  verfahren,  nur  mit  zwei  Unterschieden.  Erstens, 


NOCHMALS   DIE    ALTE    SAEULE    IN    POMPEJI  203 

da  es  bei  den  basenlosen  dorischen  Säulen  nicht  so  genau  darauf 
ankam,  das  alte  Niveau  des  Stylobaten  festzuhalten,  so  war  die 
Stärke  wenigstens  des  noch  jetzt  z.  T.  erhaltenen  Paviments  grösser 
als  die  Tiefe  der  Abhackung ;  es  wurde  also  der  Stylobat  etwas  er- 
höht und  ein  kleines  Stück  der  alten  Säulenschäfte  verschwand 
in  der  Fussbodenmasse.  Zweitens  hat  man  —  was  in  der  Casa 
del  Fauno  durch  die  Basen  ausgeschlossen  war  —  die  Canneluren 
auf  den  stehen  gebliebenen  Stumpf,  der  in  der  Fussbodenmasse 
verschwinden  sollte,  übergeführt.  Dies  ist  vollkommen  verständlich 
und  berechtigt.  Sonst  wäre  ja,  wenn  die  alte  Stylobathöhe  nicht 
überschritten  wurde,  in  den  Canneluren  statt  des  Paviments  die 
Steinfläche  sichtbar  geblieben.  Aber  auch  wenn  eine  Erhöhung 
stattfand,  war  es  doch  technisch  durchaus  wünschenswert,  dass 
auch  die  unteren  Schichten  der  Fussbodenmasse  in  die  Canneluren 
eindrangen  und  auch  hier  der  Fussboden  seine  ganze  Stärke  hatte. 
Es  ist  also  ganz  unberechtigt,  wenn  Patroni  (S.  225)  aus  der  Can- 
nelirung  des  Stumpfes  schliesst,  er  habe  sichtbar  bleiben  sollen. 
Dennoch  aber  ist  diese  bei  der  Weichheit  des  Steines  geringfügige 
Arbeit  nicht  consequent  durchgeführt  worden :  an  dem  nördlichsten 
der  drei  erhaltenen  Säulenreste  hat  man  sich  wenigstens  auf  der 
gut  sichtbaren  Südseite  diese  Mühe  gespart  (l):4ich  schliesse  dar- 
aus, dass  wahrscheinlich  schon  der  erste  zwischen  die  Säulen 
erstreckte  Fussboden  über  die  alte  Stylobatoberfläche  erhöht  wurde. 
Wie  es  an  den  29  spurlos  verschwundenen  Säulen  war,  können 
wir  natürlich  nicht  wissen.  Gleichzeitig,  und  zwar  vor  Legung 
des  Fussbodens,  müssen  dann  auch  die  Säulen  eine  neue  Stuck- 
bekleidung erhalten  haben ;  denn  es  ist  klar,  dass  die  jetzt  noch 
z.  T.  erhaltene  sich  auch  auf  den  untersten  Stumpf  erstreckt  und 
vom  Fussboden  bedeckt  wird.  Alle  diese  Annahmen  stossen  auf 
keinerlei  Schwierigkeit. 

Das  Pavinient  der  Casa  del  Fauno  gehört  wohl  sicher  noch 
der  Tuffperiode  an.  Es  ist  nicht  gut  zu  trennen  von  den  übrigen 
Fussboden  des  Hauses,  die,  wie  es  scheint,  der  noch  erhaltenen 
Wanddecoration  ersten  Stiles  —  sie  ist  bekanntlich  nicht  die  erste 
des  in  der  Tuffperiode  erbauten  Hauses  —  gleichzeitig,  keinesfalls 


C1)  Dies  leugnet  Patroni  (S.  225)  auf  Grund  eigener  Besichtigung.   Es 
ist  aber  doch  so. 


204  A.    MAU 

aber  jünger  sind  (l).  Also  in  der  späteren  Zeit  der  Tuffperiode, 
gegen  Ende  des  2.  Jh.,  scheint  diese  Mode  aufgekommen  zu  sein. 
Und  da  alle  Moden  in  ihrer  ersten  Zeit  am  stärksten  wirken,  na- 
mentlich aber  der  Bundesgenossenkrieg  die  Continuität  solcher  Tra- 
ditionen stark  gestört  haben  wird,  so  werden  wir  die  Umgestaltung 
des  Tempelpterons  am  wahrscheinlichsten  in  eben  jene  Zeit  setzen. 
Keineswegs  aber  braucht  das  damals  gelegte  Paviment  dasselbe  zu 
sein,  dessen  Reste  noch  erhalten  sind;  sehr  wohl  konnte  später  noch 
einmal  ein  Erneuerung  des  Fussbodens  stattfinden,  und  es  ist  ganz 
wertlos,  wenn  Patroni  (übrigens  mit  einer  mir  unverständlichen 
Logik)  aus  der  Höhenlage  des  erhaltenen^Paviments  schliesst,  dieses 
habe  nicht  den  Anlass  zur  Verstümmelung  des  Stylobaten  und  zur 
Entstehung  der  ■  Basen  ■  geben  können.  Der  damals  gelegte  Fuss- 
boden  konnte,  wenn  er  mit  dem  erhaltenen  nicht  identisch  war, 
recht  wohl  etwas  niedriger  sein ;  freilich  nicht  so  niedrig,  wie  sich 
Patroni  seinen  ursprünglichen  Fussboden  denkt  und  nach  seiner 
Theorie  denken  muss. 

Nämlich  Patroni's  Hauptargument  gegen  Puchstein  sind  ja  die 
Canneluren  an  dem  kleinen  Säulenstumpf,  deren  unvollkommene 
Durchführung  ihm  entgangen  ist:  sie  sollen  beweisen,  dass  dieser 
nicht  bestimmt  war,  im  Fussboden  zu  verschwinden ;  was  dies  Ar- 
gument wert  ist,  haben  wir  oben  (S.  203)  gesehen.  Andererseits 
aber  erklärt  auch  er  (S.  225)  die  rauhe  Oberfläche  des  Stylobats 
durch  Annahme  eines  Paviments,  nur  dass  dies  (wegen  der  ver- 
meintlich zu  kurzen  Lebenszeit  des  Tempels  (2) :  oben  S.  202)  nicht 
nachträgliche  Veränderung,  sondern  ursprünglich  sein  soll.  Nun 
sollte  man  denken,  auch  in  diesem  Fussboden  hätte  der  nur  5-6  Gm. 
hohe  Säulenstumpf  und  mit  ihm  Patroni's  Argument  verschwinden 
müssen.  Aber  nein!  Patroni  äussert  sich  zwar  hierüber  nicht  aus- 
drücklich, doch  soll  offenbar  sein  ursprünglicher  Fussboden  eine 
so  minimale  Stärke  gehabt  haben,  dass  er  wohl  die  Unebenheit  des 
Stylobats,  nicht  aber  die  Canneluren  des  Stumpfes  verdeckte.  Aus 
welcher  Art  Masse  denn  ein  so  dünner  Fussboden  bestanden  haben 
soll,  darüber  schweigt  Patroni  gänzlich.  Und  dass  so  massive  Uneben- 

(»)  Mau  Gesch.  d.  decor.  Wandmalerei  S.  35-37.  53-56;  Pompeji  in  Le- 
ben u.  Kunst  S.  273  f. 

(a)  Uebrigens  dürften  doch  auch  die  von  P.  dem  Tempel  zugebilligten 
c.  300  Jahre  für  einige  Fussbodenveränderungen  ausreichen. 


NOCHMALS    DIE    ALTE    SAEULE    IN    POMPEJI  •  205 

heiten,  wie  sie  die  Stylobatfläche  zeigt,  nicht  durch  ein  ganz  dünnes 
Paviment  ausgeglichen  werden  konnten,  daran  hätte  doch  der  blosse 
Augenschein  auch  Patroni  keinen  Zweifel'lassen  sollen :  es  ist  gar- 
nicht  möglich,  auf  weniger  als  5-6  Cm.,  die  Höhe  der  Stümpfe, 
zu  kommen. 

Damit  erledigt  sich  auch  noch  ein  anderes  Argument  Patroni's. 
Er  meint  nämlich,  dass  nach  Puchstein's  Auffassung  die  oberste 
(Stylobat-)Stufe  zu  viel  höher  werden  würde,  als  die  übrigen  dem 
Unterbau  vorgelegten  Stufen:  diese  sind  nach  ihm  c.  0,3  hoch, 
jene  jetzt  0,4,  müsste  also,  wenn  die  von  Puchstein  angenommene 
Abhackung  stattgefunden  hätte,  ursprünglich  0,46  hoch  gewesen 
sein.  So  schlimm  ist  es  nun  nicht.  Ich  fand  an  messbaren  Stellen 
für  die  unterste  Stufe  (im  0)  0,38,  für  die  drei  folgenden  je  0,32, 
für  die  oberste  0,36  bis  zur  Kante,  0,37-0,38  bis  zum  Säulenfuss, 
höchstens  0,43  bis  zur  Oberfläche  der  «Basis»;  also  ein  Un- 
terschied von  höchstens  11,  nicht  von  16  Cm.  Und  wenn  so 
wie  so  die  oberste  Stufe  höher  war  als  die  nächstunteren,  was  will 
man  da  aus  einem  geringen  Mehr  oder  Weniger  schliessen  ?  Ferner 
musste,  wie  eben  ausgeführt,  auch  nach  Patroni's  Annahme  zu 
der  Steinhöhe  die  des  Paviments  hinzukommen,  und  es  ist  nicht 
erfindlich,  wie  er  mit  dieser  unter  der  Oberfläche  der  Basen  blei- 
ben will. 

Ich  glaube  damit  hinlänglich  gezeigt  zu  haben,  dass  Patroni 
gegen  die  Puchstein-Koldewey'sche  Auffassung  nichts  gegründetes 
vorgebracht  hat,  diese  vielmehr  ganz  einwandfrei,  dagegen  Patroni's 
eigene  Auffassung  mindestens  unwahrscheinlich  ist. 

Ueber  Aufidena  und  die  sicilischen  Tempel,  wo  Patroni  eben- 
falls mykenische  Basen  nachweisen  will,  bin  ich  nicht  competent; 
da  mögen  Andere  zusehen.  In  Betreff  der  Chronologie  der  alten 
Säule  kann  ich  Patroni  nicht  hindern,  auch  fernerhin  die  Gleichung 
700  -j-  *  +  y  —  *  •*»  800  für  zulässig  zu  halten. 

A.  Mau. 


PLINIUS  UND  DAS  CENSORISCHE  VERZEICHNIS. 


In  zwei  Aufsätzen  im  Jahrbuch  1901  S.  75-107  —  wir  eitleren 
diese  Abhandlung  mit  I  —  und  1905  S.  113-122  (II)  ver- 
suchte Detlefsen  den  Nachweis  zu  führen,  dass  Plinius  fast  alles, 
was  er  über  in  Rom  befindliche  Schöpfungen  der  Kunst  zu  sagen 
weiss,  einem  censorischen  Verzeichnis  der  im  Staatsbesitz  befind- 
lichen Kunstwerke  verdanke.  Da  es  den  Verfasser  interessiert,  ob 
seine  Annahme  in  den  Kreisen  der  Archäologen  mehr  Gegner  oder 
mehr  Freunde  gefunden  habe,  so  möchte  ich  wenigstens  für  meine 
Person  die  Gründe  darlegen,  welche  mir  verbieten,  seiner  Beweis- 
führung zu  folgen. 

Dass  in  Rom  über  die  Wertgegenstände  in  Tempeln  und 
andern  öffentlichen  Gebäuden  unter  der  Form  von  Inventarien  Buch 
geführt  wurde,  halte  auch  ich  für  selbstverständlich,  trotzdem  ich 
Detlefsen  nicht  zugeben  kann,  dass  diese  Annahme  durch  Tacitus 
Agricola  ö  geradezu  gefordert  werde.  Denn  in  diesem  Fall  handelt  es 
sich  nach  den  klaren  Worten  des  Historikers  um  eine  ausserordent- 
liche Mission  der  Agricola:  tum  electus  a  Galba  ad  dona  tem- 
plorum  recognoscenda  düigentissima  conquisitione  effecit,  ne 
cuius  alterius  sacrüegium  res  publica  quam  Neronis  sensisset. 
Auf  die  von  Nero  in  so  grossem  Umfang  betriebenen  Brandschat- 
zungen der  Heiligthümer  hin  lag  wohl  für  manchen  moralisch 
nicht  ganz  festen  Beamten  die  Versuchung  nahe,  dies  oder  jenes 
Stück  aus  dem  Tempelschatz  zwischen  seinen  eigenen  Penaten 
verschwinden  zu  lassen  und  den  ■  Abmangel »  dann  auf  den  grossen 
Conto  Neros  zu  schreiben.  Es  musste  festgestellt  werden,  was  noch 
da  ist,  damit  das  Verschwinden  der  Wertgegenstände  aus  den 
Tempeln  nicht  lawinenartig  weitergeht.  Man  muss  sogar  sagen, 
gerade  weil  Tacitus  die  Revision  durch  einen  bestimmten  Grund, 
die  abnormen  Zustände  unter  Nero,  motiviert,    kann  es  sich    hier 


F.  HAUSER,    PLINIUS   UND    DAS    CENSORISCHE    VERZEICHNIS  207 

nicht  um  eine  reguläre  Function  handeln.  Detlefsen  citiert  zur 
Beglaubigung  die  zweite  Auflage  von  Mommsens  Staatsrecht  II 
433,  wo  allerdings  ausgesprochen  ist,  es  sei  nicht  nötig  an  einen 
ausserordentlichen  Auftrag  des  Agricola  zu  denken ;  Galba  könne 
ihn  zum  curator  operum  publicorum  ernannt  haben.  Allein  in  der 
dritten  Auflage  II  443  hat  Mommsen  seine  Ansicht  mit  dem 
besten  Grund  in  ihr  Gegenteil  verwandelt.  Seine  letzte  Aeusserung 
lautet:  ■  so  ist  dieser  durch  Neros  Plünderung  der  Tempel  ver- 
anlasste Auftrag  wohl  eher  als  eine  besondere  cura  gegeben  als 
an  die  cura  operum  publicorum  angeknüpft  worden  i  Der  Fall 
des  Agricola  lässt  sich  also  zwar  nicht  generalisieren  ;  immerhin 
müssen  damals  Inventare  aufgenommen  worden  sein,  wohlbe- 
merkt aber  Inventare  der  ■  dona  templorum  »,  nicht  etwa  bloss  ein 
Verzeichnis  der  Statuen  und  Gemälde,  was  Detlefsen  dann  ohne 
weiteres  an  Stelle  von  censorischem  Verzeichnis  setzt. 

Bevor  wir  auf  Quellen  zurückführen,  scheint  es  mir  nicht 
überflüssig,  zunächst  einmal  zu  fragen:  wie  sahen  denn  diese 
Quellen  aus?  Um  einen  Einblick  in  censorische  Akten  zu  be- 
kommen, giebt  es  nur  ein  Mittel,  .das  Curiosum  urbis  regionum 
XIV  oder  die  Notitia  durchzulesen,  welche  von  censorischen  Ver- 
zeichnissen abhängen.  Aus  dieser  Fundgrube  wollen  wir  ausschöpfen, 
was  darin  von  Angaben  über  Kunstwerke  enthalten  ist,  indem  wir 
die  einzelnen  Eubriken  nach  der  Seitenzahl  von  Jordan  Stadt 
Rom  II  citieren: 

statuam  Mamuri  (549).  Apollinem  caelespicem.  Herculem 
olivarium  (559).  statuam  Valerianam.  Caput  Gorgonis.  Herculem 
sub  terram  medium  cubantem  sub  quem  plurimum  auri  positus 
est  (563).  equi  magni  XXII.  dei  aurei  LXXX.  eburnei  LXX1III 
(572).  Dazu  kämen  noch  die  Angaben  des  Zacharias :  signa  aurea 
deorum  magna  LXXX.  eburnea  item  deorum  LXVI.  aenea  si- 
mulacra  regum  et  ducum  MMMDCCLXXXV.  similiter  alia  aenea 
simulacra  Abrahami  Sarae  et  Hagarae  XXVquae  Vespasianus 
imperator  detulit  post  deletam  Hierosolymam  cum  eiusdem  urbis 
portis  aliisque  monumentis.  Colossi  duo.  equi  aenei  grandes  atque 
magnifici  XXXII  (576). 

Wer  sich  diese  Register  noch  nie  angesehen  hat,  der  denke 
nicht  etwa,  dass  die  Kunstwerke  in  den  Verzeichnissen  einen 
breiten   Raum  einnehmen;    im   Gegentheil,  sie  verschwinden  ge- 


208  F.    HAUSER 

genüber  den  ständigen  Rubriken  der  insulae,  domus,  horrea  bis 
herab  zu  den  lupanarid  und  latrinae  publicae  (573).  Für  sta- 
tistische Angaben,  für  die  Zahl  der  Bildwerke  in  Rom  konnten 
sie  allenfalls  als  Grundlage  dienen ;  aber  auch  nicht  ein  einziger 
Künstlername  leuchtet  aus  diesen  öden  Listen  heraus.  Besonders 
sprechend  wirkt  die  Aufnahme  des  neronischen  Kolosses  (546): 
colossum  altus  pedes  CII  s.  habet  in  capite  radia  VII  singula 
pedum  XXII  s.  Wie  viele  Strahlen  der  Koloss  auf  dem  Kopf  hat 
und  wie  laug  jeder  Strahl  ist,  das  interessiert  den  Herrn  Re- 
gistratur, denn  das  sind  Wertgegenstände;  der  Künstler  Zenodoros 
aber  ist  amtlicherseits  nicht  bekannt. 

Das  wäre  zugleich  die  einzige  Statue,  über  die  sowohl  von 
Plinius  als  aus  censorischen  Akten  detaillierte  Angaben  worliegen, 
deren  Uebereinstimmung  nun  die  Probe  auf  die  Richtigkeit  von 
Detlefsens  Vermutung  ergeben  müsste.  Merkwürdigerweise  liess 
sich  Detlefsen  I  95  diese  einzige  Gelegenheit  zur  Nachprüfung 
entgehen.  Allerdings  fällt  sie  auch  nicht  bestätigend  aus.  Von  den 
102  4-  Fuss  der  censorischen  Bestimmung  weicht  die  Höhenangabe 
in  der  Naturalis  Historia  34,  45  ab,  mag  man  nun  mit  Det- 
lefsen CVIS  oder  mit  Uliichs  CXIXS  oder  mit  dem  Bambergensis 
nonaginta  lesen.  Ebenso  verschieden  ist  auch  der  Gesichtspunkt, 
unter  welchem  Plinius  den  Koloss  betrachtet.  Ihm  dient  er  als 
Beleg  für  das  Aussterben  der  Kunstfertigkeit  im  Bronzeguss,  eine 
Inferiorität  gegenüber  früheren  Perioden,  die  ihm  um  so  signifi- 
kanter scheint,  je  höher  er  Zenodoros  als  Künstler  einschätzen  zu 
müssen  glaubt,  den  er  selbst  in  seinem  Atelier  aufsuchte. 

Die  Statue  der  Valeria  erwähnt  auch  Plinius  34,  29  und 
giebt  sogar  seine  Quelle  an;  nur  war  in  diesem  Fall  die  Quelle 
gerade  nicht  ein  censorisches  Verzeichnis,  sondern  der  sonst  un- 
bekannte Schriftsteller  Annius  Fetialis.  Die  übrigen  von  der  No- 
titia  aufgezählten  Statuen  nennnt  Plinius  nicht  oder  wenigstens 
nicht  so,  dass  sie  sich  mit  Sicherheit  identifizieren  Hessen.  Wenn 
also  aus  diesen  wenigen  Berührungspunkten  zwischen  Plinius  und 
der  Notitia  überhaupt  etwas  geschlossen  werden  darf,  so  wäre  zu 
schliessen,  dass  die  Naturalis  Historia  censorische  Akten  nicht 
verwertete. 

Der  Einwand,  dass  im  Curiosum  und  der  Notitia  nur  ganz 
späte   Verarbeitungen    amtlicher    Akten   vorliegen,    schlägt    nicht 


PLINIUS   UND    DAS   CENSORISCHE    VERZEICHNIS  209 

durch ;  ausser  diesen  späten  Quellen  haben  wir  eben  keinen  andern 
Anhaltspunkt,  um  eine  Vorstellung  vom  Charakter  eines  censo- 
rischen  Verzeichnisses  zu  gewinnen.  Finden  wir  in  diesen  Quellen 
nichts,  was  auch  nur  von  ferne  nach  kunsthistorischem  Interesse 
ausschaut,  dann  schwebt  die  ganze  geplante  Zurückführung  in  der 
Luft.  An  stelle  von  jenen  censorischen  Akten  könnte  man  sich 
nun  an  die  Inventare  der  dona  templorum,  welche  jedenfalls  auch 
Kunstwerke  enthielten,  klammern  wollen.  Diese  Register  waren 
ohne  Zweifel  viel  detaillierter  durchgeführt  als  ein  censorisches 
Verzeichnis.  Da  Detlefsen  ein  erhaltenes  Beispiel  nicht  zu  citieren 
weiss  und  ich  ein  solches  nicht  kannte,  so  stellte  ich  mir  diese 
Inventare  nach  Analogie  der  griechischen  Schatzverzeichnisse  vor: 
all  der  grosse  und  kleine  Kram,  der  sich  im  Laufe  der  Jahrhun- 
derte in  einem  Heiligthum  ansammelt,  wird  gebucht;  Zahl  und 
Gewicht  genau  angegeben,  auch  der  Weihende  manchmal  genannt ; 
aber  dafür  dass  auch  der  Verfertiger  des  Weihgeschenks  mit 
Namen  aufgeführt  würde,  dafür  bieten  die  griechischen  Inschriften 
keine  Analogie  (!)  und  ob   wir  berechtigt  sind  bei  den  Römern 

(*)  Ich  möchte  durch  ein  Beispiel,  das  bis  jetzt  von  Niemand  be- 
merkt wurde,  zeigen,  wie  wenig  für  die  Inventare  das  Kunstwerk  als  solches 
oder  gar  dessen  Verfertiger  in  Betracht  kommt.  In  dem  erst  neuerdings 
vollständig  bloss  gelegten  Schatzverzeichnis  von  der  Akropolis  aus  dem 
Jahr  368-7  (Ephem.  Archaeol.  1903  S.  140)  wird  in  Zeile  95  als  iv  rm  dQ- 
Xalm  psu)t  befindlich  aufgezählt :  dnoQQCcvTrJQiov  /qvoov  b  6  ät><¥(>iüg  e%ei. 
Für  änoQQavTrJQioi'  ist  die  gleiche  Bedeutung  bezeugt  wie  für  neQiQQa^ri]- 
qiov.  Nun  sah  Pausanias  I  23,7  auf  der  Akropolis,  anscheinend  nahe  beim 
Heiligtum  der  Brauronia:  Avxlov  zov  Mvqiavog  %cihy.oVv  ncci&cc  8g  rö  nsQiQ- 
QdvtriQLov  s/ei.  Die  im  Inventar  genannte  Statue  darf  man  sich  wegen  des 
Metallzusatzes,  welcher  einen  integrierenden  Theil  der  Komposition  bildet,  eher 
aus  Bronze  als  aus  Marmor  gearbeitet  vorstellen.  Da  wir  zum  mindesten  von 
keiner  dritten  männlichen  Statue  mit  diesem  Attribut  auf  der  Akropolis  wis- 
sen, kann  die  Identification  für  sehr  wahrscheinlich,  wenn  nicht  für  sicher 
gelten.  Ich  glaube  auch  zunächst  für  die  Gleichsetzung  Beifall  zu  finden  und 
fürchte  nur,  dass  der  Leser  sein  Ja  wieder  zurückzieht,  sobald  er  die  Konse- 
quenzen überblickt,  welche  die  Identifikation  mit  sich  bringt.  Denn  ist,  wie 
die  Meisten  annehmen  werden,  mit  dem  ägxcuog  rewg  der  Neubau  des  Erech- 
theion  gemeint,  dann  erklärt  sich  der  Wechsel  des  Standorts  der  Statue  nicht 
leicht;  die  Aenderung  wäre  aber  selbstverständlich  beim  alten  Tempel,  den 
sich  mit  Ausnahme  von  Doerpfeld  doch  fast  Alle  später  abgebrochen  denken. 
Immerhin  wäre  die  Identificierung  Wasser  auf  Doerpfeld's  Mühle,  da  sie  auf 
eine   Fortexistenz  des  alten  Tempels   bis  mindestens  367  führen  würde.  Für 

15 


210  K.    HAUSER 

mehr  künstlerische  Interessen  vorauszusetzen,  das  wäre  doch  noch 
die   Frage. 

Allein  wir  brauchen  uns'gar  nicht  bei  diesem  Analogieschluss 
zu  beruhigen.  Prof.  Hülsen  weist  mich  freundlichst  darauf  hin,  dass 
ein  lateinisches  Tempelinventar  sich  thatsächlich  erhielt  und  zwar 
aus  der  nächsten  Nähe  von  Rom,  aus  Nemi.  Ausserdem  trifft  es 
sich  noch  recht  glücklich,  dass  dieses  Inventar  gerade  aus  der 
Zeit  dds  Plinius  stammt ;  denn  ein  Kenner  wie  Henzen  (Hermes, 
VI,  7)  erklärt  es  für  nicht  jünger  als  das  erste  Jahrhundert  unse- 
rer Zeitrechnung.  Es  handelt  sich  um  eine  C.  I.  L.  XIV  2215 
veröffentlichte  Uebernahmsurkunde  aus  den  fana  der  Isis  und  Bu- 
bastis  in  Nemi :  res  traditae  fanis  utrisque.  Aus  dem  Register  hebe 
ich  nur  heraus,  was  uns  den  richtigen  Standpunkt  zur  Beurtheilung 
der  Art  des  Inventarisierens  bei  Kunstwerken  giebt:  Signa  n(u- 
mero)  XVII  \  caput  Solis  I;  imagmes  argenteas  IUI;  clupeum  I; 
aras  aeneas  duas folgen  Dreifüsse,  Kannen,  Schmucksa- 
chen;  darunter.  .  .  .  collarem  alterum  cum  gemmis  n.  VII... 
Corona  analempslaca  I  cum  gemmis  topazos  n.  XXI  et  c'arbun- 
culos  n.  LXXXIIIL...  dann  Kleidungstücke...  veslem  lin(te)am,  tu- 
nicam  /, . .  zona  I  cum  segmentis  argenteis.  . .  vestem  altera  lintea 
pura.  . . .  labellum  marmoreum  cum  columella;  hydria  Hypsiana 
et  lintea  purpurea  cum  clavis  aureis  et  zona  aurea (1). 

So  sieht  ein  römisches  Tempelinventar  aus.  Diademe  und 
Kleidungstücke  werden  in  einzelnen  Nummern  aufgeführt  und  mit 
Details  registriert ;  sämtliche  Statuen  aber  fasst  man  unter  einem 
Item  zusammen;  für  sie  genügt  die  Zahlangabe.  Um  sich  da- 
rüber zu  unterrichten,  wie  in  neueren  Zeiten  Kjinstinventare  aussehen, 


uns  erklärt  der  Abbruch  des  alten  Tempels  die  verschiedene  Aufstellung. 
In  diesem  Fall  nennt  also  das  Inventar  die  Statue  überhaupt  nur  wegen  des 
werthvollen  Materials,  aus  welchem  der  Zusatz  besteht;  die  Statue  an  sich 
oder  gar  ihr  Urheber  ist,  trotzdem  er  bekannt  war,  dem  Beamten  völlig 
gleichgiltig.  Wenn  Jemand  behaupten  wollte,  Pausanias  erwähne  das  Werk  nur 
nach  dem  Inventar,  so  hätte  er  bessere  Gründe  als  Detlefsen  für  die  ent- 
sprechende Annahme  bei  Plinius.  Dass  ich  diese  Gründe  nicht  anerkennen 
würde,  wird  man  mir  wohl  ohne  ausdrückliche  Versicherung  glauben. 

(»)  Prof.  Hülsen  weist  auch  noch  auf  C.  I.  L.  X,  2  n.  7939  hin.  Es 
werden  hier  vier  silberne  Statuen  des  Antoninus  Pius,  der  Faustina  und  von 
zweien  ihrer  Söhne  inventarisiert;  Silber  als  Material  und  dessen  Gewicht 
wird  haarscharf  angegeben,  von  einer  Nennung  des  Künstlers  aber  keine  Spur. 


PLINIUS    UND    DAS    CENSORISCHE    VERZEICHNIS  211 

empfehlen  wir  Detlefsen  die  Leetüre  der  vier  Bände  ■  Doamenti 
ineditiper  servire  alla  storia  dei  musei  d'Italia  ■ .  Aber  die  ■  Fund- 
grube von  Namen  und  Nachrichten  von  Künstlern  ■ ,  wie  sie  Detlefsen 
(II  113)  diesen  censorischen  Verzeichnissen  zuschreibt,  ist  lediglich 
ein  Phantasiegebilde,  das  weder  mit  dem  antiken  noch  mit  dem  mo- 
dernen bureaukratischen  Betriebe  rechnet. 

Trotzdem  aber  Detlefsen  die  Verfertiger  römischer  Inventare 
zu  angehenden  Kunsthistorikern  stempelt,  so  genügen  ihre  Ver- 
zeichnisse doch  nicht  für  die  plinianischen  Angaben.  Detlefsen  muss 
doch  noch  Zusätze  und  zwar  recht  reichliche  Zusätze  zugeben, 
welche  der  Verfasser  der  Naturalis  Historia  «  wahrscheinlich  aus 
eigener  Erfahrung  oder  aus  den  Inschriften  der  Statuen  und  ihrer 
Basen  oder  aus  dem  Gerede  des  römischen  Publikums  hinzufügte  i . 
Also  ist  Plinius  zuweilen  wohl  im  Stand,  die  von  seinen  griechischen 
und  römischen  Quellen  genannten  Kunstwerke  mit  den  nach  Rom 
überführten  Originalen  zu  identificieren,  eine  Zumuthung  an  den 
Schriftsteller,  welche  Detlefsen  vorher  (I  76)  für  undenkbar  erklärte. 
Sobald  man  aber  Plinius  diese  Fähigkeit  einmal  zutraut,  und  das 
will  wirklich  nicht  zuviel  heissen,  so  liegt  überhaupt  kein  Grund 
mehr  vor,  für  die  Angaben  über  Kunstwerke  in  Rom  eine  andere 
Quelle  zu  suchen  als  Autopsie  und  gelegentliche  aus  Büchern 
aufgeschnappte  Zusätze. 

Ja  Detlefsen  versteigt  sich  gar  zu  der  Vermuthung,  dass 
das  censorische  Verzeichnis  vom  Jahr  73  unter  amtlicher  Mitwir- 
kung des  Plinius  ausgearbeitet  sei  (II  113).  Diese  Hypothese  mit 
dürren  Worten  wiedergegeben,  hiesse  also:  Plinius  ist  seine  eigene 
Quelle  und  ■  die  Fundgrube  von  Nachrichten  über  Künstler  ■ , 
welche  das  censorische  Verzeichnis  angeblich  bieten  konnte,  hat 
Plinius  selbst  gegraben.  Wir  sehen  daraus,  dass  nach  Detlefsens 
Ansicht  wie  nach  der  unsrigen,  die  Angaben  des  Plinius  über  in 
Rom  befindliche  Kunstwerke  nichts  enthalten,  was  der  Schriftsteller 
nicht  selbständig,  ohne  Hilfe  des  censorischen  Verzeichnisses  finden 
konnte.  Der  Nicht-Philologe  wird  angesichts  dieses  verblüffenden 
Resultats  freilich  fragen,  warum  denn  rebus  sie  stantibus  um  jeden 
Preis  ■  zurückgeführt  »  werden  muss  und  zu  was  die  Unbekannte 
des  censorischen  Verzeichnisses  überhaupt  in  die  Rechnung  ein- 
gestellt wurde. 

Dass  Plinius   mehreremale  örtlich  zusammenstehende   Monu- 


212  F.    HAUSER 

mente  in  seiner  Kunstgeschichte  bei  einander  lässt,  erklärt  sich 
durch  an  Ort  und  Stelle  gemachte  Notizen  ebenso  leicht  als  durch 
Abschreiben  von  Inventaren.  Und  Plinius  lässt  ja  hauptsächlich 
solche  Werke  bei  einander,  deren  Urheber  er  nicht  kennt,  die  er  also 
aus  diesem  Grund  nicht  in  die  historische  Entwicklung  einreihen 
kann.  Es  ist  dies  ein  Notbehelf  wie  das  Aufzählen  einer  Gruppe  von 
Künstlern  in  alphabetischem  Hintereinander  anstatt  in  geschicht- 
licher Abfolge.  Ebenso  oft  als  Plinius  am  gleichen  Ort  befindliche 
Werke  bei  einander  lässt,  ebenso  oft  reisst  er  sie  auch  aus  ihrer  localen 
Verbindung  heraus.  Im  36.  Buch  werden  Werke  in  der  Porticus  der 
Octavia  genannt  in  §15, 22, 24,  28,29,34,42;  vom  Palatin  §  13,  24, 
25, 32, 36  (und  nach  Nennung  eines  Werks  in  den  horti  Serviliani) 
§  37.  Die  Statuen  bei  Asinius  Pollio  sind  genannt  §  23  (nach  nicht 
dort  befindlichem)  in  §  24,  33 ;  die  horti  Serviliani  in  §  23,  25, 
36.  Local  angeordnete  Inventare  wären  zum  mindesten  gründlich 
umgearbeitet. 

Wollten  wir  aber  auch  Detlefsens  Hypothese  ihre  allzu  ver- 
wegene Spitze,  die  in  Plinius  als  Pliniusquelle  gipfelt,  wohlmeinend 
abschneiden,  so  würde  sie  damit  noch  lange  nicht  lebensfähig; 
sie  leidet  an  dem  wunden  Punkt,  dass  an  Stelle  von  Inventaren, 
deren  Existenz  zugegeben  werden  kann,  vielmehr  gesetzt  werden 
muss :  i  Statuenverzeichnis  ■  (I  99)  und  ■  Verzeichnis  der  in  Rom 
befindlichen  Kunstwerke  i  (I  78,  106).  Kein  antiker  Schriftsteller 
oder  irgend  eine  andere  Quelle  giebt  den  Beleg  für  ein  solches 
Statuenverzeichnis.  Die  Annahme  antiker  Kunstkataloge  wurde 
von  Schreiber  im  Rhein.  Museum  XXXI,  219  mit  guten  Gründen 
widerlegt,  zu  denen  Furtwängler,  Plinius  und  seine  Quellen  S.  8, 
einige  weitere  hinzufügte.  Es  darf  wohl  überraschen,  diese  so 
triftig  widerlegte  Annahme,  die  Furtwängler  mit  vollem  Recht  eine 
oberflächliche  Hypothese  nennt,  wie  eine  erwiesene  Thatsache  be- 
handelt zu  sehen.  Nicht  um  ein  Statuenverzeichnis  könnte  es 
sich  handeln,  sondern  höchstens  um  ein  Inventar  der  dona  tem,plo- 
rum,  das  in  hundert  und  aber  hundert  von  Item  jede  Lampe  und 
jedes  Lämpchen,  jede  Kanne  und  jedes  Kännchen,  das  der  oder 
die  gestiftet  hatte,  gewissenhaft  registriert.  Aus  ellenlangen  Ver- 
zeichnissen hätte  Plinius  das  für  ihn  Brauchbare  ausziehen  und 
das  local  Geordnete  in  eine  kunsthistorische  Abfolge  bringen 
müssen.  War  er   im  Archiv  mit  seinen  Collectaneen  fertig,  dann 


PLINIUS    UND    DAS   CENSORISCHE    VERZEICHNIS  213 

sah  er  ein,  dass  ihm  der  Weg  in  die  Tempel  und  Hallen  zu  den 
Originalen  doch  nicht  erspart  wird.  Was  er  brauchte,  fand  er  vor 
den  Originalen  viel  rascher ;  denn  hier  hob  sich  eine  Statue  für 
den  ersten  Blick  heraus,  während  sie  im  Inventar  nur  eine  Num- 
mer unter  Nummern  ist,  gleich  rangiert  mit  einer  Räucherpfanne 
oder  einem  Stuhl.  Den  Schriftsteller,  der  auf  so  unnötigen  Um- 
wegen sein  Material  sammelt,  halte  ich  vorläufig  lediglich  für 
eine  gelehrte  Konstruktion.  Legen  wir  also  das  censorische  Ver- 
zeichnis, dessen  Natur  als  Kunstkatalog  ganz  und  gar  nicht  er- 
wiesen ist  und  das  auf  keinen  Fall  für  die  Quellenuntersuchung 
irgend  etwas  erklärt,  dorthin  wohin  ein  Inventar  gehört,  nämlich 
ad  acta. 

Rom. 

Friedrich   Hauser. 


RESTE  EINER  PERGAMENISCHEN  DARSTELLUNG 
DER  TATEN  DES  HERAKLES. 


Im  ersten  Bande  der  Beschreibung  der  vaticanischen  Skulp- 
turen hat  Petersen  im  Text  zu  einem  kleinen  Relieffragment  im 
Giardino  della  Pigna  (l)  den  endgültigen  Beweis  erbracht,  dass 
eine  bekannte  Gruppe  im  Worlitzer  Schlosse,  die  man  früher  auf 
die  Befreiung  der  athenischen  Kinder  durch  Theseus  oder  die  Ver- 
gewaltigung der  Auge  durch  Herakles  bezogen  hatte  (2)  —  nur  die 
weitgreifende  Ergänzung  erklärt  diese  allerdings  etwas  disparaten 
Deutungen  —  dass  die  Gruppe  vielmehr  Herakles  am  Hesperiden- 
Baum  unter  den  erschreckt  aus  einander  flüchtenden  Nymphen 
darstelle  oder  doch  einstens  dargestellt  habe,  denn,  wie  gesagt, 
ist  von  dem  Antiken  nicht  allzuviel  erhalten  geblieben.  Im- 
merhin besitzen  wir  doch  Mittel,  uns  die  Gruppe  wenigstens  im 
Geiste  zu  reconstruieren.  Von  der  Hesperide,  die  in  Wörlitz  links 
neben  dem  Heros  kniet  und  am  erhobenen  Arm  ergriffen  wird,  ist 
nur  der  unterste  Teil  in  einer  Höhe  von  etwa  2  cm.  antik;  eben 
diese  Gestalt  findet  sich  nun  wieder  —  allerdings  im  Gegensinne 
wiederholt  und  auf  die  rechte  Seite  gerückt  —  in  einer  kleinen 
fragmentierten  Gruppe,  die  aus  afrikanischer  Erde  zu  Tage  kam  (3). 
Wir  sehen,  dass  der  Oberkörper  mit  einem  hochgegürteten  Chiton 
bekleidet  war;  der  vorgesetzte  Unterschenkel  trat  in  der  Tat  nackt 
aus  dem  Gewände  vor  und  die  äussere  Hand  stützte  sich  auf  das 
hochgestellte  Knie,  während  die  andere  seitlich  erhoben  war,  je- 
denfalls mit  der  Gebärde  des  Schreckens;    der  Kopf  blickte  zum 

(»)  S.  830  f.  Taf.  92. 

(*)  Arndt-Amelung,  Einzel-Aufnahmen  II  Nr.  385,  wiederholt  in  Brunn's 
kleinen  Schriften  II  S.  498;  S.  Reinach,  Repertoire  de  la  statuaire  II,  2 
S.  510  Nr.  5. 

(3)  Musee  de  LambHe  Taf.  IV  6;  S.  Reinach  a.  a.  0.  Nr.  3. 


AMELUNG,  PERGAMENISCHE    DARSTELLUNG    DER    TATEN    DES    HERAKLES    215 

Heros  empor.  An  der  andrerseits  entsprechenden  Hesperide  ist  in 
Wörlitz  der  rechte  Arm  falsch  ergänzt;  das  Relief-Fragment  im 
Vatican  zeigt  uns,  dass  die  Hand  bis  in  Brusthöhe  staunend  erho- 
ben sein  miisste.  Vom  Herakles,  von  dem  in  Wörlitz  nur  ein  Fuss 
und  Teile  des  anderen  erhalten  sind,  giebt  uns  das  Gruppenfrag- 
ment in  Lambaesis  schon  die  ganzen  Beine  mit  dem  Ansatz  des 
Unterleibes;  in  ganzer  Figur  aber  sehen  wir  ihn  in  Gemeinschaft 
mit  der  dritten  Hesperide  auf  der  Nebenseite  eines  Sarkophages  (l). 
Dass  jene  Figur  dort  wiedergegeben  ist,  wird  dem,  der  mit  der 
Arbeitsweise  der  Sarkophag-Skulptoren  vertraut  ist,  nicht  zwei- 
felhaft sein,  wenn  auch  die  Bewegung  der  Arme  vertauscht  und 
die  ganze  Gestalt  im  Gegensinne  dargestellt  ist,  ebenso  wie  die 
andere  Hesperide  in  der  Gruppe  zu  Lambaesis.  Herakles  steht 
ruhig  aufrecht;  er  ist  bärtig,  wie  meist  bei  diesem  Abenteuer. 
Der  Kopf  ist  vom  Löwenfell  bedeckt,  das  vor  der  Brust  verkno- 
tet und  dann  über  den  linken  Arm  geschlagen  ist ;  die  Enden  des 
Felles  sind  an  dieser  Seite  auch  in  Wörlitz  und  im  Vatican  erhal- 
ten. Die  seitlich  vorgestreckte  Linke  hält  den  Bogen,  dessen  un- 
tere Spitze  Petersen  auch  auf  dem  Fragment  im  Vatican  erkannte, 
während  die  Keule  im  rechten  Arme  ruht  (2).  Der  Köcher,  der 
neben  dem  Bogen  nicht  gefehlt  haben  kann,  hängt  in  Lambaesis 
links  an  einem  Baumstumpf,  der  dort  der  rechts  knieenden  Hespe- 
ride entspricht,  der  aber  in  Wörlitz,  wo  wir  ihn  zwischen  Hera- 
kles und  der  links  Knieenden  suchen  müssten,  niemals  vorhanden 
war;  am  Hesperiden-Baume  selber  war  er  augenscheinlich  auch 
nicht  aufgehängt,  und  so  müssen  wir  annehmen,  dass  der  Heros 
ihn  um  den  Oberkörper  am  Köcherband  getragen  oder  mit  dem 
Bogen  in  der  Linken  gehalten  hat,  von  der  er  am  Bande  nieder- 
hing. Der  Sarkophagarbeiter  hat  ihn  ausgelassen.  Mindestens  bis 
zur  Höhe  des  Heros  muss  der  Baum  mit  einigen  Aesten  aufgeragt 
haben,  von  denen  der  getödtete  Drache  niederhing ;  sein  Schwanz- 
ende   bemerkte    Petersen   zuerst  auf  dem   Fragment  im  Vatican. 

(')  Robert,  Die  antiken  Sarkophagreliefs  III  1  Taf.  XXX  106«;  im 
Text  S.  120  c. 

(2)  Dass  in  Wörlitz  der  Ast,  auf  dem  der  Ergänzer  die  Keule  hat  auf- 
ruhen lassen,  in  seinem  Ansatz  antik  ist,  bedeutet  für  das  ehemalige  Vorhan- 
densein der  Keule  an  diesem  Platze  nichts  (vgl.  Arndts  Text  zu  den  Einzel- 
Aufnahmen). 


216  W.    AMELUNG 

Dass  uns  die  Wörlitzer  Gruppe,  in  dieser  Weise  vervollständ- 
igt, das  getreueste  Bild  der  ehemaligen  Composition  giebt,  ge- 
treuer als  die  afrikanische  Gruppe  und  das  Sarkophagrelief,  bei- 
des nur  Auszüge  aus  dem  grösseren  Ganzen  und  veränderter  Be- 
stimmung entsprechend  variiert,  kann  nicht  bezweifelt  werden ;  ist 
sie  doch  selber  noch  in  ■  pergamenischem  ■  Marmor  gearbeitet 
und  auf  eine  Basis  mit  dem  charakteristisch  pergamenischen  Profil 
gestellt.  In  den  Einzelheiten  entspricht  sie  allerdings  trotz  Brunn 's 
leider  nicht  präcisierten  Urteils  über  die  Gewandmotive  durchaus 
nicht  den  Vorstellungen,  die  wir  uns  von  dem  Aussehen  eines  perga- 
menischen Originales  gebildet  haben.  Ich  wüsste  wirklich  nicht, 
worin  sich  die  Arbeit  der  Gruppe  von  «  römischen  i  Dutzendco- 
pieen  unterschiede.  Und  dass  wir  diesen  Anspruch  auf  höhere  Voll- 
endung auch  in  unserm  Falle  nicht  mit  Unrecht  gemacht  haben, 
zeigt  uns  die  Qualität  der  Darstellung  einer  anderen  Tat  des  He- 
rakles, die  mit  jener  aus  den  verschiedensten  Gründen  in  unmit- 
telbaren Zusammenhang  zu  bringen  ist:  auch  sie  ist  in  pergame- 
nischem Marmor  gearbeitet;  die  Basis  zeigt  das  gleiche  pergame- 
nische  Profil,  und  auf  dem  römischen  Sarkophage  stösst  ein  Bild 
des  gleichen  Schemas  an  die  schon  erwähnte  Darstellung  des  Aben- 
teuers bei  den  Hesperiden  (I).  Die  Gruppe,  die  Herakles  mit  dem 
getöteten  Löwen  darstellt  und  die  im  Zusammenhang  mit  den 
Sarkophagen  schon  Robert  erwähnt  hat,  ohne  weitere  Schlüsse  zu 
ziehen,  steht  in  der  Sala  degli  animali  im  Vatican  (s.  unsere  Ab- 
bildung) (2).  In  der  Tat  i3t  hier  das   einzig  Erhaltene  ausser  der 

(»)  Robert  a.  a.  0.  Taf.  XXX  106;  die  Darstellung  findet  sich  in  der 
ganzen  von  Robert  zusammengeordneten  ersten  Gruppe  der  Sarkophage  mit 
den  Taten  des  Herakles:  Taf.  XXVIII-XXX  101-107.  S.  im  Text  S.  117,  b. 
Auf  den  Sarkophagen  fasst  H.  die  1.  Hinterpranke  des  Löwen,  nicht,  wie  in 
der  Gruppe,  die  rechte ;  nur  der  Sarkophag  Corsini  (Nr.  106)  stimmt  auch 
hierin  mit  der  Gruppe  überein. 

(2)  H.  ohne  die  der  Basis  untergelegte  Platte  0,82  m.,  H.  des  Antiken 
0,29  m.,  Gesamt-Lange  der  Basis  0,74  m.  Ergänzt  die  Platte  unter  der  Basis 
in  einer  Höhe  von  3  cm.,  der  untere  Teil  der  r.  Nebenseite  der  Basis,  Flicken 
vorne  zwischen  den  Vorder-und  Hinterpranken  des  Löwen,  kleine  Flicken  im 
Hinterteil  der  Tiers  und  der  r.  Hinterpranke,  der  ganze  Stamm,  die  Füsse 
des  Herakles,  r.  Arm  mit  Keule,  1.  Unterarm  mit  grösstem  Teil  der  Löwen- 
pranke, verschiedene  Brüche  und  Sprünge.  Der  Herakles  aus  anderem  Marmor 
als  das  TJebrige.  Die  Angaben  bei  Heibig  Führer  169  sind  falsch. 


PERGAMENISCHE    DARSTELLUNG    DER    TATEN    DES    HERAKLES  217 

Basis  —  der  Löwe  —  hervorragend  gut  und  eigenartig  gearbeitet, 
trotz  der  Kleinheit  ganz  in  dem  breiten  energisch-realistischen 
Stil,  den  wir  an  den  grossen  Werken  der  ersten  pergamenischen 
Schule  bewundern ;  ja,  in  dem  Kopf  des  toten  Löwen  ist  mit  we- 


nigen Zügen  ein  so  tiefer  Schmerz  zum  Ausdruck  gebracht,  dass 
unser  Auge  unwillkürlich  auf  das  Tier  gebannt  bleibt  und  den 
vom  Restaurator*  abscheulich  zusammengeflickten  Helden  gar  nicht 
beachtet.  Wie  er  gestaltet  war,  lehren  uns  nur  die  Sarkophage: 
er  war  unbärtig,  das  Haupt  nach  der  linken  Schulter  gewen- 
det  und   bekränzt,  wohl   mit  dem    charakteristischen   Kranz  der 


218  W.    AMELUNG 

Weisspappel,  dessen  Bandenden  auf  die  Schultern  fallen;  stolz 
steht  er  aufrecht,  den  linken  Fuss  schreitend  zur  Seite  gesetzt; 
während  die  gesenkte  Linke  den  bezwungenen  Löwen  schleift, 
schultert  die  erhobene   Rechte  die  Keule  (*).  • 

Mit  dieser  Stellung  stimmen  die  Fussspuren,  die  der  mo- 
derne Ergänzer  vorgefunden  und  in  seiner  Weise  benutzt  hat, 
überein.  Auch  von  dem  Stamm  wird  eine  Spur  auf  der  Basis 
gewesen  sein.  Es  ist  wohl  möglich,  dass  er  einstmals  wie  auf 
dem  Sarkophagrelief  bis  zum  Scheitel  des  Helden  emporragte, 
dem  Hesperidenbaum,  mit  dem  er  dort  in  eins  verbunden  ist,  ent- 
sprechend. 

Ausser  in  der  Qualität  der  Arbeit  unterscheiden  sich  die  bei- 
den Gruppen  auch  in  den  Dimensionen-:  die  Löwengruppe  ist  fast 
doppelt  so  gross,  wie  die  der  Hesperiden  (2).  Trotzdem  —  die 
Sarkophage  erheben  diesen  Schluss  zur  Gewissheit  —  kann  es 
nicht  zweifelhaft  sein,  dass  uns  in  der  Wörlitzer  und  der  Va- 
ticanischen  Gruppe  zwei  Glieder  einer  Kette  erhalten  sind,  Teile 
einer  Reihe  von  Darstellungen  der  Taten  des  Herakles,  die  in 
Pergamon  entstanden  ist.  Dass  diese  auf  römischen  Sarkopha- 
gen nachgeahmt  wurde,  kann  uns  nicht  Wunder  nehmen,  wenn 
wir  uns  erinnern,  dass  auch  andere  pergamenische  Werke,  die  atta- 
lischen  Weihgeschenke  und  die  Marsj'asgruppe,  den  Verfertigern 
der  römischen  Sarkophage  als  Vorbilder  gedient  haben  (3),  und 
sicher  sind  wir  berechtigt,  uns  eine  Vorstellung  von  den  übrigen 
Gliedern  dieser  Kette  nach  den  Sarkophagreliefs  zu  bilden,  so  sehr 
uns  auch  unsere  bisherigen  Erfahrungen  inbetreff  der  Einzelheiten 
zur  Vorsicht  mahnen.  Es  wird  kein  Zufall  sein,  dass  uns  gerade 
jene  beiden  Darstellungen  als  Gruppen  erhalten  sind ;  es  sind  fast 
die  einzigen  dieser  Reihe,  die  sich  charakteristisch  vor  den  ent- 
sprechenden Darstellungen  der  andern  Klassen  von  Sarkophagen 
auszeichnen.  Nur  eine  der  andern  Gruppen  wünschte  man  noch  in 
ursprünglicher    Gestalt    erhalten  zu   sehen:    die   Gruppe,  die  den 

f1)  Die  Figur  ist  am  besten  erhalten  auf  dem  Sarkophag  Nr.  103. 

(2)  Die  Höhe  der  Wörlitzer  Gruppe  beträgt  0,54  m.,  die  Länge  der 
Basis  0,41  m. 

(3)  Vgl.  Habich,  Die  Amazonengruppe  des  attalischen  Weihgeschenks 
S.  40  ff.  Dort  ist  die  ältere  Litteratur  verzeichnet.  Amelung,  Moderner  Cice- 
rone, Rom  I  S.  360  f.;  ders.,  Führer  d.  d.  Ant.  in  Florenz  S.  63. 


PERGAMENISCHE  DARSTELLUNG  DER  TATEN  DES  HERAKLES       219 

Kampf  des  Herakles  mit  den  Rossen  des  Diomedes  darstellt.  Hier 
muss  die  Figur  des  Heros  in  ihrer  starken  Bewegung  halb  von 
rückwärts  gesehen  sehr  ausdrucksvoll  gewirkt  haben;  zudem  ist 
eins  bedeutsam:  sie  ist  im  Motiv  sehr  ähnlich  einem  Gallier,  der 
zweifellos  eine  der  schönsten  Gestalten  in  der  attalischen  Gallier- 
schlacht zu  Athen  gewesen  ist  (l).  Den  Diomedes  werden  wir  in 
dem  pergamenischen  Vorbilde  so  annehmen  können,  wie  er  auf 
dem  einen  Sarkophag  (Nr.  106)  gebildet  ist :  er  entspricht  im  Ge- 
gensinne fast  genau  der  knieenden  Hesperide. 

Dass  man  in  Pergamon  die  Taten  des  Herakles  neu  zur 
Darstellung  brachte,  erklärt  sich  leicht:  der  Heros  war  der  Vater 
des  Telephos.  Dass  uns  von  dieser  Originalschöpfung  in  einer  der 
erhaltenen  Gruppen  ein  Rest  erhalten  sei,  scheint  mir  ausgeschlossen. 
In  Rücksicht  auf  die  Qualität  der  Arbeit  könnte  zudem  nur  die 
Löwengruppe  in  Frage  kommen.  Aber  aus  welchem  Grunde  hätte 
der  Bildhauer  des  afrikanischen  Fragments  ein  grösseres  Format 
gewählt  —  das  Erhaltene  misst  0,80  m.  — ,  ein  Format,  das 
sicher  nicht  zufällig  mit  dem  der  Figuren  aus  dem  attalischen 
Weihgeschenk  übereinstimmt  (2)  ?  Dazu  kommt  die  Analogie  eben 
dieser  Figuren  und  der  anderen  aus  dem  grossen  Siegesdenkmal 
des  Attalos,  die  uns  zeigt,  dass  man  die  pergamenischen  Skulp- 
turen in  Pergamon  selbst  für  den  römischen  Markt  copierte.  All 
das  legt  die  Vermutung  nahe,  dass  man  die  vaticanische  und 
Wörlitzer  Gruppe  für  den  Export  nach  Rom  verkleinert  habe. 
Zweifelhaft  bleibt  es,  ob  wir  uns  die  Originalschöpfung  nach  dem 
Zeugnis  des  Fragments  in  Lambaesis  wirklich  in  der  Grösse  der 
attalischen  Weihgeschenke  vorstellen  können,  und  ob  wir  nach 
Analogie  mit  diesen  schliessen  dürfen,  jenes  Original  sei  eine 
Reihe  von  Bronzegruppen  gewesen,  für  die  wir  dann  eine  einheit- 
liche Basis  annehmen  müssten  (3). 

0)  Vgl.  Habich  a.  a.  0.  S.  63  Figur  14. 

(*)  Dies  ist  unter  den  in  Afrika  gefundenen  Skulpturen  nicht  das  ein- 
zige Beispiel  einer  Nachwirkung  pergamenischer  Kunst.  Unter  den  Votiv- 
reliefs  an  Saturn,  den  Baalsamim  der  Karthager,  stellt  eins  (Delamare,  Ex- 
ploration scientifique  de  VAlge'rie,  Archeologie  pl.  93,  2;  Clarac  161c,  9; 
Fröhner,  Notice  p.  467  Nr.  514)  den  Gott  im  Typus  des  pergamenischen 
Asklepios  des  Phyromachos  dar  (Rom.  Mitteil.  1903  S.  1  ff,  vgl.  zu  dieser 
Tatsache  Revue  archeologique  1903  p.  198). 

(3)  Vgl.  den  Schleifer,  der  in  der  Originalgruppe  natürlich  mit  den 
übrigen  Figuren  auf  einer  gemeinsamen  Basis  stand. 


220  W.    AMELUKG 

Von  der  Kunst  des  Schöpfers  dieser  Gruppen  gewinnen  wir 
aus  dem,  was  uns  geblieben,  keine  hohe  Vorstellung.  Das  Beste 
ist  wirklich  der  tote  Löwe.  Aber  in  beiden  Darstellungen  steht  der 
Heros  ostentativ  theatralisch  da;  am  unmotiviertesten  wirkt  das 
inmitten  der  erschreckten  Hesperiden.  Wir  müssen  die  Situation 
wohl  so  verstehen :  Herakles  ist  unerwartet  angekommen,  hat  mit 
einem  Pfeil  von  fern  oder  mit  einem  Schlag  seiner  Keule  den 
Drachen  erlegt  und  steht  nun  als  Sieger  zwischen  den  auseinander 
flüchtenden  Nymphen.  Eine  Verbesserung  kann  man  es  auch  nicht 
nennen,  wenn  von  dem  nemeischen  Abenteuer  nicht  das  Kingen 
selbst,  sondern  der  Moment  nach  dem  Tode  des  Löwen  zur  Dar- 
stellung gewählt  wurde.  Den  Kampf  schildern  uns  verschiedene 
Compositionen  in  packender  Lebendigkeit,  und  notwendiger  Weise 
müssen  sie  Alle  weit  tiefer  und  interessanter  wirken,  als  die  hier 
beliebte  Schaustellung  des  Siegers  mit  seiner  Beute.  Zur  Erklärung 
kann  man  Folgendes  vermuten:  das  Löwen-Abenteuer  war  sicher 
das  erste  in  der  Eeihe ;  das  bei  den  Hesperiden  wahrscheinlich  das 
letzte  (Robert  S.  115).  Da  kann  es  dem  Bildhauer  darauf  ange- 
kommen sein,  an  Beginn  und  Ende  einen  aufrecht  stehenden  Hera- 
kles hinzustellen,  um  das  Ganze  durch  diese  beiden  Figuren  ein- 
zurahmen, deren  Wirkung  er  noch  durch  die  daneben  gestellten 
Bäume  verstärkte. 

Noch  Anderes  wirkt  an  den  Gruppen  befremdlich.  Man  hatte 
bisher  die  puppenhafte  Kleinheit  der  Gegner  des  Herakles  oder 
der  Nebenpersonen  bei  seinen  Taten  der  Geschmacklosigkeit  spätrö- 
mischer Skulptoren  zur  Last  gelegt,  kannte  man  sie  doch  nur  von 
Sarkophagen  und  einzelnen  Gruppen  spätester  Zeit,  wie  zweien  der 
vier  grösseren  Heraklesgruppen,  die  auch  in  der  Sala  degli  ani- 
mali  stehen  (l).  Jetzt  erfahren  wir,  dass  sich  die  Römer  dafür 
schon  auf  den  Vorgang  der  Pergamener  berufen  konnten  und  zum 
Teil  nach  diesen  einfach  copierten,  denn  nicht  nur  die  Hesperiden 
sind  nur  dreiviertel  so  gross  wie  der  Heros:  auch  der  Löwe  ist, 
im  Gegensatz  zu  seiner  erschreckenden,  dämonischen  Grösse  in 
anderen  Darstellungen,  so  klein,  dass  uns  das  stolze  Auftreten  des 
Siegers  doppelt  übertrieben  scheint.  Das  Bestreben  der  Künstler 
war  doch  wohl,  einerseits  die  Hauptperson  so  stark  als  irgend  mög- 

(l)  Clarac  797,  2001  und  800,  2000. 


PERGAMENISCHE  DARSTELLUNG  DER  TATEN  DES  HERAKLES       221 

lieh  hervorzuheben,  andrerseits  das  Wunder  ihrer  Heldenkraft 
auch  äusserlich  begreiflich  erscheinen  zu  lassen.  Merkwürdig  ist 
nur,  dass  es  ihnen  nicht  beifiel,  wie  sehr  sie  das  Verdienst  des 
Heros  dadurch  herabsetzten;  aber  die  Folgezeit  hat  ihnen  gegen 
solch  ein  Bedenken  Recht  gegeben. 

Tatsächlich  ist  nun  diese  Erscheinung  in  der  Antike  und  be- 
sonders in  der  hellenistischen  Epoche  nicht  so  isoliert,  wie  es  zuerst 
scheinen  will.  Seit  der  archaischen  Zeit  waren  die  Griechen  ge- 
wöhnt, auf  ihren  Votivreliefs  neben  Göttern,  Heroen  oder  heroi- 
sierten Toten  anbetende  Menschen  in  kleinerem  Massstabe  zu  sehen. 
Die  eigentümliche  Ausstattung  der  Schauspieler  erhob  die  Haupt- 
personen eines  Drama  weit  über  menschliches  Mass;  daneben 
erschien  die  dienende  Umgebung  in  natürlicher  Gestalt  (l).  Auf 
den  kleinen  hellenistischen  Grabreliefs  aus  Klein-Asien  und  von 
den  Inseln  stehen  neben  den  gross  gebildeten  Verstorbenen  Diener 
und  Dienerinnen  in  unverhältnismässiger  Kleinheit  (2).  Endlich  sei 
an  ein  berühmtes  Beispiel  erinnert,  an  die  Söhne  des  Laokoon. 

Dann  die  Gruppenbildung.  Hier  kommt  der  Herakles  mit  dem 
Löwen  kaum  in  Betracht,  und  doch  muss  hervorgehoben  werden, 
dass  es  aus  keiner  anderen  Zeit  eine  Composition  giebt,  in  der  die 
Bestandteile  so  wenig  gegen  einander  abgewogen  sind,  der  eine 
hoch  aufgerichtet,  der  andre  auf  dem  Boden  hinschleifend.  Ebenso- 
wenig einheitlich  wirkt  der  Umriss  der  Hesperidengruppe,  in  der 
die  eine  Knieende  kein  ausreichendes  Gegengewicht  gegen  die 
grössere  Masse  der  beiden  Fliehenden  bildet  und  in  der  Mitte 
Herakles  und  der  Baum  unvermittelt  aufragen.  Die  gleiche  Beob- 
achtung können  wir  bei  jener  anderen  pergamenischen  Gruppe 
machen,  die  den  Schleifer,  Marsyas  und  Apollon  zusammenstellte, 
und  es  wird  kein  Zufall  sein,  dass  die  Massen  dort  ebenso  verteilt 
sind,  wie  in  der  Hesperidengruppe:  der  knieenden  Nymphe  links 
entspricht  der  hockende  Skythe ;  in  der  Mitte  haben  wir  dort  den 
am  Baum  hängenden  Marsyas,  rechts  den  sitzenden  Apollon,  der 


(l)  Ein  frappantes  Bild  dieses  merkwürdigen  Oontrastes  giebt  uns  das 
kürzlich  von  Rizzo  publicierte  Terracottarelief :  Notizie  degli  seavi  1905 
S.  19  ff.  und  Jahreshefte  des  österr.  arch.  Inst.  1906  S.  203  ff.  T.  V. 

(*)  Siehe  die  kürzlich  von  Pfuhl  im  Archäol.  Jahrbuch  1905  S.  47  ff. 
T.  4-6  publicierten  Stücke. 


222        \V.    AMELUNG..    PEKGAMKMSCUE    DARSTELLUNG    DES   HERAKLES   cCC. 

an  Grösse  und  Masseden  beiden  Hesperiden  rechts  gleichkam  ('). 
Zweifellos  ist  hier  ein  Prinzip  der  Gruppenbilduug  wirksam,  das 
wesentlich  von  dem  abweicht,  das  wir  sonst  in  der  Antike  herrsch- 
end finden;  hier  fehlt  das  strenge  Gleichgewicht  der  Massen  und 
der  architektonisch  geschlossene  Umriss.  Die  Figuren  scheinen 
aus  einem  Gemälde  herausgeschnitten,  ohne  dass  man  ihre  Com- 
position  doch  malerisch  nennen  könnte.  Ich  wüsste  aus  der  Antike 
zunächst  nur  ein  weiteres  Beispiel  einer  ähnlich  losen  Gruppen- 
bildung zu  nennen:  die  Darstellung  des  Polyphem  mit  dem  von  links 
herantretenden  Odysseus  (2).  Zweifellos  stammt  auch  sie  aus  helle- 
nistischer Zeit ;  sie  der  pergamenischen  Schule  zuzuschreiben,  fehlt 
jeder  weitere  Anlass.  Man  ist  augenscheinlich  von  diesem  neuen 
Prinzip  später  wieder  zurückgekommen;  der  Laokoon  ist  ein 
Musterbeispiel  der  streng  geschlossenen  Gruppenbildung.  In  ihm, 
wohl  der  letzten  bedeutenden  Schöpfung  des  barocken  Helle- 
nismus (3),  der  in  Pergamon  einsetzt,  tritt  die  klassizistische  Richt- 
ung, deren  erste  Spuren  wir  ebenfalls  in  Pergamon  wahrnehmen  (4), 
als  reactionäre  Macht  bereits  herrschend  zu  Tage,  wenn  auch 
zunächst  nur  in  der  Composition ;  das  Letzte,  die  akademische 
Neugestaltung  der  Einzelformen,  folgte  bald.  Aber  da  traten  noch 
andere  äussere  Factoren,  die  Entwickelung  fördernd,  hinzu:  die 
Kunst  wurde,  wie  sie  im  Beginn  der  hellenistischen  Zeit  in  die 
orientalisch-griechischen  Reiche  der  Diadochen  verpflanzt  worden 
war,  jetzt  nach  Rom  übertragen,  in  das  Rom  des  Augustus,  das 
nach  dem  wilden  Rausch  der  Bürgerkriege  wieder  ernüchtert  die 
lang  ersehnte  Ruhe  unter  der  zielbewussten,  besonnenen  Herr- 
schaft dieses  Kaisers  genoss,  dessen  kühles  vornehmes  Wesen  der 
ganzen  Gultur  jener  Zeit  seine  eigenartige  Physiognomie  verlieh. 

W.  Amelung. 

(')  Vgl.  über  diese  Gruppe  Amelung,  Führer  durch  die  Antiken  in  Flo- 
renz a.  a.  0. 

(2)  Beschreibung  der  Skulpturen  des  vaticanischen   Museums  I  MCh  704. 

(3)  Die  lang  umstrittene    Frage    der   Entstehungszeit   des    Laokoon  ist 
jetzt  entschieden:   Blinkenberg  und  Kinch,  Oversigt  over  det  Kong.  Danske 

Videnskabernes  Selskabs  Forhandlinger  1905  S.  75  ff. 

(4)  Vgl.  Habich  a.  a.  0.  S.  90  ff.  und  Amelung  in  diesen  Mitteil.  1903 
S.  10  ff. 


DER  ILLYRISCHE  ZOLL  UND  DIE  PROVINZIALGRENZEN. 


Von  der  allgemein  gültigen  Auffassung  des  publicum  portorii 
vectigaiis  Illyrici  als  eines  Grenzzolles  ausgehend,  gelangte  A.  von 
Domaszewski  in  der  nachhaltig  wirkenden  Untersuchung  ü  Die 
Grenzen  von  Moesia  superior  und  der  illyrische  Grenzzoll  »  (Ar- 
chaeologisch-epigraphische  Mitteilungen  XIII  S.  129  ff.)  zu  der 
■  sicheren  Beobachtung,  dass  die  Stationen  des  vectigal  Illy- 
rici an  den  Provinzialgrenzen  lagen  »,  und  nahm  mit  ihrer 
Beihülfe  an  der  unteren  Donau  eine  neue  Gebiets  Verteilung  vor. 
Obermoesien  wurde  zu  Gunsten  Dalmatiens  das  ganze  westliche 
Serbien  abgesprochen,  dagegen  erhielt  sie  nördlich  der  Donau  da» 
Banat.  Dacien  verlor  nicht  nur  letzteres,  sondern  auch  die  Grosse 
Walachei,  die  mit  Moesia  inferior  vereinigt  wurde.  Diese  Kor- 
rekturen fanden  Zustimmung  (*)  und,  mit  einer  Abweichung  im 
Westen  Daciens,  durch  H.  und  R.  Kiepert  kartographische  Fe- 
stigung und  Verbreitung  (?). 

Allein  schon  das  Domaszewski  zur  Verfügung  stehende  Ma- 
terial hätte  Bedenken  erregen  können  insbesondere,  ob  die  Zollsta- 
tionen tatsächlich  ausschliesslich  an  den  Grenzen  lagen. 

In  Obermoesien  weist  Domaszewski  a.  a.  0.  S.  144  in  Run- 
jevo  bei  Kacanik  auf  Grund  von  CIL.  III  8155  (3)  eine  Zoll- 
stätte nach  und  doch  sieht  er  sich  auf  seinem  Kärtchen  S.  154 
infolge  der   S.  152  gemachten  Wahrnehmung,  dass   «  das  Hochtal 

(»)  Vgl.  z.  B.  0.  Hirschfeld,  CIL.  III  p.  1474;  A.  von  Premerstein, 
Jahreshefte  1900  Beiblatt  Sp.  110.  153;  M.  Rostowzew,  Geschichte  der 
Staatspacht  in  der  römischen  Kaiserzeit  bis  Diokletian  S.  394. 

(2)  Formae  orbis  antiqui  XVII  Beiblatt  S.  3  ff.;  CIL.  III  S.  tab.  IV-VL 
Auf  den  letztgenannten  Karten  lässt  sich  die  folgende  Erörterung  am  be- 
quemsten verfolgen. 

(3)  Vgl.  Premerstein-Vulic,  Jahreshefte  1903  Beiblatt  Sp.  35. 


224  C.    PATSCH 

von  Prizren  noch  zu  Moesia  superior  zu  ziehen  sei  »,  und  mit 
Piücksicht  auf  die  Tatsache,  dass  Scupi  eben  derselben  Provinz 
angehörte,  genötigt,  die  Grenzlinie  im  Westen  sowohl  wie  im  Süden 
in  einer  viele  Meilen  betragenden  Entfernung  von  Runjevo  einzu- 
zeichnen. Ebenso  weicht  im  Osten  der  Grenzstrich  der  Station  Kuma- 
nova  aus.  Wie  in  Moesia  superior  ist  man  auch  im  Westen  Daciens 
gezwungen,  gegen  das  Wesentliche  einer  Grenzstation  zu  Verstössen. 
Die  supponierte  Grenze  verläuft  hier  in  gerader  Richtung  nord- 
südlich im  Westen  von  Värhely,  Veczel  und  Zalatna,  während  sie 
folgerichtig  eine  mehrfach  gebrochene  Linie  beschreiben  sollte,  da 
sich  die  «  Grenzstationen  ■  in  Pons  Augusti,  Värhely,  Veczel,  Za- 
latna (*)  und  Verespatak  (2)  befinden.  Diese  Konsequenz  konnte 
aber  nicht  gezogen  werden,  da  die  Provinzialhauptstadt  Sarmize- 
getusa  unmittelbar  an  die  Grenze  ,  zu  liegen  gekommen  und  der 
Golddistrikt  entzweigeschnitten  worden  wäre  (3). 

In  Noricum  ist  Domaszewski  S.  138  Anm.  58  gegen  die 
bestimmte  Provenienzangabe  der  Inschrift  CIL.  III  5620  gez- 
wungen, die  statio  Esc . . .  von  Ischl  an  der  Traun  nach  •  Ischel 
am  Chiem-See  i  zu  verlegen,  weil  sie  sich  im  erstgenannten  Orte 
mit  seiner  These  im  völligen  Widerspruche  befände.  Ebenso  kann 
man  in  Pannonien,  man  mag  versuchen,  was  man  will,  Savaria  (4) 
und  Sirmium  (5)  nicht  an  eine  Grenze  bekommen;  sie  bleiben  viel- 
mehr Binnenstationen. 

Und  wie  die  Beobachtung,  dass  die  Stationen  an  den  Provin- 
zialgrenzen  lagen,  wenigstens  nicht  überall  zutrifft,  so  undurchführ- 
bar ist  auch  das  aus  ihr  von  Domaszewski  S.  143  gewonnene 
«  feststehende  Gesetz,  dass  die  Zollinien  mit  den  Provinzialgrenzen 
zusammenfallen  ». 

In  Kulic  an  der  Einmündung  der  Morava  in  die  Donau  ist 
durch  CIL.  1647=8140  eine  Zollstätte  gesichert;  es  müsste  hier 
also  eine  Provinzialgrenze  gelaufen  sein.  Nach  Domaszewski  gehört 

(!)  Domaszewski  a.  a.  0.  S.  142  f. 

(2)  CIL.  III  p.  958. 

(3)  Dieser  Widerspruch  ist  C.  G.  Brandis,  Pauly-Wissowa  s.  v.  Dacia 
Sp.  1970  nicht  entgangen;  er  meint  deshalb,  dass  Värhely  und  Zalatna  keine 
Zollstationen  waren. 

(4)  Domaszewski  a.  a.  0.  S.  138. 
(6)  Ebenda  S.  136. 


DER    ILLYRISCHE    ZOLL    UND    DIE    PROVINZIALGRENZEJS  225 

aber  das  Banat  wegen  der  Zollinie  Alt-Orsova-Zalatna  (l)  zu  Ober- 
moesien. Nicht  minder  steht  im  Widerspruche  mit  der  Vereini- 
gung der  Grossen  Walachei  mit  Moesia  inferior  die  Station  in 
Durostorum  (2).  Auch  hier  würde  eine  Grenzlinie  zwischen  zwei 
Teilen  einer  Provinz  hindurchführen. 

Die  Bedenken  stiegen,  als  sich  die  Nachrichten  über  das 
Illyricum  namentlich  in  Moesia  superior  Dank  den  Keisen  der 
Herren  von  Premerstein  und  Vulic  vermehrten.  Die  Liste  der  nun 
in  dieser  Provinz  bekannten  Stationen  umfasst : 

1.  Kulic:  s.  o. 

2.  Viminacium:  Jahreshefte  1905  Beiblatt  Sp.  3  n.  8:  M.  Antoni(o) 
M.  f.  Fabia  Fabiano,  proc.  XL  Galliarum  et  portus,  item  argentariar. 
Pannonicar.,  c(onductori)  portori  Illyrici,  patrono  bono  Mercator  üb.  In 
Viminacium  konnte  die  Widmung  Fabianus  nur  als  conductor  gelten. 

3.  Katiaria:  Domaszewski  a.  a.  0.  S.  136. 

4.  Ravna:  Jahreshefte  1903  Beiblatt  Sp.  50  n.  59:  Dis  Man.  Mia 
Antonia,  v.  a.  XXIX,  et  Calbo  alumn.,  v.  a.  V.  Achilleus  vil{icus)  co- 
niugi  et  alumno  b.  m.  et  Antoni  Jnvictianus,  Achillius,  Achillia  m.  dulc. 

*  b.  m.p.  Achilleus  ist,  wie  Premerstein  erkannt  hat,  identisch  mit  dem 
vilicus,  der  früher  oder  später  auf  der  Station  Kumanova  (n.  6)  gewirkt 
hat. 

5.  Lomnica  bei  Trn:  Domaszewski  a.  a.  0.  S  153  (3). 

6.  Kumanova:  CIL.  III  1697=8243:  7]  0.  M.  D.  pro  salute  imp.  M.  Au- 
reli  Antonini  PH  Aug.  et  Iuliae  Aug.  matris  käst.  Achilleus  eorun- 
dem  ser.  vi[L]  pos.  kal.  Novembr\ib7\  Sabino  II  et  Annul[T\ino  cos. 
(216  n.  Chr.). 

7.  Klecovac  (4):  Jahreshefte  1903  Beiblatt  Sp.  39  n.  45  =  1904  Bei- 

C1)  S.  142  f. 

(2)  Domaszewski  a.  a.  0.  S.  136. 

(3)  Die  Fundstelle,  «  Prestol  »,  befindet  sich  im  Dorfe  Lomnica  an  der 
Sukovska  oder  Golema  reka  eine  halbe  Stunde  nördlich  von  Trn.  Dass  dieses 
Tal  von  einer  lebhaften  Handelsroute  durchzogen  wurde,  welche  die  Strassen 
Naissus-Scupi  und  Naissus-Serdica  verband,  zeigen  die  Funde,  welche  C. 
Jirecek,  Arch.-epigr.  Mitt.  X.  S.  52  ff.  notiert.  Sie  umfassen  auch  Drachmen 
von  Dyrrhachium  und  thasische  Tetradrachmen  und  reichen  später  von  Iulius 
Caesar  bis  in  die  Komnenenzeit.  Im  15.  und  16.  Jahrhundert  wurde  der  Weg 
Vranja-Trn-Sofia  oft  benutzt  (Jirecek  a.  a.  0.  S.  54  und  Das  Fürstentum 
Bulgarien  S.  465). 

(4)  Klecovac  liegt  an  der  Eoute,  welche  von  Uesküb  in  den  Minen- 
bezirk von  Kratovo  (Ami  Boue,  Die  europäische  Türkei  I  S.  241 ;  Jirecek, 
Arch.-epigr.  Mitth.  X  S.  78)  und  über  Egri  Palanka  nach  dem  reichen  Pau- 
talia-Küstendil  führt. 

16 


226  C.    PATSCH 

blatt  Sp.  3  n.  3:  Fano  magino)  pro  sal.  Aug\jf\.  n[n.]  Apollonides  eorund, 
vect.  Illyr.  ser.  (contra)sc(riptor)  stat(ionis)  Lamud.,  quam  voverat  (con- 
tra)sc(riptor)  stat(ionis)  Vizi(ani),  v.  s.  L  m.  Vizianus.  Oentiano  et 
Basso  [cos]  (211  n.  Ch.). 

8.  Eunjevo:  s.  o.  S.  221. 

9.  Gornja  Gusterica:  CIL.  III  8170  (vgl.  n.  12664  und  Jahreshefte 
1903  Beiblatt  Sp.  25):  /.  0.  m.  [e\t  felicit[a]ti  statio(nis)  [H]ercu- 
la[nus]  vi[l{icus).. . 

10.  Lapje  seloO):  Jahreshefte  1903  Beiblatt  Sp.  29  n.  36  (vgl. 
Hirschfeld,  Die  kaiserlichen  Verwaltungsbeamten  bis  auf  Diocletian2  S.  88 
Anm.  4):  Qenio  Illyrici  pro  salute  imp.  Caes.  M.  Aur.  Severi  Aleoo- 
andri  Aug.  et  Mameae  Aug.  sub  cura  Ant(oni)  [Si]lvani  v(iri)  e(gregii) 
proc(uratoris)  lulianus  vilic{us)  stat(ionis)  Ulp{ianensis)  tabul{arium) 
sumpt{u)  suo  \fe\c{it)  Albino  et  Maximo  consulibus  (227  n.  Chr.). 

11.  Statio  Vizianus  an  der  Strasse  Naissus-Lissus,  vgl.  o.  n.  7.  Pre- 
raerstein,  Jahreshefte  1903  Beiblatt  Sp.  39. 

12.  Guberevac:  Domaszewski  a.  a.  O.  S.  133. 

Keine  der  neuen  Stationen,  ausser  vielleicht  Klecovac,  erscheint 
an  einer  der  von  Domaszewski  angenommenen  Grenzen.  Im  Ge- 
genteil! Zu  Kulic  tritt  nun  im  Norden  Viminacium  mitten  in  der 
erweiterten  Provinz  hinzu,  so  dass  man  jetzt  schon  von  einer 
Zollinie  gegen  das  Banat  sprechen  müsste.  Ebenso  und.  mit  der 
gleichen  Folgerung  reiht  sich  donauabwärts  Durostorum  (o.  S.  225) 
die  Station  Dimum  (2)  an.  Im  Osten  von  Moesia  superior  wäre 
nach  Domaszewskis  Prinzip  infolge  der  Station  Ravna  der  ganze 
Oberlauf  des  Timok  aus  der  Provinz  auszuscheiden  und  doch  ge- 
hörte nach  der  Dedikation  CIL.  III  8260=  14572 :  Herculi  Naisati 
noch  das  von  Ravna  südöstlich  gelegene  Zukovac  zum  Territorium 
von  Naissus  (3).  Und  auch  ßemesiana,  den  Sitz  des  obermoesischen 
Landtages,  könnte  man  nur  durch  eine  gewundene  Linie  der  Provinz 
Obermoesien  erhalten.  Denselben  Ausweg  müsste  man  angesichts 
der  Linie  Kunjevo-Lapje  selo,  auch  wenn  man  Gusterica  als  nicht 
sicher  unberücksichtigt  Hesse,  im  Südwesten  der  Provinz  im  Inte- 
resse Ulpianas  suchen. 

([)  Ueber  Lapje  selo  lief  offenbar  die  Strasse  Ulpianum  (Lipljan)- 
Pristina-Prepelac-Kursumlija-Prokuplje-Naissus,  ein  Segment  der  Handelsroute, 
welche  von  Lissus  an  der  Adria  heraufführte  und  nach  Münzfunden  (Glasnik 
1902  S.  402)  bereits  in  vorrömischer  Zeit  frequentiert  wurde. 

(2)  CIL.  III  12363.  12399. 

(3)  Vgl.  Premerstein,  Jahreshefte  1901  Beiblatt  Sp.  139  f. 


DER    ILLYRISCHE    ZOLL    UND    DIE    PROVINZIALGRENZEN  227 

Nach  all  diesen  Instanzen,  die  sich  aus  anderen  Provinzen 
vermehren  Hessen  —  in  Dalmatien  z.  B.  ist  die  Station  Vratnik  (!) 
von  der  Seegrenze  in  Zengg  elf  km.  entfernt  —  kann  man  sich,  glaube 
ich,  nicht  mehr  der  Erkenntnis  verschliessen,  dass  die  Stationen 
nicht  lediglich  an  den  Grenzen  lagen,  sondern  dass  auch  Binnensta- 
tionen bestanden.  Der  selbstverständliche  weitere  Schluss  daraus  ist, 
dass  das  vectigal  Illyricum  auch  ein  Binnenzoll  war.  Der  Verkehr 
wurde  demnach  in  den  illyrischen  Provinzen  vom  Fiscus  noch 
weiter  stärker  besteuert  als  man  bislang  annahm  (2).  Damit  wird 
aber  für  das  Reich  nichts  neues  ermittelt,  sondern  wir  sehen  nur, 
dass  das  ägyptische  Vorbild  auch  darin  befolgt  wurde  (3). 

Welcher  Art  die  Abgaben  waren,  die  innerhalb  der  Provinzen 
dem  Verkehre  auferlegt  wurden,  dürfte  in  Ermangelung  anderer 
Indizien  eine  in  Zukunft  genauere  Beachtung  der  Lage  der  Sta- 
tionen (4),  ihrer  Dichte  und  Entfernung  von  einander  sowie  der 
Stärke  des  Personals  im  Zusammenhange  mit  der  Würdigung  der 
kommerziellen  Bedeutung  der  einzelnen  Routen  zum  Teil  erschlies- 
sen  lassen. 

Eher  auf  Strassengeld  für  die  Benutzung  der  Strasse  als 
auf  Durchgangszoll  deutet  ihre  schnelle  Folge  an  einer  Route: 
Tsierna-ad  Mediam  (5),  Pons  Augusti-Sarmizegetusa,  Pontebba- 
Saifnitz  (6),  Pleckenalp-Reisach  (östlich  von  Mauthen,  (7)  u.  s.  w. 

(»)  CIL.  III  13283,  vgl.  p.  2328175. 

(a)  Entsprechendes  wird  sich  ohne  Zweifel  auch  in  den  anderen  Zollge- 
bieten ergeben.  Die  statio  Turicensis  des  gallischen  Zollgebietes  z.  B.,  die 
«  beträchtlich  weiter  zurückliegt,  als  die  gallische  Ostgrehze  gelaufen  sein 
kann  n  (Mommsen,  Hermes  XVI  S.  494),  findet  nun  eine  einfachere  Er- 
klärung. 

(■)  Vgl.  Marquardt-Dessau,  Rom.  Staatsverwaltung  II2  S.  274.  Ueber  die 
schwere  Belastung  des  Verkehres  innerhalb  Aegyptens  s.  U.  Wilcken,  Grie- 
chische Ostraka  aus  Aegypten  und  Nubien  I  S.  278. 

(4)  Ueber  die  Vermutungen  von  W.  Gurlitt  hinsichtlich  Pettaus  vgl. 
u.  S.  228. 

(5)  Domaszewski  a.  a.  0.  142. 

(6)  CIL.  V  8650.  CIL.  III  4716. 

0)  CIL.  V  1864  (vgl.  Domaszewski,  Arch.-epigr.  Mitt.  XIII  S.  134 
Anm.  28).  CIL.  III  4720.  Die  beiden  letztgenannten  Aemterpaare  werden  «  als 
Doppelstationen  diesseits  und  jenseits  der  Grenze  «  angesehen  (Domaszewski 
a.  a.  0.  137),  so  dass  Pontebba  und  die  Pleckenalp  in  Italien,  Saifnitz  und 
Reisach  hingegen  in  Noricum    lagen.  Es  ist  dabei    aber    übersehen    worden, 


228  C.    PATSCH 

Ausserdem  scheinen  an  bestimmten  Punkten  noch  besondere  Ge- 
bühren eingehoben  worden  zu  sein.  Der  Name  der  Station  Pons 
Augusti  und  die  Lage  von  Kulic  an  der  Morawamündung  (l)  lassen 
vermuten,  dass  eine  Brückenmaut  oder,  wo  keine  feste  Flussü- 
bersetzung bestand,  ein  Fährgeld  entrichtet  werden  musste  (2). 
Die  Station  Vratnik  am  Fusse  des  gleichnamigen  Passes  dürfte 
errichtet  worden  sein,  um  ein  Passgeld  einzuheben. 

Ist  ferner  unsere  Annahme  einer  Strassenmaut  richtig,  so 
können  auch  die  in  der  Kaiserzeit  so  stark  ausgenutzten  Wasser- 
wege (3)  nicht  abgabenfrei  gewesen  sein,  weil  sonst  die  längs  der 
Flüsse  (Donau,  Drau,  Save,  Maros  u.  s.  w.)  laufenden  Strassen  ge- 
mieden worden  wären  und  sie  den  Verkehr,  der  Fiscus  an  Ein- 
nahmen eingebüsst  hätte  (4). 

Gurlitt  (5)  unterschied  in  Poetovio  drei  Stationen.  Die  eine 
bei  der  Kirche  St.  Martin  in  Ober-Haidin  vermutlich  an  der 
Keichsstrasse  von  Celeia  nach  Poetovio;  die  zweite  •  am 
Fusse  des  Schlossberges  in  der  jetzigen  Stadt  Pettau  am  linken 
Drauufer,  vermutlich  an  der  Brücke,  die  hier  in  alter  Zeit, 
oberhalb  der  jetzigen  Brücke,  über  die  Drau  führte  » ,  und  die 
dritte  in  Unter-Haidin  unmittelbar  über  dem  Drauufer  auf  dem 
dortigen    Umschlagplatze.   Für  grosse,  verkehrsreiche  Plätze 


dass  auch  in  Pontebba  und  auf  der  Pleckenalp,  wie  ausdrücklich  bezeugt  ist, 
der  illyrische  und  nicht,  wie  man  erwarten  müsste,  der  italische  Zoll  ein- 
gehoben wurde.  Beide  Stationen  gehörten  somit  zu  Illjricum.  Aus  dem- 
selben Grunde  —  der  in  CIL.  V  5079.  5080  genannte  T.  Iulius  Saturninus  ist 
bekanntlich  Pächter  des  illyrischen  Zolles  —  fällt  Seben  nicht,  wie  R.  Kie- 
pert CIL.  III  tab.  VIII  und  Formae  orbis  antiqui  XXIII  verzeichnet  hat, 
Italien,  sondern  Illyricum  zu. 

0)  Die  statio  Enensis  =  Pons  Aeni  (CIL.  III  151 847),  Boiodurum  (CIL. 
III  5691)  an  der  Innmündung,  Confluentes  (CIL.  III  151848)  an  der  Vereini- 
gung der  Save  mit  der  Donau,  Tsierna  und  Celei  (CIL.  III  8042),  wo  wich- 
tige Strassen  die  Donau  traversierten,  mögen  vorderhand  ausser  Acht  bleiben, 
da  sie  an  einer  Provinzial-,  beziehungsweise  an  der  Reichsgrenze  lagen. 

(2)  Aegyptische  Parallelen  für  Strassen-  und  Fährgeld  bietet  Wilcken 
a.  a.  0.  S.  280  ff.  349  f.  361.  386.  394  f.  Vgl.  auch  J.  W.  Kubitschek,  Mo- 
natsblatt der  Numismat,  Gesellschaft  in  Wien  1899  S.  425. 

(3)  Vgl.  Patsch,  Jahreshefte  1905  S.  139  ff. 

(4)  Ueber  Schiffahrtsabgaben  in  Aegypten  vgl.  Wilcken  a.  a.  0.  S.  284. 
(5j  Arch.  epigr.  Mitt.  XIX  S.  22  Anm.  42. 


DER    ILLYRISCHE    ZOLL    UND    DIE    PROVINZIALGRENZEN  229 

wird  die  Annahme  von  mehreren  Sonderstationen  richtig  sein;  in 
kleineren  Orten  sind  die  verschiedenen  Gebühren  (wie  Strassen- 
und  Brückenmant)  wohl  an  einer  Stätte  eingehoben  worden. 

Mit  der  Aenderung  des  Begriffes  des  illyrischen  Zolles  haben 
wir  uns  eines  Mittels,  die  Grenzen  der  Provinzen  zu  ermitteln, 
begeben.  Die  Vereinigung  des  Banats  mit  Moesia  superior  z.  B. 
muss  demnach  wieder  zweifelhaft  werden,  ja  sie  kann  m.  E.  schon 
ganz  aufgehoben  werden,  denn  auch  der  zweite  Grund,  den  Do- 
maszewski  S.  143  ausser  dem  nun  hinfälligen  wichtigeren,  der 
Zolllinie  Alt-Orsova-Zalatna,  dafür  anführte,  dass  nämlich  im  Banat 
■  nicht  dacische  Truppenkörper,  sondern  vielmehr  solche  des  ober- 
mösischen  Heeres  ihr  Standquartier  hatten  »,  kann  nicht  als  be- 
weiskräftig gelten,  da  man  dem  nämlichen  Argument  zufolge  auch 
Sarmizegetusa,  Maros-Nemeti  und  Sirmium,  wo  Denkmäler  der  Le- 
gionen IUI  Flavia  felix  und  VII  Claudia  vorkommen,  Moesia  su- 
perior einverleiben  müsste  (1).  Die  städtischen  Konnexionen  lassen 
im  Gegenteil  deutlich  erkennen,  dass  die  Ebene  an  der  Temes 
zu  Dacien  gehörte.  Wie  Alt-Orsova-Tsierna,  das  Domaszewski  von 
Dacien  loslöste,  in  der  Weihinschrift  Jahreshefte  1900  Beiblatt  Sp. 
113  mit  durchwegs  dacischen  Städten  (Apulum,  Drobeta,  Napoca 
und  Porolissum)  vereinigt  erscheint,  so  wird  auf  dem  in  Feny  (auf 
dem  rechten  Ufer  der  Temes)  gefundene  Grabmonumente  CIL.  III 
12595  ein  Decurio  des  municipium  Tibiscum  genannt. 

Sarajevo. 

C.  Patsch. 


i1)  So  ist  die  Bemerkung  von  J.  Jung,  Fasten  der  Provinz  Dacien  S.  16 
(vgl.  Domaszewski,  Die  Religion  des  römischen  Heeres  S.  31  Anm.  135)  zu 
verstehen.  Das  Auftreten  von  Monumenten  der  legio  IUI  in  Dacien  hat  Jung, 
Jahreshefte  1900  Beiblatt  Sp.  183  f. -erklärt.  Maros-Nemeti:  Jahreshefte  1902 
Beiblatt  Sp.  127;   Sirmium:    CIL.  3251.  10684.  10666  (vgl.  p    2328187). 


ROSTRA  CAESARIS. 


Dass  in  dem  Rostra-Complex  das  Hemicyclium  der  älteste 
Bestandteil,  der  Quaderbau  ihm  nachträglich  vorgelegt  ist,  hat 
schon  vor  zwanzig  Jahren  Fr.  M.  Nichols  klar  und  bündig  bewiesen. 
Sein  kleines  Buch  Notizie  dei  rostri  del  Foro  romano  (Rom,  Spi- 
thoever,  1885)  ist  das  beste  von  allem  was  bisher  über  die  Rostra 
geschrieben  wurde.  Aber  er  fand  keinen  Beifall.  0.  Richter,  in 
seiner  kurz  vorher,  1884,  erschienenen  Rekonstruktion  der  Redner- 
bühne vertrat  die  entgegengesetzte  Ansicht:  die  Stufen  des  Hemi- 
cyclium seien  der  alte  Aufgang  zur  Rednerbühne,  die  halbrunde 
Front  aber  sei  erst  später,  in  Anlass  der  Anlage  einer  inneren 
Treppe,  aus  dem  früher  nach  Osten  gradlinig  abschliessenden 
Mauerwerk  «  herausgeschnitten  n  worden.  Und  an  dieser  Ansicht 
hielt  er  noch  im  Jahre  1889  fest  (1).  Erst  1903,  in  seinen  Bei- 
trägen zur  römischen  Topographie  II,  bekennt  er  sich  zu  Ni- 
chols' Ansicht,  von  dem  er  freilich  in  Benennung  und  Datirung 
der  beiden  Teile  des  Baues  abweicht.  Aber  jetzt  fand  auch  er  keinen 
Beifall:  ich  wüsste  nicht,  wer  ihm  öffentlich  zugestimmt  hätte; 
wohl  aber  wurde  ihm  sehr  lebhaft  widersprochen.  E.  Petersen  (2), 
erledigt  die  entscheidenden  Argumente  mit  dem  Machtspruch: 
«  die  Beweise  sind  null » ,  und  sucht  dann  aus  allerlei  nebensächli- 
chen Erwägungen  eine  Art  Gegenbeweis  zu  construiren.  Chr.  Hülsen 
(oben  S.  16  ff.)  erhebt  ebenfalls  Einwendungen  gegen  das  Hemicy- 
clium als  Rostrabau  Caesars,  und  sucht  dann  Nichols'  und  Rich- 
ters Argumente  zu  entkräften  mit  Hülfe  einer  Hypothese  —  es  ist 
wesentlich  die  früher  von  Richter  vertretene  —  von  der  er  selbst 
einräumt,  dass  sie  mehr  als  eipen  Zweifel  übrig  lässt.   Letzteres 


(0  Jahrb.  d.  Inst.  1889,  S.  3  ff. 

(2)  Comitium,  Rostra,  Grab  des  Romulus,  Rom  1905,  S.  33  Anm. 


A.    MAU,    ROSTRA    CAESARIS  231 

ist  sehr  wahr,  und  wir  werden  diese  Zweifel  weiterhin  zu  formu- 
liren  haben. 

Wer  das  relative   Alter    zweier    Gebäude  oder  Gebäudeteile 
zu  bestimmen  hat,  wird  sich  vor  Allem  den  Stellen  zuwenden,  wo 


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Fie.  1. 


sie  zusammenstossen.  Meistens  wird  sich  hier  eine  Entscheidung 
ergeben,  der  gegenüber  alle  anderen  Erwägungen  —  Charakter  des 
Mauerwerks  u.  dgl.  —  in  zweiter  Linie  bleiben  müssen.  Besonders 
deutlich  wird  die  Entscheidung  sein,  wenn,  um  den  Ansatz  des 
jüngeren  Baues  zu  ermöglichen,  Teile  des  älteren  zerstört  wor- 
den sind. 

Und  eben  dies  ist  hier,  am  Nordende  des  Hemicycliums,  zwei- 
fellos der  Fall.  Auch  Hülsen  muss  es  anerkennen,  sucht  es  aber 
durch  eine  gleich  zu  besprechende'  Hypothese  anders  zu  erklären. 
Die  Nordecke  des  Hemicycliums  stösst  hier  zusammen  mit  dem 
Westende  der  Nordmauer   des    Quaderbaues;    und  zwar   sind  die 


232 


A.    MAU 


ziisammenstossenden  Teile  folgende.  Seitens  des  Hernicyclium:  1, 
zu  unterst,  ein  auf  einer  Incertumunterlage  ruhender  Sockel  aus 
Travertin,  hoch  c.  0,30 ;  2,  auf  diesem  liegend,  ein  Ablauf  aus 
weissem  Marmor,  hoch  0,28,  breit  unten  0,45 ;  3,  nur  an  der  Nord- 
ecke erhalten,  eine  besonders  und  besser  gearbeitete  auf  dem 
Ablauf  liegende  Basis  (man  könnte  sie  auch  als  den  obersten  Teil 


Fig.  2. 


des  Ablaufes  bezeichnen)  hoch  0,06,  auch  aus  weissem  Marmor. 
Umstehend  (S.  231)  Durchschnitt  (in  dem  3  fehlt)  mit  Innenan- 
sicht der  Reste  der  Nordwand.  Seitens  der  Nordmauer  des  Quader- 
baues: 1,  eine  breite  Unterlage  aus  Travertinquadern ;  2,  in  diese 
etwa  0,02  tief  eingebettet,  ein  Sockel  aus  weissem  Marmor,  hoch 
0,29,  breit  0,30.  Auf  diesem  liegt  3,  ein  Ablauf,  auch  aus  weissem 
Marmor,  hoch  0,21.  Beistehend  Durchschnitt  dieser  Teile,  dem,  um 
das  Höhenverhältniss  zu  zeigen,  die  eben  aufgezählten  Teile  des 
Hemicyclium  (auch  3)  in  Vorderansicht  beigefügt  sind.  Wie  ver- 
halten sich  nun  diese  Teile  beim  Zusammentreffen? 

Zu  unterst  die  Travertinglieder.  Anscheinend  endet  jetzt  der 
Sockel  des  Hemicycliums  da  wo  er  dem  Marmorsockel  der  Nord- 


ROSTKA    CAESARIS 


233 


wand  begegnet.  Und  zwar  endet  er  in  unregelniässiger  Fläche, 
offenbar  nachträglich  abgehauen  imi  eben  dem  Marino rsockel  Platz 
zu  machen.  Das  ist  aber  nur  Schein :  sein  unterer  Teil  setzt  sich 
fort  unter  dem  Marmorsockel,    kommt  nördlich    desselben    wieder 


Fig.  3. 


zum  Vorschein  und  reicht  um  c.  0,50  über  die  obere  Mauerecke 
des  Hemicycliums  hinaus,  d.  h.  ungefähr  so  weit,  wie  der  Sockel 
vorn  vor  den  Mauerkern  vorspringt  und  auch  seitlich  vorspringen 
musste.  Fig.  3,  wiederholt  nach  Richter  Beitr.  II  S.  11  Abb.  8, 
lässt  dies  gut  erkennen;  die  zu  Grunde  liegende  Photographie 
wurde  gemacht  während  einer  auf  Richters  Veranlassung  vorge- 
nommenen, nachher  wieder  verschütteten  Ausgrabung  an  der  Aussen- 
seite  dieser  Ecke.  Eine  Ecke  ist  hier  nicht  erhalten;  der  Sockel 
endet  in  unregelmässig  abgehauener  Fläche.  Es  ist  also  das  Nord- 
ende des  Travertinsockels,  etwa  0,4,  nicht  ganz  beseitigt,  son- 
dern von  oben  herab  soweit  abgehackt  worden,  dass  die  Oberfläche 


234 


A.    MAU 


des  Uebriggebliebenen  in  gleicher  Höhe  mit  der  Oberfläche  der 
Travertinunterlage  der  Quaderwand  liegt  und  ihre  Fortsetzung 
bildet.  Gleichzeitig  wurde  das  entsprechende  Stück  des  auf  dem 
Sockel  liegenden  Marmorablaufes  beseitigt.  Dass  auch  dieser  ur- 
sprünglich bis  an  die  Ecke  des  Baues  reichte,  schliessen  wir  nicht 
nur  daraus,  dass  dies  für  den  Travertinsockel  erwiesen  ist,  der 
doch  nur  dazu  da  war,  den  Ablauf  zu  tragen,  sondern  es  ist 
auch  grade  hier  die  sonst  überall  verlorene,  auf  dem  Ablauf 
liegende  kleine  Marmorbasis  (oben  S.  232  n.  3)  erhalten,  bis  zur 


L 


Fi  er    4. 


stumpfwinkligen  Ecke :  auch  das  Seitenprofil  ist,  wenn  auch 
sehr  verstümmelt,  doch  kenntlich.  In  die  so  entstandene  Fortsez- 
zung  der  Wandunterlage  ist  dann  auch  die  Einbettung  des  auf 
dieser  liegenden  Marmorsockels  fortgesetzt  worden,  auf  eine  Strecke 
von  0,25  (im  Mittel);  denn  weiter  sollte  der  Sockel  nicht  rei- 
chen. Beistehende  Zeichnung  zeigt  die  Oberansicht  der  beiden 
Travertinglieder  nach  Entfernung  des  auf  ihnen  Liegenden,  mit 
Andeutung  der  Einbettung. 

Auf  der  Wandunterlage  fehlt  an  dieser  Stelle  die  Wand; 
aber  in  der  in  unserer  Zeichnung  angedeuteten  Bettung  liegt,  sie 
<janz  ausfällend,  der  0,30  hohe  Marmorsockel  und  auf  ihm  der 
0,21  hohe  Ablauf.  Dieser  endet  im  W  mit  Bruchfläche  etwa  0,06 
vor  dem  Westende  des  Sockels;  dass  vor  der  Beschädigung  die 
Enden  beider  Glieder  senkrecht  über  einander  lagen,  hat  Nichols 
richtig  aus  den  Klammern  geschlossen,'  mit  denen  das  Endstück 
des  Ablaufs  an  der  Wand  befestigt  war:  ihrer  waren  zwei,  nahe 
den  Enden:  es  ist  an  sich  wahrscheinlich,  dass    sie    gleich    weit 


ROSTRA    CAESARIS  235 

von  den  Enden  entfernt  waren,  und  da  dies  zutrifft,  wenn  der 
Ablauf  westlich  genau  so  weit  reichte  wie  der  Sockel,  so  dürfen 
wir  dies  für  sicher  halten.  Sockel  und  Ablauf  schneiden  also  ein 
in  die  Linie  der  entsprechenden  Teile  der  Hemicyclium front,  und 
um  ihretwillen  sind  diese  in  der  oben  angegebenen  Weise  ver- 
stümmelt worden. 

Aus  diesem  vollkommen  klaren  Thatbestand  ergiebt  sich  mit 
voller  Evidenz,  dass  von  den  beiden  hier  zusammenstossenden 
Bauteilen  das  Hemicyclium  der  ältere,  die  Quadermauer  der  jün- 


sss 


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Fiff.  5. 


gere  ist.  Die  entgegengesetzte  Annahme  ist  ganz  undurchführbar. 
Am  deutlichsten  ist  das  Verhältniss  der  Travertinteile  (oben 
Fig.  4).  War  die  Wandunterlage  das  Aeltere,  und  lag  sie  schon 
bevor  hier  eine  Rundung  vorhanden  war,  so  musste  sie  natürlich 
nach  Westen  rechtwinklig  abschliessen  und  mindestens  so  lang 
sein,  wie  jetzt  ihre  Nordseite.  Und  hätte  man  nun  später  die  He- 
micycliumfront  angelegt,  die  in  spitzem  Winkel  mit  ihr  zusam- 
mentreffen sollte,  so  würde  man  natürlich  einfach  deren  Sockel  an  sie 
hinan  geführt  haben,  wie  beistehend  Fig.  5  zeigt.  Statt  dessen 
hätte  man  nun,  wenn  das  Hemicyclium  das  Jüngere  war,  die  Run- 
dung seines  Sockels  (und  mit  ihm  die  oberen  Teile)  um  etwa  1,20 
weiter  geführt  als  nötig  war,  alsdann  die  mächtige  Endquader  der 
Wandunterlage  aufgehoben  (denn  am  Ort  lässt  sich  eine  so  ge- 
naue Arbeit  nicht  machen),  in  ihr  Westende  mit  grösster  Sorgfalt 
eine  genau  entsprechende  Rundung  eingeschnitten  und  sie  dann 
wieder  an  den  Sockel  hinangelegt.  Wer  wird  an  eine  solche  un- 
sinnige Arbeitsverschwendung  glauben    wollen?    Dagegen    erklärt 


236  A.    MAU 

sich  Alles  auf  das  einfachste,  wenn  die  Rundung  das  Aeltere  ist. 
Und  wenn  nun  weiter  für  Sockel  und  Ablauf  der  Quaderwand 
Platz  geschaffen  werden  musste  durch  Abhackung  vom  Sockel  des 
Hemicycliums,  so  ist  doch  auch  hier  die  Zeitfolge  evident.  Diese 
einmal  erkannt  ist  Alles  klar:  die  Mauer,  und  namentlich  die 
Marmorbekleidung  ihrer  Aussenseite,  sollte  natürlich  nicht  bis  nur 
an  die  untersten,  vortretenden  Teile  der  Eundung  reichen,  sondern 
sich  anschliessen  an  das  Eckglied  ihrer  Hauptfläche.  Ob  nun 
dies  Eckglied  den  die  grossen  Marmorfelder  trennenden  «  Pfei- 
lern ■  gleichartig  oder  irgendwie  anders  gestaltet  war,  sicher  ist 
—  durch  die  erhaltene  Basis  —  dass  es  eben  so  weit  wie  diese 
«  Pfeiler  ■  vortrat.  Und  wenn  wir  an  der  Marmorbekleidung  der 
Quaderwand  die  deutlich  kennbare  Aussenlinie  verfolgen  bis  senk- 
recht über  der  Endfläche  des  Sockels,  so  linden  wir,  dass  sie 
sich  an  diesem  Punkte  dem  Eckpilaster  bis  auf  etwa  0,05  nä- 
herte. Ob  nun  hier  wirklich  diese  kleine  Lücke  klaffte?  Es  ist 
durchaus  nicht  unmöglich,  dass  die  Plattenbekleidung  der  Wand, 
mit  oder  ohne  den  Ablauf,  um  diesen  kleinen  Betrag  über  das 
Ende  des  Sockels  hinausreichte  und  so  den  Anschluss  herstellte. 
Für  den  Mauerkörper  der  .Nordwand  wurde  nicht  in  gleicher 
Weise  verfahren  wie  für  die  Marmorbekleidung.  Wo  er  an  die 
Rundung  stossen  sollte,  wurde  von  den  vorspringenden  Gliedern 
derselben  —  Sockel  und  Ablauf  —  nichts  abgehackt,  so  dass  also 
das  Auflager  der  Wandquadern  um  den  Betrag  des  Vorsprunges 
dieser  Glieder  von  der  oberen  Wandfläche  der  Rundung  entfernt 
blieb.  Dass  aber  hier  eine  Lücke  geklafft  haben  sollte,  ist  natür- 
lich ganz  unglaublich,  und  es  lässt  sich  direkt  erweisen,  dass  es 
nicht  der  Fall  war.  Nämlich  in  der  Oberfläche  des  Wandablaufes 
sind  nahe  dem  Westende,  innerhalb  der  dem  Ablauf  der  Rundung 
entsprechenden  Strecke,  das  Loch  und  die  Metallspuren  einer 
Klammer  erhalten,  die  den  Ablauf  an  der  Mauer  festhielt ;  also 
war  auch  hier,  oberhalb  des  Ablaufs  der  Rundung,  die  Mauer 
vorhanden.  Aber  auch  ohne  dies  positive  Zeugniss  wäre  es  not- 
wendig, und  es  hat  auch  garkeine  Schwierigkeit,  mit  Nichols 
(S.  40)  anzunehmen,  dass  die  Wandquadern  bis  an  den  Platten- 
belag des  Hemicycliums  reichten,  aber  an  ihrer  westlichen  unte- 
ren Ecke  einen  dem  Sockel  und  Ablauf  mehr  oder  weniger  genau 
entsprechenden  Ausschnitt  hatten.  Und  es  ist  auch  vollkommen  in 


KOSTRA    CAESARIS 


237 


der  Ordnung,  dass  in  dieser  Beziehung  Wandkörper  und  Wand- 
bekleidung verschieden  behandelt  waren:  in  letzterer  musste  die 
Flickerei  verdeckt  werden ;  erstere  war  wohl  an  dieser  Stelle  von 
keiner  Seite  sichtbar,  da  ja  das  Mauerwerk,  dessen  Ziegelfront  den 
Raum  unter  der  Platform  nach  Westen  abschloss,  offenbar  bis  an 
das  Hemicyclium  reichte  und  diese  ganze  Ecke  ausfüllte. 


Fig.  6. 


Das  Südende  des  Hemicycliums  ist  ja  zerstört.  Aber  in  dem 
zu  unterst  stehen  gebliebenen  Incertum  erkennt  man  deutlich  die 
Linie  der  Untermauerung  seines  Sockels,  grade  da,  wo  die  noch 
jetzt  bis  auf  1,10  an  ihn  heranreichende  Quadermauer  ihn  decken 
musste:  s.  Fig.  6.  Also  auch  hier  ergiebt  sich  die  Priorität  der 
Rundung. 

Was  sagen  denn  nun  dem  gegenüber  die  Vertreter  der  Prio- 
rität des  Quaderbaues?  Hülsen  meint,  die  Verlegung  des  Wand- 
sockels und  die  Abhackung  des  Sockels  der  Rundung  sei  liederlich 
und  trajanischer  Zeit  nicht  zuzutrauen.  Nun  ist  aber  erstens  Lie- 
derlichkeit kein  sicheres  chronologisches  Kriterium:  dergleichen 
kann  wohl  ceteris  paribus  den  Ausschlag  geben,  nicht  aber  gegen- 
über  entscheidenderen    Argumenten.    Zweitens,    ein    solches  Ver- 


238  A.    MAU 

fahren,  wie  es  sich  Hülsen  denkt,  dass  man  einen  Neubau  —  die 
Hemicycliumfront  —  ausgeführt,  dann  aber  bemerkt  hätte,  dass  die 
Stücke  des  alten  Baues,  die  an  ihn  passen  sollten,  und  die  man 
während  der  Arbeit  zeitweise  fortgenommen  hatte,  zu  lang  waren, 
und  dass  man  nun,  statt  von  diesen  alten  Stücken  so  viel  wie 
nötig  abzuschneiden,  vielmehr  den  Neubau  angehackt  hätte,  ein 
solches  Verfahren  ist  für  severische  Zeit  genau  so  unglaublich  wie 
für  trajanische.  Und  drittens:  Hülsen  spricht  nur  von  dem  Mar- 
morsockel (nebst  Ablauf),  nicht  von  der  Travertinunterlage,  deren 
Yerhältniss  zu  dem  Travertinsockel  der  Rundung  allein  schon  die 
Frage  entscheidet  (oben  S.  233  mit  Fig.  4).  Und  hier  ist  von 
Liederlichkeit  keine  Spur,  vielmehr  höchst  exakte  Arbeit.  Also 
während  man  mit  der  mächtigen,  im  Boden  verschwindenden  Tra- 
vertinquader  sich  die  grosse  Mühe  machte,  sie  sorgfältig,  genau 
der  Rundung  entsprechend  auszuschneiden,  soll  man,  statt  von  dem 
kleinen  Marmorsockel  so  viel  wie  nötig  abzunehmen,  jene  «  Lie- 
derlichkeit ■  begangen  hahen,  die  nun  nach  Hülsen' s  Annahme  — 
dass  nämlich  hier  nur  ein  Metallgitter,  keine  Mauer  ansetzte  — 
offen  vor  Augen  lag.  Das  ist  doch  ganz  unglaublich.  Kurz  gesagt: 
der  Beweis  für  die  Nichols-Richtersche  Annahme  beruht  nicht  da- 
rauf, dass  von  Sockel  und  Ablauf  abgehackt  ist,  sondern  darauf,  dass 
sie  vor  der  Abhackung  dahin  reichten  wohin  sie  bei  Priorität  des 
Quaderbaues  nicht  reichen  durften.  Von  Liederlichkeit  kann  nach 
unserer  Annahme  nicht  die  Rede  sein,  da  die  Abhackung,  von  aussen 
durch  den  Marmorsockel  nebst  Ablauf,  von  innen  durch  die  Mauer - 
quadern  verdeckt,  Niemandem  zu  Gesicht  kam. 

Wir  kommen  hier  auf  einen  weiteren  Punkt  der  gegnerischen 
Auffassung.  Bei  Gelegenheit  des  Hemicycliumbaues  soll  die  westli- 
che Hälfte  der  nördlichen  Quadermauer  entfernt  worden,  nur  Sockel 
und  Ablauf  ihrer  äusseren  Marmorbekleidung  am  Ort  gelassen  und 
auf  ihnen  ein  Metallgitter  angebracht  worden  sein.  Dies  hat  Rich- 
ter Rednerb.  S.  29-31  zu  begründen  versucht.  Jetzt  giebt  er  na- 
türlich diese  Meinung  auf,  unterlässt  es  aber,  sich  selbst  zu  wider- 
legen ;  so  konnte  Hülsen  sie  wieder  aufnehmen,  ohne  sie  von  neuem 
zu  begründen.  Aber  Richters  Begründung  beruht  auf  Irrtum  und  unge- 
nauer Beobachtung  der  auf  dem  Ablauf  sichtbaren  Löcher  und  Me- 
tallspuren. Nach  ihm  soll  hier  eine  Anzahl  teils  länglich  viereckiger, 
teils  quadratischer  Einschnitte  sein,  die  sich  auf  keinem  der  an- 


ROSTRA    CAESARIS 


239 


deren  Stücke  des  Ablaufs  finden  und  die  das  Gitter  getragen  haben 
sollen.  Das  ist  ganz  falsch;  das  Richtige  hat  auch  hier  Nichols. 
Der  Thatbestand  ist  vollkommen  klar.  Beistehend  Oberansicht 
des  Ablaufes.  Man  erkennt  1.  eine  Klammer  um  die  beiden  Ablauf- 
stücke zusammen  zu  halten  (von  Richter  irrtümlich  für  Einbettung 
eines  Bronzepilasters  gehalten);  2.  in  jedem  der  beiden  Stücke  zwei 
Klammern,  im  östlichen  noch  die  Spur  einer  dritten,  um  sie  an 
der  Wand  festzuhalten;  3.  in  der  Mitte  jedes  der   beiden  Stücke 


Fig.  7. 


ein  länglich  viereckiges  schmales  Loch  (das  ganz  erhaltene  in  dem 
westlichen  0,065  X  0,02),  das  sich  in  der  Längenrichtung  nach  unten 
erweitert.  Ich  werde  von  Herrn  Tognetti  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dass  diese  Löcher  (die  keinerlei  Eisen-  oder  Bleispuren  enthalten) 
nicht  etwa  zur  Verzapfung  der  auf  dem  Ablauf  stehenden  Verklei- 
dungsplatten dienten,  sondern  zum  Heben  der  Werkstücke  mittels 
einer  Vorrichtung  wie  die  noch  jetzt  übliche,  von  Piranesi  Antich. 
Rom.  III  53.  54  abgebildete  uliveUa.  Sie  finden  sich  ebenso  auch 
in  den  Sockelsteinen,  und  zwar  in  jedem  eines,  ziemlich  genau  in 
der  Mitte  der  Länge;  ebenso  auch  am  Sockel  des  Sevenisbogens. 
Endlich  4.  zweimal  drei  jener  ganz  rauh  gearbeiteten,  immer  in 
Gruppen  von  dreien  zusammen  stehenden  Horizontaldurchschnitte 
durch  das  oberste  Glied  des  Ablaufs,  denen,  wie  namentlich  am 
Ostende  der  Südseite  des  Quaderbaues,  aber  auch  sonst,  zu  sehen 


240  •  A.   MAU 

ist,  Löcher  in  den  Quadern  entsprachen.  Alles  dies  findet  sich  genau 
so  in  den  sonstigen  Resten  des  Ablaufs ;  die  Bedeutung  von  1-3  ist 
zweifellos  klar,  die  von  4  bleibt  dunkel  (1).  Richter  will  offenbar  die 
Löcher  3  für  das  Gitter  oder,  wie  er  sagt,  die  Balustrade  in  An- 
spruch nehmen ;  dass  sie  auch  an  anderen  Resten  des  Ablaufs  (und 
auch  des  Sockels)  vorkommen,  ist  ihm  entgangen,  und  irrig  ist 
seine  Angabe,  dass  sie  jünger  seien  als  die  Abhackungen  4;  es  ist 
vielmehr  vollkommen  klar,  das  das  eine  der  Löcher  3  (sowie  auch 
eines  von  2)  durch  4  beschädigt  und  teilweise  verschwunden  ist.  Es 
ist  eine  ganz  unmögliche  Vorstellung,  dass  man  die  vermeintlichen 
Verzapfungen  3,  wenn  die  Löcher  4  schon  da  waren,  in  diesen,  wo 
sie  keinen  Halt  hatten,  und  nicht  in  den  unbeschädigten  Teilen  der 
Oberfläche  des  Ablaufs  angebracht  haben  sollte.  Nein,  zweifellos 
gehören  1-3  dem  ursprünglichen  Bau  an,  4  ist  spätere  Zuthat;  und 
da  vollkommen  feststeht,  dass  die  uns  unbekannte  Verwendung  der 
Abhackungen  4  eine  Fortsetzung  in  den  Mauerkörper  hinein  erfor- 
derte, so  ist  erwiesen,  dass  noch  zu  ihrer  Entstehungszeit  dieser  vor- 
handen war,  mithin  alle  älteren  Spuren,  wenn  auch  ihre  Bedeutung 
nicht  feststünde,  doch  nie  für  ein  an  Stelle  der  Mauer  getretenes 
Gitter  gedient  haben  könnten. 

Also  von  einem  Gitter  ist  keine  Spur  und  es  ist  hier  nie  ge- 
wesen, vielmehr  war  hier  noch  zur  Zeit  von  4  Mauer.  Und  sie 
war  hier  bis  zur  schliesslichen  Zerstörung  des  Baues;  denn  Sockel 
und  Ablauf  behalten  jetzt  ihre  Beweiskraft  für  das  Dasein  der 
Mauer.  Schon  das  Gitter  war  auch  an  sich  wenig  glaublich ;  ganz 
undenkbar  aber  ist  es,  dass  man  bei  Beseitigung  der  Quadern  die 
Fussglieder  ihrer  Marmorbekleidung  sollte  liegen  gelassen  haben, 
ohne  anderen  Zweck  als  etwa  eine  Trennung  zu  markiren :  hierfür 
würde,  wer  die  kostbare  Marmorfassade  baute,  sicher  etwas  neues 
geschaffen  haben.  Somit  ist  also  erwiesen,  dass  die  Fassade  auf 
etwa  0,7  von  der  Mauer  verdeckt  war  (2),  was  nur  verständlich  ist, 
wenn  diese  und  mit  ihr  der  Quaderbau  das  Jüngere  war. 

(*)  Ebensolche  Einhackungen  finden  sich  auch  an  der  Westfront  des 
Caesartempels,  hier  ohne  entsprechende  Löcher  in  der  Wand. 

(2)  Dass  dies  der  Fall  war,  will  Nichols  auch  aus  der  besseren  Erhaltung 
des  betreffenden  Teils  des  Ablaufs  schliessen ;  ich  habe  mich  aber  von  dieser 
nicht  überzeugen  können.  Und  in  der  That  war  doch  auch,  wie  dies  Endstück 
von  der  Quadermauer,  so  das  Uebrige  von  dem  Mauerwerk  mit  Ziegelfront 
bedeckt. 


ROSTRA    CAESAKIS  '         241 

Noch  auf  einem  anderen  Wege  kann  an  dieser  wichtigen 
Ecke  eben  dies  erwiesen  werden.  Niemand  hat  je  bezweifelt,  dass 
die  hier  erhaltenen  Mauerteile  —  Travertinunterlage,  Sockel,  Ablauf 
—  dem  ursprünglichen  Quaderbau,  nicht  etwa  der  vermeintlichen 
späteren  Umgestaltung  angehören  (l) ;  die  vollkommene  Gleichheit 
mit  den  sonst  erhaltenen  entsprechenden  Teilen  ist  unmittelbar 
einleuchtend.  Auch  das  ist  nie  bezweifelt  worden,  dass  eben  hier 
ursprünglich  auch  die  Quadermauer  lief.  Ganz  sicher  ist  ferner, 
dass  Sockel  und  Ablauf  stets  da  endeten,  wo  der  Sockel  jetzt  endet, 
ohne  Fortsetzung  nach  Westen.  Denn  erstens  lagen  hier  allem  An- 
schein nach  ihre  Schnittflächen  senkrecht  über  einander  (oben  S.  234), 
was  doch  nur  am  Ende  der  Reihe  zulässig  ist ;  zweitens  hatten  sie 
keine  Klammern  zur  Verbindung  mit  westlich  anstossenden  Stücken ; 
drittens  war  der  Fortsetzung  der  Weg  gesperrt  durch  den  Mauer- 
körper des  Hemicycliums.  Denn  gesetzt  auch,  die  Rundung  wäre 
erst  nachträglich  aus  dem  Mauerkörper  herausgeschnitten  worden, 
so  musste  doch  dieser  selbst  vorhanden  sein  und  so  weit  reichen, 
wie  noch  jetzt  die  untersten  Teile  des  Sockels  der  Rundung  (oben 
S.  233  mit  Fig.  4).  Und  wenn  er  auch  nur  so  weit  reichte,  wie 
das  erhaltene  Eckstück  der  auf  dem  Ablauf  liegenden  Basis  (oben 
S.  232),  so  genügte  auch  dies,  um  der  Mauer  nebst  ihrer  Beklei- 
dung die  Fortsetzung  zu  sperren.  Der  Quadermauer  selbst  liegt  ja 
die  Incertumsmasse  deutlich  gegenüber,  und  es  kann  Niemandem 
in  den  Sinn  kommen,  dass  sie  sich  je  weiter  fortgesetzt  hätte.  Fast 
noch  deutlicher  ist  dies  auf  den  Südseite  des  Baues.  Hier  ist  die 
gerundete  Fassade  zerstört;  aber  die  Linie  der  Untermauerung 
ihres  Sockels  ist,  wie  schon  oben  (S.  237  mit  Fig.  6)  bemerkt,  voll- 
kommen kenntlich ;  bis  an  sie  hinan  reicht  die  Travertinunterlage 
der  Quadermauer,  und  es  ist  ganz  klar,  wegen  des  entgegenste- 
henden Mauerkörpers,  dass  sie  nie  weiter  reichte. 

Dass  nun  die  Mauer  von  je  her  grade  bis  zu  diesem  Punkte 
reichte  und  nicht  weiter,  ist  von  unserem  Standpunkt  ganz  selbst- 
verständlich :  hier  hörte  eben  das  Alte  auf  und  begann  das  Neue. 
Aber  es  wird  ganz  unverständlich,  wenn  vor  der  Herausschneidung 
der  Rundung  ein  unterschiedsloser  Mauerkörper  von  der  den  Raum 
unter  der  Platform  westlich  begrenzenden  Ziegelfront  bis    an  den 

(')  Richter  Rednerb.  S.  29  f.  Hülsen  Mitth.  XX  1905  S.  18  f. 

17 


242  N  A.    MAU 

Aufgang  von  der  area  Volcatii  reichte;  denn  dann  hatte  doch 
damals  dieser  Punkt  gar  keine  Bedeutung.  Wir  würden  es  verstehen, 
wenn  die  Mauer  die  ganzen  Flanken  des  Baues  bis  an  die  West- 
ecken neben  dem  Treppenaufgange  bekleidet  hätte.  Wir  würden 
es  auch  verstehen,  wenn  sie  gereicht  hätte  bis  da  wo  der  Hohlraum 
aufhörte  und  der  feste  Mauerkörper  begann,  also  bis  an  die  be- 
kannte Ziegelfront.  Aber  bis  zu  einem  beliebig  gewählten  Punkt, 
und  grade  bis  zu  dem  Punkt,  der  Jahrhunderte  später  durch  die 
Herausschneidung  eine  Bedeutung  erhalten  sollte  :  das  Zusammen- 
treffen wäre  doch  allzu  merkwürdig. 

Dass  die  Quadermauer  je  bis  an  die  Westecken  gereicht  haben 
sollte,  ist,  wie  gesagt,  durch  den  entgegenstehenden  Mauerkörper 
ausgeschlossen.  Nun  könnte  ja  aber  Jemand,  und  namentlich  wer 
nicht  an  Ort  und  Stelle  nachprüfen  kann,  darauf  verfallen,  sie 
habe  vielleicht  ursprünglich  nur  bis  an  die  Ziegelfront  gereicht, 
und  das  weitere  Stück  sei,  allem  Anschein  zum  Trotz,  doch  jünger, 
aus  der  Zeit  der  Herausschälung.  In  diesem  Falle  müsste  natürlich, 
der  Ziegelfront  entsprechend,  ein  Abschnitt,  ein  Ansatz  in  der 
Mauer  gewesen  sein.  Und  hierfür  könnte  Jemand  sich  auf  einen 
Ausspruch  Richter' s  berufen,  Rednerb.  S.  31 :  «der  Sockel  auf 
dem  sie  stand  »  (die  vermeintliche  Balustrade)  ■  ist  genau  in  der 
ehemaligen  Frontlinie  der  Ziegelmauer  abgeschnitten  » .  Aber  diese 
Angabe  ist  missverständlich.  Erstens  ist  das  Wort  «  genau  »  zu 
streichen ;  zweitens  sind  Sockel  und  Ablauf  hier  nicht  abgeschnit- 
ten, sondern  ganz  roh  und  unregelmässig  abgehauen,  reichten 
also  früher  weiter  nach  Osten.  Wie  weit  dieser  Sockelstein  reichte, 
wissen  wir  nicht.  Wohl  aber  können  wir  die  Länge  des  Ablauf- 
steines ziemlich  genau  ermitteln  mit  Hülfe  des  S.  239  unter  3  be- 
sprochenen Loches  für  eine  Hebevorrichtung,  das  ja  die  Mitte  be- 
zeichnet: da  seine  Mitte  1,40  vom  Westende  des  Steines  entfernt 
ist,  so  war  dieser  2,80  lang  und  reichte  bis  0,22  östlich  der 
Ziegelfront,  an  der  also  der  Ablauf  keine  Fuge  hatte.  Zu  demsel- 
ben Resultat  führt  die  Betrachtung  der  Travertinunterlage.  Teile 
derselben  sind  ja  später  einmal  fortgenommen  worden,  um  den 
von  Anfang  an  vorhandenen  Eingang  des  Unterraumes  tiefer  zu 
legen.  Aber  die  erste  Quader  westlich  der  Lücke  beginnt  erst 
etwa  0,07  hinter  der  Ziegelfront,  wäre  also  von  einer  nur  bis  an 
sie  reichenden  Mauer   um  eben  diesen  Betrag  entfernt  geblieben, 


ROSTRA    CAESARIS  243 

was  mit  der  vorzüglich  sorgfältigen  Arbeit  dieser  Travertinunter- 
lage,  auch  des  westlichen  Stücks,  ganz  unvereinbar  ist.  Also  ein 
Abschnitt,  ein  Ansatz  in  der  Linie  der  Ziegelfront  war  nicht  vor- 
handen, und  damit  ist  obige  Annahme  ausgeschlossen.  Sie  würde 
übrigens  auch  der  Herausschälungstheorie  nicht  zu  Gute  kommen, 
weil  auch  so  die  Mauer  einen  beträchtlichen  Teil  der  ihr  nun 
gleichzeitigen  kostbaren  Marmorfront  zugedeckt  haben  würde. 

Und  nun  noch  eine  Spur  aus  späterer  Zeit.  An  die  Nord- 
westecke des  Hemicycliumbaues  ist  bekanntlich  in  später,  nicht 
näher  bestimmbarer  Zeit  der  sogen.  Umbilicus  angebaut  worden. 
Mit  ihm  ist  untrennbar  verbunden  die  einst  mit  Marmorplatten 
belegte  Ziegelverkleidung  der  Nordseite  bis  zum  Ansatz  der  Run- 
dung. Es  setzt  also  dies  Mauerwerk  zweifellos  den  Fortbestand  des 
Baues  voraus.  Andererseits  aber  eben  so  sicher  die  Zerstörung  der 
Nordecke  der  Marmorfront :  sei  es  nun,  dass  sie  schon  früher  zer- 
stört war,  sei  es,  dass  sie  eben  diesem  Anbau  zum  Opfer  fiel,  sicher 
ist,  dass  dessen  Ziegelwerk  dahin  reicht,  wo  früher  der  letzte 
«  Pfeiler  ■ ,  das  Eckglied,  gestanden  hatte.  Es  bedarf  wohl  keiner 
weiteren  Ausführung,  dass  dies  vollkommen  verständlich  ist,  wenn 
zur  Zeit  des  Anbaues  die  Marmorfront  längst  hinter  dem  Qua- 
derbau verschwunden  war,  dagegen  schwer  begreiflich,  wenn  sie 
späten  Ursprunges  ist,  vielleicht  kaum  ein  Jahrhundert  älter  als 
der  Umbilicus,  und  zu  seiner  Zeit  noch  in  voller  Geltung  war 
und  bleiben  sollte. 

Damit  ist  nun  wohl  so  ziemlich  gesagt,  was  sich  aus  der 
Betrachtung  dieser  Ecken,  namentlich  der  nördlichen,  ergiebt.  Wie 
immer  wir  es  versuchten,  immer  ergab  sich  auf  Grund  der  Prio- 
rität des  Hemicycliums  ein  vollkommen  verständlicher  Thatbestand, 
während  die  entgegengesetzte  Annahme  überall  auf  unlösbare 
Schwierigkeiten  stiess. 

Aber  nicht  nur  an  diesen  Ecken  berühren  sich  die  beiden 
Bestandteile  des  Baucomplexes.  Wir  müssen  uns  jetzt  dem  Innen- 
raum zuwenden  und  das  ihn  im  Westen  begrenzende  Mauerwerk 
mit  Ziegelfront  ins  Auge  fassen.  Dass  dies  Mauerwerk  nicht  jün- 
ger ist  als  die  ursprünglichen  Bestandteile  des  Quaderbaues,  ist 
unbezweifelt,  da  es  ja  auch  als  Fundament  unter  den  Quadern 
liegt.  Nämlich  die  gleiche  Ziegelfront  setzt  sich  fort,  mit  Anschluss 
in  der  Ecke,  unter    der    Travertinunterlage    der    Nordwand    (hier 


244  A.    MAU 

0,73  tief),  unter  der  Ostmaiier  (sichtbar  in  der  Nordecke)  und 
nach  Richters  Angabe  (Rednerb.  S.  12;  jetzt  nicht  sichtbar)  auch 
unter  der  Südmauer  (*).  Endlich  durchquert  eine  gleichartige 
Mauer,  im  Anschluss  an  die  Westfront,  den  Innenraum  südlich  der 
Mitte  bis  an  den  nächsten  Travertinpfeiler.  Und  da  ein  so  tiefes  Fun- 
dament mit  gut  gearbeiteter  Ziegelfront  doch  sehr  auffallend  ist,  auch 
an  der  Ostseite  die  Ziegelfront  nicht  der  Innenseite  der  Quadern  ent- 
spricht, sondern  um  0,50  weiter  einwärts  liegt,  so  könnte  man  wohl 
versucht  sein,  hier  einen  Rest  und  den  Grundriss  eines  noch  älteren 
Baues,  mit  tiefer  liegendem  Innenraum,  zu  erkennen.  Und  diese 
Ansicht  ist  in  der  That  von  G.  Boni  (Ätti  del  Congr.  stör.,  vol.  V,  S. 
560  f.)  vertreten  worden.  Mir  schien  jedoch  auch  dies  ausgeschlossen. 
Die  schon  erwähnte  Quermauer  endet  an  einem  der  Travertinpfeiler ; 
sie  ist  etwas  schmäler  als  er,  steht  aber  vollständig  symmetrisch 
zu  ihm.  Da  nun  für  die  von  der  Disposition  des  ganzen  Baues 
abhängige  Stellung  des  Pfeilers  nicht  die  Mauer  massgebend  sein 
konnte,  so  musste  das  Umgekehrte  der  Fall  sein.  Auch  ist  ganz 
zweifellos  die  Mauer  an  den  Pfeiler  hinangearbeitet,  also  jünger 
als  er,  und  ebenso  stösst  die  Ziegelfront  so  unmittelbar  an  die  süd- 
liche Quadermauer,  wie  es  nicht  der  Fall  sein  könnte,  wenn  diese 
jüngeren  Ursprungs  wäre.  Ausgeschlossen  ist  auch,  dass  innerhalb 
des  Quaderbaues  der  Fussboden  ursprünglich  tiefer  gelegen  habe; 
denn  unter  zweien  der  Travertinpfeiler  sind  Travertinplatten  kennt- 
lich, auf  denen  sie  stehen,  in  der  Höhe  des  jetzigen  Fussbodens. 
Endlich  giebt  Richter  Rednerb.  S.  12  an,  dass  unter  der  Ziegelmauer 
nur  eine  0,07  hohe  Schicht  von  Tuffbrocken  liegt.  Da  diese  als 
Fundament  nicht  genügen  konnte,  so  muss  wohl  die  Ziegelmauer 
selbst  von  Anfang  an  bestimmt  gewesen  sein,  als  Fundament  zu 
dienen.  Aber  wie  dem  auch  sei,  #die  Frage  was  älter  ist,  Ziegel- 
mauer oder  Hemicyclium  ist  unbedingt  entscheidend  auch  für  den 
Quaderbau. 

Das  westliche  Ziegelwerk  war  keine  freistehende,  zweiseitige 
Mauer.  Hinter  den  Frontziegeln  folgen  zunächst  Ziegelbrocken,  bis 

0)  Richter  giebt  an,  von  unten  beginnend:  1.  Tuffbrocken  als  Funda- 
ment der  Ziegelmauer  0,07.  —  2.  Ziegelmauer  0,55.  —  3.  Tuffquadern  0,29  innen, 
wo  sie  auf  der  Ziegelmauer  liegen,  0,75  aussen,  wohin  die  Ziegelmauer 
nicht  reicht.  Dies  kann  nicht  richtig  sein:  die  Tuffquadern  sind  innen  über 
0,50  hoch  (die  Unterkante  ist  nicht  sichtbar),  aussen  sichtbar  bis  0,45. 


ROSTRA.    CAESARIS  245 

etwa  0,50  von  der  Front.  Diese  reichen  in  der  Mitte  bis  an  den 
Sockel  der  Eundung;  im  Uebrigen  geht  nach  Westen  das  Ziegel- 
werk in  Incertnm  aus  Tuff  über,  mit  einzelnen  Travertinbrocken, 
das  sich  bis  an  die  Eundung  des  Hemicycliums  erstreckt  zu  haben 
scheint. 

Von  dieser  Ziegelfront  soll  nun  ursprünglich  bis  an  den  Auf- 
stieg im  Westen  ein  fester  Mauerkörper  gereicht  haben.  Später 
hätte  man  dann,  in  Anlass  einer  Treppenanlage  (Eichter,  Hülsen) 
oder  aus  unbekannten  Gründen  (Petersen),  von  diesem  Mauerkör- 
per so  viel  abgenommen,  dass  statt  der  gradlinigen  Ziegelfront 
eine  etwas  weiter  zurückliegende  gerundete  Fassade  blieb,  die 
dann  so  wie  wir  sie  noch  sehen  mit  Marmorplatten  decorirt  wurde : 
es  soll  die  Eundung  aus  dem  Mauerkörper  ■  herausgeschnitten  ■ 
oder  i  herausgeschält  ■  worden  sein. 

Da  bemerken  wir  nun  aber  sofort,  dass  die  Herausschälung 
eine  sehr  unvollkommene  ist.  Zwar  im  nördlichsten  Teil  —  nicht 
ganz  der  Hälfte  —  ist  vor  der  Marmorfront  das  Mauerwerk  bis 
auf  den  Erdboden  beseitigt,  und  man  mag  ja  glauben,  dass  dies 
geschehen  sei  um  sie  frei  zu  machen.  Aber  schon  in  der  Mitte  be- 
ginnen seine  Eeste  sich  über  den  Boden  zu  erheben :  hier  ist  wohl 
Zerstörung  zu  constatiren,  nicht  aber  planmässige  Abtragung.  Und 
weiter  nach  Süden  steht  die  Ziegelfront  aufrecht  bis  zur  Höhe  von 
1,60,  ohne  einen  Abschluss,  und  war  offenbar  noch  wesentlich 
höher.  Und  zwar  bleibt  das  so  aufstehende  Mauerwerk  an  der  Süd- 
ecke nur  etwa  0,40  von  der,  wie  oben  (S.  237)  erwähnt,  noch 
sichtbaren  Eundung  des  Sockels  entfernt.  Weiter  nördlich  rückt  es 
unmittelbar  an  ihn  hinan,  zwar  jetzt  in  geringer  Höhe;  doch  be- 
ruht dies  nur  auf  der  hier  durch  Anlage  eines  mittelalterlichen 
Brunnens  bewirkten  Zerstörung.  Der  Eaum  wird  so  eng,  dass  hier 
das  Legen  des  Sockels  und  weiterhin  das  Hantieren  mit  den  grossen 
und  schweren  Platten  ungemein  erschwert,  wir  dürfen  wohl  sagen 
unmöglich  sein  musste.  Aber  wichtiger  als  dies  ist  doch  die  Er- 
wägung, dass  man  eine  so  prachtvolle  und  kostspielige  Marmor- 
fassade nicht  anlegt  um  sie  hinter  einer  unmittelbar  vor  ihr  ste- 
henden, ihr  gegenüber  nur  roh  abgehackten  Mauer  verschwinden 
zu  lassen :  die  Marmorfassade  unmittelbar  hinter  der  Ziegelmauer 
ist  nur  verständlich,  wenn  erstere  ursprünglich  frei  stand  und  die 
Mauer  nachträglich  vor  sie  gesetzt  wurde.  So  sieht  sich  denn  in 


246  A.    MAU 

der  That  Hülsen  zu  der  Annahme  gedrängt,  die  er  in  seinem  Fo- 
rum Romanum  S.  68  in  beistehend  wiederholter  Zeichung  veran- 
schaulicht und  folgendermassen  formulirt  hat :  « Diese  Bogentreppe 
führte  nicht  mehr  in  ganzer  Breite  auf  die  Plattform,  sondern  nur 
auf  die  südliche  Hälfte :  in  der  nördlichen  wurde,  aus  uns  unbe- 
kannten Gründen,  ein  dreieckiger  offener  Hof  ausgespart,  dessen 
bogenförmige  Westwand    (Hemicyclium)   mit    Platten    aus   rotem 


Fiff.  8. 


Marmor  (Porta  santa)  und  Pilastern  aus  Marmo  africano  verziert 
war  »..  Als  Zweck  der  Umgestaltung  wird  Mitth.  XX  1905  S.  20 
die  Anlage  einer  Treppe  bezeichnet :  man  habe  einen  direkten  Zu- 
gang von  der  Seite  der  Curie  zur  Platform  der  Rostra  schaffen  wollen, 
diesen  Zugang  aber,  da  der  Triumphbogen  seine  Anlage  ausserhalb 
der  Nordmauer  nicht  zuliess,  in  das  Rechteck  selbst  hinein  verlegt. 
Ich  bemerke  noch,  dass  die  von  Hülsen  gezeichnete  Treppe  nur 
etwa  1,60  breit  und  kaum  4,0  lang  ist;  dass  sie  auf  diese  Länge 
eine  Höhe  von  3,50  erreichen,  also  unbequem  steil  sein,  endlich 
dass  sie  aus  Holz  sein  musste.  Denn  eine  Steintreppe  war  hier 
nie  vorhanden.  Diese  hätte  ein  starkes  Fundament  erfordert,  und 
dies  musste  kenntlich  sein;  dagegen  sehen  wir  hier  deutlich  die 
Fundamente  dreier  Ostwestmauern  —  der  mit  der  bekannten  Zie- 
gelfront zusammengehenden  und  zweier  jüngeren  —  und  es  ist 
ganz  klar,  dass  zwischen  ihnen  und  ausser  ihnen  hier  weiter  nichts 
vorhanden  war. 

Eine  derartige  Umgestaltung  der  Rostra    ist   nun   ganz   un- 
glaublich. Die  Hälfte  des  grossen   Aufganges    soll    man    geopfert 


ROSTRA    CAESARIS 


247 


haben,  um  da  eine  dürftige  Diensttreppe  anzubringen,  die  doch 
wahrlich  auch  unter  der  Platform  bleiben  und  zu  einer  Oeffnung 
in  ihr  hinaufführen  konnte.  Und  wie  ist  es  verständlich,  dass  man 
für  diese  Treppe  sich  nicht  mit  dem  vorhandenen  viereckigen  In- 
nenraum begnügte,  sondern  ihn  zu  einem  sonderbar  unregelmässig 
geformten  Hofe  erweiterte,  indem  man  rechts  vom  Eingang  einen 


Fisr.  9. 


todten  Winkel  schuf,  der  Niemandem  zu  Gute  kam?  Und  was 
sollte  diesem  Treppenhof  eine  so  kostbare  Decoration,  und  zwar 
nur  auf  einer  Seite? 

Richter  nahm  früher  statt  der  kleinen  Diensttreppe  eine  die 
ganze  Breite  des  Raumes  zwischen  der  Ziegelfront  und  der  nächsten 
Pfeilerreihe  ausfüllende  monumentale  Treppe  an,  als  nunmehrigen 
Hauptaufgang,  wie  beistehende  Zeichnung  (nach  Beitr.  II  S.  2) 
zeigt.  Aber  eine  solche  Treppe  war  sicher  nie  vorhanden.  Wo  sie 
gewesen  sein  müsste,  liegt  der  sich  durch  den  ganzen  Innenraum 
erstreckende  Fussboden  (oder  Unterlage  eines  solchen)  aus  Ziegel- 
platten mit  Stempeln  severischer  Zeit.  So  lange  dieser  Fussboden 
lag,  war  hier  natürlich  keine  Treppe.  Aber  auch  später  nicht ;  denn 
um  ihr  Fundament  zu  legen,  hätte  man  den  Fussboden  entfernen 
müssen,   was  nicht  geschehen   ist.   Und  auch   mit  einer  solchen 


248  A.   MAU 

Treppe  wird  es  nicht  viel  besser.  Denn  auch  für  sie  war  ja  der 
vorhandene  rechtwinklige  Raum  ein  vollkommen  geeigneter,  der 
Hof  mit  dem  toten  Winkel  und  der  einen  gerundeten  Wand  ein 
sehr  seltsamer  Zugang.  Und  unmittelbar  vor  diesem  Monumen- 
talzugang hätte  die  zum  Severusbogen  hinauf  führende  Rampe  ge- 
legen. Auch  die  Beschränkung  der  Marmordecoration  auf  nur  eine 
Seite  des  Zugangsraumes  bliebe  unverständlich. 

Und  alles  dies  zugegeben,  was  soll  es  heissen,  dass  man  die 
k  Herausschälung  ■  der  Rundung  auch  durch  die  andere  Hälfte 
des  Baues  durchführte,  unter  der  hier  auch  jetzt  noch  gebliebenen 
Platform,  unmittelbar  hinter  dem  stehen  gebliebenen  Mauerwerk 
der  Ziegelfront,  so  dass  zwischen  dieser  und  der  Rundung  absolut 
kein  irgendwie  benutzbarer  Raum  entstand  ?  Dies  allein  wäre  schon 
ein  vollgültiger  Beweis  für  die  Priorität  der  Rundung. 

Bei  oberflächlicher  Betrachtung  der  Südhälfte  könnte  ja  viel- 
leicht die  Vorstellung  aufkommen,  die  Rundung  sei  hier  nicht 
vorhanden  gewesen,  und  was  jetzt  so  aussieht  sei  Product  der 
Zerstörung  und  modernen  Aufbaues.  Aber  die  mehrfach  (oben 
S.  237)  erwähnte  Spur  des  Sockels  am  Südende  beweist  die  voll- 
ständige Durchführung,  und  sie  wird  auch  von  Hülsen  stillschwei- 
gend zugegeben.  Dagegen  ist  er  offenbar  der  Meinung,  die  Mar- 
mordecoration habe  nur  die  Westwand  des  Treppenhofes,  nicht  die 
Südhälfte  der  Rundung  bedeckt :  die  Marmorfront  hinter  der  stehen 
gebliebenen  Ziegelmauer  würde  doch  allzu  deutlich  die  Posterio- 
rität  der  letzteren  erweisen.  In  der  That  aber  erstreckte  sich  die 
Marmordecoration  sicher  auch  auf  die  Südhälfte. 

Wir  bemerken  zunächst,  dass  die  den  Sockel  tragende  und 
nur  für  ihn  bestimmte  Stufe  nicht  nur  bis  zur  Mitte  vorhanden 
ist,  sondern  noch  etwa  2  m  über  sie  hinaus  deutlich  verfolgt  wer- 
den kann ;  weiterhin  ist  dann  alles  zerstört  und  erst  am  Südende 
kommt  wieder  die  schon  mehrfach  erwähnte  Spur  zum  Vorschein. 
Also  bis  dahin  reichte  der  Sockel,  und  so  wird  auch  die  auf  ihm 
stehende  Marmordecoration,  um  deren  willen  er  vorhanden  ist, 
auch  hier  nicht  gefehlt  haben. 

Ferner:  die  Annahme,  als  sei  die  Südhälfte  ohne  Decoration 
gewesen,  wurde  dadurch  ermöglicht,  dass  sie  hier  jetzt  fehlt.  Um 
aber  dies  Factum  richtig  zu  beurteilen,  dürfen  wir  es  nicht  trennen 
von  dem  anderen,  dass  auf  derselben  Strecke  auch  die  Stufen  des 


KOSTRA    CAESAR1S  249 

Aufganges  fehlen.  Die  Logik  der  Forschung  verlangt,  dass  wir  bis 
auf  Gegenbeweis  für  beides  eine  gemeinsame  Ursache  annehmen, 
die  nur  in  späterer  Beraubung  gefunden  werden  kann.  Indess  das 
ist  ja  vielleicht  nicht  zwingend.  Aber  es  giebt  auch  einen  posi- 
tiven Beweis. 

Die  Anordnung  der  Marmorplatten  ist  wohl  noch  nie  genü- 
gend untersucht  worden.  Es  sind  ja  breite  Portasantaplatten  (stellen- 
weise zwei  schmälere  statt  einer  breiten),  wechselnd  mit  schmalen, 
pfeilerartigen,  um  0,07  weiter  vortretenden  Platten  —  wenn  es 
erlaubt  ist  sie  so  zu  nennen  —  aus  Africano.  Die  breiten  Platten 
standen  sicher  unmittelbar  auf  dem  Ablauf;  dagegen  scheint  es, 
dass  die  kleine  Marmorbasis,  die,  auf  dem  Ablauf  liegend,  vor 
ihnen  entlang  lief  (*),  sich  in  ihre  Zwischenräume  hinein  erstreckte 
und  die  Africanopfeiler  auf  ihr  standen:  sicher  verhielt  es  sich 
so  mit  dem  nördlichen  Endpfeiler,  der  seiner  berechenbaren  Aus- 
dehnung nach  von  den  übrigen  kaum  verschieden  sein  konnte. 
Die  grossen  Platten  haben  in  jeder  ihrer  Seitenflächen  zu  unterst 
eine  kleine  Eisenklammer  (in  der  Zeichnung  25.250  punktirt), 
die,  in  die  Oberfläche  des  Ablaufs  eingelassen  etwa,  0,04  senkrecht 
aufsteigt,  dann,  so  scheint  es,  horizontal,  gegen  den  Zwischenraum 
der  Platten,  umbiegt.  Da  diese  kleinen  Klammern  für  das  Festhalten 
der  Riesenplatten  kaum  in  Betracht  kamen,  zumal  sie  nicht  sehr 
tief  in  den  Ablauf  eingelassen  waren,  so  müssen  sie  wohl  zur  Be- 
festigung jener  in  die  Zwischenräume  hineinreichenden  Basis  gedient 
haben.  Wie  dem  auch  sei,  sie  ermöglichen  uns,  die  Anordnung  der 
Platten  auch  da  zu  erkennen,  wo  sie  fehlen,  aber  der  Ablauf  vorhan- 
den ist:  die  Zwischenräume  der  grossen  Platten  sind  durch  je  zwei 
etwa  0,15  von  einander  entfernte  solche  Klammern  oder  Klammer- 
löcher bezeichnet. 

Die  grossen   Platten,   bezw.  die   aus  je  zwei  Platten  zusam- 


(*)  Richter  Beitr.  II  S.  13  missversteht  diese  Basis;  er  meint,  es  seien 
Basen  der  einzelnen  '  Pfeiler ',  die  also  auch  je  ein  Capitell  gehabt  haben 
müssten.  Neben  jedem  '  Pfeiler '  ist  jederseits  in  den  grossen  Platten  ein 
Klammerloch  zur  Befestigung  der  Basis;  aus  diesen  würde  sich  bei  R.'s 
Annahme  eine  Minimalbreite  der  Pfeilerbasis  von  0,50  ergeben,  bei  nur  0,18 
Frontbreite  der  '  Pfeiler  \  was  natürlich  unmöglich  ist.  Die  Basis  lief  sicher 
an  der  ganzen  Front  entlang;  dafür,  dass  die  Africanoplatten  als  Pfeiler 
ausgebildet  gewesen  wären,  ist  keinerlei  Anhalt  vorhanden. 


250 


A.    MAU 


mengesetzten  Felder,  sind  nicht  gleich  breit :  von  der  südlichsten 
erhaltenen  beginnend  messen  sie  0,895-0,915-0,91-0,91-0,91- 
0,92  -  0,98  -  0,96  -  0,90.  Die  grössere  Breite  der  beiden  vorletzten  kann 
bei  der  sorgfältigen  Arbeit  der  ganzen  Fassade  keinenfalls  aus 
Nachlässigkeit  erklärt  werden.  Was  man  sich  dabei  gedacht  hat, 
mag  dunkel  bleiben,   aber  erträglich  wird  eine  solche  Ungleich- 


r  / 


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JA^ 


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.Mala. 


Fig.  10. 


mässigkeit  nur,  wenn  sie  sich  symmetrisch  am  anderen  Ende  wie- 
derholte. Wichtiger  noch  ist,  dass  links  (südlich)  der  ersten  erhal- 
tenen nach  dem  trennenden  «  Pfeiler  ■  eine  nur  0,35  breite  Platte 
folgte:  von  dieser  gilt  natürlich  das  eben  Gesagte  in  noch  viel 
höherem  Grade.  Wie  die  weitere  Anordnung  war,  muss  zweifelhaft 
bleiben,  da  Sockel  und  Ablauf  nicht  weiter  erhalten  sind;  sicher 
aber  ist,  dass  hier  ein  besonderes  Mittelmotiv  ausgebildet  war. 
Der  auf  die  schmale  Platte  folgende  ■  Pfeiler  ■  bleibt,  so  gut  ich 
messen  konnte  (es  kommt  ja  auf  eine  Kleinigkeit  nicht  an),  2,20 
von  der  Mitte,  also  4,40  von  dem  s}*mmetnsch  entsprechenden 
Punkte  entfernt ;  es  konnten  also  —  da  selbstverständlich  die  Axe 


ROSTRA.    CAESARIS  251 

des  Baues  durch  die  Mitte  eines  Feldes  gehen  musste  (l)  —  hier 
drei  je  1,365  breite  Platten  stehen,  getrennt  durch  zwei  ■  Pfeiler  » 
von  je  0,15.  Es  konnte  aber  auch  das  Mittelfeld  grösser  und 
besonders  einp-efasst  sein  und  vielleicht  die  Inschrift  enthalten. 
Wie  dem  auch  sein  mochte,  das  Mittelmotiv  war  durch  die  beiden 
es  einfassenden  schmalen  Platten  von  der  übrigen  Front  getrennt 
und  dadurch  hervorgehoben.  So  und  nur  so  wird  die  schmale  Platte 
verständlich ;  sie  beweist,  dass  die  Marmordecoration  sich  auch  auf 
die  Südhälfte,  hinter  der  Ziegel mauer,  erstreckte,  also  älter  war 
als  diese  und  damit  älter  als  der  ganze  Quaderbau. 

Zu  diesem  Resultat  können  wir  aber  auch  hier  noch  auf  einem 
anderen  Wege  gelangen.  Wenn  früher  ein  Mauerkörper  ununter- 
brochen von  dem  Aufgange  bis  an  die  Ziegelfront  reichte,  wie  ja 
unsere  Gegner  annehmen,  so  waren  an  ihm,  wie  die  gerundete 
Fassade,  so  auch  deren  Gliederungen  —  Sockel,  Ablauf  usw.  — 
ursprünglich  nicht  vorhanden;  denn  die  Ziegelfront  ist  ungeglie- 
dert.   Und   wenn   wir   nun    beweisen    könnten,    dass    eben    diese 


(l)  Es  wird  wohl  Niemand  einwenden  wollen,  dass  die  Fassade  des  Qua- 
derbaues eine  grade  Zahl  von  Feldern  hatte :  an  einer  langen  gradlinigen  Front 
hat  die  Mitte  wenig  Bedeutung.  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  bemerkt,  dass 
Eichters  Reconstruction  dieser  Fassade  irrig  ist.  Die  in  der  Breite  den  Streifen 
in  der  Tuffmauer  entsprechenden  Einschnitte  des  Ablaufs  sind  nicht  vorhanden : 
was  Richter  irre  geführt  hat,  ist  der  Einschnitt  für  die  zwei  Stücke  des  Ablaufs 
verbindende  Klammer  (an  der  N-Seite),  zwischen  dem  und  dem  Rande  des 
Ablaufs  der  Marmor  weggebrochen  ist,  so  dass  die  von  R.  S.  22  beschrie- 
bene Form  entsteht.  Also  von  Bronzepilastern  ist  keine  Spur,  und  da  sie  auf 
dem  genügend  langen  Ablaufstück  der  N-Seite  vorhanden  sein  müsste,  so  sind 
solche  auch  nicht  dagewesen.  Auch  die  mit  dem  unteren  Ende  der  «  Pilaster- 
einbettungen  »  in  Verbindung  stehenden  horizontalen  Einschnitte  (R.  S.  12) 
sind  nicht  vorhanden.  R.  will  einen  solchen  «  unwiderleglich  »  wenigstens  an 
einer  Stelle  gefunden  haben.  Ich  habe  ihn  vergeblich  gesucht ;  vor  allem  aber 
ist  doch  für  einen  Einschnitt  entscheidend  nicht  die  Stelle,  wo  eine  Spur  sich 
findet,  die  ja  irgendwie  entstanden  sein  kann,  sondern  die  vielen  ,  wo  er  be- 
stimmt nicht  war.  Also  die  Verticaleinschnitte  der  Tuffmauer  bezeichnen  wohl 
eine  Gliederung,  aber  wie  diese  beschaffen  war,  wissen  wir  nicht,  und  vor 
allem  für  die  an  sich  unglaubliche  Metalleinrahmung  der  Marmorplatten  fehlt 
jeder  Anhalt.  Es  sei  noch  bemerkt,  dass  die  Einschnitte  nicht  höher  hinauf 
reichten  als  1,65  über  dem  Ablauf;  dies  ist  auf  der  Nordseite  an  dem  ersten 
Einschnitt  von  Osten  sichtbar  und  auch  von  Boni  in  seiner  Restauration  be- 
achtet worden. 


252 


A.    MAU 


Gliederungen  von  Anfang  an  vorhanden  waren,  so  wäre  doch  damit 
die  Herausschälungstheorie  endgültig  widerlegt.  Und  wir  können 
es  beweisen. 

Betrachten  wir  von  Süden  den  durch  den  jetzt  beseitigten 
modernen  Stiassenpfeiler  veranlassten  Ostwestdurchschnitt  durch 
das  Hemicyclium,  so  sehen  wir  in  seinem  Incertum  gewisse  weisse 


J 


I 


xJ 


Fig.  11. 


Horizontalstreifen ;  man  hat  beim  Bau  von  Zeit  zu  Zeit,  in  gewissen 
Höhenabständen,  eine  Schicht  Travertinsplitter  eingelegt.  Wir  be- 
merken zunächst,  dass  diese  Streifen  sich  nicht  in  das  hinter  der 
Ziegelfront  aufstehende  Mauerwerk  fortsetzen,  wie  sie  doch  müssten, 
wenn  dies  alles  früher  ein  einziger  Mauerkörper  gewesen  wäre. 
Schon  damit  ist  wieder  einmal  die  Herausschälung  widerlegt.  Und 
wenn  wir  dann  die  Fassade  betrachten  an  dem  Punkte,  wo  die 
erhaltenen  Teile  des  Sockels  und  des  Ablaufs  nach  Süden  aufhören, 
so  können  wir  leicht  feststellen,  dass  eine  dieser  Zwischenschichten 
dem  Auflager  des  Ablaufs,  eine  zweite  (an  der  Front  nur  schwach 
aber  doch  sicher  kenntlich)  seiner  Oberfläche  entspricht.  Diese  letz- 
tere ist  nicht  ganz  horizontal  sondern  leicht  gewölbt,  erscheint 
daher  im  Durchschnitt  etwas  zu  hoch ;  in  der  Front  läuft  sie  genau 


ROSTRA    CAESAR! S  253 

in  richtiger  Höhe.  Eine  dritte  entspricht  dem  Auflager  des  Sockels ; 
sie  läuft  im  Durchschnitt  etwas  höher  als  das  Auflager  der  erhal- 
tenen Sockelsteine,  und  so  auch  noch  auf  eine  ganz  kleine  Strecke 
am  Südende  des  erhaltenen  Teiles  der  Front;  dann  aber  senkt  sie 
sich,  und  es  ist  ganz  deutlich,  dass  die  Travertinblöcke  des  Sockels 
auf  ihr  liegen.  Fig.  11  veranschaulicht  dies  Verhältniss.  Der  etwas 
unregelmässige  Verlauf  der  letztgenannten  Schicht  darf  uns  nicht 
Wunder  nehmen :  da  die  Sockelsteine  von  verschiedener  Höhe  sind, 
kann  natürlich  ihr  Auflager  nicht  gleichmässig  horizontal  laufen.  Das 
beim  Bauen  befolgte  Verfahren  ist  ganz  klar.  Man  baute  zuerst  auf 
bis  zur  Höhe  des  Sockelauflagers ;  dann  legte  man  die  Schicht  von 
Travertinsplittern  und  auf  diese  den  Sockel.  Dann  baute  man  weiter 
und  mauerte  hierbei  an  den  Sockel  hinan  —  auch  dies  ist  vollkom- 
men kenntlich  —  bis  zur  Höhe  seiner  Oberfläche.  Nun  legte  man 
wieder  eine  Schicht  Travertinsplitter  und  dann  teils  auf  den  Sockel 
teils  auf  das  frische  Mauerwerk  den  Ablauf,  um  nun  wieder  bis  zu 
seiner  Höhe  an  ihn  hinanzumauern  und  dann  —  nach  Einlegung  einer 
weiteren  Travertinschicht  —  weiter  aufwärts  zu  gehen.  Nicht  so  deut- 
lich ist  das  Verfahren  in  dem  den  grossen  Platten  entsprechenden 
Höhenabschnitt.  Es  scheint  aber  sicher,  dass  man,  wie  schon  Ni- 
chols  S.  34  angiebt,  nicht  etwa  erst  eine  fertige  Aussenfläche 
herstellte  und  dann  die  Platten  an  ihr  befestigte,  sondern  dass 
diese  selbst  die  Stelle  der  Mauerfläche — Reticulat,  Ziegel— vertraten. 
Man  muss  es  also  wohl  ermöglicht  haben,  erst^  die  Platten  aufzu- 
stellen, was  bei  einer  Grundfläche  von  0,08  Breite  wohl  denkbar 
ist,  und  dann  hinter  ihnen  und  an  sie  hinan  aufzumauern.  Und 
zwar  geschah  diese  Aufmauerung  in  Abschnitten  :  eine  weitere  Tra- 
vertinschicht liegt  innerhalb  der  Höhe  der  Platten. 

Indess,  wie  dem  auch  sei,  für  jetzt  interessirt  uns  der  untere 
Teil  des  Baues,  Sockel  und  Ablauf.  Also  diese  Gliederungen  setzen 
sich  fort  in  den  Mauerkörper  hinein,  durch  ihn  hindurch,  waren 
also  an  ihm  von  Anfang  an  vorhanden.  Wer  mag  da  noch  von 
Herausschälung  reden? 

Und  nun  mag  nur  einmal  Jemand  ohne  vorgefasste  Meinung 
die  Mitte  der  gerundeten  Front,  unten  am  Boden,  betrachten :  ist 
es  nicht  klar,  wie  sich  da  der  Sockel  der  Rundung  von  selbst 
herausschält  aus  dem  an  ihn  angemauerten  Ziegelwerk,  indem  dies 
zerfällt,  er  aber  als  festerer,  älterer  Kern  stehen  bleibt?    Dieser 


254  A.    MAU 

Anblick  allein  hätte  genügen  sollen,  den  wahren  Sachverhalt  zur 
Geltung  zu  bringen. 

Dazu  kommt  nun  (Richter  Beitr.  II  S.  1 2),  dass  das  Hemi- 
cyclium  wesentlich  tiefer  fundamentirt  ist  als  der  Quaderbau. 
Hülsen  wendet  ein.  dass  dies  nur  für  die  südliche  Hälfte  consta- 
tirt  ist  und  hier  durch  den  in  dieser  Tiefe  vorhandenen  Fussboden 
vor  dem  bekannten,  von  Boni  für  die  caesarischen  Rostra  gehal- 
tenen Bogenbau  veranlasst  war ;  die  Nordhälfte  sei  vielleicht  weniger 
tief  fundamentirt,  weil  hier,  wie  auch  für  den  Quaderbau,  dieser 
Grund  fehlte.  Nun  ist  ja  freilich  das  Fundament  der  Nordhälfte 
nicht  sichtbar ;  aber  es  ist  doch  immer  bedenklich,  eine  Ansicht  dar- 
auf zu  stützen,  dass  das  nicht  sichtbare  ihr  günstiger  sein  kann  als 
das  sichtbare.  Und  was  den  Quaderbau  betrifft:  das  Paviment  vor 
den  Arkaden  reicht  freilich  nach  Osten  nur  wenig  über  die  Ecke  der 
Rundung  hinaus.  Aber  es  lehrt  uns  doch  ein  älteres  Forumsniveau 
kennen ;  östlich  von  ihm  war  der  alte  Forumsboden,  der,  wie  im- 
mer beschaffen,  doch  zum  Fundamentiren  nicht  weniger  geeignet 
und  einladend  sein  musste,  als  jenes  Ziegelmosaik.  Wenn  man 
dennoch  für  den  Quaderbau  nicht  so  tief  gegangen  ist,  so  sind 
wir  wohl  berechtigt,  nach  der  Ursache  dieser  Verschiedenheit  zu 
fragen  und  sie  in  zeitlicher  Verschiedenheit  zu  suchen.  Es  mag  ja 
dieser  Beweis  nicht  zwingend  sein;  aber  als  eine  starke  Bestäti- 
gung des  auf  anderen  Wegen  Gefundenen  dürfen  wir  ihn  doch  wohl 
geltend  machen. 

Alledem  gegenüber  ist  gesagt  worden,  es  wäre  sonderbar,  dass 
man  bei  Anlage  des  Quaderbaues  die  Marmorbekleidung  zwar  von  der 
Südhälfte  der  Rundung  entfernt,  auf  der  Nordhälfte  aber  das  kostbare 
Material  am  Ort  gelassen  haben  sollte,  so  dass  es  nun  in  dem  Neubau 
verschwunden  wäre.  Wir  können  hinzufügen,  dass  auch  für  die  Süd- 
hälfte die  Entfernung  des  Marmors  zur  Zeit  des  Quaderbaues  kei- 
neswegs feststeht :  es  wurde  schon  bemerkt  (S.  248  f.),  dass  das  Fehlen 
der  Marmorplatten  nicht  gut  getrennt  werden  kann  von  dem  Fehlen 
der  Stufen  des  Aufganges  und  also  vermutlich  auf  viel  spätere 
Beraubung  zurückgeht.  Aber  dies  müssen  wir  uns  gefallen  lassen 
angesichts  so  zwingender  Beweise.  Bunter  Marmor  mag  eben  da- 
mals, etwa  in  trajanischer  Zeit,  reichlich  gewesen  sein,  und  der 
Wert  dieser  Platten  war  doch  durch  die  starke  Zerlöcherung  be- 
deutend vermindert.  Wie  dem  auch  sei :  die  Belassung  des  Marmors 


ROSTRA   CAESARIS  255 

mag  sonderbar  sein,  der  Bau  der  Fassade  unmittelbar  hinter  der 
Ziegelmauer  ist  unmöglich. 

Hülsen  meint  ferner,  weil  die  Travertinunterlage  der  Nordwand 
niedriger  liegt  als  der  Sockel  des  Hemicycliums,  so  müsste,  wenn 
erstere  jünger  wäre,  zwischen  dem  einen  und  dem  anderen  Bau  das 
Forumsniveau  um  0,30  erniedrigt  worden  sein,  was  nicht  wahr- 
scheinlich sei.  Auch  dies  sind  ja  Erwägungen,  die  stärkeren  Be- 
weisen gegenüber  zurücktreten  müssen.  Aber  es  ist  auch  nicht 
zutreffend.  Der  Travertinsockel  der  Rundung,  mit  seiner  glatten 
Vorderfläche,  sollte  zweifellos  über'  das  Forumpflaster  aufragen : 
dieses  haben  wir  zu  suchen  im  ungefähren  Niveau  seines  Aufla- 
gers, vielleicht  um  ein  Weniges  höher.  Dagegen  das  Fornmsniveau 
des  Quaderbaues  liegt  im  Niveau  des  Auflagers  des  Marmorsockels, 
also  der  Oberfläche  der  Travertinunterlage.  So  der  Absicht  nach 
auch  das  jetzige  Forumpflaster;  thatsächlich  ist  es  im  Norden  etwas 
höher,  im  Süden  etwas  niedriger.  Danach  konnte  also  das  Forum 
zur  Zeit  des  Hemicycliums  um  eine  Kleinigkeit  niedriger  liegen 
als  zur  Zeit  des  Quaderbaues  (s.  hierzu  Fig.  1.  2). 

Wir  können  demnach  die  Priorität  des  Hemicycliums  als  voll- 
kommen gesichertes  Resultat  betrachten  und  dürfen  es  jetzt  auch 
wohl  mit  grösserer  Zuversicht  aussprechen,  dass  eigentlich  alle 
diese  Beweise  überflüssig  waren,  dass  eine  so  kostbare  Marmorfassade 
nur  denkbar  ist,  wenn  sie  frei  auf  das  Forum  hinausblickte.  Wel- 
cher Zeit  gehören  nun  aber  die  beiden  Bauten  an,  und  wie  ist  das 
Hemicyclium  zu  benennen?  Ein  Bau,  jünger  als  die  nicht  über  Sulla 
hinaufzurückenden  Arkaden,  nach  der  reichen  Marmorbekleidung 
nicht  älter  als  caesarische  Zeit,  der  späteren  Rednerbühne,  deren 
Breite  und  Höhe  der  seinigen  genau  entspricht,  als  ihr  Aufgang 
einverleibt:  ich  denke  man  kann  der  Richter' sehen  Auffassung,  dass 
das  Hemicyclium  die  Rostra  Caesars,  der  Quaderbau  eine  spätere  Er- 
weiterung derselben  ist,  wenigstens  den  Anspruch  auf  sehr  ernstliche 
Inbetrachtnahme  nicht  bestreiten.  Die  entscheidenden  Fragen  sind 
zwei:  erstens,  können  an  der  gerundeten  Front  Rostra  befestigt 
gewesen  3ein?  zweitens,  kann  der  Quaderbau  jünger  sein  als  die 
caesarische  (oder  augustische?)  Zeit?  Ich  glaube  bestimmt,  beide 
Fragen  bejahen  zu  dürfen. 

Von  den  grossen  Platten  ist  eine,  unter  den  erhaltenen  die 
erste  von  Süden,  annähernd   vollständig.    Sie   ist,    unterhalb    der 


256  A.    MAU 

Mitte  ihrer  Höhe,  durchbohrt  von  zwei  grossen,  ziemlich  unregel- 
mässig geformten  Löchern,  hoch  etwa  0,08,  breit  0,06,  deren  Cen- 
trum etwa  0,85  vom  unteren  Rande  der  Platte  entfernt  ist.  Um 
diese  Löcher  stehen  rechts  und  links  oben  und  rechts  unten  drei 
kleinere  Löcher,  die  in  Bleiverguss  die  Reste  starker  Eisen  ent- 
halten; ein  viertes  wird  in  dem  links  unten  abgebrochenen  Teil 
der  Platte  anzunehmen  sein.  Sie  bildeten  dann  um  die  beiden 
grossen  Löcher  ein  nicht  ganz  regelmässiges,  mehr  breites  als  hohes 
Viereck,  und  es  kann  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  etwas  grosses 
und  schweres  in  die  zwei  grossen  Löcher  eingelassen  und  dann  nach 
vier  Seiten  hin  befestigt  war.  So  vollständig  findet  sich  alles  dies 
nur  hier ;  aber  ausnahmslos  alle  genügend  hoch  erhaltenen  Platten 
zeigen  Reste  und  sichere  Spuren  dieser  Löcher.  Beistehende  Zeich- 
nungen, mit  punktirter  Angabe  des  Fehlenden,  überheben  mich 
weiterer  Worte;  die  beigeschriebenen  Zahlen  geben  an,  die  wie  vielte 
Platte  von  Süden  es  ist,  wobei  die  aus  zwei  schmäleren  Platten 
zusammengesetzten  Felder  als  eine  gerechnet  sind. 

Hülsen  hält  die  grossen  Löcher  für  modern  und  meint,  sie 
seien  nur  zur  Befestigung  der  Platten  gemacht  worden.  Aber  wer 
soll  denn  so  barbarisch  mit  den  Resten  des  Altertums  umgegangen 
sein,  ganz  ohne  Not  Lnd  noch  in  so  unzweckmässiger  Weise? 
Wer  wird  solche  Platten  durch  Löcher  in  der  Mitte  statt  durch 
Klammern  am  Rande  befestigen?  Letzteres  ist  in  der  That  ge- 
schehen, in  diskreter  Weise,  so  dass  die  Eisenklammern  nur  in 
die  Schnitt-  oder  Bruchflächen  eingreifen,  die  Vorderflächen  aber 
unberührt  lassen.  An  der  4.  Platte  deren  Bruch  durch  die  grossen 
Löcher  hindurch  geht,  sind  die  so  entstandenen  Einschnitte  am  Rande 
des  Uebriggebliebenen  zur  Anbringung  der  Eisenklammern  benutzt 
worden,  dagegen  an  der  7.  eben  so  gebrochenen  stehen  diese 
gleich  neben  ihnen. 

Der  antike  Ursprung  dieser  Spuren  wird  aber  auch  verbürgt 
durch  die  Regelmässigkeit  mit  der  sie  sich  wiederholen,  einschliess- 
lich der  vier  umgebenden,  nich  ganz  durch  die  Platten  hindurcn 
gehenden  Nagellöcher.  Und  wenn  Hülsen  die  grossen  Löcher  ver- 
gleicht mit  «  denen  an  den  unteren  Brnchrändern  (soll  heissen 
Schnitträndern)  der  meisten  Platten  »  so  ist  dagegen  wenig  ein- 
zuwenden; denn  auch  diese  sind  sicher  antik  und  ihre  Bedeu- 
tung ganz  klar:  sie  dienten  zum  Festhalten  der  mehrfach  er- 
wähnten auf  dem  Ablauf  liegenden  Mavmorbasis ;  zur  Befestigung 


ROSTKA    CAESARIS 


257 


Fig.  12. 


IS 


258  A.    MAU 

der  Platten  konnten  sie  nicht  dienen,  da  sie  nicht  durch  sie  hin- 
durchgehen. 

Wenn  nun  die  hier  angebrachten  Gegenstände  Rostra  waren, 
so  waren  sie  freilich  anders  befestigt  als  an  dem  Quaderbau. 
Auch  ist  es  ja  unbestreitbar,  dass  die  dort  wahrnehmbare  Art  die 
natürlichere  und  zweckmässigere  ist,  und  dass  unser  Resultat 
noch  klarer  und  sicherer  sein  würde,  wenn  die  beiden  Löcher 
nicht  neben  sondern  unter  einander  ständen.  Anderereits  aber, 
wo  so  yieles  dahin  führt,  hier  die  Rostra  zu  erkennen,  wer  möchte 
behaupten,  es  sei  unmöglich,  dass  hier  Schiffschnäbel  angebracht 
waren?  Vielleicht  haben  die  hier  gemachten  ungünstigen  Erfah- 
rungen für  die  späteren  Rostra  ein  zweckmässigeres  Verfahren 
veranlasst.  Endlich  wissen  wir  doch  auch  garnicht,  was  an  den 
sehr  starken  schmalen  Platten,  den  sogen.  Pfeilern,  befestigt  sein 
konnte :  Spuren  sind  hier  keine,  aber  von  keinem  ist  so  viel  erhal- 
ten, dass  man  sagen  könnte,  sie  seien  nicht  da  gewesen.  Und  es 
wird  gut  sein,  daran  zu  erinnern,  dass  auf  der  bekannten  Pali- 
kanusmünze,  die  wenn  nicht  diese  so  doch  eine  Rednerbühne  dar- 
stellt, die  Rostra  an  den  Pilastern  befestigt  zu  sein  scheinen. 
Also  die  Möglichkeit,  dass  am  Hemicyclium  Rostra  angebracht 
waren,  kann  wohl  nicht  gut  geleugnet  werden. 

Fragen  wir  nun  nach  der  Zeitbestimmung  des  Quaderbaues, 
so  ist  wohl  unbestritten,  dass  das  Quaderwerk  selbst  kein  chro- 
nologisches Kriterium  abgiebt.  In  Betreff  der  Marmorprofile  fehlt 
es  an  Vergleichsmaterial  aus  caesarischer  Zeit;  für  augusteische 
würden  wir  grössere  Zierlichkeit  und  mehr  Reichtum  an  Details 
erwarten,  namentlich  an  dem  sehr  summarisch  und  decorativ  be- 
handelten und  eben  deshalb  eher  auf  spätere  Zeit  deutenden  Ge- 
simse. Indess  das  mag  nicht  entscheidend  sein.  So  hat  sich  denn 
mit  Recht  die  Discussion  an  die  Ziegelbestandteile  des  Baues 
geknüpft. 

Es  handelt  sich  hier  natürlich  um  das  mehrfach  erwähnte 
Mauerwerk  mit  Ziegelfront  (oben  S.  243  f.).  Dass  es  jünger  sein 
könne,  hat  Hülsen  (S.  20  Anm.  1)  mit  grosser  Bestimmtheit  be- 
stritten, weil  die  Frontverkleidung  nicht  aus  eigens  zu  diesem 
Zweck  geformten  und  gebrannten  dreieckigen  Ziegeln  besteht,  wie 
sie  seit  Ende  des  ersten  Jahrhunderts  allgemein  in  Gebrauch 
sind,  sondern  aus    unregelmässig  zurechtgehauenen    Stücken    von 


ROSTRA    CAESARIS  259 

Dachziegeln  (Boni,  Atti  del  Congr.  Stör.  V  S.  560  f.).  Aber  sind 
wir  denn  wirklich  in  der  Lage,  einen  solchen  Schluss  mit  solcher 
Bestimmtheit  zu  ziehen  ?  Ich  meine,  da  fehlen  noch  die  Vorarbei- 
ten. Wer  hat  denn  untersucht,  ob  nach  dem  Ueblichwerden  der 
dreieckigen  Ziegel  diese  nun  auch  überall  und  ausnahmslos  ver- 
wendet worden  sind,  ob  man  nicht  gelegentlich,  wo  grade  geeig- 
netes Material  zur  Hand  war,  sich  auch  später  noch  mit  zurecht- 
gehauenen  Dachziegeln  beholfen  hat  ?  Die  Untersuchung  ist  nicht 
leicht  zu  machen,  weil  an  manchen  Bauten  garkeine,  an  anderen 
nur  sehr  wenige  Frootsteine  hinlänglich  sichtbar  sind;  aber  an 
sich  ist  es  doch  sehr  wahrscheinlich,  und  es  ist  ein  glückliches 
Zusammentreffen,  dass  grade  jetzt  die  Ausgrabungen  des  Forums 
ein  entscheidendes  Beispiel  geliefert  haben.  Das  von  Boni  neben 
dem  Lacus  Curtius  ausgegrabene  Bauwerk,  wie  immer  es  zu  be- 
nennen sein  mag,  liegt  mit  seinen  Fundamenten  zum  Teil  auf 
denen  der  Reiterstatue  Domitian's,  setzt  also  deren  Beseitigung 
voraus  und  ist  aus  nachdomitianischer  Zeit.  Es  enthält  Mauer- 
fronten aus  zurechtgehauenen  Dachziegeln,  ohne  —  so  weit  kennt- 
lich —  einen  einzigen  Dreieckziegel,  ganz  wie  das  in  Frage 
stehende  Mauerwerk  (l).  Aber  von  der  sorgfältigen  Arbeit,  die  hier 
zu  so  früher  Datirung  verführt  hat,  ist  dort  keine  Spur;  nach 
dem  ganzen  Aussehen  würde  gegen  Boni's  Datirung  in  trajanische 
Zeit,  ja  auch  gegen  noch  spätere  Ansetzung  nichts  einzuwenden 
sein.  Damit  ist  wohl  dies  Argument  endgültig  beseitigt. 

Hülsen  legt  ferner  Gewicht  darauf,  dass  sich  keine  Ziegel- 
stempel finden.  Aber  die  hier  zerhauenen  Dachziegel  sind  doch 
sicher  nicht  zu  diesem  Zweck  gebrannt  worden,  stammen  vielmehr 
wahrscheinlich  (oder  doch  möglicherweise,  was  uns  genügt),  von 
einem  älteren  Bau,  für  dessen  Datirung,  nicht  für  die  dieses 
Mauerwerkes,  das  Fehlen  der  Stempel  Bedeutung  haben  könnte. 
Ferner  ist  doch  in  dieser  Beziehung  grade  bei  zerhauenem  Mate- 
rial dem  Zufall  ein  weites  Feld  geöffnet.  Und  endlich:  gewiss 
nicht  mehr  als  zwanzig  Frontziegel  sind  hinlänglich  sichtbar,  um 
sagen  zu  können,  dass  sie  auf  der  Oberseite  nicht  gestempelt  sind; 
ob  auf  der  Unterseite,  das  wissen  wir  nicht.  Hier  ist  wirklich 
das  argumentum  ex  silentio  ein  sehr  gewagtes  Ding. 

(*)  Herr  Boni  selbst  war  so  freundlich,  mich  auf  diesen  Sachverhalt 
aufmerksam  zu  machen. 


260  A.    MAU 

Im  Uebrigen,  woher  stammt  denn  eigentlich  das  Urteil,  dass 
dies  Mauerwerk  auf  so  frühe  Zeit  deuten  soll?  Ich  finde  zuerst 
bei  Nichols  S.  19  f.,  dass  es  den  Charakter  der  ersten  Kaiserzeit 
habe.  Und  dort  finde  ich  auch  die  Begründung:  er  sagt  S.  20  Anm. 
es  gleiche  dem  des  Pantheon,  das  er  natürlich  für  augustisch  hält, 
während  wir  jetzt  wissen,  dass  es  hadrianisch  ist.  Ich  wüsste 
wirklich  nicht,  was  uns  hindern  sollte,  das  Mauerwerk  der  Rostra 
in  den  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  zu  setzen,  und  ich  möchte 
sogar  fragen,  ob  es  so  alt  sein  kann,  wie  es  sein  müsste,  wenn 
wir  hier  die  caesarischen  Rostra  vor  uns  hätten.  Was  steht  denn 
aus  caesarischer  und  meinetwegen  auch  aus  frühaugustischer  Zeit 
zum  Vergleich?  Wandmalerei  zweiten  Stiles  finden  wir  in  Rom 
nur  auf  Reticulatwänden :  das  Haus  der  Odysseelandschaften,  das 
der  Livia,  das  Haus  bei  der  Farnesina.  Und  so  auch  noch  die 
Decorationen  dritten  Stiles:  das  sogen.  Auditorium  des  Maecenas 
und  kleinere  Reste  auf  dem  Palatin  (1).  Reticulat  ist  das  Mauer- 
werk des  Pompejustheaters,  des  Marcellustheaters,  des  Mausoleums 
des  Augustus  (3).  In  Reticulat  sind  auch  die  älteren  Columbarien 
gebaut.  So  die  bei  der  Porta  Praenestina  ausgegrabenen,  unter 
ihnen  das  mit  den  Malereien  zur  Gründungssage  Roms  (2).  Ferner 
in  Vigna  Codini  das  der  Familia  der  Marcella  (in  Gebrauch  seit 
10  n.  Chr.:  C.  I.  L.  VI  S.  10)  und  das  1852  ausgegrabene  (in 
Gebrauch  unter  Tiberius  und  Gaius:  C.  L  L.  S.  941).  Dagegen 
zeigt  das  ebenda  1840  ausgegrabene  (Tiberius  und  Claudius:  a. 
0.  S.  927)  Ziegelwerk;  ebenso  das  der  Sclaven  und  Freigelassenen 
der  Livia  (a.  0.  S.  877 ;  Photographie  des  Ziegelwerks  bei  Parker 
Tombs  pl.  11),  dies  aus  der  späteren  Zeit  des  Augustus.  Offenbar 
war  also  in  der  für  die  caesarischen  Rostra  in  Betracht  kommenden 
Zeit  Ziegelbau  wenig  üblich:  es  ist  so  recht  die  Zeit  des  Reti- 
culats.  Und  hier  ist  er  nun  schon  so  gemein  geworden,  dass  man 
als  Fundament  unter  die  Quadern  eine  Futtermauer  mit  gut  gear- 

(*)  In  die  Zeit  des  dritten  Stils  gehört  nach  dem  Charakter  der  Deco- 
ration, obgleich  die  eigentlich  entscheidenden  Details  fehlen,  das  Columba 
rium  des  Pomponius  Hylas  bei  Porta  Latina,  nach  den  Inschriften  (CLL.  VI 
S.  956;  aus  der  Zeit  des  Tiberius.  Hier  besteht  das  Mauerwerk  aus  Ziegeln. 

(2)  Piranesi  Campus  Martius  XVIII.  XXL  XXVII. 

(3)  Brizio  Pitture  e  sepolcri  S.  8.  121.  Piranesi  Ant.  Rom.  IV  9. 10. 12-16. 
Parker  Tombs  in  and  near  Rome  pl.  4.  17. 


ROSTRA    CAESARIS  261 

beiteter  Ziegelfront  gelegt  hat.  Aber  auch  ohne  dieses:  an  einer 
Mauer  aus  dem  Jahre  44,  und  auch  noch  aus  frühaugustischer 
Zeit,  erwarten  wir  Keticulat  und  wundern  uns,  wenn  wir  Ziegel- 
front finden. 

Und  hier  möchte  ich  noch  eine  Bemerkung  hinzufügen.  Die 
Frontziegel  dieses  Mauerwerkes  sind,  soweit  kenntlich,  abgesehen 
von  ihrer  Frontseite,  ganz  unregelmässig  abgehackt.  Jedoch  be- 
merkte ich  in  der  Westmauer,  gleich  nördlich  von  dem  den  In- 
nenraum in  ostwestlicher  Richtung  durchquerenden  Fundament, 
einen  Ziegel,  der  mir  ein  richtiger  Dreieckziegel  der  später  üblichen 
Art  zu  sein  schien,  nur  etwas  reichlich  gross:  seine  Frontseite 
misst  0,32,  die  beiden  anderen  0,23  und  0,22.  Herr  Boni,  den 
ich  auf  diesen  Stein  aufmerksam  machte,  erkannte  sofort  aus  der 
Beschaffenheit  der  Oberfläche,  dass  es  sich  auch  hier  nur  um  einen 
zerhauenen  Dachziegel  handeln  könne.  Dennoch  Hess  er  ihn  auf- 
heben, und  in  der  That  zeigte  sich,  dass  auf  der  Unterseite,  an  der 
Front  entlang,  der  aufragende  Band  des  Dachziegels  abgehackt 
war.  Also  meine  Vermutung  war  irrig.  Aber  auch  jetzt  schien  es 
mir  fast  unglaublich,  dass  die  beiden  kürzeren  Seiten  behauen, 
nicht  geformt  seien;  so  sorgfältig  sind  sie  bearbeitet.  Es  ist  also 
hier  von  der  sonst  beobachteten  Technik  abgewichen  worden :  ein 
Arbeiter  hat  sich  die  Mühe  gemacht,  einen  Ziegel,  der  nach  Art 
der  Dreieckziegel  verwendet  werden  sollte,  auch  als  solchen  sorg- 
fältig zurechtzuhauen.  Ist  nun  aber  dieser  Vorgang  denkbar,  wenn 
damals  die  Dreieckziegel  noch  nicht  üblich,  noch  nicht  erfunden 
waren  ?  Ich  glaube  wir  müssen  auf  Grund  dieses  Ziegels  das  Mau- 
erwerk und  mit  ihm  den  ganzen  Quaderbau  in  die  Zeit  der  Drei- 
eckziegel datiren. 

Dagegen  finde  ich  nicht,  dass  der  Datirung  des  Hemicycliums 
in  caesarische  Zeit  irgend  etwas  entscheidendes  entgegensteht.  Das 
Incertum  ist  gewiss  nicht  zu  loben,  ja  man  kann  es  wohl  als 
schlecht  bezeichnen:  übermässig  grosse  Brocken  z.  T.  schlechten 
Tuffs,  nicht  besonders  guter  und  allzu  reichlich  verwendeter  Mörtel. 
Aber  bei  Beurteilung  des  Incertum  gilt  doch  keineswegs  die  Regel: 
je  besser  desto  älter.  Dem  in  Rede  stehenden  sehr  ähnliches 
finden  wir  ganz  in  der  Nähe:  in  den  Unterbauten  der  Vorhalle 
und  Treppe  des  Concordiatempels  und  unter  der  Treppe  des  Sa- 
turntempels; an  beiden  Stellen  findet  sich  auch  die  oben  S.  252 
erwähnte   Abschichtung   mit    Travertinsplittern.    Und   beides    ist 


262  A.    MAU 

altes  Mauerwerk:  der  Vor-  und  Unterbau  des  Concordiatempels 
geht  spätestens  zurück  auf  den  von  Tiberius  7  v.  Chr.  begonnenen 
Bau ;  die  Treppe  des  Saturntempels  wird  dem  Bau  des  Munatius 
Plancus  42  v.  Chr.  angehören.  Auch  im  Unterbau  des  Caesar- 
tempels ist  das  Incertum  um  nichts  besser,  vielmehr  recht  ähnlich, 
und  auch  hier  finden  wir  ganz  ähnliche  Abschichtungen,  entspre- 
chend den  einfassenden  Quaderschichten,  an  die  das  Incertum  von 
innen  hinangemauert  ist.  Und  ähnlich  steht  es  mit  dem  Unterbau 
des  Castortempels,  dessen  Mauerwerk  wahrscheinlich  der  6  n.  Chr. 
von  Tiberius  dedicirten,  aber  namentlich  im  Unterbau  gewiss  be- 
trächtlich früher  begonnen  Erneuerung  des  Tempels  angehört. 

Ganz  unberechtigt  ist  es  auch,  die  solide  Pracht  der  Mar- 
morfassade als  Kennzeichen  späterer  Zeit  in  Anspruch  zu  nehmen : 
wie  gross  der  Marmorluxus  schon  in  Caesar's  Zeit  war,  ist  bekannt 
genug,  und  über  Art  und  Geschmack  desselben  wissen  wir  zu 
wenig,  um  darauf  ein  ausschliessendes  Urteil  zu  gründen.  Die 
griechischen  Buchstaben  auf  dem  Ablauf  geben  keine  Entscheidung. 
Dass  aber  der  Ablauf  selbst,  unter  einer  solchen  Prachtfassade, 
nicht  besser  geformt  und  seine  Oberfläche  unfertig  ist,  darüber 
mögen  wir  uns  wundern,  aber  wir  müssten  uns  ebenso  darüber 
wundern,  wenn  die  Entstehung  des  Baues  in  severischer  Zeit 
feststünde.  Denn  es  wird  doch  Niemand  glauben,  man  sei  damals 
nicht  mehr  im  Stande  gewesen  ein  eben  so  gutes  Profil  zu  bilden, 
wie  das  am  Fusse  des  späteren  Bostrabaues,  und  es  sei  damals 
nicht  üblich  oder  man  sei  nicht  im  Stande  gewesen  an  einem 
kleinen  Luxusbau  wie  dieser  die  Oberfläche  der  Marmorgliede- 
rungen fertig  zu  machen.  Der  Ablauf  ist  eben  aus  uns  unbekannten 
Gründen  vernachlässigt  worden ;  schon  die  auf  ihm  liegende  Basis 
war  besser  gearbeitet.  Wollte  man  vielleicht  durch  den  Contrast 
der  unfertigen  Oberfläche  den  Glanz  der  oberen  Teile  heben? 
Uebrigens  trägt  der  Ablauf  mit  seinen  vielen  aber  flachen  Glie- 
dern (gut  sichtbar  in  Fig.  13,  wiederholt  aus  Kichter  Beitr.  II 
S,  11  Abb.  7)  keineswegs  den  Charakter  einer  späten  Zeit,  für  die 
man  eine  mehr  decorative  Behandlung  erwarten  möchte,  mit  we- 
nigen   aber   kräftigen  Gliederungen  (1). 

(')  Auf   die  von   Petersen  (Comitium    S.  33  Anm.)    an    diesem   Ablauf 


ROSTRA    CAESARIS 


263 


Gar  keine  Schwierigkeit  macht  es  endlich,  dass  die  Oberfläche 
des  Hemicycliums,  wie  sie  jetzt  ist,  sich  zur  Rednerbühne  nicht 
eignet.  Was  wir  da  jetzt  vor  uns  haben,  braucht  doch  nicht  höher 
hinauf  zu  reichen,  als  in  die  Zeit,  wo  den  caesarischen  Bostra  der 
Quaderbau  vorgelegt  wurde ;  wie  es  liier  zur  Zeit  Caesars  aussah, 


Fig.  13. 

ist  uns  ganz  unbekannt.  Der  Mauerkern  des  Hemicycliums  ist  nahe 
dem  Nordende  bis  etwa  2  M.  westlich  der  jetzigen  Treppe  zu  ver- 
folgen und  mochte  auch    noch  weiter  reichen;   es  war  also  Platz 


beobachteten  verschiedenen  Hände  einzugehen,  muss  ich  denen  überlassen,  die 
etwa  im  Stande  sein  sollten,  sie  zu  sehen.  Irrtum  ist  was  Petersen  a.  0.  über 
von  früherer  Verwendung  herrührende,  nachher  unbedeckt  gebliebene  Klam- 
mern auf  seiner  Oberfläche  sagt;  er  scheint  die  einst  diese  ganze  Oberfläche 
deckende,  am  Nordende  erhaltene  Basis  (oben  S.  249  Anm.)  nicht  bemerkt 
zu  haben.  Die  Bedeutung  aller  vorhandenen  Klammerspuren  ist  vollkommen 
klar. 


264  A.    MAU 

genug  um  einen  bequemen  Aufgang  und  eine  hinlängliche  Piat- 
form  zu  schaffen. 

Ob  die  jetzt  auf  der  Rundung  liegenden  Steine  mit  der  z.  T. 
erhaltenen  Treppe  zusammengehören,  ist  zweifelhaft.  Richter  setzt 
sie  in  die  Zeit,  wo  die  caesarischen  Rostra  als  Aufgang  zu  der  spä- 
teren Rednerbühne  dienten,  und  zwar  deshalb,  weil  sie  nicht  ra- 
dial geschnitten  seien,  wie  man  erwarten  müsste,  wenn  zu  ihrer  Zeit 
der  gerundete  Bau  für  sich  bestanden  hätte,  sondern  einander  pa- 
rallel in  der  Richtung  der  Ostwestaxe.des  Gebäudes.  Hülsen  wi- 
derspricht ihm,  und  in  so  fern  mit  Recht,  als  die  Steine  diese 
Richtung  nicht  haben:  nicht  nur  der  nördlichste  erhaltene  ist 
entschieden  radial  geschnitten,  sondern  auch  die  übrigen  haben 
eine  geringe  Abweichung  nach  Norden,  so  gering  freilich,  etwa 
7  bis  8  Grad,  dass  sie  ohne  Visiren  und  Messen  nicht  leicht  wahr- 
nehmbar ist;  und  wir  dürfen  annehmen,  dass  in  der  südlichen 
Hälfte,  wo  sie  nicht  erhalten  sind,  eine  entsprechende  Abweichung 
nach  Süden  stattfand.  Aber  es  bleibt  doch  bestehen,  dass  sie  bei 
weitem  nicht  diejenige  radiale  Richtung  haben,  die  man  nach  der 
Form  des  Baues  erwarten  müsste,  vielmehr,  auch  unter  einander 
wenig  abweichend,  sich  in  auffallender  Weise  der  Axenrichtung 
des  Baues  nähern.  Ist  es  vielleicht  ein  Uebergang  von  der  ra- 
dialen Anordnung  der  Treppen  zu  einer  parallelen  Anordnung  im 
Anschluss  an  die  grosse  Platform  des  Quaderbaues?  Mir  scheint 
dies  nicht  undenkbar,  wenn  ja  gleich  ein  solcher  Uebergang  nicht 
notwendig  gewesen  wäre. 

Zu  demselben  Resultat  führt  noch  eine  andere  Erwägung 
Wenn,  als  diese  Steine  gelegt  wurden,  das  Hemicyclium  für  sich 
bestand,  so  konnte  doch  dieser  Travertinfussboden  ostwärts  nicht 
weiter  reichen  als  höchstens  bis  senkrecht  über  der  Aussenfläche 
der  Marmorfront.  Nun  ist  aber  diese  Linie  von  dem  Ostrand  der 
jetzt  liegenden  Platten  in  der  Mitte  der  Rundung  nicht  mehr 
als  0,ö0,  am  Nordende  gar  nur  0,40  entfernt  (vgl.  Nichols  S.  38) : 
also  breiter  konnte  die  fehlende  Plattenreihe  nicht  sein,  während 
die  vorhandene  circa  1,10  misst.  Es  lässt  sich  wohl  nicht  leug- 
nen, dass  dies  Verhältniss  etwas  wunderlich  wäre,  und  dass  sich 
eine  viel  wahrscheinlichere  Anordnung  denken  lässt,  wenn  wir  hier 
den  Uebergang  zu  einem  sich  auf  die  Platform  des  Quaderbaues 
erstreckenden   Fussboden  vor   uns  haben.  Noch  mehr  aber    giebt 


ROSTRA    CAESARIS  265 

zu  denken,  dass  der  von  der  Ostlinie  der  erhalteneu  Steine  gebildete 
Bogen  nicht  dem  der  Fassade  concentrisch,  sondern,  wie  schon  aus 
obigen  Angaben  hervorgeht,  flacher  ist,  im  Anschluss  an  die  Treppe. 
Wenn  die  beiden  Bogenlinien  so  nahe  an  einander  verlaufen  soll- 
ten, wäre  es  doch  mehr  als  auffallend,  dass  man  sie  nicht  parallel 
gemacht  hätte;  und  da  dies  nicht  geschehen  ist,  so  ist  die  Ver- 
mutung gestattet, .  dass,  als  die  innere  Linie  gelegt  wurde,  die 
äussere  nicht  mehr  vorhanden  sondern  unter  der  sich  über  den 
Quaderbau  fortsetzenden  Platform  verschwunden  war  oder  eben 
damals  verschwand.  Weiterhin  ging  dann  die  bogenförmige  Anord- 
nung in  eine  gradlinige  über.  Mir  scheint  dies  recht  wahrschein- 
lich. 

Nach  allem  Gesagten  bleibt  mir  kaum  ein  Zweifel,  dass 
wir  im  Hemicyclium  die  Rostra  Caesars  vor  uns  haben ;  und  eine 
sehr  erwünschte  Bestätigung  wäre  es,  wenn,  wie  sich  herauszu- 
stellen scheint  (Hülsen  oben  S.  36),  auch  die  vorcaesarischen 
Rostra  die  Form  eines  Kreissegments  gehabt  haben  sollten.  Ich 
sage  die  Rostra  Caesars,  nicht  ■  des  Augustus ;  denn  ich  halte  es 
für  ganz  unzulässig,  das  Zeugniss  des  Dio  zu  verwerfen.  Es  darf 
uns  nicht  irre  machen,  wenn  Dio  gelegentlich  unrichtige  Angaben 
über  stadtrömisches  hat.  Denn  wenigstens  die  von  Hülsen  S.  22 
A.  2  aufgeführten  Beispiele  sind  mit  der  Nachricht  über  die 
Rostra  nicht  zu  vergleichen :  alles  das  konnte  auf  Missverständniss, 
auf  Benutzung  einer  unzuverlässigen  Quelle  beruhen.  Dass  aber 
die  Rednerbühne  von  Antonius  dedicirt  und  sein  Name  in  der  In- 
schrift genannt  war:  wie  ist  es  denkbar,  dass  Cassius  Dio  Coc- 
ceianus,  Senator  und  zweimal  Consul,  der  vorzügliche  Historiker, 
grade  hier,  über  die  gleich  bei  der  Curie  liegenden  Rostra,  falsch 
unterrichtet  gewesen  sein  sollte?  Obige  Nachricht  setzt  doch  vor- 
aus, dass  die  Inschrift  des  Antonius  einmal  vorhanden  war;  und 
darüber  konnten  bei  zeitgenössischen  Schriftstellern,  die  doch  Dio 
sicher  benutzt  hat,  garkeine  Zweifel  und  widersprechenden  An- 
gaben aufkommen.  Wenn  sie  31  v.,  Chr.  getilgt  worden  war,  so 
musste  doch  hinlängliche  Kunde  von  ihr  geblieben  sein. 

Und  was  steht  denn  diesem  Zeugniss  erster  Güte  gegenüber? 
Die  Nichterwähnung  der  von  Antonius  dedicirten  Rostra  bei  Ci- 
cero und  die  Bezeichnung  als  rostra  Augusli  bei  Pomponius 
Dig.  I  2,  2,  43.  Da  glaube  ich  doch  vor  Allem  mich  an  die  alte 


266  A.    MAU,    ROSTRA    OAESARIS 

und  gute  Regel  historischer  Kritik  halten  zu  sollen,  dass  das  argu- 
mentum ex  silentio  dem  ausdrücklichen  Zeugniss,  die  gelegentliche 
Erwähnung  der  Berichterstattung  ex  professo  zu  weichen  hat. 
Ueber  Cicero's  Schweigen  mögen  wir  uns  wundern;  aber  von  da  ist 
es  noch  weit  zur  Verwerfung  eines  so  guten  Zeugnisses.  Und  Pom- 
ponius:  meint  er  denn  wirklich  diese  Rostra?  Mir  scheint  nicht 
ausgeschlossen,  dass  er  mit  rostra  Augusti  die.  von  Augustus  am 
Tempel  des  Divus  Julius  erbauten  meinte,  und  dass,  zur  Entlastung 
der  caesarischen  Rostra,  einige  Statuen  dorthin  gebracht  waren  (l). 
Hülsen  scheint  aus  hodieque  zu  schliessen,  dass  diese  Uebertragung 
nicht  stattgefunden  habe.  Aber  dieser  Schluss  ist  nicht  notwendig : 
es  ist  erlaubt  hodieque  nur  auf  extat  zu  beziehen :  ■  sie  ist  noch 
heute  vorhanden,  und  zwar  jön?  rostris  Augusti  «.  Hat  er  aber  wirk- 
lich die  caesarischen  Rostra  gemeint,  wem  ist  eher  ein  Irrtum 
zuzutrauen,  ihm  oder  Dio?  Ich  finde  keinen  Grund,  daran  zu  zwei- 
feln, dass  das  Hemicyclium  die  von  Caesar  erbaute,  von  Antonius 
dedicirte  Bühne  ist,  dass  hier  Antonius  dem  ermordeten  Caesar  die 
Leichenrede  hielt. 

A.  Mau. 


(')  Uebrigens  ist  Jordan  I  2,  228  von  Richter  und  Hülsen  missverstanden 
worden.  Dass  rostra  Augusti  nicht  heissen  kann  «  die  vom  regierenden 
Kaiser  wiederhergestellten  Rostra  ü,  wusste  Jordan  so  gut  wie  einer  von  uns. 
Die  ganze  Anmerkung  will  ja  zeigen,  dass  ausser  den  vorher  angeführten  sich 
keine  Erwähnung  der  rostra  aedis  Divi  Juli  findet.  So  versteht  er  unter  r.  A- 
die  u  caesarischen»,  d.  h.  die  von  Caesar  verlegten,  und  scheint  zu  meinen, 
der  «  seltsame  Ausdruck  »  sei  dadurch  veranlasst,  dass  durch  eine  Wiederher- 
stellung Hadrians  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  eben  damals  auf  die  r.  aedis 
D.  Juli  gerichtet  und  es  deshalb  nötig  war,  die  alten  R.  von  ihnen  zu  un- 
terscheiden. Mir  scheint  dies  freilich  wenig  überzeugend. 


IL  GIARDINO  E  L'ANTIQUARIO 
DEL  CARDINAL  CESI 


II  cardinale  Federico  Cesi,  creato  da  Paolo  III  nel  1544  e 
morto  nel  1565,  fu  un  de'  piü  munifici  che  ricordino  gli  annali  del 
Sacro  Collegio.  Le  sue  immense  ricchezze  egli  spese  in  costruzioni 
e  in  opere  d'arte,  adoperandovi  i  piü  illustri  artefici  del  suo  tempo, 
e  in  raccogliere  da  ogni  parte  antichi  marmi.  Riedificö  da'  fonda- 
menti,  co'  disegni  di  Giacomo  Della  Porta,  la  bella  chiesa  di  S.  Ca- 
terina  de'  Funari,  e  l'annesso  edificio  a  ricovero  delle  povere  gio- 
vani;  fondö,  su  disegno  di  Michelangelo,  la  cappella  tli  S.  Maria 
della  Pace,  piccola  ma  splendidamente  scolpita  di  figure  e  d'ornati ; 
e  un'altra,  oggi  de'  Massimo  duchi  di  Rignano,  a  S.  Maria  Mag- 
giore,  dove  egli  e  sepolto  in  un  monumento  disegnato  ed  eseguito 
da  fra  Guglielmo  Della  Porta  (1). 

Ma  piü  che  per  queste  opere,  il  Cesi  fu  a'  suoi  giorni  famoso 
pel  museo  di  marmi  e  d'oggetti  antichi,  ch'egli,  innamorato  del- 
l'antichitä  classica,  raccoglieva  amorosamente  nel  suo  palazzo  e 
giardino.  Questa  raccolta,  di  cui  l'Aldroandi  ci  ha  lasciato  il  ca- 
talogo  nel  suo  libro  delle    Statue  antiche  (2)  era  senza  paragone 

(*)  La  seguente  iscrizione  si  legge  sul  suo  sepolcro :  D.  0.  M.  \  Fede- 
rico Caesio  S.  R.  E.  cardinali  Portuensi  |  qui  hoc  sacellum  et  alterum  in 
aede  divae  |  Mariae  Pacis  et  templum  divae  Gatharinae  I  virginum  misera- 
bilium  fundavit  et  dica\vit  Angelus  Caesius  patruo  opt.  posuit  \  Vixit 
ann.  LXIV  mens.  VI  dies  XXVII  \  Obiit  V  Kai  febr.  MDLXV. 

(2)  Delle  statue  an\tiche  che  per  tutta  Roma  in  diversi  |  luoghi  et  case 
si  veggono  \  di  messer  Ulisse  Aldroandi  (appresso  alle  antichitä  di  Roma  di 
Lucio  Mauro)  Venezia,  Giordano  Ziletti,  1556  (seconda  edizione  ivi  1558). 
II  testo  fu  compilato  nel  1550:  v.  Michaelis  Archäol.  Zeitung  (1876)  p.  150 
e  seg.;  H.  L.  Urlichs  in  questo  Bullettino  VI  (1891)  p.  250.  Un  inventario 
dei  marmi  contenuti  nel  palazzo  e  nel  giardino,  compilato  nel  1622,  sitrova 
neH'Archivio  di    Stato  di  Roma.  V.  Theodor    Schreiber,  Die*  antiken  Bild- 


268  D.     GNOLI 

la  piü  ricca  e  preziosa  che  fosse  in  Roma;  anzi  puö  dirsi  ch'egli 
per  primo  avesse  il  concetto  d'un  vero  museo.  Per  questo  titolo 
lo  magnificava,  tra  gli  altri,  Giano  Vitale : 

34  Tu  legis  eversae  lacrymosa  cadavera  Romae 

Et  facis  aeterno,  posteritate  frui. 


Viva  tibi  Spirant  romanae  robora  molis, 
Imperiis  quorum  vix  satis  orbis  erat. 


Dispersa  la  raccolta  del  Cesi,  si  perdette  quasi  col  tempo  anclie 
la  memoria  del  luogo  dov'egli  aveva  adunato  tanti  tesori,  e  co- 
struito  appositamente  im  Antiquario  per  contenerli.  Quel  luogo, 
chiaramente  indicato  dalla  pianla  di  Koma  del  Bufalini  e  da  altre 
posteriori,  e  stato  bensi  riconosciuto  da  alcuni  dotti,  fra  i  quali 
Teodoro  Schreiber  (*),  che  ne  fa  cenno  incidentalmente,  ma  rimase 
generalmente  sconosciuto,  tantoche  nella  Porti ca  di  San  Pietro  del- 
l'Adinolfi  e  nell'  Indice  della  pianta  del  Bufalini  riprodotta  nel  1879, 
il  palazzo  del  card.  Federico  Cesi  fu  confiiso  con  quello  del 
card.  Pierdonato  Cesi  in  Borgo  Vecchio.  L'illustre  archeologo  Giam- 
battista  De  Rossi,  conoscitore  d'ogni  cosa  romana,  partecipö  anch'egli 
all'errore  comune. 

II  palazzo  del  card.  Federico  era,  ed  e  ancora,  appunto  lä  dove 
lo  indica  la  pianta  del  Bufalini,  P.  Cesis,  sotto  il  Gianicolo,  presso 
la  porta  Posterula,  ora  Cavalleggeri,  nella  via  del  S.  Uffizio,  al 
n.  1.  Oggi  e  ridotta  a  casa  generalizia  deH'Ordine  degli  Agosti- 
niani.  La  fronte  del  palazzo  fu  tagliata  e  ricostruita  in  arco  per 
far  luogo  al  colonnato  del  Bernini;  ma  quella  che  ora  si  vede  e 
in  tutto  modern a. 

La  pianta  qui  unita,  corrispondente  quasi  in  tutto  allo  stato 
odierno,  e  im  ingrandimento  tratto  dalla  pianta  di  Roma  del  Nolli 
(1748).  Colla  guida  dell'Aldroandi  ricerchiarao  quel  che  resta  di 
quell'antica  sede  dell'arte. 


werke  der  Villa  Ludovisi  in  Rom.   Leipzig,   1880,  pag.  7.  Una   traduzione 
francese  del  libro  dell'Aldovrandi  fu  teste  pubblicata  dal  eh.  S.  Reinach  L% Al- 
bum de  Pierre  Jacques,  Parigi  1901,  p.  23-92):  ivi  nelle  note  a  p.  25-30  sono 
identificate,  per  quanto  e  possibile,  le  opere  d'arte  della  collezione  Cesi. 
(1)  Schreflber,  loc.  cit. 


IL    GIARDINO    E    L  ANTIQUARIO    DEL    CARDINAL    CESI 


269 


L'Aldroandi,  che  descrive  il  giardino  dall'interno,  dice:  i  Dal- 
l'altra  parte  di  questo  portone  e  una  bella  maschera  di  marmo 
bianco,  antica  e  grande  ■  (p.  33).  II  portone  del  giardino,  a  bu- 
gnato  di  stucco,  si  vede  ancora  intatto,  a  lianco  del  palazzo  colla 
sua  maschera  di  marmo  bianco  nell'alto. 


/    Portd?ie. 

Z.   Cortile 

2>.  Jngretjff  alaiardi??(r 

A  Fo7?tcuzct- 

6-  Antiau&rio 

8.  Cesiacolcr 


Fig.  1. 


Per  l'ingresso  del  palazzo  s'entra  in  un  cortile  (l'Aldroandi 
dice  cortiglio)  a  guisa  di  chiostro,  cinto  da  doppio  ordine  di  por- 
tici  sorretti  da  que'  pilastri  ottangolari  che  vediamo  usati  nella 
massima  parte  degli  edifici  romani  della  seconda  metä  del  Quattro- 
cento. Gli  archi  sono  stati  chiusi  di  recente,  e  sopra  essi,  che  do- 
vevano  terminale  con  una  cornice  a  mensole,  come  nel  giardino  di 
San  Marco  e  nella  facciata  de'  SS.  Apostoli,  e  stato  di  recente 
aggiunto  un  piano.  II  cortile,  che  doveva  esser  quadrato,  oggi  e 
oblungo,  poiche  il  lato  piü  prossimo  alla  strada  dovette  esser  ta- 
gliato  e  ricostruito  piü  addentro,  quando  si  fecero  i  colonnati  di 
San  Pietro. 

E  strano  che  di  questo  palazzo  e  del  grande  cortile,  uno 
senza  dubbio   dei  piü  notevoli  di   quell' etä,   non  faccia  menzione 


270  B.     GNOLI 

l'Albertini,  nel  capitolo  «  De  domibus  cardinalium  • ,  ne  altri  dopo 
di  lui.  Ne  sapremmo  chi  facesse  costruire  questo  palazzo,  se  non 
ci  fosse  in  alcuni  capitelli  scolpito  lo  stemma  del  fondatore.  Esso 
appartiene  al  cardinale  Giovanni  Antonio  di  San  Giorgio,  milanese 
(e  non  piacentino  come  dice  il  Ciacconio),  detto  il  cardinale  Ales- 


Fig.  2. 


sandrino,  creato  da  Alessandro  VI  nel  1493,  e  morto  sotto  Giulio  II 
nel  1511.  L'Adinolti,  nella  Portica  di  San  Pietro,  pubblicö  il 
testamento  col  quäle  il  cardinale,  nel  1505,  lasciava  al  piü  antico 
di  sua  famiglia  palatium  cum  vinea  et  stabulo  et  aliis  pertinen- 
tiis  suis,  quod  edificavit  idem  testator  in  Burgo  S.  Petri  de 
Urbe*  (J).  II  palazzo  fu  acquistato  poi  dal  cardinal  Paolo  Cesi, 
creato  nel  1517,  cioe  sei  anni  dopo  la  morte  del  San  Giorgio;  e 
da  esso,  morto  nel  1537,  passö  al  cardinal  Federico  suo  fratello, 
creato  cardinale  dopo  soli  sette  anni  dalla  morte  di  lui,  nel  1544. 
Nel  lato  del  cortile  che,  come  abbiam  veduto,  e  stato  rifatto,   si 


(*)  Adinolfi,  La  Portica  di  San  Pietro,  p.  280. 


IL   GIARDINO   E    l'aNTIQUARIO    DEL    CARDINAL    CESI  271 

vede  scolpito,  ne'  capitelli  de'  pilastri  del  secondo  piano,  lo  stemma 
de'  Cesi. 

In  questo  cortile,  oltre  a  raolte  epigrati  e  frammenti,  erano 
sotto  i  portici  tre  statue.  Quella  di  mezzo,  creduta  allora  un'amaz- 
zone,  oggi  giudicata  una  Giunone,  passata  al  rnuseo  Capitolino,  era 
■  stata  da  Michelangelo  lodata  per  la  piü  bella  cosa  che  sia  in 
tutta  Roma  ■  (p.  122).  In  mezzo  al  cortile  era  una  maschera  grande 
di  porfido  per  ricevere  le  acque. 

Pel  lato  destro  del  portico  si  entra  nel  giardino,  che  nella 
sua  parte  piana  e  inferiore,  era  diviso  in  quattro  quadri  (AI.  p.  123) 
ornati  di  22  termini  antichi  e  d'un  gran  numero  di  statue;  altre 
erano  situate  lungo  il  muro  a  destra,  dove  ora  sta  sorgendo  una 
nuova  fabbrica.  Lungo  lo  stesso  muro,  a  capo  del  viale,  era  una 
fontana,  in  cui  le  acque  cadevano  da  una  lumaca  di  marmo :  «  e 
poco  sopra  questa  lumaca  (cosi  l'Aldroandi)  e  un  putto  con 
una  urna  in  collo  in  atto  di  versare  giü  acqua  »  (p.  125).  II  livello 
del  giardino  e  sollevato,  forse  per  terra  trasportatavi  quando  si  fece  li 
colonnato  del  Bernini.  La  fontana  colla  lumaca  non  esiste  piü ;  ma 
nell'angolo,  in  un  cavo  che  tocca  l'antico  livello  del  giardino,  c'  e 
ancora  il  putto  coli' urna  in  collo,  che  versa  acqua  entro  una  tazza 
di  granito. 

Era  qui  presso  una  loggetta  copertacon  varie  sculture  di 
cui  non  si  vede  piü  traccia.  «  Nel  frontispizio  del  giardino,  al  di- 
ritto  della  prima  porta  onde  vi  s' entra  »  (AI.  p.  126)  e  una  grotta 
oggi  in  parte  interrata,  scavata  nel  torrione  che  fiancheggia  la  porta 
Cavalleggeri,  e  in  fondo  ad  essa  sono  tre  nicchie  vuote,  che  con- 
tenevano,  quella  di  mezzo,  la  Roma  trionfante,  e  le  due  laterali, 
i  re  barbari  di  marmo  bigio,  che  si  vedono  riprodotte  ne'  disegni 
dell'  Hemskerck,  e  nella  stampa  del  Lafreri.  demente  XI,  nel  1720, 
acquistö  il  gruppo  delle  tre  statue,  che  collocö  in  Campidoglio  nel 
cortile  del  palazzo  de'  Conservatori,  sotto  un  portico  appositamente 
costrtüto,  dove  anche  oggi  si  vedono. 

Voltando  pel  lato  del  giardino  parallelo  al  palazzo,  s'incon- 
travano  le  statue  delle  Parche,  poi  due  sfingi  di  marmo  bigio,  e 
finalmente,  di  fronte  al  portone  d'  ingresso  del  giardino,  sorgeva  e 
sorge  ancora  sulla  falda  del  colle,  Y Antiquario. 

E  questo  un  edificio  in  forma  di  croce  greca,  formante  una 
sala  coperta  nel  mezzo  da  una  cupola  piana,  ed  eretta  apposita- 


272 


D.     GNOLI 


mente  per  collocarvi  gli  antichi  rnarmi.  Ricordo  d'averlo  visitato 
molti  anni  fa,  quando  il  palazzo  e  il  giardino  erano  occupati  dalla 
Stamperia  Reale ;  e  allora  era  aperto  il  grande  arco  d'ingresso,  ne 
c' era  ancora  quella  baracca  addossatavi  dai  frati  quando  l'Anti- 
quario  e  sta^to  ridotto  a  cantina.  Era  il  prospetto  tutto  ornato  di 
stucchi,  di  cui  rimangono  poche  traccie.   Que'  due  busti  che  sono 


Fig.  3. 


rimasti  al  loro  posto,  in  cattivo  stato,  e  di  cui  le  parti  mancanti 
sono  rifatte  di  stucco,  rappresentano,  secondo  l'Aldroandi,  l'impe- 
ratore  Ottone,  e  Poppea  sua  moglie.  Sul  rnezzo  dell' arco  era  un 
busto  di  Giove,  di  porfido,  e  sopra  al.  frontispizio,  cinque  statue 
femminili  vestite. 

L'  interno  della  sala,  in  cui  s'aprono  nicchie  di  varia  forma  e 
grandezza  per  accogliervi  statue  e  busti,  e  notevole  per  le  traccie 
di  ricca  policromia  che  rivestiva  le  pareti  e  1' interno  delle  nic- 
chie. ■  Ha  l'Antiquario,  scriveva  l'Aldroandi,  un  bei  cielo  moderno 
di  stucchi  con  varie  e  belle  figure  »  (p.  131);  e  si  conserva  ancora, 
ma  assai  guasto  dalle  pioggie  che  han  penetrato  nella  volta.  In 
mezzo  all'arco  di  fronte  e  dipinto  uno  sternma  sorretto  da  due  an- 


IL    GIARDINO   E    L'aNTIQUARIO    DEL    CARDINAL    CESI  273 

geli  e  sormontato  dal  triregno,  probabilmente  quello  di  Paolo  III, 
e  in  mezzo  all'arco  di  destra  e  uno  stemma  cardinalizio,  anch'esso 


Fig.  4. 


non  piü  ricoaoscibile.  Negli  altri  due   archi  e  affatto  caduto  l'in- 
tonaco.  II  nicchio  e  il  muro  d'uua  capelletta  in  cui  era  collocato 

19 


274  D.    GNOLI 

un  satiro  che  insegna  a  suonar  la  zampogna  a  im  garzone,  passato 
poi  nella  villa  Ludovisi,  erano  incrostati  di  marmo.  Seguendo  l'Al- 
droandi,  si  possono  rimettere  a  posto  nelle  nicchie  vuote  le  statue  e 
i  busti ;  tre  de'  quali,  nelle  grandi  nicchie  sotto  gli  archi  delle 
volte,  sono  ancora  al  loro  luogo.  Ma  non  sono  che  frammenti  di 
busti  decorativi,  che  erano  integrati  e  quasi  rifatti  di  stucco. 

Questa  bella  sede,  questo  tempio  cosi  riccamente  decorato, 
eretto  dal  card.  Cesi  ai  tesori  dell'arte  antica,  anche  nello  stato 
miserabile  in  cui  oggi  e  ridötto,  ha  un  insigne  valore  storico,  poiche 
e  forse  il  primo  edificio  che  sia  stato  costruito  unicamente  a  scopo 
di  rauseo. 

Uscendo  dall'Antiquario,  si  sale  a  destra  fuori  del  recinto  del 
giardino  inferiore ;  ed  ivi  si  vede  ancora,  ridotta  a  rudere,  la  c  a  p- 
pelletta,  cioe  un  nicchione  fra  due  mezze  colonne,  dov'era  la 
statua  creduta  d' Eliogabalo ;  epoi  ilcenacolo  in  forma  quasi 
di  mezzo  cerchio,  dove  erano  infisse  al  muro  le  iscrizioni  rela- 
tive all'antica  famiglia  Caesia,  dalla  quäle  i  Cesi  pretendevano  di 
discendere:   iscrizioni  oggi  disperse  in  vari  musei  (1). 

Ancora  una  porta  di  passaggio  dal  giardino  inferiore  al  supe- 
riore,  di  cui  non  restano  che  ruderi,  ornata  un  tempo  di  due  leoni 
di  granito  rosso  e  di  una  statua  di  Pomona ;  e  finalmente  si  torna 


0)  [Le  iscrizioni  relative  alla  famiglia  Cesi,  che  stavano  presso  la  u  cap- 
pelletta  »  sono  annoverate  nel  codice  di  Stockholma  di  Giangiacomo  Boissard, 
f.  38.  38'.  Ivi  sono  copiate: 
'prope  fontem  ad  dextram  '  t  •  caesivs  •  priscillae  •  l  •  hermes,  CIL.  VI, 

13979 ;  ora  nella  Gall.  lapidaria. 
'  aßxa  parieti  supra  mensa  lapidea"1  cn  •  caesio  zosimo,  CIL.  13998;  ora 

perduta. 
'  super  capite   Bacchi  porphyritici  (questa  maschera   di   porfido   passö  poi 

alla  Villa  Ludovisi:  Schreiber  p.  72,  n.  46).  e  regione  mensae'  d  •  m  - 

Caesiae  daphnidianae,   CIL.  14005 ;  ora  nel  pal.  Cavaceppi  ad  Albano. 
'  in  muro  mensae  vicino '  d  •  m  •  m  •  caesio  epafrodito,  CIL.  13973,  ora 

nella  Gall.  lapidaria. 
ibidem  caesoniae  •  m  •  f  -prima,  CIL.  14019;  ora  perduta. 
Oltracciö  si  trovavano  nella  raccolta  Cesi  anche  le  iscrizioni  della  gente  Caesia 
CIL.  VI,  13982  (ora  perduta),  13983  (ora  nel  mus.  Capitolino),    13989  (ora 
perduta),  13992  (ora  perduta),  14018  (ora  perduta).  Ch.  H]. 


IL   GIARDINO    E    L  ANTIQUARIO   DEL    CARDINAL    CESI 


275 


aH'interno  del  portone  di  cui  sulla  strada  abbiam  veduto  l'esterno. 
i  Passando  oltre,  si  vede  una  testa  di  Giove  col  petto  vestito, 
posta  sopra  im  gran  portone  di  stucco  che  e  all'injontro  dell'An- 
tiquario  del  quäle  s'  e  ragionato  ■  (A.  p.  133).  Questo  portone  col 
suo  busto,  e  interamente  conservato,  anche  nel  lato  interno,  nella 
sua  forma  primitiva. 


Fig.  5. 


Passa  poi  l'Aldroandi  a  numerare  e  descrivere  gli  oggetti]di 
marmo  e  di  bronzo  che  si  conservavano  nell'  interno  del  palazzo ;  ma 
noi  non  lo  seguiremo,  poiche  di  questi  non  c'  e  piü  traccia. 

L'Aldroandi,  commosso  a  tante  meraviglie,  esclamava:  ■  Tutte 
le  statue  antiche  che  in  questa  casa  e  giardino  sono,  sono  bellis- 
sime  e  rare;  perche  il  gentilissimo  spirito  del  Beverendissimo  di 
Cesis,  innamorato  forte  delle  cose  antiche,  senza  perdonare  a  spesa 
alcuna,  ha  sempre  da  varii  luoghi  havute  e  raccolte  le  piü  belle 


276  D.    GNOLI,    IL   GIARDINO    E    L'aNTIQUARIO    DEL    CARDINAL    CESl 

cose  che  ritrovate  si  sieno,  per  ornar  poi,  come  ha  fatto,  questo 
suo  cosi  bei  palagio  e  giardino ;  ne'  quali  luoghi  chi  entra,  resta 
attonito  e  pieno  di  meraviglia  e  di  piacere.  e  gli  pare  d' entrar  in 
paradiso  *  (p.  136). 

Oggi  quel  paradiso  non  e  che  devastazione  e  squallore.  La 
collezione  andö  dispersa,  ma  la  maggior  parte  dei  marmi  passarono 
alla  collezione  del  card.  Ludovisi,  oggi  al  museo  delle  Terme  Dio- 
cleziane,  e  parte  al  museo  Capitolino.  Un  breve  papale  di  Gre- 
gorioXV,  Ludovisi,  autorizzava,  nel  1622,  il  duca  Giovanni  Fede- 
rico  Cesi  a  cedere  in*  dono  al  card.  Ludovisi,  i  marmi  conservati 
nel  palazzo,  nel  giardino  e  neli'Antiquario  del  card.  Cesi,  descritti 
in  apposito  foglio ;  e  lo  Schreiber  enumera  quelli  che  fanno  ancora 
parte  della  raccolta  Ludovisi  (l).  Un  secolo  appresso,  nel  1720,  il 
papa  demente  XI  comprava  quel  che  era  rimasto  delle  sculture, 
e  le  trasportava  al  museo  Capitolino.  II  Michaelis  ricercö  i  marmi 
di  questo  museo  provenienti  dalla  collezione  Cesi  (2).  Pochi  e  mi- 
seri  avanzi,  come  abbiam  veduto,  sono  rimasti  sul  luogo:  la  ma- 
schera  e  il  busto  di  Giove  a'  due  lati  del  portone,  il  putto  della 
fontana,  e  ilaceri  busti  posti  in  alto  sul  prospetto  e  neirinterno 
dell'Antiquario.  Erano  marmi  decorativi  e  di  poco  valore,  ne  si 
volle  guastare  il  portone  e  la  fontana,  ne  parve  che  valesse  la 
pena  di  tirar  giu  dall'alto  que'  busti  frammentari  e  malconci  del- 
FAntiquario. 

Ma  il  luogo  silenzioso  e  solenne,  dominato  da'  colonnati  e 
dalla  grande  cupola  vaticana,  e  pieno  di  memoria ;  e  l'edifizio  del- 
d'Antiquario,  ridotto  oggi  a  cantina,  merita  un  posto  notevole 
nella  storia  delle  collezioni  e  de'  musei. 

D.  Gnoli. 


(•)  Op.  cit.,  p.  7-8. 

(2)  A.  Michaelis,  Storia  della  collezione  capitolina  di  antichitä,  fino 
alVinaugurazione  del  museo  (1734);  in  questo  Bullettino  vol.  VI,  an.  1891, 
p.  56. 


DER  RECHTE  ARM  DES  LAOKOON 
(mit  Taf.  VIII). 


Die  Frage  der  Ergänzung  des  rechten  Armes  des  Laokoon 
ist  so  alt  wie  der  Fund  der  Gruppe  selbst.  Das  grossartige  Bild- 
werk erregte  im  höchsten  Grade  die  Bewunderung  der  Zeitgenossen 
des  Fundes.  Der  Wunsch,  es  wieder  intakt  zu  sehen,  war  begreif- 
lich. Die  Scheu  unserer  Zeit,  die  Antiken  nicht  zu  berühren,  eine 
Scheu,  die  in  unseren  Tage  vielleicht  zu  weit  geht,  kannte  die  formen- 
freudige Renaissance  nicht.  Merkwürdigerweise  war  es  aber  nicht  ein 
Bildhauer,  sondern  ein  Maler,  der  zuerst  das  ungefähr  Richtige  fand. 
Tizian  hat  in  seinem  von  Boldrini  in  Holz  geschnittenen  Affenlao- 
koon  (*),  der  beissenden  geistreichen  Satire  auf  Bandinelli,  den 
eingebildeten  Autor  der  grossen,  noch  jetzt  in  der  Uffizien  aufbe- 
wahrten Copie  der  Gruppe  (2),  dem  Arme  des  Affenvaters  eine 
Haltung  gegeben,  die  so  ziemlich  das  Richtige  traf.  Die  Lehre 
blieb  aber  unbeherzigt.  Der  grosse,  im  Gabinetto  del  Laocoonte 
liegende  abozzirte  dem  Giovanni  Montorsoli  zugeschriebene  Arm  (3) 
ist  total  verfehlt  und  so  ging  es  mit  allen  anderen  Ergänzungen, 
den  nicht  genau  bekannten,  wahrscheinlich  Pariser  (4)  Autor  der 
Stuckergänzung,  die  man  noch  heute  am  Original  sieht,  mit  inbe- 
griffen. 

Zweifel  an  der  Richtigkeit  dieser  Ergänzung  hat,  soviel  ich 
sehe,  zum  erstenmale,  als  die  Gruppe  noch  in  Paris  war,  Ch.  Petit 
Radel  schriftlich  niedergelegt  (5).  Seiner  Meinung,  dass  der  rechte 
Arm  gegen  den  Kopf  hin  gebogen  sein  müsse,  fügt  er  irrig  hinzu 

(*)  Ed.  Fuchs,  die  Karikatur  der  europäischen  Völker  2.  Aufl.  Tafel  zu 
S.  41.  Vgl.  auch  Sittl,  Empirische  Studien  über  die  Laokoongruppe  S.  26. 
(f)  Venturi  in  Archivio  storico  deWarte  II,  p.  111. 
(3)  Skizzirt  bei  Sittl  1.  c.  Taf.  III  Fig.  4  S.  15. 
(*)  Sittl,  1.  c.  S.  20. 
(5)  Monuments  antiques  du  Musee  Napoleon  1804  p.  137. 


278  L.    POLLAK. 

,  sans  cependant  la  toucher  '.  Der  Erste,  der  theoretisch  das  Rich- 
tige fand,  scheint  C.  Prien  (*)  gewesen  zu  sein,  der  die  abgebro- 
chenen Locken  am  Kopfe  dadurch  erklärte,  dass  hier  eben  die  rechte 
Hand  oder  eine  sie  verbindende  Stütze  aufsass,  die  beim  Bruche 
mit  abbrach.  Das  ist  seither  allgemein  angenommen  und  Priens  Ke- 
construction  öfters  (2)  reproducirt  worden.  Es  trifft  sich  nun  zur 
Vierhundertjahrfeier  gut,  dass  mir  ein  neuer  Fund  es  ermöglicht, 
diese  Frage  wohl  endgültig  ihrer  Lösung  zuzuführen.  Den  Arm,  den 
Tafel  VIII  in  zwei  Ansichten,  von  vorn  und  rückwärts,  zeigt,  fand 
ich  bei  einem  kleinen  römischen  scalpellino  unter  allerlei  alten 
Marmorfragmenten.  Diese  Leute  kaufen  gewöhnlich  solche  Frag- 
mente an  um  sie  dann  zu  verarbeiten.  Der  Arm  war  ihm  als  eben 
gefunden  von  der  '  via  Labicana '  ohne  nähere  Provenienzangabe 
zugetragen  worden.  Gleich  sah  ich,  dass  es  der  rechte  Arm  eines 
Laokoon  sei  und  erwarb  ihn  um  ihn  vor  dem  sicheren  Untergange 
zu  retten.  Der  Arm  ist  aus  grobkörnigem  parischem  Marmor;  der 
Oberarm  misst,  soweit  er  erhalten  ist,  42  cm.,  der  Unterarm  bis  zur 
Handwurzel  —  die  Hand  selbst  fehlt-31.5  cm.  In  antiker  Zeit  war 
der  Arm  schon  einmal  an  zwei  Stellen  gebrochen  gewesen  und  wieder 
angesetzt  worden.  Beim  Bruche  wurde  die  Schlange  mitbeschädigt, 
doch  kann  man  noch  sehr  gut  an  den  verletzten  Stellen  ihre  Windungen 
verfolgen.  Der  Schlangenleib  zeigt  jene  auffallende  glatte  Oberfläche, 
wie  sie  die  Gruppe  sehen  lässt.  Wahrscheinlich  waren  auch  hier 
die  Schuppen  durch  Farbe  wiedergegeben.  Am  äusseren  Theile  des 
Unterarms  bemerkt  man  die  ovale,  16  cm.  lange  und  9  cm.  hohe 
ein  wenig  rauh  gelassene  Ansatzstelle  eines  angekittet  gewesenen 
4  tassello  ■',  der  seither,  wie  man  so  oft  bei  Antiken  constatirt,  mit 
der  Zeit  sich  loslösend  verloren  ging.  Kleinere  Abschürfungen  an 
der  Epidermis  sind  hauptsächlich  an  der 'Innenseite  des  Armes  be- 
merkbar. Am  Oberarme  ebenfalls  an  der  Innenseite  sind  drei  Hiebe 
zu  sehen,  die  nur  von  der  spitzen  Hacke  herrühren  können,  welche 
ihn  beim  Graben  fand.  / 

Die  Differenz  des  Marmors  —  die  Gruppe  ist  aus  '  grechetto  \ 
der  Arm  aus  parischem  Marmor  —  schliesst  schon  von  vornherein 


(')  Ueber  die  Laokoongruppe,  ein  Werk  der  rhodischen  Schule  S.  7. 
(2)  Overbeck  Plastik4  II  S.  313;  Blümner  Lessings  Laokoon  Taf.  I. 


DER    RECHTE    ARM    DES    LA.OKOON.  279 

eine  Zugehörigkeit  zum  vaticanischen  Originale  aus.  Dazu  kommt 
noch  der  Unterschied  der  Arbeit.  Von  jenem  wunderbaren  von 
allen  Zeiten  angestaunten  Eingehen  in  die  feinsten  Subtilitäten 
der  Formen  zeigt  unser  Arm  nur  wenig.  Er  ist  eine  summarische 
Arbeit,  die  sich  damit  begnügte,  die  grossen  Züge  festzulegen. 
Hingegen  würde  die  Differenz  in  den  Maassen  dieses  rechten  Ober- 
armes  und  des  erhaltenen  linken,  der  1.5  cm.  länger  ist,  bei  den 
thatsächlich  bestehenden  und  schon  öfters  constatirten  Maassunter- 
schieden verschiedener  Theile  der  Gruppe  keine  Rolle  spielen,  Un- 
terschiede, die  wir  bei  der  ausserordentlichen  Leistung  der  Künstler 
nicht  einem  Mangel  an  Können  zuschreiben  dürfen,  sondern  die 
ihre  Erklärung  in  der  uns  nicht  mehr  bekannten  Originalaufstel- 
lung in  Rhodos  rinden. 

Wir  müssen  also  besonders  nach  den  zwei  ersten  eben  hervor- 
gehobenen Punkten  unseren  Arm  als  den  Rest  einer  leider  bis  auf 
ihn  verloren  gegangenen  antiken  Copie  ansehen  (*),  die  den  Maassen 
nach  ungefähr  ein  Neuntel  kleiner  war  als  das  Original.  Auch  an 
diesem  muss  der  nun  fehlende  rechte  Arm  schon  einmal  in  an- 
tiker Zeit  gebrochen,  angesetzt  und  dann  wieder  endgiltig  verloren 
gegangen  sein.  Der  Arm  brach  wahrscheinlich  ab,  als  die  Gruppe 
von  ihren  Postamente  in  Rhodos  weggenommen  wurde  und  die 
Reise  nach  Rom  machte  (*).  Der  Arm  war  mit  einem  Bronzestifte 

(*)  Andere  Copien  der  Gruppe  (vgl.  auch  das  sicher  antike,  von  mir 
publizierte  Köpfchen  Mitth.  1898  S.  146  Taf.  VI)  sind  verschiedentlich  ver- 
muthet  worden.  So  sollte  eine  colossale  Copie  unter  den  Fundamenten  von 
S.  Pudenziana  sich  befinden,  vgl.  Tschudi  in  Arch.  epigr.  Mitth  1882  p.  69  ss. 
(das  Excerpt  stammt,  worauf  mich  Hülsen  aufmerksam  macht,  wörtlich  aus 
dem  Buche,  Memoria  fatta  dal  Sgr.  Gaspare  Celio,  delVhabito  di  Cristo, 
delli  nomi  delli  artefici  delle  Pitture  che  sono  in  alcune  chiese,  facclate  e 
palazzi  di  Roma,  Napoli  1 638).  Auf  Grund  dieser  sehr  confusen  und  vagen 
Nachricht  wurden  in  jüngster  Zeit  an  Ort  und  Stelle  Ausgrabungen  veran- 
staltet, die  kein  Resultat  ergaben.  Vgl.  auch  Montfaucon,  Diarium  italicum 
Cap.  IX  p.  136  über  angebliche  Laokoonfragmente  beim  Spital  S.  Giovanni, 
welche  Flaminio  Vacca  gesehen  haben  wollte.  Andere  freie,  mehr  oder  we- 
niger problematische  Copien:  Fragmente  in  Agram,  J.  Brunsmid,  Vjesnik  1905 
p.  47  ss.  n.  87;  Terracotta  in  Taormina  Kekule,  Terr.  von  Sicilien  Fig.  81 
S.  39;  in  Tarsos  Förster  Jahrbuch  1891  S.  188. 

(2)  Worauf  sich  die  von  Hiller  von  Gaertringen  (vgl.  Arch.  Anzeiger  1905 
S.  119)  ausgesprochene  Vermuthung,  dass,  die  Laokoongruppe  vielleicht  in 
Italien  hergestellt  worden  sei,  stützt,  ist  unklar.    Die   in  Italien  gefundenen 


280 


L.    POI.LAK 


angesetzt  gewesen.  Der  Beweis  dafür  ist  ein.  soviel  ich  sehe,  bisher 
nicht  beachteter  grosser  rothb raungoldiger  Fleck  auf  der  rechten 


Fig.  1. 


Schulter  des  Laokoon,  der  nur  dadurch  hervorgebracht  sein  kann, 


Inschriften  rhodischer  Meister  sind  doch  wohl  nur  antike  Copien  und  selbst 
wenn  sie  Originale  wären,  bewiese  das  auch  nichts.  Die  Römer  nahmen  dann 
eben  Originale  und  ihre  Inschriften. 


DER  RKCHTE  ARM  DES  LAOKOON.  281 

dass  der  Bronzestift  durch  Jahrhunderte  im  Marmor  steckend  sich 
selbst  und  den  Marmor  zersetzte. 

Wertvoll  bleibt  nun  der  Arm  der  Copie,  weil  er  uns  in  den 
Stand  setzt,  den  Originalarm  zu  reconstruiren.  Ich  Hess  desshalb 
auf  Grundlage  eines  Abgusses  des  Armes  und  einer  Aufnahme  des 
Rückens  des  Laokoon  (diese  nach  dem  Gipse  im  Lateran)  und  mit 
Zuhilfenahme  eines  lebenden  Modells  die  auf  S.  280. 282  reproducirten 
anspruchslosen  Zeichnungen  durch  den  Zeichner  Herrn  Ernst  Sopp 
herstellen.  Es  ergibt  sich,  dass  der  Schlangenleib  vom  Rücken  her 
herübergreifend  den  Beginn  des  Deltamuskels  umspannt,  dann  den 
Unterarm  ganz  umschlingend  nach  hinten  sich  biegt  und  wieder 
hervorkommend  hierauf  die  Handwurzel  fest  umschnürt.  Wie  dann 
das  Ende  des  Schlangenschwanzes  verlief,  lässt  sich  mit  Sicherheit 
nicht  mehr  feststellen,  da  die  Hand  fehlt.  Am  vaticanischen  Origi- 
nale endet  die  ergänzte  Spitze  des  Schwanzes  ungefähr  in  der  Mitte 
des  Rückens  rechts  aufsitzend,  doch  ist  dies  eine  ganz  willkürliche 
Annahme,  da  am  ganzen  Rücken  kein  einziger  Bruch  oder  eine  An- 
satzstelle zu  constatiren  ist. 

Wahrscheinlich  befand  sich  das  Ende  der  Schlange  dicht  bei 
der  Hand  oder,  was  noch  wahrscheinlicher  und  in  der  Zeichnung 
angenommen  ist,  die  Hand  selbst  hatte  das  Ende  festgepackt. 
Abzuweisen  ist  hingegen  die  von  Prien  auf  seiner  Tafel  angenom- 
mene und  nach  ihm  von  Overbeck  u.  a.  wiederholte  Ergänzung 
des  rechten  Armes  des  jüngeren  dem  Tode  verfallenen  Sohnes. 
Es  ist  unmöglich,  dass  dieser  rechte  Arm  parallel  zu  dem  des 
Vaters  verlief.  Das  hätte  eine  unschöne  langweilige,  für  einen 
griechischen  Meissel  unmögliche  Linie  ergeben.  Vielleicht  war 
dieser  r.  Arm  ein  wenig  nach  innen  gebogen,  wie  ihn  unsere 
Zeichnung  annahmsweise  zeigt. 

Wie  sehr  die  Gruppe  durch  den  nunmehr  pyramidenförmigen 
Aufbau  gewinnt,  ist  ohne  weiteres  klar.  Der  Stuckarm  wirkte  wie 
ein  declamatorisches  Ausrufungszeichen  von  hohlem  falschem  Pa- 
thos. Durch  das  Zurückführen  des  Armes  zum  Kopfe  hat  die 
Gruppe  an  Einfachheit  und  Geschlossenheit,  der  Ausdruck  des 
Leidens  an  innerer  Intensität  entschieden  sehr  gewonnen. 

Ein  glücklicher  Zufall  hat  es  also  genau  vier  Jahrhunderte  nach 
dem  Funde  ermöglicht,  die  Gruppe  in  einem  Hauptpunkte  richtig 
zu  reconstruiren.  Möchte  nun  die  Leitung  des  Vaticanischen  Mu- 


282 


L.  POLLAK,  DER  RECHTE  ARM  DES  LAOKOON. 


seums,  dein  ich  den  Arm  als  kleines  d&Qov  darbrachte,  ihrerseits 
das  Jubilaeum  dadurch  feiern,  dass  sie  das  opus  omnibus  et  pictu- 


Fig.2  . 


rae  et  statuariae  praeferendum  von  jener  hässlichen  falschen 
Stuckergänzung  befreit  und  an  ihre  Stelle  eine  richtige  auf  Grund 
des  gefundenen  Armes  setzt. 

Ludwig  Pollak. 


INSCHRIFT  DES   LOLLIANÜS  MAVORTIUS. 


Im  sechzehnten  Jahrhundert  wurde  auf  dem  Aventin  bei  der 
Kirche  S.  Alessio  die  folgende  Inschrift  gefunden: 

[comiti  OrQentis  v(ice)  s(acra)   iudicanti,  procons(uli)  | 

pro(vinciae)  Africae  et  v(ice)  s(acra)  iudicanti,  praef(ecto) 
urbis  ei  v(ice)  s(acra)  iudicanti,  ite\rum  comiti  ord{inis) 
primi  intra  pa\latium,  praef(ecto)  praet(orio),  consuli  or- 
d{inario),  \  Placidus  Severus  v(ir)  c(larissimus)  filius  patri 
religioso  \  et  Antonio,  Marcianilla  c(larissima)  f(emina) 
nurus  |  socero  sanctissimo. 

Der  Stein  befindet  sich  jetzt  im  Capitolinischen  Museum;  nur 
die  erste  Zeile  ist  zerstört,  aber  durch  glaubwürdige  Zeugen  über- 
liefert. Dessau  1232  =  CIL.  VI  1757. 

Nach  dem  ersten  Namen  des  Sohnes,  der  gemeinsam  mit  sei- 
ner Frau  das  Denkmal  gesetzt  hat,  glaubte  Rossi  es  dem  M.  Mae- 
cius  Memmius  Furius  Baburius  Caecilianus  Placidus,  Consuln  des 
J.  343,  zuschreiben  zu  müssen.  Da  man  aber  zu  jener  Zeit  die 
Kinder  nicht  nur  nach  dem  Vater,  sondern  auch  nach  der  Mutter 
oder  nach  Seitenverwandten  und  selbst  nach  Freunden  des  Hauses  zu 
benennen  pflegte,  sind  Schlüsse  aus  dem  Namen  sehr  unsicher.  Und 
der  cursus  honorum,  der  ein  viel  zuverlässigeres  Kennzeichen  bietet 
und  für  jenen  Placidus  CIL.  X  1700  erhalten  ist,  stimmt  keines- 
wegs mit  demjenigen  überein,  welchen  unsere  Inschrift  aufweist. 
Dagegen  passt  dieser  genau  zu  der  Laufbahn,  die  wir  aus  anderen 
Quellen  für  Q.  Flavius  Maesius  Egnatius  Lollianus  Mavortius 
nachweisen  können,  und  das  zwar  nicht  nur  in  den  Aemtern 
selbst,   sondern  auch  in    ihrer  Zeitfolge.  Derselbe  war   nämlich : 


284  O.     SEECK 

comes  Orientis  unter  Constantin  dem  Grossen,  also  noch 
vor  337:  Firm.  Matern,  math.  I  1,  7;  vgl.  CIL.  X  1695.  1696. 
Eph.  ep.  VIII  365  =  Dessau  1224. 

proconsul  Africae  etwas  später,  aber  auch  noch  vor  dem  Tode 
Gonstantins:  Firm.  Matern.  I  1,  8  und  die  schon  angeführten  In- 
schriften. 

praefectus  urbis  vom  1.  April  bis  zum  5.  Juli  342 :  Mommsen, 
Chronica  minora  I  S.  68. 

praefectus  praetorio  im  J.  355:  Cod.  Theod.  VI  29,  1.  XI 
30,  25.  36,  11.  Ammian  XVI  8,5.  Nichts  hindert  die  Annahme, 
dass  er  diese  Praefektur  vor  dem  1.  Januar  355  angetreten  habe, 
dass  sie  also  schon  vor  seinem  Consulat  begonnen  sei,  wie  die 
Reihenfolge  unserer  Inschrift  schliessen  lässt. 

eonsul  Ordinarius  im  J.  355 :  Mommsen,  Chronica  minora  III 
S.  522. 

Nun  ist  durch  alte  Abschriften  von  diesem  Lpllianus  Mavor- 
tius  ein  Inschriftenfragment  überliefert,  das  nach  dem  Zeugnis  des 
Ligorius  gleichfalls  bei  S,  Alessio,  also  ungefähr  an  demselben 
Orte  gefunden  ist,  wie  unser  Stein  (CIL.  VI  1723).  Es  endet  mit 
den  Silben,  Ori  und  dieser  beginnt  mit  entis ;  die  Stücke  schliessen 
sich  also  ohne  Lücke  an  einander  an.  Beide  zusammen  ergeben  die 
folgende  beinahe  vollständige  Inschrift: 

MAVORTII 

FL  ■  LOLLIANO  •  V  .  C  ■   Q_-  K  •  PRAET   ■  VRB 

CVRAT  •   ALVEI    •   TIBERIS  •  ET   ■     OPERVM 

MAXIMORVM  •  ET  •  AQ_VARVM  •         CONS 

5      CAMP  ■  COMITI  •  INTRA  •  ?ALatium        ET 

ulCE     SA  er a      iudicanti        c  omiti       ORI 

ENTIS-   V  •   S    • .  I  V  dTca  NTI    •    PROCONS 

PROV  •  AFRICAE  •   ET   .   V   •   S   •   IVDICANTI 

PRAEF  •  VRBIS  •  ET     V-  S  •  IVDICANTI  •  ITE 

10      RVM     •     COMITI   •  ORD  •  PRIMI  •  INTRA     PA 

LATIVM  •    PRAEF  •    PRAET  •  CONSVLI    •  ORD 

PLACIDVSSEVERVS-VOFILIVSPATRI-RELIGIOSO 

ET.  ANTONI  A-  MA  RCI  ANILLA  •  C  •  F  •   NVRVS 

SOCERO  •    SANCTISSIMO 


INSCHRIFT    DES    LOLLIANUS    MAVORTIUS  285 

Das  Amt  eines  curator  aquarum  bekleidete  Lolliaims  zufolge 
der  neuerdings  auf  dem  Forum  beim  Lacus  luturnae  gefundenen 
Inschrift  Not.  d.  scavi  1901  p.  129  (vgl.  Hülsen  in  Lehmanns  Bei- 
trägen zur  AG.  2,  244  n.  29)  in  Jahre  328.  Der  Sohn  Placidus 
Severus  hat  als  agens  vices  praefectorum  praetorio  dem  Kaiser 
Valens  auf  dem  Forum  eine  Ehrenbasis  gesetzt:  Not.  d.  scavi  1899 
p.  333,  vgl.  Hülsen  a.  a.  0.  p.  245  n.  32.  Diese  ist  nicht  nur  durch 
den  Kaisernamen,  sondern  auch  dadurch  zeitlich  bestimmbar,  dass 
sie  den  Petronius  Maximus  als  praefectus  urbis  Herum  nennt. 
Seine  erste  Stadtprä fectur  hatte  er  in  den  Jahren  361-363  be- 
kleidet (Seeck.  Hermes  XVIII  S.  301);  von  der  zweiten  ist  sonst 
nichts  bekannt,  obgleich  uns  für  die  Regierung  des  Valens  bis  zum 
Tode  seine  Bruders,  d.  h.  bis  zum  17.  Novembei  375,  die  Reihe  der 
römischen  Stadtpraefekten  vollständig  erhalten  ist  (Seeck,  Hermes 
XVIII  S.  289  ff.).  Maximus  muss  also  jenes  Amt  zwischen  diesem 
Datum  und  dem  3.  August  378,  an  dem  Valens  bei  Adrianopel 
fiel,  bekleidet  haben.  Aus  dieser  Zeit  sind  folgende  Stadtpraefekten 
überliefert : 

Furius  Maecius  Gracchus  am  1.  Dec.  376:  Cod.  Theod.  II,  2. 

Derselbe  am  4.  Jan.  377 :  Cod.  Theod.  IX  35,  3. 

Probianus  am  17.  Sept.  377:  Cod.  Theod.  IX  2,  3. 

Mithin  bleiben  für  die  zweite  Praefektur  des  Maximus  nur 
die  Zeiträume  zwischen  dem  17.  November  375  und  dem  1.  De- 
zember 376  oder  zwischen  dem  17.  September  377  und  dem  3. 
August  378  übrig,  womit  auch  der  vicariatus  Urbis  des  Placidus 
Severus  annähernd  datiert  ist. 

Greifswald. 

0.  Seeck. 


SITZUNGEN    UND    ERNENNUNGEN 


15.  Dezember  1905  zur  Feier  von  Winckelmanns  Geburtstag: 
C.  Ricci,  La  Porta  Aurea  dz  Ravenna  (s.  Mitteilungen  später). — 
G.  Koerte,  Das  Volumniergrab  bei  Perugia. 

Koerte  erläuterte  auf  grund  von  eingehenden  im  August  1905  an  Ort 
und  Stelle  gemachten  Studien  und  neuen  photographischen  Aufnahmen  das 
Grab  und  die  in  demselben  gefundenen  Denkmäler  (Urnen).  Er  führte  aus, 
das  diese,  bis  auf  eine  auch  im  Material  von  den  übrigen  abweichende  mit  rö- 
mischer Inschrift,  gleichzeitig  mit  der  Anlage  des  Grabes  nach  einer  einheit- 
lichen Idee  ausgeführt  sind  und  dass  als  Stifter  der  in  der  grössten  und 
schönsten  Graburne  in  der  Mitte  beigesetzte  Arnfr  Velimnas  Aules  anzusehen 
ist.  Nach  seinem  Tode  ist  das  Grab  geschlossen  und  nicht  wieder  benutzt 
worden,  bis  in  augusteischer  Zeit  die  Beste  eines  ganz  latinisierten  Nach- 
kommen des  Geschlechts  dort  beigesetzt  wurden.  Der  Buchstabencharakter 
der  Inschriften,  der  Stil  der  Skulpturen,  die  Form  der  gefundenen  und  im 
Relief  abgebildeten  Waffen  (Schilde  und  Helme)  weisen  übereinstimmend 
auf  die  Wende  des  vierten  und  dritten  Jhdts.  als  Gründungszeit  hin.  Das 
Grab  selbst  ist  die  getreue  Nachbildung  eines  Hauses  und  zwar  finden  sich 
die  Bestandteile  des  römischen  Hauses  (Atrium,  Tablinum  usw.)  wieder.  Die 
Ausbildung  dieses  Haustypus  ist  demnach  in  Etrurien  im  vierten  Jhdt.  erfolgt 
und  von  dort  nach  Rom  übertragen. 


12.  Januar  1906:  B.  Nogara,  Intorno  alla  presunta  Byblis  delle 
eroine  di  Tor  Marancia.  —  R.  Engelmann,  Das  Mosaik 
Scalambrini.  Dazu  Koerte.  —  L.  Pollak,  Laocoonte  (s.  o. 

S.  277-282). 

Engelmann:  über  das  Mosaik  Scalambrini,  welches  gegen  1700  in  der 
Villa  Cavalieri  in  Frascati  aufgefunden,  von  Montfaucon  (Ant.  eocpl.  Suppl.  II 
Taf.  ^3)  und  von  Guattani  (Mem.  enciclop.  III  Tf.  47)  veröffentlicht  war, 
hatte  der  Vortragende  in  der  Archäol.  Zeitung  XXXI  (1874)  S.  128  ff.s 
Zweifel  an  der  Echtheit   aussprechen    müssen.    Diese   verschwanden,  als   e 


SITZUNGEN    UND    ERNENNUNGEN  287 

ihm  gelang,  das  Original  bei  dem  Kunsthändler  Scalambrini  aufzufinden. 
Leider  ist  das  Mosaik  seitdem  verschwunden.  Für  die  Deutung  des  figu- 
renreichen Mosaiks  wurde  die  euripideische  Tragödie  Erechtheus  herange- 
zogen, auch  die  Fragmente  des  Erechtheionfrieses,  die  von  C.  Robert  auf  den 
Streit  zwischen  Erechtheus  und  Eumolpos  bezogen  sind,  scheinen  die  Deu- 
tung zu  empfehlen. 


26.   Januar :    Ch.    Hüelsen,    Die    Curia    auf  den    Münzen    des 
Augustus.  —  Th.  Ashby,  The  four  great  Roman  acqueducts. 

Hüelsen  :  Ein  zwischen  35  und  28  v.  Chr.  geschlagener  Denar  (Cohen  2 
Auguste  122),  den  der  Vortragende  (Forum  Romanum*  1905  Fig.  16)  zwei- 
felnd auf  die  Basilica  Julia  bezogen  hatte,  stellt  vielmehr  die  von  Augustus 
vollendete  Curia  Julia  dar.  Die  Vermutung  war  schon  von  Eckhel  geäussert, 
aber  bei  allen  Neueren  in  Vergessenheit  geraten :  zur  Evidenz  erhoben  wird  sie 
durch  Vergleichung  guter  Abdrücke  der  Münze  mit  den  erhaltenen  Resten  (s. 
Hülsen  Le  Forum  Romain,  1906,  fig.  52  und  54).  Durch  das  Münzbild  wird 
die  Existenz  einer  Säulenhalle  vor  der  Front  (wie  sie  auch  auf  dem  Relief 
der  Traiansschranken  erscheint)  bestätigt.  Die  Victoria  auf  dem  Giebel,  ohne 
Zweifel  eine  Nachbildung  des  goldenen  Bilds  in  der  Curie  selbst,  trägt  in  der 
1.  einen  Kranz,  in  der  r.  ein  Tropäum.  Sie  entspricht  demnach  der  Berliner 
Glaspaste,  welche  Bulle  (Roschers  Lexikon  III  354)  als  treuste  Wiederholung 
der  Victoria  in  der  Curie  erkannt  hat. 


9.  Februar :  R.  Delr/ujeck,  Das  Tabularium. 
23.  Februar:  R.  Engelmann,  Verwandlungen.  —  K.  F.  Mueller, 
Die  Kyniatien  an  den  Bauten  der  Kaiserzeit  in  Rom. 

Engelmann:  die  Beobachtung,  welche  Wilpert  für  die  Katakomben- 
gemälde gemacht  hat,  gilt  in  gewissem  Grade  auch  für  die  im  17.  «nd  18. 
Jhdt.  genommenen  Kopieen  von  antiken  Gemälden.  Die  Zeichner  haben  viel- 
fach zerstörte  Teile  willkürlich  ergänzt,  haben  sich  durch  die  von  ihnen 
angenommenen  Deutungen  (aus  der  römischen  Geschichte  regelmässig)  ver- 
leiten lassen,  und  haben  bei  der  Uebertragung  auf  Kupfer  fast  regelmässig 
links  und  rechts  vertauscht.  Dadurch  ist  man  gezwungen,  um  die  ursprüng- 
liche Bedeutung  der  Bilder  herauszufinden,  an  den  Kopieen  eine  Anzahl  von 
Verwandlungen  vorzunehmen:  dies  wurde  an  einer  Anzahl  von  Bildern  aus 
Bartolis  Publikationen  und  einem  Codex  des  Gabinetto  nazionale  delle  Stampe 
(Palazzo  Corsini)  nachgewiesen. 

9.  März:  R.  Paribeni,  Frumentarii  e  Germani  corporis  custo- 
des.  —  Ch.  Hüelsen,  Tribunalia  auf  dem  Forum  Romanum.  — 
A.  Mau,  Die  Rostra  des  Forum  Romanum  (s.  o.  S.  230-266). 


288  SITZUNGKN    UND    ERNENNUNGEN 

Zu  ordentlichen  Mitgliedern  wurden  ernannt  die  Herren 

T.  W.  Heermance  in  Athen 
G.  Karo  in  Athen 

E.  v.  Stern  in  Odessa 

zu  correspondiernden  Mitgliedern  die  Herren 

L.  Correra  in  Neapel 

A.  D.  Keramopoullos  »   Athen 
L.  Kjellberg  »   Upsala 
W.  Kolbe  t]  Rostock 

B.  Nogara  "   Rom 

H.  Thiersch  "   Freiburg  i/B. 

M.  Tsakuroölü  «   Srnyrna. 


Abgeschlossen  am  27.  März  1906. 


JUDICIUM  ORESTIS. 

(Taf.  IX.  X). 


Zu  den  bisher  bekannten  Wiederholungen  jener  Darstellung, 
die  den  tief  ergreifenden  Wendepunkt  im  Schicksal  des  Orestes 
schildert,  den  Augenblick,  in  dem  Athena  auf  dem  Areopag  ihren 
Stimmstein  in  die  Urne  legt,  kann  ich  das  Fragment  einer  Re- 
liefdarstellung fügen,  das  sich  im  römischen  Antiquarium  befin- 
det (1).  Da  seine  Grundfläche  leicht  gerundet  ist,  muss  das  Relief 
ein  grosses  Prachtgefäss  oder  ein  Puteal  geschmückt  haben.  Die 
Arbeit  ist  nicht  schlecht,  aber  weichlich  und  flüchtig,  von  der 
Art,  wie  man  sie  an  ■  neu-attischen  ■  Sculpturen  häufig  findet. 
Ist  in  dieser  Beziehung  das  neue  Fragment  wenig  wertvoll  so 
beweist  es  uns  doch  endgültig,  dass  die  sitzende  Gestalt  ebenso 

(*)  Die  Photographie,  nach  der  unsere  Abbildung  (Fig.  1)  hergestellt  ist, 
konnte  ich  mit  gütiger  Erlaubnis  des  Herrn  Prof.  Gatti  aufnehmen  lassen.  H. 
0,623  m.Br.  0,38  m.  Grosskrystallinischer  gelblicher  Marmor.  Die  bisher  bekannten 

20 


290  W.    AMELUNG 

wie  die  links  vom  Tische  stehende  (*)  eine  Erinys  ist;  in  der  links 
von  der  Erinys  stehenden  Figur  ist  nach  Vergleich  mit  den  an- 
deren Darstellungen  trotz  der  Verstümmelung  des  Kopfes  zwei- 
fellos Athena  zu  erkennen ;  ihre  ganze  linke  Körperhälfte  mit  dem 
Arm  wird  vom  Mantel  bedeckt,  eine  Einzelheit,  die  wir  aus  die- 
ser Copie  auch  für  das  Original  erschliessen  können,  das  all  die 
anderen  Copisten  insofern  «  corrigiert  »  haben,  dass  die  Hand  in 
ganz  unmöglicher  Weise  aus  dem  Mantel,  wie  aus  einem  Aermel, 
herauskommt.  Auch  der  kurze  Ueberschlag  des  Mantels  auf  dem 
Silberbecher  wird  eine  Zutat  sein;  er  fehlt  auf  dem  neuen 
Fragment.  Die  Figuren  sind  auf  diesem  enger  an  und  vor  einan- 
der gerückt  als  sonst,  und  man  kann  zweifeln,  was  das  Ursprüngli- 
che war  (2) ;  jedenfalls  hat  diese  staffeiförmige  Ordnung  der  Figuren 
für  unsern  Geschmack  den  Vorzug,  dass  die  Darstellung  dadurch 
an  räumlicher  Tiefe  gewinnt.  Dass  der  Jüngling  rechts  von  der 
Erinys,  von  dem  hier  nur  zwei  Gliedmassen  erhalten  sind,  nicht 
den  Orestes  darstellt,  sollte  meiner  Meinung  nach  nicht  bezwei- 
felt werden ;  Orest  ist  der  abgewandt  Stehende  am  rechten  Ende ; 
er  wird  auf  der  Original-Darstellung  wohl  einen  etwas  geistreiche- 


Wiederholungen  der  Darstellung  sind  letzthin  aufgezählt  bei  Baumeister, 
Denkmäler  des  klass.  Altertums  II  p.  1119  f.  und  Röscher,  Mythol.  Lexicon  III 
Sp.  989  ff.  Vgl.  ferner  Robert,  Die  antiken  Sarkophagreliefs  II  p.  172  ff.  und 
Furtwängler,  Die  antiken  Gemmen  Taf.  L VIII 4  und  8.  Der  Corsini'sche  Silber- 
becher ist  übrigens  nicht,  wie  Michaelis  in  seiner  Schrift  über  das  Gefäss  p.  1 
angiebt,  1761,  sondern  schon  zwei  Jahre  vorher  gefunden  worden ;  unter  der  Ab- 
bildung bei  Paciaudi,  Mon.  pelopon.  I  p.  68  steht  Ad  Portum  Antü  inventum 
anno  1759.  Michaelis'  Angabe  ist  nach  dem  Text  p.  67  gemacht,  dessen 
Worte  sich  aber  nur  auf  das  Jahr  beziehen,  in  dem  er  geschrieben,  nicht 
auf  das,  in  dem  er  gedruckt  ist. 

Die  Photographieen,  die  der  neuen  Publication  des  Corsinischen  Bechers 
zu  Grunde  liegen,  konnten  dank  dem  liebenswürdigen  Entgegenkommen  des 
Directors  der  Galleria  Corsini,  Herrn  Prof.  Hermanin,  hergestellt  werden. 
Ihm  sei  auch  an  dieser  Stelle  besonders  gedankt. 

(*)  Als  solche  gegen  Michaelis'  Zweifel  verteidigt  von  Petersen,  Ar- 
chaeol.    Zeitung  1862  p.  279. 

(*)  Die  eigenartige  Schleife  im  Rücken  der  sitzenden  Erinys  —  sie  wird 
uns  nachher  beschäftigen  —  konnte  der  Toreut  des  Corsini'schen  Bechers, 
auch  wenn  sie  auf  dem  Original  nicht  sichtbar  wurde,  nach  dem  Muster 
der  stehenden  anfügen. 


JUDICIUM    ORESTIS 


291 


ren  Gestus  mit  der  Rechten  gemacht  haben,  als  auf  dem  Silber- 
becher (*).  Dass  dieser  übrigens  den  einen  Becher  des  Zopyros 
copiert,  ist  sehr  wahrscheinlich,  und  jedenfalls  giebt  er  uns  das 


Fig.  1. 


vollständigste  Bild  der  ursprünglichen  Composition,  gleichviel  ob 
dieser  Zopyros,  von  dessen  Zeit  wir  nichts  wissen,  erfunden  oder 
selbst  schon  copiert  hat.  Wir  haben  demnach  auch  keinen  Grund  — 


(])  Wie  viel  ausdrucksvoller  ist  schon  die  Rechte  der  Erinys  auf  dem 
Marmorfragment,  so  wenig  auch  sie  gelungen  ist. 


292  W.   AMELUNG 

und  die  übrigen  Copieen  bestärken  uns  darin  —  anzunehmen,  dass 
dieser  Teil  der  Composition  ursprünglich  figurenreicher  gewesen 
sei;  sehr  wohl. möglich  ist  es  andrerseits,  dass  die  Areopagiten, 
die  jener  Toreut  auf  einem  Pendant  des  genannten  Bechers  dar- 
gestellt hatte,  den  teilnehmenden  Chor  eben  der  Abstimmung  über 
Orest  in  einer  grossen  Darstellung  bildeten,  nach  der  sie  Zopyros 
copierte.  Ja,  im  Grunde  ist  dieser  Schluss  selbstverständlich :  die 
Trennung  der  beiden  Compositions-Elemente  konnte  nicht  das  Ur- 
sprüngliche sein. 

Wenn  wir  uns  der  aeschyleischen  Tragoedie  erinnern,  so  muss 
uns  das  Fehlen  des  Apollon  auffallen;  aber  wir  wissen  ja,  dass 
es  in  Athen  eine  Ueberlieferung  von  dem  Gericht  über  Orestes 
gab,  in  der  Apollon  keine  Bolle  hatte,  und  nach  der  das  Urteil 
von  dem  längst  tagenden  Areopag  gefällt  wurde,  dessen  Einsetz- 
ung erst  der  Tragiker  mit  jenem  Gericht  in  Zusammenhang  ge- 
bracht hat  (,). 

Auch  abgesehen  von  dem  Fehlen  des  Apollon,  will  die  erhal- 
tene Darstellung  zweifellos  nicht  eine  Illustration  der  entsprechenden 
Scene  im  aeschyleischen  Drama  sein.  Die  beiden  Gestalten  zwi- 
schen Orest  und  Erinys  -  Jüngling  und  Jungfrau  -  kann  man  un- 
möglich, wie  Feuerbach  (Vatic.  Apollon,  p.  368)  wollte,  als  Ver- 
treter des  athenischen  Volkes  auffassen;  sie  stehen  ebenbürtig 
zwischen  Göttern  und  Heros,  und  ihre  Teilnahme  ist  viel  zu  in- 
tensiv für  derartig  typische  Eepräsentanten  eines  Volkes,  dem  an 
dem  Ausgang  dieses  Processes  an  sich  wenig  gelegen  sein  konnte. 
Die  späteren  Erklärer  haben  in  ihnen  Pylades  und  Elektra  er- 
kennen wollen,  im  Grunde  nur  in  Ermangelung  einer  besseren 
Deutung  und  trotzdem  keine  Sage  Schwester  und  Freund  dem 
Orest  nach  Athen  folgen  lässt.  Noch  ist  er  ja»  allein,  noch  ab- 
geschieden von  allen  Lieben,  das  Wild  der  Erinyen;  und  so  hat 
ihn  auch  der  Künstler  dargestellt.  Für  jene  Beiden  aber  lässt  sich 
eine  andere  Deutung  finden,  die  zum  mindesten  ebensoviel  für 
sich  hat,  wie  die  seither  übliche.  Wo  ist  der  Ankläger?  Sind 
es  die  Erinyen?  Dazu  will  die  Stellung  der  einen  am  Tisch  mit 
der  Urne  wenig   passen.  Sie   beaufsichtigt  die  Stimmabgabe  wie 


(*)  Von  Wilamowitz-Moellendorf,  Einleitung  zur  Uebersetzung  der  Eu- 
meniden  p.  37  f. 


JUDICIUM    ORESTIS  293 

ein  Gerichtsdiener  oder  allenfalls  der  Vorsitzende  des  Gerichtshofes, 
aber  nicht  wie  eine  der  beiden  streitenden  Parteien.  Eher  könnte 
man  meinen,  dass  sich  die  sitzende  Erinys  durch  ihre  Haltung 
als  Klägerin  verrate. 

Aber  kann  diese  Haltung  wirklich  Trauer  über  die  verlorene 
Sache  bedeuten?  Sie  kann  ja  noch  garnicht  ahnen,  wie  die  Ent- 
scheidung ausfallen  wird.  Wilde,  mühsam  gezähmte  Rachgier  oder 
gespannteste  ängstliche  Aufmerksamkeit  würde  man  bei  einer  Erinys 
,als  Klägerin  erwarten,  und  so  schildert  sie  Aeschylus.  Bedeutsam 
aber  bleibt  die  Abstimmung  für  die  Erinyen  in  jedem  Falle, 
auch  wenn  sie  nicht  als  Kläger  beteiligt  sind,  und  das  bringt 
denn  auch  die  Haltung  der  Sitzenden  —  mehr  aber  nicht  —  zum 
Ausdruck.  Gespannteste  Aufmerksamkeit  beobachten  wir  dagegen 
bei  jenem  Paar;  und  insofern  wäre  die  Deutung  auf  Pylades  und 
Elektra  wohl  begründet,  denn  dass  sie  der  Entscheidung  mit  höch- 
ster Spannung  harren  würden,  ist  selbstverständlich.  Selbstverständ- 
lich wäre  es  aber  auch  bei  den  Klägern,  und  da  es  sich  in  jenem 
Process  nach  der  attischen  Sage  nicht  mehr  um  den  Muttermord 
handelte,  sondern  um  das  vergossene  Blut  des  Aegisth,  müssten 
wir  in  ihnen  Nächstverwandte,  am  ehesten  Kinder  des  Ermordeten 
vermuten.  Dass  Aegisth  mit  Clytaemnestra  Kinder  gezeugt  habe, 
die  von  den  Kindern  des  Agamemnon  gehasst  und  verachtet  wurden, 
sagt  uns  Sophocles  (El.  589)  und  nach  ihm  Euripides  (El.  62 
und  626).  Namentlich  kennen  wir  von  ihnen  den  Aletes  und  die 
Erigone,  und  diese  tritt  denn  auch  wirklich  in  der  attischen  Ver- 
sion der  Sage  als  Klägerin  gegen  Orestes  auf,  allerdings  nur  in 
später  Ueberlieferung  und  in  Gesellschaft  ihres  Grossvaters  Tyn- 
dareos  (Mann.  Par.  25 ;  Dict.  Cret.  VI  4 ;  Etym.  magn.  AidoQa. 
Das  sind  augenscheinlich  auch  ol  ix  Aaxedcciiiovoq  iX$6vTsg 
im  Scholion  zu  Eur.  Or.  1648;  sie  kamen  aus  dem  Wohnsitz  des 
Tyndareos).  Eine  ebenfalls  späte  Ueberlieferung  nennt  den  Oiax, 
einen  Vetter  der  Clytaemnestra,  als  Kläger  (Ioann.  Malal.  Chron. 
V171);  auch  der  kann  der  Jüngling  auf  dem  Becher  nicht  sein. 
Wir  müssten  diesen  Aletes  nennen,  obwohl  keine  Schrift  uns  da- 
von erzählt,  dass  er  neben  seiner  Schwester  Klage  geführt  habe. 
Aber  den  gleichen  Mangel  der  Ueberlieferung  kann  man,  wie  ge- 
sagt, auch  gegen  Pylades  geltend  machen.  Zweifellos  würde  die 
Darstellung    an    innerlichem,    dramatischen    Interesse   gewinnen, 


294  W.    AMELUNG 

wenn  wir  in  jenem  Paar  die  Kläger  erkennen  dürften;  beson- 
ders die  Jungfrau  musste  auf  den  sagenkundingen  antiken  Be- 
schauer ergreifend  wirken;  wusste  er  doch,  dass  Erigone  aus 
Schmerz  über  die  Freisprechung  des  Orest  sich  selber  den  Tod 
gegeben  hatte. 

Bleibt  aber  auch  hier  die  Entscheidung  und  damit  die  Be- 
ziehung auf  die  attische  Sage  unsicher,  etwas  Anderes  weist  mit 
Entschiedenheit  nach  Athen :  die  Zweiheit  der  Erinyen.  Eine  ver- 
einzelte, aber  unanfechtbare  Notiz  des  Phylarchos  bezeugt  uns, 
dass  der  athenische  Cult  ursprünglich  nur  zwei  Erinyen  oder 
Semnai  kannte;  wie  spät  man  hier  die  Zweiheit  zur  Dreiheit  er- 
weitert habe,  lehrt  uns  die  Ueberlieferung,  nach  der  noch  Skopas 
zwei  Statuen  der  Erinyen  gearbeitet  und  im  athenischen  Heilig- 
tume "  aufgestellt  hat.  Später,  wir  wissen  nicht,  wann,  hat  man 
ihnen  die  eine  Bildsäule  des  Kalos  beigesellt  (l). 

Die  beiden  Erinyen  sehen  wir  hier  in  einer  eigenartigen 
Kleidung,  auf  deren  charakteristische  Einzelheiten  schon  Michae- 

(*)  So  deuten  die  Ueberlieferung  in  der  einfachsten  Weise  Loeschcke 
(Die  Enneakrunosepisode  bei  Pausanias  p.  25  f.)  und  Toepffer  (Attische  Ge- 
nealogie p.  171  Arnn.  3).  Die  entgegengesetzte  Ansicht  vertritt  Robert  in  der 
neuen  Auflage  der  griechischen  Mythologie  Preller's  (p.  841  Anm.  3);  er 
will  jener  Ueberlieferung  folgen,  die  als  Künstler  des  dritten  Bildes  Kaia- 
mis nennt,  muss  nun  aber  den  vollkommen  hypothetischen  älteren  Skopas  zu 
Hülfe  rufen,  da  es  in  der  Tat  ganz  unverständlich  wäre,  wie  man  dazu  hätte 
kommen  sollen,  zuerst  nur  ein  Bild  aufzustellen.  Sicherlich  ist  es  wahrschein- 
licher, dass  man  im  Lauf  der  Zeit  statt  des  unbekannten  Kalos  den  berühmten 
Kaiamis  eingesetzt  habe,  als  umgekehrt.  Es  beweist  nichts  für  den  athenischen 
Cult,  wenn  Euripides  im  Orestes,  der  in  Argos  spielt,  von  drei  Eumeniden  spre- 
chen lässt  (v.  408  und  1650),  auch  wenn  an  der  zweiten  Stelle  vom  Areopag  die 
Rede  ist  (vgl.  Rohde,  Psyche2  p.  295  Anm.  2);  der  Dichter  wusste  zweifellos, 
dags  die  Eumeniden  in  Argos  von  Alters  her  zu  dritt  gedacht  wurden.  In  der 
taurischen  Iphigenie  (v.  968  ff.)  nimmt  er  eine  unbestimmte  Anzahl  an  (baai 
fiev  —  8occi  de).  Auf  den  Sarkophagen  wechselt  die  Zahl  zwischen  eins  und 
drei  (Robert,  Die  antiken  Sarkophagreliefs  II  Taf.  LIV-LVIj:  vor  dem  Grab 
Agamemnons  schläft  eine;  an  derselben  Stelle,  d.  h.  auf  der  Vorderseite  links 
schlafen  sonst  drei ;  im  Hause,  nach  dem  Mord  der  Mutter  taucht  einmal  eine 
auf,  sonst  erscheinen  sie  zu  zweit,  und  rechts  davon  schläft  wieder  eine  unter 
dem  Dreifuss ;  doch  kommen  hier  auch  zwei  vor.  Auf  den  Nebenseiten,  auch  wo 
das  iudicium  dargestellt  ist,  sehen  wir  stets  nur  eine  Erinys.  Aus  all  dem 
lässt  sich  für  keinen  Cult  etwas  schliessen.  Vgl.  dagegen  auch  Usener,  Göt- 
ternamen p.  226  Anm.  18;   ders.,  Dreiheit  p.  327. 


JUDICIUM   ORESTIS  295 

lis  (p.  12  f.)  aufmerksam  gemacht  hat.  Die  richtigen  Schlüsse 
konnte  er  damals  noch  nicht  ziehen,  weil  das  ursprüngliche  We- 
sen der  Erinyen  als  Erdgottheiten  noch  nicht  ergründet  war.  Den 
Chiton,  der  nur  etwa  bis  zu  den  Knöcheln  reicht,  treffen  wir  auch 
sonst  als  Gewand  jener  Göttinnen ;  ebenso  die  hohen  Stiefel  (1). 
Aber  die  Fransen,  die  den  Saum  bei  der  Stehenden  in  der  Mehr- 
zahl der  Wiederholungen  zieren,  wüsste  ich  sonst  bei  einer  Erinys 
nicht  nachzuweisen,  und  vollends  eine  andere  Besonderheit:  die 
merkwürdige  Schleife,  in  die  der  gürtelartig  umgewundene  Man- 
tel im  Kücken  gebunden  ist  (2);  auch  beachte  man  die  kurzen 
Aermel  der  Sitzenden  auf  dem  neuen  Fragment.  All  das  findet 
sich  indes  auf  einem  anderen  Gebiete  wieder,  und  auch  diese  Pa- 
rallele weist  uns,  zwar  nicht  nach  Athen,  doch  in  seine  nächste 
Nähe :  nach  Eleusis.  Die  gleiche  Tracht  finden  wir  tatsächlich  in 
allen  Einzelheiten  bei  dem  Hierophanten  der  eleusinischen  Myste- 
rien, wie  ihn  uns  die  bekannten  Terracotta-Keliefs  (Fig.  2)  und  die 
Marmorurne  im  Thermen-Museum  darstellen  (3) ;  da  sehen  wir  die 
gleichen  Stiefel,  den  gleich  langen,  unten  mit  Fransen  besetzten 
Chiton  (4)  mit  den  kurzen  Aermeln,  wie  bei  der  sitzenden  Eri- 
nys, —  zu  ihm  kommt  beim  Hierophanten  als  Untergewand  noch 
der  yuQidwvbg  %ird)v  —  und  endlich  den  gürtelartig  umgewun- 
denen   Mantel   mit    der    gleichen    Schleife    im    Rücken.   Woher 

(!)  Robert,  Die  antiken  Sarkophagreliefs  II  Taf.  LV-LVI,  p.  172 f. 
p.  174  und  176. 

(2)  Es  ist  seltsam,  dass  beide  Erinyen  noch  einen  kurzen  Mantel  haben, 
der  beidemal  um  den  linken  Arm  gewunden  ist.  Demnach  kann  nach  der 
Vorstellung  des  Künstlers  das  gürtelartig  umgewundene  Gewandstück  nie 
als  Mantel  haben  dienen  können,  und  wir  müssen  es  so,  wie  er  es  darstellt, 
zur  unveränderlichen  Tracht  der  Erinyen  rechnen. 

(3)  Der  Hinweis  auf  das  neapeler  Relief  findet  sich  schon  bei  Michae- 
lis p.  13.  Ueber  die  ganze  Gruppe  von  Monumenten  vgl.  zuletzt  Pringsheim 
Archaeologische  Beiträge  zur  Geschichte  des  eleus.  Kultes  p.  9  ff.  Dass  es 
sich  in  diesen  Reliefs  um  unverfälschte  Darstellung  der  eleusinischen  Riten 
handelt,  wird  Rizzo  binnen  Kurzem  bei  Gelegenheit  der  Publication  eines 
neu  gefundenen  Denkmals  des  gleichen  Kreises  gegen  Pringsheim  beweisen, 
der  die  Entstehung  der  Composition  in  Alexandria  annimmt. 

(4)  Die  Fransen  finden  wir  auch  sonst  in  Eleusis  und  in  Andania; 
vgl.  Pringsheim  a.  a.  0.  p.  12.  Sie  wurden  aus  Aegypten  eingeführt,  das  für 
die  Griechen  die  geheimnisvolle  Heimat  aller  verborgenen  Wissenschaft  und 
Offenbarungen  war. 


296 


W.   AMELUNG 


diese  Uebereinstimmung  ?  Man  könnte  an  jene  Ueberlieferung 
bei  Athenaeus  (I  p.  21  e)  denken,  nach  der  die  eleusinischen 
Hierophanten  und  Daduchen   ihre   Tracht   nach    dem  Muster  der 


Fig.  2. 


ßühnentracht  gestaltet  hätten,  wie  sie  von  Aeschylus  geschaffen 
war(!),  vorausgesetzt  dass  der  Künstler  seine  Erinyen  in  das  Co- 
stüm  gekleidet  habe,  das  sie  in  der  aeschyleischen  Trilogie  trugen. 


P)  Vgl.  zuletzt  Pringsheim  a.  a.  0.  p.  7,  wo  er  mir  in  Anm.  2  einen 
Nonsens  schuld  giebt,  den  ich  nie  behauptet  habe  (Pauly-Wissowa,  Realency- 
klopädie  111,2  Sp.  2212  f.). 


JUDICIUM   ORESTIS  297 

Aber  wir  haben  gesehen,  dass  das  Kunstwerk  nicht  die  Seene 
des  Dramas  illustriert.  Zudem  wissen  wir,  dass  Aeschylus  seinen 
Chor  mit  allen  Schrecknissen  der  Erscheinung  ausgestattet  hatte, 
während  uns  die  schlichte  menschliche  Erscheinung  der  Erinyen 
in  dem  Bildwerk  die  Worte  des  Pausanias  ins  Gedächtnis  ruft, 
der  sich  darüber  wundert,  dass  die  Bilder  der  Semnai  in  dem 
athenischen  Heiligtum  nichts  Entsetzliches  hatten.  Ausserdem  wäre 
immer  noch  zu  erklären,  wie  es  gekommen  sei,  dass  sich  die  eleu- 
sinischen  Priester  gerade  die  Tracht  der  Eumeniden  zum  Muster 
genommen,    die   keineswegs  typische  Bühnentracht  ist  (1). 

Eine  andere  Tradition  hat  eher  den  Anschein,  als  könnte  sie 
die  Lösung  bringen:  aus  mehreren  Inschriften,  die  Koehler  im 
Hermes  VI  p.  106  publiciert  hat,  geht  hervor,  dass  der  eleusi- 
nische  Hierophantes  in  Athen  Lectisternien  für  Pluton  anzuordnen 
hatte;  da  kein  anderer  Plutoncult  für  Athen  bezeugt  ist,  als  der 
bei  der  Semnenschlucht  unter  dem  Areopag,  so  Hess  Koehler  den 
Hierophanten  dort  fungieren.  Danach  also  wäre  der  Priester,  in 
dessen  Tracht  wir  in  unserer  Darstellung  die  Erinyen  sehen,  in  einem 
jener  Heiligtümer  tätig  gewesen,  die  äusserlich  und  innerlich  mit 
dem  der  Erinyen  eng  verbunden  waren.  Aber  diese  Tätigkeit  war 
doch  nur  vorübergehend ;  sie  allein  kann  zur  Erklärung  jener  Ueber- 
tragung  sicherlich  nicht  hinreichen.  Und  doch  ist  sie  wertvoll,  da 
sie  uns  in  die  gleiche  Richtung  weist;  sie  bestärkt  uns  in  der 
Annahme,  dass  jene  Uebereinstimmung  der  Tracht  ein  äusserli- 
ches  Zeugnis  für  den  innerlichen  Zusammenhang  des  Erinyencul- 
tes  mit  dem  Cult  der  chthonischen  Mächte  und  insbesondere  der 
eleusinischen  Gottheiten  ist.. 

Für  die  älteren  Mythologen  war  es  einzig  das  Bild  des  un- 
gestüm dahinfahrenden  dunklen  Wetters,  der  in  Blitz  und  Donner 
sich  entladenden  Gewitterwolke,  nach  dem  sich  die  Urväter  der 
Griechen  ihre  Vorstellung  von  den  in  wilder  Hast  jagenden,  brül- 
lenden, peitschenden,   schlangenwerfenden    Erinyen    gebildet,    und 

(!)  Die  Hauptpersonen  der  Tragödien  tragen  stets  den  ganz  langen 
Chiton,  wie  es  ja  auch  notwendig  war,  nur  Nebenpersonen  den  kürzeren. 
Fransen  finden  sich  hie  und  da;  aber  die  Darstellungen  stammen  alle  aus 
später  Zeit,  als  die  ursprünglich  fremde  Tracht  dieses  Besatzes  auch  im 
gewöhnlichen  Leben  Mode  geworden  war.  Nirgend  sonst  finden  wir  den  Man- 
tel mit  der  Schleife  im  Rücken. 


298  W.    AxMELUNG 

wenn  diese  wilden  Dämonen  der  Luft  auch  zur  Unterwelt  in  Be- 
ziehung traten,  so  erklärte  man  das  durch  die  in  der  Wolke  und 
den  unterirdischen  Reichen  gleichmässig  herrschende  Finsternis  und 
durch  die  Vermittelung  der  Begriffe  des  Todes  und  des  Todbrin- 
genden (').  Neuere  tiefere  Erkenntnis  hat  uns  gelehrt,  dass  der 
Ursprung  jener  eigenartigen  Vorstellungen,  die  sich  zum  Bilde 
der  Erinyen  gestalteten,  vielmehr  in  der  ehrfürchtigen  Scheu  vor 
dem  gewaltigen  unerschöpflichen  Schoss  der  Erde  zu  suchen  ist, 
aus  dem  alles  Leben  aufsteigt  und  in  den  es  zurücksinkt,  aus  dem 
Segen  und  Verderben  wie  aus  einer  Wurzel  zum  Lichte  dringen  (2). 
Die  Doppelseitigkeit  ist  den  Erinyen  von  Anbeginn  eigen,  und 
erst  späte  Zeiten,  die  diesen  Urzusammenhang  nicht  mehr  begrif- 
fen, suchten  ihn  sich  dadurch  zu  erklären,  dass  sie  erzählten, 
einmal  sei  die  wilde  dämonische  Natur  verwandelt  und  zum  Seg- 
nen gewöhnt  worden. 

Dass  trotzdem  auch  jenes  Bild  der  im  Sturme  jagenden  Ge- 
witterwolke mitgewirkt  habe,  der  Vorstellung  von  den  Erinyen  die 
Züge  zu  leihen,  durch  die  sie  sich  von  anderen  verwandten  Gott- 
heiten unterscheiden,  kann  nicht  geleugnet  werden  und  ist  auch 
nicht  geleugnet  worden  (3).  Wir  werden  noch  hören  und  sehen, 
in  welch  nahen  Beziehungen  nicht  nur  diese  Götter  der  Erden- 
tiefe zu  den  sausenden,  scheinbar  ganz  vom  Boden  gelösten  Win- 
den gedacht  wurden. 

Den  tiefsten  Einblick  in  das  Wesen  der  Erinyen,  wie  sie  we- 
nigstens in  Athen  geglaubt  und  verehrt  wurden,  lässt  uns  jener 
Schluss  der  aeschyleischen  Tragoedie  tun.  Und  was  ist  es  nun 
da,  was  sie  dem  athenischen  Volke  zuschwören  als  Entgelt  für 
den  versprochenen  Cult?  Blühendes  Gedeihen  der  Feldfrucht,  der 
Herden  und  des  Menschensamens,  Frieden  im  Jnnern  und  Kraft, 
wenn  ein  Krieg  Gegenwehr  heischt ;  dagegen  wird  gedroht  mit  Mis- 

(*)  So  Rapp  in  dem  Artikel  Erinys  bei  Röscher,  Mythologisches  Lexi- 
con  II  Sp.  1310  ff. 

(*)  All  das  ist  ausgeführt  und  belegt  bei  Preller-Robert,  Griechische 
Mythologie  I  p.  834  ff.,  bei  Usener,  Götternamen  p.  225  (vgl.  auch  von 
demselben  Dreiheit  p.  327  und  Dieterich,  Mutter  Erde  p.  39  f.)  und  vor  Allem 
von  Wilamowitz  in  seiner  Einleitung  zu  der  deutschen  Uebersetzung  der  Eu- 
meniden. 

(3)  Man  lese  in  der  genannten  Einleitung  von  Wilamowitz  p.  17-19. 


JUDICIUM    ORESTIS  299 

4 

wachs  aller  Art,  Pest  und  Bürgerkrieg.  Wie  man  darauf  kam,  das 
Gedeihen  der  Früchte,  Tiere  und  Menschen  derartig  zusammen- 
zufassen, hat  erst  kürzlich  Dieterich  tiefer,  als  seither  geschehen,  in 
seinem  Buch  von  der  Mutter  Erde  ergründet,  von  der  grossen  Mutter 
alles  Lebens.  Dort  hat  er  auch  darauf  hingewiesen,  dass  die  Neben- 
einander-Ordnung  von  Früchten  und  Menschen  sich  ebenso  in  dem 
ersten  Chor  des  König  Oedipus  findet,  und  es  ist  zweifellos  bedeut- 
sam, dass  der  Untergang  der  Felder  und  Geburten  dort  dem  Gott 
der  Pest  schuldgegeben  wird  und  dass  dieser  Vernichter  Ares  heisst. 
Ares  wird  auch  in  den  Liedern  der  Eumeniden  genannt,  aber  dort  ist 
er  der  Schirmer  des  Landes.  Noch  in  einem  andern  Chorlied  des 
Aeschylus  treffen  wir  auf  den  gleichen  Vorstellungskreis,  nur  in 
abweichender  Gruppierung  des  Einzelnen:  in  dem  Chorliede,  mit 
dem  die  Danaiden  Segen  auf  Argos  herabflehen  zum  Dank  dafür, 
dass  es  die  Hilfe  suchenden  Fremden  in  seinen  Schutz  genommen. 
Auch  dort  das  Nebeneinander  der  Feldfrucht,  der  Herden  und 
des  Menschengeschlechts;  nie  solle  Seuche  oder  Krieg  das  Land 
verheeren ;  allezeit  solle  das  Volk  gesegnet  sein  durch  eine  streng 
gesetzliche  Herrschaft,  allezeit  der  fromme  Dienst  der  Götter 
währen,  getreu  der  Sitte  der  Väter: 

to  yixQ  tsxovtwv  Gäßccg 

TQITOV    TO(T  €V    ÜGGfiCoiC. 

JCxag  yäyqaTiTca,  [isyiöTOTifiov. 

Die  Scholien  verzeichnen  dazu  die  drei  Gesetze :  tzq&tov  &eovc, 
Ssvrsoov  vofxovg,  tqCtov  6b  toSs,  tö  rovg  yovelg  tifk&V.  Dieselben 
Satzungen  hat  Euripides  in  der  Antiope  ausgesprochen  (Nauck  219): 

Tqtig  siciv  ccqstccI,  Tag  %qsa)v  &  aöxslv,  tsxvov, 
Üeovg  ts  Tificcv,  Tovg  i€  (pvticcVTccg  yovslg, 
vo/iiovg  TS  xoivovg  cEXkaSog. 

Das  klingt  ganz,  wie  eine  verallgemeinernde  Fassung  jener 
Gesetze,  die  man  dem  Triptolemos  zuschrieb :  denn  wenn  jene  über- 
liefert werden:  yovtlg  Tijuav,  dsovg  xctQTioTg  ccyaXXeiv,  ^fya  firj 
GireaSat,  ( [),  so  hat  Preller  (Demeter  u.  Persephone  p.  892)  schon 

(*)  Porphyrius,  de  a,bstinentia  IV,  22;  Böttiger,  Archaeologie  der  Ma- 
lerei I,  p.  359 ;  Welcker,   Polygnotische   Gemälde  p.  67 ;  Brunn,   Nuove  Me- 


300  W.    AMELUXG 

bemerkt,  dass  sich  in  der  Fassung  des  zweiten  gegenüber  der  ein- 
facheren (&€ovg  tiiiav)  zweifellos  die  spätere  Tendenz  gegen  blu- 
tige Opfer  verrät. 

Auch  der  Demeter  selber  wurden  derartige  Gesetze  zugeschrie- 
ben (Preller-Robert  p.  782);  das  Scholion  zu  Theocrit.  IV  25 
spricht  von  heiligen  Büchern  oder  Rollen  der  Demeter,  die  von 
Frauen  oder  Jungfrauen  in  Procession  nach  Eleusis  getragen 
wurden. 

Endlich  ist  mir  noch  eine  Dichterstelle  bekannt,  in  der  jene 
Vorstellungen  in  den  gleichen  Zusammenhang  gebracht  sind :  die 
Verse  225-247  in  den  Werken  und  Tagen  des  Hesiod.  Dort  heisst 
es:  wer  Fremden  und  Einheimischen  stets  lauteres  Recht  gönne, 
dessen  Stadt  und  Volk  werden  blühen : 

elQrjvt]  f  äva  yrjv  xovooTQO(pog,  ovSe  nox  ccvxoig 
aqyotXeov  tvüXsixov  TexficciQtTcci  svQVorra  Zeig ' 

ToXdi  (fegst  fiev  yatcc  noXvv  ßiov 

iUfcovaiv  de  yvvalxeg  soixota  rsxra  Toxsvtfi' 

Den  Uebermütigen  aber  schafft  Zeus  grosses  Leid: 

Aifibv  öfiov  xal  Xoifibv '  cc7io(p&ivv&ovGi,  St  laot, 
ov$6  yvvcuxeg  tixxovGiv. 

Ueberall  sehen  wir  die  elementarsten  Segnungen,  die  Glück 
und  Wohlsein  der  Menschen  bedingen,  oder  ihre  Gegensätze  eng 
aneinander  gekettet.  Nur  aus  der  festen  Verkettung  dieser  Vorstel- 
lungen erklärt  es  sich,  wenn  im  König  Oedipus  die  Wirkung  der 
Pest  sich  auch  im  Versagen  der  Feldfrucht  und  dei  Menschenge- 
burten äussert,  wenn  bei  Hesiod  das  ungerechte  Regiment  dazu  führt, 
dass  die  Weiber  nicht  mehr  gebären  und  das  Volk  durch  Hunger 
—  also  auch  die  Feldfrucht  bleibt  aus  —  und  Pest  zu  Grunde  geht. 
Zweifellos  hat  diese  Verkettung  ihren  Grund  darin,  dass  eben  jene 
Segnungen  alle  aus  der  gleichen  Quelle  herzuleiten  sind,  und  nur 
chthonische  Mächte  konnten  es  sein,  denen  man  sie  dankte.  Meist 
sind  die  Segnungen  an  gewisse  elementare  Forderungen  menschli- 


morie  delV Ist.  II,  p.  386;  Toepffer,  Attische  Genealogie,  p.  140;  Preller-Ro- 
bert, Griech.  Mythologie  I,  p.  783  Anm.  1. 


JUDICIUM    ORESTIS  301 

eher  Moral  geknüpft.  Aeschylus  nennt  uns  als  Gesetzgeberin  Dike ; 
erinnern  wir  uns,  dass  Dike  bei  Hesiod  eine  der  Hören,  der  Göt- 
tinnen des  wechselnden  Gedeihens,  ist  und  dass  ihre  Schwestern 
Eunomia  und  Eirene  heissen :  im  Grunde  haben  wir  auch  hier  wie- 
der den  gleichen  geschlossenen  Kreis  von  Vorstellungen,  wie  oben. 
Wir  sahen,  dass  jene  Gesetze  fast  identisch  waren  mit  denen  des 
Triptolemos,  des  Königssohnes  von  Eleusis,  und  dass  man  der  De- 
meter selber  solche  Satzungen  zuschrieb.  Das  gewinnt  jetzt,  nach- 
dem wir  den  Zusammenhang  zwischen  Erinyen  und  Eleusis,  wenn 
auch  nur  aus  einem  äusserlichen  Kennzeichen,  geschlossen  haben, 
besondere  Bedeutung.  Und  vielleicht  lässt  sich  dafür,  dass  auch 
in  Eleusis  der  ganze  Kreis  von  Ideen,  der  uns  hier  beschäftigt, 
gepflegt  worden  sei,  noch  ein  Zeichen  finden.  Der  Chor  der  Mysten 
in  den  Fröschen  des  Aristophanes  singt  am  Schluss  seines  Liedes 
(v.  455  f.) : 

[lovoig  yceo  f^itv  r^Xiog  xcel  (ftyyog  lAcc^ov  ititiv, 
oöoi  fi€fivr)ii€&'  sv- 
aeßT]  TS  dirjyofisv 
ßi'ov  7isgl  tovg  £avovg 
xai  Tovg  IdicoTag. 

Kohde  sagt  in  der  Psyche2  p.  299  Anm.  1 :  das  daoi  [isfivrj- 
[isdu  stehe  nur  lose  neben  dem  Folgenden.  Aber  der  ganze  Chor 
besteht  doch  aus  Mysten,  und  wie  sollten  diese  dazu  kommen,  als 
Grund  dafür,  dass  sie  im  Tode  das  Himmelslicht  genossen,  ausser 
der  vollzogenen  Einweihung  gerade  ihr  frommes  Verhalten  gegen 
Fremde  und  Einheimische  zu  nennen,  wenn  das  nicht  tatsächlich 
eine  Hauptbedingung  gewesen  wäre,  zu  der  sie  sich  bei  der  Ein- 
weihung verpflichtet  hatten.  Noch  an  einer  anderen  Stelle  der 
«  Frösche  » ist  von  dem  Verhalten  gegen  Fremde  die  Rede  (v.  146  ff.) : 
wer  Fremden  Unrecht  tat,  liegt  als  Büsser  im  Schlamm  neben 
denen,  die  Vater  oder  Mutter  mishandelt,  und  neben  dem  Mein- 
eidigen. Aehnlich  heisst  es  an  einer  andern  Stelle  der  « Eumeniden» 
(v.  269  ff.):  büssen  wird  drunten,  wer  sich  an  einem  Gott,  an 
Fremden  oder  den  Eltern  verging.  Erinnert  uns  das  an  die  Gesetze 
der  Dike  und  des  Triptolemos,  so  zeigt  es  uns  auch,  wie  hoch  man 
das  fromme  gerechte  Verhalten  gegen  Fremde  achtete.  Und  nun 
erinnere  man  sich  jener  Verse  des  Hesiod  und  daran,  dass  in  den 


302  W.    AMELUNG 

Hiketiden  des  Aeschylus  die  bekannten  Segnungen  als  Belohnung 
dafür  erfleht  werden,  dass  Argos  sich  der  Fremden  hülfreich  ange- 
nommen. Mir  scheint  jener  Schluss  des  Aristophanischen  Liedes 
allein  zu  beweisen,  dass  man  sich  in  Eleusis  nicht  damit  begnügt 
habe,  gewisse  Stimmungen  und  Hoffnungen  zu  erwecken,  sondern 
dass  man  den  Genuss  der  verheissenen  Segnungen  im  Diesseits  und 
Jenseits  abhängig  gemacht  habe  von  der  Erfüllung  der  elementarsten 
Forderungen  sittlichen  Verhaltens  wie  man  sie  vor  Allem  in  den  Ge- 
setzen der  Dike,  der  Demeter  oder  des  Triptolemos  zusammenfasste. 
Im  Grunde  würde  dieser  Rückschluss  ja  nur  bedeuten,  was  ohne- 
dem fast  selbstverständlich  ist,  dass  man  den  chthonischen  Ge- 
walten von  Eleusis  die  gleichen  Gebote  und  Segnungen  zuschrieb, 
die  wir  vorher  bei  verschiedenen  Dichtern  und  in  verschiedenen 
Zeiten  eng  mit  einander  verknüpft  gefunden  haben.  Dafür,  dass 
man  die  Demeter  von  Eleusis  auch  in  engster  Beziehung  zur  Wirk- 
samkeit heilender  Mächte  glaubte,  konnte  man  sich  bis  zum 
Jahre  1892  nur  auf  die  Tatsache  berufen,  dass  dem  Heilgott  Askle- 
pios  bei  seinem  Einzug  in  Athen  ein  ganzer  Tag  der  Eleusinien 
geweiht  worden  war  (^).  Aber  in  diesem  Jahre  machte  0.  Kern 
in  der  3E(prjfisQig  aQx^oXoyixrj  (S.  113  ff.  Taf.  5)  ein  Votiv  be- 
kannt, das  in  Eleusis  zu  Tage  gekommen  war  und  eine  Weihung 
darstellt,  die  ein  Augenkranker  der  Demeter  gemacht  hatte.  Kern 

(*)  Hier  ist  der  Ort,  an  zwei  Darstellungen  zu  erinnern,  die  Brunn  (Nuove 
Memorie  dell'Ist.  II,  p.  383  ff.)  in  Zusammenhang  mit  Eleusis  zu  bringen 
suchte  und  die  jedenfalls  ihre  Erklärung  erst  in  dem  oben  behandelten  Zusam- 
menhange finden.  Auf  dem  Unterweltsbilde  des  Polygnot  waren  unter  dem  Nachen 
des  Charon  mit  seinen  Insassen  Tellis  und  Kleoboia,  die  die  Weihen  der  De- 
meter von  Paros  nach  Thasos  brachten,  zwei  merkwürdige  Gruppen  gemalt: 
ein  ruchloser  Sohn  von  seinem  eigenen  Vater  gewürgt  (ävrjQ  oi  tfixtxiog  ig 
naxeqa  äy/ä/uevög  iaxiv  inö  rov  natgög)  und  ein  Tempelräuber  bestraft 
von  einem  Weibe,  von  dem  Pausanias  bemerkt:  i]  Sh  ywr\  f]  xoXäCovact 
aitxbv  cp&Qfjictxa  &XXcc  xe  xal  ig  alxictv  oidev  äv&qwniav.  Man  ist  jetzt  einig 
darin,  dass  dieses  Weib  nur  eine  Göttin  sein  konnte,  in  deren  Bereich 
es  lag,  die  in  der  Erdentiefe  schlummernden  cpctQftaxa  zu  Wohl  oder  Wehe 
der  Menschheit,  als  toedtliches  Gift  oder  Heilmittel  zu  verwenden.  Uns  kann 
es  hier  gleich  sein,  wordurch  Polygnot  das  in  seiner  Darstellung  zum  Aus- 
druck brachte  (vgl.  Robert,  Die  Nekyia  des  Polygnot  p.  60  und  Dieterich, 
Nekyia  p.  68).  Es  ist  eine  Vorstellung,  wie  wir  sie  unter  anderem  mythi- 
schen Bilde  bei  Apollodor  (III  10,  3,  9)  finden,  wo  von  dem  Asklepios  berichtet 
wird,  er  habe  von  Athena  die  Blutstropfen  aus  den  Adern  der  Medusa   erhalten 


JUDICIUM    ORESTIS  303 

verwies  mit  Recht  auf  ein  anderes  inhaltlich  entsprechendes  Weihge- 
schenk an  eine  andere  Demeter  (Annaii  d.  I.  1861,  S.  380,  tav.  5) 
und  vor  Allem  auf  drei  Verse  des  40  orphischen  Hymnus  an  die 
eleusinische  Demeter,  Verse,  die  auch  für  die  hier  entwickelten 
Fragen  von  der  tiefsten  Bedeutung  sind: 

iX&e,  fidxaiQ*,  ayvrj,  xaqnoig  ßqi&ovöa  Ssgefotg, 

eiQrjvrjv  xaxäyovGa  xccl  evvofiirjv  €QccT€ivi]v 

xai  ttXovtqv  7ioXvoXßov,  öfiov  <T  vyisiav  ävaGäav. 

Endlich  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  Artemis  in  Eleusis  als  Pro- 
pylaia  verehrt  wurde  ja  als  Tochter  der  Demeter  und  des  Poseidon 
galt  (i). 

Und  nun  noch  etwas  aus  den  i  Eumeniden  »:  als  der  Chor 
v.  884  fragt,  welchen  Segen  er  dem  Lande  singend  erflehen  solle, 
antwortet  Athene  (v.  886  ff.): 

yrftsv  ex  %s  novxCag  SqoCov 
€<£  ovqccvov  TS  xävsfi(ov  ärj flava 
sviqdmg  tivsovt  eniCxeiisiv  %&6va, 

worauf  denn  der  Chor  später  zurückkommt  (v.  910): 

d€vdQ07if][uov  de  [ir]  Ttvsoi  ßXdßa. 


und  die  der  linken  Seite  zum  Untergang,  die  der  rechten  zur  Heilung  der 
Menschen  verwendet,  oder  bei  Euripides  im  Jon  (v.  989  ff.),  wo  Erichthonios 
die  Blutstropfen  erhält,  von  denen  die  einen  Tod  bringen,  die  andern  Heil 
und  Leben;  Medusa  aber  ist  bei  Euripides  ein  Kind  der  Erde,  das  sie  als 
Schrecknis  der  Götter  während  des  Gigantenkampfes  gebiert.  Jene  Giftmi- 
scherin des  Polygnot  wird  inschriftlich  als  Pharmakis  bezeichnet  gewesen  sein 
und  wir  werden  uns  in  Erinnerung  an  die  oben  behandelten  Vorstellungsreihen 
nicht  mehr  scheuen,  sie  trotz  der  scheinbar  so  verschiedenartigen  Betätigung 
in  Zusammenhang  zu  bringen  mit  den  Pharmakiden,  die  Hera  zur  Alkmene 
sendet,  um  die  Geburt  des  Herakles  aufzuhalten  (Paus.  IX,  11,  3);  man  ver- 
gleiche dazu  den  Artikel  «fap^axtcfe?  in  Roscher's  Mythologischem  Lexicon, 
wo  diese  Gottheiten  geradezu  mit  den  Moiren  und  Eileithyien  gleichgesetzt 
werden,  und  die  eigentümliche  Bedeutung  der  Bilderfolge  am  Kypselos-Kasten, 
—  Nacht  mit  Schlaf  und  Tod,  Dike  und  Adikia,  zwei  Pharmakeutrien  an  einem 
Mörser  —  in's  rechte  Licht  gebracht  wird. 

(')  Vgl.  Wernicke  bei  Pauly-Wissowa,  Real-Encyklopädie  II,  p.  1363,  7 
und  besonders  Preller-Robert  p.  781. 


304  W.    AMELUNG 

Solch  ein  Uebergreifen  der  Machtsphaere  chthonischer  Gott- 
heiten auf  das  Reich  der  Lüfte  wirkt  zunächst  befremdlich;  dass 
indes  nicht  etwa  dichterische  Willkür  diesen  Zug  erfunden  hat,  kann 
uns  die  Tatsache  beweisen,  dass  unter  dem  Areopag  an  der  Schwelle 
des  Eleusinions  der  Heros  Heudanemos,  der  Sturmbeschwörer,  sei- 
nen Altar  hatte ;  von  ihm  leitete  das  eleusinische  Priestergeschlecht 
der  Heudanemoi  seinen  Ursprung  ab,  ein  Geschlecht,  das  in  Athen 
irgend  welche  gottedienstliche  Handlungen,  wie  es  scheint,  den  Ke- 
ryken  in  Eleusis  entsprechend,  zu  erfüllen  hatte  (man  vergleiche  in 
Töpffers  Attischer  Genealogie  p.  110  ff.).  Zugleich  ist  es  bedeutsam, 
dass  wir  auch  hier  wieder  von  den  Erinyen  nach  Eleusis  geführt  wer- 
den. Endlich  wissen  wir  jetzt,  dass  man  in  ältester  Zeit  die  Wind- 
götter als  erdgeboren  mit  Schlangenfüssen  darstellte ;  lange  hat  man 
das  misverstanden  oder  geleugnet ;  nach  Furtwänglers  Ausführun- 
gen über  die  Tritopatoren  kann  daran  kein  Zweifel  mehr  sein 
(Sitzungsber.  d.  Bayr.  Akad.  d.  Wiss.  1905  p.  450  ff.);  ja,  sie 
finden  an  unseren  eine  neue  Stütze  (1).  Und  noch  ein  bildli- 
ches Zeugnis  für  die  nahe  Beziehung  der  Erdmacht  zu  den 
luftigen  Winden  besitzen  wir,  auf  das  durch  diese  Betrachtun- 
gen ein  eigenes  Licht  fällt,  wenn  es  auch  viel  jüngerer  Zeit  und 
römischem  Boden  entstammt:  das  Eelief  der  Elemente  von  der 
Ära  Pacis  (2).  Da  sitzt  in  der  Mitte  Tellus,  die  nährende 
Erdmutter,  und  zu  ihren  Seiten  werden  die  Aurae  durch  die  Luft 
getragen,  Personificationen  der  Lüfte,  die  durch  ihr  Wehen  Ge- 
sundheit und  Gedeihen  über  die  Ende  bringen,  links  auf  einem 
Schwan  über  süssen  Wassern  aufsteigend,  rechts  auf  einem  Meer- 
drachen über  den  Wellen  des  Oceans.  Man  könnte  die  Worte  der 
Athene  darunter  schreiben.  Längst  ist  erkannt  worden,  dass  in  der 
Darstellung  der  Tellus  und  in  dem,  was  gleichzeitige  Dichter 
singen  von  dem  Segen,  den  Augustus  der  Welt  gebracht,  Vorstel- 
lungen nachklingen,  wie  die,  deren  Zeugnisse  wir  oben  zusammen- 
gestellt haben,  und  dass  die  römische  Pax,  ebenso  wie  die  grie- 
chische Eirene,  nur  eine  ethische  Hypostase  der  Erdgöttin  sei. 
Erinnern  wir  uns  nur,  wie  in  den  oben  angeführten  Dichterstellen 
stets  der  Frieden  als  Segnung  neben  Fülle  und  Gesundheit  steht, 

0)  Vgl.  auch  Tümpel  bei  Pauly-Wissowa  I  p.  2176  ff.  (Aneraoi). 
(*)  Petersen,  Ära  Pacis  Augustae  p.  49  ff.  und  173  ff.  Taf.  III. 


JUDICIUM    ORESTIS  305 

wie  insbesondere  die  Eumeniden  verheissen,  kein  Bürgerkrieg  solle 
das  Volk  zerreissen,  und  denken  wir  daran,  dass  Augustus  jenes 
Heiligtum  der  Pax  weihte,  als  das  römische  Keich  nach  unsäg- 
lichen Leiden  endlich  im  Innern  und  an  seinen  Grenzen  befriedet 
aufatmen  konnte.  Mir  scheint  dieses  Resultat  nicht  gleichgültig 
in  zweierlei  Hinsicht.  Es  zeigt  uns  an  dem  römischen  Monument 
noch  intensiver  als  vorher  das  Herrschen  griechischer  religiö- 
ser Vorstellungen;  wir  haben  es  uns  augenscheinlich  nicht  so  vorzu- 
stellen, wie  Petersen  meinte,  dass  der  Künstler  oder,  wer  ihm  das 
Programm  machte,  gleichsam  die  bekannten  Verse  des  Horaz  aus 
dem  Carmen  saeculare  habe  illustrieren  wollen,  in  denen  die  aurae 
wohl  in  Zusammenhang  mit  der  Fruchtbarkeit  der  Erde  genannt 
werden,  aber  aurae  Jovis  heissen,  und  wo  eine  Teilung  in  Lüfte 
der  süssen  Wasser  und  des  Meeres  nicht  angedeutet  ist.  Vielmehr 
waren  doch  wohl  der  Künstler  und  Horaz  beide  abhängig  von  uralt- 
griechischen religiösen  Vorstellungen,  wie  sie  uns  am  klarsten  die 
Dichtung  des  Aeschylus  verrät.  Eine  Spur  davon,  dass  diese  Vostell- 
ungen  schon  früher  nach  Rom  gedrungen,  ist  möglicherweise  in  dem 
von  Varro  (L.  L.  V  24)  ausgeschriebenen  Verse  des  Pacuvius  (fr.  XI 
ine.  R.)  erhalten:  terra  exalat  auram  atque  auroram  umidam.  Dann 
aber  scheint  mir  unser  Resultat  zu  beweisen,  dass  die  Composition 
des  Reliefs  von  der  Ära  Pacis  ursprünglich  ist  und  für  ihre  Verwend- 
ung geschaffen,  nicht  aus  einem  grösseren  Ganzen  herausgeschnitten 
wurde,  wie  es  Petersen  mit  Hülfe  des  Reliefs  aus  Karthago  reconstru- 
iert  (p.  173  ff.).  Da  wir  garnicht  wissen,  aus  welchem  Zusammenhang 
diese  Variation  des  römischen  Reliefs  stammt,  können  wir  auch 
nicht  ahnen,  ob  ihre  Abweichungen  planvoll  oder  sinnlos  sind.  Die 
Art,  wie  sie  sich  Petersen  entstanden  denkt,  scheint  mir  ganz 
unmöglich;  so  arbeitet  kein  Künstler,  auch  nicht  der  geringste: 
wenn  uns  das  Gewand  und  seine  Lage  beim  Triton  unerklärlich 
ist,  so  kann  diese  Schwierigkeit  sich  doch  nicht  durch  die  An- 
nahme lösen,  der  Künstler  habe  das  Gewand  von  einer  Nereide 
auf  den  Triton  übertragen,  von  einer  Nereide,  die  wir  uns  der 
Aura  entsprechend  vorstellen  sollen  und  bei  der  also  das  Gewand 
ganz  anders  gelegen  hat.  Uebrigens  ist  ein  Triton  mit  einem  Ge- 
wandstück noch  auf  einem  andern  Bildwerk,  allerdings  auch  erst 
römischer  Zeit,  erhalten:  der  eine  von  den  beiden,  die  auf  dem 
Relief  vom  Altar  der  Domitius  Ahenobarbus  den  Hochzeitswagen 

21 


306  W.    AMELUNG 

des  Poseidon  ziehen  (Furtwängler,  Glyptothek  p.  238).  Das  Relief 
von  Karthago  ist  demnach  ebenfalls  römisch  und  nach-augusteisch ; 
die  von  Schreiber  gegen  Wickhoff  verteidigte  Annahme,  das  land- 
schaftliche Relief  sei  eine  hellenistische  Schöpfung,  verliert  da- 
mit nur  eine  entbehrliche  Stütze.  Aber  unsere  Achtung  vor  dem 
Bildhauer  der  Ära  Pacis  kann  dadurch,  dass  wir  ihn  nun  als  den 
Schöpfer  des  Tellus-Reliefs  erkannt  haben,  nur  gesteigert  werden. 
Seinen  zwei  Aurae  werden  die  duae  Aurae  velißcantes  sua  veste, 
Werke  eines  unbekannten  Künstlers  (Plin.  XXXVI  29)  inhaltlich, 
vielleicht  auch  in  ihrer  Gestaltung  entsprochen  haben ;  und  sollte 
man  nicht  auch  die  beiden  «  Nereiden  ■  vom  Asklepiostempel  in 
Epidauros  lieber  Avgca  nennen?  Dass  der  Künstler  sie  auf  Rossen 
reiten  lässt,  würde  für  Göttinnen  des  Windes  besser  passen,  als 
für  die  Töchter  des  Meeres,  die  zudem  als  Akroterien  auf  einem 
Tempel  des  Heilgottes  wenig  Sinn  haben,  während  ich  nicht  mehr 
auszuführen  brauche,  wie  bedeutungsvoll  dort  die  Göttinnen  der 
Gesundheit  und  Fruchtbarkeit  bringenden  Winde  wären. 

Wir  stehen  am  Ende  unserer  Betrachtungen,  die  uns  gezeigt 
haben,  wie  der  Künstler  dazu  gelangen  konnte,  den  Erinyen  jene 
eleusinische  Priestertracht  zu  geben;  noch  lässt  sich  nicht  weiter 
gehen,  um  etwa  zu  erfahren,  ob  sich  aus  dieser  Uebertragung  auch 
etwas  für  die  besondere  Bedeutung  oder  Aufgabe  des  Hierophanten  im 
eleusinischen  Culte  ergiebt;  spätere  Studien  werden  hier  weiter  helfen. 

Aber  noch  ein  Wort  über  das  Kunstwerk!  Man  hat  in  dem 
ursprünglichen  Original  der  Darstellung  wohl  ein  Gemälde  ver- 
mutet ;  und  tatsächlich  würden  sich  bei  dieser  Annahme  die  Ue- 
bertragung in  die  verschiedensten  Gebiete  künstlerischer  Tätigkeit 
und  die  Abweichungen  der  einzelnen  Wiederholungen  von  einan- 
der am  ehesten  erklären.  Doch  lässt  sich  dafür  noch  ein  Moment 
verwerten:  ich  wüsste  keine  andere  antike  Darstellung,  die  mit 
der  vorliegenden  so  verwandt  wäre,  wie  das  Relief  der  Kleomenes- 
Ara  in  Florenz,  dessen  Composition  aller  Wahrscheinlicheit  nach 
das  berühmte  Gemälde  des  Timanthes,  seine  Opferung  der  Iphi- 
genie,  im  Auszuge  wiedergiebt  (x).  Bisher  hat  man  in  dem  be- 
kannten pompeianischen  Wandbild  (Heibig  Wandgemälde  p.  283) 
die  Schöpfung  des  Timanthes  zu  erkennen  gemeint  —  und  in  den 

(*)  Amelung,  Florentiner  Führer  p.  55  f. 


JUDICIUM    ORESTIS 


307 


Handbüchern  wird  diese  Ansicht  immer  noch  verbreitet  — ,  trotz- 
dem dort  Iphigenia  nicht  am  Altar  steht,  wie  es  von  jenem  Ge- 
mälde überliefert  ist,  sondern  getragen  wird,  nicht  ergeben  ist, 
sondern  zu  den  Göttern  fleht,  trotzdem  Kalchas  nicht  traurig  sei- 
nes Amtes  waltet,  sondern  aufmerksam  noch  oben  lauscht,  trotzdem 
im  Grunde  mit  der  Ueberlieferung  vom  Bilde  des  Timanthes  nichts 
übereinstimmt,  als  die  verhüllte  Gestalt  des  Agamemnon. 

In  dem  Kelief  der  Ära  ist  aber   Iphigenia  wirklich   stehend 
gebildet  und  selbst   in   dem    flauen  Bildwerk    wirkt    ihre   sanfte, 


Fig. 


gehaltene  Ergebenheit  noch  rührend;  Kalchas  ist  ernst  mit  der 
Todesweihe  beschäftigt;  der  einfach  stehende  Agamemnon  wirkt 
viel  ergreifender  als  der  auf  dem  pompejanischen  Bilde  mit  seinem 
hochgestellten  Fuss.  Ausserdem  kann  kein  Zweifel  darüber  herr- 
schen, dass  die  Darstellung  der  Ära  in  stilistischer  Hinsicht  wohl 
zur  Zeit  des  Timanthes  stimmt,  nicht  aber  das  erhaltene  Bild,  auf 
dem  die  Gewandung  des  Kalchas,  die  Motive  der  Tragenden  — 
man  vergleiche  die  Gruppe  des  Menelaos  mit  der  Leiche  des 
Patroklos  —  und  das  Pathos  der  Iphigenie  auf  erheblich  spä- 
tere Zeit  hinweisen.  Wenn  Michaelis  (Rom.  Mitteil.  1893 
p.  201  ff.)  die  Gruppe  der  drei  Figuren  des  Kalchas,  der  Iphi- 
genie und  des  Jünglings  auf  der  Ära  für  die  Nachbildung  eines 
attischen  Reliefs  nach  Art  des  Orpheus-Reliefs  erklärt  und  in 
diesem  Original  das  Weihgeschenk  des  Euripides  nach  der  Auf- 
führung seiner  aulischen  Iphigenie  vermutet,  so    ist  dagegen   nicht 


308  .  W.    AMELUNG 

nur  einzuwenden,  dass  die  Annahme  dieser  ganzen  Art  von  Weihge- 
schenken siegreicher  Dichter  nur  hypothetisch  ist,  und  dass  es 
willkürlich  ist,  den  Agamemnon  von  der  Darstellung  zu  trennen ; 
es  kommt  hinzu,  dass  wir  noch  zwei  Wiederholungen  der  glei- 
chen Composition  kennen,  die  uns  einerseits  beweisen,  dass  das 
Original  figurenreicher  war,  und  von  denen  die  zweite  uns  noch 
mit  Gewissheit  schliessen  lässt,  dass  dieses  Original  eben  ein  Ge- 
mälde war.  Die  eine  Wiederholung  ist  kürzlich  von  R.  von  Schnei- 
der in  den  Serta  Harteliana  p.  287  veröffentlicht  worden;  es  ist 
das  Relief  eines  Elfenbeinkästchens  aus  dem  10.  oder  11.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  Der  Agamemnon  fehlt ;  dafür  ist  rechts  von  der 
Iphigenie  noch  ein  Jüngling  mit  hochgestelltem  Fuss  hinzuge- 
fügt und  links  ein  nach  rechts  hin  sitzender  bärtiger  Mann,  der 
das  Haupt  traurig  auf  die  erhobene  Rechte  stützt.  Nach  Alter 
und  Ausdruck  könnte  das  sehr  wohl  der  Menelaos  des  Timan- 
thes  sein.  Die  zweite  Wiederholung  ist  ein  Bild  aus  Herculanum 
(Zahn,  Die  schönsten  Ornamente  II  61;  Heibig  a.  a.  0.  Nr.  1305; 
Conze,  Wiener  Vorlegeblätter  Ser.  V  Taf.  8,  2),  auf  dem  aller- 
dings die  Gruppe  von  Iphigenia  und  Kalchas  umgedreht  und 
Kalchas  anders  gewandet  ist;  aber  in  Haltung  und  Gebärden  sind 
beide  unverkennbar,  und  hier  hat  sich  nun  auch  ein  Rest  des 
Altars  erhalten,  von  dem  Plinius  spricht,  und  links  ist  noch  ein 
Jüngling  zugefügt,  der  mit  Himation  und  Lanze  traurig  gebeugt 
und  von  der  Mitte  abgewendet  sitzt:  natürlich  nicht  ein  mis- 
verständlich  jugendlicher  Agamemnon,  wie  Heibig  wollte,  sondern 
Achill,  wie  Zahn  schon  richtig  gedeutet  hatte  (1). 

Nehmen  wir  nun  zusammen,  was  uns  von  dieser  Composi- 
tion geblieben  ist,  so  können  wir  das  mit  Bestimmtheit  sagen, 
dass  es  dem  Künstler  darauf  angekommen,  den  Vorgang  nicht 
äusserlich  effektvoll,  sondern  innerlich  ergreifend  darzustellen; 
und  so  wählte  er  nicht  den  höchsten  Punkt  des  Geschehnisses, 
sondern  die  stille  Vorbereitung,  einen  jener  Momente,  in  denen, 
wer  sie  miterlebt,  den  Athem  voll  beklommener  Erwartung 
anhält,    die   geheimnisvolle    Ruhe    vor    dem    Sturm;    und    diese 


(l)  Seither  hat  man  den  Jüngling  auf  der  Ära,  der  Iphigenia  führt, 
für  Achill  erklärt;  das  war  nur  solange  berechtigt,  als  man  glauben  konnte, 
dass  die  Darstellung  niemals  weitere  Figuren  umfasst  habe. 


JUDICIUM    ORESTIS  30 

Wahl  eines  vorbereitenden,  aber  doch  entscheidenden  Momentes  — 
wenn  Kalchas  die  Locke  vom  Haupte  geschnitten  hat,  ist  Iphige- 
n ia  dem  Tode  verfallen  —  diese  Wahl  des  Momentes  hatte  dem 
Künstler  die  Möglichkeit  gegeben,  den  Vorgang  in  den  Seelen 
aller  Dargestellten  mit  vollster  Intensität  und  in  reichster  Ab- 
wechselung zu  spiegeln.  Ich  spreche  von  den  Resten  der  erhal- 
tenen Compositum,  und  doch  sind  das  fast  die  gleichen  Worter 
mit  denen  die  antiken  Quellen  von  den  Werken  und  der  Eigen- 
art des  Timanthes  sprechen.  Und  —  das  ist  es,  worauf  ich 
hinauswollte  —  das  Gleiche  kann  man  von  dem  iudieium  Ore- 
stis  sagen.  Da  wird  es  denn  nicht  zufällig  sein,  dass  die  beiden 
Figuren  der  Iphigenie  und  der  «  Erigone  ■  sich  auch  in  ganz  be- 
stimmten Einzelheiten  der  künstlerischen  Gestaltung  ähneln ;  und 
dass  das  Motiv  des  von  der  Mitte  abgewandten  Orest,  einer  Figur, 
auf  die  sich  das  mitfühlende  Interesse  des  Beschauers  trotz  oder 
gerade  wegen  ihrer  Absonderung  besonders  stark  concentriert, 
auffallend  an  das  des  Agamemnon  erinnert;  dass  endlich  das 
Wenige,  was  sich  überhaupt  noch  an  dieser  und  den  andern  Figuren 
von  besonderer  Stilisierung  erkennen  lässt,  durchaus  in  die  Zeit  des 
berühmte  Kythniers  passt,  brauche  ich  nur  anzudeuten.  Zweifelsohne 
genügt  all  das  noch  nicht,  das  Vorbild  der  erhaltenen  Darstellung 
des  iudieium  als  ein  Gemälde  des  Timanthes  nachzuweisen.  Aber  es 
ist  schon  ein  Gewinn,  wenn  wir  einem  bisher  nicht  fixierten  Kunst- 
werk seine  Stelle  in  dem  unendlich  reichen  Strome  der  Entwicklung 
griechischer  Kunst  neben  einem  fest  datierten  Werke  zuweisen 
können. 

W.  Amelüng. 


DEI  MILITES  FRUMENTARII 

E 

DELL'APPROVVIGIONAMENTO  DELLA  CORTE  IMPERIALE. 


Per  due  volte  nel  1851  e  nel  1884  in  questo  Bullettino 
trattö  dei  milites  frumentarii  con  l'alta  sua  dottrina  Guglielmo 
Henzen  (*).  In  quegli  scritti  raccolse  egli,  ed  illuströ  i  dati  dei 
classici  e  delle  epigrafi  su  questi  soldati,  parlö  dei  tempo  della 
loro  istituzione,  degli  ufficiali  loro  preposti,  dei  castra  peregri- 
norum,  dove  essi  alloggiavano,  e  descrisse  le  loro  funzioni,  per 
quel  tanto  che  i  testi  e  le  iscrizioni  ce  ne  informano. 

Ora  gli  autori  non  parlano  di  frumentarii  che  come  corrieri 
imperiali,  spie,  addetti  alla  polizia  segreta;  ma  deve  necessaria- 
mente  ammettersi,  e  fu  ammesso,  che  queste  funzioni  essi  abbiano 
avute  come  accessorie,  e  che  scopo  fundamentale  della  loro  isti- 
tuzione sia  stato  il  servizio  di  sussistenza  militare.  Io  credo  di 
poter  provare,  che  tale  servizio  compivano  non  solo  i  frumentarii 
delle  provincie,  ma  anche  quelli  distaccati  dalle  legioui  e  di  pre- 
sidio  in  Roma. 

Frumentarius  o  miles  frumentarius  col  senso  di  soldato  ad- 
detto  alla  cura  deH'approvvigionamento  nei  classici  non  si  trova. 
Livio  parla  una  volta  di  frumentarii  (IV,  12)  ma  egli  intende  i 
negotiatores  frumentarii;  Irzio  usa  la  parola  frumentarii  per 
designare  alcuni  drappelli  di  Galli  dell'esercito  dei  Cadurco  Lucte- 
rio,  che  furono  colti  dai  Romani,  mentre  raccoglievano  frumento 
(B.  Galt.  VIII,  35)  e  in  questo  caso  sarebbe  stato  forse  piü  proprio 
dire  frumentatores.  Sieche  quanti  dei  moderni  scrittori  hanno  par- 
lato  dei  frumentarii  dei  periodo  imperiale,  hanno  fatto  rilevare, 

(*)  Pull  delVIsl  1851,  p.  113  e  1884,  p.  21. 


DEI    MILITKS    FRUMENTARII    eCC.  311 

che  essi  avevano  V  ufficio  di  spie,  di  gendarmi,  di  corrieri,  ma 
hanno  appena  accennato,  che  il  nome  frumentarii  ha  relazione 
con  l'annona  militare. 

Ora  ognuno  sa,  di  che  immensa  importanza  e  per  un  eser- 
cito  un  regolare  approvvigionamento,  e  non  puö  ammettersi,  che  i 
Komani  riuscissero  a  compire  guerre  cosi  lunghe  e  cosi  lontane, 
quante  ne  hanno  condotte,  se  il  servizio  delle  sussistenze  non  fosse 
stato  organizzato  con  la  piü  alta  perfezione.  D'altronde  sappiamo 
anche  direttamente,  qnanta  fu  la  cura  dei  generali  romani  a  questo 
riguardo;  Cesare  nei  Commentarii  parla  spessissimo  della  expe- 
dienda  o  comparanda  res  frumentaria  (B.  Galt.  I,  16,  23,  37,  39, 
40,  etc;  B.  Civ.  III,  16,  etc.)  e,  quando  i  suoi  soldati  atterriti  dai 
racconti  dei  Galli  sulla  prodigiosa  forza  dei  Germani,  minacciano 
di  non  volerlo  seguire  contro  Ariovisto,  e  portano  per  scusa  alla 
loro  viltä  la  preoccupazione  che  manchino  le  vettovaglie,  egli  li 
riprende  aspramente,  perche  si  arrogano  di  pensare  a  quello  che 
e  dovere  dei  capitano  provvedere,  e  che  egli  ha  giä  abbondante- 
mente  provvisto.  B.  Gall.  I,  40.  Come  si  puö  accordare  dunque 
tutto  questo  con  l'assenza  completa  di  ogni  menzione  dei  frumen- 
tarii come  compagnie  di  sussistenza?    . 

La  questione  dei  vettovagliamento  dell'esercito  romano  e  stata 
studiata  dallo  Zander  in  un  opuscolo  piuttosto  antiquato  (*),  dal 
Cagnat  aella  sua  Arrake  romaine  d'Afrique,  pag.  378  e  piü  par- 
ticolarmente  dal  Langen  in  tre  programmi  successivi  dei  ginnasio 
di  Brieg  (2). 

Da  questi  studi  risulta,  che  anche  dopo  le  brevi  spedizioni 
dei  primi  tempi,  durante  le  quali  naturalmente  ciascuno  pensava 
a  portare  con  se  le  necessarie  provvigioni,  la  fornitura  delle  vet- 
tovaglie fu  sempre  raggiunta  con  la  maggiore  semplicitä  di  mezzi 
possibili.  La  materia  prima  per  il  nutrimento  dei  soldato  romano, 
quella  di  cui  solo  paiiano  i  classici,  fu  il  frumento  che  era  dato 
ai  soldati  tale  qual'e  in  natura,  restando  loro  1'  incarico  di  maci- 
narlo  e  di  cuocerlo  in  forma  di  pane  o  piü  spesso  forse  di  una 
pulticula  (*). 

C)  Kriegswesen  Borns,  1849. 
(a)  Beeresverpflegung  der  Römer,  1878  sg. 

(3)  L'ipotesi  dello  Zander  (o.  c.  p.  16)  che  ai  soldati  fosse  data  anche  carne, 
e  fondata  sul  dono  di  dieci  buoi  fatto  al  tribuno  M.  Valerio  Corvo  (Liv.  7,  26) 


312  R.    PARIBENI 

Lo  Stato  non  passava  alle  truppe  altro  che  il  sale  e  il  fru- 
mento ;  chi  voleva  poteva  acquistarsi  altri  cibi  dai  cannabarii  che 
seguivano  l'esercito.  In  tal  modo  si  riusciva  a  ottenere,  che  ogni 
soldato  portasse  con  se  il  proprio  vettovagliamento  per  im  periodo 
di  tempo  che  va  da  quindici  a  venti  giorni  (1).  Un  grande  aiuto 
a  questo  pitagorico  e  monotono  nutrimento  dovevano  darlo  le  fru- 
mentationes  e  le  pabulationes  ossia  requisizioni  di  frumento,  di 
foraggio^  di  bestiame  eseguite  dai  soldati  stessi  sul  territorio  vi- 
cino  al  loro  campo,  tutte  le  volte  che  potessero.  II  «  bellum  se 
ipsum  alit  »  di  Catone  aveva  in  pratica  una  estesa  applicazione ; 
sappiamo,  che  alle  volte  i  capitani  romani  tenevano  il  loro  eser- 
cito  non  ad  im  immediato  contatto  col  nemico,  appunto  perche  vi 
fosse  spazio  libero  a  raccogliere  il  frumento ;  cosi  nella  guerra 
contro  Filippo  di  Macedonia  il  console  Sulpicio  Galba  si  ritrae 
di  otto  miglia,  perche,  essendo  troppo  vicino  a  Filippo,  non  poteva 
frumentari  (Liv.  31,  36).  Troviamo  persino  una  legione  intera 
missa  frumentatum  (la  settima  legione  di  Cesare  B.  Gall.  4,  32). 

Kiassumendo  si  deduce,  che  durante  la  repubblica  e  al  prin- 
cipio  dell'  impero  il  servizio  dei  viveri  era  infinitamente  piü  sem- 
plice  che  non  negli  eserciti  attuali,  e  che  il  treno  di  im  esercito 
romano  non  doveva  essere  molto  poderoso.  Per  esempio  il  treno  dei 
due  eserciti  consolari  (30  o  40  mila  uomini)  riuniti  nelle  mani  di 
C.  Sulpicio  dittatore  nel  397  a  Cr.  e  solo  di  mille  bestie  da  soma 
(Liv.  7,  14).  Anche  dal  punto  di  vista  filologico  il  vedere,  che  ai 
bagagli  si  dava  il  nome  di  impedimenta,  mostra  come  nel  rigido 
concetto  che  si  aveva  in  Roma  di  una  spedizione  militare,  essi  do- 
vevano essere  considerati  come  tali,  e  che  doveva  quindi  badarsi 
ad  assottigliarli,  per  quanto  era  possibile. 


e  di  cento  buoi  al  tribuno  P.  Decio  (Liv.  VII,  34,  37)  durante  la  prima  guerra 
Sannitica.  Come  si  vede,  di  fronte  alla  mancanza  di  qualunque  altro  accenno 
l'argomento  e  molto  poco  convincente,  e  credo,  non  valga  la  pena  fermarcisi 
a  confutarlo,  come  non  ci  si  e  fermato  il  Langen. 

(x)  Le  opinioni  sono  discordi  su  questo  punto,  ma  forse  meritano  piü 
fede  degli  altri  il  Langen  (o.  c.)  e  il  Marquardt  {Rom.  Alterth.  11,426)  che 
sulla  base  di  tre  testi  appartenenti  a  tre  periodi  diversi  della  storia  delle 
milizie  romane  (Cic.  Tusc.  2,16,  37;  vita  Sev.  Alex.  47;  Amm.  Marceil.  17,9) 
fissano  questo  periodo  a  17  giorni. 


DEI    MILITES   FRUMENTARII    eCC.  313 

Similmente  era  semplificato  l'acquisto  delle  vettovaglie;  in 
tempo  di  pace  la  cosa  non  dava  pensiero,  se  ne  dava  1'iiicarioo 
a  qualcuno  degli  ufficiali,  e  probabilmente  i  mercanti  stessi  do- 
vevano  prender  cura  del  trasporto  al  campo;  cosi  sarä  il  caso  di 
M.  Clodius  Faustus  Secundus  missus  ob  comparationem  fru- 
menti  ex  provincia  ad  gentes  Maurorum  (Eph.  Epigr.  V,  n.  1210) 
probabilmente  qualche  centurione,  perche  poi  riceve  come  onori- 
ficenza  un  vexillum  e  unhasta  pura.  In  tempo  di  guerra  si  ri- 
chiedevano  contribuzioni  agli  alleati;  delle  necessarie  requisizioni 
e  del  trasporto  al  campo  dovevano  incaricarsi  i  magistrati  stessi 
degli  alleati;  a  loro  infatti  son  diretti  i  rimproveri  di  Cesare, 
quando  gli  Edui  non  gli  portano  il  grano  (Caes.  B.  Gall.  1,  16  : 
convocatis  principibus  graviter  eos  accusai).  Forse  alle  volte 
erano  mandati  degli  ufficiali  romani,  ma  solo  a  sorvegliare  e  a  far 
pressione  sui  magistrati ;  cosi  si  comportano  ad  esempio  i  praefecti 
e  tribuni  militum  mandati  da  Crasso,  legato  di  Cesare,  presso  i 
Veneti  (Caes.  B.  Gall.  3,  7). 

Da  tutte  queste  considerazioni  risulta,  che  il  servizio  delle 
sussistenze  era  raggiunto  con  i  minimi  mezzi  possibili,  e  proba- 
bilmente finche  le  cose  rimasero  cosi,  non  si  senti  il  bisogno  di 
istituire  una  compagnia  specialmente  destinata  a  quest'  opera. 
Quando  perö  nell'  impero  il  vettovagliamento  divenne  piü  com- 
plesso  (*),  quando  si  fondarono  i  grandi  magazzini  militari  (2)  e 
si  volle  raggiungere  in  tutto  una  maggiore  regolaritä  e  divisione 
di  lavoro,  si  istituirono  dei  soldati  che  non  dovessero  attendere 
ad  altro  che  alle  provvigioni. 

A  quando  si  dovrä  rimandare  questa  istituzione  ?  Non  lo  sap- 
piamo  con  certezza,  e  credo,  che  non  potremo  dir  nulla  di  vera- 
mente  sicuro  in  proposito.  Per  lo  piü  si  ritiene  come  fondatore 
di  questa  milizia  Adriano,  nella  cui  vita  i  fnimentarii  (c.  11) 
sono  nominati  per  la  prima  volta.  Veramente  il  passo  sarebbe 
tale,  che  farebbe  piuttosto  pensare  a  una  fondazione  antecedente; 
infatti  i  frumentarü  vi  sono  presentati  giä  come  incaricati  del 
servizio  di  spionaggio,  sieche  sembrerebbe  improbabile,  che  Adriano 


(l)  Cfr.  De  Ruggiero,  Diz.  Epig.  s.  v.  Annona  militaris. 
(*)  Cfr.    Cagnat,  ArmSe,   p.    381;    Petersen   e.   v.  Luschan,  Reisen  in 
Lykien  II,  p.  41,  tav.  39. 


314  R.    PARIBENI 

istitutore  dei  frumentarü  come  cornpagnie  di  sussistenza,  li 
avesse  egli  stesso  destinati  ad  altri  uffici.  Ma  d'altra  parte  at- 
tese  le  grandi  innovazioni  di  Adriano  in  tutti  i  campi  della 
amministrazione,  e  anche  nelle  cose  militari  delle  quali  era  esper- 
tissimo  (prova  l'allocuzione  di  Lambese  e  pel  nostro  argomento 
in  specie  le  ispezioni  che  nei  suoi  viaggi  soleva  fare  ai  rna- 
gazzini  militari)  (')  atteso  il  fatto,  che  i  frumentarü  non  sono 
finora  mai  apparsi  in  legioni  che  come  la  IV  Macedonica  e 
la  V  Alaudae  erano  state  disciolte  prima  di  Adriano,  sarä  piü 
ragionevole  ammettere,  che  Sparziano  o  chi  per  lui  nel  passo  in 
questione  sia  stato  inesatto,  dando  a  questi  spioni  di  Adriano  il 
nome  che  loro  conveniva  piü  tardi,  e  che  Adriano  sia  veramente 
stato  il  loro  fondatore  (2). 

In  ogni  modo  1'  unico  dato  propriamente  sicuro  e  che  al  tempo 
di  Marco  Aurelio  esistevano,  rimontando  al  170  il  piü  antico  do- 
cumento  epigrafico  datato  sul  conto  loro  (C.  I.  L.  III,  19). 

Ho  detto,  che  mancano  negli  autori  classici  che  piü  comune- 
mente  si  consultano  come  fonti  per  la  storia  deH'impero,  testimo- 
nianze  che  ci  mostrino  i  primitivi  frumentarü  come  soldati  addetti 
alle  provvigioni.  Ma  non  e  a  fare  cosi  grandi  meraviglie,  se  gli  autori 
antichi  si  occupano  spesso  dei  frumentarü  come  spioni,  e  non  ne  par- 
lano  mai  come  provveditori  di  frumento.  Gli  storici  che  sono  restati 
a  noi,  per  lo  piü  ci  narrano  non  la  storia  dell'impero,  ma  quella  della 
corte  imperiale,  e  gli  aneddoti  e  le  biografie  degli  imperatori  con  la 
tendenza  a  fare  di  ciascuno  di  essi  o  un  mostro  o  un  modello  di 


(!)  ...  laborabat  ut  condita  militaria  dilig enter  agnosceret.  Vita 
Hadr.  11,1. 

(2)  I  primi  spioni  devono  essere  stati  gli  speculatores  che  esistevano 
giä  in  repubblica,  cfr.  i  relativi  passi  di  Cesare  in  Menge  Preuss  Lexic.  Caes. 
p.  1248.  E  da  notarsi,  che  per  un  certo  tempo  essi  fanno  il  loro  servizio 
nel  pretorio,  ma  senza  esser  contati  tra  i  pretoriani;  un  diploma  militare  di 
Vespasiano  dell'a.  76  distingue  gli  speculatores  dai  praetorium  e  dagli  urbani 
{CLL.  D.  X,  cfr.  Hirschfeld,  Sicherheitspolizei  in  Sitzungsberder  Berlin. 
Akad.  1891,  II,  846  seg.);  piü  tardi  invece  essi  sono  completamente  incorpo- 
rati  tra  i  pretoriani,  e  allora  devono  essere  successi  nelFufficio  di  spie  i  fru- 
mentarü. Forse  una  traccia  di  questa  successione  e  neli'iscrizione  CLL. 
III,  3524  dell'anno  224  dove  la  schola  speculatorum  delle  due  legioni  Adiu- 
trici  e  restaurata  a  spese  di  personaggi  non  noti,  curante  Aurelio  Pertinace 
frumentario. 


DKI    MILITES    FRUMENTARII    eCC.  315 

virtü;  inoltre  anche  per  i  somrai,  come  Tacito  e  Dione  Cassio, 
la  storia  era  sempre  im  genus  Oratorium.  Che  interesse  c'era  a 
esporre  rorganamento  del  servizio  delle  sussistenze  militari?  Quanto 
invece  valeva  a  gettare  im  lampo  fosco  sulla  tirannide  di  im  im- 
peratore  il  dipingere  le  mene  degli  esosi  delatori  e  ministri  delle 
sue  crudeltä,  i  frumentarii? 

Non  mancano  altre  prove  che  compensano  questo  silenzio 
degli  storici  antichi  piü  reputati.  Troviamo  un  frumentario  che  si 
dice  missus  ad  frumentarias  res  curandas  (C.  I.L.  VI,  3340)  e 
in  queste  sue  parole  mi  sembra  quasi  di  vedere  una  certa  cura  di 
separarsi  da  quegli  altri  suoi  colleghi,  che  erano  missi  per  servire 
alla  polizia  segreta,  e  si  erano  meritati  la  universale  esecra- 
zione. 

Un'epigrafe  Ostiense  (C.  I.  L.  XIV,  125)  dice,  che  ad  Ostia 
il  luogo  per  la  stazione  dei  frumentarii  e  assegnato  dal  procurator 
(probabilmente  annonae  Ostiensis)  e  da  un  Petronio  Massimo  cen- 
turio  annonae,  sieche  questa  dipendenza  prova,  che  anche  in 
questo  tempo  (siamo  all'anno  224  ossia  solo  un  sessanta  anni 
prima  dell'abolizione  dei  frumentarii  per  opera  di  Diocleziano)  essi 
non  avevano  deposta  la  cura  delle  vettovaglie.  Inoltre,  come  os- 
serva  rettamente  il  Marquardt  (j),  le  iscrizioni  dei  frumentarii 
d'Italia  si  trovano  (tolte  le  romane)  quasi  esclusivamente  a  Ostia  (2), 
a  Puteoli  (3)  e  nelle  cittä  comprese  fra  Roma  e  Puteoli  per  le 
quali  passa  la  via  Appia  (4).  Questo  che  non  puö  essere  un  caso, 
e  perfettamente  spiegabile,  quando  si  pensi,  che  Ostia  e  Puteoli 
erano  i  due  grandi  scali  che  portavano  grani  dalla  Sicilia  e  dal- 
l'Africa,  e  i  frumentarii  vi  si  dovevano  recare,  perche  incaricati 
di  servizii  annonarii. 

E  con  questo  io  credo,  che  non  ostante  l'assenza  di  testimo- 
nianze  nei  classici,  sia  sufficientemente  provato,  che  Tufficio  pri- 
mitivo  e  fundamentale  dei  frumentarii  ebbe  relazione  con  l'ap- 
provvigionamento.  Ora  pero  si  presenta  una  questione;  finche  troviamo 
frumentarii  ascritti  alle  legioni,  e  le  cui  iscrizioni  vengono   dalla 


0)  Handbuch,  II,  492,  note  5,  7. 

(2)  C.  L  L.  XIV,  125;  Not.  seavi  1881,  p.  116. 

(3)  CLL.  X,  1771. 

(4)  Velitrae,  CLL.  X6575;  Formiae,  ibid.,  6095. 


316  R.    PARIBEM 

provincia,  dove  la  legione  stanziava,  crediamo  senz'altro,  che  siano 
gli  approvvigionatori  di  quella  data  legione  (1).  Ma  la  grande  mag- 
gioranza  delle  iscrizioni  di  frumentarii  viene  da  Roma;  che  cosa 
facevano  tutti  costoro  in  cittä?  Che  provvedessero  al  vettovaglia- 
mento  delle  milizie  di  guarnigione  a  Roma,  non  e  probabile ;  an- 
zitutto  sarebbero  troppi,  inoltre,  le  guarnigioni  di  Roma  avevano 
i  loro  frumentarii,  ma  costoro  non  erano  distaccati  da  legioni,  e 
non  ne  portavano  il  numero,  come  avviene  invece  nelle  iscrizioni 
che  ho  nominato  sopra  (2). 


(!)  Ogni  legione  dovette  avere  i  suoi  frumentarii,  e  credo,  dipenda  dal 
caso,  che  di  alcune  legioni  non  se  ne  conoscano.  Le  iscrizioni  in  cui  questi 
soldati  danno  il  numero  della  loro  legione  non  sono  cosi  abbondanti,  che  si 
possa  pretendere  vi  siano  rappresentate  tutte  le  legioni.  Mancano  i  frumen- 
tarii oltre  che  nelle  legioni  preadrianee  nella  I  ltalica,  III  Gallica,  IV  Scy- 
thica,  VI  Ferrata,  IX  Hispana,  XI  Claudia,  XII  Fulminata,  XIV  Gemina 
Martia  Victrix,  XV  Primigenia,  XVI  Flavia,  XXI  Rapax,  XXII  Deiota- 
riana.  L'osservazione  del  Marquardt  (1.  c,  p.  491)  che  mancano  i  frumentarii 
delle  legioni  Egiziane  e  Asiatiche,  oltre  che  non  e  del  tutto  esatta  (ve  ne 
sono  della  X  Fretensis  di  Giudea  e  della  III  Cyrenaica  d'Egitto)  credo,  non 
ci  possa  autorizzare  ad  alcuna  conclusione. 

(2)  Nessuno  ha  finora  ammesso,  come  nessuno  ha  negato,  che  le  milizie 
di  presidio  a  Roma  avessero  i  loro  frumentarii.  Io  credo,  che  non  possa 
dubitarsene.  Nei  primi  tempi  dell'impero  troviamo,  come  vedremo  piü  sotto 
a  p.  317,  dei  servi  o  liberti  imperiali  a  copiis  militaribus  destinati  a  questo 
ufficio.  Dopo  Adriano  abbiamo  monumenti  di  genere  diverso.  L'iscrizione 
C.  I-  L.  VI,  1063,  del  tempo  di  Caracalla  da  due  nomi  di  centurioni  frumen- 
tarii uniti  a  quelli  dei  comandanti  dei  vigili  a  proposito  di  ludi  scenici 
rappresentati  dai  vigili  e  dai  classiarii  Misenati.  La  posizione  perö  di  questi 
due  centurioni  frumentarii  non  e  troppo  chiara.  Piü  importante  e  uno  dei 
graffiti  dell'escubitorio  della  VII  coorte  dei  vigili: 

COHOR    VII    VigUL    NIIRON 
1   FAVSTINI    HARIVS    FRVM1INTARI    CH    VII    VIG 

1   FAVSTINI    TIIRMIS    NllR 
HARIVS       PRIMVS 

(C  L  L.  VI,  3052;  ricordo,  che  i  graffiti  sono  tutti  del  III  sec,  posteriori 
quindi  ad  Adriano).  Se  anche  si  abbia  scrupolo  a  leggere  Harius  frumenta- 
ri(us)  coh(ortis)  (septimae)  vig[ilum),  resta  sempre  il  fatto,  che  questo  Harius 
frumentario,  per  poter  scrivere  il  proprio  nome  sulle  pareti,  doveva  abi- 
tare  entro  l'escubitorio  o  per  lo  meno  averci  libero  ingresso.  Per  gli  equites 


DEI    M1LITES    FRUMENTARII    eCC.  317 

Vediamo  anzitutto,  quanto  possiamo  sapere  di  questi  fru- 
mentarii  stanziati  a  Roma.  Non  costituivano  propriamente  un  corpo 
speciale,  perche  appartenevano  a  legioni  diverse,  e  ne  conserva- 
vano  il  numero;  ma  nello  stesso  teinpo  abitavano  insieme  nei 
castra  peregrina  (v.  Richter  Top.2  p.  337),  si  chiamavano  colleghi, 
anche  se  assegnati  a  legioni  diverse  (cfr.  C.  I.  L.  VI,  230.  3332), 
sembra  avessero  dei  comandanti  nei  centuriones  frumentarii  che 
vengono  nominati  spesso  in  Roma  (C.  I.  L.  VI,  423.  428.  1063. 
1110.  3326.  3331),  tanto  che  in  qualche  iscrizione,  forse  con  non 
troppa  esattezza,  si  chiamano  numerus  frumentariorum  (C.  I.  L. 
VI,  3341.  XIV-125). 

Dunque  qui  ci  troviamo  dinanzi  a  gente  che  mentre  non  e 
unita  organicamente,  perö  per  un  certo  riguardo  costituisce  un 
tutto,  e  prende  anche  il  nome  di  numerus.  L'unitä  non  puö  venir 
loro,  che  dall'esser  destinati  ad  uno  stesso  ufficio;  e  questo  ufficio 
unico  grandioso,  al  quäle  forse  qualche  centinaio  di  frumentarii 
serviva,  non  puö  essere  altro,  che  l'approvvigionamento  della  casa 


singulares  si  ha  un'iscrizione    trovata    sulla  via  Labicana  a  Tor  Pignattara, 
disgraziatamente  monca  proprio  nella  parte  piü  interessante  ('€.  I.  L.  VI,  3365  ) 

D.  M.  S. 
Valerius  Eis]  panus  frumentarius  stip.  XVII 

imp.  n.  natus  in  provincia  Maure 

tania  Caes]  ariensi  vixit  ann  XXXV1I1.  m  IUI  d  III 
mil.  ann ]  Valerius  frater  et  heres  fac.  c. 

Gli  editori  del  Corpus  non  suppliscono  la  seconda  linea ;  ma  a  me  pare, 
che  il  luogo  della  scoperta  che  corrisponde  al  famoso  sepolcreto  degli  equiti 
singolari  ad  duas  lauros,  la  presenza  di  queWimpleratoris)  (nostri)  e  anche 
Je  ragioni  di  spazio,  ci  rendano  quasi  sicuri  del  supplemento  equit(um)  sing{u- 
larium).  II  Cauer  in  Eph.  Epigr.  IV  p.  457  n.  70  pensa,  che  egli  possa 
essere  stato  prima  frumentario  poi  equite  singolare,  ma  anzitutto  non  sta- 
rebbe al  posto  la  menzione  del  numero  degli  stipendii,  inoltre  per  evitare 
una  cosa  nuova,  si  cadrebbe  in  una  nuovissima  e  inaudita.  II  Mommsen  (ibid.) 
supplisce  [yernd]  Imp.  n.  ,*ma  il  suo  supplemento  deve  prima  giustificare 
l'ugo  della  parola  verna  per  un  uomo  libero,  e  si  oppone  poi  alle  ragioni  dello 
spazio.  Ritengo  pertanto  piü  probabile  il  mio  supplemento  e  faccio  notare, 
che  mentre  i  frumentarii  danno  quasi  sempre  il  numero  della  loro  legione,  il 
noströ  Valerio  Ispano  non  dice  nulla,  forse  appunto  perche  non  apparteneva 
ad  una  legione  ma  al  corpo  degli  equiti. 


318  R.    PARIBEM 

imperiale.  L' enorme  falange  di  servi,  di  liberti,  di  soldati,  e  di 
addetti  in  un  modo  o  nell'altro  alla  corte  richiedeva  im  servizio 
ben  organizzato,  destinato    esclusivamente  a  provvederla  di  vitto. 

Ora  io  credo  d'aver  raccolto  tutte  le  iscrizioni  dei  servi  e  li- 
berti imperiali  che  rivestivano  uffici  di  qualche  analogia  con  questa 
amministrazione  (l)  ed  ecco  a  quali  risultati  sono  giunto.  Ho 
trovato : 

Due  dispensatores  a  frumento,  servi  imperiali  ambedue,  uno 
dell'epoca  dei  Flavii  {CLL.  III,  333),  l'altro  forse  dei  Glaudii 
(CLL.  XIV,  2833). 

Due  liberti  a  frumento,  l'uno  dei  tempo  di  Traiano  (C  L.  L. 
VI,  8851),  l'altro  forse  di  Adriano  (C  L  L.  VI,  8852,  e  un  fram- 
mentino  P.  Aelius |  a  frumento |  . . .). 

Due  procuratores  Augusti  a  frumento,  uno  ingenuo  di  epoca 
ignota  (C.  L.  L.  X,  8295),  l'altro  forse  servo  dei  tempo  dei  Claudii 
(CLL.  X,  6523). 

Tre  a  frumento  cubiculariorum,  uno  di  Traiano  (C.  L.  L.  VI, 
8772),  gli  altri  due  di  Adriano  (CLL.  VI,  8518,  8771),  ed  e 
notevole  che  uno  di  questi  due  P.  Aelius  Aug(usti)  lib(ertus)  Chry- 
santhus  dopo  essere  stato  a  frumento  cubiculariorum  fu  esone- 
rato  da  questö  servizio,  e  gli  fu  data  la  cura  ab  aegris. 

Tre  a  frumento  ministratorum  Augusti  uno  dei  periodo  dei 
Claudii  (C  L.  L.  VI,  8924),  gli  altri  due  di  etä  non  determinabile 
(CLL.  VI,  8925,  8926). 

Due  dispensatores  frumenti  mancipalis,  uno  servo  dei  Flavii 
(C  L  L.  VI,  8853),  l'altro  ingenuo  dei  tempo  di  Traiano  (C  1.  L. 
III,  6065). 

Otto  horrearii  o  ab  horreis,  dei  quali  due  probabilmente 
Augustei  (C  L.  L.  VI,  4239,  4240,  vengono  dal  colombario  dei 
servi  e  liberti  di  Livia),  tre  dei  Claudii  (C  L  L.  VI,  4226,  8682 ; 
XI,  1358),  uno  servo  di  Galba  (C  L  L.  VI,  8680),  uno  liberto  di 
Nerva  (C  L  L.  VI,  8681),  uno  di  etä  ignota  (Eph.  Ep.,  VII-704). 

Cinque  a  copiis  militaribus,  probabilmente  per  i  soldati  di 
guardia  a  Corte,  uno  dei    tempo  dei  Claudii  (C  I.  L.  VI,  8538), 


(*)  Devo  ringraziare  la  cortesia  dei  mio  buon  amico  dott.  Schianchi  che 
mi  ha  permesso  di  consultare  il  suo  ricco  e  ben  ordinato  schedario  relativo 
agli  uffici  della  domus  Augusta.     . 


DEI    MILITES    FRUMEXTARII    eCC.  319 

tre  dei  Flavii  (C.  I.  L.  VI,  8532,  8539;  XIV,  2840),  uno  di  epoca 
ignota  (CLL.  VI,  8540). 

Come  si  vede,  di  tutta  questa  gente  nessuno  e  posteriore  ad 
Adriano:  Adriano  dunque  ha  secondo  ogni  probabilitä  istituito  i  fru- 
mentarü,  e  uniflcando  il  servizio  di  approvvigionamento  della  corte 
che  prima  appare  diviso  per  i  diversi  uffici  (efr.  a  frumento  cubicula- 
riorum,  ministratorum,  ecc  ),  lo  ha  affidato  a  loro.  Quanto  bene  con- 
corda  questa  ipotesi  con  la  tendenza  vigente  durante  l'impero'di 
Adriano  di  nobilitare  gli  uffici  di  corte !  Negli  uffici  piü  alti  al  posto 
dei  liberti  entrano  i  cavalieri  procuratores  Augusti;  in  queste  fun- 
zioni  piü  basse  di  vettovagliamento  i  servi  e  i  liberti  sono  sosti- 
tuiti  da  soldati.  Ne  questo  carattere  militare  dei  frurnentarii  rni 
sembra,  che  si  opponga  all'ipotesi  nostra.  Giä  quanto  v'ha  di  mi- 
litare a  Roma  dipende  tutto  piü  o  meno  direttamente  dairimpe- 
ratore,  e  con  lui  e  stato  introdotto ;  inoltre  la  casa  stessa  imperiale 
non  abborre  dal  militarismo,  anche  dove  non  e  necessario.  Militare 
e  la  divisione  e  l'organizzazione  della  numerosissima  servitü,  ar- 
mati  sono  gli  apparitori  imperiali  gli  statores  (!);  militare  e  il 
nome  di  ratio  e  fiscus  caslrensis,  sia  essa  la  cassa  generale  di 
Corte,  come  vuole  lo  IJirschfeld,  o  solo  una  parte  di  essa,  come 
vuole  il  Mommsen,  militare  il  nome  di  castrensis  sacri  paiatii 
dei  basso  impero,  veri  legiönarii  gli  addetti  nel  servizio  delle  mi- 
niere imperiali  (2),  Giovenale  puö  usare  la  parola  castra  per  de- 
signare  il  palazzo  imperiale  (3),  ecc.  Ma  senza  indugiarmi  piü  a 
lungo  su  considerazioni  secondarie,  in  Giovanni  Lido  trovo  un 
passo,  al  quäle  non  si-era  finora  posto  mente,  e  che  costituisce 
della  mia  ipotesi  una  piena  conferma :  i  awwvca  ovg  Bixtcoq  6  lato- 
qixoq  iv  la%oQia  %G)v  i^L(pvXi(ov  (pQovfievvaQiovg  olds  ib  nglv.dvo- 
lAaG&rjvcci,  ort  rrjg  tov  naXaviov  sv&rjviccg  €(pQovTi£ov  »  (Jo.  Lyd  , 
tisqI  dcQxäv  *%  cPa>li<xi(*>v  ixoXiTsiag  ed.  Wuensch  Leipzig,  1903, 
p.  92). 

E  allora  possiamo  spiegarci  piü  agevolmente  quel  BurwQiog 
2ccßtvog  Xsyswvog  7VQ(brrjg  Meivegßag  (pQovfxevvaqiog  Abyovtixov  di 
un'iscrizione  di  Eraclea  Pontica  (4). 

0)  Cfr.  Bull,  della  Comm.  Arch.  comunale  1901,  p.  286. 

(2)  Bruzza,  in  Ann.  Ist.,  1870,  p.  130. 

(3)  Sat.  IV,  134. 

(*)  Bull.  Corr.  Hell,  1889,  p.  317. 


320  R.    PARIBENI,    DEI    MILITES    FRUMENTARII    6CC. 

Sieche  a  me  sembra  sufficientemente  provato,  che  almeno  in 
origine  noi  non  dobbiamo  vedere  nei  frumentarii  di  Roma  altro 
che  gli  approvvigionatori  della  corte.  Si  comprende  perö,  come 
presto  gli  imperatori  dovefctero  servirsi  di  loro  per  altri  usi.  II 
loro  girare  per  le  cittä  e  per  le  provincie  a  causa  della  requisi- 
zione  e  degli  acquisti  di  viveri  li  rendeva  atti  a  trasmettere  or- 
dini,  o  a  riportaro  informazioni,  e  in  breve  ebbero  appunto,  pro- 
babilmente  conservando  sempre  le  loro  antiche  funzioni,  l'incarico 
di  corrieri  e  di  spioni,  del  quäle  parlano  cosi  spesso  e  con  tanti 
lamenti  i  classici. 

R.  Paribeni. 


Post    Scriptum. 

Nello  scrivere  il  mio  studio  mi  sfuggirono  tre  iscrizioni  di 
servi  o  liberti  imperiali  che  hanno  relazione  col  servizio  d'approv- 
vigionamento.  Essendo  giä  composto  il  fascicolo,  non  mi  resta,  che 
annetterle  in  fondo. 

C.  /.  L.  VI,  33769  Aur.  Strato  . . .  |  a  f~\rumentis  \  cub[icu- 
lariorum. 

C.I.  L.  VI,  33778  . . .  Augg.  n.  n.  \  a  frument  t . . 

C.  I.  L.  VI,  33795  Antiochus  L  a  fru  .  . . 

Come  si  vede,  sebbene  si  tratti  di  frammentini,  due  di  essi 
hanno  importanza  cronologica.  \1  Aur(eUu$  Strato  della  prima  e 
il  servo  o  liberto  (Aug(ustorum)  n(ostrorum)  della  seconda  mostrano, 
che  contro  quanto  risultava  dall'esame  delle  altre  iscrizioni,  uffici 
relativi  al  servizio  di  vettovagliamento  tra  i  servi  imperiali  figu- 
rano  anche  dopo  Adriano.  Questo  non  infirma  la  mia  tesi  nelle  sue 
conclusioni  piü  generali;  i  frumentarii  ebbero,  e  probabilmente 
proprio  da  Adriano  la  cura  del  vettovagliamento  di  corte  ma  accanto 
a  loro  rimasero  aleuni  servi  e  liberti  imperiali  nel  disimpegno  delle 
stesse  funzioni. 


DEI  GERMINI  CORPORIS  CüSTODES. 


II  numerus  dei  Germani  corporis  custodes  non  potrebbe  a 
rigore  esser  computato  tra  le  milizie  imperiali  di  stanza  a  Roma, 
perche  vera  milizia  non  fu  mai,  ma  sempre  mantenne,  pur  atte- 
nuandolo  verso  gli  Ultimi  anni  della  sua  esistenza,  il  carattere 
di  guardia  privata.  La  storia  di  questo  corpo  puö  perö  conside- 
rarsi  quasi  corae  un'introduzione  a  quello  degli  equites  singulares, 
e  non  manca  quindi  di  una  certa  importanza. 

E  noto,  come  i  generali  romani  oltre  la  loro  cohors  praetoria 
che  era  una  milizia  ufficiale  pubblica,  riconosciuta  e  pagata  dallo 
Stato,  solevano  anche,  almeno  da  Silla  in  poi,  circondarsi  di  una 
guardia  loro  particolare  di  schiavi,  o  di  liberti,  o  di  barbari,  di 
uomini  insomma  che  erano  loro  devoti  per  la  vita  e  per  la  morte. 
Cosi  Cesare  ebbe  una  custodia  Hispanorum  (Suet.  Caes.  86),  De- 
cimo  Bruto  nella  guerra  di  Modena  un  manipolo  di  Celti  (App. 
B.  c.  3,  97)  ecc.  Quest'uso  che  dapprima  era  in  vigore  solo  durante 
una  guerra,  si  perpetuö  poi  anche  in  tempo  di  pace.  Cesare  tor- 
nato  in  Roma  ritenne  ancora  per  un  certo  tempo  la  sua  guardia 
di  Ispani,  e  cosi  gl'imperatori  oltre  alle  coorti  pretorie,  si  circon- 
darono  anche  di  guardie  del  corpo. 

Ma  noi  troviamo  le  guardie  del  corpo  non  per  i  soli  impe- 
ratori,  ma  anche  per  i  membri  della  famiglia  imperiale,  perfino 
per  le  donne  (*)  e  in  questo  caso  piü  che  alle  coorti  dei  generali 
in   campo   si   poträ   riconnettere  l'istituzione   all'uso   invalso   nel 


(»)  Cfr.  custodi  di  Germanico  CLL.  VI,  4337.  4339.  4341.  4344; 
dei  suoi  figli  Nerone  e  Druso,  ibid.  4337.  4342.  4343.  Suetonio  poi  ricorda 
Germani  al  servizio  di  Agrippina  madre  di  Nerone:  Suet.  Nero,  34. 

22 


322  R.    PARIBENI 

torbido  periodo  della  fine  della  repubblica,  di  teuere  presso  di  se 
schiavi  armati  o  gladiatori.  Milone  e  Clodio  erano  circondati  da 
armati  (*),  e  anche  altri  uomini  di  quel  tempo  certo  meno  faziosi 
di  loro,  per  esempio  P.  Plauzio  Ipseo,  e  Q.  Metello  Scipione  can- 
didati  al  consolato  nel  52,  per  loro  sicurezza  avevano  degli  ar- 
mati (2).  Lo  stato  tollerava,  o  non  riusciva  a  impedire.  Quest'uso  durö 
anche  nell'impero,  sebbene  poi  le  famiglie  private  e  per  la  cre- 
sciuta  sicurezza  e  per  la  sospettosa  sorveglianza  del  governo  do- 
vessero  ben  presto  smettere.  Tuttavia  ricaviamo  dalle  iscrizioni,  che 
la  potente  gens  Statuta  nel  primo  secolo  dell'impero  scimmiottando 
la  corte,  come  ebbe  un  anfiteatro,  cosi  si  concesse  il  lusso  di  una 
guardia  del  corpo  (CLL.  VI,  6221.  6229.  6237). 

II  nome  ufficiale  di  questa  guardia  e  corporis  custodes 
(CLL.  VI,  8803  segg.)  spesso  storpiato  in  corpore  custodes 
(C  L  L.  VI,  4340.  4342.  4343.  8810);  siccome  perö  i  componenti 
la  guardia  sono  esclusivamente  Germani,  e  piü  che  altro  Batavi  (3) 
cosi  l'uso  comune  negli  scrittori,  e  non  raro  neppure  nelle  iscri- 
zioni, e  di  chiamarli  Germani  o  Batavi  (4).  La  guardia  rimonta 
alle  origini  dell'impero;  Augusto  aveva  una  guardia  di  Calagur- 
ritani,  che  disciolse  dopo  la  battaglia  d'Azio,  volendo  dar  segno 
di  confidenza  e  d'intenti  pacifici  (5).  Ma  poco  dopo  la  ricostitui, 
componendola  questa  volta  di  Germani  (6).  Svetonio  racconta,  che 
all'annunzio  della  strage  Variana,  l'impressione  dolorosa  nella  cittä 
fu  cosi  grave,  che  Augusto  dovette  porre  dei  presidii  per  la  cittä, 
%  ne  quis  tumultus  exsisteret  *  e  poi  dare  una  soddisfazione  alla 
opinione  pubblica  sciogliendo  la  sua  guardia  Germanica  (Suet. 
Aug.  23). 

Ma  dove  ricomporla  presto,  forse  appena  sopito  il  ricordo  del 
disastro,  perche  ai  primi   giorni  di  Tiberio   la  guardia  esiste   giä 

(l)  Cic.  pro  Milone,  29. 

(*)  Asconio,  com.  in  pro  Milone  ed.  Weidmann.  1875  p.  29  n.  35. 

(3)  II  Mommsen  (Neues  Archiv  VIII,  p.  349)  ha  studiato  nelle  iscri- 
zioni la  nazionalitä  di  queste  guardie,  e  le  ha  trovate  della  Germania  ro- 
mana;  che  perö  la  truppa  si  reclutasse  anche  dalla  Germania  libera,  lo  mo- 
stra  il  fatto  di  Caligola,  che  secondo  Suetonio  avrebbe  intrapreso  la  spedi- 
zione  Germanica  per  fornirsene. 

(*)  Tac.  Ann.  1,  24;  12,  18;  Suet.  Caius,  43,  54. 

(*)  Suet  Aug.  49. 

(•)  Ibid. 


DEI    GERMANI    CORPORIS    CUSTODES  323 

pienamente  costituita  (!)  e  sono  ancora  Germani  quelli  che  la  com- 
pongono  (Tac.  Ann.  1,  24).  Ne  abbiamo  testimonianza  sotto  Cali- 
gola  che  anzi  secondo  Svetonio  avrebbe  intrapresa  la  spedizione 
Germanica  al  solo  scopo  di  rifornirsi  di  guardie  del  corpo  (Suet. 
Caius,  43),  sotto  Claudio  (C.  I.  L.  VI,  8802.  8804  ecc),  sotto  Nerone 
(Suet.  Nero,  34.  Tac.  Ann.  13,  18).  Sappiamo  finalmente,  che  Galba 
in  parte  per  economia,  in  parte  per  sospetto,  soppresse  la  guardia 
(Suet.  Galba,  12).  D'allora  in  poi  non  se  ne  parlö  piü ;  quando  Tacito 
scriveva,  al  tempo  di  Traiano,  certo  non  esisteva  (2).  Fu  questione,  se 
di  loro  volesse  intendere  Erodiano,  quando  parlö  di  cavalieri  Germani 
al  seguito  dell'imp.  Caracalla  (Herod.  4,  13),  ma  molto  probabil- 
lnente  con  ogni  ragione  il  Mommsen  riconosce  in  quei  cavalieri 
gli  equites  singulare?,  anche  essi  in  gran  parte  Germani  (3). 

Quanto  alla  costituzione  del  corpo  questi  Germani  non  sono 
veri  soldati;  gli  scrittori  distinguono  con  cura  i  Germani  dai 
müiies  (4).  Gli  scrittori  moderni  (5)  trattando  incidentalmente  di 
questa  esigua  milizia,  1'  hanno  ritenuta  composta  di  schiavi,  solo  il 
Mommsen  notö,  che  vi  erano  anche  dei  liberti. 

Un  esame  piü  accurato  delle  poche  iscrizioni  rimasteci  (ventitre 
in  tutto)  pud  gettar  nuova  luce  sulla  loro  condizione  civile.  Tranne 
due  iscrizioni  isolate,  una  romana  (C.  VI,  4305),  l'altra  di  Centum- 
cellae  (C.  L  L.  XI,  3526),  i  documenti  dei  Germani  si  possono 
dividere  in  due  gruppi  ben  distinti  topograficamente  e  cronolo- 
gicamente.  II  primo  gruppo  e  uscito  da  un  sepolcreto  tra  la  via  Appia 
e  la  Latina,  appartiene  al  regno  di  Tiberio,  e  vi  e  ricordato  1'  im- 
peratore  stesso,  e  i  figli  di  Germanico  (C.  I.  L.  VI,  4334  e  4337  — 

(')  Non  mi  pare  molto  attendibile  l'ipotesi  del  Jullian  (Bull.  Epigra- 
phique  de  la  Gaule,  III  p.  61)  che  cioe  della  guardia  siano  stati  licenziati  solo 
i  Cherusci  causa  del  disastro.  Si  oppone  il  testo,  e  anche  la  convenienza; 
Roma  in  quei  giorni  aveva  in  odio  tutti  i  Germani,  e  non  andava  a  badare, 
se  i  rimasti  nella  guardia  fossero  Batavi  o  Frisoni. 

(2)  Ann.  1-24. 

(3)  Mommsen  in  Hermes,  XVI,  p.  459,  nota  4. 

(4)  Tac.  Ann.  13, 18:  excubias  militares  et  Germanos;  15,58:  pedites 
equitesque  permixti  Germanis;  Suet.  Nero  34:  abducta  militum  et  Germa- 
norum  statione;  Tac.  Ann.  1,  24:  equites  praetoriani  et  robora  Germa- 
norum. 

(5)  Henzen  in  Ann.  Ist.  1850  p.  14.  Jullian  1.  c;  Marquardt.  Staatsverw. 
II  p.  471 ;  Mommsen  1.  c. 


324  R.    PARIBEM 

4345).  II  secondo  gruppo  trovato  nella  vigna  Ginnetti  e  in  villa 
Pamfili  lungo  la  via  Aurelia  comprende  delle  epigrafi  del  tempo 
di  Claudio  e  del  tempo  di  Nerone  (C.  L  L.  VI,  8802-8812). 

Ora  le  differenze  tra  i  due  gmppi  d'  iscrizioni,  sebbene  non  siano 
state  rilevate,  mi  sembrano  tuttavia  molto  notevoli.  Le  iscrizioni 
del  primo  gruppo  furono  trovate  insieme  a  raolte  altre  di  schiayi  e 
liberti  imperiali;  sono  poveri  titoletti  che  danno  semplicemente  il 
nonie  del  defanto,  e  una  qualifica  della  sua  occupazione  nella  casa 
imperiale.  I  Germani  hanno  sempre  un  nome  solo  «  Bassus  Tiberii 
Germanici  Germanus  «  (GL  L.  VI,  4338),  ■  Macer  Tiberii 
Germanici  Germanus  corpore  custos  ■  (GL  L.  VI,  4340  ecc). 
Alcuni  aggiungono  anche  il  cognome  Germanicianus  che  e  evi- 
dentemente  la  designazione  del  padrone  precedente,  secondo  l'uso 
dei  nomi  servili.  Sieche  mi  sembra,  che  senza  dubbio  nel  prin- 
cipio  dell'  impero,  al  quäl  tempo  si  riferiscono  queste  iscrizioni,  i 
corporis  custodes  erano  degli  schiavi.  E  questo  e  confermato  dalla 
notizia  di  Svetonio,  che  Caligola  pose  loro  a  capo  dei  gladiatori  (]). 

AI  contrario  le  iscrizioni  del  secondo  gruppo  non  furono  tro- 
vate insieme  a  titoli  di  schiavi,  ne  presentano  la  meschina  bre- 
vitä  che  abbiamo  notato  nelle  prime.  Quelle  due  che  sono  esposte 
tuttora  ai  lati  della  entrata  di  vigna  Ginnetti  in  via  delle  For- 
naci.  sono  lunghe,  di  bei  carattere,  ed  assumono  quasi  le  propor- 
zioni  di  modesti  elogi  fimebri. 

Inoltre  troviamo  non  solo  la  qualifica  di  Germanus  e  Ger- 
manus corporis  custos  ma  anche  quella  di  miles  o  la  formola 
militavit  annos  tot  (C.  L.  Z.  VI,  8806.  8808).  Accanto  ai  soldati 
con  un  solo  cognome,  come  nel  primo  gruppo,  abbiamo  quattro 
liberti  (C.LL.VI,  4305.  8803.  8811)  e  avendoci  il  caso  conser- 
vato  tanto  nel  primo  che  nel  secondo  gruppo  una  lapide  di  un  decu- 
rione,  vediamo,  che  il  primo  e  uno  schiavo,  il  secondo  e  un  liberto  (2). 
Ma  v'  e  di  meglio ;  queste  seconde  iscrizioni  parlano  di  un  colle- 
gium  Germanorum  (3)  e  sono  sempre  poste  a  cura  di  uno  o  piü  eredi. 

(*)  Threces  quosdam  Germanis  corporis  custodibus  praeposuit  Suet. 
Caius,  58. 

(8)  C.  VI,  4345  Proculus  decurio  Germanorum;  G.  VI,  8811:  Ti{berio) 
Claudio  Aug(usti)  lib(erto)  Ducto  dec(urioni)  Germanorum. 

(8)  II  cur-ator  Germanorum  che  ci  e  dato  dall1  iscrizione  C.  VI,  4305, 
e  probabilmente  un  ufficiale  del  loro  collegio. 


DEI  germani  corporis  custodes  325 

Ora  tutto  questo  viene  a  mostrare,  che  la  condizioae  di  questa 
gente  e  rnigliorata ;  probabilrnente  gl'  iniperatori,  per  averli  piü 
fedeli,  hanno  largheggiato  con  loro  in  favori.  Forse  piü  benevolo 
di  tutti  si  sarä  mostrato  Caligola,  che  sappiamo  dagli  storici, 
per  le  sue  liberalitä  fu  singolarrnente  amato  dai  suoi  Ger- 
mani, i  quali  alla  sua  morte,  ebbri  di  furore,  tentarono  di  vendi- 
carlo  (1).  E  quali  saranno  stati  questi  favori?  Un  uomo  che  si  dice 
miles,  che  dispone  per  testamento  dei  propri  beni,  non  puö  essere 
uno  schiavo  (2)  e  se  questi  soldati  hanno  im  solo  nome,  questo 
prova  unicamente,  che  essi  non  sono  cittadini  romani.  Non  e  ve- 
rosimile,  che  si  cercasse  di  dare  a  questi  peregrini  che  dovevano 
vivere  a  Roma  dei  nomi  meno  barbari  dei  loro  propri,  dei  nomi 
Romani,  ma  che  nell'istesso  tempo  non  li  facessero  credere  citta- 
dini? E  si  noti,  che  i  loro  nomi  sebbene  isolati  non  sono  perfr 
da  schiavi,  abbiamo  NobilisJ  Severus,  Baebius,  Paetinus,  Postu- 
mus  (C.  L  L.  VI,  8802.  8812).  Ma  un  altro  argomento  piü  forte 
in  fayore  della  mia  ipotesi  e  dato  dalle  parole  di  Svetonio  con  cui 
dice,  che  Galba  «  Germanorum  cohortem  dissolvil,  ac  sine  com- 
modo  ullo  remisit  in  palriam  ■  (Suet.  Galba  12). 

Ora  una  famiglia  di  schiavi  non  si  rimanda  al  proprio  paese, 
anche  volendo  disciogliere  la  guardia,  i  componenti  potevano  essere 
adoperati  o  ad  altri  usi,  o  anche  venduti,  ma  non  rimandati  in 
patria,  e  sarebbe  inconcepibile  la  maraviglia  dello  scrittore  per 
questo  congedo,  sine  commodo  ullo,  quasi  che  non  fosse  giä  gran- 
dissimo    beneficio  il  rimandarli  a  casa,   restituendoli  alla  libertä. 

Sieche  da  tutti  questi  fatti  mi  sembra  di  poter  concludere, 
che  questa  guardia,  prima  privatissima  e  composta  di  soli  schiavi, 
fu  poi  formata  di  barbari  non  aventi  cittadinanza  romana,  ma  li- 
beri,  sinche  dopo  qualche  interruzione,  quando  si  alfermö  sempre 
piü  l'idea  monarchica,  si  mutö  nella  milizia  dei  tutto  pubblica 
degli  equites  singulares. 

Non  sappiamo,  quäle  nome  ufficiale  avesse  l'intero  corpo,  sep- 
pure  ne  aveva  uno ;  gli  autori  lo  chiamano  con  nomi  diversi,  ma 

(l)  los.  Flav.  Ant.  lud.  XIX,  15. 

(8)  II  Jullian  (1.  c.)  sostiene  di  si,  ricordando  che  Plinio  in  una  sua 
lettera  (Fpist.  VIII,  10)  dice,  che  egli  permette  ai  propri  schiavi  il  piü 
largo  uso  dei  proprio  peculio;  ma  si  capisce  bene,  che  questa  e  l'eccezione 
e  non  la  regola. 


326  R.    PARIBENI 

sempre  piü  o  nieno  impropri  cohors,  numerus,  manus.  Non  sono 
divisi  in  centurie;  ma  essendosi  sin  da  principio  praticata  la  di- 
visione  in  decurie,  conie  si  soleva  fare  nelle  famüiae  molto  nu- 
merose  di  schiavi,  si  continuö  anche  piü  tardi  in  questo  sistema. 
II  comandante  della  intera  guardia  e  da  Giuseppe  Flavio  chiamato 
xdiccQx&v  nome  ehe  corrisponde  al  latino  tribunus  (])  ma  proba- 
bilmente  si  tratta  di  un  nome  convenzionale  e  dato  impropriamente. 
Questo  comandante  non  yiene  dall'  esercito  regolare,  e  scelto  pro- 
babilmente  a  Capriccio  dell'  imperatore  ;  difatti  Caligola  prepone 
dei  gladiatori  (Suet.  Caius,  58)  e  anche  Sabino  il  xihaQx&v  ricor- 
dato  da  Giuseppe  e  un  gladiatore. 

Ogni  decuria  era  comandata  da  un  decurio  (2);  abbiamo  di 
loro  parecchi  nomi,  perche  nell'epigrafe  di  ciascuna  guardia  e  ag- 
giunto  il  nome  del  rispettivo  decurione;  inoltre  due  delle  nostre 
iscrizioni  sono  epitafii  propriamente  di  decurioni.  Una  appartiene 
al  primo  gruppo,  e  offre  1'  immagine  di  una  iscrizione  di  schiavo 
molto  semplice  e  povera  Proculus  decurio  Germanorum  Tib(erii) 
Germanici  {C.  I.  L.  VI,  4345);  l'altra  invece  del  secondo  gruppo 
ci  da  un  liberto,  e  piü  ricca,  ed  era  incisa  secondo  lo  Smezio  ■  in 
urna  marmorea  elegantissima  »   (C  1.  L.  VI,  8811). 

Quante  decurie  componessero  il  corpo  non  possiamo  sapere ; 
nelle  undici  iscrizioni  di  vigna  Ginnetti  che  su  per  giü  sono  di 
una  stessa  etä  (Claudio  e  Nerone)  troviamo  i  nomi  di  otto  decu- 
rioni; se  ogni  decuria  fosse  composta  di  diecr"  uoinini  si  potrebbe 
pensare  a  un  centinaio  di  custodes  divisi  in  dieci  decurie ;  cfr.  C.  I.  L. 
VI,  8802,  8812. 

II  collegium  Germanorum  ricordato  nelle  iscrizioni  del  se- 
condo gruppo  e  un  collegio  funeraticio,  come  giä  dicemmo,  e  un 
ufficiale  di  questo  collegio  e  il  curator  Germanorum  dell'iscri- 
zione  C.  L  L.  VI,  4305. 


0)  Ant.  lud.  19-15,  122. 

(2)  Non  credo  esatto  quel  che  dice  il  Jullian  (1.  c),  che  la  divisione  in  de- 
curie era  praticata  solo  in  quanto  i  Germani  formavano  un  collegio  funeraticio; 
mi  sembra  piü  probabile,  che  la  divisione  abbia  avuto,  per  cosi  dire,  un  va- 
lore  tattico,  e  abbia  servito  alla  distribuzione  del  servizio.  Infatti  Tiscrizione, 
C.  I.  L.  VI,  4345  che  appartiene  al  primo  gruppo  per  il  quäle  non  abbiamo 
ricordi  di  collegio,  nomina  un  decurio. 


DEI    GERMANI    CORPORIS    CUSTODES  327 

E  probabile,  che  almeno  alcuni  di  questi  Gerrnani  servissero 
a  cavallo;  oltre  il  fatto  di  trovarli  spesso  scelti  tra  i  Batavi, 
cavalieri  abilissimi,  lo  prova  l'iscrizione  C.  L  L.  VI,  4334:  Fe- 
lix Tiberii  Claudii  Germanici  eques.  Tra  le  iscrizioni  degli 
uomini  di  truppa  e  interessantissima  quella  trovata  a  Civitavec- 
chia  (Not.  scavi  1877,  123  =  C.  I.  L.  XI-3526) :  D(is)  M(anibus) 
C.  Caecilio  Volenti  mü(üi)  cl(assis)  pr(aeloriae)  Misen(atium) 
triere  Salamina  milit(avit)  ann(os)  VIII  vix(it)  ann(os)  XXXI. 
C.  Lucilius  Valens  corporis)  custos  f(ecit)  b(ene)  m(erenti). 
Vi  troviamo  dunque  un  corporis  custos  che  ha  nome  C.  Luci- 
lius Valens ;  non  si  puö  credere,  che  egli  sia  un  ingenuo,  sarä  un 
liberto,  ma  e  molto  notevole,  che  non  solo  i  liberti  imperiali 
dei  quali  ho  giä  segnalati  quattro  (C.  I.  L.  VI,4305.  8803,  8811, 
cfr.  sopra  pag.  323)  ma  anche  i  liberti  di  altre  famiglie  pren- 
devano  servizio  nella  guardia  imperiale.  Non  ho  potuto  trarre  pro- 
titto  di  questa  importante  iscrizione,  lä  dove  ho  parlato  delle  con- 
dizioni  civili  dei  Gerrnani,  mancandoci  qualunque  notizia  sicura 
sull'etä  dei  dbcumento. 

L'ufficio  di  questi  custodes  corporis  doveva  essere  di  non 
abbandonare  mai  l'imperatore,  tanto  in  pace  e  dentro  il  suo  pa- 
lazzo,  che  in  guerra,  dove  pure  lo  accompagnavano  (Suet.  Caius,  43). 
Giä  degli  Ispani  di  Cesare  sappiamo,  che  lo  seguivano  dovunque 
con  le  spade  sguainate  (Suet.  Caes.  86).  L'episodio  narratoci  da 
Tacito,  che  il  senatore  Q.  Aterio  entrato  nel  Palatium  per  salu- 
tare  Tiberio,  corse  rischio  di  essere  ucciso  a  militibus,  perche  per 
caso  aveva  fatto  incespicare  l'imperatore  (Tac.  Ann.  1,  13)  meglio 
che  ad  altri  si  puö  ascrivere  a  questi  Gerrnani,  e  ci  manifesta 
bene  il  loro  attaccamento '  e  la  loro  fedeltä  selvaggia. 

Abolita  la  guardia  da  Galba,  finche  da  Traiano  o  da  uno  dei 
Flavii  non  furono  istituiti  gli  equites  singulares,  non  si  sa  con 
certezza,  come  gli  imperatori  abbiano  provveduto  alla  propria  sicu- 
rezza  personale,  ma  vista  la  gran  parte  che  alla  battaglia  di  Be- 
briaco  prendono  i  gladiatori  di  Otone  (l)  si  puö  supporre,  che  questi 
fossero  i  nuovi  corporis  custodes. 

Un  altro  problema  resterebbe,  quello  topografico  della  sta- 
zione  di  questi  Gerrnani,  a  risolvere  il  quäle  ci  invoglia,  ma  non 

(»)  Plut.  Otho,  10,  12. 


328  R.    PARIBENI 

ci  aiuta  un  passo  di  Svetonio.  Dice  egli,  che  Galba  disciolse  la 
guardia,  perche  la  ritenne  segretamente  legata  a  Cornelio  Dolabella 
«  iuxta  cuius  hortos  tendebant  ■ .  Anzitutto  la  parola  tendere 
ci  permette  di  credere,  che  i  Germani  alloggiassero  entro  un  edi- 
ficio,  o  ci  obbliga  a  ritenere,  che  essi  fossero  semplicemente  accam- 
pati?  In  secondo  luogo  dov'erano  questi  horti  Dolabellae?  II  per- 
sonaggio  e  noto,  e  il  figlio  o  il  nipote  del  console  dell'anno  10 
P.  Cornelio  Dolabella  ricordato  col  collega  Silano  nell'iscrizione 
dell'arco  sul  Celio.  I  sospetti  di  Galba  non  erano  forse  del  tutto 
infondati,  perche  anche  Otone  non  si  fidö  troppo  di  lui,  e  lo  cacciö 
in  esilio,  e  Vitellio,  dubitando,  che  egli  volesse  temptare  cohor- 
tem  quae  Ostiae  ageret  (coorte  di  vigili  forse)  lo  fece  uccidere  (l). 
Probabilmente  i  suoi  horti  saranno  stati  allora  confiscati,  e  se  noi 
riuscissimo  a  stabilire,  quali  alterazioni  subi  la  proprietä  impe- 
riale urbana  tra  Vitellio  e  Vespasiano,  potremmo  forse  sperare  di 
risolvere  il  problema.  A  me  non  e  riuscito  di  trovar  nulla  in 
proposito;  il  prof.  Hülsen  perö  ebbe  a  manifestarmi  l'idea,  che 
alrneno  per  il  tempo  in  cui  i  Germani  avevano  il  loro  sepolcreto 
sulla  via  Aurelia,  la  loro  stazione  potesse  essere  in  Trastevere.  Si 
costituirebbe  un  parallelo  con  quello  che  vediamo  per  i  classiarii 
Ravennates,  le  cui  castra  erano  presso  S.  Maria  in  Trastevere  (2) 
e  il  cui  sepolcreto  e  pure  sull' Aurelia  in  villa  Pamphili  (3).  Ana-, 
logie  nelle  rispettive  posizioni  delle  caserme  e  dei  sepolcreti  si 
possono  osservare  anche  per  altri  soldati,  nel  senso,  che  i  sepolcreti 
non  sembra  dovessero  essere  in  regioni  del  tutto  staccate  dalle 
caserme.  Cosi  i  pretoriani  erano  sepolti  principalmente  nella  vasta 
necropoli  tra  la  via  Nomentana  e  la  Salaria  (4),  gli  equites  sin- 
gulares  sulla  via  Labicana  ad  duas  lauros  non  lungi  dai  loro  castra 
di  S.  Giovanni  e  di  via  Tasso  (5).  II  Trastevere  sarebbe  stato  in 
tal  modo  presidiato  anche  dai  Germani  oltre  che  dai  Ravennates 


l1)  Tac.  Hist.  2-63. 

(a)  Richter  Topographie  der  Stadt  Rom2  p.  275. 

(3)  G.  I.  L.  VI  p.  762. 

(*)  -Cfr.  C.  I.  L.  VI  p.  672  seg.  e  per  le  scoperte  degli  ultimi  anni  Not. 
Scavi  dal  1896  ad  oggi. 

(5)  Lanciani  in  Bull.  Com.  1885-137,  cfr.  C.  I.  L.  VI  p.  766  seg.;  Bull. 
Crist.  1898  p,  192. 


DEI    GERMANI    CORPORIS    CUSTODES  329 

e  dalla  settima  coorte  dei  vigili  (1).  Non  si  puö  pensare  perö,  che 
gli  alloggiamenti  dei  Germani  possano  essere  stäti  molto  lontani 
dal  palazzo  imperiale;  quindi  le  maggiori  probabilitä  sono  per  i 
tratti  dei  Trastevere  incontro  al  Palatino  e  all'Aventino,  dietro 
forse  le  horrea  delle  rive  dei  fiume,  dove  l'esistenza  degli  horti 
Caesaris  ci  puö  far  ammettere  nel  primo  secolo  dell'impero  anche 
altri  giardini  tra  i  quali  quelli  di  Dolabella. 

K.  Paribeni. 


(l)  De  Rossi  in  Ann.  Ist.  1858  p.  295  cfr.  per  Pescubitorio  Richter  To- 
pographie* p.  274. 


EINE  HERSTELLUNG 

DER  GRUPPE  DER   TYRANNENMÖRDER 

{Tafel  XI). 


Wenn  man  die  in  der  letzten  Zeit  sich  häufenden,  aber  weit 
auseinandergehenden  Ausführungen  über  die  Herstellung  der  Gruppe 
der  Tyrannenmörder  (l)  überschaut,  so  versteht  man  wohl,  wie  selbst 
noch  Koepp  (2)  erklären  kann,  dass  sich  diese  Frage  wissenschaft- 
licher Feststellung  entzöge.  Aber  die  Aufgabe,  ein  so  wichtiges 
Kunstwerk,  die  erste  wirkliche  Gruppe  der  griechischen  Plastik, 
wiederherzustellen,  ist  doch  zu  verlockend,  und  der  Mut,  sich  an 
ihre  Lösung  zu  wagen,  kann  auch  nur  steigen,  sobald  man  erkennt, 
dass  die  Zahl  der  denkbaren  Möglichkeiten  sofort  zusammen- 
schrumpft, wenn  man  die  z.  T.  ganz  unbegreiflichen  Fehler  wer- 
meidet,  die  hüben  und  drüben  gemacht  sind.  So  hatte  —  um  hier 
zunächst  nur  einen  zu  erwähnen  —  Friederichs  1859  in  seinem 
grundlegenden   Aufsatze   über  die  Neapler  Figuren  (3),   vielleicht 

(1)  Es  kommen  besonders  in  Betracht  ausser  den  älteren  Arbeiten  von 
Overbeck  (Verhandlungen  der  XXVII.  Philologen-Versammlung  in  Kiel 
1869,  37  ff.  Geschichte  der  griechischen  Plastik  I4  156.  Verhandlungen  der 
sächs.  Gesellsch.  der  Wissensch.  Philol.  Histor.  Kl.  XLIV,  1892,  34  ff.)  und 
Petersen  (Archäologisch-epigraphische  Mitteilungen  aus  Oesterreich  III,  1879, 
73  ff.) :  Sauer,  Die  Anfänge  der  statuarischen  Gruppe  43  ff.  und  Römische 
Mitteilungen  XV  (1900)  219  ff.  —  Petersen  ebda.  XVI  (1901)  97  ff.  —  Michaelis, 
Festgabe  f.  d.  aich.  Section  d.  XL  VI.  Philologen-Versammlung  1901  in  Strass- 
burg  24  f.  —  Hauser,  Römische  Mitteilungen  XIX  (1904)  163  ff.  —  Die  Behand- 
lung, die  die  Gruppe  in  Kleins  Geschichte  der  Griech.  Kunst  I  376  ge- 
funden hat,  bedeutet  einen  unverständlichen  Missgriff. 

(2)  Neue  Jahrb.  für  das  klass.  Altert.  IX  1902  620  Anm.  2.  Vergl.  auch 
Curtius'  Worte  (Hermes  XV,  1880,  149):  «Wo  giebt  es  eine  Doppelgruppe 
antiker  Plastik,  mit  deren  Elementen  man  so  hin  und  her  probieren  kann, 
ohne  irgendwie  ein  harmonisches  Ganze  herzustellen  ?  n 

(8)  Arch.  Zeitung.  XVII  (1859)65. 


EINE    HERSTELLUNG    DER    GRUPPE    DER    TYRANNENMÖRDER  331  * 

durch  die  hässlichen  Ergänzungen  des  Aristogeiton  getäuscht,  aus- 
geführt, dass  dieser  nur  in  der  Rolle  des  Sekundanten  dargestellt 
sei,  und  das  hatte  Overbeck  1869  aufgegriffen,  aber  nun  auch  aus 
Thukydides  (VI  54  ff)  heraus-  oder  vielmehr  in  ihn  hineingelesen 
und  selbst  noch  in  seiner  letzten  Besprechung  der  Frage  (1892) 
festgehalten.  Bei  Thukydides  steht  aber  klar  und  deutlich  zu  lesen, 
dass  die  beiden  Freunde  ganz  gleichmässig  ergrimmt  waren,  dass 
sie  im  Augenblick,  da  sie  sich  an  Hippias  verraten  glauben,  so 
wie  sie  stehen  und  gehen,  zusammen  ins  Toi  laufen,  in  gleicher 
Hast  über  den  Gegner  herfallen  und  die  Ermordung  gemeinsam 
ausführen,  keineswegs  aber  so,  dass  etwa  Harmodios  den  Todes- 
streich führt  und  Aristogeiton  ihm  dabei  nur  behülflich  ist  (1). 
Und  wenn  man  mit  Recht  geltend  macht,  dass  auch  Thukydides 
durch  hundert  Jahre  von  dem  Ereigniss  getrennt  war  und  vielleicht 
nicht  unbedingt  zuverlässiges  berichten  konnte,  so  tritt  dafür  das 
Epigramm  des  Simonides  ein,  das  Hauser  jetzt  mit  Recht  als 
Unterschrift  für  die  Gruppe  erklärt,  also  ein  Zeugnis,  das  mit 
dieser  gleichzeitig  ist.  Denn  wenn  in  den  Skolien,  und  dann  im 
Anschluss  an  sie  meist  auch  sonst,  Harmodios  an  erster  Stelle 
genannt  wird,  so  hat  das  lediglich  metrische  Gründe  —  auf  andere 
Weise  fügen  sich  eben  die  beiden  Namen  nicht  in  das  Versmass  — 
und  wird  durch  das  Epigramm  wieder  aufgehoben,  das  genau  aus 
demselben  Grunde  den  Aristogeiton  voranstellt  (2),  ja  das  xtsTvs  die- 
sem beifügt,  dagegen  den  Harmodios  scheinbar  nur  lose  anschliesst 
und  wenn  ferner  ein  Skolion  nur  den  Harmodios  erwähnt  und  ihm 
gleich  Achilleus  ein  Weiterleben  in  den  Gefilden  der  Seligen 
nachsagt,  so  könnte  man  diese  Bevorzugung  auf  seinen  Tod  in 
jungen  Jahren  zurückführen,  braucht  es  aber  nicht  einmal  zu  tun, 
da  Aristophanes  (Lysistr.  633  f.)  wiederum  den  älteren  Freund 
allein  nennt.  Man  sieht  also,  die 'literarische  Ueberlieferung  bietet 
keinen  Anhalt,  dem  einen  eine  bedeutendere  Rolle  zu  geben,  als 
dem  anderen ;  aber  ebenso  wenig  auch  die  plastische  Gruppe.  Wird 
das  auch  erst  im  weiteren  Verlaufe  der  Untersuchung  hervortreten, 


(*)  VI  56,  2  sagt  Thukydides  sogar  xa^enG>s  Ä  ivsyxovtog  roC  'Jq/uo- 
Slov  tioXXq  $t)  uakXov  SC  ixetvovxai  ö  ÜQiaroyeitcoy  nctQwZvvexo. 

(2)  Etwas  anderes  sagt  auch  Aristoteles  in  der  noXitela  Kap.  XVIII 
nicht.  Auch  Herodot  stellt  einmal  (V  55)  Aristogeiton  voran. 


332  P.    J.    MEIER 

so  mag  doch  schon  hier  bemerkt  werden,  dass,  wenn  der  Anteil 
der  Freunde  an  der  Ermordung  des  Hipparch  ein  ungleicher  gewesen 
wäre,  ihnen  doch  kaum  die  gleichen  Ehren  erwiesen  worden  wären, 
und  ist  nicht  auch  die  für  jene  Zeit  ganz  ausserordentliche 
Schwierigkeit,  die  dem  Bildhauer  gestellt  wurde,  zwei  Figuren 
zu  einer  geschlossenen  künstlerischen  Gruppe  zu  vereinigen,  Beweis 
genug  für  den  hervorragenden  Anteil,  den  auch  Aristogeiton  an  der 
Tat  hatte? 

Aehnliche  Fehler  sind  aber  auch  sonst  bei  dem  Bemühen,  die 
Gruppe  herzustellen,  gemacht  worden,  und  doch  hat  mich  der  ei- 
gene Versuch,  den  ich  vor  3  Jahren  an  den  Gipsen  des  herzogl. 
Museums  in  Braunschweig  anstellte  (*),  gelehrt,  dass  es  nur  darauf 
ankommt,  den  richtigen  Ausgangspunkt  zu  gewinnen,  um  von  ihm 
aus  in  streng  logischer  Folge  ans  Ziel  zu  gelangen,  an  ein  Ziel 
allerdings,  das  in  allem  wesentlichen  schon  längst  erreicht,  dann 
aber  wieder  vielfach  aus  den  Augen  verloren  war  und  daher  noch 
einmal  von  neuem  gesteckt  werden  musste. 

Wer  die  Gruppe  herstellen  will,  muss  die  Arbeit  bei  den 
Eii^elfiguren  beginnen.  Bei  der.  Figur  des  Harmodios  steht  die 
Sache  noch  verhältnismässig  gut;  hier  ist  vor  allem  der  pracht- 
volle Kopf  erhalten  und  die  an  sich  falsche  Ergänzung  der  Arme 
konnte  doch  nicht  vollständig  die  Wucht  und  die  Leidenschaft  der 
hochgewölbten  herrlichen  Brust  vernichten.  Anders  beim  Aristo- 
geiton. Die  Bewegung  des  Vorwärtsstürmens  selbst  ist  freilich 
nie  gestört  gewesen,  da  Rumpf  und  Beine  nicht  beschädigt  sind, 
aber  im  übrigen  wäre  es  wirklich  schwer,  eine  Ergänzung  ausfindig 
zu  machen,  die  die  Wirkung  der  Figur  noch  mehr  verdorben  hätte, 
als  es  jetzt  schon  der  Fall  ist.  Dabei  hätte  der  antike,  aber  aus 
dem  Ganzen  herausfallende  Kopf  Lysippischen  Stils,  den  man  ihr 
im  Original  aufgesetzt  hat,  noch  nicht  einmal  soviel  Unheil  an- 
gerichtet, wenn  man  nicht  bei  der  Herstellung  auch  dessen  Hals 
mit  seiner,  für  die  archaische  Figur  unpassenden  Drehung  und 
Neigung   verwendet   hätte,   die   die    einseitige,    aber   im  höchsten 

(*)  Die  Ausführung  lag  in  den  Händen  des  Bildhauers  E.  Kircheisen 
in  Braunschweig,  der  sich  der  Arbeit  mit  grösstem  Interesse  und  nicht  gerin- 
gerem Geschick  annahm.  Mir  standen  aber  auch  beständig  ratend  und  helfend 
meine  beiden  Kollegen,  der  Bildhauer  Karl  Echtermeier  und  der  Architekt 
Hermann  Pfeifer,  in  liebenswürdigster  Weise  bei. 


EINE    HERSTELLUNG    DER    GRUPPE    DER    TYRANNENMÖRDER  333 

Masse  kraftvolle  Bewegung  der  Figur  nahezu  aufhob.  Selbst  der 
zuerst  durch  Treu  an  den  Berliner  Abgüssen  gemachte  Versuch, 
an  die  Stelle  des  Lysippischen  Kopfes  den  Madrider  Pherekydes- 
kopf  zu  setzen,  der  jetzt  wirklich,  wie  mir  scheint,  als  der  fehlende 
Aristogeitonkopf  durch  Hauser  nachgewiesen  ist,  hat  mehr  Schaden 
als  Nutzen  gestiftet,  weil  hierbei  das  falsche  Aufsitzen  des  ersten 
beibehalten  wurde,  das  aber  bei  den  archaischen  Formen  des  Ma- 
drider Kopfes  noch  erheblich  störender  wirkte.  Und  doch  brauchte 
man  nur  den  Hals  des  Harrriodios  im  Gegensinne  und  mit  den  ge- 
ringen Aenderungen,  die  die  verschiedene  Haltung  der  Arme  forderte, 
auf  den  Aristogeiton  zu  übertragen,  so  sass  der  Kopf  richtig. 

Das  Weichliche  und  Schlaffe,  das  der  bärtige  Kopf  in  seiner 
verkehrten  Stellung  bot,  fand  nun  aber  sein  würdiges  Gegenstück 
in  der  Haltung  der  Arme;  der  rechte  vor  allem  ist  am  Neapler 
Original  nicht  viel  anders  als  eine  unorganische  Masse  gestaltet, 
die  an  den  erhaltenen  Armstumpf  angehängt  wurde  und  nun  von 
dort  leblos,  als  gehörte  sie  nicht  zu  dem  stürmisch  bewegten  Körper, 
herabhieng.  In  dieser  Herstellung  musste  Aristogeiton  in  der  Tat 
den  Eindruck  machen,  als  ob  er  nur  dem  Freunde  im  Falle  der 
Not  eine  noch  dazu  fragwürdige  Hülfe  gewähren  wollte;  aber  es 
lässt  sich  aus  der  Figur  ein  ebenso  überzeugender  Beweis,  wie  aus 
den  Zeugnissen  der  Schriftsteller,  führen,  dass  auch  der  ältere  Freund 
entscheidend  bei  dem  Ueberfall  eingreifen  sollte.  Petersen  macht  mit 
Kecht  darauf  aufmerksam,  dass  auf  dem  Würzburger  Stamnos  und  auf 
der  ähnlichen  Vase  aus  Gela,  die  beide  unter  dem  Einflüsse  der 
Gruppe  stehen,  grade  Aristogeiton  den  ersten  Stoss  führt.  Auch  auf 
der  Münze  von  Kyzikos  und  auf  der  Lekythos  sieht  dieser  nicht  aus, 
als  wollte  er  sich  mit  einer  Nebenrolle  begnügen.  Das  ist  aber  vol- 
lends ausgeschlossen,  wenn  man  sich  die  Neapler  Figur  selbst  ge- 
nauer ansieht. 

Die  erhaltene  rechte  Schulter  ist  nämlich  soweit  zurückge- 
nommen, dass  die  Brust  des  Aristogeiton,  zum  mindesten  auf  dieser 
Seite,  nicht  weniger  gewaltsam  herausgewölbt  ist,  wie  die  des.  Har- 
modips,  und  wenn  hier,  wie  wir  sehen  werden,  .auch  noch  ein  an- 
derer Umstand  mitgewirkt  hat,  so  lässt  sich  jene  Haltung  docli 
auch  nicht  ohne  die  Annahme  erklären,  dass  der  rechte  Arm  zum 
kräftigen  Stosse  ausholte,  und  die  vollständige  Symmetrie  der  beiden 
Figuren   somit  auch   an  dieser  Stelle  hervortrat.   Aristogeiton  ist 


334  P.    J.    MEIER 

gleich  Harmodios  in  machtvoller  Ausfallstellung  gegeben ;  nur  setzt 
der  eine  den  rechten,  der  andere  den  linken  Fuss  vor,  und  dem 
entspricht  es  auch,  wenn  beide  in  dem  Augenblick  dargestellt 
sind,  wo  die  Waffe  den  Gegner  treffen  soll,  aber  der  eine  den  Arm 
zum  Schlag  erhebt,  der  andere  ihn  zum  Stosse  zurücknimmt,  ein 
wichtiger  Umstand,  der  bisher  nicht  beachtet  worden  ist  und 
der  doch  in  voller  Uebereinstimmung  mit  den  Schriftzeugnissen 
steht. 

Die  matte  und  flaue  Bewegung  aber,  die  Aristogeiton  so  in 
der  fehlerhaft  ergänzten  Neapler  Figur  bot,  wurde  weiter  noch 
durch  den  linken  Arm  mit  dem  Gewände  gesteigert.  Es  ist  ganz 
richtig  betont  worden,  dass  diese  Teile  der  Statue  im  wesentlichen 
alt  sind.  Nun  bemerkt  man  aber  auf  den  Photographien,  was  bisher 
gleichfalls  übersehen  zu  sein  scheint,  dass  der  oberste  Teil  des 
Gewandes  mit  dem  darunter  liegenden  Arm,  also  auffallenderweise 
grade  dessen  widerstandsfähigster  Teil,  wie  die  an  beiden  Seiten 
entlang  laufende  Fuge  erkennen  lässt,  aufgesetzt  ist;  aber  es  handelt 
sich  hier  nicht  um  einen  völlig  neuen  Ersatz,  sondern  man  hatte 
ohne  Zweifel  die  antike  stark  bestossene  Oberfläche  der  Länge 
nach  abgesägt,  um  sie  durch  ein  neues  Stück  zu  ersetzen,  sich 
aber  dann  doch  entschlossen,  das  alte  beizubehalten  und  es  in 
roher  Weise  soweit  zu  bearbeiten,  dass  eine  Verbindung  zwischen 
den  Falten  der  Vorder-  und  der  Rückseite  hergestellt  wurde.  Kein 
Wunder,  dass  der  Arm,  dem  man  noch  dazu  die  Hand  zu  kurz 
ansetzte,  vollkommen  verkrüppelte  und  die  Schulter  nach  ihm  zu 
in  ganz  formloser  Art  abfiel. 

Unter  Vermeidung  aller  dieser  Fehler  ist  nun  die  Figur  des 
Aristogeiton  bei  uns  hergestellt  worden  (s.  Fig.  2  auf  S.  346).  Der 
Kopf  wurde  gerade  gerückt,  der  rechte  Arm  völlig  neu  modelliert, 
der  linke  gehoben,  verlängert  und  auf  dem  obersten  Stück  gleich- 
falls neu  modelliert.  Es  verstand  sich  ferner  von  selbst,  dass  man 
hierbei  nicht  stehen  bleiben  durfte ;  der  Baustamm  wurde  entfernt, 
so  dass  das  Gewand  ganz  frei  herabhing,  und  dieses  selbst  nach 
Petersens  Vorschlag  in  seiner  Endigung  unten  ergänzt. 

Es  ist  gar  nicht  zu  sagen,  wie  die  Figur  jetzt  gewonnen  hat. 
Statt  Mattigkeit  und  Kraftlosigkeit  ein  unaufhaltsamer  Ansturm, 
statt  eines  nichtssagenden  Zurückhaltens  ein  energischer  Stoss,  statt 
stilistischer  Gegensätze  eine  einheitliche  Wirkung.  Erst  jetzt  hat 


EINE    HERSTELLUNG    DEK    GRUPPE    DER    TYRANNENMÖRDER  335 

Harmodios  einen  ebenbürtigen  Gefährten  gewonnen,  ja  einen  Ge- 
fährten, der  ihm  vielleicht  den  Rang  abläuft  ('). 

Die  Figur  des  jüngeren  Freundes  war  leichter  zu  behandeln. 
Kopf  und  Rumpf  sind  fast  tadellos  erhalten,  die  Beine  wenigstens 
soweit  richtig  ergänzt,  dass  die  Wirkung  bewahrt  blieb  —  nur 
hätte  auch  das  vorgesetzte  rechte  in  genauer  Uebereinstimmung 
mit  dem  linken  des  Genossen  ergänzt  werden  müssen  — ,  beim 
linken  Arm  genügte  eine  Aenderung  der  Hand;  dagegen  musste 
der  rechte  Arm  ganz  neu  modelliert  werden,  wobei  sich,  nachträglich 
erhebliche,  aber  doch  unnötige  Bedenken  einstellten,  auf  die  erst 
später  eingegangen  werden  kann.  Die  Entfernung  der  Stütze  auch 
beim  Harmodios  und  die  Vereinigung  der  beiden  Plinthen  (2)  boten 
kein  Hindernis,  und  so  war  nur  eine  schwierige  Frage  zu  lösen, 
über  die  der  Streit  noch  hin  und  hergeht :  Wie  waren  die  beiden 
Figuren  zu  einander  zu  stellen? 

Es  galt  hier  mit  den  verschiedenen  Ansichten  abzurechnen 
und  bis  auf  0 verbeck  zurückzugehen,  der  den  ersten  Versuch  einer 
Herstellung  der  Gruppe  wenigstens  auf  dem  Papiere  gemacht  hatte. 
Er  ging  davon  aus,  dass  eine  vollkommen  parallele  Aufstellung 
der  Figuren,  wie  sie  die  meisten  Nachbildungen  zeigen,  nur  im 
Reliefstil  möglich  sei,  in  der  Rundplastik  diese  aber  auseinander 
fallen  Hesse,  und  er  schloss  daraus  eine  keilförmige  Aufstellung. 
Dass  er  zugleich,  unter  falscher  Berufung  auf  Thukydides  und  in 
Anlehnung  an  Friederichs,  den  Harmodios  als  den  eigentlichen 
Mörder  etwas  voranstellte,  war  oben  schon  erwähnt.  Petersen  aber, 
der  zehn  Jahre  später  und  dann  noch  einmal  1901  die  Frage  wieder 
aufgriff,  begnügte  sich  nicht  damit,  diese  zweite  Forderung  Over- 
becks,  erst  aus  ästhetischen  Gründen  (3),  dann  auch  unter  Hinweis 
auf  die  Geschichtsquellen,   zurückzuweisen,  sondern  er  griff  auch 


(»)  Dass  die  Figur  des  Aristogeiton  in  der  Tat  besser  gearbeitet  ist, 
hat  Giov.  Patroni  in  den  Atti  della  Reale  Accademia  di  Napoli  XIX  (1897/8) 
II  2  erwiesen. 

(2)  Dass  die  Neapler  Figuren  selbst  stets  Einzelfiguren,  vermutlich  deko- 
rativer Art  gewesen  sind,  hat  Patroni  erwiesen. 

(3)  Wenn  die  Gruppe  in  den  Nachbildungen  nicht  überhaupt  aufgelöst 
ist,  erscheint  meist  die  tiefer  stehende  Figur  etwas  vorgezogen,  gleichviel 
von  welcher  Seite  her  die  Nachbildung  genommen  ist.  Es  giebt  keinen  zwin- 
genderen Beweis  für  die  Aufstellung  der  Figuren  in  grader  Linie. 


336 


P.    J.    MEIER 


die  Dreieckstellung  an,  indem  er  behauptete  —  das  ist  offenbar 
der  eigentliche  Kern  seiner  Ansicht  — ,  dass  die  Freunde  in  0\Ter- 
becks  Keilstellung  zwar  auf  ein  Ziel  hin,  aber  nicht  von  einem 
Ausgang  her  stürmten.  Erstellte  also  die  beiden  Flächen,  in  die 
die  Beine  jeder  Figur  fallen,  nicht  im  spitzen  Winkel,  sondern 
parallel  zu  einander,  und  darin  folgte  ihm  Michaelis  in  seiner  be- 


Fig.  1. 


kannten  Herstellung  der  Strassburger  Abgüsse  (vgl.  Fig.  1).  Im  Ge- 
gensatz zu  Michaelis  rückt  aber  Petersen  nicht,  wie  üblich,  den 
Harmodios  sondern  den  Aristogeiton  vor,  weil  sonst  bei  den  Seitenan- 
sichten dessen  Gewand  die  Wirkung  der  Gruppe  stark  beeinträchtigte, 
auch  weil  dies  angeblich  durch  die  verschiedene  Bewegung  der 
Freunde  begründet  war,  und  führt  aus,  dass  diese  in  erster  Linie 
auf  die  rechte,  jedoch  dann  auch  auf  die  linke  Seitenansicht  (vom 
Beschauer  aus),  in  keinem  Falle  aber  auf  die  Vorderansicht  berech- 
net sei  (*). 


(l)  Ihm  folgte  Sauer. 


EINE   HERSTELLUNG   DER   GRUPPE    DER    TYRANNENMÖRDER  337 

Ich  beginne  die  Begründung  meiner  eigenen  Ansicht,  wie  sie 
in  der  Umgestaltung  der  Abgüsse  hervortritt,  mit  der  Frage,  ob 
Keilschema  oder  Parallelismus  für  die  Figuren  anzunehmen  sei, 
und  muss  allerdings  gleich  bekennen,  dass  es  einem  militärisch  oder 
turnerisch  vorgebildeten  Menschen  ganz  ausserordentlich  schwer 
fällt,  zu  verstehen,  wie  Petersen  überhaupt  zu  seiner  Polemik 
gegen  das  Keilschema  kommen  konnte.  Man  mache  am  lebenden 
Modell  den  Versuch,  stelle  zwei  Männer  —  so  breitschultrig,  wie 
die  Tyrannenmörder  brauchen  sie  nicht  einmal  zu  sein  —  ganz 
dicht  neben  einander  und  lasse  sie  je  mit  dem  inneren  Beine  in 
Ausfallstellung  übergehen,  sofort  ist  das  Keilschema  da.  Zwei 
Männer,  die  nebeneinander  auf  ein  Ziel  herlaufen,  können  eben 
gar  nicht  von  einem  Punkte,  sondern  nur  von  einer  ziemlich 
breiten  Linie  ausgehen.  Es  wirkt  gradezu  erheiternd,  dass 
selbst  Overbeck  ('),  der  doch  das  richtige  empfunden  und  stets 
verteidigt  hatte,  in  seiner  Erwiderung- auf  Petersens  Angriff  offenbar 
in  Verlegenheit  war,  weil  er  allerdings  das  von  diesem  geforderte 
Ausgehen  von  einem  Punkte  nicht  beachtet  fand;  so  spricht  er 
wohl  davon,  dass  die  Figuren  bei  Petersen  auseinanderfielen,  aber 
denkt  nicht  daran,  dass  sie  sich  gradezu  über  den  Haufen  rennen 
müssten,  sobald  sie  aus  der  Ausfallbewegung  in  die  Grundstellung 
zurückgehen  wollten.  Wir  werden  freilich  noch  sehen,  dass  die  For- 
derung nicht  immer  berechtigt  ist,  bei  der  Herstellung  der  Gruppe 
auf  die  Wirklichkeit  zurückzugehen,  dass  der  Künstler  vielmehr 
auch  in  der  Bewegung  sehr  stark  stilisierte,  aber  es  wird  sich  auch 
weiter  ergeben,  dass  die  parallele  Stellung  noch  aus  anderen  Grün- 
den ausgeschlossen  ist. 

Auch  ein  anderes  stilistisches  Moment  spielt  bei  Petersen 
eine  Rolle.  Es  ist  ihm  nämlich  mehr  als  fraglich,  ob  man  einem 
so  frühen  Werke,  wie  den  Tyrannenmördern,  die  Anwendung  der 
dritten  Dimension,  die  sich  allerdings  bei  der  Vorderansicht  er- 
geben müsste,  zutrauen  darf,  und  er  zieht  deshalb  eine  Aufstel- 
lung vor,  bei  der  der   Künstler   sich   mit  den  üblichen  zwei  Di- 


(l)  Wäre  übrigens  doch  eine  Figur  voranzustellen,  so  könnte  dies  al- 
lerdings nur  der  Aristogeiton  sein,  sowohl  wegen  des  Gewandes,  als  weil 
beim  Harmodios,  von  seiner  rechten  Seite  gesehen,  der  erhobene  Arm  den 
Kopf  verdecken  würde. 

23 


338  P.    J.    MEIER 

mensionen  begnügen  konnte,  die  also  die  Gruppe  ans  dem  Flächen- 
oder Reliefstil  der  alten  Zeit  entstanden  sein  liess.  Ich  brauche  ja 
hier  nicht  weiter  auszuführen,  mit  welcher  Zähigkeit  der  Grieche 
an  dieser  Auffassung  fest  gehalten  hat,  sondern  nur  an  die  Nio- 
biden  und  den  Laokoon  zu  erinnern.  Aber  zwischendurch  ent- 
stehen doch  auch  dreidimensionale  Werke,  wie  der  Dornauszieher, 
der  aus  diesem  Grunde  noch  ebensowenig  in  die  römische  Zeit 
hätte  gesetzt  werden  sollen,  wie  der  Diskuswerfer,  der  ganz  fraglos 
dreidimensional  ist  (J),  und  wie  war  es  möglich,  z.  B.  ein  Vier- 
gespann mit  dem  Wagenlenker  zu  schaffen,  das  sich  mit  zwei  Di- 
mensionen behalf?  Hier  ging  es  doch  nicht  an,  etwa  die  Pferde 
nach  einander  jedesmal  ein  Stück  vorzuschieben,  damit  auch  das 
letzte  sichtbar  wurde,  wie  es  im  Ostgiebel  des  olympischen  Zeus- 
tempels der  Fall  ist.  Hier  mussten  vielmehr  die  Pferde  einzeln 
gegossen  und  dann  nebeneinander  in  eine  Linie  gestellt,  auch  der 
Wagen  der  Wirklichkeit  entsprechend  gegeben  werden,  wie  es  schon 
die  frühsten  Beispiele  zeigen,  und  damit  war  die  dritte  Dimension 
ohne  Weiteres  gefunden.  Es  gab  eben  Aufgaben,  die  mit  dem  her- 
gebrachten Schulschema  nicht  zu  lösen  waren,  sondern  nur  unter 
Zurückgreifen  auf  die  Wirklichkeit. 

Trotzdem  wäre  es  an  sich  gewiss  nicht  unmöglich  gewesen, 
die  Aufgabe,  zwei  angreifende  Männer  zu  einer  plastischen  Gruppe 
zu  vereinen,  mit  den  hergebrachten  Mitteln  zu  lösen.  Man  brauchte 
nur  die  beiden  Figuren  ähnlich  wie  die  Pferde  des  Giebelfeldes  zu 
stellen  und  in  volkommenem  Parallelismus  jeden  mit  dem  linken 
Fuss  ausfallen,  zugleich  jedoch  mit  Hieb  und  Stoss  wechseln  zu 
lassen,  so  hatte  man  eine  vortreffliche  Gruppe,  die  freilich  nur, 
gleich  der  Myronischen  Gruppe  Athena  und  Marsyas,  die  eine 
Seitenansicht  bot,  aber  hierbei  jede  Figur  mit  der  vollen  Brust- 
seite zeigte.  Aristogeiton  hätte  dann  gleichzeitig  vorgezogen  und 
für  den  Beschauer  jenseits  des  Harmodios  gestellt  werden,  dieser 
aber  die  rechte  Schulter  und  den  rechten  Arm  zurücknehmen 
müssen.  Bedenken  aber  erregt  die  Aufstellung  Petersens  schon 
dadurch,  dass  die  vorgeschobene  Figur  nicht  die  Brust,  sondern 
den  Rücken  in  der  Hauptansicht  zeigt  und  dass  dies  in  der  zweiten 

(*)  Trotz  der  Ausführungen  Auberts,  Ztschr.  f.  bild.  Kunst  N.  F.  XII 
(1901)  40  ff. 


EINE    HERSTELLUNG    DER    GRUPPE    DER    TYRANNKNMÖRDER  339 

Seitenansicht  beim  Harmodios  ähnlich  wiederkehrt;  Petersen  hat 
auch  kein  sicheres  Beispiel  für  eine  derartige  Gruppierung  in  der 
Vasenmalerei  nachweisen  können.  Aber  gesetzt  auch,  es  fände  sich 
ein  solches  —  und  in  der  Tat  Hessen  sich  die  Tyrannenmörder, 
wenn  auch  nur  mittels  einschneidender  Aenderungen  so  denken  — , 
so  besitzen  wir  doch  ganz  bestimmte  Anzeichen  dafür,  dass  die 
Gruppe  in  der  Hauptsache  auf  die  Vorderseite  berechnet  ist.  Das 
erste  besteht  in  der  auf  das  genauste  durchgeführten  Symmetrie  der 
beiden  Figuren,  die  so  gross  ist,  dass  sie  unerträglich  wäre, 
wenn  nicht  wenigstens  der  Unterschied  zwischen  dem  unbär- 
tigen und  dem  bärtigen,  dem  ohne  Deckung  unvorsichtig  zum 
Hiebe  und  dem  unter  vorsichtiger  Deckung  zum  Stoss  ausholen- 
den Angreifer,  der  Chlamys  des  einen  und  dem  Schwertgehäng 
des  anderen  die  nötige  Abwechslung  brächte.  Man  verfolge  aber 
sonst  in  der  beigegebenen  Aufnahme  der  Gruppe  die  Gestalten  von 
unten  auf,  so  wird  man  erstaunt  sein  über  die  vollkommene  Ueber- 
einstimmung  beider  im  Gegensinne,  die  im  Original  noch  grösser 
war,  als  in  den  Neapler  Marmorkopien,  bei  deren  Ergänzung  das 
rechte  Bein  des  Harmodios  etwas  abweichend  gearbeitet  wurde. 
Von  vorn  gesehen,  zeigt  der  eine  genau  soviel  vom  Rumpf,  wie 
der  andere,  stellt  jener  das  Hinterbein  genau  so,  wie  dieser,  muss 
daher  auch  der  Kopf  bei  beiden  ganz  gleichmässig  aufsitzen.  Man 
beachte  besonders,  wie  der  tätige  rechte  Arm  des  Aristogeiton  dem 
untätigen  linken  des  Harmodios  vollkommen  entspricht,  ja  die  Sym- 
metrie in  den  Umrissen  der  Gruppe  scheint  es  sogar  gefordert  zu 
haben,  dass  die  linke  Hand  des  Harmodios  die  von  Hauser  aus 
zwei  Nachbildungen  mit  Recht  erschlossene  Haltung  erhielt,  damit 
sie  der  rechten  Hand  des  Aristogeiton  mit  dem  Schwert  besser 
entsprach.  Eine  solche  Symmetrie  hatte  aber  keinen  Zweck,  wenn 
sie  nicht  in  die  Erscheinung  trat,  und  das  konnte  natürlich  nur 
in  der  Vorderansicht  geschehen. 

Nicht  weniger  beweiskräftig  ist  ein  zweites.  Es  ist  zuzugeben, 
dass  jede  einzelne  Figur  der  Gruppe  mit  den  parallel  gestellten 
Armen  und  Beinen  aus  dem  Flächenstil  heraus  entwickelt  ist.  Die 
Angriffsbewegung  besonders  des  Aristogeiton  kam  diesem  von  selbst 
entgegen.  Arme  und  Beine  fielen  mit  Leichtigkeit  in  eine  Fläche, 
aber  dieser  hätte  sich  im  vorliegenden  Fall  auch  eigentlich  der 
Rumpf  einordnen  müssen,   und  dazu  lag  um  so  mehr  Grund  vor, 


340  P.    J-    MEIER 

als  der  Körper,  dem  Feinde  in  der  Schmalseite  dargeboten,  viel 
weniger  Gefahr  lief,  von  diesem  mit  einem  Gegenstosse  bedacht 
zu  werden.  Studien  am  lebenden  Modell  würden  dies  leicht  be- 
stätigen, es  genügt  aber  auch,  die  kleine  Berliner  Bronzefigur  eines 
Kriegers  mit  vorgestrecktem  Schild  und  hochgeschwungenem  Speer 
zu  vergleichen.  Von  diesem  Schema  weicht  nun  aber  die  Figur  des 
Aristogeiton  ganz  erheblich  ab.  Während  Arme  und  Beine  in  einer 
Fläche  liegen,  ist  die  Brust,  was  in  dem  ganzen  Streite  nie  betont 
wurde,  mit  aller  Gewalt  nach  innen  gedreht,  so  dass  schon  hier- 
durch die  Ketten  des  zweidimensionalen  Reliefstils  gesprengt  wer- 
den. Ja  man  kann  an  sich  selbst  die  Erfahrung  machen,  dass  diese 
Haltung  der  Brust  recht  unbequem  und  unnötig  ist.  Genau  das- 
selbe ist  beim  Harmodios  der  Fall,  nur  Hess  sich  die  Sache  bei 
ihm  nicht  so  klar  erfassen,  weil  hier  der  Einwurf  möglich  war, 
dass  die  Bewegung  des  rückwärts  zum  Schlage  gebogenen  Armes 
die  Innendrehung  der  Brust  veranlasst  haben  könnte.  Diese  Ab- 
weichung vom  Schema,  ja  teilweise  von  der  Wirklichkeit  hat  aber 
nur  dann  Sinn,  wenn  der  Künstler  in  erster  Linie  für  die  Vor- 
deransicht arbeitete,  die  freilich  nicht  wirken  konnte,  ohne  dass 
sie  die  Brust  und  den  ganzen  Rumpf  der  Figuren  in  vollster  Breite 
dem  Beschauer  bot.  Nur  der  Zwang  der  selbstgewählten  Stellung 
konnte  den  Künstler  auf  diese  Bahn  locken. 

Petersen  behauptet  allerdings,  die  von  0 verbeck  hergestellte 
Gruppe  in  Vorderansicht  wirke  unschön ;  ich  will  dies  Urteil  einst- 
weilen auf  sich  beruhen  lassen,  obgleich  schon  jetzt  gesagt  sein 
mag,  dass  fein  empfindende  Künstler  wie  Kunstverständige  grade 
von  der  Vorderansicht  unsrer  hergestellten  Gruppe  gewaltig  gepackt 
wurden.  So  scheidet  denn  Petersen  diese  Ansicht  vollkommen  aus 
und  preist  um  so  lauter  die  Seitenansichten,  die  eine  etwas  mehr, 
als  die  andere,  aber  doch  nicht  so,  dass  er  die  zweite  entbehren 
möchte.  Er  beschäftigt  sich  auch  viel  mit  dem  Platz,  den  die 
Gruppe  seiner  Meinung  nach  auf  dem  Markte  einnahm,  erörtert 
eingehend,  dass  die  Athener  beim  Aufstieg  zur  Akropolis  am  Pan- 
athenaeenfeste  erst  die  Seite  mit  dem  Harmodios,  dann  bei  der 
Rückkehr  auch  die  mit  dem  Aristogeiton  erblicken  mussten;  von 
der  Wirkung  in  der  Vorderansicht  ist  keine  Rede.  Es  fragt  sich 
nur,  wie  kam  der  Beschauer,  der  sich  zur  Betrachtung  der  Gruppe 
mehr  Zeit   nahm,   als  die  Prozession,   und   von  der  einen  Seiten- 


EINE    HERSTELLUNG    DER   GRUPPE    DER    TYRANNENMÖRDER  341 

ansieht  zur  andern  überging,  um  die  unglückliche  Vorderseite  herum? 
Soll  man  sich  denn  denken,  dass  er  ob  ihrer  Hässlichkeit  die  Augen 
schioss,  bis  er  auf  die  andere  Seite  gelangt  war?  Ein  Denkmal, 
an  der  einen  Seite  eines  freien  Platzes  aufgestellt,  an  dessen  an- 
derer Seite  die  Feststrasse  entlang  zog,  mit  den  Köpfen  seiner  Fi- 
guren senkrecht  auf  diese  stossend,  sollte  nicht  auch,  ja  sollte 
nicht  in  allererster  Linie  auf  Vorderansicht  berechnet  sein ? 
Das  Unmögliche  der  Petersen'schen  Ansicht  hat  auch  Michaelis 
richtig  empfunden;  ihm  sind  zwar  ebenfalls  die  Nebenseiten  die 
wichtigsten,  aber  er  lässt  doch  auch  die  Vorderseite  bestehen 
und  hat  ihr  zu  liebe  die  Figuren  wenigstens  in  gleiche  Linie  ge- 
bracht. Indessen,  wer  einmal  die  Vorderansicht  nicht  ganz  beseitigt, 
kommt  unaufhaltsam  in  das  Getriebe  einer  mit  logischer  Strenge 
arbeitenden  Maschine.  Michaelis  hat  sich  der  notwendigen  Schluss- 
folgerung  dadurch  scheinbar  entzogen,  dass  er  die  Gruppe  nicht  von 
vorn,  sondern  zweimal  schräg  aufgenommen  hat.  Denn  sobald  man 
die  Figuren  nicht  keilförmig,  sondern  streng  parallel  stellt,  ist  es 
freilich  mit  der  Vorderansicht,  auch  bei  Michaelis  Herstellung, 
vorbei.  Harmodios  geht  nach  links,  Aristogeiton  geht  nach  rechts 
ab,  von  dem  Losstürmen  auf  den  einen  Hipparch  ist  keine  Kede 
mehr.  Es  sieht  vielmehr  so  aus,  als  sei  das  Signal  «  Schwärmen  ■ 
geblasen  oder  als  wären  die  Freunde  rings  von  Gegnern  umstellt 
und  müssten  nach  verschiedenen  Seiten  hin  Front  machen.  Ganz 
unerträglich  wird  die  Sache,  wenn  man  den  Köpfen  die  Augen 
aufmalt,  dann  fällt  die  Gruppe  in  der  Vorderansicht  rettungslos 
auseinander. 

Wie  man  sich  also  auch  dreht  und  wendet,  es  giebt  nur  eine 
Möglichkeit  der  Aufstellung,  die  von  0 verbeck  empfohlene  keil- 
förmige. Hat  man  aber  dies  einmal  erkannt,  so  sind  so  viele 
Anhaltspunkte  vorhanden,  dass  man  kaum  vom  rechten  Wege 
abirren  kann.  Harmodios,  dessen  Kopf  erhalten  ist,  bildet  mit 
seinen  gradeaus  gerichteten  Augen  den  festen  Punkt  auch  für 
Aristogeiton,  der  in  genauester  Symmetrie  neben  den  Gefährten  zu 
stellen,  dessen  Kopf  auch,  wie  bereits  bemerkt  war,  dem  des  Har- 
modios entsprechend  aufzusetzen  ist.  Damit  ist  harscharf  der  Winkel 
gegeben,  in  dem  sich  die  Figuren  treffen.  Im  übrigen  sind  sie, 
um  als  geschlossene  Gruppe  wirken  zu  können,  so  weit  dicht  an 
einander  zu  schieben,  dass  Harmodios   unbehindert  von  dem  weit 


342  P.    J.    MEIER 

vorgestreckten,  in  seiner  ursprünglichen  schrägen  Richtung  durch 
den  antiken  Stumpf  bestimmten  Arm  des  Aristogeiton  zuschlagen 
kann.  Andrerseits  zwingt  die  vollkommene  Symmetrie  der  Figuren, 
die  wir  oben  für  die  Vorderansicht  geltend  machten,  ebenso 
zur  Gleichstellung  der  beiden,  die  dicht  vor  ihrem  Opfer 
stehen  und  eben  den  tödtlichen  Hieb  und  Stoss  führen  wollen,  so 
dass  es  unmöglich  erscheint,  dem  einen  zum  Nachteil  des  anderen 
den  Vorrang  zu  geben.  Ich  vermag  auch  nicht  einzusehen,  in 
wiefern  das  Gewand  des  Aristogeiton  dafür  sprechen  soll,  dass 
dieser  dem  jüngeren  Gefährten  vorangeht.  Ich  finde  beide  Seiten, 
wenn  auch  unter  sich  sehr  verschieden,  so  doch  gleichmässig  reich 
ausgeführt.  Ja,  wenn  der  antike  Kopist  die  Falten  des  Originals 
richtig  wiedergegeben  hat,  so  ist  die  innere  Seite  des  Gewandes, 
die  die  archaische  Regelmässigkeit  schon  glücklich  überwunden 
hat,  erheblich  lebensvoller.  Hat  sich  übrigens  Petersen  auch  klar 
gemacht,  welche  absonderliche  Form  die  Plinthe  erhält,  wenn  man 
die  eine  Figur  halb  vor  die  andere  stellt? 

Es  wird  hier  der  rechte  Ort  sein,  eines  weiteren  Einwurfes 
Petersens  gegen  die  keilförmige  Anordnung  der  Gruppe  zu  ge- 
denken. Er  führt  aus,  dass  der  Künstler  die  Freunde  allein  und 
ohne  den  Gegner  losstürmend  dargestellt  und  es  somit  der  Phan- 
tasie überlassen  hätte,  diesen  hinzuzudenken  oder  an  seine  Stelle 
jeden  Freiheitsfeind  einzusetzen,  dass  man  aber  mit  solcher  Phan- 
tasie die  beiden  Freunde  doch  nur  von  der  Seite  her,  nicht  von 
vorn  betrachten  könne,  wo  man  selber  ihrem  Ansturm  ausgesetzt 
war.  In  der  Tat,  wer  sich  der  von  uns  hergestellten  Gruppe  grade 
gegenüber  stellt,  kann  sich  des  zwingenden  Eindrucks  nicht  er- 
wehren, dass  die  beiden  in  ihrer  unaufhaltsamen  Bewegung,  in 
der  gewaltigen  Wucht  ihres  Angriffs,  die  auch  Overbeck  richtig 
empfand,  jeden  zermalmen  werden,  der  sich  ihnen  in  den  Weg 
stellt  oder  nicht  vor  ihnen  die  Flucht  ergreift.  Unwillkürlich  setzte 
sich  der  Beschauer  an  die  Stelle  des  verhassten  Tyrannen ;  er 
konnte  nicht  zweifeln,  dass  es  im  nächsten  Augenblick  um  diesen 
geschehen  sei.  Aber  wenn  das  Werk  diese  Wirkung  ausübt,  dann 
ist  ja  eben  das  erreicht,  was  der  Künstler  wollte ;  grade  das  Ge- 
genteil von  dem,  was  Petersen  meint,  ist  daraus  zu  folgern. 
Ja  dieser  eine  Umstand  würde  vollkommen  ausreichen,  um  zu 
beweisen,    dass    unsre    Aufstellung    das    richtige    getroffen    hat. 


EINE    HERSTELLUNG    DER   GRUPPE    DER   TYRANWENMÖRDER  343 

Denn,  wenn  irgendwo,  so  hat  hier  Konrad  Langes  Lehre  von 
der  bewussten  Selbsttäuschung  als  Kern  des  künstlerischen  Ge- 
nusses ihre  Geltung.  Dem  Beschauer  standen  Mittel  genug  zur 
Verfügung,  um  sich  jeden  Augenblick  sagen  zu  können,  dass  die 
bevorstehende  Gefahr,  die  man  empfand,  künstlich  erzeugt  war  und 
in  Wirklichkeit  nicht  bestand.  Dieser  fast  lähmende  Eindruck  aber 
ist  nur  in  der  Vorderansicht,  niemals  in  der  Seitenansicht  möglich, 
bei  der  die  Figur  des  Gegners  nur  ungern  entbehrt  würde.  Der 
aber  musste  fehlen,  denn  die  Gruppe  sollte  ja  doch,  wie  Koepp 
keineswegs  zum  Ueberfluss  nochmals  hervorhebt,  nicht  ein  geschicht- 
liches Ereignis  in  der  Erinnerung  festhalten,  sondern  war  von 
vornherein  als  Ehrendenkmal  für  die  Männer  gedacht,  die  im 
Laufe  der  Zeit  für  das  Volksbewusstsein  Befreier  vom  Tyrannen- 
joch wurden,  was  sie  ja  niemals  gewesen  waren,  und  für  die  wohl 
gleichzeitig  mit  der  Aufstellung  des  Denkmals  auch  die  Opfer  ein- 
gesetzt wurden,  die  der  Archon    Polemarchos  darzubringen  hatte. 

Ein  Ergänzungsversuch  an  Abgüssen,  wie  wir  ihn  gemacht 
haben,  setzt  an  Stelle  theoretischer  Erwägungen  praktische  Erfah- 
rungen. Verleiht  ihm  dies  seinen  besonderen  Wert,  so  ist  doch 
auch  nicht  zu  leugnen,  dass  er  gleichzeitig  eine  gewisse  Unduld- 
samkeit gegen  die  abweichenden  Ansichten  im  Gefolge  hat.  Jetzt, 
wo  die  Gruppe  der  entstellenden  Ergänzungen  und  der  Stütze  be- 
raubt, fertig  vor  uns  steht  und  durch  eine  geschickte  Bemalung 
völlig  den  Eindruck  eines  Bronzewerkes  erlangt  hat,  ist  für  mich 
jeder  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  Herstellung  in  allem  wesent- 
lichen völlig  ausgeschlossen. 

Kam  mir  während  der  Arbeit  des  Bildhauers  noch  das  eine 
oder  andere  Bedenken  am  Schreibtisch,  so  schwand  es  sofort,  wenn 
ich  wieder  der  Gruppe  gegenüber  trat ;  jetzt  vollends,  wo  sie  drei 
Jahre  strengster  Prüfung  Stand  gehalten  hat,  darf  ich  mich  wohl 
zufrieden  geben.  Aber  auf  ein  Bedenken,  das  uns  noch  besonders 
beschäfiigte  und  das  ich  oben  bereits  streifte,  muss  hier  noch  ein- 
gegangen werden,  weil  es  ungemein  lehrreich  für  das  Verständnis 
der  Gruppe  ist.  Ich  hatte  den  Bildhauer  gebeten,  den  rechten  Arm 
des  Harmodios  in  genauer  Anlehnung  an  die  Strassburger  Ergän- 
zung zu  modellieren;  als  wir  aber  an  den  rechten  Arm  des  Ari- 
stogeiton  gingen,  mussten  wir  das  lebende  Modell  zu  Hülfe  rufen, 
und  dabei  ergab  sich,  dass  die  rechte  Hand,  die  stossen  will,  beim 


344  P.    J.   MEIER 

ausholen  hinter  das  Gesäss  genommen  wird,  so  dass  die  Schwert- 
spitze in  nahezu  senkrechtem  Winkel  von  dem  Körper  absteht, 
und  dass  dann  das  Schwert  beim  Stosse  selbst  nicht  in  einer 
graden  Linie  sondern  in  einer  Kurve  bewegt  wird.  Gleichzeitig 
wurde  ich  durch  P.  Hermann  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
auch  beim  Schlagen  mit  dem  Schwert  Arm  und  Waffe  sich 
keineswegs  in  einer  graden  Fläche  bewegen,  sondern  dass  beim 
Ausholen  die  Hand  über  dem  Scheitel  zu  stehen  kommt,  so  dass 
sich  auch  hier  das  Schwert  fast  senkrecht  zur  Figur  stellt,  und 
dass  Arm  und  Waffe  noch  viel  verwickeitere  Kurven  beschreiben. 
In  dieser  der  Wirklichkeit  abgelauschten  Haltung  sind  die  rechten 
Arme  in  der  Dresdener  Herstellung  gegeben,  aber  schon  der  Um- 
stand, dass  das  zum  Schlage  erhobene  Schwert  des  Harmodios 
liier  in  einer,  wie  mir  scheint,  unmöglichen  Kürze  gehalten  ist, 
zeigt,  dass  die  natürliche  Haltung  bei  der  Gruppe  ausgeschlossen 
ist.  Geben  wir  nämlich  den  Schwertern  die  Länge,  wie  es  etwa 
das  des  Kämpfers  auf  der  Vase  Aren.  Zeitung  1870  Taf.  24  hat, 
so  stehen  sie  soweit  aus  der  Gruppe  heraus,  dass  sie  deren  sorg- 
fältig erwogene  Umrisse  einfach  vernichten  und  ein  unerträgliches 
Bild  geben.  Wir  kamen  daher  zu  der  Ueberzeugung,  dass  die 
Strassburger  Herstellung  beim  Harmodios  das  Richtige  getroffen 
hätte,  und  dass  wir  beim  Aristogeiton  in  gleicher  Weise  stili- 
sieren müssten.  Denn  auch  sonst  macht  ja  die  Gruppe  den  Eindruck 
des  eng  Umgrenzten.  Festen,  streng  Stilisierten.  Von  der  umfassenden 
Symmetrie  der  beiden  Figuren,  die  in  den  Beinen,  dem  Rumpfe,  dem 
Kopfe  und  je  dem  gesenkten  Arm,  namentlich  aber  in  den  Umrissen 
der  ganzen  Gruppe  zu  Tage  tritt,  war  schon  gesprochen.  Mit  welcher 
fast  raffinierten  Ueberlegung  der  Künstler  aber  auch  sonst  zu  Werke 
gegangen  ist,  zeigt  namentlich  der  vorgestreckte  Arm  des  Aristo- 
geiton mit  dem  Gewandstück.  Man  braucht  sich  dieses  nämlich  nur 
fortzudenken,  so  erkennt  man  auch,  dass  dann  in  der  Vorderansicht 
—  und  für  diese  allein  ist  das  Gewand,  so  schön  es  auch  seitlich 
wirkt,  berechnet  —  eine  hässliche  Lücke  klafft,  die  die  Figuren  aus 
einander  reisst,  die  Einheit  der  Gruppe  auflöst.  Dazu  kommt  noch 
ein  Zweites.  Wie  die  erhobene  Faust  des  Harmodios  das  Ganze  krönt 
und  für  die  senkrechten  Körperfiächen  Fortsetzung  und  Vollendung 
bildet,  so  deuten  Arm  und  Gewand  des  Aristogeiten  in  ihrer 
schrägen  Richtung  auf   den    gemeinsamen  Gegner  zu  gleichzeitig 


EINE    HERSTELLUNG    DER    GRUPPE    DER    TYRAN>ENMÜRDER  345 

die  Fortsetzung  der  durch  die  Bein-  und  Rumpfstellung  des  Ari- 
stogeiton  gegebenen  Fläche  und  die  Linie  an,  in  der  sich  jene 
mit  der  Fortsetzung  der  gleichen  Fläche  beim  Harmodios  schnei- 
den würde,  und  so  trägt  der  kräftig  ausgestreckte,  vom  Gewand 
geschützte  Arm  mit  der  Scheide  ganz  erheblich  dazu  bei,  das 
Unaufhaltsame  in  der  Angriffsbewegung  der  Freunde  zum  Aus- 
druck zu  bringen.  Man  beachte  aber  auch,  wie  der  Künstler  hier, 
wo  die  Umrisse  der  Gruppe  nicht  mehr  gefährdet  sind,  in  der 
Haltung  der  inneren  Arme  der  Figuren  sich  die  Abweichung  von 
der  Symmetrie  erlaubt,  die  sonst,  wie  wir  schon  sahen,  zu  weit 
gegangen  wäre  und  auch  ihrerseits  das  Band,  das  die  Freunde  zur 
Gruppe  vereint,  zerrissen  hätte. 

Ist  nun  aber  auch  die  Gruppe  in  erster  Linie  auf  die  Vordei- 
ansicht  berechnet,  so  muss  man  doch  auch  rechts  und  links  zur 
Seite  gehen,  und  die  beigegebene  Seitenansicht  zeigt,  dass  hier 
trotz  der  Keilstellung  eine  Wirkung  erzielt  worden  ist,  die  hinter 
der  von  Michaelis  nicht  zurücksteht.  Zum  vollen  Genuss  jeder 
einzelnen  Figur  kommt  man  freilich  erst,  wenn  man  sie 
genau  von  der  Seite  betrachtet ;  besonders  günstig  wirkt  hier  Ari- 
stogeiton,  weil  dessen  Bewegung  viel  mehr  in  die  Breite  geht, 
während  die  des  Harmodios  stärker  auf  die  senkrechte  Linie  be- 
rechnet ist.  Dass  bei  der  Seitenstellung  des  Beschauers,  bei  der 
der  Oberköper  des  dahinter  befindlichen  Genossen  verdeckt  wird, 
dessen  Arme  für  das  Auge  in  eine  unangenehme  Verbindung  mit 
denen  des  anderen  gebracht  werden,  soll  nicht  verschwiegen  werden. 
Aber  dies  hat  doch  selbst  Michaelis,  wie  grade  seine  Aufnahme 
von  der  Aristogeitonseite  her  zeigt,  nicht  vermeiden  können  und 
man  muss  doch  auch  bedenken,  d<iss  es  der  erste  künstlerische 
Versuch  war,  zwei  Figuren  von  gleicher  Grösse  und  gleicher  Hand- 
lung in  einer  Gruppe  zu  vereinen,  die  noch  dazu  auf  die  Vorder-und 
die  beiden  Schrägansichten  berechnet  war.  Sollte  dies  jedoch  trotz- 
dem als  ein  Uebel  betrachtet  werden,  so  ist  es  jedenfalls  im  Vergleich 
zu  dem,  das  Petersens  gradezu  stilwidrige  Aufstellung  mit  sich  bringt, 
bei  weitem  das  kleinere.  Unsere  Ergänzung  der  Tyrannenmörder  kann 
nicht  den  Anspruch  erheben  (l)  nun  auch  in  allen  Teilen  das  für 

(*)  Ich  bemerke  übrigens,  dass  wir  auch  sonst  an  unseren  Gipsen,  die  der 
Reihe  nach  im  Sinne  der  ursprünglichen  Originale  getönt  oder  bemalt  werden, 


346  P.    J.    MEIER 

immer  verlorene  Original  zu  treffen;  es  sind  im  einzelnen  auch 
andere  Lösungen  möglich,  und  vor  allem  stört  der  Pherek}<deskopi 
dadurch,  dass  er  zu  klein  ist  und  dass  er  in  dem  unteren,  doch 


Fi*.  2. 


wohl  ergänzten  Teil  des  Bartes,  im   Gegensatz   zum  Schnurrbart 
und  zur  Fliege,  stilistisch   reife    Formen   zeigt.  Aber  trotz   ihrer 


im  Sinne  von  Amelungs  Vorschlägen  (Ztschr.  f.  bild.  Kunst  N.  F.  XIII  150  ff. 
171  ff.)  Ergänzungen  vorgenommen  haben,  so  ist  z.  B.  beim  Polykletischen 
Diadumenos  Vaison  der  Dresdener  Kopf  aufgesetzt  und  die  linke  Hand  nach 
einer  Photographie  des  Madrider  Exemplars  neu  modelliert,  dann  natürlich 
der  Baumstamm  entfernt  und  die  Siegerbinde  ergänzt. 


EINE    HERSTELLUNG   DER    GRUPPE    DER    TYRANNENMÖDDER  347 

Unzulänglichkeit  hat  erst  die  Herstellung  der  Gruppe  uns  einen 
Einblick  verschafft  in  das  Geheimnis  der  künstlerischen  Erfindung, 
in  das  innerste  Leben  dieses  Werkes,  das  einen  der  wichtigsten 
Marksteine  in  der  Entwickelung  der  griechischen  Plastik  bedeutet. 
Es  ist  nicht  meine  Absicht,  bei  dieser  Gelegenheit  den  un- 
fruchtbaren Streit  zu  erneuern,  ob  wir  in  den  Neapler  Figuren 
eine  Nachbildung  der  Gruppe  des  Antenor  oder  derjenigen  des 
Kritios  und  Nesiotes  zu  erkennen  haben.  Denn  wenn  wir  einer- 
seits durch  Lucian  hören,  dass  es  wider  Erwarten  grade  das  jün- 
gere Werk  war,  das  in  der  römischen  Kaiserzeit  durch  Nachah- 
mungen verbreitet  war,  so  hat  uns  doch  andererseits  P.  Corssen  (*) 
gelehrt,  dass  auch  die  Gruppe  des  Antenor  nur  ein  Jahrzehnt 
älter  war  und  daher  sehr  wohl  die  stilistisch  fortgeschrittenen 
Formen  der  Neapler  Figuren  tragen  konnte.  Dagegen  scheint  es 
mir  von  grösster  Bedeutung  zu  sein,  festzustellen,  dass  die  so 
überaus  kunstvolle  Erfindung  der  Komposition,  das  Hauptverdienst 
der  ganzen  Gruppe,  bereits  das  Werk  des  Antenor  gewesen  sein 
muss,  der  trotzdem  in  seinen  jungen  Jahren  die  noch  streng-ar- 
chaische Frauenfigur  von  der  Akropolis  geschaffen  hat  (2). 

Braunschweig. 

P.  J.  Meier. 


(»)  Arch.  Anzeiger  1903,  41. 

(2)  Vgl.  Winter,  Oesterr.  Arch.  Jahreshefte  III  (1900)  132. 


DIE   BRONZELEBEß   VON   PIACENZA  (>; 
(mit  Tafel  XII-XIV). 


Die  Ergebnisse  einer  über  25  Jahre  zurückreichenden  Beschäf- 
tigung mit  einem  merkwürdigen  und  einzigartigen  Monumente  den 
Fachgenossen  endlich  vorzulegen  veranlasst  mich  vor  allem  der 
Umstand,  dass  bisher  eine  wirklich  genaue  Publikation  noch  fehlt. 
Eine  solche  und  damit  eine  zuverlässige  Grundlage  für  weitere 
Studien  zu  bieten  ist  der  vornehmste  Zweck  dieser  Arbeit.  Zu 
einer  über  Vermutungen  hinausgehenden  Deutung  der  auf  dem 
Monumente  vorkommenden  etruskischen  Götternamen  —  soweit  sie 
nicht  anderweitig  feststeht  —  reichen  meines  Erachtens  die  gegen- 
wärtig vorhandenen  Hilfsmittel  nicht  aus,  aber  wenigstens  ihre 
Lesung  lässt  sich  bis  auf  einige  durch  Oxydation  hoffnungslos 
zerstörte  feststellen  und  für  die  Auffassung  des  Ganzen  und  seine 
Bedeutung  für  unsere  Kenntnis  der  etruskischen  Haruspicin  glaube 
ich  neue  Gesichtspunkte  gewonnen  zu  haben. 

(*)  Die  Hauptergebnisse  der  folgenden  Arbeit  sind  von  mir  in  der  Sitz- 
ung des  Instituts  am  23.  März  d.  J.  vorgetragen  worden.  Als  die  Ausarbei- 
tung in  erweiterter  Fassung  für  den  Druck  schon  weit  vorgeschritten  war, 
erhielt  ich  durch  die  Güte  des  Verfassers  2  Arbeiten  von  CO.  T  h  u  1  i  n ,  nämlich 
«  Die  Götter  des  Martianus  Capella  und  der  Bronzeleber  von  Piacenza » 
(Religionsgeschichtliche  Versuche  und  Vorarbeiten  herausg.  v.  A.  Dieterich 
u.  R.  Wünsch  III  Bd.  I.  Heft)  Giessen  1906,  und  «  Die  etruskische  Disci- 
plin.  IL  Die  Haruspicin  »  (Göteborgs  Högskolas  Arsskrift  1906).  Auf  die 
von  den  meinigen  in  mehrfacher  Bezieheng  abweichenden  Auffassungen  der 
ersten  Schrift  habe  ich  in  Anmerkungen  Bezug  genommen,  die  zweite  in  dem 
entsprechenden  Teile  meiner  Arbeit  im  Texte  berüchsichtigt.  Dass  ich  vor 
diesen  gewissenhaften,  gelehrten  und  scharfsinnigen  Forschungen  alle  Achtung 
habe,  auch  wo  ihre  Ergebnisse  von  den  meinigen  abweichen,  möchte  ich  hier 
ausdrücklich  bemerken. 


G.    KÖRTE,    DIE    BR0N7ELEBER    VON    PIACENZA  349 

Auffindung  und  gegenwärtiger  Aufbewahrungs- 
ort. Die  Bronze  wurde  im  J.  1877  auf  einem  Acker  der  Grafen 
Arcelli  bei  Settima,  Gemeinde  Gossolengo  unweit  Piacenza  von 
einem  Landmann  beim  Pflügen  gefunden  und  dann  von  dem  Grafen 
Francesco  Caracciolo  erworben,  welcher  sie  später  dem  Museo 
Civico  in  Piacenza  schenkte.  Früher  mit  der  Biblioteca 
comunale  Passerini-Landi  vereinigt,  hat  dieses  jetzt,  durch  die 
vereinten  Bemühungen  patriotischer  Männer  ausserordentlich  ver- 
mehrt, eine  würdige  Aufstellung  in  dem  Istituto  di  Belle  Arti 
Gazzola  (*)  gefunden. 

Im  April  1898  konnte  ich  die  Bronze  an  ihrem  damaligen 
Aufbewahrungsort  in  der  Biblioteca  comunale  eingehend  untersu- 
chen, im  September  j  1905  an  dem  neuen  Sitz  des  Museo  Civico 
in  dem  Istituto  Gazzola  eine  Anzahl  zweifelhafter  Lesungen  feststel- 
len und  6  photographische  Aufnahmen  des  Monumentes  machen. 
Für  liebenswürdige  Unterstützung  dabei  bin  ich  den  Herren 
Cav.  Luigi  Scotti,  dem  hochverdienten  Erfoscher  der  praehisto- 
rischen  Altertümer  der  Provinz,  und  Francesco  Ghittoni,  Direktor 
des  Istituto  di  Belle  Arti  Gazzola  und  Conservator  des  Museo  Ci- 
vico zu  lebhaftem  Danke  verpflichtet. 

Echtheit.  Die  Zweifel  an  der  Echtheit  der  Bronze,  welche 
Männer  wie  Ariodante  Fabretti  (2)  und  G.  F.  Gamurrini  (3)  von 
einer  näheren  Beschäftigung  mit  dem  Monumente  abgehalten  haben, 
sind,  wie  hier  ausdrücklich  bemerkt  sei,  gänzlich  unbegrün- 
det. Abgesehen  von  den  wohlbezeugten  Fundtatsachen  ist  auch  die 
äussere  Beschaffenheit  desselben  eine  solche,  dass  jeder  Kenner 
antiker  Bronzen  nicht  einen  Augenblick  über  die  Echtheit  sowohl 
des  ganzen  Monumentes  wie  der  Inschriften  in  Zweifel  sein  kann. 

Die  genannten  Gelehrten  hätten  die  ihrigen  sicherlich  fallen 
lassen,  wenn  sie  das  Original  hätten  untersuchen  können,  ganz 
besonders  nachdem  dessen  wirkliche  Bedeutung  als  Darstellung 
einer  Schafsleber  erkannt  war. 

Die  Bronze  eine  Schafs  lebe  r.  Diese  Erkenntnis  wird 
Wilhelm  Deecke  verdankt.  Nachdem  die  Bronze  zuerst  von  V  i  fc- 

(*)  Giulio  Ferrari,  il  Civico  Museo  di  Piacenza  vgl.  S.  38. 
(a)  In   einem  Briefe   an  W.   Deecke   (1879)   s.   dessen  «  Templura  von 
Piacenza  »  S.  4. 

(3)  Append.  al  Corp.  Inscr.  Ital.  p.  VII. 


350  G.    KÖRTE 

t  o  r  i  o  P  o  g  gi  (*),  welchem  dazu  das  Original  zur  Verfügung  gestanden 
hatte,  in  drei  anspruchslosen,  aber  im  Allgemeinen  getreuen  Umriss- 
zeichnungen veröffentlicht  und  die  Inschriften  sorgfältig  und  in  den 
meisten  Fällen  richtig  gelesen,  auch  in  ihrer  Bedeutung  als  Götter- 
namen erkannt  waren,  hatte  De  ecke  selbst  in  einer  durch  Ge- 
lehrsamkeit und  Scharfsinn  ausgezeichneten  Schrift  (2)  eine  Erklä- 
rung der  seltsamen  Form  versucht  und  ausgehend  von  der  Sech- 
zehnteilung des  Randes  und  den  Inschriften  der  Rückseite,  die 
Bronze  als  Templum,  als  Gerät  zur  Beobachtung  von  Him- 
melszeichen in  Anspruch  genommen,  zugleich  glaubte  er  in  dem 
Grössenverhältnis  der  beiden  Hälften  eine  Beziehung  auf  die  Son- 
nen- und  Mondbahn  nachweisen  zu  können.  Seine  Abbildungen  sind 
nach  einem  Gipsabguss  angefertigt,  geben  den  Umriss  des  Gerätes 
genauer  wieder  wie  von  Poggi,  das  Liniensystem  dagegen  nicht  ganz 
getreu,  sondern  regelmässiger  als  es  in  Wirklichkeit  ist.  Die  In- 
schriften sind  aufgrund  des  Götterzeichnisses  bei  Martianus  Capella 
und,  wie  es  sich  von  selbst  versteht,  mit  völliger  Beherrschung  des 
ganzen  einschlägigen  Materiales  gedeutet,  die  Lesungen  jedoch  — 
weil  nur  auf  einem  nicht  besonders  guten  Ab guss  beruhend  — 
mehrfach  zu  berichtigen.  In  einigen  Fällen  hatte  Poggi  richtiger 
gelesen. 

Unter  dem  frischen  Eindruck  dieser  von  mir  öffentlich  bespro- 
chenen (3)  Arbeit  stehend,  fiel  mir  in  Museum  von  Volterra  im 
Herbst  1881  die  Deckelfigur  einer  Aschenkiste  von  Alabaster 
Nr.  136  auf,  welche,  als  einzige  unter  allen  mir  bekannt  gewor- 
denen, einen  der  Piacentiner  Bronze  völlig  gleich  gestalteten  Ge- 
genstand in  der  linken  Hand  hält.  Eine  Zeichnung  desselben  teilte 
ich  alsbald  Deecke  mit  und  erwähnte  beiläufig,  dass  man  ihn. in 
Volterra  für  eine  Leber  hatte.  Diesen  Hinweis  griff  Deecke  auf 
die  Untersuchung  von  Kalbs-  und  Schafslebern  ergab  die  zweifel- 
lose   Richtigkeit  desselben    und  Deecke    beeilte   sich,    den   inte- 


(*)  Di  un  bronzo  Piacentino  con  leggende  etrusche  (Estratto  dagli  Atti 
e  Memorie  delle  Deputazioni  di  Storia  Patria  delFEmilia.  Nuova  serie,  vol.  IV, 
Modena,  Vincenzi  1878),  mit  einer  Tafel. 

(2)  Das  Templum  von  Piacenza  (Etruskische  Forschungen,  viertes  Heft. 
Stuttgart  1880  mit  5  Tafeln).  Im  Folgenden  als  D.  I  citiert. 

(3)  Deutsche  Litteraturzeitung  1880  Nr.  13  Sp.  456  f. 


DIE    BRONZELEBER    VON    PIACENZA  351 

ressanten  Fund  als  Nachtrag  zu  seiner  ersten  Schrift  zu  veröffen- 
tlichen il). 

Es  fragt  sich,  in  wieweit  die  Ergebnisse  der  ersten  Deeckeschen 
Schrift  über  unsere  Bronze,  insbesondere  ihre  Bezeichnung  als 
Templum  nunmehr,  nachdem  sie  als  Leber  erkannt  ist,  noch  Geltung 
behalten. 

Deecke  selbst  hält  sie  (a.  a.  0.  S.  81)  im  Wesentlichen  auf- 
recht. *  So  bleibt  »,  sagt  er,  ■  die  Bedeutung  der  von  mir  nach- 
gewiesenen mathematischen  und  arithmetischen  Verhältnisse  beste- 
hen, ebenso  die  ganze  Deutung  als  Templum,  nur  dass  das  Gerät 
in  erster  Linie  eine  Leber  und  erst  in  zweiter  ein  Templum  darstellt, 
so  dass  wir  zwar  das  Schema  des  Templum  aus  ihm  kennen  lernen, 
aber  nicht  in  seiner  ursprünglichen  Reinheit,  sondern  auf  die 
Leber  übertragen,  was  nicht  ohne  gewisse  Variationen  und  Abwei- 
chungen denkbar  ist»  («Hierher  gehört  z.  B.  wohl  die  nicht 
rechtwinklige  Durchschneidung  von  cardo  und  decumanus  »  D. 
Anm.  278).  «  Danach  tritt  die  astronomische  Bedeutung  des  In- 
strumentes zurück;  kaum  hat  es  zum  Orientieren  gedient;  auch 
die  Himmelseinteilung  zur  Beobachtung  der  Blitze  und  des  Vo- 
gelfluges wurde  schwerlich  vermittelst  seiner  angestellt.  Der  Ge- 
winn aber,  der  dafür  eingetauscht  wird,  ist  immerhin  ein  ausser- 
ordentlicher. Es  kommt  auf  einen  Schlag  Zusammenhang  in  die 
Gesammtheit  der  etruskischen   Disciplin:    wie   der  Himmel,    die 

(*)  Etr.  Forschungen  u.  Studien.  Zweites  Heft.  II.  Nachtrag  zum 
templum  von  Piacenza  (die  Leber  ein  templum).  Im  Folgenden  als  D.  IL 
citiert.  Taf.  I-IH  der  ersten  Schrift  sind  hier  wiederholt,  Abbildungen  der 
Leber  in  der  Hand  der  volterraner  Deckelfigur  (IV),  einer  Kalbs-  (V)  und 
Schafsleber  (VI)  hinzugefügt.  D's  Taf.  I  ist  wiederholt  bei  Daremberg  et 
Saglio,  dict.  des.  ant.  II,  1  p.  298  Fig.  2473  (divinatio)  und  III,  1  p.  23 
Fig.  3713  {Haruspices),  Taf.  II  ebenda  Fig.  3714,  ferner  Taf.  I  bei  G.  Ble- 
cher,  de  extispicio  capita  tria  S.  201  [31]  (in  Dieterich  u.  Wünsch,  Re- 
ligionsgeschichtl.  Versuche  u.  s.  w.  II,  S.  171-245,  Giessen  1905).  Auf  gute 
aber  stark  verkleinerte  Photographien  G.  Karos  gehen  zurück  die  Abbildun- 
gen bei  L.  A.  Milan i,  Rendic.  d.  R.  Acc.  dei  Lincei,  vol.  IX  (1900) 
p.  296  Fig.  6  und  vol.  X  (1901)  p.  141  Fig.  10  und  L.  Stieda,  Anatomisch- 
archäolog.  Stud.  I  (S.  A.  aus  Bonnet-Merkels  auatom.  Heften  Bd.  15-16.  1901). 
Taf.  I,  4-5  (in  wenig  gelungenen  lithographischen  Nachbildungen).  Diese  Ar- 
beit ist  durch  eine  Reihe  von  anatomischen  Bemerkungen,  sowie  durch  die 
Berichtigung  der  Terminologie  von  Wert.  Vgl.  jetzt  auch  die  Tafeln  in  den 
beiden  Schriften  von  C.  0.  Thulin   (s.  oben). 


352  G.    KÖRTE 

Erde,  jedes  sacral  begrenzte  Gebiet,  eine  Stadt,  ein  Lager,  ein 
Gotteshaus,  selbst  der  Mensch,  so  galt  auch  die  Leber  als  ein 
Tempi  um  und  die  Haruspicin  beruhte  auf  demselben  Funda- 
ment und  Schema  wie  Augurium  und  Fulgurition  ».  Meiner 
Ueberzeugung  nach  sind  diese  Sätze  im  wesentlichen  irrig,  bezw. 
anders  zu  formulieren,  die  Bronze  stellt  einfach  eine  tierische 
Leber  und  zwar  die  eines  Schafes  dar,  dieBezeichnung  als  T  e  m- 
plum  ist  unzutreffend  und  irreführend.  Dadurch  dass  er  an  dieser 
Bezeichnung  festhielt,  hat  sich  Deecke  das  volle  Verständnis-  der 
spärlichen  Ueberlieferung  von  der  Ausübung  der  Haruspicin  selbst 
verschlossen. 

Wir  beginnen  mit  einer  kurzen  Feststellung  des  Tatsächli- 
chen. 

Die  Bronze  misst  in  ihrer  grössten  Längsausdehnung  126  mm. 
(D.  I  S.  5  giebt  124  mm.  an).  Von  ihrer  Form  geben  die  ein 
wenig  verkleinerten  Abbildungen  1-4  aufTafel  XII,  XIII  nach  meinen 
Photographien  eine  klare  Vorstellung.  Abb.  1  zeigt  das  Gerät  von 
obenher  gesehen,  Abb.  2  aufgerichtet,  so  dass  das  Liniensystem 
und  die  Inschriften  vollständig  zu  sehen  sind,  Abb.  3  gibt  eine 
Ansicht  von  der  entegegengesetzten  Seite  aus  wie  1,  Abb.  4  eine 
solche  der  Unterseite. 

Die  beistehende  Fig.  1  stellt  eine  Schafsleber  dar,  von  mei- 
nem früheren  Collegen,  dem  Professor  der  Anatomie  Friedrich 
Merkel,  damals  in  Eostock,  jetzt  in  Göttingen,  welcher  mich  bei 
der  Untersuchung  verschiedener  tierischer  Lebern  durch  seinen 
fachmännischen  Beirat  zu  unterstützen  die  Güte  hatte,  nach  der 
Natur  mittels  des  Diopters  auf  die  Grösse  der  Bronze  reduciert, 
hier  auf  2/3  der  Originalzeichnung  verkleinert. 

Die  Unterschrift  giebt  die  anatomischen  Bezeichnungen  der 
einzelnen  Teile  an,  bezüglich  c,  d  nach  der  berichtigten  Termino- 
logie von  L.  Stieda  (*)  (a.  a.  0.  S.  14  ff.  insbesondere  S.  23  u.  25). 
Der  Processus  pyramidalis  (d)  ist  künstlich  in  die  Höhe  gerichtet; 
im  natürlichen  Zustand  hängt"  er  bis  zum  Leberrande  herab. 

Ein  Vergleich  mit  den  Abbildungen  der  Bronze  lässt  keinen 
Zweifel  darüber,  dass  diese  ebenfalls  eine  Schafsleber  darstellt :  die 
wesentlichen  Teile,  nämlich  die  beiden  grossen  Leberlappen  (lobus 

0)  S.  oben  S.  351  Anm. 


BERICHTIGUNG 
zu  Bd.  XX  S.  353. 


Die  Unterschrift  der  Figur  1  muss  lauten 


Fig.  1.  Schafsleber. 

a:  lolus  simster,  b:  loius  dexter,  c:  processus  papillaris,  d:  processus  pyramidalis,  e:  vesiea 
fellea,  f:  incisura  umbilicalis,  g:  porta  Aepatis.  h:  vena  portae,  b/:  ramus  venae  portae 
ad  processum  pyramidalem,  i:  vena  cava  inferior. 


Teil,  dem  Körper  (corpus),  in  der  Natur  wohl  niemals  eine  so  re- 
gelmässige Rundung  und  reicht  durch  die  grössere  Länge  des  Halses 
(cervix)  meist  nicht  unbeträchtlich  über  den  Leberrand  hin- 
aus (J).  Regelmässiger  als  in  der  Natur  ist  auch  der  ganze  Umris 
der  Bronze;  dasselbe  gilt  von  der  völlig  ebenen  Gestaltung  der 
oberen  Fläche.  Die  grösste  Abweichung  aber  ist  die,  dass  der  pro- 
cessus papillaris  viel  weiter  nach  links,  nach  dem  lobus  sinister 
zu  verlegt  ist,  als  er  in  der  Natur  sich  findet.  Der  erhöhte  «  wegar- 
tige »    Streifen  auf  der  Unterseite  der  Bronze  (Taf.  XIII  Abb.  4) 


(')  Freilich  nicht  immer,  wie  ich  an  einer  der   von  mir  untersuchten 
Schafslebern  feststellen  konnte,  vgl.  auch  Stieda  Taf.  I,  2. 

24 


nauiu  uiiiuns  ue»  jjiopiers  aur  die  u rosse  der  rironze  reduciert, 
hier  auf  2/3  der  Originalzeichnung  verkleinert. 

Die  Unterschrift  giebt  die  anatomischen  Bezeichnungen  der 
einzelnen  Teile  an,  bezüglich  c,  d  nach  der  berichtigten  Termino- 
logie yon  L.  Stieda  (*)  (a.  a.  0.  S.  14  ff.  insbesondere  S.  23  u.  25). 
Der  Processus  pyramidalis  (d)  ist  künstlich  in  die  Höhe  gerichtet; 
im  natürlichen  Zustand  hängt*  er  bis  zum  Leberrande  herab. 

Ein  Vergleich  mit  den  Abbildungen  der  Bronze  lässt  keinen 
Zweifel  darüber,  dass  diese  ebenfalls  eine  Schafsleber  darstellt :  die 
wesentlichen  Teile,  nämlich  die  beiden  grossen  Leberlappen  (lobus 

0)  S.  oben  S.  351  Anm. 


DIE  BRONZELEBER  VON  PIACENZA 


35  3 


dexter  u.  sinister),  der  processus  papillaris  und  der  proc.  pyramida- 
lis, die  Gallenblase,  femer  die  incisura  umbilicalis,  sind  unverkennbar 
wiedergegeben,  freilich  derart  schematisiert,  dass  an  eine  Herstellung 
unmittelbar  nach  der  Natur  nicht  gedacht  werden  kann.  Besonders 
stark  ist  der  processus  pyramidalis  stilisiert,  abgesehen  davon,  dass  er 


Fig.  1.  Schafsleber. 

a:  lobus  simster,  b:  lobus  dexter,  c:  processus  pyramidalis,  d:  vesica  fellea,  f:  incisura  umbi- 
licalis, g :  porta  hepatis,  h :  vena  portae,  b/:  ramus  venae  portae  ad  processum  pyrami- 
dalem, i:  vena  cava  inferior. 


in  der  Natur  herabhängt.  Die  Gallenblase  zeigt  in  ihrem  unteren 
Teil,  dem  Körper  (cor]ms),  in  der  Natur  wohl  niemals  eine  so  re- 
gelmässige Rundung  und  reicht  durch  die  grössere  Länge  des  Halses 
(cervix)  meist  nicht  unbeträchtlich  über  den  Leberrand  hin- 
aus (,).  Regelmässiger  als  in  der  Natur  ist  auch  der  ganze  Umris 
der  Bronze;  dasselbe  gilt  von  der  völlig  ebenen  Gestaltung  der 
oberen  Fläche.  Die  grösste  Abweichung  aber  ist  die,  dass  fax  pro- 
cessus papillaris  viel  weiter  nach  links,  nach  dem  lobus  sinister 
zu  verlegt  ist,  als  er  in  der  Natur  sich  findet.  Der  erhöhte  ■  wegar- 
tige »    Streifen  auf  der  Unterseite  der  Bronze  (Taf.  XIII  Abb.  4) 


(*)  Freilich  nicht  immer,  wie  ich  an  einer  der   von  mir  untersuchten 
Schafslebern  feststellen  konnte,  vgl.  auch  Stieda  Taf.  I,  2. 

24 


354  G.    KÖRTE 

entspricht  dem  Suspensorium  hepatis,  einem  Gewebe,  an  welchem 
die  Leber  im  tierischen  Körper  hängt.  In  der  Natur  verläuft  es 
von  der  incisura  umbilicalis  aus  etwas  mehr  nach  links  (auf  der 
Abbildung),  nach  dem  rechten  Leberlappen  (lob.  dexter)  hin.  Die 
convexe,  der  Unterseite  der  Bronze  entsprechende  Fläche  der  Leber 
liegt  also,  worauf  wir  um  Missverständnisse  zu  vermeiden  ausdrück- 
lich hinweisen,  oben, *  nach  dem  Eiicken  des  lebenden  Tieres  hin 
(«  dorsale  »  Fläche),  die  andere  concave  (an  der  Bronze  ebene), 
mit  Gallenblase,  processus  papillaris  und  pyramidalis,  unten,  dem 
Bauche  zugewendet  (•  ventrale  *  Fläche).  Die  incisura  umbilicalis 
liegt  nach  dem  Schwänze  zu.  Die  anatomischen  Bezeichnungen  der 
beiden  grossen  Leberlappen  als  rechter  und  linker  (lobus  dexter  und 
sinister)  sind  vom  aufgerichten  bezw.  auf  dem  Rücken  liegenden, 
geschlachteten  Tiere  zu  verstehen.  Von  den  vier  Löchern,  welche 
die  Bronze  aufweist,  entspricht  Nr.  1  (nach  der  Zählung  von 
Deecke),  auf  Taf.  XII  Abb.  1,  sowie  Taf.  XIII  Abb.  4  am  unteren 
Rand  deutlich  erkennbar,  der  Einmündungsstelle  der  vena  umbi- 
licalis, Nr.  2,  auf  Taf.  XIII  Abb.  3  links  sichtbar,  bezeichnet  nach 
dem  Urteil  meines  anatomischen  Gewährsmannes  F.  Merkel  (*) 
die  Einmündungssteile  eines  Nebenastes  der  vena  portae  in  diese, 
nicht  wie  Deecke  II  S.  67  angibt  den  Austritt  der  vena  cava  in- 
ferior. Dieser  Nebenast  führt  in  den  processus  pyramidalis-, 
auch  das  Loch  Nr.  4  an  der  linken  Seite  dieses,  auf  Taf.  XIII 
Abb.  3  sichtbar,  bezieht  sich  auf  denselben  Nebenast,  Nr.  3,  an 
der  Unterseite  der  Bronze  (Taf.  XIII  Abb.  4  links),  den  andern, 
in  den  lobus  dexter  führenden  Nebenast  der  vena  portae.  Somit 
gilt  auch  von  Nr.  2  was  Deecke  in  Bezug  auf  Nr.  3  und  4  ausführt 
(D.  II  S.  67  f.),  nämlich  dass  an  den  betreffenden  Stellen  die 
Venen  in  der  Natur  nicht  an  die  Oberfläche  treten,  aber  ein  leich- 
ter Einschnitt  sie  zutage  fördert. 

Es  sei  schliesslich  in  Uebereinstimmung  mit  Deecke  und  Stieda 
noch  bemerkt,  dass  die  Bronze  eine  entschieden  grössere  Ueber- 
einstimmung mit  der  Leber  eines  Schafes  als  mit  der  eines  Kalbes 
oder  Rindes  aufweist :  bei  diesen  ist  das  Grössenverhältnis  der  bei- 
den Leberlappen  ein  viel  ungleicheres,  sie  greifen  übereinander 
und  sind  nicht  so  bestimmt  durch    die    incisura   umbilicalis  von 

0)  Vgl.  auch  Stieda  S.  32  f. 


DIE    BRONZELEBER    VON    PIACENZA 


355 


einander  getrennt.  Auch  ist  der processus  pyramidalis  unregelmässi- 
ger gestaltet,  seine  Ansatzfläche  nimmt  einen  verhältnismässig 
grösseren  Raum  ein,  und  der  processus  papillaris  ist  nur  ausnahms- 
weise stärker  entwickelt.  Die  Leber  der  Ziege,  des  ausser  Schaf 
und  Rind  am  häufigsten    den    Göttern    geopferten  Tieres,  kommt 


Fig.  2.  (nat.  Gr.). 


nicht  in  Betracht,  da  sie  von  der  des  Schafes  noch  mehr  abweicht 
(vgl.  Stieda  a.  a.  0.  S.  27). 

Regioneneinteilung.  Wir  betrachten  nunmehr  das  Li- 
niensystem, durch  welches  die  obere  ebene  Fläche  der  Bronze  (der 
concaven,  ventralen  Fläche  der  Leber  im  Tierkörper  entsprechend) 
in  eine  Anzahl  von  Bezirken  oder  Regionen  eingeteilt  ist,  in 
denen  je  ein  oder  zwei  Götternamen  verzeichnet  sind. 

Für  die  Abbildung  Fig.  2  habe  ich  mit  Dank  eine  sehr  sorg- 
fältige Zeichnung  des  Herrn  Dr.  Girolamo  Oriani  in  Venedig 
benutzt,  welche  dieser  im  Jahre  1883  an  meinen  Freund  F.  von 


356  G.    KÖRTE 

Dukn  gesandt  hatte,  der  sie  mir  mit  seiner  gütiger  Zustimmung 
zu  freier  Benutzung  für  meine  Studien  überliess.  Auf  Grund  einer 
genauen  Vergleichung  dieser  und  der  von  Deecke  veröffentlichten 
Abbildung  mit  dem  Original  ist  dann  unter  Benutzung  der  von 
mir  genommenen  Photographien  die  neue  hier  wiedergegebene  Zeich- 
nung genau  in  natürlicher  Grösse  hergestellt  worden.  Zum  Vergleich 
ist  in  Fig.  3  die  Deeckesche  Tafel  I,  auf  2/3  verkleinert,  wiederholt. 


Fig.  3  nach  Deecke  Taf.  I  (2/3). 


Die  neue*  Abbildung  Fig.  2,  deren  Genauigkeit  mittels  der 
mechanischen  Reproduktionen,  namentlich  Taf.  XII  2,  nachgeprüft 
werden  kann,  lehrt  zunächst,  dass  die  Linienführung  eine  weit 
weniger  regelmässige,  flüchtigere  ist  als  sie  in  Deecke' s  Abbildung 
erscheint.  Eine  vollkommen  durchgehende  Teilungslinie  ist  über- 
haupt auf  dieser  Fläche  nicht  vorhanden,  sondern  nur  auf  der 
unteren,  (der  convexen,  dorsalen  der  natürlichen  Leber),  nämlich 
der  dem  Verlauf  des  Suspensorium  hepaäs  entsprechende  erhöhte 
Streifen  (vgl.  Taf.  XIII  4).  Dieser  teilt  die  Leber  der  Natur  gemäss 
in  eine  rechte  und  eine  linke  Hälfte,  (die  beiden  grossen  Leberlap- 
pen), von  denen  durch  die  Inschriften  usus  und  tivs  jene  dem 
Tages-,  diese  dem  Nachtgestirn  geweiht  ist.  Den  Endpukten  dieser 
Teilungslinie,  von  denen  der  untere  auch  in  der  natürlichen  Leber 


DIE    BRONZKLEBER    VON    PIACENZA  357 

;üs  incisura  umbilicalis,  Eintrittspunkt  der  vena  umbilicalis,  be- 
deutsam hervortritt,  entsprechen  nun  auf  der  andern  Fläche  die 
Punkte  A-B.  Diese  sind  Grenzpunkte  je  zweier  Regionen  und 
durch  eine,  freilich  nicht  ununterbrochene  Linie  verbunden.  Also 
ist,  vollkommen  der  Natur  entsprechend,  auch  die  Einteilung  der- 
concaven  Fläche  der  Leber  durch  die  Querteilung  in  zwei 
Hälften  bedingt.  Dagegen  ist  eine  Längsteilung,  wie. sie  Deecke 
durch  Hilfslinien  (S-N)  herstellen  will,  nicht  vorhanden  und  für 
die  Abteilung  der  Randregionen  massgebend  gewesen:  Deecke's 
Südpunkt  (S)  fällt  mitten  in  eine  Region  (10).  Damit  ist  ab  ei- 
se i  n  e  r  Behauptung,  die  Leber  sei  durch  Cardo  und  de- 
cumanus  als  templum  limitiert,    der  Boden  entzogen. 

Die  ganze  Einteilung  geht  aus  von  der  incisura  umbilicalis 
(Fig.  2 :  A).  Von  ihr  gehen  die  beiden  auf  die  zwei  grossen  Leber- 
lappen bezüglichen  Inschriften  der  convexen  Fläche  aus,  auf  die 
Ansicht  von  A  aus  sind  die  Inschriften  der  concaven  Fläche  mit 
wenigen  Ausnahmen  berechnet.  Es  ist  nun  zunächst  durch  eine  dem 
äusseren  Contur  der  Leber  parallele  Linie,  in  welche  der  untere 
Contur  der  Gallenblase  einbezogen  ist,  ein  Randstreifen  ab-  und 
in  16  Randregionen  von  sehr  ungleicher  Grösse  eingeteilt  und  zwar, 
wie  gesagt,  mit  Berücksichtigung  der  Punkte  A,  B  (0-W  bei  Deecke). 
Von  diesen  16  Randregionen  entfallen  9  auf  die  rechte,  7  auf 
die  linke  Hälfte  der  Leber.  Die  innere  Fläche  ist  dann  wiederum 
in  Regionen  eingeteilt  und  zwar  ist  das  Prinzip  der  Einteilung  für 
beide  Leberlappen  ein  verschiedenes.  Auf  dem  linken  gehen  von 
einem  kleinen  ovalen  Mittelfelde  radienförmig  6  Linien  aus,  eine 
siebente  grenzt  diesen  Teil  gegen  die  Mitte  der  Leber  zu  ab,  so 
dass  zwischen  dieser  Grenzlinie  und  der  Linie  A-B  ein  keilförmiges 
Stück  übrig  bleibt,  welches  zwei  (allerdings  nicht  durch  eine  Tren- 
nungslinie geschiedene)  Regionen  aufweist.  Im  Ganzen  sind  so  auf 
der  linken  Hälfte  8  innere  Regionen  vorhanden. 

Die  Einteilung  der  rechten  Hälfte  geht  aus  von  der  Grund- 
linie der  vorderen  Seite  der  Pyramide,  des  stilisierten  processus 
pyramidalis.  Parallel  zu  ihr  sind  andere  Linien  gezogen  und 
diese  werden  auf  der  Fläche  rechts  von  der  Gallenblase  von 
senkrecht  zu  ihnen  stehenden  Linien  geschnitten.  Die  ersteren 
wagerechten  Linien  sind  aber  auch  auf  der  Gallenblase  und 
ebenso  in  dem  keilförmigen  Stück   zwischem   dem  linken    Contur 


358  G.    KÖRTE 

dieser  und  der  Linie  A-B  zur  Abteilung  von  Regionen  verwandt. 
Links  neben  der  Pyramide  ist  noch  eine  vereinzelte  Region,  die 
nicht  schwarf  abgetrennt  ist;  im  Ganzen  sind  deren  auf  dieser 
Hälfte  16  vorhanden. 

Die  Einteilung  des  linken  Leberlappens  scheint  nun  im 
wesentlichen  auf  Naturbeobachtung  zu  beruhen :  die  Gallengänge 
(ductus  hepatici)  verlaufen  in  der  Tat  ungefähr  radienförmig  (*). 
Dagegen  hat  die  des  rechten  Lappens,  keinerlei  Anhalt  in  anato- 
mischen Verhältnissen.  Das  System  aber  von  wagerechten  paral- 
lelen Linien,  welche  von  senkrechten  geschnitten  werden,  ist  ein- 
fach das  der  Limitation:  jene  sind  als  cardines,  diese  als 
decumani  zu  bezeichnen. 

Familiaris  und  hostilis  pars.  Wir  erinnern  uns  nun, 
dass  in  den  römischen  Zeugnissen  über  Haruspicin,  *welche  zwei- 
fellos auf  etruskische  Lehre  zurückgehen,  die  Unterscheidung 
einer  familiaris  und  hostilis  (inimica)  pars  der  Leber  eine  grosse 
Rolle  spielt.  Wie  die  natürliche  Leber,  so  hat  auch  unsere  Bronze 
nur  eine  durchgehende  Scheidung  in  den  rechten  und  linken  Leber- 
lappen; jener  ist  dem  Tages-,  dieser  dem  Nachtgestirn  geweiht, 
auf  jenem  befindet  sich  der  processus  pyramidalis,  der  für  die 
Leberschau  wichtigste  Teil,  6  Xoßog,  lat.  caput;  von  seiner  stili- 
sierten Gestalt  ist  die  ganze  Innenteilung  des  rechten  Leberlappens 
auf  der  Bronze  abhängig.  Das  alles  führt  mit  zwingender  Notwen- 
digkeit zu  dem  Schlüsse,  dass  eben  im  rechten  Leber  läppen 
d i e  familiaris,  im  linken  die  hostilis  pars  zu  erkennen 
sei. 

Es  stimmt  nun  völlig  zu  etruskischer  Auffassung,  dass  nur 
die  familiaris  pars  limitiert,  d.  h.  nach  dem  heiligen  Schema 
durch  cardines  und  decumani  eingeteilt  ist.  In  dem  merkwür- 
digen Fragmente  der  Vegoia  (Lachmann  Gromatici  vet.  I,  350), 
welche  C.  0.  Thulin  (2)  gewiss  mit  Recht  mit  der  Nymphe  Bigois 

(l)  Deutlicher  wird  dies  durch  einen  Krankheitsprozess,  welcher  bei  in 
Niederungsgegenden  gehaltenen  Schafen  häufig  auftritt,  wie  ein  Fachmann, 
Herr  Dr.  H.  Bohtz,  bei  Thulin  Haruspicin  S.  38  ausführt.  Den  etruskischen 
Haruspices  ist  aber  eine  allgemeine  Kenntnis  des  Verlaufes  der  Gallengänge 
auch  im  normalen  Zustande  wohl  zuzutrauen. 

(")  Die  etruskische  Disciplin.  I  Die  Blitzlehre  (Göteborgs  Högskolas 
Arsskrift  1905)  S.  6. 


DIE    BRONZELEBER   VON    PIACENZA  359 

(Begoe)(1)  identificiert,  heisst  es  nämlich:  Cum  autem  luppiter 
terram  Aetruriae  sibi  vindicavit,  constituit  iussitque  metiri 
campos  signarique  agros.  Wie  nach  göttlichem  Gebot  die  Limi- 
tation, auf  welcher  die  Ackervermessung  beruht,  nur  für  das  dem 
höchsten  Gott  speciell  geweihte  und  am  Herzen  liegende  Land 
Etrurien  angeordnet  ist,  so  ist  sie  für  die  Leber  auf  die  fami- 
liaris  pars  (vom  etruskischen  Standpunkt  aus)  beschränkt.  Dersel- 
ben Bevorzugung  entspricht  es,  dass  auf  sie  von  den  16  Randre- 
gionen 9,  von  den  24  Innenregionen  16  entfallen. 

Die  Abteilung  eines  Randstreifens  überhaupt  und  dessen  Ein- 
teilung in  16  Regionen  hat  keinen  Anhalt  in  der  natürlichen  Be- 
schaffenheit der  Leber:  es  muss  eine  Uebertragung  der  nur  der 
etruskische  Lehre  eigentümlichen  Sechzehnteilung  des  Himmelstem- 
plums  auf  die  Leber  angenommen  werden.  Diese  konnte  bei  der 
unregelmässigen  Gestalt  des  Leberumrisses  nur  so  geschehen,  dass 
die  einzelnen  Regionen  verschiedene  Grösse  erhielten,  während  das 
Himmelsgewölbe  zur  Beobachtung  gewisser  göttlicher  Zeichen  selbst- 
verständlich in  gleichgrosse  Kreisabschnitte  geteilt  wurde.  Dass  wei- 
ter auch  die  Innenfläche  des  rechten  Leberlappens,  der  f amiliar  is 
pars,  in  16  Regionen  eingeteilt  ist,  kann  ebenfalls  nicht  zufällig 
sein,  sondern  muss  auf  bewusster  Uebertraguug  derselben  heiligen 
Sechzehnteilung  beruhen. 

Aus  dem  Gesagten  ergibt  sich,  dass  ich  Deecke's  Ansicht 
(D.  I.  20  f.),  von  den  24  Innenregionen  hiengen  16  mit  den  Rand- 
regionen zusammen,  nicht  teilen  kann.  Die  Beobachtung,  dass  in 
Region  9  und  9l,  10  und  101  (nach  seiner  Zählung)  —  nach  der 
berichtigten  Lesung  und  Abteilung  der  Regionen  7  und  8  kämen 
noch  8  und  81  hinzu  —  ferner  6l  und  6,  16l  und  16,  d.  h.  in  5 
von  16  angeblichen  Parallelregionen,  dieselben  Götternamen  wie- 
derkehren, genügt  nicht  zur  Begründung  und  ein  Blick  auf  die  Dee- 
ckesche  Bezifferung  der  Innenregionen  erweist,  dass  der  Zusam- 
menhang äusserlich  nicht  hervortritt,  vielmehr  namentlich  auf  dem 
rechten  Leberlappen  die  angeblich  zusammengehörigen  Regionen 
ganz  regellos  durcheinander  gewürfelt  sind. 

Zählung  der  Regionen.  Wir  haben  ferner  aus  der  oben 


(»)  Vgl.  Servius  ad  Aen.  VI,  72.  Thulin  a.  a  0.  S.  3  f.  und  C.  I.  L.  XI 
3370  ebenda  7  f. 


360  G.    KÖRTE 

geschehenen  Feststellung,  dass  die  Verteilung  der  Regionen  nicht 
durch  die  imaginäre  (nicht  vorhandene)  Linie  S-N  (D.)  sondern 
vielmehr  durch  die  Linie  A-B  bestimmt  und  dass  A  der  wichtigste 
Punkt  für  das  ganze  Regionensystem  ist,  die  Folgerung  zu  ziehen, 
dass  von  diesem  Punkt  die  Zählung  der  Regionen  zu  beginner  habe. 
Nach  diesen  Grundsätzen  ist  die  neue  Bezifferung  in  unserer  Fi- 
gur 2  erfolgt. 

Die  Leber  orientiert.  A  entspricht  der  incisura  umbi- 
licalis, welche  die  beiden  Leberlappen  von  einander  trennt;  eine 
noch  erhöhte  Bedeutung  aber  gewinnt  diese  Stelle  durch  die  Ein- 
mündung der  vena  umbilicalis,  durch  welche  der  Embryo  ernährt 
wird  und  welche  auf  der  Bronze  durch  ein  Loch  bezeichnet  ist. 
Wenn  nun  von  dieser  Stelle  auf  der  convexen  Fläche  der  Leber 
die  Inschriften  ausgehen,  welche  die  beiden  Leberlappen  der  Sonne 
und  dem  Monde  weihen,  so  ist  damit  deutlich  ausgesprochen,  dass 
sie  als  Ausgangspunkt  des  Lebens  dem  Aufgangspunkte  der  Ge- 
stirne, dem  Osten  im  Weltkörper,  gleichgesetzt  ist.  Die  Linie  A-B 
entspricht  also  der  Ost- Westlinie,  dem  decumanus  des  Templums. 

Nun  besitzen  wir  in  den  Schriften  der  römischen  Feldmesser 
ein  ausdrückliches  Zeugnis  des  Varro,  dass  die  von  0.  nach  W. 
gezogene  Linie  die  erste  und  Hauptlinie  des  Templums  nach 
etru skischer  Lehre  war.  Grom.  vet.  ed  Lachmann  p.  27  (Fron- 
tinus,  nach  ihm  Hyginus  p.  166,  Dolabella  p.  303) :  limilum  prima 
origo,  sicut  Varro  descripsit,  a  disciplina  Etrusca;  quod  aru- 
spices  orbem  terrarum  in  duas  partes  diviserunt,  dextram  appel- 
laverunt  quae  septentrioni  subiaceret,  sinistram,  quae  ad  meri- 
dianum  terrae  esset,  ab  Oriente  ad  occasum,  quod  eo 
sol  et  tu  na  spectar  et ,  sicut  quidam  architecti  delubra  in 
occidentem  recte  spectare  scripserunt.  aruspices  altera  linea  ad 
septentrionem  a  meridiano  diviserunt  terram,  et  a  media  ultra 
anüca,  citra  postica  nominaverunt.  Ab  hoc  fundamento  maiores 
nostri  in  agrorum   mensura  videntur   constituisse   rationem  (l). 

(l)  Damit  stimmt  völlig  überein  Plinius  N.  H.  II,  143:  In  sedecim 
partes  caelum  in  eo  spectu  diinsere  Tusci.  prima  est  a  septemtrionibus  ad 
aequinoctialem  exortum,  secunda  ad  meridiem.  lertia  ad  aequinoctialem 
occasum,  quarta  obtinet  quod  reliquum  est  ab  occasu  ad  septemtriones.  haec 
iterum  in  quaternas  divisere  partes,  ex  quibus  octo  ab  exortu  sini- 
«Lras,   totidem   e   contrario    appellavere   dextras.    Also  8  Re- 


DIE    BRONZELEBER    VON    PIACENZA  361 

Die  Frage  ob  in  der  Tat  die  Limitation  und  das  Schema  des 
Templum,  auf  welchem  sie  beruht,  von  den  Etruskern  herrührt, 
oder,  wie  wir  jetzt  auch  aufgrund  von  monumentalen  Belägen 
annehmen  müssen,  altitalisch  war,  können  wir  hier  bei  Seite  lassen. 
Genug,  dass  die  West  Orientierung  als  echtetruskische  Leh- 
re (')  bezeugt  ist. 

Unsere  Bronze  gibt  uns  eine  erwünschte  Bestätigung  dafür, 
indem  sie  diese  Orientierung  auf  die  Leber  übertragen  zeigt.  Die 
zweite  Linie,  der  cardo,  ist  auf  der  Bronze  nicht  gezogen,  weil 
die  Leber  ihrer  Natur  nach  eben  eine  Zweiteilung  in  eine  rechte 
und  linke  Hälfte,  nicht  eine  weitere  in  eine  vordere  und  hintere 
zulässt  und  die  Beobachtung  nicht  von  der  Mitte,  sondern  vom 
Punkt  A  (dem  Ostpunkte)  ausgehen  soll. 


gionen  von  Osten  an  nach  links  (bei  der  Zählung  von  Norden  durch  Osten- 
Süden-Westen-Norden),  d.  h.  von  0.  bis  W.,  heissen  die  linken,  die  8  .von 

0.  nach  rechts  (O.-W.)  die  rechten. 

(>)  Die    Süd  Orientierung    des  Himmelstemplums,  bei  welcher   also 
Osten  links,  Westen  rechts,  Süden  vorn,  Norden  hinten  liegt,  bezeugt  Varro 

1.  1.  VII,  6  aber  ohne  Berufung  auf  etruskische  Lehre.  Sie  geht  aus  von  der 
etruskischen  Ansicht,  dass  die  Götter  ihren  Sitz  im  Norden  haben,  also  nach 
Süden  schauen.  Demgeraäss  sind  die  etruskischen  Tempel,  die  Wohnunngen 
der  Götter  auf  Erden,  nach  Süden  orientiert,  so  die  Tempel  von  Marzabotto 
und,  vom  etruskischen  Kitus  abhängig,  der  des  capitolinischen  Juppiter  und 
der  von  Alatri  (Beispiele,  welche  Nissen,  Templum  S.  176  noch  nicht  kannte 
cf.  Th.  Wiegand,  le  temple  Hr.  d'aprts  Vitruve  in  Glyptotheque  Ny-Carls- 
bergpl.  170-179,  p.  7).  Dagegen  ist  sie  für  die  etruskische  Auspication 
nicht  bezeugt,  für  die  römische  durch  die  Geschichte  von  Attus  Navius  (Ci- 
cero de  div.  I,  17,  31,  und  Varro  bei  Festus  p.  339).  Bei  der  Inauguration  des 
Numa  (Livius  I,  18,  6)  sitzt  dieser  nach  Süden  gewandt  (gleichsam  als  Ver- 
treter des  Gottes?),  der  Augur  neben  ihm  mit  dem  Gesicht  nach  Osten. 
Diese  Ostorientierung  ist  offenbar  die  nach  römischem  Ritus  vorgeschrie- 
bene. Daraus,  dass  der  Augur  in  jedem  Falle  bestimmt  was  für  ihn  rechts  und 
links,  vorn  und  hinten  sein  soll,  ist  m.  E.  nicht  mit  Wissowa  zu  schliessen 
(Realencyclop.  II  Sp.  2341),  dass  die  Bestimmung  in  seinem  Belieben 
lag,  also  verschiedene  Orientierungen  möglich  waren;  nur  das  Aussprechen 
dieser  ein  für  allemal  feststehenden  Bestimmnung  scheint  mir  zum  Ritus  zu 
gehören.  An  etruskische  Lehre  erinnert  es,  dass  der  Augur  in  dem  eben 
citierten  Falle  regiones  ab  Oriente  in  occa&um  deßnivit,  vielleicht  auch  die 
römische  Sitte,  dass  man,  nachdem  ein  Teil  des  Gebetes  gen  Osten  gespro- 
chen, sich  rechtsum  drehend,  das  Antlitz  nach  Westen  wandte  (Nissen,  Tem- 
plum S.  170). 


362  G.    KÖRTE 

So  ist  allerdings  durch  unsere  Bronze  ein  Zusammenhang  der 
Haruspicin  mit  dem  Ganzen  der  etruskischen  disciplina  bezeugt. 

Die  Leber,  der  Sitz  des  Lebens  nach  antiker 
Auffassung,  erscheint  als  ein  Abbild  des  Weltgan- 
zen im  kleinen.  Wie  dieses  ist  sie  in  eine  rechte  und 
eine  linke  Hälfte,  eine  Tages- und  Nachtseite  geteilt, 
die  Trennungslinie  entspricht  der  Ost- Westlinie 
des  Weltalls.  Wie  das  Himmelsgewölbe  ist  ihr 
Rand  in  16  Regionen  geteilt,  in  denen  Götter  walten 
und  Zeichen  geben  können. 

Als  templum  erscheint  die  Leber  nicht,  wohl  aber  ist  dessen 
Schema  und  ebenso  die  Sechzehnzahl  der  Randregionen  auf  der 
rechten  Hälfte,  der  familiaris  pars,  wiederholt,  während  auf  die 
linke  Hälfte  nur  halb  so  viel,  8,  Innenregionen  entfallen,  deren 
Abteilung  nicht  auf  dem  heiligen  Schema,  sondern  auf  Beobach- 
tung der  natürlichen  Structur  der  Leber  beruht. 

Die  Inschriften.  Wir  geben  nun  die  Inschriften  nach  un- 
serer Zählung  (Fig.  2)  mit  Hinzusetzung  der  Deeckeschen  Zahlbe- 
zeichnungen und  seiner  Lesung  wo  sie  abweicht  in  Klammern 
wieder;  berichtigte  Lesungen  sind  mit  vorgesetztem  *  bezeichnet. 

Die  Randregionen,  a.  Rechte  Hälfte. 

1.  CaÜ  (D.  6). 

2.  0  (D.  5). 

3.  le&n  (D.  4). 

4.  *tee/vm  (D.  3  teO/vm). 

5.  uni  I  *mae  (D.  2  mar). 

6.  anil  fue  (D.  1). 

7.  tin/Ovf(V.  16). 

8.  tin/  cülen  (D.  15). 

9.  eilend  (D.  14). 

b.  Linke  Hälfte. 

10.  vetisl  (D.  13).  [ 

11.  cvlalp  (D.  12). 

12.  *cel  (D.  11:  ce). 

13.  tluscv  (D.  10). 

14.  led-ns  (D.  9). 


DIE    BRONZELEBEN   VON    PIACENZA  363 

15.  *selva  (D.  8:  Ivn). 

16.  *fuflu/ns  (D.  7  fuflunsl  /  nc)  (l). 

Die  Innen regionen.    a.  Rechte  Hälfte. 

17.  ca&a{D.  61). 

18.  *tinsV-/*ne#  (D.  15  *  tf£f#£ 
Xtoi+flykU'QX  51  fufluns). 

20.  &ufl/&as(D.  16 x). 

21.  /a/«/D.  41). 

22.  toM ,^vf(D.  I1). 

23.  /*#»  (D.  2  1). 

24.  */*£  (D.  31  »). 

25.  *tv.&  (D.  24  A). 

26.  mariü'laS  (D.  23); 

oo '  +    /r^  '^-i    \         >  auf  der  Gallenblase. 

28.  *n  (D.  21  np). 

29.  #  (D.  20). 

30.  *herc  (D.  19  Am?/). 

31.  *mari  (D.  18  mars). 

32.  *m/ar  /  tlusc  (D.  14  *  tlusc  /  aplc). 

b.  Linke  Hälfte. 

'  33.  te#aw  (D.  17). 

34.  *&etlvmV  D.  13  L  &etlvmr). 

35.  foH  /  *WJ  (D.  11 '  Ivsl  I  velx  (2). 

36.  tlusc  (D.  10 x). 

37.  le&ms  (D.  9  *). 

(*)  Die  Hegionen  15  und  16  (8,  7)  sind  bei  Deecke  wie  schon  bei  Poggi 
falsch  abgeteilt  und  dem  zufolge  die  Inschriften  unrichtig  gelesen.  Die 
richtige  von  C.  0.  Thulin  schon  nach  den  Karoschen  Photographieen  auf- 
gestellte Lesung  zu  15  (D.  8)  fand  ich  bei  der  zweiten  Vergleichung  des  Ori- 
ginals 1905  bestätigt. 

(2)  Der  Tatbestand  ist  in  Fig.  2  genau  wiedergegeben.  Das  von  Deecke 
und  Poggi  gelesene  x  W  nicht  vorhanden,  sondern  der  senkrechte  Strich 
sowie  die  beiden  Punkte  rühren  von  zufälligen  Verletzungen  der  Oberfläche 
bezw.  Unvollkommenheiten  des  Gusses  her;  solche  Gusspunkte  (von  der 
Sandform)  finden  sich  in  grösserer  Zahl  auf  der  Bronze,  der  senkrechte 
Strich  ist  nicht  scharf  eingeschnitten  wie  die  sicheren  Buchstaben,  sondern 
nur  ganz  flach.  Danach  ist  der  zweite  Name  dieser  Region  zu  lesen:  vel. 


364  G.    KÖRTE 

38.  *selua  (D.  8  *  selvan). 

39.  eilen  (D.  7  l). 

40.  satr/es  (D.  12  x). 

Auf  der  convexen  Seite: 

links  (auf  dem  rechten  Leberlappen) :  usus ;  rechts  (auf  dem 
linken  Leberlappen):  tivs  (l).  , 

Die  Namen  sind  zum  weitaus  grössten  Teil  abgekürzt;  von 
den  vollständig  ausgeschriebenen  stehen  im  Nominativ:  uni, 
mae  (5),  ani  (6),  fufluns  (16  vgl.  fuflus  19),  led-am  (23);  im  Ge- 
nitiv: cilensl  (9),  vetisl  (10),  las(a)l  (4),  -Oufl&as  (20),  marisl(26), 
satres  (40),  p*&  und  tivs;  ausserdem  scheint  der  Genitiv  noch 
sicher  in  ans  (22),  le&ns  (14),  Ivsl  (35),  Wws  (37),  so  dass 
dessen  Anwendung  in  den  controllierbaren  Fällen  überwiegt. 

Deutungen.  Sicher  zu  deuten  (2)  sind  von  diesen  Götterna- 
men: tin  (7.  8.  18.  22)  vollst,  tinia  =  Juppiter,  uni  (5)  =  Juno, 
fufluns  (16.  19).=  Liber  (Dionysos),  maris  (26.  31.  32)  =  Mars, 
herc(le)  =  Hercules,  usil  (R.)  =  Sol;  es  kommt  hinzu  aufgrund 
der  neuen  Vergleichung  des  Originals:  nett  vollst,  ne&uns  (18, 
wahrscheinlich  auch  n  in  28)  =  Neptunus  (3),  mae  =  Maius,  nach 
Macrobius  Sat.  I,  12,  17  ein  in  Tusculum  verehrter  Gott  =  Jup- 
piter (*).  Endlich  darf  auch  die  Deutung  tiv  =  Lima  schon  durch 
die  Zusammenstellung  mit  usil  als  gesichert  gelten  (5). 

Als  wahrscheinlich  dürfen  wir  ferner  die  aus  lautlichen  Grün- 
den von  Deecke  aufgestellten  folgenden  Gleichungen  betrachten: 
1.  ani  (6)  =  Janus.  Die  Namensform  ist  allem  Anschein  nach  echt 

(*)  Der  letzte  Buchstabe  zeigt  oben  einen  vollständige  Oese,  so  wie  sie 
sonst  das  r  auf  der  Bronze  hat.  Ich  habe  deshalb  auch  hier  früher  r  gelesen 
und  dies  nebst  den  übrigen  vor  mir  gefundenen  Varianten  Herrn  C.  0.  Thu- 
lin  mitgeteit,  der  meine  Lesung  angenommen  hat  (a.  a.  0.  S.  7).  Bei  näherer 
Erwägung  glaube  ich  doch  zu  Deecke's  Lesung  zurückkehren  zu  sollen,  da 
ein  r  mit  gewundener  Haupthasta  (gleich  dem  s)  sonst  auf  der  Bronze  nicht 
vorkommt. 

(2)  Die  Beläge  s.  bei  Deecke  I  passim. 

(3)  Auf  einem  Spiegel  des  Museo  Gregoriano  Gerhard  LXXVI  mit  Drei- 
zack, Gemme  aus  Vulci  Furtwängler  D.  ant.  G.  XVII,  12  (Ne&unus).  Thulin 
S.  26,  3  hält  den  Namen  mit  guten  Gründen  für  echt    etruskisch. 

(4)  C.  0.  Thulin  a.  a.  0.  S.  12  f.  nach  Herbig. 

(5)  Deecke  I  S.  8  vgl.  jetzt  Thulin. 


DIE    BRONZELEBER    VON    PIACENZA  365 

etruskisch,  also  auch  der  Gott,  der  dann  in  Rom  recipiert  wurde  (1), 
2.  selva(ns)  (15.  38)  =  Silvanus  (2)  dem  Namen  nach  ebenfalls 
echt  etruskischer  Gott,  der  aber  seiner  Bedeutung  nach  mit  dem 
römischen  Silvanus  (nach  Wissowa's  scharfsinniger  Darlegung  Rel.  u. 
Kult.  d.  R.  175  ff.  Epitheton  des  silvicola  Faunus)  nicht  identisch 
gewesen  zu  sein  braucht.  Die  etruskischen  Bronzen  mit  Inschriften, 
in  denen  das  Wort  selvansl  vorkommt,  können  nicht  als  Darstel- 
lungen des  Gottes  angesehen  werden.  3.  satres  (40)  =  Saturnus  (3), 
das  Verhältnis  ebenso  zu  beurteilen  wie  bei  den  vorhergehenden 
und  bei:  4.  vetisl  (10)  =  Vedius,  Veiovis  (4).  Endlich  ist  auch 
5.  die  Gleichung  Ivsl  (35)  =  Lynsa  (Martianus  Capella)  lautlich 
wohl  begründet  ohne  die  Deutung  zu  fördern,  da  Lynsa  sonst 
nicht  vorkommt. 

Dagegen  scheidet  vel  (35)  =  vel%ans  =  Vulcanus  aus,  da 
das  %  nicht  auf  der  Bronze  steht  (s.  oben),  und  aus  innern  Gründen 
das  Vorhandensein  dieser  Namensform  neben  der  auf  Spiegeln 
constant  für  den  griechischen  Feuergott  gebrauchten  se&lans  zum 
mindesten  unwahrscheinlich  ist.  Wie  vel  zu  ergänzen  sei,  bleibt 
ganz  unsicher.  Von  den  übrigen  Götternamen  sind  uns  die  folgen- 
den aus  andern  Quellen  bekannt: 

ca&  (1)  ca&a  (17)  ist  wahrscheinlich  zu  identifizieren  mit 
dem  Worte  cauOas  der  Bleiplatte  von  Magliano  (am  Anfang), 
welches,  wenn  diese  Identification  zutrifft,  Genitiv  eines  Götter- 
namens sein  muss  (5).  Für  die  Deutung  des  Gottes  (dessen  Ge- 
schlecht nach  der  Namensform  nicht  feststeht)  gewinnen  wir 
dadurch  nichts.  Dass  er  auf  unserer  Bronze  an  hervorragender 
Stelle  ('«  nominato  per  il  primo,  al  posto  d'onore »)  stehe,  hat  Mi- 
lani  (Mon.  ant.  dell'Acc.  d.  Line.  vol.  II  1893,  56)  richtig  be- 
merkt, ftü*  seine  Deutung  aber  vermag  ich  irgend  eine  tatsächliche 


(*)  Thulin  S.  22  f. 

(8)  Thulin  S.  29. 

(8)  Thulin  S.  29. 

(*)  Thulin  S.  29  f. 

(5)  An  sich  ist  dies  keineswegs  selbstverständlich:  Bugge  Etr.  Forsch. 
u.  Stud.  IV,  71  hatte  es  für  eine  Verbalform  erklärt.  Aber  die  von  Torp  nach- 
gewiesene Inschrift  an  einem  Bronzegefäss  von  Perugia  (Torp  Etr.  Beitr. 
I,  23 ;  Not.  d.  sc.  1895,  242)  spricht  allerdings  dafür,  dass  cau&a,  kaud-a  Name 
eines  Gottes  sei  s.  Thulin  S.  49.      \ 


366  G.    KÖRTE 

Unterlage  nicht  zu  erkennen.  Ueber  Deecke's  und  seine  «  Ueber- 
setzung  ■  dieses  merkwürdigen  Schriftdenkmals  kann  ich  nicht 
anders  urteilen  wie  Breal  und  Pauli  (Altit,  Stud.  3.  1884  S.  129  f. ). 

eü-  (2)  vielleicht  mit  Deecke  (I,  45)  zu '  e&ausoa  zu  ergän- 
zen, dem  Namen  einer  Göttin,  die  auf  dem  Spiegel  Etr.  Sp.  V,  6 
mit  danr  als  Geburtshelferin  bei  der  Geburt  der  Menrva  er- 
scheint (]). 

leOn  (3.  23),  le&ns'(U),  leta  (27),  le&am  (33),  le&ms  (37), 
der  am  häufigsten  wiederholte  Göttername,  kommt  nur  einmal  auf 
einem  Spiegel  vor  (Etr.  Sp.  V.  S.  12  u.  82,  2).  Die  leider  ganz 
zerstörte  Darstellung  scheint  sich  auf  die  Geburt  der  Menrva  zu 
beziehen,  auf  dem  Rande  stehen  die  Namen :  uni,  -dalna,  menrva, 
tinia,  le&am,  laran.  Irgend  ein  Anhalt  für  die  Deutung  von 
le&am  ist  daraus  leider  nicht  zu  gewinnen. 

&trf  (7.  22),  Ü-uflO-as  (20)  eine  aus  3  etruskischen  Weihin- 
schriften bekannte  Gottheit,  deren  Natur  unbekannt  ist  (2). 

eilen  (8.  39)  cilensl  (9).  Derselbe  Name  in  der  Nominativform 
cüens  findet  sich  an  einem  Stirnziegel  aus  Terracotta  von  Bolsena 
unter  einer  mit  Chiton  und  Himation  bekleideten,  zweifellos  weib- 
lichen Gestalt,  leider  ohne  Kopf,  welche  in  ruhiger  Haltung  neben  der 
in  hastiger  Bewegung  dargestellten  Mera  =  Menrva  steht.  (Mon. 
d.  I.  VI/VII,  72,  2  Ann.  1862,  274  ff.  =  Brunn  Kl.  Sehr.  I,  219  f.) 

cvlalp  (11)  ist  von  Deecke  in  zwei  Namen  cvl  =  culkc  (Unter- 
weltsdaemon)  und  aipan  (mehrfach  auf  Spiegeln  vorkommende 
weibliche  Göttin,  welche  dem  Kreise  der  Aphrodite  (Turan)  an- 
zugehören scheint  vgl.  Körte  Etr.  Sp.  V  S.  41  f.  43  f.)  getrennt 
worden.  M.  E.  ist  diese  Trennung  unwahrscheinlich  weil  wir  in 
den  Randregionen  sonst  niemals  zwei  Namen  nebeneinander 
linden  und  zudem  in  der  Region  11  genügend  Raum  war  um  die 
Trennung  anzudeuten  und  wenigstens  einen  der  beiden  Namen 
auszuschreiben  (3). 

(*)  EO-is  (D.  ebenda)  fällt  weg,  da  auf  dem  Spiegel  Gerhard  CLXIV 
vielmehr  6e&is  zu  lesen  ist  (Etr.  Sp.  V,  S.  220,  1). 

(2)  Thulin  S.  34  ff.,  der  mit  Recht  hervorhebt,  dass  das  o.  W.  ange- 
nommene weibliche  Geschlecht  aus  der  Namensform  # ufl&a  nicht  mit  Not- 
wendigkeit folgt,  und  dass  das  schliessende  s  Genitiv-  aber  auch  Pluralbe- 
zeichnung sein  kann. 

(3)  Vgl.  Thulin  S.  41  f.,  der  die  Trennung  für  möglich  hält,  aber  auch 


DIE    BRONZELEBER    VON    PIACEN7.A.  367 

last  (21),  Genitiv  von  lasa  einer  auf  Spiegeln  häufig  vorkom- 
menden dienenden  Göttin  aus  dem  Kreise  der  Aphrodite  (  7uran)({). 

Martianus  Capeila.  Es  fragt  sich  nun  ob  wir  für  die 
Deutung  dieser  und  der  noch  übrigen  Götternamen  der  Bronze  von 
dem  nach  den  16  Himmelsregionen  geordneten  Verzeichnis  bei 
Martianus  Capella  Hilfe  erwarten  dürfen.  Diese  Frage  scheint 
mir  verneint  werden  zu  müssen.  Zwar  ist  durch  die  offenbar  beab- 
sichtigte Gleichsetzung  der  Linie  A-B  auf  der  Bronzeleber  mit  der 
Ost-  West-  Linie  am  Himmelstemplum  eine  Orientierung  der  Leber 
gegeben,  Norden  rechts,  Süden  links  anzusetzen.  Also  wäre  die 
Zählung  Deecke's,  vom  (imaginären)  Nordpunkt  beginnend,  für  den 
Vergleich  mit  Martianus  an  sich  geeignet.  Aber,  da  eine  klare, 
augenfällige  Entsprechung  von  16  Innenregionen  zu  den  Randre- 
gionen nicht  vorliegt,  so  ist  die  Vergleichung  auf  die  16  Rand- 
regionen zu  beschränken.  Da  finden  wir  von  sichern  oder  wahr- 
scheinlich zu  deutenden  Namen  —  und  von  diesen  ist  doch  zu- 
nächst auszugehen  —  nur  ani  (D.  1),  uni  (D.  2),  fufluns  (D.  7)  in 
denselben  Regionen  bei  Martian  wieder.  Es  ist  ferner  zu  beachten, 
dass  die  Regionen  am  Himmelstemplum  gleich  gross  angenommen 


die  Annahme,  cvlalp  sei  ein  zusammengesetztes  Wort  wie  A/arshercles  auf 
dem  von  mir  Etr.  Sp.  V  S.  219  publicierten  Spiegel.  Dieser  Vergleich  trifft 
nicht  zu,  denn  in  Marshercles  sind  2  vollständig  ausgeschriebene  Götter- 
namen enthalten,  die  ebensogut  durch  einen  Punkt  hätten  getrennt  werden 
können:  Mars  des  Herde  (Sohn).  Sichere  Beispiele  solcher  zusammengesetzter 
Worte,  wie  sie  Thulin  annimmt,  sind  mir  nicht  bekannt.  Deshalb  kann  ich 
auch  seine  Erklärung  von  ca&esan  (S.  41,  2)  nicht  für  richtig  halten. 

(J)  Thulins  Ausführungen  S.  44  ff.  gehen  aus  von  irrigen  Vorstellungen 
über  die  Arbeitsweise  der  etruskischen  Handwerker,  die  nicht  erfinden,  son- 
dern reproducieren  bezw.  Figuren  ihres  Repertoirs  zusammenstellen. 
Aus  augenfällig  irrigen  Beischriften,  wie  auf  den  Spiegeln  Gerhard  CXV 
Cwo  eine  männliche,  im  grieschischen  Original  zweifellos  Eros  darstellende, 
geflügelte  Gestalt  Lasa  sitmica  genannt  ist)  oder  CCCLIX,  (wo  eine  bekleidete 
geflügelte  Schicksalsgöttin  mit  Rolle  zwischen  den  im  Hades  gedachten  Aivas 
und  Hamcpiar(e)  den  Namen  Lasa  trägt)  oder  ganz  flüchtigen,  charakterlosen 
Bildern  wie  Gerh.  XXX,  4,  5  sind  keine  Schlüsse  auf  religiöse  Vorstellungen 
der  Etrusker  zu  ziehen.  Mit  demselben  Rechte  könnte  man  aus  dem  Spiegel 
V,  104  2  vgl.  S.  136  folgern,  dass  auch  Menrva  doppelgeschlechtig  sei,  wie 
angeblich  Lasa. 


368  G.    KÖRTE 

werden  müssen  ('),  auf  der  Bronzeleber  dagegen  auf  den  Abschnitt 
N-O:  6,  O-S:  4,  S-W:  3  und  W-N:  3  Regionen  entfallen.  Daraus 
folgt  dass,  wie  die  Verteilung  der  Regionen,  so  auch  die  der 
Götter  in  diese  für  den  Zweck  der  Leberschau  höchstens  in  An- 
lehnung an  des  Himmelstemplum  und  nicht  ohne  erhebliche  Ab- 
weichungen erfolgt  sein  kann  und  dass  aus  dem  dürftigen  Nieder- 
schlag etruskischer  Lehre  bei  Martian  sichere  Belehrung  über  die 
Bedeutung  der  uns  einstweilen  unverständlichen  etruskischen  Göt- 
ternamen nicht  zu  erhoffen  ist  (2).  Nur  einige  mehr  allgemeine 
Beobachtungen  und  Schlüsse  scheinen  statthaft.  Die  auffallende 
Bevorzugung  des  rechten  Leberlappens,  der  familiaris  pars,  hin- 
sichtlich der  Zahl  der  auf  ihn  entfallenden  Rand-  und  Innenre- 
gionen ist  schon  hervorgehoben.  Namentlich  drängen  sich  diese 
auf  dem  Raum  unterhalb  der  Pyramide  und  in  dem  ganzen  dem 
Nord-  Ost-  Quadranten  des  Himmelstemplums  entsprechenden  Teile. 
Hier  finden  wir  hohe  Götter- wie  tinia,  uni,  ani,  ne&uns  vereinigt; 
diesen  werden  wir  die  gleichfalls  nur  hier  vorkommenden  ca&a 
und  &ufl&a  anreihen  dürfen.  Bedeutsam  scheint,  dass  links  von 
der  Gallenblase  hercl(e)  und  mari(s)  neben  einander  stehen;  ist 
doch  letzterer  nach  dem  Zeugnis  des  Spiegels  (Etr.  Sp.  V  S.  216) 
nach  etruskischer  Ueberlieferung  Sohn  des  ersteren.  Die  nahelie- 
gende Identificierung  der  Gallenblase  mit  der  Keule  des  Herakles 
mag  mitgewirkt  haben  (3).  Sollte  es  Zufall  sein,  dass  dieses  eng 
verbundene  Paar  den  Platz  längs  der  Linie  A-B,  welche  die 
familiaris  von  der  hostilis  pars  scheidet,  erhalten  hat  ?  Sie  schei- 
nen geradezu  die  Grenze  zu  bewachen.  Ihnen  steht  auf  der  an- 
deren Seite  derselben  le&am  gegenüber.  Es  liegt  nahe  in  diesem 
ebenfalls  einen  kriegerischen  Gott  zu  vermuten,  sein  Name  erscheint 


0)  Das  geht  auch  aus  Plinius  N.  H.  II,  143  deutlich  hervor. 

(2)  Die  mit  grossem  Scharfsinn  begründeten,  aber  meines  Erachtens  auf 
unsichrer  Grandlage  aufgebauten  neuen  Deutungen  Thulins  kann  ich  mir  aus 
diesem  Grunde  nicht  aneignen.  Es  sind:  &ufl&as  =  Di  Consentes  penates, 
cilens  =  Favores  opertanei  (di  involuti,  superiores),  cvlalp  =  Saturni  Iuno 
caelestis,  tecvm  =  Minerva,  led-n  =  Lar  militaris,  lad  =  Lar  caelestis, 
e&(ausva)  =  Ceres,  ca&a  =  Pales,  ce..  —  Manes,  tluscv  =  Consus. 

(3)'Für  Milanis  «  symbolische»  Erklärungen  dieser  und  der  übrigen  Er- 
höhungen auf  der  Bronze  (Rendic.  dei  Line.  IX  1900  S.  296  f.)  vermisse  ich 
jedes  sichere  Fundament.  Vgl.  Thulin  Haruspicin  S.  36. 


DIE    BRONZELEBER   VON    PIACENZA  369 

je  dreimal  sowohl  auf  der  famüiaris  wie  auf  der  hostüis  pars 
der  Leber.  Ausser  diesem  kommen  nur  noch  cilens,  tluscv  und 
fufluns  auf  beiden  Seiten  vor;  die  übrigen  Götter  sind  je  auf 
eine  der  beiden  beschränkt. 

Sehr  auffallend  ist,  dass  auf  der  Bronze  die  uns  wohlbe- 
kannten und  häufig  auf  Spiegeln  erscheinenden  menrva,  turan, 
turms,  seülans  fehleu,  namentlich  die  erstgenannte  Göttin,  die 
doch  nach  der  bekannten  Stelle  des  Servius  (Aen.  I,  422)  in  jeder 
etruskischen  Stadt  neben  Juppiter  und  Juno  ihren  Tempel  hatte. 
Allerdings  ist  der  Name  menrva  sicher  italisch,  aber  das  trifft 
auch  für  uni  und  maris  zu,  und  hercle,  der  gleich  diesen  auf  der 
famüiaris  pars  der  Leber  seinen  Bezirk  hat,  und  zwar  an  be- 
deutungsvoller Stelle,  ist  gleichfalls  kein  echt  etruskischer,  sondern 
ein  recipierter  Gott,  dessen  Name  lautlich  ebenso  gut  vom  grie- 
chischen cHQaxXrtg  wie  vom  italischen  Hercules  abgeleitet  werden 
kann,  so  dass  die  Herkunft  sowohl  des  etruskischen  wie  des  ita- 
lischen von  Kyme  in  Campanien  überaus  wahrscheinlich  ist  (vgl. 
Wissowa,  Rel.  u.  Kult.  d.  Rom.  S.  220).  Aber  auch  die  Reception 
der  drei  italischen  Götter  menrva,  uni  und  maris  durch  die 
Etrusker  reicht  sicher  in  sehr  alte  Zeit  hinauf.  Vielleicht  ist  für 
alle  drei,  fast  sicher  für  menrva  und  uni  der  wohbezeugte  alte 
Kult  in  Falerii  die  Veranlassung  der  Aufnahme  in  den  etruski- 
schen Götterkreis  gewesen.  Maris  ist  als  etruskischer  Gott  schon 
für  das  VI.  Jahrhundert  v.  C.  nachzuweisen:  sein  Name  er- 
scheint auf  der  merkwürdigen  Bleiplatte  von  Magliano, 
welche  nach  den  durchweg  überaus  altertümlichen  Schriftformen, 
namentlich  aber  nach  der  Anordnung  der  Inschrift  in  einer  Spi- 
rale sicher  diesem  Jahrhundert,  nicht  wie  Milani  (*)  will  dem  III. 
zugewiesen  werden  muss.  Die  ältesten  inschriftlichen  Zeugnisse 
für  Menrva  reichen  zwar  nicht  so  hoch  hinauf,  aber  doch  bis 
ins  V.  (2),  die  für  uni  wenigstens  bis  in  IV.  Jhdt.  v.  C.  (3). 
Ebenfalls  aus  dem  IV.  Jhdt.  stammen  die  Zeugnisse  für  den  ge- 
nealogischen Zusammenhang,  in  welchen  diese  4  recipierten  Götter 

(*)  u  II  piombo  scritto  di  Magl.  »  Mon.  ant.  dell'  Acc.  dei  Lincei  II 
1893  p.  <o6.  Vgl.  auch  Deecke  Programm  von  Buchsweiler  1885  S.  7. 

(a)  Diesem  sind  die  Spiegel  Gerhard  CXXXIII,  CXXXIV,  CXL  und  V 
67  zuzuweisen. 

(3)  Etr.  Spiegel  V,  49.  59.  60. 

25 


370  G.    KÖRTE 

nach  italischem,  von  den  Etruskern  angenommenem  Mythus  unter- 
einander gesetzt  wurden,  indem  her  de  als  Sohn  der  uni,  und 
durch  menrva  als  Vater  des  maris  galt  (l).  Ob  die  Etrusker  bei 
der  Einwanderung  in  Italien  andere,  diesen  Gottheiten  der  Bedeu- 
tung nach  entsprechende  mitbrachten,  wissen  wir  nicht;  jeden- 
falls dürfen  wir  annehmen,  dass  sie  durch  die  übernommenen  ita- 
lischen in  Vergessenheit  geraten  sind  (2). 

Ausser  den  genannten  Namen  ist  nur  noch  usü  =  Sol  ita- 
lischen Ursprungs  (3),  aber  ebenfalls  schon  früh  recipiert  wie  sein 
Vorkommen  auf  dem  seiner  Form  nach  sicher  ins  V.  Jh.  v.  C- 
zu  setzenden  Spiegel  Gerhard  CCCLXIV  beweist.  Alle  übrigen 
Namen  (zu  ne&uns,  ani,  selva(?is),  satres,  vetisl  s.  oben)  sind  echt 
etruskisch;  von  einer  «  starken  Göttervermengung  ■  (Deecke  I 
S.  22)  kann  keine  Rede  sein,  insbesondere  findet  sich  von  römi- 
schem Einfluss  keine  Spur. 

Ueber  Zeit  und  Verfertigungsort  geben  die  Buchstaben- 
formen keine  bestimmte  Auskunft.  Immerhin  weisen  die  Formen 
des  m,  l  und  h  deutlich  auf  Umbrien  und  die  diesem  nächstlie- 
genden etruskischen  Gebiete  hin,  wie  Deecke  I  S.  22  f.  nach- 
gewiesen hat.  Von  dorther  wird  die  Bronze  an  den  Fundort  ge- 
kommen sein.  Aber  sicherlich  setzt  sie  Deecke  ■  mit  der  grossen 
Masse  der  chiusinischen  Aschenkisten  ■  wesentlich  zu  jung  an,  wenn 
er  an  die  letzten  Zeiten  der  Republik  oder  den  Beginn  der  Kai- 
serzeit denkt.  Wir  werden  sie  mit  Wahrscheinlichkeit  dem  IL, 
vielleicht  noch  dem  III.  Jh.  v.  C.  zuschreiben  dürfen. 

Zweck.  Die  Bronze  ist  ein  stilisiertes  Modell  einer  Schafs- 

(*)  herde  unial  clan  Etr.  Sp.  V,  60,  von  mir  mit  Unrecht  (S.  75)  statt 
auf  italische  Ueberlieferung  auf  freie  Interpretation  des  Künstlers  zurückge- 
führt, mark  hercles  ebenda  Nachtrag  16  S.  220. 

(2)  Aus  diesem  Grunde  kann  ich  Thulins  Vermutung  (S.  42),  dass  auf 
der  Bronzeleber  tecom  =  Minerva  zu  setzen  sei,  nicht  für  wahrscheinlich 
halten.  Dass  laran  nicht  =  maris,  als  der  echtetruskische  Kriegsgott  neben 
seinem  «  italischen  Doppelgänger  »,  sein  kann  (nach  Torp  ebenda  S.  43),  wird 
durch  das  gleichzeitige  Vorkommen  beider  Namen  in  ein  und  derselben  Spie- 
geldarstellung erwiesen,  wie  schon  Deecke  (I  S.  37  f)  erkannt  hat.  laran  braucht 
überhaupt  kein  Gott  zu  sein  (vgl.  Marx,  Arch.  Zeit.  1885  S.  7). 

(3)  Sab.  ausel ;  zur  selben  Wurzel  gehört  aur,  welchen  Namen  der  Son 
nengott  auf  einem  Spiegel  von  Perugia  des  IV.  Jhs.  v.  C.    (Etr.  Sp.  V,  78) 
trägt. 


DIE    BRONZELEBER    VON    PIACENZA  371 

leber;  die  Einteilung  in  Regionen,  denen  die  Namen  der  in  ihnen 
(vorzugsweise)  wirksam  gedachten  Götter  eingeschrieben  sind,  gab 
die  Möglichkeit  bei  der  praktischen  Ausübung  der  Haruspicin  etwa 
auftretende  Zeichen  zu  deuten,  bezw.  die  Gottheit  zu  bestimmen, 
welche  ihren  Willen  kundgab,  oder  zu  wersöhnen  war.  Es  ist 
eine  Art  Compendium  der  Haruspicin,  ein  (vermutlich  verein- 
fachtes) Anschauungsmittel  zum  Verständnis  der  complicierten  Lehre 
dieses  Teils  der  disciplina.  Man  möchte  vermuten,  dass  die  Ha- 
ruspices  sich  derartiger  Modelle  bei  der  Ausübung  ihrer  Kunst, 
vielleicht  auch  bei  der  Unterweisung  von  Schülern  bedienten  (x). 
Auch  an  ein  Weihgeschenk  eines  Haruspex  könnte  man  denken. 

Extispicin  bei  Etruskern,  Griechen  und  Chal- 
daeern.  Die  spärlichen  Nachrichten  über  et  russische  Exti- 
spicin sind  soeben  von  C.  0.  Thulin  (2)  so  vollständig  und 
umsichtig  zusammengestellt  und  erklärt  worden,  dass  ich  mich  hier 
auf  einige  Bemerkungen  beschränke,  welche  teils  meine  abweich- 
ende Ansicht  über  Einzelheiten  näher  begründen,  teils  Thulins 
Ausführungen  ergänzen  sollen. 

Thulin  bat  (S.  28)  richtig  erkannt,  dass  die  Linie  A-B 
unserer  Fig.  2.  (D.  0-W),  welche  dem  Verlauf  des  Suspensorium 
hepatis  auf  der  convexen  Seite  entspricht,  die  Leber  in  eine  rechte 
und  linke  Hälfte  teilt.  Den  von  uns  oben  gezogenen  Schluss,  dass 
die  Teilung  in  eine  familiarls  und  hostilis  pars  mit  dieser  na- 
türlichen identisch  sei,  lehnt  er  ab  weil  das  Kegionensystem  der 
Bronze  dem  (etruskischen)  System  der  Himmelsregionen  (Plinius  II, 
143)  entspreche,  dieses  aber  nach  Süden  orientiert  sei.    Demnach 

(*)  Dies  ist  für  Babylonien  anzunehmen,  wie  Thulin  (S.  15,  1)  aus  der 
mir  unzugänglichen  neuen  Schrift  von  Boissier  (Textes  relatifs  ä  la  divina- 
tion  Assyro-Babylonienne  1905)  mitteilt.  Die  von  ihm  angedeutete  Möglichkeit, 
dass  unsere  Bronze  zur  Statue  eines  Haruspex  gehört  habe,  scheint  mir  aus- 
geschlossen durch  den  Mangel  jeder  Befestigungsvorrichtung  oder  von  Löt- 
spuren. Zudem  würden  die  beiden  Inschriften  auf  der  convexen  Seite  bei  solcher 
Anbringung  verdeckt  gewesen  sein. 

(2)  Die  Haruspicin.  Vgl.  ausserdem  Blech  er,  de  extispicio  capita  tria, 
dessen  Hauptverdienst  in  der  sorgfältigen  Sammlung  und  Sichtung  des  Quel- 
lenmaterials (cap.  I)  besteht,  welche  gegenüber  der  hastigen  und  ohne  die 
erforderliche  Kritik  gemachten  Zusammenstellung  bei  Deecke  II  einen  ent- 
schiedenen Fortschritt  bedeutet.  Blechers  Folgerungen  und  Schlüsse  dagegen 
sind  mehrfach  irrig  und  von  Thulin  berichtigt  worden. 


372  G.    KÖRTE 

müsse  auch  auf  der  Leber  die  Scheidung  der  beiden  partes  durch 
die  imaginäre  Linie  S-N  (Fig.  3)  bestimmt  sein,  der  obere  Teil 
beider  Leberlappen  als  hostilis,  der  untere  als  familiaris  pars 
aufgefasst  werden. 

Dem  gegenüber  kann  ich  auf  die  oben  gegebene  Darlegung 
verweisen  wonach  die  Kegioneneinteilung  der  Leber  zweifellos 
nicht  nach  Süden  sondern  nach  Westen  orientiert  ist,  ebenso 
aber  auch  die  des  Himmels  nach  dem  Zeugnis  des  Varro,  der  sich 
ausdrücklich  auf  die  aruspices  beruft.  Auch  meine  Auffassung  der 
Pliniustelle  (o.  S.  360,  l)  glaube  ich  nach  dem  Zusammenhange  fest- 
halten zu  dürfen,  wenn  auch  die  von  Thulin  sprachlich  ebenso 
möglich  ist  (1).  Auf  jeden  Fall  müsste  das  Zeugnis  des  Plinius 
hinter  dem  durch  die  Bronzeleber  gestützten  des  Varro  zurück- 
stehen. Gegen  Thulins  Annahme  spricht  ferner,  dass  die  Regionen 
13,  40,  33,  31  teils  zur  hostilis,  teils  zur  familiaris  pars,  17  u. 
18  zu  jener,  die  unmittelbar  darunter  folgenden  und  mit  17  und 
18  durch  das  gleiche  Schema  der  Einteilung  werbundenen  19  u.  ff. 
zu*  dieser  gehören  würden.  Eine  reinliche  Scheidung  der  Regionen 
in  zwei  Hälften  ist  nur  durch  die  Linie  A-B  (O-W)  gegeben. 

Unzweifelhaft  wurden  von  den  haruspices  Folgerungen  daraus 
gezogen  wenn  die  eine  der  beiden  partes  besonders  stark,  die  andere 
dagegen  schwächer  entwickelt  oder  krank  war;  das  beweisen  die 
im  Einzelnen  freilich  phantastischen  und  gänzlich  unmöglichen  (2) 
Schilderungen  bei  Seneca  Oed.  353  ff.  und  Lucanus  Phars.  I,  617  ff., 
vgl.  besondeis  Sen.  363,  Luc.  628  f.  Eine  solche  auffallende  Ver- 
schiedenheit kann  aber  wohl  zwischen  den  beiden  grossen  Leber- 

0)  Vgl.  Thulin,  Die  etruskische  Disciplin.  I.  Die  Blitzlehre.  Göteborgs 
HögskolasÄrsskrift  1905  S.  16.  Die  vorhergehenden  "Worte  des  Plinius  (II,  142) : 
laeva  prospera  existimantur,  quoniam  laeva  parte  mundi  ortus  est  scheinen 
mir  nicht  (mit  Thulin  S.  18)  zur  etruskischeu  Lehre  zu  gehören,  die  erst 
im  §  143  ausdrücklich  angeführt  wird. 

(■)  Hieher  gehört  die  Vertauschung  der  Lage  der  einzelnen  Organe  im 
Tierkörper  Sen.  366  ff.  und  Luc.  629:  pars  (seil,  iecoris)  micat  et  celeri  venas 
movet  improba  pulsu:  klopfende  Adern  in  der  Leber  des  geschlachteten 
Tiers  sind  ein  Unding,  wie  ich  zum  Ueberfluss  durch  Intersuchung  einer 
noch  rauchend  warmen  Schafsleber  unmittelbar  nach  der  Schlachtung  fest- 
gestellt habe.  Was  der  Scholiast  zu  Lucanus  I,  621  bemerkt,  ist  nur  Um- 
schreibung der  Worte  des  Dichters,  insbesondere  auch  des  v.  629,  und  kann 
daher  ebensowenig  auf  etruskischer  Lehre  beruhen  wie  die  Worte  seines  Autors 
(dies  gegen  Thulin  S.  37). 


DIE    BRONZELEBER    VON    PIACENZA 


373 


läppen,  nicht  hingegen  zwischen  der  oberen  und  unteren  Seite 
beider  stattfinden. 

Der  processus  pyramidalis,  der  wichtigste  Teil  der  Leber, 
das  caput  fibrarum  (ö  koßog)  würde  nach  Thulins  Ansicht  auf  der 
Bronze  ganz  in  die  hoslilis  pars  fallen.  Aber  auch  in  der  prak- 
tischen Ausübung  der  Haruspicin  wurde  er  offenbar  in  aufge- 
richtetem Zustande  untersucht.  So  bot  er, 
wie  die  Pyramide  des  bronzenen  Lebermodells, 
eine  Vorder-  sowie  eine  rechte  und  linke  Seite 
dar.  Je  nachdem  die  eine  oder  die  andere  einen 
Spalt  oder  Einschnitt  aufwies,  sprach  man  vom 
caput  a  familiari  (rechts)  oder  ab  hoslili  parte 
(links)  caesum.  Jenes  war  für  den  Opfernden, 
dieses  für  die  Gegenpartei  eines  der  schlimm- 
sten Zeichen,  wie  der  Fall  des  Decius  Liv.  VIII, 
9.  1  lehrt.  Fig.  4  zeigt  ein  solches  caput  a 
\j#  f  *  familiari  'parte  caesum,  d.  h.  mit  einem  Ein- 
schnitt auf  der  rechten  Fläche,  nach  der  Natur 
von  Prof.  F.  Merkel  für  mich  gezeichnet.  So 
scheint  mir  auch  die  Praxis  der  Haruspicin 
allein  von  meiner  Auffassung  der  beiden  partes 
aus  verständlich  zu  werden. 
Den  fundamentalen  Unterschied  zwischen  römischer  und 
etruskischer  Extispicin  hat  schon  Wissowa  Rel.  u.  Kult.  d.  R. 
353  richtig  hervorgehoben,  Thulin  näher  ausgeführt  (S.  4  ff.)  Jene 
beschränkt  sich  auf  eine  Fragestellung,  auf  welche  die  extra  mit 
ja  oder  nein  (litare  —  noa  perlitare)  antworten. 

Die  griechische  Hieroskopie  zeigt,  wie  Thulin  S.  50  ff. 
ausführt,  einerseits  grosse  Uebereinstimmung  mit  der  römischen 
(xccXXisqsTv  =  litare),  andererseits  in  den  spärlichen  Nachrichten 
über  bestimmte  Weissagungen  eine  principielle  Uebereinstimmung 
mit  der  etruskischen  Extispicin.  Dass  auch  die  griechischen  fiavTsig 
auf  der  Leber  eine  freundliche  und  eine  feindliche  Seite  unter- 
schieden, wie  Thulin  S.  20  behauptet,  ist  an  sich  nicht  unwahr- 
scheinlich, wird  aber  durch  das  von  ihm  angeführte  einzige  Zeugnis 
des  späten  Scholion  zu  Aeschylos  Prom.  484  nicht  erwiesen :  die 
Worte  zoXrjg,  itTig  exßlri&elact  xai  ävtiTivccyeTöu  TiQog  xb  tcov  7io> 
Xefiicov  iieqoq  r(txav  tovicov  i(Xt]fj,aiv£v    passen    nicht    zum    Text, 


Fig.  4. 


374  G.    KÖRTE 

wo  von  der  noixtlr)  sv^oQ(fta  der  Gallenblase  und  des  Xoßoz  die 
Rede  ist,  also  ton  den  Zeichen,  "welche  sich  aus  deren  äusserer 
Beschaffenheit  ergeben,  und  beziehen  sich  offenbar  auf  Empyro- 
mantie.  Ganz  ähnliches  steht  in  den  Scholien  zuEurip.  Phoen.  1256. 

Dagegen  scheint  mir  in  einem  anderen  Punkte  ein  beachtens- 
werter Unterschied  der  griechischen  von  der  etruskischen  Extispicin 
vorzuliegen,  nämlich  in  der  Betonung  der  Leberpforte,  nvXai. 
Sollte  es  zufällig  sein,  dass  sie  unter  den  vorzugsweise  wich- 
tigen Teilen  viermal  (l)  in  griechischen  Quellen  genannt  wird, 
während  die  Zeugnisse  für  die  etruskische  Extispicin  ihrer  niemals 
erwähnen?  Ich  glaube  dies  um  so  weniger  als  auch  auf  dem  pia- 
centiner  Lebermodell  die  Leberpforte  gar  nicht  angegeben,  die 
Regioneneinteilung  ohne  Rucksicht  auf  sie  ausgeführt  und  ihre 
Stelle  durch  keinen  Götternamen  bezeichnet  ist.  Wir  dürfen  daraus, 
im  Verein  mit  dem  Schweigen  unserer  litterarischen  Quellen,  wohl 
den  Schluss  ziehen,  dass  der  Leberpforte  in  der  etruskischen  Lehre 
eine  besondere  Bedeutung  nicht  zukam. 

Dagegen  war  dies  in  hervorragendem  Masse  der  Fall  bei  den 
Chaldaeern.  In  Fig.  5  ist  die  Abbildung  des  babylonischen  Le- 
bermodells (Bu.  89-4-26,  238)  aus  an  der  Sonne  getrocknetem 
Ton  nach  Guneiform  texts  from  Babylonian  tablets  in  (he  Bri- 
tish Museum  1898  Taf.  I  wiederholt.  Die  aufmerksame  Betrach- 
tung dieser  Abbildung  lässt  nun  klar  erkennen,  dass  die  Regionen- 
teilung hier  in  erster  Linie  durch  den  wagerechten  Verlauf  der 
sehr  deutlich  wiedergegebenen  Leberp  forte  bedingt  ist.  Ein 
System  von  parallel  zu  dieser,  gezogenen  Linien  erstreckt  sich 
über  beide  Leberlappen,  nur  den  unteren  Teil  des  rechten  frei- 
lassend. Ein  zweites  System  von  Parallellinien,  welche  ungefähr 
senkrecht  zu  den  erstgenannten  verlaufen,  geht  aus  von  der  inci- 
sura  umbilicalis,  deren  Fortsetzung  die  Trennungslinie  der  beiden 
grossen  Lappen  bildet.  So  ist  eine  Anzahl  von  Quadraten  her- 
gestellt, welche  den  linken  Leberlappen  ganz,  den  rechten  nur 
zum  Teil  bedecken.  Auch  auf  den  processus  pyramidalis  ist  dieses 
Liniensystem  übertragen.  Er  ähnelt  hier  wie  auf  der  etruskischen 

(')  Eurip.  El.  828,  Nicander  Ther.  561,  Pollux  Onom.  II,  215,  Rufus 
Ephesius  p.  38.  Auch  die  von  Blecher  unter  die  testimonia  ritus  etrusci  sive 
romani  versetzte  Stelle  des  Cassius  Dio  LXXVIII,  7.  2  dürfte  eher  hieher  zu 
ziehen  sein,  wie  übrigens  Blecher  selbst  mutmasst  S.  194  (24). 


DIE    BRONZELEBER    VON    PIACENZA  375 

Bronzeleber  einer  Pyramide,  die  aber  etwas  anders  wie  dort,  nämlich 
mit  einer  Kante  nach  vorn  gestellt  ist,  so  dass  zwei  Seiten- 
flächen (rechts  und  links)  stark  betont  und,  wie  gesagt,  in  das 
die  Einteilung  der  ganzen  Leber  bestimmende  Liniensystem  mit 
einbezogen  sind.  In  die  einzelnen  Quadrate,  bezw.  (auf  dem  rechten 


Fig.  5. 

Leberlappen)  Streifen  sind  Inschriften  eingeschrieben,  welche  Weissa- 
gungen enthalten.  Die  runden  Löcher  oder  Vertiefungen,  welche  sich 
innerhalb  der  Quadrate  oder  im  Verlaufe  der  trennenden  Linien  finden, 
scheinen  mir  keinen  andern  Zweck  zu  haben  als  den,  die  Stellen 
genau  zu  bezeichnen,  auf  welche  sich  die  Inschriften  beziehen  und 
der  beobachtende  Priester  seine  Aufmerksamkeit  richten  soll  (1). 

0)  Stieda's  Meinung,  sie  seien  Durchschnitte  von  Blutgefässen,  verwirft 
Thulin  (S.  37)  mit  Recht,  aber  seine  eigne,  dass  sie  «  der  chaldaeischen 
Terracottatechnik  zuzuschreiben  n  seien,  ist  ebenso  wenig  überzeugend.  An- 
scheinend denkt  Thulin  an  «  Brennlöcher  »,  aber  das  Lebermodell  ist  über- 
haupt nicht  gebrannt,  sondern  an  der  Sonne  getrocknet,  und  ich  vermag 
nicht  einzusehen,  welchen  Zweck  überhaupt  Brennlöcher  bei  einem  derartigen 
massiven,  nicht  hohlen  Gegenstand  haben  sollten. 


376  G.    KÖRTE 

Thulin  findet  nun  in  den  Chaldaeischen  Texten  und  Leberabbil- 
dungen den  etruskischen  Begriff  einer  familiaris  und  hostilis  pars 
wieder.  Wie  mir  scheint  mit  gutem  Grunde.  Dagegen  irrt  er,  meines 
Erachtens,  wie  für  die  etruskische,  so  auch  für  die  chaldaeische  Lehre 
in  der  Lokalisierung  dieser  beiden  partes  auf  die  obere  {hostilis 
p.)  und  untere  (familiaris  p.)  Hälfte  der  beiden  Leberlappen.  We- 
nigstens vermag  ich  in  den  von  ihm  (S.  29  f.)  angezogenen  chal- 
daeischen Texten  —  auf  diese  beschränkt  sich  meine  Kenntnis  — 
keinen  durchschlagenden  Grund  für  diese  Lokalisierung  zu  erkenneD. 
Es  tritt  darin  «  die  Unterscheidung  einer  glücklichen  rechten  und 
unglücklichen  linken  Seite  stark  hervor  ■ .  ■  Aber  diese  Teile  werden 
wiederum  in  einen  rechten  und  linken  geteilt  »  (K.  1999  col.  IV  1. 
«  si  le  lobe  droit  du  foie,  la  droite  de  la  droile,  la  gauche  de 
la  droite  et  la  gauche  est  se'pare'e  »  Boissier,  choix  de  textes 
S.  278)  «  und  es  ist  auch  die  Eede  von  einem  oberen  und  un- 
teren Teile  (ebenda  S.  Iö7,  162,  8)  ».  Weisen  diese  Stellen  nicht 
vielmehr  auf  den  rechten  und  linken  Leberlappen,  und  stimmen 
sie  somit  nicht  besser  zu  der  von  mir  für  die  etruskische  Lehre, 
wie  ich  glaube,  erwiesenen  Scheidung?  Die  Entscheidung  soll 
(S.  30)  die  Terracottaleber  Rm  620  bringen,  deren  Abbildung 
Thulin  nach  Boissier  pl.  I.  II  auf  seiner  Tafel  III  wiederholt. 
«  Auf  dieser  Leber  ist  der  processus  caudatus  [von  uns  nach 
Stiedas  Terminologie  pr.  pyramidalis  genannt]  in  phantastischer 
Form  abgebildet »  [heruntergebogen,  wie  im  natürlichen  Zustand  ? 
Es  fehlt  die  Angabe  der  Gallenblase,  ebenso  auch  jede  Regionen- 
einteilung]. «  Und  hier  wird  der  obere  Teil  als  die  linke  Seite 
bezeichnet,  der  untere  als  die  rechte  (durch  die  Inschriften  I 
si  le  mont  du  foie  de  gauche  IV  si  le  mont  du  foie  de  droite 
Boissier  (S.  76  u.  pl.  II)  und  dem  entsprechend  hat  der  Processus 
caudatus  eine  linke  und  eine  rechte  Seite  also  pars  hostilis  und 
familiaris  ».  Von  einem  oberen  und  unteren  Teil  des  proc.  py- 
ramidalis (caudatus)  kann  man  doch  nur  im  natürlichen  Zustand,, 
wo  er  herab  hängt,  sprechen.  Das  sorgfältigere,  die  hieratische  Re- 
gioneneinteilung zeigende  Lebermodell  (Fig.  5)  und  die  Texte 
scheinen  aber  zu  beweisen,  dass  die  Chaldaeer  wie  die  Etrusker 
diesen  Nebenlappen  vielmehr  in  aufgerichtetem  Zustand 
untersuchten  und  deshalb  eine  rechte  und  linke  Seite  an  ihm 
unterschieden.   Dies    beweisen    auch   die   von    Thulin    S.    33    ci- 


DIE    BRONZELEBER    VON    PIACENZA  377 

tierten  Stellen ;  sie  ergeben  ferner  die  interessante  Tatsache,  dass 
der  terminns  caput  ebenfalls  der  chaldaeischen  Lehre  eigentüm- 
lich ist.  Bis  auf  weiteres  glaube  ich  also  auch  den  Chaldaeern 
die  etruskische  Scheidung :  lobus  dexter  =  famüiaris  pars,  lobus 
sinister  =  hostilis  -pars  vindizieren  zu  dürfen  (t). 

Ein  Zusammenhang  zwischen  der  chaldaeischen  und  etruski- 
schen  Lehre,  d.  h.  die  Abhängigkeit  dieser  von  jener  scheint 
mir  mit  Thulin  (S.  35)  unabweisbar.  Für  ebenso  gesichert  halte 
ich  im  Einverständnis  mit  ihm  (S.  54)  die  Abhängigkeit  der 
griechischen  Hieroskopie  von  Chaldaea.  Sehr  gut  weist  Thulin 
auf  eine  schlagende  Uebereinstimmung  in  der  Terminologie  hin, 
nämlich  die  Benennung  eines  Teiles  der  Leber  als  Fluss  (He- 
sychius  s.  v.  noiai\6<;  und  Boissier  choix  de  textes  S.  71).  Der 
so  benannte  Teil  kann  kein  ander  sein  als  die  Leberpforte:  auf 
dem  vollständigen  babylonischen  Lebermodell  (Fig.  5)  hat  sie  ganz 
das  Aussehen  eines  breiten  Flusses  mit  hohem  Ufer,  wenigstens 
an  der  oberen  Seite  und  namentlich  rechts  vom  processus  papil- 
laris (vgl. :  ■  si  le  bord  de  la  riviere  du  har  (=  Leber)  ä  droite 
en  haut  est  enleve  » ). 

Dass  die  auf  eine  und  dieselbe  Quelle  zurückgehende  ge- 
heimnisvolle Kunst  von  den  Etruskern  und  Griechen  (bei  diesen 
wohl  noch  lokal  verschieden)  selbständig  und  mit  Abweichungen 
im  einzelnen  weiter  entwickelt  worden  ist,  kann  nicht  wunder 
nehmen.  Spuren  dieser  Abweichungen  unter  einander  und  von  der 
chaldaeischen  Mutterlehre  sind  noch  erkennbar.  Die  Etrusker  haben 
die  Kunst  der  Eingeweideschau  allem  Anschein  nach  noch  in  der 
alten  kleinasiatischen  Heimat  übernommen,  weiter  ausgebildet  aber 
wohl  erst  in  Italien.  Zu  den  Griechen  scheint  sie  erst  verhältnis- 
mässig spät  gekommen  zu  sein,  da  sie  dem  Epos  noch  fremd 
ist  («).  - 


(*)  Dass  auf  der  Leber  Rm.  620  die  convexe  Seite  durch  eine  tiefe 
Linie  in  eine  obere  und  untere  Hälfte  getrennt  ist,'  steht  nicht  im  Wider- 
spruch dazu. 

(a)  Vgl.  Stengel,  Gr.  Kultusaltert.  (J\v.  Müllers  Handb.  V,  3)   S.  56. 


378  G.    KÖRTE 


BILDNIS  EINES  HARUSPEX 
(Taf.  XIV). 

Die  oben  erwähnte  Deckelfigur  einer  etruskischen  Urne  aus 
Alabaster  von  Vol terra  im  Museo  Guarnacci  daselbst  (Nr.  136) 
verdient,  als  das  einzige  bisher  bekannte  Bildnis  eines  etruskischen 
Haruspex,  auch  nach  der  neuerdings  erfolgten  Veröffentlichung  in 
ziemlich  kleinem  Masstabe  bei  Blecher  tab.  III,  2  S.  240  (70) 
im  Anschluss  an  die  vorstehende  Arbeit  hier  abgebildet  und  kurz 
besprochen  zu  werden. 

Die  Länge  des  Deckels  beträgt  0,76  in.,  an  seinem  unteren 
vorderen  Rand  befindet  sich  die  linksläufige  Inschrift:  au.  prcu. 
L  Hl.  XXXV  (0  d.  i.:  Au{le)  pr(e)cu  des  lard-  (Sohn),  35 
(oder  einige  mehr)  Jahre  alt. 

Die  Gestalt  zeigt  die  gewöhnlichen  fehlerhaften  Proportionen 
dieser  Monumentenklasse,  namentlich  einen  zu  grossen  Kopf.  Sie 
ist  in  gewohnter  Weise  gelagert,  mit  dem  linken  Ellenbogen  auf 
zwei  Kissen  gestützt,  und  mit  Chiton  und  Mantel  bekleidet,  welcher 
letztere  über  den  Hinterkopf  gezogen  ist.  Ein  dicker  Kranz  aus 
Blättern  und  (an  den  Schläfen)  Blüten,  der  wohl  golden  zu  denken 
ist,  schmückt  den  Kopf.  Der  rechte  Arm  ist  nur  bis  zur  Mitte 
des  Oberarms  erhalten,  die  linke  Hand  hält  eine  Schafsleber, 
deren  verhältnismässige  Grösse  ungefähr  der  Natur  entspricht,  in 
der  Art,  dass  der  rechte  Lappen  in  der  Hand  ruht,  deren  Daumen 
auf  dem  Rande  liegt,  der  linke  Lappen,  wie  es  der  Structur  der 
natürlichen  Leber  entspricht,  ein  wenig  gebogen  auf  dem  Kissen 
liegt.  Im  Uebrigen  ist  die  Leber  ähnlich  stilisiert  wie  die  Bron- 

0)  Fabretti  C.  1. 1.  320  bis  a  (tab.  XXV)  liest  ircu  und  giebt  von  den 
Zahlzeichen  nur  das  erste  (X),  Pauli  C.  I.  E.  I,  92  prcu  entsprechend  seiner 
schon  früher  (Etr.  Forsch,  u.  Stud.  III  S.  105  Nr.  104)  ausgesprochenen 
Vermutung^,  dass  der  obere  Seitenstrich  erloschen  sei.  Die  Zahl  liest  er  XXV, 
die  Möglichkeit,  dass  noch  Einer  gefolgt  seien,  offen  lassend.  Die  Namens- 
lesung kann  ich  aufgrund  erneuter  Vergleichung  im  September  v.  J.  bestä- 
tigen: es  ist  in  der  Tat  der  obere  Seitenstrich,  wenn  auch  sehr  schwach,  zu 
erkennen.  Die  Ziffern  sind  stark  verwittert,  doch  glaube  ich  das  Vorhanden- 
sein von  drei  Zehnern  und  einer  A  (von  dieser  nur  der  erste  Strich  erhalten) 
verbürgen  zu  können;  möglich,  dass  noch  Einer  nachfolgten. 


DIE    BRONZELEBER    VON    PIACENZA  379 

zeleber,  der  processus  pyramidalis  als  Pyramide  gebildet,  die 
Gallenblase  kurz  und  keulenartig ;  die  Gegend  wo  der  processus 
papillaris  sich  befand  ist  verletzt,  man  erkennt  aber,  dass  seine 
Lage  wie  auf  der  Bronzeleber  in  der  Richtung  der  verlängerten 
incisura  umbilicalis  war,  welche  deutlich  angegeben  ist.  Man 
gewinnt  also  den  Eindruck,  dass  die  Leber  nicht  nach  der  Natur, 
sondern  nach  einem  ähnlich  wie  die  Bronzeleber  stilisierten  Leber- 
m  o  d  e  1 1  gefertigt  sei :  eine  Bestätigung  unserer  Vermutung,  dass 
sich  die  Haruspices  gewohnheitsmässig  solcher  Modelle  bedienten. 
Aule  pr(e)cu  ist  nicht  in  der  Ausübung  seiner  Kunst  dargestellt, 
denn  dann  müsste  er  die  Leber  mit  der  incisura  umbilicalis  nach 
dem  Körper  zu  halten  (l),  auch  ist  sein  Blick  nicht  auf  die 
Leber,  sondern  über  sie  hinweg  ins  Weite  gerichtet,  sie  ist  ihm 
nur  als  Attribut  in  die  Hand  gegeben.  Auf  priesterliche 
Würde  deutet  die  Verhüllung  des  Hauptes,  welche  unter  den 
Deckelfiguren  nicht  gewöhnlich  ist,  auch  die  Bekleidung  mit  dem 
Chiton  (sehr  viel  häufiger  ist  der  Oberkörper  der  Deckelfiguren 
unbekleidet)  gehört  wohl  dahin.  Die  Haltung  hat  etwas  ausge- 
sprochen Stolzes  und  Selbstbewusstes,  wie  denn  die  Ausübung  der 
Haruspicin  und  die  Bekleidung  priesterlicher  Würden  ein  Vorrecht 
des  Adels  gewesen  zu  sein  scheint  (vgl.  Müller-Deecke  II,  2  ff.). 
Die  Bildung  des  Gesichts  wie  die  Körperformen  weisen  auf  einen 
jüngeren  Mann  und  stimmen  wohl  zu  dem  in  der  Inschrift  an* 
gegebenen  Alter. 

G.    KÖRTE. 

(')  Das  schliessen  wir  aus  der  Bronzeleber,  welche  für  die  Betrachtung 
von  dieser  Seite  aus  bestimmt  ist.  Freilich  der  auf  dem  Spiegel  Gerhard 
CCXXI1I  dargestellte  geflügelte  Seher  Xal/as  hält  sie  ebenso  wie  unser 
Haruspex,  obwohl  er  mit  ihrer  Beobachtung  beschäftigt  ist.  Aber  von  einer 
derartigen  Darstellung  dürfen  wir  nicht  absolute  Genauigkeit  in  solchen 
Nebendingen  erwarten,  wie  denn  auch  der  deutlich  angegebene  processus  py- 
ramidalis fälschlich  auf  den  linken  Leberlappen  verlegt  ist.  Dem  Künstler 
kam  es  in  erster  Linie  auf  die  Wiedergabe  der  ganzen  Situation  an,  welche 
denn  auch  äusserst  charakteristisch  und  lebenswahr  ausgefallen  ist.  Genauer 
ist  die  Lunge  wiedergegeben,  welche  auf  einem  Tisch  vor  dem  Seher  liegt: 
mm  erkennt  deutlich  beide  Lungenflügel  nebst  zwei  Nebenlappen  und  die 
trachea  mit  ihren  Knorpelringen. 


MICON  UND  PERO. 


V 


IT* 


^ 


Ich  muss  noch  einmal  auf  das  vielbesprochene  Epigramm 
zurückkommen.  Beistehend  die  Spuren  am  Schluss  der  zweiten 
Zeile,  wie  ich  sie  sehe  und  so  gut  ich  sie  zeichnen  konnte,  etwas 
vergrössert;  schwarz  sind  die  Farbenreste,  schraffiert  die  Abblätte- 
rungen :  zuerst,  in  Farbenresten,  das  von  mir  für  M  gehaltene, 
dann  eine  Hasta,  dann  etwas  wie  ein  T,  endlich  etwas  einem  S 
ähnliches.  Es  ist  behauptet  worden,  hier  sei  deutlich  VT  zu  lesen ; 
und  zwar  sehe  ich  jetzt  aus  Ätene  e  Roma  VIII  1903,  384  dass 
das  T  in  der  Hasta,  nicht,  wie  ich  gemeint  hatte,  in  der  fol- 
genden Spur  erkannt  werden  sollte.  Nach  sorgfältiger  und  oft  wie- 
derholter Betrachtung  kann*  ich  hier  nichts  weiter  als  eine  Hasta 
erkennen,  die,  für  sich  betrachtet,  Rest  eines  T  sein  kann,  aber 
nicht  muss.  Da  ich  aber  absolut  keinen  Unterschied  sehe  zwischen 
dem  Charakter  dieser  Spur  und  dem  der  beiden  folgenden,  und 
da  diese,  jenseits  der  Senkrechten  der  ^eilenschlüsse  stehend,  sicher 
bedeutungslose  Beschädigungen  sind,  so  halte  ich  mich  für  be- 
rechtigt, wenn  andere  Erwägungen  dahin  führen,  auch  jene  Hasta 
für  eine  solche  zu  halten. 

Wie  wäre  der  Zwischenraum  zwischen  ASP  und  VT  auszu- 
füllen? Aspice  iam  ut  ist  unmöglich.  Dem  Dichter  —  und  er 
ist  doch  nicht  der  erste  beste  —  standen  zwei  tadellose  Wen- 
dungen zu  Gebote:  aspice  iam  und  aspicite  ut,  allenfalls  auch 
aspicite  en.  Statt  dessen  soll  er  nun  zwei  dem  Sinne  nach  über- 
flüssige Partikeln  in  den  Vers  gezwängt  haben,  von  denen  die  zweite 
weggelassen  werden  kann,  ohne  sei  es  im  Satz  sei  es  im  Metrum 
eine  Lücke  zu  lassen ;  sie  wäre  nur  eingeschoben,  um  iam  in  der 
Elision  verschwinden  zu  lassen,  also  um  den  Vers  zu  verschlechtern ; 


A.    MAU,    MICON    UND    PERU  331 

auch  macht  sie  die  Rede  weniger  lebhaft  und  eindrucksvoll.  Wer 
wird  das  glauben?  Wenn  ut  dastände,  so  könnte,  soviel  ich  sehe, 
nur  aspicite  ut  ergänzt  werden,  und  dies  wäre  insofern  die  beste  Lö- 
sung, als  mit  ihr  das  dem  Sinne  nach  überflüssige  tarn  (vgl.  Mitth. 
XIX  1904  S.  261)  verschwinden  würde.  Aber  erstens  müssten  wir 
dann  die  Farbenreste,  in  denen  ich  die  letzte  Hasta  des  M  erkenne, 
für  zufällig  halten,  was  doch  nur  im  äussersten  Notfall  erlaubt 
wäre.  Zweitens  müssten  bei  dieser  Lesung  die  Buchstaben  PICITE  •  V 
sehr  weitläuftig  gestellt  sein;  dann  aber  wird  es  unverständlich, 
dass  V  und  T  so  dicht  an  einander  gedrängt  sein  sollen.  Ich  halte 
also  nach  wie  vor  aspice  tarn  für  das  wahrscheinlichste. 

Es  wird  bestritten  (A.  e  R.  384),  dass  in  der  fünften  Zeile  die 
von  mir  S.  190  wiedergegebenen  Reste  von  RE  so  deutlich  vorhan- 
den seien.  Ganz  recht:  mein  Facsimile  will  die  Form,  nicht  den 
Grad  der  Deutlichkeit  zeigen.  Aber  auch  in  Sogliano's  photogra- 
phischem Facsimile  sind  die  Reste  des  R,  wie  ich  sie  gab,  deut- 
lich genug,  freilich  nicht  so  deutlich  wie  im  Original.  Die  des  E 
sind  dort  nicht  recht  herausgekommen ;  ich  füge  jetzt  hinzu,  dass 
der  oberste  der  drei  Striche  weniger  deutlich  ist:  ich  sehe  da  eine 
Abblätterung  und  über  ihr  einen  geringen  Rest  weisser  Farbe.  In 
Betreff  micant  hätte  doch  der  einmalige  Hinweis  auf  den  Unter- 
schied zwischen  Venen  und  Arterien,  Bild  und  Kinematograph,  Con- 
jectur  und  Ueberlieferung  genügen  sollen;  nun  wird  es  wieder 
verteidigt  (A.  e  R.  384  f.),  als  wäre  es  beste,  um  jeden  Preis  zu 
haltende  Ueberlieferung. 

Am  Schluss  derselben  Zeile  soll  vor  Q  noch  N  ///OTO  zu  lesen 
sein  (A.  e  R,  385).  Ich  kann  auch  jetzt  nach  oft  wiederholtem 
Bemühen  von  OTO  nichts  sehen;  und  statt  des  vermeintlichen 
M-Striches  finde  ich  nur  eine  breite  Abblätterung  und  über  ihr 
zerstreute,  ganz  unbrauchbare  Farbenreste.  Wie  zwischen  ihr  und 
Q.  der  zweite  Teil  des  M  und  OTO  untergebracht  werden  soll, 
ist  mir  nach  wie  vor  unklar.  Nun  soll  freilich  nach  A.  e  R.  386 
meinen  Augen  nicht  zu  trauen  sein.  Einige  Leute  sind  anderer  An- 
sicht, und  ich  selbst  bemerke  bis  jetzt  keine  Abnahme  meiner 
Sehfähigkeit,  bin  ja  auch  kein  Neuling  im  Lesen  schwieriger  Hand- 
schriften und  Inschriften.  Aber  freilich,  wer  hier  MOTO  oder 
sonst  etwas  lesen  kann,  der  kann  mehr  als  ich.  Ob  sich  wohl 
noch  ein  zweites  hierzu  befähigtes  Paar  Augen  finden  wird  ?  Auch 


382  A.    MAU,    MICON    UND    PERO 

werden  a.  0.  unbefangenere  Augen  {occhi  piü  sereni)  gewünscht; 
ich  wüsste  nicht,  was  ich  mir  in  dieser  Beziehung  vorzuwerfen 
hätte.  Die  Lesung  admoto  nochmals  sachlich  zu  discutieren,  habe 
ich  keine  Veranlassung;  sie  erweckt  die  Vorstellung,  dass  Pero 
ihr  Gesicht  an  dem  Vater  reibt.  Ambiguo  habe  ich  natürlich  bei- 
spielsweise gesetzt:  gegen  incerto  z.  B.  wäre  nichts  einzuwenden. 

Will  jemand  unter  dem  aevo  dignum  opus  das  Bild,  nicht 
die  Handlung  verstehen  (A.  e  R.  383),  meinetwegen!  Aber  Va- 
lerius  Maximus  V  4,  7  verstehe  ich  nicht  so,  dass  er  den  Kunst- 
wert des  Bildes  preist;  sondern  durch  den  moralischen  Eindruck 
der  dargestellten  Handlung  wird  die  Phantasie  der  Beschauer 
so  angeregt,dass  sie  den  Vorgang  selbst  zu  sehen  glauben.  Man 
muss  die  Stelle  im  Zusammenhang  lesen. 

Auf  die  a.  0.  mehrfach  berührte  Frage,  wie  viel  in  meiner 
Restitution  mir,  wie  viel  meinen  Vorgängern  verdankt  wird,  soll 
ich  doch  wohl  nicht  eingehen,  so  wenig  wie  auf  die  anmutvolle 
Redeweise  (')  des  Mitarbeiters  von  Atene  e  Roma.  Alles  das  tut 
ja  nichts  zur  Sache  und  soll  wohl  nur  die  jenem  Herrn  so  am 
Herzen  liegende  Serenität  befördern. 

A.  Mau. 


ZUR  CASA  DEL  FAUNO  IN  POMPEJI. 

Das  oben  S.  202  über  das  zweite  Peristyl  der  Casa  del  Fauno 
Gesagte  bedarf  der  Berichtigung:  es  wurde  aus  dem  Gedächtnisse 
geschrieben,  und  das  Gedächtnis  hat  sich  als  nicht  ganz  treu 
erwiesen.  Es  ist  nicht  richtig,  dass  dort  das  Paviment  erst  nach- 
träglich bis  an  die  Kante  des  Stylobaten  ausgedehnt  worden 
ist;  sondern  es  war  von  Anfang  an  so.  Die  Säulenbasen  stehen 
je  auf  einem  bis  zu  0,09  hohen  Tuffcylinder,  der  aus  einem  Stück 
mit  dem  Stylobatstein  gearbeitet  ist;  seine  Höhe    bezeichnet  die 

(')  Zur  Erheiterung  eine  Probe:  Ami  io,  che  dl  Mau  reluttante  dl  mio 
micant  perchü  tumido  del  non  abbastanza  suo  tument  avrei  potuto  doman- 
dare  u.  s.  w. 


A.    MAU,    ZUR    CASA    DEL    FAUNO    IN    POMPEJI  383 

Stärke  des  Paviments.  Und  diese  Cylinder  konnten  so  nur  bear- 
beitet werden,  bevor  die  Säulenbasen  auf  sie  gestellt  wurden. 
Auch  ist  die  Oberfläche  des  Steines  zwischen  den  Cylindern  nicht 
roh,  sondern  ziemlich  glatt  gearbeitet.  Später  hat  sich  dann  die 
in  der  Pavimentmasse  gebildete  Kante  als  nicht  praktisch  erwiesen ; 
man  hat  ein  Stück  abgehackt  und  einen  Steinrand  an  die  Stelle 
gelegt. 

Es  durfte  also  nicht  gesagt  werden,  diese  Mode  sei  aufge- 
kommen nach  dem  Bau  der  Casa  del  Fauno,  sondern  sie  war 
üblich  zur  Zeit  eben  dieses  Baues,  in  der  Tuffperiode,  dem  2.  Jh. 
v.  Chr. 

A.  Mau. 


SITZUNGEN  UND  ERNENNUNGEN 


23.  März:  L.  Pollak,  .Antike   Votivgaben.   —   G.   Körte,   Die 

Bronzeleber  von  Piacenza  (s.  o.  S.  348-379). 
6.    April :    L.    Savignoni,    Bassi   rilievi    ionici    delV  isola  di 
Greta.  —  W.  Amelung,  Das  Corsinische  Silbergefäss  (s.  o. 
S.  289-309). 

20.  April  (Festsitzung  zur  Feier  der  Gründung  Roms):  L.  Savi- 
gnoni, Tempio  di  Apollo  ed  Heroon  in  Gortyna.  —  Chr. 
Hüelsen,  Die  ältesten  Reconstructionen  des  alten  Roms. 

Zu  ordentlichen  Mitgliedern  wurden  ernannt  die  Herren : 

D.  Comparetti  in  Florenz 
F.  Noack  »    Kiel 

S.  Reinach  »    Paris 

zu  correspondierenden  Mitgliedern  die  Herren: 

W.  Altmann       in  Marburg  a/L 
R.  Paribeni        »    Rom 

E.  Pfühl  »    Göttingen 


REGISTER 


Q.  Aemilius  Papus  59. 

Agias  144  ff. 

AXfooi  Tlonnmog  xal  XoxXr]m6<?oTog  10. 

Antenor  347. 

Antiquarium  des  Card.  Cesi  267. 

iAnoQQttvzriQiov  209. 

Aquaducte  in  der  Campagna  287. 

Ära  des  Kleomenes  306  ff. 

Ära  Providentiae  41. 

Ära  Volcani  7  f. 

Aristogeiton,  Ergänzung  d.  Figur  334. 

Aristogeiton,  Kopf  des  333. 

Artemis  136  ff. 

Athleten  statue  in  Berlin  147  f. 

Augustusbogen  auf  dem  Forum  76. 

Augustus,  Ehreninschrift  60. 

Aurae  304  ff. 

Aurelius  Anicius   Symmachus,  Stadt- 

präfekt  58. 
Backsteinbasen  am  Forum  68. 
P.  S.  Bartoli,  Zeichnungen  und  Stiche 

nach  Antiken  287. 
Basilica  Aemilia  53  ff. 
Basilica  Julia  75. 
Bleiplatte  von  Magliano  369. 
Bovianum,  Architekturstück  aus  185. 
Bronzeleber  von  Piacenza  348  ff.  355 

Fig.  2. 
Bustrophedonschrift  46. 
Byblis,  angebl.  Gemälde  von  Tor  Ma- 

rancia  286. 
L.  Caesar,  Ehreninschrift  59. 
Caesartempel  75. 

Caput  a  familiari  parte  caesum  373. 
Carcer,  angeblicher,  an  der  Sacra  Via 

116. 


Cardo  361. 

Castortempel  80. 

Censorische  Verzeichnisse  von  Tem- 
pelbesitz 206. 

Cesi'öche  Antikensammlung  267. 

Cippus,  archaischer  auf  dem  Comi- 
tium  46. 

Claudius  Candidus  159. 

Cloaca  Maxima,  angebl.  Inschrift  67. 

Cloacina,  Heiligtum  auf  dem  Forum  62. 

Coemeterium  Commodillae  156. 

Collegium  Germanorum  326. 

Comitium  29. 

Comitium,  Umfang  des  republikani- 
schen 38. 

Constantinsbasilica,  Ausgrabung  117. 

Cornua  38. 

Cuniculi  unter  dem  Forum  64. 

Curator  Germanorum  326. 

Curia  47. 

Curia  Julia  auf  Münzen  287. 

Curtius-Relief,  capitolinisches  69. 

Dalmatia  und  Dacia,  Grenzen  223. 

Deckelfigur  378. 

Decumanus,  Hauptlinie  des  Templum 
360. 

Didius  Julianus  162. 

Domitians-Basis  auf  dem  Forum  69. 

Dreieckziegel  258-261. 

Duilius-Inschrift  (columna  rostrata)  23. 

Eleusis  301  f. 

'EXXrjvcov  dyogd  am  Forum  14. 

Elogien  aus  der  Basilica  Aemilia  59. 

Equus  Domitiani  72. 

Equus  Severi  74. 

Equus  Tremuli,  angebl.  74. 


REGISTER 


385 


Erinyen  in  Attika  294. 

»         »    Eleusis  295  ff. 
Euthytonon  175. 
Extispicin  der  Etrusker  371. 

■  n     Körner  373. 

9  »     Griechen  373  f. 

■  n    Chaldaeer  374  ff. 
Fabius  Cilo  160. 

Familiaris  pars  358.  371  ff.  376. 
Fasti  consulares  et  triumphales  11  f. 
Fl.  Lollianus  Mavortius,  Stadtpraefekt 

284. 
Fluchtäfelchen  164. 
Fluss,  Teil  der  Leber  377. 
Fokassäule  68. 
Forma  Urbis  Romae,  neues  Fragment 

mit  den  Agrippathermen. 
FÜR.  Fragment  19  Jord.  13. 
FÜR.,  neues  Fragment  mit  \b~\asili\ca 

Aemilia]  53. 
Frumentarii  (milites)  310. 

»  «ih  Rom  310. 

»  n         in  Ostia  315. 

A  fruniento  (dispensatores,  procura- 

tores,  liberti)  318. 
Gela,  V.  von  333. 
Germanenkriege  im  2.   Jhdt.   n.  Chr. 

156. 
Germani  corporis  custodes  321. 
Geschütze  auf  Reliefs  166. 
Götter  italischer  Herkunft  369. 
Götternamen,  etr.  der  Bronzeleber  v. 

P.  362  ff. 
Graecostadium  11. 

Gruppenbildung  in  Pergamon  221   f. 
Hadrian  319. 

Harmodios,  Ergänzung  335.  343  f. 
Haruspex  378. 

Hebemaschinen  auf  dem  Forum  66. 
Heeresverpflegung  der  Römer  311. 
Hemicyclium,  sog.  17  ff. 
Herakles-Taten     in      pergamenischer 

Kunst  214  ff. 
HQaxkfjg  dkeHxcty.og  10. 
Hermes  von  Atalanti  146  f.  .     . 

Honorius  et  Arcadius  58. 


Horrea  Germaniciana  et  Agrippiana. 

84. 
Horrearii  318. 
fforti  Dolabellae  328. 
/{Ostitis  pars  358.  371  ff.  376. 
iouestod  (d)uelod  46. 
iouxmenta  46. 
Keilschema  337.  341  f. 
Kritios  347. 
Kymatien  287. 
Kyzikos,  Mze.  v.  333. 
Lacus  Curtius  68. 
Lacus  Iuturnae  81. 
Laokoon,  rechter  Arm  des  277. 
Larentempel  in  summa  sacra  via  119» 
Lautumiae  117. 
Leberpforte  374. 
Limitation  358. 
Livius-Epitome  von  Oxyrhynchos  3.  47 

80. 
Lysippos  140  ff. 

»       und  Skopas  150. 
»       und  Praxiteles  154  f. 
Magliano,  Bleiplatte  von  369. 
Margaritarius  115. 
S.  Maria  Antiqua  84. 
Marius  Maximus  161. 
Martianus  Capeila  350.  367. 
S.  Martina,  Legende  52. 
Micon  u.  Pero,  Epigramm  in  Pompeji 

188.  380. 
Modelle  der  Leber  371. 
Mosaik  Scalambrini  286. 
Münze  des  Pius  (Cohen  n.  618)  82. 
Museum  des  Forums  2. 
Musti  (Africa)  Inschriften  aus  67. 
Nekropole,  archaische,  auf  dem  Forum 

95. 
Nesiotes  347. 
Niger  lapis  44  ff. 
Opferung  der  Iphigenie  306  ff. 
Orest  vor  dem  Areopag  289  ff. 
Orientierung    der  Leber  360  f. 

n  des    Himmelstemplums 

360  f. 

Palintonon  175. 


386 


REGISTER 


Pergamon,  Eeliefs  von  der  Balustrade 

des  Poliastempels  169. 
Pero  und  Micon,  Epigramm  in  Pom- 
peji 188. 
Pherekydes,  s.  g.  333.  346. 
Piacenza,  Bronzeleber  von  348  ff. 
Pompeji,  alte  Säule   194. 
Pompeji,  Casa  del  Fauno  202. 
Pompeji,  dorischer  Tempel  201. 
Pompeji,  Epigramm  von  Micon  u.  Pero 

188.  ■    »" 

Puzzi  rituali,  sog.  32  f.  77. 
Eavenna,  Porta  Aurea  286. 
Eegia  77. 

Reiterstatuen  auf  dem  Forum  74. 
Beticulat  260. 
Ptomulusgrab  40. 
Eossini  L.,  Zeichnung  von  S.  Sergio  e 

Bacco  28. 
Eostra  15  ff. 
Eostra  Augusti  22. 
Eostri  cesarei,  sog.  14. 
Eostra  des  Forum  Romanum  230. 
Eostra,  Lage  der  vorcaesarischen  36. 
Sarti  Em.  über  Ausgrabung  der  Rostra 

23  f. 
Saturntempel  am  Forum  7. 
Satyrstatue  in  Berlin  139  f. 
Säule,  alte  in  Pompeji  194. 
Schafsleber  349.  353  Fig.  1. 
Sei  deo  sei  deivae,  Altar  am  Palatin 

42. 
S.  Sergio  e  Bacco,  Kirche  26  f. 
Silberbecher  Corsini  289  ff.  Taf.  VII. 

VIII. 
Simonides,  Epigramm  des  331. 
Sisyphos  d.  ä.  140  f.  152. 
ZiTtovca  319. 
Sklavenhalsband,  bronzenes  11. 


Soranus,  Gott  40. 

Spiele  auf  dem  Forum  66. 

Stationes  municipiorum  9. 

Stufenbau  auf  dem  Comitium  32  ff. 

Suggestus,  sog.  auf  dem  Comitium  37. 

Tabularium,  capitplinisches  287. 

Templum  350. 

Templum  Divi  Augusti  82. 

Terracottaleber  v.  Babylon  375. 

Theodotus  primicerius  93. 

Thermantia  117. 

Thessaler-Gruppe  in  Delphi  144  ff. 

TißEQisTg  KkavtfionoXfrcci  10. 

Timanthes  306  ff. 

Titusbogen  118. 

Tongefässe,  archaische,  in  der  Domi- 
tiansbasis  73. 

Töpfervvaare,  altlatiale,  ihre  Herstel- 
lung 109. 

Tribunalia  auf  dem  Forum  Eomanum 
287. 

Tyrannenmörder,  Gr.  330  ff. 

Ulivella  249. 

Umfassungsmauer,  angebl.  des  Comi- 
tiums  30. 

Vedennius  Moderatus,  Grabschrift  176. 

Verminus-Altar  41. 

Vestatempel,  Vestalenhaus  94. 

Vierzig  Märtyrer,  Kapelle  85. 

Villa  Cesi  beim  Vatican  267. 

Volcanal  7. 

Volterra  378. 

Volumniergrab  bei  Perugia  286. 

Vortumnustempel,  angebl.  13. 

Windgötter  304  ff. 

Würzburg,  Stamnos  in  333. 

Zacharias,  Papst  92. 

Ziegelbairtechnik  258. 

Zoll,  illyrischer  223. 


Abgeschlossen  am  14.  Juli  1906. 


VERZEICHNIS 

DER  MITGLIEDER 

DES 

KAISERLICH  DEUTSCHEN 
ARCHÄOLOGISCHEN  INSTITUTS 

DEZEMBER  1905 


ZENTRALDIREKTION 


Herr  O.  Puchstein,  General-Sekretär 

„  A.  Conze 

„  A.  Er  man 

„  O.  Hirschfeld 

„  R.  Kekule  von  Stradonitz 

„  C.  Klügmann 

„  R.  Schöne 

„  U.von  Wilamowitz-Moellendorff 

„  G.  Loeschcke  in  Bonn. 

„  A.  Michaelis  in  Straßbnrg  i.  E. 

„  F.  Studniczka  in  Leipzig. 


P.  Wolters  in    Würzburg. 


SEKRETARIATE 


IN  ROM 


Herr  G.  Körte,  Erster  Sekretär. 
„     Ch.  Hülsen,  Zweiter  Sekretär. 


in  Berlin. 


IN  ATHEN 

Herr  W.  Dörpfeld,  Erster  Sekretär. 

.,     G.  Karo,  kommissarischer  Zweiter  Sekretär 


RÖMISCH-GERMANISCHE  KOMMISSION 

IN  FRANKFURT  a.  M. 

Herr  H.  Dragendorff,  Frankfurt  a.  M.,  Direktor. 

„  O.  Puchstein,  Berlin,  als  General-Sekretär. 

„  O.  Hirschfeld,  Berlin,  \  von  der  Zentraldirektion 

„  G.  Loeschcke,  Bonn,     J   aus   ihrer  Mitte  gewählt. 

„  F.  Adickes,  Frankfurt  a.  M.,    ] 

„  E.  Meyer,  Berlin,  \  vom  Reichskanzler  berufen. 


C.  Schumacher,  Mainz, 

L.  Jacobi,   Homburg  v.  d.  H.,   berufen  von  Preußen. 

J.  Ranke,  München,  „  „     Bayern. 

E.  von  Herzog,   Tübingen,  „  „     Württemberg. 

E.  Fabricius,  Freiburg  i.  Br.,  „  „     Baden. 

vacat  „  „     Hessen. 

R.  Henning,  Straßburg  i.  Eis.,         „  „     Elsaß-Lothringen. 

A.  von  Domaszewsky,  Heidelberg 

F.  Ohlenschlager,  München, 
E.  Ritterling,  Wiesbaden, 
K.  Schuchhardt,  Hannover, 

G.  Wolff,  Frankfurt  a.  M., 


berufen   vom   Reichskanzler 

auf  Antrag 

der  Zentraldirektion. 


MITGLIEDER  DES   INSTITUTS 


EHREN-MITGLIEDER 

Seine  Kaiserliche  und  Königliche  Hoheit  Erzherzog  Rainer. 
Seine  Königliche  Hoheit  Prinz  Rupprecht  von  Bayern. 
Seine  Hoheit  Erbprinz  Bernhard  von  Sachsen-Meiningen. 
Seine  Hoheit  Prinz  Friedrich  Karl  von  Hessen. 
Seine  Durchlaucht  Fürst  Johann  von  und  zu  Liechtenstein. 
Seine  Durchlaucht  Fürst  von  Radolin,  Paris. 
Herr  F.  Adickes,  Frankfurt  a.  M. 

„      C.  Freiherr  von  Bildt,  Rom. 

„      C.  Klügmann,  Berlin. 

„      H.  Lehmann,  Halle  a.  S. 

„      H.  Graf  von  und  zu  Lerchenfeld,  Berlin. 
Donna  Ersilia  Caetani  contessa  Lovatelli,  Rom. 
Herr  A.  von  Nelidow,  Paris. 

„      Graf  von  Plessen-Cronstern,  Stuttgart. 

„      J.  von  Radowitz,  Madrid. 


II 
ORDENTLICHE  MITGLIEDER 


Herr  F.  Adler,  Berlin. 

„  W.  Amelung,  Rom. 

„  Conte  A.  Antonelli,  Rom. 

„  B.  von  Arnold,  München. 

„  E.  Babelon,  Paris. 

„  F.  Barn  ab  ei,  Rom. 

„  Barone  G.  Barracco,  Rom, 


Herr  O.  Benndorf,    Wien. 
„     M.  R.  de  Berlanga,   Malaga. 
„     J.  J.  Bernoulli,  Basel. 
„     H.  Binderna  gel,    Frankfurt 

a.  M. 
„     H.  Blümner,  Zürich. 
„     J.  Boehlau,  Kassel. 


—     6 


Herr 


G.  Boni,  Rom. 

L.  Borchardt,  Kairo. 

E.  Bormann,    Wien. 

R.  Borrmann,  Berlin. 

R.  C.  Bosanquet,  Athen. 

M.  Botkin,  5V.  Petersburg. 

E.  Brizio,  Bologna. 
A.  Brueckner,  Berlin. 

F.  Bücheier,  Bonn. 

F.  Bulic,  Spalato. 
R.  Cagnat,  Paris. 

G.  Calderini,  ./&?//■/. 

F.  Calvert,  Dardanellen. 
A.  Castellani,  to. 
Marchese  B.  Chigi,  Siena. 
W.  von  Christ,  München, 
M.  Collignon,  Paris. 
S.  (Tolvin,  London. 
A.  Conze,  Berlin. 

F.  Cumont,  Brüssel. 
A.  L.  Delattre,    Tunis. 

G.  De  Petra,  Neapel. 

E.  De  Ruggiero,  jfä?///. 
H.  Dessau,  Berlin. 

H.  Diels,   Berlin. 

K.  Dilthey,   G'öttingen. 

W.  Dittenberger,  .//#//<?  #.  5. 

A.  von  Domaszewski,  Heidel- 
berg. 

O.  Donner- von  Richter,  Frank- 
furt a.  M. 

W.  Dörpfeld,  ^//^;/. 

J.  Dragatsis,  Piräus. 

H.  D  ragen  dorff,  Frankfurt 
a.M. 

St.  Dragumis,  Athen. 

H.  Dressel,  Berlin. 

L.  Duchesne,  T&wz. 

F.  von  Duhn,  Heidelberg. 


Herr  J.  Durm,  Karlsruhe. 
„     F.  Ehrle,  &?#». 
„     R.  Engelmann,  AVw. 
„     A.  Erman,  Berlin. 
„     A.  J.  Evans,   Oxford. 
„     E.  Fabricius,  Freiburg  i.  Br. 
„     J.  Ficker,  Straßburg  i.  E. 
„     F.  Fita,  Madrid. 

R.  Foerster,  Breslau. 

P.  Foucart,  Paris. 

J.  G.  Frazer,   Cambridge. 

L.  Friedländer,  Straßburg  i.  E. 

W.  Fröhner,  Paris. 

A.  Furtwängler,  München. 
G.  F.  Gamurrini,  Arezzo. 

E.  A.  Gardner,  London. 
P.  Gardner,   Oxford. 
G.  Gatti,  &M*?. 
P.  F.  Gauckler,    Tunis. 
G.  Ghirardini,  Padua, 
W.  W.  Goodwin,   Cambridge, 

F.  Graeber,  Bielefeld. 

B.  Graef,  y^/^. 
Fr.  LI.  Griffith,   O^W. 
F.  Halbherr,  7&w/. 
Halil  -  Edhem  -  Bey,    Konstan- 
tinopel. 

O.  Hamdy-Bey,  Konstantirwpel. 
J.  Hampel,  Budapest. 

A.  Harnack,  Berlin. 
W.  von  Hartel,    £%?#. 
P.  Hartwig,  i&w*. 

B.  Haussoullier,  Paris. 
F.  Haverfield,   Oxford. 
B.  V.  Head,  Londo7i. 
R.  Heberdey,  Athen. 
J.  L.  Heiberg,  Kope?ihagen. 
W.  Heibig,  Jftw*. 


7     — 


[er 

r  E.  von  Herzog,    Tübingen. 

Herr  E.  Löwy,  Rom. 

55 

L.  Heuzey,  Paris. 

55 

H.  Luckenbach,  Karlsruhe. 

55 

F.  Freiherr  Hiller  von  Gaert- 

55 

O.  Lüders,  Athen. 

r  in  gen,  Berlin. 

55 

G.  Lumbroso,  Rom. 

■» 

O.  Hirschfeld,   Berlin. 

55 

L.  Mari  an  i,  Pisa. 

55 

M.  Holleaux,  Athen. 

55 

O.  Marucchi,  Rom. 

» 

A.  E.  J.  Holwerda,  Leiden. 

55 

G.  Maspero,  Paris. 

55 

Th.  Homolle,  Paris. 

55 

A.  Mau,  Rom. 

55 

Ch.  Hülsen,  Rom. 

55 

A.  Meletopulos,  Piräus. 

JJ 

F.   Imhoof- Blumer,     Winter- 

55 

E.  Meyer,  Berlin. 

thur. 

55 

A.  Michaelis,  Straßburg  i.  E. 

55 

L.  Jacobi,  Homburg  v.  d.  H. 

55 

L.  A.  Milani,  Florenz. 

75 

H.  St.  Jones,   Oxford. 

55 

A.  Mommsen,  Hamburg. 

5? 

C.  Justi,  Bonn. 

55 

O.  Montelius,  Stockholm. 

55 

E.  Kaiinka,  Innsbruck. 

55 

J.  H.  Mordtmann,  Smyma. 

55 

G.  Karo,  Athen. 

55 

R.  Mowat,  Paris. 

55 

P.  Kavvadias,  Athen. 

55 

N.  Müller,  Be?'lin. 

55 

B.  Keil,  Straßburg  i.  E. 

55 

K.  Mylonas,  Athen. 

55 

R.    Kekule    von    Stradonitz, 

55 

G.  Niemann,  Wien. 

Berlin. 

55 

B.  Niese,  Marburg  i.  H. 

55 

F.  Kenner,  Wien. 

55 

H.  Nissen,  Bonn. 

55 

A.  Kirchhof!,  Berlin. 

55 

Ch.    E.    Norton,    Cambridge, 

55 

W.  Klein,  Prag. 

Mass. 

55 

F.  Koepp,  Münster  i.  W. 

55 

R.  Norton,  Rom. 

55 

R.  Koldewey,  Babyloji. 

55 

F.  Ohlenschlager,  Mimchen. 

55 

A.  Kondostavlos,  Athen. 

55 

P.  Orsi,  Syrakus. 

55 

A.  Körte,  Basel. 

55 

E.  Pais,  Neapel. 

55 

G.  Körte,  7?<?w. 

55 

A.  Pasqui,  ivW/. 

55 

W.  Kubitschek,  Ef&». 

55 

C.  Patsch,  Serajezvo. 

55 

Sp.  Lambros,  Athen. 

55 

E.  Pernice,   Greifswald. 

55 

R.  A.  Lanciani,  7&wz. 

55 

G.  Perrot,  /W. 

55 

C.  Graf  Lanckoronski-Brzezie, 

55 

E.  Petersen,  Berlin. 

ffzV//. 

55 

W.M.FlindersPetrie,  London. 

55 

B.  Latyschew,  St.  Petersburg. 

55 

D.  Philios,  Athen. 

55 

H.  Lee  hat,  Lyon. 

55 

L.  Pigorini,  i&wz. 

55 

H.  Lehn  er,  Zfo«#. 

55 

E.  Pottier,  Paris. 

55 

F.  Leo,   Göttingen. 

55 

A.  Prachow,  St.  Petersburg. 

55 

V.  Leonardos,  Athen. 

55 

E.  Pridik,  5/.  Petersburg. 

55 

G.  Loeschcke,  Zfo/z«. 

55 

0.  Puchstein,  Berlin. 

8     — 


Herr 


W.  M.  Ramsay,  Aberdeen. 
E.  Reisch,  Wien. 
R.  B.  Richardson,  New  York. 
O.  Richter,   Berlin. 
E.  Ritterling,  Wiesbaden. 
C.  Robert,  Halle  a.  S. 
H.  von  Rohden,  Hagenau. 
M.  Rostowzew,  St.  Petersburg. 
G.  McN.  Rushforth,  Grasmere, 
Mähern. 

A.  Salinas,  Palermo. 

B.  Sauer,   Gießen. 

L.  Savignoni,  Messina. 
R.  von  Schneider,  Wien. 
R.  Schöne,  Berlin. 
H.  Schrader,  Innsbruck. 
Th.  Schreiber,  Leipzig. 
J.  Schubring,  Lübeck. 
K.  Schuchhardt,  Hannover. 
W.  Schulze,  Berlin. 

C.  Schumacher,  Mainz. 

L.  von  Schwabe,    Tübingen. 
Jonkheer  J.  Six  vanHillegom, 

Amsterdam.  . 
A.  H.  Smith,  London. 
Cecil  H.  Smith,  London. 
A.  Sogliano,  Neapel. 
G.  Sotiriadis,  Athen. 
V.  Stai's,  Athen. 

E.  von  Stern,   Odessa. 
J.  Strzygowski,   6*;^^. 

F.  Studniczka,  Leipzig. 


Hei 


J.  N.  Svoronos,  Athen. 

L.  von  Sybel,  Marburg  i.  H. 

G.  Tocilescu,  Bukarest. 

A.  Trendelenburg,  Berlin. 

G.  Treu,  Dresden. 

Ch.  Tsuntas,  Athen. 

D.  Vaglieri,  ta. 
J.  Vahlen,  Berlin. 

A.  Heron  de  Viliefosse,  Paris. 

G.  Vitelli,  Florenz. 

M.  Graf  de  Vogüe,  Paris. 

E.  Wagner,  Karlsruhe. 

H.  Graf  von  Walderdorff, 

Regensburg. 
Ch.  Waldstein,   Cambridge. 
G.  Weber,  Smyrna. 
R.  Weil,  Ä?r/*k 
J.  W.  White,  Cambridge,  Mass. 

F.  Wickhoff,   F$&». 

Th.  Wiegand,  Konstantinopel. 
U.  von  Wilamowitz-Moellen- 

dorff,  Berlin. 
U.  Wilcken,  Äs//*  a.  5. 
A.  Wilhelm,    W%». 
A.  Wilmanns,  Berlin. 
J.  Wilpert,  ^;;/. 
H.  Winnefeld,  Berlin. 

F.  Winter,   (SVtf.s'. 

G.  Wissowa,  ^^//^  <^.  5. 
G.  Wolff,  Frankfurt  a.  M. 
P.  Wolters,    Würzburg. 

R.  Zahn,  Berlin. 


III 
KORRESPONDIERENDE  MITGLIEDER 


Herr  G.  Alacevic,  Z^ra. 
„     Marchese  C.  Antaldi,  Pesaro. 
„     E.  Anthes,  Darmstadt. 


Herr  Marchese    G.    Antimi- Clari, 
Macerata  Feltria. 
„     Conte  Aria,  Marzabotto. 


Herr 


P.  Arndt,  München. 

Th.  Ashby,  Rom. 

O.  N.  Askitis,   Chalki. 

E.  Assmann,  Berlin. 

F.  Baraibar,  Vittoria. 
C.  Bardt,  Berlin. 

F.  Baumgarten,  Freiburg  i.  Br, 

G.  Bellucci,  Perugia. 
O.  Beriet,    Glogau. 

L.  Berthomieu,  Narbonne. 
A.  Bertrand,  Moulins. 

E.  Bethe,   Gießen. 

F.  Freiherr  von  Bissing, 
Mimchen. 

R.  Blair,  South-Shields. 

Ch.  Blinkenberg,  Kopenhagen. 

E.  Bodensteiner,  München. 
R.  Bodewig,  Oberlalmstein. 
O.  Bonn,  Berlin. 

U.  Ph.  Boissevain,  Groningen. 

C.  G.  Brandis,  y<?/2#. 

A.  van  Branteghem,  Paris. 

F.  Brun,  Nizza. 

H.  Bulle,  Erlangen. 
A.  Calabrese,   Treviso. 

G.  Caminiti,  Reggio. 
G.  Canna,  Pavia. 

L.  Cantarelli,  i&w/. 
G.  Caraba,  Bisaccia. 
W.  Cart,  Lausamie. 
A.  Casilli,  Rhodos. 
F.  B.  Castiglioni,  Spongano. 
F.  Catone,   Gesualdo. 
R.  Cavarocchi,   Chieti. 
J.  Centerwall,  Söderhamn. 
A.  van  Ceuleneer,   6V«/. 
J.  Chatzidakis,   Candia. 
C.  Chiavarini,  A?icona. 
V.  Cicerchia,  Palestrina. 


Herr  A.  Coelho,  Lissabon. 

„  G.  A.  Colini,  .fa?/«. 

„  Conte  F.  de  principi  Colonna- 

Stigliano,  Neapel. 

„  G.  F.  Comfort,  Meadville. 

„  D.  Comparetti,  Flore7iz. 

„  A.  Conrads,  Haltern. 

„  F.  Corazzini,  Florenz. 

„  F.  Cordenons,  Padua. 

„  L.  Correra,  Neapel. 

„  Conte  A.  Cozza,  .fow/. 

„  C.  de  la  Croix,  Poitiers. 

„  C.  Curtius,  Lübeck. 

„  P.  Da  Ponte,  Brescia. 

„  H.  Daum  et,  Paris. 

„  P.  Decharme,  Paris. 

„  M.  Deffner,  <4/£*». 

„  R.  Delbrueck,  Berlin. 

„  J.  Dell,   Czernowitz. 

„  A.  De  Nino,  Sulmona. 

„  De  Persiis,  Assisi. 

„  D.  Detlefsen,   Glückstadt. 

„  M.  Dimitsas,  Athen. 

„  P.  Dissard,  Zj/öä. 

„  P.  Di  Tucci,  7&W2. 

„  W.  Dobrusky,  S^yfo. 

„  A.  Dohrn,  Neapel. 

„  F.  Donati,  Siena. 

„  F.  Dürrbach,   Toulouse. 

„  O.  Egger,    J'FzV/z. 

„  E.  Esperandieu,  Paris. 

„  Conte  E.  Faina,   Orvieto. 

„  I.  Falchi,   Montopoli  di  Val- 

damo. 

„  D.  Farabulini,  i?öw. 

„  G.  Faraone,   Caiazzo. 

„  L.  R.  Farnell,   Oxford. 

„  E.  Ferrero,   Turin. 

„  A.  Fontrier,  Smyrna. 


—       10 


Herr  H.  N.  Fowler,  Cleveland,  Ohio. 

He 

11 

S.  Frankfurter,    Wien. 

ii 

11 

C.  Fredrich,  Posen. 

ii 

ii 

H.  von  Fritze,  Berlin. 

ii 

ii 

A.    L.    Frothingham    jun., 

ii 

Princeton,  N.  J. 

ii 

ii 

G.  Gabrielli,   Ascoli  Piceno. 

ii 

ii 

A.  Galli,  Rom. 

ii 

ii 

P.  Gau d in,  Smyrna. 

ii 

ii 

G.  Gelcich,  Ragusa. 

ii 

ii 

H.  Geizer,  Jena. 

ii 

ii 

N.  Georgiadis,    Volo. 

ii 

ii 

A.  Gercke,   Greifswald. 

ii 

ii 

Giannopulos,  Halmyros. 

ii 

ii 

H.  Gies,  Konstantinopel. 

ii 

ii 

E.  Gillieron,  Athen. 

ii 

ii 

G.  B.  Giovenale,  Rom. 

ii 

ii 

P.  des  Granges,  Rom. 

ii 

ii 

B.  Graser,  Hei  sing fors. 

ii 

ii 

F.  Grossi,  Arce. 

ii 

ii 

St.  Gsell,  Algier. 

ii 

ii 

H.  Guhrauer,    Wittenberg. 

ii 

ii 

D.  Hadjidimu,  A'idin. 

ii 

ii 

W.  G.  Haie,   Chicago. 

ii 

ii 

A.  Harn  m  eran ,  Frankfurt  a.  M. 

ii 

Miß 

J.  Harrison,   Cambridge. 

ii 

Herr  F.  Haug,  Mannheim. 

ii 

ii 

P.  Herrmann,  Dresden. 

ii 

ii 

R.  Herzog,   Tübingen. 

ii 

ii 

E.  L.  Hicks,  Manchester. 

ii 

ii 

G.  F.  Hill,  London. 

ii 

ii 

T.  Hodgkin,  Newcastle-upon- 

ii 

Tyne. 

ii 

ii 

M.  Hoernes,    Wien. 

ii 

ii 

F.  Hultsch,  Dresden. 

ii 

K 

P.  Ibarra  y  Ruiz,  Elche. 

ii 

11 

G.  Ioannidis,  Pergamon. 

ii 

11 

C.  Jacobsen,  Kopenhagen. 

ii 

11 

A.  Jatta,  Ruvo. 

ii 

R.  C.  Jebb,   Cambridge. 
L.  Jelic,  Zara. 
W.  Judeich,  Erlangen. 
C.  Jullian,  Bordeaux. 

A.  Kandakidis,  Larissa. 
K.  Karapanos,  Athen. 
P.  Kastriotis,  Athen. 

G.  Kavverau,  Milet. 

Ä.  D.  Keramopullos,  Athen. 

0.  Kern,  Rostock. 

B.  Keune,  Metz. 

J.  Kirchner,  Berlin. 
L.  Kjellberg,    Upsala. 
H.  Knackfuß,  Milet. 

C.  L.  Koehl,    Worms. 
C.  Koenen,  Bonn. 

J.  Kokidis,  Athen. 

W.  Kolbe,  Rostock. 

N.  Kondakow,  St.  Petersburg. 

A.  Kondoleon,  Delphi. 

P.  Kretschmer,    ft%K. 

M.  Krispis,  Kalavryta. 

E.  Kroker,  Leipzig. 

J.  Kromayer,   Czernowitz. 

E.  Krüger,   7>^>r. 

K.  Kuruniotis,  Athen. 
V.  Kuzsinsky,  Budapest. 
K.  von  Lange,    Tübingen. 
N.  Limnios,  Artake. 
S.  D.  G.  Llabres,  Motion. 

F.  Lombardini,  Sezze. 

1.  A.  Londos,  Athen. 

R.  Löper,  Konstantinopel. 

G.  Lorin g,  Malaga. 

G.  Lucciola,  Sangiorgio  a  Liri. 
H.  Lugon,   6>.  5/.  Bernhard. 
A.  Lupatelli,  Perugia. 
F.  von  Luschan,  Berlin* 
E.  Maass,  Marburg  i.  H. 


II     — 


Herr  L.  Maggiulli,  Muro. 

H.  Maionica,  Aquileja. 
W.  Malmberg,  Dorpat. 
C.  Mancini,  Neapel. 
R.  Mancini,   Orvieto. 
G.  Mantovani,  Bergamo. 
G.  Mariotti,  Parma. 
L.  Martens,  Elberfeld. 
van  Marter,    Washington. 

E.  Martinelli,  Anagni. 

F.  Marx,  Leipzig. 
C.  Masner,  Breslau. 
A.  Matsas,   Chalkis. 
L.  Mauceri,  Messina. 
M.  Mayer,  Berlin. 

G.  Mazzatinti,  Forli. 
P.  J.  Meier,  Braunschweig. 
J.  R.  Melida,  Madrid. 
A.  Meomartini,  Benevento. 
J.  Merz,  Stuttgart. 
W.  Meyer,   G'öttinge?i. 

E.  Michon,  Paris. 
G.  Milella,  2far£ 
A.  Elias  de  Molins,  Barcelona. 
Marqnes    de   Monsalud, 

Madrid. 
A.  Mordtmann,  Konstantino- 

pel. 
M.  G.  Moreno,   Granada. 

F.  Morlicchio,  Scafati. 
S.  Müller,  Kopenhagen. 
J.  L.  Myres,   Oxford. 
J.  Navpliotis,  Naxos. 

G.  Nervegna,  Briudisi. 
F.  M.  Nichols,  Laztford  (bei 

Manningto?i,  Essex). 
A.  Nikitsky,  Moskau. 
F.  Nissardi,   Cagliari. 
F.  Noack,  Ä7^7. 


Herr 


B.  Nogara,  7&w/. 

N.  Novosadsky,    Warschau. 

G.  Oberziner,  Maihmd. 

R.  Oehler,  &rä». 

L.  Otto,  Dresden. 

G.  Paci,  Ascoli  Piceno. 

F.  S.  Palazzetti,    Urbisaglia. 
L.  Pallat,  Är#«. 

A.  Papadopulos  -  Keramevs, 
5/.  Petersburg. 

M.  Papa-Konstandinu,  Äidin. 
M.  Pardo  de  Figueroa,  Medina 

Sidonia. 
P.  Paris,  Bordeaux. 
W.  R.  Paton,    Viroflay. 

G.  Patroni,  Pavia. 
E.  Paulus,  Metz. 

G.  Pellegrini,  Bologna. 
P.  Perdrizet,  Nancy. 
L.  Pernier,  Florenz. 
W.  C.  Perry,  London. 
N.  Persichetti,  Aquila. 

B.  Pharmakowsky,  5/.  Peters- 
burg. 

A.  Philadelphevs,  Athen. 

A.  Philippson,  ifcz72. 

E.  Piccolomini,  Siena. 

F.  Pichler,   Gras. 

B.  Pick,   Gotha. 

G.  Pinto,    Venosa. 
G.  Pinza,  7&w/. 
V.  Poggi,  Savo?ia. 
N.  G.  Politis,  ^/Ä^». 
L.  Pollak,  /fo*»; 

J.  Pomialowsky,    5/.   Peters- 
burg. 
G.  Porri,  Sezze. 
A.  von  Premerstein,    Jf&v/. 
A.  Preuner,   Greifswald. 


12 


er 

r  E.  Premier,  Straßburg  i.  E. 

Herr  A.  Schulten,    Göttingen. 

55 

A.  Prosdocimi,  Este. 

55 

E.  Schwartz,    Göttingen. 

55 

K.  Purgold,   Gotha. 

55 

P.  Serlendis,  Syra. 

55 

A.  Puschi,  Trust 

55 

M.  Siebourg,  Bonn. 

55 

Q.  Quagliati,    Tarent. 

55 

Conte    A.   Silveri-Gentiloni, 

55 

G.  Rallis,  Pergamon. 

Tolentino. 

55 

F.  von  Reber,  München. 

55 

A.  Skias,  Athen. 

55 

S.  Reinach,  Paris. 

55 

H.  Skorpil,  RustscJnik. 

55 

L.  Reinisch,    Wien. 

55 

K.  Skorpil,    Warna. 

55 

von  Rekowski,    Wiesbaden. 

55 

E.  Solaini,    Volterra. 

.55 

S.  Ricci,  Mailand. 

55 

G.  J.  Solotas,   Chios. 

55 

E.  Ridolfi,  Florenz 

55 

Th.  Sophulis,  Samos. 

55 

P.  Rizzini,  Brescia. 

55 

G.  Sordini,  Spoleto. 

55 

G.  E.  Rizzo,  Rom. 

55 

G.  Sotiriu,  Smyrna. 

55 

H.  Röhl,  Halberstadt. 

55 

A.  Spagnolo,    Verona. 

55 

J.  Roman,  Embrun. 

55 

A.  G.  Spinelli,  Modena. 

55 

O.  Rossbach,  Königsberg i.Pr. 

55 

Barone    M.    V.    Spinelli    de 

55 

Conte    G.    B.    Rossi  -  Scotti, 

principi  di  Scalea,  Neapel. 

Perugia. 

55 

A.  Stamatiadis,  Samos. 

55 

O.  Rubensohn,  Kairo. 

55 

D.  Stavropulos,  Myko?ws. 

55 

A.  Rubini,  Formia. 

55 

H.  Stein,   Oldenburg. 

55 

C.  Ruga,  Mailafid. 

55 

N.  Stephanopulos,    Tripolis. 

55 

E.  Saavedrä,  Madrid. 

55 

L.  Stern,  Berlin. 

55 

N.  Sakkelion,   Tinos. 

55 

I.  R.  S.  Sterrett,  Ithaca,  N.  V. 

55 

F.  Salvatore-Dino,  Portici. 

55 

P.  Stettiner,  Rom. 

55 

A.  Santarelli,  Forli. 

55 

C.  Stornaiolo,  Rom. 

55 

D.  Santoro,    5.  Giovanni 

55 

M.  L.  Strack,   Gießen. 

bicarico. 

55 

H.  Swoboda,  Prag. 

55 

F.  Sarre,  Berlin. 

55 

Conte  E.  Tambroni-Armaroli, 

55 

H.  Schäfer,  Berlin. 

Appig7iano  (bei  Mac  er  ata). 

55 

A.  Schiff,  Berlin. 

55 

A.  Taramelli,   Cagliari. 

55 

R.  Schillbach,  Potsdam. 

55 

A.    Tardieu ,     Clermont  -  Fer- 

55 

A.  Schindler,    Wien. 

rand. 

55 

J.   von   Schlumberger,    Geb- 

55 

J.  Thacher-Clarke,  Harrow. 

weiler. 

55 

F.  von  Thiersch,  München. 

55 

H.  Schmidt,  Berlin. 

55 

H.  Thiersch,   Freiburg  i.  Br. 

55 

A.  Schöne,  Kiel. 

55 

E.  Thraemer,  Straßburg  i.  E. 

55 

H.  Schöne,  Königsberg  i.  Pr. 

55 

G.  Tomassetti,  Rom. 

55 

P.  Schröder,  Beirut. 

55 

G.  Tria,  Polatli. 

13 


Herr 


G.  Tropea,  Padua. 

M.  Tsakyroglu,  Smyma. 

D.  Tscholakidis,  Pergamon. 

D.  Tsopotos,    Volo. 

H.  L.  Urlichs,  München. 
J.  L.  de  Vasconcellos,  Lissa- 
bon. 
J.  de  Vasconcellos,   Oporto. 

E.  Vassiliu,    Thera. 

F.  A.  Vera,   Cadix. 

A.  Vernarecci,    Fossombrone. 

D.  Vikelas,  Athen. 

L.  Viola,   Tarent. 

S.  Vitali,    Venafro. 

J.  C.  Vollgraff,   Wfcfdß 

G.  Vyzantinos,  Athen. 

J.  Wackernagel,   G'öttingen. 
V.  Waille,  Algier. 
M.  Waltrowitz,  Belgrad. 
K.  Watzinger,  Rostock. 


Herr 


A.  Weckerling,    Worms. 
W.  Weißbrodt,  Braunsberg. 

P.  Weizsäcker,   £>/w. 
C.  Wichmann,  j%?/#. 
S.  Wide,   Upsala. 

A.  Wiedemann,  ä?////. 
W.  Wilberg,    I^>;/. 

P.  Wilski,  Freiberg  i.  S. 

B.  I.  Wheeler,  Berkeley,  Cal. 
K.  Woermann,  Dresden. 

G.  Wolfram,  Metz. 

J.  Wordsworth,  Salisbury. 

F.  Zamboni,    Ff%w. 

A.  Zannoni;  Bologna. 

L.  Zdekauer,  Macerata 

(Marche). 
J.  Ziehen,  Berlin. 
Th.  Zielinski,  5/.  Petersburg. 
E.  Ziller,  Athen. 


IV 

ÜBERSICHT    SÄMTLICHER    MITGLIEDER 
NACH   ÖRTLICHKEITEN   GEORDNET 


1.  Ägypten. 

ÄÄftro:  0.  M.:  L.  Borchardt,  £  M. 
O.  Rubensohn. 


2.  Belgien. 

Brüssel:    0.  M.:  F.  Cumont. 
Gent:  C.  M.:  A.  van  Ceuleneer. 


3.  Bosnien. 
Serajewo:   0.  M.:  C.  Patsch. 


4.  Bulgarien. 
Sofia:   C.  M.:  W.  Dobrusky. 
Rustschuk:   C.  M.:  H.  Skorpil. 
Warna:   C.  M.:  K.  Skorpil. 

5.  Dänemark. 

Kopenhagen:  0.  M.:  J.  L,  Heiberg, 
£  ^/.:  Ch.  Blinkenberg,  C.  Ja- 
cobsen,  S.  Müller. 

6.  Deutschland. 
Berlin  und  Vororte:  E.M.:  C.  Klüg- 
mann, H.  Graf  von  und  zu  Ler- 


H 


chenfeld,  Ü.M.;  F.  Adler,  R.Borr- 
mann,  A.  Brueckner,  A.  Conze, 
H.  Dessau,  H.  Diels,  H.  Dressel, 
A.  Erman,  A.  Harnack,  F.  Frei- 
herr Hiller  von  Gaertringen, 
O.  Hirschfeld,  R.  Kekule  von 
Stradonitz,  A.  Kirchhoff,  E. 
Meyer,  N.  Müller,  E.  Petersen, 
O.  Puchstein,  O.  Richter,  R. 
Schöne,  W.  Schulze,  A.  Tren- 
delenburg, J.  Vahlen,  R.  Weil, 
U.  von  Wilamowitz  -  Moellen- 
dorff,  A.  Wilmanns,  H.  Winne- 
feld,  R.  Zahn,  C.  M.:  E.  Ass- 
mann, C.  Bardt,  O.  Bohn,  R.  Del- 
brueck,  H.  v.  Fritze,  J.  Kirchner, 
F.  v.  Luschan,  M.  Mayer,  R. 
Oehler,  L.  Pallat,  F.  Sarre,  H. 
Schäfer,  A.  Schiff,  H.  Schmidt, 
L.  Stern,  J.  Ziehen. 

Bielefeld:    0.  M.:  F.  Graeber. 

Bonn:  0.  M.:  F.  Bücheier,  C.  Justi, 
H.  Lehner,  G.  Loeschcke,  H. 
Nissen,  C.  M.:  C.  Koenen,  M. 
Siebourg,   A.  Wiedemann. 

Braunsberg:  C.  M.:  W.Weißbrodt. 

Braunschweig:   C.  M.:  P.  J.  Meier. 

Breslau:  O.M.:  R.  Foerster,  C.  M.: 
C.  Masner. 

Calw  i.  Württ:  C.  M.:  P.  Weiz- 
säcker. 

Darmstadt:   C.  M.:  E.  Anthes. 

Dresden:  0.  M.:  G.  Treu,  C.  M.: 
P. Herrmann, F. Hultsch,  L.Otto, 
K.  Woermann. 

Elberfeld:   C.  M.:  L.  Martens. 

Erlangen:  C.  M.:  H.  Bulle,  W.  Ju- 
deich. 

Frankfurt  u.M.:  E.  M.:  F.  Adickes, 


O.M.:W.  Bindernagel,  O.Donner-, 
von  Richter,  H.  Dragendorff,  G. 
Wolff,   C.  M.:  A.  Hammeran. 

Freiberg  i.  S.:   C.  M.:  P.  Wilski. 

Freiburg  i.  Br.:  0.  M.:  E.  Fabri- 
cius,  C.  M.:  F.  Baumgarten,  H. 
Thiersch. 

Gebweiler  i.  Eis.:  C.  M.:  J.  von 
Schlumberger. 

Gießen:  0.  M,:  B.  Sauer,  C.  M.: 
E.  Bethe,  M.  L.  Strack. 

Glogau:   C.  M.:  O.  Beriet. 

Glückstadt:   C  M.:  D.  Detlefsen. 

Gotha:  C.  M.:  B.  Pick,  K.  Pur- 
gold. 

Göttingen :  0.  M. :  K.  Dilthey,  F.  Leo, 
C  M.:  W.  Meyer,  A.  Schulten, 
E.  Schwartz,  J.  Wackernagel. 

Greifswald:  0.  M.:  E.  Pernice, 
C.  M.:  A.  Gercke,  A.  Preuner. 

Hagenau  i.  E.:  0.  M.:  H.  von 
Rohden. 

Halberstadt:  C.  M.:  H.  Röhl. 

Halle  a.  S.:  E.  M.:  H.  Lehmann, 
0.  M.:  W.  Dittenberger,  C.  Ro- 
bert, U.  Wilcken,  G.  Wissowa. 

Haltern  i.  Westf:  C.  M.:  A.  Con- 
rads. 

Hamburg:   0.  M.:  A.  Mommsen. 

Hannover:  O.M.:  K.  Schuchhardt. 

Heidelberg:  0.  M.:  A.  von  Doma- 
szewski,  F.  von  Duhn. 

Homburg  v.  d.  H:  0.  M.:  L.  Jacobi. 

Jena:  0.  M.;  B.  Graef,  C.  M.;  C. 
G.  Brandis,  H.  Geizer. 

Karlsruhe:  0.  M.:  J.  Durm,  H. 
Luckenbach,  E.  Wagner. 

Kassel:   0.  M.:  J.  Boehlau. 

Kiel:  C.  M.:  F.  Noack,  A.  Schöne. 


IS    — 


Königsberg  i.  Fr,:  C.  M.:  O.  .Ross- 
bach, H.  Schöne. 

Leipzig:  0.  M.:  Tb,  Schreiber,  F. 
Studniczka,  C.  M.:  E.  Kroker, 
F.  Marx. 

Lübeck:  0.  M.:  J.  Schubring,  C.  M.: 
C.  Curtius. 

Mainz:   0.  M.:  C.  Schumacher. 

Mannheim:   C.  M.:  F.  Haug. 

Marburg  i.  H.:  0.  M:  B.  Niese,  L. 
von  Sybel,   C.  M.:  E.  Maass. 

Meiningen:  E.  M.:  Erbprinz  Bern- 
hard von  Sachsen  Meiningen. 

Metz:  C.  M.:  B.  Keune,  E.  Paulus, 
C.  Wichmann,  G.  Wolfram. 

München:  E.M.:  Prinz  Rupprecht 
von  Bayern,  0.  M.:  B.  von  Ar- 
nold, W.  von  Christ,  A.  Furt- 
wängler,  F.  Ohlenschlager,  C. 
M.:  P.  Arndt,  F.  Freiherr  von 
Bissing,  E.  Bodensteiner,  F.  von 
Reber,  F.  von  Thiersch,  H.  L. 
Urlichs. 

Münster  i.  West/.:  O.M.:  F.  Koepp. 

Oberlahnstein:  C.  M.:  R.  Bodewig. 

Oldenburg:  C.  M.:  H.  Stein. 

Posen:  C.  M.:  C.  Fredrich. 

Potsdam:  C.  M.:  R.  Schillbach. 

Regensburg:  0.  M.:  H.  Graf  von 
Walderdorff. 

Rostock  i,M.:  C.M.:  O.Kern,  W. 
Kolbe,  K.  Watzinger. 

Rumpenheim  (Schloß)  i.  H.\  E. 
M.:  Prinz  Friedrich  Karl  von 
Hessen. 

Straßburg  i.E.:  0.  M.:  J.  Ficker, 
L.  Friedländer,  B.  Keil,  A.  Mi- 
chaelis, C.  M.:  E.  Preuner,  E. 
Thraemer. 


Stuttgart:  E.M.:  Graf  von  Plessen- 
Cronstern,   C.  M.:  J.  Merz. 

Trier:  C.  M.:  E.  Krüger. 
!    Tübingen:  O.M.:  E.  von  Herzog, 
L.  von  Schwabe,  C.  M.:  R.  Her- 
zog, K.  von  Lange. 

Wiesbaden:  0.  M.:  E.  Ritterling, 
C.  M.:  von  Rekowski. 

Wittenberg:  C.  M.:  H.  Guhrauer. 

Worms:  C.  M.:  C.  L.  Koehl,  A. 
Weckerling. 

Würzburg:   0.  M.:  P.  Wolters. 

7.  Frankreich. 

Paris:  E.  M.:  Fürst  von  Radolin, 
A.  von  Nelidow,  O.M.:  E.  Ba- 
belon,  R.  Cagnat,  M.  Collignon, 
P.Foucart,  W.  Fröhner,  B.  Haus- 
soullier,  L.  Heuzey,  Th.  Homolle, 
G.  Maspero,  R.  Mowat,  G.  Perrot, 
E.  Pottier,  A.  Heron  de  Ville- 
fosse,  M.  Graf  de  Vogüe,  C.  M.: 
A.  van  Branteghem,  H.  Daumet, 
P.  Decharme,  E.  Esperandieu, 
E.  Michon,  S.  Reinach. 

Algier  (Afrika):  C.  AI.:  St.  Gsell, 
V.  Waille. 

Bordeaux:  C.  M.:  C.  Jullian,  P. 
Paris. 

Clermont-Ferrand:  C.  M.:  A.  Tar- 
dieu. 

Embrun  (Haut es  Alpes):  C.  M.: 
J.  Roman. 

Lyon:  0.  M.:  H.  Lechat,  C.  M.: 
P.  Dissard. 

Moulins:  C.  M.:  A.  Bertrand. 

Nancy:   C.  M.:  P.  Perdrizet. 

Narbonne:   C.  M.:  L.  Berthomieu. 

Nizza:  C.  M.:  F.  Brun. 


Poitiers:   C  M.:  C.  de  la  Croix. 
Toulouse:  C  M.:  F.  Dürrbach. 
Viroflay  (Seine  et  Oise):    C  M.: 
W.  R.  Paton. 

8.  Griechenland. 

Athen:  0.  M.:  R.  Bosanquet,  W. 
Dörpfeld,  St.  Dragumis,  R.  He- 
berdey,  M.  Holleaux,  G.  Karo, 
P.  Kavvadias,  A.  Kondostavlos, 
Sp.  Lambros,  V.  Leonardos,  O. 
Lüders,  K.  Mylonas,  D.  Philios, 
G.  Sotiriadis,  V.  Stais,  J.  N.  Svo- 
ronos,  Ch.  Tsuntas,  C  M.:  M. 
Deffner,  M.  Dimitsas,  E.  Gillieron, 
K.  Karapanos,  P.  Kastriotis,  A. 
D.  Keramopullos,  J.  Kokidis,  K. 
Kuruniotis,  J.  A.  Londos,  A.  Phi- 
ladelphevs,  N.  G.  Politis,  A.  Skias, 
D.Vikelas,  G.  Vy  zantinos,  E.Ziller. 

Chalkis:   C  M.i  A.  Matsas. 

Delphi:   C  M.:  A.  Kondoleon. 

Halmyros:   C  M.:  Giannopulos. 

Kalavryta:  C  M.:  M.  Krispis. 

Larissa:  C  M.:  Kandakidis. 

Mykonos:  C  M,:  D.  Stavropulos. 

Naxos:   C  M.:  J.  Navpliotis. 

Pträus;  0.  M\:  J.  Dragatsis,  A.  Me- 
letopulos. 

Syra:   C.  M.:  P.  Serlendis. 

Therä:   C.  M.:  E.  Vassiliu. 

Tinos:  C.  M:  N.  Sakkelion. 

Tripolis:  CM.:  N.  Stephanopulos. 

Volo:  C.  M.:  N.  Georgiadis,  D.  Tso- 
potos. 

9.  Großbritannien. 

London:  0.  M.:  S.  Colvin,  E.  A. 
Gardner,    B.  V.  Head,    W.  M. 


Flinders   Petrie,    A.   H.   Smith, 

Cecil  H.  Smith,  C  M.:  G.  F.  Hill, 

W.  C.  Perry. 
Aberdcen:    0.  M.:   W.  M.  Ramsay. 
Cambridge:    0.  AI.:    J.  G.  Frazer, 

Ch.  Waldstein,   C  M.:   J.  Harri- 

son,  R.  C.  Jebb. 
Grasmere,  Mähern:  O.M.:  G.  Mc 

N.  Rushforth. 
Harrow:  C  M.:  J.  Thacher-Clarke. 
Lawford  (bei  Mannington,  Essex): 

C  M.:  F.  M.  Nichols. 
Manchester:   CM.:  E.  L.  Hicks. 
Newcastle-upon-Tyne:    C  M.:    T. 

Hodgkin. 
Oxford:    0.  M.:    A.  J.  Evans,    P. 

Gardner,  Fr.  LI.  Griffith,  F.  Ha- 

verfield,    H.   St.   Jones,    C   M.: 

L.  R.  Farnell,  J.  L.  Myres. 
Salisbury:    C  M.:   J.  Wordsworth. 
South- Shields:   C  M.:  R.  Blair. 

10.  Italien. 

Rom:  E.  M.:  C.  Freiherr  von  Bildt, 
Contessa  E.  Caetani-Lovatelli, 
0.  M.:  W.  Amelung,  Conte  A. 
Antonelli,  F.  Barnabei,  Barone 
G.  Barracco,  G.  Boni,  G.  Calderini 
A.  Castellani,  E.  De  Ruggiero 
L.  Duchesne,  F.  Ehrle,  R.  Engel 
mann,  G.  Gatti,  F.  Halbherr,  P 
Hartwig,  W.  Heibig,  Ch.  Hül 
sen,  G.  Körte,  R.  A.  Lanciani 
E.  Löwy,  G.  Lumbroso,  O.  Ma 
rucchi,  A.  Mau,  R.  Norton,  A 
Pasqui,  L.  Pigorini,  D.  Vaglieri 
J.  Wilpert,  C  M.:  Th.  Ashby 
L,  Cantarelli,  G.  A.  Colini,  Conte 
A.  Cozza,  P.  Di  Tucci,  D.  Fara- 


—     17 


bulini,  A.  Galli,  G.  B.  Giovenale, 

P.  des  Granges,   B.  Nogara,   G. 

Pinza,    L.  Pollak,    G.  E.  Rizzo, 

P.  Stettiner,    C.   Stornaiolo,    G. 

Tomassetti. 
Anagni:  C  M.:  E.  Martinelli. 
Ancona:  C  M.:  C.  Chiavarini. 
Appignano  (bei  Macer  ata):  C  M.: 

Conte  E.  Tambroni-Armaroli. 
Aquila:  C  M.:  N.  Persichetti. 
Arezzo:   0.  M.:  G.  F.  Gamurrini. 
Arce:  C  M.:  F.  Grossi. 
Ascoli  Piceno:  C  M.:  G.  Gabrielli, 

G.  Paci. 
Assist:  C  M.:  De  Persiis. 
Bari:    C  M:  G.  Milella. 
Benevento:   C  M.:  A.  Meomartini. 
Bergamo:  C  M.:  G.  Mantovani. 
Bologna:  0.  M.:  E.  Brizio,   C  M.: 

G.  Pellegrini,  A.  Zannoni. 
Brescia:    C  M.:   P.  Da  Ponte,    P. 

Rizzini. 
Brindisi:   C.  M.:  G.  Nervegna. 
Cagliari:  C.  M.:  F.  Nissardi,  A.  Ta- 

ramelli. 
Caiazzo:   C.  M.:  G.  Faraone. 
Chieti:   C.  M.:  R.  Cavarocchi. 
Este:   C.  M.:  A.  Prosdocimi. 
Florenz:    0.  M.:  L.  A.  Milani,    G. 

Vitelli,    C.  M.:    D.   Comparetti, 

F.  Corazzini,   L.  Pernier,   E.  Ri- 

dolfi. 
Forli:  C.  M.:  G.  Mazzatinti,  A.  San- 

tarelli. 
Formia:   C.  M.:  A.  Rubini. 
Fossombrone:  C.  M.:  A.Vernarecci. 
Gesualdo:   C.  M.:  F.  Catone. 
S.Giovanni Incarico :  C.  M.:  D.  San- 

toro. 


Maccrata  Feltria:  C.  M.:  Marchese 

G.  Antimi-Clari. 
Macer  ata- Mar  die:   C.  M.:   L.  Zde- 

kauer. 
Mailand:  C.  M.:  G.  Oberziner,  S. 

Ricci,  C.  Ruga. 
Mar zab otto:  C.  M.:  Conte  Aria. 
Messina :  0.  M. :  L.  Savignon i ,  C.  M. : 

L.  Mauceri. 
Modena:  C.  M.:  A.  G.  Spinelli. 
Montopoli  di  Valdamo:    C.  M.:  I. 

Falchi. 
Montenero  di  Bisaccia:   C.  AI.:    G. 

Caraba. 
Muro:  C.  M.:  L.  Maggiulli. 
Neapel:    0.  M.:    G.  De  Petra,   E. 

Pais,  A.  Sogliano,  CM:  Conte 

F.  Colonna-Stigliano,  L.  Correra, 

A.  Dohrn,   C.  Mancini,    Barone 

M.  V.  Spinelli  di  Scalea. 
Orvieto:    C.  M.:    Conte  E.  Faina, 

R.  Mancini. 
Padna:  O.M.:  G.  Ghirardini,  CM.: 

F.  Cordenons,  G.  Tropea. 
Palermo:  0.  M.:  A.  Salinas. 
Palestrina:  C  M.:  V.  Cicerchia. 
Parma:  C  M.:  G.  Mariotti. 
Pavia:    C  M.:    G.  Canna,   G.  Pa- 

troni. 
Perugia:   C  M.:    G.  Bellucci,   A. 

Lupatelli,    Conte   G.  B.  Rossi- 

Scotti. 
Pesaro:    C  M.:   Marchese  C.  An- 

taldi. 
Pisa:  0.  M.:  L.  Mariani. 
Portici:  C  M:  F.  Salvatore  Dino. 
Reggio  (Calabria):  CM.:  G.  Cami- 

niti. 
Rnvo:  C  M.:  A.  Jatta. 

2 


—     I 


Saugiorgio  a  Liri:  C  AI.:  G.  Luc- 

ciola. 
Savona:  C  M.:  V.  Poggi. 
Scafati:  C  M.:  F.  Morlicchio. 
Sezze:   C  M.:   F.  Lombardini,   G. 

Porri. 
Siena:  0.  M.:  Marchese  B.  Chigi, 

CM.:  F.  Donati,  E.  Piccolomini. 
Spoleio:  C  M.\  G.  Sordini. 
Spongano:  C  M.:  F.  B.  Castiglioni. 
Stilmona:  C  M.:  A.  De  Nino. 
Syrakus:  0.  M.:  P.  Orsi. 
TarefU:    C  M.:   Q.  Quagliati,   L. 

Viola. 
Tolentino:  C.  M.:  Conte  A.  Silveri- 

Gentiloni. 
Turin:  C.  M.:  E.  Ferrero. 
Treviso:  C.  M.:  A.  Calabrese. 
Urbisaglia:  C.  M.:  F.  S.  Palazzetti. 
Venafro:  C.  M.:  S.  Vitali. 
Venosa:  C.  M.:  G.  Pinto. 
Vero?ia:  C.  M.:  A.  Spagnolo. 
Volterra:  C.  M.:  E.  Solaini. 


11.  Niederlande. 

Amsterdam:  O.M.:  Jonkheer  J.  Six 

van  Hillegom. 
Groningen:  C.  M.:  U.  Ph.  Boisse- 

vain. 
Leiden:  0.  M.:  A.  E.  J.  Holwerda. 
Utrecht:  C.  M.:  J.  C.  Vollgraff. 


12.  Österreich-Ungarn. 

Wien:  E.  M.:  Erzherzog  Rainer, 
Fürst  Johann  von  und  zu  Liech- 
tenstein, 0.  M.:  O.  Benndorf, 
E.    Bormann,    W.    von    Hartel, 


F.  Kenner,  W.  Kubitschek,  C. 
Graf  Lanckoronski-Brzezie,  G. 
Niemann,  E.  Reisch,  R.  von 
Schneider,  F.  Wickhoff,  A.  Wil- 
helm, C.  M.:  O.  Egger,  S.  Frank- 
furter, M.  Hoernes,  P.  Kretsch- 
mer,  A.  von  Premerstein,  L. 
Reinisch,  A.  Schindler,  W.Wil- 
berg,  F.  Zamboni. 

Budapest:  0.  M.:  J.  Hampel,  CM.: 
V.  Kuzsinsky. 

Aquileja:   C  M.:  H.  Maionica. 

Czemowitz:  C  M.:  J.  Dell,  J.  Kro- 
mayer. 

Graz:  0.  M.:  J.  Strzygowski,  F. 
Winter,   C  M.:  F.  Pichler. 

Innsbruck:  0.  M.:  E.  Kaiinka,  H. 
Schrader. 

Prag:  0.  M.:  W.  Klein,  C  M.: 
H.  Swoboda. 

Ragusa:   C  M.:  G.  Gelcich. 

Spalato:   0.  M.:  F.  Bulic. 

Trust:   C  M:  A.  Puschi. 

Zara:  C  M.:  G.  Alacevic,  L.  Jelic. 

13.  Portugal. 

Lissabon:   C  M.:  A.  Coelho,  J.  L. 

de  Vasconcellos. 
Oporto:  CM.:  J.  de  Vasconcellos. 

14.  Rumänien. 

Bukarest:  0.  M.:  G.  Tocilescu. 

15.  Rußland. 

St,  Petersburg:  0.  M.:  M.  Botkin, 
B.  Latyschew,   A.  Prachow,   E. 


19 


Pridik,   M.  Rostowzew,    C.  AI: 

N.  Kondakow,  A.  Papadopulos- 
Keramevs,  B.  Pharmakowsky, 
J.  Pomialowsky,  Th.  Zielinski. 

Dorpat:   C.  AI:  W.  Malmberg. 

Hei  sing fors:   C.  AI:  B.  Graser. 

Moskau:   C.  AI:  A.  Nikitsky. 

Odessa:   0.  AI:  E.  von  Stern. 

Warschau:   C.  AI:  N.  Novosadsky. 

16.  Schweden. 

Stockholm:  0.  M.:  O.  Montelius. 
Söderliamii:   C.  AI:   J.  Centerwall. 
Upsala:    C.  AI:    L.  Kjellberg,    S. 
Wide. 

17.  Schweiz. 

Basel:    O.  AI:   J.  J.  Bernoulli,    A. 

Körte. 
Bern:  C.  M.:  A.  Philippson. 
Gr.  St.  Bernhard:  CM :  H.  Lugon. 
Lausanne:   C.  M.:  W.  Cart. 
Winter thur:     0.  AI.:    F.    Imhoof- 

Blumer. 
Zürich;   0.  AI:  H.  Blümner. 

18.  Serbien. 
Belgrad:   C.  AI:  M.  Waltrowitz. 

19.  Spanien. 

Madrid:  E.  AI:  J.  von  Radowitz, 
0.  AI:  F.  Fita,  C.  AI:  J.  R.  Me- 
lida,  Marques  de  Monsalud,  E. 
Saavedra. 

Barcelona:  C.  AI:  A.Elias  de  Mö- 
llns. 

Cadix:  C.  M.:  F.  A.  Vera. 

Elche:  C.  M.:  P.  Ibarra  y  Ruiz. 


Granada:  C.  AI:  M.  G.  Moreno. 
Alahon:  C.  AI:  S.  D.  G.  Llabres. 
Malaga:  0.  AI:  M.  R.  de  Berlanga, 

C.  AI:  G.  Loring. 
Aledma  Sidonia:   C.  AI:  M.  Pardo 

de  Figueroa. 
Vittoria:  C.  AI:  F.  Baraibar. 

20.  Tunis. 

Tunis:   0.  AI:   A.  L.  Delattre,  P. 

F.  Gauckler. 

21.  Türkei. 

Konstantinopel:  O.AI  .-Halil-Edhem- 

Bey,   O.  Hamdy-Bey,   Th.  Wie- 

gand,  C.  M.:  H.  Gies,  R.  Löper, 

A.  Mordtmann. 
Äidin:    C.  AI:  D.  Hadjidimu,   M. 

Papa  -  Konstandinu. 
Artake:  C.  AI:  N.  Limnios. 
Babylon:   0.  M.:  R.  Koldewey. 
Beirut:   C.  M.:  P.  Schröder. 
Candia:   C.  AI:  J.  Chatzidakis. 
Chalki:  C.  M.:  O.  N.  Askitis. 
Chios:   C.  AI:  G.  J.  Solotas. 
Dardanellen:    0.  AI:  F.  Calvert. 
Alilet:    C.    AI:     G.    Kawerau,    H. 

Knackfuß. 
Pergamon:  C.  AI:  G.  Ioannidis,  G. 

Rallis,  D.  Tscholakidis. 
Polatli:   C.  AI:  G.  Tria. 
Rhodos:   C.  AI:  A.  Casilli. 
Sa?uos:  C.  M.:  Th.  Sophulis,  A.  Sta- 

matiadis. 
Smyrna:   0.  AI:  J.  H.  Mordtmann, 

G.  Weber,  C.  M.:  A.  Fontrier, 
P.  Gaudin,  G.  Sotiriu,  M.  Tsa- 
kyroglu. 


20 


22.  Vereinigte  Staaten  von 

Amerika. 

Berkeley,  Ca/.:  CM: B.J.Wheeler. 

Cambridge,  Mass.:   0.  M.:  W.  W. 

Goodwin,  Ch.  E.  Norton,  J.  W. 

White. 
Chicago,  III.:    C  M.:  W.  G.  Haie. 
Cleveland,     Ohio:    C    M.:    H.    N. 

Fowler. 


Ithaca,  N.  Y.:   C  M.:  I.  R.  S.  Ster- 

rett. 
Meadville,    Perms.:    C  M.:  G.  F. 

Comfort. 
New- York:   0.  M.:  R.  B.  Richard- 

son. 
Princeton,  N.  J.:  C  M.:  A.  L.  Fro- 

thingham  jun. 
Washington:   C.  M.:  van  Marter. 


—      21       — 


Publikationen 

des  Kaiserlich  Deutschen  Archäologischen  Instituts. 

h.  P.  =  herabgesetzter  Preis  (nur  bis  auf  weiteres  g-ültig). 

A.    Periodische  Publikationen. 

1.  *Monumenti  inediti.     12  Bände.    Rom  1829  — 1885.    Supplemento.    Berlin  189 1. 

Gr.  Folio.  Berlin,  Georg  Reimer.  —  Jeder  Jahrgang  bis  1860  M.  12,  h.  P.  M.  6, 
von  1 861  — 1885  M.  20,  h.  P.  M.  10.  Das  Supplementheft  M.  40,  h.  P.  M.  20. 
Die  ganze  Serie  M.  444. 

2.  *Annali.     54  Bände.     Rom   1829  — 1885.     8°.     Berlin,    Georg   Reimer.    —   Jeder 

Jahrgang  bis  1860  M.  8,  h.  P.M.  4,  von  1861  ab  M  15,  h.  P.  M.  7,50.  Die  ganze 
Serie  M.  303,50. 

3.  *Bullettino.     55  Bände.    Rom   1829—1885.     8°.    Berlin,   Georg  Reimer. —  Jeder 

Jahrgang   bis   1860  M.  4,    h.  P.  M.  2,    von   1861   ab  M.   5,   h.  P.  M.  2,50.     Die 

ganze  Serie  M.    122,50. 
Annali,  Bulletino  und  Monumenti   1854  und  1855.  —  Je  M.  24,  h.  P.  M.  12. 
Annali  und  Monumenti   1856.  —  M.   24,  h.  P.  M.    12. 

4.  *Repertorio  universale  (Inhaltsverzeichnis  zu   1,  2,  3).    Berlin,   Georg  Reimer. 

—  Band  1,  Rom  1834— 1843.  8°.  M.  8,  h.  P.  M.  .4.  Band  II,  Rom  1844— 1853. 
8°.  M.  8,  h.  P.  M.  4.  Band  III,  Rom  1854— 1856.  Folio.  M.  2,40,  h.  P. 
M.  1,20.  Band  IV,  Rom  1857— 1863.  8°.  M.  4,80,  h.  P.  M.  2,40.  Band  V, 
Rom  1864— 1873.  8°-  M-  5>6o>  ü-  p-  M-  2>8°-  Band  VI>  Rom  1874— 1885 
und  Supplement,  Berlin   1891.     8°.     M.  4.60,  h.  P.  M.  2,30. 

5.  *Memorie.     Rom   1832.     8°.     Berlin,   Georg  Reimer.  —  M.    12,  h.  P.  M.  6. 

6.  *Nuove  Memorie.    Leipzig  1865.    8°.    Berlin,  Georg  Reimer.  — M.  18,  h.  P.  M.  9. 

7.  Archäologische    Zeitung.      Berlin,    Georg   Reimer.      1843 — 1885.     43    Bände. 

40.  —  Jeder  Jahrgang  M.  12,  soweit  noch  vorhanden.  Die  ganze  Serie  M.  600. 
Register  dazu   1886.     M.   12. 

8.  Antike    Denkmäler.      Berlin,     Georg    Reimer.      i886ff.      Imp. -Folio.    —   Jedes 

Heft  M.  40.     Bisher  erschienen  Band  I,  Heft   1 — 5.     Band  II,  Heft   1 — 4. 

9.  Jahrbuch   und  Anzeiger.     Berlin,    Georg  Reimer.     i886ff.     8°.   —  Jeder  Jahr- 

gang M.   16,  Der  Anzeiger  von   1896  an  allein  M.  3;   ab   1901   Jahrbuch  M.  20, 
Anzeiger  M.  4. 
[o.     Jahrbuch,  Ergänzungshefte.     Berlin,   Georg  Reimer. 

I.    J.    Strzygowski,    Die    Kalenderbilder    des    Chronographen    vom   Jahre    354. 
1888.     8°.     M.  30. 

II.  R.  Bohn,  Altertümer  von  Aegae.      1889.     8°.     M.  24. 

III.  H.  Winnefeld,  Die  Villa  des  Hadrian.      1895.     8°-     M-  2°- 


*  Einzelne  Bände  und  Einzelserien  nur  nach  Maßgabe  des  Vorrats. 


—       22       — 

IV.    C.  Humann,   C.  Cichorius,  W.  Judeich,  F.  Winter,  Altertümer  von  Hierapolis. 

1898.     8°.     M.  24. 
V.    G.  Körte  und  A.  Körte.     Gordion.    Ergebnisse  der  Ausgrabung  im  Jahre  1900. 
Mit   einem  Anhang   von   R.  Kobert.     Mit  235   Abbildungen  im  Text,  3  Bei- 
lagen und   10  Tafeln.    1904.     8°.     M.  28. 

VI.    R.  Wünsch,  Antikes  Zaubergerät  aus  Pergamon.      1905.     8°.     M.   7,50. 

11.  Mitteilungen.       Römische     Abteilung     (Bullettino,      Sezione     Romana).       Rom, 

Loescher  &  Comp.    1886 ff.     8°.  —  Jeder  Jahrgang  M.    12. 

12.  Mitteilungen.     Athenische    Abteilung.     Athen,    Beck  &  Barth.      1876fr.     8°.    — 

Jahrgang  I — X  M.    15.     Jahrgang  XI  ff.  M.    12. 

Nachdem    die    ganze    Serie    durch    (anastatischen)  Neudruck   wieder    vervoll- 
ständigt ist,  bei  einmaliger  Abnahme  ganzer  Reihen: 

(Die  Transportkosten  sind  zu  Lasten  der  Abnehmer.) 
Band     I — XX  (nebst  Registern),  statt  für  270  M.,   für  220  M. 

n  * X  „  „  „         „       150      „         „       I25      „ 

„     XI— XX        „  „  „       „     120    „       „     100    „ 

Bei  der  Abnahme  von  einzelnen  Bänden  bleiben  die  bisherigen  Ladenpreise 
bestehen.     Band  IX  und  X  werden  einzeln  nicht  geliefert. 

13.  Ephemeris    epigraphica,    Corporis    Inscriptionum    Latinarum    Supplementum,    edita 

iussu  Instituti  Archaeologici  Romani.  8  Bände.  Berlin,  Georg  Reimer.  1872  fr. 
—  Band  I,  M.  6.  Band  II,  M.  8.  Bd.  III,  M.  10.  Band  IV,  M.  16.  Band  V, 
M.  20,20.  Band  VI,  M.  8.  Bd.  VII,  M.  18.  Bd.  VIII,  M.  25.  Bd.  IX, 
Fase.   1 — 2  M.   17. 

14.  Römisch-Germanische   Kommission.      Bericht    über    die   Fortschritte    der   Römisch- 

Germanischen  Forschung  im  Jahre  1904.  Frankfurt  a.  M.,  Jos.  Baer  &  Co. 
1905.    8°.    M.  3. 

B.   Serien-Publikationen. 

15.  I  Rilievi    delle    Urne   Etrusche.      Band    I    von    H.    Brunn.     Rom    1870.     40. 

Berlin,  Georg  Reimer.  —  M.  60,  h.  P.  M.  40.  —  Band  II,  1  von  G.  Körte. 
Berlin  1890,  Georg  Reimer.  40.  —  M.  40,  h.  P.  M.  30.  —  Band  II,  2  von 
G.  Körte.     Berlin   1896.     M.  40. 

16.  E.  Gerhard,    Etruskische  Spiegel.     Band  V,   bearbeitet    von  G.  Körte   und 

A.  Klügmann.     Berlin,  Georg  Reimer.      1884 — 1897.     40.     M.    144. 

17.  C.  Robert,  Die  antiken  Sarkophagreliefs.    Band  II,  Mythologische  Cyklen. 

Berlin,  Grote.  1890.  Fol.  M.  225.  —  Band  III,  erste  Abteilung.  1897.  Fol. 
M.   160;  zweite  Abteilung.      1904.     Fol.  M.   200. 

18.  R.  Kekule    von  Stradonitz,    Die    antiken    Terrakotten.     Berlin  und  Stutt- 

gart, W.  Spemann,  Fol.  Band  I,  Die  Terrakotten  von  Pompeji,  bearbeitet  von 
H.  von  Roh  den.  1880.  M.  60.  —  Bd.  II,  Die  Terrakotten  von  Sicilien,  be- 
arbeitet von  R.  Kekule  von  Stradonitz.  1884.  M.  75.  —  Band  IV,  Die 
Typen  der  figürlichen  Terrakotten,  bearbeitet  von  Fr.  Winter.      1903.     M.  80. 

19.  A.  Furtwängler  und  G.  Loeschcke,  Mykenische  Tongefäße.    Berlin  1879. 

Georg  Reimer.     Fol.     M.  40,  h.  P.  M.  30. 

20.  A.    Furtwängler    und    G.    Loeschcke,    Mykenische    Vasen,     vorhellenische 

Tongefäße  aus  dem  Gebiete  des  Mittelmeeres.  Berlin  1886.  Georg  Reimer, 
Fol.     M.   115,  h.  P.  M.   75. 


—     23     — 

2r.  E.  Curtius  und  J.  A.  Kaupert,  Karten  von  Attika.  Berlin,  Dietrich  Reimer. 
Gr.  Fol.  1881  — 1895.  —  Heft  I,  mit  Text  von  E.  Curtius,  G.  von  Alten  und 
A.  Milchhöfer,  M.  12.  Heft  II,  mit  Text  von  A.  Milchhöfer,  M.  16.  Heft  III, 
M.  12.  Heft  IV,  M.  10.  Heft  V,  M.  8.  Heft  VI,  mit  Text  zu  Heft  III— VI 
von  A.  Milchhöfer,  M.  7.  Heft  VII,  M.  6.  Heft  VIII,  M.  13.  Text  zu  Heft 
VII— VIII  von  A.  Milchhöfer,  M.  2.  Heft  IX  (Übersichts-  und  Gesamtkarte 
von  Attika)  im  Maßstab  1  :  100 000.  Mit  Text  und  Register.  M.  17.  Heft  X 
(Schlußheft)  mit  antiken  Ortsbezeichnungen.     M.  4. 

22.  F.  Ohlenschlager,     Römische    Überreste    in    Bayern.      München,     J.  Lindauer. 

Heft   1.      1902.     Heft  II.      1903.     8°.     Je  M.  4. 

C.  Einzelwerke. 

23.  Steffen,    Karten   von  Mykenai.     Berlin,    Dietrich    Reimer.      1884.     40.     Text   von 

Steffen  und  Lolling.  —  M.    12. 

24.  R.  Koldewey,    Antike   Baureste    der   Insel   Lesbos.     Mit   29  Tafeln   und   Textab- 

bildungen, 2  Karten  von  H.  Kiepert.  Berlin,  Georg  Reimer.  1890.  Fol. 
M.  80,  h.  P.  M.  40. 

25.  Das    Kuppelgrab    von   Menidi.     Athen,    Beck  &  Barth.      1880.     40.  —    M.  8. 

26.  Dressel  &  Milchhoefer,    Die    antiken  Kunstwerke   aus  Sparta   und   Umgebung. 

(Aus  den  Mitt.  des  K.  D.  Arch.  Instituts  Ath.  Abt.  II.)    Mit  6  Tafeln.     1877.    M.  8. 

27.  Die  Arbeiten  zu  Pergamon   1886 — 1898.     (Aus  den  Mitt.  des  K.  D.  Arch.  Instituts 

Ath.  Abt.  XXIV).  1899.  M.  3.  1900— 1901  (Aus  den  Mitt.  des  K.  D.  Arch. 
Instituts  Ath.  Abt.  XXVII).  M.  3.  1902— 1903  (Aus  den  Mitt.  des  K.  D.  Arch. 
Instituts  Ath.  Abt.  XXIX).     M.  3. 

28.  G.  Koerte,  Die  antiken  Skulpturen  aus  Boeotien.     (Aus  den  Mitt.  des  K.  D.  Arch. 

Instituts  Ath.  Abt.  III).     Mit  2  Tafeln.      1878.    M.  4. 

29.  Th.  Wiegand,    Antike    Skulpturen    in    Samos.     (Aus    den   Mitt.    d.   K.    D.    Arch. 

Instituts  Ath.  Abt.  XXV).  Mit  2  Tafeln  und  zahlreichen  Abbildungen  im  Text. 
1900.    M.  2,50. 

30.  E.   Pfuhl,    Der   archaische   Friedhof  am    Stadtberge  von    Thera.     (Aus    den   Mitt. 

des  K.  D.  Arch.  Instituts  Ath.  Abt.  XVIII).  290  S.  mit  5  Tafeln,  40  Beilagen 
und  83  Abb.  im  Text.     M.  6. 

31.  Chr.  Hülsen,  Die  Ausgrabungen  auf  dem  Forum  Romanum.     (Aus  den  Mitt.  des 

K.  D.  Arch.  Instituts  Rom.  Abt.) 

a)  1898 — 1902.     Rom    1903^. 

b)  1902  — 1904.         „      1905  J  je      '  4* 

32.  G.    B.    de    Rossi,     Piante    icnografiche    e    prospettiche     di    Roma    anteriori    al 

secolo  XVI.     Roma   1879.     40.     Berlin,   Georg  Reimer.     M.  32,  h.  P.  M.   18. 

33.  R.  Schöne,  Le  Antichitä  del  Museo  Bocchi  di  Adria.    Roma  1878.    Berlin,  Georg 

Reimer.     40.     M.  24,  h.  P.  M.    12. 

34.  Kellermann,  Vigilum  Romanorum  latercula  duo  Caelimontana.    Roma  1835.    40. 

Berlin,  Georg  Reimer.     M.  6,40,  h.  P.  M.  3,20. 

35.  W.  Henzen,  Scavi  nel  bosco  sacro  dei  Fratelli  Arvali.    Roma  1868.    Fol.    Berlin, 

Georg  Reimer.     M.    16,  h.  P.  M.  8. 

36.  H.  Jordan,  De  formae  Urbis  Romae  fragmento  novo.     Roma   1883.     40.     Berlin. 

Georg  Reimer.     M.    1,60,  h.  P.  M.    1. 


—      24     — 

37-  A.  Michaelis,  Geschichte  des  Deutschen  Archäologischen  Instituts  1829 — 1879. 
Berlin  1879,  Georg  Reimer.  8°.  M.  6,  h.  P.  M.  3.  —  Italienische  Ausgabe 
M.  4,80,  h.  P.  M.  2,40. 

38.  J.  Lessing   und   A.  Mau,    Wand-    und   Deckenschmuck    eines   römischen   Hauses 

aus  der  Zeit  des  Augustus.    Berlin  1891,  Georg  Reimer.     Fol.    M.  40,  h.  P.  M.  25. 

39.  Alexander  Iwanoff,   Darstellungen  aus  der  heiligen  Geschichte.     14  Lieferungen 

zu  je  15  Blatt.  Berlin,  Georg  Reimer.  Fol.  —  Jede  Lieferung  M.  80,  h.  P. 
M.  20.     (Lieferung  2  ist  vergriffen.) 

40.  Sergius    Iwanoff,    Architektonische    Studien.     Heft    I.     Aus    Griechenland.     Mit 

Text  von  R.  Bohn.  Folio  und  Quart.  1892.  M.  96.  —  Heft  II.  Aus  Pompeji. 
Mit  Text  von  A.  Mau.  Folio  und  Quart.  1895.  Dazu  Nachtrag.  Folio  und 
Quart.  1898.  M.  40.  —  Heft  III.  Aus  den  Thermen  des  Caracalla.  Mit  Text 
von  Chr.  Hülsen.     Folio  und  Quart.      1898.     M.    120. 

41.  M.  Botkin,  Biographie  A.   Iwanoffs.     Berlin,   Georg  Reimer.      1880.     40-.     M.   10, 

h.  P.  M.  5. 

42.  A.  Mau,  Katalog  der  Bibliothek  des  Kaiserlich  Deutschen  Archäologischen  Instituts 

in  Rom.  Band  I.  Rom,  1900.  Band  IL  Rom,  1902.  Loescher  &  Co.  8°. 
je  M.  4. 

43.  F.  von  Platner,  Katalog  der  Bibliotheca  Platneriana,   enthaltend  Munizipalstatuten 

und  Städtegeschichten  Italiens  (1886.  Supplement  1894).  Rom,  E.  Loescher  &  Co. 
Fr.  12,  Suppl.  Fr.  3. 

44.  W.  Amelung,  Die  Skulpturen  des  Vatikanischen  Museums.     Band  I.     Text  in  8°. 

121   Tafeln  in  40.     Berlin,  Georg  Reimer.      1903.     M.  40. 

D.   Schul-Wandtafeln. 

45.  Grabstele  der  Hegeso. 

46.  Sog.  Alexander-Sarkophag  aus  Sidon. 

47.  Augustus-Statue  von  Prima  Porta. 

Deutsche  und  österreichische  Unterichtsanstalten,  welche  ihre  Bestellungen  an 
den  Generalsekretär  des  Instituts.  (Berlin  W.  10,  Corneliusstr.  1)  richten,  erhalten  jede 
dieser  Tafeln  zum  Preise  von  5  Mark  80  Pfennigen  (einschließlich  der  Verpackung,  aus- 
schließlich des  Porto)  direkt  von  der  Verlags-Anstalt  Fr.  Bruckmann  AG. -München 
zugesandt,  an  welche  dann  auch  der  Preis  direkt  einzuzahlen  ist. .  Bei  Bestellung 
mehrerer  Exemplare  für  dieselbe  Adresse  ermäßigt  sich  der  für  Verpackung  berech- 
nete Betraer.  * 


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Stab.  A.  Marzi.  Roma. 


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ROMA   -    FOTOT.  DANESI 


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XI 


DIE    TYRANNENMORDER.    HERSTELLUNG    IM    HERZOGLICHEN 
MUSEUM    IN    BRAUNSCHWEIG 


Roma  -  Fotot.  Danesi 


XII 


BRONZELEBER    VON    PIACENZA 


Ronia-Fotot.   Danesi 


XIII 


4 


BRONZELEBER    VON    PIACENZA 


Roma  -Fotot.  Danesi 


Mit  dem  31.  März  d.  J.  ist  der  erste  Sekretär  des  Instituts 
in  Rom,  Herr  Eugen  Petersen,  in  den  Ruhestand  getreten.  Er 
verabschiedete  sich  in  der  an  diesem  Tage  abgehaltenen  Sitzung, 
in  welcher  auch  Seine  Excellenz  der  Kaiserliche  Botschafter,  Graf 
von  Monts,  erschienen  war.  Derselbe  überreichte  dem  Scheidenden 
den  von  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  allergnädigst  verliehenen 
Roten-Adler-Orden  zweiter  Klasse  und  gab  der  warmen  Aner- 
kennung der  beendeten  Amtsführung  Ausdruck.  Der  ebenfalls  an- 
wesende Generalsekretär  des  Instituts,  Herr  Conze,  sprach  in 
gleichem  Sinne  im  Auftrage  der  Centraldirektion. 

Zum  Nachfolger  des  Herrn  Petersen  haben  Seine  Majestät 
geruht  Herrn  Gustav  Körte,  bisher  ordentlichen  Professor  an  der 
Universität  Rostock,  zu  ernennen.  Herr  Körte  führte  sich  in  der 
Sitzung  am  14.  April  mit  einer  Rede  über  die  Aufgaben  seines 
Amtes  ein  und  empfieng  die  herzliche  Begrüssung  seines  Kollegen. 


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