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Full text of "Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale"

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II II  J.  PAUL  GETTY  MUSEUM  LIBRARY 


MITTEILUNGEN 


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KAISERL  KÖMGL.  CENTRAL  <  :OMMLSSI<  >\ 


ERFORSCHUNG  INI)  ERHALTOfi  DER  BAUDENKMALE 


HBRAl  5GEGEBEN  UNTBH  DER  LEITUNG  DES 


K.  K.  SECTIONS-CHEFS  UND  PRÄSES  DER  K.  K.  CENTRAL-COMMISSION 


KAHL  FREIHERRN  VON  CZOERNIG. 


BEDACTEUR:    KARL  WEISS. 


I.  JAHRGANG. 

.1  Ä  N  N  E  R       JINI    18  5  6. 


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WIEN.    18ä(L 

IN   COMMISSION  BEI  DEM   K.   K.  HOP -BUCHHÄNDLER   WILHELM    BRAUMÜLLEB 


\IS  IHM;   KAISEUUCH-KOXTCI.UMIEN  HOF-  INI»  ST.\ATSIl|;n'KKIli:i 


1 1 T  T  HEIL  IT  N  G  E  N 


DEB 


KAISER!..  KÖNIGL  CENTRAL- COMMISSION 


ZUR 


ERFORSCHUNG  UND  ERHALTl ING  DER  RAUDENKMALE 


HERACSUBÖEBEN    IMKH    DKll    LEITUNG    DES 


R.  K.  SECTIONS-CHEES  UND  PRÄSES  DER  R.  R.  CENTRAl-COMMISSION 

KARL  FREIHERRN  VON  CZOERNIG. 

REDACTEUR:    KARL   WEISS. 


I.    BAND. 

JAHRGANG  1850. 

MIT      N     TAFELN     UND      los     II  0  L  Z  S  C  11  N  I  T  T  R  K. 


WIEN.  1856. 

IN   COMMISSION   BEI    DEM   K.   K.   HOF-BUCHHÄNDLEB   WILHELM    BBAUMÜLLE 
Al!S  DER  KAISERLICH-KÖNIGLICHEN  HOF-  l'ND  STAATSDRUCKEREI. 


THEJ 


INHAL  T. 


!Vr.  1.    Jänner. 


Seile 
Die  Aufgabe  der  Alterthuiuskunde  in  Österreich.  Von  R.  Eitel- 

b  e r g e r  v.  E d elb  e r g 1 

Die  symbolischen  Darstellungen  in  der  Klosterkirche  zu  Neuberg  in 

Steiermark.  Von  Dr.  Gustav  Heider.  (Mit  1  Tafel  und  7 

Holzschnitten) 3 

Ausgrabungen  antiker  Gegenstände  am  oberen  Wienerberge.   Von 

Jos.  Ar li etb 8 

Die  römische  Wasserleitung  auf  der  Schiffswerft-Insel  in  Altofen  .  !• 
Restaurationen!  I.  Provinz  Venedig 10 


Notizen.  (Zwei  Fürstengiä'ber  zu  St.  Stephan  in  Wien.  —  Flügel- 
altar zu  Heiligenblut. —  Aushebung  eines  Denksteines  in  der 
Hofburg  zu  Gratz.  —  Sehlossruine  bei  St.  Lambrecht.  — 
Die  drei  Heiligen-Statuen  auf  der  Prager  Brücke.  —  Pfarr- 
kirche zu  Leutschau  in  Ungarn.  —  Monstranze  und  Stein- 
bild zu  Jagerberg.  —  Ausgrabung  von  Bausleinen  bei  Sza- 
Iavär  in  Ungarn.  —  Münzenfund  zu  Tibod.) 12 

Literarische  Anzeige.  (Grundzüge  der  kirchlichen Kunslarchäologie 

des  deutschen  Mittelalters.  Von  H.  Otte.) 10 


i\r.  2.  Februar. 


Der  alte  Kreuzgang  des  bischöflichen  Münsters  zu  Brisen.  Von  G. 

Tinkhauser.  (Mit  1  Tafel) 17 

Über    die  Zeitstellung   des  Gurker-Dombaues.    Von  G.  Freiherrn 

v.  A  n  k  e  r  s  h  o  f  e  n 23 

Die    Kirche   zu   Sedlelz    in  Böhmen.    Von    F.    Benesch    und 

J.  Z  e  1 1 1 25 

lliiiizciil'iind  zu  Rottigel  in  Mähren.  Von  J.  Arn  eth 20 


Notizen.  (Hausmarken  hei  Moggers  und  Gaissau.  [Mit  Holz- 
schnitten.] —  Gemälde  der  Spitals-  und  Niklaskirche  zu 
Znaim.  —  Basrelief  zu  Krakau.  —  Byzantinisches  Crucifix 
zu  Möggers.) 28 

Literarische  Anzeigen.  (Die  deutsche  Glasmalerei.  Von  ff.Wa  k  e  r- 
nagel.  31.  —  Berichte  und  Mittheilungen  des  Alterthums- 
vereines  in  Wien.) 32 


!Vr.  3.   Mär/. 


Der  alte  Kreuzgang  des  bischöflichen   Münsters   zu   Uri\rii.  Von 

G.  Tinkhauser.  (Schluss) 33 

Über  den  älteren   sächsischen   Kirchenbau    und    insbesonders   die 

evangelische  Kirche  zu  Mühlbach.  I.  Von  Fr.  Müller  ...    38 

Baudenkmale  in  Hieran.  Von  Ed.  Freih,  v.  Sacken 41 

Die  mittelalterliche  Kircheuthürc  hei  den  Kapuzinern  in  Salzburg. 

Von  V.  Süss.  (Mit  1  Tafel) 42 

Notizen.  (Stadtpfarrkirche  in  Steier.  —  Heidentempel  zu  Znaim. — 

Commende  Rechberg. —  Römische  Inschriften  bei  Poletin, 


Ügradena  und  die  Brücke  bei  Czernetz.  —  Archäologischer 
Verein  der  Gesellschaft  des  böhm.  Museums.  —  llotunde  zu 
Päpocz.  —  Inschriften  in  der  Ehrenberger  Klause  hei  Heulte 
und  in  dein  Caplanhause  auf  der  Höhe  der  Fernslrasse  in 
Tirol.   —  Statue  des  Ritters   Zoppcl    zu   Kaggendorf.    — 

Münzenfund  zu  Kaindorf.) 43 

Literarische    Anzeige.    (Kugler's   Geschichte    der   Baukunst, 

I.Band.) 47 


\r.   1.   April. 


Zur  Orientirung  auf  dem  Gebiete  der  Baukunst  und  ihrer  Tcr- 
uiiuologle.  I.  Byzantinisch  und  Romanisch.  Von  K.  Eitel- 
bergerv.  Edelberg 40 

Über  die  Bestimmung  der  romanischen  Rundbauten  mit  Bezug  auf 
die  Rundcapelle  zu  Uartberg  in  Steiermark.  Von  Dr.  Gustav 
Heider.  (Mit  1  Tafel  und  3  Holzschnitten) ölt 

Über  den   ältere»   sächsischen   Kirchenbau   und   insbesonders  die 

evangelische  Kirche  von  Miililliadi.  II.  Von  Fr.  Müller     .    .     00 


Notizen.  (Baudenkmale  in  Aussee.  —  Die  Kirche  im  Dorfe Tirol. 
Glockeninschriften  in  Ungarn.  — Denkschriften  dreier  römi- 
scher Steine.  —  Kingangsthür  zu  Krakau.  —  Das  Lindwurm- 
denkmal in  Klagenfurt.  —  Fundorte  keltischer  und  römischer 
Antiken.  —  Denkmal  der  vier  Grafen  Kstcrhazv  in  Vczc- 
keny.  —  Portal  der  Dominicanerkirche  zu  Iglau.)    ....    03 

Literarische  Anzeige.  (Sieghart,  Dr.  J.:  Die  mittelalterliche  Kunst 

in  der  Erzdiöcesc  Miinchen-Freising.) 07 


—  IV 


\r.  5.    Mai. 


Zur  Orientirung  auf  dein  Gebiete  der  Baukuusl  und  ihrer  Termino- 
logie, 11.  Die  byzantinischen  Buuformen.  Von  Eitelberger 
von  Edelberg.  (Mit  7  Holzschnitten) 69 

Über  Rellquienschrelne.  Von  Karl  Weiss.  (Mil  1  Tafel)    ....    77 

Baudenkniale  im  Kreise  unter  dem  Wiener-Walde.  I.  Überreste 
des  romanischen  Sljles.  Von  Ed.  Freiherrn  v.  Sacken     .    .    82 

Decennal-Aufzeichnung  der  archäologischen  Funde  in  Slebcnhürgeu 
vom  Jahre  1845  und  IS:>.'>.  Von  M.  J.  Ackner 85 


Restaurationen.  II.  Lombardie.  III.  Tirol.  IV.  Die  Burg  Kar'lstein 

und  die  Karlshofcr  Kirche  in  Böhmen 87 

Notizen. (Judensynagoge  zu  Eger.  —  Wappentafeln  der  Ritler  von 
Bms  zu  Hohenems.  —  Grabdenkmal -zu  Kis-Tapolcsdn.)   .    .    Sil 

Literarische  Anzeigen.  (Burkhardt,  .1.:  Her  Cicerone.  —  Hu rk- 
hardt,  L.  A..  und  Riggenba  eh.  Chr.:  Hie  Dominicaner- 
kirche zu  Basel.  -  St  alz  und  (Jnge.wi  tter :  Gothisches 
Musterbuch.) 92 


Nr.  0.    Juni. 


Decennal-Aufzeichuung  der  archäologischen  runde  in  Siebenbürgen 
vom  Jahre  1845  bis  1835.  Von  M.  J.  Ackner 93 

Baudenkmale  im  Kreise  unter  dem  Wiener-Walde.  Von  Ed.  Frei- 
herrn von  Sacken 103 

Hie  Hlchaelskirche  und  die  Jäkobscapcllc  zu  Ödenburg  (.Mit  I  Tafel 

und  3  Holzschnitten) 107 

Notizen.  (Ein  interessanter  Fund  in  Mariazell.  —  Zur  Beschrei- 
bung der  Pfarrkirche  zu  Mühlbach.  (Mit  I  Holzschnitt.)  — 


Steinerner  Ölbehälter  im  Seethale.  —  Salzburgische  Künst- 
ler aus  dem  Mittelaller.  —  Überreste  einer  römischen  Colonie 
im  Thale  Ternawa.  —  Ein  alter  Thurm  zu  Teschen.)  .  .  .  109 
Literarische  anzeigen.  (Hr.  G.  Heider.  Prof.  I!.  von  Eitel- 
berger und  Architekt  .1.  II  i  es  er:  Mittelalterliche  Kunst- 
denkmale des  österreichischen  Kaiserstaates,  I.  Liefer. — 
A.  Reichenspurgcr:  Vermischte  Schriften  über  christ- 
liehe Kunst.) Li5 


V.   7.    Juli. 


Zur  ( Irientirung  auf  dem  Gebiete  der  Baukunst  und  ihrer  Termino- 
logie. III.  Her  romanische  Baustyl  im  Verhältniss  zu  anderen 
Baustylen  des  Mittelalters.  Von  R.  Eitelberger  von 
Edelberg 117 

Übersicht  der  kirchlichen  Baudcnkinale  in  Kärnthcn.  Von  Gottlieb 
Freiherrn  von  Ankershof cn 121 

Di  cennal-Aufzeichnung  der  archäologischen  Funde  in  Siebenbürgen 
vom  Jahre  1845  bis  1855.  Von  M.  J.  Ackner 12(> 


St.  Küuuucriiuss.  Von  Joseph  Bergmann.  (Mit  1  Holzschnitt)    .  132 
Hie  Unterbautendes  Diocletianlschen  Kaisernalastcs  inSpalato.  Von 

1!.  Eitelberger  von  Edelberg.  (Mit  3 Holzschnitten)    .  135 
Her  gothische  Brunnen  in  Kuttenberg.  Von  K.  Weiss.  (Mit  I  Taf.)   137 
Notizen.   (Die   Dorfkirchc   zu   Mariasdorf  und   Hannersdorf.   — 
Glasmalereien   zu    Ebnil    und    Lothis.  —  Die  alte  Glocke 
zu  Niedervintl.    -  Schlussstein  zu Chwalkowitz.  (Mil  I  Holz- 
schnitt.)     139 


Nr.  S.   Anglist. 


Kirchliche  Baudenkmale  des  Mittelalters  in  Völkermarkt.  Von 
Göttlich  Freiherrn  von  Ankershofen.  (Mit  3  Holz- 
schnitten)      141 

I  bersichl  der  romanischen  Baudenkmalein  Böhmen.  Von  Dr.Erasm. 
Wocel h:; 

Die  gothische  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wleu.  Von  Karl  Weiss. 
(Mit  I  Tafel  und  8 Holzschnitten) 14!> 

Decennal-Aufzeichnung  der  archäologischen  Funde  in  Siebenbürgen 
vom  Jahre  1845  bis  1855.  Von  M.  J.  Ackner 133 


Notizen.  (Die  evangelische  Kirche  zu  Hermannstadt.  —  Alle  Holz- 
schnitzwerke zu  Hohenems.  —  (her  ein  merkwürdiges  Cru- 
eifix  zu  Brisen.  —  Die  neuesten  alterlhümlielicn  Funde  ZU 
Laibach.  —  Hin  Stein  mit  türkischer  Aufschrift  in  Altofen. 
—  Her  Plafond  des  Rittersaales  zu  Goldegg.  —  Hie  In- 
schrift auf  dem  Denkmale  der  Ehrenberger  Klause.)    .    •    .158 

Literarische  anzeigen.  (Dr.C.  Schnaase:  Geschichte  der  bilden- 
den Künste,  V.  Bd.,  I.  \lith..  I.Hälfte.  —  Dr.  H.  Meynert: 
Das  Herz  König  Rudolph  I.  u.  die  Habsburgergrufl  zu  Tuln.  1<>3 


Nr.  9.  September. 


Her  Blcbardsbogen  inTrlest.  Von  Dr.  Peter  Kandier.  (Mit  2  Holz- 
schnitten)      Iiiö 

Die Si  hässburgei  Bergkirchc  in  Siebenbürgen  Von  Fried.  M  ü Her. 
(Mit  3  Holzschnitten) L61 

AlterthGmer  in  Steiermark.  Von  Jos.  Scheiger 172 

Hie  gothische  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien.  Von  Karl  Weiss. 
(Sohiuss.  Mit  1  Tafel  und  1  Holzschnitt) 171 

Hie  kirchlichen  Gebäude  zu  Bartberg  in  Steiermark.  Von  Heinrich 

Grave 17s 


Über  die  Baudenkmale  des  Krakauer  Vcrwalluiigsgebletcs.  Von  \>r. 

Schenkl ISI 

Notizen.  (  Eine  Ansichl  des  Dogenpalastes  zu  Venedig.  |  Mit  I  Holz- 
schnitt.] —  Hie  alten  Wandgemälde  in  der  Gisclacapelle  zu 
Vcsprim.  (  Mit  2  Holzscli.)  •     Ihr  .Münzfund  in  Stein.)  .    .    .183 

Literarische  Anzeigen.  (W.Lübke:  Geschichte  der  Architectur.  • — 
Quast  und  title:  Zeitschrift  für  christliche  Archäologie 
und  Kunst.  —  Hr.  Legis  Glückselig:  Der  Prager  Dom 
zu  St.  Veit.) 187 


—   V  — 


Nr.  10.   Ortober. 


Seite 

Charakteristik  der  Baudciikmale  ltöhinciis.  Von  Bernhard  Grueher. 

(Mit  12  Holzschnitten) 189 

Bericht  über  eine  Heise  von  lirixcn  nacli  Illlchcn  und  in  das  Thal 

Taufers  in  Tirol.  Von  Georg  Tinkh  aus  er 200 

Die  gothische  Moustranze  der  Domkirche  zu  Pressburg,  Von  Karl 

Weiss.  (Mit  1  Tafel) 206 


Seile 

Notizen.  (Pfarrkirche  zu  Millstalt.  —  Über  eine  zu  Altofen 
gefundene  Stele.  —  Taufbecken  zu  Tahor.  [Mit  1  Holz- 
schnitt].)       208 

Literarische  Anzeige.  (Mittelalterliche  Kunstdenkmale  des  öster- 
reichischen Kaiserstaates.  2.  Heft.) 210 

Bibliographie        212 


i\r.  11.   November. 


Charakteristik  der  Itaudeiikuiale  Böhmens.  Von  Beruh,  tl  nie  her. 

Fortsetzung.  (Mit  25  Holzschnitten) 213 

Die  Fresken  des  Martin«  di  l'diiie  zu  San  Danielo  in  Friaul.  Von 

Rud.  Eitclbcrgcr  von  Edclberg 222 

Die  Gertrudskirehe  zu  Klosterueubtirg.  (Mit  1  Tafel  u.  3  Holzsch.)  223 
Die  Stadtpfarrkirche  zu  Wels  in  Oberüsterrcich.  Von  Dr.  Ed.  Frci- 

herrn  von  Sacken.   (Mit  2  Holzschnitten) 22? 

Über  die  Vollendung  des  Gurker  Dombaues.  Von  G.  Freiherrn  von 

Ankershofen        229 


Das  Uaptisteriuui  zu  Concordia  hei  Portogruaro.  (Mit  2  Holz- 
schnitten )     230 

Bericht   über   einige   Baudenkmale  Croatiens.    Von  Johann    von 

Kukuljevic 232 

Notizen.  (Der  Erlass  des  Bischofs  von  Brunn.  —  Legio  XI  Claudia. 
Melusi  Inferior.  Aismuth,  König  der  Germanen.  —  Nekro- 
logisches.)     23-3 

Literarische  Anzeige.  (Essenwein,  A.:  Norddeutschlands  Back- 
steinbau im  Mittelalter.) 240 


Nr.  12.    December. 


Charakteristik  der  llaudenkuialc  Böhmens.  Von  Beruh.  Gruebcr. 

Schluss.  (Mit  lü  Holzschnitten.) 241 

Ein  archäologischer  Ausflug  nach  Feldbach,  Fehring  und  Pcrtlstein 

in  Steiermark.  Von  J.  Scheiger 248 

Die  Kirche   und  Rundcapelle  zu  Deutsch -Altenburg  in  Niedcr- 

österrcich.    Von    Dr.   Ed.  Freiherrn   von    Sacken.    (Mit 

1  Tafel  und  3  Holzschnitten)      251 

Ober   den  Bau   und  die    Einrichtung    der  Cistercienser- Klöster 

und  Kirchen 254 


Notizen.  (Johann  Sebastian  Kögl.  —  Kaufs-  und  Verkaufs-Ver- 
trag einer  sechsjährigen  Sklavin.  —  Römische  Denkmale.  — 
Zwei  Fliigelaltäre  zu  Ogrodczon  und  Nieder-Kurzwald  in 
Schlesien.) 259 

Literarische  Anzeigen.  (Bock,  Fr.:  Geschichte  der  liturgischen 
Gewiinder  des  Mittelalters.  —  Statz.  V.:  Mittelalterliche 
Bauwerke  nach  Merian.  —  Die  mittelalterlichen  Baudenk- 
mäler Niedersachsens.  —  Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  der 
kirchlichen  Archäologie  und  Geschichte  der  Diöcese  Trier.)  262 


Jeden  Munal  erscheint  1  Heft  ZU 
1  bis  2  Druckbogen  mit  Abbil- 
dungen. 
Der  Prännmerationsprcii  ist  für 
einen  Jahrgang  oder  zwölf  Hefte 
nebst  Register  sowohl  für  Wien 
als  die  Kronländer  und  das  Anstund 
4  tl.  C.  M. ,  hei  portofrei  er 
Zusendung  in  die  Krunländer  der 
öaterr.  Monarchie  4  fl.  20  kr.  CM. 


MITTHEILUNGEH 


DER  K.  K.  CENTRAL- COMMISSION 


I'  r  i  n  u  in  e  r  a  t  i  ii  n  p  n  überneh- 
men halb-  oder  ganzjährig' 
alle  k.k.  Postänlerder  Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
Zuaesdnng  der  einzeloea  Hefte 
besorgen.  —  tat  Wege  ilr&Buch- 
tutiili  I-  sind  jlli'  Pränumerationen 
Dm!  ZWtr  nur  ku  dem  Preice  vou 
4  II.  au  Heu  k.  k.  Hofbuehhindter 
W.  Braumiiller  in  Wien  zn  richte«. 


in  uwm  iii  mmm  der  baii.ik.iim 


linier  der  Leitung  des  k.  k.  Scclions-1 


Präses  der  k. k. Central-CommissioD  Karl  Freiherrn  v.  Czoernis. 


Redacteur:    K  a  r  I  \Ye  i  s  s. 


N*  1. 


I.  Jahrgang. 


Jänner  1856. 


Inhalt:  Die  Aufgabe  der  Allerthumskunde  in  Österreich.  —  Die  symbolischen  Darstellungen  der  Klosterkirche  zu  Neuberg  in 
Steiermark.  —  Ausgrabungen  am  Wienerberge.  —  Die  römische  Wasserleitung  auf  der  Schiffswerft  -  Insel  in  Altofen.  — 
Restaurationen.  —  Notizen.   —  Literarische  Anzeigen. 


Die  Aufgabe  der  Alterthumskunde  in  Österreich. 


Die  Denkmale  des  österreichischen  Kaiserstaates  sind 
ein  wesentliches  Element  seines  Reichthnms,  ein  sprechen- 
des Zeugniss  seiner  Grösse  und  der  geschichtlichen  Kampfe, 
welche  sie  hervorgerufen  haben  und  unter  deren  Eintluss 
sie  gestanden  sind.  An  ihnen  bewährt  sich  der  geistvolle 
Ausspruch  des  Grafen  Montalembert:  „les  longs  Souvenirs 
fönt  les  grandes  nations."  Die  Erinnerungen,  welche  sich 
an  die  österreichischen  Monumente  knüpfen  sind  alte,  weit 
zurück  in  die  Geschichte  greifende,  und  auf  das  Innigste 
verweht  mit  der  Grösse  der  Nationen  des  österreichischen 
Kaiserstaates,  die  Eins  ist  mit  der  Grösse  der  Monarchie. 

Diese  Monumente  sind  wenig  gekannt,  wenig  beschrie- 
ben, und  nur  von  Wenigen  gewürdigt.  Sie  sind  nicht  so 
zuganglich,  wie  die  Monumente  anderer  Staaten.  Sie  liegen 
zerstreut  auf  einem  grossen  geographischen  Gebiete,  unter 
Völkern  von  verschiedenen  Sprachen  und  verschiedenen 
Culturstufen.  An  einigen  wenigen  Punkten  meist  im  Süden 
der  Monarchie  liegen  sie  dicht  gedrängt,  in  geringer  Ent- 
fernung von  einander  in  der  Mitte  alter  Culturvölker.  An 
anderen  Orten  wieder  vereinsamt,  sparsam  vertheilt  über 
weite  Flächen  oder  grosse  Gebirgsthäler. 

An  einigen  Strichen  haben  sie  sich  erhalten  ,  trotz  der 
gewaltigsten  Ereignisse,  die  an  ihnen  vorüberstürmten,  an 
anderen  Orten  sind  sie  von  diesen  gebrochen,  in  Schutt  und 
Trümmer  verwandelt  worden,  wie  von  einem  Orkan,  der  in 
den  Waldungen  die  schönsten  Baume  bricht,  die  ältesten 
Stämme  entwurzelt.  An  einigen  Orten  dagegen  hat  es  nie 
an  einer  gewissen  Art  von  Sorgfalt,  an  einem  wenn  auch 
noch  so  geringen  wissenschaftlichen  und  künstlerischen 
Interesse  gefehlt,  das  sich  an  sie  anschmiegte;  an  anderen 
Orten  hat  man  alle  Kirchen  und  römische  Monumente  als 
Steinbrüche  behandelt,  Freskogemälde   übertüncht,  Orna- 


mente im  Wahne,  sie  zu  verschönern  oder  durch  bessere  zu 
ersetzen,  weggebrochen,  kurz,  den  Vandalismus  und  die 
Zerstörungssucht  aus  Unwissenheit  oder  Böswilligkeit  bis 
zum  Aussersten  getrieben,  und  den  schönen  Ausspruch  des 
jüngeren  Plinius,  den  wir  gern  hier  in  den  Vordergrund 
stellen,  vergessen: 

„Reverere  gloriam  veterem,  et  hanc  ipsam  senectu- 
tem,  quae  in  homine  venerabilis,  in  urbibus  sacra.  Sit  apnd 
te  honor  antiquitati,  sit  ingentibus  factis,  sit  fabulis  quoque." 

Noch  aber  sind  uns  demungeachtet  viele  Denkmale 
überliefert  worden,  deren  Erhallung  eben  so  wünschens- 
werth  ist,  als  es  nothwendig  ist,  sie  kennen  zu  lernen,  um 
sie  zu  erhalten.  Denn  das  wichtigste  Mittel,  sie  zu  erhalten, 
ist  sie  der  Vergessenheit  zu  entziehen,  ihren  Werth  an- 
schaulich darzulegen,  und  das  Interesse  für  sie  zu  erregen. 
Gibt  es  auch  viele  Menschen,  welche  alte  Monumente  gering 
achten,  wenn  sie  dieselben  mit  den  leiblichen  Augen  wahr- 
nehmen, so  gibt  es  doch  gewiss  wenige,  welche  sie  nicht 
respectiren,  wenn  sie  zur  geistigen  Erkenntniss  derselben 
hingeleitet  werden ,  wenn  sie  die  Erinnerungen  der  Jahr- 
hunderte kennen,  welche  sich  an  sie  knüpfen,  wenn  sie 
erfahren  haben,  welch1  grosses,  geschichtliches  Interesse 
sich  an  diese  Erinnerungen  reiht. 

Noch  sind  wir  aber  in  Österreich  weit  entfernt,  dem 
gebildeten  Publikum  den  Dienst  eines  erfahrenen  Führers 
au  diesen  Monumenten  leisten,  ihm  diese  beschreiben  und 
erklären  zu  können.  Sie  sind  selbst  den  Männern  vom  Fache 
nur  sehr  unvollständig  bekannt.  Noch  weiter  entfernt  sind 
wir,  eine  systematische  Monumentalkunde  an  der  Hand  der 
Geschichte  liefern  zu  können,  in  der  Weise,  wie  es  den 
Franzosen  die  Werke  von  Caumont ,  Bourasse  .  Merimee 
u.  A.  m. ;    den  Engländern  von  Bloxam,    Pugin,   Britton, 


Gully  knight  u.  A.  m. :  den  Italienern  die  Werke  von  Selvatico, 
Cicognara,  Rosini  u.  .A.  in.:  den  Deutschen  ausserhalb  Öster- 
reich die  Werke  von  Boisseree,  Meiler.  Pattrich,  Kugler, 
Lflbke  n.  A.  in.:  Blavignac  den  Schweizern,  Schayes  den 
Belgiern  geliefert  Indien.  An  ein  System  können  wir  vor 
der  Hand  niclit  denken.  Es  fehlen  hiezu  die  Vorarbeiten.  Es 
müssen  zu  einein  solchen  Werke  die  Bausteine  erst  gesam- 
melt  und   zu   einem  solchen  Zwecke  erst  bearbeitet  werden. 

Die  Aufgabe  der  österreichischen  Alterthumsforscher 
muss  vorzugsweise  auf  dieses  Ziel  losarbeiten,  diesen  Zweck 
vor  Augen  haben. 

Es  würde  wenig  damit  gedient  sein,  wenn  man.  wie  es 
manche  insbesondere  italienische  Forscher  getban  haben, 
sehen  jetzt  an  ein  System  gehen  wollte. 

Es  ist  nöthig  vorerst  zu  beschreiben.  Eine 
sehr  einfache  Aufgabe!  wird  Jemand  ausrufen  —  aber  doch 
eine  schwere,  werden  wir  hinzufügen.  Es  ist  nicht  .so  leicht 
ein  Monument  genau  zn  beschreiben,  und  es  gibt  nicht  so 
viele  gute  Beschreibungen,  dass  man  aus  der  Menge  derselben 
auf  die  Leichtigkeit  in  der  Kunst  des  Boschreibens  schliessen 
könnte  in  vielen  Fallen  kann  man  eine  genaue  Beschreibung 
nur  mit  vidier  Beherrschung  des  wissenschaftlichen  Stoffes 
machen.  Nur  der,  welcher  die  Wissenschaft  und  ihren  Stand 
kennt,  siebt  auch,  was  er  beschreiben  soll.  Dinge,  die  dem 
Laien  gar  nicht  auffallen,  für  diesen  gar  nicht  existiren,  haben 
für  den  Kundigen  einen  grossen  Werth;  dieser  beschreibt 
an  demselben  Monumente  Einzelheiten  ,  welche  jener  gar 
nicht  an  demselben  sieht.  Es  ist  in  diesem  Zweige  wie  in  den 
Naturwissenschaften.  Es  gehört  mehr  dazu  als  gute  Augen, 
um  durch  ein  Mikroskop  zu  sehen. 

In  anderen  Fallen  setzt  eine  gute  Beschreibung  die 
Beherrschung  des  historischen  Materiales  voraus,  die  nicht 
leicht  zu  erwerben  ist,  und  wieder  in  anderen,  insbesondere 
bei  Inschriften  etc.,  muss  der  Beschreibende  mit  Bube, 
Geduld  und  einer  nie  sieb  abschwächenden  Aufmerksamkeit 
versehen  sein,  die  nicht  Jedermanns  Sache  ist. 

Die  Beschreibungen  müssen  nicht  nur  genau  sein, 
wenn  sie  nützen  sollen,  genau  in  Bezeichnung  des  Materials, 
des  Fundortes  .  der  Grösse  etc.,  sie  müssen  auch  in  der 
wissenschaftlichen  Kunstsprache  abgefasst  sein. 
welche  gegenwartig  fast  alle  Gelehrten  adoptirt  haben, 
und  die  es  macht,  dass  sieb  jetzt  insbesondere  Deutsche  und 

Franzosen  auf  diesem  Gebiete  so  gut  verstehen.  Jetzt,  wo 
ein  gemeinsames  Organ  und  eine  gemeinsame  Sprache  für 
den  Verkehr  auf  diesem  Gebiete  hergestellt  ist,  schiene  es 
mir  nicht  unpassend,  wenn  sich  jeneKunstfreunde,  welche  sich 
der  Aufgabe  der  beschreibenden  Denkmalkunde  in  diesem 
Organe  unterziehen,  jener  Terminologie  bedienen  würden, 
welche  0 tt e  in  seiner  kleineren  trefflichen  Kunstarchäologie 
lies  Mittelalters,  oder  welche  Kugler  in  der  neuesten  Auf- 
lage seiner  Kunstgeschichte1)  gebraucht,  ein  Werk,  das 


'(  F6r  antike  Kumtdenkmnle  isl  die  \">i   K.  0.  Mü  Her  in  sei ■  Archäo- 
logie der  K t  adoptirle  Terminologie  eu  empfehlen. 


sicher  in  die  Hände  aller  Jener  gelangen  wird,  die  sich 
mit  Kunst  beschäftigen.  —  Nichts  aber  wäre  gefährlicher, 
als  neue  Worte  und  Termini  erfinden,  oder  dort  mit  vie- 
len Worten  umschreiben  zu  wollen,  wo  mau  mit  einem 
termimta  technicua  ebenso  kurz  als  verständlich  sich  aus- 
drücken kann. 

In  allen  Fidlen,  wo  es  nöthig  ist,  die  Beschreibung  oder 
Erklärung  durch  Urkunden  etc.  zu  erläutern,  die  nicht  in 
Druckwerken  niedergelegt  sind,  ist  es  wünschenswerth,  dass 

diese  mit  dem  Wortlaute  des  Orginals  gegeben  I  der  Ort, 

wo  sie  sieh  belinden,   angegeben  werde. 

In  jenen  Fallen  endlich,  wo  das  beschriebene  Monument 
schon  in  einem  andern  Werke  ungenau  beschrieben  wor- 
den ist,  scheint  es  uns  wünschenswerth,  dass  die  betreffende 
Literatur  angeführt  werde. 

Es  hat  bis  gegenwartig  an  einem  Repcrtorium  für 
beschreibende  Monumentalkunde  gefehlt,  insbesondere  für 
eine  grosse  Reihe  von  kleinern,  im  Einzelnen  oft  unwich- 
tigen, im  Zusammenhange  aber  so  interessanten  Monumenten. 
Sie  werden,  wie  wir  nicht  zweifeln,  in  diesem  Organe  ihren 
Platz  finden,  und  desto  willkommener  sein,  je  genauer  die 
Beschreibungen  werden  vorgei i n  werden. 

Erst,  wenn  wir  eine  auf  diese  Weise  gesicherte  Kunde 
von  Denkmalen  erhalten  haben  werden,  erst  dann  wird  es 
möglich  sein,  sie  zu  sichten,  zu  ordnen,  in  ein  System  zu 
bringen,  und  mit  der  politischen  und  Culturgeschichte  des 
Kaiserstaates  in  Zusammenhang  zu  stellen,  erst  dann  wird 
eine  Monu me n talgeschi ch t c  Österreichs  möglich 
sein.  Ist  den  österreichischen  Altertumsforschern  der  \\  eg 
geebnet,  zu  diesem  Zwecke  auf  eine  gegenseitige  Verstän- 
digung hinzuarbeiten,  so  haben  sie  nach  unserem  Erachten 
eine  andere  Aufgabe,  die  für  sie  zugleich  eine  beilige  Pflicht 
in  sich  schliesst.  Sie  haben  den  Zerstörungen,  den 
Verschleppungen,  dem  Vanda  li  smus  ,  der  Indo- 
lenz entgegenzutreten. 

Die  Gründung  der  kaiserlichen  Commission  zur  Erhal- 
tung der  Baudenkmale  war  ein  Beweis  der  Notwendigkeit, 
den  Zerstörungen  Einhall  zu  thun,  und  so  weil  die  Kräfte  der 
k.  k.  Central-Commission  reichten,  war  sie  auch  bemüht. 
ihrer  schönen  Aufgabe  nach  allen  Richtungen  zu  entsprechen. 

Der  grÖSSte  Schufz,  der  Monumenten  zu  Theil  werden  kann, 
ist,  die  Öffentliche  Aufmerksamkeit  auf  sie  zu  richten,  das 
Publikum  zu  dem  Wächter  derselben  zu  machen.  Das  Pub- 
likum ZU  diesem  Zwecke  zu  erziehen,  ist  aber  keine  Aufgabe 
geringer  Art.  sie  isi  keine  gelehrte  Aufgabe,  sondern  eine 
praktische. 

Indess  bleibt  dieser  Theil  der  Aufgabe  eines  Archäo- 
logen sehen  ein  ei'freulieher.  Er  wird  da  öfters  Gelegen- 
heil babeii  zu  erfahren,  dass  man  Vorurtheile  nicht  mit 
einem  Schlage  zerstören  kann:  er  wird  häutig  mit  Schonung, 

in  seltenen  Fällen  mit  Schroffheit,  in  allen  Fällen  am  meisten 

mit  Entschiedenheit  und  mil  der  Waffe  der  Belehrung  sein 
Ziel  erreichen.  Am  häufigsten  werden  seine  Erfolge  belohnt 


3 


wenn  er  nicht  bloss  zu  tadeln  vermag,  sondern  wenn  er  im 
Stande  ist,  auf  ein  gutes  Beispiel,  auf  gelungene  Restaura- 
tionen, auf  das  Benehmen  cultivirterer  Menschen  oder  Völker 
hinzudeuten. 

Diese  Blatter  werden  daher  ihre  Aufgabe  vollständig 
erreichen,  wenn  sie  Zerstörungen  entgegentreten,  den  Samen 
der  Belehrung  ausstreuen  und  jenes  Baumateriale  für  die 
Wissenschaft  der  Alterthumskunde  aufspeichern,  das  gegen- 


wärtig entweder  noch  ganz  unbearbeitet   daliegt ,    oder  in 
tausend  Büchern,  Journalen  und  Flugschriften  zerstreut  ist. 

Möchten  alle  Kräfte  sich  zu  diesem  Zwecke  einigen, 
möchte  es  ihrem  vereinten  Wirken  gelingen,  diesem  Organe 
Achtung  bei  den  Fachgenossen  und  Theilnahme  bei  dem 
lesenden  Publikum  zu  erwecken! 

Wien  im  December  1855. 

R.  v.  Eitel  berger. 


Die  symbolischen  Darstellungen  in  der  Klosterkirche  zu  Neuberg  in  Steyermark. 


Im  Jahre  1327  führte  Herzog  Otto  der  Fröhliche  eine 
Colonie  Cistercienser  in  Neuberg  ein,  und  machte  zu  deren 
Gunsten  sehr  beträchtliche  Stiftungen  und  Geschenke.  So- 
wohl durch  diese  ansehnlichen  Hilfsquellen  des  Stifters,  als 
auch  durch  das  von  den  späteren  österreichischen  Fürsten 
den  Cisterciensern  bewahrte  Wohlwollen  vergrösserte  sich 
das  anfänglich  kleine  und  unbedeutende  Kloster,  und  es 
wurden  namentlich  im  XV.  Jahrhunderte  unter  dem  Schutze 
des  Kaisers  Friedrich  IV.  sehr  bedeutende  Bauten  an  dem 
Stifte  vorgenommen.  Die  Stiftskirche  selbst  wurde  laut  der 
vorhandenen  Einweihungsurkunde  und  der  damit  überein- 
stimmenden, am  oberen  Gewölbe  hinter  dem  Hochaltare 
angebrachten  Jahrzahl  im  Jahre  1471  erbaut.  So  erhielten 
sich  Kloster  und  Kirche  von  Neuberg  durch  mehr  als  vier 
Jahrhunderte,  bis  dasselbe  unter  dem  Abte  Erko  von  Erken- 
stein  im  Jahre  1786  von  Kaiser  Joseph  aufgehoben  und  in 
eine  Pfarrei  umgewandelt  wurde.  Besondere  geschichtliche 
Erinnerungen  knüpfen  sich  nicht  an  Neuberg.  Als  das  Wich- 
tigste ist  zu  betrachten,  dass  in  diesem  Cistercienser-Kloster 
die  Buhestätte  seines  Gründers,  des  Herzogs  Otto,  dann 
seiner  zwei  Gemahlinnen  und  Sühne  bewahrt  wird  '). 

Von  der  ursprünglichen  Anlage  der  Klosterbaulich- 
keiten ist  nur  die  Kirche  und  der  mit  ihr  in  Verbindung 
stehende  Klostergang  unverändert  erhalten. 

Erstere,  ein  Werk  des  XV.  Jahrhunderts ,  bildet  im 
Grundrisse  (Tafel  I,  c — /')  ein  längliches  Viereck  ohne 
Thurmanlage,  ohne  Kreuzvorlage  und  mit  geradem  Chor- 
abschlusse.  Im  Innern  ist  sie  durch  14  Pfeiler  in  drei  gleich 
hohe  Schilfe  getheilt.  Das  bei  sonstigen  Kirchenanlagen 
gewöhnliche  Querschiff  ist  bei  unserem  Baue  nur  durch  eine 
stärkere  Bildung  der  Pfeiler  und  durch  einen  grösseren 
Abstand  derselben  in  der  Längenrichtung  andedeutet. 

Den  geraden  Chorabschluss,  welchen  mehrere  Cister- 
cienser-Klöster  aufweisen,  hat  man  in  neuerer  Zeit  als  eine 
Eigenthünilichkeit    der    Kirchenbauten    dieser    geistlichen 


l)  Näheres  über  die  Gründung  des  Klosters  Neuberg  enthalten  A.  J.  C  ä  s  a  r's 
Staaten-  und  Rirchengesc.hichte,  V,  249,  und  M  ar ia  n's  Geschichte  der 
österr.  weltlichen  und  klösterlichen  Clerisei,  VI,  144,  dann  auf  Grund 
neuerer  Forschungen  ein  Aufsatz  von  S  eh  e  ige  r  in  Hormayr's  Taschen- 
buch, J.  1828,  S.  148,  und  Güth's  Herzogthum  Steyermark  (Wien  1843) 
1,  8,  333. 


Genossenschaft    aufzustellen    und    den    Ursprung    auf   den 
Mutterbau  inCitaux  zurückzuführen  versucht  '). 

Es  kann  auch  nicht  in  Abrede  gestellt  werden,  dass 
einer  Reihe  von  Kirchenbauten  der  Cistercienser  dieser  gerade 
Chorabschluss  gemeinsam  ist.  In  keinem  Falle  aber  darf  man 
darin  eine  feststehende  Begel  suchen  oder  hieraus  für  diesen 
Orden  eine  nur  ihm  eigenthümliche  Bauanlage  ableiten,  denn 
gerade  aus  jener  Zeit,  in  welcher  der  Verband  der  einzelnen 
Klöster  mit  dem  Mutterkloster  in  lebendiger  Übung  stand 
und  wenigstens,  was  das  innere  Klosterleben  betrifft,  ein 
massgebender  Einlluss  des  letzteren  sich  geltend  machte, 
sind  Kirchenbauten  auf  uns  gekommen,  welche  in  keiner 
Weise  von  der  ihrer  Zeitstellung  entsprechenden  Anlage 
abweichen.  Zum  Beispiel  hiefür  möge  die  Kirche  des  Stifte's 
Heiligenkreuz  dienen.  Auch  diese  hat  gegenwärtig  einen 
geraden  Chorabschluss.  Allein  das  gegenwärtige  Presby- 
terium  ist  eine  am  Schlüsse  des  XIII.  Jahrhunderts  vorge- 
nommene Erweiterung  des  früheren  Kirchenbaues,  und  dass 
Letzterer  in  Übereinstimmung  mit  einer  Reihe  romanischer 
Kirchenbauten  mit  drei  halbrunden  Absiden  abgeschlossen 
war,  dafür  spricht  die  ganze  constructive  Anlage  des  Quer- 
schitTes  und  der  in  dasselbe  gestellten  Pfeiler.  Auch  zeigt 
uns  ein  in  dem  Brunnenhatise  des  Kreuzganges  dieses  Stiftes 
aufbewahrtes  Glasgemälde  die  Bückseite  der  früheren  Kir- 
chenanlage freilich  nicht  als  treues  Abbild  derselben,  aber 
immerhin  mit  drei  Chornischen. 

Das  Innere  der  Neuberger  Kirche  bietet  durchaus  nichts 
Eigerithümliches  dar.  Pfeiler,  Gurten.  Gewölbe,  das  Masswerk 
der  Fenster  (Taf.  I,  <j — k).  —  Alles  trägt  die  Spuren  des 
seinem  Verfalle  zueilenden  gothischen  Styles  an  sich.  Nicht 
einmal  die  Grösse  der  Kirche,  und  diese  ist  eine  beträchtliche, 
vermag  auf  den  Beschauer  irgend  eine  eindringliche  Wirkung 
zu  äussern.  Fast  scheint  diessmehr  oder  weniger  eine  Eigen- 
thünilichkeit aller  Hallenkirchen  zu  sein,  welche  doch  von 
manchen  Seiten  her.  als  den  Bedürfnissen  der  Gegenwart 
am  meisten  entsprechend,  anempfohlen  werden,  litis  Haupt- 
gebrechen, welches  der  ästhetischen  Befriedigung  im  \\  cur 
steht,  liegt  bei  der  Neuberger  Kirche  in  dem  Mangel  jeder 


')  Organ  für  christliche  Kunst.  Jahrg.   1853,  Nr.  1.  u.  s.  f.  Springer'! 
Handbuch  der  Kunstgeschichte.  Stuttgart  lSöö,  S.  160. 


—      4      — 


organischen  Gliederung  und  Abstufung  des  inneren  Raumes, 
da  derselbe  ohne  Unterbrechung  in  gleichförmiger  Weise 
und  dabei  auch  ohne  einen  Reiz  der  Einzelheiten  in  den 
Gliederungen  durch  die  Pfeiler  von  einem  Ende  zu  dein 
andern  fortgeleitet  wird. 

Auch  das  Äussere  der  Kirche,  wiewohl  durch  die 
ursprüngliche  Steinfarbe  der  Quadern  gehoben  und  theil- 
weise  reicher  örnamentirt,  zeigt  den  oben  erwähnten  Man- 
gel. Die  Facade  ist  durch  zwei  Gurtgesimse  in  drei  Abthei- 
lungen gebracht.  Vier  Strebepfeiler .  wovon  die  beiden 
äussersten  über  Eck  gestellt  sind,  gliedern  die  Wandfläche. 
Ober  dem  in  der  Mitte  angebrachten  Portale  befindet  sich 
ein  Rnndfenster  mit  einer  Fülle  gothisehen  Masswerkes, 
welches  jedoch  in  seiner  Künstlichkeit  den  reinen,  unge- 
trübten Eindruck  ähnlicher  Bildungen  der  früheren  Gothik 
nicht  mehr  aufkommen  lässt.  Zu  jeder  Seite  dieses  Rund- 
fensters befindet  sich  ein  spitzbogiges  Fenster,  wovon  jedoch 
nur  mehr  das  linke  sein  Masswerk  erhalten  hat,  während 
das  rechte  vermauert  ist.  Der  obere  Tbeil  der  Facade- 
fläche,  welcher  schon  einen  Tbeil  des  Giebels  in  sieli  fasst, 
ist  durch  verticale  Wandstreifen  gegliedert,  und  jede  der 
so  gebildeten  kleineren  Flächen  mit  einem  Spitzbogen 
geschmückt,  der  einen  Dreipass  einschliesst.  Die  mittlere 
dieser  Flächen,  welche  dieses  Schmuckes  entbehrt,  zeigt 
eine  Säule  mit  consolenartigem  Aufsätze. 

Die  Nord-  und  Ostseite  der  Kirche,  beide  von  Zubauten 
frei  erhalten,  sind  dem  Inneren  entsprechend. 

Das  Innere  der  Kirche  bewahrt  wenig  Merkwürdig- 
keiten. Erwähnenswert!)  sind  nur  die  Bildnisse  der  Stifter 
dieser  Kirche,  ferner  zwei  an  Pfeiler  gestellte  kleinere 
Altäre  aus  Holz  geschnitzt,  am  Eingange  der  Kirche  ein  auf 
Holz  gemaltes  Bild  aus  dem  XVII.  Jahrhunderte,  welches 
eine  Ansicht  des  Stiftes  in  seinem  damaligen  Bestände  gibt. 

Der  merkwürdigste  und  interessanteste  Bautheil  dieses 
Klosters  ist  jedenfalls  der  Kreuzgang  (Taf.  I,  a,  b,  l-)i), 
welcher  aus  dem  XIV.  Jahrhunderte  stammt.  Jede  Seite  des- 
selben ist  von  Spitzbogenfenstern  durchbrochen  und  durch 
entsprechende  Gewölbe ,  deren  Rippen  auf  Tragsteinen 
ruhen,  eingedacht.  Jedoch  sind  nur  zwei  Seiten  desselben  und 
zwar  jene,  welche  zum  Capitelhause  führt,  und  die  an  die 
Kirche  anstossende,  reicher  geschmückt.  In  diesen  Theilen 
m  nämlich  noch  das  Masswerk  der  Fenster  erhalten  und  die 
Tragsteine  der  Gewölberippen  des  ersten  Theilssind  durchaus 

mit  symbolischen  Darstellungen  geschmückt,  welche  schon 
Scheiger's  Interesse  in  hohem  Grade  in  Anspruch 
nahmen  und  ihn  zu  dem  Ausspruche  bestimmten,  dass  man 
bei  längerer  Betrachtung  derselben  durchaus  nicht  glauben 
könne,  „dass  diess  zwecklos  phantastische  Gebilde  seien, 
es  herrsch)  zu  viel  Ordnung,  zu  siel  Wiederkehrendes 
nml  doch  unendlich  \  erschiedenes  in  dem  scheinbaren 
Gewirre"  '). 


Die  Deutung  dieser  Sinnbilder  selbst  aber  konnte 
Scheiger,  gewiss  einer  der  verdienstvollsten  Forscher 
auf  dem  Gebiete  der  österr.  Alterthumskunde ,  nach  dem 
damaligen  Stande  dieser  Wissenschaft  nicht  versuchen, 
abgesehen  davon,  dass  <Wv  sehr  verstümmelte  Zustand  ein- 
zelner dieser  Vorstellungen  schon  eine  sehr  genaue 
Bekanntschaft  mit  derlei  Bildungen  voraussetzt,  um  über- 
haupt an  die  Deutung  derselben  zu  schreiten.  Auch  Wal- 
es erst  der  neuesten  Zeit  vorbehalten,  auf  die  Quellen  hin- 
zuweisen ,  aus  welchen  diese  und  ähnliche  symbolische 
Gebilde  ihre  Deutung  finden  können.  In  der  Reihe  derselben 
nehmen  die  Physiologen  einen  hervorragenden  Platz  ein. 
Man  versteht  darunter  jene  christlich-symbolischen  Thier- 
geschichten,  welche  sich  aus  der  Vereinigung  der  in  der 
heiligen  Schrift  niedergelegten  Sinnbilder  mit  den  Thier- 
geschichten  des  Alterthums  und  den  mannigfachen  hinzuge- 
kommenen Fabeln  und  Mythen  des  früheren  Mittelalters  nach 
und  nach  herausgebildet  hatten. 

Einer  dieser  Physiologen  aus  dem  XI.  Jahrhunderte, 
welcher  seiner  Vollständigkeit  wegen  und  der  Zeitstellung 
nach,  in  der  er  niedergeschrieben  wurde,  für  archäologische 
Zwecke  vorzugsweise  sich  eignet,  ist  jener,  welchen  die 
Bibliothek  des  Klosters  Göttweig  bewahrt  und  welcher  von 
dem  Verfasser  dieses  in  dem  von  der  kais.  Akademie  der 
Wissenschaften  herausgegebenen  Archive  für  Kunde  österr. 
Geschichtsquellen  zum  ersten  Male  veröffentlicht  und  er- 
läutert wurde  <)•  Auf  ihn  beziehen  sich  die  in  der  nach- 
folgenden Darstellung  angeführten  Berufungen. 

Kehren  wir  nunmehr  zu  den  Vorstellungen  unseres 
Kreuzganges  zurück,  so  müssen  wir  vor  Allem  gestehen, 
dass  dieselbe  in  überraschender  Weise  die  Behauptung 
begründen .  dass  die  mittelalterliche  Symbolik  keineswegs 
nur  aus  dem  Beliehen  Einzelner  hervorgegangen  sei,  sondern 
aus  einer  gemeinsamen  Quelle  geschöpft  habe.  Damit  sei  es 
jedoch  nicht  ausgesprochen,  dass  allen  Laien  diese  Quelle 
verständlich  gewesen  sei.  Der  Mehrzahl  der  Zeitgenossen  der 
Vergangenheit  mögen  symbolische  Darstellungen  (dien  so  dun- 
kel gehlieben  sein,  wie  der  Mehrzahl  der  Zeitgenossen  unserer 

Gegenwart.  DieBeziehung« mf  welchen  ihre  Deutung  beruht. 

waren  keineswegs  solche,  die  dem  gläubigen  Gcmüthe  mit  der 

Fülle  jener  Wahrheiten  und  Lehren  zuflössen,  zu  deren  Auf- 
nahme es  stets  bereit  war.  Wohl  aber  iniigen  ihnen  kundigere 
Deuter  zur  Seite  gestanden  oder  leichter  zugänglich  gewesen 
sein,  als  diess  in  unserer  Gegenwart  der  Fall  ist.  Mehr  und 
mehr  wird  der  Versuch,  in  den  Sinn  dieser  und  ähnlicher 
Symbole  einzudringen,  eine  eben  nicht  leicht  zu  bewältigende 
Arbeil  des  Geistes  und  der  Forschung.  Es  dürfte  daher  von 
Nutzen  sein,  für  eine  Reihe  symbolischer  Darstellungen,  wie 

es  eben  die  Xcuhcrger  sind,    die  Quelle  ihrer  zureichenden 

und  vollständigen  Deutung,  welche  ihnen  unzweifelhaft  zu 
Grunde  gelegt  wurde,  nachzuweisen. 


i)  Ho 


...  170. 


'  i  Jahrgang  1830,  Bd.  II,  Hefl  3  und  i 


Selbstverständlich  sind  die  an  der  Fensterseite  ange- 
brachten Symbole  der  vier  Evangelisten,  der  Löwe,  Adler, 
der  Ochs  und  Engel,  jedes  mit  einem  Spruchbande. 

Die  Darstellung  der  übrigen  als  Gurtenträger  dienenden 
Consölen  sind : 

f.  Der  Löwe,  welcher  mit  offenem  Rachen  vor  seinen 


Jungen  steht.  Diese  Darstellung  findet  sich  häufig.  Einhei- 
mische Beispiele  sind :  Die  Deckplatte  eines  Ciboriums  aus 
dem  XIV.  Jahrhunderte,  eine  Vorstellung  des  berühmten 
Niello-Antipendiums,  beide  im  Stifte  Klosterneuburg,  und  ein 
Schlussstein  der  gothischen  Capelle  zu  Imbach,  aus  dem 
XIV.  Jahrhunderte.  Von  ausländischen  Beispielen  ausge- 
zeichneter Art  erwähnen  wir  nur  die  Glasgemälde  aus  dem 
XIII.  Jahrhunderte  in  der  Kathedrale  St.  Etienne  zu  Bourges  *)• 

Dieser  Löwe  ist  nach  der  Deutung  des  Physiologus  das 
Vorbild  der  Graberstehung  Christi.  Von  ihm  wird  erzählt, 
dass  er  sein  Junges,  welches  die  Löwin  todt  zur  Welt  bringt, 
am  dritten,  der  Geburt  folgenden  Tage  durch  seinen  Anhauch 
ins  Leben  rufe.  So  habe  auch,  wie  es  Jakob  prophezeihte,  der 
allmächtige  Vater  seinen  Sohn,  unsern  Herrn,  am  dritten 
Tage  von  dem  Tode  erweckt. 

In  diesem  Sinne  zeigt  auch  das  erwähnte  Glasgemälde 
zu  Bourges  in  der  Mitte  die  Graberstehung  Christi,  umgeben 
von  typologischen  Darstellungen,  worunter  der  seine  Brut 
wachrufende  Löwe. 

II.  Eine  zweite  Vorstellung  zeigt  den  Pelikan,  welcher 
sich  die  Brust  öffnet,  um  mit  dem  daraus  hervorquellenden 
Blute  seine  Jungen  ins  Leben  zu  rufen.  Von  dem  Pelikan 
erzählt  die  in  dem  Physiologus  niedergelegte  Sage,  dass  ei- 
serne Jungen  in  hohem  Grade  liebe.  Diese  im  Wachsthume 
begriffen,  gerathen  mit  ihren  Altern  in  Streit  und  Kampf,  in 
welchem  sie  von  letzteren  getödtet  werden.  Aber  am  dritten 
hierauf  folgenden  Tage  öffnet  sich  die  Mutter  die  Brust  und 
entströmt  ihr  Blut  über  die  Leichen  der  Jungen,  die  hierdurch 
wieder  ins  Leben  zurückgerufen  werden.    Diess  wird   auf 


Christus  bezogen,  welcher  zum  Heile  und  zur  Entsümligung 
der  Menschheit  den  Opfertod  am  Kreuze  starb,  and  dessen 
der  geöffneten  Seile  entströmendes  Blut  die  Menschheit  in 
ein  neues  Leben  einfühlte. 


Wenige  christliche  Symbole  haben  eine  so  häutige 
Kunstanwendung  gefunden,  wie  das  Bild  des  Pelikan.  Sehr 
sinnig  hat  die  christliehe  Kunst  über  die  Dornenkrone 
des  am  Kreuze  hängenden  Christus  das  Nest  eines  Pelikans 
mit  seinen  Jungen  angebracht,  und  auch  die  Hochaltäre, 
an  welchen  der  Opfertod  Christi  feierlich  begangen  wird, 
mit  diesem  Sinnbflde  geschmückt.  In  seltenen  Fallen  wird 
der  Pelikan  überhaupt  zum  Symbol  der  Kirche  gemacht,  w  ie 
in  den  Bilderwerken  der  Vorhalle  des  Klosters  Laach,  wo 
der  Teufel  dem  Pelikan  (das  Symbol  der  Kirche)  eine 
Schriftrolle,  auf  welcher  die  Worte:  Peceata  /!<n>i<te  zu 
lesen  sind,  übergibt.  Schnaase  (Kunstgeschichte, IV,  1,374) 
sieht  in  dieser  Darstellung  denAusfluss  einer  geheimen  Oppo- 
sition der  Laien  gegen  die  Kirche. 

III.  Eine  dritte  Vorstellung  führt  uns  den  Phönix  vor, 


')  Näheres  hierüber  in  Dr.  G.  H e i d e r's  Werk :   Die  romanische  Kirche  zu 
Schöngrabern.  Wien  1833,  S.  lfil  —  164. 


welcher  sich  selbst  dem  Feuertode  weiht. 


Von  ihm  erzählt  der  Physiologus,  d;iss  er  iiiich  Ablauf 
vtiii  500  Jahren  sieh  in  die  Berge  Libanons  begibt,  sieh  dort 
aus  dem  Holze  dieser  Berge  und  verschiedenen  Gewürzen 
einen  Scheiterhaufen  bereitet,  welchen  er  durch  einen 
Feuerstrahl  entzündet,  den  er  von  einem  Sonnenfluge  zurück- 
bringt. In  diesem  Scheiterhaufen  verbrennt  er  sich  selbst. 
Die  zurückgebliebene  Asche  verwandelt  sieh  am  ersten  Tage 
in  einen  Wurm,  am  zweiten  Tage  in  einen  Vogel,  am  dritten 
seht  dieser  als  Phönix  neugeboren  aus  der  Asche  hervor. 
Dieser  Vogel  bedeutet  Christum,  und  die  sieh  au  ersteren 
knüpfende  Sage  ist  das  Symbol  der  Auferstehung  Christi. 

Der  Kunstgebrauch  dieses  Symbols  ist  ein  viel  verbrei- 
teter, so  dass  sieh  eine  auch  nur  annähernd  vollständige  Auf- 
zahlung nicht  bewerkstelligen  lüsst. 

IV.  Auf  einer  weiteren  Vorstellung  erkennen  wir  einen 
Hirschen,    welcher  vor  einem  Wasser  steht,   in  welchem 


sich  eine  Schlange  ringelt.  Schon  auf  den  ersten  Blick  kann 
man  sich  versucht  fühlen,  diese  Darstellung  in  Zusammen- 
hang mit  jenen  zu  bringen  ,  welche  seit  den  ersten  Zeiten 
der  christlichen  Kunst,  insbesondere  auf  Taufsteinen,  häufig 
wiederkehren  und  mit  Bezug  auf  Psalm  41  .  v.  2  ')  den  zur 
Quelle  eilenden  Hirschen  zeigen,  das  Bild  des  Christen,  der 
daran  geht ,  durch  ila^  Sacramenl  der  Taufe  ein  neues  Lehen 
zu  beginnen. 

Auch  ist  in  Wirklichkeit  unsere  Darstellung  nur  eine 
weitere  Ausführung  und  Modification  des  im  letzteren  Symbole 
niedergelegten  Grundgedankens.  Der  Physiologus  dichtet 
nämlich  dem  Hirschen  die  Eigenschaft  an,  die  in  einer  Hohle 
gelagerte  Schlange  durph  seinen  Anhauch  herauszulocken, 

welcl r  sodann  tödtet  1  verzehrt.  Die  Furchl  aber  treibt 

ihn  zu  einem  Quell  reinen  Wassers,  woraus  er  trinkt  und  das 
(iii't    wieder   von   sich   gibt.     Dieser  Hirsch  trügt   nach   den 

Worten  der  Physiologen  die  Gestalt  des  Büssenden  an  sich. 
der,  von  dem  Gifte  seiner  Sünden  gepeinigt,  zur  Heilsquelle, 
d.  i.  zur  Lehre  des  Priesters  eilt. 


Die  Kunstanwendung  dieses  Symbols  ist  jedoch  keines- 
wegs so  verbreitet,  wie  die  früher  angeführte  einfachere 
Darstellung  desselben.  Ausser  dem  Neuberger  sind  uns  nur 
noch  zwei  bekannt,  wovon  das  eine  auf  einem  Taufsteine  der 
Kirche  zu  Bünnigheim  '),  das  andere  in  der  Kirche  zu  Freu- 
denstadt '-)  im  Schwarzwalde  sieh  vorfindet. 

V.    Die  nächste  Vorstellung  zeigt  uns  drei  in  einem 


Schiffe  sitzende  Gestalten  mit  Budern  in  den  Hunden.   Zur 
Seite  derselben  befindet  sich  eine  Sirene. 

Es  ist  das  bekannte  Bild  der  Verlockung  zur  Sinnlich- 
keit. Von  den  Sirenen  sagt  der  Physiologus:  sie  seien  todtbrin- 
gende  Thiere,  welche  vom  Kopf  bis  zur  Mitte  die  Gestalt 
eines  Weibes,  im  Übrigen  die  Form  eines  Vogels  an  sich 
tragen.  Durch  süssliineiule  Melodien  locken  sie  die  Schiffer 
an  sich,  und  wenn  es  ihnen  gelingt,  dieselben  in  Schlummer 
zu  versenken .   ergreifen  sie  dieselben  und  zerreissen  sie. 

Von  hohem  Interesse  ist  die  Nutzanwendung,  die  aus 
diesem  Bilde  auf  christliche  Kunstzustände  gezogen  wird. 
So  sollen  nämlich  jene  getauscht  werden,  welche  in  teuf- 
lischen Ergötzlichkeiten  oder  theatralischen  Vergnügungen 
sich  auflösen  oder  dem  Genüsse  einschmeichelnder  Musik 
sich  hingeben.  Der  Zustand  geistigen  Schlummers  in  den 
sie  dadurch  verfallen  ,  gibt  sie  den  Laslern  zur  Beute 
anheim.  —  Man  sieht  hieraus,  dass  unser  Physiologus  nur 
eine  besondere  Nutzanwendung  des  diesem  Symbole  in- 
wohnenden  Grundgedankens  der  Verführung  zur  Weltlich- 
keit macht,  eine  Bedeutung,  welche  von  Piper  s)  mit  grosser 
Gründlichkeit  behandelt  ist. 

VI.     Der   folgende   sehr   verstümmelte   Tragstein   zeigt 
uns    im    Mitteltheile    ein    hirschähnliches    Thier,    zu 

dessen  rechter  Seite  eine  sitzende  Frauengeslalt ,  links  eine 
männliche  Figur  sich  befindet.  Es  ist  diess  das  Ein- 
horn, welches  in  der  christlichen  Symbolik  einen  bevor- 
zugten    Platz    einnimmt.       Der    Physiologus    sagt    von    ihm 


'(  i     cenraa  ad  i"nt.-s  aquariim,  big  anima  mea  ad  i.-  desiderat  Ileus. 


■)  Kunatblatl  1841,  S.  3"  I 

2)  Me  ii  /.  ■■  I .  Christi.  Symbolik  1.  404. 

'i  Mythologie I  Symbolik  der  ehriatl.  Kmi-i  l.  :S77  —  399. 


—     7 


aus ,  dass  es  von  keinem  Jäger  gefangen  werden  könne. 
Die  Art  und  Weise  es  zu  fangen,  ist  daher  folgende  :  Man 
führt  eine  reine  Jungfrau  an  jene  Stelle,  wo  es  sicli  gewöhn- 
lich aufhält  und  lässt  sie  dort  allein;  bei  dem  Anblicke  der- 
selben eilt  das  Einhorn  in  den  Schooss  der  Jungfrau  und  lässt 
sich  von  derselben  fangen.  Dieses  Einhorn  ist  das  Symbol 
Christi,  und  seine  Gefangennehmung  deutet  auf  die  göttliche 
Allmacht,  die  im  Schoosse  einer  Jungfrau  Mensch  geworden 
sei.  Auch  die  übrigen  Eigenschaften  dieses  Einhorns,  welche 
ihm  von  dem  Physiologus  beigelegt  werden,  erhalten  ihre 
weitere  Deutung  in  Bezug  auf  Christus. 


Eine  Darstellung  in  ganz  gleicherweise,  wie  die  Neu- 
berger,  zeigt  ein  Schlussstein  der  schon  erwähnten  gothi- 
schen  Capelle  zu  Imbach  aus  dem  XIV.  Jahrhunderte,  und 
sie  erhielt  sich  mit  mehr  oder  weniger  Abweichung  bis  in 
die  Malerschulen  der  Caracci  *). 

VIF.  Die  letzte  Vorstellung,  welche  uns  hier  besebäftigt, 


')  Irriger  Weise  wird  in  Di  dr  o  n's  A  n  ll  a  1  e  8  archeol  ogiqii  e  s  I,  76  das 
Auftauchen  dieser  symbolischen  Darstellung  dem  XVI.  .I:ihrlmnderte  zuge- 
schrieben, wahrend  doch  die  oben  angeführten  Darstellungen  das  ausge- 
bildete Vorkommen   derselben  schon  im  XIV.  Jahrhunderte  nachweisen. 

Noch  früher  hat  sieh  dieses  Stoffes  bereits  die  Dichtung  I la'chtigt,  wie 

diess  Wolframs  von  ESschenbach  Percival  Vers  14403  n.  If.  darthut. 


führt  uns  zwei  Centauren  mit  Schild  und  Schwert 
bewaffnet  vor.  Es  ist  jedoch  aus  der  Vorstellung  selbst, 
welche  ziemlich  gelitten  hat,  nicht  zu  entnehmen,  ob  die 
beiden  Centauren  im  Kampfe  unter  sich  begriffen  seien,  oder 
ob  nicht  etwa  ihr  Ankämpfen  gegen  die  auf  einem  benach- 
barten Tragsteine  reihenweise  angebrachten  Thiere  gerichtet 
sei.  Letzterer  ist  so  verstümmelt,  dass  wir  darauf  verzichtet 
haben,  denselben  in  Abbildung  vorzuführen. 

Die  Centauren  schildert  der  Physiologus  als  Geschöpfe 
mit  menschlichem  Oberleibe,  während  der  untere  Theil  des 
Leibes  die  Gestalt  eines  Esels  an  sich  trägt.  Diese  Doppel- 
natur derselben  sei  ein  Sinnbild  falscher  zweizüngiger  Men- 
schen von  rohen  Sitten,  die  sich  den  Schein  von  Frömmig- 
keit  geben,  im  Innern  aber  der  Tugend  abhold  sind. 

Kunstdarstellungen  sind  vielfache  vorhanden.  Gewöhn- 
lich aber  ist  dieses  Thier  in  einer  Reihe  mit  anderen  darge- 
stellt, welche  zusammen  die  dem  Menschengeschlechte  feind- 
lichen Mächte  darstellen.  So  z.  ß.  sehen  wir  auf  einem 
Capitäle  der  Pfeiler  des  Schiffes  der  Peterskircbe  zu  Genf 
Centauren,  Chimären,  Schlangen  und  andere  l'ngethüme 
(Memories  de  la  societe  d'histoire  et  d'Archeologie  de 
Geneve  IV,  pag.  113).  Übrigens  ist  von  Dante  der  Centaur 
auch  im  guten  Sinne  als  ein  Symbol  der  Doppelnatur  Christi 
genommen. 

Abweichend  von  der  durch  unseren  Physiologus  dem 
Centaur  beigelegten  Deutung  fasst  sie  Piper  »)  als  die  Dar- 
stellung der  wilden  Triebe  des  Herzens  —  als  Dämonen  auf, 
die  auf  der  Oberwelt  umgehen,  ein  Bild  der  Versuchungen, 
welche  das  unbewachte  Herz  treffen.  Sie  erscheinen  mit 
Bogen  und  Pfeil,  um  anzudeuten  die  „feurigen  Pfeile  des 
Bösewichts-'  (Ephesus  VI,  10).  In  dieser  Auffassung  sei 
diese  Vorstellung  in  eine  Reihe  von  Kunstwerken  vom  X. 
bis  XVI.  Jahrhunderte  übergegangen. 


Überblicken  wir  nunmehr  die  ganze  Reihenfolge 
unserer  Darstellungen,  so  müssen  wir  gestehen,  dass  unsere 
Sinnbilder,  die  dem  Auge  des  Uneingeweihten  als  müssige 
Spiele  einer  Künstlerlaune  und  als  blosse  Phantasiegebilde 
sich  darstellen,  mil  Zuhilfenahme  unseres  Physiologus  Sinn  and 
Bedeutung  gewonnen  haben,  welche  sie  als  den  [lassenden 
Schmuck  einer  gottgeweihten  Halle  erscheinen  lassen.  Wir 
sehen  nämlich  in  den  Sirenen  und  Centauren  die  Sinnbilder 
der  Versuchungen  die  den  Gläubigen  immerdar  drohen,  in 
dem  zur  Quelle  eilenden  Hirschen  die  Entsündigung  des 
Menschen  durch  die  Taufe,  in  dem  Einhorn  das  Vorbild 
der  Menschwerdung  Christi,  in  dem  Pelikan  das  treffende 
Symbol  des  Opfertodes  Christi,  endlich  in  den  Darstellungen 
des  Löwen  und  des  Phönix  typologische  Darstellungen  der 
Auferstehung  des  Gottessohnes.  Auf  Schutz  and  Ausbreitung 
der  christlichen  Lehre  deuten  die  in  gleichem  Räume  mit  den 


i)  Symbolik  und  Mythologie  der  christlichen  Knnvt  I.  :>03— 402. 


8 


angeführten  Darstellungen   befindlichen   Symbole   der   vier 
Evangelisten. 

Die  Bedeutung  dieser  Symbole  ist  eine  fasl  durch  Jahr- 
hunderte Feststehende,  wenigstens  auf  dem  Gebiete  der  bil- 
denden Künste,  welche  zu  jenen  Zeiten  ausschliesslich  von 
geistlichen  Genossenschaften  geübt  wurden.  Erweiterungen 
und  Umgestaltungen  machten  sich  zuerst  auf  dem  Gebiete  des 
dichterischen  Sehüpfens  geltend,  welches  sehen  frühzeitig 
eine  selbstständigere  Stellung  zu  behaupten  begann.  Ein  Bei- 
spiel hiefür  sind  eben  unsere  Neuberger  Darstellungen.  Eine 
Reihe  mittelalterlicher  Dichter  hat  sich  dieser  Symbole  zu 
Kunstgestaltungen  bedient,  ist  dabei  jedoch  von  jener  stren- 
gen Deutung  abgegangen,  welche  ihnen  der  PhysiologUS 
zuschrieb.  Der  zur  höchsten  Blüthe  gelangte  Mariencultus 
musste  die  Dichtkunst  bestimmen,  sich  nach  Symbolen  um- 
zusehen, w  eiche  geeignet  wären  die  liefen  Wunder  zu  fassen, 
mit  denen  das  Lehen  Marias  durchflochten  ist.  So  geschah 
es,  dass  die  früheren  Symbole  aus  ihrer  strengen  Umrahmung 
herausgezogen,  und  zur  Yersinulichung  der  auf  Maria  bezüg- 
lichen Geheimlehren  benützt  wurden.  Diesem  von  der  Dicht- 
kunst gegebenen  Anstosse  folgten,  wenn  gleich  zögernd, 
die  bildenden  Künste.  Mit  dem  Zeitpunkte  jedoch,  mit  wel- 
chem diese  in  die  Hände  der  Laien  übergingen,  wurde  diese 
schon  vorbereitete  Verwandlung  der  Symbole  auch  auf  diesem 
Gebiete  rasch  vollzogen.  Der  Löwe,  der  Pelikan,  der  Phönix, 
das  Einhorn  und  eine  Reihe  anderer  Sinnbilder,   die  bisher 


ausschliesslich  auf  Christus  bezogen  wurden,  werden  nun- 
mehr auf  die  unbefleckte  Empfängnis*  Marions  angewendet. 
Iliebei  tritt  der  nähere  Bezug  des  Symbols  zum  Gegenstande, 
welchen  wir  in  vielen  Fällen  an  unseren  Symbolen  zu  bewun- 
dern halten,  freilich  in  den  Hintergrund,  und  es  wird  zur 
Erklärung  des  Wunders  auf  dem  Gebiete  des  christlichen 
Lebens  gerade  nur  auf  das  Wunderbare  hingewiesen,  welches 
die  Sage  au  die  Erscheinungen  des  Thierlebens  knüpfte. 

Beispiele  hiefür  sind  ein  Defcnsorium  beatae  Virginia 
in  der  Gothaer  Bibliothek  ')  und  die  Darstellungen  im  Kreuz- 
gange  der  Domkirche  zu  Brixen. 

Dr.  G.  Neider. 

Erklärung  der  Tafel  I. 

«.  Travee  aus  «lein  östlichen  Theile  des  Kreuzganges  mit  der 

Ecksüule. 
h.  Grundriss  desselben, 
e.   Grundriss  der  Kirche. 

d.  Grundriss  des  Kreuzhanges. 

e.  Grundriss  des  Capitelhauses 

f.  mit  der  Josepliicapelle, 

g.  Grösserer  Kirchenpfeiler. 
/(.  Kleinerer  Kireheiipleiler. 
i.  Sockel  des  Letzteren. 

k.  Profil  der  Gewölberippen  der  Kirche. 
i\  Profil  der  ßingangsthür  in  das  Capitelhajus. 
m.  Profil  der  Gurtträger  im  Kreuzgange. 
n.  Profil  der  Gewölberippep  im  Kreuzgange. 


Ausgrabungen  antiker  Gegenstände  a  o.  Wienerberge. 

Besprochen  von  Joseph  Arnelh. 

Im  Jahre  1841   entdeckte  Herr  Alois  Miesbach  in 


seiner  grossartigen  Ziegelei  auf  dem  Wienerberge,  aus  der 

jährlich  60,000.000  Ziegel  hervorgehen,  sehr  merkwürdige 
römische  Meilensteine.  Es  ist  bekannt,  dass  die  Römer 
durch  das  ganze  Gebiet  ihres  Weltreichs  überall  an  den 
Strassen  desselben  Steine  setzten,  worauf  die  Bezeichnung 
der  Entfernungen  von  den  grösseren  Orten  angegeben  war. 
Vor  der  Auffindung  dieser  Steine  war  nur  einer  bekannt, 
welcher  den  Namen  VINDol a  an  sich  trug,  der  aber  unge- 
achtet aller  darauf  verwendeten  Mühe  nicht  mehr  aufzufinden 

war.   Die  mit  dem  Namen  VINDobona  bezeichnet   gewesenen 

Meilensteine  vom  Wienerberge  waren  folgende: 

1.  Von  Antoninus  Pius  aus  dem  Jahre  143  nach  Christi; 
2.  von  Septimius  Severus,  worauf  jedoch  der  .Name  Vindo- 

1 a  nicht  mehr  vorhanden;  —  3.  von  Trajanus  Decius  aus 

dem  Jahre  249;  -  4.  vom  Sohne  des  Gallienus.  Licinius 
Cornelius  Valerianus  aus  dem  Jahre  2ü3;  dann  endlich 
.'>.  von  beiden  Licinius,  Vater  undSohn,  aus  der  Zeit  307  — 
323  nach  Christi  Geburt.  Sie  rührten  also  aus  der  Periode 
vom  Jahre  143  323  nach  Christi  Geburl  her,  und  es  ist 
sehr  wahrscheinlich,  dass  alle  in  der  Nähe  der  Steine  gefun- 
denen Gegenstände,  welche  nichl  ein  anderes  näheres  Zeit- 


bestimmungszeichen an  sieh  tragen,  dieser  Periode  ange- 
hören. Sowohl  die  (dien  erwähnten,  von  Herrn  Alois  Mies- 
bach dem  k.  k.  Münz-  und  Anliken-Cabinetle  mit  grosster 
Bereitwilligkeit  überbrachten  Meilensteine  wie  der  bei  St. 
Marx  angeblich  entdeckte,  aber  nicht  mehr  aufzufindende 
Meilenstein  bewiesen  den  Ort,  WO  die  römische  Strasse  vmi 
Vindobona  bis  Aquae  Pannoniae,  oder  von  Wien  nach  Baden 
geführt  hat.  Ebenso  bezeichneten  die  von  Herrn  Dreher 
in  Klein  -  Schwechat  ausgegrabenen  Meilensteine,  welche 
den  bis  dahin  auf  Meilensteinen  völlig  unbekannten  Namen 
KARnuntum  aufwiesen,  den  römischen  Strassenzug  von 
Vindobona  nach  Karnuntum,  oder  von  Wien  nach  Petronell. 
Ich  habe  an  anderen  Orten  diese  Gegenstände  weitläufiger 
beschrieben.  =) 


i)  Jakob« I  Ukert:  Beitraget,  113.    Vus  diesem  führen  wir  einige  dieser 

Deutungen  nul  die  Empfängnis*  Mariens  an.   Von  dem  Löwen  luisst  es: 

.,  Leo    ''    I  Ug  il  U    proleS    slj  seil  Bre   \  :ilrl. 

Cur  i  ii.mii  h    i'n  itu  vii  | genei  aret." 

I  ml  \ Irin  Pelikane 

„Pellicanus  si  sanguine  animare  fetus  claret, 
i  m  Christum  pure,  es  sanguine  %  i  ■  l-  .  •  non  generaret.11 
'I  Arneth,  Römische  Meilensteine.   Wien  1843. 


—     9 


Unweit  des  Ortes  nun,  an  welchem  im  Jahre  1841  die 
Meilensteine  am  Wienerberge  gefunden  wurden,  entdeckten 
am  7.  April  d.  J.  Arbeitsleute  des  Herrn  Alois  Miesbach  bei 
200  Klafter  gegen  Westen  an  der  von  Wien  nach  Neustadt 
führenden  Commercial-Strasse ,  und  an  250  Klafter  vom 
Liesinger-Bache  gegen  die  Stadt  Wien  zu  entfernt,  in  einer 
Tiefe  von  2  Fuss  ein  Grab,  welches  aus  früher  an  anderen 
Orten  verwendeten  Sandsteinen  zusammengesetzt  war.  Das- 
selbe ist  1  Klafter  lang,  2  Schuh  breit,  18  Zoll  tief;  in  ihm 
lag  ein  weibliches  Skelet. 

Der  von  diesen  Steinen  zusammengestellte  Sarg,  dessen 
Deckel  aus  einem  gesimsartig  zugehauenen  Steine  bestand, 
war  mit  Erde  vollkommen  angefüllt,  die  Gebeine  sehr  zer- 
brechlich und  meistentheils  aus  ihrer  ursprünglichen  Lage 
gerückt;  in  der  Fussgegend  lag  ein  zerbrochener  Teller, 
auf  der  Kopfseite  eine  kleine  gut  erhaltene  Schale,  zwischen 
den  Brustknochen  eine  Fibula  von  Bronze  4  Zoll  lang,  2  Zoll 
3  Linien  breit,  der  Bogen  1  Zoll  2  Linien  hoch,  und  zwischen 
den  Fingerknochen  ein  sehr  kleiner  Bing  von  Bronze.  Bei- 
läufig in  der  Mitte  des  Grabes  befand  sich  eine  kleine  Schnalle 
und  das  Bruchstück  einer  Schnalle  von  Eisen. 

Die  Fibula  ist  auch  darum  merkwürdig,  weil  im  Jahre 
1824  gelegentlich  der  Erweiterung  der  kaiserlichen  Gruft 
bei  den  Kapuzinern  in  einem  ähnlichen,  aber  von  Ziegeln 
umgebenen  Grabe  eine  gleichartige  Fibula  gefunden  wurde, 
die  also  beide  aus  gleicher  Werkstätte  hervorgegangen  zu  sein 
scheinen.  Die  Ziegel,  welche  das  Grab  bei  den  Kapuzinern 
bildeten,  rühren  von  der  X.  und  der  XIII.  Legion  u.z.  von  einer 
Cohorte  Bogenschützen  her,  welche  ihre  Stämpel  darauf 
gedrückt  haben.  Da  eineMünzeHadrians  dabei  gefunden  wurde, 
so  sind  diese  Gräber  auf  jeden  Fall  aus  der  Zeit  nach  Trajan. 

Dier  Gebeine  im  Grabe  am  Wienerberge  waren  völlig 
morsch  und  zerfallen  ;  aus  ihrer  Kleinheit,  aus  der  Formation 
ihrer  Schenkelknochen  und  dem  geringen  Durchmesser  des 
fiinges  dürfte  der  Schluss  gezogen  werden,  dass  das  aufge- 
fundene Skelet  ein  weibliches  war. 

Dieser  Fund  und  seine  Objecte  sind  an  und  für  sich 
nicht  sehr  erheblich,  sie  werden  nur  merkwürdig  durch  den 


Ort  der  Auffindung,  wodurch  es  wahrscheinlich  wird,  dass  die 
Person,  deren  Gebeine  aufgefunden  wurden,  etwa  gegen  das 
Ende  der  Periode,  aus  welcher  die  Meilensteine  herrühren, 
d.  h.  aus  der  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  unserer  Zeit- 
rechnung daselbst  begraben  worden  sei. 

Es  war  auch  diese  Zeit  eine  Zeit  des  Kampfes  in  ( tster- 
reich,  eines  Kampfes  unter  einem  der  ausgezeichnetsten  der 
romischen  Imperatoren,  des  Decius  Trajanus,  der  durch 
Annahme  des  Beinamens  bewies,  dass  er  sich  den  vielleicht 
vorzüglichsten  derselben,  den  grossen  Trajanus,  zum  Vorbilde 
gesetzt  habe.  Dieser  Kampf  wurde  geführt,  um  das  römische 
Beich  vor  dem  Übergänge  der  barbarischen  Völker  über  die 
Donau  zu  bewahren,  und  so  die  damals  so  sehr  bedrohten 
Gränzen  des  römischen  Beiches  zu  schützen. 

Aus  den  neu  entdeckten  Gräbern  an  der  Strasse 
zwischen  Vindobona  und  Aquae  Pannoniae  geht  wohl  auch 
der  Schluss  von  selbst  hervor,  dass  die  Römer,  die  in  ihren 
Municipien  und  Colonien  so  viel  Wichtiges  ihrer  Weltstadt 
nachahmten,  auch  in  denselben  den  Gebrauch  annahmen, 
ihre  Todten  längs  der  Strassen  zur  Erde  zu  bestatten,  wie 
diess  die  Auffindung  so  vieler  Gräber  und  der  dieselben 
schmückenden  Monumente  an  der  Via  Appia,  das  Grabmal 
der  Canilia  Metella,  Claudia  Semne.  der  Scipionen  u.  s.  f.  und 
die  Gräber-Strasse  in  Pompeji  u.  a.  m.  darthun. 

Im  künftigen  Jahre  wird  in  der  Richtung  der  ange- 
zeigten Strasse  zwischen  Vindobona  und  Aquae  Pannoniae 
weiter  gegraben.  Herr  Alois  Miesbach  gab  seinen  Leuten 
den  Auftrag,  sorgfältig  auf  die  etwa  ausgegrabenen  Gegen- 
stände Acht  zu  haben ,  und  so  könnte  es  geschehen,  dass 
auf  dem  sonnigen  südlichen  Abhänge  des  Wienerberges 
mehrfache  Spuren  aufgefunden  werden,  dass  die  Römer,  um 
ihren  Landstrassen  ein  freundliches  und  zugleich  ernstes 
Aussehen  zu  geben,  an  dieselben  häufig  nicht  bloss  Triumph- 
bögen und  Tempel,  sondern  auch,  um  das  Andenken  der 
Verstorbenen  frisch  zu  erhalten,  sowohl  das  prächtige  Grab- 
mal des  Reichen,  wie  den  einfachen  Grabstein  des  Armen 
setzten. 


Die  römische  Wasserleitung  auf  der  Schiffswerft-Insel  in  Altofen. 


Auf  das  Vorhandensein  bedeutender  Überreste  römischer 
Bauwerke  in  und  um  Altofen  wurde  schon  von  verschie- 
denen Seiten  hingewiesen,  und  man  unterliess  auch  nicht 
einzelne  Ausgrabungen  anzustellen,  um  den  Umfang,  die 
Bedeutung  und  vor  Allem  den  wirklichen  Bestand  einer 
römischen  Stadt  daselbst  zu  constatiren.  Die  erste  wichtige 
Ausgrabung  fällt  in  die  Zeit  der  Kaiserin  Maria  Theresia, 
wo  die  Begierung  durch  Professor  St.  S  ehönw isner  >) 
das  römische  Bad  am  Florians-Platze  in  Altofen  aufdecken 


*)  Demselben  Gelehrten  verdanken   wir  das   interessante  Werk:  De 
ribus  Laconici  Celdariique  Romani.  Budae  1778. 


rüde- 


liess,  und  bald  darauf  ein  römischer  Sarkophag  gefunden 
wurde.  Im  Jahre  1802  entdeckte  man  ein  römisches  Grab- 
mal, und  mehrere  Jahre  später  einen  Opferaltar  Neptuns. 
Nach  einem  zweiten  römischen  Bade  wurden  im  Jahre  1822 
Nachgrabungen  angestellt.  In  letzterer  Periode  entwickelte 
sich  überhaupt  für  Forschungen  auf  diesem  Gebiete  wieder 
ein  lebhaftes  Interesse  und  insbesondere  der  Schriftsteller 
Fr.  S chams1)  gab  über  das  römische  Aquinta  sehr  wich- 
tige Aufklärungen.  So  lieferte  er  nähere  Anhaltspunkte  über 


J)  Vollständige  Beschreibung    der    k.   freien    Hauptstadt    Ofen    in   Ungern. 
Ölen   1822,  S.  0+7— 669. 


10  — 


den  factischen  Bestand  eines  römischen  Amphitheaters,  Qher 
die  Ruinen  einer  römischen  Wasserleitung  in  der  Nähe  von 
Altofen,  und  versuchte  den  Umfang  der  nicht  unbedeutenden 
Römerstadt  zu  bestimmen. 

Im  Jahre  1  S.*;a  wurde  die  k.  k.Central-Commissionvon 
dem  sehr  verdienstvollen  und  an  den  Altertumsforschungen 
sich  lebhaft  betheiligenden  k.  k.  Baudirector  in  Ofen  Herrn 
Men  apa  c  e  neuerdings  auf  die  Überreste  der  römischen  Stadt 
Amanta  aufmerksam  gemacht,  und  von  diesem  eine  bis  jetzt 
fehlende  vollständige  Aufnahme  der  vorhandenen  Denkmale, 
dann  die  Anlage  eine-  genauen  Situationsplanesund  die  Anord- 
nung neuer  Ausgrabungen  auf  der  Donau-Insel  beantragt. 

Aus  den  zugleich  vorgelegten  Notizen  des  Oberinge- 
nieurs Reitt er  war  übrigens  zu  entnehmen,  dass  das  Merk- 
würdigste die  Bruchstücke  eines  theils  oberirdischen,  theils 
unterirdischen  Aquäductes  seien,  welcher  von  der  stärksten, 
nächst  des  Pulver-Stampfmühle  befindlichen  Schwefels  asser- 
quelle  bis  in  die  Schiffswerft-Insel  führt.  Die  Spuren  des 
oberirdischen  Aquäductes  bestehen  aus  einzelnen,  mitunter 
2  Klafter  hohen,  ganz  mit  Schwefelkies  bedeckten  Pfeilern. 
Die  unterirdische  Wasserleitung,  ausserhalb  Altofen  bei 
300"  vom  Donau-Ufer  beginnend,  ist  10  bis  20  Klafter  breit 
und  bei  öO  bis  60  Klafter  schliefbar,  wo  sie  sich  dann  in 
verschiedenen  Richtungen  mit  geringerer  Breite  fortsetzt. 
Im  Alignement  der  Hauptrichtung  wurde  auf  der  Schiffs- 
werft-Insel unter  den  beiden  Altofner  Donau-Ufern  ein 
ebenso  construirterGang  entdeckt.  Auch  stiessman  auf  dieser 
Insel  auf  Gebäude-Überreste  und  unterirdisches  Mauerwerk, 
welches  stellenweise  nur  1  bis  2  Fuss  mit  Erde  bedeckt 
ist.  _  Die  Ziegel,  aus  welchen  die  Bauten  hergestellt 
wurden,  sind  durebgehends  sehr  tleissig  gearbeitet,  22  Zoll 
lang,  11  Zoll  breit  und  l1/,  Zoll  dick.  Sic  haben  auf  der 
einen  Seite  die  Aufschrift:  „Hadrian",  auf  der  andern 
„Cohors  V."  Besonders  interessant  sind  die  mit  Flanellen 
versehenen  Röhren-Ziegel  von  viereckigem  Querschnitte 
und  aus  dem  feinsten  Töpferlehm  angefertigt. 

Was  die  Constructionder  obenerwähnten  1 0 bis  15  Fuss 
überdeckten  oberirdischen  Wasserleitung  betrifft,  so  besteht 


dieselbe  aus  kleinen  bei  1(1  Zoll  dicken  und  3  Fuss  buch  und 
rund  gearbeiteten  Sandsteinsaulchen,  welche,  bei  :!  Fuss  von 
einander  entfernt,  durebgehends  mit  Sandsteinplatten  über- 
deckt sind.  Das  Fundament  ist  aus  grossen  flachen  Ziegeln 
gebildet,  worauf  zwischen  den  Sauleu  3  einzöllige  Schichten 
lagern.  Die  unterste  zunächst  den  Ziegeln  besteht  aus  gelbem 
Thon,  die  zweite  aus  blauem,  und  die  oberste  ist  ein  Cement- 
guss  aus  Ziegelmehl  und  mit  Steingries  vermengt.  Bemer- 
kens« erth  ist  übrigens  sowohl  die  Fussbodenhöhe  der  ent- 
deckten Gebäude  als  auch  die  Decke  dieser  Wasserleitung, 
welche  unter  dein  kleinsten  gegenwärtigen  Douauwasser 
liegen  und  woraus  hervorgeht,  dass  entweder  das  Bett  des 
Stromes  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte  sehr  bedeutend 
erhöht  hat,  oder  dass  zur  Zeit  des  Bestandes  der  Wasser- 
leitung der  Fluss    ein  anderes  Bett  besass. 

Nachdem  nun  die  k.  k.  Central-Commission  im  J,  1853 
auch  in  Erfahrung  brachte,  dass  durch  diebevorstehenden 
Ballführungen  der  Donau-Dampfschifffahrt  die  erwähnten 
Überreste  dieser  grossen  weitverzweigten  römischen  Wasser- 
leitung einer  unvermeidlichen  Beschädigune  entgegengehen, 
so  unterliess  sie  nicht,  auf  Grund  des  von  dem  Herrn  Bau- 
director Menapace  gestellten  Antrages,  sich  bei  dem  Herrn 
Randeisminister  für  die  ungesäumte  Aufnahme  der  römischen 
Überreste  auf  der  Donau-Insel  bei  Altofen  zu  verwenden, 
welcher  auch  die  hierauf  bezügliche  Weisung  an  die  Statt- 
halterei-Abtheilung  in  Ofen  erliess. 

In  neuester  Zeit  und  zwar  im  October  d.  J.  hat  sich 
auf  Anregung  des  k.  k.  Conservators ,  Herrn  Dr.  Haas,  das 
k.  k.  Civil-  und  Militär-Gouvernement  in  Ungern  an  die 
Administration  der  Donau  -  Dampfschifffahrts  -  Gesellschaft 
gewendet,  um  diese  zu  veranlassen,  die  erwähnten  römischen 
B;'ider  durch  eine  wasserdichte  Erneuerung  der  Steinverbin- 
dung, sowie  durch  eine  Umfangsmauer  und  eine  Bedachung 
vor  der  Verwitterung  wenigstens  in  der  Weise  zu  sichern,  w  ie 
solches  bei  dem  Rypocaustum  am  Floriansplatze  in  Altofen 
der  Fall  ist,  und  die  gedachte  Administration  bai  bereit- 
willigst die  unverweilte  Vornahme  dieser  Erhaltungsvor- 
kehrung angeordnet. 


Restaurationen. 

Seitdem  die  kaiserliehe  Regierung  die  ObsorgS    für  die  Aus  den    nun    vorliegenden    Berichten   über  die    In    den 

Erhaltung  der  historischen  Baudenkmale  Österreichs  einer      Jahren     I8S3    und    18S4    vorgekoi neu   Restauratioi 

besonderen  liiezu  bestimmten  Central-Commission  überwies,  wollen  wir  eine  Übersicht  der  in  dieser  Richtung  zurKennt- 

wurde  auch  den  Restaurationen  eine  erhöhte  Auf rksamkeit  niss  der  k.  k.  Central-Commission  gelangten  Leistungen  ver- 

zueewendet.   In  dem  Interesse  dieser  Commission  lag  es  zu-  öffentlichen,  und  haben  nur  zu  bemerken,  dass  diese  (her- 

nächst,  sich  in  dieser  Beziehung  über  den  Umfang  der  von  den  sieht    wegen  mehreren  noch  rückständigen  Berichten    auf 

einschlägigen  Organen  der  kaiserlichen  Regierung  entM  ickel-      Vollständigkeit  keinen  Anspruch  zu  machen  vermag. I  auch 

ten  Thätigkeif  überhaupt,   sowie   von  Fall  zu  Fall  über  die  jede  Erörterung  über  die  Durchführung   der  Restaurationen 

Nothw  endigkeil  und  die  Art  und  Weise  der  Restauration  eines  ausgeschlossen  bleiben  soll. 

Kunstdenkmales  die    entsprechende   I  berzeugung  zu   ver-  Wir  beginnen  in  diesem  Hefte  mit  einem  der  am  reich- 
schaffen,   und  eine  Übersicht   der   in  einzelnen  kronlämleni  -len  dolirten  Baubezirke .  und  zwar  mit  dem  von 
vorgenommenen  Restaurationen  zu  ermitteln. 


I.  Venedig. 

Hierüber  entnehmen  wir  einem  tabellarischen  Ausweise 
des  Herrn  Baudirectors R o g g i a  in  Venedig  folgende  Daten: 

AufS  taa  ts  kos  ten  wurden  in  den  Jahren  1853 — -1854 
in  Venedig  selbst  restaürirt: 

1.  Die  Patriarchal-Kirehe  von  S.  Marco, 
ein  Werk  byzantinischen  Styles,  welches  von 
mehreren  Architekten  erbaut,  im  Jahre  976  ange- 
fangen und  im  Jahre  1071  vollendet  wurde,  mit 

dem  Betrage  von 14.540  fl. 

Die  Verbesserungen  bestehen  in  der  Becon- 
struetion  und  der  Eindeckung  jenes  Theiles  der 
Wölbung  mit  Kupferplatten,  an  welcher  sich  die 
Mosaikdarstellungen  der  Apokalypse  befinden. 

2.  Der  Dogen -Palast,    ein  Werk    des 

XIV.  Jahrhunderts,  welches  gleichfalls  von  meh- 
reren Architekten,  darunter  von  Filippo  Calen- 

dario  erbaut  wurde,  mit 22.000  fl. 

wobei  die  Bestaurirung  des  Daches  über  dem 
Bathssaale  (sal  del  consiglio)  6600  fl.,  äussere 
Verzierungen  13.000  fl.  und  verschiedene  drin- 
gende Arbeiten  im  Innern  2400  fl.  betrugen. 

3.  Die  alte  Bibliothek  am  Marcusplatze 
neben  den  neuen  Prueuratien,  im  XVI.  Jahrhun- 
derte von  Sansovino  und  Scamozzi  im  spä- 
teren Benaissance-Style  erbaut  und  gegenwärtig 

zur  kaiserlichen  Besidenz  bestimmt,  mit    .    .    .      6.700  11. 

4.  Die  Kirche  des  h.  Erlösers  im  Benais- 
sance-Style am  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  von 

Ant.  P  a  1 1  a  d  i  o  auf  der  Insel  Giudecca  erbaut,  mit  1 4.980  fl. 
Bestauration    der    Kuppel    und    Eindeckung  mit 
Kupferplatten. 

5.  Die  Kirche  von  S.  GiorgioMaggior  e, 
ebenfalls  auf  der  Insel  Giudecca  im  Benaissance- 
Style  von  P  a  1 1  a  d  i  o  im  XVI.  Jahrhunderte  ange- 
fangen und  von  Vincenz  Scamozzi  zu  Anfang 

des  XVII.  Jahrhunderts  vollendet,  mit    ....  21011. 

6.  Die  Kirche  S.  Giovanni  e  Paolo,  im 
gothischen  Style  des  XIII.  und  XV.  Jahrhunderts 

von  einem  unbekannten  Architekten  erbaut,  mit  .  25.800  tl. 
darunter  verschiedene  Restaurationen  im  Innern, 
an  der  Kuppel  und  am  Dache. 

7.  Die  Kirche  Sta.  Maria  Glori  o  sa  dei 
Frari,  im  gothischen  Style  des  XIII.  Jahrhun- 
derts von  Nicolo  Pisa  ni  erbaut,    mit     ....         200  fl. 

8.  Die  Kirche  des  h.  Stephan,  im  gothi- 
schen Style  des  XV.  Jahrhunderts  von  einem  bis 

jetzt  unbekannten  Architekten  erbaut,  mit .    .    .      3.340  11. 
allgemeine  Bestauration  des  Daches  und  der  Decke 
über  dem  Hauptschiffe. 

9.  Die  Kirche  des  h.  Zacharias,  erbaut  im 

XV.  Jahrhunderte  von  einem  bisher  unbekannten 
Architekten,  mit 200  fl. 


10.  Die  Kirche  von  Sta.  Maria  di  Nazaret 
degli  Scalzi,  im  XVII.  Jahrhunderte  von  dem 
Architekten  Ba  Idas  sare  Longhena  und  G  iu- 

sepp  e  Sa'rdi  erbaut,  mit 25.140(1. 

darunter     die     Bestauration     der     Facade     mit 
22.410  fl. 

11.  Die  Kirche  von  Sta.  Maria  Assuuta, 
im  byzantinischen  Style  von  einem  unbekannten 
Architekten  des  XI.  Jahrhunderts  erbaut,  mit    .       1.400  tl. 

12.  Die  Kirche derSanta  Fosca,  im  byzan- 
tinischen Style  von  einem  unbekannten  Archi- 
tekten des  XI.  Jahrhunderts  erbaut,  mit     .    .    .  930  fl. 

13.  Der  Palast  Com  er,  der  Sitz  der  frühe- 
ren Provincial-Delegation,  im  XVI.  Jahrhunderte 
von  dem  Architekten  Jakob  Sansovino  im 
Benaissance-Style  erbaut,  mit 1.500  fl. 

14.  11  Fond  aco  tedesco (Niederlage  der 
deutschen  Kaufleute),  gegenwärtig  der  Sitz  der 
Finanz-  und  einiger  anderen  Behörden,  im 
XVI.  Jahrhunderte  von  Fra  Giocondo  im  so- 
genannten lombardischen  Style  erbaut,  mit    .    .       1.270  fl. 

In  l'adua  wurden  auf  Staatskosten  restaü- 
rirt: Die  Universität,  erbaut  im  Benaissance-Style 
von  dem  Architekten  Sansovino.  nach  Anderen 
von  P  a  1 1  a  d  i  o  und  zwar  im  XV.  Jahrhunderte,  mit 
dem  Betrage  von 12.650  tl. 

InTrevisodie  Kirche  St.  Nicolo,  erbaut 
im  gothischen  Style  des  XIV.  Jahrhunderts,  mit  .  11.850  fl. 
Bestauration  im  Innern  und  Erhöhung  des  Haupt- 
schiffes. 

DieGesammtsumme  der  auf  Staatskosten  in  den  genann- 
ten Jahren  unternommenen  Restaurationsarbeiten  in  Venedig, 
Padua  und  Treviso  betrug  142.910 fl. 

Auf  Kosten  des  Kronlandes  wurden  in  den  Jahren 
1853  und  1854  restaürirt: 

In  Padua  1.  Eine  Reiterstatue  in  Bronze 
mit  steinernem  l'iedestal,  ein  Werk  des  Donato 
Fio  renl  in  o  im  XV.  Jahrhunderte  ausgeführt,  mit        250  fl. 

2.  L'arco  Valaresso,  erbaut  im  soge- 
nannten lombardischen  Style  des  XVII.  Jahrhun- 
derts von  J.  della  Scala,  mit    1.800  fl. 

3.  Das  Umfassungsgeländer  der  Pia/,  zetta 
delle  Statue,  ein  Werk  des  Will.  Jahrhun- 
derts, mit 7.500  tl. 

In  Vicenza  der  Pälazzo  Chiericato, 
gegenwärtig  das  Municipalgebäude  und  Museum, 
erbaut  im  Renaissance-Style des  XVI.Jahrhunderts 
von  A.  Palladio,  mit 5.580  fl. 

In  Treviso  das  akademische  Theater, 
erbaut  im  XVIII.  Jahrhunderte  von  Francesco 

Maria  Prati,  mit 5.000  fl. 

Bestauration  des  grossen  Saales  und  Erbauung 
eines  neuen  Vestibüls. 


12  — 


I ii  Udine:  1.  Die  HaHen  von  San  Gio- 
v  a  ii  11  i ,  erbaut  im  XVI.  Jahrhunderte  von  J.  S  a  n- 
s  (i  v  i  n  o  ,  mit 


2.  Die  Loggia  communale,  erbaut  im  gothi- 
schen  Style,  mit 

3.  DerThurm  derChiesa  di  Castello, 
ein  Werk  des  XVI.  Jahrhunderts,  mit  .... 
Endlich  4.  wurde  der  städtische  Friedhuf,  erbaut 


imXlX.  Jahrhunderte  von  Valentin  Cresa  u  i ,  ver- 

grössert  und  hierauf  die  Summe  von 4.000  Q. 

3.000  Q.      verwendet. 

Die  nebstbei  auf  Prouncialkosten  ausgeführten  Hestau- 
700  fl.      rationen  beliefen  sieh  auf  31.830  tl. 

Die  Gesammtsumme  aller  Restaurationen  in  dem  Kron- 
4.000  fl.      lande  Venedig  betrug  somit  in  den  genannten  zwei  Jahren 
174.740  tl. 


Notizen. 


1.  (Zwei  Fürstengräber  im  St.  Stephans- 
dome in  Wien.)  Der  Geschichtsforscher  J.  Feil  halte 
schon  in  seinen  „Kritischen  Beiträgen"  zur  Geschichte  und 
Beschreibung- dieses  Domes  •)  bei  Ermittelung  der  ältesten 
in  Wien  erhaltenen  Fürstengräber,  nachdem  er  mit  überzeu- 
genden Gründen  nachgewiesen,  dass  das  Grabmal  im  soge- 
nannten Speisechore  nicht  dem  ersten  Stifter  Herzoge  Ru- 
dolf IV..  sondern  seinem  Bruder,  Herzoge  Albrecht  HI. 
(f  1393)  angehöre,  auf  die  Beschädigungen  hingewiesen, 
«riebe  dasselbe  seit  kaum  einem  Jahrhunderte  erlitten. 
Während  die  Randseiten  mit  der  Schrift  dein  Säulenträger 
eines  darüber  gebauten  Betchors  zur  Unterlage  dienen  und 
die  nach  den  älteren  Abbildungen  in  dem  Räume  zwischen 
den  Füssen  des  Fürstenpaares  befindlich  gewesene  Kirche, 
dann  der  Helm  mit  Pfauenfedern  zwischen  seinen  Häuptern, 
sowie  die  Mönche  aus  den  Nischen  ganz  verschwunden  sind, 
wurden  auf  dem  Sargcckel  auch  noch  eiserne  Kloben  ange- 
nietet, in  welche  die  Stangen  des  fast  täglich  in  Gebrauch 
kommenden  sogenannten  Speisehimmels  und  der  zwei  zuge- 
hörigen Fähnchen  eingestellt  werden. 

Sowohl  auf  diese  noch  im  Jahre  1834  fortbestandenen 
Thatsachen  als  auch  auf  den  Umstand,  dass  das  kunstge- 
schichtliche Grabdenkmal  Friedrich  IV.  im  Passionschor 
dein  alle  Jahre  ZU  Ostern  aufgerichteten  heiligen  Grabe 
gleichfalls  zur  Unterlage  dient,  und  dadurch  das  feine  Zier- 
werk dieses  Monumentes  von  Jahr  zu  Jahr  immer  grös- 
seren Schallen  erleidet,  machte  der  Conservator  von  Wien, 
Herr  A.  Camesina,  die  k.  k.  Central-Commission  neuer- 
dings mil  dein  Ersuchen  aufmerksam,  sich  dafür  zu  ver- 
w  enden,  dass  bei  dem  Grabmale  des  Herzogs  \  I  brec  ht  III. 
der  Speisehimmel,  und  bei  dem  berühmten  Grabe  des  Her- 
zogs Friedrich  IV.  das  dort  jährlich  aufgerichtete  heilige 
Grab  versetzl  werde.  —  Die  k.  k.  Central-Commission  erach- 
tete es  für  das  Zweckmässigste,  sich  direetan  Seine  Eminenz 
den  HerrnCardinal-ErzbischofvonWien  Bitler  von  Ii  a  u  s  c  b  e  r 
zu  wenden,  um  die  nöthige  Abhilfe  in  dieser  Angelegen- 
heil zu  i-r«  irken.  Mit  grösster  Bereite  illigkeit  verfügte  Seine 
Eminenz,  dass  der  Versehbimmel  bei  dem  Grabmale  des 
Herzogs   Albrecht  III.    alsogleich    entfernt    wurde,    und 


'i  öaterr.  Blätter  f.  Lit.  I  Kunst,  .1   I8U,  S.  1M-1CZ. 


traf  die  Einleitung,  die  Versetzung  des  heiligen  Grabes  bei 
dem  Denkmale  Friedrich'sIV.  im  commissionellen  Wege 
auszumitteln. 

2.  (Flügelaltar  zuH eilig en-BlutV.O.M.B.inNie- 

derösterreich.)  Dieser  Altar  befindet sich  gegenwärtig  in  einer 
an  der  linken  Seite  des  Presbyteriiinis  befindlichen  Nische, 
beiläufig  9  Fuss  über  dem  Fussboden.  Seine  Höhe  beträgt 
12Fuss  8  Zoll.  Die  Anordnung  der  Theile  desselben  ist  die 
bei  Flügelaltären  gewöhnliche,  nämlich  ein  Mittelschrein 
mit  zwei  Flügeln  und  dem  Pred  eil.  Er  st  er  er  zeigt 
unter  einem  reich  geschnitzten  Baldachine  in  der  Mitte  die 
heil.  Maria  mit  dem  Kinde,  links  einen  Heiligen  mit  einem 
Baumstamm,  rechts  den  heil.  Johannes  den  Täufer.  Diese 
Figuren  sind,  was  ihren  Kunstcharakter  betrifft,  jenen  des 
Mittelschreines  des  Flügelaltares  zu  Maria  Laach  sehr  ähn- 
lich, ja  bei  der  heil.  Maria  treffen  wir  sogar  eine  nicht  zu 
verkennende  Ähnlichkeit  mit  der  thonenden  Himmelskönigin 
zu  Maria  Laach.  Jeder  Flügel  ist  der  Quere  nach  in  zwei 
Abtheilungen  gebracht,  deren  jede  mit  kleinen  Baldachinen 
geschmückt  ist.  Die  Gemälde  dieser  Flügel  zeigen,  und 
zwar  auf  der  Innenseite:  1.  Maria  Verkündigung,  2.  Ge- 
hurt Christi,  3.  Anbetung  der  heil,  drei  Könige,  4.  die 
Darbringung  im  Tempel;  an  den  Aussenseiten  der 
Flügel:  1.  Christus  auf  dem  Ölberge,  2.  die  Gefangenneh- 
mung Christi.  Im  Hintergrunde  dieses  Gemäldes  erblickt 
man  eine   flatternde   Fahne   mil    dem    kaiserlichen    Adler  auf 

Goldgrund,  '.'>.  die  Kreuztragung  Christi,  ebenfalls  mit  einer 
Fahne,  welche  drei  Kronen  auf  Goldgrund  zeigt,  4.  Christus 

am  Kreuze,  zu  Füssen  Mari; I  Johannes. 

Der  über  dem  Altarkasten  gewöhnliche  Aufbau  fehlt 
unserem  Flügelaltare.  Man  sieht  nur  einen  Aufsatz.,  auf  wel- 
chem rechts  die  heil.  Maria,  links  der  heil.  Johannes  in  run- 
den Figuren  angebracht  sind.  Die  Mittelfigur  (wahrschein- 
lich Christus  am  Kreuze)  fehlt.  Noch  sind  die  Predell- 
bilder zu  erwähnen.  In  der  Mitte  erblicken  wir  Christus 
die  Dornenkrone  auf  das  Haupl  gedrückt,  das  Blut  aus  der 
Seitenwunde  fliessend,  links  Maria  und  die  heil.  Magdalena 
ein  Gefäss  öffnend,  rechts  die  heil.  Johannes  und  Andreas. 

Ill  den  beiden  Ecken  des  IVedells  ist  ein  viergetheiltes 
Wapenschild     angebracht,     und    zwar    sehen    wir    in    zwei 


13  — 


Feldern  den  rothen  Panther  im  weissen  Felde,  im  dritten  eine 
Burg  mit  gelben  Zinnen  auf  schwarzem  Felde,  im  vierten 
einen  gelben  Stern  auf  schwarzem  Felde.  Die  Zeit  der 
Anfertigung  dieses  Altars  dürfte  gegen  das  Ende  des 
XV.  Jahrhunderts  zu  setzen  sein.  Die  architektonischen 
Verzierungen,  welche  am  meisten  gelitten  haben,  zeigen 
durchweg  schon  die  Überfülle  und  die  Regellosigkeit  des 
ausgearteten  gothischen  Styles,  die  Gemälde  hingegen  die 
Tüchtigkeit  einer  handwerksmäßigen  Kunstübung ;  sie  sind 
in  manchen  Einzelheiten  sogar  nicht  ohne  Reiz  und  Empfin- 
dung. Zu  wünschen  wäre,  dass  diesem  bis  nun  wenig  beach- 
teten  Kunstwerke  die  ihm  gebührende  Aufmerksamkeit  zuge- 
wendet würde.  Seine  Wiederherstellung  wäre  mit  nicht 
sehr  bedeutenden  Auslagen  verbunden. 

(Vergleiche  über  diesen  Flügelaltar:  Tschischka,  Kunst 
und  Alterthum  in  dem  österreichischen  Kaiserstaate.  Wien 
1836,  S.  100.) 

3.  (Aushebung  eines  Denkstein  es  inderk.  k. 
Hofburg  zu  Gratz.)  Als  im  Jahre  1854  der  linke  Seiten- 
flügel der  k.  k.  Hofburg  in  Gratz  wegen  Baufälligkeit  ab- 
getragen wurde,  fand  man,  wie  der  Herr  Conservator 
J.  Sehe  ige  r  berichtet,  an  der  Hofseite  ziemlich  hoch  eine 
Steinplatte  eingemauert,  aus  deren  Inschrift  hervorging,  dass 
Kaiser  Maximilian  im  Jahre  1506  an  dieser  Stelle  die  bei 
Leibnitz  gefundene  Asche  und  Gebeine  eines  Römers  mit 
einem  unversehrten  Glase  und  einer  alten  Münze  beisetzen 
Hess. 

Nachdem  der  Denkstein  mit  aller  Vorsicht  abgenommen 
wurde,  entdeckte  man  hinter  demselben  eine  Höhlung, 
welche  ein  achteckiges  12y2  Zoll  hohes  Gefäss  von  Sand- 
stein, mit  einem  zerbrochenen  Deckel  von  gleichem 
Materiale,  enthielt.  In  demselben  lagen  Bruchstücke  eines 
rund  förmigen  Gefässes  von  grauem,  gebranntem  Thon, 
mit  einem  länglichen  von  Feuchtigkeit  beinahe  gänzlich 
angegriffenen  Papierblatte,  worauf  zu  lesen  war,  dass  „eine 
Gesellschaft,  worunter  mehrere  Hofbediente,  namentlich 
der  Gärtner  Wolfgang ,  der  Büchsenmeister  Praunauer  u.  s.  w., 
diesen  Stein  heraufgetragen,  haben;  dass  Hanns  Künne, 
Christoph  von  Ingolstadt,  Kaspar  Palwierer,  Meister  Erhart 
königlicher  Majestät  Arzt,  und  Meister  Hanns  Piflarner,  Stein- 
metz in  Leibnitz,  hiebei  betheiligt  waren,  endlich,  das 
Balthaser  Engentlieh  den  Stein  gehaut,  und  im  Jahre  1506 
eingesetzt  habe". 

Weiters  fand  man  eine  Bronzemünze  erster  Grösse  von 
Antoninus  Pius ,  in  ziemlich  gutem  Zustande,  dann  Bruch- 
stücke von  Menschenknochen  mit  deutlichen  Spuren  des 
Brandes  und  ein  zweites  wohlerhaltenes  Gefäss,  welches 
bezüglich  des  Materiales  und  der  Form  dem  ersterwähnten 
ähnlich  war. 

Auf  Veranlassung  des  Herrn  Conservators  wurden  die 
gefundenen  Gegenstände  in  sorgfältige  Aufbewahrung  über- 
nommen. 


4.  (Pfarrkirche  zu  St.  Ja ak.)  Der  k.  k.  Central- 
Commission  wurde  imJ.  1853  von  einigen  ihrer  Mitglieder  die 
Mittheilung  gemacht,  dass  die  in  hohem  Grade  denkwürdige 
romanische  Kirche  zu  St.  Jaak  mehrfacher  Nachbesserungen, 
insbesondere  aber  einer  neuen  Bedachung  bedürfe ,  wenn 
ihrem  Bestände  nicht  Gefahr  drohen  solle.  Sie  wandte  sich 
desshalb  an  den  Vorstand  der  Statthalterei-Abtheilung  in 
üdenburg  mit  dem  Ersuchen,  den  ämtlichen  Einfluss  auf 
die  Patronatsherrschaft  dieser  Kirche  in  der  Art  ausüben  zu 
wollen,  dass  wenigstens  die  Eindeckung  in  vollkommen  gutem 
Zustande  erhalten,  insoferne  sie  der  Ausbesserung  bedürftig 
ist,  diese  bewerkstelligt,  sowie  überhaupt  nichts  unternom- 
men werde,  wodurch  die  ursprünglichen  Details  dieses  her- 
vorragenden Denkmales  romanischer  Bauweise  beseitigt, 
beschädigt  oder  verändert  werden  möchten. 

Diesem  Ansinnen  wurde  von  der  Patronatsherrschaft 
auch  in  dankenswerther  Weise  entsprochen,  indem  durch  die- 
selbe sowohl  die  Eindachung  als  auch  die  Hersteilung  der 
beschädigt  gewesenen  Bestandteile  dieser  Kirche  und  zwar 
letztere  in  einer  Weise  veranlasst  wurde,  wodurch  der  Cha- 
rakter dieses  Bauwerkes  in  seiner  reellen  Ursprünglichkeit 
erhalten  blieb.  Auch  für  eine  stäte  sorgsame  Überwachung 
dieses  Kunstdenkmales  wurden  von  Seite  der  betreffenden 
Comitatsbehörde  die  nöthigen  Anordnungen  getroffen. 

In  neuester  Zeit  war  die  Pfarrkirche  St.  Jaak  wiederholt 
Gegenstand  besonderer  Aufmerksamkeit  der  Kunstfreunde 
und  veranlasste  auch  die  k.  k.  Central  -  Coinmission  zur 
Aufnahme  der  Kirche,  welche  von  dem  k.  k.  Professor 
v.  Eitelberger  beschrieben  und  kunstgeschiehth'ch  erläu- 
tert in  dem  Jahrbuche  der  k.  k.  Central-Commission  ver- 
öffentlicht werden  wird. 

5.  (Schlossruine  bei  St. Lambr echt.)  Professor 
Tangl  in  Gratz  brachte  im  12.  Bande  des  von  der  kaiseil. 
Akademie  der  .Wissenschaften  herausgegebenen  Archivs  für 
Kunde  österr.  Geschichtsquellen,  historische  Nachrichten  über 
die  Grafen,  Markgrafen  und  Herzoge  von  Eppenstejn,  worin 
unter  Anderm  erwähnt  wird,  dass  gegenwärtig  das  alte 
Herzogsschloss  bei  St.  Lamprecht  bis  auf  den  Thurm  um- 
gebaut werden  solle.  Darauf  aufmerksam  gemacht,  wollte  die 
k.  k.  Central-Commission  die  etwa  vorhandenen  Pläne  dieses 
alten  Schlosses  copiren.  nötigenfalls  berichtigen  und  er- 
gänzen, oder,  wenn  diess  nothwendifr  sein  sollte,  panzneuauf- 

O  '  CT  ' 

nehmen  lassen,  umdieselben  in  ihrem  Archive  zu  hinterlegen. 
Aus  einem  Berichte  des  Herrn  Baudirectors  von  Steiermark 
M.  Kink  stellte  sich  jedoch  heraus,  dass  die  als  „Herzogs- 
schloss" bekannten,  auf  einem  erhöhten  Gebirgsvorsprunge 
in  der  Nähe  des  Stiftsgebäudes  gestandenen  und  schon  seit 
Jahrzehenden  zu  einer  förmlichen  Ruine  herabgekommenen 
Gebäude  mit  Ausnahme  des  sogenannten  Wartthurms  und  der 
ihm  gegenüberstehenden  Schlosscapelle  bereits  ganz  abge- 
tragen und  ihre  Grundflächen  zu  einer  Art  von  Gartenanlage 
umgewandelt  sind.    Der  Thunn  hingegen,  wie  auch  die  im 


—    14 


gothischen  Style  erbaute  Capelle  wurden  in  einen  solchen 
Stand  gesetzt,  dass  deren  Erhaltung  gesichert  erscheint. 
Die  ursprüngliche  Anlage  des  ganzen  Schlossbaues  vor  der 
Zeit  der  Aufhebung  des  Stiftes,  also  vor  1786,  lisstsich  aus 
einem  im  Iiesitze  des  Stiftes  befindlichen  Modelle,  welches 
der  k.  k.  Central-Commission  zur  Besichtigung  übermittelt 
wurde,  ersehen.  Es  zeigt  sich  aus  demselben,  dass  das 
erwähnte  Schloss  nie  ein  einheitliches  Ganzes  aus  einer 
bestimmten  Zeitperiode,  sondern  ein  Complex  verschiedener, 
ZU  verschiedenen  Zeiten  errichteter  Gebäude  war.  deren 
keines  die  Bestimmung  eines  Herzogsschlosses  aufzuweisen 
vermag,  daher  vermuthet  werden  kann,  dass  ein  solches 
unter  dieser  Gruppe  von  Gebäuden  gar  nie  bestanden  habe. 
Aus  diesem  Berichte  stellt  sich  auch  heraus,  dass  die  seit  einer 
Reihe  von  Jahren  dem  gänzlichen  Verfalle  anheimgegebene 
Burgruine  zur  Gewinnung  von  Baumateriale  benutzt  wurde, 
und  dass  die  Erhaltung  des  noch  bestehenden  Thurmes  wie 
der  Burgcapelle  ein  Verdienst  des  gegenwärtigen  Abtes  des 
Stilles  Lambrecht  sei,  welcher  dieselben  zurückkaufte  und 
dadurch  vor  weiterer  Zerstörung  rettete. 

ti.  (Die  drei  Statuen  der  Heiligen  Ignatius, 
L u  i  t  g a  r d  i  s  u  n  d  C  a  j  e  t  a  n  a  u  f  d  e  r  P rager-B  r ü  c  k  e.) 
Von  Seile  des  k.  k.  .Ministeriunis  für  Cultus  und  Unterricht 
wurde  im  Jahre  1854  die  Restaurirung  der  auf  der  steiner- 
nen Brücke  zu  Prag  befindlichen  drei  Statuen  der  Heili- 
gen Ignatius,  Luitga-rdis  un  d  C  a j  e  t  a n  in  Anregung 
gebracht.  Im  über  den  Kunstwerth  oder  die  sonstigen 
Gründe  für  die  Erhaltung,  insbesondere  aber  über  den 
Zustand  derselben  bestimmte  Anhaltspunkte  zu  gewinnen, 
wurde  das  Gutachten  des  Herrn  Conservators  J.  E.  Woeel 
in  Prag  eingeholt,  welches  folgenden  Inhalts  war:  Die  Con- 
ception  der  Bildsäule  des  heil.  Ignatius  mit  den  mannig- 
fachen lebhaft  bewegten  Figurengruppe*  und  Ornamenten 
sei,  wenn  auch  nicht  den  Anforderungen  der  strengen  Kunst- 
kritik entsprechend,  doch  immerhin  bedeutend,  und  gebore 
bezüglich  der  Ausführung  zu  den  vorzüglichsten  Leistungen, 
welche  die  plastische  Kunst  des  Henaissance-Stylos  im  XVIII. 
Jahrhunderte  in  Böhmen  hervorgebracht  habe.  Die  Statue 
wurde  auf  Veranstaltung  des  Neustädter  Jesuiten-Collegiums 

durch   den   Künstler  Job.    Kord.    I'  ro  k  o  ff  angefertigt  und 

im  Jahre  1711  aufgestellt.  Beschädig!  seien  an  der  Haupt- 
figur ein  Pinger  der  rechten  Hand,  an  einer  ornamentalen 
Nebenfigur  ein  Stück  i\rr  Halskrause,  i inem  militäri- 
schen   Embleme    zwei   Pistolensrhäfle    und    der    obere   Rand 

eines  Schildes.  Gleichen  Kunstwerth  besitze  die  Statue 
des  heil.  Luitgardis,  welche  der  Abt  des  Klosters  Plass, 
Eugen  Tyttl,  durch  den  Bildhauer  Mathias  Braun  im 
Jahre  ITI'i  anfertigen  liess.  An  dieser  Gruppe  sei  der 
miniere  Theil  des  linken   \rmes  des  gekreuzigten  Heilands 

und   einem   als  Orm nl  dienenden  Engel  der  Kopf  und 

ein  Theil  der  Brust  ausgebrochen.  —  Mimler  bedeutend  im 
Vergleiche  der  beiden  früher  erwähnten  Statuen  sei  jene 


des  heil.  Cajetan.  welche  auf  Kosten  des  Klosters  der 
Cajetaner  im  Jahre  170!*  aufgestellt  und  gleichfalls  von  dem 
Künstler  J.  E.  Prokoff  hergestellt  worden.  Bei  dieser 
Gruppe  sei  das  Gesicht  des  Heiligen  und  dessen  rechter 
Arm  abgeschlagen  und  ein  Engel  stark  beschädigt.  —  Auf 
Antrag  der  k.  k.  Central  -  Commission  beauftragte  sodann  im 
Jahre  18ö4  das  Ministerium  für  Cultus  und  Unterricht  die 
Statthalterei  in  Böhmen  zur  Restaurirung  der  drei  Statuen. 
und  stellte  die  Übernahme  der  Kosten  auf  den  Studien-  und 
beziehungsweise  auf  den  Religionsfond  in  Aussicht. 

7.  (Pfarrkirche  zu  Leu  tschau  in  Ungern.) 
Durch  das  k.  k.  Ministerium  für  Cultus  und  Unterrichl 
gelaunte  die  k.  k.  Central-Commission  vor  längerer  Zeit  in 
die  Kenntniss,  dass  die  schöne,  im  gothischen  Style  erbaute 
Pfarrkirche  zu  Leutschau  in  Ungern,  wegen  der  sehr  schlech- 
ten Bedachung  und  Ausserachtlassung  jeder  Baureparatur; 
in  einem  baufälligen  Zustande  sich  befindet. 

Im  Interesse  der  Erhaltung  dieses  für  die  mittelalter- 
liebe Baukunst  sehr  beachtenswerthell  Denkmales  war  nun 
die  k.  k.  Central-Commission  bemüht,  im  Wege  des  k.  k. 
Ministeriums  für  Handel,  Gewerbe  und  öffentliche  Bauten 
dahin  zu  wirken,  dass  bei  der  Dringlichkeit  der  vorzuneh- 
menden Bauherstellungen  die  Baugehrechen  von  dem  in 
Leutschau  stationirten  Baubeamten  sogleich  erhoben  und 
die  Stadtgemeinde  ,  als  Patron  dieser  Kirche  ,  durch  die 
betreuende  politische  Behörde  verpflichtet  werde,  die  Restau- 
ration dieser  Kirche  in  kürzester  Zeit  durchzuführen. 

8.  (Über  eine  Monslrau/.e  und  ein  Steinbild 
in  der  Kirche  zu  Jager  he  rg  in  Steyermark.)  Hierüber 
gibt  der  Herr  Conservator  Scheiger  folgende  Erläuterung: 
Das  Gotteshaus,  sowie  der  (tri  Jagerberg  selbst,  auf  einem 
Berge  liegend,  ist  mit  allen  Wehrmauern  umgeben.  Der  sehr 
starke  viereckige  Thurm  gehört  w  ahrscheinlich  dem  XIII.  oder 
XIV.  Jahrhunderte  an.  das  Schiff  der  Kirche  dem  XV.,  das 
Presbyterium  ist  aus  dem  vorigen  Jahrhunderte.  Nur  einzelne 
Bautheile,  z.  B.  Fenstereinfassungen.  Aussenpfeiler  und  die 
Gewölbe,    weisen  auf  die  erwähnten  altem  Bauperioden  bin. 

Die  Monstranze  selbst  '2  ;!'  /  hoch.  7  breit  und 
3  Pfund  schwer,  ist  von  Silber  und  weist  in  ihren  architekto- 
nischen, dem  Pflanzenreiche  entnommenen  Verzierungen,  so- 
wie in  den  Figürchen  und  den  Buchstaben  der  zw  ei  Inschriften 
auf  den  Anfang  des  XV.  Jahrhunderts.  Die  Inschriften,  an 
jenem  Theile  angebracht,  au  welchem  die  Monstranze  ge- 
halten wird,  lauten:  MARIA  HILF  VN;  dann  Weiler  unten  : 
IHSVS.  Die  Hauptfigur  stellt  den  Heiligen  Andreas  vor. 
rechts  dagegen  (heraldisch)  ist  der  heilige  Sebastian. 
links  die  heilige  Jungfrau  mit  dem  Kinde  angebracht.  Die 
iranze  Arbeil  ist  geschmackvoll  gezeichnet  und  fleissig  durch- 
geführt,    an  mehreren  Theilcn  sind  einfache,   grösstenteils 

winkelförmige  Zeichen  (jene  des  Werkmeisters?)  einge- 
graben,  (»ben  geht  die  Monstranze  in  einen  Thurm,  dieser 


—   15 


in  eine  Rose  aus,  auf  welcher  sieh  Christus  am  Kreuze  be- 
findet.  Die  Erhaltung  des  Ganzen  ist  vorzüglich,  nur  dürfte 
das  den  Halbmond  und  die  Glaser  enthaltende  Gehäuse  in 
neuerer  Zeit  überarbeitet  worden  sein.  Sowie  keine  Inschrift 
auf  den  Stifter  dieses  schönen  Weihgefässes  hinweiset,  so 
weiss  auch  das  Kircheninventar  nichts  darüber  anzugehen. 
Nur  eine  Sage  hat  sich  erhalten,  wornach  Jagerberg  einst 
ein  befestigter  Edelsitz  gewesen  ist,  dessen  Eigentümer 
während  einer  Feindesgefahr  eine  Monstranze  in  seine 
Schlosscapelle  zu  stiften  gelobt  und  nach  errungenem  Siege 
auch  wirklich  gespendet  hat. 

Hoch  am  Giebel  des  neueren  Sacristeibaues  ist  ein  altes 
Steinbild,  wahrscheinlich  aus  dem  XIV.  Jahrhunderte,  mit 
einer  halb  lebensgrossen  Figur  und  stark  erhabener  Arbeit 
angebracht,  das  Christus  mit  der  Dornenkrone,  Binsenscepter 
und  Ruth e, und  unterhalb  in  ganz  deutlichen  gothiscben  Buch- 
staben die  unverständliche  Inschrift  „doncbylem"  besitzt. 
Merkwürdig  an  dieser  Figur  ist  der  Umstand,  dass  die  Ruthe 
und  das  Binsenrohr  nicht  von  ihr  in  den  Händen  gehalten 
werden,  sondern  hinter  ihrem  Rücken  angebracht  erscheinen. 
Überhaupt  ist  die  Ruthe  in  so  regelmässige  Abtheilungen 
gebunden,  und  mit  Ringen  derart  umgeben,  dass  sie  einem 
Pfeilköcher  sehr  ähnlich  sieht.  Auch  das  Binsenrohr  kann 
bei  flüchtiger  Beschauung  leicht  für  eine  partisanartige  Waffe 
angesehen  werden.  Bezüglich  der  räthselhaften  Inschrift,  in 
der  nur  der  Buchstabe  c  etwas  zweifelhaft  ist  und  vielleicht 
/"gelesen  werden  dürfte,  wurden  mehrere  Slavisten,  jedoch 
ohne  Erfolg,  um  deren  Entzifferung  angegangen. 

9. (A us gr abu n g  v o n B a u s t e i n e n  beiSzalavä r in 

U  ngern.)  Aus  Anlass  eines  beträchtlichen  Fundes  von  Silber- 
münzen,  welcher  im  Jahre  1854  unweit  der  Einmündung 
der  Szala  in  den  Platensee  gemacht  wurde,  erhielt  der  Herr 
k.  k.  BaudirectorMenapace  in  Ofen  auch  die  Nachricht,  dass 
die  geistliche  Herrschaft  in  Szala-Apäthi  schon  vor  längerer 
Zeit  die  Ausgrabung  der  unter  dem  Schutte  befindlichen 
Mauern  angeordnet,  welche  der  alten,  schon  vor  den  Zeiten 
des  heiligen  Stephan  bestandenen  Festung  Szalavär 
angehörten.  Als  Ersterer  eine  Besichtigung  der  Überreste 
veranlasste,  war  man  leider  mit  der  Ausgrabung  der  unter 
dem  Schutte  befindlichen  Quadern  und  Ziegelmauern  schon 
so  weit  vorgerückt,  dass  weder  die  äussere  Form  des 
Gebäudes,  viel  weniger  dessen  innere  Eintheilung  erkannt 
werden  konnte.  Nur  einige  Geshnsstücke  und  einige  andere 
Bruchstücke  schön  bearbeiteten  weissen  Marmors  wurden 
vorgefunden,  welche  erkennen  liessen,  dass  sowohl  das 
Gebäude  als  die  Festung  sehr  kunstvoll  erbaut  waren.  — 
Auf  einem  Thürsturze  (4'  lang,  12"  breit  und  7"  dick), 
welcher  an  der  untern  Fläche  mit  hübschen  Basreliefs  und 
Verzierungen  versehen  ist,  befindet  sich  folgende  tiefge- 
schnittene Aufschrift:  „Querens  invento  pulsans."  -  -  Ein 
zweites  Bruchstück  (2'  breit,  3'  hoch  und  6"  dick)  enthält 
eine  Hand  mit  einem  Kreuze  und  Verzierungen,  ein  drittes 


Bruchstück  ( 18"  lang  und  breit,  4  dick)  einen  Engel  sammt 
Verzierungen;  oben  die  Aufschrift :  „f  Andreas"  und  rechts 
„Vitam."  —  Ein  viertes  Bruchstück  (2'  6"  hoch,  2  lang. 
4"  dick)  zeigt  einen  Mann  zu  Pferd,  unterhalb  mit  einem 
Rundstab  und  Verzierungen;  ein  fünftes  Bruchstück  endlich 
(21"  breit  und  lang,  4"  dick)  Fragmente  zweier  Kreise 
nebst  Arabesken  und  oben  die  Aufschrift :  „E.  Soluti  S.~, 
unten  dagegen  die  Worte:  „Sub.  P.O.  Nitu."  Die  Inschriften 
sind  tief  geschnitten,  alles  Übrige  aber  ist  erhabene  Arbeit. 
Die  erwähnten  Bruchstücke  wurden  bei  der  Geistlichkeit  in 
Szala-Apäthi  aufbewahrt. 

10.  (Miinzenfund  zu  Tibod  im  UdvarheMyer 
Bezirke.)  Über  einen  zu  Tibod  im  Udvarhelver  Bezirke 
gemachten  Miinzenfund  gibt  der  Director  des  k.  k.  Münz-  and 
Antiken-Cabinettes,  Herr  Regierungsrath  Arnetb,  folgende 
Erläuterung : 

Die  erste  Partie  enthält  186  Consularmünzen  aus  der 
Zeit  des  Triumvirates,  und  zwar  von  43 — 31  vor  Christi; 
durchgehends  nur  mit  Mühe  erkennbar,  darunter  Legions- 
münzen des  Antonius  von  der  Legion  II,  V,  VI,  VII,  XIII. 
XIIII  (XIV),  XIX,  XX,  XXI,  somit  von  keiner  der  selteneren, 
die  meisten  mit  Contremarken,  aber  auch  diese  ohne  beson- 
dere Bedeutung,  im  ganzen  wenig  brauchbar,  weil  zu  schlecht 
erhalten.  Sechzehn  Münzen  dieser  Partie  sind  mit  Ausnahme 
zweier  aus  der  Zeit  des  Vespasian  herrührender  Familien- 
münzen, die  bis  zur  Unkenntlichkeit  abgenützt  sind. 

Die  zweite  Partie  besteht  aus  einer  Masse  durchge- 
hends trefflich  erhaltener  Kaisermünzen,  und  zwar  von 

Vespasianus,  21  Stücke, 

D  o m i tia n  u  s  4  Stücke , 

Trajanus,  18  Stücke, 

Hadrianus,  21  Stücke, 

Antoninus  Pius,  162  Stücke,  darunter  53  Consecra- 
tionsmünzen  mit  4  verschiedenen  Typen . 

Faustina  Senior,  53  Consecrationsmünzen  mit 
6  verschiedenen  Typen,  und  von 

Marc  An  relius,  125  Stücke,  darunter 80  vom  XVIII. 
und  XIX.  Tribunatsjahre,  somit  aus  der  denkwürdigen  Zeit 
des  Partherkrieges  164,  165  n.  Chr.  Geburt. 

Letzterer  Umstand  gibt  reichlichen  Stoff  zu  einer  archäo- 
logischen Abhandlung  über  die  Verbindung  Buropas  mit  Asien, 
worauf  Hr.  Regierungsrath  Arnetb  in  seinen  Schriften,  /..  II. 
über  das  Orakel  von  Dodona,  über  die  Funde  der  römischen 
Goldmüuzsn  in  Indien,  baldig  hingedeutet,  als  den  Weg  vom 
Tigris  und  Euphrat  an  die  Donau  und  von  den  Donauländern 
nach  Indien,  der  besonders  im  II.  Jahrhunderte n.  Chr.  hautig 
betreten  wurde.  Endlich  belinden  sieh  unter  den  Münzen  von 

Faustina  junior,  84  Stücke, 

L.  Aur.  V  er  us,  <>7  Stücke. 

Luci  I  la  Veri,  4  Stücke. 

Der  Fund  umfasst  sonach  Münzen  vom  Jahre  43  v.  Chr. 
Geb.  bis  ungefähr  l<>7  n.  Chr.  Geb. 


—  Iß  — 


Literarische  Anzeige. 


Grundzüge  der  kirchlichen  Kunstarchäologie  des  deutschen  Mittel- 
alters. Ein  Auszug  aus  dem  grösseren  Wenke  des  Verfassers. 
Vihi  II  ein  rieh  Otte. 

Mit  118  Holzschnitten.  Leipzig  Z.  O.  Weigel,  1855,  8°.,  S.  210. 

Otte's  im  Jahre  1834  in  3.  Auflage  erschienenes  Hand- 
buch der  kirchlichen  Kunstarchäologie  des  deutschen  Mittel— 
;dters  ist  wohl  in  den  Händen  Allel  ,  welche  sich  entweder 
aus  Beruf  oder  Interesse  mit  Kunst  beschäftigen;  es 
ist  auch  das  einzige  bisherin  Deutschland  erschienene  Werk. 
u rlihes  in  umfassender  Weise  alle  Zweige  der  Kunst  und 
der  mit  der  Wissenschaft  derselben  im  Zusammenhange 
stehenden  Kreise  gründlich  und  übersichtlich  zugleich  behan- 
delt. Es  verfolgt  jedoch  zwei  Wege,  die  gerade  nicht  noth- 
wendiff  liehen  einander  laufen  müssen.  Einerseits  soll  der 
Laie  mit  den  Elementen  der  Baustyle  und  der  aus  demselben 
hervorgegangenen  Kunstwerke  vertraut  gemacht  werden, 
anderseits  strebt  dieses  Werk  das  Verdienst  an,  ein  Inventar 
der  in  den  verschiedeneu  Stylgattungen  auf  uns  gekommenen 
Denkmale  zu  sein.  In  letzterer  Beziehung  vertritt  Otte's 
Werk  die  Dienste  eines  sorgsamen  Wegweisers,  aber  nicht 
jene  eines  kundigen  Erklärers,  und  die  Fülle  des  so  gebo- 
tenen Stoffes,  so  dienlich  dieselbe  dem  Eingeweihten  ist, 
vermag  den  Anfänger  leicht  zu  beirren  und  zu  erdrücken. 
Dieser  Übelstand,  wenn  mit  diesem  Ausdrucke  die  wohlge- 
meinte Fülle  bezeichnet  werden  darf,  vermeidet  oben  ange- 
zeigtes Werk,  das  in  Wahrheit  kein  Auszug,  sondern  viel- 
mehr eine  neue,  und  wie  uns  seheint,  sehr  zweckmässige 
Umarbeitung  des  grossen  Handbuches  ist.  Aus  diesem  sind 
nur  mit  einigen  Modifikationen  die  allgemeinen,  die  ver- 
schiedenen Style  und  ihre  gesehichliche Entwicklung  behan- 
delnden Ahthoilungen  beibehalten;  diese  sind  in  jeder  Bezie- 
hung  trefflich,  und  halten  durchaus  das  rechte  Mass  ein. 
Der  Charakterisirung  jeder  Stylgattung  ist  sodann  nicht,  wie 
in  dem  Handbuche,  ein  Denkmalverzeichniss,  sondern  eine 
Reihe  TOD  ausführlichen  Beschreibungen  der  bedeutendsten 
Denkmale  dieses  Styls,  und  zwar  entnommen  den  Werken 
der  anerkanntesten  Kunstschriftsteller,  nie  K  u  g  I  e  r, 
L  übke,  Quast,  (iulil.  Förster.  I' u  t trieb  u.  s.  f.  bei- 
gegehen. Wir  linden  diess  in  hohem  Grade  belehrend  und 
praktisch.  Denn  einerseits  erprobt  und  belebt  sich  in  den 
Gedanken  des  Lesers  an  solchen  Beschreibungen  das  Ver- 
siänilniss  des  vorausgegangenen  allgemeinen  Stoffes,  ander- 
seits sind  ihm  diese  Beschreibungen  eben  so  viele  Muster,  die 


er  gelegentlich  sehr  wohl  für  eigene  Arbeiten  sich  gegen- 
wärtig halten  wird.  Weitere  dankenswert lic  Beigaben  dieses 
Auszuges  sind:  das  Fragenformular  zur  Aufnahme  eines  voll- 
ständigen Inventariuins  der  Kunstdenkmale  von  F.  v.  Quast, 
und  das  Kirchenregister,  welches  eine  kurze  Übersicht  des 
gesammten  deutschen  Denkmalschatzes  gibt.  Wir  nehmen 
daher  keinen  Anstand  .  dieses  Werkchen  auf  das  wärmste 
anzuempfehlen,  überzeugt,  dass  es  dazu  dienen  wird,  die 
Kenntniss  der  mittelalterlichen  Kunst  und  damit  auch  die 
Beachtung  ihrer  Überreste  in  weiten  Kreisen  wach  zu 
rufen. 

Nicht  unerwähnt  wollen  wir  lassen,  dass  Otte  in  diesem 
neuen  Werke  von  dem  in  seinem  Handbuche  durchweg  ge- 
brauchten Ausdrucke:  „germanische  Baukunst"  abgeht, 
und  dafür  nach  Schnaase's.  Lübke's  u.  a.  m.  Vorgang 
zu  der  eine  Zeitlaug  durch  Kuglers  Einlluss  verpönten 
Ausdrucksweise  des  „gothischen  Styls"  zurückkehrt.  Ein 
Einblick  in  den  so  eben  vollendeten  ersten  Band  der  Ge- 
schichte der  Baukunst  von  Kugler  zeigt  uns.  dass  auch 
dieser  Gelehrte  sich  nunmehr  hiezu  verstanden  hat.  So  dürfte 
nun  endlich  der  lang  geführte  Streit,  ob  germanisch,  ob 
go  thi  sc  li  zu  Ende  sein,  keine  dieser  Ausdrucksweisen  reicht 
zu,  um  den  Ursprung  des  Styls  zu  bezeichnen,  die  übrigen 
dem  Wesen  des  Styls  entnommenen .  wie  Spilzhogenstyl 
u.  s.  f.  haben  durch  ihre  Einseitigkeit  sich  nicht  einbürgern 
können;  einen  völlig  bezeichnenden  Ausdruck,  wie  ihn  die 
Franzosen  durch  das  Wort  „ogival"  diesem  Style  gegeben 
haben,  lässt  die  Sprödigkeit  unserer  Sprache  nicht  zu;  denn 
die  allerdings  wörtliche  Übersetzung  mit  dem  Wolle  „Ver- 
mehr'UngSStyl"  dürfte  kaum  sich  des  Beifalles  erfreuen.  Unter 
diesen  Umständen  bleibt  nichts  übrig,  als  sieb  über  irgend 
einen  indifferenten  Ausdruck  zu  vereinigen,  und  als  solcher 
stellt  sich  das  Wort:  _go  t  li  i  seh"  dar.  welches  durch  Jahr- 
hunderte im  Gebrauche  stand,  und  wobei  es  Niemanden  bei- 
fallen wird  au  die  Gothen,  als  Erfinder  dieses  Styls  zu  den- 
ken. Ist  es  doch  bekannt,  dass  wir  dieses  Wort  von  den 
Wälsehen  zur  Zeit  der  Herrschaft    des  Zopfes    übernommen 

haben,  welche  mit  dem  Worte  gotiea,  gothique  alles  Altfrän- 
kische, Aussermodegekommene  und  Barbarische  zu  bezeich- 
nen liebten.  So  möge  denn  durch  eine  Ironie  des  Zufalles  die 
Blülhe  der  mittelalterlichen  Architektur  mit  einem  Worte 
bezeichne!  werden,  welches  ursprünglich  die  Bestimmung 

hatte,  den  Abseilen  eine!-    in  ihrem  (icschmackc  gesunkenen 

Zeil  an  den  Schöpfungen  ihrer  Vorfahren  auszudrücken. 

II  r. 


\ii-.  Sei  I..  k,  Hof-  und  Staat  druckerei 


Uli. XI' II 


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Jeden  Monat 'erscheint  1  Heft  zu 
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dungen, 
Der  Pränumeratiunspreis  ist  für 
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DER  K.  K.  CENTRAL-  COMMISSION 


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welche  auch  die  portofreie 
der  einzeln*- □  Bette 
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Is  sind  alle  Präuaaeral 
iud  zwar  nur  t d  dem  Prei 
1  fl.  an  den  V.  k.  Hotbocbhändlei 
W.  BraHBÜller  in  \\  iea  za  r 


EBHALTITG  DER  IWMHliM 


Unter  der  Leitung  des  k.  k.  Sections-Chefs  und  Präses  der  k.  k.  Central-Commission  Karl  Freiherrn  V.  Czoernig. 


Redacteur:    Karl  We  i  s  s. 


N2--2. 


I.  Jahrgang. 


Fi'liruar  1856. 


Inhalt:  Der  alte  Kreuzgang  des  bischöflichen  Münsters  zu  Brisen.   —  Über  die  Zeitstellung  des  Gurker  Dombaues. 
Sedletz  in  Böhmen.   —  Münzenfund  zu  Rottigel  in   Mähren.   —  Notizen.   —  Literarische  Anzeigen. 


Die  Kirche  zu 


Der  alte  Kreuzgang  des  bischöflichen  Münsters  zu  Brixen. 

Von  G.  Tinkhauser,  Regens  der  fürstbischöflichen  Domschule  und  k.  k.  Conservator  in  Brixen. 

Die  Bischöfe  von  Brixen  hatten  in  den   ersten  J;iht'-  durch  welche  jedoch  in  den  Grundlinien  keine  Veränderung 

bunderten  ihren  Sitz  in  Säben  (Sabiona),  an  derselben  Stelle,  geschah.  Im  J.  1743  wurde  die  alte  Domkirche  theihreise 

wo  noch  jetzt  auf  hohem  Felsenhügel  über  dem  Städtchen  abgetragen,  und  genau  auf  dem  Grunde  derselben  die  jetzige 

Klausen  die  alte  Kathedrale  aus  den  Trümmern  der  Siibner  schöne  Kathedrale  im  Styl  der  Renaissance  gebaut.  Demnach 

Burg  emporragt.  Erst  gegen  das  Ende  des  10.  Jahrhunderts  sind  die  Grundlinien  unsers  alten  Münsters  noch  bis  jetzt 

wurde  derselbe  nach  Brixen  übertragen.    Hier  erhob  sieh  erhalten,  und  es  fällt  nicht  schwer,  darin  das  ziemlieh  treue 

unter  Bischof  Rieh  p  recht  (956 — 975)  ein  ordentlicher  Bild  eines  deutschen  Münsters  ih>v  Vorzeit  wieder  zu  linden. 

Münster,  welcher  aber  schon  im  J.  1174  am  Vorabende  des  Der  alte  Münster  zu  Brixen  war  im  Viereck  aufgeführt. 

Osterfestes  ein  Raub  der  Flammen  wurde.  Bischof  Bicher  den  nördlichen  Flügel  bildete  der  Dom;  an  die  Vorderseite 

(1174 — 117S)  begann  dann  an  der  nämlichen  Stelleden  des  Doms  gegen  Westen  schloss  sich  die  bischöfliche 

Wiederaufbau,    weichen   sein   Nachfolger   Heinrich   III.  Residenz  mit  der  Hofcapelle  und  anderem  Zugehör;  an 

vollendete.  Kaum  dass  indess  ein  Jahrhundert  verflossen  war.  den  Chor  des  Doms  gegen  Osten  der  Bruderhof,  welcher 

so  brannte  der  Münster  zum  zweiten  Male  ab  (13.  Jänner  mit  der  alten  Taufkirche  zum  h.  Johannes  auch  den 

1234).    Aus  dem   Schutte  erhob  sich  abermals  ein  neuer  südliehen  Flügel  bildete.  In  der  Mitte  liegt  der  Kreuzgang, 

Bau,  welcher  diessmal  so  rasch  vorwärts  ging,    dass  die  und  umschliesst  den  kleinen  Hofraum.  Im  Bruderhof  wohnten 

majestätische  gothische  Domkirche  am  31.  Juli  1237  von  die  Canoniker,  in  so  lange  sie  noch  ein  gemeinschaftliches 

Eberhard  IL,   Erzbischof  zu  Salzburg,  zu  Ehren  des  heil.  Leben  führten.    Auch  war  die  Domschule  daselbst  und  zwar 

Apostels  Petrus  und  der  Bisthumspatrone  Ingenuin  und  im  Erdgeschosse  des  südlichen  Flügels  untergebracht. 

Albuin  eingeweiht  werden  konnte.  Der  Brand  am  Dienstag  Die   neue   bischöfliche  Burg  wurde  beiläufig  um  das 

in  der  Charwoche  des  J.  1444  scheint  unsern  Münster  nicht  J-  I2ti0  gebaut;  die  alte  diente  hierauf  zu  andern  Zwecken, 

mehr  berührt  zu  haben,  denn  die  grosse  Glocke,  insgemein  und   wird   gegenwärtig  von  dem   k.  k.  Bezirksamte  und  der 

die  Sext  genannt,    welche  Fürstbischof  Georg  im  J.  1441  k.  k.  Cameral  -  Bezirksverwaltung  benutzt.     Ferner  wurde 

giessen  Hess,  erhielt  sich  unbeschädigt  bis  1756,  in  welchem  später  die  alte  Hofcapelle  zur  Collegiatkirche  zu  U.  L.  Frauen 

Jahre  sie  herabfiel.   Daraus  folgt  wenigstens  so  viel,   dass  erweitert,    und   wird  jetzt  von  den   Studirenden  des  k.  k. 

die    Thürme   vom    Feuer    entweder   ganz    verschont    oder  Obergymnasiums    besucht.    Nur    der   Bruderhof   i>t    seiner 

wenigstens  nicht  stark  beschädigt  wurden.  Ferners  linden  früheren  Bestimmung  im  Allgemeinen   treu   geblieben;    ein 

wir  keine  Spur,  das  um  jene  Zeit  wesentliche  Ausbesserungen  Theil  desselben  bildet  nämlich  noch  jetzt  das  Capitelhaus, 

am  Münster  geschehen  sind.   Wohl  aber  zeigen  die  Rech-  wo  die  Canoniker  d<-v  Kathedrale  ihre  Sitzungen  halten  und 

nungen  der  Domfabrik  und  andere  Urkunden,  dass  in  den  das  Archiv  untergebracht  ist;   und   nur  der  südliche  Flügel 

Jahren  von  14(30 — 147S  mehrere  Rauten  ausgeführt  wurden,  wurde  dem  k.  k.  Obergymnasium  zur  Benützung  übergeben. 

3 


—    18 


Was  sich  \ out  Münster  in  Brixen  am  besten  aus  der 
alten  Zeit  noch  erhalten  hat,  ist  der  Kreuzgang  mit 
seinen  merkwürdigen  Gemälden  und  die  Tauf- 
kirche zum  heil.  Johannes.  Der  Kreuzgang  diente 
seiner  ursprünglichen  Bestimmung  gemäss,  wie  bei  allen 
Domkirchen,  zn  Processionen  und  war  der  Begräbnissplatz 
für  die  Domherren  und  Chorbeneficiaten.  Er  bildet  ein 
regelmässiges  und  gleichseitiges  Viereck,  und  hat  auf  jeder 
Seite  vier,  und  im  Ganzen  sammt  den  Eck-Arcaden  zwanzig' 
Arcaden.  Die  innere,  d.  h.  die  dem  Hofraume  zugekehrte 
Minier  wird  von  romanischen  Doppelsäulchen  getragen, 
deren  je  drei  zu  einer  Areade  gehören.  Über  diese  Säulchen 
schwingen  sich  kleine  Rundbögen,  durch  welche  das  Lieht 
einfällt.  Dagegen  hat  die  Oberdecke  ein  gothisches  Kreuz- 
gewölbe im  einfachen  Style  der  altern  Zeit.  Wenn  dieses 
daher  auf  die  dritte  Periode  unsers  Münsters,  d.  h.  auf  die 
Zeit  zwischen  dem  zweiten  und  dritten  Brande,  hinweist 
(  12o4 — 1444):  so  führen  die  romanischen  Doppelsäulchen, 
welche  mit  einem  rohgebildeten  Eckblatte  versehen  sind,  in 
die  zweite  Bauperiode  zurück.  Wir  werden  demgemäss 
nicht  viel  irren,  wenn  wir  annehmen,  dass  der  Kreuzgang, 
wie  er  jetzt  besteht,  nach  dem  zweiten  Brande,  beiläufig  um 
das  ,1.  1180,  aufgehallt  worden  ist.  und  nach  dem  dritten 
Brande,  beiläufig  um  die  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts,  die 
gothisehe  Oberdecke  erhalten  habe. 

Auf  Tafel  II  zeigt  A  den  Grundriss  des  Kreuzganges 
mit  der  anstossenden  Johannes-Capelle.  Jl  und  C  gehen  die 
Ansicht  der  Säulenstellung  in  einer  Areade  sammt  einem 
Querschnitte  derselben.  Die  au  der  innern  Seitenmauer 
des  Kreuzganges  angedeuteten  Strebepfeiler  sind  zur  Befe- 
stigung des  gothischen  Gewölbes  gleichzeitig  mit  diesem  an 
der  alten  Mauer  aufgeführt  worden.  Die  doppelten  Linien, 
welche  meistens  an  den  äusseren  Seitenmauern  des  Kreuz- 
ganges  fortlaufen,  gehen  die  gegenwärtige  Lage  der  Grab- 
steine. />.  /•-'  und  /•'  die  Ansicht,  den  Querschnitt  und  den 
Grundriss  des  romanischen  Portals,  welches  sieh  von  der 
alten  Kathedrale  an  der  nördlichen  Seite  des  Kreuzganges 
da,  wo  dieser  unmittelbar  an  jene  sich  anschliesst,  wahr- 
scheinlich aus  der  /weiten  Periode,  d.  h.  vom  Baue  des 
Jahres  1 174  erhalten  hat. 

Einen  besondern  Werth  gehen  unserem  Krouzgangr  die 
Gemälde,    welche  an   den   Sei  t  en  niaue  rn   in   den  Fehlern 

unter  den  Schildbögei d  auf  der  Oberdecke  angebracht 

sind.  I ti i -  meisten  gehören  dem  fünfzehnten  Jahrhunderte  an. 
einige  reichen  in  das  vierzehnte  zurück.  Die  auf  der 
nördlichen  Seile,  und  diese  sind  die  ältesten,  dienten  zur 
\  erzierung  >\r-  noch  erhaltenen  Portals  der  alten  Kathedrale, ' ) 


1 1  Oi.->.-s  romanische  Portal  n  ai  das1  Hauptportnl,  durch  "  elches  iii>'  Ki-.nlM.ir 
zu  den  feierlichen  Kirchendiensten  ihren  Einzug  hielten,    Jetzt  bildet  es 

eine  Nische,  worin  ein  Passionsbild  aufgestellt  ist,  i  Imissi  gemeinhin 

„zn  U.L.Herrn  im  Elend."    Es  stai I,  wie  erwähnt,  wahrscheinlich 

aus  der  zweiten  Periode,  d.  i   rom  Jahre  1 1 74  her. 


die  andern  aber  als  Monumente  für  die  Canoniker  und  Priester, 
welche  hier  ihre  Begrübnissstätte  gefunden  haben.  Wegen 
dieser  zufälligen  Kntstehnngsweise  vermisst  man  in  den 
Bildwerken  einen  bestimmten  Plan  und  strengen  Zusammen- 
hang, da  sie  in  den  verschiedenen  Arcaden  und  seihst  in  den 
einzelnen  Feldern  derselben  Areade.  zu  verschiedenen  Zeiten 
und  von  verschiedenen  Meistern  nach  dem  Wunsche  und  der 
besondern  Angabe  der  Wohlthäter  gemalt  wurden.  Diesem 
Fmstande  verdankt  unser  Kreuzgang  aber  auch  einen  beson- 
dern  Vorzug,  den  nämlich,  dass  wir  darin  einen  wesentlichen 
Beitrag  zur  Geschichte  der  mittelalterlichen  Malerei  von 
beinahe  zwei  Jahrhunderten  linden,  und  Künstler  ein  reiches 
Material  zum  Studium  der  Technik  und  insbesondere  der 
Farbenlehre  erhalten.  Denn  unsere  Bildwerke  sind  ver- 
schiedenartig ausgeführt.  Mehrere  sind  ,,/  fresco  gemalt; 
die  meisten  aber  mit  Temperafarben,  und  einige  der- 
selben, wenn  auch  nicht  ganz  oder  ursprünglich,  was  schwer 
zu  bestimmen  ist,  mit  Wachsfärben  behandelt,  oder 
wenigstens  mit  solchen  lasirt  oder  restauriit  worden.  So 
trocken  diese  Bilder  erscheinen,  dennoch  erhalten  sie  bei 
einer  geringen  Reibung  mit  einem  wollenen  Lappen  und  heim 
Druck  oder  beim  Reiben  mit  dem  Nagel  am  Finger  auf 
den  Erhöhungen  der  Mauer  oder  der  Farben  eine  mehr 
glänzende  Oberfläche.  Die  Farbe  ist  grösstenteils  sehr  dünn, 
viele  nur  lasirend  aufgetragen.  Temperafarben  wurden 
zweierlei  angewendet.  An  einigen  Bildern  sind  dieselben 
mit  einem  festern  Bindemittel,  bei  andern  mit  einem  minder 
fest  bindenden  ausgeführt.  Bei  mehreren  findet  man  die 
Contouren  mit  einem  spitzigen  Werkzeuge  schon  in  nassem 
Kalk  eingegraben.  Die  goldenen  Verzierungen  und  Heiligen- 
scheine sind  mit  Gyps  eingelegt,  nachdem  der  Mörtel  aus 
jenen  Stellen  zuerst  ausgehoben  worden  war. 

Was  den  künstlerischen  Werth  dieser  Gemälde  betrifft, 
so  wissen  wir,  dass  dieselben  einer  Zeit  angehören,  in  welcher 
die  Malerei  in  Deutschland  erst  aufzublühen  anfing.  Wir 
linden  in  denselben  keine  Perspective,  und  vermissen  auch 

in   den   meisten   die   plastische  Abruudung  und  eine  correcte 

Zeichnung.  Nur  in  zwei  Arcaden.  welche  von  einem  italieni- 
schen Meister  stammen,  tritt  dem  Beschauer  eine  richtige 
nnil  kräftige  Ahrumlung  entgegen,  worin  (dien  die  italieni- 
sche Malerei  des  Mittelalters  vor  der  deutschen  den  Triumph 
feierte.  Indess  liegt  in  allen  noch  erhaltenen  Bildwerken 
unseres  Kreuzganges  eine  Eulw  ickelung  um  Wahrheit  und 
Irommem  Sinne,  welche  auf  das  Gomütli  des  Beschauenden 
tief  ergreifend  einwirken.  Vorzüglich  ist  endlich  die  Dra- 
perie, die  lebensvolle  Farbenfrische,  und  auf  den  Gesichtern, 
besonders  der  Hauptfiguren,  der  tiefe  und  innige  religiöse 
Vusdruck.     Mitunter  tritt  dem  Beschauer  auch  ungeschlachte 

Herbheit  entgegen. 

Endlich  habe  ich  noch  eines  Momentes  zu  erwähnen, 
welcher  für  die  Symbolik  <\r\-  mittelalterlichen  Kunst  von 
hoher  Bedeutung  ist.  lös  linden  sieb  nämlich  in  unserem 
Kreuzgange  einzelne  Gruppen  von  Bildern,  welche  zwarnichl 


—    19 


mit  den  andern,  wohl  aber  unter  sich  einen  strengen  Zusam- 
menhang haben.  Das  verbindende  Mittel  ist  eben  die  mittel- 
alterliche Symbolik.  Wollte  man  eine  Classificirung  dersel- 
ben versuchen,  so  könnte  man  sie  in  biblische  Parallel- 
bilder, in  symbolische  und  in  moralische  abtheilen. 
Es  sind  nämlich  einige  Gegenstände  aus  dem  neuen  Bunde 
zum  Hauptbilde  gewählt,  und  diesem  zugleich  die  Vorbilder 
aus  dem  alten  Bunde  als  Neben-  oder  Parallelbilder  beige- 
geben. Andere  enthalten  Geheimnisse,  welche  durch  Sinn- 
bilder (Symbole)  aus  der  Natur  und  Geschichte  erklärt 
werden.  Wieder  andere  —  und  diese  sind  bei  dem  oben 
genannten  alten  Portale  angebracht  —  stellen  die  morali- 
schen Hauptleliren  des  neuen  Bundes  bildlich  dar.  Sie  sollten 
den  Eintretenden  an  den  Ernst  des  Christenthums  erinnern, 
das  sich  nicht  mit  einem  leeren  Lippendienst  begnügt,  son- 
dern einen  Dienst  im  Geiste  und  in  der  Wahrheit  fordert. 

Benierkenswerth  sind  auch  die  Inschriften,  die  den  Bild- 
werken beigefügt  wurden.  Einige  derselben  bezeichnen  das 
Jahr,  in  welchem  das  Gemälde  entstanden  ist;  andere  nennen 
uns  den  Namen  des  Meisters  oder  Donators ;  die  meisten 
aber  beziehen  sich  auf  die  Symbolik  der  Darstellung  und 
zeigen  die  Namen  der  Hauptfiguren  an. 

Es  ist  zu  bedauern,  dass  mehrere  Inschriften  und  theil- 
weise  auch  einige  Gemälde  von  Grabsteinen  bedeckt  sind, 
welche  ehedem  in  der  alten  Kathedrale  sich  befunden  haben, 
nach  der  Erbauung  der  neuen  aber  im  Kreuzgange  auf- 
gestellt worden  sind.  So  sehr  diese  Monumente  insgesammt 
der  Erhaltung  würdig  sind,  weil  sie  reichen  historischen 
Stoff  und  Schriftproben  aus  dem  XIV.,  XV.  und  XVI.  Jahr- 
hunderte liefern;  so  ist  doch  hier  nicht  der  rechte  Platz  für 
sie,  indem  dadurch  der  Zusammenbang  der  Bildwerke  ge- 
stört und  auch  die  Ansicht  des  schönen  Spitzbogens  unter- 
brochen wird.  Indessen  können  beinahe  alle  sehr  leicht  und 
ohne  irgend  eine  Beschädigung  wieder  entfernt  und  anders- 
wo aufgestellt  werden,  weil  sie  mit  sehr  wenigen  Ausnah- 
men nicht  in  die  Mauer  eingesenkt,  sondern  völlig  frei  und 
beinahe  1  Schuh  davon  entfernt,  daran  befestigt  worden  sind. 
Die  Inschriften  auf  diesen  Grabsteinen  und  im  Kreuzgange, 
insoweit  sie  geschichtlichen  Inhalts  sind,  hat  Dr.  Jos.  B  esch 
gesammelt  und  veröffentlicht.  ')  Noch  mehr  aber  hat  unser 
Kreuzgang  durch  die  unverzeihliche  Vernachlässigung 
gelitten,  welche  dieses  merkwürdige  Monument  deutscher 
Kunst  und  frommen  Sinnes  in  der  Neuzeit  erfahren  musste 
und  noch  jetzt  erfahren  muss.  Wie  anders  dachten  und  han- 
delten unsere  Vordem  ?    Die   Domfabriksrechnungen   von 

')  Monument a  veteris  ecclesiue  Brixinensis,  Brixinae  1765,  I.  .">  si/(/. 
Diese  Grabsteine  waren  in  der  alten  Domkirehe  und  in  den  angebauten 
Nebencapellen  theils  in  den  Hoden  eingesenkt,  theils  an  den  Seitenwän- 
den aufgestellt.  Da  die  Kirche  mit  den  Nebencapellen  abgebrochen  wurde, 
hat  Reseh,  um  diese  merkwürdigen  Monumente  zu  retten,  es  dahin  ge- 
bracht, dass  sie  im  Kreuzgange  einstweilen  an  die  Seitenmauern  angelehnt 
wurden.  Erst  nach  seinem  Tode  kam  man  auf  den  unglücklichen  Gedan- 
ken, dieselben  mittelst  eines  neu  aufgeführten  Mauerwerkes  zu  befestigen 
(1T8S  und  1789).  Hei  Reseb's  Lebzeiten  wäre  so  etwas  wohl  kaum  aus- 
geführt worden. 


dem  Jahre  1460  und  weiter  herauf  melden  uns,  dass  damals 
ein  Mann  eigens  dazu  bestellt  war,  jeden  l'nrath  aus  dem 
Kreuzgange  zu  entfernen  und  die  Bildwerke  vom  Staube 
rein  zu  erhalten.  Wie  lange  diese  Iobenswerthe  Sorgfalt 
gedauert  hat,  ist  mir  nicht  bekannt ;  aber  wie  es  scheint  hat 
im  verflossenen  Jahrhunderte  Niemand  mehr  daran  gedacht. 
Und  vollends  nach  der  Säcularfsation  des  Domcapitels  (1803) 
musste  der  Kreuzgang  viel  Ungemach  ertragen.  Man  baute 
am  Kreuzgange  einen  Abort,  wodurch  der  Mauerfrass  erzeugt 
wurde.  Die  Dachungen  wurden  vernachlässigt  und  das  Ge- 
wölbe klüftete,  oder  es  löste  sich  die  Farbenschichte  ab. 
Und  dachte  man  je  an  Ausbesserungen,  so  wurde  kurzer 
Process  gemacht.  Der  nächste  beste  Maurer  überkleckste 
die  schadhaften  Stellen  mit  Mörtel  und  bedeckte  damit  auch 
ganze  Felder.  Erst  nach  der  Restauration  des  Domcapitels 
tauchte  wieder  einmal,  und  zwar  in  den  ersten  Vierziger- 
jabren,  ein  besserer  Geist  auf.  Man  dachte  ernstlich  au  eine 
Conservirung  und  Bestauration.  Sie  kam  aber  gleichfalls 
nicht  zu  Stande,  weil  der  dazu  Berufene  ein  sehr  geringes 
Geschick  entwickelte.  Eine  glücklichere  Zukunft  rückt  jetzt 
heran,  nachdem  die  k.  k.  Central-Commission  die  nöthigen 
Vorarbeiten  zur  Conservirung  unseres  Kreuzganges  bereits 
eingeleitet  und  in  Angriff  genommen  hat.  ~) 

Ich  beginne  nun  mit  der  Beschreibung  der  einzelnen 
Bildwerke.  Vorläufig  bemerke  ich,  dass  jede  Arcade  zehn 
Felder  enthält,  welche  bemalt  sind,  nämlich  die  beiden 
Schild  fehler  (an  der  iiinern  und  äussern  Mauer)  und 
acht  Felder  im  g o  t h  i s  c  h e n  Kreuzgewölbe  der 
Oberdecke.  Die  Eck-Arcaden  haben,  wie  es  sich  von  selbst 
versteht,  die  beiden  Schildfelder  an  der  äussern  Mauer,  und 
zwar  an  der  Stelle,  wo  sie  eben  die  Ecke  bildet.  Es  ist  auch 
zu  bemerken,  dass  nicht  auf  jedem  Felde  nur  ein  Gemälde 
angebracht  ist.  Sehr  oft  sind  auf  einem  zwei  Vorstellungen, 
sowie  auch  auf  jenen  zwei  Feldern  der  Oberdecke  ,  welche 
zusammen  die  Kappe  des  Kreuzgewölbes  bilden,  sich  öfters 
nur  ein  Bild  findet.  Den  Anfang  der  Beschreibung  mache 
ich  beim  Thore  an  der  Südseite,  von  da  an  zähle  ich  die 
Arcaden  im  südlichen  Flügel  gegen  Westen,  dann  im  «est- 
lichen gegen  Norden,  weiter  im  nördlichen  gegen  Osten,  und 
so  der  Reihe  nach  fort  im  östlichen  Flügel  und  in  dem  noch 
übrigen  Theile  des  südlichen  Flügels. 


'-)  Die  k.  k. Central-Commission  veranstaltete  nämlich  durch  die  k.  k.  Landes- 
baudirection  für  Tirol  und  Vorarlberg  und  einrerständlich  mit  dem  Herrn 
k.k.  Conservator  von  Brixen,  G.Tink  hauser,  genaue  amtliche  Erhebun- 
gen über  den  Zustand  des  in  Präge  stehenden  Baudenkmales,  und  li.-ss  Mch 
einen  Kostenübersrhlag  der  als  nothwendig  erkannten  Restaurations- 
Arbeiten  vorlegen.  Nach  demselben  erfordert  der  Kreuzgang  eine  neue 
Bedachung,  hrere  zerklüftete  und  beschädigte  Gewölbetheile  und  Hip- 
pen sind  mit  Eisenkeilen  fesl  anzutreil nid  nachher  zu  verputzen  .  die 

Grabsteine  aus  dem  Kreuzgange  fortzuschaffen  und  im  Pfarrkirchliofe 
aufzustellen,  endlich  feldende  Mai'mOl'SäuIcheil  .  sowie  ein  Capital  an  der 
gekuppelten  Säulenstellung  wiederherzustellen.  Hierüber  sind  von  der 
k.k.  Central-Commission  die  weiteren  Verhandlungen  bereits  eingeleitet, 
und  es  steht  ein  günstiger  Erfolg  derselben  mil  Zuversicht  zu  erwarten. 

Ir  Red. 
3" 


—  20  — 


Ober  dem  Eingange  des  genannten  Thores,  durch 

welches  ehedem  die  Bischöfe  zum  feierlichen  Gottesdienste 
in  den  Kreuzgang  und  dann  in  die  Domkirche  zogen,  befin- 
de! sich  ein  Frescogemälde ,  welches  den  am  Kreuze  ster- 
benden Heiland  vorstellt.  Unter  dem  Kreuze  stehen  Marin 
und  Johannes;  oben  neben  demselben  zur  Rechten  und  zur 
Linken  sieht  man  die  Sonne  und  den  Mond  in  düstere  Trauer 
gehüllt.  Zarte  Engelchen  fassen  unter  den  Kreuzarmen  leicht 
schwebend  das  herabträufelnde  Blut  des  Heilandes  auf.  Das 
Bild  ist  noch  ziemlich  gut  erhalten.  Die  Figuren  sind  gross- 
artig  und  gut  gezeichnet,  schön  gemalt  und  noch  kräftig  in 
Afv  theilweise  schon  verblichenen  Farbe.  Unten  steht  die 
Jahreszahl   \\\'\-  (1475). 

Die  1.  Area  de  zeigt  im  äussern  Schildfelde  den  heil. 
Johannes  auf  Patmos,  wie  er  zur  Himmelskönigin  mit  dem 
Kinde  aufschauend  die  geheimen  Offenbarungen  nieder- 
schreibt. Daneben  sieht  man  den  Donator  in  der  Chorklei- 
dung eines  Canonikers  knieend  und  betend.  Darunter  hat 
lies  eh  eine  Inschrift  gelesen,  welche  nun  mit  einem  Grab- 
stein bedeckt  ist.  Diese  enthält,  dass  der  Domdecan  Bene- 
dict Füeger,  welcher  1490  gestorben  ist,  mittelst  testa- 
mentarischer Anordnung  dieses  Bild  dahin  gestiftet  hat.1) 
Dasselbe  ist  durch  die  Länge  der  Zeit  sehr  erbleicht,  und 
die  übrigen  Gemälde  in  dieser  Arcade  sind  nun  völlig  erlo- 
schen, --'i  dass  man  von  den  Vorstellungen  beinahe  nichts 
mehr  erkennen  kann. 

In  der  2.  Arcade  linden  wir  mehrere  biblische  Pa- 
rallelbilder. I  in  eine  Probe  zu  liefern,  wie  diese  in  unserm 
Kreuzgange  durchgeführt  wurden,  will  ich  hier  auch  die  den 
Bildern  beigefügten  Inschriften  folgen  lassen.  Das  erste 
Hauptbild  zeigt  uns  die  Krönung  Christi.  Vor  dem  Hei- 
lande kniet  der  Donator  in  der  Chorkleidung;  hinter  ihm  sieht 
St.  Johannes  <U:v  Evangelist  als  Fürbitter;  unten  liest  man 
die  Inschrift:  „Anno  domini  M.CCCC.  XII0.  octavo die mensis 

junii  ohiit  I >rabilis  dominus  Johannes  Sayler  de  pfaffen- 

hofen  proponitenciarius.  .  .  .  Brixinensis  Capellanus  capelie 
S.  Katharine  in  Runcada.  .  -  .  cuius  anima  requiescal  in  pace 
amen".  2) 


!j  Annu  Domini  Millepimo  Quadringentesimo  Nonagesimo  Mensis  Octobry 

decima    nona.  Reverendus  in  \|m>.  Pater,    vitam  dum  egit,  Be lictus 

er,  Decretorura  Doctor,  Decanua  Ecclesie  Brixinensis,  in  ulti sue 

volnntal     I  uloj  !  i  hanc  Picturara  fieri  mandat.  Quem  dure  mortis  Incle- 
mentia,  dam  ordiretur,  ademil  n  aamentum  patrie  singulare.  Qui 

rpiendidus  eloquio  illustriffimi  Huri,  Vuftrie  ••(  excelfi  Senatus  Veneti  per 
afpera  bella  cruentifTimafque  cedes  inflaromata  probatis  teftibus  terrigenis 

fedulns   Caduceal   i    i      > i.    Mox  0  reqtüe  ademta  Romani  Re 

factus  Consul  ad   Pani :•■  regna  miltitur.    Illac   averfoa   itidem  Regum 

animos  caducere  < \ ns  re  tarnen  inacta   knfti   ipetit     Fatifcene 

artubus  tabefcit  moribundus,    mortemque   poeni  inda  obiit.    Is 

vixit,  et  quem  dederal  Almus  Deus  in  terris  Cursum,  Fortuna  pi 

im  hanc  pofl  fe  linquens.  Qui  dum  vixit,  bene  \i\il.  Cni  perpetuas 
praebeanl  Nomina  fedes.  Kl  >i>.ii  nomen  tempus  in  omne  (uum,  Resch 
Monnm,  I.  pag.  '.::; .'in. 

-i  Die  sehr  hantigen  Abkürzungen  habe  ich  r,  nen,  weil  wegen 

des  «hr  ' kränkten  Ranmea  in  den  einzelnen  Feldern  nicht  nur  die 

rkommen,  sondern  auch  ganz  willkürliche,   web 


Als  Nebenbilder  sind  beigefügt:  a)  Apemen,  die  Con- 
CUbine  des  Königs  Darius,  wie  sie  mit  der  einen  Hand  diesem 
die  Krone  vom  Haupte  nimmt  und  die  andere  zum  Schlage 
gegen  ihn  erhebt  (Esdrae  1.  III.  cap.  4):  b)  David,  u  ie 
er  von  Sem  ei  verhöhnt  wird  (Reg.  I.  II.  cap.  10): 
cjdi'e  Gesandten  David's,  wie  sie  vom  Könige  der  Ammo- 
niter  verspottet  werden  (Reg.  1.  II.  cap.  K>).  Unter  diesen 
Bildern  liest  mau  in  den  dahin  gehörigen  Feldern  die  fol- 
genden Inschriften :  „Prima  figura  coronacionis.  Sig- 
natur illufio,  que  Xpo  in  coronacione  illata  est.  olim  fuit  in 
Apemem  coneuhina  regis  proligurata.  Apemem  coronam 
regalein  de  capite  eins  accepit  et  capiti  fuo  in  prefencia 
regis  ipfius  impofuit.  Sie  Synagoga  Xpum  Corona  fua  id  est 
honore  debito  fpoliavit.  et  ipsum  Corona  fpinea  in  fuam  eon- 
tumeliam  eoronavit.  Apemem  regi  alapas  palmis  fuis  dedit  in 
maxillam.  quod  res  libenter  fuftinens  non  indignationem 
oftendit  in  illam.  Ita  rex  celi  fuftinuit  a  iudeis  alapas  et  co- 
laphas  et  tarnen  nun  oftendit  indignacionem  aliquam  in  ipfos. 
Rex  Darius  concubinam  Apemem.  .  .  .  amavit  quod  omnia  ab 
ipfa  fibi.  .  .  illata  pacienter  portavit.  Xpus  autem  fynagogam 
multo  plus  amare  .  .  .  a  qua  tarn  immania  cum  tanta  pacien- 
cia  paciebatur.  = 

Secunda  figura  de  davit  et  semey.  Filii  dei 
pncienciain  D.(avid)  olim  rex  proliguravit.  qui  ab  iniquo Semey 
tanta  mala  tarn  pacienter  tolleravit.  Semey  proiecit  in  david 
lapides  ligna  et  lutum.  Gc  (inagoga  iniecit  in  Xpum  palmas 
fpinas  et  fputum.  Semey  david  virum  fanguinum  et  virum  belial 
vocavit.  Sinagoga  Xfun  feductorem  et  malefactorem  appella- 
vit.  Abifay  voluiffet  semey  occidiffe.  fed  david  prohibuit, 
Angeli  occidifient  derifores  Xpi,  fed  ipfe  non  permifit. 
Xps  enim  venit  in  mundum  pro  peccatis  noftris  mortem  pati, 
ut  nos  reconciliaret  per  fuum  fanguinem  den  patri.  Non  enim 
venit  ideo  in  hune  mundum  ut  aliquos  interficeret,  fed  ut 
pacem  et  concordiam  inter  deum  et  hominem  conficeret. 
Ipfe  autem  a  iudeis  non  el'l  paciliee  traelatus.  =  Olli  tantis 
regum  derifionibus  ah  eis  est  inhonoratus.  Quapropter  ipfum 
olim  prefigurarunt  nuncij  ifrael  quos  Amon  rex  Amonitarum 
lam  turpiter  dehoneftavit.  David  mifil  nuncios  regi  amonita- 
rum ad  rel'lauramlam  paeem,  quorum  vestes  ipfe  preeidil 
ufque  ad  nates  et  mediam  barbam.  Sie  deus  filium  fuum  ad 
pacem  firmandam  in  mundum  deftinavit.  quem  finagoga  de- 
honeftavit fputibus  barbam  ipfius  turpiter  maculavit.  \ ]>■- 
venit  paeem  inter  deum  et  homines  reftaurare.  quam  infra 
quatuor  railia  annorum  nullus  potuit  reformare.  Gentiles  in 
reformacione  pacis  effundunt  fanguinem.  Innocentes  fueve- 
riint  effundere  libamen.  Xps  autem  effudit  .  .  .  aquam  fan- 
guinem ut  en  lirmiiis  fervemus  illam  quam  ipse  fecil  pacem. 
Gentiles  fuderunl  fanguinem  animalis.  Judei  autem  filii  ho- 
minis, sie  Xps  effudit  fanguinem  et  aquam  proprij  lateris." 


ein  geübter  Leser  entziffern  kann,  Z.H.:  pacta  (paciencia),  ludet  ät  fli 
hola  (iodei  autem  filii  hominis),  trpit  (turpiter),  trlm  (turritn),  t  q'  !>•  eu 
pi  lim    (in  quibus  eutn  pater fnus)  etc. 


21   — 


Das  zweite  Hauptbild  stellt  uns  in  einem  Felde  der 
Oberdecke  Christum  vor,  wie  er  von  zahlreichem 
Gefolge  begleitet  sein  Kreuz  auf  i\en  Berg  Cal- 
varia  trägt.  Als  Nebenbilder  dienen  :  u)  Isaak,  wie  er 
als  bestimmtes  Opfer  selbst  den  Holzbündel  auf  dem  Rücken 
trägt;  b)  die  Pächter  des  Weinberges  nach  der  Pa- 
rabel des  neuen  Bundes,  wie  sie  den  Sohn  des  Herrn  tödten; 
c)  die  Weintraube,  welche  die  Kundschafter  aus  dem 
gelobten  Lande  in  das  Lager  der  Israeliten  bringen.  Unter 
diesen  Bildern  sind  wieder  erklärende  Inschriften  zu  lesen. 
Sie  lauten  also: 

Prima  figura.  „Hec  autem  baiolacio  crucis  Xpi  ihu. . . 
olim  fuit  in  ysaac  filio  abraham  prefiguratä.  Ysaac  enim  ligna 
propriis  humeris  atlerebat,  in  quibus  eum  pater  fuus  imolare 
intendebat.  Sic  Xps  humeris  propriis  crucis  patibulum  baio- 
labat,  in  qua  gens  iudeorum  ipfum  fufpendere  affeetabat.   = 

Secunda  figura.  Istud...  (figuravit?)  Xps  in  quadani 
parabola  quando  predicando  iudeis  tanquam  figuram  propo- 
l'uit  de  viuea.  bomo  quidam  vineam  plantavit  et  eam  circum 
fepivit  et  ponens  in  ea  turrim  et  torcular  colonis  contulit. 
tempore  fructimm  mifit  servos  qui  fruetus  exigebant  quos 
illi  apprehendentes  cedebant  et  interticiebant.  quot  audiens 
dominus  mifit  alios  servos  plures  prioribus  quibus  illi  fecerunt 
sicut  fecerunt  primis.  Ad  ultimum  mifit  eis  unicum  filium.  fi 
forte  vererentur  illum  oeeidere.  Quem  coloni  apprehendentes 
de  vinea  eiecerunt.  et  attrocius  eum  quam  fervos  oeeiderunt. 
Per  vineam  iftam  fignificatur  plebs  hulaica.  Per  VII  muros. . . 
angelorum  cuftodia.  Per  turrim  autem  fignificatur  templum 
falomonis.  Per  torcular  altare  bolocausti  et  oblacionis.  Servi 
miffi  prophete  domini  fuerunt.  Quos  illi  .  .  .  interfecerunt. 
Yfaiam  ferrabant.  ieremiam  lapidabant.  Tandem  mifit  fuum 
unicum  filium  ihm  Xpm  et  interfecerunt  iftum  attrocius  quam 
aliquem  alium.  Patibulum  fuum  humeris  ipsius  imposuerunt 
et  eduxerunt.   = 

Tertia  figura.  Ifti  olim  per  duos  explöratores  pre- 
ßgurati  erant.  qui  botrum  de  terra  promiffionis  ad  defertum 
deferebant.  Per  botrum  prefigurabatur  filius  dei  ihs  Xps, 
qui  per  hos  duos  populos  de  Jerusalem  ad  locum  calovrie  est 
epuetus.  Per  botrum  illum  probant  filii  ifrael  terre  pro- 
iniffe  bonitatem.  Per  doctrinam  Xpi  poffumus  nos  confide- 
rare  celi  fuavitatem.  0  bone  ihu  doce  nos  dulcedinem  vite 
eterne  confiderarp  ....  mereamur  in  ea  in  perpetuum 
habitare." 

Das  dritte  Hauptbild  zeigt  auf  einer  Abtheilung  des 
innern  Schildfeldes  die  Mutter  Gottes  mit  dem  Jesu- 
kindlein, vor  welcher  die  h.  Katharina  mit  einer  bren- 
nenden Lampe  betet.  In  der  andern  Abtheilung  ist  St.  Mi- 
chael zu  sehen  mit  der  Wage;  auf  der  einen  Schale  wiegt 
die  Seele  des  Donators  weit  schwerer,  als  die  Teufelsfratzen 
in  der  andern.  St.  Michael  hält  sein  drohendes  Schwert 
gegen  diese  gezückt.  Das  Ganze  ist  ein  äusserst  zarter 
Gedanke,  wie  der  Donator  durch  die  Fürsprache  der  h.  Ka- 
tharina, der  Patronin  seines  Beneliciums,  und  Mariens  der 


göttlichen  Mutter  um  ein  gnädiges  Gericht  für  seine  Seele 
zum  Himmel  fleht.  Auf  diesem  Felde  lesen  wir  den  Namen 
des  Künstlers,  welcher  die  ganze  Arcade  gemalt  hat:  Jaco- 
bus  Sunt  er  pinxit.  Vielleicht  haben  wir  hier  den  Vater 
des  Lucas  Kranach  oder  einen  aus  dessen  Brüdern  oder  Ver- 
wandten? Bekanntlich  hat  Lucas  Kranach  (geb.  147'2  )  -einen 
Namen  vom  Geburtsorte  entlehnt.  Sein  Vater  soll  Sünder 
oder  Sunter  geheissen  haben.  Die  Gemälde  dieser  Arcade. 
welche  mit  Ausnahme  von  zweien  noch  ganz  erhalten  sind, 
sollen  in  Temperafarben  ausgeführt  gewesen  sein,  wurden 
aber  in  neuerer  Zeit  von  einem  unkundigen  Restaurator 
mit  Ölfarben  üherlasirt  und  dadurch  sehr  beschädigt.  Sie 
haben  insgesammt  eine  reiche  Compositum.  Die  schönsten 
sind  die  letztgenannten,  d.  h.  die  auf  dem  innern  Schild- 
felde. Diese  haben  noch  am  meisten  von  ihrer  Originalität 
erhalten;  die  Figuren  präsentiren  sich  hier  in  edler  Haltung 
und  sind  voll  Ausdruck. 

Die  III.  Arcade  ist  eine  Eck-Arcade  und  hat  wieder 
drei  Hauptbilder  mit  mehreren  Nebenbildern.  Der  südliche 
Schildhogen  zeigt  uns  das  erste  Hauptbild,  wie  Christus 
der  Gegeisselte  von  Pilatus  dem  Volke  vorgestellt  wird, 
und  der  westliche  Schildbogen  das  zweite  Hauptbild  Chri- 
stum den  Gekreuzigten.  Beide  Bilder  sind  al  tempera 
gemalt,  und  stammen  von  dem  nämlichen  Meister.  Die  ganze 
Manier  ist  eine  höchst  eigentümliche.  Die  AfFeete  sind  mit 
dem  kräftigsten  Ausdrucke  in  derber  Weise  gezeichnet.  Das 
erste  Hauptbild  hat  einige  Beschädigungen  erlitten .  das 
zweite  ist  noch  gut  erhalten.  Dieses  ist  auch  bei  weitem 
besser  durchgeführt.  Es  hat  eine  gute  Zeichnung,  ein  sehr 
lebhaftes  Colorit  und  eine  schone,  sehr  reiche  Compositum 
Unten  beim  Kreuze  befinden  sich  Maria,  Magdalena  und 
Johannes.  Engel  fassen  das  Blut  auf,  welches  von  den  durch- 
bohrten Händen  des  Heilands  herabträufelt.  Neben  dem 
Kreuze  sind  die  beiden  Schacher  in  eigentümlicher  Verren- 
kung an  die  Kreuze  gebunden.  Der  zur  Hechten  blickt  reuig 
und  vertrauensvoll  zum  Heiland  auf,  seine  Seele  zieht  ein 
Engel  an  sich.  Der  linke  schmachtet  im  verzweiflungsvolleu 
Todeskampfe ,  seine  Seele  wird  von  einer  Teufelsfratze 
ergriffen.  Den  Platz  füllt  eine  grosse  Menge  Volkes  und 
Soldaten:  die  heuchlerischen  und  tückischen  Pharisäer 
machen  sich  durch  ihre  verzerrten  Gesichter  kennbar.  In 
dieser  Arcade  fand  sich  die  Grabstätte  und  der  Grabstein 
des  Canonikers  Ingenuin  Brande!,  «elcher  wahrschein- 
lich die  genannten  zwei  Bilder  gestiftet  hat  und  am  Tl.  De- 
cember  1448  gestorben  ist.  ')  Als  Nebenbilder  kommen  voi 
und  zwar  zum  ersten  Hauptbilde:  <i)  Achior,  wie  er  von 
den  Knechten  des  Holofernes  an  den  Baum  gebunden  wird. 
und   b)  Job.    wie  er  am'  dem   Düngerhaufen  sitzend   roi 


•(  Dieser  Grabstein    ist    in    neuerer  Z<'it   ron  Beiner  alten  stelle  rerrflckl 
worden.     Die    Inschrift    lautet:    Anno    dni    M.CCCC.XLVIII.    die    ESI. 
inensis    decembris   i>!ȟt    dnus    lugenuinus    Brendel    canonicus    ESccles 
Brixinensis  cuius  anima  requiesent  in  pace.    Vgl.  llcsi-li  a.  a.  0.  I.  pas    - 
num.  33,  wo  aber  das  Jahr  nicht  richtig  angegeben  i*t. 


—   22  — 


Satan  gepeitscht  und  von  seinem  Weibe  verhöhnt  wird;  dann 
zum  zweiten  Hauptbilde:  a)  Eleazar  der  Mach  abäer, 
wie  er  sieh  für  sein  Volk  dem  Tode  weiht,  l>)  Absalon, 
wie  er,  mil  seinen  lockigen  Haaren  am  Aste  einer  Eiche  ver- 
strickt, von  den  Kriegern  seines  Vaters  durchbohrt  wird. 
Diese  vier  Bilder  sind  noch  ziemlich  gut  erhalten,  aber 
schlechter  durchgeführt  als  die  Hauptbilder;  sie  stammen 
auch  aus  etwas  spaterer  Zeit  und  von  einem  andern  Meister, 
wahrscheinlich  vom  oben  genannten  Jakob  Sunter.  Eines  ist 
auch  theiiweise  übermalt. 

Einer  noch  Jüngern  Zeit  gehört  das  dritte  Hauptbild  an  : 
Christus  wird  in  das  Grab  gelegt.  Maria,  die  göttliche 
Mutter,  welche  mit  den  frommen  Frauen  herbeigeeilt  war, 
drückt  ihm  den  letzten  Kuss  auf  das  blasse  Angesicht;  eine 
äusserst  zarte  Darstellung.  Als  Nebenbilder  dienen  :  a) 
Joseph,  wie  er  von  seinen  Brüdern  in  die  Cisterne  gesenkt. 
/>)  Jonas,  wie  er  von  den  Schiftern  in  das  Meer  geworfen 
und  vom  Fische  verschlungen  wird.  Diese  drei  Bilder  sind 
mehr  oder  weniger  übermalt  worden,  die  Vorstellung  des 
Jonas  ist  noch  am  besten  erhalten.  Vor  dem  Grabe  des  Herrn 
kniet  im  Hauptfelde  der  Stifter  dieser  Bilder  Paul  Greussin- 
ger,  Caplan  zu  den  h.  drei  Königen,  welcher  am  2.  Februar 
1 470  verstorben  ist  und  dahier  seine  Grabstätte  gefunden 
hat  ') 

Die  4.  Arcade  hat  die  schönsten  und  die  besterhaltenen 
Gemälde,  welche  einen  geistreichen  und  geübten  Künstler 
verrathen.  Der  äussere  Schildbogen  stellt  die  heiligen  drei 
Könige  vor,  w  ie  sie  dem  neugebornen  Heilande  das  dreifache 
Opfer  bringen.  Dieses  Bild  trügt  die  Jahreszahl  I#vI*A" 
(1417)  und  hat  eine  reiche,  vortreffliche  Composition,  ist 
aber  etwas  beschädigt.  Ganz  ausgezeichnete  Gemälde  sind 
auch  auf  dem  innen)  Schildfelde.  Sie  zeigen  uns  die  beiden 
Ideale  und  Vorbilder  des  christlichen  Ritterthums  :  den  heil. 


Georg  in  voller  Rüstung  zu  Pferde,  wie  er  den  Drachen  im 

gewaltigen  Kampfe  erlegt  und  die  königliche  Prinzessin  Aja 
befreit;  dann  Gottfried  von  Bouillon,  wie  er  mit  der 
Kreuzfahne  gegen  die  Saracencn  ZU  Felde  zieht  ;  an  seiner 
Seite  einen  Bischof,   beide  zu  Pferd  und  mit  Gefolge. 

Die  acht  Felder  der  Oberdecke  enthalten  acht  grössere 
und  eben  so  viele  kleinere  Medaillons.  In  den  grössern  sind 
die  symbolischen  Figuren  der  Evangelisten  und  die  vier 
Kirchenlehrer,  in  den  kleinern  acht  Propheten  dargestellt, 
und  zwar  in  der  Anreihung,  dass  jede  Kappe  des  Gewölbes 
zu  oberst  im  Scheitel  einen  leicht  schwebenden  Engel  mit 
zart  messender  und  sehr  künstlich  gefalteter  Kleidung,  dann 
in  jedem  der  zwei  Felder  mitten  ein  grösseres  und  zu  unterst 
gegen  die  Spitze  ein  kleineres  Medaillon  enthält.  Alle  Bilder 
dieser  Arcade  sind  entweder  ursprünglich  in  Wachsfarben 
ausgeführt,  oder  mit  solchen  retouchirt  oder  übermalt  wor- 
den, was  sich  schon  durch  ihren  warmen,  gemilderten  und 
eigenthümlich  zarten  Farbenton  wahrnehmen  lässt.  Die 
schwebenden  Engel  bewundert  mau  als  wahrhaft  hehre, 
beinahe  unnachabmbare  Gestalten.  Überhaupt  sind  alle  Bilder 
in  dieser  Arcade  sehr  gut  gezeichnet  und  gemalt,  die 
Gesichter  und  Fleischpartien  mehr  abgerundet,  der  Ausdruck 
ruhig,  zart  und  gemüthlich.  Man  erkennt  leicht  den  italieni- 
schen Meister,  und  ich  glaube  seinen  Namen  in  der  Ein- 
fassung eines  Medaillons  gefunden  zu  haben.  Dort  liest  man 
nämlich  :  P.  baccar,  allerdings  einen  in  der  Kunstgeschichte 
unbekannten  Namen,  wenn  man  nicht  den  Bartolomeo 
Vaccarini  darunter  verstehen  darf,  von  welchem  Ticozzi 
in  seinem  „Dizionario  dei  pittori"  Folgendes  meldet:  »Vac- 
carini Bartolomeo  nato  in  Ferrara  circa  il  144(1.  lasciö  nella 
sua  patria  varie  pitture,  che  lo  mostravano  sufliciente  pittore, 
onde  il  Barufaldi  lo  annoverö  tra  gli  artefici  di  quella  citta. 
Mori  dopo  il  1480.«  (Schluss  folgt.) 


Über  die  Zeitstcllung  des  Gurker  Dombaues. 2) 


Herr  v.  Quast  hat  seinen  Kunstforschungen  in  Gurk 

eine  verhältnissmässig  nur  kurze  Zeit  widmen   können,    und 


1  i  Die  h  rorhaudene,  aber  k mehr  leserliche  Inschrift  meldet  :  Anno 

i Miliriiiiiu  i|ii;nli ni^rnti-fiiiHi  Si'|>iuagefimo   Indiccione   terlia   die 

fecnnda  Mi-nsls  febraarii  "Mit  Bonorabili:  \  ir  dominus  Paulus  Greussinger 
Copellanus  Capetle  Trium  regum,  cuius  auima  requiescal  in  pace.  amen 
Resch  hat  unrichtig  menfis  Septembris  anstatt  Februarii  gelesen.  Monum. 
I.  pag.  'H.  iniiii.  4:;. 

-'!  Die  Be  ebreibung  des  Gurker  Domes  von  Herrn  r.  Quast  befindet  sich 
in  «Ion  im  rerflossenen  Jahre  erschienenen  „Grnndziigen  der  kirchlichen 
Kunst-Archäologie  des  deutschen  Mittelalters"  ^  ■  »n  Heinr.  Otte,  einem 
Auszöge  ■'ms  dem  grösseren  Werke  des  Verfassers  (Leipzig  l"-i  'I'.  ". 
Weigel) ,  ii ml  wurde  in  den  „Österreichischen  Buttern  für  Literatur  und 
Kunst-  des  Jahres  1*;;:;.  Nr.  il  abgedruckt  Durch  die  Letzteren  auf  diese 

ah  ich  der  k.k.  Consen  ator  \  on 
Kfirnthen  Hr.  G.  F.  *  \  nkershofen  zu  der  vorstehenden  interessanten 
historisch-archäologischen  Untersuchung  veranlasst,  welche  in  Nr.  243  der 

Klagenforter  Zeitung  \.  J,   ls:;;i  abgedruckt  erschie I  seinem  Inhalte 

nach  weitere  Verbreitung  verdient.  Der  Hr,  Verfasser  hat  übrigens  noch 

hende  Hachv  e  tes  Baudenl I  der  k.  k.  (  en 

Iral-Commission  in  \nssiHii  gestellt.  Die  Red. 


nur  einem  so  gewandten,  theoretisch  und  praktisch  voll- 
kommen ausgebildeten,  vielfach  erfahrenen  Architekten  und 
Kunstforscher  war  es  möglich,  in  einer  nur  kurzen  /.eil 
nebsl  den  Grundrissen  des  Domes  von  Gurk  und  der  unter 
dem  hoben  Chore,  dem  Querschiffe  und  den  drei  Altarnischen 
("Apsiden)  desselben  befindlichen  Gruftkirche  (Krypta)  eine 
mi  umständliche,  und  bis  auf  wenige,  nur  einem  Erinnerungs- 
fehler zuzuschreibende,  und  hliis^  Nebenumstände  betreffende, 
Abweichungen,  so  genaue  Beschreibung  vorzubereiten  und 
snhin  zu  liefern.  Aid"  Forschungen  über  die  Baugeschichte 
konnte  sieh  Herr  v.  Quasi  nichl  einlassen:  nicht  einmal  auf 
.•ine  nähere  Prüfung  dessen,  was  ihm  diessfalls ,  wie  es 
scheint,  von  Andern  mitgetheill  wurde. 

Die  Forschungen  ober  die  Baugeschichte  des  Gurker 

Domes  können  zwar  noch  keineswegs  als  geschlossen  ange- 
sehen werden,  wir  besitzen  keine  Geschichtsquelle,  in  wel- 
cher bestimm!  angegeben  würde,  wann  dieser  Bau  begonnen. 


23   — 


wie  er  fortgeschritten  und  wann  er  vollendet  worden;  soviel 
kann  jedoch  schon  nach  dem  gegenwärtigen  Stande  der 
Forschungen  ausgesprochen  worden,  dass  das,  was  Hr.  v. 
Quast  aus  dem  Baustyle  folgert,  in  welchem  der  Gurker 
Dom  aufgeführt  erscheint,  dass  nämlich  dieser  Bau  im 
Wesentlichen  dem  Ende  des  zwölften  Jahrhunderts  angehöre, 
durch  das,  was  aus  den  bisher  bekannten  Geschichtsquellen 
für  die  Gurker  Baugeschichte  entnommen  werden  kann,  die 
Bestätigung  dahin  erhalte,  dass  der  von  dem  Hrn.  v.  Quast 
beschriebene  Gurker  Dom  keiner  frühern  Kunstperiode 
angehöre  als  jener  der  letzten  Decennien  des  zwölften 
Jahrhunderts,  somit  der  Periode  des  beginnenden  Über- 
ganges vom  romanischen  zum  gothischen  Baustyle;  —  dass 
das  minder  Wesentliche,  welches  eine  andere  Kunstperiode 
verräth,  einer  späteren,  aber  nicht  einer  früheren  Zeit  an- 
gehören könne,  dass  zu  den  in  Gurk  vielleicht  noch  vor- 
handenen Hemmahauten  der  von  dem  Hrn.  v.  Quast  beschrie- 
bene Gurker  Dom  nicht  gehöre  und  wir  in  dem  Exul 
Wido,  wenn  er  ein  zur  Zeit  des  Thronstreites  zwischen 
dem  deutschen  Könige  Heinrich  II.  und  seinem  Gegenkönige 
in  Italien,  Harduin  von  Ivrea,  somit  im  Anfange  des  eilften 
Jahrhunderts  aus  Italien  verwiesener  Lombarde  sein  soll,  den 
Baumeister  nicht  erkennen  können,  wie  wir  überhaupt 
geneigt  sind,  ihm  nur  das  südliche  Seitenportal  als  sein  Werk 
zuzuschreiben.  —  Nach  einer  in  die  im  Gurker  Archive 
befindlichen  Verzeichnisse  der  Gurker  Bischöfe  übergegan- 
genen Haustradition  hat  Bischof  Heinrich  I.  von  Gurk  im 
J.  1174  den  Leichnam  der  Gräfin  Hemma  aus  dem  Friedhofe 
in  die  unter  den  Altarnischen,  dem  Quersehiffe  und  dem 
hohen  Chore  befindliche  Gruft  übertragen.  Es  wäre  nicht 
wohl  zu  begreifen ,  wie  in  dem  Falle,  als  schon  zur  Zeit  des 
Todes  der  Gräfin  Hemma  oder  lange  vor  Bischof  Heinrich 
die  heutige  Krypta  und  die  über  derselben  befindlichen 
Apsiden,  das  Querschiff  und  der  hohe  Chor  schon  aufgebaut 
gewesen  wären,  die  Pietät  der  Gurker  Nonnen,  der  Chorherren 
und  sofort  der  Bischöfe  einer  so  langen  Zögerung ,  die 
irdischen  Überreste  ihrer  Stifterin  und  grössten  Wohl- 
thäterin  aus  dem  gemeinsamen  Friedhofe  in  die  Krypta  zu 
übertragen,  Baum  geben  konnte,  besonders  da  solche  Gruft- 
kirchen ganz  vorzüglich  zu  den  Grabstätten  der  Kloster- 
oder Kirchenstifter  gewidmet  wurden.  Es  ist  sonach  nicht 
bloss  aus  archäologischen,  sondern  auch  aus  historischen 
Gründen  mit  Sicherheit  zu  schliessen.  dass  weder  der  Bau 
der  Krypta,  noch  der  Bau  der  über  ihr  befindlichen  Apsiden, 
des  Querschiffes  und  des  hohen  Chores  einer  frühern  Periode 
angehöre,  als  der  der  letzten  Decennien  des  zwölften  Jahr- 
hunderts. Gilt  diese  Zeitstellung  in  Bezug  auf  die  östlichen 
Theile  des  Gurker  Domes,  so  muss  selbe  noch  mehr  in 
Bezug  auf  die  westlicher  gelegenen  Theile  des  Domes,  das 
eigentliche  Mittelschiff,  die  beiden  Nebenschiffe,  die  Vor- 
hallen mit  dem  Nonnenchore  über  demselben,  und  die  beiden 
Thürme  gelten,  weil  nach  altchristlicher  Bauregel  der  Kirchen- 
bau mit  der  Grundsteinlegung  im  Osten,  mit  der  Herstellung 


des  Altarhauses  begann  und  so  von  Osten  nach  Westen 
fortschritt. 

Ob  Bischof  Heinrich  den  Bau  des  Gurker  Domes 
begonnen  habe,  dürfte  aus  gutem  Grunde  bezweifelt  werden, 
da  Bisehof  Heinrich  der  Gurker  Kirche  nur  wenig  über 
sechs  Jahre  (4.  März  1 1 68  bis  3.  October  1 1 74)  vorstand,  und 
schon  der  Bau  der  grossartigen  Krypta  einen  längeren  Zeit- 
raum erfordert  haben  dürfte.  Höchst  wahrscheinlich  begann 
schon  Heinrich's  nächster  Vorgänger,  Bischof  Roman  I.. 
wenigstens  in  den  letzten  Jahren  seines  Regiments  (1 132 
bis  1167)  nach  mehrjähriger  Vorbereitung  der  Werkstücke 
den  Bau  der  Krypta ,  welcher  Bau  nothwendig  dem  Baue 
der  über  ihr  befindlichen  Domtheile  vorausgehen  musste. 
Und  Bischof  Roman  I.,  einer  der  thatkräftigsten,  ausgezeich- 
netsten Gurker  Bischöfe,  war  auch  ganz  der  Mann,  welchem 
der  Entschluss  zu  einem  so  herrlichen  Kirchenhaue,  dem 
schönsten  Denkmale  des  frommen  Sinnes  und  der  diesem 
entsprechenden  Dankbarkeit  gegen  die  Stifterin  und  die 
grösste  Wohlthäterin  der  Gurker  Kirche  zugemuthet  werden 
darf.  Es  wird  daher  aus  historischen  Gründen  für  die  Zeit- 
stellung die  Bezeichnung  der  letzten  Decennien  des  zwölften 
Jahrhunderts  mit  Vorbedacht  gewählt,  besonders  da  diese 
Wahl  auch  der  von  Herrn  v.  Quast  gewählten  Zeitstellung  im 
Wesentlichen  nicht  zu  widersprechen  scheint. 

Bischof  Heinrich,  unter  dessen  Kirchenverwaltung  die 
Krypta  wenigstens  so  weit  hergestellt  worden  sein  musste. 
um  die  Weihe  derselben  und  die  Übertragung  des  Leichnams 
der  Stifterin  Hemma  vorzunehmen,  starb  am  3.  October  1174. 
und  musste  daher  den  Weiterbau  seinen  Nachfolgern  über- 
lassen. Welcher  von  diesen  sich  an  demselben  betheilte, 
vermögen  wir  nicht  zu  entscheiden.  Nur  über  die  Zeit,  in 
welcher  der  Bau  bereits  als  vollendet  angenommen  werden 
darf,  besitzen  wir  eine  beachtenswerthe  Andeutung. 

Wie  Herr  v.  Quast  ganz  richtig  anführt,  werden  au  der 
östlichen  Stirnwand  des  Nonnenchores  die  beiden  Zwickel 
zwischen  dem  grossen  Mittelbogen  und  deren  viereckiger 
Umfassung  jederseits  durch  das  Bildniss  eines  knienden 
geistlichen  Würdenträgers  mit  Spruchhand  eingenommen. 
Der  eine,  zur  Rechten  des  Beschauers  und  somit  zur  Linken 
des  Thrones  des  grossen  Königs  und  Opferlamms,  ')  hat 
die  niedere  Infel  (mitra)  auf  dem  Haupte,  der  andere,  zur 
Linken  des  Beschauers  und  somit  zur  Rechten  des  Thrones, 
hat  die  Infel  zur  Seite  gestellt,  ein  Umstand,  welcher  Herrn 
v.  Quast  mit  gutem  Grunde  vermuthen  Hess .  dass  selber 
ein  gewählter,  aber  nicht  bestätigter  Bischof  gewesen  sei. 
Die  Schrift  auf  dem  Spruchbande  des  Letzteren  ist  schon  in 
der  Art  beschädigt  und  Iheilweise  verloschen .  die  Prüfung 
derselben  auch  durch  den  in  dem  Nonnenchore  auf  derselben 
Seite  angebrachten  Bälgekasten  so  bedeutend  erschwert, 
dass  es  bisher  nicht  möglich  war.  den  auf  dem  Spruchbande 


')  ECCE  THRONVS   MAGN1   PVLGESOT  ItEGIS  ET  AGNI.  So,  und  nicht 
REGNI,  v.  Qnasl  in  Otte's  Grundzügen  S.  ::;. 


24   — 


befindlichen   Spruch   zu  entziffern.    Dagegen  ist  ;hü'  dem 

Spruchbande  des  andern,   zur  Rechten  des  Besch; rs  und 

somit  zur  Unken  des  Thrones,  abgebildeten  Widmers  mit 
der  Infel  auf  dem  Haupte  wenigstens  noch  folgendes  Spruch- 
fragment  zu  lesen:  SIS,  MEI  Q  Q  0  PIA  DIE  TRIC1 
VIRGO  MARIA  (Memor  sis  mei  quoque  o  pia  Dietrici  virgo 
Maria.  Gedenkeaucb  meiner,  desDietrich,  o  fromme  Jungfrau 
Maria).  Der  Charakter  der  Schrift  gleichl  der  vom  Herrn 
v.  Quast  mitgetheilten,  besser  erhaltenen,  für  ein  ungeübtes 
luge  alier  schwerer  lesbaren,  über  den  beiden  Widmern 
befindlichen  Inschrift  und  in  der  in  dem  Bogenfelde  des  süd- 
in .  rundbogigen  Seitenportals,  zu  dessen  Seite  die 
sbenfalls  schon  vom  Herrn  v.  Quast  mitgetheilte  Notiz  über 
den  räthselhaften  Exul  Wido  in  die  zunächst  befindlichen 
Quadern  gegraben  ist.  angebrachten  Umschrift1),  und  kann 
gar  wohl  noch  dem  Ende  des  zwölften  Jahrhunderts 
angehören. 

Aus  dieser  auf  dem  Spruchbande  des  einen  der  beiden 
Widmer  noch  lesbaren  Schrift,  aus  der  Intel  und  der  sonsti- 
gen Bekleidung  desselben,  dürfen  wir  wohl  mit  gutem 
Grunde  schliessen,  dass  wenigstens  einer  der  beiden  Widmer 
ein  Bischof  Dietrich  von  Gurk  gewesen  sei.  Die  Geschichte 
kennt  zwei  Dietriche,  welche  der  Gurker  Kirche  vorgestan- 
den. Bischof  Dietrich  1..  welcher  im  November  des  Jahres 
I  IT!)  durch  Erzbischof  Adalbert II.  von  Salzburg  zum  Gurker 
Bischöfe  geweiht  wurde,  und  im  Jahre  1 1  94  sein  Amt  wegen 
Körperschwäche  niederlegte,  und  Bischof  Dietrich  U.,  welcher 
der  Gurker  Kirchein  den  Jahren  1254  und  1279  vorstand. 

Wir  glauben  in  einem  der  beiden  Widmer  den  Bischof 
Dietrich  erkennen  zu  sollen. 

Es  kann  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die 
Widmung  dessinnvollen  Gemäldes  auf  der  östlichen  Stirn«  and 
des  Gurker  Nonnenchores  beiden  zu  den  Sturen  des 
Thrones  kniend  abgebildeten  Widmern  angehöre,  und  dass 
diese  sonach  Zeitgenossen  gewesen  seien.  Nun  kennen  wir 
aber  bisher  keinen  gewählten,  jedoch  nicht  geweihten 
Bischof,  welcher  ein  Zeitgenosse  de--  Bischofs  Dietrich  II. 
gewesen  wäre  und  in  -liehen  Beziehungen  zur  Gurker 
Kirche  gestanden  hätte,  dass  ihm  die  Widmung  des  bespro- 
chenen Wandgemäldes  in  dem  Gurker  Nonnenchore  zuge- 
mulhet  werden  könnte.  Einen  so  gearteten  Widmer  und 
Zeitgenossen  des   Bischofs  Dietrich  I.  von  Gurk  erkennen 


'i  ■;•  INTRANTI     .     RITE  .  PER  .  .  (Me?)    DO  .  PASCVA    .    V1TE       ,    . 

INTRAT  .  im    .  RITE  .  i  VI  .  DEXTERA   .  i  oll  .  PIA  .  MITE  (Dextera 

■  i-  mite.  Wer  durch  mich  gehörig;  eintritt,  'lfm  gebe  iHi  die  Weide 

des  Lebens.  Der  tritt  hier  gehörig  »-in.  der  eine  froi i Rechte  und  ein 

mildea  Herz  hat),  in  das  Bogenfeld  ist  daa  Brustbild  Christi  sculpirt.  Das 
Haupl  hat  den  Kxeuznimbus,  den  rechten  Vorderarm  erheb!  der  Heiland 
segnen»!,  in  i  d  Hand  hSIt  ei  da  aufgeschlagene  llmli  <l<s  n<  k. 
empor,  luf  dem  einen  Blatte  des  anl  t  zu  lesen  EG, 
auf  dem  andern  HO  (Ego  som  ostium.    Ich  bin  «1er   l i   Um- 

n.s  Sil 

VM  VM 

M-hrift  scheint  ein.*  Fortsetzung  der  ßuchseliriften  zu  sein.  Sonderhnr  ist 
es,  dass  dieses  Seitenportal  schon  lange  :<« ■  ■  ■  i  f..  l.i  .hm  he  ist. 


wir  aber  in  Hermann  von  Ortenburg.  welcher  nach  dem 
Tode  des  Bischofs  Roman  II.  im  Jahre  1179  von  dem 
Gurker  Domcapitel  unbefugt  zum  Gurker  Bischöfe  ge- 
wählt, von  dem  wahlberechtigten  Erzbischofe  von  Salz- 
burg Adalbert  II.  verworfen  und  durch  den  im  November 
1179  zum  Gurker  Bischöfe  geweihten  Dietrich  I.  ersetzt 
wurde,  anfänglich  sich  selbst  mit  Waffengewalt  zu  behaupten 
suchte,  im  August  des  folgenden  Jahres  1180  aber  seinem 
Ansprüche  entsagte,  und  mit  dem  Erzbischofe  und  seinem 
Bischöfe  Dietrich  ausgesöhnt,  neben  diesem  und  auch  muh 
dessen  Abtreten  als  Archiiliacon  der  Gurker  Kirche  urkund- 
lich vorkömmt.  Im  Thronstreite  zwischen  Hermann  um\ 
Dietrich  war  der  Ort  Strassburg  ein  Raub  der  Flammen  ge- 
worden. Wohl  mag  der  eine  wie  der  andere  hierüber,  einer 
gemeinsamen  Schuld  bewusst,  Reue  gefühlt  und  in  diesem 
Reuegefühle  die  Widmung  gemacht  haben.  Hermann  hat  den 
unheilvollen  Kampf  veranlasst,  desshalb  dürfte  wohl  von  ihm 
die  Widmung  ausgegangen  sein,  und  er  desshalb  zur  Rechten 
des  Thrones  abgebildet  erscheinen.  Dietrich  hat  den  Kampf, 
welcher  für  Strassburg  so  verderbend  endete .  fortgesetzt, 
die  Belagerung  der  Feste  Strassburg  wiederholt,  und  dürfte 
sich  desshalb,  als  am  Unglücke  Strassburgs  mitschuldig, 
der  Widmung'Hermann's  angeschlossen  und  wohl  auch  dess- 
halb seine  auf  dem  Spruchbande  noch  gegenwärtig  lesbare 
Bitte  an  die  fromme  Jungfrau  Maria  dahin  gestellt  haben,  dass 
sie  auch  seiner  (mei  quoque)  eingedenk  sein  möge. 
Es  dürfte  daher  wohl  nicht  zu  gewagt  sein,  anzunehmen. 
d;iss  in  den  mehrbesprochenen  beiden  Widmern  der  Archi- 
iliacon Hermann  von  Ortenburg  und  der  Gurker  Bischof 
Dietrich  I.  zu  erkennen  seien,  und  die  Widmung  somit 
wenigstens  nicht  nach  dem  Jahre  1194,  als  dem  Jahre  dos 
Abtretens  des  Bischofs  Dietrich  1.  erfolgt  sein  könne. 

Da  sich  das  gewidmete  Wandgemälde  in  der  östlichen 
Stirnwand  des  Gurker  Nonnenchores  befindet,  dieser  Nonnen- 
chor aber  als  die  über  Aen  Vorhallen  aufgeführte  .  von  den 
zweiten  Geschossen  (\av  beiden Thürme  Bankirte Empore  zu 
den  westlichsten  Theilen  und  somit  mit  Rücksicht  auf  die 
erwähnte  christliche  Bauregel  zu  den  letztaufgeführten 
Theilen  i\v^  Gurker  Domes  gehört,  so  kann  mit  gutem 
Grunde  weiter  geschlossen  werden,   dass   der   Gurker 

Dombau,  welcher  durch  den  dritten  Gurker 
Bischof,  Roman  I.,  in  den  letzten  Jahren  seines 
Regiments  (1132—1167)  nach  vielleicht  mehr- 
j  äh  ri  ger  Vo  rbe  reil  U  ng  de  r  W  e  rkst  ücke  begon- 
nen wurde,  unter  der  Kir  chenv  erwaltung  des 
Bischofs  Die  trich  I.,  jedenfalls  nicht  nach  dein 
Jahre  1194  vollendet  worden  sein  mii sse. 

Dieser  Annahme  dürfte  nicht  entgegenstehen,  dass  Herr 

v.  Quast  in  einzelnen  Ornamenten  des  Gurker  Ni enchores 

die  gotbische  Formbildung  erkannte.   Nur  die  äussere,  erste 

Vorhalle  ist  in  ihrer  Westfi t  dureb  die  Füllmauer  (mit 

dei Herrn,  äusseren,  spitzbogigen  Hauptportale  und  den 

gothischen  Fenstern)  abgeschlossen.    Diese  Füllmauer  ist 


durch  den  noch  sehr  wohl  kennbaren  Rundbogen  des  vor- 
maligen äussern  Hauptportales  oder  dem  Überreste  einer 
äussern  Vorhalle  umrahmt  und  reicht  nicht  über  diesen 
Rundbogen  hinauf.  Au  der  Westfront  der  über  der  ersten 
und  zweiten  Vorhalle  aufgebauten  Empore,  dem  Nonnenchore, 
ist  keine  Veränderung  durch  Umbau  wahrzunehmen,  und  in 
selber  befinden  sich  noch,  wie  es  scheint,  die  ursprünglichen, 
rundbogigen,  kleinen  Fenster.  Es  dürfte  genügen,  dass  die 
Mehrheit  der  Ornamente  den  romanischen  Charakter  verräth, 
und  das  Vorkommen  gothischer  Formbildungen  in  Einzel- 
heiten der  Malerei  im  Nonnenchore  wohl  dadurch  erklärbar 
werden,  dass  der  Gurker  Dombau  überhaupt  schon  der 
Periode  des  Überganges  vom  romanischen  zum  gothischen 
Kunststyle  angehört. 

Übrigens  soll  nicht  behauptet  sein,  dass  nicht  schon 
Hemma  eine  Marien-Kirche  in  Gurk  gebaut,  und  Erzbischof 
Balduin  selbe  im  Jahre  1042  geweiht  habe.  Eine  solche  Be- 
hauptung würde  den  klaren  Inhalt  der  von  dem  Erzbischofe 
Balduin  über  die  Hemma-Stiftung  errichteten  Urkunde  gegen 
sich  haben.  Allein  die  von  der  Grälin  Hemma  erbaute  Kirche 
St.  Maria  Gurk  dürfte  wohl  nur  ein  bescheidener  Bedürfniss- 


bau gewesen  sein,  welcher  dem  Denkmalbaue,  wie  sich  als 
ein  solcher  der  gegenwärtige  Gurker  Dom  erkennen  lässt, 
weichen  musste.  Würde  (wie  wir  nicht  fürchten  wollen) 
eine  Zeit  kommen,  in  welcher  der  Gurker  Dom  zur  Ruine 
wird,  so  fände  man  vielleicht  im  Innern  der  Ruine  die 
Grundmauern  des  alten  Hemma-Raues. 

Von  der  Weihe  einer  Gurker  Kirche  im  Jahre  1(17;! 
durch  den  Salzburger  Erzbischof  Gebhard  ist  uns  aus  den 
Geschichtsquellen,  die  uns  zu  Gebote  stehen,  nichts  bekannt, 
und  das.  was  uns  Wiguleins  Hund  in  seiner  Metropolis 
Salisb.  (Edit.  Ratispou.)  Seite  6,  worauf  sich  Seite  818 
des  fünften  Junibandes  der  Bollandisten  berufen  wird,  er- 
zählt, erregt  um  so  mehr  den  Verdacht  eines  Missverständ- 
nisses, als  nach  Hunds  Erzählung  die  Kirehenweihe,  welche 
am  6.  Mai  (II.  Non.  Mai)  des  Jahres  1073  erfolgt  sein  soll. 
der  Errichtung  des  Gurker  Risthums  und  der  Weihe  des 
neuen  Rischofs  Günther  vorausging,  da  doch  das  Gurker 
Bisthum  bereits  im  Jahre  1071  errichtet,  und  der  neue 
Bischof  Günther  auch  schon  am  6.  Mai  1072  geweiht  wurde. 

G.  F.  v.  Ankershofen. 


Die  Kirche  zu  Sedletz  in  Böhmen. 

(Nach  Berichten  des  k.  k.  Conservators  Franz  Benesch  und  des  k.  k.  Ingenieurs  J.  Zeltl.) 


Das  ehemalige  Kloster  zu  Sedletz  wurde  im  J.  1143 
von  Miroslaw  aus  dem  Hause  Wartenberg  gegründet,  und 
war  das  erste  Cistercienser-Stift  Böhmens.  Unter  Horzislaw 
aus  Waldsassen ,  dem  ersten  der  66  Äbte ,  begann  der  Bau 
der  grossen  Marien-Kirche.  Mönche  und  Laien  wurden  bei 
demselben  verwendet,  und  die  Anlage  und  Ausschmückung 
der  Kirche  war  so  umfangreich,  dass  sie  als  eines  der  be- 
rühmtesten Bauwerke  Böhmens  angesehen  wurde.  Unter 
dem  Schutze  der  reichen  Privilegien,  die  dem  Stifte  von  den 
Königen  Wenzel  IL,  Johann  von  Luxemburg  und  Karl  IV. 
ertheilt  wurden  ')'  bob  sich  der  Glanz  des  Stiftes  immer  mehr, 
bis  am  25.  April  1421  durch  die  Hussiten  Kloster  und  Kirche 
furchtbar  zerstört  und  die  unglücklichen  Mönche  der  marter- 
vollsten Vernichtung  preisgegeben  wurden.  a)  Die  berühmte 


l)  Zu  ilen  Privilegien  des  Stiftes  gehörte  auch  das  Münzrecht,  und  dasselbe 
prägte  auch  die  numismatisch  seltene  Münze:  „Moiwta  Abbat ia  Sedle- 
censis"  aus. 

-)  Heute  noch  soll  die  berühmte  Todtencapelle  auf  dem  Friedhofe  zuScdlciz 
die  Kuocheo  und  Schädel  der  erwähnten  Mönche  bewahren.  Diese  Capelle 
befindet  sich  auf  dem  grossen  Friedhofe,  wurde  im  .1.  16Ü2  aus  Quader- 
steinen im  gothischen  Style  erbaut,  und  es  knüpfen  sieh  daran  zum  Theile 
vielfältige  Sagen  aus  dem  Mittelalter.  In  das  Innere  dieser  anter  der 
Erdoberfläche  befindlichen  Capelle  gelangt  man  mittelst  einer  Stiege  von 
IS  Stufen.  Auf  beiden  Seiten  des  herabführenden  Einganges  sind  Todten- 
gebeine,  gleichsam  Guirlanden  bildend,  angebracht.  In  dem,  in  der  Mitte 
der  Capelle  vielfach  getheilten  Räume  sind  Pyramiden  zwischen  hölzernen 
Rahmen  aus  verschiedenen  künstlich  geschichteten  Todtengebeinen  errich- 
tet, und  die  Spitze  jeder  dieser  Pyramiden  mit  einer  aus  Hol/,  geschnitzten 
und  vergoldeten  Krone  geziert.  Ausser  diesen  sind  noch  (i  kleinere  Pyra- 
miden an  den  Seiten  aufgestellt.  Die  ganze  Gewölbsdeckeisl  gleichfalls  mit 


Marien-Kirche  war  in  einen  verkohlten  Trümmerhaufen  um- 
gewandelt und  erst  33  Jahre  später  von  dem  Ahle  Theodo- 
rich II.  mit  einem  Nolhdache  versehen  worden.  Im  Jahre 
1699  unter  dem  Abte  Heinrich  IV.  begann  dann  die  gänz- 
liche Restatirirung  des  gesunkenen  Bauwerkes,  welche  im 
J.  1707  vollendet  wurde.  Nun  erhielt  sich  die  Sorgfalt  für 
eine  würdige  Erhaltung  der  Kirche  bis  zum  J.  1784.  in 
welchem  das  Kloster  aufgehoben  und  die  Kirche  wieder  dein 
Verfalle  preisgegeben  wurde. 

Die  Kirche  nach  ihrer  ganzen  Ausdehnung  von  Quader- 
steinen erbaut,  ist  zwischen  den  aiissersten  Grunzen  des 
Mauerwerkes  48°  3' 6"  lang,  beim  Haupteingange  17":'.  ii 
und  in  dem  Kreuzschifl'e  21"  0'  0"  breit,  dann  vom  Boden- 
pflaster bis  zum  Dachfirste  10°  3'  0"  und  von  dort  bis  zur 
Thurmspitze  27°  1'  hoch.  Ohne  das  äussere  Mauerwerk 
beträgt  die  innere  Länge  im  Lichten  43"  ,'j  6  .  die  Breite 
in  t\nn  Schiffen  15"  0   0"  und  jene  im  Kreuze  20»  0'  0". 

Dieselbe  isl  eine  fünfschiffige  Basilica,  von  welcher  das 
Mittelschiff  einem  4"  2'  breiten  Kreuzgang  bildet. 

Die  zunächst  des  Presbyteriums  im  Hauptschiffe  befind- 
lichen Pfeiler  tragen  eine  schöne  al  fresco  gemalte  Kuppel. 


Todtengebeinen  gezielt,  nie  Beleuchtung  dieser  Capelle  geschieht  durch 
8  ovale  Fenster.  Über  der  Todtencapelle  erhehl  sieh  die  gleichfalls  im 
gothischen  styl.'  erbauteAllerheiligen-Capelle,  die  in  der  vordem  Facade 

mit  2  dem  erwähnten  Baustile  übereinstimmenden  Thur i  versehen  isl. 

und  zu  welcher  man  auf  den  zu  beiden  Seiten  der  Todtencapelle  ange- 
brachten Stiegen  gelangt.  Die  Red, 


26  — 


welche,  auf  30  schwächeren  Pfeilern  ruhend,  von  gothischen, 
mit  zierlichen  Rippen  versehenen  Gewölbungen  einge- 
schlossen ist. 

Im  Mittelschiffe,  dem  Haupteingange  gegenüber,  befin- 
de! sich  der  Hochaltar,  und  über  ersterem  der  grosse  Musik- 
chor;  zwei  andere  Musikchöre  sind  zu  beiden  Seiten  des 
Presbyteriums,  zu  denen  man  auf  freitragenden  runden  Stie- 
gen gelangt .  angebracht. 

Die  beiderseitigen  zunächst  dem  Mittelschiffe  vereini- 
gen sieh  in  einem  uin  den  Hochaltar  führenden  Kreuzgang. 

Die  Decke  besteht  im  Ganzen  aus  Ol»  gleich  grossen 
Kreuzgewölben,  die  von  30  schlanken,  mit  Gurten  verbun- 
denen Säulen  getragen  werden,  denen  lichte  Höhe  vom 
Fussbodenpflaster  Ins  zum  Scheitel  der  Wölbung  13'/.," 
misst.    106  gothische  Fenster  beleuchten  die  Kirche. 

Nun  der  innern  Einrichtung  sind  nur  erwähnenswert!) 
die  Beichtstöhle,  welche  mit  uns  Eichenholz  i^nt  geschnitzten 
Arabesken  und  Figuren  verziert  sind;  dagegen  die  13  im 
Renaissancestyle  gehaltenen  Altäre,  und  darunter  auch  der 
Hochaltar,  ohne  besondern  Werth  und  uns  den  verschieden- 
artigsten fremdartigen  Theilen  zusammengesetzt  sind. 

Das  Gemälde  des  Hochaltars  —  die  Mi lelfahrt  Christi. 

von  Peter  lirantl  —  wurde  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts 
nach  Hohenmauth  um  1000  tl.  verkauft  und  durch  Berg- 
ler's  Bild  ähnlichen  Stoffes  ersetzt.  Unter  den  übrigen  zum 
Theil  werthvollen Altarblättern  sind  zwei.  derh. Luitgard  und 
die  h.  Juliana.  von  P.  Brantl,  zwei,  derh.  Bernhard  und  Be- 
nedict, \.  Lischka,  eines,  die  14  Nothhelfer,  von  Supper 
und  die  übrigen  von  l!a-ilii  und  Willmann,  letztere 
jedoch  von  untergeordneter  Bedeutung.  Ein  anderes  <!<■- 
malde.  Sedletz's  Zerstörung  durch  die  Hussiten,  von  Skret  a, 
ist  nur  mehr  in  einzelnen  Theilen  erkenntlich. 

Oberhalb  der  Kreuzkuppel  de-  Mittelschiffes  ist  ein  aus 

Holzwerk  zusammengesetzter,  eine eueren  Baustyle  ange- 

höriger  Glockenthurm  angebracht 

Ausser  der  Kirche,  und  zwar  heim  Rentamte  im  Schlosse 
des  Fürsten  Sehwarzenberg,  wird  eine  silberne,  stark  ver- 


goldete, in  die  Pfarrkirche  gehörige  und  sehr  kunstvoll  im 
gothischen  Style  gearbeitete  Monstranze  aufbewahrt;  die- 
selbe ist  37"  hoch,  in  der  Mitte  12"  breit  und  im  Gewichte 
von  18  Mark,  und  wird  wegen  ihrer  Schwere  nur  einmal 
im  Jahre  ZU  kirchliehen  Kundinnen,  nämlich  hei  dem  Frohn- 
leichnamsfeste  verw  endet. 

Die  Monstranze  wurde  bei  der  Plünderung  des  dama- 
ligen Klosters  und  der  Kirche  zur  Zeit  der  hussitischen  Un- 
ruhen in  den  Jahren  141fl — 1424  der  in  der  Mitte  des  Hand- 
griffes angebrachten  und  an  einem  kranzartigen  Vorsprunge 
eingesetzten  Edelsteine  beraubt  und  dann  in  das  Mauer- 
werk der  vordem  Facade  der  Kirche  eingemauert,  woselbst 
sie  erst  nach  Verlauf  vieler  Jahre  durch  Zufall  wieder  auf- 
gefunden wurde.  Im  Jahre  1810  wurde  dieselbe  zur  Silher- 
einlösung  nach  Wien  gesendet,  jedoch  wegen  ihrer  vorzüg- 
lichen Arbeit  und  ihres  Altertlnnnes  zur  bleibenden  Auf- 
bewahrung wieder  zurückgestellt. 

Im  J.  ISä4  wurde  die  Kirche  zu  Sedletz  durch  die  Mu- 
uilicenz  Sr.  Majestät  des  Kaisers  mit  der  Summe  von  nahe 
an  12,000  fl.  restaurirt.  Man  hat  die  theil  weise  dem  Ein- 
stürze drohende  Decke,  sowie  das  Dach  oberhalb  des  Schiffes 
und  der  Seitenhallen  wieder  hergestellt,  die  Verglasung 
sämmtlicher  Wände  und  Wölbungen,    die   Reinigung    und 

Verkittung  der  bemoosten   Quadern   vorgem en;  ferner 

das  Innere  der  Wände  statt  der  einfachen  Kalkliinohe  mit 
zwei  sanften  Farbentönen  bedeckt,  die  schadhaften  Stufen 
vor  der  Kirche  neu  hergestellt,  und  die  Einfassung  des  Fresco- 
gemäldes  im  Hauptschiffe  vergoldet.  Endlich  wurde  mit 
Zuhilfenahme  des  Gypses  der  zerstörende  Mäuerfrass  besei- 
tigt, die  Kirche  neu  gepflastert  und  um  das  Äussere  der- 
selben ('anale  geführt,  damit  die  anter  dein  Erdniveau  gele- 
genen Hallen  vor  Nässe  bewahrt  werden. 

Die  allgemeinen  Wünsche  der  dortigen  Kunstfreunde 
richten  sich  nun  auf  dieRestaurirung  des  Innern  dieses  höchst 
heaclitensw erthen  kirchlichen  Denkmales,  die  wohl  zunächst 
durch  den  Religionsfond  und  den  Patron  der  Kirche  zu 
Staude  gebracht  werden  könnte. 


H'.  S.  PETRVS.  Eine  menschliche  Gestalt  (der  h.  Pe- 
trus) mit  dem  Kreuze  in  der  rechten  Hand. 


Münzenfund  zu  Rottigel  in  Mähren. 

Beschrieben  von  Joseph  Arnulh. 

Im  Juli   1853   wurden   zu    Rottigel   in  Mähren  in  einem  l.  CHVONRADVS.    Eine  menschliche  (ieslall  (  der  Her 

einschichtigen  Grabe  7  Stück   Silbermünzen,  von  welchen      zog),  unter  welcher  eine  Torques. 
aber  nur  4  eingesendet  wurden,  dann  4  Stuck  Drathschlin- 
gen  und  zwei  Bruchstücke  von  derlei  Schlingen  gefunden. 

Da  sich  verschiedene  Meinungen  darüber  kundgaben. 
welchem  Münzherrn  die  erwähnten  4  Stücke  zuzuschreiben 
sind,  so  unterzog  ich  dieselben  einer  genaueren  I  Untersuchung, 
der  Zufolge  ich  mich   darüber   folgenderinassen   aussprechen 

zu  dürfen  glaube:  2.  und  3.  sind  dieser  eben  beschriebenen  Münze  sehr 

ähnlich,  nur  ist  der  Buchstabe  t]  anders  gewendet. 


V, 


—   27   — 


4.  Aul' der  vierten  Münze  sind  die  Vorstellungen  gleich- 
falls denen  auf  den  früheren  drei  Münzen  'hnlieh;  nachdem 
aber  unter  drei  Münzen  auf  zweien  das  Wort  Petrus  nicht 
mit  dem  gewöhnlichen  P,  sondern  mit  C|  geschrieben  ist,  so 
ist  wohl  wahrscheinlich,  dass  die  vierte  Münze  ein  noch 
weniger geübterStämpelschneider  wird  gearbeitet  haben,  und 
dass  sie  eben  dem  Konrad  angehöre,  den  die  früheren 
beurkunden. 

Es  fragt  sich  nun,  welchem  Konrad  diese  Münzen  zu- 
geschrieben werden  müssen?  Meines  Erachtens  dem  Her- 
zoge Konrad,   der  in  Mahren  vom  J.  1055—1093  regierte. 

Ich  glaube  diesen  Ausspruch  etwas  naher  begründen  zu 
können. 

Wenn  in  irgend  einem  Lande  Münzen  mit  darauf  ge- 
schriebenen Namen  gefunden  werden,  so  ist  wühl  die  erste 
Frage,  ob  der  Name  unter  den  Beherrschern  des  Lan- 
des, in  welchen  der  Fund  gemacht  wurde,  vorkömmt  oder 
nicht;  kömmt  der  Name  vor,  so  ist  wohl  die  Wahrschein- 
lichkeit schon  sehr  gross,  dass  die  Münze  dem  Fürsten  glei- 
chen Namens  angehört  habe,  und  es  müssen  sehr  gewichtige 
Gründe  dagegen  sprechen,  wenn  diess  nicht  der  Fall  wäre. 

Der  Fund  wurde  in  der  Nähe  von  Brunn  gemacht.  Nun 
gab  es  aber  in  Brunn  im  XI.  Jahrhunderte  einen  Herzog 
mit  Namen  Konrad,  es  ist  daher  kaum  mehr  zu  zweifeln,  dass 
die  bei  Brunn  gefundenen  Münzen  von  diesem  Herzoge  ge- 
schlagen worden  sind. 

Ohne  mich  in  dieser  Sache  sehr  in  das  Einzelne  der 
Geschichte  des  Markgrafenthums  Mähren  einzulassen,  er- 
zähle ich  nur  einige  Züge,  welche  hinreichen  werden,  die 
Behauptung  zu  rechtfertigen,  dass  die  bei  Bottigel  im  Juli 
1853  gefundenen  Münzen  mit  dem  Namen  CONBADVS  und 
S.  PETBVS  vom  Herzoge  Konrad  von  Brunn,  und  auf  dessen 
Erbauung  der  Peterskirche  auf  dem  Petersberge  zu  Brunn 
geprägt  wurden. 

Nach  Dubravius  erhielt  von  den  vier  Söhnen  des  1055 
verstorbenen  Herzogs  von  Böhmen  Brzetislaus,  der  älteste, 
Spitignev,  Böhmen,  und  der  dritte,  Konrad,  das  Land  um 
Brunn.  ') 

Als  Spitignev  gestorben ,  erbte  dessen  Bruder  Wratis- 
law II.  den  Thron  von  Böhmen,  den  er  als  König,  wozu  ihn 
Kaiser  Heinrich  IV.  wegen  seiner  geleisteten  Dienste  er- 
nannte, seit  dem  Jahre  108b'  zierte.  Wratislaw  gab  sogleich 
nach  seiner  Thronbesteigung  seinem  Bruder  Konrad  den 
Theil  von  Mähren,  der  gegen  Deutschland  liegt;  denn  nach 
Cosmas3)  heisstes:  „occidentalem,  (Moraviae  plagam)  quae 
est  adversus  Theutonicos  dat  Conrado".  Konrad  hielt  es 
immer  mit  seinem  Bruder  Wratislaw,  bis  dieser  die  Söhne 
seines  Bruders  Otto  von  ihrem  Besitze  treiben  wollte,  so 
dass  Wratislaw  vor  Konrad's  Burg  —  vielleicht  die  Burg  der 


Volkssage,  au  deren  Kusse  die  Münzen  gefunden  wurden 
—  erschien,  sie  belagerte,  bis  Konrad's  Gemahlin  eine  so 
aufrichtige  Versöhnung  herbeiführte,  3)  dass  Wratislaw  den- 
selben mit  Ausschluss  seines  gegen  ihn  Aufruhr  erregenden 
und  nach  Ungern  entflohenen  Sohnes  zu  seinem  Nachfolger 
ernannte.  Wratislaw  starb  1093,  sein  Bruder  Konrad  folgte 
ihm  sogleich  in  der  Regierung,  die  er  jedoch  nur  kurze  Zeit 
führte  und  demselben  noch  im  nämlichen  Jahre  nach  7  Mo- 
naten und  17  Tagen  ins  Grab  folgte. 

Wenn  man  unparteiisch  die  Münzen  der  4  Brüder:  des 
Spitignev,  Wratislaw,  Konrad  und  Otto  unter  einander  \er- 
gleicht,  wird  man  eine  solche  Ähnlichkeit  zwischen  ihnen 
linden,  wie  sie  wohl  auf  dem  weiten  Felde  der  Numismatik 
von  keinem  andern  Konrad  aufzufinden  sein  wird,  woraus 
also  hervorgeht,  dass  diese  Münzen  nur  dem  Herzoge  Kon- 
rad  von  Mähren  und  nicht  einem  andern  Fürsten  dieses  Na- 
mens zuzuschreiben  sind. 

Die  Münzen,  z.B.  der  Kaiser,  mit  Namen  Konrad,  haben 
dermassen  eine  andere  Vorstellung  und  Umschrift,  dass  die 
in  Bottigel  gefundenen  unmöglich  unter  dieselben  zu  reihen 
sind,  wollte  mau  auch,  dein  Unwahrscheinlichen  zu  Liebe, 
alle  möglichen  Gründe  zugeben ,  wie  sie  nach  Mähren  ge- 
kommen sein  könnten. 

Zur  Erklärung  der  Bückseite  der  bei  Bottigel  gefunde- 
nen Münzen  S.  PETBVS  passt  meines  Erachtens  die  Stelle 
beiBalbinus:  *)  Conradus  nihil  memorabilegessit  praeterquam 
quod  Ecclesiam  Collegiatam  fundavit.-'  Sie  wurde  Collegiata 
durch  Bischof  Theodorich  1290. 5)  Hiedurch  findet  auch  die 
Münze  bei  dem  gründlich  gelehrten  Adauctus  Voigt  ihre  Be- 
stimmung alsKonradus. 6)  Es  \\  iirde  eher  wahrscheinlich  sein. 
dass  diese  Münze  nicht  nach  Mähren  gehöre,  als  SEVEBYS 
(der  Bischof  von  Prag)  darauf  zu  lesen.  Sind  diese  Münzen 
wirklich  mährische,  so  tragen  sie  durch  ihre  für  die  damalige 
Zeit  grössere  Ideendarstellung  bei.  den  Geschichtschreiber 
zu  bestätigen,  der  sagt:  „Conradus  sciebat  Theutonicum 
linquam. ?)  Es  ist  demnach  auf  der  Vorderseite  dieser  Münze 
ein  Kreuz  zwischen  zwei  Altären?  oder  Thürmen  (nicht 
aber  zwei  Köpfen,  wie  Voigt  meint).  Auf  der  Rückseite: 
eine  Kirche  auf  einem  Berge  mit  3  Thürmen  geschmückt, 
von  denen  der  mittlere  höhere  ein  Kreuz  trägt,  das  zugleich 
den  Buchstaben  T  zu  bilden  scheint. 

Sollte  es  mir  durch  die  Reichhaltigkeit  des  k.  k.  Münz- 
und  Antikcn-Cabinels  gelungen  sein,  den  wahren  Münzherrn 
zu  bestimmen,  so  erhellt  daraus,  wie  erspriesslicb  der  Ver 
kein-  zwischen  dem  Central-Museum  —  dem  k.  k.  Münz-  und 


')  Historie  Buh.  L.  VII,  p.  XLIIII:   Conrado  et  Ottoni.  Brunnensem  et  Znoy- 

mensem  regionem  attribuit. 
-I  Cosmas,  Chronicon.  Bojoh.  ad  :t  1Ü61,  p.  136,  137. 


')  Cosmas,  I.  c.  p.  184,  wo  sie  in  einer  den  König  sehr  ergreifenden  Rede 

eingeführt  wird. 
4|  Miscell.  Regni  Boh.  I..  VII,  e.  2s,  T.  VII,  |>.  10». 
^1  Boczek  Codex  dipl Morav.  V.  4t>:  St.  Petri  Bronae  in  Monte  Cundavil 

magnih'ce  (Herzog  Konrad  habe  die  Collegiat-Kirche  zu  St  Peter  in  Brunn 

gestiftet). 
r')  Beschreibung  der  bisher  bekannten  böhmischen  Münzen.  Pragl771  —  ITsT 

4  Bände  4".  I.  p.  288,  n.  9,  «nd  p.  308,  n.  '.». 
7 1  Cosmas,  Chronic.  B. 


—  28   — 

Antiken-Cabinete  —  und  den  diessfälligen  Anstalten  in  den  zum  Vortheile  der  wissenschaftlichen  Ehre  der  Monarchie, 
Kronländern  sich  zeigt,  und  wie  nöthig  die  billige  Berück-  des  Glanzes  der  Anstalten  und  seihst  zum  materiellen  Ge- 
sichtigung  des  Central-Museums  bei  Funden  ist,  und  zwar      winne  der  Finder. 


Notizen. 


II.  (Hauszeichen  von  Landleuten  bei  Mög- 
eers  und  Gaissau  in  Vorarlberg.  Aus  einem  Berichte 
desConservatorsvonBregenzHrn.  J.S.Kögl.  ')  Von  Möggers, 
einem  vier  Stunden  von  Bregenz  entfernt  liegenden  Pfarr- 
dorfe  gegen  das  anstosseude  bairische  Landgerfchl  Weiler 
zu.  steht  in  der  Entfernung  einer  Viertelstunde  mitten  in 
einem  Walde  die  St.  Ulrichs-Capelle  ,  welche,  durch 
ihre  Abgeschiedenheit  einen  eigentümlichen  Kindruck  her- 
vorrufend, ihr  Dasein  wahrscheinlich  einem  vornehmen  Ein- 
siedler früherer  Jahrhunderte  verdankt. 

Die  Volkssage  lässt  sie  vom  heil.  Bischöfe  Ulrich  von 
Augsburg,  der  im  Jahre  973  starb,  geweiht  werden.  Dage- 
gen lautet  eine  neue  Aufschrift  am  gothischen  Spitzbogen 
vor  dem  Altare:  „Erbaut  1005  —  renovirt  1843."  In  Folge 
dieser  Erneuerung  ist  sie  gut  erhalten.  Unter  dem  Altare 
entspring!  eine  frische  Wasserqüelle,  die  ausserhalb  des 
Kirchleins  in  einen  hölzernen  Brunnentrog  geleitet  wird. 
Sowohl  die  Capelle  als  das  Quellwasser  werden  häufig 
besucht. 

Wodurch  jedoch  diese  Capelle  ein  besonderes  Interesse 
erweckt,  sind  die  Hauszeichen  von  Landleuten,  welche  sich 
in  derselben  vorfinden.    Öfters  schon  hörte  man  nämlich  in 


1)  Im  Jahre  18.13  linth*  m'Iioii  l'rol'rvsor  II  "  in  e  y  e  P  iu  Berlin  im  „Correspon- 
denzblatte  'l«'s  Gesammtvereines  <I»m-  deutschen  Geschichte-  mul  Alterthums- 
vereine"  die  Miltheilung  gemacht ,  «l;is  in  einigen  Gegenden  von  Scan- 
'lina\  ien  und  Norddeutschland, ja  si-llisi  in  den  Niederlanden  und  Brittanien 
gewisse  Figuren  in  der  Absicht  gebraucht  werden ,  einem  Grundstücke 
summt  ilessen  ln-\, cyliflnMi  Zuhi'hiir,  sowie  auch  dem  zeitweiligen  Besitzer 
als  gemeinsames  Wahrzeichen  zu  dienen.  Diese  Zeichen ,  meist  aus 
eraden  Linien  gebildet,  schliessen  sich  häufig  an  das  Krt-u/.  und  an  die 

Rie n  und  l"'* lers  an  <li<-  zusammengesetzten  oder  Binderiemen  an,  and 

gehen  in  neuerer  Zeit  auch  wohl  in  einfache  Darstellungen  \<>\\  Geräthen 
über.  Dieser  Gebrauch ,  schon  im  \lll.  Jahrhundert  in  den  schwedischen 
Gesetzen  begründet,  scheine,  was  Deutschland  betrifft,  dem  Erlöschen  nahe 
zu  sein.,  !  findet  sieb  nur  -li  lebendig  auf  den  Bauernhöfen  deut- 
schen  Ursprungs  in  den  Umgebungen  von  Danzig  und   KII.mil:.    Davon 

angeregt  brachte  Profe Dr.  G.  <■  ö  i  h  im  \    Hefte  cIit  „Mittheilungen 

tlr^  historischen  Vereines  für  Steiermark"  einen  Aufsatz  über  „Haus- 
und Hofmarken"  in  Steiermark ,  dem  zufolge  im  Si ?der  von  Homeyer 

bezeiel ten  Marken   Bicb   solche   nur  mehr   bei   den   Eisenberg-   und 

Schmclzwerks-Besitzern  zu  Vordernberg  und  zwar  urkundlich  sc] leit 

il XIV.  Jahrhunderte  vorfinden.    In  gleicher  Weise  bestanden  sie  auch 

enerz,  alsdorl  ooeh  bis  zum  oben  geni ten  Jahre  162S  der  Bi      b 

und  die  Roheisen-Erzeugnng  durch  Privatgewerke  betrieben  wurde.  Mil 

obiger  Notiz  lniii.'-'n  wir  nun  solche  Haus rken,  oder  wie    man  sie 

aucli .  um  diese  Gattung  prficiser  anzudeuten  „Familienzeiol nennen 

könnte,  aus  Vorarlberg,  und  hoffen  durch  die  Aufmerksamkeit  der  Heri  en 
Conservatoren  nnd  Correspondenten  bald  in  der  Lage  so  sein,  über  diesen 

für  die   historiscl Forscl gen   nichl   unwichtigen   Gegenstand   neue 

Beispiele  :ms  leren  Kronländern   veröffentlichen  zu  können,  um  die 

Angaben  des  Prof s  ll yer  in  Berlin  tu  vervollständigen. 

D.  Red 


Tirol  und  Vorarlberg  von  Urkunden  in  einzelnen  Gemeinde- 
archiven, wo  sämmtliche  des  Schreibens  unkundige  Land- 
leute anstatt  iUn-  Unterschrift  ihre  Hauszeichen  und  Holz- 
marken beigesetzt  hätten.  Es  glückte  aher  bisher  nicht,  ein 
solches  rechtskräftiges  Instrument  seihst  in  die  Hände  zu 
bekommen.  Nun  lieferte  obige  Capelle.  die  leider  wegen 
eines  hölzernen  Gitters  nur  in  ihrem  hintern  Theile  zu- 
gänglich war.  einen  überzeugenden  Beleg.  Dort  befinden  sich 
(5  Apostel,  die  um  das  Jahr  1(53(1  auf  Leinwand  gemalt, 
nehst  den  Namen  ihrer  Spender  aus  dem  Bauernstande  zu 
Möggers  auch  ihre  Hofzeichen  in  Wappenform  enthalten.  Ks 
erscheinen  nämlich  auf  den  Bildnissen  der  Heiligen:  Thomas, 
Simon.  Philippus  die  drei  Wappen  des  Felix  Laco  (1). 
Christian  Fo  rsters  t  ei  re  r   V'schwendt  (2)  und  Philipp 


w 


und  auf  den  übrigen  Gemälden  der  Heiligen:   Matthäus.  An- 
dreas und  Jakob  die  Wappen  des  Franz  F  essler  (4).  dann 

das  Wappen   eines   Ungenannten  (S)   und   zuletzt  jenes   des 
Michael  Mats  (li). 


8 


Die  Wappen  stehen  im  rothen  Kehle,  mit  Ausnahme  des 
3..    welches  im  goldenen  Felde  dargestellt  ist. 

Einen  zweiten  Beleg  liefert  die  Pfarrgemeinde  Gaissau 

am  llhein.  dem  St.  gallischen  Städtchen  llheineck  an  der 
Stelle  gegenüber,  wo  dieser  Strom  eine  fast  unnatürliche 
Wendung  nimmt,  und  wovon  diese  Gegend  den  .Namen  Esel- 
schwanz führt.  Sie  gehörte  bis  zum  Jahre  1811  in  die  Pfarre 
Si  Johann-Höchst.  Die  Gegend  war  einst  eine  Au.  Vier 
Schweizerfamilen ,  .Namens:  Lutz,  Nägeln,  Niedere]-  und 
Nagel  Hessen  sich  daselbst  häuslich  nieder.  Unterm  29.  Mai 
I  i;:!o  bewilligte  Abt  Pins  von  St.  Gallen  der  Gemeinde  Gaissau, 

aus   ihren   eigenen  Mitteln    eine  Capelle   erhauen    zu    dürfen. 

\u  das  Portal  dieses  Kirchleins  wurde  in  nachstehender  Form 


—   29  — 


ein  Stein  zum  Andenken  gesetzt,  worauf  folgende  Zeichen 
eingemeisselt  sind : 


Als  man  dieses  Kirchlein  im  Jahre  1761   erweiterte, 
kam  ein  neuer  Denkstein  mit  folgenden  Wappenzeichen  dazu: 


Aus  dem  Vergleiche  derselben  mit  den  Hauszeichen  in 
Mijggers  geht  deutlich  hervor,  dass  auch  diese  als  Haus- 
zeichen der  Landleute  zu  betrachten  sind,  welche  diese 
Capelle  erbauen  und  renoviren  Hessen. 

12.  (Die  Gemälde  der  Spitalskirche  und  der 
Niki askir che  zu  Znaim.)  Der  fleissige  Forscher  auf 
dem  Gebiete  des  Altertbums  Ritter  v.  Wolfskron  liefert 
im  Notizenblatte  der  historisch-statistischen  Section  der  k.  k. 
mährisch  -  schlesischen  Gesellschaft  zur  Beförderung  des 
Ackerbaues,  der  Natur-  und  Landeskunde  (Jahrgang  1855, 
Nr.  6)  hierüber  folgende  interessante  Beschreibung.  Von  den 
Gemälden  der  Capelle  des  Militärspitales  bemerkt  er,  dass  mau 
darin  zwar  einer  nicht  geringen  Zahl  von  Gemälden  begegne, 
dass  jedoch  die  meisten  mittelmässige  Leistungen  des  vori- 
gen Jahrhunderts  seien,  und  nur  fünf  unter  ihnen  dem  Mit- 
telalter und  zwar  dem  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  ange- 
hören. Sie  sind  sämmtlich  auf  Holz  und  Goldgrund  gemalt, 
und  stellen  Momente  aus  der  Leidensgeschichte  des  Erlösers 
dar.  Die  vier  kleineren ,  welche  sich  zu  beiden  Seiten  des 
Presbyteriums  befinden,  haben  durchgehends  gleiche  Dimen- 
sionen, nämlich  18"  in  die  Höhe  und  11'  in  die  Breite.  Sie 
sind  in  die  schwarze  Holzverkleidung  der  Wände  eingefügt, 
in  welcher  sich  noch  sechs  gleichgrosse  und  zehn  grössere 
Bilder  (1'  8"  ins  Gevierte)  belinden,  welche  zwar  alle  auch 
auf  Goldgrund  gemalt  sind,  aber  dein  vorigen  Jahrhunderte 
angehören,  und  ohne  Zweifel  als  Ersatz  für  jene  andern 
mittelalterlichen  Gemälde  angefertigt  und  an  ihre  Stelle  ge- 
setzt wurden,  welche  sich  früher  in  jenen  Umrahmungen 
befanden.  Die  besprochenen  vier  Passionsbilder,  welche 
a)  Christus  am  Ölberge,  b)  Christi  Gefangennehmung  mit 
der  gewöhnlichen  Episode  zwischen  Petrus  und  Malchus. 
c)  Christi  Verspottung  und  d)  Christum  vor  Pilatus  dar- 
stellen, sind  sämmtlich  ziemlich  wohl  erhalten,  und  bringen 
jene  Scenen  in  der  bekannten  typischen  Form .  daher  eine 
nähere  Beschreibung  der  Gruppen  entfällt.  Die  Figuren 
in  ihnen  sind  gut  bewegt,  das  Gefälte  ist  durchdacht  und 
den  darunter  liegenden  Formen  entsprechend,  der  Ausdruck 


in  den  Gesichtern  gelungen  und  fern  von  der  Überschwang* 
lichen  Charakteristik,  in  welche  die  Kunst  jener  Zeit  so 
häufig  verfiel.  Auch  die  Carnation.  soweit  selbe  durch  Schmutz 
und  bei  etwas  mangelhafter  Beleuchtung  erkennbar  war, 
schien  mir  nicht  ohne  Verdienst. 

Einen  viel  bedeutenderen  Kunstwerth  hat  ein  Votiv- 
bild,  welches  sich,  freihängend,  au  der  rechten  Wand  der 
Capelle  befindet.  Es  niisst  3'  6"  in  die  Höhe  und  2  1  '  in 
die  Breite,  und  stellt  den  Erlöser  zwischen  den  beiden  Scha- 
chern im  Momente  des  Verscheidcns  dar.  Die  Köpfe  der  drei 
Gekreuzigten,  vorzüglich  jener  des  Heilandes,  welcher  den 
tiefsten  Schmerz  mit  dem  edelsten  Ausdruck  der  Hingebung 
vereint,  sind  mit  wahrer  Meisterschaft  ausgeführt.  Auch  ein- 
zelne Köpfe  der  um  den  Kreuzesstamni  gruppirten  Figuren, 
welche  mitunter  sehr  gelungene  Motive  in  ihren  Stellungen 
und  Draperien  zeigen,  sind  sprechend,  namentlich  der  des 
Hauptmanns  Longinus;  —  Johannes  und  Magdalena  genügen 
hierin  weniger.  Die  Zeichnung  der  nackten  Figuren  ist  cor- 
rect,  die  Fleischtöne  sind  durchsichtig  und  w  arm.  Sehr  ge- 
lungen ist  auch  der  Faltenwurf  des  Schamtuches,  womit  die 
Lenden  der  Christusfigur  umhüllt. sind,  welches  höchst  natur- 
wahr in  weichen  Linien  im  Winde  flattert.  Bezeichnend 
für  das  Alter  des  Bildes  ist  —  abgesehen  von  der  Technik 
an  demselben  —  die  Rüstung  des  Reiters  zur  Linken  des 
Heilandes.  Sie  zeigt  nämlich  genau,  und  zwar  vorzüglich 
durch  die  abgestumpften  wulstigen  Eisenschuhe,  auf  das  Ende 
des  XV.  Jahrhunderts,  für  welche  Epoche  auch  der  gesammte 
Styl  des  Gemäldes  spricht,  welches  uubezweifelt  unter  dem 
nachwirkenden  Einflüsse  der  Prager  Malerschule  entstand, 
die  bekanntlich  unter  Karl  IV.  durch  Theodorich  ( I  34S  bis 
1375),  Nik.  Wurmser  von  Strassburg  (1357—1360), 
Kunze  und  Thoin.  von  Mutina  (Modena)  gegründet  wurde, 
und  sich  durch  die  eben  herausgehobenen  Vorzüge  gegen 
andere  gleichzeitige  Schulen  Deutschlands  vorteilhaft 
charakterisirt.  •) 

Über  zwei  Gemälde  der  aus  dem  XV.  Jahrhunderte  her- 
rührenden St.  Niklaskirche  heisst  es  sodann: 

„Das  Altarbild  einer  jener  Seitencapellen  —  ein  Jesus- 
kind mit  den  Leidenswerkzeugen  in  einem  Korbe  —  eine 
gelungene  Copie  nach  Velasquez,  ist  ziemlich  bekannt,  was 
jedoch  hei  einem  andern  Bilde  kaum  der  Fall  sein  dürfte, 
welches  ich  vor  vier  Jahren  unter  dein  Gitterflügel  des  Sa- 
cranientshäuschens  entdeckte,  welches  Meisterwerk  der 
Steinmetz kunst  sich  an  der  linken  Seid'  des  Hochaltars  be- 
findet. Das  Gemälde  gehört  dem  XV.  Jahrhunderte  an.  ist 
in  Wasserfarben  auf  Leinwand  ausgeführt,  und  stellt  das 
Wunder  des  Mannaregens  in  der  Wüste  dar.  Obwohl 
das  Bild,  den  Dimensionen  der  erwähnten  Gitterthür  ent- 
sprechend, eine  unverhältnissmässige  Höhe  von  3'  6'  /u 
einer  Breite  von  nur  1'  \"  hat.  so  ist  die  Gruppe  der  Figuren 
in  diesem  Räume  doch  so  geschickt  gestellt,  das-  sie  nicht 


')  Vergl.  Woccl,  Gnmdziij*e  der  böhm.  Uterthumskunde,  S.  137  ff. 


—  30  — 


unnatürlich  gedrängt  erscheint  Links  vom  Beschauer  steht 
ein  bärtiger  Mann  mit  kurzTerschnittenem  Haare,  der  ein 
langes,  bis  an  dieKnöchel  reichendes,  dunkelviolettes  Gewand 
(die  sogenannte  Sehaube)  trägt,  «reiches  durch  einen 
Gürtel  zusammengehalten  wird.  Die  Achseln  und  die  Brust 
sind  dureh  einen  weiten  Kragen  von  orangegelber  Farbe 
verhüllt,  dessen  Futter  lichtgrün  ist.  und  semer  Form  nach 
auf  eine  an  der  zwar  nicht  sichtbaren  Bückseite  befindliche 
Kapuze,  Gugel,  schliessen  liisst.  wie  sie  im  XIV.  und  XV. 
Secul.  allgemein  üblich  war.  I  >ie  Ärmel  des  Gewandes  sind  bei 
dieser  und  den  übrigen  vier  Figuren  massig  weit  und  laufen 
gegen  die  Hände  zu  etwas  enger  zusammen.  Die  schwarzen 
Schuhe  des  Mannes  —  die  der  übrigen  Figuren  sind  nicht 
sichtbar  —  haben  keine  von  der  Gestaltung  des  Fusses  ab- 
weichende Fenn.   Mindern  schliessen  sich  diesem  genau  an. 

Vor  sich,  in  der  Hohe  der  Brust,  halt  jener  Mann,  der 
das  Alter  von  40 — äO  Jahren  erkennen  liisst.  einen  Stroh- 
korb, in  welchem  das  gesammelte  Manna  liegt,  welches  aus 
den  geöffneten  Wolken,  durch  welche  drei  Strahlenbündel 
brechen,  zur  Erde  fallt.  Ihm  gegenüher,  jedoch  etwas  mehr 
nach  vorn,  kniet  ein  Knabe,  mit  der  rechten  Hand  einen 
ähnlichen  Korb,  der  am  Boden  steht,  am  Henkel  haltend, 
während  er  mit  der  Linken  die  Himmelsspeise  auflieset.  Der 
orientalische  Typus  der  Gesichtsbildung  ist  an  dieser  Figur 
am  ausgeprägtesten,  jedoch  ohne  alle  Übertreibung,  durch- 
geführt. Das  lockige  Haupt  ist  durch  das  gewöhnliche  spitze 
Judenhütlein  mit  dem  aufgestülpten  Hände  bedeckt,  der  Hut 
ist  miniumroth,  der  Rock  dessgleichen  und  dem  eben  be- 
schriebenen ganz  ähnlich,  nur  ist  er  hei  dem  Knaben  nicht 
gegürtet,  daher  das  Gewand  in  breiten  «eichen  Falten  zur 
Erde  fiiesst.  Ha  der  Achselkragen  fehlt,  so  bemerkt  man  den 
Schluss  iles  Talars  am  Halse,  welcher,  einen  schmalen  Um- 
schlag zeigend,  gleich  einem  Hemde  Hill  einem  Knopfe  ge- 
schlossen ist.  Hinter  dem  Knienden  befindet  sich  ein  zweiter 
Knabe  mit  ganz  gleicher  Kopfbedeckung  in  dunkelgrünem 
Kleide;  er  ist  etwas  nach  vorn  gebückt  und  blickt  nach  den 
fallenden  Körnern.  Dem  Manne  zur  Linken  gegenüber  und 
hinter  den  beiden  Knaben  steht  ein  Jüngling,  dessen  reiches 
blondes  Haar  auf  der  Stirn  kurz  geschnitten  ist,  zur  Seite 
aber  in  üppiger  Fülle  leicht  gelockt  auf  die  Achsel  reicht. 

Die  Züge  dieses  Jünglings  sind  fein  und  edel,  der  Mund 
/.war  etwas  üppig   aher  |iro|nirlinnirt.    Die  Augen  yrnss  und 

durch  die  den  Orientalen  eigentümlichen  fleischigen  Deekel 

I  schön  gezeichneten  Brauen  überwölbt,  die  Nase  leicht 

gebogen,  das  Ganze  \ inem  lieblichen  Oval  umschlossen. 

In    den    hocheihobenen    Händen    hall     jener    Jüngling    einen 

Korb  empor,  seine  Stellung I  der  Ausdruck  des  Gesichtes 

zeigen  ein  dankbares  Entzücken,  während  im  Gegensatze  zu 
dicer  wahrhaft  edlen  Erscheinung,  gegenüber  —  hinter 
dem  zuerst  beschriebenen  Manne  —  ein  /illerer  unbärtiger 
■lüde  mit  gierigen  Blicken  und  weit  und  hastig  vorgestreck- 
ten Annen,  gleichfalls  einen  Korb  hält,   um  das  Manna  aufzu- 


fangen.    Fr  tragt   eine  Idassgelbe  Mütze   mit   rothem  t'her- 

schlag  unil  ein  Gewand  von  eben  solcher  gelber  Färbung. 

Hiemit  glauben  wir  genug  gethan  zu  haben,  um  diesem 
merkwürdigen  Gemälde  in  der  vaterländischen  Kunstge- 
schichte eine  bleibende  Stelle  zu  sichern,  während  auch  für 
dessen  fernere  Erhaltung  gesorgt,  und  dasselbe  gehörig 
restaurirt  wurde,  so  zwar,  dass  es  jetzt,  unter  Glas  und 
Rahmen  geborgen,  wohl  noch  ünsern  Enkeln  Zeugniss  gehen 
kann  von  Midirens  ehemaligem  Kuuststrehen. 

1 3.  ( E in  alte s  B a s reli  e f  im  Coli  e g i u in  J a g e I - 
lonicum  zu  Krakau.)  Einem  längeren  Berichte  des  Vor- 
standes der  k.  k.  liaudirectiou  in  Krakau  Hrn.  Dr.  Konrad 
Schenk  I  entnehmen  wir  hierüber  folgende  Darstellung: 
Der  Cardinal  und  Bischof  von  Krakau,  Sbigneus  Olesnicki 
(geb.  1389,  gest.  1435),  machte  das  Gelübde,  eine  Pilger- 
reise zum  heil.  Grabe  zu  unternehmen.  Durch  Staatsgeschäfte 
an  dessen  Erfüllung  gehindert,  hesehloss  er  in  Folge  einer 
päpstlichen  Dispens  in  Krakau  eine  Bursa  zu  stiften  und  ZU 
diesem  Behufe  ein  eigenes  Haus  zu  hauen,  worin  Studirende 
unter  der  Aufsicht  eines  Seniors  wohnen  ,  dann  freie 
Wohnung  und  Beheizung,  sowie  auch  ärztliche  Hilfe  und 
den  Gebrauch  einer  Bibliothek  geniessen  sollten.  Das 
Gebäude  wurde  mit  dein  Namen  Bursa  Jerusalem 
bezeichnet.  ')  Diese  fromme  Stiftung  in  den  spateren  Jahr- 
hunderten durch  Vermächtnisse  bereichert,  erhielt  sich  nun 
bis  zum  Jahre  1841  und  überlebte  alle  anderen Bursen,  wel- 
che durch  die  Zeitumstände  ihres  Vermögens  beraubt,  sieh 
nicht  mehr  erhalten  konnten.  In  dem  genannten  Jahre  wurde 
jedoch  das  Gebäude  ein  Raub  der  Flammen,  die  Studenten 
in  das  Gebäude  zu  St.  Barbara  untergebracht,  und  die  alte 
Bursa  Jerusalem  blieb  und  war  bis  zum  Jahre  18oo  eine 
Ruine.  Eine  alte  Votivtafel  aus  Stein  mit  einem  Basrelief 
erhielt  sich  als  der  einzige  Zeuge  der  früheren  Bestimmung« 
Um  dieses  Denkmal  vor  dem  Untergange  zu  bewahren,  wurde 
nun  bei  dein  Umbau  des  t'ollegiiim  Jagolloiiiciiiu  die  Idee 
gefasst,  demselben  eine  dessen  würdige  Stelle  dabei  anzu- 
weisen. Vis  eine  solche  ergab  sieh  die  dein  Haupteingange 
gegenüber  liegende  \\  and  des  schönen,  mit  einem  Arcaden- 
gange  umgebenen  Hofes.  Zwei  alte  aus  der  vor  längerer 
Zeh  abgebrochenen  Bursa  juris  peritorum  stammende  schöne 

steinerne  Fensterstöcke  winden  verwendet,    um  mit  diesem 
Denkmal  ein  Ganzes  zu  bilden.    Mit  aller  Vorsicht  wurde  das 

vorzüglich  in   der  Drapirung  schön  gearbeitete  Basrelief 

aus  seiner  allen  Stelle  herausgenommen,  übertragen  und  au 
die    bezeichnete    Stelle    versetzt)    nachdem    die    dasselbe 

Umgehenden  und    im  Style   der  Zeil    entworfenen  steinernen 

Verzierungen  fertig  geworden  waren.  Nun  der  in  gothischen 


l)  Derlei  Bursen  gab  es  übrigens  in  Krakau  sowie  in   den  meisten  fitleren 

I  niversttfitsSÜidten    viele.     In    Kr:ik:iu    Iti'sl.in.l    utisser   ili'l"    oliii;t'n    Iturs;! 

:b  eine  Bursa  pauper Bursa  buDgnrorum,  Büros   philosophorum, 

juris  peritorum  .  Bursa  Juridien ,  Smieszkovcana  u.  s.  w.   Über  die  nlten 
Bursen   der  Wiener    UniversitSI    und    deren   innere   Einrichtung   Gndel 

111:111  bei  II.   K  i  11 U  's  Geschichte  der  Wiener  Unlversitfil   1.  Bd,   ge 

tubchlüsse  D.  Red, 


—  31 


Lottern  vorhandenen  Umschrift  wurde  ein  Gypsabguss  ver- 
anstaltet, und  die  wegen  ihrer  eigentümlichen  Schreibart 
und  den  verschiedenen  Abkürzungen  schwierige  Lesung  von 
dein  Professor  und  Bibliothekar  der  Krakauer  Universität 
Dr.  Muczkowski  übernommen.  Ihr  Inhalt  lautet:  „Ad 
honorem  omnipotentis  Dei  salutem  animarum  et  reipublice 
Profectum  Reverendus  in  Christo  pater  Dominus  Sbigneus 
miseracione  divina  lituli  sanctc  Prisce  sahcte  romane  ecclesie 
presbiter  Cardinalis  episcopus  cracoviensis  anno  domini 
milesimo  CCCC  quinquagesimo  tertio  nie  fecit. 

14.  (B y z u n  ti nis c h es  Cr uci fix  zu  Miiggers  in 
Vorarlberg.)  Der  Herr  k.  k.  Conservator  Kögl  in  Brcgenz 
gibt  hierüber  folgende  Beschreibung:  Die  Kirche  zu  Möggers 
bietet  an  sich  nichts  Besonderes;  nur  die  Sacristei  verwahrt 
ein  uraltes  byzantinisches  Crucifix,  das  beim  ersten  Anblick 


an  die  Idee  der  Gnostiker  erinnert.  Dasselbe  besteht  sammt 
der  Kreuzform  hauptsächlich  aus  Kupfer,  mit  etwas  Zinn 
vermischt  (also  aus  Bronze)  und  ist  stark  vergoldet.  Weil 
sich  das  Lang-  vom  Querholze  getrennt  hatte,  so  machte 
Jemand  beide  Theile  dadurch  wieder  fest,  dass  er  sie  mit 
einer  Platte,  worauf  I.  l\.  B.  I.  steht,  rückwärts  zusammen- 
fügte, und  bediente  sich  dazu  eiserner  Nagel  von  grober 
Form;  ja  Christus  seihst  wurde  unter  dem  Halse  und  ober- 
halb des  Schamröckchens  schonungslos  mit  solchen  Nägeln 
durchbohrt  und  an  das  Kreuz  befestigt.  Woher  die  vertiefte 
Jahrzahl  !)8o  in  arabischen  Ziffern  rührt,  ist  nicht  bekannt: 
sie  scheint  eine  spätere  Znthat  zu  sein.  Die  Löcher  an  den 
Ecken  des  Kreuzes,  wo  einst  edle  Steine  gewesen  sein  mögen, 
wurden  mit  neuen  Rosetten  verdeckt.  In  den  Kunstsamm- 
lungen Münchens  sollen  ähnliche  Crucifixe  aufbewahrt  werden. 


Literarische  Anzeigen. 


Die  deutsche  Glasmalerei.  Geschichtlicher  Entwurf  mit  Belegen 
von  W.  Wackernagel. 

Leipzig   1855.  »•   S.   ISO. 

In  der  Form  zweier  Vorträge  wird  in  lebendiger  und 
sehr  anregender  Weise  Entstehung.  Fortbildung  und  Verfall 
der  deutschen  Glasmalerei  behandelt.  Der  leichte  Fluss  der 
Bede,  welcher  es  nirgends  an  Gründlichkeit  gehrieht,  wird 
von  dem  gelehrten  Apparate  nicht  gehemmt.  Letzterer  ist 
in  einem  eigenen  Anhange  zusammengestellt.  Aber  nicht 
nur  das  kunstgeschichtliche  Interesse  findet  seine  volle  Be- 
friedigung, sondern  die  historische  Betrachtung  des  Stoffes 
wird  auch  für  die  künstlerischen  Bedürfnisse  unserer  Gegen- 
wart fruchtbringend  gemacht,  indem  der  Verfasser  mit  feinem 
Kunstgefühle  die  Gränzen  nachweist,  innerhalb  welcher  sich 
bei  Wiederaufnahme  dieses  Kunstzweiges  zu  bewegen  sei. 
Es  ist  diess  um  so  wichtiger,  je  seltener  diese  Gränzen  in 
den  Schöpfungen  unserer  Gegenwart  eingehalten  werden. 
Das  neueste  Beispiel  einer  Verirrung  auf  diesem  Kunstge- 
biete ist  das  für  den  Kölner-Dom  bestimmte  Görrer'sche  Vo- 
tivbild,  von  Ainmüller  in  München,  nach  einer  Zeichnung 
Overbeck's  ausgeführt.  Hier  ist  das  dem  Kunstzweige  der 
Glasmalerei  innewohnende  Priucip  der  Einordnung  in  die 
Architektonik  gänzlich  verlassen,  und  ein  Gemälde  ins  Leben 
gerufen,  in  welchem  das  Glas  nur  die  Stelle  der  Leinwand 
vertritt.  Wir  führen  diess  nur  an,  um  der  Ansicht  Wacker- 
nagel's  mit  dem  Wunsche  auf  das  wärmste  beizutreten .  sie 
möge  in  allen  Kreisen  die  verdiente  Beachtung  linden.  Somit 
hätten  wir  diesem  schätzbaren  Beitrage  das  wohlverdiente 
freundliche  Geleite  gegeben.  Was  wir  weiter  beifügen,  soll 
dem  Werthe  dieser  Forschung  keinen  Eintrag  tliun,  sondern 
nur  dein  Leser  zur  weiteren  Orientirung  dienen.  Die  F rage 
nach  der  Erfindung  der  Glasmalerei  entscheidet  Wacker- 
nagel zu  Gunsten  der  Deutschen,  da  in  Tegernsee  die  nach- 


weislich früheste  Ausübung  dieser  Kunst  zu  treffen  sei.  \\  ir 
wären  gewiss  nicht  die  Letzten,  welche  diesem  Ausspruche 
mit  vollem  Herzen  beistimmen  würden ,  wenn  uns  nicht  der 
UmMick  auf  die  fremdländischen  Forschungen  zur  l'eber- 
zeugung  brächte,  dass  diese  Frage  vorläufig  noch  als  eine 
offene  zu  betrachten  sei.  Aus  Levis  in  Brüssel  ls>ü4  er- 
schienener Geschichte  der  Glasmalerei  ersehen  wir,  dass. 
wie  die  Erfindung  der  Ölmalerei,  so  auch  jene  der  Glas- 
malerei mit  Gründen  von  einigem  Gewichte  für  Flandern  in 
Anspruch  genommen  wird,  während  der  gelehrte  franzö- 
sische Archäologe  Texier  die  Erfindung  der  Glasmalerei  zu 
Gunsten  Frankreichs  auf  die  Emailarbeiten  von  Limoges 
zurückführt.  Auch  noch  an  anderen  Versionen  dieser  Frage 
fehlt  es  nicht,  und  sie  wird  auch  so  bald  nicht  ihre  stichhäl- 
tige Lösung  finden.  Auch  eine  zweite,  damit  im  Zusam- 
menhange stehende  Frage  nach  der  Zeit,  in  welcher  Theo- 
pbilus  seine  „Diversarum  arfimn  schedula"  schrieb,  deren 
zweites  Buch  zum  grossen  Theile  mit  der  Glasmalerei  sich 
beschäftigt,  ist  noch  im  Flusse  begriffen,  und  keineswegs, 
wie  Wackernagel  annimmt,  mit  vidier  Sicherheit  dahin  zu 
beantworten,  dass  dieses  Werk  bereits  im  XI.  Jahrhunderte 
niedergeschrieben  worden  sei.  Diese  Angabe  stütz!  sich  auf 
Lessing's  Forschung.  In  neuester  Zeit  wurde  jedoch  diese 
Frage  von  dem  gelehrten  Frankreich  wieder  aufgenommen, 
und  mit  Geist  und  Gründlichkeit  allseitig  behandelt.  Es  stehen 
sieh  hier  vorläufig  zwei  Ansichten  gegenüber,  deren  jede 
aus  einer  sorgfältigen  und  bis  ins  Kleinste  gehenden  Kritik 
des  Inhalts  dieses  Traetatos  die  Zeil  seiner  Abfassung  zu 
bestimmen  sucht,  li.  Hendrie  entscheide!  sieb  für  das 
XI.  Jahrhundert.  M.  Guichard  für  das  Ende  des  XII.  oder 
den  Anfang  des  XIII.  Jahrhunderts.  Letzterer  Ansicht  sind  der- 
malen die  anerkanntesten  Forscher  Frankreichs,  wieDidron, 
ISourasse.  Texier  u.  a.  m.  beigetreten,  und  sie  dürfte  sonach 


:v>  — 


ohne  überwiegende  Gründe  nicht  bei  Seite  gelassen  «erden. 
Der  Verfasser  unseres  Werkes  hatte,  letzterer  Ansieht  sich 
anschliessend,  auch  der  Begründung  seiner  Angabe,  dass 
nämlich  <lie  Glasmalerei  eine  deutsche  Erfindung  sei,  we- 
sentlich gedient.  Stammt  letztere  ans  dem  \.  Jahrhunderte, 

und  zwar  ans  Baiern,  SO  ist  nicht  wohl  abzusehen,  wie  diese 

Erfindung  bereits  im  XI.  Jahrhunderte  nach  den  Worten 

TheOphU's  sich  in  Frankreich  zu  jener  Höhe  und  Tüchtigkeit 
entwickelt  habe,  welche  er  ausdrücklich  den  Glasmalereien 
Frankreichs  nachrühmt.  Hiefür  reicht  in  der  That  die  vim 
Wackernagel  angeführte  Schnelligkeit  der  weitem  Aus- 
breitung nicht  aus.  wohl  aber  würde  es  nicht  befremden, 
wenn  wir  in  Theophil  einen  Schriftsteller  aus  dem  Ende  des 
XII.  oder  dem  Anfange  des  XIII.  Jahrhunderts  erblicken. 
Eine  dritte  Frage  endlich,  welche  jedoch  mich  ganz  der 
Forschung  angehört,  und  wofür  bis  nun  nur  spärliches  Ma- 
terial vorliegt,  betrifft  die  Ableitung  der  der  romanischen 
Kunstepoche  eigenthümlichen ,  nur  mit  grauschwärzen  Um- 
rissen und  Schatten  gezeichneten  Glasgemälde  von  jenen 
ornamentirten  Glasfenstern,  in  welchen  die  Zeichnung  eben 
nur  durch  die  eingezogenen  Bleistreifen  gebildet  erscheint, 
und  wovon  uns  Beispiele  aus  früher  Zeit  in  der  Cistercienser- 
Kirehe  Pontigny  in  Frankreich  aufbewahrt  sind.  Doch 
wie  erwähnt,  muss  diese  Frage  erst  in  das  Gebiet  der  For- 
schung  gezogen  werden,  welche,  wie  aus  dem  Gesagten 
ersichtlich  ist,  auf  diesem  Kuiistgebiete  noch  manches  Unge- 
löste zu  lösen,  Manches  zu  begründen  und  richtig  zu  stellen 
hat.  Hr. 


Berichte  und  Mittheilungen  des  llterthumsvereines  zu  Wien. 

Band  I,   Wien,   in  CoiiimisMuii  ilt-r  BnchhladluDg  Crünill  und  Mayer  1856. 

Nachdem  es  zu  den  Aufgaben  der  k.  k.  Central-Com- 
mission  gehört,  auf  die  Gründung  historischer  und  archäolo- 
gischer Local- und  Landesvereine  hinzuwirken,  so  konnte 
dieselbe  von  dem  Inslebentreten  des  Wiener  Alterthumsver- 

eines  —  wenn  sie  auch  darauf  keinen  Einfluss  ge uiien  — 

mir  mit  voller  Befriedigung  Kenntniss  nehmen.    Sie  musste 
mit  ebenso  lebhaftem  Interesse  das  Zusammenwirken  jener 

Männer   verfolgen,    welche    sieh    die   Aufgabe    gestellt,    die 

Kenntiiiss  der  im  Erzherzogthume  Osterreich  vorhandenen 
historischen  und  monumentalen  henkmale  zu  erweitern,  und 
als  deren  erste  Frucht  die  hier  in  Frage  stehenden  Berichte 
und  Mittheilungen  zu  betrachten  sind.  Wir  begegnen  darin 
mit  Vergnügen  emer  Reihe  von  Gelehrten  und  Alterthums-* 
freunden,  deren  Namen  in  der  n  issenschaftlichen  \\  eil  einen 
zu  guten  Klang  besitzen,  als  dass  sich  nicht  mit  Hecht  sehr 
schätzbare  und  erfindliche  Leistunsren  erwarten  Hessen,  lud 


wenn  man  tiefer  in  den  Inhalt  des  Gebotenen  eindringt,  so 
wird  man  auch  —  vorausgesetzt,  dass  die  Anforderungen 
nicht  über  den  Kreis  der  Forschung  und  der  historischen 
Specialitäten  hinausreichen  —  auf  sehr  werthvolle  Beiträge 
stossen.  Wir  erwähnen  von  grösseren  Aufsätzen  die  inter- 
essante Abhandlung:  „Über Burgen  und  Schlösser  im  Lande 

unter  der  Enns"  mit  einer  einleitenden  Geschichte  des  Bur- 
genhaues  von  ,1.  Feil  und  der  archäologischen  Beschreibung 
einiger  liilterliurgen  und  Schlossruinen  im  Kreise  unter  dem 
Wiener  Walde  von  Fr.  0.  Edlen  v.  Leber,  ferner  Feil's 
Andeutungen  über  Scheustem  im  ,1.  I8ü5;  die  Biographien 
des  Franz  X.  Einbel  und  F.  O.  Edlen  v.  Leber,  dann  den 
T  sc  hischka's  Nekrolog  von  demselben  Verfasser;  ferner 
Alb.  Camesina's  Publicationen  über  Lauteusack's  Ansicht 
von  Wien  im  J.  lo5<S  und  über  die  älteste  Ansicht  Wiens 
vom  ,1.  148;};  Joseph  Bergmann's  Aufsatz  über  Erzherzog 
Maximilian  1.  und  Maria  von  ISurgund  und  deren  älteste  Por- 
träte in  der  k.  k.  Ambraser-Sammlung;  Frost  Birk's  „Bild- 
nisse österreichischer  Herzoge  des  XIV.  Jahrhunderts  und 
ihrer  Gemahlinnen"';  Rudolph  v.  Ei  telh  ergers  Darstel- 
lung einiger  altitalienischer  Gemälde  an  der  k.  k.  Akademie 
der  bildenden  Künste,  und  Joseph  Sc  hei  gor's  „Drei  Per- 
sönlichkeiten des  Sebensteiner  Ritterhundes  auf  blauer  Erde." 
Reich  ausgestattet  ist  übrigens  das  Werk  auch  mit  Miscellen 
über  Inschriften,  Grabsteine,  Münzen  und  kirchliche  Bau- 
denkmale des  Erzherzogthuins  Osterreich  und  Salzburgs  und 
mit  zwei  Berichten  über  die  Restauration  des  südlichen  Por- 
tals der  Franziskaner-Kirche  zu  Salzburg  und  über  den  Bau 
der  Giebel  am  St.  Stephansdome,  welche  von  Feil,  Eitel- 
herger, Denhart.  Bodensteiner,  Chalaupka, 
Lichtenberger  und  Furtmoser  herrühren,  ludein  wir 
noch  erwähnen,  dass  das  Werk  mit  zahlreichen  Abbildungen 
versehen  ist.  welche  wie  jene  von  Cantesina  von  grossem 
Werthe  sind,  halten  wir  es  für  unsere  Pflicht,  darauf  die  Auf- 
merksamkeit aller  Freunde  der  Geschichte  und  des  Alter- 
thunis zu  lenken .  in  der  Überzeugung,  dass  hei  den  fort- 
gesetzten ernsten  und  wissenschaftlichen  Bestrel gen  des 

Vereines  der  österreichischen  Literatur  in  den  Berichten 
des  Alterthumsvereines  eine  neue,  fruchtbare  Fundgrube 
für  die  Landes-  und  Culturgeschichte  erwächst,  welche  die 
seit  dem  Aufhören  von  Hormayr's  Archiv  und  Taschen- 
buch entstandene  Lücke  wieder  ersetzen  könnte.  W. 


(Anfrage.)  Der  k.  k.  Conservator  Alb.  Camesina  stellt  an 
die  Goschichts- und  Altertumsforscher  die  freundliche  anfrage,  ob 
sie  nicht  Auskunft  zu  geben  im  Stande  sind,  in  welchem  Jahre  der 
Steinmetzmeister  Bonifacius  Wolmuet,  der  im  Jahre  K>47  in 
Wien  lebte,  '„'rinnen  and  gestorben  ist. 


lus  'l.r  k.  k.  Hof-  null  Staatsdruckerei  in  Wien. 


Jeden  Monat  erscheint   1  Heft   zu 
1  bis  2  Drnckbogeb    mit  Abbil- 
dungen. 

Der  Priinuiiierationspreis  ist  für 
einen  Jahrgang  oder  zwölf  Hefte 
nebst  Register  sowohl  für  Wien 
als  die  Kronlünder  und  das  Ausland 
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Zusendung  in  die  Kronländer  der 
österr.  Monarchie  4 II.  20  kr.  CM. 


MiTTHEiLUNGEN 


DER  K.  K.  CENTRAL-  COMMISSION 


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men halb-  oder  ganzjährig 
allck.k.  Postamlrr der  Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
Zusendung  der  t-inzelnt-n  Hefte 
besorgen.  —  Im  Wege  des  Buch- 
IiüuuVIb  sind  alle  Pränumerationen 
und  zwar  nur  zu  dem  Preise  iuu 
1  fl.  an  den   k.   k.    Hufbut-hhändler 

W.  Braumiiller  in  Wien  zu  richten. 


ZUR  EKNUro  11  ERHALTilG  DER  BÄIIKMM 

Unter  der  Leitung  des  k.  k.  Seclions-Chefs  und  Präses  der  k.  k.  Cenlral-Coniinission  Karl  Freiherrn  v.  Czoernig. 

Redacteur:    Karl  Weiss. 


N2.-3. 


I.  Jahrgang. 


März  1856. 


Inhalt:  Der  alte  Kreuzgang  des  bischöflichen  Münsters  zu  Brixen.  (Schluss.)  —  Über  den  älteren  sächsischen  Kirchenbau  und  insbeson- 
dere die  evangelische  Pfarrkirche  von  Mühlbach.  —  Baudenkmale  in  Meran. —  Die  mittelalterliche  Kirchenthüre  bei  denKapuzinern 
in  Salzburg.  —  Notizen.  —  Literarische  Anzeige. 


Der  alte  Kreuzgang  des  bischöflichen  Münsters  zu  Brixen. 

Von  G.  T  i  n  kh  aus  er ,  Regens  der  fürstbischöflichen  Domschule  und  k.  k.  Conservator  in  Brixen. 

(Schi  uss.) 


In  der  5.  Arcade  finden  wir  wieder  mehrere  Paral- 
lelbilder. Erstes  Hauptbild:  Christus  ersteht  von  den 
Todten.  Nebenbilder:  a)  Samson,  wie  er  die  Thore 
der  Stadt  durchbricht  und  sie  auf  einen  Berg  trägt;  b)  Jo- 
nas,  wie  er  nach  drei  Tragen  aus  dem  Bauche  des  Fisches 
steigt.  Diese  Bilder  sind  übermalt  worden.  Zweites  Haupt- 
bild :  Christus  erscheint  den  Jüngern,    wahrend 


Drittes  Hauptbild:  Christus  erscheint  der  Magda- 
lena; die  dazu  gehörigen  Nebenbilder:  u)  Daniel,  wie 
er  vom  Könige  in  der  Löwengrube  noch  lebendig  gefunden 
wird,  b)  die  Verlobte  im  Hohenliede,  wie  sie 
ihren  Geliebten  findet.  Diese  Bilder  sind  ebenfalls  alle  über- 
malt worden.  Das  vierte  Hauptbild  findet  sich  unter  drin 
Schildbogen  der  innern  Seitenmauer  und    stellt  vor,  wie 


Magdalena  im  Grabe  ihn  sucht.    Dieses  Bild   ist  auf     Christus  die  Seelen  der  frommen  Alträter  aus 


dem  äussern  Schildbogen  angebracht,  sehr  gut  durchgeführt 
und  auch  noch  im  ursprünglichen  Zustande  erhalten,  ausser 
dass  der  Mauerfrass  den  untern  Theil  sehr  beschädigt  hat. 
Es  besteht  eigentlich  aus  zwei  Abtheilungen ,  welche  aber 
sehr  gut  mit  einander  sich  verbinden.  In  der  einen  erscheint 
Christus  den  Aposteln,  in   der  andern  zeigt  sich  das  leere 


derVurhölle  befreit.  Auf  dem  nämlichen  Felde  ist  ein 
Nebenbild  angebracht,  nämlich  der  ägyptische  Joseph, 
wie  er  sich  seinen  Brüdern  zu  erkennen  gibt.  Diese  zwei 
Bilder  sind  grossentheils  noch  gut  erhalten,  aber  die  zwei 
folgenden  Nebenbilder  übermalt  worden,  nämlich  Samson, 
wie  er  den  Löwen  erwürgt,  und  David,  wie  er  den  Riesen 


Grab,  wo  Magdalena  trauernd  ihren  Heiland  sucht.  Vor  dem  Goliath  tödtet.  Der  Löwe  und  Goliath  gelten  hier  für  Sinn- 
erstandenen Heiland  kniet  ein  Canoniker  in  der  Chorklei-  Bilder  des  Satans.  Die  ganze  Arcade  scheint  yom  nämlichen 
düng:  daneben  steht  St.  Ulrich,  welcher  die  Seele  des  Meister  gemalt  worden  zu  sein  und  zwar  im  J.  I.X..A.2 
Donators  dem  Erlöser  empfiehlt.  Dieser  Canoniker  ist  ohne 
Zweifel  Johann  von  Firmian  (gest.  am  25.  Sept.  1471), 
dessen  Grabstein  Besch  hier  noch  gesehen  hat1).  —  Als 
Nebenbilder  erschienen:  a)  Buben,  wie  er  seinen  Bruder 
Joseph  in  der  Cisterne,  und  b)  die  Verlobte  im  Hohen- 
liede, wie  sie  ihren  Geliebten  auf  der  Gasse  und  in  den 
Strassen  sucht.  Diese  zwei  Bilder  sind  vollständig  übermalt. 


!)  Mnnum.  I,  pag.  24,  num.  44.  Dieser  Grabstein,  welcher  jetzt  an  einem 
andern  Theile  des  Kreuzganges  aufgestellt  ist,  trägt  die  Inschrift:  Anno 
domini  M.CCCC.LXXI.  die  XXV.  mensis  septembris  obiit  nobilis  vir  das 
iohaunes  de  fmniano  eanonicus  huius  eeclesie  brixsinensis,  cuius  aniina 
requiescat  in  pace  amen.  Diese  ganze  Inschrift  hat  nur  gothische  Minuskel. 


(1472),  wie  die  Jahreszahl  im  Fehle  unter  dein  innern 
Schildbogen  anzeigt.  Die  übermalten  Bilder  haben  eben 
durch  das  Übermalen  sehr  viel  gelitten. 

In  der  6.  Arcade  sind  die  Bilder  theilweise  zerstört, 
theilweise  sehr  grob  übermalt,  nur  jenes  unter  dem  Schild- 
bogen der  innern  Mauer  ist  ziemlich  gut  erhalten.  Sämmt- 
liche  noch  erkennbaren  Vorstellungen  beziehen  sieh  auf  die 
geheimnissvolle  Geburt  der  Jungfrau  und  Gottesmutter  Maria. 
Die  drei  Hauptbilder  sind  nach  der  Legende  des  heil.  Ilie- 
ronymus  componirt:  Der  Hohepriester  verschmäht 
das  Opfer  von  Joachim  und  Anna  als  von  unfrucht- 
baren   unter   dem    auserwählten    Volke    gebrandmarkten 


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Eheleuten.  —  Ein  Engel  v erkundet  dem  trauernden 
Joachim  und  dann  auch  seiner  betrübten  Gattin 
die  Geburt  Mariens,  welche  dem  Herrn  zum  bestän- 
digen Dienste  geweiht  werden  soll.  —  Voll  Freude 
begegnen  sich  die  beiden  unter  dem  goldenen 
Thore  in  Jerusalem  und  Anna  empfing  und  ge- 
bar das  Kind.  Als  Nebenbilder  und  Symbole  dienen: 
die  Tochter  des  Jephte,  welche  für  den  Sieg  des 
Volkes  Israel  dein  Herrn  geopfert  wird;  der  Trau  in  des 
Königs  Astyages,  worin  diesem  die  Geburl  des  Cyrus 
von  seiner  Tochter  verkündet  wird:  die  Wurzel  Jesse. 
aus  welcher  Äste  aufsteigen,  worauf  sieben  weisse  Tauben 
sitzen,  die  Gaben  des  beil.  Geistes  sinnbildend;  endlich  der 
Tisch  der  Sonne,  welcher  von  zwei  Fischern  aus  dem 
Meere  gezogen  wird.  Zur  Verdeutlichung  lasse  icli  die 
Inschriften  folgen,  insoweit  ich  sie  bei  den  einzelnen  Bil- 
dern  noch   lesen   konnte. 

Summus  sacerdos  Abyathar  sprevit  oblacionem  Joachim 
et  Anne  ....    =    Hie   annunciatur    per    angelum    utrique 

Joachim  et  Anne  natiritas  sancte  MARIE =    Hie 

eonveuiunt  Joachim  et  anna.  Aniplexantes  se  mutuo  in  porta 
aurea.  et  coneepit  et  peperit  Mariam  materem  domini  nostri 
Jhesu  Christi.  =  .  .  .  Vepte  obtulit .  .  .  pro  victoria  hostium 
l  tem)poralium. sie  maria  (oblata)  est  pro  victoria  (ho)st(ium) 
infernalium.  =  Regi  astragi  monstratum  est .  quod  filia  sua 
regem  Cyrum  regeneraret.  Joachim  nunciatum  est.  quod  filia 
sua  regem  Xpm  portaret.  Cyrus  rex  liberavit  iudeos  de  captivi- 
tate  babilonica.  Et  Rex  Xps  liberavit  nos  de  captivitate  dya- 
bolica.  filia  ergo  regis  astragis  liguravit  mariam.  que  protu- 
lit  mundo  vitam  veram  et  piam.  =  Egredietur  virga  de  radice 
^  esse  et  tlos  de  radice  eins  ascendet.  super  quem  septi- 
formis  gracia  spiritus  saneti  requiescet.  hec  virga  est  maria 
feeundata  per  celestem  rorera.  One  produxil  nobis  Xpm 
amenissimum  Sorem.   =  Per  mensam  igitur  solis  maria  est 

pulchra  figurata.  Que  vero  soli  i.  e.  sui leo  est  oblata. 

Mensa  -ulis  oblata  est  in  templo  solis  materialis.  Maria  oblata 
est  in  templo  solis  eternalis.  Das  noch  ziemlich  gut  erhaltene 
Gemälde  am  imicrn  Schildbogenfelde  zeigt  uns  den  Pro- 
pheten Balaam   im  Streite  mit  dem  Engel,   welcher  ihm 

den    Weg   verlegt.     I»; ben    kniet    iV-y    Donator    mit    der 

Chorkleidung  angethan  zwischen  St.  Katharinen  und  Panta- 
leon.  Den  Bezug  des  heidnischen  Sehers  Balaam  auf  die 
Geburl  Mariens  deute)  die  Inschrift,  welche  in  diesem  Felde 
zu  lesen  ist  :  Spiritus  sanetus  eciam  nobis  Mariam  necessa- 
riam  ostendebat,  cum  per  os  balaam  ortum  eins  promittebat. 

pr isit  enim  quod  de  iacob  orietur  Stella  per  quam  figura- 

batur  futura  dei  cella.  balaam  populo  (srahelitico  malediccio- 
nem  cogitabat,  sed  spiritus  sanetus  malediccionem  in  bene- 
diccii m  transmutabat.  Alle  Gemälde  dieser  Ircade  schei- 
nen von  einem  Meister  zu  stammen.  \ns  der  noch  erhalte- 
nen Inschrift  in  einem  Kehle  der  Oberdecke  entnehmen  wir 
den  Namen  des  Donators.  Es  ist  Magister  Berthold  von 
Soltwedel,  Canonicuszu  U.  L.  Frauen,  welcher  am  20.  Sep- 


tember I  R82  gestorben  ist  und  hier  seine  Grabstatte 
gefunden  hat  '). 

Die  7.  Arcade  hat  im  äussern  Schildbogenfelde  ein 
schönes  Vesperbild  al  fresco,  welches  noch  sehr  gut 
erhalten  ist.  Maria  hält  den  Leichnam  Jesu  auf  dem  Schoosse, 
davor  kniet  ein  Priester  in  der  Chorkleidung,  welchen  die 
heil.  Katharina  als  Fürsprecherin  mit  den  Händen  stützend 
hält.  Eine  nur  zum  Theil  noch  leserliche  Inschrift  nennt 
uns  den  Namen  desselben;  es  ist  Gregor  Sybar,  Canonicus 
zu  l.  L.  Frauen,  welcher  beiläufig  um  das  J.  144(J  gestor- 
ben ist  und  hier  seine  Grabstätte  gefunden  haben  mag.  Die 
andern  Bilder  dieser  Arcade  sind  gräulich  übermalt  oder 
völlig  erbleicht.  Die  Vorstellungen,  welche  sich  noch  erken- 
nen lassen,  enthalten  lauter  Symbole  von  dem  wundervollen 
Geheimnisse  der  jungfräulichen  Mutterschaft  Ma- 
riens. Die  Sinnbilder  sind  die  folgenden:  der  Vogel 
Strauss,  dessen  Eier  durch  die  Sonnenhitze  ausgebrütet 
werden;  der  Pelikan,  welcher  die  Jungen  mit  seinem 
Blute  belebt:  eine  Frau,  welche  zwei  nackte  Knüh- 
lein  (Zwillinge)  mit  den  Händen  führt,  wovon 
jedes  durch  Berührung  eine  Thür  öffnet;  die  Vestalin 
Tuscia,  welche  in  einem  Siehe  Wasser  trägt;  der 
Löwe,  welcher  die  Jungen  durch  sein  Brüllen  zum  Leben 
bringt;  der  Vogel  Kalander,  welcher  durch  den  An- 
blick einen  Krauken  heilt.  Zur  Erklärung  dieser  Sinnbilder 
gebe  ich  die  noch  vorhandenen  Inschriften,  welche  füglich 
auch  als  ein  Beitrag  zur  Symbolik  des  Mittelalters  dienen 
mögen. 

Si  ova  strutionis  sol  exeubare  valet,  cur  veri  solis  ope 
Virgo  mm  generaret.  =  Pellicanus  si  sangwine  animare  fetus 
claret.  cur puro  ex  sangwine  virgo  uon  genera- 
ret. =  Si  tactus  mox  nati  seras  (seiras)  apperire  valet,  cur 
mater  verbi  nati  Virgo  non  generaret.  =  Si  cribro  virgo 
thuscia  aquam  portare  valet,  cur  proereantem  omnia  virgo 
non  generaret.    =   Leo  si  rugitu  proles  suscitare  valet,  cur 

spiritu  virgo  non  generaret.    =    Kalaiidrius  si 

facie  egrotum  (?)  sanare  valet,  cur  Xpm  salvatorem  virgo 
uon  generaret.  In  den  beinahe  ganz  verwischten  Bildern 
scheint  mir  auf  die  Fabeln  von  den  Geiern,  welche  ohne 
Manu  befruchtet  werden,  und  auf  die  kappadocischen 
Stuten,  welche  vom  Winde  empfangen,  angespielt  /.u 
sein.  In  zwei  Feldern  der  Oberdecke  sieht  man  je  einen 
Priester  in  der  Chorkleidung  abgebildet.  Der  eine  davon  ist 
Konrad  von  Neuenburg,  Beneficiat  zum  heil.  Oswald,  welcher 
am  20.  März  14'>4  das  Zeil  liehe  gesegnet  hat;  der  andere 
Magister  Nikolaus  Vigessel,  Canonicus  zu  U.  L.  Frau,  wel- 
cher am  7.  April   1427  gestorben  ist  -).  Wir  haben  also  für 


')  Ar lomini   IXS'i  ricesima  sepl hria  0  (obiit)  venerabilis  Magiatei 

bertholdua  de  soltwedel  canonicua  beate  marie  Virginia  euiua  anima 
requieacal  in   paefl  amen. 

'-'l    In tomini    M°.CCCC0.XXtV°,    riceaimo  i menaia  marcil  obiil  in 

\|m>   i trabilia  dominua  Chunradua  , i < •  Newenburg  cappellanua  saneti 

Oawaldi  regia,  euiua  anima  requieacal  in  i amen.    —  Anno  a im 

\l".t  ri'i'".XXVll".    ilii-    s..|iiim sis    aprilia    "liiil    ye -nbilis     rii 


—  35  — 


diese  Arcade  drei  Stifter  von  verschiedenen  Zeiten,  woraus 
erhellt,  dass  die  Bildwerke  ebenfalls  in  verschiedenen  Zeiten 
und  wahrscheinlich  von  verschiedenen  Meistern  ausgeführt 
worden  sind. 

Die  8.  Arcade  ist  eine  Eck -Arcade  und  gegen  die 
Nordseite  wegen  des  Durchganges  zur  Domkirche  durch- 
brochen. Das  Hauptfeld,  welches  unter  dem  Schildhogen 
von  der  convexen  Aussenseite  des  Presbyteriums  der  alten 
Collegiatkirche  zu  U.  L.  Frau  gebildet  wird,  enthält  mehrere 
schöne  Bilder,  wahrscheinlich  in  festgebundenen  Tempera- 
farben ausgeführt:  n)  Jesus  im  Ölberg,  die  drei  Jünger 
schlummern  in  einiger  Entfernung,  vom  hohen  Himmel 
blickt  Gott  der  Vater  herab;  b)  die  heil.  Dorothea  — 
eine  gar  liebliche  Gestalt  —  ihr  reicht  ein  Engelein  ein  Körb- 
chen mit  zarten  weissen  Rosen;  c)  Simon  der  Apostel 
mit  der  Säge  und  einem  Buche  —  eine  ernste  Figur; 
endlich  d)  die  Kreuzabnahme.  Diese  Gemälde  schei- 
nen mit  einer  dünnen  Wachsauflösung  überzogen  zu  sein, 
und  haben  sich  noch  gut  erhalten.  Nur  das  letztgenannte  ist 
durch  Einsenkung  eines  Grabsteins  theilweise  zerstört  wor- 
den. Von  den  Deckenfeldern  sind  einige  zerfressen,  mit 
neuem  Mörtel  belegt  und  dann  gräulich  mit  Farben  über- 
strichen worden.  So  viel  sich  aus  dem  noch  Vorhandenen 
abnehmen  lässt,  waren  folgende  Bilder  angebracht :  In  dem 
1.  und  2.  Felde  zwei  Propheten,  im  3.  und  4.  Adam 
und  Eva  am  Baume  der  Erkenntniss;  auf  den  Asten 
sitzen  die  phantastisch  personiticirten  sieben  Haupt- 
sünden; im  5.  und  6.  die  christlichen  Haupt- 
tugenden personificirt ;  im  7.  und  8.  eine  symbolische 
Darstellung  des  Bibelspruches:  Ein  Kriegerstand  ist 
des  Menschen  Leben  auf  Erden.  Die  vier  ersten 
der  genannten  Deckenfelder  sind  noch  gut  erhalten :  vom 
5.  und  6.  sind  noch  ein  paar  der  personiticirten  Tugenden, 
und  im  7.  und  8.  ist  nur  mehr  der  schöne  Kopf  eines  Kreuz- 
ritters zu  sehen,  der  das  Schweisstuch  der  heil.  Veronica  als 
Standarte  trägt  mit  der  Aufschrift:  „figura  militis 
catholici."  Die  zwei  Propheten,  welche  ober  dem  Ülberge 
angebracht  sind,  scheinen  mit  diesem  vom  nämlichen  Mei- 
ster zu  stammen  und  zeigen  auf  einem  Zettel  die  Jahreszahl 
I.X.A.A.  (1477).  Die  Deckenfelder  3  —  6  scheinen  einem 
andern  Künstler  anzugehören.  Nach  einer  Inschrift  im 
5.  Felde  war  der  Stifter  derselben  Magister  Erhard  Zanger, 
Pfarrer  in  Enneberg  und  Beneficiat  zum  heil.  Laurentius  in 
Brixen,  welcher  am  14.  September  1474  gestorben  ist  '). 


Magister  Nicolaus  Vigessel  Je  slyra  (?)  Canonicus  Ecclesie  beate  Marie. 
Cuius  anima  requiescat  in  pace.  Amen.  Die  letztere  dieser  Inschriften 
ist  noch  jetzt  ganz  erhalten  ;  die  erstere  aber  nur  theilweise  und  ist 
aus  Iteseh  ergänzt  worden.  Monuin.  I,  pag.  22,  nun).  24. 
')  Die  noch  erhaltene  Inschrift  lautet:  Anno,  doniinij.  M.CCCC.LXXIM. 
die  XIV.  mensis  septembris.  obiit.  venerabilis.  vir.  Magister.  Erhardus. 
Zanger.  in  deeretis.  lieentialus.  Kector.  parrochiaiis.  eeclesie.  in.  Eune- 
hergs.  nee  uon.  Capelle.  santi.  Laurencii.  site.  in  ecelia.  Brixinensi. 
Capellanus.  hie.  inferius.  tumiriatus.  emtts.  anima.  cum.  Xpo.  requiescat 
in  saneta.  pace.  amen. 


In  der  9.  Arcade  oder  der  ersten  auf  der  nördlichen 
Seite  ist  das  äussere  Bogenfeld  wegen  des  Durchganges  zur 
Kathedrale  durchbrochen;  das  innere  zeigt  dm  Engel- 
sturz. Sieben  Engel  stürzen  rücklings  und  werden  an  den 
Asten  darunter  stehender  Bäume  gespiesst.  Oben  thront 
Gott  der  Vater  in  Mitte  der  treuen  Engel.  Diess  Gemälde  ist 
von  geringerm  Werthe  und  theilweise  verwischt.  Desto 
vorzüglicher  sind  die  Bilder  auf  der  Oberdecke,  welche  von 
dem  nämlichen  Meister  als  wie  die  in  der  vierten  Arcade  ge- 
rühmten und  zwar  wahrscheinlich  im  Jahre  1418  ausgeführt 
worden  sind.  Die  fraglichen  Bilderwerke  sind  ebenfalls  in 
Medaillons  angebracht.  Jede  Kappe  des  Kreuzgewölbes  ent- 
hält drei  grössere  und  vier  kleinere,  die  ganze  Oberdeeke 
also  acht  und  zwanzig  Medaillons.  Ferner  in  jeder  Kappe 
zeigt  von  den  drei  grossem  Medaillons  eines,  welches  ihr 
Mitte  einnimmt,  das  Hauptbild ;  die  zwei  andern  enthalten 
Neben-  oder  Vorbilder,  und  die  vier  kleinern  eben  so  viele 
Propheten,  welche  auf  das  Hauptbild  sich  beziehen.  Die 
ganze  Anordnung  bildet  ein  vollständiges,  sinnreich  durch- 
geführtes Ganze  und  ist  in  folgender  Weise  zusammen- 
gestellt : 

1.  Hau  p  tili  hl:    Der   Engel   brachte  Marien   die  Botschaft 

und  sie  empfing  vom  heil.  Geiste. 
Nebenbilder:   a)   Gott    verkündet    im    Paradies    der 
Schlange  den  Fluch : 
bj  Gedeons  Vliess. 

2.  Hauptbild:  Christus  der  Heiland  wird  in   der  Krippe 

geboren. 
Nebenbilder:  a)  der  brennende  Dornbusch; 
b)  die  zwölf  Stäbe  Aarons. 

3.  Hauptbild:  Die  heil,  drei  Könige  vor  der  Krippe. 
Nebenbilder:  a)  David  und  Abner; 

b)  Salomon  und  die  Königin  von  Saba. 

4.  Hauptbild:   Maria  Opferung  im  Tempel. 
Nebenbilder:  a)  Maria  bringt  das  Kindlein ; 

b)  Simon  und  Anna  im  Tempel. 
Diese  Gemälde  sind  sehr  schön  gezeichnet  und  gemalt, 
die  Köpfe  der  Figuren  vortrefflich,  die  Affecte  zart,  die 
Gesichter  voll  Ausdruck  in  Unschuld  und  Heiligkeit  strahlend. 
Der  geschmeidige  Farbenton  und  die  bräunlichen  Tinten 
verrathen  sogleich,  dass  diese  Gemälde  mit  Wachsfarben 
entweder  schon  ursprünglich  behandelt  oder  Qberlasirl  wor- 
den sind.  Es  ist  sehr  zu  bedauern,  dass  zwei  Kappen  muh 
Mauerfrass  beschädigt,  und  in  einer  andern  die  Klflftungen 
am  Gewölbe  von  einer  barbarischen  Hand  mit  Mörtel  belegt 
und  dadurch  einige  Partien  riiinirl  worden  sind.  Schliesslich 
muss  ich  noch  bemerken,  dass  die  Inschrift,  welche  Resch 
in  seinen  Moniimentis  1,  pag.  22.  niiin.  23,  noch  erhalten 
hat,  wahrscheinlich  zu  dieser  Vrcade,  durch  welche  ehe- 
dem der  Eingang  in  die  heim  neuen  Dnmhau  abgebrochene 
St.  Christophorus -  Capelle  führte,  gehört  hat.  Sie  lautet: 
Haue  picturam   fecit  fieri  dominus  Fridericus  de  Wienna. 

5« 


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Canonicus  ecclesie  S.   Marie   virginis.    et   plebanus    paro- 
chialis  ecclesie  in  Albeins.  A.  D.  1418. 

Die  10..  1 1.  und  12.  Arcade  befinden  sich  in  der  Nähe 
des  alten  Portals,  und  haben  in  soferne  zusammenhängende 
Bildwerke,  als  sieh  diese  auf  das  Portal  beziehen.  Das 
äussere  Schildfeld  der  zehnten  Arcade  zur  Linken  des  Por- 
tals zeigt  uns  den  Anfang-  des  Erlösungs Werkes,  wie 
der  Kugel  der  seligsten  Jungfrau  die  Menschwerdung  des 
Heilandes  verkündet,  und  das  äussere  Schildfeld  der  zwölf- 
ten Arcade  zur  Rechten  des  Portals  zeigt  den  Triumph. 
gewissermassen  denSchluss  des  Erlösungswerkes, 
wie  Christus  von  den  Todten  ersteht.  Das  äussere  Schild- 
feld der  eilften  Arcade  aber  ist  vom  obern  Theil  des  Portals 
durchbrochen.  Diese  zwei  Bilder  sind  noch  gut  erhalten, 
kräftig  in  der  Farbe  und  schön  ausgeführt.  Der  Engel 
grüsst  Marien  in  einsamer  Kammer  als  Gottesmutter;  der 
heil.  Geist  überschattet  sie;  in  der  Höhe  schwebt  Gott  der 
Vater  vom  Regenbogen  umkreist;  aus  seinen  Händen  schwebt 
die  Seele  Christi ,  von  Engeln  getragen,  zur  Erde  herab. 
Das  andere  Bild  zeigt  uns  den  erstandenen  Heiland,  im 
Grabe  wie  in  einem  Brunnen  stehend,  mit  den  Leidenswerk- 
zeugen in  den  Händen  und  rückwärts  an  das  Kreuz  gelehnt. 
Daneben  auf  jeder  Seite  steht  eine  andächtig  betende  Frau 
—  ich  glaube  die  göttliche  Mutter  und  die  Büsserin  Magda- 
lena. Etwas  entfernter  ist  die  heil.  Agnes  mit  dem  Lamm. 
Wahrscheinlich  hat  diese  hier  Platz  gefunden  als  Patronin. 
da  ihr  schon  im  XI.  Jahrhundert  ein  Altar  in  der  alten  Dom- 
kirche geweiht  war.  Die  ganze  Darstellung  und  die  Armuth 
der  Technik  führen  diese  Bilder  in  das  XIV.  Jahrhundert  zu- 
zurück.  Denn  die  Heiligenscheine  sind  zur  Elfectuirung  einer 
Perspective  an  der  obern  Seite  über  die  Wandfläche  mittelst 
eines  Untersatzes  von  Mörtel  oder  Gyps  erhöht;  andere 
Theile  hingegen,  wie  z.B.  die  Schnallen  am  Mantel  der 
seligsten  Jungfrau,  in  den  Mörtel  eingegraben.  Es  ist  sehr 
zu  bedauern,  dass  der  untere  Theil  der  Gemälde,  welche 
hier  wahrscheinlich  Ins  zum  Sockel  herabreichen,  von  den 
Grabsteinen  bedeckt  ist.  Man  sieht  nur  mehr  einige  wun- 
derschöne Köpfe  darüber  herausblicken.  Einer  nicht  Jüngern 
/.eil  als  die  beiden  genannten  Bilder  scheinen  auch  alle 
andern  in  diesen  drei  Arcailen  anzugehören.  Sehr  inter- 
essant sind  die  Vorstellungen  auf  den  Deckenfeldern  der 
zehnten  Arcade.  Sie  enthalten  in  deutlichen  Sinnbildern 
einen  reichen  und  tief  durchdachten  moralischen  Stoff,  und 
«erden  gewiss  sei Vielen,  die  hierin  die  Kathedrale  ein- 
getreten --iuiI.  ein  Wert  der  Warnung  und  Ermahnung  zu- 
gesprochen haben.  Jede  der  vier  Gewölbekappen  enthält 
eine  v •  •  1 1  k men  abgeschlossene  Lehre  und  zwar  in  Gegen- 
sätzen. Es  lohnt  der  Mühe,  die  einzelnen  Darstellungen 
näher  zu  beschreiben.  ■ —  Die  1.  Kappe  zeigt  einen 
Mann  ,  welcher  seine  Habe  /.um  Besten  der  Mitmenschen 
verwendet,  und  einen  andern,  welcher  vom  Geiz  geblendel 
Schätze  auf  Schätze  häuft.  Den  ersteren  charakterisüi  dir 
Inschrift:  „Ostium.  meum.  patuit.  viatori";  den  letztern  der 


Spruch:  „Quid,  faciam.  quod.  non.  congregem.  fruetus. 
meos."  Jenen  zieht  ein  Engel  zum  Himmel  auf  mit  den 
Worten:  ..jlealus.  es.  et.  heue.  tibi,  crit.";  diesem  aberruft 
er  die  Verdammungsworte  entgegen:  „Stufte,  animam. tuara. 
ac.  nocte.  repetivit.  ate.  =  0,ue.  autem.  parasti.  cuius 
erunt." 

Die  2.  Kappe  zeigt  einen  Bischof,  welcher  im  Acker- 
leide  des  Herrn  pflügt,  und  einen  andern,  welcher  träge  auf 
den  Boden  schaut.  Von  jenem  heisst  es:  „lex.  veritatis.  fuit. 
inore.  ejus.  =  Multos.  avertit.  abiniquitate.  =  Domine. 
quinque.  talenta.  lucratus.  sum."  Von  diesem  aber:  „Canes. 
muti.  non.  valenles.  latrare.  =  Aligant,  honera.  gravia.  et 
importabilia.  =  Doniine.  ecce.  munera  tua.  que  hahui. 
reposita.  insudario."  Den  erstem  zieht  ein  Engel  zum  Himmel 
auf  unter  den  freundlichen  Worten:  „Intra:  ingaudmm. 
domini.  tui." 

In  der  3.  Kappe  wird  der  biblische  Gedanke  ausge- 
führt: Zwei  liegen  in  einem  Bette,  der  eine  wird  vom  Engel 
in  den  Himmel  aufgenommen,  der  andere  aber  zurück- 
gelassen. Jener  spricht:  „Oculi.  mei,  semper.  addeum.". 
dieser:  „Genua,  mea.  infirmata.  sunt,  aieiunio."  Die  nähere, 
tief  gedachte  Erklärung  ist  im  untern  Theile  der  Felder  mit 
den  folgenden  Sprüchen  gegeben,  und  zwar  zum  erstem: 
„0  quam  honus.  et.  suavis.  est.  domine.  Spiritus,  tuus.  Quam. 
magna,  multitudo.  dulcedinis  tue";  und  zum  letztern:  „Non. 
onmis.  qui  dicit  mihi,  domine.  domine.  intrabit.  regnum.  Vos 
estis.  qui  justilicalis.  vos.  coram.  hominibus.  deus.  autem. 
novit,  corda.  vestra." 

Die  4.  Kappe  zeigt  uns  den  bussfertigen  Sünder,  wel- 
cher vom  Engel  in  den  Himmel  gezogen,  und  den  stolzen 
Pharisäer,  welcher  auf  der  Erde  zurückgelassen  wird.  Beim 
erstem  steht  der  Spruch:  „Deus.  propicius.  esto.  michi. 
peccatori.",  beim  letztern:  „Non.  sum.  sicut.  ceteri  .  .  . 
adultri.",  und  beim  Engel:  „gaudium.  est.  angelis.  dei. 
super,  nun.  peccatore."  Bemerkenswert)  ist  in  dieser  Kappe 
die   Darstellung   des    riesigen   Levialhan.    welcher    unter 

den  Hauptfiguren  angebracht  ist.  Ein  Seeungeheuer  hält  in 

seinem  Bauche  Menschen  verschlossen:  vom  Himmel  herab 
senkt  sich  die  liuthe  mit  dem  eisernen  Haken  in  die  Flnthen: 
das  Ungeheuer  beisst  am  Köder  und  wird  gefangen;  eine 
vom  Himmel  herabreichende  Hand  schneidet  ihm  den  Bauch 

auf.  aus  welchem  nun  die  befreiten  Menschen  herausstei- 
gen.   Den  Sinn  dieser  Vorstellung  erklär)    der   alle  Mystiker 

Rupert  von  Deuz ,  indem  er  das  Erlösungswerk  mit  einer 
langen  Fischerruthe  vergleicht,  welche  am  Ende  mit  dem 
eisernen  Ilaken  eine  Speise  tragend,    d.  h.  den  wahren 

Gotl  im  wahren  Fleische,  in  die  Flnthen  der  Welt  eingesenkt 
worden,  um  den  Levialhan  zu  fangen,  die  grosse  Schlange, 
welche  die  menschlichen  Seelen  verschlungen  hat  (de  divin. 
olficiis  per  anui  circulimi  I.  3,  cap.  lil).  Wollt«*  man  diese 
Erklärung  auf  unsere  Vorstellung  des  /ollners  und  Phari- 
säers anwenden.  s,i  wäre  sie  auf  das  h.  Sacrament  der  Busse 
zu  beziehen. 


—   37  — 


Die  eben  beschriebenen  Bilder  der  vier  Gewölbekappen 
sind  alle  schon  vor  Jahrhunderten,  wie  es  scheint,  mit  Tem- 
perafarben  übermalt  worden ,  nur  ein  paar  wunderschöne 
Köpfe  mit  kraftigen  Zügen  sind  vom  alten  Originale  noch  jetzt 
erhalten. 

Das  innere  Schildfeld  der  zehnten  Arcade  zeigt  uns  die 
heil.  Kümmernis  mit  einer  betenden  Volksmenge  umgeben, 
und  den  heil.  Sebastian,  wie  er  mit  Pfeilen  beschossen  wird. 
Diese  Bilder  sind  im  obern  Theile  noch  gut  erhalten,  unten 
aber  vom  Mauerfrass  beschädigt. 

Die  Deckengemälde  der  eilfiten  Arcade  stellen  die 
sieben  Werke  der  Barmherzigkeit  und  die  Para- 
bel vom  reichen  Prasser  und  dem  armen  Laza- 
rus vor.  Auch  diese  Gemälde  sind  alle,  wie  es  scheint, 
schon  vor  Jahrhunderten  und  mit  Temperafarben  übermalt 
worden.  Das  innere  Schildfeld  ist  vom  erhöhten  Arcaden- 
bogen  durchbrochen. 

In  den  Feldern  des  Gewölbes  der  zwölften  Arcade 
erscheinen  die  Patrone  der  Kathedrale  und  andere  in  unse- 
rer Diöcese  besonders  verehrte  Heiligen.  Sie  sind  durch 
Inschriften  kennbar  gemacht,  welche  ich  hier,  insoweit  sie 
noch  gelesen  werden  können,  in  treuen  Copien  als  Schrift- 
proben mittheile,  weil  sie  zur  Bestimmung  des  Alters  dieser 
Gemälde  einen  sichern  Anhaltspunkt  bieten.  Und  ich  werde 
nicht  irren,  wenn  ich  das  gleiche  Alter  für  alle  drei  Arca- 
den,  die  das  Portale  zunächst  umgeben,  in  Anspruch  nehme. 
Im  1.  und  2.  Felde  finden  sich  die  Patrone  der  Kathedrale: 
PSTUDS,  (ÜI88ti!IlV-&,  IWMRVIir  und  JiDBUUlVS. 

Zu  unterst  im  Felde  1  gerade  neben  dem  Portale 
erscheint: 

KflRRVL"  5RHCFJI  .  .  . 
mit  gezücktem  Schwerte  auf  dem  Throne  sitzend,  gleichsam 
als  Hort  der  Kirche.  Diese  Vorstellung  erinnert  an  den 
grossen  Gedanken  der  Einigkeit  zwischen  dem  Sacerdotium 
und  Imperium,  welchen  das  Mittelalter  anstrebte,  aber  unter 
den  Stürmen  der  Zeit  nicht  erreichen  konnte.  Im  Felde  3 
und  4  finden  wir  die  heil. 

piRfninivs  und  sa^sTmir. 

Im  6.  und  7.  Felde  erscheinen  drei  heil.  Frauen:  von 
den  Inschriften  konnte  ich  nur  eine  lesen,  nämlich: 
OTILI-L 

Im  7.  und  8.  Felde  sind  vier  heilige  Männer  angebracht: 
von  den  Inschriften  konnte  ich  nur  das  nachfolgende  ent- 
ziffern : 

nax,  fLomn/. 

5IK,B06"jIST-  und  15heOBflL()'. 

Die  Köpfe  dieser  Figuren  sind  gut,  mit  Ausdruck  und 
in  zartem  Farbenton  ausgeführt,  an  den  Gewandungen  er- 
kennt man  das  Wiegenalter  der  Kunst.  —  Einige  Partien 
sind  übermalt  worden,  und  in  den  Feldern  5  —  8  hat  der 
Mauerfrass  namhafte  Beschädigungen  verursacht. 

Das  innere  Schildfeld  zeigt  den  heil.  Alexius 
unter  der  Stiege   liegend   und   drei   Märtyrer,   welche 


ihre  eigenen  Köpfe  tragen.  Von  den  Inschriften  konnte  ich 
nur  noch  den  Namen  Experantius  lesen.  Das  erstere 
Bild  ist  übermalt,  von  letzterm  nur  der  obere  Theil  noch 
erhalten. 

In  der  13.  Arcade,  welche  wieder  Eck-Arcade  ist,  sind 
die  Felder  alle  mit  Ausnahme  eines  einzigen  von  Mörtel 
überkleckst  oder  mit  neuern  Malereien  überstrichen  worden. 
Aber  dieses  einzige  Feld  (es  ist  unter  dem  östlichen  Schild- 
bogen) zeigt  uns  ein  sehr  altes  und  sehr  interessantes  Bild, 
welches  entweder  schon  ursprünglich  in  Wachsfarben  aus- 
geführt oder  mit  solchen  überlasirt  worden  ist.  Es  stellt  die 
heil,  drei  Könige  vor,  wie  sie  dem  Heilande  das  Opfer 
bringen.  Die  Zeichnung  lässt  Manches  zu  wünschen  übrig, 
aber  der  Ausdruck  ist  voll  Gemüth  und  Innigkeit,  die  Aus- 
führung äusserst  zart  und  reich.  Ausser  einigen  Klüften 
und  einer  kleinen  Partie,  welche  später  al  fresco  reparirt 
worden  ist,  hat  sich  das  ganze  Bild  mit  seinen  frischen  und 
saftigen  Farben  noch  sehr  gut  erhalten.  Nach  der  Beschrei- 
bung des  Besch  war  unter  dem  Bilde,  wo  jetzt  Grabsteine 
aufgestellt  sind,  der  Donator  in  der  Chorkleidung  gemalt 
und  dabei  eine  Inschrift  angebracht,  welche  meldete,  dass 
Conrad  Schaller,  Beneficiat  zur  heil.  Katharina  in  der  Kathe- 
drale, am  Vorabend  des  St.  Martins-Tages  1410  verstorben 
ist  '). 

Die  14.  Arcade  stellt  in  den  verschiedenen  Feldern  d  i  e 
sieben  Freuden  Mariens  dar,  und  zwar  die  Verkün- 
digung mit  Vorbildern  aus  dem  A.  B.  (Rebekka  und  Gedeon), 
die  Heimsuchung,  Geburt,  die  Huldigung  der  heil,  drei 
Könige,  Darbringung  im  Tempel,  Wiederfindung  Jesu  im 
Tempel  und  Krönung  Mariens.  Alle  Felder  dieser  Arcade 
sind  sehr  beschädigt,  theils  vom  Mauerfrass  angegriffen, 
theils  mit  Mörtel  überwürfen,  theils  erbleicht.  Nur  die  Vor- 
stellung im  äussern  Schildfelde,  wie  Jesus  unter  den  Prie- 
stern im  Tempel  lehrend  von  Marien  und  Joseph  gefunden 
wird,  hat  sich  ziemlich  gut  erhalten  und  zeigt  ein  zartes 
Bild.  In  einem  Felde  liest  man  noch  die  Jahreszahl  lVi'.£ 
(1464).  Ferner  war  hier  auch  eine  Inschrift,  welche  in  den 
Monumenten  von  Besch  raitgetheilt  wird,  jetzt  aber  von 
einem  Grabstein  verdeckt  ist.  Diese  nennt  uns  als  Stifter 
der  Bildwerke  Johann  Gricimola.  Canonicus  an  der  Kathe- 
drale zu  Brisen,  welcher  am  18.  Ausist  I  403  gestorben  ist  =). 


1)  Ann,.  M.CCCC.X.  in  Vigilia  h,  Martini  obül  Dominas  C -adas  Schal- 
ler de  Kannenwerch  Capellanus  sancte  Catherine  in  Ecclesia  eathedrali. 
Cuius  anima  cum  omnibus  fidelibus  requiescal  in  paee.  Vmen.  — 
Monum.  1.  pag.  22.  num.  19.  Resch  sagt  zwar,  diese  Inschrift  finde 
sieh  „sul>  arcu  et  imagine  Nativitatis  Christi.-    Allein   hier   ist   sicher 

ein  Druck-  oder  Schreibfehler,  wie  deren  mehrere  in  den  n umentis 

«Oll  Resch  gefunden  werden.    I> das  anstossende  liild,   welches 

wirklich  die  Geburt  Christi  rorstellt,  und  wohin  also  die  fragliche 
Inschrift  nach  Resch  zu  setzen  wäre,  ist  im  Felde  der  Oberdecke, 
nicht  unter  dein  Rogen;  hat  schon  eine  andere  n  Schrift 
und  wurde  erst  HU4  gemalt  Mit  dem  Bilde  der  heil.  :i  Konige 
stimmt  aber  die  Jahreszahl  1410  sehr  wohl  tiberein,  es  rerrüth  sich 
offenbar  in  der  Zeichnung  und  Haltung  der  Figuren,  so  wie  überhaupt 
durch  die  mangelhafte  Technik  als  eines  der  altern  im  Kreuzgange. 

2)  Anno   Domini     Millesimo    Quadringentesimo   I..XIII.    Die    Will,    tnensis 


Die  Bildwerke  der  15.  Arcade  sind  an  der  Oberdecke 
alle  zerstört,  mit  Ausnahme  einiger  grob  übermalter  Figuren. 
Vom  Originale  haben  sich  einige  Partien  im  innen)  und  bei- 
nahe das  ganze  Gemälde  im  äussern  Schildfelde  erhalten. 
Dieses  stellt  die  Gottesmutter  Marin  mit  dem 
.1  e  s  ii  S  k  i  n  dlei  n  auf  dem  Throne  sitzend  vor ,  zur  rechten 
Seite  die  heil.  Katharina  und  die  heil.  Barbara,  zur  Linken 
zwei  Bischöfe,  von  denen  der  eine  einen  Fisch  in  den  Hän- 
den trügt  (St.  Ulrich).  Vor  den  Stufen  des  Thrones  kniet 
ein  Priester  —  der  Donator  —  in  der  alten  Chorkleidung. 
Die  Figuren  sind  über  lebensgross,  mit  edler  Haltung  und 
•mt  gezeichnet:  die  Malerei  scheint  in  Wachsfarben  aus- 
geführt  zu  sein.  Unter  diesem  Bilde  befindet  sich  ein  ande- 
res als  Nebenbild,  welches  wegen  seines  Inhaltes  interessant 
ist.  Es  stellt  nämlich  die  tiburtinische  Sibylle  Albti- 
iien  vor.  welche  dem  Kaiser  Augustus  im  Augenblicke,  da 
Christus  lieberen  wurde,  denselben  in  den  Armen  der  Got- 
tesmutter bei  hellem  Tage  in  einer  Vision  zeigte.  Eine  In- 
schrift, welche  Besch  in  seinen  Monumenlis  veröffentlicht 
hat,  jetzt  aber  ein  Grabstein  bedeckt  oder  das  Alter  ver- 
wischt hat,  meldet,  dass  Johann  von  Cerwit,  Pfarrer  in  Cöln, 
hier  am  6.  August  1426  die  Grabstätte  gefunden  und  Andreas 
de  Bembis  de  Freud  (?)  dieses  Bild  im  .1.  1429  gemalt  hat  ')• 

Die  noch  übrigen  fünf  Arcaden  (lt>  —  20)  tragen 
kein  Gemälde  und  scheinen  auch  nie  bemalt  gewesen  zu 
sein,  indem  nach  einer  Nachricht  des  Capitelprotokolls  vom 
.1.  1693  die  fremden  Krämer  im  Kreuzgange  bis  dahin  ihre 
Waaren  feil  haben  durften,  wo  die  Gemälde  und 
Gräber  aufhören.  Wohl  aber  linden  sich  in  dem  Gange, 
welcher  zwischen  der  Kathedrale  und  der  alten  Collegiat- 
kircho  auf  den  Domplatz  führt,  so  wie  auch  in  dieser  Kirche 
selbst,  ferner  in  der  alten  Taufcapelle  zum  heil.  Johannes 
und  in  andern  Theilen  des  Münsters  noch  viele  Spuren  von 
alten  Gemälden,  welche  an  mehreren  Stellen  unter  der  Tünche 
herausschimmern. 


Als  Anhang  lasse  ich  noch  eine  kurze  Beschreibung 
und  Geschichte  der  oben  genannten  Taufcapelle  folgen. 
Diese  reicht  in  ein  sehr  hohes  Alter  zurück  und  trägt 
ganz  den  Typus  eine«  Baptisteriums.  Sie  ist  an  den  Kreuz- 
gang angebaut  und  durch  das  einzige  Thor  mit  dem- 
selben und  der  Kathedrale,  wie  es  in  den  alten  Munstern 
üblich  war,  in  Verbindung  gesetzt.  Die  Bauart  ist  die  der 
Basiliken,  ein  längliches  Viereck  mit  einer  nur  wenig  aus- 
gehöhlten Apside.  Eine  mit  einem  hohen  Bogen  durchbro- 
chene Quermauer  theilt  dieses  in  zwei  ungleiche  Theile.  Der 
grössere  bildet  das  Schilf,  in  dessen  Mitte  ein  weiter  und 
tiefer  Taufstein  angebracht  ist,  und  zwar  zur  Aufnahme  der 
Täuflinge  bestimmt  war.  Der  kleinere  mit  der  Apside  dienen 
zur  Aufnahme  der  celebrirenden  Priesterschaft  und  zur  Feier 
der  heiligen  Geheimnisse.  Der  ganze  Bau  ist  im  romanischen 
Styl  durchgeführt.  Die  achtseitige  Kuppel,  welche  sich  vor 
der  Apside  über  den  Altar  erhebt,  ist  eine  leichte  und 
schwunghafte  Partie.  Das  gothische  Kreuzgewölbe  wurde  in 
späterer  Zeit  über  das  Schill'  gespannt;  ursprünglich  scheint 
dort  eine  Hache  Oberdecke  gewesen  zu  sein.  Auf  den  Seiteu- 
wänden sieht  man  alte  Gemälde  unter  der  Tünche  hervor- 
leuchten und  zwar  .  wie  es  scheint  und  von  mir  wenigstens 
an  einer  Stelle  beobachtet  worden  ist,  liegen  zwei  Farben- 
schichten über  einander,  eine  ältere  und  eine  jüngere,  und 
über  diese  breitet  sich  die  Tünche.  Diese  Gapelie  diente 
auch,  wie  es  überhaupt  in  den  alten  Munstern  gepflogen 
ward,  den  Domcapitularen  als  Versammlungsplatz  bei  wich- 
tigen Angelegenheiten.  Hier  hatten  die  deutschen  und  lom- 
bardischen  Bischöfe,  welche  an  der  Seite  K.  Heinrich's  IV. 
standen,  Papst  Gregor  VII.  abgesetzt  und  an  dessen  Stelle 
Guibert  von  Bavenua  gewählt  (25.  Juni  1080).  Hier  ward 
eilf  Jahre  später  unser  Bischof  Altwin  als  treuer  Anhänger 
des  Kaisers  von  Weif  dem  Altern  gefangen  genommen.  Jetzt 
wird  diese  Capelle  beinahe  ganz  vernachlässigt,  da  niemand 
die  Baulast  tragen  will. 


Über  den  älteren  sächischen  Kirchenbau  und  insbesondere  die  evangelische  Pfarrkirche  von  Mühlbach ')• 


Von  Fr.  Müll  it.  k.  k.  Conservator  in  Schässburj 


I 


Während  in  Deutschland   die  grossartigsten  Schöpfun- 
gen der  romanischen  sowohl  als  der  germanischen  kirch- 


lichen  Baukunst  den  Stiftungen  der  Fürsten  oder  dem  Eifer 
der  Geistlichen  ihre  Entstehung  verdanken  und  die  von  dem 


\,r .■  ti-i i    obiil   in    Xj»i  Venerabilia  Dominus  Johannes  dictua  Gricimola, 
Canonicus  Bcclesie  Brixinensis.    Cuios   anima   requies'cnt    In   pace 
com  :uiiiiNiliiiN  .  -  .  Monain.  I,  pag,  24,  num.  42. 

'I  Doctor  egregius  Johannes  de  Cerwit.    vir   amabiüs  i Coloniae  Civ. 

Rector   el    providus   agendorum   omninm.     Huiua  corpuaculum  inferius 
hie  mb  sepultum  Anno  Domini  1426.  VIII.  Idus  August.  Andreas  de  Bembis 

de  Freod  pixil   Uno  1429.  Moi I,  pag.  22,  num.  25.  Dieser  Johann 

ron  Cerwil  war  bis  Uli   Canonicus  iu  u".  L.  Frau  in  Brixen,  in  wel- 

■  'I Jahre  er,  unbekannt  aus  welcher  l  rsache,   des  Canonicatea  entsetzt 

wurde. 

'I  Der  obige    Vnisii/.    wurde    zwar   schon   vor   längerer  Zeit   in   den   in 
Siebenbürgen  erscheinenden  ^Blättern  für  Geial  und  Gemüth"  (Lief.  24 


und  2S)  veröffentlicht;  d jedoch  über  die  Bauten  eines  Kronlandea 

Ufschlusa  tril.i .  worüber  bis  nun  sehr  vereinzelte  Nachrichten  zur 
Keniitniss  des  grösseren  l'nblicmn.s  f;cl:iii[;t  sind  ,   und  auch  die  erwühn- 

ten  Blätter,  in  welcl r  eingereiht  wurde,  nichl  sehr  verbreite!  sind, 

s.i  glauben  wir  eben  so  sein-  dem  Verfasser  wie  unserem  Publicum 
.■in. 'n  Dienst  z.n  erweism.  iinli'iii  wir  diesen  Aufsati  i Wieder- 
abdrucke bringen.    Da  derselbe  :iu>  zwei    rheilen,  einem  -> 1 1 l: <■ inen, 

den    älteren    sächsischen    Kirchen! charakterisirenden .    und   einem 

besonderen  .  die  Beschreibung  der  Pfarrkirche  zu  Mühlbach  enthalt len 

be  teht,  so  halien  wir.  dieser  Abtheilung  folgend,  zur  besseren  i  bersichl 

den   erwähnten    tufsalz  mil  I  I  II   bezeichnet,   und   bemerke r, 

dass  Nummer  II  In  de fichsten  Monatablatte  folgen  wird. 

n    Red 


39  — 


Bürgei'stande  ausgegangenen  Denkmale  neben  jenen  nieist 
eine  untergeordnete  Stellung  einnehmen,  sind  die  älteren 
Kirchen  unseres  Vaterlandes,  des  Sachsenlandes,  in  ihren 
hervorragendsten  Vertretern  Werke  der  freien  Bürgerhand. 
Es  ist  auch  natürlich,  dass  bei  einem  Volke,  dessen  ganzes 
äusseres  und  inneres  Leben  von  der  Idee  des  Bürgerthums 
getragen  wurde,  das  vielleicht  gerade  um  dem  Druck  privi- 
legirter  Stände  zu  entgehen,  den  Schatz  der  altgermanischen 
Gemeinfreiheit  in  die  Hinterwälder  des  Karpathenlandes 
rettete,  dieser  Grundzug  auch  in  der  Architektur  zu  Tage 
tritt.  Darum  die  Burgen  auf  unsern  Bergen  Bürgerburgen, 
darum  die  Kirchen  in  unsern  Ringmauern  Bürgerkirchen  sind. 
Die  Versuche  der  deutschen  Ritter,  sich  ein  selbstständiges 
Leben  in  unserm  Vaterlande  zu  gründen,  scheiterten  an  der 
wohlbegründeten  Eifersucht  des  Königthums  und  sind,  wenn 
auch  nicht  spurlos,  doch  ohne  bedeutenden  Einfluss  auf  Volk 
und  Land  geblieben.  Die  Kerzer  Abtei  hätte  bei  ihrem  rei- 
chen Grundbesitz  und  ihrer  exemten  Stellung  auch  in  archi- 
tektonischer Beziehung  Nennenswerth.es  vollbracht  und  hat 
in  der  Abteikirche,  deren  Chor  jetzt  von  der  Kerzer  Gemeinde 
als  Kirche  benützt  wird,  ein  schönes  Denkmal  hinterlassen: 
allein  die  damaligen  ungünstigen  Verhältnisse  in  Bezug  auf 
die  Stellung  der  katholischen  Geistlichkeit  haben  ihr 
ein  frühes  Ende  bereitet.  Der  Einfluss  des  siebenbür- 
gischen  Bischofs  auf  das  Sachsenland  war  durch  die  Wahl- 
freiheit und  das  Recht  der  Bewohner,  den  gewählten  Geist- 
lichen selbst  den  Zehenten  zu  geben,  zu  sehr  beschränkt, 
als  dass  es  möglich  gewesen  wäre  Kirchen  und  Capellen 
im  Lande  auf  seine  Kosten  errichten  zu  lassen.  Die 
Sorgfalt  der  Fürsten  endlich  musste  sich  zu  allen  Zeiten 
mehr  auf  die  Sicherung  des  schwankenden  Besitzes,  als  auf 
seine  innere  Ausschmückung  richten,  und  weniger  als  irgend 
eine  andere  entfaltete  unsere  Kunst  ihre  Blüthe  am  Strahl 
der  Fürstengunst. 

Alle  diese  Umstände  sind  von  Einfluss  auf  das  ganze 
System  der  älteren  sächsischen,  besonders  kirchlichen  Bau- 
kunst gewesen.  Die  Kraft  des  Bürgerthums  war  nach  zu 
vielen  Seiten  hin  in  Anspruch  genommen  ,  als  dass  sie  sich 
in  Betreff  eines  architektonischen  Monumentes  in  gross- 
artiger Weise  hätte  concentriren  können.  Zunächst  wollte 
Jeder  den  eigenen  Herd  hauen  ;  dann  stellte  sich  die  Not- 
wendigkeit heraus,  ihn  durch  den  festen  Thurm  und  die 
schützende  Mauer  zu  sichern,  durch  die  fleissige  Hand  seine 
Flamme  zu  erhalten.  Der  Erwerb  war  schwer ;  nirgend 
boten  schiffbare  Flüsse  dem  Verkehre  eine  leichte  Strasse, 
nirgend  die  allgemeine  Rechtsachtung  oder  eine  starke  Re- 
gierung die  nothwendige  Sicherheit.  Gar  oft  wurde  mit 
eiserner  Elle  gemessen,  und  das  Leben  gedieh,  da  es  fort- 
während fast  um  seine  Existenz  zu  kämpfen  hatte,  nirgend  und 
niemals  zu  jener  Freudigkeit,  die  eine  Tochter  ungefähr- 
deten Wohlstandes  und  eine  Mutter  von  Unternehmungen 
ist,  die  auf  mehr  als  die  Befriedigung  des  Notwendigen 
abzielen.  Der  Meistersang,  das  Fastnachtsspiel  und  der  Mum- 


menschanz der  deutschen  Reichsstädte  haben  in  diesem  Gau 
vor  dem  starren  Ernst  des  Lebens  nicht  aufblühen  können, 
und  das  Volksfest  und  das  Volkslied  trieben  nur  spärliche 
Blüthen.  Wo  an  den  uralten  Rieht-  und  Zechtagen  die  Heiter- 
keit sich  einmal  im  Jahre  gehen  Hess,  blieb  sie  auf  kleine 
Genossenschaften  beschränkt  und  überschritt  in  den  letztem 
nicht  die  Mauern  der  Städte.  So  kam  es,  dass  auch  die  kirch- 
liche Baukunst  in  unserer  Mitte  ernster  und  strenger  ge- 
blieben ist,  als  die  Jahrhunderte  in  andern  Landein  Europa's 
es  mit  sich  brachten.  War  in  Bezug  auf  die  weltliche  Bau- 
kunst, Dauerhaftigkeit  und  Bequemlichkeit  massgebend,  so 
leitete  bei  den  ältesten  kirchlichen  Bauten  fast  nur  das  bloss« 
Bedürfniss.  Nirgend  die  freie  heitere  Entfaltung  des  Mutter- 
landes, nirgend,  selbst  in  späterer  Zeit,  auf  der  Spitze  des 
schlanken  Thurms  die  offene  fröhliche  Kreuzblume,  sondern 
überall  auf  breiter  Grundlage  das  schwere  Dach  mit  massigem 
Knopf  als  Endziel.  Wo  im  XV.  Jahrhunderte  endlich  die 
Kunst  einen  leichtern  Flug  zu  beginnen  scheint,  sinkt  sie 
fast  durchwegs  auf  halbem  Wege  bereits  ermattet  zu  Boden 
Daher  neben  recht  schönen  lichten  Chorbauten  an  manchen 
Orten  jene  plumpen  düstern  Schiffe.  —  recht  eigentlich  ein 
wehmutherregendes  Bild  des  in  seinem  freiesten  Aufschwünge 
unterbrochenen  Lehens. 

Der  deutsche  Stamm  hatte  unter  den  anjuuischen  Kö- 
nigen starke  Wurzeln  geschlagen  in  der  neuen  Heimat,  deren 
Ruhm  und  Stütze  ihn  das  Königswort  nannte.  Unter  Sigis- 
mund  trieb  er  vielverheissende  Blüthen.  wir  rechnen  darun- 
ter auch  die  Pfarr-  und  Hauptkirchen  von  Kronstadt  (138S 
bis  1425).  von  Reps  (1400),  von  Klausenburg  (beendigt 
1414),  von  Schässburg  (angefangen  142!»).  von  Schorscb 
bei  Mediasch  (1422),  von  Hermannstadt  (1431)  und  zahl- 
reiche andere  ähnliche  Bauten.  Schöne  Glocken  und  Tauf- 
becken überschritten  bereits  die  Gränze  des  blossen  Bedürf- 
nisses, wie  dieGlocken  von  Bepsl  402.  von  Hermannstadt  1417. 
Schässburg  1419.  Honigberg  1422.  Heldsdorf  1431,  das 
Taufbecken  in  der  Klosterkirche  von  Schässburg  141  1  ange 
fertigt  zeigen.  Da  brachen  1420  zum  ersten  Male  die  Türken  ins 
Land :  der  Friede  entfloh;  Hammer  und  Meissel  wurden  wieder 
Speer  und  Schwert:  man  beschleunigte,  oft  nicht  nach  dem 
ursprünglichen  Plane,  den  begonnenen  Kirchbau:  wo  die  alte 
Capelle  den  Einsturz  drohte,  führte  man  in  Eile  ein  neues 
Werk  auf  und  sah  mehr  auf  Festigkeit  denn  auf  Schönheit. 
(Aus  dem  nächsten  Jahrhunderte  sind  aus  der  Nahe  von 
Schässburg  u.  a.  hieher  zu  zählen  die  frühere  Kirche  von 
Schweischer  1452,  die  Klosterlurche  von  Schässburg  1482 
bis  1515  nach  Marienburg,  —  die  Kirche  von  Kaisd  1496, 
und  Bodendorf  1519.)  Nur  im  Guss  der  Glocken  mehrt  sich 
mit  dem  Eifer  die  Sorgfalt,  und  es  entstanden  die  schönen 
Glocken  von  Mälmkrug  1400.  von  Nadesch  ')  1470.  Fell- 
dorf 1496,  Kaisd  150(5,  Neudorf  1508,  die  Hermannstädter 


')  Sic  tiüLft  die  interessante  sächische  Inschrift:  „hell    <-,\  Hario  berot.    \<> 
WCCCCLXX  • 


—  40 


Stundenglocken  von  1521,  und  die  sein-  zahllosen,  aber  mit 
Gewissheit  dieser  Zeit  zuzuweisenden  von  Zuekmantel,  Mal- 
dorf, Marktscheiken,  Rauthai,  die  grösste  auf  der  Sehäss- 
burger  Spitalkirche  u.  s.  w.  Damals  brauchte  mau  sie  wohl 
eben  SO  oft,  um  die  Gemeinde  zum  wilden  Landsturm  als 
zur  stillen  Andacht  zu  rufen,  und  ihr  Vorhandensein  nicht 
nur.  sondern  auch  ihre  Grösse,  ihr  lauter  klang  und  ihre 
Solidität  überhaupt  waren  durch  das  praktische  Lehen 
geboten.  Nicht  bloss  im  Orte  durften  sie  gehört  werden, 
g lern  auf  der  ganzen  Markung,  um  die  im  Felde  Zerstreu- 
ten bei  der  oft  ungeahnten  Annäherung  des  Feindes  eiligst 
in  den  schützenden  Mauern  zu  versammeln  ,  so  wie  auch  im 
Nachbardorf^  um  zu  Hilfe  zu  rufen  und  den  Aufstand  und 
Wachsamkeit  weiter  und  weiter  zu  pflanzen. 

Solchen  Einfluss  übte  das  Leben  auch  auf  die  kirch- 
liehe Baukunst  im  Sachsenlande  und  auf  Alles,  was  in 
näherer  oder  fernerer  Beziehung  dazu  steht. 

Fehlte  nun  dem  Gesagten  zu  Folge  schon  der  Wohl- 
stand    und   die  Ruhe,    um    auf  diesem  Gebiete  mehr    als 
Gewöhnliches  zu  leisten,    so  stellte  auch  das  Material   an 
vielen     Orten     kunstvollen     Bauten    fast     unüberwindliche 
Schwierigkeiten  entgegen.  Nur  wenige  Gegenden  des  Lan- 
des besitzen  den  Sandstein  in  solcher  Härte  wie  er  zu  orna- 
mentaler Anwendung  nothwendig  ist.  An  den  meisten  Kirchen 
iles  Sachenlandes  finden  wir  ihn  nur  spärlich  au  den  Ecken, 
den  Fenstern  und  Portalen  und  hie  und   da  an  den  Pfeilern 
angewandt.    Wo  man  ihn.  wie  zu  der  Schässburger  Berg- 
kirche, wenigstens  zwei  Tagereisen  weit  herholen  musste. 
findet  diese  Sparsamkeit  eine  genügende  Erklärung.  Weichere 
Bruchsteine,  Geschiebe,  besonders  aber  Backsteine  waren 
es,  worauf  man  hingewiesen  wurde;  Material,  welches  viele 
und   gerade    die    kunstreichsten    Formen,    namentlich    der 
gothischen  Architektur   von    vorn   herein    unmöglich  macht. 
dabei'    findet  sich   z.    B.    kein   einziger   Thurm    in  Sieben- 
bürgen,    i\>-v    in    (gothischem)    Style   ausgeführt    wäre; 
Daher  die  grosse   Seltenheit  schöner  Pfeiler   und    zierlicher 
Capitäle:  daher  die  grosse  Einfachheit  der  Fenster  und  Gie- 
bel   und    die  gewöhnlich  ärmliche  Ausstattung  des  ganzen 
äussern.    Hatte  die  echt  antike  Baukunst  einst  das  Innere 
vernachlässigt  und  ihre  ganze  Aufmerksamkeit  dem  Äussern 
zugewandt,   so  linden  wir  hier  unter  dem   zwingenden  Ein- 
fluss des  Materials  das  gerade  Gegcntheil.  Die  Pfeiler,  selbst 
wii  sie  verhältnissmässig  schlank  und  leicht  erscheinen,  sind 
sechs-  oder  achteckig,   und  ihr  Eindruck  behält  immer  den 
lieigeschmack  des  Massenhaften,  die  Gewölbe  erheben  sieb 
gewöhnlichim  Flachbogen  und  steigen  selten  zur  Erhabenheil 
ibs  Spitzbogens  an;  die  Fenster  entbehren  nach  Aussen  hin 
der  schmuckreichen  Fenstergiebel ;  das  Mittelschiff  steig!  sei- 
len bedeutend  über  die  Seitenschiffe,  nirgends  erscheint  der 
kühne  Strebbogen:  die  kable  Wand  ist  überall  unangenehm 
vorherrschend;  nur  ein  Thurm,  in  der  Mitte  der   Facade 
angebracht;  selbst  der  Grundriss  gewöhnlich  zu  starr,  um 

nur   einlach    genannt    zu    werden,    lud    wenn    sieb    auch  die 


ganze  Sorgfalt  auf  das  Innere  coneentrirte,  so  reichte  sie 
doch  gewöhnlich  nicht  hin,  den  Ansprüchen  der  Ästhetik 
im  Ganzen  auch  um-  annäherungsweise  zu  entsprechen.  Sie 
(heilte  in  dieser  Hinsicht  das  Schicksal  der  niederrheinischen 
und  der  Ostseekirchon.  bei  denen  aus  denselben  Ursachen 
dieselbe  höchste  Vereinfachung  aller  Details  zu  Tage  tritt. 

Am  auffallendsten  erscheint  diese  Armuth,  wenn  sie  sieh 
genöthigl  siebt,  die  Überbleibsel  römischer  Bauwerke  in 
ihren  rohen  Formen  mit  zu  verwenden,  wie  dies  au  den 
Kirchen  von  Galt  und  Grosspold  ohne  Zweifel  der  Fall  und 
bei  dem  Portal  der  Burgkirche  von  Michelsberg  nicht  un- 
wahrscheinlich ist,  und  die  Sage  auch  von  den  Quadern,  aus 
denen  die  Hermannstädter  evangelische  Pfarrkirche  erbaut 
worden,  behauptet.  Warum  hätte  mau  auch  bei  dein  grossen 
Maugel  an  dauerhaftem  Material  die  gewiss  in  nicht  geringer 
Masse  vorhandenen  Trümmer  römischer  Kunst  nicht  benutzen 
sollen;  und  hat  man  römische  Ziegeln  und  zugehauene 
Steine  bei  Thorda,  Karlsburg.  Krako,  im  Hazeger  Tbale,  und 
selbst  in  Schässburg  als  Baumaterial  bei  Privatgebäuden  be- 
nutzt, warum  sollte  man  nicht  die  Reste  römischer  Portale 
in  die  alten  christlichen  Kirchen  des  Sachsenlandes  mit  ver- 
braucht haben ?  Dieselbe  Erscheinung  findet  sich  in  Italien 
und  anderswo  bei  den  Übergängen  aus  dem  lleidenthume 
in  das  Christenthum,  und  man  wandte  häufig  selbst  in  Rom 
Baustücke  aus  antiken  Tempeln  in  oft  höchst  unpassender 
Weise  bei  der  Aufführung  der  christlichen  Basiliken  an, 
„wobei  es  noch  als  besonderes  Glück  angesehen  werden 
musste,  wenn  man,  namentlich  was  die  Säulen  anbetrifft, 
eine  genügende  Anzahl  übereinstimmender  Stücke  zusam- 
menbringen konnte.-'  (Kugler.  Handbuch  der  Kunstge- 
schichte, p.  329.) 

Natürlich  blieben  indess  solche  Bauwerke  immer  man- 
gelhaft und  unvollkommen  und  nur  da  konnte  das  vollendete 
Werk  einen  befriedigenden  Eindruck  machen  und  vollen- 
deter erscheinen,  wo,  wie  bei  der  Kronstädter  evangelischen 
Hauptkirche,  das  Material  nicht  in  so  kümmerlicher  Weise 
zusammengelesen  werden  musste.  sondern  sich  in  nahen 
Steinbrüchen  der  kunstfertigen  Hand  leichter  darbot.  Wo 
diese  Benützung  antiker  Werkstücke  sichaufmehr  als  blosse 
Quadern  bezog   und  insbesondere   ornamentale  Überreste, 

z.  B.  Säulen-  und  Ibigenlrüimner  anwandte,  machte  die  ver- 
wandte Form  der  letzteren  die  Annahme  und  längere  Beibe- 
haltung des  romanischen  Baustyles  nothwendig.  Der  antike 
Bundbogen  und  die  römische  Säule  konnten  nicht  wohl  als 
Glieder  germanischer  Bauwerke  eingeführi  werden.  \*fr 
Übergang  aus  dem  einen  in  den  andern  Baustyl,  der  in 
Deutschland  im XIII.  Jahrhundert  erfolgte,  fällt  bei  uns  erst  in 
das  XIV..  und  die  meisten  der  eben  bezeichneten,  mit  Benü- 
tzung antiker  Arbeiten  errichteten  Mon mte  gehören  da- 
her ganz  oder  theilweise  den  beiden  ersten  Jahrhunderten 
nach  der  Einwanderung  der  beiden  Geisa'schen  Colonisten 

an,  so  die  auch  in  ihrem  Grundriss  r anische  Burgkirche 

viin   Michelsberg,  der   Kirehthurm   vor  Grosspold  und   die 


—  41 


Kirche  von  Sächsisch-Reen.  An  der  äussern  Seite  des  Sacristei- 
fensters  der  letztem  ist  über  dem  Wappen  von  Reen  (die  Lilie 
und  der  Stern  mit  den  Buchstaben  o.  p.  r.)  die  Jahreszahl 
1321  und  über  der  Sacristei  folgende  Inschrift  zu  lesen: 
„Anno  dominiMCCCXXX.  Construitur.  domus.  marie.  temporn. 
nicolai.  plebani.  curebus.  magistrie.  thome.  patroni.  ecclesia." 
Eine  besondere  Schwierigkeit  bei  der  Altersbestimmung 
der  sächsischen  Kirchen  bildet  ihre  Stellung  in  dem  Ver- 
theidigungssystem  der  gesammten  Colonie.  Die  sächsische 
Kirche,  vorzüglich  die  Dorfkirche,  war  nämlich  oft  schon 
ihrer  ersten  Anlage  nach  nicht  bloss  Bethaus,  sondern  auch 
integrirender  Bestandteil  des  Castells,  der  „Burg".  Daher 
zunächst  ihr  gewöhnlicher  Platz  ein  Hügel  oder  Bergvor- 
sprung an  der  Seite  oder  in  der  Mitte  des  Dorfes,  daher 
ihre  feste  Construction,  daher  ihre  engen  schiesss chart en- 
artigen  Fenster,  daher  ihr  oberer  Theil  oft  vollständig  zur  Ver- 
teidigung eingerichtet,  daher  ihre  nächste  Umgebung  die 
häufig  doppelte  Ringmauer  mit  den  festen  Thürmen  und  Ba- 
steien. Der  Chor  mancher  Kirchen,  z.B.  der  in  Marktscheiken, 
zeigt  dieses  System  sogar  in  den  abwärts  gehenden  nach 


aussen  versteckten  Schiessscharten;  auf  andern,  z.  B.  der  in 
Schweischer,  liegen  noch  die  Steine,  die  den  stürmenden 
Feind  zu  zerschmettern  bestimmt  waren.  Alle  diese  Eigen- 
tümlichkeiten modificiren  den  Baustyl  so  bedeutend,  dass, 
wo  bestimmtere  Angaben  fehlen,  nur  aus  ornamentalen  Glie- 
dern auf  die  Bauzeit  geschlossen  werden  kann,  eine  .Methode, 
die  selten  zu  absoluter  Gewissheit  führt.  In  den  ummauerten 
Städten  allein  lassen  sich  die  Terminologie  und  der  Massstab 
der  Kunst  mit  grösserer  Sicherheit  anlegen,  obwohl  auch 
hier  die  Bauart  so  inconsequent  und  der  Styl  so  verwildert 
ist,  dass  die  Bestimmung  eine  schwere  wird.  Daher  kommt 
es,  dass  die  Kunstkenner  und  Freunde  der  Vaterlandskunde 
oft  über  architektonische  Denkmäler,  die  zu  den  interessan- 
testen des  Vaterlandes  gehören,  und  die  Zeit  ihrer  Entste- 
hung in  ihren  Ansichten  von  einander  abweichen.  Ist  dieses 
schon  bei  den  Hauptkirchen  von  Hermannstadt,  Schä.-sburg 
und  Burzenland  der  Fall  '),  so  steigert  sich  die  Verwirrung 
noch,  wo  die  einzelnen  Theile  des  Gebäudes  verschiedenen 
Zeiten  angehören,  wie  dies  insbesondere  bei  der  evangeli- 
schen Kirche  von  Mühlbach  sich  trifft. 


Baiidenkmale  in  Meran. 


Die  Pfarrkirche  ist  ein  schöner  gothischer  Bau. 
Urkundlichen  Nachrichten  zufolge  wurde  sie  unter  Heinrich 
von  Böhmen,  Meinhard's  III.  Sohne,  zwischen  1310  und 
133S  gebaut.  Der  Landesfürst  und  die  Bürgersfrau  Batlina 
Hemelin  bestritten  die  Kosten.  Gegenwärtig  ist  von  diesem 
Baue  nur  noch  der  Thurm  übrig,  der  für  den  höchsten  in 
Tirol  gilt;  er  ruht  auf  einem  Bogen,  der  einen  Durchgang 
bildet,  und  steigt  in  mehreren  Geschossen  empor.  Den 
oberen  Theil  zieren  Spitzbogenfenster  mit  dem  schönsten 
Masswerk  im  reinsten  Style  in  den  Bogenfeldern  und  eine 
zierlich  durchbrochene  Gallerie.  Im  Durchgange  unten  sieht 
man  sehr  interessante,  gleichzeitige  Fresken,  noch  ziemlich 
erhalten,  obwohl  sehr  einer  Restauration  bedürftig  und  auch 
derselben  würdig.  Auf  einer  Seite  sind  mehrere  Heiligen- 
Figuren  dargestellt,  auf  der  andern  ein  vor  einem  Kreuze 
im  Walde  knieender  Mann,  hinter  ihm  steht  ein  anderer  in 
orientalischer  Tracht,  der  auf  das  Kreuz  deutet.  Der  Styl 
dieser  Malereien  ist  der  des  XIV.  Jahrhunderts,  und  erinnert 
an  die  Gemälde  des  Thomas  von  Mutina  und  anderer  ober- 
italienischer Künstler  dieser  Zeit.  Die  Figuren  sind  schmal, 
die  Bewegungen  rund,  besonders  die  Haltung  der  Arme, 
die  Falten  gezogen ;  die  weichen  Köpfe  mit  schmalen  Augen 
haben  blasse  Schatten  mit  hellen,  weisslichen  Lichtern,  der 
Ausdruck  ist  gering. 

Ein  späterer  Bau  ist  die  Kirche,  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts,  dreischiffig,  ohne  Querschiff, 
Chor  und  Abseiten  aus  dem  Achteck  geschlossen.  In  den 
Bauformen  schliesst  sie  sich  den  Kirchen  Oberitaliens  an, 
wo  der  gothische  Styl  nie  zu  lebendiger  und  consequenter 
Durchbildung  gelangte,  sondern  fast  immer  ältere  Formen 


des  romanischen  Styles  oder  sogar  antike  Elemente  ein- 
mischte. Sehr  interessant  ist  die  Facade,  ein  Ziegel  hau 
(wie  der  Dom  von  Bergamo,  die  Kirchen  S.  Anastasia  and 
S.  Fermo  maggiore  in  Verona),  wie  solche  in  den  baltischen 
Ländern  gewöhnlich  sind,  stufenartig,  mit  eingeblendeten, 
im  Flachbogen  bedeckten  Fenstern,  an  den  Kanten  kleine 
Thürmchen  mit  Zinnen;  über  dem  Portale  ein  schönes 
Bundfenster.  Durch  diese  Anordnung  bringt  die  Facade  mehr 
den  Eindruck  eines  bürgerlichen,  städtischen,  als  eines 
kirchlichen  Bauwerkes  hervor.  Im  Innern  wirken  die  Säulen. 
aus  denen  ohne  Vermittelung  eines  Capitäles  die  gratigen 
Gewölbsrippen  hervortreten,  störend  und  passen,  da  sie  unge- 
gliedert sind,  wenig  zu  der  gothischen  Anlage.  Die  Fenster 
haben  reiches  Masswerl;,  in  dem  die  bekannte  der  Ausgangs- 
epoche des  gothischen  Styles  angehörende  Fischblasenfigur 
oft  wiederkehrt.  Die  aus  der  Spitalkirche  bieher  versetzten 
Glasgemälde  zeigen  in  sechs  Tafeln  die  Verklärung  Christi, 
unten  die  unbefleckte  Empfängniss,  zu  beiden  Seilen  den 
Stifter  und  seine  Gemahlin,  von  Engeln  der  Gottesmutter 
gleichsam  vorgestellt;  darunter  die  Aufschrift :  Anna  Grün- 
hofer  anno  dni  1X93  (1493).  Die  Figuren  sind  wohl  arg 
verzeichnet,  aber  nicht  ohne  Charakter  und  Ausdruck,  die 
Farbengebung  ist  vortrefflich,  tief  und  kräftig. 

Die  Kanzel   ist  ebenfalls   im  gothischen   Style;    die 
durchbrochen   gearbeitete  Balustrade    der   Treppe    enthält 


')  Die  erang.  Pfarrkirche  von  Bermannstadl  nach  Marienburg  Geogr  ror 
1357,  nach Mökesch  nach  oder  um  1431  ;  die  grosse  Kirche  von  Kronstadt 
nach  Marienburg  1383 oder  1385—1424,  nachTrausch,  Magazin,  138$  b  s 
1425:  die  Nikolaus- oder  Bergkirche  von  Schässburg  nach  Marienburg 
142!»— 1434.  nach  Neuen  1429  —  149S. 


6 


—  42 


wieder  die  bekannte  Fischblasenfigur.  —  Noch  ist  ein  die 
Kreaztragung  vorstellendes  Frescobild  neben  dem  Portale 
d<T  Facade  zu  erwähnen,  im  Style  des  XV.  Jahrhunderts, 
aber  von  ziemlich  handwerksmässiger  Behandlung.  —  Neben 
der  Kirche  stehl  abgesondert  eine  jener  in  Österreich  so 
häufig  vorkommenden  Grabcap'ellen  (in  älteren  Zeiten 
„Karner"  genannt),  welche  in  der  Periode  des  romanischen 
Styles  typisch  die  Kreisform  mit  halbkreisförmiger  Altar- 
vorlage hatten,  später  aber,  den  Gesetzen  des  gothischen 
Styles  folgend,  eine  eckige  Gestalt  erhielten.  Die  in  Hede 
stehende  ist  achteckig,  mit  einem  schönen,  sternförmigen 
Kreuzgewölbe  eingedeckt,  dessen  Rippen  in  den  Ecken  auf 
gegliederten  Halbsäulen  ruhen;  die  schmalen  Fenster  sind 
spitzbogig;  an  der  Aussenseite  ist  ein  heil.  Christoph,  — 
als  S\  iiilnil  der  Kirche  —  al  fresco  gemalt.  Unter  der  Capelle, 
welche  augenscheinlich  ans  derselben  Zeit  herrührt,  wie  die 
Kirche,  befindet  sieh  eine  dreitheilige  Gruft  mit  zwei  Reihen 
kurzer  Säulen  ohne  Capital  und  geripptem  Kreuzgewölbe. 

Die  kleine  Spitalkirche,  ein  viereckter,  dreiseitig 
geschlossener  Raum  ohne  Pfeiler,  mit  einem  kleinen  Erker- 
thürmchen  auf  der  Spitze  des  Giebels  der  Westseile,  ist 
ebenfalls  ein  Bauwerk  des  XV.  Jahrhunderts  (1483  begon- 
nen). Bemerkenswerth  ist  das  schöne  .Netzwerk ,  welches 
die  Rippen  der  zusammengesetzten  Kreuzgewölbe  bilden, 
und  ein  ziemlieb  plump  gearbeitetes  Relief  im  Rogenfelde 
der  Eingangstliüre.  die  Trinität  darstellend,  indem  Gott 
Vater  mit  beiden  Händen  das  Crueilix  hält,  darüber  der  heil. 
Geist  in  Taubengestalt,  zu  beiden  Seiten  die  knieenden 
Donatoren. 

Von  hohem  Interesse  ist  in  der  an  altertümlichen  Gebäu- 
den überhaupt  sehr  reichen  Stadt  das  sogenannte  Keller- 
amtsgebäude, der  Ort  fürstlicher  Hofhaltung,  unter  Rein- 
hard II.  um  die  Mitte  des  XIII.  Jahrb.  gegründet,  einst  die 
Residenz  der  Landesfürsten.  Hier  befindet  sich  die  Capelle. 
in  welcher  die  mehr  berüchtigte  als  berühmte  Margarethe 
Maultas'bh  mit  ihrem  zweiten  Gemahle,  Ludwig  dem  Bran- 
denburger, im  Jahre  1342  getraut  wurde.  Es  ist  ein  kleiner, 
mit  einem  Kreuzgewölbe  bedeckter  Raum;  an  der  Wand 
sind  zwei  Heilige  gemalt,  aber  sehr  schadhaft.  Besser 
erhalten,  aber  aus  späterer  Zeit  sind  die  Fresken  in  der 
Sacristei,  auf  grünem  Grunde  in  schwarzen  Umrissen, 
mit  Lichtern  gehöht;  es  sind  drei  Bilder.  Das  oberste  stellt 
zur  Verherrlichung  der  Tonkunsl  Tubalkain,  den  Erfinder 
der  Musik,  dar.  daneben  kenig  David  mil  der  Harfe,  als  den 


grössten  Sänger;  das  zweite.  Mann  und  Frau,  die  glückliche 
Ehe  repräsentirend,  zu  unterst  ein  laufender  Hase,  auf  dem 
eine  Schnecke  sil/t.  mnthmasslich  ein  Spott  auf  die  Luxem- 
burger und  der  mit  ihnen  verbündeten  kirchlichen  Gewalt.  Hie 
beiden  letzteren  Rüder  sind  sehr  verwischt  und  schmutzig; 
durch  eine  zweckmässige  Reinigung  könnten  sie  aber  bei 
weitem  deutlicher  erseheinen.  Die  eckigen  Bewegungen  der 
Figuren,  die  stark  gebrochenen  Kalten,  das  lnirgundische  Co- 
stüme  mit  Schnabelschuhen  u.  s.  w.  sind  charakteristische 
Merkmale  der  Kunst  des  XV.  Jahrhunderts.  Über  dem  Fenster 
ist  ein  Ruhurd  dargestellt  nebst  schönen  Arabesken.  Als 
Maler  wird  ein  Christofoi'US  von  Meran  angegeben.  Auf  der 
Thiire  sind  Engel  und  Heilige  gemalt,  ebenfalls  im  Style 
des  XV.  Jahrhunderts .  dabei  die  sonderbare  Inschrift : 
ANANISAPTA,  welche  aber  durch  Schriftbänder,  welche 
die  Engeln  halten,  erklärt  wird,  nämlich:  Antidoten  Nazareni 
Auferaf  Necem  Intoxationis  S.anctificet  Alimenta  Pocula  Tri- 
nitas  Alma.  Diese  Inschrift ,  welche  auf  Anmieten  und 
Ringen  öfter  vorkommt  und  als  zauberkräftig  galt,  gab  zu 
verschiedenen  hypothetischen  Erklärungen  Aidass  ,  aber 
eine  Auslegung  aus  dem  Mittelalter  selbst  ist  mir  ausser 
hier  nicht  bekannt  und  daher  um  so  interessanter,  da  sie 
die  Bedeutung  der  aus  den  Anfangsbuchstaben  des  Spruches 
zusammengesetzten  Formel  feststellt.  Sie  bezieht  sieh  hier 
auf  die  in  diesem  Räume  bewahrten  kirchlichen  Geräihe. 
als  in  welchen  der  Leib  und  das  Blut  Christi  die  Seele  vor 
dem  Tode  durch  das  Gift  der  Sehlange  bewahren  und 
Segen  bringend  wirken  seil. 

Bemerkenswerth  ist  auch  die  vortreffliche  Täfelung 
'der  sogenannten  Kaiserzimmer  mit  verwischten  Bildern 
und  sehr  gut  in  Relief  gearbeiteten  Wappen  von  Österreich, 
Tirol,  Braunschweig  U.  S.  «•■  endlich  ein  grüner  Kachel- 
ofen   aus    dem    XV.    .lalirb lerl .    dessen    halb    erhobene 

Bildwerke:  Engel  mit  Wappenschildern,  St.  Georg,  der 
österreichische  Bindenschild  mit  dem  Stechhelme ,  der 
thronende  Gott  Vater,  unterhalb  die  Jungfrau,  in  deren 
Seboos  sich  das  Einhorn  flüchtet  (ein  Symbol  der  Mensch- 
werdung Christi)  —  tlie  Rand  eines  tüchtigen  Künstlers 
bekunden,  denn  sie  sind  vidi  Leben  und  Aninuth.  Die 
Wappen  der  Täfelung  scheinen  den  bekannten  Herzog 
Friedrieb  mil  i\w  Iceren  Tasche  als  denjenigen  zu  bezeich- 
nen, welcher  diese  Gemächer  einrichtete,  und  der  im  Jahre 
1414  den  Papst  Johann  XXII.  auf  seiner  Fahrt  zum  Costnitzer 

Concil  in  Meran  emling.  Ed.   I'reihcrr  V.  Sacken. 


Die  mittelalterliche  Kirch enthüre  bei  den  Kapuzinern  in  Salzburg. 

(Nach  einem  Berichte  des  Herrn  k.  k.  Conserrators  Süss  in  Salzburg.) 


Wer  vor  den  Eingang  in  die  Kirche  der  Kapuziner  in 
Salzburg  gelangt,  dem  wird  es  bei  näherer  kundiger  Be- 
trachtung auffallen,  dass  an  der  erst  um  das  ,1.  1600  erbau- 
ten   und   sehr   einfachen   Kirche   sieh   eine  Tlmre  mit  Seulp- 


turen  vorfindet,  die  nicht  nur  au  sich  schön  und  Qeissig 
gearbeitet  ist.  sondern  auch  ihrer  Behandjung  nach  einer 
weit  früheren  Periode  angehört,  als  jener,  in  welche  die 
Erbauungszeit  der  Kirche  fällt.  Zugleich  wird  sich  zeigen. 


■»"■WT 


15 


—  43  — 


tlass  diese  Thiire  dem  der  Bauperiode  der  Kirche  ungehö- 
rigen steinernen  Portale  aus  weissem  Marmor  ,  worauf  sich 
üherdies  das  Wappen  des  Erbauers  Erzbischofs  Wolf  Diet- 
rich befindet,  nur  angepasst  wurde.  Dies  scheint  auf  nach- 
folgende Weise  gekommen  zu  sein: 

Im  Jahre  1598  brannte  in  Salzburg  abermals  die  erst 
zwischen  1384- —  1488  wieder  erbaute  Domkirche  ab.  Der 
baulustige  Erzbischof  Wolf  Dietrich,  der  schon  lange  mit 
dem  Plane  der  Erbauung  einer  neuen  Domkirche  umgegan- 
gen sein  soll,  jedoch  kein  Freund  altdeutscher  Kunst  war, 
zeigte  auch  keine  Lust  mehr,  den  alten  Dom  wieder  aufzu- 
bauen, sondern  Hess  ihn  gänzlich  niederreissen.  Viele  der 
schätzbarsten  und  von  dem  Brande,  verschonten  Überreste 
des  Domes  wurden  nun  zerstreut  und  zu  den  verschiedensten 
Zwecken  verwendet.  Ein  Altar  kam  in  die  Kirche  Aigen, 
andere  kirchliche  Bestandteile  sowohl  in  das  Kioster  als  in 
die  Kirche  von  Nonnberg,  und  die  schönen  Tragsäulen  der 
Kanzel  aus  rothein  Marmor  mit  vorragenden  Statuen  der 
deutschen  Kaiser  wurden  theils  zur  Decorirung  eines  Bassins 
in  Petersbrunn  verwendet,  theils  in  Strassenmauern  einge- 
setzt, von  wo  sie  erst  später  —  durch  die  ausgezeichnete  Für- 
sorge des  Hrn.  k.  k.  (Konservators  Süss  in  Salzburg  in  Bezug 
auf  die  Erhaltung  der  dortigen  ßaudenkmale  —  ausgeho- 
ben, gesammelt  und  im  Landesmuseum  zu  Salzburg  auf- 
gestellt wurden. 

Als  dann  im  Jahre  1594  Erzbischof  Wolf  Dietrich  die 
Kapuziner  nach  Salzburg  berief  und  im  Jahre  1599  das  für 
sie  bestimmte  Kloster  sammt  der  Kirche  vollendet  war,  erhielt 


auch  die  noch  übrig  gebliebene  Kirchentbüre  des  alten  abge- 
brannten Domes  eine  entsprechende  Verwendung  bei  der 
neu  erbauten  Kirche,  nur  dass  auch  hiebei  jener  Mangel  an 
Kunstverständniss  und  jene  bedauerliche  Verstümraelungs- 
sucht  vorwaltete,  «eiche  sich  schon  bei  den  früher  erwähn- 
ten Kirchenbestandtheilen  geltend  gemacht  hatten. 

In  der  Kirchentbüre  befanden  sich  nämlich  14  Füllun- 
gen mit  Basreliefs,  welche  in  zwei  senkrechte  Reihen  getheilt 
waren.  Die  zwei  obersten  Basreliefs  stellten  diu  h.  Joseph 
und  die  gekrönte  Himmelskönigin  Maria  vor,  die  übrigen 
12  Basreliefs  die  zwölf  Apostel  in  ausdrucksvollen  Brustbil- 
dern  und  mit  fliegenden  Bändern,  ohne  irgend  eine  Wieder- 
holung in  den  verschiedenen  charakteristischen  Köpfen.  Auf 
einem  der  fliegenden  Bänder  war  die  Jahreszahl  1471»  ange- 
bracht. Ohne  Berücksichtigung  des  Zusammenhanges  der 
ganzen  neu-testamentarischen  Darstellung  wurden  nun,  als 
man  die  im  alten  Dome  angebrachte  Thiire  in  den  Thürstock 
der  neuen  Kapuziner-Kirche  einsetzte,  die  zwei  untersten 
Basreliefs  abgeschnitten,  so  dass  nur  zehn  Apostel  übrig 
blieben,  —  ein  Vorgang,  der  offenbar  das  Symbolische  der 
Figuren  zerstört  hat. 

Als  ein  Beitrag  zur  Sculpturkunst  des  XV.  Jahrhunderts 
in  Salzburg  bleibt  aber  diese  Kirchenthiü'e  auch  in  ihrem 
jetzigen  Zustande  jedenfalls  von  hohem  Interesse,  daher  auch 
der  k.  k.  Conservator  Süss  in  Salzburg  sich  bestimmt  fand, 
hievon  eine  getreue  Zeichnung  der  k.  k.  CentraL-Commission 
vorzulegen,  welche  wir  mit  der  Tafel  III  der  Veröffentlichung 
übergeben. 


Notizen. 


15.  (Die  Stadtpfarrkirche  in  S  t  e  i  e  r.) 
Dieselbe  ist  ein  imposantes,  gotl'isches  Bauwerk,  über 
30  Klafter  lang,  13  Klafter  breit,  von  eigentbümlicher  An- 
lage. Sie  wurde  von  dem  Baumeister  des  St.  Stephansdomes 
in  Wien,  Hanns  Buchs  bäum  >)-  in  der  ersten  Hälfte  des 
XV.  Jahrhunderts  erbaut  und  im  Jahre  1443  eingeweiht. 
Unverkennbar  nahm  sich  der  Baumeister  die  St.  Stephans- 
Kirche  zum  Vorbild  ,  was  besonders  in  der  Detailbildung 
hervortritt.  Schiff  und  Chor  sind  in  eins  verschmolzen  und 
die  ganze  Kirche  besteht  aus  einem  dreitheiligen  Baume,  der 
gegen  Osten  aus  dem  Achteck  geschlossen  ist.  —  der  Mit- 
telraum mit  drei  Seiten,  die  beiden  Nebenräume  mit  je  zwei 
Seiten  des  Achtecks.  Sechzehn  mächtige  Pfeiler  trennen 
ersteren  von  den  gleich  hohen  Abseiten,  welche  um  ein 
Drittel  schmäler  sind.  Die  Gliederung  der  Pfeiler  ist  genau 
wie  im  Wiener  Dome;  sie  besteht  nämlich  bei  viereckiger 
Grundform  des  Pfeilers  in  zwei  Bündeln  von  je  drei  Halb- 
säulen als  Dienste  für  die  Bippen  der  zusammengesetzten 


'(  Als  Baumeister  von  St.  Stephan  erscheint  Buchsbaura  erst   U4C;   früher 
(seit  H20)  war  er  Polier. 


Kreuzgewölbe  von  Haupt-  und  Seitenschiff  und  zwei  Bündeln 
von  einem  starken  und  zwei  schwächeren  Gratstäben  als 
Träger  der  Hängebügen,  welche  die  Pfeiler  einer  Reibe  mit 
einander  verbinden. 

Die  Halbsäulen  haben  einfache  Capitäle  mit  rieltckigen, 
ausgeschweiften  Decksimsen,  die  Glieder  der  Hängebögen 
ziehen  sich  ohne  Unterbrechung  herum;  einige  der  Träger 
für  die  Kreuzrippen  sind  durch  Consolen  und  Baldachine  für 
Figuren  unterbrochen.  An  den  Wänden,  an  deren  Aussen- 
seite  mächtige,  in  vier  Geschossen  aufsteigende  Strebe- 
pfeiler die  Widerlager  der  Gewölbe  bilden,  setzen  die  (le- 
wölbsrippen  auf  Bündel  von  je  drei  Halbsäulen  auf.  Von  den 
drei  Eingängen  haben  die  au  der  West-  und  Nordseite  Wir- 
hallen. Festere  ist  ein  offener  Durchgang  unter  dem  Orgel- 
ehore,  au  den  Wänden  sind  mit  Wülsten  eingefasste  Nischen 
angebracht,  welche  steinerhe  Sitzbänke  enthalten;  aus  der 

zweiten  führen  zwei  Thüren  neben  einander  in  das  Innere, 
daneben  auf  Säulehen  Consolen  mit  den  Figuren  der  Heiligen 
Jacobus  major.  Elisabeth  und  Agnes:  diese  sind  trefflich 
gearbeitet   von    lieblichem    Ausdruck:    die   geschwungenen 

f." 


—  44  — 


Leiber  und  gezogenen  Falten  bekunden  den  Styl  der  Früh- 
zeit des  XV.  Jahrhunderts.  In  ilem  Spitzbogonfelde  ilor  einen 
Thür  ist  ein  Relief,  Maria  Himmelfahrt,  eine  schwache  Arbeil 
von  IS 25,  überdies  sehr  beschädigt.  Ganz  herrlich  sind  die 
hohen,  vierlichtigen  Fenster  mit  dem  schönsten  Masswerk 
von  mannigfaltig  variirten  Formen  in  den  Bogenfeldern.  Die 
hier  noch  erhaltenen  Glasmalereien  sind  von  verschie- 
denem Werthe;  die  beste  ist  eine  Vorstellung  des  Todes  der 
h.  Maria  in  grossen  Figuren,  die  ganze  Breite  eines  Fensters 
einnehmend.  Her  Ausdruck  der  Köpfe  ist  sehr  lebendig  und 
empfunden,  trefflich  ist  der  Schmerz  der  Apostel,  die 
andachtsvolle  Würde  des  h.  Petrus,  d;is  sanfte  Dahinscheiden 
der  knieenden  Maria  charakterisirt.  Die  Köpfe  sind  ganz 
hell,  ohne  Färbung,  die  Schatten  bloss  schraffirt,  die  Farben 
der  Gewänder  schön,  aber  nicht  sehr  tief.  Dieses  schöne 
Bild  gehörl  dem  Style  nach  dem  Ende  des  XV.  Jahrhunderts 
an.  Alter  ist  eine  h.  Katharina,  welche  einige  Männer  belehrt, 
oberhalb  mehrere  Heiligenfiguren  grau  in  grau  in  gothischer 
Architektur.  Mehr  aus  der  Verfalls/eil  der  Glasmalerei  im 
XVI.  Jahrhundert  sind  4  Tafeln  mit  Heiligen  und  dem  Do- 
nator mit  seiner  Familie .  endlich  eine  Maria  mit  dem  Kinde 
in  der  Glorie  und  ein  Crucifix.  Die  Zeichnung  ist  manierirt, 
die  Färbung  hlass. 

Der  starke,  sechseckige  Quadefthurm  stellt  an  der  Nord- 
seite der  Kirche,  ungefähr  in  der  Mille  der  Kirchenlänge, 
iiinl  steigt  in  acht  Geschlissen  empor. 

Eil.  Freiherr  v.  Sacken. 

IG.  (Der  so  genannt  eH  ei  dentempel  in  Znaim.) 
Au  eine  kreisförmige  Halle  der  ehemaligen  Markgrafenburg 
in  Znaim,  welche  im  Durchmesser  20  Fuss  und  mit  ihrer 
Kuppelwölbung  in  die  Höhe  27  Fuss  misst,  schliesst  sich  gegen 
Osten  ein  halbkreisförmiger  kleinerer  Raum  von  IS  Fuss  im 
Durchmesser  und  16 Fuss  Höhe,  welcher  gleichfalls  überwölbt 
ist.  und  durch  eine  Bogenöffnung  mit  der  grossen  Halle  in  Ver- 
bindung steht.  Nachdem  keine  Urkunden  vorgefunden  wurden 
und  auch  die  Malereien  dieser  Rotunde  nur  schwer  und  un- 
sicher zu  erkennen  waren,  hielt  man  sie  lange  Zeit  für  einen 
Heidentempel.  Wiewohl  nun  neuere  Forschungen,  wiejenedes 
gelehrtenPittner1),dieUnrichtigkeitobigerBezeichnung  nach- 
gewiesen hatten.  SO  scheint  man  doch  in  einen  neuen  Irrthum 
verfallen  zu  sein,  indem  man  diesen  Bau  als  eine  Tauf- 
cape 11  e  betrachtete.  Ritter  v.  Wolfskron  sucht,  wenig- 
stens nicht  ohne  innere  Gründe,  diese  Ansieht  in  Nr.  5  des 
„Notizenblattes  der  historisch-statistischen  Section  der  k.  k. 
mährisch -schlesischen  Gesellschaft  zur  Beförderung  des 
Ackerbaues,  der  Natur-  und  Landeskunde"  (.1.  1855)  zu 
entkräften  und  erklärt  den  sogenannten  Heidenthurm  als 
eine  Hauscapelle,  welche  der  alten  Markgrafenburg  an- 
gehört hahen  müsse. 

IT.  (Die    Coi Mida  Rechberg    in    Kärnten.) 

Der  Herr  k.  k.  Conservator  für  Kärnten  Freih.  v.  Ankers- 


■l   Vergl.  Bormajr'a  Irchii  1821,  Nr.  67j   1822,  Nr,  71  ;   Isis,  s.  376  und 
die  Wiener  Jahrbücher  1.  Lit.  und  Kunst,  II. I-  21  l  1823),  S.  2:t. 


hofen  wurde  im  Jahre  1 854  aufgefordert,  üher  den  Bestand 
der  Georgshütte  im  Jaunthale  nähere  Aufschlüsse  zu  gehen. 
Er  erklärte  jedoch,  dass  weder  ihm  noch  Anderen,  die  das 
Jaunthal  genau  kennen,  von  eine*  Georgshütte  etwas  hekannt 
sei.  und  sprach  die  Ansicht  aus.  dass  wahrscheinlich  unter 
derselben  die  Commenda  Rechberg  im  Jaunthale  zu  ver- 
stehen sei,  welche  zum  St.  Georg-Orden  gehörte.  Freiherr 
von  Ankersho  fen  lieferte  hierüber  folgende  Nachweisung  : 

„Die  Commenda  Rechberg  im  Jaunthale  wurde  von 
einem  edlen  Kärntner,  Ladislaus  Prayer,  im  Jahre  14!>5 
gestiftet.  Sie  bestand  in  einigen  Besitzungen  und  200  11. 
jährlicher  Einkünfte.  Nach  den  Bestimmungen  des  Stifters 
sollen  in  Rechberg  so  viele  Hitler  residiren,  als  mit  Aus- 
schluss der  Dienerschaft  von  den  Einkünften  erhalten  werden 
können.  Zum  Zeichen  der  Unterwürfigkeit  sollen  sie  jährlich 
100  Pf.  Käse  nach  Millstadt  abgehen.  Kaiser  Friedrich  IV. 
muss  den  Rittern  in  Rechberg  Freibriefe  auf  Eisenbergbau 
gegeben  haben,  weil  sein  Sohn  Kaiser  Max  I.  ihnen  mit  einer 
Urkunde,  gegeben  zu  Innsbruck  am  22.  Sept.  1515,  für  den 
Fall,  als  sie  auf  das  ihnen  von  seinem  Vater  Friedrich,  fern 
gratia,  ertheilte  Privilegium  verzichten  würden,  verspricht, 
eine  ihm  gehörige  Pfarre  in  Steier,  Kärnten  oder  Krain, 
welche  257  11.  Rhein,  geben  könnte,  dafür  abtreten  zu 
wollen.  Nach  einer,  dieser  Notiz  von  dem  vormaligen  Jesui- 
ten -  Superior  in  Millstadt  Nikolaus  Coronius  beigefügten 
Bemerkung  wurde  das  Privilegium  zwar  zurückgestellt,  hier- 
für aber  nichts  erhalten.  Im  ,1.  1813  vertauschte  das  Stift 
Eherndorf    die    Pfarren    St.    Bartolomä    in    Rechberg    und 

St.  Thomas  in  Glantschach  an  die  (' ende  Rechberg  gegen 

die  Pfarre  St.  Lorenzen  zu  Stein  im  Jaunthale.  Mit  dem 
Stifte  Millstadt  wurde  auch  Rechberg  im  Jahre  1600  durch 
die  Bulle  des  P.  Clemens  VIII.  dem  ■lesiiilen-Collegium  in 
Gratz   einverleibt." 

IS.  (Über  die  römischen  Inschriften  bei  Po- 
le tili,  Ogradina  und  die  Brücke  hei  Cz  er  netz.) 
Fängst  bemüht,  so  viel  wie  möglich  die  Monumente  auf- 
zusammeln, welche  sieb  auf  die  Donau  und  die  au  der- 
selben liegenden  Fänder  beziehen,  habe  ich  meine  dies- 
fälligen  Bitten  schon  im  Jahre  1834  an.  in  die  Gegend 
des    eisernen    Thores   gesendete    Ofilciere,    ferner   im  Jahre 

1853  an  Sc.  Durchlaucht  den  Herrn  Feldzeugmeister  Fürsten 
von  Schwarzenberg,  wie  an  den  Präses  der  k.  k.  Commission 
zur  Erhaltung  der  Baudenkmale,  Herrn  Baron  Czoernig,  um 
die  Zeichnungen  und  Abklatschungen.  I .  derTiberius-Inschrifl 
bei  Poletin  vom  Jahre  !54  nach  Christi,  und  2.  von  jener  In- 
schrift, Ogradina  gegenüber,  welche  Trajan  im  Jahre  101 
n.  Ch.  einbauen  lies--,  gerichtet,  und  IS.  auch  um  Aufnahme 
der  örtlichkeil  bei  Czernetz  angesucht,  wo  nach  aller  Wahr- 
scheinlichkeil Kaiser  Trajan  die  berühmte  Brücke  über  die 
Donau  hatte  schlauen  lassen. 

Von  Sr.  Excellenz  dein  Herrn  Grafen  Coronini,  welchem 
Se.  Durchlaucht  Fürs!  Schwarzenberg  die  Ausführung  der 

obigen  Bitte    übertrug,   erhielt   ich   Abklatschungen  der  zwei 


45  — 


ersten  Zeile»  der  berühmten  Trajans-Inschrift,  ferner  von 
Herrn  Beckmann,  Bau-Eleven  im  Ministerium  der  öffentlichen 
Bauten,  welcher  sich  unter  den  Ingenieurs  befindet,  die  von 
obigem  Ministerium  zur  Sprengung  der  Felsen  am  eisernen 
Thore  entsendet  wurden,  Durchklatschungen  hei  Poletin  und 
Ogradina  so  wie  vortreffliche  Zeichnungen  der  Überreste 
der  Brückenköpfe  und  der  Brücke  des  Trajan  bei  Czernetz, 
welche  der  Herr  Oberlieutenant  Kuppelwieser  wie  der  Herr 
Bau-Eleve  Beckmann  bewerkstelligten. 

Da  durch  die  von  Herrn  Beckmann  veranstaltete  Dureh- 
klatschung  der  Trajans-Inschrift.  welche  ursprünglich  aus 
sechs  Zeilen  bestand,  vier  mit  Sicherheit  gelesen  werden, 
so  ersuchte  ich  Herrn  Beckmann ,  seine  Sorgfalt  darauf  zu 
verwenden,  dass  auch  noch  eine  Abklatschung  der  letzten 
zwei  Zeilen  bewerkstelligt  werde.  Diese  in  lebendigem 
Fels  eingemeisselte  Inschrift  ist  so  schön,  dass  eine  solche 
Schrift  ein  Kunstwerk  genannt  werden  kann;  jeder  Buch- 
stabe ist  von  einer  Höhe  von  1  Zoll  7  Linien.  Da  die 
letzten  Zeilen  leider  der  zerstörenden  Hand  des  Menschen 
sowohl  als  dem  Anfalle  des  Regens  mehr  ausgesetzt  sind,  so 
erklärt  sich  daraus  allerdings  ihre  starke  Verwitterung ; 
wenn  aber  nur  hie  und  da  ein  Buchstabe  herausgebracht 
werden  kann ,  so  ist  die  Herstellung  der  ganzen  Inschrift 
wahrscheinlich.  Nach  einigen  flüchtig  erhaschten  Buchstaben 
mit  genauer  Beobachtung  ihrer  Distanz  von  einander,  glaube 
ich  die  Herstellung  dieser  so  denkwürdigen  Inschrift  bewerk- 
stelligt zu  halien,  welche  ich  in  dem  Jahrbuche  ausführlich 
mit  Zeichnungen  darlegen  werde. 

Zwei  Siegesgöttinnen  halten  die  Inschrift ,  unten  steht 
eine  Gestalt  wie  Atlas,  die  sie  wie  eine  Tafel  emporträgt. 

Vortrefflich  ist  die  in  eine  gemachte  Vertiefung  einge- 
hauene Inschrift  umrahmt;  an  den  Ecken  dieses  Bahmens 
sind  Delphine,  in  der  Mitte  ein  Adler  mit  ausgebreiteten  Flü- 
geln, von  Eichenblättern  umgeben,  äusserst  sauber  en  relief 
herausgearbeitet. 

Von  einem  Delphine,  von  einem  Adlerflügel  und  zwei 
Eichenblattern  hat  Herr  Beckmann  Abbildungen  in  Gyps  mit- 
gebracht und  sie  so  wie  die  Abklatschungen  mir  für  das  k.  k. 
Münz-  und  Antiken-Cabinet  übergeben. 

Sobald  die  Abklatschungen  der  zwei  anderen  Zeilen  und 
der  noch  bei  Poletin  befindlichen  Inschriften  eingelangt  sein 
werden,  werde  ich  sie  so  bald  möglich  mit  den  Zeichnungen 
über  die  Brücke  bei  Czernetz  der  Öffentlichkeit  übergeben. 

Joseph  Arncth. 

19.  (Der  archäologische  Verein  der  Gesell- 
schaft des  böhmisch  enMuseu  m  s.)  Über  diesen  Verein 
entnehmen  wir  einem  Berichte  des  Herrn  Professur  Wo  cel, 
Conservators  für  Prag,  folgende  Daten :  Der  Verein  wurde 
im  Jahre  1841  unter  dem  Namen  „Archäologisches  Mu- 
seums-Comite"  zu  dem  Zwecke  gegründet,  um  interessante 
Alterthümer  Böhmens  zu  sammeln,  zu  erhalten  und  bekannt 
zu  machen.  Die  damals  entworfenen  Statuten  des  Vereines 
wurden    in    der    General  -  Versammlung    des    böhmischen 


Museums  im  Jahre  1843  bestätiget  und  nach  der  Resignation 
des  Grafen  Franz  Thun  auf  die  Präsidentschaft  des  \  ereines, 

mit  derselben  das  Mitglied  des  Museums-Ausschusses  Herr 
Ritter  Johann  von  Neuberg  betraut. 

Professor  J.  E.  Wocel  und  der  damalige  Custos  Hellich 
hatten  die  archäologische  Sammlung  in  den  alten  Localitäten 
des  Museums  im  Jahre  184ö  aufgestellt,  und  nachdem  im 
Jahre  1846  ein  neues  Gebäude  für  die  Zwecke  des  Mu- 
seums von  den  Ständen  des  Königreiches  Böhmen  angekauft 
wurde,  brachte  Wocel  die  seitdem  reichlich  angewachsene 
Sammlung  in  dem  neuen  Gebäude  in  systematische  Ordnung. 

Den  ansehnlichsten  Zuwachs  erhielt  das  archäologische 
Cabinet  im  Jahre  1848  durch  den  Ankauf  der  Sammlung  des 
Kreis-Ingenieurs  Pachl,  wodurch  die  Anzahl  der  Alter- 
thumsobjeete  des  böhmischen  Museums  um  mehr  als  1200 
Nummern  bereichert  wurde.  Der  Kaufpreis  von  0000  11. 
wurde  in  kurzer  Zeit  durch  Subscriptionsbeiträge  herein- 
gebracht. Bei  der  Revision  und  tlieilw  eisen  Umänderung  der 
Museums-Statuten  im  Jahre  1  So  1  erhielt  auch  der  archäolo- 
gische Verein  eine  andere  Organisirung  und  wurde  als  Mu- 
seums-Section  für  böhmische  Archäologie  bezeichnet,  deren 
Zweck  es  ist,  interessante  Alterthümer  Böhmens  zu  erfor- 
schen, zu  sammeln,  vor  Verderben  zu  schützen,  durch  Be- 
kanntmachung derselben  den  Sinn  für  ihre  historische  und 
artistische  Bedeutung  zu  beleben,  um  dahin  zu  wirken,  dass 
sie  dem  Vaterlande,  über  dessen  Vorzeit  sie  Licht  verbreiten, 
nicht  verloren  gehen.  Zum  Vorstande  dieser  Section  wurde 
der  Hofrath  und  Polizei  -Director  Herr  Leopold  Sacher- 
Masoch ,  und  zum  Geschäftsleiter  Prof.  Wocel  gewählt, 
welcher  seit  dem  Jahre  1843  bis  auf  den  gegenwärtigen 
Augenblick  dieses  Amt  versieht.  Die  Section,  an  welche  sich 
anzuschliessen  jedem  Mitgliede  des  Museums  freigestellt  ist. 
hält  regelmässig  ihre  Monatssitzungen. 

Vom  Museums -Ausschusse  wurde  zwar  die  jährliche 
Dotation  dieser  Section  auf  200  fl.  bemessen;  bei  den  be- 
schränkten Mitteln  des  Museums  seihst  konnte  aber  derselben 
bloss  die  Hälfte  dieses  Betrages  aus  der  Museums-Casse  zuge- 
wendet werden.  Überdiess  fliessen  von  Zeit  zu  Zeil  Beiträge 
einiger  Freunde  historischer  Alterthümer  in  die  Sections- 
Casse  ein,  unter  welchen  besonders  Herr  Graf  Eugen  Czer- 
nin  mit  dankbarer  Anerkennung  genannt  werden  muss.  der 
dem  Vereine  einen  jährlichen  Beitrag  von  100  II.  widmet. 

Es  ist  offenbar,  dass  bei  so  beschränkten  Geldmitteln, 
die  Section  sich  iu  keine  kostspieligen  Unternehmungen  ein- 
lassen kann;  doch  sende!  dieselbe  den  eifrigen  Allerthums- 
forscher  P.  Krolmus  alljährlich  zu  archäologischen  Excur- 
sionen  auf  ihre  Kosten  aus.  durch  deren  Resultate  dem  archäo- 
logischen Cabinete  bereits  mehrere  hundert  übjeete  gew  onnen 
wurden.  Die  Hauptthätigkeit  der  Section  ist  dahin  gerichtet, 
durch  Bitten  und  persönliche  Verwendung  interessante  Alter- 
thumsdenkmale  vor  Zerstörung  zu  bewahren,  ihre  Restau- 
rirung  zu  bewirken  und  geeignete  Alterthumsgegenstände 
für  das  archäologische  Cabinel  /u  erwerben,   in   welcher 


—  46 


Richtung  auch  die  Bemühung  dieses  Vereines  durch  fruchtbare 
Erfolge  belohnt  wurde. 

Über  Auftrag  des  Museums-Comite'  gab  Professor  Wocel 
im  Jahre  184S  seine  „Grundzüge  der  böhmischen  Alterthuros- 
kunde"  heraus  und  verfässte  bald  darauf  seine  populäre 
Schrift:  „Über  böhmische  Alterthümer  und  die  Notwendig- 
keit dieselben vorVerderbenzuschützen,"  welche  in  deutscher 
und  böhmischer  Sprache  in  mehreren  lausenden  Exemplaren 
unentgeltlich  im  Lande  vertheilt  wurde.  —  Die  Herausgabe 
eines  deutschen,  der  böhmischen  Archäologie  gewidmeten 
Organes  unter  dem  Titel:  „Archäologische  Blätter"  schei- 
terte an  der  Theilnahmslosigkeit  des  Publicums. 

Im  Jahre  18S4  unternahm  die  archäologische  Museums- 
Sectiou  im  Vereine  mit  der  matice  ceska  die  Herausgabe  der 
archäologischen  Vierteljahrsschrift  „Pamätky  archaeologicke 
a  mistopisni"  (archäologische  und  topographische  Denkmale), 
«clehe  von  dem  Lehrer  an  der  böhmischen  Realschule 
K.  \V.  Zap  redigirt  und  dadurch  ermöglicht  wird,  dass  die 
matice  ceska  die  Auslagen  deckt,  und  dafür  ihren  Mitglie- 
dern diese  Zeitschrift  um  die  Hälfte  des  Pränumerations- 
be träges  von  3  fl.,  also  um  1  fl.  30  kr.  überlässt. 

20.  (Rotunde  zu  Päpocz  in  der  Eisenburger 
Gespanschaft  in  Ungarn.)  Hierüber  berichtet  der 
hochw.  Abt  und  k.  k.  Conservator  Herr  Dr.  Ludwig  Birnicz 
in  Steinamanger  Folgendes :  „Zu  Päpocs  in  der  Eisenburger 
Gespanschaft  nahe  an  den  Grunzen  des  Raaber  und  Wesz- 
primerComitats  besteht  eine  Capelle  aus  Ziegeln,  welche  eine 
Rotunde  vorstellt,  deren  Umkreis  kreuz«  eise  ausgebogen  ist. 
Die  Thüre  war  gegen  Süden  und  der  Altar  gegen  Norden. 
Zwei  Säulchen,  deren  Capitäle  mit  Blattwerk  geschmückt 
sind,  umgeben  die  Thüre,  und  tragen  das  aus  Hohlkehlen 
und  Wulst  bestehende  Rundbogengewölbe  des  Thürsturzes. 
Im  Bogenfelde  ist  dermalen  keine  Verzierung,  die  vermuth- 
lich  das  öftere,  die  Antiquität  nicht  in  Anbetracht  nehmende, 
I  bertttnehen  dem  Auge  entzog.  Später  wurde  die  Thüre 
selbst  vermauert,  ihr  oberer  Tbeil  in  ein  Fenster  umgestaltet, 
und  an  der  Ostseite  der  Capelle  eine  neue  unpassende  Thür 
angebracht:  es  ist  aber  schon  die  Verfügung  getroffen,  dass 
die  einstmalige  Form  hergestellt  werde.  In  der  innern  West- 
seite der  Mauer  ist  eine  Treppe  angebracht,  die  in  das  obere 
Stockwerk  führt,  dessen  Gewölbe  in  der  Mitte  eine  vier- 
eckige Öffnung  hat,  durch  welche  man  auf  das  mit  einem 
vieleckigen  Thürmchen  gezierte  Dach  gelangt.  Die  noch 
bestehenden  Fenster  sind  rundbögig,  schmal  und  abge- 
schrägt. Die  Capelle  hat  in  Bezug  auf  die  Form  und  Lage 
grosse  Ähnlichkeil  mit  derjenigen,  die  in  unserer  Gegend 
vor  der  Kirche  in  J  ä  k  steht.  Sie  ist  vermuthlich  ein  Rest 
jenes  Klosters,  das  Margaretha  von  Gerse  aus  dem  Ge- 
schlechte  Nädosd,  die  Witwe  des  Paul  Magyar,  im  Jahre 
1363  den  Augustiner-Eremiten  gebaut  hat. 

21.  (Inschriften  in  der  Ehrenberger  Klause 
bei  Beutle  und  in  dem  Caplanhause  auf  der  Höhe 
der  Fernstrasse  in  Tirol.)  Durch  den  k.  k.  lialli  und 


Custos  Bergmann  wurde  der  k.  k.  Central-Commission  die 
Mittheilung  gemacht,  dass  in  der  berühmten  Ehrenberger 
Klause  bei  Reute  oberhalb  des  Thores.  durch  welches  der 
Weg  nach  Innsbruck  führt,  bei  der  Deinolirung  im  .1.  1783 
ein  schlechtes  Wohn-  und  Gasthans  stehen  geblieben  sei,  aus 
dessen  Inschrift  hervorgeht,  dass  Erzherzog  Maximilian  III., 
Hoch-  und  Deutsehmeister  und  Gouverneur  von  Tirol,  im 
Jahre  1(500  die  erwähnte  Klause  befestigen  liess.  Über 
der  Inschrift  befindet  sich  an  der  Thormauer  das  heraldisch 
schön  gearbeitete  Wappen  des  Erzherzogs  aus  weissem 
Marmor.  —  Weiters  droht  auch  durch  die  Übertragung  der 
Fernstrasse  auf  die  dem  Berge  Waneck  näher  liegende  Seite 
die  von  dem  berühmten  Gregor  Löffler  in  Erz  gegossene 
Inschrift  am  Portale  des  Caplanhausos ,  welche  anzeigt, 
dass  im  Jahre  1543  unter  Karl  V.  und  Ferdinand  I.  eine 
Verbesserung  dieser  Strasse  vorgenommen  wurde,  gänzlich  in 
Vergessenheit  zu  gerathen.  —  Um  beide  Inschriften  vor 
gänzlichem  Verderben  zu  bewahren,  wandte  sich  die  k.  k. 
Central-Commission  an  den  Herrn  Statthalter  in  Tirol,  um 
sowohl  der  ersteren  Gedenktafel  sanunt  orzherzoglichem 
Wappen  als  auch  der  zweiten  Inschrift  einen  den  verän- 
derten Localverhältnissen  entsprechenden  Platz  einzuräumen, 
und  sie  dadurch  ihrem  verdienten  Andenken  zu  erhalten. 

22.  (Statue  des  Ritters  Christoph  Z o p p c I ,  im 
Pfarrhofe  zu  Raggendorf.)  Die  k.  k.  Central-Commis- 
sion wurde  in  Kenntniss  gesetzt,  dass  die  in  Stein  gehauene, 
lebensgrosse  Statue  des  Ritters  Christoph  Zoppel  von  Hans, 
unter  welchen  der  genannte  Ort  im  Jahre  1590  durch  Kaiser 
Matthias  zum  Markte  erhoben  wurde,  gegenwärtig  in  der 
Erde  eingegraben  sieh  befindet,  und  hiedurch  gänzlich  in 
Verfall  kommen  musste. 

Da  nun  Christoph  Zoppel  in  der  Geschichte  Österreichs 
einen  hervorragenden  Platz  einnimmt  und  demselben  in 
neuester  Zeit  viel  Aufmerksamkeit  von  den  Geschichtsfor- 
schern geschenkt  wird,  überdies  dieses  Denkmal  meister- 
haft aus  Stein  gearbeitet  und  noch  gut  erhalten  sein  soll, 
so  nahm  die  k.  k.  Central-Commission  die  Vermittlung  des 
Herrn  Statthalters  von  Nieder-Österreich  in  Anspruch  und 
bewirkte,  dass  die  obgenannte  Statue  auf  einem  geeigneten 
Platze  au  der  Kirche  aufgestellt  und  der  Nachwelt  erhalten 
wurde. 

'.';'•.  (Münzfund  zu  Kaindorf  in  Steiermark.) 
Bei  Kaindorf  in  der  Nähe  von  Hartberg  wurden  876  Stück 
Münzen  im  Gewichte  von  25%  Loth  gefunden,  über  deren 
Werth  Herr  Regierungsrath  Arneth  bemerkt,  dass  diese 
Münzen,  der  Mehrzahl  nach  in  die  Regierungszeit  des  Kaisers 
Friedrieh  III.  fallend,  Nieder-Österreich,  Steiermark  und 
Ober-Österreich  angehören  und  nur  eine  Partie  einseitiger 
Wiener  Pfennige,  welche  die  Münzmeister-Buchstaben  II.  L. 
(Leopold  von  der  Hochstrasse)  und  II.  T.  (Hans  von  Tiren) 
aufweisen,  aus  dem  \lll.  und  XIV.  Jahrhundert  herstammen, 
dann  einige  wenige  Pfennige  von  Baiern,  die  von  dem  Erzbis- 
thumoSalzhurg  oder  dem  Bisthume  Bamberg  ausgegangen  sind. 


Literarische  Anzeige. 


Kuglcr's  Geschichte  der  Baukunst  mit  Illustrationen  und  Holz- 
schnitten.  1.  Bd.  Stuttgart.   Verlag  vnn  Ebner  und  Seubert. 
1856,  S.  X,  574,  8. 

Wenige  Zweige  der  Kunstgeschichte  haben  in  den  letzten  Jahr- 
zehenden eine  so  tiefgehende  Veränderung  erlitten,  als  die  Geschichte 
der  Baukunst.  Wer  etwa  Hirt's  „Baukunst  bei  den  Alten,"  Sticg- 
litz's  „Geschichte  der  Baukunst,"  Rosenthal's  „Geschichte  der 
Baukunst,"  Hoppes  „Geschichte  der  Architektur"  oder  ähnliche  bis 
auf  die  letzten  Jahrzchende  herabgehende  Werke  über  diesen  Gegen- 
stand zur  Hand  nimmt,  und  mit  dem  vergleicht,  was  in  den  letzten 
Jahrzehenden  Forscher  wie  Kugler,  Sehn  aase,  Salzen  berg, 
Lepsius,  Minutoli,  V  ioll  et-le-Duc,  Pen  rose,  Layard 
und  Anderegeleislet  haben,  der  wird  die  Wissenschaft  in  ihrem  gegen- 
wärtigen Stadium  fast  als  eine  ganz  andere,  ganz  neue  bezeichnen 
müssen.  Es  gibt  keine  Seite,  auf  der  sie  nicht  wesentliche  tief  ein- 
greifende Bereicherungen  erfahren  hätte.  Blätter  der  Baugeschiehte, 
welche  früher  ganz  und  gar  unbeschrieben  standen,  sind  jetzt  erfüllt 
mit  Thatsaehen  voller  Bedeutung,  mit  Beschreibungen  von  höchstem  In- 
teresse. Wo  einst  Hypothesen  bestanden  und  zur  Aufstellung  derselben 
der  Phantasie  ein  möglichst  grosser  Spielraum  gegeben  wurde,  da 
finden  wir  gegenwärtig  entweder  positive  Thatsaehen  oder  Lücken, 
die  als  solche  deutlich  bezeichnet,  der  Forschung  und  nicht  dem  Walten 
der  Einbildungskraft  eine  Bahn  eröffnen. 

Fragen  wir  uns  nach  den  Gründen  dieser  mannigfaltigen  Verän- 
derungen, so  müssen  wir  ein  Doppeltes  ins  Auge  fassen.  Die  Verän- 
derungen, welche  dieser  Zweig  der  Kunstgeschichte  in  den  letzten 
Jahrzehenden  genommen,  beziehen  sich  theilweise  auf  den  Stoff  seihst, 
theils  auf  die  Art  und  Weise  der  Behandlung  desselben.  Erslerer  ist 
bereichert  worden  durch  eine  enorme  Tbätigkeit  von  allen  Seiten  her, 
von  Reisenden  oder  Archäologen,  Geschichtsforschern  und  Künstlern  ; 
er  ist  bereichert  worden  durch  grossartige  wissenschaftliehe  Unter- 
nehmungen, unter  denen  die  der  Franzosen  und  Engländer  in  erster 
Linie  stehen,  denen  sich  einige  Unternehmungen  preussiseher  Ge- 
lehrten anreihen.  Letztere  verdankt  ihre  Beform  dem  Aufschwünge 
der  historischen  Wissenschaften  und  der  kritischen  Methode  der 
Forschung.  Theosophen,  Mystiker,  Philosophen  haben  sich  von  diesem 
Gebiete  zurückgezogen  und  das  Feld  jenen  Männern  überlassen, 
die  sieh  in  der  Anwendung  der  den  historischen  Wissenschaften 
eigenthümlichen  Methode  nicht  durch  die  Schlagwörter  philoso- 
phischer Schulen  ,  nicht  durch  die  Träume  und  Herzensergiessungen 
der  Mystiker  und  Theosophen  beirren  lassen. 

Auf  letzterem  Gebiete  ist  es,  wo  Kugler  der  Wissenschaft  die 
wesentlichsten  Dienste  geleistet  hat.  Er  hat  zuerst  die  neuere  histo- 
rische Methode  in  die  Behandlung  der  Kunstgeschichte  eingeführt, 
ästhetische  und  philosophische  Betrachtungen  aus  jenen  Gebieten 
ausgeschlossen,  die  ihrer  Natur  nach  der  Geschichte  und  nicht  der 
Philosophie  und  Ästhetik  angehören,  und  vorzugsweise  in  das  Ge- 
biet der  Geschichte  der  Baukunst  durch  eine  verständliche,  der  Sache 
entsprechende  Terminologie  und  klare  Anordnung  des  Stoffes  Lieht 
und  Ordnung  gebracht.  Dieser  Vorzug  sämmtlichcr  Arbeiten  K  u  g- 
ler's  tritt  in  glänzender  Weise  auf  dem  Gebiete  hervor,  auf  dem  er 
vorzugsweise  zu  Hause  ist,  und  das  er  so  eben  selbstständig  zu  be- 
arbeiten begonnen  hat. 

Der  erste  uns  vorliegende  Band  behandelt  in  zehn  Abschnitten 
das  alte  Ägypten,  die  alten  Völker  des  mittleren  Asiens  ,  die  Phönizier 


und  die  Israeliten,  das  Pelasgerthum  und  seine  Ausläufer,  die  Hellenen 
seit  der  Einwanderung  der  Dorier,  die  Homer  seit  Begründung  der 
Weltherrschaft,  die  altchristliche  Kunst,  die  Sassaniden,  die  Hindus. 
und  endlich  den  Islam  mit  den  ihm  angehörigen  Gruppen  christlicher 
Architektur,  d.  h.  Armenien,  die  Kaukasuslinder  und  Russland.  Mit 
dieser  Anordnung  hat  der  Verfasser  noch  entschiedener  und  conse- 
quenter  als  es  bei  seinem  Handbuche  der  Kunstgeschichte  geschehen 
ist,  sich  dem  Stande  der  allgemeinen  historischen  Forschungen  aeco- 
modirt.  Er  hat,  um  die  wesentlichsten  Veränderungen  kurz  zu  be- 
zeichnen, die  alten  Völker  des  mittleren  Asiens  in  einer  bestimmt 
abgeschlossenen  Gruppe  vor  der  Baukunst  der  Phönizier  und  Israeliten 
behandelt.  Die  Überreste  der  hellenisch-pelasgisehen  Epoche  sind  in 
innere  Verbindung  mit  der  Achitektur  der  Völker  des  mittleren  Ita- 
liens oder  vornehmlich  der  Etrusker  und  den  Denkmälern  in  Klein- 
Asien,  die  uns  zuerst  Fe  1 1  o  ws  und  Te  x  ie  r  erschlossen,  gesetzl. 
und  als  ein  selbstständiges  Glied  zwischen  den  Architekturgruppen 
Ägyptens  und  Mittelasiens  eingefügt.  Die  altchristlichc  Kunst  tritt 
unmittelbar  nach  der  römischen  auf,  zwischen  dieser  aber  und  der 
Kunst  des  christlichen  Oecidentes  treten  die  Sassaniden,  die  Hindus 
und  die  Islamiten  auf.  Die  Hindus  insbesondere  nehmen  eine  ganz 
andere  Stelle  ein,  als  man  ihnen  früher  einräumte.  Sie,  die  fast  un- 
mittelbar nach  Ägypten  behandelt  wurden,  deren  Bauten  als  der  Ur- 
geschichte menschlicher  Culfur  angehörig  bezeichnet  wurden,  treten 
diesmal  bei  Kugler,  und  wie  uns  scheint  mit  vollem  Rechte,  in  die 
ersten  Jahrhunderte  altchristlicher  Kunst  hinein 

Dass  Kugler  die  Denkmäler  der  Inseln  des  grossen  Oceans  und 
ähnliche  Monumente  nicht  an  die  Spitze  seines  Werkes  gestellt ,  über- 
haupt in  dasselbe  nicht  aufgenommen  hat,  hat  uns  sehr  befriedigt. 
Wir  gestehen  ,  uns  mit  der  Anschauung  nicht  befreunden  zu 
können,  dass  jene  Werke,  die  keine  eigentlichen  Kunstmomente  in 
sich  umfassen,  nur  in  sieh  boffnungs-  und  zukunftloses  Cullurleben  in 
den  rohesten  Elementen  enthalten,  mit  der  Kunst,  die  eine  Geschichte 
hat,  in  Verbindung  gebracht  werden  können.  Die  Gränzc  zwischen 
Culfur-  und  Kunstgeschichte  kann  nicht  streng  genug  beobachtet 
werden,  nicht  bloss  der  Wissenschaft  sondern  auch  der  l'onsequcnzen 
im  praktischen  Leben  wegen,  wo  häufig  das  Interessante  mit  dem 
Künstlerischen  verwechselt,  und  wie  in  den  Sammlungen  der  verflos- 
senen Jahrhunderte  die  Feder-  und  Schmucksachen  der  Insulaner  der 
Südsee,  Elephantenzähne  u.  s.  f.  neben  Dürer  und  Rembrandt  auf- 
gestellt wurden. 

Der  erste  Abschnitt  behandelt  Ägypten,  lue  DenkmSler  dieses 
Landes  reichen  in  die  ältesten  Zeiten  der  Geschichte.  Sie  stehen  ver- 
einzelt in  einer  Zeit,  deren  Blätter  sonsl  unausgefüllf  sind  von  Nachrich- 
ten über  Menschen  und  Menschenleben .  Ms  ein  Räfhsel,  dessen  Inhal! 
selbst  erst  nach  und  nach  gelöst  wird.  Die  neuesten  Forschungen  vor- 
zugsweise, niedergelegt  in  der  Chronologie  der  Ägypter  von  Lc  p- 
sius  und  dessen  Reiseberichten,  Denkmälern  und  Forschungen,  haben 
den  Glauben  auf  die  fast  ungestörte  Einheit  und  Gleichmfissigkeil 
ägyptischen  Wesens  gebrochen.  Auch  Im  ägypli>chen  Lehen,  in  der 
ägyptischen  Kunst,  die  einst  alsTypus  einer  st ationären  Weltanschauung 
gegolten  haben,  linden  wir  jetzt  Lehen.  Bewegung,  Fori-  und  Rück- 
schritt. Man  kann  die  Denkmäler  jetzt  nicht  mehr  nach  ihrer  geo- 
graphischen Lage  von  Süden  nach  Norden  betrachten,  und  nicht  mehr 
allein  dem  Zuge  des  h.  Nilschiffes  in  dieser  Richtung  Folgen.  Die 
Kunstgeschichte  Ägyptens  gliedert  sieh  jetzt  nach  den  verschiedenen 
Dynastien  und  zerfällt  aus  dem  einheitlichen  Ganzen,  in  dem  sie  früher 


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hervortrat,  in  eine  Reihe  von  Baugruppen.  Die  Baugeschichte  Ägyptens 

gewinnt  damit  an  innerem  Leben  und  historischem  Interesse,  sie  ver- 
liert aber  ihre  Geschlossenheit.  Die  Lücken  in  der  Kenntniss  ägypti- 
schen Lebens  werden  jetzt  fühlbarer  als  früher,  wo  unser  Unterschei- 
dungsvermögen der  einzelnen  ägyptischen  Stylrichtungen  nicht  geübt 
wurde,  unsere  Kenntniss  nach  dieser  Beziehung  hin  mangelhaft  war. 
Der  bruchstückweise  Charakter  unserer  Kenntniss  tritt  in  Kugler's 
Werk  lebhaft  hervor.  Er  wird  jenen  Leser  angenehm  berühren,  der 
in  einem  Werke  der  Art  seinen  Verstand  schürfen,  seine  Kenntnisse 
bereichern  will,  und  sich  nicht  vor  Störungen  seiner  Phantasien  und 
Gefühlsanschauungen  durch  strenge  wissenschaftliche  Betreuungen 
fürchtet.  Die  aufmerksame  und  Beissige  Benützung  von  Werken,  wie 
die  Caillaud's,  Hoskins,  Champollion's,  Gau's  u.  a.  m. 
in  der  Geschichte  der  Baukunst  Ägyptens,  zieht  sich  durch  das 
ganze  Capitel  hindurch,  und  ist  besonders  dankenswert!!  in  den 
nachfolgenden  zwei  Abschnitten,  welche  die  Völker  des  mittleren 
Asiens,  der  Phönizier  und  Israeliten,  behandeln.  In  der  ersteren 
Partie  waren  Botta,  Flandin,  Vaux,  Layard,  Texier  und 
Coste  Kugler's  Führer,  in  den  Partien  über  Phönizien  sind  Movers 
und  Barth  mit  Sorgfalt  benutzt;  in  der  ausführlichen  Behandlung 
des  Salomonischen  Tempelbaues  weist  Kugler  vorzugsweise  auf 
Keil's  eingebendes  Werk  über  den  Tempel  Salomons. 

Es  ist  schon  früher  angedeutet  worden,  dass  dem  Pelasgerlhum 
in  Verbindung  mit  den  Ausläufern  desselben  in  Kleinasien  und 
Etrurien  ein  selbstständiger  Abschnitt  gewidmet  wurde.  Archäologen 
strenger  Observanz ,  wie  die  unbedingten  Anhänger  der  K.  0. 
M  ü  ller'schen  Anschauung  der  altgriechischen  Zustände,  werden 
sieb  mancher  Bedenken  nicht  erwehren  können  ,  wenn  sie  diese 
Partien  gewissennassen  eingeschaltet  linden  zwischen  Mittelasien 
und  dem  eigentlichen  Hellenenthume.  Wir  meinen  aber,  dass  die 
eigentümliche  Styl  -  Verwandtschaft  der  Bau-  und  Kunstobjecte 
der  genannten  Völker  in  Verbindung  mit  den  in  Assyrien  und  Babylon 
gefundenen  Ornamenten,  in  denen  Niemand  ein  Vorbild  mancher 
hellenischer  Kunstformen  verkennen  kann,  dazu  heigetragen  haben, 
dass  die  Ansicht  ,  welche  dem  Hellenenthume  eine  vollständige 
Autochthonie  vindiciren  und  dieses  gewissermassen  auf  einen  histo- 
rischen Isolierschemel  stellen  trollte,  immer  mehr  in  den  Hinter- 
grund treten  muss.  Das  Kunstvermögen  An-  eigentlichen  Hellenen 
verliert  dabei  weniger,  als  es  auf  den  ersten  Blick  scheint.  Ihr  Heraus- 
arbeiten aus  fremden  Elementen  und  Anlegungen  auf  den  eigenen 
Boden  wird  dadurch  nur  um  so  Wunderbarer.  Die  Illustrationen  zu 
diesem  Capilol  erhielten  einen  besonderen  Keiz  durch  die  Mittheilun- 
gen  des  Felsengrabes  zu  Myra  und  des  Sarkophages,  einiger  Fels- 
Monumente  zu  Kyana-Jaghu  u.  a.  Denkmäler  aus  der  Reisemappe  des 
Malers  Herrn  A.  Berg,  der  vor  Kurzem  von  einer  Heise  nach  Ly- 
kien  zurückkehrte. 

Zu  den  Abschnitten,  welche  die  „Hellenen  seit  der  Einwande- 
rung derDorier"  und  die  „H sr  seil  Begründung  der  Weltherr- 
schaft" —  die  auf  den  engen  Raum  von  I  SO  Seiten  zusammengedrängt 
mehr  Resultate  als  ins  Detail  gehende  Zergliederung  dieser  für  die 

Kims!  so  wichtigen  Periode  enthalten  — -   seien    uns   einzelne   wenige 

Bemerkungen  erlaubt  Kugler  deute!  ausdrücklich  daraufhin  (S.203, 
Ann).),   dass  er  in  der  Begründung  und   Auffassung  der  Formen  der 

hellenischen  Architektur  einen  anderen  Weg  gehtj  als  der  geistvolle 
Architekt  K.  Böttiger  in  seiner,  besonders  Künstlern  schwer 
zugänglichen  „Tektonik  der  Hellenen".  Kugler  «eist  niehl  aus  bloss 
doctrinären  ('.runden  die  von  Vitruv  angedeuteten  Erinnerungen  an 
den  alten  llolzl.au  gänzlich  zurück,  er  construirl  nicht  wie  Hittorf 
und  Sem  per  aus  diu  Spuren  von  Farbenanwendung  ein  System 
einer  alles  umfassenden  Polychromie,  und  nimm!  selbst  die  Forschun- 


gen eines  Pe  n  rose  in  i  t  Selbstständigkeit  und  einer  gewissen  Vorsicht 
auf.  Der  Reichthum  des  Stoffes  aber  für  jene  Epochen,  so  wie  die 
innem  Bedeutungen  derselben  setzten  der  vollständigen  Darstellung 
der  Baugeschichte  der  Griechen  und  Homer  in  so  enge  Grunzen 
eigentümliche  Schwierigkeiten  entgegen.  Bei  dieser  Partie  setzt 
Kugler  Leser  voraus,  die  schon  im  Allgemeinen  orientirt  und  mit 
den  Formen  der  wichtigsten  Monumente  vertraut  sind. 

Dass  Österreich  in  dieser  Abtheilung  und  in  der  naturgemäss  un- 
mittelbar sieb  anschliessenden  ..Darstellung  der  altchristlichen  Welt" 
niehl  besser  vertreten  ist,  ist  nicht  Kugler's  Schuld,  sondern  unsere 
eigene.  Frankreich  bat  wenige  Jahre  nach  der  Eroberung  Algiers 
eine  archäologische  Expedition  zur  Erforschung  des  Landes  ausge- 
rüstet, die  ihre  Forschungen  in  dem  Prachtwerke  „Exploration  seien- 
tifique  de  l'Algerie"  niedergelegt  bat.  Kugler  entnimmt  diesem  Merke 
sehr  interessante  Daten,  das  Prütorium  von  Laiubäsca  (S.  341) 
u.  a.  m.  Den  altrömischen  Provinzen  gegenüber,  die  sich  im  österrei- 
chischen Kaiserstaate  befinden,  ist  Kugler  in  der  unangenehmen 
Lage,  entweder  veraltete  Werke,  wie  es  tbeilweise  die  von  Adams 
und  Cassas  über  Spalato  sind,  benützen  zu  müssen,  oder  in 
vollkommener  Balblosigkeit  sich  zu  befinden.  Er  kennt  daher  für 
die  wichtige  Bauform  der  Baptisterien  (S.  360)  eine  Keihe  kleinerer 
Baptisterien  nicht,  die  sich  an  der  Küste  des  adriatischen  Meeres 
grossentbeils  erhalten  haben  —  das  des  Domes  von  Pola  wurde  wie 
die  Kirche  S.  Michele  in  monte  in  den  letzten  Jahren  erst  abge- 
hrochen und  das  von  Aquileja  ist  aus  Mangel  an  Bedachung  der 
Zerstörung  preisgegeben  —  er  kennt  daher  die  altcbrisllicben 
Überreste  zu  Verona,  Fünfkirchen,  die  Kirche  S.  Donato  in  Zara  gar 
nicht,  einer  grossen  Reihe  anderer  Monumente  aus  dieser  und  der 
römisch-heidnischen  Periode  nicht  zu  gedenken,  wie  die  tbeilweise 
schon  zusammenstürzenden  Bögen  an  der  Kerka ,  die  kolossalen 
Unterhauten  des  Palastes  in  Spalato  u.  s.  f.  Wir  erwähnen  dies 
ausdrücklich,  weil  es  Schriftsteller  gibt,  die  ausserordentlich  empfind- 
lich sind  gegen  die  Vernachlässigung  österreichischer  Denkmale  in 
Werken  ,  die  ausserhalb  Österreich  erscheinen,  die  sich  aber  über 
die  Ursachen  dieser  Erscheinung  nicht  vollkommen  klar  geworden 
sind. 

Die  letzten  drei  Abschnitte  bebandeln  die  Sassaniden  .  die 
Hindus  und  den  Islam  mit  den  entsprechenden  Gruppen  christlicher 
Architektur.  In  diesen  Partien  tritt  der  Reichthum  der  in  den  letzten 
Jahrzehenden  gemachten  Forschungen  —  und  unter  diesen  nimmt  die 
Salz  e  n  b  e  rg's  eine  hervorragende  Stellung  ein  —  in  denVordergrund, 
und  zugleich  bemächtigt  sich  jedes  Lesers  das  Gefühl  ,  wie  \iel  noch 
ZU  arbeiten  ist,  wie  viele  Lücken  zu  ergänzen  sind.  —  Der  zweite  Band 
wird  vielleicht  mit  Ausnahme  einiger  Bauten  Auicrika's  ausschliesslich 
die  cbrisllieb-oceidentale  Kunst,  die  Bauformen  enthalten,  die  aus 
dem  Schoosse  der  romanisch  -  germanischen  Culturbewcgungen  her- 
vorgegangen, gegenwärtig  die  Kunstsprache  der  Weltarchitektur 
geworden  sind.  Auf  diesen  werden  wir  nach  seinem  Erscheinen 
natürlich  ausführlicher  zurückkommen.  Mit  diesen  Zeilen  haben  wir 
das  trefflich  ausgestattete  Werk  nicht  empfehlen,  sondern  nur 
anzeigen  wollen.  Einer  Empfehlung  bedarf  ein  Schriftsteller  wie 
Kugler  nicht,    dessen  Wirke  Niemand  aus  der  Hand  legt,   ohne   den 

Kreis  seines  Wissens  wesentlich  bereichert  zu  haben.  Eine  Geschiebte 
der  Kunst  bedarf  zu  seiner  Ergänzung  einer  Kunstlehre.  Kugler 
spricht  die  Hoffnung  aus.  dass  es  ibm  vergönnt  sein  werde,  später 

Beiträge  zu  einer  umfassenden  Ästhetik  der  Architektur  zu  lie- 
fern. Kili  Wechsel  \on  solcher  Hand  ausgestellt,  wird  vom  kunst- 
liebenden Publicum  niehl  bloss  aeceplirl,  sondern  auch  präsentirt 
w  erden. 

B.  v.  Eitelbergcr. 


\n    der  k.  k.  Hof-  und  Staats. Iruckcrci  in  Wien. 


Jeden  Monat'  erscheint  1  Heft  zu 
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IM  ERF1SCI«  (II ERHAITIG  «ER  BAEDEIMI M 


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Unler  der  Leitung  des  k.  k.  Sections-Chefs  und  Präses  der  k.  k.  Central-Commission  Karl  Freiherrn  v.  f  zoernig. 


Redacteur:    Rarl  Weiss. 


NM. 


I.  Jahrgang. 


April  1856. 


Inhalt :  Zur  Orientirung  auf  dem  Gebiete  der  Baukunst  und  ihrer  Terminologie.  —  Über  die  Bestimmung  der  romanischen  Rundbauten  mit 
Bezug  auf  die  Rundeapelle  zu  Hartberg  in  Steiermark.  —  Über  den  älteren  sächsischen  Kirchenbau  und  insbesondere  die  evange- 
lische Pfarrkirche  von  Mühlbach.  —  Notizen.  —  Literarische  Anzeige. 

Zur  Orientirung  auf  dem  Gebiete  der  Baukunst  und  ihrer  Terminologie. 


Von  R.  v.  Eitelberg  er. 
I. 
Byzantinisch  und  Romanisch. 


Nichts  fördert  die  Klarheit  des  Denkens  und  das  Ein- 
dringen der  Wissenschaft  in  das  Leben  so  sehr,  als  eine 
richtige  Terminologie. 

Der  Laie  hat  zwar  gegen  dieselbe  ein  gewisses  Wider- 
streben ,  er  iindet  sich  beengt  durch  den  Zwang,  welchen 
diese  im  Sprechen  und  Schreiben  ihm  auflegt,  wie  man  das 
Gesetz  auch  häufig  nur  als  Schranke  empfindet,  bevor  man 
die  Wohlthat  erkennt ,  die  in  der  durch  dasselbe  gebotene 
Beschränkung  menschlichen  Handelns  liegt.  Aber  bald  lernt 
er  die  Vortheile  eines  präcisen  Ausdruckes,  einer  klaren  Be- 
zeichnung eines  Gedankens  kennen  und  bedient  sich  ihrer 
gerne  und  leicht. 

Jede  Terminologie  geht  aus  einem  mehr  oder  minder 
berechtigten  wissenschaftlichen  Denken  hervor.  Es  gibt  aber 
innerhalb  der  terminologischen  Ausdrücke  verschiedene  Ab- 
stufungen. Es  gibt  einige,  die  unumgänglich  nöthig  sind,  um 
sich  über  irgend  einen  Gegenstand  genau  auszudrücken, 
deren  Nichtbeachtung  eine  Unklarheit  des  Denkens  voraus- 
setzt und  in  uns  wieder  unklare  Vorstellungen  hervorrufen; 
und  es  gibt  wieder  terminologische  Ausdrücke,  die  ent- 
weder selbst  in  die  wissenschaftliche  Sprache  noch  nicht 
übergegangen,  überhaupt  nicht  festgestellt  sind,  oder  solche, 
die  ohne  Gefahr  unter  einander  verwechselt  werden  können. 
So  ist  es  gleichgiltig,  ob  man  Apsis  oderConcha,  Gurt- 
träger oder  Dienst,  Tympanon,  Fronton  oder  Giebelfeld  sagt, 
da  in  wissenschaftlichen  Werken  selbst  diese  Ausdrücke  als 
gleichbedeutend  gebraucht  werden.  So  aber  ist  es  nicht 
mehr  gleichgültig,  ob  man  von  einer  Ante,  einer  Halbsäule  oder 


einem  Pilaster,  von  einem  Rundbau  oder  Kuppelbau,  von  einer 
Basilica  oder  Kirche,  ob  man  bei  Bauten  Ober-Italiens  vom 
longobardischen  oder  lombardischen  Styl,  bei  Bauten  Frank- 
reichs vom  romanischen  oder  normannischen  Style  spricht. 
Unter  den  Verwechslungen  aber,  welche  bei  archäologischen 
Berichten  in  Österreich  häufig  vorkommen,  nimmt  keine 
eine  so  bedeutende  Stelle  ein.  als  die  Verwech  sl  ung 
des  Byzantinischen  mit  dem  Romanischen.  .Ia 
man  kann  als  ziemlich  gewiss  bezeichnen,  dass  in  neunzig 
Berichten  unter  hundert  Alles  byzantinisch  genannt  wird, 
was  nicht  entweder  entschieden  antik  oder  entschieden 
gothisch  ist.  Byzantinisch  heisst  die  Markuskirche  in  Venedig, 
byzantinisch  das  Biesenportale  am  Stephansdome  in  Wien, 
byzantinisch  die  Kirche  des  h.  Zeno  in  Verona,  die  Bethle- 
hems-Capelle  in  Prag  und  die  h.  dreiKönigs-Capelle  zuTuln. 
Die  Volkssprache,  die  sich  mit  den  Formen  der  vorgothischen 
Bauweise  noch  weniger  befreundet  hat,  als  die  Masse  der 
Gebildeten,  geht  in  dieser  Beziehung  noch  um  einen  Schritt 
weiter  und  nennt  die  kleinen  Rund-  und  Tauf-Capellen,  die 
sich  aus  der  romanischen  Bauperiode  noch  erhalten  haben, 
römische  oder  Heidentempel  und  sieht  in  den  oft  fratzen- 
haften und  abenteuerlichen  Gestalten  jener  Periode  nicht 
die  Anfänge  der  mittelalterlichen  Plastik,  sondern  die  Ober- 
reste heidnischen  Götzendienstes. 

Das  Verwechseln  des  Byzantinischen  mit  dem  Roma- 
nischen ist  aber  auch  desswegen  von  grossem  Nachtheil, 
weil  sich  ganz  andere  Ideenkreise  mit  dem  Ausdrucke  „By- 
zantinisch- und  ganz  andere  mit  jenem  „Romanisch"  von 


;o  — 


selbst  verbinden.  Die  byzantinische  Kunst  ist  die  Kunst  des 
absterbenden  Griechenthums,  in  der  sieb  die  Überreste  und 
Traditionen  antiker  Technik  erbalten  haben;  die  romanische 

Kunst  ist  die  Kunst  der  jungen  romanisch- germanischen 
Völker  des  Mittelalters,  die  sich  immer  mehr  von  den  Bemi- 
niscenzen  der  römischen  Kunst  zu  befreien  und  selbstständig 
hinzustellen  sucht.  Die  byzantinische  Kunst  ist  das  Vorbild 
für  die  Kunst  der  griechischen  Kirche,  die  romanische  Kunst 
ist  die  Kunst  der  katholischen  Kirche.  Was  byzantinisch 
ist,  weiset  auf  den  Orient;  was  romanisch  ist,  weiset  auf  den 
Occident..  Die  byzantinische  Kunst  zeigt  in  ihrer  früheren 
Periode  Kühnheit  der  Combinationen,  eine  gewaltige  Con- 
struetion,  grosse  Erfahrung  in  der  Bautechnik  und  verhält- 
nissmässig  gründliche  Kenntnis  der  Mechanik  und  Mathe- 
matik. Die  romanische  Kunst  hingegen  zeigt  in  ihren 
ersten  Elementen  technische  Unbeholfenheit,  geringe  Er- 
fahrung und  massive  Constructionen.  Hier  ist  eine  junge 
Architektur,  dort  eine  alte:  die  byzantinische  Kunst  wendet 
ihr  Angesicht  der  Vergangenheit,  die  romanische  der  Zukunft 
zu;  diese  ist  die  wahrhafte  Kunst  der  Zukunft  im  Mittelalter 
gewesen. 

Die  byzantinische  Kunst  ist  im  ornamentalen  Theile  eine 
Kunst  des  äusseren  Prunkes.  Sie  sucht  durch  Glanz  zu 
ersetzen,  was  ihr  an  Seele  und  an  Leben  fehlt.  Das  Gemüth 
geht  mit  der  .lugend  und  nur  jugendliche  Völker  haben  eine 
gemüthstiefe  Kunst.  In  Byzanz  war  weder  das  Eine  noch 
das  Andere  zu  Hause.  Der  Prunk,  mit  dem  der  byzantinische 
Hof  und  die  byzantinische  Kunst  auftraten,  konnte  Staunen 
bei  den  gefürchteten  barbarischen  Völkern  erregen,  die  von 
Osten  her  einstürmten:  sie  konnte  den  blinden  Gehorsam 
gegen  Oben  nähren  und  den  geist-  und  freudelosen  Cultus 
der  orientaliscben  Kirche  stärken;  ihren  Werken  aber  fehlte 
Freiheit.  Phantasie  und  Herz.  Die  romanische  Kunst  war 
in  ihren  Anfängen  eben  so  unbeholfen  in  der  Construction 
wie  in  dem  Ornamente;  sie  war  die  Kunst  armer  Völker  im 
Verbältnisse  zu  dem  Reichthume,  den  Byzanz  entfaltete;  aber 
in  ihr  hatte  die  Phantasie  einen  Spielraum ;  Gemüth  und  Herz 
fanden  in  ihr  Befriedigung.  Es  war  ein  Schaffen  von  Innen 
heraus,  keine  blosse  Geschicklichkeit,  keine  leere  Virtuosität, 
kein  mühsames  Fortschleppen  halbverstandener  Kunsttradi- 
tionen. Über  die  l'nbeholfenheit  der  Künstler  der  romanisch- 
manischen  Völker  mochten  vielleicht  bizantinische 
Künstler  lächeln,  wie  die  Gesandtschaften  der  orientalischen 
Kaiser,  gewohnt  an  das  stumme Hofceremoniel  und  den  leeren 
Prunk  des  Thrones,  den  sie  repräsentirten,  über  die  Derb- 
heil  und  Einfachheit  lächelten,  die  sie  an  den  deutschen 
Kaiserhöfen  fanden.  Ahn-  so  gross  der  Unterschied  i-t. 
zwischen  der  weltgeschichtlichen  Bedeutung  des  byzantini- 
schen Kaisertumes  und  zwischen  der  des  deutschen  Kaiser- 
tbumes  zur  Zeil  derOttone  und  der  Hohenstaufen,  so  gross 
ist  auch  der  Unterschied  zwischen  der  Kunst,  welche  die 
Romanische  heisst,  und  gleichzeitig  bestehl  mit  den  Fürsten- 
geschlechtern der  Carolinger,  des  sächsischen  und  Hohen- 


staufisrhen   Hauses  und  jener,  die  an  dem  Sitze  des  byzan- 
tinischen Kaiserthums  blühte. 

Bei  der  Betrachtung  jener  Kunst  des  früheren  Mittel- 
alters, in  welches  die  romanische  Bauperiode  fällt,  wird  viel 
zu  wenig  Gewicht  auf  die  allgemeine  Lage  der  Bildung 
gelegt,  welche  jene  Zeit  beherrschte.  Man  darf  nicht  ver- 
gessen, dass  das  Christenthum  vom  Anlange  an  ein  Element 
der  Völkerverbindung  und  nicht  der  Völkertrennung  war. 
Die  Lehre  Christi  sollte  nach  der  Absicht  ihres  Stifters,  wie 
für  alle  Stände  und  Geschlechter,  wie  für  Arme  und  Reiche, 
Sclaven  und  Freie,  so  auch  für  alle  Völker  aller  Zungen  die- 
selbe sein.  Die  antiken  Religionen  waren  entweder  begränzt 
auf  bestimmte  auserwählte  Völker  oder  in  den  Händen  be- 
stimmter Geschlechter  und  Stände ;  sie  erzogen  kein  ethisches 
Element  für  eine  allgemeine,  völkervereinende  Bildung. 
Das  Christenthum  hingegen  erzeugte  ein  Mittel  geistiger 
Verständigung,  bildete  auf  ethischem  Gebiete  eine  gleiche 
Weltanschauung  unter  den  Gebildeten  aller  Nationen,  auf 
deren  Grundlage  später  eine  Verständigung  nicht  bloss 
materieller  Interessen,  sondern  auch  geistiger  stattfinden 
konnte. 

Die  Träger  dieser  allgemeinen  Bildung  waren  vor  der 
Entwickelung  des  Bürgerstandes  fast  ausschliesslich  Geist- 
liche und  vorzugsweise  Mönche.  Diese  bildeten  unter 
einander  im  gesammten  Occidente  eine  innigverbundene 
Genossenschaft,  oder  vielmehr  eine  Reihe  solcher  Ge- 
nossenschaften, in  der  sich  die  ersten  Elemente  der  Wissen- 
schaft und  der  Kunst  nicht  auf  speeifisch  nationeller,  sondern 
vielmehr  auf  allgemein  christlicher  Anschauung  aufbauten 
In  den  Mönchen  der  damaligen  Zeit  lebte  die  Gesinnung 
des  Abtes  Salomo  von  St. Gallen,  der  da  sagt:  „Wahre  Cultur 
könne  nur  durch  geweckten  Kunstsinn  erreicht  «erden,  nur 
dadurch  könne  die  schwerfällige  Volksmasse  der  Religion 
veredelt  zugeführt  und  in  eine  wahre  Lcbenstbätigkeit  ver- 
setzt werden."  Damals  konnte  ein  Abt  Johannes  sagen: 
„Wer  ein  Kloster  will  ohne  Weisheit,  ist  so  albern  (t;ili 
fatuitate  laborat),  als  wer  einen  lebendigen  Fischbehälter 

will  ohne  Wasser.-  lud  ein  Bischof  Alto  konnte  den  Grund- 
satz aussprechen:  „die  Unwissenheit  ist  die  Mutter  aller  Irr- 
thümer  und  vorzugsweise  von  Priestern  zu   meiden,  die  (las 

Geschäft  des  Lehrens  unter  den  Völkern  übernommen  haben." 

Bei  dieser  Anschauung  ist  es  natürlich  .  dass  die  Kunst 
ihre  erste  lleimatb  bei  den  jungen  Völkern  des  Occidentes 
in  den  Klöstern  fand,  dass  dort,  während  das  Handwerk  des 
Krieges,  der  Jagd  und  der  ritterlichen  Übungen  in  den  höhe- 
ren Ständen  jener  Zeit  gepflegt  wurde,  die  Anfänge  der 
Zeichnenkunst    geübt,  die   ersten  Erfahrungen  im  Bauen 

gemacht  wurden,  und  doli  sieh  die  ersten  Kiiiisltiaditionen, 
deren  Resultate  wir  in  den  Bauüberresten  nachforschen,  ent- 
wickeln    konnten.    Es   Wäre   eine  interessante  Aufgabe,   die 

hier  kaum  angedeutet,  geschw  eige  denn  gelöst  w  erden  kann. 
ein  Bild  der  Kunst  in  den  Tagen  dos  aufblühenden  Kasten- 
wesens zu  entwerfen.  Es  wurde  sich  zeigen,  d;iss  der  irische 


51 


Geist  der  Mönchskunst  der  damaligen  Zeit  der  natürliche 
Ausdruck  der  poetischen  Gestaltimgskraft  ist,  die  in  den 
jungen  Nationen  des  Occidcntes  lebte.  Bei  jungen  Nationen 
entwickelt  sich  wie  bei  dem  einzelnen  Menschen  die  Phantasie 
früher  als  der  Verstand.  Die  Kunst  ist  desshalb  älter  als  die 
Wissenschaft.  Es  darf  daher  Niemanden  wundern,  dass  in 
jenen  Zeiten ,  wo  die  Naturwissenschaften  kaum  geboren 
waren,  die  Philosophie  in  den  Händen  der  Scholastiker  lag,  die 
Geschichte  in  einem  fast  kindischen  Chronikschreiben  bestand, 
und  die  Meisterwerke  des  Alterthums  nur  ein  schwaches 
Licht  auf  die  dämmernde  Menschheit  warfen,  die  Baukunst 
sich  mit  Selbstständigkeit  und  mit  jener  geistigen  Kühnheit 
entwickelte,  die  in  der  Phantasie  ihren  eigenthiimlichen 
Boden  hatte.  Die  Bemerkung  Macaulay's  in  seinem  geist- 
vollen Essay  über  Milton  „die  poetische  Stimmung  muss 
in  einem  roheren  Gesellschaftszustande  im  höchsten  Grade 
vorhanden  sein",  bestätigt  vollständig  die  Architektur  des 
Mittelalters,  insbesondere  die  Mönchs-Architektur  der  roma- 
nischen Bauperiode. 

Die  Bauwerke  jener  Periode  erhärten  aber  nicht  bloss 
diese  letzte  Bemerkung,  sondern  sie  bekräftigen  auch  die 
Thatsache  der  Verbindung  der  Klöster  verschiedener  Län- 
der unter  einander.  Selbst  Jenen,  der  aus  der  Kirchen- 
geschichte nicht  wissen  sollte,  wie  häufig  Klostergeistliche 
von  einem  Lande  zum  andern  wanderten,  wie  mit  ihnen  auch 
die  Künste  sich  verpflanzten,  wie  häufig  von  den  Äbten  eines 
Klosters  geschickte  Künstler  von  einem  andern  Orte  verlangt 
wurden,  könnte  die  Baugeschichte  diese  Thatsache  schla- 
gend belehren;  dieselben  Ornamente,  die  wir  in  den  roma- 
nischen Bauten  Ungarns  oder  Böhmens  finden,  kehren  am 
Bhein,  in  Frankreich  und  in  England  wieder.  Die  baulichen 
Anlagen  von  Kirchen  und  Klöstern,  Kreuzgängen  und  Dor- 
mitorien,  Gewölben  und  Thürmen,  Krypten  und  Tauf-Capellen 
ist  eine  analoge  im  ganzen  Occidente.  Sie  beruht  auf  der- 
selben Kunstanschauung,  auf  derselben  Bildungsstufe  und 
wurzelt  in  demselben  Streben. 

Das  Wandern  der  Mönche  hat  für  die  romanische  Bau- 
periode  dieselbe  Bedeutung,  die  das  Wandern  der  Meister 
und  Gesellen  für  die  gothische  hat.  Wie  griechische  Mönche 
in  Bussland  die  byzantinischen  Formen  fortpflanzten,  so  haben 
schottische  Mönche  mit  ihren  Klosteranlagen  auch  ihre  Kunst 
nach  dem  Continente,  die  Cistercienser  ihre  Anlagen  aus 
Frankreich  nach  dem  deutschen  Reiche  herübergebracht; 
die  Form,  ja  selbst  die  Theilnahme  an  den  Bauten  war  durch 
Klosterregeln  festgestellt.  Die  Klöster  zu  St.  Gallen,  Fulda, 
Corvey,  Hirschau,  Cluny,  Monte-Cassino  waren  die  Kunstaka- 
demien der  damaligen  Zeit,  wie  es  für  die  griechische  Kirche 
lange  das  Kloster  am  Berge  Athos  war.  Das  war  die  Zeit, 
wo  die  Regel  galt:  „non  ab  infidelibus  aut  a  laicis,  sed  ab 
Ecclesia  fundatur  Ecclesia." 

Diese  Thatsache,  deren  grosse  weitgreifende  Bedeutung 
Niemand  verkennen  kann,  wird  getrübt  durch  die  Verwechs- 
lung der  Ausdrücke  Byzantinisch  und  Romanisch.  Wenn  man 


die  Bauten  Ungarns.  Böhmens,  Kärnthens  und  Niederöster- 
reichs, die  wir  Romanisch  nennen,  und  gegenwärtig  auch 
von  allen  Kunstgebikleten  so  genannt  werden,  als  Byzanti- 
nische bezeichnet,  so  darf  sich  Niemand  wundern,  wenn  sich 
in  der  Masse  der  Gebildeten  die  Meinung  entwickelt,  die 
Ungarn ,  Röhmen  oder  Kärnthner  hätten  ihre  Kunst  von 
Byzanz  aus  erhalten;  ihre  Baukünstler  wären  orientalischen 
Ursprungs  und  die  Bauformen  und  Constructions weisen 
wären  etwa,  wie  byzantinische  Prunkgefässe  und  Modestoffe 
als  Handelswaare  herübergekommen.  In  Wahrheit  aber  i.-t 
die  sogenannte  byzantinische  Kunst,  d.  h.  romanische  in 
den  genannten  österreichischen  Ländern  keine  fremde, 
sondern  eine  einheimische,  die  auf  der  früher  angedeuteten 
Weise  im  tiefen  innigen  Zusammenhange  stand  mit  dem 
ganzen  Culturstrome  des  Occidentes.  Die  Anerkennung 
dieser  Thatsache,  durch  die  Adoptirung  des  Namens  Roma- 
nisch statt  Byzantinisch  ist  daher  nur  ein  Act  der  Gerech- 
tigkeit gegen  uns  selbst  und  unsere  eigene  Geschichte  und 
ich  hege  die  feste  Überzeugung,  dass  die  Verbindung  des 
grösstenteils  der  Länder  des  österreichischen  Kaiserstaates 
mit  dem  Culturleben  Mittel-  und  Westeuropas  immer  leben- 
diger und  bestimmter  hervortreten  wird,  je  mehr  die  Bau- 
geschichte der  in  die  romanische  Zeit  fallenden  Denkmäler 
des  Kaiserstaates  in  Verbindung  mit  einer  kritischen  Ge- 
schichte der  Klöster  durchforscht  wird. 

Die  Entstehung  dieser  beiden  terminologischen  Aus- 
drücke „Byzantinisch",  „Romanisch "ist  allerdings  sehr  ver- 
schieden. Der  Ausdruck  :  Romanisch  ist  sehr  jung,  und  jener: 
Byzantinisch  sehr  alt.  Der  Begriff  des  Byzantinischen  stammt 
wie  der  des  Gothischen  (letzterer  im  schlechten  Sinne)  aus 
einer  Zeit,  wo  die  historische  Kritik  noch  in  den  ersten  An- 
fängen lag  und  man  sich  dieser  Ausdrücke  weniger  in  dem 
Sinne  einer  geläuterten  Wissenschaft  bediente,  die  noch  nicht 
vorhanden  war,  als  im  Sinne  der  herrschenden  Kunstrichtung 
des  Tages.  Wie  Raphael  in  seinem  berühmten  Rriefe  an 
Leo  X.,  in  welchem  er  seine  Ideen  zum  Aufdecken  des  alten 
Roms  entwickelte,  die  mehrere  Jahrhunderte  darauf  Napo- 
leon wieder  aufnehmen  wollte,  wie  Raphael  in  diesem 
Briefe  von  der  gothischen  oder  deutschen  Kunst  im  Sinne 
seiner  Zeitgenossen  sprach,  welche  in  der  römischen  Bau- 
kunst den  allein  vollkommenen  Styl  erkannten,  wie  Göthe 
ebenfalls  im  Sinne  seiner  Zeit,  die  über  Gothik  nicht  viel 
mehr  wusste  als  die  Zeit  Raphael's,  unter  der  Rubrik  gothisch 
alle  synonymischen  Missverständnisse  häufte,  die  ihm  von  Un- 
bestimmtem, Unnatürlichem,  Zusammengestöppeltem,  Aufge- 
flicktem, Überladenem  jemals  durch  den  Kopf  gegangen  waren, 
so  war  es  auch  Vasari  vorzugsweise,  der  in  seinem  ton- 
angehenden Werk:  „le  vite  de*  piü  eccellenti  Pittori,  Scul- 
torieArchitctti"  den  Begriff  Byzantinisch  fixirte  und  dadurch 
den  Ideen  Ausdruck  gab  die  unter  seinen  Vorgängern  und 
Zeitgenossen,  Künstlern  wie  Laien  über  die  Entstehung  und 
die  Anfänge  der  italienischen  Kunst  herrschten.  Es  wurde 
vorzugsweise  alles  Byzantinisch  genannt,  was  vor  den  Zeiten 


7' 


des  Cimabue  und  Giotto  gemalt  wurde,  ohne  weiter  zu 
untersuchen,  ob  diese  Gemälde  von  einheimischen  Künstlern 
herrühren  und  in  wie  weit  byzantinische  Einflösse  wirklieh 
stattfanden  oder  nicht.  So  wurde  auch  in  den  späteren  Zeiten 
in  Beziehung  auf  Architektur,  wie  früher  erwiihnt,  alles  By- 
zantinisch getauft,  was  sieh  nicht  unter  die  Rubrik  desGothi- 
sehen  einreihen  Hess  oder  mit  den  Lehren  Vitruvs  und 
mit  den  Regeln  der  Architekten  der  spätem  Renaissance 
eines  L.  R.  Alberti,  Vignolla,  Scamozzi,  Palladio 
und  Anderer  vereinbaren  liess.  Und  so  tief  ist  der  jahrhun- 
dertlange Gehrauch  des  Terminus  Byzantinisch  mit  den 
Ideen  der  alteren  Generation  verschwistert,  dass  noch  heut 
zu  Tage  jede  strengere  symmetrische  Compositum  einer  Ma- 
lerei, seihst  wenn  sie  von  bekannteren  italienischen  Künstlern 
des  XIV.  und  des  XV.  Jahrhunderts  herrühren,  der  alten  Ge- 
wohnheit zu  liehe,  eher  Byzantinisch  als  Altitalienisch  oder 
Altdeutsch  genannt  wird,  und  dass  selbst  ein  so  verdienter 
Forscher  wie  Heidelof  f,  zu  dessen  Tugenden  selbst  sein 
wärmster  Verehrer  kritischen  Verstand  nicht  rechnen  wird, 
bestrebt  war.  der  kunstbeflissenen  Jugend  die  Elemente  des 
romanischen  Styls  in  seinem  „kleinen  Byzantiner"  ebenso 
beizubringen,  wie  er  es  mit  den  römischen  Bauformen  in 
dem  „kleinen  Vignola"  versucht  hat. 

Der  Fehler  des  unermüdlich  thatigen  HeidelotT,  der 
aufgewogen  wird  durch  ein  Leben  voll  Verdienste,  ist  dess- 
wegen  keine  Entschuldigung  für  Andere;  diese  werdenNotiz 
nehmen  müssen  von  der  geistvollen  Kritik,  die  schon  Freiherr 
v.  Rumohr  in  seinen  „italienischen  Forschungen"  gegen  den 
Begriff  Byzantinisch  auf  dem  Gebiete  derMalerei  entwickelt 
hat,  und  von  dem  Sprachgebrauche  aller  neueren  gediegeneren 
Forscher  über  Architektur,  einen  C  a  u  in  o  n  t,  Kugle  r. 
Quast,  Schnaase,  die  sich  mit  gutem  Grunde  für  die  be- 
stimmten vorgothischen  Bauformen  des  Occidentes,  des  Aus- 
druckes Romanisch,  an  der  Stelle  des  früher  gehrauchten 
Byzantinisch  bedienen1).  Es  bezeichnet  dieser  Ausdruck  in 
charakteristischer  Weise  jene  Kunst,  die  unter  dem  vermit- 
telnden und  läuternden  Einflüsse  des  Chrisienthums  aus  der 
Verbindung    römisch-antiker    Elemente    mit   den   Kunstbe- 


i)  Das  französische  Comite  historique  des  srts  et  monumens  adoptirtef  ol- 
■  i ■■  l  erminolog  i»' 
Style  littin  du  V'  siecle  an    XI 
Style  j  "  m  bii   \l     siecle  el  XII' 

/  primaire  ou  ;i  lai ttes,  MM' 

J  secondaire  ou  rayonnant,  XIV'   siecle 
1 ' ™        )  tertiaire    ou  flamboyant,   XV    siecle  et  premiere 

(  lllmtie    du    w  i 

Für  den  österreichischen  Kaiserstaal  würde  der  Ausdruck  style  latfn 
für  die  bezeichnete  Periode  nich!  rollkoninien  passen,  da  sich  in  dem- 

i    'i  »11 nte  rorfinden,    \*>>  der   Ausdruck  byzantinisch  Lrereel»t- 


strebungen  der  neueren  Völker  sich  in  nicht  unähnlicher 
Weise  entwickelt  hat,  wie  einige  dieser  Völker  selbst,  die 
eben  desswegen  romanische  genannt  werden,  aus  der 
Mischung  römischer  Überreste  und  keltisch-germanischer 
Stämme  entstanden  sind.  Die  Heimath  der  romanischen  Kunst 
ist  der  Oecident  und  sind  es  insbesondere  jene  Gegenden,  die 
wie  Nord-Italien,  Frankreich,  England  und  vorzugsweise  die 
Rheinlande  lange  Zeit  hindurch  Theile  des  römischen  Reiches 
gewesen  sind.  Nach  und  nach  sind  die  benachbarten  Lande 
in  den  Kreis  der  jungen  Kunsttraditionen  hineingezogen 
worden,  insbesondere  seit  jener  Zeit,  als  Kaiser  Karl  der 
Grosse  durch  seine  gewaltigen  Bauanlagen  am  Rhein  zu 
Aachen,  Nymwegen  und  Ingelheim  zu  seinem  Ruhme  noch 
den  hinzufügte,  der  Gründer  des  romanischen  Raustyles  zu 
sein.  Wie  sich  von  Westen  her  diese  Baurichtung  nach 
Osten  und  den  Donauländern  verbreitete,  gehört  der  Ge- 
schichte an  und  eine  der  interessantesten  Seiten  derCultur- 
geschichte  wird  einst  geschrieben  werden,  wenn  die  diesseits 
der  Alpen  gelegenen  romanischen  Baudenkmale  des  österrei- 
chischen Kaiserstaates  als  die  Stationen  der  von  Westen  nach 
Osten  wandernden  Cultur  werden  bezeichnet  werden  können. 
Es  versteht  sich  von  seihst,  dass  damit  das  Specifische 
der  byzantinischen  Kunst,  der  innere  Werth  ihrer  Bauformen 
nicht  alterirt  wird.  Im  Gegentheile,  zur  Feststellung  des 
Einflusses  des  Orients  auf  den  Oecident,  insbesondere  zur 
Feststellung  des  Einflusses  auf  die  Donauländer  und  die 
Küsten  des  adriatischen  Meeres  ist  es  noth wendig,  das 
Byzantinische  vom  Romanischen  zu  scheiden,  die  charak- 
teristischen Eigenschaften  jeder  Kunstrichtung  genau  zu 
bezeichnen  und  jedem  Style  sein  Recht  nach  Massgabe  der 
vorhandenen  Denkmale  und  ihres  inneren  Kunslwerthes  zu 
bestimmen.  Es  versteht  sich  von  seihst,  dass  damit  die 
byzantinische  Architektur  nicht  als  mit  der  Romanischen 
in  gar  keinem  Zusammenhange  stehend  bezeichnet  werden 
soll.  Zwischen  dem  Ryzantinischen  und  Romanischen  besteht 
kein  Gegensatz,  wie  zwischen  dem  Pagodenbau  der  Inder 
und  dem  Tempelhau  der  Ägypter,  oder  zwischen  der  Bau- 
weise der  Griechen  oder  der  Mexikaner.  Byzantinisches  und 
Romanisches  hasirt  speciell  im  Kirchenbau  auf  denselben 
kirchlichen  Bedürfnissen,  und  stehen  sich  nur  in  der  Zeit 
und  in  der  Art  und  Weise  der  künstlerischen  Lösung  der 
gestellten  Aufgaben  gegenüber.  Das  Eigentümliche  der 
byzantinischen  Bauweise,  ihr  Einfluss  auf  Österreich  soll 

demnächst  entwickelt  werden. 


fertig;!  ist,  «rührend  der   Ausdruck  styie  latin  mir  auf  jene   Moi tente 

l».isst.  «  .'  sich  entweder  römischer  Einfluss  oder  die  iltere  Btsilieafenn 
Dndet. 


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—   53  — 


Über  die  Bestimmung  der  romanischen  Rundbauten  mitBezug  auf  die  Rundcapelle  zu  Hartberg  in  Steiermark1). 


Von  Dr.  G  u  s  t  a  v  H  c  i  il  c  r. 


Unter  den  romanischen  Bauten,  welche  iihcr  das  grosse 
Gebiet  des  Kaiserstaates  zerstreut  liegen,  findet  sich  eine 
zahlreiche  Gruppe  von  einer  eigenthümliehen  Anlage,  deren 
eigentliche  Bestimmung  bis  auf  den  heutigen  Tag  noch  nicht 
völlig  sichergestellt  ist.  Es  sind  diess  Bundbauten  klei- 
neren Umfanges  mit  vorgelegter  halbrunder  Apsis,  aussen 
gewöhnlich  mit  Halbsäulen  umstellt,  und  bekrönt  mit  dem 
Rundbogenfriese  und  darüber  dem  Zahnschnitte.  Ein  mehr 
oder  weniger  reich  verziertes  Portal  führt  in  das  Innere, 
welches  entweder  glatt  oder  mit  Nischen  geschmückt  ist, 
öfters  auch  noch  Spuren  einstiger  Bemahlung zeigt.  Die  mei- 
sten haben  auch  einen  gewölbten  Unterraum,  zu  welchem 
ein  schmaler  Eingang,  oft  halb  versteckt  und  schwer  zugäng- 
lich, führt.  Nur  ein  Theil  dieser  Bauten  dient  gegenwärtig 
noch  kirchlichen  Zwecken,  viele  derselben  haben  aufgehört 
Cultusgebäude  zu  sein,  sie  werden  entweder  als  Magazine 
verwendet,  oder  geradezu  dem  Einflüsse  der  Zeit  überlas- 
sen, die  ohnehin  in  den  meisten  Fällen  schonender  zu 
Werke  geht,  als  der  moderne  Unverstand.  Die  Anzahl  die- 
ser Bauten  ist  eine  sehr  beträchtliche,  sie  dürften,  wenn  sie 
einmal  vollständig  verzeichnet  sind,  die  Zahl  von  Hundert 
leicht  übersteigen,  sie  weisen  im  Umfange  der  romanischen 
ßauperiode  alle  Stufengänge  derselben  nach,  von  den  ersten 
rohen  und  schweren  Formen  bis  zu  dem  Glanzpunkte  der 
reichsten  Entwickelung,  auch  kann  man  an  ihnen  sicherer 
und  bestimmter  den  Übergang  in  den  gothischen  Styl  beob- 
achten, als  an  grösseren  Bauten,  von  welchem  der  Kaiser- 
staat nur  sehr  vereinzelte  Beispiele  aus  dem  Übergangs- 
style  aufzuweisen  hat.  An  Bauten  freilich  fehlt  es  nicht, 
welche  die  Elemente  beider  Style  in  unvermittelter  Weise 
neben  einander  zeigen,  allein  dieses  äusserliche  gleichgiltige 
Verhalten  verschiedener  Stylformen  zu  einander  ist  noch 
kein  ckarakteristisches  Kennzeichen  des  eigentlichen  Über- 
ganges und  deutet  in  vielen  Fällen  geradezu  nur  auf  ein 
Schwanken  zwischen  zweien  in  gleicher  Weise  bereit  lie- 
genden Bauformen.  An  Beispielen  hingegen  eines  organi- 
schen Durchdringens  beider  Stylformen,  eines  innerhalb  der 
romanischen  Ornamentik  auftauchenden  neuen  C'onstructions- 
elementes,  wie  wir  sie  an  französischen  Bauten  und  theilweise 


*)  Die  nächste  Veranlassung  zu  dieser  kunstgeschichtlichen  Untersuchung 
gab  eine  auf  Verlangen  der  k.  k.  Central-Commission  von  der  Landes- 
Baudirection  für  Steiermark  vorgelegte  Aufnahme  und  Beschreibung  der 
Baudenkmale  in  Hartberg.  Von  den  Zeichnungen  des  k.  k.  Ingenieur- 
Assistenten,  Hrn.  Leop.  K  um  asser,  eine  in  ihren  Einzelheilen  und  ihrer 
Auffassung  ausgezeichnete  Arbeit,  wurden  die  geeignetsten  bei  der  Tafel 
und  den  Holzschnitten  benutzt.  Auf  die  von  dem  k.  k.  Baubeamten,  Hrn. 
Grave,    herrührende    historische    Abhandlung    über  „die    kirchlichen 

Gebäude  in  Hartberg",  welche  wegen  ihrer  Heissigen  Quellen! iitzung 

und  ihrer  wissenschaftlichen  Haltung  nicht  geringere  Anerkennung  ver- 
dient,  gedenken  wir  hei  nächster  Gelegenheit  zurückzukommen.  0.  lied. 


auch  an  einigen  deutschen  zur  Bewunderung  wie  auch  zum 
Studium  erhalten  haben,  ist  dem  Stoffe  nach,  dessen  Über- 
sicht uns  bisher  gegönnt  war,  Österreich  ziemlich  arm. 

Über  den  Ursprung  und  die  Bestimmung  der 
Bundhauten  sind  die  verschiedenartigsten  Meinungen  ausge- 
sprochen worden.  Auch  muss  erwähnt  werden,  dass  sicli 
gleiche  oder  ähnliche  ßauanlagen  auch  ausserhalb  Österreich, 
in  England,  Deutschland,  besonders  zahlreich  aber  in 
Frankreich  finden. 

Im  Vordergrunde  der  über  sie  verbreiteten  Ansichten 
steht  jene,  welche  unsere  Bundbauten  aus  heidnischen 
Tempeln  herleiten  will.  Wir  haben  diese  Ansicht  nur 
anzuführen,  nicht  zu  widerlegen,  sie  konnte  nur  bei  jenen 
zur  Geltung  kommen,  welche  weder  heidnische  noch  auch 
christliche  Monumente  je  zum  Gegenstande  aufmerksamer 
Forschung  genommen  hatten,  und  sich  mit  irgend  einem 
Ausspruche  zufrieden  geben,  der  sie  der  Mühe  weiteren 
Denkens  überhob. 

Eine  andere  Ansicht  sieht  in  diesen  Bauten  Templer- 
Monumente.  Die  Templer  haben  es  dem  räthselhaften 
Schicksale  ihres  unglücklichen  Ausganges  zu  verdanken, 
dass  auch  alles  Bäthselhafte  auf  dem  Gebiete  der  christ- 
lichen Kunst,  welches  sich  der  Deutung  entzog,  ihnen  zu- 
geschrieben wurde.  Man  rühmte  ihnen  eine  eigene  Archi- 
tektur nach  und  bezog  auf  sie  alle  bildlichen  Darstellungen, 
welche  von  den  gewohnten  irgendwie  abwichen.  Dieser 
langgeübte  Unfug  hat  nunmehr  sein  Ziel  erreicht;  mit  den 
geschichtlichen  Aufklärungen,  welche  uns  über  den  trau- 
rigen Ausgang  dieses  Ordens  geworden  sind,  erwächst  für 
Jeden,  der  mit  einer  solchen  Behauptung  vortritt,  die 
Pflicht,  hierfür  einen  genügenden  Beweis  aufzustellen  und 
insbesondere  nachzuweisen,  dass  das  Monument,  an  wel- 
ches der  Name  der  Templer  geknüpft  wird,  zur  Zeit  seiner 
Entstehung  in  näherem  Zusammenhange  mit  diesem  Orden 
gestanden  habe.  Bis  nun  ist  eine  solche  Beweisführung 
unseren  Rundbauten  gegenüber  nicht  versucht  worden1). 

Die  vereinzelte  Ansicht  eines  englischen  Archäologen 
will  in  solchen  Rundbauten  den  Typus  jüdischer  Syna- 
gogen gefunden  haben,  ein  näherer  Beweis  für  diese  ab- 
sonderliche Behauptung  wird  nicht  beigebracht;  wir  begnü- 
gen uns  also,  diese  Ansicht  erwähnt  zu  haben'-). 

Am  verhreitetsten  und  begründetesten  ist  die  Meinung 
Jener,  welche  diese  Rundbauten  mit  den  heiligen  Ceremo- 
nien  der  Taufe,  oder  mit  den  frommen  Gebräuchen  in  Yer- 


')  Über  Templer-Besitzungen  in  Österreich  ist   zu  vergleichen  J.  Feil's: 
Geschichtliche  Einleitung  zu  Heider's:  romanischer  Kirche  zu  Schön- 

grahcni.   Wien  185S.  S.  !l-  64. 
-I  Archäologia  briltanica.  Vol.  I  und  XXIII.  S.  7. 


34 


bindung  setzen,  welche  sieh  an  das  Gedächtniss  der 

Verstürbe  neu   knüpfen. 

Erste  rer  Mein  u  ng  wurde  jedoch  in  Bezug  auf  die 
österr.  Bauten  erst  jüngst  entgegengetreten,  indem  darauf 
hingewiesen  wurde,  „dass  im  XII.  Jahrhunderte,  mithin  in 
jeucin  Zeiträume,  in  welchem  die  Mehrzahl  dieser  Bundbauten 
ins  Leben  gerufen  wurde,  die  Taufe  in  Teichen  (piscinis), 
in  welche  der  Täufling  hineinstieg,  schon  ganz  abgekom- 
men war.  besonders  da  die  Kinderlaufe  in  dieser  Zeit  allge- 
mein war"  '). 

Diese  Schlussfolgerang  weiset  uns  darauf  hin,  auf  die 
Betrachtung  der  Taufgebräucbe  und  ihre  historische  Ent- 
wicklung so  weit  einzugeben,  als  es  die  Aufgabe  dieser 
Blatter  gestattet. 

In  den  ersten  Zeiten  des  Christentums  wurde  die  Taufe 
ausnahmslos  durch  Untertauchen  des  Täuflings  (im- 
mersio)  vorgenommen,  und  diese  Untertauchung  geschab 
dreimal,  den  drei  göttlichen  Personen  entsprechend.  Diese 
Praxis  hat  die  griechische  Kirche  und  selbst  in  derrömiseben 
Kirche  der  ambrosianische  l'.itus  (in  derLombardie)  bis  auf 
den  heutigen  Tag  unwandelbar  festgehalten.  In  späteren 
Zeiten  trat  an  die  Stelle  der  Immersion  das  Begiessen 
(infusio)  und  endlich  das  blosse  Besprengen  (aspersio) 
des  Täuflings  mit  dem  geweihten  Wasser. 

Der  Umstand,  dass  in  den  ersten  christlichen  Jahrhun- 
derten die  Mehrzahl  der  Täuflinge  erwachsene  Personen 
waren,  der  Eintritt  in  die  Kirche  selbst  ausnahmslos  Unge- 
tauften  verwehrt  blieb,  wie  auch,  dass  nur  von  dem  Bischöfe 
selbst  die  Taufhandlung  vorgenommen  werden  durfte,  und 
diese  ursprünglich  auf  die  drei  Taufzeiten,  die  Oslo:'-. 
Pfingst-  und  Weihnachtszeit  beschränkt  blieb,  daher  die 
Anzahl  der  zu  Taufenden  sich  mehrte,  führte  die  Notwen- 
digkeit der  Errichtung  eigener  bloss  für  die  Taufhand- 
long  bestimmter  Gebäude  herbei,  welche  von  Alters 
her  den  Namen  Bapt ister ien  erhielten. 

Die  ältesten  derselben  weisen  uns  nach  Rom,  bald 
aber  erhoben  sich  mit  der  Ausbreitung  des  Christenthums 
solche  Baptisterien  auch  ausserhalb  Borns  an  allen  Mittel- 
punkten christlichen  Glaubens.  Ihnen  lag  die  von  den  Tem- 
peln entlehnte  runde  Form  fast  durchgängig  zu  Grunde, 
daher  auch  die  erste  Anlage  der  Baptisterien  von  Xocera, 
S"  Constanza  und  das  bei  dem  Lateran  in  Born  gelegene 
irrthürolich  dem  Ileidenthume  vindicirt  wurde  Eine  spätere 
Form  der  Baptisterien  bildete  das  Achleck.  In  der  ßegel 
waren  sie  in  zwei  Abtheilungen  gesondert,  die  eine  für  die 
männlichen,  die  andere  für  die  weiblichen  Täuflinge  bestimmt. 
In  dir  Mitte  stand  der  Taufbrunnen  (piscina  oder  fons  bap- 
Hsmalis)  von  ansehnlicher  Grösse  und  nach  Isidorus  mit 
Stufen  zum  Hinauf-  und  Hinabsteigen  der  Täuflinge.  Der 
Taufbrunnen    selbst  vvar   mit    verschiedenen  symbolischen 


Figuren,  gewöhnlich  mit  dem  Bilde  des  nach  der  (Juelle  sieb 
sehnenden  Hirsches,  mit  der  Figur  des  Lammes,  am  häu- 
tigsten jedoch  mit  der  Darstellung  der  Taufe  Christi  durch 
Johannes  geziert  .  wie  auch  die  Taufkirchen  selbst  dem 
b.  Täufer  Johannes  zugewidmet  waren.  Auf  die  innere  Aus- 
schmückung dieser  Taufkirchen  wurde  die  höchste  Sorgfalt 
und  aller  Schmuck  an  Gold  und  edlen  Steinen  verwendet. 
So  lesen  wir  von  dem  Papsti  Hilarius,  der  den  Stuhl  des 
h.  Peters  am  Ende  des  V.  Jahrhunderts  einnahm,  dass  er  in 
dem  Baptisteriitni  bei  der  Basilica  Constantins  drei  Oratorien 
erbauen  liess  zur  Ehre  des  h.  Jabannes  des  Täufers,  des 
Evangelisten  Johannes  und  des  lt.  Kreuzes.  Die  Pforten  des- 
selben waren  von  Erz.  In  demselben  sab  man  eine  On\\- 
Säule,  welche  ein  goldenes  Lamm  im  Gewichte  von  zwei 
Pfund  trug.  Den  Raum  der  Taufkirche  erhellte  eine 
goldene  Lampe  von  12  Pfund  Gewicht.  Das  Wasser  in  dem 
Taufbecken  strömte  aus  3  Hirschen  von  Silber,  welche 
24  Pfund  wogen,  und  über  dem  Taufbecken  hing  eine  gol- 
dene Taube,  zwei  Pfund  schwer  ')• 

Wie  erwähnt,  waren  solche  T  a  u  f  k  i  r  c  h  e  n  ursprünglich 
nur  an  den  Sitzen  der  Bischöfe  vorhanden,  welchen 
allein  das  Recht  der  Vornahme  der  Taufhandlung  zustand'). 
Nur  ausnahmsweise  wurde  dieses  Recht  an  einige  Folie- 
giatkirchen  und  Klöster  abgegeben,  wie  denn  auch 
mehrere  Klosteraulagen,  wie  z.  R.  jene  von  St.  Gallen  und 
Maulbronn,  Tauf-Capellen  in  der  unmittelbaren  Xähe  der  Klo- 
sterkirchen in  sich  schlössen.  DieRegel  aber  blieb,  dass  die 
Taufhandlung  von  dem  Rereiche  der  einem  Kloster  einge- 
räumten Rechte  ausgeschlossen  blich.  So  heisst  es  in  der 
päpstlichen  Bulle  vom  J.  1 179,  womit  dem  Stifte  Kremsmün- 
ster sein  Besitzthum  vom  Papste  Alexander  III.  bestätigt 
wurde,  ausdrücklich:  „Sepulturam  quoque  loci  ipsius  libe- 
ram  esse  volumus.  —  Chrisma  vero.  oleum  sanetum. 
consecrationes  altarium  seu  basilicarum,  ordinationes  etiam 
monachorum,  qui  ad  sacros  ordines  promovendi  sunt,  a 
dycecesano  suseipiatis  episcopo"  s). 

Der  Zeitpunkt,  mit  welchem  das  Becht  der  Tauf- 
handlung an  die  Pfarrkirchen  abgegeben  wurde. 
lässl  sieh  mit  Genauigkeit  nicht  bestimmen,  es  ist  diess  ein 
Feld,  auf  welchem  die  Kirchengeschichte  in  Österreich  noch 
manche  ungelöste  Frage  zu  beantworten  hat.  Auch  scheint 
es,  dass  sich  hiefür  kein  gemeinsamer  Zeitabschnitt  feststel- 
len lasse,  sondern  dass  dieser  nach  den  Verschiedenheiten 
der  Länder  auch  ein  verschiedener  gewesen  sei,  und  dass 
im  Beginne  dieses  lieclit  nicht  an  alle  Kirchen,  sondern  nur 
an  einzelne  mit  Rücksicht  auf  ihre  Lage  n.  s.  f.  abgegeben 
wurde,  welche  sodann  die  eigentlichen  Ecclesiae  parochia- 
lis  oiler  plebanae  biessen.  Aus  historischen  Forschungen  ist 


ingsberichte der  kais.  tkademie  der  Wissenschaften  tu  Wien,  IM.  IX, 

s.  er." 


'i  B .'s*"':   Diclionnaire  d  Ircheologie  sacr^e.  Paris  1851.   Vol.  I,  8.  495. 

2)  Martene  :  De  antiqu  ritib    i,  I,  13,  c. 

'i  Hagn  :  Urkundenbucb  von  Krem  i ster.  Wien  l  5SÄ.  (fr  38,  8.  19;  gan« 

gleichlautend  linden  wir  .Ihm'  Formel  in  der  Beatäligungsbulle   Papsl 

Paschal  lt.  an  das  Sl  n  Göttwi  ig  i J.  1 105.  Siehe  Karlin :  Saalbuch  des 

Stiftes  Göttweig.  Wien  1855.  s.  259, 


—  55  — 


erwiesen,  dass  die  ältesten  Pfarren  bei  weitem  ausge- 
dehntere Kircli spiele  hatten,  und  dass  der  eigent- 
lichen Pfarrlurche  eine  Reihe  von  arideren  Kirchen  unter- 
stand, welchen  nur  ein  Theil  der  Ausübung  pfarrherrlicher 
Rechte  und  somit  eine  beschränkte  Selbstständigkeit  zu- 
stand <)•  Nur  die  Pfarrkirchen  hatten  in  der  Regel  das  Recht 
zur  Taufe.  Einen  Anhaltspunkt  für  die  Zeitbestimmung  und 
die  früher  herrschenden  Verhältnisse  gewinnen  wir  aus  einer 
Urkunde  der  Passauer  Kirche  um  das  J.  985,  in  wel- 
cher festgestellt  wird,  an  welche  Taufkirchen  (ecclesias 
baptismales)  der  Zelient  zu  entrichten  komme  2).  Zwischen 
den  Jahren  1060  und  1070  ertheilte  in  Folge  eines  Ver- 
trages mit  dem  Karantaner-Herzoge  M  a  r  q  u  a  r  d  von  E  p  p  e  n- 
stein  und  Mürzthal  der  Erzbischof  von  Salzburg 
Gebeliard  den  Kirchen  zu  Adriach,  Grazlupp, 
Piber,  Weisskirchen,  Aflenz,  Lind  und  St.  L am- 
brecht das  Recht  der  Taufe,  des  Regräbnisses  und  der 
übrigen  pfarrherrlichen  Rechte3).  Nach  dem  Admontner 
Saalbuche  hatten  die  Bewohner  von  Tragöss  Taufe,  Bestat- 
tung und  Sündenlosprechung  in  T  r  o  f  a  i  a  c  h  zu  empfangen  *). 

In  einer  Urkunde  Adalbert  III.,  Erzbisehofes  von 
Salzburg,  an  den  Abt  von  Admont  vom  J.  1195  wurde 
zweier  Kirchen,  nämlich  jener  auf  dem  Berge  Zoppen  (in 
Käruthen  hei  Friesach)  und  jener  zu  Mucker nau  aus- 
drücklich als  Taufkirchen  Erwähnung  gethan,  und  die  Kirche 
zu  St.  Gallen  im  neuen  Walde  (in  Steiermark)  erhielt 
im  J.  1154 — HGOdas  selbstständige  Pfarrrecht  und  wurde 
damit,  nach  Ausscheidung  aus  der  alten  Pfarre  St.  Amand  im 
Admontthale,   zur  Taufkirche  erhoben  5). 

Auch  die  unter  der  Rubrik:  De  censu  ecclesiarum  im 
Jahre  1330  zusammengeschriebenen  geschichtlichen  Noti- 
zen über  die  Pfarren  des  Stiftes  Kre  msmünster  geben 
den  Nachweis,  dass  nicht  allen  Kirchen  die  Ausspendung 
aller  Sacramente  zustand.  So  war  die  Kirche  in  Wels 
ausschliesslich  auf  das  Sacrament  der  Beichte ,  und  die 
Kirche  zu  Tal  heim  auf  das  Sacrament  der  Beichte  und 
Communion  beschränkt  6). 

Man  ersieht  aus  diesem  Wenigen  immerhin,  dass  in 
unseren  Gegenden  noch  am  Schlüsse  des  XII.  Jahrhunderts 
nicht  alle  Pfarrkirchen  das  Becht  zur  Taufe  be- 
sessen haben,  und  dass  diess  eine  Bevorzugung  für  eine 
kleinere  Anzahl  war. 

Von  Wichtigkeit  ist  auch  die  Beantwortung  der  Frage, 
zu  w  elc  her  Ze  it  die  Übung  des  Un  terta  uchens 
bei  der  Taufhandlung  aufgehört  habe  und  an  dessen 
Stelle  die  Infusion  oder  Adspersion  getreten  sei.  Wenn  es 
richtig  wäre,  dass  bereits  mit  dem  XII.  Jahrhunderte  die 


Taufe  in  den  Teichen  (piscinis)  gänzlich  abgekommen  war, 
wie  die  früher  angeführte  Behauptung  aussagt,  so  ginge  es 
wohl  nicht  an,  irgend  einer  unserer  Rundbauten,  deren 
Entstehungszeit  in  das  XII.  und  XIII.  Jahrhundert  zu  setzen 
ist,  die  Bestimmung,  als  Tauf-Capelle  gedient  zu  haben, 
zuzuweisen. 

Ein  näherer  Einblick  jedoch  in  die  geschichtlichen 
Quellen  des  Mittelalters  zeigt  die  gänzliche  Grundlosigkeit 
des  erwähnten  Ausspruches,  vielmehr  lässt  sich  die  Behaup- 
tung  erhärten,  dass  die  Taufhandlang  mittelst  der  Immersion 
sich  bis  tief  in  das  Mittelalter  herab  im  Gebrauche  erhielt. 
Noch  in  der  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  kamen  Taufen 
mittelst  Re  Sprengung  oder  Regiessung  nur  selten  vor. 
Das  im  Jahre  1280  zu  Cöln  abgehaltene  Concil  hält  die 
alte  Praxis  ausschliesslich  aufrecht,  indem  auf  demselben 
ausdrücklich  die  Anordnung  ausgesprochen  wurde,  dass  mit- 
telst der  Immersion  zu  taufen  sei  („baptismus  per  immersio- 
nem  conferatur")  ').  Ist  die  Erneuerung  dieses  seit  Jahr- 
hunderten bereits  bestehenden  Gesetzes  auch  ein  Zeichen, 
dass  die  arideren  Taufweisen  schon  hie  und  da  aufgetaucht 
seien,  welchen  entgegenzutreten  man  sich  bestimmt  fand, 
so  zeigt  es  doch,  dass  sich  darin  noch  keine  übereinstim- 
mende Neuerung  kund  gab.  Es  mögen  wohl  die  folgenden 
Jahrhunderte  hindurch  beide  Taufweisen  neben  einander  in 
Übung  gestandenhaben,  wie  denn  auch  dasConcil  von  Ra- 
venna  aus  dem  J.  1311  es  dem  Belieben  des  taufspendenden 
Priesters  anheimstellt,  die  Taufe  durch  Untertauehen  oder 
Begiessen  vorzunehmen  3).  Bekannt  ist  es  übrigens ,  dass 
beispielsweise  in  Strassburg  das  Untertauchen  erst  mit  dem 
Jahre  1453  gänzlich  abkam3),  und  dass  noch  das  Concil 
von  Prag  vom  Jahre  1470  (cap.  XXX)  den  Gebrauch  der 
Immersion  neben  dem  neueren  Ritus  der  Aspersion  aufrecht 
hielt  *).  Hiemit  stimmen  auch  gleichzeitige  Kunstdarstel- 
lungen überein.  So  ist  auf  einem  Basrelif  an  der  Porte- 
rouge der  Notre-Dame-Ki  rche  zu  Paris  der  Täufling 
zur  Hälfte  nackt  in  die  Taufkufe  getaucht,  während  der  ihn 
taufende  Bischof  Wasser  über  seinen  Kopf  giesst,  zum 
deutlichen  Beweise  der  Anwendung  beider  Taufarten  zu- 
gleich 5).  Wenn  es  schliesslich  gestattet  ist,  als  Gewährs- 
mann für  das  bisher  Angeführte  auf  die  Schilderung  eines 
gottbegeisterten  Dichters  hinzuweisen,  so  möge  jenes  Vor- 
falles Erwähnung  geschehen,  welchen  Dante  im  Purgatorium 
(Hölle  36.  Gesang)  anführt,  welcher  zeigt,  dass  man  in 
dem  Baptisterium  zu  Florenz  noch  zu  seiner  Zeil  die  Täuf- 
linge untergetaucht  habe 

Nachdem  aber  der  Gebrauch  der  Immersion  erloschen, 
und    das  Becht  zur   Vornahme  der  Taufhandlung   an   alle 


')  Muchar:  Geschichte  Steiermarks.  Gratz  ISifi.  Bd.  III,  S.  245. 

2)  Urkundenbuch  des  Landes  ob  der  Enns.  Wien  1852.  I,  S.  472,  Nr.  LVII. 

3)  Muchar,  a.  a.  0.  S.  21 5. 

4)  Muchar,  S.  2S0. 

5)  Muchar,  S.  258—259. 

6)  Urkundenbueh  von  Kremsmünster,  S.  369—370. 


i)  Thomas.  S.  V1U.  66,  und  Wetzer:  Kirchenlexikon.  Bd.   10,  Taufe. 

'-')  Marl :   De  antiquis  eccl.  ritibus.  1,    136,  c, 

ll  Sigharl:  Die  mittelalterliche  Runs!  iu  der  Erzdiöcese  München-Freising. 

1855.  S.  79. 
->)  Klee:  Dogmengeschichte.  Bd.  II,  s.   I  i:>. 
•)  Didron:  Annales  Krcheologiques.  Vol.  V,  p.  23. 


56 


Pfarrkirchen  verliehen  war,  wurden  eigene  Bauten  für  die 
Taufhandlung  überflüssig  und  an  deren  Stelle  traten  im  Ver- 
laufe der  Zeiten  die  Taufsteine,  welche  jedoch  in  ihrer 
Form  noch  immer  an  die  früheren  Hund-  oder  Polygon-Bau- 
ten erinnern.  Die  Synoden  von  Salzburg  und  An  t  w  er- 
neu verordnen,  „dass  diese  Taufsteine  an  der  linke  Seite  des 
Kircheneinganges  aufgestellt  und  mit  Gitter  umgeben  wer- 
den sollen.  Das  Becken  soll  aus  dauerhaftem  Stein  beste- 
hen und  mit  einem  geschlossenen  Aufsatze  oder  Thurme, 
der  in  der  Mitte  getheilt  oder  abgehoben  werden  könne, 
bedeckt  sein.  Der  Schlüssel  werde  von  dein  Pfarrer  ver- 
wahrt." Das  römische  Rituale  (de  tempore  et  loco  admi- 
nistrandi  baptismum  §.  IV)  nennt  den  Taufstein  geradezu 
Baptisterium ,  doch  bezeichnet  es  mit  diesem  Worte  auch 
die  Taufkirche  und  erwähnt  dann  des  gewöhnlichen  Tauf- 
steines als  fons  baptismatis.  „Der  Taufstein,  heisst  es,  sei 
an  einem  anständigen  Ort,  der  Gestalt  und  dem  Stofl'e  nach 
solid,  und  so,  dass  er  das  Wasser  wohl  halte;  er  sei  gezie- 
mend geschmückt,  mit  Gittern  umzäumt,  mit  Riegel  und 
Schloss  versehen  uud  so  geschlossen,  dass  weder  Staub 
noch  anderer  Unratfa  einzudringen  vermag.  Wo  es  sich  ohne 
Schwierigkeiten  thun  lüsst,  werde  auf  dem  Taufsleine  das 
Bild  des  heil.  Johannes,  wie  er  den  Heiland  tauft,  ange- 
bracht- '). 

Aus  der  bisherigen  Darstellung  dürfte  sieh  ergeben, 
dass  einige  unserer  Rundbauten  immerhin  als  Baptisterien 
mochten  gedient  haben,  denn  fast  alle  stammen  aus  einer 
Zeitperiode,  in  welcher  noch,  wie  wir  gesehen  haben,  die 
Vornahme  der  Taufe  durch  Immersion,  wennaueb  nicht  aus- 
schliesslich, in  Übung  stand.  Auch  mochte  sich  der  frühere 
Gebrauch,  für  die  Spendung  des  Tauf-Sacramentes  eigene 
Capellen  aufzuführen,  auch  dann  noch  erhalten  haben,  als 
die  Immersion  aufgegeben  wurde.  Nicht  zu  übersehen  ist, 
dass,  nachdem  die  Kindertaufe  allgemein  wurde,  was  bereits 
frühzeitig  geschah,  grosse  Wasserbecken,  wie  sie  die  alten 
Baptisterien  zeigen,  nicht  mehr  nothwendig  waren,  da  die 
Taufe  sogar  in  gewöhnlichen  Taufbecken  vorgenommen  wer- 
den konnte.  Damit  entfiel  auch  die  Beobachtung  mancher 
Rücksieht,  welche  auf  die  Bauanhige  der  alteren  Baptisterien 
Einfluss  nahm,  und  es  war  gegönnt,  ihnen  eine  einfachere 
Gliederung  zu  neben.  Doch  muss  mit  einiger  Vorsieht  daran 
gegangen  werden,  die  Best  im  in  u  ng  eines  Hu  n  d  ha  u  es 
als  einer  T  auf-  Cape  lle  auszusprechen.  Vor  Allem  dürften 
hievon  alle  jene  Rundbauten  ausgeschlossen  bleiben,  welche 
unterhalb  einen  gewölbten  Gruftraum  zur  Aufnahme 
der  Todtengebeine  haben.  Denn  das  Concil  \  on  Auxer re, 

welches  im  .1.  878  abgehalten  wurde,  sprach  im  ('; XIV 

das  ausdrückliche  Verbot  aus,  in  einem  Baptisterium  einen 
Verstorbenen  beizusetzen,  ein  Vorhut,  welches  nur  zu  Gun- 
sten einzelner  ausgezeichneter  Kirchenfürsten  später  eine 


Ausnahme  erlitt,  wie  z.  R.  zu  Gunsten  des  Bischofs  Guald- 
ricusvon  Burgund,  welcher  im  X.  Jahrhunderte  in  der 
Tauf-Capelle  des  St  Germain-Klosters  beigesetzt  wurde  ')• 

Ausser  diesem  negativen  Kriterium  wird  aber  auch  die 
Beibringung  positiver  Beweise  für  die  Bestimmung  eines 
Rundbaues  als  einer  Tauf-Capelle  erforderlich  sein.  Der 
sicherste  ist  die  urkundliche  Nach  weisung,  die  je- 
doch nur  in  seltenen  Fällen  möglich  ist.  Eine  beachtens- 
werthe  Hindeutung  auf  die  Eigenschaft  des  Bauwerkes  ist 
das  über  dem  Portale  angebrachte  Basrelief — bei  Tauf- 
Capellen  also  die  Darstellung  der  Taufe  Christi  durch 
Johannes,  welche,  wie  bereits  erwähnt,  durch  das  römische 
Rituale  anempfohlen  wurde.  Endlich  mag  auch  der  urkund- 
liche Beweis  ausreichen,  dass  die  Kirche,  in  deren  Bereich 
die  Capelle  aufgeführt  erscheint,  von  altersher  mit  dem 
Rechte  zur  Spendung  des  Tauf-Sacramentes  ausgezeichnet 
war  und  daher  bei  ihrem  ausgedehnten  Kirchspiele  auch 
einer  eigenen  Tauf-Capelle  bedurfte.  Wenden  wir  diese 
Grundsätze  beispielsweise  auf  einen  der  ältesten  und  interes- 
santesten Rundbauten  Nieder-Ostereichs,  auf  die  Rotunde 
zu  Petronell  an,  so  glauben  wir  sie  mit  einiger  Sicher- 
heit als  eine  Tauf-Capelle  bezeichnen  zu  dürfen.  \  or 
Allem  spricht  hierfür  das  in  der  Rogeiifüllung  des  Portals 
augebrachte  Basrelief,  die  Taufe  Christi  durch  Johannes, 
mit  einem  Engel  zur  Seite,  >\w  das  Gewand  oder  ein  Tuch 
zum  Abtrocknen  hält.  Ausserdem  lässt  sich  urkundlich  fest- 
stellen, dass  Markgraf  Theo  bald  vo  n  V  o  hb  urg  um 
das  Jahr  1 140  der  Kirche  zu  Petronell  den  Zehent  schenkte2). 
Wir   wissen    aber    aus    der   bereits  angeführten  Pa  ssaue  r 

Urkunde    v I.    '.IS.'I,   und    erfahren   es    aus    einer  Reihe 

weiterer  von  Martene  beigebrachter  Beweisstellen,  dass 
das  Recht  zum  Bezüge  des  /.elients  nur  den  mit  dem  Tauf- 
reehte  aiisgetattelen  Pfarrkirchen  in  früherer  Zeit  zustand  :l). 
Endlich  fehlt  der  Petronell  er  Capelle  auch  der  bei  der  Mehr- 
zahl der  übrigen  Rundbauten  gewöhnliche  Gruft  ran  in. 
denn  die  gegenw  artig  unter  der  Capelle  befindliche  Familien- 
gruft ist  erst  neuerer  Zeit,  und  von  dem  alten  Karnorraumo 
ganz  \ erschieden  angelegt. 

Unstreitig  die  Mehrzahl  unserer  romanischen  Bund- 
bauten diente  jedoch  als  G  r  a  b-Ca  pell  enaufdeu  Kirchen- 
friedhöfen. Dafür  spricht  die  Lage  derselben  in  der  Mitte  des 
die  Kirche  umgebenden  Friedhofes,  wie  auch  der  gewölbte, 

zur  Aufnahme  der  ausgegrabenen  Gebeine  besti ile  I  nter- 

rauin. 

Unsere  Vorfahren  waren  nicht  nur  im  Leben  der  Kirche 

treu  ergeben  und  sorgsam  für  ihr  Seelenheil,  sie  Buchten  auch 
über  d.is  Ende  ihrer  irdischen  Tage  hinaus  sieh  des  frommen 
Andenkens  der  Kirche  zu  versichern.  Zuiii  Beweise  hierfür 


'»   Wetzer:  Kirchenlexikon.  Bd    In.  Artikel Tnul  ti   n 


i)  Bourasse':  Dictionn.  d  Ircheol.  I,  193, IMnbillon,  Unal.  bened.  Vol. 

■  ".  a. 
'-')  S;i.k.ri :  Die  römische  Stadl  Carnuntum.  w  ien  18S4.  8.  99. 
'i  Martene:  De  antiq.  eccl.  ritib.  im  l.  Bande  »n  fielen  Stollen, 


—   57  — 


dienen  die  „S  e  el  ge  r  ä  t  h  e,-1  Messstiftungen  zum  Seelenheile 
Verstorbener  ')>  wie  auch  die  seit  dem  VIII.  und  IX.  Jahr- 
hunderte aufblühenden  K  1  o  s  t e  r  v  e  r  b  r  ü  d  e r  u  n  g e  n  2), 
welche  einander  gegenseitige  Fürbitte  für  Lebendige,  Seelen- 
messen und  Todtenämter  für  Verstorbene  u.  s.  w.  zu- 
sicherten. Urkundliche  Belege  hierfür  anzuführen,  ist  eben 
so  überflüssig,  als  sie  zu  erschöpfen,  unmöglich;  wer  auch 
nur  als  Laie  in  der  Geschichtsforschung  mit  den  uns  über- 
kommenen Aufzeichnungen  unserer  Vorfahren  zu  thun 
gehabt  hat,  wird  die  reiche  Fülle  des  hierauf  bezüglichen 
Stoffes  kennen  gelernt  haben.  Aber  nicht  bloss  der  Fürbitte 
der  Frommen  sollte  die  Seele  des  Verstorbenen  anempfoh- 
len sein,  der  allgemeine  Wunsch  ging  auch  dahin,  die  sterb- 
lichen Überreste  in  dem  Gottes  hause  selbst,  oder  doch 
in  der  unmittelbaren  Umgebung  desselben  geborgen  zu  wis- 
sen. Nur  letzterer  Wunsch  konnte  in  den  ersten  Zeiten  des 
Christenthums  in  Erfüllung  kommen.  Denn  das  Begräb- 
niss  in  der  Kirche  selbst  war  strenge  verboten,  sie 
sollte  ausser  den  Reliquien  der  Heiligen,  welche  der  .Altar- 
raum barg,  keine  sterblichen  Überreste  umschliessen.  Dies 
galt  in  gleicher  Weise  von  den  Klosterkirchen,  wie  auch  von 
den  Kathedralen  und  den  übrigen  Pfarrkirchen.  In  den 
Klöstern  waren  die  Begräbnissstütten  ursprüglich  ausser- 
halb der  ganzen  Bauanlage,  d.  b.  ausserhalb  der  Clausur, 
oft  in  betrachtlicher  Entfernung,  so  dass  die  verstorbenen 
Brüder  auf  einem  Wagen  dahin  gebracht  werden  mussten, 
nicht  selten  auf  der  Spitze  eines  Berges  im  frischen  Wal- 
desdunkel 3) ,  in  der  Mitte  desselben  erhob  sich  eine  Ca- 
pelle.  Die  Anlage  eines  Kirchhofes  um  die  Stiftskirche  tritt 
erst  später  ein ,  wie  wir  aus  dem  Bittschreiben  des  Abtes 
Odelricus  an  den  Papst  Urban  ersehen.  „Unsere  gestor- 
benen Brüder,  heisst  es  in  demselben,  werden  nicht  in  dem 
Stiftsraume  beerdigt,  sondern  zur  Todten-Capelle  geführt, 
welche,  auf  einer  Bergesspitze  liegend,  von  dein  Kloster 
durch  einen  weiten  Weg  getrennt  ist.  Desshalb  haben  die 
Äbte  unserer  Ordensregel  den  Wunsch ,  dass  eine  Leichen- 
stätte um  die  Stiftskirche  angelegt  werden  dürfe,  und,  ob- 
gleich hierzu  die  Erlaubniss  des  Bischofes  hinreichen  würde, 
ziehen  wir  es  doch  vor,  auf  Grundlage  Deiner  Autorität 
vorzugehen"  *).  Immer  noch  aber  musste  dieser  Kirchhof 
ausserhalb  der  Clausur  sich  befinden  5).  (Hie  mos  ordinis 
nostri  erat,  ut  peculiare  coemeteriuni  liaberetur  cum  sacello 


1)  Eine  Reihe  solcher  Seelgerälhe  aufgeführt  in  Hagn's  Ürkundenbuch  von 
Kremsmünster.  S.  404. 

2)  Über  diese  Klosterverbrüderungen  und  ihre  Nekrologien  findet  man 
reichen  Stoff  in  ßergmann's  Necrologium  Augiae  majoris  ßrigantinae. 
K-arajan's  Verbriiderungsbuch  des  Klosters  St.  Peter  zu  Salzburg  und 
Zapperfs  akademischen  Vortrag:  Über  sogenannte  Verbrüderungs- 
bücher und  Nekrologien  im  Mittelalter  —  sä'mmtlich  in  den  Schriften 
der  kaiscii.  Akademie  zu  Wien. 

')  Martene:  De  antiquis  eccl.  rit.  IV.  S.  767,  a. 

')  Marlene  a.  a.  0. 

D)  Eines  solehen  zur  Beerdigung  der  Klostergeistlichen  bestimmten  Fried- 
hofes mit  einer  Capelle ,  wohin  der  Abt  Martin  eine  Messe  stiftete, 
erwähnt  zum  J.  1399  das  ürkundenbuch  von  Kremsmünster  Nr.  336. 


extra  clausuram.)  In  ähnlicher  Weise,  nur  vielleicht  schon 
früher,  wurden  bei  den  Kathedralen  und  Pfarrkirchen  die 
Kirchhöfe  um  dieselben  angelegt,  eine  Sitte ,  welche  sich 
auf  dem  Ilachen  Lande  bis  auf  den  heutigen  Tage  erhal- 
ten hat. 

Bald  aber  erwachte  in  den  Gläubigen  die  Sehnsucht, 
in  der  Kirche  selbst  beigesetzt  zu  werden,  und  obwohl  dem 
ein  ausdrückliches  Verbot  entgegenstand,  so  fand  man  es 
doch  gerechtfertigt,  für  hochverdiente  Kirchen- oder  Kloster- 
Vorstände,  wie  auch  für  besonders  vorragende  Wohlthäter 
der  Kirche  einen  Grabraum  in  derselben  zuzulassen.  Der 
Zeitpunkt,  mit  welchem  diese  Sitte  auftauchte,  lässt  sich 
nicht  genau  bestimmen.  Die  Zahl  der  Begräbnisse  in  den 
Kirchen  nahm  aber  so  schnell  überhand,  dass  zuletzt  die 
Bischöfe  mit  Strenge  dagegen  einschreiten  mussten. 
Kirchen,  bemerkten  sie,  seien  zum  Gebräuche  für  Lebende, 
und  nicht  zu  Todtenbehältnissen  bestimmt;  das  Vorrecht  des 
Begräbnisses  innerhalb  der  geweihten  Mauern  sei  für  die 
Körper  der  Heiligen  vorbehalten  und  in  jenen  Kirchen ,  die 
durch  die  Beerdigung  Aller  ohne  Unterschied,  die  es  verlangt 
hatten,  verunreinigt  waren,  solle  der  Gottesdienst  eingestellt 
werden  ').  Das  Verbot  der  Begräbnisse  in  Kirchen 
wurde  in  Italien,  wo  diese  Sitte  am  frühesten  eingetreten 
zu  sein  scheint,  mit  Strenge  gehandhabt.  So  oft  der  Papst 
eine  schriftliche  Erlaubniss  zur  Einweihung  solcher  Orte 
gab,  pflegte  er  stets  die  Clausel  beizufügen :  „si  nulluni  corpus 
ibi  constat  humanuni'-.  Viele  Beispiele  hievon  finden  sich  in 
dem Liber  diurnus  Romanorum  pontilicum,  welches  bereits  im 
VIII.  Jahrhundert  niedergeschrieben  wurde  =).  Diese  Ver- 
bote vermochten  zwar  den  Gebrauch  zu  beschränken,  aber 
nicht  gänzlich  aufzuheben.  In  den  Klosterkirchen  Öster- 
reichs wurden  bereits  im  XI.  und  XII.  Jahrhundert  die  Abte 
und  Wohlthäter  des  Stiftes  beigesetzt  und  ebenso  mag  es 
auch  in  den  übrigen  Kirchen  der  Fall  gewesen  sein.  Um 
einen  Beweis  der  Gesinnung  zu  geben,  von  welcher  ein  dahin 
zielender  Wunsch  geleitet  wurde,  führen  wir  statt  vieler 
Beispiele  die  Worte  der  llelk  von  Truchsen  (30.  Nov. 
1310)  an,  der  in  dem  Stifte  Kr  e in  s in  ü  n  s  t  e r  eine  Begräb- 
nissstätte und  ein  Jahrtag  gegen  eine  von  ihr  zum  Kran- 
kenhause gemachte  Schenkung  zugesichert  wurde:  „Ich  bau 
auch  mir  von  diser  zeit,  ein  fronung  vnd  ein  Wartung  des 
jüngsten  tags,  in  demselben  gotshavs  erweit,  swo  ich  in 
dem  lant.  vor  meinem  shepher  in  eniv.  weit  gevodert  wird, 
das  si  mich  da  Deinen  schullen.  vnd  in  ierm  gotshavs  be- 
staten  2)."  Wir  ersehen  zugleich  aus  dieser  Urkunde,  dass 
im  XIV.  Jahrhundert  das  strenge  Verbot,  Frauen,  sei  es 
lebend  oder  verstorben,  in  ein  Kloster  einzulassen  ,  bereits 
ausser  Übung  getreten  war,  während  noch  im  X1I1.  Jahr- 
hundert die  edle  Frau  Gisla  von  Valch  enberch.  eine 


')  Lingard:   Uterthümer  der  angelsächsischen  Kirche.  Breslau  l^ir.  S.  151. 

-'I  Herausgegehen  pon  Garner,  p.  93,  97.  99. 

*)  Ürkundenbuch  pon  Kremsmünster.  S.  Ist,  IIS. 


8 


—  38 


Wohlthäterin  des  Stiftes  Zwetl,  an  der  Klosterschwelle 
desselben  begraben  werden  musste  '). 

Bei  der  grössten  Ausdehnung  des  Begräbnissrechtes  in 
dem  Kircbenraume  selbst,  konnte  jedoch  nur  eine  kleine 
Schaar  Auserwählter  sieb  dieses  Vorzuges  erfreuen.  Die 
Mehrzahl  musste  ihre  Ruhestätte  in  der  Friedhoferde  linden. 
Aber  auch  diesem  Räume  musste  zur  Beruhigung  der  Ge- 
mütber  eine  gottgeweihte  Stätte  eingebaul  «erden,  und  so 
linden  wir  in  der  Mitte  der  meisten  Friedhöfe  eigene  Ca- 
]iellen  gestiftet,  die  ausschliesslich  dem  Todtendienste  ge- 
widmet waren.  Wie  zahlreich  diese  Fried hof-Cap eilen 
gewesen  sind ,  ersehen  wir  in  Bezug  auf  Ober-Österreich 
beispielsweise  aus  der  Matrikel  des  Passauer  Bisthums 
(vom  Jahre  lt!33)  "),  wie  auch  aus  der  grossen  Anzahl  der 
auf  uns  gekommenen  Bauwerke  dieser  Art.  An  den  in  ihnen 
errichteten  Altären  wurden  die  zahlreich  gestifteten  Seelen- 
messen  gelesen ,  den  Raum  derselben  erhellte  gewöhnlich 
ein  e\\  iges  Licht,  auch  die  Einsegnung  der  Verstorbenen  mag 
in  früheren  Zeiten  in  demselben  vorgenommen  worden  sein. 
Urkundliche  Beweise  hiefür  liegen  zahlreich  vor. 

Was  nun  die  Form  dieser  Capellen  anbelangt,  so 
belehren  uns  hierüber  ausreichend  die  zahlreichen  Überreste, 
nämlich  unsere  Rotunden  selbst.  Aber  abgesehen  davon, 
können  wir  auch  aus  schriftlichen  Quellen  den  Nachweis 
liefern,  dass  für  solche  Grabcapellen  bereits  in  früher  Zeit 
die  runde  Form  gewählt  wurde.  Von  dem  vierten  Abte  des 
Ben  edicti  n  er  -Kl  os  ters  zu  Fulda,  dem  heil.  A  e  g  i  1 
nämlich,  erzähl)  sein  gleichzeitiger  Biograph,  der  Mönch  Can- 
didus:  „ecclesiam  parvam  aedificauit  rotundam,  ubi 
defuneta  corpora  fratrum  sepulturae  Iradita  requieseunt,  quam 
ciinilei'ium  vocant"  3).  Dieser  Hau,  von  dem  Mönch  Ra- 
dio lf  geleitet  und  821  rollendet,  wurde  am  22.  Jänner  822 
von  dem  Bischöfe  von  Mainz  Hai stolf  eingeweiht *). 

Eine  Ähnlichkeit  der  Anlage  mit  unseren  Rundbauten 
haben  auch  die  in  Frankreich  zahlreichen,  dem  Grabesdienste 
geweihten  Lan  fernes  des  mo  rl  s  auch  fa  naux  genannt. 
Es  sind  dies  eine  Art  hohler  runder  Säulen,  mit  einer  bis  zur 
Überdachung  führenden  Stiege,  oberhalb  befindet  sich  bei 
einigen  ein  erweiterter  Raum,  gross  genug,  um  zwei  bis  drei 
Menschen  zu  fassen.  Den  obersten  Raum  nahm  ein  ewiges 
Liebt,  oder  eine  nur  bei  gewissen  Anlässen  angezündete 
Lampe  ein.  Zu  Füssen  der  Säule  befand  sieb  zuweilen  ein 
Altar,  bei  welchem  religiöse  Feierlichkeiten,  insbesonders 
bei  der  Beerdigung  abgehalten  wurden.  Bei  geringerer  Höhe 
und  grösserem  Durchmesser  dieser  Säulen,  mit  vorgelegter 
Utarnische  leiten  sie  geradezu  in  die  Anlage  unserer  Rund- 
bauten hinüber,  daher  auch  die  Rotunden  von  französischen 


Archäologen  unmittelbar  mit  den  fa n au  x  in  eine  Gruppe  zu- 
sammengestellt «erden  ')•  Besonders  tritt  diese  Ähnlichkeit 
bei  soleben  Rundbauten  hervor,  «eiche  gleich  jenem  in  der 
Altstadt  zu  Prag  über  der  Wölbung  des  inneren  Raumes  eine 
Laterne  aufgesetzt  haben  2). 

Sowohl  im  Munde  des  Volkes,  wie  auch  in  urkundlichen 
Aufzeichnungen  weiden  unsere G r a h-C ap eil en  „ K ar n e r" 
(  Camarium)  genannt.  In  letzteren  können  w  ir  eine  dreifache 
Bedeutung  nachweisen.  Bald  ist  es  der  Begräbnissplalz  über- 
haupt, der  Camarium  genannt  wird,  bald  wird  darunter  der 
Gruftraum  der  Kirche  verstanden,  bald  legt  man  diese  Be- 
zeichnung den  auf  den  Kirchhöfen  erbauten  Grab-Capellen 
bei.  Nur  mit  letzteren  haben  wir  es  zu  thun.  Vielleicht  das 
älteste  Vorkommen  dieser  Bezeichnung  enthielt  die  Charta 
Willelini  Acconensis  Episcopi  vom  Jahre  lllil,  worin  es 
heisst:  „In  quo  fcoemeterio)  praedictus  Manso  intuitu  pie- 
tatis  Ca  rnari  u  m  a  d  o  ssa  m  ort  u  o  vu  m  re  p  o  n  e  n  da  d  e 
propria  peeunia  aedifieavit."  In  gleicher  Bedeutung  heisst 
es  bei  Willelmus  Thorn.  anno  1287:  „Capeila  in  Cimiterio, 
quae  dicitur  Charner,  peraeta  est."  In  späteren  Zeiten 
wird  die  Anwendung  dieses  Ausdruckes  noch  häufiger,  wel- 
cher sich,  wie  erwähnt,  allenthalben  bis  auf  unsere  Zeit 
erbalten  hat  3). 

Hiemit  haben  wir  die  uns  vorgesetzte  Aufgabe  erfüllt, 
und  es  dürfte  uns  gelungen  sein,  die  Bestimmung  unserer 
Rundbauten  sichergestellt  zu  haben.  Nicht  unerwähnt  aber 
dürfen  wir  es  lassen,  dass  einige  wenige  derselben ,  von 
ihrem  ersten  Aufbaue  an,  weder  die  ausschliessliche  Bestim- 
mung als  Taufkirchen,  noch  jene  als  Grabkirchen  erhallen 
halten,  sondern  schon  ursprünglich  1' fa  rrkir  eben  gewesen 
sind.  Die  Vermuthung  hievon  wurde  zuerst  rücksichtlich 
einiger  Rundbauten  Böhmens  ausgesprochen  und  dabei 
bemerkt,  dass  diese  Form  für  kleinere  Landkirchen  viel- 
fach üblich  gewesen  zu  sein  scheine  und  sieb  auch  bis  ins 
XVI.  Jahrhundert  erbalten  habe*).  Der  urkundliche  Beweis 
wurde  aber  erst  jüngst  und  zwar  in  Betreff  der  Rotunde  zu 
Scheiblingkirchen  (V.l.  W.W.)  beigebracht  ••).  Der  Salz- 
burger Erzbischof  Albrechl  II.  spricht  in  einer  Urkunde  vom 
.1.  I  ISü  diese  Capelle  von  ihrer  bisherigen  Abhängigkeil 
zur  Mutterpfarre  in  l'ülten  theilweise  los.  und  stattet  sie. 
jedoch  nur  mit  beschränktem  Pfarrrechte  aus.  Den  Brüdern 
Wulfing  und  Wolfkor  von  Gleissenfeld  wird  gestattet,  für 


■i  Fräst:   Zwctllcr  Stiftun     buch.   S    168,    169. 

8)  Notizenblatl    der  k.  Akademie  der  Wissenscharton.    III.  Jahrgang    18S3 

s   459     ir;  und  184     196 
')  Brov  ,    illust.    el   sanet    rirorum    Germaniae.    Mogunt.   IG16. 

p.  ■>»  und 
1  >  l" »e:  iii,-  Mathias-Capellebci  Kohern  an  der  Mosel.  Roblenz  1837,  s  :;i 


'I  Siehe  hierüber  Caumont:  C 'sd'antiq.  nnm.  VI,  |>.  343. —  Bulle- 
tin monumental.  Tom.  III.  —  Memoire*  de  la  S ite*  des  Antiquairea  de 

l'Ouest.  'I' X.  |'.  -7S. —  Archaeologia  britanica,  T VI, und  Schares; 

Histoire  de  l'Architectur Belgique    rom  U,  p   7ii 

aj  Ober  Rundbauten  in  Böhmen,  rergl.  Wocel:  Bdbmiache  Alterthuma- 
kunde.  Prag  1845,  8.  B8 l  Springer:  Baukunst  des  chrisU,  Mittel- 
alters. II. um  1854,  S.  96. 

•> )  Weiteres  hierüber  l"i  Ducange:  Glossariuni,  unter  Carnarium,  vergl. 
.,'h  h  Seh Her,  II.  330. 

1 1  Springer  :t.  a.  0. 

&)Feil  in  den  Berichten  und  Uittheilangen  des  Alterthums-Vereins  zu 
Wien,  im   i.  S   i>.  Note  l 


59  — 


diese  Capelle  einen  Priester  zu  bestellen,  dessen  In- 
vestitur jedoch  dem  Salzburger  Bisthume  zuzustehen 
habe.  NurdasBegrübniss  niederer  Diener  (servorum) 
des  Besitzthums  darf  bei  der  Capelle  vollzogen  wer- 
den, die  Anwohner  (Colonne)  hingegen  jeder  Ari 
müssen  ihr  Begräbniss  bei  der  Mutterkirche  erhallen. 
Auch  wird  dem  Priester  das  Recht  eingeräumt,  je 
ein  Kind  am  Samstag  vor  Ostern  und  Plingsten  zu 
taufen,  alle  übrigen  Kinder  aber  müssen  der  Sitte 
gemäss  der  Mutterkirche  zur  Taufe  dargebracht  wer- 
den, ausser,  sie  befanden  sich  in  einem  so  gefahr- 
drohenden Zustande,  dass  ihre  Taufe  schlechterdings 
nicht  verschoben  werden  kann. 


Wir  gehen  nunmehr  auf  die  Beschreibung  der  roma- 
nischen Botunde  zu  Hartberg  in  Steiermark  über, 
welche  sowohl  ihrer  räumlichen  Ausdehnung  nach,  wie  auch 
in  Bezug  auf  ihre  Erhaltung  und  ihren  architektonischen 
Schmuck  eine  der  bedeutsamsten  in  der  Reihe  der  öster- 
reichischen Bundbauten  ist. 

Sie  besteht  im  Grün  drisse  (Taf.  4,  1)  der  gewöhn- 
lichen Anordnung  gemäss  aus  einem  Rundbau  mit  zuge- 
fügtem Kreissegmente  als  Baum  der  Altarnische.  Letzteres 
ist  jedoch  nicht,  wie  häufig  bei  anderen  Bundbauten,  bloss 
ein  Halbkreis,  sondern  nähert  sich  dem  vollen  Kreise.  Der 
Eingang  in  diese  Capelle  liegt  nicht  in  der  Axe  des  Baues, 
sondern  zu  deren  Seite,  eine  Anordnung,  welche  wir  bei- 
spielsweise auch  an  den  romanischen  Rundbauten  zu  Mödling 
und  Tuln  in  Nieder- Osterreich  finden.  Der  Grund  dieser 
Abweichung  mag  theils  in  den  Unebenheiten  des  Terrains, 
wie  dies  bei  der  Mödlinger  Capelle  der  Fall  ist,  theils  darin 
zu  suchen  sein,  dass  man  bei  Einhaltung  der  Orientirung  für 
die  Altarnische,  sich  vielleicht  durch  Büeksicht  auf  eine 
nebenliegende  Kirche  bestimmt  fand,  den  Eingang  in  die 
Capelle  dieser  zuzuwenden  ')• 

Im  Aufbaue  (Taf.  4,  3)  zeigt  sich  unterhalb  des 
kirchlichen  Baumes  dieser  Capelle  ein  Gruftgewölbe  fast  in 
gleicher  Höhe  mit  ersterem,  jedoch  mit  Ausschluss  des 
Altarraumes. 

Was  den  äusserenSchmuck  des  R  u  n  d  b  a  ues  an- 
belangt, so  sehen  wir  (Taf.  4,  2)  die  Fläche  desselben  durch 
neue  Pfeilerbündel  gegliedert,  welche  manche  Besonder- 
heiten bieten.  Jeder  Pfeilerbündel  besteht  aus  drei  Halb- 
säulen, mit  Capitälen -).   (Holzschnitt  1.) 


1)  Heider:  die  h.  drei  Königs-Capelle  zu  Tiiin.  Wien  1847. 

2)  Die  mir  bekannten  Rundbauten  Österreichs  zeigen  an  der  Aussenseite 
durchgehend»  nur  einzelne,  nicht  aber  in  Gruppen  gestellte  Halbsäulen. 
Eine  Ausnahme  macht  nur  die  Rotunde  zu  Pulkau  (V.  U.  M.  I!.),  welche 
ebenfalls  Min  Pfeilerbündeln  aus  drei  Halbsäulen ,  gleich  der  Hartberger 

Capelle  stell!  ist.    Eine  Eigenthümtichkeit  der  Pulk: r  Säulenbündel 

ist  auch,  dass  letzlere  ganz  ohne  Capital  sind,  und  sich  ohne  irgend  eine 
weitere  Bekrönung  oder  Abschluss-Gliederung  unmittelbar  in  .las  Bekrö- 
nungs-Gesimse  einfügen,  und  dasselbe  gleichsam  zu  durchschneiden 
scheinen. 


Auf  letzteren  sitzt  jedoch  nicht  wie  sonst  fast  ausnahms- 
los, der  Rundbogenfries  auf,  sondern  er  liegt  demselben  zur 
Seite  und  seine  Profilirung  setzt  sich  neben  den  beiden 
Wandsäulen  bis  zum  Fusse  des  Baues  fort.  Auch  dienen  die 
Capitäle  der  Pfeilerbündel  dem  die  Bekrönung  des  Baues  bil- 
denden Zahnschnitte  und  Gesimse  nicht  als  Träger,  sondern 
letztere  beide  treten  bis  zur  Mauerflucht  zurück,  wodurch 
eigentlich  die  ganze  Anordnung  der  Pfeilerbündel  wie  auch 
des  Rundbogenfrieses  seine  architektonische  Bedeutung  ein- 
büsst.  Am  Fusse  des  Baues  geht  kein  Sockel  herum,  die  Pfeiler- 
bündel setzen  sich  daher  unmittelbar  auf  der  Bodenfläche  ab. 
Nur  einer  der  Pfeilerbündel  an  der  südöstlichen  Seite  des 
Baues,  wo  das  Terrain  tiefer  abfällt,  hat  eine  Console,  auf 
welcher  die  Halbsäulen  mit  attischer  Basis  aufstehen.  (Holz- 
schnitt 2.) 


(HolzschnitI  2) 


Die  Scheidung  des  Gruftraumes  von  dem  oberen  Ca- 
pellenraume  ist  an  der  äusseren  Wandfläche  durch  einen 
umlaufenden,  nur  durch  die  Pfeilerbündel  getrennten  Rund- 
bogenfries angedeutet,  welcher  ungetrennt  auch  um  die 
nicht  durch  eine  Säulenstellung  gegliederte  Altarnische 
umläuft.  Ausser  diesem  Schmucke  zeigl  letztere  nur  als  Be- 
krönung den  Rundbogenfries,  Zabnschuilt  und  das  Gesims 
letztere  beide  ebenfalls  über  ersteren  bis  zur  Mauerflucht 
zurücktretend. 

Das  romanische  Portal  verengt  sich  von  Aussen  nach 
Innen  in  2  Stufen,  in  deren  Ecken  Säuleu  gestellt  sind: 
sowohl  die  Eckpfeiler,  wie  auch  die  Säulen  sind  mit  Capi- 
tälen  in  Pflanzenformen,  welche  in  mit  Köpfen  gezierten 

8 


—   60   — 


Knorren  ausgehen,  geschmückt,  darüber  liegt  ein  gemein- 
sames reich  gegliedertes  Deckgesims,  über  letzteres  setzen 
sicli  Pfeiler  und  Säulen  in  Bogen  fort  und  bilden  so  die  Ein- 
wölbung  des  Portals. 

Das  Innere  des  Rundbaues  ist  durch  sieben  Halb- 
säulen  gegliedert  (der  Anordnung  nach  und  den  Gewölbe- 
gurten entsprechend  sollten  es  acht  sein,  allein  die  Stelle 
der  achten  Halbsäule  ist  durch  das  Portal  in  Anspruch  genom- 
men);  die  Capitäle  dieser  Halbsaiden   (Holzschnitt  3)  sind 


(Holzschnitt  3) 


jenen  des  Purtals  iihnlich,  über  ihnen  liegt  ein  umlaufendes 
Gesims,  die  Kuppelwölbung  wird  durch  acht  ebenfalls  über  den 
Capitälen  aufsteigende  ungegliederte  Gurtbänder  getragen, 
welche  in  dem  Mittelpunkte  der  Wölbung  zusammenstossen, 
ohne  jedoch  einen  geschmückten  Schlussstein  zu  zeigen.  Das 
Innere  der  Altarnische  ist  völlig  schmucklos,  ebenso 
auch  der  Gruft  räum,  dessen  Wölbung,  von  vier  aus  der 
Bodenfläche  aufsteigenden  Gurtbändern  getragen  wird. 

Der  ganze  Hau  ist  aus  Quadern  von  Muschelkalk  ge- 
baut,  wie  er  sowohl  in  Hartberg,   als  auch  in  der  ganzen 


Umgebung  häufig  vorkommt.  Die  Höhen  der  Quadern  wech- 
seln von  10  bis  12  Zoll,  die  Langen  von  1  7"  bis  2  Schuh. 
An  den  Feldern  zwischen  den  Säulenbündeln  sind  gewöhn- 
lich in  einer  Reihe  drei  ganze  und  zwei  halbe  Quadern  ein- 
geschaart.  Sowohl  die  Quaderwölbungen,  wie  auch  die  Aus- 
senseite  des  Baues  sind  mich  in  vollkommen  gutem  Bau- 
zustande, nur  die  Nordseite  letzterer  hat  an  einigen  Gesims- 
gliedern und  Säulencapitälen  unwesentliche  Beschädigungen 
erlitten. 

Dem  Baucharakter  nach  stammt  dieser  Rundbau 
unzweifelhaft  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jahr- 
hunderts, womit  auch  eine  im  Munde  der  Bürger  erhal- 
tene Tradition  übereinstimmt,  nach  welcher  in  früherer  Zeit 
die  Jahreszahl  1J07  über  dem  Eingange  der  Capelle  zu 
lesen  war,  eine  Tradition,  welche  freilich  nicht  sehr  glaub- 
würdig klingt. 

\\  as  schliesslich  die  Bestimmung  dieses  Rund- 
baues, welcher  gewöhnlich  als  Karner  bezeichnet  wird, 
anbelangt,  so  glauben  wir  mit  Berufung  auf  die  vorausge- 
gangene Untersuchung  kaum  einen  Widerspruch  besorgen 
zu  dürfen,  wenn  wir  sie  als  eineG  rab-Ca  pelle  bezeichnen. 
Urkundliche  Erwähnung  derselben  und  zwar  in  einer  hiemil 
völlig  übereinstimmenden  Weise  geschieht  erst  1358,  wo 
Jakob  Schuster,  Bürger  zu  Hartberg,  nebst  anderen  frommen 
Gaben  auch  eine  Messsliftung  derart  machte,  dass  alle  Mon- 
tage eine  heilige  Messe  für  sein  Seelenheil  in  dem  Karner 
gelesen  weiden  solle.  Auch  im  J.  1310  stiftete  der  dama- 
lige Stadtpfarrer  Michael  Kurzbock  zu  diesem  Karner  ein 
Beneficium  simples  mit  einem  ständigen  Priester,  welcher 
die  Verbindlichkeit  hatte,  täglich  für  den  Stifter  eine  heil. 
[Hesse  in  dem  Karner  zu  lesen  s). 


Über  den  älteren  sächsischen  Kirchenbau  und  insbesondere  die  evangelische  Pfarrkirche  von  Mühlbach. 


Von  Fr.  Müller,  k.  k.  Conserrator  in  Schässburs 


II. 


Mau  kann  an  der  Pfarrkirche  von  Mühlbach  ohne  Mühe 
4  Theile  unterscheiden;  Thurm,  Schill',  Chor  und  Anbaue, 
deren  jeder  in  der  Bauart  von  dem  andern  verschieden  ist. 
Diese  Verschiedenheil  hat  in  Bezug  auf  Altersbestimmungen 
die  widersprechendsten  Behauptungen  hervorgerufen.  Die 
Anbaue  sahen  Alle  als  den  jüngsten  Theil  der  Kirche  an; 
aber  in  der  Bestimmung,  ob  Chor  oder  Schiff  älter,  gingen 
die  Ansichten  auseinander.  In  Mühlbach  selbst  gibt  es  eine 
kleine  Pai-tei.  die  sich  gegen  die  gewöhnliche  Meinung  für 
ein  höheres  Alter  des  Schiffes  entschied.  Von  dem  Thurm 
wurde  wenig  gesprochen;  man  sah  ihn  als  zum  Schiff  gehö- 
rig an,  und  wusste,  da  sich  an  dem  ganzen  Gebäude  keine 
einzige  Jahrzahl  vorfand,  im  Ganzen  nichts  Sicheres 
weder  über  das  wirkliche  Alter  des  Chors,  noch  des  Schilfes 
anzugeben.  Her  Einsender  halte  Gelegenheit  dieses  Monu- 
ment mehrmals  zu  besuchen  und  wagl  es,  auch  seine  Ansicht 
durch  deren  Veröffentlichung  in  diesen  Blättern  der  allge- 
meinen Kritik  preiszugeben. 


Die  Mühlbacher  evang.  Kirche  bietet  in  ihrem  Grund- 
riss  wenig  von  den  übrigen  des  Sachsenlandes  Abweichen- 
des. Das  Schilf  besteht  aus  einem  Mittelschiffe  und  zwei 
merklich  niedrigen  Seitenschiffen,  von  denen  jenes  durch 
zwei  Reihen  plumper  Bogen  geschieden  ist.  Es  misst  nach 
Marienburg's ,  wahrscheinlich  ungenauer  Angabe  (wenig- 
stens ist  sie  in  Betreff  des  Chors  falsch),  in  die  Länge  121, 
in  die  Breite  81  Fuss.  Fenster  und  Portale  sind  im  Spitz- 
bogen gebaut,  während  die  Gewölbeden  Rundbogen  zeigen. 
Die  Fensler  sind  übrigens  in  ihren  Verhältnissen  sowohl  als 
ihren  \  erzierungen  ohne  alle  Schönheit.  Es  findet  sich  keine 
Spur,  dass  an  irgend  einem  der  Theile  des  Schiffes,  wie  dies 
in  andern  Kirchen  der  Fall,  je  eine  sulide  Kanzel  angebracht 
gewesen.    Nach  aussen  hin   wird   das  Schilf  gestützt  durch 


i)i,r  ei  chti    dei      I  idl   Hai  Ibi  i  ■■.    Sti  iei  mark.  Zeitschrift,     (ieui    I 
vi.  Jährt  ■  I.  Kdl.  s.  :i?  und  49 


—  61   — 


zehn  plumpe  Strebepfeiler.  Die  Seitenwände  des  Mittel- 
schifl's  gehen  etwa  21/., — 3  Klafter  über  dem  Gewölbe 
unter  das  Dach  hinaus,  sind  oben  durch  ein  Kranzgesims 
geschlossen  und  weiter  hinab  durch  eine  Reihe  im  Spitz- 
bogen aufgeführter  schmaler,  blinder  Fenster1)  verziert, 
unter  denen  ein  Steingesims  hinlauft.  Die  Wand  ist  über 
dem  Gewölbe  mit  Ausnahme  der  steinernen  Fensterbügen 
aus  Ziegeln  aufgeführt,  die  nach  innen  bloss  stehen,  nach 
aussen  aber  mit  einem  festen  Mürtelanwurf  bekleidet  sind. 
Über  Mittel-  und  Seitenschiffe  geht  jetzt  ein  schwer- 
fälliges Ziegeldach  herab. 

An  dem  Westende  des  Schiffes  erhebt  sich  in  der 
Mitte  der  Thurm.  Er  ist  viereckig  und  besteht  aus  mehreren 
Geschossen,  die  nach  Aussen  hin  durch  Gesimse  getrennt 
erscheinen.  Die  Fenster  sind  durch  je  eine  Rundsäule 
getheilte  Doppelfenster,  mit  Rundbogen  überwölbt,  die  in 
der  Mitte  auf  einer  auf  den  Säulen  ruhenden  Platte  auf- 
sitzen. Einige  davon  sind  jetzt  zugemauert;  eines  geht 
unter  das  Dach  des  Schiffes.  Unterhalb  des  letztern  ist  das 
Gesimse  unterbrochen  und  sind  an  der  Wand  des  Thurms 
deutliche  Spuren  vorhanden,  dass  in  jener  Lücke  einst  die 
Spitze  eines  Daches  ausfüllend  eingetreten  ist.  Das  Portal 
im  Thurm  zeigt,  von  Säulen  mit  korinthisirenden  Capi- 
tälen  getragene,  nach  aussen  sich  ausweitende  Rund- 
bogen. Die  beiden  obern  Stockwerke  des  Thurms  sind  aus 
Ziegeln  gebaut  und  das  Gesimse  unter  ihnen  hat  eine  von 
den  übrigen  etwas  abweichende  Form.  Aus  den  vier  Ecken 
des  mit  farbigen  Ziegeln  gedeckten  Daches  erheben  sich 
vier  Thürmchen.  Die  Glocken  sind  alle  aus  dem  XVIII.  Jahr- 
hundert. An  den  Thurm  lehnen  sich  zwei,  jetzt  als  Magazine 
benützte  Anbaue  von  offenbar  jüngerer  Structur. 

Im  Osten  des  Schiffes  erhebt  sich  einige  Stufen  über 
dasselbe  der  Chor,  vielleicht  das  erhabenste  Werk  dieser 
Art  in  Siebenbürgen  mit  polygonem  Schluss.  Er  ist  92  Fuss 
lang,  81  breit  und  50  hoch.  Das  Gewölbe,  von  einer  doppel- 
ten Pfeilerreihe  getragen,  zeigt  in  der  Mitte  den  Rundbogen, 
über  dem  Umgang  den  Spitzbogen  und  ist  ein  Gurtgewölbe. 
Die  schlanken,  11  Fuss  im  Umfang  messenden  Pfeiler  ruhen 
auf  achttheiligen  Rasen  von  2'  6''  Durchmesser  und  bestehen 
aus  einer  grossen  Zahl,  hei  ihrem  Zusammentreffen  engere  und 
weitere  Kehlungen  bildender  Halbsäulehen,  die  oben  durch 
ein  Rlättercapitäl  vereinigt,  sich  in  den  Gewölbgurten  theil- 
weise  fortsetzen.  Die  beiden  dem  Altare  zunächst  stehenden 
zeigen  indess  eine  abweichende  Construction,  sind  achteckig 
und  plumper  und  sollen  in  neuerer  Zeit  an  die  Stelle  einge- 
stürzter früherer  erbaut  worden  sein.  An  den  beiden,  dem 
Schiflezunächst  stehenden  Pfeilern,  sowie  rings  um  die  innere 
Chorwand  sind  äusserst  zierliche  Consolen  und  Nischen- 
dächer zur  Aufnahme  von  Statuen  angebracht.  Wo  sich  der 
Chor  gegen  das  Schiff'  öffnet,  sind  an  der  Bogenbrüstung 


deutliche  Spuren  vorhanden,  dass  eine  Querloge  angebracht 
werden  sollte,  wie  sie  sich  z.  R.  auch  in  den  Domen  von 
Hechlingen  und  Meissen  *)  findet.  Noch  sieht  man  in  den 
Steinen  die  Einschnitte  für  die  Brüstung  derselben.  Eine 
dreieckige  Galeric  in  der  südw.  Ecke  ist  gleichzeitig  mit 
dem  Chor  und  wohl  für  die  Aufnahme  der  Sänger  bestimmt 
gewesen,  die  viereckige  auf  der  entgegengesetzten  Seite 
gehört  der  Neuzeit  an.  Das  Pflaster  besteht  aus  Quadern, 
die  von  dem  in  den  achtziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhun- 
derts  abgebrochenen  Chorundauf  herrühren  und  deren  einige 
mit  Rruchstücken  römischer  Inschriften  bedeckt  sind.  Der 
Altar  ist  ein  Flügelaltar.  Das  Mittelbild  besteht  aus  Schnitz- 
werk auf  reich  vergoldetem  Hintergrunde  und  stellt  den 
Stammbaum  Jesu  dar.  Zu  beiden  Seiten  sind  auf  den  Flü- 
geln die  Verkündigung,  die  Anbetung  der  Könige,  die  Taufe, 
die  Beschneidung  etc.  etc.  angebracht.  Unten  steht  auf  der 
rechten  Seite  das  Wappen  Sigismund's,  auf  der  linken  das 
von  Mühlbach.  Die  auf  dem  Altar  befindliche  Inschrift  lautet : 
„Altare  hoc  erectum  anno  1418,  renovatum  1081,  rursus 
1790".  Neben  dem  Altare  steht  an  die  Wand  gelehnt  ein 
ziemlich  rohes  Tabernakel  oder  Sacramentshäuschen,  Sacri- 
stei  und  Taufhecken  sind  ohne  besondere  Redeutung. 

An  den  Wänden  des  Chors  sind  noch  Spuren  von 
Wandmalereien,  Heiligenscheine  etc.  wahrzunehmen.  —  Das 
Äussere  des  Chors  ist,  wenn  auch  einfacher,  doch  dem 
Innern  ziemlich  entsprechend.  Die  zwischen  den  30  Fuss 
hohen  und  41/3 — 5'/3  Fuss  breiten  Fenstern  aufsteigenden 
Strebepfeiler  endigen  in  zierliche  Spitzsäulchen  und  tragen 
zahlreiche  Statuen  -)  ,  darunter  und  darüber  Fratzen-  und 
Thierbilder.  Zwischen  den  Strebepfeilern  zeigen  sich  eben- 
falls Wandmalereien,  wie  es  scheint,  die  Passionsgeschichte 
betreffend,  mit  lateinischen  Inschriften  wie  „Spiritus  autem 
promtus  caro  autem  etc.  etc."  Dem  Schiffe  zu  sieht  man  an 
der  hochhinausragenden  Schlusswand  des  Chors  zwei  mäch- 
tige Brüstungsbogen ,  die  aber  vermauert  sind.  Wo  im 
Innern  Chor  und  Schill'  zusammentreten,  erscheint  vielfach 
der  nackte  Stein  in  einer  Weise,  welche  deutlich  auf  die 
Absicht  der  Fortsetzung  des  Chors  in  einem  ähnlichen  Schiffe 
schliessen  lässt. 

Die  Kirche  war  der  Maria  geweiht,  deren  wundertäti- 
ges Gnadenbild  (es  soll  bei  einem  Erdbeben  geweint  haben) 
früher  auch  den  Altar  schmückte,  aber  durch  den  Gouver- 
neur Kornis  nach  Klausenburg  geführt  und  durch  das  jetzige 
Mittelbild  des  Altars  ersetzt  wurde. 


l)  Ganz  ähnliche  Erscheinungen  erwähnt  Kuglet'  i\.  a.  0.  KS3. 


M  Guhl  und  Caspar:  Denkmäler  der  Knust.  II.  13.   1.  und  II.  22,   l. 

*)  „Wer  mag  der  Heilige  mil  dem  Weinstock  sein'.'-  Wolf  Menzel  in 
seiner  ehristl.  Symbolik.  Regensburg  1854.  II,  S.  349  führt  an:  Patron 
des  Weinbaues  i*t  der  h.  Urban,  Bischof  von  Langres  im  V.  Jahrhundert, 
der  sich  einsl  während  einer  Christenverfolgung  in  einen  Weinberg  rer- 
steckte,  seitdem  aber  selbst  Hüter  der  Weinberge  wurde .  dieselben  wn- 
Hagel  beschützt,  dessgleichen  auch  noch  den  Wein  im  Kidler  tor Schaden 
bewahrt,  her  von  dem  Verfasser  dieses  Aufsatzes  hier  bezeichnete  Heilige 
mit  dem  Weinstocke  dürfte  daher  als  der  heil,  l'rlian  aufzulassen  sein. 

l).  Red. 


62  — 


Soviel  über  das  Detail  dieser  Kirche.  Über  das  unge- 
fähre Alter,  besonders  über  Vorher  und  Nachher  kann  in 
Bezug  auf  Thurm  und  Chor  kein  Zweifel  mehr  obwalten. 
Die  Conatruction  der  Fenster  und  des  Portals  «eiset  den 
Thurm  vor  das  XIV.  Jahrhundert;  was  aber  über  seine  bei- 
den höchsten  Stockwerke  gesagt  wurde,  macht  es  höchst 
wahrscheinlich,  dass  diese  spater  aufgesetzt  worden  und 
das  vim  dem  übrigen  abweichende  Gesimse  einst  das  Kreuz- 
eresimse  gewesen  sei.  Damals  gehörte  der  niedrige  Thurm 
zu  einer  Kirche,  auf  welche  auch  die  erwähnten  Spuren 
eines  Daches  zwingend  hinweisen,  und  welche  muthmasslich 
in  demselben  Styl  erbaut  war  wie  der  Thurm,  nämlich  im 
romanischen.  Diese  Kirche  kann  leicht  die  älteste,  überhaupt 
in  Mühlbach  bestandene,  gew  esen  sein  und  sogar  ins  XII.  Jahr- 
hundert hinaufreichen,  denn  es  ist  grundfalsch,  dass  die  im 
Norden  der  jetzigen  Kirche  noch  stehende  Capelle  die  älteste 
Kirche  gewesen.  Jene  Capelle  ist  nämlich  rein  gothisch  und 
das  XII.  Jahrhundert  selbst  in  Deutschland  die  Blüthezeit 
des  romanischen  Styls .  der  golhische  erst  eine  Frucht 
des  dreizehnten.  Dass  aber  bereits  im  XIII.  Jahrhundert  in 
Mühlbarh  eine  Kirche  gestanden,  ist  nach  einer  vom  sieben- 
bürgischen  Bischof  Petrus  ausgestellten,  auch  bei  Szeredai 
Nntizia  Cap.  Alb.  p.  o  gedruckten,  aber  um  100  Jahre  zu  früh 
datirlen  Urkunde  unbezweifelbar.  Die  erwähnte  Capelle  mag 
ein  ßaptisterium  oder  die  Kirche  eines  besondern  Heiligen 
gewesen  sein;  auf  den  Namen  der  ältesten  Kirche  Mühlbachs 
überhaupt  kann  sie  keinen  Anspruch  machen.  Das  jetzige 
Dach  des  Thurms  ist  später  aufgesetzt,  kann  aber  in  seiner 
Anlage  alt  sein,  denn  Thürinc  mit  vier  Bckthürmchen  und 
farbiger  Ziegelbedeckung  erscheinen  am  Niederrheine  im 
XIV.  Jahrhundert. 

Ebenso  klar  und  noch  sicherer  kann  das  Alter  des 
Chors  bestimmt  werden  und  Diejenigen  befinden  sich  in  dem 
grössten  Irrthum,  die  dabei  an  sehr  frühe  Zeiten  denken. 
In  drin  Gewölbebau  dieses  Theiles  der  Kirche  erscheint  der 
Kampf  des  Spitzbogens  mit  dem  llalbkreisbogen  und  dieser 
Kampf  beginnt  in  Deutschland  gegen  den  Ausgang  des 
XIV.  Jahrhunderts.  Schon  darnach  liesse  sich  also  Einiges 
Schliessen  und  man  würde  dabei  unterstützt  durch  den  I  in- 
stand ,  dass  Tabernakel  ebenfalls  um  dieselbe  schon  späl- 
gothische  Zeit  in  den  Kirchen  erscheinen,  sowie  in  der- 
selben Periode  die  Pfeilerbildung  den  schlanken  Charakter 
annimmt,  der  uns  hier  begegnet.  Diese  Gründe  gewinnen 
an  Haltbarkeit  durch  die  Betrachtung  des  Allars  und  des 
auf  demselben  angebrachten  Sigismundischen  Wappens,  so- 
wie der  oben  bezeichneten  Jahrzahl  1418.  Insofern  nun  mit 
der  Errichtung  des  Altars  so  ziemlich  der  Schlusspunkt 
eines  Kirchenbaues  gegeben  ist.  bleibt  nur  die  Frage  nach 
dem  Anfangspunkt  übrig.  Und  sind  wir  auch  nicht  im  Stande 
diese  Frage  vollständig  zu  lösen,  so  ist  doch  ein  Fingerzeig 
erhallen,  welcher  dieselbe  der  Lösung  näherbringt.   Ein 

-issstein  des  Mittelgewölbes  zeigt  nämlich  das  Wappen 
der  ungarischen  Könige  aus  dem  Hause  Anjou,  die  vier  Flüsse 


und  die  Lilien.  Der  Chor  ist  also  begonnen  unter  der 
Regierung  der  Anjou's,  dem  Styl  nach  gegen  das  Ende 
derselben,  und  unter  Sigismund  vollendet  worden.  Aus  dein 
älteren  Hau,  au  dessen  Stelle  er  trat,  wurden  wahrscheinlich 
jene  römischen  Werkstücke  in  das  christliche  Heihaus  ver- 
arbeitet. Später,  den  Schriftzügen  nach  zu  schliessen  erst 
um  1S00,  wurden  die  Wandmalereien  am  Aussein  des  Chors 
hinzugefügt.  Der  Chor  entstand  also  ungefähr  um  dieselbe 
Zeit,  in  welcher  Mühlbach  zum  ersten  Male  auf  König  Sigis- 
inund's  Befehl  ummauert  wurde  (1387),  ein  herrliches 
Zeugniss  der  grossen  Regsamkeit  und  des  thätigen  Gemein- 
sinnes,  der  damals  unter  den  Sachsen  wohnte. 

Wann  aber  mag  das  Schilf  entstanden  sein,  dieses 
plumpe,  drückende  Gebäude  voll  Winkel  und  Finsterniss, 
das  den  mit  drn  schlanken  Pfeilern  des  Chors  in  freier 
Bewegung  aufwärts  schwebenden  Geist  so  unangenehm 
zunickhält?  Lange  nach  dem  Chor  keinesfalls,  da  sich 
an  dem  letztern  gar  keine  Spuren  davon  linden,  dass 
er  je  als  Kirche  für  sich  benützt  worden  wäre,  was 
sonst  der  Fall  sein  müsste.  Wer  aber  die  Geschichte 
Siebenbürgens  und  Mühlbachs  insbesondere  nach  der 
Sigismundischen  Zeit  in  Rechnung  bringt,  wird  schwer- 
lich behaupten  wollen,  dass  die  Kraft  eines  schon  im 
Jahre  1438  geplünderten  und  verwüsteten  Ortes  zu  einem 
Kirchbau  hingereicht  hätte.  Mag  er  später  auch  von  dem 
Aufstand  von  1407  weniger  berührt  worden  sein,  so  seufzte 
er  doch  schon  1473  unter  dem  Druck  des  Woiwoden,  der 
sich  die  wohlgelegene  Stadt  vom  Konig  Matthias  für 
20.000  Goldgulden  hatte  verpfänden  lassen.  1479  und  1493 
rauhten  und  sengten  die  Türken  wieder  im  Lande  und  am 
meisten  in  den  südwestlichen  Gegenden;  wo  da  Hube  und 
Freudigkeit  hernehmen  zum  Haue  des  Gotteshauses.  An  den 
Mauern  und  Thürmen  mögen  sie  wühl  gearbeitet  bähen,  wie 
dies  aus  den  Zeiten  des  Königs  Matthias  gewiss  ist.  Auch  irren 
diejenigen,  die  da  meinen,  die  Verwilderung  des  germani- 
schen Styles  besiehein  der  Einengung  des  innemRaumes,  da 
gerade  eine  Erweiterung,  nämlich  gleiche  Hohe  des  Mittel- 
und  der  Seitenschiffe  und  ein  Zurückkehren  zur  antiken 
Säule  und  dem  römischen,  jelzl  rohen .  Gewölbebau  die 
spätere  Periode  bezeichnet.  Von  alledem  findet  sich  aber 
hier  keine  Andeutung;  der  Gewölbebogen  ist  zwar  rund 
aber  nicht  römisch.  Die  Säule  erscheint  nirgends;  das  Mittel- 
schiff ist,  und  zwar  in  der  Anlage  bedeutend  höher  als  die 
Seit«  nschiffe  geführt  sind.  So  können  wir  in  dem  ganzen 
Schill'  eher  einen  Anfang  als  eine  Verwilderung  des  germa- 
nischen Baustyls  im  Sachsenlande  seh ind  uns  die  Ent- 
stehung der  ganzen  Kirche  etwa  in  folgender  Weise  vor- 
stellen. Bei  dem  I  nihaii  des  ältesten  Kirchleins  blieb  der 
romanische  Thurm  stehen,  wurde  aber  erhöhl  und  gehörte 
nun  zu  einer  Kirche,  deren  Schiff  bereits  dem  germanischen 

Style  angehörig,  noch  vorhanden  ist.  Dieses  M ment  war 

grösser  angelegt  als  es  ausgeführt  wurde,   denn  die  blinden 
Oberfenster  sind   nicht   dazu   eingefügt,   um   unter    Dach 


63 


gebracht  zu  werden.  Als  gegen  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts 
das  Leben  der  Sachsen  im  Allgemeinen  in  einer  gewissen 
Gehäbigkeit  sich  zu  bewegen  anfing,  fassle  man  den  Plan 
eines  Neubaues,  riss  aber,  wahrscheinlich  um  wahrend  des 
voraussichtlich  längeren  Baues  den  Gottesdienst  keine  Stö- 
rung erleiden  zu  lassen ,  nur  den  Chor  der  alten  Kirche 
nieder  und  erbaute  in  etwa  vierzig  Jahren  den  jetzigen 
Chor,  nicht  ohne  Hoffnung,  ihn  in  einem  gleich  schönen 
Schiffe  weiter  fortsetzen  zu  können.  Die  Zeiten  wurden  wild; 
man  verzweifelte  an  der  Vollendung  des  Werkes,  schloss 
die  dem  Schiffe  zugewandte  Chorseite  —  das  Dach  des 
Schiffes  ist  spatern  Ursprungs  und  jetzt  natürlich  fest  an  die 
Chorwand  gerückt  —  und  erbaute  in  Eile  aus  Bruchstücken, 
die  bei  dem  Chorbau  übrig  geblieben  waren,  die  Hallen  vor 
den  Portalen  des  Schiffs.  So  etwa  mag  die  Entstehungs- 
weise der  jetzigen  Kirche  zu  denken  sein. 

Sie  ist  ein  äusserst  lehrreicher  Gegenstand  für  das 
Studium  der  altern  sachsischen  Baukunst  und  der  Einsender 
selbst  am  weitesten  davon  entfernt,  die  Untersuchung  dar- 
über mit  der  in  dem  Vorhergehenden  aufgestellten  Ansicht 
als  vollständig  geschlossen  ansehen  zu  wollen.  In  der  Reibung 
der  Meinungen  entzündet  sich  der  Funke  der  Wahrheit. 


Über  den  Baumeister  der  Mühlbacher  Kirche  weiss  die 
Geschichte  nichts:  die  Sage  nennt  den  Erbauer  der  Kron- 
städter Kirche  auch  als  Werkmeister  bei  dem  Mühlliaeher 
Chor.  Weil  er  aber  bei  der  Grossartigkeit  dieser  Bauten 
nicht  im  Stande  war,  beide  persönlich  zu  leiten,  musste  er 
dies  Werk  in  Mühlbach  seinem  geschicktesten  Gesellen  über- 
lassen. Als  er  nun  einstmals  binüberkam  von  Kronstadt  und 
der  Geselle  den  Meister  herumführte  auf  den  hohen  Gerü- 
sten und  ihm  Alles  zeigte  vom  Fuss  bis  zum  Kranz,  was  er 
gemacht,  und  dieser  sah,  dass  es  viel  herrlicher  sei  als  was 
er  selbst  in  Kronstadt  gethan,  da  ergrimmte  er  voll  Neides 
und  stürzte  den  armen  Gesellen  vom  höchsten  Gerüste 
hinab,  dass  er  in  tausend  Stücke  zerschellte  und  also  die 
Kirche  unvollendet  bleiben  musste. 

So  rankt  sich  die  Sage  auch  an  dem  gothischen  Pfei- 
ler der  Mühlbacher  Kirche  hinan  und  zündet  Leben,  wo  die 
kritische  Geschichte  nur  leere  Blätter  sieht.  Aber  der  Ge- 
danke weilt  sinnend  auf  diesen  Steinen,  die  so  laut  predigen 
von  Zeiten,  in  denen  unter  dem  belebenden  Hauche  rast- 
losen Gemeinsinnes  das  Leben  des  Sachsenvolkes  Blüthen 
angesetzt  hat,  deren  so  wenige  zur  vollkommenen  Frucht 
zu  reifen  bestimmt  gewesen  '). 


Notizen. 


24.  (Baudenkmale  in  Aussee).  Die  Pfarrkirche 
von  Aussee  in  Obersteiermark  ist  ein  hübscher  gothischer 
Bau  aus  dem  XV.  Jahrhundert;  sie  bat  nur  eine  niedrigere 
Abseite,  welche  starke,  viereckige,  durch  breitleibige  Spitz- 
bogen mit  einander  verbundene  Pfeiler  vom  Schiffe  trennen. 
Die  an  den  Pfeilern  hinauflaufenden  halbsäulenförmigen  Gurt- 
träger, welche  die  Bippen  der  zusammengesetzten  Kreuz- 
gewölbe unterstützen,  sind  ganz  einfach,  ohne  Capital;  der 
Eingang  an  der  Südseite  ist  von  rothein  Marmor  mit  zierli- 
chem, sich  durchkreuzendem  Stabwerk  auf  dianiantirten 
Sockeln  zwischen  der  breiten  Hohlkehle  der  Anschlags- 
mauern. An  der  Evangelienseite  des  Altars  ist  ein  an  der 
Mauer  stehendes  Sa  er  amen  thä  usche  n  von  dreieckiger 
Grundform,  im  gothischen  Organismus  sieh  aufhauend;  die 
viereckigen  Gitter  der  beiden  Seiten  sind  mit  Laubwerk  ein- 
gefasst.    Es  gehört  dem  XVI.  Jahrhundert  an. 

Interessanter  ist  die  kleine,  einschiffige,  dreiseitig- 
geschlossene  Spitalkirche  wegen  des  hier  befindlichen 
Flügelaltars  vom  Jahre  1449,  den  Kaiser  Friedrich  IV. 
errichten  Hess.  Er  besteht  aus  einem  gemalten  Mittelstücke 
mit  doppelten  Flügeln,  über  welchen  sich  ein  einfacher 
gothischer  Aufsatz  erhebt  mit  den  rund  geschnitzten  Figuren 
der  Heiligen  Georg  und  Florian.  Das  Mittelstück  stellt  die 
Dreieinigkeit  dar  (Gott  Vater  hält  das  Crucifix),  herum 
Engel  und  die  zwölf  Apostel.  Auf  den  Flügeln  sind  Hei- 
lige: Jungfrauen,  Bischöfe,  Märtyrer  und  Einsiedler  gemalt, 
gleichsam  die  Dreifaltigkeit  verehrend.    Die  inneren  Flügel 


zeigen  auf  ihren  Aussenseiten  vier  Darstellungen  aus  dem 
Leben  Maria:  die  Verkündigung,  Heimsuchung,  Geburt 
Christi  und  Anbetung  der  h.  drei  Könige,  die  Innenseiten 
der  äusseren  Flügel  aber  die  Heiligen;  Katharina.  Barbara, 
Gertrudis,  Apollonia,  Dorothea.  Margaretha,  Agnes  und 
Ursula.  Wenn  daher  die  inneren  Flügel  geschlossen  wer- 
den, so  erscheinen  in  der  Mitte  die  vier  Darstellungen  aus 
dem  Leben  der  h.  Jungfrau,  zu  beiden  Seilen  die  vier  Tafeln 
mit  den  Heiligen.  Die  Figuren  sind  hei  '2  Fuss  hoch,  die 
Zeichnung  ist  gut,  obwohl  nicht  frei  von  Verkümmerungen, 
das  Colorit  kräftig  mit  bräunlichem  Localton.  Die  Kopie 
bähen  einen  ernsten  Ausdruck,  einige  der  weiblichen  Heili- 
gen sind  ungemein  anmuthig  und  lieblich,  im  Allgemeinen 
fehlt  aber  doch  die  feinere  Individualität  und  der  geistige 
Adel,  welche  das  grosse  Kunstwerk  charakterisiren ;  es  sind 
eben  nur  gute  Schularbeilen.  Die  Attribute  der  Heiligen  sind 
sehr  gross,  die  Nimben  tellerförmig.  Durchgängig  zeig! 
sieh  der  Einfluss  der  v.in  Eyck'schen  Schule,  der  damals 
auch  die  oberdeutsche  Schule  beherrschte,  welcher  unser 
Altar  angehört.  Auf  dem  IVedell  sieht  man  von  zwei  Engeln 


')  In  dein  imis  eben  zugekommenen  III.  Heil.1  (N.  I.  I  Band)  des  „Archivs 
des  Vereins  dir  siebenbürgische  Landeskunde"  hat  der  Herr  Verfasser 
lies  vorslohiMitlen  Anf.vitzt's  niit-h  eine  kunstgeschichtliche  Abhandlung 
über  die  Schäss  burger  Bergkirche  veröffentlicht.  Wir  werden  in  einem 

der  iiiiehslt'ii   Hefte   <l;u':uif  /.in  iickkoi en .    um   durch   Beispiele    Über 

das  Eigentümliche  des  alteren  sächsischen  Kirchenbaues  weitere  Auf- 
schlüsse /.n  geben.  Die  Red. 


—  G4  — 


gehalten  das  Schweisstuch  Christi  mit  seinem  Antlitz,  unter 
demselben  die  i>  Vocale  A.E.I.O.U.,  mit  denen  Kaiser 
Friedrieb  [V.AlIes  zu  bezeichnen  pflegte,  was  sein  war;  auf 
der  rechten  Seite  ist  der  Wappenschild  von  Österreich,  auf 
der  linken  jenes  von  Steiermark  gemalt;  auf  der  oberen 
Leiste  des  Predells  steht:  „Maria  memento  mei  1XX9"  in 
gothischen  Minuskeln. 

Alter  als  dieser  Altar  noch,  ist  eine  lange  Tafel.  2  Fuss 
hoch,  auf  welcher  mehrere  Heiligenfiguren  neben  einander 
—  unter  jedem  der  Name  — ■  auf  Goldgrund  in  Tempera 
gemalt  sind.  Das  bräunliche  Colorit  mit  verschwommenen 
Contouren,  weichen,  verhlasenen  Schatten  und  weisslichcn 
Lichtern,  die  dicken  Nasen,  spiessigen  Ilaare  und  gezo- 
genen, faltenreichen  Gewänder  erinnern  an  die  alte  Cölner 
Schule  (Meister  Wilhelm  und  seine  Nachfolger)  zu  Ende  des 
XIV.  Jahrhunderts.  Jedenfalls  gehört  diese  interessante 
Tafel  zu  den  ältesten  Bildern  in  Steiermark  und  stammt  aus 
der  Frühzeit  des  XV.  Jahrhunderts. 

Ed.  Freih.  v.  Sack  en. 

25.  (Die  Ki r  ch e  i  m  D  o  r  f  e  T  i  r  o  I)  hat  zwei  Portale 
im  romanischen  Style  aus  dem  XI.  oder  dem  Anfange  des 
XII.  Jahrhunderts.  Das  eine,  an  der  Faeade,  hat  auf  jeder 
Seite  eine  Säule  mit  schwerfälligem  Blattcapitäl ,  an  dem 
auch  Vogelgestallten  (Eulen)  angebracht  sind;  auch  die 
Mauerecken  der  rechtwinklig  abgestuften  Anschlagsmauern 
zeigen  plumpe Thiergestalten.  Die  beiden  Säulen  sind  durch 
einen  im  Rundbogen  sieh  um  das  Portal  herumziehenden 
Wulst  verbunden.  Einfacher,  aber  im  gleichen  Style  sind 
die  Säulen  des  Einganges  an  der  Südseite.  Der  Chor  hat 
gothische  Bauformen;  das  Innere  der  Kirche  ist  ganz  moder- 
nisirt.  An  der  Faeade  sind  die  Reste  eines  Flügelaltars  aus 
dem  Anfange  des  XVI.  Jahrhunderts  aufgestellt,  zwei  aus 
Holz  rund  geschnitzte  und  bemalte  Heiligenfiguren  (Johannes 
der  Täufer  und  ein  heil.  Rischof,  Nikolaus?)  und  zweiTafeln 
mit  Petrus  und  Paulus  in  Relief,  gute  mit  Charakter  und  der 
allen  Sculpturwerken  dieser  Zeit  eigenen  Tüchtigkeit  aus- 
geführte Arbeiten.  Ed.  Freih.  v.  Sacken. 

2G.  (Glocke n-I ns ch r i f te n  in  U n g a r n.)  Der  k.  k. 
Conservator  des  <  >fner  Verwaltungsgebietes,  Herr  Dr.  Michael 
Haas,  machte  auf  eine  Mittheilung  der  „Leipziger  illustrir- 
ten  Zeitung"  vom  :>.  Mär/.  1858  über  eine  Glocke  aus  der 
Mitte  des  XV.  Jahrhunderts  aufmerksam,    welch   letztere 

noch  in  Seligenstadt  existirei I  mit  gothischen  Buchstaben 

die  Umschrift  (ragen  soll:  „Grex  gloriae  Christe  veni  cum 
pace"  I  Heerde  des  Ruhmes  Christi,  ki'uiuie  in  Frieden).  Nun 
sei  aber  nach  seinem  Erachten  die  Lesung  dieser  Umschrift 
unrichtig,  indem  sie  anstatt:  Grex  —  O  res  lauten  müsse. 
Er  «eist  zur  Bekräftigung  dieser  Behauptung  auf  drei  Glocken 

in  Ungarn,  und  Zwar  Solche,  die  um  .'in  Jahre  aller  seien  als 

die  gedachte,  und  welche  sämmtlich  die  Umschrift:  „0  rex" 

und  nicht:  grex  tragen,  wohin  auch  der  Ausgang  des  Wortes 
Christo  zeigt.  Eine  dieser  Glocken  sei  ganz  mit  dieser  In- 
schrift bedeckt,  das  lnisst  die  genannten  Worte  wiederholen 


sich  so  oft,  als  es  die  Oberfläche  der  Glocke  gestattet.  Diese 
und  die  zweite  beiludet  sich  im  Neograder  Comitate  und  die 
dritte  im  Eisenburger  Comitate  nicht  weit  von  der  steier- 
märkischen  Glänze. 

27.  (Denkschriften  dreier  r  ö  in  i  s  c  h  e  r  S  t  e  i  n  e 
in  Ofen.)  Nach  einer  Mittheilung  des  Herrn  k.  k.  Conser- 
vators  Dr.  Haas  in  Ofen  wurden  zu  Anfange  des  J.  1855, 
als  man  die  Fundamente  zu  einem  Wohnhause  aushob,  drei 
römische  Steine  mit  Inschriften  gefunden. 

Der  erste  dieser  Steine,   3*/a  Schuh,  ein  länglicher 
Würfel  und  mit  vorzüglicher,    vollkommen  gut  erhaltener 
Steinmetzarbeit  geziert,  enthielt  folgende  Inschrift: 
DEO  .  INVICTO. 


MITRAE  .  XC. 
IVL  .  CASTI 

NVS  .  LEG  A^G 

l'R  .  PB. 

Auf  dem  zweiten,  5  Schuh  hoch,  war  zu  lesen : 

DEO  ABIMA 

Nio  .  LIREOL 

LA . LEO 
FRATRIRUS 
VOTO  .  DIC. 
Und  der  dritte  Stein,   gleichfalls  5  Schuh  hoch,  trug 
folgende  Inschrift: 

FOBTUNAE 
REDUCI 
PUBLIUS 

cosimis 

FELIX   VC 
LEG  AUGG 

l'R.   l'R. 

Di(!  Schrift  war  insbesonders  auf  dem  ersten  Steine 
sehr  kräftig  und  gut  erhalten,  so  dass  sie  kaum  auf  einem 
anderen  römischen  Steine  schöner  sein  kann. 

Auf  Veranlassung  des  genannten  Herrn  k.  k.  Conser- 
vators  wurden  die  drei  interessanten  Steine  im  National- 
Museum  aufbewahrt. 

Um  nun  auch  über  die  Bedeutung  der  Inschriften 
nähere  Aufklärungen  zu  erhalten,  wandte  sich  die  k.  k. 
Central -Commission  an  den  Herrn  k.  k.  ßegierungsrath 
.1.  Arneth,  welcher  mit  gewohnter  Bereitwilligkeit  hierüber 
folgende  Erläuterung  vorlegte:  -Her  Fund  über  den  Herr 
Dr.  Haas,  k.  k.  Schulrath  und  Conservator  für  das  Ofner 
Verwaltungsgebiet,  berichtet,  bietet  in  römisch-archäologi- 
scher Beziehung  drei  merkwürdige  Inschriften  dar,  von 
denen  die  erst,.,  sehr  wohl  erhalten,  dem  Mithras  gewidmet 
ist.  Mithras  war  den  Persern  die  Pcrsouilicatinn  des  (Juten, 
des  erwählten  Geistes,  der  Erste  der  [zeds,  mit  der  Sonne 
angerufen,  aber  von  ihr  verschieden,  er  war  Lichtspender. 

Monumente   sowohl   wie  Inschriften   dem    Mithras   /u  Ehren 
kommen  bei  uns  sehr  häufig  vor.    sie   beweisen    wie   der 


—   6; 


Cultus  des  Mithras  unter  Pompejüs  dem  Grossen  nach  Rom, 
in  unsere  Gegenden  durch  die  römischen  Heere  gekommen 
ist.  Die  zweite  Inschrift:  DEOARIMANIO — ist  demAhriman, 
der  Personification  des  Bösen,  gewidmet.  Aliriman,  bei  den 
Persern  der  Gegensatz  des  Guten ,  des  Ormuzd ,  wird  nach 
dem  Zend-Avesta  vorgestellt  als  Schlange,  als  Schlangen- 
drache '):  d'e  m't  Schlangen  umwundenen  Menschen  gelten 
auf  Mithras-Monumenten  als  die  von  Ahriman  versuchten. 

Ein  Monument  des  Ahriman  ist  uns  nicht  bekannt.  Bis 
jetzt  wurden  nur  zwei  Inschriften  aufgefunden,  die  sich  auf 
Ahriman  beziehen;  eine  befindet  sich  in  Rom2),  die  andere 
wurde  gleichfalls  in  Ofen  gefunden. 

Der  Herausgeber  der  letzteren,  der  ungemein  fleissige 
Katancsich  3)  setzt  dazu  *) :  „Numen  peregrinum  e  Germania 
duxerit  originem,  voce  e  greco  et  theutonico,  Marteus 
notante,  composita.  Nuspiam  alias  dei  hujus  mentionem 
fieri  comperimus."  Der  gelehrte  Mann,  dessen  Werke  gewiss 
zu  den  fleissigsten  Arbeiten  gehören,  hat  sich  hier  offenbar 
geirrt;  denn  das  Wort  ist  in  Pehlevi-Sprache  und  nicht  aus 
dem  griechischen  "Apr,g  und  dem  deutschen  Mann;  also  die 
Verstärkung  des  Griechischen. 

Es  ist  daher  die  neu  aufgefundene  Inschrift  auf 
Ahriman  gewiss  sehr  merkwürdig. 

Die  dritte  der  in  Ofen  gefundenen  Inschriften  ist  der 
Fortuna  Redux  gewidmet,  eine  Gottheit,  die  auf  Münzen 
oft,   auf  Inschriften  ebenfalls,  jedoch  seltener,    vorkömmt. 

28.  (Ein gangst hüre  derBibliothek  des  Col- 
legiums  Jagelion  icum  zu  Krakau.)  Als  im  J.  1 S18 
das  am  alten  Ringplatze  von  Krakau  gestandene  alte  Bath- 
haus,  von  welchem  gegenwärtig  nur  mehr  der  Thurm 
übrig  geblieben  ist,  abgebrochen  wurde,  geschah  es,  dass 
nebst  anderen  Werken  alter  Baukunst  auch  ein  sehr 
schön  gearbeiteter  Thürstock  von  Stein  sammt  der  dazu 
gehörigen  hölzernen  Thüre,  welche  den  Eingang  in  den 
Rathssaal  schmückten,  zerstört  zu  werden  drohte,  und  nur 
durch  die  unermüdete  Sorgfalt  des  damaligen  Baudirectors 
Dr.  Kremer  vor  dem  gänzlichen  Verderben  bewahrt  wurde. 
Der  Thürstock  lag  zerstreut  an  mehreren  Orten  in  Staub 
und  Schutt  begraben  und  die  Thüre  diente  untergeordneten 
Zwecken  in  einem  Corridor  des  St.  Peter- Gebäudes.  Das 
ganze  Werk  ist  im  Benaissance-Styl  gearbeitet.  Der  Thür- 
stock besteht  aus  weichem,  von  Pinczow  im  Königreiche 
Polen  herrührendem  Sandsteine,  die  edleren  Constructions- 
theile,  wie  Capitäle,  Knäufe  und  Säulenfüsse  sind  aus  Kalk- 
stein, und  die  Bosetten,  Mascarons  aus  Alabaster.  An  vielen 
Stellen  sind  Spuren  von  Vergoldung  sichtbar;  die  Marmor- 
platte im  Aufsatze,  welche  aus  Krzezowitzer  Marmor  ange- 
fertigt ist,  trägt  die  mit  Gold  gemalte,  jedoch  bereits  sehr 
verwischte  Inschrift:  „Ubi  charitas  et  amor,  ibi  Deus  est." 


1)  Kleukei-,  Zend-Avesta.  11,  384,  385. 

2)  Visconti,    Mus.  Pio-Cletnent.   II,  4,  a.   Edit.  Rom.  p.  25,   edit.   Medial. 

3)  Istri  adcolae  I,  432,  CCCCXLII. 

4)  L.  c.  p.  5G2. 


Auf  Veranlassung  desHerrn  k.  k.  Baudirectors  Dr.  Schenk] 
in  Krakau  wurde  dieses  interessante  Denkmal  im  verflosse- 
nen Jahre  mit  der  entsprechenden  Vorsicht  restaurirt  und 
als  Eingang  in  die  inneren  Räume  der  Bibliothek  im  Colle- 
gium  Jagellonicum  in  Krakau  bestimmt. 

29.  (Das  Lind w u r m -Denkmal  i n  K 1  age n fu r t. ) 
Dieses  Denkmal  hat  die  Bestimmung,  das  Andenken  an  die 
Volkssage,  dass  sich  in  der  Periode  der  slavischen  Herzoge 
an  der  Stelle  der  heutigen  Stadt  Klagenfurt  ein  Lindwurm  auf- 
gehalten, die  Gegend  unsicher  gemach!  und  seinen  Tod  endlich 
durch  einen  slavischen  Herzog  gefunden  habe.  Der  Block 
wurde  in  einem  der  Steinbrüche  des  nahen  Kreuzlierges  im 
Jahre  1590  nach  langer  Mühe  hervorgehoben  und  sollte  zur 
Bearbeitung  in  eine  Hütte  der  Villacher  Vorstadt  gebracht 
werden.  Zehn  Pferde,  die  man  davor  spannte,  rückten  den 
Koloss  in  einem  Tage  kaum  I — o  Ellen  weit  und  erst  nach 
Verlauf  von  3  Jahren  kam  er  an  den  bestimmten  Ort.  Nach- 
dem er  dort  die  letzte  Meisselung  empfangen  hatte,  brachte 
man  ihn  auf  Walzen,  und  300  Knaben  unter  15  Jahren  zogen 
feierlich  geschmückt  unter  dem  Beifallsrufe  der  Menge  das 
Thier,  unter  dessen  Last  die  Brücke  am  Villacher  Thore 
krachte,  in  die  Stadt.  Fast  eben  so  grosse  Mühe  als  der 
Transport  kostete  die  Aufstellung  auf  dem  Fussgestelle  in 
dem  schon  fertigen  Becken.  Diese  erfolgte  kurz  vor  der 
Feuersbrunst  vom  2.  des  Brachmonats  lliSG,  wobei  das 
Denkmal  von  Dunst  und  Rauch  geschwärzt  und  desshalb 
später  angestrichen  wurde.       Freih.  v.  Ankershofen. 

30.  (Fundorte  kel  tischer  und  römischer  An- 
tiken in  Steiermark.)  (her  derartige  Funde  gibt  der 
Archivar  am  Joanneum  in  Gratz,  Herr  E.  Pratobevera,  in 
dem  V.  Hefte  der  „Mittheilungen  des  historischen  Vereines 
für  Steiermark"  eine  Zusammenstellung  der  erwähnten  Alter- 
thümer.  Zur  näheren  Orientirung  bemerken  wir,  dass  sich 
der  Verfasser  hierbei  nur  auf  die  Benennung  der  Gegenstände 
und  die  Citation  des  Werkes  in  dem  sie  näher  besprochen 
sind,  oder  aber,  wenn  letzteres  noch  nicht  geschehen,  wo  sie 
aufbewahrt  werden,  beschränkt  hat. 

31.  (Denkmal  der  vi  er  Grafen  Es  zterhäzy  in 
Vezekeny.)  Einem  Berichte  des  k.  k.  geheimen  Rathes  und 
Couservators  Grafen  Keglevich  entnehmen  wir  hierüber 
Folgendes:  Das  Denkmal,  dessen  Beschreibung  ich  hier 
folgen  lasse,  ist  weder  durch  seinen  Kunst  werth-  noch  durch 
Alter  ausgezeichnet:  —  es  hat  jedoch  einen  liehen  histori- 
schen Werth,  und  bezeichnet  die  Stelle,  an  der  vier  Helden 
aus  einem  der  edelsten  Geschlechter  Ungarns  den  ruhm- 
vollen Tod  für's  Vaterland  starben  —  nämlich  vier  Grafen 
Eszterhäzy.  Es  ist  eine  vierseitige  Pyramide,  nur  zwei 
Klafter  hoch,  unweit  lies  Dorfes  Gross -Vezekeny,  im 
Barscher  Coniitate,  auf  einem  Acker  stehend,  dessen  histo- 
rische Daten  sich  meines  Wissens,  auf  Folgendes  beschrän- 
ken :  Als  im  Jahre  1G52  die  Ottomanen  auf  ihrem  verheeren- 
den Zuge  durch  Ungarn  auch  die  in  den  Comitaten  Neutra 
und  Bars  gelegenen  Städte  und  Dörfer  zerstörten  und  die 

9 


ÜO    — 


unglücklichen  Einwohner  in  die  Sclaverei  schleppten,  ergrif- 
fen mehrere  treue  und  tapfere  Söhne  des  Vaterlandes  die 
Waffen  und  sammelten  sich  um  das  im  Barscher  Comitate 
gelegene  Dorf  Vezekeny.  Nach  alter  Sitte  waren  es  meist 
freiwillige  Krieger,  adelige  Grundbesitzer,  die  sich  vereinig- 
ten, um  das  unglückliche  Landvolk  von  dieser  schrecklichen 
Geissei  und  dem  äussersten  Elende  zu  befreien.  —  Die 
geringe  Zahl  derErsteren  betrug  1000  Reiter  und  300  Fuss- 
gänger;  unter  den  Berittenen  befanden  sieh  S  Eszterhäzy, 
alle  tapfere,  muth volle  Krieger.  Die  Zahl  der  Türken  dage- 
gen belief  sieh  auf  4000. 

Der  erste  Zusammenstoss  war  von  beiden  Seiten  heftig. 
indess  durchbrachen  die  begeisterten  Ungern  bald  die  Rei- 
hen der  Türken  und  trieben  seihe  in  die  Flucht.  Die  Ungern, 
unter  Anführung  jener  acht  Eszterhäzy 's,  verfolgten  pfeil- 
schnell die  Fliehenden,  aber  in  der  Hitze  der  Verfolgung 
trennten  sie  sich  auf  ihren  weit  schnelleren  Pferden  zu  weit 
von  der  übrigen  Truppe.  Als  nun  die  Türken  dieses  wahr- 
nahmen, kehrten  sie  schnell  um  und  umzingelten  mit  über- 
legener Macht  die  acht  Eszterhäzy  und  deren  kleines 
Gefolge.  Doch  unsere  heldenmüthigen  Eszterhäzy  erschracken 
und  zagten  nicht,  sondern  waren  bereit  viel  lieber  zu 
sterben,  als  sich  feige  zu  ergeben.  Die  Gefahr  erhöhte  den 
Muth  ihrer  Seelen  —  und  machte  aus  jedem  von  ihnen  einen 
wüthenden  Löwen.  Sie  richteten  ein  schreckliches  Blutbad 
unter  den  Feinden  an  —  indessen  erlagen  die  Helden  dennoch 
der  hundertfachen  Zahl.  Vier  der  Grafen  Eszterhäzy :  Lad  is- 
la us,  Franz,  Thomas  und  Casper  Helen  auch,  helden- 
müthig  kämpfend  und  mit  Todeswunden  bedeckt,  wiewohl 
bald  darauf  das  Häuflein  Ungern  die  weil  zahlreicheren  Türken 
überwand.  —  Die  gefallenen  vier  Eszterhäzy  wurden 
sofort  in  Tyrnay  feierlich  bestattet.  —  Nachdem  83  Jahre 
seit  diesem  Vorgänge  \erllossen  waren.  Hess  Graf  Kmericll 
Eszterhäzy,  Grosspropst  von  Gran,  zur  Verewigung  derThat, 
auf  dem  Platze  selbst,  wo  die  vier  Eszterhäzy  gefallen  waren, 
die  erwähnte  Pyramide  mit  folgenden  Inschriften  errichten. 
Auf  der  ersten  Seite  steht : 

Siste  viator  lege! 

In  hoc  eampo  una  die,  una  es  Pamilia  Quatvor  Heroes  invicti 

cecidere 

La  d  i-.la  ii-  ll.Comes  Esztoräz  (nach  der  damaligen  Schreib- 
art) Perpetuus  in  Fraknä  Sarcrätmae  Caesareae  et  Regiae 
Apostolicae    Majestatis    Consiliarius,     emeritus    Praesidii 
Papensis  Supremus  Capitaneus. 

Francis cus  VI.  Esztoräz  oppidi  Gyrmathi  Supr.  Vigilia- 

rum  Capitaneus 

Thomas  II.  Esztoräz  Praesidii  Levensis  Vice-Capitaneus 
Casparus  I.  Esztoräz  Eques  auratus. 

Auf  der  zu  eilen  Seile  stelil  : 


Fatalis  Sanguinis  Esztorädi  Mars  Turcicus  erravit.  Voluii 
fatalis  esse  mm  fuit.  Oui;<  virus  quos  neeuit,  neu  totos  cx- 
tinxit.  Hie  Ter  Gemina  Rosa  Eszterhäza  Efloruil  in  novam 
Purpuram  Quatuor  Heroum  Sanguine  Bigata.  Ergo  Martins 
liic  Campus  est.  Quem  nee  Sola  jam  habet  Roma,  Heroiibus 
Esferhäziis  debet  Hungaria. 

Auf  der  dritten  Seite: 

Hujus  tarn  invietae  hoc  Monumentum  P.  P.  Emericus  Eszter- 
häzy, Vt    PraeposItVs    Malor    CapItVL   Strlgonlensls  pro 
Deblto  eIVs  aona  perLVstrans. 

Unter  dieser  Inschrift  befindet  sich  das  Eszterhäzy'sche 
Familienwappen.  Der  Zahn  der  Zeit  hat  leider  einen  grossen 
Theil  der  Inschrift  schon  unleserlich  gemacht,  allein  das 
Wappen  ist  noch  deutlieh  (en  basrelief)  zu  erkennen.  So 
steht  nun  diese  ehrwürdige  Pyramide,  die  der  Zahn  der 
Zeit  schon  stark  benagt  hat,  in  ihrer  Verlassenheit  düster 
da,  und  erinnert  an  die  Worte  Cicero's:  „Zerstöre!  werden 
die  Bildsäulen  durch  die  Zeit,  die  Stürme,  die  Gewalt  und 
die  Macht  des  Alters.'-  Sie  erwartet  eine  hilfreiche  erneu- 
ernde Hand,  die,  hei  der  Macht  und  dem  Reichthum  der 
Eszterhäzy'schen  Familie,  nicht  lange  sich  erwarten  lassen 
wird,  da  in  dieser  Beziehung  bereits  die  nöthigen  Einlei- 
tungen getroffen  wurden. 

32.  (Das  Portal  der  Dom  i  n  ica  ne  r  k  ir  che  zum 
heil.  Kreuz  in  Iglau.)  Bitter  v.  Wolfskron  gibt  von 
diesem  Portale  folgende  Beschreibung  in  Nr.  3  des  Notizen- 
blattes der  k.  k.  mährisch-schlesischen  Gesellschaft  zur  Be- 
förderung der  Landeskunde: 

Zu  den  ältesten  Baudenkmalen  des  Markgrafthums 
Mähren  gehört  das  Portal  der  ehemaligen  Hominienner- 
Klosterkirche  zum  h.  Kreuz  in  Iglau.  welches  als  einzig  übrig- 
gebliebener Zeuge  jener  frommen  Stillung  des  XIII.  Jahr- 
hunderts ebensowohl  den  Unbilden  der  Elemente,  als  den 
noch  grösseren  der  Renovatoren  in  ernster  Würde  getrotzt 
hat.  Dasselbe  tritt  zwar  im  Ganzen  aus  der  Wandung  des 
im  neueren  Style  durchgeführten  Hauptgebäudes  um  '2  7 
vor.  doch  tieft  es  sich  sogleich  durch  drei  rechtwinkelige 
Stufen  um  3  9"  wieder  nach  innen  ein.  auf  deren  jeder  eine 
Säule  sieht,  welche  über  dem  darüber  gelegten  Gesimse  je 
einen  der  drei  starken  Rundstäbe  (Wulste)  trägt,  welche 
die  Hauptglieder  des  gedrückten  Spitzbogens  bilden,  womit 

der  Hau  geschlossen  ist.  und  denen  gleich«  ie  bei  den  Säulen, 
liefe  Hohlkehlen  in  der  abgeschrägten  Wandung  entsprechen. 
Um  das  gesainmle  Portal  bewegt  sieh  ein  einfaches 
Sockelprofil,  welches  aus  einer  Platte  und  einer  Sturzrinne 
(umgekehrter  Karnies)  bestellt,  auf  welcher  unmittelbar  die 
Säuleiil'iisse  ruhen,  die  ohne  unterlegter  Platte  gleich  mit 
einem  Wulste  begil n  .    der    in   eine  Einziehung   übergeht, 

an  welche  sich  ein  Rundstab  anlegt,  worauf  ein  Bändchen 
folgt,  womit  dieses  zweite  Profil  schliesst.  Die  Schäfte  der 
Säulen,  welche  sieh  ohne  Verjüngung  bis  zu  einer  Höhe  von 


—  67 


6'  6"  erstrecken,  werden  durch  ein  eigentümliches  Capital 
gekrönt,  welches  von  unten  nach  oben  genommen,  mit  einem 
etwas  kantigen  Stabe  (1")  beginnt,  über  welchem  sich  bei 
den  beiden  innersten  Säulen  ein  mit  Blätter -Ornamenten 
bedeckter  Kelch  von  jonischer  Form  (!)")  erhebt,  wogegen 
die  vier  vordem  Capitäle  anstatt  der  Kelche  halbkugelför- 
mige Glieder  zeigen,  die  nach  der  mir  vorliegenden  Zeich- 
nung des  k.  k.  Ingenieurs  Gustav  v.  Petracek  sich  untenzu 
einziehen  und  eine  Art  Hals  bilden,  der  in  einer  von  mir 
aufgenommenen  Skizze  dieses  Profils  jedoch  fehlt,  so  zwar, 
dass  dasselbe  vielmehr  einer  etwas  in  die  Länge  gezogenen 
Halbkugel  entspricht,  welche  gleichfalls  mit  Blätterwerk 
verziert  ist.  Hierauf  folgt,  und  zwar  bei  allen  Capitälen  ohne 
Ausnahme,  eine  durch  eine  kleine  Schräge  gebildete  Einzie- 
hung, an  die  sich  in  einem  Winkel  von  45  Graden  ein  dop- 
pelt so  breites  gleiches  Glied  anschliesst,  und  somit  eine  Aus- 
ladung bildet,  welche  die  Stelle  des  sonst  als  Schluss  eines 
Capitäls  gewöhnlichen  Plättchens  vertritt ').  Hierauf  folgt 
das  Gesimse ,  welches  abermals  sehr  einfach  construirt  ist, 
und  aus  einem  Bundstabe,  welcher  um  einen  Zoll  über  das 
Capital  vorgreift,  besteht,  an  welches  sich  eine  Hohlleiste 
anfügt,  welche  durch  zwei  Plättchen  von  der  Breite  je  eines 
Zolles  überragt  wird,  die  durch  ein  Binnchen  von  einander 
getrennt  sind. 

Jedem  Säulenschafte  entspricht,  wie  schon  bemerkt 
wurde,  in  der  Bogenwölbung  ein  kräftiger,  6  Zoll  starker 
Bundstab  (Wulst),  welcher  aus  einer  platt  gedrückten  Halb- 
kugel (l>"  hoch,  die  Durchschnittsebene,  auf  der  sie  ruht, 
misst  12")  und  einem  darüber  gelegten  Rundstabe  empor- 
steigt, um  sich  auf  der  entgegengesetzten  Seite  in  ein  glei- 
ches Glied  herabzusenken. 

Die  Höhe  des  Bogens  misst  im  Lichten  5'  6",  aussen 
aber  9'  1",  wornach  die  Gesammthühe  des  Portals  14'  10" 
im  Innern  und  18'  5"  nach  Aussen  beträgt.  Mit  Ausnahme 
der  Capitälverzierung  entbehren  sämmtliche  übrigen  Glieder 
des  Portals  jedes  weiteren  plastischen  Schmuckes,  selbst 
das  Thürfeld  unter  dem  Bogen,  welches  bei  ähnlichen  Con- 
structionen  ein  passendes  Emblem  in  erhabener  Arbeit  zu 
enthalten  pflegt,  ist  hier  völlig  kahl  und  zeigt  nur  noch  unter 


l)  Meine  Zeichnung-  divergirt  hier  abermals,  und  bringt  die  erwähnte  allge- 
mein übliche  Profilirung-.  Vgl.  Kallenbach.  Chronlg-.  der  Baukunst.  Tf.  21, 
Fig.  14  und  Tat.  27,  Fig.  2. 


der  theilweise  abgeblätterten  Kalktünche,  durch  welche  bei- 
läufig gesagt  das  ganze  Portal  verunstaltet  wurde,  die  Beste 
eines  Freskogemäldes,  welche.-,  noch  leicht  zu  Tage  geför- 
dert werden  könnte  und  sollte. 

Aus  den  geringen  bis  jetzt  sichtbaren  Fragmenten  des- 
selben ist  weder  die  Darstellung  zu  entnehmen,  noch  viel 
weniger  lässt  sieh  das  Alter  des  Gemäldes  bestimmen:  wie- 
wohl es  kaum  gleichzeitig  mit  dem  Portale  entstanden  sein 
dürfte,  da  derlei  Gemälde  auf  solchen  Bogenfeldern  im 
XII.  bis  XIII.  Jahrhundert,  welchem  letzteren  unser  Bau- 
denkmalangehört, nicht  leicht  nachgewiesen  werden  könnten. 

Leider  lassen  bezüglich  der  Bauzeit  des  Dominicaner- 
klosters die  urkundlichen  Nachweisungen  noch  immer  Vieles 
zu  wünschen  übrig,  und  schwankt  dessen  Stiftung  zwischen 
einem  Herrn  von  Buckstein  auf  der  Herrschaft  Pirnitz,  aus 
dem  Geschlechte  der  Waldsteine  im  Jahre  1221,  und  dem 
Könige  Pfemysl  Ottokar  I.  1185,  f  1230,  welcher  letztere 
jene  Fundation  auf  dem  Platze  des  königl.  Schlosses  und 
Gartens  für  150  Ordensmänner  gemacht  haben,  und  aus 
dessen  Schatzkammer  auch  jenes  wunderthätige  Kreuz 
herstammen  soll,  nach  welchem  der  Convent  und  die  Kirche 
desselben  benannt  wurde. 

Dass  jedoch  im  Jahre  1243  dieses  Kloster  zum  heil. 
Kreuze  in  Iglau  bestanden  habe,  ist  urkundlich  mit  Gewiß- 
heit nachzuweisen,  da  der  Bruder  Eberhardus  de  online  prae- 
dicatorum  domus  sanete  crucis  ejusdem  loci  Prior,  zugleich 
mit  dem  Quardian  Pertoldus  des  Minoritenklosters  in  [glau 
die  Richtigkeit  der  Urkunden  bestätigen,  nach  «elcher  die 
Güter  und  Kirchen  des  deutschen  Ordens  an  die  Prämon- 
stratenscr  in  Seelau  übergingen.  — Vgl.  d'Elvert,  Geschichte 
von  Iglau.  Seite  22.  —  Wolny,  Topograph,  v.  Mähren.  B.  V. 
—  Marzi,  Gesch.  v.  Iglau,  Ms. 

Nachdem  das  Kloster  sammt  der  Kirche  in  den  Jahren 
1513,  1525,  1551  durch  Feuersbrünste  verheert  wurde, 
und  der  Convent  im  Jahre  15(J0  durch  die  Reformation  in 
seinem  Einkommen  und  au  Ausehen  grosse  Einbusse  erlitten 
hatte  und  der  Übermacht  der  Akatholiken  weichen  musste, 
wurden  zwar  die  Brüder  nach  der  Schlacht  am  weissen 
Berge  in  alle  ihre  Gerechtsame  wieder  eingesetzt;  doch 
mussten  sie  im  Jahre  1781  das  Klostergebäude  abermals  und 
für  immer  verlassen,  welches  sammt  der  entweihten  Kirche 
seither  zu  militärischen  Zwecken  benützt  wird. 


Literarische  Anzeige. 


Sighart,  Dr.  J.  Die  mittelalterliche  Kunst  in  der  Erzdiöeese 

München -Freising,  dargestellt  in  ihren  Denkmälern.  Mit  einer 

Architekturkarte  und  7  Tafeln.  Freising  1803.  8.  S.  2."iti. 

Nichts  ist  geeigneter  die  Liebe  für  das  christliche  Alterthum  und 
seine  reichen  Schatze  zu  wecken,  als  die  Kennlniss  derselben. 
Und  zwar  muss  diese  Kenntniss  nicht  nur  dem  Gelehrten  zu  Gebote 


stehen,  welcher  sich  des  gewonnenen  Stoffes  zur  Bereicherung  und 
Befestigung  seiner  Ansichten  bedient,  siemuss.  soll  sie  ins  Lehen 
übergehen  und  für  die  Pflege  und  Erhaltung  der  Kunstüberreste  Frucht- 
bringend werden,  als  ein  frischtreibender  Keim  in  die  Herzen  der 
Menge  gelegt  und  mit  dem  Ichendigen  Gefühle  für  das  Heimatliche 
grossgezogen  werden.  In  dieser  Beziehung  vermögen  Zusammen- 
stellungen, wie  die  eben  erwähnte,  das  Beste  nach  beiden  Seiten  hin 


—  68 


zu  wirken.  Wir  haben  Herrn  Sighart  als  einen  Qeissigen  und  kennt- 
nissreichen Forscher  des  elirislliclienlleiikinalselial7.es  in  seinen  beiden 
Monographien  über  den  Dom  zu  Freisini;  (  Landshut  lSü->,  S.  103)  und 
die  Liebfrauenkirche  zu  München  (Landshut  L853,  S.  142)  kennen 
gelernt  und  die  vorliegende  Schrift,  welche  uns  mit  den  Kunstüber- 
resten i\ft-  Erzdiöcese  München-Freising  bekannt  macht,  bestätigt  in 
item  Grade  die  günstige  Meinung,  welche  durch  des  Verfassers 
frühere  Arbeiten  hervorgerufen  wurde.  Von  der  richtigen  Ansicht 
ausgehend,  dass  die  mittelalterliche  Kunst  in  näherer  Beziehung  zur 
Kirche,  als  zum  Staate  stehe,  hat  Herr  Sighart  seiner  Untersuchung 
nicht  das  politische  Gebiet,  also  Oberbayern,  sondern  das  kirchliche 
Terrain  zu  Grunde  gelegt.  Die  Erzdiöcese  München-Freising  ist  jedoch 
ein  Conglomerat  der  alten  Freisinger  und  eines  Theils  der  alten 
Salzburger  Diöcese,  und  dadurch  gewinnt  vorliegendes  \\  erk  auch  für 
die  kunstgeschichtlichen  Forschungen  über  Österreich  ein  bedeutendes 
Interesse.  Denn  den  Begriff  und  die  Wesenheit  der  Schulen,  auf  dem 
Gebiete  der  Kunst,  wie  sie  im  Mittelalter  lebendig  waren,  sind  vorerst 
nur  in  grösseren  Umrissen  richtig  gestellt  und  begründet.  Die  localen 
Modificationen  und  Verzweigungen  derselben  sind  aber  noch  Gegen- 
stand wachsamer  Forschung,  und  gerade  hiefür  bringt  Sighart  einen 
sehr  schätzbaren  Beitrag,  indem  er  bei  Betrachtung  seines  angesam- 
melten Stoffes  den  Einfluss  nachweiset,  welcher  sich  von  Salzburg 
ausgehend  über  die  nunmehr  Bayern  angehörigen  Theile  der  früheren 
Salzburger  Diöcese  erstreckte.  Wir  wollen  hiefür  einige  Belege  bei- 
bringen.  Die  Stiftskirche  in  Berchtesgaden,  an  welcher  noch 
einige  Überbleibsel  romanischer  Bauweise  sichtbar  sind,  gehört,  was 
letztere  betrifft,  noch  der  ersten  Bauzeit  an.  und  stammt  daher  aus  dem 
Zeiträume  1 109 — 1  122,  wo  das  Stift  durch  den  Grafen  von  Sulzbach 
'  ündet  und  vom  Erzbischof  Konrad  von  Salzburg  erneuert  wurde. 
Auch  das  Chorherrenstift  bei  K  eiche  11  hall  ist  eine  Schöpfung  dieses 
Erzbischofes  aus  dem  Jahre  1131).  und  dieser  Zeit  geboren  noch  das 
prachtvolle  Fortal  der  St.  Zenokirche  daselbst,  so  wie  mehrere  Säulen 
des  Kreuzganges  an.  Auf  das  Stift  St.  Peter  in  Salzburg  weisen 
die  Portale  und  Sculpturen  mehrerer  in  der  nächtsen  Nahe  der  alten 
Metropolitanstadi  gelegenen  romanischen  Kirchenüberreste,  wie  jener 
auf  dem  Petersberge  bei  Flintsbach,  der  Stiftskirche  zu  Taufen. 
und  der  Mariahilfer-Capelle  zu  Taufen,  deren  architektonischi 
Details  einzelnen  Bautheilen  der  St.  Peterskirche  in  Salzburg  voll- 
kommen gleichen. 

Von  dem  Erbauer  der  spätgothischen  Martinskirche  in  Landshut. 
„hanns  stainmezz"  erfahren  wir  aus  seiner  auf  dem  Grabsteine 
in  dieser  Kirche  angebrachten  Inschrift,  dass  er  auch  in  Salzburg  eine 
Kirche  erbaut  habe.  Welche  Kirche  dies  gewesen  sei .  liisst  sich  nicht 
bestimmen.  Vielleicht  die Franciscaner-Kirche ?  Hanns  Steinmetz  starb, 
der  Grabschrift  zu  Folge  lV.i'l.  Vuch  in  Bezug  auf  die  Ma  lerei  und 
Bildhauerei  treffen  wir  in  diesem  Werkchen  Andeutungen,  die 
beachtenswert))  sind.  Nach  einem  Gesammtüberblicke  derselben 
„scheinen  die  Kunstwerke  Salzburgs  und  der  Umgebung  mit  einer 
fremden  Schule  (  Prag  oder  Nürnberg)  in  geistigem  Zusammenhange 
zu  stehen."  wahrend  die  übrigen  Stätten  t\vr  Kunstpflege,  Landshut 

und  München,  sieh  nach  dem  s| ifisch  bayerischen  Charakter  entfaltet 

zu  haben  scheinen,  Preising  hingegen  von  Nürnbergs  Kunstthätigkeit 
influenzirt  worden  sein  mag.  Der  Salzburger  Schule  wird  eine 
Reihe  von  Altären  der  Gothik  zugeschrieben,  und  zwar  der  Altar  von 
Sondermoning  bei  Traunstein,  die  beiden  Schnitzaltäre  inKa- 
\  e  11 1  en,  die  Altäre  zu  St.  Florian.  II  ob  enb  erg  In  der  Streicher- 
Capelle  bei  Schlesing,  zu  St.  Leonhard,  St.  Kolmann  und  der 
Hochaltar  zu  Non  bei  Reichenhall.  „Stammen  nun  diese  Altäre 
wirklich  aus  Salzburg,  oder  »  enigstens  \ > ■  n  Meistern,  die  dort  gebildet 
worden,   so  muss  man   den  Bildschnitzern   dieser  Schule    vor   Allein 


grosses  Lob  ortheilen,  indem  sie  in  Statuen  und  Reliefs  häutig  hohe 
Idealität  zu  erreichen  vermochten.  Die  Malereien  dagegen  entbehren 

der  Anninth  und  Freiheit  der  Composition,  die  Gestalten  sind  zu  kurz 
und  derb,  aber  charakteristisch,  das  t'oloril  nicht  eben  zart  und  sorg- 
fältig ausgeführt.  Doch  lassen  sieh  zwei  t'lassen  von  Gemälden  unter- 
scheiden, die  einen  zeigen  Frische  und  (iluth  des  Colorits.  die  andern 
haben  einen  gewissen  bläulichen  Ton,  der  dem  Bilde  sein  höheres 
Leben  und  seinen  eigentümlichen  Beiz  nimmt.  Es  müssen  also  jeden- 
falls zwei  Meister  oder  Epochen  dieser  Schule  unterschieden  werden." 

Erwähnen  wir  noch  des  Umstände:    dass  ein  sehr  reiches  Glasgemälde 

zu  Amp  er  p  e  I  t  e  n  bae  h  uns  als  die  Frau  des  Donators  Hanns  Ligsalz 
eine  „Katharina  Knöllin  von  Salzburg"  namhaft  macht,  wie  auch. 
dass  der  Bischof  Ellenhart  (f  1078)  von  Freising  ein  reichbegü- 
terter Graf  von  Tyrol  gewesen  sei,  der  seine  neubegründete  Kirche 
auf  dem  Doinberge  zu  Freising  mit  einer  Fülle  von  Kirchenutensilien, 
mit  Mess-  und  Evangelienbüchern,  Kelchen.  Alben,  Humeralien  und 
Kesülen  versehen  habe,  so  dürften  wir  aus  der  reichen  Fülle  des 
Stoffes  jenen  hervorgehoben  haben,  welcher  für  uns  vom  nächsten 
Interesse  ist. 

Erwähnenswertii  scheint  es  uns,  dass  Sighart's  Vorgang  bereits  in 
zwei  anderen  Diöcesen  Bayerns  Nacheiferung  gefunden  hat.  Die  Bei- 
lage zur  Augsburger  l'ostzeitung  bringt  seit  .Mitte  des  vorigen  Jahn" 
eine  Reihe  fortlaufender  sehr  belehrender  Artikel  unter  dem  Titel: 
„Beiträge  zur  Erforschung  christlicher  Kunstdenkmäler  in  der  Augs- 
burger Diöcese",  und  mit  Beginn  dieses  Jahres  bat  sie  eine  Reihe  von 
Artikeln:  ..Zur  Kunstgeschichte  der  Diöcese  Regensburg"  eröffnet. 
Es  wäre  im  hohen  Grade  wünschenswert!),  dass  in  ähnlicher  Weist 
auch  anderwärts  vorgegangen  weide,  und  aus  diesem  Grunde  begrüssen 
wir  mit  freudigem  Gefühle  den  kund  gewordenen  Entsehluss  des 
hochw.  Erzbischofs  von  Salzburg,  welcher  die  Pfarrgeistlichkeit  seiner 
Diöcese  aufgefordert  hat.  über  die  Geschichte  ihrer  Pfarren,  sowie 
auch  über  die  Kirchenbauten  und  übrigen  Denkwürdigkeiten  in  den- 
selben, verlässliche  Erhebungen  zu  pflegen  und  hierüber  Beriebt  zu 
erstatten.  Wir  zweifeln  nicht,  dass  das  auf  diesem  Wege  angesam- 
melte Materiale  einen  sehr  schätzbaren  Beitrag  für  die  Kunstgeschichte 
Österreichs  bilden  wird,  durch  dessen  Veröffentlichung  wohl  den 
Wünschen  und  Bedürfnissen  \ller.  welche  sich  dem  Studium  der 
Culturgeschichte  Österreichs  widmen,  ein  im  hohen  Grade  dankens- 
werter Dienst  geleistet  werden  dürfte1).  Dr.  G.  H. 


>)  Es  liegt  N'    Kl  des  Verordnungsblattes  für  die  Erzdiöcese  Salzburg 

1    183$  vor,   worin  die  Grundzüge  bekannt  gegeben  werden ,  nach 

■  S  dortige  Ordinal'ial    ilie  Heraushalte    eüli's    solchen  historiseh- 

statistischen  Handbuches  beabsichtigt  und  W it  unter  Einem  ein  Schema 

1  le-ilt  wird,  nach  welchem  die  Beschreibung  der  Pfarren  vorzuneh- 
men und  au  das  erzbischöfliche  Consistorium  einzusenden  ist.  Dieses  mit 

unerkennenswerther  Umsicht   ausg beitete  Schema  umfasst  nicht  bloss 

1  Irin  kirchlicher   Hinsicht    bemerkenswerthesten  Daten,   sondern 
fordert  auch  die  Aufzeichnung  aller  Ereignisse  von  Wichtigkeit,  tue  in 
P    rre  von  den  frühesten  Zeilen  her  vorgefallen ;  das  beab' 
sichtigte  Handbuch  soll  zugleich  einen  kurzen  Überblick  der  Localcbronik 
ihren.    Von  kunstgescbichtlicl 1  Interesse  ist  insbesonders  der  Ab- 
schnitt /.'  de«  betreffenden  Schemas,  worin  auch  den  Pfarreien  zur  Pflicht 

1  hi  w  ird,  ausführliche  Beschreibungen  und  Abbildungen  der  Kircl 

und  Kirchengerithschaften  mit  der  Bestimmung  ihres  Alteis  und  Kunst- 
werthes  aufzunehmen.  Als  die  k.  u.  Central-Commission  von  der  Heran 

gäbe  dieses  Handbuches  in  die  Kennt lliss  ii-elane/te  11  ml  wahrnahm,  dass  durch 

iiisseii 01  wesentlicher  Theil  derihr  gestellten  Aufgabe  gefördert  wird. 

hielt  sie  seh  auch  für  verpflichtet ,  das  Unterneh q,  ins.,  weit  hiebe! 

die  Kräfte  der  Itegieriuie   in  Anspruch  genommen  werden,  möglichst   zu 
unterstützen.  I).  Red. 


der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdrucki  rei  i-i  '■ 


Jeden  Monat  erscheint  1  Heft  eu 
1  bis  2  Druckbogen  mit  Abbil- 
dungen. 
Der  Prä  n  u  m  erati  uns  preis  ist  für 
einen  Jahrgang  oder  zwölf  Hefte 
nebst  Register  sowohl  für  Wien 
als  die  Kronländer  und  das  Ausland 
4  fl.  C.  M. ,  bei  portofreier 
Zusendung  in  die  Kronländer  der 
österr.  Monarchie  4  II.  20kr.  CM. 


MITTHEILUNGEN 


DER  K.  K.  CENTRAL- C0MMISS10N 


Pränumerationen  ülieroeh- 
nien  halb-  oder  ganzjährig 
alle  k.k.  Pnslämler  der  Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
Zusendung  der  einzelnen  Hffte 
besorgen.  —  Im  Wege  des  Buch- 
handels sind  alle  Pränumerationen 
uud  zwar  nur  zu  dem  Preise  Ton 
4  fl.  an  den  k.  k.  Horbuchhändler 
W.  Braumfilkr  in  Wim  iu  richten. 


IllJU  I    1  ,1 

— ^c$&3&S®&^ — 

Unter  der  Leitung  des  k.  k.  Sections-Chefs  und  Präses  der  k.  k.  Central-Commission  Karl  Freiherrn  v.  fzoernig. 

Redacteur:    h  a  r  1  Weiss. 


m  s. 


I.  Jahrgang. 


Mai  IU. 


Inhalt:  Zur  Orientirung  auf  dem  Gebiete  der  Baukunst  und  ihrer  Terminologie.  II.  —  Über  Reliquienschreine.  —  Baudenkmale  im  Kreise 

u./d.  Wiener-Walde.    --   Decennal-Aufzeichnungen  der  arebäologisehen  Funde  in  Siebenbürgen  vom  Jahre  1845  bis  185ü.  

Restaurationen.  —  Notizen.  —  Literarische  Anzeigen.  —  Berichtigung. 


Zur  Orientirung  auf  dem  Gebiete  der  Baukunst  und  ihrer  Terminologie. 

Von  R.  v.  Eitelberger. 


II. 


I>ie  l> »  ■/.  :>  11  <  i  11  i  «  <•  li  <■  ii   B  a  n  f  o  i'  in  e  ii. 


Die  Geschichte  der  byzantinischen  Kunst  lehnt  sich 
an  drei  Mittelpunkte  an  —  Constantinopel,  R a v e n n a 
und  Venedig.  Die  byzantinische  Kunst  Constantinopels 
knüpft  sich  an  den  Namen  des  Kaisers  Justinian,  die  Ba- 
venna's  an  die  Namen  der  Galla  Placidia,  Theodorich  des 
Grossen  und  des  frommen  Geldwechslers  Julianus;  die  byzan- 
tinische Kunst  Venedigs  an  die  Namen  der  Dogen  Pietro 
Orseolo,  Contarini  und  Selvo.  Der  Glanzpunkt  byzantinischer 
Architektur  in  Constantinopel  ist  die  Hagia  Sophia,  in  Ra- 
venna  S.  Vitale,  in  Venedig  S.  Marco.  Die  Bauten  in  Con- 
stantinopel und  Ravenna  gehören  der  antik- christlichen 
Bildung  an ,  jene  von  Venedig  stehen  im  Centrum  des 
Mittelalters.  Auf  die  Bauentwickelung  der  Volker,  welche 
heut  zu  Tage  den  österreichischen  Kaiserstaat  bewohnen, 
hat  Venedig  seinen  grössten  Einfluss  erst  dann  genommen, 
als  es  seine  byzantinische  Epoche  hinter  sich  hatte;  Ra- 
venna's  Einfluss  erstreckt  sich  nur  auf  die  früheste  Geschichte 
einiger  südlicher  Länder  Österreichs,  der  Einfluss  Constan- 
tinopels war  nur  ein  indirekter  und  wenig  nachhaltiger. 

Der  Einfluss  der  Kunst,  die  von  Constantinopel  auf  das 
übrige  Europa  ausgeht,  erstreckt  sich  auf  das  Gebiet  des 
mittelländischen  Meeres  und  der  anglänzenden  Länder,  be- 
deutender war  jener,  der  sich  dem  Oriente  zuwendete.  Dort 
fand  sich  in  der  gesammten  Kunstentwickelung  ein  mit  dem 
speeifischen  Byzantinismus  verwandtes  Element  vor.  Seit 
der  Erhebung  Byzanz's  zum  Herrschersitze  des  ost-römischen 
Reiches  war  die  ganze  Kunst  Kleinasiens  ,  Syriens  und  der 
Gebirgsländer  nördlich  vom  Euphral   und  Tigris   fast   aus- 


schliesslich getragen  von  der  Kunstrichtung,  die  in  Constan- 
tinopel ihren  Mittelpunkt  hatte  ;  auch  die  Kunst  der  Araber 
hat  einen  nachhaltigen  Einfluss  empfangen  von  Constanti- 
nopel und  selbst  in  späteren  Jahrhunderten  haben  Georgien, 
Armenien,  Abkhasien  die  Traditionen  byzantinischer  Kunst 
noch  aufrecht  erhalten,  welche  in  Byzanz  selbst  sich  nur 
mehr  mühsam  und  schwach  fortgepflanzt  haben. 

Nach  Westen  zu  war  der  Einfluss  byzantinischer  Kunst 
ein  mannigfacher  und  verschiedenartiger,  je  nach  Zeiten  und 
Verhältnissen.  Er  ist  nachhaltiger  und  bedeutsamer  auf  die 
Küstengebiete  des  mittelländischen  und  adriatischen  Meeres, 
schwächer  und  unwirksamer  auf  die  innere  Masse  der  mittel- 
alterlichen Culturländer,  das  deutsche  Reich  und  Frankreich. 
Zu  jenen  Zeiten,  wo  die  byzantinische  Kunst  in  der  Hagia 
Sophia  und  in  der  Kirche  S.  Vitale  ihre  Triumphe  feierte, 
war  ihr  Einfluss  sehr  unbedeutend  gewesen.  Einige  Jahr- 
hunderte später  unter  Karl  dem  Grossen  war  er  mehr  ein 
anregendes  Vorbild  als  der  Ausgangspunkt  einer  neuen 
Kunstentwickelung,  die  andere  Zielpunkte  verfolgte  und 
andere  Geistesrichtungen  repräsentirte.  Als  die  Kreuzzöge 
und  das  für  Byzanz  bedeutungsvolle  Jahr  1204  den  Orient 
dem  Occidente  näher  rückten,  und  dem  byzantinischen  Ein- 
flüsse Thor  und  Thür  geöffnet  wurde,  war  in  Byzanz  selbst 
die  Kunst  längst  schon  geistigen  Todes  gestorben,  die  neue 
Kunst  hatte  iu  Westen  ihre  Siege  gefeiert.  Damals  standen 
schon  die  romanischen  Dome  von  Speier,  Worms  und 
Mainz,  in  Frankreich  erhoben  sich  die  Kathedralen  von  Paris, 
Laon  und  Senlis;    kaum  ein  halbes  Jahrhundert  später,  am 

10 


70 


14.  August  1248,  wurde  feierlich  der  Grundstein  zum 
Kölner  Dome  gelegt.  Was  konnte  damals  ein  deutscher  Dom- 
Baumeister,  was  ein  Pierre  de  Monteraut  von  dem  damaligen 
ISyzanz  lernen. "was  die  Architektur  von  dort  mehr  erwarten? 

Ober  die  byzantinische  Kunst  sind  wir  heutzutage 
besser  orientirt  als  zu  jenen  Zeiten,  da  am  Ende  des  ver- 
flossenen Jahrhunderts  der  Göttinger  Archäologe  Heyne  in 
der  Comment.  Societ.  Gott,  sein  Augenmerk  auf  die  byzan- 
tinische Kunst  und  Literatur  gerichtet  hatte,  und  in  früherer 
Zeit  Gyllius  (1562),  Ducange  (1680)  und  Banduri  (1711) 
noch  in  unseren  Tagen  brauchbare  Werke  über  Constanti- 
nopel  und  byzantinische  Geschichte  und  Literatur  geschrie- 
ben haben.  Wir  verdanken  diese  genauere  Keniitniss  der 
Baudenkmale  byzantinischer  Kunst  und  ihrer  Hauptsitze  in 
erster  Linie  Salzen  berg  und  Quast.  Letzterer  hat  die 
altchristlichen  Hauwerke  von  Havenna  vom  V.  bis  IX.  Jahr- 
hundert (  Berlin  1 842  ).  ersterer  die  altchristlichen  Bauwerke 
Constantinopels  (Berlin  1855)  einer  eingehenden  kritischen 
Beschreibung  unterworfen.  Wir  sind  jetzt  nicht  mehr  auf 
Berichte  unkundiger  Reisender,  auf  Albumsblätter  von 
Künstlern  und  die  Nachrichten  in  den  byzantinischen  Schrift- 
stellern angewiesen.  Über  die  byzantinische  Kunst  in  Vene- 
dig sind  wir  trotz  der  vortrefflichen  Schriften  von  Cico- 
gnara  und  Selvatico  nicht  vollständig  genügend  unter- 
richtet. Es  fehlen  nicht  bloss  eingehende  Untersuchungen 
ober  die  Markuskirche  und  die  Bauten  in  Muranu  und  Tor- 
cello, sondern  auch  über  Aquileja  und  den  ganzen  Kreis  der 
Denkmäler  an  den  Küsten  des  adriatischen  Meeres.  Was  in 
letzter  Zeit  darüber  veröffentlicht  wurde,  leidet  an  dem  dop- 
pelten Mangel  unkritischer  Forschung  und  ungenügender 
Aufnahme  und  Wiedergabe  der  Monumente. 

Nicht  so  vollständig  sind  wir  über  die  Ausdehnung  des 
byzantinischen  Einflusses  auf  die  übrigen  Küstenländer  des 
mittelländischen  Meeres  orientirt.  (her  Griechenland  ') 
fehlen  noch  eingehende  Arbeiten  und  über  Sicilien  und  die 
neapolitanischen  Küsten  erwartet  die  gelehrte  Welt  mit  Un- 
geduld die  Publicationen  von  Hofrath  Schulze's  hinterlas- 
senen  Manuscripten.  Gegenwärtig  sind  wir  vorzugsweise 
auf  Duca  di  Serr adifalco's  Werk  (Palermo  18;>8) 
gewiesen.  Auf  die  Bauten  jener  Gegenden  waren  aber  nicht 
bloss  die  Byzantiner,  sondern  auch  noch  die  Araber,  die  von 
Kairwan  aus  im  Jahre  827  Sicilien  eroberten,  und  in  Pa- 
lermo allein  dreihundert  Moscheen  erbauten,  sowie  die  Nor- 
mannen im  XI.  und  XII.  Jahrhundert  unter  Wilhelm  I.  und  II. 
von  erheblichem  Einflüsse.  Auch  über  die  Handelsbezie- 
hungen mit  dem  Oriente  und  Byzauz  im  Mittelalter,   so  wie 


1     Über  byzantinische  Bauten  in  Griechenland  i>i  verstreutes  Materinle  in 
iler's  „Bauzeitung"   (Jahrgang   ls:;uj.  in  Blooet's  „Exn 
Lilique  t-n  Horee"  in  der  R^rue  arch.  und  in  mehreren  französischen 

i.    —    Über    kleiner -lil    byzantinische    Kunst- 

arbeil  es  Wissens  kein  selbsstän- 

Brauchbarste  u'il.i   noch  immer  Agini rt's  bell 

Werk,   trotzdem  dass  es  langsl  bcI in  alten  seineu  Thcilen  einer  Ergän- 
zung uiul  Erweiterung  bedürfte. 


über  die  Nachrichten  von  byzantinischen  Schriftstellern 
eru  artet  man  erneuerte,  mit  der  Denkmalskunde  Hand  in  Hand 
gehende  Forschungen.  Was  Scherer  über  diesen  Gegen- 
stand spricht,  ist  nur  sehr  fragmentarisch,  Hüllmann's 
gekrönte  IVeisschrift  (Göttingen  180S)  ist  noch  immer 
das  Brauchbarste.  Beide  aber  nehmen  auf  die  zahlreichen 
kleineren  Kunstdenkmäler  und  Kunstgewerbe,  die  übrigens 
auch  ausserhalb  des  Bereiches  dieser  Zeilen  liegen,  keine 
Bücksicht.  Heide  bestätigen  die  geringe  Bedeutung  des 
byzantinischen  Donauhandels  vor  den  Kreuzzügen,  bezeich- 
nen letztere  als  den  Wendepunkt  in  den  Handelsbezie- 
hungen mit  dem  Oriente,  und  lassen  die  Thatsache  ausser 
Zweifel,  dass  vor  den  Kreuzzügen  die  Verbindungen  mit 
Mittel-  und  West-Europa  nur  sehr  lose  gewesen,  dass  seihst 
jene  mit  Venedig,  Genua  und  anderen  italienischen  Handels- 
städten eine  wenig  constantc,  oft  unterbrochene  war,  dass 
der  Argwohn  und  die  Furcht  der  griechischen  Politik  Be- 
rührungen mit  dem  Westen  soviel  als  möglich  aus  dem  Wege 
gingen,  und  dass  die  beschränkte  Handelspolitik  Byzanz's 
dem  einheimischen  Kaufmanne  den  Markt  beengte,  Verbin- 
dungen mit  dem  Auslande  erschwerte,  und  so  den  byzanti- 
nischen Handel  fast  ganz  in  die  Hände  der  fremden  Handels- 
leute, insbesondere  der  rührigen  und  gewandten  Bürger  der 
jungen  italienischen  Freistaaten  überlieferte. 

Welche  Resultate  haben  wir  nun  aus  den  letzten  Un- 
tersuchungen über  die  Baudenkmale  in  Constantinopel  und 
Ravenna  für  unsere  Zwecke  zu  ziehen? 

Die  Cultur  der  Zeit  Constantin  des  Grossen  und  .lusti- 
nian's  1.  fusst  ganz  auf  christlich  antikem  Boden.  Kirchen- 
väter und  Philosophen,  Dichter  und  Geschichtsschreiber 
schrieben  in  griechischer  oder  lateinischer  Sprache  und 
bedienten  sich  der  Kunst-  und  Redeformen  der  classischeu 
Zeit.  In  denselben  Sprachen  wurden  die  Gesetze  verkündet, 
in  denselben  Staats -Verträge  abgeschlossen.  Die  Sprache 
der  Architektur  war  dieselbe  gewesen,  sie  war  eine  Fort- 
bildung der  Formen,  die  sie  aus  der  Blüthezeit  Griechen- 
lands und  Borns  überkommen  hatte.  Als  Constantin  der  Grosse 
im  Jahre  :!24  n.  Ch.  G.  „Neu-Rom"  mit  dem  Pfluge  be- 
kränzte, hatte  er  keinen  andern  Gedanken,  als  die  Pracht 
und  den  Glanz  der  Siebenhügelstadt  an  der  Tiber  auf  die 
neue  Hügelstadt  am  Vorgebirge  des  goldenen  Hornes  zu 
übertragen.  Er  entwickelte  dort  bekanntermassen  eine 
enorme  Bauthätigkeit,  so  dass  kaum  die  Zahl  der  Architekten 
seinen  Intentionen  genügen  konnte.  Hyppodrom  und  Circus, 
Capitol  und  Forum  erstanden  in  Neu-Rom.  Die  Bauformen 
aber  blieben  dieselben,  wie  in  Rom,  wie  im  ganzen  übrigen 
römischen  Reiche.  Es  u  urde  ch  neiler,  aber  dessw  egen  nicht 
besser  gebaut,  seine  Bauten  verGelen  in  wenigen  Jahrhun- 
derten und  schon  zu  Justinian's  Zeiten  war,  wie  Prokopius 
in  seinem  Werke  über  die  Bauten  Justinian's  berichtet,  eine 
Reihe  derselben  baufällig.  Auf  unsere  Zeilen  ist  nicht 
E ine  d e rs e I  ben  gekommen.  So  weit  aber  die  Nachrichten 
reichen,  erscheinen   uns  die   Bauformen   als   spät-röraische 


—  71 


ihrem  Stylcharakter  mich.  Die  Constantinische  Sophienkirche 
war  eine  Basilica  wahrscheinlich  mit  einer  Holzdecke,  so 
wie  die  anderen  von  Constantin  erbauten  Kirchen  des  heil. 
Akacius  und  Agathanicus;  die  Begrabnisskirche  Constantin's 
den  h.  Aposteln  geweiht,  war  in  derselben  Richtung  erbaut, 
mit  ausgebildeter  Kreuzesform;  die  Grabkirche  in  Jerusa- 
lem war  ein  Rundbau  —  den  wir  uns  wahrscheinlich  wie 
S.  Stefano  rotondo  in  Rom  zu  denken  haben  —  die  Kirche 
in  Antiochia  achteckig  mit  hohem  Mittelschiff,  und  bezeichnet 
durch  ihre  Abweichung  von  den  anderen  kirchlichen  Rauten 
Constantin's.  Die  Himmelfahrtskirche,  welche  Constantin's 
Mutter  am  Ölberge  erbaute,  hatte,  wie  leicht  erklärlich,  einen 
unbedeckten  Mittelraum,  der  von  Säulenhallen  unigeben 
wurde.  Der  römische  Säulenbau  ist  in  allen  seinen  Formen 
der  Grundtypus  dieser  constantinischen  Bauten.  S  p  e  c  i  f  i  s  ch 
Byzantinisches  ist  in  derselben  nichts  zu  finden. 
Die  byzantinischen  Münzen  der  Zeit  hatten  noch  lateinische 
Umschrift,  manchmal  noch  die  römische  Wölfin;  die  Säule  des 
Marcian(450 — 456),  die  Klosterkirche  des  Studios  „h.  Johan- 
nes" (463)  zeigen  den  herrschenden  spät-römischen  Typus. 

Bis  in  das  VI.  Jahrhundert  blieb  im  Oriente,  wie  Salzen- 
berg richtig  bemerkt,  der  Basilikenbau  bei  Kirchen  vor- 
herrschend. 

Derspecifisch  byzantinische  setzte  sich  erst  im  VI.  Jahr- 
hundert gleichzeitig  in  Constantinopel  (unter  Justinian) 
und  in  Ravenna  fest.  Die  Kunstbewegung,  die  durch  das- 
selbe hervorgerufen  wurde,  ging  innerhalb  der  christlich- 
antiken  Welt  der  spät-römischen  Kunstrichtung  vor,  und  war 
in  seinem  hervorragendsten  und  fruchtbarsten  Elemente,  dem 
Kuppelbaue,  nicht  unvorbereitet  in  die  Welt  gekommen. 
Die  ganze  römische  Architektur  der  letzten  Jahrhunderte 
war  mit  Rewältigung  grosser  Aufgaben  beschäftigt,  die  vor- 
zugsweise das  constructive  Element  der  Architektur  betra- 
fen. Während  alle  anderen  Künste  von  Jahrhundert  zu  Jahr- 
hundert verfielen,  der  ornamentale  Theil  der  Architektur 
immer  mehr  und  mehr  in  Willkür  und  geschmackloser  Über- 
ladung der  Formen  sich  gefiel,  schritt  die  Construction  an 
den  grossen  Aufgaben  vorwärts,  die  ihr  in  Palast-,  Tempel- 
und  Thermenbauten  gesetzt  wurden.  Dort  wurde  das  Kreuz- 
gewölbe, dort  der  Kuppelbau  zum  ersten  Male  im  grossen 
Style  und  in  antiken  Formen  zur  Anwendung  gebracht;  dort 
entwickelten  sich  die  Formen,  die  wir  in  der  ganzen  alt- 
christlichen  Welt  schon  vor  Justinian  in  den  Raptisterien 
finden  und  die  seitdem  sich  in  der  ganzen  christlichen  Ar- 
chitektur erhalten  haben.  Von  dem  Pantheon  in  Rom,  zum 
Kuppelbau  im  ehemaligen  Jupiterstempel  zu  Spalato  ist  nur 
Ein  Schritt;  ein  zweiter  erfolgreicher  führte  in  Constanti- 
nopel zum  Kuppelbau  der  h.  Sophia  und  dem  zu  S.  Vitale 
in  Ravenna.  Wir  können  in  Constantinopel  einigermassen  die 
innern  Gründe  erkennen,  welche  die  Fortbildung  der  Archi- 
tektur auf  dem  angedeuteten  Gebiete  erklären  und  würden  in 
der  Sache  noch  viel  deutlicher  sehen,  wenn  die  Gebäude 
des  ost-  und  weströmischen  Kaiserstaates  nach  dieser  Seite 


hin  genauer  geprüft  und  die  Geschichte  der  mathematischen 
und  mechanischen  Wissenschaften  jener  Zeit  genauer  durch- 
forscht worden  wäre.  Soviel  ist  gewiss,  class  die  grosse 
Bautbätigkeit  Justinian's.  die  sich  nicht  bloss  auf  Constanti- 
nopel beschränkte,  sondern  bis  zu  den  äussersten  Gränzen 
seines  Reiches  erstreckte,  unterstützt  wurde  durch  hervor- 
ragende erfindende  Geister  auf  dem  Gebiete  der  Mechanik, 
durch  Griechen  ihrer  Geburt  nach,  die  von  ihm  nach  Con- 
stantinopel berufen  wurden.  Wir  kennen  mehrere  solcher 
Männer,  den  Alexandriner  Proklos,  der  die  Schiffe  der  Gothen 
mittelst  Brennspiegeln,  wie  Tzetzes  beschreibt,  verbrannte, 
einen  anderen  Alexandriner  Xryses.  den  Justinian  bei  einem 
gefährlichen  Wasserbau  verwendete  (Prokop.  de  Aedif. 
II.  3)  und  vor  Allen  die  berühmten  Baumeister  der  heil. 
Sophia,  den  Trallianer  Antbemios  und  den  Isidoros  aus 
Milet.  Sie  werden  alle  nicht  Architekten,  sondern  Mecha- 
niker genannt  (jj.r,y^c-ot6c  ist  der  stehende  Ausdruck  der 
byzantinischen  Schriftsteller);  sie  sollten  an  das  Wunder- 
bare grunzende  Kunststücke  liefern;  dass  sie  Kunstwerke 
hervorgerufen  haben,  ist  ihr  eigenes  Verdienst.  Würde  das 
byzantinische  Kunst-  und  Völkerlehen  ein  aufblühendes  ge- 
wesen sein,  wie  es  in  jenen  Ländern  war,  wo  die  romanischen 
Dome  am  Rhein  im  XII.  Jahrhundert,  die  gothisehen  Monu- 
mente der  Rauschulen  Ludwig  des  Heiligen,  Philipp  August's 
und  der  grossen  deutschen  Städte,  eine  vorschreitende,  in 
die  Zukunft  blickende  Cultur  vertreten,  wo  an  dem  Dome 
zu  Pisa  und  Sta.  Maria  del  Fiore  in  Florenz  gearbeitet  wurde, 
so  würden  die  Männer  eine  neue  Ära  eröffnet  haben.  So 
aber  schliessen  sie  sich  an  ein  Culturleben  an,  das  nach  allen 
Seiten  hin  abschloss,  das  in  Aberglauben  und  unfruchtbaren 
Untersuchungen  den  philosophischen  Geist,  in  Prunksucht  den 
künstlerischen  begrub.  Das  grosse  Werk  des  Justinianischen 
Rechtsgelehrten  Tribonian  und  seiner  Genossen  ist  ein  ab- 
schliessendes gewesen;  im  .1.  529  sind  unter  Justinian  die 
letzten  Philosophen-Schulen  in  Athen  geschlossen,  und  der 
Simplicius,  Damascius,  [sidor  und  Hermias  wanderten  nach 
Persien  ;  die  Dichtkunst  beschränkt  sich  auf  das  Epigramm 
und  den  Panegyricus  und  geht  nur  langsam  „zum  quantitäts- 
losen Verse  mit  scharfer  Begränzung  des  Tones"  im  Princip 
der  modernen  Sprachbildung  über.  Im  Jahre  ,'i4I  unter  Ju- 
stinian schloss  das  römische  Consulat  nach  fast  tausendjäh- 
rigem Bestände. 

So  wie  auf  diesem  Gebiete  Alles  eine  abschliessende 
und  alternde  Zeit  venäth,  so  auch  auf  andern.  Gesunde 
Zeiten  erklären  das  Begreifliche  auf  natürlich-verständliche 
Weise,  das  ihnen  Unbegreifliche  durch  Mährchen  und  Mythen, 
kranke  umhüllen  und  verdunkeln  das  Begreifliche  durch  Mähr- 
chen,  und  das  Poetische  und  Wunderbare  durch  frostige 
Deductionen  des  Verstandes.  Nichts  muss  aber  einem  Archi- 
tekten klarer,  deutlicher  und  begreiflicher  vor  der  Seele 
liegen,  als  das  Constructive.  Mechanische,  wie  die  byzanti- 
nischen Schriftsteller  sagen  würden  .  aber  nichts  ist  in  den 
byzantinischen  Schriftstellern    der   Justinianischen  Zeit  so 

in* 


t  z 


umhüllt  und  verdunkelt ,  ;i I s  eben  dieses.  Die  Bauten  des 
Chryses  zur  Eindämmung  des  Euphrat  bei  Daums  erhielten 
durch  ein  wunderbar  übereinstimmendes  Traumgesichl  Justi- 
nian's  und  des  Architekten  ihre  Lösung;  der  Steinbruch  zur 
Herstellung  von  Säulen  am  Tempelbau  in  Jerusalem  wurde 
auf  nicht  weniger  natürliche  Weise  geoffenbart;  ebenso 
wurde  der  mangelnde  Verstand  des  Anthemios  und  lsiduros 
bei  Anordnung  der  Bögen  durch  den  inspirirten  Geist  des 
Imperators  ergänzt. 

Diese Thatsachen  dürften  nicht  bloss  hinreichen,  um  den 
Gegensat/,  des  Entwicklungsganges  der  späteren  Gultur  der 
romanisch-germanischen  Völker,  aus  denen  der  romanische 
Haustyl  entsprungen  ist,  in  Vergleichung  mit  den  byzantini- 
schen zu  erklären,  sondern  auch  zwei  Erscheinungen  innerhalb 
des  Gebietes  der  byzantinischen  Architektur,  ihren  abschlies- 
senden Charakter  einerseits,  und  ihren  stationären  Charak- 
ter andererseits  zu  verdeutlichen. 

Den  Höhepunkt  der  byzantinisch- justinianischen  Ar- 
chitektur bildet,  wie  gesagt,  der  Kuppelbau.  Während  der 
achtunddreissigjährigen  Regierung  Justinian's  wurde  er  in 
einer  Reihe  von  Hauten  ausgebildet.  Den  Mittelpunkt  aller 
Hauten  repräsentirt  die  Hagia  Sophia  (Fig.  I  ).  Der  Constan- 


Jp*L 


Kig.  I.  Grundriss  <I<t  Hagia  So|>lii;t  in  Conslantinopel. 

tinische  Hau  ging  im  Nikaaufruhr  i>;52  zu  Grunde.  Noch  in 
demselben  Jahre  begann  der  Neubau,  am  2t>.  Dec.  .'>;>7  schon 
wurde  dieser  eingefl  eiht.  Anthemios  von  Tralles  und  Isidoros 
von  Mild  wurde  zu  diesem  Haue  berufen.  Anthemios  genoss 
des  Hufes  nicht  bloss  des  einsichtsvollsten  Mechanikers  seiner 
Zeit,  sondern  auch  aller  vorhergegangenen;  er  stand  dem 
Haue  und  der  malerischen  Ausschmückung  desselben  vor, 
wies  den  Bauenden  ihre  Arbeiten  zu.  Ihm  zur  Seite  stand 
Isidoros,  ein  anderer  in  seiner  Zeit  berühmter  Mechaniker  ')- 


l)  in  welchem  Verhältnisse  wir  uns  beide  Künstler  zu  denken  haben,  wird 
wohl  u'',l-''mim  artig  nicht  mehr  festzustellen  sein.  Kugl  e  r  w  irfl  die 
ob  wir  uns  nie  hl  etwa  Isidoros  um- In-  füi  den  künstlerisch  decoi 
Theil  der  .\rbeil  berufen  denken  sollen.  Ich  würde  »li.  ^<-  Frage  mit  Rück- 
sicht  auf  die  Worte  <!<■*  Prokopius  verneinend  beantworten.  über  die 
Sophienkirche  habcu  wir  vortreffliches  Material  in  Salzenberg's  ausge- 
zeichnetem Werke,  das  schon  verarbeite!  in  Kugler'a Geschichte  dei  Bau 


In  wie  glänzender  Weise  diese  Architekten  ihre  Aufgabe 
gelöst  hahen.  ist  gegenwärtig  Niemanden  verborgen.  Ihr  Werk 
blieb  für  den  ganzen  Orient  ein  Prototyp,  bis  auf  unsere 
Tage.  -  -  Das  Charakteristische  der  byzantinischen  Hauschule 
ist  das  Kuppelgewölbe  über  einem  quadratischen  Räume, 

getragen  von  vier  grossen  Tragbögen  und  Tonnengewölben  '). 
Der  Kirchenbau  unter  Justinian  beschränkte  sich  theils 
auf  diesen  Kuppelhau.  theils  auf  den  älteren  Basilikenbau. 
Doch  liegen  auch  Versuche  vor,  den  Langhau  der  Basilica 
mit  dem  Kuppelbau  zu  vereinen,  wie  aus  der  Beschreibung 
der  Apostelkirche  bei  Prokop  (a.  a.  0.  I.  4)  deutlieh  erhellt : 
alle  Hauten  aber  bewegen  sich  in  den  Formen  der  spät-römi- 
schen  Architektur,  in  Motiven,  entnommen  der  antiken 
Kunst.  Das  Kreuzgewölbe  kömmt  nur  in  späteren  Hauten  und 
untergeordneten  Räumen  vor,  der  Glockenthurm  gar  nicht. 
Wie  auch  die  spätere  byzantinische  Architektur  sich  immer 
verändert,  —  die  Veränderungen  beziehen  sich  nur  auf  die 
Anordnung  kleinerer  Kuppeln  über  den  Narthex,  die  constante 
Anwendung  eines  Tambours  unterhalb  der  Kuppel  und  eines 
grossem  Schmuckes  des  gesammten  Aussenbaues,  der  bei 
den  justinianischen  Hauten  ziemlich  nackt  erscheint  —  über 
diese  Linie  geht  sie  nie  hinaus,  und  diese  Linie  ist  die 
Scheidelinie  zwischen  der  romanischen  und  byzantinischen 
Kunst.  Während  jene  mit  jedem  Schritt  sich  von  den  römi- 
schen Reminiscenzen,  an  die  sie  sich  anlehnt,  lossagt,  klebt 
dieser  in  jedem  architektonischen  Gliede  die  Antike  an,  seihst 
dort,  wo  sie  sich  am  freiesten  bewegt.  DasGebälke  ist  durch- 
wegs eine  Nachahmung  des  spät-römischen,  und  zeigt  deut- 
lich Spuren  des  Verfalles  in  der  Proportion  und  der  Profi- 
lirung  der  Glieder;  die  Säulenordnung  lehnt  sich  an  die 
römische  und  korinthische  an;  das  jonische  Capital,  wo  es 
vorkömmt,  —  wir  geben  hier  als  Beispiel  (Fig.  2)  eines  der 


' 


knnvi  i.  s.  Vl'l.  in  Lübke'a  Geschichte  der  Architektur  (S.  liS)  e m 

grösseren  Publicum  vorl 
1 1  Salzenberg  charakterisirt  den  früheren  Kuppelbau  8.  b*  des  angeführ- 
ten Werkes  in  i'-L' ler  Weise:  ..an-  Anordnung  der  byzantinischen  Kup- 

pelkirchen,  welche  sich  uns  den  justinianischen  Bauten  entwickell  bat, 
und  bis  in  die  späteren  Zeilen  des  Mittelalters  allenthalben  als  feststehende 


—  73 


Capitäle  der  Marcuskirche,  das  entschiedene  Verwandtschaft 
mit  den  Capitälen  der  Kirche  der  hh.  Sergius  und  Bacchus 
aus  der  ersten  Zeit  Justinian's  hat  —  zeigt  nicht  minder  die 
styllose  Auflassung  als  die  Art  und  Weise,  wie  die  Akanthus- 
hlätter  in  den  korinthisirenden  Capitälen  behandelt  sind. 
Auch  das  Würfelcapitäl,  das  am  frühesten  in  der  Cisterne 
des  Philoxenos  aus  dem  IV.  Jahrhundert  in  der  h.  Sophia 
(z.  B.  den  Fenstern  des  Gynäceums)  und  in  der  h.  Theotokos, 
im  Ganzen  aber  nur  vereinzelt  vorkömmt,  hat  in  seinen 
Ornamenten  den  Rhythmus  und  die  Motive  der  Antike.  Am 
schönsten  zeigt  sieb  die  byzantinische  Capitälbildung  sicher 
in  jenen  die,  weder  korinthisirend  noch  sonst  eine  bestimmte 
antike  Capitälform  nachbildend,  das  Blatt-,  Band-  oder  Würfel- 
ornament in  gemessener ,  von  antikem  Geiste  durchhauch- 
ter  Form  frei  behandeln,  oder  das  Thierornament  mit  in 
das  Bereich  der  Capitälbildung  ziehen ,  wie  im  s.  g.  Korb- 
capitäl.  Doch  kommen  Capitälformen  der  Art  seltener  in 
Constantinopel  als  in  Ravenna  und  Venedig  vor. 

Der  Verfall  des  künstlerischen  Geistes  in  den  Bauhand- 
werken Constantinopels  bei  grosser  technischer  Fertigkeit 
wird  durch  das  Sinken  der  Cultur  im  Ganzen,  die  Schnellig- 
keit der  Arbeit  und  die  Prunksucht  erklärt,  die  in  den  Bauten 
vorherrschte.  Man  wollte  mehr  blenden,  als  durch  Geschmack 
den  Sinn  und  den  Geist  läutern.  Alle  Beschreibungen  die 
wir  von  Bauten  aus  diesen  Zeiten  haben,  und  wir  meinen 
nicht  bloss  die  versicirten  des  Silentiarius  Paulus ,  stimmen 
in  diesem  Punkte  üherein.  Bei  allen  Beschreibungen  handelt 
es  sich  vorzugsweise  um  den  Glanz ,  den  die  Ornamente 
verbreiteten,  „dass  die  ganze  Kirche  wie  mit  Schnee  über- 
gössen scheine"  —  „nicht  von  aussen  erleuchte  der  Sonne 
Licht  das  Gebäude,  sondern  innen  erzeuge  sich  der  Glanz  — 
wo  das  Gold  den  Marmor,  mit  seinem  Glänze  wetteifernd, 
besiegt".  Ahnliche  Bemerkungen  linden  wir  bei  der  Beschrei- 
bung jedes  grössern  Gebäudes.  Sie  werden  bestätigt  durch 
die  Illustrationen,  insbesondere  die  Mosaikbilder  in  Salzen- 
berg's  Werk.  Diese  stehen  entschieden  im  Ornamentalen 
wie  im  Figuralischen  hinter  den  ältesten  Mosaikbildern  des 
christlichen  Rom  in  S.  Cosma  e  Damiano  u.  a.  in.  und  hinter 
den  Mosaiken  in  Ravenna,  in  S.  Vitale,  S.  Nazareo  und  Celso 
zurück.  Die  Zeit  nach  Justinian,  die  Zeit  der  Ikonnklasten, 
war  der  Kunst  nicht  förderlich;   unter  den  Macedoniern  im 


Norm  angetroffen  wird,  ist  etwa  folgende:  Man  denke  sieh  eine  Kreuz- 
kirche, die  Kreuzarme  mit  Tonnengewölben  überdeckt,  über  der  Kreuzung 
eine  hohe  Kuppel  mit  Tamburin  errichtet,  und  dieses  (ianze  innerhalb 
eines  quadratischen  Grundplanes,  dessen  vier  Eckräume,  in  den  Winkeln 
der  Kreuzarme  niedriger  als  diese,  mit  Kugelkappen  überdeckt  sind,  so 
hat  man  den  Hauptbau  des  Schiffes.  Der  östliche  Kreuzarm  isl  gewöhnlich 
für  das  Bema  verlängert,  und  sehliesst  mit  der  Hauptapsis  ;  die  beiden 
Eokräume  nach  Osten  sind  dem  entsprechend  ebenfalls  verlängert,  mit  den 
Nehen-Apsiden  schliessend.  An  der  Westseite  sehliesst  der  einfache  oder 
doppelte  Narthex,  längs  der  Breite  der  Kirche  sich  erstreckend.  Uas  Ganze 
hat  also  einen  oblongen  Grundplan ,  aus  welchem  gegen  Osten  die  drei 
Apsiden  vorspringen,  und  in  welchem  das  Schill'  als  Kreuz  gezeichnet  ist ; 
bei  kleineren  Kirchen  ist  auch  wohl  die  östliche  Verlängerung  wegge- 
lassen und  die  drei  Apsiden  schliessen  sich  unmittelbar  dem  quadratischen 
Grundplan  an,  der  nur  nach  Westen  durch  den  Narthex  verlängert  wird." 


IX.  Jahrhundert,  unter  den  Komnenen  im  XI.  Jahrhundert 
nahm  die  Kunst  einen  neuen  Anlauf,  aber  sie  bewegte  sich 
mit  den  angedeuteten  Änderungen  in  den  Gränzen,  die  ihr 
durch  Justinian  vorgezeichnet  waren.  Wir  sehen  diess  aus 
den  Kuppelkirchen  des  h. Theotokos  aus  dem IX.  Jahrhundert 
und  des  h.  Pantokrator  aus  der  ersten  Hälfte  des  XII.  Jahr- 
hunderts. Stehen  die  Bauten  Justinian's  auf  jener  geistigen 
Richtung,  die  in  Rum  und  Italien  herrschte,  überllügelte 
sie  diese  in  ihren  kühnen  Constructionen,  so  war  dagegen  die 
Kunst  des  Abendlandes  im  XII.  Jahrhundert  schon  eine  neue 
Welt  geworden,  die  mit  der  gleichzeitig  byzantinischen  am 
Festlande  fast  keine,  an  Küstenstrichen  nur  geringe  Ver- 
knüpfungspunkte halte.  In  desto  engerer  Verbindung  stand 
im  VI.  Jahrhundert  Italien  und  Byzanz. 

Ein  anderer  Mittelpunkt  für  byzantinische  Kunst  wurde 
in  Ravenna  geschaffen.  Seit  540  ist  Ravenna  der  Sitz  des 
byzantinischen  Exarchen,  seit  553  stand  Rom  unter  der 
Oberherrschaft  der  byzantinischen  Kaiser.  Rom  selbst  gibt 
nur  geringe  Anhaltspunkte  für  den  Einfluss  der  byzanti- 
nischen Architektur.  Nicht  ein  einziger  Kuppelbau  ist  in 
Rom  nachzuweisen,  der  byzantinischen  Einfluss  zeigte,  nur 
sehr  unsicher  sind  die  Anhaltspunkte,  welche  die  Bauweise 
der  Basiliken  S.  Agnese  und  S.  Lorenz»  fuori  le  mura, 
S.  Maria  und  Cosmedin,  S.  demente  und  S.  Prassede  und  der 
Rundbau  S.  Stefano  rotondo  zeigen;  —  deutlicher  sind  die 
Spuren  in  dem  ornamentalen  Theile,  vorzüglich  im  Mosaik 
nachzuweisen.  Rom  kehrte  nach  dem  Verschwinden  der 
byzantinischen  Oberherrschaft  zu  seinen  traditionellen 
Formen  zurück,  für  die  es  im  Basilikenbau  wie  im  Rundbau 
(S.  Constanza  und  S.  Giovanni  in  tonte)  genügende 
Vorbilder  hatte.  Die  vorherrschende  Bauweise  in  ganz 
Italien  blieb  die  Basilika  für  Kirchen,  der  einheimische 
Rundbau  für  Baptisterien.  Die  Blicke  des  Freundes  byzanti- 
nischer Kunst  wenden  sich  nach  Ravenna,  das  seit  dem 
J.  404  bis  zur  Herrschaft  der  Longobarden  der  Schwer- 
punkt Italiens  wurde. 

Die  Geschichte  Italiens  im  V.  Jahrhundert  ist  bekannt; 
sie  war  der  Kunst  nicht  günstig;  es  war  ein  Zerstören  aller 
Verbältnisse.  Erst  am  Schlüsse  des  Jahrhunderts  legte  der 
grosse  Ostgothe  Theodorich  den  Grundstein  zu  einem  Neubau. 
Die  barbarischen  Völker  des  Nordens,  die  vor  Ruins  Mauern 
erschienen,  brachten  nur  das  Gelüste  des  Plünderns;  wo  sie 
sich  festsetzten,  lehnten  sie  sich  an  die  einheimischen  Bau- 
verhältnisse an,  die  Ostgothen  in  Ravenna.  wie  später  die 
Longobarden  in  Oberitalien  oder  die  Franken  in  Gallien.  Je 
schwächer  aber  Rom  wurde,  desto  mehr  stärkte  sieh  Ra- 
venna, und  mit  und  in  Ravenna  der  Einfluss  von  Byzanz.  In 
der  Zeit  vor  Theodorich  dem  Grossen  glänzt  der  Name  der 
Galla  Placidia,  der  Tochter  Theodosius  des  Grossen.  Sie 
fand  mehrere  Bauten  aus  der  ersten  Hälfte  des  V.  Jahrhun- 
derts vor,  Basiliken  und  Baptisterien.  Von  ihr  stammen  die 
Basiliken  des  h.  Johannes  und  S.  Crucis  und  das  Monaste- 
riuni  S.  Nazarii  et  Celsi,  die  Grahkirche  der  Galla  Placidia 


74   — 


(gestorben  450).  Sämmtliche  Bauten  zeigen  eine  freiere 
Behandlung  der  Formen  und  ein  reineres  Stylgefühl,  als  es 
gleichzeitig  in  Rom  und  Constantinopel  gewesen  ist.  Im 
Planschema  sind  das  Baptisterium  S.  Giovanni  in  fönte  und 
besonders  die  Grabkirche  eigenthümlich,  in  den  Formen  ent- 
wickeln sich  byzantinische  Kiemente  mit  neuen,  ein  klares 
künstlerisches  Ben  usstsein  rnanifestirende  Formen.  Für  diese 
sprechen  die  corisequente  Anwendung  des  Rundbogens  über 
Pfeiler  oder  Säulen,  die  hewusste  Anwendung  der  Kreuzes- 
form,  die  einheitliche  Durchführung  des  Säulensystems  u.s.f. 
Dass  dieser  Aufschwung  unter  der  Regierung  Theo- 
dorich  des  Grossen  (493 — 526)  fortdauerte,  ist  begreiflich. 
l>as  ganze  Thun  Theodorich's  zeigt  von  klarem  und  bewuss- 
tem  Streben  und  von  einer  reineren  Vorstellung  über  die 
Bedeutung  und  das  Wesen  der  Kunst,  als  wir  sie  vor  ihm 
bei  Constantin  dem  Grossen  und  nach  ihm  bei  Justinian 
tinilen.  Seine  Edicte  und  die  Briefe  Cassiodor's  sind  ein 
schönes  Denkmal  der  Gesinnungsweise  Theodorich's.  Ich 
hebe  hier  nur  einige  wenige  Stellen  aus  den  Briefen  hervor, 
die  mir  gerade  in  einem  der  Erhaltung  der  Baudenkmale 
gcu  idmeten  Blatte  am  Platze  zu  sein  scheinen,  und  in  weiten 
Kreisen  bekannt  zu  werden  verdienen.  In  einem  Schreiben 
Theodorich's  an  den  Senator  Sabinianu.s  lesen  wir  folgende 
Stelle  :  „Nil  prodest  initiarei  solidare,  si  valebit  praesumptio, 
ordinata  destruere.  lila  enim  rebusta,  illa  diuturna,  quae 
prudentia  incipit  et  cura  custodit.  Atque  ideo  non  minor  in 
conservandis  rebus  quam  in  inveniendis  adhi- 
benda  cautela  est",  und  in  einem  anderen  Briefe  heisst 
es:  „haec nostra sunt oblectamenta,  potentiae  imperii  decora 
faeies,  testimonium  praeconiale  regnorum,  haec  legatis  sub 
admiratione  monstrantur  et  prima  fronte  talis  dominus  esse 
creditur,  quäle  ejus  habitaculum  comprobatur."  Diese 
Worte  sind  wie  die  Monumente,  inhesondere  die  Grahkirche 
Theodorich's  (die  heutige  Kirche  Santa  Maria  rotonda),  ein 
laut  redendes  Zeugniss  seines  Strehens.  Ist  letzteres 
Gebäude  nicht  so  sehr  nach  römischem  Vorbilde,  als  im  Geiste 
römischer  Bauweise,  so  ist  doch  die  Regung  eines  selbst- 
ständigen Kunstgeistes  darin  so  deutlich  wahrzunehmen,  dass 
Quast,  Sehn  aase  und  Kugler  einstimmig  darin  die 
ersten  liegungen  germanischen  Einflusses  erblicken.  Wir 
heben  diess  insbesondere  heraus,  weil  es  diese  Bauten  und 
San  Vitale,  von  dem  wir  sogleich  sprechen  werden,  vorzugs- 
weisesind, dieauf  die  Rheinbauten  Karl's  des  Grossen  Einfluss 
nahmen.  Ungleich  wichtiger  noch  als  die  Bauten  Theodo- 
rich's sind  für  uns  die  Bauten  der  unmittelbar  darauffolgen- 
den Zeit,  die  prachtvollen  Werke  der  katholischen  Kirche  in 
Ravenna,  deren  Beginn  theilweise  noch  in  die  Zeil  des  duld- 
samen arianischen  Ostgothen  hineinfällt,  die  aber  grössten- 
teils durch  die  Frömmigkeit  des  reichen  Geldwechslers 
Julianus  zur  Ausführung  kamen.  Unter  letzteren  Bauten 
nimmt  der  Kuppelbau  San  Vitale  und  der  Basilikenbau  San 
Apollinare  in  ('lasse  am  meisten  unsere  Aufmerksamkeit  in 
Anspruch;  lezteres  Gebäude  bal  unter  allen  byzantinisirenden 


Basiliken  Italiens  die  meiste  harmonische  Anordnung  des  Or- 
namentes und  eine  sehr  schöne  Auflösung  der  Capitäle  mit 
dem  viereckigen  Kämpfer,  der  schon  in  den  ravennatischen 
Bauten  des  vorausgegangenen  Jahrhunderts  vorkömmt  und  mit 
Bewusstsein  und  Verstand  in  den  gesammten  Kirchenbauten 
Ravenna's angewendet  wurde. Wir theilenunserenLesern  nach 
Quast  ein  solches  Capital  (Fig.  3)  mit  dem  ravennatischen 


Kämpfer  mit,  das  besser  als  Worte  die  freie  Auffassung 
des  Ornamentes  und  die  Verbindung  des  Kämpfers  deutlich 
machen  wird.  Von  grosser  Bedeutung  ist  die  Kuppelkirchc 
S.  Vitale  (Fig.  4).  Um  ihre  Bedeutung  vollkommen  einzusehen, 


■^\ 


Fig.  V-  Grundrifi  Jon  S«n  Vital«  in  Rmooi, 


muss  man  sich  gewisse  Thatsachen  vergegenwärtigen.  Trotz- 
dem dass  die  bedeutendsten  Männer  über  diesen  Gegenstand 
schon  geschrieben  haben,  ist  die  Ansieht  populär  und  vor- 
herrschend, dass  der  Kuppelbau  gewissermassen  ersi  durch 
die  Hagia  Sophia  entdeckt  wurde.  Mehls  ist  falscher  und 
unrichtiger.  Der  Bau  der  Kirche  San  Vitale  begann  mit  dem 
Jahre  526,  der  Bau  der  Hagia  Sophia  im  Jahre  832.  Die 
Kirche  San  Vitale  wurde  daher  sechs  Jahre  früher  begonnen 
als  die  Sophienkirche  in  Constantinopel;  von  einer  Nachbil- 
dung kann  also  keine  Heile  sein.  Auch  die  Anordnung  des 
Gr Irisses  und  des  Narthe^  ist  eine  ganz  andere.  Der  Kuppel- 
bau der  Sophienkirche  erhebt  sich  über  einer  viereckigen 


I  > 


Grundlage,  jener  der  Kirche  S.  Vitale  ist  achteckig  mit  ausge- 
sprochener Form  des  Achteckes  auch  nach  aussen.  Der 
Narthex  der  Sophienkirche  verlängert  den  viereckigen  Grund- 
raum, der  Narthex  der  Kirche  S.  Vitale,  die  Ardica  genannt, 
hat  eine  selbstständige,  von  allen  anderen  Bauten  abweichende 
Form;  ebenso  abweichend  ist  das  ganze  System  der  Pfeiler 
im  Innern  und  Äussern  und  der  Emporen  im  Innern  selbst.  In 
jeder  dieser  Kirchen  ist  eine  eigenthüniliche  Kunstschöpfung 
niedergelegt ,  wenngleich  ausgehend  von  gemeinsamer 
byzantinischer  Grundlage.  Die  Vorbilder  für  beide  Kirchen- 
bauten lagen,  theilweise  wenigstens,  in  den  schon  vorjusti- 
nianischen Kuppelbauten,  den  zahlreichen  Baptisterien  ;  für 
San  Vitale  ist  vielleicht  der  um  zwei  Jahrhunderte  ältere 
achteckige  Bau  in  Antiochia,  den  wir  nur  aus  einer  Beschrei- 
bung des  Eusebius  kennen,  ein  Vorbild  gewesen.  Die  So- 
phienkirche wirkte  nach  dem  ganzen  Osten,  die  Kirche  San 
Vitale  nach  dem  Westen  ;  man  braucht  nur  einen  Blick  zu 
werfen  auf  den  Grundplan  von  S.  Vitale,  den  allerdings  sehr 
bestrittenen  von  S.  Ambrogio  in  Mailand  und  den  der  carolin- 
gischen  Bauten  zu  Aachen  (Fig.  5),  Essen  und  Otmarsheim, 


Fig.  5.   Der  earoliugische  Theil  <1es  Münsters  zu  Aachen. 

um  die  innere  Verwandtschaft  dieser  Bauten  und  den  Gegen- 
satz zu  den  Constantinopolitanischen  (der  heiligen  Sophia, 
hb.  Sergios  und  Bacchos ,  der  h.  Theotokos,  des  h.  Panto- 
krator,  den  bekannten  griechischen)  zu  entdecken.  Dem 
Occidente  empfahlen  sich  die  raveunatischen  Ziegelbauten 
durch  die  intelligente  und  klare  Anordnung  des  Plan- 
schemas und  des  Pfeilersystemes. 

Mit  dem  Verfalle  Bavenna's  tritt  auf  italienischem  Boden 
ein  Stillstand,  theilweise  ein  Erlöschen  der  byzantinisch- 
ravennatischen  Kunsttraditionen  ein,  während  sie  am  Bheine 
beinahe  vierhundert  Jahre  später  einer  der  Anknüpfungs- 
punkte der  neuen  Kunstbestrebungen  wurden.  Die  Geschichte 
Italiens  vom  VI.  bis  IX.  Jahrhundert  erklärt  wohl  deutlich 
diese  Erscheinung.  Occident  und  Orient  schieden  sich  in 
geistiger  Beziehung  immer  mehr  und  mehr;  griechische 
Studien  verfielen  in  Italien  wie  in  Gallien  und  erhielten  sich 
nur  mühsam  in  einzelnen  Klöstern,  neue  germanische  Völker- 
stämme, insbesondere  die  Longobarden,  brachten  eine  innere 


Veränderung  in  dem  Grundstocke  der  Bevölkerung  Italiens 
hervor.  Trotzdem  wird  Jeder,  der  nur  einmal  die  wenig 
besuchten  Küsten  des  adriatischen  Meeres  durchwandert  und 
aufmerksam  die  Bauformen  älterer  Gebäude,  die  vorhandenen 
Capitäle  und  dergleichen  geprüft  hat,  zu  der  Überzeugung 
kommen,  dass  der  Einfluss  von  Bavenna  auf  die  ganzen  Küsten- 
städte des  adriatischen  Meeres  ein  bedeutenderer  gewesen, 
als  man  aus  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Forschung  ver- 
muthen  könnte. 

Ein  halbes  Jahrtausend  nach  dem  Baut'  der  h.  Sophia 
und  S.  Vitale  ersteht  in  der  Lagunenstadt  des  adriatischen 
Meeres  ein  neuer  Bau,  ein  Wunder  der  Welt  wie  die  heil. 
Sophia  an  Pracht  und  an  Grösse,  als  der  letzte  byzantinische 
Bau  im  katholischen  Abendlande,  und  zugleich  ein  Zeugniss 
der  Bautraditionen,  wie  sie  sich  aus  jenen  Zeiten  noch  erhalten 
haben.  Der  Bau  von  San  Marco  in  Venedig  steht  aber 
nicht  vereinzelt  an  den  Küsten  des  adriatischen  Meeres.  Die 
Fragmente,  die  wir  an  S.  Marco  selbst  sehen,  führen  uns  in 
eine  Beihe  von  Städten  an  der  Küste  des  adriatischen  Meeres, 
nach  Altinum,  Torcello,  Grado,  Aquileja,  Pola  und  anderen 
Orten,  denen  diese  Überreste  entnommen  sind.  Würde 
eine  Geschichte  der  Marcuskirche  an  der  Hand  dieser  Werke 
geschrieben  worden  sein,  so  würde  der  Streit,  der  unter 
venetianischen Schriftstellern  lange  dauerte,  und  gegenwär- 
tig noch  nicht  zu  einem  der  Wissenschaft  genügenden  Ab- 
schluss  gekommen  ist,  eine  andere  Wendung  genommen, 
und  die  Frage  von  weniger  Gewicht  sein,  wie  viel  und  wie 
oft  Musaicisten  aus  Constantinopel  nach  der  Lagunenstadt 
berufen  wurden  J).  Soviel  steht  fest,  dass  dieser  Hau  einen 
speeifisch  byzantinischen  Charakter  an  sich  trägt  und  diesen 
Charakter  im  Ornament  wie  in  dem  construetiven  Theile 
ausspricht.   Wir  geben  hier  (Fig.  tj)  als  Beispiel  eines  der 


1 1  Die  besten  Anhaltspunkte  finden  si«'!i  gegenwärtig  in  s  e 1  \  atico's  »Sto- 
ria  della  Scultura  ei  Architettura  in  Venelia"  Venezia  ls-47.  S.  3:\:  Conte 
Cicognara's  „Storia  della  Scultura*  Prato  ls'24.  Vol.  VII,  S.  43— 78, 
tnttl  für  den  Reisenden  in  dem  „Guida  <!i  Venezia"  von  s  i'  l  \  atico  und 
Lazarri,  Venezia  1852.  Ersterera  Werke  sind  die  beiden  renetianischen 
Capitäle  entnommen. 


76 


byzantinischen  Capitäie  vom  der  Fagade  der  Marcuskirche, 
das  zugleich  die  früher  ausgesprochene  Ansicht  von  der 
freieren  Entwickelung  der  Capitälform  des  byzantinischen 

Styles  und  den  Gegensatz  zu  der  Behandlung  des  Ornamentes 
des  romanischen  Styles.  von  dem  wir  demnächst  sprechen 
«erden,  belegen  soll.  Alier  trotzdem  ist  S.  Marco  weder 
eine  Nachahmung  von  S.  Vitale  noch  der  h.  Sophia;  S.  Maren, 
(Fig.    7)   mit   einein    griechischen    Kreuze,    mit  Abseiten, 


Fi£.  7.  Grundrisa  \ , m  San  .Marco  in  Venedig. 

ohne  Emporen  im  Grundplane,  mit  den  fünf  Flachkuppeln  ') 
über  den  einzelnen  Kreuzesarmen  und  ihrer  Mitte,  repräsen- 
tirt  einen  ganz  anderen  architektonischen  Gedanken  und 
weiset  eher  auf  irgend  ein  Vorbild  im  eigentlichen  Griechen- 
land als  in  Constantinopel  oder  Ravenna.  Noch  gegenwärtig 
erinnert  S.  Fosca  (ein  Bau  aus  dem  XI.  Jahrhundert)  auf 
Toreello  an  die  kleinen  Kirchen  des  h.  Philipp,  Theodor  und 
anderer  in  Athen;  noch  existiren  sehr  kleine  griechische 
Kirchen  älterer  Zeit  in  freilieh  sehr  verkümmerter  Form  in 
den  Küstenländern  des  adriatischen  Meeres  und  Kuppelbauten 
in  Serbien  (angeblich  aus  dem  XIII.  .Jahrhundert),  die  uns 
erlauben,  auf  die  Bedeutung  und  den  Umfang  byzantinischer 
Bauformen  in  jener  Zeit  schliessen  zu  können.  In  Venedig 
seihst  fand  der  byzantinische  Kuppelbau  nur  wenig  Nach- 
ahmung -)  (als  äjtestes  Denkmal  wirdS.  Giacometto  di  Bialto 


'i  Die  Kuppeln  von  s  Marco  wurden  im  lussern  sehr  wenig wahrgei en 

werden,  wenn  sich  nicht  über  den  flachen  Kuppeln  hölzerne  mil  Blei 
überzogene  Kuppeldächer  erheben  würden,  die  durch  ihre  architektoni- 
schen Linien  eine  ganz  andere  Kuppelconstructi erwarten  Hessen,  als 

man  sie  im  Innern  wahrnimmt.  Siehe  über  die  [ranze  Parallele  Quast,  a. 
1   29,  dem  wir  auch  bei  ,1+t  i  liarakteristia  Ravenna's  gefolgt  sind. 

*)  Destomehr  findel   man  I: Ibauten  und   Baptisterien  im   österreichischen 

Italien  und  den  österreichischen  Küstenländern  <l<-s  adriatischen   Meeres. 

Ich  führe  einige  deren  auf.  um  die  Aufmerksanikeil   auf  diese  Monu nte 

zu  lenken,  die  leichl  der  Zerstörung   Preis  gegeben  sind,  und  an  denen 

Österreich  einen  grossen  sd.ni/.  besitzt.    Us  Baptisterium  ist  m  nei n 

on  Torcello  (1008),   Padua  (XII   Jahrhundert),  nach  Ginigen  * 

,1er  Mit; .'im mil.'  alte  Dom  von  Brescia,  das  vi  ia(1167),  Chiavenna, 

Aquileja  inline  Zweifel  das  älteste),  Triest,  Pirano  (das  von  Pola  wurde 
n.r  wenigen  Jahren  .1 ilirl),  Rovigno  (angeblich  aus  .lern  IX.  Jahr- 
hundert),   Parenzo,    Zara    (die  um  Trau  und  Sebenico    sind   ans   ,1er 

Renaissancezeit,  das  von  Spalato  ein  Hau   i eblich  dessen 

Mausoleum)  n.  a.  m.  —   als  Rund-  odei  Kuppelbau  San  Tomnsa  in  Limine 


aufgeführt),  ebenso  wenig  finden  sich  im  übrigen  Italien 
Nachahmungen.  Es  mögen  in  früheren  Zeiten  ähnliche 
Bauten  (z.  B.  die  Ahbazia  di  Corneto  in  Pola)  bestanden 
haben,  die  mit  S.  Marco  innige  Verwandtschaft  gehabt  zu 
haben  scheinen.  Desto  interessanter  sind  die  Kuppelbauten  in 
Frankreich  zwischen  der  Loire  und  Dordogue  (V  ern  e  i  1  h 
kennt  im  Departement  der  Dordogne  allein  zwölf);  die  be- 
rühmteste zu  Perigneux,  die  Kirche  des  heil.  Frontinus,  ist 
gebaut  zwischen  HTti  und  1047.  in  derselben  Zeit  als  im 
südlichen  Frankreich  sich  renetianische  Colonien  nieder- 
liessen;  die  Kuppelkirche  S.  Jean-de-C3te  in  Perigord  ist 
aus  der  zweiten  Hallte  des  XI.  Jahrhunderts  und  Sanet 
Astier  aus  der  ersten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts.  —  Die 
Marcuskirche,  von  der  Zeit  ihrer  Gründung  an  (um  980, 
vollendet  1071)  bis  zum  Falle  der  Republik,  als  l'rivat- 
capelle  des  Dogen  die  eigentliche  Staatskirche  Venedigs  — 
die  eigentliche  Dom-  und  Patriarchalkirche  war  bis  1807  die 
Kirche  S.  Pietro  die  Castello  —  ist  das  späteste  der  drei 
am  Anfange  dieses  Artikels  bezeichneten  Gebäude,  welche 
den  byzantinischen  Styl  in  einer  bedeutsamen  Weise  reprä- 
sentiren.  Im  Süden  Italiens.  Amalli,  Palermo.  Cefalu,  Salerno 
und  an  anderen  Orten  mehr,  war  der  arabische  Kintluss 
mächtiger  und  nachhaltiger  als  der  byzantinische  ')  ;  im  übri- 
gen Italien  hat  er  das  eonstruetive  Element  fast  gar  nicht 
und  das  decorative  wenig  berührt.  Der  erste  Schritt,  den 
Italien  zur  Regeneration  seiner  Kunst  im  XIII.  Jahrhunderte 
machte,    war  ein  Kampf  gegen   die  starren  unlebendigen 


bei  Bergamo  (aus  dem  IX.  Jahrhundert) ,  der  früher  erwähnte  Bau  ron 
San  Ambrogio  in  Mailand,  ein  oft  umgebauter,  vielfach  bestrittener  Hau 
l  von  Einigen  wird  er  als  ein  Überrest  emer  antiken  Therme  ange 
die  ehemalige  Kirche  S.  Donato  in  Zara  und  e.  m.  —  niese  Rund-  und 
Kuppelbauten  verdienton  sämmtUch  einer  tiefergehenden  Beachtung  (d.  h. 
ordentlicher  Aufnahmen  mit  Messungen,  nicht  Muss  ä  la  vue  in  AquareU- 
ninnier.  \\  ic  es  bei  vielen  nach  Italien  reisenden  Architekten  Mode  gewor- 
den ist),  da  der  Kuppelbau  auch  in  unseren  Tagen  seine  Berechtigung 

verlangt.  In  Wien  wurden  zwei  interessante  Kuppelbauten  unter nmen, 

von  dem  Architekten   Ih.  llansei Irsenal  und  J.Müller  in  der 

Altlerchenfelder  Kirche. 
1  i  lier  a rahische  Kintluss  auf  .lie  ^an/.e  byzantinische  Ornamentik 
ist  nicht  gering  anzuschlagen.  Diese  selbst  zeigt  drei  verschiedene 
Perioden.  In  der  ersten  isi  der  Einfluss  der  späteren  Intike  massgebend; 
ein  speci6sch  byzantinisches  Element  tritt  um  sehr  schwach  hervor.  Die 
zweite  für  die  Ornamentik  wichtigste  Periode  ist  iler  Hy/nntinisinus  seil 
der  Bauthäligkeil  Justinian's  und  dem  Eintritte  Ravenna's  in  .las  Kunst- 
leben.  In  dieser  Periode  langl  sieb  an  Orient  und  Occidenl  im  Byzan- 
tinischen zu  scheiden,  nie  Orientale  Richtung  nimmt  ihren  Weg  nach  der 

syrischen  Küste,  nach  Armenien ,   tbkhasien  und  gien,  und  kömmt 

nach  Russland,  wo  gleichzeitig  directo  Einflüsse  ron  Constantinopel  aus 
uii.l  tartarische  Einflüsse  vom  Osten  hei  auf  die  Kunstentwickelung  statt 
linden.  In  der  dritten  Periode  verlierl  ihr  Byzantinismus  im  Occidente 
seinen  specifiscben  Charakter,  er  leimt  si.-t.  in  Venedig,  Vmalii.  Sicilien 
u  a  oit.-n  an  ilas  Arabische  an  und  ainalgamirl  sich  mit  ihm  in  einer 
Reihe  von  Ornamenten,  die  mil  dem  Ausdrucke  arabisch  -  byzantinisch 
bezeichnet  werden,  oder  er  verbindet  sieb  mil  der  romanischen  Kunst 
ankreich,  im  deutseben  Reiche,  in  der  Normandie  u.  *.  i  i  und  wird 

v li.-ser  endlich  ganz  erdruckt.  Das  byzantinische  Ornamenl  hat  in  der 

letzten  Entwickelt!  iders  Bedeutung   für  die   kleineren  2 

der  Plastik  (kirchliche  Gelasse,  Schmuck  u.  s.  (.)  und  die  Gewander, 
sii. it. •  etc.  Dieses  zu  betrachten  lieg!  uns  hier  fern.  Es  genüge  diese 
Hindeutung. 


77  — 


Formen,  in  denen  sich  die  Malerei  und  Sculptur  seit  dem 
Verfalle  der  antiken  Kunsttraditionen  bewegten.  Es  ist 
bekannt,  dass  die  Vorkämpfer  der  besseren  Zeit,  die  Zeit- 
genossen Dantc's,  Cimabue,  Giotto  und  Nicolo  und  Giovanni 
Pisano  gewesen.  Die  Regeneration  der  Architektur  hingegen 
ging  grossentheils  vom  Norden  aus,  wo  die  antiken  Traditio- 
nen und  die  byzantinischen  Formen  einer  eigentümlichen 
Richtung  nicht  hemmend  in  den  Weg  traten,  und  in  den 
germanisch-romanischen  Stammen  sich  in  der  Architektur 
wie  in  der  Poesie  der  Fond  eigener  poetischer  und  künst- 
lerischer Lebensanschauimg  entwickelte. 

In  Gallien  und  am  Rheine  lehnte  sich  diese  neue  Kunst- 
entwickelung an  die  zahlreichen  vorhandenen  römischen 
Bautraditionen  und  Überreste  an,  und  nicht  unbedeutend  ist 
die  Zahl  der  Monumente,  die  diese  specifisch  römischen 
Bautraditionen  in  Frankreich  und  Deutschland  aus  den  Zeiten 
vor  Karl  den  Grossen  documentiren.  Wir  erinnern  an  den 
Trierer  Dom  und  die  Porta  nigra,  die  alte  Kathedrale  von 
Beauvais,  die  Kirchen  von  Savenieres  (Departement  Maine- 
et-Loire).  das  Baptisterium  St.  Jean  zu  Poitiers.  die  Bautä- 
tigkeit des  h.  Martin  zu  Tours  und  die  Bauten  des  Klosters 
Fontanellum  (St.  Wandrille  in  der  Normandie),  anderer 
Bauten  im  ganzen  W'esten  von  Europa  (Spanien  und  Irland) 
nicht  zu  gedenken.  Der  eigentlich  byzantinische  oder  deut- 
licher ravenuatische  Einfluss  auf  denNorden  beschrankt  sich 
auf  die  Bauten  Karl's  des  Grossen;  in  dem  transalpinen 
österreichischen  Kaiserstaate  würden,  wenn  mich  die  Nach- 
richten in  Hartvici  vita  Sti.  Stephani  nicht  tauschen,  der  alte 
Bau  der  Stuhlweissenburger  Kirche,   von  dem  gegenwärtig 


nur  sehr  schwache  Spuren  vorbanden  sind,  wenigstens  in 
seiner  glänzenden  Mosaikausstattung  auf  byzantinischen  Ein- 
fluss hinweisen.  Im  deutschen  Norden  ist  die  im  Jahre  172'2 
zerstörte  Marienkirche  auf  dem  Harlungerberge  bei  Bran- 
denburg >)  mit  ihren  Flachkuppeln  und  ihrer  quadraten 
Grundlage  ein  vereinzelt  stehendes  Beispiel  byzantinischen 
Einflusses. 

Karl  der  Grosse,  mit  dein  sich  die  antik-christliche 
Welt  von  der  mittelalterlichen  entschieden  scheidet,  war 
es,  der  angeregt  von  den  Bauten  Italiens  „Meister  und 
Werkleute  dieser  Art  aus  allen  Ländern  diesseits  des  Meeres" 
(ex  omnibus  regionibus  cismarimis ,  wie  der  Mönch  von 
St.  Gallen  sagt)  d.  h.  vorzugsweise  aus  Italien  —  an  Grie- 
chenland oder  Constantinopel  ist,  wie  Schnaase  trefflich 
nachweist,  nicht  zu  denken  —  kommen  liess,  und  in  Aachen 
„in  seinem  Vaterlande  eine  Kirche  zu  bauen,  nach  eigenem 
Plane,  herrlicher  als  die  alten  Werke  der  Römer." 
Säulen  und  Marmor  für  die  Kirche  wurden,  so  erzählt  unsEin- 
hard,  aus  „Born  und  Ravenna"  entnommen.  Nicht  mitSalomon 
wetteiferte  er,  wie  Justinian  in  seinen  Bauten,  sondern  wie 
der  grosse  Theodorich  mit  dem  „ewigen  Rom",  als  ein 
grösserer  Genius  als  beide,  mit  grösseren  Erfolgen. 
Justinian  schliesst  eine  alte  Welt,  Theodorich  klopft  an  die 
Pforte  einer  neuen,  Karl  der  Grosse  schliesst  diese  auf,  in 
Staat  und  Wissenschaft,  in  Poesie  und  Kunst.  Jeder  Schritt 
nach  ihm  ist  ein  Schritt  abseits  der  antiken  Traditionen .  ein 
Schritt  vorwärts  in  eine  neue  Kunstära!  —  Diese  neue 
Zeit  repräsentirt  in  de  r  A r c hi  t ek t  ur  d er  r o m a- 
nische  Styl. 


Über  Reliquienschreine. 

(Mit  einer  Tafel.) 
Von  Karl  Weiss. 


Der  Reliquien-Cultus  gehört  den  ältesten  Zeiten  der 
katholischen  Kirche  an:  er  ist  die  unmittelbare  Folge  der 
Lehre  von  der  Verehrung  der  Heiligen.  Schon  in  den  Mär- 
tyreracten  des  Polykarp  wird  berichtet,  dass  die  Gläubigen 
dessen  Gebeine  gesammelt,  sie  höher  schätzend  „als  Gold 
und  die  kostbarsten  Edelsteine",  sorgfältig  aufbewahrt  und 
an  dem  Orte  der  Aufbewahrung  die  Gedächtnissfeier  seines 
Todes  in  heiliger  Freude  gefeiert  haben.  Eusebius  berich- 
tet, dass  die  Heiden  zur  Zeit  der  diocletianischen  Verfolgung 
die  Überreste  der  Märtyrer  ins  Meer  geworfen,  damit  ihnen 
die  Christen  keine  „göttliche  Ehre"  erweisen  könnten.  Im 
IV.  Jahrhundert  war  der  Reliquien-Cultus  schon  allgemein 
verbreitet  und  hatte  bei  weitem  nicht  jene  Anfechtungen  zu 
bestehen,  wie  die  Rilderverehrung.  Die  leidenschaftlichsten 
Iconoclasten  waren  die  eifrigsten  Verehrer  der  Reliquien, 
da  die  bekannte  Stelle  des  alten  Testamentes,  welche  den 
Angelpunkt  des  ganzen  Bilderstreites  abgab ,  auf  die  Iieli- 
quien  keine  Anwendung  fand. 


Für  die  mittelalterliche  Kunst  war  der  Reliquien-Cultus 
von  besonderer  Bedeutung.  Durch  denselben  erhielt  insbe- 
sondere die  Email-  und  Goldschmiedekunst  einen  überaus 
reichen  Stolf  zur  Entfaltung  ihrer  Mittel.  An  den  Schreinen 
und  Gefässen,  welche  für  die  Aufbewahrung  der  Reliquien 
bestimmt  waren,  übten  diese  Kunstzweige  die  mannigfal- 
tigste Technik  und  Ornamentation.  Die  Anwendung  yon 
Gold,  Silber  und  Edelsteinen,  von  Verzierungen  in  incru- 
stirtem  Schmelz,  in  Filigrau  und  Xiello,  in  durchbro- 
chenen und  getriebenen  Arbeiten,  ferner  von  ciselirten 
figürlichen  Darstellungen  steigerte  den  Kunstfleiss  und  spä- 
ter auch  das  Handwerk  zu  einer  staunciisu  erlhen  Höhe;  die 
Reliquienschreine  im  Münster  zu  Aachen .  im  Zither  zu 
Quedlinburg,  in  den  Domen  zu  Köln.  Mainz.  Osnabrück. 
Hildeshein]  u.  s.  w.,  die  überaus  prachtvollen  und  zahl- 
reichen Reliquaires  der  französischen  Kirchen    und  Museen 


«)  Abbildungen  s.  in  Lübke's  Geschichte  der  Architektur  S.  2jS  uml  230 


II 


—   78 


sind  Zeugnisse  der  hervorragenden  Kunstbildung  aus  den 
Goldschmiede-Werkstätten  des  XL,  XII.  und  XI11.  Jahr- 
hunderts, «fleht'  noch  heute  die  Bewunderung  der  Sach- 
verständigen und  Gebildeten  erwecken. 

Auf  welche  Weise  das  BedQrfniss  für  solche  Gelasse 
und  Behälter  heranwuchs  und  in  welchen  Formen  wir  den 
Reliquienschreinen  in  den  verschiedenen  Abschnitten  des 
Mittelalters  begegnen,  wollen  wir  hier  in  einigen  umrissen 
darzustellen  versuchen  und  sodann  die  Beschreibung,  sowie 
uiii  der  Tafel  V  die  Abbildung  eines  früher  in  Hallein  ge- 
wesenen Reliquienschreines  geben.  In  unserer  Absicht  liegl 
es.  hierbei  einige  nähere  Anhaltspunkte  üher  einen  der 
wichtigsten  Bestandteile  des  christlichen  Cultus  zu  liefern. 
welcher  in  der  deutschen  Archäologie  bisher  noch  immer 
nicht  die  verdiente  Aufmerksamkeit  gefunden  hat '). 

In  den  ersten  Jahrhunderten  der  christlichen  Kirche 
hielt  man  im  der  Überzeugung  fest,  dass  die  Grabstätte 
eines  Heiligen  die  würdigste  Stelle  sei.  wo  der  Altar  seinen 
Platz  einnehmen  könne;  es  wurden  daher  üher  den  Grab- 
stätten der  Heiligen  Kirchen  und  Altäre  errichtet.  Für  diese 
Periode wares  desshalb  noch  nicht nothwendig,  an  besondere 
Aufbewahrungsorte  der  leiblichen  Überreste  der  Heiligen  zu 
denken,  sondern  es  wurden  nur  die  Reliquien  der  christ- 
lichen Glaubenshelden  mit  dein  Haue  der  Kirche  in  einen 
bestimmten  Zusammenhang  gebracht.  Erst  später,  als  aner- 
kannt wurde,  dass  an  keinem  Altare  die  h.  Opferhandluug 
verrichtet  «erden  dürfe,  in  welchem  nicht  die  Reliquie  eines 
Heiligen  aufbewahrt  sei,  und  da  bei  der  immer  grösseren 
Ausdehnung  der  christlichen  Kirchen  auch  an  solchen  Orten 
Kirchen  und  Altäre  nöthig  geworden  sind,  wo  sich  kein  Grab 
eines  Märtyrers  befand,  war  natürlich  die  Notwendig- 
keit vorbanden.  Reliquien  zu  übertragen  und  in  eigenen 
Kästen  und  Gefässen  aufzubewahren.  Dieser  Vorgang  unter- 
lag zwar  sowohl  in  der  griechischen  als  in  der  römischen 
Kirche  verschiedenen  Anfechtungen;  er  war  aber  doch  zu- 
letzt nicht  mehr  zurückzuweisen,  da  der  Glaube  an  die 
Wunderkraft  der  Reliquien  tief  in  den  christlichen  Gemein- 
den wurzelte  und  man  den  durch  Translocation  herbei- 
geführten Missbräuchen  mit  den  Reliquien  durch  strenge 
Verbote  und  Vorsichten  begegnet   zu   haben  glaubte2).    Am 

frühesten  verbreitel  war  der  Gebrauch  der  Reliquienschreine 
in  der  griechischen  Kirche,  und  Byzanz  dürfte  schon  lange 


1 )  Wir  kennen  aus  Kugl  er 's  Werken  (kleine  Schriften,  I.  u.  il.)  eine  Reihe 
interessanter  Andeutungen  und  Beschreibungen  ron  Reliquienschreinen  in 
Deutschland,  die  uns  hier  auch  vun  wesentlichem  Nutzen  waren.  II.  Otte 
in  seinem  Randbuch  der  kirchlichen  Kunstarchäologie  (III.  Aufl.,  Leipzig 
|s:;;i  erwähnt  derselben  uur  s.-ln  flüchtig.  Ken  ergiebigste»  Stoff  zu 
dieser  Darstellung  lieferte:  Canmont:  Abecldaire,  l';iris  ls.il.  — 
l)  i  .1  r  o  ii  's  Annales  Brcheologiques  und  M  a  r  ti  u  et  C  B  li  i  e  r's  Mälangea 
d"an  i  'ii  deutschen  Werken  haben  wir  insbesonders  auch  Fr. 

Baudry'i  Organ  im   christliche  Kunst,  J.   1853a.  1854,  benutzt 

*»  In  der  griechischen   Kirche  wej   zuerst  durch  TI losius  den  Grossen 

i.  in  der  lateinischen  Kirche  durch  Gregoi  den  Grossen  (590—604) 
das  Verbot  der  Reliquien-Traa  local aal  estelll  tagusti:  Denk- 
würdigkeiten MM.  -77 


im  Besitze  der  kostbarsten  Gefässe  und  Behälter  gewesen  sein, 

bevor  noch  in  den  nördlicheren  Theilen  Europa's  das  Chris ten- 
tbum  Wurzel  gefasst  hatte.  Den  Luxus  und  die  Pracht  dieser 
Kirchengeräthschaften  lernte  man  in  Europa  ohne  Zweifel 
gleichfalls  erst  durch  die  griechische  Kirche  kennen  und 
zwar  zu  derZeit,  als  bei  uns  die  Wallfahrten  und  dieKreuz- 
züge  nach  dem  gelobten  Lande  begannen  und  als  nach  der 
Eroberung  vonConstantinopel  eine  grosse  Zahl  von  Reliquien 
aus  dem  Oriente  nach  Europa  gebracht  wurden. 

Der  Ort,  wo  die  Reliquien  mit  päpstlichen  Beglaubi- 
gungsurkunden in  besonderen  Behältern  niedergelegt  wurden, 
war  in  der  Regel  der  Altar.  Es  bestand  das  Gebot,  dass 
sie  entweder  in  der  Altar  platte  odervorn  unter  derselben,  wo 
sich  eine  länglich-viereckige,  gewöhnlich  mit  einer Mnrmor- 
tafel  verschlossene  Vertiefung  (Reliquiengruft,  sepulchrum) 
befand  .  aufbewahrt  werden  sollen.  Später,  als  der  Reieh- 
thum  der  Reliquien  sich  vergrössert  hatte,  und  viele  Kir- 
chen mehr  Reliquien  als  Altäre  besassen,  erhielten  aueb  tue 
Reliquienschreine  einen  Platz  im  Ileiligthume  oder  an  den 
Wänden  des  Chors. 

Die  Form  und  Grösse  der  Reliquienbehälter  war  sehr 
verschieden.  Was  die  Form  anbelangt,  so  hatten  sie  am  häu- 
figsten jene  von  kleinen,  länglich-viereckigen  Kistchen,  oder 
wenn  es  sich  um  die  Aufnahme  des  vollständigen  Leichnams 
eines  Heiligen  bandelte,  jene  eines  sarkophagähnlichen 
Kastens.  Seltener  wurden  die  Reliquien  in  den  hohlen  Räumen 
von  Säuleu.  welche  die  Altarplatte  stützten,  noch  seltener  in 
jenen  von  hölzernen  Figuren  gefunden.  Doch  ist  die  That- 
sache  unbestritten,  dass  sie  darin  aufbewahrt  wurden,  wie 
Görres  in  seiner  Beschreibung  desBlasius-Domes  inBraun- 
schweig  nachweist,  wo  in  den  auf  fünf  Metallsäulen  ruhen- 
den Altären  sich  Reliquien  in  den  Säulenschäften  befanden, 
und  wie  ausCa  umon  t's  Abceödaire  zuerstdien  ist,  welcher 
einer  vergoldeten  hölzernen  Statue  der  heil,  Jungfrau  mit 
dem  Jesuskinde  erwähnt,  die,  noch  gegenwärtig  zu  Tour- 
nus  befindlich,  auf  einem  mitArcaden  gewölbten  Stuhle  sitzt 
und  in  deren  Rücken  sich  ein  Schrank  mit  Reliquien  befand. 
Man  findet  aber  auch  Reliquienbehälter  in  der  Form  kleiner, 
herzartiger Fläschchen,  von  Kreuzen,  Obelisken,  Monstran- 
zen und  ovalen  Kästen,  wie  aus  K  u  gl  er 's  kleinen  Schriften 
1.  und  2.  Band  und  aus  Didron's  Annales  archeologiques 
(IV.,  VIII.,  IX.  und  \.  Bd.)  zu  entnehmen  ist. 

Im  XI.  und  XII.  Jahrhundert  besassen  sie.  ans  etnaillir- 
tem  Kupfer  otler  auch  aus  Hol/,  gefertigt,  welches  dann  mit 
Metallplatten  belegt  war.  meist  die  Form  eines  Hauses  oder 
einer  Capelle  mit  doppelter  Bedachung,  mit  Bögen  undSäu- 
lenstellungen  im  romanischen  Style  versehen.  Das  Dach  und 
die    Wände    waren   dann   gewöhnlich    mit  fein    gearbeiteten 

Schmelzwerken  —  und  die  Giebelfelder  mit  der  feinsten 

Filigranarbeit,    nach     dem    Musler    byzantinischer     Formen 

geschmückt.  An  den  Wänden  dagegen  wurden  häufig  Figu- 
ren, wie  Christus  und  die  Apostel ,  oder  Scenen    aus    der 

Lebensgeschiehte  und  aus  dem  allen  Testamente  abgebildet. 


79  — 


Christus  nimmt  gewöhnlich  allein  eine  der  äussersten  Wände 
ein,  die  Apostel  und  Heiligen  sind  auf  den  Seitenwänden 
angebracht.  Die  aus  dieser  Periode  stammenden  Reliquaires 
sind  auch  aus  Platten  von  rothem  Kupfer  gemacht,  auf  wel- 
chem mit  dem  Grabstichel  zahlreiche  Vertiefungen  ausge- 
graben und  wieder  mit  Schmelzwerken  von  verschiedener 
Farbe  ausgefüllt  wurden.  Wenn  das  Kupfer  auf  der  Ober- 
fläche erscheint,  so  ist  es  goldgelb  und  zeigt  architektoni- 
sche Verzierungen,  den  Stängel  von  Blumen  und  Heiligen- 
scheine von  Figuren.  Die  Figuren  springen  basrelief-artig 
aus  der  Grundfläche  hervor.  Bisweilen  sind  die  Kopfe  allein 
vorspringend  und  der  Körper  ist  nur  durch  Umrisse  ange- 
deutet. —  Zu  Ende  des  XII.  und  XIII.  Jahrhunderts  nehmen 
die  Reliquienkästen  die  Form  einer  Kirche  an,  mit  Strebe- 
pfeilern, Zinnen,  Bogen  und  Thürmen;  an  den  Wänden  fin- 
det man  Nischen  und  die  Bogen  und  Figuren,  welche  früher 
in  Schmelzwerken  dargestellt  wurden,  werden  nun  in  erha- 
bener Arbeit  dargestellt.  Anstatt  in  Email  waren  nun  die 
Figuren  in  Bronze,  Silber  und  Gold.  Die  Reliquienschreine 
wurden  in  dieser  Periode  Meisterwerke  der  Goldschmiede- 
kunst, an  welchen  das  Schmelz  werk  zur  Nebensache  gewor- 
den ist.  Das  Gebäude  selbst  ist  häufig  gekrönt  mit  einein 
durchsichtig  gearbeiteten  Dachstuhle.  Die  Giebel,  Säulen  und 
Bögen,  in  der  Regel  im  gothisehen  Style,  sind  verschwen- 
derisch mit  Gold,  Silber  und  Edelsteinen  geschmückt.  Einen 
besonderen  Schmuck  erhielten  sie  durch  eine  reiche  ä  jour 
durchbrochene  Bekrönung,  die  in  verschlungenen  Thier-  und 
Laub  Verzierungen  die  Dachfirste  und  die  beiden  Giebelfelder 
zum  Abschlüsse  brachte.  Die  Kammverzierungen  überrag- 
ten sodann  fünf  Krystallkugeln  in  kunstvollen  Einfassungen 
und  sollten  dieFrüchte  der  guten  Werke  andeuten  ')•  Ebenso 
reich  ist  die  Ornamentik  an  den  Fussgestellen,  die  oft  mit 
kleinen  Früchten  und  Kugeln  eingefasst  wurden.  Selbst  die 
Symbolik  war  an  diesen  Miniatur-Kirchen  vertreten,  wie 
diess  an  dem  Reliquienschreine  des  heil.  Potentiell  in  der 
Pfarrkirche  von  Jouarre  in  Frankreich  beobachtet  werden 
kann,  wo  sich  unter  den  Verzierungsgegenständen  einige 
der  Hauptsünden  befinden,  ein  sitzender  Alle,  wie  er  eine 
Frucht  verzehrt,  eine  menschliche  Figur  zu  einem  aufblü- 
henden Blumenstängel  riechend,  ein  nacktes  Weib,  das  sich 
niederkauernd,  mit  dem  Finger  ein  Zeichen  gibt,  Vögel  mit 
Menschenköpfen  und  andere  phantastische  ThiereS).  Die 
Motive  der  Darstellungen  waren  auf  den  Reliquenschreinen 
des  XIII.  Jahrhunderts  dieselben,  wie  zwei  Jahrhunderte  frü- 
her. Auf  der  Bedachung  war  in  Pinälen  aus  Silberblech  das 
Leben  und  die  Thaten,  der  Tugendkampf  des  Heiligen,  des- 
sen Gebeine  derSchrein  umschloss,  in  getriebenen  Basrelief- 
stücken zur  Anschauung  gebracht.  An  den  vier  perpendi- 
culären  Seiten  der  Sehreine  war  gewöhnlich  die  Belohnung, 
die  Apotheose  des  Heiligen  dargestellt.    An  dem  einen  Vor- 


dertheil,  der  in  Giebelform  endigt,  sass  Christus  auf  dem 
Throne.  Die  Rechte  segnete,  die  Linke  hielt  das  Evangeh'en- 
buch  oder  es  war  in  seinen  Händen  auch  die  Weltkugel. 
Zwischen  den  mit  Säulchen  umgebenenLangseiten  des  Schrei- 
nes wurden  gewöhnlieh  die  zwölf  Apostel  oder  auch  andere 
Heilige  in  ciselirten  Stand-  oder  Brustbildern  en  relief  auf- 
gestellt. Oberhalb  dieser  Säulchen,  und  zwar  in  dem  Falle, 
wenn  sich  Bogen  darauf  stützen,  konnte  man  auch  in  Rund- 
bogenverzierungen die  symbolischen Thiergestalten  der  vier 
Evangelisten  erblicken.  Dort,  wo  auf  den  Säulen  nurirchi- 
trave  ruhten,  waren  diese  reich  ornamentirt. 

Die  Reliquienschreine  der  späteren  Zeit  weisen,  soviel 
uns  bekannt  ist,  in  der  Hauptform  keine  bedeutende  Verän- 
derung auf.  Vorherrschend  war  bei  jenen  Behältern,  welche 
die  Form  von  Kirchen  und  Capellen  erhielten,  ohne  Zweifel 
der  gothische,  und  nur  die  Ornamentik  sowie  überhaupt  die 
äussere  Ausschmückung  dürfte  nun  auch  jenen  Charakter 
angenommen  haben,  der  im  Allgemeinen  in  den  Bau- 
stylen des  XIV.  und  XV.  Jahrhunderts  anzutreffen  ist.  Mit 
Bestimmtheit  jedoch  sich  darüber  auszusprechen,  setzt  die 
Kenntniss  einer  Reihe  von  Beispielen  aus  jener  Periode  and 
ein  tieferes  Eindringen  in  die  Entwicklung  der  Goldschmiede- 
kunst in  Frankreich.  Deutschland  und  Italien  voraus,  in 
welch  letzterer  Beziehung  uns  jedoch  in  diesem  Augenblicke 
kein  gründliches  und  erschöpfendes  Werk  zu  Gebote  steht. 
Soviel  ist  indess  bekannt,  dass  nach  dem  XIV.  Jahrhundert 
die  Reliquienschreine  nicht  mehr  in  so  grosser  Zahl  ange- 
fertigt wurden,  wie  in  früherer  Zeit ,  oder  dass  so  bedeu- 
tende Summen  darauf  verwendet  wurden,  um  etwa,  wie 
diess  wenigstens  in  Frankreich  der  Fall  war.  durch  den 
Besitz  von  solchen  Reliquenschreinen  den  Eifer  zur  Wie- 
dererbauung von  Kathedralen  und  zur  Stiftung  von  Klöstern 
zu  beleben  i). 

Nach  dem  XV.  Jahrhundert  hatte  auch  i]er  Reliquien- 
cultus,  wie  bekannt,  viel  an  Bedeutung  verloren.  Es  war  eine 
Epoche  gekommen,  in  welcher —  wenigstens  in  Deutsch- 
land —  viel  der  Zerstörung  und  Verwüstung  preisgegeben, 
und  der  katholischen  Kirche  mehr  an  Kunstschätzen  genom- 
men als  zugewendet  wurde,  lud  im  XVII.  Jahrhundert 
war  das  Verständniss  für  die  Bedeutung  von  Reliquien- 
schreinen so  tief  gesunken,  dass  man  bei  Restaurationen  und 
Umarbeitungen  die  widersinnigsten  Gegenstände  in  Anwen- 
dung brachte.  So  geschah  es  bei  dem  Reliquienschreine  der 
heil.  Genovefa  in  Paris,  welcher  aus  dem  VII.  Jahrhundert  her- 
rührte.im  XIII.  Jahrhundert  überarbeitet  und  im  XVII.  Jahr- 
hundert dann  reparirt  wurde,  dass  man  auf  einem  Steine 
den    Mutius    Scävola.    wie    er     seine    Hand    verbrennt, 

auf  einem  zweiten  Steine  einen   Ganymed,  wie  er  \ lern 

Adler  des  Jupiter  emporgetragen   wird,  und  auf  anderen 
Schreineu  Venus.  Amur  u.  s.  w.  fand-). 


')  Didron,  Annales  arche'ologiques,  VIII,  295. 

2)  Fr.  Baudri's  Organ  für  ehristl.  Kunst.  J.    IS.'iS.  S.    131 


*)  Didron,  Annalea  archeologiques,    VIII,  2;'.';. 
2)  Didron,  Annalea  archeologiques ,  IV,  -itil 


11 


—  80  — 


Was  die  Grosse  der  Reliquienschreine  betrifft,  so  war 
auch  diese  sehr  verschieden  und  zum  Theile  abhängig  von 
dem  Umfange  der  in  Frage  stellenden  Gegenstände  der  Ver- 
ehrung. Man  hesass  Reliquienbehälter  in  der  Form  kleiner 
Fläschchcn  oder  auch  von  Kapseln,  «eiche  dann  in  Holz 
oderElfenhein,  mit  Bemalungen  und  kostbaren  Schnitzarbeiten 
gearbeitet  waren.  Zuweilen  linden  sich  auch  kleine  Reliquien- 
kästchen in  Seide  mit  Ornamentstickeien ,  in  Form  einer 
kleinen  viereckigen  Lade  und  einem  dachförmigen  Deekel, 
welche  hiiiiiiy  nicht  grösser,  ja  seihst  kleiner  als  ein  Fuss  in 
der  Höhe  und  Länge  waren  und  entweder  in  der  erwähnten 
Vertiefung  des  Altars  oder  wieder  in  grösseren  Reliquien- 
schränken  verwahrt  wurden.  Die  grössten Reliquaires  hatten 
eine  Länge  von  sechs  Fuss  und  eine  Höhe  von  drei  Fuss. 

Der  älteste  uns  bekannte  Reliquienschrein  ist  jener  der 
heil,  Genovefa  in  Paris,  welcher,  wie  schon  bemerkt  wurde, 
ursprünglich  aus  dem  Vll.  Jahrhundert  herrührt  und  von 
dem  heil.  Aloisius  angefertigt  sein  soll.  Die  meisten,  welche 
noch  gegenwärtig  in  den  verschiedensten  Kirchen  Frank- 
reichs und  Deutschlands  vorhanden  sind,  gehören  dem  XL. 
XII.  und  XI11.  Jahrhundert  an. 

Zu  den  vorzüglichsten  Reliquienschätzen  in  Deutschland 
gehören  jene  des  Domes  zu  Aachen  aus  dem  XIII.  Jahrhun- 
dert und  darunter  insbesondere  jener  Karl  d.  G.,  der  Sarko- 
phag der  heil,  drei  Könige  im  Dome  zu  Köln,  mit  22(> 
antiken  Gemmen  und  getriebenen  Relieffiguren,  mitReliquia- 
rien  in  St.  Maria  und  St.  Ursula,  dann  im  Walraff'schen 
Museum  zu  Köln,  in  den  Kirchen  zu  Deutz.  Siegburg 
und  Sayn,  ferner  in  den  Domen  zu  Mainz.  Kaiser s- 
werth,  Quedlinburg,  Soest,  Hildesheim.  Mar- 
burg u.  s.  \v.  Was  in  Österreich  au  hervorragenden  Reli- 
quienschreinen  vorhanden  ist.  darüber  fehlen  bisher  noch 
alle  Anhaltspunkte,  da  denselben  bisher  —  wenigstens  von 
kunstgeschichtlichem  Standpunkte  aus  —  noch  gar  keine 
Aufmerksamkeit  zugewendet  wurde,  und  wir  können  nicht 
annehmen,  dass  sich  unter  den  zahlreichen  Kirchenschätzen 
Österreichs  nicht  auch  eine  Reihe  solcher  interessanter 
Erzeugnisse  der  Bildnerei  befinden  ')•  Wir  werden  es  daher 
mit  Dank  anerkennen,  wenn  wir  durch  die  Aufmerksamkeit 
i\r\-  k.  k.  Conservatoren  und  durch  andere  Kunstfreunde 
in  die  Lage  gesetzt  werden,  in  diesen  Blättern  mit  Beschrei- 
bungen und  Abbildungen  interessanter  Reliquienbehälter  in  der 
Kunstgeschichte  des  Kaiserstaates  eine  sehr  empfindliehe 
Lücke  auszufüllen. 

Gegenwärtig  sind  wir,  wie  Eingangs  erwähn!  wurde,  in 
der  Lage,  die  Beschreibung  und  Abbildung  eine-,  aus  Öster- 
reich stammenden Reliquienschreines  bieten  zu  können.  Herr 
Petz  ol  dt  Maler  in  Salzburg,  übersandte  nämlich  vor  Kurzem 
der  k.  k.  Central -Commission einen  Aufsatz,  betitelt':  „Alter- 
thfuner  in  der  Salinenstadt  Hallein",  worin  sieh  die  Beschrei- 
bung  und    Abbildung    eines    Reliquienschreines    befindet, 


'l   Beispielsweise  weisen  wir  anl  <li.'  Reliquienscbreioe  der  St.  VeiUkirche 
in  Prag  und  ron  Kloster-Neuburg  hei  Wien  hin. 


welcher  mich  bis  zum  Jahre  1S20  in  der  Stadtpfarrkirche 

aufbewahrt,  dann  mich  Salzburg  verkauft  und  von  dort  im 
J.  1S;J7  für  das  k.  k.Lustschloss  Laxenburg angekauft  wurde. 
Die  Beschreibung  dieses  Reliquienschreines  ist  nach  den 
Angaben  des  Herrn  Petzold  der  Hauptsache  nach  folgende: 

„Dieses  kunstvoll  gezierte Behältniss  «rar  grossentheils 
aus  hartem,  dunklem  Holze  und  abwechselnd  mit  Elfenbein 
und  emaillirter  Bronze  eingelegt.  Nach  rückwärts  hatte  es 
die  Form  einer  länglichen  Truhe,  die  aber  au  der  vordem 
Langseite  mit  drei  gleich  Indien  Giebeln  verziert  war  und 
die  Form  eines  Trvticons  bildete. 

Die  Truhe  mass  2  Schub  in  der  Länge,  lö  Zoll  in  der 
Höhe  und  1 1  Zoll  iu  der  Tiefe.  Fünf  ihrer  Wände  waren 
nur  von  hartem  Holze  und  ganz  glatt,  während  die  Haupt- 
gliederung  der  Wand  mit  den  drei  durchbrochenen  Giebeln 
aus  gegossener  Bronze  war.  weiches  mit  den  tieferen  Keh- 
lungen mit  Email  hie  und  da  im  Charakter  des  Opus  alexan- 
driniun.  anderwärts  mit  grünem  Laubwerk  auf  goldenem 
Grunde  verziert  war.  Nach  diesen  liess  Maler Joh.  Wurzer 
iu  Salzburg  die  beiden  beschädigten  ausbessern  und  die 
Emailfarben  nur  mit  Lasurfarbe  auf  silberner  oder  goldener 
Unterlage  ersetzen:  denn  von  den  drei  Giebeln,  die  über 
der  Truhe  aufstiegen,  war  nur  einer  ganz  wohl  erhalten.  In 
dem  durchbrochenen  Dreiecke  der  Giebeln  war  je  eine  reich 
verschlungene,  runde  Rose  aus  Elfenbein,  deren  Hauptdureh- 
brechung  die  Kreuzform  sehen  liess.  Stufenartig  waren  auf 
bronzenem  Rücken  des  Giebels  abwechselndes  Laubwerk  aus 
Elfenbein  angefügt.  Eine  der  obersten  blumigen  Knorren, 
ebenfalls  aus  Bein,  an  der  Spitze  des  Giebels  liess  ersehen, 
dass  darauf  zweifelsohne  ein  Figürchon  gestanden  habe.  Die 
Rahmen  der  drei  Quadratfelder  unter  <\<.'n  Giebeln  waren  aus 
massiver  Bronze,  oben  war  ein  Seginent-Uogen  eingesetzt, 
unter  dem  sich  nur  iu  den  beiden  Füllungen  zur  Rechten  und 
zur  Linken  je  dni  elfenbeinerne  Bögen  auf  gewundenen 
bronzenen  Säulchen  mit  abwechselnden  Capitälchen  und 
Schäften  gestützt,  anreihten.  '  Auf  dem  einen  bronzenen 
mit  blumigem  Ornamente  verzierten  Hintergründe  dieser 
Bögen  waren,  mehr  oder  minder  wohl  erhalten,  sechs  heilige 
Bischöfe,  weiss  mit  faltenreicher  Casula  angethan,  deren 

Namen  in  kleiner  Mönchsschrift  auf  der  Fussplatte  ciselirt 
war.  Fünf  solcher  Namen  waren  leserlich  und  hiessen: 
S.  Amaodus,  S.  Roudpertus,  S.  \  italis,  S.  Beno  und  S.  Appo- 
linares.  Von  dem  am  sechsten Fussgestell  ursprüglich  ange- 
brachten Namen  waren  nur  die  Buchstaben  S.  \  .  zu  erkennen. 
Die  Farbe  der  Casula  war  durchgehends  weiss,  mit  goldenen 
S; en.    Die  Köpfe  sämmtlich  bartlos  und  ziemlich  in  der 

Physiognomie  einander  ähnlich.    Die  Infiiln  und   Handschuhe 

wechselten  in  der  Farbe.  Der  ungenannte  Bischof  hatte, 
zum  Unterschiede  von  den  andern  kein  römisches,  sondern 
rin  doppell  gekrümmtes,  griechisches  Pastoral,  ungeachtet 
er  eine  den  andern  ähnliche  Infu!  trug. 

Das  mittlere  Feld  war  durch  ausnehmend  reiche  Keh- 
lung  des  Bronzerahmens  und  seiner  emaillirten  Verzierung 


—  81   — 


hervorgehoben.  In  der  tiefsten  Kehlung  war  eine  reliefe 
knospenreiche  Ornamentik  aus  filigraner  Bronze  angebracht, 
woran  Spuren  von  eingesetzten  Edelsteinen  waren.  Anstatt 
der  drei  Bögen  der  Nebenfelder  war  ein  bronzenes  Gitter 
mit  mandelartiger  Kreuzung  vegetabilen  Gerankes.  In  Mitte 
einer  jeden  Mandelform  waren  stets  drei  Mondessiebeln  an- 
gebracht. Gegen  links  zeigten  sich  Spuren  eines  Schlosses. 
Das  Gitter  bewegte  sich  in  zwei  Angeln,  wovon  eine  nach 
oben,  die  andere  nach  unten  die  Spitze  kehrte.  Sowie  bei 
den  Feldern  das  Fussgestell  der  Bögen  die  Namen  der 
Bisehöfe  aufnahm,  so  war  hier  auf  Goldgrund  das  letzte 
Abendmahl,  aus  Elfenbein  geschnitzt,  dargestellt.  Christus 
sass  frei  in  der  Mitte,  auf  seinem  Schoosse  den  Kelch  und 
darüber  das  Brot  haltend.  Unter  seinem  Kleide  am  Boden 
waren  ausströmende  Wolkenformen  angedeutet.  Bechts  und 
links  schlössen  sich  die  Apostel  an,  von  denen  aber  nur  die 
Brustbilder  zu  sehen  waren ,  da  der  reich  gedeckte  Tisch 
den  übrigen  Theil  ihres  Körpers  verdeckte;  die  Köpfe  waren 
ausdrucksvoller,  als  jene  der  emaillirten  Bischöfe. 

Ungeachtet  der  kleinen  Dimension  zeichnete  sich  beson- 
ders der  Kopf  des  zur  Beeilten  des  Heilands  sitzenden  Johan- 
nes aus;  die  Gewandung  zeigte  durchgehend«  byzantinische 
Motive.  Petrus  machte  Miene  aufzustehen.  Am  äussersten 
linken  Ende  sass  Judas,  abgekehrt,  mit  beiden  Händen  seine 
Haare  fassend.  Am  hängenden  Theile  des  Tischtuches  gegen 
Bechts  waren  die  Buchstaben  O-VS-DEVOI-BE ein- 
geschnitten; ein  Baum  gegen  die  Ecke  von  beiläufig  5  bis 
6  Buchstaben  war  ausgefallen.  Ist  auch  mit  ziemlicher  Be- 
stimmtheit anzunehmen,  dass  die  ersten  Worte  für  opus 
devoti  zu  lesen  sind,  so  ist  das  dritte  Wort,  gewiss  der  Name 
des  frommen  Künstlers,  schwer  zu  erörtern  '). 

Aus  dieser  Beschreibung  wie  auch  aus  der  Abbildung 
der  Hauptansicht  dürfte  zu  ersehen  sein,  dass  dieser 
Reliquienschrein  einer  der  interessanteren  mittelalter- 
lichen Denkmale  dieser  Gattung  war  und  eine  sorgfältigere 
Aufbewahrung    verdient    hätte,  als  ihm    wirklich  zu  Theil 


l)  Sollte  er  etwa  BEltTIlAMVS  geheissen  haben,  eiu  Käme,  der  auf  einem 
uoeh  vorhandenen  5  Schuh  langen  Löwen  aus  weissem  .Marmor,  in  leider 
eben  nicht  geschütztem  Zustande  im  Hofraume  des  gräfl.  Künhurg'schen 
Hauses  in  Salzburg,  eingemeiselt  ist  ?  Alsdann  bekämen  die  oft  wieder- 
holten drei  Mondessiebeln  am  ßronzegitter  des  Reliquienschreines  auch 
eine  entschiedene  Geltung",  indem  sie  nach  Dücker's  Chronik  als  Wappen 
des  Erzbisehofes  Dietmar  II.  angesehen  werden  dürften,  der  von  1025  bis 
10 41  regierte.  Anderseits  möchte  ich  mit  Bestimmtheit  jenen  Löwen  zu 
Salzburg,  der  in  seinen  ['ratzen  eine  Tafel  mit  der  Inschrift  halt:  „Haee 
celatura  F.  Bertami  urovida  cura  est  expressa  satis  deeus.  Hunc  conjugi 
boatis.",  für  die  Stütze  einer  Säule  an  der  von  Kaiser  Heinrich  II.  am  Salz- 
burger Münster  erbauten,  sogenannten  „gold'nen  Pforte"  halten,  da  am 
Rücken  dieses  Thieres  noch  die  Öffnung  von  der  Einlassung  der  Säule  zu 
sehen  ist.  Dass  jene  Pforte  ein  derartiges  auf  Löwren  gestütztes  Portal  zu 
jener  Zeit  gehabt  habe,  hierüber  möge  man  sich  aus  meiner  Copie  nach 
einer  alten  Handzeichnung  ,  den  Münster  zu  Salzburg  zur  Zeit  Kaiser 
Heinrieh's  IL  vorstellend  ,  im  Museum  Carolino-Augusteum  aufbewahrt, 
veröffentlicht  in  meiner  Schilderung  mittelalterlicher  salzburgischer  Alter- 
thümer  (40  Blätter,  bei  Schön  et  Neumüller  in  Salzburg),  Überzeugung 
holen.  Petzold. 


geworden  ist.  Denn  wiewohl  der  erwähnte  Beliquienschrein 
für  das  kais.  Lustschloss  Laxenburg  angekauft  wurde,  so  soll 
derselbe  doch  nicht  an  den  Ort  seiner  Bestimmung  gelangt, 
sondern  wieder  in  andere  unbekannte  Hände  gekommen 
sein.  Einen  ungleich  höhern  Werth  würde  er  allerdings 
haben,  wenn  derselbe  noch  in  seiner  ursprunglichen  Gestalt 
vorhanden  und  nicht  in  einzelnen  Theilen  so  vernachlässigt 
gewesen  wäre.  Wir  wollen  jedoch  gerne  glauben,  dass  die 
vorgenommenen  Beparaturen  den  Eindruck  des  Ganzen  nicht 
beeinträchtigt  haben.  Auf  eine  Bestimmung  des  Zeitpunktes 
seiner  Entstehung  einzugehen,  ist  in  diesem  Falle,  wo  das 
Kunstobject  selbst  nicht  vorhanden  ist,  sehr  schwierig.  So 
viel  geht  übrigens  aus  der  vorliegenden  Abbildung  hervor, 
dass  er  den  ältesten  Behältern  angehörig,  ursprünglich  im 
romanischen  Style  gearbeitet  und  später  durch  gothische 
Giebelverzierungen  bereichert  wurde. 

Zu  den  fieliquienschreinen  im  Allgemeinen  haben   wir 
noch  zu  bemerken ,    dass    sie    vorzüglich    in    den   Haupt- 
sitzen der  Emailmalerei  und   Goldschmiedekuust  des  Mittel- 
alters,   in   Limo  us in  und  Limoges,    später    auch    in 
Köln,  Nürnberg  und  Augsburg    angefertigt  wurden. 
Ursprünglich  in  Byzanz  heimisch,  nahmen  diese  Kunsthand- 
werke  ihren  Weg  nach  Venedig,   von  dort  nach  Frankreich 
und  Deutschland  und  es  kann  schwer  geläugnet  werden,  dass 
noch  im  XIII.  Jahrhundert  stark  byzantinische  Einllüsse  auf  die 
Ausbildung  der  erwähnten  Kunstzweige  sich  geltend  gemacht 
haben.   Springer  <)  wenigstens  hält  bei  zwei  Gattungen  der 
Emailmalerei,  bei  denemaux  de  niellure  (Ausfüllung  der  ver- 
tieften Umrisse  durch  einen  schwarzen  Schmelz)   und  den 
emaux  cloisonnes  (Zwischenfäden  aus  Gold  zwischen    den 
Farben),  welche  in  Limousin  vorzugsweise  gepflegt  wurden, 
das  byzantinische   Vorbild   für  unbestreitbar.    Den  grössten 
Namen  erwarb  sich  Limoges  in  Email  und  Schmelzarbeiten 
und  viele  kleinere  Beliqiuenbehälter,  die   unter  dem  Namen 
domus,   arcula,  casa  heute  noch  zahlreich   in   den  Schatz- 
kammern der  Kathedralkirchen  und  in  Privatsammlungeu  sich 
vorfinden,    sollen  aus   diesen  Werkstation   hervorgegangen 
sein3).  Ob  auch  in  Deutschland  während  des  X11I.  Jahrhun- 
derts Werkstätten  der  Email-  und  Schmelzkunst  bestanden, 
darüber  fehlt  es  bis  jetzt  noch  an  Beweismitteln.    Hie  Fran- 
zosen behaupten,  dass  Limoges  und  Limousin  die  Hauptsta- 
pelplätze des  Mittelalters  für  derlei  Arbeiten  gewesen  seien, 
und  ausser  diesen   Städten   beinahe   nirgend   solche    Werk- 
stätten bestanden    haben.    M.    de  La  bor  de  bezeichnet   in 
seinem  Werke  über   die   Emails  in  der  Gallone  des  Louvfe 
sogar  die  Anfertigung  dieser  Arbeiten  als  ein  fast  unbedingtes 
Monopol  von  Limoges.    Kugle  r  dagegen2)  bestreitet  diese 
Ansicht  mit  Hinblick  auf  tue  am  Rhein  befindlichen  henkmale 
dieser  Gattung,  ohne  jedoch,  wie  er  selbst  eingesteht,  einen 


')  Handbuch  der  Kunstgeschichte,  Stuttgart  1855,   1  ;>:;. 

")  Bandri's  Organ  für  cbrisUiche  Kunsl .  Jahrg.   Isö3.   1S3. 

3)  Kleine  Schriften,  II.  707. 


—  82  — 


befriedigenden  Nachweis  für  den  Ursprung  der  von  den 
Limousiner  Arbeiten  verschiedenen  Emails  in  Deutschland 
beibringen  zu  können. 

Zum  Schlüsse  wollen  wir  noch  erwähnen,  dass  dieReli- 
quienschreine  auch  aus  dein  Grunde  zu  den  wesentlichsten 
Bestandtheilen  der  katholischen  Kirchen  gezählt  werden 
müssen,  weil  sie  nicht  allein  bei  Prozessionen  häufig  herum- 
getragen wurden,  sondern  auch  hei  Eidschwüren  in  Anwen- 


dunix waren.  Im  Mittelalter  wurden  nämlich  Eide  nur  in  der 
Kirche  ante  nltnrejn^  und  zwar  auf  Reliquien  abgenommen, 
und  es  geschah  dann  die  Ablegung  derselben  unter  den 
grössten  Feierlichkeiten.  In  Frankreich  hatten  sich  die 
Eidschwüre  auf  Reliquien  his  zur  französischen  Revolution 
erhalten ').  und  die  Licentiaten  der  Pariser  Universität 
pflegten  den  Eid  his  zu  dieser  Zeit  auf  den  Altar  und  die 
Reliquien  des  heil.  Dionysius  ahzulegen. 


Baudenkmale  im  Kreise  n.  d.  Wiener-Walde. 

Von  Ed.  Freiherrn  v.  Sacken. 

I. 

Überreste  romanischen  Stjles. 

Die  Denkmale  des  romanischen  Baustyls,  welcher  vom  Mittelschiffes  und  Thiiren  rundbogig,  unter  dem  Dachsimse 
zehnten  his  gegen  die  Mitte  des  dreizehnten  Jahrhunderts  ein  Rundbogenfries.  Im  Jahre  1213  erbaut.  (Der  Chor  und 
fast  über  die  ganze  damalige  civilisirte  christliche  Welt  in  der  Thurni  sind  im  schönsten  gothischen  Syle.) 
derselben  Weise  verbreitet  war  und  in  Deutschland  seine  Die  Run dca pell  e  nehen  der  Kirche  mit  halbkreis- 
vorzügliche Ausbildung  erhielt,  haben  wegen  ihres  Reich-  förmiger  Apsis  (eine  Todtencapelle),  ebenfalls  aus  dem 
thums  an  Detailformen  und  ihrer  tief-symbolischen,  mitunter  Anfange  des  XIII.  Jahrhunderts,  aussen  Halbsäulen,  unter 
rätselhaften  Sculpturen  ein  besonderes  Interesse.  Wie  sich  dem  Dachsimse  der  Apsis  auch  Rundbogenfries  und  Zahn- 
überhaupt der  Charakter  und  Geist  einer  geschichtlichen  Schnittverzierung.  Der  Eingang  mit  acht  überaus  zierlichen 
Epoche  in  der  Architektur  vorzugsweise  ausspricht,  so  ist  Säulchen,  welche  reich  mit  Zügen  und  romanischem  Blatt- 
es auch  hier  der  Fall,  und  die  Zeit,  mit  welcher  der  werk  verzierte  Capitäle  haben;  unter  der  Capelle  eine 
romanische  Baustyl  im  Zusammenhange  steht.  —  die  Zeit  der  Gruft  •). 


Kreuzzüge,  der  grossen  hohenstaufischen  Kaiser,  des 
blühendsten  Ritterthunis  und  des  hohen  Aufschwunges  der 
deutschen  Macht  und  Nationalität,  gehört  unstreitig  zu  den 
wichtigsten  und  anziehendsten  der  deutschen  Geschichte. 
Die  neueren  archäologischen  Forschungen  haben  sich 
daher  vorzugsweise  mit  dem  detaillirten  Eingehen  in  den 
Charakter  der  romanischen  Bauweise  beschäftigt  und  eine 
grosse  Menge  solcher  Denkmale  bekannt  gemacht.  Die  in 
Österreich  befindlichen  Oberreste  sind  aber  bei  weitem 
nicht  genug  bekannt  und  gewürdigt,  und  doch  sind  fast  alle 
Theile  unserer  Monarchie  sehr  reich  daran.  Es  ist  gewiss 
auffallend,  dass  im  Kreise  u./d.  Wiener- Wald  allein  noch 
36  mehr  oder  weniger  bedeutende  Baureste  aus  dieser 
Epoche  erhalten  sind,  trotz  der  vielfachen  Kriegsunfälle, 
besonders  der  zerstörenden  Invasionen  der  Türken.  Die 
Denkmale  des  sogenannten  t  bergangssty  les ,  — des 
romanischen  mit  .Anwendung  von  Spitzbogen,  —  zu  Anfang 
des  XIII.  Jahrhunderts  sind  dabei  mitgerechnet  und  im 
Folgenden  unter  Einem  behandelt,  da  sieh  wegen  des  [nein- 
anderschmelzens  beider  Gattungen  und  der  entschiedenen 
Detailbildung,  welche  der  l  bergangsstyl  vom  rein  romani- 
schen beibehielt,  schwer  eine  so  scharfe  Trennung  machen 
lässt. 


A  s  p  a n  g  (Unter-).  An  der  Kirche  eine  halbrunde  Altar- 
vorlage ;  Fuss-  und  Dachgesimse  zeigen  die  Gliederung  der 
romanischen  Bauweise.  Modernisirt. 

Die  Runde ap  eile  neben  der  Kirche  ebenfalls  mit 
halbrunder  Apsis,  welche  im  Innern  eine  llalbkuppel  bildet. 
Ganz  einfach  und  ohne  Zierwerk.  Wahrscheinlich  aus  dem 
Anlange  des  XIII.  Jahrhunderts. 

Berch  tholdsdorf.  Bin  Gemach  im  oberen  Stock- 
werke der  an  die  Kirche  anstossenden  Rurg  hat  ein  durch 
eine  Säule  untertheiltes  Rundbogenfenster.  Die  vier  Trag- 
steine, auf  welche  die  breiten  Gewölbgurten  aufsetzen, 
zeigen  die  romanische  Gliederung  und  Verzierungsweise. 

Brück  an  der  Leitha.  Der  mächtige  viereckte 
Wartthurm,  aus  Buckelquadern  erbaut,  ist  kein  römisches, 
sondern  früh-mittelalterliches  Bauwerk,  wie  die  Fenster 
he«  eisen  ;  auf  den  Quadern  findet  man  viele  Steinmetzzeichen. 

St.  Egiden  auf  dem  Steinfelde.  Die  viereckige 
modernisirte  Kirche  zeigt  einige  Überreste  romanischer 
Bauart:  am  Chore  sind  zwei  phantastische  Thierligtiren  aus 
dem  XII.  Jahrhundert  eingemauert. 

Eminerberg  (Burg).  Die  SchloSSCapelle  ein  ehemals 
flach  gedeckter  viereckiger   Raum   mit   quadratischer  Apsis; 

au  letzterer  ein  rundbogiges  Fenster.  An  der  Nordwand  der 
Capelle  Reste  alter  Fresken  imStyle  des  XHI.  Jahrhunderts«). 


Deutsch-Altenburg.  Das  Schiff  der  Kirche  von 
einer  flach  gedeckten  Pfeilerbasilica  mit  niedrigeren 
Abseiten.  Die  viereckten  Pfeiler  mit  Blattcapitälen  und  Indien 

Decksimsen,    durch    Bundbogen    verbunden.     Fenster    des 


')  Organ  für  christliche   Kunst,  Jahrg.   18S4,  54. 

-')  Nlherea  darüber:  Sacken  in  den   Sittungsber.  der  philos.-histor.  Cl. 

der  kaie.  Akad ie  der  Wissenschaften,  IX.  Dd.,  S.  768. 

'i  s   Scheiger  in  Hormayr'a  Archiv,  Jahrg.  1826,  .Nr.  I. 


83 


Hai  n  bürg.  Rundcapelle,  neben  welcher  die  ehemalige 
Pfarrkirche  stand,  mit  Halbsäulen  und  Rundbogenfenstern 
an  der  Apsis ,  aus  Quadern  bei  7  Fuss  Mauerdicke  erbaut. 
Aus  dem  XII.  Jahrhundert. 

Das  Wiener-Thor,  aus  Buckelquadern  mit  zwei 
halbrunden,  vorspringenden  Tliürmen,  zwischen  denselben 
das  spitzbogige  Thor,  zu  beiden  Seiten  desselben  gleich- 
zeitige Figuren  auf  Consolen;  die  Gewölbe  im  kleinen 
Durchgänge  durch  den  einen  Thurm  spitzbogig,  mit  starken 
Rippen.  Wahrscheinlich  aus  dem  Ende  des  XII.  Jahrhunderts. 

DasUngerthor,  ein  mächtiger,  viereckiger  Thurm  aus 
Buckelquadern,  das  Thor  im  gedrückten  Spitzbogen. 

Der  Thurm  der  Schlossruine  mit  einem  spitzbogigen 
Kreuzgewölbe,  dessen  Rippen  auf  Blattcousolen  ruhen,  und 
einem  Fenster  mit  einer  Säule,  welche  eine  attische  Basis 
und  abgestumpftes  Würfelcapitäl  hat  •). 

Heiligenkreuz.  Das  Schiff  der  Stiftskirche 
um  1150  erbaut  mit  schmalen  niedrigen  Abseiten,  fünf 
viereckigen,  durch  Rundbogen  verbundenen  Pfeilern  auf 
jeder  Seite;  die  Dienste  für  die  breiten  Gurten  der  rund- 
bogigen  Kreuzgewölbe  stehen  auf  wulstigen  Consolen. 
Aussen  am  Mittelschiffe  und  am  Giebel  der  schönen  Facade 
der  Rundbogenfries.  Die  spitzbogigen  Portale  mit  Säulen 
in  den  Anschlagsmauern  sind  wahrscheinlich  aus  dem 
Anfange  des  XIII.  Jahrhunderts.  (Der  Chor  ist  ein  gothischer 
Rau  aus  dem  XV.  Jahrhundert.) 

Der  Kreuz  gang  zeigt  zwar  in  seiner  Gewölbecon- 
struction  den  Spitzbogen,  aber  die  meist  runden  Arcaden- 
bogen,  die  Säulchen,  welche  dieselben  bilden,  mit  ihren 
Blattcapitälen  und  attischen  Basen,  die  Bundfenster  über 
den  Arcadenbogen  und  alle  Details  haben  die  Formen  des 
spät-romanischen  Baustiles ,  —  er  ist  im  blühendsten 
Cbergangsstyle  (um  1215)  erbaut  und  ein  herrliches  Denk- 
mal desselben ;  ebenso  das  C  a  p  i  t  e  I  h  a  u  s,  dessen  breitleibige 
Spitzbogengurte  von  vier  achteckigen,  ins  Quadrat  ge- 
stellten Pfeilern  mit  Blattcapitälen  getragen  werden,  und  die 
beiden  Dormitoren,  ebenfalls  schon  im  Spitzbogen 
construirt  bei  romanischer  Gliederung;  das  untere  Schlaf- 
haus hat  1 0  runde ,  in  zwei  Beihen  stehende  Pfeiler ,  das 
obere  20  von  achteckiger  Gestalt,  alle  ohne  Capital  ~). 

Henersdorf.  Die  Aussenseite  der  Kirche  zeigt  die 
ältesten  romanischen  Bauformen:  schwerfällige  Halbsäulen 
mit  plumpen  Blatt-  und  Würfelcapitälen,  darüber  Bundbogen- 
und  Würfelfries.  Auf  die  flach  geschlossene  Apsis  wurde 
der  gothische  Thurm  gebaut.  Im  Innern  ist  die  Kirche  ganz 
modernisirt. 

II  i  in  b  erg.  Das  Schiff  derKirche  mit  e  i  n  e  r  Abseite, 
welche  durch  eine  halbrunde  Apsis  geschlossen  ist.  aus  dem 
XII.  Jahrhundert.  Am  Hauptschiffe  aussen  ein  ungegliederter 

')  Über  die  Monumente  von  Hainburg  s.  Sacken,  die  röm.  Stadt 
Carnuntum  etc.  in  den  Sitzungsber.  der  philos.-hist.  Ci.  der  kais. 
Akademie,  IX,  S.  780. 

2)  Vgl.  Primisser,  Reisenachrichten  in  einigen  Abteien  etc.  in 
Hormayr's  Archiv  1822. 


Rundbogenfries  mit  herablaufenden  Halbsäulen,  welche  ab- 
gestumpfte Würfelcapitäle  haben ,  an  der  Abseite  mit  ihrer 
Altarnische  ein  reich  gegliederter  Rundbogenfries.  —  Ihr 
Chor  aus  dem  XV.  Jahrhundert.  —  Das  Innere  modernisirt. 

Klosterneuburg.  Die  Westfacade  der  Stifts- 
kirche zeigt  im  rundbogigen  Portale  mit  plumpen  Säulen, 
welche  Würfelcapitäle  mit  eingegrabenen  Ornamenten 
haben,  den  hinaufsteigenden  Halbsäulenbündeln  und  Stücken 
von  Würfelfries,  Reste  des  ältesten  Baues  zu  Anfang  des 
XII.  Jahrhunderts.  Auch  das  Querschiff  und  ein  Theil  des 
Chores  sind  aus  dieser  Zeit.  Der  herrlicheKreuzgang  mit 
seinen  reichen  Gliederungen  und  Spitzbogengewölben  ist  mit 
Ausnahme  der  Ostseite,  wo  die  Details  noch  die  romanische 
Bildung  zeigen,  mehr  ein  friihgothisch.es ,  als  ein  roma- 
nisches Bauwerk  zu  nennen  '). 

Kirling.  Die  halbkreisförmige  Apsis  der  einfachen 
Kirche  mit  hohem  Passgesimse  und  Halbsäulen,  welche 
attische  Basen  mit  knolligen  Eckblättern  haben  und  die 
Umfassungsmauern  des  Schiffes  sind  ohne  Zweifel  aus  dem 
XII.  Jahrhundert. 

Lieh tenst ein  (Burg).  Der  untere  Quaderbau  des 
Hochschlosses  mit  der  Capelle ,  welche  aus  einem  rund- 
bogigen Kreuzgewölbe,  dessen  breite  Gurten  auf  Ecksäulen 
ruhen,  besteht,  mit  kleiner  Altarnische,  gehört  der  romani- 
schen Epoche  an.  Aussen  sieht  man  den  Rundhogenfries 
initllalbsäulen,  darüber  die  Würfelverzierung.  Die  schmalen 
Bundbogenfenster  von  Wülsten  auf  Basen  eingefasst. 

Margaretben  am  Moos.  Das  Schiff  der  Kirche 
aus  dem  Anfange  des  XIII.  Jahrhunderts.  Die  Bippen  der 
im  gedrückten  Spitzbogen  geführten  Gewölbe  ruhen  auf 
Halbsäulcn  mit  Schneckeucapitälen;  auch  die  von  zwei  halb- 
kreisförmigen Scheidbogen  begränzte  Halle  unter  dem 
Thurme  ist  aus  dier  Zeit. 

Die  Johann  es  capelle  daneben,  ein  oblonger  Baum 
mit  einem  schönen  Arcaden-Fenster  mit  5  Spitzbogen, 
welche  von  Säulchen  mit  Schneckencapitälen  und  ähnlichen 
Basen  getragen  werden.  Die  Bogen  sind  diamantirt,  zwi- 
schen ihnen  romanische  Blattverzierungen. 

Mödling.  Rundcapelle  neben  der  Othmarskirche 
(jetzt  Glockenturm),  mit  halbkreisförmiger  Ap-is.  Halb- 
säulen und  Rundbogenfries,  dessen  Schenkel  abwechselnd 
in  Lilien  ausgehen,  darüber  die  Zahnschnittverzierung.  Das 
rundhogige  Portal  hatte  Säulen  und  reich  verzierte  Rogen- 
friese=).    Unter  der  Capelle  eine  Gruft. 

Neustadt.  Das  Schilf  und  die  Thürme  des  Domes 
vom  ersten  Baue  um  1200.  Hei  Spitzbogenconstruction  der 
Gewölbe  mit  breiten  Gurten  sind  Fenster  undThüren  rund- 
bogig,  die  Gliederung  der  Pfeilergesimse,  die  Capitäle  der 
Dienste  entschieden  romanisch;  aussen  Rundbogen-  oder 
gedrückter  Spitzbogenfries.     Das  südliche  Portal  herrlich, 


l)  Abbildungen:  Eni  st  und  Öse  her.  Baudenkmale  des    Mittelalter 

Erzherzogthume  Österreich,  I.  — III.  Heft,    p  ,■  i  m  i  ss  e  r  n.  a.  0. 
2j   Pr  i  rniss  er   a.  n.   (1. 


—  84  — 


mit  reichem  Stabwerk,  Zickzack  u.  dgl.  in  den  Bogenfriesen 
und  zwischen  den  Säulen;  die  Capitäle  von  höchster  Schön- 
heit.  Die  viereckigen  Thürme  sind  etwas  jünger. 

Die  achteckige  Grabcapelle  daneben  mit  Giebeln 
über  den  Seiten,  halbkreisrunder  Apsis  und  einem  Blattfriese 
unter  dem  Dachsimse  derselben  (das  gothische  Schiff  ist  ein 
späterer  Zubau)  ebenfalls  aus  dem  Anfange  des  XIII.  Jahr- 
hunderts. Die  Fenster  rundbogig. 

Das  Thor  des  Hauses  Nr.  225  hat  vier  Säulen  mit 
ringartigem  Capitälabschluss  ,  darüber  vier  Wulste  im 
gedrückten  Spitzbogen,  zwischen  denselben  Zickzackver- 
zierung. 

Petronell.  Die  Pfarrkirche  von  rein  romanischer 
Hauart.  einschiffig  mit  quadratischem  Chor,  aussen  mit  Halb- 
säulen und  Rundbogenfries,  innen  mit  einem  rundbogigen 
Kreuzgewölbe  bedeckt,  dessen  breite  Gurte  von  Ecksäulen 
getragen  werden.  Am  viereckigen  Thurm  auch  der  Bund- 
bogenfries. 

Die  Johanniscapelle,  eine  Rotunde  mit  halbkreis- 
förmiger Apsis  von  alten  romanischen  Bauformen;  der  rund- 
bogige  Eingang  bat  auf  jeder  Seite  4  Halbsäulen  mit  Eck- 
blättern an  den  Basen  und  cannelirten  oder  gewürfelten 
Capitälen.  Ein  Gang  in  der  Mauerdicke  führte  auf  das 
(fehlende)  Kuppelgewölbe  ').  Aus  dem  Anfang  des  XII.  Jahr- 
hunderts. 

P  o  1 1  e  n  d  o  r  f.  Die  drei  S ch  1  OS sthfi  r  m  e  aus  Buckel- 
quadern gehören  dem  frühen  Mittelalter  an;  sie  sind  von 
quadratischer  Grundform.  Der  viereckige  Thurm  der  Ca- 
pe He  bat  rundbogige  Fenster,  deren  jedes  durch  eine  Säule 
untertbeilt  war. 

Regelsbrunn.  Halbrunde  AI  tar  vorläge  mit  Rund- 
bogenfries und  Halbsäulen,  ein  Überrest  der  alten  Kirche. 

Scheiblingkirchen.  Ro  tun  de  v  o  u  1 189  mit  halb- 
runder Apsis;  aussen  Halbsaulen  mit  Würfelknäueln,  im 
Innern  ein  rundbogiges  Kreuzgewölbe  mit  breitleibigen,  auf 
Tragstemen  ruhenden  Gurten,  die  Altarnische  mit  einer 
Halbkuppel1). 

Solen  au.  Am  viereckigen  Kirch  thurm  e  der  Rund- 
bogenfries, dessen  Schenkel  Lilienenden  haben  (wie  in  Möd- 
ling),  ohne  Zweifel  ans  der  Babenberger  Zeit.  Ein  Belief 
aus  derselben  Zeit  stellt  den  heil.  Laurentius  auf  dein  Roste 
ihn-,  eine  rohe  Arbeit. 

Starhemberg.  Die  .sehr  ausgedehnte,  höchst  inter- 
essante Burgruine  zeigt  an  mehreren  Theilen  romanische 


Bauformen,  so  ein  Gemach  mit  Bundbogenfenster  und 
Rundbogenfries  und  der  runde,  geborstene  Thurm,  der  in 
seinem  untern  Baume  eine  Rundcapelle  mit  halbkreisförmi- 
ger Altarvorlage  enthält,  in  derselben  die  Überreste  des 
steinernen  Altares  ').  Auch  findet  man  viele  Steinmetzzeichen 

Tb  emb  erg.  Romanische  Kirche,  einschiffig,  aussen 
Halbsäulen  mit  hohen  Basen  ,  an  der  halbrunden  Apsis 
auch  ein  Rundbogenfries.  Im  Innern  ist  noch  ein  rundbogi- 
ges Kreuzgewölbe  erhalten,  die  bandartigen  Gurte  ruhen 
auf  Ecksäulen  mit  Blatt-  und  Würfelcapitälen,  Das  zweite 
Gewölbe  des  Schiffes  wurde  in  neuerer  Zeit  erhöbt  und  der 
Eingang  durch  die  Apsis  ausgebrochen2). 

W  e  i  g  e  I  sd  ii  r  f.  Die  kleine  aus  Quadern  gebaute  Kirche 
hat  stark  eingezogene  Rundbogenfenster,  an  der  südlichen 
Abseite  eine  halbkreisförmige  Altarvorlage;  auch  sind  noch 
Theile  des  alten  Gesimses  und  Fragmente  einiger  Sculpturen 
(Thiergestalten)  erhalten. 

Wien.  St.  Johann  am  Alserbache.  Der  Thurm. 
dessen  rundbogige  Schalllöcher  durch  eine  Säule  mit  abge- 
stumpftem Würfelknauf  und  attischer  Basis  untertheilt  sind, 
stammt  dem  Baue  nach  aus  dem  XII.  Jahrhundert. 

Die  Westfacade  des  St.  Stephansdomes  mit 
dem  herrlichen  Portale  ist  ein  Best  des  ersten  Baues  in  der 
ersten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts;  die  schwerfälligen 
Halbsäulenbündel ,  die  Bundfenster  und  Friese,  das  rund- 
bogige Portal,  dessen  Säuleu  prachtvolle  Capitäle  haben  und 
an  den  Schäften .  wie  auch  die  Bogenfriese  schönes  Stab-, 
Gitter- und  Flechtwerk  zeigen,  endlich  die  Sculpturen  der 
Apostel  über  den  Säulen  und  des  segnenden  Christus  im 
Bogenfelde  stimmen  damit  überein3).  Die  Thürme  an  der 
Facade  mit  Spitzbogenfenstern  um  12(>0  gebaut. 

Das  Schilf  und  Querschiff  der  Kirche  St.  Michael 
im  schönsten  Fbergangsstyle,  die  Construction  spitzbogig, 
die  reichen  Details,  Capitäle  der  Halbsäulen  u.  s.  w.  roma- 
nisch; die  Fenster  rundbogig.  Abseilen  niedriger  als  das 
sehr  hohe  Mittelschiff.  Unter  Leopold  VII.  um  1220  gebaut. 

Wildungsmauer.  Die  kleine  Kirche  ein  massiver 
Quaderbau  mit  flach  geschlossenem  Chor,  einschiffig,  aussen 
reicher  Rundbogenfries,  im  Innern  mit  rundbogigen  Kreuz- 


'i  Sacken,   die  römische  Stadt  Carnuntum  >.  a.  0.  S.  780. 
•)  Vgl.  Feil  in  den  Berichten  dea  Uterthuma-Vereina  in  Wien,  I.  S.  44.  — 
Scheiger in  Honnayr'a  Vrchii  1823,8.443. 


gewölben. 


•)  Scheiger  in  Hormnyr'a  Archiv  1826,  S.  'in. 

-)  Keil  im  l.  li:iiuli' ili-r  lliM'ichii1  iK's  Alterthiims-Vereina  in  Wien,   S.  288. 

-1)  Vgl.  Tschiachka,  die  Metropolitankirche  tu  St  Stephan,  Wien 
1S43,  und  dünilter  -lie  Uei-tMision  von  .1.  Feil  in  Schmidl'a  öaterr. 
Blättern  für  l.ii.  und  Kunal  1844,  Nr.  18.—  Tachischka, 
Stephansdom  in  Wien  und  seine  alten  Denkmfiler  der  Knnsi  in  4'i  Tn- 
feln  von  Wilder,  Wien  1832,  —  Mclly,  dea  Westportal  des 
Domes  Au  Wien.  —  Lichnowaky,  Denkm.  der  Bauk,  und  Bildnei 
dea  M.  A.  in  üaterr.,  gez.  von  .1.  Fi  scher,   1817. 


—  85  — 


Decennal-Aufzeichnung  der  archäologischen  Funde  in  Siebenbürgen  vom  Jahre  1845  bis  1855. 

(Ein  Beitrag  zu  deu  „Beiträgen  einer  Ciironik  «1er  archäologischen  Funde  in  der  österreichischen  Monarchie  des  J.  G.  Seidl.") 
Von  M.  J.  Ackner,  Correspondenten  der  k.  k.  Central-Commission  zu  Hamersdorf  in  Siebenbürgen. 


Vor  zehn  Jahren  verfertigte  ich  aus  meinem  Tagehuche 
üher  die  in  dem  zunächst  verflossenen  Zeiträume  vom  Jahre 
1835  bis  1845  neu  entdeckten  und  mir  bekannt  gewor- 
denen vaterlandisch  archäologischen  Gegenstände  einen 
Auszug  und  übergab  ihn  zu  beliebigem  Gebrauche  unserm 
Ausschusse  des  Vereines  für  siebenbürgische  Landeskunde, 
welcher  denselben  erst  im  IV.  Bande,  1.  Heft  1850,  des  Ver- 
eins-Archives  öffentlich  herausgab.  Inzwischen  geht  wieder 
ein  Decennium  zu  Ende.  Die  während  dieser  zehn  Jahre 
entdeckten  altertümlichen  Gegenstände  und  einige,  dieselben 
betreffenden  Ereignisse  und  Thatsachen  habe  ich  nach  der 
Zeitfolge  ihrer  Entdeckung  und  ihres  Bekanntwerdens,  nach 
dem  beschränkten  Standpunkte  eines  Privatmannes,  mög- 
lichst genau  aufzunehmen  mich  bemüht.  Leider  müssen  wir 
hierbei  auch  Zerstörungen  und  unersetzliche  Verluste  früher 
entdeckter  historisch  wichtiger  Gegenstände  beklagen.  Was 
neu  entdeckt,  was  theilweise  wieder  zerstört  worden  ist, 
wollen  wir  im  Nachfolgenden  kurz  bezeichnen. 

1845. 

Zuvörderst  muss  ich  die  Funde  bemerken ,  welche  in 
meiner  nächsten  Umgebung,  im  Orte  meines  zeitlichen  Auf- 
enthaltes, des  freundlichen  Hamersdorf  *),  vorgekommen, 
woselbst  ich  gleichsam  zum  stets  wachen  Aufseher  über  die 
von  Zeit  zu  Zeit  zufällig  erscheinenden  Alterthümer  mich 
berufen  glaube.  Hier  besitze  und  behaupte  ich  mein  Fossi- 
lien- und  Antiken-Monopol.  Jeder  Ortseinwohner,  ohne 
Unterschied  der  Nation,  Sachsen,  Walachei),  Zigeuner,  Alle 
sind  gewonnen  und  instruirt  und  zu  meinen  diessfälligen 
Lieferanten  abgerichtet. 

Im  Frühjahre  des  vorstehenden  Jahres  entdeckten  auf 
dem  sogenannten  Kaltenbrunner-Berge ,  einer  der  höchsten 
waldumkränzten  Kuppen  nördlich  von  Hamersdorf  und  Her- 
mannstadt, zwei  Zigeuner  bei  dem  Graben  einer  runden 
Vertiefung,  um  Holz  zum  Kohlenbrennen  darin  zusammen  zu 
legen,  zwei  kleine  griechische  Bronzemünzen,  aus  Erythrae 
in  Jonien  herstammend. 

Avers :  Kopf  des  Hercules  mit  der  Löwenhaut  beklei- 
det. Bevers:  Köcher  und  Keule,  im  Felde  die  Eule  auf 
einem  Aste  —  EPT  und  APISTEAS. 

Die  zweite  ist  eine  ähnliche ,  obgleich  nicht  mit  dem- 
selben Stempel  geprägt. 

Um  die  nämliche  Zeit  hob  ein  sächsischer  Landmann 
unter  dem  Pflügen  in  dem  oben  am  Orte  ausmündenden,  eine 


*)  In  alten  Urkunden:  Villa  Divi  Huperti  oder  Huberti ,  p  oder  h  mutatur 
in  in  Simplex ;  so  ward  es  früher  geschrieben  und  auch  vom  gelehrten 
Joh.  Seivert;  so  ist  es  auf  dem  Parochialsiegel  eingravirt. 


Stunde  nördlich  hinaufziehenden  und  von  waldumschatteten 
Höhen  begrenzten  Thalgrunde  zwischen  den  Erdschollen 
seines  Ackers  eine  kleine  Urne  heraus,  welche  mit  vielen 
Strichen  und  Punkten  verziert  und  den  keltischen  Gefässen 
nicht  unähnlich  zu  sein  scheint.  Sie  wurde  zugleich  mit 
einer  grössern,  aus  der  bekannten  Nekropolis  im  Eichen- 
walde zwischen  Kastenholz  und  Girelsau  gewonnenen  Grab- 
urne nach  Wien  in  das  k.  k.  Münz-  und  Antiken-Cabinet 
gesendet.  Fast  durch  jeden  heftigen  Begenguss  werden  aus 
demselben  Thalgrunde,  noch  mehr  aus  dessen  Nebenthälern 
und  Querschluchten,  mit  den  gleichen  Zierathen  versehene 
Bruchstücke  von  den,  den  Kelten  zugeschriebenen  Gefässen 
herausgewaschen.  Häufiger  erscheinen  indessen  doch  dar- 
unter die  Fragmente  von  römischen  Urnen  und  Geschirren, 
welche  sich  durch  eine  feinere,  fleissiger  bearbeitete  Thon- 
masse  und  vorzüglich  durch  eine  elegante,  edlere  Form  aus- 
zeichnen. Kein  einziges  Jahr  des  Decenniums  ist  verstri- 
chen, ohne  etwas  in  dieses  Hinsicht  geliefert  zu  haben. 
Mehrere  Handmühlen  aus  Basalt  sind  zum  Vorschein  ge- 
kommen. Sie  bestehen  aus  zwei  Theilen,  deren  einer  con- 
vex,  der  andere  concav,  zusammenpassend  und  in  der  Mitte 
durchbrochen  sind  für  eine  eiserne  Axe,  um  die  Steine  in 
Bewegung  zu  setzen.  Das  Basaltgebilde  kommt  in  der  Um- 
gegend von  Hermannstadt  nicht  vor;  erst  zwölf  bis  vierzehn 
deutsche  Meilen  entfernt,  trifft  man  dasselbe  hinter  Deva  im 
Westen  und  hinter  Heviz  im  Osten  Siebenbürgens  mächtig 
anstehend  an.  Mit  dem  schlackigen  und  schwammigen  Basalte 
aus  dem  Walde  hinter  Heviz  stimmt  die  Masse  unserer 
Handmühlen  ziemlich  überein. 

In  demselben  Thalgrunde,  dessen  Berglehnen  und  Ne- 
benthälern führt  der  glückliche  Zufall  den  Hirten ,  den 
Hütern  der  verschiedenen  Heerden,  häufiger  noch  während 
der  Bearbeitung  des  Bodens  den  Feldarbeitern  einzelne 
antike  Münzen  in  die  Hände.  Sehr  häufig  sind  es  silberne 
und  bronzene  Münzen  von  Trajan,  Hadrian.  von  den  Anto- 
ninen und  den  kaiserlichen  Gattinnen,  der  Sabina,  der  älteren 
und  jüngeren  Faustina,  und  werden  mir  oft  gegen  eine  entspre- 
chende  Belohnung  und  Belobung  zur  Vermehrung  meiner 

OD  O 

Oollection  überbracht.  Manchmal  findet  sich  auch  eine  selte- 
nere darunter.  So  zum  Beispiel  eineMatidia,  Trajan's  Nichte. 
Mutter  der  Sabina  der  Gattin  Hadrian's.  Von  jeher  förderte 
der  Zufall  im  Bereiche  von  Hamersdorf  und  vorzüglich  in 
den  mehrgenannten  Thalgründen  alte  römische  und  grie- 
chische Münzen  von  Erz,  Silber  und  selbst  von  Gold  zu 
Tage.  Ein  Apotheker  in  Hermannstadt,  der  Sohn  von  einem 
meiner  Antecessoren,  besitzt  gegenwärtig  noch  von  seinem 

12 


—  86  — 


N  ater  ein  hier  in  dem  oben  erwähnten  Formenthale  ausge- 
waschenes Golilstiiek  von  Alexander  dem  Grossen ,  welches 
er  in  einem  goldenen  Fingerringe  so  fassen  liess,  dass  beide 
Seiten  der  Münze  bequem  zu  sehen  und  zu  lesen  sind.  Sie 
zeigt  auf  der  Vorderseite  :  den  gehelinten  Pallaskopf,  auf 
der  Rückseite:  BA2IAES2  AAEX  ANAPOT.  Die  Sieges- 
göttin in  der  rechten  Hand  einen  Kranz,  in  der  linken  Hand 
den  Dreizack  haltend  (323  vor  Chr.  Geb.). 

Bemerkenswert])  erscheint  es,  dass  noch  immer  von 
Zeit  zu  Zeit  beim  Grabmachen  für  verstorbene  Ortsbewohner 
auf  dem.  am  Fusse  des  nahen  östlichen  Berges  gelegenen 
evangelischen  Begräbnissplatze  in  Hamersdorf,  und  zwar 
aus  einer  Tiefe  von  fünf  bis  sechs  Fuss,  alterthüinliche  Ge- 
schiere, theils  ganz,  theils  bruchstückweise  ausgegraben 
werden.  So  spendeten  die  geöffneten  Gräber  zu  verschie- 
denen Malen  zwei  vollständig  und  gut  erhaltene,  sehr  eng- 
halsige.  gehänkelte  Krüge  aus  fleissig  gearbeitetem  Thone, 
gleich  der  Terra  sigillata.  stark  gebrannt  und  mit  einem 
rothen  Überzüge  versehen,  übrigens  jenen  im  vorigen  Jahr- 
zehend  beschriebenen  und  auch  auf  demselben  evangelischen 
Leichenfriedhofe  ausgegrabenen  und  gehäukelten  Flusch- 

o     CT  o 

clien  au  Form  und  Bestandmasse  ganz  ähnlich,  bloss  an 
Grösse  die  früheren  übertreffend,  indem  diese  in  der  Höhe 
71/,  und  in  der  durchschnittlichen  Weite  5'/>  Zoll  messen, 
Mährend  jene  bloss  6  Zoll  hoch  und  5  Zoll  weit  sind. 


1846. 
Als  eine  merkwürdige  und  rühinensw  erthe  Handlung 
muss  zu  diesem  Jahre  voran  bezeichnet  werden,  dass  glück- 
licher  Weise  das  von  den  beiden  edlen  Grafen  Jos.  und  Samuel 
Keinen  y  durch  ihre  namhaften  Geschenke  an  Bücher  gegrün- 
dete und  von  anderen  Vaterlandsfreunden  vermehrte  sieben- 
bürgisehe  Landesmuseum  wieder  einen  sehr  schätzbaren 
Zuwachs  erhalten  hat.  Die  verwitwete  Frau  Gräfin  Susanna 
Lazär  von  Gyalakutta,  geborne  Freiin  ven  Inczedi,  hat 
nämlich  den  Grafen  Joseph  Kemeny  zur  besseren  und 
reichhaltigeren  Begründung  dieses  Museums  eine  nicht  un- 
bedeutende Anzahl  römischer  und  anderer  Alterthümer, 
bestehend  aus  Figuren  von  Bronze,  Holz  und  Stein,  aus 
Töpfen,  Vasen,  Lampen  vonThon  und  Bronze,  Waffenstücken, 
anderen  Gerätschaften,  Bruchstücken,  Kleinigkeiten  und 
Münzen  übergeben,  unter  welchen  sich  Gegenstände  von 
hohem  Interesse  und.  wie  es  scheint,  .sogar  mit  etruskischen 
Charakteren  versehen  befinden.  Für  Siebenbürgen  haben 
diese  Seltenheiten  einen  um  so  grosseren  Werth,  da  sie  fast 
alle  in  Thornburg  (Thorda),  dem  ehemaligen  Salinae  der 
Humor,  gefunden  worden  sind,  und  von  hier  nach  dem  mit 
Kunst-  und  Alterthumssinn  reichlich  ausgestatteten  Gyala- 
kutta wanderten,  wo  sich  ,  nebst  vielen  schönen  Gemälden, 
auch  eine  Collection  von  vortrefflich  erhaltenen  japanischen 
Vasen  und  Geschirrei I  neun  grossen  chinesischen  Ge- 
mälden auf  Papier  aus  der  alten  Zeit  befinden.  Alte  Bücher 
hat  die  patriotische  Spenderin  ebenfalls   für  das  vaterlän- 


dische Museum  bestimmt,  die  aber  erst  künftiges  Jahr  dem 
belobten  Grafen  übergeben  werden  sollen,  da  sie  derzeit 
auf  verschiedeneu  Gütern  zerstreut  sind.  Für  das  bereits 
Übergeben»,  wie  auch  für  das  noch  zu  Erhaltende  wird 
das  Vaterland  der  hochherzigen  Dame  ebenso  dankbar  sein, 
wie  jeder  Freund  der  Wissenschaft,  der  da  wünscht,  dass 
alle  Kunst-,  Wissenschafts-  und  Alterthuinsschätze  sich  recht 
bald  au  einem  Orte  vereinigen  und  dem  Forscher  zu  einem 
Totalüberblicke  Gelegenheit  geben  möchten;  denn  nur  dann 
wird  man  erst  sehen  können,  wie  reich  unser  Siebenbürgen 
an  derlei  Gegenständen  ist.  Der  für  die  Förderung  dieses 
Zweckes  unermüdliche  edle  Graf  Joseph  Kemeny,  welcher 
einstweilen  die  Sammlung  und  Aufstellung  dieser  Spenden 
in  Gerend  übernimmt  und  wissenschaftlich  ordnet,  bevor 
das  geeignete  Locale  dazu  ausgemittelt  sein  wird,  verdient 
wohl  daher  in  seinem  Streben  allgemein  unterstützt  zu 
werden. 

Nach  der  am  4.  Juni  1846  in  Mühlenbach  erfolgten 
und  geschlossenen  Generalversammlung  des  Vereines  für 
siebenbürgische  Landeskunde  lud  uns  eine  sich  günstig 
gestaltende  Witterung  —  eine  Hauptbedingung  zu  glück- 
lichen Forschungen  unter  freiem  Himmel  —  zu  Excursionen 
in  die  nähere  Gegend  des  westlichen  Vaterlandes  ein. 
namentlich  in  die  Hunyader  Eisenbergwerke,  dann  nach 
Maros  Nemet,   Vetzel  und  Deva. 

(Bei  Gyalär,  im  Broser  Kreise  und  Vaida-Ilunyader  Be- 
zirke, sieht  man  noch  Spuren  des  alten,  wahrscheinlich 
römischen  Eisenbergbaues  in  diesem  mächtigen ,  uner- 
schöpflichen Eisenstoek ,  welcher  mit  den  Eisenbergen  von 
Dannemora  in  Schweden  zu  vergleichen  ist.  Hie  Bergleute 
und  besonders  ein  gefälliger  Hutmann  erzählten,  dass 
während  der  neuen  Eröffnung  eines  Tagebaues  und  bei  dem 
Verfolge  der  Arbeit  plötzlich  unter  der  Hand  einiger  Bergleute 
ein  Felsstück  in  einen  tiefen  Abgrund  gestürzt,  und  dass  man 
bei  dein  Fortgänge  der  Arbeit  endlich  einen  grossen  bereits 
ausgebeuteten  Raum  entdeckt  und.  nachdem  man  den  Grund 
erreicht,  Skelette  von  Menschen  und  Thieren,  Gerät- 
schaften und  Münzen,  die  deutlich  auf  die  Römerzeit  hin- 
deuteten, gefunden.  Der  ursprüngliche  Eingang  in  diesen 
Baum  sei  noch  nicht  ermittelt  worden.  So  erzählte  der 
Hutmann  und  mehrere  andere  Bergleute.  Die  Anschauung 
dieser  Alterthümer  ward  uns  nicht  zu  Theil,  wohl  aber  der 
mehrmalige  Anblick  uralter  Halden  und  Pingen  aus  einer 
sehr  frühen  Zeitperiode. 

In  Maros  Neineli  begriisslen   wir  den  gelehrten  Grafen 

Gvulai,  durchwanderten  in  seiner  Gesellschaft!  dessen  am 

Palaste    gelegenen    schönen   Garten    und    betrachteten    die 

daselbst  aufgestellten  Statuen.  Bareliefs  und  Inschriftsteine 
auf  marmornen  Platten  und  Altären,  die  sämmtlich  zwischen 
Maros  NYunoti  und  \ei/ei.  zum  Theil  auf  den  Besitzungen 
des  Grafen  selbst,  ausgegraben  wurden  und  wo.  nach  der 
Verbreitung  dieser  Römerspuren  und  besonders  der  Mein, 
Grundmauern,  die  mau  sogar  bis  weit  am  südlichen  Berg- 


—  87 


abhänge  hinauf  und  bis  an  das  linke  Marosufer  herab  an- 
trifft, zu  schliessen,  hier  eine  bedeutende  römische  Nieder- 
lassunggewesen sein  muss;  zumal  wenn  man  noch  die  Unzahl 
der  von  hier  verschleppten  gehauenen  Quadersteine  berück- 
sichtiget ,  womit  auf  einer  langen  Strecke  das  linke  Maros- 
ufer und  die  Strasse  in  die  Nachbarprovinz  gebaut  und  be- 
festigt worden  sind.  Dr.  Fodor  in  Deva  hat  die  in  diesem 
Garten  vorfiiidlichen  Alterthiimer,  welche  indessen  bedeu- 
tenden Zuwachs  erhielten,  in  ungarischer  Sprache  im  Jahre 
1844  mit  lithographirten  Zeichnungen  im  Drucke  heraus- 
gegeben und  der  Versammlung  der  ungarischen  Arzte  und 
Naturforscher  in  Klausenburg  vorgelegt.  Dass  derselbe 
mehrere  Inschriften  falsch  gelesen  und  unrichtig  ergänzt, 
kann  der  Eingeweihte  schon  bei  Durchlesung  des  Werk- 
chens sich  bald  überzeugen,  ohne  noch  eine  weitere  Ver- 
gleichung  mit  den  Inschriften  auf  dem  blanken  Marmor  im 
gräflichen  Garten  angestellt  zu  haben.  Am  andern  Morgen 
führte  uns  der  Graf  an  den  Ort  der  Alterthiimer  selbst,  wo 
wir  bis  Mittag  Ausgrabungen  veranstalten  Hessen,  jedoch 
ausser  einigen  Bruchstücken  von  Gelassen,  Ziegeln,  Glas, 
von  steinernen  Statuen ,  Särgen ,  nichts  Ganzes  und  keine 
Inschriften  fanden.  Walachen  brachten  uns  hier  ausgegra- 
bene römische  Münzen  und  andere  daselbst  gefundene 
Kleinigkeiten,  worunter  eine  bronzene  Fibula  und  ein  zier- 
licher Esslöfel  von  Erz  sich  befand.  Früher  noch  hatte  der  Graf 
eine  6  Zoll  grosse  metallene  Statuette  mit  dem  Phallus  und 
eine  andere,  welche  einen  Priapus  vorstellt,  von  hier  erhalten. 
Bei  der  Witwe  V  a  r  a  d  i  von  Kement  oder  deren  Sohne 
in  Deva  ist  eine  sehenswerthe  Sammlung  vorhanden.  Sie 
enthält  nicht  bloss  naturhistorische,  sondern  ganz  vorzüglich 
auch,  und  zwar  hier  in  dieser  Gegend  ausgegrabene  und 
entdeckte  alterthümliche  und  namentlich  numismatische  Ge- 
genstände. An  derselben  vermisst  aber  der  Sachkenner  die 
systematische  und  namentlich  bei  den  alten  Münzen  die  chro- 
nologische Ordnung.  Die  grossen  Erzmünzeu  von  römischen 
Kaisern  und  Kaiserinnen  sind  sehr  zahlreich.  Selbst  silberne 
und  goldene  Stücke  von  bedeutendem  Werth  und  Gehalt 
fehlen  nicht.  Der  grösste  Theil  dieser  Antiken  wurde  in 
den  bereits  oben  erwähnten  Trümmern  zwischen  Vetzel  und 


Maros  Nemeti,  woselbst  sich  ein  römisches  Lager  von  der 
jetzigen  Landstrasse  bis  an  den  Marosfluss  mit  noch  sicht- 
barer Umwallung  erstreckt,  gefunden.  Darunter  ist  unstrei- 
tig ein  steinerner,  mit  Inschriften  versehener  Sarkophag 
durch  den  in  ihm  gefundenen  seltenen  Inhalt  am  merkwür- 
digsten. Letzterer  umfasste  die  mit  der  Asche  eines  jungen 
Kriegers  gefüllte  Urne  und  Grabgeschirre,  ein  bronzenes 
Schwert,  einen  silbernen  Harnisch  und  zwei  eiserne  Finger- 
ringe mit  Carneolen,  welche  eingravirte  Figuren  darstellen. 
Von  dem  silbernen  Harnisch  ist  leider  das  meiste  in  Verlust 
gerathen,  und  gleich  bei  dessen  Entdeckung  verstümmelt 
und  geplündert  worden;  aber  schon  aus  dem  geretteten 
Theil  —  eine  Schienbeinbekleidung  —  lässt  sich  auf  die 
Kunst  und  Schönheit  des  vollständigen  Panzers  schliessen. 
Der  Sarg,  aus  röthlichem  Syenit-Porphyr,  liegt  im  nahen 
Varadischen  Garten  zwischen  Obstbäumen,  von  mehreren 
theils  aus  Marmor,  theils  aus  Sandstein  gemeiselten  Monu- 
menten und  Inschrift -Altären  umgeben.  Am  Sarkophage 
liest  man  Folgendes : 

C.  VALERIVS  VRSVS 

VK  ANN  XX  C.  VAL 

ANTESTIVS  VETER 
EX  DECVR.  FILIO  FECIT. 
Diese  Collection  in  Verbindung  mit  jener  des  Grafen 
Gyulai  in  Maros  Nemeti,  deutet  auf  die  Wichtigkeit  und 
den  einstmaligen  blühenden  Zustand  dieser  am  felsigen  Ein- 
gänge ins  mittlere,  gleichsam  in  das  Herz  Daciens,  längs  dem 
linken  Marosufer,  gewesenen  römischen  Pflanzstadt.  Ohne 
Widerrede  erscheinen  die  Genannten,  mit  Ausnahme  Weni- 
ger, welche  in  dieser  Gegend  die  Alterthiimer  etwa  noch 
ehren,  als  die  beiden  Hauptsammler  dessen,  was  bisher 
vorgekommen  und  noch  vorkommen  wird  in  den  Maros  Ne- 
meter  und  Vetzeler  Ruinen. 

Auch  wurden  in  diesem  Jahre  zu  Magyar  Nadas,  im 
Klausenburger  Kreise  und  Bezirke,  11  antike  Silbermünzen 
aus  der  illyrischen  Stadt  Dyrrhachium,  mit  dem  Magistrats- 
namen: MENI2K0S.  —  <f>IAÖTA.  —  ZENJ2N.  u.  a.  ge- 
funden (vgl.  österr.  Rl.  f.  Lit.  u.  Kunst,  1S4G,  Nr.  136). 

(Fortsetzung  folgt.} 


Restaurationen.  ) 


//.  Lomburdie. 

Aus  dem  Berichte  der  lombardischen  Baudirection  über 
die  in  den  Jahren  1853  und  1854  vorgekommenen  Leistun- 
gen im  Interesse  der  Erhaltung  der  Baudenkmale  geht  hervor, 
dass  in  früheren  Jahren  ein  grosser  Theil  der  monumentalen 
Bauten  dieses  Kronlandes  aus  Rücksicht  auf  die  Erweiterung 
der  Strassen  zerstört  worden. 

Erst  die  Entdeckung  des  Hercules-Tempels  in  Rrescia, 
welche  die  Errichtung  eines  vaterländischen  Museums  zur 


»)  Vergleiche  I.  Heft,  S.  10. 


Folge  hatte  2),  lenkte  wieder  die  Aufmerksamkeit  der  Gebil- 
deten auf  eine  sorgfältigere  Erhaltung  der  Kunstdenkmale, 
und  im  Jahre  1840  wurde  in  Cremona  das  Rathhaus  im  Style 
und  Charakter  seiner  ursprünglichen  Anlage  restaurirt.  —  Die 
Stadt  Mailand  verlor  viele  ihrer  historischen  Baudenkmale 
durch    die   Unwissenheit   der   Restauratoren,    welche   ohne 


2)  Irren  wir  nicht,  so  geschah  diess  im  Jahre  lS2t»  hei  derselhen  Gelegen- 
heit, als  auch  die  berühmte  Victoria  daselbst  ausgegraben  wurde,  üas 
Museum  der  Stadt  Brescia  gehurt  gegenwärtig  tu  den  hervorragendsten 
der  tombardischen  Stallte.  D.  Red. 

12« 


—  88 


wissenschaftliche  Grundlage  deren  ursprügliche  Gestall 
entweder  verunstalteten  oder  gänzlich  verwischten,  bis  in 
der  Zeitschrift:  „II  Politecnico"  des  Jahres  1839  eine  mäch- 
tige Stimme  gegen  die  Urheber  dieser  Yandalisinen  sich 
erhob  und  der  bisherigen  Übung  Einhalt  gethan  wurde. 
Dr.  Giuseppe  Scrusi  benutzte  den  gegebenen  Impuls  zur 
Gründung  eines  vaterländischen  Museums  und  eines  archäo- 
logischen Vereines  für  Mailand.  I>ie  Statuten  wurden  verfasst, 
erhielten  die  Genehmigung  der  Behörden,  und  die  Stadt- 
gemeinde  war  schein  bereit.  Localitäten  zu  diesem  Zwecke 
einzuräumen,  als  die  Ereignisse  des  Jahres  1S48  alle  die 
vorangegangenen  Bemühungen  vereitelten. 

Im  November  1854  erstattete  der  Geolog  Edler  von 
Curioni  in  der  Akademie  für  Wissenschaften  und  Künste 
einen  Bericht,  worin  er  anführt,  dass  er  bei  seinem  letzten 
Ausfluge  im  Val  Trompia  der  Provinz  Brescia  die  Spuren  einer 
alten  Strasse  verfolgt  habe,  welche  das  genannte  Thal  mit  der 
Val  Camonica  in  Verbindung  brachte,  und  dass  einige  Thürme 
anscheinend  römischer  Bauart  trotz  des  historischen  Inter- 
esses, das  sie  boten,  dem  Einstürze  drohten,  welches  Schicksal 
andere  ähnliche  Bauten  in  der  Valtelina  theilten.  Auf  Grund 
dieses  Berichtes  setzte  die  Akademie  aus  ihrer  Mitte  eine 
Commission  nieder,  um  in  dieser  Richtung  die  nöthigen  Vor- 
kehrungen zu  treffen ,  und  den  Aufträgen  der  k.  k.  Central- 
Commission  zur  Erforschung  und  Erhaltung  der  Baudenk- 
male zu  entsprechen. 

Über  die  Restauration  des  Mailänder  Domes  bemerkt 
der  Bericht  der  Baudirection,  dass  für  diesen  Dom  eine 
jährliche  Dotation  von  141,150  Lire  bewilligt  wurde,  von 
welcher  Summe  nach  Abzug  der  Ausgaben  für  den  Cultus 
im  Jahre  1853  106.667  Lire  und  ebensoviel  im  Jahre  1854 
zur  Vollendung  und  Wiederherstellung  dieses  imposanten 
kirchlichen  Bauwerkes  verwendet  wurden,  von  welcher 
Summe  übrigens  auch  einige  innere  Baulichkeiten  in  dem 
neueren  Gebäude  auf  dem  Platze  del  Campo  santo,  an  der 
Rückseite  des  Domes  gelegen  und  zu  demselben  gehörig, 
bestritten  worden  sind. 

Von  den  Restaurationen  in  den  übrigen  Orten  der  Lom- 
bardie  wird  jener  an  der  Abteikirche  Chiaravalle  in  der 
Nähe  Mailands  gedacht,  deren  Erbauung  in  das  XII.  Jahr- 
hundert verlegt  wird,  und  zu  deren  Wiederherstellung  von  der 
Regierung  im  Jahre  1853  der  Betrag  von  1847  Lire  und 
im  Jahre  1854  jener  von  8781  Lire  angewiesen  winde. 

Auf  Kosten  des  Staats-Ärars  hatte  man  ferner  Ausbesse- 
rungen an  dem  Karthäuserkloster  zu  Garegnano  mit  einem 
Aufwände  von  1800  Lire  vorgenommen. 

Eine  von  der  kais.  Akademie  der  schönen  Künste  ZU- 
•■ammengesetzte  Commission  machte  Vorschläge  zur  Restau- 
ration des  berühmten  Abendmahls  von  Leonardo  da  Vinci  ')• 


Zur  Erhaltung  des  berühmten  Sanctuariums  di  S.  Celso 
in  Mailand  wurde  das  Vestibüle  und  das  Innere  des  Gottes- 
hauses restaurirt,  und  hierzu  im  Jahre  1853  die  Summe  von 
14,038  Lire  und  im  J.  1854  jene  von  5604  Lire  verwendet 

In  Co  in  o  hatte  man  die  Wiederherstellung  des  Marmor- 
ptlasters  in  der  Kathedrale  mit  einem  Kostenaufwands  von 
63,022  Lire  und  andere  Herstellungen  an  den  Altären  und 
Monumenten  mit  dem  Betrage  von  2686  Lire  bewirkt. 


1 )  rii.-r  il.-n  .tu  ahnten  Restauraliunsw-rsuch  vnii  Leonardo  da  V  i  n  c  i's 
Cenacolo  im  Refectorium  dea  aufgehobenen  Klosters  der  Madonna  delle 
Grazie  sind  wir  in  der  Lage  folgende  interessante  Aufschlüsse  zu  gehen. 
Das  berühmte  Gemilde  zeigte ,  wie  bekt t ,  schon  kurz  nach  ' ardo 


da  Vinei's  Tode  Beschädigungen,  so  dass  es  schon  damals  und  seitdem  zu 
verseliiedeiU'U  Zeiten  restaurirt  und  bald  mit  Ulli-  bald  mit  Temperafarbe 
übermalt  wurde  und  nur  mehr  wenige  der  jetzt  sichtbaren  Theile  des- 
selben von  Leonardo's  eigener  Hand  herrühren.  Wir  wollen  nur  der 
unglücklichsten  Restauration  v.  J.  1726  erwähnen,  wo  ein  gewisser  Michael 
Angelo  Belotti  ein  besonderes  Geheimniss  zu  besitzen  vorgab  und  das  ganze 
Bildvön  einem  Ende  zum  andern  übermalte,  seit  welcher  Zeitdas  ganze  Bild 
ein  Ton,  wie  ein  Nebel  bedeckt.  —  Den  beklagenswertesten  Fortschritt 
der  Zerstörung  machte  das  Gemälde  jedoch,  seit  zu  Anfang  dieses  Jahr- 
hunderts das  französische  Revolutionsheer  aus  dein  Refectorium  eiuen 
Stall  gemacht  hat  und  die  Ausschwitzung  des  von  der  Wand  eingehauch- 
ten Salpeters  die  dünne  Farbenkruste  mehr  und  mehr  abstüsst  und  deren 
Abbröokelung  zur  Folge  hat.  Alle  Kunstkenner  stimmen  überein  ,  dass 
dieses  Gemälde  in  seinem  jetzigen  Zustande  unaufhaltsam  und  mit  ziemlich 
raschen  Schritten  dem  gänzlichen  Ruine  entgegengehe.  Unter  diesen 
Umständen  hielt  es  die  kais.  Regierung  für  ihre  Pflicht,  eine  im  .1.  18i>2 
in  dieser  Angelegenheit  gemachte  Eingabe  des  Präsidenten  der  Akademie 
der  schonen  Künste  in  Mailand,  Conte  Nava,  welcher  die  seit  dein  Jahre 
18-1  gemachten  Studien  und  probeweise  ausgeführten  Restaurationen 
des  Gemälde-Restauratenrs  Stefano  Barezzi  als  geeignet  erkannte,  um 
demselben  die  Restauration  von  Leonardo's  Abendmahl  zu  übertragen,  in 
nähere  Erwägung  zu  ziehen.  Es  wurde  daher  eine  aus  dem  Präsidenten 
Conte  Nava  und  einigen  compeleuten  Akademikern  bestehende  Commission 
zusammengezetzt ,  welche  die  Methode  Barezzi's  einer  strengen  Prüfung 
unterziehen  und  in  deren  Gegenwart  Barezzi  au  dem  Gemälde  einen  Re- 
stauratioiisvcrsiich  anstellen  sollte.  Nachdem  sie  sich  die  Überzeugung 
verschallt,  dass  sich  die  Arbeit  nur  auf  die  Befestigung  des  Gemäldes 
und  auf  dessen  Reinigung  mit  Ausschluss  jeder  Restauration  durch  lliu- 
eiiimaleu  beschränke,  gab  sie  unterm  19.  Juli  lSö'3  den  protokollarischen 
Befund  ah.  das  dem  Stefano  Barezzi  mit  Beruhigung  unter  bestimmten 
Vorsichten  die  Restauration  des  Gemäldes  anvertraut  werden  könne. 
Um  hierbei  jedoch  mit  grösster  Vorsicht  und  Aufmerksamkeit  vorzugehen, 

entsandte  Sc.  Lxrellenz  der  Herr  Untcrriehtsininister  noch  \nn  hier  zwei 
ausgezeichnete  Kunstkenner,  den  Custos  au  der  kais.  Gcmälde-Gallerie 
im  Belvedere,  Ed.  Engerth,  und  den  Hoflnedailleur  Böh  m  nach  Mailand, 
um  ein  vollkommen  unparteiisches  Gutachten  über  die  Restaurations- 
Methode  des  S.  Barezzi  einzuholen.  Auch  diese  erklärten  in  Folge  einer 
vor  ihren  Augen  vorgenommenen  Probe,  dass  die  Zweckmässigkeit  und 
Wirksamkeit  der  befolgten  Methode  durchaus  keinem  Zweifel  unterliege 
und  die  Restauration  ohne  Gefahr  für  die  noch  vorhandene  Reliquie  und 
mit  Hintanhaltung  jeder  Befürchtung  einer  noch  grosseren  Beschleuni- 
gung ihres  Verderbens  und  ihres  Unterganges  vorgenommen  «erden 
könne.  Gestützt  auf  diese  sachverständigen  li  theile  erstattet!'  nun  Seine 
Excelleuz  der  Herr  Untcrriehtsministrr  Gral'  Leo  Th  u  u  einen  Vortrag  an 
Se.  k.  k.  apost.  Majestät,  um  die  allerhöchste  Genehmigung  unter  den 
/.wischen   dem  Präsidenten  der  Akademie   zu    Mailand    und    dem    Gcmälde- 

Restaurateur  st.  Barezzi  verabredeten  Bedingungen  und  Vorsichten  zur 
Restanrirung  dieses  weltberühmten  Wandgemäldes  zu  erwirken  und  um 
den  hiefür  erforderlichen  Rostenbetrag  von  2657  tl.  !>[  kr.  aus  dem  Ca- 
meral-Ärar  beatreiten  zu  können.  —  Seine  k.  k.  apoat,  Majestät  geneh- 
migten euch  unterm  7.  Juni  L8S4  den  Antrag  des  Herrn  Ministers,  und 
nach  den  stipulirton  Bedingungen  dürfte  die  Restauration  von  Leonardo 

dfl     Vinei's    Abendmahl    im    Laufe    dieses   Summers    vnlleudet    werden.    — 

Line   Nachricht    des   in    Köln   erscheinenden   „Organea  für  christliche 

Kunst"  (Nr.  v.  il.j.t  aus  Mailand  über  die  in  Präge  Btehende  Restaura- 
tion bemerkt  auch,  «lass  dieaelba  sn  weit  gelungen  sei.  „dass  das  Gemälde 

\  im  der  Figur  des  Judas  nach  der  Rechten  wieder  aufgedeckt  isl  ,  und  so 
lest  auf  der  Wand  sitzt,   dass  mau  mit  der  llaud  darüber  reihen  kann."* 

D.  Red. 


—  89 


In  Bergamo  wurde  im  J.  1853  die  aus  dem  XV.  Jahr- 
hunderte herrührende  CapelleColleoni  und  in  Pavia  die  Vor- 
stadtkirche  di  S.  Salvatore  restaurirt,  ebenso  schritten  in 
letzterer  Stadt  die  Arbeiten  an  der  Kathedrale  rasch  vor- 
wärts. Die  Kirche  S.  Marino  in  Pavia  wurde  auf  Privatkosten 
mit  Ornamenten  und  Reliefs  im  Charakter  des  aus  dem 
XV.  Jahrhunderte  herrührenden  Bauwerkes  geschmückt. 

Über  allfällig  vorgekommene  Restaurationen  in  Cremona. 
Mantua,  Brescia  und  Lodi  gelangte  die  k.  k.  Central-Com- 
mission  nicht  in  Kenntniss. 

///.  Tirol. 

Nicht  ohne  Bedeutung  sind  einem  Berichte  des  Herrn 
Landesbau-Directors  Lieben  er  zufolge  die  Restaurationen, 
welche  in  den  Jahren  1853  und  1854  im  Kronlande  Tirol 
zur  Ausführung  gebracht  wurden. 

Es  gehören  hierher  die  Arbeiten  an  der  Pfarrkirche  in 
Natz  mit  einem  approximativen  Kostenaufwande  von  200011. : 

die  Umdeckung  des  Daches  mit  verschiedenfarbigen 
glasirten  Ziegeln  an  der  Kirche  zu  Ter  tan  und  Arbeiten  im 
Innern  der  Kirche  mit  dem  Kostenbetrage  von  ungefähr 
2000  fl. ; 

die  Neuherstellung  der  Bedachung,  die  Restauration 
der  Altäre  und  des  Presbyteriums  in  der  Klosterkirche  zu 
Sähen; 

die  stylgemässe  Restauration  der  Stiftskirche  in  Inni- 
chen,  welche  im  Jahre  1846  begonnen  und  im  Jahre  1853 
vollendet  wurde,  und  wozu  auch  der  in  den  Jahren  1853  und 
1854  geschehene  Bau  von  vier  Seitenaltären  und  deren  Aus- 
schmückung mit  Gemälden  gehört ; 

die  Renovation  des  Erkers  an  dem  vom  Herzoge  Fried- 
rich erbauten  goldenen  Dächleingebäude  in  Innsbruck, 
welches  einst  die  alte  Burg  der  Landesfürsten  bildete; 

die  Beparaturen  und  Herstellungen  an  dem  kaiserlichen 
Schlosse  Ambras,  wozu  von  Sr.  Majestät  dem  Kaiser  Fer- 
dinand eine  Summe  von  30,000  tl.  angewiesen  wurde:   und 

die  Restauration  des  kunstvollen  Gitters ,  welches  das 
Cenotaphium  des  Kaisers  Maximilian  in  der  Hofkirche  zu  Inns- 
bruck umgibt,  mit  dem  Betrage  von  2000  fl. 

IV.  Die  Burg  Karlstein  und  die  Karlshofer  Kirche  in 
Böhmen. 
Über  die  Restaurationsarbeiten  an  der  Burg  Karlstein 
und  der  Karlshofer  Kirche  in  den  Jahren  1852 — 1854  ent- 
nehmen wir  einem  Berichte  des  Herrn  Landesbau-Directors 
Wachtel  folgende  Details: 


„Die  wesentlichsten  Erhaltungsarbeiten  der  neuesten 
Zeit  haben  im  Jahre  1852  und  1853  stattgefunden;  sie 
haben  jedoch  ,  sowie  die  im  Jahre  1854  ausgeführten  Her- 
stellungen, hauptsächlich  die  Erhaltung  der  Mauer-Massen 
zum  Zwecke,  damit  dem  drohenden  Verfalle  begegnet  werde. 
Die  auch  nothwendige  Ergänzung  manch1  altertümlichen 
Schmuckes  muss  dem  ,  wenn  auch  nicht  entfernten ,  doch 
späteren  Zeitpunkte  vorbehalten  bleiben,  bis  der  Bestand  der 
Mauerwerke  gesichert  sein  wird. 

Im  Jahre  1852  zeigte  sich  das  Dach  und  der  Werksatz 
ob  der  Marien-Collegiatkirche  so  baufällig,  dass  es  ganz 
erneuert  werden  musste.  Da  die  Bundtrame  eingemauert 
waren,  und  eben  desswegen  in  Fäulniss  geriethen,  so  wurde 
für  eine  freie  Auflage  derselben  gesorgt,  und  zugleich  das 
umlaufende  Gesimse  restaurirt.  Dem  neuen  Dache  wurde 
die  alte  Form  wiedergegeben,  und  dasselbe  mit  Schiefer 
gedeckt.  Die  Kosten  dieser  Herstellung  betrugen  3652  fl. 
40  kr.  C.  M. 

Nächst  der  Thurmwächterswohnung  zeigte  sich  die 
Hauptmauer  beim  ersten  Burgthore,  welche  schon  einmal 
abgerutscht  und  durch  Strebepfeiler  gestützt  war,  neuerdings 
gefährdet.  Ein  Theil  derselben  wurde  unterfangen  und  sorg- 
fältig versichert;  dabei  war  man  bedacht,  das  Mauerwerk  im 
Einklänge  mit  dem  bestehenden  Verputze  herzustellen. 

Diese  und  andere  kleinere  Arbeiten  erforderten  eine 
Ausgabe  von  4299  fl.  42  kr.  C.  M. 

Im  folgenden  Jahre  wurde  die  Hauptmauer  nächst  der 
Thurmwächterswohnung  gegen  das  Abrutschen  versichert; 
ferner  zeigte  sich  die  Notwendigkeit  zu  einer  Neubeda- 
chung dieses  Gebäudes,  was  mit  Schiefermateriale  bewirkt 
wurde  und  wobei  dieselben  Rücksichten  für  das  alterthüm- 
liche  Aussehen  beobachtet  wurden,  wie  bisher;  die  Kosten 
waren  accordirt  mit  3105  fl.  52  kr.  C.  M.  Ferner  wurde  die 
Thür  Wozilka  neu  eingedacht,  die  Hauptmauer  der  Burg- 
grafenswohnung  neu  versichert,  die  ehemalige  Waffen- 
schmiede mit  einem  Dache  versehen  und  die  Rohrdecke  der 
Marienkirche  erneuert,  was  ungefähr  eine  Auslage  von 
5000  fl.  erforderte. 

Die  Restaurationsarbeiten  des  Jahres  1854  an  der 
Karlshofer  Kirche  erstreckten  sich  bloss  auf  das  Dach  über 
der  Kuppel  und  an  den  beiden  Thürmen. 

Es  erschien  nämlich  nothwendig,  einige  Bestandteile 
des  Werksatzes  auszuwechseln,  und  eine  ganz  neue  Blech- 
eindeckung vorzunehmen,  wofür  ein  Kostenaufwand  von 
8276  fl.  18  kr.  C.  M.  erforderlich  war." 


Notizen. 


32.  (Die  Buinen  der  ehemaligen  Juden-Syna-  seihen  ist  noch  nicht  sichergestellt.  Doch  geht  aus  den  in 
goge  zu  Eger.)  Die  Juden  hatten  eine  sehr  ansehnliche  Prag  befindlichen  jüdischen  kostbaren  Büchern  hervor,  dass 
Synagoge  in  der  Stadt  Eger.    Die  Zeit  der  Erbauung  der-      die  Gemeinde  schon    im   Jahre   1350  reich  war.    und  die 


—  90  — 


Chroniken  von  Eger  bestätigen  .  dass  die  Synagoge 
neben  jener  von  Krakau  die  bedeutendste  ihrer  Zeit  gewe- 
sen i>t  ')• 

Die  Synagoge  war  aus  Bruchstein  im  Viereck  erbaut. 
hatte  eine  Länge  von  81  ,  Klt'tr.,  eine  Breite  von  7*/,  Kll'tr.. 
und  eine  Höhe  von  5  Kll'tr.  Sie  besass  eine  kunstvoll,  stern- 
artig geformte  gothisehe  Gewölbung,  die  auf  einer  in  der 
Mitte  stehenden  Granitsäule  ruhte.  Ein  in  Gestalt  eines 
Dreieckes  geführter  Anbau  mit  abgesonderten  Eingängen  war 
für  das  weibliche  Geschlecht  zu  seineu  Andachtsübungen 
bestimmt.  Zwei  Opfersteine  waren  au  der  nordlichen  Haupt- 
wand  eingemauert,  alle  inneren  Mauerflächen  dieses  Tempels 
mit  hebräischen  Bibelsprüchen  beschrieben  und  die  Gewöl- 
bungen  bemalt. 

Nach  dem  Jadenmorde  im  J.  135Ü  wurden  die  erwähn- 
ten Gesetz-  und  anderen  jüdischen  Bücher  nach  Prag  ge- 
schafft -).  Nach  der  Abschaffung  der  Juden  in  Eger  wurde 
die  Synagoge  auf  Anordnung  des  Kaisers  Sigismund  im 
J.  1430  zum  katholischen  Gottesdienste  geweiht,  und  hat  die 
Bezeichnung  .Maria  Heimsuchungskirche"  erhalten.  Im 
Jahre  1408  wurde   zu  dein   Zwecke  eine  Sacristei   ange- 


1  )  Ober  die  Zeit  der  Erbauung  der  Synagoge  hat  zwar  die  Chronik  des  be- 
kannten Scharfrichters  vod  Eger ,  Karl  Huss,  welcher  in  dem  Brief- 
wechsel und  mündlichen  Verkehr  des  Ratlies  Grüner  mit  Göthe  ausführlich 
geschildert  wird,  bestimmtere  Anhaltspunkte  gegeben,  da  jedoch  diese 
letzteren  auf  die  Entzifferung  einer  jüdischen  nicht  ganz  klaren  Inschrift 
sich  stützen,  so  lässt  sich  auch  die  Erbauungszeit  nicht  darnach  mit  Evi- 
denz feststellen.  Auf  eine  annäherungsweise  Bestimmung  der  Baupri  i...t.- 
nach  dem  Charakter  des  Styles  und  ihrer  vorhandenen  Iietails  konnte  man 
aber  hier  kaum  eingehen.  lt.  Red. 

")  Urkundliche  Beweisstellen  über  das  Schicksal  dieses  Baudenkmales  ent- 
hält V.  Prökl's  :  „Eger  und  das  Egerhind."  Prag  1845.  2  Bde.  Übet  das 
Bestehender  oben  erwähnten  jüdischen  Bücher  gibt  Herr  Conservator 
Wo  ee  I  in  Prag  die  folgende  Nachricht : 

Unter  den  Sandschriften  der  kais,  Bibliothek  zu  Prag  werden  zwei 
überaus  grosse  und  schwere  Pergaiiieuthiiehcr  bewahrt,  von  denen  das 
eine  den  Pentateuch,  das  andere  die  gottesdienstlichen  Gebete  und  Gesänge 
der  Juden  in  hebräischer  Sprache  enthält.  Beide  sehr  wohl  erhaltene 
Riesen-Codices  sind  Überreste  der  bis  zum  .1.  1350  zu  Eger  bestandenen 
Jndeugemeinde,  wie  dieses  aus  der  Aufschrift  am  letzten  Blatte  des  Penta- 

teuchus  erhellt:  Präsens  manuscriptuin  uti  et  alias lex  itidein  iiiemhraiia- 

ceus,  cui  titulus  Maehsnr,  reliijuiae  sunt  illius  comrounitatisjudaicae,  quae 
Olim  in  regia  civitate  Egrensi  habitabat  et  anno  1350  a  fanaliris  tnieida- 
batur. 

Aul  demselben  Blatte  ist  ferner  folgende  Inhaltsangabe  des  I  odex  in 
lateinischer  Sprache  enthalten: 

P  e  n  1  a  t  e  u  c  h  u  s 
Mebraicus  cum  Targum  seu   periphrasi   chaldaica   interlineari .    punetis 
rocalibus  et   accentibus  additis ,  posito  tnsuper  e  regione  textus  biblici 

commentario  rabbinicae.    Accedunl  ad  caicem  quinque  Megillotl mpe 

Ruth.  Canticorum,   Ecclesiastes,  Threni  Jeremiae  et  Esther.    Mas  sci|uiiu- 
tnr  Haphtaroth. 
Am  letzten  Blatte  des  zweiten  Bandes  ist  mit  derselben  —  allerdings 
neuen  —  Schrift  folgendes  notirt: 

AI  a  c  h  s  o  r , 
seu  lieber  precum  >t  cantionani  .  maximam  partetn  rhytmicarum .  quibus 
Judaci  diebns  Sabati  et  aliis  festis  utuntur. 
Diese  sorgfältig  bewahrten  Pergamentbficber  liefern  somit  "-inen  unwi- 

fbarea  Beweis  \ ler  ehemal  gen  Existenz  einer  Synagoge  und  an- 

ichen  JFudengemeinde  zu  Eger,  d i  nur  eine  solche  konnte  sich  der- 

e  Bücher  verschaffen.  Jeder  der  Bind.-  dürfte  wohl  einen 
Centner  schwer  sein. 


baut,  zwei  Altäre  und  ein  Musikchor  errichtet,  und  ein  Thurm 
mit  zwei  Glocken  aufgesetzt.  In  den  J.  1688  und  1U89  war 
für  nothweiulig  erachtet  worden,  eine  Renovation  vorzu- 
nehmen, und  im  J.  1817  wegen  Baufälligkeit  das  Dach  abzu- 
tragen. Als  dann  im  Jahre  1837  wegen  unterlassener  Ent- 
deckung die  so  schön  ausgeführt  gewesene  Einwülhung  ein- 
stürzte, ging  auch  mit  ihr  die  mittlere  Säule  zu  Grande. 
Sie  wurde,  zwar  nicht  in  der  ehemaligen  Höhe,  wieder  auf- 
gestellt, allein  sie  stürzte  wieder  ein,  wahrscheinlich  weil 
der  Grund,  worauf  sie  stand,  untergraben  worden  sein  mag, 
indem  mau  bei  dem  Umstände,  als  mehrere  Stücke  sehr  alter 
Ducaten  in  dem  Baume  der  Kirche  aufgefunden  wurden, 
vermuthet  haben  mag,  dass  unter  dieser  Säule  noch  ein 
grösserer  Schatz  sich  belinden  dürfte.  Die  gefundenen  Du- 
caten sollen  auf  höhere  Anordnung  nach  Prag  geschafft 
worden  sein. 

Im  J.  1854  wurde  der  Verkauf  dieses  Platzes  mit  dein 
bestehenden  Messnerhause  von  der  Begierung  genehmigt. 
nur  hat  das  Prager  Consistorium  angeordnet,  dass  auf  dem 
Orte,  wo  die  Kirche  stand,  ein  Crucifix,  auf  einer  Platte 
stellend,   errichtet  werden  soll. 

33.  (Die  Wappentafeln  der  Ritter  von  Ems  zu 
Hohenems  zu  Oberdorf  in  Vorarlberg.)  Der  k.  k. 
Conservator  Herr  J.  Seb.  Kögl  berichtete  im  Februar  1S56. 
dass  er  auf  dem  Fussboden  der  Emporkirche  zu  Oberdorf 
zwei  grosse  runde  und  bemalte  Wappentafeln .  sowie  eine 
Gedächtnisstafel  als  eine  weggelegte  Waare  auffand.  Er 
stellte  hierüber  weitere  Forschungen  an,  woraus  hervor- 
ging, tlass  die  Wappentafeln  dem  am  1.  Jänner  1536  ver- 
storbenen Burkard  von  Ems  und  dem  am  'ili.  Jänner  1549 
verstorbenen  Christoph  von  Ems  angehörten  und  anstatt  dei 
Grabsteine  mit  einer  Umschrift  an  der  Mauer  der  Schloss- 
(apelle  zum  h.  Sebastian  befestiget  waren,  die  im  Jahre  14l>7 
gleichzeitig  mit  der  neuen  Burg  in  Oberdorf  erbaut,  jedoch 
um  das  J.  182*7  abgetragen  wurde;  dass  dagegen  die  Gedächt- 
nisstafel der  am  14.  Herbstmonat  1557  verstorbenen  Witwe 
Hannsens  von  Hohenems,  Sibylla  v.  Riedheim,  bestimmt  war, 
welche  ihr  deren  Enkel  Hannibal,  Julius  und  Alexander. 
Herren  von  Zintzendorf,  Erbjägermeister  in  Österreich,  Ge- 
brüder, und  Hanns.  Ulrich  von  Schiandersberg  gesetzt  hatten 
Da  namentlich  obige  Wappenschilde  von  der  ehemaligen 
Ritterschaft  Vorarlberg  die  einzigen  sind,  weiche  noch  exi- 
stiren,  so  wandle  sieh  der  Herr  Conservator  an  das  k.  k. 
Bezirksamt  in  Dornbirn,  dass  dieselben  aufgefrischt  und  im 
Priesterchor  der  neuen  Kirche  angebracht  werden,  welchem 
Ansinnen  das  k.  k.  Bezirksamt  in  Dornbirn  bereitwilligst 
entspracht  —  In  Folge  dieser  Mittheilung  des  k.  k.  Con- 
servators  Kögl  sah  sieh  der  k.  k.  Rath  und  Custos  des  Münz- 
und  Antiken-Cabinetes  Herr  Joseph  Bergmann   veranlasst. 

über  das  Geschlechl  der  Hohenems  derk.k. Central-Com- 
missnui  folgende  interessante  Notizen  vorzulegen: 

Das  älteste  und  berühmteste  Geschlecht  in  Vorarl- 
berg ist  nach  den   Grafen  von   Montfort -Feldkirch  und 


91 


Montfort-Bregenz,  und  den  ihnen  stammverwandten  Grafen 
von  Werdenberg-Bludenz  und  Werdenberg  zu  Sonnenberg 
das  der  Ritter  von  Ems,  seit  27.  April  1560  durch  Kaiser 
Ferdinand  I.  Reichsgrafen  von  H  oh  en  e  ms  (roman.  Altaemps 
oder  Alterns).  Auf  die  alte  hochgelegene  Burg,  die  nun  als 
Ruine  der  Wanderer  aus  der  Ferne  über  dem  gleichnami- 
gen Markte  gewahrt ,  wurde  der  gefangene  und  geblendete 
Wilhelm  III.,  der  letzte  Normanne,  Sohn  Tankred's,  Königs 
von  Sicilien  (f  1194)  ,  auf  Kaiser  Heinrich's  VI.  Befehl  im 
Jahre  1195  gebracht,  um  hier  sein  jammervolles  Leben  zu 
vertrauern.  —  Rudolf  von  Ems,  Dienstmann  von  Montfort, 
der  Dichter  von  Barlaam  und  Josaphat,  Wilhelm  von  Orlens, 
von  dem  Leben  und  den  Thaten  Alexanders  des  Grossen, 
des  guten  Gerhard  etc.,  starb  im  Jahre  1234  in  Italien, 
wohin  er  wahrscheinlich  dem  König  Konrad  IV.  auf  einem 
Zuge  gefolgt  war.  —  Eglof  und  Ulrich  von  Ems  fielen 
mit  Herzog  Leopold  III.  von  Österreich  an  dem  heissen  9.  Juli 
1386  bei  Sempach,  Goswin  und  Ulrich  im  Appenzeller- 
kriege  1405  vor  Altstätten. 

Berühmte  Feldhauptleute  und  zwei  Kirchenfürsten, 
Marx  Sittich  II.,  Bischof  zu  Konstanz,  der  als  Cardinal 
1595  zu  Rom  starb,  und  Marx  Sittich  111.,  von  1612 — 
1619  Erzbischof  zu  Salzburg,  der  1614  den  Grundstein 
zum  prachtvollen  Dome  legte,  Mirabell  und  Hellbrunn  baute, 
—  zeugte  dieses  Geschlecht  im  XVI.  Jahrhunderte.  Jakob 
von  Ems,  König  Ludwigs  XII.  von  Frankreich  Feldoberst 
über  8000  Landsknechte,  zog  gegen  Papst  Julius  IL,  ver- 
theidigte  Bologna,  half  die  Venetianer  schlagen  und  fiel  mit 
Gaston  de  Foix  am  8.  April  1512  vor  Ravenna.  Er  ruht  in 
Modena.  Dessen  Corazin  mit  purpurrothem  Sammt  über- 
zogen verwahrt  die  k.  k.  Ambraser-Sammlung  Nr.  69  und 
dessen  Porträt  Nr.  778.  Seine  Hausfrau  Clara  von  Stadion 
schenkte  ihm  die  Söhne  Johann  und  Burkar d,  der  un- 
verehelicht starb.  Johann  vermählte  sich  mit  Sibylla  von 
Rietheim  oder  Riedheini  >),  welche  ihm  drei  Kinder 
gebar:  1)  Christoph,  der  sich  mit  Martha  von  Freiberg 
verehelichte  und  am  26.  Jänner  1549  kinderlos  starb; 
2)  Anna,  die  ihre  Hand  1535  Hanns  en  von  Zinzendorf, 
Erbherrn  auf  Feistritz,  Scharfenegg,  Pottendorf  etc.,  reichte 
und  1542  starb.  Söhne  dieser  Ehe  sind:  cc)  Hannibal, 
mit  Hohenemsischem  Vornamen,  am  16.  August  1538  ge- 
boren; ß)  Julius,  geboren  am  17.  November  1539,  der 


')  Eglof  Rietheim  zu  Angelberg  erhielt  den  9.  August  1455  Ver- 
besserung des  Wappens ,  und  K  o  n  r  a  d  Riethein)  zu  Angelberg  am 
27.  September  1590  den  Panier-  und  Freiherrnstand  für  das 
Reich  und  die  Erblande  (nach  den  Reichsadels-Acten). 


als  Malteserritter  starb;  7)  Alexander,  am  9.  Jänner 
1541  geboren,  Herr  auf  Weiteneck,  welcher  als  Kaiser 
Rudolfs  II.  Hauptmann  gegen  die  Osmanen  stritt,  grosse 
Proben  der  Tapferkeit  bei  der  Eroberung  von  Penon  de 
Velez  1564  ablegte  und  im  Jahre  1577  auf  Corsica  an  der 
Pest  starb.  Er  ist  mit  Susanna  von  Volkra  der  Stifter 
der  älteren  Zinzendorfischen  Linie  und  Ahnherr  des  bekann- 
ten Grafen  Nikolaus  Ludwig  von  Zinzendorf,  der  am  9.  Mai 
1760  zu  Herrnhut  starb.  —  Johann's  von  Eins  jüngere 
Tochter  3)  Veronica  war  in  dritter  Ehe  mit  dem  tiroli- 
scheu  Edelmann  Ulrich  von  Schiandersberg  vermählt. 
Somit  sind  die  auf  der  Gedächtnisstafel  genannten  Personen 
zu  genauerem  Verständniss  beleuchtet.  — ■  Dieses  edle  Ge- 
schlecht erlosch  mit  dem  Grafen  Franz  Wilhelm,  der  als 
k.  k.  Generalmajor  am  5.  Nov.  1759  in  Gratz  starb  und 
Hohenems  kam  1765  an  Österreich. 

34.  (Grabdenkmal  zu  Kis-Tapolcsän  in  Un- 
gern.) Einem  Berichte  Sr.  Excellenz  des  k.  k.  wirk.  geh. 
Ratlies  und  k.  k.  Conservators  Grafen  Kegle  vi  ch  entneh- 
men wir:  „In  der  Pfarrkirche  zu  Kis-Tapolcsän  im  Barser 
Comitate  Ungerns  befindet  sich  das  sehr  interessante  Grab- 
Monument  eines  gewissen  Johann  Tapolcsäny  vom  Jahre 
1598,  welcher  ein  berühmter  Held  und  Anführer  unter 
Kaiser  Rudolf  II.  gegen  die  Türken  gewesen  ist.  Tapol- 
csäny war  ein  Sprössling  der  alten  im  Barser  Comitate  an- 
sässigen Familie  Tapolcsänyi  de  Kis-Tapolcsänyi  und  der 
jüngste  Sohn  des  wegen  seiner  ausserordentlichen  Obesität 
dem  Kaiser  und  Könige  Ferdinand  I.  aufgefallenen  und  für 
die  Sammlung  des  Kaisers  porträtirten  Thomas  Tapolcsänyi, 
eines  der  wohlhabendsten  Grundbesitzers  und  Eigenthü- 
mers  der  Schlösser  Hrussö  und  Kis-Tapolcsäny  im  erwähn- 
ten Comitate.  Mit  dem  Sohne  des  durch  das  Grabdenkmal 
verewigten  Helden  Paul  Tapolcsäny  erlosch  der  Mannsstamm 
des  Geschlechtes.  Das  Monument  ist  kunstreich  in  rothem 
Marmor  gemeisselt,  1(1  7"  hoch  und  3'  4"  breit  und  zeigt 
in  einer  Figur,  die  sich  auf  ein  Wappen  stützt,  die  Gestalt 
des  Johann  Tapolcsäny.  Die  Inschrift  des  Grabmales  ist 
folgende : 

HOCCE  TAPOLCZANI  BELLATOR  ATHLET A  KUDOLI'HI 
C^ESARIS  IN  TVMVLO  MORTE  SOPOKVS  INEST 
ILLE  TAPOLCZANI  TVRCARVM  FVLMEX  ET  INGENS 
SIDVS  CHRISTIADVM.  MART1S  IMAGO  DECENS 
TEST1S  ERIS  BOZOK.  VEGLES  LEVA  AGRIA  TESTIS 
CAPTIVOy  TVO  TRVX  BVDA  TESTIS  ERIS 
TV  QVOQVE  IAVRINVM  QVOl)  CVM  DEFEXSAT  AB  HOSTE 
TERNVS  ERAT  SVBTER.  CAEDE  PERE.MPTVS  EQ\  \ 'S 
EHEV!  PANNONICIS  VBI  NVNC.  VBIFIUVS  AC  HILLES 
HIC  IACET  HEV  TELLVS  KANNIBALE  ORBA  SVO. 


—   02 


Literarische  Anzeigen. 


Eine  Anleitung;  zum 
bei  Schweizhäuser. 


Burekhardl  Jacob.   Der  Cicerone. 

Genuss  der  Kunstwerke  Italiens.   Base 

S.  1112,  in  Duodez. 

Unter  allen  Ländern,  die  von  Reisenden  der  Kunst  «regen  besucht 
werden,  nimmt  Italien  den  ersten  Rang  ein.  Das  ßedurfniss ,  den 
Genuss  Italiens  durch  Führer  zu  erhöhen,  ist  in  Italien  nicht  minder 
wie  im  übrigen  Europa  gefühlt  worden.  Diesem  Bedürfnisse  verdankt 
die  italienische  Literatur  eine  Reihe  ganz  vortrefflicher  Führer 
(Uuide).  wie  Fantozzi's  Werk  über  Florenz,  die  bei  Gelegenheit 
der  Gelehrten-Congresse  verfassten  Guide  von  Venedig,  Padua  und 
Neapel,  den  Guida  di  Venezia  von  Selvatico  und  Lazarri,  vieler  ande- 
rer Werke  nicht  zu  gedenken.  Unter  den  englischen  Guiden  hat 
seit  Jahren  sich  Murray's  bekanntes  Werk  einen  Namen  gemacht, 
unter  den  französischen  Reisebüehern  nehmen  Viardot,  le  Comte  und 
:t.  in.  eine  mehr  oder  minder  bedeutende  Stellung  ein;  unter  den 
Deutschen  hat  trotz  seiner  Mangelhaftigkeit  E.  Förster'«  Reisehand- 
buch den  gerechtesten  Anspruch  auf  Anerkennung  der  kunstlieben- 
den Touristen.  Ein  Werk  eigener  Art  ist  J.  Burekhardt's  „Cicerone." 
Weniger  handsam  als  die  meisten  der  genannten  Werke,  nicht  ge- 
ordnet nach  Städten  in  alphabetischer  Ordnung,  wie  es  bei  Förster 
der  Fall  ist,  gibt  J.  Burckhardt  eine  Übersicht  der  Kunstdenkmale 
nach  den  Hauptrichtungen,  nach  Architektur.  Sculptur  und  Malerei  in 
chronologischer  Ordnung,  nicht  mit  der  Absicht  eines  Historikers, 
sondern  mit  der  Tendenz,  das  Verständniss  der  Kunst  Italiens  ernste- 
ren Reisenden  zu  erschliessen.  Er  fusst  auf  eigene  Anschauung  und 
sc  1  b  st  stand  ige  s  Urtheil.  An  manchen  Orten  lückenhaft,  ist  er  im 
Ganzen  eines  der  besten  und  empfehlungswürdigslen  Werke,  da  sein 
l'rtheil  von  feinem  Gesehmacke  und  umfassender  Bildung  zeugt.  Ein 
ganz  besonderes  Gewicht  legen  wir  auf  seine  Darstellung  der  Re- 
naissance-Bauwerke, die  durch  ihn  wieder  zu  Ehren  gebracht  wurden, 
auf  die  Behandlung  der  ornamentalen  Kunst  und  der  Privat-Arehi- 
tektur.  —  Dem  Werke  ist  ein  fleissig  gearbeitetes  Register  bei- 
gegeben, das  den  Gebrauch  desselben  wesentlich  erleichtert. 

R.  v.  E. 


Burckhardt  L.  1.  und  Riggenbaeh  Ch.  Die  Dominikaner- 
Klosterkirche  zu  Basel.   Mit  8  lith.  Tafeln  und  l  Holzschnitt. 
Basel  1855.  4.  S.  16. 

Das  Predigerkloster  zu  Basel,  eine  Stiftung  Bischofs  Heiniich 
von  Thun ,  wurde  im  Jahre  1233  gegründet,  zum  Chor  der  Kirche 
jedoch  wurde  der  Grundslein  erst  im  J.  1261  gelegt,  die  Kirche  selbst 
wurde  120!)  zu  Ehren  des  h.  Dominions  geweiht.  Das  gegenwärtige 
Langhaus  stammt  aus  einer  jüngeren  Zeit.  Die  ganze  Kirche  ist  sehr 
einfach,  sie  entbehrt  fast  jeder  Verzierung  und  hat  die  allereinfach- 
sten  Verhältnisse.  Bedeutender  in  seiner  architektonischen  Anlage 
ist  nur  der  Chor,  welcher  mit  anderen  Kirchen  des  gleichen  Ordens 
zu  Regensburg.  Bern  u.  a.  in.,  wo  die  Predigermönche  seihst  Bauleute 
waren,  grosse  Ähnlichkeit  hat.  Vorliegende  lleissig  und  mit  Klarheit 
bearbeitete  Schrift  gibt  eine  vollständige  Übersicht  sowohl  des  archi- 
tektonischen Theiles  .  wie  auch  der  historischen  Daten  ,  welche  uns 
die  mannigfachen  Schicksale  dieses  Klosterbaues  enthüllen.  Besonders 
dankenswerth  ist  die  Schilderung  der  einzelnen  Baubestandllieile  des 
Klostergebäudes,  weil  wir  dadurch  in  die  Lage  gesetzt  werden,  einer- 
seits einen  lebendigen  Einblick  in  diess  Wirken  und  Schaden  und  in 
alle  geselligen  Verhältnisse  dieses  Ordens  zu  thun,  andererseits  aber 
eben  dadurch  im  Stande  sind,  zu  beurlheilen,  in  wiefern  das  Wesen 
dieses  Ordens  auf  die  Anlage  seiner  Baulichkeiten  einen  bestimmen- 
den Einlluss  übte.  Es  ist  diess  eine  in  der  Kunstgeschichte  des 
Mittelalters  bis  nun  wenig  erforschte  Partie.  Und  doch  fällt  auch  dem 
weniger  geübten  Auge  die  Verschiedenheit  auf,  welche  beispielsweise 
die  Kloster-  und  Kirchenbauten  der  Dominikaner.  Cistercienser  und 
Karthäuscr  an  den  Tag  legen.  Aus  den  Ordensstatuten  und  dem  übri- 
gen historischen  Apparate  wird  es  der  Forschung  unzweifelhaft  ge- 
lingen, diese  Verschiedenheiten  als  etwas,  jedem  einzelnen  Orden  We- 
sentliches und  Eigentliiimliches  hinzustellen,    und  wir  Verden  dadurch 


um  die  Kenntniss  bereichert  werden,  dass  jeder  Klosterbau  sieh  in 
regenerischer  Weise  aus  dem  Wesen  des  Ordens  selbst  mit  einer  ge- 
wissen Notwendigkeit  entwickelt  habe.  Einen  schätzbaren  Beitrag 
hiezu  liefert,  wie  erwähnt,  vorliegende  Schrift.  Die  Abbildungen  sind 
ihrem  Zwecke  entsprechend,  nur  mit  Rücksicht  auf  das  wenig  inter- 
essante Detail  dieses  Kirchenbaues  fast  zu  splendid.  Nicht  uner- 
wähnt dürfen  wir  lassen,  dass  das  Verdienst  der  Herausgabe  dieses 
Werkchens  der  Gesellschaft  für  vaterländische  Alterthümer  in  Basel 
gebührt,  welche  bereits  früher  in  ähnlicher  Weise  die  Kirche  zu 
Oltmarsheim  im  Elsass  und  die  Barfüsser- Klosterkirche  in  Basel 
veröffentlicht  hat. 


st  atz  und  Ungewitter:  Gothisches  Musterbuch.  Mit  einer 

Einleitung  \on  A.  Reichensperger.  Leipzig,  T.  0. 

Weigel,  1856. 

Von  diesem  Werke  ist  die  erste,  zwölf  Blätter  enthaltende  Liefe- 
rung erschienen.  Die  einleitenden  Worte  Beichensperger's  suchen  in 
kurzen  Umrissen  die  Berechtigung  der  Gothik,  der  Baustyl  der  Ge- 
genwart zu  sein,  festzustellen  und  die  Mittel  und  Wege  an  die  Hand 
zu  geben,  wie  in  der  Schule  sowohl,  als  auch  im  Leben  die  Grund- 
sätze dieses  Baustyles  praktisch  gelehrt  werden  sollen.  Ein  Mittel 
hierzu  soll  das  vorliegende  Musterbuch  bilden.  Es  ist  diess  das  dritte 
deutsehe  Werk,  welches,  im  grossartigen  Massstabe  angelegt,  die 
Wiederbelebung  der  Gothik  und  die  Kenntniss  der  bedeutendsten 
Muster  derselben  zu  vermitteln  sucht.  Es  vermeidet  hierbei  die  Fehler 
seiner  Vorgänger,  indem  es  von  jener  starren  Systematik  absieht,  in 
welche  Hofstaedt  die  gothischen  Bildungen  zwängte,  aber  ebenso  sehr 
die  Systemlosigkeit  und,  gestehen  wir  es  offen,  jene  Umbildungen  zu 
beseitigen  sucht,  welche  Heideloff's  Ornamentik  des  Mittelalters  in 
vielen  Fällen  zur  Schau  tragen.  Das  Werk  ist  seiner  ganzen  Anlage 
nach  auf  zwei  Theiie  berechnet,  wovon  der  erste  das  Alphabet,  Maas- 
werkverzierungen  in  Steinhauerarbeit,  geschmiedete  Arbeiten  jeder 
Art.  Niello-Platten,  Glasmalereien  und  plastische  Ornamente,  der 
zweite  Theil  Baldachine,  Strebepfeilerentwickelungen,  Taufsteine 
Kanzeln.  Tabernakeln,  Altäre,  Portale,  Gewölbe-Construclionen  jeder 
Art,  dann  Holzwerk,  als:  Chorstühle,  Flügelaltäre,  Vertäfelung  u.  a. 
enthalten  wird,  so  dass  das  Ganze  ein  Gesamintbild  der  Gothik  in 
ihrem  ganzen  Umfange  geben  soll,  wobei  der  Zweck  im  Auge  behalten 
wird,  die  Anwendung  dieses  Styles  auf  die  verschiedenen  Gattungen 
der  Kunsthandwerke  zur  Anschauung  zu  bringen  und  somit  in  gleicher 
Weise  brauchbare  Muster  für  die  Schule  zum  Nachbilden  wie  zum 
Studium  für  das  Bedurfuiss  des  Lebens  zu  liefern.  Die  dargestellten 
Gegenstände  sind  alten  Werken  entnommen,  und  es  ist  hierbei  der 
Zeitraum  vom  Anfange  des  XIII.  Jahrhunderts  bis  zu  dem  des 
XVI.  Jahrhunderts  festgehalten.  Die  Abbildungen  sind  correct  und 
klar,  die  Ausstattung  des  ganzen  Werkes  ist  im  hohen  Grade  befrie- 
digend, der  Preis  (für  eine  Lieferung  2  Thlr.)  massig. 


(Berichtigung.)  Bei  dem  Aufsätze:  „Der  alte  Kreuzgang  in  dem 
bischöflichen  .Münster  zu  Brisen"  (11.  uii.l  III.  Meli)  sind  folgende  Druckfehler 
zu  berichtigen : 

S.  20,  erste  Spalte,  Z.  23  von  unten  I. :  MCCCOLXU0  anstatt :  M  <  TCl'-IXII»; 
„  30,  zweite  „  „  9  „  oben  „  Lex.  veritatis  „  lex.  TeriUtis; 
„    37.       „  „     2    „         „  Kxuperaiitius  „         Kxperantius. 

Ebenso  ist  zu  bemerken  dass  in  dem  Aufsätze  :  „Über  die  Bestimmung 
der    romanischen   Itiindlmuten  mit  Bezug    auf  die  Ittlndrapelle    zu   llartlierg 

in  Steiermark"  (iv.  lieft),  s.  ::;i.  erste  Spalte,  Anmerkung  1,  der  Ni lea 

Ingenieurs-Assistenten,  ron  welchem  die  Zeichnungen  über  die  Bundcapelle 
;u  ll.H  H.im;,'  herrühren,  nicht  Leop.  Kumasser  —  sondern  1,.  Kuwasseg 
lautet.   Dieselbe  Namensberichtigung  gilt  auch  für  die  Tafel  IV. 


\i    der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei  in  Wien. 


Jeden  Monat  erscheint  I  Heft  zu 
1  bis  2  Druckbogen  mit  Abbil- 
dungen. 
Der  Pranumcrationspreis  ist  für 
einen  Jahrgang  oder  zwölf  Hefte 
aebst  Register  sowohl  für  Wien 
als  die  Kronländer  imd  das  Ausland 
4  fl.  C.  M. ,  bei  portofreier 
Zusendung  in  die  Kronländer  der 
österr.  Monarchie  4)1.  20  kr.  CM. 


MITTHEILUNGEN 

DER  K.  K.  CENTRAL-  C0MMISS10N 


Pränumerationen  übern  t-h- 
men  halb-  oder  ganzjährig 
alle  k.k.  Postämter  der  Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
Zusendung  der  einzelnen  Hefte 
besorgen.  —  Im  Wege  des  Buch- 
handels sind  alle  Pränumerationen 
und  zwar  nur  zu  dem  Preise  von 
4  fl.  au  den  k.  k.  HofbueMuadUr 
ff.  rSraiiniüIkr  in  Wim  zu  richten. 


ZLR  EBFORSCHCIG  U  ERIIALTIIG  DER  BllBEffilLE 


'%T> 

Unter  der  Leitung  des  k.  k.  Seclions-Cliel's  und  Präses  der  k.  k.  Cenlral-Commission  Karl  Freiherrn  v.  Czoernig. 


Redacteur:    Rarl  Weiss. 


N2--6. 


I.  Jahrgang. 


Juni  1856. 


Inhalt:  Decennal-Aufzeichnungen  der  archäologischen  Funde  in  Siebenbürgen  vom  Jahre  1845  bis  18iiö.  (Fortsetzung.)  —  Baudenkmale 
im  Kreise  u./d.  Wiener-Walde.  (Fortsetzung.)  —  Die  St.  Michaelskirche  und  die  Jacobseapelle  in  Odenburg.  —  Notizen.  — 
Literarische  Anzeigen. 


Decennal -Aufzeichnung  der  archäologischen  Funde  in  Siebenbürgen  vom  Jahre  1845  bis  1855. 

(Ein  Beilrag  zu  den  „Beiträgen  einer  Chronik  der  archäologischen  Funde  in  der  österreichischen  Monarchie  des  J.  (i.  Seid!.") 
Von  M.  J.  Ackner,  Correspondenten  der  k.  k.  Central-Commission  zu  Hamersdorf  in  Siebenbürgen. 

(Fortsetzung.) 


1847. 
Dieses  Jahr  war  ausgezeichnet  durch  bedeutende  anti- 
quarische Funde,  bestehend  in  den  mannigfaltigsten  und 
seltensten  Gegenständen  und  Schätzen  des  classischen  Alter- 
thums,  welche  entweder  zum  erstenmal  und  ganz  neu  durch 
Ausgrabungen  und  glücklichen  Zufall  entdeckt  oder  durch 
Herauslockung  aus  der  tiefen  Verborgenheit,  in  welche  die- 
selben durch  Private  verbannt  waren,  an  das  Licht  zum 
Frommen  der  Wissenschaft  und  zum  Gemeingute  gelangten. 
Dazu  haben  die  im  Laufe  dieses  Jahres  durch  fast  alle  Theile 
Siebenbürgens  unternommenen  Reisen  des  Verfassers  von 
„Dacien"  welches  in  Kronstadt  bei  Gott  erschienen  — 
man  darf  es  nicht  läugnen  —  viel ,  sehr  viel  beigetragen. 
Ritter  Neigebauer  hat  sich  grosses  Verdienst  um  das 
classische  Alterthum  unseres  Landes  erworben.  Sein  Eifer, 
sein  Enthusiasmus  beim  Vorgehen  auf  diesem  Felde  waren 
höchst  anregend  und  belehrend,  wovon  ich  als  dessen  Be- 
gleiter bei  einigen  der  wichtigsten  archäologischen  Expe- 
ditionen im  Lande —  im  Hatzeger  und  Schyl-Thale,  auf 
dem  Muntscheler  Gredischtie,  bei  der  Ausgrabung  in  den 
300  Hügeln  der  Nekropolis  zwischen  Kastenholz  und  Gi- 
relsau  u.  s.  w.  —  mich  zu  überzeugen  hinreichend  Gele- 
genheit fand.   Seine  diessfälligen  Bemühungen  werden  auch 


geringen  Dank  abzustatten,  da  er  uns  eine  leicht  zugäng- 
liche und  so  zu  sagen  vollständige  Übersicht  über  Daciens 
Alterthümer  verschaffte."  Einiges  von  dem  Ergebnisse  der 
in  dieses  Jahr  fallenden  archäologischen  Expeditionen,  an 
welchen  ich  Theil  nahm,  und  die  von  Deva  aus  stattfanden, 
möge  hier  aus  dem  von  mir  geführten  Tagebuche  auszugs- 
weise und  fragmentarisch  bemerkt  werden. 

Bitter  Neigebauer's  Ausflug  in  das  Hatzeger  Thal,  dem 
ich  und  mein  Sohn  Dr.  Fodor,  ein  Liebhaber  der  Alterthümer, 
dann  ein  junger  italienischer  Maler  sich  angeschlossen, 
erfolgte  am  4.  Juli.  Eine  halbe  Stunde  von  Deva  entfernt, 
machte  Dr.  Fodor,  als  mehrjähriger  Kreis-Physicus  in  dieser 
Gegend  wohlbekannt  und  bewandert,  während  dem  Fahren 
bei  dem  vom  Wege  in  westlicher  Richtung  befindlichen, 
nicht  weit  entlegenen  römischen  Steinbruch,  auf  einen 
sichtbar  hervorragenden  Trachytporphyr  aufmerksam.  Die 
nähere  Ansicht  und  Erforschung  desselben  ward  für  die  Zeit 
nach  der  Rückkehr  aus  dem  Hatzeger  Thal  vorbehalten. 

Jetzt  deutete  der  orts-  und  alterthumskumlige  Doctor 
mit  der  Hand  gegen  Osten,  auf  den  am  rechten  Streilufer 
liegenden  nahen  Ort  Petreny  mit  der  Bemerkung,  dass  sich 
daselbst  eine  römische  Niederlassung  befunden  haben  müsse, 
welche  durch  häufig  vorkommende  Spuren  von  alten  Grund- 


iiicht  ohne  erspriesslichen  Erfolg  und  Nutzen  bleiben,  was  mauern,  Deck- und  Mauerziegeln,  dann  durch  zahllose  Bruch- 
selbst sein  schärfster  und  strengster  Beurtheiler  aus  Mainz 
Herr  Dr.  KI  ei  n  in  seiner  Recension  des  betreffenden  Werkes 
(Heidelberger  Jahrbücher  der  Literatur  Nr.  41 ,  18S4)  mit 
den  Worten  einräumt:  „Wir  schliessen,  indem  wir  allerdings 
uns  bewogen  fühlen,  Herrn  Neigebauer  für  die  Mühe  und 
Sorgfalt,    die  er  auf  seine  Sammlung  verwendete,  nicht 


stücke  von  Geschirren,  Urnen  u.  s.  w..  und  zwar  Alles  nach 
der  bekannten  antiken  Form,  bewiesen  werde.  Der  Adel  und 
gemeine  Ein-  und  Anwohner  dieses  Bereichs  kommen  nicht 
selten  in  den  Besitz  interessanter  antiker  Sachen,  welche 
unser  Doctor,  als  beliebter  Kreisarzt,  nicht  nur  Gelegenheil 
und  Veranlassung    bald   zu  sehen  findet,  sondern   auch  für 

13 


94  — 


seine  ärztlichen  Bemühungen  leicht  als  Lohn  beanspruchen 
kann,  um  sie  seiner  diessfälligen  Collection  einzuver- 
leiben. 

In  Vayda-Hunyad  waren  wir  Vormittags  zeitig  gentig 
angekommen,  um  das  auf  hohem  Kalkfelsen  gebaute,  derzeit 
von  Cameralbeamten  bewohnte  merkwürdige  Schloss  zu 
besichtigen.  Eine  hohe  Brücke  mit  eisernem  Geländer 
führt  über  den  Abgrund,  wo  tief  unten  die  Wellen  des  Za- 
lasder  Baches,  eines  krystallhellon.  reissenden  Gebirgs- 
wassers  hinabrauschen,  und  brachte  uns  durch  ein  hohes 
Thorgewölbe,  unter  welchem  nach  Hohenhausens  Behaup- 
tung eingemauerte  und  mich  seiner  Weise  erklärte  antike. 
mit  Basreliefs  ausgeschmückte  Monumente  zu  sehen  sind,  in 
das  Innere  des  Schlosses.  Hier  empfing  uns  der  Administrator 
sehr  freundlieh  und  zeigte  uns   die  Anlage   und    die   ganze 

Einrichtung  des  Baues  aller  Gemächer.  Gange.  Erker  I 

Thürme  des  im  XV.  Jahrhundert  von  dem  heldenmüthigen 
Johannes  Munyades.  dem  Vater  des  berühmten  ungarischen 
Königs  Matthias  Corvinus,  errichteten  Schlosses.  Nachdem 
wir  mehrere  steinerne  Stufen  emporgestiegen,  betraten  wir 
einen  langen  Gang  mit  Rondellen  und  Erkern.  Der  Bau 
besteht  fast  ganz,  aus  Steinmaterial,  die  einzelnen  Theile  sind 
ungemein  fleissig  und  kunstvoll  im  gothischen  Style  ausge- 
führt; die  Steinart  ist  ein  feinkörniger  Sandstein,  der  in 
dichten  Grobkalk  überzugehen  scheint,  und  wird  wohl  aus 
der  nächsten  Umgegend  herrühren.  Her  schöne  Fussboden 
des  Ganges  ist  mit  viereckigen,  polirten,  und  rothen  Marmor- 
platten  belegt.  Gleich  bei  dem  Eintritte  in  diesen  hohen  Gang 
bemerkt  man  auf  der  ersten  oder  zweiten  Marmorplatte  einen 
grossen,  blank  abgeschliffenen  Ammoniten  (Ammonites  Buek- 
landi),  welcher  die  obere  Jura-  oder  Oolit- Formation  be- 
zeichnet und  aus  dem  nachbarlichen  Banal  oder  einem  viel- 
leicht nahen,  uns  jetzt  nicht  mehr  bekannten  Lager  unserer 
Beimath  entnommen  ist.  Aus  diesem  Gange  öffnete  sich  uns 
das  Portal  eines  grossen  Saales,  welcher  hoch  an  den  vier 
Wänden  herum  mit  Abbildungen  ungarischer  Könige  —  von 
\ttila  angefangen  —und  siebenbürg.  Fürsten  ausgeschmückt 
war.  die  jedoch  keine  geschickte  Künstlerhand  verriethen, 
sondern  von  denen  mehrere  wahrhaften  Carricaturen  glichen, 
hoch  könnten  einzelne  Gemälde  auch  von  einem  bessern 
Meister  abstammen;  denn  im  XIV.  und  XV.  Jahrhunderte 

kennen  wir  ausgezeichnete  ausländische  Maler,  welche  in 
Siebenbürgen  arbeiteten;  darüber  sind  zuverlässige  Nach- 
richten vorhanden,  so  wie  es  auch  sehr  gelungene  Kirchen- 
und  Altargemälde,  sogar  in  den  evangelischen  sächsischen 
Dorfkirchen  in  unserm  Heimathlande  beweisen.  Unter  ihnen 
befanden  sich  seihst  inländische  nationale  Künstler.  Aber 
hier  hat  über  ilie  verblichenen  halb  erloschenen  Portraite  der 
Dynasten  sieh  wahrscheinlich  ein  unberufener  Stümper  her- 
gethan  and  die  Kunstwerke  aus  Unverstand  mit  angeübter 
Faust  verdorben. 

Aus  dem  Forsten-  und  Königs-Saale  oder  dessen  Por- 
trait-Gallerie  gelangten  wir  in  verschiedene  Abtheilungen, 


von  denen  die  Benutzung  und  der  ehemalige  Zweck  der 
Gemächer,  wenn  auch  nur  vermuthungsw  eise ,  angedeutet 
wurde,  in  einen  sechsseitigen,  massiven  Thurm.  der  auf  der 
westlichen,  der  entgegengesetzten  Seite  von  dem  ostnörd- 
lichen,  unlängst  renovirten  und  nicht  ganz  passend,  bunt- 
scheckig angestrichenen,  runden  Thurm  steht.  Der  sechs- 
seitige Thurm  erhebt  sich  über  die  Dächer  des  Schlosses. 
W  ir  stiegen  über  hölzerne  Treppen  bis  an  das  Thurmdach 
zu  den  letzten  Schussöffnungen.  Von  diesem  Standpunkte 
öffnet  sich  in  das  mit  Dörfern  reich  besäete  Cserna-Thal 
eine  wunderschöne  Aussicht  und  eine  nie  gemessene  Fern- 
sicht bis  weit  hinüber  in  die  Maros-Ebene,  welche  westlich 
im  Hintergrunde  von  der  hohen  Kette  der  Erzgebirge  und 
den  wolkenumflorten  Biliarer  Alpen  begränzt  wird.  In  nörd- 
licher Richtung  nahmen  wir  die  in  Hinsicht  der  dort  begin- 
nenden und  sicli  weit  erstreckenden  Gosaugebilde  noch  lange 
nicht  durchforschte  Gegend  von  Nandor,  Klein-Mun- 
tschel  und  Kergesch  wahr.  Bei  Nandor  linden  sich  in 
einem  Hohlwege  sehr  viele  Beste  von  Töpferarbeit,  die  für  alt- 
römischen  Ursprungs  gehalten  werden,  und  auf  dem  Wege 
von  Hunyad  nach  Pestesch  erscheint  ein  grosser  Theil 
des  Feldes  im  schönen  Cserna-Thale  mit  Trümmern  alter 
Bauwerke,  Ziegeln,  besonders  Dachziegeln,  und  Scherben 
aller  Art  bedeckt.  Dr.  Fodor  besitzt  von  dort  den  aus- 
gegrabenen Kopf  einer  männlichen  Statue  aus  weissem 
Marmor  in  Lebensgrösse,  von  ausgezeichneter  Künstlerhand. 
Näher  erblicken  wir  die  uns  wohlbekannten  petrefacten- 
reichen  Orte  von  Unter-  und  Ober-Pest esch;  am  näch- 
sten, fast  unter  uns  westlich,  das  merkwürdige  Rä  ko  s  chd. 
mit  seinen  auffallenden  und  ominösen,  über  15  Zoll  grossen 
Austern  und  wunderschön  gezeichneten,  wie  emaillirten. 
Neritinen,  —  vieler  anderer  schöner  t'onchylien  nicht  zu 
gedenken.  Und  gleich  nahe  endlich  gewahren  wir  unser 
Buitur,  den  frühesten  Fundort  und  dessen  hinter  ihm  ver- 
borgene, von  uns  entdeckten  und  oft  besuchten  wilden  und 
tiefen  Waldgräben,  welche  immerfort  die  reichste  Ausheule 
darboten,  wodurch  nicht  nur  der  Grund  zur  eigenen  paläon- 
tologischen  Sammlung  gelegt,  sondern  auch  nahmhafte  Mii 
theilungen  an  heimische  Naturfreunde  und  au  das  zu  errich- 
tende Landesmuseum,  dann   bedeutende  Sendungen  nach 

Wien.  Schönberg,  Freiberg  im  Königreich  Sachsen  U.  8.  w. 
bewerkstelligt  worden  sind. 

Nach  Erkämpfung  der  letzten  Anhöhe  von  Oher-S/.ilväs 
breitete  sich  das  herrliche  Hatzeger  Thal  vor  unseru 
Blicken  aus:  doch  bei  weite iebt  so  überraschend  schön. 

wie    von   der    eingesattelten    Berghöhe    nächst    llatzeg    oder 

von  dem  alten  Thurm  der  hohen  Kuppe  über  Varallya.  Auch 
umsehleierte  Qberdiess  dermalen  die  Hatzeger  Hochgebirge 
und  deren  erhabenste  Spitzen,  selbst  den  Retjesat  zum  Theil 

Nebel  I  Wolken. 

In  U  nter-Farka  diu.  der  lieblichen  Villa  desLadislaue 
von  Nopsa,  gewesenen  Obergespans  des  ehemaligen  Hu- 
nyader  Comitates,  landen  wir  die  in  die  Vorderwand  jenes 


95  — 


Altans  vor  der  Villa  unter  freiem  Himmel  eingesetzten,  zum 
Theil  eingemauerten  und  bereits  bekannten  Statuen,  Altäre, 
Votivtafeln,  Basreliefs  u.  s.  w.  noch  zwar  im  Stande,  in  so 
weit  sieden  Atmosphärilien  trotzten  oder  von  denselben  litten, 
je  nach  der  Beschaffenheit  des  festern  oder  minder  festen 
Marmors,  aus  dem  sie  bestehen.  Jedenfalls  verdienten  sie 
einen  bessern  Platz,  indem  darunter  einige  der  vorzüglich- 
sten grossem  Inschrift- Tafeln  und  Werke  der  Bildhauerei 
mit  allerlei  gehauenen  Steinen  zu  einem  Mosaik  zusammen- 
gewürfelt erscheinen.  Viel  würdiger,  besser  beschützt  und 
auch  zweckmässiger  zum  Anschauen  könnten  diese  wichtigen 
Denkmäler  der  Römerzeit  im  hohen  Säulengange  vor  dem 
Eintritt  in  den  grossen  Saal  des  Gebäudes  angebracht  werden 
und  die  gegen  Mittag  gekehrten  Aussenwände  schmücken.  In 
dem  Verlauf  von  1 5  Jahren,  seitdem  ich  diese  alten  Monu- 
mente nicht  wieder  gesehen,  blieben  sie  leider  nicht  ohne 
Beschädigung. 

Dass  die  walachischen  Kirchen  zu  Zeikfalva  (walach. 
Streia).  Demsus  und  Ör-Boldogfalva  (walach,  Sint 
Marie)  durchaus  nicht  alt-römischen  Ursprungs,  wohl  aber 
zum  Theile  aus  zusammengerafften  Bruchstücken  zufällig  in 
der  nächsten  Umgegend  gefundener  römischer  Säulen.  Al- 
täre, Marmorplatten  u.  s.  w.  aufgeführt  worden,  dafür  sind 
evidente  Gründe  und  Beweise  vorhanden,  auch  habe  ich 
bereits  anderwärts  mich  darüber  auszusprechen  Gelegenheit 
gefunden. 

Ausserhalb  Demsus,  sobald  man  den  Weg  nach  Varhely 
oder  Gredistie  einschlägt,  nimmt  ein  isolirter  Cippus.  eine 
achtseitige  Wegsäule,  auf  welcher  ein  Würfel  ruht,  den 
Forscher  in  Anspruch.  Sie  ist  aus  Bruchsteinen  zusammen- 
gesetzt und  mit  dem  bekannten  aus  zerschlagenen  Ziegel- 
stückchen bestehenden  Mörtel  fest  verbunden,  nicht  aus  ge- 
hauenen Quadern,  wie  Hohenhausen  angibt;  bloss  die  vier 
hohlen  Seiten  des  obern  Würfels  deuten  auf  oblonge  Stein- 
platten, welche  vielleicht  mit  Inschriften  und  Meilenangabe 
versehen  waren,  die  aber  herausgehoben  und  verschleppt 
wurden,  vielleicht  im  Grunde  der  nahen  Kirche  zu  Demsus 
liegen. 

Varhely,  walach.  Gredistie,  ein  armes  unansehn- 
liches Dorf,  im  Broser  Kreis  des  Hatzeger  Bezirkes,  nimmt 
den  Platz  neben  und  über  den  weit  verbreiteten  Trümmern 
der  ehemaligen  Königsstadt  Sarmizegethus  und  nachmaligen 
Metropolis  zu  Ehren  Trajans  benannten  Ulpia  Trajana  Au- 
gusta  Dacica  ein  und  ist  bloss,  weil  es  von  der  grössten 
römisch -dacischen  Buine  Siebenbürgens  umgeben  ist  und 
seine  armseligen  Lehm-  und  Strohhütten  auf  die  wohl  noch 
manche  Schätze  verbergenden  Trümmerhaufen  hinsetzte,  zu 
seiner  Berühmtheit  gelangt. 

In  Gredistie  —  gebräuchlicher  ist  der  Name  sowohl 
hei  den  Ortseinwohnern,  als  auch  unter  den  Walachen  des 
Landes  überhaupt  —  finden  wir  die  merkwürdigen,  in  den 
Jahren  1823  und  1832  entdeckten  und  ausgegrabenen  Mo- 
saiken, theils  mit  Erde  und  Dünger  verschüttet,  theils  gänz- 


lich zerstört.  Auf  den  durchaus  verwüsteten  Stellen,  wo 
Priamus  den  Achilles  um  Hektor's  Leiche  kniefällig  bat,  und 
wo  einst  die  Gruppe  „das  l'rtheil  des  Paris-  in  dem  Schön- 
heitsstreite der  olympischen  Frauen  dargestellt  war.  wuchert 
jetzt  Gras  und  wildes  Gesträuch,  nur  hie  und  dort  tritt  man 
noch  zufällig  zwischen  den  Disteln  auf  farbige  zerstreut 
und  lose  liegende  Marmorsteinchen.  Auch  jene  Mosaik, 
welche  von  mir  entdeckt  und  unter  meinen  Augen  ausge- 
graben wurde,  mit  der  Victoria  und  den  Genien  des  tita- 
nischen Sieges  und  Triumphes  über  Dacien,  die  ich  an  Ort 
und  Stelle  abzeichnete .  ward  ,  wo  nicht  gänzlich  zerstört, 
doch  mit  verderblichem  Schutte  bedeckt.  Eine  Fahrstrasse 
geht  über  dieselbe.  — 

Weiter  ergab  sich  die  Wahrnehmung  und  betrübende 
Überzeugung,  dass  der  Sinn  für  das  ehrwürdige  Alterthuin 
bisher  gar  nicht  geweckt,  vielmehr  der  Zerstörungsgeist  aus 
Unverstand  und  Gleichgültigkeit  hier  noch  immer,  wie  früher, 
herrschend  ist. 

Die  vor  15  Jahren  im  Innern  des  Amphitheaters  an  den 
runden  Wänden  und  nächst  der  Arena  halbverschütteten 
grossen  Platten,  Sitzstufen.  Karniesse,  Architrave  u.  a.  in., 
welche  sämmtlich  aus  «lern  schönsten  salinischen  Marmor 
gehauen,  unsere  Aufmerksamkeit  und  Bewunderung  erregten, 
sind  nicht  mehr  daselbst  vorhanden,  vielleicht  zu  ordinären 
Bausteinen  verwendet  und  verschleppt,  vielleicht  zerschlagen 
und  verkleinert  zu  den  nahen  Kalköfen  gebracht  und  dem 
Feuer  übergeben  worden.  Einen  vergleichsweise  unbedeu- 
tenden Gewinn  aus  dem  Brennen  des  Marmors  zu  technisch 
zwar  sehr  gesuchtem  Kalke  ziehend,  begehen  diese  armen 
Leute  unwissend  eine  nicht  mehr  gut  zu  machende  archäo- 
logische Sünde,  deren  Schuld  indessen  auf  Rechnung  der 
dort  hausenden  adeligen  Besitzer,  welche  den  gebrannten 
Kalk  abkaufen,  und  bei  denen  man  doch  mehr  Bildung  und 
Sinn  für  das  Alterthuin  erwarten  kann,  zu  setzen  ist. 

Bei  unserer  Wanderung  durch  die  Gassen  des  Ortes 
verrieth  in  dem  abgelegenen  Winkel  eines  Bauernhofes  sieh 
unsern  spähenden  Blicken  durch  blendende  Weisse,  ein 
Haufwerk  in  Stücke  zerschlagenen  Marmors.  Wir  traten 
hinzu.  Die  mit  frischem  Bruche  zum  Kalkbrennen  aufge- 
häuften Bruchstücke  hatte  ein  unlängst  ausgegrabener  colos- 
saler  Säulenschaft,  welcher  durchschnittlich  28  bis  30  Zoll 
mass.  hergehen  müssen.  Einem  aus  derselben  Steinart  nach 
dem  nämlichen  Massstabe  angefertigten,  im  Castrum,  in  der 
sogenannten  Csetate  (walach.  Burg  oder  Festung)  liegen- 
den römischen  Capital,  welches  vielleicht  diesen  Säulen- 
schaft zierte,  steht  ein  gleiches  Schicksal  bevor.  —  Unwill- 
kürlich drängt,  bei  solcher  Wahrnehmung,  sich  die  Frage 
auf:  „Wie  kommt  es.  dass  in  unserer  aufgeklärten  Zeit  unter 
den  Adeligen  des  reizenden  Hatzeger  Thaies  und  dieses 
classischen  Bodens  noch  kein  Verein  sich  gebildet,  wodurch 
dem  Vandalismus,  der  fortwährenden  Zerstörung'  der  selten- 
sten Alterthümer  durch  Strafe  oder  Belohnung,  die  den 
erzielten    Erlös    aus    dein    gebrannten    Kalke    überbietet. 


13* 


96   — 


gesteuert  werde?  Und  warum  findet  sieb  Niemand  oder  so 

selten  Einer,  der  mit  Eifer  und  Sinn  an  das  beantragte 
Landesmuseum  denkt,  um  auch  in  altertümlicher  Beziehung 
für  dessen  Ausschmückung  aus  Siebenbürgens  reichster 
Fundgrube  Sorge  zutragen?"  Eine  rühmliche  Ausnahme 
machen  in  dieser  Beziehung  die  edlen  Besitzer  der  Collec- 
donen  von  Gerend,  M.  Nemeti,  Farkadin  und  Zaam.  Die 
glücklichen  Finder,  welche  antike  Sachen  überbringen, 
werden  von  denselben  reichlich  belohnt  und  ermuntert,  mehr 
und  weiter  zu  suchen.  Auf  diese  Weise  wurde  manches 
seltene  Altcrthuin  erhalten;  jüngst  erst  durch  letztern  ein 
grosses  marmornes  Piedestal  gerettet,  auf  dem  der  Rest 
zweier  mit  Sandalen  versehener  bronzener  Füsse  in  natür- 
licher Grösse  geblieben;  ferner  ein  kleines  Mythras -Relief 
aus  Carrarischem  Marmor,  und  vorzüglich  ein  bronzener 
stark  vergoldeter  Junokopf  mit  dem  Diadem,  von  etwa  4  bis 
.'i  Zoll  tiriis.se  und  von  ausgezeichneter  Kunstfertigkeit,  der 
früheren  Menge  antiker  Gegenstände  aus  Vürhely  nicht  zu 
gedenken,  welche  sowohl  in  Farkadin  als  auch  In  Zaam  zu 
sehen  sind;  hier  wurden  auch  die  zuletzt  geretteten  auf- 
bewahrt. 

Mehrere  walachische  Kinder  brachten  uns,  während 
wir  in  den  Gassen  Värhely's  forschend  herumwanderten,  ver- 
schiedene Münzen  von  Caracalla,  Elagahal,  Julia  Moesa,  Julia 
Soaemias  und  Maximin  und  boten  dieselben  zum  Kaufe  an, 
welche  wir  —  obschon  von  schlechtem  Gehalt,  wie  deren  Ur- 
bilder, und  auch  die  Umschrift  kaum  leserlich  —  zur  Aufmun- 
terung der  Kinder  über  ihren  Werth  bezahlten.  Desto  weither 
waren  uns  die  im  Castrum  selbst  von  uns  aufgefundenen 
Gegenstände.  Diese  bestehen  aus  verschiedenen  Arten  drei-, 
vier-  und  sechsseitig  geformter,  rhomboidal  -biseuit  —  und 
Winkelhaken  gleich  gestalteter,  rother  Ziegeichen,  kaum 
'1  Zoll  gross,  zur  Anfertigung  einer  gröberen,  ordinären 
Mosaik.  Vor  anderen  zeichnet  sich  hierbei  ein  Randstück 
mit  deutlichem  Stempelabdruck  von  einer  grossen,  aus  feinem 
Thone  rothgebrannten  Amphora  aus.  welche  im  Durchmesser, 
nach  dem  gefundenen  Segment  zu  schliessen,  wenigstens 
18  Zoll,  und  in  ihrer  Höhe  25  bis  30  Zoll  betragen  haben 
muss.     Die    Buchstabenlinien    sind    radial    auf  dem    starken 

Vmphorarande  abgedrückt.  Sie  waren  im  Stempel  regel- 
rechl  eingeschnitten,  erscheinen  daher  im  Abdrucke  verkehrt. 
Eine  ganz  vollständig  erhaltene,  mit  faltenreichen  lim  än- 
dern bekleidete  weibliche  Statue  aus  weissem  Marmor  in  Le- 
bensgrösse,  mit  Ohrgehängen  und  Perlenschnur  um  den  Hals, 
wovon  in  der  Transilvania  I. Bd., 2. Hft.  1833  eine  Beschrei- 
bung und  Abbildung  gegeben    wurde,  wird  noch  in r  bei 

Stephan  Pogany  in  Poklisa,  so  wie  sie  es  verdient,  mit  Fleiss 
besorgt.  Zu  der  damaligen  Sammlung  von  Münzen  ist  nicht 
nur  noch  eine  Anzahl  Münzen  römischer  Kaisei'  und  Kaiser- 
innen von  Silber  und  Grosser/,  hinzugekommen,  sondern 
auch  zwei  goldene  Fingerringe  mit  geschnittenen  Steinen, 
ein  Intaglio  in  Carneol,  eine  n  eibliche  Figur  mit  einer  Lotus- 
blume und  ein  Intaglio  in  Onyx  mit  einer  Minerva.  — 


Eigentümlich  war  der  antiquarische  Fund  bei  einem 
diessfälligen  Ausflüge  in  mineralogischer  Hinsicht.  Feldspath- 
kr\  stalle  im  traehytischen  Gebilde  hinter  dem  Devaer  Schlosse 
zu  sammeln.  Nachdem  ich  mit  meinem  Begleiter  bis  zur 
Mittagstunde  viel  herumgestiegen  und  gehämmert,  gingen 
wir  zu  einer  von  den  Felsen  unfernen  schonen  Quelle 
krystallhellen  Wassers  hinunter,  und  als  wir  hier  vergnügt 
und  zufrieden  mit  der  Mineralienausbeute  ausruhten,  stieg 
urplötzlich  über  dem  Erzgebirge  am  Goldflusse  von  den  Bi- 
liarer Höhen  bis  zu  den  Bergen  Detunata  und  Nygrilyaza 
eine  ausgedehnte  dunkle  Gewitterwolke  wirbelnd  auf,  die 
mit  feurigen  Blitzen  und  entsetzlichem  Grollen  auf  Sturmes- 
flügeln drohend  nahete ;  wir  sahen  uns  nach  einem  Obdache 
um.  Buchteten  in  die  zerklüfteten  Trachytfelsen  hinauf  in 
eine  grottenähnliche  Vertiefung  und  warteten  das  Vorüber- 
ziehen des  Sturmes  ab.  Als  wir  hier  nun  geschützt  sassen 
und  harrten,  fielen  meine  Blicke  auf  das  vor  der  Höhle  gleich 
einem  sammtenen  Teppiche  den  graulichen  Trachyt  über- 
ziehende zarte  Moos  und  gewahrten  zufällig  einen  Unter- 
schied der  grünen  Farben ;  zwischen  dem  Hellgrün  des 
Mooses  zeichnete  sich  ein  auffallend  malachit-ähnliches,  glän- 
zendes Grün,  der  mir  wohlbekannte  nobilis  erugo,  aus,  und 
verrieth,  nachdem  ich  mit  dem  Hammer  das  Moos  beseitigt, 
einen  zwischen  den  Felsenspalten  eingeklemmten  Frauen- 
schmuck,  einen  bronzenen  antiken  Ohrring  in  einer  kreis- 
rund in  sich  gekehrten  Schlangengestalt. 

Während  dem  erneuerten  Ausfluge  von  Deva  in  das 
Muntscheler  Gebirge  sahen  wir  bei  Kis-Kalan  die  Acker 
mit  Bruchstücken  von  Ziegeln,  vorzüglich  Dachziegeln,  und 
von  allerlei  Geschirren  sparsam  überstreut,  ferner  ein  in 
der  Erde  entdecktes  römisches  Aufgussgewölbe,  welches 
letztere  aus  Bruchsteinen  mit  Kalkmörtel,  wie  aus  einem  Stück 
bestehend,  durch  seine  Festigkeit  der  Zeit  mehr  als  ein  Jahr- 
tausend getrotzt  und  noch  lange  Dauer  verspricht,  falls  es 
nicht  mit  Gewalt  zerstört  wird:  endlich  sieht  mau  hier  noch 
Überbleibsel  eines  allen  römischen  Hades.  Dasselbe  erscheint 
in  einem  daselbst  isolirt  dastehenden  Kalktufffelsen  in  oval- 
runder,  beinahe  ohr förmiger  Gestalt  eingetieft  und  ausge- 
hauen.  Die  Felsart  ist  von  ziemlich  dichter  und  fester  Be- 
schaffenheit. Der  Umfang  des  Bassins  mag  20—28  Schritte 

und  die  Tiefe  etwa  Hl  FusS  beiragen,  (legen  Osten  hat  das 
steinerne  Becken  einen  schmalen  Eingang,  durch  welchen 
das  Wasser  abfliesst,  und  der  an  beiden  Seiten  noch  Ein- 
schnitte zeigt,  um  Bretter  einzusetzen  und  das  Wasser  zum 
lladen  aufzuschwellen.  Die  Temperatur  des  Heilwassers  be- 
trägt 23  bis  24"  It. 

Die  daneben  stellende  Itade-Eiiirichlnng  von  llolziuatc- 

rial  aus  der  neuen  Zeit,  ist  dem  gänzlichen  Verfalle  nahe. 

Die  Besteigung  dos  Muntscheler  Gebirges,  auf  «  elchem 
die  merkwürdigen  Gredistier  Schlosstrümmer  ruhen,  kann 
von  zwei  Seiten,  erst  nur  bis  zu  den  Hütten  des  kleinen 
Dörfchens  Neu-Gredistie,  nicht  ohne  Sehn  terigkeit  und  bloss 

zu  Pferde  geschehen:    von  Norden,  auf  dem  Broser  Wasser 


97 


(Väros-viz)  hinauf  und  von  Westen   bei  Bosorod  durch  den 
Ritider  Bach   über  weitläufige  Berge.  Wir  wählten  die  west- 
liche Seite.    Mehrere  Edelleute   hegleiteten   uns;    ein   aus 
19  Pferden  bestehender  Zug  bewegte  sich  vorwärts;  eine 
kleine  Strecke  von  Bosorod  auf  ebenem  Pfade  bis  zum  Be- 
ginne des  Waldes,  der  rauhen  Schluchten  und  felsigen  Ab- 
hänge  ging  es  ziemlich  rasch,  bald  aber  langsamer,  so  dass 
mehrere  Stunden  unter  Ankämpfimg  der  oft  für  Reiter  und 
Bosse  gefahrvollen  Steilheit  und  mühesanier  Überwindung 
mannigfacher  Schwierigkeiten  des  Pfades    verstrichen,  bis 
endlich  der  höchste  Punkt  errungen  ward ,  wo  eine  schöne 
Hochebene  besonders  Diejenigen  überraschte,  welche  diesen 
Pfad  zum  erstenmal  betraten,  zumal  sie  auch  eine  sehr  um- 
fangreiche Aussicht  über  rauhe  Felsen -Thäler  und  wald- 
reiche Berge  weit  rund  umher  darbot.    Die  wohlerfahrenen 
Edelleute,  die  uns  begleiteten,   beschrieben  in  alterthüm- 
licher  Hinsicht  die  von   ihnen  bei  Gelegenheit  von  Treib- 
jagden —  auf  Bebe,  Hirsche,  Wölfe,  Bären,  Luchse  und 
Wildschweine    —     oftbesuchten    Gegenden    und    dunkeln 
Forste,  behauptend,  dass  in  dieser  Wildniss  beinahe  in  jeder 
Schlucht  Mauer-  und  Dachziegeln  und  Bruchstücke  von  Ge- 
fässen,  und  so  auch  auf  den  meisten  hervorragenden  wild- 
und  dicht-überwachsenen   Berggipfeln  Mauerüberreste  ge- 
funden werden.    Selbst  hier,  deutete  ein  Edelmann,  hier 
gegenüber  in  nördlicher  Richtung,  zwar  scheinbar  nicht  sehr 
entfernt,  aber  doch  durch  eine  ziemliche  Strecke  der  betre- 
tenen Hochpläne  und  dann  durch  einen  tiefen  felsigen  Ab- 
grund von  uns  getrennt,  habe  mau  auf  den  Hohen  zwischen 
alten  Buchen  and  deren  Wurzeln  weitläufige  mit  Buschwerk 
überwachsene  und  verborgene  Baureste  und  Grundmauern 
wahrgenommen.    Diese  Wildniss,   die  einmal  bewohnt  und 
mit  Menschen  bevölkert  gewesen,  genauer   zu    durchfor- 
schen, dürfte,  nach  der  Behauptung  der  Erzähler,  kaum  drei 
bis  vier  Wochen  zureichen;  aber  dafür,  Zeit  und  Mühe  loh- 
nend,  Manches,  was  für   die  früheste  Geschichte  unseres 
alten  Daciens  wichtig  ist,  zu  Tage  fördern.  Wir  bedauerten, 
dass  uns  dazu  nur  eine  so  kurze  Zeit  zugemessen  und  ein 
grosser  Theil  derselben  durch  die  Ungunst  der  Witterung 
entzogen  worden  sei.  An  der  südlichen  Abdachung  der  Hoch- 
fläche bemerkten  wir  mehrere  zerstreute,  nach  Lunkan  gehö- 
rende Hütten  und  ein  ganz  oben  auf  der  Pläne  stehendes 
kleines  Kirchlein,  an  welchem  der  Reiterzug  dicht  vorbei 
trabte. 

Die  wiederholte  Besteigung  der  Ruinen  auf  dem  Mun- 
tscheler  Gredistie  am  12.  Juli  1S47  erregte  noch  immer 
eigentümliche  Gefühle;  aber  Vieles  ward  in  den  Zeitraum 
von  zehn  Jahren  verändert  gefunden.  Die  humusartige  Erde, 
mit  dürren  Baumblättern  vermischt,  hat  über  der  alten  Stadt 
sich  dergestalt  angehäuft  und  war  vom  Begen  erweicht,  dass 
unsere  Bosse  an  einigen  Stellen  bis  an  die  Knie  watend 
hindurchschritten.  Nachgrabungen  von  Berufenen  und  Un- 
berufenen nach  Goldschätzen,  wie  zur  Erforschung  des 
Alterthums  haben  stattgefunden.    Auf  allen  Seiten  sieht  man 


Löcher  und  Schanzen,  wo  gegraben  und  gesucht,  grosse 
Quadersteine,  die  von  ihren  ursprünglichen  Stellen  bewegt 
und  forlgeschoben  oder  über  die  nahen  Bergabhänge  ge- 
waltsam weggestürzt  worden  sind.  Der  Sturmwind  hat  nach 
seiner  Weise  gehauset,  alte  Biesenbiichen  niedergeworfen 
und  die  Wege  und  Stege,  welche  kaum  erkennbar  erschei- 
nen, fast  barricadenmässig  verrammelt.  Die  in  einem  früheren 
Berichte  von  mir  bezeichnete  grosse  alte  Bliebe,  welche  auf 
einer  colossalen  Porphyrsäule  stand  unil  dieselbe  mit  ihren 
dicken  Wurzeln  umschlungen  hielt,  liegt  weil  hingestreckl 
auf  dem  Boden,  dem  Moder  anheimgefallen.  Von  diesen  Biesen- 
buchen  haben  die  meisten  5 — 0  Fuss  im  Durchmesser  und 
140 — läO  Fuss  Länge.  Unter  diesen  Bemerkungen  und  mit 
den  über  uuserii  Reitpfad  ausgebreiteten  Busehzweigeu  käm- 
pfend, ritten  wir  am  Teich  vorüber  bis  an  die  zerfallene 
Burgmauer,  deren  Wälle  noch  durchaus  kenntlich,  zum  Theil 
aber  auch  noch  ganz  bis  zur  Höhe  von  6  Fuss  erhalten  sind 
und  aus  gehauenen  Steinen  bestehen,  welche  gegen  2  Fuss  lang 
und  über  das  Niveau  einen  Fuss  hoch  betragen.  Sie  sind 
ohne  Mörtel  zusammengefügt  und  bestehen  aus  einem  dichten 
festen  Grobkalkgebilde  mit  Fleiss  gearbeitet.  Die  Schloss- 
niauer  berührt  an  zwei  Seiten,  gegen  Norden  und  Süden,  den 
Thalrand  zweier  im  tiefen  Abgrunde  rauschender  Wild- 
bäche, Reu-Alb  und  Valy-Albe,  wo  hinab  viele  Quadersteine 
gestürzt  worden  sind.  Der  Erdboden  erscheint  sehr  ungleich, 
im  Ganzen  gegen  Süden  abgedacht,  und  auch  auf  derWest- 
und  Ostseite  nicht  ohne  benützte  Terrain-Vertiefungen:  nach 
der  nördlichen  Seite  erhebt  er  sich  am  meisten  und  höchsten. 
Auf  der  Südseite,  wo  zwei  Säulenschäfte  von  21/.,  Fuss  im 
Durchmesser  aus  Syenitporphyr  lagen,  erkannten  wir  ein 
Thor.  Von  diesem  Thore  läuft  die  Mauer,  dem  sieh  nordlieh 
wendenden  Thalgrunde  folgend,  90  Schritt  weit  bis  zu  einer 
Vertiefung,  in  welcher  grosse  behauene  Steine  liegen,  und 
wo  ein  Keller  oder  Thurm  gewesen  zu  sein  scheint,  in 
welchem  bei  den  Schatzgräbereien.  nach  Aussage  der  auw  e- 
senden  Leute,  Menschenknochen  und  massive  eiserne  Ketten 
gefunden  worden  sind.  Hier  scheint  auch  ein  östliches  Thor 
gewesen  zu  sein;  die  Stadtmauer  aber  zieht  sich  200  Schritte 
nördlich  bis  zum  Thalrande  des  Valya-Albe,  dem  sie  dann 
westlich  folgt.  An  demselben  linden  sieh  die  Reste  eines 
festen  Thurmes,  von  wo  die  Mauer  noch  weiter  dein  nörd- 
lichen Thalrande  folgt,  so  dass  dieser  Theil  derselben 
344—  3S0  Schritte  beträgt;  von  hier,  wo  sie  diesen  Thal- 
rand verlässt,  geht  sie  südwestlich  300  Schritte  bis  zu  dem 
Eingänge  des  Reit- und  Fusspfades,  auf  dem  wir  gekommen 
waren.  Von  diesem  muthmasslichen  Thore  bis  zu  dem  oben 
erwähnten,  mit  den  beiden  Syenitsäuleu.  sind  noch  344  bis 
350.  also  im  Ganzen  beiläufig  1280  bis  1290  Sehritte.  Die 
Ermittelung  der  Strassen  und  Häuser  ist  durch  planlose, 
unverständige  Nachgrabungen,  besonders  der  kopflosen 
Schatzgräbereien  kaum  mehr  möglich.  Südwestlich.  200 
Schritte  weit  von  diesem  Thore.  bemerkt  man  ein  weitläu- 
figes Mauerwerk,  das  ein  Zickzack ,  von  Quadersteinen  in 


-  98 


einer  Höhe  von  1  Fuss  und  gegen  6  Zoll  ohne  Mörtel,  bildet. 
Die  inneren  Mauern  bestehen  aus  Bruchsteinen.  Vor  dem 
zuvor  erwähnten  östlichen  Thore  in  der  Verlängerung  des 
Eingangthores  200  Schritte  entfernt,  liegen  viele  behauene 
Steine  und  Substruetionen  von  Gebäuden,  woselbst  ein 
3  Fuss  hoher,  2  Fuss  breiter  Stein  gefunden  ward,  auf 
welchem  in  Relief  ein  Mann  mit  der  Lanze  in  der  linken 
Hand  auf  eine  unter  ihm  liegende  kleinere  Menschengestalt 
tritt,  beide  sind  unbekleidet;  ferner  ein3l/2  Fuss  langer  und 
l3/4  Fuss  hoher  Marmorstein,  mit  zwei  bärtigen  Köpfen,  über 
welchen  eine  verzierte  Tafel,  die  mehrere  Arten  von  Dolchen 
oder  geraden  und  krummen  Messern,  nebst  zwei  Rosetten 
enthält:  endlich  auch  ein  Altar  von  Marmor,  ohne  Inschrift. 
Bei  der.  mehrere  Schritte  östlich  von  hier  sprudelnden  Quelle 
lag  ein  kleinerer  Altar,  auch  ohne  Inschrift,  aus  Syenitpor- 
phyr. Von  hier  70  Schritte  nordöstlich,  findet  sich  ein  Circus 
von  90  Fuss  im  Durchschnitt.  Hingeben  von  einer  2'/2  Fuss 
dicken  Mauer  von  behauenen  Steinen,  so  dass  dessen  Umfang 
1  1  j  Schritte  hält.  An  dieser  Mauer  stehen  inwendig  4  Fuss 
hohe,  7  Zoll  im  Quadrat  haltende  Steine,  welche  5  Zoll  von 
einander  entfernt  sind.  .Mittelst  Nachgrabung  ward  gefunden. 
dass  die  Arena  nicht  gepflastert  gewesen  ist.  Von  hier 
80  Schritte  südöstlich  bemerkten  wir  am  Abhänge  des  Berges 
Heu-Albe  einen  grossen  Bau  von  gehauenen  Quadern,  wie 
bei  der  Stadtmauer:  so  auch  vom  Circus  80  Schritte  nord- 
östlich entfernt,  einen  ähnlichen  Bau.  bei  welchem  zwei 
Säulenschäfte  von  zwei  Fuss  Durchmesser  aus  Syenitporphyr 
liegen. 

Südöstlich,  unterhalb  des  erwähnten  südlichen  Thores, 
nächst  dem  auch  schon  erwähnten  Mauerwerke  liegen  viele 
Quadersteine  zerstreut  und  einige  Porphyrsäulen,  dabei  auch 
2 — 7  Fuss  im  Durchmesserhaltende  flach-rundeSteine.  Eben 
sii  wurde  auch  hier  eine  1 1 /4  Fuss  breite  Marmorplatte  ge- 
funden, aul  welcher  eine  männliche  Gestalt  kenntlich  ist,  deren 
Beine  in  roher  Arbeil  rollendet,  deren  Oberkörpertheil  erst 
angefangen  ist.  Mehrere  Schritte  innerhalb  des  oben  erwähn- 
ten östlichen  Thores  lag  eine  ovale  Badewanne,  von  Syenit- 
porphyr angefertigt.  Sie  ist  im  Lichten  3  Fuss  breit.  &i/s  Fuss 
lang  und  2  Fuss  I  Zoll  tief,  die  Kieke  beträgt  7  Zoll;  sie 
ist  inwendig  spiegelglatt  geschliffen  und  polirt,  aber  von 
rohen  Besuchern  schon  sehr  beschädigt  worden. 

Bei  den    oben    hrerwähnten  Bauwerken    ergab  die 

Ausgrabung  häufig  stark  gebrannte  Mauerziegeln  von  ver- 
schiedenen Grössen  nn  Quadrate,  meist  viel  dicker  als  die 
gewöhnlichen,  dagegen  wurden  die  überall  zerstreuten  Dach- 
ein dünner  als  die  gewöhnlichen  römischen  befunden. 
Auf  allen  Seiten  unterhalb  der  Stadtmauer ,  so  wie  bei  den 
übrigen  angegebenen  Bauwerken  liegen  Quadersteine  zer- 
streut, theils  von  der  Stadtmauer  herabgestürzt,  theils  zu 
anderen  Bauwerken  der  Umgebung  gehörig.  Mehrere  von 
diesen  Quadersteinen  sind  mit  i>  Zoll  breiten,  15  ZoU  tiefen 
Rinnen  versehen;  auch  finden  aich,  ausser  den  vielen  Frag- 
menten  von   Thongefassen,    Bruchstücke   von    Hinnen  aas 


gebranntem  Thone,  1  Zoll  stark.  1  Fuss  K  Zoll  im  Durch- 
messer. 

Auffallend  ist  es .  von  jenen  im  Archiv  für  siebenbürg. 
Landeskunde  (lid.I.  Heft  2,  S.  22  v.  J.  1844)  mit  griechi- 
schen Buchstaben  bezeichneten  Quadersteinen  nichts  mehr 
zu  linden;  dass  indessen,  was  tausend  Jahre  sich  erhielt. 
zehn  Jahre  nicht  auslöschen  konnten  ohne  gewaltsames  Ein- 
wirken.  ist  klar.  Viele  Gegenstände,  vorzüglich  zierlich  be- 
hauene  und  mit  Inschriften  versehene  Steine,  wurden  mühsam 
vom  hohen  Berge  nach  Bros  und  in  andere  Orte  geschleppt, 
wozu  die  Anwohner  und  Bauern  der  nächsten  Dörfer  im 
Robotdienste  ohne  Bezahlung  gezwungen  wurden.  Dem  zu 
entgehen  stürzten  sie.  um  sich  von  einer  schweren  Last  zu 
befreien,  vielleicht  alle  irgend  bezeichneten  Steine  über  die 
Thalränder  in  den  Beu-Albe  und  Valye-Albe  hinunter,  welches 
ihnen  leichter  zu  bewerkstelligen  scheinen  mochte,  als  der 
beschwerliche  Transport  vom  Gebirge  herab  über  reissende 
Hohwässer  in  entfernte  Orte.  Durch  diesen  unvorsichtigen 
Transport-Zwang  sind  leider  viele  wichtige  Inschriften  auf 
marmornen  Tafeln  und  Altären  zerstört  und  unersetzlich 
verloren  gegangen .  wovon  im  Hatzeger  Thale  noch  die 
Spuren  wahrnehmbar  sind. 

Zur  besseren  Übersicht  folgt  beiliegend  eine  Übersicht 
von  den  Überresten  derAkropolis  und  der  alten  Stadt 
auf  dem  Muntscheler  Gredistie,  woselbst  den  1 1.  bis  14.  Juli 
1847  Ausgrabungen  und  Forschungen  stattfanden.  Darunter 
befindet  sich: 

a)  Die  Stelle,  wo  die  Stadtmauer  an  eine  mit  behaue- 
nen Quadern  und  mit  einer  breiten  massiven  Porphyrtafel 
gefüllten  Vertiefung  stösst.  und  wo  früher,  nach  Aussage 
der  nächsten  Ortsanwohner,  menschliche  Gebeine  mit  schwe- 
ren eisernen  Ketten  gefunden  worden  sind.  Von  dieser  Ver- 
tiefung bis  an  den  Rand  des  Reu -Albe  beträgt  die  Länge 
250  Schritte. 

I> )  Eine  Ecke  der  Stadtmauer,  welche  an  den  hohen 
Thailand  reicht  und  deren  schwindelnder  Abhang  den  in 
den  Abgrund  Hinblickenden  mit  Grauen  erfüllt. 

<■)  Das  südliche  Thor  der  Stadt  mit  den  beiden  Porphyr- 
säulen. 

il )  Das  Thor  von  der  Westseite  (nordwestlich),  von  wo 
wir  heraufstiegen. 

,-)  Eine  Ecke  der  Stadtmauer.  WO  dieselbe  an  den 
Thalrand  des  Valye-Albe  stösst. 

ff  Der  Ort,  wo  die  tiefe  Grube,  der  grössere  inschrift- 
leere Utarstein  und  eine  Anzahl  grosser  Quadersteine,  dann 
eine  Steinplatte  mit  halberhabenen,  aber  durch  den  Zahn  der 

Zeit  sehr  beschädigten  Figuren,  endlich  ein  grosser  Würfel. 
bestehend  au-  ziemlich  festem  Grobkalk,  worauf  sich  vier 
dolchartige  Opfermesser  von  verschiedener  Grosse  in  Basrelief 
befinden. 

il  I  Der  Circus. 

h )  Ein  Bau  mit  grossen  Quadersteinen. 

i)   Das  Theater. 


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k)  Eine  Tempelruine  mit  Säulen. 

I)  Badewanne  aus  Syenitporphyr. 

m)  Das  Bad. 

n)  Der  Teich,  welcher,  wie  erzählt  wird,  mit  breiten 
Steinplatten  gepflastert  sein  soll,  aber  gegenwärtig  ver- 
sumpft, durchaus  mit  Rohr  und  Hydrophyten  aller  Art  über- 
wachsen ist. 

oj  Platz  der  Hütte,  die  man  aus  Baumästen  und  belaub- 
ten Zweigen  für  die  Alterthumsforscher  errichtet  hatte. 

Während  wir  am  12.  bis  14.  Juli  1847  unter  dem 
Godian  auf  dem  waldreichen  Muntscheler  Gebirge  in  den 
Trümmern  der  alten  unbekannten  Stadt  hoch  oben  unsere 
Forschungen  anstellten,  hatte,  durch  unsern  Eifer  angeregt, 
der  Waldschafl'er  unten,  eine  Meile  nordöstlich  vom  neuen 
Dörfchen  Gredistie  auf  der  rechten  Seite  des  Stadtwassers 
(Väros  vi'z),  an  einer  von  Kalkfelsen  überragten  Berglehne, 
Sub  Kunun  oder  Sub  Piatra,  wo  gleichfalls  weitläufige 
Trümmer  einer  alten  Stadt  liegen,  auch  Nachgrabungen  ver- 
anstaltet, die  mit  glücklichem  Erfolge  gekrönt  wurden.  Das 
Ergebniss  bestand  in  500  silbernen  altrömischen  Denaren, 
welche  ungemein  gut  erhalten  und  von  denen  die  meisten 
von  so  scharfem  Gepräge  waren,  als  wenn  sie  erst  unter  dem 
Stempel  hervorgegangen  wären.  Auch  sind  dieselben  wie 
von  einem  Numismatiker,  beinahe  in  ununterbrochener  chro- 
nologischer Folge,  von  dem  ersten  der  Cäsaren  bis  auf  Trajan 
gesammelt.  Die  Prägen  von  Vespasian,  Titus  und  Domitian 
kommen  indessen  am  zahlreichsten  vor.  Bei  der ,  wegen 
Kürze  der  Zeit,  nur  sehr  flüchtigen  Betrachtung  der  einzel- 
nen Stücke  fand  ich  nachfolgende  Exemplare:  Consular- 
und  Familien-Münzen  aus  der  Zeit  der  römischen  Republiki  48 : 
von  Julius  Cäsar  15;  von  Octavianus  Augustus  10;  von 
Antonius  und  Lepidus  2;  von  Tiberius  3;  von  der  Agrip- 
pina  2;  von  Germanicus  4;  von  Agrippa  3;  von  Cajus 
(Caligula)ltj;  von  Claudius  4;  vonTitus69;  von  Domitian  109: 
von  Nerval  5 ;  von  Trajan  2.  Merkwürdig  erscheint  es,  dass  von 
Trajan  bloss  zwei  Münzen  vorkommen,  und  auch  diese  aus 
der  ersten  Zeit  seiner  Thronbesteigung,  da  er  noch  nicht 
Dacicus,  bloss  Germanicus  genannt  wurde.  Eine  bedeutende 
Anzahl  interessanter  Kehrseiten  entging  selbst  dem  flüchtig- 
sten Beschauer  dieser  Münzen  nicht.  Auch  die  Sculpturen: 
vom  Standpunkte  der  plastischen  Kunst  betrachtet,  sind  aus- 
gezeichnet und  werthvoll  zu  nennen.  So  mehrere  Familien- 
Münzen  und  vorzugsweise  die  Revers  von  einem  Nerva  mit 
der  Venus  Callipygos,  mit  der  sogenannten  Venus  des  Cleo- 
menes  übereinstimmend. 

Noch  muss  bemerkt  werden,  dass  der  zierliche  Altar 
mit  einer  Inschrift,  welcher  auch  hier  in  diesem  Bereich 
an  der  Sonnenlehne  im  Valye  Aniesche  gefunden  ward,  und 
nach  dem  Wunsche  des  Fürsten  Lobkowitz,  welcher  damals 
die  siebenbürgischen  Bergwerke  besuchte,  nach  Wien  beför- 
dert werden  sollte,  durch  dessen  mittlerweile  erfolgten  Tod 
aber  nur  bis  Bros  gebracht  wurde,  hier  bei  dem  Eisenhändler 
Friedrich  Aker  ,  wenn  man  durch  dessen  Gassenthor  in  den 


Hofraum  tritt,  links  an  einem  äussern  in  die  Augen  fallenden 
Eck  des  Wohngebäudes  halb  eingemauert  zu  sehen  ist.  Ich 
verglich  nochmals  die  Inschrift  mit  der  bereits  veröffentlich- 
ten und  fand  Abweichungen  von  der  Urschrift,  daher  die- 
selbe nochmals  treu  und  genau  aufgenommen  und  hier  bei- 
gefügt wird. 

VICTORIA 

AVG     PBOSA 

LVTE     IMP 

ANTONINI 

AVG     M     SA 

TIVS     PRIS 

CVS     LEGSvS 

P1VS  .  PR  .  PR. 

Der  gegenwärtige  Ausflug  führte  ferner  auf  dem  Rück- 
wege zur  Entdeckung  eines  bis  jetzt  noch  nicht  bekannten 
römischen  Castrums  ,  zwischen  Fei-  und  Also  -  Värosviz 
(Orastiora  und  Orastia  Biakuluj)  am  linken  Flussufer  des 
Orastiare  (Stadtwasser).  Drei  Seiten  der  ausgemauerten 
Wälle  des  militärischen  Standlagers  sind  deutlich  erkennbar; 
die  östliche  vierte  Seite  hat  der  Fluss  weggerissen.  In  der 
Umgegend,  auch  ausser  den  Mauern  des  Lagers,  findet  man 
häufige  Spuren  von  Grundmauern,  so  auch  eine  Menge  Bruch- 
stücke von  Ziegeln ,   Gefässen  u.  s.  w. 

Die  dermalige  archäologische  Excursion  ward  endlich 
mit  dem  Besuche  des  römischen  oder  vielleicht  noch  alt- 
dacischen,  wahrscheinlich  von  beiden  Völkern  benützten  Stein- 
bruches, der,  wie  bereits  oben  erwähnt,  während  des  Aus- 
fluges in  das  Hatzeger  Thal  unsere  Aufmerksamkeit  erregte, 
beschlossen.  Südlich  von  Deva,  kaum  eine  Stunde  entfernt, 
bildet  er  einen  mächtigen  isolirten  Stock  Trachytporphyrs 
von  lichtgrauer  oder  röthlichweisser.  homogener  Grundmasse, 
welche  sich  durch  grosse  Zähigkeit.  Dichtigkeit  und  Härte 
auszeichnet  und  an  einigen  Punkten  fast  in  ein  syenitähn- 
liches Gestein  überzugehen  scheint.  Der  Fels  mag  wohl,  als 
ein  verborgener  Zweig  und  Ausläufer,  mit  den  bei  Deva  und 
hinter  diesem  Schlosse  emporgehobenen  Trachytgruppen  im 
Zusammenhang  stehen.  Noch  liegen  theils  tief  unten,  wo 
ein  kleiner  Bach  vorbeifliesst,  am  Fusse  des  Stockes  von 
Menschenhänden  abgelöste  ungeheure  Massen  und  Blöcke. 
theils  auch  ganz  oben  mehrere  angefangene  und  bloss  halb 
ausgehauene  riesige  Quadersteine,  Säulen,  Platten  u.  dergl. 
Ich  denke  kaum  zu  irren,  wenn  ich  dafür  halte,  dass  auf  der 
hohen  Akropolis  des  Muntscheler  Gebirges  einige  ähnliche 
grosse  Platten  und  Tafeln  und  Altäre  sich  linden .  n  eiche 
in  diesem  Steinbruche  angefertigt  und  hinauf  transportirt 
worden  sind. 

184S. 

Der  bisherigen  Gewohnheit  und  gestellten  Aufgabe, 
jährlich  eine  grössere  Reise  in  wissenschaftlicher  Hinsicht 
nach  irgend  einer  Richtung  des  Vaterlandes  zu  unternehmen, 
konnte  in  diesem  Jahre  wegen  der  bedenklichen  und  gefahr- 
drohenden Zeitumstände  nicht  Genüge  geleistet  werden  ,  und 


100   — 


durfte  sich  bloss  auf  kleinere  Ausflüge  der  nächsten  Umgebung 
beschränken.  Aber  seihst  von  diesen  wäre  fast  einer  von  unan- 
genehmen Folgen  für  den  Alterthumsforscher  gewesen,  und 
derselbe  war  sein-  nahe  daran,  mit  seinen  Begleitern  als  poli- 
tisch verdächtiger  Herumschleicher  gebunden,  von  den  mit 
S|iie>»sen  bewaffneten  l'nplakern  nach  Hermannstadt  deportirt 
zu  werden.  Längst  schon  nahm  ich  mir  vor,  die  Koste  einer 
zwischen  Poplaka  (Gunzendorf)  und Resinaer  (Städter- 
dorf) auf  hohem  Gebirgsabhange  ruhenden  Burgveste  aufzu- 
suchen. Indessen  verdrängten  bisher  immer  noch  die  ent- 
fernteren beschwerlicheren  Excursionen  die  nahen  und  leich- 
teren, und  so  blieb  lange  das  nächst  vor  Augen  Liegende, 
wie  es  ja  häutig  im  Leben  zu  geschehen  pflegt,  unbeachtet 
oder  aufgespart  und  unerforscht  bis  gegen  Ende  August 
obigen  Jahres. 

Der  Weg  führt  von  Hamersdorf  neben  Hermannstadt, 
die  Josephs-Vorstadt  im  Cibinthal,  an  dem  von  Giorareu  bis 
zur  Stadt  herabkommenden  alten,  theilweise  zerstörten  Canale 
hinauf  in  zwei  Stunden  bis  an  das  Steppendorfer  Eichen- 
wäldchen. Von  diesem  wendet  sich  der  Weg  links  in  den 
Thalgrund,  der  uns  nach  halbstündiger  Frist  nach  Poplaka 
brachte.  Weiter  ist  der  Weg,  besonders  im  Gebirge,  das 
nahe  am  Orte  beginnt,  nicht  mehr  fahrbar.  Desshalb  wurde 
inmitten  des  Ortes  angehalten,  und  sogleich  in  Begleitung 
meines  Sohnes  nach  der  angedeuteten  buschigen  Berg- 
höhe rüstig  hinangestiegen.  Doch  würden  wir  den  Punkt 
unserer  Forschung,  durch  eine  dichte  Waldung,  tiefe 
Schluchten  und  durch  häufig  sich  durchkreuzende  Ge- 
birgspfade  irre  geführt,  nur  mühsam  gefunden  haben. 
hatten  uns  nicht  aus  dem  Walde  heimkehrende,  der  Ge- 
gend  kundige  Ortsbewohner  zurecht  gewiesen  und  bis  zur 
gesuchten  Stelle  begleitet.  Wir  standen  jetzt  auf  den  bei- 
läufig dritthalb  Stunden  von  Ilerinannstadt  entfernten  Über- 
resten der  hohen  luftigen  Burg,  einem  Alpenzweig  und  Aus- 
läufer, welcher  sich  vom  Jesur,  dem  Cibinsursprung ,  bis 
nach  Ilerinannstadt  herunter  in  mannigfachen  Biegungen 
erstreckt  und  den  obern  aufgethürmten  Stadttheil  an  der 
Stirne  trägt.  Die  Burg  liegt,  wie  gesagt,  zwischen  Poplaka 
und  Hev  inaer.  doch  näher  an  und  hoch  über  letzteren  Ort 
und  auch  auf  dessen  Gebiet.  Von  den  Burgüberresten  hat. 
ausser  den   l'uivv  alluiigen.   den   vielen    Gruben,    runden   und 

ovalen  Vertiefungen,  woselbst  die  Wohnungen  gestanden 
haben  mögen,  äusserst  wenig  sich  erhalten.  Die  gegen  Mit- 
tag merklich  geneigte  (ir Itläehe  bildet  eine  lange,  inmitten 

stark  zosammengepresste  elliptische  Figur,  deren  südliche 
Längsseite  gegen  Resinaer  und  deren  nördliche  gegen 
Poplaka  gekehrt  sind.  Hier  ist  die  Umwallung  noch  ziem- 
lich hoch  und  mit  tiefen  in  den  Thonschiefer  eingesenkten 
Gräben,  'aber  mit  moosigem  Wurzelwerk  durchzogen  und 
mit  kräftigen  Eichenstämmen  überwachsen,  ganz,  deutlich  zu 
wellen.  Auf  der  entgegengesetzten  Seite  und  au  >\r\-  öst- 
lichen Spitze,  die  wegen  ausserordentlicher  Steilheil  uner- 
steigbar erscheint,   ist   die   Umwallung   verschwunden.    Die 


bedeutende  Höhe  des  schroffen  zerklüfteten  Thonschieloi  - 
gebildes  mag  von  dem  Spiegel  des  unten  rauschenden  Ge- 
birgsw  assers  gegen  3000 FuSS  messen.  Am  w  estlichen  Schei- 
telpunkt der  Ellipse  der  verfallenen  Schlossruine  erhebt 
sich  eine  über  vierzig  FuSS  ansteigende  runde  Erhöhung, 
woselbst  ein  mächtiger  runder  Wach-  oder  Wartthunn 
gestanden  zu  haben  scheint.  Von  Mörtel  und  Mauerwerk 
sind  nur  wenige  Spuren  zurückgeblieben.  Aber  von  drei- 
facher, starker  und  hoher  Umwallung  wurde  der  Kopf  der 
Festung  von  dieser  westlichen  Seite  geschützt.  Der  Umfang 
der  ganzen  Burg  misst  über  1200  Schritte  und  die  Breite 
70  bis  80  Schritte.  Innerlich  sind  zwei  parallel  laufende 
Reihen  Vertiefungen  und  Gruben  erkennbar.  Die  oberste 
Reihe  zählt  2(>.  die  untere  bloss  20.  Am  umfangreichsten 
und  tiefsten  sind  die  an  den  beiden  Enden  sichtbaren. 

Da  dieser  Gebirgsabhang  fast  ganz  aus  Urthonschiefer, 
der  bloss  hie  und  dort  dem  Glimmerschiefer  sich  nähert  und 
seilen  in  ihm  übergeht,  zusammengesetzt  ist,  so  konnten 
wegen  der  milden  Beschaffenheit  der  Felsart  sehr  leicht  in 
dieselbe  geräumige  und  wohnliche  Behausungen  gehauen, 
eingetieft  und  zur  Aufnahme  sowie  als  Zufluchtsort  vieler 
Menschen  eingerichtet  werden.  Die  schützenden  Wohnhüt- 
ten des  Asyles  sind  hingst  verschwunden,  zerbröckeltes  Fels- 
geröll,  mit  dünnem  Gras  und  üppigem  Moose  überwuchert. 
erfüllt  die  Gruben  und  deutet  leise  noch  auf  ihre  Stellen  bin. 
Nur  die  mächtigen  äussern  Wälle  und  Bollwerke  sind  noch 
ziemlich  gut  erhalten,  ein  sprechender  Beweis  von  Anstren- 
gung und  Kraft  rüstiger  Menschenhände  Nachdem  wir  die 
Lage  nach  der  Himmelsgegend  mit  Hilfe  der  Magnetnadel 
untersucht  und  bestimmt,  den  Einfang  Umschriften  und  genau 
bezeichnet  hallen,  forschten  wir  über  den  Ursprung  der 
vorliegenden  iVstung.  Das  licsultat  der  Untersuchung  ist 
im  „Satelliten,"  dem  Beiblatte  der  Krönst.  Zeitung  Nr.  12, 
13  und  14.  LS50.  veröffentlicht  worden. 

1849. 

Ein  durch  anarchische  Zerwürfnisse  trauriges,  für  man- 
che vorhandene  und  gesammelte  Alterthünier  Siebenbürgens 
höchst  verderbliches  Jahr.  Hirnloser  und  blinder  Aufruhr. 
Raub  und  Zerstörung  bezeichneten  dasselbe.  So  wurde  die 
bedeutende  Sammlung  der  merkwürdigsten  Alterthümer  zu 
Luv  ed  ein  Opfer  damaliger  Volkswuth.  und  ebenso  wurde 
auch  dasjenige,  was  Oral'  Kemeny  seit  vielen  Jahren  mit 
Vorliebe,  Eifer  und  mit  grossen  Auslagen  aus  der  archäologi- 
schen lülerwell  unseres  \  alerlandes  gesammelt,  zu  Gerend 
theils  eniw  endet,  Iheils  vernichtet,  so  namentlich  4ihio  Stücke 

römischer  Münzen,  welche  auf  dem  linden  der  einstigen  römi- 
schen Stadt  Salinae,  dem  heutigen  Thornburg,  seit  den 
letzten  ;ii>  .lahren  nach  und  nach  ausgegraben  und  gefunden 
w  orden  sind. 

Die  prachtrollen  Gebäude  des  Grafen  Gyulai  in  Maros- 
Nemcti  und  des  Ladislaus  voii  Noptsa  in  Zaam,   deren  Villen 


101    — 


und  schöne  Lustgärten  mit  marmornen  antiken  Statuen,  Bas- 
reliefs, Inschrift-Altären  u.  m.  A.  luxuriös  ausgeschmückt 
waren,  haben  eine  beklagenswürdige,  besonders  aber  des 
Letztern  eine  gänzliche  Zerstörung  erlitten. 

Manche  beginnende  und  erfreulich  wachsende  archäo- 
logische Sammlung ,  wie  z.  B.  jene  des  evangelischen 
Gymnasiums  in  Schässburg,  ward  von  den  Bebellen  beraubt 
und  zerstreut;  manches  kostbare  Denkmal,  z.  B.  wie  jenes 
von  Georg  Apaffi,  dem  Vater  des  siebenbürgischen  Fürsten 
Michael  Apaffi,  in  Malemkrog  ward  schmählich  ver- 
stümmelt. 

Nach  solchen  thatsacb.licb.en  Vorgängen  und  durch  die 
täglich  immer  häufiger  sich  wiederholenden  Gerüchte  von 
fiaub,  Brand  und  Zerstörung  musste  ich  besorgt  werden 
um  meine  eigene  archäologische  Sammlung,  die  ich  mit  einer 
gewissen  Vorliebe,  nicht  ohne  Aufopferung  und  Kostenauf- 
wand seit  mehr  als  vierzig  Jahren  rastlos  zusammengebracht, 
und  die  dadurch  mir  lieb  und  besonders  auch  in  geschicht- 
licher Hinsicht  werth  und  theuer  geworden  ist.  Was  war  zu 
thun?  Meine  antike,  besonders  numismatische  Sammlung, 
gegen  2000  altrömische  und  griechische  ,  grösstenteils 
silberne  Münzen,  dazu  noch  die  reichsten  und  kostbarsten 
Gold-  und  Silberstufen,  wurden,  dem  treuen  Schoosse  der 
Erde  vertrauend,  bei  Nacht  und  Nebel  von  mir  selbst  im 
Hausgarten  vergraben.  Nicht  selten  kam  ich  nun  aber  dadurch 
bei  dem  häufigen  Zuspruch  der  Insurgenten  auf  dem  Pfarr- 
hofe manchmal  in  nicht  geringe  Verlegenheit,  indem  meh- 
rere von  den  Anführern  der  Bebellen  von  meinen  Collectionen 
wussten  oder  gehört ,  einige  von  ihnen  dieselben  wohl  auch 
gesehen  hatten.  Diesen  gestand  ich  bei  der  Nachfrage  wegen 
meiner  „hübschen  Sammlung,"  dass  ich  die  Alterthümer, 
aus  Besorgniss,  dieselben  könnten  in  dieser  unfriedlichen 
Zeit  leicht  Schaden  leiden,  vergraben  habe,  ohne  übrigens 
den  Ort  der  Beerdigung  selbst  genau  zu  bestimmen. 

In  dieser  höchst  bedenklichen  Zeit  erfreute  nichts- 
destoweniger sieh  mein  Museum  eines  nicht  unbedeutenden 
Zuwachses:  erstlich  erhielt  ich  aus  den  Trancheen  und  von 
den  aufgeworfenen  Bedouten  während  der  Belagerung  von 
Karlsburg  durch  einen  Insurgenten  -  Officier  eine  Anzahl 
dort  ausgegrabener  und  gefundener  römischer  Bronze-  und 
Silbermünzen  von  den  Antoninen ,  von  Severus  Alexander, 
Maximinus,  Gordianus,  Philippus  u.  m.  A.  Von  dem  altern 
Philippus  befindet  sich  sogar  dabei  eine  Münze  mit  PRO  V1NCIA 
DACIA  A.  I.  und  mit  der  V.  und  XIII.  Legion  auf  Fahnen, 
daneben  mit  dem  Adler,  der  einen  Kranz  im  Schnabel  hält, 
und  mit  den  Löwen  bezeichnet  und  in  Dacien  geprägt.  Einen 
zweiten  Zuwachs  erhielt  mein  Cabinet  durch  den  Ankauf 
von  drei  aus  Gyps  ungemein  kunstvoll  angefertigten  eilf 
Zoll  hohen  Statuetten  in  altsächsischer  Tracht,  einen  ehr- 
würdigen Mann  mit  vollem  Barte,  mit  der  sächsischen  Toga 
bekleidet,  vorstellend,  dann  eine  ältere  Matrone  und  eine 
jüngere  Frau,  beide  in  Feierkleidern  und  mit  altem  gedie- 
genen sächsischen  Schmuck  reich  decorirt. 


In  Folge  des  bedauerungswürdigen  Schicksals  des  gelehr- 
ten und  patriotischen  Benigni  von  Mildenberg's  —  er  wurde 
nämlich  durch  die  Bebellen  während  Hermannstadts  bekla- 
genswerther  Einnahme  ermordet  —  ward  ein  Theil  seiner 
wissenschaftlichen  Hinterlassenschaft  an  den  Meistbietenden 
veräussert.  Da  ich  nun  wusste ,  dass  Benigni  ein  grosser 
Freund  der  Alterthumskunde  so  wie  der  Wissenschaft  über- 
haupt gewesen,  und  viel  Alterthümliches  in  Siebenbürgen 
gesammelt  und  wirklich  besass ,  so  trachtete  ich  dasselbe 
nebst  anderm  werthvollen  oryktognostischen  Vorrathe,  haupt- 
sächlich die  antiken  bronzenen  Statuetten  —  römische  und 
ägyptische  Hausgötter,  Laren  und  Penaten  und  andere 
Figuren  —  vermittelst  Ankauf  zu  behaupten,  damit  dieselben 
nicht  in  uneingeweihte  Hände  gerathen  sollten  und  wieder 
zerstreut  würden.  Die  vorhandenen  sechs  Hausgötter  stellen 
vor:  1)  einen  7  Zoll  hohen  Kronos  mit  der  Sense  in  der 
rechten  Hand,  kahlköpfig  und  langbärtig,  unbekleidet,  bloss 
mit  einem  schmalen  Gewände  um  den  linken  Arm  gewunden 
und  mit  der  Hand  haltend ;  2)  einen  3  Zoll  hohen  Neptun 
mit  langem  Barte,  unbekleidet,  mit  der  linken  Hand  einen 
Delphin  anfassend  und  mit  dem  rechten  Fusse  auf  den  Kopf 
des  Delphins  tretend  ;  3)  ein  männliches  unbekleidetes  3  Zoll 
grosses  Götzenbild  mit  dem  Widderkopf;  4)  ein  ähnliches 
unbekleidetes  3 '/o  Zoll  grosses  mit  dem  Sperberkopf;  5)  einen 
2y3  Zoll  grossen  nackten  Knaben,  wahrscheinlich  den  aufdaei- 
schen  Inschriftsteinen  vorkommenden  Bonvs  pver  PHOSpnoRvs 
darstellend;  6)  einen  2'/3  Zoll  grossen  bärtigen  Flussgott  in 
halb  liegender  Stellung,  den  rechten  Arm  um  eine  Urne 
geschlungen.    Die  andern  noch  übrigen  Figuren  stellen  vor: 

7)  einen  3  Zoll  grossen  Imperator  in  voller  Büstung  mit 
Helm  und  Panzer,  die  rechte  Hand  hoch  an  einer  Lanze  hal- 
tend, die  abgebrochen  ist,  die  linke  Hand  am  Parazonium; 

8)  einen  31/»  Zoll  grossen,  gehelmten  römischen  Legionär 
im  Waffenrock ,   mit  verstümmelten   Händen  und  Füssen  ; 

9)  eine  4  Zoll  grosse  ägyptische  Mumie  mit  Hieroglyphen, 
aus  gebrannter  Erde,  von  grünner  Glasur  überzogen,  deren 
unterer  Theil  verstümmelt  ist;  10)  ein  Bruchstück  von  einem 
rothgefleckten  sehr  schönen  Marmor,  dessen  blank  geschlif- 
fene Fläche  noch  den  geringen  Best  einer  griechischen 
Inschrift 

A 

NEr'AAES 

ir' 

mit  fast  über  zollgrossen  Buchstaben  enthält. 

lSSO. 

Die  bösen  Folgen  der  verderblichen  Schule  des  ver- 
flossenen turbulenten  Jahres  verpflanzten  sich  weiter  auch 
auf  das  nächstfolgende  Jahr.  Zu  Anfang  August  dieses  Jah- 
res ward  durch  das  k.  k.  provisorische  Strafgericht  in  Maros- 
Väsurhely  ein  Verzeichniss  der  aus  dem  reformirten  Col- 
legium  zu  l'dvärhely  entwendeten  Gold-.  Silber-  und 
Kupfermünzen  durch  die  Zeitungen  veröffentlicht. 

14 


102 


Darunter  befanden  sich  12  Stücke  von  Gold,  182  aus 
Silber  und  83  von  Kupfer  oder  von  Bronze,  zusammen  277 
Stück  Münzen ,  wobei  ein  grosser  Tlieil  altgriechischer  und 
altrömiscbrr  Münzen  vorkommt,  deren  einige  auch  wohl  von 
bedeutendein  Worthe  und  grosser  Seltenheit  gewesen  sein 
mochten;  da  aber  die  Beschreibung  derselben  nicht  von 
einem  sachverwandten  Kenner  verfasst  worden  ist,  so  lässt 
sieb  darüber  nicht  viel  entscheiden.  So  viel  scheint  indessen 
unläugbar,  dass  sie  zum  Tbeil  dem  Zeiträume  330  Jahre  vor 
Chr.  Geb.  und  zum  Tbeil  400  Jahre  nach  Chr.  Geb.  anheim- 
fallen; in  die  Zeit  Alexander  des  Grossen  und  in  die  Zeit 
der  römischen  Republik,  und  dann  in  die  viel  späteren  Zeit- 
perioden der  (Konstantine.  Auffallend  erscheint  es,  dass  ersterc 
und  die  letzteren  so  häufig  in  Siebenbürgen  ausgegraben  und 
gefunden  werden :  denn  ich  bin  versichert,  dass  auch  diese 
antiken  Münzen  in  der  Umgebung  von  l'dvärhcly,  wie  früher 
häufig  und  auch  erst  jüngst  gefunden  worden  sind.  Beson- 
ders zahlreich  erscheinen  die  kleinen  Kupfermünzen.  Von 
den  letzteren  zählte  die  Collection  10  Stücke  von  Constanti- 
nus  M.,  20  St.  von  Constantius,  Constans,  Valens  u.  s.  w. 

1851. 

Bei  dem  Strassenbaue  in  der  frühern  Zarander  Gespan- 
schaft, in  dem  dermaligen  Broser  Kreise  des  Halmagyer  Be- 
zirkes ,  wurden  von  den  daselbst  beschäftigten  Arbeitern 
nächst  dem  Orte  Guravoy  52  Stück  kleine  altgriechische 
Silbermünzen  nebst  noch  einigen  anderen  Gegenständen,  auch 
von  Silber,  entdeckt.  Die  Münzen  .stammen,  ohne  Ausnahme 
sämmtlich  von  Apollonia  an  der  illyrischen  Meeresküste.  Es 
sind  nachfolgende: 

1.  Die  Präge  der  Vorderseite  stellt  das  gewöhnliche 
Colonialzeichen,  die  Kuh  ein  Kalb  säugend,  vor.  Die  Kuh 
ist  links  gekehrt,  oben  steht:  EENOKAES. 

Auf  der  Rückseite  bekommt  das  Quadrat  (Hosti  AlciuniJ 
durch  die  eingebogenen  Seiten  vier  spitzige  Winkel  mit  der 
Umschrift:  A1IOA   XAIPHMOS. 

Die  übrigen  Münzen  zeigen  alle  denselben  Typus  und 
bloss  hinsichtlich  der  Magistratsnamen  einige  Verschieden- 
heit, deren  20  Varianten  hier  folgen  : 

2.  APIZTÖN  )   (  .  .  Nf>S 

3.  .  .  KPATH2)  (  .  .  KS2NOS 

4.  «MAETIßN)  (<I>IA  .  . 

5.  IKHN)  (  .  .  BOTAOV 

6.  KAAAHX)  (IIEAAI  .  . 

7.  .  .  MENI2K02  (  .  .  . 

8.  .  .  IMHN)  (AAMO  .  . 

9.  MENOKA  .  .  )   (KAIPHN02 

10.  TIMHN)  (AAM  .  .  OS 

11.  ATS  .  .  )  (NIKOT  .  . 

12.  riAPMENISK)  (  . 

13.  .  .  IAAAS)  («MAISTIQNOS 

14.  <I'A  VAPKO)  (ATSA  .  . 


15.  .  .  SMOS)  (KAAAIS  .  . 

16.  ATSAN)  (N1KOTEAEOS 

17.  SSJSIKPATHS)  (  .  .  KJ}\OS 

18.  N1KANAPOS)  (ANAP  .  . 

19.  MOSKIAOS)  (  .  .  . 

20.  ...  )  (1IEAA10S. 

Die  nachfolgenden  32  übrigens  ähnlichen  oder  ganz 
gleichen  Münzen  zeigten  entweder  dieselben  Magistratsnamen 
oder  waren  nur  schwer  erkennbar,  oft  auch  ganz  unleserlich. 

Die  anderen  ,  mit  den  Münzen  zugleich  gefundenen 
Gegenstände  bestehen  theils  aus  einem  mittelniässig  gros- 
sen, mit  drei  daran  gereihten  1  s/4  Zoll  langen  spitzigen  Stif- 
ten, welcher  beweglich  und  Ohrgehängen  nicht  unähnlich, 
kunstvoll  zusammengeflochten  und  nirgends  gelöthet  ist, 
theils  aus  mehreren  Bruchstücken  einer  schmalen  gleichfalls 
künstlich  geflochtenen  Kette.  Alles  ist  aus  dem  feinsten  Sil- 
ber gearbeitet. 

Beinahe  um  die  nämliche  Zeit  dieses  Jahres  wurden 
auch  in  Oläh-Pian  auf  dem  nahen  Berge  des  sogenannten 
Tekenyel  von  einer  Goldwäscherin  50  Stück  kleine  grie- 
chische Silbei  münzen  von  Apollonia  und  Dyrrhachium  gefun- 
den, von  welchen  ich  sieben  Stücke  für  meine  Sammlung 
ankaufte.  Die  typische  Präge  der  Münzen  ist  dieselbe,  nur 
mit  dem  Unterschiede,  dass  die  Kuh,  welche  das  Kalb  säugt, 
auf  den  apollonischen  Münzen  meist  links  und  auf  den  dyr- 
rhachenischen  rechts  gekehrt  erscheint.  Noch  ist  zu  bemer- 
ken, dass  auch  bei  diesen  Münzen  eine  häufige  Abwechslung 
der  Magistratsnamen  obwaltet. 

Bei  demselben  Goldseiffenworke  in  Oläh-Pian  trifft 
man  nicht  selten  noch  fortwährend  auf  alte  römische  Pingen 
und  Goldwäschereien,  woselbst  nicht  nur  römisches  und 
griechisches  antikes  Silbergeld,  sondern  auch  altes  Werk- 
zeug und  alte  Schmucksachen,  unlängstsogar  eine  sehr  schöne 
goldene  Busennadel  gefunden  worden  ist.  Letztere  gelangte  in 
den  Besitz  eines  in  diesem  Jahre  dort  provisorisch  fungiren- 
den  k.  k.  Beamten  Karl  Knöpfler. 

In  dem  Archive  für  Kunde  österreichischer  Geschichts- 
quellen, Bd.  9,  S.  164,  1S53.  linde  ich  meinen  derzeitigen 
Wohnort,  Hamersdorf,  von  Hermannstadt  irriger  Weise  doch 
gar  zu  weit  entfernt  versetzt.  Derselbe  liegt,  bloss  durch 
den  Cihinfluss  getrennt,  nahe  an  der  Hauptstadt  Siebenbür- 
gens,  im  Hermannstädter  Kreise  und  Bezirke. 

Zu  den  übrigens  treuen  tagahen  bemerke  und  ergänze 
ich  nur,  dass  nach  den  in  diesem  Jahre  erfolgten  grossen 
Wassorllutlion  noch  einige  antike  interessante  Gegenstände 
gefunden  worden  sind,  und  zwar:  1.  Meinen',  theils  ganze 
Handmühlen,  theils  Bruchstücke  ?on  denselben,  gewöhnlich 

aus  Basalt,    seltener  aus  Porphyr.    Die  Handmühlen  bestehen 

aus  zwei  Theilen,  der  obere  Stein  ist  convex,  der  untere 

coneav.   und    beide   in   einander  passend,   inmitten  durchbrn- 

rlini  für  eine  eiserne  Stange,  um  die  Mahle  in  Gang  zu 
bringen.  2.  Kinderspielereien  aus  gebranntem  Thone;  leicht- 
fertige   Arbeilen,    wie  die   Sache  an  sieb,   doch   immerhin 


103  — 


Staunenswertes:  kleinwinzige  Geschirre,  Schalchen,  Schüs- 
selchen, Flaschchen,  ein  1  Zoll  grosser  Bär  oder  Eber  und 
dgl.  m.  3.  Eine  vierseitige  Pyramide  mit  einem  Querloche 
und  oben  abgestutzt.  Sie  besteht  aus  rothgebranntem  Thone, 
von  6"  Höhe  und  31/."  Weite  an  der  Basis.    Der  Gebrauch 


derselben  ist  uns  nicht  bekannt.  Mit  einer  ähnlichen,  nur 
etwas  kleineren  Pyramide,  welche  stark  und  schwarz  gebrannt 
und  in  Beussmarkt  von  einem  dortigen  Bach  ausgewaschen 
worden  ist,  vermehrte  gütigst  ein  guter  Freund  meine  alter- 
tümliche Sammlung.  (Fortsetzung  folgt.) 


Baudenkmale  im  Kreise  u./d.  Wiener-Walde. 


Von  Ed.  Freiherrn  v.  Sacken. 


II. 


Überreste   gothischen   Styles. 

Von  den  zahlreichen  Ortschaften  des  Kreises  unter  dem 
Wiener-Walde  hat  fast  die  Hälfte  gothische  Kirchen  oder 
wenigstens  einzelne  Theile,  welche  diese  Bauart  zeigen. 
Freilich  sind  nur  wenige  aus  der  bessern  Zeit  dieses  Styles 
zu  Ende  des  XIII.  und  im  XIV.  Jahrhundert,  wo  derselbe  sich 
in  schönster  Blüthe  entfaltete ,  sondern  bei  weitem  die  mei- 
sten gehören  der  Verfallsperiode  der  zweiten  Hälfte  des 
XV.  Jahrhunderts  an,  welche  Zeit  besonders  baulustig  war, 
was  sich  aus  den  Verhältnissen  des  Landes  unter  der  langen 
Regierung  Kaiser  Friedrich's  IV.  erklärt.  Die  Bauten  dieser 
Zeit  haben  einen  ganz  eigenthümlichen,  allen  gemeinsamen 
Charakter  und  weichen  meist  nur  in  Einzelheiten  von  demsel- 
ben ab;  die  Anlage  bleibt,  wenn  sie  nicht  durch  besondere 
örtliche  Verhältnisse  bedingt  wird,  dieselbe.  Das  früher  übliche 
QuerschifF,  welches  die  Kreuzesform  derKirche  hervorbringt, 
verschwindet.und  dieKirche  besteht  bloss  aus  zwei, meist  gleich 
hohen  Bäumen,  dem  Schilfe  mit  gleich  hohen  Abseiten  und 
dem  dreiseitig  aus  dem  Achteck  geschlossenen  Chore.  Kleine 
Kirchen  sind  einschiffig,  nur  selten  ist  das  Schilf  zweitheilig 
mit  einer  Pfeilerreihe  in  der  Mitte.  Die  früher  organisch 
gegliederten,  mit  Halbsäulen  als  Träger  der  Gewölbsrippen 
versehenen  Pfeiler  sind  achteckig  und  die  Bippen  der  meist 
zusammengesetzten  Kreuzgewölbe ,  welche  mannigfache 
Figuren ,  oft  ein  ganzes  Netzwerk  bilden,  treten  ohne  Ver- 
mittlung aus  den  Pfeilern  hervor,  verlaufen  auch  ebenso  an 
den  Umfangsmauern,  welche  dadurch  kahl  und  leer  erschei- 
nen. Die  Gliederung  der  Rippen  ist  flach  und  gratig,  mit 
breiter  Hohlkehle.  Die  Fenster,  deren  Gewände  wenig 
gegliedert  sind,  haben  ein  mehr  decoratives,  als  durch  geo- 
metrische Construction  gebildetes  Masswerk,  in  dem  die 
sogenannte  Fischblasenfigur  —  ein  Kleeblattbogen,  dessen 
verlängerte  und  gekrümmte  Schenkel  in  eine  Spitze  zusam- 
menlaufen —  eine  Hauptrolle  spielt.  An  den  Thüren  werden 
oft  geschweifte  Spitzbogen  (sogenannte  Eselsrücken)  ange- 
wendet, die  Stäbe  durchkreuzen  sich  und  stehen  häufig  auf 
hohen,  verzierten  Sockeln.  Das  Laubwerk  wird  durch 
zu  eckige,  kleinliche  Motive  überladen  und  ist  conventiouell. 
—  Die  Hauptschönheit  der  gothischen  Architektur,  welche 
in  dem  lebendigen  Organismus  des  Ganzen,  dem  durchgän- 
gigen Princip  des  Aufstrebens  und  des  Auflösens  der  Massen 


besteht  und  vorherrschend  auf  construetiver  Grundlage 
beruht,  geht  mehr  oder  weniger  in  der  Verfallszeit  verloren, 
die  Bauwerke  werden  schwerfälliger  und  massenhafter,  die 
Mauerflächen  unbelebt  und  kahl,  während  sich  andererseits 
eine  gewisse  Überladung  in  der  Decoration  zeigt.  So  erhal- 
ten auch  die  Strebepfeiler  nur  eine  einfache  Bedachung  statt 
der  früheren  Spitzsäulen  und  die  viereckigen  Thürme  das 
hohe  Satteldach.  Bei  dem  gemeinsamen  Charakter  der  Kir- 
chenbauten dieser  Zeit  lohnt  es  sich  oft  keines  detaillirten 
Eingehens,  besonders  bei  den  kleinen,  einfachen,  wie  sie  auf 
dem  Lande  angetroffen  werden.  Zudem  sind  die  meisten 
mehr  oder  weniger  modernisirt,  ihrer  schönsten  Zierde  — 
der  spitzbogigen  Fenster  mit  Stabwerk ,  der  Pfeilercapitäle 
u.  s.  w.  —  beraubt  und  durch  Zubauten  verändert.  Man 
kann  wohl  sagen,  dass  die  sogenannten  Verschönerungen  und 
Restaurationen  der  neuen  Zeit  mehr  an  gothischen  Denkmalen 
zerstört  haben,  als  der  Zahn  der  Zeit;  besonders  war  das 
vorige  Jahrhundert  hierin  thätig.  Wie  sehr  wäre  es  daher 
zu  wünschen,  dass  Restaurationen  im  ursprünglichen  Baustyle 
und  mit  möglichster  Schonung  der  noch  vorhandenen  Über- 
reste vorgenommen  würden!  Bei  dem  regen  Interesse,  wel- 
ches die  Alterthumskunde  in  weiteren  Kreisen  gefunden,  bei 
den  grossen  Fortschritten,  welche  die  Keimtniss  des  gothi- 
schen Styles  gemacht  hat  und  bei  dem  Umstände,  dass 
unsere  Zeit  keinen  so  ausgeprägten,  ihr  eigenthümlichen 
Baustyl  hat,  den  sie  überall  anwenden  könnte,  wie  diess  in 
früheren  Zeiten  der  Fall  war,  steht  es  zu  hoffen,  dass  vor- 
kommenden Falles  das  Denkmal  als  solches  in  seiner 
geschichtlichen  und  künstlerischen  Bedeutung  gewürdigt 
und  die  Ausbesserungen  von  diesem  Standpunkte  aus  vor- 
genommen werden. 

Die  folgende  Aufzählung  ist  keine  vollständige,  indem 
ich  manche  Denkmale  zu  sehen  noch  nicht  die  Gelegenheit 
hatte  und  gewiss  an  vielen  Orten,  wo  man  es  gar  nicht  ver- 
muthen  würde,  noch  Überreste  des  gothischen  Styles  vor- 
handen sind;  ich  behalte  mir  vor,  in  einem  späteren  Nach- 
trag das  Fehlende  zu  ergänzen  '). 


')  Es  werden  in  demselben  unter  andcrin  hoprochen  werden  die  Kirchen  in 
Baumgarten,  Dreist  fit  ten,  Fürth, Gloggnitz,  G  um  p  o  I  d  s- 
kirehen,     Gattenstein,     Bütteldorf,     Klamm.     Nöstaeh, 


104 


Altenburg  (Deutsch-).  Der  Chor  der  Kirche  im 
reinsten  gothischen  Style,  dreiseitig  geschlossen,  die  Strebe- 
pfeiler reich  mit  Masswerk-Blenden,  Baldachinen  und  Spitz- 
thürmchen  verziert.  Ebenso  ein  Anbau  an  der  Nordseite  und 
das  mit  einer  Kuppel  bedeckte,  zierliche  Treppenthiirmchen; 
von  besonderer  Schönheit  ist  das  Daehgesimse.  Die  reich 
gegliederten  Rippen  der  einfachen  Kreuzgewölbe  ruhen  auf 
Blattconsolen  oder  Dreiriertelsätdchen.  Der  achteckige 
T  hur  in  mit  Giebeln  und  Helm  aus  Quadern  zeigt  schönes 
Masswerk  in  den  Schalllöchern  und  treffliche  Wasserspeier; 
auf  den  Giebelspitzen  kleine  Figuren .  unten  viele  Wappen. 
Chor  und  Thurm  aus  dem  XIV.  Jahrhundert.  Etwas  jünger 
sind  die  Kreuzgewölbe  des  Schiffes  und  die  an  der  Südseite 
angebaute  Capelle  ')• 

Aspang.  Das  im  Innern  modernisirte Schiff  der  Kirche 
mit  zusammengesetzten  Kreuzgewölben  aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert. 

Baden.  Die  grosse  (26  Klafter  lange)  Pfarrkirche  mit 
etwas  niedrigeren  Abseiten  .  welche  auf  jeder  Seite  durch 
fünf,  unten  viereckige  oben  achteckige  Pfeiler  vom  Mittel- 
schiffe getrennt  werden.  Die  Gewölbsrippen  treten  ohne 
Vermittlung  aus  den  Pfeilerflächen  hervor,  an  den  Wanden 
ruhen  sie  auf  Consolen.  Der  Thurm  steht  in  der  Mitte  der 
Kirche  ober  dem  Scheidbogen  und  hat  breite  Seitenvorlagen, 
welche  unten  Capellen  bilden;  die  Fenster  mit  schönem 
Masswerk.  —  XV.  Jahrhundert.2) 

Die  Magdalena-Capelle  ein  kleiner,  viereckiger, 
dreiseitig  geschlossener  Raum  mit  einfachen  Kreuzgewölben 
bedeckt. 

Berchtholdsdurf.  Die  prachtvolle,  majestätische 
Pfarrkirche  aus  zwei  Perioden.  Der  dreitheilige  Chor  mit 
je  zwei  Pfeilern  auf  jeder  Seite,  aus  denen  die  Rippen  der 
einfachen  Kreuzgewölbe  quirlartig  vortreten,  aus  dem  Ende 
des  XIV.  Jahrhunderts.  Jünger  ist  das  höhere  Schiff  mit 
achteckigen  Pfeilern ,  an  deren  jedem  vier  Halbsäulen 
hinauflaufen;  die  Rippen  der  zusammengesetzten  Kreuz- 
gewölbe bilden  sternförmige  Figuren.  Treffliches  Masswerk 
in  den  breiten  Fenstern.  An  der  Westseite  ein  schönes 
Wimberg-Portal  und  ein  Kleeblattfries  mit  Lilien  an  den 
Schenkeln.  —  Die  grosse  Unterkirche  ist  ganz  modernisirt 
(1833).  Der  gewaltige  Thurm  steht  abgesondert  östlich  von 
der  Kirche,  oben  eine  Gallerie  und  Erkerthürmchen  an  den 
Ecken;  Satteldach,    1521  vollendet. 

Die  Martins-C apelle  neben  der  Kirche,  vielleicht 
die  Schlosscapelle  der  in  Trümmern  liegenden  Herzogsburg, 
ebenfalls  aus  der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts,  — 


Krambach,    M Bnichkirch en,    Nennkirchen,    Neuhaus, 
eh,   Po  Itsch  a  ch  ,   Prieglitz,   Raach,  Rohrbach, 

Schotte  teil  und   W  i  e  n  e  r  li  er  berg. 
')  S.  Sacken  in  den  Sitzungsberichten  der  philosoph.-histor.  Classc  der 

kais.  Akademie  der  Wissenschaften,  IV  S    770 
•  i  \.  \.  Geusau,  Histor    topograph.   Beschreibung  »1,-r  html 

St.idi    Baden.    Wien    1802     Mayer,    Miscellen    fiber   Baden,     'i    Bde. 

Wien  1819. 


ein  oblonger,  dreiseitig  geschlossener  Raum,  dessen  herr- 
liche Fensterrosen  und  schön  gegliederte  Gewölbsrippen 
beachtenswert  sind. 

Die  Spitalkirche  mit  schlankem  Giebelthürmchen, 
einschiffig,  mit  zusammengesetzten  Kreuzgewölben  liedeckt; 
leider  sind  die  Spitzbogenfenster  bis  auf  vier  vermauert; 
diese  aber  zeigen  schönes  Masswerk.  Aus  dem  Anlange  des 

XV.  Jahrhunderts. 

Bromberg.   Der  Chor  der  Kirche  mit  Strebepfeilern 

und  schönen  Kreuzgewölben  noch  aus  dem  XV.  Jahrhundert. 

Brunn    am    Gebirge.     Kirche   aus   dem   Anfange   des 

XVI.  Jahrhunderts  (1519)  mit  niedrigeren  Abseiten  und  zu- 
sammengesetzten Kreuzgewölben,  deren  Rippen  zierliche  Ver- 
schlingungen bilden,  bedeckt.  Der  Thurm,  unten  viereckig, 
oben  ins  Achteck  übergehend  und  i.  J.  1S53  recht  entspre- 
chend ausgebaut,  ruht  auf  vier  Pfeilern  am  Ende  des  Schifies. 
An  der  Südseite  des  Schiffes  eine  schöne  Eingangshalle  mit 
geschweiftem  Wimberg  ober  der  Thüre  und  reich  verschlun- 
genen Gewölbsrippen. 

Ebenfurth.  Der  Chor  und  die  dreiseitig  geschlossene 
Sacristeicapelle  mit  dem  Johanniterkreuz  in  den  Schluss- 
steinen zeigen  die  Formen  des  spät -gothischen  Stvls; 
Rippen  ohne  Dienste. 

Ebergassing.  Die  Schlosscapelle  mit  schön  geglie- 
derten, auf  Consolen  an  den  Wänden  ruhenden  Gewölbsgurten. 

Ebreichsdorf.  Quaderbau,  einschiffig,  mit  Halb- 
säulen, aus  denen  die  Rippen  der  zusammengesetzten  Kreuz- 
gewölbe hervortreten;  an  den  Ansätzen  immer  ein  Wappen- 
schild.  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts. 

Edlitz.  Befestigte  Kirche  aus  dem  XV.  Jahrhundert 
Das  Schiff  ist  ein  Quadrat,  dessen  4  Gewölbe  ein  in  der 
Mitte  stehender  achteckiger  Pfeiler  trägt;  die  Rippen  ent- 
springen aus  seinen  Seitenflächen  ohne  Vermittlung,  an  den 
Wänden  ruhen  sie,  auf  Consolen.  Die  Fenster  ohne  Füllung; 
an  derNordseite  im  Innern  eine  Steingallerie  um  den  gegen- 
überliegenden Eingang,  über  dem  auch  eine  Pechnase  an- 
gebracht ist.  zu  verthohligen.  Der  schmale  Chor  in  einfachen 
Formen ;  an  seiner  Nordseite  der  unten  vier-  oben  acht- 
eckige Thurm  mit  Helmdach  aus  Hohlziegeln  '). 

Feistritz.  Einschiffige  Kirche  mit  schönen  Fenslern 
in  den  gewöhnlichen  spät-gothischen  Bauformen,  1821 
ganz  renovirt. 

Grinzing.  Die  Kirche  ein  dreiseitig  geschlossener 
Raum  ohne  Trennung  von  Chor  und  Schiff;  die  Rippen  der 
einfachen  Kreuzgewölbe   an  den   Wänden  aus  Halbsäulen 

entspringend.  Die  Gallerie  des  Orgelchores  und  einige 
Fenster  mit  schönem  Masswerk.  Der  Thurm  an  der  Nord- 
seite quadratisch,  'dien  achteckig. 

Hainburg.  Im  Dechanthofe  ein  ewiges  Licht,  — 
eine  achteckige  Säule  mil  einem  Aufsatze,  dessen  Nischen 
mit  Kleeblatt-  und  geschweiften  Spitzbogen  bedeckt  sind. 


i    Berichte  'l>-.   Mterthums-Vereina  in  Wien,  I.  S.  157. 


—   105 


darüber  die  vierseitige  Pyramide,  an  den  Ecken  Fialen.  Aus 
dem  XV.  Jahrhundert. 

Heiligenkreuz.  Der  hohe  Chor  der  Stiftskirche  ein 
quadratischer  Raum  mit  vier  Pfeilern,  welche  ihn  in  drei 
Abtheilungen  bringen;  Halbsäulen  mit  Capitalen  ohne  Blatt- 
schmuck  laufen  in  Bündeln  zu  dreien  als  Träger  der 
reichgegliederten  Gewölbsrippen  hinauf;  ähnliche  an  den 
Wänden.  Die  hohen  Fenster  mit  schönen  Glasmalereien. 
1295  eingeweiht. 

Die  neuneckige  Brunns  tu  he  des  Kreuzganges  ein 
früh-gothischer  Bau  (1285)  ,  die  Gewände  der  mit  dem 
reinsten  Masswerk  geschmückten  Fenster,  reich  gegliedert; 
die  Gewölbsrippen  laufen  in  der  Mitte  in  eine  Spitze  zu- 
sammen. Besonders  schön  sind  die  giebelförmigen  Blenden 
unter  den  Fenstern  ')• 

Heiligenstadt.  Die  alterthümlich  aussehende,  befe- 
stigte Kirche  mit  achteckigem  Thurm  an  der  Südseite  hat 
ein  Schiff  mit  niedrigeren,  schmalen  Abseiten ;  bis  auf  die 
zusammengesetzten  Kreuzgewölbe  der  südlichen  Abseite  und 
die  des  Chores ,  welche  an  den  Wänden  auf  Halbsäulen 
ruhen,  modernisirt.  Aus  dem  Anfange  des XVI.  Jahrhunderts2). 

Himberg.  Chor  der  Kirche  mit  drei  Seiten  des  Acht- 
eckes geschlossen,   aus  dem  XV.  Jahrhundert,   modernisirt. 

Hitzing.  Einschiffige,  modernisirte  Kirche  mit  acht- 
eckigem Thurm  und  Spitzbogenfenstern  ohne  Füllung,  aus 
dem  XVI.  Jahrhundert. 

Kirchberg  am  Wechsel.  Die  malerischen  Ruinen 
der  um  1400  erbauten  Wolfgangskirche;  das  Schiff  wurde 
durch  zwei  in  der  Mitte  stehende  Pfeiler  in  zwei  Räume 
getheilt,  an  den  Wänden  Dreiviertelsäulchen  mit  zierlichein 
Laubwerk,  Engelsbüsten,  dem  Pelikan  und  Wappen  an  den 
Capitalen,  rückwärts  der  breite  Orgelchor;  an  der  Nordseite 
eine  niedrige  Capelle,  der  ganzen  Länge  des  Schiffes  nach 
und  mit  demselben  durch  3  Bogen  communicirend,  dreiseitig 
geschlossen,  mit  zusammengesetzten  Kreuzgewölben,  an  den 
Wänden  auf  Consolen  ruhend.  Der  Chor  mit  dreiseitigem 
Abschluss  hat  schöne  Fenster.  Die  beiden  Pforten  mit 
Halbsäulen,  guten  Reliefs,  eine  mit  einem  geschweiften 
Wimberg  umrahmt,  sind  sehr  schön.  Spuren  der  alten  Be- 
malung. An  der  Westseite  zwei  siebeneckige  Treppenthürm- 
chen,  um  auf  den  Chor  zu  gelangen.  Gewölbe  und  Pfeiler 
sind  eingestürzt3). 

Kirchschlag.  Schöne  Kirche  aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert, das  Schiff  mit  gleich  hohen  Abseiten ,  achteckigen 
Pfeilern,  an  welchen  die  mit  schönen  Blattcapitälen  verse- 
henen  Dienste   hinauflaufen    mit    herrlichen    Fenstern.    — 


Daneben  eine  Grabcapelle ,  ein  viereckiger ,  dreiseitig 
geschlossener  Raum,  mit  zusammengesetzten  Kreuzgewölben 
bedeckt. 

Klosterneuburg.  Der  Kreuzgang ,  ein  früh-gothi- 
scher Bau  (1270 — 95),  besonders  die  Nord-  und  Südseite 
und  das  neuneckige  Waschhaus.  Die  reich  gegliederten 
Gewölbsgurten  von  Bündeln  schlanker  Wandsäulchen  getra- 
gen, deren  Capitäle  mit  einzelnen,  meist  der  Natur  nachge- 
bildeten Blättern  und  Zweigen  geziert  und  mit  niederen, 
polygonen  Deckplatten  versehen  sind.  Die  hohen  Fenster, 
mit  einfachem  Masswerk,  an  dem  der  Rundstab  vorherr- 
schend ist. 

Die  ausgebildet  gothische  Freisingercapelle  ( 1392 
bis  1409)  in  Form  eines  rechten  Winkels;  die  Wandpfeiler 
mit  Dreiviertelsäulchen  besetzt,  welche  in  der  Mitte  Consoleu 
bilden,  darüber  schöne,  kuppelartige  Baldachine;  die  Capi- 
täle mit  doppeltem  Laubkranz,  die  Fenster  mit  dem  schönsten 
Masswerk  aus  Drei-  und  Vierpässen  bestehend. 

Die  unvollendeten  Thürme  der  Stiftskirche  in  ihrem 
Unterbau  im  schönen  gothischen  Style  mit  Nischen  und  Bal- 
dachinen an  den  Strebepfeilern,  1 395  angefangen. 

Der  Doppel -Erker  der  alten  Burg.  Zwei  viereckige 
Fenster  mit  reichem  Stabwerk,  unterhalb  schöne  Blenden 
von  Masswerk  (häufig  die  Fischblasenfigur)  in  zwei  Reihen; 
im  Innern  zusammengesetzte  Kreuzgewölbe  auf  Consolen  an 
den  Wänden  ruhend ,  auf  den  Säulen  des  Eingangsbogens 
die  4  Evangelisten  und  der  Engelsturz.  Es  ist  ein  herrliches 
Denkmal  bürgerlicher  Architektur  des  XV.  Jahrhunderts. 

Die  Thomas-Capelle  daselbst,  ein  kleiner  Baum  mit 
einfachen  Kreuzgewölben,  am  hohen  Fenster,  dessen  schönes 
Masswerk  im  Jahre  1835  auf  vandalische  Art  weggeschlagen 
wurde  und  mit  Baldachin  versehen  '). 

Ewiges  Licht,  eine  schlanke  Säule,  sechseckig,  mit 
Reliefs  von  1381. 

Die  Martinskirche  in  der  untern  Stadt  mit  einein 
schönen  Portal  und  sich  durchkreuzenden  Stäben,  darüber 
ein  geschweifter  Wimberg,  im  Innern  ganz  modernisirt, 
1421  angefangen.  Der  viereckige  Thurm  mit  schönen  Ver- 
zierungen von  1360. 

L  ichten  wörth.  Das  Schiff  mit  niedrigen)  Abseiten 
und  achteckigen  Pfeilern  ist  Ruine;  das  Querschiff  und  der 
Chor  mit  einem  schönen  Fenster  noch  erhalten,  an  den  Con- 
solen der  Gewölbsrippen  symbolische  Darstellungen.  Aus 
dem  XIV.  Jahrhundert. 

Margar ethen  am  Moos.  Chor  der  Kirche  aus  dem 
XV.  Jahrhundert,  flach  geschlossen,  die  Gewölbsrippen  an 
den  Wänden  auf  Consolen  ruhend:  ohne  Strebepfeiler. 


')  Pri  misse r,  Reisenachrichten  über  Denkmale  der  Kunst  in  den  örster. 
Abteien  in  Hormayr's  Archiv  1821,  S.  438.  —  Heider,  Eitel  berger 
und  Hieser,  Mittelalterliche  Kunstdenkmale  des  österreichischen 
Kaiserstaates,   1.  und  2.  Lieferung- . 

2)  A.  v.  Bergenstamm,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Dorfes  Heiligen- 
stadt. Wien  1811. 

3)  S.    Feil  in  den  Berichten  des  Alterthums-Vereins   in  Wien  I.  S.  291. 


»)  Sc  hniiill  -    Wiens  Umgel gen  I.  S.   210.   —   Ernst  und  Öscher, 

Baudenkmale  des  Mittelalters  im  Erzh.  Österreich.  1—3  lieft.  —  Male- 
rische Ansichten  des  Sülles  Klosterneuburg.  Gezeichnet  und  gestochen 
von  den  Brüdern  Rein  hold,  erläutert  von  F.  Tschischka,  —  l'ri- 
m  isser  in  llurmnyr's  Archiv  1821.  S.  432. 


100 


Mauer.  Der  Chor  in  den  einfachen  Formen  des  spüt- 
gothiachen  Styles. 

Mödling.  Die  Othmarskirche,  angefangen  1454 ,  ein 
hoher,  majestätischer  Bau;  die  achteckigen  Pfeiler  des 
Schiffes  sind  mit  Halbsäulen  an  den  Kanten  besetzt;  die 
wenig  vortretenden  Flügel  des  Querschilles  sind  von  unglei- 
cher Breite;  die  Pfeiler  setzen  sieh  im  Chore  fort  (2  auf 
jeder  Seite),  den  Ecken  des  dreiseitigen  Abschlusses  ent- 
sprechend. Gewölbe  und  Pfeilercapitäle  modern.  —  Unter 
der  Kirche  eine  geräumige  Unterkirche  mit  Spitzbogen- 
gewölben und  Fialen  am  Eingang.  Auf  dem  hohen  Dache  ein 
Dachreiter. 

Die  Spitalkirche  mit  Giebelthürmchen ,  einschiffig, 
mit  zusammengesetzten  Kreuzgewölben  bedeckt,  hat  schönes 
Masswerk  in  den  Fensterfüllungen  und  an  der  Gallerie  des 
Orgelchores.  Aus  dem  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts.  ') 

Muthmannsdorf.  Chor  spät-gothisch  mit  einem 
zierlichen  Sacramentshäuschen  an  der  Wand,  mit  einem  ge- 
schweiften Wimberge.  Die  Gewölbsrippen  einer  Capelle 
an  der  Südseite  ruhen  auf  phantastisch  verzierten  Consolen. 
An  der  Sacristei  die  Jahrzahl  1497  3). 

Ne  us  t  a  d  t.  Querschiff  und  Chor  des  Domes  im  spät- 
gotischen Style  (1449  — 1487)  aussen  mit  Spitzbogenfries, 
die  reich  gegliederten  Kippen  theils  auf  halbsäulenförmigen 
Diensten,  theils  auf  Consolen  ruhend;  in  den  Flügeln  des 
Querschiffes  sind  Capellen  mit  Emporen  eingebaut,  die  Brü- 
stungen mit  Masswerk  geschmückt. 

Die  Kirche  des  Neuklosters  von  14ö3,  das  Schill* 
mit  gleich  hohen  Seitenschiffen,  achteckigen  Pfeiler,  an  den 
Gewölbsrippen  viele  Wappen.  Ein  sehr  hoher,  grandioser  Bau. 

Die  Cap  eile  der  Burg  auf  dem  langen,  mit  gedrück- 
tem Spitzbogen  bedeckten  Thorwege  erbaut  (1449 — 14t!0), 
mit  zwei  Reihen  runder  Pfeiler,  das  Mittelschill'  doppelt  so 
breit  als  die  gleich  hohen  Abseiten;  ohne  besonderen  Chor- 
raum;  dir  Gewölbsrippen  ohne  Dienste,  in  und  um  die 
Schlusssteine  zahlreiche  Wappen.  Um  die  ganze  Kirche 
zieht  sich  eine  Gallerie  auf  Tragsteinen  ruhend,  die  Brüstung 
mit  Kleeblattblenden,  auf  beiden  Seiten  neben  dein  Altare 
mit  Oratorien.  Die  Reste  der  allen  Do  pp  elc  apelle  (jetzt 
Stiege),  ein  längliches  Viereck,  halbrund  geschlossen,  am 
Spitzbogenthore  Baldachine;  in  den  Ecken  sechs  Köpfe  als 
Träger  der  Gewölbsrippen.  Die  untere  Capelle,  durch  eine 
Treppe  mit  der  oberen  in  Verbindung,  ein    quadratischer 

Baum,  im  Schlusssteine  die  Jahreszahl  1378 s).  Mehrere 
Säle  der  Burg  mit  Spitzbogengewölben  und  Wappen- 
schildern von  14'SS  und  1455. 

Die  Kap  uz  inerki  rc  he,  ein  längliches,  dreiseitig  ge- 
9chlossenes  Viereck,  die  Fenster  mit  schönem  Masswerk, 
an  der  Xordscite  ein   hoher  Vorbau  mit    einem  Spitzbogen. 


in  demselben  Zackenverzierung.  Im  Innern  modernisirt.  Aus 
dem  XIV.  Jahrhundert. 

Die  ehemalige  Peterskirche  (jetzt  Magazin)  aus  dem 
Ende  des  XIV.  Jahrhunderts  mit  schönen  Fenstern  und  Strebe- 
pfeilern. 

Das  Wiener- und  das  Neunkirchnerthor  ziemlich 
in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt,  ersteres  von  1488,  dabei 
ein  steinernes  Wachhaus  von  1489;  letzteres  mit  Eckthürm- 
chen  und  einem  kleinen  Vorwerke  von  1442. 

Die  Denksäule  vor  der  Stadt,  —  die  sogenannte 
Spinnerin  am  Kreuze  —  ein  <35'  hohes,  zierliebes  Bauwerk 
aus  dem  Sechseck  construirt,  in  drei  Geschossen  aufstei- 
gend, unten  mit  drei  Vorlagen,  welche  oben  Nischen  bilden; 
reicher  liguralischer  Sehmuck.  Aus  dem  Ende  des  XIV.  Jahr- 
hunderts '). 

Penzing.    Einschiffige   Kirche    aus    dem   Ende    des 

XIV.  Jahrhunderts,  ganz  modernisirt.  Sehr  beachtenswert!) 
ist  ein  Blindfenster  mit  trefflichem  Masswerk. 

Petronell.  Capelle  an  der  Südseite  der  Kirche,  ein 
längliches  Viereck  mit  zwei  Kreuzgewölben,  in  den  Ecken 
Consolen  mit  Engeln,  in  den  Schlusssteinen  der  Pelikan  und 
der  Löwe,  seine  Jungen  anhauchend.  Aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert. 

Pottendorf.  Die  Schlosscapelle  dreischilllg,  die 
Bippen  ohne  Vermittlung  aus  den  Pfeilern  vortretend ,  im 
Chor  halbsäulenförmige  Dienste  an  den  Wänden.  Aus  dem 

XV.  Jahrhundert. 

Pottenstein.  Die  Mariencapelle  ist  der  Chor  der 
ehemaligen  Kirche,  spät-gothisch ,  von  den  gewöhnlichen 
Formen. 

S  c  h  w  a  d  o  r  f.  Chor  der  sonst  ganz  modernisirten  Kirche 
aus  dem  XV.  Jahrhundert. 

Sebenstei  n.  Das  Schill'  der  Kirche,  ein  fast  quadra- 
tischer Bauin,  dessen  zusammengesetzte  Kreuzgewölbe  zwei 
achteckige  Pfeiler  tragen.  Die  Bippen  mit  zahlreichen  Krin- 
geln ohne  Dienste.  Der  dreiseitig  geschlossene  Chor  hat  ein- 
fache Kreuzgewölbe  und  hübsche  Fenster  -). 

Sievering.  Die  aussen  alterthüinliche,  im  Innern  ganz 
modernisirte  Kirche  mit  dreitheiligem  Schill',  einfachen  Fen- 
slern und  zwei  hübsehen  Eingängen  und  mit  sich  durchkreu- 
zenden Stäben.  Der  viereckige  Thurra  an  derNordseite  sehr 
massiv. 

St.  Veit.  Der  Chor  der  Kirche  mit  seinen  einfachen 
Kreuzgewölben  vom  Baue  von  1433,  darunter  eine  Art 
Crypta  (jetzt  verschüttet )  mit  Spitzbogengewölben,  von  einem 
Pfeiler  in  der  Mitte  getragen3). 


1 1  s  .,  i ■ ..  ii  k .  Geschichte  und  Topographie  dea  I.   f.  Marktes   Mödling.— 
Schmidl,  a.  a   0.  III,  8.2SS.  —  Pr  imiss  er ,  a.  a.  O.  S.  439. 

»)S.  Scheiger  in  Hol        i      krehir  1823. 

1 1  Böheim,  <li-'  Burg  />*  Wiener  Neuatadt  in  den  Beitragen  zur  Lande 
künde  Österreichs  ■>  d.  Enns,  IV.  s.  1. 


i)  Scheiger  in  Honnayr's  Archn  L823,  Nr.  63— 88  und  1826',  Nr.  I.  — 
Böheim  in  den  Beitr.  z.  Landesk.  I,  S.  96.  —  Arneth,  die  alte  Slnle 
bei  Wiener-Neustadt,  Wr.  Jahrb.  d.  Lit.  Bd.  I..  Vn/..  III. 

--)  s.  Feil  i ii  den  Ber.  desAlterlh.  Ver.  in  Wien,  I,  S,  208  IT. 

>)  Die  gothischen  Kirchen  Wiens:  St.  Stephan,  Maria  am  Gestade,  St.  Au- 
gustin, St.  Michael  (Chor),  Hinoriten,  St  Silvator,  nenn  Chore  dei 
Engel,  die  deutsche  Ordens-  und  Hofburgcapelle,  St.  Johann,  St.  Ruprecht, 
Frunciscaner,  die  Kreiu.gänge  der  Dominicaner  und  Schotten,  endlich  die 


Ötteiibura" 


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107 


Winzendorf.  Einschiffige  Kirche  mit  einfachen 
Kreuzgewölben  ohne  Dienste  an  den  Wänden ,  die  Fenster 
ohne  Masswerk.  Spät-gothisch  '). 

Wir  flach.  Befestigte  Kirche,  früher  zweitheilig,  jetzt 
ohne  Pfeiler  mit  modernen  Gewölben,  ohne  Trennung  von 
Chor  und  Schiff,  dreiseitig  geschlossen;  zwei  Fenster  mit 
plumpem  Masswerk.  Aus  dem  XV.  Jahrhundert. 


Die  daneben  stehende  Sebastianscapelle  ganz 
einfach  mit  dünnen  Gewölbsrippen,  deren  Ansätze  an  den 
Wänden  mit  Wappenschildchen  verkleidet  sind ,  an  einem 
der  niedrigen  Strebepfeiler  die  Jahreszahl  1493.  Die 
Fenster  des  dreiseitigen  Abschlusses  mit  einfachem  Mass- 
werk. 


Die  St.  Michaelskirche  und  die  Jakobscapelle  zu  Ödenburg.  ) 


(Tafel    VII.) 


Unter  den  kirchlichen  Baudenkmalen  Ungarns  aus  der 
spät-gothischen  Zeit  zieht  die  Pfarrkirche  zum  h.  Michael  in 
Ödenburg  durch  die  Grösse  der  Anlage,  die  Solidität  des 
Baues  wie  auch  durch  eine  verhältnissmässig  noch  sorgsam 
bewahrte  Stylreinheit  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich.  Sie 
ist  ein  Quaderbau  aus  dem  letzten  Viertel  des  XV.  Jahr- 
hunderts, der  ausserhalb  dem  gegenwärtigen  Weichbilde  der 
Stadt  auf  einer  kleinen,  die  Umgebung  beherrschenden  An- 
•liöhe  liegt. 

Über  den  Zeitpunkt  der  Erbauung  stehen  uns  zwar  — 
da  bei  dem  grossen  Brande  im  Jahre  1681  die  Stadt  den 
grössten  Theil  ihrer  historischen  Schätze  eingebüsst  bat  — 
keine  urkundlichen  Belege  zu  Gebote,  doch  wissen  wir  aus 
Bonbardi's  Topographia  Magni  Begni  Hungariae  (Viennae 
1750)3),  dass  Kaiser  Friedrich  III.,  der  Ödenburg  von  Elisa- 
beth, der  Witwe  des  ungarischen  Königs,  als  Pfand  erhielt, 
die  Michaelskirche  erbauen  Hess.  Ebenso  sind  an  verschie- 
denen Theilen  der  Kirche  die  Jahreszahlen  der  Erbauung 
eingegraben,  und  zwar  a)  an  der  hinteren  Seite  der  Kirche 
von  aussen  auf  einem  Bande:  1482;  b)  ober  der  aus  der 
Sacristei  in  die  Schatzkammer  führenden  Tbüre,  dann  auf 
einem  Schilde  in  der  Mitte  der  Sacristeiwölbung  gleichfalls 
die  Zahl  1482;  c)  in  der  über  der  Sacristei  gebauten  Schatz- 
kammer in  der  Mitte  der  Wölbung  das  Jahr  1483;  endlich 
d)  auf  der  den  Chor  tragenden  Wölbung  mit  grossen  Zif- 
fern: 1489. 

Wie  der  Grundriss  auf  der  beifolgenden  Tafel  (Fig.  1) 
zeigt,  besteht  die  Kirche  aus  drei  Langschiffen,  einem  Kreuz- 
schiffe, dann  einer  Vorhalle  und  dem  Chore.  Die  Vorhalle 
schliesst  zugleich  die  Thurmanlage  in  sich. 

Mittel-  und  Seitenschiffe  sind  mit  gothiscben  Kreuz- 
gewölben, welche  verzierte  Schlusssteine  haben,  eingedeckt. 


Denksäule  auf  dem  Wienerberge  werden  in  einem  besondern  Aufsalze  be- 
sprochen werden. 

1)  Scheiger  in  Hormayr's  Archiv  1826.  Nr.  I. 

2)  Die  beiliegende  Tafel  und  der  Holzschnitt  Nr.  2  wurde  nach  Aufnahmen 
des  Ingenieur-Assistenten  Herrn  Joh.  Petsehnigg  angefertigt,  welche 
der  k.  k.  üaudirector  Herr  F.  Menapace  der  k.  k.  Central-Oommission 
Yorlegte.  —  Bei  der  nachfolgenden  Beschreibung  verdanken  wir  einige 
werthrolle  Notizen  dem  hochwürdigsten  Herrn  Abte  und  Conservator 
L.  Birnicz  in  Steinamanger  und  dem  Herrn  F.Storno  in  Ödenburg'. 

D.  Red. 

3)  Dort  heisst  es  pag.  100:  Princeps  omnium  est  faniim  Divi  Michaelis  Arch- 
angeli  honoribus  Frideriei  Caesaris  pietate  a  Fundament»  escitatum. 


Die  Trennung  der  Mittelschiffe  von  den  Seitenschiffen  wird 
durch  je  vier  runde  Säulen  bewerkstelligt.  Die  Säulen  sind  in 
der  Längenrichtung  durch  gothische  Bögen  mit  einander 
verbunden,  deren  Gliederungen  sich  ebenso  wie  die  Gurten 
der  Kreuzgewölbe  an  der  Bundung  der  Säulenschäfte  ab- 
setzen. Nur  für  die  Transversalgurten  des  Mittelschiffes  sind 
an  der  Wandfläche  oberhalb  der  Säulen  kleinere  Halbsäulen 
als  Träger  angebracht.  In  den  Seitenschiffen  dagegen 
sitzen  sowohl  die  Transversal-  als  die  Quergurten  auf  Trä- 
gern, und  zwar  gegen  das  Mittelschiff  zu  auf  kleineren 
Säulen  (Holzschnitt  1),  die  an  den  grossen  Säulen  in  der 


(Holzschnitt  Li 

Capitälsböhe  angebracht  sind ,  an  der  Fensterseite  auf  Halb- 
säulen, welche  bis  auf  den  Boden  der  Kirche  hinabreichen. 

Der  Baum  des  Querschiffes  umfasst  nur  die  Breite 
des  Langschifl'es  und  trennt  sich  von  demselben  bloss  durch 
gegliederte  Pfeiler,  welche  hier  an  die  Stelle  der  Säulen 
treten.  Den  Abschluss  der  Seitenschiffe  über  das  Querschiff 
hinaus  kennzeichnen  Emporen  an  den  Rückwänden  des  Quer- 
schiffes, welche  gegen  dieses  hin  und  den  Chorraum  offen 
sind. 

An  das  Querschiff  schliesst  sich  sodann  der  Chor  ( Taf.YH, 
Fig.  2).  der  aus  zwei  Kreuzgewölben  gebildet  und  dreiseitig 


108 


aus  dem  Achteck  geschlossen  ist  Unter  den  Fenstern  des 
Chors  and  zwar  an  den  drei  Ähschlussseiten  läuft  eine  Gal- 
lerie  mit  spitzbogigen  Arcaden.  (Holzschnitt  2.) 


(Holzschnitt  2.) 

An  der  rechten  Seite  des  Chors  befindet  sich  die  Sa- 
cristei,  welche,  wie  der  Grundriss  zeigt,  durch  ein  Stern- 
gewölbe  eingedacht  ist;  üher  ihr  ist  der  Raum  der  Schatz- 
kammer. Beide  scheinen  Theile  eines  älteren  Baues  zu  sein, 
denen  zur  Zeit  der  Erbauung  der  Michaelskirche  ihre 
gegenwärtige  Einwölbung  und  sonstige  Gestaltung  gegeben 
wurde.  An  dem  Westende  der  Kirche  erhebt  sich  der 
Wusikchor  mit  einer  im  gothischen  Geschmacke  verzierten 
Brüstung. 

Üher  das  Äussere  der  Kirche  (Taf.  VII,  Fig.  3)  gewährt 
die  hier  gegebene  Ansicht  die  erforderlichen  Aufschlüsse. 
Bemerkenswert!)  dürfte  insbesondere  der  Aufbau  des  Thur- 
mes  sein  mit  seinen  in  den  oberen  Theilen  befindlichen  kranz- 
arligen  Gallerien,  dann  der  Kundbogonfries  an  dein  Lang- 
und  Kreuzschiffe,  und  die  Rundlmgonfenster  an  dem  erwähn- 
ten Sacristeiraume ,  welche  ihrem  ganzen  Charakter  nach 
auf  Überreste  eines  romanischen  Baues  schliessen  lassen. 
Am  Äussern  der  Kirche  sind  endlich  auch  Spuren  von  Fresco- 
malereien  vorhanden,  von  denen  sich  jedoch  nur  eine  ein- 
zige Vorstellung  und  /.war  jene  über  der  vordem  Eigangs- 
thüre  des  rechten  Seitenschiffes  erhalten  hat,  «eiche  Christus 
am  Kreuz,  Maria  und  .lohannes,  dann  eine  knieende  schwarz- 
gekleidete  männliche  Figur  mit  einem  Spruchbande  zeigt, 
dessen  Inschrift  jedoch  schon  erloschen  ist. 

Die  innere  Einrichtung  der  Kirche  hatte  unter  jenen 
politischen  und  religiösen  Umgestaltungen  des  XVII.  Jahr- 
hunderts ZU  leiden ,  welche  viele  Bauwerke  ihres  ursprüng- 
lichen Schmuckes  beraubt  haben.  Die  Hauptursache  der 
Wegschaffung  aller  ursprünglichen  Altäre  mag  wohl  die  Re- 
formation gewesen  sein.  Denn  bis  tief  in  das  XVII.  Jahrhun- 
dert hatten  die  Protestanten  die  Kirche  inne  und  gestalteten 
natürlich  das  Innere  derselben  nach  ihren  Bedürfnissen  um. 
AU  hierauf  die  Katholiken  die  Kirche  wieder  zurückerhielten, 


waren  neue  Altäre  nothwendig,  welche  in  verschiedenen 
Zeiträumen  angeschafft  wurden  und  von  denen  zwei  dieser 
neueren  Seitenaltäre  und  die  Kanzel  mit  verschiedenfarbigem 
Marmor  im  Geschmacke  der  Renaissance  reich  ausgestattet 
sind.  Einer  der  ältesten  Altäre  ist  jener  aus  dem  Jahre  1077 
mit  geschnitztem  Säulenwerk  und  Statuen  der  Heiligen.  Ober 
der  Jahreszahl  lesen  wir  folgende  Überschrift:  „Petrus  Ka- 
lecsy  et  Diaconus  Mosoniensis  Soproniensis  in  Honorem 
Set.  Trinitatis  et  B.  ML  V.  nee  non  S.  Joannis  Baptistae  hoc 
altare  F.  F.  MDCLXXVH." 

Unter  den  kirchlichen  Gefässen,  welche  erwähnt  zu 
werden  verdienen,  belinden  sich  zwei  kunstvolle  altertüm- 
liche Kelche,  ein  zierlich  gearbeitetes  Crucitix  mit  der  Auf- 
schrift: „Frater  X  cristofforus  X  rab  X  1X92".  Die  zur  Zeit 
der  Erbauung  der  Kirche  (1489)  gegossene  Glocke  wurde 
in  Folge  eines  Sprunges  1836/7  umgegossen. 

Auch  an  Grabmälern  ist  die  Kirche  ziemlich  reich. 
Eines  derselben  ist  nahe  bei  der  Hauptthür  aus  rothem  Mar- 
mor mit  Wappen,  an  allen  vier  Bändern  sind  Überschriften, 
aber  nur  die  Zahl  1X81  ist  lesbar;  ein  anderes  rührt  aus 
dem  Jahre  1558.  —  Von  Aussen  umgeben  die  Kirchmauer 
und  den  Hof  27  theilweise  mit  schönen  Wappen  verzierte 
Grabsteine  aus  den  Jahren  1595,  1631,  1G43,  1074  und 
1081,  mit  deutsehen  Überschriften;  unter  anderen  der 
Grabstein  des  Thomas  Edlen  v.  Nagy,  der  bei  der  Belage- 
rung der  Stadt  Kaniza  t'ommissärdes  romischen  Kaisers  war; 
ein  anderer  vom  Jahre  1037  bezeichnet  das  Grab  des  Michael 
Starzer  van  Starzing,  Bath  und  Agenten  Sr.  Majestät 
des  Kaisers  Ferdinand  II.,  bei  der  türkischen  Pforte. 

Der  gegenwärtige  Bauzustand  der  Kirche  ist  ziemlich 
befriedigend.  Der  hochwürdige  Herr  Pfarrer  legi  ein  grosses 
Interesse  für  die  gute  Instandsetzung  der  Kirche  und  ihrer 
Umgebung  an  den  Tag  und  Hess  im  Jahre  lS;>i>  mehrere 
Restaura tions  -  Arbeiten  ausführen,  das  ungleichförmige  Ter- 
rain um  diese  Kirche  wo  der  alte  Friedhof  bestand  abgraben 
und  planiren,  die  hohe  Umfangsmauer  sammt  dem  Einfrie- 
dungsthore,  endlich  die  zu  Zeugkammern  benutzten  Zu- 
bauten abtragen,  um  den  religiösen  und  künstlerischen  Kin- 
druck des  Gotteshauses  zu  Indien. 

Volle  Anerkennung  verdient  der  im  Innern  der  Kirche 
neu  hergestellte  gothische  Altar,  welcher  im  verflossenen 
Jahre  zu  Ehren  der  unbefleckten  Empfängniss  Maria  im 
Wege  einer  Sammlung  errichtet  und  nach  einem  Entwürfe 
des  Herrn  F.  Storno  in  Odenbiirg,  eines  gebildeten  Kunst- 
freundes, ausgeführt  wurde. 

Dem  XIII.  Jahrhunderte  gehört  die  dem  heiligen 
Jakob  geweihte  Grab  capcl  I  c  an.  welche  sich  in  der 
unmittelbaren  Nahe  der  Kirche  .  auf  dem  Baume  des  hier 
früher  bestandenen  Friedhofes  befindet.  Sie  zeigt  im  Grund- 
risse ein  regelmässiges  Achteck,  1  eine  dreiseitig  aus  dem 

Achtecke  geschlossene  Chornische,  welche  sich  jedoch  nicht 
unmittelbar  an  den  Hauptbau  anschliesst,  sondern  einen  Qua- 
dratraum, der  ans  einer  Seite  des    Vohteckes  gebildet  wird. 


109 


zur  Vorlage  h.it.  Wir  treffen  daher  in  diesem  kleinen  Baue 
alle  Bestandteile  einer  organisch  gegliederten  Kirche,  den 
Hauptraum,  das  Presbyterium  und  die  Chornische  nachge- 
bildet. Der  Eingang  in  diese  Capelle,  welche  in  ihrer  Orien- 
tirung  der  Stellung  der  Michaelskirche  entspricht,  liegt  nicht 
in  der  Axe  des  ganzen  Baues,  sondern  weicht  (gleichwie 
bei  den  früher  erwähnten  Grabcapellen  zu  Tuln,  Modling  und 
Hartberg)  *)  von  dieser  Bichtung  und  zwar  in  der  Weise  ab, 
dass  er  sich  der  Michaelskirche  zuwendet.  Dieser  Eingang, 
sich  von  aussen  nach  innen  verengend,  ist  einfach  gekehlt 
und  im  gedrückten  Spitzbogen  geschlossen,  in  dessemBogen- 
felde  sich  eine  interessante,  noch  ganz  den  Charakter  romani- 
scher Bildungsweise  aufweisende  Sculpturdarstellung  befin- 
det (Holzschnitt  3),   nämlich  in  der  Mitte  ein  ornamental 


(Holzschnitt  3.) 

behandelter  Baum,  dessen  Stamm  am  Grunde  von  zwei  dra- 
chenartigen Gestalten  benagt  wird,  ohne  Zweifel  eine  symbo- 
lische Hinweisung  auf  den  Lebensbaum  des  Paradieses,  von 
weichemaus  derTeufel  seine  Verführungskünste  an  dem  ersten 
Älternpaare  zur  Geltung  brachte,  und  wodurch  des  Lebens 
Mühen  und  der  Tod  über  das  Menschengeschlecht  herein- 


gebrochen sind,  eine  nicht  unpassende  Darstellung  auf  einem 
kirchlichen  Baume,  der  eben  die  Bestimmung  hat,  den  from- 
men Gebräuchen  zu  dienen ,  mit  welchen  die  aus  dem 
Leben  Geschiedenen  zur  Buhe  gebracht  werden.  Im  Übri- 
gen ist  die  Aussenseite  dieses  Baues  nur  durch  einen  ein- 
fachen Sockel  und  durch  Lisen  geschmückt,  welche  rah- 
menartig jede  Seite  des  Achteckes  umfassen;  ohne  Zweifel 
dürfte  ursprünglich  der  sogenannte  Zahnschnitt  und  ein 
Rundbogenfries  den  Abschluss  nach  oben  gebildet  haben. 
Dem  Eingange  in  die  Capelle  gegenüber  befindet  sich  der 
nunmehr  verlegte  Grufteingang. 

Reicher  geschmückt  ist  das  Innere  dieser  Capelle.  In 
die  8  Ecken  des  Hauptraumes,  in  die  Ecken  des  der  Nische 
angelegten  Quadratraumes,  wie  in  die  Ecken  des  dreiseitigen 
Chor-Abschlusses  sind  Halbsäulen  gestellt,  deren  attischer 
Euss  auf  einem  Untersatze  steht  und  deren  romanische  Ca- 
pitata Pflanzenformen  zeigen.  Über  das  umlaufende  Deck- 
gesims erheben  sich  einfach  gegliederte  Gurten,  welche  in 
Schlusssteinen  sich  vereinigen;  jener  des  Hauptraumes  zeiyt 
den  sogenannten  Hexenfuss  ,  jener  des  Quadratraumes  Blatt- 
ornamente. 

Jede  Fläche  des  Haupt-  so  wie  des  Quadratraumes  ist 
durch  eine  gothisch  eingewölbte  Nische  geschmückt,  erste- 
rer  wird  bloss  durch  ein  Fenster  erleuchtet,  die  Fenster  des 
letzteren  sind  in  neuerer  Zeit  umgestaltet  worden.  Jedenfalls 
verdient  diese  Capelle  als  das  älteste  Bauwerk  Ödenhurgs 
unsere  volle  Aufmerksamkeit  und  es  wäre  zu  wünschen,  dass  sie 
dem  kirchlichen  Dienste  wieder  zugewendet  würde,  während 
sie  gegenwärtig  nur  zur  Aufbewahrung  von  allerlei  Geräth- 
schaften  dient,  die  leicht  anderwärts  untergebracht  werden 
könnten. 


Notizen. 


35.  (Ein  interessanter  Fund  in  Maria-Zeil.) 
Aus  den  vielen  Beschreibungen  der  denkwürdigen  Gnaden- 
kirche in  Maria-Zeil,  die  leider  alle,  vom  archäologischen 
Standpunkte  aus  betrachtet,  als  höchst  ungenügend  aner- 
kannt werden  müssen,  ist  dennoch  genügend  bekannt,  dass 
diese  Kirche  und  namentlich  ihre  Schatzkammer  einen  bedeu- 
tenden Beichthum  an  geschichtlichen  und  Kunstmerkwürdig- 
keiten bewahrt. 

Dieser  Beichthum  hat  in  neuerer  Zeit  eine  nicht  unwich- 
tige Vermehrung  durch  eine  Pergamentrolle  erhalten,  welche 
bei  Gelegenheit  jener  Bestaurationen  aufgefunden  wurde,  die 
der  um  die  Alterthümer  der  Kirche  unermüdet  besorgte 
Pater  Superior  und  Dechant  Jakob  Pauer  daselbst  an  den 
Votivgemälden  vornehmen  Hess. 

Diese  Rolle,  14 >/3  Zoll  hoch  und  11  Zoll  breit,  enthält 
in  tüchtiger,  wenn  gleich  etwas  skizzenhafter  Zeichnung  und 


l)  Vergl.  Heider's  Aufsatz:  „Über  die  Bestimmung  der  romanischen  Rund- 
bauten mit  Bezug  auf  die  Rundcapelle  zu  Hartberg"  im  April-Hefte  S.  39. 


in  Wasserfarben  gemalt,  eine  altarähnliche  Architektur,  deren 
Obertheil  das  jugendliche  Bildniss  Kaiser  Karl's  VI.  (zur 
Zeit  der  Anfertigung  König  von  Spanien)  in  goldenem 
ovalen  Rahmen  zeigt,  "ehalten  von  zwei  weiblichen  Fi- 
guren,  der  Religion  im  blauen  und  der  Hoffnung  im  grünen 
Gewände. 

In  der  Mitte  ist  ein  Papierblatt,  7  Zoll  hoch  und  3 ',4  Zoll 
breit,  aufgeklebt,  mit  drei  chronographischen  Inschriften,  von 
Karl  selbst  verfasst  und  eigenhändig  geschrieben.  Dieses 
Blatt  umgibt  ein  Goldrahmen,  rechts  davon  (heraldisch)  sieht 
man  unter  einem  Bogen  Karl,  die  heilige  Communion  empfan- 
gend, links  unter  einem  ähnlichen  ihn  im  gleichen  Gewände 
(einem  rolhen  Leibrocke)  ein  Crucifix  der  ober  einem  Altare 
schwebenden  Gottesmutter  mit  dem  Kindlein  überreichend. 
Auf  beiden  Darstellungen  erscheint  im  Mittelgründe  ein  Manu 
im  blauen  Leibrocke  und  wachehaltende  Krieger  (ersterer 
wahrscheinlich  ein  Cavalier  aus  Karl's  Gefolge,  die  Soldaten 
ebenfalls  aus  demselben),  ganz  vorne  Zuschauer. 

IS 


110   — 


Unter  dem  Papierblatte  ist  auf  dem  Pergamenl  unter 
einer  Krone  und  zwischen  zwei  lorbeerumkränzten  Posaunen 

ein  über  einer  Stadt  emporfliegender  Adler,  den  Flug  gegen 
die  Sonne  gerichtet,  in  deren  Mitte  ein  L  ersichtlich  ist; 
rechts  und  links  davon  4  symbolische  Darstellungen. 

Die  Zeichnung  und  Ausführung  aller  der  erwähnten, 

theils  mit  Bleistift,  theils  mit  der  Feder  gezeichneten  Dar- 
stellungen, deren  Farben  mit  Gold  erhöht  sind  ,  zeigt  einen 
über  die  Manier  seiner  Zeit  nicht  erhabenen,  aber  tüchti- 
gen Künstler,  und  besonders  ist  das  Bildniss  Karl's  (mit 
Allongeperrücke,  Harnisch  und  dem  goldenen  Vliess)  ge- 
lungen. 

Nachstehende  Inschriften  enthalt  dieses  merkwürdige 
Blatt :  Das  Bildniss  Karl's  hat  die  Umschrift :  Carolus  III  D.  G. 
Hispan.  [ndiarumque  rex,  Archidux  Austriae.  Aetat:  18. 

Auf  dem  aufgeklebten  Papierstücke  erscheinen  mit  stark 
vergilbter  Tinte  und  fester  Schrift,  die  aber  bezüglich  der 
Uncialbuchstaben  wenig  Zierlichkeit  hat,  drei  Chronogralica : 

I. 
Slae  Marlae  aDCeLLas 
orbls  Reglnae 
II. 
aD  ulspanlae  Coronas 
DIsCeDens 
III. 
LeopoLDI  Caesarls  eX 
ELeonora  NeobVrga  proLes 
gratVs  eX  Voto  DICas  et  sa- 
Cras  CaroLVs  neX.  m./p.  15  Sepbris 

Die  Zahl  15  erscheint  in  der  letzten  Zeile  in  das  Manu- 
propria  verflochten. 

Die  zusammengehörenden  Inschriften  über  den  zwei 
Seitendarstellungen  lauten : 

„Carolus  III  rex  Hispahiae  declaratus  ad  Cellas  Marianas 
Crucißxi  ae  D.  Matris  dolorosae  ac  Angelor :  Simulacra,  es 
auro  et  Gemmis  elaborata,  Voti  causa  eil  subjeetis  Chrono- 
graficis  propris  marte,  manuque  dicabat.  MDCCI1I.  15.  Sept." 

Jene  unter  diesen  Darstellungen : 

..llaec  Aug:""  Lmperatrii  D.  Leopoldi  R.  I.  Vidua  et 
Regum  Mater  sie  ornari  jussit  dum  cum  Seren  :mi'  Prolibus  I. 
Elisabetha,  II:  Maria  Anna.  III  Magdalena  Archiducibus  Aust : 
et  Ser""  Elisabetha  Principe  de  Wolffenbüttel  Destinata 
Carolo  III  Sponsa,  ad  Cellas  Marianas  Vota  sua  deponeret 
19*  Augusti  MDCCVH." 

l  ber  der  Kinne  am  unteren  Theile  des  Blattes  steht: 
„Symbolum  regium"  und  der  Wahlspruch  dieses  Symbols 
(des  oben  beschriebenen  Adlers)  lautet:  „Patrum  virtute," 
wodurch  sich  das  in  der  Sonnenscheibe  befindliche  L,  als 

auf  Kaiser  Leopold  1.  deutend  erklärt. 

Rechts  und  links  unten  sind  vier  „Symbola  Mariana" 

angebracht,  nämlich:  Moses.  Josua  u.  s.  w.  mit  passenden 
Bibeltexten. 


Die  Geschichte  dieses  höchst  denkwürdigen  Blattes  ist. 
v  ie  sich  zum  Theile  aus  den  Inschriften  selbst  ergibt,  fol- 
gende: 

Am  1 1.  September  1703  wurde  Kaiser  Leopold's  des 
Ersten  zweitgeborner  Sohn  Karl  in  Wien  in  feierlicher  Ver- 
sammlung des  geheimen  Halbes  und  des  Hofes  als  Konig  von 
Spanien  unter  dem  Namen  Karl  III.  proelamirt.  wobei  Kai- 
ser Leopold  selbst  und  der  erstgeborne  Sohn  Joseph  (damals 
römischer  König)  auf  die  Erbschaft  nach  König KarPs  II.  von 
Spanien  Tode  Verzieht  leisteten. 

Der  kaum  achtzehnjährige  Erzherzog  säumte  nicht, 
nach  dieser  Proclamation  die  Heise  in  sein  neues  Königreich 
anzutreten.  Doch  wusste  er,  dass  er  dieses  eigentlich  erst 
zu  erobern  habe,  täuschte  sich  über  die  Schwierigkeit  der 
Lage,  welcher  er  entgegenging,  nicht,  und  pilgerte,  so  sehr 
die  Abreise  dringend  erscheinen  mochte,  mit  seinem  Gefolge 
nach  Maria-Zeil,  um  liier  Heistand  und  Segen  für  sein  gros- 
ses Unternehmen  zu  erbitten.  Hier  opferte  er  nun  ein  kost- 
bares achatenes  Kreuz,  mit  goldenen  und  silbernen  Figuren, 
den  Erlöser,  die  schmerzhafte  Mutter  Gottes  und  mehrere 
Engel  darstellend  und  mit  Diamanten  und  Smaragden  ver- 
ziert. Die  Zeichnung  dieses  Kreuzes,  welches  die  Schatz- 
kammer noch  gegenwärtig  bewahrt,  ist  auf  dem  Pergament- 
blatte, auf  welchem  es  der  Erzherzog  mit  beiden  Händen 
gegen  die  ober  dem  Altare  schwebende  Gnadenmutter  erhebt, 
deutlich  erkennbar,  obwohl  das  ganze  Kreuz  sanunt  Posta- 
ment hier  nur  wenig  Linien  lang  erscheint. 

Als  im  Jahre  1707  des  Erzherzogs  Mutter,  Kaiserin 
Eleonora,  mit  ihren  Töchtern,  den  Erzherzoginnen  Elisabeth, 
Anna  Maria  und  Magdalena,  und  mit  Karl's  Braut,  der  Prin- 
zessin Elisabeth  von  Wolfenbüttel,  zu  Maria-Zeil  war,  liess 
sie  zur  Erinnerung  an  ihres  Sohnes  Pilgerfahrt  dieses  Blatt 
malen.  So  schwer  es  ist,  dasselbe  einem  bestimmten  unter 
den  bekannten  Malern  jener  Zeit  zuzuschreiben1),  so  dürfte 

doch  mit  Gewissheit  angen men  werden,  dass  die  Arbeit 

durch  einen  im  Gefolge  der  Kaiserin  mitgekommenen  Maler, 
oder  noch  wahrscheinlicher  schon  früher  in  Wien  angefer- 
tigel  worden  sei.  So  könnte  es  von  Velbert  von  Allen,  Kai- 
ser Joseph's  I.  Maler  und  Kammerdiener,  von  Peter  Freiherrn 
von  StrudI,  Kammermaler  unter  Leopold  I.  und  Joseph  I..  von 
Anton  Bertoli  (Disegnatore  tli  Camera),  von  dem  Kammer- 
maler Anton  Negelein,  selbst  von  Jakob  von  Schupper,  spä- 
ter Director  der  Akademie   der   Künste   in  \\  ien.   herrühren. 

Eine  ziemlich  nahe  Vermuthung  aber  sprich!  für  die 
Verfertigung  des  Blattes  durch  Franz  Stampart.  —  Dieser 
erhielt  (nach  J.  E.  Schlager's  Materialien  zur  österreichi- 
schen Kunstgeschichte,  herausgegeben  im  .1.  1850  durch 
die  kais.  Akademie  der  Wissenschaften)  im  «I.  1707  aus  der 
Hofcasse    »wegen    Ein   kleines   Portrait   der   Herzogin   von 


')  Ein  Vergleich  mit  analogen  Arbeiten  jener  Künstler,  eu  welchem  leider 
,l..iii  Schreibei  dieser  Zeilen  die  Gelegenheil  fehlt,  könnte  vielleicht 
entscheiden. 


111  — 


Wolfenbüttel"  50  fl.  —  „vor  zwei  kleine  Portrait"  90  fl.  — 
1711  „wegen  für  Ihre  Königl.  Maystet  (Karl  III.)  gelieferte 
verschiedene  Malereien"  auf  die  in  der  Jahresrechnung  von 
1708  befindlichen  Documente,  worunter  der  „Keys.  Befelch" 
2070  fl.  —  und  im  selben  Jahre  „wegen  eines  andern  für 
A.  H.  gedachte  Königl :  Spanische  Majestät  K.  Carl  verfer- 
tigten Portraits"  48  fl.,  endlieh  1712  „wegen  Eines  von 
Miniatur  verfertigten  Klein.  Keysl  :  portraits"  48  fl.  —  Das 
vorletzte  dieser  Portraits  könnte  unser  Blatt  gewesen  sein. 
Dass  es  als  „für"  König  Karl  gemalt,  angeführt  erscheint, 
widerlegt  die  Vermuthung  nicht,  da  in  den  damaligen  Hof- 
reehnungen  eine  strenge  Wahl  der  Ausdrücke  nicht  vor- 
herrscht; und  dass  es  erst  später  gezahlt  wird,  widerspricht 
der  Annahme  ebenfalls  nicht,  da  wir  in  jenen  Rechnungen 
auf  sehr  viele  verspätete,  oft  an  die  Erben  der  Künstler  er- 
folgte Zahlungen  stossen.  Auch  nicksichtlich  des  Kreuzes 
selbst  mag  hier  die  Vermuthung  ausgesprochen  werden,  dass 
es  von  dem  kaiserlichen  „Kammergoldschmidt"  Johann 
Kanischbauer  aus  Hohenried  verfertiget  sei,  der  1717  das 
von  Karl  VI.  nach  Maria -Zell  verlobte  goldene  Kind  und  ein 
eben  dahin  verlobtes  silbernes  Crucifix,  ersteres  um  1222  fl., 
letzteres  um  1200  fl.  „Macherlohn"  und  600  fl.  an  kleinen 
Ausgaben  lieferte,  —  welche  Arbeiten  ihm  gewiss  nur  in 
Anerkennung  früherer  Leistungen  übertragen  wurden. 

Es  wäre  undankbar,  diese  Zeilen  zu  schliessen,  ohne 
ein  Wort  des  Dankes  für  den  im  Eingange  erwähnten  hoch- 
würdigen Herrn  Dechant  in  Maria-Zeil  auszusprechen,  der 
dem  Unterzeichneten  sogleich  nach  der  Auffindung  der  Rolle 
die  detaillirtesten  Mittheilungen  hierüber  zusendete ,  und 
sogar  die  Besichtigung  derselben ,  welche  sonst  eine  Reise 
nach  Maria -Zell  erfordert  hätte,  in  der  liberalsten  Weise 
ermöglichte. 

Würden  die  Conservatoren  unseres  Vaterlandes ,  von 
denen  viele  durch  anderweitige  Rerufsgeschäfte  in  ihrer  Thä- 
tigkeit  ohnehin  beschränkt,  in  der  Ausübung  ihrer  Pflicht 
sich  mit  Mühe  bewegen  ,  auf  diese  Weise  öfter  unterstüzt, 
käme  ihnen,  wie  von  der  Seite  dieses  würdigen  Priesters, 
liebevolle  Theilnahme  und  freundliches  Vertrauen  entgegen, 
statt  verlegener  Kälte  und  die  schlecht  verhehlte  Angst,  etwa 
durch  einen  eifrigen  Conservator  zu  einer  Auslage  aufgefor- 
dert zu  werden,  so  wäre  deren  Ehrenamt  zugleich  ein  Freu- 
denamt und  ihre  durch  vereinte  Kräfte  unterstützten  Leistun- 
gen hätten  schnelleren  Erfolg  und  grössere  Tragweite! 

J.  Scheiger. 

36.  (Zur  Beschreibung  der  evangelischen 
Pfarrkirche  von  Mühlbach  in  Siebenbürgen.) 
In  dem  II.  und  III.  Monathefte  der  „Mittheilungen"  brachten 
wir  unter  dem  Titel :  „Über  den  älteren  sächsischen  Kirchen- 
bau und  insbesondere  die  evangelische  Kirche  zu  Mühlbach" 
einen  Aufsatz  von  dem  k.  k.  Conservator  Herrn  Friedrich 
Müller  in  Schässburg,  den  wir  einem  frühereu  Jahrgange 
der  in  Siebenbürgen  erscheinenden  „Blätter  für  Geist  und 
Gemüth   etc."    in    der   Absicht   entnahmen,    um    über   den 


Charakter  der  mittelalterlichen  Bauwerke  eines  Kronlandes 
des  Kaiserstaates  saehgemässe  Aufklärungen  zu  geben,  aus 
welchem  bisher  noch  verbältnissmässig  wenig  in  weitere 
Kreise  gedrungen  ist.  Nachdem  schon  der  Druck  des  Auf- 
satzes vollendet  war,  erhielten  wir  ein  Schreiben  des  Herrn 
Verfassers,  worin  er  uns  —  leider  zu  spät  —  benachrichtigte, 
dass  er  eben  mit  Benützung  der  seit  der  ersten  Veröffent- 
lichung gemachten  kunsthistorischen  Studien,  den  in  Frage 
stehenden  Aufsatz  einer  Umarbeitung  unterziehen  wollte  und 
bei  dem  Umstände,  als  nun  derselbe  neuerdings  abgedruckt 
erscheint,  den  Wunsch  aussprach,  wenigstens  einige  Ergän- 
zungen und  Berichtigungen  seiner  Beschreibung  der  Mühl- 
bacher Pfarrkirche  nachzutragen.  Zugleich  übersandte  er 
uns  einen  Grundriss  der  erwähnten  Kirche,  welchen  wir  hier 
wegen  des  nicht  unbedeutenden  Interesses  dieses  Baudenk- 
malesfür die siebenhürgische Kunstgeschichte  im  Holzschnitte 
veröffentlichen. 


L* 


Grundriss  der  evangelischen  Pfarrkirche  von   ßfühlbach  in  Siebenbürgen. 

Was  die  gewünschten  Ergänzungen  und  Berichtigun- 
gen der  Beschreibung  der  Kirche  anbelangt1),  so  ist  nach 
Angabe  des  Herrn  Verfassers  Folgendes  zu  bemerken:  Hie 
Länge  des  Mittelschiffes  beträgt  im  Lichten  gemessen  93  5  : 
seine  Breite  55' 10".  Nach  jeder  Seite  durchbrechen  die 
Wand  vier  in  gewöhnlichem  Spitzbogen  überwölbte,  im  Ver- 
hältnisse zu  ihrer  Höhe  sehr  weite  Fenster,  deren  Krönung 
mit  Maas  werk  (Vierpass  u.  a.)  ausgefüllt  ist.  Auch  das  nörd- 
liche und  südliche  Portal  (jenes  3'  7"  weit,  7  8'  hoch: 
dieses  3'  9-5"  weit,  7'  10"  hoch)  sind  in  demselben  Bogen 
geschlossen;  die  vor  dieselben  später  angebauten  Hallen 
haben  getäfelte  Decken.  Sowohl  das  Mittelschiff  als  die 
Seitenschiffe  zeigen  Kreuzgewölbe  mit  Gurtung;  doch  sind 
die  Traveen  in  jenem  nicht  wie  in  diesen  durch  Quergurten 
getrennt.  Die  Schlusssteine  im  Mittelschiffe  sind  ganz  flach. 
in  dem  südlichen  Seitenschilf  in  Bösen  und  dreistrahlige 
Sterne  ausgebreitet,  im  nördlichen  gar  nicht  vorhanden. 
Die  Gurten  sitzen  auf  massiven  und  rohen  Tragsteinen  an. 
die  Arcadeupfeiler  sind  ungleich  stark,  viereckig  und  ohne 
alle  Gliederung.  —  Das  Portal  im  Thurin  ist  5'  S"  weit 
und  6'  5"  hoch.  —  Bezüglich   der    zwei  Anbaue   an   dem 


')  Vergleiche  April-Heft  der  „Mittheilungen"  S.  60. 


13* 


—    112 


Thiirni ,  welche  jetzt  als  Magazine  benützt  werden,  kommt 
noch  zu  erwähnen,  il;iss  der  nördliche  ein  enges  und  über- 
wölbtes Fensterchen,  der  südliche  ein  etwas  weiteres  mit 
einer  Füllung  — ähnlich  der  an  der  Kirche  in  Heiligenstadt 
von  Otte  in  seinem  llandbuchc  S.  1  1  !•  bezeichneten  — 
hat.  In  letzterem  befindet  sich  auch  ein  Altar  mit  Masswerk- 
Sculptur  an  der  Vorderseite.  Wenn  erstere  auch  nicht  gleich- 
zeitig mit  dem  Thurme  sind,  so  mögen  sie  doch  nicht  weit 
hinaufreichen,  da  jene  Füllung  dem  frühgothischen  Style  an- 
gehört. Die  beiden  westlichsten  Vorbaue  gehören  dem  laufen- 
den Jahrhundert  an.  Von  dem  Chore  bemerkt  der  Herr  Ver- 
fasser, dass  er  im  Lichten  8(i  1 0 '  lang,  43'  2"  breit  und 
50  hoch  ist  und  das  Gewölbe,  von  zwei  Reihen  von  je  vier 
Pfeilern  getragen,  ein  gegürtetes  Kreuzgewölbe  zeigt.  Die 
Pfeiler  ruhen  nicht  auf  Polygonen .  sondern  achtseitigen 
Basen  von  2'  6  Durchmesser:  die  zwei  dem  Altar  zunächst 
stehenden  Pfeiler  sind  gleichfalls  sechseckig,  jedoch  ohne 
Gliederung.  —  Bezüglich  der  vorhandenen  Spuren  eines 
Leitners  an  der  Stelle,  wo  sich  der  Chor  gegen  das  Schiff 
zu  öffnet,  ist  zu  ergänzen,  dass  man  nicht  nur  in  den  Steinen 
die  Einschnitte  für  die  Brüstung,  sondern  auch  gegen  die 
Seitenschiffe  bin  —  auf  schlanken  Säulen  von  nur  1'  Durch- 
messer die  Überreste  dieses  Lettners  mit  ganz  vorzüglich 
gearbeitetem  Masswerk  und  vier  Bogen,  wovon  zwei  gerad- 
linig, zwei  im  geschweiften  Spitzbogen  schliessen,  erblickt. 
—  Von  dem  Wappen,  welches  sieh  links  an  der  unteren  Seite 
des  Flügelaltars  befindet,  heisst  es,  dass  dasselbe  jenes  von 
Mühlbach  (der  aufrecht  stehende  Löwe  mit  offenen  Tatzen) 
sei.  —  Die  Sacristeithür  ist  im  Kleblattbogen  geschlossen. 
Die  Mauerstärke  im  Chor  beträgt  3'.  am  Thurm  5'.  —  Das 
gegenwärtige  Dach  des  Thurms  ist  ltiti'2  —  lf!G4  aufgesetzt 
worden, nachdem  das  frühere  durch  Ali  Pascha's Türken  und 
Tataren  1G01  mit  dem  grössten  Theile  der  Stadt  abge- 
brannt war  (Unterwälder  Capitularmatrikel),  es  kann  aber 
in  seiner  Anlage  alt  sein.  —  Bei  der  Betrachtung, 
welche  der  Herr  Verfasser  über  die  Erbauung  des  jetzigen 
Chores  (S.  C3,  1.  Spalte)  anstellt,  bemerkt  derselbe  am 
Schlüsse:  „An  der  nördlichen  Chorwand  glauben  wir  in 
einem  von  aussen  wohl  sichtbaren,  senkrecht  gehenden 
ü>satzenocb  die  Spuren  des  alten  Chorschlusses  zu  erkennen. 
Dieser  Chor  stand  dann  auch  zu  der  Länge  des  Schiffes  in 
besseren^  erliältuisseals  der  jetzige,  entschieden  zu  gedehnte. 
Auch  wird  durch  diese  Ansichl  allein  erklärlich,  wie  die 
Kirche  jetzt  mit  dem  Chore  fast  an  die  Ringmauer  stösst, 
während  auf  der  entgegengesetzten  Seite  der  Thurm  noch 
ziemlich  weit  davon  entfernt  ist.  dadoch  bei  der  Ebenheit  des 
Terrains  anzunehmen  ist,  dass  das  Gotteshaus  ursprünglich 
in  die  Mitte  des  Bauplatzes  gestellt  wurde.  Der  Raum  zwi- 
schen dem  jetzigen  Chor  und  dem  Thurm  konnte  unmöglich 
durch  ein  proportionirtes  Schiff  ausgefüllt  werden.  \.-  lag 
also  im  Bauplane  nichl  allein,  das  Schiff  später  auch  abzu- 
tragen, sondern  auch  den  Thurm,  und  hätte  man  am  Beginne 
des  Neubaues  das  alte  Gebäude  vollständig  abgetragen,  dann 


wäre  auch  der  Thurm  eine  spätere  Anlage  als  der  Chor, 
und  dagegen  streitet  nicht  weniger  als  Alles." 

37.  (Kirche  und  Flügelaltar  zu  A 1 1 - B i e  1  i t z  in 
Schlesien.)  Ein  an  die  k.  k.  Central-Commission  gerich- 
teter Bericht  des  Herrn  Vorstandes  der  k.  k.  Baudirection  zu 
Krakau.  Dr.  Sehen  kl,  enthält  folgende  Beschreibung  der 

Kirche  und  des  Flügelaltars  zu  Alt-Bielitz  : 

Die  erste  Gemeinde  im  jetzigen  Herzogthume  war 
Teschen  selbst,  entstanden  im  Jahre  810,  die  zweite  Ge- 
meinde soll  Alt-Bielitz  gewesen  sein. 

Wenn  die  Nachrichten  des  Pfarr-Inventariums  der  Stadt 
Bielitz  richtig  sind  .  fällt  die  Einführung  des  christlichen 
Cultus  zu  Bielitz  in  jene  Zeit,  wo  das  Wellehrader  Bisthum 
nach  Olmütz  übertragen  wurde,  nämlich  in  das  XI.  Jahr- 
hundert. Im  J.  1131  dürfte  eine  hölzerne  Kirche  errichtet 
wurden  sein,  113S(?)  das  Presbyterium  der  gegenwärtigen 
Kirche  entstanden  sein,  welches  dann  jedenfalls  die  erste 
gemauerte  Kirche  im  Herzogthume  Teschen  war. 

Nach  weiterer,  jedoch  nichl  verbürgter  Tradition  wurde 
die  Erweiterung  der  Kirche  durch  den  Zubau  des  Kirchen- 
schiffes schon  im  Jahre  1230  vorgenommen,  der  Thurm 
jedoch  erst  im  Jahre  1315  zugebaut. 

Die  Kirche  ist  im  gothischen  Style  erbaut,  einschiffig 
und  mit  einem  gemauerten  ziemlich  hohen  Thurm  von  alter- 
thümlichem  Charakter  versehen,  der  mit  einer  kegelförmigen 
Thurmhaube  gedeckt  ist.  Der  interessanteste  Theil  des 
Gebäudes  ist  unstreitig  das  Presbyterium,  ursprünglich  die 
Kirche  selbst,  welche  erst  später  durch  Zubau  des  Kirchen- 
schiffes vergrössert  wurde. 

Wenngleich  dieses  Presbyterium  nicht  durch  grosse 
Dimensionen  imponirt,  indem  der  Bau  zu  den  kleinen  sei- 
ner Gattung  gehört,  so  muss  mau  sich  doch  an  den  edlen 
Verhältnissen  erfreuen,  die  ihn  auszeichnen.  Namentlich  ist 
das  Gewölbe  mit  musterhafter  Sorgfalt  ausgeführt,  die  selbst 
aus  der  viele  hundert  Jahre  allen  oftmaligen  Tünche  heraus- 
sieht. Schlanke  Bippen  zieren  dasselbe,  zwischen  welchen 
Schilder  äusserst  fieissig  ausgewölbt  sind. 

Den  Schluss  der  Kippen  bildet  das  in  Relief  gearbeitete 
polnische  Wappen  aus  Stuck  oder  Stein.  So  wie  ursprüng- 
lich, ist  das  Gewölbe  des  Prcsbyteriums  noch  jetzt  mit  grel- 
len Farben  gemalt,  und  sind  in  der  Malerei  und  zwar  um 
das  polnische  Wappen  mehrere  kleinere  angebracht.  Es  hat 
den  Anschein,  als  ob  diese  .Maierei  mit  Benützung  der 
ursprünglichen  Zeichnung  wiederholt  erneuert  worden  wäre. 
Die  Form  der  Fenster  ist  ein  schmales  Rechteck,  welches 
vielleicht  erst  später  aus  dem  ursprünglichen  Spitzbogen 
gebildet  wurde.    Die  Glasmalereien  derselben  soll  ein  Erz- 

priester  von  Bielitz  leider  vor  einigen  30  Jahren  entfernt, 
und  durch  das  gegenwärtige  eingezogene  weisse  Glas  ersetzt 
haben.  Vor  dem  uralten  Flügelaltare  befindet  sich  ein  Grab- 
stein mit  der  Inschrift  _tn  odpocziwa  Jan  Katerla1-  und  der 
historisch  bedeutsamen  Jahrzahl  H>48. 


113 


Rechts  vom  Altare  stehen  sehr  alte  schön  geschnitzte 
Blinke,  man  möchte  meinen,  in  denselben  die  nämliche  Hand  zu 
erkennen,  welche  die  schönen  Steinarbeiten  fertigte,  die  sich 
in  der  St.  Aegidius-Kirche  im  Ende  der  Utika  Grodzka  zu 
Krakau  befinden.  Auf  derselben  Seite  befindet  sich  eine  mit 
Farbe  angebrachte  Schrift,  wovon  der  eigene  Name  noch  in 
den  ursprünglichen  jedoch  aufgefrischten  Schriftzügen  aus- 
geführt ist.  Ich  gebe  dieselben  in  ihrer  Form  wieder;  die 
Inschrift  lautet:  1H6&DO  fundavit  Anno  1135.  Der  Name 
scheint  unzweifelhaft  echt  zu  sein. 

Die  linke  Seitenmauer  des  Presbyteriums  ist  mit  einer 
Episode  der  Passion  bemalt,  die  Malerei  ist  jedoch  unkünst- 
lerisch und  jüngerer  Zeit  angehörend. 

Rechts  vom  Altare  befindet  sich  ein  enges  überwölbtes 
Gemach  mit  einem  kleinen  Fenster ;  es  ist  die  Sacristei.  Sie 
enthalt  nichts  von  besonderem  Interesse. 

Das  Kirchenschiff  ist  viel  spater  und  zur  Erweiterung 
des  Gebäudes  erbaut,  obwohl  von  aussen  mit  ähnlichen  Pfei- 
lern wie  das  Presbyterium  versehen.  Dasselbe  entbehrt  des 
Gewölbes,  welches  durch  eine  einfache  Bretterdecke  ersetzt 
wurde.  Die  Fenster  gleichen  jenen  des  Presbyteriums  ,  und 
unter  dem  Chore  stehen  ebenfalls  hölzerne  geschnitzte  Stühle, 
ähnlich  jenen  des  Presbyteriums. 

Was  den  im  Presbyterium  befindlichen  Flügel -Altar 
anbelangt ,  so  scheint  zwar  derselbe  ersterem  nicht  an  Alter 
gleich  zu  kommen  und  insbesonders  gehört  die  Einrahmung 
einer  spätem  Zeit  an ,  doch  haben  die  Gemälde  unstreitig 
ein  hohes  Alter  und  wurden  von  vortrefflicher  Hand  aus- 
geführt. 

Sie  sind  durchaus  auf  Eichenholz  und  Kreidegrund 
gemalt,  die  Glorien  sehr  gut  und  stark  vergoldet.  Der  Altar 
besteht  aus  einem  ungefähr  6  Fuss  hohen  und  6  Fuss  brei- 
ten Mittelbilde,  darstellend :  die  Madonna,  verehrt  von  dem 
heiligen  Stanislaus  und  Nikolaus.  Die  Köpfe  sind  sehr 
sprechend,  jene  der  Madonna  ausserordentlich  zart  und 
lieblieh. 

Die  beiden  Flügel  sind  zur  Hälfte  getheilt,  jeder  ent- 
hält innen  und  aussen  zwei  Bilder.  Sämmtliche  8  Bilder 
stellen  das  Leben  des  heiligen  Stanislaus  vor,  und  zwar  das 
untere  Bild  rechts  die  Ermordung  des  Heiligen  durch  den 
König  Boleslaus,  das  andere  Bild  die  Heilung  eines  Kranken, 
das  untere  Bild  links  die  Erweckung  eines  Todten,  das 
obere  die  Wohlthätigkeit  des  Heiligen.  Von  aussen  ist 
das  obere  Bild  rechts  die  Darstellung  der  Legende,  nach 
welcher  die  Vögel  den  zerstückten  heiligen  Leib  wieder 
zusammensetzen,  das  untere  stellt  die  Heiligsprechung  dar, 
das  obere  Bild  links  zeigt  die  Zerstückelung  des  Heiligen, 
das  untere  sein  Begräbniss. 

Sämmtliche  Gemälde  sind,  wenn  auch  nicht  von  der 
Schönheit  des  Mittelbildes ,  doch  mit  Charakter  und  guter 
Färbung  gegeben  und  lassen  durchweg  die  in  alter  Zeit  so 
oft  vorkommende  Vernachlässigung  richtiger  Perspective 
erkennen. 


Unter  den  Flügelbildern  und  auf  dem  Altarstocke  auf- 
stehend, befindet  sich  in  kleineren  Rahmen  eine  Reihe  gut 
gemalter  Apostelküpfe.  Ober  dem  Flügelaltar  sind  sauber 
geschnitzte  gothische  Ornamente  angebracht. 

Der  ursprüngliche  Altarstock  seheint  in  der  Refor- 
mationsperiode zu  Grunde  gegangen  zu  sein,  da  der  gegen- 
wärtige die  Jahrzahlen  1565  et  1598  ersehen  lässt,  in 
welche  Jahre  die  Einführung  des  Protestantismus  in  Bielitz 
fällt,  1560  war  diese  Kirche  wirklich  in  den  Händen  der 
Protestanten  und  kam  erst  im  Jahre  1630  wieder  an  die 
Katholiken  zurück,  nachdem  sie  schon  im  Jahre  1447  den 
Rang  der  Pfarrkirche  verloren  hatte  und  zu  einer  Filiale 
der  Pfarrkirche  der  gegenwärtigen  Stadt  Bielitz  gewor- 
den  war. 

Auf  dem  Altarstocke  stehen  zwei  Inschriften,  und  zwar 
eine:  „Hoc  opus  paratum  est  per  me  Joannem  de  Polum 
campanatorem  Bilicensem  anno  Domini  1565." 

Die  zweite  ist  deutsch  und  lautet:  -Augustinus  Bartge 
bin  ich  genannt  alles  thuet  stehen  in  Gottes  Hand.  1598." 
Kanzel  und  Taufstein  sind  spätem  Ursprunges ,  letzterer 
lässt  die  Jahrzahl  1660  ersehen. 

Auf  dem  Kirchenthurme  hängen  3  Glocken,  wovon  die 
grösste,  18  Centner  schwer,  im  Jahre  1605,  also  zu  einer 
Zeit  gegossen  wurde,  wo  der  Protestantismus  waltete. 

38.  (Steinerner  Behälter  für  das  h.  Öl  im 
Seethale  zu  Salzburg.)  Im  Mai  1S54  machte  der  k.  k. 
Conservator  für  Salzburg  Herr  Süss  an  die  k.  k.  Central- 
Commission  die  Anzeige,  dass  sich  vor  der  Kirchthür  im 
Seethale  ein  ausgehöhlter  Stein  aus  Gneiss  umgestürzt  als 
Sitzbank  befinde,  und  legte  zugleich  eine  Beschreibung  des 
Steines  vor,  welche  die  fürsterzbischöfliche  Expositur  auf 
seine  Veranlassung  eingesandt  hatte.  Aus  dieser  Beschrei- 
bung war  zu  entnehmen,  dass  der  Stein,  am  Eingänge  der 
Kirche  ruhend,  aus  einem  Blocke  von  Granit  kunstlos  ge- 
meisselt  ist.  Er  bildet  ein  längliches  Viereck  mit  einem 
dreieckigen  Vorsprunge  von  7  Zoll  Länge,  in  dessen  Mitte 
eine  runde  Höhlung  von  7  Zoll  Tiefe  und  5  Zoll  Durchmesser 
angebracht  ist,  welche,  in  der  Voraussetzung,  dass  man  einen 
alten  Taufstein  vor  sich  hat.  zur  Aufbewahrung  des  h.  Ölea 
gedient  haben  mag.  Die  Länge  des  ganzen  Steines,  d.  h. 
mit  dem  erwähnten  Vorsprunge,  beträgt  41/»  Schuh,  die  Breite 
2 '/2  Schuh,  die  Höhe  2 1/2   Schuh.  In    der  Mitte    des 

länglichen  Viereckes  ist  eine  Höhlung  derselben  Form,  und 
zwar  34  Zoll  lang,  19  Zoll  breit  und  13  Zoll  tief,  rings- 
herum ein  Falz,  offenbar  um  einen  sehliessenden  einfachen 
Deckel  darauf  anbringen  zu  können.  Aus  letzterem  im- 
stande wollte  nun  eben  der  Berieht  der  kirchlichen  Expo- 
situr im  Seethal  folgern,  dass  es  sich  hier  um  einen  Tauf- 
stein handle,  da  die  Synode  von  Köln  im  J.  1281  bezüglich 
derselben  verordnete,  dass  sie  wohl  bedeckt  und  gut  ver- 
schlossen seien,  damit  Niemand  daraus  das  heilige  Wasser 
schöpfen    und    zu     abergläubischen    Dingen    missbrauchen 


114 


könne,  was  übrigens  auch  nicht  dem  Alter  dieser  Seel- 
sorgestation  entgegen  sei,  da  Vierthaler  I.  Theil,  S.  13ti, 
schon  für  das  .lala-  1401  einen  „Niklas  Pfarrer  zu 
Sand  Johannes  am  See  bei  Klauseck  in  LungaV  aufführt. 
Doch  werden  in  dem  erwähnten  Bericht  einige  Zweifel  Dicht 
unterdrück  wegen  der  viereckigen  Form  der  Höhlung  „da 
in  der  Antwerpuer  Synode  des  J.  1610  die  Vorschrift  ge- 
geben  war:  „Es  lapide  solido  sit  fons,  ne  ex  eo  aqua  cffluat, 
sit(]iie  figurae  rotundae  et  latitudinis  circiter  duorum  pedum" 
und  sich  auch  in  der  Pfarrkirche  Bilk  bei  Düsseldorf  ein  Tauf- 
stein, der  aus  der  Zeit  vor  dem  X.  Jahrhundert  herrührt, 
beiludet,  der  zwar  an  seiner  Aussenseite  achteckig,  inwendig 
aber  rund  ist.  Um  nun  hierüber  das  ürtheil  eines  in  dieser 
Frage  competenten  Gelehrten  zu  vernehmen,  wandte  sich 
die  k.  k.  Central-Commission  an  den  Herrn  k.  k.  Konserva- 
tor Dr.  Kandier  in  'Priest .  welcher  auf  Grund  der  vorge- 
lebten Zeichnung  die  Erklärung  abgab,  dass  der  bei  Seethal 
im  Lungau  entdeckte  Stein  unzweifelhaft  ein  zur  Aufbe- 
wahrung der  heiligen  Öle  bestimmter,  in  der  ältesten  Form 
ausgeführter  Behälter  sei,  und  zwar  entweder  aus  einer  Ple- 
benalkirche,  oder  einer  selbstständigen  Taufcapelle,  oder  einer 
gemeinschaftlichen  Blebenal  -  Todtenstätte.  Er  erwähnte 
ferner,  dass  selche  Behälter  ursprünglich  entweder  in  einer 
Blebenalkirche  oder  Taufcapelle  an  der  rechten  Seite  des 
Hauptschiffes  eingemauert  wurden,  welche  mit  einem  hölzer- 
nen oder  metallenen  Thürchen  versehen  waren,  deren  Angel 
und  Riegellöcher  noch  zu  sehen  seien.  Solche  Behälter  waren 
in  den  Kirchen  aus  dem  VI.  Jahrhunderte  gebräuchlich  und 
zwar  an  den  Mauern  der  Seitenschiffe  der  Kirche  in  den 
Pastophorien  angebracht,  für  das  heil.  Öl,  für  das  h.  Brot 
und  für  sonstige  verbrauchbare  heilige  Sachen  bestimmt, 
keineswegs  zur  Aufbewahrung  des  Allerheiligsten.  Die 
Form  der  ältesten  Behälter  ist  von  jener  des  Lungauer 
Steines  nicht  wesentlich  verschieden;  die  ältesten  haben 
eine  längliche,  im  oberen  Theile  einen  dreieckigen  Timpanus 
mit  Delphinen,  mit  dem  Kreuzbilde  und  mit  sonstigen  Deco- 
rationen  verzierte  Form;  solche  alte  Behälter  findet  man  in 
Ravenna.  Torzello.  Parenzo  u.  s.  w.  —  Dass  dieser  Lun- 
gauer Stein  kein  Taufstein  sei.  geht  aus  dem  hervor,  weil 
die  ältesten  Taufsteine,  welche  nur  bei  den  bischöflichen 
Kirchen  zu  suchen  sind,  alle  sechseckig  und  zwar  aus  sechs 
Marmortafeln  zusammengestellt  waren.  Die  Taufsteine  der 
Blebenalkirchen ,  die  im  XI.  Jahrhunderte  häufig  wurden, 
hatten  eine  viereckige  Form  und  bestanden  aus  einem  ein- 
zigen Steinblocke. 

39.  (Salzburgische  Künstler  aus  dem  Mit- 
telalter.) Der  Maler  Herr  G.  Petzold  aus  Salzburg  ge- 
langte durch  die  Güte  des  Novizen -Directors  des  Benedic- 
ünerstiftes  Set.  Peter  in  Salzburg  P.  Amandus  düng  in  die 
Kenntnis-,  eines  im  XII.  Jahrhunderte  begonnenen  nekrologi- 
schen Verbrüderungsbuches,  das  wie  sich  Herr  Petzold 
selbst  überzeugte  —  eine  Reihe  von  Künstlernamen  enthält. 


Das  Buch  ist  mit  charakteristischen  figürlichen  Contourzeieh- 
nungen  in  schwarzer  und  rother  Farbe  geziert.  Im  Interesse 
fernerer  Kunstforschungen  theilte  der  genannte  Künstler 
der  k.  k.  Central-Commission  die  Namen  dieser  mittelalter- 
lichen Künstler  mit.  Sie  lauten: 

Gerold us  pictor.  (Aus  dem  Anfange  des  XII.  Jahr- 
hunderts.) 

Udelricus  pictor.  (Aus  dem  Anfange  des  XII.  Jahr- 
hunderts.) 

Richerus,  campanorum  fusor.  (Aus  dem  XII.  Jahr- 
hunderte.) 

L'lricus  incisor,   (Aus  dem  Ende  des  XII.  Jahrhdts.) 

Eberhard  us  vitrarius  laicus.  (Aus  dem  Ende  des 
XII.  Jahrhunderts.) 

Iscingrinus,  laicus,  qui  fecit  altar:  Set.  Mariaein 
eccl.  Set.  Petri.  (Aus  dem  Anfange  des  XIII.  Jahrhunderts.) 
Dieser  Altar  stand  in  dieser  Klosterkirche  noch  in  der 
ersten  Hälfte  des  XVII.  Jahrhunderts  vor  der  Stufenreihe, 
welche  aus  dem  Mittelschiffe  zur  Apsis  des  Hochaltars  führte, 
und  hinter  welchem  ein  Zugang  zur  Krypta  niederführle. 

Walehum,  Monetarius.  (Aus  der  Mitte  des  XIII.  Jahr- 
hunderts.) 

40.  (Neu  entdeckte  Überreste  einer  römi- 
schen Colonie  im  Thale  Ternava  bei  Agram.) 
Einem  uns  zugekommenen  Schreiben  des  k.  k.  Conservators 
für  Croatien  Herrn  Ivan  Kukuljevie"  ddo.  22.  April  ent- 
nehmen wir  folgende  interessante  Nachricht: 

Eine  Viertelstunde  vom  Pfarrorte  Markusevec  bei 
Agram  entfernt ,  liegt  gegen  Osten  in  einem  länglichen 
Thale  das  kleine  Dorf  Ternava.  Dasselbe  ist  nördlich  von 
Gebirgen  begränzt,  über  die  mau  nach  Zagorien  fährt,  südlieh 
mündet  es  in  die  Hauptstrasse,  die  von  Agram  nachWarasdin 
führt,  und  hat  in  der  Kerne  in  gerader  Richtung  vor  sich  das 
Dorf  Sritarjovo,  welches,  am  rechten  l'fer  der  Save  gelegen, 
ebenfalls  einstens  eine  römische  Colonie  war1). 

Von  einer  römischen  Ansiedlung  im  Thale  Ternava 
hatte  bis  nun  die  gelehrte  Welt  gar  keine  Ahnung,  und  es 
wäre  diess  der  Geschichtsforschung  noch  lange  unentdeckt 
geblieben,  wenn  nicht  ein  schlichter  Bauer  (Namens  Rocic", 
lies:  Rotschitsch)  beim  Ackern  seines  Feldes  auf  eine  Mauer 
gesiossen  wäre,  neben  welcher  derselbe  einen  breiten  Canal 
aus  den  schönsten  römischen  Quader -Ziegeln  erbaut  fand. 

Nach  der  Aushebung  dieser  Ziegeln,  die  mit  einer  halbkreis- 
förmigen Verzierung  begränzt.  in  verschiedener  Grösse 
aufgefunden  wurden,  grub  der  Kigenlhümer  weiter,  und 
sliess  überall  auf  Mauern.  Im  Schutte  fand  er  auch  eine 
ewige  Lampe,  die  er  aus  l'nkenntniss  zerbrach. 

Ich  besichtigte  genau  den  Fundort,  und  fand,  dass  sich 
die  Mauern  in  der   Erde   einige   hundert   Schritte   weit  nach 


1 1  Hin  bill  es  für  des  »lte  Andantoriuni,  and  bei  daselbst  vor  vielen  Jahren 
römische  Mterthümer  und  Inschriften  gefunden. 


—   115 


allen  Richtungen  ausdehnen.  Südlich  und  nördlich  stösst  man 
sogar  auf  sichtbare  Spuren  einer  römischen  Strasse,  und  in 
der  nordwestlichen  Richtung,  auf  der  linken  Seite  der  Strasse, 
erhebt  sich  ein  steiler,  mit  einer  grossen  Fläche  versehener 
Rerg,  der  mit  Überresten  alter  Mauern  und  mit  Schutt  ganz 
besäet  ist.  Das  Volk  nennt  diesen  Rerg  Gradisc'e')  und 
erzählt,  dass  liier,  sowie  unten  in  Ternava,  einst  eine  Juden- 
stadt (Zidovski  varos)  sich  befand2).  Es  scheint  jedoch  aus 
der  Construction  der  noch  sichtbaren  Mauern,  dass  dieser 
Rerg  im  Mittelalter  neuerdings  befestigt  und  mit  einem 
grossen  Schlosse  versehen  war,  obwohl  bis  nun  noch  in 
keiner  Urkunde  von  diesem  Schlosse  eine  Erwähnung  ge- 
funden wurde. 

In  der  nächsten  Umgebung  von  Ternava  sind  bereits 
viele  römische  Münzen  von  Gratianus,  Constantinus,  Constan- 
tius  u.  s.  w.  gefunden,  die  sich  nun  im  National-Museum  zu 
Agram  befinden. 

Welch  ein  Ort  zur  Zeit  der  Römer  auf  diesem  Platze 
stand,  konnte  ich  in  dieser  kurzen  Zeit  noch  nicht  ermitteln; 
zieht  man  jedoch  das  Itinerarium  Antonini ,  das  Itinerarium 
Hyerosolimitanum  und  die  Tabula  Peutingeriana  zu  Rathe,  so 
konnte  man  mit  einer  Wahrscheinlichkeit  behaupten,  dass 
hier  die  Mansio  Lentolis,  auch  Lentulum,  Lenturum  und  Len- 
tudum  genannt,  unter  den  Römern  stand  ,  und  dass  die  Strasse 


bei  Ternava  dieselbe  ist,  die  von  Pettau  über  Aquaviva,  ad 
Populos,  Tovia,  Dolivo,  Sonista,  Pyrri  (Piretis)  und  weiter 
gerade  nach  Sirmium,  seitwärts  aber  rechts  nach  Siscia 
führte.  Nimmt  man  weiter  in  Berücksichtigung,  dass  die  bei 
Ternava  sichtbare  römische  Strasse  in  einer  gleichen  Rich- 
tung mit  dem  Orte  Kasina  (Cassina)  liegt,  wo  ebenfalls  be- 
deutende römische  Alterthümer  ausgegraben  wurden,  und 
dass  sich  weiter  oben  im  Gebirge  die  Spuren  einer  römi- 
schen Strasse  finden,  die  über  Zagorien  nach  Pettau  führte, 
so  könnte  man  beinahe  mit  Gewissheit  die  Mansio  Lentolis 
hieher  setzen,  da  auch  jene  Lage,  die  ihr  die  Peutingerische 
Tafel  gibt,  der  Lage  von  Ternava  ziemlich  entspricht. 

41.  (Ein  alter  Thurm  in  Te sehen)  Teschen, 
eine  der  ältesten  Städte  Schlesiens,  hat  am  westlichen  Theile 
eine  Anhöhe,  in  deren  Mitte  das  neue  erzherzogliche  Schloss 
sich  befindet.  Am  obersten  Theile  des  Hügels  prangt  maje- 
stätisch ein  alter  Thurm,  den  Casimir,  Lesko's  111.  Sohn, 
Herzog  in  Polen,  im  Jahre  810  n.  Ch.  G.  erbaut  haben  soll. 
Am  oberen  Teile  des  Thurmes  sind  die  sogenannten  Fall- 
schirme an  jeder  Ecke  und  in  der  Mitte  angebracht,  um  die 
anstürmenden  Feinde  durch  herabgeworfene  Steine  vom 
Eindringen  abzuwehren,  daher  auch  der  Thurm  aus  der 
Ferne  oben  breiter  als  unten  erscheint.  Das  Mauerwerk  ist 
noch  ganz  gut  erhalten. 


Literarische  Anzeigen. 


Dr.  Gustav  Heide r,  Prof.  R.  v.  Eitelbergcr  und  Architekt 

J.  Hieser:  „Mittelalterliche  Kunstdenkmale  des  österreichischen 

Kaiserstaates."  I.  Lief.  Stuttgart.  Ebner  und  Seubert,  1856. 

Die  Kunstdenkmale  des  österreichischen  Kaiserstaates  sind  nicht 
unbedeutender  als  jene  der  übrigen  Länder  Europas,  sie  repräsentiren 
die  verschiedensten  Zweige  der  Kunst-Epochen ,  welche  in  der  vor- 
christlichen wie  in  der  christlichen  AVeit  zur  Geltung  gelangt  sind. 
Die  Denkmale  der  classischen  Periode  waren  auch  bis  jetzt  schon  viel- 
fältig Gegenstand  wissenschaftlicher  Untersuchungen;  seit  Winkel- 
mann's  Wiederbelebung  der  Antike  wurden  mit  besonderer  Vorliebe 
auch  in  Österreich  alle  Bestrebungen  gefördert,  welche  die  Kenntniss 
der  classischen  Kunslsehätze  vermehrten.  Nur  die  monumentale  Kunst 
der  christlichen  Zeit,  so  reich  und  mannigfach  auch  ihre Producte  sind, 
fand  bisher  eine  verhältnissmässig  sehr  geringe  Beachtung.  Es  fehlte 
zwar  nicht  an  Versuchen  in  einzelnen  Kronländern  um  die  dortigen 
Kunstwerke  zur  Anschauung  zu  bringen,  aber  diese  erfüllten  thcils 
nicht  die  Anforderungen,  welche  immer  neue  und  geläuterte  For- 
schungen auf  dem  Kunstgebiete  zu  stellen  berechtigt  waren,  theils 


»)  Lies:  Gradischtsche.EinOrtwo  einst  ein  Schloss  stand,  von  Grad=Schloss. 

2)  Diese  eigentümliche  Benennung  gibt  das  provinzial-croalische  Volk 
allen  Orten,  wo  einstens  die  Römer  gesessen.  Versteht  es  vielleicht  durch 
das  Judeuthum  die  vorchristliche  Zeil? 


trugen  sie  solch  ein  provincielles  Gepräge,  dass  sie  kaum  in  weiteren 
Kreisen  Anklang  linden  konnten.  Ein  kunstgeschichtliches  Bild  des 
gesammten  Kaiserstaates  nach  dieser  Richtung  mangelte  aber  bis 
jetzt,  und  ein  Werk,  welches  sieh  die  Aufgabe  gestellt  hätte,  dasselbe 
anzubahnen,  war  schon  lange  der  lebhafteste  Wunsch  aller  Kunst- 
freunde. Vorstehendes  Unternehmen  der  Herren  Dr.  Heider.  Prof. 
R.  v.  Eitel  berger  und  Architekten  Hieser  ist  nun  bemüht,  diesem 
Bedürfnisse  zu  begegnen.  Wie  schon  aus  dem  Prospecle  zu  ersehen 
war,  wollen  sie  ein  Bild  der  mittelalterlichen  Kunsldenkmale  des  ge- 
sammten Kaiserstaates  geben,  und  ohne  sich  an  eine  chronologische 
oder  provineielle  Anordnung  zu  halten,  aus  allen  KronlSndern  das 
Bedeutende  und  minder  Bekannte  geben.  Den  Abbildungen  werden 
besondere  Aufnahmen  zu  Grunde  gelegt,  die  milbigen  historischen 
und  antiquarischen  Erläuterungen  in  einfacher,  allgemein  verständ- 
licher Sprache  gegeben  und  nichts  unterlassen,  was  nicht  bloss  auf  den 
Gelehrten,  sondern  auch  auf  die  Geistlichen  und  Laien,  die  Künstler 
und  Kunstfreunde  anregend  und  nutzbringend  wirken  könnte.  Niemand 
wird  in  Abrede  stellen  können,  dass  die  genannten  Herausgeber  zu 
solch  einem  Unternehmen  besonders  befähigt  sind.  11  e  id  er  und  Eitel- 
beiger  haben  in  der  Reihe  der  Kunslgelehrten  Deutschlands  schon 
vielfache  Verdienste  sieh  erworben,  Hieser  durch  ausgeführte  Bauten 
und  seine  Studien  über  die  mittelalterlichen  Bauformen  sich  einen 
ehrenvollen  Namen  erworben.  Alle  Drei  beseelt  gleicher  Eifer  für  das 
Gedeihen  des  Werkes,  und  das  grosse  Vertrauen,  welches  die  Mini- 
sterien selbst  in  ihre  Leistungsfähigkeit  durch  eine  lebhafte  Unter- 
stützung und  Förderung  setzen,  bildet  zugleich   die   Bürgschaft,  dass 


HG 


sie  alle  Anstrengungen  machen  werden,  um  das  Werk  zu  einem  glück- 
lichen Abschlüsse  zu  bringen.  —  Das  erste  eben  erschienene  Heft 
der  Mittelalterliehen  Kunstdenkmale  des  österreichischen  Kaiser- 
staates" beginnt  mit  dem  Stifte  von  Heiligenkreuz.  Der  Text  ent- 
hält vorläufig  eine  historische  Einleitung  von  J.  Feil  mit  Andeutun- 
gen über  die  Eigentümlichkeiten  der  Satzungen  des  Cistercienser- 
Ordcns  in  Bezug  auf  Bau  und  Hinrichtung  der  Klöster  und  Kirchen 
dieses  Ordens.  Wer  die  Arbeiten  dieses  Forschers  kennt,  wird  im  Vor- 
aus wissen,  dass  sie  mit  einer  Gründlichkeit  und  Gewissenhaftigkeit 
in  Bezug  auf  die  Benützung  der  Quellen  abgefasst  sind  ,  welche  auch 
den  strengsten  Anforderungen  zu  genügen  im  Stande  sind.  Hiebei 
kommt  noch  der  Umstand  in  Betracht,  dass  es  bis  jetzt  an  einer  ähn- 
lichen Darstellung  gänzlich  gemangelt  hat  und  wir  in  den  inneren  Or- 
ganismus eines  Ordens  Einsieht  erlangen,  welcher  in  der  Geschichte 
der  Klöster  sowohl  in  Deutschland  als  in  seinem  Mutterlande,  in 
Frankreich,  einen  hervorragenden  Platz  einnimmt  und  die  Darstellung 
dieses  Organismus  auch  für  das  Verständniss  derBau-Anlage  von  derlei 
Klöstern  von  grösster  Wichtigkeit  ist.  Die  Baugeschichte  von  Heiligen- 
kreuz selbst  haben  wir  in  dem  2.  Hefte  zu  erwarten.  —  An  Abbil- 
dungen bringt  das  vorliegende  Heft  den  Grundriss  des  Stiftes,  die 
vordere  Ansieht  der  Stiftskirche  mit  ihrer  eigenthümlichen  romanischen 
Gliederung,  dann  eine  perspektivische  Ansicht  des  Kreuzganges  und 
eine  Tafel  mit  farbigen  Glasfenstern  aus  dem  Brunnenhause.  Diese 
Abbildungen  lassen  mit  Zuversicht  erwarten,  dass  es  hier  nicht  auf 
eine  ehablonenartigc  Behandlung  des  Stofl'es,  sondern  auf  eine  durch 
Treue,  Charakteristik  und  Geschmack  sich  auszeichnende  Auffassung 
der  Kunst-Ohjecte  abgesehen  ist.  —  Nach  diesen  Andeutungen  bedarf 
das  Werk  wohl  keiner  Empfehlung  und  wir  wünschen  nur,  dass  es  in 
den  weitesten  Kreisen  Eingang  und  Beachtung  findet.  Der  Preis  jedes 
einzelnen  Heftes  ist  sehr  massig  gehalten,  wenn  man  die  bedeutenden 
Kosten  in  Anschlag  bringt,  welche  solch'  ein  Unternehmen  in  Anspruch 
nehmen.  —  Zu  besonderem  Danke  müssen  endlich  alle  Kunst-  und 
Alterthumsfreunde  Österreichs  dem  Verleger  verpflichtet  sein,  wel- 
cher dem  Unternehmen  bedeutende  Mittel  zuwendet  und  dasselbe  mit 
ausserordentlichem  Geschmacke  ausstattet.  Zu  beklagen  bleibt  es 
aber  nur,  dass  wir  keinem  der  österreichischen  Buchhändler  diesen 
Dank  abzustatten  in  die  Lage  gesetzt  wurden.  K.  W. 


A.  Reichensperger:  „Vermischte  Schriften  über  christliche 
Kunst-,  Leipzig  185G.  8.  586  S.  nebst  8  Tafeln  Abbildungen. 

Der  Inhalt  des  vorliegenden  Buches  ist  zumeist  während  eines 
längeren  Zeitverlaufes  theils  in  periodischen  Schriften,  theils  in  Bro- 
schürenform veröffentlicht  worden,  und  schliesst  sieh  ergänzend  und 
Einzelnes  liefer  begründend  zwei  früheren  Schriften  des  Verfassers: 
„Die  christlich-germanische  Baukunst  und  ihr  Verhältniss  zur  Gegen- 
wart" (2.  Auflage,  Trieri852)  und  „Fingerzeige  auf  dem  Gebiete  der 
kirchlichen  Kunst"  (Leipzig  18:;:;)  an.  It  eich  cns  per  ger's  Name  ist 
mit  allen  in  Deutschland  lebendig  gewordenen  Bestrebungen  zur 
Wiederaufnahme  der  kirchlichen  Kunst  des  Mittelalters  enge  ver- 
knüpft, er  ist  einer  der  rüstigsten  und  unermüdlichsten  Vorkämpfer 
dieser  Richtung,  der  mit  seltenem  Freimuthe  und  mit  einer  Ausdauer, 
die  nur  aus  einer  tiefbegründeten  Überzeugung  hervorgehen  kann, 
gegen  alle  Verkehrtheiten  auf  dein  Gebiete  der  kirchlichen  Kunst  mit 
äeharfen  Waffen  ankämpft.  Alle  seine  Aufsätze  sind  daher  mehr  oder 
weniger  polemisch,  es  ist  ihm  nicht  bloss  um   die  Erveiterung  des 


kunstgeschichtlichen  Stoffes  zu  thun,  sondern  insbesondere  darum, 
durch  dieselbe  auf  die  Ausrottung  von  Irrthüiucrn  hinzuwirken  und 
allenthalben  das  Bessere  anzubahnen.  Die  Erziehung  der  künstleri- 
schen Jugend  auf  Akademien,  die  Berührung  der  Kunst  mit  dem  Lehen 
durch  Kunstvereine  und  Museen,  die  Ausübung  der  Kunst,  insbeson- 
dere der  Architektur  durch  die  hui  eaukralischen  Organe  des  Staates, 
im  Gegensatze  zu  der  durch  die  mittelalterliche  Bauhütte  vermittelten 
Thäligkeit  unserer  Vorfahren,  die  Restauration  geschichtlicher  Bau- 
denkmale, die  Baubestrebungen  unserer  Gegenwart,  und  vieles  An- 
dere, was  auf  das  künstlerische  Leben  der  Neuzeit  Bezug  nimmt,  ist 
Gegenstand  eingehender  Kritik,  verbunden  mit  Vorschlägen  zum  Neu- 
baue der  morsch  gewordenen  Verhältnisse. Vorwiegend  linden  wir  diese 
Richtung  in  den  Abhandlungen,  womit  dieses  Werk  beginnt  und  in 
den  „zerstreuten  Aufsätzen",  wobei  wir  jedoch,  um  nicht  missver- 
standen zu  werden,  daraufhinweisen  müssen,  dass  Reichensperger 
nicht  bloss  in  raisonnirender  Ästhetik  sich  bewegt,  sondern  durchweg 
eine  reiche  Fülle  kunstgeschichtlichen  Stoffes  beibringt,  für  deren 
Eröffnung  dankbar  zu  sein  wir  alle  Ursache  haben.  Unter  der  Abthei- 
lung: „Kunstliterarisches"  linden  wir  eine  Reihe  Anzeigen  von  Wer- 
ken, die  sich  vorzugsweise  mit  der  christlichen  Kunst  beschäftigen. 
Die  Aufnahme  dieser  Besprechungen  in  den  Inhalt  dieses  Buches 
sucht  der  Verfasser  in  nachfolgender  Weise  zu  rechtfertigen:  „Die 
Beherrscher  des  literarischen  Marktes  sind  bekanntlich  durchweg  (?) 
der  christlichen,  insbesondere  der  kirchlichen  Richtung  nichts  weni- 
ger als  hold;  demnach  arbeiten  denn  auch  unsere  Zeitungen  und  Zeit- 
schriften fast  ausschliesslich  für  jene  Bildung,  welche  vor  einigen 
Jahren  dem  „ewigen  Juden"  nachlief,  und  jetzt  dem  Tom  Pouce,  den 
Azteken  und  sonst  irgend  einer  Missgeburt  Beifall  klatscht;  die  Er- 
zeugnisse des  modernen  Pinsels,  das  Ballet  und  die  Oper  figuriren 
allein  unter  der  Rubrik:  Kunst,  oder  bilden  für  sie  doch  jedenfalls 
deren  Culminationspunkt.  Alles,  was  nicht  zu  dieser  Fahne  schwör!, 
oder  gar  dagegen  ankämpft,  wird  systematisch  ignorirt.  Denen  nun, 
welche  solcher  Strömungsich  nicht  unbedingt  hingeben  wollen,  wird 
es,  denke  ich,  erwünscht  sein,  durch  die  gedachten  Artikel  eine  sum- 
marische Kennfniss  von  demjenigen  zu  erhalten,  was  in  neuerer  Zeit 
zusammengetragen  und  aufgebaut  worden,  um  einen  Damm  gegen  die- 
selbe zu  errichten."  Mit  diesem  Vorhaben  scheint  uns  aber  das  unter 
der  Rubrik:  „Kunstliterarisches"  Gebotene  nicht  ganz  im  Einklänge 
zu  stehen,  denn  manche  dieser  Anzeigen  tragen  denn  doch  zu  sehr 
den  Stempel  flüchtiger  Besprechung,  als  dass  ihr  Wiederabdruck  mit 
dem  Vorbedachte  eines  damit  zu  erreichenden  Zweckes  gerechtfertigt 
erschiene,  andererseits  dürfen  wir  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  die 
Summe  des  Besprochenen  nicht  im  Entferntesten  mit  dem  Reichtbum 
dessen  im  Einklänge  steht,  was  in  neuerer  Zeit  auf  diesem  Gebiete 
geleistet  wurde,  so  dass  der  Leser  wohl  kaum  hieraus  die  in  Aussicht 
gestellte  „summarische  Kenntniss"  erlangen  dürfte.  Den  Sehluss  dieses 
Werkes  bilden  die  bekannten  Reden,  welche  Reichensperger  in 
den  Jahren  1852—1853  in  der preussischen  Kammer  zum  Besten  der 
Kunst  und  ihrer  Schöpfungen  hielt  und  Berichte  in  Didion's  :  „Annnies 
areheologiques"  über  Kunst  und  Archäologie  in  Deutschland.  Schliess- 
lich dürfen  wir  das  Wohlwollen  nicht  unerwähnt  lassen,  welches  Rei- 
chensperger für  die  literarischen  Kunstbestrebungen  des  Kaiser- 
staates in  dem  Artikel:  „Artistisches  aus  Österreich"  kund  gibt.  Wir 

wünschen  sonach  diesem  Sammelwerke,  welches  durch  Stoff  und  Form 
gleich  anregend  wirkt,  die  verdiente  Beachtung  und  Verbreitung.  Die 
Ausstattun"  jst,  wir  Alles,  was  die  Firma  T.  O.Weigel  an  derSlirne 

trägt,  ausgezeichnet. 

II. 


\u-  der  k.  I;.  Hof-  und  i  ickerei  in  Wien. 


Jeden  Monat  erscheint  1  Heft  zu 
1  bis  2  Druckbogen  mit  Abbil- 
dungen. 
Der  Pranumeratiunspreis  ist  für 
einen  Jahrgang-  oder  zwölf  Hefte 
nebst  Register  sowohl  für  Wien 
als  die  Kronländer  und  das  Ausland 
4  fl.  C.  M.  ,  bei  portofreier 
Zusendung  in  die  Kronländer  der 
österr.  Monarchie  4  fl.  20kr.  CM. 


MITTHEILUNGEN 


DER  K.K.  CENTRAL-COMMISSION 


n 


Pränumerationen  überneh- 
men halb-  oder  ganzjährig 
alle  k.k.  Postämter  der  Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
Zusendung  der  einzelnen  Hefte 
besorgen.  —  Im  Wege  de*  Buch- 
handels sind  alle  Pränumerationen 
nnd  zwar  nur  zn  dem  Preise  tod 
4  fl.  an  den  k.  k.  Hofbuehbäudler 
ff.  HrauiniillfT  in  Wien  zu  richten. 


Ukiuii 
unter  der  Leilung  des  k.  k.  Sections-Chefs  und  Präses  der  k.  k.  Central-CommissioD  Karl  Freilierni  v.  Czoernig. 


Redacteur:    Karl  Weiss. 


N2--7. 


I.  Jahrgang. 


Juli  1856. 


Inhalt:  Zur  Orientirung  auf  dem  Gebiete  der  Baukunst  und  ihrer  Terminologie.  Von  R.  v.  Eitelberger.  —  Übersieht  der  kirchlicheil  Bau- 
denkmale in  Kärnten.  Von  Gottlieb  Freib.  v.  Ankershofen.  —  Decennal -Aufzeichnung  der  archäologischen  Funde  in  Siebenbürgen 
vom  Jahre  1845  bis  1855.  Von.  M.  J.  Ackner.  (Fortsetzung.)  —  St.  Kümmernuss.  Von  Jos.  Bergmann.  —  Die  Unterbauten  des 
Diocletian'seheu  Kaiserpalastes  in  Spalatro.  Von  B.  v.  E.  —  Der  gothische  Brunnen  in  Kuttenberg.  Von  K.  W.  —  Notizen. 


Zur  Orientirung  auf  dem  Gebiete  der  Baukunst  und  ihrer  Terminologie. 

Von  R.  v.  Eitelberger. 

III. 

Der  romanische  Baustyl  im  Vcrhältniss  zu  den  anderen  Baustilen  des  Mittelalters. 

Sulpice  Boisseree  war,  wenn  ich  nicht  irre,  der  dieser  Aufgaben  der  Traditionen  der  Kunst,  der  Einsieht  in 

erste  in  Deutschland,  der  sich  des  Ausdruckes  „romanisch"  die  construetiven  Elemente,  in  Mechanik  und  Geometrie  und 

für  eine  Reihe  von  Baudenkmalen  des  Mittelalters  bedient  in  die  gesammte  Technik  bemächtigt,  ist  sie  von  selbst  schon 

hat,  für  die  es  entweder  an  einer  anerkannten  gemeinsamen  auf  einen  Standpunkt  gerückt,  der  mit  dem  Bildungsgange  der 

Bezeichnung  mangelte,  oder  die   man   theils  byzantinisch.  Menschheit  im  Grossen  im  innigeren  Zusammenhange  steht, 

theils  in  verschiedenen  Ländern  verschieden  bezeichnete,  als  ihre  Schwesterkünste :  Sculptur  und  Malerei.  Diese  sind  in 

Man  nannte  und  nennt  theihveise  noch  die  älteren  Bauten  Form  und  Farbe,  in  Costüme  und  Gerätschaften  vielfach  an 

in  England  altsächsisch,  angelsächsisch,  die  jüngeren,  roma-  das  gebunden,   was  unmittelbar  im  Volksleben  vorliest  und 

nisch;  in  Frankreich  byzantinisch,  normannisch;  in  Italien  können  ganz  und  gar  nie  über  dasselbe  hinaustreten.  Die  Ar- 

nach  den  verschiedenen  Ländern  byzantinisch,  lombardisch,  chitektur  entwickelt  Formen  und  Ideen,  die  über  ein  einzelnes 

arabisch-normanisch  u.  s.  f.  Gegenwärtig  hat  mau  mit  sehr  Volkslehen  hinausgreifen.  Schon  die  Tempel-Architektur  der 

geringen  Ausnahmen  die  Einzelnamen  fallen  gelassen,  und  Griechen   und   die   Monumental-Architektur   der  Römer  hat 

dafür  den  Ausdruck  „romanisch"  adoptirt.  diese   Mission    erfüllt:    sie   hat  (".riechen  und  Römer  Qber- 

Was  man  mit  dieser  Bezeichnung  gewonnen  hat.  liegt  dauert,  obwohl  die  religiösen  Grundlagen  derselben  wenig 

klar  vor.  Man  hat  damit  vorerst  eine  allgemeine  Bezeich-  allgemeine  uml  wie  alle  Natur -Religionen  viele  locale  und 

nung  für  eine  Reihe  von  Monumenten  gewonnen,   die  der  rein-nationelle  Elemente  in  sich  schlössen. Das  Christenthum, 

christlich-mittelalterlichen  Culturentwickelung  des  Oecidcn-  das  seinem  Wesen  nach  völkerbefreiend  und  die  nationeile 

tes  angehören;   man  tritt  damit  der  Ansicht  entgegen,   als  Schranke  durchbrechend,  wirkte,  hat  von  Anfang  an  der  Ar- 

wäre  die  mittelalterliche  Architektur  bloss   die  Frucht  des      chitektur  eine   höhere  Mission  zugewiesen,   die  \ lieser 

nationalen  oder  individuell -künstlerischen  Geistes,  als  habe  auch  erfüllt  wurde.  Schon  dieser  allgemeinen  Grundlage 
es  im  Mittelalter  kein  allgemein  verbindendes  und  allge-  wegen,  welche  die  ganze  mittelalterliche  Architektur  im 
mein  bildendes  geistiges  Medium  gegeben.  Dieses  letztere  Christenthume  I  in  der  nicht  auf  Bedürfnisse  eines  ein- 
Resultat, wenn  auch  scheinbar  nur  ein  negatives,  ist  gerade  zelnen  Volkes  berechneten  Organisation  der  katholischen 
für  die  Architektur  des  Mittelalters  von  hohem  Belange.  Wenn  Kirche  erhielt,  konnte  das  nationelle  Element  nicht  so  in  den 
irgend  eine  Kunst,  so  ist  es  die  Architektur,  welche  die  Gemein-  Vordergrund  treten,  wie  es  bei  den  Ägyptern,  den  Griechen 
samkeit  geistiger  Bestrebungen  auf  einem  über  dem  rein-  oder  Römern  der  Fall  war,  und  desswegen  auch  kann  man 
nationalen,  stehenden  Standpunkte  darthut.  Indem  sie  in  bei  keinem  der  Baustyle  des  Mittelalters ,  weder  beim  roma- 
Kirchenbauten  Bedürfnisse  der  Gesellschaft  befriedigt,  die  tischen  noch  gothischen .  noch  der  früheren  innerhalb  des 
über  localen  Elementen  stehen,  indem  sie  sich  zur  Lösung  Mittelalters   stehenden   Renaissance  von    Nationen   in   dem 


IG 


18 


Sinne  ausgehen,  wie  es  öfters  gescheuten  ist.  Der  romanische 
Styl  ist  so  wenig  das  Producl  der  künstlerischen  Thätigkeil 
der  Angelsachsen  oder  der  Normannen,  der  Pranken,  der 

I gobarden  oder  irgend  eines  einzelnen  Volksstammes,  als 

der  gothische  Styl  specifisch  nur  der  Stylausdruck  der  Deut- 
schen, oder  der  Franzosen  oder  der  Engländer  ist.  obwohl 
;dle  diese  Nationen  die  Erfindung  desselben  für  sieh  als  aus- 
schliessliches Eigenthum  beansprucht  Indien.  Der  romanische 
Baustyl  wie  der  gothische,  gehört  demComplex  der  Na- 
tionen an,  die  vorherrschend  romanisch -germanischen  Ur- 
sprunges, Träger  der  Culturentwickelung  im  .Mittelalter  und 
zwar  vorzugsweise  in  jenem  Fache  gewesen,  in  welche  die 
Entwicklung  dieser  Style  stattfand :  für  den  romanischen  Styl 
ist  diese  Epoche  begränzt  durch  Karl  den  Grossen  und  den 
letzten  Sprossen  des  Geschlechtes  der  Hohenstaufen.  —  Aller- 
dings hat  das   nationale  Element  auf  die  Entwickelung  und 

die  Formen  des  r anischen  Baustyles  Einfluss  gewonnen. 

und  das  Angelsächsische,  Normanische,  Italienische,  Deutsche 
tritt  in  denselben  mit  grösserer  oder  geringerer  Deutlichkeit 
hervor.  Aber  diese  Verschiedenheiten  sind  dem  Grundtypus 
des  romanischen  Styles  gegenüber  das,  was  die  Mundarten 
einem  Sprachstamme  gegenüber  sind.  Durch  jene  wird 
dieser  nicht  abgeschwächt,  sondern  er  erhält  nur  Vielseitig- 
keit, Beweglichkeit,  Leben,  und  so  verleihen  die  verschie- 
denen localen  oder  landschaftlichen  Formen  des  romanischen 
Styles  diesem  seinen  Beichthum  au  Ideen  und  seine  Fülle 
der  Ornamentik.  Mit  dem  Bezeichnen  der  gemeinschaftlichen 
Merkmale  in  dvr  allgemeinen  Bezeichnung  „romanisch"  soll 
daher  auch  nichl  gesagl  sein,  als  ob  die  allgemeine  Kunst- 
und  Weltanschauung,  welche  ihm  zu  Grunde  liegt,  ab- 
schwächend auf  die  Nationen  gewirkt  hat.  Im  Gegentheil, 
diese  sind  dadurch  gebildet,  gehoben,  mit  neuen  Impulsen 
zu  frischer  Thätigkeit  versehen  worden. 

l'm  den  romanischen  Baustyl  gehörig  zu  würdigen, 
nniss  mau  sein  Verhältniss  zu  den  anderen  christlichen  Bau- 
shirn bestimmt  in  das  Auge  fassen,  insbesondere  das  zur 
altchristlichen  liasilica,  zum  byzantinischen 
Kuppelbau,  und  /.um  gothischen  Style. 

Di!'  altch  ristliche  liasilica  hat  zuerst  den  roligio- 
s.-n  Bedürfnissen  einer  gegliederten  Gesellschaft  des  Christen- 
thuins  und  der  Kirche  Ausdruck  gegeben.  Wie  diese  selbst, 
insoferne  sie  auf  das  göttliche  Wort  begründet  sind,  unver- 
änderlich sind,  so  hat  auch  der  romanische  Styl  sich  in 
seinen  Können  an  das  anschliessen  müssen,  was  in  der  Basi- 
lica  schon  ausgebildet,  sich  als  Tradition  im  gesammten 
Kirchenbau  erhalten  hat.  Er  halle  die  christliche  Kirche 
nicht  erst  zu  erfinden,  sie  war  schon  da  gewesen.  Er  hatte 
nur  fortzubilden,  und  dort  Neues  zu  schaffen,  wo  neue  Be- 
dingungen zu  erfüllen  vorlagen,  und  die  Bauweise  sich  diesen 
neuen  Bedingungen  gemäss  andern  musste.  Daher  die  grosse 
Verwandtschaft  des  romanischen  Styles  vorzugsweise  des 
früh-romanischen  mit  der  Basilica  und  insbesondere  dort,  wo 
er  sich,   wie   in  Italien   und  Gallien,  aus  den   Traditionen 


römisch-antiker  Bautechnik  herausbilden  musste.  Wirwerden 
spater,  wo  wir  über  die  liauforinon  des  romanischen  Styles 
detaillirter  sprechen  wollen,  Gelegenheit  haben,  eine  Beihe 
von  Beispielen  anzuführen,  welche  die  Verbindung  der  Ba- 
silica mit  den  romanischen  Kirchen,  und  die  Verwandtschaft 
der  Bautechnik  und  der  Bauformen  in  beiden  Stylen  nach- 
weisen. Trotzdem  aber  geboren  die  Basilica  und  die  roma- 
nische Kirche  zwei  verschiedenen  Epochen  der  Weltge- 
schichte an  :  die  altchristliche  Basilica  ist  mit  dein  byzanti- 
nischen Kuppelbau  die  Bauform  der  altchristlichen  \  öiker 
vor  und  unmittelbar  nach  der  Völkerwanderung,  der  roma- 
nische Styl  ist  die  Bauform  der  Völker  des  oecidentalen 
Mittelalters;  die  Basilica  stellt  mitten  in  der  römischen  Ball- 
technik und  in  den  römischen  Stylformen;  der  romanische 
Styl  emaneipirt  sich  Schritt  für  Schritt  von  diesen,  und  gibt 
den  Kunstbestrebungen  der  jungen  mittelalterlichen  Völker 
einen  neuen  lebensfrischen  Ausdruck. 

Das  Verhältniss  des  byzantinischen  Styles  zum 
romanischen  ist  in  kurzen  Umrissen  jüngst  erörtert  worden. 
Die  Bedeutung  des  byzantinischen  Styles  kann  nicht  so  hoch 
angeschlagen  werden,  dass  man  ihm  den  romanischen  ge- 
wissermassen  unterordnen  konnte,  noch  ist  er  so  tief  zu 
setzen,  dass  man  ihn,  wie  ein  französischer  Archäolog  ge- 
than.  nur  als  „romain  degenere",  betrachten  könnte.  Dege- 
nerirt-römisch  ist  im  Ost-Römischen  nur  seine  Ornamentik, 

seine  Mosaiken  und  Wandgemälde,  thoilw  eise  seine  Balltechnik  : 
im  Constructiven  hat  er  ein  neues  fruchtbares  Element  in 
i\t-n  Langbau  der  Basilica  hineingebracht  —  die  Kuppel.  An 
einzelnen  Punkten  insbesondere  in  Ravenna  hat  er  sich  auch 
in  den  ornamentalen  Tbeilen  in  so  weit  emaneipirt,  dass  die 
Bezeichnung  „romain  degenere"  auf  ihn  nicht  passt.  Wenn 
man  wie  es  de  Yerneilh  thut.  das  byzantinische  geogra- 
phisch abgränzt,  und  unter  byzantinische  Bauten  jene  ver- 
steht, welche  seil  .lustinian  dortigebaut  wurden.  WO  byzan- 
tinische Kaiser  regierten  und  byzantinische  Civilisation 
herrschte,  SO  wird  von  selbst  die  ganze  occidentalische  katho- 
lische Welt  des  Mittelalters  aus  dem  Umfange  des  Byzanti- 
nismus ausgeschlossen. 

Für  uns  ist  der  Gegensatz  des  Romanischen  mit 
dem  Gothischen  hei  w eiiem  von  grösserer  Wichtigkeit, 
als  der  des  Romanischen  mit  dem  Byzantinischen;  da  handelt 
es  sich  um  Bekämpfung  einer  Beihe  von  Vorurtheilen,  die 
sieh  in  unseren  Ländern  unter  Künstlern  und  Laien,  Ge- 
lehrten und  Ungelehrten  festgestellt  haben. 

Der  romanische  wie  der  gothische  Styl  sind  die  Frucht 
desselben  in  ununterbrochener  historischer  Continuität  wirken- 
den Gedankens,  sie  sind  das  Resultat  der  Kunstbestrebungen 
derselben  Völker,  gleicher  Religionsanschauungen,  gleicher 
krichlich er  Institutionen;  ihnen  liegt,  wieSchnaase  sieh 
ebenso  geistreich  als  richtig  ausdrückt .  ein  gern  ei  nschaft- 
I  ich  es  K  u  n  s  i  i  i|  e  a  I  zu  Grunde. 

\\  enn  sieh  unterden  Architekten  der  Gegenwart  /.»  ei  Par- 
teien belinden,  von  denen  die  Eine  für  den  allein-kirchliehen 


119 


romanischen  Styl,  und  die  Andere  für  den  allein-christlichen 
gothischen  Styl  schwärmt,  so  charakterisirt  diess  die  Archi- 
tekturzustände unserer  Zeit;  diess  sollte  aher Niemanden  den 
richtigen  Einblick  in  die  wirkliche  historische  Entwicklung 
dieser  Style  trüben.  Jeder  Partei- Standpunkt  einer  Zeit 
trübt  das  historische  Urtheil  —  in  der  politischen  Geschichte 
nicht  minder,  als  in  der  Kunstgeschichte.  Niemand  wird  es 
dem  verdienten  Architekten  Hübsch  verargen,  wenn  er  in 
seiner  Begeisterung  für  den  altchristlichen  und  romanischen 
Baustyl  in  einem  gothischen  Bau  „nicht  mehr  einen  durch 
Mauern  geschlossenen  Bau  sondern  ein  Glashaus  sieht, 
worin  sich  sämmtliche  zwischen  den  Pfeilern  befind- 
liche Wandflächen  in  lauter  Fenster  verwandelt  haben »)"  und 
Niemand  wird  bei  einem  Künstler  wie  Pugin,  der  ein 
ganzes  grosses  und  reiches  Künstlerleben  der  Gothik  gewid- 
met hat,  in  Staunen  gerathen,  wenn  er  die  Gothik  allein  fin- 
den kirchlich  berechtigten,  constructiv-rationellen  Styl  hält. 
Jeder  Architekt  fonnulirt  sich  in  unseren  Tagen  sein  künst- 
lerisches Glaubensbekenntniss  nach  seiner  besten  individu- 
ellen Überzeugung,  bei  der  er  sowohl  von  seinem  subjeetiven 
Geschmaeksurtheile,  als  auch  von  dem  Verhältnisse  der  An- 
forderungen seiner  Zeit  an  die  Kunst  geleitet  wird.  Hübsch 
findet  letztere  vollkommen  befriedigt  in  einer  entsprechenden 
Anwendung  des  vor -romanischen  Styles;  Schinkel  und 
Bötticher  modificirten  das  Griechische  für  das  XIX.  Jahrhun- 
dert; Pugin,  Heideloff  und  Andere  sprechen  in  dem- 
selben Sinne  für  die  Gothik,  wieder  andere  sind  mehr  oder 
minder  geschmackvolle  Eklektiker  geworden.  Die  Kunst 
früherer  Jahrhunderte  kann  mit  dem  Massstabe  moderner 
Kunstanschauungen  nicht  gemessen  werden.  Viele  Gothiker  und 
viele  Anhänger  des  romanischen  Styles  haben  auch  entweder 
das  ausschliessliche  Vorrecht  auf  Kirchlichkeit  oder  wenig- 
stens die  Kirchlichkeit  par  excellcnce  für  ihren  Styl  in  An- 
spruch genommen,  obwohl  die  Kirche  sich  nie  für  einen 
bestimmten  Baustyl  ausgesprochen,  in  Kirchen  aller  Styl- 
richtungen ihre  Mysterien  feiert,  und  der  Papst  seit  Jahr- 
hunderten in  der  Peterskirche  pontificirt,  welche  die  Anhän- 
ger aller  dieser  genannten  Baustyle  als  ihrer  subjeetiven 
kirchlichen  Anschauung  widerstreitend  und  gebaut  in  einem 
für  die  Kirche  unpassend  gewählten,  um  nicht  zu  sagen  un- 
kirchlichen Baustyl  halten.  Die  Gothiker  wie  die  Anhänger  des 
romanischen  Styles  appeliren  endlieh  an  das  Nationalitätsgefühl. 
Engländer  sprechen  von  englischen,  Viol  le  t-le -Due  und 
einige  Franzosen  vom  französischen,  Deutsche  aller  Gauen 
vom  germanischen  Styl,  wenn  sie  den  gothischen  meinen; 
in  der  Normandie  hält  mau  den  romanischen  Styl  für  einen 
normannischen,  einige  deutsche  Architekten  für  einen  rein- 
germanischen, einige  italienische  für  einen  norditalienisch- 
lombardischen.  Und   doch   ist   diese  Appellation  au  ein  aus- 


i)  „Die  Architektur  und  ihr  Verhaltniss  zur  heutigen  Malerei  und  Seulnlur." 
„S.  88.  Pugin  ,,les  vraies  prineipes  de  L'architecture  chretienne." 


schliesslicb.es  Nationalitätsgefühl  ebenso  unrichtig,  als  die 
ausschliessliche  Besitzergreifung  eines  dieser  Style  im  Namen 
der  Kirchlichkeit  und  des  Kathulicismus. 

Dieser  Kampf  der  Meinungen  in  unseren  Tagen  einer 
kränkelnden,  hoffentlich  der  Genesung  entgegenschreitenden 
Architektur  berührt  die  gesunde  Entw  ickelung  der  Ar- 
chitektur des  Mittelalters  nicht.  Obgleich  die  romanische 
Baukunst  vorzugsweise  von  Mönchen  und  Clerikern  getrieben 
wurde,  so  ist  es  doch  Niemand  im  Mittelalter  eingefallen,  die 
romanische  Baukunst  als  „theokratisch  ihrem  Ursprünge 
nach"  im  Gegensatze  zum  gothischen  zu  bezeichnen,  wie  es 
der  genialste  und  hervorragendste  Schriftsteller  Frankreichs 
auf  dem  Gebiete  der  mittelalterlichen  Architektur  gethan  hat, 
und  obwohl  die  gothische  Baukunst  vorzugsweise  von  welt- 
lichen Baumeistern  geübt  wurde,  so  hat  ihr  im  Mittelalter 
desswegen  Niemand  eben  so  wenig  einen  weltlich-nationalen 
Charakter  beigemessen,  als  man  ihr  einen  vorzugsweise  reli- 
giösen Charakter  desswegen  beilegte,  weil  sie,  wenigstens 
in  Frankreich,  mit  der  religiösen  Begeisterung  der  ersten 
Kreuzzüge  und  der  Zeit  Ludwig  des  Heiligen  zusammenfiel. 
So  wenig  die  Architekten  des  Mittelalters  Doctrinäre  nach 
dieser  Richtung  hin  waren,  so  wenig  waren  sie  Theoretiker  und 
Doctrinäre  in  ihrer  Kunstübung  selbst.  Sie  waren  durch  keine 
Schultheorien  und  Handbücher  beirrt;  ihre  Schule  war  der  Bau, 
in  der  Hütte  war  Lehre  und  Übung  Eines.  Sie  hatten  keine 
neue  Architektur  zu  entdecken  und  fanden  einen  Schatz  von 
Traditionen  aller  Art  vor, die  sie  nur  fortzubilden  hatten,  der 
ihnen  in  Allem  und  Jedem  zu  Gute  kam.  Sie  waren  nicht  bloss 
Künstler  in  dem  Sinne,  wie  sich  in  unserer  Zeit  der  Gegen- 
satz zwischen  Künstler,  Baumeister  und  Ingenieure  festge- 
stellt hat ;  sie  hatten  von  der  Architektur  denselben  hohen 
und  umfassenden  Begriff,  den  die  Griechen  und  Römer  hatten 
und  den  Vitruv  ausspricht,  wenn  er  sagt:  ..Emu  et  ingeni- 
osum  esse  oportet  et  ad  diseiplinas  docilem;  et  ut  literatus 
sit,  peritus  graphidos,  eruditus  geometria  et  optices  non 
ignarus,  instruetus  arithmetica,  historias  complures  noverit, 
philosophus  diligenter  audiverit,  musicam  seiverit.  medicinae 
non  sit  ignarus."  Sie  kannten  die  Architekturzustände  be- 
nachbarter Länder,  und  waren  durch  Zunft-  und  Kastengeist 
weniger  beherrscht,  als  man  es  in  unseren  Tagen ,  in  denen 
man  die  Kunst  des  Mittelalters  als  Sache  des  Local-  oder 
Stammgeistes  betrachtet  wissen  will,  in  der  Hegel  glaubt. 
Es  ist  daher  gar  nicht  im  Geiste  des  Mittelalters  und  seiner 
Werke,  wenn  man  den  romanischen  Styl  vom  gothischen 
durch  eine  weite  Kluft  trennt:  denn  im  Mittelalter  gränzten 
sie  enge  an  einander,  und  gingen  langsam  in  einander  über, 
der  romanische  Styl  ist  nur  die  Vorstufe  des 
gothischen,  und  in  Vielem  —  nicht  in  Allem  und 
Jedem;  denn  manches  hat  die  Gothik  lallen  gelassen,  was 
eine  spätere  Zeil  entweder  aufgenommen  hat.  oder  wieder 
aufnehmen  wird  —  ist  in  der  Gothik  das  zur  Erfül- 
lung und  Vollendung  gek o in m e n ,  was  i m  R o in a- 
n i  sc  hen  nur  angedeutet  ist. 

IG' 


120 


Es  ist  daher  gar  nicht  im  Geiste  des  Mittelalters, 
wenn  man,  um  die  Geheimnisse  der  um»  iderstehlichen  Schön- 
heit und  Grösse  mittelalterlicher  Bauten  nachspürend,  sich 
in  theosophische  Anschauungen  oder  lern'  Gefühlssch wär- 
mereien verliert,  und  der  künstlerischen  und  technischen 
Aufgaben  vergisst,  zu  deren  Lösung  der  Architekt  und  eben 
nur  der  Architekt  berufen  war  und  ist.  Ls  ist  endlich  gar 
nicht  im  Geiste  des  Mittelalters,  wenn  man  auf  den  leben- 
digen Fluss  der  Kuustideen  des  Mittelalters  keine  Rücksicht 
nimmt,  und  ein  System  des  romanischen  oder  gothischen 
Styles  bloss  nach  Einer  Gruppe  von  Bauwerken  /..  IJ.  bloss  nach 
den  rheinischen  romanischen  Domen,  oder  den  französischen 
gothischen  Bauten  hinstellt,  und  nicht  auf  die  Variationen 
aller  Art  Rücksicht  nimmt,  die  theils  aus  der,  in  einem  be- 
stimmten Bau  zu  lösenden  Aufgabe,  theils  aus  landschaftlichen 
Bautraditionen  etc.  hervorgingen. 

Im  rumänischen  Style  vorzugsweise  müssen  die  Ein- 
flüsse, denen  die  Baukünstler  einzelner  Länder  ausgesetzt 
waren,  ins  Auge  gefasst  werden.  Die  Phantasie  der 
Völker,  welche  den  rumänischen  Styl  pflegten,  war  be- 
wegl  und  Eindrücken  leicht  zugänglich ;  sie  war  die  Phan- 
tasie junger  in  ihrem  Bildungsprocesse  befindlicher  Völker. 
1)iC  Völker  des  Südens  von  Europa,  der  Küstenländer  des 
mittelländischen  Meeres  waren  dem  Einflüsse  des  Orientes 
ausgesetzt,  der  während  der  Epoche  des  romanischen  Styles 
mehr  durch  die  glänzenden  Bauten  der  welterobernden  Araber 
als  durch  die  der  Byzantiner  auf  sie  wirkte.  In  Sicilien  und 
in  .Neapel,  in  Venedig,  Pisa  und  im  Florentinischen  ist  daher 
wie  in  Süd-Frankreich  ein  mein-  oder  minder  mächtiger  und 
nachhaltiger  Einfluss  vom  Oriente  aus  wahrnehmbar '). 


*)  Der  Einfluss  der  Araber  auf  den  Occident  ist  niehl  gering  anzuschlagen. 
Insbesondere  in  der  Ornamentik  und  in  den  Zeichnungen  zu  Stoffen,  etc. 
war  der  Einfluss  desselben  ein  nachhaltiger,  und  \  ieles  w  ml  noch  gegen- 
wärtig byzantinisch  gen: t,  w :i.  höchst  u  ahrscheinlich  besser  als  arabisch 

bezeiel i  w  erden  könnte.  Was  aber  Vio  1  le  t-1  e-D  u  c  in  seinem  meister- 
haften Dictionnaire  ins ■  de  l'architecture  etc.  Tom.  I,  p.  L19und  l'-U 

bewegt,  diesen  Einfluss  bis  auf  die  Zeiten  Kaiser  Karl  des  Grossen  zurück- 
zuführen, schein)  mir  unbegreiflich.  Kr  erzählt,  Karl  der  (O-osse  habe  -um 

seinen  Priestern,  Mathematiker I  Architekten  das  Zeichnen  zu  lehren, 

nothwendig  Professoren  aus  Byznnz,   Damascus  oder  Cordova  I n 

lassen,  und  di  i  chen  Samen,  in  den  Occident  unter  Völker  hinein- 
geworfen, die  inj  ■  :  nes  Genie  hatten,  musate  '-in.-  Kunsl  hervorrufen, 
d»'  wedei  i ii  noch  orientalisch,  die  aber,  von  diesen  zwei  Ursprün- 
gen ausgehend,  einen  neuen  s,,  lebenskräftigen  Stau irzeugen  mussten, 

dass  er  durch  zwei  Jahrhunderte  seine  Reste  bis  zu  jenen  Gegenden  bin 
ausbreitete,  aus  denen  er  hervorgegangen  ist."  Das  Verhältniss  Kaiser 
Karl  des  Grossen  zum  Orient  beschränk)  sich  auf  einige  wenige  Gesandt- 
schaften, die  er  aus  Byzanz  und  von  den  Arabern  empfangen,  auf  di     G 

nke  »ml  Prachtstoffen,  Leuchtern,  Uhrei -1  einem  Elephanten,  auf 

i  nicht«.  Durch  solche  Geschenke  aus  dem  Orient .  durch  die  Stoffe 

die  als  Handelswaare  häufiger  nach  dm eide ka n,   wurde  dei 

Sinn  für  Ornamentik,  die  Lust  des  Nachahmeng  geweckt,  aber  die  Archi- 
tektur als  solche  erhielt  dadurch  keine  Impulse,  im  späteren  Mittelalter 
freilich,  und  bei  einigen  wenig  kritischen  französischen  Geschichtsschrei- 
bern hal  das  Verhältniss  Kaiser  Karl  des  Grossen  /um  Oriente  gri 

I lischere  Propositi in  angenommen,  und  es  ist  bekannt,  dass  sich 

dieses  bis  zu  einem  Kreuzzuge   Kaisei    Karls   gesteigert   hat.    Bei   dem 
"'   ">"  St.  Gallen  findet  sich  aber  davon  kein,.  Spur.  Einhard,  dei 
in  seinen  Jahrbüchern    .las  Verhältniss  /.um   Oriente  am  ausführlii 


In  Frankreich,  am  Rheine,  dem  altrömischen  Gallien, 
in  England  muss  der  Einfluss  römischer  Bautraditionen  be- 
sonders  im   früh-romanischen  Style   ebenso   in   Erwägung 

gezogen  werden,  als  in  einem  grossen  Theile  der  Länder 
Deutschlands  und  Österreichs  der  gänzliche  oder  theilweise 
Abgang  antiker  Hauten  und  Hautraditionen  von  Bedeutung 
ist.  Im  österreichischen  Kaiserstaate  überhaupt  ( mit  Ausnahme 
der  jenseits  der  Alpen  gelegenen  Kronländer )  war  die 
römische  (ullur  nie  so  mächtig  gewesen,  als  in  Gallien 
und  England;  nördlich  der  Donau  war  sie  gar  nicht  vor- 
handen; es  sind  diese  Länder  seihst  in  die  nccidentaliseh- 
christliche  Culturbewegung  erst  spät  eingetreten.  Als  Karl 
der  Grosse  in  Aachen  den  noch  heute  bewunderten  Münster 


berichtet,  erwähn)  ebensowenig  etwas  von  einem  Kreuzzuge,  als  von  Pro- 
fessoren aus  Coiduva  und  Damascus;  erst  im  XI.  Jahrhundert  linde!  sieh 
in  der  Chronik  des  Benedict  von  St.  Andreas  die  Erzählung  von  dem 
Kreuzzuge  Karl  des  Grossen  und  von  der  „Karl's-Strasse".  In  den  Mo- 
numenten aus  der  Zeit  Karl  des  Grossen  liegt  gar  kein  Inhaltsj I 

um    arabische    Killflüsse    nachzuweisen.       \ 'iollel   le-llue .    der     in     diesen 

Dingen  ausschliesslich  französischen  Geschichtschreibern  folgt  .  schein) 
Karl  den  Grossen  mehr  als  einen  Franzosen,  als  einen  Deutschen  zu  be- 
trachten. Kr  geht  bei  seinem  im  architektonischen  Theile  sicher  unüber- 
troffenen Werke  von  dem  französisch-nationalen  Gesichtspunkte  aus,  mit 
dem  man.  wie  mit  jedem  bloss  nationalen  Standpunkt  in  der  Geschichte 
dei-  Uaukiiiist  des  Oeeidentes  nicht  ausreicht.  Ki-  betrachtet  mit  Vitel  und 
anderen  Franzoseo  die  liothik  als  die  Reaction  des  national-französischen 
Geistes,  gegen  den  älteren  gallo-römischen ,  und  kommt  nur  in  einige 
Verlegenheit  dort,  wo  er  die  grosse  Ausdehnung  mu\  den  systematischen 

Geist  des  i anischen  Styles  anerkei i iss,  wie  er  in  Speier,  Main/ 

und  Worms,  in  den  älteren  kölnischen  und  sächsischen  Hauten  auftritt. 
Allerdings  halle  die  Baukunst  Frankreichs  «ine  Epoche  .  wo  sie  gallo- 
lomisch  im  eigentlichen  sinne  des  Wortes  gewesen  ist.  und  der  in  Gallien 
begreiflicher  Weise  Traditionen  der  römischen  ßautechnik  gefolgt  ist. 
\lo-i-  schon  mit  derGründung  der  grossen  Klöster  von  Cluny  und  anderen 
grossen  Mittelpunkten  von  Kunstleben  ist  eine  Heaetion  gegen  das  rein 
gaUo-römische  eingetreten,  die  man  nicht  bloss  als  eine  t! kratisi  he.  son- 
dern auch  als  eine  kirchliche  und  nationale  anerkennen  muss.  Man  kann  diese 
meist  von  Klöstern  ausgehende  Regeneration  der  Kunst  nicht  bloss  als 
eine  Summe  byzantinischer,  arabischer  und  römischer  Einflüsse  betrachten, 

mau    muss    das    neue     Element    in    derselben,     die    Berechtigung    eines 

künstlerisch-systematischen  Ganzen,  das  zu  dem  Ausdrucke 
„Styl"  berechtigt,  anerkennen,  und  .lies,-  Regeneration  im  geschicht- 
lichen Zusammenhange  mit  dem  deutscheu  Reiche  und  mit  England  be- 
trachten.    Wir  weiden   auf  diese  Fragen,  in  so  weil  sie  durch  Yiollel-lc- 

Duc  neu  an   I  sind,  ausführlicher  in  jenen  Artikeln  zurückkomn 

welche      die      löithil,       behandeln .      und      die     Ansichten        dieses       heiwor- 

i  .senden  Schriftstellers  eingehender  den  Lesei n  dieser  Blätter  mitlheilen. 
Was  den  Einfluss  vom  Oriente  her  mit  dem  arabischen  Styl  betrifft 

citiren  wir  das  licsume    der    Ansichten  V  i  1  c  t's    (im    Journal    des    Savanls 

18S3,  p.  277),  auf  das  sich  Viollel-Ie-Duc  bezieht,  rollständig:  „Pour 
tont  resiimcs  cn  terminant.  nous  m-  orayona  pas  qu'en  France  il  y  ail 
jamais  eu,  s  proprement  parli  r,  une  architecture  byzantine,  c'est-ä-dire, 
une  famille  de  monuinents  entierement  coneus  batia  et  decores  ä  Porien- 
tale;  mais  nous  crayons ,  que  POrienl  a  exerce1  sur  nos  artistes  et  Mir 
notre  architecture  decorative  une  iuflueoce  d'ifbond  presque  insensible 

|i|s,|irail  \.  sie.-le.  puifl  BCtive  et  |iei  issaille.  i|uoiijlle  partielle  el  incolll- 
plete,     d.llls     les    ,|eu\     sn-eles      siii\aills.     i  [|  11  ucilcc  .     <|lli     HC    seiiaee    el     ne 

disparait  que  devanl  le  grand  mouvemenl  tont  national  du  Mll.  siede, 
devanf  cette  reaoti le  l'eapril  europeen  et   septemtrional   manifestee 

si  claii  eineill   datls  Pari   II  all.  als  du    lelnjis  tili  Sl.  I. Ollis-.  —  llic  loiuloi  inen 

die  Viollet-Ie-Duc  -ms  dei  Karotingischen  /.--ii  bringt,  /..  lt.  Capitäle  von 

Saint-Me \.  der  Krypta  von  St.  Etienne  d'Auxerre  (II.  p.  483,881), 

sind  ohne  atle  byzantinische  oder  orientalische  Kl tte,  und  nicht 

schwache  Versuche  spät-römische  CapiUH-Formen  wiederzugeben. 


—    121 


baute,  wie  wenig  Ansätze  christlicher  Cultur  waren  diesseits 
der  Alpen  in  diesen  weiten  Gebieten  der  heutigen  Monarchie 
vorhanden  an  «eiche  sich  ein  fruchtbarer  architek- 
tonischer Gedanke  hätte  anknüpfen  können?  Einer  der 
ältesten  Mittelpunkte  des  Christenthuins  und  der  Architektur 
war  in  Österreich  ohne  Zweifel  Salzburg.  In  späterer  Zeit 
sind  es  die  Klöster  geworden,  jedoch  weder  in  so  früher 
noch  so  umfassender  Weise,  wie  es  in  Cluny,  Fulda, 
Corbey,  Rcichenau,  St.  Gallen  u.  a.  m.  der  Fall  war*). 

Schliesslich  inuss  bemerkt  werden,  dass  der  Ausdruck 
„romanisch"  bei  Bauformen  eine  andere  Bedeu- 
tung bat,  als  derselbe  Ausdruck  bei  Sprachfor- 
men. Der  Baustyl  wird  nicht  romanisch  genannt,  weil  sich 
romanische  Völker  vorzugsweise,  dabei  betheiligt  haben.  Im 
Gegentheil ,  es  waren  dieselben  germanischen  oder  mit 
germanischen  Elementen  stark  vermischten  romanischen 
Völker,  bei  welchen  am  meisten  und  am  besten  im  roma- 
nischen Style  gebaut  wurde  und  bei  denen  später  der  go- 
thische  Styl  florirte.  Das  eigentliche  Land  der  treibenden 
Ideen  in  der  Architektur  des  früheren  Mittelalters  war  das 
Stammland  Karl  des  Grossen,  das  Land  zwischen  dem  Rheine 


und  der  Seine.  Italien  ist  später  Herrin  und  Vorkämpfern]  der 
gesammten  Kunstbewegung  geworden.  Es  blieb  in  den  Jahr- 
hunderten der  Herrschaft  des  romanischen  und  des  früh- 
gothischen  Styles  vorzugsweise  in  der  Architektur,  der 
Basilica  und  antiken  Traditionen  treu.  Der  Ausdruck  „ro- 
manisch" ist  wie  der  Ausdruck  „gothisch"  eine  wissen- 
schaftliche Fiction,  der  man  sich  gerne  lögt,  ohne  dabei 
in  Gefahr  zu  kommen,  die  Gothen  und  die  romanischen 
Völker  für  die  eigentlichen  Erfinder  dieses  Styles  zu  halten. 
Man  mag  den  Ausdruck  für  „rationalistisch"  erklären,  aber 
mir  scheint,  dass  sich  jene,  die  ihndesswegen  verwerfen,  mit 
dem  von  ihnen  empfohlenen  Ausdruck  „gallo -romanisch" 
ausserhalb  Frankreichs  keine  und  selbst  innerhalb  Frank- 
reich wenig  Freunde  erwerben  werden.  Der  Ausdruck  ..ro- 
manisch" deutet  sehr  gut  auf  den  antik-römischen  Styl,  der 
im  romanischen  besonders  in  der  Ornamentik  und  in  den  älte- 
sten Zeiten  auch  in  der  Technik  vorhanden  war,  wie  der  An- 
druck „gothisch"  auf  das  germanische  Element  deutet,  das 
sich  in  demselben  kundgibt.  Die  römische  Architektur  hat 
au  der  Wiege  des  romanischen  gestanden,  und  bei  ihm 
Pathenstelle  vertreten. 


Übersicht  der  kirchlichen  Baudenkmalle  in  Kärnten. 

Von  Gottlieb  Freiherrn  v.  Ankershof en. 


Die  nachfolgenden  Übersichten,  mit  denen  ich  dem 
Kunstforscher  das  zu  leisten  wünsche,  was  dem  Geschichts- 
forscher durch  vorläufige  Urkunden-Verzeichnisse  geleistet 
wird,  können  auf  Vollständigkeit  keinen  Anspruch  machen, 
da  ich  nur  solche  Bauwerke  aufnehmen  konnte,  die  ich  aus 
eigener  Anschauung  kenne,  oder  worüber  mir  Mittheilungen 
vorliegen,  denen  ich  vertrauen  zu  können  glaube.  Nach 
Massgabe  des  Erfolges  der  fortgesetzten  Forschungen  werden 
Ergänzungen  folgen. 

I.  Romanischer  Styl« 

1 .  Die  Abteikirche    des  Benedictine r-S t i f t e s 

St.  Paul  im  Lavantthale  bildet  eine  dreischiffige  Pfeiler- 
Rasilica  mit  Kreuzschiß',  einer  Krypta  unter  dem  hohen 
Chore  und  drei  Absiden.  Sie  ist  von  West  nach  Ost  orientirt, 
und  besitzt  zwei  die  Vorhalle  und  das  Hauptportal  in  der 
Westfronte  tlankirende,  viereckige  Thürme.  Das  Kloster 
von  Engelbert  II.,  Grafen  von  Sponheim-Lavanlthal ,  im 
Jahre   1083   gestiftet,  nahm   die  erste  Mönchscolonie  aus 


t)  Ich  erwähne  (Hess  ausdrücklich,  um  bei  der  Zeitbestimmung  eines  roma- 
nischen Monumentes  in  Ermanglung-  urkundlicher  Nachrichten  bloss  nach 
den  Baufomen  zur  Vorsicht  zu  mahnen.  Viele  Bauformen  treten  bei  uns 
später  auf  als  am  Rheine,  in  Schwaben,  in  Frankreich;  an  vielen  Orten 
hat  bei  uns  der  romanische  Styl  länger  gedauert .  als  in  den  genannten 
Ländern,  wo  die  Gothik  schon  in  voller  (lliithe  war.  während  bei  uns  im 
romanischen  Style  gebaut  wurde.  Auch  dort,  wo  urkundliche  Nachrichten 
über  einen  Hau  vorhanden  sind ,  muss  der  Charakter  des  Baustyles  selbst- 
ständig und  in  Verbindung  mit  ähnlichen  Hauten  bestimmt  werden.  Stim- 
men Urkunden  und  Bauformen  zusammen,  um  so  besser,  —  wo  nicht, 
muss  jede  für  sich  behandelt  werden. 


Girsau  auf,  ein  Umstand,  der  auf  die  Bauweise  von   Einfluss 

gewesen  sein  mag.  Die  erste  Kirchenweihe  fand  durch  Erz- 
es o 

bischof  Thiemo  von  Salzburg  am  4.  December  10D3  Statt. 
Die  Vollendung  des  Baues  dürfte  in  die  letzten  Decennien 
des  XII.  Jahrhunderts  zu  setzen  sein.  Dahin  deuten  die  mit 
Würfel-Capitälen  abwechselnden  Kelch-  und  Blätter  -Capi- 
täle  und  das  Eckblatt  auf  den  Basen  der  Halbsäulen,  welche 
den  Arcaden-Pfeilern  an  den  beiden  Seitenflächen  angesetzt 
sind,  um  einen,  dem  breitleibigen  Arcaden  -  Bogen  anterge- 
spannten  schmälern  Bogen  zu  tragen.  Das  Hauptportal  hat 
den  gedrückten  Spitzbogen,  das  Seitenportal  den  Rundbogen. 
Die  Kloster-Annalen  erwähnen  zum  Jahre  1307  eines  am 
Palmsonntage  (11.  April)  stattgehabten  verheerenden  Bran- 
des, der  sohiunigen  Herstellung  eines  gewölbten  Chores  und 
einer  Kirchenweihe;  zum  Jahre  1414  wird  aber  angeführt, 
dass  die  Kirche  mit  einem  schönen  Gewölbe  versehen  worden 
sei.  Das  Langhaus, mit  Ausnahme  des  letzten  östlichen  Qua- 
drates, hat  das  Netzgewölbe,  das  genannte  letzte  Quadrat; 
das  Kreuzschiff  und  der  hohe  Chor  haben  das  Kreuz- 
gewölbe ohne  Kippen,  die  Absiden  das  Kuppelgewölbe. 

2.  Der  Gurker  Dom  ist  gleichfalls  eine  dreischiffige 
Pfeiler-Basilica  mit  einem  hohen  Chore,  einem  Querschiffe 
ohne  Ausladung  in  Kreuzarme  und  drei  Absiden.  Die  Ne- 
benschiffe setzen  sich  Indien  dein  hohen  l'hmv  fort  und 
münden  in  das  Querschiff.  Die  Orientirung  ist  von  Westen 
nach  Osten.  Das  Hauptportal,  in  der  Westfront  von  zwei 
viereckigen  Thurinen  llankirl.  hat  den  Spitzbogen  und  ist  in 
eine  Fallmauer,  durch  welche  die  östliche  Öffnung  einer  nun 


I  22 


nichi  mehr  vorhandenen  äusseren  Vorhalle  geschlossen  w  urde, 
eingesetzt,  und  somit  ein  späterer  Umbau.  Das  Seitenportal 
in  der  südlichen  Umfangmauer  und  das  zweite  reichverzierte 
Hauptportal  zwischen  der  ersten  und  zweiten  inneren  Vor- 
halle haben  den  Rundbogen.  Die  erste  innere  Vorhalle  und 
der  ober  den  beiden  inneren  Vorhallen  erliante  alte 
Nonnenchor  bieten  einen  seltenen,  villi  denen,  welche  die 
Kostenverwaltung  beim  Domcapitel  leiten,  leider  nicht  be- 
achteten Reiehthum  au  sinnvollen.  typologischen  und  sym- 
bolischen Wand-  und  Deckengemälden  romanischen  Styles. 
—  Ilemina,  im  .Jahre  1015  bereits  Witwe  des  älteren 
Grafen  Wilhelm  von  Friesach,  seit  dem  Jahre  1036  kinder- 
los, ist  die  Erbauerin  einer  Kirche  S.  Maria  Gurk  und  1042 
Stifterin  des  Nonnenklosters  in  Gurk.  Die  erste  Kirchenweihe 
geschah  durch  Erzbischof  Balduin  von  Salzburg  am  15.  Aug. 
1042.  Die  Gründerin  Ilemina  starb  1045.  In  das  J.  1071 
fällt  die  Errichtung  des  Bisthumes  Gurk  durch  Erzbischof 
Gebhard  von  Salzburg.  Am  G.  März  1072  wurde  die  Er- 
richtungsurkunde ausgefertigt.  Im  J.  1074  fand  die  Über- 
tragung der  Leiche  der  Stifterin  Hemma  aus  dem  gemeinen 
Friedhofe  in  die  Krypta  Statt.  Die  Vollendung  des  gegen- 
wärtigen Dombaues  fallt  in  das  letzte  Decennium  des  XII.  Jahr- 
hunderts, die  Weihe  eines  Kreuzaltars  in  das  Jahr  12 IG.  die 
Überwölbung  des  Langhauses,  nach  den  im  Domstiftsarchive 
befindlichen  Hauverträgen  in  die  Jahre  1589  bis  1591. 

3.  Die  sogenannte  alte  Pfarrkirche  zur  h.  .Maria 
M  a  g d  a  I  e n a  in  G u  r k  östlich  an  dem  Armen-Spitalgobäude, 
war  die  letzte  Wohnung  der  Gurker  Nonnen.  Eine  ein- 
schiffige Landkirche  mit  dreiseitig  abgeschlossenem  Chore. 
Das  Schill'  hat  eine  Hache  Decke  gehabt,  der  Chor  bat  das 
gedrückt  spitzbogige  Kreuzgewölbe,  die  Kirche  im  Äusseren 
das  Ansehen  einer  Scheune,  und  wird  gegenwärtig  auch  als 
solche  verwendet.  In  einer  von  dem  Papste  Alexander  III. 
dem  Propste  Roman  II.  und  dem  Capitel  ertheilten  Schütz- 
end Confirmations-Bulle  vom  5.  März  1169  wird  sie  als 
St.  Maria  Magilalena-Capello  erwähnt. 

4.  In  der  durch  I).  II.  A.  Müller  entworfenen  Karte  der 
mittelalterlichen  Kirchenarchitektur  Deutschlands  wird  die 
Kirche  des  vormaligen  Nonnenstiftes  Sand  Georgen  am 
Lüngsee  (östlich  von  St.  Veit  und  südlich  muh  Krepfelde) 
als  ein  romanischer  Hau  bezeichnet.  Da  seit  meiner  letzten 
Anwesenheit  in  St  Georgen  bereits  4  Jahre  verflossen  sind,  ich 
dazumal  den  Baudenkmalen  meine  Aufmerksamkeit  noch 
nicht  widmete,  so  kann  ich  nach  eigener  Anschauung  kein 
l'rtheil  über  den  Baustyl  der  Abteikirche  von  St.  Geor- 
gen abgeben.  Die  nachfolgenden  bisher  bekannten  Behelfe 
für  die  Baugeschichte  deuten  jedenfalls  auf  einen  in  der 
zweiten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  erfolgten  .Neubau  hin. 

Wichburg,  die  Witwe  des  Grafen  Ottwin  von  Lurn 
und  Pusterthal,  stiftete  um  d;is  J;dir  lllilil  das  Niiunenklosler 
in  St.  Georgen  am  Lüngsee  und  ihr  Bruder  Hartwig,  Erz- 
bischof von  Salzburg,  nahm  die  erste  Kirchenweihe  vor.  Jahr 
und  Tag  sind  in  der  bei  dem   kärntnerischen  Geschichts- 


vereine befindlichen  Originalnotiz  nicht  angegeben.  Mit  einer 
an  die  Gläubigen  der  Salzburger,  Aquilejer  und  Gurker 
Diöcese  gelichteten  Hülle  ddo.  Yitorbij  1  )  Kl.  Juny  Pontili- 
catur  turanno  Torcio  (31.  Mai  1257)  verleiht  Papst  Ale- 
xander III.  Allen,  welche  zum  Neubaue  des  wegen  hoben 
Alters  verfallenen  Münsters  von  St.  Georgen  (de  novo  repa- 
rari  monasterium  ipsurum)  (Abbatissae  et  conventus  mona- 
sterii  Saudi  Georgij  iuxta  Krapfuelt  O.  H.  H.)  (nimia  velu- 
slate  consumptiim)  Heiträge  leisten  würden,  einen  vierzig- 
tägigen Ablass. 

5.  Die  Stiftskirche  der  vormaligen  Prämonstraten- 
ser  Propstei  H.  M.  V.  in  Griventhal  östlich  von 
Völkermarkt,  zwischen  Heunburg  und  dem  Markte  Grillen 
(die  Generalstabskarte  von  I.  0.  und  Illyrien  bat  den  ur- 
sprünglichen Namen  Oberndorf)  ist  eine  dreischiffige  Pfeiler- 
basilica ohne  Krypta.  Die  Seitenschiffe  setzen  sich  zu  beiden 
Seiten  des  halben  Chores  als  Capellen  fort  und  schliessen 
geradlinig  ab.  Der  Chor  hat  geradlinigen  Ahsehluss.  Grosse 
aber  angenehme  Einfachheit  im  Inneren  und  Äusseren 
eharakterisiren  den  Bau.  Statt  des  gewöhnlichen  Glocken- 
turmes wurde  ein  Dachreiter  über  dem  Chordache  für  das 
Chorglöckchen  angebracht.  Eine  Erinnerung  an  die  Periode 
des  Überganges  oder  des  frühgothischen  Styles  ist  nicht  vor- 
handen. Haupt-  und  Seitenportal  sind  viereckig  ohne  Ein- 
schrägung.  Die  Westfronl  hat  den  Renaissance- Giebel.  — 
Das  Kloster  wurde  durch  den  Bischof  Eckbert  von  Hainberg 
im  Jahre  1236  gestiftet.  Die  erste  Mönchs-Colonie  soll  aus 
dem  fränkischen  Prämonstratenser  -  Kloster  Vessera  oder 
Vescera  (Ussermann  Ep.  Wirgeb.  p.  486)  gekommen  sein. 
Den  Kloster-  und  Kirchenbau  soll  der  fünfte  Propst  Konrad 
II.  im  Jahre  1251  vollendet  (?) ,  die  Kirchenweihe  Bischof 
Gerborl  von  Lavant  im  Jahre  1271  vorgenommen  haben. 

6.  Die  Stiftskirche  des  vormaligen  Augustiner-Chor- 
herrenstiftes  Eberndorf  im  Jaunthale,  südlich  von  Völker- 
markt, bildet  eine  dreischiffige  Pfeilerbasilica.  mit  dreischilfi- 
ger Krypta  unter  dem  Ouerschifl'e  und  einem  ( 'bore.  Letzterer 
dreiseitig  abgeschlossen,  ist  wahrscheinlich  ein  Umbau  im 
gothischen  Style  vom  Jahre  1506.  Das  nördliche  Nebenschiff 

wurde  nun  in  ruiidbogige  ('apellon-Nisehen .  das   südliche  in 

die  Ungrad'sche  Capelle  umwandelt.  Der  viereckige  Glocken- 
thurm  mit  rundbogigen  Schallfenstern  steht  neben  der  süd- 
lichen Langseite.  Sie  wurde  durch  den  Patriarchen  L'dal- 
ricb  I.  von  Aquileja  mit  den  Gütern  eines  Grafen  Chaceünur, 
welchen  der  Patriarch  „apud  S.  Marie  ecclesiam  Jim  in 
proprio  suo  allodio  Dobrendorf  sepelire  fuit",  dotirt.  Die 
dortige  major  ecclesia,  welche  <\r\-  Patriarch  daselbst  er- 
bauen  liess.    war   durch  den   Hischof  Hiwin   von  Cone  ordia 

geweiht.    Die  L'rk le  über  die  Stiftung,  den  Kirchenbau 

und  die  Weibe  erscheint  muh  Jahre  1106  ausgefertigt. 

7.  In  die  romanische  Stylperiode  gebort  (nach  den 
historischen  Daten)  die  Stiftskirche  der  vormaligen  Cister- 
cienser-  Vbtei  Viktring  bei  Klagenfurt,  n  eiche  ebenfalls  eine 
dreischiffigc    Pfeilerbasilica    ohne    Krypta    und    mit   einem 


123   — 


Querschiffe  bildet,  dessen  ursprüngliche  Kreuzarme  nun  durch 
angebaute  Capellen  ersetzt  sind.  Ein  von  Westen  nach 
Osten  langgestreckter  Bau,  welchem  aber  in  neuester  Zeit 
wegen  Baufälligkeit  im  Westen  30  Klafter  mit  dem  alten 
Hauptportale  der  alten  Vorhalle,  dein  Brüder-  und  Musikchor 
über  demselben  abgenommen  wurden.  Der  gedrückte  Spitz- 
bogen zeigt  sich  über  den  Durchgängen  der  Seitenschiffe 
und  in  den  Scheidebögen  zwischen  dem  Langhause  und  dem 
Querschiffe.  Ausserdem  herrscht  der  Bundbogen  in  den  Ar- 
caden  und  Fenstern.  Die  Aussenwand,  welche  die  gegen- 
wärtige Überwölbung  des  Hauptschiffes  überragt,  zeigt  die 
kleinen,  rundbogigen  Fenster  und  lässt  auf  eine  frühere  flache 
Decke  des  nun  in  der  Tonne  gewölbten  Hauptschiffes  schlies- 
sen.  Der  nur  eine  Stufe  über  das  Querschiff  erhöhte  Chor 
ist  dreiseitig  abgeschlossen  und  wahrscheinlich  ein  späterer 
Umbau  im  gothischen  Style.  Die  Glasmalerei  in  den  drei 
Chorfenstern,  welche  zum  Theile  noch  Glasmosaik  und  unter 
anderen  auch  das  Wappenschild  der  Erolzheimer  hat,  die 
schon  in  dem  XIV.  Jahrhundert  urkundlich  vorkommen,  ge- 
stattet, auf  einen  Chorbau  im  XIV.  Jahrhundert  zu  schliessen. 
Der  Thurm  ist  dem  nördlichen  Nebenschiffe  angeltaut,  muth- 
masslich  ein  späterer  Bau  statt  des  früheren  Dachreiters  mit 
dem  Chorglöckchen.  —  Das  Kloster  wurde  durch  Bernhard 
Grafen  von  Sponheim-Lavantthal  und  die  Gattin  desselben 
Kunegund  1242  gestiftet,  und  zuerst  durch  Cistercienser  aus 
Villars,  im  April  1142  colonisirt.  Hierunter  auch  conversi 
barbati  diversis  artibus  periti.  Erzbischof  Eberhard  U. 
von  Salzburg  —  consecravit  victoriense  monasterium  — 
zwischen  1200  und  1202. 


II.  «ioUi  isolier  Styl. 

1.  Zu  Maria  Saal,  nördlich  von  Klagenf'urt,  sind  be- 
merkenswerth : 

a)  Der  sogenannte  Heidentempel  an  der  Südseite 
des  Friedhofes,  ein  runder,  aus  zwei  Geschossen  bestehen- 
der Centralhau  (ältester  Bau)  mit  einem  unteren  und  oberen 
achteckigen  Säulenumgange  im  gedrückten  Spitzbogen  über- 
wölbt und  mit  spitzen  Arcadeubögen  (ein  späterer  Zubau).  Der 
geschweifte  Spitzbogen  (Eselsrücken)  über  dem  östlichen 
Portale  und  das  Keutschacher  Wappen  (Bube)  auf  Consolen 
in  der  östlich  angebauten  Halle  deuten  auf  das  XV.  Jahr- 
hundert als  die  Zeit  der  letzten  Zu-  oder  Umhauten.  Ur- 
sprüngliche Widmung  als  Taufkirche  (Centralhau),  spätere 
Umstaltung  in  eine  h.  Grab-  oder  Tempelcapelle.  worauf 
auch  das  Steinrelief  an  der  äusseren  Seite  der  Brüstung  des 
oberen  Umganges  (Kreuztragung  und  Veronica  mit  dem 
Schweisstuche)  deuten  dürfte. 

b)  Der  Dom,  welcher  der  gothische  Umbau  einer  älte- 
ren romanischen  Basilica  ist  und  einen  erhöhten  Chor  ohne 
sichtbaren  Krypta-Eingang  besitzt.  Am  dreiseitig  abgeschlos- 
senen Chore  und  am  Hauptportale  der  Westfront  zeigt  sich 
der  reine  gothische  Styl.  Dagegen  Merkmale  des  romanischen 
Styles  an  der  südlichen  äusseren  Langseite  und  an  den  rund- 


bogigen einfachen  und  gekuppelten  Fenstern  der  das  Haupt- 
portal flankirenden  Thürme  aus  verschiedener  Bauzeit. 

Eine  Marienkirche  wurde  durch  den  Chorbischof  Mo- 
dest (c.  780)  geweiht.  Die  ecclesia  sancte  Marie  ad  Caran- 
tanam  (civitatem  Karantanerpfalz,  Karnburg)  861.  — Synode 
in  der  ecclesia  sancte  Marie  ad  Carantanem  027.  —  Domus 
dei,  que  est  consecrata  in  honore  heute  et  sancte  dei  geni- 
tricis  Marie.  Ubi  Goteberdus  choriepiscopus  praeesse  dino- 
scitur  945.  —  Zehentverhandlung  des  Erzbischofs  Gebhard 
von  Salzburg  ad  Mariam  in  loco,  qui  dicitur  in  Zol.  c.  1060. 

Bisheriger  gänzlicher  Mangel  an  Quellen  zur  Bauge- 
schichte erschwert  die  Zeitbestimmung  des  Baues.  Der 
letzte  charakteristische  Umbau  dürfte  muthmasslich  dem  Ende 
des  XIV.  oder  Anfange  des  XV.  Jahrhunderts  angehören. 

c)  Eine  Friedhofslaterne  im  spät-gothischen  (Zier-) 
Style. 

2.  Die  Pfarrkirche  St.  Ruprecht  bei  Völker- 
markt ist  jedoch  nur  in  Bezug  auf  die  kleine,  der  südlichen 
Aussenwand  im  gothischen  Style  angebaute  Capelle,  welche 
gegenwärtig  den  Functionen  der  Charwoche  gewidmet  ist, 
hieher  gehörig.  Die  Pfarrkirche  und  der  Glockenthurm 
haben  den  Styl  einer  romanischen  Landkirche. 

Errichtung  eines  Collegiat-Capitels  bei  St.  Ruprecht 
durch  den  salzburgischen  Erzbischof  Eberhard  fällt  in  das 
Jahr  1231. 

3.  Collegiat-  und  Stadtpfarrkirche  Maria 
Magdalena  in  Völker  markt.  Ursprünglicher,  frühgo- 
thischer  Bau  mit  Erinnerungen  an  den  romanischen  Baustyl 
(ruiulbogiges  Hauptportal,  zwei  massenhafte,  viereckige 
Thürme  zu  den  beiden  Seiten  des  Hauptportals  in  der  West- 
front, geradliniger  Zwischenbau). 

So  viel  ist  bekannt,  dass  die  Erwerbung  des  Baugrundes 
am  10.  October  1240,  die  Übersetzung  des  Collegial-Capitels 
von  St.  Huprecht  in  die  heutige  Stadt  Völkermarkt  in  den 
J.  124S— 1263  stattfand.  Die  letzte  Restauration  wurde 
nach  dem  Brande  vom  J.  1830  unternommen. 

4.  Pfarrkirche  im  Griffenthal  (Oberndorf).  l'm- 
bau  einer  romanischen  Landkirche,  Hallenkirche  mit  rund- 
bogigem  Hauptportale.  Die  ecclesia  Oberndorf  bestand  be- 
reits vorder  Stiftung  der  Marienpropstei  im  Griffenthal,  und 
wurde  dieser  einverleibt  1236. 

ö.  Der  Dom  zu  St.  Andrea  im  Larantthale.    Er 

trägt  im  Grundrisse  die  Merkmale  einer  früheren  rumäni- 
schen Kreu/.hasilica.  Die  spätere  Iberwölbung  ist  kennbar, 
und  daher  auf  eine  frühere  Ilaehe  Decke  zu  schliessen.  Der 
Dom  wurde  jedoch  durch  spätere  Cm-  und  Zubauten  bis 
zur  Styllosigkeit  umformt. 

Die  Kirche  S.  Andreae  ad  lahantam  bereits  vor  S90 
nach  Salzburg  gehörig.  Vermehrte  Dotation  unter  dem 
Pfarrer  Wernher  114.').  Stiftung  eines  Collegiat-Capitels 
durch  den  Salzburg.  Erzbischof  Eberhard  II.  1212.  Errich- 
tung des   Bisthums   durch  denselben    12  IS.     Zweckwidrige 


—    124  — 


und  unschöne  Bauumstaltangen  unter  dem  F.  1!.  Georg 
Stobäus  von  Palmburg  1584—1618*). 

6.  Stadtpfarrkirche  in  Wolfsberg.  Gothischer 
Umbau  einer  älteren  romanischen,  dreischiffigen  Pfeilerbasi- 
lica.  Ober  dem  rundbogigen  Hauptportale  die  Jahreszahl 
1XA8  (1478). 

7.  Die  äussere  Pfarrkirche  von  St.  Leonhard 
im  Oberlavantthale.  Ein  instructirer  Bau,  der  als  Muster 
eines  in  weil  abstehenden  Perioden  fortgesetzten  Umbaues 
einer  ursprünglich  romanischen  Kirche  gelten  kann.  Sie  ist 
dreischiffig  mit  Arcaden-Abtheilung.  Im  nördlichen  Licht- 
gaden  des  die  Nebenschiffe  überragenden  Hauptschiffes  sind 
randbogige  Fenster,  in  der  Umfangswand  des  nördlichen 
Nebenschiffes  langgestreckte  Fenster  im  früh-gothischen 
Style.  Das  Hauptportal  in  der  Westfacade  ist  spitzbogig,  un- 
ansehnlich, auffallen il  klein,  schmal,  uneingezogcn.  Im  südli- 
chen Lichtgaden  des  Hauptschiffes  sind  kleine  Blindfenster, 
Kreuzfenster  und  Rosetten  mit  Glasmalerei.  In  der  Wand  des 
südlichen  Nebenschiffes  breite  und  langgestreckte  Fenster, 

theilu  eise  mit  fünf  Lichtöff igen,  mit  reitdien  Füllungen  und 

im  Masswerke  die  Fischblase.  Die  Kirche  besitzt  ausgezeich- 
nete Glasmalereien;  das  Seitenportal  reichgezierte  Spitz- 
giebel.  Dem  ersten  Ecke  des  dreiseitigen  Chorflusses  ist 
ein  Strebepfeiler  vorgesetzt  mit  reich  verziertem  Thürmchen 
und  an  der  äusseren  Fläche  ein  zierlicher  Tragstein  als  Un- 
tersat/, für  eine  Marienstatue  mil  zierlichem  Baldachin.  Glas- 
malereien sind  in  einer  Fülle,  wie  in  keiner  andern  kärntne- 
rischen  Kirche  vorhanden,  wenn  auch  manche  durch  soge- 
nannte Kunstfreunde  ausgebeutet  wurden. 

Erzbischof  Adalbert  von  Salzburg  \  ertauscht  am  27.  Juni 
021  an  Grafen  Alhorich  eine  Saline  bei  Admont  und  den 
dritten  Theil  der  dort  gelegenen  salzburgischen  Güter  gegen 
eine  für  Salzburg  näher  gelegene  Hube  hei  Gamanaron  mit 
einem  Schmelzofen  und  dem  Hechte  zum  Erzgraben  (Anhang 
zur  Juvavia  S.  132,  Nr.  13).  Papst  Innocenz  III.  bestätiget 
dem  Bischöfe  Eckbert  von  Bamberg  in  Künden  ecclesiam 
S.  Leonardi  in  Gamanare  (Archiv  f.  Geschichte,  1828, 
S.  720).  Stiftung  und  Erbauung  des  Leonhard-Altares  1320. 
Hanns  Schmitzberger, Steinmetz  in  St.  Leonhard.  verfertigte 
1645  das  Friedhofthor  (Seitenportal),  die  zwei  zu  demsel- 
ben führenden  Treppen,  und  die  Treppe  zum  neuen  Hoch 
altare  und  das  Pflaster.  Umfassendere  Restaurationen  unter 
den  Vicedomen  Rudolf  von  Stadion  (1631— 1642)  und  Va- 
lentin Yoyt  von  Reineck  (1642-  l(Jöl).=) 

8.  Liebfrauenkirche  in  Hohenfeistritz.  Eine 
Votiv-  und  Wallfahrtskirche,  welche  muthmasslich  als  ein 
ursprünglicher  Bau  im  gothischen  Style  des  XV.  Jahrhunderts 
anzusehen  ist. 


1 1  li   Tangel'c  „Reihe  der  Bischöfe  fon  Lavant«.  S.  243. 

'-'(  Ans  den  Notaten  des  fleissigen  Notizensammlera  si Jcxa  i f  ala  Pfarrer 

zu  St.  Margaret  bei  Wolfsberg  am  25.  December  1827). 


9.  Maria  Weitschah  ob  Hüttenberg.  Eine  Votiv- 
und  Wallfahrtskirche.  Der  Erbauer  war  Leonhard,  Erzbi- 
schof von  Salzburg,  1 4i»ö   -lölü. 

10.  In  Friesach  sind  anzutreffen: 

a)  eine  Dominicanerkirche,  in  dem  charakteri- 
stischen Styl  dieses  Ordens  erbaut.  Abtretung  des  Baugrun- 
des für  Kirche  und  Kloster  1251; 

h)  eine  De  u  t  s  c  h  e-R  i  1 1  er-0  rd  e  ns-Kire  h  e.  Deut- 
sche Ordensritter  in  Friesach  bereits  1230: 

r )  liieher  gehört  auch  die  Kirche  Hol  lein,  ein  Fi- 
liale der  Stadtpfarre.  Die  grössere  Glocke  mit  der  Jahres- 
zahl 14GS; 

i/ )  die  Kirche  auf  dem  Petersberge.  Umbau 
einer  durch  Gräfin  Hemma,  der  Stifterin  von  Gurk  (-j-  1045) 
aufgebauten  romanischen  Kirche; 

e)  die  Seminarkirche  mil  romanischem  Kreuzge- 
wölbe und  Säulen  mit  Würfel-Capitäler.  Wurde  den  Domi- 
nicanern zwischen  1217  und  1246  eingeräumt.  Nachdem 
die  Dominicaner  in  das  gegenwärtige  Kloster  übersiedelten, 
wurde  die  jetzige  Seminarkirche  an  die  von  Greuth  bei  Neu- 
markt in  Obersteier  nach  Friesach  übersiedelten  Cistercien- 
ser-Nonnen  am  1.  Mai  1258  für  l.'iO  Mark  Silber  überlassen. 

Die  letzte  Äbtissin  Katharina  Payer  -j-  1(500.  Auflassung 
des  Klosters  1  ßOS  ; 

f)  C  o  11  egi  a  t-  u  n  d  S  ladt  [i  f  a  r  r  k  i  r  c  h  e.  Rein  go- 
thischer  Styl  im  Chore.  Der  ursprüngliche  Baustyl  der  Kirche 
wurde  dagegen  durch  die  nach  den  wiederholten  verheeren- 
den Bränden  erfolgton  Restaurationen  unkennbar  gemacht. 
Der  südliche,  nicht  restaurirte  Thurm  hat  den  romanischen 
Styl.  Eine  Friesacher  Kirche  wird  bereits  im  Jahre  W'25 
urkundlich  erwähnt. 

11.  Coli  egi  at-  und  S  la  d  t  p  fa  rrk  irehe  St.  Nico- 
lai zu  Stras'sbu  rg  im  Gurkthale.  Nur  noch  im  Ausseien 
zum  Theile  der  gothische  Styl  erhalten.  An  der  Westfront 
und  im  Inneren  häufige  Spuren  des  Waltens  der  Renaissance- 
Willkür. 

Eine  Capelle  S.  Nicolai  bestand  bereits  11(10.  Die  Er- 
richtung des  Collegiat-Capitels  wurde  angeblich  durch  Bi- 
schof Georg  von  Gurk  1331  ins  Werk  gesetzt.  Fundations- 
ii ii i f  Confirmations-Urkunde  des  F.  I!.  Ernsl  von  Gurk.  datirt 
Strassburg  am  Erchtag  oach  St.  Michaelstag  30.  Septem- 
ber 1432.  Aufbau  der  gegenwärtigen  Coüegiat- und  Stadt- 
pfarrkirche durch  den  F.  IL  Johann  Schallermann  c.  i4(!0. 

12.  Lieding  hei  Strassburg.  Eine  dreischiffige 
Krypta  mit  gedrücktem  Spitzbogengew  ölbe  ohne  Rippen.  Der 
über  derselben  erbaute,  dreiseitig  abgeschlossene  Chor  im 

reinen  gothischen  Stj  le  des  \|\  .  Jahrhunderts  ist  ein  augen- 
fällig späterer  I  mbau.  Die  Werkstücke  sind  demselben 
Steinbruche  entnommen,  wie  die  zum  Gurker  Dombaue.  Das 
Langhaus  isi  einschiffig,  äusserlich  sind  die  kleinen  rundbogi- 
gen Fenster  bemerkbar.  Das  kleine  Portal  rundbogig  mit  roher 
Sculptur  (eine  menschliche  Halbfigur  zwischen  dem  symbo- 
lischen Drachen  und  Löwen  im  Bogenfelde),  ausgezeichnete 


125 


Glasmalerei  in  den  Chorfenstern  von  Touristen  und  Kunst- 
diletanten  wenig  beachtet  und  desshalb  gut  erhalten.  Die 
Witwe  Imma ,  eine  Besitzvorfahrerin  der  Gurker  Henuna, 
erlangt  am  11.  Juni  975  von  König  Otto  II.  das  Markt-, 
Münz-  und  Zollrecht  für  den  Ort  Lubtenga,  wo  sie  den  Bau 
eines  Münsters  begann  (in  loco,  qui  dicitur  Lubtenga  in  pago 
gurctbal  et  in  comitatu  Raloldi  comitis,  ubi  jam  praedicta 
Vidua  monasterium  construere  incepit). ')  Die  Kirche 
St.  Martin  in  Lubedingcn  kommt  unter  den  Kirchen,  für 
welche  Erzbischof  Balduin  von  Salzburg  der  Grafin  Henuna 
am  6.  Jänner  1043  Pfarrrechte  abtrat,  vor.  Als  Gränzpfarre 
des  Gurkerbisthumcs  erscheint  sie  1131. 

13.  Die  Abteikirche  von  Ossiach.  Stiftung  des 
Benedictinerklosters  durch  die  Eltern  des  Patriarchen  Poppo 
von  Aquileja  am  Ende  des  X.  oder  im  Amfange  des  XI.  Jahr- 
hunderts. Unter  Abt  Leonhard  periit  tutum  Coenobium  mi- 
serrimo  et  calamitosissimo  incendio :  ipsa  die  St.  Leonardi 
a.  D.  14842).  1500  Dominica,  quinta  mensis  Septembris 
quae  fuit  dominica  ante  nativitatem  B.  Mariae  Virginia  Eccle- 
sia  (huius)  monasterii  B.  M.  V.  in  Ozziaco  practeritis  annis 
penitus  exusta  (Exceptis  istis  altaribus  videlicet  summum 
altare  B.  M.  V.  altare  St.  crucis,  St.  Martini,  St.  Galli. 
St.  Joannis  Evangelistae,  S.  Nicolai,  cripta  cum  suis  alta- 
ribus, quae  hac  combustione  intacta  permanserunt)  et  nunc 
denuo  efundamento  erecta  consecrata  est  a  Beverendo 
in  Christo  patre  dd.  Erhardo  dei  et  apostolice  sedis  gratia 
Epc.  Laventino  3). 

14.  Stadtpfarrkirche  St.  Jakob  in  Villach. 
Eine  Hallenkirche,  die  durch  zwei  Säulenreihen  dreitheilig 
geworden  ist.  Aus  Terrain-Bücksichten  von  Nordwest  nach 
Südost  orientirt.  Der,  der  nordwestlichen  Hauptfacade  vor- 
gesetzte, und  mit  dieser  durch  eine  kleine  Vorhalle  verbun- 
dene Glockenthurm  hat  in  dem  untersten  Geschosse,  welches 
jedem  Erdleben  widerstand,  den  romanischen  Rundbogen- 
fries und  Ecklisenen.  Die  Grundform  lässt  auf  eine  ur- 
sprüngliche dreischiffige,  breite  romanische  Basilica  sehlies- 
sen  mit  einer  Haupt-  und  zwei  Nebenabsiden.  Die  urkund- 
liche Erwähnung  eines  Schlosses  und  einer  Kirche  in  Villach*) 
geschieht  im  Jahre  979.  —  Papst  Innocenz  III.  bestätiget 
am  24.  December  1203  dem  Bischöfe  Ekbert  von  Bamberg 
ecclesiam  S.  Jacobi  de  Villaco  in  Kärnten  5).  Die  Pfarrer 
von  St.  Jakob  in  Villach  wiederholt  Arehidiacone  der  Diö- 
cese  von  Aquileja.  Nach  einer  Localsage  erfolgte  am  zweiten 
Sonntage  nach  Ostern  des  Jahres  1286  (28.  April)  die  Ein- 
weihung durch  einen  Patriarchen  (Raimund  von  Aquileja?). 
Durch  ein  Erdbeben  wurde  am  25.  Jänner  1348  der  Einsturz 


der  Kirche  herbeigeführt1)-  Katharina  Pfalzgräfin  in  Kum- 
ten ,  Gräfin  von  Görz  und  Tirol  ist  die  Erbauerin  der  Ca- 
pelle,  betitelt:  Todesangst  Christi  und  Joseph,  14G2.  Am 
31.  Jänner  141 7  starb  Gg.  Leyninger  von  Hardekh.  Stifter  der 
Allerheiligen  Capelle;  im  Jahre  1484 Baltisar von  Beisbriach 
zu  Stobeisdorf,  welcher  auf  seinem  Grabsteine  der  Stifter 
der  Pfarrkirche  genannt  wird.  Er  dürfte  jedoch  nur  der 
vorzüglichste  Beförderer  des  Wiederaufbaues  gewesen  sein. 
Über  dem  unansehnlichen  Hauptportale  ist  die  Aufschrift: 
„anno  1551  Jar  hat  Christ.  Hasenberger  lassen  machen  das 
Thor"2).  Der  Einsturz  dos  Chores  (Presbyteriums)  erfolgte 
im  Jahre  1784.  Die  neue  Überwölbung  desselben  im  Jahre 
1785  s).  Der  gegenwärtige  Bau  dürfte  daher  in  seinen  Haupt- 
theilen  dem  XV.  Jahrhundert  angehören.  Die  nordwest- 
liche Front  mit  dem  Bundfenster  über  dem  Portale  und  dem 
Rundbogenfenster  über  jenem  dürfte  noch  ein  Rest  des 
ursprünglichen  romanischen  Baues  sein.  Die  letzten  Restau- 
rationen fanden  1845  bis  1847  Statt. 

15.  Minoritenkirche  in  Villach  (nun  Militär- 
Magazin).  Einführung  des  Minoritenordens  in  Villach  durch 
den  Bamberger  Bischof  Heinrich  1242—1257. 

16.  Pfarrkirche  St.  Stephan  bei  Finkenstein 
1472.  In  disem  Jar  ist  St.  Stephans  Khircb  in  Bastal  gepaut 
worden  durch  Meister  Jerg  Steinmzer  in  Ciagenfurt '). 

17.  Markt kir che  St.  Herrn agor  im  Gitschthale 
1394  dem  Benedictinerstifte  Arnoldstein  einverleibt.  Die 
Sage  bezeichnet  denselben  Balthasar  von  Weisbrach,  welcher 
der  Stifter  der  St.  Jakobskirche  in  Villach  genannt  wird, 
als  den  Erbauer  der  gegenwärtigen  Kirche. 

18.  Filialkirche  St.  Helena  am  Berg  ober  Gra- 
fendorf. Angeblich  durch  die  Pfarrgemeinde  Grafendorf 
im  Jahre  1474  erbaut. 

19.  Pfarrkirche  St.  Maria  in  Kötschach.  Ein- 
weihung 1452.  Grosse  Glocke  mit  der  Jahrzahl  1453.  Nörd- 
licher Anbau  vom  Jahre  1518. 

20.  Filialkirche  St.  Andreas  in  Laab.  Angeb- 
licher Bau  vom  Jahre  1516  durch  Bartlmä  Vierthaler. 

21.  Pfarrkirche  St.  Jakob  im  Lesachthaie. 
Angeblicher  Bau  vom  Jahre  1523. 

22.  Pfarrkirche  St.  Lorenz  im  Lesachthaie. 
Am  massiven  Glockenthurm  die  Jahrzahl  1474. 

23.  Servi  ten  kirche  in  derLuggau  im  Lesach- 
thale.  Im  gothisirenden  Style.  Gründung  1515.  Einweihung 


1)  Siehe  mein  Handbuch  z.  Gesch.  d.   Herzog,  von  Kärnten  II,  Nr.   14  der 
Regestenabth.  S.  16. 

2)  Ann.  Miless.  mon.  Ossiac.  p.  85. 

3)  Des  Abtes  Zacharias  Gröblacher  annales  Ozziacenses  im   7.    Bande   des 
Jahrg.  1851  des  Archives  f.  Kunde  österr,  Geschichtsquellen. 

4)  Reseh,  Annal.  Sabin.  111,  p.  635. 

5)  Hormayr's  Archiv  f.  G.  1828.  S.  720. 


*)  A.  d.  1348  in  die  com ersionis  beati  Pauli,  hora  resperarum,  universalis 
motus  terrae  terribilites  emersil  et  in  unn  loco  velienu-iitior  :ic  crudeüor 
extitit,  sicut  in  V i  1 1  a c o  ciritate  evidenciua  fuit  ostensum.    Nam  cum  in 

ecclesia  causa  devoHonis  li ines  ibidem  * renissenl .  eadem  hora  quo 

impetu  mota  est  terra,  Btructuris  que  corruentibus  Bimu]  interierunt, 
(Annal.  Novimont  in  Per/..  M.  G.  h.  IX.  |p.  Ii74.) 

2)  ich  entnehme  diese  Notizen  dem  mit  anerkennenswerthem Fleisse  geführ- 
ten Tagebuche  des  vormaligen  Apothekers  in  ViUach  und  gegenwärtigen 
Bürgermeisters  von  Klagenfurl  Herrn  Ferdinand  Ilauser. 

')  Mittheilung  des  fieissigen  Correspondenten  für  das  Decanal  Villach  Hm. 
Johann  Raupl,  Dechant  und  Stadtpfarrer  in  Villach. 

4I  Gröblacher  a.  o.  v.  .1.  1472. 

17 


—    12(5 


am  20.  August  1836  durch  den  Weihbischof  Ton  Aquileja, 
Daniel  von  Rubeis. 

24.  St.  L  e o  n  h  ar d s kir che  b e i  S achsenb  \i  r g  i m 
Oberdrauthale.  An  einem  Tragsteine  des  Musikchores 
die  Jahrzahl  lK\8  ( I47S)  und  das  Steinmetzzeichen  V- 

28.  St.  Martin  zu  Obervellach  im  Müllthale 
einschiffig.  Wandpfeiler  als  Stützen  dos  Netzgewölbes. 
Muthmasslich  verschiedene  Bauzeiten  his  herab  in  das 
X\  I.  Jahrhundert.  Die  Kirche  St.  Martin  apndVeluz  c.  10(!2. 

2G.  Heiligen-Blut  im  Möllthale.  Ursprünglich 
gothischer  Bau.  Werkmeister  Hanns  Huber  zu  Sigmunds- 
kron  bei  Botzen  14s;).  Hoher  gothischer  Hauptaltar.  An  der 
Bückwand:  „andere  J;>hr  andere  War  spricht  Wolfgang 
Haller,  der  hal  das  Werk  vollendet  MCCCCCXX-  Jahr.« 

27.  Vormalige  Stiftskirche  in  Milstadt.  Stiftung 
dos  Benedictinerklosters  St.  Salvator  am  Ende  dos  XI.  oder 
im  Anfange  dos  XII.  Jahrhunderts.  Am  27.  März  1122  über- 
nimm! Papst  Calixl  II.  die  ihm  von  dem  Pfalzgrafen  Engel- 
bert, dosson  Ahnen  d;>s  Kloster  gestiftet,  übertragene  Schutz- 
herrlichkeit über  das  Salratorkloster  in  Milstadt.  Einführung 
des  St.  Georgen  Bitterordens  1409.  Die  Ortssage  bezeich- 
net den  ersten  Hochmeister  Johann  Sibenhirter  als  den  Er- 
bauer  der  gegenwärtigen  Stiftskirche  (?).  Denkwürdige 
christliche  Symbolik  in  den  Sculpturen  am  Seitenportale, 
welches  aus  der  Kirche  in  den  Kreuzgang  führt. 

28.  M a r i a-W ö r th  am  W ö rth e r s e e  l>  e  i  K  1  a g en- 
furt.  (i )  Pfarrkirche;  eine  sechssäulige  Krypta.  Der 
Chor  ülier  derselben  im  früh-gothischen  Style.  Das  Haupt- 
portal in  der  südlichen  Langseite  rundbogig  in  Abstufungen 
eingezogen  mit  in  «1  i (>  Ecken  eingesetzten  Säuichen.  Eine 
Kirche  der  heil.  Märtyrer  Primus  und  Felician,  welche  in 
loco,  i|ui  vulgo  Werl  vocatur,  conservata  micat  im  Jahr  891. 


Angebliche  Stiftung  eines  Collegiatcapitels  durch  Bischof 
Abraham  von  Freising  c.  978—979.  Im  XII.  und  XIII.  Jahr- 
hundert erscheinen  wiederholt  Pröpste  von  Werd  in  Ur- 
kunden. Dotirung  der  Decanatspfründe  durch  den  Magister 

und  Propst  von  Wert.  Heinrich,  1279.  Muthmasslich  war 
damals  die  Blüthezeit  des  Capitels,und  daher  geschah  wahr- 
scheinlich auch  damals  der  Aufbau  dos  jetzigen  Chores 
als  neuer  Capelle  über  der  Crypta  der  h.  Märtyrer  Primus 
und  Felician.  Das  Reliefbild  mit  dem  Steinmetzzeichen  "|* 
und  der  Jahrzahl  1840  in  einer  Nische  der  inneren  Kirehen- 
waud  dürfte  sich  wohl  nur  auf  eine  kleinere  spceielle  Lei- 
stung beziehen. 

b)  Die  kleine  u\\i\  unansehnliche  Marien  cape  1 1  o 
«östlich  von  der  Pfarrkirche  mit  spitzbogigen  Fenstern 
wurde  durch  obigen  .Magister  und  Propst  Heinrich,  somit  um 
1279  erbaut.  (Der  zweigeschossige  Rundbau  östlich  von 
der  Pfarrkirche  mit  dem  Beinhause  im  untern  Geschosse  und 
der  Grabcapelle  im  obern  wird  wohl  zu  voreilig  für  den  ülto- 
st"ii  Hau  gehalten  und  ist  ein  bei  den  kärntnerischen  Land- 
kirchon  heinahe  regelmässig  vorkommender  Karner  oder 
Karelier,  welcher  in  einem  zu  alten  Zeiten  gleichmässfgen 
Typus  aufgebaut  erscheint.) 

29.  Helenenkirche  auf  dem  Helenenberge. 
Filiale  der  Pfarre  Ottmanach.  Eine  Capelle  montis  Sancte 
Elene  fdie  Ecclesie  in  Otmaniach  vor  12Ö4  durch  die  Vor- 
ältern  des  Orlolfus  de  Osterwiz  gestiftet.  Der  gegenwärtige 
Bau  ohne  Zweifel  ein  Umbau  der  altern  Kirche. 

30.  Von  denselben  Vorältcrn  wurde  vor  1254  die 
capellain  Strewnberg  filia  ecclesie  in  Prewarn  (Pro- 
jern  unter  Karlsberg)  erbaut.  Sie  verräth  noch  den  primi- 
tiven Bau  und  nach  diesem  dürfte  daher  der  primitive  Bau 
der  lloleneneapelle  heurtheilt  werden. 


Decennal- Aufzeichnung  der  archäologischen  Funde  in  Siebenbürgen  vom  Jahre  1845  bis  1855. 

( Hin  jStMtriiu  zu  'l<'n  .  Iifiiiü^cii  cinor  Chronik  der  archfio logischen  Funde  in  der  österreichischen  Monarchie  <l<'s  J.  ü.  Seidi." » 
Von  ?.I.  .1.  Ackner,  Correspondenten  der  k.  k.  Central-Commission  zu  Hamersdorf  in  Siebenbürgen. 


i  Foi  tsetzung  i 


is:;  2. 


Ein  im  verflossenen  Monate  April  in  Thornburg 
(  Alt-Torda )  bei  dem  Strassenbau  gefundener  Schatz,  gegen- 
wärtig in  dem  k.  k.  Cameral-Zahlamte  zu  Hermannstadt  unter 
den  Depositen  in  Verwahrung,  besteht  aus  einer  Unzahl 
meist  kleiner  und  «  eniger  grösserer  alter  Silbermünzen,  drei 
Pfund  19%  Loth  im  Gewichte.  Ein  zwei  Mass  haltender 
irdener  Topf  war  damit  bis  zum  obern  Rande  voll  gefüllt. 
So  viel  eine  flüchtige  Durchsichi  dieses  Geldes,  während 
einer  kleinen  Stunde  bemerken  lies*,  gehören  dieselben  dem 
\lll.  und  XVI.  und  dem  Anfange  des  XVII.  Jahrhunderts,  und 
zwar  am  meisten  der  habsburgisch- österreichischen  Dynastie. 


so  wie  mehreren  ihr  zugehörigen  oder  angrenzenden  Pro- 
vinzen, wie  Böhmen ,  Polen,  Ungarn,  Slavonien,  Serbien. 
Siebenbürgen  u.  s.  w.  an.  Mehrere  sind  auch  aus  i\vn  Gauen 
des  deutschen  Reichs.  Gross  ist  die  Anzahl  der  kleinsten 
Geldsorte  von  ungarischen  Königen:  Andreas,  Carl  I..  Hu- 
bert, Ludwig  [.,  Maria,  Tochter  des  Letzteren,  Albert  u.  m.a. 
Von  den  grössern  Geldstücken  bemerken  wir  aur  ein  Exem- 
plar, einen  Zweigulden -Thaler  von  dem  siebenbürgischen 
Fürsten  Sigismund  Bathori  aus  dem  Jahre  1898  und  vier 
Thaler  gleicher  Grösse  von  dem  König  und  Kaiser  Ferdi- 
nandus  UI.  (ohne  Jahrzahl).  Mit  diesen  Münzen  fand  mau 
zugleich  das  silberne  Gehäus  einer  alten  Londoner  Sackuhr 


127  — 


und  vier  wallnussgrosse  Hafteln  von  wenig  ausgezeichneter 
Filigranarbeit  mit  rothen  unechten  Steinen. 

Wiewohl  nun  der  Inhalt  dieses  Fundes  nicht  zu  den 
antiken  Gegenständen  des  classischen  Alterthums  gezählt 
werden  kann,  und  am  wenigsten  zu  den  fabelhaften  „Schätzen 
des  König  Darms",  wie  der  Correspondent  des  „Magyar 
hirlap"  bemerkt  hat,  so  dürften  diese  Münzen  denn  doch 
hinsichtlich  einer  numismatischen  Sammlung  für  Ungarn  und 
Siebenbürgen  nicht  ohne  Belang  sein,  und  bei  genauerer 
Durchsuchung  einer  so  grossen  Menge  kleinen  Silbergeldes 
manche  interessante  Ergänzungsstücke  für  dieselheu  sich 
darbieten. 

Eine  genauere  Angabe  und  Beurtheilung  der  Münzen 
konnte  hier  jetzt  nicht  ermittelt  werden;  dazu  war  die  Zeit 
zu  beschränkt  und  der  Exemplare  zu  viele,  und  was  hiebei 
ganz  besonders  hinderlich,  war  der  dunkelgrüne  Kost, 
welcher  sie  dergestalt  umhüllte,  dass  man  auf  den  meisten 
kaum  einen  Buchstaben  wahrnehmen  und  deutlich  zu  er- 
kennen vermochte.  Zum  Theil  waren  die  Geldstücke  dutzend- 
weise zusammengebacken  und  gleichsam  aufeinander  ge- 
kittet. Um  die  Aufschriften  und  Embleme  der  Münzen  zu 
sehen  und  dechilTriren  zu  können,  müsste  vorerst  das  Silber 
mittelst  einer  Säure  vom  Rost  und  Grünspan  befreit  und 
gereinigt  werden. 

Den  26.  Mai  dieses  Jahres  überbrachte  mir  Sava  Theo- 
dosia,  eine  Frau  von  Walachisch-Neudorf  am  Alttlusse, 
87  Stück  Silbermünzen,  meist  1  und  3  Groschenstücke,  mit 
dem  Wunsche,  ihr  dieselben  käuflich  abzunehmen.  Obgleich 
nun  dies  Geld  nicht  aus  dem  classischen  Alterthumc  stammt, 
aber  doch  mehrere  Autonom-Münzen  von  Hermannstadt  und 
vorzüglich  von  unserm  siehenbürgisehen  Kronstadt  und  da- 
runter grösstenteils  Prägen  siebenhürgischer  Fürsten  sich 
befanden,  so  glaubte  ich  doch  dieselben,  nachdem  ich  die 
Überbringerin  entsprechend  entschädigt,  meiner  numisma- 
tischen Collection  einverleiben  zu  sollen.  Angeblich  wurde 
dies  Geld  zufällig  im  Altflussufer  nächst  Walachisch-Neudorf 
(Noa)  entdeckt.  Dasselbe  besteht  in  den  nachfolgenden 
Stücken : 

1.  STEPHAN  D.  G.  REX  PO.  M.  D.  L.  Das  mit  der 
polnischen  Krone  gekrönte  Haupt  Steph.  Bathori's.  —  GROS. 
ARG.  TRIP.  M.  D.  L.  1582.  Das  Bathorische  Wappen  mit 
3  Drachenzähnen,  daneben  Reiter  u.  s.  w. 

2 — 4.  Ähnliche,  bloss  mit  der  fortlaufenden  Jahrzahl: 
1583,  1584  und  1585. 

5— 15.  SIG.  III.  D.  G.  REX  PO.  M.  D.  L.  Sigmunds 
gekröntes   Haupt.    —  GROS.   REG.   POL.    1608—1610. 

Adler  und  Löwe. 

16—18.  STEPH.  D.  G.  HVN.  TRAN.  P.  ET.  SIC.  CO. 
Bärtiger  Kopf  des  Stephan  Bocskai.  —  GBOS.  ARG.  TRIP. 
REGNI.  HVNGAR.  1605.  Drei  Schilder:  im  ersten  das 
ungarische,  im  dritten  das  siebenbürg.  Wappen,  im  mittlem 
ein  Löwe.  Zwei  andere  ähnliche,  bloss  1606  und  1607. 


19—23.  GABRIEL.  D.  G.  PRIN.  TR.  E.  S.  C.  Brust- 
bild im  Harnisch  des  Gabriel  Bathori.  —  GROS.  ARG.  TI1IP. 
REGX.  TRANSYLVAX1AE  III.  Das  Bathorische  Wappen- 
sebild, darunter:  CIBI.  1609.  (1610,  1611,  1612.) 

24-29.  GAB.  BATIK).  D.  G.  PRIX.  TRAN.  1610. 
Der  Fürstenhut.  —  GROSSVS  REGNI  TRÄNT.  Adler. 

30.— 40.  Ähnlich,  bloss  1611. 

41.— 56.  Gleiche  Präge,  bloss  1612. 

57.-67.  Ähnlich,  bloss  1613. 

68.— 87.  DEVS  PROTECTOR  NOSTER.  Einköpfiger 
Adler  mit  ausgebreiteten  Flügeln.  — -  GROSS.  CIVITA 
BRASSO  1613.  Die  Krone  über  einer  Baumwurzel. 

Mehrere  der  vorstehenden  Münzen  Kronstadts  und 
besonders  auch  Gabriel  Bathori's  vom  Jahre  1613  sind  aus 
äusserst  schlechtem  Silber:  einige  derselben  bloss  mit  Silber 
plattirt  und  einige  ühersilbert,  deren  Matrix  aus  Kupfer  oder 
Eisenblech  besteht. 

Zu  Anfang  Juni  dieses  Jahres  feierte  der  Verein  für 
siebenbürgische  Landeskunde  seine  General -Versammlung 
in  Bros,  Villa  S.  Ambrosii  in  den  Urkunden  genannt,  welches 
in  dem  westlichen  Theile  des  Landes  zum  classischen  Boden 
gehört  und  wo  die  Alterthümer  und  Niederlassungen  der 
Römer  schon  häufiger  als  in  östlichen  und  nördlichen  Theilen 
Siebenbürgens  vorkommen.  Die  Liebhaher  des  Alterthums 
freuten  sich  im  Voraus,  zumal  sie  auch  auf  der  Fahrt  bis 
dahin  und  wieder  zurück  Gelegenheit  fanden,  die  unter 
dem  sogenannten  „Walde"  am  Fusse  der  südlichen  Gränz- 
gebirge  befindlichen  15  alten  deutschen  Burgen  und  Burg- 
trümmer zu  beobachten. 

Die  mir  bereits  wohlbekannte  und  gut  geordnete  numis- 
matische Sammlung  des  Senators  Loreni  zu  Bros  hatte 
unlängst  aus  dem  Bereiche  dieser  Gegend  einen  Zuwachs 
von  vier  seltenen  und  vorzüglich  gut  erhalteneu  Münzen 
erhalten;  die  erste  eine  Consular-,  die  anderen  Kaisermün- 
zen, besitzen  folgende  Aufschrift: 

1.  PETILLIVS  CAPITOLINVS.  Ein  Adler  mit  ausge- 
breiteten Flügeln  auf  dem  Blitz-  oder  Donnerstrahl  stehend. 
—  Jupiter-Tempel  des  Capitols  mit  sechs  Säulen,  oben  am 
Gipfel  mit  Statuen  geziert,  auf  den  Seiten  des  Tempels 
steht  links  ein  S  und  rechts  ein  F.  —  Übrigens  gehört  die 
Familie  Petillia  zu  einem  alten  Geschlechte,  von  dem  Einer 
am  genannten  Tempel  einmal  einen  religiösen  Dienst  beklei- 
det hahen  mochte. 

2.  IMP.  CAES.  AVGV.  COMM.  CONS.  welche  Bezeich- 
nung auf  einer  Tafel  geschrieben  steht;  ausserhalb  dersel- 
ben: S.  C.  RVPVS  lllVIli. 

I.  0.  M.  S.  P.  Q.  R.  V.otum  S.usceptum  PRo  S.alute 
IMP.  CAE  QVOD.  PER.  EV.m  li.es  P.ublica  IN.  AMP.liore 
ATQ.ue  TRAN.quilHore  Statu  Est.  Die  Schrift  umgibt  ein 
Kranz  von  Eichenlaub. 

Der  Sinn  der  Inschrift  ist  nach  Suetonius  Cap.  23  lie- 
kannl:  August  weihet  nach  der  durch  die  Germanen  erlit- 
tenen   Niederlage     des    Varus    dem  capitolischen   Jupiter 

17* 


128  — 


ausgezeichnete  Spiele,  um  das  Reich  wieder  in  günstigere 
Umstände  zu  versetzen.  Die  Prägezeit  fällt  in  das  Jahr  16 
nach  Christi  Gehurt. 

3.  CAES.  AV6VS.  Der  Imperator  auf  dem  Triumph- 
wagen mit  einem  Viergespann  im  schnellen  Laut'. 

s.  P.  Q.  I!.  PAREN.  AVGV.  CONS.  SVO.  Ein  Scepter 
mit  dem  Adler;  Obertheil  von  einer  Toga  im  Lorbeerkranz. 

4.  IMP.  CAES.  CLOD.  PVPPEENVS.  Bärtiger  Kopf  des 
Puppienus  mit  der  Strahlenkrone. 

AMOR  MVTVVS.  AVGG.  Zwei  rechte  Münde  in  einan- 
der geschlungen. 

Die  Münzen  von  den  beiden  Kaisern.  Balhienus  und 
Puppienus  gehören  in  das  Jahr  238  nach  Chr.  Gehurt  und 
sind  selten,  denn  nur  wenige  konnten  geprägt  werden,  da 
deren  Regierung  kaum  Ins  ins  dritte  Monat  reichte. 

Naeh  der  reichen  Lorenischen  Münzensammlung  finden 
wir  hier  noch  ähnliche,  jedoch  nicht  wissenschaftlieh  geord- 
net, so  wie  einige  andere  antike  Sachen,  namentlich  hei 
Dr.  Lessai  sehenswerth.  Dessen  Colleetion  besteht,  ausser 
etlichen  seltenen  Medaillen  des  neueren  Zeitalters,  meist  in 
einer  Anzahl  römischer  Familien-  und  Consular- Münzen, 
vorzüglich  byzantinischer  Kaiser  in  Gold  und  dann  auch 
mehrerer  antiker  goldener  Ringe,  mit  tief  und  hoch  geschnit- 
tenen Steinen.  Darunter  zeichnen  sich  aus:  1)  ein  Triumph- 
zug mit  neun  Figuren,  in  Heliotrop  vortrefflich  gearbeitet; 
2)  ein  römischer  Legionär  mit  der  Lanze  und  sonstiger 
Feld-  und  Kriegsrüstung  dargestellt;  3)  eine gehelmte  weib- 
liche Figur,  mit  der  Rechten  auf  ein  Schiffsruder  gestützt, 
im  linken  Arm  ein  Füllhorn  haltend;  4)  eine  weihliche  Ge- 
stidt (Hygiea),  in  der  Rechten  eine  Schale,  zu  welcher  sich 
eine  Schlange  erhebt,  in  der  Linken  einen  Lorbeerkranz 
tragend.  Der  Besitzer  erlaubte  Siegellack-Abdrucke  von 
den  antiken  Gemmen  zu  nehmen,  welches  uns  nur  von  den 
IntaghVs,  nicht  aber  von  den  Cameen  oder  erhaben  geschnit- 
tenen Steinen  gelang.  Dr.  Lessai  besitzt,  ausser  dem  Ange- 
führten, noch  einige  hei  Romos,  eine  Stunde  östlich  von 
Bros,  vor  Rinf  Jahren  gefundene  alte  bronzene  Gegen- 
stände, \oii  welchen  (las  Meiste  und  Wichtigste  nach  Rest  in 
in  das  ungarische  National-Museum  geliefert  worden  ist.  Die 
rückstandigen  Sachen  bestehen  aus  mehreren  grösseren  und 
kleineren  Armringen  und  dann  aus  einer  20  bis  24"  langen 
Kette,  deren  Bestandteile   nicht   runde   oder  Ovale   Glieder. 

sondern  mannigfache  Verzierungen  in  beweglicher  Zusam- 
mensetzung sind.  Da  von  letzteren  nichf  Alles  beisammen  ist, 
so  fallt  es  auch  schwer  zu  bestimmen,  was  es  eigentlich  vor- 
stellen mag.  Vielleicht  ein  Bruchstück  von  dem  Schmuck 
eines  Legions-Adlers  oder  eines  andern  militärischen  Zei- 
chens oder  bloss  der  Theil  eines  Pferdegeschirres. 

Über  die  deutschen  Burgen  unter  dem  „Walde"  mit  Aus- 
nahme der    Kirchencastelle,  wollen  wir  hier   vom    Westen 

n  Osten  angefangen,  nachfolgende  Andeutungen  geben  '): 

l)  Die  Luge  der  Burgen  wird  hier  M.>ss  einfach  und  kurz  angegeben,  mit 
dem  Vorbehalte,  in  der  Folge  auch  das   Geschichtliche  und  die  etw«  Bich 


1.  Unstreitig  beginnen  die  Bürgerburgen  bei  Bros  und 
nebst  dem  zu  seiner  Zeit  stark  befestigten  Kirchencastelle 
war  auch  die  westliche  Kuppe  über  den  nahen  Broser 
Weinbergen,   wie  schon  der  ungarische  Name  Varhely, 

Schlossberg,  andeutet,  mit  einer  Burgfeste  gekrönt.  Yergl. 
„Denkwürdigkeiten  von  dem  alten  Varos  und  dem  neuen 
Bros." 

2.  Zwei  Stunden  südlich  von  hier,  bei  Sehe  sei  unter 
dem  Gebirge,  liegen  Trümmer  einer  zweiten  Burgfeste  und 
zwar  mit  einem  noch  erhaltenen  gothischen  Portale.  Dieser 
gegenüber  tragt  eine  Berghöhe,  Kukuis  genannt, noch  Grund- 
inauern  eines  r leu  Thurmes. 

3.  Westlich  von  Deutsch-Pien  (Villa  Vulcani  in  alten 
Urkunden)  gegen  Csora  wird  an  den  sich  erhebenden  Berg- 
abhangen  eine  Burg  angegeben,  aber  unbestimmt,  ob  noch 
sichtbare  Trümmer  oder  bloss  die  Benennung  eines  Burg- 
platzes geblieben  sind. 

4. Besser  hat  sich  die  von  der  Stadt  Mühlbach,  2'/2  Stun- 
den in  dem  südlichen  Gebirge  hei  Szäszcsor  (Kleinsach- 
sen )  gelegene  Burg  erhalten.  Über  einem  Felsenkegel  auf  der 
linken  Seite  des  vorbeirauschenden  und  Goldsand  führenden 
Mühlbach-  oder  Sehehesch- Flusses,  dem  genannten  Dorfe 
gegenüber,  ragen  überraschend  die  graulich -schwarzen 
Überreste  der  Ringmauer,  eines  runden,  ziemlich  hohen 
Thurmes  und  mehrere  zerfallene  Mauerwerke  empor. 

o.  Mitten  zwischen  Mühlbach  und  Reussmarkt,  von 
jedem  1  8/4  Meilen  entfernt,  jedoch  von  der  Laudslrasse 
gegen  das  Gebirge  ansteigend,  bei  Reich  au,  linden  wir  auf 
manchen  Landkarten  Siebenbürgens  das  Zeichen  einer  Burg- 
ruineangegeben ;  weiter  ist  bis  jetzt  noch  davon  nichts  bekannt. 

6.  Bekannter  ist  das  feste  Kirehensehloss  bei  Relling 
und 

7.  die  starke  Burg  bei  Cr  wegen. 

8.  Eines  der  stärksten  deutschen  Schlösser,  mit  zwei- 
facher hoher  Ringmauer,  jenes  von  Gr  0 S spold,  wurde  im- 
liingst  abgetragen  und  zerstört;  doch  ist  noch  daselbst  ein 
isolirter,  trotziger  und  felsenfester  Thurm  stehen  geblieben, 
zum  Andenken  an  die  verhängnissvolle  Vergangenheit. 

Diess  sind  die  deutschen  Burgen  „unter  dem  Walde". 
Die  südlich  und  südöstlich  gelegenen  gehören  /.um  llcrmaun- 
städter  Bereich, I  zwar 

((.  die  Trümmer  der  alten  Burg  von  Szelistie  sind 
mehr  von  diesem  Gebirgsorte  hinauf  in  der  Schlucht  bei 
Tiliska  zu  suchen  und  /.u  sehen. 

10.  Naeh    urkundlichen    Angaben    linden    wir    bei    dein 

zwei  Meilen  von  llerniannstadt  westlich  entfernten  Dorfe 
Orlat  gleichfalls  eine  Burgfeste,  so  wie  eine  dorl  gewesene 
sächsische  «.nsiedlung,  unter  dem  Namen  Winds  b  er  g  (Mens 
Cibinii ).  Der  nächste  Berg,  em  abgerissener  Theil  des  nahen 
Urgebirges  nächst  dem  Orte,  auf  dem  linken  Ufer  i\^a  vor- 
beifliessenden  Cibinflusses,  wo  jetzl    die  Kalkbrüche  des 

daran  knüpfenden  Sagen   di Grundrisse  und   landschaftliche  Ansichten 

derselben  /«  liefern. 


—   129 


schönsten  weissen  Urkalkes  eröffnet  sind,  wird  als  Burgort 
bezeichnet.  Überreste  davon  sahen  wir  keine  mehr. 

11.  Die  Burgtrümmer  zwischen  Poplake  und  Resi- 
n  ar  haben  wir  bereits  oben  im  Jabre  1848,  wo  wir  dieselben 
besuchten  und  beschrieben,  angegeben. 

12.  Die  von  Hermanustadt  zwei  Stunden  südlich  ent- 
fernte ,  auf  einem  steilen  Gneisskegel  hoch  aufgethiirmte 
M  ichaelsberger  Burg  schaut  kühn  in  die  Thäler  herab, 
und  wird  vonHermannstadts  Bewohnern  gern  und  häufig  be- 
sucht, indem  sie  durch  einen  der  Freude  und  den  Volksfesten 
gewidmeten  Eichenwald  hinführend,  eine  der  reizendsten 
Partien  mit  ihrer  ganzen  Umgebung  darbietet. 

13.  Bei  dein  von  Hermannstadt  2 »/,  Stunden  gleichfalls 
südlich  gelegenen  schönen,  ja  in  Hinsicht  seiner  herrlichen 
Lage  vielleicht  schönsten  und  anmuthigsten  Gebirgsort  und 
Markte  H  e  1 1  a  u,  finden  wir  drei  Stellen,  zum  Theil  mit  noch 
ziemlich  kenntlichen  Schlossruinen  bezeichnet,  deren  erste 
auf  dem  bekannten  sogenannten  Götzenberg  liegt,  über  dessen 
Gipfel,  nach  Marienburg's Geographie  zu  Tröster's  Zeiten  die 
Burgtrüinmer  sich  noch  befunden  haben  sollen.  Der  zweite 
Platz  wird  auf  einem  bewaldeten  Auslaufer  des  Götzenberges 
gezeigt,  der  erst  sattelförmig  sich  vertieft,  dann  zur  kegelför- 
migen Spitze  sich  erhebt  und  bald  in  steiler  Abdachung  im  Thal 
des  sogenannten  Heltauer  Hinterbaches  verschwindet.  Diese 
Kuppe  wird  die  Biesenburg  (Hünenburg)  genannt.  Vom 
Fusse  derselben  führt  ein  verfallener  und  verwachsener  Fahr- 
weg in  schneckenartiger  Windung  hinauf.  Die  Ringmauern 
der  Burg  sind  bloss  noch  an  den  wallförmigen  Erhöhungen 
des  Bodens  sichtbar;  alte  Leute  in  Heitau  erinnern  sich,  noch 
Mauerüberreste  gesehen  zu  haben.  Von  der  dritten  Burg- 
stelle endlich,  auf  der  mit  Weinreben  bepflanzten  ßergspitze, 
welche  in  der  Hügelreihe  zwischen  Heitau  und  dem  Orte 
Westen  sichtbar  emporragt  und  von  den  Anwohnern  mit  dem 
verwandten  Namen  „Höngbrig"  bezeichnet  wird,  ist  bis  noch 
nichts  bekannt,  ausser  der  Sage  von  den  drei  brüderlichen 
Riesen,  welche  die  zwei  letztgenannten  Hünenburgen  mit 
dem  Schluss  auf  der  sogenannten  Landeskrone  bei  Talmesch 
in  einen  mythischen  Zusammenhang  bringt.  Vergl.  Transil- 
vania,  Beiblatt  zum  Boten  Nr.  70,  1844. 

14.  Die  hohe  malerische  Schlossruine  mit  ihrem  stolzen 
Namen  der  „Landeskrone"  bei  Talmesch,  die  wir  rück- 
sichtlich ihrer  Erforschung,  Ausmessung  und  Beschauung  wie- 
derholt bestiegen  haben,  lieferte  uns  den  Beweis,  dass  ihre 
Ersteigung,  wenngleich  eine  mühsame,  durch  die  weite  Fern- 
sicht in  das  Cibin-  und  Altthal  sowie  durch  den  nahen 
Anblick  der  riesigen  Hochalpen,  höchst  genussreich  und  stets 
eine  lohnende  ist. 

Noch  haben  wir  zwei  hohe  Bergschlösser,  welche  mehr 
entfernt  von  der  Reichsgriinze  gleichsam  als  Reserven  die 
Umgebung  Hermannstadts  überwachten ,  u.  z. : 

15.  das  Bergschloss  von  Burgberg  und 

16.  endlich  das  Bergschloss  bei  Stolzeburg  zu  er- 
wähnen. 


1853. 

Im  Interesse  der  Kunst  und  Wissenschaft  war  es  die 
höchste  Zeit,  für  die  Erhaltung  der  Alterthümer  unseres 
\  aterlandes  ämtlich  Sorge  zu  tragen.  Daher  erregte  schon 
die  am  31.  December  1850  zum  Zweck  der  Erforschung 
und  Erhaltung  historischer  Baudenkmale  allerhöchst  geneh- 
migte Errichtung  einer  Central-Commission  in  Wien,  so  wie 
die  Bestellung  von  Conservatoren  in  den  einzelnen  Kronländern, 
eine  ungemein  freudige  Theilnahme  bei  den  Freunden  der 
Alterthumskunde.Noch  mehr  wurde  im  Jahre  1853 diese  freu- 
dige Theilnahme  im  Grossfürstenthume  Siebenbürgen  ge- 
steigert durch  das  energische  Vorgehen  Sr.  Durchlaucht  des 
Herrn  k.  k.  Militär-  und  Civil-Gouverneurs  FZM.  Karl  Fürs) 
zu  Sehwarzenberg  und  die  eindringlichen  Aufforderungen  an 
alle  weltlichen  und  geistlichen  Behörden  und  wissenschaft- 
lichen Vereine  zur  diessfälligen  thätigen  Mitwirkung,  „damit 
die  werthvollen  antiken  Denkmäler  des  Vaterlandes  erhalten 
und  die  Gelehrten  des  In-  und  Auslandes  durch  ihre  Bekannt- 
machung in  den  Stand  gesetzt  würden,  sie  zu  erläutern: 
zugleich  aber  auch  in  dieser  Weise  der  Vorwurf  kaltsinniger 
Gleichgültigkeit  gegen  die  ehrwürdigen  Überreste  der  Vor- 
zeit, welcher  den  Bewohnern  dieses  Landes  oft  und  nicht 
immer  mit  Unrecht  gemacht  worden  ist,  zum  Schweigen 
gebracht  und  in  allen  Schichten  die  Aufmerksamkeit  auf  die- 
selben hingeleitet,  und  mit  ihrem  Verständniss  auch  der  Sinn 
für  ihre  Schonung  und  Erhaltung  geweckt  und  gepflegt 
werde." 

Zugleich  wünschten  Se.  Durchlaucht,  „dass  dein  k.  k. 
Cabinet  in  Wien  die  Gelegenheit  verschafft  werde,  diejeni- 
gen archäologischen  Stücke,  die  ein  allgemeines  geschicht- 
liches oder  kunsthistorisches  Interesse  haben,  zu  erwerben, 
und  durch  die  Aufnahme  in  das  Central -Museum  des  öster- 
reichischen Kaiserstaates.  ihrer  Bedeutsamkeit  gemäss,  zum 
allgemeinen  zugänglichen  Gemeingute  der  Wissenschaft  zu 
machen".  Diese  dankenswerthen  Vorkehrungen,  durch 
schriftliche,  zum  Theil  auch  persönliche  und  mündliche  Auf- 
forderungen, blieben  nicht  ohne  Erfolg.  Aus  allen  Kreisen 
und  Bezirken  gingen  darauf  bezügliche  Lieferungen  und 
Berichte  ein.  Durch  hohe  Genehmigung  Sr.  Durchlaucht  des 
Gouverneurs  von  Siebenbürgen  wurde  mir  von  den  meisten 
dieser  antiquarischen,  zwar  nicht  immer  ganz  schulgerechl 
gegebenen  Berichte  und  Einlieferungen,  Einsieht  zu  nehmen 
gestattet.  Wir  bezeichnen  diese  archäologischen  Funde  nach 
der  Reihe,  wie  sie  zur  Kenntniss  der  Landesstelle  gelangten 
und  wie  sie  im  Vorbeigehen  flüchtig  botrarlitel  werden 
konnten,  in  Nachfolgendem  : 

Von  Alparet,  Wal.  Olpretu.  des  Deeser  Kreises  und 
Semesnyer  Bezirkes,  wurden  vom  Landmann  Rusz  Vas/.i- 
lica  aus  Alparet,  heim  Pflügen  eines  dem  Grossan  Silimann 
gehörigen  Ackers,  silberne  Schmucksachen  im  Gewichte 
von  1  Pfund  15  Lotb  eingeliefert.  Sie  bestanden  aus  zwei 
silbernen  Ketten,  einem  spiralförmig  gewundenen  Sillier- 
drathe   und    mehreren    von    demselben  abgehauenen  Frau- 


130  — 


menten  u.  s.  w.  Aus  der  Geschichte  wissen  wir  zwar,  dass 
im  Jahre  I43t>  während  des  siebenbürgischen  Bauernauf- 
standes unter  König  Sigismund  von  Ungarn  bei  Alparet  eine 
Schlacht  vorgefallen  ist:  allein  oh  diese  Sachen  von  dortoder 
aus  einer  Lindern  Zeit  herstammen,  lässt  sich  nicht  entschei- 
den. Auf  keinen  Fall  aber  kann  man  dieselben  auf  altrüini- 
schen  Ursprung  zurückführen:  sie  verrathen  zu  geringen 
Geschmack  und  zu  wenig  Kunstsinn. 

In  Valäszut  zwischen  Klausenburg  und  derArmener- 
stadt,  Szamosujvar,  am  kleinen  Szamosfluss,  landen  in  die- 
sem Sommer,  nach  einem  heftigen  Regengüsse,  Kinder  aus 
Fejerd,  einige  antike  Sachen  aus  Bronze,  welche  von  dem 
k.  k.  Münz-  und  Antiken-Cabinete  um  den  Preis  von  20  fl. 
C.  M.  erworben  wurden.  Diese  Fundstücke  sind:  1)  eine 
bronzene  Patera  <i  im  Durchmesser,  in  ganzer  Länge  sammt 
dem  Stiele  o;  t  (12=V)  messend.  Die  Scheibe  ruht  auf 
dem  Rücken  und  dem  Geweih  eines  liegenden  Hirsches  von 
ganz  guter  Arbeit:  der  gekrümmte  Stiel,  2"  6'"  lang,  endet 
in  einem  netten  Widderkopf. "  Dieser  Stiel,  der  uns  einer 
Lyra  mit  drei  Saiten  ähnlich  schien,  war  in  Hermannstadt 
bei  der  Einlieferung  unversehrt  und  muss  nur  wahrend  des 
Transports  nach  Wien  verbogen  wurden  sein.  Audi  hielten 
wir  hier  die  Sache  für  einen  metallenen  Spiegel  oder  Spie- 
gelhalter, doch  werden  wir  uns  nun  wohl  zur  „Patera"  halten 
müssen;  2)  ein  Beschläge  von  Bronze,  1"  hoch,  auf  der 
einen  Seite  geschlossen.  Die  Randleisten ,  zwischen  denen 
ein  Zickzack  als  Verzierung  geht,  laufen  aus  in  Entenköpfe, 
von  denen  2  erhalten,  2  weggebrochen  sind;  3)  das  bron- 
zene Beschläge  eines  einem  Csakany  ähnlichen  Hau -Instru- 
mentes, mit  einer  Scheibe,  deren  Mittelpunkt  sich  zum  Sta- 
chel zugespitzt;  4)  mehrere  bronzene  Streitbeile  und  soge- 
nannte Kelle;  5)  ein  Armring  von  Bronze,  mit  gegen  einan- 
der laufenden  vertieften  Streifen  verziert,  u.  s.  w. 

Im  Anfani;' August  dieses  Jahres  fand  zu  Tibod.  im 
Udvarbilyer  Kreis.  Franz  Török  in  seinem  Hofe  826  silberne 
römische  Consular- und  Kaiser- Münzen.  Sie  lagen  7  Fuss 
tief  unter  der  Knie  in  2  Gelassen  von  ungebranntem  Thone 
und  waren  durch  die  häufigen  Regengüsse,  die'  im  Juli  statt- 
gefunden hatten,  herausgewaschen.  Auf  Befehl  Sr.  Durch- 
laucht lies  Herrn  (ioiiverneurs  wurden  dieselben  au  die 
k.  k.  Central-Commission  in  Wien  geschickt,  und  von  dieser 
an  das  k.  k.  Münz-  und  Antiken-Cabinet  zur  näheren  Prü- 
fung abgegeben.    In  J.  G.  Seidl's  Chronik  der  archäolog. 

Funde  ete.  S.  130  und  137  sind  sie  genau  bezeichnet;  doch 
fand  ich  bei  wiederholter  Durchsieht  dieser  .Münzen,  nachdem 

dieselben  von  Wien  zurückgek tnen,  einenS.  Vitellius, der 

bei  der  Beschreibung  ausgeblieben  ist. 

Am  12.  September  entdeckte  Georg  Kiss,  aus  Batza 
im  Kreise  Dees,  bei  dem  Zusammenscharren  des  untersten 
Tbeiles  eines  Düngerhaufens  einen  Ducaten  in  Gold  und 
16 Thaler  sowie  mehrere  kleine  verwitterte  Silbermünzen, von 

welchen,  obgleich  ol archäologischen  Werth,  doch  einige 

Stücke  für  die  Hofsammlung  angekauft  wurden. 


Den  3.  December  d.  J.  gruh  der  Landmann  Krestan 
Kretjun,  aus  Szaszarma  im  Kreise  Bistritz,  einen  Brunnen 
aufseinem  Grundstück,  wobei  er  eine  Anzahl  aller  Silber- 
münzen fand,  von  welchen  einige  serbische,  slavouische  und 
ungarische  von  dein  k.  k.  Münz-  und  Antiken-Cabinete  für 
25  Gulden  angekauft  wurden. 

In  einem  Berichte  des  Bislritzer  Kreises  und  Leehnitzer 
Bezirkes  an  die  Statthaltern,  worin  die  Sachen  ungenau  und 
nur  sehr  allgemein  angegeben  sind,  linden  sich  folgende  bei 
\\  ermesch  ausgegrabene  Gegenstände :  1)  ein  antiker  bron- 
zener Stierkopf;  2)  ein  römischer  Adler  aus  Bronze;  3)  ein 
zweischneidiges  2  langes,  2,/Y'  breites  Schwert,  dessen 
Grill' und  Klinge  gleichsam  wie  dunkelgrün  lackirl  erscheinen: 

4)  die   Hälfte   einer   römischen    Sturmhaube   von    Bronze; 

5)  zwei  bronzene  Statuetten  0"  hoch,  römische  Hauspenaten 
vorstellend,  derzeit  in  Verwahrung  des  Paul  Gross,  Predi- 
gers zu  Bistritz.  Die  vier  vorangenannten  Antiken  besitzt  der 
Graf  Paul  Bethlcn.  —  Gleichzeitig  wurden  aus  der  Samm- 
lung des  Grafen  Franz  Bethlen  mehrere  aus  dieser  Gegend 
herstammende  Fundstücke  mitgetheilt:  1)  ein  Türkis  mil 
eingravirter  Inschrift:  Ego  sum  Flagellum  Joris  contra  per- 
verses Christianos  —  soll  in  einem  goldenen  Bing  gefassl 
gewesen  sein;  2)  ein  dacischer  Fahnenkopf  von  Bronze: 
3)  mehrere  Waffen  und  Pferdegebisse  von  Bronze;  4)  dess- 
gleichen  grössere  und  kleinere  Statuetten  und  eine  bedeu- 
tende Anzahl  römischer  Münzen.  Auch  wird  in  diesen  Be- 
richten über  vielleicht  sehr  interessante  und  wichtige  Bare- 
liefs  und  Grabsteine  mit  Legenden  im  Garten  des  Grafen 
Adam  Vass  zu  Zagendof  (Szäsz  Csöge)  am  Sajofiuss,  nur 
oberflächlich  und  flüchtig  hinwe^geeilt. 

Höchst  erwünscht  kam  die  Entdeckung  eines  betracht- 
lichen Schatzes  zu  Bog esch  do  r  f  ( Hermannstädter  Kreise- 
und  Medvischer  Bezirk)  bei  dem  beabsichtigten  Bau  eine 
neuen  Yolksschulgebaudes  für  die  dortige  evangelische  Ju- 
gend ;  zumal  die  Schul-  und  Kirchencassen  der  evangelischen 
Glaubensgenossen  gewöhnlich  arm  und  in  bedrängter  Lage 
und  bei  dergleichen  Bauunternehmungen  nur  zu  oft  in  Geld- 
verlegenheit gerathen.  Die  Insassen  Johann  Schenker  und 
Peter  Schebesch  fanden  nämlich,  als  sie  beschäftigt  waren. 
behufs  der  Erbauung  dieser  Schule  eine  baufällige  Ring- 
mauer wegzubrechen,  die  der  evangelischen  Kirche  zum 

Schutze   gegen   feindliche  Anfälle    gedient,    in   einer   zuge- 

mauerlen  Schiessschai'te  derselben  ungefähr  s  hoch  über 
der  Knie  in  zusammengenähten  Linnenlappen  einen  7  Pfund 
14  Loth  schweren  Schatz,  bestehend  aus  2,'i77  Silbermün- 
zen, im  Schätzungswerthe  von  113  11.  20%  kr.  C.  M.  Die 
u  ackeren  Finder,  höchlich  erfreut,  durch  Zufall  einen  so  nam- 
haften Beitrag  zu  dem  projeetirten  Schulbaue  gefunden  zu 

haben,  machten  keinen  Hehl  aus  ihrem  Funde,  der  nun  den 
gesetzmässigen  Weg  nahm  und  auch  dem  Mim;:-  und 
Antiken-Cabinete  zur  Einsichtnahme  zuging.  Die  Münzen 
dieses  Fundes  reichen  vom  letzten  Viertel  des  XVI.  bis  zu 
Ende  des  \\||.  Jahrhunderts.    Es  sind  ungarische,  sieben- 


—   131 


bürgische  und  polnische,  vom  Mathias  II.  (1G08 — 1619), 
Leopid  I.  (1656 — 1705),  Gabriel  Bethlen  (1613—1629), 
Sigismund  III.  (1587—1632)  und  Johann  Casimir  (1648 
bis  1668).  Vergl.  Seidl's  Chrom,  S.  138,  1854. 

Den  Beschluss  der  mir  bekannt  gewordenen  Funde 
dieses  Jahres  machen  zwei  römische  Inschriften,  welche  ich 
von  einem  Professor  des  evangelischen  Gymnasiums  in  Schäss- 
burg,  angeblieh  von  Szent  Mihäly  im  Udvarhelyer  Kreis 
und  Bezirk,  erhielt,  ohne  nähere  Angaben.  Ich  gebe  die- 
selben hier,  wie  ich  sie  bekommen  habe. 

1)         I.  0.  M.  2)         i.  0.  M. 

TVETTIVS  C.  IVL.  1VLIA 

—     EVERVS  .  WS  PRAEF. 

PRAEF.  CoHI  CoHIin  HISP 

EO  DOM  RoM. 

VS  V.  S  L.  M. 

LM. 

1854. 

Mittelst  Zuschrift  der  k.k.  siebenbürg.  Statthaltern  vom 
10.  April  1.  J.,  wurde  ich  für  den  Zweck  der  entsprechenden 
Benützung  bei  der  Sr.  Durchlaucht  dem  Herrn  Militär-  und 
Civil-Gouverneur  gewidmeten  archäologischen  Karte  von 
Siebenbürgen,  auf  die  bei  Klausenburg  im  Bacser  Unter- 
bezirke befindliche  sogenannte  Trajanstrasse,  mit  dem  Bei- 
fügen aufmerksam  gemacht,  dass  sich  dieselbe  am  Nädösfluss 
durch  diesen  ganzen  Unterbezirk  über  Bäcs,  M.  Na  dös, 
M.  Särd,  ü.  Köblös  gegen  M.  N.  Sombor  ziehe,  eine 
starke  Klafter  breit,  mit  grossen  viereckigen  Steinen  gepfla- 
stert, jedoch  an  den  meisten  Stellen  in  der  Ebene  schon 
mehrere  Fuss  hoch  mit  Erde  bedeckt  sei.  Gleichzeitig  wird 
von  dort  angegeben,  dass  beim  Steinwerfen  in  der  Ebene 
zwischen  Közeplak  und  Zutor  ein  starkes,  sich  weit  ausdeh- 
nendes Mauer-Fundament  entdeckt  worden  sei,  welches  die 
Spuren  der  dort  gelegen  „sein  sollenden  Stadt  Zuthor 
enthalten  dürfte." 

Aus  einer  Mittheilung  der  k.  k.  Central-Commission  für 
Erforschung  und  Erhaltung  der  Baudenkmale  entnehmen 
wir,  dass  einige  ihr  eingesendete  Gefässe,  welche  zufolge 
Zuschrift  des  evangelischen  Pfarrers  A.C.  in  Bistritz  beim 
Ausheben  der  Gruben  zum  Setzen  veredelter  Obstbäume 
gefunden  worden  sind,  wenn  gleich  ohne  imiern  Werth, 
doch  dadurch  ein  Interesse  gewinnen,  dass  sie  die  gleiche 
Zeichnung  an  sich  tragen,  welche  man  von  dem  Strande  der 
Ostsee  bis  in  das  südliche  Europa  hinab  an  den  altertüm- 
lichen, den  Gelten  zugeschriebeneu  Gelassen  vorfindet,  und 
daher  von  dem  k.  k.  Münz-  und  Antiken  -  Cabinete  zur  Auf- 
bewahrung übernommen  worden  sind.  Gleichzeitig,  während 
dem  Ausgraben  der  irdenen  Gefässe,  fand  man  auch  eine 
goldene  Kette,  wie  es  heisst  von  plumper  Arbeit,  aus  neun 
Ringen,  von  dem  mittlem  grössern  angefangen,  nach  beiden 
Seiten  an  Grösse  abnehmenden  Ringen  bestehend.  Die  Gold- 
kette war  indessen,  bevor  noch  der  Conservator  in  Bistritz 


von  dein  Funde  Kenntniss  erhielt,  vom  Finder  an  das  k.  k. 
Münzamt  in  Karlsburg  abgeschickt  und  für  15  Ducaten  in 
Gold  und  Einem  Gulden  C.  M.  eingelöst  und  eingeschmolzen 
worden.  Auch  diese  Notiz  wurde  mir  durch  die  hohe  Statt- 
halterei  mitgetheilt  zur  entsprechenden  Benützung  bei  meiner 
archäologischen  Karte  Siebenbürgens  und  dein  dazu  für  die 
k.  k.  Central-Commission  bestimmten  Commentar,  und  ich 
wurde  zugleich  veranlasst,  ein  Paar  alte  Urnen  aus  der  Um- 
gegend von  Hamersdorf  nächst  Hermannstadt  und  aus  der 
Nekropolis  zwischen  Kastenholz  und  Girelsau  für  das  k.  k. 
Münz-  und  Antiken-Cabinel  zu  senden. 

Merkwürdiger  war  der  in  den  Bergwerken  wm  Y  e- 
respatak  bei  Abrudbänya  (auch  Altenburg  and  Gross- 
Schlatten  genannt)  entdeckte,  aber  leider  durch  anverzeih- 
liche Unvorsichtigkeit  verunglückte  Fund  römischer  Cerat- 
tafeln.  Zu  den  22  im  Gange  stehenden  Goldbergwerken  ist 
im  Laufe  dieses  Jahres  die  Erschliessung  eines  neuen  Guld- 
lagers  versucht  worden,  wo  man  beim  Eintreiben  des  Stollens 
in  den  Berg  wider  Verinuthen  auf  einen  alten  Stollen  stiess, 
der  ein  Römerstollen  gewesen,  und  bei  einem  feindlichen 
Einfalle  der  Barbaren  absichtlich  in  Eile  verlassen  zu  sein 
scheint,  da  er  mit  Holzstämmen verbarricadirt  und  so  geschickt 
verschüttet  war,  dass  sein  Eingang  niemals  erkannt  worden 
ist.  Nach  Wegschaftüng  des  mit  Schwefelblüthe  überzoge- 
nen Holzes  fand  man  auf  dem  Boden  zerstreut  einige  Dutzend 
Tabulas  cereas  und  einen  aus  dem  Felsen  gehauenen  Feuer- 
herd, worauf  noch  Asche  und  Kohlen  lagen.  Von  diesen 
Tafeln  sind  dem  Pester  ungarischen  National-Museum  9  Stücke 
eingesendet  worden,  aber  in  einem  Zustande,  dass  es  nicht 
wahrscheinlich  ist,  man  werde  aus  der  römischen  Cursiv- 
schrift  einen  Sinn  entziffern.  Denn  es  waren  diese  Tafeln 
den  ungeschickten  Händen  eines  gemeinen  Menschen  anver- 
traut worden,  um  sie  abzuscheuern  und  vom  Staub  zu  rei- 
nigen, der  dann  ganze  Zeilen  ausgelöscht  und  obendrein  die 
Unvorsichtigkeit  begangen,  die  nass  gewordenen  Tafeln  auf 
dem  Ofen  zu  trocknen,  wodurch  das  Wachs  sich  abgeblät- 
tert hat.  Die  noch  übrigen  12,  den  Massmann'sehen  ähnlichen 
Cerattafeln,  welche  der  Statthalterei  eingesendet  wurden, 
haben  wir  im  kläglichsten  Zustande,  bevor  dieselben  noch 
an  die  k.  k.  Central-Commission  nach  Wien  abgeliefert  wor- 
den, mit  Bedauern  betrachtet.  Ohne  Zweifel  mochten  jene 
römischen  Bergleute  oder  Goldgrubenbesitzer  durch  Hinter- 
lassung dieser  Tafeln  ihr  Eigentumsrecht  an  dieses  Gold- 
bergwerk erhärten  und  ausser  Zweifel  setzen,  falls  es  ihnen 
selbst  oder  ihren  Nachkommen  geglückt  wäre,  in  das  Land 
zurückzukehren,  was  aber  nicht  geschah. 

In  den  westlichen  Erzgebirgen  dieses  Kronlandes,  vor- 
züglich in  den  Bergrevieren  von  Zalathna,  Offenbän]  a, 
Abrudbänya  und  Yeresp a t a k  bleibt  die  Aussicht  auf 
noch  manche  Entdeckungen  dieser  Art  fortwährend  offen. 
Spuren  eines  lange  verlassenen  untergegangenen  altdacischen 
Bergbaues,  welcher  kunstgerecht  geführt  ward, uralte  Gruben. 
Schachte,  Pinyen  und  Stollen,  grosse  Halden,  Erzschlacken  und 


132  — 


montanistische  Werkzeuge  liegen  als  beredte  Zeugen  einer 
geregelten  Thätigkeit  vor  Annen,  oft  da,  wo  kein  Bergbau 
getrieben  und  man  sich  auch  nicht  erinnert,  dass  je  einer  dort 
betrieben  worden  wäre.  Siebenbürgen,  das  reichste  Gold- 
land in  Europa,  ist  noch  lange  nicht  von  diesem  edlen  Me- 
talle erschöpft,  obschon  daselbst,  soweit  die  Geschichte 
zurückreicht,  immer  auf  Gold  gebaut  worden  ist.  Audi  alle 
Flüsse,  Bäche,  Rinnsale  und  seihst  diejenigen  Wasser,  welche 
durch  Regen  entstehen,  führen  Gold.  Die  jährliche  Aus- 
heilte wird  im  Durchschnitt  zu  2i>00  Mark  angenommen, 
wovon  die  Hälfte  durch  Goldwäschereien  gewonnen  und  wo 
nebenher  5000  Mark  Silber  beimAusscheiden  erhalten  werden. 
Nächst  diesen  Bergwerken,  auf  der  Strecke  zwischen 
Karlsb  urg  und  (!  ross-Eny  ed.  spendete  das  Ackerfeld  aus 
seinen  aufgewühlten  Fundien  durch  einen  guten  Freund  für 
meine  archäologische  Sammlung  einen  kleinen  2"  messenden 
bärtigen  \ugur  von  Bronze,  mit  einem  Lorbeer  bekränzt, 
hallt  unbekleidet,  bloss  mit  der  kurzen  Chlamys  um  den 
Schultern,  und  mit  verstümmelten  Händen  und  Füssen. 
Ausser  dem  Bezeichneten  ergaben  sich  in  diesem  Jahre  noch 
folgende  Funde:  1)  mehrere  Streitkeile  und  Streitäxte  von 
Serpentin,  Presnit  und  schwarzem  Kieselschiefer,  im  Rette 
der  Bäche  von  Csörgid  und  Reussmarkt,  vom  Wasser  heraus- 
gewaschen und  dem  Bachufer  entrissen,  besonders  zeichnet 
sich  dabei  eine  beschädigte  Streitaxt  durch  angebrachte 
Verzierungen,  welches  sonst  seltener  der  Fall  ist,  aus;  die 
Masse  ist  Presnit.  Diese  schätzbaren  Funde  verdanke  ich 
der  Güte  meiner  Freunde,  den  Herren  Wilhelm  Low  und 
Carl  Simonis,  Beamten  der  k.  k.  Landesstelle  in  Hermann- 
stadt; 2)  ein  bauchiger  Topf  von  grauer  stark  gebrannter 
Erde,  bl/>"  hoch  und  4"  durchschnittlich  weit,  angefüllt  bis 
zum  Rande  mit  römischen  Silbermünzen  und  zu  Gergesch- 
dorf ausgegraben.  Ihre  Anzahl  ist  nicht  bekannt  geworden. 
doch  sollen  sie  sämmtlieh  vom  Kaiser  Constantius  (Fl.  Jul. 
Val.)  mit  unbedeutender  Abänderung  der  Präge  herrühren. 
Von  diesem  Fluide  bekam  ich  bloss  ein  Exemplar  und  die 
Scherben  des  alten  Topfes;  3)  eine  Anzahl  ähnlicher  auf 
der  östlichen  Gränze  Siebenbürgens  gefundener  Münzen  des- 
selben Kaisers  Constantius  kaufte  ein  Officicr  des  37.  k.  k. 


lnf.-ligts..  während  des  Marsches  über  den  Tülgyes  -  l'ass 
beim  Übergang  in  die  Moldau,  einem  dort  ansässigen  Was- 
chen ab.  und  ertheilte  mir  davon  Nachricht:  4)  eine  Berich- 
tigung: der  alte  Tbiirm  s/k  Stunden  von  dem  jetzigen  so- 
genannten rothen  Thurm  abwärts  am  Altstrome  .  dessen 
Hälfte  oder  vielleicht  nur  ein  Drittheil  noch  hoch  empor- 
ragt, das  Übrige,  von  den  Altllnllieii  unterwaschen,  zusam- 
mengestürzt ist.  trägt  nach  meiner  Ansicht  den  Typus  des 
römischen  Altherthums  an  sich.  Das  Mauerwerk  besteht  aus 
Bruchsteinen,  das  Bindemittel  oder  der  Mörtel  ist  mit  kleineu 
Ziegelstückchen  vermischt.  Doch  hat  der  Thurm  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  durch  neue  Baue  manche  Zusätze  und  Ver- 
änderungen erlitten.  Die  kreisförmige  Rundung  des  Tbiirmes 
betrug  beiläufig  21  Klafter,  der  Durchschnitt  7  Klafter.  Vom 
Thurm  am  Fusse  des  Berges,  wo  die  Strasse  von  Hermann- 
stadt nach  der  Walachei  hinläuft,  zieht  sich  eine  starke  noch 
ziemlich  hohe  Mauer  gegen  50  und  mehr  Klafter  an  der 
steilen  Gebirgslehne  hinauf.  Die  grauen  Überreste  sind  jetzt 
dadurch,  dass  ein  neues  Gebäude  vor  denselben  aufgeführt 
wurde,  theilweise  bedeckt  und  in  Schalten  gestellt.  Dass 
der  alte  Bau  des  Römerthiirmes  von  den  Allllussw  eilen  nicht 
ganz  verschlungen  worden,  wie  mau  mich  fälschlich  berich- 
tet und  ich  im  Commentar  über  meine  archäologische  Karte 
Siebenbürgens  angegeben,  habe  ich  in  diesem  Jahre  mich 
vom  Gegentheile  autoptisch  zu  überzeugen  Gelegenheit  ge- 
funden. 5)  Noch  einige  zum  Schlüsse  dieses  Jahres  ent- 
deckte Alterthümer  aus  den  hiesigen,  habe  ich  aus  den  durch 
meine  nahe  Anwohnorschaft  monopolisirten  Fundgruben 
von  Hamersdorf,  bestehend  in  drei  Gross -Erzmünzcn  des 
Hadrian,  Antoninus  Pins  und  Philippus  sen.,  durch  den  zwei- 
ten evangelischen  Schullehrer  erhalten ;  durch  denselben 
kam  mir  auch  ein  kleines  Töpfchen  3  hoch  und  2  '/^  durch- 
schnittlich weit,  aus  dem  llaiiptthalgrundo  des  Ortes  .  und 
vom  evangelischen  Leichenfriedhofe  ein  viereckiges  Schüs- 
selchen  zu,  dessen  eine.  Seite  31/»"  und  dessen  Tiefe  1 '/4" 
misst.  Beide  letztere  sind  von  grober  Arbeit  und  dem  Feuer 
stark  ausgesetzt  gewesen. 

(Schluss  folgt.) 


St.    K  ü  m  m  e  r  n  u  s  s. 

Von  Joseph  Bergmann. 


Schon  im  Märzhefte  (S.  37)  der  „Mittheilungen"  wird 
in  des  Conservators  Tinkhauser  trefflicher  Beschreibung 

lies  alten  Kreuzganges  des  bischöflichen  Münsters  zu  Brivn 

der  heiligen  Kümmernuss,  von  einer  betenden  Volks- 
menge umgeben,  erwähnt,  ohne  dass  der  gelehrte  Herr  Ver- 
fasser irgend   eine  nähere  Aufklärung   über  dieselbe   heige- 


M.lu'ldung  des  SANCTVS   KVMERNVS   aus  Vorarlberg  der 
k.  k.  Central -Commission  zusandte,  erhob  sich  die  Frage 

was  es  mit  diesem  auffallenden    Namen  für  eine  liew  ainltniss 

habe.  Die  hierüber  angestellten  Nachforschungen  wollen  wir 
hier  zur  Veröffentlichung  bringen : 

In    den    „Acta    Sanelorum    Jillii.    Tom.    V.    Anherpiae 


fügt  hätte.  Als  nun  später  der Hr.k. k.  Consemtor  Kögl  die     MDCCXXVH.   in  Fol.,  pag.  ."in     7(1  wird   über  die  heilige 


—    133   — 


Wilgefortis  in  ausfuhrlicher  Breite  Verschiedenes  beige- 
bracht. Die  Legende  findet  mainn  belgischer,  deutscher,  franzö- 
sischer und  lateinischer  Sprache  abgefasst.  In  möglicher  Kürze 
geben  wir  Folgendes:  Nach  Einigen  ist  die  heil.  Jungfrau 
Wilgefortis  die  Tochter  eines  noch  heidnischen  Königs 
von  Portugal,  der  mit  dem  Könige  von  Sicilien  Krieg  führte 
und  von  ihm  besiegt  wurde.  Als  Preis  verlangte  der  Sieger 
des  Besiegten  Tochter  Wilgefortis,  die  auch  Liberata  <),  En- 
tropia oder  Regentledis  genannt  wird,  zur  Ehe.  Sie  wies 
diese  Verbindung  mit  der  Antwort  zurück,  dass  sie  keinem 
andern  als  dem  Gekreuzigten  (Crucifixo)  sich  vermählen 
wolle.  Beide,  Vater  und  Brautwerber,  hierüber  betroffen, 
Hessen  sie  einkerkern,  um  sie  von  ihrem  Vorsatze  abzubrin- 
gen. Sie  bat  Gott,  sie  körperlich  so  zu  entstellen ,  dass  sie 
keiner  mehr  zur  Ehe  begehre.  Die  Jungfrau  ward  nun 
bartig  und  der  Vater  wähnte,  diess  sei  durch  Zauberkünste 
geschehen.  Sie  antwortete:  „fern  wäre  alle  Zauberei,  ihr 
Bräutigam  am  Kreuze  habe  zur  Bewahrung  der  Jungfräu- 
lichkeit ihr  einen  Bart  wachsen  lassen".  Der  erzürnte  Vater 
drohte  ihr,  wenn  sie  nicht  ihrem  gekreuzigten  Bräutigam 
entsagte  und  seine  Götter  anbetete,  mit  der  Kreuzigung,  sie 
verblieb  aber  standhaft  und  ward  ans  Kreuz  geschlagen. 
Da  man  ihren  wahren  Namen  nicht  wusste,  wurde  sie  (wie 
es  daselbst  heisst)  von  den  München  wegen  ihrer  jungfräu- 
lichen Standhaftigkeit  Virgo  fortis  und  im  Französischen 
Vierge  forte  genannt.  —  Der  Name  Wilgefortis  ist  so 
wenig  portugiesisch,  als  je  ein  König  von  Portugal  mit  einem 
König  von  Sicilien  Krieg  geführt  hat,  sondern  des  Wortes 
erste  Hälfte  verräth  germanischen  Ursprung.  Man  vergleiche 
Wille,  Willi gis  und  das  lateinische  fortis,  das  wäre 
etwa  die  Willensstarke?! 

Nach  einer  andern  Erzählung  soll  diese  Wilgefortis 
oder  St.  Kumme  rnu  ss  die  Tochter  eines  Künigs  in  Schott- 
land und  von  solcher  Schönheit  gewesen  sein,  dass  jeder,  der 
sie  nur  ansah,  sich  in  sie  verliebte.  Der  Vater  wollte  sie  mit 
einem  Fürsten  vermählen,  die  fromme  Jungfrau  aber  bat  aus 
Liebe  zur  Keuschheit  um  einen  Bart,  der  ihr  alsbald  ellen- 
lang wuchs.  Der  erzürnte  Vater  liess  sie  ans  Kreuz  heften, 
an  dem  sie  schmerzvoll  ihren  Geist  aufgab.  Ein  armer  Schu- 
ster pflegte  vor  ihrem  Bildniss  mit  einer  Geige  Musik  zu 
machen,  welche  der  h.  Kümmernuss  so  wohl  gefiel ,  dass  sie 
ihren  goldenen  Pantoffel  vom  Fusse  fallen  Hess.  Allein  da  er 
den  Pantoffel  verkaufen  wollte,  ward  er  als  Kirchendieb  an- 
gehalten und  zum  Tode  verurtheilt.  Der  Unglückliche  ver- 
langte als  letzte  Gnade,  dass  man  ihn  nur  noch  vor  dem  Bild- 
niss der  Heiligen  vorbeiführen  möchte.  Nach  erhaltener  Er- 
laubniss  nimmt  er  sein  Instrument  und  spielt  das  nämliche 
Stück  noch  besser  als  das  erste  Mal,  die  heilige  Jungfrau 
lässt  nun  auch  den  zweiten  Pantoffel  fallen.  Der  Schuster 
ward  darauf  wie  recht  und  billig,  in  Gnaden  entlassen. 


Abbildungen.  —  In  dem  vorgenannten  Werke  Acta 
Sanctorum,  p.  59,  ist  dir  heilige  Wilgefortis,  daselbst 
auch  Ontcommera1)  genannt,  so  abgebildet,  wie  man  sie 
in  einigen  Kirchen  Belgiens  sieht,  Dämlich  wie  Christus 
bärtig,  gekrönt  und  mit  langem  Gewände  über  einem 
niedern  Altare,  vor  dem  ein  Mann  kniet  und  die  Geige 
spielt,  ihr  linker  Fuss  ist  ohne  Schuh  (oder  Pantoffel), 
der  auf  dem  Altare  neben  einem  Kelche  liegt,  woge- 
gen am  rechten  Fusse  die  Beschuhung  noch  zu  sehen  ist. 
Dasselbe  ist,  wie  der  Verfasser  des  lateinischen  Aufsatzes  sagt, 
dem  sogenannten  S.  Vultus  in  Lucca  entnommen  -).  Seite  CO 
ist  St.  Wilgefortis  als  eine  ans  Kreuz  geheftete  Jungfrau 
mit  einem  Krönlein  auf  dem  Haupte,  überkreuzten  und  blu- 
tenden Füssen  (somit  ohne  Schuhe)  und  ohne  Bart  dar- 
gestellt, über  ihrer  rechten  Hand  schwebt  die  Taube  als 
Sinnbild  der  Jungfräulichkeit;  unten  erblickt  man  aber  nicht 
den  musicirenden  Mann,  und  liest  „S.  Wilgefortis  alias 
Ontcommera."  So  abgebildet  sah  die  h.  Kümmernnss 
der  erwähnte  Verfasser  im  Jahre  1722  im  Beginnen- Spital 
zu  Mecheln,  wo  sie  die  Jungfrau  der  Kranken  und  Be- 
kümmerten genannt  wurde.  Hiese  Ontcommera  ward  in 
den  Landkirchen  von  Brabant,  in  Löwen.  Waerle  u.  s.  w. 
verehrt. 

Die  k.  k.  Schatzkammer  in  Wien  verwahrt  ein  Mess- 
gewand, welches  zum  Orden  des  goldenen  Vliesses  gehört 
und  aus  dem  Jahrhundert  der  Stiftung  dieses  Ordens  (1430). 
somit  aus  den  Niederlanden  herstammt.  Auf  demselben  sieht 
man  nach  des  Herrn  k.  k.  Conservators  Albert  Camesina 
gefälliger  Mittheilung  gestickt  die  h.  Jungfrau  Kmnmer- 
n  uss,  die  Krone  (als  königliche  Prinzessin  )  auf  dem  Haupte, 
stehend  und  das  heilige  Kreuz  haltend. 

Nach  Prag  wurde  ihre  Verehrung  durch  einen  belgi- 
schen Kaufmann  im  Jahre  1G84  eingeführt.  Auf  S.  Gl!  der 
vorerwähnten  Acta  Sanctorum  ist  sie  nach  der  im  dortigen 
Kapuzinerkloster  befindlichen  Abbildung  in  prachtvollem,reich 
mit  Perlenschnuren  besetztem  Gewände  und  ausgestreckten 
Armen  am  Kreuze  dargestellt.  Ihr  Antlitz  gleicht  dem  Volto 
Santo  in  Lucca;  unten  zur  linken  Seite  kniet  ein  ihr  auf 
der  Violine  vorspielender  Mann ,  vor  dem  der  eine  Schuh 
liegt,  indess  der  andere  deren  Fuss  kleidet. 


')  Liberata  oder  richtiger  Liberatrix,  quod  :i  moerore  et  sollieif inline 
liberal.  Ihr  Fest  ist  bei  den  Bollandisten  auf  den  20.  Juli  gesetzt. 


>)  Ontcommera,  so  latinisirt  die  on  kumber,  ohneKummernnss, 

woraus  man  K  ü  in  in  e  r  n  u  t  s  oder  K  ii  in  in  e  r  niss  abgekürzt  Imhen  will. 
*)  Dieses  Volto  Santo  oder  hölzerne  Crucifix,  welches  vom  heil.  Ni- 
kndemus  verfertiget  sein  soll,  i--t  das  vornehmste  Heiligthum  in  der  Dom- 
kirche  zu  Linea.  Dessen  Leih  ist  (im  Jahre  1730)  mil  einem  damastenen 
oder  sammtenen  goldgestickten  Rocke  bekleidet  und  trfigl  statt  der 
Dornen-  eine  kostbare  goldene  mil  Edelsteinen  besetzte  Krone  auf  dem 
Haupte.  Vergl.  Keyssler's  neueste  Reisen  etc.  Hannover  1731.  Theil  l. 
;i43.  —  nie  allen  .M  ii  n  /.  rn  von  Lucca,  Ducateo  und  Groschen,  haben  die 
Umschrift  „s.  VVLTVS"  seil.  Christi,  tat  der  Vorderseite  gewahrt  man 
das  h  iiili  g  '•  Antlitz  des  Erlösers  mit  langem  Haare  und  einer  Zacken- 
kröne-,  auf  der  Kehrseite  häufig  den  h,  Martin,  den  die  Luccheser  zu  ihrem 
Schutzheiligen  erwählt  haben.  Auf  einem  vierfachen  Groschen  des  k.  k. 
Münz-Cabinets  in  Wien  sehen  wir  auf  der  Vorderseite  den  bärtigen  ■  ge- 
krönten Heiland  in  ganzer  Fi 511  r  und  langem  Gewände  ans  Kreuz. 
geheftet 

18 


134    — 


Audi  in  Tirol  ist  die  Sage  von  der  St.  K  imune  r- 
n  n  ^s  verbreitet.  Sie  war  nach  derselben  eines  Königs  Toch- 
ter roll  Schönheil  und  Liebreiz,  die  aber  jede  Bewerbung 
um  ihre  Hand  abwies  und  eines  Tages  zu  Gott  flehte,  dass 
er  alle  Gefahr  der  Sünde  von  ihr  entfernl  halten  möge,  auch 
auf  die  Gefahr  hin,  ihre  Schönheit  zu  verlieren.  Sie  wurde  so- 
gleich unbändig  wie  ein  Wild  des  Berges  und  konnte  durch 
kein  Mittel  bezähmt  werden.  Der  jähzornige  Vater,  voll 
Grimm  über  «Ins  unglückliche  Ereigniss,  jagte  die  Jungfrau 
hilflos  in  die  Wälder  hinaus,  wo  sie  verlassen  wie  eine  Wahn- 
sinnige und  von  Gotl  Geschlagene  umirrte.  Sie  wurde  haarig 
am  ganzen  Leihe  und  bekam  um  <l:is  Kinn  einen  dichten 
Bart,  mehr  als  spannenlang.  In  diesem  Zustande  gräulicher 
Zerrüttung  fingen  sie  die  Jäger  ihres  Vaters  auf  und  führten 
sie  heim.  Hort  wurde  sie  in  einen  liefen  Thnrm  geworfen, 
wo  sie  in  langem  Ellende  verkümmerte.  Ein  seliger  'Tod 
löste  ihre  Qual  und  die  Gewissheii  des  Himmels  verklärte 
ihre  letzten  Züge.  Das  tirolische  Volk  hüll  ;in  dieser  Er- 
innerung fest;  an  mehreren  Orten  findet  man  sie  abgebildet, 
wie  /..  IS.  in  einer  Capelle  zuKastelrutl  mit  einem  hingen 
Barte.  Der  gemeine  Mann  nennt  noch  die  Oswaldscapelle  am 
gescheibten  Thnrm  zu  Bozen  zur   Ji.  Kummernuss"1). 

Der  k.  k.  Conservator  für  Vorarlberg  Herr  Kögl  über- 
schickte ddo.  Bregenz  um  28.  März  die  Abbildung  von 
St.  kumernus  zu  Hank  weil,  die  auf  dessen  Veranlassung 
aus  dem  Gebeinhause  in  die  St.  Michaelscapelle  übertragen 
wurde.  Das  Bildniss  aus  Holz  geschnitzt,4'  lang  und  rücksicht- 
lich i\r\-  Kreuzesarme  3'4"breit,  wie  der  hier  gegebeneHolz- 
schnitl  zeigt.isl  unverkennbar  die  Gestalt  des  von  Schmerze" 


und  K  u  in  m  er  gebeugten  Erlösers,  bärtig,  mit  hingen  herab- 
hängenden Haaren,  nur  trägt  das  Haupt  keine  Dornen-,  sondern 
eine  mit  Zierraten  geschmückte  und  mit  Steinen  besetzte 
Krone;  um  die  Mitte  des  Leibes  hängt  das  Schamtuch,  (»heu 
auf  dem  Querholz  liest  man  „SANCTVS  —  KVMERNVS", 

welche  Aufschrift  wie  das  Kreuz  wohl  aus  neuerer  Zeil  sein 
dürfte.  Auflallend  ist  das  deutsche  Nennwort  weiblichen  Ge- 
schlechtes mit  dem  lateinischen  Beiworte  Sanctus  im  männ- 
lichen Geschlechte,  entstanden  entweder  aus  (Jnkenntoiss 
der  Sprache  oder  aus  dem  Gedanken  an  den  Heiland.  Diese 
Auffassung  entnehmen  wir  dem  Calendarium  chronologicum 
des  gelehrten  österreichischen  Jesuiten  Anton  Pilgram, 
Wien  1781.  wo  es  S.  174  heis,h  KUMERNISS,  sie.  nescio 
qua  de  causa,  vocalur  S.  Wi  Ige  f  ort  i  s  mihi  incugnita.  cujus 
imagines  in  multis  templis  conspiciuntur  cruci  affixae, 
coram  qua  musicus  genuflexus  fidibus  lud  it.  Besonders 
bemerkenswerth  ist  i\i.'r  Schlüss:  ..Nun  sunt  vero  nisi  ima- 
gines crueifixi  Salvatoris,  quarum  prototypon  ex  Palaestina 
allatum  pia  eultorumsuorum  simplicitas  miro  vestitu  ornavit". 
Ganz  oben  am  Kreuzt',  wo  gewöhnlich  I.  N.  It.  1.  zu  stellen 
pflegt,  ist  das  vierfeldige  Wappen  der  unseres  Wissens  nun 
erloschenen  Familie  von  Grenzing1)  zu  Strassberg  ange- 
bracht, die  —  wie  Herr  Conservator  Kögl  schreibt — dieses 
Kreuz  vor  etwa  zwei  Jahrhunderten  auffrischen  liess. 

Der  Herr  Pfarrer  Kulme  zu  Hank  weil  berichtet,  dass 
am  14.  September  1831  ein  75jähriges  Weib  Namens 
Kummernuss  Zamer,  aus  dem  Bregenzerwalde  herstam- 
mend, daselbst  beerdig!  worden  sei.  Im  Bregenzerwalde  und 
im  angrenzenden  Walserthale  seil  man  ehedem  diesen  Namen 
öfters  gehraucht  und  gehört  haben. 

Die  Legende  der  Jungfrau ,  welche  zur  Rettung  ihrer 
Keuschheit  vom  Himmel  einen  Hart  sich  erbittet,  reicht  in 
die  ersten  christlichen  Jahrhunderte  hinauf.  Nach  der  christ- 
lichen Kunstsymbolik  und  Ikonographie  ( vom  Herrn  v.  Ra- 
dovitz),  Frankfurt  am  Main  1830.  S.  12.  werden  darge- 
stellt: S.  Paula  Barbata,  als  eine  Jungfrau  mit  einem 
langen  Harte.  I "in  den  Nachstellungen  der  Männer  zu  ent- 
gehen, halle  sie  den  Himmel  darum  angefleht;  so  auch 
Sta.  Galla  von  Rom,  in  Ordenstracht  mit  einem  Harte. 
Sie  war  die  Tochter  des  römischen  Consuls  Symmachus  und 
nach  kurzer  Ehe  Witwe.  Vergebens  suchte  man  die  junge 
Galla  zur  zweiten  Ehe  zu  bereden.  Ein  Hart  fing  an  ihr 
schönes  Gesicht  zu  verunstalten.  Sie  ging  in  ein  Kloster 
und  starb  im  Jahre  804. 


')  Die  Stadt  Boze id  ihn  ,   r.B.  W  c  b  e  r.  Bozen  1849,  S.  268. 


■  )  Daniel  v.  Grenzing,  Fordern  Hauptmann  in  Ungarn,  war  erzh  - 

licher  It.iUi  ""'I  Stadt-  \i mann  zu  Feldkirch  und  starb  1647;  sein  Brudei 

JOhi Christoph  war  Jcsniten-Provinzial  in  Oberdeutschland  und 

Hol ii.  gestorben  als  Generalrisitator  n\  Wilna  am   IS.   April   lt>3!l. 

dessen   gleicl nigerNeffe(l iel's  Sohn)  that  nls  Sladtpfarrci  (von 

I6S2 — 1664)  daselbst  riet  füi  -l., ^  l re  seiner  Pfarrkirche,   war  dann 

Canonicua  i  Domscotasticua  in  Chur,  wo  er  1666  starb,  u.  s,  «.  —  Du:. 

Wappen  der  Familie  von  Grenzing  ist  al bilde!  in  Gabriel'a  Bucelini 

(eigentlich  Buzlin  aus  Diessenhofen  in  Thurgnu,  der  als  Stift  VVc 
ten'scher  Prior  zu  St.  Johann  in  Feldkirch  hocbbetagl  im  J,  1681 
Rhaetia  sacra  et  profane  etc.  rhu.,.'  1660,  pi   .  ili.'i. 


1o  *-» 


Die  Unterbauten  des  Diocletianischen  Kaiserpalastes  in  Spalato. 


Unter  allen  Bauwerken,  welche  die  österreichische 
Monarchie  aus  den  Zeiten  der  Römer  besitzt,  ist  keines, 
das  in  so  hohem  Grade  die  Aufmerksamkeit  der  Alterthums- 
freunde,  der  Geschichtsforscher  und  der  Gebildeten  über- 
haupt verdient,  als  der  Palast  Diocletians  in  Spalato.  Wahrend 
die  Kaiserpaläste  am  Palatin  in  Trümmer  zerfallen,  in  ihren  ein- 
zelnen Bestandteilen  kaum  mehr  erkannt  werden,  die  Sitze 
der  Karolinger,  die  Kaiserhurgen  der  Hohenstaufen  bis  auf 
wenige  Üherreste  verschwunden  sind,  steht  der  Palast  Diocle- 
tians ')  in  grossartigen  Überresten,  —  ein  unvergängliches  un- 
vergleichbares Denkmal  der  Bauthätigkeit  und  der  Kunstrich- 
tung, welche  die  zweite  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts 
n.  Chr.  G.  beherrschte.  Die  exceptionelle  Stellung,  welche 
dieses  Monument  unter  den  anderen  Monumenten  ähnlicher 
Art  aus  der  Kaiserzeit  einnimmt,  sichert  ihm  auch  eine  ganz 
besondere  Würdigung  und  Aufmerksamkeit  jener  Personen 
und  Behörden,  welche  mit  dem  Schutze  desselben  betraut 
sind.  Da  diessmal,  wenn  ich  nicht  irre,  das  erste  Mal  von 
diesem  Monumente  oder  vielmehr  Monumenten-Complexe  in 
diesen  Blättern  die  Bede  ist,  so  dürfte  es  am  Platze  sein, 
auf  einige  Punkte  aufmerksam  zu  machen,  welche  die  Erhal- 
tung des  Monumentes  betreffen. 

Der  Diocletianische  Kaiserpalast  gebort  nicht  Spalato, 
nicht  Dalmatien,  er  gehört  der  ganzen  gebildeten  Welt  an. 
Alle  Fragen,  die  bei  der  Restauration  desselben  in  Betrach- 
tung kommen ,  müssen  von  e  i  n  e  m  über  das  L  o  c  a  1- 
interesse  erhabenen  Standpunkte  aus  gesche- 
hen. Würden  bei  der  Restauration  dieses  Monumentes  die 
gewöhnlichen  Localinteressen  den  Ausschlag  geben,  so 
würde  dieses  Denkmal  in  einer  fieihe  von  wenigen  Jahr- 
zehenden durch  Anbauten  und  Veränderungen  aller  Art  so 
umgestaltet  werden,  dass  wohl  verhältnissmässig  nur  wenige 
Spuren  davon  sichtbar  sein  würden.  Der  gegenwärtige 
Zustand  des  Palastes  zeigt  deutlich  genug,  wohin  es  führt, 
wenn  eben  diese  Localinteressen  ausschliesslich  berück- 
sichtiget werden.  Die  Porta  aurea,  eines  der  pracht- 
vollsten  Denkmale   der   Architektur  der  römischen  Kaiser- 


')  Manchen  Lesern  dürfte  es  nicht  unwillkommen  sein.  /,u  erfahren,  dass 
Diocletian  im  1.  Mai  305  seine  Würde  und  Macht  feierlich  tu  Nico- 
medien  niederlegte,  sich  aufsein  Landgut  Lei  Salona  (SstXuViai),  den 
heutigen  Palast  in  Spalato,  zurückzog  und  daselbst  neun  Jahre  leide. 
Der  Geburtsort  des  Kaisers  war  Dioclea  (AoxXsoc,  Docleatae,  nach  Reichard 
jetzt  Dognidolatz)  in  der  Nähe  Salona's,  nach  Zonaras  Salona.  —  Eine 
kritische  Geschichte  Diocletian's  ist  noch  nicht  geschrieben,  so  wün- 
schenswert eine  solche  wäre.  DasBeste  bleibt  noch  immer  Tillemont's 
histoire  des  Emp.  T.  IV.  Par.  1724.  und  Gibbon's  unübertroffenes  Werk 
über  die  Geschichte  des  Unterganges  des  römischen  Reichs.  Auch  die 
Alterthümer  Salona's  und  insbesonders  der  Diocletianische  Palast  *  er- 
langen eine  neue  sorgfältige  Untersuchung,  wozu  die  trefflichsten  Vor- 
arbeiten durch  die  höchst  gewissenhaften  Aufnahmen  des  k.k.  Consei-vators 
Herrn  Andrich  geboten  werden. 


zeit,  ist  unter  Schutt  begraben.  Die  ganze  Meeresseite  des 
Palastes  ist  durch  eine  Heilte  von  kleinen  unbedeutenden 
Häusern  verdeckt,  wodurch  der  Ruin  dieses  Theiles  des  Pa- 
lastes eingeleitet  wird;  der  Peristyl  der  Kirche  selbst  ist 
theils  umbaut,  theils  durch  seine  Umgehung  dem  Be- 
schauer entzogen;  — kurz,  wenn  nicht  bei  der  Restauration 
dieses  Monumentes  Gesichtspunkte  höherer  Art  festgehalten 
werden,  so  wird  dieses  selbst  in  seinen  schönsten  Theilen 
gefährdet  sein.  Die  Restauration  dieses  Kaiserpalastes 
würde  auch  im  wohlverstandenen  Interesse  der  Einwoh- 
ner von  Spalato  seihst  liegen.  Es  ist  nicht  zu  zweifeln, 
dass  bei  dem  zunehmenden  Verkehre  in  Dalmatien  und  bei  den 
grossen  Veränderungen,  welchen  die  nördlichen  Länder  der 
Balkan-Halbinsel  entgegen  gehen,  die  Bedeutung  von  Spa- 
lato wachsen  und  die  Aufmerksamkeit  der  Heisenden  gerade 
auf  diese  Stadt  gerichtet  sein  wird.  Was  könnte  Spalato 
dem  Reisenden  Grösseres  und  Anziehenderes  bieten,  als  den 
Anblick  des  vollständig  restaurirten  Palastes ,  der ,  n  ie 
gesagt,  in  der  Welt  nicht  seines  Gleichen  hat? 

Die  Bedeutung  dieses  Monumentes  ist  auch  den  ver- 
schiedenen Regierungen,  unter  deren  Herrschaft  Dalmatien 
gestanden  ist,  nicht  entgangen.  Die  Verordnungen  der  Re- 
publik Venedigs  (le  ducali)  aus  den  Jahren  1774.  1781 
und  1782,  welche  sich  in  dem  Statthalterei-AreMve  Dal- 
matiens  befinden,  bezeugen,  dass  dieses  Gebäude  als  unbe- 
dingtes Eigenthum  der  Regierung  aurgefasst  wurde.  Ein 
weiterer  Beweis,  dass  dieses  Eigenthum  als  Staatseigentum 
angesehen  wurde,  liegt  darin,  dass  im  Jahre  1701  ein  um 
einem  Privaten  usurpirtes  Magazin  von  dem  Promeditore 
generale  easveueto  Amjclu  Diedo  als  Staatseigentum 
reclamirt  wurde.  Diese  Reclamation  wurde  von  der  öster- 
reichischen Regierung  im  Jahre  1804  bestätiget,  und  bei 
dieser  Gelegenheit  ist  aufgetragen  worden,  mit  grösster 
Genauigkeit  zu  erheben,  uli  und  welche  andere  dem  Staats- 
ärar gehörige  Güter  in  der  früheren  Zeit  in  Dalmatien  gegen 
das  Eigenthumsrecht  des  Staates  in  Hände  von  Privaten 
übergegangen  sind,  um  das  Eigenthumsrecht  des  Staate-; 
sellisi  revindiciren  zu  können. 

Während  der  Herrschaft  der  Franzosen  in  Dalmatien 
vom  Pressburger  Friedas  bis  1813  wurden  von  Seite  des 
französischen  Gouverneurs  Vorschläge  im  grossen  Mass- 
stabe  gemacht,  um  den  Palast  von  Spalato  von  aDen  Seiten 
blosszulegeu  und  das  Gebäude  seihst  herzustellen.  Ins- 
besondere Marschall  Maiinout  war  es,  der  diese  Angele- 
genheit anregte,  und  nur  seiner  Abberufung  durch  die 
Kriegsereignisse  ist  es  zuzuschreiben,  dass  der  grossartige 
Plan  der  Wiederherstellung  nicht  zur  Ausführung  kam.  Ms 
Dalmatien  181 1!  wieder  an  Österreich  fiel,  war  die  Auf- 
merksamkeit der  Regierung  in  Folge  der  langen  Kriegsjahre 

18* 


—  136  — 


vorerst  mit  Lösung  anderer  Fragen  beschäftigt,  als  es  jene 
sind,  welche  sich  auf  Alterthümer  beziehen ;  aber  schon  unter 
der  Regierung  des  Kaisers  Franz  wurde  dieser  Gegenstand 
in  umfassender  Weisein  Angriff  genommen  und  wurden  Anord- 
nungen getroffen,  «eiche  insbesonders  die  Restauration  des 
heutigen  Domes,  des  ehemaligen  Jupitertempels,  bezweckten. 

Seil  dem  Zusammentreten  der  k.k.  Central-Conunission 
erhiell  die  Frage  der  Restauration  des  Diocletianischen  Pa- 
lastes eine  erhöhte  Bedeutung,  da,  wenn  irgend  ein  Denk- 
mal der  römischen  Kaiserzeit,  dieses  die  Aufmerksamkeit 
derselben  auf  sieh  ziehen  musste.  In  diesem  Momente  sind 
es  die  Unterbauten  des  Palastes,  mit  denen  sich 
die  genannte  Commission  beschäftigt.  Es  liegt  über  die- 
selben ein  Bericht  des  k.  k.  Conservators  And  rieh  mit 
Detailaufnahmen  vor,  aus  denen  wir  das  Interessanteste 
unseren  Lesern  mittheilen  wollen. 

Die  vom  k.  k.  Conserrator  Andricb  untersuchten 
Unterbauten  liegen  an  der  Süd-(Meeres-)seite  des  Palastes, 
und  scheinen  eine  grosse  Ausdehnung  gehabt  zu  haben.  Auf 
ihnen  steht  Alt-Spalato,  d.  h.  jener  Theil  von  Spalato,  der 
sich  innerhalb  des  Palastes  befindet.  Holzschnitt  1  zeigt  den 


untersucht  wurde.  Der  Holzschnitt  2  bringt  einen  Durch- 
schnitt nach  der  Linie  AB,  wodurch  die  bauliche  Construc- 
tion  vollkommen  klar  wird.  Dieser  Unterbau  hat  eine  lichte 
Breite  von  8°.  eine  Lange  von  16°,  eine  lichte  Midie  von 
3°  3  4"  und  ist  durch  vier  massive  Pfeilerpaare  gewisser- 
massen  in  drei  Schilfe  getheilt.  Line  Reihe  von  Communi- 
cationsthüren  an  der  Schmal-  und  Längenseite  setzen  ihn 
mit  anderen  bis  jetzt  uiumtersuchten  Localitaten  in  Ver- 
bindung. 

Die  Pfeiler  sind  quadratisch  (jede  Seite  8'  3"  (i  ).  und 
tragen  die  massiven  Kreuzgewölbe,  welche  im  mittleren 
Baume  über  einer  quadraten  Grundlage,  in  den  Seitenräumen 
über  Parallelogrammen  ausgeführt  sind.  Die  Seitenmauern 
sind  theils  aus  gehauenen  Steinen,  theils  aus  Bruchsteinen 
und  Ziegeln  (opus  incertum  et  lateritium).  Die  Thfire, 
welche  in  der  Mauer  verzeichnet  ist,  hat  eine  Höhe  von 
6'  2"  und  eine  Breite  von  2'  8";  der  Thürsturz  ist  entlastet, 
indem  der  aufliegende  Stein  über  dem  Sturze  segmentartig 
ausgeschnitten  ist.  In  der  Mauer  sind  stellenweise  Fenster 
angebracht,  welche  mehr  eine  Luft-  als  eine  Lichtcirculation 
bezweckten.  Sie  haben  eine  entsprechende  Grösse  (li  8 
Höhe,  fast  3'  Breite),  und  sind  mit  einem  doppelten  Bogen 
aus  Ziegeln  gedeckt,  welche  sich  auf  durchgehende  Ziegel- 
bänder stützen. 

Die  Gewölbe  sind  theilweise  aus  Ziegeln,  theil«  eise  aus 
Tufstein  ausgeführt,  die  Gewölbfüsse  durchgehende  aus 
Ziegeln,  das  Auflager  der  Gewölbe  aus  Hausteinen,  deren 
einfach  profilirter  Abacus  etwas  vorspringt.  Trotzdem 
dass  seit  dem  Baue  des  Palastes  mit  seinen  Unterbauten 
mehr  als  anderthalb  Jahrtausende  verflossen  sind,  befinden 
sich  Gewölbe  und  Pfeiler  in  sehr  gutem  Zustande. 

Die  Unterbauteu  sind  vollkommen  sichergelegt  gegen 
das  Eindringen  von  Meereswasser  und  daher  auch  ganz 
trocken.  Sie  waren  ursprünglich  wahrscheinlich  Depots  und 
Magazine  aller  Art  (nf  die  Bedürfnisse  des  kaiserlichen  Pa- 
lastes. Diesem  Gehrauche  sind  sie  im  Laufe  der  Jahrhun- 
derte durch  die  Unwissenheit  und  den  Unverstand  der 
Menschen  entfremdet  und  bis  zur  Höhe  von  3°  mit  Schutt 
angefüllt  worden,  wie  es  die  punktirte  Linie  im  Holzschnitt  ;'• 


(Holzsi  hnitl  3.) 


zeigt,  der  einen  Theil  des  unterirdischen  Baues  im  Längen- 
,,    ucbnitt  i.)  schnitte  gibt.  Schlecht  gebaute  Canäle  aus  den  zahlreichen 

kleinen  Häusern  fähren  gegenwärtig  durch  dies,-  Unter- 
Grundrisseines  und  zwar  des  grössten  unterirdischen  Rau-  hauten:  Feuchtigkeit  und  Unrath  aller  Art  sammelt  sich  in 
mos.  der  vnii  dem  genannten  Conservator  im  Jahre  isöl     den  Schuttmassen .  und  so  sind  diese  Räume,  welche  den 


kulh'liliri'j 


Taf.  VI 


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(Holzschnitt  2.) 


Einwohnern  Nutzen  bringen  können,  dieQuelle  von  Schaden, 
die  Stütze  der  Unreinlichkeil,  die  bekanntermassen  in 
keinem  Kronlande  der  Monarchie  mehr  als  in  Dalmatien  zu 
Hause  ist.  Es  würde  nicht  sehr  grosse  Auslagen  machen, 
um  diese  Räume  zu  reinigen,  sie  in  gute  Magazine  zu  ver- 
wandeln, und  zugleich  die  Einwohner  der  grössten  und 
zukunftreichsten  Stadt  Dalmatiens  auf  eine  zweckmässige 
gesundheitsfördernde  Canalisation  zu  weisen.  Spalato  wird 
in  wenigen  Jahren  von  der  Wiederherstellung  eines  andern 
antiken  Gebäudes,  der  Wasserleitung,  Nutzen  ziehen. 
Gegenwärtig  leidet  es  empfindlichen  Mangel  an  Trinkwasser ; 
die  Einwohner  behelfen  sich  mit  aqua  rjrossa  (Cisternen- 
wasser).  Jedoch  wird  in  diesem  Augenblicke  die  alte  Wasser- 
leitung restaurirt,  welche  sich  in  einem  solchen  Zustande 
befindet,  dass  ein  grosser  Theil  derselben  wieder  practicabel 
und  ein  herrliches  Gebirgswasser  in  so  reicher  Fülle  die 
Brunnen  von  Spalato  wird  füllen  können ,  wie  an  wenigen 
Orten  Italiens,  und  in  jedem  Falle  an  keinem  Orte  Dalma- 


tiens. Oer  Nutzen  daher,  den  Spalato  an  der  Räumung  und 
Wiederherstellung  der  Unterhauten  des  Palastes  erhalten 
würde,  ist  sicher  nicht  geringer  anzuschlagen  als  die  Wieder- 
herstellung der  Wasserleitung.  Es  ist  gar  nicht  zu  zwei- 
feln .  dass  die  Bemühungen  zur  Herstellung  der  Unter- 
bauten dieselbe  allseitige  Unterstützung  im  Lande  selbst 
finden  werden,  welche  mau  von  dem  allseitigen  geweckten 
Interesse  und  einer  gesteigerten  geistigen Cultur  zu  erwarten 
berechtigt  ist.  Von  diesen  ist  es  auch  zu  erwarten,  dass 
der  Palast  selbst  in  allen  seinen  Theilen,  so  wie  die 
gegenwärtig  fast  obdachlosen  Alterthfimer  des  Spalatiner- 
Museums,  geschützt  und  erhalten  werden.  Alle  Bemühun- 
gen, welche  vom  Mittelpunkte  der  Monarchie  aus  oder 
von  Behörden  und  vereinzelt  stehenden  Personen  ausgehen, 
würden  in  ihren  letzten  Resultaten  erfolglos  bleiben,  wenn 
die  Einwohner  seihst  nur  ihr  egoistisches  Interesse  im  Auge 
behalten  und  die  allgemeinen  Interessen  gering  anschlagen. 
die  sich  an  Monumente  des  Alterthums  knüpfen.        B.v.  E. 


Der  gothische  Brunnen  in  Kuttenberg. 

(Tafel    VIII.) 


Der  reiche  Formensinn  in  der  deutschen  Architektur  werke  angewendet.  Seitdem  nicht  mehr    Mönche  allein  mit 

des  XIV.  und  XV.  Jahrhunderts  beschränkte  sich  nicht  bloss  künstlerischem  Geiste  das  Bauhandwerk  pflegten,  sondern 

auf  Kirchenbauten,    sondern  ging  auch  auf  weltliche  Ge-  in  den  zur  Blüthe  gediehenen  Städten  auch  Laien  dem  Slu- 

bäude  über.  Neben  den  kirchlichen  Anlagen  wurde  der  go-  dium  der  Architektur  und  Steinmetzkunst    sich    hingaben, 

thische  Styl  auf  bürgerliche    und    andere  öffentliche  Bau-  dachte  man  nun.  wie  früher  hei  den  Burgen,   auch  hei  ihn 


138  — 


Rathhäusern  und  anderen  öffentlichen  Gebäuden,  an  eine 
künstlerische  Ausschmückung,  und  belebte  die  Plätze  mit 
Denkmalen  verschiedener  Gattung. 

Von  diesen  Bauwerken  der  Gothik  sind  jedoch  —  we- 
nigstens in  Österreich  —  verhältnissmässig  wenige  auf  uns 
gekommen.  Die  weltliche  Architektur  unterlag  mein-  als  die 
kirchliche  localen  Einflüssen,  sie  war  abhängig  von  dem 
Wachsthum  und  dem  Verfalle  der  einzelnen  Städte  und  es 
fehlten  ihr  zumTheile  auch  die  Mittel, um  sich  in  so  reichem 
Idasse  zu  entfalten  wie  auf  kirchlichem  linden. 

Unten  den  Städten  in  Österreich —  mit  Ausnahme  jener 
der  italienischen  Kronländer  —  welche  noch  in  unseren  Ta- 
gen hervorragende  Werke  mittelalterlicher  Baukunst  auf- 
zuweisen imStande  sind,  nimmt  die  Bergstadt  Kuttenberg 
in  Böhmen  einen  der  ersten  Plätze  ein,  und  für  ihre  ge- 
schichtliche Bedeutung  unter  den  Luxemburgern  und  den 
nachfolgenden  Königen,  dann  während  der  hussitischen  Glau- 
benskämpfe, sowie  für  ihre  frühere  Wohlhabenheil  zur  Zeit 
ihres  blühenden  Bergbaues  sprechen  noch  heute  zahlreiche 
monumentale  Werke. 

Neben  den  interessanten  kirchlichen  Baudenkmalen 
dieser  Stadt  halten  sieh   auch  weltliehe  Bauwerke  ans  dem 

XV.  Jahrhundert  erhalten,  welche  die  Auf rksamkeit  der 

Kunstfreunde  in  Anspruch  zu  nehmen  berechtigt  sind. 
Wir  verweisen  nur  auf  den  wälschen  Hof  und  den  Bischof- 
sitz, die  schon  wiederholt  Gegenstand  der  Beschreibung 
und  Abbildung  gewesen  und  wollen  mit  der  beiliegenden 
Tafel  \  III  nun  auch  auf  den  alten  Brunnen  aufmerksam 
machen,  der  eine  Spezialität  unter  den  gothischen  Baudenk- 
malen in  Österreich  ist  und  ein  Zeugniss  der  vielseitigen 
Bauthätigkeil  dieser  Stadt  abgibt. 

Wie  aus  dem  Grundrisse  A  ZU  ersehen  ist.  wurde  der 
Brunnen  aus  dem  Zwölfeck  gebaut  und  besitzt  gegenwärtig 
eine  Hohe  von  4"  ö '/,,'.  Die  Ansieht  ß  zeigt  die  einzelnen  Seiten 
abgetrennl  durch  pfeilerartige  Mauervorlagen,  welche  in  der 

Mitte   eingeschrägt   und  durch    Säule terbrochen  sind. 

die  arcadenförmig  die  Mitte  des  ganzen  Baues  umziehen. 
Oberhalb  der  Säulen  treten  die  Pfeiler  wieder  in  gleicher 
Stalle  mit  den  unteren  Theilen  vor.  und  werden  von  Balda- 
chine  d   Fialen  gekrönt.       Jede  ein/eine  Seile  ist  mit 

einem  geschweiften  Spitzbogen  —  dem  sogenannten  Esels- 
rücken —  geschmückt  und  zwei  in  der  Mitte  jedes  Bogens 
angebrachte  Pfosten  verzweigen  sieh  im  Bogenfelde  zu  ver- 
schiedenartigem Masswerk,  worunter  jedoch  die  Fischblase 
die  vorherrschende  Form  bildet,  ausserhalb  jedes  Spitz- 
ns  ist  die  Mauerfläche  noch  durch  blätterartige  Verzie- 
rungen belebt.  Am  Sockel  einer  jeden  zweiten  Seite  des 
Zwölfecks  war  ein  steinernes  Becken  angebracht,  in  welches 

sich    das     aus    einer    Röhre    ausströ inli'    Walser    CTgOSS, 

Im   Innern    des    Brunnenhauses  sieht  ein  Wasserreservoir, 

von  welchem    früher  sechs    Röhren     nach    Aussen     hin    das 

Wasser  ableiteten. 


So  eigenthiinilieh  und  interessant  nun  auch  dieses  Uau- 

uerk  ist.  so  scheint  doch  die  Stadt  gegenwärtig  demselben 
wenig  Aufmerksamkeil  zuzuwenden,  —  und  zwar  wahr- 
scheinlich aus  dem  Grunde,  weil  sie  nicht  weiss,  dass  sie 
an  diesem  Brunnen  ein  Monument  besitzt,  von  welchem  Ins 
jetzt  in  Österreich  kein  zweites  ähnliches  Beispiel  bekannt 
ist.  Denn  das  Brunnenhaus  scheint  noch  manch  anderen 
Schmuck  gehahl  zu  hahen,  den  derselbe  entbehrt,  seitdem 
er  dem  Verfalle  preisgegeben  ist.  So  ist  fast  unzweifelhaft,  dass 
derselbe  an  i]v\-  Stelle  des  gegenwartigen  flachen  Xothdaches, 
früher  ein  steinernes  Dach,  welches  oben  mit  einer  Statue 
geschmückt  war, besass;  ferner  deuten  die  Baldachine  au  den 
Pfeilervorlagen  an.    dass   unter  denselben   Figuren  standen. 

Ebenso  leiden  von  den  sechs  steinernen  zur  Ansamm- 
lung des  Wassers  bestimmten  Becken  vier  sammt  ilvn  nö- 
thigen  Wasserauslaufcn,  und  die  Eingaugsthüre  in  das  Innere 
des  Brunnenhauses  ist  ein  Provisorium,  welches  nicht  im 
Entferntesten  mit  dem  Charakter  des  Bauwerkes  über- 
einstimmt. 

Was  nun  die  Zeitbestimmung  des  Kuttenberger  Brun- 
nens anbelangt,  so  deutet  zwar  schon  der  geschweifte  Spitz- 
bogen und  die  häufig  wiederkehrende  Fischblase  auf  eine 
dem  Verfalle  der  Gothik  angehörende  Bauperiode,  es  gibt 
aber  auch  die  auf  einer  Seite  des  Bauwerkes  angebrachte 
Jahrzahl  1407  hierüber  die  erforderliche  Auskunft. 

Nachdem  nun  der  Zeitpunkt  der  Erbauung  dieses  Uau- 
werkes  genau  bestimmt  werden  kann,  so  drangt  sich  die 
weitere  Frage  auf,  von  welchem  Meister  tU'r  Baukunst  das- 
selbe herrührt.  Hierüber  fehlen  uns  aber  leider  positive  An- 
haltspunkte. Wir  wissen  nur  aus  einem  Bruchstücke  der  Kir- 
chen- und  Bauchronik  vonSedletz I Kuttenberg ')■  dass  die 

letztere  Stadtgemeinde  den  Prager  Architekten  Mathäus 
Rays ek,  welcher  sich  in  kürzester  Zeit  durch  seine  ge- 
schickte Leitung  des  Thurmbaues  heim  Königshofe  in  Prag 
einen  sehr  geachteten  Namen  erworben .  nach  Kuttenberg 
berief,  um  den  Bau  der  grossen  und  berühmten  Barbara- 
kirche zu  übernehmen.  Raysek  folgte  auch  dem  Rufe  und 
begann  im  Jahre  1481!  den  Hau.  Wie  lange  Raysek  in  l\ut- 
tenberg  verw eilte  und  wann  er  gestorben,  isl  his  jetzt  unbe- 
kannt, und  die  Spuren  seines  Wirkens  lassen  sich  nur  bis 
zum  Jahre  1493  verfolgen.  Möglich  isl  es  nun  allerdings, 
dass  auch  d^v  Kuttenberger  Brunnen  von  Raysek  erbaut 
wurde,  überhaupt  wenn  mau  berücksichtigt,  dass  Raysek  als 
ein    sehr  sinnreicher   und    erfinderischer  Kopf  geschildert 

wird,  der  eigentlich  das   Steinmetz  -  Nandu  erk    nicht    erlernt 

hatte  und  ohne  Rücksicbl  auf  die  vorhandenen  Kunsttradi- 
tionen seiner  Phantasie  ungehinderten  Spielraum  Hess.  Denn 

; h  der  Kiiltenlicrger  Brunnen  sprich!  für  das  Werk    eines 

erfinderischen  Kopfes,   der   mehr  das  Decorative  als  Con- 
struetive  der  Gothik  vor  Lugen  gehahl  hat.  K.  W. 


'  i  Vergl.  „III ustrirte  Chronik  v.  Böhmen".  1834,  II.  lti? 


131» 


Notizen. 


42.  (Die  Dorfkirche  zu  Mariasdorf  und  Han- 
ner sdorf  im  Eisenhurger  Comitate  Ungarns.)  Der  hoch- 
würdige  Abt  und  k.  k.  Conservator  Dr.  Ludwig  Bit nitz  in 
Steinamanger  lieferte  hierüber  folgende  Beschreibung: 

Die  Kirche  zu  Mariasdorf  ist  ein  aus  Sandstein  auf- 
geführter,  von  West  nach  Ost  gerichteter,  einschiffiger  go- 
thischer  Bau.     Das  Sanctuarium  hat  einen    polygonen  Ab- 
schluss  und  ist  spitzbogig  überwölbt.  Zur  Beeilten  des  Hoch- 
altars, auf  der  Nordseite  der  Kirche  ist  ein,  in  die  Mauer 
eingelassenes,  auf  einer  kleineu  Säule  ruhendes,  in  der  Form 
eines  geschmückten  Spitzthürmchens  emporragendes  Sacra- 
menthäuschen,  dessen  unteren  viereckigen  hohlen  Theil  ein 
Gitterthor  schliesst.  und  das  untere  Gesims  folgende  einge- 
grabene Jahrzahl   1X83  trägt.    Das  Schiff  ist  breiter  als  das 
Sanctuarium.  hat  gleichfalls  eine  spitzbogige  Überwölbung, 
getragen  durch  Bündel  von  je  drei  schlanken  Wandsäulen. 
Am  Westende  des  Schiffes  ist  der  Sängerchor  angebracht, 
spitzbogig  unterwölbt,  und  in  der  Mitte  des  Schiffes  auf  zwei 
Säulen  mit  niedrigem  viereckigen Fusse  ruhend.    Die  Säulen 
haben  keine  Capitäle,  aber  einen  Schaftring,  und  dieGewölbs- 
Bippen  entspringen  unmittelbar  aus  dem  Schaft.     Besonders 
hervorragend  ist  die  Südseite  der  Kirche  und  ihre  Haupl- 
thüre.   Die  Südseite  zieren  einfache  Strebepfeiler  und  zwei 
bis  zum  obersten  Gesimse  der  Kirche   reichende   polygone 
Treppenthürme,    einer   nahe    am  Westende   des  Sanctua- 
riums.  der  andere  nahe  von  dem  des  Schiffes  in  die  Mauer 
eingelassen,  und  fast  zu  drei  Viertel  vor  derselben  stehend. 
Die  Fenster  an  der  Südseite  sind  breit,  durch   zwei  abge- 
schrägte   Steinpfosten  in  drei  Abtheilungen  getrennt,   mit 
einem  Spitzbogen  gewölbt,   und  mit  durchbrochenen  Fül- 
lungen verziert.  Au  den  Ecken  des  Sanctuarium-Absclilusses 
sind  gleichfalls  Strebepfeiler  angebracht,  und  zwischen  diesen 
sind  drei  schmälere  und  nur  in  zwei  Theile  gelheilte,  übri- 
gens eben  so,  wie  die  an  der  Südseite  mit  Masswerk  ver- 
zierte Fenster,  von  denen  das  Nördliche  dermalen  vermau- 
ert ist.    Ein,  aus  einem  abgeschrägten  Wulst  bestehendes 
Gesims  zieht  sich  horizontal  bei  jeden  der  Fenster  des  Sanc- 
tuariums  in  rechten  Winkel  abbiegend  und  dessen  unteren 
Theil  einfassend,  um  das  Gebäude  und  dessen  Strebepfeiler 
herum.    An  der  Nordseite  der  Kirche  sind  weder  Fenster 
noch  andere  Verzierungen.  —  Die  Haupthüre,  wie  aus  den 
Bruchstücken  zu  folgern  ist,  war  ehedem  mehr  geschmückt. 
Die  dermalige  Verzierung  fängt  an  beiden  Seiten  mit  Säulen 
an,  doch  weder  deren  kelchartiges  mit  horizontalen  Knoven 
geziertes  Capital .  noch  der  gleichsam  einem  abgestutzten 
Kegel  und  unterhalb  diesem  zwei  Cylinder  mit  kleineren  und 
grösseren    Durchmesser    bildender    Fuss    deuten    auf  eine 
Künstlerhand  hin;  nach  diesen  folgen  Hohlkehlen  und  Wülste 
die  sich  über  die  Thüre  hinaufziehen  und  in  Spitzbogen  zu- 


sammen laufen.  Das  Bogenfeld  ziert  ein  aus  Sandstein  ge- 
meisseltes  Bildwerk,  das  zwei  an  einander  geleimte  Schilde 
und  einen  zwischen  diesen  hinau fragenden  Rosenstock  vor- 
stellt. Auf  dem  rechten  Schild  ist  ein  Einhorn,  auf  dem  linken 
ein  sich  rechts  aufrichtender  Löwe.  Das  untere  (ie-ims  des 
Bogenfeldes  trägt  die  in  Abbildung  hier  folgende  Überschrift. 


*flD?fc**fe 


Wie  es  die  Bauart  und  die  vorerwähnte  Jahrzahl   darthut, 
wurde  die  Kirche  im  XV.  Jahrhundert  gebaut. 

Die  zweite  Kirche  ist  die  katholische  zu  Hanners- 
dorf (Sämfalva)  im  Eisenburger  Comitat.  Diese  ist  ein  im- 
Bruchstein und  hie  und  da  vermischt  aus  Ziegeln  errichtetes, 
ebenfalls  gothisches  Gebäude,  aber  weit   einfacher  als   das 
vorerwähnte.  Die  Ostseite  des  Sanctuariums  ist  polygonisch, 
sowohl  dieses  als  das  Schiff  ist  mit  Spitzbogengewölben  ab- 
gedeckt.  Zur  Rechten  des  Hochaltars  ist  in  der  Mauer  eine 
viereckige,  mit  einer  Gitterthür  verchlossene.  sonst  unge- 
zierte   Höhlung  als  einstmaliges  Sacramenthäuschen.     Der 
Hauptthüre  einfache  Verzierung  besteht  aus  einigen,   eben 
über  die  Thüre  in  einem  Spitzbogen  sich  vereinigenden  Hohl- 
kehlen und  Stäben.  Die  Südseite  des  Schiffes  und  die  Ecken 
des    Sanctuariümschlusses    haben    einfache    Strebepfeiler. 
Fenster  au  der  Südseite  sind  breit  und  in  drei  Theile  getbeilt, 
die  drei  an  den  Schluss  des  Sanctuariums  sind  schmäler  und 
in  zwei  Theile  getbeilt.  übrigens  sind  sie  alle  mit  Spitzbögen 
gedeckt,  und  die  Bogenfelder  mit  durchbrochenen  Füllungen 
geschmückt.  Hier  ist  besonders  zu  erwähnen  die  Thürge- 
wandung  der  Sacristei,  deren  Pfosten  aus  einzelnen  vier- 
eckigen, gut  ausgehraunten  Ziegeln  besteben,  und  heu  eisen, 
dass    man    im   Mittelalter  auch  mehrere    Fuss  lange,    sehr 
glatte  und  feste  Ziegel  zu  brennen  wusste. 

43.  (Glasmalereien  zu  Ebnit  und  Lot  bis  in 
Vorarlberg.)  In  einem  Berichte  des  k.  k.  Conservators 
J.  Kögl  war  die  Notiz  enthalten,  dass  in  der  sehr  hoch  und 
fast  einsam  gelegenen  Pfarrkirche  zu  Ebnit  sieh  vier  be- 
malte Glasscheiben  mit  Wappen  befinden,  wovon  zwei  dem 
Geschlechte  von  Ems.  eines  der  Familie  v.  Freiberg  zu 
Hohenfreiberg  und  Eisenberg  und  das  vierte  der  Sibylla 
v.  Ried  he  im  angehören  dürfte.  Hieran  knüpfte  nun  der 
k.  k.  Ratli  und  Custos  Herr  J.  Bergmann,  Mitglied  der 
Central-Commission ,  folgende  Bemerkung : 

..Wenn  auch  in  früherer  Zeit  Ritter  von  Ems  mit 
Fräulein  von  Freyberg,  wie  der  tapfere  Marcus  Sitticus  1. 
(f  1533)  mit  Helena  von  Freyberg  vermählt  waren,  so 
möchte  ich  glauben,  dass  das  Wappen,  das  auf  der  Glas- 
scheibe in  der  Pfarrkirche  des  hochgelegenen,   winterlichen 


140  — 


Ebnit  neben  dem  der  Sybilla  von  Riedheim  erscheint,  der 
gleichzeitigen  Martha  von  Freyberg,  Christofs  von  Ems 
Gemahlin,  angehöre". 

Zu  einer  zweiten  Notiz  über  eine  ausgezeichnet  schöne 
Glasscheibe  mit  dem  Wappen  des  Hanns  Litscher  in  der 
Pfarrkirche  zu  Röthis  lieferte  derselbe  Geschichtsforscher 
der  Redaction  folgende  interessante  Nachweisung  Ober  das 
Alter  des  Ortes  Röthis  und  das  Geschlecht  der  Litscher. 

„Die  Villa  Raute  na  oder  Rautines,  das  heutige 
Röthis  hei  Rankweil  im  vordem  Churwalhengau,  erscheint 
zum  ersten  Mal  in  Vergabungs-Urkunden  aus  der  Zeit  des 
Kaisers  Karl  des  Dicken  für  das  Kloster  St.  Gallen  in  den 
Jahren  SS2  und  883.  Die  Litscher  gehören  zu  den  älte- 
sten Geschlechtern  Feldkirchs.  Ulrich  Litscher  starb  nach 
dem  Necrologium  Curiense  daselbst  am  20.  Februar  1373 
und  seine  Hausfrau  Elisabeth  am  28.  September  1374. — 
Salomon  Litscher  erhält  nach  Angabe  der  Hofkanzlei-Acten 
den  13.  November  14S9  den  Freiherrnstand  mit  der  Ver- 
einigung des  Breisacher'schen  Wappens.  Es  war  näm- 
licli  Johann  Ulrich  Litscher,  wahrscheinlich  dessen  Vater, 
mit  Dorothea  von  Breis  ach  vermählt. — Joseph  Lit- 
scher war  Fähnrich  der  Feldkircher  Mannschaft,  als  diese 
unter  dem  Hauptmanne  Othmar  von  Pappus  im  Frühling'  1508 
nach  Trient  zur  Rettung  Tirols  gegen  die  Venetianer  und 
Franzosen  zog.  —  Im  XVII.  Jahrhundert  linden  wir  Phi- 
lipp Litscher  von  Ransenbach  in  Spanien,  vielleicht  in 
Kriegsdiensten,  und  seinen  Sohn  Johann  Baptist  mit 
einer  Spanierin  und  seine  Tochter  Helena  mit  Johann 
Baptist  Osorio  verehelicht.  Später  hatte  den  schonen  Sitz 
oben  in  dem  Dorfe  zu  Röthis  Anton  Frey  v.  Schönstein, 
kais.  Postmeister  zu  Lindau. 

44.  (Die  alte  Glocke  in  Nieder vintl.)  Der  be- 
kannte tirolische  Geschichtsforscher  Dr.  Besch  bemerkt 
in  seineu  Monumentis  II,  28.  dass  sich  in  Niedervintl  eine. 
Glocke  befinde,  deren  Inschrift  Buchstaben  aus  dem  XIII.  Jahr- 
hundertzeige. Diese  Nachricht  schien Tinkhauser  wichtig 
genug,  um  ihr  im  Vertrauen  auf  die  genaue  Kenntniss  alter 
Schriften,  «eiche  sich  Dr.  Besch,  durch  das  Copiren  vieler 
Tausende  von  Urkunden  aus  verschiedenen  Archiven  erwor- 
ben, einen  Platz  in  seiner  Diöcesanbeschreibung  einzuräumen. 
Auf  Veranlassung  des  Herrn  Prof.  Messmer  in  Brixen  erstieg 
indess  der  k.  k.  Konservator  Tinkhauser  im  Jahre  1835  den 
Thiiriii  von  Niedervintl,  um  die  fragliche  (Hocke  zu  unter- 
suchen. Hiebei  fand  derselbe  nun,  dass  diese  Glocke  schon 
einen  neuern  Hau  mit  ziemlich  weiter  Ausschweifung  nach 
unten  hat,  dass  sie  etwa  3  Schuh  im  Durchmesser  und  eben 
so  viel  in  der  Höhe  misst  und  die  Inschrift  aus  der  Mitte  des 
XIV.  Jahrhunderts  herrührt.  Vorne  sieht  man  das  Bildniss 
der  seligsten  Jungfrau  Maria  mit  dem  Jesukindlein.    Daran 


5D 'IS  RITA.    DLFTJRS 
'UVS-.    TILL  RR.    HOT. 

Maria  hilf  uns  aus  aller  not. 

Ganz  gleiche  Buchstaben  hat  auch  der  Grabstein  des 
Herrn  Rudolf  V.  Katzenstein  im  Kreuzgang  zu  Brixen  (ge- 
storben 13.'i 2  ). 

43.  ( G  e  w  ö  1  b  s s  t  e  i  n  aus  d  e  r  K  i  r  e  h  e  z  u  C  h  w  a  I- 
kowitz  in  Bö  Innen.)  Wir  geben  hier  die  Abbildung  einer 
von  dem  k.  k.  Ingenieur  l'izek  in  Königgrätz  eingesand- 
ten Zeichnung,  welche  als  ein  Gewölbschlussstein  bezeichnet 
ist  und  mit  Rücksicht  auf  die  ausgesprochene  Bestimmung 
seiner  Form  nach  sehr  eigentümlich  gestaltet  ist.  Derselbe 
machte  bis  zum  Jahre  1694  den  Gewölbeschluss  au  der 
St.  Egidy-  Kirche  zu  Chwalkowitz  im  Königgrätzer  Kreise 
und  wurde  nach  Erbauung  der  neuen  Kirche  als  eine  merk- 
würdige Seltenheit  erhalten  und  in  einen  Pfeiler  der  Epistel- 
seite am  Äussern  der  Kirche  ungefähr  eine  Klafter  von  der 
Erde  abstehend  eingemauert.  Derselbe  ist  von  gelblich-rother 
Farbe  2'  8"  hoch,  unten  9"  und  in  der  Mitte  1'  8"  breit: 


reiht  sieb  folgende  Inschrift: 


An  der  äusseren  flachen  und  sehr  breiten  Seite  steh! 
die  rohe  und  senkrecht  sehr  vertiefte  Schrift  mil  der  Jahr- 

zahl    1304    nebst    einigen   anderen    Buchstaben    am    unteren 

Theile  dos  Steines,  die  aber  so  undeutlich  geworden  sind, 
dass  nur  mehr  der  Anfangsbuchstabe  tll  (M)  zu  lesen  ist. 


Vu9  .1er  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei  in  Wien. 


.I.'iliii  Monat  erscheint  1  Heft  zu 
1  bis  2  Druckbogen  mit  Abbil- 
dungen. 
Der  Pranumcrationspreis  ist  für 
einen  Jahrgang  oder  zwölf  Hefte 
nebst  Register  sowohl  für  Wien 
als  die  Kronlander  und  das  Ausland 
4  fl.  C.  M.,  hei  portofreier 
Zusendung  in  die  Kronlinder  der 
österr.  Monarchie  4(1.  20kr.  CM. 


MITTHEILUNGEN 


DER  K.  K.  CENTRAL- KOMMISSION 


Pränumerationen  ubf  rneh- 
men  halb-  oder  ganzjährig 
altek.k.  Poslämterder  Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
Zusendung  der  einzelnen  Hrfie 
besorgen.  —  Im  Wege  des  Jim  h_ 
buidell  lind  llle  I'i  .miitiierationea 
und  zwar  nur  zu  dem  Preise  vou 
4  II.  an  den  k.  k.    Hofbuchh jndler 

W.  Braumüller  in  Wien  iu  ruhten. 


ERIIILTI  \li  DEII  IUI I\MIHI 


Herausgegeben  unter  der  Leitung  des  k.  k.  Seclions-Chefs  und  Präses  der  k.  k.  Central-Commission  Karl  Freiherrn  v.  Czoeroig. 


Redacteur:    Karl  Weiss. 


m  8. 


I.  Jahrgang. 


\iii|lhl  IMi 


Inhalt:  Kirchliche  Baudcnkmale  des  Mittelalters  zu  Völkermarkt.  —  Übersicht  der  romanischen  Baudenkmale  in  Böhmen.  —  Die  gothische 
Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien.  —  Decennal-Aufzeichnungen  der  archäologischen  Funde  in  Siebenbürgen  vom  Jahre  1843 
bis  18öö.  —  Notizen.  —  Literarische  Anzeigen.  —  Berichtigung. 


Kirchliche  Baudenkmale  des  Mittelalters  in  Völkermarkt. 

Von  Gottlieb  Freiherrn  von  Ankershofen. 


Obschon  es  keinem  Zweifel  unterliegen  dürfte,  dass  die 
römische  Heerstrasse,  welche  von  Celeja  nach  Juvavum 
und  Orilabis  führte  und  die  Orientsstrasse  mit  der  Donau- 
strasse verband1),  durch  das  Jauathal  und  sofort  über 
Völkermarkt  und  den  Kreutzerhof  nach  dem  Zollfelde, 
der  Stelle  Virunum's,  führte2),  so  haben  sich  doch  bisher 
in  Völkermarkt  keine  römischen  Denkmale  finden  lassen. 
Dieser  Mangel  dürfte  wohl  daraus  zu  erklären  sein,  dass  sich 
die  Mension  oder  Mutation  zwischen  Colatio  und  Virunum 
in  Juenna  befand,  dessen  Standort  in  der  Umgegend  der 
heutigen  Dörfer  Pod-Jura  oder  Jaunstein,  Globesnitz,  St.  Ste- 
phan, Ober-  und  Unter-Loipach,  1 1/3  Stunde  südlicher  von 
Völkermarkt  zu  suchen  ist  und  für  letzteres  sonach  jeden- 
falls nur  eine  kleinere  römische  Niederlassung  angenommen 
werden  kann. 

Das  hie  und  da  vorkommende  Gentiforum  ist  eine  will- 
kürliche Übersetzung  des  deutschen  Namens  Völkermarkt 
und  ebenso  unstatthaft  ist  die  Herleitung  des  Namens  von 
einem  urkundlich  nie  vorkommenden  s)  Geschlechte  der  Völkl, 
obschon  dieselbe  bereits  dem  Mittelalter  anzugehören 
scheint*).  Die  bisher  annehmbarste  Herleitung  dürfte  die 
von  dem  slavischen  „velko  vez"  (grosser Markt)  sein5),  und 


!)  Sii'he  das  meinem  Bandb.  d.  Gesch.  Kärnthens  beigegebene  Segment  der 
Peutingerischen  Strassenkarte. 

2)  Siehe  die  meinem  Handbuche  beigegebeue  Strassenkarte. 

3)  Unrest  erwähnt  in  der  Erzählung  des  Kampfes  der  steirischen  Landleute 
wider  Herzog  Albrecht  I.  (1291  und  1292)  eines  Volk  l's  von  Puchl, 
eines  Dieners  des  Stubenbergers  (Jacob!  Unresti  Chron.  Carinth.  bei  Mahn 
in  der  Collectio  Monum.  I,  S.  514). 

4)  Dye  Volkl,  die  dy  Stat  Volklmarekt  erhebt  habn  von  erst;  und  nach  [n 
genanndt  ist.  (Unrest  a.  a.  0.  S.  S30.) 

5)  Ambras  Eiehhorn's  Beiträge  zur  älteren  Geschichte  und  Topographie  des 
H.  Kärnthens  II,  S.  143. 


diesemnach   hätte   Völkermarkt   seine   erste   Bedeutsamkeit 
schon  in  der  slavischen  Periode  erhalten. 

Urkundlich  kömmt  Völkermarkt  zuerst  in  dem  Tradi- 
tionenbuche des  Stiftes  St.  Paul  vor.  Demselben  zufolge 
befand  sich  unter  den  freivererblichen  Gütern  des  Grafen 
Engelbert,  Stifters  von  St.  Paul  und  Sohnes  des  Grafen 
Sviostvind,  des  ersten  inKärnthen  sesshaften Sponheimers  ' ). 
das  praedium  apud  Volchenmareht.  bestehend  aus 
dem  Markte  und  einem  Stadelhofe.  Nach  dem  Tode  des 
Grafen  Engelbert  ( tOJlö)  fiel  dieses  praedium  '-)  seinen  beiden 
Söhnen,  dem  Bischöfe  Hartwig  von  Regensburg  und  dem 
Grafen  Bernhard  in  der  Art  zu.  dass  der  Stadelhof  und  die 
eine  Hälfte  des  Marktes3)  Hartwig,  die  andere  Hälfte  des 
Marktes  aber  Graf  Bernhard  erhielt.  Als  sieh  Graf  Bernhard 
verehlichte,  überliess  ihm  sein  Bruder.  Bischof  Hartwig,  den 
diesem  zugefallenen  Antheil  am  praedium  apud  Volchenmareht, 
Dämlich  die  Hälfte  des  Marktes  und  den  Stadelhof  unter  der 

Bedingung,  dass  dieser  abgetretene  Antheil  nach  de rhen- 

Iosen  Hinscheiden  des  Grafen  dem  Kloster  St.  Paul  zufallen. 
die  Grälin  Wallide  jedoch  für  ihre  Lebensdauer  im  Genüsse 
des  Gutes  bleiben  soll.  Graf  Bernhard  und  dessen  Gattin. 
Grälin  Kunigund,  deren  Sohn  Bruno  in  das  Kloster  von 
St.  Paul  eintrat*),  sicherten,  wahrscheinlich  zur  Zeit  dieses 


')  Ti'udperl  .Neu^arl  Ilisfmi; sterii  8.  Pauli   (Klagenforti  typis  Joannis 

Leon.  1848)  l.  Iah.  geneolog. 
'-')  Neugart  o.  a.  0. 

3)  Praedium  apud  Volchenmarckt,  ridelicet  medietas  eiusdem  fori  et  eurtis 
stabularia. 

4)  N'eugarl  a.  a.  (I.  I.  S.  .'i.  Kr  wurde  der  zweite  AM  und  erscheint  als  sol- 
cher urkundlich  bereits  im  Jahre  1115.  (Siehe  meine  Urkunden-Regesten 
zur  Gesch.  Kärnthens,  Nr.CXCII,  im  Archive  Im-  die  Kunde  österreichischer 
Geschichtsquellen.) 


19 


—    142 


Eintrittes,  dem  Kloster  St.  Paul  für  den  Fall,  dass  sie  erben- 
los sterben  sollten,  die  ihnen  gehörige  Hälfte  von  Völ  ker- 
markl  (dimidiam  partem  Volchenmarcatus)  dem  Kloster 
St.  Paul  zu ' ).  Als  GrafBernhard,  ohne  Hoffnung,  einen  weiteren 
Erben  zu  erhalten,  im  Jahre  I  147  den  Entschluss  fasste,  sieh 
dem  Kreuzzuge  des  König  Konrad  III.  anzuschliessen,  erlangte 
der  St.  Pauler  Mit  Wernberr  von  dem  Grafen  Bernhard 
und  der  Gräfin  Kunegund  die  Zusicherung  des  ganzen 
Marktes  in  folgender  Weise,  dass  das  Kleister  der  Gräfin 
den  Stadelhof  nebst  fünfzig  Marken  in  das  unbesebränkte 
Ki"enthiini  ülierliess.  das  gräfliche  Paar  dagegen  dem  Kloster 
ausser  der  demselben  durch  den  Bischof  Hartwig  vorbehal- 
tenen Hälfte  des  Marktes  auch  noch  die  dem  Grafen  gehö- 
rige Hallte  nebsl  zwei  kleinen  Höfen  und  zwei  Hüben  am 
20.  April  1147  in  der  Art  zusicherte,  dass  die  Gräfin  für 
ihre  Lebensdauer  im  Genüsse  des  ganzen  Marktes  blieb2). 

Eine  Viertelstunde  ausser  der  Stadt  Volkermarkt,  in 
geringer  Entfernung  von  der  Hauptstrasse,  befindet  sich  die 
Pfarrkirche  zumheil.  Ruprecht.  Sie  war  bis  in  die 
Hälfte  des  Mll.  Jahrhunderts  die  Pfarrkirche  für  Völker- 
markt, welches  sich,  mündlichen  Überlieferungen  zufolge, 
einst  weit  über  die  heutige  Stadt.  Vorstadt  und  St.  Ruprecht 
hinaus  nördlich  bis  an  den  sogenannten  Strutziggkegel  er- 
streckt haheii  soll8).  Die  Sage  setzt  den  Hau  der  heiligen 
Ruprechtskirche  in  die  Zeit  der  Christianisirung  Kärnthens 
durch  die  Sendboten  des  salzburgischen  Erzbischofes  Virgil. 
Ich  will  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  in  dem  heutigen 
St.  Ruprechl  schon  zu  jener  Zeil  eine  Kirche  gebaut  worden 
sei;  allein  die  damaligen  Kirchenbauten  waren  unter  den 
Verhältnissen  jener  Zeil  wohl  nur  Nothbauten,  wahrschein- 
lich Holzbauten,  und  die  meisten  der  dazumal  erbauten  Kir- 
chen dürften  in  den  Religionskriegen  nach  dem  Tode  des 
Herzogs  Gettimar  zerstört  worden  sein1).  Auch  die  Kirchen. 
welche  unter  dem  Chorbischofe  Theodorich  erstanden-'). 
dürften  nur  dem  nächsten  Bedürfnisse  genügt  und  spätere 
Cm-  und  Neubauten  erfahren  haben.  So  viel  glaube  ich 
jedoch  aussprechen  zu  dürfen,  dass  die  St,  Ruprechtskirche 
bei  Völkermarkt,  ungeachtel  t\t'\-  mannigfachen  Zuhauten  und 
zum  Theile  störenden  Restaurationen  nach  der  Zeit,  den 
ursprünglichen  Bau  einer  der  früh-romanischen  Stylperiode 
angehörigen  Landkirche  erkennen  lasse. 

Sie  isl  einschiffig  (Fig.I)  mit  aus  dem  Schiffe  schmäler 
hen  ortretenden,  geradlinig  abgeschlossenem  Chore.  Da  über 
diesem,  vielleichtin  späterer  Zeit,  der  Glockenthurm  aufgebaut 
wurde,  so  ist  der  Chorumfang  äusserlich  nicht  sichtbar.  Das 


l)  Traditionenbuch  des  Stiftes  St.  Paul,  Nr.  l\.  Honnayr's  Archn  für  Gesch. 

u.  s.  w.  1820,  s.  30S,  Nr.  XCIV. 
'-'I  Traditionenbuch  >"m  St.  Paul,  Nr.  VII.  Hormnyr's  trchii  für  Gesch.  L821, 

14 .    ind  370,  Nr.  131.  Eichhorn  a   a.  0    S    1 19,  Nr.  1. 
')  Es  verde ih  gegenwärtig  einige  <o Istncke  um  St.  Ruprecht  nach 

rormaligeii  Güssen,  \\  !•■  / Bi  isplele  die  „Bleigasse"  genannt, 

■>>  Siehe  mein  Handbuch  II.  S.  1 13. 
'I  Siehe in  Handbuch  S.  340,  n.  ». 


Schiff  hatte  Ins  in  den  Anfang  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen 

Jahrhunderts  eine  Ihiche.  wahr- 
scheinlich getäfelte  llol/.ilecke. 
Durch  die  Überwölbung  sind 
die  alten,  rundbogigen,  klei- 
nen, schmalen,  schiessschar- 
tenarb'g  eingezogenen  Fenster 
über  das  Gewölbe  zu  stehen 
gekommen  und  daher  nur  mehr 
von  aussen  oder  vom  Dach- 
boden aus  sichtbar.  Der  Chor, 
über  welchen ,  wie  bemerkt 
wurde,  der  Thunu  aufgebaut 
ist,  hat  das  Kreuzgewölbe,  das 
Schlussfenster  den  Kleeblatt- 
bogen. Dieses  gehört  ohne 
Zweifel  ebenso,  wie  die  in 
der  südlichen  Umfangsmauer 

des  Chores  befindliche,  im  ge- 
schweiften Spitzbogen  (  Ksels- 
fFig.  i.)  rücken)   überwölbte   Nische, 

zu  den  späteren  Umbauten.  In  dem  Chore  stand  ursprünglich 
ein  kleiner  Altar,  welcher  später  durch  einen  unter  dem 
Scheidebogen  zwischen  dem  Chore  und  dem  Schilfe  vor- 
gerückten neuen  Altar  ersetzt  wurde,  welcher  den  genannten 
Scheidebogen  ausfüllt,  und  zu  beiden  Seiten  Eingänge  in 
den  verlassenen  Chor  hat  '). 

Das  Hauptportal  in  der  Westfront  hat  den  Rundbogen, 
die  Wandung  ist  in  drei  Stufen  eingezogen,  die  Pfeilerecken 
haben  keine  Vorsätze  und  die  Pfeiler  einfach  gegliederte 
Kämpfer.  Her  Thürsturz  liegt  wagerecht  auf  und  bildet 
durch  das  Aufliegen  auf  den  innersten  Kämpfern  den  platten 
Kleeblattbogen.  Im  Bogenfelde  befinden  sich  sculpirte  Rosen 
und   breitblätterige   Blumen   und   über  dem  Portale  ist  ein 

I! lfenster  angebracht    Das  Seitenportal  in  der  südlichen 

Umfangsmauer  hat  den  geschweiften  Spitzbogen.  An  die  süd- 
liche Umfangsmauer  ist  im  früh-golhischen  Style  eine  kleine 
Capelle  gebaut,  welche  früher  als  h.  Grab-Capelle  verwendet 
wurde  und  nun  als  Sacrislei  benutzt  werden  soll.  Her  vier- 
eckige, massive,  zur  Kirche  in  keinem  Ebenmasse  stehende 
Thurin  hat  im  ersten  Geschosse  den  gewöhnli- 
chen romanischen  Rundbogenfries,  im  zweiten 
Geschosse  aber  arcadenartig  gereihte,  rund- 
bogige  Mauerblenden.  I>as  Thurmdach  fehlt, 
weil  eine  neue  Bedachung  in  Angriff  genom- 
men W  lll'ile. 

Auf  der  Nordseite  der  Kirche  befindet  sich 
im  Friedhofe  ein  kleiner  Rundbau  mit  konischem 
Dache  (Fig.  II).    Kr  hat  den  Rundbogen   in 


' )  Die  aul  dem  Grundrisse  ersichtliche  Scheidemauer  wurde  ersl  in  der  neue- 

sten  Zeil  l  swar  nach  mei •  Anwesenheil  in  St,  Ruprechl  aufgeführt 

Dieser  Zwischenbau  mag  dadurch  veranlass!  worden  sein,  weil  man  beab- 
itete,  den  leeren  Chor  statt  des  früher  an  der  Nordseite  des  Thnrmes 


—    143   — 


Thüren  und  Fenstern  und  das  romanische  Kreuzgewölbe. 
Ihm  ist  nach  Osten  zu  eine  Michaelscapelle  angebaut.  Sie 
hat  im  Gewölbe  den  gedrückten  Spitzbogen,  die  Fenster 
sind  spitzbogig,  und  haben  breite  Laibungen  ohne  Ver- 
glasung. Unter  dieser  Capelle  befindet  sich  als  Unterbau 
ein  Ossarium,  dessen  Thüre  und  Fenster  aber  gegenwartig 
durch  Schutt  verdeckt  sind.  Eine  Fortsetzung  des  Ossariums 
unter  dem  Rundhaue  ist  nicht  anzunehmen.  Die  Ortsbewoh- 
ner halten  diesen  Rundbau  für  den  ältesten  Kirchenbau,  wo- 
gegen jedoch  zu  bemerken  ist,  dass  sich  ähnliche  Rund-  und 
Achteckbauten  bei  den  meisten  kärnthnerischen  Landkirchen, 
in  deren  Friedhöfen,  bald  auf  der  Nord-,  bald  auf  der  Süd-, 
bald  auf  der  Ostseite  mit  und  ohne  Ossarien,  ein-  und  zwei- 
geschossig in  einem  gleichmässigen  Style  aufgeführt  finden 
lassen,  und  daher  weder  über  ihre  Bauzeit '),  noch  über  ihre 
ursprüngliche  Bestimmung  ein  allgemein  gültiges  Urtheil  ge- 
statten. 

Die  St.  Ruprechtskirche  war,  wie  ich  bereits  bemerkte, 
ursprünglich  die  Pfarrkirche  für  Völkermarkt  und  mehrere 
Pfarrer  erseheinen  urkundlich  als  Archidiacone  von  Salzburg-). 

Die  Einkünfte  der  Pfarrpfründe  waren  bedeutend  und 
die  Seelsorge  forderte  eine  grössere  Anzahl  von  Seelsorgern. 
Desshalh  schuf  Erzbischof  Eberhard  II.  von  Salzburg  im 
Jahre  1231  bei  St.  Ruprecht  ein  Collegiatcapitel  von  zwölf 
Chorherren  und  einem  Propste3). 

Wenige  Jahre  nach  dieser  Stiftung,  in  dem  Zeiträume 
zwischen  den  Jahren  1237 — 1239,  überliessAbt  Leonhard  von 
St.  Paul  dem  Herzoge  Bernhard  von  Kärnthen  einen  Rerg  in 
Völkermarkt  zum  Aufbaue  eines  Schlosses4).  Dieser  Aufbau 
einer  Herzogsburg  musste  dem  Markte  eine  neue  Bedeut- 
samkeit geben,  es  musste  sich  die  Zahl  der  Anwohner  ver- 


bestandenen  und  bei  der  letzten  Restauration  des  Thurmes  weggeräumten 
Zubaues  als  Saeristrei  zu  verwenden.  Man  soll  jedoeh  von  diesem  Vor- 
haben abgegangen  sein  und  nun  die  alle  Seitencapelle  regelmässig-  als  Sa- 
cristei  benutzen. 

l)  Wenn  es  aueh  richtig  ist,  dass,  besonders  in  slavischeu  Landschaften  ,  die 
Rundform  für  kleine  Landkirchen  vielfach  üblich  war,  so  kann  jedoeh  avis 
der  Rundform  allein  noch  kein  Schluss  auf  ein  holies  Alter  des  betreffen- 
den Rundbaues  gezogen  werden,  weil  sich  jene  Vorliebe  noch  bis  in  das 
XVII.  Jahrhundert  erhalten  bat,  (A.  II.  Springer's  Baukunst  des  christlichen 
Mittelalters.  S.  '.Mi;  Aprilheft  der  Mittheilungen  öS.) 

a)  Eichhorn  a.  a.  0.  S.  152. 

»)  Eichhorn  a.  a.  0.  S.  181,  Nr.  II.  Eichhorn  glaubte,  das»  in  St.  Ruprecht 
schon  früher  ein  Collegiatcapitel  bestanden  habe,  aber  in  Abgang  gekom- 
men sei.  Allein  Erzbischof  Eberhard  erwähnt  eines  solchen  früher  bestan- 
denen Collegiatcapitels  nicht ,  was  er  doch  ohne  Zweifel  gelhan  haben 
würde,  wenn  es  sieb  nur  um  das  Wiederaufleben  eines  früher  schon  be- 
standenen geistliehen  Institutes  und  nicht  um  eine  neue  Stiftung  gehandelt 
hätte.  Wie  es  zu  dieser  gekommen ,  ist  in  der  Urkunde  deutlich  genug 
ausgesprochen.  Eberhard  fand  bei  seiner  Kirehenvisilation  die  seelsorg- 
lichen Geschäfte  zu  ausgedehnt  für  den  Pfarrer  als  einzelne  Person,  und 
da  die  Einkünfte  für  den  Unterhalt  einer  grösseren  Anzahl  von  Seelsor- 
gern hinreichten,  schuf  er  das  Collegiatcapitel  in  St   Ruprecht. 

■>)  Der  Gegenstand  eines  am  10.  Februar  1239  zwischen  Heinrieb  von  Tra- 
berg und  dem  Kloster  von  St.  Paul  geschlossenen  Vergleiches  war  unter 
Anderem  auch  die  Beschwerde  des  Ersteren,  dass  Abt  Bernhard  dem  Her- 
zoge Bernhard  einen  Berg  in  Völkermarkt  zum  Aufbaue  eines  Schlosses 
gegeben  habe,  wodurch  dem  Traberger  das  Vogteirecht  daselbst  entzo- 
gen worden  sei.  (Eichhorn  a.  a.  0.  S.  153.) 


grössern,  der  Gewerbfleiss  gesteigert,  und  hiedurch  die 
Wohlhabenheit  der  Bürger  erhöht  werden.  So  konnte  es 
geschehen,  dass  durch  die  neuen  Ansiedlungen  in  dem  .süd- 
lichen Markttheile,  der  heutigen  Stadt,  gleichsam  ein  neuer 
Markt  erstand,  dass  dieser  neue  Markt  bald  durch  überwie- 
gende Wohlhabenheit  der  bedeutendere  Ortstheil  wurde  und 
sich  daraus  der  Wunsch  ergab,  die  Marktpfarre  mit  dem 
dabei  gestifteten  Collegiatcapitel  in  diesem  neuen  Markt- 
theile zu  haben.  So  viel  ist  wenigstens  geschichtlich  nach- 
weisbar, dass  sich  die  Bürger  von  Völkermarkt  an  den  Abt 
des  Klosters  St.  Paul,  welches  ohngeachtel  der  Abtretung 
des  Grundes  zum  Aufbaue  des  herzoglichen  Schlosses  den 
bedeutendsten  Grundbesitz  in  Völkermarkt  gehabt  haben 
dürfte,  wendeten  und  um  die  Abtretung  des  zum  Aufbaue 
einer  Kirche  und  der  hiezu  noch  weiters  nöthigen  Bauobjecte 
erforderlichen  Baugrundes  baten.  Abt  Hartwig  von  St.  Paul 
trat  auch  wirklich  den  Bürgern  gegen  die  Bezahlung  von 
IS  Mark  Denar  mit  Einwilligung  seines  Capitels  die  erfor- 
derlichen Baugründe  in  seinem,  wie  er  sagte,  neuen 
Markte  Völkermarkt  (in  nostro  novo  foro  Volchinmarkt) 
ab,  um  darauf  eine  Kirche  zu  bauen,  den  Kirchhof  herzu- 
stellen, und  auch  die  für  den  bei  der  Kirche  befindlichen 
Clerus  bestimmten  Wohngebäude  aufzuführen.  Diese  Bau- 
gründe übergeben  die  Bürger  dem  Propste  Ulrich,  dem 
Decane  Albrecht  und  dem  ganzen  Capitel  von  St.  Ruprecht, 
und  da  die  über  diese  Acte  am  10.  October  1240  errichtete 
Urkunde1)  auch  von  dem  Erzbischof  Eberhard  gesiegelt  ist. 
so  kann  angenommen  werden,  dass  dazumal  der  Erzbischof 
als  Stifter  und  Diöcesanbischof  auch  in  die  beabsichtigte 
Übersiedelung  des  Capitels  von  St.  Ruprecht  nach  \  ölker- 
markt  gewilligt  habe. 

Wann  diese  Übersiedelung  wirklich  -tatl  hatte,  ist 
jedoch  nicht  bekannt.  Sie  musste  jedenfalls  durch  die  Zu- 
standebringung  der  nöthigen  Kirchen-  und  Capitelgebäude 
bedingt  sein.  Über  dem  Hauptportale  der  gegenwärtigen 
Stadtpfarr-  und  Capitelkirche  in  Völkermarkl  liest  man  zwar 
die  Jahrzahl  124S;  allein  diese  Jahrzahl  wurde  erst  bei  der 
letzten  Restauration  nach  dem  Brande  vom  Jahre  1830  über 
das  Portal  gesetzt  und  zwar,  wie  der  Herr  Capitel  -  Dechant 
versichert,  aus  keinem  anderen  Grunde,  als  weil  man  in 
Völkermarkt  dafür  hält,  dass  die  genannte  Kirche  im 
Jahre  1248  erbaut  worden  sei.  Es  mag  allerdings  gleich 
nach  der  Überkommung  der  Baugründe  zur  Vorbereitung  des 
Baues  und  sohin  auch  zur  Bauführung  geschritten  werden 
sein;  allein  es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  ein  so  bedeutender 
Bau.  wie  der  der  Völkermarkter  Pfarrkirche  ist.  in  ach! 
Jahren  vollendet  worden  sein  sollte.  Wirklich  erscheint  auch 
das  Capitel  zu  St.  Ruprecht  noch  im  Jahre  1248  urkundlich 
als  bestehend-).    Indessen  dürfte  der  Kirchenbau  und  der 


V)  Eiehhorn's  Beit.  II,  S.  183. 

2)  Am  7.  Nov.  124S  vergällte  Heinrich  von  Giefenstein  „eugain  unam  in 
Fryngestorf  ecclesie  »  aneti  Ruh  er ti  in  Volk  e  n  m  a  re  h  —  in  prae- 
sentia  illustris  ducis  Bernhardi,  astanUbus  ibidem  llberto Decano, Alberto, 

19' 


144 


Bau  der  Capitelwohüungen  noch  vor  dem  Jahre  1263  so 
weil  gediehen  sein,  dass  die  I  bersiedelung  möglich  war, 
weil  in  diesem  Jahre  Propsf  Ulrich  bereits  als  Ulricus  de 
Volchenmarcht  Praepositus  et  Archidiaconus  die  bei  Völker- 
markf  erbaute  Augustinerkirche  weihte  und  nebst  aller 
Stiftungsherrlichkeit  und  Gerichtsbarkeit  den  Augustinern 
übergab,  ohne  dass  in  der  hierüber  ausgefertigten  Urkunde  ') 
des  Capitels  oder  der  Chorherren  von  8t.  Ruprecht  weiters 
eine  Erwähnung  geschieht  und  die  Urkundenaussteller  sieh 
ausdrücklich  Ulricus  miseratione  divina  de  Volkinmarkt  Prae- 
positus   et    Karintie    Archidiac is    ac    universi    canonici 

eiusdem  loci  nennen. 

Auf  dem  Vorplatze  der  als  Stadtpfarr-  und  Capitel- 
kirehe  in  Folge  der  erwähnten  Übersiedelung  des  Capitels 
von  Sanct  Ruprecht  nach  der  heutigen  Stadt  Völkermarkt 
aufgeführten  und  der  heiligen  Maria  Magdalena  geweih- 
ten Kirche  befindet  sich  noch  gegenwärtig  als  Erinne- 
rung an  den  vormaligen  Friedhof  die  alte  Friedhofslaterne 
mit  der  Jahrzahl  1477.  Das  Lieht  wurde  iu  den  achteckigen 
Stützpfeiler  eingesetzt  und  in  die  über  Eck  gestellte,  gothi- 
sche  Laterne,  in  deren  Lichtülfnungen  noch  gegen«  artig  l'ber- 
reste  farbiger  Glasscheiben  zu  bemerken  sind,  aufgezogen. 
Die  Flächen  des  Stützpfeilers  haben  Dreipässe  als  Ornamente. 

Die  im  früh-gothischen  Style2)  aufgebaute  Kirche  hat 
drei  Schilfe  (Fig.  IM).  I)as  Mittel-  oder  Hauptschiff  ragt  über 
die  beiläufig  halb  so  breiten  Nebenschiffe  empor.  Dasselbe 
wird  von  den  Nebenschiffen  durch  Pfeilerarcaden  geschieden. 
Die  spitzen  Arcadenbögen  stützen  sich  auf  je  drei  achteckige 
Pfeiler.  Die  Rippen  des  flachgespannten  Netzgewölbes  des 
Hauptschiffes  gehen  von  pilasterartigen  Wandverstärkungen 
aus,  die  sich  auf  die  im  Zwickel  der  Arcadenbögen  ange- 
brachten Consolen  stützen.  Die  Nebenschiffe  haben  das  im 
Spitzbogen  gespannte  Sterngewölbe,  die  Rippen  stützen  sich 
auf  der  Seite  des  Hauptschiffes  aufConsolen,  welche  an  den 
Arcadenpfeilern  angebracht  sind,  gegen  die  Umfangsmauer 


Lamberto,  Hartwico,  Viperto,  Magistro  Heinrico  C:irm  nicis  eiusd  e  ra 
ecclesie. —  Eichhorn  a.  a.  0.  S.  185  und  186. 

1 1  Die  Augustiner  wurden  in  Volkermarkl  durch  Herzog  Ulrich  >«n  Kärathen 
im  Jahre  Vltv.;  eingeführt  (Ulricus  Dei  gratia  DuxKarinthie  Dominus  Car- 
niole  —  Fratres    lleremitarum    Ordinis  S.   Augustini  —  apud   forum 

nostrum    Volchenmarchl     collocamus).     Den    /- Aufbaue    der 

Kirche  1  der  Wohngeh le,   dann  zur  Anlage   der  Gärten   nöthigen 

Gr Ibesiti  löst«  ein  Bürger  von  Volkermarkl  Johann  Schwach  (Joannes 

dietna  Infirmus)  von  dem  Stifte  St.  Paul  ein  und  übergab  selbe  dem  Her- 
zoge.    Die  herzogliche   Urs le   hal   das    tetum    Volchenmarchl   anno 

M.CCLXIII.  III.  Kalendus  Januarii.  —  Jene  » lern  Propsl «I  Irchidia- 

c Ulrich  über  die  Kirehenweihe  and  die  kirchliche  Obergabe  an  den 

lugustinerorden  hal  aber  das  Datum  i ,  M.CCLXIII.   (Eichhorn  a.  a.  0. 

s.  i>7  iihI  I^V)  inirrli  Killer  ,lc)sc|ih  li.  wurde  das  Kloster  aurgehoben 

und  die  Güter  desselben  bildeten  ein  /. Religionsfonde  gehöriges  unter 

dem  Namen  Auguatinergüll  in  Volkermarkl  bekanntes  Gut. 
In  neuerer  Zeit  wurde  dieses  an  einen  Privaten  veräussert,  welcher  die 
Kirchengebäude  ih'IinI  dem  Thurme  niederreissen  Hess.  In  Folge  des 
künstlich  bewirkten  l  msturzes  des  massiven  Thurmes  wurde  der  Name 

Augustinergüll  gegebe I  der  N i  Gul  Th  a  rm  Fell  zur  Geltang 

gebracht 

2)  Nur  die  I  hur and  die  gradlinige  Verbindung  derselben  erinnern  an  den 

n mischen  su  i. 


(Fig.  III.) 
zu  aber  auf  pilasterarlige  Wandverstärkiitigeii.  Das  nördliche 
Nebenschilf  setzt  sich  als  Dreifaltigkeitscapelle,  das  südliche 
als  Frauciicapelle  wie  halbe  Chorumgänge  fort.  Die  in  den 
Nebenschiffen  angebrachten  langen  Fenster  «erden  durch 
Steinpfosten  in  zwei  Lichtöffnungen  getheilt  und  die  Umrah- 
mung schliesst  im  .spii/.on  Kleeblattbogen  ab. 

Aus  dem  Hauptschiffe  tritt  man  über  drei  Stufen  in  den 

Chor.  Dasselbe  hal  das  Netzgewöibe  und  ist  dreifach  ge- 
brochen abgeschlossen.  Die  Gewölberippen  gehen  von  pila- 
sterartigen Wandverstärkungen  aus. 

Die  Vorhalle  im  Innern  zwischen  den  beiden  Thürme- 
pfeilern  ist  auffallend  klein.  Da  die  über  ihr  befindliche  Em- 
pore für  den  Musikchor  einen  zu  engen  Raum  darbot, 
wurde  eine  zweite  höl/.enie.  auf  zwei  hölzernen  Rundpfeilern 
ruhende  Empore  angereiht.  Durch  diesen  unschönen  Zubau 
wurde  der  Eindruck,  welchen  der  Einblick  in  das  durch  eine 
gefällige  Ebenmässigkeif  sich  auszeichnende  Innere  der 
Kirche  ausserdem  machen  würde,  wesentlich  beeinträchtigt. 

Das  Hauptportal  in  der  Westfront  isi  von  zwei  vier- 
eckigen Thürmen  flankirl  und  bat  den  Rundbogen.  Die 
Wandung  i>-i  in  drei  Abstufungen  eingezogen,  in  die  Ecken 


—   145 


sind  Säulen,  am  Schlüsse  consolenartige  Tragsteine  einge- 
setzt. Auf  den  letzteren  liegt  wagerecht  der  Thürsturz.  Die 
Gliederung  des  Thorbogens,  welcher  auf  den  Capitälen  der 
Pfeiler  und  Säulen  ruht,  besteht  aus  abwechselnden  Rund- 
stäben und  Hohlkehlen.  Das  Bogenfeld  ist  unausgefüllt.  Die 
Thürme  sind  durch  einen  geradlinigen  Zwischenbau  ver- 
bunden. Von  dem  südlichen  Thurme  erübrigt  nur  mehr  das 
unterste  Geschoss.  Die  höheren  sind  bei  dem  am  4.  Decem- 
ber  1690  stattgehabten  Erdbeben  herabgestürzt  und  nicht 
ferner  aufgeführt  worden.  Das  ursprüngliche  Äussere  des 
Thurmrestes  und  das  des  nördlichen  Thurmes  wurde  bei 
der  letzten  Restauration  nach  dem  Brande  vom  Jahre  1830 
durchweg  durch  einen  mit  dem  Baustyle  der  Kirche  nicht 
harmonirenden  Verputz,  wie  z.  B.  durch  des  Anbringen  des 
romanischen  Bogenfrises  in  einer  Weise  verändert,  dass  in 
dem  Falle  einer  längeren  Ausdauer  des  Verputzes  und  wenn 
sich  die  Kennzeichen  der  Neuheit  verlieren,  spätere  Forscher, 
wenn  sie  mit  der  Baugeschichte  nicht  bekannt  sind,  leicht, 
wenigstens  für  den  ersten  Anblick,  irre  geleitet  werden 
können. 

Die  äusseren  Strebepfeiler  sind  in  drei  Abschrägungen 
eingezogen  und  bis  unter  das  Dach  fortgesetzt.  Der  nördlichen 
Umfangsmauer  sind  sieben,  der  südlichen  wegen  der  dem 
südlichen  Nebenschiffe  angebauten  Capelle  zwei  Strebe- 
pfeiler vorgesetzt.  Der  Chor  ist  auch  äusserlich  dreiseitig 
abgeschlossen  und  den  Ecken  sind  Strebepfeiler  vorgestellt. 


Das  eine  der  beiden  Spitzbogenfenster  der  dem  süd- 
lichen Nebenschiffe,  wahrscheinlich  erst  später,  angebauten 
Capelle  hat  in  seinem  Masswerke  die  Fischblase. 

Die  Seitenportale  der  beiden  Nebenschiffe  haben  den 
Spitzbogen.  Die  Gliederung  der  Wandung  besteht  aus  Rund- 
stab und  Hohlkehle  und  setzt  sich  ohne  Zwischenglied  in  den 
Thorbogen  fort.  Das  Kirchendach  gehört  der  neuesten 
Zeit  an. 

Über  den  Standort  des  herzoglichen  Schlosses  in  Völker- 
markt mangeln  gegenwärtig  noch  genauere  Angaben.  Nach 
der  Meinung  einiger  Ortskundigen  soll  selbes  auf  dem  östlich 
gelegenen,  von  der  Stadt  durch  den  Mühlgraben  geschie- 
denen. Berge  gestanden  haben.  Andere  weisen  nach  dem 
westlichen  Lilienberge,  Andere  nach  dem  StrutzigkogeL 
Auf  allen  diesen  Anhöhen  linden  sich  Spuren  alten  Gemäuers, 
allein  in  so  unbedeutendem  Umfange,  dass  wohl  nur  auf 
Wachthürme  und  nicht  auf  eine  Burg  oder  auf  ein  Schloss 
gefolgert  werden  kann.  Das  gegenwärtige,  städtische  Cassen- 
gebäude  verräth  im  Innern  ältere  Rauten,  und  auch  der  an- 
der Stadtmauer  vortretende,  mit  der  Kaserne  in  Verbindung 
stehende  Rundthurm  >)  gehört  dem  Mittelalter  an.  Da  jedoch 
das  Castrum  Völkermarkt  nach  der  urkundlichen  Angabe 
auf  einem  Berge  lag,  so  dürfte  es  bis  auf  weitere  glaubwür- 
dige Aufschlüsse  überflüssig  sein,  sich  in  blossen  Muthmas- 
sungen  zu  ergehen. 


Übersicht  der  romanischen  Baudenkmale  in  Böhmen. 

Von  Dr.  Erasmus  Wocel. 

Im  Verlaufe  eines  Zeitraumes  von  14  Jahren,  wo  ich  sämmtlichen  hier  angeführten  Bauwerke  übernehmen  kann. 

mit  der  Untersuchung  und  Erforschung  der  Alterthumsdenk-  und  diejenigen  welche  ich  nicht  persönlich  kenne,  mit  einem 

male  Böhmens  mich  beschäftigte,  gelangte  ich  zur  Kenntniss  Stern  (*)  hervorgehoben  habe. 

einer  bedeutenden  Menge  von  Kirchenbauten,  die  insge-  Allerdings  sind  gar  viele  der  hier  angeführten  Kirchen- 

sammt  durch  ihr  Alter ,  zum  Theil  auch  durch  ihre  Sculp-  gebäude  unscheinbar:  ihre  historische  Bedeutung  ist    aber 

turen  und  Kunstformen  bedeutsam  erscheinen,  und  allerdings  unverkennbar,   und  das  um  so  mehr,  da  dieselben  als  die 

geeignet   sind,   die  Aufmerksamkeit   und   den   Schutz    der  ältesten  monumentalen  Denkmale  des  christlichen  Cultus  in 

k.  k.  Central-Commission  in  Anspruch  zu  nehmen.    Ich  will  Böhmen  auch  in  religiöser  Beziehung  höchst  beachtenswerth 

es  hier  versuchen  ein  gedrängtes  Verzeichniss  der  erscheinen.    Es  sind  zumeist   arme  Dorfkirchen,  und  eben 

Kirchen   des   romanischen   Styles   in  Böhmen    zu  ihre  Armuth   und   die   abgelegene  Lage  derselben  war  die 

entwerfen,  indem  ich  mir  eine  ähnliche  Übersicht  der  viel  Ursache  ihrer  Erhaltung:  denn  die  grösseren   und  reicheren 


zahlreicheren  Kirchenbauten  des  gothischen  Styles  in  Böhmen 
für  eine  andere  Zeit  vorbehalte.  Es  sind  mehr  als  hundert 
Kirchen  ,  die  hier  angeführt  werden ,  von  denen  mehrere 
bereits  beschrieben  und  zum  Theil  auch  abgebildet  wurden. 


Kirchen-  und  Klosterhauten  des  XL,  XII.  und  XIII.  Jahrhun- 
derts wurden  theils  durch  den  Sturm  des  Hussitenkrieges 
niedergeworfen,  theils  war  eben  der  Reichthum  derselben 
die  Veranlassung  zu  ihrem   völligen   Umbau  und   zur  Vertil- 


Itie  Andeutungen,  wo  solche  Beschreibungen  und  Abbildungen  gung    ihres    ursprünglichen    Raustvlos.      Dessenungeachtet 

zu  linden  sind,  werden  an  den  betreifenden  Stellen  angeführt.  stellen  sich  viele  dw  noch  erhalleneu  Raulen  dieser  Art.  wie 

Viele  Baudenkmale  dieser  Art  habe  ich  persönlich  unter-  z.  B.  die  Kirchen  zu  Zäbof,  St.  Jakob,  Podwinec,  Tismitz, 

sucht;  die  meisten  aber  lernte  ich  bloss  aus  der  Beschreibung  Potworow  u.  s.  w..  als  Beweise  eines  bedeutsamen  Kunst- 

der  Herren  Seelsorger  wie  auch  der  Studirenden  kennen,  strebensdar;  ihre  Formen  und  Ornamente,  wiewohl  meistens 

deren  Aufmerksamkeit  ich  auf  diese  ehrwürdigen  Denkmale  nach  dem  Muster  der  deutschen,  zumal  sächsischen  Kirchen 

des  Alterthums  zu  lenken  nicht  unterlasse,  daher  ich  auch  

nicht  die  Verantwortung  für  die  richtige  Bezeichnung  der        t)  Wagner'«  Album  für  Kärnthen  s.  97. 


140   — 


des  romanischen  Slyles  gebildet,  weisen  doch  viele  Eigen- 
thömliehkeiten  und  merkwürdige  Details,  und  nehmen  dess- 
halb  das  Interesse  des  vaterländischen  Kunstforschers  in 
hohem  Grade  in  Anspruch. 

Nicht  unerwähnt  darf  endlich  bleiben,  dass  sich  noch 
eine  viel  bedeutendere  Anzahl  von  Kirchenbauten  des  roma- 
nischen Styles  in  Böhmen  birgt,  und  dass  die  hier  angeführten 
nur  dm  kleineren  Teil  derselben  bilden.  Als  ich  im  J.  1844 
meine  Grundzüge  der  Alterthumskunde  schrieb,  kannte  ich 
bloss  zwölf  Kirchen  dieser  Art  in  Böhmen,  und  seit  dieser 
/.eil  gelangte  ich,  meistens  wohl  durch  Zufall,  zur  Kenntniss 
von  fast  hundert  Baudenkmalen  des  romanischen  Styles  in 
meinem  Heimathlande.  Eine  systematische  Durchforschung 
Böhmens  in  dieser  Richtung  würde  meiner  Überzeugung 
nach  zu  höchst  bedeutenden  Ergebnissen  führen.  —  Ich 
lege  somit  dieses  wiewohl  höchst  unvollständige  Verzeich- 
niss  vor,  mit  der  Bitte,  dass  dasselbe  als  ein  Beitrag  zur 
monumentalen  Statistik  I  Isterreichs  entgegengenommen,  und 
in  Betracht  der  Umstände,  unter  wehdien  es  entstand,  mit 
Nachsicht  beurtheilt  «erden  möge. 

A  Ihre  cht  itz,  Dorf.  Budw.  Kr.  Kirche  mit  romanischem 
Thurme. 

Alt-ßunzlau.  Die  weitläufige  Crypta  unter  der  Collegiat- 
kirche  des  heil.  Wenzels.  Der  ältere  Theil  der  Crypta 
oder  vielmehr  der  Unterkirche  ist  höchst  wahrscheinlich 
die  kleine  vniii  heil.  Wenzel  um  das  Jahr  930  erbaute 
Kirche  des  h.  Kosmas  und  Damian;  der  westliche  neuere 
Theil  derselben  scheint  aber  die  daran  gebaute  Crypta 
iU'\-  vom  Herzog  Wratislaw  I.  im  Jahre  1046  gegründeten 
St.  Wenzelskirche  zu  sein. 

*Boz  (Klein-B.), Dorf,  Pilsn.  Kr.  Pfarrk.  mit  roman.  Resten. 

"Brada,  Dorf  bei  Jicin.  Romanisches  Kirchlein. 

Budin,  Stadt.  Leitm.  Kr.  Kirche  am  Friedhof,  mit  romani- 
schen Motiven.  Darin  alte  Gemälde. 

'Brozan,  Leitm.  Kr.  Dorfkirche,  Übergang  vom  romani- 
schen zum  gothischen  Styl.  Darin  ein  merkwürdiger 
uralter  Taufstein. 

"Bukowsko,  Dorf  bei  Wesseli  im  Budw.  Kr.  Romanische 

Kirche   mit   einem   Thurm    mit  li Ibogenfenstern  und 

Säulchen,  an  dem  sich  die  Jahrzahl  MCXXXXV  befand. 
Die  Kirche  soll  aber  im  J.  18S3  abgetragen  worden  sein. 

*Charwatec,  Dort' im  Rakon.  Kr.  Romanische  Kirche,  die 
im  Jahre   IlMlii  eegriindel  sein  soll  (?). 

Oaslau.  Im  Thurm  der  gothischen  Decanatkirche  einige 
Reste  des  ursprünglichen  romanischen  Styles  dieses 
Kirchenbaues.  Die  Sacristei  der  Kirche  ist  durchaus 
rumänisch,  und  scheint  das  älteste  Gotteshaus  der  Stadt 
gewesen  zu  sein. 

•Cecelitz,  Dorf  bei  Melnik.  Der  Kirchenthurm  romanisch. 

Celakowitz,  Stadt  im  Prager  Kr.  An  der  Aussenseite  und 

am  Thun ler  Decanatkirche  gewahrt  mau  deutliche 

Kennzeichen    des    ursprünglichen     rumänischen    Baues. 


welcher  iu  späterer  Zeit  bedeutende  Umänderungen 
erlitten  hatte. 

Cestfn,  Dorf  im  Taborer  Kr.  (Domäne  Sternberg).  Kirche 
mit  romanischem  Portal. 

Chotieschau  (Chotysany),  Dorf  hei  Wlasim,  Tab.  Kr.  In 
neuerer  Zeit  renovirte  Pfarrkirche,  die  aber  in  der  halb- 
runden Apsis   den   ursprünglichen   r anischen  Typus 

bewahrt.  (Pamätky  arch.  I.  266.) 

*Dolau.  Dorf  im  ehemaligen  Rakonitzer  Kreise  (Domäne 
Ki-itz).  Uralte  Kirche,  halbrunder  Chorschluss.  Die 
von  Sehaller  (Seh.  Topograph.,  Rakon.  Kreis.  S.  14:5) 
erwähnten  Sculpturen  sind  vernichtet. 

Doxa n,  Leitm.  Kr.  Die  merkwürdige  Crypta  mit  romani- 
schen Säulen  der  im  Jahre  1144  gegründeten  Stifts- 
kirche. 

Eger.  Der  untere  romanische  Theil  der  bekannten  Doppel- 
capelle. 

Georgsberg  bei  Randnitz.  Die  romanische  Rundcapelle 
des  h.  Georg  am  Gipfel  des  Berges. 

*Hoch-  Aujezd,  Dorf  hei  Opotschno  im  Königgr.  Kreise. 
Kirche  mit  romanischen  Elementen. 

*H  ne  w  ko  w  i  co  ,  Dorf,  Caslauer  Kreis.  Der  Kirchenthurm 
romanisch. 

Holubitz,  Dorf  hei  Tursko  im  Prager  Kr.  Kirche  im  Rund- 
bogenstyl. Beschrieben  in  Wocel's  archäolog.  Reise  vom 
Jahre  183 1.  Abgebildet  in  Schmitt's  Baualterthümern 
in  Böhmen. 

Hostiwar,   Dorf  hei  Prag.  Das  Presbyterium  halbrund. 

*Howofowitz,  Dorf,  Präger  Kr.  Uralte  Kirche  mit  roma- 
nischen Elementen. 

*  Hr u sitz  (Hrusice),  Dorf  im  Prager  Kr.  (Domäne Kammer- 
burg). Im  Jahre  l<Si>;>  schlug  ein  Blitzstrahl  in  die  .Mauer 
der  Kirche,  und  entblösste  das  alte,  bis  dahin  vermauerte 
Portal,  welches  von  romanischen  Säulen  und  reich  ge- 
zierten Rundbogen  gebildet  wird  und  die  grösste  Ahn- 
lichkeil mit  dem  schönen  Portal  von  Zäbof  weiset.  Im 
Tympanum  des  Portals  gewahrt  man  zwei  Basrelief- 
gestalten im  geistlichen  Gewände,  von  denen  die  eine  ein 
grosses  Kreuz,  die  andere  einen  Stab  und  ein  Buch 
hält:  weiter  oben  befanden  sich  Charaktere,  welche  man 
für  das  A  und  Q  halten  könnte,  höher  noch  sind  drei 
Kreuze  in  einem  Wappenschilde  sichtbar.    Da  Hrusitz 

vor  Zeiten  dem  Kloster  Sazawa  gehörte,  SO  könnte   man 

vermuthen,  dass  jene  Gestalten  im  Bogeufelde  die  heiligen 

Cyril  und  Melliud  darstellen.  —  In  meinen  Händen  be- 
findet  sich  eine  Zeichnung  des  Portals;  zur  genaueren 
Erforschung  dieses  sehr  interessanten  Denkmals  müsste 
man  Untersuchungen  an  Ort  und  stelle  vornehmen. 

'Kainenitz.  Dorf  bei  Jesenitz  im  Prag.  Kr.  Die  Kirche  seil 
romanische  Beste  enthalten. 

Koci.  Dorf  hei  Chrudfm.  Die  Kirche  dieses  Dorfes  ist  zwar 

kein  Denkmal   des    r anischen    Slvlcs.    wird   aher   hier 

dessw  egen  angeführt,  w  eil  sie  zu  den  interessantesten  und 


—    147  — 


ältesten  Holzbauten  Böhmens  gehört.  Die  Kirche  und 
insbesondere  der  mit  einem  bis  zum  Boden  herabrei- 
chenden Duelle  versehene  Tluirm  entspricht  der  Zeich- 
nung in  Otte's  Kunstarchäologie  S.  7.  Über  dem  gothi- 
schen  Eingange  der  Kirche  ist  die  Jahrzahl  1397  sichtbar. 
Auf  dieses  merkwürdige  Baudenkmal  wäre  die  Aufmerk- 
samkeit um  so  mehr  zu  richten,  da  es  von  der  Neue- 
rungssucht  bedroht  zu  sein  scheint. 

Kopanina,  Dorf  hei  Prag.  Romanische,  halbzerstörte  Kirche. 
(Seit  kurzer  Zeit  umgebaut;  oh  einige  Reste  der  alten 
Anlage,  deren  Lithographie  ich  zugleich  einsende,  ge- 
bliehen sind,  ist  mir  nicht  bekannt.) 

Kondrac,  Dorf  bei  Wlassim,  Tabor.  Kr.  Kirche  mit 
zwei  romanischen  Thürmchen.  Besehrieben  und  abge- 
bildet in  den  Pamätky  archäol.  I,  S.  476  und  in 
Schmitt's  Baualterthümern  in  Böhmen. 

'Kostelee  am  Kreuz,  Dorf,  Prag.  Kr.  Kirche  im 
Rundbogenstyl. 

Kowary,  Dorf,  Prager  Kreis.  Pfarrkirche  im  romanischen 
Styl,  die  an  der  Stelle  der  alten  Herzogburg  Budec 
erbaut  ist. 

*Krcin,  Dorf,  Königgr.  Kr.  Kirche,  die  im  XII.  Jahrb. 
gegründet  wurde  (?). 

*L anschau  (Lanzow),  Jitschiner  Kr.  Romanische  Kirche. 

Li b can,  Dorf,  Königgr.  Kr.  Kirche  mit  romanischen 
Resten.  Beschreibung  in  Wocel's  kunstarchäologischer 
Bereisung  Böhmens  im  Jahre  1851. 

Li  bis,  Dorf,  Kaurimer  (jetzt  Prager)  Kreis.  Kirche  des 
Übergangsstyls,  mit  merkwürdigen  Fresken  und  einem 
Flugehalter.  Beschrieben  und  abgebildet  in  den  Pamätky 
archäol.  I,  S.  HS. 

Liebshausen,  Dorf,  Leitm.  Kr.  Die  Pfarrkirche,  ein  sehr 
bedeutender  romanischer  Bau.  Beschrieben  in  meiner 
kunstarchäologischen  Reise. 

*Liteö,  Marktflecken,  Prager  Kreis.  Die  Pfarrkirche  mit 
romanischen  Resten. 

*Malotitz,  Dorf,  ehemals  Kaurimer  (jetzt  Caslauer) 
Kreis.   Kirche  mit  romanischen  Resten. 

*  Mar  kl  bei  Neu-Bistritz  im  Bud  weiser  Kreise.  Verödete 
Capelle  im  romanischen  Styl. 

Mechnejov,  Dorf,  Taborer  Kreis  (Domäne  Sternberg). 
Romanische  Kirche  mit  einem  T liurme.  Das  im  ursprüng- 
lichen Style  wohlerhaltene  Gebäude  wurde  in  neuerer 
Zeit  mit  einem  Kalkanwurfe  bedeckt  und  weiss  ange- 
strichen. Beschrieben  in  Zap's  Pamätky  archäol.  I,  223. 

Mohelnice,  Dorf  an  der  Iser,  Bunzlauer  Kreis.  Romani- 
sche Kirche  und  Thurm,  Beschrieben  in  meiner  kunst- 
archäologischen Reise  1851. 

M  ü  hlh au s  en  (Milevsko),  Tab.  Kr.  Romanische  dreischilTige 
Rasilica  des  ehemaligen  Prämonstratenser  Klosters,  eines 
der  ansehnlichsten  Denkmale  des  romanischen  Styles  in 
Böhmen. 

*Ncchwalice,  Dorf,  Prager  Kreis.  Romanische  Kirche. 


Nudwojowice,  Dorf  bei  Turnan,  Bunzlauer  Kreis.  Kirche 
des  Übergangsstyls;  in  derselben  ein  alter  Flügelaltar. 

"Obienitz,  Dorf  auf  der  Domäne  Chlumetz  im  Tab,  Kr. 
Kirche  des  Übergangsstyls. 

*01branio  witz,  Dorf  auf  der  Domäne  Wotitz  im  Tab.  Kr. 
Kirchenthurm  romanisch. 

*Ofech  (Wofech),  Dorf.  Piager  Kr.  Die  Kirche  soll  Reste 
des  Rundbogenstj  Is  enthalten. 

*Petrowitz,  Dorf  bei  Schüttenhofen  im  Piseker  Kr.  Alte 
Kirche,  der  Thurm  romanisch. 

Per  toi  titz,  Dorf  im  Caslauer  Kreise.  Der  Kirchenthurm 
romanisch. 

Planian,  Markt  im  Caslauer  Kreise.  Die  Pfarrkirche  mit 
romanischen  Überresten. 

*PIzenec,  Dorf  im  Pilsner  Kreise.  Roman.  Rundcapelle. 
(Gegenwärtig  ein  Pulvermagazin  der  Bergleute.) 

Podwince,  Dorf  bei  Jung-Bunzlau.  Kleine  aber  überaus 
reich  gezierte,  wohlerhaltene  romanische  Kirche.  Abge- 
bildet in  Schmitt's  Baüalterthümer  in  Böhmen. Beschrieben 
in  meiner  kunstarchäologischen  Reise. 

Poi'ic,  Dorf  an  der1  Sazawa  im  Taborer  Kreise.  Besitzt  zwei 
Denkmale  des  Rundbogenstyls,  und  /.war  die  Pfarrkirche 
mit  einer  Krypte  und  die  im  ursprünglichen  romanischen 
Styl  wohlerhaltene  Kirche  zu  St.  Peter  und  Paul.  Beide 
Kirchen  sind  abgebildet  in  Schmitt's  Baüalterthümer  aus 
Böhmen. 

Prag.  Die  St.  Georgskirche  am  Hradschin.  Rundcapelle  am 
Wysehrad,  Rundcapelle  in  der  Postgasse,  Rundcapelle 
am  Friedhufe  bei  der  St.  Stephanskirche.  Das  Presby- 
terium  der  alten  St.  Johannskirche  auf  der  Altstadt 
(Rückseite  des  Hauses  Nr.  203).  Der  Chorschluss  der 
sonst  durchaus  erneuerten  Kirche  der  Vorstadt  Smichow. 
Das  Innere  der  St.  Peter  und  Paulskirche  am  ^  ysehrad 
enthält  bekanntlich  interessante  Reste  des  romanischen 
Styles. 

Prosik,  Dorf  bei  Prag.  Kirche  mit  romanischen  Über- 
resten. Beschrieben  von  Zap  im  Actenbänd  der  königl. 
böhmischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  vom  Jahre 
1851  —  1852,  Seite  38.  Abgebildet  in  Schmitt's  Baü- 
alterthümer. 

Psar  (Psäry).  Dorf  hei  Wlasim,  Taborer  Kreis.  Kleine 
Kirche  mit  halbrundem  Chorschluss  (Pamätky  arch. 
I.  2G4). 

*Rajsko,  Dorf  im  Piseker  Kreise.  Kirche  mil  romanischen 
Resten. 

*Recitz,  Dorf,  Caslauer  Kreis.  Romanische  Kirche. 

*Repy,  Dorf,  Prager  Kreis.  Romanisches  Kirchlein. 

*Rohanitz,  Dorf  im  Königgrätzer  Kreise.  Kirche  mit  Re- 
sten des  Rundbogenstyls. 

Rudig,  Dorf,  Saatzer  Kreis.  Merkwürdiger  rumänischer  Bau. 
Beschrieben  in  meiner  kunstarchäologischen  Reise. 

*Schwe  iss  i  ng,  Dorf,  Pilsn.  Kr.  Pfarrkirche  mit  romani- 
schen Resten. 


148  — 


"Sedletz.  Dorf  bei  Sedlcan  im  Tahorer  Kreise.  Kirche  im 
Rundbogenstyl. 

'Seli In ii.  Dorf  bei  Kaden,  Saatzer  Kreis.  Romanische 
Kirche,  enthält  alte  Gemälde. 

"Skalitz,  Dorf  bei  Ondfejow  im  Prager  Kreise.  I>;is  Pres- 
byterium  der  Kirche  romanisch.  Thiergestalten  (symbo- 
lische?) in  der  Aussenseite  der  Kirchenmauer. 

'Skofitz,  Dorf  auf  der  Domäne  Mireschau  im  Pilsner 
Kreise.  Romanische  Kirche. 

Skwrüo  w  ,  Dorf  auf  der  Domäne  Zäsinuk  im  Caslanor  Kreise. 
Romanische  wohlerhaltene  Kirche  mil  einem  Thurme. 

"Slabetz,  Dorf  im  Prager  Kreise.  Uralte, jedoch  in  neuerer 
Zeil  renovirte  Kirche.  Zu  Schaller  's  Zeit  soll  sich  auf 
einem  Steine  der  Aussenmauer  die  Jahrzahl  MCIX  be- 
funden haben.  Der  Stein  ist  aber  nicht  mehr  vorhanden. 

*Sluha,  Dorf  im  Prager  Kreise.  Kirche  im  Rundbogenstyl. 

Sobesin,  Dorf  zur  Domäne  Sternberg  gehörig,  aber  im 
Caslauer  Kreise  liegend.  Die  Apsis  der  Kirche  halbrund, 
der  Thurin  romanisch.  Beschrieben  in  Zap's  Paruatky 
archäol.  1.  <>.  lieft.  S.  264. 

Soutitz,  Dorf  im  Caslauer  Kreise.  Die  Kirche  in  neuerer 
Zeit  umgebaut .  der  Thurm  aber  noch  wohlerhalten, 
romanisch. 

*Srbec,  Dorf  im  Präger  Kreise.  Alte  Kirche  mit  romani- 
schen Überresten. 

"Srbice,  Dorf  auf  der  Domäne  Chudeuitz  im  Pilsner  Kreise. 
Uralte  St.  Veits-Kirche.  (Soll  im  XII.  Jahrh lert  er- 
baut worden  sein. ) 

Stodulky,  Dorf  im  Prager  Kreise.  Kirche  des  Übergangs- 
styls.  Abgebildet  in  Schmitt's  Baualterthümer  in  Böhmen. 

'Stochow,  Dorf  im  Prager  Kreise.  Kirche  mit  romanischen 
Überresten. 

St.  Jako  b.  Dorf  im  Caslauer  Kreise.  Sehr  interessante,  wohl- 
erhaltene romanische  Kirche  mit  lebensgrossen  Basrelief- 
figuren an  der  Aussenseite.  Durch  die  im  Jahre  1846 
in  der  Kirche  seihst  aufgefundene  Urkunde  wird  das 
Jahr  der  Einweihung  des  Altars  ( 1  Dil )  bestimmt.  Meine 
historische  und  kunstarchäologische  Beschreibung  der 
Kirche  nebsl  dem  Facsimile  der  erwähnten  Urkunde  ist 
im  Casopis  cesk.  Museum  1N47  enthalten.  Abbildungen 
dieser  Kirche    befinden    sieh    in   den  .archäologischen 

■ 

Blättern  und  in  Schmitt's  BaualterthQmern. 

Tejn  eher  Rowensko,  Dorf,  Bunzl.  Kr.  IS anische  Kirche. 

•Tendrazitz,  Dorf  im  Piseker  Kreise.  Der  Kh'chenthurm 
romanisch. 

Tepl  im  Pilsner  kreise.  Die  dreischiffige,  mit  einem  Quer- 
seliill'e  versehene  Collegiat-  und  Pfarrkirche  ZU  Maria 
Verkündigung,  «eiche  am  Schlüsse  des  XII.  Jahrhun- 
derts erhaut  wurde,  stellt  sich  als  ein  interessantes 
Denkmal  des  Übergangsstyles  dar.  Die  Aussenseite  der 
Kirche,  mit  den  heulen  ;in  die  Facade  sieh  anschliessen- 
den Thürmen  ist  grösstenteils  in  ihrer  ursprünglichen 
Gestali   erhalten;    die   Absiden  der  Seitenschiffe  sind 


halbrund,  das  Mittelschiff  hat  einen  polygonen  Chor- 
schluss.  Dieser  ansehnliche  Tempel  (die  Länge  des- 
selben beträgt  204  Kuss)  ist  wohl  das  grösste  Ins  auf 
unsere  Tage  erhaltene  Baudenkmal  des  XII.  Jahrhun- 
derts in  Böhmen. 

Tetin.  Dorf  im  Prager  Kreise.  Die  St.  Katharina-Capelle, 
welche  im  Jahre  Ol  I  von  der  heiligen  Ludmila  gegrün- 
de!  sein  soll. 

Töschen,  Dorf  bei  Dauba,  Bunzl.  Kr.  Roman.  Kirchlein. 

'Tozitz,  Dorf  hei  Beneschau  im  Tahorer  Kreise.  Kirche 
mil  romanischen  Überresten. 

Tfebeschitz  (Trebes'ice) ,  Dorf  im  Tahorer  Kreise. 
Romanische  Kirche  mit  halbrundem  Chorscblusse  (Pa- 
mätky  arch.  1,  265). 

Turnau,  Stadt.  Bunzlaner  Kreise.  Romanischer  Thurm  an 
dem  Franciscanerkloster. 

Tis  mi  tz.  Dorf  bei  Böhmischbrod  im  Prager  Kreise.  Die  Kirche 
dreischiffig,  mil  drei  Apsiden  und  zwei  Thürmen;  wie- 
wohl stark  renovirt,  gehört  sie  doch  zu  den  bedeutend- 
sten Denkmalen  des  romanischen  Styl s  in  Böhmen.  Die 
Abbildung  derselben  findet  man  in  Schmitt's  Baualter- 
thümer in  Böhmen- 

'Viertel,  Dorf  auf  der  Domäne  Kaut  im  Pilsner  Kreise. 
Etwa  V*  Stunde  von  diesem  Dorfe  entfernt  isl  die 
St.  Wenzelsca|ielle.  welche  höchst  wahrscheinlich  zum 
Andenken  t\cs  vom  Herzog  Bretislaw  im  Jahre  1040 
erfochtenen  Sieges  erbau!  wurde. 

*Waclawitz,  Dorf  im  Königgrätzer  Kreise.  Die  Kirche  ist 
nach  dein  Zeugnisse  der  Urkunden  im  XII.  Jahrhundert 
erhaut  worden. 

°  Wal  t  irsche.  Dorf  im  Leitmerilzer  Kreise.  Kirche  mit 
romanischen  Überresten. 

Weisskirchen  (WlineVes),  Dorf  im  Bunzlauer  Kreise. 
Kirche  mit  romanischen  Resten.  Die  Abbildung  derselben 

in  Schmitt's  Bauallcrthi'unern. 

MVititz.  Dorf  hei  Böhmischbrod  im  Prager  Kreise.  Uralte 
Kirche;  die  gemalte  llol/.decke  derselben  wurde  im 
Jahre  1858  zerstört. 

MVisker.  Dorf  im  l.unzlauer  Kreise.  Uralte  Kirche,  soll 
romanische  Beste  enthalten. 

\\  nlryhy  (Otryby),  Domäne  Sternberg  (jedoch  im  Cas- 
lauer Kreise).  Das  Preshylerinin  der  Kirche  romanisch. 
Beschrieben  in  Pamätky  archäol.  I.  2G3. 

W'rhno.  Dorf  hei  Melnik.  Das  Preshyteriinn  der  Kirche 
romanisch. 

Zabonosi,  Dorf  bei  Planati  im  Caslauer  Kreise.  Kirche  mit 

r anische n  Besten.   Beschrieben  in  Painatky  archäolog. 

I.  Th.  277. 

Zäho  i-,  Dori'im  Caslauer  Kreise  (Eisenbahn-Station  /.» ischen 
Kolin  und  Pfelautsch).  Eine  der  interessantesten  roma- 
nischen Kirchen  in  Böhmen,  mit  einem  schönen  Portale. 
Eigentümlich  ist  die  Construction  iles  Thurmes,  welcher 
auf  den  vier,  das  Mittelgewölbe  der  Kirche  stützenden 


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Säulen  ruht.  Im  „Casopis  cesk.  Museum"  vom  ,1.  1846  Zdechowilz,  Dorf  bei  Pfelaurf,   Kirche  mit  romanischen 

findet  man  die  von  mir  verfasste  ausführliche  Beschrei-  Resten. 

bung  dieser  Kirche  und  die  von  Herrn  Bergmann  entwor-  Zelkowitz  (Schelkowitz),  Dorf  im  Leitmeritzer  Kreise. 
fenen  Zeichnungen  des  Portals,  des  Grundrisses  und  des  Wohlerhaltene  romanische  Rundcapelle.  Beschrieben  in 
Durchschnittes  derselben.  Die  Abbildung  des  Portals  be-  meiner  archäologischen  Bereisung  vom  Jahre  1851.  Ab- 
findet sich  in  Schmitt's  Baualterthümern.  gebildet  in  Schmitt's  Baualterthümern. 


Die  gothische  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien. 


(Mit  zwei 
Von  Karl 

Die  gothische  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien  gehört 
zu  jenen  Denkmalen  mittelalterlicher  Baukunst  in  Wien, 
welche  schon  wiederholt  Gegenstand  kunstgeschichtlicher 
Studien  waren.  Sie  ist  kein  Bau.  der  durch  Reinheit  des 
Styles,  durch  constructive  Mannigfaltigkeit  und  eine  entspre- 
chende Vertheilung  der  Baumverhältnisse  Beachtung  ver- 
dient. Sie  repräsentirt  im  Langhause  eine  Periode  der  Gothik, 
in  welcher  bereits  die  Traditionen  der  Blüthezeit  dieses 
Baustiles  verklungen  waren,  sie  hat  ferner  schon  vielfache 
Verunstaltungen  und  störende  Neuerungen  erhalten.  Aber 
sie  bleibt  immerhin  nicht  ohne  Interesse  in  einzelnen  Thei- 
len,  wie  in  dem  Aufbaue  des  Thurmes,  der  Gestaltung  der 
beiden  Portale  des  Schilfes,  dem  Musikchore  und  einzelnen 
Gliedern  des  Baues. 

Um  nur  eines  Werkes  zu  erwähnen,  das  über  die  Kirche 
Maria  am  Gestade  mit  ziemlicher  Ausführlichkeit  in  architek- 
tonischer Beziehung  handelt,  verweisen  wir  auf  des  Fürsten 
von  Lichnowsky  unvollendet  gebliebeneu  Denkmale  der 
Baukunst  in  Österreich  '),  worin  mit  derselben  die  Reihen-? 
folge  der  Bauwerke  eröffnet  wurde,  welche  dieser  verdienst- 
volle Geschichtsforscher  und  Kunstfreund  bildlich  darzustel- 
len und  zu  beschreiben  beabsichtigte.  Es  ist  aber  eine 
bekannte  Thatsache,  dass  weder  das  Werk  des  Fürsten 
Lichnowsky  noch  die  Arbeiten  anderer  Schriftsteller  den 
Gegenstand  möglichst  erschöpfend  darstellten,  sondern  dass 
namentlich  über  die  Zeit  der  Erbauung  der  Kirche  grelle 
Irrthümer  und  Widersprüche  aufgenommen  wurden.  In  eine 
architektonische  Beschreibung  dieses  Bauwerkes  wurde  dage- 
gen von  den  uns  bekannten  Schriftstellern  beinahe  gar  nicht 
eingegangen  oder  sie  dürfte  kaum  den  Anforderungen  ent- 
sprechen,  welche  in  unseren  Tagen  an  die  Beschreibung 
eines  Bauwerkes  gestellt  werden. 

Denn  zu  der  Zeit  als  die  der  Kunstgeschichte  eine 
grössere  Beachtung  widmenden  Gelehrten  in  Österreich,  wie 
Hormayr,  Lichnowsky,  P  r  i  m  i  s  s  e  r .  T  s  c  hi  s  c  hk  a 
u.  s.  w.,  Excursionen  in  die  heimathlichen  Klöster  unternah- 


i)  Denkmale  der  Baukunst  und  Bildnerei  des  Mittelalters  in  dem  österreichi- 
schen Kaiserstaate.  Gezeichnet  \on  und  unter  .1  os.  Fi  seh  e  r,  Prof.  an 
<lrr  kais.  Akademie  der  bildenden  Künste  .  gestochen  von  verschiedenen 
Künstlern.  Deutsch  uurl  französisch  beschrieben  und  auf  eigene  Kosten 
herausgegeben  durch  Fürst  Eduard  Lichnowsky.  Wien  1817.  (ie- 
drttckt  bei  Aut.  Strauss. 


Tafeln.) 
Weiss. 

men,  stand  man  in  Deutschland  selbst  erst  an  der  Schwelle 
der  Wissenschaft,  welche  beute  zu  so  ausserordentlicher 
Bedeutung  gelangt  ist,  und  die  nun  in  die  Kunstformen  des 
Mittelalters  einen  Einblick  gewährt,  von  welcher  man  in  frü- 
herer Zeit,  wo  noch  die  Anschauungen  Winkelmann's  den 
massgebendsten  Eintluss  ausübten,  keine  Ahnung  besass.  Wir 
machen  diese  Bemerkung  vorzugsweise  aus  dem  Grunde, 
weil  wir  noch  öfter  auf  mittelalterliche  Bauwerke  des  Kaiser- 
staates, worüber  schon  Untersuchungen  angestellt  wurden, 
zurückkommen  werden.  Denn  dieselben  können  —  zum  Tbeil 
ohne  Schuld  der  Verfasser  —  ebenso  wenig  mehr  genügen, 
als  die  Schilderungen,  welche  noch  zu  Anfang  dieses  Jahr- 
hunderts im  Allgemeinen  über  die  geistige  Verwilderung  des 
Mittelalters  verbreitet  waren.  Über  die  verschiedenen  Bau- 
formen der  letzteren  Periode  und  deren  stufenweise  Ent- 
wickelung  zu  einander  hatte  man  zu  Anfang  dieses  Jahr- 
hunderts in  Deutschland  nur  schwache  unbestimmte  Anhalts- 
punkte und  noch  in  unseren  Tagen  bestehen  hierüber  so 
unklare  und  zum  Tbeil  auch  so  falsche  Vorstellungen,  dass 
sich  zum  Tbeil  nur  daraus  der  pietätlose  Vandalismus  und 
die  verfehlten  Anschauungen  über  die  eigentliche  Aufgabe 
der  Alterthuinskunde  erklären  lassen. 

Was  nun  die  Berichtigung  der  historischen  Irrthümer 
und  Widersprüche  über  die  Zeit  der  Erbauung  der  Kirche 
Maria  am  Gestade  anbelangt,  so  steht  eine  solche  von  dein 
bewährten  und  insbesondre  in  der  Localgeschichte  Wiens 
gründlich  unterrichteten  Geschichtsforscher  Nenn  Joseph 
Feil  in  einem  der  nächsten  Hefte  dieser  Monatsschrift  zu 
erwarten,  daher  wir  auch  nicht  weiter  darauf  eingeben,  son- 
dern davon  nur  insoferne  Notiz  nehmen,  um  vom  kunst- 
geschichtlichen und  speciell  archäologischen  Stand- 
punkte aus  dieselben  zu  widerlegen. 

Es  galt  bisher  nämlich  als  unzweifelhaft,  dass  die  Kirche 
.Maria  am  Gestade  verschiedene  Bauperioden  besass  und  dass 
zuerst  das  Langhaus,  dann  später  dw  gegenwärtige  Chor 
angebaut  wurde.  So  sagt  Lichnowskj  ausdrücklich,  dass 
das  Langhaus  der  alle  vom  Jahre  ll.'i4  und  der  Chor  der 
nach  dem  Jahre  1400 ausgeführte Theil  sei.  Eine  Broschüre. 
betitelt  „Geschichte  der  Kirche  Maria  Stiegen  in  Wien", 
welche  bei  Gelegenheit  der  Übergabe  der  Kirche  an  den 
Orden  lies  h.  Liguori    im  ',  »hre   1  82  1    im  Drucke  erschienen 


10 


150 


iiimI  aus  Archival  -  Documenten  des  Stiftes  Schotten,  der 
Stadt  Wien  und  der  ehemaligen  Passau'schen  Consistorial- 
kanzlei  gezogen  wurden,  sucht  nachzuweisen,  dass  scnon 
gegen  die  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts  eine  Capelle  daselbst 
bestand,  welche  um  das  Jahr  1388  vergrössert  uml  erwei- 
tert wurde.  Dieselben  Angaben  finden  wir  auch  in  Hor- 
mayr's  Geschichte  von  Wien  und  in  dessen  Archive  wie- 
derholt. Tschischka  endlich  behauptet,  auf  neue  For- 
schungen gestützt .  tliis-;  die  ganze  Unterkirche  l>is  zu  den 
Stuften,  die  das  Schill' von  drin  Chore  trennen,  seilen  vor 
dem  Jahre  1oö7  bestanden  und  am  2.  Juni  L5!'4  Meister 
Michel  Weinwurm,  herzoglicher  Baumeister,  den  ersten 
Grundstein  zum  gegenwärtigen  Chore  gelegt  habe. 

Betrachten  wir  vereist  die 
in  Frage  stehende  Kirche  in 
ihrem  jetzigen  Bestände. 

Aus  dem  Grundrisse  i  Fig.  I) 
ist  zu  ersehen,  dass  der  ganze 
Bau  eine  sehr  unregelmässige 
Gestalt  besitzt.  Abgesehen  von 
dem  Missverhältnisse  der  Länge 
zur  Breite  des  Schiffes,  stört 
insbesonders  der  Winkel .  in 
welchem  das  Letztere  zum  Chore 
steht .  uml  die  Unregelmässigkeit 
der  Anlagen  heider  Hauptbe- 
standteile, iiiis  der  allerdings 
unzweifelhaft  hervorgeht,  »Liss 
die  ganze  Kirche  nicht  mich 
ei  n  e  in  Plane  und  in  e  i  n  e  r 
Periode  entstanden  ist.  Kin  An- 
bau au  dem  einen  sehen  bestan- 
denen Theile  hat  jedenfalls  statt- 
gefunden. Für  den  Sachverstän- 
digen dürfte  aher  kaum  die  Wahl 
mIiu  ankend  sein  .  ob  zuerst  das 
Schiff  oder  der  Chor  aufgebaut 
wurde.  In  Übereinstimmung  mit 
allen  Beispielen  von  gothischen 
Bauwerken  kann  das  Schill' nicht 

i       ;  i I  \  er  dem  XV.  Jahrhundert, 

/•pio    |  !  mithin  nur  in  einer  Periode 


gelernt  und  verschiedene  Willkürlichkeiten  und  Ausartungen 
als  ein  Product  der  Verflachung  der  Formen  und  der  Dishar- 
monie der  Theile  eingerissen  waren. 

Der  Grund riss  zeigt  ferner,  dass  das  Schill'  der  Kirche 
mit  fünf  Sterngewölben  überspannt  ist.  die  dein  Aufrisse  des- 
selben entsprechend  zu  beiden  Seilen  auf  sieben  Wand- 
pfeiler mit  fünf  Traveen  —  drei  grösseren  und  zwei  kleine- 
ren —  gestützt  sind.  An  der  Xordseite  des  Schiffes  und 
zwar  gegen  den  Chor  zu  befinden  sich  hei  zwei  Traveen 
capellenartige  Aushaue.  Ebenso  ist  denselben  gegenüber  au 
der  Xordseite  bei  dem  grösseren  Travee  ein  derartiger  Aus- 
hau, welcher  aher  —  wahrscheinlich  durch  Terrainvcrhält- 
nisse  herbeigeführt  —  im  schiefen  Winkel  verschnitten  ist 
und    das    Unregelmässige    des    ganzen    Baues  noch  mehr 

erhöht. 

Die  Gewölbe  sind  im  gedrückten  Spitzbogen  gespannt, 

die  Gurten  des  Netzwerkes  hängen  flach  gegliedert,  ziem- 
lich tief  herab,  und  die  Diagonal-  und  Quergurten  entsprin- 
gen frei  und  ohne  Yermittoliing  von  Gurtträgern  aus  den 
eckigen  Wandpfeilern,  ohne  jedoch  bis  an  den  Sockel  der 
Pfeiler  herabgeführt  zu  sein:  sondern  sie  sind  —  ein  charak- 
teristisches Merkmal  der  Spätgothik  —  an  der  unteren 
Hälfte  der  Pfeiler  abgekröpft,  während  die  an  den  Kckge- 
wölben  auslaufenden  Gurten  sich  schon  in  der  oberen 
Hälfte  des  Schilfes  auf  ornamental  behandelten  Thierköpfen 
absetzen. 

Die  grösseren  Traveen  sind  aus  Doppelfenstern  und 
zwei  Schildbogen  mit  einer  zwischen  denselben  eingeschlos- 
senen kleinen  Tonne  gebildet.  Durch  die  im  gedrückten 
Spitzbogen  construirten  Doppelfenster  war  der  Aufbau  eines 
Mittelpfeilers  in  den  grösseren  Traveen  nothwendig,  so  dass 
eigentlich,  wie  schon  erwähnt,  jede  Langseite  des  Schilfes 
aus  sieben  Pfeilern  besteht.  Nur  dort  wo  die  Capellenanbaue 
bestehen,  ist  natürlich  der  Mittelpfeiler  entfallen.  Wir  geben 
hier  die  Profilirung  des  Mittel- und  Hauptpfeilers  sammt  dem 

Fensterprofile  von  einem  der  erster«  ahnten  Traveen  (  Fig.  II  ). 
woraus  zugleich  ersehen  werden  kann,  dass  dieselben  ziem- 
lieh  reich  gestaltet  und  mit  grösseren  und  kleineren  \\  nisten, 
zwischen  denen  wieder  liefe  Linkehlungen  mit  breiten  Kehl- 
leisten  gegliedert  sind,  abwechseln.  An  den  Hauptpfei- 
lern jedes  Travee  sind  in  der  Höhe,  wo  die  Gewölbe- 
gurten   absetzen .    zu    beiden    Seiten    der    letzterwähnten 


(Fig.  IM 

entstanden  sein,   in  der  man  sei Werke   der  von  ihren      Glieder    capitälartige  Consolen,    auf  denen  Figuren  unter 

organischen    Grundsätzen    abgewichenen    Gothik    ke sn      den    mit    Fialen    gekrönten    Baldachinen   angebracht    sind 


—  1S1  — 


- 1 


■13 


III.) 


(Fig.  III).  Derselbe  Schmuck  befindet  sich 
an  dem  Mittelpfeiler  jedes  Travel*.  Auch 
an  diesen  sind  derlei  capitälartige  Consolen 
mit  Figuren  und  Baldachinen.  Jedoch  be- 
sitzen diese  noch  die  Eigentümlichkeit, 
dass  oben,  an  der  Stelle,  wo  sonst  gewöhn- 
lich die  Gurtträger  angebracht  sind,  ein 
fratzenhafter  Thierkopf  in  ornamentaler 
Behandlung  sieh  wie  ein  Hand  um  die 
zwei  Rippen  legt,  welche,  aus  dem  Netz- 
werk des  Gewölbes  entspringend,  bis  zur 
Mitte  dieses  Pfeilers  sieb  fortsetzen.  Die 
Pfeiler  ruhen  auf  eckigen  eannelirten  Sockeln, 
und  sind  mit  ersteren  durch  Rundstäbe  und 
Hohlkehlen  in  Verbindung  gesetzt. 

Auch  die  Profile  der  Fenstereinrahmung 
(Fig.  IV)1)  sind  tief  und  breit,  und  wechseln 
ohne  ein  besonders  hervortretendes  Merk- 
mal   zwischen  den  gewöhnlichen  Gliedern. 


Schildbogen  (gegen  das  Schill'  zu)  sind  aufgehängt,  so  dass 
dieselben  drei  Bogen  vorstellen.    Die  Flächen  oberhalb  der 


♦ 


(Fig.  (V.) 


Der  Raum  der  Glasfenster  ist  gegenwärtig  grösstentheils  ver- 
mauert. Nur  die  an  den  Abschluss  des  Langhauses  auf  der 
Westseite  anstossenden  zwei  kleinen  Traveen  besitzen  noch 
die  ursprünglichen  Fensteröffnungen,  woraus  zu  ersehen  ist, 
dass  die  Fenster  durch  zwei  gegliederte  Pfosten  in  drei 
Theile  geschieden,  das  Masswerk  der  Bogen  im  Drei-  und 
Vierpass  construirt  und  dessen  Füllungen  mit  Glasgemälden 
ausgestattet  waren.  Zur  Beleuchtung  des  Schilfes  wurde 
übrigens  an  der  Nordseite  noch  eine  zweite  Fensteröffnung 
belassen,  die  jedoch  nur  Ins  zu  den  Schenkeln  des  eigent- 
lichen Hogens  reicht  und  jedes  ornamentalen  Schmuckes 
entbehrt. 

Aus  der  Zeit,  wo  noch  sänimtliche  Fenster  das  Kirchen- 
schiff erhellten,  dürften  auch  die  doppelten,  übereinander 
gestellten  arcadenförmigen  Gallonen  stammen  .  welche  die 
untere  Fläche  einzelner  Traveen  beleben,  im  Spitzbogen 
gegliedert  sind,  deren  Stäbe  bis  auf  den  Boden  herab- 
reiehen  und  nur  an  einzelnen  Stellen  von  steinernen  Sitz- 
bänken  verdeckt  sind,  die  zwischen  den  Pfeilern  angebracht 
sind. 

Der  Musikchor  (Fig.  V)  ruht  auf  einem  Tonnengewölbe 
mit  eingewölbten   Schildern.    Die   Anlaufspuncte    der   drei 


')  Für  die  Holzschnitte  Fig.  IV,  VI  und  VII  gilt  der  hier  folgende  Massstab : 


(Fig.  V.) 

Letzteren,   so  wie  die  Brüstung  des  Chores  sind   mit  Mass- 
werk geschmückt. 

Unterhalb  des  Musikchores  und  zwar  zu  beiden  Seiten 
der  Eingangstbürc  sind  zwei  schmale,  die  ganze  Mauerdicke 
ohne  irgend  eine  Profilirung  durchbrechende  Fenster  ange- 
bracht. Zu  beiden  Seiten  führen  kleine,  im  Spitzbogen 
gebaute  Thüren  auf  den  Musikchor. 

Die  Stirnwand  des  Langhauses  hat  in  der  Mitte  ober- 
halb des  Chores  ein  hohes  breites  Fenster,  das  noch  seine 
ursprüngliche  Gestalt  besitzt,  daher  auch  durch  zwei  geglie- 
derte Pfosten  in  drei  Theile  geschieden  ist  und  dessen 
Masswerk  aus  einem  Drei-  und  \  ierpass  gegliedert  ist.  Die 
Füllung  der  Letzteren  besteht  gleichfalls  aus  Glasgemälden. 

Die  schon  erwähnten  Anbaue  gegen  das  Presbyterium 
zu  gehören  gleichfalls  der  Periode  an,  in  der  das  Schiff 
erbaut  wurde.  Sie  besitzen  das  Netzgewölbe  mit  tief  her- 
abhängenden und  schmal  gegliederten  Gurten,  welche  an  den 
Pfeilern  auf  ornamental  bebandelten  Thierköpfen  aufsitzen. 
Der  grössere  Capellenanhau  au  der  Nordseite  des  Schiffes 
hat  au  der  Hauptwand  und  an  den  beiden  Seitenwänden 
kleine  schmale  Fensteröffnungen  mit  stabartigen  Einrahmun- 
gen, von  denen  das  Fenster  der  Krstoren  gegenwärtig  mit 
farbigen  Gläsern  ausgefüllt  ist.  Ein  zweiter  schmaler  \nhau 
an  der  Nordseile  steht  mit  der  Kirche  nicht  im  Zusammen- 
hange und  ist  daher  auch  auf  dem  Grundrisse  Fig.  I  nicht 
ersichtlich.  Auf  der  Südseite  und  zwar  in  dein  Winkel, 
welcher  durch  den  Anbau  des  Schilfes  an  das  breilere  Presby- 
terium entstanden  ist.  befindet  sich  die  Anlage  des  Thurmes. 

Ein  ziemlich  schlanker,  jedoch  nicht  bis  an  das  Ge- 
wölbe hinauf  reichender  Bogen  fuhrt  in  das  Innere  des 
etwas  erhöhten  Chores,  von  welchem  wir  behauptet 
haben,  d ass  er  unzweifelhaft  der  ältere  Theil  der  Kirche 
ist.     Der    Chor1),   dreiseitig  aus  dein  Achleck     geschlossen, 


>)  Vergleiche  die  beiliegende  Tafel  IV 


SO 


152 


zerfällt,  ohne  Einrechnung  derApsis  des  Chorabschlusses,  in  Spitzbogen,  die  wieder  in  zwei  kleinere,  in  Nasen  auslau- 

drei  gleichgrosse  Travees  mit  einfachen,  im  Charakter  der  femle  linken  ahgetheilt  sind.    I >;is  Masswerk  derselben  ist 

frühgothischen  Periode  gebauten  Kreuzgewölben  und  Schluss-  grösstenteils  edel  und  verständig  aus  dem  Vierpass  con- 

steinen,  worauf  die  Symbole  der  vier  Evangelisten  in  Stein  struirt  und  in  den  Zwischenräumen  mit  Giasmalereie 
gehauen  sind.    Die  Gewölbgurten,  breiter  und  flacher  als 
jene   in  dem  Gewölbe  des  Langhauses,  sind  birnenförmig 


profilirt  (Fig.  VI)  und  entspringen  unmittelbar  aus  den  auf 


(Fig.  \l  I 


eckigen  Sockeln  ruhenden  Wandpfeilern.  Die  Pfeiler  treten 
ziemlich  stark  hervor  und  besitzen  tue  im  Holzschnitte 
(Fig.    VII)   ersichtliche    ProGlirung.       In    der    Mitte   der 


(Fig.   VII.  I 

Pfeiler  sind  die  Rippen  abgesetzt  und  in  der  dadurch  ent- 
standenen Einsenkung  freistellende  Säulen  mit  römischen 
Capitälen  errichtet,  auf  denen  Figuren  unter  Baldachinen 
und  Spitzsaulen  stehen,  die  hart  unter  dem  Abschnitte  der 
Rippen  angebaut  sind.  Aus  der  Art  und  Weise  jedoch,  wie 
die  Säulen  und  Figuren  —  abweichend  von  jener  im  Lang- 
hause  —  an  den  Pfeilern  eingeschoben  und  die  Gurten  ab- 
gesetzt  wurden,  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  die 
Gewölbgurten  als  Dienste  sich  an  den  Pfeilern  bis  auf  dem 
Sockel  der  letzteren  fortsetzen,  die  Gurten  mithin  in  der 
.Mitte  der  Pfeiler  und  zwar  wahrscheinlich  zur  Zeil  der 
Erbauung  des  Langhauses  abgeschlagen  und  in  die  dadurch 
entstandene  Einschrägung  die  Säulen  sammt  den  Figuren 
und  Baldachinen  eingestellt  wurden. 

Zu  den  interessantesten  Details  der  ganzen  Kirche  dürf- 
ten die  breiten  und  im  schlanken  Spitzbogen  gebauten  Chor- 
fenster gehören.  Eine  kräftige,  aus  Rundstäben  und  Kehlen 
reich  gegliederte  Einrahmung  bildet  den  gemeinsamen  Bogen. 
Drei  profilirte  Pfosten  (heilen  die  innere  Fläche  der  Fenster 
und  erscheinen  zugleich  als  die  Schenkel  zweier  grösserer 


len  ge- 
schmückt. Die  Fenster  des  Chores  sind  durrhgohends  geöff- 
net;   die  Pfosten  sitzen  auf  breiten   in    schräger  Abdachung 

hervorspringenden  Mauerleisten  auf.    Wir  geben  hier  eines 

der  Fenster  auf  der  Südseite  des  Thores,  welches  sich  am 
meisten  durch  den  edlen  Charakter  des  Masswerkes  aus- 
zeichnet   (Fig.    VIII).      Unter  denselben  befinden  sieh   zur 


(Fig.   VIII.) 

Ausfüllung  der  leeren  Wandfläche  Triphorien  mit  ge- 
schweiften, auf  dünnen  Säulen  gestützten  Spitzbögen.  Diese 
Triphorien  können  daher  nicht  dem  ursprünglichen  Haue 
angehören,  sondern  sind  ebenfalls  Neuerungen  einer  spä- 
teren Zeit,  wie  die  Säulen  mit  den  Figuren  und  Baldachinen 

au  den  Wandpfeilern  des  Chores. 

An  den  Chor  schliessen  sich  ferner  zu  beiden  Seilen 
Zubauten,  und  zwar  auf  der  Nordseile  die  neue  Sacristei 
mit  den  .Xehengemäehern,  dann  gegen  das  Schilf  zu  die  alle 
Sacristei  mii  dem  Aufgange  ZU  der  an  der  liogeniillnung  des 

Chores  errichteten  steinernen  Kanzel ,  an  der  Südseite  ein 
Oratorium  sammt  Aufgang,  dann  ein  Portal.  Von  diesen  Zu- 
bauten gehört  nur  das  letztere  der  ersten  Bauperiode,  tue 
übrigen  so  wie  auch  die  Kanzel  einer  späteren  Zeil  an. 

i  Schluss  folgt.) 


—   153 


Decennal-  Aufzeichnung  der  archäologischen  Funde  in  Siebenbürgen  vom  Jahre  1845  bis  1855. 

(Ein  Beilrag  zu  den  „Beiträgen  einer  Chronik  der  archäologischen  Funde  in  der  österreichischen  Monarchie  des  .1.  (i.  Seidl."  I 
Von  M.  J.  Ackner,  Correspondenten  der  k.  k.  Cenlral-Commission  zu  Hamersdorf  in  Siebenbürgen. 

(Schluss.) 

1855.  zeichnet  wird;  3)  Galba  2  St.:  4)  Otho  1  St;  5)  Vitellius 

Am  26.  Februar  1.  J.  kam  ein  romanischer  Landmann  zu  3  St.  ans  zwei  verschiedenen   Prägen;  6)  Fl.  Vespasiänus 

Broos  in  ein  dortiges  öffentliches  Local,  zeigte  eine  altrö-  29  St.  verschiedener  Typen,  darunter  13  mit  der  sitzenden 

mische  Silbermünze  vor  und  verlangte  10  Kreuzer  C.  M.  Roma  und  1   St.  mit  Judaea   capta;   7)   Titos  Vespasiänus, 

dafür.  Als  er  sah,  dass  man  ihm  das  geforderte  Geld  äugen-  8  verschiedene  Prägen;  8)  Julia,  Tochter  des  Titas,    1  St.. 

blicklich  auszahlte,    theilte  er   mit,    dass   er   über   hundert  welches  sehr  gut  conservirt  und   namentlich  den   Kopfputz 

solcher  Münzen,  jedoch  nicht  bei  sich  habe.    Man  forderte  und  das  Haarnetz  der  schönen  Römerin  deutlich  erkennen 

ihn  auf,  diese  zu  bringen,  und  er  versprach  auch  diess  zu  thun.  lässt;  9)  Domitianus  5  St.,  verschiedene  Typen. 

Indess  erschien  er  nicht,  und  man  brachte  in  Erfahrung,  dass  „Diess  Verzeich'niss,  bemerkt  der  Beschreiben  beweist, 

er  diess  alte  Geld  für  18  fl.  C.  M.  an  einen  Juden  verkauft  dass  man  in  Siebenbürgen  mitunter  sehr  interessante  römi- 

habe.  Die  Kunde  allarmirte  natürlich  Alle,  denen  alte  Münzen  sehe  Münzen  (und  ebenso  auch  altgriechische)  findet;  die 

nicht  Bruchsilber,  sondern  historische  Gegenstände  und  oft  Schmelztiegel  der  vaterländischen  Gold-  und  Silberarbeiter 


Denkmale  von  der  grössten  Wichtigkeit  sind,  und  veran- 
lasste das  k.  k.  Kreisamt  zu  Nachforschungen.  Durch  die 
Localpolizei  wurden  auch  aus  der  dritten  Hand  die  Münzen 
ermittelt,  und  dem  k.  k.  Kreisvorsteher,  Statthaltereirath 
von  Thienemann,  zugestellt. 

Aufgefordert  durch  letztem,  gelang  es  dem  als  Numis- 
maliker  rühmlichst  bekannten  Brooser  Magistratsrath,  Joseph 
Loreni,  diese  Münzen,  deren  Gewicht  etwas  über  30  Loth 
beträgt,  mit  Ausnahme  von  1 1  Stücken,  zu  bestimmen. 

Da  es  nicht  ohne  Interesse  sein  dürfte  zu  erfahren,  was 
für  Münzen  der  walachische  Bauer  angeblich  bei  dem  Vul- 
kaner Gebirgspässe  gefunden  und  nach  Broos  auf  den  Jahr- 
markt gebracht  habe,  so  folgt  hier  auch  deren  Specilicirung 
nach  Senator  Lorenfs  Angabe.  Es  sind  nämlich  fürs  erste 
24  Gattungen  Consular-Münzen  aus  der  Zeit  der  römischen 
Republik  (100  Jahre  vor  Ch.  Geb.)  als  wichtig  für  Samm- 
lungen. Diese  Münzen  beziehen  sich  auf  nachfolgende  römi- 
sche Familien:  l)Aemelia  2  Stücke;  2)  Antonia  13  Stücke: 
3)  Caecilia  1  Stück;  4)  Calidia  1  St.:  5)  Calpurnia  1  St.: 
6)  Cassia  1  St.;  7)  Claudia  1  St. ;  8)  Cornelia  2  St.  (davon 
eine  mit  Libertas);  9)  Cossutia  1  St.  ;  10)  Crepusia  1  St.  : 


würden  aber,  wenn  sie  könnten.  Mittheilungen  über  eine  be- 
deutende Menge  solcher  Münzen  machen .  welche  sie  nur 
seit  dem  Jahre  1800  verschlungen  haben,  lud  es  wäre, 
diesem  modernen  Vandalismus  gegenüber,  zu  wünschen. 
wenn  die  politischen  Behörden  ermächtigt  würden  alle  der- 
gleichen Funde,  die  aber  unbedingt  eingeliefert  werden 
müssten.  ungesäumt  bar  bezahlen  zu  können". 

Am  22.  März  1855  fand  im  Nordwesten  Siebenbürgens 
Kenderessi  Andras  aus  Akos  zwischen  Akos  und  Dobra, 
im  Kreise  Szilagy  Somlyo,  am  J'fer  des  Kräsznaflusses  eine 
Goldspange  5>/z  Loth  schwer,  deren  genauere  Beschreibung 
uns  nicht  bekannt  geworden  ist.  Sie  wurde  von  dem  k.  k. 
Münz-  und  Antiken-Cabinete  für  ein  dem  Finder  ausbezahltes 
Honorar  von  200  Gulden  C.  M.  erworben.  Da  ich  dieses 
kostbare  Fundstück  zu  sehen  keine  Gelegenheit  fand,  so 
wandte  ich  mich,  um  vielleicht  etwas  mehr  darüber  zu  er- 
fahren, an  die  k.  k.  Statthalterei.  allein  auch  im  dortigen 
Berichte  fand  ich  diesen  Fund  nur  im  Allgemeinen  ange- 
deutet. — 

Der  k.  k.  Conservator  und  Pfarrer  in  Fogaras,  Herr 
Mökesch,  hat  diesen  Sommer  Forschungen  und  Ausgra- 


11)  Durmia  1  St.;  12)  Fonteia  1  St.;  13)  Furia  3  St.1):  billigen  bei  Galt  und  lleviz  angestellt,  über  deren  Erfolg  er 
14)  Hosidia  2  Stück:  15)  Julia  1  Stück;  16)  Junia  3  Stück;  vielleicht  seihst  an  die  k.  k.  Central -Commission  Bericht 
17)  Licinia  1  St.;    18)  Manlia  1  St.;    19)  Martia  1  Stück:      abstatten  dürfte.    Aus  einigen  seiner  Mittheilungen  erfahre 

20)  Plaetoria    3    Stück    in   zwei    verschiedenen    Prägen: 

21)  Poblicia  1  St.;  22)  Tituria  1  St.:  23)  Vibia  2  Stück: 
24)  Volteia  1  Stück. 

Was  zweitens  die  Münzen  der  Cäsaren  betrifft,  so  sind 
von   denselben  9   Gattungen,   nämlich:  1)  vom   Octavianus 
Augustus  2  Stücke;  2)  vom  Tiberius  Nero  und  dessen  Bruder      einen  1  '/V  tiefen,unter  der  Erde  mit  schonen,  breiten  Back- 
Germanicus  1  Stück,  welches  als  sehr  schälzenswerth  he-      steinen  gepflasterten  und  mit  rohen  Bruchsteinen  eingefassten 

Gang  entdeckt,  welchen  er  120  Schritte  verfolgte  und  der 

,   ...  .  .  angeblich  in  weiterer  Ausdehnung  noch  lausende  von  Klaf- 

')  Mit  verschiedenen  Ivpen :  Jam  Caput  bifrons  et  barbatera s   Caput  Cervis  D 

spicis  coronatum.  lern  betragen  möge.    Die  weitere  Ausgrabung  wurde  jedoch 


ich.  dass  er  von  dein  zwischen  Galt  und  lleviz  gelegenen 
bekannten  römischen  Castrum  in  ostnördlicher  Richtung 
180  Schritte  entfernt,  viele  auf  einen  daselbst  gewesenen 
Begräbnissplatz  deutende  Bruchstücke  von  Urnen  und  Grab- 
gefässen  gefunden;  (122  Schritte  w  eiter  in  derselben  Richtung 


154 


durch  die  Bestellung  des  Ackerfeldes,  womit  die  Eigenthümer 
an  diesem  Platze  der  archäologischen  Forschung  beschäftigt 
waren,  für  diessmal  verhindert.  Die  schwarzen  und  stark 
gebrannten  Blauerziegel  haben  die  regelmässige  Quadratform, 

deren  eine  Seite  14  bis  15"  und  deren  Dicke  3"  misst.  Sie 
erscheinen  meistens  gestempelt  mit  ZAGA  oder  SAGA,  der 
erste  Buchstabe  ist  in  keinem  Abdrucke  ganz  deutlich.  Auch 
wurden  nebst  vielen  Bruchstücken  von  Gefässen  ungewöhn- 
lich grosse  Dachziegel  von  20"  Länge  und  14  Breite  aus- 
gegraben, welche  entweder  denselben  Stempel  oder  mit  der 
Hand  und  den  Fingern  in  die  weiche Thonmasse  eingedruckte 
Kreise,  Kreuz-und  Parallellinien,  ;ds  Verzierung,  wahrnehmen 
lassen.  Der  Gang  oder  Fusssteig  nimmt  seine  mit  Backsteinen 
gepflasterte  Richtung,  nach  etwa  3üO  Schritt  entfernten 
nassen,  versumpften  Plätzen,  wo,  nach  Ansicht  des  Conser- 
vators,  der  hier  mit  Fleiss  angelegte  Gang  zu  den  Thermen 
geführt  bähen  soll.  Reiche  Quellen  triebaren  Wassers  spru- 
deln auf  der  entgegengesetzten  Seite  näher  am  Altflusse  etwa 
'270  Schritt  nordwestlich  vom  Castrum.  Im  Orte  Heviz  selbst 
fand  der  Conservator  auf  dem  Hofraume  des  Grafen  Her- 
zen/ei den  bereits  schon  vom  lütter  Neigebaur  in  seinem 
„Dacien"  erwähnten  3'/.,'  Indien  2 y2'  breiten  und  6"  dicken 
Sandstein,  welcher  höchst  wahrscheinlich  von  der  bei  Galt 
über  den  Altlluss  führenden  und  gebauet  gewesenen  Brücke 
herrührt,  dessen  Inschrift,  nach  dreimaligem  Waschen  mit 
einer  Bürste,  ziemlich  deutlich  hervortrat,  deutlicher  und 
vollständiger  als  Neigebaur  dieselbe  gegeben,  und.  wie  hier 
unten  folgt,  sich  jetzt  darbietet: 

MC  KUMYS 

A?G   PO.VEM 

EREX  SVMPTBCL 

GAL  .  .N  Ml»  . 


Einen  ziemlich  schön  geinnuten  grossen  Altar  von 
Sandstein,  4  2"  hoch,  2'  3  breit  und  %'  3  dick,  mit  dem 
kleinen  Reste  seiner  in  sechs  Zeilen  bestandenen,  aber  jetzt 
beinahe  erloschenen  Inschrift,  habe  ich  bei  meiner  eiligen 


Dundireise  von  Ki stadt  nach  Schässburg  im  Edelhofe  des 

Grafen  Kaluaki  zu  Heviz  abgezeichnet  Der  Altar  stellt 
Indien  einem  Hadbrunnen  unter  freiem  Himmel  und  bat  die 
hier  folgenden  noch  kennbar  erhaltenen  Werte: 

EXAF 

VSL  .... 

Aus  dem  nämlichen  Functionsbezirke  übersendete  mir 
der  genannte  k.  k.  Conservator  eine  Anzahl  daselbst  und  in 
der  Umgegend  zerstreut  gefundener  und  von  Privaten  ge- 
sammelter antiker  Münzen  zur  Besichtigung  und  Untersu- 
chung, eb  darunter  nicht  etwa  eine  seltene  zur  Aufhebung 
für  das  k.  k.  Münz-  und  Antiken-t'abinet  geeignete  sei?  Sie 
bestehen  in  44  Exemplaren  römischer  Kaiser-,  3  Consular- 
Müuzen  und  aus  dem  Bruchstück  einer  griechischen  Münze. 
Darunter  ist  keim'  seltene.  Die  wenigsten  stammen  aus  der 
frühern  blühenden  Kaiserzeit,  die  meisten  aus  der  spätem 
Periode,  dem  Verfalle  des  römischen  Reiches  und  byzanti- 
nischen Herrschern  angehörig. 

Aullallend  ist  es.  dass  in  allen  Theilen  Siebenbürgens 
nicht  nur  lange  vor  der  Eroberung  Daciens  durch  Trajau 
bereits  4 — T  Jahrhundert  vor  Chr.  G.  geprägte  Autonom- 
münzen vnu  den  griechischen  Städten  des  illyrischenKüsten- 
reiebes  und  von  den  Inseln  des  ionischen  Meeres  vorkommen, 
sondern  auch  lange  nach  dvr  Preisgebung  Daciens  durch 
den  Kaiser  Aurelian.  selbst  aus  der  spätesten  byzantinischen 
Kaiserzeit  und  des  oströmischen  Reiches  Münzen  von 
schlechtem  Gehall  und  Kunstwerth  ungemein  häufig  gefun- 
den werden.  Daraus  lässt  sich  mit  ziemlicher  Sicherheit 
schliessen,  dass  der  Verkehr  Daciens  mit  den  illyrischen 
Hafenstädten  Dyrrhachium  und  Apollonia,  und  von  da  ab- 
wärts mit  den  Inseln  Kork)  ra .  Thasus  u.  m.  a.  sehr 
frühe  schon,  und  dann  aber  auch  viel  später  mil  Byzanz,  au 

den  Küsten  des  l'onlus  eiixiuus  1  an  den  Isterufern  herauf. 

stattfand,  wozu  unstreitig  die  reichen  edlen  Erze  im  Herzen 
des  alten  Goldlaudes  reizten  und  Anlass  gaben.  Einen  Beweis 
besonders  für  den  spätem  orientalischen  Verkehr  liefern 
zum  Theil  auch  die  Münzen,  deren  Beschreibung  im  .Nach- 
folgenden gegeben  w  ird : 


Vorderseite. 

Rückseite. 

Anmerkung. 

1.  Kopf  Mithradatcs  des  Grossen? 

2   Doppelkopf  <l«-s  unbürtigen  Janus;  zwi- 
schen F  iind  *. 
:;.  Kopf  der  gehelmten  Pallas, rückwärts  °. 

\.  VRRS  ROM  Vgehelmter  Kopf  der  Roma. 

5.  Tl.   CLAVDIVS   CAESAR    AVG.    1'.  M. 
TR.  I'-  IMP.  PP.  Kopf  des  Tinei-ins. 

BA2IAESZ  MlOPAAATOT.Adler  mit  dem 
Kranz  im  Schnabel. 

Silbernes  Bruchstück.  Mithradatcs  König  in 

1'.. niiis  1 t:\  —  lii:!  vor  Chr.  Geb. 

Silberne  Consularmünze  aus  der  römischen 

Republik. 
Silberne  Consularmünze  aus  der  römischen 

Republik. 
Bronze.  Vus  der  Zeit  Constantin  d.  Grossen. 

Bronze  von  1.  Grösse.  10  Jahre  nach  Christi 

i..  inii'i. 

C.  FONT.  ROMA.  Dreiruder  mil  rudernder 
Mannschaft. 

Q.  CVRT.  ROMA.  Die  Siegesgöttin  im  Vier- 
gespann. 

Wölfin  den  Romulus  und  I!'1 s  säugend. 

Oben   zwei   Sterne,  (  astor   und   Pollui 
vorstellend,  unten :  ESTS. 

LIREIiT\S  \\i.\sl  \     Eine  stehende  Fi. 
gur  mil  ausgestreckten  Händen,  in  der 

Mitlo:  s.  C. 

—   155   — 


Vorderseite. 


6.  IMP.  CAES.  VESPAS.  AVG.  TU.  P.  COS. 
III.  Kopf  Vespasians  belorbeert. 

7.  IMP.  TITVS  VESP.  AYG.  P.  M.  Tl{.  P. 
COS.  .  .  Kopf  mit  <lcr  Strahlenkrone. 

8.  IMP.  CAES.   NERVA.   TRAIAN.    AVG. 
GERM.  P.  M.  Trajans  Kopf. 

9.  IMP.   NERVA   TRAIANVS   AVG.   GER. 
DACICVS.  Trajans  belorbeerter  Kopf. 

iO.  IMP.  TRA1ANO  AVG.  GER.  DAC.  P.  M. 
TRP.  COS.  VI.  P.  P.  Kopf  des  Trajan 
mit  Lorbeern  bekränzt. 

11.  HADRIANVS  AVG.  COS.  III.  Kopf  des 

Kaisers  mit  dem  Lorbeer. 

12.  HADRIANVS  AGVSTVS.  Haupt  des  Kai- 
sers mit  dem  Lorbeerkränze. 

13.  Ähnlieb. 

14.  AVRELIVS  CAESAR  AVG.  P.  II.  F.  COS. 

II.  Marc.  Aureis  Kopf. 

15.  LVCILLAE.  AVG.  M.  ANTONINI  F. 
Kopf  der  Lucilla. 

16.  LVCILLA  AVGVSTA.  Kopf  der  Lucilla. 


17.  IVLIA  AVGVSTA.  Kopf  der  Julia  Domna. 
Gattin  des  Sept.  Severus. 

18.  MAXIMINVS  PIVS  AVG.  GERM.  Belor- 
beerter Kopf  des  Kaisers. 


19.  IMP.    GORDIANVS   PIVS    FEL.   AVG. 
Belorbeerter  Kopf  Gordians  III. 


20.  IMP.  M.  1.  PHILIPPVS  AVG.  Kopf  des 
alteren  Philippus  belorbeert. 


21.  IMP.  PHILIPPVS  AVG.  Belorbeerter  Kopf 
des  jüngeren  Philippus. 

22.  GALLIENVS  AVG.  Haupt  des  Gallienus 
mit  der  Strahlenkrone. 

23.  PROBVS  P.F.  AVG.  Kopf  mit  der  Strah- 
lenkrone. 

24.  IMP.  CC.  VAL.  DIOCLETIANVS  P.  P. 
AVG.  Haupt  Diocletians  mit  dem  Lor- 
beerkranze. 

25.  MAXIMINVS  NOB.  CAES.  Das  Haupt 
Maximins  mit  dem  Lorbeer. 


Rückseite. 


Anmerkung. 


FORTVNAE  REDVC1.  S.C.  Fortuna  stehend, 

in  der  Reeliten  das  Steuer,  in  der  Linken 

das  Füllhorn. 
AEQVITAS   AYGVST.    Die  Gerechtigkeit 

stellend,  in  der  Rechten  die  Wage,  in  der 

Linken  die  Lanzen. 
abgeschliffen. 

SPQR.  OPTIMO  PRINCIPI.  Trajan  zu  Ross 
mit  der  rechten  Hand  die  Lanze  auf  den 
unterliegenden  Dacier  werfend. 

ARAB.  ADOVIS.  S.  P.Q.R.  OPTIMO  PRIN- 
CIPI. Weibliche  Figur, in  der  Hand  einen 
Zweig,  in  der  linken  ein  Rohr,  unten  der 
Vogel  Strauss. 

FELICITAS  AVGVSTI.  Felicitas  sitzend,  in 
der  Rechten  eine  Schale  haltend. 

SALVS  AVGVSTI  COS.  III.  S.  C.  stehende 
weibl.  Figur  labet  aus  der  Schale  eine 
vom  Altar  sich  aufrichtende  Schlange. 

CONCORDIA.  S.C.  Concordia.in  der  rech- 
ten Hand  die  Schale,  in  der  linken  das 
Füllhorn. 

VENVS  S.  C.  Die  Göttin,  eine  Victoria  in 
der  rechten  Hand,,  in  der  linken  eine 
Lanze. 

PIETAS.  Pietas  stehend  vor  dem  Dämmen- 
den Altar,  die  Rechte  ausgestreckt,  die 
Linke  mit  dem  Rauchfasse. 

IVNO.  Die  Göttin  stehend,  in  der  rechten 
Hand  eine  Schale,  in  der  linken  .  .  . 

SALVS  AVGVSTI.  S.  C.  Salus  sitzend,  mit 
der  rechten  Hand  aus  der  Schale  eine 
vom  Altar  sieh  aufrichtende  Schlange 
labend. 

VICTORIA  AETER  S.  C.  Victoria  stehend, 
in  der  Rechten  einen  Schild,  in  der  Lin- 
ken einen  Palmenzweig.  Auf  der  Erde 
sitzt  ein  Gefangener. 

PROVINCIADACIA  AN.  I.  Dacia  stehend 
zwischen  dem  Adler  und  Löwen,  in  der 
rechten  Hand  ein  gekrümmtes  Sehwert, 
in  der  linken  die  Fahne,  worauf:  D.  F. 

PAX  AETERNA  S.  C. Sitzende  Figur.  In  der 
rechten  Hand  einen  Palmzweig,  in  der  lin- 
ken die  Lanze. 

APOLLINI  CONSER.  Ein  Ccntaur. 

MARTI  PACIF.  Mars  schreitend,  in  der  rech- 
ten Hand  einen  Zweig,  in  der  linken  Lanze 
und  Schild,  unten  P.  Q.  R. 

GENIO  POPVLI  ROMANI.  Genius  stehend, 
In  der  rechten  Hand  die  Schale,  in  der 
linken  das  Füllhorn,  worunter:  II  T  lt. 

SACRA  MONET.  AVGG.  CAESS  NOSTR. 
Weibl.   Figur  stehend,  in    der   rechten 

Rand  die  Wage,   in  der   linken   das  Füll- 
horn, luden  :  A.  P. 


Br.  2.  Grösse.  70  Jahre  nach  Chr.  G. 

Br.  2.  Grösse.  Vom  Jahre  79  nach  Chr.  G. 

Br.  2.  Grösse.  Vom  Jahre  98  nach  Chr.  G. 
Br.  2.  104-110  nach  Chr.  G. 

Br.  1.  Grösse.  112-113  nach  Chr.G. 

Br.  1.  Crosse.  119—138  vom  Jahre  Chr. 
Br.  2.  Grösse.  119—138  vom  Jahre  Chr. 

Br.  2.  Grösse.  144  nach  Chr. 

Br.  1.  Grösse.  169  nach  Chr. 

Br.  2.  Grösse.  169  nach  Chr. 

Br.  3.  Grösse.  21 1  nach  Chr. 
Br.  1.  Grösse.  237  nach  Chr. 

Br.  1.  Grösse.  244  nach  Chr. 
Br.  1.  Grösse.  249  nach  Chr. 

Br.  1.  Grösse.  249  nach  Chr. 

Br.  3.  Grösse.  239  nach  Chr. 
Br.  3.  Grösse.  281  nach  Chr. 


Br.  2.  Grösse.  305  nach  Chr. 


—  laß 


Vorderseite. 

Rückseite. 

Anmerkung. 

20.  IUI'.  C.  M.A.  MAXLMINNS  1'.  F.  \U\. 

GENIO  POPVL1  ROMANI.  Genius  stellend. 

Ifr.  2.  Grösse.  303  nach  Chr. 

Haupt  mit  dein  Lorbeerkränze. 

in  der  rechten  Hand  die  Schalet  in  der 

linken  das  Füllhorn. 

27.  COSTANTINVS    NOB    CAES.    (Vulgo 

SAC.  Mi  IN.  VRB  AVGG.    CAESS.  N.  N. 

Br.  3.  Grösse.  303  nach  Chr. 

Chlorus).   Haupt  des  Chlorus  mit  dem 

Moneta    stellend,   in    der  Rechten    die 

Lorbeerkranze. 

Wage,  in  der  Linken  das  Füllhorn  Ii.  T. 

28.  IMP.  CONSTANTINVS  AVG.   Constanti- 

SOLI  INVICTO  COMITI.  Sol  stehend,  die 

Hr.  3.  Grösse.  313  nach  Chr. 

nus  Haupt  mit  dem  Lorbeerkränze. 

Rechte  erhebend,  in  der  Linken  eine  Kugel 
haltend.  Im  Felde  H.  S.  unten:  P.  L.  C. 

29.  CONSTANTINVS  AVG.  Haupt  belorb. 

PR0V1DENTIAE   AVG.   Prätoriura    l).  N. 

Rr.  3.  Grösse.  320  nach  Chr. 

30.  Ähnlich. 

CONSTANTIN1  MAX.  AVG.  VOT.  XX  im 

Lorbeerkranz. 

Br.  3.  Grösse.  320  nach  Chr. 

31.  CONSTANTINVS  [VN.  N.  C.  Haupt  mit 

GLORIA   EXERCITVS.    Zwei  militärische 

Br.  3.  Grösse.  320—337  nach  Chr. 

dem  Lorbeerkranze. 

Figuren  stehend  mit  der  Lanze,   inmitten 
eine  Fahne,  unten:  S.  M.  S.  P. 

32.  FLIVL  GONSTANTINVS.  NOB.  CAES. 

Lorbeerkranz,  in  welchem  VOT.  XX. 

Br.  3.  Crosse.  337-301  nach  Chr. 

Kopf  mit  der  Strableokrone. 

33.  1).  N.  CONSTANTIVS  IJ.  F.  AVG.  Kopf 

CONCORDIA    M1LITV.M.    Ein    Krieger  im 

Br.  3.  Grösse.  361  nach  Chr. 

mit  Diadem 1  Perlen,  zurück:  A. 

Waffenrock  stehend,  in  der  rechten  und 
linken    Hand    Fahnen    haltend    mit    dem 
Zeichen   des   Kreuzes,   im  .Mittelfeld    III. 
unten  :  ASIS. 

:U.  Ähnlich. 

FEL  TF..MP   REPARATIO.    Ein  Legionär 
durchbohrt  mit   der  Lanze    einen    feind- 
lichen Heiter,  unten:  S.  M.  N.  A. 

Rr.  3.  Grösse.  301  nach  Chr. 

35.  D.  N.  FLCL.  [VLIANVS.  P.  F.  AVG.  mit 

VOT.  MVLT.  XX  im  Lorheerkranze,  unten: 

Br.  3.  Crosse.  303  nach  Chr. 

gehelmtem  Haupte. 

SIRM. 

36.  D.  X.  IOVIANVS.   I'.  F.  AVG.    Des   Kai- 

VOT. .MVLT.  X.  unten:  AS1SC. 

Br.  3.  Grösse.  304  nach  Chr. 

sers  Haupt  mit  Diadem  aus  Perlen. 

37.1».  N.  VALENTINIANVS.    1>.  F.  AVG. 

GLORIA  ROMANOROM.  Legionär  im  Waf- 

Br. 3.  Grösse. 

Valentinians  des  älteren   Haupt   mit   dem 

fenrock,  in  der  linken  Hand  die  Fahne,  mit 

Diadem  von  Perlen. 

dem  .Monogramm  Christ,  schlepp!  einen 
auf  die  Knie  gestürzten  Gefangenen  an 

den   Haaren  mit  sieb.    Mittelfeld:   S.    1». 
unten:  BSISC. 

38.  Ähnlich. 

SECVRITAS  REIPVBLICAE.    Siegesgöttin 
schreitend    mit    ausgestreckter    rechten 
Hand,  in  der  linken  einen  Palmzweig;   im 
im  Felde       P.  II.  unten:  ASIST. 

Rr.  3.  Grösse.  304     303  nach  Chr. 

39.  ähnlich,  fasl  dieselbe  Präge. 

40.  Ii   N.  VALENTINIANVS  1VN.  P.  F.  \\  G. 

SECVRITAS  REIPVBLICAE.  Die  Victoria 

Rr.  3.  Grösse.  373—302   nach  Chr. 

Kopf  mit  Diadem  von  Perlen. 

Vorwurfs  schreitend. 

11.  D.  N.  GRATIANVS  P.  F.  AVG.  Kopf  mit 

GLORIA  ROM  VNORVM.    Der  Imperator  im 

Br.  3.  Crosse.  292  nach  Chr. 

Diadem  von  Perlen. 

\\  affenrock,  in  der  linken  Hand  eine  Stan- 
darte, worauf  das  Monogramm  Christi,  mit 
der  rechten  Hand  einen  Gefangenen  an 
den  Ilaaren  nach  sich  ziehend :  im  Mittel- 
felde: R.  P.  unten:   ASISCA. 

12.  lt.  N.  THEODOSIVS  P.  F.  AVG.   Kopf 

VOT.  \    MVLT.  X\  im  Lorbeerkranz. 

Br.  3.  Crosse.  3711-303  nach  Chr. 

mit  dem  Diadem  m>u  Perlen. 

43.  Ähnlich. 

VICToRIA  AVGG.  Die  Siegesgöttin  schrei- 

Rr. 3    Crosse. 

14.  D   V  UtCADIVS  P.  F.  AVG.  Kopf  mit 

tend. 
VIRTVS   EXERCITVS.    Der  Imperator,  in 

Diadem  von  Perlen. 

der  rechten  Hand  die  l  anze,  in  der  linken 
das  Schild  haltend,  wird  ioii  der  Sie 
göltin  gekrönt. 

15.  D.  Y  MW  nie.  N.P.AVG.  Brustbild  des 

INNO  K.  Wf  Oben:  f  unten:  P. 

Hr.  2   Grösse.  S82     602  nach  Chr. 

Kaisers,  in  der  Rechten  die  bekreuzte 

Wellkugel,  in  der  linken  Hand  dasScep- 

ter  iini  dem  Adler. 

—    157   — 


Drei  von  den  mir  überschickten  Münzen  konnten  nicht 
regelrecht  beschrieben  werden.  Die  erste  war  ein  verschlif- 
fenes  5  Soldistück  von  Andreas,  dem  venet.  Dogen ,  und  die 
zwei  andern  zeigen  bloss  das  Bild  MarcAurel's  mit  unleser- 
licher Aufschrift.  Übrigens  sind  mehrere  von  den  oben  be- 
schriebenen alten  Münzen  dergestalt  abgenützt  und  verwischt, 
dass  dieselben  bloss  von  einem  geübten  Auge  und  durch 
Vergleich  mit  besser  erhalteneu  von  demselben  Stempel  ent- 
ziffert und  gelesen  werden  konnten. 

Nach  dem  am  25.  August  erfolgten  Schlüsse  der  diess- 
jährigen  General-Versammlung  des  Vereines  für  siebenbür- 
gische  Landeskunde  zu  Kronstadt,  kehrten  wir  auf  weniger 
befahrenen  Umwegen  wieder  nach  Hause  zurück,  bei  welcher 
Gelegenheit  wir  auch  Malmkrog  berührten,  einen  Ort,  den 
man  wegen  des  schönen  Apathischen  Denkmals  von  jeher 
gerne  besuchte.  Ich  kannte  dasselbe  bereits  seit  früheren 
Tagen,  hörte  aber,  dass  es  im  verhängnissvollen  Rebellen- 
tumult (1848  und  1849)  sehr  gelitten.  Um  mich  davon  zu 
überzeugen,  fuhren  wir  hin,  kamen  spät  an  und  mussten  in 
Malmkrog  übernachten.  Am  Morgen  gingen  wir  in  die  evan- 
gelische Kirche,  bis  wir  den  Schlüssel  von  der  Capelle  des 
Apaftischen  Grabmals  aus  der  gräflich  Betblen'schen  Familie 
erhielten.  Ausgezeichnet  fanden  wir  in  der  evangelischen 
Kirche  die  mit  reich  vergoldeter  Umfassung  zierlich  ge- 
schmückten Gemälde  der  Flügelthüren  des  Altars.  In  der- 
selben Manier  angefertigte  Altarblätter  in  Ol  sieht  man  häutig 
in  unsern  protestant.  Kirchen  Siebenbürgens,  nicht  nach  ihrem 
Werthe  besorgt  und  geachtet;  sie  stammen  wahrscheinlich 
aus  dem  XV.  und  Anfang  des  XVI.  Jahrhundert,  wenigstens 
die  meisten,  von  inländischen  deutschen  Künstlern,  und  zeigen 
von  hoher  Kunstfertigkeit  und  einem  geläutertem  Geschmacke. 
Diese  Altargemälde  unserer  Kirchen  verdienten  wohl  eine 
genauere  Erforschung  und  Beschreibung,  bevor  sie  noch 
ganz  verdorben,  beseitigt  und  neueren,  denselben  an  Kmist- 
werth  weit  nachstehenden,  Platz  machen  müssen.  Die 
Frescomalereien  aus  der  Passionsgeschichte  des  Heilandes 
an  den  Chorwänden  dieser  Kirche  stehen  dem  Altarkunst- 
werke an  Werth  weit  nach. 

Von  der  erhaben  liegenden  evangelischen  Kirche  stiegen 
wir  auf  die  entgegengesetzte  Anhöhe  bis  zur  Capelle,  mit 
dem  schönen,  von  seiner  Gemahlin, gebornen  P  et  ky.  ihrem 
1634  verstorbenen  Gatten,  Georg  Apaff i,  dem  Vater  des 
Fürsten  Michael  Apaffi  I.  errichteten  Monumente,  unstreitig 
dem  kostbarsten  im  ganzen  Laude,  einen  grossen  Sarko- 
phag von  grauem  Marmor  vorstellend,  aufweichen)  Georg 
Apaffi  in  Lebensgrösse  und  voller  Rüstung  liegend,  ruhet; 
ihn  umgeben  kunstvolle  Arabesken  und  sinnbildliche  Figuren 
mit  seinem  Famüienwappen,  halb  erhaben,  ausgehauen.  An 
den  vier  Seiten  des  Sarkophages  sieht  man  eine  Menge  an- 
gebrachter Inschriften.  Eine  der  Seiten  stellt  G.  Apaffi's 
drei  Knaben,  der  eine  todt,  und  die  zwei  andern  um  ihn 
kniend  dar.  Diese  sind  mit  dem  Vater  hier  begraben  worden. 
Jede  Ecke  des  Denkmals  hat  eine  ausgehauene,  symbolische 


Statuette.  Auch  <J.  Apaffi's  Gemahlin,  welche  dieses  Mo- 
nument errichten  lioss,  liegt  hier  begraben. 

Der  Anfertiger  dieses  plastischen  Kunstwerkes,  Flias 
Nikolai,  war  ein  llennannstädter  Bildhauer  (Andere  halten 
ihn  für  einen  Schässburger),  welcher,  ein  Autodidakt,  ohne 
vorausgegangene  Erlernung  der  Regeln  der  Kunst,  sich  zu 
solcher  Meisterschaft  emporgeschwungen,  und  ein  Werk 
darstellte,  welches  der  damaligen  Zeit  nach,  in  jeder  Hinsicht 
schon  und  vortrefflich  genannt  werden  kann.  Derselbe  Bild- 
hauer Elias  Nikolai  soll  auch  etliche  Grabsteine  der  Su- 
perintendenten zu  Iiirthälni.  /..  I!.  Georg  Theilesius,  Chri- 
stian Barth  und  Lucas  Hermann,  angefertigt  haben. 

Aber,  wie  schändlich  hat  der  wahnwitzig-tolle  Rebellen- 
sturm auch  hier  gehaust  und  seine  Zorstörungssiichl  ausge- 
übt! Eine  beklagenswürdige  Misshandlung  und  Verstümm- 
lung hat  dieses  schöne,  einzige  Denkmal  unseres  Vaterlandes 
von  dem  neuen  Vandalismus  erlitten.  Mit  eisernen  Werk- 
zeugen und  Lanzenspitzen  wurden  au  der  Hauptfigur  Nase, 
Bart,  die  Hand  mit  dem  Schwertgriff  zertrümmert,  allen 
Statuetten  und  Figuren  am  Sarkophage  die  Köpfe  und  Hände 
u.  s.  w.  beschädigt  oder  weggeschlagen.  Mit  Indignation 
und  gerechtem  Schmerze  verliessen  wir  das  Apaffi'sche 
Grab-Deuktnal  in  Malmkrog. 

In  einem  Gymnasial-Programm  (Annales  Gymnasii  Gr. 
Cathol.  maioris  Blasiensis  pro  anno  Scholast.  MDCCCLY  etc.), 
welches  der  Canonicus  und  Gymnasii  Director,  Tim.  Cipa- 
riu,  herausgegeben,  enthält  gleich  die  Bückseite  des  Titel- 
blattes die  Abschrift  von  römischen  Cerattafeln  aus  einer  alten 
Römer-Goldgrube  nächst  Abrudbänya  herstammend,  welche 
der  griecbiscb-iinirte  Herr  Bischof,  vom  A.  Diacon.  Simeon 
Baliut  erhalten,  an  das  dortige  Gymnasium  übergab.  Sie  be- 
stehen aus  zwei  lichteneu  noch  sehr  gut  conservirten  Blättern. 
Das  Büchlein  enthält  einen  Kaufvertrag  in  doppelter  Ab- 
schrift, dessen  zweite  Abschrift  wegen  des  fehlenden  Blattes 
nicht  ganz  ist.  Die  Form  der  Buchstaben  ist  die  römische 
Cursivschrift  und  gleicht  jener  auf  den  Wachstafeln,  welche 
daselbst  gefunden  und  J.  F.  Massmann  in  seinem  Libellus 
aurarius  herausgegeben  hat.  jedoch  viel  eleganter  und  mehr 
complicirt. 

Eine  genaue  Beschreibung  mit  den  auf  diesen  Tafeln 
verborgenen    Sinn    verspricht  Herr  Cipariu   vielleicht   ein 
andersmal  geben  zu  können  und  zu  wollen.    Der  Text  vmi 
zwei  Blättern  wurde  in  nachfolgender  Weise  angegeben: 
ÜASIVS  BREVCVS  EM1T  MANCIPIOQVE    V.CCEPIT 
PVERVM  APALAVSTVM  SIVE  IS  QVO  AI. 10  NOMINE 
EST  NE.  GRECVM  APOCATVM  PRO  VM  IN  n\  \i;\n 
X(-)C  DE  BELLICO  ALEXANDRI  FR.  M.  VIBIO  LONGO 
K\  M  PVERVM  ANNVM  TRADITVM  M.  MVRTIANO  IDQVE 
SOLVTVM  ERRONEM  FVGITIVM  CADVCV  M  NON  ESSE 
PRESTARI  ET  SIQVIS  EVM  PVERVM  QDR 
PARTEMVE  QVaM  QVIS  EX  EO  EVICERIT  Q.  \l. 
EMPTOREM  S.  S.  EVMVE  AD  Q.EA  RES  PERTINEBIT 
Vit  FRVI  HABERE  POSSIDEREQ  LICEReT 
TVNC  QVANTVM  II»  ERIT  QVOD  ITA  EX  EO  EVIC 

TUM  FVERIT 


!1 


lös 


TP  PRO  l'i:  DAS1VS  BREVCVS  DFP 
BELLICVS  ALEXANDR1  1 1»  FIDE  SVA  ESSE 

[VSS1 1  \n:i\s  LONGVS 
PROQVE  EO  PVERO  Q.  S.  S.  EST  PRETIVM 
EIVS  X6C  ACCEPfSSE  ET  HABERE  SE  1UX1T 
BELLICVS  ALEXANDRI  AB  DASIO  BREVCO 

ACT  KARIABLEG  MUS  XVII  KAI.  IVNIAS 
HVFINO  ET  QVADRATO  COS 
Monitum  ad  Tabulas  ceratas. 

Linea  4  et  HJ.  literae  X8C  tantura  ob  defectum  typo- 
i'init  ita  redditae  sunt,  in  originali  enim  duae  priores  videntur 
esse  XD,  Linea  transversali  conjunctae,  atque  denarios  DC 
denotare. 

Linea  vero  penultima  loco  S  in  origine  esl  litera  ad 
formam  G  proxime  accedens,  atque  GEM1NA  significare 
\  idetur. 

Nach  meiner  brieflichen  Aufforderung,  um  einige  nähere 
Auskunft  und  Angaben  über  diese  Wachstafeln  und  das  Auf- 
finden derselben,  erklärte  der  Besitzer,  dass  er  über  den 
bezüglichen  Fund  erst  selbst  noch  einen  umständlichen  Be- 
richt vini  dem  Spender  erwarte  .  welchen  er  sodann  sowohl 
der  k.  k.  Central-Commission  in  Wien  als  auch  mir  nüt/.u- 
theilen  gedenke,  und  er  beschränke  sich  daher  einstweilen 
nur  zu  melden,  dass  er  so  glücklich  gewesen,  auch  das 
letzte  vermisste  Schreibtäfelchen  der  fraglichen  Cerattafeln 
zu  erhalten,  wodurch  er  in  den  Stand  gesetztsei,  den  letzten 
Tlieil  des  Inhaltes  besser  zu  verstehen,  indem  mehrere 
Wörter,  die  im  ersten  Texte  nur  mit  einzelnen  Buchstaben 
bezeichnet, hier  vollständig  geschrieben  wurden  wären:  auch 

sei  er  so  glücklich  gcwe-.cn.  noch  luvte  Bruchstücke  von 

Wachstafeln  zu  erhalten,  die  aber  leider  sämmtlicb  last  er- 
loschen; drei  Stücke  davon  machten  ein  vollständiges  Exem- 
plar, die  übrigen  aber  bildeten  nur  Überreste  von  vier  andern 
Exemplaren,  deren  eines  wahrscheinlich  nur  aus  einem  Täfel- 
chen bestanden  und  mit  grossen  schönen  Uncial-Buchstaben 
beschrieben  gewesen.  Da  hievon  nur  die  eine  Hälfte  vor- 
handen sei.  SO  könnte  man  nur  noch  folgende  Werte  lesen: 


ERAN1  II  P 

)MMiVA\ 

Die  anderen  Tafeln  aber  wären  alle  mit  der  bekannten 
römischen  Cursivschrift  bezeichnet. 

Da  nun  Herr  Tim.  Cipariu,  wie  derselbe  sich  in 
einem  freundschaftlichen  Schreiben  an  mich  ausdrückt,  mit 

der  Zeit  alle  diese  Tafeln  mit  einem  Commentar  herauszugeben 

gedenkt ,  so   muss  mau  wohl  diese  Herausgabe   geduldig 
abwarten. 

Auf  mein  früher  vorausgegangenes  freundschaftliches 
Ansuchen,  erhielt  ich  durch  die  Güte  des  Bistrilzer  Stadt- 
pfarrers und  k.  k.  Conservators ,  Herrn  Traugott  Müller. 
über  die  dortigen  altdeutschen  Burgen,  mit  dem  Versprechen 
in  der  Folge  auch  das  damit  verbundene  Geschichtliche  und 
Sagenhafte  derselben  nachtragen  zu  wollen,  folgende  Nach- 
richten :  dass  1  )  bei  Bistrilz.  '2  )  bei  Ungersdorf,  3)  bei  Szeret- 
falva  (Beussen)  das  Schloss  Balvanos,  4)  bei  Ida,  5)  bei 
Passbusch  und  6)  bei  Burghallen,  mit  entschiedener  Gewiss- 
heit, alte  Burgen  gestanden  haben,  deren  einmal  stallgefun- 
denes Dasein  die  noch  sichtbaren  Ruinen  beweisen.  Zweifel- 
haft aber  bleibt  es.  ob  Mettersdorf  und  Waltersdorf  auf  ihren 
sogenannten  „Burgbergen  auch  wirklich  Burgen  oder  hlos^ 
Wachtthürme  gehabt  haben?" 

Mit  dieser  Gelegenheit  wurden  noch  angezeigt  zwei 
Fundstücke  von  minderer  Wichtigkeit.  Eine  bei  Fiddvär  im 
Frühjahre  etwa  ;>  tief  in  der  Erde  auf  einem  Hügel  in  Ver- 
bindung mit  einem  runden  steinernen  Streitkolben  entdeckte 
kupferne  Streitaxt  wurde  dein  evangelischeu  Gymnasium  in 
Bistritz  vom  Conservator  offerirt. 

Den  steinernen  Streitkolben  betrachtet  der  superstitiöse 
walachische  Finder  als  vermeintlichen  Talisman  und  will 
denselben  um  keinen  Preis  verabfolgen  lassen.  Ich  habe  den 
Herrn  k.  k.  Conservator  um  flüchtige  Abzeichnungen  der 
zwei  letztgenannten  Fundstücke  ersucht. 


Notizen, 


4l>.  (Die  evangelische  Kirche  zu  Herrn  au  u- 
s  iiiili  in  Siebenbürgen.)  *)  Als  zu  Anfang  des  XV.  Jahr- 
hunderts die  in  Hermannstadt  bestandenen  vier  Capellen  nicht 
mehr  zureichten,  dem  religiösen  Bedürfnisse  der  Bevölkerung 
zu  genügen,  fasste  man  den  Plan,  die  ihrer  günstigen  Lage 
nach  am  meisten  geeignete  und  urkundlich  schon  vor  dem 
Jahre  I  ;!:>7  bestandene  Mariencapelle  in  eine  grössere  Kirche 
umzugestalten.   Nach  einem  raschen  Entschlüsse  wurde  im 


1 »  Mii  Benützung  der  Broschüre :  „Die  Hauptktrche  der  ■  len  Glau- 

bensgenossen,  Vugsburgischer  Confession,  in  Hermannstadl    Eine  Fest- 
ierlichen  Wiedereröffnung  des  baulich  hergestellten  Gottes- 
hauses am  ersten  Pfingstfeste  1855  nach  zweijähriger  l  uterbrechung  des 
Gottesdienstes.  Verfassl  ion  .1.  l..  Neugeboren.    Montagprediger  an 
llauplkirche."  Hermannstadl  I8SS. 


Jahre  14i!l  der  Grund  zur  jetzigen  Pfarrkirche  gelegt  und 
in  den  Neubau  die  Capelle  der  heiligen  Jungfrau  Maria  der- 
gestalt eingeschlossen,  dass  dieselbe  durch  Abtragung  der 
westlichen  Mauer  das  Presbyterium  der  erweiterten  Kirche 
wurde.  Au  der  nördlichen  Seile  der  Capelle  wurde  die  neue 

Sacristei  angebaut,  da  die  alle    auf  der   südlichen   Seile   den 

veränderten  religiösen  Bedürfnissen  nicht  genügte.  Vollendet 

wurde    iinless    der   ganze    Ball    der   Kirche    erst    nach    einer 

Reihe  von  4li  Jahren,  so  dass  ersl  im  Jahre  1471  die  Ein- 
weihung der  Kirche  und  zwar  unter  demselben  .Namen,  den 
die    Capelle    geführt    halte,    vorgenommen    wer. len    k le. 

I  in  den  in  seinem  Unterbau  schwachen  Thurra  zu  stützen, 

winde    durch    die    Munilicenz    eines    Bischofs    zu     Ende   des 


159  — 


XV.  Jahrhunderts  an  der  Westseite  des  Domes  noch  ein 
Zubau  —  die  sogenannte  neue  Kirche  —  gemacht,  so  dass 
der  Dom  erst  seit  dein  Anfange  des  XVI.  Jahrhunderts  die 
äussere  Form  besitzt,  in  welcher  man  ihn  noch  gegenwärtig 
erblickt. 

Der  Styl  der  Kirche  ist  der  gothische  und  die  Ausfüh- 
rung des  Baues  kann  zierlieh  genannt  werden.  Die  Länge 
des  ganzen  Gebäudes  betrügt  234  W.  Fuss,  wovon  58  Fuss 
auf  das  Presbyterium,  25  Fuss  auf  das  Kreuz,  75  Fuss  auf 
das  Mittelschiff,  3G  Fuss  auf  den  Unterbau  des  Thurmes 
und  der  Rest  von  40  Fuss  auf  die  neue  Kirche  kommen.  In  der 
Breite  dagegen  misst  die  Kirche  78  W.  F.,  wovon  3(5  auf  das 
Mittelschiff  und  21  auf  jedes  der  Nebenschiffe  kommen,  wobei 
noch  zu  erwähnen  ist,  dass  der  nördliche  Flügel  des  Kreuzes 
um  16  Fuss  noch  hinausreicht.  Der  Bau  erhebt  sich  etwa  bis 
zu  55  oder  56  Fuss  über  den  Boden  des  Friedhofes,  worauf 
derselbe  geführt  wurde,  und  er  wird,  die  Pfeiler  au  dem 
Presbyterium  und  an  der  Sacristei  mit  eingerechnet,  von 
21  höheren  und  12  niederen  Strebepfeilern  zusammenge- 
halten, von  welchen  die  ersteren  in  Folge  ihrer  bedeutenden 
Höhe  ein  sehr  schlankes  Ansehen  haben.  Ein  imposantes 
Dach  auf  der  Südseite  mit  sieben  Giebeln  vollendet  das 
Ganze.  Die  südliche  Seite  des  Domes  ist  der  vorwiegend 
interessantere  Theil  desselben.  Hier  erheben  sich  über  den 
Mauern  zwischen  den  schlanken  Strebepfeilern  des  Schiffes 
als  Sinnbild  einer  der  sieben  vereinigten  sächsischen  Städte 
oder,  wie  Andere  wollen,  als  Sinnbild  der  sieben  vereinigten 
sächsischen  Stühle,  an  deren  Spitze  Hermannstadt  stand, 
sieben  Giebelmauern,  welche  mit  steinerneu  Kreuzblumen 
geziert  waren.  An  dieser  Seite  ist  die  oben  erwähnte  sehr 
schöne,  aus  Quadern  erbaute  Halle  über  dem  Eingänge,  deren 
Mauerwerk  die  Höhe  der  Hauptmauer  hat  und  mit  zwei 
grossen,  tief  herabreichenden  Fenstern  versehen  war,  die 
aber  später  um  ein  Drittel  vermauert  wurden,  um  an  der  Süd- 
seite der  Halle  eine  Sonnenuhr  anbringen  zu  können;  hier 
befindet  sich  das  zierliche,  an  der  Kirchenwand  und  einem 
Strebepfeiler  angelehnte  Thürmchen  mit  der  Wendeltreppe, 
das  oben  um  10  F.  höher  als  die  Hauptmauer  getrieben  ist;  hier 
ist  auch  noch  als  Reliefbild  der  betende  Heiland  im  Garten 
Gethsemane;  hier  befindet  sich  endlich  mich  auf  dem  östli- 
chen Strebepfeiler  des  Schiffes  die  Figur  eines  sitzenden 
Hundes.  Noch  muss  des  schönen  Laubwerkes  über  dem  öst- 
lichen Spitzbogen  der  Halle,  der  schönen  Krone  über  den 
Eingang  und  der  verzierten  und  gekrönten  Nischen  in  dem 
sehr  geschmackvoll  ausgeführten  Portale  erwähnt  werden. 

Die  Nordseite  der  Kirche  bietet  eine  andere,  bei  Wei- 
tem minder  ansprechende  Ansicht  dar.  Die  nördliche  Mauer 
des  Schiffes  erhielt  kaum  die  halbe  Höhe,  da  über  dem  nörd- 
lichen Seitenschiffe  keine  Gallerie  angebracht  worden  war. 
Auch  die  Halle  der  nördlichen  Pforte,  wenn  gleich  ebenfalls 
von  Quadern  erbaut, erhielt  weder  die  Höhe  noch  die  Vollen- 
dung der  südlichen  Halle,  obgleich  das  steinerne  Portal 
nicht  minder  geschmackvoll  ausgeführt  ist  als  dort.    An  der 


Westseite  der  Kirche  ist  ein  Portal  in  dem  edelsten  Baustyle, 
welches  an  Höhe  jene  beiden  auf  der  Süd-  und  auf  der  Xoril- 
seite  übertrifft,  und  dessen  sehr  in  Detail  ausgeführte  \  er- 
zierungen  leider  stark  gelitten  haben.  Von  besonderer  Schön- 
heit sind  an  beiden  Fenstern  die  Obertheile  der  Haupt- 
fenster. 

Was  nun  das  Innere  des  Domes  betrifft,  so  überrascht 
dasselbe  durch  die  Grösse  und  Kühnheit  des  Baues.  Die 
Kirche  ist  kreuzförmig  angelegt  und  in  drei  Schilfe  getheilt. 
Das  Mittelschiff  wird  durch  zwei  Beiheu  von  Pfeilern  von 
den  beiden  Seitenschiffen  getrennt.  Die  Zahl  der  Pfeiler  in 
jeder  Reibe  ist  sechs,  die  an  der  südlichen  Seite  in  ihrem 
oberen  Theile  freistehen  und  von  denen  die  spitzen  Haupt- 
bögen bis  zu  einer  Erhebung  von  48  oder  4(J  Fuss  über  dem 
Fussboden  der  Kirche  hinaufreichen.  Die  Seitenschiffe  bilden 
Arcaden  vuu  etwa  20  Fuss  Höhe  und  über  dem  südlichen 
Seitenschiffe  erhebt  sich  eine  geräumige  Gallerie.  die  sieh 
bis  über  die  Halle  ausdehnt  und  vormals  ununterbrochen  bis 
an  das  westliche  Ende  der  neuen  Kirche  reichte,  gegenwärtig 
aber  an  dem  Tbunue  durch  eine  Mauer  in  eine  östliche  und 
eine  westliche  Hälfte  getheilt  wird.  An  der  nördlichen  Seite 
unterliess  man  es.  die  Gallerie  aufzuführen,  wahrscheinlich 
weil  der  Ausbau  zu  kostspielig  gewesen  sein  würde. 

In  Bezug  auf  die  Ausschmückung  der  Kirche  ist  ZU 
erwähnen,  dass  ausser  dem  Hauptaltare  im  östlichen  Theile 
des  Presbyteriums  nicht  weniger  als  24  Yotivaltäre  vor- 
handen waren.  Die  nördliche  Wund  der  Presbyterismus  über 
dem  Eingänge  zur  Sacristei  wurde  durch  ein  grosses  Wand- 
gemälde, das  die  Kreuzigung  des  Heilandes  darstellt,  geziert. 
Johannes  Rozenäw  beendigte  dasselbe  im  Jahre  1445.  also 
noch  vor  der  Vollendung  des  angefangenen  Neubaues. 
Ebenso  stammt  das  schöne  eherne  Taufbecken  aus  dem 
Jahre  1438.  Auch  Wandgemälde  befanden  sieh  an  den  beiden 
Wänden  rechts  und  links  vom  Presbyterium,  wie  die  an  eini- 
gen Stellen  abgelöste  Tünche  den  Beweis  geliefert  lr.it. 

Eine  bedeutende  Umwandlung  erfuhr  jedoch  das  Innere 
des  Domes,  als  die  Bevölkerung  Hermannstadts  zum  prote- 
stantischen Glauben  übertrat.  Nun  wurde  der  Koni  ZU  einer 
evangelischen  Kirche  umgestaltet,  aus  diesem  Anlasse  die 
Nebenaltäre  entfernt  und  nur  der  Hauptaltar  mit  dem  Bild- 
nisse des  gekreuzigten  Heilandes  bis  zum  Jahre  1720  bei- 
behalten. Überdiess  wurden  im  Laufe  der  Jahrhunderte  und 
zwar  gegen  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  neue  Chorstühle 
von  Eichenholz  verfertigt  und  geschmackvoll,  wenn  gleich 
nicht  im  Einklänge  mit  dem  Baustyie  der  Kirche,  verziert. 
Im  Jahre  1672  weihte   man    eine   neue   Orgel   ein.    1684 

WUrdeÖ  neue  Kirchenthüren  verfertigt.    1679   eine    kleinere 

Orgel  der  Kirche  zum  Geschenke  gemach!  und  1720  der 
früher  bestandene  Hauptaltar  mit  einem  grossen,  in  vier 
Felder  abgetheilten  neuen  vertauscht. 

Demjetzl  lebenden  Geschlechte  der  Hermannstädter  evan- 
gelischen Gemeinde  blieb  es  vorbehalten,  eine  Hauptrepa- 
ratur des  im  Laufe  der  Jahrhunderte  schadhaft  gewordenen 


31' 


160  — 


Domes  vorzunehmen.  Zu  diesem  Behufe  trat  schon  im 
Jahre  1847  ein  Verein  zur  inneren  Verschönerung  des 
Gotteshauses  zusammen.  Nach  jahrelanger  Unterbrechung 
wurden  endlich  im  Jahre  l8o'2  im  Wege  der  Sammlung 
6609  ll.  zu  diesem  Zwecke  aufgebracht.  Her  Frauenverein 
stellte  Ende  des  Jahres  1852  die  Summe  von  3560  B.  zur 
Verfügung,  während  schon  früher  einige  patriotische  Ge- 
meindeglieder die  Summe  von  1800  II.  57  kr.  offerirt  hatten. 
Im  Jahre  1853  wurde  mit  den  Reparaturen  im  Innern  der 
Kirche  begonnen,  jedoch  Ende  des  Jahres  1854  erlitten 
dieselben  wieder  eine  Unterbrechung,  nachdem  die  dispo- 
niblen Gelder  erschöpft  waren.  Im  Jahre  1855  war  mau 
genöthigt  eine  neue  Sammlung  einzuleiten,  um  die  seit  zwei 
Jahren  geschlossene  Kirche  endlich  eröffnen  zu  können. 

47.  (Alte  Ho Izs chn-itz werke  in  der  Pfarr- 
kirche zu  Hohenems).  Hierüber  liegl  der  k.  k.  Central- 
Commission  folgender  Bericht  i\i^  k.  k.  Conservators  Kögl 
in  Bregenz  (Vorarlberg)  vor:  „Das  einst  im  Süden  Deutseh- 
lands sii  berühmte  Rittergeschlecht  von  Ems  auf  Hohenems 
besass  unterhalb  seiner  sehr  hoch  gelegenen  Felsenburg 
Alt-Eins1)  einen  grösseren  Sitz  oder  Schloss  zur  Beschir- 
mung des  Strassenzuges,  der  Vorhof  genannt. 

Nachdem  der  teste  Mann  Ulrich  von  Ems  dein  Kaiser 
Ludwig  dem  Bayer  alle  Rechte  auf  den  Vorhof  zu  Ems  im 
Jahre  1 3;)0  aufgegeben .  und  als  ein  Lehen  des  Reiches 
zurückempfangen   hatte,    erlaubte  der  Kaiser,  den  .Vorhof 

erweiter id    ihn    mit    Mauern    und   Grüben,  umgehen   zu 

dürfen,  auch  räumte  der  Kaiser  ihm  und  dem  Flecken  zu 
Ems  alle  jene  Rechte  und  Freiheiten  ein.  wie  sie  die  Reichs- 
stadt Lindau  bereits  geniesse. 

Unfern  dieses  Vorhofes  stand  eine  alte  Capelle  da,  und 
in  dieser  (und  nicht  in  der  Burgcapelle  auf  Alt -Ems)  hatte 
das  Edelgeschlechl  seine  erbliche  Begräbnissstätte. 

Nachdem  der  Marktflecken  Hohenems  oder  Ems  um 
das  Jahr  1 4HS  von  der  Mutterkirche  in  Lustenau  ausge- 
nfarrt  worden,  und  eine  eigene  l'arochie  erhallen  hatte,  SO 
baute  Graf  Jakob  Hannibal  von  Hohenems,  ein  Sohn  Wolf 
Dietrichens  und  Clara  von  .Medieis.  als  ein  würdiger  Neffe 
der  kunstliebenden  Medicäer,  an  die  Stelle  der  alten  Capelle 
im  Jahre  1558  eine  Pfarrkirche  hin,  die  theils  er  seihst 
noch,  vorzüglich  aber  dessen  mit  Hortensia  Borromea 
erzeugter  Sohn  Kaspar  prachtvoll  ausschmückte.  Kaspar 
und  seine  erste  Gemahlin  El loraFreiin  von  Welsberg  ver- 
ehrten dem  Gotteshause  im  Jahre  1595  zwei  kostbare,  -h 

vorhandene  Kelche  mit  Zugehör.  Zur  Aufbewahrung  des 
Cardinal-Hutes  seines  Onkels  des  heiligen  Carolus  Boro- 
maus  -  Hess  Kaspar  ein  kostbares  Kästchen  verfertigen. 
Im  Jahre  1604  stiftete  Kaspar  zur  Pfarre  in  Hohenems  eine 
Aushilfe  „und  Frühmess"  und  eine  Katecheten -Pfründe  mit 


1 1  Es  ist  wohl  zu  rken,  dass  a  II  hier  nichl  unser  deutsches  &  14  .  sondern 

das  i anische  a  lto  (hoch  daher  Hohenems)  ist.  daher  die  nun  auch 

erlosch« römische  Linie  cI>t  Duchi  ili  v  l  Icmps  oder  \  I  temsden  Kamen 

l;  ,         .   in 


\  orbebalt  des  Patronatsrechtes.  Im  Mannsstamme  erloschen 
seine  Nachkommen  im  Jahre  I75it.  Das  heutige  sehr  schöne 
Gotteshaus  in  Hohenems  wurde  im  Jahre  1796  vollendet  und 
im  Jahre  18(11!  vom  Weihbischofe  in  Konstanz.  Ernst  Maria 
Ferdinand  Grafen  von  Bis*singen-Nippenburg,  zu  Ehren  obi- 
gen Familien-Heiligen  eonsecrirt.  Aus  der  allen  Pfarrkirche 
übertrug  man  sehr  kunstreich  gearbeite  Werke  in 
den  neuen  Tempel,  die  auf  dem  noch  immer  provisori- 
schen Hochaltäre  von  ohen  herab  also  zu  schauen  sind: 

Christus,  am  Kreuze;  die  Verkündigung  Marions:  die 
Geburt  Jesu;  die  Krönung  Mariens;  die  Anbetung  und  Opfe- 
rung der  Weisen. 

Alle  diese  plastischen  Darstellungen  sind  meisterhaft 
aus  Holz  geformt,  alter  im  kleinen  Massstabe,  daher  sie  nur 
in  der  Nähe  einen  Kunstgenuss  gewähren.  Leider  nahm 
seither  der  Wurmfrass  allenthalben  so  sehr  überhand .  dass 
sie  vor  einigen  Jahren  schon  mit  Kreidefarbe  übertüncht 
werden  mussten.  Bei  der  vorletzten  Darstellung  bemerkt 
man  rechts  und  links  die  hölzernen  übermeisselten  Bildnisse 
des  Stifters  und  der  Frau  Stifterin  mil  ihren  Wappen  in  gar 
kleinem  Massstabe.  Würde  man  das  sehr  complicirte  Wappen 
der  Gemahlin  keimen,  so  wäre  man  dem  Zeitpunkte  der  Ver- 
fertigung dieser  Bilder  nahe.  Auf  dem  Hochaltar  erblickt 
man  auch  das  in  Ol  gemalte  Bildniss  des  Kirchenpatrons,  das 
die  Stelle  eines  Altarblattes  zu  vertreten  scheint.  Es  soll 
dieses  nach  einem  Familien-Portraite ,  das  die  Grafen  einst 
im  Palaste  verwahrten,  angefertigt  wurden  sein. 

Ans  der  alten  Pfarrkirche  Wurde  in  das  neue  Gotteshaus 
ferner  übertragen,  und  zwar  auf  den  vordersten  Steinaltar 
rechts: 

|)ie  allerheiligste  Dreieinigkeit,  und  auf  dem  links  die 
Grablegung  Christi.  Beide  Haupt-Reliefs  (hocherhabene 
Arbeiten)  sind  verhältnissmässig  gross  und  ihrem  Bestim- 
mungsorte ganz  angemessen.  Sie  .sind  aus  weissem  Mergel- 
schiefer gearbeitet  und  voller  Kunst.  Auf  der  letztge- 
nannten Darstellung  bemerkt  man  am  Sarkophage  Christi  die 

Jahrzahl  1610  und  zu  Unterst  das  Monogramm  uX*     das  zu 

entziffern  ich  nichl  im  Stande  bin.  Die  Anfertigung  beider 
Stücke  fällt  demnach  in  die  Regierungszeil  des  obgenannten 
Grafen  Kaspar. 

Betrachte)  mau  auch  die  ins  neue  Gotteshaus  über- 
setzten Familiendenkmale,  so  dringt  sich  die  Vermuthung 
auf,  Graf  Kaspar  dürfte  hier  eigene  Bildhauer,  wahrschein- 
lich aus  dem  Vaterlande  seiner  Mutter,  jahrelang  beschäftig) 
halten." 

48.  (Über  ein  merkwürdiges  Crucifix  in 
Krisen),  welches  im  byzantinischen  Style  gearbeitet  ist, 
legte  der  k.  I.  Conservator  in  Brixen,  Herr  Regens  G.  Tin  k- 
haus  er,  unterm  28.  April  folgenden  Bericht  der  k.  k.  Central- 
Commission  vor :  „Dieses  Crucifix  befand  sich  im  Besitze 
einer  seil  Jahrhiiinlerlen  in  Brixen  ansässigen  und  eins)  reich 
begüterten  Familie,  und  ist  nicht  sowohl  wegen  des  Uters 


161   — 


als  wegen  der  Zartheit  und  Feinheit  der  Arbeit  von  höch- 
stem Interesse.  Ich  suchte  es  in  meine  Hände  zu  bringen,  um 
es  Seiner  kais.  Hoheit  dem  durchlauchtigsten  Herrn  Erzher- 
zoge Karl  Ludwig  zu  präsentiren,  von  welchem  ich  angewie- 
sen bin  derlei  Gegenstände  zu  sammeln  und  an  die  Kammer 
einzusenden.  Das  Crucitix  misst  ohne  die  Handhabe,  welche 
eingesetzt  und  Weggenommen  werden  kann,  3l/2  Zoll  in  der 
Höhe  und  2'/4  Zoll  in  der  Breite,  d.  i.  in  den  Armen.  Die 
Vorder-  und  Rückseite  ist  vollständig  mit  sehr  zartem  Schnitz- 
werk belegt,  und  der  Kern  des  Stammes  und  der  Arme  aus- 
gehöhlt, so  dass  durch  die  feinsten  Öffnungen  das  Licht  auf 
beiden  Seiten  durchschimmert.  Das  Material  besteht  aus 
Cornel-Kirschbaumholz  (cornus  mascula).  Der  Styl  reprä- 
sentirt  den  ausgeprägtesten  Byzantinismus  mit  all'  seinen  aus- 
getrockneten Figuren  und  Skeleten.  Die  Hauptvorstellung 
ist  auf  jeder  Seite  von  vier  anderen  umgeben,  welche  damit 
in  Verbindung  stehen  und  wovon  zwei  in  den  Armen  und 
die  anderen  zu  oberst  und  zu  unterst  im  Stamme  angebracht 
sind.  Die  Vorderseite  zeigt  die  Taufe  Christi.  Engel 
schweben  zur  Seite  des  Heilands,  oben  öffnet  sich  der 
Himmel  beim  Scheine  des  Regenbogens;  es  ist  als  ob  die 
Stimme  des  himmlichen  Vaters  herabtönen  würde  über 
den  eingebornen  Sohn,  der  nun  seine  Sendung  als  Friedens- 
fürst beginnen  soll.  In  den  Armen  ist  David,  der  König  und 
Prophet,  rechts  und  ein  anderer  Phrophet  links  angebracht. 
Die  Bilder  oben  und  unten  im  Stamme  zeigen  in  jedem  Felde 
einen  betenden  Mönch.  Oberhalb  des  Hauptbildes  findet  sich 
auf  einem  Bande  die  kaum  lesbare  Inschrift:  1BAHTI-IS 
(r,  B«7rr!?!c).  Auf  der  Kehrseite  zeigt  das  Hauptfeld 
Christum  den  Gekreuzigten,  mit  Maria  und  Johannes 
und  einer  Menge  des  schaulustigen  Volkes.  Von  den  Neben- 
feldern  trägt  das  zur  Rechten  das  Bildniss  des  Kaisers  Con- 
stantin,  das  zur  Linken  das  Bildniss  der  Kaiserin  Helena: 
oben  und  unten  im  Stamme  sind  wieder  betende  Mönche  an- 
gebracht. Über  dem  Hauptbilde  steht  auf  einem  Bande  die 
Inschrift:  HSPwSISIW  (V,  faupwfft?  r8  [xfs«f8]).Deii  Hinter- 
grund bildet  auf  allen  Feldern  der  beiden  Seiten  eine  Reihe 
von  rundbogigen  Fenstern  und  Afcaden,  welche  in  drei  Stock- 
werken auf  einander  liegen  und  in  regelmässiger  Gliederung 
mit  Kuppeln  schliessen.  Weil  der  Kern  von  innen  ausgehöhlt 
ist,  so  schimmert,  wie  schon  erwähnt,  durch  die  engen  Fenster 
und  Arcaden  das  Licht  durch.  Die  Arbeit  ist  sehr  fein  und 
mit  grosser  Sorgfalt  durchgeführt.  In  allen  Theilen  ist  der 
Charakter  byzantinischen  Styles  so  vollkommen  ausgeprägt, 
ihiss  man  beim  ersten  Anblick  ein  mehr  als  tausend  Jahr  alles 
Exemplar  byzantinischer  Kunst  vermuthen  möchte.  Das 
Crucifix  dürfte  aber  kaum  vor  zwei  hundert  Jahren  an- 
gefertigt sein,  da  das  Holz  noch  zu  frisch  und  in  der  Farbe  zu 
gut  erhalten  ist,  als  dass  es  ein  höheres  Alter  beanspruchen 
könnte.  Bekanntlich  hat  aber  die  byzantinische  Kunst  in  der 
griechischen  Kirche  sich  bis  jetzt  immer  mü  bigotter  Ängst- 
lichkeit gleich  erhalten.  Ich  vermuthe  daher,  dass  dasselbe 
aus  slavischen  Gegenden  herstammt,  wofür  auch  die  Inschrift 


spricht,  «eiche  rings  um  das  Kreuz  mit  einzelneu  und  ver- 
schlungenen Buchstaben  läuft,  die  dem  sogenannten  Cyrilli- 
schen Alphabete  angehören  und  von  mir  nicht  entziffert 
werden  konnten." 

49.  (Die  neuesten  altert hüm liehen  Funde  zu 
Laibach.)  Sollte  rücksichtlich  der  Lage  des  alten  Aemona 
noch  irgend  ein  Zweifel  obwalten,  so  sind  die  unlängst  auf 
dem  „deutschen  Grunde"  zu  Laibach,  an  der  Westseite  der 
altertümlichen  Stadtmauerreste  gemachten  Funde  ein  Beweis 
mehr  zur  Behebung  des  Zweifels.  Herr  Debeuz,  dessen 
Haus  Nr.  ST  nächst  der  Triester  Linie  unmittelbar  an  die 
„alte  Mauer  von  Aemona"  angebaut  ist.  hat  im  März  iL  .1. 
auf  seinem,  rückwärts  des  Hauses  gelegenen  Terrain  meh- 
rere Erdarbeiten  wegen  Herstellung  eines  Gartens  vor- 
nehmen lassen,  wobei  auch  ein  Theil  der  alten  Mauer 
und  Thurmreste  aufgedeckt  und  tiefer  ausgegraben  wurde. 
Hierbei  hat  man  in  der  obern  Schichte  zu  nächst  viele 
Reste  von  Kohlen  angetroffen,  was  einen  Beweis  von  ge- 
waltsamer Zerstörung  der  alten  Stadt,  sei  es  im  .1.  i'.'t'l 
durch  Attila,  oder  später  durch  andere  rohe  Horden,  zu  lie- 
fern geeignet  ist.  Die  weiter  aufgewühlten  Mauerreste  deu- 
teten auf  eine  doppelte  Zeitperiode  des  Baues: 
denn  während  das  aus  runden  Steinen  mit  viel  Mörtel  aufge- 
führte Gemäuer  der  einstigen  Thürme  sich  ganz  zu  Stein 
verhärtet  zeigte,  bestanden  die  Zwischenmauern  grössten- 
teils aus  Bruchsteinen,  unter  denen  selbst  ein  abgebro- 
chener Inschriftstein  aufgefunden  wurde.  Dieser  Umstand 
dürfte  zur  Bestätigung  der  Nachricht  dienen,  dass  die  von 
Attila  zerstörten  Stadtmauern  von  Aemona  durch  den  grie- 
chischen Exarchen  Narses  im  Jahre  5S6  wieder  aufgebaut 
worden  sind  ').  Bei  tieferer  Aufräumung  des  Schuttes  kam 
an  der  Aussenseite  der  Ringmauer  eine  Lage  über  einander 
stehender  behauener  Steine  zum  Vorsehein.  welche  ganz  das 
Ansehen  des  obersten  Mauerkranzes  oder  Mauergesimses 
hatten,  und  Spuren  von  einstiger  Verbindung  mittelst  eiser- 
ner Klammer  an  sich  trugen;  sie  scheinen  in  solcher  Ver- 
bindung vom  obern  Rande  der  Mauer  herabgestürzt  und 
sich  in  Folge  dessen  senkrecht  aufgestellt  zu  haben.  Weiter- 
hin wurde  an  der  Ringmauer  ein  alles  gemauertes  und  ge- 
wölbtes Grab  aufgedeckt,  welches  eine  Klafter  im  Gevierte 
hatte,  und  ein  Menschen-  und  ein  Pferdegerippe  nebst  Thrä- 
nenfläschchen  und  Todtenumen  und  einer  Goldkette  enthielt. 
Da  nach  älterer  römischer  Sitte  die  Leichen  verbrannt  «  urden, 
und  sonst  bei  den  Römern  Lieblingsthiere  nicht  beigegeben 
zu  werden  pflegten,  so  dürfte  das  besaute  Gerippe  irgend 
einem,  bei  Aemona  gefallenen  Barbarenführer  gehört  haben, 
dessen  Leiche  sainml  der  seines  Streitrosses  in  einem  altern 
römischen  Grabe  beigesetzl  «urden. 

Her  wichtigste  Kund  isi  jedoch  ausser  verschiedenen 
römischen  Münzen,  worunter  eine  vom  Kaiser  Trajanus, 
nebst  dem  schon  angeführten,  noch  ein  zweiter  Römerstein, 


')  Siehe  hierüber  mein  ,. Aivl.h  im-  ilic  l.ini.lo^vselucliU'  von  Kniin-  ivtl  l 
s.  99,  und  II.  171  ip   s   r.  —  dann  Linhurl  I.  308. 


[62 


welcher  zugleich  den  Namen  Aemona  enthält.  Er  wurde 
in  der  Nähe  der  ersteren,  jedoch  entfernt  vom  vorbenannten 
Grabe  und  an  der  Aussenseite  der  Mauer  angelehnt  gefunden, 
ist  am  obern  Ende  mit  einem  Gesimse  gekrönt,  am  untern 
jedoch  abgebrochen,  und  inisst  in  dieser  Gestalt  hei  2'  in 
der  Länge  und  1'  in  der  Breite.  Der  erstere,  mitten  in  der 
Mauer  gefundene  Inschriftstein  ist  hingegen  am  obern 
Ende  abgebrochen,  und  übrigens  mit  dem  ersteren  gleicher 
Form,  nur  weniger  lang.  Die  Schrift  beider  Steine  ist  nicht 
gleichartig,  scheint  sich  jedoch  gegenseitig  zu  ergänzen;  sie 
lautet  bei  dem  /weiten: 

DIANAE 

AVG.  SACR. 
INMEMOR 

TVELLIONES 

In  ii  I  VIRET 

AVG.  EMON 

Iruil  VIRAQ 

.  .  ~  PAREN 
bei  dem  ersten  dagegen  : 

Iinil  MH  AOML 
AVG.  PARENT 

EYTICHVSET 

PERIGENES 
LIB. 
Die  Erklärung  dieser  Inschriften  bietet  übrigens  keine 
Schwierigkeiten  dar.  nur  die  vierte  Zeile  in  der  zuerst  ange- 
gebenen Inschrift  Lässt  sich  schwerer  lesen,  enthalt  jedoch 
allem  Ansehen  nach  den  eigenen  Namen  des  Mannes,  zu  dessen 
Andenken  der  Stein  gesetzt  worden,  wornach  man  auf 
T.  VELLI.  ONES  (imi  Onesidori  oder  Onesiphori)  denken 
könnte.  Demnach  lautet  die  eislere  Inschrift:  „Diauae  Au- 
gustae  sacrum,  in  memoriam  Tili  Vellii  Onesimi  (Onesiphori, 
Onesidori),  Seviri  et  Augustalis  Emonae,  Seviri  Aquilejae, 
lugustali  l'arentiae- ;  und  mit  Beigabe  der  anderen:  „Euti- 
chus  et  Perigenes  Liberti".  Der  Ausdruck  Sevir  (  lnul  vir) 
bedeutete  einen  Stadtbeamten,  einen  von  den  sechs  Aus- 
schussmännern des  Stadtrathes,  denen  die  Verwaltung  der 
stadiischen  Angelegenheiten  anvertraut  war:  der  Name  Augu- 
stalis (so  viel  als  Augustorum  Caesarum  Flamen)  bezeichnete 
einen  Priester  der  vergötterten  römischen  Kaiser.  Solche 
Würden  bekleidete  der  vorbenannte  T.  Vellius  Onesimus 
nicht  nur  zu  Aemona  sondern  auch  zu  Aquileja  und  Parentia 
(Parenzo);  zu  seinem  Andenken  ist  das  eine  Denkmal  als 
Votivstein  irgend  einer  Gottheit  von  seinen  Freigelassenen 
Eutichus  und  Perigenes  gesetzt  worden.  her  verdienst- 
volle heimathliche  Geschichtsforscher  Pfarrer  Hitzinger 
hat  die  obigen  Sieine  in  der  bezeichneten  Weise  zu  erklären 
versucht.  Eine  andere  Lesart  der  vierten  Zeile  würde  natür- 
lich auch  den  ganzen  Sinn  wesentlich  modiheiren,  wesshalb 
ich  diese  Inschriften  an  den  gelehrten  Epigraphisten, Pfarrer 
Richard  Knabl  in  Gral/,  zur  Erklärung  übersendet  habe. 

Dr.  II.  Klun. 


SO.    (Ein   Stein   mit   türkischer   Aufschrift    in 

Alt-Ofen.)  Has  in  l'esth  erscheinende „Csaladköny ve"  ( Fa- 
milienbuch) brachte  von  Joh.  Bepicky  folgende  nicht  un- 
interessante Mittheilung:  In  Alt-Ofen  befindet  sich  im  Spitale 
der  Schill'sw  erl'te  ein  rother  Marmorstein ,  nahe  heim  Thor 
rechts  eingemauert,  welchen  Herr  Franz  Kubinyi  junior 
in  meiner  Gegenwart  sammt  der  Aufschrift  abzeichnete.  Die 
Aufschrift  lautet  in  türkischer  Sprache  von  Wort  zu  Wort 
also : 

1.  Takhtgjahi  Üngürüsz  bimesel  ii  kal'ai  hemta 
Etil  her  neski  dürer  nnislahkem  gjdhi  nasif. 

2.  Ilasreli  paschai  Kaszim  szahi'bi  nam  ü  m'adilet 
tM  vesiri  niuhte'si I  daveri  thali'i  miinil'. 

;}.  Kal'ai  Budine  revnak  verdi  jäpti  kullei 
01a  elthali  khndaje  masher  ol  säti  sehen'!'. 

4.  'Avni  hakkle  söjledüm  Szi'dki  bunun-tarikhini 
Vak'aa  'ltahrfr  Ii  sene  1078. 

Kullei  kat'e  müschabihdir  hu  binjadi  lathif. 

Die  deutsche  Übersetzung  davon  lautet: 

1.  Die  unvergleichliche  Residenz  und  nicht  geringere 

Festung  Ungarn's 
Gestaltete  zierdevoll  jenen  festen  Platz,  gleich  einem 

Perlenkranze. 

2.  Seine  Hoheit.  Kassini  Pascha,  Herr  des  Ruhms  und 

der  Gerechtigkeit, 
Jener  würdevolle  Ve/.ir,  jener  mit  erhabenen  Eigen- 
schaften begabte  Statthalter. 

3.  Er  hat  der   Festung   (Heu  Glanz   verliehen,   er   liess 

diesen  runden  Thurm  aufhauen. 
Möge   dieser  edle   Charakter  zum  Gegenstand   der 
Gnade  Gottes  werden! 

4.  .Mit  Geiles  Hilf,,  saute  ich  Szi'dki  dieses  Chronograuim 

her. 

Geschrieben  im  Jahre  1078  (10(57). 

Dem  Gipfel  des  Kaukasus  gleicht  dieses  anmuthsvolle 

Gebäude. 

Von   diesen   Doppelversen    folgen    1   bis    IS   auf  dem 

Steine  nach  einander,  wo  sie  dann  von  den  übrigen  durch 

die   dazwischen   angebrachte  Verzierung  getrennt  werden. 

Die  Buchstaben  sind  nicht  eingravirt,  sondern  erhaben.  Die 

im  letzten  Verse  enthaltene  Jahrzahl  bezeichnet  nach  der 

Zahlenbedeutung  der  arabischen  Consonanten  das hame- 

danische  Jahr  1077  (nach  unserer  Zeitrechnung  l(itiil). 
Der  runde  Thurm  wurde  also  in  diesem  Jahre  erbaut,  der 

Stein  jedoch  erst  im  darauffolgenden  fertig,  was  aus  der 
seitwärts  angebrachten  Bemerkung  ersichtlich  ist.  Wahr- 
scheinlich war  dieser  Stein  i itern  Theile  lies  Thurmes 

eingemauert,  woher  er  dann  nach  mehreren  Widerwärtig- 
keiten auf  seinen  jetzigen  <>n  gelangt  ist. 

;;i.  (her  Plafond  des  Rittersaales  im  I.  f. 
Schlosse  Gol  degg  zu  Salzburg.)  Die  k.  k.  Central- 
Commission  gelangte  durch  den  k.  k.  Conservator  Süss  zu 
Salzburg  in  die  Kenntniss,  dass  der  historiscl I  heraldisch 


1G3 


interessante  Plafond  des  I.  f.  Schlosses  Gold  egg  durch  die 
Schadhaftigkeit  des  Saaltractes  Gefahr  laufe  zu  Grunde  zu 
gehen.  Da  nun  aus  den  Verhandlungen  hervorging,  dass 
keine  Aussicht  auf  eine  neue  Eiudachung  des  Saaltractes 
vorhanden  sei,  so  stellte  die  Central-Commission  an  das  hohe 
k.  k.  Finanzministerium  den  Antrag,  den  Plafond  an  das 
Salzhurger  Landesmuseum  unentgeltlich  abzutreten.  Mit 
Erlass  vom  5.  Juli,  Z.  22190,  hat  nun  das  h.  k.  k.  Finanz- 
ministerium der  Central-Commission  eröffnet,  dass  Se.  k.  k. 
apost.  Majestät  mit  a.  h.  Elitschliessung  vom  18.  Juni  1856 
genehmigt  haben,  den  genannten  Plafond  des  1.  f.  Schlosses 
Goldegg  unentgeltlich  dem  Landesmuseum  zu  Salzburg  zu 
überlassen. 

52.  (Die  Inschrift  auf  dem  Denkmale  der 
Ehrenhergerklause  bei  Reutle  in  Tirol.)  Indem 
Märzhefte  der  „Mittheilungen"  Notiz  21,  wurde  des  Wappens 


und  der  Inschrift  in  der  berühmten  Ehrenhergerklause 
erwähnt,  woraus  hervorgeht,  dass  Erzherzug  Maximi- 
lian III.,  Hoch-  und  Deutschmeister  und  Gouverneur  von 
Tirol  im  Jahre  1G09  den  erwähnten  Engpass  befestigen 
liess.  Nachträglich  wurden  wir  in  die  Lage  gesetzt,  obige 
denkwürdige  Inschrift  ihrem  vollen  Inhalte  nach  zu  veröffent- 
lichen.  Dieselbe  lautet: 

SER  .  .  .  S MAX  .  HILIANVS 

ARCHIDV  .  .  .  AVSTRIAE  .  .  ET: 
DVX  .  BVRGVNDIAE.  ETc  COM" 
TIROL1S.  ET.  SVPBEM.  ORDI.MS 
THEVTONICI  MAGISTER.  ETc 
HANG  ARGEM  ET  PROPVGNA 
ACVL™   AD  PATRIAE.  REIPVBL. 
COMMOD™   RESTAVRARI  AC 
EMVNIRI  CVRAVIT  AN.  S  MDCIX. 


Literarische  Anzeigen. 


Dr.  C.  Schnaase:  Geschichte  der  bildenden  Künste.  Fünfter 

Rand,  erste  Abth.,  1.  Haltte,  mit  57  in  den  Text  gedruckten 

Holzschnitten.  Düsseldorf.  Verlagshandlung  von  .1.  Buddeus. 

1856.  (S.  312,  8.) 

Es  bedarf  wohl  keiner  speeiellen  Rechtfertigung,  warum  wir 
in  diesem  Organe  ein  Werk  anzeigen,  das  niclit  speciell  die  Geschichte 
der  Architektur,  sondern  die  der  gesammten  bildenden  Kunst  vor 
Augen  bat.  Der  Zusammenhang,  in  welchem  die  einzelnen  Künste 
unter  einander  stehen,  ist  zu  allgemein  anerkannt,  als  dass  wir  zur 
Rechtfertigung  etwas  anderes  anzuführen  hätten,  als  eben  diese  all- 
gemeine Anerkennung  und  die  Thatsache .  dass  es  vorzugsweise  die 
Conservatoren  zur  Erhaltung  der  Baudenkmale  sind,  die  diesen  Zu- 
sammenhang nachspüren,  die  verschiedensten  Riehtungen  und  Zweige 
der  bildenden  Künste  kennen  zu  lernen.  Der  vorliegende  Band  hat  aber 
für  diese  Blätter  eine  ganz  besondere  Bedeutung,  da  er  die  Entwi- 
ckelung  der  gothischen  Architektur  enthält,  und  in  höchst  geistvoller 
Weise  die  gothische  Architektur  in  Frankreich,  Belgien  und  England 
erörtert.  Die  Stellung,  welche  Frankreich  in  der  Entwickelung  der 
gothischen  Architektur  einnimmt,  tritt  liier  in  so  ferne  zum  ersten 
Male  in  seiner  vollen  Bedeutung  auf.  als  diessmal  in  einem  deutschen 
Werke  am  umfassendsten  die  gothischen  Monumente  Frankreichs 
erörtert  werden. 

Solche  Erörterungen,  wie  die,  welche  Dr.  G.  Schnaase  in  seinem 
Werke  liefert,  sind  am  meisten  geeignet,  das  Versländniss  für  die 
Formen  der  gothischen  Kunst  von  jenen  Hemmnissen  zu  befreien, 
welche  in  missverstandener  oder  übertriebener  Vaterlandsliebe  und 
poetischer  Schwärmerei  begründet  sind.  In  neueren  Zeiten,  nachdem 
man  sich  von  dem  nationalen  Hyperenthusiasmus  für  dieGothik  cinan- 
cipirt  hat,  bat  man  mehrfach  untersucht,  woher  die  Anhänglichkeit 
der  Deutsehen  für  die  romanische  Kunst  komme,  und  warum  sich  ver- 
hä'ltnissmässig  so  spät  der  gothische  Styl  im  deutschen  Reiche  ein- 
gebürgert hat.  Schnaase  erörtert  diese  Frage  am  Schlüsse  des  vor- 
liegenden Bandes  mit  Geist,  und  erklärt  diesen  im  XIII.  Jahrhundert 


in  Deutschland  vorhandenen  Zug  nach  romanischen  Formen  theils  aus 
dem  Mangel  eines  politischen  Centralpunktes ,  wie  ihn  unter  Ludwig 
dem  Heiligen  Frankreich  gehabt  hat,  theils  aus  dem  herrschenden  Indi- 
vidualismus und  der  Richtung  auf  das  Einzelne,  dann  aus  dein  Mangel  ge- 
meinsam organisirter  Bestrebungen,  welche  zu  einem  durchgreifenden 
neuen  System  im  deutschen  Reiche  hätten  führen  können,  wie  sie  es 
in  Frankreich  hervorgerufen  haben,  und  endlich  aus  der  „grossen  und 
entschiedenen  Anhänglichkeit  für  die  romanische  Form,  von  der  man 
sich  ungern  trennte,  und  da.  wo  man  Verbesserungen  Raum  gab,  soviel 
wie  möglich  von  ihr  zu  retten  suchte."  —  Der  gothische  Styl  ist 
Schnaase  nicht  ein  Erzeugniss  rein  germanischer,  sondern  der  aus 
Romanen  und  Germanen  gemischten  Nationen.  Er  wiederstrebte  dem 
auf  einfachere  Verhältnisse  und  Formen  gerichteten  Sinne  der  Dcut- 
schen.  Die  Entstehung  der  Gothik  in  Frankreich  fällt  mit  einer  Ver- 
nachlässigung der  classischen  Literatur  zusammen,  während  in 
Deutschland  diese  nicht  so  gänzlich  vernachlässigt,  und  die  Verbin- 
dung mit  Italien,  die  den  Sinn  für  die  ruhigeren  Formen  des  romani- 
schen Styles  begünstigte,  immer  aufrecht  erhalten  wurden,  Mil 
Spannung  sehen  wir  der  zweiten  Hälfte  dieses  Bandes  entgegen,  die 
uns  die  Entwickelung  der  deutschen  Gothik  bringen  wird. 

Für  den  österreichischen  Kaiserstaat  speciell  hat  in  diesem  Bande 
der  Bericht  über  die  Thätigkeit  und  d;is  Ski/,  z  e  n  l>  u  c  h  d  e  s  A  r  c  h  i- 
tekten  Yilars  de  Honneeourt  noch  eine  besondere  Bedeutung. 
Dieser  Architekt  lebte  in  der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts. 
Sein  Skizzenbuch  ist  in  der  Bibliothek  von  Paris  ;>l>  Mantiscript  ent- 
deckt worden.  Bisher  hatten  wir  von  demselben  bloss  Kenntniss  aus 
der  Revue  archeologique  (Jahrg.  1849)  und  der  Förster'scben  Bau- 
zeitung. Der  Pariser  Architekt  Herr  Lassus  ist  mit  der  Herausgabe 

des  Faesiinilcs  beschäftigt.  Schnaase  berichtet  einiges  aus  eigener 
Anschauung.  Bei  einer  Studie  \.>r  dem  Triforiuin  von  Bheiins 
führt  er  an,  dass.  als  er  sie  gemacht  habe,  er  nach  Ungarn  entsen- 
det wurde  Qestoie  mandes  en  la  tierre  de  hongriequant  io  Ic  portais 
par  co  lamai  io  miex);  an  einer  anderen  Stelle  erwähnt  er  des  Auf- 
enthaltes in  Ungarn,  der  lange  Zeit  (maintjor)  gedauert  habe.  Diese 
Sendung  nach  Ungarn  wird    mit    der   heil.    Elisabeth,    Schwester    des 


litt 


Königs  Bein  von  Ungarn,  in  Verbindung  gebracht,  welche  den  Dom- 
bau  in  Canibrai ,  an  dem  Vilars  gearbeitet  hat,  reichlich  unterstützt 
hat.  Seitdem  man  auf  die  Ruine  vonSzämbeb  im  Ofner  Gebirge  auf- 
merksam  geworden,  hat  man  in  dieser  Kirche  französischen  Einfluss 
erkannt  iiikI  sich  dieses  Architekten  und  seiner  Reise  nach  l'ni;;irn 
erinnert.  Ich  werde  diesen  Bau  bei  einer  anderen  Gelegenheit  erör- 
tern und  begnüge  mich  diessmal  nur  mit  der  einfachen  Hindeutung. 
—  Wir  empfehlen  unseren  Lesern  auf  das  Lebhafteste  das  ganze  achte 
Buch  Schnaase's,  welches  die  Zeit  der  Entstehung  und  Ausbildung 
des  gothischen  Styles  behandelt.  R.  v.  E. 


Dr.  Hermann  Mcynert:  \U\-  Herz  König  Rudolph 's  I.  and 

die  Habsburger  Grufl  des  ehemaligen  Klosters  zum  heil.  Kreuz 

in  Tnln.   Ein  Beitrag  zur  Monumental -Geschichte  des  durchl. 

Uauses  Habsburg.  Wien  1856. 

Die  vorstehende  Broschüre  enthält  eine  Geschichte  dos  be- 
kannten Frauenklosters  zu  Tuln,  ilus  von  König  Rudolph I.  nach  der 
Schlacht  am  Marchfelde  im  Jahre  1280 gegrüudet  und  im  Jahre  1281 
eingeweiht  wurde.  In  der  speciellen  Absicht  des  Herrn  Verfassers  lag 

es, den  Nach«  eis  7.11  liefern,  dass  in  der  Gruft  der  Kirche  das  Herz  des 
König  Rudolph'sl.  und  die  Leichname  von  17  Mitgliedern  des  Kaiserhau- 
ses beigesetzt  gewesen  und  deren  Spuren  theils  durch  den  letzten 
Braml  vom  Jahre  lT.'i'i.  theils  durch  den  modernen  Vandalismus  zu 
Anfang  dieses  Jahrhunderts  verloren  gegangen  seien.  Herr  Ur.  Her- 
mann Mevnert  war  zur  Herausgabe  dieser  Broschüre  vorzugsweise 
durch  einige  aufgefundene Doeumente  in  den  Archiven  des  k.  k.  Mini- 
steriunis des  Innern  und  des  k.k.  Finanzministeriums  über  den  Zustand 
des  Frauenklosters  zu  Tuln  nach  dem  Brande  vom  Jahre  1732  ver- 
anlasst worden,  und  stiizte  seine  Beweisführung  auf  einige  Kloster- 
berichte ,  die  sich  zu  Tuln  vorgefunden,  ferner  auf  die  mündliche 
Tradition  noch  lebender  Personen.  Er  beschränkte  sich  überhaupt 
auf  jene  Localquellen,  welche  nach  dem  letzten  Brande  noch  übrig 
geblieben  sind.  Was  bereits  altere  Schriftsteller,  wie  Hergott  in 
seiner  Taphographia  in  Bezug  auf  die  zu  Tuln  befindlichen  Grabstät- 
ten von  Mitgliedern  des  hahshiirgischen  Herrscherhauses  und  insbeson- 
dere rücksichtlich  des  angeblich  dort  beigesetzten  Herzens  König 
Rudolph's  I.  behauptet  hatten,  blieb  von  Herrn  Dr.  Meynerl  gänzlich 
unbeachtet. 

Unter  diesen  Umständen  mosste  obige  Broschüre  einiges  Auf- 
sehen nicht  nur  in  literarischen  ,  sondern  auch  in  jenen  Krei- 
sen erwecken,  die  unmittelbar  bei  der  Conservirung  eines  bisher 
unbekannten  „habsburg'schen  Ahnensaales"  beiheiligt  waren.  Wenn 
der  Beweis  hergestellt  worden  wäre,  dass  im  I'Yauenklnsler  zu  Tuln 
wirklich  so  kostbare  Reliquien  ZU  Grunde  gegangen  sind,  ohne  dass 
bis  jetzt  der  leiseste  Versuch  zu  deren  Wiederauffindung  gemacht 
wurde,  so  wäre  allerdings  ein  Grund  zur  Klage  gegen  jene  Organe 
vorhanden  gewesen,  die  directe  berufen  sind,  über  die  Erhaltung  der 
Ersteren  zu  wachen  und  dieselben  vor  Unbilden  jeder  Art  zu 
schützen. 

Eine  Widerlegung  der  von  Herrn  Dr.  Meynerl  gemachten  Anga- 
ben liess  jedoch  nicht  lange  auf  sieb  warten.  Herr  Ed.  v.  Hess  ver- 
öffcntlichte  in  den  „Österreichischen   Blättern  f.  Liter,  u.  Kunst"1) 


eine  Anzeige  der  vorstehenden  Broschüre,  worin  nicht  nur  gegen  die 
eitirten  Quellen  des  Verfassers,  sondern  auch  gegen  seine  unwissen- 
schaftlichen und  oberlläehliehen  Behauptungen  gründliche  Einsprache 
erhohen  und  mit  schlagenden  Argumenten  der  Werth  der  ganzen 
Arbeit  auf  ihr  e,eliöriu'cs  Mass  zurückgeführt  wurde.  Wir  machen  dar- 
auf aufmerksam  ,  und  bemerken  nur,  über  die  beiden  Hauptmomente 
der  historischen  Beweisführung,  dass  nach  der  Kritik  des  Herrn 
v.  Hess  weder  die  Sage  späterer  Zeiten  über  die  Beisetzung  von 
König  Rudolph's  I.  Herz  einen  stichhaltigen  Grund  besitzt,  noch  auch 
die  Annahme  —  nach  dem  heutigen  Stande  lies  urkundlichen  Mate- 
riales  —  richtig  ist  ,  dass  ausser  dem  Grabe  der  Nonne  Euphcmia, 
eine  der  Grabstätten  von  Mitgliedern  des  habsburgischeo  Kaiserhauses 
zu  Tuln  jemals  bestanden  habe1  ).  Was  nun  die  Bezeichnung  dieser 
Broschüre  als  „Beitrag  zur  Monumentalgeschichlc  des  durchl.  hahs- 
biirgischen  Kaiserhauses"  anbelangt,  so  haben  wir  erwartet,  in  der- 
selben doch  einige  nähere  Andeutungen  über  den  Bauzustand  und  den 
architektonischen  Charakter  des  Klosters  und  der  Kirche  anzutreffen. 
Denn  in  einer  Monumentalgeschichle  sollte  doch  am  wenigsten  eine 
Darstellung  des  Monumentes  seihst  fehlen  und  zwar  im  vorliegen- 
den Falle  um  so  weniger,  als  sowohl  das  Kloster  wie  die  Kirche  von 
kunstgeschichtlichem  Interesse  ist.  Her  Herr  Verfasser  beschränkt 
sich  jedoch  nur  auf  die  dürftigsten  Notizen  und  hat  es  nicht  einmal 
derMühe  werth  gehalten, den  Grundriss  der  Kirche  zu  veröffentlichen, 
den  schon  Hergott  in  seiner  Taphographia  abgebildet  hat.  Erbat 
sich  ebenso  wenig  darum  gekümmert,  ob  nicht  über  die  verschiedenen 
Bauperioden,  welche  die  königliche  Stiftung  des  XIU.  Jahrhunderts 
in  Folge  der  wiederholten  Brände  ohne  Zweifel  durchgemacht  hat, 
einige  Andeutungen  vorhanden  sind.  K.  W. 


*)  tu    Bezug    auf    die    angebliche  Beisetzung   \on   Koni-    Rudolphe  Nerz 
in  Tuln  können  wir  zur  Entkräftung  dieser  Behauptung  Doch  folgenden 

Beleg    liefern.    Herr     Dr.    Mevnert     stutzt    seine    Angabe,    wie    sei 

erwähnt,  zum  Theile  auf  ilie  mündliche  Tradition  und  hat  in  der  Wie- 
ner Zeitung  nachträglich  noch  einige  Umstände  angeführt,  welche  seine 

Behauptung  begründen  sollen.  Wie  k nl  es  nun,  dass  iveder  VA  ei  skern 

in  seiner  Topographie  (Wient770)  nochMarinn  in  seiner  Geschichte 
der  öster.  Clerisei  (Wien  1787,  VI1IJ  dieser  (heueren  Reliquie  mit  keiner 
Sylbe  erw  ahnen  ?   Marfan  I ei  kt  noeti  an  der  Stelle,  w  o  er  die  Geschichte 

des  Frauenklosters  /n   Tuln  behandett,  in  einerNote,  dass  seine  Quelle 

ein  ..v Orte  selbst  eingeschickter  umständlicher  Bericht  der  Mutter 

Prinrin  M.    Michaels  Riedlin  sei-.    Er  erwähnt    sodann  such  der 

sechszehn  königlirl Kinder  aus  dem   Mause   Habsburg,   welche  in  der 

Gruft  begraben  liegen,  dagegen  der  goldenen  Kapsel  mit  König  Hu— 
dolnh's  Her/,  wird   keiner  Sylbe  gedacht. 


t)   Beilage  zur   Wiener  Zeitung   Nr    2S  u,   26. 


(  Be  richtig  uug.  (  In  dem  tufsatze  des  Juliheftea   „Übersicht  der  kirch- 
lichen Baudenkmale  in  Kärnthen"  siu.l  folgende  Druckfehler  zu  berichtigen: 
S.  131  erste  Spalte  Zeile  40  statl    Engelbert    II.    lies    Engelbertl. 
,   121  /weite  _         ..      ii     „     Giraau  ..      Hiraau. 

..   122  erste      ..         ..      19     .      10    .  -     II 74. 

„   12'i     „         „         „     4u  Lungsee  Längsee. 

..    IM  erste      _         .     25     „      1242  „1142 

..  123  zweite  ..         ,  letzte  ..      1218  -     1228. 

.   |2S  erst.-     _         ,      7  Raloldi  Ratoldi. 

.   123  zweite  _         .,      .IC.     „      Laab  Laas. 

.   126      „        -         ..      26  Orlolfus  -     Ortolfus. 


\ ns  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei  in  W  ie 


.Teilen  Monat  erscheint  1  Heft  zu 
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Der  PrinnmeratioDapreia  ist  für 
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W.  Braumüller  in  Wien  zu  richten. 


ZUR  EIIFlUinii  II)  EMAITIG  «EIS  BA1IKMM 

Herausgegeben  unter  der  Leiloag  des  k.  k.  Seclions-Chel's  und  Präses  der  k.  k.  Cenlrul-foiiiiuission  Karl  Freiherrn  v.  Czoemig. 


Redacteur:    Huri  Weiss. 


N*  9. 


I.  Jahrgang. 


September  1856. 


Inhalt:  Der  Richardsbogen  in  Triest.  —  Die  Schässburger  Bergkirche.  —  Alterthümer  in  Steiermark.  —  Die  golliiselie  Kirche  Marin 
am  Gestade.  —  Die  kirchlichen  Gebäude  zu  Hartberg;  in  Steiermark.  —  Ober  die  Baudenkmale  des  Krakauer  Verwaltungs- 
gebietes.  —  Notizen.  —  Literarische  Anzeigen. 


Der  Richardsbogen  in  Triest. 

Von  Dr.  Peter  Kandier,  k.  k.  Conservator  für  das  Küstenland. 


Der  Richardsbogen  in  Triest  wurde  bisher  von  den 
Uneingeweihten  für  ein  unbedeutendes  Erzeugniss  des 
Mittelalters  gehalten.  Er  ist  auch  in  ähnlicher  Weise 
wiederholt ,  und  zwar  von  den  Beschreibern  Istriens, 
Prospero.  Petronio  und  Manzioli,  wie  auch  von  Irenes 
della  Croce  gegen  das  Ende  des  XVII.  Jahrhunderts  bespro- 
chen worden,  und  lieferte  in  der  neuesten  Zeit  Zeichnern 
und  Dichtern  Stoff. 

In  der  nebenstehenden  Abbildung  gebe  ich  den  Bogen 
in  seiner  ganzen  Gestalt  (Fig.  I)  mit  Inbegriff  auch  des 
jetzt  vergrabenen  Theiles,  welcher  aufgedeckt,  unter- 
sucht und  seinein  ursprünglichen  Zustande  nach  aufge- 
nommen wurde. 

Er  hiess  und  heisst  noch  heut  zu  Tage  „Arco  di  Ric- 
cardo",  wie  die  Einen  behaupten,  zu  Ehren  des  „Be  Carlo", 
nämlich  Karl  des  Grossen,  aufgeführt  bei  Gelegenheit  seines 
Triumph-Einzuges  in  Triest  —  ein  Ereigniss.  das,  beiläufig 
gesagt,  niemals  stattfand  ;  Andere  bringen  denselben  iu  Ver- 
bindung mit  Richard  Löwenherz,  König  von  England,  seiner 
Bückkehr  aus  Palästina  und  seiner  Gefangenschaft:  allein 
dieser  ist  nie  in  Triest  gewesen;  wieder  Andere  wollten  die 
Benennung  von  dem  „Bicario"  ableiten,  welcher  zur  Zeit 
der  Patriarchen-Herrschaft  von  Aquileja  oberster  Criminai- 
und  Civilrichter  war;  ja  man  ging  so  weit,  ihn  für  einen 
Bogen  jener  Wasserleitung  zu  halten,  welche  in  der  Nähe 
und  weiter  unten  vorüberzog. 

Allein  der  Bogen  spricht  von  selbst  und  offenbart  sich 
als  ein  Bömerwerk  aus  den  Zeiten  des  Verfalles  der  Kunst, 
wofür  insbesonders  die  willkürliche  Bildung  des  Capitäls  an 
der  hier  deutlicher  dargestellten  Säule  (Fig.  2,  s.  nächste  S.) 
sprechen  dürfte,  und  nach  meiner  Ansicht  stammt  er  aus  der 


(Kig.  t) 


106 


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unmittelbaren    Zeitfolge    nach   Septimius    Severus;   er  ist 
weder  mit  Legenden,  noch  mit  Merkmalen  oder  Zierathen 

geschmückt,  welche  ge- 
eignet   wären,   ihm    ein 

linderes  Gepräge  zu  ver- 
leihen ;ds  d;is  einer  ein- 
fachen Pforte:  er  ist  eben 
so  wenig  ein  Ehren-,  als 
ein  Trauer-  oder  Sieges- 
denkmal. Er  ist  nicht 
einmal  der  Bestandtheil 
eines  städtischen  Gebäu- 
des, etwa  ;ds  Eingang; 
denn  beide  Facaden  sind 
gleich  bearbeitet  und 
nicht  zur  Grundlage  \v;is 
immer  für  eines  Ueber- 
baues  oder  einer  Krö- 
nung bestimmt,  denn  in 
der  Höhe  steht  er  ab- 
geschlossen und  vollen- 
det da.  Auch  stand  er 
nicht  isolirt,  wie  es  bei 
Ehrenbogen  der  F;dl  ist; 
denn  man  bemerkt  in  den 
Seitenwänden  das  frühere 
Bestehen  einer  in  gleicher  Dicke  mit  dem  Bogen  fortlaufenden 
Mauer.  Auch  für  irgend  einen  Platz  oder  ein  Forum  kann 
man  ihn  nicht  halten,  wegen  des  hierzu  ungünstig  beschaf- 
fenen, steil  abschüssigen  Terrains. 

Ich  halte  ihn  für  das  Denkmal  eines  alten  Stadtthores, 
und  zwar  aus  nachstehenden  Gründen.  Triest  war  keine 
Stadt  römischen,  sondern  altern  Ursprungs,  erobert  und  zur 
Colonie  gebildet.  Die  allezeit  ehrwürdigen -Überlieferungen 
besagen,  dass  sie  mauerumzogen  war.  und  ich  glaube  es. 
Nicht  die  ganze  Stadt  pflegte  man  bei  Gründung  einer  Co- 
lonie in  letztere  einzubeziehen ,  sondern  die  neue  Colonie, 
die  adelige  und  herrschende  Stadt  wurde  mit  Mauern  ivid 
Thoren  versehen,  nicht  sowohl  zum  Schutze  als  vielmehr 
zur  Abgränzung  der  Colonie.  Diese  Gepflogenheit  von  innern 
Mauern  und  Thoren  erhielt  sich  auch  durchs  Mittelalter 
fort,  und  selbst  später.  Beispielshalber  erwähne  ich  nur 
Ancona  und  Pirano,  anderer  nicht  zu  gedenken,  in  welchen 
Unterabtheilungen  mittelst  Mauern  und  Thoren  vorkamen. 
Triest  war  ohne  Weiteres  eine  alte  Colonie,  viel  älter  als 
die  Gäsiirischen  und  als  die  so  häufigen  Julio-Augusteischen, 
welche  die  Bewunderer  des  republicanischen  Roms  nicht 
für  Colonien  gellen  lassen  wollten. 

In  den  auf  Cäsar's  Tödtung  folgenden  Bürgerkriegen 
hielten  Venetien  und  Istrien,  deren  Regierung  dem  I».  Brutus 
anvertraut  war,  zur  Republik.  Pola  und  gewiss  auch  Triest 
fielen  der  soldatischen  Wuth  zur  Heute;  Augustus  liess  dann 
im   Jahre   ',V1  n.  Chr.   beide  wieder  aufleben  und  erweitern. 


denn  neue  Colonien  konnten  da,  wo  alte  vorbestanden,  nicht 
eingeführt  werden ;  wohl  aber  konnte  eine  Erweiterung  der 
letztern  staltlinden,  und  ich  glaube,  dass  zur  Zeit,  wo  August 
Triest  mit  Mauern  umgab  (32  n.  Chr.),  er  auch  dessen 
Flächenraum  über  die  ursprünglichen  75.000  Passus 
(römisch)  hinaus  erweiterte.  Das  alte  Thor  blieb  unan- 
getastet, wegen  der  Ehrfurcht,  die  man  ihm  zollte,  jedoch 
nicht  mehr  mit  Thorflügeln,  sondern  als  einfache  Pforte, 
und  durch  Alter  hinfällig  geworden,  wurde  es  dann  in  jener 
Form  wieder  hergestellt,  die  noch  heut  zu  Tage  sichtbar  ist. 
Die  Beibehaltung  der  alten  Thore,  auch  wenn  sie  durch  Er- 
weiterung der  Stadt  und  Anlegung  neuer  Thore  zwecklos 
geworden,  kommt  häufig  vor:  auch  dauert  oft  die  Benennung 
„Thor"  fort. 

Ich  zweifle  nicht,  dass  Triest  einen,  wenn  auch  be- 
scheidenen Palast  besass,  in  welchem  der  Kaiser  seinen 
Aufenthalt  aufschlagen  konnte  ;  alle  Colonien  hatten  einen 
solchen,  ich  weiss,  dass  man  die  Paläste  in  den  Colonien 
über  eines  der  Stadtthore  aufführte  und  au  die  Stadimauer 
lehnte;  allein  der  Palast  stand  nicht  bei  dem  Richardsbogen, 
weil  diese  Gegend  weder  die  edlere  ist,  noch  die  beste 
Aussicht  geniesst.  Die  Gestaltung  des  Bogens  schliesst,  wie 
gesagt,  das  Vorhandensein  eines  Palastes  vollkommen  aus. 

Diese  öffentlichen  Paläste  wurden  das  ganze  Mittelalter 
hindurch  beibehalten:  auch  in  dieser  Provinz  des  Küsten- 
landes bezeugte  das  Vorhandensein  von  einem  Paläste 
des  Markgraf-Patriarchen  den  hohen  municipalen  Rang  der 
betreffenden  Stadt;  Capodistria,  Pirano,  Parenzo,  selbst 
Montefalcone  hatten  einen  solchen  Palast:  in  Triest  be- 
fand sich  derselbe  auf  den  Stadtmauern  am  Platze,  seewärts; 
er  wurde  aber  in  den  bürgerlichen  Unruhen  von  14tiS  be- 
schädigt, so  dass  Friedrich  III.  im  Jahre  1471)  nicht  wie 
sonst  in  demselben  seine  Wohnung  beziehen  konnte,  bis  er 
später  von  Maximilian  I.  wieder  hergestellt .  endlich  im 
Jahre  1690  durch  eine  Feuersbrunst  verzehrt  wurde. 

Ich  kenne  nicht  die  Geschichte  der  Topographie  Wiens 
um  ein  l'rlheil  zu  wagen,  doch  weise  ich  auf  eine  Thalsache 
hin.  Der  kaiserliche  Palast  zu  Wien  ist  offenbar  über  einem 
Stadteingang  gelegen  und  wahrscheinlich  an  die  Mauern 
gelehnt  gewesen,  welche  jetzt  an  diesem  Punkte  verstell! 
sind.  Ich  bezweifle  nicht,  dass  auch  der  kaiserliche  l'alasl 
von  KARNVNTVM  über  einem  Thore  auferbaul  und  an  die 
Stadtmauern  gelehnt  war:  und  ich  behaupte  noch  dazu: 
an  der  Landseite  gegen  SABABIA,  nicht  gegen  die  Donau, 
aus  leicht  begreiflichen  Gründen. 

Und  von  Carnuntum  muss  ich  hervorheben,  dass  der 

daselbst  noch  heul  zu  Tage  sichende  Bogen  mit  dem  Tricsler 

„Arco  di  Riccardo"  nichts  gemein  bat.  Der  Bugen  vonCar- 
ilum  ist  ohne  Weiteres  ein  COMPITVM,  ein  QVADRVVIVM 

an  dem  Kreuzwege,  welchen  die  von  Carnunliitn  nach  Saba- 

ria  gehende  Strasse  mit  derjenigen  bildet,  welche  längs  der 
Donau   fortläuft,    ohne  in  die  Stadt  zu  führen.    In  vielen 

Gegenden  herrschte  und  herrscht    noch  heutigen  Taues  im 


1G7 


gemeinen  Volke  eine  abergläubige  Scheu  vor  Kreuzwegen, 
die  sich  nur  durch  religiöse  Mittel  beruhigen  liisst,  indem 
man  an  solchen  unheimlichen  Stellen  Heiligenbilder  und 
Capellcn  errichtet  und  im  Vorübergehen  betend  ein  Kreuz 
schlägt. 

In  den  Rhein-  und  Donauprovinzen  war  der  Cultus  der 
DII.TRIVII  und  QVADRVVII  sehr  häufig.  Das  COMPITUM  von 
Carnuntum  war  ursprünglich  gewiss  heidnisch  und  erst  spä- 
ter dem  christlichen  Cultus  geweiht.  Als  die  Stadt  nach 
ihrer  Zerstörung  wieder  aufgebaut  wurde,  stellte  man  auch 
den  Bogen  wieder  her,  mit  Benutzung  des  erstbesten  Mate- 
rials, das  bei  der  Hand  war,  seien  es  nun  Altäre,  archi- 
tektonische Fragmente  oder  sonst  etwas.  Das  Compitum  von 
Carnuntum  befand  sich  immer  ausserhalb  der  Stadt. 

Einen  andern  Bogen  gibt  es  in  unserer  Nachbarschaft, 
und  zwar  den  von  Fiume,  den  ich  auch  für  ein  ausser 
Gebrauch  gesetztes  Thor  halte.  Der  Maassstab  und  die  Ver- 
hältnisse der  Öffnung  weisen  auf  die  schönen  Zeiten  der 
Kaiserherrschaft;  zwar  erlaubt  der  Zustand  des  Bogens  kein 
sicheres  Urtheil,  doch  gehört  er  nicht  in  die  erste  Kaiser- 
zeit, wie  man  vermuthet.  Man  erzählt  auch ,  dass  eine  Le- 
gende darauf  gewesen  sei,  und  zeigt  den  Apograph  davon  ; 
ich  kann  jedoch  diese  Muthmassungen  nicht  für  wahr,  ja 
nicht  einmal  für  wahrscheinlich  annehmen. 

Zur  Zeit  der  römischen  Republik  war  Fiume  ein  Ca- 
stellum,  und  zwar  das  äusserste  an  dem  Walle,  welcher  zwi- 
schen dem  Nanos  und  Quarnero  gezogen  war ;  dieses  Castell  war 
nicht  selbstständig,  sondern  von  einem  benachbarten  abhän- 
gig. Es  nahm  eine  Oberfläche  von  7500  Passus  römisch  ein; 
es  war  viereckig,  mit  Mauern  umgeben  und  von  einer  Ab- 
theilung Soldaten  besetzt,  welchen  die  Bewachung  dieses 
Gränzpunktes   oblag.    In   zweiter   Linie   stand    wieder   ein 


Castell.  und  sowohl  dieses  als  jenes .  Dämlich  das  CASTRVM 
oder  CASTELLVM  und  die  CASTRA  wurden  nach  dein  SINVS 
PHLANATICVS  benannt.  Die  Lage  von  Fiume  war  vortueil- 
haft.  es  beherrschte  die  einzige  Küstenstrasse  dos  heutigen 
croatischenLittorals,  es  lag  am  Meere  und  bot  einen  günsti- 
gen Hafen  für  den  Canal  der  Fiumera;  es  gab  und  gibt  noch 
Elemente  genug,  aus  jenem  Castell  etwas  besseres  ZU  machen. 

Durch  Vorrückung  der  Reichsgränze  bis  au  die  Donau 
verlor  der  Japidenwall  alle  Wichtigkeit:  es  entwickelten  sich 
andere  und  günstige  Verhältnisse.  Höchst  dürftig  sind  die 
Überreste  der  Römerzeit  im  heutigen  Fiume,  so  dass  das 
Vorhandensein  eines  Bogens  befremdet;  allein  jene  Dürftig- 
keit erklärt  sich  aus  den  Zeiten,  in  welchen  Fiume  ein  äus- 
serstes  Castell  war.  Zeiten,  aus  denen  Legenden  selbst  in 
grossen  Centralpunkten  selten  vorkommen  ,  und  in  der  spä- 
tem Zeit  wo  sich  die  militärischen  Legenden  vervielfältigten. 
hatte  Fiume  keine  militärische  Wichtigkeit  mehr .  und  war 
niemals  Colonie  oder  etwas  dergleichen. 

Aber  die  Erinnerung  und  Verehrung  jenes  Castell-. 
dauerte  fort,  welches  zur  Kaiserzeit  über  die  ursprüngliche 
Umfangmauer  hinaus  erweitert  worden  war,  und  es  erhielt 
sich  ein  gewisser  Cultus  für  jenes  Thor,  welches,  nunmehr 
zwischen  Gebäuden  eingekeilt,  später  hergestellt  wurde, 
nicht  durch  Soldaten,  sondern  durch  Bürger.  Denn  wäre 
Fiume  unter  Trajan  oder  dessen  ersten  Nachfolger  ein 
Gränz-Castell  geblieben,  so  hätte  man  ohne  Zweifel  durch 
Soldatenhände  Werke  von  solcher  Dauerhaftigkeit  aufgeführt. 
welche  bis  in  unser  Zeitalter  hineinragen  würden:  Beweis 
dessen  der  englische  Wall ,  in  welchem  ein  Castell  von 
geringerer  Oberfläche  als  jenes  von  Fiume .  eine  mehrere 
Meilen  lange  gemauerte  Wasserleitung  besass.  Überhaupt 
strotzen  alle  jene  englischen  Castelle  von  alten  Denkmälern. 


Die  Schässburger  Bergkirche  in  Siebenbürgen. 

Von  Friedrich  Müller,  k.  k.  Conservator  in  Schiissburg'). 


Die  Phasen  des  geistigen  Lebens  von  Deutschland  haben 
ziemlich  rasche  Nachwirkung  erzeugt  in  der  fernen  Colonie 
von  Siebenbürgen.  Der  Übergang  des  romanischen  Bau- 
styles  in  den  gothischen  erfolgte  hier  im  XIV.  Jahrhun- 
derte. Die  Baudenkmale  des  XV.  zeigen  letzteren  ohne  Aus- 
nahme ,  vollständig  soweit  er  das  Innere  betrifft,  verstüm- 
melt in  seinen  Erscheinungen  am  Äussern.  Hier  fehlten  fast 
durchgängig  Strebebügen  und  Fenstergiebel ;  auch  Thurm- 
und  Strebepfeiler  ermangeln  der  künstlerischen  Durchbil- 
dung und  der  Chor  ist  selten  mehr  als  dreiseitig  geschlossen. 

Aus  der  Reihe  sächsischer  Kirchen  verdient  die  Schäss- 
burger Bergkirche  eine  vorzügliche  Erwähnung. 

Sie  war  die  Pfarrkirche  des  Ortes  vor  der  Reformation. 


')  Im  Einverständnisse  mit  dem  Herrn  Verfasser  nach  einem  grösseren  Auf- 
sätze im  „Archiv  des  Vereins  für  siebenbürgische  Landeskunde'*.  Nene 
Folge,  I.  Bd.,  3.  Heft.  (Kronstadt  1855.) 


Die  Ordensgeistlichkeit  besass  drei  Kirchen:  die  Kloster- 
kirche der  Dominicaner,  der  h.  Jungfrau  gewidmet  (die 
heutige  Pfarrkirche),  und  zwei  Nonnenkirchen  der  Domini- 
canerinnen und  Franciscanerinnen.  Diese  ist  UTA  den 
Katholiken  eingeräumt  worden  ').  jene  in  unbestimmter  Zeit 
in  Privatbesitz  übergangen.  Neben  der  Pfarrkirche  bestan- 
den bereits  in  früherer  Zeit  die  Spitalskirche  des  h. Anton  ) 
und  die  Siecbhofskirche  zum  h.  Geist.  Die  älteste  Kirche 
der  Stadt  überhaupt  aber  mag  die  Capelle  gewesen  sein, 
welche  nordwestlich  von  dem  Pfarrhofe,  auch  damals,  also 
auf  den  höchsten  Punkt  der  Stadt,  gestanden  hat.  Rings  um 


')  Originalurk.  im  Aren,  der  Schfissb.  eräug.  Pfarrkirche  Nr.  33/818,  init- 
getheilt  vom  Prof.  Karl  Fabritius  in  der  Sitzung  des  Schüssb 
Zwangsvereins  für  sieben  Landesk.  vom  7.  Mai  1851. 

-)  Auf  einem  Deckiiegel  derselben  wurde  die  Jahrzahl   1464  gelesen,  nie 
Sacristei  der  jetzigen  Spitalskirche  ist  um  hohen  Aller. 


108 


sie  baute  man  den  Pfarrhof  und  spater  den  Predigerhof  und 
die  Schale.  Heute  sieht  man  nur  die  Stützmauern  noch:  doch 
ist  die  Bezeichnung  des  Platzes  „auf  der  Capelle"  geblichen 
und  man  erzählt  noch  allgemein,  dass  man  hei  Nachgrabun- 
gen daselbst  auf  Grundmauern  der  Kirche  gestossen  ist. 

Nach  zweihundert  Jahren  mochte  das  in  Eile  aufge- 
führte Gebäude  schadhaft  geworden  sein  und  die  vermehrte 
Bevölkerung  und  der  erhöhte  Wohlstand  auf  ein  umfang- 
reicheres Gotteshaus  Anspruch  machen.  Auch  waren  Her- 
mannstadt, Klausenburg,  Kronstadt  bereits  vorangegan- 
gen mit  grösseren  Kirchenbauten;  allenthalben  räumten  die 
alten  Capellen  den  Platz:  manche,  wie  die  der  li.  Jungfrau 
in  Hermannstadt,  wurden  in  die  neue  Kirche  eingebaut.  Der 
Ehrgeiz  ward  rege  und  verbrüderte  sich,  ein  allezeit  mäch- 
tiger Hebel  in  Verbindung  mit   dem  religiösen  Bedürfnisse. 

Zum  Bauplatz  wählte  man  nicht  den  Standort  der  alten 
Capelle  —  dieser  wäre  zu  beschränkt  gewesen  für  ein 
grösseres  Werk  —  sondern  die  höchste  Spitze  des  Berges, 
auf  dessen  unterster  Terrasse  die  Oberstadt  von  Schässburg 
liegt.  Jene  Spitze  erhebt  sich  256'  über  das  Bachthal  und 
streicht  wie  der  ganze  malerisch  aufsteigende  Berg  in  der 
Bichtung  von  Osten  nach  Westen.  Damals  war  sie  noch 
von  Wald  bedeckt,  und  kaum  durch  mehr  als  eine  niedrige 
Mauer  mit  zwei  Thfirmen  in  das  Befestigungssystem  der 
Stadt  eingeschlossen.  An  einem  Eichenbalken  an  dem 
Kirchendachstuhl  soll  der  Spruch  gelesen  worden  sein: 
„Hier  bin  ich  gewachsen,  hier  hat  man  mich  angebaut," 
und  die  Sage  erzählt  geradezu  ,  das  ganze  Dach  sei  aus 
Holz  gearbeitet,  welches  an  der  Stelle  der  jetzigen  Kirche 
gefällt  worden  ist. 

Der  Plan  des  neuen  Gotteshauses  wurde  mit  Umsicht 
und  Sorgfalt  entworfen.  Der  sprechendste  Beweis  hiefür 
liegt  in  dem  hier  beigefügten  Grundriss  (Fig.  1).  Die 
Länge  des  ganzen  Gebäudes  hat  im  Lichten  156'.  Davon 
kommen  auf  das  Schill'  101'  6".  auf  den  Chor  54'  6  ".  Dieser 
nimmt  also  ein  Drittheil  der  ganzen  Länge  ein.  Das  Schilf 
gliedert  sich  in  drei  Theile:  in  den  Unterbau  tles  Thurmes 
(29'  lang,  34'  breit),  den  Unterbau  der  Orgel  (16'  6 ")  und 
das  eigentliche  Schiff  (56).  Durch  zwei  Reihen  von  Pfeilern 
wird  es  in  ein  Mittelschiff  und  zwei  Seilenschilfe  abgetheill. 
Diese  letzteren  setzen  sieh,  den  Thurm  gleichsam  umfas- 
send und  an  dem  Ganzen  festhaltend,  zu  beiden  Seiten  die- 
ses fort  und  hören  zugleich  mit  ihm  auf.  Die  ganze  Breite 
des  Schilfes  beträgt  60'.  wovon  30'  auf  das  Mittelschilf  und 
je  15'  auf  die  Seitenschiffe  fallen.  Jenes  ist  demnach  gerade 
so  breit  als  diese  zusammengenommen.  Der  Chor  ist  drei- 
seitig geschlossen;  seine  Breite  beträgt  23'  8",  gerade  die 
Hälfte  des  Baumes,  der  zwischen  dem  Choranfang  und  dem 
Altar  liegt,  und  wenigstens  für  das  Auge  des  Beschauers 
den  Chorschluss  bildet.  Die  Pfeiler,  deren  je  drei,  vom 
Kern  aus  gemessen  16'  von  einander  abstehend,  die  Seiten- 
schiffe von  dem  Hauptschiffe  trennen,  sind  achteckig  und 
haben  bei  einem  Durchmesser  ron  3' 8    bis  dahin,  wo  die 


Gewölbegurten  ansitzen,  eine  Höhe  von  30',  sind  also  genau 
so  hoch  als  das  Mittelschilf  breit  ist.  Die  ganze  Hohe  des 
Gewölbes  beträgt  im  Mittelschiff  und  im  ("bor  44'  6",  so  viel 


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als  die  Breite  des  Mittelschilfes  und  eines  Seitenschiffes 
zusammengenommen,  in  den  Seitenschiffen  4(1'  7".  Diese 
sind  also  nur  um  weniges  niederer  als  das  Mittelschiff;  für 
das-Auge  verschwindet  der  Unterschied  fast  ganz.  Der  Chor 
ist  ohne  Pfeiler,  an  seine  Südseite  schliesst  sich  die Saeristei. 
Die  Art  uuil  Regelmässigkeit  dieser  Verhältnisse  ver- 
leiht dem  ganzen  Innern  ein  ernst  majestätisches  Gepräge, 
und  wenn  die  Stärke  der  Pfeiler  auch  etwas  schwer  er- 
scheinen mag,  so  wird  doch  der  Bindruck  der  Schwerfäl- 
ligkeit verminderi  durch  die  rerhältnissmässige  Höhe  der 
Seitenschiffe. 


—   169 


In  der  ganzen  Anlage  offenbart  unsere  Kirche  den 
gothischen  Baustyl,  wie  er  sich  in  Deutschland,  beson- 
ders in  den  baltischen  Gegenden  und  den  Marken  und  in 
Holland  ausgesprochen  hat,  überhaupt  überall,  wo  die 
Phantasie  durch  den  Ernst  des  Schaffens  gemässiget  wurde. 
Dieser  Ernst,  diese  Regelmässigkeit  waren  der  naturge- 
mässeste  Ausdruck  der  derben  kernig-ehrenhaften  Gesinnung 
der  frühern  sächsischen  Markmänner  im  Osten  des  Karpa- 
thenlandes  ')■ 

Der  Chor  ward  vielleicht  auch  darum  eingezogen,  um 
die  Strebepfeiler,  die  hier  in  Folge  der  Bodenverhältnisse 
stärker  sein  mussten  wie  am  Schiff,  nicht  in  fast  gleiche 
Linie  mit  dem  letzten  treten  zu  lassen,  wodurch  das  Äussere 
jedenfalls  viel  schwerfälliger  und  einförmiger  geworden 
wäre.  Dass  sie  überhaupt  vorhanden  sind  ,  ist  schon  Zeug- 
niss  des  gothischen  Styls.  In  drei  Absätzen  steigen  sie, 
sieben  an  der  Zahl,  am  Chor  empor  und  endigen  in  Kreuz- 
blumen 2),  von  denen  jedoch  die  meisten  dem  Sturm  der 
Zeiten  und  der  Hand  ungeschickter  Erneuerer  gefallen 
sind. 

Vier  von  den  Strebepfeilern ,  die  östlichsten,  haben 
eine  Basis  von  7'  Tiefe  und  5'  3"  Breite,  die  übrigen  sind 
unter  5'  tief  und  3'  3"  breit.  Die  massigere  Construction 
der  ersten  wurde  dadurch  herbeigeführt,  dass  hier  der 
Boden  sich  senkte  und  einen  festeren  Unterbau  verlangte. 
Dadurch  und  durch  die  Anlage  einer  Gruft  unter  dem  Chor 
kam  es  auch,  dass  selbst  die  Umfassungsmauern  am  Chor 
stärker  werden  mussten  als  am  Schilt'  (dort  3'  6".  hier  3' 
3").  Dieses  wird  gestützt  von  vierzehn  Strebepfeilern  mit 
einer  Basis  von  4'  4"  bis  5'  3"  Tiefe  und  3'  8"  bis  3'  11" 
Breite.  Sie  sind  auch,  wenn  nicht  ohne  Gliederuug.  so 
doch  ohne  allen  Schmuck.  In  einem  derselben,  welcher 
eben  desshalb  auch  viel  breiter  ist,  führt  eine  sehr  schöne, 
zur  Hälfte  doppelte  steinerne  Wendeltreppe  über  45  Stufen 
auf  das  Dach. 

Die  Gruft,  welche  dem  Princip  germanischer  Archi- 
tectur  nicht  entspricht,  ist  in  den  sächsischen  Kirchen 
Siebenbürgens  allgemein  eingeführt  und  bis  gegen  Ende 
des  vorigen  Jahrhunderts  gebraucht  worden.  Vornehme 
besonders  wurden  in  ihnen  beigesetzt.  In  unserer  Kirche 
führte  eine  Treppe  vor  dem  Taufstein,  anhebend  in  einen 
schmalen  Gang,  zu  dessen  beiden  Seiten  die  Öffnungen 
sich  befanden,  in  welche  die  Särge  geschoben  wurden. 
Täfelchen  bezeichneten  die  Namen  der  also  Begrabenen. 
War  eine  solche  Öffnung  voll,  so  ward  sie  vermauert; 
waren  es  alle,  so  öffnete  man  die  erste  und  schaffte  die 
Toilten  daraus  in  das  „Beinhaus",  ein  Gewölbe  am  Ende 
jenes  Ganges,  welches  durch  zwei  schmale  Öffnungen  dem 


')  Kuglers  llamlli.  der  Kunstgeschichte,  586 — 590. 

~)  Solche  sind  auch  die  von  Mökesch  a.  a.  0.  S.  17  für  Kronen  und  Syiu- 
hole  der  vereinigten  sieben  sächsischen  Städte  erklärten  Zierathen  auf 
den  Fenstergieheln  der  Hennannstädter  eräug.  Pfarrkirche. 


Licht  den  Zugang  gestattet.  Die  Verwandten  zogen  es 
indessen  in  solchen  Fällen  gewöhnlich  vor  ,  ihre  Todten 
auf  dem  Gottesacker  zu  begraben.  An  der  Schässburger 
Bergkirche  stört  die  Gruft  im  Innern  gar  nicht ,  da  der 
Chor  kaum  um  eine  Stufe  über  das  Schiff  gehoben  werden 
durfte. 

Das  ursprüngliche  Gewölbe  mag  im  Spitzbogen  aufge- 
führt gewesen  sein.  Dem  entspricht  besonders  die  Arehi- 
tectur  der  Fenster.  Diese  sind .  einige  an  der  Thurmfacade 
und  an  der  Sacristei  angebrachte  kreisrunde  oder  gerad- 
linige ausgenommen,  durchaus  im  Spitzbogen  geschlossen. 
Fünf  finden  sich  am  Chor,  sechs  Hauptfenster  am  Schiff 
Jene  sind  ausserordentlich  schmal:  ihre  Weite  beträgt,  das 
östlichste  ausgenommen,  nur  */,a  der  Höhe  (2'  26  j;  doch 
wird  diese  Erscheinung  gemildert  durch  eine  zwei  Fuss 
breite  Schräge  der  Umfassung,  die  im  Innern  nach  unten 
zu  bereits  in  einer  Höhe  von  8'  6"  über  den  Boden  beginnt 
und  fast  gleiche  Höhe  mit  dem  Gewölbe  erreicht.  Von  den 
Fenstern  am  Schiff  haben  fünf  gleiche  Verhältnisse:  ihre 
Weite  verhält  sich  zur  Höhe  wie  1:4-2  (4'  6":  19'  4"); 
das  sechste  über  dem  nördlichen  Eingange  befindliche  ist  7 
weit  und  13'  hoch  und  macht  einen  wahrhaft  imposanten 
Eindruck.  Zur  Erleuchtung  der  unter  der  Orgel  befindlichen 
Räume  sind  zu  merklichem  Schaden  des  Äussern  zwei 
kleinere  Fenster  angebracht,  deren  eines  demnach  unter 
ein  Hauptfenster,  welches  nur  die  oberen  Räume  erleuchtet. 
zu  stehen  kommt.  An  der  Facade  sind  zu  beiden  Seiten 
des  Thurmes  je  ein  und  zwei  runde  oder  spitzgewölbte 
kleine  Fenster  ohne  Schönheit  und  Symmetrie  angebracht. 
Was  das  architectonische  Detail  anbelangt,  so  lag,  wie 
schon  bei  der  Erörterung  des  Grundrisses  erwähnt  worden, 
im  Plane  nicht  zierlicher  Schmuck.  Dieser  beschränk!  sich 
fast  nur  auf  Fenster.  Portale  und  Strebepfeiler  am  Chor. 
An  den  letzteren  sind  Statuen  angebracht  mit  einfachen  Con- 
solen,  und  von  sorgfältig  gearbeiteten  Baldachinen  überdeckt. 

Vier  sind  noch  vorhanden:  eine  kniende  und  zwei 
aufrechtstehende  männliche  Figuren,  ohne  alle  Attribute, 
wahrscheinlich  Apostel  und  Maria  mit  dem  Jesukinde,  Die 
Fensterverzierungen  sind  zum  Theil  von  hoher  Schönheit. 
Das  Mittelfenster  im  Chor  und  das  breite  üher  dem  Nord- 
eingange sind  sich  darin  ähnlich,  die  übrigen  entsprechen 
sich  nach  den  Seiten.  Alle  sind  durch  Stäbe  oder  Säulen  in 
2 — 4  Felder  abgetheilt  und  in  ihren  oberen  Räumen  von 
Rosetten  und  anderem  Schmuck  erfüllt,  worauf  der  Künst- 
ler besondere  Aufmerksamkeit  verwandt  zu  Italien  scheint. 

Die  Portale  zeigen  noch  eine  reiche  Gliederung:  Das 
Hauptportal  nach  Westen  zu  (Fig.  2,s.  nächste  S.),  12'  hoch 
und  7' weit,  zeigt  die  bei  Kirchen  germanischen  Styls  gewöhn- 
liche Form,  den  Spitzbogen,  .schräg  nach  aussen  zu  sich 
erweiternd  und  vielfach  eingekehlt.  Ohne  monumentalen 
Schmuck  steigen  die  zahlreichen  Halbsäulchen  empor,  wie  ans 
der  vorstehenden  Profilirung  zu  ersehen  ist  (Fig.  3.  s.  näch- 
ste S.).  Nach   ähnlichem   Gesetz    sind    die    beiden    anderen 


170 


(Fig.  2.) 


gebaut,  gegen  Süden  und  Norden,  (loch  weder  von  denselben 
Grössenverhältnissen  noch  im  Spitzbögen  geschlossen.  Das 

nördliche  misst  12'  4"  Höhe 
bei  5'  7    Weite,  das  südliche 
9'  Höbe   bei   4'   8"  Weite. 
Jenes  zeigt  die  edelsten  Ver- 
hältnisse   und    zeichnet   sich 
durch  eine  gewisse  Schlank- 
heit   und    Freiheit   vortheil- 
liaft  aus.  Ein  einfaches  Basa- 
inenl    läuft    um    die    ganze 
Kirche  herum,    ebenso    wie 
nicht    minder    ein    einlaches 
Gesims  in  einer  Höbe  von  10' 
4"  unter  dem  Dach  hin.  Vor 
den  Portalen  sind  Hallen  an- 
gebracht,   von  denen    übri- 
gens nur    die  südliche  älter 
und  durch  einen  ausgezeich- 
net schönen  Rundbogen   am 
Eingänge  geschmückt  ist. 
Nicht    minder    einfach   gehalten   ist    das   Innere.    Die 
Pfeiler  sind   ohne   Capitäle .    die  Gewölberippen  setzen  un- 
mittelbar an  sie  an  und  breiten  sich  pal- 
menartig nach  allen  Seiten  hin  aus.    Die 
Bogen  unter  dem  Orgelbau  sind  nach  dem 
Gesetze  der  Cannellirung  angelegt,  und 
nur    der  in   der  Mitte,  an   dessen  Stelle 
früher  ziemlich  ungeschickt  zwei  Bögen 
if'S-  3)  standen,  von  ganz  neuer  Construction  und 

aus  weniger  solidem  Material e  (Backsteine)  gearbeitet. 
Der  grossartigste  Schmuck  der  ganzen  Kirche  ist  der  soge- 
nannte Triumphbogen,  der  sich  da  erhebt,  wo  Chor  und 
Schill'  an  einander  stossen.  Bei  gleicher  Breite  mit  dem 
Chor  erreicht  er  beinahe  die  Höhe  des  Mittelschiffes.  Von 
viereckiger  Basis  aus  steigen  birnenförmige  Halbsäulen  zu 
beiden  Seiten  kühn  hinauf,  werden  in  einer  Höbe,  die 
dem  Ansatz  der  Gewölberippen  im  Schiff  ziemlich  gleich  ist. 
von  einem  zierlichen  Blattcapiläl  unterbrochen  und  schlies- 
jen  '-ich  dann  zum  Spitzbogen.  Das  Gewölbe  ist  nur  im 
Chor  älter,  doch  auch  hier  nicht  ohne  wesentliche  Er- 
neuerung. Es  war  ein  äusserst  künstlich  combinirtes  Gurt- 
gewölbe,  dessen  Bippen  von  schlanken  Halbpfeilern  ausgin- 
gen, welche  in  einer  Höhe  von  8'  6" — 10'  Ober  dem  Boden 
auf  einem    einfachen    Gesims    ruhen.      Die    Kanzel    endlich 

wurde  an  dem  Mittelpfeiler  der  nördlichen  Reihe  angebracht. 
ganz  aus  Stein  gearbeitet  und  in  einfach  schöner  Weise, 
ähnlich  den  Fensterverzierungen,  ausgeschmückt. 

An  dem  Thiirin  ist  eine  künstlerische  Hand  am  wenig- 
sten zu  erkennen.  Schwer  erhebt  ersieh  34'  breit  über  dem 
SVestende  der  Kirche  and  steigt,  kaum  durch  einige  Gesimse 
in  Stockwerke  gegliedert,  in  gleicher  Breite  bis  zu  70'  <>" 

Höhe    an.    Dort  beginnt   schon    ein   Vordach,    das   in    einer 


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Höhe  von  90'  6" — 104'  die  kleineren  Glocken  (die  grösste 
hängt  70'  hoch)  uinschliesst  und  26'  höher,  also  im  Ganzen 
130',  in  einen  mächtigen  Knopf1)  endet.  Das  ist  äusserst 
niedrig,  wenn  man  bedenkt,  dass  das  Kirchendach  über 
dem  Chor  28',  über  dem  Schill'  83'  6"  sich  erhebt,  also 
kaum  um  32'  unter  der  Spitze  des  Thurmos  bleibt.  Auch  ist 
dieser  wie  ohne  Gliederung  so  ohne  Schmuck.  Nur  die  im 
Spitzbogen  gewölbten  Schallfenster  zeigen  einiges  jetzt  ver- 
fallenes Stabwerk.  Vielleicht  mochte  man  nicht  an  dieser, 
feindlichem  Geschoss  und  Anfall  am  meisten  ausgesetzten 
Seite  sich  mehr  Mühe  machen,  als  gerade  unumgänglich 
nöthig  war;  vielleicht  war  man  auch  müde  geworden  des 
langen  Baues,  als  man  au  dem  Thurm.  dem  letzten  Tbeil 
lies  Werkes  anlangte,  und  eilte  zu  Ende  zu  kommen.  Bei 
nur  30'  breiter  Basis  erhebt  sich  der  Bistritzer Thurm  (vol- 
lendet 1519)  zu  einer  Höhe  von  252'  27". 

Das  Material  des  Baues  besteht  überwiegend  aus  ge- 
brochenen Sandsteinen;  nur  an  den  Pfeilern,  den  Fenstern, 
den  Ecken  und  dem  Basament  sind  auch  behauene  Sand- 
steine verarbeitet  von  einer  Gattung,  die  am  wahrschein- 
lichsten auf  Persany  oder  Klausetiburg  als  Bruchort  hin- 
weist. Wie  viel  tausend  Fuhren  wird  das  erfordert  haben? 
Wahrscheinlich  benutzte  man  auch  Steine  von  den  Umfas- 
sungsmauern der  alten  Pfarrcapelle.  die  dem  Bauplatze  am 
nächsten  lagen. 

In  Folge  aller  dieser  Hindernisse  rückte  das  Werk  so 
langsam  vor,  dass  erst  1480  an  die  Errichtung  der  Kanzel. 
1483  an  die  Wölbung  der  Fenster  im  Schilf  geschritten 
werden,  und  erst  1488  der  Opifex  Jacohus  Kendlinger  de 
Sanct  Wolfgang  das  Werk  für  rollendet  erklären  konnte. 
Selbst  diese  Vollendung  übrigens  betrifft  mehr  nur  die 
Maurerarbeit  und  vielleicht  das  Dach .  als  die  innere  Ein- 
richtung; denn  die  nördlichen  Thürflügel  sind  erst  1495, 
die  Stühle  im  Chor  erst  1523,  die  südlichen  Thürflügel 
erst  1525  ausgefertiget  worden.  Diese  Angaben  werden 
sämmtlich  durch  Inschriften  an  den  einzelnen  Bautheilen  be- 
stätiget. 

Das  neue  Gotteshaus  war  die  frühere  Pfarrkirche,  die 
„Capelle" ,  dem  h.  Nikolaus  gewidmet,  einem  Märtyrer, 
der  in  Siebenbürgen  besondere  Verehrung  genossen  zu 
haben  scheint.  Sein  Fes!  fällt  nach  .Missalien  aus  dem  An- 
fange des  XVI.  Jahrhunderts  auf  den  5.  December.  Nicht 

nur  sind  nach  ihm  eine  Menge  grösserer  und  kleinerer  Orte 
genannt  (Szent  Miklos .  Kolos .  Clausenburg,  Ciosdorf. 
Kallesdorf),  sondern  noch  eine  grössere  Anzahl  von  Kirchen 
Und  Capelleu  war  ihm  geweiht  (im  liiirzenland  allein  vier) 
und  Geistliche  nannten  sich  gern  nach  seinem  Namen.  In 
den    Verzeichnissen    der   Burzenländer    Pfarrer,     welche 


')  BU  zu  104'  wurde  im    Innern  gemessen.   Eine  Winkelmessung  er^nli  als 

Resultat    L30  08'.    Es  isl   interessant,    <l:ivs  auch  :nt  diesem  Tlllirme  wir   :in 

dem  Mühlbacher  sich  Gesimse  and  Borgfiltig  ausgearbeitete  Schaufenster 

finden,    welche  g< Mi  irtig   unter  das  Kirchendach  fallen.    Wie  dort, 

deuten  sie  auch  liier  darauf  hin,   <l;»ss  'las  Dach  einsl  niedriger  angelegt 
war,  und  *ler  Thurm  viel  freier  stand. 


—   171 


Trausch  im  Magazine  III.  veröffentlicht  hat,  erscheinen  im 

XV.  Jahrhunderte  zwölf  Pfarrer  dieses  Namens.  Wo  eine 
neue  Kirche  an  die  Stelle  einer  früheren  trat,  behielt  man 
wohl  auch  gern  die  Widmung  bei.  Dass  aber  die  frühere 
Schässburger  Pfarrkirche  diesem  Heiligen  gewidmet  gewe- 
sen, liisst  sich  aus  der  Inschrift  der  Glocke  sehliessen, 
welche  1419  für  sie  gegossen  wurde;  sie  lautet:  S.  Nico- 
lai ora  pro  nobis.  Glocken  und  Kirchen  aber  hatten  gern 
denselben  Schutzpatron. 

Die  Wandmalereien  erfüllten,  dem  auch  in  Deutschland 
herrschenden  Gebrauche  gemäss,  ausser  den  Gewölben  be- 
sonders die  Brüstungsmauern  über  den  Chorsitzen  ').  Wann 
sie  entstanden,  ist  nicht  zu  bestimmen,  jedenfalls  vor  1544. 
Selbst  ihre  Stoffe  sind  nur  ungenau  bekannt.  Als  am 
17.  December  177G  die  Ausbesserung  der  Bergkirche  und 
besonders  der  Gewölbe  in  dem  Consistorium  zur  Sprache  kam, 
stellte  diese  Malerei  sich  als  vorzüglichstes  Hinderniss  ent- 
gegen, da  sie  „als  Antiquität  betrachtet"  erhalten  zu  wer- 
den verdiente  und  doch  im  Falle  der  Benovirung  nicht  ge- 
schont werden  könne.  Das  Consistorium  beschloss  endlich, 
da  „die  gemalten  Gegenstände  selbst  beinahe  von  keiner 
Erheblichkeit  sind,  indem  sie  meistenteils  jene  Handwerker 
und  Künstler,  welche  einst  an  der  Kirche  gearbeitet,  nebst 
ihren  Tauf-  und  Zunamen  darstellen",  dass  „bei Beparirung 
der  Kirchengewölbe  die  Malerei  durchaus  cassirt  und  das 
ganze  Kirchengebäude  inwendig  ausgeweisst,  vorher  aber 
dennoch  zum  etwaigen  Andenken  besagte  Malerei  copirt 
und  die  Inschriften  in  Abschrift  genommen  werden  solle"  2). 

Was  dem  Consistorium  damals  unerheblich  schien, 
würde  für  uns  jetzt  von  hoher  Wichtigkeit  sein,  da  sich 
die  angeordneten  Abschriften  und  Copien  nicht  nur  nirgends 
finden,  sondern  auch  gar  nicht  angenommen  werden  kann, 
dass  dem  Beschluss  des  Consistoriums  in  dieser  Hinsicht 
überhaupt  Folge  geleistet  worden  sei. 

Wann  die  Einweihung  der  neuen  Kirche  erfolgte, 
ist  schwer  zu  bestimmen,  jedenfalls  vor  1511,  also  noch 
vor  der  vollständigen  Einrichtung  derselben,  da  in  dem 
genannten  Jahre  bereits  eine  Priesterweihe  durch  den  Suf- 
fragan  des  Weissenburger  Bischofs  darin  vorgenommen 
wurde  3). 

Der  schönste  Schmuck  der  Kirche  ist  das  Sacraments- 
bäuseben  rechts  vom  Altare,  ein  besonderes  Gotteshaus  fin- 
den Leib  des  Herrn  nach  der  Ansicht  der  katholischen 
Kirche,  hier  so  schlank  und  zierlich,  dass  auch  heute  noch 


!)  Kugler  a.  a.  0.  G2G. 

2j  Ältestes  schiissburg.  Consistorialprotokoll  72. 

*)  „Anno  virginei  parlus  1511  dei  doininico,  quo  canitur  diunium  officium 
Esto  mihi  Ego  Johannes  de  patiskonia  ex  dyocesi  Wratislautensi  sus- 
cepi  ni-ores  (kann  minores  oder  maiores  heissen)  ordines  venerabilem 
dominum  Johannein  Episconum  N.  pro  tunc  suffraganeum  Albensem 
in  Eeelesia  parochiali  beatissimi  pairis  Nicolai  in  Segeswar  patroni," 
schreibt  der  Geweihte  auf  das  Deckblatt,  eines  Hissale,  welches  unter 
„Quart  296"  noch  in  der  Schässburger  Bibliothek  aufbewahrt  wird. 
Ein  anderes  Missale,  wahrscheinlich  einst  im  Besitze  derselben  Kirche 
und  ebendort  aufbewahrt,  ist  ein  Veuetianer  Druck   von    1504. 


der  Blick  gern  aufwärts  eilt  mit  den  mehr  und  mehr  ver- 
sehwebenden Formen,  die  selbst  in  ihrer  Spitze  der  irdi- 
schen Sehnsucht  keine  Vollendung,  keinen  Abschluss  ge- 
währen, sondern  bedeutungsvoll  weiter  zeigen  nach  oben. 
Seine  Grundform  ist  viereckig;  auf  einem  Fusse,  der  in 
der  Mitte  kaum  7"  Durchmesser  hat.  ruht  das  eigentliche 
Häuschen,  mit  einer  Seite  an  die  Wand  gelehnt,  auf  den 
drei  anderen  von  eisernem,  bleiernem  und  silbernem  Gitter 
geschlossen.  6'  9"  hoch.  An  den  Ecken  steigen  Fialen 
empor,  die  Seitenflächen  sehliessen  nach  oben  und  unten 
in  zierlichen  Spitzbügen  mit  Krappen  und  Kreuzblumen. 
Unmittelbar  über  dem  Häuschen  setzen  zierliche  Säulchen 
das  Viereck  in  ein  Sechseck  ablösend  an ,  und  führen  den 
luftigen  Bau  in  demselben  Styl  5'  2"  höher;  hier  beginnt 
der  letzte  Absatz,  wieder  Säulen  3'  2"  hoch,  die  endlich  in 
eine  viereckige  Pyramide  ausgehen,  deren  Schluss  in  einer 
Höhe  von  24'  durch  eine  offene  Kreuzblume  gebildet  wird. 
Siebenbürgen  besitzt  kein  Werk  der  Detailsculptur  von 
ähnlich  leichter  Construction  und  vollendeter  Ausführung. 
Der  Name  des  Meisters  ist  nicht  bekannt,  er  wurde  nicht 
angebracht  an  dem  Werke  selbst,  damit  nicht  menschlicher 
Stolz  auch  in  solcher  Nähe  des  Höchsten  zu  prunken  scheine. 
Jedenfalls  gehört  das  Ganze  der  letzten  Bauperiode  an  und 
bildete  im  Kleinen  einen  Ersatz  für  den  geschmacklosen 
Tlnirm  i). 

So  hatte  man  fast  hundert  Jahre  lang  gebaut  (1429  — 
1525)  und  endlich  erreicht  das  Ziel  der  Arbeit.  Sieben 
Könige,  dreizehn  Bisehöfe,  acht  und  zwanzig  Woiwoden 
und  zehn  Sachsengrafen  a)  hatte  der  Bau  überdauert.  Keiner 
der  Gründer  erlebte  dessen  Ende,  keiner  konnte  begraben 
werden  an  dem  Orte  des  Friedens,  der  sich  unter  dem  Chor 
der  neuen  Kirche  dem  müden  Pilger  erschloss. 

Die  Kirche  ward ,  als  die  ganze  Stallt  protestantisch 
wurde,  dem  katholischen  Gottesdienste  geschlossen  und 
verlor  zu  gleicher  Zeil  ihren  Charakter  als  Pfarrkirche.  Die 
Doniinicanerkirche,  bequemer  gelegen  für  die  Bewohner 
der  Stadt,  die  sich  im  Thale  immer  mehr  ausbreitete,  trat 
an  ihre  Stelle;  das  schöne  Taufbecken  wurde  damals  wohl 
in  diese  versetzt;  bloss  die  Glocken  blieben  ihr.  welche  der 
Sage  nach  während  der  Dauer  des  Baues  auf  dem  nahen 
Goldscbmiedthurm  gehangen  wurden.  Von  da  an  wurde  sie 
lange  hindurch  wenig  benützt,  nur  von  geringer  Sorgfalt 
gewartet,  dem  Einfluss  der  auf  den  Höhen  rauberwirkenden 
Stürme  preisgegeben,  die  an  der  Schönheit  ihres  Äusseren 
nagten.  Nur  wenn  man  neue  stille  Bewohner  hinabsenkte 
in  ihre  Gruft,  öffneten  sieh  ihre  Hallen  und  schlössen  sich 
wieder  hinter  den  Trauernden.  In  ihrem  Innern  fügte  sich 
bald  Leichenstein  an  Leichenstein.  In  Leichensteinen  allein 
offenbarte  sieh  noch  die  Hand  sächsischer  Künstler.  Einige 
davon   sind  noch  vorhanden;    sie  sind  jetzt  im  Innern  der 


')  Kugler  a.   a.  0.  534. 

-|  Nach   Eder,  erste  Anleitung  zur  Kencitniss  Siebenbürgens;    A.  \     t  »g., 
Hermi stadl   1S28. 


172   — 


westlichen  Wand  eingemauert,    links  vom   Eingang.    Der 
älteste  ist  von  IS76,  der  jüngste  von  1647. 

Von  der  Vollendung  der  Kirche  his  auf  die  neuesten 
Zeiten  herab  hat  jedes  Jahrhundert  derselben  seine  Spuren 
aufgedrückt.  Im  Jahre  1  i>97.  als  kaum  die  Kirche  ein  Jahr- 
hundert gestanden,  beraubte  sie  ein  Sturm  ihres  Daches. 
1704  verlor  sie  durch  einen  Oberfall  der  Kurutzeu  in  Folge 
eines  Brandes  Thurra  und  Glocken.  1700  haute  man  die 
Halle  vor  dem  Portale  ohne  Kunstsinn  und  zum  Nachtheil 


des  schönen  darüber  befindlichen  Fensters.  1777  wurde 
eine  grössere  Reparatur  im  Innern  und  Äussern  der  Kirche 
vorgenommen.  Einige  Jahre  später  ging  man  auch  an  die 
Herstellung  eines  würdigen  Altars.  In  neuester  Zeit  hatte 
das  Erdbeben  vom  Jahre  1S38  eine  bedeutende  Restauration 
nothwendig  gemacht. 

Also  steht  die  Schässburger  Bergkirche  heute  da.  eine 
Schöpfung  des  nach  äusserer  Offenbarung  ringenden  reli- 
giösen Geistes  unserer  Vorfahren. 


Alterthümer  in  Steiermark. 

(Aus  Berichten  des  k.  k.  Conservators  Jos.  Scheiger  in  Gratz.)1) 


Die  Spital kir che  von  Aussee  enthält  einen  nicht 
uninteressanten  Flügelaltar  und  mehrere  mittelalterliche 
Denkwürdigkeiten. 

Auf  dem  Wege  zwischen  Brück  und  Mariazeil 
zeigen  mehrere  Wegsäulen  schöne  Holzsculpturen  des  XIV. 
und  XV.  Jahrhunderts,  darunter  nahe  am  bekannten  Brandhofe 
die  sehr  kindliche  Darstellung  des  heiligen  Dionysius,  der 
seinen  Kopf  im  Arme,  einen  zweiten  aber  auf  dem  Halse  trägt. 

In  Maria zell  harrt  die  Schatzkammer,  welche,  ab- 
gesehen von  dem  pecuniären  Werthe  des  hier  Aufbewahr- 
ten, eine  Menge  wahrer  Schätze  der  Kunst  und  des  Alter- 
thums  an  Kirchengewändern  von  sehr  hohem  Alter,  Schnitz- 
werken  und  sogar  Waffen  besitzt,  auf  eine  wissenschaft- 
liche und  künstlerische  Beschreibung.  Unter  den  Votivbil- 
dern  sind  mehrere  der  Reinigung  und  Ausbesserung  ebenso 
würdige  als  bedürftige.  Wegen  zweier  derselben,  der  Be- 
lagerung von  Brunn  durch  die  Schweden  im  Jahre  1046 
und  jener  durch  diePreussen  im  Jahre  1742.  verwendete  ich 
mich  gleichzeitig  an  den  Herrn  Dechant  von  Mariazeil  und 
erzielte  auch  das  gewünschte  Resultat. 

Die  Klosterkirche  und  das  ehemalige  Kloster  von  Xeu- 
berg  bewahren  eine  solche  Menge  von  bisher  noch  nicht 
genügend  gewürdigten  Denkmalen  des  Mittelalters,  dass 
eine  diessfällige  intensive  Forschung  sehr  lohnend  wäre. 
Noch  weniger  bekannt  ist  die  kleinere  Pfarrkirche,  gegen- 
wärtig nur  zum  Leichengottesdienst  verwendet,  welche  als 
ein  zwar  einfaches,  aber  bis  jetzt  ziemlich  unberührt  erhal- 
tenes Bauwerk  (dem  übrigens  in  neuester  Zeil  durch  Ver- 
wahrlosung schnelles  Zugrundegehen  droht)  einer  Herstel- 
lung bedürftig  und  würdig  wäre.  Ich  fand  in  einem  Neben- 
gebäude derselben  ziemlich  versteckt  einen  dem  heiligen 
Oswald  gewidmeten     Flügelaltar    von    guter   Arbeit    des 


>)  Diese    Berichte    lind   das   Resultat   einiger  Ausflüge,  welche  der  Ben 

Conservator  zu  verschiedenen  Zeiten  nnternomi ind  der  k.  k.  Cen- 

tral-Commisjion   Torgelegt   hat   Wir  halten   die  Bemerkung  nicht    im 
überflüssig,  dasi  dieselben  nur  einzelne  Theüe  von  Steiermark  umfassen, 

'■  "'""'  '''"''"  Anaproch  auf  Vollständigkeit  zu  machen,  nur  den  Zwei  l, 

1,1 "•   ■"'  einc  rieil,e   >""   Knnatdenkmalen   anfmerksaui   /..   machen, 

welche  er»t  einer  tiefer  eingehenden  Würdigung  bedürfen.     Die  Red. 


XV.  Jahrhunderts,  der  mit  sehr  geringen  Kosten  zu  reinigen 
und  herzustellen  wäre.  Auch  der  Hauptaltar  vom  Jahre  1631, 
eine  Madonnenstatue  von  Holz  und  guter  Arbeit,  einige 
hübsche  gemalte  Scheiben,  Kirchenstühle  von  1526,  In- 
schriften u.  s.  w.  tragen  dazu  bei,  die  Besichtigung  und 
Untersuchung  dieser  Kirche  interessant  zu  machen. 

Die  Ruinen  der  für  die  Geschichte  Österreichs  so  merk- 
würdigen Burg  Cilli  gehen  durch  Vernachlässigung  dem 
Untergange  entgegen,  doch  sind  Verhandlungen  im  Zuge. 

In  der  Stadt  Cilli  besichtigte  ich  die  Pfarrkirche  mit 
ihrer  herrlichen  .  einen  sehr  reichen  Baustyl  der  schöneren 
Zeit  zeigenden  Seitencapelle  mit  12  in  Holz  geschnitzten 
Aposteln,  interessanten  Grab-  und  andern  Inschriften  u.  s.  w. 
An  der  Kirche  sind  römische  Denksteine,  mit  lobenswerther 
Sorgfalt  und  durch  Gitter  geschützt,   angebracht. 

Römische  Alterthümer  sind  übrigens  sehr  häufig  in  der 
Stadt  zerstreut  und  über  sie  wurden  bisher  manche  mit- 
telalterliche Beste  gänzlich  übersehen. 

Interessant  war  es  mir,  an  einem  Hause  das  A.  E.  I. 
0.  V.  ganz  in  der  Buehstabenform  der  fridericianischen 
Periode,  aber  mit  der  Jahrzahl   lo30  zu  linden. 

Das  Rathhaus  bewahrt  einige  römische  Bronze-Alter- 
thümer  und  Münzen,  eine  sehr  interessante  alte  Abbildung 
der  Stadt  und  des  alten  Stadtrichterschwertes,  welches  ge- 
gen die  Gewohnheit,  zu  solchen  Repräsentationswaffen  aus- 
gezeichnet schöne  Exemplare  zu  wählen,  eine  Scharf- 
richterklinge und  einfachen  Grill'  hat.  Der  römische  Mosaik- 
fussboden  ist  wieder  zugeschüttet  und  auf  diese  Weise 
einstweilen  gegen  weitere  Beschädigungen  geschützt.  Der 
hochwürdige  Herr  Abt  von  Cilli,  welcher  bezüglich  der  Er- 
haltung römischer  und  mittelalterlicher  Denkmale  eine  wirk- 
lieh seltene  Sorgfalt  zeigt,  liess  mich  wiederholt  versichern, 
dass  er  denselben  in  der  ehemaligen  Miunritcukirchc  voll- 
kommen gesichert  unterbringen  werde. 

An  diese  Notizen  knüpfe  ich  jene  über  einen  Ausflug 
nach  den  Ruinen  des  Klosters  Saiz.  Die  sehr  einsame  und 
abgelegene  Lage  dieser  einstmaligen,  im  XI.  Jahrhundert 
gegründeten    Karthause    mag  dazu    beitragen,    dass   sie  so 


173  — 


wenig  gekannt  ist,  obwohl  sie  noch  gegenwartig  eine  kleine 
Stadt  von  Ruinen  bildet,  mit  allen  Perioden  der  Baukunst, 
allen  Graden  der  Erhaltung.  An  ihren  sehr  starken  und  am 
besten  erhaltenen  Befestigungen  bemerkte  ich  einen  sehr 
interessanten  Beleg  zu  der  Vorsicht  unserer  Vorfahren  in 
ihren  Schutzwerken.  Eine  der  Hauptfronten  des  Klosters  ist 
gegen  einen  waldigen  Berg  gerichtet  und  von  diesem  Hin- 
durch einen  schmalen  Weg  getrennt.  In  dieser  Fronte  be- 
findet sich  auf  eine  weite  Strecke  kein  einziges  gegen  den 
Wald  gerichtetes  Schussloch ,  da  solche  Öffnungen  der  Ge- 
fahr ausgesetzt  wären,  den  im  Walde  sich  anschleichenden 
feindlichen  Schützen  als  Ziel  zu  dienen.  Wohl  aber  sind 
häufige  ganz  schief  in  die  Mauer  geschnittene  Schusslöcher 
zur  Bestreichung  des  Mauerfusses  und  Grabens  vorhanden, 
und  dieBeschiessung  des  Waldes  ist  den  in  den  entfernteren 
Thürmen  und  Vorsprüngen  angebrachten  Schusslüchern 
überlassen. 

Die  Ruine  der  Hauptkirche  (XIV.  Jahrhundert)  ist  eine 
der  schönsten  unserer  Länder,  die  kleine  achteckige  Gruft- 
kirche (XV.  Jahrhundert)  beinahe  unverletzt  erhalten,  wird 
es  jedoch,  da  das  Dach  beschädigt  ist,  nicht  lang  bleiben. 

Einen  zweiten  Ausflug  richtete  ich  nach  Pettau  in  der 
Voraussetzung,  dass  in  einer  an  Römerdenkmalen  so  reichen 
Stadt,  dem  alten  unlöblichen  Gebrauche  gemäss,  höchst  wahr- 
scheinlich die  mittelalterlichen  bisher  weniger  berücksichtiget 
worden  sein  dürften. 

Auch  erschien  meine  Voraussetzung  an  Ort  und  Stelle 
gerechtfertigt.  Schon  das  Rathhaus  bot  an  seinem  Stadt- 
richterschwerte,  mit  den  Namen  der  Bürgermeister  seit  1606 
bezeichnet,  aber  viel  älter,  seinem  Gerichtsstab  von  1555, 
u.  s.  w.  mehreres  Interessante. 

Das  Sc  bloss  Oberpettau  enthält  ausser  einer  Menge 
von  römischen  Steinen,  auch  mehreres  Mittelalterliche,  und 
vorzüglich  schöne  Gemälde,  ist  aber  besonders  durch  seine 
Wehrhaftigkeit  als  Festung  im  neuern  Sinne  des  Wortes 
anziehend,  wie  wir  überhaupt  in  Steiermark  viele  alte,  aber 
noch  in  der  neuern  Zeit  nach  den  Grundsätzen  der  Bastions- 
befestigung erweiterte  Burgen  finden. 

Die  Hauptpfarrkirche  endlich  ist  in  Bezug  auf  ihren  Bau 
und  auf  ihren  Beichthum  an  Grabdenkmalen  u.  s.  w.  eine 
der  denkwürdigsten  Kirchen  des  Landes.  In  ihrer  Tauf- 
capelle  befindet  sich  ein  ziemlich  einfacher  Flügelaltar  des 
XV.  Jahrhunderts  mit  9  guten  Gemälden,  beschädigt,  aber 
leicht  herzustellen. 

Im  Presbyterium  finden  wir  an  einer  Sacristeithüre,  des 
XV.  Jahrhunderts  vorzügliche  Schlosserarbeit. 

Aber  meine  Erwartungen  wurden  hauptsächlich  durch 
40  Chorstühle  von  1446  übertroffen.  Da  jeder  derselben  ein 
Vordertheil,  eine  Rücklehne,  ein  Seitentheil  (das  zweite  zum 
nächsten  Stuhle  gerechnet)  und  ein  Dach  hat;  da  jeder  die- 
ser Theile  aber  ebenso  schön  gedachtes  als  fleissig  und  rein 
ausgeführtes,  architektonisches,  halberhobenes  oder  durch- 
brochenes Schnitzwerk  von  hartem  Holze  hat.  so  zeigt  sich 


dem  Beschauer  auf  160  Tafeln,  jede  in  der  Grösse  einiger 
Quadratschuhe,  ein  Album  gothischer  Ornamentik,  wie  wohl 
selten  ein  ähnliches  vorkommen  ,na£-  Leider  ist  die  ursprüng- 
liche Holzfarbe  durch  eine  dunkle  Ölfarbe  ersetzt,  leider 
sind  von  den  Ornamenten,  besonders  von  den  durchbroche- 
nen, schon  manche  abgesprengt  oder  sonst  beschädigt.  Diese 
Beschädigungen  werden  in  trauriger  Progression  zunehmen, 
in  nächster  Zeit  den  Verlust  vieler  Bruchstücke  herbeiführen, 
und  so  von  Jahr  zu  Jahr  eine  Herstellung  erschweren  und 
vertheuern. 

Ich  wandte  mich  daher  an  den  Herrn  Dechant  und 
Hauptpfarrer  mit  dem  Ersuchen,  um  Einschreiten  wegen 
Erhaltung  dieses  Kunstwerkes,  welches  dem  ähnlichen 
am  Stephansdom  in  Wien  an  Grösse  und  wegen  des 
Mangels  an  figuralischer  Darstellung  nachsteht .  aber  in  Be- 
zug auf  architektonische  Ornamente  allen  anderen  bekannten 
in  Österreich  vorgeht. 

Sehr  wichtig  war  mir  die  Notiz,  dass  ein  Töpfer  in 
Pettau  von  diesen  Verzierungen  manche  copirt,  und  zu  Vor- 
bildern von  Verzierungen  au  Öfen  u.  s.  w.  benutzt  habe. 

Von  Pettau  begab  ich  mich  nach  dem  Schlosse  Wurm- 
berg, einem  der  grössten,  wohlerhaltensteu  und  höher  gele- 
genen des  Landes.  Sein  Inneres  birgt  einen  reichen  Schatz 
von  Ölgemälden  des  XVI.  und  XVII.  Jahrhunderts .  nament- 
lich schätzbare  Darstellungen  von  Trachten  und  Familien- 
bildnissen, einen  sehr  tiefen  Brunnen,  mit  einem  Ausgange 
unter  der  Erde,  einige  Bruchstücke  von  Stein-Basreliefs  aus 
der  Periode  zwischen  1500  und  1600.  einen  Narren  und  eine 
Närrin  und  eine  Gruppe  von  sich  Balgenden  darstellend  mit 
etwas  derb  natürlichen  Enzelnheiten,  mehrere  Wappentafeln 
u.  s.  w. 

Sehr  interessant  sind  fünf  alte  eiserne  Geschütze,  deren 
eines  der  frühesten  Periode  ihrer  Erfindung  nach  angehört 
und  daher  eine  der  grössten  Seltenheiten  bildet,  indem  nur 
wenige  Zeughäuser  mehr  Geschütze  aus  dem  XIV.  Jahr- 
hunderte bewahren.  Ein  zweites  ist  gleichfalls  von  sehr 
hohem  Alter,  die  übrigen  gehören  der  ersten  Hälfte  des 
XVI.  Jahrhunderts  an. 

Die  vor  dem  Schlosse  stehende  Pfarrkirche  hat  sebens- 
werthe  Grabdenkmale  aus  der  Reformationszeit  und  Römer- 
steine. Unter  den  Grabsteinen  ist  ein  sehr  schön  gearbeiteter 
eines  Ritters  von  Siergenstein ,  dessen  Harnisch  im  bürger- 
lichen Zeughause  in  Wien  aufbewahrt  wird. 

Höchst  interessant  ist  die  grosse.  1491  gebaute  Pfarr- 
kirche des  Marktes  Gröbming,  wenn  gleich  ihr  Bauwerk 
viele  Spuren  des  Verfalles  der  späteren  golhischen  Baukunst 
zeigt,  und  eine  Restauration,  die  mehr  den  Kostenpunkt  als 
die  Schönheit  im  Auge  hatte,  besonders  an  ihrer  Aussenseite 
Manches  verdorben  hat.  Einige  gute  Grabgemälde  und  wohl- 
erhaltene Grabsteine  (meist  der  Familie  Mosheim)  wären  der 
Reinigung  werth.  Diess  gilt  besonders  von  einem  Gemälde: 
die  Anbetung  der  Hirten,  mit  dem  Malerzeichen  M.  G.,  auf 
dem  grossen  architektonisch   eingerahmten    Grabdenkmale 


•>:t 


—   174  — 

Christoph  Poliers  zum  Aigen  und  seiner  vier  Frauen  aus  dem  gung  als   Restauration   erforderlich.    In    dieser  Beziehung 

XVI.  Jahrhunderte.  setzte  ich  mich  gleichzeitig  mit  dem  Herrn  Pfarrer  in   das 

Bin  alter  Betstuhl  mit  fünf  Sitzen  ist  eine  merkwürdige  Einvernehmen. 

Arbeit  des  XV-  Jahrhunderts ,  da  der  grüsste  Theil  seiner  Die  Kirche  in  St.  Georg  nächst  Rottenmann  enthält 

Verzierung,  statt  erhaben,  ganz  flach,  in  einer  Art   mehr-  ebenfalls  einen  Flügelaltar,   dessen  Besichtigung   ich  aber 

farbigen  Holzmosaik  ausgeführt  ist.  Das  ganze  Werk  ist  ein-  noch  flüchtiger  vornehmen  musste,  und  daher  nur  bemerkte, 

fach,  aber  gut  erhalten.  dass  er  dv\-  /.»eilen  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  angehöre 

Der  Hauptschatz  der  Kirche  ist   der  grosse .   meines  und  ziemlich  beschädigt  sei. 
Wissens  aoeh  nicht  abgebildete  Flügelaltar.  Abgesehen  von  Dagegen  traf  ichin  der  Spitalkirche  zu  Rottenmann 
seiner  bedeutenden  Grösse  und   von  seiner  schönen  (wenn  einen  Betstuhl,  den  ich  für  eines  der  bedeutendsten  Alter- 
gleich  der  Bauzeit  gemäss  in  einzelnen  Theilen  etwas  über-      thü r  des  Landes  halte.  Er  ist  zweisitzig,  von  sehr  schöner 

ladeuen)  architektonischen   Verzierung,    unterscheidet    ihn  Anordnung  und  mit   sehr  gut  ausgeführtem  Schnitzwerke, 

von  vielen  seines  Gleichen  der  Umstand,    dass  die  Mittel-  an  der  Rückwand  die  Namen:  Fridericus  und  Eleonora,  den 

darstellung  aus  S  ta  tue  n  besteht,  die  Scilentafeln  aber  Bas-  Reichsadler    und    das    portugiesische    Wappen,     dann    die 

reliefs  statt  der  sonst  üblichen  Gemälde  enthalt.  weitere  Aufschrift:  Jesus,  Maria.  Anna.  A.  E.  1.  0.  L'..  anno 

Der  Sockel  des  Altargebäudes  ist  durch  ein  neueres  domini  1514,   endlich  den   Buchstaben  W,  wahrscheinlich 

werthloses  Bild  verstellt,  wie  auch  der  Altartisch  von  neuerer,  ein  Meisterzeichen,  tragend. 

unbedeutender  Arbeit  ist.   Die  figuralischen   Darstellungen  Das  Ganze  ist  gut  erhalten,   Ins   auf  den   Obertheil, 

beginnen  unten  mit  zehn  in  zwei  Reihen  über  einander  gesteh-  welcher  gänzlich  seines  Schmuckes  herauhl.  eine  kahle  Fläche 

ten  Aposteln.  In  der  dritten  Reihe  stellt  der  segnende  Salvator  zeigt.  Es  ist  dieses  Werk  sogar  seit  seinem  Entstehen  noch 

zwischen  zwei  Aposteln,  ganz  oben  ist  Christus  am  Kreuze  mit  keiner  Farbe  angestrichen. 

zwischen  den  Schachern,  dann  Maria  und  Johannes.  Wenn  es  schon  befremdet,  ein   solches   kaiserliches 

Die  Basreliefs  auf  den  Flügeln  enthalten  die  Geisselung,  Denkmal  in  einer  kleinen  ärmlichen  Kirche   zu  linden,    so 

die  Dornenkrönung,  die  Kreuzabnahme  und  die  Auferstehung.  befremdet  das  Datum  der  Verfertigung  (so  lange  nach  dem 

Die  Gewänder  der  Figuren  und  der  Grund  auf  den  Basreliefs  Tode  Kaiser  Friedrich's)  noch  mein-. 

ist  Gold,    und  das  Fleisch  hat   die  Naturfarbe.    Köpfe  und  Ich  habt1  mich  au  den  Stadtpfarrer  von  Rottenmann  um 

Bekleidung  sind  besonders  schön  gedacht  und  ausgeführt,  die  Auskunft  verwendet,  oh  nicht  fehlende  Bruchstücke  des 

Einige  Theile   der   Ornamentik    sind   besonders   reich    und  Obertheiles  in   einer  Rumpelkammer,    auf  dem   Dachboden 

zierlich.  Der  Erhaltungszustand  des  Ganzen  ist  ein  guter  zu  u.  s.  w.  vorgefunden  werden  können,   sowie  um  Mittheilung 

nennen,    nur    die  Rückseiten    der  Flügel    sind    mit    neuen  über  die  Entstehung  dieses  Werkes,   und   «erde  über  den 

schlechten  Gemälden  bepinselt.  Im  Ganzen  ist  mehr  Reini-  Erfolg  seiner  Zeit  weiter  berichten. 

Die  gothische  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien. 

(Mil  zwei  Tafeln.) 

Von    Karl    Weiss. 

(Schluss.) 

Einen  besonderen  Schmuck  besitzt  die  Kirche  an  den  Einen  ungleich   günstigeren  Eindruck  als  das   Innere 

alten   Glasgemälden,    welche  theils   in   den   Fenstern    des  macht  die  Aussenseite  der  Kirche.  Abgesehen  davon,  dass 

Chorabschlusses,  theils  in  einigen  Seitenfenstern  des  Pres-  dieselbe—  bis  auf  den  Thurm  -     von  dm  in  der  jüngsten 

byteriums,   dann  auch  auf  der  Westseite  des  Schilfes    ange-  Zeil  vorgenommenen  Restaurationen  grossenllieils  verschont 

bracht  sind.  Wegen  ihrer  Wichtigkeil  für  die  Kunstge-  geblieben  und  desshalb  auch  der  ursprüngliche  Charakter  der 
schichte  und  um  die  typologischen  Darstellungen  einer  aus-  Farbentöne,  wie  sie  durch  den  natürlichen  Einfluss  der  Zeit 
führlichen  Besprechung  würdigen  zu  können,  gedenken  wir  erzeugt  wurden,  sich  erhallen  hat.  treten  insbesonders  die 
auf  dieselben  in  einem  besondern  Aufsatze  speciell  zurück-  ungünstigen  Verhältnisse  der  Bauanlage  durch  die  Capellen- 
zukommen,  daher  wir  hier  nur  im  Allgemeinen  bemerken,  anhaue  gedeckt,  weniger  störend  hervor.  Auch  springen 
dass  die  Hauptvorstellungen  in  den  Fenstern  des  Chorab-  hier  vor  Allem  die  beiden  eigentümlichen  Portale  des  Lang- 
schlusses das  Lehen  und  Leiden  Christi  nebst  an di 'reu  hauses  und  der  Thurm  in  die  \ugen. 
biblischen  Darstellungen  in  je  21  abgetheilten  Feldern  Di,.  Gestalt  des  am  Westende  der  Kirche  gelegenen 
umfassen  ')  Hauptportales  ist  aus  der  beiliegenden  Tafel  \  zu  entnehmen. 

Die  Seitenflächen  des   tief  eingehöhlten    Einganges   haben 

''  ' K«  der  CUsgemSIde  wurden  vor  Im-  reisug  Jahren  in   den  ;m    (||i|.    |n|t(,n|    M.i)||(.    UuUr    sockelartijre,    mil     ".ethischem 

sogenannten  Aufnahmsaaal  «i«'s  Ritterschloasea    zu    Laxenburg  versetzt. 


Hoi  mayr'a  Archii . 


1820  p   i-  Masswerke  verzierte   Mauervorlagen,   in   der  obern   Hälft« 


Maria  am  Gestade 


Taf:X 


. 

Haupt  portal 


—   175  — 


Nischen  und  über  denselben  Baldachine,  welche  von  Spitz- 
säulen gekrönt  sind.  In  den  Nischen  befanden  sich  in 
früherer  Zeit  ohne  Zweifel  Figuren ,  so  dass  die  Flächen 
ziemlich  belebt  gewesen  sein  müssen.  Über  das  eigentliche 
Portal  ist  ein  flaches  und  geripptes  Kreuzgewölbe  gespannt, 
das  nach  aussen  hin  die  Form  eines  im  geschweiften  Spitz- 
bogen aufgebauten  Baidachines  besitzt  und  mit  Kreuzblumen 
und  knorrigen  Zierathen  geschmückt  erscheint.  Die  Ein- 
gangsthür  ist  im  Kleeblattbogen  geformt.  Im  Tympanon  sind 
in  Stein  gehauen  rechts  eine  uns  unbekannte  männliche 
Figur,  links  Christus  mit  dem  Lamme.  Ähnlich  in  der  Form 
ist  das  Portal  an  der  Südseite  des  Langhauses.  Auch  hier 
wird  das  tief  eingeschrägte  Portal  von  einem  gewölbten 
Baldachine  überspannt.  Nur  sind  die  Seitenwände  von  Rund- 
stäben unterbrochen ,  welche  oben  in  Spitzbogen  auslau- 
fen. Jede  der  beiden  Seitenwände  ist  abermals  von  einem 
die  ganze  Breite  einnehmenden  gothischen  Baldachine 
bekrönt.  Ein  Doppel-Portal  ,  welches  sich  aber  von  den 
zwei  genannten  vollständig  unterscheidet,  ist  an  der 
Südseite  des  Chores  unter  einer  kleinen  später  zugebauten 
Vorhalle  gelegen.  Jeder  der  zwei  Eingänge  läuft  im  Spitz- 
bogen zusammen,  die  tief  eingeschrägte  Gewandung  ist  mit 
parallel  laufenden  Rundstäben  und  Hohlkehlen  bedeckt,  wel- 
che von  Capitälen  unterbrochen  und  auf  polygone  Sockel 
gestützt  sind.  In  jedem  der  zwei  Bogenfelder  sind  Steinsculp- 
turen  angebracht,  deren  eine  die  Krönung  der  h.  Maria,  die 
zweite  gleichfalls  die  h.  Maria  vorstellt,  wie  sie  als  Schutzfrau 
in  den  Falten  ihres  Mantels  die  Seelen  der  Verstorbenen  birgt. 

Von  ganz  besonderem  In- 
teresse ist  der  Thurm  (Fig. 
IX),  welcher  auf  der  Südseite 
im  Winkel  zwischen  dem 
Schilfe  und  dem  Chore  ange- 
legt wurde.  Der  Grundform 
nach  hat  derselbe  sieben  Sei- 
ten und  fünf  Etagen  sanunt 
dem  Helme.  Die  Flächen  der 
untersten  zwei  Etagen  sind 
schmucklos  und  nur  auf  drei 
Seiten  von  schmalen  gothi- 
schen Fenstern  unterbrochen. 
Reicher  geschmückt  ist  schon 
das  dritte  und  vierte  Stock- 
werk. Inter  dem  Gesimse 
läuft  ein  spitzbogiger  Fries 
mit  verticalem  Stabwerk  zu 
beiden  Seiten  der  gothischen 
mit  Masswerk  geschmückten 
Fenster.  Am  reichsten  eesrlie- 
dert  ist  die  oberste  Etage. 
Die  breiten  im  geschweiften 
Spitzbogen  erbauten  Fenster 
besitzen  reich  prolilirte  Lei- 


bungen. Zu  beiden  Seiten  jedes  Fensters  treten  zum  Theil 
aus  der  Mauerfläche  Spitzsäulen  hervor  und  anter  dem 
Gesimse  des  Stockwerkes  ist  gleichfalls  eine  friesartige  Ver- 
zierung angebracht.  Oberhalb  dieses  Stockwerkes  läuft  um 
den  ganzen  Thurm  eine  Gallerie  mit  stark  hervortretenden 
Spitzsäulen .  dessen  durchbrochene  Brüstung  gothisches 
Masswerk  im  Drei-  und  Vierpass  besitzt.  Ober  diesen  fünf 
Etagen  ist  nun  die  vielbewunderte  Helmdecke  <\<--  Thurmes 
aufgebaut,  deren  Bekrönung  nicht,  dem  Charakter  des  Bau- 
styles  entsprechend,  in  eine  spitze  Pyramide  ausläuft,  sondern 
die  Form  einer  aus  Blättern  und  Zweigen  verschlungenen 
Kuppel  oder —  wenn  man  will  —  auch  eines  geschlossenen 
Blumenkelches  annimmt.  Der  ganze  Helm  ist  durch- 
brochenen und  phantastisch  gegliederten  Ornamenten  zusam- 
mengesetzt und  nur  von  sieben  pfeilerartigen,  mit  Knorren 
geschmückten  Stützen  getragen.  An  der  Bekrönung  des 
Helmes  ist  eine  Kreuzblume  angebracht. 

An  der  Aussenseite  der  Kirche  ist  noch  besonders  die 
Facade  bemerkenswerth,  deren  Portal  wir  bereit-  bespro- 
chen haben.  Sie  zerfall!  in  drei  Felder.  Im  unteren  bildet 
das  Portal  mit  dem  Baldachin  (Tafel  JQdas  charakteristisi  in' 
"  Kennzeichen.  An  dasselbe  schliessen  sieh  zu  beiden  .Seiten 
pfeilerartige  Mauervorlagen  mit  schmalen  spitzbogigen  Fen- 
stern. Das  mittlere  Feld  ist  durch  das  hohe  und  breite 
Stirnfenster  unterbrochen,  dessen  Gewandung  mit  Rund- 
stäben und  Einkehlungen  abwechselnd  profilirt  ist.  Die 
Mauerflächen  zu  beiden  Seiten  des  Fensters  bedecken 
Lisenen,  die  (dien  durch  Kleeblattbögen  verbunden  sind. 
Das  oberste  mit  Kreuzblumen  geschmückte  Giebelfeld  ist 
zu  beiden  Seiten  durch  massiv  geformte  Wimperge  geschützt, 
welche  an  der  Fronte  durch  eine  Gallerie  verbunden  sind. 
Die  Fläche  des  Giebels  bat  in  der  Mitte  eine  runde  Fenster- 
öffnung  und    zu  beiden  Seiten    abermals    Lisenen,    welche 

nach   oben    aufsteigend   durch   Kleeblattbögen   zusai en- 

geschlossen  sind.  Aul  den  Flächen  zwischen  den  Lise- 
nen sind  noch  Consolen,  worauf  früher  Figuren  standen,  und 
an  dem  untern  Abschlüsse  des  Giebels  Wasserspeier  zu  be- 
merken. 

Das  Äussere  der  Seitenwände  der  Kirche  besitzt 
gleichfalls  mehrere  auffallende  Merkmale.  Der  Südseite  des 
Schiffes  fehlen  die  Ausladungen  der  das  Gewölbe  stützen- 
den Strebepfeiler.  Die  Wandflächen,  an  der.  wie  schon 
bemerkt,  auch  jede  Fensteröffnung  mangelt,  sind  an  der 
Stelle  der  Pfeiler  nur  durch  lisenenartige  Streifen  unter- 
brochen, zwischen  denen  sich  die  Profile  von  Fenster- 
einrahmungen sanunt  Pfosten  belinden.  Zwei  dieser  Mauer- 
streifen  besitzen  oben  unter  dem  Gesimse  gothische  Ver- 
zierungen mit  dem  Tndorhogen  und  einein  Wimperge.  An 
der  Nordseite  des  Schiffes  dagegen  treten  Strebepfeiler  — 
wenn  auch  schwach  und  roh— hervor.  Sie  habenjedoch  nur 
den  Charakter  einlacher  Mauervorlagen,  oben  mit  einer  ein- 
fachen Abschrägung,  und  der  übliche  Giebel  fehlt.  Es  ist 
wahrscheinlich,    dass    an    der    Südseite   des    Schilfes    die 


23» 


—    1715 


Strebepfeiler  nur  «regen  der  beengten  Raumverhältnisse 
w  egbleiben  mussten.  Das  Dachgesims  besteht  einfach  aus 
Wülsten  und  Einkehlungen,  ebenso  sind  die  hoben  Mauer- 
sockel ohne  besondere  Ausstattung. 

In  einem  besseren  Geselnnaeke  ist  seilen  das  Äussere 
des  Chores  in  Ausführung  gebracht.  Abgesehen  davon,  dass 
die  breiten,  schön  gegliederten  Fenster  durchgehends 
geöffnet  sind,  treten  auch  die  Strebepfeiler  kräftiger  und 
breiter  aus  den  Wanden  hervor  und  die  Giebel  sammt  der 
dreifachen  Abschrägung  weisen  auf  einen  edleren  Charakter 
des  Styles  hin.  (Vergl.  das  Fenstertrav£e  auf  Tafel  I.V. 
Fig.  U.)  l'nter  dem  Dachgesimse  sind  noch  zu  beiden 
Seiten  des  Spitzbogens  eines  jeden  Fensters  kleine  runde 
Öffnungen  mit  dem  Vierpass  als  Masswerk  bemerkbar. 

Nach  den  im  Jahre  1820  vorgenommenen  Messungen 
sollen  Schiff  und  Chor  zusammen  eine  Länge  von  36°  besitzen, 
das  Schiff  mit  den  Capellenanbauten  eine  Breite  von  10°.  der 
Chor  eine  Breite  von  6°.  ersteres  eine  Höhe  von  10°,  letzte- 
rer eine  Höhe  von  12°.  Der  Thurm  der  Kirche  misst  eine 
Höhe  von  30°. 

Vergleichen  wir  nun  Schiff  und  Chor  in  ihrer  archi- 
tektonischen Anordnng,  um  die  Behauptung  zu  rechtfertigen, 
dass  das  Schiff  später  als  der  Chor  erbaut  worden  ist.  Wir 
haben  gesehen,  dass  der  Chor  einfache  mit  Schlusssteinen 
versehene  Kreuzgewölbe,  das  Schiff  dagegen  Netzgewölbe 
besitzt;  dass  die  Gewölberippendes  ersteren  an  den  Wand- 
pfeilern ursprünglich  bis  auf  den  Sockel  herabreichen, 
während  sie  bei  dem  letzteren  schon  von  allem  Anfange 
durch  eingesetzte  Figuren  und  Baldachine  unterbrochen  wur- 
den, wir  haben  ferner  gesehen,  dass  am  Chore  die  Strebe- 
pfeiler kräftig  hervortreten  und  mit  Abschrägungen  und 
Giebel  versehen  sind,  während  sie  am  Schiffe  nur  schwache 
und  rohe  Mauervorlagen  bilden;  dass  das  Seitenportal  des 
Chores  durch  zwei  schlanke  Spitzbögen,  die  beiden  Portale 
des  Schiffes  dagegen  durch  einen  im  geschweiften  Spitz- 
bogen gebauten  Baldachin  ausgezeichnet  sind;  wir  haben 
endlich  wahrgenommen,  dass  das  Masswerk  der  Fenster  im 
Schiffe  sich  durch  seinen  decorativen  Charakter  und  seine 
Nüchternheit,  jene-,  der  Fenster  im  Chore  dagegen  durch 
grössere  Mannigfaltigkeit  und  eine  verständige  Auflösung 
auszeichnen. 

Die  Kreuzgewölbe  sammt  den  aus  den  Pfeilern  unmit- 
telbar in  die  ersteren  übergehenden  Rippen  gehören  aber 
der  Blüthezeil  der  Gothik,  die  Netzgewölbe  sammt  den  au 
der  Mitte  der  Pfeiler  abgeschrägten  Bippen  der  Spätgothik 
;in.  Als  ferner  der  gothische  Baustyl  noch  strenge  an  den 
construetiven  Normen  festhielt,   standen   die  Strebepfeiler 

—  oben  w  eniger,  unten  mehr  her\  ortretend  —  gewöhnlich  im 
Verbältnisse  zur  Stärke  der  Seilenmauern ,  und  sie  wur- 
den durch  eine  entsprechende  Gliederung  ausgezeichnet; 
das  Masswerk  der  Fenster  war  gleichfalls  strenge  nach 
construetiven  Gesetzen  gegliedert  und  die  Form  eines 
geschweiften  Spitzbogens  kam  nichl  zur  Anwendung. 


\\  enn  aber  irgend  ein  Theil  des  Schiffes  für  seine  der 
zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  angehörige  Erbauung 
spricht,  so  ist  es  das  Hauptportal  mit  dem  Baldachine  und  das 
demselben  entsprechende  Seitenportal  des  Schiffes.  Mau 
bat  dasselbe  bisher  wegen  seiner  Originalität  und  Neuheil 
in  der  Form  bewundert;  dagegen  dürfte  auch  keine  Ein- 
wendung zu  erheben  sein.  Die  Originalität  allein  sichert 
aber  einem  Bauwerke  nicht  den  Anspruch  auf  Bedeutung. 
sie  muss  auch  im  Einklänge  mit  der  Reinheil  des  Styles  und 
den  Gesetzen  der  Schönheit  stehen,  wodurch  der  Charakter 
eines  Baustyles  bedingt  ist.  Die  Originalität  quand  memo 
in  der  kirchlichen  Baukunst  ist  überhaupt  ein  L'nding.  sie 
kann  insbesondere  bei  gothisehen  Bauten  nur  in  Einzelhei- 
ten wie  in  der  Ornamentik,  der  Prolilirung  oder  dem  Mass- 
w erk  angestrebt  werden,  die  Grundformen  und  Hauptlinien 
des  Styles  dagegen  können  nicht  verändert  werden.  Man 
hat  zwar  auch  im  Mittelalter,  ungeachtet  die  Bauhütten  eine 
bestimmte  Diseiplin  einzuhalten  suchten,  wiederholt  auf 
Neuerungen  hingearbeitet,  wir  besitzen  noch  beute  zahl- 
reiche Baudenkmale,  denen  nicht  Eigentümlichkeit  abge- 
sprochen werden  kann,  aber  in  allen  Fällen,  wo  sie  nichl 
im  strengen  Einklänge  mit  dem  Wesen  des  Styles  stehen, 
welchen  sie  repräsentiren,  kann  man  darauf  mit  Sicherheit 
zählen,  dass  solche  Bauwerke  einer  Bauperiode  angehören, 
worin  der  repräsentirle  Styl  seinem  Verfalle  entgegenzueilen 
anfing.  Diese  Behauptung  findet  nun  auch  specielle  Anwen- 
dung bei  den  Haupt-  und  Seitenportalen  der  Kirche  Maria 
am  Gestade.  In  der  Blüthezeil  der  Gothik  findet  man  bei 
den  mit  besonderer  Sorgfalt  behandelten  Portalen  regel- 
mässig als  Grundform  den  Spitzbogen  in  schlanker,  frei  auf- 
strebender Gestaltung.  Um  eine  Abwechslung  in  den  Ein- 
zelheiten zu  erzielen,  beschränkte  sich  die  Phantasie  der 
Baumeister  auf  die  Anordnung  der  einzelnen  Glieder  in  der 
Vertiefung,  auf  die  Mannigfaltigkeil  der  Sculpturen  und  ins- 
hesonders  auf  den  Bilderschmuck  in  dem  Giebelfelde.  Dem  Bau- 
meister der  beiden  in  Frage  stehenden  Portale  genügte  aber 
nicht  mehr  die  Gliederung  des  eingeschrägten  Spitzbogens, 
sondern  er  spannte  über  denselben  ein  flaches,  gedrücktes 
Gewölbe,  welches  mit  einer  gewissen  Schwerfälligkeit  Ober 
dein  ersteren  hangt  und  auf  dein  Portale  lastet.  Bei  dein 
Anblicke  desselben  kann  man  sich  nicht  des  Gefühls  erweh- 
ren, den  die  Uberladenheit  und  die  unorganische  Beifügung 
einzelner  Glieder  an  einem  Bauwerke  hervorrufen.  Man  be- 
merkt es.  dass  es  dem  Ba eister  einzig  und  allein  um  einen 

decorativen  Schmuck  ebne  einen  construetiven,  dem  Geiste 
des  Styles  entsprechenden  Sinn  zu  thun  war.   Wir  stehen 

bei  den  Portalen  des  Langhauses  der  Kirche  Maria  am  Ge- 
stade  am   Beginne  des  sogenannten   „Zopfes"   in  der  Gothik. 

Dieselbe  Erscheinung  wie  bei  den  Portalen  wiederhol! 
sieb    bei   dem  Thurme,    jenem   Theile   der   Kirche,    der  am 

spätesten  zugebaul  wurde.  Auch  dieser  entbehrt  nichl  der 
Eigenthümlicbkeit,  jedoch  einer  solchen,  weicher  mit  dem 
Wesen  des  gothisehen  Styles  unvereinbar  ist.  Die  Helmdecke 


—   177 


mit  ihrer  reichen  feindurchbrochenen  Gliederung  löst 
sich  nicht  in  eine  schlanke  pyramidenartige  Spitze,  sondern 
in  eine  siebentheilige  Kuppel  auf,  eine  Form ,  welche  hart 
an  das  XVI.  Jahrhundert  streift ,  und  von  einem  Baumeister 
des  XIV.  oder  in  der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts 
kaum  versucht  worden  wäre. 

Die  Frage  nach  den  Baumeistern  der  Kirche  hat  bisher 
vielfach  die  Kunstfreunde  beschäftigt,  ohne  dass  jedoch  die- 
selbe gelöst  werden  konnte.  Schon  Primisser  hat  in 
Hormayr's  Archiv  (XII.  Jahrg.,  S.  4(5)  auf  Hauser  und 
Pilgram  hingewiesen,  von  denen  der  Erstere  zwischen 
1359  —  1400,  der  Letztere  zwischen  1407  —  1433  lebte. 
Beide  sind  bekanntlich  die  hervorragendsten  Förderer  des 
Stephansdomes.  Es  ist  aber  nach  den  neuesten  Forschungen 
nicht  wahrscheinlich,  dass  weder  der  eine  noch  der  andere  an 
dem  eigentlichen  Baue  der  Kirche  beschäftigt  war.  Denn  es  ist 
so  ziemlich  gewiss,  dass  zwischen  den  Jahren  1357 — 1393 
an  der  Kirche  nichts  gebaut  wurde.  Dagegen  steht  es  ur- 
kundlich fest,  dass  am  2.  Juni  1394  Meister  Michael  Wein- 
wurm den  Grundstein  zu  dem  gegenwärtigen  Chore  gelegt 
und  bis  zum  Jahre  1418  gelebt  hat  ').  Da  nun  das  Schill" 
der  Kirche  viel  später  und  zwar  jedenfalls  über  das  J.  1433 
hinaus  erbaut  worden  sein  dürfte,  so  entfällt  wohl  jeder 
Grund  zu  Primisser's  Annahme,  abgesehen  davon,  dass  Pil- 
gram, dem  Vollender  des  Stephansdomes,  Bauformen,  wie  sie 
an  dem  Schilfe  der  Kirche  vorkommen ,  kaum  zugeschrieben 
werden  können.  Die  Frage  nach  dem  Erbauer  der  Kirche 
Maria  am  Gestade  muss  daher  theil weise  noch  immer  als 
eine  offene  angesehen  werden,  da  wir  nicht  einmal  wissen, 
wie  weit  der  Antheil  des  erzherzoglichen  Baumeisters 
Michel  Weinwurm  an  der  Kirche  reicht. 

Bemerkenswerth  ist  im  Innern  der  Kirche  ein  im  gothi- 
schen  Style  ausgeführter  Weih  Wasserkessel,  in  wel- 
chem die  Jahreszahl  1490  eingehauen  ist.  Ferner  ein  altes 
eingemauertes  Sacra  ments  hau  sehen  mit  der  Aufschrift: 
Ecce  panis  Angelorum  factus  cihus  Viatorum  —  vere.  Be- 
sonders reich  war  noch  im  J.  1820  die  Kirche  an  Grabstei- 
nen, von  denen  der  älteste  das  Datum:  11.  Mai  1316  trug, 
und  mithin  einer  Periode  angehörte,  welche  vor  den  Bau 
der  gegenwärtigen  Kirche  fällt.  Die  Inschriften  der  55  vor- 
banden gewesenen  Grabsteine  sind  in  Böckh's  Broschüre 
„Geschichte  der  Kirche  Maria  Stiegen  in  Wien"  ver- 
zeichnet. 

Als  die  Kirche  Maria  am  Gestade,  im  J.  1820  in  die 
Obsorge  der  Congregation  der  Redemtoristen  überging, 
wurde  an  derselben  eine  Bestauration  in  grösserem  Mass- 
stabe vorgenommen.  Dieselbe  war  bedingt  durch  den  bekla- 
genswerthen  Zustand,  in  welchen  sich  die  Kirche  seit  ihrer 
Entweihung  im  J.  1809  befand.    Abgesehen  von  der  Bau- 


•)  Berichte  u.  Mittheiluugeii  des  AI  terthumsver  eines  zu  Wien,  I.  '291. 


fälligkeit  einzelner  Theile  der  Kirche,  hatte  man  das  Innere 
derselben  ihres  ganzen  Schmuckes  beraubt  —  um  sie  als 
Magazin  verwenden  zu  können.  Beispielsweise  erwähnen 
wir  nur,  dass  ein  Theil  der  vorhandenen  Kirchengeräthe 
im  öffentlichen  Versteigerungswege  verkauft  wurde. 

Bevor  daher  die  Kirche  auf  Befehl  Seiner  Majestät  des 
Kaisers  Franz  I.  der  in  Osterreich  hergestellten  Congregation 
der  Redemtoristen  übergeben  wurde,  stellte  sich  die  Not- 
wendigkeit einer  umfassenden  Restauration  dar.  Nachdem 
jedoch  die  Abhaltung  des  Gottesdienstes  vorzugsweise  für 
die  in  Wien  anwesenden  Böhmen  bestimmt  war,  so  sollte 
ursprünglich  die  niederösterreichische  Landesregierung,  als 
Patron  der  Kirche,  nur  die  Restauration  des  Thurmes  auf 
sich  nehmen,  die  innere  Herrichtung  und  Ausschmückung 
der  Kirche  dagegen  theils  der  Congregation  selbst,  theils 
der  Provinz  Böhmen  überlassen  werden.  Der  Kaiser  bew  il- 
ligte  die  Restauration  des  Thurmes  mit  der  Summe  von 
56,978  tl.  W.  W.;  für  die  Ausschmückung  des  Innern  war 
die  Summe  von  55,453  fl.  W.  W.  beantragt.  Um  indess  die 
Eröffnung  der  Kirche  nicht  zu  verzögern,  bestritt  zuletzt 
die  niederösterr.  Landesregierung  auch  einen  grossen  Theil 
der  Restauration  des  Innern  der  Kirche.  Die  Arbeiten  began- 
nen im  J.  1817  und  wurden  im  J.  1820  vollendet.  Später, 
als  die  Vermögensumstände  der  Congregation  sich  bedeutend 
besserten,  nahm  diese  selbst  bedeutende  Verschönerungen, 
wie  die  Erbauung  neuer  Altäre  und  der  Kanzel,  an  dem  Baue 
vor,  und  es  ist  das  rühmliche  Bestreben  derselben  hervorzu- 
heben, dass  sie  dabei  immer  eine  stylgemässe  Restaura- 
tion im  Auge  behielt  und  nach  und  nach  aus  der  Kirche 
Alles  zu  entfernen  bestrebt  war,  was  mit  dein  Charakter  t]f> 
Baues  nicht  im  Einklänge  stand.  So  kam  es,  dass  unter  den 
gothischen  Kirchen  Wiens  jene  von  Maria  am  Gestade  die 
einzige  ist,  welche  auch  mit  gothischen  Altären  geschmückt 
ist.  Wir  lassen  natürlich  hiebei  die  Frage  bei  Seite,  ob  die 
hiebei  angewandte  Gothik  auch  eine  edle  und  reine  ist 
und  nicht  zu  viel  unter  der  Hand  des  Diletantismus 
gelitten  hat. 

Interessant  sind  auch  die  Versuche,  welche  bei  dieser 
Kirche  gelegentlich  der  Benovirung  angestellt  wurden,  um 
die  alte  Glasmalerei  nachzuahmen.  Es  wurden  nämlich  zwei 
Fenster  auf  der  Südseite  des  Chores  nach  Zeichnungen  des 
Künstlers  Schnorr  v.  Karolsfeld  theils  gemalt  und 
gebrannt,  theils  aus  gebrannter  Glasmosaik  angefertigt.  Als 
Vorstellungen  wurden  hiezu  gewählt  die  Bilder  der  böhmi- 
schen Schutz-  und  Landesheiligen:  1)  des  heil.  Johann 
von  Nepomuk;  2)  des  heil.  König  Wenzel;  3)  des  heil. 
Joseph,  und  4)  des  heil.  Liguori  als  Bischofs  und  Stifters 
der  Congregation.  In  einer  Scheibe  ist  auch  der  kaiserliche  i 
Adler,  umgeben  von  dem  ungarischen,  böhmischen  und  öster- 
reichischen Wappen,  in  einer  zweiten  Scheibe  das  Emblem 
der  Redemtoristen  angebracht. 


178 


Die  kirchlichen  Gebäude  zu  Hartberg  in  Steiermark. ') 


Von  Heinrich  G  mve,  technischem  Beamten  iU's  k.  k.  Minist 

Dil'  Stadt  Hartberg,  im  Bezirke  gleichen  Namens  an  >l<-r 
Lafnitz  gelegen,  zähl!  gegen«  artig  drei  Gebäude,  in  «  eichen 
Gottesdienst  gehalten  wird;  diese  sind:  die  Pfarrkirche,  die 
Klosterkirche  der  Kapuziner  und  dersogenannte  Karner  oder 
Kamerthurm  -). 

Der  Karner,  dem  heil.  Michael  und  Ulrich  geweiht,  hat 
seine  gründliche  Würdigung  schon  in  Seile  ;>!>  und  60 
dieser  „Mittheilungen"  gefunden,  woselbst  Dr.  Neider  auch 
die  Abweichung  des  Portales  von  derAxe  des  Baues  motivirt 
hat.  Wir  wollen  sonach  hier  nur  noch  auf  die  sonstige  Regel- 
mässigkeit des  Grundrisses  dieser  Rotunde  hinweisen.  Nur 
bei  dem  Portale  und  dem  Ansätze  der  Apsis  überschreiten 
die  Entfernungen  der  anliegenden  Pfeilermittel  den  bei  den 
übrigen  Pfeilerbündeln  gleichen  Abstand  ihrer  Mittel,  was 
wohl  der  beste  Beweis  für  die  schon  ursprünglich  beabsich- 
tigte Lsenabweichung  des  Portales  ist. 

Zu  bedauern  i*t  nur.  d;iss  durch  das  Ausbrechen  der 
diesem  Baustyle  geradezu  widersprechenden  Fenster,   das 

Überweissen  des  inneren  Mi rwerkes  und  den  Anbau  der 

pfarrlichen  "Eisgrube  und  des  Schulhauses  (17'Jt!)  dieses 
mon entale  Werk  verstümmelt  wurden  ist. 

Die  Pfarrkirche  hesteht  ans  einem  gothischen  Mittelbau 
und  einem  im  toscanisclien  Style  ausgeführten  Zubau.  Das 
Äussere  der  Kirche  ist  gleichfalls  toscanisch,  der  obere  Theil 
des  Thurmes  aher  jonisch  ausgestattet.  Diese  Kirche  soll 
llilit  gebaut  worden  sein  (die  Glaubwürdigkeit  dieser  Sage 
beleuchten  wir  später);  jedoch  hesteht  von  diesem  Haue 
nichts  mehr  als  höchstens  das  Fundament.  Eine  urkundliche 
Erwähnung  der  Stadtpfarrkirche  linden  wir  erst  1310  in  der 
ältesten  bekannten  Hartberger  Stiftung;  in  besagtem  Jahre 
am  Jakobstage  bestätigen  nämlich'Herzog  Friedrich  und  der 
Magistrat  von  Hartberg,  dass  Leopold,  herzoglicher  Capellan 
und  Pfarrer  zu  Göss,  nebsl  noch  Anderem  ein  ewiges  Lieht 
am  Katharinenaltar  der  Stadtpfarrkirche  gestiftet  habe  *). 

Die  liall/.eil  des  golhisehen  Mitteillaues,  der  aus  dem- 
selben Muschelkalke*)  wie  der  Karner  hergestellt  ist,  glau- 
ben wir  in  das  XV.  Jahrhundert  verlegen  zu  müssen. 

Die  verwüstenden  Einfälle  derUngarn  unter  Albrechl  I. 
viin  Habsburg  mögen  schon  an  den  Bestand  der  I  199  erbau- 
ten Kirche  gerüttelt  haben.  Im  XIV.  Jahrhunderte  litt  Hart- 
berg se  arg,  dass  man  in  diese  Zeil  die  Umgel g  der  Stadt 

mit  Mauern  setz!  ■'■). 


M  Vergl.  das  Aprilhefl  der  Mittheilungen  s.  :;:;,  Anm.  1. 

*)  Muchar  and  nach  ihm  der  ebenfalls  schon  verstorbene  Joseph  Herzog  in 

seiner  „Kurzgefassten  Geographie   des  Herzogthums  Steiermark,"  Gratz 

l^:ii,  schrieben  Rilschlich  „Karcner". 
3)  Dr,   Macher*s    „Geschichte   ron    Hartberg."  Steiermfirkische    Zeitschrift. 

Neue  Folge,  VI   Jahrg.,  I.  U.U.  S.  36. 
i)  Dies  isl  »-in  weisser,   wri.-li.-i,  dm  Kintlüssen  der  Wiücriini;  trotzender 

Stein, I  brich!  sowohl  in  Hartberg  selbst,  wie  in  der  ganzen  Umgegend. 

■I  Di    Macher  >.  :.   0.  S.  35 


eriums  liir  Handel,  Gewerbe  «ml  öffentliche  Bauten  in  Wien. 

13:50  (latein.  Urkunde  ddto.  St.  Johannistag)  nah  der 
La  ml  tvs  fürst  der  treuen  Stadt  Hartberg,  um  ihrer  Dürftigkeit 
abzuhelfen,  die  Freiheil,  in  seinen  Landen  ungehindert  und 
ohne  Mauth  mit  ihren  Waaren  Handel  zu  treiben1).  Die 
Kriegswehen  und  die  häufigen  Einfälle  der  Ungarn  in  der 
ersten  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  machten  jedoch  die  Be- 
mühungen dieses  Regenten,  >\^n  gesunkenen  Wohlstand  zu 
liehen,  zu  vergeblichen.  Rudolph  der  Sinnreiche  schrieb 
bedeutende  Abgaben  aus.  die  Unzufriedenheit  des  Volkes 
nahm  zu;  unter  Leopold  den  Biederben  (auch  den  Frommen), 
der  sich  oft  ausser  dem  Lande  aufhalten  iniisste.  griffen  die 
Raubritter  in  den  steiermärkischen  Landen  um  sich,  trat 
Hungersnoth  ein.  und  hielt  die  Pest  ihre  reiche  Ernte. 
1382  zeigte  sieh  diese  Krankheit  in  der  Gegend  um  Hart- 
berg und  raffte  wahrscheinlich  in  der  Stadt  seihst  viele 
Menschen  hinweg.  1392  zogen  die  Steiermärker  unter  Wil- 
helm Grafen  von  Cilli,  1396  unter  Herzog  Wilhelm  dem  Ehrgei- 
zigen selbst  den  von  den  Türken  bedrängten  Ungarn 
zu  Hilfe. 

Unter  Ernst  dem  Eisernen  gestalteten  sich  die  Ver- 
hältnisse etwas  besser,  der  erste  Einfall  der  Türken  erstreckte 
sich  nicht  bis  in  diese  (legend.  Überhaupt  nahm  Hartberg 
in  der  ersten  Hüllte  des  XV.  Jahrhunderts  fortwährend  an 
Wohlstand  zu;  und  in  diese  Zeit  setzen  wir  die  Erbauung 
des  initiieren  gothischen  Theiles  der  Stadtpfarrkirche. 
1431»  brannte  die  ganze  Stadt  ah-).  Bei  diesem  Brande 
wurde  jedenfalls  auch  die  Kirche  arg  mitgenommen  und  man 
musste  zu  einem  Neubaue  schreiten:  auch  der  Styl  der 
Kirche  selbst  zeigt  uns.  dass  seihe  in  die  Yerfallzeit  guthi- 
scher  Bauten  gehöre.  Auch  die  Stiftungen  in  der  Sladt|ifarr- 
kirche  «eisen  auf  diese  Bauzeit  hin:  wir  linden  nämlich 
solche  Stiftungen  in  den  Jahren  1313,  1358,  1360,  1368, 
1406,  1412,  1417  und  dann  erst  wieder  144«.  14S0,  1452 
ii.  s.  f.  verzeichnet»). 

Sil  wohlhabend,  als  wir  Hartberg  in  der  ersten  Hälfte 
dieses  Jahrhunderts  sehen  ,  so  schnell  brachten  die  sieben- 
ziger  Jahre  tU>n  Wohlstand  wieder  herunter.  In  diesen 
Jahren,    in    welchen    die    Steiermark   durch    Heuschrecken, 

Hunger.  Seuchen.  Ungar id  Salzburger  zu  leiden  halte. 

verarmte  obige  Stadt  so  -ehr.  das-  sie  verödete;  daher 
gab  Kaiser  Friedrich  1478  der  Stadl  das  Privilegium 
(ddto.  Graz  am  Pauli  Bekehrungstage),  dass  Jedermann, 
der  die  verödeten  Häuser  wieder  aufbauen  wolle,  dazu 
berechtig!   sein,   und    von    .Niemanden   darum   angefochten 


i)  Dr.  Macher  a.  n.  0.  S.  :!.:. 

>)  Dcsshalb  verlieh  Herzog  Friedrich  an-  Jüngere  (ddto.  Greiz,  Mittwoch 
vor  si.  Margarethentag)  den  Hartborgern,  ehe  er  nach  PalSstina  abreiste, 
einen  Jahrmarkl  auf  den  Kollmannstag.  Dr.  Macher  a.  a.  0.  S.  38. 

<l  Dr.  Macher  a.  :.  0,  S.  36   37,  10,  02  1  63, 


70 


werden  soll1).  1487  belagerten  die  Ungarn  unter  Wilhelm 
Peinkirchner  diese  Stadt  längere  Zeit,  ohne  sie  jedoch  ein- 
zunehmen. 1812  wurde  der  grösste  Theil  der  Stadt  aber- 
mals durch  eine  Feuersbrunst  zerstört,  daher  Kaiser  Maxi- 
milian (ddto. Erhartstag  1512)  erlaubte,  zur  Fastenzeit  einen 
Jahrmarkt  zu  halten,  und  durch  0  Jahre  auf  einen  Theil  der 
ihn  gebührenden  Abgaben  verzichtete,  unter  der  Bedingung, 
diesen  Nachsichtsbeitrag  auf  die  Erbauung  der  Häuser  zu 
verwenden.  1516  (ddto.  Mittwoch  vor  St.  Veit)  wurde 
dieser  Nachlass  auf  weitere  zwei  Jahre  ausgedehnt2).  1529 
machten  die  Türken  ihre  ersten  Einfalle  in  diese  Gegend, 
gelangten  aber  erst  1532  bis  vor  Hartberg;  nachdem  sie  am 
7.  September  zu  Reitenau  gelagert,  zogen  sie  gegen  die 
Stadt  Fardfondar  (vermuthlich  Hartberg),  legten  an  die 
Thüre  der  Kirche,  in  welche  sich  die  Einwohner  flüchteten, 
Feuer  und  verbrannten  sie  sammt  deren  Familien.  Am 
9.  September  waren  die  Türken  schon  in  der  Nähe  des 
Schlosses  Mayrbofen  an  der  Feistritz,  und  zogen  dann  über 
Gleisdorf  nach  Gratz.  Im  Rückzuge  der  Türken  scheint 
Hartberg  verschont  geblieben  zu  sein.  1592  erlitt  die 
Stadt  eine  abermalige  Feuersbrunst,  das  Feuer  brach 
im  Pfarrhofe  aus,  und  es  brannten  der  pfarrliche  Meier- 
hof, 2  Stadtthürme,  der  Pulverthurm  und  30  Privat- 
häuser ab3). 

Wenn  wir,  wofür  die  Wahrscheinlichkeit  spricht, 
Fardfondar  als  die  Stadt  Hartberg  betrachten  dürfen,  so 
hat  die  Kirche  abermals  Schaden  genommen:  an  eine  Re- 
stauration war  in  diesen  trüben  Zeiten  nicht  zu  denken, 
ebenso  wenig  war  ein  Zubau  thunlich.  aber  auch  wegen  der 
geringen  Einwohnerzahl  nicht  nöthig. 

Obwohl  Hartberg  im  ersten  Jahrzehend  des  XVII.  Jahr- 
hunderts in  beständiger  Gefahr  wegen  Einfällen  der  Ungarn 
schwebte,  scheint  sich  diese  unglückliche  Stadt  doch  noch 
von  den  Schlägen  vergangener  Zeiten  in  etwas  erholt  zu 
haben.  1619  scheint  Hand  an  die  Kirche  gelegt  worden  zu 
sein,  da  am  13.  November  d.  J.  eine  neue  von  Christoph 
Tubler  in  Gratz  gegossene  Glocke  auf  den  Stadtpfarrthurm 
gezogen  wurde*). 

Die  nun  folgenden  traurigen  Jahrzehende  unterbrachen 
mehr  oder  weniger  jede  gemeinnützige  Arbeit.  1621 
schwebte  Hartberg  in  Gefahr  von  den  Ungarn  überrumpelt 
zu  werden;  nun  folgten  sich  Einquartierungen  (1621  italie- 
nische, 1672  spanische,  1683  einheimische  Truppen),  ausser- 
ordentliche Steuern  und  Zwangsanleihen.  Nachdem  die 
Pest  schon  über  50  Jahre  in  der  Umgegend  gewüthet,  brach 
sie  1679  in  Hartberg  selbst  aus.  Aus  diesen  Zeiten  ist  für 
uns  bemerkenswerth ,  dass  1662  die  grosse  Glocke  über- 
gössen und  um  48  Ctr.  60  Pf.  schwerer  gemacht  wurde. 


(Wegen  zu  wenig  zugesetzten  Metall  kam  1671  derGloeken- 
giesser  in  Process  ')• 

Von  Feinden  blieb  die  Stadt  nunmehr  verschont;  1683 
rettete  sie  der  Geschichtschreiber  Valvasor  vor  den  Türken 
und  den  ungarischen  Rebellen;  1704  wagten  sich  letztere 
nur  bis  an  die  Grat/.er  Vorstadt  von  Hartberg. 

Viseber  bat  uns  das  Bild  der  Pfarrkirche  aus  diesem 
Jahrhundert  aufbewahrt *).  In  dieser  Gestalt  blieb  sie  ver- 
muthlich  bis  zum  Brande  am  7.  März  1715.  wo  sie  jedenfalls 
bedeutend  gelitten  hat:  es  winde  nämlich  nicht  nur  die 
Stadt  bis  auf  13  Häuser  ein  Raub  der  Flammen,  sondern  es 
brannten  selbst  Stadtthürme  und  der  neben  der  Kirche  ste- 
hende Uhrthurm  ab.  Der  Brand  war  so  gross,  dass  noch 
bis  heutigen  Tages  ein  Bittgang  um  Abwendung  eines  ähn- 
lichen Unglückes  abgehallen  wird2). 

In  Folge  dieses  Brandes  trug  der  damalige  Schutzherr 
der  Stadt,  Joseph  Karl  Reichsgraf  von  Paar,  Erbland-Post- 
meister, Ritter  des  goldenen  Vlieses  etc..  den  Bürgern  auf 
(ddto.  Wien  den  10.  April  1715).  die  neuen  Gebäude  mit 
Ziegeln  zu  decken  und  die  feuergefährlichen  Okonomiege- 
bäude  ausserhalb  der  Stadt  zu  errichten;  auch  verprach  er 
selbst  zu  kommen  und  den  Schaden  tragen  zu  helfen*). 
Unter  diesen  Verhältnissen  bekam  die  Stadt  ein  ganz  anderes 

Ausseben:  und  es  war  den  Bürgern  wohl  darum  zu  tl ihr 

Gotteshaus  in  den  entsprechenden  Stand  zu  stellen:  und 
bald  machte  die  anwachsende  Bevölkerung  auch  eine  Ver- 
größerung der  Kirche  nothwendig. 

Nachdem  1751  der  Calvarienberg  erbaut  war,  wurde 
1756  ein  Zubau  zur  Kirche  bewerkstelligt  Bei  diesem  Baue 
cassirte  man  den  Kircbtburin  und  umstaltete  den  Uhr-  oder 
Stadthurm5)  zu  diesem  Zwecke.  Das  Mateiiale  dieses 
Thurmes  sind  Ziegeln,  mit  den  oberwähnten  Muschelkalkstein 
verkleidet. 

DieserThurm  bietet  darum  so  viel  Interesse 
d a r,  w  eil  e  r  f  ü  r  d  e  n  sc  h  ö  n  s  t  e  n  d  e s  g a  uzen  L  a  n  d  e  s 
gehalten  wird6).  (Der  Thurm  der  Stadtpfarre  zum  beil. 


1)  Dr.  Macher  a.  a.  0.  S.  39. 

2)  Dr.  Macher  a.  a.  O.  S.  41  und  4'i. 
')  Dr.  Macher  a.  a.  0.  S.  48. 

4)  Dr.  Macher  a.  a.  O.  S.  02  und  63. 


')  Dr.  Macher  a.  a.  O.  S.  (Vi  und  63. 

2)  <;.  M.  Vischer's  „Topographie  Ducatus Slyriae."  ICSI. 

3)  Dr.  Macher  a.  a    (l.  S    D'.l. 
4|  Dr.  Machera.  a.  O.  S.  69. 

M  Dieser  Thurm  soll  früher  freigestanden  haben  und  bei  einer  Belagerung 
oder  bei  Annäherung  des  Feindes  mit  1  Route,  d.  i.  mit  10—15  Mann  zur 
Beobachtung  der  feindlichen  Schaaren  besetzt  norden  sein.  Ein  unter- 
irdischer Gang  führte  vormals  in  südöstlicher  Richtung  ins  Freie. 

"t  Unter  vielen  Quellen  führen  wir  an:  Handbuch  des  geographischen  Wis- 
sens von  Cannabich,   Liltrow,  s<nn r,  Wi er  und  Zeune.   Güns  1834, 

I.  Band,  S.  202.  —  .1.  Herzog's  kurzgefasste  Geographie  des  Herxogthuma 
Steiermark.  Graz  1854,  S.  47.  —  A.  .1.  Caesar  in  seinen  „Annales,  Duca- 
tus Styriae,"  Graecii  1773,  sagl  Tom.  I.  fol.  .-vi:;:  „Eccleaia  vetua  paro- 
chialis  insigniter  refeeta,  ac  turri  elegantissima  Ornate  est,  ex  baeradi- 
tate  praeeipue  defuneti  an.  1158.  Decani  el  Parochi  Hartbergeusis." 
Hier  liegt  offenbar  ein  Druckfehler  ror,  da  es  auf  derselben  Seite  weiter 
oben  heissi :  „Der  Hartherger  Kirchensprengel  wurde  jedenfalls  schon  im 
XII.  Jahrhundert  hergestellt,  da   1187   ein  Pfarrer  Ulrich   vorkömmt.  — 

Es  liegei s  zu  wenig  Daten  vor,  um   diese  3ahrahl   zu  berichtigen 

i  Dr.  Macher,  derCaesar  auch  benützte,  übergehl  diese  Stelle  gani  i.  jeden- 
falls aber  dürfte  sie  wenigstens  um  500  Jahre  zu  nieder  sein. 


—   180 


Blut  in  der  Herrngasse  in  Grata  ist  nacli  dem  Hartberger 
Thnrrae  gebaut.) 

Durch  die  Cassirung  des  allen  Kirchturmes  und  des 
daran  anstossenden  kleinen  Vorbaues,  und  der  Instandsetzung 
des  Uhrthurmes  verlor  die  Kirche  ihren  Haupteingang,  weil 
die  Bauart  und  Beschaffenheit  des  Thurmes  die  Herstellung 
eines  entsprechenden  Einganges  nicht  räthlich  machte. 

1838  wurde  die  Kirche  renovirt,  wobei  jedoch  der 
Baustyl  keine  Änderung  erlitt1). 

Ehemals  umgab  der  Friedhof  die  Pfarrkirche,  seit  1782 
ist  er  jedoch  ausser  die  Stadt  verlegt. 

Die  jetzige  Ansicht  der  Stadtpfarrkirche  zeigt  uns  das 
Titelblatt  der  „Steiermärkischen  Zeitschrift",  neue  Folge, 
VI.  Jahrg..  1.  Heft.  Grat/.  1840. 

Die  Anregung  zu  einem  Klosterhau  geschah  schon 
1609.  Der  Magistrat  Hartberg  war  nämlich  Vogt  über  die 
Beneficien  am  Karner  und  am  Wallfahrtsorte  Maria  am 
Lebern.  1375  ersuchte  er  den  Erzbischof  von  Salzburg,  den 
Herrn  Stadtpfarrer  Waidaeher  als  Beneficianten  daselbst  zu 
confirmiren,  was  auch  geschah,  wogegen  der  Stadtpfarrer 
einen  Revers  ausstellte,  den  Willen  der  Stifter  zu  erfüllen. 
Sein  vierter  Nachfolger  jedoch,  Elias  Ilenrici.  Ferdinande 
Hofcaplan,  weigerte  sich  das  Lehen  vom  Magistrate  zu 
nehmen,  und  stellte  nicht  nur  keinen  Revers  aus.  sondern 
begegnete  der  magistratlichen  Deputation  auch  äusserst  grob. 
Richter  und  Rath  übergaben  daher  am  1.  October  1609  die 
Vogteiherrschaft  dem  damaligen  Pfandinhaber  von  Hartberg, 
Freiherrn  Rudolph  von  Paar  gegen  die  Verpflichtung,  ..ein 
Kloster  zu  bauen  aus  eignem Säekel,  was  Ordens  Ihro  Gnaden 
gefällig"2),  welche  Verbindlichkeit  er  aber  nicht  erfüllte. 

Wegen  vielen  rückständigen  Steuern  wurde  Hartberg 
unter  dem  Eigenthümer  Julius  Freiherrn  von  Paar  von  den 
Landständen  durch  den  Landmarschall  Wolf  Rudolph  Grafen 
\.  Saurau  1644  u.  f.  sequestrirt  1654  erhaute  dieser  Graf 
das  Kapuzinerkloster;  er  übergab  am  22.  August  dem  Ma- 
gistrat 150  IL,  von  deren  Interessen  der  Stadtpfarrer  wegen 
des  Treid-Zehends  vom  Acker  vor  dem  Gratzer  Thor,  auf 

welchem  das  Kloster  erhallt  Worden,  entschädigt  werden  soll. 
Im  Jahre  178.')  wurde  das  Kloster  aufgehoben  .  die  Bürger 
baten  um  Belassung  desselben,  wurden  jedoch  abgewiesen. 
Später  wurde  es  wieder  zahlreich  besetzt;  1840  war  aber 
nur  1  Priester  neben  dem  Quardian*). 

Das  Kloster  tritt  uns  wie  fast  alle  Kapuzinerklöster  mit 
einer  anspruchslosen  Einfachheit  entgegen.  Die  Einwölbung 
der  Kirche  besteh!  in  einem  Tonnengewölbe,  welches  durch 
mehrere  kleine  Schilder  unterbrochen  ist.  Der  Anlauf  des- 
selben ist  nur  mittels!  einer  kleinen  wenig  vorspringenden 
Platte'  von  den  Pfeilern  getrennt. 

l'm  das  Gesammtbild  der  kirchlichen  Gebäude  zu  ver- 
rollständigen, erwähnen  wir  noch  eines  in  Hartberg  befind- 


lichen thiirinartigeu  l'apellchens,  welches  der  Tradition  nach 
einst  ein  Judentempel,  den  Protestanten  zum  Gotteshause 
gedient  haben  mag.  Der  plumpe  Bau,  nach  Dr.  Macher1) 
altgothisch  (?).  ähnlich  dem  derKirchengebäude  im  IX.  und 
\.  Jahrhunderte*),  lässt  auf  ein  hohes  Alter  schliessen.  Ob 
dieses  Capelichen  wirklieh  eine  Synagoge  der  .luden  (die  erst 
1 496  gänzlich  aus  Steiermark  vertrieben  wurden  )  war.  konnte 
Dr.  Macher  nicht  ermitteln,  da  keine  Denkmale  oder  Schriften 
eine  Spur  geben ,  dass  in  Hartberg  jemals  .luden  gewohnt 
haben  sollen. 

Kin  Blick  auf  die  Kircheiigeschichte  von  llarlberg 
belehrt  uns,  dass  schon  vor  dem  Karner  und  der  Pfarrkirche 
ein,  gottesdienstlichen  Handlungen  gewidmetes  Gebäude 
bestanden  haben  inuss. 

798  wurde  die  Hartberger  Gegend  der  geistlichen  Ge- 
richtsbarkeit des  Erzbischofs  Arno  von  Salzburg  unterzogen, 
welcher  vormuthlich  auch  hier  die  Zehenten  einführte. 
1157  kommt  ein  gewisser  Echinger  als  Pfarrer  vor3).  1170 
ertheilte  derErzbischof  von  Salzburg  als  Besitzer  desZehentes 
um  Hartberg,  dem  Probste  Leopold  zu  Voran  den  Drittel- 
zehenl  in  den  Pfarren  Hartberg,  Waltersdorf  und 
Feistritz.  Auch  werden  Pfarrer  (plebani)  in  diesen  Orten 
erwähnt4).  1187  wird  eines  Udalricus,  Pfarrers  (plebani) 
von  St.  Martin  in  Hartberg  Erwähnung  gethan,  welcher  mit 
seinem  Bruder  Reinbert.  Pfarrer  zu  St.  Martin  von  Leibnitz. 
dem  Stifte  Admont  die  Plärre  Liestnich  in  St.  Micbaelen 
schenkt  5).  1194  nahm  bekanntlich  der  Hartberger  Pfarrer 
den  Bann  von  Leopold  dem  Tugendhaften;  diess  war  wahr- 
scheinlich der  1187  angeführte  Pfarrer  Ulrich,  da  1201 
wieder  ein  Ulrich  als  Pfarrer  erscheint. 

Es  kommen  sohin  vor  der  Erbauung  der  obbemerkten 
Gotteshäuser  schon  Plärrer  vor:  folglich  muss  auch  eine 
Kirche  bestanden  haben.  Wir  glauben  in  dieser  ersten  Kirche 
einen  heidnischen  Tempel  sehen  zu  sollen. 

Dass  Römer  in  dieser  Gegend  gehauset  haben,  beweisen 
die  aufgefundenen  Münzen  6),  plastische  und  andere  Denk- 
male 7).  und  ganze  Gruppen  von  Grabhügeln  (luinuli),  die 
Dr.  Macher  im  Jahre  1847  öffnen  Hess  s):  und  zwar  dürfte 


'  i  In-.  Machei  >.  a.  0   S.  7:s. 

1 1  Dl .  Hachei  ■   a.  0  S.  SO 

')  Kr.  Macher  a.  a.  O.  s.  64  and  66. 


i  i  Geschichte  der  Stadl  Hirtberg.  Steierm.  Zeitschrift,  Nene  Folge,  VI.  Jahr- 
gang, I.  Heft,  S.  4!i. 

i  Da  wir  'li,-  hier  berührte  Capelle  nicht  seihst  gesehen,  so  müssen  wir  uns 
begnügen,  aur  auf  sii<  aufmerksam  an  machen,  um  vielleicht  einen  un- 
serer Leser  tu  reranlassen,  dieselbe  einer  nähern  Würdigung  in  unter- 

tiel Wir  können  die  Bi kung  nicht  unterdrücken,  dass  die  Angaben 

des  Baustyls  und  der  Bauieil  sich  geradezu  widersprechen. 

'•\  Steiermirkische  Zeitschrift.  Neue  Folge,  vi.  Jahrgang,  I.  Heft,  8,  :12. 

'i  Annales  Ducatoa  Btyriae  de  \.  I.  Caesar.  Tome  I.  fol.  696. 

■I  Ibidem,  fol.  729  .-i  8SS. 

"1  .1.  A.Caesar,  Steiermfirkische  Geschichte,  3,  Bd.  -   Mittheilungen   ii 
historiscVen  Vereines  Rii  Steiermark,  VI.  lieft,  S.  11. 
1  Siehe  Cazius,  Griter,  Kindermann.  —  Huchar'a  Geschichte  iron  Steier- 
mark, I.  Bd.,  s  3S0  ;  III.  Bd.,  S.  S96.  —  Steiermirkische  Zeitschi  ift.  Neue 
Folge,  I.  Jahrg  .  -  Heft.S.lZS        Mittheilungen  des  historischen  Vereins 
füi  Steiermark    11.  Heft,  B.  69  u.  II\.  8.  128 1  126, 

9)  MuchiVs  Geschichte  ron  Steiermark,  V,  s.  (86.  -  Mittheilungen  des 
histoi  ischen  \  ereins  i"i  Steiermark,  II.  Heft,  S.  107  11.  II'. 


—    !81    — 


die  Herrsehaft  der  Römer  in  dcv  Hartberger  Gegend  in  den 
Jahren  34  bis  29  v.  Chr.  begonnen  haben. 

Die  Völkerzüge  im  V.  Jahrhundert  zerstörten  nieder 
alle  gewonnene  Kunst  und  Cultur.  Das  VII.  Jahrhundert 
brachte  die  Avaren ,  deren  Herrschaft  der  siegende  und 
taufende  Karl  erst  im  Jahre  791  ein  Ende  machte.  7  Jahre 
spater  (798)  linden  wir  schon,  wie  oben  bemerkt,  die  Hart- 
berger Gegend  der  geistlichen  Gerichtsbarkeil  untergeordnet. 
Unter  Karl  dem  Dicken  verheerte  Grantibold  diese  Gränz- 
gegend,  was  dann  die  vom  Kaiser  Arnulph gegen  Grantibold 
zu  Hilfe  gerufenen  Ungarn  unter  Ludwig  dem  Kinde  fort- 
setzten. Ob  die  Magyaren  diese  Gegend  schon  nach  der 
Sehlacht  am  Lech  (955)  oder  erst  nach  der  Niederlage  im 
Jahre  1053  räumten,  ist  nicht  ermittelt. 

Diese  dem  Aufblühen  der  Cultur  nicht  geneigten  Zu- 
stünde machen  es  sehr  wahrscheinlich  ,  dass  kein  Kirchen- 


bau vorgenommen  wurde,  und  dass  man  in  den  kurzen  Zeit- 
abschnitten, die  einen  ungestörten  Gottesdienst  zuliessen, 
einen  vorhandenen  Heidentempel  ')  benutzte. 

Eben  so  spricht  für  diese  Meinung  der  Glaube  der 
ersten  Christen;  man  nahm  nämlich  die  Worte  Johannis  in 
seiner  Offenbarung  -),  wo  er  von  einer  ersten  Auferstehung 
nach  100U  Jahren  spricht,  wörtlich,  und  hoffte  mit  Beginn 
des  XI.  Jahrhunderts  auf  die  Wiederkunft  Jesu  Christi. 
Diess  war  auch  eine  Hauptursache ,  warum  für  bestehende 
christliche  oder  christianisirte  Kirchenbauten  nichts  geschah, 
noch  weniger  aber  ein  neuer  Bau  in  Angriff  genommen  «  urde. 

Die  Kirchenbauten  in  der  Nähe  ron  Hartberg  datiren 
daher  alle  aus  dem  XU.  Jahrhunderte  (  Dechantskirchen  1161, 
Vorau  1163),  darum  entstand  der  Karner  erst  im  MI.  Jahr- 
hunderte, und  darum  gewinnt  die  Sage  an  Glauben,  dass  die 
Pfarrkirche  erst  1199  gebaut  winde. 


Über  die  Baudenkmale  des  Krakauer  Verwaltungsgebietes. 

(Nach  einem  Berichte  des  k.  k.  Landesbaudirectors  Dr.    Schenkel   in  Knikau.) 


Obwohl  Galizien  gerade  in  der  interessanten  Periode  Ein  Prachtbau  ist  die  Marienkirche  mit  ihrer  ;iu-~.  - 

eines  reineren  und  bestimmteren  Baustyles  dem  ehemaligen      reu  edlen  Form  und  den  vielen  Kunstdenkmalen  im  Innern, 

unter  welchen  als  bedeutendstes  Werk  der  geschnitzte 
Hochaltar  von  Veit  Stoss  hervortritt.  Die  Kirche  ist  wohl- 
gebietes  Krakau  wenig  zu  finden,  das  Vorhandene  von  dem  erhalten,  hat  wenig  gelitten,  und  verspricht  noch  in  ihrem 
Zahne  der  Zeit  hart  angegriffen,  nothdüii'lig  oder  gar  nicht  gegenwärtigen  Stande  lange  Dauer.  Das  Kunstwerk  des  Veit 
erhalten,   oder    wohl   gar  durch  unkünstlerischen  Einfluss      Stoss   ist   bereits    einiger  Verbesserung   bedürftig   und    es 


Königreiche  Polen  angehörte,  so  ist  doch  leider  von  monu- 
mentalen Bauwerken  in  den  sechs  Kreisen  des  Regierungs- 


entstellt. 

Hier  hat  durchaus  mehr  das  Gebot  der  Nothwehdig- 
keit  als  der  Kunstsinn  gewaltet  und  oft  schonungslos  ver- 
nichtet, was  später  Interesse  geboten  hätte. 

Dagegen  ist  Krakau  selbst  reich  an  Werken  der  Bau- 
kunst und  kann  für  den  Archäologen  eine  wahre  Fundgrube 
interessanter  Forschungen  sein,  die  zwar  der  grosse  Brand  im 
Jahre   1850  sehr  beeinträchtigte,    wovon  aber  doch  so  viel 


wäre  zu  wünschen,  dass  diese  nur  unter  wahrhaft  künst- 
lerischem Einflüsse  stattlande. 

Die  ehemalige  freistädtische  Baubehörde  nahm  auf  die 
vorbenannten  Bauten  wie  auf  alle  übrigen  Kirchen  gebüh- 
renden Einfluss,  während  des  Bestandes  der  gegenwärtigen 
k.  k.  Baudirection  ist  nichts  vorgekommen. 

Die  Kai  hedralkirche  am  ehemaligen  königl. Schlosse 
ist  gleicherweise  noch  in  gutem  Zustande  und  birgt  in  sieh 
übrig  blieb,  um  Bände  mit  merkwürdigen  Daten  füllen  zu       wahrhafte  Schätze  alter  Kunst.   Aul'  sie,  so  wie  auf  das   an 


können.    Selbst  Hui 


neu. 


die    leider 


•h 


zu  grosser      sich  merkwürdige  Schlossgebäude  nimmt  gegenwärtig  die 


Anzahl  dastehen  und  wegen  Mangel  an  Fond  noch  länger  Civil-Baubehörde  keinen  Einfluss.  Letzteres  ist  durch  seine 
der  Stadt  ein  unheimliches  Bild  geben  dürften,  bieten  Gele-  militärische  Bestimmung  und  Wichtigkeit  der  Kunstpflege 
genheit,  Studien  zu  machen.  entrückt;  doch  selbst  in  dem  nach  neuerer  Kriegskunst  for- 

Was  bis  jetzt  an  Privatgebäuden  restaurirt  worden,  hat     tificirten  Werkgürte]  ist  es  noch  ein  imposantes  und  wohl- 
zum  grösseren  Theile  die  eigenthümliche  Form  der  früheren      erhaltenes  Gebäude. 
charaktervollen  Bauweise  verloren. 

Das  flache  Land  bietet  fast  nichts,    was  der  Erwäh- 
nung werth  wäre. 

In  Krakau  sind  es  vorzüglich  die  Kirchen,  die  in  ihrer 


besonderen  Bauweise  den  Forscher  anziehen,  in  ihnen  ist 
besonders  der  abendländische  Cultus  zu  erkennen,  mit  sehr 
geringem  Einflüsse  des  Ostens.  Vorherrschend  ist  der  gothi- 
sche  Styl,  hie  und  da  tritt  der  romanische  auf.  die  grösste 
Zahl  hat  der  Renaissancestyl  für  sich. 


Dessgleichen  befinden  sieh  die  übrigen  Kirchen  von 
minderem  Kunslu  eithe  in  gutem  Stande,  bis  auf  die  Domini- 
caner-, Dreifaltigkeits-,  Franciscaner-  und  St.  Franciscus- 
Kirche,    «reiche 

Flammen  wurden. 


Kirche,    «reiche    bei    dem   grossen  Brande    ein   Rauh   der 


')  Uns  oberwähnte  thurroarlige  Capelichen  müssen  wir  ausser  unserer  Be- 
trachtung lassen,  da,  wie  schon  bemerkt,  die  Angaben  nicht  glaubwürdig 
scheinen. 

'-')  XX.  Cnpitel,  Vers  '■!  bis  T. 


[82   — 


Letztere  beiden  Kirchen  befinden  sieh  in  Restauration, 
zwar  nichi  unter  Anleitung  der  Baubehörden,  jedoch  unter 
zweckmässiger  Beaufsichtigung  der  letzeren. 

Bei  der  Franciscuskirche  wurde  seit  dem  Brande 
im  Jahre  1851  ein  neues  Dach  aufgesetzt,  im  Jahre  1852  die 
Wölbung  im  correspondirendengothischen  Style  erneuert,  das 
Innen'  verputzt,  die  störendenAnbauten  wurden  entfernt,  die 
Fenster  mit  schönem  steinernen  Masswerke  verziert .  mit 
gefSrbtem  Glase  mosaikartig  versehen ;  «Ins  Hauptthor  ward 
in  der  westlichen  Fronte  dem  Hochaltare  gegenüber  ausge- 
brochen, dem  ganzen  Bau  entsprechend  verziert,  und  der 
Fussboden   neu  gepflastert. 

Das  Presbyterium  behielt  ganz  seinen  schönen  gothi- 
schen  Styl,  der  barocke  Styl  des  Schiffes  wurde  bei  der 
Restauration  so  viel  wie  möglich  beseitigt,  und  musste  dem 
romanischen  Style  weichen,  wodurch  zwar  keine  vollkom- 
mene Übereinstimmung,  doch  ein  besseres  Ansehen  gewon- 
nen wurde. 

Die  Kosten  der  Wiederherstellung  des  Gotteshauses 
wurden  durch  Sammlungen  bedeckt,  und  die  Kirche  ihrer 
Bestimmung  wieder  übergeben. 

Leider  ist  die  Hauptfronte  noch  Ruine,  und  die  Kirche 
selbst  von  Ruinen  umgeben. 

Bei  der  Dreifaltigkeitskirche  ist  die  Restauration 
noch  nichl  so  weit  vorgeschritten,  denn  noch  fehlt  die  gänz- 
lielie  Anfertigung  des  Daches,  noch  die  Wiederherstellung 
des  eingestürzten  Gewölbes  im  Schiffe,  bloss  die  geborstenen 
Pfeiler  wurden  in  kühner  Weise  unterfangen,  und  im  Pres- 
byterium die  Fenster  erneuert.  Von  aussen  wurden  einige 
Giebel  in  entsprechender  Form  aufgeführt. 

Eine  Zierde  dieser  Kirche  wird  das  Glasgemälde 
llülmer's  aus  Dresden  sein,  welches  frommer  Sinn  einem 
Fenster  der  Kirche  spendete. 

Die  Restaurations-Arbeiten  bei  beiden  Kirchen  gesche- 
hen unter  der  freiwilligen  Leitung  der  Herren  Doctoren 
Kremer  und  Zebrawski. 

An  der  Katharinenkirche  am  Kasimir,  auch  einer 
sehr  schönen,  im  edlen  Style  des  Mittelalters  erbauten  Kirche, 
wurden  auf  Grund  von  Sammlungen  Restaurationen  vor- 
genommen, die  jedoch  noch  nicht  ganz  durchgeführt  sind. 

Das  einzige  Gebäude  von  eigentlichem  monumentalen 
Werthe,  auf  dessen  Bau  die  Baubehörde  gegenwärtig  Ein- 
fluss  nimmt,  ist  das  sogenannte  C o  1 1  e g i u m  Jagelloni- 
f- ii in .  in  welchem  die  kostbare  jagelionische  Bibliothek 
untergebracht  ist. 

Dieses  Gebäude  wurde  zu  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts 
unter  dem  Könige  Wladislaus  Jagiello  zu  dem  sogenannten 
Collegium  museo  bestimmt.  Es  enthielt  Früher  Hörsäle  und 
Wobnungen  der  Professuren,  hatte  jedoch  ursprünglich 
nur  geringe  Ausdehnung,  und  wurde  erst  in  späterer  Zeil 
erweitert. 

Im  Jahre  1838  bewilligte  der  Landtag  des  gewesenen 
Freistaates  eine  namhafte  S le  in  Jahresraten,  mit  welcher 


das  mittlerweile  in  Verfall  gekommene  Gebäude  zweck- 
mässig wieder  hergestellt  werden  sollte. 

Ks  hatte  inzwischen  seine  ursprüngliche  Bestimmung 
verloren  und  war  zur  Bibliothek  geworden,  die  ebenerdigen 
unbeheizbaren  Gewölbe  waren  nunmehr  nichts  anderes  als 
Aufbewahrungsorte  für  Baumaterialien  und  Haus-Erfordernisse. 

Erhalten  blieb  bloss  die  Wohnung  des  heil.  Johannes 
Contianus,  die  beim  \olke  eine  hohe  Verehrung  geniesst,  und 
einer  Capelle  gleichgehalten  wird  ,  so  wie  mehrere  Woh- 
nungen  des  Universitäts-Baumeisters  und  der  Diener. 

Bei  der  Restauration  des  Gebäudes,  die  unter  der 
Leitung  des  damaligen  l'niv  orsitats-Jiauineisters  Kremer 
begann,  wurde  an  dein  interessanten  Style  des  Mittelalters 
erhalten  SO  \iol  wie  möglich,  und  es  entstanden  die  schönen 

Bibliotheks-Bäume  und  ein  Theil  der  äusseren  Ansicht  mit 
der  neuen  Kindockung. 

Gegenwärtig  ist  der  Gartenflügel  in  Hau,  womit  auch 
die  bereits  früher  begonnene  Restaurirung  des  viereckigen, 
von  Arcaden  eingeschlossenen  llofraumes  verbunden  ist. 
Dieser  Bau  wurde  im  Herbste  1853,  jedoch  nur  mit  geringer 
Leistung,  begonnen,  im  Jahre  1854  trotz  der  schwierig- 
sten Bauverhältnisse  mit  aller  Anstrengung  fortgesetzt,  ein- 
gedeckt, und  das  Dach  mit  Zink  verkleidet,  und  sollte  im 
Herbste  des  Jahres  1855  beendet  sein.  Dieser  Theil  wird 
noch  Bibliotheks-Räume,  Ubicationen  zur  Manipulation  und 
die  Wohnung  für  den  Bibliothekar  umfassen. 

Schon  früher  war  es  üblich,  die  bei  Privat-  und  öffent- 
lichen  Hauten   ausser   Verwendung   k Lenden    historisch 

oder  künstlerisch  merkwürdigen  Sculpturen,  um  sie  zu 
erhalten,  an  den  äusseren  von  dem  hervorragenden  Dache 
geschützten  Wänden  der  den  llofrauni  unigehenden  vier 
grossen  Mauern  anzubringen,  diese  löbliche  I  Innig  wird 
auch  jetzt  fortgesetzt,  und  wurde  namentlich  vor  einiger  Zeit 
ein  sehr  merkwürdiges  Basrelief,  nämlich  eine  Votiv-Tafel, 
betreffend  die  Gründung  der  Bursa  Jerusalem,  an  geeignetem 
in  die  Augen  fallendem  Orte  angebracht  und  mit  der  ent- 
sprechenden Steindecoration  umgeben. 

In  den  Gewölben  dieses  liehäildes  wird  eine  seltene 
Merkwürdigkeit,  das  steinerne  Götzenbild  des  Svantevit, 
gefunden  in  dein  Gränzflusse,  w  elcher  Russisch-Podolien  von 
Galizien  scheidet,  seit  dem  Jahre  1851  aufbewahrt.  Es  bat 
eine  Höhe  von  circa  8  Imiss.  und  ist  sehr  gut   erhalten. 

Erwähnt  muss  noch  der  am  Hauptplatze  gelegenen 
grossartigen  Tuch  halle  werden,  einem  sehr  altertüm- 
lichen, jedoch  durch  Flickwerk  sehr  entstellten  Gebäude, 
welches  in  nächster  Zeit  einer  Restauration  bedarf. 

Wie  verlautet,  will  sich  die  Stadt  Krakau  an  die  k.  k. 
Bau-Direction  wenden  und  den  Antrag  zur  Restauration 
ansprechen,  welchem  Wunsche  man  bereitwilligst  entgegen- 
kommen und  auf  das  Wiederaufleben  der  früheren  Gestaltung 

hinwirken  wird. 

Bei  dieser  Gelegenheil  glaube  ich  erwähnen  zu  sei- 
len .      dass     sich     zu     Krakau     ein     urchäolog  iseber     Verein 


—   183  — 

gebildet   hatte,    der    es    sich    zur    Aufgabe    stellte,    alle  Dieser  Verein,  durch  namhafte  Spenden  kunstliebender 

merkwürdigen    Denkmale   der   Sculptur  und    Baukunst    zu  Privaten  unterstützt,    hat    im  Jahre   1850    und   1851    nicht 

erforschen,     in    ihrer    Reinheit    zu    bewahren     und     vor  Unbedeutendes  geleistet,  erlahmte  jedoch,    nachdem  er  im 

dem  Untergange  zu   sichern,  womit  auch   verbunden   sein  Jahre  1 852  seinen  Vorstand  verlor,  der  der  jeweilige  Rector 

sollte,    das    Aufgefundene    zu   untersuchen     und    zu     he-  raagnificus  war,  welche  Würde  in  diesem  Jahre  aufgehoben 

schreiben.  und  durch  einen  Curator  ersetzt  wurde. 


Notizen. 


53.  (E i n e  A n s i c h t  des  D o g e n p a I a s t e s  zuVene- 
dig  aus  dem  XIV.  Jahrhundert.)  M.  de  Caumont's 
„Bulletin  monumental"  >)  entnehmen  wir,  dass  der  englische 
Gelehrte  Parker  in  einer  Nummer  des  „National  Miscellany" 
hei  Besprechung  verschiedener  Werke  des  M.  Ruskin  auch 
einige  Reflexionen  über  den  Dogenpalast  zu  Venedig  ange- 
stellt hat.  Parker  führt  nämlich  die  Behauptung  Ruskin's  an, 
dass  der  Dogenpalast  ein  grosses  unermessliches  Ganzes, 
das  Resultat  eines  originellen,  von  einem  einzigen  Künstler 
geschaffenen  Planes  und  zwar  nicht  allein  nach  dem  Plane 
und  den  Details,  sondern  auch  in  Bezug  auf  den  Styl  der 
Architectur  sei,  so  dass  alle  gothischen  Bauten  Venedigs, 
welche  dem  herzoglichen  Palaste  gleichen,  Copien  davon 
sind.  Dieser  Ansicht  trat  nun  Parker  entschieden  mit  der 
oachstehenden  Beweisführurg  entgegen.  Er  sagte : 

„Wir  haben    dieses  Monument   sorgfältig   an  Ort  und 
Stelle  studirt,  wir  haben  mit  der  grössten  Aufmerksamkeit 
den  Plan  geprüft,   welchen  M.  Ruskin  mit  einer  lobens- 
werten Sorgfalt  und  Genauigkeit  gegeben  hat  und  wir  haben 
aus  dieser  Prüfung  den  Schluss  gezogen,  dass  der  Dogen- 
palast keineswegs  das  Ergebniss  eines  einzigen  Planes,  einer 
und  derselben  Idee  ist,   dass  er  im  Gegentheile  zwei  ver- 
schiedene Bauperioden  repräsentirt,  von  denen  eine  mit  der 
andern   verbunden   ist.    und    die   sich   von   einander   doch 
wesentlich  unterscheiden.    Wir  gehen  es  gerne  zu,  dass  die 
beiden  grossen    über  einander   gestellten   Bogengänge   der 
ursprünglichen  Zeichnung  angehören  und  dass  sie.  obwohl 
in  einem  entfernten  Jahrhundert  erbaut,  als  zwei  Construe- 
tionen  eines  einzigen  Gedankens  betrachtet  »erden  können, 
mit  der  Bestimmung,  das  Gebäude  ahzuschliessen,  einerseits 
gegen  die  Meeresseite,  andererseits  gegen  den  Marcusplatz. 
Aber  der  ganze  Theil  des  Monumentes,  welcher  sich  ober- 
halb der  beiden  Bogengänge  erhebt,  gehört  sicherlich  einem 
anderen  Plane  an,  einer  anderen  Ideenordnung,  einer  anderen 
Epoche.    Es  ensteht  derselbe   in  einer  flachen  Mauer  ohne 
(Mauerband)  Gesimse  oder  Verzierung,  welche  deren  Kahl- 
heit aufhöhe.    Die  Fläche  dieser  Mauer  ist  mit  Marmortäfel- 
chen von  verschiedenen  Farbentönen  bedeckt .  deren  Farbe 
aber  im  Allgemeinen  analog  ist  mit  jener  der  Mauersteine. 
Diese  Täfelchen  sind  in  Rechtecken  geschnitten,    wie  die 


')  3.  Serie,  Tome  V  'l'l  Vol.  de  la  Collectiöo  Nr.   1'  p.  Gii. 


Mauersteine,  sie  sind  jedoch  ein  wenig  hervortretend,  und 
indem  sie  der  Architekt  auf  der  äusseren  Fläche  der  Mauer 
mit  einer  gewissen  Symmetrie  vertheilte.  wollte  er  augen- 
scheinlich seiner  Construction  das  Ansehen  einer  Mauer 
geben,  welche  verziert  oder  aus  Backsteinen  geschnitten 
ist.  Die  Offnungen  der  Fenster  haben  keine  Regelmässig- 
keit und  nur  den  Zweck,  den  Bedürfnissen  des  Inneren 
des  Palastes  zu  genügen.  M.  R  uski  n  betrachtet  diese  Eigen- 
tümlichkeit als  wichtig  und  bedeutend  und  hält  diese  Ein- 
theilung  für  ein  Verdienst.  Was  uns  betrifft,  legen  wir  nicht 
viel  Gewicht  darauf.  Wir  suchen  nicht  Einförmigkeit  in  den 
gothischen  Denkmalen,  es  erscheint  uns  daher  die  Abwesen- 
heit dieser  Einförmigkeit  keineswegs  als  ein  Verdienst. 
Sind  aber  diese  grossen  flachen  Mauern  ohne  Ausladui 
auch  ein  Verdienst?  Besteht  darin  der  gute  Styl  der  gothi- 
schen Kunst?  Findet  man  hier  den  Geist  des  XIV.  Jahrhun- 
derts? Wir  können  es  nicht  glauben.  Unserer  Meinung 
nach  hat  diese  Bauart  alle  Charaktere  des  XVI.  Jahrhundi 
und  scheint  uns  nur  inspirirt  von  der  entarteten  Kunst  die- 
ser Epoche." 

Wenn  wir  nun  diesem  Ausspruche  eine-  hervorragenden 
Kunstkritikers  auch  das  verdiente  Gewicht  beilegen,  so  scheint 
uns  doch  weit  wichtiger  die  eigentliche  Stütze  seiner  Behaup- 
tung. Er  fand  nämlich  in  einem  Manuscripte  der  Bibliothek 
zu  Oxford  (Ms.  261,  Bibl.  Boldleene)  einen  gegen  Ende  des 
14.  Jahrhunderts  gezeichneten  Plan,  welcher  das  Monument 
so  darstellt,  wie  es  in  dieser  Epoche  bestand.  M.  de  Caumont 
gelaugte  durch  Parker  in  den  Besitz  der  Platte,  und  (heilte 
daher  auch  den  Plan  in  seinem  Bulletin  monumental  mit.  Da 
nun  derselbe  für  uns  in  Österreich  von  speciellem  Inten 
ist,  reproduciren  wir  denselben  hier  möglichst  getreu 
(Fig.  1.  s.  nächste  S.),  da  er  nicht  allein  ein  sehr  bestimm- 
tes Bild  seiner  damaligen  Gestall  gibl  .  sondern  auch  ein 
sehr  merkwürdiges  Probestück  der  Zeichenkunsl  des 
XIV.  Jahrhunderts  ist.  Das  „Bulletin  monumental"  knüpf) 
zugleich  an  denselben  folgende  Bemerkung: 

„In  dieser  Zeichnung  bietet  die  obere  Partie  des  her- 
zoglichen Palastes,  wie  mau  sieht,  einen  ganz  verschiedenen 
Anblick  von  jenem,  welchen  die  entsprechende  Partie'  des 
jetzigen  Gebäudes  gewährt:  —  was  man  immer  von  der 
Genauigkeit  der  Zeichnung  halten  mag.  ist  es  unmöglich 
anzunehmen,  dass  der  Künstler  ein  dem  heutigen  ähnliches 


184  — 


Monument  vor  Augen  hatte.  Man  kann  daran  die  zwei  über 
einander  gesetzten  Arcaden  des  jetzigen   Gebäudes  wieder 

erkennen,  aber 
was  die  obere 
Parthie  be- 
trifft, kann  man 
nicht  die  min- 
deste Ähnlich- 
keit zwischen 
den  beiden  Con- 
structiönen  fin- 
den, indem  M. 
P  a  r  k  e  v  auf 
diese  Weise 
zeigte,  dass  der 
Palast  von  Ve- 
nedig im  XIV. 
Jahrhunderte 
nicht  das  ge- 
wesen ist,  was 
''  's'  {,)  er     heute     ist, 

machte  man  den  Sehluss,  dass  das  allgemeine  System  des 
M.  Ruskin.  welches  alle  gothischen  Bauten  Venedigs  als 
Copien  des  herzoglichen  Palastes  betrachtet,  keine  Basis 
mehr  habe  und  daher  die  Probe  einer  aufmerksamen  und 
ernsten  Prüfung  nicht  vertrage." 

54.  (Die  alten  Wandgemälde  in  der  Gisela- 
ca  pelle  zu  Veszprim.)  Zu  den  interessantesten  und  zu- 
gleich ältesten  Denkmalen  kirchlicher  Baukunst  in  Ungarn 
gehört  die  Giselacap eile  in  Veszprim.  Dieselbe  wird 
als  ein  Bau  des  alten  Domes  betrachtet,  der  zur  Zeit,  als 
Stephan  der  Heilige  die  Stadt  zu  einem  Bischofsitze  erhoben, 
begonnen  und  im  J.  1099  consecrirt  wurde.  Ein  beson- 
derer Antheil  an  dem  Gedeihen  des  Werkes  wird,  nach 
einer  Sage,  deren  auch  Bischof  Ran ol der  in  seinem  Werke 
„Elisabeth  Herzogin  von  Baiern"  (Wien  bei  Seidel  18U4, 
p.  lil)  erwähnt,  der  Königin  Gisela  von  Ungarn  zugeschrie- 
ben. In  welchem  Verhältnisse  indess  dieGiselacapelllezu  dem 
alten  Dome  stand,  kann  gegenwärtig  ohne  Untersuchung 
der  Fundamente  nicht  mehr  festgestellt  werden.  Diese  ist 
aber  aus  dem  Grunde  nicht  ausführbar,  weil  die  Capelle  ein- 
geklemmt zwischen  modernen  Gebäuden  steckt  und  mich 
vor  «cnigen  Jahren  kaum  frische  Luft  geniig  besass,  um  sie 
vor  den  Einflüssen  der  Feuchtigkeit  zu  verschonen.  Erst 
der  gegenwärtige  höchst  verdienstvolle  Bischof  unterzog  sie 

einer   Reinigung    I    Restauration.     In    dem    vor   Kurzem 

erschienenen  Jahrbuche  der  k.  k.  Central-Commission  lenkte 
Herr  Professor  R.  v.  Eitelberger  gelegentlich  seines 
„Berichtes  über  einen  archäologischen  Ausflug  mich  Ungarn" 
and  speciell  über  die  kirchlichen  Baudenkmale  Veszprims, 
neuerdings  die  Vufmorksamkeil  auf  diese  Capelle.  Er  gibt 
-iuiiiut  dem  hier  im  Holzschnitte  mitgetheilten  Grundrisse 
folgende  Andeutungen  über  die  Gestall  der  Capelle: 


(Fig.  1.) 


„Die  Capelle  (Fig.  1)  selbst  ist  klein.  Ihre  Länge  ist 
etwas  über 42 Schuh,  ihre  Breite  über  10'/.  Schuh,  ihre  Höhe 

12  Schuh  8  Zoll. 
Sie  ist  mit  drei 
einfachen  rund- 
bogigen  Kreuz- 
gewölben über- 
deckt .  welche 
auf  einfachen, 
mit  einer  Nische 
und  einem  Blalt- 
ornamente  ver- 
sehenen Conso- 
len  ruhen.  Die 
Profile  der  Gur- 
ten sind  einfach 
abgefasste  Vier- 
ecke undsämmt- 
lich  von  gleicher 
Stärke  und  Pro- 
filirung.  Nur 
die  Scheidegur- 
te zwischen  dem 
ersten  Kreuzgewölbe,  welches  den  Altarraum  überdeckt, 
tritt  stärker  hervor,  wodurch  der  für  den  Altar  bestimmte 
Baum  einem  Quadrate  näher  kommt.  Die  Gurten  wie  die 
Gewölbekappen  waren  ursprünglich  bemalt,  doch  ist  von 
der  allen  Bemalung  dieser  Theile  nichts  mehr  zu  sehen." 

„Bei  der  Restauration  im  verflossenen  Jahrhundert,  in 
dem  man  kein  besonderes  Verständniss  für  die  Kunstforinen 
des  Mittelalters  hatte,  wurden  diese  Theile  mit  sehr  nüch- 
ternen Ornamenten  bedeckt.  Von  der  Ornamentik  des  Ge- 
wölbes ist  nichts  übrig  geblieben  als  die  mit  Basrelief  ver- 
zierten Bosettcn,  welche  sieh  in  der  Mille  der  Quergurten 
und  der  Diagonalrippen  belinden.  Es  sind  deren  fünf,  und 
zwar  im  Altarraume  eine  segnende  Hand  mit  einem  .Nimbus 
umgeben,  in  der  .Mille  der  grösseren  Quergurte  ein  Lamm 
mit  der  Fahne.  Das  Kreuz  au  der  Fahne  i -.1  gleichschen- 
kelig  und  hat  sowohl  je  an  den  vier  Ecken  als  in  der  Mitte 
einen  Nagel .  wie  man  es  in  byzantinischen  Kreuzen  ans 
jener  Zeit  findet  und  wie  sie  in  Ungarn  sehr  beliebt  gewesen 
sein  mögen.  Der  Kopf  des  Lammes  sowohl  als  das  ganze 
Lamm   ist  mit   einem   Aureole  umgeben.    Der  Kopf  ist  gegen 

den  Altarraum  zugewendet;  die  Rosette  ist  bei  weitem  die 

grösste,    sie    bat    [*/,    Schuh   im    Durch sser.      Die    drille 

Rosette  zeigt  einen  in  seinen  Schweif  sieh  beissenden  Dra- 
chen, umgeben  von  einem  romanischen  Blattornamente;  die 
vierte  Rosette  zeigt  ein  einfaches  Blattornament,  die  fünfte 
eine  einer  Böse  ähnliche  Verzierung." 

Was  aber  dieser  Capelle  einen  besonderen  Werft  ver- 
leiht sind  die  Gemälde  auf  den  Wandflächen  zwi- 
schen den  Scheidebögen  der  Gewölbe,  da  es 
bekannt  ist.  wie  wenig  Gemälde  aus  dem  Mittelalter  auf  uns 


—   185 


gekommen  und  wie  verschiedenartig  der  innere  Werth  die- 
ser Überreste  ist.  Sie  sind  für  die  Kunstgeschichte  von 
grösstem  Interesse,  weil  sie  uns  allein  ein  richtiges  Bild 
von  der  Zeichnungskunst  und  den  Fortschritten  der  Malerei 
im  Mittelalter  zu  liefern  im  Stande  sind.  —  Auf  jeder  der 
genannten  Wandflächen  beßnden  sich  je  zwei  Apostel  in 
Lehensgrösse  über  5l/2  Schuh.  Am  besten  erhalten  sind  die 
Figuren  auf  den  zwei  ersten  Wandflächen  auf  der  linken 
Seite  vom  Eingange  aus.  Wir  verdanken  der  gefalligen  Mit- 
theilung des  Herrn  Prof.  v.  Ei  t  elb erger  eine  Zeichnungs- 
pause  dieser  beiden  Figuren,  welche  wir  hier  auch  im  Holz- 
schnitte (Fig.  2)  mit  aller  Treue  wiederzugeben  versuchen 


(Fig.  2.) 

und  knüpfen  daran  die  Beschreibung  dieser  beiden,  sowie  der 
übrigen  Figuren  an  den  Wandflächen,  wie  sie  Herr  v.  Eitel- 
berger  in  dem  Jahrbuche  der  k.  k.  Centräl-Commission 
veröffentlicht  hat. 

„Der  erste  Apostel  ist  ohne  Fussbekleidung  und  ohne 
Bart,  eine  jugendliche  Gestalt.  Die  rechte  Hand  erhebt  sich 
vor  der  Brust  wie  zum  Segnen,  die  linke  Hand  hält  eine  Bolle. 
Er  ist  bekleidet  mit  einer  Tunica  und  einem  Pallium.  Die 
Tunica,  von  blauer  Farbe,  geht  bis  an  die  Knöchel,  das  rothe 
Pallium  ist  nach  Art  einer  Toga  über  die  linke  Schulter 
geworfen,  unter  den  rechten  Arm  hindurchgezogen,  so  dass 
der  rechte  Arm  und  die  Schulter  unbedeckt  bleiben. 

Der  zweite  ältere  Apostel  zeigt  eine  ältere  bärtige 
Gestalt,  die  Haupthaare  sind  gescheitelt  und  fallen  nach 
rechts  und  links  gegen  das  Ohr.  Die  rechte  Hand  segnet 
ebenfalls,  die  linke  hält  eine  Bolle.  Über  den  Knöcheln  sind 
deutlich  Spuren  einer  Fussbekleidung,  Tunica  und  Pallium 
zeigen  andere  Motive,  als  an  der  vorhergehenden  Gestalt. 
Die  Tunica  ist  rothbraun,  das  Pallium  blau.  Auch  die  Apo- 
stelgestalten an  der  nächsten  Fläche  sind  ziemlieh  gut  erhal- 
ten. Es  steht  wieder  eine  unbärtige,  die  rechte  Hand  gegen 
die  Brust  zu  haltende  Gestalt  neben  einer  älteren  bärtigen 
Gestalt,  deren  linke  Hand  in  den  Mantel  eingehüllt  ist.  Beide 


Figuren  sind  bekleidet,  beide  w  ieder  ohne  alle  weitere  Sym- 
bole, die  Farbe  der  Kleider,  so  weit  sie  deutlich  erkennbar 
ist,  ist  wieder  vorherrschend  blau  und  roth.  Diese  vier  Apo- 
steltiguren  haben  einen  in  einer  Art  Stuccaturarbeif  ange- 
führten Nimbus,  der  ursprünglich  ohne  Zweifel  vergoldet  war. 

Die  Figuren  sind  laug  und  gestreckt  (7 — 8  Kopflän- 
gen), die  Bewegung  der  Finger  steif,  ebenso  die  der  Fasse. 
Das  Colorit  ist  lebhaft,  hellere  Farben  waren  aufgesetzt,  der 
Fleischton  röthlich,  die  Gesichtsfarbe  vorherrschend  gelb- 
lich, doch  ist  die  Zeichnung  des  Kopfes,  die  Behandlung  des 
Faltenwurfes,  wenn  auch  conventioneil  und  typisch,  nicht 
ohneVerständuiss.  Der  Hintergrund  zeigt  keine  Spuren  einer 
Vergoldung. 

Die  anderen  acht  Apostel,  so  wie  Maria  und  Johannes 
an  der  Altarwand  haben  nur  wenig  Spuren  alter  Zeichnung 
und  alten  Colorits.  Sie  sind  im  verflossenen  Jahrhundert 
nicht  bloss  übermalt.  Maria  und  Johannes  neu  gemalt  worden, 
sondern  man  hat  ihnen  auch  die  bekannten  Apostelattribute 
in  die  Hand  gegeben." 

Abgesehen  von  dem  hohen  historischen  Werthe.  wel- 
chen diese  Capelle  besitzt,  indem  sie  durch  ihre  Bezeichnung 
die  lebhaftesten  Erinnerungen  an  die  fromme  und  geistig 
ausgezeichnete  Fürstin  festhält,  tritt  dieselbe  durch  die 
Wandgemälde  in  die  Beihe  der  merkwürdigsten  Überreste 
der  mittelalterlichen  Kunstsehöpfungen,  welche  nebst  den 
Wandgemälden  in  Fünfkirchen  mit  ihren  römischen  antiken 
Elementen  und  jenen  am  Nonnberge  in  Salzburg  mit  den 
Merkmalen  deutscher  Kunst  aus  den  Zeiten  der  Karo- 
linger, eine  besondere  dem  XII.  oder  XIII.  Jahrhundert  ange- 
horige  Kunstepoehe  repräsentiren. 

SS.  (Der  Münzfund  in  Stein.)  Am  17.  April  I.  .1. 
sind  bei  der  Erdaushebung  für  den  Bau  des  k.  k.  Bezirks- 
amtsgebäudes in  der  Stadt  Stein  (bei  Laibach),  welchen  die 
Gemeindevorstehung  besagter  Stadt  ausführen  lässt.  in  einem 
irdenen  Topfe,  2  Fuss  unter  der  Bodenfläche  an  300 — 400 
Silbermünzen  gefunden  worden,  wovon  jedoch  leider  der 
grössere  Theil  sogleich  in  viele  Hände  kam,  und  für  den 
Augenblick  arg  zerstreut  worden  ist.  Viele  Münzen  waren 
wegen  ihrer  starken  Legirung  mit  Kupfer  so  sehr  vom  Oxyd 
ergriffen,  dass  sie  in  kleine  Blättchen  zerfielen,  andere  sind 
durch  ungeschickte  Behandlung  beim  Beinigen  unkenntlich 
gemacht  worden.  Der  Umsicht  des  dortigen  Bezirksvor- 
stehers Herrn  Florian  Konschegg  gelanges,  an  1Ti>. 
darunter  84  wohlerhalten,  an  sich  zu  bringen.  Exemplare 
jeder  Sorte  sind  vom  Genannten  der  hohen  k.  k.  Landes- 
regierung übersendet  worden,  her  Professor  Ben-  Va  I entin 
Konschegg  ist  in  den  Besitz  einer  beträchtlichen  Menge 
gelangt,  und  hat  dieselbe  dem  historischen  Vereine  für  Krain 
übergeben. 

Der  ganze  sogenannte  „Schatz"  bestellt,  nach  der 
Zahl  der  Geldstücke  geschätzt  .  in  guten  zwei  Dritteln  aus 
Aquilejer  Münzen.  Schwindler  vertreten  ist  das  Triester, 
Görzer    und    Tiroler    Gepräge.    Es   sind  Soldi   und  Denari. 


1SG 


Hier  folgen  sie  in  chronologischer  Ordnung: 
I.  Triester-Münzen. 

.1.  Bischof  Volricus  oder  Ulricus  von  Triest, 
erwähl!  am  12.  April  1227,  9tarb  1253,  er  war  anno  1245 
bei  dem  allgemeinen  Concilium  zu  Lyon. 

1.  Amts:  Volricus  Ep.  Der  Bischof  sitzend  im  Ornal 
mit  Krummstab  und  Buch. 

Revers:  Civitas  Tergestum,  ein  Altar  mit  der  zwischen 
zwei  Sternen  aufgerichteten  Lanze  des  heil.  Sergius.  —  Davon 
sah  ich  uur  ein  Stück. 

li.  Aus  der  Sedisvacanz  vom  Jahre  1253. 

2.  Avers:  Ci  vi  tas  Tergestum;  eine  Kirche.  —  Re- 
vers :  Sanctus  Justus.  Der  Heilige  zwischen  zwei  kleinen  Thür- 
men  stehend.  —  Drei  Stücke  haben  sich  bis  jetzt  vorgefunden. 

( '.  A  r  I  o  n  g u  s   von   V o ci  s  l>  e  r  g  0  der  V oi t s b e  r  g. 
Ein  Steirer,  wurde  von  Papst  Alexander  IV.  12K4  ab- 
gesetzt, von  Papst  l'rliau  IV .  1262  wieder  bestätiget. 

3.  Avers:  Arlongus  Ep.  Der  Bischof  sitzend  im  Or- 
nat, den  Krummstab  in  der  Rechten,  das  Buch  in  der  Linken. 

Revers:  Civitas  Tergestum; ein  Halbmond,  darüber 
ein  Stern.  —  Davon  gibt  es  mehrere  Exemplare. 

4.  Ganz  gleich  mit  der  obigen;  im  Reverse  ein  Lamm 
mit  dem  Kreuze.  ■ —  Ist  mir  nur  ein  Stück  vorgekommen. 

II.  Münzen  der  Patriarchen  von  Aqnileja. 

A.  Patrjarch  Gregorius  von  Montelongo, 
regierte  von  1252 — 1273. 

.'i.  \vers:  Grogori  Electus.  Der  Patriarch  stehend 
ohne  Insignien. 

Revers:  Civitas  Aquilegia;  zwei  stehende  Figuren. 
zwischen  beiden  ein  Kreuz.  —  Nur  wenige  Stücke  wurden 
gefunden. 

(i.  Avers  wie  oben;  Revers  die  gleiche  Umschrift  mit 
der  \  origen,  mit  einer  Lilie. 

T.Avers  :  G  regoriä  Pa.  Der  Patriarch  sitzend  im  Ornat 
mit  dem  Kreuzstab  in  der  Rechten,  dem  Buche  in  der  Linken. 

Revers:  Aquilegia;  ein  Kreuz .  aus  dessen  Winkeln 
Stäbe  mit  Kleeblättchen  hervorragen. 

s.Avers  wie  (dien;  Revers  mit  einer  Lilie  zwischen 
vier  RöVchen. 

9.  Avers  ebenso;  Revers  ein  rechtsblickender  Adler. 

11.  I'  a  I  ria  rc  li  II  a  i  m  u  ml  d  e  I  la  T  0  IT  e  vo  m  ,1a  li  re 
1273— 1299. 

10.  Avers:  Raimundü  Pa.  Der  Patriarch  sitzend 
mit  Kreuzstab  und  Buch. 

Revers:  Aquilegensis;  ein  Kreuz,  in  den  oberen 
Schenkeln  desselben  zwei  Schlüsseln,  in  den  unteren  zwei 
I  härme.  —  Mehrere  Exemplare. 

I  1.  Avers  ebenso;  Revers  zwei  Lilien  gekreuzt. 

12.  Avers:  Raimundü  Pa.  Die  Madonna  mit  dem 
Jesuskinde  am  linken  Arme;  Revers  ein  Adler,  stehend, 
link-  sehend.  —  Nur  wenige  Exemplare. 

13.  Avers:  Raimundü  Pa.  Der  Patriarch  sitzend 
wie  Nr.  Dt. 


Revers:  Aquilegensis;  ein  vierzackiger  Thurm. 

(  .  Patriarch  Petrus  de  Gera  von    1299—1302. 

14.  Avers:  Petrus  Patra.  Der  Patriarch  sitzend 
im  Ornate  mit  Kreuzstab  und  Buch. 

Revers:  Aqui  legensis;  ein  Adler  mit  dem  Familien- 
wappen auf  der  Brust.  —  Wurden  viele  Stücke  gefunden, 
sie  haheu  aber  zweierlei  Präge. 

I).  Patriarch  Otto  Bonus  de  liazzi  vom  Jahre 
1302—1315. 

15.  Avers:  Otto  Bonus  Pa.  Zu  den  Füssen  des  im 
Ornat  sitzenden  Patriarchen  ein  Adler;  Revers:  mit  einem 
zweit  eidigen  Wappenschilde. 

16.  Avers:  ebenso,  ohne  den  Adler  zu  den  Füssen  des 
Patriarchen. 

Revers :  Über  dem  Wappenscbilde  die  obere  Hallte 
eines  Adlers  mit  ausgebreiteten  Fittigen. 

Die  meisten  der  gefundenen  Münzen  sind  von  Otto  Bonus; 
jede  von  diesen  zwei  hier  beschriebenen  Arten  kommt  in 
zwei  deutlich  von  einander  unterschiedenen  Geprägen  vor. 

III.  Münzen  der  Grafen  von  Tirol, 
MeinhardH.  Graf  von  Tirol  und  Giirz,  Her- 
zog in   Karnthen   anno    1295. 

Von  diesen  Tiroler  Münzen  scheinen  recht  viele  ge- 
funden worden  zu  sein;  mir  sind  bereits  10  Stück  vorge- 
kommen. Man  unterscheidet  an  ihnen  dreierlei  Präge  hei 
gleicher  Umschrift  und  gleichem  Wappen. 

17.  Avers:  Ein  achtschenkeliges  Kreuz,  zwischen  den 
vier  längeren  Schenkeln  Ale-in-ar-du. 

Revers:   Co  nies  Tirol  mit  einem  Adler. 

18.  Eine  andere  einzelne  Münze  von  Tirol  konnte  bis 
jetzt  nicht  entziffert  werden.  Sie  ist  dem  Anscheine  nach 
den  oben  beschriebenen  Solidis  von  Meinhard  täuschend 
ähnlich,  allein  d  e  r  A  dl  er  ist  auf  de  rA  v  ersseitemitde  r 
L'  m  schrift:  F  red  e  r  i  c  u  s  I.  P.  —  De  r  R  e  v  e  r  s  t  r  ä  g  l 
das  ach tsch en k el  i  g  e  K  r e u z  mi  I  f o  I  g e  n  den  s  c  b  w  e  r 
leserlichen  Buch  stallen  zwischen  den  vier 
längeren  Schenkeln  OK.  ES.  PA.  VR.  Wahrschein- 
lich   ist    es    Friedrich    mit    der  leeren   Tasche. 

IV,  Münzen  der  Grafen  von  Görz, 

19.  Heinrich  11.  Graf  von  Giirz  und  Tirol. 
Herzog  von  Karnthen:  er  regierte  von  1304  1323,  und 
war  der  Vater  der  M  a  r  g  a  r  e  t  h  a  M  aul t  a  s  c  h. 

Avers:  llenric.  Comes  Coric.  Das  zweifeldige 
sehräggetheilte  Wappen  von  Giirz  ;  im  oberen  Fehle  ein 
Löwe,   das  untere  Feld  ist  gestreift. 

Revers:  Moneta  de  Luonze;  eine  sechsblätterige 
Böse.  —  Ist  mir  nur  ein  Stück  zu  Gesichl  gekommen. 

Es  waren  demnach,  so  viel  bisher  in  Erfahrung  ge- 
bracht worden  ist,  neunzehn  verschiedene  Sorten  von 
Geldstücken  in  jenem  Topfe.  Sie  sind  in  vier  verschiedenen 
Ländergebieten  geprägl  worden,  stammen  von  neun  Poten- 
taten her.  und  ihre  Altersdifferenz  beträgt  in  den  äussersten 
Extremen  kaum  hundert  Jahre. 


—   187  — 


Literarische  Anzeigen. 


Lübke  \V.:    Geschichte   der    Architectur  von    den  ältesten 

Zeiten  bis  auf  die  Gegenwart.   Mit  174  Holzschnitt-Illustrationen. 

Leipzig  18.35.  8.  S.  387. 

Auf  dem  Gebiete  der  Forschung  »bei-  die  Entwickelung  der  Ar- 
chiteciur  ist  in  den  letzten  Decennien  eine  solche  Umgestaltung  frü- 
herer   Ansieliten    eingetreten,    und    eine   solche    Bereicherung    des 
Stoffes  zugewachsen,  dass  die  wenigen  zusammenfassenden  Darstel- 
lungen, die  aus  der  jüngsten  Vergangenheit  noch  in  die  Tage  unserer 
Gegenwart  hereinreichten,  den  gegenwärtigen  Anforderungen   nicht 
genügen  konnten.   Dass  demungeachtet  erst  jetzt  durch  Kugler  und 
Lübke  gleichzeitig  an    eine    neue   Bearbeitung    der  Architecturge- 
sehichte   (mit  Ausschluss  der  übrigen   Künste)   geschritten  wurde, 
liegt  nicht  sowohl   darin,    dass   hiefür   nicht  ein  Bedürfniss   gefühlt 
wurde,  als  vielmehr  in  der  Schwierigkeit  der  Aufgabe,  die  zu  lösen 
war.  Wir  glauben  daher  alles  Lob  mit  dem  Ausspruche   erschöpft  zu 
haben,  dass  wir  in  dem  vorliegenden  Werke  eine  vollkommen  gelun- 
gene Lösung  dieser  Aufgabe  erhalten  haben.    Wir  gewinnen   aus  der 
Lcctüre  dieses  Werkes  eine   eingehende  Übersieht  der  verschiedenen 
Entwicklungsstufen  der  Architectur.    deren  jede  auf  die  eigenthüm- 
lichen  ihr  zu  Grunde  liegenden  Elemente  zurückgeführt,  und  in  ihrem 
Formenreichthum  dem  vollem  Verständnisse  eröffnet  erscheint,  wah- 
rend der  Fluss  der  Darstellung  dem  Leser  den   inneren  geistigen  Zu- 
sammenhang der  einzelnen   Epochen  stets   vor  Augen  hielt  und   in 
lebendiger  Weise  versinnlicht.  Lübke  hat  sich  mit  diesem  Werke  als 
den  feinen  Kenner   und   den  scharfen  Kritiker  der  Architecturformen 
bewährt,    als  welchen  wir  ihn  aus  seiner  „Darstellung  der  mittel- 
alterlichen Kunst  in  Westphalen",  und  seiner  „Anleitung  zur  mittel- 
alterlichen  Kirchenbaukunst",    zwei   Werken,    die  sich   des  unge- 
teiltesten Beifalles  zu  erfreuen  hatten,  bereits  kennen  zu  lernen  Ge- 
legenheit hatten.  Was  uns  vor  Allem  in  dieser  Darstellung  der  Archi- 
tccturgeschichte  im  hohen  Grade  angezogen  hat,  ist  die  klare  über- 
sichtliche Anordnung  des  reichen  Stoffes,    deren   Schwierigkeit  nur 
jener  ermessen  kann  ,    dessen   Studien   in   eingehender  Weise  den 
mannigfaltigen  Erscheinungen   des  geistigen  Lehens  der  Vorzeit   zu- 
gewendet waren.  Ein  zweiter  Vorzug  dieses  Werkes  ist  einerseits  die 
schwungvolle,  das  Interesse  des  Lesers  durchweg  feststellende  Dar- 
sfellungs weise ,  anderseits  die  selbstständige  Kritik,  welche  der  Ver- 
fasser bei  der  Darstellung  der  einzelnen  Bausysteme  vorwalten  liess. 
Er  hat   sich   dabei  durchaus   einen   objeetiven   Standpunkt,  unbeirrt 
von  den   einseitigen  Tendenzen   unserer  Gegenwart,   zu  wahren  ge- 
wusst,  wofür  ihm  alle  jene  zu  danken  verpflichtet  sein  müssen,  denen 
es  um   die  Erforschung  der  Wahrheit  zu  thun   ist,   wogegen   aber 
Lübke  auch  die  Angriffe  aller  jener  zu  gewärtigen   hat,  die  den   ge- 
schichtlichen Stoff  in  der  Regel  nur  zur  Erhärtung  ihrer  suhjeetiven 
Tendenzen  gebrauchen  und   sich  bei  Betrachtung   des  ersteren  aus- 
schliesslich hievon  leiten  lassen.   Wir  stimmen  daher  vollkommen  der 
kritischen  Würdigung  des  romanischen  nnd  gothischen  ßaustyles  wie 
auch  der  Erörterung  der  Frage   bei,  ob  durch   die  Wiederaufnahme 
der  Gothik  der  Trieb  unserer  Zeit  nach  Gestaltung  eines  ihr   eigen- 
tümlichen Baustyles    zur  endlichen  Lösung  gebracht  sei,    wie   wir 
auch  es  anerkennen,  dass  Lübke  den  Vorurtheilen  gegenüber,  welche 
seit  langer  Zeit  gegen  alle  Leistungen  der  Renaissance-Periode  sich 
erhoben  haben,  nach  Burkhart's  Vorgange,  auch   den  Werken  dieser 
Stylentwickelung  gerecht  zu   werden  sucht.  Wenn  wir  auch  schliess- 
lich die  Hoffnung  des  geistreichen  Verfassers  auf  eine  neue  Blüthe  der 
Baukunst  nur  in   dem  Masse   theilen,    als   wir  in    unserer  Zeit  die 
Keime   einer  solchen  Blüthe   zu  erkennen  vermöchten,    so  stimmen 
wir  ihm  doch  in  dem  vollkommen  hei,  dass  der  geistige  Inhalt  unserer 
Zeit  durch  blosse  Nachahmung  von  Stylarten,   die  ihre  vollständige 


geschichtliche  Entwickelung  durchlebt  baben,  nicht  zu  erschöpfen 
sei.  Auch  auf  den  Gebieten  des  Schaffens  hat  die  Kritik  ihr  Hecht 
sich  errungen;  während  auf  einer  Seite  die  romanische  Baukunst 
ihre  Vorfechter  gefunden  bat,  an  deren  Spitze  Hübsch  steht, 
welcher  den  begonnenen  Streit ,  ob  „romanisch"  ob  „gothisch"  mit 
der  ganzen  Schärfe  geschichtlicher  und  praktischer  Gründe  aufge- 
nommen hat  und  fortzuführen  gedenkt,  stehen  auf  der  anderen  Seite 
die  Absolutistcn  der  Gothik  und  verdammen  Alles,  was  sich  nicht 
der  Wiederaufnahme  dieses  Styls  fügen  will,  wobei  sie  diese  Frage 
der  Kunst  zur  Frage  des  religiösen  Glaubens  erheben  und,  durch 
diese  Anknöpfung  unterstützt,  ihre  Gegner  zum  Schweigen  zu  Inni- 
gen suchen.  Wir  werden  diese  Frage  bei  einer  sieh  ergebenden  Ge- 
legenheit umständlich  erörtern,  und  wünschen  nur,  unsere  Leset 
durch  das  Studium  des  Lübke'schen  Werkes,  welches  wir  ihnen 
auf  das  Wärmste  empfehlen,  zur  eingehenden  Thcilnahme  an  dieser 
schon  zu  lange  schwebenden  Frage  vorbereitet  zu  finden.  Die  Aus- 
stattung dieses  Werkes  ist  vorzüglich,  insbesondere  verdienen  die 
zahlreichen  Illustrationen  volle  Anerkennung.  Dr.  G.  H. 


Zeitschrift  für  christliche  Archäologie  und  Kunst. 

Herausgegeben  von  F.  v.  Quast  und  II.  Otte.    Erster  Band. 

Leipzig  T.  0.  Weigl.  1856.  Erste  Lieferung.    46  S.  ftuarto  mit 

drei  Kupferstichen  und  Bolzschnitten. 

Die  Freunde  der  Kunst  des  Mittelalters  haben  bisher  schmerz- 
lich ein  Organ  vermisst,  welches  einen  Mittelpunkt  für  die  deutschen 
Forschungen  auf  diesem  Gebiete  in  ähnlicher  Weise  zu  bilden  unternom- 
men hätte,  als  es  für  Frankreich  D  i  d  r  o  n's  „Annales  archeologiques" 
sind.  Seitdem  deutsehe  Kunst  und  deutsches  Lehen  des  Mittelalters 
ein  Gegenstand  ernster  Forschungen  geworden  ist.  mussten  sieh  die 
Freunde  der  bildenden  Kunst  in  die  verschiedensten  Organe  der 
Presse  flüchten,  um  ihre  Ansichten  und  Forschungen,  ihre  Hoffnun- 
gen und  Wünsche  in  denselben  niederzulegen  —  und  zu  begraben. 
Nur  Wenige  konnten  sich  aus  der  fast  allgemeinen  Vergessenheit 
herausretten,  und  erst  in  der  jüngsten  Zeit  ist  es  deutschen  Buch- 
händlern gelungen,  diese  Literatur  jenseits  der  deutsehen  Sprach- 
grenzen zu  verbreiten.  Aber  trotzdem  —  wie  schwer  ist  es  In  diesem 
Augenblicke  noch,  von  dem  was  auf  dein  weiten  Gebiete  mittelalter- 
licher Kunst  und  Archäologie  geforscht  wird,  vollständige  Kcnntniss 
zu  erhalten,  wie  häufig  und  mit  wie  grossem  Hechte  beklagen  sich 
österreichische  Forscher,  dass  ihnen  die  Leistungen  norddeutscher 
oder  rheinländischer  Kunstfreunde  so  schwer  zugänglich  sind,  oder 
dass  ihre  Leistungen  den  ausser-österreichischen  deutschen  Gelehrten 
unbekannt  gebliehen  sind?  Wir  halten  es  daher  für  einen  wesentlichen 
Gewinn  der  deutschen  Literatur,  dass  sich  zwei  Männer,  wie  der 
königlieh  preussische  Hauralh  Herr  v.  Quast  und  der  Pastor  Herr 
Otte  vereint  haben,  ein  gemeinsames  Organ  für  Forschungen  und 
Entdeckungen  auf  dem  Gebiete  der  Archäologie  und  Kunst  des  Mit- 
telalters zu  gründen. 

Nach  dem  Inhalte  des  ersten  Heftes  wird  dieses  Organ  einen  Cen- 
lialpunkt  für  dieses  Gebiet  von  wissenschaftlichem  Stand- 
punkte aus  bilden.  Die  Ehre,  zuerst  den  christlichen  Standpunkt 
—  und  für  mittelalterliehe  Kunst  ist  in  diesem  falle  nicht  ein  allge- 
mein-christlicher, sondern  der  spe  ei  fisch  katholische  der 
allein  berechtigte  —  in  einer  Zeitschrift  geltend  gemacht  zu  haben, 
gebührt  zweifelsohne  Itaudri's,  „Organ  für  christliche  Kunst",  wel- 
ches seit  einer  Reihe  von  Jahren  mit  «armer  Oberzeugung  und  prak- 
tischem Erfolge  nach  dieser  Richtung  hin  wirkt.  Her  wissenschaft- 
liche Gesichtspunkt   dagegen  ist  noch  bei  keinem  Unternehmen  so 


1 88  — 


bestimmt  und  entschieden  in  den  Vordergrund  getreten,  als  es  bei  der 
eben  gegründeten  Zeitschrift  der  Fall  ist  Und  eben  uns  diesem 
Grunde  begrüssen  wir  dieses  Organ  mit  besonderer  Freude,  weil 
;mcli  Kritik  und  wissenschaftliche  Behandlung  der  Sache  in  diesen 
Diciplinen  vorzugsweise  Noth  thut. 

Das  erste  uns  vorliegende  Hell  bringt  zwei  Abhandlungen  von 
E.v.  Quast  und  Dr.  Wattenbach,  Quast  berichtet  über  die 
höchst  interessante  Münsterkirche  in  Essen.  In  diesem  Baue,  welcher 
uns  verschiedenen  Zeitperioden  seiner  gegenwärtigen  Gestalt  nach 
herstammt,  ist  vorzugsweise  ein  Achtecksbau  von  Bedeutung,  der 
offenbar  den  Münster  zu  Aachen  zum  Vorbild  hat,  aber  nicht  wie  die 
Kirche  des  Jungfrauenklosters  zu  Otmarsheim  im  Elsass  eine  Copie 
des  Aachener  Originales  ist,  sondern  »li i-  Formen  der  Karoling'schen 
Schule  mit  Freiheit  künstlerisch  fortbildet.  Dieser  Essener  Bau  ge- 
hört seinen  ältesten  Theilen  dem  zehnten  Jahrhundert  an,  und  es  ist 
ein  wesentliches  Verdienst  der  v.  Quast'schen  Untersuchung,  diesen 
Punkt  in  der  Bau-Chronologie  festgestellt  zu  haben.  Die  gesammte 
Ornamentik  an  diesem  genannten  Bau,  wie  die  des  Aachener  Münsters 
(7!Hi — S04J  und  der  Otmarsheimer  Kirche  aus  dem  XI.  Jahrhundert, 
zeigt  römische  ( nicht  byzantinische)  Vorbilder  und  Motive. 

Die  Abhandlung  von  Dr.  Watten  bach  behandelt  die  Congre- 
gation  der  Schottenkirchen  in  Deutschland.  Die  Redaction  dieses 
Blattes  hat  sieh,  wie  wir  wissen,  vorbehalten,  einen  grösseren  Aus- 
zug der  trefflichen  Arbeit  dieses  hervorragenden  Forsehers,  der  aus 
der  Pertzischen  Schule  hervorgegangen  ist,  mitzutheilen. 

Ausser  diesen  Abhandlungen  werden  unter  der  Rubrik  „Mannig- 
faltiges" kleinere  Aufsätze,  Berichte  über  Zerstörungen  und  Erhal- 
tung diu-  Denkmale,  über  literarische  und  Vereins-Publicationen  ge- 
hracht.  Ks  wäre  sein-  zu  wünschen,  wenn  insbesondere  die  Vereins- 
Literatur  mit  möglichster  Vollständigkeit  gegeben  und  auch  auf  die 
Mittheilungen  englischer  und  französischer  Vereine  ausführlich  einge- 
gangen würde. 

Unter  diesen  kleineren  Aufsätzen  ist  der  über  die  Baptisterien  in 
Deutschland  der  interessantere.  Was  über  dem  ChorabschluSS  der 
Cistercienserkirchcn  gesagt  wird,  ist  unvollständig,  ebenso  unrich- 
tig ist  diese  an  anderen  Orten  ausgesprochene  Ansicht  Otte's,  dass 
den  symbolischen  Darstellungen  der  Cistercienser  eine  marianische 
Deutung  zu  geben  sei.  Herr  v.  Quast  bringt  endlich  auch  eine 
Beurtheilung  des  I.  Helles  der  „Mittheilungen",  und  beleuchtet  bei 

m  Anlasse  die  Ansieht  des  Unterfertigten  über  die  Aufgabe  einer 

„Moni sntalgeschichte  Österreichs"  theilweise  in  einem  Tone,  der 

denselben  sein-  befremdet  hat,  und  mehr  in  den  Zuschauer  der  Ber- 
liner Kreuzzeitung  als  in  ein  wissenschaftliches  Organ  passt.  Herr 
v.  Quast  mag  sich  über  einen  Punkt  beruhigen,  den  nämlich,  dass 
es  dem  Unterfertigten  nicht  einfällt  „eine  eigene  national-öster- 
reichische Kunst  über  das  ganze  weile  Ländergebiet,  vielleicht  bis 
zum  schwarzen  Meere"  zu  spannen.  Auch  ist  zwischen  einer  „Monu- 
inentalgeschichtc  Österreichs"  und  einer  „national-österreichischen 
Kunst-,  die  Herrn  v.  Quast  gespensterartig  vorschwebt,  ein  grosser 
Unterschied.  Dass  erstcre  nichl  einen  centralisirenden  Charakter 
hat,  sieh  ,,n  die  localeEntwickclung  der  einzelnen  Ländergruppen  an- 
schliessen  muss,  in  ihren  transalpinen  Monumenten  von  der  deutschen 

Kunst,    in    den   cisalpinischen  Monumenten  Von  Italien   und  denen  des 

adriatisehen  Meer.s  und  der  griechischen  Kirche  vom  Osten  abhängt, 

ist    ohne  Zweifel.    Wie  gross    oder   gering  der   deutsche,    italienische 

oder  byzantinische  Einfluss  in  den  Moni nten  der  österreichischen 

Monarchie  ist,  ist  gegenwärtig  nach  dem  Stande  der  österreichischen 
Monumentalkunde  nur  in  wenigen  Kronländern  festzustellen.  Diesen 
Obelstand  zu  beseitigen,  ist  es,  was  wir  „der  Zeit  überlassen"  müs- 
sen, und  wir  wollen  hoffen,  dass  die  von  der  k.  k. Central-Commission 
gegründeten  Organe  in  wenigen  Jahren  ein  reiches  Material  dem  For- 
scher darbieten  werden. 


Die  Ausstattung  des  Werkes  ist  vortrefflich.   Die  Angabe  der 

Zahlen  in  den  Kupfertafeln  wohl  nur  durch  Zufall  ausgeblieben.   Wir 

empfehlen  das  Unternehmen  auf  das  Lebhafteste  den  Kunst-  und 
Alterlhmnsfreunden.  Der  Preis  für  einen  Jahrgang,  welcher  sechs 
Hefte  uml'asst,    ist  II)  Thaler.  It.  E.  V.  E. 


Legis-Glückselig  Dr.:  der  Prager  Dom  zu  St.  Veit. 
Geschichtlich  und  kuiisUtrchünlngisch  dargcstclll.  Mit  UTableaux 
nebsl  kleineren  Lithographien  und  Vignetten.  I  Bd.  IV,  107. 
Prag  uiiil  Leitmeritz  1855.  Druck  und  Verlag  von  i .  U.  Medau. 

Tüchtige  und  mit  dem  richtigen  Verständnisse  gearbeitete  Mono- 
graphien über  die  bedeutenderen  mittelalterlichen  Bauwerke  des 
Kaiserstaates  gehören  noch  immer  zu  den  frommen  Wünschen  der 
österreichischen  Kunst-  und  Alterthumsforscher.  Wahrend  die  her- 
vorragendsten Dome  In  Deutschland  bereits  historisch  und  architek- 
tonisch erklärt  und  erläutert  wurden,  enthehren  die  meisten  Dome 
.los  Kaiserstaates  noch  immer  einer  kunstgeschichtlichen  Würdigung, 
und  diejenigen,  welche  sie  bisher  gefunden,  befriedigen  nicht 
die  bescheidensten  Anforderungen.  Wir  verweisen  als  lieispiel  auf 
den  Wiener  St.  Stephansdom,  über  welchen  zwar  schon  wieder- 
holt Monographien  erschienen,  von  denen  aber  nur  Dr.  Melly's 
Beschreibung  und  Erklärung  des  Westportales  von  entschiedenem 
kunsthistorischen  Werthe  ist.  —  Mit  um  so  grösserer  Erwartung 
blickten  wir  daher  auf  das  Erscheinen  der  geschichtlichen  und 
kunstarchäologischen  Darstellung  des  „Prager  Veitsdomes"  von  Dr. 
Legis-Glückselig.  Dieses  imposante  und  reich  ausgestattete 
Bauwerk  des  XIV".  Jahrhunderts  gehört  bekanntlich  jener  interes- 
santen Gruppe  an,  welche  mit  der  Barbarakirche  in  Kuttenberg  und 
dem  Chore  der  Kolliner  Decanatskirche  klar  ausgesprochene 
Merkmale  innerer  Verwandtschaft  besitzt,  und  ander  man  in  Be- 
zug auf  die  Anlage  vielfache  Anklänge  an  die  l'ägenlhundichkcilcn 
der  französischen  Gothik  bemerkt  haben  will.  Ks  wäre  mithin  bei 
einer  Monographie  über  den  Prager  Veitsdom  die  Gelegenheit  ge- 
boten gewesen,  auf  diese  Behauptung  naher  einzugehen  und  die  über- 
wiegenden Merkmale  der  deutschen  Gothik, wie  diess  namentlich  aus 
den  l'rolilen  der  Gewölberippen  und  Pfeiler  nachgew  iesen  n  erden  kann, 
hervorzuheben.  Wenn  wir  diess  in  der  vorliegenden  Monographie  ver- 
missen, so  soll  damit  nicht  der  sonstige  Werth  der  sehn  erdienstlichen  — 
als  Frucht  jahrelanger  Forschungen  zu  betrachtenden  Arbeit  ge- 
schmälert werden.  Vor  Allem  heben  wir  die  Qeissige  historische  Dar- 
stellung hervor,  wodurch  manche  schwankende  Angaben  über  die 
Zeitbestimmung  einzelner  Theiie  des  Baues  und  der  au  dem  Dome 
beschäftigten  Baumeister   richtiggestellt    wurden.      Interessant  sind 

Fi r  die  Untersuchungen  über  die  beiden  Domwerkmeister,  über 

die  Wenzelscapelle  und   über  die  muthmassliche  Form  des  Domes, 

wenn  er  nicht  bloss  lii ■uchslück  gebliel sondern   nebsl  dein  Chore 

.Hieb  das  Langhaus  gebaut  worden  wäre.  Weniger  befriedigt  hat  uns  da- 
gegen der  Abschnitt  über  den  ..neuen"  Thurin.  womit  die  Frage  über 
den  eigcnlhüinlichcn  Unterbau  ihrer  Lösung  nicht  näher  genickt  wurde. 

Nebsl  der  eigentlichen  Darstellung  enthält  das  Werk  noch  zehn 
sehr  interessante  Beilagen,  worunter  sich  Aufsätze  über  die  Fürsten- 
grüfte des  Domes,  über  Peter  Arier  de  Polonia ,  über  den  jerusa- 
lemiscbcn  Leuchterfuss,  über  das  Musivgcmälde  an  der  Aussenseite 
des  Domes,  über  die  Staffcleigcmülde  und  sonstige  Kunstgegen- 
stfinde  desselben  u.  s.  w.  befinden  und  von  dem  Beissigcn  Studium 
des  Denn   Verfassers   ein  ehrenvolles  Zeugniss  geben.    Wir  haben 

daher  auch  rollen  Grund,  (las  \\  erk  allen  Kunst  ii  .■ len  zu  empfehlen, 

und  hätten  nur  gewünscht,   dass  die  Kunstbeil. igen  mii   grösserem 

Geschi ke  so  wie  mit  mehr  Genauigkeit  in  den  Details  und  mehr 

Correclheit  in  der  Zeichnung  ausgeführt  worden  waren  K.  \\  . 


[ei  k.  k.  Hof-  und  Staatsdrucki  rci  in  W  ii  n 


Jeden  Monat  erscheint  1  Heft  zu 
1  bis  2  Druckbogen  mit  Abbil- 
dungen. 
Der  Pränumerationspreis  ist  für 
einen  Jahrgang  oder  zwölf  Hefte 
nebst  Register  sowohl  für  Wien 
ala  <li>j  Kronländer  und  das  Ausland 
4  ll.  C.  M.|  bei  portofreier 
Zusendung  in  die  Krunlander  der 
österr.  Monarchie 4fl.  2Ukr.  CM. 


MITTHEILUNGEN 


DER  K.  K.  CENTRAL-  COMMISS10N 


Pränumerationen  überneh- 
men halb-  oder  ganzjährig 
allek.k.  Postämter  der  Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
Zusendung  der  einzelnen  Hefte 
l.c-urL-fu.  —  Im  Weg«  de«  Buch- 
bandela  sind  alle  Pränumerationen 
und  zwar  nur  zu  dem  Preise  *«*n 
4  fi.  au  den  k.  k.  Hoflmcbhändler 
W.Brauraiilkr  in  Wieu  zu  rieht«. 


ZUR  ER««  ID  ERHALTIIG  DER  BllMKMH 

Heraussegeben  unler  der  Leilung;  des  k.  k.  Scclions-Chcl's  und  Präses  der  k.  k.  CentEal-Commission  Karl  Freiherrn  \.  Czoerniff. 


Redaeteur:    Rarl  Weiss. 


m  10. 


I.  Jahrgang. 


IT 


Inhalt:   Charakteristik  der  Baudenkmale  Böhmens.  —  Berieht  üher   eine  Reise   von  Brixen   nach   Iniehen  und  in  das  Thal  Täufers  in 
Tirol.  —   Die  gothische  Monstranze  der  Domkirche  zu  Pressburg.  —  Notizen.  —  Literarische  Anzeige.  —  Bibliographie. 


Charakteristik  der  Baudenkmale  Böhmens. 

Nach  den  bedeutendsten  Bauwerken  zusammengestellt  von  Bernhard  Grueber,  Architekten  und  Professor  der  Baukunst. 

Vorwort. 


Die  Architecturgeschichte  Böhmens  erseheint  noch 
sehr  lückenhaft  und  stellt  nach  dem  allgemeinen  Ürtheile 
in  keinem  Verhältnisse  zu  den  Fortschritten,  welche  die 
heutige  Geschichtsforschung  nach  allen  Seiten  hin  errungen 
hat. 

Die  Ursache  dieser  Vernachlässigung  liegt  theils  in 
geographischen  und  sprachlichen  Verhältnissen,  theils  in 
dem  Umstände,  dass  die  Kunstübung  durch  ausserordent- 
liche Verhältnisse  mehrmals  gänzlich  unterbrochen  und  fast 
ohne  allen  Übergang  in  eine  andere  Richtung  hineingedrängt 
worden  ist.  Rechnet  man  hinzu,  dass  ein  grosser  Theil  der 
in  Böhmen  beschäftigten  Künstler  von  jeher  aus  Ausländern 
bestand,  dass  viele  derselben  das  Land  nach  vollendeter  Ar- 
beit wieder  verliessen ,  ohne  eine  Schule  zu  gründen  oder 
sonstigen  Einfluss  auf  anderweitige  Bauten  auszuüben;  so 
lassen  sich  die  Schwierigkeiten  begreifen,  mit  denen  der 
Bearbeiter  einer  böhmischen  Kunstgeschichte  zu  ringen  hat. 

Es  scheint  jedoch ,  als  sollte  das  Versäumte  in  Bälde 
hereingebracht  werden.  Seit  einigen  Jahren  gibt  sich  in 
allen  Theilen  des  Landes  ein  reges  Interesse  für  monumen- 
tale Bauwerke  kund,  welches  durch  Errichtung  der  k.  k. 
Central-Commission  für  Erhaltung  und  Erforschung  der 
Baudenkmale  wesentlich  gesteigert  wurde.  Man  forscht  nach 
Styl  und  Erbauungszeit  und  sucht  sich  auf  alle  Weise  mit 
dem  künstlerischen  und  geschichtlieben  Werthe  der  Denk- 
male bekannt  zu  machen. 

Dass  solche  vereinzelte  Untersuchungen  nicht  immer 
befriedigende  Resultate  liefern,  darf  weder  befremden,  noch 
abschrecken.  Es  ist  auf  dem  Lande  äusserst  schwer,  ja  oft 


unmöglich,  sich  die  zu  derartigen  Studien  nöthigen  Bücher 
zu  verschaffen.  Obendrein  bringen  selbst  die  gediegensten 
unserer  neuen  kunsthistorischen  Werke  nur  sehr  dürftige 
Nachrichten  über  Böhmens  Denkmale,  so  dass  für  den  gege- 
benen Fall  nur  selten  Belehrung  aus  diesen  Büchern  ge- 
wonnen werden  kann. 

Seit  fünfzehn  Jahren  das  Land  in  allen  Richtungen 
durchreisend,  hatte  ich  Gelegenheit,  die  bedeutendsten 
Denkmale  durch  eigene  Anschauung  nicht  allein  kennen  zu 
lernen,  sondern  auch  zu  studiren  und  ganz  oder,  theilweise 
aufzunehmen.  Auf  solche  Weise  entstanden  die  vorliegenden 
Blätter,  welche  nicht  im  Entferntesten  einen  Anspruch  auf  Voll- 
ständigkeit machen,  sondern  die  ursprünglich  nur  bestimmt 
waren,  den  Eifer  angehender  Kunstfreunde  zu  beleben  und 
diesen  einige  Anhaltspunkte  bei  allfälligen  Untersuchungen 
zu  verschallen.  Alle  genannten  und  geschilderten  Bauwerke 
habe  ich  selbst  untersucht  und  die  betreffenden  Zeichnun- 
gen angefertigt;  natürlich  konnten  in  den  Bereich  dieser 
Charakteristik  nur  solche  Kunstobjecte  gezogen  werden, 
welche  die  im  Lande  zur  Geltung  gekommenen  Riehlungen 
repräsentiren  oder  einen  Abschnitt  des  Kunstlebens  be- 
zeichnen. 

Ob  mir  je  so  viel  Müsse  wird,  meine  reichen,  in  allen 
Gegenden  des  Landes  angestellten  Vorarbeiten  zu  einer  ei- 
gentlichen „Geschichte  der  Baukunst  in  Böhmen"  zu  ver- 
einigen, kann  ich  noch  nicht  bestimmen.  Freuen  würde  ich 
mich,  zu  einem  solchen  Unternehmen  mindestens  denAnlass 
gegeben  zu  haben. 

Kutteuberir,  im  August  18ÖG. 


25 


190 


I. 

Alter  ihm!  >i.>  I  <!<*■'  Ilauilf  iikmalr  Böhmens. 

obwohl  in  vorchristlicher  Zeil  verschiedene  Völker- 
schaften nach  einander  das  damals  sehr  rauhe  Böhmerland 

bewohnten,  scheint  doch  keine  derselben  bleibende  Bau- 
werke errichtet  zu  haben.  Grabhügel  und  Frdwälle.  wie  sie 
über  die  ganze  Erde  hin  verbreitet  sind  und  von  aHen  Volks- 
stämmen aufgcthürmt  wurden,  erscheinen  als  die  einzigen 
Reste  ältester  Bauthätigkeit, 

Diese  Denkmale  jedoch  können  unmöglich  in  den  Kreis 
unserer  Betrachtungen  gezogen  «erden,  da  sie  einerseits 
niela  als  eigentliche  Bauwerke  gelten,  und  andererseits  die 
Erforschung  dieser  Urtypen  menschlichen  Schaffens  neben 
Grossem  Zeitaufwan.de  auch  ungewöhnliche  Mittel  voraussetzt. 

Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  haben  die  ('zechen, 
welche  das  Land  nach  den  Markomannen  in  Besitz  nahmen, 
die  Kunst  Gebäude  aus  Stein  aufzuführen,  erst  nach  An- 
nahme des  Christenthums  sich  eigen  gemacht.  Man  wird 
daher  mit  Sicherheit  annehmen  dürfen,  dass  alle  Gebäude, 
«eiche  sich  innerhalb  der  Grenzen  unseres  Landes  vor- 
linden, erst  oach  Einführung  der  christliehen  Religion  ent- 
standen sind. 

Auch  aus  den  ersten  Jahrhunderten  des  Chrislonlhiinies 
besitzen  wir  keine  Baudenkmale,  deren  Alter  nachgewiesen 
werden  konnte:  vielmehr  scheint  der  bei  allen  slavischen 
Stämmen  beliebte  Holzbau  in  diesen  Gauen  noch  lange  bei- 
behalten worden  zu  sein,  nachdem  die  Nachbarvölker  bereits 
zum  Steinhau  vorgeschritten  waren. 

Diese  Vorliebe  für  Holzcoustruclioiicii  blieb  in  Böhmen 
bis  in  die  neueste  Zeit  heimisch  und  rief  manche  Eigentüm- 
lichkeiten hervor,  welche  auf  den  Steinbau  übertragen  wur- 
den und  hier  einen  heachtcnswerthen  Moment  in  der  Kunst- 
geschichte des  Landes  bilden. 

\us  dem  Gesagten  ergibt  sich  nun  das  höchste  Alter, 
welches  irgend  eines  der  bestehenden  Baudenkmale  an- 
sprechen kann  .  von  selbst,  und  der  Übergang  von  dem 
zehnten  in  das  eilfte  Jahrhundert  wird  die  Griinzlinie  für 
unsere  Forschungen  bezeichnen. 

Fs  sei  hieniit  nicht  in  Abrede  gestellt,  dass  hie  und  da, 
namentlich  in  einigen  Burgen,  Grundmauern  von  höherem 
Alter  vorkommen  mögen,  allein  da  solche Theile  weder  cha- 
rakteristische Merkmale  an  sieh  tragen,  noch  Urkunden  oder 
sonstige  Beweise  eines  so  hohen  Alters  aufgefunden  werden 
können,  werden  derartige  Behauptungen  immer  sein- gewagt 

bleiben. 

Im  Laufe  der  angegebenen  Zeit  (seit  dein  eil ften Jahr- 
hunderte) haben  in  Böhmen  und  den  angränzcmlcu  Ländern 

nur  drei  verschiedene  Baustyle  geherrscht,  <\m\  zwar: 
".  der  romanische  oder  Rundbogenstyl, 
//.  der  gothische  oder  Spitzbogenstyl  und 
c  der   Renaissancesty]    oder   die    wiederhergestellte 

griechisch-römische  Bauweise. 


Alle  bierlands  vorkommenden  Gebäude  werden  also 
einer  von  diesen  drei  Bauarten  angehören,  wenn  sie  nichl 
zwei  oder  wohl  alle  drei  Style  au  sich  vereinigen.  Bei 
grösseren  Kaliwerken  ist  dies  letztere  oft  der  Fall,  je  nach- 
dem ihre  Erbauungszeit  in  verschiedene  Epochen  hinüber- 
greift. Der  am  einzelnen  Theile  sich  zeigende  Baushl  bietet 
in  der  Hegel  sodann  den  zuverlässigsten  Anhaltspunkt  ,  um 
Alter  und  Fortschritte  dieser  oder  jener  Baupartie  bestimmen 
zu  können. 

Zwischen  jeder  dieser  Bauarten  findet  natürlich  ein 
vermittelnder  Übergang  Statt,  so  zwischen  der  romanischen 
und  gothischen,  wie  zwischen  dieser  und  der  Renaissance- 
periode. 

Der  romanische  Baustyl,  welcher  sich  in  allmählichen 
Übergängen  aus  der  altrömischen  Architectur  entwickelte. 
verpflanzte  sich  von  Italien  aus  durch  Frankreich  über  alle 
Lander  der  damaligen  katholischen  Welt.  In  jenen  Bezirken, 
welche  das  Herz  des  grossen  fränkischen  Reiches  biMeten. 
rundete  sich  die  neue  Bauweise,  etwa  im  Anfange  i\cs  zehn- 
ten Jahrhunderts,  zu  einem  entschiedenen  Style  ab,  und 
diesen  Ländern  gebührt  die  Ehre,  diesseits  der  Alpen  die 
ersten  christlichen  Monumente  errichtet  zu  haben.  Die  wei- 
tere Verbreitung  der  Baukunst  fand  in  der  Richtung  von 
Westen  nach  Osten  Statt,  wesslialb  auch  dieselbe  Entwick- 
lungsstufe in  den  nördlichen  und  östlichen  Ländern  verbält- 
nissmässig  später  eintrat. 

Wenn  auch  in  den  Grundbedingungen  allenthalben 
übereinstimmend,  hat  sich  doch  der  romanische  Styl  in 
jedem  Lande  besondere  Modifikationen  in  den  Detailformen 
angeeignet,  so  dass  nationale  Merkmale  angegeben  werden 
können.  Fs  ist  daher  nothwendig.  die  eonstrueliven  Fle- 
mente  hier  in  Kürze  anzugehen,  da  wir  uns  die  übersicht- 
liche Betrachtung  eines  ganzen  Landes  zum  Ziele  gesetzt 
haben. 

Die  romanische  Architectur  ist  ein  Gewölbesystem,  dem 
der  Rundbogen  zu  Grunde  liegt.  Nicht  allein  alle  zu  gewin- 
nenden Räumlichkeiten,  sondern  auch  die  einzelnen  Oll'nun- 
gen  der  Thiireu  und  Fenster  werden  mit  halbkreisförmigen 
Bogen  überspannt,  wesslialb  der  Name  Rundbogenstyl 
auch  als  gleichbedeutend  mit  romanischer  Styl  ge- 
braucht wird. 

Fürden  Kirchenhau  wurde  die  alte  heidnische  Itasiliea- 
fiinn  beibehalten,  wornach  eine  längliche,  rechteckige  Halle 
durch  Säulen  in  mehrere  Gänge  eingotheill  wird.  An  den 
beiden  Langseilen  der  Halle  wurden  sodann  Flügelbauten 
angefügt,  um  dem  Kirchenplan  die  Gestalt  des  Kreuzes  zu 
verleihen. 

An  der  Altarseite,  welche  regelmässig  gegen  Osten  zu 
stehen  kam.  wurde  endlich  fnv  den  Altar  ein  besonderer 
halbrunder  Abschluss,  Allerheiligstes  oder  Tribüne  genannt. 

vorgetragen.     Anfänglich    erhielt    nur    der   Mittelgang  (das 

Hauptschiff)  eine  Tribüne,  späterhin  auch  die  Nebenschiffe. 
Das  Hauptschiff  hat  gewöhnlich  die  doppelte  Breite  je  eines 


—    191 


Seitenschiffes,  und  die  Fitigelbauten  halten  gleiche  Weite 
mit  dem  Hauptschiffe,  so  dass  alle  einzelnen  Gewölbeäbthei- 

lungen  quadratische  Fel- 
der bekommen.  Um  das 
Jahr  II  Oll  erreichte  der 
romanische  Styl  seinen 
Blüthepunkt  und  der  Kir- 
chenbaU  hielt  im  Allge- 
meinen das  folgende, 
Fig.  1  bezeichnete  Sche- 
ma ein.  dessen  Erklärung 
heinahe  selbstverständ- 
lich ist. 

A.  Das  Hauptschiff. 

Biß. -Die  Seitenschiffe; 

( Hauptschiff  und  Sei- 
tenschiffe bilden  zusam- 
men das  Langhaus.) 

( '.  Die  Vierung  des 
Kreuzes. 

I).  Die  Kreuzarme. 

( Vierung  und  Kreuz- 
arme  bilden  zusammen  das 
Querhaus  oder  Kreuz- 
Schiff.) 


(Fig.  1.) 


E.  Das  Presbyterium,  Chor  oder  hoher  Chor. 

F.  Das  Sanctuarium  oder  die  Apsis,  auch  Tribüne, 
Concba  oder  Allerheiligstes  genannt. 

(Presbyterium  und  Apsis  sind  in  grossen  romanischen 
Kirchen  gewöhnlich  erhöht  und  es  befindet  sich  eine 
Unterkirche  oder  Krypta  unter  diesen  Theilen.  Die  Krypta 
diente  gewöhnlich,  um  die  Reliquien  des  Heiligen,  dein  die 
Kirche  gewidmet  war,  aufzubewahren.) 

H  H.  DieThürme,  gewöhnlich  am  Westende,  dem 
Sanctuarium  gegenüber. 

Mit  dieser  Grundform  hat  der  romanische  Basiliken- 
bau  in  eben  dem  Grade  seine  höchste  Ausbildung  erreicht, 
wie  die  antike  Kunst  in  Aufstellung  des  Peripteral-Tempels. 
So  wie  der  Dipteros  und  Pseudodipteros  nur  als  unwesent- 
liche Zugaben  oder  Ausstattungen  des  Peripterös  angesehen 
werden  dürfen,  ebenso  erscheinen  auch  die  verschiedenen 
runden  und  polygonen  Tbürme,  die  Mittelkuppeln  und  Dop- 
pelchöre nur  als  Bereicherungen  des  romanischen  Normal- 
planes. Alle  grösseren  Stift-  und  Stadipfarrkirchen  wurden 
nach  diesem  Plane  erbaut,  und  nur  die  Kathedralen  erhielten 
m  der  Regel  noch  zwei  östliche,  neben  dem  Presbyterium 
angelegte  Thürme,  manchmal  auch  einen  Kuppelthurm  über 
der  Kreuzvierung  als  besondere  Auszeichnung.  Diese  letztge- 
nannten Bildungen  kamen  indessen  in  Böhmen  gar  nicht,  und 
die  Basilikenform  überhaupt  nur  selten  vor;  häufiger  erschei- 
nen einschiffige  Kirchen  in  verschiedenartiger  Ausstattung. 

Die  Pfarrkirchen  der  Dörfer  wurden  meist  einschiffig 
gehalten,  wobei  aber  die  Kreuzform  und  Gewölbeeintheihmg 


nach  dem  Basilikensysteme  zu  Grande  liegt.  Der  einzige 
Thunn    bildet   sodann   gewöhnlich  die    Eingangshalle   und 

steht  an  der  Westseite,  der  Apsis  gerade  gegenüber.  Die 
Emporkirehe  über  dem  Eingange  fehlt  in  Böhmen  nie  und 
selbst  in  den  Schlosscapellen  und  anbedeutendsten  Filialen 
sind  diese  anderwärts  seltenen  Ausstattungen  regelmässig 
vorhanden.  Die  Capellenbauten  haben  weder  Thunn  noch 
Kreuzanlage  und  bestehen  regelmässig  aus  dein  llaiiptraume 
(Schiffe),  der  Apsis  und  der  Vorhalle. 

Neben  diesen,  siininitlich  dem  Basilikensysteme  ange- 
hörenden Grundformen  wurden  in  jener  Periode  auch  kirch- 
liche Gebäude  errichtet,  deren  Plan  entweder  nach  dem 
Kreise  oder  einem  regelmässigen  Polygon  gebildet  ist  und 
welche  man  Centralbauten  zu  nennen  pflegt.  Bauten  dieser 
Art  zeigen  selten  grössere  Ausdehnung  und  haben  in  der 
Regel  eine  untergeordnete  Restimnuing.  Sie  dienten  theiU 
als  Taufhäuser  (Baptisterien),  theils  als  Friedhofcapellen; 
auch  mag  es  vorgekommen  sein,  dass  von  armen  Gemeinden 
solche  Bauten  hloss  der  Wohlfeilheit  wegen  als  Pfarrkirchen 
errichtet  worden  sind.  Die  Anordnung  von  Centralbauten 
findet  sich  in  Böhmen  häufiger  als  in  irgend  einem  der  west- 
lichen Länder  Europa 's. 

Die  künstlerische  Behandlung  und  Ausführung  der  ein- 
zelnen Theile  betreffend,  zeigt  sich  der  romanische  Styl  als 
Massenbau,  der  namentlich  im  Innern  einen  schwerfälligen, 
düsteren  Charakter  an  sich  trägt.  Wie  der  kreuzförmige 
Grundriss  nach  den  sechs  Seiten  des  Würfels  gebildet  ist, 
so  sind  auch  die  Hohenmasse  nach  kubischen  Verhältnissen 
angenommen.  Auf  diese  Weise  erhielten  die  Gebäude  nur 
massige  Höhenausdehnungen,  und  die  Mauern ,  welche  be- 
stimmt sind  schwere  Gewölbe  zu  tragen,  erscheinen  im 
Verhältnisse  zur  Höbe  sehr  dick,  l'm  diese  frühzeitig  er- 
kannte Schwerfälligkeit  zu  mildern,  wurden  die  Mauern 
regelmässig  mit  Streifen  (Lisenen)  eingefasst,  welche  etwa 
3"  vorspringen  und  also  vertiefte  Felder  einfassen.  Unter 
den  Häuptgesimsen  und  Stockwerksabtheilungen  geben  diese 
Lisenen  in  eine  Reihe  von  halbkreisförmigen  Vorlägen  über 
und  bilden  den  sogenannten  romanischen  Fries  (s.  Fig.  2). 

Diese  Friesverzierung,  das 
gewöhnlichste  und  untrüglichste 
Kennzeichen  des  romanischen  St\- 
les,  kömmt  in  Böhmen  weder  häu- 
fig, noch  in  reiner  Kreishihlung 
vor,  sondern  sie  erhielt  gegen 
unten  hin  gewöhnlich  eine  Ver- 
längerung, was  schon  eine  Annä- 
herung zur  Gothik  bedeutet. 

Die  Einfassungen  der  Thü- 
ren  und  Fenster  sind  im  \\  in- 
kel  von  4.')"  abgeschrägt  und  bilden  also  Nischen,  in 
welchen  je  nach  Grösse  und  Wichtigkeil  der  Kirche  oft 
Säulen  eingeblendet  sind.  Diese  kleinen  Säulen  haben  nie 
über  (>"  und  auch  nur  seilen  üher  9"  Durchmesser  und  sind 


(Fig.  2.) 


—   192  — 


oft  gewunden  oder  mit  Ornamenten  verziert.  Dabei  er- 
scheinen die  Fensteröffnungen  auffallend  klein,  besonders 
schmal,  daselbst  in  Kirchen  ersten  Ranges  die  Fenster  kaum 
•2  lichte  Breite  messen.  Das  Würfelcapitäl  endlich  mit  dem 
entsprechenden  Eckblatte  am  Fusse  der  Säule  gehör!  nicht 
allein  zu  den  wesentlichen  Merkmalen  der  romanischen  Pe- 
riode, sondern  bezeichnet  selbst  innerhalb  des  Stylverlaufes 
gewisse  Zeitgränzen;  so  kömmt  z.  B.  das  Würfelcapitäl  im 
westlichen  Deutschland  weder  am  Anfange  noch  am  Schlüsse 
der  Periode  vor,  indem  früher  das  korintbisirende,  späterhin 
aber  das  kelchförmige  Capital  gebraucht  wurde. 

In  Böhmen  gelangte  das  Würfelcapitäl  beinahe  zur 
ausschliesslichen  Geltung  und  wurde  unzweifelhaft  noch  im 
Anfange  des  vierzehnten  Jahrhunderts  angewendet. 

Eine  reiche  Abwechslung  der  Capitälformen,  wie  man 
sie  in  Frankreich,  Deutschland  und  Kugland  findet,  kömmt 
in  Böhmen  nicht  vor.  wo  die  Bauten  nur  auf  die  iiusserste 
Notwendigkeit  beschränkt  blieben. 

II. 
<;eograi>l>is<,l'<k  Vertlicilung  der  Denkmale. 

Böhmen  ist  ein  abgerundetes  Land  wie  kein  zweites. 
das,  so  zu  sagen,  um  seine  Hauptstadt  herum  gruppirt  worden 
ist.  So  wie  nun  von  ältester  Zeit  au  die  Hauptstadt  Prag 
der  Sit/,  aller  geistigen  und  politischen  Bestrebungen  war, 
ebenso  fanden  auch  die  künstlerischen  Richtungen  daselbst 
ihren  Mittelpunkt  und  verbreiteten  sich  von  hier  aus  über 
die  untergeordnete  Gegend.  Daher  linden  sich  auch  die  be- 
deutsamsten und  zugleich  verschiedenartigsten  Monumente 
in  Prag  und  dessen  nächster  Umgebung,  wenn  auch  hier  die 
grössten  Zerstörungen  Statt  fanden.  Die  Vertheüung  der 
Denkmale  über  das  Land  darf  man  sich  indessen  nicht  ganz 
gleichartig  denken,  und  der  Osten  Böhmens,  der  alle  Anzei- 
chen einer  früheren Cultur  trägt,  hat  auch  die  Mehrzahl  alter 
(folglich  romanischer)  Bauwerke  aufzuweisen. 

Wenn  mau  aus  dem  Mittelpunkte  Prag  eine  Bogenlinie 
zieht,  die  nördlich  bei  Leitmeritz  beginnt  und  über  Jung- 
bunzlau,  Bidschow,  Pardubitz,  Ledetz  gegen  Süden  bisMühl- 
hausen  fortgeführtwird, so  liegen  innerhalb  dieses Bogens  die 

meisten  und  gut  erhaltenen  Werke  r anischer  Kunst,  wie: 

Weisskirchen  bei  Melnik,  Yinec  Altbunzlau,  Nudwowitz, 
Lanzau,  Prosek,  Tismitz,  St.  Jakob,  Zabof,  Chrudim,  Hru- 
schitz,  Kundratz,  Mühlhausen  u.  A.  —  Hin  entsprechender 
Bogen,  den  man  durch  das  westliche  Böhmen  ziehen  wollte, 

Würde  kaum  die  Hälfte  der  genannten  Werke  einsehliessen. 

Hie  Gränzbezirke  (Egerland  ausgenommen)  sind  durchaus 

arm  an  romanischen  Bauten,  und  die  beiden  grossen  Gebiete 
des  Böhmerwaldes  und  Riesengebirges  haben  nur  wenige 
Reste  aufzuweisen.  Die  Monumente  des  Egerlandes,  ohnehin 
schon  durch  Abbildungen  und  Beschreibungen  hinlänglich 
bekannt,  tragen  durchaus  deutsches  Gepräge  und  können 
liier,  wo  es  sieb  um  eine  Schilderung  böhmischer  Kunst- 
weise handelt,  nicht  in  Betracht  gezogen  werden. 


Besondere  Stylausbildungen  und  individuelle  Auflas- 
sungen geben  sich  in  der  romanischen  Periode  nirgends  kund. 
Die  Anlagen  sind  nur  auf  die  iiusserste  Notwendigkeit  be- 
rechnel  und  Mangel  an  Erfindung,  wie  Formenbildung  wird 

allenthalben  ersichtlich. 

Ganz  anders  verhält  es  sich  mit  der  gothischen  Bauart. 
sowohl  dem  Wesen  als  der  Verbreitung  nach.  Die  gothi- 
schen Bauten  sind  zwar  ziemlich  gleichmässig  über  das  ganze 
Land  hin  ausgclheill.  jedoch  fallen  der  südlichen  Hälfte  Böh- 
mens die  interessantesten  Werke  zu.  Auch  geben  sich  hier 
nicht  allein  verschiedene  Richtungen,  sondern  auch  die  Kin- 
fiüsse  hervorragender  künstlerischer  Persönlichkeiten  kund. 
Obenan  steht  die  St.  Bartholomäuskirche  in  Kolin  (das 
Schill'),  der  älteste  gothische  Bau  im  Lande,  welchem  nord- 
deutscher Kinlhiss  nicht  abzusprechen  ist.  Die  Ornamentik 
erinnert  vielfach  an  Halberstadt  und  Magdeburg,  wenn  ich 
sie  auch  freier  und  plastisch  höher  durchgebildet  nennen 
möchte.  Mit  diesem  Bau  haben  nur  die  alle  Synagoge  und 
die  Agneskirche  zu  Prag  einige  Verwandtschaft. 

Mit  dem  Prager  Dome  beginnt  die  ältere  Hauptrichtung, 
die  sich  durch  den  Koliner  Chorbau  gegen  Osten  und  Süden, 
durch  die  .schönen  Kirchen  von  Schlan  und  Pilsen  in  nord- 
westlicher Richtung  ausbreitete.  Im  südlichsten  Thcile  Böh- 
mens bildete  sich  unter  mächtigen  Dynasten  eine  eigene 
Schule,  deren  Sitz  Krumau  war  und  welche  sich  mehr  au 
die  von  Wien  und  Krems  ausgehende  Kunstrichtung  anlehnte 
als  an  die  Präger  Schule.  Die  besten  Werke  dieser  Schule 
sind  die  Kirche  zu  Krumau  mal  der  Kreuzgang  desPiaristen- 
klosters  zu  Budweis  ;  ihr  Einfluss  ist  bis  in  die  Gegend  von 
Sobieslau  zu  erkennen.  Nun  folgt  die  rein  czechische  Schule, 
deren  Hauptwerk  die  St.  Barbarakirche  zu  Kuttenberg  ist  (  die 
Anlage  dieser  Kirche  jedoch  ist  älter  und  gleichzeitig  mit 
der  zweiten  Gründung  des  Prager  Domes  angenommen 
worden).  Der  einheimischen  Schule  sind  die  meisten  Kirchen 
auf  dein  Lande  und  in  den  kleinen  Städten,  sowie  auch  die 
verschiedenen Stadtthore,  Brunnen  und  Privatgebäude  zuzu- 
schreiben. 

Die  eigentliche  Renaissance  gehört  nur  Prag  an  und 
ist  auch  hier  nur  durch  wenige  Beispiele  vertreten.  DerZopf- 
styl  aber,  und  zwar  der  formloseste,  plumpeste,  bat  seine 
Repräsentanten  in  zahlreichster  Fülle  überall  und  an  allen 
Orten  ausgesäet. 

Kin  Gürtel  von  Holzbauten  umzieht  längs  der  Grunzen 
hin  das  ganze  Land.   Im  Erzgebirge  und   den   angränzonden 

westlichen  Districten  findet  man  den  deutschen  Fachwerk- 
bau, Während  sieh  \om  Biesengebirge  aus  bis  in  die  Gegend 
von  Chrudim  und  Deutschbrod  der  Blockverband  hinzieht, 
und  je  nach  Örtlichkeit  bald  deutschen,  bald  slavischen  Cha- 
rakter annimmt  Im  Böhmerwalde  endlich,  etwa  vonKlentsch 

bis  Witlingau  und  herein  ins  Kund  bis  Budweis.  werden  die 
Einflüsse  der  Alpenbauarl  ersichtlich. 

Sehr  beachtenswerth  sind  noch  die  schönen  Städte- 
plätze in  Böhmen,  Ringe  genannt .  eine  Eigenthümlicbkeit 


193 


der  slawischen  Orte.  Den  schönsten  dieser  Ringe,  welcher 
ringsum  mit  Laubengängen  umgeben  ist,  besitzt  wohl  Bud- 
weis.  Auch  Gitschin,  Beraun,  Czaslau  und  viele  kleine  Orte 
erfreuen  sich  schöner  Ringplätze. 

III. 

Romanische   Bauwerke   in    Böhmen   ltOO   his 
nach  üioo- 

Während  die  Rheingegenden,  Westphalen  und  das  alte 
Sachsenland  mit  Denkmalen  romanischer  Kunst  fast  über- 
deckt sind,  und  alle  deutschen  Gauen  zahlreiche  Werke  aus 
dieser  Periode  aufzuweisen  haben,  erscheinen  in  Böhmen 
die  rundbogigen  Formen  nur  als  Seltenheit. 

Diese  Thatsache  ist  allen  Forschern  aufgefallen  und 
hat  verschiedene  Meinungen  hervorgerufen ,  welche  zu 
prüfen  oder  nur  zu  wiederholen  kaum  möglich  wäre.  So 
gewiss  es  nun  einerseits  ist,  dass  noch  bei  Weitem  nicht 
alle  derartigen  Monumente  bekannt  und  noch  weniger  durch- 
forscht sind,  ebenso  unbestritten  wird  es  bleiben ,  dass  die 
noch  anzuholTenden  Funde  (unter  Zurechnung  aller  denk- 
baren Zerstörungen)  den  obwaltenden  Mangel  nicht  ver- 
decken können. 

Böhmen  hat  imVergleiche  mit  den  Nachbarländern  nie- 
mals zahlreiche  romanische  Bauwerke  besessen,  und  zwar 
wird  die  Ursache  dieses  Mangels  weniger  in  der  späten  Ver- 
breitung des  Christenthums  zu  suchen  sein .  als  vielmehr  in 
dem  Umstände,  dass  die  Kloster  hier,  neben  der  altherge- 
stammten herzoglichen  Gewalt  und  der  schon  bestehenden 
Landeseintheilung,  nicht  jenen  vielseitigen  Einfluss  aufCivi- 
lisation  und  Kunst  gewinnen  konnten  wie  anderwärts.  Wäh- 
rend die  Klöster  Corvey,  St.  Gallen,  TegernseeJ,  Nieder- 
alteich und  andere  wahre  Schulen  und  Pflanzstätten  der 
Künste  zu  nennen  sind,  scheint  es  in  Böhmen  an  solchen 
Mittelpunkten  künstlerischer  Thätigkeit  gefehlt  zu  haben  1). 

Das  grösste  Hinderniss  aber,  welches  dem  höheren 
Aufblühen  der  Architectur  entgegenstand,  war  das  schon 
erwähnte  lange  Festhalten  am  Holzbau,  und  durch  diesen 
Umstand  kann  der  Mangel  an  alten  Gebäuden  genügend  er- 
klärt werden. 

Alle  bisher  bekannten  romanischen  Bauten  zeigen  nur 
massige  Dimensionen.  Die  meisten  derselben  sind  sogar  klein 
zu  nennen  und  tragen  alle  Zeichen  des  Provisoriums  an  sich. 

Die  Formenbildung  erseheint  in  auffallendster  Einfachheit, 
welche  oft  in  Bohheit  übergeht;  auch  die  technische  Behand- 
lung der  Einzelheiten  ist  unvollkommen  und  schwerfällig. 

Der  eigentliche  Basilikenbau  ist  nur  durch  wenige  Bei- 
spiele vertreten  und  diese  haben  im  Laufe  der  Zeit  ihre  ur- 
sprüngliche Form  grösstenteils  verloren. 


*)  Die  Klöster  waren  eigentlich  im  ausschliesslichen  Besitze  aller  Kunst- 
übung,  und  der  Kirchenbau  wurde  his  in  die  Mitte  des  XIII.  Jahr- 
hunderts nur  von  der  Geistlichkeit  betrieben.  Erst  gegen  Ende  dieses 
Jahrhunderts,  also  mit  Beginn  der  gothischen  Periode  erscheinen 
die  weltlichen  Baumeister. 


Der  Umstand,  dass  alle  in  Böhmen  vorkommenden  Ba- 
siliken wiederholt  (und  wie  es  scheint  oft  ohne  Noth)  schon 
in  frühester  Zeit  überbaut  worden  sind,  kann  als  Zeichen 
angesehen  werden,  dass  die  hier  üblichen,  allzu  dürftigen 
Formen  von  jeher  keinen  rechten  Anklang,  wenn  sie  auch  aus 
Bequemlichkeit  lange  beibehalten  worden  sind ,  im  Volke 
finden  wollten.  Von  den  meisten  Basiliken  haben  sich  nur 
einzelne  Theile  erhalten,  z.  B.  zu  Alt-Bimzlau  und  Doxan. 
Hie  und  da  kann  die  alte  Anlage  nur  durch  nähere  Unter- 
suchungen ermittelt  werden,  wie  diess  bei  der  St.  Peter- 
und Paulskirche  auf  dem  Wyssehrad  der  Fall  ist.  Ziemlich 
erhalten  sind  die  kleinen  Basilikenbauten  zu  Prosek  and 
Tisnitz,  beide  einfache  Dorfkirchen  von  Capellengrösse, 
dann  die  Pfarrkirche  zu  Mühlhausen,  welche  erst  in  neuerer 
Zeit  etwas  überbaut  wurde. 

Da  diese  Blätter  keine  Aufzählung  aller  vorkommenden 
Gebäude  enthalten  sollen  und  können,  wurde  zur  Begründung 
der  Charakteristik  von  jeder  Gattung  eines  der  wichtigsten 
Monumente  ausgewählt.  Als  geeignetster  Bepräsentant  des 
böhmischen  Basilikenbaues  darf  die  St.  Georgskirche 
auf  dem  Hradschin  zu  Prag  um  so  mehr  aufgestellt 
werden,  als  sich  einerseits  viele  der  hier  vorkommenden 
Fälle  durch  diesen  Bau  erklären  lassen  und  anderseits  der- 
selbe zu  den  bekanntesten  Denkmalen  gehört. 

Die    St.    Georgskirche    hat ,  wie  Fig.  3  zeigt ,   drei 

Schilfe  und 
ist  mit  zwei 
Tbürinen . 
Kreuz  Vor- 
lage   und 
Krypta  ver- 
entsprichl     also 
den  Anforderungen    de- 
romanischen     Basiliken- 
baues. 

DieThürme  stellen  an 
der  Ostseite  der  Kirche 
neben  den  Seitenschiffen 
und  bilden  die  Kreuzform, 
die  W  estseite  hingegen  ist 
grösstenteils  dureb  eine 
]  zoplige  Facade  entstellt. 

Gegen  Norden   liegt    ein 

(Fig.  3.)  "..  ,- 

geräumiger     Kreuzgang, 

»  o  ct         ct- 

der  zwar  modernisirt  wurde,  aber  die  ehemaligen  Dimen- 
sionen noch  erkennen  lässt. 

Die  Kirche  bat  folgende  Hauptmasse,  welche  alle  im 
Lichten  genommen  sind  : 

Die  ganze  Länge  beträgt  140  Wiener  Fuss.  wovon  auf 
das  Presbylcriuin  mit  der  Apsis  34  und  IOC  auf  das  Lang- 
haus entfallen, 

Nur  der  östliche  Theil  der  Schilfe  ist  ursprünglich  und 
ruht  auf  Pfeilern,  während  an  der  Westseile  die  alte  Anlage 


194  — 


mit  einer   neueren  Empore  von  53'  6"  Länge    überdeckt 

wurden  ist.  1  'nter  dem  l'roshv  teriiini  ist  die  Krypta  befind- 
lich, welche  genau  die  Masse  des  oberen  Kirchentlieilos 
einhält  und  von  sechs  Säulen  unterstützt  wird.  Sie  ist  dem 
heil.  Nikidaus  geweiht  und  wird  gewöhnlich  St.  Nikolaus» 
capelle  genannt. 

In  dein  noch  alten  Theile  des  Hauptschiffes  von  52'  6" 
Lange  stehen  drei  freie  Pfeiler  auf  jeder  Seite,  wovon  die 
beiden  hintersten  rund  und  mit  gesimsartigen  Capitälen  be- 
deckt  sind. 

Die  Breitenmasse  verhalten  sieh  also: 

ganze  Breite  des  Langhauses  44'  6", 
Breite  des  Mittelschiffes  .    .    .  T>J  6", 

Pfeilerstärke 3', 

Breite  des  Seitenschiffes  rechts  7', 
Breite  des  linken  Seitenschiffes  0'. 

Bei  diesen  Massangaben  ist  wie  bei  allen  Vermessungen 
alter  Hauten  zu  bemerken,  dass  sie  ein  vermitteltes  Ergeb- 
nis enthalten.  Abweichungen  von  mehreren  Zollen  bis  zu 
einem  Fuss  erhält  man  mit  jedem  neuen  Ansätze  des  Mass- 
slabes. An  diesen  Unregelmässigkeiten  sind  zum  Theile  die 
unvollkommenen  Messinstrumente  der  damaligen  Zeit,  zum 
Theile  die  Senkungen  und  Verschiebungen  der  Mauern 
schuld ,  auch  die  oftmalige  Tünche  hat  hie  und  da  Mass- 
unterschiede von  mehreren  Zollen  hervorgebracht,  was  bei 
kleineren  Bäumen  wohl  zu  beachten  ist. 

Es  messen  also  die  Seitenschiffe  zusammen  und  mit 
Einschluss  der  Pfeiler  so  ziemlich  die  gleiche  Weite  mit 
dem  Hauptschiffe,  und  das  Vorhältniss  des  Langhauses  wird 
nach  Abzug  der  Vorhalle  durch  ein  Bechteck  von  zwei  Oua- 
draten  gebildet  gewesen  sein. 

Die  Pfeiler  sind  quadratisch,  3'  stark  und  9'  hoch ,  sie 
sind  mit  Kundbogen  verbunden  und  tragen  die  ebenfalls  3' 
dicken  Längenmauern,  an  welchen  sich  keine  Pflaster  oder 
sonstige  Verstärkungen  von  den  Pfeilern  aus  hinaufziehen. 
Das  gegenwärtige  Gewölbe  im  Hauptschiffe  ist  zwar  im  Rund- 
bogenstyle erbaut,  aber  dennoch  spätere  Einschaltung.  Die 
Gewölbekappen  stimmen  in  ihren  Spannweiten  durchaus 
nicht  mit  den  tragenden  Pfeilern  überein,  sondern  greifen 
darüber  weit  hinaus.  Aus  dieser  Einrichtung,  wie  auch  aus 
der  geringen  .Mauerstärke  lässt  sich  abnehmen,  dass  das 
Schill'  ursprünglich  nicht  gewölbt  sondern  mit  einer  Ilachen 
Holzdecke  versehen  war. 

Es  hat  also  schon  in  der  romanischen  Zeit  ein  grosser 
Umbau  dieser  Kirche  und  zwar  in  Folge  eines  Brandes  statt- 
gefunden, bei  welcher  Gelegenheit  die Thurme  angebaut  und 
die  Gewölbe  des  Hauptschiffes  sammt  den  über  den  Seiten- 
schiffen befindlichen  Emporen  errichtet  wurden  sind.  Liese 
zweite  Bauperiode  fällt  gegen  Ende  des  zwölften  Jahrhun- 
derts und  ist  durch  die  vorkommenden  Würfelcapitfile,  diu 
Eckbossen  der  Säulenfüsse  und  die  Art  der  gekuppelten 
Fenster  deutlich  bezeichnet. 


Da  nun  zwischen  den  älteren  Theilen  und  diesen  spä- 
teren Bauten  kein  sehr  grosser  Stylonterschied  bemerkbar 
wird,  dürfte  die  erste  Anlage  der  jetzt  bestehenden  Kirche 
etwa  in  das  erste  Viertel  des  zwölften  Jahrhunderts  zu 
verlegen  sein. 

Aller  Wahrscheinlichkeit  nachstanden  fünf  freie  Pfeiler 
auf  jeder  Seite  des  Schilfes,  so  dass  die  beiden  erwähnten 
Rundpfeiler  die  Mitte  des  Langhauses  bezeichneten.  Ein 
Querschiff  von  gleicher  Breite  mit  dem  Hauptschiffe  schloss 
sodann  die  Kirche  an  der  Abendseite  ab,  und  dieses  Quer- 
schiff  bestimmte  zugleich  die  Grösse  der  Vorhalle  und  der 
darüber  liegenden  Empore.  Diese  Annahme  wird  durch 
Obereinstimmung  aller  Masse  und  auch  durch  einige  Grund- 
mauern bestätiget,  welche  sich  in  dem  neuen  Anbaue  rechts 
({\i-v  St.  Nepomuk  -  Capelle)  finden  und  die  mit  dieser  Ca- 
pelle keinen  Zusammenhang  haben. 

Solche  westliche  Querschiffe  linden  sich  in  mehreren 
Kirchen  des  Bonedictinerordens,  namentlich  in  Fulda,  dann 
zu  St.  Jakob  und  St.  Eineran  in  Regensburg.  Der  noch  er- 
haltene westliche  Theil  der  St.  Eineranskirche  bietet  nicht 
allein  hinsichtlich  der  Anlage,  sundern  auch  in  Bezug  auf 
Technik  vielfache  Ähnlichkeit  mit  dem  ältesten  Theile  der 
Präger  Georgskirche. 

Die  Seitenschiffe  von  St.  Georg  sind  schmäler  und 
niedriger  als  üblich  angeordnet,  weil  hier,  als  in  einer  Klo- 
slerkirche oberhalb  der  Abseiten  dun  hgehends  Emporen 
angebracht  werden mussten.  Von'diesen  Emporen,  welche 
längs  des  Hauptschiffes  mit  gekuppelten  Fenstern  nach  Art 
eines  Laufganges  versehen  waren,  hat  sich  die  linke  Seid' 
ziemlich  vollständig  erhalten.  Die  rechte  Seite  hingegen. 
so  wie  die  ganze  westliche  Hälfte  des  Langhauses  sind  so 
überbaut,  dass  nur  mit  Hilfe  einiger  Durchbrechungen  die 
alte  Form  ermittelt  werden  konnte. 

Auffallend  und  zugleich  höchst  charakteristisch  er- 
scheint der  gänzliche  Mangel  an  Laubwerk  und  überhaupt 
aller  ornamentalen  Ausstattung.  Weder  in  der  Kirche  noch 
in  den  verschiedenen  Capellen  und  Anbauten  kömmt  eine 
Spur  von  eigentlicher  Ornamentik  vor  und  selbst  die  gegen 
aussen  erhaltene  Apsis  des  Hauptschiffes  ermangelt   des   fas| 

unausweichlichen  Rundbogenfrieses. 

Der  Porlieus  an  der  Südseite  mit  korinthischen  Säulen 
und  allerlei  Ornamenten  (welche  vielfach  an  romanische 
Bildung  erinnern)  wurde  erst  im  vorigen  Jahrhunderte  er- 
richtet. Der  Eingang  unter  diesen  Porticus  ist  zwar  rund- 
bogig,  aber  wiederhol!  überbaut  und  gehört  gleichfalls  zu 
den  neuesten  Reparaturen,  welche  die  Kirche  erfahren  hat. 
Das  Relief  im  Bogenfelde  über  dieser  ThQre  Btellt  den  beil. 
Georg  zu  Pferde  dar,  wie  er  den  Drachen  bekämpft.  Dieses 
Bildwerk  scheint  etwa  um  l.'illll  entstanden  und  in  die  da- 
mals erneuerte  Thtlre  eingefiigf  wurden  zu  sein,  wobei  die 
allen  Masse  so  gut  als  möglich  beibehalten  wurden. 

Die    Figur   des    heiligen    (i g    und    auch    das  Pferd 

zeigen  Leben  und  gute   Verhältnisse   und  sind  zum  Theile 


195 


der  berühmten  Heiterstatue  von  Klussenbach  (auf  dein  Dom- 
platze)  nachgebildet.  Die  auf  diesem  Relief  vorkommenden 
Trachten  so  wie  die  Burg  im  Hintergründe  (mit  Schiess- 
scharten reichlich  ausgestattet)  setzen  die  obige  Entste- 
hungszeit  ausser  Zweifel. 

Die  Säulen  der  Krypta  und  der  erwähnten  gekuppelten 
Einporfenster  sind  mit  Würfelcapitälen  von  einfachster  Form 
versehen;  diese,  nebst  wenigen  Ge- 
simsen ,  bilden  allen  Schmuck  des  Ge- 
bäudes. 

Wir  geben  liier  mit  der  Fig.  4  ein 
Gesimse  aus  der  Apsis,  mit  den  weiter 
folgenden  Figuren  5  und  (3  eines  der 
Würfolcapitäle  und  ein  Capital  aus  dem 


. 


(!•'''! 


(Fi-.  5.) 

Schiffe  von  St.  Georg  und  mit 
der  Fig.  7  die  Anordnung  der 
Kuppelfenster  in  den  Em- 
poren. 

Das  Kirchenpflaster  liegt 
vier  Stufen  unter  dem  Niveau 
des  Platzes  und  sieben  wei- 
tere Stufen  führen  in  die 
Krypta  hinab.  VierzebnStufen 
über  dem  Boden  des  Kirchen-  (Fig.  i.) 

sebiffes  liegt  das  Presbyterium  und  aus  diesem  führen  noch- 
mals fünf  Stufen  in  den  höchstgelegenen  Theil.  die  Lud- 
millacapelle. 

Die  Thürme  sind  viereckig  und  unverjüngt  bis  unter 
das  Dach,  welches  durch  steile  Helme  von  besonderer  Zier- 
lichkeit gebildet  wird.  Die  Helmpyramide  setzt  oberhalb  des 
Traufgesimses  in  das  Achteck  über,  wobei  die  abgeschnitte- 
nen Ecken  wieder  mit  kleinen  Pyramiden  ausgefüllt  sind. 
Diese  Helme  gehören  bereits  dem  gothisehen  Style  an  und 
sind  bis  zur  höchsten  Spitze  sorgfältig  von  Ziegeln  aufge- 
mauert. 

Bemerkenswerth  ist  ausserdem  an  diesen  Thürmen, 
dass  sie  bei  symmetrischer  Anordnung  ganz  verschiedene 
Grössenverhältnisse  aufweisen.  Der  linke  Thunn  ist  bedeu- 
tend schmäler  und  auch  etwas  niedriger  gehalten  als  der 
rechte.  Im  rechten  Thurme  befindet  sich  eine  geräumige 
Capelle  mit  halbrunder  Apsis,  wahrscheinlich  nicht  der  äl- 
testen Anlage  angehörig.  Der  Vorbau,  in  dessen  Hauptmauer 
sich  die  Treppe  durchwindet,  ist  zwar  romanisch,  aber  spä- 


teren Ursprunges.  Offenbar  wurde  diese  Capelle  erst  später- 
hin mit  dem  Thurme  überbaut.  Der  linke  Thurm  überspannt 
den  Kreuzgang  mit  einer  offenen  Halle  und  ruht  an  der 
einen  Seite  auf  zwei  Pfeilern.  Diese  Eigentümlichkeiten, 
zu  denen  noch  die  absonderliche  Stellung  der  Thürme  selbst 
kommt,  machen  es  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  die  Kirche 
in  ihrer  ersten  Anlage  keinen  Thurm  gehabt  bat. 

Die  Apsiden  der  Seitenschiffe  sind  zwar  im  Innern 
noch  kenntlich,  gegen  aussen  jedoch  ganz  überdeckt.  Auf 
drei  Seiten  ist  die  St.  Georgskirche  mit  Capellen  und  An- 
bauten aufs  reichlichste  umgeben  und  es  mag  mit  dem 
Gesanmitplan  des  Klosters  von  jeher  etwas  unregelmässig 
ausgesehen  haben. 

Von  allen  Anbauten  bleibt  die  St.  Leudmillaeapelle  (s. 
in  der  Fig.  3  die  Bezeichnung  «)  unstreitig  die  merkwür- 
digste. Diese  Capelle  liegt  an  der  Südseite  des  Presbyte- 
riums,  hat  mit  diesem  beinahe  gleiche  Grösse  und  ist  mit 
einem  fünfseitigen  Chorschlusse  aus  dem  Achtecke  versehen. 
Die  Anlage  darf  als  gleichzeitig  mit  dem  erwähnten  zweiten 
Kirchenbau,  also  um  die  Mitte  des  zwölften  Jahrhunderts 
angenommen  werden,  wie  die  Unterbauten  beweisin.  Der 
Obertheil  dieser  Capelle  aber  ist  entschieden  gothisch  mit 
geflissentlich  beibehaltenen  romanischen  Reminiscenzen.  Die 
eingebrochenen  grossen  spitzbogigen  Fenster  gehören,  so 
wie  auch  die  Fenster  der  Apside  der  spätgothisehen  Zeil 
an.  Diese  Fenster  nebst  den  festungsartigen  Böschungen, 
welche  den  Grundbau  der  Ludmillacapelle  umgeben,  wurden 
erst  nach  dem  Brande  von  1541  eingesetzt,  weil  gerade  die 
Ostseite  und  die  Thürme  damals  sehr  gelitten  hatten.  Spuren 
wiederholter  Brände  sind  überhaupt  an  allen  Theilen  der 
Kirche  sichtbar:  sogar  die  Gewölbe  der  Krypta  wurden 
einmal  zusammengedrückt,  woher  sich  deren  Erneuerung 
schreibt.  An  der  ganzen  Kirche  hat  sich  kein  ursprüngliches, 
noch  im  Gebrauche  befindliches  Fenster  erhalten,  noch  we- 
niger findet  sich  irgend  eine  Spur  des  alten  Hauptgesimses. 

Auch  die  Anlage  der  jenseits  des  Kreuzganges  gelege- 
nen St.  Anna-  oder  Mariencapelle  mit  ihrem,  dem  heiligen 
Martin  gewidmeten  Vorhause,  gehört  noch  dem  zwölften 
Jahrhunderte;  diese  Tbeile  wurden  aber  im  Jahre  1(573 
durch  Fürstin  Mechtilde  von  Eckstein  total  oiodernisirt.— 

Halten  wir  dieser,  nur  vom  kunsttechuischen  Stand- 
punkte aus  angestellten  Untersuchung  die  geschichtlicher) 
Daten  entgegen,  so  finden  wir  beide  in  vollkommener  I  bec- 
einstimmung. 

Herzog  Wratislaw  gründete  im  Jahre  912  tue  St. 
Georgskirche  und  besetzte  sie  mit  Chorherren.  lioloslaw  der 
Zweite  verwandelte  das  Stift  in  ein  Frauenkloeter  nach  der 
Begel  des  heil.  Benedict  um,  und  seine  Schwester  Milada 
oder  Maria  ward  1)71  erste  Äbtissin  dieses  Klosters,  das 
später  zu  einer  gefausteten  Abtei  erhoben  wurde. 

Ein  Baumeister  Mirobog,  welcher  den  ersten  Bau  her- 
gestellt haben  soll,  darf  unbedingt  zu  den  fabelhaften  Per- 
sönlichkeilen gerechnet  werden,  mit  denen  man  die  Kunst- 


—  19f>  — 


geschieht«'  so  gerne  auszustatten  beliebte.  In  der  Stittungs- 
zeit  gab  es  weder  Baumeister  von  Fach,  noch  «erden  über- 
haupt Namen  genannt,  da  die  Kunst  nicht  vom  Individuum 
sondern  von  der  GesamnUheit  des  Clerus  ausging  und  aus- 
gehen sollte. 

Oh  der  erste  Hau  ein  Holzbau  gewesen  sei.  ist  unbe- 
kannt Spuren  davon  haben  sieh  nicht  erhalten.  Die  Worte 
der  Chronisten  „incoeptum  est  opus  ecclesiae  anno  912  et 
absolutum  anno  913",  lassen  nur  einen  llol/.hau  vermulhen. 
(Vgl.  Hagekund  Haromerachmidt.)  ("her  A^n  weiteren  Ver- 
lauf des  Kirchenbaues  und  die  Anlage  des  jetzigen  Bestandes 
fehlen  zuverlässige  Nachrichten  und  nur  die  wiederholten 
Brandunglücke,  welche  die  Stadt  betroffen,  geben  einige 
Anhaltspunkte.  In  den  Jahren  1001  und  1142  verheerten 
Crosse  Feuersbrünste  i\en  Hradschin  und  der  letzte  Brand. 
welcher  durch  den  Markgrafen  Konrad  II.  von  Mähren  ver- 
anlasst war.  legte  namentlich  das  ganze  Klostergebäude 
samnit  der  Kirche  in  Asche.  Herzog  Wladislaw  II.  stellte 
Kirche  und  Stift  (zwischen  1130 — 1170)  wieder  her,  und 
dieser  Zeit  gehört  bei  weitem  der  grössere  Theil  des  ge- 
genwärtigen Gebäudes  an.  Als  Meisler  dieses  Baues  wird 
Lapicidarius  WernheruS  oder  Werwerius  genannt,  der  auch 
die  Leiche  der  heil.  Ludmilla  wieder  unter  dem  Schutte  auf- 
gefunden haben  soll.  Ob  derselbe  dem  geistlichen  Stande 
angehört  habe,  ist  nicht  bekannt ;  der  Name  lässt  auf  deut- 
schen Ursprung  schliessen. 

Da  nun  unsere  Kirche  nach  übereinstimmenden  Nach- 
richten in  „kurzer  Zeit"  hergestellt  wurde,  ist  anzunehmen, 
dass  die  alten  Grundmauern  wieder  benützt  werden  konnten 
und  somit  ergibt  sich  ziemlich  sicher,  dass  die  Apsiden  mit 
dem  untersten  Theile  des  Langhauses  dem  Bau  vor  1142 
angehören.  Die  Thürme  hingegen  und  der  ganze  Obertheil 
der  Kirche  mit  den  Gewölben  und  allen  alten  Anhauten  sind 
von  Herzog  Wladislaw  hergestellt  worden. 

Hierdurch  finden  sich  die  beiden  durcheinandergescho- 
benen romanischen  Bauanlagen  erklärt  und  es  bleibt  nurübrig, 
auch  über  die  alleren  Kirchentheile  einiges  Licht  zu  erhalten. 

Es  ist  bereits  gesagt  worden,  dass  Anlage  und  Technik 
der  Georgsfcirche  eine  nahe  Verwandtschaft  zu  dem  alten 
Theile  der  Finmeranskirche  in  Begenshurg  beurkunden. 
Nun  linden  wir  ferner,  dass  die  Prinzessin  Milada,  die  Mit- 
stifterin  des  Klosters,  in  Begenshurg  ihre  Bildung  erhalten 
und  von  da  (wahrscheinlich  aus  dem  St.  Emeran  incorpo- 
rirten  Stifte  Obermünster)  die  ersten  Benedictiner  nach 
Prag  eingeführt  haben  soll.  Halten  wir  diese  I  mstände  zu- 
sammen, so  lässt  sich  ein  fortwährender  Verkehr  zwischen 
diesen  Klöstern  kaum  bezweifeln.  Da  nun  die  Bauzeit  des 
fraglichen  Kirchentheils  in  Begenshurg  durch  die  erhaltene 
Inschrift:  „Abbas  Beginward  hoc  fore  jussitopus"  documen- 
tirt  ist  und  Beginward  von  1040 — 1064  dem  Kloster  vor- 
stand, wäre  auch  das  Aller  jener  Theile  der  St.  GeOrgS- 
kirehe  annähernd  bestimmt,  welche  den  Brand  von  1142 
überdauert  haben. 


Obwohl  fast  jede  Äbtissin  durch  einige  Neuerungen  in 
den  Stiftungskirchen  sich  auszuzeichnen  strebte,  blieb  doch 
die  Kirche,  wie  sie  Herzog  Wladislaw  hinterlassen,  im  We- 
sentlichen unverändert,  bis  die  Fürstäbtissin  Sophie  von 
llelfenherg  ums  Jahr  1020  den  un verhältnissmässigen Jung- 
frauenchor aull'idiren  liess  und  liiednreh  mehr  als  die  Hälfte 
der  Kirche  verhaute.  Nachdem  einmal  die  Bahn  gebrochen 
war,    folgte    Fürstin    Mechlilde     Schönweiss    von    Kekslein. 

welche  ihrem  ominösen  Namen  entsprechend  von  1070 — ■ 
1000  alles  Bestehende  nach  Möglichkeit  übertünchen,  herab- 
putzen und  sogar  die  alten  Inschriften  und  Maiereien  üher- 
weissen  liess.  Um  das  Unglück  voll  zu  machen,  liess  endlich 
Domdechant  Ludwig  Steyer  im  Verein  mit  der  Äbtissin 
Fürstin Pieron  von  Gallianö  in  den  Jahren  1717  bis  1722 
eine  St.  Nepomukcapelle  in  den  südwestlichen  Kirchenflügel 
hineinbauen,  bei  welcher  Gelegenheit  die  gegenwärtige 
zoplige  Hauptfacade  entstand. 

Das  Baumateriale  aller  alten  Kirchentheile  besteht  aus 
dem  bekannten  Prager  Mergelstein  (  Plänerkalk,  Opuka,  auch 
Wopuka  genannt),  der  in  regelmässigen  horizontalen  Schich- 
ten von  je  4 — 7"  Höhe  aufs  Sorgfältigste  mit  Hammer  und 
Pickel  zugerichtet  und  gefügt  ist. 

Es  ist  unmöglich,  besseres  Mauerwerk  zu  sehen  als 
dieses,  auch  der  angewandte  Mörtel  ist  von  solch  trefflicher 
Beschaffenheit  dass  er  dem  Feuer  vollkommen  widerstehen 
konnte. 

Die  Ludmillacapelle  ist  aus  gewöhnlichen  Bruchsteinen 
mit  Quadereinlagen  erbaut,  die  erwähnten  Böschungen  an 
dieser  Gapelle  und  am  rechten  Thurme  sind  mit  Ziegeln 
vorgelegt;  auch  an  den  späteren  Einbauten  zeigt  sich  der 
Ziegel  als  das  gewöhnliche  Materiale. 

Bei  der  hohen  Würde,  welche  dieses  Gebäude  unter 
den  Kirchen  des  Landes  einnimmt,  ist  dasselbe  verhältniss- 
mässig  arm  an  bedeutenden  Werken  der  Plastik  und  Malerei. 

Höchst  merkwürdig  sowohl  für  die  Geschichte  des 
Baues,  wie  in  künstlerischer  Hinsicht,  ist  ein  wohlerhaltenes 
Belief,  gegenwärtig  über  einer  Thüre  im  Kreuzgange  ein- 
gemauert. Dasselbe  ist  nach  Art  der  alten  Altarbilder  drei- 
feldig  und  zeigt  im  Mittelhilde  die  Krönung  t\vr  heil.  Maria. 
in  den  Feldern  zur  Rechten  und  Linken  die  Stifter  des 
Klosters,  (wahrscheinlich)  Boleslav  II.  und  Milada.  beide 
in   knieender  Stellung  mit  Spruchtafeln  in  den  Händen. 

Diese  Spruchtafeln  enthalten  nur  ein  Gebet,  ohne  Jahr- 
zahl und  ohne  Namen. 

Die  Himmelskönigin  "-it/.t  auf  einem  Throne  oder  Posta- 
mente, das  mit  Bundbogen  und  kleinen  Würfelcapitälen  ver- 
ziert ist  und  zu  ihren  Füssen  knieen  zwei  Benedictincrinnen. 
Die  Behandlung  Ist  zwar  hart  aber  nicht  ohne  feines  Kunst- 
gefühl und  einen  gewissen  Natursinn,  der  den  Sculp- 
turen  jener  Zeil  sonsl  nichl  eigen  ist.  Aus  einer  am  Bande 
angebrachten  Inschrift  gehl  hervor ,  dass  Äbtissin  Hertha 
die  Stiflerin  oder  Urheberin  dieses  Kunstwerkes  sei.  Diese 
Schrift,  deren  Schlussworte  zerstört  sind,  lautet: 


197 


MARIA  .PRIfllA  .3BbA  f  AVQ  .MARIA .  GRACIA . PL&NA . DNS. 

Ta.CVM.fRaHRTA.ABRA.se zerstört,  FV,  (hier  bricht 

die  Zeile  ab.) 

Auf  dem  andern  Steine: 

vNCTH.RöGIS.0aiSa.ReRG.TVI.PÜT0. 
RUX.RSGIS.PRA zerstört. 

Äbtissin  Bertha  wird  in  zwei  Urkunden  des  Papstes 
Eugen  III.  genannt  und  zwar  1145  und  1151.  Es  ist  also 
unter  ihrer  Regierung  das  Kloster  nach  dem  Brande  von 
1142  wieder  aufgebaut  worden.  Näheres  über  die  Abkunft 
und  das  Leben  der  Äbtissin  ist  nicht  bekannt;  allem  An- 
scheine nach  war  sie  eine  Anverwandte  des  Herzogs  Wla- 
dislaw. 

Was  das  höchst  interessante  Belief  betrifft,  besteht 
solches  aus  Prager  Mergelstein  und  wurde  also  ohne  Zweifel 
in  Böhmen  verfertigt.  Augenscheinlich  hatte  es  die  Bestim- 
mung eines  Grabsteines  und  zugleich  Altares  über  Milada's 
Grab.  Bei  welcher  Gelegenheit  es  seiner  alten  Stelle  ent- 
rückt und  im  Kreuzgange  eingemauert  wurde ,  dürfte  nach 
den  hundertfältigen  Reparaturen  schwerlich  festzustellen 
sein.  Auf  alle  Fälle  haben  wir  hier  das  älteste  der  bekannten 
mittelalterlichen  Sculpturwerke  Böhmens  vor  uns,  das  sich 
nicht  allein  durch  hohen  Kunstwerth  auszeichnet,  sondern 
das  auch  durch  sein  documentirtes  Alter  für  die  Kunstge- 
schichte im  höchsten  Grade  wichtig  ist.  Es  wird  nicht  ge- 
wagt sein,  wenn  man  dieses  Werk  einer  Frauenhand  zu- 
schreibt. 

Das  sehr  zierliche  Grabmal  der  heil.  Ludmilla,  eine 
Thumba  aus  feinem  Mergelstein  gemeisselt,  gehört  dem 
fünfzehnten  Jahrhunderte  an  und  zeigt  eine  reiche,  von  allen 
Übertreibungen  freie  gothische  Ornamentik.  Auf  jeder  Lang- 
seite stehen  fünf  Heiligenstatuetten  zwischen  Masswerken, 
auf  der  Deckplatte  ruht  die  Figur  der  Heiligen  in  Lebens- 
grösse.  Die  Kopfseite  der  Thumba  ist  durch  einen  Altar 
verbaut;  die  entgegengesetzte  Seite  blieb  glatt  und  zeigt 
Spuren  von  Bemalung.  Das  Denkmal  ist  6'  3"  lang,  4'  breit 
und  sammt  den  Stufen  5'  hoch;  es  steht  in  der  Mitte  der 
Ludmillacapelle.  Zwei  fernere  Sarkophage  .  gleichfalls 
Tlwmben,  stehen  im  Schiffe  der  Kirche  und  decken  die  Ge- 
beine Wratislaw's  und  Boleslaw  des  Frommen.  Beide  Denk- 
male sind  äusserst  einfach  und  nach  den  daran  befindlichen 
Gesimsen  eher  später  als  gleichzeitig  mit  dem  Monumente 
der  heil.  Ludmilla  ausgeführt  ')• 

Nebst  Obigem  ist  noch  der  kleine  Altar  der  heil,  drei 
Königein  der  Krypta  beachtens werth ,  ein  hocherhabenes 
Belief  in  feinem  Sandstein.  Die  Figuren  zeigen  mehr  Bewe- 
gung und  bessere  Zeichnung  als  die  Statuetten  aniLudmilla- 
denkmal  und  mögen  im  Anfange  des  fünfzehnten  Jahrhun- 
derts gefertiget  worden  sein. 


Die  verschiedenen  steinernen  Altai  tische  in  der  Krypta 
und  den  Apsiden  sind  alt,  von  einfachster  Form,  und  es  dürf- 
ten mehrere  noch  vor  der  Zeit  Wladislaw's  gefertigt  worden 
sein,  also  dem  ältesten  Bau  angehören. 

Bei  den  zahllosen  Einbauten  und  Änderungen,  wodurch 
in  der  Georgskirche  beinahe  jedes  Jahrzehend  bezeichnet 
wird;  bleibt  es  fast  unbegreiflich,  dass  der  strenggothische 
Styl  des  dreizehnten  Jahrhunderts  nicht  in  einer  einzigen 
Linie  vertreten  ist:  ein  Beweis,  dass  unmittelbar  nach  dem 
Rundbogenbau  die  späte  Gothik  folgte. 

Wir  haben  diese  Kirche  mit  Vorbedacht  viel  ausführ- 
licher behandelt,  als  es  für  eine  Charakteristik  nothwendig 
erscheint:  allein  der  Gegenstand  erforderte  einerseits  die 
genaueste  Erörterung  und  andererseits  sollte  ein  Beispiel 
aufgestellt  werden,  welche  Punkte  man  bei  Untersuchungen 
besonders  zu  berücksichtigen  habe.  Die  Erklärung  der  St. 
Georgskirche  schliesst  eine  Menge  von  Einzelfällen  in  sieh. 
daher  wir  im  Nachfolgenden  um  so  kürzer  sein  dürfen. 

Die  durch  ihre  Doppelkrypta  berühmte  Collegiatkirche 
St.  Cosmas  und  Damian,  auch  S  t.  Wenzelskirche  in  Alt- 
bunzlau,  ist  zwar  grösser  als  die  Georgskirche,  aber  auch 
viel  roher  und  zugleich  um  etwa  30  bis  50  Jahre  jünger. 
Nur  die  Krypta  ist  romanisch ;  die  Kirche  wurde  zu  wieder- 
holten Malen  überbaut  und  zeigt  nur  hie  und  da  noch  Spuren 
von  hohem  Alter.  Die  Krypta  wird  durch  zwei  an  einander 
liegende  gleichseitige  Quadrate  von  je  40'  Breite  gebildet 
und  jedes  von  16,  bis  zusammen  32  runden  Säulen  unter- 
stützt. Das  östliche  Quadrat  wird  in  der  ganzen  Breite  mit 
einem  halbkreisförmigen  Chore  umzogen,  dessen  Gewölbe 
noch  von  zwei  besonderen  quadratischen  Pfeilern  getragen 
wird.  Alle  Säuleu  sind  1'  dick,  6'  hoch,  haben  Würfelcapi- 
täle  und  Eckblätter  an  den  Basen,  nur  in  der  westlichen  Ab- 
theilung kommen  zwei  verzierte  Capitäle  vor.  Alle  übrigen 
sind  Würfel  von  rohester  Form,  denen  sogar  die  Deckplatte 

fehlt  und  die  nicht  einmal  mit 
dein  Meissel.  sondern  nur  einem 
Hammer  bearbeitet  worden  sind. 
Die  Arbeit  ist  die  roheste,  wel- 
che ich  je  gesehen,  und  erinnert 
beinahe  an  keltische  Denkmale. 
In  dieser  Krypta  war  der 
heilige  Wenzel  begraben,  ehe 
er  im  Dome  zu  Prag  beigesetzt 
wurde.  In  Fig.  S  erblicken  wir 
ein  Würfelcapitäl  der  beschrie- 
benen Unterkirche. 


')  Thumben  nennt  m.ui  liegende ,  jedoch  über  den  Boden  aufgemauerte, 
mit  einer  Deckplatte  versehene  Grabmale  ,  welche  nur  für  vornehme 
Personen  errichtet  wurden.  Auf  der  Deckplatte  wurde  oft  das  Bild— 
niss  des  Begrabenen  in  Lebensgrösse  abgebildet. 


(Fig.  8.) 


Häufiger  als  die  Basiliken 
kommen  in  Böhmen  kleinere  Kir- 
chenbauten vor.  Besonders  zahl- 
reich sind  die  1!  u  n  d  c  a  pol  Ion 
vertreten,  welche  schon  seit  län- 
gerer /eil   die  Aufmerksamkeit 


—   [98 


(Fig.  9.J 


der  Kunstforscher  beschäftigen.  Man  war  bisher  geneigt,  diese 
Bauwerke,  deren  oftmaliges  Erscheinen  allerdings  etwas  Räth- 
selhaftes  an  sich  trägt,  orientalischen  oder  altslavischen  Ein- 
flüssen zuzuschreiben,  jedoch  fehlt  eine  genaue  Untersuchung. 
Alle  diese  Rundbauten,  so  viele  deren  bisher  bekannt 
geworden  sind,  zeigen  diegrösste  Einfachheit,  die  sich  nur 
denken  lässt,  sie  sind   sich  untereinander   so  ähnlich,    dass 

mau  annehmen  möchte,  alle  seien 
nach  einem  und  demselben  Plane 
ausgeführt  und  die  vorkommen- 
den Abweichungen  seien  nur 
Suche  des  Zufalles. 

Wie  der  folgende  Holzschnitt 
Fig.  9  zeigt,  bestimmt  ein  Kreis 
von  beiläufig  20'  Durchmesser 
die  Grösse  des  Kirchenraumes; 
an  diesen  schliesst  sich  eine  runde 
Apside  an.  welche  etwa  die  Hälfte 
manchmal  auch  nur  ein  Drittel  des 

Kirchendurehniessers  weit  ist.  Der 

Hauptraum  ist  mit  einem  Halbkup- 
pelgewölbe, die  Apside  mit  einer 

Nische  überdeckt  und  eine  kleine 
Laterne    krönt    die    Kuppel.     Die 

Höhe  des  Gebäudes  ist  gleich 
dem  Kreisdurchmesser  und  die 
Laterne  erhall  ein  Drittel  desselben  zur  Höhe  und  Weite. 
Das  Gesimse  besteht  nur  aus  einem  vorgeschobenen  Steine. 
woran  jede  Gliederung,  seihst  ein  Kehlstoss  fehlt.  Nicht  ein- 
mal die  Eingänge,  welche  regelmässig  den  Apsiden  gegen- 
über liegen,  sind  profilirt  und  nur  an  den  Apsiden  seihst 
erscheint  manchmal  der  Rundbogenfries.  Die  Laternen  oder 
kuppclthiinncheii  sind  mit  Kuppelfenstern  geschmückt, 
deren  Säulen  Würfelcapitäle  zeigen,  sonst  fehlt  jede  Art 
von  Verzierung 

Fügen  wir  aoeh  hinzu.  dass  die  Dächer  etwas  unter 
dem  Winkel  von  4K  Graden  bleiben  .  wird  jeder  Zeichner 
im  Stande  sein,  nach  dieser  Beschreibung  eine  solche  Ca- 
pelle  vollständig  zu  construiren. 

Nicht-,  desto  weniger  machen  diese  Bauten  auf  den  Be- 
;chauer  im  ersten  Augenblicke  einen  befremdenden  Kin- 
druck, besonders  wenn  er  an  die  in  Italien.  Frankreich  und 
Deutschland  vorkommenden Centralbauten denkt.  Bei  näherer 
Betrachtung  findet  man  jedoch,  dass  aller  Unterschied  in 
der  Ausstattung  liege  und  der  befremdende  Eindruck  nur 
durch  die  übertriebene  Einfachheit  hervorgerufen  werde. 

W  ollte  man  die  meisten  der  italienischen  oder  deut- 
schen Centralanlagen  ihres  Schmuckes  entkleiden  und  sie 
auf  das  möglichst  kleinste  Mass  zurückführen,  bliebe  genau 
•ine  solche  Capelle  ohne,  wie  deren  innerhalb  der  Mauern 
Prags  drei  zu  sehen  sind.  Aber  auch  ganz  in  derselben 
Form  und  Grösse,  wie  diese  Prager  Capellen,  linden  sich 
Anlagen  in  den    verschiedensten   Gegenden   Deutschlands. 


Als  Beispiele  können  die  Itauten  zu  Drücbelte  inWestphalen, 
Steingaden  an  der  Tiroler  Gränze  und  Altenfurt  hei  Nürn- 
berg genannt  werden;  eine  vierte  solche  Capelle  steht  bei 
Vilshofen  in  Unterbaiern  an  der  Donau.  Die  beiden  letztge- 
nannten Heispiele  stimmen  bis  auf  die  geringsten  Kleinig- 
keiten mit  den  böhmischen  Hundbauten  überein.  woraus  sich 
ergibt,  dass  diese  Art  von  Gebäuden  nicht  specielles  Eigen- 
tliniii  irgend  eines  Volksstammes  seien. 

Ks  bleiben  noch  Zweck  und  Alter  dieser  kleinen  Kir- 
chen zu  untersuchen. 

liier  Stiftung,  Erbauung  oder  Einweihung  dieser  Ca- 
pellen fehlen  alle  und  jede  Nachrichten  und  zwar  überall: 
ein  Umstand,  der  wohl  zu  beachten  bleibt.  Taufhäuser  dür- 
fen wir  in  keinem  Falle  vermuthen;  diese  führen  stets  den 
Titel  des  heil.  Johannes  des  Täufers  .  dem  keine  einzige 
dieser  Capellen  gewidmet  ist.  Über  den  verschiedensten 
Titelheiligen  kommt  die  Thatsache  vor,  dass  mehrere  dieser 
Gebäude  schon  im  vierzehnten  Jahrhunderte  als  Pfarrkirchen 
aufgezählt  werden,  wie  die  Capellen  von  Holuhitz,  heil.  Kreuz 
in  Prag  und  Sehelkowitz. 

Dieser  letztere  Umstand  belehrt  uns,  dass  wir  nicht 
jedesmal  Leichen-  und  Gräbercapellen  vor  uns  haben.  Ge- 
bäude dieser  Art  waren  zu  keiner  Zeit  zugleich  Pfarrkirchen. 
Heilige  Grabescapellen  aber,  die  allerdings  in  Böhmen  vor- 
kommen, werden  auch  also  genannt. 

Die  aaturgemässeste  Erklärung  dieser  Rundcapellen 
wird  also  ganz  einfach  dahin  lauten,  dass  man  sie  als  blosse 
Interimsbauten  annimmt.  Man  bedurfte  für  die  Kirchenbücher 
und  werthvollen  Einrichtungsstücke  einen  gesicherten  Ort 
und  errichtete  einstweilen,  vielleicht  neben  der  bestehenden 
Holzkirche  eine  Rundcapelle,  welche  zugleich  als  Glocken- 
thürmchen  dienen  musste. 

In  grosseren  und  reichen  Gemeinden  wurde  dann  die 
Capelle  später  umgebaut,  und  so  geschah  es,  dass  nur  in 
zurückgekommenen,  verarmten  Orten  oder  in  abgelegenen 
Gegenden  solche  Denkmale  sich  erhalten  haben.  Die  Prager 

Capellen  lag! hcmals  vor  der  Stadt  Und  die  genannte  heil. 

Kreuzkirche  wurde  erst  spät  zu  einer  Friedhofskirehe  gemacht, 
nachdem  sie  aufgehört  hatte  eine  eigene  Pfarre  zu  sein. 

Byzantinischen  oder  überhaupt  orientalischen  Einfluss 
kann  man  gerade  an  diesen  Hallten  am  allerwenigsten  ge- 
wahren. Die  meisten  tragen  gar  keinen  Styl  an  sich,  sondern 
beurkunden  nur   die   Dürftigkeit  der   Gemeinde,    welche  sie 

errichtete.  Die  byzantinische  Baukunst  hingegen  zeigt  immer, 

seihst  wo  sie  in  einfachster  Weise  auftritt,  einige  Osten- 
tation  von  Reichthum,  und  zwar  zumeist  m  Anordnung  der 
Vorhalle. 


Einschiffige  Kirchen  kommen  in  Böhmen  verhält- 

nissmassig    am   häufigsten  vor   und    zeigen    gewöhnlich   eine 
reichere  Ausstattung  als  die  Basiliken  und  Rundbauten. 

Ein  Rechteck  von  anderthalb  oder  zwei  Quadraten  bil- 
det den  Grundriss,  an  den  sich  gegen  Osten  die  halbrunde 


191» 


Apsis  anschliesst.  Die  Empore  über  dem  Haupteingange, 
also  an  der  Westseite,  fehlt  niemals. 

Die  kleine  Kirehe  in  Zabof  hat  die  bestdurchgeführten 
ornamentalen   Details  aufzuweisen,    welche  wir  im  Lande 

^äs^XfK^^r        4i3^~^W^~^*bJ        linden,    wovon 

^Ir^rtnintfK^lte  st.    Galluskir- 

(F;g- 100  chezuPofican 

der  Suzawa  kommt  sogar  eine  Krypta   vor  .   wahrscheinlich 

das    einzige    Beispiel  ,    dass    eine   einschiffige    Kirche   auf 

diese  Weise  ausgestattet  ist. 

Alle  diese  Capellenbauten  überragt  an  Alter  und  ge- 
schichtlichen Erinnerungen  das  Kat  harinenk  los  te  r  zu 
Tetin,  der  berühmten  böhmischen  Herzogenburg,  wo  die 
heilige  Ludmilla  ums  Jahr  927  den  Martyrertod  starb  und 
der  fromme  Wenzel  seinen  gewöhnlichen  Aufenthalt  hatte. 
( >b  diese  Capelle  noch  dieselbe  sei ,  in  welcher  die  Leiche 
der  heil.  Ludmilla  beigesetzt  war.  ehe  sie  nach  Prag  in  das 
St.  Georgskloster  übertragen  wurde,  liisst  sich  bei  der  Ein- 
fachheit des  Gebäudes,  das  nur  in  seiner  Grundform  einige 
Anhaltspunkte  bietet,  nicht  entscheiden. 
Der  Grundriss  (Fig.  1 1 )  besteht  aus  zwei 
Quadraten,  von  denen  das  grössere  (21' 
weit)  das  Schiff,  das  kleinere  (nur  14' 
breit)  aber  den  Chor  bildet.  Der  Chor  ist 
rundbogig  überwölbt  und  das  Schiff  mit 
einer  flachen  Holzdecke  versehen.  Die 
Empore  fehlte  auch  hier  nicht,  wie  die 
Überreste   eines   alten   Stützpfeilers  be-  (f.r-ii.) 

weisen.  Eigentümlich  ist,  dass  sowohl  das  Schiff  wie  der 
Chor  sich  gegen  Osten  hin  verjüngen,  so  dass  der  Grund- 
riss einer  doppelt  abgestumpften  Pyramide  gleicht.  Der  Ein- 
gang war  an  der  Nordseite  rundbogig,  aber  sonst  ohne 
Auszeichnung;  in  der  Wand  hinter  dem  Altare  steht  auch 
ein  altes  Bundbogenfenster  von  6"  weiter  Öffnung.  Das  Ma- 
teriale  ist  marmorartiger  Bruchstein  der  unmittelbaren  Nähe. 
Bei  dem  Umstände,  dass  die  St.  Katharineneapelle  im  Jahre 
1788  aufgehoben  und  beinahe 60  Jahre  lang  als  Schüttboden 
benützt  wurde,  gingen  begreiflichermassen  alle  Einzeln- 
heiten zu  Grunde;  sicher  ergibt  sich  nur  dieses,  dass  wir 
hier  die  alte  Tetiner  Schlosscapelle  vor  uns  sehen. 

Als  ganz  eigenthümliche  Erscheinung  verdient  noch  die 
bekannte  Capelle  zu  P  od  vi  nee  oder  Vi  nee  erwähnt  zu 
werden,  welche  ganz  im  Gegensatze  zu  den  bisher  angeführ- 
ten Werken  aufs  reichste  mit  Verzierungen  ausgestaltet  ist. 

Ein  Quadrat  von  nur  18'  im  Lichten  bildet  den  Grund- 
riss; gegen  Osten  liegt  ein  Sanctuarium,  fünfseitig  aus  dem 
Achtecke.  Der  Eingang  befindet  sich  an  der  Nordseile  und 
führt  in  die  Vorhalle,  über  welcher  die  unerlässliche  Empore 
sich  befindet.  Die  Treppe  dahin  ist  in  die  südliche  Umfas- 
sungsmauer eingebaut.   Ein  gewaltiger  Pfeiler  von  5'  Stärke 


unterstützt  die  gewölbte  Empore  und  beeng!  das  eigentliche 
Kirchenschill' in  solch  auffallender  Weise,  dass  dafür  nur 
ein  Baum  von  C>  Länge  übrig  bleibt.  Nur  die  Gewölbe  der 
Vorhalle  (also  unter  der  Empore)  sind  ursprünglich,  das 
Gewölbe  über  dem  Sanctuarium  und  der  Empore  gehören 
einer  Neuerung  an.  welchenacb  einem  Brande  vorgenommen 
werden  musste.  Seltsamer  Wei.se  ist  das  äusserst  kleine 
Schill'  nicht  gewölbt  und  zeigt  auch  keine  Spuren,  dass  hiezu 
ein  Gewölbe  bestanden  habe.  Em  vorgebauter  Porticus,  von 
einer  freien  und  zwei  Halbsäulen  auf  jeder  Seite  getragen, 
ziert  den  Eingang,  in  dessen»  Bogenfelde  ein  Crucifix  und 
zwei  ilaneben  auf  dem  Boden  liegende  Heiligenfiguren  sicht- 
barsind. Die  Empore  bildet  eine  besondere,  durch  eine 
Mauer  vom  Kirchenraume  abgeschlossene  Oberkirche  für 
sich,  aus  welcher  mau  nur  durch  zwei  kleine  Fenster  und 
einen  sonderbaren  portalartigen,  aber  nur  3'  breiten  Bogen 
in  das  Schilf  hinabsehen  kann.  In  allen  Ecken,  sowohl  im 
Presbyterium  wie  auf  der  Empore,  stehen  Wandsäulen  mit 
Würfelcapitälen. 

Die  senkrechten  Profilirungen  sind  flach  und   nach   go 
thischer    Weise    abgefasst,    das    horizontale    Gesimswerk 
äusserst  derb  und  im  Verhältniss  zu  den  kleinen  Dimensionen 
der  Capelle  unbegreiflich  schwerfällig 

Es  seien  hier  nur  einige  der  gröbsten  Verstösse  gi 
alle  Proportion  angeführt.  Auf  dem  gewundenen,  am  Fusse 
6  und  oben  nur  5''  starken  Säulchen  des  Porticus  ruht  ein 
Bundstab  von  13  Durchmesser,  der  als  Fortsetzung  dieser 
Säulen  den  Thürbogeu  überspannt.  Ferner  stellt  in  der 
Empore  ein  Wandpfeiler  von  »>  Breite  und  einem  Vorsprung 
von  3'.  während  die  Wandfläche,  welche  verstärkt  werden 
soll,  nur  5'  misst.  Der  Sockel  an  dem  Bogen  ebendaselbst 
hat  eine  Midie  von  I  ,'i  .  die  W'andsäulen  aber,  welche  auf 
diesem  Sockel  ruhen,  sind  nicht  einmal  einen  Fuss  hoch. 
Die  Deckplatten  auf  den  Capitälen  sind  viel  höher  als  die 
Capitäle  selbst  und  die  meisten  Gliederwerke  erscheinen 
in  verkehrter  Anwendung. 

Die  Rundbogen  an  den  Friesen  sind  bedeutend  über- 
höht, mit  Kehle  und  Stäbchen   profilirt  und   darüber  zieht 

sich    der    keilförmige  Zahnseliinlt 

F\y^T^mr^    (Fl'g-  l2)hin-  DieWürfelcapitäle 

' " ' -""■     sind  mit  Laubwerk  und  Verschlin- 


l'J'-iil-'fl-S:"'  ■Ji;n-eii  \ersehon:    aber  die  Orna- 

mente scheinen  nur  angelegt  zu 
sein,  so  Mach  wurden  sie  auf  den 
Stein  hingezeichnet  oder  einge- 
ritzt 

Das   ganze   Bauwerk   ist    von 
trefflichen  Quadern  aus  Sandstein 

errichtet,  welcher  in  i ittelbarer 

Imstand  legt  die  Vermutbung  nahe, 
dass  in  den  Steinbrüchen  die  Vorarbeiten  zu  einem  grössern 
Bau  eingeleitet  waren ,  welcher  jedoch  unterblieb.  Darauf 
benutzte  man  die  bereits  vollendeten  Theile  zum  Hau  diesei 

26« 


Näh. 


(Fig.  12  i 
»rieht.    Dieser 


200 


Capelle  so  gut  als  es  gehen  wollte.  Daher  dieser  Überfluss 
an  Ornamenten,  diese  fielen  widerstrebenden  Einzelheiten 
und  in'cli  unvollendeten  Theile  an  einem  Kirchlein  der 
kleinsten  Gattung.  Auf  der  Empore  sind  Bautheile  einge- 
mauert, die  gar  nicht  zur  Kirche  gehören. 

Nichts  desto  weniger  macht  das  Äussere  einen  unten 
Eindruck,  was  zunächst  den  Verhältnissen  des  Sanctuariums 
zuzuschreiben  ist.  Auch  treten  die  Felder  der  Details  an  der 
Aussenseite  weniger  hervor  als  im  Innern,  welches  begreif- 
lichermassen  sehr  verstellt  und  ungeordnet  aussieht. 

Die  Capelle  von  Podvinec  ist  gegenwärtig  zur  Dechan- 
teikirclie  von  Jungbunzlau  eingepfarrt,  soll  aber  ehemals 
eine  eigene  Pfarrkirche  gewesen  sein.  Sonstige  Nachrichten 
oder  Urkunden  über  die  Erbauung  fehlen:  aber  nach  den 
vielen  gothischen  Anklängen,  die  an  allen  Theilen  des  Ge- 
bäudes  zu  sehen  sind,  fallt  die  Errichtung  aller  Wahrschein- 
lichkeil nach  bereits  in  das  vierzehnte  Jahrhundert.  Alter 
dürfen  wir  dieseCapelle,  deren  ursprüngliches  Chorgewölbe 
gotbische,  stark  profilirte  Hippen  hatte,  in  keiner  Weise 
halten,  da  sie  eigentlich  schon  dem  Übergangsstyle  ange- 
hört. 

Ilauser  und  überhaupt  Privatgebäude  romanischen 
Styls  haben  sich  in  Böhmen  nicht  erhalten:  die  in  einigen 
Burgen  vorkommenden  älteren  Theile  gehören  theils  der 
Übergangsperiode,  theils  der  vollendeten  Gothik  an. 

Das  Materiale  welches  in  ältester  Zeit  benützt  wurde. 
ist  der  Bruchstein,  wie  ersieh  zunächst  auffinden  Hess.  Die 
Bruchsteine  wurden  sowohl  roh  als  in  lagenmässiger  Abar- 
beitung mit  dem    Hammer   angewandt:   alle    Gewölbe  aber 


bestehen  ans  rauhen  Bruchsteinen,  und  Ziegel  scheinen  eist 
im  vierzehnten  Jahrhunderte  üblich  geworden  zu  sein. 

Zum  Schlüsse  dieses  Artikels  sei  noch  bemerkt,  das* 
die  Hauten  von  Egor  einen  durchaus  deutscheu  Charakter 
au  sich  haben  und  in  keiner  Weise  der  böhmischen  Kunst- 
schule beigezählt  werden  dürfen.  Die  phantastischen  Ge- 
bilde welche  in  der  Schlosscapelle  von  Eger  vorkommen. 
und  nach  denen  häufig  die  mittelalterliche  Kunst  Böhmens 
beurtheilt  wurde,  stehen  nicht  im  entferntesten  Bezüge  zu 
dieser.  Die  Egerer  Sculpturen  reihen  sich  sowohl  hinsicht- 
lieh der  Richtung  wie  der  Technik  zunächst  den  spätroma- 
nischen Werken  in  Regensburg  und  Bamberg  an.  Im  Innern 
des  Landes  würde  man  vergebens  nach  derartigen  Erschei- 
nungen suchen. 

Wenn  auch  die  romanische  Periode  weder  in  nume- 
rischer noch  in  künstlerischer  Hinsicht  jene  reiche  Ausbeute 
gewährt,  wie  wir  sie  in  England ,  Prankreich  und  Deutsch- 
land finden  .  so  verdienen  die  Denkmale  Böhmens  nichts 
desto  weniger  ein  eben  so  hohes,  vielleicht  grösseres  In- 
teresse als  in  jedem  anderen  Laude.  Einerseits  stehen  sie 
in  engster  Beziehung  zu  der  Heligious-  und  Culturgeschichte 
des  Landes  und  anderseits  sind  diese  Denkmale  bisher  eben 
so  wenig  bekannt  geworden,  dass  jeder  neue  Fund  als  eine 
Bereicherung  der  Landesgeschichte  angesehen  werden  darf. 

Es  kann  daher  die  Untersuchung  und  Erforscl g  aller 

romanischen  oder  romanisch  scheinenden  Monumente  den 
Kunst-  und  Geschichtsfreunden  nicht  genug  aus  Herz  ge- 
legt werden. 

(Die  Fortsetzung  im  nächsten  Hefte.) 


Bericht  über  eine  Reise  von  Brisen  nach  Inichen  und  in  das  Thal  Tanfers  in  Tirol. 

(Iniehen,  Niederdorf,  Pereha,  Gaus,  Taufers,  Prelau,  St.  Martin,  Weissenhach  und  Luttach.) 
Von  Georg  Tinkbauser,  k.  k. Conservator für  den  Brimer Kreis. 


Das  sogenannte  Oberland  im  Pnslerthale  bildet  unstreitig 
eine  der  schönsten  Gegenden  von  'lind.  Ober  Niederdorf 
beim  Weiler  Grätsch  beginnt  die  weitgedehnte  Hochebene, 
wo  sich  beinahe  4000  Fuss  über  die  Meeresfläche  die 
Wasserscheiden,  und  theils  dem  adriatischen,  theils  dem 
schwarzen  Meere  zufliessen.  Die  breite  Thalsohle  wird  links 
und  recht''  von  freundlichen  Bergesabhängen  begränzt,  wo 
sich  einzelne  Gehöfte  ausbreiten  und  Nadelholz  mit  frischem 
Grün  bis  zum  Scheitel  der  Berge  wuchert.  Am  Fasse  der 
nördlichen  Thalseite  liegt  das  freundliche  Dorf  Doblach. 
Die  schölle  Kirche   und   einige   alte  Adelsitze  überragen   die1 

übrigen  Gebäude  I  i -hen  sich  von  weitem   bemerkbar. 

Gegenüber  auf  der  anderen  Seile  schlängelt  -ich  die  neu- 
gebaute  Sii;isse  durch  das  Höhlensteiner  Thal  nach  Ampezzo 
und  Belluno.  Den  höchsten  Punkt  der  Ebene  bezeichnet  ein 
thurmhoeb  aufragendes  Kreuz,  welches  von  der  Ferne  dem 
Wanderer  entgegensieht.  Das  Ganze  bildet  eine  grossartige 
Landschaft,  wo  im  Winter  gefahrdrohendes  Schneegestöber 


wüthet  und  eiskalte  Winde  heulen,  im  Sommer  aber  die 
reinste  Bergluft  die  freier  athmendeBrusI  stärkt,  und  blumen- 
reiche Matten  im  Wechsel  mit  dem  saftigsten  Grün  der  Wal- 
dungen das  Auge  erheitern.  Am  östlichen  Ende  dieser 
Hochebene  liegt  der  Markt  I  nie  heu.  Man  liiulel  hier  statt- 
liche Häuser,  einen  regen  Verkehr  mit  dem  nahen  Italien. 
und  im  Sommer  viele  Fremde ,  welche  das  nahe  gelegene, 

dureb    seine   Heilquellen    bekannte  Wildbad    beliehen.     Das 

freundliche  Entgegenkommen  der  Bewohner  macht  den  Auf- 
enthalt um  so  angenehmer  und  hat  in  mir  unvertilgbare 

Erinnerungen   zurückgelassen.  Insbes lers   dem  Freunde 

der  vaterländischen  Geschichte  und  des  Alterthumes  wird 

hier  reichlicher  Stell' geboten.  Del1  Name  des  Ortes  erinnert 
au   das   alte   Aguntuin  *)    —    die  stelze   Hügelstadt, 


if  Iniel Intichingen,    Intica,   dieses  aas  Aguntum   durch 

Weglassung  der  Vorsylbe,  und  Iguntura  null  Steufa  aus  dem  rhätisclien 

A  e  li  ii  n  u 


201 


welche  noch  im  VI.  Jahrhundert  in  hoher  Bliithe  .stund  '), 
aber  um  das  Jahr  CIO  im  gewaltigen  Kampfe  der  Bojoaren 
und  slavischen  Wenden  von  diesen  wüste  gelegt  worden  ist. 
Römische  Meilensteine  und  andere  Denkmale,  die  man  hier 
ausgegraben,  erinnern  an  die  Zeit  der  römischen  Herrschaft. 
Südöstlich  und  ganz  nahe  heim  Markt  erhebt  sich  ein  sanft 
aufsteigendes  Hügelland,  welches  den  Vorsprung  des  Berg- 
rückens bildet,  der  das  Thal  Sexten  vom  Hauptthale  trennt. 
Dieses  hügelige  Terrain ,  welches  angenehme  Spaziergange 
im  Schatten  des  Nadelgehölzes  und  eine  weite  Fernsicht 
über  das  freundliche  Thal  bietet,  wird  im  Munde  des  Volkes 
insgemein  die  Burg  genannt,  und  soll  der  Standpunkt  des 
alten  Aguntum  sein.  Bekanntlich  gewannen  die  Bojoaren  die 
Oberhand  über  die  Wenden  und  Tassilo,  der  unglück- 
liche und  letzte  Herzog  des  bojoarischen  Herr  scher  Stammes, 
stiftete  an  der  Stelle  des  alten  Aguntum  ein  Benedictiner- 
kloster,  damit  die  Mönche  den  verwüsteten  Boden  wieder 
bebauen  und  den  angränzenden  Slaven  das  Evangelium  pre- 
digen sollen.  Das  Kloster  erhielt  ein  reiches  Besitzthum  und 
wurde  im  Jahre  816  den  Bischöfen  von  Freising  als  Com- 
mende  übergeben.  Später,  nämlich  um  das  Jahr  1141,  wurde 
es  in  ein  Collegiatstift  umgewandelt,  an  dessen  Spitze  ein 
Propst  stand.  Die  Bischöfe  von  Freising  behielten  das  welt- 
liche Besitzthum  (die  Herrschaft  Inichen);  den  Canonikern 
aber  wiesen  sie  bestimmte  Benten  zur  Dotation  an.  Der 
weitgedebnte  Bezirk  an  beiden  Ufern  der  Rienz,  vom  Trist- 
ner-  bis  zum  Abfalterer-Bach  mit  dem  Comitat  Cadober, 
gehorchte  nun  den  Bischöfen  von  Freising.  Auf  einem  Hügel 
des  Inichberges,  an  der  nördlichen  Thalseite,  thronte  die 
stolze  Hab  er  bürg;  hier  hauste  der  Freising'sche  Haupt- 
mann; den  Blutbann  aber  führten  mächtige  Vögte.  Die  spä- 
tere Geschichte  des  Stiftes  und  der  Herrschaft  Inichen 
berührt  uns  nicht  mehr,  nachdem  wir  bei  der  Zeit  angelangt 
sind,  aus  welcher  das  schöne  und  merkwürdige  Baudenkmal 
stammt,  das  wir  zunächst  betrachten  werden.  Dieses  ist  die 
romanische  Stiftskirche  zu  Inichen.  Eine  genauere 
Beschreibung  davon  werde  ich  nachtragen:  daher  kann  ich 
mich  hier  mit  einigen  allgemeinen  Umrissen  begnügen. 
Dieses  Bauwerk  besteht  aus  einem  Mittel-  und  zwei  niedri- 
geren Seitenschiffen,  über  welche  sich  die  Kreuzesarme  noch 
weiter  hinaus  erstrecken.  Jedes  Schiff  endet  mit  einer  halb- 
kreisförmigen Apsis.  Das  Ganze  ist  im  romanischen  Style 
durchgeführt,  noch  gut  erhalten  und  in  neuester  Zeit  mit 
Geschicklichkeit  und  Aufwand  restaurirt  worden.  Der  grosse 
Thurm  an  der  Fronte,  welcher,  soweit  das  Mauerwerk  reicht, 
zu  den  höchsten  des  Landes  gehört,  wurde  im  XIV.  Jahrhun- 
dert, und  zwar  nach  den  noch  vorhandenen  Inschriften  in 
den  Jahren  1321—1326  aufgeführt.  Zur  selben  Zeit  scheint 


*)  lade  Valentin!  benedicti  templa  require 

Norica  rura  petens,  ubi  Birrus  vertitur  uiulis; 
Per  Drarum  ilur  iter,  qua  se  castella  supinant, 
Hie  m  o  n  t  a  n  a  seitens  in  c  o  1  1  e  6  u  p  e  r  b  i  t  A  g  u  n  t  u  s. 

Aus  Venantius  Fortunatus. 


auch  die  neben  dem  Thurme  anliegende  Vorballe  gebaut 
worden  zu  sein.  Sie  repräsentirt  ein  schönes  Werk  im 
gothischeu  Style.  Eine  spätere  Entstehung  hat  der  auf  der 
Vorhalle  liegende  Musikchor  und  die  neben  der  Vorhalle 
angebrachte  Capelle.  wo  sich  der  Taufstein  befindet.  Die 
Krypta,  welche  ehedem  den  Unterbau  des  Priesterchores  und 
der  Vierung  bildete,  wurde  unglücklicher  Weise  bei  der 
neuesten  Restauration  entfernt.  Jetzt  sieht  man  nur  mehr 
die  Säulen  und  Capitäle,  welche  das  Kreuzgewölbe  der- 
selben trugen,  und  einige  andere  behauene  Steine.  Diese 
Bautheile  verrathen  ein  sehr  hohes  Alter.  Die  Säulen  haben 
den  attischen  Fuss  und  tragen  entweder  Würfel-  oder  der 
korinthischen  Form  nachgebildete  Capitäle.  Sowohl  die  einen 
als  die  anderen  sind  in  der  rohesten  Form  bearbeitet  und  füh- 
ren auf  die  Zeit  zurück,  wo  die  romanische  Kunst  noch  in 
der  \\  iege  lag.  Aus  einer  späteren  Periode,  und  zwar  wahr- 
scheinlich aus  der  Mitte  des  XII.  Jahrhunderts  stammt  das 
Gebäude  der  Kirche.  Die  geschmackvoll  gegliederten  Pfei- 
ler, die  schön  aus  einem  Steine  gehauenen  vielseitigen  Säu- 
len und  das  Eckblatt  an  den  Pfühlen  verrathen  eine  vorge- 
rückte Ausbildung  des  Styles.  Die  Capitäle .  meistens  von 
etwas  gedrückter  Form,  tragen  eine  ziemlich  reiche  Orna- 
mentik, theils  mit  antiken  Motiven,  theils  mit  phantastischen 
Thiergestalten  oder  Iconographien.  Merkwürdig  sind  die 
Würfel-Capitäle  an  den  beiden  Wandsäulen  der  Westseite. 
Sie  haben  eine  ovale  Bundimg  und  sind  wie  mit  einem 
Schuppenpanzer  umkleidet.  Unter  den  drei  Portalen  verdient 
das  an  der  Westseite,  so  wie  auch  das  gegen  Süden  mehr 
Aufmerksamkeit.  Beide  haben  eine  bedeutende  Einschräguns 
und  fallen  in  mehrere  westwinkelige  Ecken  mit  darauf  ste- 
henden Cylindern  ab.  Das  erstere  ist  grossartiger  und  bat 
eine  reichere  Gliederung;  das  letztere  aber  merkwürdiger 
wegen  des  Bogenfeldes,  das  ein  in  Stein  gearbeitetes  Relief 
enthält:  Christus  sitzt  auf  dem  Thron,  ihn  umge- 
ben die  Symbole  der  vier  Evangelisten  (Adler. 
Engel,  Stier  und  Löwe)  nach  den  bekannten  Versen: 
Quatuor  haec  Dominum  signant  animalia  Christum: 
Est  bomo  nascendo,  vitulusque  sacer  moriendo, 
Et  leo  surgendo,  coelos  aquilaque  petendo. 
Nee  minus  hoc  scribas  animalia  et  ipsa  figurant. 
Auf  den  Seitenpfeilern  des  Thores,  welche  zur  Woh- 
nung des  Propstes  führen,  sieht  man  zwei  aus  rothem  Sand- 
stein gehauene  Löwen,  auf  deren  Bücken  je  ein  attischer 
Säulenfuss  angebracht  ist.  Im  Garten  der  Propstei  sind  noch 
zwei  schöne  romanische  Capitäle  vorhanden.  Ohne  Zweifel 
trugen  jene  Löwen  ein  Dach,  welches  vor  dem  Westportal 
angefügt  war.  bevor  die  Vorhalle  gebaut  worden  ist.  Die 
oben  genannten  Capitäle  scheinen  Theile  dieses  Baues  ge- 
wesen zu  sein.  Die  Spuren  des  Vordaches,  welches  selten 
an  deutschen  Kirchen,  desto  öfter  aber  bei  den  lombardischen 
zu  sehen  ist.  entdeckt  man  noch  jetzt  am  Westportale.  Die 
Stiftskirche  hat  im  Verlaufe  der  Zeit  zwölf  Altäre  erhalten. 
welche  nach  den  verschiedenartigsten  Mustern  gebaut  waren. 


202 


Diese  wurden  bei  der  Restauration  alle  entfenri  und  dafür 
fünf  neue  aus  Hol/,  aufgestellt,  nämlich  der  Hochaltar  in  der 
Apsis  des  Presbyteriums,  zwei  kleine  Seitenaltäre  in  den 
niedrigen  Nischen  der  Seitenschiffe,  und  zwei  von  mittlerer 
Grosse  in  den  Kreuzannen.  Sämmtliche  sind  im  romanischen 
Styl  sehr  schön  gebaut  und  mit  reichen  Goldwerken  ver- 
ziert. Composition  und  Ausführung  stammen  von  Joseph 
Stauder  aus  Inichen,  «eichen  das  Vaterland  als  ausge- 
zeichneten Künstler  und  uneigennützigen  Biedermann  hoch- 
achtet und  ehrt.  Die  Seitenaltäre  in  den  Kreuzarmen  zeigen 

anstatt  der  Gemälde  zwei  gut  geschnitzte  und  reich  vergol- 
dete Reliefs.  Das  eine,  vom  Bildhauer  Renn  aus  Imst,  stellt 
die  heil.  Familie,  das  andere,  von  einem  unbekannten  Meister 
im  Jahre  lliii'i  verfertigt,  die  Sendung  des  h.  Geistes  vor. 
Renn  hat  auch  alle  Statuen  und  Figuren  geliefert,  welche 
auf  den  Altären  und  in  der  Brüstung  der  Kanzel  angebracht 
sind.  Die  Altäre  in  den  Nischen  der  Seitenschiffe  halten  sehr 
gute  Gemälde  von  Kranz  llellweger.  Auf  dem  Hoch- 
altar erhellt  sich  in  einer  Nische  das  wunder thätige 
Crucifixbild,  welches  seit  Jahrhunderten  der  Gegenstand 
hoher  Verehrung  ist.  Die  Sage  bezeichnet  es  als  eines  von 
den  dreien,  welche  Herzog  Tassilo  auf  der  Jagd  gefunden 
haheii  soll.  In  der  That.  sowohl  das  Oucilix  als  auch  die  da- 
nehen  stehende  Statue  der  Gottesmutter  scheint  aus  dieser 
Zeit  zu  stammen.  Man  erkennt  daran  sogleich  den  byzanti- 
nisch-romanischeu  Charakter.  Das  liild  ist  mit  vier  Nägeln 
am  Kreuzesstamme  befestigt;  die  neben  einander  gestellten 
Füsse  stutzen  sich  auf  einen  Tritt,  welcher  die  Gestalt  eines 
Menschenhauptes  hat.  Christus  trägt  nicht  das  gewöhnliche 
Lendentuch,  sondern  einen  von  den  Lenden  herabfallenden 
Schurz,  wie  mau  es  bei  den  ältesten  Crucifixen  findet.  Ein 
von  Augenzeugen  verfertigter  Berieht,  dessen  Original  im 
ehemaligen  Capitelarchrve  zu  Inichen  aufbewahrt  wurde,  mel- 
det von  einem  wunderbaren  Ereignisse,  welches  sieh  heim 
Brande  im  Jahre  14K5  mit  diesen  beiden  Bildern  zugetragen 
hat.  Am  Tage  nämlich  nach  dem  Brande,  welcher  beinahe 
den  ganzen  Markt  zerstört  und  auch  die  Stiftskirche  sehr 
beschädigt  hatte,  d,  i.  am  17.  October,  da  eben  eine  be- 
trächtliche Menge  Volkes  anwesend  war.  bemerkte  man  an 
denselben  blutigen  Schweiss,  welcher  aus  dein  dürren  und 
angebrannten  Holz  hervorbrach  und  über  die  Glieder  und 
Gewände-  herabrieselte.  Dasselbe  ereignete  sich  bald  darauf 
wieder  am  Tage  nach  Allerheiligen.  Die  Brandmale  werden 
noch  jetzt  bemerkt .  und  die  Verehrung,  welche  man  wegen 
dieses  Ereignisses  gegen  das  Crucifix  hegte,  dauert  noch  jetzt 
fort.  Doch  wir  verlassen  nun  dieses  Bauwerk,  welches  eines 
der  ältesten  und  interessantesten  in  Tirol  ist,  und  kehren 
zurück  nach  Niederdorf,  wo  wir  auf  kurze  Zeit  Einkehr 
nehmen  müssen,  liier  linden  wir  das  kleine  St.  Anna- 
Kirchleinauf  dem  Friedhof  neben  der  Pfarrkirche,  welches 
auf  einem  niedrigen  Hügel  der  nördlichen  Thalseite  sich 
erhebt  imil  drei  sehr  schöne  Altarbilder  von  dem  berühmten 
Tiroler  Maler  Martin  Knoller  zeigt  Dieses  Kirchlein  geht 


in  ein  sehr  hohes  Alter  zurück  und  scheint  ehedem  eine  roma- 
nische  Do|i|ielca)ielle  gewesen  zu  sein.  Im  untern  Stockwerke 
bemerkt  man  noch  jetzt  ein  romanisches  Portal  aus  Stein, 
welches  aber  eingemauert  ist;  in  der  Altarnische  des  ohern 
Stockwerkes  zeigen  sich  deutlich  drei  ebenfalls  vermauerte 
romanische  Fenster.  Um  das  Jahr  15(10  wurde  diese  Capelle 
erneuert,  im  ohern  Stock  mit  einem  zierlichen  gothischen 
Gewölbe  versehen  und  am  18.  November  desselben  Jahres 
vom  Brixner  Weihbisehof  Konrad  eingeweiht.  Die  Rippen 
sind  aus  Stein  gemeisselt.  In  diesem  Kirchlein  bestand  ehe- 
dem eine  Bruderschaft,  welche  dasselbe  auch  hei  baulichen 
Würden  erhielt.  Aber  unter  Kaiser  Joseph  II.  wurde  die 
Bruderschaft  aufgehoben,  ihr  Vermögen  eingezogen  und  das 
Kirchlein  geschlossen.  Seit  dieser  Zeit  ist  es  vernachlässigt 
und  es  geht  dem  Verfalle  entgegen.  Indessen  würde  eine  Re- 
stauration mit  geringen  Kosten  sich  ausfuhren  lassen  und 
dieselbe  auch  reichlich  lohnen.  Man  dürfte  nur  die  Seiten» 
wände  etwa  durch  Streben  befestigen,  damit  das  Gewölbe 
wieder  feste  Stützpunkte  fände  und  in  die  drohenden  Klüf- 
tungen  des  Gewölbes  kleine  Eisenkeilchen  einsenken  .  damit 
das  Ganze  Zusammenhang  und  Halt  gewänne.  Dieses  Kirch - 
lein  ist  daher  einer  thätigen  Sorgfalt  der  geistlichen  und 
weltliehen  Kirchenvorstehimg  angelegentlich  zu  empfehlen. 
Es  würde  durch  eine  glückliche  Restauration  der  freundli- 
chen Ortschaft  als  alte  Zierde  wiedergegeben  und  jene  Stätte 
ferner  noch  erhalten,  wo  sich  die  frommen  Vorfahren  so  oft 
im  den  Festen  der  Bruderschaft  zu  wechselseitiger  Erbauung 
und  gemeinsamen  Gebete  versammelt  haben. 

Von  Niederdorf  abwärts  führt  uns  der  Weg  nach  Brun- 
eck.  Bevor  wir  daselbst  anlangen,  ladet  die  Expositur- 
kirche  in  Fercha  zu  einem  Besuche  ein.  Wir  linden  hier 
wieder  einen  schonen  Bau  im  gothischen  Styl,  welcher  noch 
ganz  erhalten  ist.  Nur  hat  die  modernisirende  Manie  der 
verflossenen  Jahrzehende  den  ganzen  innern  Theil  mit  einer 
Tünche  überkleckst.  Hinter  dem  Hochaltare  liest  man  in  der 
Hohe  an  der  Mauer  den  Namen  des  Baumeisters:  „Anno 
Domini  M.V.XXV.  (1525)  Jahr  hat  der  Ersmu  weis 
Maister  Ansam  Mayr  auss  dem  Ried  diesen  K  i  r- 
chenbaw  vollendet."  Dabeisteht  das  Monogramm  ">{?. 
Auf  dem  Gewölbe  des  Presbyteriums  und  des  Langhauses 
sind  mehrere  Wappenschilder  gemalt.  Darunter  findet  man 
die  von  Osterreich.  Görz,  Stift  Neustift  und  mehreren  edlen 
Geschlechtern  des  Landes  Es  ist  zu  wünschen,  dass  dieses 
Gotteshaus,  welches  eines  der  schönsten  unter  den  noch 
erhaltenen  gothischen  Landkirchen  ist.  einer  zweckmässigen 
Restauration  unterzogen  werde. 

Viele  angenehme  Genüsse  bietet  der  Besuch  des  Thaies 
Taufers,  welches  von  Brunecken  über  H>  Stunden  lang 
sich  gegen  Norden  zieht.  Nicht  nur  erheitert  der  mannig- 
fache Wechsel  der  Landschaft,  sondern  man  findet  hier  auch 
SO  Vieles  von  allen  und  neuen  Kunstwerken,  wie  kaum  irgend 
in  einem  andern  Thale  Tirols.  Gleich  beim  Eingang  in  das- 
selbe sieht  man  im  Dorfe  Gaiss  die  uralte  Pfarrkirche, 


—   203 


deren  romanische  Grundform  und  Aussenseite  in  das  XI.  oder 
XII.  Jahrhundert  zurückführen.  Sie  hat  drei  Schilfe  und, 
wenn  ich  mich  noch  recht  erinnere,  auch  drei  Apsiden.  Von 
den  sehr  schmalen  romanischen  Fenstern  sind  noch  Spuren 
erhalten.  Der  ganze  Bau  hat  aber  ein  armliches  Ansehen. 
Im  Verlaufe  der  Zeit  sind  mancherlei  Verandeningen  und 
Reparaturen  ausgeführt  worden.  Wahrscheinlich  in  den 
ersten  Üecenuien  des  XIV.  Jahrhunderts  wurden  die  gothi- 
scheu  Gewölbe  über  die  drei  Schiffe  gelegt;  und  in  den 
Jahren  1729—1731.  dann  1803—1804  bat  die  Kirche  die 
jetzige  modernisirte  Gestalt  von  innen  erhalten. 

Ein  anderes  merkwürdiges  Baudenkmal  am  Eingange  in 
dieses  Thal  ist  die  Exposi t urkirche  zu  Mühlbach, 
1  Stunde  von  Gaiss,  ziemlich  hoch  auf  dem  nord- östlichen 
Gebirgsabhang  gelegen.  Sie  ist  um  das  Jahr  1517  gebaut 
worden  und,  wie  man  mir  meldet,  mit  Geschmack  durchge- 
führt und  auch  noch  gut  erhalten.  Die  weite  Entfernung 
von  der  Thalstrasse  und  der  ziemlich  beschwerliche  Weg 
hinderten  mich,  dieselbe  zu  besuchen  und  genauer  zu  be- 
trachten, so  eiidadend  auch  der  Anblick  aus  der  Tiefe  gewe- 
sen ist. 

Hinter  dem  Dorfe  Gaiss  sieht  man  auf  einem  niedrigen 
Steinhügel  die  Ruinen  des  alten  Schlosses  Neuhaus.  Da- 
neben steht  ein  Kirchlein  aus  neuerer  Zeit  und  weiter  oben 
am  Bergabhange  eine  Capelle,  bei  der  einst  eine  Einsiedelei 
bestanden  hat.  Das  Thal  verengt  sich  nun.  Die  Strasse 
gleitet  auf  ebenem  Boden  bei  Uttenheim  vorbei.  In  der 
Sohle  wuchert  der  Erlenwald,  links  und  rechts  erheben  sich 
steileBerge  und  hoch  oben  an  der  westlichen  Thalseite  drohen 
auf  jähem  Felsen  die  Trümmer  des  Schlosses  Uttenheim 
dem  Einstürze.  Daneben  steht  die  St.  Valentius-Capelle,  welche 
nun  ebenfalls  verlassen  ist.  Aber  bald  kleidet  sich  die  Landschaft 
wieder  in  das  Festgewand.  Die  Thalsohle  erweitert  sich  zu 
einer  beträchtlichen  Fläche,  deren  Rand  von  den  vier  Dörfern 
Mühlen,  Sand,  Morizen  und  Kamaten  umgürtet  wird. 
Die  ganze  Gegend  wird  gemeinhin  mit  dem  Namen  Täu- 
fers bezeichnet.  Auf  dieser  Ebene  erhebt  sich  die  gothische 
Pfarrkirche  zu  U.  L.  Frauen  Himmelfahrt,  wie  ein 
gewaltiger  Riese  in  Mitte  der  vier  Dörfer  emporragend.  Die 
Aussenseite  ist  aus  gemeisselten  Granitsteinen  zusammenge- 
fügt: im  Innern  schliesst  sich  das  hohe  Spitzbogengewölbe 
im  kühnen  Schwünge  ohne  stützende  Säulen  über  die  weite 
Halle  zusammen.  Der  Bau  dieses  Werkes  begann  schon  vor 
1503  und  wurde  im  Jahre  1527  vollendet.  Das  Hauptportal, 
einfach  aber  grossartig,  ebenfalls  aus  gemeisselten  Steinen, 
trägt  au  der  Spitze  die  Aufschrift:  Mariahilf  1515.  Zu 
oberst  in  der  südlichen  Seitenwand  liest  man  von  innen: 
„Dieses  wirdigeGotts haus  ist  1 527  d u r c h  V a  1 1 1 n 
Winkhler  Stainmetz  zu  Pfalzen  erpaut  worden." 
Die  Arberg'sche  Capelle  an  der  nördlichen  Seite  der  Kirche 
scheint  von  einem  andern  Meister  und  zwar  aus  früherer  Zeit 
zu  stammen.  Der  ganze  Bau  ist  sehr  gut  erhalten.  Von  den 
alten  Altären  sieht  man  zwar  nichts  mehr,  auch  das  hohe, 


sehr  künstlich  aus  Sandstein  mit  feiner  durchbrochener  Arbeit 
gemeisselte  Sacramenthäuschen  hat  schon  vor  langer  Zeit 
seinen  Platz  neben  dem  Hochaltare  auf  der  Evangelienseite 
verlassen  müssen,  und  wurde  ausserhalb  der  Kirche  im 
Freien  aufgestellt,  wo  es  nun  der  gänzlichen  Zerstörung  ent- 
gegengeht; aber  der  jetzige  Decan  und  Pfarrer  Joseph 
Seyr  verwendet  sehr  grosse  Sorgfalt  für  die  Erhaltung  der 
Kirche.  Es  thut  einem  so  wohl ,  wenn  man  beim  Eintritt 
Alles  so  reinlich  gehalten  und  das  Ganze  so  schonend  be- 
handelt sieht.  Dieser  würdige  Mann  hat  auch  mehrere  neue 
Werke  angeschafft.  Darunter  sind  von  grösserem  Kunst- 
werth  eine  Kanzel  aus  Holz  im  gothischen  Styl  von  Joseph 
Stauder,  ein  Crucifix  in  Mannesgrösse  von  Franz  Nissl 
aus  Fügen,  zwei  Statuen,  den  guten  Hirten  und  die  unbefleckte 
Gottesmutter  vorstellend,  vom  bekannten  Bildhauer  Joseph 
Gasser  aus  Pregraten.  endlieh  zwei  Gemälde  auf  den  gegen- 
überstehenden Seitenaltären  im  Presbyterium .  nämlich  die 
h.  Familie  vom  Venetianer  CosrueDusi  und  die  Einführuni; 
des  h.  Bosenkranzes  von  Franz  Hellwege  r.  l'nter  den 
altern  Gemälden  verdient  die  Himmelfahrt  Mariens  auf  dem 
Hochaltare  —  eine  von  Joh.  Henrici  gut  ausgeführte 
Copie  des  schönen  Originals  auf  dem  Hochaltare  in  der  Pfarr- 
kirche zu  Bozen  ■ —  genannt  zu  werden. 

Wir  wandern  nun  tha! einwärts  weiter  fort.  Die  weite 
Ebene  verliert  sich  in  drei  Thäler.  Das  eine  läuft  gegen 
Norden  (Arnthal),  das  andere  windet  sich  gegen 
Westen  (Mühlwalder  Thal)  und  das  dritte  senkt  sich  in  die 
östlichen  Gebirgsschluchten  ein  (Beinthal).  Die  beiden  letz- 
teren bieten  in  Beziehung  auf  alte  Baumonumente  nichts 
Sehenswerthes;  das  Ziel  meiner  Beise  wies  mich  also  in  das 
Arnthal,  welches  eigentlich  die  Fortsetzung  des  Hauptthaies 
ist.  Bevor  man  in  dasselbe  eintritt,  führt  die  Strasse  durch 
eine  enge  Schlucht,  welche  von  der  Felsenburg  Taufers 
beherrscht  wird.  Hier  hausten  einst  die  Herren  von  Taufers, 
reiche  und  gefürchtete  Bitter,  welche  ehedem  unmittelbar 
dem  Reichoberhaupte  unterstanden  und  über  mehrere  Vasal- 
len geboten.  Ich  habe  die  alterthümliche  Veste  schon  oft 
besucht ,  aber  dessen  ungeachtet  konnte  ich  mir  das  Ver- 
gnügen nicht  versagen,  bei  dieser  Gelegenheit  sie  wieder  in 
Augenschein  zu  nehmen.  Die  Thürme  und  Wohngebäude 
ragen  im  Walde  auf  einem  halb  bewachsenen  Steinhügel 
hoch  empor,  um  welchen  sich  in  mehrere  Winkel  die 
Ringmauern  ziehen.  Die  einzelnen  Werke  wurden  /.u  ver- 
schiedenen Zeiten  aufgeführt,  einige  erst  gegen  das  K.nde 
des  XV.  Jahrhunderts,  andere  schon  im  XII.  oder  noch  früher. 
Der  älteste  Theil  ist  offenbar  jener,  welcher  au  dem  Indien. 
nun  halbzerfallenen Thurme  sich  anschmiegt.  Hier  linden  wir 
noch  die  Kammern  für  die  Waffenknechte  mit  den  alten 
Kaminen:  nur  sehr  spärliches  Licht  fällt  durch  die  schmalen 
romanischen  Doppelfenster  ein.  Die  Säulchen,  welche  die 
Fenster  abtheilen,  sind  schön  geformt,  mit  achtseitigem 
Schaft,  Würfelcapitäl  und  dem  attischen  Fuss.  Im  näm- 
lichen  Theil   ist    auch    noch  jetzt    die   Burgrapellc ,    welche 


204  — 


aber  mancherlei  Umbauten  und  Zuthaten  erhalten  hat.  Im 
Hofraume  erhebt  sieh  das  weitläufige  Herrschaftsgeblude, 

welches  ans  neuerer  Zeit  stammt,  und  jetzt  beinahe  ganz 
verlassen  ist.  Man  sieht  daran  noch  die  aus  Stein  geineis- 
selten  und  schön  gearbeiteten  Fensterrahmen.  Der  griisscre 
Tlieil  des  Schlosses  liegt  in  Ruinen:  der  noch  erhaltene 
dient  armen  Leuten  zur  Wohnung.  Mit  Wehmuth  verliess 
ich  diese  Statte,  welche  so  ernst  an  die  Vergänglichkeit 
jeder  irdischen  Grösse  mahnt.  Die  Glocke  der  Capelle  ver- 
kündete eben  mit  lauten  Schlagen  die  neunte  Stunde  Vor- 
mittags: klaglich  hallten  die  Trauertöne  durch  die  leeren 
und  dunklen  Räume,  als  ich  die  steile  und  halbzerrissene 
Treppe  herabstieg. 

Der  Weg  führt  nun  nach  Luttach  und  von  da  durch 
das  Arnthal  nach  St.  Martin,  St.  Johann,  Steinhaus 
und  dann  weiter  bis  zur  Klamm  ,  wo  das  Thal  den  Namen 
Pretau  annimmt.  Ich  heschloss,  noch  an  diesem  Tage  die 
Kirche  in  Pretau  zu  besichtigen  und  nach  Steinhaus  zurück- 
zukehren, um  am  folgenden  Tage  mit  Müsse  St.  Martin  und 
das  Nebelthal  Weissenbach  besuchen  zu  können.  Hinter 
Steinhaus  gestaltet  sich  die  Gegend  zu  einer  sehr  freund- 
lichen Landschaft.  Der  Weg  schlängelt  sich  in  leichter  Stei- 
gung beinahe  2  Stunden  lang  durch  die  fruchtbare  Thal- 
sohle: rechts  und  links  breiten  sich  über  die  Berghänge, 
Felder  und  Wiesen,  welche  oben  von  grünen  Waldungen 
umsäumt  sind.  Über  die  westliche  Thalseite  zerstreuen  sich 
mehrere  kleine  Ortschaften  und  viele  Einzelnhöfe,  welche 
die  Gegend  beleben  und  sich  zu  den  zwei  Gemeinden  Sanct 
Jakob  und  St.  Peter  vereinen.  Die  Kirche  zum  h.  Jakob 
erhebt  sich  eine  halbe  Stunde  hinter  Steinhaus  auf  einem 
Hügel  und  beherrscht  den  grösseren  Theil  des  Arnthales. 
Einen  überraschenden  und  majestätischen  Anblick  gewährt 
die  Kirche  zum  heil.  Petrus.  Sie  sitzt  kühn  am  Rande 
einer  Felsenwand,  welche  steil  in  schwindelnder  Höhe  auf- 
steigt. Heide  Kirchen  bieten  in  Beziehung  auf  Alterthum 
nichts  besonders  Merkwürdiges;  desshalb  habe  ich  mir  den 
beschwerlichen  Weg  dahin  erspart.  Hei  St.  Peter  verän- 
dert sich  plötzlich  die  Landschaft.  Am  Fusse  des  Felsens. 
auf  dem  die  Kirche  emporragt,  beginnt  eine  sehr  enge  Felsen- 
schlucht, welche  eine  der  merkwürdigsten  in  Tirol  ist  und 
desshalb  gemeinhin  die  Klamm  genannt  wird.  Hier  nun 
beginnt  das  Thal  Pretau.  Der  Thalbach  walzt  sich  in 
rascher  File  brausend  durch   die   Schlucht    über  Steine  und 

Felsentrfimmer,  welche  von  der  Höhe  herabstürzen;  daneben 
windet  sich  der  schmale  Weg  hart  au  der  Felsenwand  vor- 
bei, welche  in  aufeinander  geschichteten  Tafeln  mehrere 
Thttrme  hoch  emporsteigt  und  besonders  zur  Regenzeil  den 
linstern  Pfad  bedroht.  Der  Engpass  dürfte  eine  Viertel- 
stunde lang  sein,  dann  erweitert  sich  wieder  das  Thal  und 
zieht  bis  zum  Krimler  Tauern  und  der  Dreiherrspitze  hin. 
In  dieser  Indien  Alpengegend  haben  sich  zwei  gothische 
Kirchleins  erhallen,  das  eine  zu  St.  Valentin,  beiläufig  in 

der  Mitte  des  Thaies,    das  andere  in  Heiliggeist,  fast 


am  Fusse  des  Krimler  Tauern.  Ich  habe  nur  die  erstere 
besucht,  welche  auch  die  Seelsorgerkirche  für  das  ganze 
Thal  ist.  Sie  wurde  um  das  Jahr  1Ö89  aufgeführt,  später 
verlängert  und  des  Rippenwerkes  entblösst.  Die  Bauart  verräth 
schon  die  Ausartung  des  gothischen  Slyles.  Die  Rippen 
dienen  nicht  zur  Sonderung  der  Gewölbekappen ,  sondern 
sind  nur  mehr  zur  Bildung  verschiedener  Figuren  als  Zier- 
raten dem  Gewölbe  angefügt.  Der  jetzige  Curat.  Herr  Franz 
Weber,  hat  sie,  so  viel  als  möglich  war  und  die  Mittel  hin- 
reichten, wieder  restauriren  lassen.  Die  alten,  zum  Theil 
vermauerten  Fenster  wurden  wieder  hergestellt,  aber  anstatt 
des  ehemaligen  Mass-  und  Stabwerkes  aus  Stein  musste  man 
sich  mit  der  jedoch  ziemlich  gut  nachgebildeten  Einfassung 
aus  Holz  begnügen.  Die  alten  Hippen  wurden  mit  Farben 
nachgebildet,  dann  zwei  neue  Seitenaltäre  im  gothischen 
Styl  aufgestellt;  der  Hochaltar  und  die  Kanzel  mit  gleicher 
Bauart  werden  nächstens  erwartet.  Man  muss  die  Bemühun- 
gen des  Herrn  Curaten  dankbar  anerkennen;  und  wenn  die 
geringen  Mittel  beengende  Schranken  setzten,  so  erscheint 
das  Bestreben  nur  um  so  lobenswerther. 

Auf  dem  Heimwege  besuchte  ich  auch  das  gothische 
Kirchlein  zum  h.  Martinus  in  Arm.  Dieses  hat  ganz 
die  gleiche  Bauart  wie  das  zu  St.  Valentin  in  Pretau,  so  dass 
es  nicht  nur  aus  derselben  Zeit,  sondern  auch  vom  nämli- 
chen Meister  zu  stammen  scheint.  Jedoch  ist  der  Bau  leichter 
und  mit  mehr  Aufwand  ausgeführt.  Der  Fronbogen  und  die 
Wandsäulen  sind  aus  Tuffstein  gemeisselt;  das  Rippwerk 
war  ohne  Zweifel  aus  dem  nämlichen  Materiale,  ist  aber 
schon  vor  längerer  Zeit  herabgesehlagen  worden.  Die  Kanzel. 
aus  einer  steinartigen  Paste  gebildet,  hat  eine  sehr  schöne 
Form.  Dieses  Kirchlein  hat  die  widrigsten  Geschicke  erfah- 
ren. Es  wurde  unter  Kaiser  Joseph  II.  in  Folge  der  neuen 
Pfarreinlheilung  geschlossen  und  dem  gänzlichen  Verfalle 
preisgegeben.  Jedem  Ungemach  der  Vernachlässigung  und 
Zerstörung  war  es  durch  mehr  als  ein  halbes  Jahrhundert  lang 
ausgesetzt,  bis  der  jetzige  Pfarrer.  Herr  Christoph  von  Etzen- 
haum.  es  wieder  herzustellen  begann  (1846).  Und  er  löste 
seine  Aufgabe  mit  vielen  Opfern  und  seltenen  Kunstsinn. 
Auch  die  Gemeinde  trug  das  ihrige  bei.  Bedachung.  Kirchen- 
sttthle  und  Altar  wurden  neu  hergestellt  .  und  der  Thurin 
wieder  mit  einer  Glocke  versehen.  Am  4.  November  1847 
vollzog  der  Herr  Dccan  von  Taulers  unter  Assistenz  aller 
Seelsorger  des  Thaies  feierlich  den  Act  der  Benediction. 
Das  Rippenwerk  ist  zwar  nur  mit  Farben  nachgebildet,  aber 
im  Ganzen  hat  das  Kirchlein  durch  die  Restauration  ein  sehr 
freundliches  Ansehen  gewonnen.  Anstatt  der  drei  Utäre, 
welche     im     Verlaufe     der     Zeil     aufgestellt     worden     sind. 

stehl  jetzt  nur  mehr  ein  einziger  im  Presbyterium,  und  zwar 
ganz  frei  und  im  gothischen  Styl  ausgeführt.  Dieser  Gedanke 
ist  offenbar  aus  einer  sehr  glücklichen  Wahl  entsprungen; 

er  entspricht  der  ursprünglichen  einfachen  Bauart  und  ver- 
leiht dem  Kirchlein  einen  feierlich  ernsten  Ton.  Nicht  minder 
glücklich  war  auch  die  weitere  Anordnung,  dass  die  Tafeln 


205 


der  zwei  alten  Seitenaltäre  im  untern  Theile  des  Schiffes  zu 
beiden  Seiten  etwas  über  die  Stühle  erhöht  in  die  Mauer 
eingesenkt  worden  sind.  Sie  bilden  Reliefvorstellungen  von 
ansehnlicher  Grösse,  und  sind  aus  Marmor  im  Style  der  auf- 
tauchenden Renaissance  gemeisselt  —  immerhin  interessante 
Monumente  der  Vorzeit.  Beide  Altäre  wurden  im  Jahre  1580 
aufgestellt,  und  zwar,  wie  die  Inschriften  lauten,  dereine 
von  llieronymus  Schüssler,  Pfarrer  in  Arn,  der  andere  von 
Hans  Pfarrkircher,  Verweser  des  Bergwerkes  am  Rottenbach. 
Von  St.  Martin  eilen  wir  nun  in  das  hochgelegene 
Seitenthal  Weiss enb ach,  welches  bei  Luttach  in  die 
westliche  Seite  des  Hauptthaies  eingesenkt  ist.  Der  Weg 
dahin  führt  in  jäher  Steigerung  neben  dem  Bache,  welcher 
sieh  über  aufgeschichtetes  Gestein  brausend  herabwälzt. 
Sobald  man  nach  3/4  Stunden  die  Höhe  erreicht  hat,  öffnet 
sich  die  freundlichste  Alpengegend.  In  geringer  Entfer- 
nung steht,  von  wenigen  Häusern  umgeben,  ein  gothisches 
Kirchlein,  schön  gebaut  und  gut  erhalten,  d.  h.  noch  nicht 
durch  unverständige  Hände  modernisirt.  Nur  die  Innenseite 
ist  mit  einer  Tünche  überstrichen,  die  aber  dem  Gebäude 
keinen  Schaden  gemacht  hat.  Dieses  Kirchlein  wurde  um 
das  Jahr  1479  gebaut.  Die  Bögen  und  Wandsäulen  sind  aus 
Stein  gehauen,  das  Rippwerk  aber  aus  Ziegeln  gebildet.  Im 
Presbyterium  sieht  man  noch  den  alten  gothischen  Altar  frei 
aufgestellt,  ein  sehr  merkwürdiges,  mit  reichem  Schnitzwerk 
verziertes  Kunstwerk.  Im  Kasten  sind  vorne  drei  freistehende 
Figuren,  der  Hintergrund  aber  ist  in  Relief  gearbeitet. 
Vier  kleine  Engel  mit  lieblichen  Gesichtern  halten  den 
Teppich,  welcher  das  Ganze  abschliesst.  Die  beiden  Flügel 
haben  ebenfalls  Figuren  in  Relief.  Alles  ist  sehr  schön  gear- 
beitet und  mit  Ausdruck  durchgeführt.  Aber  bei  weitem  das 
Vorzüglichste  ist  der  Aufsatz,  welcher  in  durchbrochener 
Arbeit  mit  Stäben  und  Laubwerk  drei  Nischen  bildet.  In  der 
mittleren  und  höheren  hängt  Christus  am  Kreuze ,  in  den 
Nebennischen  ist  die  Gottesmutter  Maria  und  der  Lieblings- 
jünger Johannes.  Der  ganze  Altar  ist  noch  gut  erhalten; 
nur  steht  vor  dem  Sockel  desselben  ein  neues  Tabernakel 
sammt  Zugehör;  aber  dieser  ist  ohne  Beschädigung  des 
Altars  angebracht  worden  und  kann  leicht  wieder  entfernt 
werden.  Neben  dem  Altare  zur  Evangelienseite  steht  ein 
Sacramentshäuschen  und  in  der  zunächst  angebrachten 
Mauernische  ein  Altarschrein.  Fuss  und  Haupttheil  des  ersteren 
sind  aus  Marmor  gemeisselt ,  der  ziemlich  hoch  emporra- 
gende Aufsatz  aber  in  durchbrochener  Arbeit  aus  Holz 
geschnitzt,  wieder  ein  schönes  Monument,  das  seinen  Mei- 
ster sucht.  Es  ist  noch  unbeschädigt,  aber  mit  einer  weissen 
Tünche  derart  überkleckst,  dass  das  sehr  feine  Schnitzwerk 
an  mehreren  Stellen  unkenntlich  geworden  ist.  Eine  sehr 
schöne  Arbeit  ist  auch  der  kleine  Altarschrein,  welcher  nicht 
mehr  als  1  %  Fuss  in  der  Breite  und  beinahe  eben  so  viel 
in  der  Höhe  misst.  Die  Mitte  desselben  stellt  die  Geburt 
Christi  in  Hochrelief  vor.  Im  Vordergrunde  erscheint 
Maria  und  der  Nährvater  Joseph.  Das  Christuskind  liegt  in 


einem  reichgefalteten  Zipfel  des  Kleides  der  Gottesmutter, 
welchen  vier  Kindlein  mit  schüchterner  Ehrfurcht  und  Freude 
tragen.  Im  Hintergründe  zeigen  sich  Engel  und  Hirten  mit 
der  Heerde.  Der  eine  Flügel  zeigt  die  heil,  drei  Könige, 
der  andere  den  Kin  d  ermord.  Die  Figuren  sind  in  Halb- 
relief geschnitzt.  Wenn  mir  ein  Urtheil  erlaubt  ist,  so 
möchte  ich  den  Altar  und  den  Altarschrein  für  Arbeiten  des 
bekannten  M i c h a e I  Pacher  aus  Bruneck  erklären,  wel- 
cher als  Maler  und  Bildhauer  einen  berühmten  Namen  sich 
erworben  hat.  Wer  kennt  nicht  den  schönen  Altar  zu  St. 
Wolfgang  im  Salzkammergut?  Von  dem  nämlichen  Pacher 
hat  sich  noch  ein  Altar  in  der  Pfarrkirche  zu  Griess  bei 
Bozen  erhalten,  und  ein  Altarschrein,  welcher  ehedem  in 
der  Pfarrkirche  zu  Bozen  gestanden,  jetzt  aber  im  Besitze 
des  Inspectors  der  k.  Glasmalerei-Anstalt  Hrn.  Max  Ainmüller 
zu  München  sich  befindet.  Dieser  Altarschrein  stellt  eben- 
falls die  Gehurt  Christi  dar  und  ist  in  Ernst  Fö  rster's 
Denkmalen  der  deutschen  Baukunst,  Bildnerei 
und  Malerei,  Bd.  I,  Abth.  II.  S.  17  besprochen  und  abge- 
bildet worden.  Unser  Altarschrein  in  Weissenbach  ist  aber 
diesem  so  ganz  ähnlich,  dass  man  den  einen  Meister  kaum 
verkennen  kann.  Zudem  stimmt  die  Zeit  genau  überein ;  die 
Kirche  in  Weissenbach  wurde  eben  in  den  Jahren  gebaut, 
aus  welchen  die  obengenannten  Werke  Pacher's  stammen. 
Wenn  die  Angaben  Förster's  richtig  sind,  so  wird  auch 
meine  Vcrinuthung  gegründet  sein. 

Unser  letzter  Besuch  gilt  der  Kirche  in  Luttach. 
Diese  erhebt  sich  an  der  Ausmündung  des  Weissenbacber 
Thaies  auf  einem  Hügel,  um  welchen  sich  ein  Theil  der 
Häuser  des  kleinen  Dorfes  schmiegt.  Diese  Kirche  hat  die- 
selbe Bauart  wie  die  in  Weissenbach  und  wurde  um  das  Jahr 
1496  wahrscheinlich  vom  nämlichen  Meister  aufgeführt. 
Jetzt  ist  sie  des  Bippenwerkes  beraubt  und  an  der  Front  durch 
einen  Zubau  verlängert,  sonst  aber  gut  erhalten.  Sehens- 
werth  sind  mehrere  Statuen  und  Schnitzarbeiten  vom  oben 
genannten  Bildhauer  JosefGasser,  und  zwar  aus  verschie- 
denen Perioden  seines  Künstlerlebens.  Die  besten  darunter 
sind:  ein  grosses  Crucifix,  die  Mutter  Anna  mit 
der  kleinen  Maria,  und  Joseph  mit  dem  Jesus- 
kindlei n. 

Die  sämmtlichen  oben  angeführten  Kunstwerke  älterer 

Zeit  stammen,  mit  Ausnahme  der  Stiftskirche  in  Inichen  I 

der  romanischen  Doppeleapello  in  Niederdorf,  aus  dein  Ende 
des  fünfzehnten  oder  Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts. 
Dieser  Zeit  gehören  überhaupt  die  meisten  Bauwerke  an, 
welche  in  Tirol  aus  der  gothischen  Periode  sieh  erhalten 
haben.  Wir  finden  diess  namentlich  im  Unterpusterthale. 
Auch  sind  uns  von  dieser  Gegend  und  aus  dieser  Zeit  die 
Namen  einiger  Meister  bekannt ,  welche  auf  eine  gewisse 
Bliithe  des  Kunstlebens  schliessen  lassen.  Wir  nannten  oben 
berühmte  Namen,  als:  Mich.  Pacher  aus  Bruneck.  Valen- 
tin Wink  ler  aus  Pfalzen  bei  Bruneck.  Ein  würdiger  Schüler 
des  Letzteren  mag  Aesam  Mayr  aus  dem  Ried,  wieder  in 

21 


—   206   — 

der  Umgebung  von  Bruneck,  gewesen  sein ,  welcher  1525  Siegmund  von  Stegen   bei  Brun<    k  vollbrachte  1592 

die   kirdie  in  Percha  erbaut   hat.  Wolfgang  Schott,  den  Bau  der  gothischen  Kirche  zu  Moos  bei  Niederdorf. 

Maurer  von  Brauneggen,  ward  berufen,  um  den  sogenannten  Somit  wäre  bier  mich  ein  kleiner  Beitrag  zur  Kunstgeschichte 

weissen  Thurm  in  Brixen  zu  „erpessern"  (1591);  Meister  Tirols  geliefert  worden. 


Die  gothische  Monstranze  der  Domkirche  zu  Pressburg. 


(Mit  einer 
Von    Karl 

Der  Gebrauch  der  Monstranzen  in  der  katholischen 
Kirche  fällt  mit  der  Einführung  des  Frohnleichnamsfestes, 
das  ist  mit  dem  Zeitpunkte  zusammen,  wo  man  in  feierlichen 
Triumphzügen  den  Leih  des  Herrn  in  Gestalt  der  geweihten 
Hostie  durch  die  Strassen  trug.  Diess  geschah  seit  dem 
Anfange  des  XIV.  Jahrhunderts,  als  auf  dem  Concilium  zu 
Vienne  im  Jahre  1311  die  Abhaltung  der  Frohnleichnams- 
feier  allgemein  angeordnet  und  damit  der  katholischen  Kirche 
eines  ihrer  prachtvollsten  Feste  gegeben  wurde. 

Mit  Bücksicht  auf  die  eben  erwähnte  erhabene  Bestim- 
mung ist  es  erklärlich,  das  die  Monstranzen  den  grössten 
Reichthum  in  ihren  Formen,  in  den  Dimensionen  und  ihren 
Verzierungen  bieten  und  für  das  Kunsthandwerk  des  Mittel- 
alters ein  höchst  ergiebiger  Quell  der  Gestaltungskraft  gewe- 
sen sind.  Was  aber  besonders  wahrgenommen  wird,  ist, 
dass   bei   keiner  Gattung  von   kirchlichen  Gelassen  in  der 

ersteren  Zeit  das  t structive  Element  in  solcher  Reinheit 

sich  entfaltete,  als  bei  den  Monstranzen.  Erst  in  späterer 
Zeit,  als  die  Architectur  des  Mittelalters  selbst  unter  dein 
Einflüsse  der  decorativen  Behandlung  litt,  änderte  sich  auch 
hierin  der  Geschmack ,  und  die  Ornamentik  überwucherte 
den  harmonischen  und  stylgemässen  Aufbau  der  Formen. 

Eine  kunsthistorische  Würdigung  der  Monstranzen,  wie 
überhaupt  der  meisten  kirchlichen  Gelasse  war  in  früherer 
Zeit  kaum  möglich,  da  dieselben  in  den  verschiedensten 
Orten  zerstreut  und  nicht  gekannt,  eine  Übersicht  der  ver- 
schiedenen Charaktere  nicht  gestatteten.  Erst  in  neuerer 
Zeit,  als  in  Frankreich,  Belgien  und  zum  Theile  auch  in 
Deutschland  Museen  angelegt  wurden,  in  denen  die  selten- 
sten und  interessantesten  Kirchenschätze  gesammeil  und 
aufgestellt  wurden,  kam  man  in  die  Lage  auch  diesem 
Zweige  <\<-r  Archäologie  die  verdiente  Aufmerksamkeit 
zuzuwenden  '). 


'j  Vorliegende  Darstellung  machl  keinen  Anspruch  auf  eine  erschöpfende 

kunstgeschichtliche  Würdigung    des  Gegenstandes.     Es  schien  ui 

den  gegenwärtigen  Zwei  die  ron  l'Abbe  Godnrd 

:     i  d'Archäologie   sacree",    von  v.  Kugler    in  seinen 

„kleinen  Schriften",  \<>ii  Dr.  I J  * > < •  f.  Im  seinem  „Katalog  über  die  im  erz- 

ii  Museum  zu  Cöln  befindlichen  mittelalterlichen  Kunst 

stünde  mit    kunslhislorischen    Notizen"    I    Anderen    niedergelegten 

Resultate  der  bisherigen   For  cl gen,  theils  die  durcl sere  i 

Anschauung  gcwonni'in'ii  Erfahrungen  in  eine  zusammenhängende  l  her- 
stellt zu  brin^i'u .  il;i  wir  fiiif  s.iii-ti.'  in  .li-n  uns  bekannten  archäolo 
giachen  Werken  Deutschlands  noch  nicht  angetroffen  hal 


Tafel, ) 

W  ei ss. 

» 
So  wissen  wir  nun  durch  die  Forschungen  französischer  und 
deutscher  Gelehrten,  dass  die  ersten  Monstranzen  aus  einer 
einfachen,  mit  einem  Glase  besetzten  Büchse  bestanden. 
welche  mit  einem  Kreuze  gekrönt  war  und  auf  einem  im 
Allgemeinen  ziemlich  niedrigen  Kusse  ruhte.  Erst  in  der 
zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts  nahmen  die  Monstran- 
zen die  Gestalt  des  in  der  iiliithe  gewesenen  golbischen 
Styles  an  ;  sie  wurden  thurmförmig  als  Tabernakel  in  der 
Weise  behandelt,  wie  die  gothische  Architectur  die  Sacra- 
mentshäuschen  formell  behandelte,  um  gleichsam  damit  im 
Kleinen  den  Ort  anzudeuten,  worin  die  Gläubigen  sich  ver- 
sammeln, um  Christum  anzubeten.  In  dieser,  noch  das 
XV.  Jahrhundert  umfassenden  Periode  zeichneten  sich  die 
Monstranzen  durch  das  Bestreben  ans,  sich  nach  der  Höhe 
auszudehnen,  und  bewahrten  in  ihrer  Construction  jenen  den 
Gesetzen  der  Gothik  entsprechenden  Aufbau,  den  wir  oben 
als  einen  eigonlhüiulichcn  Vorzug  dieser  Gattung  von  Kir- 
cbengelassen  hervorgehoben  haben.  Im  XVI.  Jahrhundert 
linde)  .sieh  dagegen  bereits  ein  Wechsel  in  der  Gestaltung. 
Es  ist  entweder  die  golhiselie.  thiirniarligo  Form  bereits  mit 

einer  der  Renaissance  angehörenden  Ornamentik  stark  ver- 
mischt, oiler  an  die  Stelle  i\ry  ersteren  wurde  ein  freies, 
nach  oben  breit  sich  entfaltendes  Pllanzeuornaineul  auf- 
gestellt, wobei  sieh  die  Vermuthung  aufdrängt,  dass  der 
Künstler  die  Idee  vom  Baume  der  Kirche  oder  des  Lebens, 
der  inmitten  des  Paradieses  geflanzt  war,  zu  Grunde  gelegt 
habe.  Am  häufigsten  kam  aber  die  noch  heute  gebräuchliche 
Sonnenform  in  Anwendung,  nach  dem  Ausspruche  „in  sole 
posuit  tabernaculum  suum",  und  in  dem  Masse  als  früher  die 
Dimensionen  in  die  Höhe  gingen,  in  eben  demselben  gingen 
sie  nun  in  die  Breite. 

Die  Monstranze  ist  aus  drei  Theilen  zusammengesetzt: 

aus  dem  hisse,    dein  Stiele  und  dem  Tabernakel.    Her  FuSS 

besass  in  der  ersteren  Epoche  meisl  die  Form  einer  sechs- 

oder  auch  achtblättrigen  Kose,  seltener  jene  eines  ( tvales.  Hie 
obere  Fläche  der  Hose,  durch  ihre  Form  schon  in  verschie- 
dene Felder  getbeill.  war  häutig  durch  reiche  (Ziselierarbeit 

ausgezeichnet  und  enthielt  biblische  oder  symbolische  Dar- 
stellungen. Her  Stiel,  theils  i'iinil  und  theils  eckig,  war  in  der 
Regel  mit  einem  Knauf  versehen  und  entweder  mit  Orna- 
menten geschmückt  oder  mit  ciselirten  Heiligenfigürchen 
versehen.  In  einzelnen  Fallen  traf  es  sieh  auch,  dass  anstatt 
de   Stieles  überhaupt  Figuren  angebracht  waren,  welche  das 


PrefsburfS 


TafXI. 


AteHür^ 


■ 


—   207 


Tabernakel  trugen.  Eine  solche  Monstranze  beiludet  sich 
in  einem  französischen  Cistercienserkloster,  wo  eine  Jung- 
frau in  der  Hand  den  Tabernakel  hält,  welcher  die  heiligen 
Gestalten  des  Abendmahles  einschliesst.  Ebenso  diente  zu 
Marseille  die  Statue  der  heil.  Jungfrau  als  Monstranze  bei 
feierlichen  Umzügen.  Der  grösste  Reichthum  der  Formen 
war  aber  in  dem  Tabernakel  entwickelt.  Wir  haben  schon 
erwähnt,  dass  er  in  der  Blüthezeit  der  Gothik  durch  seine 
Architectur  besonders  ausgezeichnet  war.  In  harmonischer 
Gliederung  finden  wir  auch  Pfeiler,  Strebebögen,  Spitzbögen, 
Baldachine  ,  Fialen  und  Masswerk  in  Form  eines  Thurmes 
oder  einer  Capelle  vertheilt ;  unter  den  Baldachinen  standen 
Figuren  und  die  feine  durchbrochene  Arbeit  sammt  der 
schlanken  und  zierlichen,  frei  nach  oben  aufstrebenden  Ge- 
stalt  inachte  einen  ausserordentlich  günstigen  Effect.  In  der 
Mitte  des  Tabernakels  befand  sich  der  durchsichtige  Kry- 
stall  zur  Aufnahme  der  geweihten  Hostie.  Die  Lunula,  das  ist 
die  einer  Mondsichel  ähnliche  Vorrichtung,  worin  die  Hostie 
befestigt  wurde,  führte  auch  die  Bezeichnung  Melchisedek 
zur  Erinnerung  an  den  Patriarchen,  welcher  dem  Abraham 
entgegen  kam  und  ihm  Brod  und  Wein  überbrachte. 

Die  Monstranzen  wurden  aus  verschiedenen  Stoffen 
angefertigt,  je  nach  den  Mitteln,  welche  der  Kirche  zu 
Gebote  standen.  In  den  Kathedralen  findet  man  Monstranzen 
von  Gold,  Silber  und  vergoldetem  Silber,  in  den  ärmeren 
Kirchen  begnügte  man  sich  mit  Schaugefässen  aus  Kupfer, 
Zinn  und  Messing. 

Für  die  Grösse  der  Monstranzen  war  keine  Beschrän- 
kung auferlegt.  Man  findet  welche  von  1  bis  5  Fuss  Höhe. 
In  dem  Verhältnisse  zur  Grösse  stand  auch  das  Gewicht. 
Dieeinstens  in  derNotre-dame  zu  Paris  gewesene  Monstranze, 
welche  eine  Höhe  von  5  Fuss  hatte,  und  aus  vergoldetem 
Silber  bestand,  wog  300  Mark  Silber.  Nur  bezüglich  des 
Raumes  worin  die  Hostie  ausgestellt  wurde,  bestand  die  Vor- 
schrift des  vierten  Concilium  von  Mailand,  dass  er  durch- 
sichtig und  zwar  aus  einem  Glaskrystaile  zu  bestehen  habe. 

Wiewohl  die  beweglichen  Schätze  der  Kirche  in  allen 
Ländern  am  meisten  unter  den  ernsten  Ereignissen  gelitten 
haben,  welche  auf  religiösem  wie  auf  politischem  Gebiete 
imLaufe  der  Jahrhunderte  vorgefallen  sind,  indem  theils  durch 
fanatische  Verwüstungen,  theils  durch  Raub  und  Plünderung, 
theils  durch  Massregeln  der  welllichen  Macht  die  kirchlichen 
Schatzkammern  gelichtet  wurden,  so  haben  sich  doch  in 
Deutschland,  Frankreich  und  Belgien  noch  viele  ausgezeich- 
nete Monstranzen  aus  den  verschiedensten  Perioden  erhalten. 
Auch  in  Österreich  bestehen  noch  mehrere  der  seltensten 
Beispiele  dieser  Art,  und  von  den  uns  bekannten  der  gothi- 
schen  Periode  wollen  wir  nur  der  Monstranzen  zu  Sedlctz 
in  Böhmen',  zu  Prüglitz  und  Klosterneuburg  in 
Nieder  -  Österreich ,  zu  Cilli  und  Marburg  in  Steiermark 
und  zu  Pressburg  in  Ungarn  erwähnen. 

Die  gothische  Monstranze  zu  Sedletz  —  vielleicht  unter 
denen    in    Österreich    sowohl    bezüglich    ihres     architek- 


tonischen Aufbaues  als  ihrer  ornamentalen  Durchbildung 
die  prachtvollste  —  wurde  von  den  Herausgebern  der  „Mit- 
telalterlichen Kunstdenkmale  des  österreichischen  Kaiser- 
staates"  in  dem  kürzlich  erschienenen  2.  Hefte  veröffentlicht. 

Diesem  Prachtstücke  am  Werthc  zunächst  dürfte  die 
gothische  Monstranze  der  Domkirche  zu  Press- 
burg kommen,  welche  mit  Zustimmung  des  Herrn  Präses 
der  k.  k.  Central-Commission  Karl  Freih.  v.  Czoernig  auf 
meine  Veranlassung  nach  einer  zu  diesem  Zwecke  angefer- 
tigten Photographie  auf  der  hier  beifolgenden  Tafel  XI 
bildlich  dargestellt  wurde,  wozu  das  bochwürdigste  Dom- 
eapitel  zu  Pressburg  mit  grösster  Bereitwilligkeit  die  Hand  bot. 

Auch  in  der  Architectur  ist  die  gothische  Monstranze  der 
Domkirche  zu  Pressburg  jener  zu  Sedletz  in  Böhmen  nicht 
unähnlich,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  der  Tabernakel 
der  ersteren  breiter  in  der  Anlage  und  überladen  in  den  einge- 
fügten Gliedern,  der  Stiel  unverhältnissmässig  hoch  aufgebaut 
ist,  während  die  Sedletzer  Monstranze  weit  schlanke:',  edler 
und  zierlicher  in  den  Formen,  weit  glücklicher  in  den  Verhält- 
nissen des  Tabernakels  zum  Fusse  und  Stiele  componirt  ist. 

Der  Fuss  der  Pressburger  Monstranze  ist  achttheilig 
und  auf  der  oberen  Fläche  reich  mit  Ciselirarbeiten  an- 
stauet. Jedes  Feld  hat  eine  abgesonderte,  aus  dem  Leben 
und  Leiden  Christi  entnommene  Vorstellung,  und  zwar  i>t 
zu  sehen:  a^  Maria  mit  dem  Jesukinde:  h)  die  h.  drei  Könige: 
c)  das  heil.  Abendmahl;  d)  die  Gefangennehmung  Christi: 
c)  der  Kreuzgang  Christi;  f)  die  Abnahme  Christi  vom 
Kreuze;  //^die  Auferstehung:  h  )  das  himmlische  Jerusalem. 

Dem  Fuss  entsprechend  ist  der  mit  einem  Knaufe  ver- 
sehene Stiel  achteckig  und  ziemlich  reich  ornamentirt, 
der  Knauf  selbst  durch  gothische  Glieder  ausgezeichnet 
Das  Tabernakel,  aus  dreiTheilen  bestehend,  ist  im  Style  der 
späteren  Gothik  gearbeitet,  und  reich  mit  Strebepfeilern. 
Strebebögen,  Baldachinen,  Fialen  und  Ornamenten  geziert. 
Der  mittlere  —  hochemporragende Theil  hat  die  Gestalteines 
achtseitigen  Thurmes  mit  breitem  omamentirten  Basamente. 
Der  Platz  für  die  Lunula  ist  nicht,  wie  bei  der  Sedletzer 
Monstranze,  cylinderförmig ,  sondern  rund  mit  spitzigen 
Bändern  und  erinnert  an  die  Sonnenform,  welche  später  die 
Monstranzen  angenommen  haben. 

Die  Höhe  der  Pressburger  Monstranze  ist  3  Fuss  G  Zell. 
ihre  Breite  1  Fuss  3]/s  Zoll,  sie  ist  mithin  noch  grösser  als  die 
Sedletzer  und  vielleicht  die  grösste.  welche  in  Österreich 
besteht. 

Die  Monstranze  wurde  aus  Silber  gearbeitet  und  vergol- 
det, und  hat  ein  Gewicht  von  13  Pf.  daher  >ie  auch  beimFrohn- 
leichnahmsfeste ,  an  welchem  sie  noch  heute  im  Gebrauche 
steht,  dem  Pontilicanlen  von  zwei  Priestern  vorgetragen  wird. 

Auf  dem  inwendigen Theile  des  Fusses  i>  t  die  Jahreszahl 
der  Anfertigung:  1  ,*i  I  7  angebracht.  Der  Name  des  Meislers  .so- 
wie die  Kosten  dieses Pracbtgefässes  sind  unbekannt:  an  letz- 
terem tragen  wohl  die  Zerstörungen  Schuld,  denen  das  Archiv 
des  I) capitels  in  früheren  Jahrhunderten  preisgegeben  war. 


—  208 


Notizen. 


S6.  (DiePfarrkirche  zu  Mills  tat  t  in  Kärnten) 
beschreibt  der  hochw.  Herr  Pfarrer  Georg  Potutschnig  in 
Millstatt  in  folgender  Weise: 

Unter  den  ZU  Millstatt  befindlichen  alten  Baudenkmalen 

verdient  nur  die  Pfarr-  und  ehemalige  Stiftskirehe  erwähnt 
zu  «erden.  Sie  ist  gegen  das  Ende  des  XV.  Jahrhunderts 
unter  Johann  Siehenhirter,  ersten  Hochmeister  des  St.  Georgs- 
ordens, erbaut  worden ,  misst  mit  Einbegriff  der  Vorhalle 
IT:1)'  in  der  Länge,  öS'  in  der  Breite,  und  hat  an  der  Front- 
oder Eingangsseite  zwei  liehen  einander  stehende  gleich  hohe 
Thürme. 

Sehens«  erth  ist  auch  die  rechter  Hand  des  Presbyte- 
riunis  hie/u  gebaute,  mit  der  Hauptkirche  in  Verbindung 
stehende  liebliche  Domitians-Capelle,  in  der  die  Reliquien  <}<■< 
h.  Domitian,  dr^  Gründers  der  Kirche  zu  Millstatt.  in  einem 
zierlichen  Glasschranke  auf  dem  Altare  der  öffentlichen  Ver- 
ehrung ausgesetzt  sind,  und  auch  sein  lebensgrosses ,  in 
Stein  gemeisseltes  Standbild  mit  der  Umschrift:  „Beatus 
Domitianus  dux  Noricorum  Fundatpr  hu  jus  ecclesiae  lauda- 
hilis  vir"  zu  sehen  ist.  Zu  den  alten  Denkmalen  i\vv  Kirche 
gehört  unter  andern  ein  an  der  äusseren  Kirchenmauer, 
linker  Hand  der  Kirchenthüre.  befindliches  Frescogemälde 
von  12'  Höhe  und  18'  Breite,  das  jüngste  Gericht  darstel- 
lend :  der  obere  Theil  desselben,  durch  ein  Schirmdach  ge- 
schützt, prangt  h  in  lebendiger  Farbenfrische,  auch  am 

unteren  Theile  ist  jene  Seite,  welche  die  Seligen  darstellt. 
noch  gut  ersichtlich,  während  die  phantasiereiche  Darstel- 
lung des  Tartarus  und  der  demselben  anheim  Gefallenen 
schon  sehi'  gelitten  hat. 

Ein  anderes  noch  gut  erhaltenes  Frescogemälde  aus  der 
Zeit  der  Georgsritter  sieht  man  ober  dem  Eingänge  in  den 
Friedhof;  es  stellt  den  Weltheiland  in  Mitte  der  Heiligen 
Domitian  und  Georg  stehend  vor.  St.  Georg  ist  im  festlichen 
Ritter-Ordenskleide  abgebildet. 

In  der  Vorhalle,  d.  i.  dem  überwölbten  Räume  zwischen 
den  beiden  Thürmen,  gewahrt  man  ein  altes,  auf  Leinwand 
gemaltes  grosses  Bild  :  „die  öffentliche  und  feierliche,  in  Hei— 
■•< •in  einer  zahlreichen  Versammlung  von  Zuschauern  aus 
dem  geistlichen  und  Laien-Stande  vorgenommene  Besich- 
tigung der  unter  dem  Millstätter  Benedictiner-Abte  Chri- 
stoph am  27.  Juli  1441  von  Johann  V.  Bischöfe  von  Gurk, 
zum  letzten   Male  erhobenen   Reliquien  des  heil.  Domitian, 

dann  seiner  Ehegattin  und  Kinder,  darstellend". 

Mit  der  Vorhalle  steht  rechter  Hand  die  Taufcapelle  in 

Verbindung,  wo  man  ein  altes  gutes  Altarbild  und  ein  sleine- 
nes  Taufbecken  sieht ,  an  dessen  hölzernem  Thürdeckel  acht 
kleine  Bilder,  Symbole  der  Vergänglichkeil  des  menschlichen 
Lebens,  gemalt  sind.  Linker  Seite  der  Vorhalle  befindet  sich  ein 
anderes  Gewölbe,  in  welchem  man  eben  nichts  Merkwürdiges, 
ausser    in    einer  Ecke    des   UauergesimseS    einen   in    Stein 


geinoissellen  Luvten  sieht,  unter  dessen  Antlitz  ein  schöner 
weiblicher    Kopf    hervorlugt,     wahrscheinlich    andeutend. 

dass  die  lütter  des  St.  Georg-Ordens  mit  dein  Löwoninutho 
eines  Kriegers  auch  christliche  Frömmigkeit,  Liehe  und 
Sanftmuth  verbinden  sollen. 

Endlich  steht  man  in  der  Vorhalle  auch  dem  eigent- 
lichen Kirchen-Portale  gegenüber;  dasselbe  ist  aus  weiss- 
graueni  Kieselsteine,  der  Grosso  der  Kirche  entsprechend,  in 

schöner  Form  gemeissell  und  besteht  aus  fünf  an  jeder  Seite 

iUxv  Kirchenmauer  hervortretenden  Säulen,  über  welche  sich 
eben  so  viele  Rundbogen  in  progressiver  Höhe  und  Ausdeh- 
nung spannen.  Am  oberen  Theile  der  Säulen  sind  verschie- 
dene Fratzenbilder  zu  sehen.  Das  Portal  ist  gegenwärtig 
theils  mit  grauer,  theils  mit  weisser  Tünche  überzogen,  jedoch 
nicht  verunstaltet. 

hie  Kirche  ist  in  ihrem  Innern  durch  zehn  mächtige 
Pfeiler  in  drei  Schiffe  gelheilt,  enthält  ein  sehr  geräumiges 
Presbyterium,  einen  grossen  Musikchor  und  nehst  dem  Haupt- 
allare noch  neun  Seitenaltäre.  Derllauptaltar,  aus  Holzsculptur 
und  vergoldet,  hat  ein  vom  Maler  Bartel  in  Obervillach  im 
Jahre  1826  gemaltes  grosses  Altarbild,  dvn  Weltheiland  mit 
allen  Heiligen  darstellend.  Der  Fussboden  der  Kirche  ist 
durchaus  mit  weissen  und  blauen  Quadersteinen  belegt,  und 
an  dem  Obergewölbe  sind  überall,  wo  sich  die  Hippen  des 
Gewölbes  durchkreuzen,  kleine  Schilder  zu  sehen,  aufweichen 
die  Wappenbilder  aller  jener  adeligen  Familien,  die  zum 
Baue  dieser  Kirche  Beiträge  geleistet  haben,  in  Fresco  ge- 
malt sind;  man  zählt  deren  148. 

Ferner  befinden  sich  in  der  Kirche  in  zwei  einander 
gerade  gegenüber  stehenden  kleinen  Capellen  die  Grab- 
monumente der  zwei  ersten  Hochmeister  lies  Georgenritter- 
Ordens  und  zwar  in  der  Capelle  an  der  Evangeliumseite  der 
Grabstein  „Johann  Siehenhirters ",  des  ersten  Hochmeisters, 
mit  der  Umschrift:  „Mir  leit  der  Hochwürdig  Fürst  und  Herr 
Johann  Siehenhirter  von  Gottes  Gnaden  der  Erst  Hochmei- 
ster Sankt  Georgehordens,  gestorben  nach  Christi  Geburt 
1S0S  den  10.  Herbstmonat".  Siehenhirter  ist  auf  demselben 
in  Lebensgrösse  und  im  Ordens -Talare  abgebildet.  In  der 
Capelle  an  der  Epistelseite   erblickt   man   den  Grabstein   des 

zweiten  Hochmeisters  „Johann  Geiman  von  Geilsbach"  mit 
der  Umschrift:  „Hir  leit  der  hochwürdig  Fürst  und  Her  Her 
Johan  Geiman  zweit  Hochmeister  des  Ordens.  Stifter  der 
ewig  Messe  und  Lichts  dieser  Capelle.  gestorben  im  1833 
Jar,    dem    Gott    gnad".     Geiman    ist    auf  diesem    Steine    in 

Lebensgrösse  ganz  gewappnet  und  auf  einen  Löwen  stehend 
abgebildet. 

In  der  Mitte  der  Kirche,  an  einem  Pfeiler  befestigt, 
steht  die  Kanzel,  ein  schönes,  seinem  Zw  ecke  entsprechendes 
Bauwerk,  zwar  nur  von  Holz,  doch  mit  glänzendem  Ala- 
basterlack   überzogen,   mit  vergoldetem  Schnitzwerk   nnd 


—  209 


Engels-Statuetten  geziert.  Die  Kanzel  ist  das  letzte  Inventar, 
welches  die  Jesuiten  der  Kirche  beigeschafft  haben,  denn  sie 
wurde  ein  Jahr  vor  der  Auflösung'  des  Ordens  verfertigt. 

Der  Kreuzgang,  welcher  vom  Stiftsgebäude  in  die 
Kirche  führt,  war  einst  mit  mehreren  Fresken  geschmückt; 
doch  jetzt,  da  er  seit  Decenriien  theils  zum  Kuhstall,  theils 
zur  Wagenremise  und  Rumpelkammer  benutzt  worden,  sieht 
man  da  nur  noch  ein  kleines  Madonnenbild  mit  dem  heiligen 
Kinde  und  zwei  musicirenden  Engeln.  Bemerkenswerth  ist 
übrigens  noch  die  Pforte,  durch  welche  man  in  die  Kirche  ge- 
langt, weil  sie  mit  Stein-Seulpturen  geziert  ist,  durch  welche 
der  Baumeister  die  Bezwingung  des  Heidenthums  durch  die 
christliche  Religion  in  allegorischen  Bildern  dargestellt  zu 
haben  scheint.  Vor  der  Pforte  stehen  nämlich  zwei  9'  hohe 
steinerne  Säulen,  von  welchen  die  rechtseitige  auf  dem 
Kopfe  eines  urkräftigen,  mit  einem  starken  Schnurr-  und 
Kinnbarte  versehenen  Mannes  ruht,  den  eine  ihm  zur  Seite 
stehende  weibliche  Figur  am  Schnurbarte  hält;  die  zweite 
Säule  trägt  ein  Mann,  welcher  mittelst  einer  um  seine  Brust 
geschlungene  Kette  von  einer  hinter  ihm  stehenden  Frauen- 
gestalt festgehalten  wird,  er  krümmt  sich  unter  der  Last, 
indem  er  seine  Hände  auf  die  Knie  stemmt  und  mit  weit  offe- 
nem Munde  ächzt.  An  der  steinenen  Thürverkleidung  sind 
gleichfalls  zwei  Statuen  ausgemeisselt  und  ober  der  Pforte 
sieht  man  eine  auf  einem  Greif  reitende  weibliche  Person. 

Sämmtliches  Sculpturwerk  ist  zwar  nur  von  mittelmäs- 
sigem  Kunstwerthe,  würde  sich  jedoch  schöner  darstellen, 
wenn  es  nicht  mit  Kalk  übertüncht  wäre. 

Im  Stiftsgebäude  selbst  befindet  sich  durchaus  nichts 
Merkwürdiges,  ausser  zwei  Römersteine,  die  in  dem  Thor- 
gewölbe, welches  vom  Markte  in  den  Stiftshof  führt,  einge- 
mauert sind;  an  dem  einen  liest  man  die  Inschrift:  IMP. 
CAES.  C.  VIBIO  AFINIO  GALLO  YEL  DVMINO  VOLV- 
S1ANO  AFINIO  AVG.  ORDO  TEVR.  DEVOTVS  NVMINI 
MAIESTATI  QVE  EIVS.  An  dem  andern,  ohne  Inschrift,  ist 
ein  Mann  in  liegender  Stellung  abgebildet,  der  sich  mit  dem 
Obertheile  seines  Körpers  erhebt,  indem  er  sich  mit  der 
rechten  Hand  an  den  Boden  stemmt,  wo  mehrere  Steine 
liegen,  während  er  die  Linke  mit  drei  ausgestreckten  Fin- 
gern, gleich  einem  Schwörenden,  in  die  Höhe  hält.  Seine 
Kleidung  besteht  in  einem  talarähnlichen,  bis  an  die  Knö- 
chel reichenden  Bocke  mit  zierlichem,  über  die  Schultern 
herabhängendem  runden  Kragen,  einem  Wehrgehänggürtel, 
hohen  Schuhen  und  einem  runden  hohen  Czako  ohne 
Schirmdach  mit  drei  langen  gerade  stehenden  Federn. 

57.  (Ü b e r  e i  n e  zu  A 1 1 o f e n  g e f u n  d  e n  e  S  t e  1  e.) 
Dem  3.  Bande  des  „Magyar-  es  Erdelyorszäg  Kepekben" 
(Ungarn  und  Siebenbürgen  in  Bildern),  herausgegeben  und 
redigirt  von  Franz  Kubinyi  und  Emerich  Vahot,  entneh- 
men wir  folgende  Erklärung  des  Dr.  Johann  Erdy  über 
eine  Denksäule  in  Altofen. 

Als  man  sich  im  Jahre  18152  in  Alt-Ofen  zum  Aufbauen 
des  Hauses  Nr.  206  in  der  Minutengasse  anschickte,  führte 


man  auf  einigen  Wägen  vom  Felde  auch  die  Steine  herein, 
die  man  dort  zu  diesem  Zwecke  zusanimengehäuft  hatte. 
Auf  den  Äckern  nämlich  findet  man,  je  tiefer  man  gräbt 
und  pflügt,  desto  mehr  Stein«-,  zuweilen  ganze  Mauern.  Dort 
sind  auch  die  Trümmer  des  ehemaligen  Aquintum  oder 
Aquincum  begraben.  Unter  den  erwähnten,  vom  Felde  heim- 
gebrachten Steinen  befand  sich  auch  das  Bruchstuck  eines 
mit  ägyptischen  Hieroglyphen  beschriebenen  Kalksteines, 
dessen  erhaltener  Theil  ganz  unversehrt  und  schön  ist  und 
man  kennt  ihm  nur  das  eine  an,  dass  er  schon  einmal  einge- 
mauert war.  Dem  ßauinspector  Johann  Schiller  haben  wir 
es  zu  verdanken,  dass  dieses,  seines  Fundortes  wegen  aus- 
serordentlich merkwürdige  Denkmal  nicht  aufs  Neue  einge- 
mauert wurde.  Er  selbst  brachte  es  am  17.  Decemher  1 852 
von  Alt-Ofen  ins  ungarische  National-Museum.  Dieses  Denk- 
mal führt  den  Namen  stych,  Stele.  Stela,  was  90  «riel  heisst 
als  Säule  (columna,  cippus),  und  ist  ein  allgemein  gebrauch- 
tes Kunstwort  zur  Bezeichnung  solcher  Denkmale,  auf  die 
im  Alterthume  astronomische  Beobachtungen,  merkwürdige 
Begebenheiten,  Erfindungen  u.  s.  w.  aufgezeichnet   wurden. 

Am  21.  Februar  1853  habe  ich  die  Alt-Ofener  Stele 
im  Originale  und  abgezeichnet  der  ungar.  Akademie  u.rge- 
legt,  wo  auf  mein  Verlangen  angeordnet  wurde,  die  Zeich- 
nung solle  einer  näheren  Untersuchung  wegen  an  die  kön. 
preussische  Akademie  abgeschickt  werden.  Da  ich  jedoch 
auf  diesem  Wege  zu  keinem  erwünschten  Resultate  habe 
kommen  können,  und  überdiess  im  ungarischen  National- 
Museum  noch  mehrere,  der  Alt-Ofener  ähnliche  und  bei 
uns  unbekannte  Stelen  bewahrt  werden,  so  hatte  der  kön. 
Bath  und  Director  des  Museums.  Hr.  Aug.  Kubinyi  die 
Zeichnung  von  der  Alt-Ofener  sowohl  als  auch  von  den  übri- 
gen, im  Ganzen  von  6  Stelen  nach  Berlin  dem  Gelehrten 
Bichard  Lepsius  zugeschickt,  der  am  28.  Decemher  1853 
in  Bezug  auf  die  Alt-Ofener  Stele  sich  folgendennassen 
äusserte.  „Dieselbe  ist  nur  das  kleine  Bruchstück  einer 
grösseren  Aufschrift,  aber  den  Hieroglyphen  nach  zu  ur- 
theilen,  älter  als  die  übrigen.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich, 
dass  sie  aus  Memphis,  der  Heimath  der  grossen  Pyramiden, 
herstammt,  und  in  die  Zeit  der  4. — 7.  marathanischen  Dy- 
nastie gehört.  Die  Aufschrift  bezieht  sich  auf  eine  Privat- 
person, deren  Name  sich  jedoch  nicht  erhalten  hat.  Dieses 
Denkmal  ist  ohne  Zweifel  in  späteren  Zeiten  aus  Ägypten 
gebracht  worden."  So  viel  sagte  Lepsius  über  die  Alt-Ofner 
Stele. 

Nicht  nur  die  Erwähnung  der  ägyptischen  Religion  in 
Aufschriften,  sondern  auch  mehrere  Denkmale  derselben 
sind  in  Pannonien  und  Dacien  schon  vorgekommen.  Im  un- 
garischen National-Museum  werden  als  Schätze  bewacht : 
jene  Opferkanne  und  Schüssel  oder  Becken,  welch«'  in  der 
Umgegend  des  Marktfleckens  Egyed  im  ödenburger  Comi- 
tate  aus  einem  Hügel  ausgegraben  wurden.  Auf  der  Kanne 
ist  der  Gottesdienst  der  Isis  von  Golddrath  ausgelegt  und  sie 
ist  ein  ähnliches  Werk  wie  der  höchst  seltene  Tisch  der  Isis 


—  210 


in  Turin.  Und  wenn  wir  nun  fragen:  wie  sind  diese,  auf  die 
ägyptische  Religion  Bezug  habenden  Denkmale  nach  Pan- 
nonien  und  Dacien  gekommen?  so  gibt  uns  auf  diese  Frage 
die  römische  Geschichte  beruhigende  Antwort;  denn  in  der 
römischen  Zeit  war  die  Verehrung  der  ägyptischen  Isis 
nicht  nur  in  Rom,  sondern  auch  in  den  Provinzen  desselben 
verbreitet 

Die  Alt-Ofener  Stele  jedoch  gehör!  nicht  in  die  römi- 
sche Zeit.  Denn  Christus  ist  im  Jahre  Tj4  nach  Roms  Er- 
bauung geboren,  und  somit  ist  das  römische  Jahr  7;>;5  das 
erste  vor  Christus  und  das  darauf  gefolgte  Jahr  T.'i4  das 
erste  nach  Christus;  die  Alt-Ofener  Stele  indessen  gehurt. 
wie  Lepsius  behauptet,  in  die  Zeit  der  4.  his  7.  ägyptischen 
Dynastie,  welche  nach Bunsen  von  ;>2'29 — 2i>07  vor  Christus 
regiert  hat. 

58.  (Ein  Taufbecken  aus  der  Dechantei- 
Kirche  zu  Tabor  in  Böhmen.)  Wie  wir  einem  der 
k.  k.  Central-Commission  im  Jahre  18j4  vorgelegten  Berichte 
des  k.  k.  Baubezirkes  Tabor  entnehmen,  befindet  sich  in  der 
Decanatskirche  daselbst  das  hier  abgebildete,  sehr  interes- 
sante Taufbecken  (Fig.  1 ).  Dasselbe  soll  aus  der  Kirche  der 
im  Husitenkriege  zerstörten  Stadt  Austj  (jetzt  Alt-Tabor) 
herrühren  und  im  Flusse  Bugnitz  aufgefunden  worden  sein. 
Das  mit  gothischen,  jedoch  roh  gearbeiteten  Verzierungen 
geschmückte  Wasserbecken  wird  von  drei  Füssen  getragen; 
ober  den  Verzierungen  lauft  um  das  Becken  die  nachstehende, 
crhalien  gearbeitete  Inschrift,  die  jedoch  hie  und  da 
beschädigt  ist.  Am  Rande  des  Beckens  sind  zwei  Mönchs- 
köpfe angebracht,  von  denen  einer  herabgebogen  ist.  Der 
ganze  Taufkessel  ist  2  Fuss  10  Zoll  hoch  und  hat  (dien  2  Fuss 
Durchmesser.  Er  ist  aus  Zinn  gearbeitet  und  besitzt  zwar 
gegenwärtig  gleichfalls  einen  zinnernen  Deckel,  der  jedoch 


(Fig.  1.) 

als  eine  Zuthat  der  neueren  Zeit  zu  betrachten  ist.  Über  (las 
eigentliche  Alter  desselben  fehlt  jede  Andeutuno-,  [ndess 
deutet  die  pocalförmige  Gestalt  mit  der  gothischen  Glie- 
derung in  dem  Charakter  der  Schrift  ziemlich  klar  auf  das 
14.  Jahrhundert,  da  sich  ähnliche  Beispiele  in  den  Kirchen 
Siiddeutsehlands  und  der  sächsischen  Lande  wiederholen. 


Literarische  Anzeige. 


Mittelalterliche  Kunstdenkroalc  des  osterr.  Kaiserstaates.  Heraus- 
gegeben von  Dr.  G.  Beider,  Prof.  \.  Eltelberger  und  Architekten 
.i.  Mieser,  n.  Lieferung.  Stuttgart,  Ebner  and  Seuberl  1856. 
I.  Texl  S.  21—54.  Vier  Tafeln  und  22  Holzschnitte. 

Von  diesem  Werke,  dessen  1.  Lieferung  wir  in  dem  Juni -Hefte 
der  „Mittheilungen"  besprochen  haben  .  lieg)  uns  nunmehr  das  'i.  Hefl 
vor,  welches  in  seiner  äusseren  Ausstattung  si <li  seinem  Vorgänger 
vollkommen  würdig  anschliessi  ja,  nach  unserem  Dafürhalten  den- 
selben i anchen  Beziehungen  weil  übertrifft.  Insbcs lere  gewinnen 

wir  im hr  ans  den  auf  Tafel  IM  dargestellten  Travees  aus  dem 

Innern  der  Kirche,  wie  auch  aus  den  zahlreichen  in  den  Text  gedruck- 
ten Holzschnitten  ein  vervollständigtes  Bild  der  ganzen  Kloster- 
anlagen,  welche  in  ihrer  Erhaltung  und  in  dem  Reichthume  der  in 
derselben  ausgeprägten  Kunstformen  unstreitig  zu  den  interessante- 
sten des  gesammten  Cistercienser-Ordens  gehören.  Von  dem  durch 
Gründlichkeit  ausgezeichneten  Gelehrten  J.  Feil  folgl  im 
es  Heftes  der  Schluss  der  historischen  Einleitung,  welcher 
die  Gründnngs- und  Baugeschichte  der  Abtei  Heiligen- 


kreuz umfasst,  und  mit  einem  ausserordentlichen  Aufwände  von 
Wissen,  so  wie  mil  Benützung  von  theilweise  neuen  Quellen  ausgear- 
beitet wurde. 

Worauf  wir  überdiess  einen  besonderen  Werth  in  Bezug  auf  den 
nächsten  /.weck  des  Werkes  legen,  isi  die  Baubeschreibung  des  Heraus- 
bers  Herrn  Hr.  Gustav  Heide  r,  welche  wir  in  ihrer  Ar)  als  mustergiltig 
anerkennen  müssen,  indem  dieselbe  einerseits  ein  auch  dem  weniger 
Eingeweihten  vollkommen  verständliches  Bild  der  Klosteranlage  und 
ihrer  Einzelnheiten  entwirft,  anderseits  aber  auf  Grund  einer  durch 
\  ielseitige  Forschungen  gewonnenen  \  ertrautheil  mil  den  Kunstformen 

des  Mittelalters  und  der  ehr logischen  Bntwickclung  derselben  in 

Frankreich.    Deutschland   und  Österreich    die   Dan/eil   der  einzelnen 

Theile  vollkommen  sicherstellt,  und  dadurch  eine  Reihe  von  Irrthü- 
iiicrn  beseitigt,  welche  in  den  bisherigen  topographischen  und  histori- 
schen Welken  ulier  diese-,  Slil'l  »  r  rhrei  I  el  Waren.    Nach  den  Angaben 

des  Verfassers  datirl  das  Langschiff  der  Kirche  in  Übereinstimmung 
mil  den  historischen  Aufzeichnungen  aus  der '2.  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts. „Hat  sich  auch  um  diese  Zeit",  bemerk!  der  Herr  Verfasser, 

..anderwärts  der  r amseiie  sivl  schon  zur  reichsten  und  edelsten 


211    — 


Blüthc  entfaltet,  so  ist  es  doeli  begreiflich,  dass  sein  oft  nur  verein- 
zeltes Vordringen  nach  Osten  nicht  mit  jener  Schnelligkeit  erfolgte, 
welche  den  auf  engere  Glänzen  gestellten  Baugruppen  einen  gemein- 
samen, diese  Entwickelung  bezeichnenden  Charakter  aufdrückt,  wobei 
auch  die  dem  Cistercienser-Orden  pflichtgemäss  auferlegte  Einfach- 
heit im  Baue  seiner  Gotteshäuser  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden 
darf.  So  athmet  unser  Bau  durchgehends  noch  jene  Strenge  und  Ein- 
fachheit, welche  besonders  in  den  Rheinlanden,  Weslphalen  und 
Sachsen  die  romanischen  Bauten  des  11.  Jahrhunderts  kennzeichnet. 
Nur  in  einzelnen  Baugliedern,  beispielsweise  in  den  hie  und  da  ange- 
brachten korinthisirenden  Capitälen  und  den  gedrückten  Spitzbögen 
der  beiden  Eingangsportale  macht  sich  der  Zug  der  neueren  Zeit 
geltend.  Einen  durchweg  düsteren,  ernsten  Charakter  trägt  das 
Langsehift' der  Kirche  an  sich.  Seine  unverhälfnissmässige  Länge  und 
Höhe  (erstere  beträgt,  wie  erwähnt,  zehn  Quadrate,  während  die 
meisten  romanischen  Bauten  deren  nur  acht  aufweisen),  der  Mangel 
eines  hervorragenden  decorativen  Elementes  an  den  Scheidewänden 
des  Mittelschiffes,  die  eng  gestellten,  schweren  und  ungegliederten 
Pfeiler,  die  schweren  Gurten  der  Kreuzgewölbe,  Alles  diess  weist 
auf  die  erste  Periode  romanischer  Kunstweise.  Dazu  kommt  noch, 
dass  der  gothische  Erweiterungsbau  durchaus  unorganisch  und  ohne 
Rücksicht  auf  den  Charakter  der  vorgelegten  Räumlichkeiten  ange- 
fügt erseheint,  und  er  trägt,  indem  er  in  Hallenform  der  Breite  des 
Quersehift'es  folgt  und  in  sich  selbst  keine  Abstufung  des  Raumes 
enthält,  nur  dazu  bei,  den  düsteren,  beengenden  Eindruck  des  Lang- 
hauses zu  erhöhen." 

Den  gothischen  Erweiterungsbau,  der  zugleich  den  Chor  der 
Kirche  bildet,  setzt  der  Herr  Verfasser,  in  Widerstreit  mit  den  histo- 
rischen Zeugnissen ,  welche  dessen  im  J.  129S  erwähnte  Einweihung 
berichten,  mit  Berücksichtigung  seines  architektonischen  Charakters 
in  den  Schluss  des  14.  Jahrhunderts,  obgleich  in  den  Geschiehts- 
quellen  dieser  Abtei  sich  durchaus  kein  Anhaltspunkt  für  diesen  spä- 
teren Neuhau  findet.  „Wenn  wir  trotzdem",  heisst  es,  „als  Zeitpunkt 
der  Erbauung  dieses  Kirchenraumes  den  Schluss  des  14.  Jahrhun- 
derts angeben,  so  leitet  uns  hiebei  der  ausgesprochene  Charakter  der 
einzelnen  Bauglieder,  wie  auch  der  Gesammteindruck  der  ganzen 
Halle,  welche  auf  eine  schon  mehr  entwickelte  und  eher  dem  Verfalle 
zugehende  als  noch  mit  den  Anfängen  der  Entfaltung  ringende  Bau- 
periode hinweisen.  Es  muss  daher,  um  nicht  den  anderseits  sicher- 
gestellten Gesetzen  der  Chronologie  mittelalterlicher  Bauwerke  in 
offenen  Conflict  zu  gerathen,  angenommen  werden,  dass  der  aus  dem 
13.  Jahrhundert  stammende  Chorbau  in  Folge  von  Ereignissen,  welche 
wir  nicht  kennen,  durch  einen  Neubau,  den  gegenwärtigen  Chor, 
ersetzt  worden  sei,  und  es  dürfte  bei  dieser  Annahme  der  dem 
Kloster  zugesprochene  Ablass  vom  J.  1323,  sowie  das  beträchtliche 
Vermächtniss  der  Königin  Elisabeth  vom  Jahre  1328,  vielleicht  auf 
die  schon  damals  fühlbar  gewordene  Notwendigkeit  eines  neuen 
Chorbaues  bezogen  werden,  obgleich  in  beiden  Fällen  der  eigentliche 
Zweck  dieser  Begünstigungen  nicht  näher  ausgesprochen  ist". 

Auch  eine  andere  und  eben  in  neuester  Zeit  vielfach  angeregte 
Frage,  nämlich  jene  über  den  geraden  Chorabsch  I  uss  der 
Cistercienser-  Klöster  und  den  Grund  dieser  abweichenden 
Anordnung  erörtert  der  Herr  Verfasser  zwar  nur  in  kurzen  Umrissen, 
jedoch  auf  umfassende  Forschungen  gestützt,  welche  seinem  Aus- 
spruche ohne  Zweifel  das  Recht  auf  Beachtung  geben.  Auf  diese 
Eigentümlichkeit  seheint  nach  seiner  Ansicht  der  Mutterbau  von 
Citeaux,  des  Ordenshauptes,  dessen  Chor  geradlinig  geschlossen  war, 
von  Einfluss  gewesen  zu  sein.  „Dass  diess  aber  keine  feststehende 
Gewohnheit  wurde,  dafür  spricht  der  unmittelbar  folgende  Kloster- 
bau von  Anirvaux  (aus  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts,  der 
seine  ganze  Anlage  genau  dem  Mutterkloster  Citeaux  entlehnte ,  mit 
Ausnahme  des  Kirchenchors,  der  in  einem  mit  einem  Capellcnkranze 
umgebenen  Vielecke  abgeschlossen  war).  Doch  sind  der  Beispiele  des 


geraden  Chorabschlusses  so  viele,  dass  sich  auf  die  Vorliebe  dieses 
Ordens  für  Nachahmungen  seines  Hauptklosters  sehliessen  lässt.  l'm 
nur  einige  Beispiele  anzuführen,  erwähnen  wir  aus  Frankreich: 
Pontigny  (1114),  Vaux  de  Sernav  (1128)  und  Fontenay  bei  Mont- 
bard;  aus  Deutschland  Marienthai  bei  Helmstadt  (113g)— 1146), 
Loccum  bei  Minden  (1163),  Marienfeld  in  Westphalen  (1185— 1222  |, 
Riddagshausen  bei  Braunschweig  (1273),  Maulbron  (12. — 14.  Jahr- 
hundert). Dobberoo  bei  Rostock  u.  a.  m.  Auf  engbegränztem  Gebiete 
finden  sich  auch  in  Osterreich  drei  Cistercienser-Klöster,  und  zw;.r 
ausser  Heiligenkreuz  noch  Lilienfeld  in  Niederösterreich  und  Neu- 
berg in  Steiermark  ' ),  welche  nach  Osten  zu  geradlinig  abgeschlossen 
sind  und  ausserdem  noch  die  Eigentümlichkeit  haben.  dass  nach  der 
Breite  des  Mittelschiffes  kein  Chorausbau  vortritt,  sondern  der  eigent- 
liche Chorbau  im  Innern  entweder  durch  Stufen,  oder  wie  in  Lilienfeld 
durch  eine  Säulenstellung  von  der  übrigen  Halle  getrennt  erscheint." 

In  Bezug  auf  den  Kreuzgang,  der  durchweg  dem  entwickelten 
Romanismus  mit  gedrückten  spilzbogigen  Kreuzgewölben  angehört, 
unterscheidet  der  Verfasser  einen  alleren  Thcil .  welcher  die  West- 
seite und  zwei  ansfossende  Travees  der  Nordseile  nmfassl ,  deren 
Capitäle  in  Kelchform  gebildet  sind,  während  die  Säulencapitäle  der 
übrigen  Theile  die  überhangenden  ßlattformen  des  späten  Roma- 
nismus  aufweisen.  Doch  glaubt  der  Verfasser  aus  solchen  untergeord- 
neten decorativen  Verschiedenheiten  bei  durchwegs  gleicher  con- 
struetiver  Anlage  auf  keine  bedeutende  Baulücke  sehliessen  zu  sollen, 
daher  angenommen  werden  darf,  dass  dem  ganzen  architektonischen 
Charakter  nach  die  Zeit  der  Erbauung  des  Kreuzganges  der  Ausgang 
des  12.  und  die  erste  Hälfle  des  13.  Jahrhunderts  sei.  Er  schliesst 
sich  sonach  dem  Portalbaue  der  Kirchenfacade  an,  mit  welchem  er 
auch,  was  den  Baucharakter  anbelangt,  einige  Ähnlichkeit  an  sieb 
trägt.  Die  an  dem  südlichen  Flügel  des  Kreuzganges  sich  anschlies- 
sende Brunnenhalle  ,  ein  gothiseher  aus  dem  Neunecke  gebildeter 
Bau,  soll  auf  die  2.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts,  von  den  beiden  mit 
dem  Kreuzgange  zusammenhängenden  Dormitorien,  das  untere  auf  die 
erste  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts,  das  obere  auf  den  Ausgang  des 
14.  Jahrhunderts  hinweisen. 

Den  bedeutendsten  Kunstüberresten  nicht  bloss  unseres  Kloster- 
baues, sondern  überhaupt  des  ganzen  Mittelalters  zähl)  der  Herr  Ver- 
fasser die  gemalten  Glasfenster  bei,  mit  welchen  zum  Theile 
die  offenen  Räume  des  Kreuzganges  und  die  Mehrzahl  der  Fenster  des 
Kirchenchors  und  der  Kirchenhalle  geschmückt  sind.  Erstere  gehören 
sowohl  ihrer  Technik  wie  auch  dem  Kunstcharakter  der  Ornamentik 
nach  durchaus  noch  der  romanischen  Kunstepoche,  und  zwar  der 
ersten  Hälfle  des  13.  Jahrhunderts  an,  und  geben  einen  glänzenden 
Beleg  für  den  Formeureiehthum  und  den  durchgebildeten  Geschmack 
dieser  Kunstperiode.  Nach  der  Meinung  des  Herrn  Verfassers  dürften 
diese  Fenster  ursprünglich  für  den  romanischen  Titeil  des  Kirchen- 
baues bestimmt  gewesen  und  erst  in  späterer  Zeit  in  den  Kreuzgang 
übertragen  worden  sein. 

Ausser  den  zwei  erwähnten,  der  Abtei  Heiligenkreuz  angehören- 
den Tafeln,  und  den  22  in  dem  Texte  der  Baubeschreibung  vorkom- 
menden Holzschnitten ,  enthält  das  vorliegende  Hell  noch  zwei  Tafeln. 
auf  deren  eine  die  gothische  Monstranze  zu  Sedletz  eines  der 
prachtvollsten  kirchlichen  Schaugefässe  aus  Österreich  —  und  auf 
deren  zweiten  der  gothische  Wandschrank  in  der  Pfarrkirch 
—  eine  ganz  eigenthümliche  und  seltene  Steinsculptur  —  dargestellt 
ist.  Die  Zeichnungen  zu  beiden  Tafeln  von  dein  Mitherausgeber  des 
Welkes,    Herrn    Architekten     J.    Hieser    herrührend,     zeigen    von 

ausserordentlichem  Geschmacke  so  wie  einem  feinen  künstlerischen 
Geiste,  und  sind  auch  mit  vollendeter  Technik  ausgeführt  worden. 

. .  K.  W. 

')  Vergleiche  Im  Jänner-Hefte  der  „Mitlheiluogeu"  Dr.  Beider'«  Aufsatz: 
Über  die  symbolischen  Darstellungen  im  Kreuzgange  iler  Kloslerkirche 
za  Neuberg-. 


212   

Bibliographie 

der  neuesten  auf  die  Kunstgeschichte  und  Aiterthumskunde  bezüglichen  \\  erke. 


1!  a  n  ch  ein,  <  •ins.,  II  Duorao  ili  Geuova  illustrato  e  descritto.  Genova 

1855.  8.  360  pp.  1  Thlr.  18  Ngr. 

Barpcs,  J.  J.  L..  Memoire  sur  le  Sarkopiinge  et  llnscription  l'unc- 

raire  d'Eschmounazar  roi  de.  Sidon.  Paris  1850.  4".  41  pp.  mit  2 

lithogr.  Tafeln.  2  Tbl.   IS  Ngr. 
1!  a  ii  d  e  nk  m  a  I  e,  mittelalterliche,  aus  Schwaben.  Suppl.zu  dem  Werke : 

Die  Kunst  des  Mittelalters  in  Schwaben  v.  ('.  Heideloff  u.  Kr.  Müller. 

Esslingen.   Aufgen.  u.  gez.  v.  Architekt  ('.  Beessbarth.   Imp.  Fol. 

4  Kpfr.  u.  5  Steintafeln  u.  I  l!l.   Stuttgart.    Ebner  u.  Seubert.   In 

Mappe,  2  Thlr.  12  Ngr. 
Iiraun,  Jul.,  Geschichte  der  Kunst  in  ihrem  Entwickelungsgange 

durch    alle  Volker   der   alten  Well    hindurch    bis   auf  die  neuere 

Zeit.  8°.  1853.  Wiesbaden  1856.  2  Theile.  20  Ngr. 
Di  Criscio,  G.  Di  l'autico    porto    Giulio.    Napoli    185ti.    8.  23  pp. 
Delook  et  Doury,  Histoire  de  la  Sainte  Chapelle.,Livr.  1—4.  Paris 

1856.  ä  1  Thlr.  20  Nrg.   (Das  Werk  wird  aus  12  Lieferungen  mit 
'24  Kupertafeln  bestehen.) 

Didron  aine,  Annales  archeologiques.  Tome  seizionie.  ileuxieme  et 
troisieine  lirraisons.  Paris  1856. 

Esse  n  w  ei  n,  A  u  g.,  Norddeutschlands  Backsteinbau.  Karlsruhe  1856. 
Kolio.  24  S.  Text  mit  56  Tafeln.  8  Thlr. 

Gailhabaud,  Jul.,  Die  Baukunst  des  V.  bis  XVI.  Jahrhunderts  und 
die  davon  abhängigen  Künste:  Bildhauerei,  Wandmalerei,  Glas- 
malerei, Mosaik,  Arbeit  in  Eisen.  Unter  Mitwirkung  der  bedeutend- 
sten Architekten  Frankreichs  und  anderer  Länder.  1.  2.  3.  Lieferung, 
sind  erschienen.  Das  Werk  erscheint  in  200  Lieferungen  in  Quart. 
Jede  Lieferung  enthalt  2  Tafeln  und  '  2  bis  1  Bogen  Text.  Monall. 
erscheinen  2  Lieferungen.  Preis  einer  Lieferung  16  Ngr.  Leipzig 
bei  T.  O.  Weigel.   185& 

De  G  alem  be  it.  Memoire  sur  les  peintures  murales  de  l'eglise  Saint- 
Uesme  de  Chinon.  Toms  1856.  8°.  59  pp. 

Geck,  H.,  Die  Abteikirche  zu  Meiden.  Historisch  und  architekto- 
nisch  dargestellt.   Essen  1856.  8°. 

K  ii  is  er  grab  er.  die,  im  Dom  zu  Speier,  deren  theilweise  Zerstörung 
im  Jahre  1689  und  Eröffnung  Im  Jahre  1739.  Eine  Untersuchung 
nach  geschichtlichen  Quellen  und  Acten  des  vorm.  fürstbischöflichen 
Speier'schen  Archivs.  Mit  Urkunden  u.  1  (lith.)  Tafel.  49  S.  Karls- 
ruhe; Braun,  geh.  neu.  12  Ngr. 

Karlik,  II.  J. ,  Gründung  der  Prämonstratenser  -  Abtei  Tepl 
in  Bobinen.  Leipzig  und  Meissen,  Gödsche's  Verlagshandlung, 
1856.  1  Thlr. 

Kfintzeler,  Pet.  Stcph.,  Eine  Kunstreliquie  des  10.  Jahrhunderts. 
Ein  Erklärungsversuch  als  Beitrag  zur  Kunstgeschichte  jener  Zeil 
unter  Mitwirkung  des  Stiftsherrn  ,1.  Tb.  Kgntzeler.  gr.  8°.  15  S. 
Aachen.  Benrath  et  Vogelsang.  geh.  5  .Ngr. 

Lecin ans ,  ('.,  Agiptische  Monumenten  van  hei  Nederland'sche 
Museum  van  Oiidhcden  le  Leijden  I6e.  dl.  of  He  afdeeling 
lOe  all.  Leijden  1856.  Fol.  2  p.  Text  und  13  lith.  Tafeln. 
8  Thlr.  24  Ngr. 


Martini.  Scritti  di  Storia  e  d'Archeologia  del  Conte  Martini  ordi- 
nali  da  Tom.  Gar.  eon  un  Discorso  intorno  alla  vita  et  alle  operi 
dell"  autme.  Trento  1855.  8°.  XXIV.  464  p.  2  Thlr.  2  Ngr, 

Macarius,  Hagioglj  pla  sive  picturi t  sculpturae  sacrae  nntiquiores, 

praesertini  quae  Romae  reperiuntur  explicatae  a  Joanne  L'Heureui 
Macario).  Paris  1 856.  8°,  256  pp.  Mit  Holzschnitten  in  Text.  2  Thlr. 

M  em  oires  de  la  societe  archeologique  de  Touraine.  Tome  V.  Tours 
1856.  8°.  301  pp.  mit  12  Tafeln. 

Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  der  kirchlichen  Archäologie  und 
Geschichte  der  Diöcese  Trier  v.  d.  historisch-archäolog.  Verein. 
1   lll'l.   Trier  1856.   Preis  20  Ngr. 

Mothes.  Geschichte  der  Baukunst  und  Sculptur  von  Venedig.  Leip- 
zig. F.  Voigt.  I.  lieft  20  Ngr. 

Ncuiuaier.  S  ,  Geschichte  der  christl.  Kunst,  der  Poesie,  Tonkunst. 
Malerei.  Arcliitcctiir  und  Sculptur  von  der  ältesten  bis  auf  die 
neueste  Zeit  1.  Bd.  Schaffhausen  1856.  8°.  V  414.  u.  3  titb.  Tafeh 
1.  Tbl.  18  Ngr. 

Niedersachsen,  mittelalterliche  Baudenkmale,  herausgegeben  von 
dem  Architekten-  u.  Ingenieur-Verein  für  das  Königreich  Hannover. 
Hannover  1856.    1.  Ill't.  I  Thlr. 

B  an  gäbe,  A.  R.,  Antiquites  helleniques  ou  Repertoire  d'Inscriptions 
et  d'autres  Antiquites  decouvertes  depuis  l'uffranchissement  de  la 
Greoe.  Vol.  IL  Athenes  1855.  4.  VIII.  1098  pp.  Mit  II  Tafeln 
Abbildungen.  12  Thlr. 

Statz,  V.,  Gothische  Entwürfe.  1.  Bd.  5.  Hft.  Fol.  mit  (11  lith.  u. 
lithochrom.)  Tafeln.   Bonn.  Henry  et  Cohen.  2  Thlr. 

Stalz,  Vinc,    Mittelalterliche   Bauwerke  nach  Merian.  Mit  einer 
Einleitung    von    Reichensperger.    Leipzig,   T.    O.  Weigel,    1851 
l.   Heft.   I    Thlr.   15  Ngr. 

Salzmann,  A.,  Jerusalem.  Etüde  el  reproduetion  photographiqui 
des  monuments  de  la  *ille  sainte ,  depuis  l'epoque  Predaique  jus- 
qu'i  nos  jours.  4re  livre,  Paris  1SU6.  Fol.  4  Thlr. 

Schweizer,  F.,  Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  der  Numismatik  und 
Archäologie 3.  Dec.  I.  Thlr.  Triest,  Merlin  1856.  8°.  64  pp.  Mit 
einer  Steintafel  in  Tondruck.  1.  Thlr.  12  Ngr. 

Stier.  G.,  Geschichte  und  Beschreibung  der  Stadt  Pompeji.  Wit- 
tenberg 1856.  8°.  12  Ngr. 

Selvatico,  P.,  Storia  estetico-critica  delle  Arti  del  Disegno  <>> 
l'Architectura,  la  Pittura   e  la  Statuaria  considerate   nelle  cor- 

relazioni   fra    loro    e    negli    svolgi nti    storici  estetici  e  teenic 

Vol.   I.   L'arte   anliipia.   Vol.  II,   L'arte  del   medio  evo   c  ilei  temp 
moderni.  Venezio  1853—1856.  8°.  6.  Thlr.  20  Ngr. 

V i <>  Not.  le  Duc,  Dictionnaire  rais de  l'architecture  francais 

XL  au  XVI.  siede.  Tome  II.  Arts-Chapiteau.  Paris  1856.  8    Mil 
Holzschnitten.  8  Thlr. 
(Der  1. Band  erschien  1853     54  u.  kostet  7  Thlr.) 

Zeitschrift  für  christliche  Archäologie  und  Kunst.  Herausgegeben 
von  l'.  v.  Quast  ii.  II.  «nie.  I  Bd,  I.  u.  2.  Heft.  6  Hefte  bilden  einen 
Band.  Leipzig,  T.  0.  Weigel.  1856.  Preis  desselben  in  Thlr. 


Aus  der k.  k.  Eof-  and  Staatsdruckerei  in  Wien. 


Jeden  Monat  erscheint  1  Heft    zu 
4    hts    2    Urin  I, bog .  ii    mit    Mil.il- 

dungen. 
Der  Pränumerationsprein  ist  für 
einen  Jahrgang  oder  zwölf  Hefte 
nebst  Register  sowohl  für  Wien 
als  die  Krunl  ander  und  das  Ausluud 
4  fl.  C.  M.,  hei  portofreier 
Zusendung  in  die  Kronländer  der 
osterr.  Monarchie  4(1.  20  kr.  CM. 


MITTHEILUNGEH 


DER  K.  K.  CENTRAL- C0MMISS10N 


Pränumerationen  überneh- 
men halb-  oder  ganzjährig 
■He  k.k.  Postämter  der  Monarchie, 
welche  auch  die  portofreie 
Zusendung  der  einzelnen  Hefte 
besorgen.  —  Im  Wege  des  Buch- 
handels sind  alle  Priatunerationeo 
und  zwar  nur  zu  dem  Preise  Ton 
4  fl.  an  den  k.  k.  Hofbuchhändler 
W.  Braiimüller  in  Wien  zu  ruhten. 


ZUR  iFOKMIG  III ERHALTLTO  DER  BAIIIEARMALE. 

Herausgegeben  unter  der  Leitung  des  k.  k.  Sections-Chefs  und  Präses  der  k.  k.  Cenlral-Commission  Karl  Freilicrrn  v.  Gzoernig. 

Redacteur:    Rarl  Weiss. 


m  ii. 


I.  Jahrgang. 


November  Nil). 


Inhalt:  Charakteristik  der  Baudenkmale  Böhmens.  —  Die  Fresken  des  Martine,  di  Udine,  genannt  Pellegrino  da  San  Daniele,  in  der 
Kirche  des  heil.  Antonius  zu  San  Daniele  in  Friaul.  —  Die  St.  Gertrudskirchc  zu  Kloslerneuburg.  —  Die  Sfadtpfarrkirelie 
zu  Wels  in  Oberösterreicli.  —  Über  die  Vollendung  des  Gurker  Dombaues.  —  Das  Baptisterium  zu  Coneordia  bei  Portogruaro 
in  der  Provinz  Venedig.  —  Bericht  über  einige  ßaudenkmale  Croatiens.  —  Notizen.  —  Literarische  Anzeige. 


Charakteristik  der  Baudenkmale  Böhmens. 

Nach  den  bedeutendsten  Bauwerken  zusammengestellt  von   Bernha  rd  Griicber,  Architekten  und  Professor  der  Baukunst. 

(Fortsetzung.) 


IV. 

Die  Übergangsperiode  in  Böhmen  ums  Jahr  l.tOO. 

In  den  westlichen  Ländern  Europas  macht  sich  schon 
im  zwölften  Jahrhundert  ein  Streben  bemerkbar,  den  allzu- 
schweren und  gedrückten  Formen  des  romanischen  Styles 
mehr  Leichtigkeit  abzugewinnen.  Neben  allerlei  Versuchen 
wurde  zuerst  der  Rundbogen  umgewandelt  und  durch  einen 
aus  zwei  Kreistheilen  bestehenden  Spitzbogen  ersetzt. 

Die  Aufnahme  des  Spitzbogens  geschah  zuerst  aus  tech- 
nischen Gründen,  weil  die  romanischen  Gewölbe  stets  qua- 
dratische Räume  bedingen  und  ihre  Schönheit  verlieren, 
sobald  sie  anders  gestaltete  Flächen  überdecken  sollen.  Die 
Erfindung  des  Spitzbogens  aber  darf  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  im  hohen  Alterthume  gesucht  werden,  daher  ein 
einzelner  Spitzbogen  ohne  andere  Kennzeichen 
nicht  mit  Bestimmtheit  als  mittelalterlich  oder 
gothisch  betrachtet  werden  kann.  Es  ist  also  zwi- 
schen der  vereinzelten  Form  und  dem  durchgeführten  Ge- 
wölbesystem ein  Unterschied  zu  machen:  letzteres  charak- 
terisirt  nur  die  gothische  Architectur. 

Diesem  Streben  entsprechend  wurden  die  Fenster  er- 
höht und  erweitert,  wobei  das  System  der  alten  Kuppelfenster 
beibehalten  ward.  In -dem  Masse,  als  die  Durchbrechungen 
umfangreicher  und  die  Mauern  höher  gehalten  wurden, 
machte  sich  aber  das  Bedürfniss  eines  grösseren  Wider- 
standes geltend,  und  es  entstand  der  Strebepfeiler,  eine  an 
der  Aussenseite  des  Gebäudes  angebrachte  Verstärkung. 

Wie  die  Kreislinie  durch  den  Spitzbogen  aus  dem  Ge- 
wölbeband verdrängt  wird ,    oben  so  trat  das  Polygon  (vor 


allen  das  Achteck)  an  deren  Stelle  in  der  Gesammtanlage. 
Die  Thürme  wurden  theils  vom  Grunde  aus  achteckig  erbaut, 
theils  setzten  sie  aus  dem  Quadrate  ins  Achteck  über;  oben 
so  erhielten  die  Apsiden  eine  vieleckige  Gestalt  und  wurden 
gewöhnlich  aus  drei  oder  fünf  Seiten  des  Achteckes  geschlos- 
sen. Einen  besondern  Reichthum  wusste  mau  an  den  Rund- 
fenstern (Radfenster  oder  Rosetten)  zu  entwickeln .  welche 
oft  die  ganze  Rreite  des  Mittelschiffes  einnahmen  und  rad- 
förmig  mit  verschlungenen  Stabwerken  verziert  wurden. 

Die  runde  Säule  verschwindet  gleichfalls  aus  dem 
Innern  und  es  werden  Bündelpfeiler  angewandt,  welche  aus 
wechselnden  Rundstäben  und  Flächen  zusammengesetzt  sind. 

Diese  Erscheinungen  kommen  indess  weder  gleichzeitig 
noch  an  einem  Bau  vereint  vor,  im  Gegentheile  wird  die 
romanische  Eintheilung  und  Gliederung  durchaus  beibehal- 
ten und  die  Neuerungen  erscheinen  oft  nur  als  zufällige 
Abweichungen.  Eine  bestimmte  Ord lg  ist  in  den  Über- 
gangswerken eben  so  wenig  erkenntlich  als  sich  ein  bestimm- 
ter Zeitraum  für  den  Verlauf  angeben  lässt.  In  Deutschland 
fällt  die  Übergangsperiode  grösstenteils  in  die  erste  Hälfte 
des  dreizehnten  Jahrhunderts. 

In  manchen  Gegenden,  namentlich  in  Franken  und 
Westphalen  erreichen  die  Übergangsformen  einen  Indien 
Grad  künstlerischer  Vollendung,  welchen  die  darauf  folgende 
Gothik  nicht  immer  einhält.  Die  Dome  vun  Paderborn,  Bam- 
berg, Bonn  und  Gelnhausen,  dann  insbesondere  die  ausser- 
ordentlich schönen  in  ganz  Deutschland  vorhandenen  Krouz- 
gänge  (welche  meist  der  Übergangszeit  angeboren)  bewei- 
sen, dass  die  Künstler  jener  Zeit  bereits  auf  sehr  richtigem 

28 


214    — 


Wege  «raren.  Das  viel  künstüöhere  gothische  System  ver- 
drängte indess allenthalben  diese  Richtung,  so  dass  im  Ganzen 
die  Übergangsbauten  nur  als  vereinzelte,  ofl  sehr  glückliche 
Versuche  anzusehen  sind.  Die  östlichen  Gegenden  Deutsch- 
lands haben  eine  späte  und  kurze  Übergangsperiode. 

In  Böhmen,  wo  die  Architektur  keine  Entwickelung 
durchgemacht  hatte  und  wo  der  bereits  vollendete  Styl 
immer  als  etwas  Bestehendes  angenommen  worden  ist. 
konnte  eine  eigentliche  Übergangsperiode  nicht  stattfinden. 
Das  einzige  vollständige  und  grössere  Werk  dieser  Art,  die 
Dechanteikirche  zu  Eger,  kann  aus  dem  schon  erwähnten 
Grunde  nicht  zu  den  böhmischen  Bauten  gezählt  werden  und 
sei  desshalh  nur  kurz  erwähnt.  Anlage  und  Detailbehandlung 
dieser  schönen  Kirche  stimmen  aullallend  mit  den  späteren 
Theilen  des  Bamberger  Domes  überein  und  jene  Eigentüm- 
lichkeiten, welche  wir  an  den  romanischen  Bauten  Böhmens 
kennen  lernten  ,  sind  dieser  Kirche  vollkommen  fremd.  — 
Das  gegen  Ende  des  dreizehnten  oder  im  Anfange  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts  erbaute  Schilf  der  Bartholomäuskirche 
zu  Kolin  (eigentlich  frühgotisch)  zeigt  Übergangsformen; 
auch  in  den  rherresten  des  gegenwärtig  in  ein  Magazin  ver- 
wandelten St.  Agueskloster  in  Prag  haben  sich  einige  Gewölbe 
mit  schönen  kelchfÖrmigen  Capitälen  und  Bippenprofilen  er- 
halten, welche  dieser  Richtung  angehören  (Fig.  13,  14,  15). 


(Fig.   13.)  (Fig.   H.) 

Die  St.  Agneskirche  wurde  von  der 
Prinzessin  Agnes,  einer  Tochter  Premisl 
de  Ersten,  unter  dein  Namen  St.  Salvator 
im  Jahre  1233  gestiftet  und  noch  in  der 
ersten  Hälfte  des  dreizehnten  Jahrhunderts 
erbaut.  Es  war  mit  dieser  Kirche  ein  Spi- 
tal und  Stift  für  arme  Fräulein  nach  der 
Regel  der  heiligen  Clara  verbunden,  wess- 

halb  die  Bauten  eine  durcheinander  geschobene  Eintheilung 

zeigen. 

Man  kann  daher  über  das  Ganze  um  so  weniger  urlhei- 
len, als   die  lliissiten  im  Jahr   1420  einen  Theil  des  Klosters 


zerstörten  und  der  übrig  gebliebene  Theil  durch  einen  spä- 
teren Brand  und  seine  dermalige  Benützung  als  Magazin  viel- 
fache Umwandlungen  zu  erleiden  hatte.  Der  noch  bestehende 
Best  von  St.  Agnes  zeigt  eine  einschiffige  aus  dem  Achteck 
geschlossene  Kirche  von  HO'  Länge  und  24  Breite,  wovon 
36'  auf  die  zwei  Quadrate  des  Schilfes  entfallen.  Die 
Wölbungen  sind  aus  dem  gleichseitigen  Dreieck  gezogen 
und  mit  sehr  schön  prolilirteu  Rippen  versehen.  Diese  Hip- 
pen ruhen  auf  Wandsäulen  von  11"  Stärke,  deren  Capitäle 
den  Hauptschmuck  des  Kirchleins  ausmachen.  Tlniren  und 
Fenster  sind  herausgebrochen  und  überall  fällt  alte  und  neue 
Barbarei  in  die  Augen.  Die  Capitäle  zeigen  die  mannigfal- 
tigsten Bildungen,  reich  ausgestattet  mit  Blattwerken  und 
Thierverschlingungen,  wie  derlei  in  Ehrach,  Gelnhausen,  St. 
Sebald  in  Nürnberg  u.  s.  w.  vorkommen.  Die  technische 
Behandlung  aller  Bautheile  zeigt  einen  hohem  Grad  von 
Vollendung,  als  wir  an  den  romanischen  Arbeiten  kennen 
gelernt  haben.  Die  Capitäle  von  St.  Agnes  (offenbar  Copieu 
auswärtiger  Muster)  erscheinen  in  Böhmen  als  vereinzeltes 
Beispiel  einer  solchen  Behandlung  des  Blattornamentes, 
welche  in  Deutschland  nicht  selten  getroffen  wird. 

Bei  derBartolomäuskirche  in  Kolin.  einem  höchst  merk- 
würdigen Bau,  muss  man  vor  allen  Dingen  zwischen  Schiff 
und  Chor  unterscheiden.  Der  Chorbau  wurde  nach  einem 
Brande  im  Jahre  13G0  begonnen  und  137S  am  S.  October 
eingeweiht.  Baumeister  war  Peter  (Arier)  von  Gmünd,  wie 
eine  gleichzeitige  Inschrift  beweist,  welche  Meister  Peter 
an  der  Linie,  wo  der  Neubau  beginnt,  eingegraben  hat  des 
Inhalts: 

Incepta  .  est  .  hec  .  Strukture  .  chöri  .  sub  .  anno . 
dnl  .  n^.  cec  .  lft  .  pjy  .  klij  .  febril  .  temporibus  . 
Serenissimi  .  prineipis  .  dni  .  Karoly  .  dei  .  gfa  . 
imperatoris  .  romanno,  .  7 .  regni  .  boheme  . 

per petr  de  gemudia  .  Lapicidari  .  .  . 

Der  innere  Chor  dieser  Kirche  ist  60,  das  Langhaus 
100,  und  der  ganze  Bau  im  Lichten  mit  Einsehluss  der  Ca- 
pellen  und  des  Umganges  190  Fuss  lang. 

Das  Langhaus  ist  dreischiffig  und  hallenartig  angelegt 
mit  beinahe  gleich  hohen  Gewölben ;  das  älteste  derartige 
Beispiel  im  Lande.  An  der  Westseite  stehen  zwei  Thürme 
von  quadratischer  Grundform,  welche  am  Beginne  der  Dach- 
linie in  das  Aehleck  umsetzen;  zwischen  den  Thürmen  be- 
findet sich  der  Haupteingang  und  über  diesem  eine  geräu- 
mige Empore.  Leider  ist  die  West-  oder  Ilauptfacado. 
welche  einst  durch  ein  herrliches  Radfenster  von  LS'  Durch- 
messer geziert  war.  in  Folge  verschiedener  Unfälle  entsetz- 
lich zerstört  und  zuletzt  flach  überput/.t  wurden:  sie  bietet 
dermal  einen  sehr  traurigen  Anblick,  und  nur  wenige  Reste 
gehen  Kunde  von  der  allen  Herrlichkeit.  Vier  Pfeiler  auf 
jeder  Seite  theilen  die  Schiffe  ein:  auf  den  beiden  hintersteil 
etwas  verstärkten  Pfeilern  ruhen  die  Thürme  und  die  durch 
die  ganze  Kirchenbreite  gezogenen  Empore.  Die  Breite  des 
Langhauses  beträgt  68'   6  .  wobei  das  Mittelschiff  21'  6", 


215  — 


jede  der  Abseiten  13'  und  die  Dicke  eines  Pfeilers  5'  6" 
betragen.  Eine  Vierung  aus  der  Breite  des  Mittelschiffes, 
jedoch  ohne  vorspringende  Querflügel ,  gränzt  an  den  Chor 
an,  und  1 6'  hohe ,  nur  2'  breite  Spitzbogenfenster  (ohne 
alles  Stabwerk)  erleuchten  die  Halle.  Die  Strebepfeiler  sind 
bogenförmig  aus  dem  Grunde  herausgebaut,  so  dass  man 
liings  der  Hauptmauer  unter  den  Streben  durchgehen  kann. 
Die  Thürcn,  wie  die  ganze  Westseite  überhaupt  zeigen  ro- 
manische Anlage,  eben  so  die  Pfeiler  im  Schilfe,  welche 
durch  ein  Quadrat,  mit  vier  Wandsäulen  in  der  Mitte  und 
vier  Halbsäulen  an  den  Ecken,  gebildet  sind.  Die  Eingänge 
hingegen  und  die  Gewölbe  sind  frühgothisch:  die  Thürpro- 
file  bestehen  nur  aus  einer  Abwechslung  von  Kehlen  und 
Riundstäben,  wobei  der  Cirkel  immer  in  die  Absehrägungs- 
linie  eingesetzt  ist. 

Den  höchsten  kunstgeschichtlichen  Werth  erhält  dieser 
Bau  durch  eine  seltene  Ornamentik ,  an  welcher  die  Erlin- 
dung  eben  so  bewunderungswürdig  erscheint,  wie  die  Aus- 
führung (Fig.  16,  17,  18,  19,  20,  21,  22). 


(Fig.  16.) 


(Fig.  17.) 


(Fig-.  20.) 


(Fig.  19.) 

Die  Schlusssteine  der 
Wölbungen,  die  Thürge- 
winde  und  insbesondere 
die  Capitäle  der  Wand- 
säulen zeigen  eine  Pracht 
und  Mannigfaltigkeit  der 
Decoration,  welche  um  so 
mehr  Staunen  erregt,  als 
gerade  in  diesem  Bezüge 
die  böhmische  Architectur 
sehr  dürftig  bedacht  ist. 
Die  Ornamente  tragen 
durchgehends  den  gothi- 
schen  Charakter,  aber  in 
einer  selbstständigen  und 
kräftigen      Behandlungs- 


weise,  welche  den  schaf- 
fenden Künstler  und  kei- 
nen Copisten  verräth.  .Ne- 
ben den  bekannten  Moti- 
ven: Weinlaub,  Epheuund 
Distelblätter,  dann  Bösen, 
Lilien  und  einigen  anderen 
Blumen,  erscheint  beson- 
ders (las    Eschenblatt  in 
glücklicher  Durchbildung. 
Nur  ausnahmsweise  kom- 
men  zwischen    den  hun- 
derten  von  vegetabilischen 
Verzierungen   einige   Ei- 
dechsen  und  Köpfe  vor; 
jedoch  im  Bogengewande  des  Hauptein- 
ganges sind  musicirende  Engel  unter  sehr 
alterthümlieheu  Baldachinen   angebracht. 
Auch  bemalt  war  einst  dieses  Gebäude  im 
Innern,  und  an  mehreren  Stellen  sind  nach 
Beseitigung  einer  dicken  Kalkkruste  ziem-  -T-y 

lieh  richtig  gezeichnete  Heiligenbilder  zum  lF,t'-  '--■) 

Vorschein  gekommen.  Einige  Stücke  von  alten  Glasmalereien 
beiinden  sich  noch  in  den  Fenstern,  darunter  eine  Christus- 
figur  und  der  Tod  der  heiligen  Jungfrau;  Werke  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts  von  grosser  Farbenpracht. 

Über  die  Gründung  und  Erbauungszeit  des  alten  Kir- 
ehentheilcs  von  Koliu  fehlen  zur  Zeit  noch  die  näheren  Daten. 
Eine  Sage,  welche  die  Gründung  in  das  Jahr  1310  verlegt, 
entbehrt  in  hohem  Grade  der  Wahrscheinlichkeit,  da  gerade 
in  diesem  Jahre  die  Wirren  zwischen  Heinrich  von  Kärnthen 
und  Johann  von  Luxenburg  stattfanden.  Vielmehr  möchte 
ich  den  Bau  einem  der  vielen  deutschen  Baumeister  zuschrei- 
ben, welche  durch  Wenzel  den  Einäugigen  ins  Land  gezo- 
gen wurden  und  die  auch  unter  Ottokar  dem  Zweiten  bei 
seinen  Anlagen  vielfach  beschäftigt  waren. 

Der  neben  der  Bartholomäuskirche  stehende  isolirte 
Glockenthurm,  welcher  gewöhnlieh  als  gleichzeitig  mit  dem 

Schill'«'  angenommen  wird, 
ist  nach  einer  erhaltenen  In- 
schrift von  den  Koliner  Bür- 
gern in  der  Mitte  des  sech- 
zehnten Jahrhunderts  erbaut 
worden. 

Öfter  als  an  kirchlichen 
Gebäuden  kommen  die  Lber- 
gangsformen  in  den  grösseren 
Burgen  vor,  wie  in  N  e  u  h  a  u  s, 
Kunetitz,  Kru  m  a  u  und 
Kl  ingen  borg. 

Bedeutende  und  ziem- 
lich erhaltene  lieste  zeigen 
die    Ruinen   (Fig.  23)  von 

28' 


(Fig.    2A.) 


—  21ü 


Klingenberg  an  der  Moldau,  wo  nebst  einer  Capelle  auch 
ein  eigentbflmlicher  fünfseitiger  Kreuzgang  (von  zwei  Stock- 
werken) zu  sehen  ist  Kreuzgang  und  Capellen  sind  bemalt, 
und  die  Gemälde  in  der  Capelle  dos  heil.  Wenzel  gehören 
der  Erbauungszeil  nach  etwa  der  Mitte  des  dreizehnten 
Jahrhunderts  an.  Das  Hauptgemälde  stellt  das  Fegefeuer  dar; 
die  Cnntouren  sind  in  den  nassen  Kalk  eingekratzt  und  ohne 
Schatten  nur  mit  einer  Tinte  ausgefüllt,  wobei  nur  die  drei 
Farben,  gelb,  roth  und  schwarz  vorkommen. 

Ähnlich  behandelt,  doch  minder  roh  zeigen  sich  die 
einzelnen  Heiligenfiguren  im  kleinen  Chor  der  Capelle. 
welche  trotz  ihrer  geringen  Dimensionen  auch  eine  Einpor- 
kirche hat.  Die  Malereien  an  den  Gängen  aber  schreiben 
sich  aus  dem  fünfzehnten  und  sechzehnten  Jahrhundert 
und  tragen  viele  Anzeichen  der  Nürnberger  Kunstschule  an 
sich.  Die  Burg  ist  aus  Granit  erbaut,  bei  feineren  Hautheilen 
aber  wurde  der  Prager  Mergelstein  benützt.  Das  Ziegel- 
pflaster in  der  Capelle.  obwohl  nicht  gleichzeitig  mit  dein 
Bau,  verdient  alle  Beachtung;  die  Ziegel  sind  von  unver- 
gleichlicher Harte  und  mit  verschiedenen  Bestien  in  erha- 
bener Arbeit  geschmückt. 

Nur  flüchtig  sei  hier  des  sogenannten  Markomanen- 
Thurmes  in  eben  dieser  Ruine  gedacht,  dessen  nähere  Unter- 
suchung einer  besonderen  Abhandlung  werth  sein  dürfte. 
Die  obige  Benennung  ist  neu  und  wurde  erst  vor  einigen 
Jahrzehenden  in  Umlauf  gesetzt,  obwohl  es  nicht  unwahr- 
scheinlich ist,  dass  sowohl  die  Römer  wie  die  Markomanen  an 
diesem  Punkte  ein  Castell  angelegt  haben.  Die  Grundmauern 
des  fraglichen  Thurmes  zeigen  starke  Bossagen:  in  der 
Höhe  von  etwa  7  Fuss  werden  die  Bossagen  flacher  und  es 
erscheinen  zahlreiche  Steinmetzzeichen,  eine  Art  Majuskel- 
schrift, wobei   dieselben  Zeichen  sich   häufig  wiederholen. 

^>^<l\f  J© 

(Steinmetzzeichen  in  Klingenberg.) 

Wenn  auch  von  besonderer  Form,  deutet  der  Gebrauch  die- 
ser Zeichen  auf  das  vorgerückte  Mittelalter  hin,  wo  dieStein- 
metzzeichen  bekanntlich  eine  Controle,  wie  viele  Steine 
dieser  oder  jener  Geselle  bearbeitet  habe,  bilden  sollten. 
Nach  meiner  Ansicht  fällt  die  Erbauung  dieses  Thurmes 
eher  in  das  vierzehnte  als  dreizehnte  Jahrhundert,  da  einer- 
seits die  Steine  sehr  wohl  erhalten  sind,  und  zweitens,  weil 
ähnliche  Steinmetzzeichen  auch  am  Cntertheile  des  (neueren 
und  ausgehallten)  Kleinseitner  Brückonlhurinos  angetroffen 
wurden,  welcher  schwerlich  Ober  das  vierzehnte  Jahrhundert 
hinausragt. 


Der  gotliische  Baustil  in  Böhmen. 

Diese  gothische  Bauweise ,  obwohl  sie  aus  der  roma- 
nischen Kunst  hervorging  und  alle  Elemente  derselben  bei- 
behalten hat.  zeigt  so  viele  und  solch  auffallende   Kennzei- 


chen, dass  es  seihst  dem  ungeübtesten  Auge  leicht  wird, 
gothische  Formen  von  allen  übrigen  zu  unterscheiden. 

Als  Hauptmerkmal  wird  gewöhnlich  der  Spitzbogen 
angesehen,  wesshalh  auch  die  Bezeichnung  Spitzbogen- 
styl als  gleichbedeutend  mit  „gothischer  Styl"  aufge- 
nommen wurden  ist. 

Viel  wesentlicher  als  der  Spitzhogen  erscheint  der 
Strebepfeiler  als  Grundbedingung  des  gothischen  Systemes. 
Die  Stellung  der  Strebepfeiler  correspondirt  mit  den  Pfeilern 
der  Schilfe,  indem  der  Druck  von  diesen  letzteren  abgeleitet 
und  auf  die  Streben  übertragen  wird.  Bei  Kirchen  mit  nie- 
drigen Seitenschiffen  ziehen  sich  die  Strebepfeiler  oft  als 
erhöhte  .Mauern  oder  gesprengte  Bogen  üher  die  Seiten- 
dächer hin  bis  an  die  Wände  des  Hauptschiffes  fort,  um 
diese  zu  unterstützen. 

Im  Innern  der  Halle  ziehen  sich  von  den  Pfeilern  und 
Wandpfeilern  aus  weit  vortretende  Bippen  in  der  Wölbung 
hinauf  und  bilden  ein  festes  Netz,  welches  allen  Druck  auf 
die  Streben  hinleitet.  Zwischen  diesem  Rippennetze,  welches 
anfangs  kreuzförmig,  späterhin  aber  in  allerlei  Polygon-  und 
Sternformen  beschrieben  wurde,  schaltete  man  die  Wand- 
flächen der  Gewölbe  ganz  leicht  aus  freier  Hand  ein. 

An  die  Stelle  der  romanischen  halbrunden  Apside  er- 
scheint im  gothischen  Bau  ein  geräumiger  Chor,  welcher  mit 
dem  Mittelschiffe  gleiche  Höhe  und  Weite  einnimmt  und 
regelmässig  mit  einem  Vielecke  abgeschlossen  wird.  Obwohl 
das  Achteck  am  häufigsten  als  Chorsehluss  gehraucht  wird, 
kommen  doch  auch  das  Sechs-,  Sieben-,  Neun-.  Zehn-  und 
Zwölfeck  vor. 

Nicht  selten  erhielten  auch  alle  Schiffe  gleiche  Höbe, 
und  Kirchen  mit  solcher  Einrichtung  werden  Hallen- 
kirchen genannt. 

Von  allen  Kennzeichen  aber  ist  keines  dem  Laien  so 
leicht  begreiflich,  als  die  gothischen  Mauerwerke,  die  als 
Geländer,  Fensterfüllungen  und  Figurenblenden  in  tausend- 
fältiger Anwendung  getroffen  werden.  Das  Masswerk,  sowie 
überhaupt  die  Aufnahme  geometrischer  Figuren  und  Ver- 
setzungen in  die  Architectur  kömmt  zwar  schon  in  der 
romanisch-byzantinischen  Periode  vor.  erreicht  aber  in  der 
Gothik  den  Gipfelpunkt.  Diese  Vorliebe  für  geometrische 
Bildungen  trug  das  meiste  zum  frühen  Verfall  des  Styles 
bei,  indem  der  gothische  Bau  nur  allzuoft  in  leere  geome- 
trische Spielereien  ausartete. 

Mit  den  Masswerken  sind  die  Pyramiden  oder  Fialen  ver- 
bunden, schlanke  Aufsätze,  welche  die  Strebepfeiler  oder  sonst 
vorragende  Bautheile  krönen.  Masswerke,  die  aus  zusammen- 
gesetzten Zirkellinien  hestehen,  nennt  man  Pässe,  so:  Drei-. 
Vier-,  Sechspass,  nach  Anzahl  der  vorkommenden  Kreise. 

Fügen  wir  dieser  gedrängten  Schilderung  noch  bei, 
dass  die  Kirchenschiffe,  den  zu  Grunde  liegenden  Chorpoly- 
gonen entsprechend,  die  verschiedensten  Höhen  und  Brei- 
tenverhältnisse  aufweisen,  so  dürfte  das  Vorstehende  genü- 
gen, um  zur  Befrachtung  der  Denkmale  seihst  überzugehen. 


—  217 


Allgemeine  Ausbreitung  gewann  die  gothische  Bauart 
in  Böhmen  erst  im  vierzehnten  Jahrhundert  unter  der  Re- 
gierung des  Königs  Johann  von  Luxemburg  (1310 — 134G), 
und  bis  zu  dieser  Zeit  scheint  der  romanische  Styl  vorherr- 
schend geblieben  zu  sein.  Ein  höheres  Alter  (als  rein  gothi- 
scher  Bau)  dürfte  die  berühmte  Synagoge  in  Prag 
ansprechen,  ein  zwar  kleines,  aber  ganz  im  unvermischten 
Style  durchgeführtes  Gebäude,  gewöhnlich  Alt-  und  Neu- 
Sehul  genannt. 

Ein  Rechteck  von  45'  Länge  und  27'  Breite  (lichten 
Masses)  wird  durch  zwei  in  der  Mitte  aufgestellte  Pfeiler 
in  sechs  gleiche  Felder  abgetheilt. 
Die  Pfeiler  sind  achteckig ,  2'  9" 
stark,  und  lassen  unter  dem  Gewölbe 
auf  jeder  Seite  eine  Console  vor- 
treten, aus  denen  die  Gewölbrippen 
entspringen.  Den  Pfeilern  entspre- 
chen Wandsäulen  von  9"  Durch- 
messer, die  aber  erst  in  der  Höhe 
von  6  Fuss  aus  der  Wandtläche 
vorspringen  und  aufKnäufen  ruhen. 
Der  Eingang  befindet  sich  an  der 
Langseite,  zeigt  eine  schöne  Pro- 
filirung  und  im  Bogenfelde  eine 
Arabeske  von  Weinlaub.  Sowohl 
der  Thürbogen,  wie  alle  Gewölbe- 
linien sind  aus  dem  gleichseitigen 
Dreieck  beschrieben.  Das  Gebäude 
war  ursprünglich  ohne  Strebe- 
pfeiler ;  diese  sowie  die  Giebel 
und  sonstigen  Anbauten  gehören 
späteren  Zeiten  an.  Manche  Eigen- 
thümlichkeiten  dieses  Bauwerkes 
mögen  allerdings  durch  Ritus 
und  Verhältnisse  vorgeschrieben 
gewesen  sein;  allein  abgesehen 
von  allen  Eigenthümlichkeiten 
spricht  sich  in  den  Detailformen  der 
Charakter  der  letzten  Hälfte  des  13. 
Jahrhunderts  aus  (Fig.  24  u.  25). 
In  den  Ornamenten  findet  sich  einige  Verwandtschaft 
mit  den  Koliner  Arbeiten,  aber  die  romanischen  Elemente 
sind  in  der  Synagoge  vollkommen  abgestreift. 

Unter  König  Johannes  Regierung  lebte  und  wirkte 
einer  der  thätigsten  Kunstfreunde,  welche  Röhmen  je  gese- 
hen: der  Bischof  Johann  von  Druzic.  Bischof  Johann  hatte 
in  seiner  Jugend  viele  Jahre  am  päpstlichen  Hofe  zuAvignon 
verlebt  und  berief  nach  seiner  Rückkehr  von  dort  den  Bau- 
meister Wilhelm,  durch  welchen  er  nebst  vielem  andern 
die  bischöfliche  Residenz  in  Prag,  dann  die  Rrücke  und  das 
Augustinerkloster  in  R  au  dnitz  erbauen  Hess.  Letztgenannter 
Bau  hat  sich  grösstenteils  erhalten  und  wurde  nach  einer 
in  der  Kirche  angebrachten  Inschrift  im  Jahre  1330  vollen- 


(Fig,  24,  25.) 


det.  Diese  Kirche  Kl  dreischiffig  mit  niedrigen  Abseiten, 
hat  auf  jeder  Seite  fünf  freie  Pfeiler  und  einen  langen,  aus 
dem  Zwölfeck  geschlossenen  Chor.  Das  Mittelschiff  hält 
29',  die  ganze  Kirche  öS'  in  der  Breite  und  sanmit  der  Vor- 
halle 180'  in  der  Länge.  Die  Detailbildung  verräth  eher 
süddeutschen  als  französischen  Einfluss;  namentlich  erscheint 
die  Profilii'iing  mager,  mit  flachgezogenen  Kehlen,  wie  sie 
nur  an  den  Bauwerken  der  Bettelorden  vorkömmt.  Der 
Kreuzgang,  zwar  sehr  ruinös,  erhielt  sich  ohne  alle  Neuerun- 
gen und  Übertünchungen  in  alter  Gestalt. 

In  diesem  Gange  kömmt  eine  Erscheinung  vor, 
welche  wir  als  Beweis  anführen,  dass  die  romanischen 
Formen  in  Böhmen  noch  bis  ins  vierzehnte 
Jahrhundert  sich  erhielten  und  selbst  der  franzö- 
sische, in  einer  ganz  andern  Kunstrichtung  erwachsene  Bau- 
meister sich  dersel- 
ben nicht  ganz  zu 
jjEt&s§S^  \ — ^r  J_  entschlagen  getraute. 
J^j#  \K\  *  In    dem    l'ntertheile 

der  grossen  Spitzbo- 
-  _    genfenster  des  Gan- 
ges sind  nämlich  nach 
romanischer     Weise 
geformte,  aber  spät- 
—   gothisch       profilirte 
=■    Kuppelungen    ange- 
.    bracht  (Fig.  26)  und 
mit  dem  gothischen 
(Kg  26.)  Masswerk    der   dar- 

über befindlichen  Bogenfelder  zu  einem  sehr  befremdlichen 
Ganzen  verbunden  worden.  Die  Gleichzeitigkeit  aller  Theile 
ist  sowohl  durch  die  Steinfügung,  wie  durch  das  in  jedem 
Gewölbe  angebrachte  Wappen  des  Bischofs  Druzic  Vollgültig 
documentirt.  An  französische  Kunstbildung  erinnert  in  Raud- 
nitz  nur  ein  aus  kleinen  Spitzbogen  gebildetes  Capital,  das 
sich  zuerst  in  den  Werken  des 
Meisters  Wilhelm  findet,  aber  bald 
darauf  häufig  angewendet  wurde. 
Zu  den  interessantesten  Werken 
jener  Zeit  gehören  die  Kirchen 
von  Nimburg  und  Koniggrätz. 
(Fig.  27  u.  28.) 

Einen  neuen  Abschnitt  in  der 
Baugeschichte  des  Landes  bezeich- 
net die  Erbauung  des  heil.  Veits- 
Domes  in  Prag,  dessen  Grund- 
steinlegung durch  König  Johann  in 
Beisein  seiner  Söhne  Karl  und  Jo- 
hann am  28.  November  1344  vor- 
genommen wurde.  Als  eigentlicher  Urheber  und  Förderer 
dieses  Riesenwerkes  darf  mit  allem  Rechte  Karl  der  Vierte 
angesehen  werden,  indem  dieser  Fürst  schon  vor  seinem 
Regierungsantritte  als  Markgraf  von  Mähren  sehr  vieles  für 


218  — 


den  Dum  iiml  die  Erhebung  des 
Prager  Bisthums  zu  einem  Erzstifte 
gethan  halte. 

Die  Bauthätigkeit  dieses  Re- 
genten,  dessen  grosse  Eigenschaf- 
ten nur  in  Böhmen  vollkommen 
begriffen  werden  können,  war 
grenzenlos.  I  nter  seiner  Regierung 
wurde  die  Altstadt  von  Prag  um- 
gebaut und  die  Neustadt  nach 
einem  grossartigen  Plane  angelegt; 
(Ki«r.  28.)  es  entstanden  das   Universitätsge- 

häude,  die  Moldaubrücke  und  fast  unzählige  Kirchen,  Stifte 
und  gemeinnützige  Anlagen,  welche  Karl  des  Vierten  Namen 
für  alle  Zeiten  in  Rühmen  unvergesslich  machen. 

Der  Entwurf  zu  unserem  Dome  rührt  von  Matthias 
von  Anas  her,  welchen  König  Johann  zu  diesem  Zwecke 
berufen  hatte  und  der  dem  Baue  von  der  Gründung  an  bis 
1352  (etwa  sieben  Jahre  lang)  vorstand.  Der  Plan  scheint 
bereits  in  der  ersten  Rauzeit  auf  Hindernisse  gestossen  und 
bedeutende  Änderungen  erlitten  zu  haben,  wessbalh  nur  die 
Hauptverhältnisse  dem  ersten  Entwürfe  zugeschrieben  wer- 
den dürfen. 

Meister  Matthias,  dem  augenscheinlich  mehr  der  Köl- 
ner Dom  als  die  französischen  Kathedralen  vorschwebten, 
scheint  nämlich  einen  siebenseitigen  Chorschluss(  wie  in  Köln) 
beabsichtigt  zu  haben  und  alle  Hauptmasse  der  Prager  Kirche 


BOFuss. 


23 

100 


bestätigen,  dass  unser  Meister  nicht  allein  obiges  Vorbild 
genau  studirt  habe,  sondern  aucli  nachahmen  u  ollte  ( Fig.  2'J). 


Man  betrachte  diese  Yergleichung : 
Breite  des  Mittelschiffes  von  einer  Pfeileraxe 
zur  andern  (in  Küln  wie  in  Prag)  .... 
Breite  eines  Seitenschiffes  gleichfalls  von  der 
Pfeileraxe  bis  zur  Mitte  der  gegenüber- 
stehen .Mauer   (hier  wie  dort) 

Ganze  Breite  der  drei  Schiffe   (hier  wie  dort)    . 
Weite  durch    alle  fünf   Schilfe   im  Lichten   der 

Kirche  (hier  wie  dort) 14ö    „ 

Anzahl  der  Pfeiler  im  Presbyteriutt  ( hier  wie  dort )      1 4. 
Anzahl  der  Pfeiler,    welche  den  Polygonschluss 

bilden  (hier  wie  dort) 8. 

Alle  diese  Hauptmasse  und  Verhältnisse,  welche  nach 
gotbischen  Grundregeln  den  ganzen  Bau  bestimmen,  fanden 
wir  in  Küln  wie  in  Prag  vollkommen  gleich  und  nur  in  den 
Längen  zeigt  sich  einiger  Unterschied:  so  hält  die  Länge 
von  der  Axe  des  Pfeilers  am  Polygonscblusse ,  bis  zur 
Axe  des  Pfeilers  der  Vierung  in  Köln  102  Fuss,  während 
dieselbe  Entfernung  in  Prag  107  Fuss  misst. 

Auch  die  Schlusscapellen  sind  in  Prag  tiefer  als  in 
Küln;  sie  messen  in  letztgenannter  Kirche  22.  in  Prag 
27  Fuss. 

Dieser  Unterschied  in  den  Längenmassen  schreibt  sich 
aber  nur  daher,  dass  der  Chor  zu  Küln  siebenseitig  aus  dein 
Zwölfeck  geschlossen  ist,  während  der  Prager  bei  gleicher 
Pfeilerstellung  einen  fünfseitigen  Schluss  aus  dem  Neuneck 
(jedoch  nicht  ganz  regelrecht)  erhalten  hat.  Diess  scheint 
eine  Abweichung  vom  ursprünglichen  Plane  zu  sein,  welche 
erst  während  des  Baues  eintrat  und  welche  verschiedene 
Unregelmässigkeiten  der  Capellenstellung  verursachte.  Vom 
Präger  Dome  wurde  nur  der  (bor  aufgeführt  .  welcher 
späterhin  mit  einer  provisorischen  Mauer  an  der  Stelle,  wo 
die  Vierung  und  das  Querschiff  beginnen  sollte,  abge- 
schlossen worden  ist.  Dieser  Chor  wurde  im  Jahre  1385 
unter  der  Regierung  König  Wenzel  des  \  ierten  durch  den 
Erzbischof  Johann  von  Prag  eingeweiht,  worauf  erst  sieben 
Jahre  später  (1392)  der  Grundstein  zum  Langhaus«  durch 
eben  diesen  Künig  gelegt  wurde.  Der  Ran  scheint  aber 
nicht  mit  grossem  Eifer  betrieben  wurden  zu  sein,  und 
wurde  bald  darauf  in  Folge  der  religiösen  und  bürgerlichen 
Wirren  gänzlich  eingestellt.  Im  Jahre  154]  brannte  ein 
hülzener  Nothbau.  den  Wenzel  IV.  als  interimistisches  Kir- 
chenschiff hatte  aufführen  lassen,  ab.  worauf  Ferdinand  I. 
den  beschädigten  Thurm  eindecken  und  den  Bauplatz  so 
ziemlich   in   der  Weile   abrunden  liess,    wie    man   denselben 

heute  siebt.  Es  haben  zwar  in  späterer  Zeil  allerlei  Versuche 

stattgefunden,  den  Bau  wieder  aufzunehmen  und  zu  vollen- 
den, aber  jedesmal  haben  ungünstige  Zufälle  diese  Bestre- 
bungen vereitelt. 

Die  Anlage  ist.  wie  wir  schon  gesehen,  eine  fünf- 
schiffige;  die  inneren  Seitenschiffe  umgeben  den  Altarraum 

mit  einem  offenen  Gange  und  die  äusseren  bilden  den 
Capcllenkranz.    Die  Capellen  setzen  sich  auch  in  der  geraden 


—  219  — 


Richtung  der  Kirche  fort,  so  dass  die  Seitenschiffe  nur  an 
einer  einzigen  Stelle  als  freie  Halle  erscheinen.  Durch  diese 
gleichfalls  nicht  im  alten  Plane  liegende  Einrichtung  erhält 
das  Innere  ein  verlängertes  unabhängiges  Aussehen  und 
man  vergisst ,  dass  man  nur  den  Theil  eines  Ganzen  vor 
sich  habe. 

Vielleicht  hatten  die  alten  Meister  eine  Ahnung  von 
dem  künftigen  Schicksale  ihres  Werkes  und  suchten  dess- 
halb  dem  Chore  die  möglichste  Unabhängigkeit  zu  geben, 
auf  dass  im  Falle  der  Nichtvollendung  derselbe  ein  Ganzes 
bilde.  Die  projeetirte  Länge  der  Kirche  im  Liebten  ist 
(soviel  sich  aus  den  Grundmauern  entnehmen  lässt)  auf 
S00  Fuss,  die  Breite  durch  das  Querbaus  auf  186  Fuss 
gleichfalls  im  Lichten  angenommen ,  so  dass  die  Kreuzarme 
nur  um  etwa  20  Fuss  über  die  äusseren  Seitenschilfe  vor- 
springen sollten. 

Der  künstlerische  Charakter  dieses  merkwürdigen 
Gebäudes,  welches  trotz  mancher  Unregelmässigkeiten  und 
seines  unvollendeten  Zustandes  einen  hohen  Hang  unter  den 
Kathedralen  Europa's  einnimmt,  kann  nur  an  der  Aussen- 
seite,  und  zwar  aus  dem  östlichen  Standpunkte  richtig  beur- 
theilt  werden.  Zum  Glücke  gewährt  ein  ziemlich  freier 
Raum  an  dieser  Seite  die  nöthige  Übersicht.  Von  diesem 
Standpunkte  aus  wird  die  alte  Anlage  am  klarsten  erkennt- 
lich und  die  Abweichungen  oder  unpassenden  Einschaltungen 
sind  dem  Gesichte  grösstenteils  entrückt. 

Der  Anblick  ist  majestätisch  und  wird  durch  den  un- 
übertrefflichen Ton  des  Sandsteines,  aus  welchem  der  ganze 

Dom   erbaut  ist,    aufs   höchste 
gesteigert. 

Bei  näherer  Be- 
trachtung entgeht 
allerdings  nicht . 
dass  die  Capellen 
etwas  zu  breit  an- 
geordnet sind,  und 
desshalb  der  aus 
ihnen  emporstre- 
bende Chor  eini- 
germassen  mager 
erscheint.  Spät- 
.  so.)  gothische    Formen 

kommen  überall ,  selbst  am  Kuppelhau  vor, 
der  doch  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  dem 
Meister  Matthias  zuzuschreiben  ist.  So  sind 
z.  B.  die  unteren  Fenster  mit  Bogen  bekrönt, 
welche  nicht  aus  der  Kämpferlinie  beschrieben 
werden  (Fig.  30)  ;  die  an  der  Basis  2  Fuss 
Durchmesser  haltenden  Fialen  verjüngen  sich 
ferner  bis  zu  einem  Durchmesser  von  3  Zollen 
(Fig.  31),  was  natürlich  ein  dürftiges  Ansehen 
hervorbringt.  Von  sehr  grosser  Schönheit  und 
nobler  Ausführung  sind  die  Strebepfeiler,  welche     (Fig.  31.) 


in  doppelt  übereinander  angebrachten  Bugen  über  die 
Seitenschiffe  hinziehen  (Fig.  32).  Der  Thurm,  welcher 
unerklärlicher  Weise  neben  dem  schon  begonnenen  Kreuz- 
arme rechts  hingestellt  wurden  ist.  gehört  zu  den  reinsten 
und     consequentesten    Theilen    der    Kirche    und    verräth 


(Fig.  32.) 

(so  weit  er  fertig  ist)  durchaus  die  Manier  des  Meisters 
von  Gmünd,  gewöhnlich  Peter  Arier  genannt.  DiesemKünst- 
ler  darf  überhaupt  der  süddeutsche  Charakter  beigemessen 
werden,  welchen  unser  Dom  so  unverkennbar  ausspricht.  Der 
Obertheil  des  Chores  gehört  der  spätesten  Gothik  an  und 
wurde  erst  nach  Ariers  Tode,  ganz  abweichend  von  dem 
Plane  der  beiden  ersten  Baumeister,  aufgestellt. 

Im  Innern  ist  das  Wirken  dieser  beiden  Künstler  nur 
bis  zur  Höhe  des  Laufganges  über  den  Seitenbogen  zu 
erkennen:  alle  Chorfenster  sind  späteren  Ursprunges  und 
die  Gewölbe  wurden  (wahrscheinlich  aus  Sparsamkeit)  um 
etwa  3  Fuss  zu  tief  gesetzt,  wodurch  sich  der  grosse 
Übelstand  ergab,  dass  die  Rippen  der  Wölbungen  in  die 
Fensterbogen  einschneiden.  Nur  die  Seitenschiffe  undChor- 
capellen  haben  Kreuzgewölbe;  das  Mittelschiff  zeigt  ein 
Netzgewiilhe.   welches  im  Polygon  mit  einem  halben  Stern 


—  220  — 


abschliesst.  Die  Pfeiler  der  Halle  lr.ilien  einfaehe  Gliederung 
von  Rundstäben  und  liefen  Kehlen,  ohne  viele  Zwischen- 
glieder, und  sind  mit  einein  einfachen  kraftigen  Soekel  ver- 
sehen. Die  125  Fuss  hohe  Halle  würde  einen  noch  viel 
grossartigeren  Eindruck  hervorrufen,  wäre  sie  nicht  allzu 
buntscheckig  und  geschmacklos  im  vorigen  Jahrhundert  aus- 
gemalt wurden. 

Was  das  in  dieser  Kirche  hefolgte  Bogensystem  betrifft; 
so  kann  man  sagen ,  dass  gar  keines  eingehalten  wurde.  Es 
erscheinen  an  den  Fenslern  und  in  den  Füllungen  neben 
einander  Hache  und  steile  Spitzbogen,  Rundbogen,  Stich- 
und  geschweifte  Bogen,  am  seltensten  aberzeigt  sich  die 
aus  dem  gleichseitigen  Dreiecke  gezogene  Form. 

Zu  der  Sacristei  wurden  zwei  Gewölbeabtheilungen 
des  äusseren  linken  Seitenschiffes  benutzt  und  es  ist  folglich 
dieser  Bautheil  spaten-  Einschaltung.  Im  höchsten  Grade 
malerisch,  gehört  diese  Sacristei  mit  ihren  zwei  herabhän- 
genden Schlusssteinen  und  einem  äusserst  reichen  Gewölb- 
netze zu  den  interessantesten  Erscheinungen,  welche  man 
sehen  kann.  Nicht  minder  eigentümlich  zeigt  sich  die  be- 
rühmte St.  Wenzelscapelle,  gleichfalls  eine  Einschaltung, 
welche  aber  schon  von  Karl  dem  Vierten  im  Jahre  1347 
angeordnet  worden  ist.  Diese  Capelle  wurde  ganz  gegen 
allen  Plan  in  den  in  das  Querhaus  bestimmten  Baum  hinein- 
geschoben ,  so  dass  die  Hauptmauer  darüber  gesprengt 
werden  musste.  Wenn  es  ja  noch  eines  Beweises  bedürfte, 
dass  bereits  Meister  Matthias  seinen  Plan  abgeändert  habe, 
und  die  Kirche  verkürzen  wollte,  würden  wir  hier  die 
Belege  finden.  An  und  für  sich  betrachtet  hat 
diese  fapelle  sehr  edle  Verhältnisse  und  die 
bestgearbeiteten  Details ,  welche  am  Dome 
vorkommen;  sie  wurde  im  Jahre  13G7  vom 
Erzbischof  Johann  eingeweiht,  und  scheint  so- 
wohl der  Zeit  wie  der  Geschmacksrichtung 
nach,  grösstenteils  ein  Werk  des  Arier  zu 
sein.    Der  Prager  Dom  besteht,    wie    wir  aus 

dieser  Beschrei- 
bung ersehen,  aus 
einer  Menge  von 
Einzelheiten  ;  das 
Gebäude  ist  stück- 
weise entstanden 
und  nur  der  Chor- 
schluss  hat  ein- 
heitliche Haltung. 
Die  ersten  Meister 
Matthias  und  Peter 
arbeiteten  so  ziem- 
lich im  gleichenGei- 
ste  .  scheinen  aber 
(Fig.  :u.)  sehr  viel  durch  die 

zahlreichen  Baudirectoren  gehindert  worden  zu  sein.   Nach 
dem  Tode   des  Arier   wechselten    die  Werkführer  schnell 


(Fig.  33.) 


hinter  einander  und  manche  derselben  waren  unfähig,  einem 
solchen  Baue  vorzustehen. 

Wir  geben  hier  im  Holzschnitt  (Fig.  33)  ein  Detail 
aus  der  Bauperiode  des  Peter  von  Gmünd  und  ein  zweites 
(  Fig.   34)  aus  der  letzten  Hauzeit  des  Domes. 

Der  Prager  Dom  führt  uns  das  Schicksal  der  meisten 
grossen  Bauunternehmungen  im  Lande  recht  deutlich  vor 
Augen.  Alle  wurden  verkümmert,  weil  man  im  Anfange  zu 
vieles  erreichen  und  alles  Bestehende  übertreffen  wollte; 
dann  entsetzte  mau  sich  im  Verlaufe  der  Ausführung  vor  den 
zu  solchen  Unternehmungen  notwendigen  Summen  und 
ging  plötzlich  zur  äussersten  Sparsamkeit  über. 

Dieser  Schilderung  haben  wir  noch  einige  Worte  über 
den  grossen  Bogen  beizufügen .  der  am  Thunne  angebaut, 
so  auffallend  in  die  Luff  hinausragt,  und  der  als  Wahrzeichen 
von  Prag  gilt.  Diese  Partie  gehört  mit  den  Chorcapellen 
zur  alten  Aidage  und  bezeichnete  den  Schluss  des  Quer- 
schiffes,  unterhalb  sollte  der  südliche  Haupteingang  ange- 
bracht werden,  welcher  zwar  gegen  aussen  vollendet,  dann 
aber  wegenErrichtung  der  Wenzelscapelle  vermauert  wurde. 
Dieser  vermauerte  Eingang,  der  einzige  alte  Porlalhau. 
welcher  am  Dome  vorkommt,  zeigt  eine  auf  drei  Bogen 
ruhende  Vorhalle  von  sehr  einfacher  Anordnung.  Statt  des 
sonst  an  Portalen  üblichen  architektonischen  und  plastischen 
Schmuckes  wurde  hier  in  dem  Fehle  über  dein  Bogen  ein 
Mosaikbild  (aus  Glasstiften)  angebracht,  welches  Karl  IV. 
zwischen  1369  und  1371  verfertigen  liess. 

Der  fragliche  grosse  Bogen  hätte  das  Hauptfenster  dos 
Querschiffes  bilden   sollen,    die   daran  flach  eingehauenen 

Masswerke  aber,  und  die  galerieartigen  Decorati n  dürfen 

zu  den  monströsesten  Bildungen  der  gothischen  Verfallzeil 
gezählt  werden,  und  wurden  wahrscheinlich  von  einem  der 
Steinmetze  aufgestellt,  welche  nach  dem  Brande  von  UJ4I 
die  Reparaturen  zu  vollführen  hatten.  Der  eben  genannte 
Portalbau,  welcher  offenbar  noch  dein  Meister  Matthias  zu- 
zuschreiben ist,  lässl  uns  zwischen  der  Manier  dieses 
Künstlers  und  der  seines  Nachfolgers  Arier  den  Unterschied 
linden.  Der  französische  Meister  zeichnet  einfach  mit  flacher 
Profilirung  und  möglichster  Vermeidung  alles  Laubwerkes 
(er  besetzt  nicht  einmal  die  Krönungsbogen  und  Pyramiden 
mit  den  üblichen  Eckblumen  oder  Bossen)  ferner  gebraucht 
er  wenig  Masswerk,  welches  obendrein  niemals  ganz  correel 
entworfen  ist;  daher  Laben  äeine  Arbeiten  ein  monotanes 
linirtes  Aussehen.  In  solcher  Weise  siiol  die  Cap eilen  und 
der  Portalhau  gehalten. 

Arier  dagegen  profilirt  tief,  i1-!  sich  eines  glänzenden 
Detailvortrages  bewusst  und  dabei  ein  Freund  der  Mass- 
werke, wie  alle  deutschen  Baumeister.  Er  macht  sich  nichts 

aus  einem  Verstoss  gegen  den  Gesammtplan,  wenn  er  den 
beabsichtigten  Detaileffecl  erreicht,  daher  darf  man  ihm  die 
Wenzelscapelle'  mit  dem  Thurme  und  die  Strebepfeiler  zu- 
schreiben. Es  ist  möglich,  dass  auch  die  Sacristei  von  seiner 
Hand  herrühren,  da  er  sie  auch  in  Kolin  auf  dieselbe  Weise 


22 


angeordnet  hat ,  wahrscheinlich  aber  dürfte  dieser  Theil 
nebst  den  Capellen  an  der  Langseite  dem  Wirken  des  Andreas 
Kutlik,  Domherrn  und  magister  fahrikae  1380,  zuzuschrei- 
ben sein. 

Ein  zweiter  wichtiger  Bau,  unter  Karl  IV.  Regierung 
begonnen  und  von  Peter  Arier  in  allen  Tbeilen  durchge- 
rührt, ist  der  schon  erwähnte  C  h  o r  der  Bartholomäus- 
kirche  zu  Kolin;  ein  Werk,  welches  auf  die  kirchliche 
Afchitectur  im  Lande  grossen  Einfluss  übte.  Arier  (oder 
wie  er  sich  selbst  unterzeichnet,  Peter  von  Gmünd)  hatte 
die  Aufgabe,  einen  Chorbau  an  die  schon  bestehende  hallen- 
artige Kirche  anzufügen  und  musste  also  nach  den  Regeln 
der  Gothik,  wenn  er  seine  Seitenschiffe  mit  den  schon 
bestehenden  in  gleicher  Höhe  halten  wollte,  das  Mittelschiff 
bedeutend  erhöhen.  Nun  war  aber  unser  Meister  ein  Con- 
structeur  sonder  Gleichen,  der  hier,  wo  er  ganz  unbehindert 
schaltete,  seine  Talente  ins  gehörige  Licht  setzen  wollte. 
Er  versuchte  an  diesem  Chore  förmlich  alle  Träger  auf  das 
mindeste  Mass  zurückzuführen  und  so  gab  er  der  Halle  eine 
Leichtigkeit  und  Höhe,  wie  in  der  Art  kein  zweites  Beispiel 
bekannt  ist.  Bei  nur  21  Fuss  lichter  Breite  erhielt  das  Mittel- 
schiff 100  Fuss  Höhe;  ein  Verhältniss,  welches  selbst  die 
wegen  ihrer  Schlankheit  berühmten  Hallen  von  Ulm  und 
Landshut  bei  weitem  übertrifft.  Die  Seitenschiffe  umziehen 
den  Mittelraum  und  werden  mit  einem  Capellenkranze  abge- 
schlossen. Der  Chor  ist  vierseitig  aus  dem  Achteck,  aber 
nicht  in  gewöhnlicher  Weise  (das  Achteck  auf  die  Spitze 
gestellt,  wodurch  in  der  Mitte  hinter  dem  Altare  eine  freie 
Säule  zu  stehen  kommt).  Der  Capellenkranz  wird  durch 
fünf  Seiten  des  Zehnecks  gebildet. 

Die  Capellen  scbliessen  einfach  aus  drei  Seiten  des 
Sechsecks  mit  dreifelderigen  Wölbungen:  dreieckige  Ge- 
wölbekappen zeigt 
auch  der  Umgang, 
aber  die  geraden 
Joche  haben  Kreuz- 
gewölbe. Bei  der 
grössten  Einfach- 
heit zeigt  sich  die 
höchste  Eleganz  des 
Masswerkes  (Fig. 
3o),  wenn  auch  Ar- 
ier die  späteren  Bil- 
dungen, z.B.Fisch- 
blasen  -  Ornamente 
nicht  eben  ver- 
schmähte. Ein  De- 
tail von  dem  Chor- 
baue des  Domes 
(Fig.  38.)  folgt  hier  im   llolz- 

30.)  Bei  allen  Vorzügen  dieses  Chor- 
baues ist  doch  Arier  nicht  zu  entschuldigen,  dass  er  auf 
den  bestehenden   Bau   nicht   die  mindeste  Rücksicht   nahm. 


schnitte    (Fig. 


sondern  denselben  durch  den 
wunderbaren  Effect  seines  Wer- 
kes in  jeder  Weise  zu  ver- 
nichten strebte.  Dass  er  diesen 
Zweck  nur  zum  Theil  erreichte. 
ergibt  sich  aus  derBeschreibung 
des  Kirchenschiffes,  und  so  ste- 
hen diese  beiden,  ein  Gottes- 
haus bildenden  Rautheile  um  er- 
blinden neben  einander :  beide 
gleich  bewunderungsw  iirdig . 
aber  sich  gegenseitig  abstossend. 
Im  Chore  bedauert  man  ,  Arler's 
Kirche  nicht  vollständig  über- 
sehen zu  können,  und  im  Schilfe 
muss  man  den  Unfall  tief  bekla- 
gen, der  uns  um  die  zweite 
Hälfte  des  genialen  alten  Ge- 
bäudes gebracht  hat. 

Arier   war   auch    der    Er- 
bauer des  Altstädter  Räthhauses 
(Fig.  36.)  un(]  ^(.j,  pragCT  Brücke,  die  er 

mit  Stichbogen  von  circa  70'  Spannung  construirte.  Der 
Grundstein  wurde  1357  gelegt  und  unser  Meister  war  also 
gleichzeitig  an  vier  Bauten  ersten  Ranges:  der  Brücke,  dem 
Dome,  dem  Bathhause  und  der  Koliner  Kirche  beschäftigt. 

Das  durch  den  Chor  dieser  letztern  Kirche  gegebene 
überraschende  Beispiel  fand  viele  Nachahmer,  und  die  unge- 
wöhnlich schlanken  Kirchenhallen ,  welche  man  in  Böhmen 
häufiger  als  in  jedem  andern  Lande  trifft,  dürften  zumeist 
durch  Arier  hervorgerufen  worden  sein. 

Welche  Theilnahme  Peter  von  Gmünd  an  der  Er- 
bauung der  Karlshofer  Kirche  gehabt,  ist  bisher  noch 
nicht  ermittelt  worden.  Karl  IV.  stiftete  diese  im  Achteck 
angelegte  und  mit  einer  Kuppel  überwölbte  Kirche  im  Jahre 

I35S  (Fig.  37), 
legte  alier  erst 
im  Jahre  1377 
eigenhändig   den 

Grundstein.  Von 
den  Hussiten  zer- 
stör! und  wieder- 
holt überbaut,  hat 
sich  nur  das  In- 
nere ,  nämlich 
Kuppel  und  Chor, 
im  alten  Zustande 

erhalten.     Die   in 
ihrer  Art  einzige 
Kuppel  missi  72 
(Fig.  37.)  ;',       im     geraden 

Durchmesser  des  Achteckes  und  Tbl  in  Arv  Diagonale,  wo- 
bei die  Mauern  nur  3  Imiss  breit  sind,  aber  an  den  Ecken 

29 


—   222  — 


von  Strebepfeilern  (gleichfalls  :$  Fuss  breit  und  0  Fuss  über 
die  Ecken  vortretend)  unterstütz!  werden. 

Es  gehört  also  ilii'  Karlshofer  Kuppel  zu  den  Construc- 
tionen  ersten  Ranges,  welche  in  Anbetracht  ihrer  leichten 
Fundamente  vielleicht  eben  so  viele  Bewunderung  verdient, 
als  Brunneleschis  Bau  in  Florenz.  Ein  reiches  Sternge- 
wölbe uns  festen  Rippen,  dessen  Diagonale  durch  einen 
Halbkreis  gezogen  ist.  hat  diese  Kuppel  mehrere  Feuers- 
brünste ausgehalten,  ohne  dass  irgend  ein  bedeutender 
Schaden  ersichtlich  wäre.  Die  Vorlüge  der  Hippen  beginnt 
schon  in  der  Höhe  von  IS  Fuss.  aber  sehr  unmerklich,  so 
dass  das  i>4'  hohe  Gewölbe  als  Haches  Segment  von  unten 
uns  erscheint. 

An  der  Ostseite  des  achteckigen  Kuppelbaues  lehnt  sich 
ein  30'  langer  Chor  an  mit  sechsseitigem  Abschlüsse.  Obwohl 
der  fleissige  Sammler  I)  la  bats  ch  dem  Arier  diesen  Hau 
(ohne  Angabe  der  Quelle)  zuschreibt,  möchte  doch  nur  der 
Plan  und  die  Angabe  der  Construction  von  ihm  herrühren:  die 
Ausführung  der  Hippen  mit  abgekappten  Stäben  deutet  auf 
eine  spätere  Zeit.  Die  Stabwerke  in  den  Fenstern,  zwar  go- 
thisch ,  aber  sehr  plump  und  formlos,  scheinen  Nachahmungen 
der  früheren  zu  sein,  welche  bei  der  im  siebzehnten  Jahr- 
hundert vorgenommenen  Reparatur  eingefügt  wurden.  Ob 
das  Äussere  je  ganz  vollendet  gewesen  und  welche  Form  die 
Dächer  ursprünglich  hatten,  ist  nicht  bekannt:  die  gegenwär- 
tige Bedachung  nebst  der  Brüstung  wurde  nach  den  Bränden 
von  17öS  und  17.'i7  im  Zopfgeschmacke  jener  Zeit  aufgestellt. 

Die  Lebensgeschichte  des  Meister  Peter  ist  trotz  sei- 
ner vielen  Werke  noch  immer  in  grosses  Dunkel  gehüllt, 
und  der  ihm  beigelegte  Name  Arier  (welchen  Heinrich 
Otte  wohl  richtig  als  Abkürzung  von  Parier  erklärt)  hat 
obendrein  zu  vielen  Missverständnissen  Anlass  gegeben.  So 
fuhren  mehrere  Schriftsteller  den  Peter  von  Gmünd  und 
den  Arier  als  zwei  verschiedene  Personen  auf  und  schreiben 
dem  letztem  nur  die  Brücke  zu.  In  einer  Inschrift  zu  Kolin 
wird  der  Künstler  „Peter  Brandy"  genannt,  an  andern 
Orten   erscheint  er  als  Arleri   de  Polonia,    wahrend  er  sich 


selbst  in  der  Kühner  Kirche :  Petrus  de  Gemiindia  einzeich- 
net. Mit  eben  demselben  Namen  erscheint  er  auf  der 
Inschrift,  welche  König  Wenzel  über  die  Gründung  des 
Langhauses  am  Dome  setzen  liess,  wo  es  heisst:  „  — 
sub  directore  fabricae  pragensis  Wenzeslao  de  Radecz  Ca- 
nonici) pragensi  et  PetTO  de  Gcinunil.  fabricae  praefatae 
magislro." 

Bei  der  allgemeinen  Baulust,  welche  zumeist  durch 
Karl  IV.  angeregt  wurde,  erhoben  sich  in  allen  Theileu  des 
Landes  grossartige  Bauwerke  und  man  bestrebte  sich  auf  alle 
Weise,  das  Versäumte  nachzuholen.  Die  St.  A  nna-Ki  r  ch  e . 
die  grossen  einschiffigen  Hallen  von  Apollinare  und 
Maria-Schnee  in  Prag,  dann  die  Hallenkirche  des  Beue- 
di  cti  nerklosters  Einaus  in  Prag  mit  dem  grossartigen 
Kreuzgange  (dem  schönsten  und  geräumigsten  im  Lande, 
der  auch  ganz  in  alter  Weise  mit  Wandmalereien  geschmückt 
ist)  und  vor  allen  die  heil.  Geistkirche  in  König- 
grätz  sind  Werke  des  XIV.  Jahrhunderts.  Die  zuletzt- 
genannte Kirche,  dermal  Kathedrale,  wurde  durch  die  Köni- 
gin Elisabeth,  Witwe  Wenzel  III.,  schon  im  Jahre  1302 
gegründet  unter  dem  Namen  heil.  Geistkirche,  jedoch  in  den 
Hauptmassen  nicht  vor  Milte  dieses  Jahrhunderts  vollendet. 
Von  allen  grösseren  Kirchen  ist  diese  die  schmälste,  indem 
das  Mittelschiff  nicht  einmal  volle  20  Fuss  zur  Breite  hat. 

Trotz  dieser  Beengtheit  des  Baumes  erscheint  «Iki- 
Innere  majestätisch  und  sogar  geräumig,  was  eben  so  sehr 
t]rv  verständigen  Anordnung,  wie  der  vorzüglichen  Gliede- 
rung zuzuschreiben  ist.  Die  Hallen  der  Emporkirche  und  des 
Chores  sind  äusserst  graeiös  und  gehören  zu  den  besten 
Schöpfungen,  welche  die  gotbische  Baukunst  in  Böhmen 
hervorgebracht"  hat.  Das  Gebäude  ist,  so  wie  alle  Bauten, 
in  Königgrätz  von  Ziegeln  errichtet:  ein  Umstand,  welcher 
zu  Zeilen  der  Königin  Elisabeth  noch  so  auffallend  war. 
dass  die  Stadt  wegen  des  rothen  Ansehens  der  Ziegelbauten 
„Oerweny-Hradok"  (die  rothe  Burg)  benannt  wurde.  Die 
Thiirnie  und  das  Äussere  wurden  wiederholt  überbaut. 
(Der  Schiusa  im  nächsten  Hefte.) 


Die  Fresken  des  Martino  di  Udine,  genannt  Pellegrino  da  San  Daniele,  in  der  Kirche  des  heil.  Antonius 

zu  San  Daniele  in  Friaul. 


Von  II.  v.  E  itel  I) er  Rcr. 


Die  Geschichte  der  bildenden  Kunst  und  insbesondere 
der  Malerei  Italiens  zu  Ende  des  XV.  und  Anfangs  des  XVI. 
Jahrhunderts  bietel  eigenthümliche  Erscheinungen  dar.  An 
allen  Orten  des  mittleren  und  oberen  Italiens  treten  Talente 
jeder  Art  und  in  einem  Masse  hervor,  so  dass  es  schwer 
macht,  sie  zu  ordnen,  die  Verdienste  jedes  Einzelnen  entspre- 
chend zu  würdigen  und  die  Beziehungen  der  Künstler  unter 
einander  und  zur  damaligen  Gesellschaft  deutlich  darzulegen. 
Mau  geräth  in  dieser  Epoche  leicht  in  die  Gefahr,  ungerecht 
gegen  einzelne  zu  werden,   und  zwar  umso  leichter,  als 


äussere  Umstände  selbst  nicht  wenig  einflussreich  auf  das 
Schicksal  und  die  Leistungen  mancher  Künstler  geworden  und 
nicht  wenig  dazu  beigetragen  haben,  ihren  Huf  entweder  in 
alle  Welt  zu  verbreiten  oder  umgekehrt  in  die  engen  Gränzen 
eines  kleinen  Städtchens  einzuschliessen.  Insbesondere  jene 
Künstler,  die  in  der  Nähe  von  grossen  Mittelpunkten  reichen 
Kunstlehens  gelebt  haben ,  ohne  in  diese  selbst  vollständig 
hineintreten  zu  können,  sind  von  diesem  Schicksale  hart  ge- 
troffen worden,  und  werden  erst  jelzl,  wo  die  Forschung  über 
bildende  Kunst   mehr   in  das  Detail  geht  und  einen  sicheren 


223 


Standpunkt  gewonnen  hat,  von  dem  eine  Überschau  über 
das  Ganze  und  ein  Einreiben  des  Einzelnen  in  dieses  mög- 
lich ist,  aus  der  Dunkelheit  mehr  und  mehr  hervorgezogen. 
So  ist  es  mit  M  a  1 1  e  o  C  i  v  i  t  a  1  e  aus  Lucca,  mit  M  o  r  e  1 1  n  und 
1{  omanin  aus  Brescia  geschehen,  so  wird  über  kurz  oder 
lang  das  Verdienst  von  Pordenone  in  höherem  Grade  ge- 
würdigt werden,  als  es  bis  jetzt  geschehen  ist.  Diese  Zeilen 
haben  die  Aufgabe,  die  Aufmerksamkeit  auf  einen  anderen 
bisher  wenig  gekannten  Künstler  zu  lenken ,  der,  wie  Por- 
denone in  Friaul  gebürtig,  ein  Schüler  Giovanni  Bellinfs, 
ein  Zeitgenosse  Tizians  war,  und  mit  Pordenone  und 
Giorgione1)  zu  den  ersten  Frescomalern  der 
venetianischen  Schule  gehört. 

Die  Fresken  dieses  Künstlers  befinden  sich  in  der 
kleinen  Kirche  des  heil.  Antonius  zu  S.  Daniele,  einem 
Städtchen  am  Tagliamento  in  Friaul,  sind  theilweise  zer- 
stört, theihveise  aber  noch  so  vorzüglich  erhalten,  wie  es 
bei  wenigen  Fresken  der  Fall  ist.  Es  sind  in  der  letzten 
Zeit  Versuche  gemacht  worden,  diese  Fresken,  welche  der 
Stolz  Friauls  sind  und  die  schon  Vasari  in  der  Biographie 
»Pordenone's  und  anderer  Maler  Friauls,"  der  die  Leistungen 
der  venetianischen  Künstler  mit  dem  eifersüchtigen  Auge 
eines  Florentiners  behandelt,  molto  eccelenti  nennt,  zu 
erhalten.  Die  Ursachen  der  Zerstörung  sind  localer  Natur. 
Die  Kirche  des  heil.  Antonius,  gebaut  im  Jahre  1470,  ein- 
schiffig mit  einein  polygon  abgeschlossenen  gewölbten  Chor 
(das  Schilf  der  Kirche  ist  mit  einer  einfachen  Holzdecke 
versehen)  liegt  an  einem  Abhänge,  so  dass  der  Chor  höher, 
der  Eingang  tiefer  liegt.  Die  Feuchtigkeit  des  Bodens  drang 
in  die  Mauer  des  Chores  ein  und  zerstörte  einen  Theil  der 
dort  vorhandenen  Wandgemälde.  Um  den  erhaltenen  Theil 
zu  conserviren,  wurde  ein  kleiner  Canal  zur  Ableitung  der 
Feuchtigkeit  gegraben.  Der  längere  Aufenhalt,  den  der 
Künstler  in  S.  Daniele  nahm,  gaben  ihn.  wie  der  Ruf,  der 
sich  an  die  daselbt  ausgeführten  Fresken  knüpfte,  den  Bei- 
namen da  S.  Daniele,  in  den  Urkunden  wird  er  immer 
Magister  Pellegrinus  de  Utino  (auch  Magister  Peregrinus) 
genannt,  und  Udine  scheint  sein  eigentlicher  Geburtsort 
gewesen  zu  sein.  Sein  Vater  war  der  Maler  Giovanni  aus 
Udine.  Sein  Taufname  war  Martin,  aber  Giovanni  Bellini, 
dessen  Schüler,  wie  erwähnt,  er  war,  gab  ihm  den  Bei- 
namen Pellegrino,  weil  er,  wie  Vasari  erzählte,  urtheilt, 
dass  er  einst  „nelT  arte  veramente  raro"  «erden  würde. 


Die  älteste  Urkunde,  die  wir  von  diesem  Künstler 
finden,  ist  vom  Jahre  1493;  sie  findet  sich  in  dem  Werke 
des  Conte  Maniago  rStoria  delle  belle  arti  in  Prinli" 
(Venezia  1819,  S.  208).  Sie  enthält  eine  für  die  Zeit  sehr 
bezeichnende  Bittschrift  des  Pellegrino  an  den  Luogotenen- 
te  ')  und  die  Communitä  von  Udine  um  die  Stelle  eines 
sogenannten  Portoniere.  Er  verpflichtet  sich  darin  um  den 
Preis  von  23  Ducati  jährlich,  die  Wappen  der  Luogotencnti. 
und  der  Communitä  mit  dem  heil.  Marcus  und  die 
Standarten  zu  malen,  und  wenn  es  nöthig  ist,  die  vorhan- 
denen zu  restauriren,  so  wie  alles,  was  zu  was  immer  für 
eine  Zeit  bei  Festlichkeiten  nöthig  sein  sollte,  und  „in  con- 
tinuis  temporibus  essere  obligatissimo  et  paratissimo  ali 
servicij  comuni  et  particolari,  cosi  de'ricchi,  come  de 
poveri,  con  ei  pocho  et  debil  suo  ingegno,  che  Dio  per 
sua  gratia  le  ha  concesso,  et  non  per  alchun  so  merito". 
In  dieser  Urkunde  nennt  er  sich  Pelegrin  „fiol  del  quondam 
Magister Baptista  depentor";  in  dem  diesen  Act  einleitenden 
Protokolle  der  Commune  wird  er  als  ein  _probus  juvenis" 
bezeichnet. 

Im  Jahre  1497  war  Pellegrino  schon  in  San  Daniele 
in  der  Kirche  des  heil.  Antonius  beschäftigt.  Ober  dem 
Propheten  Daniel  in  den  Fresken  dieser  Kirche  lesen  wir 
die  Inschrift:  PEREGR1NVS  PINXIT  und  unterhalb  desselben 
die  Jahrzahl  1497.  In  demselben  Jahre  vermählte  er  sich 
mit  der  Tochter  eines  Magister  Daniel  Portuarius  von  S.  Da- 
niele, Namens  Helene.  Seine  Thätigkeit  an  diesen  Fresken 
war  eine  zu  verschiedenen  Zeiten  unterbrochene;  im  Jahre 
1513  '-)  von  neuem  fortgesetzt,  wurden  sie  erst  im  Jahre 
1522  vollendet.  Sie  wurden  mit  460  Ducati  bezahlt,  wie 
wir  aus  der  Urkunde  wissen,  und  nicht  mit  1000  Scudi .  wie 
Vasari  berichtet.  In  der  Zwischenzeit  war  Pellegrino  viel- 
fach für  verschiedene  Orte  seines  Vaterlandes  beschäftigt, 
wie  wir  aus  den  von  Maniago  angeführten  Urkunden  ersehen  : 
für  die  Kirche  S.  Maria  in  Vallc  zu  Cividale  malte  er  eine 
Tafel  des  heil.  Johann  im  Jahre  1501  um  125  Ducati.  im 
Jahre  1512  für  zwei  Goldducati  einige  Figuren  zur  Verzie- 
rung eines  marmorenen  Grab -Denkmales  des  Andrea  Tre- 
visan  in  Udine.  im  Jahre  1519  malte  er  die  Orgelflüge]  des 
Domes  zu  Udine  „tali  arte  —  wie  sieh  die  Urkunden  im 
städtischen  Archive  ausdrücken  —  et  excellentia,  quod  aequari 
sine  dubio  poterunl  picturae  cuicumque,  vel  preclarae, 
quae  in  Italia   reperiri   potent."    In  dem  für  diese  Gemälde 


')  Von  Pordenone  linden  sich  Gemälde,  Fresken  und  Ölgemälde  in  Treviso 
und  an  vielen  Orten  in  Friaul,  in  Pinzano,  San  Daniele,  Valeriano, 
Spilimbergo ,  S.  Martino  di  Valvasone,  Udine  u.  s.  I"..  darunter  Werke 
von  grosser  künstlerischer  Bedeutung.  Die  Kenntniss  dieser  Gemälde 
verdanke  ich  der  freundlichen  Mittheilung  des  Conte  Giuseppe  Uberto 
Valentiiiis.  Ein  höchst  beachtenswertes  Fresco-Gemälde  von  Giorgione 
ist  im  Monte  di  Pietä  in  Treviso.  —  Bei  dieser  Gelegenheit  bemerke 
ich,  dass  ich  auf  meiner  kurzen  Heise  in  Friaul,  auf  deren  Resultate  ich 
noch  zurückzukommen  denke,  in  einer  Kirche  zu  S.  Gemona  ein  schönes 
wohlerhaltenes  Votirgemälde  der  Augsburger  Schule  vom  .lahre  15(13 
fand. 


»)  Die  Republik  Venedig  li.--s    Friaul  durch   einen  Logotenente  verwalten, 
der   in   Udine  seinen   Sit/,   hatte. 

2).Aus  den  M iscripten  des  Bibliothi  In-  (  ollula  citirl  Haniago,  S.  810, 

folgende  Urkunde:     1513 ,    'i(i.   Juli.  S.   Daniele  in  Ecclesia 

knlonii  praesentibus  etc [bique  eonstitutus  Ser  Hieronimus    de 

Venusuis  Camerarius  Venerandae  Fraternitatis  Sancli  Antonii  et  alii  con- 

fratres  deputati  plures  tertia  parte,   ibi  ad  son campanae  •■  solito 

congregatl:  ubi  quidem  post  maturam  consultationem  determinenles  ad 
landein  Dei  ei  ilivi  Antonii  ornare  ejus  capelani  picturis  humanuni 
animum  ad  divinum  eultum  alicienübus,  cum  talcm  compositio- 
ii  i'  in  ei  concordiuiu  cum  eximio    .... 


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angefertigten  Contracte  verpflichtet  sich  der  Maestro  Pelle- 
grino  anter  Anderem,  die  nothwendigen  Farben  gut  und  in 
hinreichender  Menge  selbst  zu  Hefern  und  vorzugsweise  „azori 
lini  oltramarini  a  judicio  ili  pictori  periti."  Nach  Vollendung 
des  Werkes  behielt  sich  die  Comniuno  das  Hecht  vor,  (las 
Werk  durch  erfahrene  unverdächtige  Maler  prüfen  zu  lassen, 
um  eu  entscheiden,  ob  es  das  ausbedungene  Honorar  von 
140  Ducati  werth  sei.  Diese  Beurtheilung  fand  am  19.  No- 
vember 1821  wirklich  Statt,  und  in  einer  Commission,  zu 
der  sieben  Abgeordnete  beigezogen  wurden,  wurde  ein- 
stimmig entschieden,  dass  es  diesen  Preis  verdiene,  und 
dass  diess  Werk  „vaglia  assai  et  assai  piü  per  esser  cosa 
exeellente,  et  laudabile  secondo  la  nostra  consideration  et 
juditio  per  conscientia."  Aus  demselben  Jahre  besitzt  die 
Galerie  der  k.  Akademie  zu  Venedig  ein  mit  dein  Namen 
des  Künstlers  und  der  Jahrzahl  versehenes  Gemälde,  vor- 
stellend die  Verkündiguno'  Maria.  Zehn  Jahre  später,  im 
Jahre  1529,  malte  er  um  100  Ducati  ein  Gemälde  für  die 
Confraternita  di  Madonna  Santa  Maria  in  Cividale,  das  sich 
bis  auf  unsere  Tage  in  der  Kirche  S.  Maria  dei  Battuti 
daselbst  erhalten  hat. 

Ausser  diesen  Gemälden,  von  denen  wir  urkundliche 
Nachrichten    haben ,    und   die  sich    grösstenteils  erbalten 
haben,  bat  Pellegrino  noch  mehrere  andere  gemalt,  welche 
Vasari  und  Gir.  Renaldis  <)  aufführt  ,     eine  Judith  im  Hause 
des  Messer  Pre  Giovanni   u.   a.  m.,  die   aber  spurlos  ver- 
schwunden sind.    Aus   den  letzten  zwanzig  Jahren  seines 
Lebens  sind  uns  keine  Werke  bekannt,  sei  es ,  dass  zufällig 
aus  dieser  Zeit  sich  keine  grösseren  Arbeiten  erhalten  ha- 
ben, sei  es,  dass,  wie  es  bei  manchem  Künstler  der  Fall  ist. 
die  besseren  Lebensverhältnisse  die  Lust  zum  Produciren 
lähmten.  Seine  günstigeren  Vermögensverhältnisse  bezeugt 
die  Nachricht,    dass    seine    Tochter  Laura  ,    vermählt    mit 
einem  Ser   G.  B.   Maniaco,   einem   Bürger  in  Udine,   am 
'i.'i.  November  1548  eine  casa  dotale  verkauf)  hat,  welche 
sie  zu  San  Daniele  in  dem  Borgo  S.  Francesco  besass,  wie 
es  scheint,  nicht  lange  nach  dem  Tode  ihres  Vaters,   des 
Malers  Pellegrino.     Sein  Tod  fällt  wahrscheinlich  auf  den 
HJ.  April  des  Jahres  1548.    Pellegrino   hallo  viele  Schüler, 
unter  denen    die  Friauler  Luca    Mon  verde    und   Basli- 
anello  Florigorio  hervorragen,   und  ein  Fnbenannler  grie- 
chischer Abkunft,   der.  wie  Vasari  sagt,  eine  sehr  schöne 
Vortragsweise  hatte  und  der  Manier  Pellegrino's  folgte.  Er 
honorirte  seine  Schüler  nach  derselben  Autorität  reichlich. 
Pellegrino's    künstlerische   Thätigkeil    erstreckte  sich 
nicht,  wie  die  letzten  ( 'ominentaioren  Vasari's*)  behaupten, 
auf  Niellen. 


■l  In   dem    seltenen   Werk.'    „nella    pittura    Friulana    saggio    -l-iri li 

Monsignor  conte  Girolamo  de  Renaldia,  canonico  della  metropolitana  dl 

Udine«.  Udine   1798,   4..  s.   17. 
*)   Ducheane,  Essai  sur    les   niellrs.  I'mis  1816.   s.  69.   Partsch,   Die 

Kapferstichsammlnng  ilcr  k     Hofbililiothek.  Wien    1884,  \  asari  N.,  Li 

Monier,  Bd.  IX,  S.  29,  A 4. 


Vasari  erzählt,  dass  Pellegrino  von  den  Herzogen  von 
Ferrara  besonders  begünstigt  war.  Oh  sich  Werke  von  ihm 
daselbst  erhalten  haben,  ist  mir  nicht  bekannt.  Lanzi  ver- 
muthet ,  dass  seine  Werke  mit  den  Arbeiten  Dosso  Dossi's 
und  anderer  Forraresern  verwechselt  wurde. 

Heu  Höhepunkt  der  Kunstentwickelung  Pellegrino's  bil- 
den ohne  Zweifel  die  Fresken  in  San  Daniele  und  das  Öl- 
gemälde in  der  Kirche  S.  Maria  dei  Battuti  in  Cividale  ').  Eine 
ästhetisch -kritische  Analyse  dieser  Werke  ist  hier  nicht  am 
Orte;  es  seien  mir  nur  einzelne  Andeutungen   erlaubt. 

Es  ist  sicher  eine  auffallende  Thatsache,  da  Hafael  in 
einem  Udineser  Künstler  Giovanni  de  Nanni  detto  de'Reca- 
matori  eine  so  vorzügliche  Hülfe  fand.  Es  war  nicht  bloss 
ein  Zufall,  der  dem  grossen  Hafael  einen  so  tüchtigen  Künstler 
in  Giovanni  de  Udine  linden  liess,  der  es  verstand,  so  schnell 
in  die  Stylrichtung  des  grossen  Urbinaten  einzugehen.  Die 
Richtung  Rafael's  fand  Anklänge  bei  den  Künstlern,  die,  von 
der  Schule  Giov.  Bellini's  ausgebend,  das  Element  der 
Zeichnung,  das  Streben  nach  Formenschönheit,  kurz  eine 
strengere  Stylrichtung  in  anderer  Weise  ausbildeten,  als 
es  bei  den  anderen  grossen  Schülern  Giov.  Bellini's  der 
Fall  war,  welche,  wie  Giorgione  und  Tizian,  die  Kunst  der 
Malerei  in  so  glänzender  Weise  fortbildeten.  Unter  den  Friu- 
Laner  Künstlern,  die  in  strengerer  Weise  Zeichnung  und 
Form  durchbildeten,  stellt  Pellegrino  Giovanni  da  Udine 
nicht  allein  da.  Vor  ihm  gab  es  mehrere  Friauler.  bei  denen 
sieh,  wie  bei  der  Padnauer  Schule,  das  der  Formenschönheil 
zugewandte  Element  entwickelte,  und  nach  ihm  waren  es 
einige  seiner  Schüler,  die  theilweise  andere  Wege  gingen, 
als  die  grossen  Coloristen  der  Venetianer  Schule. 

Unter  alT  den  Friauler  Künstlern  dieser  Richtung 
(Pordenone  ging  andere  Wege)  war  aber  Pellegrino  der 
geistreichste  und  bedeutendste.  In  seinen  ersten  Werken 
oft  noch  trocken  und  hart,  ist  seine  Formenschönheit,  seine 
Erfindungskraft  in  seinen  späteren  Werken,  den  erhalteneren 
Theilen  des  Ölgemäldes  in  Cividale  (insbesondere  des  heil. 
Sebastian  und  des  heil.  Michael)  eine  überraschende;  ein 
Theil  der  Fresken  zu  S.  Daniele  aber  —  wo  die  Technik 
seiner  Geistesrichtung  in  noch  höherem  Grade  zusagte  als 
bei  den  Ölgemälden  —  gehört  nicht  bloss  zu  den  schönsten 
in  der  Zeichnung,  sondern  auch  zu  dem  Vollendetsten,  »a- 
man  in  Fresco  überhaupt  zu  sehen  vermag. 

Der  Anblick  des  Theiles  der  Fresken,  wo  in  einer  santa 
conversazione  die  Heiligen  Sebastian.  Cromazius  und  Rochus 

')  Mit  diesem  Urtheile  stimm!  Selvatico    in  der  eben  erschienenen  popu- 
lären „storia  dell ti  di  disegno"  Venezia  18S6,  II.  Bd.,  s.  $04  über 

IN  heissl  daselbsl  „Pellegrino  da  s;mi  Daniele,  artista  reramente  mara- 
vigüoso,  ili   »"»ii  per  apprezare  il  valore  grandissimo  bisogna  portarsi 

nella  terra  da  lui  acelta  a  dimora,  ore  aranzi anchora  alenni  freschi 

di  im  rigore  »•   <li  una  bellezza  «li   tinte  e  ili  toui,   da  meritar  la  päd  alta 

amuiirazione.   Ha  il  s apolavoro  *•  nella  chiesn  die  S.  Maria  <l'-i  Battoti 

:i  Cividale  dei  Friuli,  in  una  tavola  'li  gran  mole,  *>*<•  sla  figurata  la  Ver- 
güte attorninla  da  \;ui<'  Sante,  le  quali  hanno  irst«*  si  \ive  si  helle  >•  ben 
che   difficilmente  si  possono   trorar  migliori   in  altro  piltore 
contemporaneo  " 


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stehen,  ist  ein  überraschender;  trotz  ihrer  ruhigen  gemes- 
senen Haltung  scheinen  sie  wie  lebend  aus  der  Wandfläche 
heraus  zu  treten.  Auch  die  anderen  durch  die  Feuchtigkeit 
theilweise  schon  angegriffenen  Gemälde  lassen  noch  in  ein- 
zelnen Zügen  die  VortrelTlichkeit  des  Künstlers  erkennen. 
Da  aber  glücklicherweise  ein  Theil  des  Gemäldes  vollkommen 
erhalten,  die  anderen  Theile  in  ihren  Hauptzügen  noch  wohl 
erkennbar  sind,  so  erlaube  ich  mir  mit  diesen  Zeilen  die 
Aufmerksamkeit  aller  derer  auf  diese  Werke  hinzulenken, 
die  glauben,  dass  mit  ihrer  Erhaltung  den  Künstlern  der  Ge- 
genwart ein  wirklicher  Nutzen,  den  Laien  ein  nicht  unbedeu- 
tender Kunstgenuss  gesichert  wird.  Die  Gemälde  Pellegrino's 
in  S.  Daniele  sind  figurenreich,  und  stellen  die  Kreuzigung 
Christi  mit  den  beiden  Schachern,  Christus  in  der  Vorhölle, 
die  Anbetung  der  Magier  und,  nebst  Scenen  aus  dem  Leben 


des  heil.  Antonius,  eine  Reihe  von  Geschichten  aus  dem  Leben 
Christi  und  viele  einzelne  Heilige  dar. 

Das  Ölgemälde  in  der  Kirche  S.  Maria  dei  Rattuti  ist 
in  sechs  Abtheilungen.  In  der  Mitte  ist  die  Madonna  mit 
dem  Jesukinde  thronend,  zu  ihren  Füssen  die  vier  heiligen 
Jungfrauen  von  Aquileja,  Tecla ,  Eufemia,  Erasma  und  Do- 
rothea, mit  dem  Rochus  und  dem  heil.  Donat,  dem  Schutz- 
patron von  Cividale ;  ein  Engel  spielt  zu  den  Füssen 
Mariae  eine  Cither.  Auf  den  beiden  Seitentafeln  sind  die 
erwähnten  Heiligen  Michael  und  Sebastian.  Die  anderen 
dazugehörigen  Tafeln  sind  verloren .  wie  die  alte  Umrah- 
mung in  Holz,  und  die  andern  Arbeiten  Giovanni  da  Ldine's, 
welche  einstens  in  dieser  Kirche  waren.  Die  Gemälde 
sind   in   Ol  auf  Holz  gemalt. 

Wien   im  October  18S6. 


Die  St.  Gertrudskirche  zu  Klosterneuburg. 


(Mit  einer  Tafel.) 


Auf  der  Strasse  von  Wien  nach  Klosterneuburg  nahe 
an  dem  Eingangsthore  des  oberen  Theiles  der  letztgenann- 
ten Stadt  erblickt  man  rechts  ein  einfaches  schmuckloses 
Kirchlein ,  inmitten  eines  abgeschlossenen  Gartenraumes, 
das  schon  durch  die  Eigenthümlichkeit  seiner  Anlage  einiges 
Interesse  erweckt. 

So  viel  aus  den  dürftigen  urkundlichen  Nachrichten  zu 
entnehmen  ist,  war  dieselbe  einst  zum  Gottesdienste  des  Pilger- 
Hospitiums  bestimmt,  welches  ursprünglich  die  von  Leopold 
dem  Heiligen  gegründeten  weltlichen  Chorherren  des  Stiftes 
Klosterneuburg  in  der  ersten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts 
errichtet  hatten,  um  die  nach  dem  Oriente  wallenden  Kreuz- 
fahrer beherbergen  und  beköstigen  zu  können  *).  Da  das 
Letztere  ausserhalb  des  eigentlichen  Stiftsraumes  gelegen 
war,  so  wurde  auch  ein  eigener  Chorherr  aus  ihrer  Mitte 
bestellt,  welcher  über  das  Hospitium  die  Aufsicht  führte. 

Als  später  die  Kreuzzüge  ihr  Ende  erreichten  und 
die  Pilger  immer  seltener  wurden,  nahm  das  Stift  in  das 
Hospitium  auch  alte  gebrechliche  Leute  auf,  die  unter  Aufsicht 
eines  Chorherrn,  der  nun  den  Namen  „Spital  m eis ter" 
(hospitalensis ,  hospitalarius)  erhielt,  verpflegt  wurden, 
und  seit  diesem  Zeitpunkte  erhielt  die  Kirche  ohne  Zweifel 
den  Namen  „Spitalkirche,"  wiewohl  sie  im  Grunde  genom- 


l)  Bei  einer  Schenkung  eines  Weingartens,  welche  zur  Zeit  des  Probates 
Hartmann  unil  zwar  zwischen  1133 — 1136  Adaibert  der  Diacon  machte, 
ist  bereits  das  Hospitium  betheiligt,  und  Maximilian  Fischer  — 
in  seinen  Anmerkungen  zu  dem  „Codex  Traüdiunum  ecclesiae  Colle- 
gialae  Claustro  neoburgensis ,  —  bemerkt,  dass  das  Spital  sammt 
seiner  Kirche  schon  in  den  ersten  Tagen  des  Stiftes  erbaut  und 
zu  Ehren  des  heil.  Gotthard  ein  Altar  errichtet  worden  sei 
(Fontes  rerum  austriacarum.  herausgegeben  von  der  historischen  Com- 
mission  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften ,  II.  Abtheilung:  Diploma- 
taria et  acta,  IV.  Band,  p.  102  und  ISO.  Vergleiche  auch  bezüglich  des 
dem  h.  Gotthard  gewidmeten  ersten  Altars  M.  Fischer,  Merkwürdige 
Schicksale  des  Stiftes  und  der  Stadt  Klosterneuburg,  II.  Bd..  Beilage 
Nr.  SS). 


men  nach  der  zuletzt  vorgenommenen   Weihe  den   Namen 
der  heil.  Gertrudskirche  zu  führen  hat 1). 

Nebst  dem  Gebäude  der  Verpflegung  alter  Leute 
bestand  daselbst  in  der  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts  auch  ein 
eigenes  Krankenhaus  (Infirmaria)  für  Stiftsgeistliche,  die 
wegen  contagiöser  Krankheiten  nicht  in  dem  allgemeinen 
Schlafhause  der  Chorherren  belassen  werden  konnten  2), 
und  bei  dieser  lutirmerie  erbaute  man  eineCapelle  zu  Ehren 
der  heiligen  Barbara  und  stellte  einen  eigenen  Weitpriester 
dabei  an,  der  täglich  den  Kranken  Messe  lesen  musste. 

Unter  den  seit  den  ersten  Decennien  des  XVI.  Jahrhun- 
derts in  Österreich  sich  wiederholenden  Einfällen  der  Tür- 
ken litten  zwar  auch  das  Stiftspfründenhans  und  die  lutirmerie 
sammt  der  Gertrudskirehe,  welche  theils  in  Brand  gesteckt, 
theils  ausgeplündert  wurden,  aber  sowohl  das  Siechenhaus 
als  die  Gertrudskirche  für  die  Laien  wurden  wieder  herge- 
stellt, und  nur  die  lutirmerie  sammt  der  Barbaracapelle  auf- 
gehoben und  für  die  erstere  im  Garten  des  Stiftes  ein  Haus 
gebaut. 

Nach  dem  zweiten  Vordringen  der  Türken  nach  Klo- 
sterneuburg und  ihren  sich  daran  knüpfenden  Verwüstungen 
scheint  die  Kirche  der  heiligen  Gertrud  einer  bedeutenden 
Restauration  unterzogen  worden  zu  sein,  welche  jedoch  auf 
den  ursprünglichen  Charakter  derselben  keinen  Einfluss  ge- 
nommen haben  kann,  weil  derselbe  an  ihr  noch  heute  klar 
ausgesprochen  ist. 

Sie  zeigt  im  Grundrisse  (Taf.  XII,  a)  ein  oblonges 
Viereck,  an  welches  sich  als  Chorraum  ein  von  der  gewöhn- 
lichen romanischen  Apsis  abgegränztes  Quadrat  anschliesst. 
Das  Schill' dieses  Kirchleins  wird,  und  zwar  an  der  Südseite 


M  Als  Capelle  Saneta  Gertrudis  Hospitftlis  in  Neunburga  erscheint  sie 
zuerst  in  einem  uns  mitgetheilten  Ablassbriefe  für  dieselbe  rom  Jahre 
1313.  «elidier  noch  gegenwärtig  im  Stifte  aufbewahrt  wird. 

2)  Fi  sc  her  M.,  Merk  w.  Schicks,  d.  Stiftes u.  d.  Stadt  Klosterneuburg, I, S38 


22i>  — 


vim  drei,  an  der  Nordseite  von  zwei  halbrund  geschlossenen 
Fenstern  erleuchtet,  welche  sich  nach  der  Mitte  zu  von 
innen  und  aussen  in  einer  Schräge  verengen,  sonst  aber 
keine  Gliederung  aufweisen;  der  Chorraum  wird  von  drei 
Fenstern  erleuchtet,  wovon  zwei  an  den  Seitenwauden  des 
Quadrates,  eines  in  der  Längenaxe  des  Baues  an  der  Apsis 
angebracht  sind.  Dior  Fenster,  unzweifelhaft  erst  später  in 
ihre  gegenwärtige  Gestalt  gebracht,  zeigen  gothische Formen 
und  entsprechendes  Masswerk,  und  sind  alle  drei  gleich 
gebildet    (Fig.   1  )■   In  das  Kirchlein    führen    gegenwärtig 

zwei Thüren,  wovon  die 
eine  an  der  Nordseite 
zunächst  dem  Chor- 
raume,  die  zweite  an 
der  Südseite  zu  Anfang 
des  Baues  angebracht 
ist.  Letztere  dürfte  erst 
,to;i  neuerlich  ausgehrochen 
sein  ,  aber  auch  die  er- 
stere,  im  Spitzbogen  ge- 
schlossen mit  einfacher 
schmuckloser  gothischer 
Gliederung,  stammt  nicht 
aus  der  Zeit  der  ersten  Bauanlage.  Aussen  ist  nunmehr  das 
ganze  Kirchlein  mit  Mörtel  beworfen  und  weder  Sockel 
noch  Gesims  deutet  auf  ein  hohes  Alter.  Nur  der  Thurm, 
welcher  sich  über  dem  Quadrat  des  Chorraumes  erhebt  (Taf. 
XU,  b),  mahnt  in  seinem  schweren  Aufbaue  an  die  romanische 
Zeit,  für  welche  die  unterhalb  seiner  Bedachung  angebrach- 
ten Doppelfenster  ein  sicheres  Zeichen  abgeben  (Fig2u.  3). 


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( Fig.  2. 1 

Die  Capitäle  der  in  der  Mitte  des  Fensterraumes  angebrach- 
ten Säulen  sind  verschieden  und  zeigen  die  Würfelform,  ohne 


vorragende  Orna- 
mentik; über  dem 
Capital  liegt  eine 
breite  sieh  ausla- 
dende Deckplatte 
als  Träger  der  bei- 
den Abschlussbogen. 
Von  aussen  sind  nur 
mehr  drei  Fenster 
sichtbar,  indem  das 
(Fig.  3.)  vierte  w  eslliche  ver- 

mauert   und    von   dem  steilen    Dache   des    Kirchenschiffes 
verdeckt  ist. 

Auch  das  In v  der  Kirche  zeigt  wenig  Schmuck.  Die 

meisten  Gesimse  sind  neu.  nur  die  beiden  Eckgesimse  au 
dem  Eingange  in  den  Chorraum  stammen  noch  aus  der  ro- 
manischen Periode  und  bestehen  aus  einem  Rundstabe  mit 
darüber  gelegter  Deckplatte.  Zu  Seiten  dieses  Eingangs 
befinden  sich  zwei  Nischen  mit  Heiligengestalten,  ebenfalls 
neuerer  Abstammung.  Auch  die  (lache  mit  Verzierungen  im 
Geschmacke  der  Renaissance  geschmückte  Decke  des  Sein  lies 
ist  natürlich  jüngeren  Ursprungs,  jedenfalls  war  aber  dieser 
Baum  schon  ursprünglich  flach  eingedeckt,  wie  diess  einer- 
seits aus  der  nicht  sehr  bedeutenden  Mauerdicke,  aus  dem 
Mangel  jeder  einer  Gewölbsdecke  entsprechenden  Baum- 
gliederung  im  Innern  und  Äussern,  vorzugsweise  aber  aus 
dem  Umstände  geschlossen  werden  niuss  ,  dass  die  fast  bis 
an  die  Decke  reichenden  Fenster  für  den  Ansatz  eines 
Tonnen-  oder  zweier  Kreuzgewölbe  durchaus  nicht  situirt 
sind.  Ob  aber  diese  ursprüngliche  Decke  irgend  ein  ver- 
ziertes Tafelwerk  aufgewiesen  oder  ob  dieser  Schiff- 
raum vielleicht  bloss  das  Gebülke  des  ursprünglich  jeden- 
falls niederen  Daches  gezeigt  habe,  können  wir  nicht  bestimmt 
aussprechen.  Das  Quadrat  des  Chorraumes  ist  kuppelartig, 
die  Apsis  mit  einer  halben  Kuppel  cingow  iilht.  Erslere  Ein- 
weihung ist  neueren  Ursprungs  wie  das  im  Innern  des  Thur- 
mes  blossliegende  Ziegelgew  iilbe  zeigt.  Wir  erwähnen 
auch  des  Umstandes,  dass  der  Kirchen- Thurm  von  innen 
keinen  selbstständigen  Zugang  hat.  man  gelangt  in  densel- 
ben gegenwartig  durch  eine  kleine  schwer  zugängliche 
Thüre,  welche  sich  gegen  den  Dachraum  des  Schiffes  öffnet. 
Der  interessanteste  Theil  im  Innern  i\i-f  Kirche  ist  der 

am  Westende  derselben  aufgebaute  Chor,  welcher  auf  zwei 
halbrund  überwölbten  Pfeilern  (Taf.  XII,  c)  ruht.  Anden 
Wänden  der  minieren  Öffnung  sind  romanische  Halbsäulen 
angebracht,  der  Puss  derselben  zeigl  die  attische  Basis  mit 
steiler  Gliederung  und  verziertem  Eckblatte,  das  Capital 
reich  verschlungene  Pflanzenornamente  mii  Thiergestalten, 
eine  sorgfältige  nicht   sehr  erhobene  Arbeit  (Taf.  XU,  d). 

Wir  haben  es  bei  diesem  Aufhaue  gewiss  nicht  mit  einem 
Musikchor  ZU   thun,    dessen  Anordnung  weder    dem    Zwecke 

des  Kirchleins .   noch  auch    ihrer   Zeitstellung  entsprechen 

würde,  eben  SO  wenig  ist  die  Yorinulhung    begründet,    dass 


227 


dieser  Chor  erst  später  aufgebaut  worden  sei,  bei  welchem 
Anlasse  die  erwähnten  romanischen  Halbsäulen  als  Überreste 
eines  andern  Baues  hierher  versetzt  worden  seien,  für  diese 
Vermuthung  gibt  der  Aufbau  des  Chores  keinen  Anhalts- 
punkt —  vielmehr  müssen  wir  annehmen,  dass  diese 
Kirche  ursprünglich  und  zwar  an  ihrer  Westseite  mit  den 
eigentlichen  Hospitalräumen  in  Verbindung  gestanden  habe, 
und  dass  von  diesen  aus  unmittelbar  der  Eingang  in  die 
Kirche  gewesen  sei.  Aus  dem  ersten  Stockwerke  führte  sodann 
der  Eingang  unmittelbar  in  die  erwähnte  Gallerie  —  eine 
Anlage,  welche  eine  Reihe  auf  uns  gekommener,  demselben 
Zwecke  dienender  Baulichkeiten   aufweist.     Wir   erinnern 


beispielweise  an  die  Spitaiskirche  zu  Salzburg.  Als  später 
diese  anstossenden  Gebäude  abgebrochen  wurden,  mögen 
die  gegenwärtigen  Seiteneingänge,  welche,  wie  bereits  er- 
wähnt, späteren  Ursprungs  sind,  angebracht,  und  die  beiden 
von  dem  Hospitium  einführenden  Thüren  verlegt  worden  sein. 
Von  der  erwähnten  Infirmerie  und  der  damit  in  Verbin- 
dung stehenden  Barbaracapelle  sind  noch  Gebäudetheile 
vorhanden;  sie  werden  gegenwärtig  als  Magazine  verwen- 
det. Von  der  Capelle  insbesondere  haben  sich  die  Kreuz- 
gewölbe, sowie  die  im  gedrückten  Spitzbogen  erbauten  und 
prolilirten  Fenster  erhalten. 

Hr. 


Die  Stadtpfarrkirche  zu  Wels  in  Oberösterreich. 

Von  Dr.  Ed.  Freiherr  v.  Sacken. 


Wels,  das  Ovilabis  derRümerund  der  Fundort  vieler 
römischer  Alterthümer,  erscheint  urkundlich  schon  im  frühe- 
sten Mittelalter.  Es  war  im  VIII.  Jahrhundert  der  Sitz  der 
Grafen  des  Traungaues  und  „in  Castro  Weles"  vergab  776 
Graf  Mac  he  Im  von  Lambach  das  Gut  Pulsing  an  Freysingen. 
Im  XI.  Jahrhundert  kommt  es  in  einer  Urkunde  als  Markt 
vor  und  gehörte  dem  Kloster  Lambach ,  dann  dem  Bisthume 
Würzburg,  von  dem  es  Herzog  Leopold  VII.  kaufte.  Um  1150 
scheint  Wels  schon  eine  Stadt  gewesen  zu  sein  '),denn  1  ICO 
finden  wir  schon  einen  Stadtrichter  und  Bürgermeister;  1222 
nennt  es  Leopold  VII.  ausdrücklich  eine  Stadt. 

Bei  dieser  Bedeutung  von  Wels  war  hier  ohne  Zweifel 
schon  in  früher  Zeit  eine  steinerne  und  bedeutend  grosse 
Kirche;  denn  bis  auf  Bischof  Altmann  von  Passau  (um  1080), 
der  so  grosse  Verdienste  um  die  innere  und  äussere  Kirchen- 
einrichtung Österreichs  hat,  waren  in  Oberösterreich  meist 
hölzerne  Kirchen.  Der  Sage  nach  wurde  schon  zur  Zeit  des 
heiligen  Ruprecht,  um  700,  in  Wels  eine  Kirche  zu  Ehren 
der  Heiligen  Georg  und  Mauritius  erbaut.  Urkundlich  kommt 
eine  „Capeila  ad  Welas"  im  Jahre  S88  vor,  wo  Kaiser 
Arnulf  dieselbe  sammt  allen  dazu  gehörigen  Gütern  und  Er- 
trägnissen seinem  Hofcaplan  Zazko  schenkte. 

Die  gegenwärtige  Kirche  reicht  zwar  nicht  in  eine  so 
frühe  Zeit  zurück,  aber  der  Unterbau  und  ein  Theil  der  Um- 
fassungsmauern gehört  jedenfalls  dem  frühern  Mittelalter  an. 
Die  älteste  Kirche  warvermuthlich  eine  flach  gedeckte  Basilica 
mit  erhöhtem  Mittelschiffe  und  bei  einem  späteren  Erweite- 
rungsbau blieb  man  dieser  Form  einigermassen  getreu,  Hess 
auch  einzelne  Theile  der  Umfangsmauern,  vielleicht  auch  die 
Pfeiler  stehen.  In  ihrer  jetzigen  Gestalt  stellt  sich  die  Kirche 
in  den  Haupttheilen  als  ein  Bau  aus  der  ersten  Hälfte  des  XV. 
Jahrhunderts  dar.  Das  Mittelschiff  ist  bedeutend  höher  als  die 
beiden  Abseiten,  so  dass  es  eigene  Fenster  über  den  Pult- 
dächern derselben  hat,  und  wird  von  einfachen,  viereckigen 


l)   Eine  Urkunde  v.  .1.  1 128,  in  der  es  so  genannt  wird,  ist  offenbar  unrichtig 
datirt. 


Pfeilern  ohne  Kämpfer,  die  durch  Spitzbogen  mit  einander 
verbunden  sind,  getragen.  Die  Rippen  der  einfachen  Kreuz- 
gewölbe ruhen  auf  Halbsäulen  ohne  Capitäle,  welche  aber 
nicht  bis  herablaufen,  sondern  ober  den  Pfeilern  auf  Consolen 
stehen.  Die  flach  geschlossenen  Abseiten  sind  ebenfalls  mit 
einlachen  Kreuzgewölben  bedeckt,  deren  Rippen  ohne  Ver- 
mittlung aus  den  Wänden  hervortreten.  Dasselbe  findet  bei 
dem  hohen,  weiten  Chore,  der  wie  gewöhnlich  dreiseitig  aus 
dem  Achteck  geschlossen  ist,  Statt. 

Von  hohem  Interesse  ist  das  uralte,  rundbogige  Haupt- 
portal. Es  hat  in  den  Anschlagsmauern  auf  jeder  Seite  zwei 
starke  Säulen  mit  abgestumpften  Würfelcapitälen  von  plumper 
Form.  Von  den  Säulen  (Fig.  1), 
dem  Eintretenden  zur  Linken ,  hat 
die  vordere  einen  Schaft  mit  einge- 
schnittenen Windungen,  die  andere 
eine  vertical  herablaufende  Zick- 
zackverzierung  und  Flechtwerk. 
Die  hohen  Decksimse  über  den 
Capitälen  ziehen  sieh  auch  über  die 
Mauerecke  zwischen  den  Säulen 
hin;  diese  hat  die  Kante  eingeblen- 
det und  Halbkugeln  in  der  Einblen- 
dung, ihr  Capital  bilden  zwei  Adler. 
(Fi?.  i.)  welche    einen     Menschenkopf    zu 

zerreissen  scheinen.  Die  Säulen  rechts  haben  glatte  Schäfte, 
an  der  Mauerecke  zwischen  ihnen  sind  zwei  hinauflaufende 
Thiere  (Katzen),  deren  oberes  einen  /.wei- 
theiligen Schwanz  hat.  ausgehauen.  Ober  den 
Säulen  ziehen  sich  die  im  Rundbogen  ge 
führten  Wulste  herum.  Am  Thürstocke  ist 
rechts  eine  äusserst  roh  gearbeitete  Maske, 
links  ein  hinauflaufendes,  fratzenhaftes Unge- 
thttm,  das  sich  umsieht .  angebracht  (Fig. '-). 
Diese  Ungeheuer  symbolisiren,  mit  Bezug  auf 
die  Apokalypse,  die  bösen  Mächte,  welche 
(Fi".  2.)         ausser  die  Kirche  gebannt  sind  und  den   Ein- 


—  228 


tretenden  erinnern  sollen,  vor  ihnen  auf  seiner  Hut  zu  sein. 
Der  Einfacheit  und  Rohheit  der  Sculpturen  und  der  Glie- 
derung der  Gesimse  nach  dürfte  dieses  Portal  wohl  ins 
XI.  Jahrhundert  zu  setzen  sein. 

In  den  drei  ort  FUSS  Indien  Fenstern  des  Chnrschlusses 
besitzt  die  Kirche  herrliche  Hoste  alter  Glasmalerei.  Die 
Fenster  sind  dreitheilig,  in  den  Bogenfeldern  mit  einfachem 
Masswerk  versehen,    und    prangen   von   (dien    Ins  unten  im 
schönsten  Farbenschmucke  ').  Das  Fenster  auf  der  Epistel- 
seite enthält  Darstellungen  aus  dem  a  Iten  Test  am  e  nte;  in 
den  unteren  drei  Reihen  T  Propheten  (zwei  Tafeln  sind 
Hindern)  unter  Baldachinen  stehend,  jeder  bat  einen  Streifen, 
auf  dem  sein  Name  steht.  In  der  Hand:  die  Köpfe  sind  schön 
und  ausdrucksvoll.  In  der  vierten  Reihe  sind  in  der  Mitte  die 
drei  Könige  des  alten  Hundes  dargestellt,  rechts  „Salomo" 
auf  dem  Throne,  das  Scepter  in  der  Hand,  vor  ihm  steht  die 
Mohrenkönigin  „regina"  von  Saba,  links  David  und  Saul 
gekrönt,    Schriftbänder  in  den  Händen.   Die  fünfte  Reihe 
zeigt   Muses  heim   brennenden  Dornhusche,  die   Geburt 
[saaks  und  das  Opfer  Melchisedeck's;  die  sechste  und 
siebente   Reihe    Tugenden   und    Laster:    „Superbia," 
.■in Schwert  in  der  Brust,  —  „felicitas"  (?),  —  „prudentia", 
—  „abstinentia",  die  Hand  vor  den  Mund  haltend. —  „casti- 
tas.-   Oberhalb  erblickt  man  architektonische  Verzierungen. 
Das    Fenster    der    Evangelienseite    stellt    das    neue 
Testament    dar   in    dem    Baume    des    Lebens.     Der 
ganzen  Länge  des  Fensters  nach  steigt  ein  Baum  empor,  um 
dessen  Stamm  sich  die  Schlange  windet,  rechts  steht  Eva, 
links  Adam:   die  verschlungenen    Zweige   bilden    Liinetten, 
welche  die  Passionsgeschichte  enthalten:  den  Ölberg, 
Judaskuss   (der  Verräther    hat    ein  schwarzes  Gesicht,    die 
Soldaten  haben  Pikelhauben  und  Ringelpanzer),  Christus  vor 
Pilatus,  die Geisselung,  Dornenkrönung  und  Kreuztragung.  In 
der  Mitte  des  Hauines  ist  die  grosse  Hauptlünette :  Christus 
am  Kreuze  —  die  Vollendung  des  Erlösungswerkes,   der 
Sieg  über  die    Schlange,   welche  sich  unten  hinaufwindet. 
Der  Stamm  des  Kreuzes  wird  hier,  entsprechend  einer  alten 
Tradition,  vom  Baume  des    Paradieses   gebildet.  Vortreff- 
lich  ist  der  Ausdruck   des   leidenden   Erlösers,   Maria    sinkt 

heim  Kreuze  vom  Schmer/,  gebrochen  zusai eii.  Johannes 

ist  tief  ergriffen, —  es  ist  ein  liild  voll  Empfindung.  Cm  diese 
DarsI  'liuiig.  welche  den  Centralpunkf  des  Ganzen  bildet, 
sind  vier  kleinere  Liinetten  mit  den  Büsten  der  Propheten, 
welche  besonders  Christum  verkündeten:  auf  den  Spruch- 


1 1  Sehr  dankenswert!]  ist  die  Restauration  dieser  Glasmalereien  ,  welche  in 

den  Jahren  1840  und  IS41  von  dem  nochw.  Herrn  Pfarrer  I  den  Herren 

Coperatoren   mil    grosser   Umsicht     und    :»us<1: rndem   Fleisse    rorge- 

i neu  wurde.  Es  hatte  sich  auf  den  Glasscheiben  eine  Kruste  gebildet, 

welche  der    Lauge,    selbsl    «I Scheidewasser     widerstand    und    die 

hochw.  Herrn  Hessen  sich  die  grosse  Muhe  nieM  \erdriessen  .  die  s<  in-i- 
ben  anszulösen  und  mit  Schabeisen  die  Kruste  vorsichtig  wegzunehmen, 
wodurch  die  Gläser  wieder  die  ursprügliche  Schonheil  der  Farbe  und  die 
Transparenz  erhielten  .  welche  eine  s<>  herrliche  Wirkung  hervorbringt 
s    Husealblatt,  Linz  (841,  Nr.  33 


händern  steht:  llic  ate  vulneratus  est.  - — ■  hie  [icccata  nostra 
portavit  (2  Male).  —  hie  moesti  sanantur.  Oben  ist  die  Fort- 
setzung der  Erlösungsgeschichte  in  den  aus  den  Asten  dos 
Baumes  gebildeten  Feldern  :  Die  Kreuzabnahme,  Grablegung, 
Vorhölle,  Auferstehung.  Christus  mit  Magdalena  im  Garten, 
endlich  die  Himmelfahrt;  im  Masswerke  als  Spitze  des 
Ganzen  das  Lamm  mit  der  Fahne. 

Das  Mittelfenster  ')  ist  viertheilig;  in  der  Mitte,  die 
ganze  Breite  des  Fensters  einnehmend, —  also  gerade  über 
dein  Altare.  —  ist  das  Abendmahl  Christi  dargestellt  von 
sehr  guter  Anordnung.  Judas  hat  als  Verräther  wieder  ein 
schwarzes  Gesicht,  zwei  Kugel  halten  obenSchriftstroifcn  zur 
Erklärung.  Unter  dieser  Hauptvorstellung  sieht  man  die  vier 
Evangelisten  schreibend,  darübersteht:  „Adjuvat  orantes 
patronus  Johannes  aterque"  und  einfache  Arrhiloctiir.  Der 
Obertheil  des  Fensters  ist  Darstellungen  aus  dein  Lehen  der 
beiden  Johannes,  der  Kirchenpatrone,  gewidmet.  1.  Johannes 
der  Ev.  steht  betend,  vor  ihm  Christus  der  ihn  segnet: 
2.  er  entkräftet  in  Gegenwart  des  Kaisers  Domitian  das 
Gift  in  seinem  Becher:  '<>.  er  segnet  knieend  den  Olkessel.  in 
dem  er  4.  gesotten  wird,  ohne  Schaden  zu  nehmen.  Ober 
diesen  Bilden  ist  Architectiir,  dann  folgt:  1 .  die  Geburt  Johan- 
nes des  Täufers.  —  Elisabeth  hält  das  Wickelkind  auf  den 
Armen ;  —  2.  der  Heilige  in  der  Wüste  mit  dem  Lamm, 
zu  dessen  Vorehrung  er  auffordert;  ;?.  die  Taufe  Christi; 
4.  Johannis  Enthauptung.  Das  Masswerk  im  Bogenfelde  des 
Fensters  enthält  das  Antlitz  Christi,  die  Symbole  der  Evan- 
gelisten sowie  die  tief  bedeutsamen  des  Erlösers:  den 
Pelikan,  der  mit  seinem  Blute  die  Jungen  nährt,  und  den 
Löwen,  der  seine  Jungen  zum  Lehen  erweckt. 

Diese  Glasgemälde  sind  ebenso  ausgezeichnet  durch 
die  sinnige  Wahl  und  Anordnung  der  Vorstellungen,  als 
vortrefflich  in  der  Ausführung;  sie  bekunden  einen  tief 
denkenden  Künstler  von  feiner  Empfindung  und  tüchtigem 
Studium,  denn  die  Bewegungen  der  Figuren  sind  lebendig, 
die  Köpfe  voll  Ausdruck,  die  Zeichnung  fast  durchaus  sehr 
gut.  Sie  sind  ziemlich  frei  von  dem  in  der  Glasmalerei 
dieser  Zeit  herrschenden  Typus,  die  Charakteristik,  z.  B.  der 
bei  dem  Abendmahle  sich  besprechenden  Apostel,  der  beim 
Kreuze  hinsinkenden  Maria  u.  s.  w.,  ist  tiefempfunden;  die 
Gewänder  zeigen  eine  freie  Behandlung.  Ebenso  sind  die 
Ornamente  und  architektonischen  Verzierungen  sehr  schön; 
vor  allem  aber  muss  die  leuchtende  Pracht  der  dunklen 
Farben  bewundert  werden,  in  welcher  Beziehung  Oberhaupt 
die  Periode  am  Schlüsse  dos  XIV.  und  zu  Anfang  des  XV. 
Jahrhunderts  alle  folgenden  weit  übertrifft. 

Die  Kunst  der  Glasmalerei  wurde  in  Oherüstorreich 
stark  geübt  und  zu  einer  hohen  Stufe  der  Vollkommenheit 
gebracht.  Durch  die  Nähe  von  Baiern,  wo  die  Glasmalerei 
zu  Ende  des  X.  Jahrhunderts  schon  in  Anwendung  kam  (zu 


*)   Durch  sehr    zweckmässige   Aufstellune;   eines    i n  .     niedrigen   Alleres 

isi    dieses  l-Ynsier,    d:is  durch   den   frühem  barocken    Hochaltar  ver- 
stell) »  ar.  n  ieder  ganz  sichtbar. 


229  — 


Tegevhsee)  vielleicht  auch  erfunden  wurde,  mag  sie  sich  schon 
in  früher  Zeit  nach  Oberösterreich  verpflanzt  haben.  Wenn 
auch  keine  so  alten  Erzeugnisse  mehr  auf  uns  gekommen 
sind,  so  bezeugen  doch  die  trefflichen  Glasmalereien  von 
Wels,  St.  L e  o  n  h  a  r  d,  S  t  e  i  e  r,  K  r  e in  s  m  ü  n  s  t  e  r,  Salz- 
burg u.  st.  0.,  welche  zu  den  besten  Werken  dieser  Art  in 
Deutschland  gehören,  dass  schon  eine  längere  Kunstübung 
vorhergegangen  sein  müsse.  Besonders  dürfte  Kremsmünster, 
um  welches  sich  die  Cultur  eines  bedeutenden  Theiles  des 
Landes  gruppirt,  hierin  thätig  gewesen  sein;  unter  dem  Abte 
Friedrich  von  Aich  (1273  — 1315)  lebte  der  Laienbruder 
Her  wick,  der  die  Stiftskirche  mit  Glasgemälden  schmückte 
und  ein  vorzüglicher  Meister  in  dieser  Kunst  genannt  wird. 
In  der  Halle  des  an  die  Westseite  der  Kirche  ange- 
bauten Thurmes,  durch  welche  man  zum  Portal  gelangt, 
sind  sieben  Gvabmäler  der  Familie  Polheim  aus  der  von 
dieser  Familie  1230  gestifteten,  jetzt  aufgehobenen  Mino- 
ritenkirche  hieher  versetzt ').  Das  Grabmal  Bernhardts, 
Bischofs  von  Stuhhveissenburg  (-J-  1508),  ist  eine  Tumba, 
auf  welcher  das  Bild  der  Verwesung  —  ein  Leichnam  mit 
Todtenschädel,  der  von  Kröten,  Schlangen  und  Eidechsen 
verzehrt  wird  —  dargestellt  ist.  Dabei  sieht  man  ein  aufrecht 
stellendes,  grosses  Belief:  Christus  am  Kreuze,  Engel  fangen 
das  Blut  aus  seinen  Wunden  auf,  zu   beiden  Seiten  Maria 


und  Johannes  von  schmerzlichem  Ausdruck,  unten  das  rit- 
terliche und  bischöfliche  Wappen,  bei  denen  der  Verstor- 
bene als  Bitter  in  der  Rüstung  und  als  Geistlicher  im  Pluviale 
kniet.  Es  ist  eine  sehr  tüchtige  Arbeit,  lebendig  und  geist- 
voll in  der  Ausführung.  Die  Tumba  des  Freiherrn  Cyri- 
acus  von  Pol  hei  in  (■[■  1533)  zeigt  den  Verstorbenen  in 
einer  cannelirten  Rüstung  mit  aufgeschlagenem  Visier,  in 
der  Beeilten  eine  Fahne,  ebenfalls  sehr  gut  und  lebendiu. 
Ebenso  sind  die  Grabsteine  Weickhard t's  (f  1551), 
Wolfs  (f  1559),  Andreas,  „dreier  Rom. Kaiser  getreuen 
Bathcs"  (f  1589)  und  Sigm  u  nd's  (f  1(322).  deren  jeder 
das  lebensgrosse  Portrait  des  Verstorbenen  in  voller  Büstung 
darstellt,  tüchtige  Arbeiten  und  auch  wegen  der  verschie- 
denen Harnischformen  interessant. 

Noch  muss  eines  römischen  Grabsteines  erwähnt 
werden,  der  aussen  au  der  Kirche  eingemauert  ist  und  die 
Büsten  des  verstorbenen  Ehepaares  in  ziemlich  roher  Arbeit 
zeigt,  aus  später  Zeit.  Vortrefflich  dagegen,  und  wahrschein- 
lich aus  der  Zeit  der  Antonine,  ist  gegenüber  der  Kirche  ein 
rundes  Hautrelief;  es  stellt  die  Büste  eines  Mannes  dar.  in 
der  Hand  eine  Bolle  haltend,  zur  Seite  seine  Frau,  welche 
die  Hand  auf  seine  Schulter  legt.  Die  Köpfe  sind  sehr  leben- 
dig und  ausdrucksvoll.  Dieses  Denkmal  würde  jedem  Mu- 
seum zur  Zierde  gereichen. 


Über  die  Vollendung  des  Gurker  Dombaues. 

Von  J.  Freiherrn  v.  Ankershofen. 


In  meinem  im  Februarhefte  dieser  Mittheilungen 2) 
veröffentlichten  Aufsatze  über  die  Zeitstellung  für  den  Gurker 
Dombau  habe  ich  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dass  der 
Bau  noch  vor  dem  Ende  des  XII.  Jahrhunderts  vollendet 
worden  sei.  Seit  jener  Veröffentlichung  sind  mir  zwei  Ur- 
kunden des  Gurker  Archives  bekannt  geworden,  welche, 
wie  ich  glaube,  keinen  weitern  Zweifel  übrig  lassen, 
dass  der  Bau  des  Gurker  Domes  noch  vor  dem  Anfange 
des  XIII.  Jahrhunderts  vollendet  gewesen  sei  und  für  diese 
Zeit  nur  noch  ein  Theil  der  inneren  Ausstattung  erübrigte. 

Mit  einer  jener  Urkunden  bestätigte  Bischof  U 1  s  c  h  a  I  k 
von  Gurk  dem  Chorherrnstifte  in  Gurk  am  23.  August  des 
Jahres  1218  die  demselben  von  seinen  Vorfahren  verliehe- 
nen Rechte  und  Besitzungen  nebst  den  zu  Gunsten  des 
Stiftes  gemachten  Stiftungen.  Unter  diesen  Stiftungen  wird 
nun  ausdrücklich  einer  Stiftung  des  Bischofes  Walt  her 
erwähnt  =),  vermöge  welcher  dieser  ein  Gut  bei  Gunsdorf 
an  der  Mur,  welches  er  mit  Einwilligung  des  Markgrafen 


*)  Die  Inschriften  sind  in  den  Berichten  des  Wiener  Alterthumsvereines 
I,  S.  30(5  vom  k.  k.  Hauptmann  L.  Furtmoser  publicirt. 

2)  S.  22  bis  25. 

*)   — inconvutsa  servari  decernimus.  Privilegium  etiam  confirmationis  Wnlt- 

li-i  i  super  liis  omnihus  ,  nee  non  et  actum  ejus,  scilicei  c lercium  pro 

praedio,  quod  apud  Gunsdorf  joxta  Muran  a  duobus  fratribus,  videlicet 
Winthero  et  Götfrido  de  Cronowe,  ministerialibus  Heinrici  Marchionis 
llyslriae,  pro  eentum  ae  X  mareis  comparatum ,  privilegioque  Marchionis 


Heinrich  von  Istrien  von  den  Brüdern  Winther  und  Gottfried 
von  Cronowe  (Kronau).  Ministerialen  des  Markgrafen,  für 
hundert  und  zehn  Mark  erkauft  hatte .  dem  Chorherrn- 
stifte mit  der  Bestimmung  abtrat,  dass  für  ihn  ein  Jahrtag 
gehalten  werde  und  an  das  Nonnenkloster  jährlich  zehn 
Pelze  zu  dem  Ende  abgegeben  werden  sollen,  damit,  sobald 
der  über  dem  Thore  des  Münsters  westlich 
zwischen  den  Thürmen  begonnene  Bau  eines 
Altarcs  vollendet  sein  würde,  auf  diesem  Altare 
wöchentlich  eine  Seelenmesse  für  Bischof  Walther  gelesen 
werde. 

Dem  Altare.  auf  welchem  die  Seelenmessen  für  Bischof 
Walther  gelesen  werden  sollten,  kann  nach  den  urkund- 
lichen Andeutungen  nm\  mit  Rücksicht  auf  die  Örtlichkeiten 
über  dem  Kirchenportale  und  in  dem  westlichen,  zwischen 
den  Thürmen  befindlichen  Bautheile,  kein  anderer  Platz 
angewiesen  werden,  als  in  der  durch  den  Bälgekasten  leider 


rolioralum,  Gurcensibus  canonicis  ad  ipsius  agendum  Anniversarium  con- 

tulil,     lt  e  c  e  in  q  u  e    pellicia    in    elaustro    SOrOTlbuS    a  n  n  u  a  I  i  in 

inde    dari    constituit,    ea    ratione,    nt    cum    perfectuin 

l'ui'i'it    altare    super   ja  um  am  i tasterii   ad    oeeid  entern 

iuter  tu r res,  omni  septimana  semel  super  ipsum  altare 
in  i  s  s  ;i  pro  il  e  tu  n  e  l  i  s  in  e  o  in  m  e  in  o  r;i  t  i  o  n  e  in  i  p  s  i  u  s  ccle- 
bretur.  .Nee  non  et  confirtnationem  ipsius  Waltheri  super  praepositura 
in  valle  S.  Mariae  Gyriove  ef  reliqua  in  ipsius  Cyrographo  suli  titulo 
confirmationis  coniprehensa. 

30 


230    — 


sehr  verstellten  Nische,  welche  sich  in  der  Mitte  der  östli- 
lichen  Schlusswand  des  über  den  beiden  innern,  durch  das 
innen'  Hauptportal  geschiedenen  Vorhallen  aufgebauten, 
durch  die  Neiden  Thürme  Qankirten  Nonnenchores  befindet 
und  über  welcher  das  Bild  der  thronenden  Maria  mit  dem 
Christuskinde  und  die  Bildnisse  der  beiden  Widmer  ange- 
bracht sind.  Da  nun  der  Nonnenchor  zu  den  westlichsten 
und  somil  zu  den  letztaufgefuhrten  Theilen  des  I »eines 
gehört,  so  ist  es  klar,  dass  zur  Zeit,  als  der  Hau  des  Altares 
im  Nonnenchore  begonnen  wurde,  der  Hau  dieses  Nonnen- 
chores und  somit  auch  der  des  Domes  bereits  vollendet 
gewesen  sein  müsse. 

Walther  war  dem  Bischöfe  Ekkehard,  welcher  noch  am 
14.  April  1200  urkundlich  verkömmt1),  in  demselben  Jahre 
1200  nachgefolgt»).  In  den  Jahren  1201  und  1202  erscheint 
er  mich  als  Electus s)  ;  am  26.  Mai  1203  aber  urkundlich 
lierritsals  Bischof  von  Gurk*).  Zuletzt  erscheint  er  urkundlich 
im  Jahre  1213.  und  dieses  Jahr  wird  von  der  Salzh.  Chronik 
als  das  Todesjahr  des  Bischofes  Walther  angegeben5). 

Wann  innerhalb  des  Zeitraumes  von  1200  bis  1213 
Bischof  Walther  den  Jahrtag  und  die  Seelenmessen  gestiftet 
habe,  ist  aus  den  bisher  bekannten  Quellen  für  die  Gurker 
Geschichte  mit  Bestimmtheit  nicht  zu  ermitteln  und  es  kann 
daher  auch  nicht  mit  Bestimmtheit  die  Zeit  angegeben  wer- 
den, in  welcher  der  Bau  des  Altares  im  Nonnenchore ,  auf 
welchen  die  Seelenmessen  für  Bischof  Walther  zu  lesen 
waren,  als  bereits  begonnen  angenommen  werden  müsse. 
Da  jedoch  Bischof  Ulschalk  in  seiner  Confirmationsurkunde ') 
zuerst  einer  Confirmationsurkunde  Walther's,  dann  der 
Stiftung  des  Jahrtages  und  der  Seelenmessen  und  zuletzt 
der  durch  Bischof  Walther  am  26.  Mai  1203  erfolgten 
Bestätigung  der  Rechte  des  Gurker  Capitels  auf  die  Praepo- 
situra  in  valle  Sancte  Maria  Gyriow  (Geyrach  in  Untersteier) 
erwähnt  .  und  anzunehmen  ist,  dass  Walther  die  zuerst 
erwähnte  Confirmationsurkunde  erst  als  bestätigter  und 
geweihter  Bischof  ausgefertiget,  somit  auch  die  später 
erwähnte  Jahrtags-  und  Messenstiftung  bereits  als  bestätig- 


ter und  geweihter  Bischof,  jedoch  vor  der  zu  letzt 
erwähnten  Confirmationsurkunde  vom  26.  Mai  1203  gethan 
habe,  so  muss  auch  angenommen  werden,  dass  der  Bau  des 
Nonnenchores,  in  welchem  die  Aufrichtung  des  Altares, 
worauf  die  Seelenmessen  für  Bischof  Walther  zu  lesen 
waren,  und  somit  auch  der  Domhau  bereits  vor  dem  Jahre 
I  203  vollendet  worden  sei. 

Dass  es  sieh  in  den  ersten  Decennien  des  XIII.  Jahrhun- 
derts nur  mehr  um  die  kirchliche  Ausstattung  im  Innern 
des  Gurker  Domes  gehandeil  habe,  geht  auch  aus  einer 
andern  Gurker  Urkunde  hervor.  Dieser  Urkunde  zufolge 
opferte  Propsl  Otto  von  Gurk  am  Feste  der  Einweihung  des 
Kreuzaltares  in  Gurk  im  Jahre  1216  zwei  Mausen,  welche 
er  von  dem  Capitel  für  40  Mark  Friesacher  Öffentlicher 
Münze  übernommen  hatte,  auf  dem  Kreuzaltare,  damit  die 
Altarweihe  von  dem  ganzen  Capitel  jährlich  am  Maria- 
Lichtmesstage  gefeiert  werden  solle.  Aus  dieser  Bestim- 
mung geht  klar  hervor,  dass  die  Weihe  des  Kreuzaltares  am 
2.  Februar  1216  vorgenommen  wurde,  und  dass  daher  der 
Hau  dieses  Kreuzaltares  schon  vor  dem  2.  Februar  1216 
begonnen  habe  und  der  Theil  des  Domes,  in  welchem  der 
Kreuzaltar  aufgebaut  wurde,  schon  früher  vollendet  gewesen 
sein  müsse.  Nun  können  wir  aber  dem  Kreuzaltare  im 
Gurker  Dome  keinen  andern  Platz  anweisen,  als  den  am 
Schlüsse  des  Mittelschiffes  zwischen  den  beiden  Krypta- 
eingängen an  der  Schlusswand,  über  welcher  sich  der 
Herrnchor  erhebt,  wo  sich  auch  gegenwärtig  der  von  Donner 
auf  Bestellung  des  Propstes  Franz  Anton  (l?lö — 1744) 
für  den  Preis  von  3000  fl.  gegossene  Kreuzaltar  befindet. 
Fs  würde  schon  dieses  Vorkönnnniss  dahin  deuten,  dass  das 
Langhaus,  in  dessen  Mittelschill'  der  Kreuzaltar  zu  stehen 
kam,  schon  vor  dem  Jahre  1210  aulgebaut  gewesen  sein 
müsse,  wenn  es  sich  auch  nicht  schon  aus  der  Messon- 
stiftung  des  Bischofes  Walther  ergeben  würde,  dass  auch 
der  Bau  des  westlichen,  letzten  Haiitheiles  .  und  somit  der 
ganze  Dombau  wenigstens  schon  vor  dem  2(i.  Mai  1203 
vollendet  gewesen  sei. 


Das  Baptisterium  zu  Concordia  bei  Portogruaro  in  der  Provinz  Venedig7). 


In  Concordia,  einem  kleinen  Dorfe,  das  auf  den  Ruinen 
der  gleichnamigen  römischen  Colonie  erbaul  wurde,  steht 


*)  Siehe  meine  Urkiindcnre^esleii  im    14.  Bande  des  Archires  für  die  Kunde 

oslerieirliisili.-i    !.»■  i-liirlil M|iicllen  Nr.  ;J83. 
-|   Kkrhiirilus  (iiiici'iisis  i'piscd|ms  nhiil    et  nii  sueeedil  Waltherus  abbas  de 

Tisintin  i  tnnalea  S.  Rudberti  Salisburg.   v.  .).  1200  in  Pen  Hon.  Germ. 

hist.  S.  S.  IX.  p.  77'.l| 
•)    liegeM.-n  Nr.  603,  606,  607. 
')  Ebendaselbst  Nr.  627. 
i  Waltherios  Gorcensifl  episcopus  obiil  Annal.  Salisb.,  z.  .1.  1213  bei  Perz, 
|..  780 
••I  Siehe  Note  2. 
*)  Nach  einem  an  ']!••  k.  k.  Central  -  Commission  in  italienischer  Sprache 

sai i    Zeichi ngesundten     \nfs:il/.e     des    Moiini^nm'    t.iovanni 

Huschietti,  ' ticus  an  der  Kathedrale  tu  I lordia.        D. Red. 


neben  der  Kathedrale  eine  Capelle,  die  in  Form  eines  grie- 
chischen Kreuzes  erbaut ,  seil  acht  Jahrhunderten  als  Bap- 
tisterium (Baptisterii  ecclesia)  verwendel  wird.  Sie  umfassl 
einen  Flächeninhalt  um  08-47  Ouadrat-Melres.  ist  halbkreis- 
förmig aus  Ziegeln  aufgebaut,  mit  Dachziegeln  gedeckt  und 
mit  breiten  Marmorquadern  gepflastert.  Innen  ist  sie  getüncht 
und  zum  Theil  auch  al  Fresco  bemalt;  an  der  äussern  Mauer 
fehlt  dagegen  die  Tünche  SO  wie  jede  andere  Eigentüm- 
lichkeit, da  einige  au  der  Wand  ausgehöhlte  .Nischen  nicht  als 
solche  angesehen  werden  können. 

Aus  den  Documenten  des  Capitular-Archivs  geht  her- 
vor, dass  das  llaplisteriuin  von  Bischof  Hoginpolo.  der 
gegen    Ende    des  M.    Jahrhunderts    zur    Zeil    II  rieh's  I.. 


231    — 


Patriarchen  vonAquileja,  gelebt  hat,  begründet  worden  ist.  Es 
kann  daher  als  fast  gleichzeitig  mit  dem  berühmten  in  Ruinen 
liegenden  Baptisterium  von  Aquileja  ')  angenommen  werden, 
und  von  der  Bevölkerung  des  Ortes  wird  es  auch  gleich 
jenem2)  die  Heidenkirche  (la  chiesa  dei  pagani)  genannt3). 
Abgesehen  von  den  in  dem  langen  Zeitlauf  unvermeidlichen 
Beschädigungen  der  Malerei,  ist  das  heilige  Gebäude  seit  den 
im  Jahre  1842  stattgehabten  Restaurationen  noch  ziemlich 
gut  erhalten. 

Wie  aus  dem  hier  folgenden  Grundrisse  Fig.  1  zu  ent- 
nehmen ist,  führt  gegen  Westen  eine  Thür  in  den  ersten 
rechtwinkeligen  9-30  Quadrat-Metres  umfassenden  Flügel; 

derselbe  hat  ein  fla- 
ches Dach :  seine 
nördliche  Mauer  ver- 
bindet ihn  mit  der 
Saeristei  der  Kathe- 
drale, welche  ehemals 
an  der  Innenseite 
mit  Frescomalereien 
und  Inschriften  ge- 
schmückt war,  von 
denen  jedoch  nur 
mehr  wenige  Spuren 


(Fig.  l.) 


übrig  sind.  Aus  iWu  letzteren  lässt  sieh  übrigens  noch 
entnehmen,  dass  sie  als  Arbeiten  aus  dem  XI.  oder  XII.  Jahr- 
hundert zu  betrachten  sind.  In  dieser  Vorhalle  ist  »echts  auf 
dem  Boden  das  Grabmal  des  oberwähnten  Prälaten  und 
Gründers,  ein  rohgearbeitetes  Monument  aus  Steinplatten 
aus  Istrien,  auf  dessen  Deckel  folgende  Inschrift  zu  lesen  ist: 


+MKLE  NOPCIRE  PSVL  RECINPOTO  SVBM€ 
+T€RRA  FIT  €T  PVLVIS  PVL?ER  F/ICISIeIMO 
+ ASPICIENS  TVMVLV  TAISERENNJO  SNSPICECELVM 
+AD  DNM  CELI  DIC  MISERERE  SIBI 
+  DIC  QVS  SALWSERIT  NISI  CVI  1TETVÄISERERIS 
+  SALVA  PLASMA  TVÜ  N  REPVTANS  MERITVM 
+OBIITV  Uli  lüVS  NOV  SPERANSIEOC^SALVSFAC 
SPERANTES  I  SE. 


L 


VT  SIT 
€I-RE 
QVIES 
CLAfTlA 
BAPTIS 
TAIHÖ 


Durch  eine  zweite  Thür,  welche  der  ersteren  gegen- 
über angebracht  ist,  gelangt  man  auf  dem  Atrium  über  eine 
Doppelstufe  in  das  Innere  der  Gapelle.  Dasselbe  umfasst 
einen  von  vier  Wanden  eingeschlossenen  Baum  von  43-S5 
Quadrat-Metres  ;  in  der  Mitte  darin  befindet  sich  das  Tauf- 


')  So  eben  wird  iilier  Anregung  der  Central-Commission  die  Restauration 
dieses  berühmten  ßaptisteriurns  von  Anqnileja  eingeleitet.       A.  d.  Red 

2)  Nicht  eigentlich  das  Baptisterium,  sondernder  daranstossende  Raum, 
welcher  die  Verbindung  mit  der  Kathedrale  von  Aquileja  herstellt  .  wird 
die  „Chiesa  dei  pagani"  genannt.  A.  d.  Red. 

ä)  Bertoli,  Antiq.  Aqnilej.  p.  401;  de   Rubels,  de  ritih.  aqnileji   cap.  '•£?. 

p.  a?2. 


hecken,  von  einer  kurzen  Säule  getragen,  deren  innere 
Höhlung  mit  dem  Aquäduct  communicirte,  welcher  sicherlich 
zur  Zeit,  als  die  Taufe  noch  durch  Eintauchen  Statt  fand, 
zur  Entleerung  eines  grösseren  Taufbeckens  (alvens 
baptesimalis,  Piscina)  benützt  wurde,  von  dem  aber  bis  jetzt 
keine  Spur  aufgefunden  werden  konnte.  An  den  Wanden  ist 
keine  Ausschmückung  bemerkbar,  mit  Ausnahme  eines  al 
Fresco  gemalten  Bischofs  an  der  rechten  Seile  des  Winkels 
im  Südwesten. 

Dagegen  ist  die  9*50  Metres  über  dein  Boden  erhabene 
Kuppel  ganz  mit  alten  Fresken  bedeckt,  welche,  ausser  einer 
Guirlande  aus  Laubwerk  und  Blumen  in  den  Zw  ischenräumen 
der  Fenster,  die  Gestalten  von  acht  Heiligen  in  dem  untern 
Umkreise  und  das  Bild  des  Erlösers  mit  einem  Engel  und 
zwei  Seraphen  an  der  Wölbung  darstellen.  Diese  Gemälde 
scheinen  jener  Periode  anzugehören,  in  der  das  Wieder- 
erwachen der  schönen  Künste  fallt.  Sie  sind  ziemlich  gut 
erhalten  und  nur  an  den  acht  erwähnten  Heiligenbildern 
sind  einige  Beschädigungen  wahrzunehmen. 

Der  östliche  Flügel,  der  sich  zwei  Stufen  über  dem 
Pflaster  des  vierseitigen  Inneren  erhebt,  bilde!  (  Fig.  2 )  einen 

halbrunden  Chor  von 
S62  Quadrat-Metres 
Flächeninhalt.  Er  hat 
eine  Halbkuppel  über 
einem  Fenster,  unter 
welchem  sich  ehe- 
mals ein  kleiner  Altar 

befand,    der.    wie     es 

(Fig.  2.)  der     alte    Gebrauch 

in  den  Baptisterien  mit  sich  brachte,  und  wie  aus  der  ober- 
wähnten Grabinschrift  des  Bischofs  Reginpoto  hervorgeht, 
dem  h.  Johannes  geweiht  war.  Die  ganze  mit  vier  Nischen 
cannelirte  Wand  dieser  Halbruudung  ist  mit  Fresken  in  einem 
doppelten  Style  geschmückt.  Ein  Theil  ist  sehr  roh  .  den 
Gemälden  in  der  Krypta  und  dem  Chore  der  Patriarchal- 
basilica  vonAquileja  entsprechend1);  dir  andere  Theil  ist 
in  besserer  Manier  mit  dem  Datum  lö;!ö  und  offenbar  aul 
älteren  Arbeiten  ausgeführt. 

Die  beiden  anderen  Flügel  springen  im  Halbkreise  nach 
Si'ulen  und  Norden  vor,  jeder  missl  5*0  Quadrat-Metres.  Sie 
sind  über  dem  Boden  in  der  Höhe  des  erwähnten  Chores 
erhoben,  ebenso  mit  einer  Halbkuppel  über  einem  engeren 
Fenster  und  mit  Nischen  in  den  Wänden  versehen,  die  jedoch 
jedes  künstlerischen  Schmuckes  entbehren. 

Das  Baptisterium  zu  Concordiä  hat,  wie  nach  dieser  Dar- 
stellung niehi  zu  bezweifeln  ist.  sowohl  in  religiöser  als  künst- 
lerischer Beziehung  einen  hohen  Werth.  Nebst  seinem  hohen. 
auf  acht  Jahrhunderte  hinaufreichenden  Aller  und  der  guten 
Erhaltung  verdient  die  Eigenthümlichkeil  der  Architectur  und 
der  Charakter  der  alten  Fresken  besondere  Aufmerksamkeit. 


!)  Bertoli,  Antiq.   Vquilej.  pp.  364,  369,  370. 


30* 


23'i 


Bericht  über  einige  Baudenkmale  Croatiens. 

Von  Johann  y.  Kukuljevic.,    k.  k.  Conservator   für  Croatien. 


Im  Königreiche  Croatien  gehörl  das  Warasdiner  Co- 

inii;it  nicht  mir  zu  den  fruchtbarsten  und  bevölkertsten,  son- 
dern  es  ist  auch  eines  der  reichsten  an  alten  Baudenkmalen. 
K-  hat  zwar  auch  dieses  Comitat,  gleich  den  übrigen  öster- 
reichischen Theilen  Croatiens,  von  den  früheren  fortwähren- 
den Streifzügen  der  wilden  Osmanen  viel  gelitten,  allein  da 
ihre  Herrschaft  daselbst  nie  einen  festen  Fuss  fasste,  so 
blieb  hier  so  manches  Denkmal  unversehrt,  während  im  süd- 
lichen Theile  des  Landes,  in  Türkisch-Croatien  und  au  der 
Gränze  Bosniens,  die  alten  Baudenkmale,  besonders  die  dem 
christlichen  Cultus  geweihl  waren,  bis  auf  den  Grund  zer- 
stört w  urden. 

Ausser  den  gut  erhaltenen  alten  Schlössern  Warasd, 
Ludbreg,  Bukovec,  Rasmja,  Trakostjan,  Kle- 
uo  vnikund  mali  Tabor,  bekränzen  die  von  Ost  nach  West 
sieb  dehnende  Bergeskette  des  Warasdiner  Comitats  folgende 
Ruinen:  Kop  reinitz  (Koprivnica),  Küvar.  Vingrad, 
Kreutz,  das  uralte  Königsschloss  und  Gränzfestung  gegen 
Ungarn,  Kalnik,  Reka,  Canjevo,  Grehen,  Melen, 
Bela,  Ivane c,  Kamenica,  Jalsevnik,  Vinie,a,  Ko- 
niar,  Gotalovec,  Osterc,  Be  lec,  Lo  hör.  Krapina. 
Komor.  Kostel  und  Cesargrad,  mit  den  Schlössern 
der  Murinsel:  Strigovo,  Lapseina,  Catcovec, 
Turnisde  und  Legrad.  Ich  werde  diese  säinmtliehen 
Schlösser  und  Burgruinen,  nebst  den  übrigen  von  ganz 
Croatien  und  Slavonien  an  einem  anderen  Orte  ausführlicher 
besprechen,  und  will  hier  bloss  jene  Baudenkmale  erwähnen, 
die  ich  auf  einem  eigends  zum  Zwecke  der  Erforschung 
gemachten  Ausflüge  im  Warasdiner  Cumitate  flüchtig  besich- 
tigen konnte. 

1.  Mein  erster  Besuch  galt  dem  Pfarrorte  Macinec 
im  Cakathurner  Bezirke,  in  welchem  man  die  alte  Pfarr- 
kirche niederzureissen  und  nach  einem  gemachten  Plane 
ganz  neu  aufzuhauen  beabsichtigte.  Es  war  mir  bekannt, 
dass  diese  Kirche  zu  den  ältesten  des  Comitats  zählt,  daher 
widmete  ich  ihr  vor  allem  meine  Aufmerksamkeil.  Ich  fand 
w  irklieb  den  Chor  und  den  Thurm  <\vv  Kirche  (  einstens  bloss 
eine  Capelle  zum  Pfarrorte  Nedelisde  gehörig )  im  gothischen 
Style  erbaut,  Schiff  und  Sacristei  M  im  XVIII.  Jahrhunderte 
zugebaut,  zu  der  Zeil  nämlich,  als  man  im  Jahre  1789  da- 
selbst eine  Pfarre  stiftete.  Dieser  zugebaute  Theil  isl  nun 
ganz  haufällig  und  die  Kirche  brauch!  fürwahr  eine  gänz- 
liche ßenovirung.  Allein  der  alte  Chor  und  der  Thurm,  von 
festem  Materiale  gebaut,  sind  in  gutem  Zustande  und  be- 
nöthigen  bloss  eine  neue  Bedachung  nebsl  unbedeutenden 
Reparaturen. 

her  sechseckige  Chor  der  Kirche  mit  einem  Kreuz- 
gewölbe, dessen  Gewölbsgurten  an  den  Wänden  auf  Conso- 


leu  ruhen,  trägt  die  Zahl  I.Ä.AA  (14S5?).  Diese  Inschrift, 
von  einem  Engel  getragen,  ist  auf  einem  Knaufe  angebracht, 
während  die  übrigen  mit  Wappen-Schildern   und  Figuren 

geziert  sind.  Das  einst  spilzbogigo  Fenster  ohne  Füllung  isl 
nach  oben  vermauert  und  bildet  nun  von  aussen  ein  Viereck, 
während  von  innen  noch  die  ursprüngliche  Form  sehr  deut- 
lich ZU  sehen  ist.  An  der  andern  Abseite  des  Chores  isl  die 
Wand  durchgebrochen,  und  die  neue  ebenfalls  baufällige 
Sacristei  angebaut. 

Ich  verwendete  mich  hei  der  hohen  k.  k.  Statthaltern. 
so  wie  auch  beim  k.  k.  Warasdiner  Coinilats-Amle  dafür. 
dass  dieser  gothische  Chor,  nicht  wie  es  im  Plane  stand, 
mit  den  übrigen  Theilen  der  Kirche  niedergerissen,  sondern 
in  seiner  ursprünglichen  Form  hergestellt  und  dem  Körper 
der  neu  zu  erbauenden  Kirche  als  eine  Capelle  angeschlossen 
werde,  zugleich  machte  ich  den  Vorschlag,  anstatt  des 
neuen,  laut  dein  Baupläne  von  Holz  zu  erbauenden  Kircli- 
thurmes,  den  alten  gemauerten  Thurm  auch  bei  der  neuen 
Kirche  zu  belassen.  Der  Erfolg  dieser  Vorschläge  hängt 
mm  von  weiteren  höheren  Anordnungen  ab. 

2.  Nedelisce,  im  Cakathurner  Bezirke,  mit  einer  ein- 
schiffigen Pfarrkirche  im  spätgothischen  Style  (erbaut  um 
das  Jahr  14(50  >').  Der  dreiseitig  geschlossene  ("bor  ist 
mit  einem  Kreuzgewölbe  versehen  .  dessen  zehn  Hippen 
mit  Diensten  an  der  Wand  auf  Consolon  ruhen.  An  das 
Schiff  der  Kirche ,  dessen  Gewölbe  acht  Halbsäulen  tragen, 
sind  in  der  neueren  Zeit  zwei  Capellen  angebaut.  —  Die 
vier  Fenster  des  Chores  sind  sonderbarer  Weise  nicht  spitz, 
sondern  rundbogig,  was  diesem  Theile  der  Kirche  das  An- 
sehen eines  romanischen  Baues  gibt.  Hinter  dem  grossen 
Altar  ist  ein  rundes  Fenster  ohne  Füllung  angebracht,  und 
das  Schill'  der  Kirche  (wahrscheinlich  später  zugebaut)  hat 
zwei  viereckige  Fenster. 

An  der  rechten  Abseite  des  llochallares  helindel  sich 
ein  schöner,  im  rein  gothischen  Style  erbauter  Taufetein. 
Er  bildet  die  Form  eines  hohen  schlanken  Brunnens  mit 
schönen  architektonischen  Ornamenten  geziert.  (Hier  dem 
in  der  Mitte  angebrachten  zweiflügeligen  Sehreine,  in 
welchem  man  einstens  das  heilige  Dl  aufbewahrte,  stehen 
auf  Consolen  unter  Baldachinen  drei  Statuen  des  Erlö- 
sers, der  heiligen  Jungfrau  Maria  und  des  heiligen  Johannes 
Evangelisten.  Dieser  Taufslein  gehört  unstreitig  zu  den 
schönsten  Baudenkmäler  der  ganzen  Murinsel,  und  ich  werde 
eine  Zeichnung  desselben  der  k.  k.  Central-Commission 
vorlegen. 


i|  Vor  80  Jahren  waren  daselbsl  noch  schöne  Chorstühle  mil  Schnitzwerk 
und  der  Jahrzahl  1 169. 


2.33   — 


Am  Äusseren  der  Kirche  sind  Strebepfeiler  angebracht 
und  das  Dachgesims  des  Chores  ist  in  den  Ecken  mit  Figuren 
geziert.  Im  inneren  Räume  der  Kirche  befinden  sich  die 
Grabmonumente  zweier  croatischer  Edelleute,  und  zwar  des 
edlen  Wolfgang  Dragae  von  Pleternice,  gestorben  im  Jahre 
1578,  und  des  edlen  Jünglings  Matthias  Cernko,  geb.  1374, 
der  im  Anfange  des  XVII.  Jahrhunderts  im  Kampfe  mit  den 
Türken  auf  dem  Schlachtfelde  blieb.  —  Die  neuen  Fresco- 
malereien  des  Chores  und  des  Schilfes  sind  im  Jahre  1814 
von  Alois  Belli  aus  Mailand  verfertigt  worden,  haben  aber 
keinen  besonderen  Kunstwerth. 

3.  Pomorje,  im  Bezirke  von  Strigovo  (Stridau).  Ein- 
schiffige Pfarrkirche  mit  einem  Chore  im  späthgothischen 
Style.  Die  10  Gewölbsrippen,  an  der  Wand  auf  Consolen 
ruhend,  sind  mit  Schildern  geziert,  in  deren  einem  die  Jahr- 
zahl IS.L18  und  in  zweien  die  Namen  Jesus  und  Maria  ein- 
geschnitten sind.  In  den  drei  oberen  Schlusssteinen,  eben- 
falls mit  Schildern  geziert,  sieht  man  das  Johanniter-Kreuz, 
wesshalb  man  vermuthet,  dass  diese  Kirche  einstens  dem 
Johanniterorden  gehörte.  An  der  rechten  Seite  des  Hoch- 
altars befindet  sich  ein  im  gothischen  Style  erbauter  Tauf- 
stein oder  vielmehr  Schrein,  in  welchem  man  das  heilige  Öl 
aufbewahrte.  Er  steht  weit  hinter  jenem  von  Nedelisc'e  zu- 
rück. Die  vier  Fenster  des  Chores  mit  Spitzbögen  haben  ein 
schönes  Masswerk  in  den  Füllungen.  An  die  rechte  Abseite 
des  Chores  ist  im  Jahre  1777  die  Sacristei  angebaut.  Das 
Schiff  ist  ebenfalls  ein  Neubau. 

4.  Strigovo  (Stridau),  Bezirksort.  Einschiffige  neue 
Pfarrkirche  mit  einem  alten  Chore  im  späthgothischen  Style. 
Das  Kreuzgewölbe  mit  seinen  acht  Bippen  ruht  au  der  Wand 
auf  Diensten,  deren  Knäufe  theilweise  mit  Sculpturen  versehen 
sind.  In  den  Schlusssteinen  sieht  man  die  gemeisselten  Köpfe 
des  Erlösers  und  der  heil.  Jungfrau  Maria.  Von  den  einstigen 
vier  gothischen  Fenstern  sind  noch  zwei  geblieben,  sie  sind 
mit  schönem  Masswerke  geziert.  An  der  rechten  Abseite  des 
Chores  ist  in  neuerer  Zeit  die  Sacristei  und  der  Kirchthurm 
angebaut. 

In  demselben  Pfarr-  und  Bezirksorte  befindet  sich  auf 
einer  Anhöhe  die  schöne,  im  vorigen  Jahrhunderte  erbaute 
Kirche  des  heil,  Hieronynms,  zu  dessen  Geburtsstätte  einige 
Gelehrte  diesen  Ort  stempeln  wollen.  Obsie  nun  ihre  Behaup- 
tung gegen  Dalmatienjstricii  und  Süd-Croatien  geltend  mächen 
werden,  ist  eine  Frage,  welche  noch  in  der  Schwebe  bleibt. 

Die  schöne  Frescomalerei  der  besagten  Capelle  ist  von 
dem  reich  begabten  Fresco-Maler  Johann  Ranger  aus 
Tirol,  der  als  Ordensbruder  im  croatischen  Pauliner-Kloster 
Lupaglava  die  grösste  Zeit  seines  Lebens  zubrachte  und 
im  Jahre  1753  daselbst  starb. 

5.  Warasdin.  Der  viereckige  Thnrm  der  im  neueren 
Style  erbauten  Pfarrkirche  trägt  die  Jahrzahl  1494,  bat 
ein  hohes  spitziges  Dach,  und  ist  am  Sockel  mit  der  Statue 
des  Andreas  Jacetic,  Burgcaplan  in  Burenberg  und  Stadt- 
pfarrer von    Warasdin.    geziert.    Das    alle  Schloss    Varasd, 


welches  in  den  Urkunden  bereits  im  XII.  Jahrhundert  er- 
wähnt wird,  gehörte  im  XIV.  Jahrhunderte  der  Familie 
Bebek.  Im  XV.  Jahrb.  besassen  es  die  Grafen  v.  Cilli,  nach 
ihrem  Absterben  fiel  es  an  die  Witwe  Ulrichs  von  Cilli, 
Katharina  von  Brankovic*;  später  an  den  Herzog  und  Hau 
von  Croatien,  Johann  Corvin;  sodann  bekamen  es  die  Frei- 
herrn von  Ungnad  und  im  XVI.  Jahrhundert  kam  es  durch 
eine  Ungnad  an  die  jetzigen  Besitzer  Grafen  Erdödi.  Es  isl 
noch  sehr  gut  erhallen,  bat  vier  runde  Fenster  und  einen 
viereckigen  Thurm.  ist  mit  den  Wappen  und  Inschriften 
der  Br.  Ungnad  und  Grafen  Erdödi  versehen  und  besitzt 
ausser  einer  obern  neuem,  auch  eine  untere  viel  ältere 
Burgcapelle,  beide  im  gothischen  Style  erbaut  Die  untere 
ältere,  auf  welcher  der  breite  viereckige  Thurm  ruht,  ist 
ebenfalls  viereckig,  mit  einem  Kreuzgewölbe  versehen,  des- 
sen Rippen  mit  Diensten  bis  an  den  Boden  laufen.  Auf  beiden 
Abseiten  sind  steinerne  Balustraden  mit  architektonischen 
Ornamenten,  die  auf  Consolen  ruhen.  Jetzt  dient  leider  diese 
Capelle  zu  einem  Keller.  Vor  wenigen  Jahren  sah  man  im 
Saale  des  Schlosses  die  rundbogigen  Fenster  noch  mit 
Glasmalereien  aus  dem  XVI.  Jahrhundert  geschmückt,  jetzt 
sind  diese  Gläser  verschwunden;  nur  eine  runde  Glasplatte 
mit  dem  Ungnad'schen  Wappen  befindet  sich  im  National- 
Museum  zu  Agram. 

<!.  R  eine  ti  nee  im  Warasdiner  Bezirke.  Pfarrkirche 
im  spätgothischen  Style,  um  das  Jahr  1490  von  Johann 
Corvin  dem  Jüngeren  erbaut.  Einst  war  daselbst  ein  Kloster 
der  Johanniter  oder  nach  Anderen  das  der  Conventualen. 
Nachdem  sich  im  16.  Jahrhunderte  die  Ordensbrüder  vor 
den  Türken  flüchteten,  blieb  das  Kloster  und  die  Kirche 
verödet.  Im  Jahre  1039  siedelten  sich  daselbst  die  Francis- 
caner  an,  und  erhauten  ein  neues  Kloster;  allein  im  Jahre 
1790  wurden  auch  diese  aufgehoben,  und  nun  bewohnt  das 
neu  repa'rirte  Kloster  der  Ortspfarrer.  Der  Chor  mit  drei 
Abseiten  hat  ein  schönes  Kreuzgewölbe,  gestützt  auf  das 
kahle  Widerlager.  Die  zwölf  Gewölbs-Bippen  mit  Diensten 
ruhen  an  der  Wand  auf  Consolen.  Die  drei  Schlusssteine 
sind  mit  Schildern  geziert,  in  denen  ein  Pelikan  mit  seinen 
Jungen,  ein  Wolf  und  drei  Löwenköpfe  mit  zwei  Sternen 
(gleich  dem  dalmatinischen  Wappen)  ausgehauen  sind. 

Das  eine  Schiff,  an  welches  in  späteren  Zeilen  zwei 
Capellen  angebaut  wurden  sind,  ist  ebenfalls  mit  einem 
Kreuzgewölbe  versehen,  dessen  Rippen  mit  Diensten  anfacht 
runden  Wandsäulen  ruhen.  Die  oberen  sechs  Schlusssteine 
sind  mit  Rosetten  geziert. 

Im  Chore  befinden  sich  nebst  einem  runden,  auch  vier 
hohe,  schmale  Spitzbogenfenster  mit  der  Fischblase  im  Mass- 
werk. Das  Schill'  der  Kirche  hat  bloss  ein  gothisches  Fen- 
ster an  der  linken  Seitenwand;  an  der  Stelle  der  übrigen 
ist  der  Eingang  zu  zwei  neuen  Capellen  durchgebrochen, 
an  der  rechten  Seitenwand  befindet  sich  der  Klostergang, 
daher  die  ganze  Seile  ohne  Fenster  ist.  Um  der  Kirche 
das   nöthige   Licht   zu   verschaffen,   hat  man  später  anstatt 


234 


der  alten  gothischen .  drei  Fenster  im  Rundbogenstyle 
ober  dem  Eingangsthore  durchgebrochen.  Die  neue  Capelle 
des  heiligen  Anton  Ton  Padua,  von  der  gräflichen  Familie 
Patacid  gestiftet  und  dotirt,  ist  mit  trefflicher  Stuccatur- 
Arbeit  und  schönerFresco-Malerei  geziert;  daselbst  befinden 
sich  aneli  zwei  schöne,  uns  weissem  und  rothem  Marmor  ver- 
fertigte Grabmonumente  des  Balthasar  und  Bartol  Grafen 
Patacid  mit  Sculpturen  in  erhabener  Arbeit. 

Die  Sacristei  unter  dem  hohen  Thurme  ist  ebenfalls  im 
gothischen  Style  erbaut  und  mit  einem  Kreuzgewölbe  ver- 
sehen .  dessen  Gewölbs-Gurten  auf  der  Wand  ruhen.  Die 
Thor  der  Sacristei  mit  dem  Spitzbogen  führte  in  den  unteren 
finsteren  Klostergang,  dessen  Fenster  und  Thiiren  ebenfalls 
mit  Spitzbogen  geziert  waren,  bevor  mau  die  neuen  Repara- 
turen unternahm  und  die  Fenster  theils  vermauerte,  theils 
\iercckig  bildete. 

Von  aussen  ist  die  Kirche  im  Rücken  des  Chores  und 
auf  der  linken  Seitenwand  von  acht  Strebepfeilern  mit  ein- 
facher Bedachung  unterstützt.  Der  ('bor  bildet  ein  Sechseck 
und  der  schöne  von  gehauenem  Stein  erbaute  Thurm  ist 
viereckig.  Ober  dem  Portale  der  Kirche  sieht  man  ein  aus 
Stein  gemeisseltes  Johanniterkreuz  eingemauert,  welches  zu 
der  Vermuthung  führt,  dass  daselbst  zuerst  die  Johanniter 
wohnten. 

7.  Vini ca.  im  Warasdiner  Bezirke.  Hier  stand  noch 
vor  einigen  Jahren  eine  alte,  im  gothischen  Style  gebaute 
Pfarrkirche;  sie  wurde  aber  von  der Neuerungswuth  unser's 
Jahrhunderts,  gleich  vielen  anderen  im  Kronlande  Croatien, 
bis  auf  den  Grund  zerstört,  und  eine  ganz  neue  aufgebaut. 
—  Zum  Glück  Hess  man  die  Denkmale,  die  sich  in  der  alten 
Kirche  befanden,  in  die  neue  übersetzen  und  rettete  dadurch 
einige  der  schätzbarsten  Monumente  des  Vaterlandes. 

Vor  allem  verdient  eine  Erwähnung   das   Grabmonu- 
ment des  berühmten  ungrisch-croatischen  Geschichtsschrei- 
bers Nikolaus  Jstvanfy,    der  liier  mit  seiner  Gattin  Iva 
die  ewige  Ruhe  fand.  Er  war  der  Besitzer  der  croatischen 
Herrschaften  Vinica,' Klenevnik  und  Pankovec;   man  glaubt 
er  habe  in  ^  inica  seine  berühmte  Geschichte  geschrieben  ')• 
Die  Inschrift  des  Grabdenkmales .  welches  er  seiner  Gattin 
und  sieh  selbst  setzen  liess,  lautet  also: 
M.  I).  C.  III. 
D.O.  M. 
aVDOLPHO  II.  IMI'.  CAES. 
AV6.  PIO.  I'. 

Mt  (M.  ISTVANFI.  PAULI  F.  REGNI. 

VNG.  PROPALATINVS.  HAC. 

CVRA  POSTEROS  LEVARE 

VOLENS.  SIBI  ET  ELISAB.  BOT. 

DE  BAiNA.  CONIVG1  PIENTISS. 

POS.  VT  OV1  XXXV.  AMPLIVS. 

VNNIS  l'OMVM  TINSIMK 


'I  Ich  besitze  in  meiner  KandschrifteDsamnilung  seine  mit  eigener  Hand  ge- 
niachen  Loh-  und   Gelegenheitsgedichte;   am  Schlüsse 

belinden  .i<-ii  rerschiedene    \ rkungen  in  lateinischer  und  oroatischei 

Sprache. 


VIXKHV.NT.  VNA  KTIAM 
QVIESCANT.  VNAQVE  RESVRGANT. 
ANNO  CHRISTI  SERVATOR 

MDXCVH. 
Vl\  I TE  SVPERSTTTES  MORTALITATTS  HEMORES; 
NICOLEOS  IAi  ET  HIC  (HAUE  SOCIATVS  ELISE. 
QV1  VT  IM.AUDAVIXKRESl.MVL,  SIMM.  Ef  (E  nVIESCVNT. 
SICQVE  ETIAM  POST  FATA  PIO  AMPLECTVNTVR  AMORE. 
Auf  einer  andern  weissen  Marmorplatto  folgt  smlau: 

IHS.  XPVS 
DEBVERAS  SVPERESSE  HIV  MEA  DVLCIS  ELISA 
TANTA  FIDES  INTE.  TANTA  KYIT  PIETAS, 
SED  OVIA  LEX  STAT  1NEVITAHII.IS  EIII'.V  ! 
GONDERIS  HIC.  ET  E<;0  Mi IX  TVB  FATA  SEQVAR. 
VIXIT  ANN.  1.VIII.  M1NVS  MENS.  DVOB.  DIEB.  X. 

In  derselben  Kirche  befindet  sich  auch  das  Grabmonu- 
ment  des  Edlen  Franz  Kerze  r  von  Radovan,  und  des  hel- 
denmüthigen Banus  von  Croatien,  Benedict  vonThurocz 
(Thurovetz)  [f  1616],  dessen  Bildniss  in  National-Kleidung 

und  Rüstung  in  Lebonsgrüsse,  aus  dem  feinsten  weissen  Mar- 
mor gemeisselt,  sammt  dessen  Wappen  auf  der  linken  Seiten- 
Wand  des  Chores  angebracht  ist.  I'uter  dem  Hilde  sieht  mau 
folgende  Inschrift : 

REGNORV.M  TVTELA  TltlVM  BANVSQVE  POTENTIS 
ILLTRII  ET  PATRIAE  HIC  CVRA  SALVSQVE  IACET. 
TV1VS  SI  ROSSET  CONPLECT1  SAXEA  HOLES. 
VIRTVMTES,  PVLCHER  QVA  FORET  ISTE  LAPIS. 

Aus  der  alten  Kirche  versetzte  man  hieher  auch  einen 
gothischen  Taufstein  mit  spitziger  Bedachung,  deren  Kanten 
mit  Krabben  oder  Knallen  verziert  sind. 

Als  eine  seltene  Erscheinung  dürfte  man  es  betrachten, 
dass  sich  in  dieser  Kirche  nebst  den  Denkmalen  des  christ- 
lichen Mittelalters,  auch  ein  römischer,  im  Orte  Vinica  aus- 
gegrabener Momimentalstei il  folgender  Inschrift  befindet : 

FIRMIA.  L.  F. 

SCARBENTI 

NA.  AN.  XXXV. 

II.  S.  !•:. 

Q.  <  KSKUNI VS. 

IVSTVS  III.. 

H.  F.  C. 

Eine  Viertelstunde   v Orte  Vinica  entfernt,  liegt  in 

Ruinen  das  grosse  Bergschloss,  dessen  Veste  und  hohe 
Mauern  mit  den  drei  runden  Thiinneu  im  XIII.  Jahrhunderte 
als  Gränzfestung  gegen  Steiermark  und  das  deutsche  Kaiser- 
reich dienten.  Es  gehörte  einstens  zur  Grätsch  ifl  Zagorten. 

Im  Jahre  1398  schenkte  es  Könie,  Sigismund  dein  Grafen 
Hermann  von  Gilli  und  Zagorien.  Nach  dem  absterben  der 
Grafen  von  Cilli  kam  es  zuerst  an  die  Witwe  Ulrich's  von 
Cilli,  Katharina  von  lirankovie .  sodann  im  Jahn'  1463  an 
den  berühmten  Feldherrn  und  lianus  Jean  Vitovec,  von 
diesem  übernahm  es  König  Matthias  und  sein  Sohn  Johann 
Ciii'vin,  i\cv  es  an  die  Familie  Gjulaj  übertrug.  Als  lleiralhs- 
n'iit  Gel  es  spüier  an  die  Familie  Both  von  Banja  und  an  die 
Turocz  von  Ludbreg,  in  deren  Besitz  dasselbe  im  XVII, 
Jahrhunderte  eine  Ruine  w  urde. 


235  — 


8.  Krizovljau,  im  Warasdiner  Bezirke.  Eine  Pfarr- 
kirche mit  sechseckigem  Chore  im  gothischen  Style.  Die 
Wölbung  ruht  auf  acht  Wandsäulen.  Die  Fenster  haben 
Spitzbogen,  gegliederte  Gewände  und  Masswerk.  Von  aussen 
6  Strebepfeiler  mit  einfacher  Bedachung.  Der  übrige  Theil 
der  Kirche  ist  in  der  neuern  Zeit  zugebaut.  Die  Facade  mit 
schönen  Bildwerken  geziert. 

9.  Lupaglava,  im  Bezirke  Ivanec.  Die  Kirche  mit 
dem  einstigen  Pauliner-Kloster  gehört  unstreitig  zu  den 
schönsten  Baudenkmaleti  des  Warasdiner  Comitats. 

Das  Kloster  wurde  um  das  Jahr  1400  von  Hermann 
Grafen  von  Cilli  und  Zagorien,  spater  Banus  von  Cröatien, 
(HOS)  gestiftet  und  die  Kirche  im  Jahre  1415  geweiht.  Im 
Jahre  1481  hatten  die  Türken  auf  einem  ihrer  Streifzüge 
das  Kloster  verbrannt,  und  zugleich  die  Kirche  beschädigt 
und  geplündert;  allein  schon  im  Jahre  1491  wurde  dieselbe 
sammt  dem  Kloster  vom  Herzog  Johann  Corvin  restaurirt  und 
der  äussere  Baum  mit  Wällen  und  Thürmen  befestigt.  Im 
Jahre  1593  belagerten  die  Grafen  Peter  und  Jobann  Dras- 
kovic  das  Kloster ,  und  beschädigten  es  an  vielen  Stellen, 
wurden  aber  später,  nachdem  sie  die  Streitigkeiten  mit  den 
Ordensbrüdern  geschlichtet  hatten,  Wohlthäter  des  Klosters. 
Im  Jahre  1640  erhob  man  den  niedern  Kirchthurm  um 
einige  Klafter.  Im  Jahre  1656  bis  1 G63  wurde  das  ganze 
Kloster  bedeutend  erweitert  und  vergrüssert  und  es  zählte 
damals  in  seinen  Bäumen  zwei  und  sechszig  Ordensbrüder  '). 
Im  Jahre  1672  verlängerte  man  das  vordere  Schiff  der 
Kirche  um  einige  Klafter,  und  zierte  im  Jahre  1711  die  neue 
hohe  Facade  der  Kirche  mit  eilf  Statuen,  zugleich  wurde 
auch  der  Kirchthurm  abermals  um  einige  Klafter  erhöht. 
Nachdem  im  Jahre  1789  der  Pauliner-Orden  in  Cröatien 
aufgehoben  wurde,  fiel  Lupaglava  unter  die  ungrische  Kam- 
mer und  wurde  später  an  das  sehr  karg  dotirte  Cosmaer 
Domcapitel  verschenkt.  Dieses  verpachtete  im  Jahre  1853 
die  grossen  bedeutend  vernachlässigten  und  beschädigten 
Bäumlichkeiten  des  Klosters  an  das  k.  k.  Ärar,  welches  daraus 
ein  Strafhaus  für  Cröatien  und  Slavonien  machte. 

Die  schön  im  gothischen  Style  erhaute  Kirche  ist  ein- 
schiffig. Der  Chor  mit  drei  Abseiten  hat  ein  hohes  Kreuz- 
gewölbe, dessen  Bippen  mit  Diensten  auf  zehn  Wandsäulen 
ruhen;  die  drei  Schlusssteine  sind  mit  Wappen  der  Grafen 
von  Cilli  geziert.  Das  Kreuzgewölbe  des  älteren  Theiles  des 
Schilfes  ruht  mit  seinen  Bippen  auf  sechs  Wandsäulen.  In  den 
später  gebauten  Theilen,  ober  dem  Orgelchore,  sind  an  den 
Enden  der  Bippen  spitzige  Knäufe  angebracht;  der  Orgel- 
chor ruht  auf  vier  runden  Säulen. 


l)  In  Lupaglava  wurde  bereits  im  Jahre  1303  ein  Seminarium  für  dieOrdens- 
geistlichen  errichtet.  Im  Jahre  1582  eröffnete  man  daselbst  öffentliche 
Schulen  für  Landeskinder  und  führte  im  Jahre  lGo'li  auch  die  philosophischen 
Studien  ein.  Dieses  Kloster  beherbergte  zu  allen  Zeiten  Gelehrte  und 
Künstler  von  verschiedensten  Fächern  und  man  zählte  es  zu  den  ersten 
den  ungrischen  und  eroatischen  Provinz.  Als  man  es  aufhob,  war  darüber 
in  ganz  Cröatien  eine  allgemeine  Klage. 


Die  Spitzbogenfenster  sind  mit  Masswerk,  darunter  die 
Fischblase  vorherrscht,  versehen.  An  der  linken  Seitenwand 
des  Schilfes  haben  im  X\  II.  und  Will.  Jahrhunderte  die  gräf- 
lichen Familien  Ratkay,  Draskovic  und  Patacic  drei  Capellen 
anhauen  lassen. 

Von  aussen  hat  der  Chor  die  Form  eines  Sechseck'-. 
Sechs  Strebepfeiler  mit  platter  Bedachung  unterstützen  die 
Kirchenmauer  von  der  südlichen  und  östlichen  Seite,  von 
der  westlichen  stosst  an  die  Kirche  das  grosse  zweistöckige 
und  im  Quadrat  gebaute  Kloster.  Der  Thurin  hat  eine  Höhe 
von  22  Klafter. 

Sehenswert!)  sind  in  der  Kirche  die  schönen  frischen 
Frescogemälde,  in  den  Jahren  1737  und  1742  von  dem  Or- 
densbruder Johann  Ranger  ausgeführt,  und  historsich 
merkwürdig  sind  die  Grabmonumente  der  Wohlthäter  des 
Klosters  und  der  Kirche.  Vor  allem  verdient  Erwähnung 
das  Grabmonument  des  Herzogs  und  Banus  Johann  Corvin, 
dessen  Gemahlin  Beatrice  von  Frangepan,  als  er  im  .1.  1504 
in  seinem  Schlosse  Krapina  starb,  seine  sterblichen  Oberreste 
hierher  übertragen  Hess.  Ein  Jahr  darauf  wurde  auch  sein 
einziger  Sohn  Christoph,  der  letzte  aus  dem  Geschlechte 
Corvin's,  daselbst  neben  seinem  Vater  begraben.  Im  J.  1630 
hat  man  ihre  Gräber  geöffnet  und  durchsucht,  die  Särge 
wahrscheinlich  ihrer  Schätze  beraubt,  die  marmorne  Platte 
mit  der  Inschrift  und  den  im  Basrelief  ausgehauenen  Bild- 
nisse des  Herzogs,  welche  ursprünglich  vor  dem  Hochaltar 
die  Gruft  deckte,  ausgehoben  und  in  die  rechte  Seitenwand 
des  Chores  eingemauert. 

Die  Inschrift  dieses  Monumentes  lautet: 
ANNODOMIN'I  MILLESIMO  QÜINGENTESMO  QYARTO. 
OCTOBRIS  DUODECIMA  DIE,  HORA  VNDECIMA  NOCTURNALJ. 

HEROS  VLTIMOS  DIES  IOANNES  CORVIXl'S  CLAYSIT  EXTRE- 

MOS. 
SVB  EREMO  CORPVS  AD  CLAVSTRYM  LEPOGLAYA  TVMVLARK 

1VSS1T. 
ASPICE  REM  CHARA.M,  BIN!  HING   INDE  CINGYNT  GLORIOSAE 

Y1RG1NIS  ARAM. 
DVX IOANNES  ET  FILIVS  EIVSCHRISTOPHORVS.QÜIBVS  AUSINI 

GAVDIA  TRIXA. 
DVM  LIGVIT  TVA  DVM  VIGVIT  0  IOANNES  PORTESTAS, 
FRAVSLANTVIT,  PAX  IN  REl '.NO  1STO  TYI  TEMPORE  FIKMAEYIT. 
REGNVM  ATQVE  HONESTAS. 
Ausser  diesem  Monumente  befinden  sich  in  dieser 
Kirche  noch  folgende  marmorne  mit  Inschriften  und  Rasrelief 
gezierte  Grabdenkmale.  Im  Chore  der  Kirche  das  Denkmal 
des  Joe  hau  Petew,  Herrn  zu  Bela,  Cerje  und  Ivanec,  mit 
seinem  Wappen  (f  1671).  Im  Schilfe  der  Kirche,  rechts. 
das  aus  schwarzem  Marmor  errichtete  Monument  von  Peter 
Paul  und  Katharina  Ceskovic  (-[-  1656 — 1709)  ;ms  dem  Ge- 
schlechte Donic.  welches  zu  den  Zeiten  der  Religionskriege 
aus  Böhmen  nach  Cröatien  eingewandert  war  und  mit  dein 
neuen  Wappen  auch  den  neuen  Namen  Ceskovid  erhielt.  Inder 
Capelle  der  heiligen  Dreifaltigkeit  steht  das  schöne  Mauso- 
leum des  Ladislaus  Patacic  (-]•  1TH')  ans  weissem  Marmor 
mit   dessen   Bildniss   in    Basrelief,    und   in   der   Capelle    des 


236 


heil.  Joseph  das  des  Obristen  Grafen  Sigmund  Ratkay, 
f  170'.'. 

In  den  Räumen  des  einstigen  Klosters  sind  sehenswerth 

die  sehe n  Frescogemälde ,  die  das  grosse  und  kleine  Re- 

fectorium,  die  Bibliothek  und  die  Apotheke  zieren,  und  ausser 
mehreren  Scenen  ;uis  dem  Leben  des  heiligen  Paulus  und 
Augustins,  der  Eremiten,  und  uns  dem  neuen  Testamente, 
viele  Portraits  der  Wohlthäter  des  Klosters  darstellen.  Es 
[sl  für  die  Geschichte  des  Klosters  interessant,  namentlich 
diejenigen  zu  erwähnen .  deren  Bildnisse  sieh  daselbst  be- 
finden.  Ich  will  sie  daher  im  Kurzen  anführen. 

Im  kleinen  Refectorium  befinden  sieh  in  Lebensgrösse 
al  fresco  gemalt  folgende  Portraits:  Hermann  v.  Cilli, 
Johann  ('ervin.  Beatrice  r.  Frangepan,  Br.  Ste- 
phan Orehoci,  Graf  Franz  Keglevid,  Br.  Gabriel 
Gottal,  Graf  Ladislaus  und  Theresia  Pataciö, 
Stephan  Graf  Draskoviö,  Emerik  Graf  Erdödi. 
Sigmund  Graf  Ratkay  und  Anna  Sophia  Stipsic. 
Im  grossen  Refectorium:  Paul  Iva no-tid,  General— Vor- 
stand der  Paüliner;  Fürst  Emerich  Eszterhäzy,  Bischof 
von  Waizen  und  Agram;  Franciscus,  mit  dem  Beinamen 
V  ins:  Cun  ii  Silentiarius,  Herzog  Johann  Cor vi n 
mit  seiner  Gemahlin,  Hermann  Graf  von  Cilli  lind  Za- 
gorien;  Benedictus  II..  Provinzial  der  Pauliner;  Lucas 
Felix;  Stänislaus  Opovius;  Georg  Cepelenji, 
Missionär  und  Märtyrer;  Martin  Borkovic-,  Bischof  von 
Vgram;  Gaspar  Malecic,  Prior  der  Paüliner;  Heinrieh 
T  e  i s s,  Märtyrer  als  Missionar:  .1  o  h a  n  n  Z  a  k  o  I  y .  Bischof 
von  Canad.  In  der  Apotheke:  II  i  ppokrates,  Theo  fräst  es, 
Aristoteles  und  Galenits  nebst  anderen  auf  die  Heil- 
kunde Bezug  hahenden  Gegenständen. 

Im  einstigen  Bibliothekszimmer  befinden  sich  theils  auf 
Leinwand  mit  Ölfarben  .  theils  al  fresco,  nebst  mehreren  An- 
sichten. Landschaften  und  allegorischen  Bildern,  folgende  Por- 
traits: LadisläusGrafNadasdi,  Bischof  von  Canad;  Franz 
Gaspar  Malecid,  General-Prior  des  Ordens:  Johann 
Kris to I or e c  General-Prior ; Fürst  E m erichEszte r h ;i z y, 
Bischof  von  Canad  und  Agram;  David  Johann  l'izzetti, 
Domherr  von  Agram;  Joseph  Mikonovic,  Domherr  zu 
Aeram;  Milinaric:  Zanie  Coctko,  Domherr  von  Casma ; 
Max  Verhovac  und  Joseph  Galyof,  Rischöfe  von 
igram;  GrafBartol.  Patacid  u.  s.  w. 

Ihr  erwähnten  Gemächer  des  einstigen  Klosters  werden 
wegen  ihrer  Kunstgegenstände  von  der  jetzigen  Behörde 
der  neuen  Anstalt  mii  besonderer  Sorgfalt  und  im  besten 
Zustande  erhalten. 

10.  Tra  kost jan,  im  Bezirke  Lance  Dieses  alteBerg- 
sr-hlo^-.,    auf  der  Spitze  eines  Indien    Berges,  von  Hügelland 

rings  umkränzt  und  au  dem  Ursprünge  der  Bednja,  die  hier 
einen  See  bildet,  gelegen,  gehörte  im  \l\.  und  XV.  Jahr- 
hunderte den  Grafen  von  Zagorien.  Zu  Ende  des  XV.  Jahr- 
hunderts schenkte  es  Johann  Corvin  der  Familie  Gjulaj, 
nach  dem  Absterben  dieser  Familie  kam  es  aus  den   Fiscal- 


Händen  im  Jahre  1569  au  die  gräfliche  Familie  Draskovid. 
Im  Jahre  I  <>.'>!  wurde  das  ScHloss  durch  Banus  Nikolaus 
Zrini  belagert  und  wahrscheinlich  schon  damals  bedeutend 
beschädigt,  später  lag  es  beinahe  durch  ein  Jahrhundert  in 
Ruinen. 

Der  jetzige  Besitzer  des  Schlosses.  Georg  Graf  Dras- 
kovic,  k.  k.  F.  M.  L.,  verwendete  eine  grosse  Summe  auf 
die  Herstellung  dieses  Schlosses  und  er  dürfte  bereits  im 
Laufe  dieses  Jahres  die  hohe  Freude  gemessen,  das  majestä- 
tische Schloss,  von  welchem  seine  Familie  das  l'rädicat 
führt,  in  der  alten  Würde  und  Pracht  zu  sehen. 

Nach  einem  in  Gratz  gemachten  Plane  lässt  der  edle 
Graf  im  echten  Kunstsinn  das  alte  Schloss  ganz  nach  dem 
ursprünglichen  Style  aus  den  Ruinen  wieder  erstehen:  die 
Spitzbogen-Fenster  und  die  Thore  mit  den  schönen  Verzie- 
rungen, die  festen  Thürme  und  Zinnen,  die  Cinlängsniaiiern 
mit  den  Schiesslöchern,  die  Warte  und  die  Zugbrücke,  der 
schöne  Rittersaal,  geschmückt  mit  den  Rüstungen  und  Bil- 
dern des  Mittelalters,  die  herrlich  eingelegte  Hecke  der 
Gemacher,  die  Zimmer-T hüren  mit  dem  mittelalterlichen 
Beschlägen,  mit  einem  Worte  Alles  in  diesem  erneuerten 
Schlosse  versetzt  einem  in  die  schöne  alte  Zeit  des  Bitter  - 
thums,  und  der  Besucher  hat  nur  einen  und  denselben 
Wunsch  mit  dein  Wiederhersteller  des  Schlosses,  dasselbe 
nämlich  nach  Jähre  langer  Arbeit  in  seiner  Ursprünglichkeit 
recht  bald  zu  sehen,  um  es  den  interessantesten  Schlössern 
des  Österreichichen  Staates  beizählen  zu  können. 

II.  Krapina,  Bezirksort,  mit  einer  zweischiffigen 
Pfarrkirche  im  gothischeu  Style  erbaut;  der  Chor  verlor  vor 
wenigen  Jahren  das  alte  Kreuzgewölbe,  dessen  Rippen  auf 
der  Wand  auf  .spitz  auslaufenden  Consolen  ruhten,  und  erhielt 
eine  neue  kuppelartige  Wölbung.  Es  sind  jedoch  von  der 
alten  Wölbung  noch  die  Rippen  mit  Diensten  und  Knaulen 
erhalten,  zwei  der  letzteren  sind  mit  dem  Christuskopf  und 
dem  Namen  Maria  geziert.  Das  ältere  breitere  Schill'  t\n- 
Kirche  ist  vom  Chore  durch  einen  breiten  Spitzbogen,  der 
auf  zwei  \\  nmlsüiilen  ruht,  getrennt.  Das  Kreuzgewölbe 
dieses  Schilfes  hat  acht  Bippen,  die  an  der  Wand  ruhen  und 
in  spitzige  Knäufe  emiigen.  Das  Atrium  unter  dem  Orgel- 
chore  ruht  auf  zwei  runden  Säulen  und  ist  mit  einem  Kreuz- 
gewölbe gedeckt,  dessen  sechs  Rippen  mit  Diensten  an 
der  Wand  auf  Consolen  sich  stützen.  Zwei  dieser  Consolen 
sind  mit  Wappen-Schildern  geziert .  von  welchen  eines  das 
altillyrirische  Wappen  mit  Neumond  und  Stern  enthält;  die 
Schlusssteine  sind  mit  Rosetten  und  Schildern  versehen  .  in 

dem  initiieren  steht  die  golhisehe  Inschrift :  „in  horis  erew  i." 

Das  linke,   neue  und  schmälere  Schiff,   verbunden  mit 

der  alten  Kirche  durch  den  geschmacklosen  Durchbruch  der 

Seitenwand,  hat  ebenfalls  ein  Kreuzgewölbe,  dessen  einfach« 

Bippen    an    der   Wand    auf   Knäufen    ruhen.     Der  Chor    der 

Kirche  wird  durch  drei  runde  und  ein  langes  Rundbögen- 
fenster erleuchtet.  Im  neueren  Schiff  sind  ebenfalls  zwei 
Rundbogenfenster.    Aus   dem  Chore    führt    eine   kleine  Thür 


—  237  — 


in  die  mit  Kreuzgewölben  versehene  Sacristei,  ober  wel- 
cher der  viereckige  alte  Kirchtburm  steht.  Das  Äussere  der 
Kirche  hat  fünf  Strebepfeiler  mit  einfacher  Bedachung. 

Ober  dem  privilegirten  Marktflecken  Krapina,  steht  in 
Ruinen  das  uralte  Schloss  gleichen  Namens ,  einstens  der 
Hauptsitz  der  Grafen  von  ganz  Zagorien.  In  den  Urkunden 
geschieht  dessen  bereits  im  XII.  Jahrhunderte  Erwähnung, 
und  es  gehörte  damals  als  Gränzfestung  gegen  die  Deutschen 
zu  den  Verwaltungsschlössern  der  jeweiligen  Herzoge  und 
Banus  von  ganz  Slavonien.  Im  XIII.  Jahrhunderte  kommt  es 
unter  dem  einfachen  Namen  „Gastrum  Zagoriae"  vor  und 
wurde  in  den  Kriegen  mit  dem  böhmischen  Könige  Ottokar 
vom  Banus  Heinrich  von  Giissingen  diesem  Könige  über- 
geben, durch  den  Friedenstractat  von  1271  aber  der  un- 
garischen Krone  zurückgegeben.  Im  Jahre  1347  erhielten 
die  Ortsbewohner  vom  König  Ludwig  I.  schöne  Privilegien 
und  wurden  in  ihren  Rechten  den  Bürgern  einer  könig- 
lichen Stadt  gleichgestellt.  Das  Schloss  verwalteten  damals 
königliche  Castellane  und  hatten  nur  das  Recht  in  drei 
Fällen  über  die  Ortsbewohner  zu  Gericht  zu  sitzen,  und 
zwar  im  Falle  eines  Diebstahles,  einer  Gewalt  und  eines 
Mordes,  in  allen  übrigen  Fällen  richtete  der  von  der  Gemeinde 
gewählte  Richter.  Im  Jahre  1353  besass  das  Schloss  mit 
königlichem  Rechte  der  Bruder  des  Königs  Ludwig  I., 
Stephan,  Herzog  von  ganz  Slavonien.  Nach  seinem  Tode 
fiel  es  wieder  an  die  Krone,  bis  es  im  Jahre  1399  von 
König  Sigismund  sammt  allen  Schlössern  der  Grafschaft 
Zagorien  an  Hermann  Grafen  von  Cilli  verschenkt  wurde. 
Auf  diese  Art  überging  das  Schloss  auf  ewige  Zeit  aus  den 
königlichen  in  Privathände.  Im  Jahre  1422  vergiftete 
daselbst  Graf  Friedrich  von  Cilli  seine  erste  Gemahlin 
Elisabeth  von  Frangepau  und  heirathete  drei  Jahre  später 
die  schöne  Veronica  von  Desenic  aus  Zagorien,  deren 
trauriges  Ende  geschichtlich  bekannt  ist.  Nach  dem  Abster- 
ben der  Cilli  fiel  das  Schloss  an  die  Witwe  Ulricb's  von 
Cilli,  Katharina  von  Brankovic,  die  es  um  das  Jahr 
1457  mit  ganz  Zagorien  an  ihren  Hauptmann  Ja  n  Vitovec, 
Banus  von  Croatien,  gebürtig  aus  Böhmen,  verkaufte.  Diesen 
Kauf  bestätigte  zu  Gunsten  desselben  Vitovec  im  Jahre  1459 
Kaiser  Friedrich,  und  im  Jahre  1463  König  Matthias  Cor- 
vinus,  der  es  aber  im  Jahre  1489  mit  ganz  Zagorien  an 
sich  wieder  riss,  und  später  seinem  natürlichen  Sohne 
Johann  Corvin  schenkte.  Derselbe  Johann  hielt  als 
Herzog  von  ganz  Slavonien  grösstenteils  in  diesem  Schlosse 


seinen  Sitz  und  starb  auch  daselbst  den  12.  October  1504. 
Durch  dessen  Witwe  Beatrice  von  Frangepau  kam  das 
Schloss  an  ihren  verschwenderischen  Gemahl  G  e  o  r  g  Mark- 
grafen von  Brau  den  bürg,  der  es  im  J.  1523  sammt  dem 
Schlosse  Koste!  in  Zagorien  au  Peter  Keglevic.  Banns 
von  Zajce.  und  an  Michael  Imbrekovic  verkaufte.  Bei 
der  Theilung  des  Kaufes  fiel  die  Hälfte  der  Herrschaft  sammt 
dem  Schlosse  Krapina  dem  besagten  Imbrekovic'  zu.  um! 
durch  dessen  Tochter  Katharina  an  ihren  Gemahl  Luka~ 
Sekely  Freiherrn  von  Fridau.  Im  Jahre  1610  wurde  das 
Schloss  von  Friedrich  Baron  von  Sekely  an  Johann  Ke- 
glevic verpfändet,  und  seit  dieserZeit  blieb  es  Ins  heute  im 
der  gräflichen  Familie  Keglevic. 

Von  dem  einstigen  herrlichen  Schlosse  steht  nur  noch 
ein  Theil  des  Wuhngebäudes,  welches  von  der  äusseren 
westlichen  Seite  dreistöckig,  und  von  der  innern  östlichen 
nur  einstöckig  ist,  da  die  zwei  andern  unterirdisch  sind.  Zu 
ebener  Erde  ist  ein  gewölbter  Gang,  der  auf  8  Quadrat- 
Säulen  ruht.  Die  äusseren  dickeren  Schloss-Mauern.  in  deren 
Mitte  sich  zwei  grosse  Höfe  befinden,  sind  beinahe  gänzlich 
eingefallen,  nur  ein  Theil  der  Wandmauer  in  der  Höhe  von 
mehreren  Klaftern  ragt  senkrecht  über  dem  Orte  empor, 
jeden  Augenblick  drohend,  über  die  Dächer  der  Häuser 
hinabzustürzen.  Durch  das  südliche  Thor  mit  den  verfalle- 
nen viereckigen  Thürmen,  die  mit  den  Wohngebäuden  in 
Verbindung  standen,  kommt  man  aus  dem  äusseren  grösseren 
Hofraume  in  den  zweiten  innern  Hof,  in  welchem  sich  ein 
im  Felsen  durchgehauener  gemauerter  Gang  befindet,  der  in 
früheren  Zeiten  entweder  zu  Gefängnissen,  oder,  wie  die 
Tradition  sagt,  zum  Schlosskeller  verwendet  war;  durch  die- 
selbe Öffnung  konnte  man  auch  zum  oberen  Theile  der  Schloss- 
mauern gelangen,  die  mit  runden  Thürmen  befestigt  waren 

Es  scheint,  dass  die  Schlossmauern  einstens  auch  mit 
jenen  zwei  Thürmen  oder  Castellen  in  Verbindung  standen. 
die  auf  der  gegenüberliegenden  westlichen  Seite  des  Ortes  und 
FlussesKrapina  auf  zwei  Anhöhen  erbaut  waren  und  die  Namen 
Psari  und  Sabec  führten.  Diess  gab  auch  den  Anlass  zu  der 
poetischen  Volkstradition:  dass  bei  dem  Orte  Krapina  drei 
Schlösser  standen,  aus  denen  in  uralten  Zeiten  drei  Brüder 
Ceh,  Leb  und  Meli ,  die  Stammväter  der  Böhmen.  Polen 
und  Bussen,  auswanderten  und  drei  gösse  slavische  Reiche 
stifteten.  Mit  Stolz  nennen  daher  die  Bewohner  von  Krapina 
ihren  kleinen  Marktflecken  die  Wiege  und  d^n  Stammsitz 
des  ganzen  grossen  slavischen  Volkes. 


Notizen. 


59.  (Der  Erlass  des  Hochwürdigsten  Bischo-  dem  Grunde  nicht  vorgebeugt  werden  konnte,  weil  hei  der 

fes   von  Brunn   zur  Verhinderung   von    Zerstö-  Bauaufnahme  und  in  den  Bauverträgen  unterlassen  wurde  aul 

rungen  alter  Baudenkmale).  Bei  dem  Erweiterungsbau  den  Werth  dieses  Baudenkmales  aufmerksam  zu  machen.  Als 

einer  Kirche  geschah  es,  dass  ein  romanisches  Portal  die  k.  k.  Central-Commission  zur  Erforschung  und  Erhaltung 

abgebrochen  und  zerstört  wurde  und  dieser  Zerstörung  aus  der  Baudenkmale  in  die  Kenntniss  dieses  Vorfalles  gelangte, 

31 


—  238  — 


machte  sie  höheren  Orts  die  erforderlichen  Sehritte,  um  zu 
bewirken,  dass  künftig  in  allen  Fällen,  wo  es  sieh  um  das  Ab- 
brecheo  oder  den  Umbau  alter  Kirchen,  Pfarr-  oder  Unter- 
richtsgebäude handelt,  jedesmal  der  Aufriss  des  alten  Gebäu- 
des und  eine  Zeichnung  seiner  etwa  merkwürdigen  Theile  bei- 
gelegt und  darauf  besonders  aufmerksam  gemacht  werde.  An 
eine  Weisung,  welche  diessfalls  an  sämmtliche  Statthaltereien 
von  Seite  des  h.  k.  k.  Ministeriums  für  Cultus  und  Unterricht 
erfloss,  knüpfte  nun  der  hochwürdigste  Bischof  von  Brunn 
einen  Erlass  an  den  Diöcesanclerus,  dem  wir  folgende  Stelle 
entnehmen : 

„Wir  können  nicht  umhin,  dieser  Massregel  die  sorg- 
samste  Beachtung  zu  wünschen  und  unsern  ehrwürdigen 
Clerus  zu  erinnern,  wie  das  Interesse  für  kirchliches  Alter- 
thum  und  Kunst  bei  ihm  doch  am  meisten  rege  gedacht 
werden  müsse  und  wie  Niemand  mehr  als  ihm  der  Sinn 
für  Erhaltung  jener  altchristlichen  Denkmale  zieme.  Es 
widerspricht  den  kanonischen  Vorschriften,  wenn  Umbauten 
an  den  Kirchen  vorgenommen,  Änderungen  ihrer  innern  Ein- 
richtung getroffen,  Inventarstücke  veräussert,  Monumente 
einer  früheren  glaubenskräftigeren  Zeit  hinweggeschaft 
werden  ,  ohne  dass  die  kirchliche  Behörde  von  dem  diess- 
tä  lügen  Vorhaben  in  Kenntniss  gesetzt  und  um  ihre  Zustim- 
mung angegangen  wurde.  Nur  dem  Übersehen  dieses  wesent- 
lichen Umstandes  so  wie  der  Berathung  mit  Leuten,  denen 
der  Sinn  für  christliche  Kunst  und  die  Kenntniss  des  kirch- 
lichen Alterthums  abgeht,  ist  es  zuzuschreiben,  dass  unter 
dem  Titel  von  „Restaurationen"  oft  wahre  Verunstaltungen 
von  Kirchen  und  kirchlichen  Denkmalen  vorgenommen 
werden,  und  so  manches  kostbare  Bild,  manches  ehrwürdige 
Überbleibsel  alter  Kunst  unter  den  Händen  unberufener 
Restauratoren  dem  Verderben  anheimfällt." 

60.  (Legio  XI  Claudia.  —  MELVSI  INFERIOR 
Castellura  Abritanorum.  —  AISTMVTH  König  der 
Germanen.)  Der  Besuch  Seiner  Excellenz  des  Hr.  Minister 
Freiherrn  von  Bach  in  der  alten  Metropole  derVeneterund 
[strer,  welche  in  der  Blütbezeit  des  römischen  Kaiserreiches 
nur  dem  riesigen  Rom  in  Italien  nachstand,  in  der  Patriarchen- 
stadt Aquileja,  veranlasste  die  Verificirung  der  Legende  eines 
Centurio's  der  Legio  XI.  Claudia,  Pio  Fidelis,  welcher 
zu  Ende  des  III.  oder  zu  Anbeginn  des  IV.  Jahrhunderts  starb. 
Diese  Legende  verdient  zur  Kenntniss  genommen  zu  werden. 

D.  M.  S. 

VW..  LONGINIANVS 
VIMT.   ANNOS.  M.V. 
MII.ITAVIT.  OPTIO.  LEG. 

ä.  Clav.  ann.  x.  v.  centvrio 

ORD.  W\.  VI.  NATVS.  IN.MEÄ\S1 
INFER.  CASTELL.  ABRITANOR 

Diis  Manibus  sacrum 
Valerius  Longinianus 
mit  annoa  quadraginta  quinque 
militari!  optio  Legionis 
XI  Claudiae  anuia  quindeeim,  Centurio 


Ordinarius  annis  sex,   natu-   in   Mclusi 
inferiore  Castello  Abritanorum. 

Der  Centurio  Ordinarius  (qui  in  proelio  primos  ordines 
ducit),  welcher  durch  sechs  Jahre  diese  Stelle  bekleidet  zu 
haben,  und  durch  fünfzehn  Jahre  Optio  (Capitain-Lieutenant) 
gewesen  zu  sein  schien,  war  im  Alter  von  24  Jahren  in  die 
Militia  eingetreten;  und  wir  fügen  hinzu,  dass  er  durch  einige 
Jahre  in  irgend  einem  fremden  Auxiliar-Corps  gedient,  und 
sodann  das  römische  Bürgerrecht  erhalten  habe;  welchen 
Dienst,  als  in  Eigenschaft  eines  Fremdlings  geleistet,  er  nicht 
zu  erwähnen  befand.  Und  nachdem  die  in  das  römische 
Bürgerrecht  aufgenommenen  Soldaten  den  Namen  Gentilitium 
von  jenem  Kaiser  annahmen,  der  es  ihnen  ertheilte,  so  ist 
es  am  Platze  anzudeuten,  dass  er  das  Bürgerrecht  von  Aure- 
lian  oder  Probus.  oder  Diocletian  oder  Maximian  erhalten 
haben  muss,  welche  sämmtlich  Valerier  waren.  Auch  die 
Form  der  Buchstaben  ist  von  dieser  Zeit  des  Verfalls. 

Dieser  Valerius  Longinianus  ist  nicht  der  einzige  in 
Aquileja,  der  an  die  Legio  XI.  Claudia  erinnert;  denn  man 
besitzt  auch  Nachrichten  über  andere. 

D.  M. 

AVREL1VS  FLAVINVS 
OPTIO  LEG  XI  CLAVDIAE 
ANNORVM  XXXX  QVI 
MII.ITAVIT  ANN.  XII1I.  ET 
OPTIO  ANN.  X.  PüSYIT 
TITVLVM  DE  SVO  ASTAN 
TE  CIVIBVS  SVIS 

IMPENS1  XX 

(Aus  dem  Steine.) 

AVRELIVS  SVÜ 
T  S.  MILEX.  I.E 
NIS  XI  CLAVDIE 

(Aus  Bcrtoli  A.  d.  A.) 

AVUEI.IVS.  DIZO.  MILEX 
LEG.  XI.  CLAVD.  V1XIT 
ANN.  XXVII.  MILIT.  ANN 
QVINOYE.  OBITVS.  IN 
MAVIIETANIA.  BENE 
MEHENTI.  CIVES.  ET 
COMMANIPVLI.  DE.  SVO 
FECERVNT 


(Aus  Bertoli.) 


\  iL.  AVI.VCKNTIVS  ?  LEG 
XL  CL.  MILITA.  GREGALES 
ANN.  XIIII.  ET.  CENTVRIO 
ANN.  III.  VIX.  ANN.  XL 
ET.  MEN.  V.FECIT 
MEMORIA  .  I  KATER 


(Aus  Bertoli.) 


IIII.IVS  1VSTINIYS  EQVIS  LEG 
XI  CL  P  F  Q  VIT   VNNOR  XI.VII  ET 
MII.ITAVIT   MVNIFKX  ANNIS  VI   EQVES 
WMS  Uli   Mll.l  I  \ VI  I    IN  CORTE 
I  ST  \TV  POSTERIORE  EX  PLVRIS 
MACI  is  DERISVS.  IPSIVS  IN  IPSO 
TITVLO  Xil 

(Aus  anrichtiger  Handschrift.) 


239 


D.  M.  VAL. 
QVINEVS.  DES 
CIS.  EQVILVM 
LEG.  XI.  CL.  C1VES 

(Aus  den  Wiener  Juhrbücliern. ) 

M.  D.  M.      PR 
ONIVGIS.  PIENT 
BANAF  >  COH  V 
XL  CL.  P.  F.  PHA 
A.  SECVNDIN 

(Aus  unrichtigem  Munuscripte.) 

Es  liegt  Grund  zur  Annahme  vor,  dass  Aquileja  die 
Station  zwar  nicht  der  ganzen  XI.  Legion,  doch  einer  Ab- 
teilung derselben  gewesen  sei.  Ich  wäre  geneigt  die  Auf- 
stellung eines  Theiles  der  XI.  Legion  in  Aquileja  dem  Probus 
zuzuschreiben ,  indem  er  ihn  von  der  untern  Donau  zurück- 
zog, wo  er  mit  Grundbesitz  betheilte  Soldaten  zur  Verthei- 
digung  des  Limes  ansiedelte.  Um  die  Zeit  der  NOTITIA  utri- 
usque  Imperii ,  hatte  ein  Sarmatencorps  unter  einem  Prä- 
fecten  seinen  Standort  zu  Cividale,  welches  Corps  ich  nach 
der  Nomenclatur  des  Alterthums  NVMERVS  SARMATARVM 
und  dessen  Commandanten  ich  EXARCHVS  nennen  möchte ; 
allein  in  der  Verfallszeit  verwirrten  sich  Namen  und  Dinge. 
Die  Legionäre  waren  eben  so  gut  Fremdlinge  wie  die  Sold- 
truppen;  denn  das  Bürgerrecht  reichte  an  und  für  sich  gewiss 
noch  nicht  aus,  um  einen  Barbaren  zum  Legionär  umzuschauen. 

Dieser  Valerius  Longinianus,  welcher  weder  Erben 
noch  Freunde  hatte,  denen  er  die  Sorgfalt  um  sein  Grab 
hätte  anempfehlen  können,  sagt,  in  MELVSI  INFERIORE,  einem 
Castelle  der  ABRITANER,  geboren  zu  sein.  Vergebens  würde 
man  den  Namen  dieses  Castells  oder  dieses  Volkes  bei  Geo- 
graphen von  classischem  Rufe  nachsuchen.  Aber  der  Anony- 
mus von  Ravenna,  welcher  so  vernachlässiget,  vom  Grafen 
Pellegrino  Rossi  so  arg  mitgenommen,  von  mir  jedoch  sehr 
hochgehalten  wird,  bietet  uns  Anhaltspunkte  und  wie  ich 
glaube  verlässliche.  Diese  Abritani  werden  von  dem  Anony- 
mus im  Periplo  als  in  der  Bosphorania  sesshaft  erwähnt, 
in  der  Gegend  des  heutigen  Kertsch;  in  der  Geographie 
scheint  er  von  MELVSI  SVPER.  dort  zu  erwähnen,  wo  er 
MYLYSIMON  nennt  (oder  welche  bessere  Leseart  man  sonst 
vorschlagen  wolle).  DieLösung  der  Frage,  auf  welchem  heu- 
tigen Terrain  die  zwei  MELVSI  standen,  überlasse  ich  den  Rus- 
sen, eingedenk  des  Ausspruches  eines  berühmten  Mannes,  dass 
in  solchen  Dingen  die  Eingebornen  besser  Auskunft  wissen 
als  jeder  Fremde.  Wenn  ich  es  erlebte,  den  Anonymus  in  einem 
verbesserten  Texte  zu  sehen,  so  würde  ich  es  versuchen, 
den  Schlüssel  zu  dessen  Verständniss  zu  geben ,  und  zu 
zeigen,  wie  in  der  Geographie  jenes  Mönchleins  die  Materia- 
lien ausgezeichnet,  und  aus  autoritätsvollen  alten  Quellen 
geschöpft  sind ,  und  wie  sie  zur  Kenntniss  der  alten  Geo- 
graphie sowohl  bekannter  als  unbekannter  Provinzen  dienen 
können.  Das  alte  England  ist  über  alle  andern  europäischen 
Provinzen  von  dem  Anonymus  mit  so  erschöpfender  Vollstän- 
digkeit behandelt ,  dass  es  kaum  etwas  zu  wünschen  übrig 


lässt.  Im  Anonymus  herrscht  ein  System,  ihm  selbst  mibe— 
wusst,  der  in  seiner  Unwissenheit  Jenen  ähnlich  ist,  die 
fremdes  Wissen,  welches  sie  weder  begreifen  noch  würdi- 
gen können,  für  eigene  Waare  ausgaben. 

Es  genüge  vor  der  Hand  an  einem  aquilejesischen Steine 
die  Echtheit  der  Materialien  des  Ravennaten  zu  beweisen. 
Wir  heben  hervor,  dass  die  Legende  Accente  habe,  denen 
keinerlei  Werth  und  Bedeutung  beizumessen  ist,  und  dass 
der  Stein  des  bosphoroiiisehen  Soldaten  für  andere  gesehrie- 
ben war,  dann  aber  die  Schrift  verlöscht  wurde,  jedoch  nicht 
in  der  Art,  dass  alle  Spuren  vertilgt  worden  wären.  Ich 
gebe  das  römische  Mass  des  Steines  an:  Höhe  2'  2",  Breite 
2'  7";  es  scheint  mir,  dass  für  römische  Denkmale  auch 
römisches  Mass  passend  sei.  — 

Da  ich  schon  im  Sehreiben  bin,  beliebt  es  mir  meine 
Memoiren  des  bei  Wien  Geseheneu  nachzuschlagen.  Da  i-t 
die  Rede  von  einem  Solchen  der  etwas  mehr  war  als  bloss 
fremder  Söldling,  nämlich  von  einem  REX  GERMANORVM, 
welcher  durch  Zwang  oder  durch  eigenen  Willen  römischer 
Bürger  geworden  und  zu  Carnuntum  gestorben  war.  Es  ist 
diess  ein  gewisser  AISTOMODIVS,  welcher  von  Septimius  Se- 
verus  das  Bürgerrecht  erhielt.  Ich  finde  in  meinen  Schriften  die 
Notiz  verzeichnet,  bei  demCorrespondenten  der  k.  k.  Central- 
Commission  Herrn  Widter  zu  Klein-Schwechat  die  unver- 
dächtige Marmortafel  gesehen  zu  haben,  worauf  die  Legende: 

SEPT.  AISTOMODID 

REG  GERM 
SEPTIMII      PHIL1PPV 
ETHELIOÜORV 
FRATRI INCOMPAR 
Septimis  Aistomodio 

Regi  Germanorum 
Septimii  Pliilippus 

et  Heliodorus 
Fratri  incomporabili. 

Diese  Tafel  stand  ehedem  auf  dem  Grabmale,  welches 
jenem  Könige  von  seinen  zwei  Brüdern  errichtet  wurden 
war:  auch  diese  waren  römische  Bürger  mit  dem  Beinamen 
Philipp  und  Heliodori;  während  der  König  hingegen,  stolz 
auf  den  nationalen  Namen  der  entweder  durch  die.  wenn  auch 
unglücklichen  Waffen,  oder  durch  den  Schimmer  der  Krone 
Glanz  erworben  hatte,  sich  Ustomodius  nennt,  einName, der 
nach  Abstreifung  der  lateinischen  Formen  Aistmuth  zu  sein 
scheint;  was  übrigens  die  in  deutschen  Dingen  Bewanderten 
entscheiden  mögen.  Septimius  Severus  .  welcher  die  Ger- 
manen bekriegte,  wies  diesen  neugeschaffenen  Septimiern  ein 
Asyl,  oder  wenn  man  will  ein  glänzendes  Exil  in  Carnuntum  an. 

Von  welcher  Gegend  Deutschland«,  war  dieser  Aistmuth? 
Welche  wären  die  deutschen  Zunamen  für  Philipp  und  lle- 
liodor,  im  Falle  dass  diese  Übersetzungen  ihres  deutschen 
Namens  seien?  Dr.  Peter  Kandier 

61.  (Nekrologische.-. )  Am  15.  Octoberd.J.  starb  zu 
Kis  Tapci  lesiin  Se.  Excellenz  Herr  Job.  Graf  Kegle- 
vich-Buzin,    k.    k.    w.    geheimer   Rath    und    Kämmerer. 


.11' 


240  — 


Oberstmundschenk  des  Königreiches  Ungarn,  Gutsbesitzer 
im  Bacser  Comitate  und  Conserrator  für  das  obere  Press- 
burger Verwaltungsgebiet  Ungarns. 

In  letzterer  Eigenschaft  hat  die  k.  k.  Central-Commis- 
siiui  zur  Erforschung  und  Erhaltung  der  Baudenkmale  den 
Verlust  eines  .sein-  eifrigen  Organes  zu  beklagen.  Beseelt 
von  der  wärmsten  Liehe  und  Pietät  für  den  reichen  Sehnt/. 
der  historischen  und  Kunst-  Denkmale  seines  Vaterlandes. 
unterzog  sieh  Graf  Keglevich  in  seinem  schon  vorgerückten 
Alter  mit  aller  Aufopferung  von  Zeit  und  Midie  der  ihm  als 
Conserrator  gestellten  Aufgabe,  und  seinem  Wirken  ver- 
dankt aueh  die  k.k.  Central-Commission  nicht  nur  die  Erfor- 
schung sondern  auch  die  Erhaltung  mehrerer  wichtiger  Bau- 
denkmale. Von  den  verschiedenen  Beweisen  seiner  Regsam- 
keit erwähnen  wir  nur,  dass  er  zuerst  die  Aufmerksamkeit 
auf  die  romanische  Kirche  St.  Jak.  welche  für  die  Kunst- 
geschichte Österreichs  von  grösster  Bedeutung  geworden 
ist.  lenkte,  ferner,  dass  er  bei  Sr.  Eminenz  dem  Herrn  Cardinal- 


I'rimas  von  Ungarn  die  Restauration  der  Kirche  St.  Ben  od  ek 
in  Antrag  brachte  und  durch  seine  Verwendung  die  Restau- 
ration des  in  historischer  Beziehung  interessanten  Denkmales 
der  vier  Grafen  Esterliäzy  in  Vezekäny  erwirkte.  Wir 
schliessen  uns  daher  mit  herzlicher  Theilnahine  der  Trauer 
um  den  Verlust  dieses  seltenen  Kunstfreundes  an.  —  Ausser 
dem  Genannten  sind  der  k.  k.  Central-Commission  in  kurzer 
Zeil  noch  zwei  Conservatoren  durch  den  Tod  entrissen  wor- 
den. Am  115.  Juni  starb  nämlich  der  Conserrator  für  den 
Runzlauer  Kreis  Herr  V.  Ruczizka,  Kaufmann  und  Fabri- 
kant in  Jungbunzlau,  von  welchem  sehr  schätzenwerthe  Be- 
richte über  die  Kirche  zu  Winetz  an  der  Iser,  «las  ehemalige 
Cistercienser-  Kloster  zu  Münchengrätz ,  die  Mohelinger 
Kirche  und  die  Filialkirche  zum  heil.  Wenzel  in  Seytschin 
in  Böhmen  vorliegen,  und  am  30.  August  starb  der  Conser- 
vator  fürVorarlberg  Herr  D.S.  Kögl,  Lehrer  an  der  Real- 
schule zu  Rregenz,  auf  dessen  schätzbare  Leistungen  wir 
in  einem  der  nächsten  Hefte  zurückkommen  werden. 


Literarische  Anzeige. 


Essenwein  A. :    Norddeutschlands  Bacfcsteinbau  im  Mittelalter. 

Karlsruhe  in  CommiSSion  bei  J.  Veitli.   Folio.   24  Seiten  Text 

und  36  Tafeln. 

Die  Baukunst  des  Mittelalters  geht  bei  ihren  Gebilden  von  dem 
Grundsätze  aus,  dass  Hauen  —  C  o  nst  r  u  i  ren  sei;  sie  gibt  dess- 
holb  ein  Constructionssystem,  welches  sie  im  Ganzen  und  in  seinen 
einzelnen  Theilen  so  anordnet,  dass  ein  künstlerischer  Eindruck  her- 
vorgebracht wird.  Die  Entwickelung  der  Baukunst  bewegt  sieb  also 
in  den  Grunzen  der  Entwickelung  der  Constructionssysteme,  mit 
welchen  die  Formenhildung  immer  Hand  in  Hand  ging.  Die  Construc- 
tioTi  isl  aber  stets  bedingt  von  dein  dazu  verwendeten  Materiale,  und 
so  zeigt  die  mittelalterliche  Baukunst  ganz  andere  Gestaltungen  im 
Holzbaue,  andere  im  Ziegelbaue,  andere  endlieb  im  Steinbaue. 

Im  romanischen  Style  war  das  System  des  Kirchenbaues 
eben  sowohl  im  Steinbau,  wie  im  Ziegelbau  —  ein  Massensystem. 
ein  System  von  Maoern,  über  welche  anfangs  die  Holzdecke,  später 
die  Gewölbedecke  gelegt  wurde.  Mit  dem  Gewölbebau  aber  tritt  ein 
Zusammenziehen  der  Last  der  Decke  und  zugleich  des  von  dem 
Gewölbe  ausgeübten  Seitenschubes  auf  einzelne  Punkte  ein.  Der 
Steinbau  benützte  diess,  um  im  gothi sehen  Style  das  Construc- 
tionssi  stein  als  ein  vollständiges  Pfeil  er  syst  ein  zu  gestalten,  d.  h. 
alle  Masse  auf  jene  Punkte  zu  vereinigen,  welche  die  Träger  der  Last 
sind.  Es  ist  (Hess  vorzugsweise  dem  Wesen  des  Steinbaues  ange- 
messen, dessen  Bautbeile  sieb  in  grossen  Stücken  zur  Verfügung 
stellen,  und  deren  Schwere  ein  System  bedingt,  wobei  die  einzelnen 
Theile  sich  gegenseitig  das  Gleichgewicht  ballen. 

Der  Backstein  jedoch  kömmt  in  kleineren  Stücken  zur  An- 
wendung, die  Construction  ist  darauf  hingewiesen,  eine  Anzahl  dieser 
kleinen  Stücke  zu  Massen  zusammen  zu  kitten,  es  ergibt  sieb  sonach 
für  den  Backsteinbau  eine  Architectur  in  Massen  —  ein  Mauer- 
s\  stein,  gleich  dem  romanischen  Baustyle.  Der  Backsteinbau  behielt 
daher  auch  im  gothischen  Style  den  Totalcharakter  des  romanischen. 
Nicht  minder  wesentlich  und  von  dein  Constructionssysteme  in 
steter  Abhängigkeit  gestaltet  sieb  der  Kinlluss  des  Materiales  auf  die 
Gliedern  n  ge  n  und  die  einzelnen  Bautbeile. 

Da  diese  Im  B  aeks  t  einbaue  aus  einzelnen  kleinen  Stücken 
bestehen,  so  ging  man  darauf  aus.  sie  so  zu  gestalten,  dass  nicht 
viele  Formen  nöthig  wurden —  es  ergab  sieh  als,,  eine  periodische 
Wiederkehr  aller  Einfassungsglieder.  Da  es  des  Fugenverbandes 
wegen  zum  Baue  nöthig  ist,  dass  alle  Steine  gleiche  Grösse  haben,  so 
gab  es  in  dieser  periodischen  Wiederholung  stets  Hauptabtheilungen, 
die  den  durch  die  (ir.isse  der  Steine  gebildeten  Absätzen  entspre- 
chen, wo  sodann  jede  dieser  Abtbeilungen  besonders  für  sieh  geglie- 
dert   ist,    wobei,    da    die    Grössse   der  Ziegel    niebt   bedeutend   sein 

kann,  auch  kleinere  und  minder  ausladende  Gliederungen,  als  heim 

Sleinbauc,   zur  Anwendung  kommen  inussleii. 

Ein  Gleiches  galt  für  die  Ornamentik,  auch  diese  musste  in 
Können  gepassl  werden,  es  lag  also  nahe,  manchmal  einen  reichen 

Schmuck    von  Ornamenten   anz einen,    die  aus  einer  oder  mehreren 


Formen  gepresst,  sieh  regelmässig  wiederholen  und  die  Flächen  der 
Mauerwerkes  bedecken.  Die  Ornamente  durften  aber,  da  sie  aufs 
Auspassen  berechnet  sein  mussten,  keine  grosse  Ausladung  und 
keine  (Jnterarbeitung  haben  —  sie  mussten  sehr  flach  sein.  Auch 
bierin  lag  es  demnach  nahe,  sieh  den  im  romanischen  Style  gegebenen 
Formen  anzusch Hessen. 

Ein  weiterer  Punkt,  der  in  Betracht  kommt,  ist  die  Farbe. 
Zeigt  der  Steinbau  im  romanischen  Style  häulig  die  Anwendung  des 
Farbenwechsels  im  Materiale,  welche  im  gothischen  Style  aufge- 
geben werden  musste,  weil  er  die  reiche  Formgestaltung  der  ein- 
zelnen selbstständigen  Pfeiler  gestört  hätte,  so  war  im  Ziegelbau 
während  der  gothischen  Periode  eine  solche  Farbenwirkung  um  so 
passender,  weil  sie  vorzüglich  und  oft  weil  mehr  als  das  Hache 
Ornament  im  Stande  war,  die  Mauermassen  zu  beleben.  Zudem  war 
eine  solche  Farbenwirkung  sehr  leicht  zu  erzielen,  indem  man  ein- 
zelne Steine  vor  dem  Brennen  mit  einer  farbigen  Glasmasse  überzog 
und  diese  glasirten  Steine  mit  den  gewöhnlichen  abwechseln  Hess, 
zugleich  aber  auch  einzelne  Theile  mit  Verputz  Überzog  und  bemalte. 
so  dass  sich  auf  diese  Weise  ein  reiches  Farbenspiel  über  diese 
Gebäude  ergOSS. 

Wenn  also  der  Backsteinbau  in  der  Zeit  des  gothischen  Styles 
sich  dem  Systeme  des  Sleinbaues  niebl  ansehloss.  sondern  vielmehr 
den  alten  Typen  treu  blieb,  so  müssen  wir  die  Ursache  darin  suchen, 
dass  die  Werkmeister  in  richtiger  Auffassung  der  Eigenschaften  des 
Materials,  demselben  auch  allseits  Rechnung  trugen. 

Diese  bisher  entwickelten  Ansichten  linden  wir  in  dem  Hingangs 
erwähnten  Werke  von  Essenwein  dargelegt,  und  zwar  anter 
Vorführung  einer  grossen  Reihe  von  Kunstbeispielen  aus  der  liack- 
stein-Archifcolur  Norddeutschlands,  wo  dieselbe  häutig  in  Erman- 
gelung geeigneten  Steinmateriales  in  Anwendung  kam  und  eine 
eigentümliche  Entwickelung  genominen  hat.  Dieses  Merk  isl  somit 
nicht  bloss  ein  sehr  beaehtenswerlber  Beitrag  für  die  Kunstgeschichte 
des  Mittelalters,  sondern  auch  für  den  ausübenden  Architekten  von 
hoher  Bedeutung,  indem  in  der  Arebiteelur  unserer  Gegenwart  nur 
zu  häulig  das  Wesen  des  Bauens  und  der  Kinlluss  des  Materiales  auf 
die  Construction  und  Form  unbeachtet  bleibt.  Dieses  Werk  aber  zeigt 

dem   Architekten,    wie   die   aus   Backstein   herzustellenden   Theile 

geformt  sein  müssen,   um  dein  Materiale  zu  entsprechen:    denn  wenn 

auch  manche  Rohheiten  dieser  Bauweise  nicht  in  Abrede  zu  stellen 

sind,   so  ist  sie  doch  von  Handwerkern  ausgegangen,  die  nicht  durch 

mannigfache  Einflüsse  und  Studien  entfern!  liegender  Formen  verbil- 
detwaren, sondern  mit  einfachem  schlichtem  Sinn  aus  ihrem  Materiale 

gerade  das  machten,   was  ihm  angemessen  war. 

Die  dem  Werke  beigegebenen  Tafeln  umfassen  alle  Bautbeile, 
die    Mauerflächen,     Gesimse,    Thürcn.    Fenster.    Pfeiler,    (iewolbe, 

Strebepfeiler.  Giebel,  Thürme  u.s.  f.,  sie  sind  dem  Zwecke  voll- 
kommen entsprechend  gearbeitet  Ein  Aufwand  grösserer  Mittel 
hätte  sie  für  das  Auge  des  Kaien  vielleicht  bestechender  gemacht, 

für    den    Zweck    der    Belehrung,     und    diese   suchen    v\ir   in    Bolchen 

Speciniwerken,  reichen  sie  vollkommen  aus. 

GH. 


Aus  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei  in  W  ien. 


Jeden  Monat  erscheint  1  lieft  7.11 
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dungen. 
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MITTHEILUNGEN 


DER  K.  K.  CENTRAL- C0MMISS10N 


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alle  k.k.  PuliaterderHoiarehie, 

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handels sind  alle  Pränumerationen 
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m  niuiG  i\d  ekii  ilti  \i.  der  ii\i  iieikii  ile. 

Herausgegeben  unter  der  Leitung  des  k.  k.  Seclions-Chefs  und  Präses  der  k.  k.  Central-Gommissioo  Karl  Freiherrn  v.  Czoenrig. 

Redacteur:    h  a  r  1  Weiss. 


m  12. 


I.  Jahrgang. 


Decemlier  IMS. 


Inhalt:  Charakteristik  der  Baudenkmale  Böhmens.  —  Ein  archäologischer  Ausflug  nach  Feldbach ,  Fehring  und  Perilstein  in  Steier- 
mark. —  Die  Kirche  und  Rundcapelle  zu  Deutsch-Altenburg  in  Niederösterreich.  —  Über  den  Bau  und  die  Einrichtung  der 
Cistereienser-Klöster  und  Kirchen.  —  Notizen.  —  Literarische  Anzeigen. 


Charakteristik  der  Baudenkmale  Böhmens. 

Nach  den  bedeutendsten  Bauwerken  zusammengestellt  von   Bernhard  Grueber,  Architekten  und  Professur  der  Baukunst. 

(Sehluss.) 

Etwa  bis  zum  Jahre  1380  wurden  die  meisten  grossen  Benesch   von   Latin   erbaute  zwischen    1480  und 

Bauten  im  Lande  von  Künstlern   ausgeführt,  welche  theils  1502  auf  dem  Hradschin  in  Prag  den  Wladislaw'schen  Saal, 

aus   Frankreich,    theils    aus   Deutschland   berufen    worden  dessen  vielverschlungenes  Netzwerk  zwar  kunstreich,  aber 

waren.  Bei  der  grossen  Bauthiiligkeit  unter  Karl  IV.  bildete  auch  geschmacklos  genannt  werden    darf.    Einen    reineren 

sich  aber  allmählich   eine  einheimische  Architecturschule,  Geschmack  hat  er  in  der  Dechanteikirche  zu  Latin  einge- 

welche  im  Ganzen  an  den   durch  den  Dombau   gegebenen  halten,   einer  grossartigen  Halle,    welche  Benesch  um  das 

Motiven  festhielt,   denselben  aber  ein  eigentümliches  Ge-  Jahr  1520  erbaute. 

präge   zu   verleihen   wusste.     Hauptwerke    dieser    spätem  Ungleich  bedeutender  erscheint  Matthias  Reis  ek  aus 

gothischen  Periode  sind  die  Brückenthürme  und  die  Teyn-  Prostejov  (Prostiegow),  der  sich  ohne  eigentliche  Anleitung 

kirche  zu  Prag,  die  Kirchen  zu  Kuttenberg,  laslau,  zum  Architekten  ausgebildet  hat.  Beisek  war  Rector  an  der 

Klattau,     Laun,    Bakonitz,    Slavetiu,    Brüx    und  Teynschule  in  Prag  und  hatte  sich  die  Würde  eines  Bacca- 

an  anderen  Orten.  laureus  erworben;  der  Name  Beisek  wurde  ihm  wegen  sei- 

Die  Eigentümlichkeiten  der  späteren  böhmischen  Bau-  ner  Gewandtheit  im  Zeichnen  beigelegt.  Er  vollendete  1477 
meister  treffen  wir  zum  grossen  Theile  schon  in  den  den  vom  Künig  Wladislaw  durch  den  Meister  Wenzel  be- 
Werken ihrer  Lehrer  und  Vorbildner  an,  als  welche  die  drei  gonnenen  sogenannten  Pulvertburm  und  verschaffte  sich 
Meister:  Wilhelm  von  Avignon, Matthias  von  Arras  durch  diesen  Bau  einen  solchen  Namen,  dass  er  zum  Bau- 
und  Peter  von  Gmünd  angesehen  werden  müssen.  Die  meister  der  bereits  begonnenen  St.  Barbarakirche  in  Kutten- 
Manier  der  beiden  Franzosen  mag  durch  den  Puritanismus,  berg  erwählt  wurde. 

der  von  den  Bettelorden  ausging,  vielfach  bestimmt  worden  Die  St.  Barbarakirche  in  Kutten  borg  theilt  das 

sein:  der  Meister  von  Gmünd  aber  liess  seiner  Phantasie  Schicksal  des  Präger  Domes,  sie  ist  unvollendet  geblieben  ; 

gerne    den    Zügel    schiessen    und     suchte    ungewöhnliche  es  fehlen  die  ganze  Westseite  sammt  der  Verhalle  und  den 

Effecte.  Daher  diese  übermässige  Strebsamkeit  in  die  Höhe,  Thürmen.  Das  Haus  ist  fünfschiffig,  ohne  Kreuz  vor  läge  oder 

diese  Lust  an  auffallenden  Formen,  welche  sich  in  der  höh-  Querschiff,  aber  mit  einem  Umgange  um  den   hohen  Chor 

mischen    Gothik    neben  einer   sonderbaren   Magerkeit   der  und    dem  entsprechenden  Kranze   von    acht    Capellen   ver- 

Detailbildungen  geltend  machen.  sehen.    Der  vollendete  Theil  misst    186   in  der  Laune    und 

Die  hervorragenden  Talente  der  neuen    Schule  sind  102'  in  der   Breite  (im  Lichten);  das  Mittelschiff  bält  von 

Benesch    von  Laun  und  Matthias  Reisek,    dann  die  Achse  zu  Achse  34  Fuss.  Nach  den  vorhandenen  Substruc- 

Kruniauer  Meister  Stanko  und  Kreschitz.    Alle  gehören  tionen  war  die  ganze  Länge  auf  300   berechnet.  Der  innere 

dem  fünfzehnten  Jahrhundert  an,    ihr  Wirken  greift  jedoch  Chorschluss  ist  fünfseitig  aus  dem  Neuneck,  der  Capellen- 

zum  grössteh  Theile  in  das  folgende  hinüber.  kränz  aber  nach  einer  seltsamen  Gewölbetheilung  sechsseitig 

32 


242 


aus  dem  Zwölfeck  construirt ,  so  dass  bei  den  Capellen 
ein  Pfeiler  in  die  Mitte  der  Kirche  fällt.  I >i«-  äusseren 
Seitenschiffe  sind  niedriger  als  die  innern,  und  schliessen 
mit  dem  zweiten  Gewölbjoche  vor  dem  Chorpolygon  ab,  die 
innern  Seitenschiffe  erheben  sich  zur  Höhe  von  43  und 
oberhalb  derselben  befindet  sich  eine  Emporkirche,  welche 
dasganze  Langhaus  umziehen  sollte.  Diese  Einrichtung,  wo- 
durcb  die  Barbarakirche  sich  von  allen  grossen  Kirchencon- 
structionen  unterscheidet,  verbindet  die  Vortheile  derHallen- 

kirche  mit  dem  alten  Basilikensysten il  bringt  bei  näclitlicher 

Beleuchtung  einen  zauberhaften  Effecl  hervor.  Die  Capellen 
mit  dem  Umgange  sind  mit  besondern  Dächern  eingedeckt, 
so  dass  der  Chor  sich  hoch  und  frei  an  der  Ostseite  erhebt. 
Die  Chorgewölbe  sind  netzartig  in  geraden  Linien. 
ähnlich  wie  im  Prager  Dome  gestaltet;  eine  ganz  besondere 
Bildung  aber  zeigen  die  Gewölbe  im  Schiffe  und  in  den 
Emporen,  deren  Rippen  sich  vielfach  durchschneiden  und 
abwechselnd  vier- und  sechsfelderige,  aus  Kreislinien  gezo- 
gene Sterne  bilden.  Dabei  wickeln  sich  die  Rippen  in  sonder- 
baren Spirallinien  von  den  Pfeilern  ab,  so  dass  die  Rippen 
des  Mittelgewölbes  in  den  Seitenschiffen,  die  der  Seiten- 
schiffe aber  im  Mittelschiffe  entspringen  und  rund  um  die 
Pfeiler  herumlaufen.  An  den  Fenstern  linden  sich  Motive 
der  englischen  Gothik;  gedrückte,  geschweifte  und  Tudor- 
bögen  nehen  einander,  wobei  die  Felder  manchmal  mit 
Masswerken  durchflochten  sind.  Um  nun  die  Eigentümlich- 
keiten zusammenzufassen,  müssen  wir  die  drei  Mittelschiffe 
des  Langhauses  als  eine  Hallenkirche  bezeichnen,  an  welche 
sieh  rechts  und  links  Seitengänge  anlehnen;  das  Presbyte- 
rium  aber  ist  ein  einschiffiger  Bau,  welcher  sich  über  den 
I  mgang  und  den  Capellen  in  fast  unabhängiger  Weise 
erhellt.  Man  darf  bei  Beurtheilung  dieses  Gebäudes  nicht 
an  auswärtige  Bauten  denken  und  Vergleichungen  mit  der 
französisch-rheinischen  Schule  anstellen,  es  will  ganz  allein 
t'i'w  sich  li  brachtet  und  studirt  sein.  Schade,  dass  das  Innere 
durch  Kalktünche  entstellt  worden  ist;  eine  entsprechende 
Reinigung    wurde    die    Schönheil    der    Linien    wesentlich 

liehen. 

Korinek,  der  Kuttenberger  Chronist,  erzählt,  dass  die 
feierliche  Grundsteinlegung  der  Barbarakirche  im  Jahre 
14s:j  stattgefunden  hat,  fügt  aber  hinzu,  dass  die  Kirche 
wenigstens  um  130  Jahre  älter  sein  müsse.  Diese  letztere 
Vngabe  ist  indess  etwas  übertrieben,  wie  sieh  aus  folgenden 

Date -gibt.    In  den  vom  Erzbischof   tatest  um  das  Jahr 

1358  angelegten  Errichtungsbüchern  kommt  diese  Kirche 

ih  nicht  vor,  aber  in  den  Jahren  Li.sti  und  [393  wurden 

Messen  dahin  gestiftet  und  eine  päpstliche  Bulle  von  I4(il 
empfiehlt  in  der  üblichen  Weise  die  I  nterstützung  des  Kir- 
chenbaues. Diese  Daten  mit  dem  Charakter  der  ältesten 
Kirelieiiilieile  verglichen,  ergeben  ziemlich  sicher,  dass  die 
Kirche  unter  der  Regierung  Wenzel  des  Vierten  um  1390 

begn n   worden   sei.    Der   Umstand,   dass   viele   Details, 

namentlich  die  Pfeiler-Construction,   der  Umgang   und   die 


Capellenverhältnisse  offenbar  ;ms  dem  Koliner  Chorbau  ent- 
lehnt sind,  lassen  ver then,  dass  der  erste'  Plan  von  einem 

Schüler  des  Peter  von  Gmünd  herrühre. 

Dieser  erste  Plan  war  aber  nicht  fünfschiffig  entworfen 
wie  die  gegenwärtige  Kirche;  noch  weniger  sollte  eine 
Hallenkirche  errichtet  werden.  Der  erste  Plan  hatte  eine 
bedeutende  Kreuzvorlage  und  nur  drei  Schiffe;  die  äusseren 
Seitenschiffe  wurden  später  angehängt,  oder  vielmehr,  es 
wurde  die  angefangene  Kreuzvorlage  in  Seitenschiffe  um- 
gewandelt. Diese  allmählichen  Änderungen  sind   genau  am 

Gebäude  nachzuweisei d  diesen   Wiamlornngen  sind  auch 

die  ausserordentlich  vielen  Fehler  zuzuschreiben  .  welche 
am  Chorbau  vorkommen. 

Die  Grundsteinlegung  Nein  Jahre  I  is;i  geschah,  als 
das  Schiff  fortgesetzt  werden  seilte  und  Magister  Reisek  die 
Bauleitung  übernahm.  Diesem  ist  die  Umwandlung  des 
Schiffes  in  eine  Hallenkirche  beizumessen,  ein  allerdings 
kühner  Gedanke,  der  aber  doch  die  Gesammtharmonie 
ausserordentlich  beeinträchtigte.  Reisek  führte  den  Mau  bis 
1502  oder  1505;  nach  ihm  werden  noch  mehrere  Meister 

Hanns.  Johann,  Benedict  und  Niclas  gern t.   bis  im  Jahre 

1548  die  Arbeiten  ganz  eingestellt  wurden.  Korinek  hal 
seiner  Chronik  auch  einen  Grundriss  der  St.  Barbarakirche 
beigefügt,  wie  sie  hätte  werden  sollen,  mit  Angabe,  wie  weil 
der  Bau  ausgeführt  worden  ist.  Dieser  Plan,  der  kaum  fünf- 
zig Jahre  nach  der  Einstellung  des  Baues  gefertigt  worden 
ist.  tragt  hei  aller  Formlosigkeit  der  Einzelheiten  die  sicher- 
sten Anzeichen,  dass  er  einem  echten  Baurisse  entnommen 
worden  ist.  Diesem  Plane  gemäss  hätten  1 3  Pfeiler  auf  jeder 
Seite,  zusammen  26  Pfeiler,  das  Mittelschiff  getragen.  Dazu 
kommen  S  Chorpfeiler,  4  auf  jeder  Seite,  w  eiche  den  Umgang 
bilden.  Die  Westseite  wäre  sodann  mit  zwei  Thürmen  und 
einem,  wie  es  scheint,  vorgetragenen  Portalbau  abgeschlossen 
worden.  Ausgeführt  wurde  die  Kirche  nur  Ins  zum  siebenten 
Schiffspfeiler,  an  dessen  Stelle  im  Jahre  1548  eine  Noth- 
inauer  errichtet  und  der  Bau  wenigstens  vor  der  Hand 
gesichert  wurde. 

In  der  Ausführung  kann  man  drei  verschiedene  Epochen 

genau  unterscheiden.  Die  erste  mnfassl  den   Chorbi ml 

den  Untertheil  der  Pfeiler  im  Hauptschiffe  von  1390  Ins  /.um 
Ausbruche  der  Unruhen,  die  zweite  die  Anlage  der  äusseren 

Seitenschiffe,  von  beiläufig  1483  bis  1505,  die  dritte  endlich 

das  Aufstellen  der  Emporen  und  Gewölbhallen,  von  1505 
bis  zum  Einstellen  des  Baues.  Der  Chor  zeigt  zwar  die  auf- 
fallendsten Unregelmässigkeiten  und  Verstösse,  aber  auch 
die  schönste  Gliederung  und  die  am  besten  durchgebildeten 
Theile.  Die   arbeiten  nach  1505  zeigen  sich  regelmässiger, 

sind  aher  ungleich  roher  durchgeführt  .  und    die  allzu  künsl- 

lichen  Gewölbe  haben  schon    frühzeitig   sehr  gelitten.  Am 

allen  BaU  sind  die  '/'wische auern  von  lirilchsleineu  ausge- 
führt und  nur  die  Streben,  Pfeiler  und  Fenster  von  behauenen 

Uliadern:    der  neue  Thoil  aher  zeig!    durrhgehonds  Uuador- 

mauerwerk ,     wozu     Sandstein    aus    der    unmittelbarsten 


243 


Nähe  benutzt  wurde.  Wir  geben  hier  (Fig.  38,  M) ,  4(1 
und  41  )  einige  Details  der  Barbarakirche  mit  Bezug  auf  die 
verschiedenen    Bauperioden  der  Kirche. 

j  In  der  St.    Bar- 

barakirche linden 
sieh  viele  alte  Holz- 
schnitzereien, woran 
Kuttenberg  über- 
haupt reich  ist. 
Kuttenberg  ist  das 
böhmische  Nürn- 
berg, eine  d  ur  c  h- 
aus  alterthümliche 
Stadt,  wo  liehen 
vielen  alten  Kirchen 
auch  Privatgebäu- 
de, Brunnen  und 
andere  Denkmale 
sich  erhalten  haben. 
Das  steinerne  Haus 
in  Kuttenberg  wie 
die  übrigen  älteren 
Bauwerke  nähern 
sich  oft  der  nürn- 
bergischen Bau- 
weise und  gehören 
fast  sämnitlieh  dem 
vorgerückten  fünf- 
zehnten Jahrhun- 
derte an.  — 

Als  zweitgröss- 
tes  und  sehr  bedeu- 
tungsvolles Werk  der  spätgothischen  Schule  erscheint  die 
Hauptpfarrkirche  Maria  Himmelfahrt  am  Teyn  in 
Prag,  welche  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  im  Jahre  1407  von 
den  deutschen  und  böhmischen  Kaufleuten  gegründet  und  erst 
durch  König  Podiebrad  gegen  14(50  vollendet  worden  ist. 
Die  Teynkirche  soll  schon  vom  Herzog  Böfiwoy  gegen 
Ende  des  neunten  Jahrhunderts  angelegt  worden  sein. 
wurde  wiederholt  zerstört  und  erstand  jedesmal  wieder  im 
verschönerten  und  vergrösserten  Massstabe.  Da  die  ganze 
Kirche  aus  rauhen  Bruchsteinen  mit  eingelegten  Quadern 
erbaut  ist.  lässt  sich  nicht  genau  sagen,  ob  und  welche  Theile 
ein  höheres  Alter  haben,  als  die  oben  genannte  Bauzeit;  boeb- 
alterthümliches  Mauerwerk,  wie  an  der  Apsis  von  St.  Georg 
oder  der  St.  Marlins-Capelle  auf  dem  Wissehrad  kömmt  hier 
nur  au  einigen  Substructionen  vor.  Die  Anlage  ist  in  Anbetracht 
der  späten  Bauzeit  ungewöhnlich  einfach,  die  Detailbildung 
correct  und  ohne  alle  Überladung,  so  dass  es  wahrscheinlich 
wird,  die  ganze  Ostseite  gehöre,  wenigstens  in  den  Funda- 
menten, der  Zeit  Karl  IV.  an.  Die  Grundform  zeigt  ein  drei- 
schiffiges  Langhaus  ohne  Vierung  und  ohne  Kreuzvorlage, 
welches  in  der  Länge  19ö    und  in  der  Breite  9'i'  im  Lichten 


misst.  Vier  freie  Pfeiler 
(heilen  die  Schifte  ''in.  wo- 
bei das  Hauptschiff  voii 
\ili<i-  zu  Achse  41  '■• 
hält.  Zwei  besondere  ver- 
stärkte Pfeiler  an  der 
\\  estseite  tragen  die  \  or- 


(Fig.  39.) 


(Fig.  Vi  I 


(Fig.  ii  i 

halle  mit  der  Empore  und  unter- 
stützen die  beiden  Thürme.  Diese 
sind  von  quadratischer  Grund- 
form, steigen  senkrecht  auf  bis  zur 
Giebelhöhe  des  Mittelschiffes,  wo 
die  Mauern  mit  einer  Gallerie 
abschliessen  und  die  achteckigen 
Helme  ohne  sonstige  Vermittelung 
beginnen.  Die  Helme  sind  von  aus- 
gezeichnet schöner  Form  und  mit 
einem     doppellen     Kranze     kleiner 

Thürmchen  umgeben  (Fig.  4'i). 
Die  Helme  der  Teynkirche  wurden 
wiederholt  nachgeahmt,  z.  B.  i'i 
Pardubitz  und  an  der  Stephans- 
lurche in  Prag. 

Der  Chorschluss  besteht  aus 
vier  Seilen  des  Achteckes,  so  dass 
ein  Pfeiler  in  der  Mitte  hinter  den 
Hauptaltar   zu   sieben  kommt,    eine 

in  der  zweiten  gothischen  Periode 
beliebte  Anordnung.  Di«'  Seiten- 
schiffe hingegen  schliessen  aufge- 
u  öhnliche  Art  mit  fünf  Seilen  des 
Achtecks  ab  und  sind  mit  einfachen 
Kreuzgew  ölben  überdeckt. 

Das  Mittelschiff  und  die  West- 
seite     verratben      den      neuesten 
Ursprung    (abgesehen     von     der 
32° 


244 


Renovation  des  Jahres  1714).  Im  Jahre  1679  entzündete 
nämlich  ein  Blitzstrahl  den  Dachstuhl  über  dem  Hauptschiffe, 
wobei  sämmtliche  Mittelgewölbe  sammt  der  Chorschluss- 
wölbung einstürzten.  Die  Wiederherstellung  geschah  im 
Jahre  1714  und  dehnte  sich  über  das  ganze  Mittelschiff 
aus.  natürlich  im  Geschmack  jener  Zeit,  wesshalh  nur  die 
Pfeiler  noch  theilweise  die  alte  Form  erkennen  lassen. 

Die  Teynkirche  zeigt  im  Gegensatze  zu  den  langen 
und  schmalen  Kirchen  Böhmens  eine  ungewöhnliche  Breite 
im  Verhältnisse  zu  ihrer  Länge.  Die  Westseite  mit  den 
Thürmen,  welche  erwiesenermassen  in  der  zweiten  Hälfte  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts  errichtet  wurde ,  erinnert  sehr 
an  die  St.  Lorenzkirche  von  Nürnberg,  nicht  allein  durch  die 
schlanken  Thurmspitzen  und  den  hohen  Giebel,  sondern  auch 

in  ihren  Gesammtverhält- 
nissen.  Interessant  ist  gleich- 
falls die  Gestaltung  derKnor- 
H^  reu,  wie  wir  diess  hier  in 
einem  Beispiele  (Fig.  43) 
zeigen.  Bemerkenswert  ist 
noch  das  baldachinartige  Monument  ,  welches  Magister 
Reisek  dem  utraquistischen  Bisehof  Luzina  auf  Anordnung 
des  Prager  Magistrates  im  Jahre  1 494  errichtet  hat.  Es  ist 
diess  wohl  die  schwächste  Arbeit  Reisek's  und  zumeist 
durch  das  daran  angebrachte  Wappen  und  zwei  Inschriften 
der  Halerbruderschaft  merkwürdig. 

Eines  der  letzten  Werke,  welches  noch  im  eigentlich 
gotlüschen  Style  aufgeführt  wurde,  möchte  wohl  die  Dechan- 
teikirche  in  Blatt  na  sein,  grösstenteils  dem  siebzehn- 
ten Jahrhundert  angehörig.  Der  aus  dem  Achtecke  geschlos- 
sene Chor  ist  älter  und  niedriger  als  das  Langhaus,  welches 
durch  drei  runde  Säulen  (von  36'  Höhe  und  2'  6''  Durch- 
messer) in  zwei  Schilfe  eingctheilt  ist  (Fig.  44).    Der  Chor 


h= 


._  kO  V  ~^ 


(Fig    44.) 

wurde  um  1530,  die  Schiffe  etwa  90 Jahre  später  vollendet 
Do-  Länge  des  ganzen  Hauses  beträgt  150',  wovon  100'  für 

das  Schilf.  50'  für  den  Chor  genoi m  sind;  die  Breite  des 

I.  ghauses  hält  22'  die  des  Chores  2(> .  Absonderliche  For- 
men zeigen  die  Wölbungen  der  beiden  Schiffe;  diese  sind 
nach  einer  parabolischen  Linie  beschrieben  und  bestehen  aus 
kleinen  rautenförmigen  Kappen,  aber  ohne  Rippen  (Fig. 45). 


Diese  Bildung  scheint  echt  slavisch 
und  kömmt  auch  in  den  Burgen 
von  Karlstein  und  Meissen.  dann  in 
Mähren  und  Ungarn  vor.  Der  Chor 
hat  Sterngewölbe  mit  Kippen,  nach 
einem  stumpfen  Spitzbogen  gebil- 
det. Eine  auf  Tragsteinen  vorge- 
baute Gallerie  an  der  linken  Seite 
des  Presbyteriums  enthält  sohl) 
sonderbare  Hasswerke  von  rohe- 
ster  Art.  dass  wir  die  Zeichnung 
eines  Feldes  beigefügt  haben 
(Fig.  40).  Das  Materiale  ist  sprö- 
der Granit,  der  als  Bruchstein 
(Fig  46.)  mit  Quadereinlagen  verhaut  wurde. 

Dem  ungefügen  Materiale  müssen  viele  der  abnormen  Detail- 
bildungen zugesehriehen  «erden,  denn  die  Kirche  macht 
trotz  der  rohen  Ausführung  einen  unglaublichen  Effect  und 
verräth  die  Hand  eines  talentvollen  Künstlers,  dessen  Name 
jedoch  unbekannt  ist.  Zweischiffige  gothische  Kirchen  kom- 
men im  Süden  Böhmens  öfter  vor,  so  die  zierliche  Maria- 
kirche in  Gojau  und  ilie  Pfarrkirche  in  S  obies  I  au.  welche 
ganz  ausnahmsweise  einen  rechteckigen  Chorschluss  zeigt. 
Regelrechterund  feiner  gegliedert  darf  man  allerdings 
die  Arbeiten  der  Krumauer  Meister  Sta  n  ko  und  K  res  c  hitz 
nennen,  als  die  der  innero  böhmischen  Schule;  aber  sie 
haben  auch  minder  bedeutende  Aufgaben  zu  lösen  gehabt, 
Das  bedeutendste  Werk,  die  Maria -Himmelfahrtskirche  in 
Kr  u  mau  misst  130'  in  der  Länge  und  50'  in  der  Breite. 
Der  Chor  ist  SO'  lang  und  25'  breit;  eben  so  weit  ist  auch 
das  Mittelschiff.  Vier  freie  Pfeiler  auf  jeder  Seile  (heilen 
das  Langhaus  in  drei  Schilfe,  der  Chor  ist  einschiffig  und 
aus  dem  Achteck  geschlossen.  Die  Pfeiler  zeigen  in  ihrer 
Längenstellung  abwechselnd  achteckige  und  aus  vier  Halb- 
kreisen zusammengesetzte  Grundformen,  halten  nur  3' 3" 
im  Durchmesser  und  sind  mit  Figuren  und  wunderschönen 
Baldachinen  decorirt.  Das  Schiff  ist  schlank,  ohne  jene  hoch- 
strebenden Verhältnisse  zu  zeigen,  welche  wir  als  Aus- 
zeichnung der  cechischen  Schule  genannt  haben.  Gleiche 
Anordnung  und  dieselben  Grössenverhältnisse  mit  derKrum- 
auerkirche  zeigt  auch  die  Piaristenkirche in  Budweis,  de- 
ren Wandpfeiler  mit  besonders  schönen  Capitälen  geziert 
sind.  In  derselben  Durchbildung  zeigen  sich  die  meisten 
Kirchen  der  Südspitze  Böhmens,  wo  in  der  ersten  Hälfte 
des  fünfzehnten  Jahrhunderts  eine  bedeutende  Kunsttbätig- 
keit  herrschte.  Ihrem  Charakter  nach  gehören  diese  Bau- 
werke nur  halb  der  cechischen  Schule  an  :  der  von  den 
Donaugegenden  herübergedrungene  Einfluss  ist  weder  in 
der  Anordnung  noch  in  den  Details  zu  verkennen. 

Von  allen  Werken  dir  späthgothischen  Schule  sind  die 
Leistungen  im  kleinen  Genre  am  meisten  gewürdigt  worden, 
und  in  diesem  Gebiete  wurde  in  der  That  Ausgezeich- 
netes geschaffen.  Obenan  sieht  derBrückenthurm  in  der 


24.1 


Altstadt  Prags,  ein  wegen  seiner  Leichtigkeit  und  treff- 
lichen Steinarbeit  bewunderungswürdiges  Gebäude,  erbaut 
im  Jahre  1451.  Alle  Maaswerke  und  Gliederungen  sind  hier 
frei  vorgetragen  (Fig.  47)  und  ruhen  nur 
auf  den  Hauptgesimsen ,  durch  welche 
Anordnung  die  quadratische  Masse  ober- 
halb des  Bogens  ein  äusserst  leichtes 
durchbrochenes  Ansehen  gewinnen.  Etwas 
einfacher,  aber  eben  so  glücklich  ange- 
ordnet erscheint  der  vollendeteKleinseitner 
Brückenthurm,  welcher  jedoch  auf  alten 
Fundamenten  ruht. 
Wir  geben  liier  zugleich  eine  Reihe  von  Steinmetz- 
zeichen, die  sich  theils  an  dem  Kleinseitner  Brückenthurm 


V 


/ 


A 


A 


theils  au  dem  Brückenthurm  der  Altstadt 


> 


h 


vorgefunden  haben. 


Noch  viel  älter  sind  die  Mauerreste  des  nebenanstehen- 
den südlichen  Thurmes,  welche  dem  zwölften  Jahrhunderte 
(ihrer  Construction  nach)  angehören. 

Das  schon  genannte  „steinerne  Haus"  in  Kuttenberg 
hat  zwar  manche  Änderungen  erfahren,  lässt  aber  die  alte 
Pracht  noch  erkennen.  Die  Facade,  31'  breit  und  75'  hoch, 
ruht  auf  zwei  schlanken  Bögen,  unter  denen  eine  freie  Halle 
befindlich  war.  Am  Mittelpfeiler  zieht  sich  das  Postament 
eines  freien  Erkers  hinauf,  neben  welchem  auf  jeder  Seite 
nur  ein  Fenster  steht.  Der  steile  Giebel  prangt  in  reichem 
Schmucke  von  Sculpturen  und  Wappen  und  ist  mit  Kriech- 
blumen oder  Bossen  eingesäumt.  Die  Blattwerke,  sowohl  am 
Erker  wie  im  Hauptgesimse,  zeigen  süddeutsche  Bildung  und 
sind  reiner  ausgeführt  als  die  Ornamente  Beisek's.  Kr  um  au, 
Latin,  Taus,  Klattau,  Schlau,  Leitmeritz,  Pilsen 
und  noch  mehrere  Orte  haben  gelungene  Werke  der  spät- 
gothischen  Profan-Architectur  aufzuweisen. 


VI. 
Übergang  zur  Renaissance  (nach  I530)* 

Wir  haben  gesehen,  dass  der  romanische  Baustyl  sich 
in  Böhmen  sehr  lange  erhalten  hat,  nachdem  derselbe  in  den 
Ländern  ringsum  längst  aufgegeben  war.  Dieselbe  Erschei- 
nung zeigt  sich  aber  wieder  in  viel  auffallenderer  Weise  am 
Schlüsse  der  gothischen  Periode. 

Während  Kaiser  Ferdinand  I.  im  Jahre  1534  durch 
den  italienischen  Baumeister  Ferrabosco  das  berühmte  Lust- 


haus, Belvedere  genannt,  im  Präger  Schlossgarten  im  Re- 
naissancestyl auffuhren  liess,  hielten  alle  böhmischen  Meister 
noch  beinahe  ein  volles  Jahrhundert  an  der  Gothik  fest.  Die 
Kirchen  von  Laun,  Sla  vetin,  Meluik.  Blatt  na, 
Tabor,  Briix,  Czaslau  und  viele  andere  wurden  um 
dieselbe  Zeit  und  wohl  noch  später  entweder  vom  Grunde 
aus  neu  erbaut  oder  in  umfassender  Weise  restaurirt. 

Natürlich  konnte  es  nicht  fehlen,  dass  nicht  einige 
Elemente  der  neuen  Richtung,  welche  sieh  am  Belvedere 
in  so  glänzender  Weise  aussprach,  in  die  Gothik  mit  ein- 
gemengt wurden.  So  entstand  um  die  Mitte  des  sechzehnten 
Jahrhunderts  eine  gemischte  Richtung,  welche,  die  gothi- 
schen Constructionen  festhaltend,  den  decorativen  Theil  der 
Renaissance  in  sich  -aufnahm  und  die  an  Privatgebäuden 
sich  oft  sehr  glücklich  äusserte. 

Reispiele  dieser  Art  sind  seilen  und  meist  auf  dem  Lande 
zu  finden;  so  z.  B.  ein  Herrenhaus  in  Bensen,  1580,  dann 
ein  Theil  der  Schlösser  Kruman,  Blatt  na  und  Smecna. 
Erscheinungen  dieser  Art  sind  naturgemäss  und  finden  sich 
an  allen  Orten;  eine  zweite  Art  späthgothischer  Bauübung 
kömmt  nur  den  höhmischen  Landen  zu. 

Es  wurden  nämlich  noch  im  achtzehnten  Jahrhunderte 
zwei  gothische  Kirchen  erster  Grösse  erbaut,  die  Cistercien- 
serkirche  zu  Sedletz  und  die  Stiftskirche  in  Kladrau. 
Die  Behandlung  ist  ganz  absonderlich,  halb  Copie  und  auf 
Tradition  fussend ,  zur  anderen  Hälfte  aber  willkürlich 
mit  Vermengung  aller  Elemente. 

An  beiden  Kirchen  sind  zum  Theile  alte  Fundamente 
benutzt  worden,  welcher  Umstand  im  Verein  mit  den  neu 
verschärften  Klosterregeln  zur  Einhaltung  des  gothischen 
Styles  geführt  hat. 

Die  Kirche  zu  Kladrau  wurde  von  Kilian  Dinzen- 
hofer  entworfen  und  zum  grossen  Theile  auch  ausgeführt. 
Dieser  Bau  zeigt  sogar  eine  Kuppel  und  macht  einen  höchst 
grossartigen  Eindruck,  was  freilich  zumeist  der  materiellen 
Grösse  (die  Kirche  misst  über  300  Fuss  an  der  Länge  I  zu- 
zuschreiben ist. 

Die  Sedletzer  Kirche  ist  gegen  aussen  so  einfach,  als 
nur  möglich  gehalten,  gleichfalls  über  300'  lang  und  100 
im  Lichten  weit.  Diese  Kirche  hat  fünf  Schilfe  und  diebeiden 
Seitenschiffe  umziehen  den  hohen,  aus  dem  Achteck  con- 
struirten  Chor,  Wenn  das  Äussere  bei  übermässiger  Nüch- 
ternheit doch  im  Ganzen  ziemlich  correel  erscheint,  und  mit 
Ausnahme  der  westlichen  Facade  für  ein  Werk  des  fünf- 
zehnten Jahrhunderts  gelten  könnte ,  finden  sich  im  Innern 
desto  mehr  Cflriositäten. 

In  den  Seitenschiffen  stehen  toscanische  Säulen,  aus 
denen  (und  zwar  noch  unterhalb  der  Capitäler)  gothische 
Rippen  entspringen.  Diese  Bippen  tragen  und  umschliessen 
wieder  römische  Gewölbe  u,  s.  w. 

Der  Chor  verrälh  allerdings  noch  alte  Anlage,  ob  jedoch 
mehr  als  die  Gründe  bei  dem  gegenwärtigen  Mau  benutzt 
worden  sind,  ist  nicht  zu  entscheiden. 


24«   — 


VII. 

I»cr  KeiiaissaiK'tvstjl. 
(XVI  u.  XVII  Jahrhtiudei-t.) 

Der  edlen  Renaissance  gehört  nur  ein  einzigesder  in  Böh- 
men  aufgeführten  Bauwerke  an.  nämlich  das  schon  erwähnte 
Lusthaus  des  Kaisers  Ferdinand  I..  unbestritten  das  vortreffli- 
chste Werk  dieser  Art.  welches  Deutschland  aufzuweisen  hat. 

Kin  offener,  von  jonischen  Säulen  getragener  Gang, 
sechs  Säulen  in  der  Fronte  und  dreizehn  in  der  Langseite, 
umzieht  eine  Hallo,  welche  sich  als  Pavillon  im  obern  Stock- 
werke über  ilem  Säulengange  erhebt.  Die  Grundanlage  ist 
also  die  eines  antiken  sechssäuligen  Peripteraltempels.  Reiche 
Galleriegeländer  krönen  die  Bogenstellungen,  deren  ausser- 
ordentliche Zierlichkeit  nicht  genng  bewundert  werden  kann, 
wenn  auch  unser  rauhes  Klima  bei  dieser  Anordnung  nichl 
gehörig  bedacht  worden  ist. 

Die  Ausfuhrung  aller  Einzelheiten,  besonders  der  Or- 
namente, erscheint  fabelhaft  gediegen:  umso  mehr,  wenn 
man  die  gleichzeitigen  rohgegliederten  gothischen  Knuten 
betrachtet.  Der  Architekt  Ferrabosco  hat  sieh  Bramante's 
Logen  /.um  Vorbilde  genommen,  und  dieselben  in  allen 
Theilen  im  höchsten  Grade  glücklich  durchgeführt. 

Der  obere  Pavillon  darf  aber  nichl  mehr  diesem  Künst- 
ler zugeschrieben  werden,  sondern  wurde  später  in  einer 
ziemlich  schwerfälligen  dorischen   Manier  aufgesetzt.    Der 

Säulengang  ist  lüS  lang,  68  breit  und  in  allen  seineu 
Theilen  aus  besonders  feinem  Quadersandstein  erbaut. 

Zwischen  diesem  Hau  und  dem  nächsten  bedeutenden 
Werke  der  l!en;iiss;iiiee.  welche  Prag  besitzt,  liegt  beinahe  ein 
volles  Jahrhundert.  Die  Waldstein'sche  Loggia  wurde 
um  1630  durch  den  Mailander  Marini.  den  Erbauer  des 
Waldstein'schen  Palastes ,  errichtet.  Inder  Loggia  ist  die 
gute  italienische  Schule  noch  vorwaltend,  welche  aber  bald 
verschwinden  seilte.  Nun  gelangte  die  spät-italienische 
Richtung,  von  Borromini  und  Ivara  ausgehend,  zur  alleinigen 
Geltung;  Italiener  bemächtigten  sich  aller  Kunstübung  und 
kaum  einzelne  Werke  ragen  über  die  Fluth  der  allgemeinen 
Mittelmässigkeit  empor. 

Nur  wenige  Kirchenbauten  dieser  baulustigen  Zeit 
zeigen  schöne  Verhältnisse,  wie  z.  I!.  die  Kreuzherrenkirche. 

cm   Kuppelbau  von   Luragho  a  Feri intworfen   und 

1 688  vollendet,  dann  die  Salvatorkirche  von  Kanka  und  die 
Nikolauskirche  von  Ki I ia n    Din  zenho  f  e  r,  beide  erst  im 

rückten  achtzehnten  Jahrhunderte  erbaut. 

Glücklicher  als  im  Kirchenbau  zeigen  sich  die  Archi- 
tekten der  spätem  Renaissance  in  der  Anordnung  von  Pa- 
lästen, deren  Prag  viele  I  sehr  gelungene  enthalt. 

Obenan  steht  das  gräflich  Clam-Gallas'sche  Pa- 
lais, welches  Fi-cher  von  Kr  lach  im  Jahre  1712  aus- 
führte. Dieses  Gebäude  verbindet  mit  einer  noblen  Anordnung, 
eine  treffliche  Detaillirung  und  wird  an  künstlerischem  Werthe 
von  keinem  Baue  des  siebzehnten  und  achzehnten  Jahrhun- 
derts übertroffen,   fernere  derartige  Pajastbauten  sind  das 


gräflich  Nostitz'sche  Haus  auf  dem  Graben  (von  Dinzen- 
hofer)  mit  einer  sehr  schöner  Treppe,  das  imposante 
gräflich  Thun'sche  Haus  in  der  Spornergasse,  von  Luragho, 
und  das  guf  eingeteilte  Krwein  Nostitz'sche  Palais  auf 
der  Kleinseite. 

Die  Reinheit  der  Detaillirung  aber,  welche  sich  am 
Bclvedere  ausspricht,  wurde  von  keinem  aller  späteren  Bau- 
meister wieder  erreicht.  Nach  1750  zeigte  sich  ein  gänz- 
licher Verfall  der  Architectur,  sowohl  in  künstlerischer  wie 
in  technischer  Hinsicht:  ndie  Formen  und  schlechte  Aus- 
führung sind  regelmässig  mit  einander  verbunden.  Noch 
muss  bemerkt  werden,  dass  nur  in  Phil:'  der  Renaissancestyl 
sich  zur  künstlerischen  Bedeutung  erhob;  die  Bautenauf  dem 
Lande  blieben  meist  unter  der  Mittelmässigkeit  und  nur  die 
\\  erke  der  Jesuiten  machen  hiervon  eine  rühmliche  Ausnahme. 

Alle  aufgeführten  Renaissancebauten  gehören  der  Stadt 
Prag  an. 

VIII. 

Der  Holxltau. 

Schon  in  der  Einleitung  dieser  Blätter  wurde  hervor- 
gehoben, dass  der  Holzbau  in  Böhmen  vorzugsweise  beliebt 
war,  und  lange  beibehalten  worden  ist.  Es  gingen  zwar  alle 
nordischen  Völker  vom  Holzbau  aus.  und  im  frühen  Mittelalter 
wurde  beinahe  ausschliesslich  in  diesem  Materiale  gearbeitet : 
aber  nur  in  einigen  Gebil'gsländern,  wie  in  .Norwegen,  der 
Schweiz,  dann  in  Schlesien  und  Böhmen  erhob  sich  die 
Holzconstruction  über  den  Nothwendigkeitsbau. 

In  Deutschland  kommen  zwar  auch  schone  und  kunst- 
reiche Holzbauten  vor.  welche  jedoch  ihrer  Construction 
nach  nicht  als  solche  angesehen  werden  können.  Die  Riegel- 
wände und  Fachwerke  mit  all  ihren  oft  überraschenden 
Detailformen,  welche  in  einem  grossen  Theile  von  Deutsch- 
land üblich  sind,  bilden  nur  ein  Ersatzmittel  für  das  (heuere 
Steinmauerwerk  und  haben  nur  diesem  Grunde  ihre  Anwen- 
dung zu  \  erdanken. 

\)fi-  Holzbau  in  Böhmen  geht  wie  jede  eigentliche  Holz- 
construction vom  Blockverbande  aus  und  unterscheidet  sich 
von  der  Alpenbauarl  durch  höhere  Stockwerke,  spitzwinke- 
lige Dächer  und  schmälere  Häuseranlagen.  Die  östliche 
Hälfte  von  Böhmen  ist  besonders  reich  an  Holzbauten  und  mau 

wird  kaum  durch  ein  Dorf   oder  durch   eine  Shell    Jassiren. 

wo  mau  nichl  einige  kunstreiche  Gebäude  dieser  Art  sieht. 
An  den  Wohnhäusern  wird  man  auch  einen  ziemlich 
bedeutenden  Unterschied  /w  i sehen  deutschen  und  slavischen 
Einrichtungen  gewahr.  Die  deutschen  Häuser  sind  mit  stei- 
len Giebeln  versehen  und  geschlossen;  auch  fehl!  nur  selten 
ein  erkerartiger  Vorbau  an  der  Langseite,  worin  sich  ent- 
weder die  schönen  Einrichtungsstücke  oder  ein  Webestuhl 
befinden.  Die  schönsten  Gebäude  dieser  Art  linden  sich  am 
Pusse  des  Riesengebirges  in  der  Richtung  von  Hohenelbe, 

Arm I  Trautenau ;  sie  gehören   meist  dem  siebzehnten 

Jahrhundert  an  und  viele  sind  ganz  mit  Schnitzereien  bedeckt. 


247 


Die    slawischen    Gebäude    (Fig.    48)   zeigeil    an    der 
Gassenseite  eine  offene  Halle,  über  welcher  im  obern  Stock 

eine  Stube  befindlich 
ist.  Wo  mehrere  Häu- 
ser ;m  einander  gereiht 
sind,  wird  ein  Lauben-, 
gang  gebildet,  welche 
schöne  Einrichtung 
nicht  allein  in  den 
Städten,  sondern  auch 
in  vielen  Dörfern  zu 
sehen  ist.  Die  Häuser 
sind  hing  und  schmal, 
an  der  Giebelseite  mit 
kleinen  Halbwalmen 
versehen  und  ziemlieh 
(F'S- *s.)  regelmässig  um  einen 

rechteckigen  Platz  ("den  Hing)  aufgestellt.  Das  Holzwerk 
ist  nicht  immer,  wie  in  t\^r  Schweiz,  rein  abgezimmert  und 
an  einander  gefügt,  sondern  oft  nur  grob  behauen,  wobei 
die  Lücken  mit  Moos,  Thon  u.  dgh  ausgestopft 
werden.  Man  trifft  noch  manche  auf  diese  Weise 
construirte  Kirchen  und  Capellen :  besonders 
häufig  aber  sind  hölzerne  Glockentürme 
(Fig.  49).  deren  beinahe  jedes  Dorf  einen  auf- 
zuweisen hat.  Diese  Thürme  zeigen  alle  mög- 
lichen Formen  und  Indien,  auch  wenn  sie  einer 
späteren  Zeit  angehören,  stets  eine  alterthüm- 
liche  Gestalt  beibehalten.  Am  häufigsten  er- 
scheint ein  einfacher,  oben  gabelmässig  getheil- 
ter  Balken,  der  mit  einem  Dächlein  bekrönt  ist. 
dann  kommt  ein  aus  zwei  ode"r  mehreren  Bal- 
ken errichtetes  Gerüste,  arti-Fuss'e  mit  einem 
kleinen  Vorbau  zum  Schutz  für  die  Seile  und 
dein  Glöckner  versehen:  die  Glocken  hängen  dabei  wieder 
im  Freien,  nur  von  einem  Dache  geschützt.   So  gebt  es  fort 

in  allerlei  Abweichungen 
bis  zum  grossen  Glocken- 
turm, von  denen  sich  in 
der  Stadt  Pardubitz  eines 
der  grossartigsten  Hei- 
spiele erhalten  hat.  Ein 
sehr  alter  Glockenturm 
(einem  romanischen  Mu- 
ster nachgebildet )  findet 
sich  neben  der  St.  Georgs- 
kirche in  Pfaslawic  bei 
Turnau  (Fig.  SO).  Auf 
einem  steinernen  Funda- 
mente, welches  sich  aber 
nur  unbedeutend  über 
den  Boden  erhebt,  ruhl 
der  achteckige,    aus    <ye- 


(lug.  4'J.j 


(Kig.  r.u.) 


waltigen  Stämmen  gefügte  Unterbau  des  Thurmes.  Inder 
Höhe  von  .'>  Fuss  setzt  das  Achteck  mittelst  eines  steilen, 
'21  Fuss  hohen  Daches  in  das  Quadrat  um,  steigt  nun  in 
senkrechter  Linie  bis  zur  Höhe  von  ;;ii  Fuss  an  und  schliesst 
mit  einem  pyramidalen  Dache,  Die  Georgskirche,  zu  welcher 
dieser  Tlnirin  gehurt,  wurde  im  vierzehnten  Jahrhundert 
erhaut.  Über  den  Thurm  seihst  linden  sich  keine  Nach- 
richten, doch  wird  derselbe  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
gleichzeitig  mit  der  Kirche  errichtet  und  jedesmal  in  der 
alten  Weise  reparirt  worden  sein.  Ahnliche  Thürme,  fast 
alle  von  gleicher  Ausdehnung  und  Höhe,  sieht  man  in  d 
Gegend  nicht  selten,  sie  stehen  öfter  isolirt  neben  dem 
Kirchengebäude  als  in  Verbindung  mit  demselben,  und  es 
gibt  sogar  Orte,  die  einen  Glockenturm,  aber  keine  Kirche 
haben. 

Die  Holzbauten  in  der  «estlichen  Hälfte  Böh us  sind 

minder  charakteristisch:  durch  das  Erzgebirge  zieht  sich 
der  deutsche  Fachwerkbau  und  im  Böbmerwalde  werden  be- 
reits die  Einflüsse  derTiroler  Holzconstructionen  ersichtlich. 

IX. 

Überblick. 

Entwickelung  und  Culturgang  der  böhmischen  Archi- 
tectur  zeigen  sich  in  Vergleichung  mit  den  deutschen  .Nach- 
barländern durchaus  eigentümlich. 

Die  romanische  Kunst  erscheint  nur  als  Vorbe- 
reitungsstufe und  erhebt  sich  nirgends  zu  wahrhaft  künst- 
lerischer Midie.  Rohe  dürftige  Formen,  die  Technik  ver- 
hältnissmässig  höher  entwickelt  und  sich  nur  in  den  einfach- 
sten Aufgaben  bewegend.  Der  romanische  Styl  wurde 
spat  angenommen,  aber  aus  Bequemlichkeil  länger  als 
irgendwo  beibehalten,  ohne  höhere  Bildung  zu  gewinnen. 

Künstler  dieser  Periode  sind :  die  Ahle  Bozetechus 
und  Reginhardus  von  Sazawa,  Wernherus  und  Magi- 
ster J  a  c  o  b  u  s. 

Eine  Übergangsperiode  fehlt  so  zu  sagen  gau/.lich. 
Deutsche  Baumeister   unter  Wenzel   I.    führen    verschiedene 

Bauwerke  aus. 

Der  gothische  Styl  zeigt  zwei  verschiedene  Rieh- 
tungen und  Perioden: 

Erste  Periode:  unter  Johann  von  Luxemburg  und 
Karl  IV.  Eingewanderte  Künstler,  aus  Frankreich I  Deutsch- 
land berufen,  verpflanzen  den  gothischen  Styl  nach  Böhmen 
null  bilden  eine  Kunstschule.  Es  entwickelt  sich  eine  unge- 
messeneBauthätigkeit,  wie  der  Dom- und  Brückenbau  zu  Prag 
aufweiset.  Meister  dieser  Zeit  sind:  Wilhelm  vonAvignon, 
Matthias  von  Ar  ras,  Peterrvon  Gmünd,  Hermann  von 
Tachail.  Heinrich  Zeyil  en  (Leyilen  ).  Andreas  Kodlik  u.  a. 

Bürgerliche  und  religiöse  Wirren  führen  eine  gänzliche 
Unterbrechung  aller  Kunstübung  herbei.  Nach  Beilegung 
der  Unruhen  bildet  sich  eine  national-böhmische  Schule. 

Zweite    Periode:    Einheimische    Künstler    führen 

unter  dem  König  Podebrad  und  Wladislaw    viele    und  gross- 


—   248   — 


artige  Bauten  in  eigentümlich  gothischer  Richtung  aus. 
Nochmaliger  grosser  Aufschwung.  Erbauung  der  Teyn- 
kirche  in  Prag,  der  Brttckenthürme  und  der  St.  Barbara- 
kirche in  Kuttenberg.  Künstler:  Magister  Wen/.  I, 
Kweton,  (Jenes  von  Laun,  und  Matthias  Reisek. 

Gleichzeitig  mit  der  einheimischen  Schule  im  Süden 
des  Landes  eine  besondere  Richtung,  deren  Sitz  in  K  nun  au. 
Meister:  Stanko  und  Kreschitz. 

In  Folge  des  ausgebrochenen  dreissigjährigen  Krieges 
zweite  allgemeine  Unterbrechung  und  Einführung  des  Renais- 
sancestyles. 

Renaissance.  Anfangs  ausserordentlich  glänzend  am 
Belvederebau.  Baldige  Abnahme  und  Verflachung.  Die 
Kunstübung  geht  grösstenteils  von  den  ins  Land  gerufenen 
Italienern  aus.  Nur  im  Palasthau  wird  besseres  geleistet.  Es 
bilden  sieh  zwar  einheimische  Talente,  jedoch  Originalität 
und  künstlerisches  Streben  können  nur  selten  durch- 
dringen. 

Baumeister  der  Renaissance:  Ferrabosco,  für  sich 
allein  ohne  Schule  dastehend,  spater  Marini,  Scamozzi, 
der  Franzose  Miseron,  Orsi ,  Mohr,  Kauka,  Dinzen- 


hofer,    Fischer  von   Erlach,   Luragho,    Paliardi 

und  Andere. 

Ihre  höchste  Blüthe  hat  die  böhmische  Arrhitoctur  im 
gothischen  Style  erreicht  und  nur  in  dieser  Weise  würde 
wahrhaft  Grosses  geschaffen.  Correcter  und  reiner  erscheint 
der  Styl  in  den  Werken  der  ersten  eingewanderten  Meister, 
auch  ist  hier  die  Ausführung  gediegener:  dafür  zeigt  die 
einheimische  spatere  Schule  grössere  Originalität  und  ein 
durch  und  durch  eigentümliches  Gepräge. 

Eine  detaillirtere  Schilderung  des  späten  lionaissanro- 
oder  in  Böhmen  richtiger  „llaarzopfstyles"  schien  hier  um 
so  mehr  überflüssig,  als  die  Einflüsse  dieser  traurigen  Kunst- 
periode noch  in  unserer  Gegenwart  überall  ersichtlich  sind. 
Bei  weitem  die  Mehrzahl  dt'v  Handwerker  arbeitet  nur  im 
verdorbensten  Zopfgeschmacke,  dessen  verflachte,  rohe 
Formen  jede  Willkür  zulassen  und  wo  man  mit  einem 
Schimmer  von  Künstelei  alle  Gebrechen  zu  venlecken  wähnt. 
Selbst  Dinzenhofer,  der  begabteste  Künstler  dieser 
Periode ,  dessen  grosser  Anordnungssi nn  überall  durch- 
leuchtet, bat  sieb  in  seinen  Detailbildungen  nicht  über  die 
Mittelmässigkeit  erheben  können. 


Ein  archäologischer  Ausflug  nach  Feldbach,  Fehring  und  Pertlstein  in  Steiermark. 


Von  J.  Scheiger,   k.  k.  Conservalor. 


Ich  lege  mit  Nachstehendem  die  Resultate  eines  im 
September  d.  J.  unternommenen  Ausfluges  in  das  Raabthal 
vor.  dessen  Hauptmotiv  die  Untersuchung  der  Tabors 
(Kirchencastelle)  von  Feldbach  lind  Fehring,  eines 
interessanten  Grabsteines  im  lezteren  Orte  und  des 
Schi  osses  Pertlstei  ii  war. 

Das  Presbyterium  der  Pfarrkirche  in  Feldbach  ist  ein 
moderner  Bau  ,  und  nur  das  gothische  Schiff  zeigt  ziemlich 
einfache  Formen  des XIV.  Jahrhunderts, überdiess  istErsteres 
links  mit  einer  längs  der  ganzen  Wand  hinlaufenden  Gallerie 
und  rechts  mit  einem  sehr  niederen,  wahrscheinlich  älteren 
Seitenschiffe  versehen.  An  den  scheibenförmigen  Schluss- 
steinen des  Letzteren  siebt  man  einen  Christuskopf  und  einen 
durch  wiederholte  Kalktünche  sehr  verunstalteten  Engel 
mit  einer  Schriftrolle. 

An  der  Aussenseite  der  Kirche  ist  von  weissem  Marmor 
das  stark  erhoben  gearbeitete  Grabdenkmal  Wolfgang 
Zwickbefs.  ständischen  Verordneten  (-f  1882),  seine  und 
seiner  Frau  ganze  Gestalten  zeigend,  nicht  ohne  Kunstwertb. 
Innerhalb  des  Einganges  ist  rechts  ein  gut  gearbeitetes  stei- 
nernes Wappenschild  mil  Stern  und  Winkelmass,  gegenüber 
der  Grabstein  eines  Rathsbürgers  von  Feldbach,  Michael 
Stei  nhoisl,  aus  dem XVI.  Jahrhundert,  von  unbedeutender 
Arbeit,  eingemauert. 

Sehr  interessant  sind  die  den  ganzen  Umfang  der 
Kirche  mit  einem  bedeutenden  Zwischenräume  umgebenden 
Befestigungswerke.    Als  solche  erscheinen  sie  bei  genauer 


Beschallung,  obwohl  im  Laufe  der  Zeit  ihre  Gräben  ver- 
schüttet, ihre  Schussscharten  grösstentheils  in  Fenster  ver- 
wandelt wurden.  Wenn  gleich  von  ziemlich  hohem  Alter,  sind 
sie  doch  in  geraden  Linien  aufgeführt  und  nirgends  ein  run- 
der Thurm  sichtbar.  Übrigens  bestehen  sie  nicht  aus  eigent- 
lichen freistehenden  Wehrmauern  oder  Wällen,  sondern  aus 
einer  fortlaufenden  Reihe  von  Wohngebäuden,  welche  gegen 
den  Hof  zu  sehr  einfache  offene  Gallerien  haben.  An  einem 
dieser  Gebäude,  welches  noch  die  alten  zierlichen  steinernen 
Fensterstöcke  hat,  sind  zwei  Steintafeln  eingemauert.  Wäh- 
rend auf  deren  ersterer  (in  Folge  einer  Dachausbesserimg 
gerade  mit  Mörtel  halb  bedeckt)  nur  die  Worte:   Christian. 

pae  und  die  Jahrzahl   1447  zu  lesen  waren,  zeigte 

die  andere  ganz  deutlich  die  Worte:  Emulator  huj  dorn  voce 
pia  pettt  iinTi  ave  maria,  daneben  die  Buchstaben  e.  I.  9.  und 
die  Jahraahl  1474. 

Eine  im  Baustyle  und  in  der  Eintbeilung  ganz 
ähnliche  Befestigung  umgibt  die  Kirche  von  Fehring, 
welche  übrigens  in  architektonischer  Beziehung  wenig  inte- 
ressant erseheint  und  nur  in  der  mit  der  Jahrzahl  tili 
bezeichneten  Mariencapelle  golhische  Formen  des  XIV.  Jahr- 
hunderts zeigt,  so  dass  jene  Jahrzahl  sich  auf  ein  früheres. 
nun  leider  verschwundenes  Kirchlein  beziehen  dürfte. 

I  t;is  Kirchencastell  (  früher,  wie  ähnliche  Bauten.  Tahor 
genannt)  in  Fehring  «eist  durch  sein  tüchtiges  rundes  lioll- 
werk  auf  ein  höheres  Alter  und  scheint  noch  in  neuerer  Zeit 
für  wichtig  gehalten  worden  zu  sein,  da  es  ein,  wahrscheinlich 


249  — 


aus  dem  XVII.  Jahrhunderte  herrührendes  wohlerhaltenes 
Thor  hat,  an  welchem  noch  die  Löcher  für  die  Zugbrüchen-* 
ketten  ersichtlich  sind.  Die  Gräben  sind  auch  hier  ver- 
schüttet, und  selbst  der  Zusammenhang  der  Umfassung  durch 
Niederreissen  eines  Theiles  unterbrochen. 

Diese  Castelle,  deren  ganz  ähnliche  auch  in  Sieben- 
bürgen vorkommen,  hatten  offenbar  die  Bestimmung,  heim 
Annahen  des  Feindes  (hier  der  Türken  und  später  der  Mal- 
contenten)  die  Bevölkerung  des  Marktes  als  Citadelle  aufzu- 
nehmen. Daher  die  Menge  kleiner  Wohnungen,  daher,  um 
den  in  enge  Bäume  eingepferchten  Bewohnern  wenigstens 
frische  Luft  zu  gönnen,  die  offenen  Gallerien.  Aus  diesem  Grunde 
auch  der  bedeutende  freie  Baum  zwischen  der  Kirche  und  den 
Defensionscaserneii  (wie  ich  diese  Castelle  nennen  möchte). 

In  dem  gegen  Ungarn  zu  sich  öffnenden,  nicht  durch 
natürliche  Hindernisse  geschützten,  üherdiess  sehr  frucht- 
baren ,  daher  heuteversprechenden  Baabthale  war  die 
Besorgniss  stärker  als  in  anderen  Gegenden,  daher  diese 
Kirchencastelle  und  die  starken  Befestigungen  der  vielen 
Schlösser,  deren  Krone  die  Bieppersburg  bildet. 

Eine  Hauptmerkwürdigkeit  der  Kirche  in  Fehring  bildet 
das  in  der  Mariencapelle  daselbst  eingemauerte  rothmarmorne 
Grabmal  Berchtold's  desTruchsessen  von  Emerberg1), 
eine  vorzügliche,  besonders  fleissig  ausgeführte  Bildhauer- 
arbeit. Über  9  Schuh  hoch  und  mehr  als  4  Schuh  breit, 
zeigt  dieses  Denkmal  das  lebensgrosse  Bild  des  ernsten  kräf- 
tigen Mannes  im  vorgerückten  Alter  mit  ausdrucksvollen 
Zügen  und  starkem  Vollbarte.  Vollständig  gerüstet,  nur  das 
Haupt  mit  einem  sonderbar  geformten,  selten  vorkommenden 
Hute  bedeckt,  trägt  er  einen  weiten  faltigen  Mantel,  am 
Halse  durch  ein  Kleinod  zusammengehalten,  —  in  der  Beeil- 
ten führt  er  die  Streitfahne:  auf  dem  laugen  Schwerte  mit 
sehr  einfachem  Grille,  welches  durch  ein  kurzes  Riemchen 
mit  Sehnallen  au  der  Rüstung  befestigt  ist,  ruht  die  linke 
Hand;  an  der  Rüstung  linker  Seite  sieht  der  ebenfalls  mit 
Buckeln  besetzte  Griff  des  Dolches  hervor. 

Unter  den  mit  kräftigen  Räderspornen  bewaffneten 
Füssen  liegt  der  Hund,  das  bekannte  Symbol  der  Treue, 
neben  ihm  erblicken  wir  das  Emerherger  Wappen  mit  dem 
Bügelschöpfeimer,  gekrönt  von  dem  geschlossenen  Helme. 
über  dem  wieder  der  Eimer  als  Helmzeichen  sich  erhebt, 
und  darüber  ein  Blätterhusch.  Links  zeigt  ein  zweites 
Wappen  im  Felde  und  als  Helmzierde  den  nach  rechts  ge- 
wandten springenden  Hirsch. 

Der  Umstand,  dass  das  Bitterbild  unter  dem  Haupte  ein 
Kissen  hat,  begründet  die  Vermuthung,  der  Grabstein  sei 
ursprünglich  liegend  angebracht  gewesen.  Die  Tradition, 
nach  welcher  wirklich  der  Stein  früher  in  der  Mitte  der 
Capelle  auf  einer  Tumba  lag.  bestätigt  diese  Vermuthung,  so 


i)  Über  das  historisch  interessante  Geschlecht  der  R  in  e  r  h  e  r  g  werden  wir 
in  einem  der  nächsten  Hefte  einige  sehr  beachtenswerthe  Nachweisungen 

vom  Herrn  k.  k.  Halbe  und  Custos  .1  o  s  e  |>  h  i:  e  rg  m  a  n  u  verölten  Hieben. 

Ii.  Red. 


wie  der  Umstand,  dass  die  um  die  Grabtafel  laufende  Inschrift 
auswärts  gestellt  ist,  daher  nur  dann  ohne  tue  grösste 
Schwierigkeil  gelesen  werden  konnte,  wenn  es  möglich  war, 
von  allen  Seiten  um  das  Denkmal  herum  zu  gehen.  Wäre 
hierdurch  die  Frage  über  die  ursprüngliche  Stellung  der 
Grabplatte  nicht  unwiderleglich  entschieden,  so  gäbe  es 
Gründe  zum  Zweifel.  So  /..  I>.  ist  die  Kahne  hinter  dem 
Kissen  rollend  dargestellt,  eben  so  der  Hantel,  was  eigent- 
lich nicht  sein  kann,  wenn  der  Ritter  darauf  liegt. 

Bei  näherer  Besichtigung  der  Rüstung  stösst  man  auf 
einige  schwer  aufzuklärende  Anstände.  Dieselbe  hat  z.  R. 
einen  aus  fünf  Schienen  krebsartig  zusammengesetzten,  um 
den  ganzen  Leib  laufenden  Waffenschurz,  der  vorne  nur 
wenig  ausgeschnitten  ist.  Mit  diesem  angethan,  konnte  man. 
wenn  gleich  die  Schienenfügung  einige  Beweglichkeit  ge- 
stattet, nicht  reiten,  und  doch  hat  der  Ritter  die  Sporen  an 
den  Füssen.  —  Auch  die  Handschuhe  sind,  so  wie  der  Mut  von 
höchst  seltener  Form,  sie  decken  nämlich  nur  die  hallte  Hand 
bis  zu  den  ganz  ungeschützten  Fingern  und  scheinen  nicht 
Riech,  sondern  Leder  anzudeuten. 

Ferner  fehlt  auf  dem  Denkmale  der  Helm,  der  Bonst 
gewöhnlich  neben  der  Figur,  wenn  sie  das  Haupt  nicht  damit 
bedeckt  hat,  irgendwo  angebracht  wird.  Ähnliche  Anomalien 
kommen  übrigens  auf  Grabsteinen  um  so  früher  Zeit  häufiger 
vor  als  später,  und  zeigen,  dass  die  Künstler  jener  Periode, 
so  fleissig  sie  auch  das  kleinste  Beiwerk  durchführten,  den- 
noch der  Freiheit  der  Phantasie  bisweilen  keine  Züge)  an- 
legten. 

Der  Erhaltungszustand  des  Monumentes  ist  ungeachtet 
der  Einwirkung  von  fünfthalb  Jahrhunderten  ein  trefflicher, 
nur  die  Umschrift:  „Hier  liegt  begraben  der  edl  herr  bereh- 
told  truchsäsz  von  Emerberg  der  gestorben  ist  da  man  zalt 
nach  christi  gepurt  tausend  vierhundert  und  im  dritten,"  i^t 
gegenwärtig  wegen  der  ungünstigen  Beleuchtung  und  dess- 
halh  schwer  leserlich,  weil  sie  auf  der  abgeschrägten  Fläche 
iles  Randes  angebracht,  am  oberen  Theile  nur  umgekehrt, 
unten  aber,  dem  Roden  sehr  nahe,  nur  von  einem  am  Boden 
Liegenden  gesehen  werden  kann,  und  auch  theilweise  durch 
die  Kalktünche  der  Mauer  verunreinigt  ist.  Ich  lasse  hier 
(siehe  Fig.  1  der  nächsten  Seite)  eine  mit  ziemlicher  Treue 
gearbeitete  Abbildung  dieses  Denkmals  folgen,  die  icb  der 
Gefälligkeit  des  pensionirten  erzherzoglichen  Concipisten 
Herrn  F.  W.  Fink  verdanke. 

NaheauFehriug  liegt  das  sehensw  erthe.  wenig  bekannte 
Pertlstein  (richtig  Berchtholdsstein),  der  Sage  nach  von 
jenem  Rerchtold  von  Emerberg  gebaut,  dessen  Grab  den 
Stoff  zu  den  obigen  Zeilen  lieferte.  In  massiger  Hohe  be- 
deckt es  die  Kuppe  eines  langgestreckten  Hügels  in  einer 
Seitenschlucht  des  Raabthaies,  und  gehört  zu  den  älteren, 
grösseren  und  hesser  erhaltenen  Schlössern  des  Landes. 
obwohl  sein  ältester  Theil.  die  ursprüngliche  Berchtoldbnrg, 
viele  Umstaltungen  erfahren  hat  und  gerade  gegenwärtig  das 
ganze  Schloss  wieder  „restaurirt*  « ird.  In  einer  der  schmalen 

::: 


250  — 


Seilen  des  Schlosses  liegt  das  neuere  Hauptthor,  an  dein 
die  Zugbrückenrollen  noch  sichtbar  sind,  von  einfacher  Ar- 
chitectur,  —  ober  demselben  /.»ei  Wappen  und  eine  Inschrift 
religiösem  Inhalts,  in  welcher  das 
Jahr  1ÖS2  als  Bauzeit  und  Adam 
\  ii  n  Leu  g  bei  in  li  sammt  seiner 
Gemahlin  Helena,  gebornen  Weis- 
se neck,  als  Herstoller  genannl 
« erden.  Noch  böber  ragl  eine 
alte  Pechnase  zur  perpendiculären 
Verteidigung  hervor,  während 
die  Flankirung  durch  ein  sehr 
spitzwinkliges,  festes,  dreiecki- 
ges Bollwerk  mit  drei  Reihen  von 
Schussscharten,  deren  eine  später 
in  Fenster  verwandelt  wurde,  er- 
zielt w  ird. 

Durch  das  Thor  treten  wir  in 
einen  geräumigen,  besonders  lan- 
gen Hof,  in  dessen  Glitte  ein  gros- 
ser uralter  Nussliaum  steht,  unter 
dessen    Schatten    oft    geprediget  f3jp 

wurde,  so  lange   ein  Beneficiaf   im        -iP^^Äy 
Schlüsse  bestand,  weil  die  kleine 
Kirche   die   Zahl    der    Gläubigen 
nicht  zu  fassen  vermochte. 

Auch  der  tiefe  Brunnen  mit 
dem  Schöpfrade  fehlt  nicht.  Die 
rechte  Seile  des  Hufes  wird  von 
einer  langen,  auf  einfachen  Bogen- 
reihen  ruhenden  Gallerie  begränzt, 
deren  Hauer  gegen  die  Aussenseile 

nun  vermauerte  Schussscharten  hat. 

War  schon  der  weite  Hof, 
dessen  linke  Seite  eine  Reihe  von 
Wohngebäuden  umschliesst,  ein  sehr  erwünschter  Raum, 
um  sich  zu  ergehen,  wenn  gefährliche  Zeitläufe  das  Schloss- 
thor gesperrt  hielten,  oder  um  zur  Musterung   I  Übung 

der  Besatzung  oder  seihst  zum  Ringelrennen  (für  Turniere 
ist  dieser  Theil  der  Gebäude  zu  neu)  zu  dienen,  so  gewährte 
vollends  die  geräumige  breite  Gallerie  bequem  Gelegenheit 
zum  Lustwandeln  hei  schlechtem  Weder. 

Neben  dem  Thore  links  sieht  die  alte  Burgkirche.  Sie 
sei  sogenannt,  weil  sie  für  eine  Capelle  beinahe  zu  gross 
erscheint.  Ihr  einfacher  Hau  trägt  den  Charakter  des  XIV. 
oder  XV.  Jahrhunderts.  Das  Masswerk  ans  den  Fenstern 
ist  verschwunden.  Die  Eingangsthüre  ist  ein  Viereck,  an 
den  oberen  Ecken  durch  Viertelbogen  unterbrochen.  Im 
Presbyterium  zeigt  der  Gewölbeschlussstein  ein  Kren/  und 
die  segnende  Hand.  Hechts  neben  dem  Altar  ist  statt  des 
Sacramentshäuschens  eine  mit  der  Erbauung  gleichzeitige 
Nische  mit  Verzierungen,  die  dem  Steinmetz  nicht  viel  Ehre 
machen.    Der  Hochaltar  aus  neuerer  Zeil  hat  ein  unbedeu- 


tendes Altarblatt,  die  Taute  Christi.  Eine  hübsche  Arbeit 
ist  eine  Steintafel  links  von  demselben,  erhoben  geii/.t,  mit 
Goldschrift  und  dem  Lengheimb 'sehen  Wappen,  die  auf  die 
neuerliche  Cousecration  der  Kirche 
durch  den  Bischof  Marcus  vonSee- 
cau  im  Jahre  ltjllt!  Bezug  hat.  Die 
beiden  Seitenaltäre  sind  etwas  älter 
als  der  Hauptaltar  und  von  einer 
besseren  Architectur  des XVII.  Jahr- 
hunderts, die  Gemälde  ebenfalls 
ohne  grossen  Werth.  Interessanter 
sind  die  Grabdenkmale. 

Jenes  des  Herrn  Wol  f  vo  u 
Lengheim  b  ..des  löblichen  steu- 
rischen  Allels  im  Feldlager  vor  Cani- 
scha  gewesen  Fondrieh-  (f  llilll) 
und  seiner  Gattin  Sofie  von  Saurau 
(-{•  ltilltl)  mit  ihren  drei  Kindern 
ist  aus  weissem  Marmor  und  sehr 
ileissig  gearbeitet,  diese  fünf  Per- 
sonen in  stark  erhabener  Arbeit 
darstellend.  Wem  es  zur  Last  liegt, 
dass  dieses  mächtige,  mit  archi- 
tektonischem Schmucke  umgebene 
Werk  bis  auf  die  Gesichter,  die 
weiss  blieben,  schwarz  heinall  und 
gefirnisst  wurde  und  somit  einen  un- 
beschreiblich tragikomischen  Kin- 
druck auf  den  Beschauer  macht, 
konnte  ich  nicht  erfragen  ! 

Von  einem    tüchtigen    Meisler 

ist  ein  ülg aide  auf  Kupfer,  über 

vier  Schuh  breit  und  hei  fünf  Schuh 
hoch  .  die  Bildnisse  des  Herrn 
Adam    von    Lengheimb    „der 

hochlöblichen  Landschaft  in  Steier  geuester  Kendrioh  zu 
Pferd  und  Erhöher  dieses  katholischen  Gottshauses"  (-J-HJ49) 
und  jenes  seiner  Gattin  Maria  Elisabeth  von  Sladl  mit  ihren 
vier  Kindern  vorstellend. 

Wie  die  Inschrift  zeigt,  hat  die  treue  Gattin  dieses 
Denkmal  für  ihren  verstorbenen  Gatten  und  für  sich  an- 
fertigen lassen.  Es  ist  eine  arge  Impietät,  dass  Todesjahr 
und  Tag  unausgefüllt  blieben,  und  diese  Impietät  ist  leider 

keine  seltene.  lugeachtet  der  entschiedenen  Neigung 
unserer  Yorlährer,  für  ihre  oder  ihrer  Angehörigen  Grab- 
denkmale oft  prunkend  und  verschwenderisch  zu  sorgen, 
sind  die  Beispiele  unausgefüllter  Daten  auf  Grabdenk- 
malen nicht  seltei)  und  dem  Schreiber  dieser  Zeilen  aus 
der  Periode  vom  XIV.  bis  in  das  WIM.  Jahrhundert  nicht 

wenige    vorgek neu 

Geschmacklos  und  mit  dem  eklen  Gerippsch ck  der 

barocken  Kunstperiode  verziert  ist  das  Grabmal  des  Grafen 
Georg  \d;,m  (•;•  1712). 


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AIut  nicht  nur  die  Herren  des  Schlosses  haben  ihre 
Ruhestätte  in  seiner  Gruft  und  ihre  Denksteine  in  der  Burg- 
kirche gefunden,  sondern  auch  mehrere  ihrer  treuen  Diener. 

So  linden  wir  einen  R.  D.  Jos.  Vollius,  auf  dessen  Grab- 
stein die  tausend  Gulden,  die  er  auf  das  Schlossbeneficium 
im  XYI1I.  Jahrhundert  stiftete,  erwähnt  sind,  —  eine  Er- 
wähnung, die  auf  seinem  Bilde  in  einem  der  Gemächer  des 
Schlosses  wiederholt  wird,  wo  auch  von  seinem  unter 
den  Dornen  von  Fehring  (?)  (f  1758)  erfolgten  Tode  die 
Hede    ist. 

Auch  die  Verwalter  Adam  Köflersee  (f  164t»)  und 
Georg  Christof  Reitter  (-J-  1702)  liegen  hier  begraben;  des 
Letzteren  Grabtafel  enthält  ein  hübsches  Wappen  mit  dem 
heiligen   Georg   zu    Pferde. 

Noch  ist  des  steinernen  Taufbeckens  mit  zwei  Wappen, 
der  Jahrzahl  1397  und  der  Buchstaben  W.  v.  L.  z  P  u.  K. 
S.  F.  v.  L.  g.  F.  v.  S.  (Wilhelm  von  Lengheimb  zu  Pertl- 
stein  und  Kopfenstein,  Sotie  Freiin  von  Lengheimb,  geborne 
Freiin  von  Saurau),  und  eines  sehr  hübschen  in  Holz  ge- 
schnittenen heiligen  Sebastian 's  aus  dein  XVI.  Jahrhundert 
zu  erwähnen,  endlich  der  Freske  am  Schlüsse  des  Presbyte- 
riunis  gegen  das  Schill",  welches  uns  Karl  Grafen  von  Leng- 
heimb mit  seiner  Familie  vor  der  Himmelskönigin  kniend 
zeigt.    Das  Bild  ist  vom  Jahre  17(18. 

Von  der  Kirche  an  dem  linken  Tract  bis  zum  Mittel-  und 
llochschloss  (wenn  dieser  Ausdruck  bei  dem  ziemlich  glei- 
chen Horizonte  erlaubt  ist)  folgt  eine  endlose,  zum  Theil 
chaotische  Reihe  von  Zimmern,  Sälen,  Gängen,  Treppen  und 
anderen  Räumen,  zwei  kleinere  Höfe  umschliessend,  hie  und 
da  eine  Spur  des  ältesten  Baues  zeigend,  aber  meist  „restau- 
rirt"  oder  in  der  „Restauration"  begriffen.  Mittel-  und 
Hoch-,  oder  eigentlich  Kernschloss  waren  von  dem  neueren 
Vorschlosse  durch  Gräben  mit  Zugbrücken  getrennt,  wie  die 
noch  vorhandenen  Thore  deutlich  zeigen.  In  diesen  Räumen 
linden  wir  durch  die  Sorgfalt  des  gegenwärtigen  Besitzers, 


der  das  Sehloss  aus  der  eigentlichen  Ruine  in  brauchbaren 
Zustand  brachte,  sehr  wohl  erhaltene,  theilweise  sehr  inte- 
ressante alte  Einrichtungstücke,  aber  vorzugsweise  sehr  an- 
ziehende Gemälde.  Die  gewöhnlichen  Zierstücke  alter  Schlos- 
ser, z.  B.  die  vier  Welttheile,  unbedeutende  Gemälde  des. 
XVII.  Jahrhunderts  und  gute  Schlachtstücke  der  gleichen 
Zeit  fehlen  nicht:  sehenswertber  sind  die  Ahnenbilder.  Unter 
ihnen  linden  wir  die  bereits  erwähnte  Freifrau  Sofie  von 
Lengheimb  mit  einem  grossen  Mumie  und  mit  dem  gleichen 
Attribute,  einen  Ritter,  G.  L.  V.  S. ,  lebensgross  in  einem 
höchst  sonderbaren  Costüme  aus  gelb  und  schwarz  gestreif- 
tem rauhen  Stolle  mit  Schwert.  Dolch  aus  Buzogary  und 
spanischem  Cylinderhut. 

Auf  einem  Gange  befindet  sich  eine  Inschrift  aufSchloss- 
Restaurationen  von  1638  und  1643  Bezug  nehmend.  Die 
Aussicht  vom  grossen  (ganz  modernen)  Balcon  ist  herrlich. 
—  ich  wage  keinen  Versuch,  sie  zu  schildern,  —  kann  aber 
nicht  unterlassen  zu  bemerken,  dass,  wer  zweifelt  au  der 
Pracht  von  Steiermarks  flacheren  Gegenden  und  nicht  glaubt, 
dass  sie  einen  Vergleich  mit  seiner  erhabenen  Alpennatur 
aushalten,  von  diesem  Punkte  das  herrliche  Raabthal,  —  die 
stolze  Rieggersburg  betrachten  möge. 

Ein  Gang  um  das  Sehloss  durch  die  Schluchten,  die  es 
theilweise  unigeben,  und  am  Fusse  seines  Gemäuers  zeigt  an 
vielen  Orten  die  Spuren  des  ältesten  Quaderbaues,  die  sorg- 
same Vertheidigung  durch  vorspringende  Thürme,  durch 
runden  Ausbau  und  aus  hundert  verschieden  geformten,  für 
Armbrüste,  Doppelhaken  und  grobes  Geschütz  bestimmten 
Scharten. 

Au  einer  Stelle  der  rechten  Langseile  sind  fünf  mäch- 
tige Steinkugeln  von  ungleichem  Kaliber  (die  sechste  ist 
ausgefallen  und  wird  im  Schlosse  aufbewahrt)  in  unregel- 
mässiger Zusammenstellung,  wie  sie  eben  angeprallt  sein 
und  Scharten  im  Gemäuer  ausgeschlagen  haben  mochten,  ein- 
gemauert, das  Denkmal  einer  Belagerung  im  XV.  Jahrhundert 


Die  Kirche  und  Randcapelle  zu  Deutsch- Altenburg  in  Niederösterreich. 

Vom  Konservator  Dr.  Kd.  Freiherr  v.  Sacken. 


(Mit  ei 

An  der  Stelle,  wo  die  bedeutende  römische  Stadt  Car- 
n un tum  stand,  der  Hauptwaffenplatz  in  Ober-Pannonien 
seit  Marc  Aurel,  welcher  hier  drei  Jahre  residirte.  um  die 
Kriegsoperationen  gegen  die  Quaden  am  jenseitigen  Donau- 
ufer zu  leiten,  erhoben  sich  im  Mittelalter  drei  Orte:  Pe- 
Ironell,  an  der  Stelle  der  römischen  Civilstadt,  Deutsch- 
Altenburg,  nahe  bei  dem  römischen  Castell  erbaut,  und 
IIa  in  bürg,  an  der  äussersten  Gränze  der  Befestigungs- 
werke.  Alle  drei  sind  nicht  nur  als  Fundorte  zahlreicher 
römischer  Alterthümer,  sondern  auch  wegen  der  ßaudenk- 
male  aus  dem  Mittelalter  merkwürdig.  So  ist  in  Petronell 
die  Pfarrkirche  und  eine  grosse  Rundcapelle  aus  dem  XII. 
Jahrhundert ,    in  Hainburg  ein  Stadtthor  aus  wenig  jüngerer 


ner  Tafel.) 

Zeit,  eine  Rotunde  und  einzelne  Theile  des  alten  Schlosses 
ebenfalls  aus  dem  XIII.  Jahrhundert  bemerkenswerte  Be- 
sonders interessant  aber  für  die  Geschichte  der  Architectur 
ist  die  Kirche  von  Deutsch-Altenburg.  Urkundlich  er- 
scheint dioer  Ort,  der  seinen  Namen  wahrscheinlich  von 
dem  benachbarten  Römercastell  erhielt,  im  MI.  Jahrhun- 
dert im  Besitze  der  Ritter  von  Dörr,  einer  [ränkischen 
Familie.  1213  erbauten  Alban  und  Johann  von  Dörr  die 
Pfarrkirche,  stifteten  einen  Priester  dazu  und  Hessen  in  ihr 
die  Familiengruft  anlegen  ').  Friedrich  von  Dörr  erscheint 
als   Begleiter  Herzoo    Leopold   iles  Glorreichen    auf   dessen 


1 1  w  i  m;  .  ,ii.  Schaupl,  iles  niederösterr.  Melstl, p. 270.  Enenkel,  Collect.  II 


33' 


—  252 


Kreuzzuge  1218.  Diese  Familie,  deren  Glieder  wiederholt 
auf  der  Ritterbank  beiden  niedi-österfeichischen  Landtagen 
sassen  .    trat    im    XVI.  Jahrhundert  /.um    Protestantismus 

über  iniil  starb  im  Jahre  1<>I;>  aus. 

Schon  Mm  weitem  zieht  die  auf  einer  felsigen  Anhöhe 
.•im  Ufer  der  Donau  gelegene  Kirche  durch  ihr  alterthüm* 
liches  Aussehen  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  (s.  Taf.  NIM.  b). 
Sie  ist  offenbar  '.ms  zwei   Bauperioden  und  das  Schiff  der 
bei  weitem  ältere  Theil;  es  ist  das  einer  flachgedeckten 
Pfeilerbasilica.  Die  Abseiten  sind  fasl   um  ein  Drittel 
schmaler  und  niedriger  als  das  Mittelschiff,  dessen  mit  rund- 
bogigen  Fenstern  über  den  Dächern  der  Abseiten  versehene 
Hauern  auf  jeder  Seite  von  fünf  massiven,  viereckigen  Pfei- 
lern getragen  werden  (s.  d.  Grundriss  Taf.  XIII,   a).  Diese 
haben  hohe,  wie  der  attische  Säulenfuss  gegliederte  Sockel 
und  Capitäle,  welche  sieh  um  ;dle  vier  Seiten  ohne  Unter- 
brechung herumziehen,  woraus  hervorzugehen  scheint,  dass 
die  Bedeckung  des  Schiffes  ursprünglich  flach  (aus  Balken- 
werk bestehend)  war ,  denn  sonst  müssten  an  den  Pfeilern 
Träger  für  die  Gewölbsgurte  hinauflaufen,  wovon  aber  weder 
■.in  ihnen  noch  an  den  Mauern  des  Mittelschiffes  eine  Spur  zu 
sehen  ist.  Dass  halbsäulenförmige  Dienste  angebracht  waren, 
welche  ober  den  Pfeilern  absetzten  —  ähnlich  wie  in  Heili- 
genkreuz —  ist  bei  der  geringen  Höbe  des  Mittelschiffes 
nicht  wahrscheinlich,  bei  den  Abseiten  aber  ganz  unstatthaft. 
bei  welchen  Qberdiess  der  Mangel  von  Wandpfeilern  für  eine 
ursprünglich  flache  Bedeckung  spricht.    Die  Pfeilercapitäle 
bestehen  theils  aus  einer  Reibe  von  schweren,  oben  knospen- 
artig umgebogenen  Blättern,  darüber  eine  zweite  Reihe  von 
ähnlichen  mehr  schneckenförmigen,  theils  aus  sogenannten 
Pfeifen,  mit  einem  ringförmig  geschlungenen  Bande  darüber: 
alle  haben  buhe,  reich  gegliederte  Decksimse  und  sind  durch 
Rundbogen  mit  einander  verbunden.    Auch  die   Fenster  der 
Umfassungsmauern  und  die  Eingänge  sind  rundbngig  .   letz- 
tere von  mehreren  ohne  Unterbrechung  sich  herumziehen- 
den Wülsten  eingefasst.  Unter  dem  Dachgesimse   des  Mit- 
telschiffes  läuft  der  für  die  Rauten  romanischen  Styles  so 
charakteristische  Rundbogenfries    mit   der    Zahnscbnittver- 
zierung  über  demselben  bin.   Alle  Merkmale    zusammenge- 
fasst  stellt  sich  das  Schill'  —  mit  Ausnahme  der  gothischen 
Kreuzgewölbe,  welche  dem  Anfange  des  XV.  Jahrhunderts 
angehören  dürften  —  als   ein  liau   aus  der  Schlussperiode 
des  romanischen  Styles  dar  und    ist    ohne    Zweifel    ein  Rest 
der  im   Jahre    1213  erbauten    Kirche.     Für    diese  Zeil    isl 
freilich  die  Hache  Bedeckung   ungewöhnlich   und  manche 
Details    erscheinen   etwas  alterthUmlich ,   allein  bei  Land- 
kircheo    erhielten   sieh    die    einmal    gangbaren  Formen  oft 
ziemlich  hinge  über  die  Zeil  hinaus,  wo  sie  bei  grossen  Bau- 
werken   sei iieuci gewichen  waren,  zudem  war  die 

Balkendecke  minder  kostspielig  als  Steingewölbe. 

Der  Chor  ist  im  reinsten  gothischen  Style  erbaut  und 

besonders  im  äussern  mim  schmuckem  Ansehen  (Taf  XIII,  b). 
Kr  ist  bedeutend  höher  als  das  Schiff,  dreiseitig  aus  dem 


Achteck  geschlossen  und  hat  als  Widerlager  seiner  Spitz- 
bogengewölbe weit  vorspringende  Strebepfeiler,  die  in  fünf 
Geschossen  organisch  emporsteigen;  Die  beiden  untersten 
Abtheilungen  sind  glatt,  die  dritte  mit  Spitzbogenblenden 
und  Masswerk  nach  Art  der  Fenster  an  gothischen  Kirchen 
verziert:  das  vierte Geschoss hat  Nischen  und  schöne  Balda- 
chine, unter  denen  wohl  einst  Figuren  standen,  das  fünfte 
besteht  aus  einem  achteckigen  Spitzthurine  mit  Säulchen  an 
den  Ecken;  leider  fehlt  die  Ryrainidenbokrüuung.  An  der 
Nordseite  befindet  sich  ein  Zubau,  wie  der  Flügel  eines 
Querschiffes,  seine  Giebelwand  ist  mit  Spitzbogen  geziert: 
in  der  Ecke  zwischen  diesem  und  dem  Schiffe  stehen  zwei 
Treppenthürmchen  .  deren  eines  mit  einer  gemauerten 
Kuppel  und  Fialen  an  den  Ecken  versehen  ist.  Besonders 
schön  ist  das  Kranzgesimse,   in  dessen  breiter  Hohlkehle  ein 

Stab  fortläuft,  um  den  sich  Laubwerk,  Rh n  und  Trauben 

leicht  herumschlingen.  Die  Bogenfelder  der  Fenster,  ohne 
Zweifel  ursprünglich  mit  reichem  Masswerk  versehen,  sind 
vermauert.  Ein  an  der  Südseite  befindlicher  Eingang,  von 
einem  Wimberge  eingefasst.  hat  einen  geradlinigen  Sturz. 
Die  Rippen  der  einfachen  Kreuzgewölbe,  von  reicher  Glie- 
derung und  eigentümlich  elastischem  Schwünge,  ruhen  auf 
einzelnen,  mit  krausem  Blattwerk  verzierten  Consolen,  deren 
einige  sich  unten  als  Dreiviertelsäulcheii  fortsetzen  und  in 
die  Wand  verlaufen,  wodurch  freilich  der  untere  Theil  der 
Umfassungsmauer  etwas  kahl  erscheint. 

Der  lebensvolle  Organismus,  den  dieser  Theil  der 
Kirche  besonders  am  Äussern  zeigt,  die  reiche  und  ge- 
schmackvolle Detailbildung  bezeugen  ihn  als  ein  Werk,  wo 
die  gothische  Architectur  noch  in  ihrer Blüthe  stand,  aus  dem 
Anfange  des  XV.  Jahrhunderts  stammend. 

Ungefähr  aus  derselben  Zeil  ist  der  achteckige  Thurm 
an  der  Westseite,  dessen  Gestalt  fast  romanische  Remi- 
niscenzen  zeigt.  Wie  bei  Thürmen  dieses  Styles,  sind  über 
den  Seilen  Indio  Giebel  angeordnet,  zwischen  denen  das 
ganz  aus  Quadern  gemauerte  Helmdach  emporsteigt  '):  «las 
Massenhafte,  Schwerfällige  dieser  Hauptform  steht  in  Wi- 
derspruch mit  der  gothischen  Detailbildung,  den  Strebe- 
pfeilern an  den  Ecken,  dem  Profile  der  Giebel  (aus  Schräge 
und  Hohlkehle  gebildet)  und  den  spitzhngigon  Fenstern. 

An  vier  Seiten  sind  in  spitzem  Winkel  vorspringende 
Mauervorlagen,  oben  mit  Giebeln  und  Kreuzblumen  ange- 
bracht, die  andern  vier  Seiten  haben  sehr  hohe  Schalllöcher, 
deren  eines  in  einem  Kleeblattbogen  treffliches  Masswerk 
enthält.  Vuf  den  Giebelspitzen  reiten  kleine  Figuren,  —  einer 

mit  einer  Zipfelmütze,  die  Glocken  in  den  Händen  halten;  au 
den  faulen  der  Giebelschenkel  sind  Irell'lich  gearbeitete 
Wasserspeier.  Der  Thurm  enthält  bloss  ein  l.'il'u-s  hohes 
Gewölbe,  in  welches  drei  Tluiren  mit  hohen  Kleeblattbögen 

bedeckt  führen  :  über  diesem  is|  er  ganz  hohl,  ohne  Gebälke, 


l)  Ähnlich  sind   die  Thiir von  Wi     Neustadt,     die  Körner  in    Palkau, 

Zellerndorf  u.  s.  w. 


—  253 


selbst  ohne  eiserne  Stangen.  Durch  eine  jetzt  vermauerte 
Thttre  gelangte  man  auf  den  alten  Orgelchor.  Sehr  merk- 
würdig sind  die  an  den  Strebepfeilern  ausgehauenen  Wappen 
mit  schweren  Fasshelmen,  wie  sie  im  XIV.  Jahrhunderte 
von  den  Rittern  getragen  wurden,  oder  alten  Stechhelmen 
bedeckt. 

Zweimal  kommt  das  auch  au  den  Strebepfeilern  des 
Chors  angebrachte  Wappen  der  Ritter  von  Dörr  vor;  beson- 
ders auffallend  ist  eines,  welches  einen  doppelten  Löwen 
mit  einem  gekrönten  Kopfe  enthält.  Etwas  jüngeren  Ur- 
sprunges als  der  Thurm  und  Chor  ist  die  an  die  südliche 
Abseite  angebaute  Capelle,  welche  durch  eine  viereckige, 
von  einer  kantigen  Säule  unterteilte  Öffnung  mit  der  Kirche 
communicirt;  das  flache  Profil  derGewölbsrippen  deutet  auf 
die  Verfallszeit  der  Gothik.  Die  zierlichen  kleinen  Spitzbogen- 
blenden an  den  Schlussmauern  der  Abseiten  dagegen  sind 
wahrscheinlich  zur  Zeit,  als  der  Chor  erbaut  wurde,  der 
Gleichförmigkeit  wegen  angebracht  worden. 

Südlich  von  der  Kirche,  auf  dem  dieselbe  umgebenden 
Friedhofe  steht  eine  dem  heiligen  Leonhard  geweihte  Ca- 
pelle, ein  Rundbau  mit  halbkreisförmiger  Apsis  gegen 
Osten,  ganz  aus  Quadern  erbaut;  es  ist  eine  Todten- 
capelle,  wie  sich  ähnliche  in  Österreich  sehr  zahlreich 
finden,  meistens  aus  dem  XR.  und  XRI.  Jahrhunderte  und 
typisch  von  der  angegebenen  Grundform,  welche  wahr- 
scheinlich in  einer  Nachahmung  der  heiligen  Grabkirche 
zu  Jerusalem  ihren  Ursprung  hat.  Rei  der  durch  die  Kreuz- 
züge erweckten  Regeisterung  für  die  Grabesstätte  Christi 
mochte  es  passend  erscheinen,  das  Messopfer  für  die  Ver- 
storbenen in  einem  Gotteshause  darzubringen,  dessen  Gestalt 
an  die  Kirche  des  heiligen  Grabes  erinnerte  und  die  Gebeine 
in  einer  solchen  beizusetzen  *).  Die  von  den  Kreuzzügen 
heimgekehrten  Ritter  scheinen  oft  solche  Capellen  gebaut 
zu  haben,  da  sie  sich  gerade  an  vielen  Orten  linden,  wo 
adelige  Geschlechter  ansässig  waren,  von  denen  einzelne 
Glieder  als  Kreuzritter  vorkommen.  Bekannt  ist  es,  dass 
Herzog  Leopold  VH.  nach  seiner  Rückkehr  aus  dem  ge- 
lobten Lande  zu  Klosterneuburg  eine  solche  Capelle  (die 
sogenannte  Capella  speciosa)  nach  dem  Muster  und  zum 
Andenken  der  heiligen  Grabkirche  erbaute.  Und  so  dürfte 
auch  die  in  Deutsch-Altcnburg  ihren  Ursprung  dem  Ritter 
Friedrich  von  Dörr  verdanken,  der  den  Herzog  auf  seinem 
Kreuzzuge  begleitete;  wenigstens  stimmt  der  Baucharakter, 
welcher  auf  die  erste  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  als 
Erbauungszeit  weist,  mit  dieser  Vermulhung  überein. 

Der  Durchmesser  des  runden  Hauptraumes  beträgt 
26  Fuss,  der  der  Apsis  9  Fuss;  an  der  Aussenseite  des 


ll  Oiiss  diess  die  gewöhnliche  Bestimmung  solcher  Capellen  war,  wenig- 
stens derjenigen  ,  unter  denen  sicli  eine  Gruft  beiludet ,  bezeugt  der 
oft  dafür  vorkommende  Name  Carnero  oder  Ossariunt,  die  Stiftungen  \  •  ,ti 
Seelenmessen,  die  mitunter  bis  jetzt  bestehen  (alle  haben  einen  Altar) 
und  andere  Umstände.  Siehe  die  ausführliche  und  sehr  gründliche 
Abhandlung  von  Dr.   Heider  im  April-Hefte  der  Mittheilungen,  S.  5Ü  ff. 


ersteren  laufen  vier  Halbsäulen  hinauf,  denen  die  Capitäle 
fehlen :  ihre  attischen  Rasen  mit  knollenartigen  Eckver- 
bindungen  treten  aus  dem  ebenso  gegliederten  Fussücsimse 
vor,  das  sich  in  einer  Höhe  von  2  Fuss  über  dem  Roden  um 
die  ganze  Capelle  herumzieht.  Das  Kranzgesimse  ist  erst 
in  neuerer  Zeit  aufgesetzt:  ohne  Zweifel  war  unter  demselben 
ursprünglich  ein  Rundbogenfries  mit  Zahnschnitten  darüber 
angebracht .  wie  diess  au  der  Apsis  der  Fall  ist.  wo  er 
sehr  zierlich  gebildet  erscheint  mit  Raulen  in  der  Hohl- 
kehle. Von  den  drei  Halbsäulen  am  Altarraume  haben  zwei 

Blattcapitäle  mit  Schne- 
cken, die  dritte  (in  der 
Mitte)  läuft  nur  bis  zu  dein 
hier  angebrachten  Rund- 
bogenfenster hinauf  und 
setzte  sich  über  diesem 
nicht  fort,  wie  der  ununter- 
brochene Fries  beweist 
Von  besonderer  Zier- 
lichkeit ist  der  Eingang 
an  der  Westseite ;  zu  bei- 
den Seiten  befindet  sieh 
eine  freistehende  Säule, 
—  jene  dem  Eintreten- 
den zur  Linken  mit  ge- 
wundenem Schaft  —  mit 
einem  sehr  schönen  aus 
Blattwerk  und  diamantir- 
ten  Bändern  bestehendem 
(Fig.  t.)  Capitäle.    Das  Capital  der 

Säule  rechts  zeigt  der  Holzschnitt  (Fig.  1).  Die  Deckplatten 
sind  ebenfalls  verziert  und  der  reich  gegliederte  Decksims 
diente  wahrscheinlich  Figuren  zum  Fussgestelle.  Der  Vor- 
bau, in  dem  sich  der  Eingang  befindet,  wurde  wohl  nur 
desswegen  angebracht,  um  denselben  reicher  ausstatten  zu 
können:   in  den  rechtwinkelig  abgestuften  Anschlagsmauern 

stehen  auf  jeder 

Seite  drei   \     8 


schmückt,  auf 
hohen  Sockeln. 
So  hat  die  er- 
ste Säule  rechts 
ein  Capital  von 
verschlungenem 
Blattwerk  und 
einen  schuppig 
*'riS  *■)  verzierten  Pfuhl 

der  Basis  initWulsten  an  den  Ecken,  —  die  zweite  und  dritte 
ein  verschiedenartig  mit  blattartigen  Zügen  und  Rautenbändern 
geschmücktes  Capital:  erstere  einen  achteckigen  Schaft  und 
Basis   mit   Schnecken   (Fig.  2).  Die  vorderste  Säule  zur 


2  04  — 


Linken  zeig!  ein  Pfeifencapitäl  (Fig.  3),  die  zweite  ein  mit 
Akanthusblättern  verziertes  Capital  und  achteckigem  Schaft, 
die  dritte  hat  Rautenbänder  und    Schnecken.  Die  Mauer- 

>  üi'lillllll  ecken  zwischen 
den  Säulen,  an 
den  Kanten  mit 
leinen  einge- 
blendeten Siiul- 
ehen  verziert. 
haben  ebenfalls 
mit  Blatt-  oder 
Flechtwerk  ge- 
zierte Kämpfer, 
(Fig. .».)  darüber  geglie- 

derte Decksimse ,  so  dass  sie  mit  den  Säulencapitälen  ein 
fortlaufendes  Ganzes  bilden.  Ursprünglich  zogen  sich  über  den 
Säulen  wohl  Wulste  im  Halbkreisbogen  herum ,  die  gegen- 
wärtigen Rundbogen  rühren  aber,  wie  auch  das  Dach  und  das 


schmucklose  Innere  der  Capelle  (die  Gewölbe  sind  nicht 
mehr  vorhanden)  von  einer  durch  den  Geschieh ts-Professor 
Wikosch  i.  .1.  1823  veranstalteten  Restauration  her. 
Diese  iniiss  als  ein  nachahinungswürdiges  Beispiel  angeführt 
werden,  denn  wenn  sie  auch  mit  geringen,  bloss  durch  eine 
Sammlung  unter  den  Schülern  Professor  Wikosch's  bei- 
geschalVton  Geldmitteln  in  ganz  einlacher  und  bescheidener 
Weise  ausgeführt  wurde,  so  rettete  sie  doch  dieses  schöne 
Denkmal  vor  weiterem  Verlalle,  denn  ohne  dieselbe  würden 
wir  es  nur  in  einem  sehr  kläglichen  Zustande  kennen.  Es 
verdient  iliess  um  so  grössere  Anerkennung,  als  in  jener  Zeit 
die  Kunstdenkmale  des  Mittelalters  nicht  so  hoch  geachtet 
und  gewürdigt  wurden  als  jetzt. 

Noch  muss  angeführt  werden,  dass  sich  unter  der 
Capelle  eine  Gruft  befindet,  daher  über  ihre  Bestimmung 
als  Todtencapelle  wohl  kein  Zweifel  sein  kann;  diese  ist 
ohne  besondere  Bauformen,  ihr  Gewölbe  wird  in  der  Mitte 
von  einem  ganz,  einfachen,  achteckigen  Pfeiler  gestützt. 


Über  den  Bau  und  die  Einrichtung  der  Cistercienser- Klöster  und  Kirchen.1) 


Die  vom  später  heilig  gesprochenen  Benedict  (geh. 
um  480  zu  Nursia  in  Umbrien,  f  21.  März  543)  um  515 
entworfene  Ordensregel,  in  dem  von  ihm  gestifteten 
Mönchskloster  Monte  Cassino  zuerst  eingeführt,  diente 
allen  im  IX. — XI.  Jahrhundert  entstandenen  mönchischen 
Vereinigungen  als  frommer  Leitstern;  zu  ihr  bekannte  sich 
namentlich  der  Cisterci  enser-0  rden. 

Dieser  Orden  insbesondere  verdankt  seineu  Ursprung 
dem  frommen  Kifer  des  h.  Robert,  ersten  Abtes  des  Klosters 
zu  Molesme  (Molismum),  der  1098  in  reformatorischer 
Richtung  gegen  die  zu  Molesme  eingerissene  Verderbtheit, 
in  einem  unwirklichen  nur  mit  Dornen  und  Gehölze  bewach- 
senen, durch  ein  Flüsschen  bewässerten  Thale  von  Citeaux 
(Cistercium)  für  20  Mönche  das  erste  Cistercienser-Kloster 
(ursprünglich  Neukloster,  Nomon  Monasterium  genannt) 
gründete,  und  auf  Befehl  des  P.  Urban  II.  1099  nach  Mos- 
leme  zurückberufen  die  weitere  Pflege  der  neuen  Pflanzung 
seinem  Schüler  Alberich  als  zweitem  Abte  überliess,  der 
die  Regel  des  h.  Benedict  in  ihrer  ursprünglichen  strengen 


i|  Vorsl.'litMiili'i-  Aul'vit/.  ist  ein  Vus^u^  <lcr  interessanten  Abhandlung  ,  wel- 
che der  Geschichtsforscher  Herr  Joseph  Feil  in  dein  ersten  Hefte  der 

\ ins  wiederhol!  besprncht'ut'ii  „Mitii-hlffi-lirlii'n    Kunstdenkmale  des 

üsterr.  Kaiserstaates"  (herausgegeben  ron  Dr.  G.  Heider,  Prof.  Rud. 
v.  Eitelbe  rger  und  .1.  HieserJ  als  einen  Theil  der  historischen 
Einleitung  zu  der  Beschreibung  und  Darstellung  des  Ciatercienser-Stiftes 
Heiligenkreuz  veröffenUichl  hat.  Die  Gediegenheil  der  Arbeit,  wie 
auch  <li<"  Wichtigkeil  des  Gegenstandes  rerdienl  -lit*  grösste  Verbreitung 
und  bal  uns  desshalb  veranlasst  ,  darauf  licsomlers  zurückzukommen. 
Wegen  Mangel  an  Raum  konnten  wir  uns  nur  auf  allgemeine  I  mris  i 
beschränken  und  auch  auf  eine  specielle  Anführung  der  reichhaltigen 
Quellen  nichl  eingehen.  Zum  besseren  Verständnisse  bemerken  wir  übri- 
-    i  ingeführten   Jahrzahlen ,  sich  grösstentheils 

auf  den  Zeitpnnkl  der  gefassten  Beschlüsse  der  Ordenscapitel  beziehen. 

I>.  Ilod. 


Geltung  einführte.  Der  dritte  Abt  Stephan  setzte  unter  Zu- 
stimmung der  zusammenberufenen  Brüder  1108 — 1109 
einige  mit  der  Regel  des  h.  Benedict  im  Einklänge  stehende 
Bestimmungen  fest,  welche,  vorerst  nur  für  das  Kloster  zu 
Citeaux  bestimmt,  öfter  mit  der  um  11  Jahre  späteren  und 
bereits  auf  die  weitere  Verbreitung  des  Ordens  absehenden 
s.  g.  Charta  charitatis  verwechselt  wurden. 

Stephan  stiftete  noch  4  Cisterciensor-Klüster,  1113  La 
f  e  rte  ( Firniiiim)  im  Sprengel  von  Chalons,  1 1 1 4  P  o  n  t  i  g  n  y 
(Pontignyacum)  in  jenem  von  Ouxerre,  1115  Clairvaux 
(Clara-Yallis)  und  Morimond  (Morimundum)  beide  im 
Sprengel  von  Langres.  deren  Vorsteher,  als  jene  der  vier 
ersten  Tochter-Klöster,  zum  Mutter-Stifte  Citeaux  den  später 
gegründetenCistercienser-Abteien  gegenüber  (nämlich  1 1  IS: 
Pruly.  La  Cour  Dieu,  Trois  Fontaines  und  Bonnevaux ;  1119: 
Uouras.  Fontenai,  Cadorin  und  Mazan)  einen  gewissen  Vor- 
rang behaupteten,    liei  solcher  Ausbreitung  des  Ordens  war 

Stephan  darauf  bedacht,    alle   diese  einzelnen  Ordenshäuser 

zu  gleichartiger  Disciplin  und  strenger  Aufrechthaltung  der 
Ordensregel  durch  ein  gemeinsames  Hand  der  Observanz 
zu  vereinigen,  und  dieses  Bestreben  liegl  der  sogenannten 
Charte  der  christlichen  Liehe  (charta  charitatis)  zu  Grunde, 
welche  Stephan  nach  sorglichen  Berathungen  mit  den  Äbten 
und  Brüdern  der  erwähnten  Klöster  um]  mit  deren  Zustim- 
mung zu  Stande  gebracht  und  der  päpstlichen  Genehmigung 
unterzogen  hat.  welche  Satzungen  (capitula  et  constitu- 
tiones)  Papsl  Calixt  II.  unterm  23.  December    1119  auch 

wirklich  für  in 'Währende  Zeilen  bestätigte.    Diese  Charte 

der  Liehe  ist  nun  das  Grundgesetz  des  Cistercienser-Ordens 
(fundamentum  ordinis),  auf  welches  hei  den  Beschlüssen 
der  Generalcapitel  zu  Citeaux  fortan  hingewiesen  wurde. 


—  255  — 


Dasselbe  handelt  jedoch  nur  von  den  persönlichen 
Rechten  und  Pflichten,  ohne  sachliche  Anordnungen  in 
Bezug  auf  den  Bau  oder  die  Einrichtung  der  Klöster  und 
Kirchen  des  Ordens  zu  berühren.  Eine  reichere  Fidle  archäo- 
logischen Stoffes  bieten  dagegen  einzelne  Bestimmungen 
der  Beschlüsse  der  Generälcapitel. 

In  Bezug  auf  die  Gründung  eines  Cistercienser- 
Kl osters  galt  anfangs  strenge  die  Ordensregel  Benedictes. 
Nach  derselben  sollte  ein  Kloster  wo  möglich  so  gebaut 
werden,  dass  es  alles  für  den  nöthigen  Unterhalt  Erforder- 
liche, nämlich  Wasser,  Mühle,  Garten,  Bäckerei  und  Werk- 
stätten für  die  Handarbeiten,  innerhalb  seiner  Mauern  um- 
schliesse,  daniitdie  Mönche  nicht  genöthigt  seien,  den  Bereich 
des  Klosters  zu  überschreiten.  Wenn  ein  Kloster  gestiftet 
werde,  sei  sich  vorerst  behufs  der  hiezu  ausersehenen  Örtlich- 
keit von  Seite  des  Landesherrn  oder  anderer  weltlicher  Gros- 
sen, sowie  von  Seite  des  Bisehofes  der  Zustimmung  zu  ver- 
sichern, dasselbe  aber  entfernt  vom  Sitze  weltlicher  und 
geistlicher  Höfe  anzulegen.  Ferner  müsse  das  Kloster,  bevor 
es  von  den  Mönchen  bezogen  wird,  vom  Stifter  mit  dein  zur 
Deckung  des  Unterhaltes  und  der  Bekleidung  der  Religiösen 
erforderlichen  Einkommen  ausgestattet  sein.  Diese  Satzun- 
gen fanden  bei  den  Cisterciensern  nicht  nur  strenge  Anwen- 
dung, sondern  der  dritte  Abt  zu  Anievaux,  Fastred,  wies  in 
offenbar  übertriebener  Askese  darauf  hin,  dass  die  ersten 
Klöster  absichtlich  in  sumpfigen ,  abschüssigen  Thälern  er- 
baut wurden,  damit  die  Mönche  öfter  erkrankend  stets  den 
Tod  vor  Augen  haben ,  um  nie  sorgenlos  zu  leben.  Ebenso 
wurde  jene  Anordnung  Benedictes  festgehalten,  welche  die 
Zahl  der  Brüder  für  jedes  neu  errichtete  Kloster  auf  zwölf 
und  den  Abt  als  dreizehnten  beschränkt  und  auf  späte- 
ren Generalcapiteln  diese  Zahl  als  Minimum  einer  Kloster- 
bruderschaft bezeichnet  hatte,  um  längerhin  als  solche 
bestehen  zu  können. 

Was  die  Bauanlage  und  den  L  in  fang  der 
Klöster  mit  ihren  Betkirchleins  anbelangt,  so  folgte  der 
Cistercienser-Orden,  die  Armuth  als  Nährmatter  seines  Be- 
standes an  die  Spitze  stellend,  anfangs  strenge  diesem  Ge- 
bot und  prägte  den  Stempel  desselben  auch  in  der  kümmer- 
lichen Form  bei  der  Ausstattung  seiner  Bauwerke  aus.  Durch 
diesen  Grundsatz  und  das  Gebot  der  strengsten  Clausur  für 
die  Mönche  selbst,  sowie  durch  die  in  erster  Zeit  zusammen 
auf  dreizehn  bestimmte  Anzahl  derselben,  waren  dann  auch 
schon  überhaupt  die  Anlage  und  der  Unifang  der  einzelneu 
Bestandteile  der  ältesten  Klöster  bedingt,  welche  in  Bezug 
auf  den  Cistercienser-Orden  das  den  Karthäusern  als  Hegel 
vorgezeichnete  Zellen-System  zu  Anfang  völlig  ausschlössen 
Die  Bestandteile  waren  zumeist  in  folgenden  Rich- 
tungen angelegt.  Den  nördlichen  Theil  beherrschte  die 
Kirche  in  solcher  Art,  dass  der  den  Hochaltar  umschliessende 
Theil  nach  Osten  hin  gerichtet  war.  An  der  entgegenge- 
setzten westlichen  Seite  der  Kirche  war  der  Eingang  in 
dieselbe.     Das   Dormit  ori  um  ,    und  unterhalb  demselben 


das  Capitelhaus,  lagen  gegen  Osten.  Nächst  der  Kluster- 
pforte,  gegen  Westen,  lag  die  Fr  ernd  e  n  s  t  u  be  (cclla 
kospitum),  damit  die  Ankömmlinge  nicht  Anlass  hätten,  die 
inneren  Klosterräume  zu  betreten.  Gegen  Süden  hin  war  das 
Refectorium  und  unterhalb  demselben  die  Küche  angebracht, 
beide  so  weit  als  möglich  vom  Kirchengebände,  namentlich 
vom  Chor  entfernt.  Das  Novizen-  und  Krankenhaus 
waren,  gleichsam  ein  zweites  Kloster,  von  den  oben  genann- 
ten Räumlichkeiten  abgeschieden. 

Die  Kirche  sollte  schon  nach  der  Ordensregel  hins- 
ein Bethaus  (daher  auch  meist  nur  Oratorium,  seltener 
ecclesia  oder  basilica  genannt)  sein,  und  zu  keinem  andern 
Gebrauche  dienen.  Die  Klosterbrüder  sollten  nach  der  Be- 
endigung des  Gottesdienstes  die  Kirche  stets  in  ^rösster 
Stille  verlassen,  damit  jene  nicht  gestört  werden,  die  auch 
noch  später  daselbst  beten  wollten.  Der  Besuch  der  Kirche 
war  in  der  Hegel  Laien  nicht  gestattet,  am  wenigsten  dein 
weiblichen  Geschlechte.  Die  Überschreitung  dieses  öfters 
eingeschärften  Verbotes  wurde  stets  am  Abt  und  Convenl 
bestraft  (1192  u.  1193):  und  zwar  nicht  bloss,  wenn  Wei- 
ber die  Kirche,  sondern  auch  nur  das  Kloster,  selbst  wenn 
es  neu  erbaut  war  (1194),  betreten  hatten,  wovon  nur  zur 
Zeit  der  Einweihung  einer  neuen  Klosterkirche  durch  neun 
Tage  eine  Ausnahme  gestattet  war  (1157).  Ausserdem  war 
der  Zutritt  auf  das  Strengste  untersagt  und  so  lange  Frauen 
im  Kloster  sich  aufbieten,  durfte  kein  Gottesdienst  gehalten, 
und  mussten  die  Altäre  abgeräumt  werden.  Der  Abi  ,  mit 
dessen  Zustimmung  dieses  geschehen,  wurde  seiner  Würde 
entsetzt,  der  Mönch,  der  es  ebne  Wissen  iWs  Abtes  vermit- 
telte, ausgestossen  (1193). 

Wenn  also  die  Betkirchleins  des  Cistercienser-Ordens 
ursprünglich  nur  für  die  beschränktere  Anzahl  der  Kloster- 
gemeinde  und  \'t\i  den  seltenen  Besuch  geistlicher  Gäste 
bestimmt  waren,  so  ergibt  sich  schon  dadurch  der  geringere 
Umfang  der  hierfür  gewidmeten  Räumlichkeit.  Die  Aus- 
stattung des  Bauwerkes  und  der  inneren  Kirche  war  seilen 
nach  der  Ordensregel  auf  die  schmuckloseste  Einfachheit 
beschränkt,  und  dieses  Gebot  durch  viele  Capitelbesehliis.se 
eingeschärft. 

In  dem  zum  täglichen  und  nächtlichen  Gottesdienste 
bestimmten  Gebäude  sei  alles  entfernt,  was  gegen  die  grund- 
sätzliche Armuth  des  Ordens,  an  Hoffart  oder  Überfluss  ge- 
mahnen könnte:  daher  alle  goldenen  und  silbernen  Kreuze 
zu  beseitigen  und  durch  bemalte  hölzerne  zu  ersetzen  seien. 
In  der  Kirche  hänge  nur  ein  silberner  Candelaber.  Ausser- 
dem durften  nur  kupferne  oder  eiserne  Weihrauchfässer, 
nur  Messkleider  u.  s.  w.  aus  Baumwollen-,  Leinenstoff  oder 
Tuch  ohne  Gold  und  Silber  gebraucht  werden,  nur  leinene 
Messhemden  und  Kragen  (amictus),  nur  silberne  und  wenn 
möglieh  vergoldete  Kelche  .  Sielen  und  Manipeln  nur  von 
Tuch  ohne  Gold  und  Silber,    Altartücher  nur  aus  Leinwand 

ohne    Malerei:    die    zur    Bedienung  des  Altars  bestii teu 

Trinkgeschirre  ohne  Gold  und  Silber,   kein  Mantel.   Pluvial 


(cavpa),  keine  Dalmatik  oder  Tunik  sollen  zur  Anwendung 
kommen  (1109). 

Diese  Grundregeln  der  Mutterabtei  Citeaux  wurden  auch 
in  den  Töchsterklöstern  aufrecht  erhalten,  auf  den  General* 
capiteln  bei  vielen  Anlassen  in  Erinnerung  gebracht,  und 
bei  besonderen  Vorkommnissen  folgerichtig  ausgelegt  und 
mndificirt.  Wir  wollen  diese  besonderen  Bestimmungen 
zunächst  der  Zeitfolge  nach  in  Übersicht  bringen  und  sodann 
zu  allgemeinen  Folgerungen  übergehen. 

Vor  Allem  soll  vorangeschickt  werden,  dass  im  Cister- 
cienser-Kloster  die  Verehrung  der  beil.  Gottes-Mutter  eine 
bei  vielen  Anlässen  überwiegend  hervorgehobene  Richtung 
des  Cultus  der  frommen  Klosterbrüder  bildete  (1187  und 
1184:  1244  u.  s.  w.)  und  dass  alle  Kirchen  des  Cister- 
cienser-Ordens  zu  Ehren  der  h.  Maria  als  Schutzfrau  »los 
Ordens  eingeweiht  werden  mussten. 

Dass  auch  der  architektonische  Schmuck  vermieden 
war  und  die  Wände  des  Kirchengebäudes  so  viel  als  möglich 
kahl  gelassen  werden  mussten,  ist  schon  aus  dem  ganzen 
(niste  der  Ordensregeln  und  Statuten  abzuleiten. 

Steinerne  Glockent hürme  waren  strenge  unter- 
sagt; der  Gebrauch  kleiner  Glocken  jedoch  bis  zu  dem 
Gewichte  von  300  Pfd.  gestattet.  Die  Zeichen  zu  den  ver- 
schiedenen gottesdienstlieben  Verrichtungen  wurden  vor 
dem  allgemeineren  Gebrauche  der  Glocken  auch  durch  Hör- 
nerruf,  durch  Schläge  auf  Holztafeln  und  durch  menschliche 
Laute  gegeben. 

Dass  schon  bei  der  ältesten  Anlage  der  Cistercienser- 
Kirohe  der  Chor  besonders  unterschieden  werden  musste, 
geht  ans  vielfachen  einzelnen  Statuten  bestimmt  hervor. 

Der  Hochaltar  musste  gegen  Osten  bin  liegen  und 
dessen  Stelle  schon  hei  dem  Ausstecken  der  Masse  für  den 
Hau  eines  neuen  Klosters  zuerst  bestimmt  werden.  Wurde 
,],■]■  Altartisch  von  dieser  Stelle  entfernt,  so  musste  die 
Kirche  neu  eingeweiht  werden.  Dass  aber  in  einer  solchen 
Kirche  mehrere  Altäre  zulässig  waren,  geht  nicht  nur  schon 
aus  der  Unterscheidung  des  Hauptaltars  als  solchen  hervor. 
sondern  wird  nach  einzelnen  Statuten  insbesonders  voraus- 
gesetzt. 

Wh-  überhaupt  auffallend  gefärbte  Tücher  nicht  ge- 
braucht werden  durften,  90  war  es  insbesonders  auch  ver- 
boten, seiden ler  bordirte  Altart  0  eher  zu  gebraueben. 

Sculpturen  und  Gemälde,  mit  Ausnahme  eines 
Salvatorbildes,  waren  zwar  in  allen  Klosterräumlichkeiten 
strenge  untersagt.  Dagegen  durften  bemalte  hölzerne  Kreuze 
gebraucht  werden. 

Die  Fenstergläser  mussten  weiss,  ohne  Kreuze 
und  unbemalt  sein.  Das  Verbot  scheint  aber  nicht  allent- 
halben genau  beachtet  worden  zu  sein  ,  denn  sehen  das 
Generalcapitel  v.  .1.  1182  befahl,  dass  innerhalb  zweier 
Jahre  alle  Glasgemälde  zu  entfernen  seien.  Eine  ausdehnende 
Interpretation,  welche  das  Verbot  bloss  auf  die  bunten  Glas- 
malereien beziehen  machte,  scheint  es  erklärlich  zu  machen. 


dass  in  Cistercienser-Klöstern ,  wie  z.  B.  zu  Heiligenkreuz 

in  (Isterreich  altere  Glastafeln  verwendet  wurden,  die  wohl 
weiss,  aber  doch  mit  schwarzer  oder  grauer  ornamentaler 
Zier  bemalt  w  aren. 

Bilder  und  Wandgemälde  waren,  wie  erwähnt 
(1134),  als  der  alten  Ehrbarkeit  der  Ordensdisciplin  zu- 
wiederlaufend,  verpönt  Dieses  Verbot  wurde  in  der  ersten 
Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  noch  öfter  eingeschärft  (1204, 
1231,  1242).  So  durften  namentlich  auch  keine  Wappen« 
scbilde  in  den  Kirchen  aufgehangen  «erden  (1203). 

Wenn  es  überhaupt  im  (leiste  der  Ordensregel  lag, 
dass  alle  Räumlichkeiten  des  Klosters,  sobald  das  /.eichen 
zur  Complete  gegeben  war.  zur  Nachtzeit  beleuchtet  seien, 
SO  war  dieses  auch  in  Bezug  auf  die  Kirche  der  Fall,  und 
nur  sehr  arme  Klöster  mochten  die  Kirchenlaterne  im 
Dormitorium  verwenden.  Auf  dem  Generalcapitel  vom  Jahre 
1152  wurde  es  freigestellt,  dass,  wo  es  sein  konnte,  in  der 
Kirche  sowohl  bei  Tage  als  zur  Nacht  eine  Lampe  brenne: 
deren  mehrere  anzuzünden,  wurde  als  hollartig  bezeichnet 
(vanitatem  aliquatenus  redolere  videtur;  1196J. 

Begräbnisse  in  der  Kirche  durften  anfänglich  nur 
Königen,  Königinneu  und  Bischöfen  gestattet  werden.  Im 
Capitelhause,  <\^\-  Begräbnissstätte  der  Abte,  mochten  jene 
dann  beerdiget  werden,  wenn  sie  es  wünschten  (1 1Ö2,  1  180). 
Ausserdem  durften  nur  die  Stifter  eines  Klosters  innerhalb 
demselben,  jedoch  keineswegs  in  der  Kirche  oder  im  Capitel- 
hause. beerdiget  werden,  und  nur  ausnahmsweise  solche. 
welche  auf  dem  Wege  erkrankt  und.  in  diesem  Zustande  ins 
Kloster  aufgenommen,  darin  gestorben  waren,  und  auch  nur 
dann,  wenn  zugleich  das  Kegrälmiss  ohne  grosses  Aufsehen 
oder  ohne  grosse  Gefahr  nicht  verweigert  werden  konnte. 
Diese  Nöthigung  musste  aber  im  nächsten  Generalcapitel 
dargelegt  werden  (1157,  1  HKS.  1219).  Ein  Abt,  welcher 
eine  Frau  in  seiner  Kirche  beerdiget  halte,  wurde  hart  be- 
straft ( 1  193).  Das  Generalcapitel  vom  Jahre  1194  ver- 
ordnete, dass  die  Grabsteine  in  den  Cistercienser-Klöstern 
ganz  eben,  das  ist  ohne  erhobene  Sculpturen  11.  dgl.  in  i\i-n 
Boden  gefügt  werden  .  damit  sich  die  Darübergehenden 
nicht  daran  stossen  (  eiiiiei/iie/itiir  lernte,  ne  sii/t  o/feiit/ieti/n 
tranaeuntium;  Il94y,  daher  ohne  Zweifel  die  im  weiteren 
Umfange  beobachtete  Sitte,  die  Inschriften,  Wappen  u.  s.  w. 
auf  Grabsteinen  vertieft  einzugraben.  L'm  die  Mönche  stets 
an  deu  Ernst  th'ü  Todes  ZU  erinnern,  musste  in  den  ältesten 
Zeiten  entweder  in  der  Kirche  oder  im  Kloster  ein  offenes 
Grab  an  die  Hinfälligkeit  dieses  Daseins  mahnen. 

Orgeln  und  Musikchöre  waren  in  den  Cister- 
cienser-Kirchen  vor  dem  vierzehnten  Jahrhunderte  nicht  zu 
linden.  Nur  im  gemeinschaftlichen)  ungekünstelten  Gesänge 
worden  die  Psalmen  u.  s.  w.  abgesungen. 

Ganz    den    Satzungen    des   Ordens    entsprechend,    war 

auch  die  äusserste  Einfachheit  in  den  Kirchengeräthen 
geboten,  wie  bereits  oben  angedeutet ,  und  dieses  Gebot 

rltei-    erneuert     werden  ;    dasselbe    war   auch    in    Bezug    auf 


257 


Messgewänder  und  den  übrigen  Ornat  für  gottesdienstliche 
Verrichtungen  vorgezeichnet  (1134,  1185  u.  s.  w.). 

In  Bezug  auf  die  Abhaltung  des  Gottesdien- 
stes wird  bemerkt ,  dass  dieser,  mit  Ausnahme  der  Sonn- 
und  Festtage,  für  welche  besondere  Anordnungen  bestanden, 
regelmässig  zu  sieben  verschiedenen  Stunden  des  Tages 
und  der  Nacht  (horae  diurnae  genannt)  stattfand ,  deren 
Vertheilung  sich  nach  der  Verschiedenheit  der  Tageslänge 
in  den  einzelnen  Jahreszeiten  richtete.  Man  unterschied  die 
Matutina,  die  Prima,  Tertia,  Sexta,  Nona.  die  Vesper  und 
das  Complete  (cumpletorü  tempmj.  Die  Festsetzung  der 
Zeit  für  diese  einzelnen  Andachtstunden  war  auch  in  den 
einzelnen  Klöstern  nicht  gleich. 

Opferstöcke  oder  Sammelbüchsen  bestanden 
nicht,  sie  wären  übrigens  in  den  Kirchen  schon  wegen  des 
seltenen  Besuches  derselben  durch  die  .  der  Regel  nach 
gänzlich  davon  ausgeschlossenen  Laien  nutzlos  gewesen. 
Aber  auch  dort,  wo  solche  am  Eingange  einzelner  Abteien 
angebracht  waren  (trunci  oder  gazaphilacia  genannt), 
mussten  dieselben  zu  Folge  Capitelbeschlusses  vom  Jahre 
1204  als  eine  Art  unschicklicher  Bettelei  entfernt  werden. 

Ohne  dass  es  durch  ältere  Klosterregeln  oder  Statuten 
ausdrücklich  geboten  erscheint ,  linden  wir  •  gleichwohl  in 
den  meisten  älteren  Klöstern  und  namentlich  in  allen  öster- 
reichischen Cistercienser-Klöstern  einen  sogenannten  Kreuz- 
gang (ambitus  ,  porticus  ,  cireuitus ,  mittelhochdeutsch 
Kriucegunc) ,  so  genannt,  weil  in  diesen  den  Unbilden  der 
Witterung  nicht  ausgesetzten  Räumen  eine  gewisse  Art  von 
Bet-  und  Bittgängen  unter  Vortragung-  des  Kreuzes  statt- 
gefunden haben.  Nur  darf  bei  der  dem  Cistercienser-Orden 
gebotenen  Pruuklosigkeit  in  allen  gottesdienstlichen  Ver- 
richtungen ,  und  bei  dem  Ausschlüsse  des  Volkes  von  den 
Klostermauern  hierbei  nicht  auf  das  Gepränge  öffentlicher 
Processionsfeierlichkeiten  gedacht  werden.  Den  Cistercien- 
sern  war  bloss  vorgeschrieben  ,  dass  bei  den  in  gehöriger 
Ordnung  vorzunehmenden  Processionen  vor  dem  Kreuze 
zwei  weiss  gekleidete  Mönche  mit  Wachslichtern  voran- 
schreiten sollten  (1226). 

Diese  Kreuzgänge  wurden  so  construirt,  dass  ein 
Hallengang  in  vier  gleichlangen  Absätzen  einen  viereckigen, 
meist  zu  einem Gärtchen  benützten  Raum  umschloss,  welchem 
zugekehrt  sich  breitere  fensterartige  Bäume  mit  Bogen- 
stellungen  und  Bosenfüllungen  öffneten .  welche  Fenster- 
räume, ursprünglich  frei,  bald  zum  Schutze  des  Bauwerkes 
selbst  und  der  den  Kreuzgang  betretenden  Mönche  gegen 
die  empfindlichen  Einwirkungen  der  Elemente  in  kälteren 
Zonen  mit  Glas  ausgefüllt  wurden. 

Die  eine  dieser  vier  Seiten  schliesst  sich  dem  Lang- 
hause der  Kirche  an,  mit  welcher  eine  Thüre  die  Verbin- 
dung herstellt.  Nach  anderen  Seiten  stand  der  Kreuzgang 
mit  den  inneren  Klostertheilen  in  Verbindung,  so  dass  die 
Mönche  aus  diesen  durch  den  Kreuzgang  in  die  Kirche 
gelangen  konnten.     Jede  einzelne  dieser  vier  Hallen  des 


Kreuzganges  hatte  ihre  besondere  Bestimmung.  So  wurden 
in  einer  der  vier  Langseiten  täglich  bestimmte  Capiteln 
aus  den  Kirchenvätern  u.  s.  w.,  und,  nach  bestimmter  Ver- 
theilung der  einzelnen  Abschnitte,  die  Ordensregel  des  heil. 
Benedict  wenigstens  viermal  des  Jahres  vor  den  versam- 
melten Brüdern  vor  dein  Abendgebete  gelesen,  daher  dieser 
Gang  auch  öfter  der  Lesegang  (lectioj  genannt  wurde. 
In  einer  andern  dieser  Hallen  wurden  von  den  Kloster- 
brüdern am  Donnerstage  in  derCharwoche  (Coeiia  Domiiti ) 
den  Armen  die  Füsse  gewaschen.  Im  Kreuzgange  herum- 
wandelnd.  erbauten  sich  die  Mönche  durch  Lesung  frommer 
Bücher,  wie  ihnen  diess  für  die  nicht  dem  Gottesdienste  und 
der  Arbeit  gewidmeten  Stunden  geboten  war  (51. 'i).  Hier 
war  später  auch  der  Begräbnissort  der  verstorbenen  Kloster- 
Brüder;  überhaupt  aber  wurden  in  diesen  Hallen  auch  häufig 
feierliche  Umgänge  mit  Gesang  und  Vortragung  des  Hoch- 
würdigsten gehalten.  Wenn  nun  auch  kein  Ordensstatut 
die  Anlegung  eines  Kreuzganges,  zumal  in  bestimmter  Form, 
als  wesentlichen  Bestandteil  einer  Cistercienser- Abtei 
bezeichnet ,  oder  überhaupt  in  Bezug  auf  die  Art  der  Ver- 
wendung desselben  zu  gewissen  frommen  und  häuslichen 
Verrichtungen  etwas  Näheres  bestimmt,  so  linden  wir  gleich- 
wohl dessen  Errichtung  in  diesen  Klöstern  schon  in  frühester 
Zeit,  und  da  kein  Beschluss  eines  Generaleapitels  dagegen 
Einsprache  erhob ,  so  muss  die  Anlage  desselben  als  dem 
Geiste  des  Ordens  entsprechend  angenommen  werden. 

Ein  Brunnenhaus,  nämlich  eine  an  der  Mitte  einer 
Seite  des  Kreuzganges  angebaute  Halle  mit  einem  fortan 
sprudelnden  Wasserquell,  finden  wir  in  den  drei  ältesten 
Cistercienser-Klöstern  des  Erzher  zogt  hums  Österreich,  näm- 
lich zu  Heiligenkreuz,  Z  w  e 1 1  und  L i  1  i  e n  f e  1  d.  Sie 
sind  durchaus  erst  später  zugebaut  worden,  so  das  Brunnen- 
haus mit  der  Wasserleitung  und  dein  steinernen  Wasser- 
becken zu  Zwetl  erst  um  1327;  jenes  zu  Lilienfeld  mit 
seinen  bleiernen  Wasserbecken  um  die  Mitte  des  XV.  Jahr- 
hunderts. Die  Anlage  solcher  Brunnenhäuser  mochte,  als 
mit  der  Ordensregel  des  heil.  Benedict  im  Einklänge  stehend, 
von  den  Generalcapiteln  nicht  beanstandet  worden  sein, 
denn  jene  bestimmt :  ein  Kloster  sei  wo  möglieh  so  anzu- 
legen, dass  alles  Nöthige,  namentlich  auch  Wasser  inner- 
halb des  Klosters  sich  befinde,  damit  die  Mönche  nicht 
genöthiget  seien,  desshalh  die  Klostermauern  zu  über- 
schreiten (vagandi  form). 

Das  Capitelhaus  (Ciipituluiit.  CapitoUan  auch  </<»- 
»ins  capituli  genannt)  meistens  an  eine  und  zwar  an  der 
der  Kirche  entgegengesetzten  Seite  des  Kreuzganges  ange- 
baut, war  derjenige  Ort.  wo  zunächst  der  Abt  vor  den  rer- 
sanimelten  Brüdern,  welche  sofort  das  Capitel  bildeten, 
die  wichtigeren  Diseiplinar-  und  andere  Angelegenheiten 
des  Klosters,  soferne  diesen  die  Kenntnissnahme  derselben 
nöthig  oder  ein  Beschluss  von  deren  Zustimmung  abhängig 
war,  verhandelte.  Hier  wurden  auch  bestimmte  feierliche 
Handlungen,  namentlich  die  Abtenwahl,  vorgenommen,  und 

34 


288   — 


hier  war  auch  die,  gewissen  ausgezeichneten  Persönlich- 
keiten zugestandene  Ruhestätte. 

Im  Capitelhause  süssen  die  Brüder  zur  Winterszeit 
nach  der  Beendigung  des  nächtlichen  Gottesdienstes  heim 
Lampenscheine  zur  erbaulichen  Lection  versammelt.  Das 
Capitelhaus  war  endlich  auch  der  Ort,  wo  die  Brüder  und 
Conserven  wöchentlich  einmal  (1252)  einem  älteren  Spiri- 
tual, und  wenigstens  2 — 3  Mal  des  Jahres  dem  .Mite  (1233) 
ihre  Sünden  bekannten.  Hier  wurden  spater  auch  die  Lei- 
chen der  verstorbenen  Klosterbrüder  his  zur  Beerdigung 
beigesetzt,  was  früher  in  der  Kirche  geschehen  musste 
(1207,  1242);  hier  wurden  endlich  auch  die  Novizen  ein- 
gekleidet und  dann  zur  Ablegung  der  Profess  aufgenommen: 
die  letztere  seihst  hatte  in  der  Kirche  stattzufinden.  Übri- 
gens befand  sich  im  Capitelhause  stets  ein  Altar  und  zwar 
öfter  in  einem  capellenartigen  Ausschusshaue.  Hier  wurde 
auch  in  späteren  Zeiten  zu  Ostern  das  heil.  Grab  errichtet 
und  vor  demselben  Tag  und  Nacht  hindurch  gebetet.  Seit- 
dem Papst  Benedict  IV.  den  bereits  üblich  gewordenen 
Eintritt  der  Frauen  in  die  Kreuzgänge  strenge  untersagt 
(  I  742),  wird  diese  Feierlichkeit  in  die  Kirche  vorgenommen. 
Das  Schlaf  haus  (dormüorium,  und  nach  diesem 
\\  orte  auch  Dormenter)  war  überhaupt  der  in  den  Klöstern 
zur  nächtlichen  Ruhe  bestimmte  Ort;  bei  den  Cisterciensern 
und  allen  der  Regel  des  heiligen  Benedict  unterworfenen 
Abteien  aber,  wo  das  den  Karthäusern  eigentümliche  Zellen- 
system ursprünglich  nicht  zugestanden  war,  der.  sämmtlichen 
Klosterbrüdern  sammt  dem  Ahle  gemeinschaftliche  Schlafsaal. 
Die  dem  Schlafe  gewidmete  Zeit  war  eine  sehr  beschränkte. 
Nach  der  Beendigung  des  nächtlichen  Gottesdienstes  durften 
die  Brüder  nicht  mehr  schlafen;  sie  waren  dann,  wie  erwähnt, 
zur  Winterzeit  im  Capitelhause  versammelt,  um  nach  Belie- 
ben sich  durch  die  Lesung  frommer  Schriften  zu  erbauen; 
der  Habit  musste  aber  so  geordnet  sein,  dass  es  sichtbar 
wurde,  wenn  einer  der  Mönche  etwa  wieder  einschlief;  im 
Sommer  konnten  sie  auch  andere  Klosterräume  zu  gleicher 
Erbauung  betreten,  jedoch  nur  in  Gemeinschaft,  nicht  ver- 
einzelt. 

Das  Dormitorium  bildete  also  einen  der  wesentlichen 
Bestandtheile  eines  Klosters,  vor  dessen  Ausführung  ein 
Kloster  nicht  bezogen  werden  durfte  (1134).  Nicht  nur 
die  Klosterbrüder,  mit  Ausnahme  der  Kranken  und  jener, 
welche  bestimmte  Dienste  zu  verrichten  hatten,  sondern 
auch  der  Abt  mussten  ursprünglich  im  gemeinschaftlichen 
Dormitorium  schlafen,  und  zwar  nahm  des  Abtes  Bett  die 
mittlere  Stelle  ein,  zumeist  an  der  Mauer;  er  war  auch 
zunächst  berufen,  das  Zeichen  zum  Aufstehen  zu  gehen. 
wenn  die  Stunde  des  nächtlichen  Gottesdienstes  heran- 
gerückt war.  Das  Dormitorium  und  der  Eingang  zu  demsel- 
ben musste  die  ganze  Nacht  hindurch  erleuchtet  und  in  allen 
Cistercienser-Klöstern  nach  einerlei  gewohnter  Form  gebaut 
werden.  Hin  Abt,  welcher  hierin  Abweichungen  zuliess, 
wurde  schwer  bestraft,  und  musste  selbes  innerhalb  dreier 


Jahre  jener  Bauweise  gemäss  umbauen  lassen,  widrigen- 
falls nach  Ahlauf  dieses  Termines  nie  und  nimmer  Jemand 
dort  schlafen  durfte.  Als  Papst  Benedict  XII.  sogleich 
heim  Antritte  des  Pontificates  unter  andern  durchgreifenden 
Massregeln  auch  die  allmählich  von  der  alten  Strenge  abge- 
wichenen Mönchsorden  durch  Zurückführung  auf  ihre  heil- 
samen Ordensregeln  diesen  gemäss  reformirte,  und  den 
jungen  Mönchen  insbesondere  die  Gelegenheit  zum  Besuche 
der  Universitäten  erleichterte,  bemerkte  er  in  der  an  den 
Cistercienser-Orden  unterm  12.  Juli  1334  erlassenen  Bulle 
insbesondere,  dass  er  mit  Misslieben  vernommen  habe,  wie 
gegen  die  Satzungen,  welche  den  Mönchen  ein  gemein- 
schaftliches Dormitorium  vorzeichnen,  in  einigen  Klöstern 
unter  verschiedenen  Vorwänden  besondere  Kammern  ausser 
dem  Krankenhause  der  Mönche,  ja  im  Dormitorium  selbst 
eingebaute  Zellen  als  Schlafstätten  benützt  werden.  Er 
erneuerte  demnach  das  Verhol,  in  abgesonderten  Kammern 
zu  schlafen.  In  den  Dormitorien  durfte  sofort  keine  Zelle 
mehr  erbaut,  und  die  bereits  errichteten  mussten  binnen 
drei  Monaten  niedergerissen  werden.  Doch  mögen  die 
Prioren  und  Subprioren  mit  Zustimmung  des  Abtes  inner- 
halb des  Schlafhauses  eine  Zelle  haben.  Diese  Bestimmung 
wurde  auf  dem  Generalcapitel  vom  Jahre  1439  mit  dem 
Beisatze  erneuert,  dass  kein  Ordensmann  auf  Pflaumen- 
polstern oder  Leintüchern  schlafen  dürfe,  und  dass  die  den 
Prioren  und  Subprioren  gestatteten  besonderen  Kammern 
fürderhin  nicht  durch  Thüren  und  Biegel  den  Eintritt  aus- 
schliessen.  Dass  übrigens  in  den  Dormitorien  der  Cister- 
cienser  zugleich  kleinere  Capellen  angebracht  wurden,  wie 
dies--  anderwärts  geschah  (in  dormitorio  dbsida  in  orien- 
tali parte  mirifice  construeta,  in  ea  altare  etc.).  darüber 
findet  sich  keine  sichere  Bestimmung.  Ein  kleiner  Altar 
mochte  dort  immerhin  angebracht  sein,  zur  Erbauung  hei 
den  stillen  Naehtgcbeten  der  Mönche,  die  dort  ihre  Schlaf- 
stätten  hatten. 

Der  gemeinschaftliche  Speisesaal  war  gleich 
dem  Dormitorium  ein  wesentlicher  Bestandtheil  eines  Klo- 
sters. Er  wurde  llefectoriuni  (im  deutschen  auch  Tiefender, 
Revent:  Refat  seihst  Rebedir,  Rebenthal,  Rebenthier, 
Robenier,  Remptorei  sogar  Referent  verunstaltet)  genannt. 
Jener  Mönch,  dem  die  Sorge  für  dieses  Gemach  und  den 
Tisch  zustand  ,   hiess  Befectuarius. 

Wie  durch  die  Ordensregel  alles  w  as  Sinnenlust  erregt. 
auf  das  äusserslc  Bedürfniss  angewiesen  und  in  Allem  den 
Mönchen  gleichartige  Gemeinschaftlichkeil  vorgezeichnef 
war.  so  erstreckte  sich  dieses  Gebot  insbesondere  auch  auf 
den  Genuss  der  Nahrungsmittel  und  auf  die  Einrichtung 
und  Bestellung  des  gemeinschaftlichen  Tisches.  Zweimal 
des  Tages  zu  speisen,  nämlicb  zu  Mittag  und  etwas  weniges 
zu  Abends,  war  durch  die  Hegel  des  heil.  Benedict  zuge- 
standen.    Dieses    Gebot    wurde    bei    den    Cislercieiisern   so 

strenge   aufrecht   erhalten,  dass  Jünglinge  in  einem  Alter, 
wo    der    dreimalige   Genuss    von   Speisen    in   einem   Taue 


—  259 


gewissermassen  Bedürfniss  war,  nicht  in  das  Kloster  auf- 
genommen werden  durften ,  und  Äbte  die  dieses  gethan, 
strenge  bestraft  wurden,  wesshalb  das  18.  Lebensjahr  zum 
Eintritte  in  die  Klostergemeinschaftvorgezeicb.net  war(  1157). 

In  kälteren  Himmelsstrichen  bestand  und  bestellt  noch 
in  den  meisten  Cistereienser-Klöstern  ein  eigenes  Win  ter- 
und  Sommer-Refectorium. 

Die  allgemeine  Klosterküche,  zu  unterscheiden 
von  der  besonderen  Küche  des  Abtes  für  die  Gaste,  musste 
begreiflicherweise  dem Rcfeetorium  möglichst  nahe, jedoch, 
wie  früher  bemerkt,  von  der  Kirche  soweit  als  möglich 
entfernt  untergebracht  sein.  Der  gesammte  Küchendienst 
musste  in  Gemässheit  der  Ordensregel  (315,  c.  35)  unter 
wöchentlichem  Wechsel  von  den  Brüdern  versehen  werden, 
wovon  nur  Krankheit  oder  die  Verwendung  für  anderwei- 
tige, dem  Kloster  nützliche  Beschäftigungen  eine  Ausnahme 
begründete. 

Die  übrigen  noch  innerhalb  der  Clausur  belindlichen 
Bestandteile  eines  Klosters  waren  theils  nach  den  statua- 
rischen Bestimmungen,  theils  nach  besonderen  Verpflich- 
tungen folgende:  die  Prälatur,  Wärmestube  und  die  Schreib- 
stuben (seriptoriu),  das  Archiv,  das  Bibliotheks-Zimmer,  die 
Kleiderstube,  der  Kerker,  das  Krankenhaus  der  Mönche  und 
Laienbrüder,  die  Spitalkirche,  die  Badestube,  das  Novizen- 
haus und  das  Pfortengebäude. 

Ausserhalb  der  eigentlichen  Clausur  befanden  sich:  die 
Gaststube,  die  Krankenstube  für  Laien,  die  Viehställe,  die 
Mühle  und  das  Backhaus,  die  Werkstätten,  der  Klostergarten, 
die  Klosterschenke  und  die  Begräbnissstätte. 

Das  Krankenhaus  der  Mönche  und  Laien 
(inßrmaria  auch  inflrmitorium),  nicht  zu  verwechseln  mit 


dem  Laienspital  (hospitale), musste  an  einer  abgelegeneren 
Stelle  des  Klosters  angelegt  und,  im  kleineren  Massstabe 
mit  den  wesentlichsten  Bestandteilen  eines  solchen  ver- 
sehen, gewissermassen  ein  Kloster  im  Kleinen  bilden. 

In  Verbindung  damit  stand  die  Spitalkirche,  dazu 
bestimmt,  dass  die  kranken  Mönche,  soweit  es  ihr  Zustand 
gestattete ,  alle  täglichen  gottesdienstlichen  Stunden  im 
Gebete  mitfeierten,  und  dieselbe  war  in  so  naher  Verbindung 
mit  der  Krankenstube,  dass  die  Siechen  in  ihren  Betten 
mitbeten  und  mitsingen  konnten. 

.  Das  Novizenhaus  bildete  gleich  dem  Siechenhause 
ein  Kloster  im  Kleinen  mit  besonderen  Speise-.  Wasch- 
und  Schlafzimmern  und  mit  besonderer  Küche. 

Die  Gaststube  befand  sich  neben  der  Klosterpforte 
und  gleich  der  Krankenstube  für  Gäste  ausserhalb  der 
strengen  Klosterclausur. 

Ein  besonderer  Begr ab nisssort  (coemiteriwn) 
bestand  für  jene,  die  nicht  innerhalb  der  Kirche,  des  Kreuz- 
ganges oder  des  Capitelhauses  des  Klosters  selbst  begraben 
werden  durften ,  daher  namentlich  für  die  im  Kloster  ver- 
storbenen Gäste  und  Taglöhner,  für  die  verstorbenen  Laien- 
brüder, endlich  für  jene  zwei  Freunde  oder  Familiäre  des 
Klosters,  welchen  sammt  ihren  Gattinnen  ausnahmsweise 
eine  Grabstätte  zugestanden  werden  durfte.  Anfangs  befand 
sich  der  den  Ordensbrüdern  gemeinschaftliche  Ort  der  Bube 
ausserhalb  dem  Kloster  in  einem  umschlossenen  und  ge- 
weihten, meist  mit  einer  Grabcapelle  besetzten,  freien, 
Baume,  später  wurde  er  innerhalb  der  Klostermauern  in 
den  vom  Kreuzgange  umfangenen  Baum,  noch  später  in  den 
Kreuzgang  selbst  versetzt. 


Notizen. 


62.  (Joseph  Sebastian  Kögl.  k.  k.  Conser- 
vator  zu  Bregenz,  und  dessen  literarische  Lei- 
stungen.) Joseph  Sebastian  Kögl,  am  8.  Februar 
IS03  zu  Vils  in  Tirol  geboren,  machte  den  damals  üblichen 
halbjährigen  Cursus  in  Innsbruck,  besuchte  dann  durch  zwei 
Jahre  das  Gymnasium  zu  Hall  und  legte  hierauf  zu  Brixen 
die  Lehrerprüfung  ab.  Erst  diente  er  als  Lehrer  der  obern 
Knabenclasse  zu  Beute  durch  acht  Jahre,  darauf  an  der 
k.  k.  Kreishauptschule  zu  Brixen  durch  sechzehn  Jahre  und 
an  der  k.  k.  Unterrealschule  zu  Bregenz  durch  sechs  Jahre. 
Im  Jahre  1853  wurde  er  zum  Conservator  zur  Erforschung 
und  Erhaltung  der  Baudenkmale  in  Vorarlberg  ernannt.  In 
Folge  einer  Verkühlung,  die  er  sich  in  den  diessjährigen 
Bitttagen  bei  einem  heftigen  Begenguss  zugezogen  hatte, 
kränkelte  er  an  der  Lunge,  besuchte  das  Bad  zu  Cannstadt 
bei  Stuttgart,  wo  er  am  30.  August  IS5G  starb. 

Wenn  auch  Kögl  wenige  Schulstudien  machte,  so  er- 
warb er  sich  durch   Fleiss  und  rastloses  Streben  in  seinen 


Verhältnissen  nicht  geringe  Kenntnisse  und  war  auch  lite- 
rarisch thätig.  Wir  können  von  ihm  nachstehende  Arbeiten 
namhaft  machen:  u)  Einige  Notizen  Ober  den  Pfarrbezirk 
Breitenwang  ')  in  Tirol,  mit  einer  Ansicht  der  Festung 
Ehrenberg  von  A.Falzer.  Füssen  1830.  kl.  8".  ^Geschicht- 
lich-topographische Beschreibung  über  das  k.  k.  Grünz- 
ehemals Freiungsstädtchen  V i  1  s.  Mit  einer  lithographir- 
teu  Ansicht.  Füssen  1831.  <•)  Kurze  Geschichte  der 
Entstehung  des  Decanates  Breitenwang,  aller  geistlichen 
Pfründen  und  Gotteshäuser  etc.  Mit  einer  statistisch-tabel- 
larischen Übersicht.  Küssen  1834. 

Während  seines  Aufenthaltes  in  Brixen  verfasste  Lehrer 
Kögl.  von  Sr.  Excellenz  dem  um  sein  Vaterland  hochverdien- 
ten k.  k.  Appellationsgerichts-Präsidenten  Baron  di  Pauli 
v.  Treuheim  (•[-  1830)  aufgemuntert  und  vom  Nestor  der 


')  In  einer  Banernhütle  /.»  Breitenwang  starb  am  :!.   Deeemhci-    1137 
Kaiser  I.  n  l  ha  r  auf  seiner  Heimreise  sus  Italien. 


34' 


260   — 


tirolischen  Genealogen,  dein  mehr  als  neunzigjährigen  Cano- 
nicus  Stephan  v.  Meyrhofen  unterstützt,  mit  rastlosem 
Fleisse  ein  Lexikon  des  lebenden  und  erloschenen  Adels  von 
Tirol,  dessen  Drucklegung  aber  aus  mehreren  Ursachen  unter- 
blieb. Kögl  widmete  dieser  Arbeit  viele  Jahre  und  fugte  sei- 
nem umfangreichen  Manuscripte,  das  unseres  Wissens  der 
nun  verstorbene  Alois  Röggl,  Prälat  zu  Wüten,  an  sieh 
brachte,  die  bezüglichen  Wappen  in  Federzeichnungen  bei. 
Im  Drucke  erschienen  von  den  erloschenen  und  dem 
Bereiche  der  Geschichte  anheimgefallenen  Geschlechtern : 
d)  die  Grafen  von  Tirol  und  ihre  nächsten  Erben,  in 
Chmel's  Notizenblatt  für  österreichische  Geschichte  und 
Literatur,  Wien  1843;  r)  zwei  alphabetische  Reihenfolgen 
von  erloschenen  Adelgeschlechtern  Tirols,  wovon  die  erste 
23,  die  zweite  22  Geschlechter  enthalt,  mit  den  Abbildun- 
gen ihrer  Wappen  auf  zwei  gut  lithographirten  Tafeln,  in  der 
Zeitschrift  des  Ferdinandeums,  Bd.  XI  und  XII.  Innsbruck 
1845  und  1846. 

Ferner  fünf  genealogische  Tafeln  von  tirolischen 
Adelsgeschlchtern,  als:  f)  der  v.  Fei  dt  hu  ms;  g)  der  v. 
Freundsberg  zu  Strassberg  und  St.  Petersberg,  Frei- 
herr zu  Hindelheim  (erloschen  am  1.  November  1586); 
li )  der  Herren  von  Gr  eif  e  nst  ein;  i)  der  Vogte 
v.  Matsch.  Grafen  von  Kirchberg  (erloschen  mit  Gau- 
denz  am  24.  April  l!jfl4,  ruht  auf  Marienberg);  k)  der 
Edlen  v.  Voigtsbergund  Pfeffersberg  mit  den  Neben- 
linien von  Latzfons,  Barbian  und  Dachgrub.  Diese  sind  im 
V.  Bande  (1850)  des  von  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  herausgegebenen  Archives  für  Kunde  öster- 
reichischer Geschichtsquellen  enthalten.  Kögl,  der  1880 
an  die  k.  k.  Unterrealschule  nach  Bregen z  kam,  fand  sich 
auch  in  diesem  ihm  bisher  fremden  Ländeben  Vorarlberg 
bald  zurecht  und  widmete  demselben  seinen  Fleiss  und  seine 
Feder.  Er  schrieb :  l)  Hohenbregenz  (St.  Gebhards- 
berg )  mit  seinen  Fernsiebten.  Eine  erweiterte  Skizze  mit 
einem  Anhange:  Die  Orts-  und  Gebirgshöhcn  Vorarl- 
bergs (nach  der  Zusammenstellung  des  Dr.  Michael 
Stotter),  Bregenz  1852. 

Aus  diesem   erwuchs   auf  Grundlage  der  historischen 

Publicati :n  des  Unterzeichneten  über  Vorarlberg  von  Kögl 

ein  ausführlicherer  Wegweiser  unter  dem  Titel:  vi)  „Burg 
Hohenbregenz  auf  dem  St.  Gebhardsberge  bei  Bregenz, 
ihre  Geschichte  und  ihre  unvergleichlichen  Fernsichten,  mit 

lies lerer   Rücksicht   auf  das  rochtseitigo  Rheinthal.    Mit 

lithographirter  Abbildung  der  Göttin  Epona,  einem  Stamm- 
baume der  Grafen  von  Montforl  zu  Bregenz.  Pfannberg 
und  Tettnang,  und  einem  Anhang  über  die  Orts-  und 
Gebirgshöhcn  Vorarlbergs,  12"'.°,  S.  106.  Lindau  beiSettner, 
IS,S6.U  Kleinere  Aufsätze  historischen  Inhaltes  von  Kögl 
sind  hin  und  wieder  in  den  Boten  für  Tirol  und  Vorarlberg 
eingerückt  worden. 

Von  demselben  erschienauch  anonym:  Katholisches 
Gebetbuch  zum   nützlichen   Gebrauche    nachdenkender 


Christen  mit  verschiedenen  Betrachtungen  und  Unterwei- 
sungen.  Innsbruck  bei  Felizian  Bauch.  1854. 

Endlich  hatte  er  eine  Weltgeschichte  für  Schulen 
ausgearbeitet  Wenn  sie  auch  den  Anforderungen,  die  man 
an  ein  solches  Buch  stellt,  nicht  entsprochen  hiitte,  so  gibt 
sie  doch  ein  schönes  Zeugniss  von  dem  uucniiüdeten  Stre- 
ben des  Mannes  .  der  bei  kleinem  Gehalte  eine  sehr  zahl- 
reiche Familie  zu  ernähren  hatte.  Sicherlich  wäre  Kögl  bei 
gründlichen  Studien  und  in  anderen  Verhältnissen  ein  tüch- 
tiger Geschichtsforscher  geworden. 

Josep  h  B  er g man  n. 

63.  ( K  a  u  f-  u  n  d  V  e  r  k  a  u  (±-\  e  r  i  r  a  g  e  in  er  s  e  c  b  s- 
jährigen  Sklavin  vom  Jahre  CXXXIX  der  christl. 
Zeit  r  ech  nu  n  g.  g  e  fu  n  d  e  n  in  den  da  ki  sehen  G  o  1  d- 

gru  bcn.)  Das  trajanischo  Daeien  war  glücklicher  als  andere 
Provinzen  in  der  Erhaltung  römischer  Denkmale  .  die  mit 
Handschriften  versehen  sind:  ich  meine  nicht  solche  von  Stein 
und  Metall,  die  auch  anderwärts  häufig  vorkommen,  sondern 
die  hölzernen  Doppeltafeln,  welche  mil  geschwärztem  Wachse 
überzogen  und  worauf  die  ISuchstaben  mit  eisernein  Griffel 
eingeritzt  wurden,  ähnlieh  den  heutigen  Schiefertafeln,  weiss 
auf  schwarz.  Mehre  solcher  Doppeltäfelchen  wurden  in  den 
Goldbergwerken  vorgefunden,  welche  ihren  wohlerhaltenen 
Zustand  physischen  Einflüssen  verdanken,  nur  wäre  es  zu 
wünschen,  dass  sie  sich  in  den  Händen  der  ersten  Finder 
(dien  so  gut  erhielten. 

Die  Schrift  auf  solchen  Doppeltafeln  isl  römisch  current. 
jedoch  von  zweierlei  Form,  wovon  man  eine  die  Schön- 
schrift, die  andere  gemeine  Schrift  nennen  möchte,  zum 
Unterschiede  von  den  militärischen  Doppeltafeln,  welche  aus 
Erz  und  mit  Quadrat -Lettern  beschrieben  sind.  Solcher 
Handschriften  begegnet  man  bisweilen  auf  Backsteinen .  aus 
Laune  der  Figulener;  zu  Aquileja  sah  ich  einen  mit  sehral- 
firten  Quadrat-Lettern.  Es  isl  bekannt,  dass  in  SAVARIA  und 
in  Österreich  welche  vorgefunden  wurden,  welche  die  Schrift- 
foraa  der  mit  Wachs  überzogenen  Tafeln  tragen. 

Massmann  war  der  erste,  welcher  solche  Monumente 
allgemein  bekannt  machte  und  deren  Version  in  moderner 
Schrift  herausgab:  nun  kommt  mir  eine  Monographie  vor. 
welche  den  Dr.  Johann  Erdy.  Mitglied  der  königl.  ungari- 
schen Akademie  und  Custos  i\c<  dortigen  Allerlhiuns-Mu- 
seiuii.  zum  Verfasser  hat.  (Pest  1856.) 

Zwei  Doppeltafeln  sind  es.  die  er  veröffentlicht  und 
commentirt,  beide  Mm  grosser  Wichtigkeit,  beide  feierlich) 

Urkunden;  die  eine  über  den  Verkauf  einer  Selaviu,  die 
andere  über  ein  Gelddarlehen.  In  letzterer  glaube  ich  die 
Andeutung  von  dem  Bestände  zweier  römischer  Münz-Wäh- 
rungen  wahrzunehmen,  das  gemeine  und  dasjulische  Pfund 
und  das  Verbal tniss  zwischen  beiden.  Es  genüge  für  beute 
von  der  Tafel  zu  reden,  welche  den  Verkaufeines  sechs- 
jährigen Mädchens  betrifft,  das  zum  Gewerbe  der  SCORTEL- 
LARIAE  gehörte  (nicht  etwa  der  Buhlerinnen,  denn  schon 


261   — 


das  Alter  beseitiget  gänzlich  diesen  Verdacht),  sondern  zu 
jenem  Handwerk,  welches  sich  mit  Verarbeitung  von  Leder 
und  Fellen  zu  Kleidungsstücken  beschäftigt.  Sic  wurde  um 
CCV  Denare  verkauft. 

Der  Handel  wurde  im  Jahre  CXXXIX  der  christlichen 
Zeitrechnung  geschlossen;  Käufer  war  ein  gewisser  MAXI- 
MUS mit  dem  Vaternamen  BATOS,  ohne  weiters  ein  PANNONIER 
oder  DALMATIER;  Verkäufer  ein  gewisser  DASIVS  Sohn,  (k's 
VERZONIVS,  seiner  Nation  ein  PIRVSTER  aus  der  Gemeinde 
CAVERITIVM;  was  im  nördlichen  Theile  des  heutigen  Alba- 
niens gelegen  wäre.  Das  Jahr  ist  durch  Angabe  der  Consule 
bezeichnet.  Auf  einerTafel  sind  die  Siegel  von  sieben  Zeugen 
eingeprägt. 

Im  Vertrage  wurde  nicht  ausser  Acht  gelassen,  die  ver- 
bürgten Eigenschaften  aufzunehmen;  nicht  zum  Stehlen 
geneigt,  nicht  zum  Beschädigen,  nicht  zum  Entfliehen,  nicht 
zum  Herumirren,  und  es  wurde  auch  für  den  Fall  der  Evic- 
tion  vorgesehen. 

Allein  der  Text  ist  an  und  für  sieh  klar  genug,  so  dass 
es  keiner  Commentarc  bedarf;  nur  erlaube  ich  mir  eine 
Leseart  vorzuschlagen,  die  von  der  bereits  veröffentlichten 
einigermassen  abweicht. 

„Maximus  Batonis  puellam  nomine  Pessime  sive  ea  quo 
alio  nomine  est,  aimorum  circiter  plus  minus  sex,  empta 
scortellaria,  emit  maneipioque  aeeepit  de  Dasio  Verzonis 
Piruste  ex  Kaveretio,  denariis  dueentis  qtrinque." 

„Illc  puellam  suam  esse,  furtis  noxisque  solutam,  fugi- 
tivam  erraticam  non  esse,  praestari.  Quod  si  quis  illae  puel- 
lae  partem  ex  eo  quis  evicerit,  quo  minus  Maximum  Batonis 
quove  ea  res  pertinebit  habere  possidereque  recte  liceat  tarn 
quanti  il In  puella  empta  est,  tarn  peeuniae  ....  taliter  pariter 
dari  fide  promisit  Maximus  Batonis,  fide  promisit  Dasius  Ver- 
zonis  Pirusta  ex  Kaveretio." 

„Proque  ea  puella  quae  supra  scripta  est  denarios  du- 
centos  quinque  aeeepisse  et  habere  so  dixil  Dasius  Verzonis 
Maximo  Batonis 

Actum  Karto.  XIII.  Kai.  Apriles 
Tito  Aelio  Caesare  Antonino  Pio   II.    et  Bruttio  Praesente 
II.  Coss."  Dr.  P.  Kandier. 

64.  (Römische  Denkmale.)  Der  Priester  Giovanni 
Zanella  hat  drei  interessante  Denkmale  des  römischen 
Altcrthums  von  Trient  an  sich  gebracht  und  in  der  Thal 
auf  eine  sehr  gelehrte  Weise  erläutert,  die  es  wünschens- 
werth  macht,  dass  sowohl  die  Denkmale  als  die  Erläuterung 
der  Öffentlichkeit  übergeben  werden.  Das  erste  Denkmal 
besteht  aus  einem  Gelübdestein,  der  den  männlichen  Schick- 
salsgöttern zu  Ehren,  vielleicht  in  einem  Tempel  zu  Vezzano 
errichtet  war.  Es  scheint,  dass  die  christliche  Kirche  auf 
den  Ruinen  des  heidnischen  Tempels  erbaut  wurde. 

Das  zweite  Denkmal  ist  ein  von  L.  Calventius  Fir- 
mus  der  Minerva  gewidmeter  Altar,  auf  dessen  Vorseite  der 
Name  des  Widmenden,  auf  den  Seitentheilen  allerlei  Sinn- 


bilder des  Priesterthums  und  der  Minerva  en  relief  dar- 
gestellt sind;  dieser  Stein  wurde  zu  Tovo  gefunden,  wo 
wahrscheinlich  ein  Tempel  der  Minerva  war. 

Das  dritte  Denkmal  ist  dein  in  der  Monarchie  so  häufig 
vorkommenden  Mithrasdienste  gewidmet;  es  enthält 
fünf  verschiedene  Bilder  der  Einweihung  in  die  Hysterien  des 
Mithras.  Auf  der  andern  Seite  sieht  Mitliras  in  seiner  phrygi- 
schen  Bekleidung,  die  rechte  Hand  erhoben,  auf  einem 
Felsen,  wie  es  scheint.  Dieser  Felsen  ist  entweder  eine 
Anspielung  auf  die  Vetra  genetrix  des  Mitliras.  oder  auf  die 
Berge,  auf  denen  in  Persien  dem  Mithras  vorzüglich  geopfert 
wurde.  jus.  Arneth. 

65.  (Zwei   Flügelaltäre  zu  Ogrodczon   und 

Nieder-Kurzwald  in  Schlesien.)  Ein  Bericht  des 
k.  k.  Landesbaudirectors  in  Krakau,  Herrn  Dr.  Sehen  kl. 
enthält  folgende  Angaben  über  zwei  Flügelaltäre,  welche 
sich  in  der  Kirche  des  1  Meile  von  Teschen  entfernten 
Dorfes  Ogrodczon  und  in  dem  unweit  liielitz  gelegenen 
Dorfe  Nieder-Kurzwald  befinden. 

Der  erstere  dürfte  bereits  aus  der  kleinen  hölzernen 
Kirche  in  die  unter  meiner  Amtswirksamkeit  in  Schlesien  in 
Bau  genommene  und  bereits  bei  meinem  Scheiden  aus 
Schlesien  im  Mauerwerke  ausgeführte  neue  Religionsfonds- 
kirche.  da  sie  mittlerweile  fertig  geworden  seinmuss,  über- 
tragen sein.  Er  ist  bei  weitem  kleiner  als  jener  zu  Alt-Bie- 
litz  *)>  die  Gemälde  sind  nicht  von  jener  vorzüglichen  Hand, 
doch  für  die  Kunst  immer  von  hohem  Interesse.  Leider  hat 
dieser  Altar  sehr  gelitten  und  namentlich  wurde  das  auf 
dem  Hauptbilde  in  eigener  Tafel  noch  stehende  Gemäldi . 
den  gegen  den  Himmel  auffahrenden  Erlöser  darstellend, 
wahrscheinlich,  weil  die  Kirche  die  Aufstellung  wegen  der 
geringen  Höhe  nicht  zuliess,  entzwei  gesägt.  Der  oben 
Theil  seheint  zu  fehlen.  Sämmtliehe  Gemälde  sind  derPassion 
entnommen,  theilweise  gut  colorirt  und  fleissig  gearbeitet. 
Die  langgestreckten  schmalen  Körper  sowie  die  mangelhafte 
Perspective  deuten  auf  hohes  Alter. 

Der  Flügelaltar  zu  Nieder-Kurzwald  steht  an  künst- 
lerischer Ausführung  jenem  zu  All  -  Ifielit/.  nahe,  leider 
scheint  er  von  einem  Unberufenen  zum  Theile  restaurirt 
und  vieles  an  den  schönen  Gemälden  verdorben  zu  sein. 

Er  ist  beinahe  sc  gross  wie  jener  zu  Alt-Dielit/.  jedoch 
passen  die  Flügel  nicht  mehr  zusammen,  da  das  Mittelbild 
wahrscheinlich  einen  neuen  Rahmen  erhielt.  Die  Flügel 
stehen  nun  für  sich,  unbeachtet,  theilweise  verdorben  in  der 
Kirche  umher. 

Sämmtliehe  Tafeln  sind  aus  Eichenholz,  die  Malerei 
ist  auf  Kreidegrund  mit  vieler  und  guter  Vergoldung  aus- 
geführt. Das  Mitlelbild  stellt  die  Mutter  Gottes  mit  dem 
göttlichen  Kinde,  dem  Erzengel  Michael  und  dem  heiligen 
Martin  dar,  und  ist  vortrefflich  gemalt,  auch  am  besten  erhalten. 


M  Vergl.  Juni-Hefl  der  „Mittheilungen"  s.  1 12. 


262 


Auf  einem  der  Flügel  ist  die  heilige  Barbara  im  Tem- 
pel, dann  (Ins  Begräbniss  dieser  Heiligen,  auf  dem  anderen 
ist  der  Tod  der  heiligen  Katbarina  und  jener  der  heiligen 
Barbara  dargestellt  Zwei  andere  Flügel  enthalten  die 
Geisselung  und  Kreuzigung  Christi,  dann  Christus  am  Kreuze 
und  die  Grablegung  dargestellt.  Sie  siml  sämmtlich  von 
guter  Hand.  Ein  Pfarrer  Namens  Neu  mann  soll  im  Jahre 


1774  die  Kirche  restauriri  haben;  unter  dem  grossen  Bilde 
stehen  die  beiden  Chronostichon  : 

„Opera  [gnat  II.  neUMann  LoCI  paroChl  FUnData« 


iii<! 


„AC  postea  eJl's  lterl'M  stl'Dlo  CoLoi-ata." 
Man  glaubt  die  Gemälde  waren  aus  Krakau  gekommen, 
und  gibt  an,  dass  sie  im  Jahre  1422  enstanden  seien. 


Literarische  Anzeigen. 


Bock  Fr.:  Geschichte  der  liturgischen  Gewänder  ilcs  Mittel- 
alters. Mit  einem  Vorworte  von  Dr.  Georg  Müller,  Bischof  von 
Münster.  Bonn  1856.  I.  Band,  I.  Lieferung.  8°.  S.  121  und  XIX 
Tafeln  Farbendruck. 

Nicht  nur  für  die  Geschichte  der  Kunst  sind  die  tüchtigsten 
Kräfte  der  Gegenwart  in  der  regsten  Weise  lhatig.  auch  die  Kunst- 
Archäologie,  «reiche  lange  vernachlässigt  wurde,  findet  bereits  ihre 
Vertreter.  Wir  sprechen  nicht  von  jenen  Sammelwerken,  welche 
gleich  der  Kunst-Archäologie  Otte's  keineswegs  die  Aufgabe  haben. 
die  Wissenschaft  durch  die  Resultate  selbstständiger  Forschungen 
zu  bereichern,  und  ihren  Zweck  vollkommen  erfüllen,  wenn  sie 
von  dein  bisher  zu  Tage  Geförderten  nicht  Umgang  nehmen,  sondern 
von  Werken,  welche  einzelnen  Zweigen  der  christlichen  Alterthums- 
wissonschaft  eine  gesicherte  historische  Grundlage  zu  bereiten  su- 
chen. In  die  Reihe  dieser  Bestrebungen  tritt  das  oben  angeführte 
Werk  in  der  rühmlichsten  Weise  ein.  Es  stellt  sich  die  Aufgabe,  die 
Entstehung  und  Entwickelung  der  kirchlichen  Ornate  und  Para- 
mente  in  Rücksicht  auf  Stoff,  Gewebe,  Farbe,  Zeichnung,  Schnitt  und 
rituelle  Bedeutung  nachzuweisen.  In  welcher  Art  dieser  Nachweis 
geliefert  werden  soll,  darüber  gibt  uns  das  vorliegende  erste  Heft 
genügenden  Aufschluss,  und  wir  sprechen  es  mit  Befriedigung  aus, 
dass  die  archäologische  Litcrarfur  keines  Landes  sieh  eines  Werkes 
rühmen  kann,  welches  in  gleich  gründlicher  und  eingehender  Weise 
diesen  Stoff  behandelt. 

Den  Inhalt  des  ersten  Heftes  bildet  die  historische  Darstellung 
der  Weberei  von  Seiden  und  Goldstoffen  im  Mittelalter,  mit  beson- 
derer Berücksichtigung  der  Gewebe  zu  gottesdienstlichen  Zwecken. 
wobei  dir  Verfasser  wesentlich  drei  Hauptperioden  unter- 
scheidet. 

Zur  ers  t  en  En  I  wi  ck  e  1  u  n  gsepoch  e  der  Seidenmanufaetur 
gehören  jene  meist  kostbaren  Gewebe,  die  von  den  Tagen  des  Just i— 
nian  bis  7u  den  Zeiten  der  HohenstaufVen  im  Dienste  der  Kirche  ange- 
fertigt wurden.  Griechen.  Araber.  Perser  und  Indier  sind  um  diese 
Zeit  in  dem  alleinigen  Besitze  der  einträglichen  Kunst,  aus  der  Roh- 
seide reiche  Gewebe  anzufertigen.  Diese  Periode  kann  als  die 
orientalisch-byzantinische  bezeichnet  werden.  Die  Stoffe 
derselben  waren,  ins., weit  sie  in  alten  priesterlichen  Gewfindern  noch 
zu  unserer  Anschauung  gelangt  sind,  ineist  sehr  schwer  und  dicht 
gewebt,  und  in  der  Hegel  ohne  Muster;  nur  in  der  Wahl  der  Farbe 
bei  liturgischen  Ornaten  herrscht  gewöhnlich  die  gelbe,  grünliche, 
rothe  und  Purpurfarbe  vor.  Kommen  in  diesen  alten  Stoffen  Dessins 
vor,  so  sind  es  In  der  Kegel  mathematische  Figuren,  Polygone  oder 
Kreise,  die  zuweilen  zusammenhängende  phantastischeThierbildungen 
einfassen.  Selten  erscheinen  in  diesen  Seideng, .wehen  Brochirungen 
in  Goldfaden;  sind  jedoch  Dessins  in  Gold  ersichtlich,  so  sind  sie  in 
der  Regel  gestickt  und  nichl  eingewebt. 


Die  zweite  Periode  der  Seidenmanufaetur  umfassl  den 
Zeitraum  vom  Antritte  der  Regierung  Kaiser  Friedrich's  I.  bis  zu  dem 
Zeiten  Kaiser  Karl's  IV.,  also  1152—1347.  Es  war  diess  die  Zeit,  wo 
die  Kunst  des  Wehens  dessinirter  kostbarer  Zeuge  bei  den  Arabern, 
Mauren,  und  Saracenen  ihren  Höhepunkt  erreicht  hatte,  und  die 
zur  Bliithc  gelangte  Seidenmanufaetur  in  den  Städten  Italiens:  Pa- 
lermo. Lucea,  Floren/.  Mailand  u.  s.  w.,  als  Rivalen  den  Sic,'  über 
ihre  muslimischen  Conourronten  und  Lehrmeister  davon  trug.  Dieser 
interessante  Zeitabschnitt  der  mittelalterlichen  Seidenindustrie  kann 
mit  einem  allgemeineren  Ausdrucke  als  der  arabisch-italieni- 
sche bezeichnet  werden.  Die  Seidenzeuge,  früher  meist  einfarbig, 
werden  jetzt,  wo  die  Kunst  des  Webens  sich  bedeutend  entwickelt 
hatte,  in  der  Regel  vielfarbig,  das  Gewebe  selbst  wird  leichter 
und  zarter,  die  Zeichnung  beweglicher  und  schwungvoller  und 
meist  in  Gold  brochirf. 

Die  dritte  Periode  der  Seidenmanufaetur  füllt  den  Zeit- 
raum von  Kaiser  Karl  IV.  bis  auf  Karl  V.  (1519),  ein  Zeitraum,  in 
welchem  der  Einlluss  der  orientalischen  Vorbilder  hinsichtlich  der 
Fabrication,  der  Farbenwahl  und  Muster  in  den  oeeidentatischen 
Seidenzeugen  erloschen  ist,  und  in  welchem  sieh  die  volle  Einwirkung 
germanisch-christlicher  Formenbildungen  auf  die  seitherigen  roma- 
nischen Ornamentationen  geltend  macht,  daher  auch  diese  Periode 
die  germanisch-romanische  benannt  werden  mag.  Die  Stoffe 
derselben  verschmähen  es.  den  Beiz  des  früher  so  beliebten  „best iahe" 
geltend  zu  machen  und  ziehen  es  vor.  ein  eigentümliches  reines 
Pflanzenornament  einzusetzen.  Was  die  Textur  betrifft,  so  herrscht 
in  diesen  reichen  Stoffen  meistens  das  Damastgewebe  vor;  auch 
schwere  Sammtstofl'e  mit  geschnittenen  Dessins  waren  sehr  an  der 
Tagesordnung.  Durch  die  reiche  Brochirung  werden  die  Stolle  in  der 
Regel  sehr  schwer,  und  nicht  geeignet,  einen  (Messenden  wellenför- 
migen Faltenbrucli  zuzulassen. 

Mit  dem  Aufkommen  der  heidnischen  Kunstformen  in 
Italien  ging  dort  der  Typus  der  bisher  traditionellen  Kunstweise,  wie 
in  allen  Zweigen  der  Kunst,  so  auch  in  der  Weberei  nach  und  nach 
verloren,  und  schon  in  der  letzten  Hälfte  dos\\  Jahrhunderts 
zeigen  die  Rorentiniscben  Seidengewebe  eine  nicht  unmerkliche  Hin- 
neigung zu  der  elassiselion  Antike.  Das  breite    \kanlhnsldatt  und  der 

übrige  Blfitterschmuck  findei  in  meist  missverstandener  Auffassung  in 
den  italienischen  Geweben  des  XVI.  Jahrhunderts  seine  immer  wie- 
derkehrende Vertretung,  und  in  dem  zweiten  Viertel  dieses  Jahr- 
hunderts verschwinden  auch  in  den  Seidengeweben  diesseits  der 
tlpen  allmählich  die  letzten  Reminiscenzen  der  angestammten 
manischen  Ornamentationswcise,  an  deren  Stelle  jedoch  keine 
eigentümlich  neue  Kunstweise  tritt,  vielmehr  artete  sie  gleich 
nach  ihrem  Entstehen  aus  und  wurde  eklektisch,  d.  h.  sie  imitirte 
mit  mehr  "der  weniger  Glück  byzantinische,  arabische,  persische 
hu ,1  ägyptische  Formen,  mit  welchen  korinthische,  etrurische   und 


—  2G3 


römische  Pflanzenornamente  wechseln.  Je  reicher  hei  dem  Schlüsse 
des  XVII.  Jahrhunderts  die  Seidengewehe  in  Bezug  auf  Materiale  und 

Farbenhäufung,  namentlich  zu  liturgischen  Zwecken  wurden,  desto 
gcist-  und  phantasieloser  werden  sie  in  Hinsieht  der  Wahl  und  An- 
häufung regelloser  und  schwulstiger  Dessins. 

Mit  diesen  Andeutungen,  welche  nur  in  den  äussersten  Um- 
rissen den  interessanten  Inhalt  der  1.  Lieferung  anzugehen  suchen, 
müssen  wir  uns  begnügen  und  erwähnen  nur  noch ,  dass  die  Detail- 
behandlung durchgehends  auf  den  eingehendsten  Forschungen  beruht 
und  so  viel  des  Neuen  und  Anregenden  bringt,  dass  nicht  nur  der 
eigentliche  Archäologe,  sondern  eben  so  sehr  der  Geistliche,  der 
Kunstlbrscher ,  wie  auch  der  Industrielle  aus  der  aufmerksamen 
Leetüre  dieses  Werkes  wesentlichen  Nutzen  schöpfen  wird.  Die 
beigegebenen  19  Tafeln  in  Farbendruck,  welche  in  historischer  Auf- 
einanderfolge getreue  Stoffmuster  bieten,  sind  trefflich  ausgeführt, 
das  Werk  selbst  trotz  seiner  glänzenden  Ausstattung  sehr  billig. 

Der  Umfang  des  ganzen  Werkes  ist  auf  zwei  Bände  Text  mil 
110  Abbildungen  im  Farbendruck  berechnet. 

G.  H. 


istatz  V.:  MittelalterlicheBauwerkc  nachMerian.  Mit  einer 
Einleitung  von  A.  Reichcnsperger.  1.  Heft.  Text  S.  22  und  XII 
Tafeln  Abbildungen.  Leipzig,  J.  0.  Weigel  1856. 

Das  vorstehende  Unternehmen  soll,  dein  Prospecte  zufolge, 
zunächst  den  Zweck  haben,  der  Unkenntniss  der  Merian'schen  Topo- 
graphien zu  begegnen,  und  die  Architekten,  welchen  die  vaterlän- 
dische Kunst  und  deren  Wiederbelebung  am  Herzen  liegt,  auf  die 
reiche  Fundgrube  hinzulenken,  welche  die  Merian'schen  Prospecte 
darbieten.  Zu  letzterem  Behufe  hat  es  Herr  Statz  unternommen,  die 
interessantesten  mittelalterlichen  Architecturgruppen  im  vergrößer- 
ten Massslabe  und  mit  solchem  Detail  ausgestattet,  wie 
es  der  Geist  des  betreffenden  Styles  erfordert,  wie- 
derzugeben. Das  vorliegende  erste  Heft  beginnt  mit  der  Einleitung 
von  A.  Reichcnsperger,  worin  er  dem  Leser  eine  sehr  anregende 
Schilderung  der  Verhältnisse  und  Leistungen  der  Merian'schen 
Künstlerfamilie  und  damit  im  Zusammenhange  eine  Übersieht  der 
mittelalterlichen  Topographie  bietet.  Wir  nehmen  diess  mit 
grossem  Danke  auf,  weil  wir  darin  eine  Bereicherung  des  geschicht- 
lichen Stoffes  erhalten  haben  und  hätten  nur  gewünscht,  dass  der 
geschätzte  Verfasser  sich  des  polemisirenden  Tones  begeben  hätte, 
womit  er  fortwährend  gegen  Feinde  der  mittelalterlichen  Architectur 
zu  Felde  zieht,  welche  bestimmt  am  wenigsten  dort  zu  suchen  sind, 
wohin  Reichensperger's  Pfeile  sich  richten.  Die  Kritik  der  mittel- 
alterlichen Baustyle  zu  blossen  Gunsten  des  Einen  oder  des  Andern 
zum  Schweigen  zu  bringen ,  dürfte  kaum  gelungen  und  gewiss 
nicht  von  Nutzen  sein.  Auch  dürfen  wir  nicht  verschweigen,  dass  bei 
der  Strenge  ,  welche  Reichensperger  in  der  Regel  an  die  Leistungen 
der  modernen  Architekten  und  zwar  mit  vollem  Rechte  in  Anwendung 
bringt  und  bei  der  hohen  Bewunderung,  welche  er  mit  nicht  minde- 
rem Rechte  den  Kunst-Überresten  der  Golhik  zuwendet,  die  Vorliebe 
nicht  wohl  erklärlich,  wenigstens  nicht  gerechtfertigt  erscheint,  mit 
welcher  er  sich  den  Entwürfen  Statz's  seit  langem  zuwendet.  Es 
war  uns  befremdlich,  dass  den  trefflichen  „Fingerzeigen"  nicht  Ab- 
bildungen noch  vorhandener  mustergiltiger  Cultusgegenstände ,  an 
welchem  kein  Mangel  ist,  sondern  Entwürfe  des  Herrn  Statz  beigege- 
ben waren.  Nicht  minder  hat  es  uns  in  Erstaunen  gesetzt,  dass,  wenig- 
stens dem  Prospecte  nach,  das  „Gothische  Musterbuch"  nicht  durch- 
gehends an  das  Vorhandene  sich  anlehnte,  sondern  auch  die  Aufnahme 
eigener  Entwürfe  der  beiden  Herausgeber.  Stalz  und  Ungewitler, 
vermuthen  licss.    Es  mag  Kreise  gehen,  welchen  die  Arbeiten  dieser 


beiden  Architekten  als  mustergiltig  erscheinen,  doch  dürfte  eine 
solche  Ansieht  auch  begründeten  Wiedersprach  erfahren.  In  keinem 
Falle  aber  mag  es  angehen,  mit  Umgehung  des  bestehenden  Formen- 
Schatzes,  wie  er  sieh  in  zahlreichen  Überresten  in  der  reichsten  Fülle 
nachweisen  lässt,  Muster  zu  erfinden.  Gleiche  Bedenken  knüpfen  sich 
an  das  vorliegende  Unternehmen.  Wer  Merian  kennt,  weiss,  dass  es 
ihm  wahrlieh  nicht  um  genaues  Detail,  sondern  eben  nur  um  die  le- 
bendige Auffassung  der  gesammten  ConGguration  zu  Uran  war;  in  den 
Kirchen  und  Thürmen,  wie  er  sie  gibt,  können  wir  in  manchen  Fällen, 
wo  uns  der  Vergleich  noch  geboten  ist,  kaum  die  Muster  erkennen. 
In  den  meisten  Fällen  musste  er  sich  bei  dem  eingehaltenen  Massstabe 
mit  einem  im  kleinsten  Massstabc  gegebenen  Umrisse  begnügen,  und, 
wie  erwähnt,  liegt  der  Werth  dieser  Ansichten  aber  nur  in  dir  i,i— 
sainmtauffassung.  Eben  diese  aber  tritt  in  dem  vorliegenden  Wirke 
in  den  Hintergrund,  es  hält  sieh  an  Details,  und  da  diese  natürlich 
in  der  gegebenen  Form  nicht  genügen,  tritt  Statz's  Restauration 
hinzu.  Wir  haben  es  daher  in  der  Hegel  wieder  mehr  mit  seinen 
Entwürfen,  als  mit  Abbildungen  bestandener  Bauten  zu  thun.  Diess 
aber  macht  nach  unserem  Ermessen  dem  Wcrthc  der  Arbeit  einigen 
Eintrag,  da  es  gewiss  nicht  unmöglich,  wenn  auch  mit  grösseren 
Schwierigkeiten  und  Mühen  verbunden  gewesen  wäre,  für  alle 
Gruppen  der  Architeeturtheile  noch  bestehende  Muster  vorzuführen. 
Einem  solchen  Unternehmen  würden  wir  unbedingten  Beifall  zollen, 
während  der  Werth  des  Gebotenen  uns  als  ein  beschränkter  erscheint 
Schliesslich  bemerken  wir,  dass  der  Umfang  des  Werkes,  auf 
12  Hefte  berechnet  ist. 

i.    II 


Die  mittelalterlichen  Baudenkmäler  Niedersachsens.  Heraus- 
gegeben von  dem  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  für  das 
Königreich  Hannover.  I.  lieft.  Hannover,  Karl  Rümpler  1846,  4". 

:14  Seiten  und  VIII  Tafeln. 

Schon  Dr.  L.  Puttrich  hat  in  seinem  Werke:  „Denkmale  des 
Mittelalters  in  Sachsen"  auf  die  Thatsache  hingewiesen,  dass  sieh  in 
den  sächsischen  Ländern,  wo  das  frühzeitige  Schaffen  christlicher 
Bauwerke  weniger  wie  am  Rhein  unter  dein  Einflüsse  der  römischen 
Kunst  geschah,  die  ersten  charakteristischen  .Merkmale  unverküm- 
mert  germanischen  Geistes  finden.  Sachsen  war  daher  auch  schon 
wiederholt  das  Feld  sehr  interessanter  und  wichtiger  archäologischer 
Forschungen  —  eine  reiche  Ausbeute  für  das  Studium  der  mittel- 
alterlichen Kunst.  Puttrich's  obenerwähntes  Werk  umfasst  aber 
nicht  den  ganzen  Umfang  des  allen  Sachsenlandes,  sondern  über- 
schreitet die  Gränzen  des  jetzigen  Sachsens  nur  bis  zum  Harze.  CS 
hält  sich  also  etwa  in  dem  Bereiche  der  alten  obersäehsisehen  Länder. 
Über  die  Denkmale  der  niedersäebsisehen Länder  aber,  welche  haupt- 
sächlich aus  dein  Königreiche  Hannover  und  dem  Herzogthume 
Braunschweig  bestehen,  ist  ausser  dem  angefangenen  Merke  desBau- 
inspectors  Mithof  noch  nichts  Wesentliches  durch  bildliche  Dar- 
stellung veröffentlicht  worden.  Da  nun  ferner  durch  W.  Lübkc's 
Werke  eine  ausgezeichnete  und  gründliche  Darstellung  der  Kunst- 
denkmale  Westphalens  geboten  wurde  und  dadurch  die  Grunze  der 
niedersächsischen  Länder  im  Westen  und  Süden  durch  Beschreibung  der 
Kunstdenkmale  erreicht  ist.  hat  sich  der  Architekten-  und  Ingenieur- 
Verein  für  das  Königreich  Hannover  zur  Pflicht  gemacht  hat.  die  in 
seiner  unmittelbaren  Nähe  liegenden  allen  niedarsächsiseben  Bau- 
werke in  einer  übersichtlichen  Darstellung  /u  pubjiciren.  Die  Darstel- 
lung der  Bauwerke  wird  in  Grundrissen,  Durchschnitten,  geometri- 
schen und  perspectivischen  Ansichten  geschehen,  und  jedes  derselben 
mit  historischen  Notizen  begleitet  sein.  Das  erste  vorliegende  Heft  ent- 


204   — 


httlt:  1)  die  Kirche  des  Klosters  St.  Godehardi  in  Hilde she  im, 
eine  langgestreckte,  dreischiffige  Basilice  mit  einer  organisch  mit  der 
Kirehe  verbundenen  Doppel-Thurmanlage  im  Westen,  einer  reich  und 
eigenthümlieh  gestalteten  Choranlage  im  Osten  und  einem  aus  3  Qua- 
draten bestehenden  Querschiffe  vor  dem  Chore,  "i)  Die  Kirehe  des 
Klosters  zu  St.  Hiehael  in  II  i  I  (I  es  he  i  in,  eine  doppelchorige 
Pfeiler-  und  Säulenbasiliea  mit  zwei  an  beiden  Enden  des  Langschiffes 
befindliehen  und  völlig  gleichen  Querschiffen,  an  deren  Nord- und  Süd- 
seiten früher  unten  achteckig  und  oben  rund  gebildete  niedrige 
Thürine  standen,  mit  viereckigen  Thürmen  über  den  beiden  Vie- 
rungen und  einem  mit  Plastik  und  Malerei  ausserordentlich  reich 
lusgestatteten  Innern.  3)  Die  Kirche  zu  Wallenhorst  bei 
Osnabrück  in  Westphalen,  eine  der  Übergangsepoche  angehö- 
rende dreischiffige  Kirche,  mit  einem  Thurme  in  viereckiger  Grund- 
form vor  dem  Mittelschiffe  im  Westen ,  einem  an  den  Thurm 
slossendeii  Querraume  .  einem  Chore  in  quadratischer  Form  und 
mit  geradem  Abschlüsse.  4)  Die  Klosterkirche  zu  Fredels- 
loh,  eine  dreischiffige  Pfeilerbasilica  mit  einem  Kreuzschiffe  und 
mit  Absiden  an  dem  über  das  Letztere  hinaus  um  ein  Quadrat 
verlängerten  Mittelschiffe  und  an  den  beiden  Kreuzflügeln,  mit  qua- 
dratischen Doppelthürmen  vor  den  Seitenschiffen  der  »estlichen  Ab- 
irrSnzung.  —  Die  sämmtlichen  Aufsätze  und  Zeichnungen  hiezu  hat 
der  Bauinspector  Herr  0.  W.  Hahn  in  Hannover  geliefert.  Aus  der 
skizzirlen  Angabe  des  Inhalts  dürfte  schon  zu  entnehmen  sein,  dass 
•  lieses  Werk  ein  wichtiger  und  sehr  interessanter  Beitrag  für  die 
Architecturgeschichte  Deutsehlands  zu  werden  verspricht,  und  dass 
dasselbe  die  grösste Beachtung  undTheilnahme  verdient,  wenn  anders 
die  folgenden  Hefte  mit  demselben  Verständniss  und  derselben  Klar- 
heit in  der  Auffassung  wie  das  vorliegende  zur  Veröffentlichung 
gelangen.  Wir  empfehlen  daher  auch  unsern  Lesern  das  Werk  als  ein 
zum  Studium  und  zur  Belehrung  sehr  anregendes  Unternehmen. 

K.  W. 


Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  der  kirchlicher)  Archäologie 
und  Geschichte  der  Diöcese  Trier.  Herausgegeben  von  dein 
historisch-archäologischen  Vereine.  1.  Heft.  Trier  1856.  8°.  S.IN 

Trier  ist  das  älteste  Bisthum  diesseits  der  Alpen  und  wegen 
seines  Allers  immer  hochgefeiert  unter  den  Kirchen  Deutschlands;  die 
historischen  und  archäologischen  Studien  linden  daher  in  seinem 
Bereiche  einen  überaus  reichen  Stoff  zur  Durehforschuug,  wenn  auch 
im  Laufe  der  Jahrhunderte  Verwüstungen  über  sein  Gebiet,  nament- 
lich über  seine  ehemalige  Metropole,  wie  über  keine  Stadt  von 
Gallien,  und  seihst  nicht  über  Rom  ergangen  sind.  —  Um  für  diese 
Forschungen  die  Kräfte  zu  rereinigen,  wurde  auf  Wunsch  des  Herrn 
Bischofs  von  Trier  ein  Verein  gegründet,  und  in  den  oben  angezeigten 
Mittheilungen  beginnt  derselbe  die  Veröffentlichung  des  Ergebnisses 
seinerbisherigenThätigkeit.  Dieselben  enthalten  nachfolgende  Aufsätze, 
welche  theils  dem  Gebiete  der  Geschichte,  der  Liturgik  und  der 
kirchlichen  Literatur,  theils  dm  eigentlichen  Baudenkmalen  gewidmet 
sind:  lj  Über  die  Unterhaltung  der  Kirchengebäude,  von  Dr.  Lader. 

2)  Beiträge  zur  Geschichte  der  allen  Liturgie  dcrTricr'sehen  Kirche. 

3)  Allgemeine  Geschichte  derTrier'schen  Liturgie.  4)  Die  allgemeinen 


Gebräuehe  der  heil.  Messe  in  der  Tricr'schen  Kirche,  3)  Bemerkungen 
über  die  Entstehung  des  Tricr'schen  Ordo  Missae.  ti)  Die  Stiftkirche 
zu  Pfalzel.  7)  Merkwürdige  Bestätigung  einer  Märtyrersage.  8)  Die 
Titel  der  ältesten  Kirchen  zu  Trier,  verglichen  mit  denen  zu  Rom. 
:t)  Nachtrag  zur  Geschichte  des  heil.  Paulinus,  von  Schmitt.  10)  Das 
Siegel  des  Pauliner- Klosters  Adalbero.  11)  Literarhistorische  Ent- 
deckungen, von  Prof.  Marx.  12)  Aus  dem  Trier'schcn  Dome.  13)  Line 
Urkunde  der  Abtei  Metllach.  14)  Die  sogenannten  römischen  Bäder 
zu  Trier,  von  Freiherrn  de  Koisin.  14)  Berieht  über  den  Verein  und 
iie  Vereinssitzungen.  18)  Statutendes  Vereins.  Von  besonderem  In- 
teresse für  die  Zwecke  unserer  Blätter  ist  der  vorerwähnte  Aufsatz 
des  Barons  de  Koisin,  in  welchem  der  Nachweis  versucht  wird, 
dass  die  sogenannten  römischen  Bäder  zu  Trier  der 
Oho r-  u  n  d  K  r  e u  ■/.  c o n c h  e  n  a  n  1  a  g  e  i  n  d e  r  K  i r e  h  e  Sa.  M  b  r i  u 
in  Köln  zum  Vorbild  gedient  haben.  Nach  der  bisherigen, 
besonders  von  dem  Franzosen  Herrn  Vitet  vertretenen  .Meinung  sollen 
drei  mit  einander  verbundene  Conchen  ohne  Zwischensetzung  anderer 
i nieder  morgenländischen  Ursprungs  sein.  Die  St.  Mariakirche  zu 
Betlehem  ,  St.  Jakob  und  St.  Johann  zu  Jerusalem  bieten  nach  ihm 
.lie  wesentlichen  Kennzeichen  dieser  architektonischen  Gattung  dar. 
Als  Muster  des  Abendlandes  seien  die  Kölnischen  Kirchen  St.  .Maria  am 
Capitol,  des  Apostels  St.  Andreas  u.  a.  in.,  anzuerkennen.  Allein  schon 
Herr  von  Quast  bemerkte  in  seinem  Aufsatze  zur  Chronologie  der 
Gebäude  Kölns  (Jahrbuch  des  Vereins  von  Alterthuinsfreunden  im 
Rheinlande,  X.  IS47.  S.  189  u.  s.  f.),  dass  er  es  vorziehe,  eine  örtliche 
Tradition  statt  einer  Nachahmung  sehr  ferner  Gebäude  anzunehmen, 
da  sich  hierauf  die  vielfache  Anwendung  in  einem  Orte'  und  dessen 
Nachbarschaft  nicht  leicht  erklären  Hess.  Herr  von  Quast  ist  daher  der 
Meinung,  dass  neben  der  so  eigentümlichen  Anlage  von  St.  Gereon 
auch  noch  eine  oder  mehrere  christliche  Kirchen  aus  römischer  Zeit 
in  Köln  vorbinden  waren,  welche  in  der  wesentlichen  Anordnung  das 
Vorbild  derjenigen  Gebäudeelasse  bildeten,  die  gegenwärtig  noch 
bestehen. 

Auch  Dr.  K.  Schnaase  hatte  in  seiner  Geschichte  der  bil- 
denden Künste  im  Mittelalter  (IV.  Bd.  2.  Abth.  S.  121—122)  schon 
die  Behauptung  aufgestellt,  dass  die  von  Konstantin  erbaute  Basiliea 
zu  Bethlehem  auf  die  Capitolskirche  keinen  Einfluss  gehabt  habe,  da 
die  Technik  des  Mauerwerks  und  aller  Details,  die  Pilaster  und  Con- 
solcn  des  Ausseren,  die  Säulen  des  Inneren,  die  Würfelcapiläle,  die 
Form  der  Basis  dein  rheinischen  Style  des  11.  Jahrhunderts  entspre- 
chen, und  dass  viel  wahrscheinlicher  das  ältere  Gebäude  der  Capi- 
tolskirche selbst  oder  andere  römische  oder  carolinische  Bauten  zum 
Vorbilde  dienten. 

Auf  die  Annahme  des  Herrn  von  Quast  gestützt,  weist  Baron 
deRoisin  auf  den  Vergleich  der  Umrisse  der  römischen  Bäder  zu 
Trier  und  der  Capitolskirche  zu  Köln  hin.  deren  Ahnliehkeil  im  hohen 
Grade  auffallend  ist,  wobei  noch  zu  bemerken  ist,  dass  die  grösste 
Apsis  dieser  Bäder  von  aussen  betrachtet  mit  ihrer  doppelten  Pen- 
slerreihe  und  ihren  Nebentheilen  ein  Abbild  der  äusseren  Choranord- 
nung  der  romanischen  Kirche  am  Rhein  darbietet.  Er  glaubt  daher 
zu  ilem  Schlüsse  berechtigt  zu  sein,  dass  dem  kölnischen  Vorbilde 
entweder  die  Tricr'schen  Bäder  selbst  oder  eine  diesen  nachgebildete 
Trier'sche  Kreuzkirche  als  Muster  und  Prototyp  gedient  habe,  und 
dass  die  im  Abendlande  zur  Anw  endung  gekommene  Kreuzconchenan- 
lage  keineswegs  aus  dem  Oriente  herübergeholl  worden,  sondern  echt 
römischen  Ursprungs,  also  echl  romanisch  sei.  <l.  11. 


Aus  der  k.  k.  Hof-  und  Staat  ei  in   Wien. 


REGISTER 


der 


in  diesem  Bande  angeführten  Personen .  Orte  und  Nachen. 


Abkürzungen!  B.  =  Burgen;  F.  =  Flügelaltar;  6.  =  Gothischer  Styl ;  (ir.  =  Grabmal;  I.  =  Inschriften;  M.  =  Münzen:  Hai.  =  Malereien ; 
RA.  =  Römische  Alterthümer;  lt.  =  ({omanischer  Styl;  Rest.  =  Restauration;  f.  =  Obergangsstyl. 


A. 

Aachen.  R.  75. 

Ackner,  M.  J.  85,  93,  126,  153 

Aismuth  König.  238. 

Akropolis  in  Siebenbürgen.  98. 

Alberich  Abt.  254. 

Alhrechtitz.  R.  141). 

Alparet.  RA.  129. 

Altarschrein  in  Weisscnbacb.  205. 

Altbunzlau.  R.  146,  197. 

Altenburg  (Deutsch-).  R. 82.  G.  104,251. 

Altert hums  verein  in  Wien.  32. 

AI  terthumskunde  in  Osterreich,  Auf- 
gabe der.  1. 

Altofen.  9.  I.  162.  Stele  209. 

Ambras.  Rest.  89. 

Amphitheater,  röm.  zu  Gredistie.  95. 

Andrich,  Fz.  136. 

Ankersbofen.  Gottl.  F.  v.  22.  44,  121, 
141,  229. 

Apaffi  Gr.  157. 

Apaffi,  Mich.  Gr.  101. 

Apoll  onia,  Verkehr  mit  Dacien  154. 

Archäologische  Funde  in  Siebenbürgen 
in  d.  .1.  1845  bis  1855.  85,  93,  126, 
153. 

Archäologischer  Verein  d.  böhm.  Mu- 
seums. 45. 

Arier,  Pet.  219,  221. 

Arn etb,  Jos.  8,  26,  45,  261. 

Arras,  Math.  v.  218,241,247.. 

Aspang.  G.  104. 

Aspang.   R.  82. 

A  ussee.  F.  172. 

Avignon,  Willi,  v.  241,  247. 


B. 


Blies.  131. 
Baden.  G.  104. 


Baplis  te  rien,  deren  Entstehung  und 
Charakteristik.  54.  Brixen.  38.  Petro- 
nell.  56.  Concordia.  230. 

Basel.  R.  92. 

Basilica,  die  altchristliche.  118. 

Batza.  M.  130. 

Baumeister  Böhmens.  246. 

Benedict  beil.  254. 

B  e  n  e  s  c  h ,  Fz.  25. 

Ben e seh  v.  La  un.  241,  247. 

Benigni  v.  Milden  her  g.  101. 

B  e ns e n.  245. 

Berchtoldsdorf.  R.  82.  —  G.  104. 

Bergamo.  Rest.  89. 

Bergmann,  Jos.  89.  91,  132,   138,  260. 

Bergwerke  alte   in  Siebenb.   131.    132. 

Betstühle.  Rottenmann.  174.  Gröbming. 
173. 

Bibliographie.  212. 

Biblische  Pararel  lb  i  I  der.  Brixen.  19. 

Bielitz    (Alt-).  G.  F.  112. 

Bistritz.  R.  A.  131. 

Blatt  na.  G.  244,  245. 

Bock,  Franz.  262. 

Bogeschdorf.  M.  130. 

Bobinen:  Übersicht  der  roinan.  Kircheu- 
bauten.  145.  Charakteristik  der  Bau- 
denkmale.189.  Alter  im  Styl.  190.  Geo- 
graph.  Vcrtlieilung.  192.  Romanische 
Bauten.  193.  Obergangsstyl. 213.  Gotbi- 
schc  Bauten.  216. 

Böhmisches  Museum.  45. 

Boz  (Klein-).  R.  146. 

Bozetechus  Abt.  247. 

Brada.  B.  146. 

Brescia.  87. 

Brixen:  Kreuzgang,  Taufkirche,  Symbol. 
Darstellungen.  Mal.  17.  Crucifiz.  161. 

Bromberg.  G.  104. 

Bros.  M.  127. 


Brozan.  R.  146. 

Brück  a.  d.  Laitb.,.  lt.  82. 

Brunn  am  Gebirge.  G.  104. 

Brunnen,  gotb.  in  Kuttenberg.  138. 

Brün  ner  Bischof.  Erlass.  237. 

Buch  sbaum,  H.  43. 

Bud  in.  R.  146. 

Bud  weis.  G.  244. 

B ui t  u  r.  94. 

Bukowsko.  R.  146. 

Burkhardt,    L.   A.    und   Riggenbach, 

Ch.  92. 
Burkhardt,  Jos.  HcrCicerone.  92. 
Burgberg.  B.  129. 
Burgen :  Sei.  Lambrecht.  13.  Siebenbürgen. 

93,  L28, 158. Böhmen. 215. Croatien. 232. 
Burgruinen:  St.  Lambrecht.  13. 
Bursa,  Jerusalem.  30. 
ByzantinischesCrucifi  \:  Möggers. 31. 
Byzantinischer    Styl.    Charakteristik. 

49,  69.    Verhältniss  zum  Romanischen 

Styl.  118. 


C  amesina  .  A.   12 

Caslau.  R.  146. 

Caumont.   18. 

Öecelitz.  lt.  146. 

Celakowitz.  It.  1 16 

Ceratt  a  fein  ,  röm.  in  Mahnkrog.  157.  Dac 
Goldgruben.  260. 

Cestin.  R.  I4li. 

Charwatec.  R.  146. 

Chiararall  e.  88. 

(borst  üble.  Pettau.  173. 

C  ho  ti  esc  ha  u.  R.  146. 

<  h  »  a  I  k  .i  n  i  t  /..  Schlussstein.  140. 

Cilli.  G.  172. 

Cistercicnscr  1!  a  ul  ch.  Neuberg.  3.  Ein- 
richtung der  Klöster  u  Kirchen.  254. 
35 


260 


Citaux.  234. 

C  zizek,  Ingenieur.  140. 

Clai  rvaux.  854. 

C 1  a  in  m  -  G  a  1 1  a  s'sches  Palais  in  Prag.  246. 

Co  in o.  Kcst.  88. 

Concor dia,  Baptisterium.  230. 

Cons  tantinopel.  69.  Hagin  Sophia,  72. 

Coim  in.  Familie.  235. 

Cremona.  liest.  87. 

Cru  tifix  in  Brixen.  160. 

Crypten:  St.  Georg  in  Prag.  Mödling.  83. 

Ciuk.  122.   Klienulorf.    122.    Ossiach. 

I2Ö.  Altbunzlau.  146.  Poric.  147,  193. 
Csora.  128. 
Curioni,  Kill.  v.  88. 

I). 

Dacien:  Verkehr  mit  Dyrrhachiuni  und 
Apollonia.  184.  Goldgruben.  260. 

I)  e  m  s  us.  O.'i. 

Dioc  le  t  i  a  n's  Palast  in  Spalato.  133. 

Dinzenhofer,  Eil.  24:i.  246,  248. 

Dolan.  R.  146. 

Doppelcap eilen:  Neustadt.  106.  Eger. 
214. 

Doxan.  R.  146. 

Dyrrhaehium,  Verkehr  mit  Dacien.  154. 

E. 

Ebenfurth.  (1.  104. 

Eber  g as s in g.  G.  104. 

Ebcrhardus  vi  I  rar  ins  laicus.   IIa. 

Eberndorf.  I!.  122. 

Ebnit.  139. 

Eb reichst!  o  rf.  G.  104. 

Edlitz.  G.  104. 

Eegiden.  It.  82. 

Eger.  Dechanteikirche.  21,  146,  200,  214, 

Judensj  nagoge.  89. 
Ehrenberger  Klause.    Inschriften.   46. 

163. 
Eitelberger.Rud.  v.  1,48,  49,69,  113, 

117,  135,  149,  163,  223. 
Em  e  rberg,  R.  82. 
Emerberg.  Gr.  249. 
Ems  zu  Hohencms,  Ritter  v.  90. 
Erdy.  Dr.  Joh.  201. 
E  iscnwein,  A.  Norddeutschlands.  Ilack- 

steinbau.  240. 
E  st  erh  dzy.  Denkmal.  65. 

F. 

Farkadin  (Unter-).  RA.  94. 
Ferrobosco.  846,  248. 
Febring.  G.  248 
Feil,  Jos.  12.  854. 
Feisl  ritz.  G.  104. 
Feldbaeh.  G.  248. 
Fischer  v.  Er  lach.  2  '»6,  248. 
Flügelaltiire:   lleiligcnblut.  12.  Aussee. 

63.    Ilt-Biclitz.   113.  Mahnkrog.   155. 

Set.  Georg.    l?i.    Wcissenbach.   205. 

Ogrodczon  in  Niederkurzwald.  261. 


Fr  e  scogemälde  ,alt  e.  Brixen.  18.  Hieran. 

41.Vesprim.  184.  San  Daniele  in  Friaul. 

222.  Lupoglava.  236. 
Finkenste  in.  G.  123. 
Fo  dor,  Dr.  87. 

Friaul,  San  Daniele.  Mal.  222. 
Friesach.  G.  124. 


Gais.  U.202. 

Gaissau.  Hausmarken.  28. 

Galt.  RA.  153. 

Garegnano.  11.  88. 

G  ;i  ss  er,  Jos.  203,  203. 

Georg,  Set.  am  Lungsee.  lt.  122. 

G  corgsberg.  R.  146. 

<;  e  r  ol  dus  ,  pictor.  1 14. 

G  ewö  1  beschlussst  ei  n  e.  Chwalkowitz. 
140. 

Giselacape  He  in  Vesprim.  184. 

Glasmalereien:  Meran.  41.  Sleicr.  44. 
Rbnif.  Lothis.  139.  Wels.  228. 

Glocken  in  Ungarn.  64.  Niederrintl.  140. 

Gmünd,  Pet.  v.  241,  247. 

Gojan.  G.  244. 

Golde  gg.  Plafond  des  Rittersaales.  162. 

Goldgruben,  daeische.  260. 

Gothisehe  Bauwerke:  Neuberg.  3. 
Leutschau.  14.  Sedletz.  13.  Meran.  41. 
Steier.  43.  Aussee.  63.  Im  Kreise  u.  d. 
Wiener-Walde Ni cd erö  sterreichs. 
103.Alt-Bielitz.113.InKarnthen.123. 
Mariasdorf.  Hannersdorf.  139.  Völker- 
markt. 141.  Wien  (Maria  am  Gestade). 
149.  Rermannstadt.  138.  Schässburg. 
167.  Gröbming.  171.  Erakau.  181. 
Percha.  202.  Mühlbach.  203.  Täufers. 
203.  Set.  Valentin.  204.  Martinus  in 
Arm.  204.  Weissenbaeh.  203.  Luttach. 
203.  Millstatt.  208.  Charakteristik  der 
goth.  liaiilen  Böhmens.  216,  247. 
Wels.  227.  In  Croalien.  233.  Feld- 
baeh ii.  Fehring.  248.  Deutseh-Altcn- 
burg.  233. 

Grabcapellen,  romanische.  36,  38. 
Meran.  42.  Hartberg.  59.  Wr.  Neu- 
stadt. 84.  Ödenburg.  109.  Maria  Saal. 
123.  Saiz.   173. 

Gräber,  römische.  9. 

Grabmale.  Malmkrog.  155.  Wels.  229. 
Ncdelicin.  232.  Vinica.  234.  Lupoglava. 
233.  Feldbach.  248.  Fehring.  248.  Pcrl- 
stein.  248. 

Gr  nfendorf.  G.  123. 

Gralz-  Denkstein.    13. 

Grni  e,  Heinr.  53,  I7S. 

Gredisti  e.  Mosaiken.  95. 

Griventhal.  It.  122.  G.  123. 
Grinzi  ng.  G.   104. 

G  rö  b  in  i  n  g.  G.  173. 
Gross-En  \  e  cl.  It.\.  I  ■'•'! 
Grosspold.  B.  128. 
Grueber,  Bernhard.  189.  213.  iil 


Guravoy.  M.  102. 
Gurk.  It.  22,  121,229. 
G  yalar.  86. 
Gyn  lai.  Gral'.  87. 

II. 

Haas.  Dr.  10.  64. 

Hainburg.  Rundcapelle.  82.  G.  104. 

II  allein.  Reliquienschrein.  80. 

II  a  in  in  c  r  s  d  o  r  f.  85. 

Hannersdorf.  G.  139. 

Hartb er?;.  Grabcapelle.  39.  R.  178. 

Haus z eich e n:  Möggeis  und  Gaissau.  28. 

Heider,   Dr.   Gustav.   3,   16,  32,33,  115, 

116,  187,  263,  264. 
II  el  enenberg.  G.  126. 
Heiligenblut    (V.    0.    M.   I!.).    F.    12. 

G.  126. 
Heil i g enkr  e n  z.  lt.  83.  G.  105. 
Heiligenstadt.  G.  103. 
II  eil  weger,  Frz.  202.  203. 
Meltau.  It.  129. 
Henersdorf.  R.  83. 
Henri  ei,  Job.  203. 
Her  mag  or  (St.).  G.  123. 

Hermannstadt.  G.  185. 

II  c'\  i  z.  A.  133. 

Hieser,  Jos.  1 15. 

Himberg.  R.83.  G.105. 

Hitzin g.  G.  103. 

II  n  r  w  k  ow  ice.  R.  146. 

Hoch-Aujezd.  I!.  146. 

Hohen  ems.  Holzschnitzwerke.  161. 

Hohenfeistritz.  G.  124. 

Holubitz.  lt.  146. 

Holzbau  in  Böhmen.  247. 

Hol  z  seh  ni  f  zw  er  k  e,  alte:  Salzburg.  146. 
Hohenems.  160.  Steiermark.  172.  Ini- 
chen. 202.  Luttach.  205. 

Hostiwar.  It.  146. 

Howorowi  l  /..  It.  146. 

Ilrusilz.  II.  146. 

I. 

Inichen.  It.  89.  200. 

Innsb  r  ii  i-  k.  SO. 

Inschriften,    röin.    Poletin,    Ogradina, 

Czernctz.  ii.   Ofen.  64.  Siebenbürgen. 

133.  Croaticn.  832.  Iquileja.  238. 
Is  c  i  n  g  r  in  us,  I  a  i  c  n  s.  114. 
Ist  vanfy.  234 

.1. 

.1  a  kob,  Set.  (Tirol  |.  204. 
Jakob,  Set.  (Böhmen)  II.  148. 

.1  i  c  n  Im  s  Mag.  247. 

Ja  gerb  e  rg.  Monstranze.  14. 
K. 

Kain  dorf.  M.  46. 
Kamenitz.  II.  1 16. 
Kandier,  Dr.  P.  165,  238,  260. 
K  anz ein,  gothisehe.  Meran.  II, 


207 


Karl  der  Grosse.  Einfluss  byzantinischer 

Bauten.  77. 
Karl  VI.,  Kaiser.  Bilduiss  zu  Mariszeil.  109. 
Karls  bürg.  RA.  132. 
Karl  stein,  Burg.  89. 
Karner,  denn.  Bedeutung.  38. 
Kärnthen:  Charakt.  der  kirchl.  Bamlenk- 

male.  121. 
K  a  u  k  a.  246,  248. 
Keczer,  Frz.  v.  234. 
Keglevich,  Graf.  65,  91,  239. 
Keltische  Alterthümer  in  Steiermark.  65. 
Kemeny,  Joh.  u.  Sam.  Graf.  v.  86. 
Kirchschlag.  G.  105. 
Kirchberg  am  Wechsel.  G.  105. 
Kirling.  R.  83. 
Kis-Kalan.  RA.  96. 
Ki  rche  nc  asteil  e  in  Steiermark.  248. 
Kis- T ap o  1  c z a  n.  Gr.  91 . 
Kl  ad  r  au.  G.  245. 

Klagenfurt.  Lindwurmdenkmal.  65. 
K 1  a  1 1  a  u.  G.  245. 
K  1  a  u  s  e  n  b  u  r  g.  131. 
Klein,  Dr.  93. 

Klein-Muntschel.  RA.  94. 
K  lingenberg.  B.  215. 
K  loste meu bürg,  Gertrudskirche.  225. 

G.  105.  R.  83. 
Köblös.  131. 
Koci.  R.146. 
Kodl  ik,  Andr.  247. 
Kögl,  Jos.  S.  28,  31,  91, 160,240,  259. 
Kolin.  Ü.  214.  G.  221. 
Kondrac.  R.  147. 
Königgrätz.  G.  217,  223. 
Kupanina.  R.  147. 
Korinek.  242. 

Kosteletz  am  Kreuz.  R.  147. 
Kötschach.  G.  125. 
Kowary.  R.  147. 
Krakau.  30,  65, 181. 
Krapina.  G.  236.  Burg.  237. 
Klein.  R.  147. 
Kresehitz.  241,  244,  247. 
Kreuzgänge:    Neuberg.  4.    Brixen.    1«. 

Heiligenkreuz.  73. 
Krizovlj  an.  G.  235. 
Kroatien.  Baudenkmale.  232. 
K  r  ii mau.  Burg.  215,  245.  G.  244,  245. 
Kugler's  Geschichte  der  Baukunst.  47. 
Kukuljevic,  J.  114.232. 
K  u  m  m  e  r  n  u  s  s ,  Set.  37,  1 32. 
Kunelitz.  B.  215. 
K  ii  ttenberg,  goth.  Brunnen.  137.  G.  241. 

Steinernes  Haus.  245. 
K  u  e  I  o  n.  247. 

L. 

La  ab.  G.  125. 
Laferte.  254. 
Laib  ach.  BA.  161. 

La  n s e  Ii  au.  R.  147. 

I.amlir echt,  Set.  Burgruine.  13. 


L  a  u  n.  G.  24ö. 

Lavanthal.  Set.  Paul.  R.  121.  Set.  Andrä. 

123.  Set.  Leonhard.  124. 
Legio  XI.  Claudia.  238. 
Legis-Glückselig,  D.  Her  Prager  Dom 

Set.  Veit.  188. 
Lei  t  nie  ritz.  245. 

L  engheimb,  W.  v.  250.  —  A.  v.  250. 
Leonardo   da   Vinci.   Restauration  des 

Abendmahles.  88. 
Lesachthal.  G.  125. 
Lessai,  Dr.  128. 
Leu  tschau.  G.  14. 
Libcan.  B.  147. 
Libis.  R.  147. 
Lieht enst ein.  It.  83. 
Liehtenwört.  G.  105. 
Liebs  b  ausen.  R.  147. 
Litern  R.  147. 
L  o  reni,  Gust.  127. 
Lothis.  139. 

Liibke,  W.  Gesch.  der  Architectur.  187. 
Luggau.  G.  125. 
Lüngsee.  Set.  Georg.  122. 
Lupoglava.  Mal.  235. 
Luragho  a  Fermo.  246,  248. 
Luttach.  G.  205. 

M. 

Mac i nee.  G.  232. 

Mailand.  Rest.  88.    S.  Celso.  88. 

Male  mkro  g.  101. 

Malereien:  siehe  Frescogemälde  u.  Ölge- 
mälde. 

Malotiz.  R.  147. 

Mar  garet  hen  a  in  AI  o  o  s.  lt.  83. 

Marini,  Arehit.  246,248. 

Mark  LR.  147. 

M  aros  Nemeti.RA.  86. 

M  arti  no  di  Udine.  222. 

M  a  r  t  i  n  u  s  in  A  r  in.  G.   204. 

Ma  ria   Saal.  G.  123. 

Margarethen  am  Moos.  G.   iOä. 

Mariasdorf.  G.  139. 

Mari  a  Weitschach.  G.  124. 

AI  aria  Wörth.  G.  126. 

Maria  Zell.   109,  172. 

Mass  mann,  lli'iur.  F.  260. 

Mauer.  G.  100. 

Mec  h  n  ejo  v.  B.  147. 

AI  el  u s i  I  n  f  e  r  i  o  r.  238. 

AI  e  na  [>a  ce.  F.  10. 

AI  er.an.  Baudenkmale.  Mal. 41. 

AI  e  v  n  e  r  t.  Dr.  H.  Das  Herz  König  Rudolph's 
zu  Tuln.  164. 

Michaelsberg.  Ii.  129, 

Ali  es  b  Sl  C  h,  Alois  v.  8,  9. 

Millstatt.  G.  126. 

Mi  1 1  statt.  G.  208. 

Mise  ro  n.  248. 

AI  it  I  e  I  a  1 1  e  rl  ie  h  e       K  iinsld  0  nkniale 

iles   österr.   Kais  er  Staates.  HS, 

•210. 


M  5 dl i ng,  R.  83.  G.  106. 

Möggers:  Hausmarken.  28.  Crueifix.  31. 

Möbel  nice.  R.  147. 

Mohr.  248. 

Monstranz  en:  Ingerberg.  14.  Sedletz.  2t». 

Pressburg.  206. 
AI  o  r  i  mond.  234. 
Müh  lb  ach.  G.  Ol),  111,  203. 
Mühlhausen.  R.  147. 
Müller, Frd.  38,  107. 
AI  un  tscheler  -Gredistie.  95 
Muthmannsdorf.  G.  106. 
Münzen,  rüm.   8,  13,    15,    26;  siehe:  Ar- 

chäolog.   Funde  in  Siebenbürgen.   99. 

Mittelalt.  46.  Stein.  185. 


Nädös.  RA.  131. 
Nandor.  RA.  94. 

N  a  t  z.  X'J. 

Nechwalicc.   R.  147. 

Nedelisie.  G.  232. 

Neigebauer  „Dacien".  93. 

Neuberg.  Kirche  und  Kreuzgang.  3,  172. 

Neubaus.  B.  203,  215. 

Neustadt  (Wiener-).  R.  83.  G.  106. 

Niederdorf.  II.  202. 

Niederkurz  wald.  F.  261 . 

Ni  ede  v  in  t  1.  Glocke.  140. 

Nikolai,  Elias,  Bildhauer.  157. 

Nim  bürg.  G.  217. 

Nost  itz'sehes  Palais  in  Prag.  24li. 

N  u  d  w  oj  o  w  i  c  e.  R.  147. 

O. 

Oberdorf.   Wappen.  90. 

Oberpettau.   G.  F.  173. 

Obervellach.  G.  126. 

Obienitz.  R.  117. 

0  e  il  e  n  b  u  r  g.  G.  Mich.  Kirche  und  Jakobs- 
capelle.  107. 

Ogrodezon.  F.  261. 

Ölb  eh  älter  im  Scethale  Salzburgs.  113. 

Ölgemälde,    alte.     Znaim.    30.    Wurm- 
berg 173. 

Olah-Pian.  RA.  102. 

Olbra  mowi  I  z.  R.   147. 

Ör-Boldogfalva.  RA.  9S. 

Ofech.    11.  147. 

Orlat.  RA.  128. 

Orsi.  248. 

Ossiach.  G.   125. 

Österreicb  u.  d.  Enns:  Roman,    u 

thische  Kirchenbauten  im  Kreise  u.  d. 
Wien.  Walde.  82,   L03 

Otte,  IL  16.   IS7. 

P. 

P acher,  Mich.  20S. 
Padua.  Rest.   II. 
Paliardi.  248. 
Papocz.  R.  46. 
Parker.   183. 


:::;• 


268 


P;iul,  St.  im  Laranthal,  R.  121 

Pavia.  Host.  89. 

Peltegrino  da  San  Daniele.  222. 

Penzi  ii  i;.  G.  106. 

Percha.  G.  802. 

Porti  stein.  1!.  249. 

Perlollitz.  lt.  147. 

Pestesch.   94. 

Peter,  St.  204. 

Petreny.  RA.  93. 

Petronell.  R.  84.  106. 

Pe  t  r  o  tri  tz.  R.  147. 

Petzold.  G.  80,  114 

I'hysiolo  gus.  4 

Pilsen.  G.  245. 

Planian.  R.  147. 

Plzenec.  R.  147. 

Pod winec.  H.  147. 

Podwinec.   R.  t99. 

Pomorje.  G.  233. 

Pontigny.  254. 

Poplaka.  B.  100.  129. 

Poric.  lt.  147. 

Portale:  Tirol.  64.  Iglau.  67.  Oedenburg. 
109.  Wien  (Maria  am  Gestade).  175. 
Schässburg.  169.  Millstatt.  209.  Wels. 
227. 

Pottendorf.  R.  84.  106- 

Pottenstein-  G.  106. 

Prag:  Karlshoferkirche.  89.  R.  147.  St. 
Georg.  193.  St.  Agnes.  Ü.  215.  Syna- 
goge. 217.  Yi'itsdoni.  217.  Karlshofer- 
kirche. 221.  St.  Anna.  Apollinare.  Maria 
Schnee.  222.  Tcyokirche.  243.  Brücken- 
thürme.  244.  Waldsteinsche  Loggia. 
'iiii.  Palais  der  Grafen  Clamm-Gallas, 
Nostiz   u.  Tkun.  246. 

Pfaslowilz.  Holzbau.  247. 

Pressburg.  Monstranze.  206. 

Prosik.  147. 

Psar.  R.  147. 


Q. 


Quast,  F.   r.  187. 

R. 

Raggendorf.  Statue.  46. 

Rajsko.  R.  147. 

Räkoschd.  94. 

Ranger,  Job.  233,  235. 

Randnitz.   (i.  217. 

Rarenna.  69.    San  Vitale.  74. 

Rechberg.  Ordens-Commende  44. 

Reditz.  II.  147. 

R  egel  sbrunn.  R.  84. 

Reginha  rdus,  Abt.  247 

Reichau.  B.    128. 

I!  <■  i  cli  e  nspe  rger,  A.  92,  116. 

It  e  isek,  Matth.  241,  247 

Reitter,  Ober-Ingenieur.   10. 

Reliquienschreine.  77.  Hallein.  80. 

Relling.  B.  128. 

Remetinec.  G.  233 


Renai  ssance-Styl  in  Böhm.  245,246,  247. 

Repy.  It.  147. 

Rescb,  Ür.  Jos     19. 

Resinaer.  100  —129 

Restaurationen:  Provinz  Venedig.  II. 
St.  Jak.  13.  Prag.  14.  Leutschau.  14. 
Brixen.  19.  Lombardie.  S7.  Tirol,  Burg 
Karlsein    und    Karlshofer   Kirche.  89. 

Reu  tt  e,  Inschriften.  4ti. 

Richerus,  eampanorum  fusor.  114. 

Riggcnbaeb.  Cb.  92. 

Robert.  254. 

Robanitz.  R.   147. 

Rom  an  ischer  Sty  1.  Charakteristik.  49, 
117.  Dessen  Verhältniss  zum  byzanti- 
nischen und  gothischen  Styl.  1 18. 

Romanische  Bauwerke:  Kreuzgang  in 
Brisen.  17.  Gurk.  25.  Hartberg.  59. 
Statistik  der  romanischen  Bauten  im 
Kreise  u.  d.  Wiener-Walde  in  Nieder- 
üster reich.  82.  Charakteristik  der 
romanischen  Bauten  von  Kärnthen. 
121.  Übersicht  der  nun.  Kirchbau- 
ten in  Böhmen.  145.  Charakteristik 
der  romanischen  Bauten  vonBöhmen. 
193,  247.  Niederdorf.  202.  Gais.  203. 
Dauer  der  rom.  Bauten  von  Böhmen. 
217.  Klosterneuburg.  225.  Deutseh- 
Altenburg.  253. 

Römische  Colonien.  Siebe  Archaol. 
Funde  In  Siebenbürgen.  92  u.  s.  w. 

Römische  Alterthümer:  Wienerberg.  8. 
Altofen.  9.  Laibach.  161.  Triest.  165. 
Steiermark.  65.  Tricnt.  261. 

Holt  enmann:  Betstuhl   174. 

Rottigel i  M.  26. 

R  ozena  \v.  Job.  1  5y 

Ruezizka.   V.   2 4n 

Rudig.  B.  147. 

Rundbauten,  romanische:  deren  Bedeu- 
tung.52,  54.  Altenburg. 82.  Aspang.82 
Hainburg.  82.  Mödling.  83.  Petro- 
nell. 84.  Scheiblingkirchen.  84.  Papocz. 
46.  MariaSaal.  123.  Völkermarkt.  142. 
In  Bobinen.  197.  Deutsch  -  Altenburg. 
253. 

s. 

Sahen.  Rest.  SU 

Sachsen  |  Nieder-).  Baudenkmale.  263. 

Sachsonburg.  G.  126. 

Sächsischer  Kirchenbau  (älterer).  38. 

Sacken,   Ed.  Treib,  v.  41,  44,  103,  251. 

S  ramentshäuschen:  Aussee.  63. 
Schässburg.  171.  Taufers.  203.  Weis- 
senbach.  205 

Sa  i  /..    Karthause.  I  72 

Salz  bürg.  Kirchenthüre. 42. Goldegg.  162. 

Salzburg'schc  Künstler  aus  dem  Mittel- 
alter. 114. 

San  Daniele.  Fresken.  223. 

SiSrd    RA    131. 

S  c  ■■<  mozzi.  2i* 


S  c  b  a  in  s  ,  Fr.  9. 

Schässbu  ig.  <;.  167. 

Sehe  i  b  li  n  gskirc  ben.   R.  84. 

Scheiger,  .1.  13,  14.  HO,  172. 

Sebeukl,   Dr.  30,  65.  261. 

Schlau.  R.    148.   G.245. 

Scbnaase,  Dr.  C.  Geschichte  der  bilden- 
den Künste.   163. 

Schö  n  w  isn  er.  St.  9. 

Schott,   W.  206. 

Scrusi,  Giuseppe  88. 

Schwarzenberg,  Karl  Fürst  zu.   129. 

Sehweissi  n£.  lt.  147. 

Sebesel.  128. 

S  ebenstein.  G.  106. 

Sedlctz,  R.  148.  G.  25,  245. 

Seethal.  Ölbehälter.  1  13. 

Siebenbürgen:  Sächsischer  Kirchen- 
bau. 38.  Mühlbach.  60.  Archäologische 
Funde  in  il.  .1. 1 845  bis  I S55.  85.  Schäss- 
burg. 167. 

Sievering.  G.   106. 

Sighart,  Dr.  J.  Mittelalter!.  Kunst  der 
Erz-Diöcese   München-Freisingen.  67. 

Skalitz.  R.  148. 

Skoritz.  11.  148. 

Skvrnow.  li.  14*. 

Slabetz.   R.  148. 

Sluha.  R.  K.  148. 

Smegna.  B.  245. 

Sobesin.  lt.  K.  14s. 

Sobieslau.  G.  244. 

Solenau.  R.  84. 

Sombor.  RA.  131. 

Sontitz.  R.  148. 

Spalato,  Diocletian's  Palast   135. 

Srbec.  R.  148. 

Srbiec.  lt.  I4S. 

Stanko.  241,  244,  248. 

Starhemberg.  84. 

Stal  z  u.  Un  gc  w  i  1  le  r.G  ethisches  Muster- 
buch. 92. 

St  atz,  V.  Bauwerke  mich  Merian.  263. 

Stauder.  Jos.  202.  203. 

Stegen.  Sigm.   v.  206. 

Sleier.G.  43. 

Steiermark:  Keltische  unil  römisch, 
Denkmale.  65.  Mittl.  Alterthümer.  172. 

Steinheisl,  Mich. 248. 

S  tei  n  nie  tz  /.c  ich  cn  in  Prag.  245. 

Steinsculpturen :  Fürstengräber  in 
Wien.  12.  Statuen  a. d.  Prager  Brücke. 
14.  Jagerberg.  14.  Krakao.  30.  Raggen- 
dorf. 40.  Alteste  Scnlptur  In  Böhmen. 
197.  Inichen.  201.  Millstatt.  209. 

Stele,  im,,,.  Altofen.  209 

Stephan,    lbt.254 

stiig,,,  o.  G.  2:::t. 
Stochow.  li.  148. 
Stodulky.  It.  I4S. 
Stolze  hur-  129. 
Storno.   F.  108. 

S  I  i'n  s  s  h  ii  i'u'     •'■     124 


2t>!)   — 


Stre-wnberg.  G.  120. 

Sun  t  er,  Jakob.  21. 

Süss,  V.  113. 

Sy  in  hol  i sehe  Darstellungen :Neuberg.  35. 

Brixen.  19.  Wels.  227. 
Synagoge  in  Prag.  (1.  217. 
Szalavär.  Bausteine.  IS. 
Szaszarma.  HA.  130. 
Szäszcsor.  B.  128. 
Szelistie.  B.  128. 
Szent  Mihiily.  I.  131. 

T. 

Tab  or.  Taufbecken.  210. 

Tabors.  248. 

Tachau,  Herrn.  247. 

Talmeseh.  B.  129. 

Tapolcj  any,  Joh.  Ol. 

Taufbecken.  Tabor.  210. 

Tau  fers.  0.  203. 

Taufsteine,  deren  Einführung.   36. 

Taus.  245. 

Tejn.  B.  148. 

Tenipera-G  e  m  ä  I  >l  e:  Brixen. 18. 

Tendrazitz.  H.  148. 

Tepl.  R.  148. 

Ternava,  röm.  Colonie.  114. 

Ter  tan.  Best.  89. 

Teschen.  Thunn.  115. 

Tetin.  R.  148,    199. 

Thernberg.  R.  84. 

Thornburg.  M.  126. 

Tbuu'scbes  Palais  in  Prag.  246. 

Thurocz,  Benedict  v.  234. 

Tibod.  AI.   15,   130. 

Tinkhauser,  G.  22,  160,  200. 

Tis  mit  z.  B.  148. 

Tö  seilen.  R.  148. 

Tozitz.  R.  148. 

Traja  nsstrasse.  131. 

Trakostjan.   236. 

Trebeschitz.   B.  K.  148. 

Trevis  o.  Best.  1 1. 

Trient.  RA.  201. 

Tri  e  r-Diöccse.  Archäol.  Mittheilungen. 264. 


Triest.  Richardsbogen.   163. 
Türkischer  Stein  in  Altofen.  102. 
Tu  in  au.  li.    148. 

U. 

Udelricus.  pictor.  1 1 4. 
Udine.  Best.   12. 
Udvarhely.  M.  101. 

Übergangsslyl:  Mühlbach,   61 :  in  Böh- 
men. 213. 
Ulricus,  ineisor.    I  14. 
Ungewitter.  92. 
Ur wegen.   B.  128. 

V. 

Vaccarini,  Barth.  22. 

Valaszut.    130. 

Valentin,  Set.  G.  204. 

Va  I  y  e  Aniesehe.  99. 

Varadi  v.  Kement.  87. 

Varhely.  BA.   93. 

Vayda-Hunyad.  B.  94. 

Veit  (Set.).  G.  106. 

Venedig.  11,  69,  72.  San  Marco.  76.  Do- 
genpalast. 183. 

Venedig,  Provinz:  Concordia.  230. 

Vcrespatak.  131. 

Vertrag  (Kaufs-  und  Verkaufs-)  einer 
Sclavin.  261. 

Vesprim.  Giselacapelle.  Mal.  184. 

Vicenza.  Rest.  11. 

Vietring.  H.  122. 

Viertel.  R.    148. 

Villaeh.  G.  125. 

Vitovee,  Jeao.  234. 

Völkermarkt.  G.   123,  141. 

Vulkaner  Gebirgspass.  153. 

w. 

Wackernagel,   W.  31. 
Waclawitz.   II.  148. 
Walachisch-Neudorf.  M.  127. 

Wal  eh  um,  nionetarius.  115. 

W a  1  ds  t  e i  n'sche  Loggia  in  Prag.  246. 

Wallirsehe.  R.  148. 


W  .i  im  mI  :  B.   G.  233. 

Wasserleitungen,  römische.  Altofen.  9. 
Weigelsdorf.  R.  84. 
V,  eiss,   K.  32,    77.    116.    137,    140.    174. 

206,  212,  263. 
W  eissen  ba  c  h.  '•   205. 
\\  eisskirchen.  R.  148. 
Wels.   G.  227. 
Wenzl  Mag.  248. 
W  er nb er us,  Abt.  247. 
Wie,,.  St  Stephan.  12.  St.  Michael 

Maria  am  Gestade.  140. 
\\    e  a  erbe  rg.   RA.  8. 
W  ildu  n  g  sm  a  u  e  r.  B.  84. 
Wilgefortis.    133. 
Windsberg.  I'..  128. 
W  i n i. end ort'.  <;.  107. 
Winkler,  Valentin.  20S. 
Wirf  lach.  G.  I<>7. 
Wisker.  R.  148. 
Wititz.  II.  I4S. 
Woccl,  K.  4:;.   I  13. 
Wolfsberg.  G.  124. 
Wolfskron,  Ritter  \.  20.  44. 
Wotryby.  R.  I4S. 
Wrbno.  R.  148. 
Win-  mberg.    Mal.  173. 

/.  ahoi-.  R.   148.  199. 

Za -end  ort'.    130. 

Zanella.   G.  201. 

Zdeehowitz.  B.  148. 

Zeikfalva.  RA.  93. 

Zeitschrift  für  christl.  Archäologie.  187. 

Zelkowitz.  I!.  148. 

Zett I,  Jos.  25. 

Z  e  y  d  en.  Heinr.  247. 

/.  nuini.      Spitals-      und     Niklaskirch 

Hauscapellc.  44. 
Zobonosi.  R.  148. 
/.  wirk  hol.   W.  248. 


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