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II II J. PAUL GETTY MUSEUM LIBRARY
MITTEILUNGEN
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KAISERL KÖMGL. CENTRAL < :OMMLSSI< >\
ERFORSCHUNG INI) ERHALTOfi DER BAUDENKMALE
HBRAl 5GEGEBEN UNTBH DER LEITUNG DES
K. K. SECTIONS-CHEFS UND PRÄSES DER K. K. CENTRAL-COMMISSION
KAHL FREIHERRN VON CZOERNIG.
BEDACTEUR: KARL WEISS.
I. JAHRGANG.
.1 Ä N N E R JINI 18 5 6.
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WIEN. 18ä(L
IN COMMISSION BEI DEM K. K. HOP -BUCHHÄNDLER WILHELM BRAUMÜLLEB
\IS IHM; KAISEUUCH-KOXTCI.UMIEN HOF- INI» ST.\ATSIl|;n'KKIli:i
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KAISER!.. KÖNIGL CENTRAL- COMMISSION
ZUR
ERFORSCHUNG UND ERHALTl ING DER RAUDENKMALE
HERACSUBÖEBEN IMKH DKll LEITUNG DES
R. K. SECTIONS-CHEES UND PRÄSES DER R. R. CENTRAl-COMMISSION
KARL FREIHERRN VON CZOERNIG.
REDACTEUR: KARL WEISS.
I. BAND.
JAHRGANG 1850.
MIT N TAFELN UND los II 0 L Z S C 11 N I T T R K.
WIEN. 1856.
IN COMMISSION BEI DEM K. K. HOF-BUCHHÄNDLEB WILHELM BBAUMÜLLE
Al!S DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- l'ND STAATSDRUCKEREI.
THEJ
INHAL T.
!Vr. 1. Jänner.
Seile
Die Aufgabe der Alterthuiuskunde in Österreich. Von R. Eitel-
b e r g e r v. E d elb e r g 1
Die symbolischen Darstellungen in der Klosterkirche zu Neuberg in
Steiermark. Von Dr. Gustav Heider. (Mit 1 Tafel und 7
Holzschnitten) 3
Ausgrabungen antiker Gegenstände am oberen Wienerberge. Von
Jos. Ar li etb 8
Die römische Wasserleitung auf der Schiffswerft-Insel in Altofen . !•
Restaurationen! I. Provinz Venedig 10
Notizen. (Zwei Fürstengiä'ber zu St. Stephan in Wien. — Flügel-
altar zu Heiligenblut. — Aushebung eines Denksteines in der
Hofburg zu Gratz. — Sehlossruine bei St. Lambrecht. —
Die drei Heiligen-Statuen auf der Prager Brücke. — Pfarr-
kirche zu Leutschau in Ungarn. — Monstranze und Stein-
bild zu Jagerberg. — Ausgrabung von Bausleinen bei Sza-
Iavär in Ungarn. — Münzenfund zu Tibod.) 12
Literarische Anzeige. (Grundzüge der kirchlichen Kunslarchäologie
des deutschen Mittelalters. Von H. Otte.) 10
i\r. 2. Februar.
Der alte Kreuzgang des bischöflichen Münsters zu Brisen. Von G.
Tinkhauser. (Mit 1 Tafel) 17
Über die Zeitstellung des Gurker-Dombaues. Von G. Freiherrn
v. A n k e r s h o f e n 23
Die Kirche zu Sedlelz in Böhmen. Von F. Benesch und
J. Z e 1 1 1 25
lliiiizciil'iind zu Rottigel in Mähren. Von J. Arn eth 20
Notizen. (Hausmarken hei Moggers und Gaissau. [Mit Holz-
schnitten.] — Gemälde der Spitals- und Niklaskirche zu
Znaim. — Basrelief zu Krakau. — Byzantinisches Crucifix
zu Möggers.) 28
Literarische Anzeigen. (Die deutsche Glasmalerei. Von ff.Wa k e r-
nagel. 31. — Berichte und Mittheilungen des Alterthums-
vereines in Wien.) 32
!Vr. 3. Mär/.
Der alte Kreuzgang des bischöflichen Münsters zu Uri\rii. Von
G. Tinkhauser. (Schluss) 33
Über den älteren sächsischen Kirchenbau und insbesonders die
evangelische Kirche zu Mühlbach. I. Von Fr. Müller ... 38
Baudenkmale in Hieran. Von Ed. Freih, v. Sacken 41
Die mittelalterliche Kircheuthürc hei den Kapuzinern in Salzburg.
Von V. Süss. (Mit 1 Tafel) 42
Notizen. (Stadtpfarrkirche in Steier. — Heidentempel zu Znaim. —
Commende Rechberg. — Römische Inschriften bei Poletin,
Ügradena und die Brücke bei Czernetz. — Archäologischer
Verein der Gesellschaft des böhm. Museums. — llotunde zu
Päpocz. — Inschriften in der Ehrenberger Klause hei Heulte
und in dein Caplanhause auf der Höhe der Fernslrasse in
Tirol. — Statue des Ritters Zoppcl zu Kaggendorf. —
Münzenfund zu Kaindorf.) 43
Literarische Anzeige. (Kugler's Geschichte der Baukunst,
I.Band.) 47
\r. 1. April.
Zur Orientirung auf dem Gebiete der Baukunst und ihrer Tcr-
uiiuologle. I. Byzantinisch und Romanisch. Von K. Eitel-
bergerv. Edelberg 40
Über die Bestimmung der romanischen Rundbauten mit Bezug auf
die Rundcapelle zu Uartberg in Steiermark. Von Dr. Gustav
Heider. (Mit 1 Tafel und 3 Holzschnitten) ölt
Über den ältere» sächsischen Kirchenbau und insbesonders die
evangelische Kirche von Miililliadi. II. Von Fr. Müller . . 00
Notizen. (Baudenkmale in Aussee. — Die Kirche im Dorfe Tirol.
Glockeninschriften in Ungarn. — Denkschriften dreier römi-
scher Steine. — Kingangsthür zu Krakau. — Das Lindwurm-
denkmal in Klagenfurt. — Fundorte keltischer und römischer
Antiken. — Denkmal der vier Grafen Kstcrhazv in Vczc-
keny. — Portal der Dominicanerkirche zu Iglau.) .... 03
Literarische Anzeige. (Sieghart, Dr. J.: Die mittelalterliche Kunst
in der Erzdiöcesc Miinchen-Freising.) 07
— IV
\r. 5. Mai.
Zur Orientirung auf dein Gebiete der Baukuusl und ihrer Termino-
logie, 11. Die byzantinischen Buuformen. Von Eitelberger
von Edelberg. (Mit 7 Holzschnitten) 69
Über Rellquienschrelne. Von Karl Weiss. (Mil 1 Tafel) .... 77
Baudenkniale im Kreise unter dem Wiener-Walde. I. Überreste
des romanischen Sljles. Von Ed. Freiherrn v. Sacken . . 82
Decennal-Aufzeichnung der archäologischen Funde in Slebcnhürgeu
vom Jahre 1845 und IS:>.'>. Von M. J. Ackner 85
Restaurationen. II. Lombardie. III. Tirol. IV. Die Burg Kar'lstein
und die Karlshofcr Kirche in Böhmen 87
Notizen. (Judensynagoge zu Eger. — Wappentafeln der Ritler von
Bms zu Hohenems. — Grabdenkmal -zu Kis-Tapolcsdn.) . . Sil
Literarische Anzeigen. (Burkhardt, .1.: Her Cicerone. — Hu rk-
hardt, L. A.. und Riggenba eh. Chr.: Hie Dominicaner-
kirche zu Basel. - St alz und (Jnge.wi tter : Gothisches
Musterbuch.) 92
Nr. 0. Juni.
Decennal-Aufzeichuung der archäologischen runde in Siebenbürgen
vom Jahre 1845 bis 1835. Von M. J. Ackner 93
Baudenkmale im Kreise unter dem Wiener-Walde. Von Ed. Frei-
herrn von Sacken 103
Hie Hlchaelskirche und die Jäkobscapcllc zu Ödenburg (.Mit I Tafel
und 3 Holzschnitten) 107
Notizen. (Ein interessanter Fund in Mariazell. — Zur Beschrei-
bung der Pfarrkirche zu Mühlbach. (Mit I Holzschnitt.) —
Steinerner Ölbehälter im Seethale. — Salzburgische Künst-
ler aus dem Mittelaller. — Überreste einer römischen Colonie
im Thale Ternawa. — Ein alter Thurm zu Teschen.) . . . 109
Literarische anzeigen. (Hr. G. Heider. Prof. I!. von Eitel-
berger und Architekt .1. II i es er: Mittelalterliche Kunst-
denkmale des österreichischen Kaiserstaates, I. Liefer. —
A. Reichenspurgcr: Vermischte Schriften über christ-
liehe Kunst.) Li5
V. 7. Juli.
Zur ( Irientirung auf dem Gebiete der Baukunst und ihrer Termino-
logie. III. Her romanische Baustyl im Verhältniss zu anderen
Baustylen des Mittelalters. Von R. Eitelberger von
Edelberg 117
Übersicht der kirchlichen Baudcnkinale in Kärnthcn. Von Gottlieb
Freiherrn von Ankershof cn 121
Di cennal-Aufzeichnung der archäologischen Funde in Siebenbürgen
vom Jahre 1845 bis 1855. Von M. J. Ackner 12(>
St. Küuuucriiuss. Von Joseph Bergmann. (Mit 1 Holzschnitt) . 132
Hie Unterbautendes Diocletianlschen Kaisernalastcs inSpalato. Von
1!. Eitelberger von Edelberg. (Mit 3 Holzschnitten) . 135
Her gothische Brunnen in Kuttenberg. Von K. Weiss. (Mit I Taf.) 137
Notizen. (Die Dorfkirchc zu Mariasdorf und Hannersdorf. —
Glasmalereien zu Ebnil und Lothis. — Die alte Glocke
zu Niedervintl. - Schlussstein zu Chwalkowitz. (Mil I Holz-
schnitt.) 139
Nr. S. Anglist.
Kirchliche Baudenkmale des Mittelalters in Völkermarkt. Von
Göttlich Freiherrn von Ankershofen. (Mit 3 Holz-
schnitten) 141
I bersichl der romanischen Baudenkmalein Böhmen. Von Dr.Erasm.
Wocel h:;
Die gothische Kirche Maria am Gestade in Wleu. Von Karl Weiss.
(Mit I Tafel und 8 Holzschnitten) 14!>
Decennal-Aufzeichnung der archäologischen Funde in Siebenbürgen
vom Jahre 1845 bis 1855. Von M. J. Ackner 133
Notizen. (Die evangelische Kirche zu Hermannstadt. — Alle Holz-
schnitzwerke zu Hohenems. — (her ein merkwürdiges Cru-
eifix zu Brisen. — Die neuesten alterlhümlielicn Funde ZU
Laibach. — Hin Stein mit türkischer Aufschrift in Altofen.
— Her Plafond des Rittersaales zu Goldegg. — Hie In-
schrift auf dem Denkmale der Ehrenberger Klause.) . • .158
Literarische anzeigen. (Dr.C. Schnaase: Geschichte der bilden-
den Künste, V. Bd., I. \lith.. I.Hälfte. — Dr. H. Meynert:
Das Herz König Rudolph I. u. die Habsburgergrufl zu Tuln. 1<>3
Nr. 9. September.
Her Blcbardsbogen inTrlest. Von Dr. Peter Kandier. (Mit 2 Holz-
schnitten) Iiiö
Die Si hässburgei Bergkirchc in Siebenbürgen Von Fried. M ü Her.
(Mit 3 Holzschnitten) L61
AlterthGmer in Steiermark. Von Jos. Scheiger 172
Hie gothische Kirche Maria am Gestade in Wien. Von Karl Weiss.
(Sohiuss. Mit 1 Tafel und 1 Holzschnitt) 171
Hie kirchlichen Gebäude zu Bartberg in Steiermark. Von Heinrich
Grave 17s
Über die Baudenkmale des Krakauer Vcrwalluiigsgebletcs. Von \>r.
Schenkl ISI
Notizen. ( Eine Ansichl des Dogenpalastes zu Venedig. | Mit I Holz-
schnitt.] — Hie alten Wandgemälde in der Gisclacapelle zu
Vcsprim. ( Mit 2 Holzscli.) • Ihr .Münzfund in Stein.) . . .183
Literarische Anzeigen. (W.Lübke: Geschichte der Architectur. • —
Quast und title: Zeitschrift für christliche Archäologie
und Kunst. — Hr. Legis Glückselig: Der Prager Dom
zu St. Veit.) 187
— V —
Nr. 10. Ortober.
Seite
Charakteristik der Baudciikmale ltöhinciis. Von Bernhard Grueher.
(Mit 12 Holzschnitten) 189
Bericht über eine Heise von lirixcn nacli Illlchcn und in das Thal
Taufers in Tirol. Von Georg Tinkh aus er 200
Die gothische Moustranze der Domkirche zu Pressburg, Von Karl
Weiss. (Mit 1 Tafel) 206
Seile
Notizen. (Pfarrkirche zu Millstalt. — Über eine zu Altofen
gefundene Stele. — Taufbecken zu Tahor. [Mit 1 Holz-
schnitt].) 208
Literarische Anzeige. (Mittelalterliche Kunstdenkmale des öster-
reichischen Kaiserstaates. 2. Heft.) 210
Bibliographie 212
i\r. 11. November.
Charakteristik der Itaudeiikuiale Böhmens. Von Beruh, tl nie her.
Fortsetzung. (Mit 25 Holzschnitten) 213
Die Fresken des Martin« di l'diiie zu San Danielo in Friaul. Von
Rud. Eitclbcrgcr von Edclberg 222
Die Gertrudskirehe zu Klosterueubtirg. (Mit 1 Tafel u. 3 Holzsch.) 223
Die Stadtpfarrkirche zu Wels in Oberüsterrcich. Von Dr. Ed. Frci-
herrn von Sacken. (Mit 2 Holzschnitten) 22?
Über die Vollendung des Gurker Dombaues. Von G. Freiherrn von
Ankershofen 229
Das Uaptisteriuui zu Concordia hei Portogruaro. (Mit 2 Holz-
schnitten ) 230
Bericht über einige Baudenkmale Croatiens. Von Johann von
Kukuljevic 232
Notizen. (Der Erlass des Bischofs von Brunn. — Legio XI Claudia.
Melusi Inferior. Aismuth, König der Germanen. — Nekro-
logisches.) 23-3
Literarische Anzeige. (Essenwein, A.: Norddeutschlands Back-
steinbau im Mittelalter.) 240
Nr. 12. December.
Charakteristik der llaudenkuialc Böhmens. Von Beruh. Gruebcr.
Schluss. (Mit lü Holzschnitten.) 241
Ein archäologischer Ausflug nach Feldbach, Fehring und Pcrtlstein
in Steiermark. Von J. Scheiger 248
Die Kirche und Rundcapelle zu Deutsch -Altenburg in Niedcr-
österrcich. Von Dr. Ed. Freiherrn von Sacken. (Mit
1 Tafel und 3 Holzschnitten) 251
Ober den Bau und die Einrichtung der Cistercienser- Klöster
und Kirchen 254
Notizen. (Johann Sebastian Kögl. — Kaufs- und Verkaufs-Ver-
trag einer sechsjährigen Sklavin. — Römische Denkmale. —
Zwei Fliigelaltäre zu Ogrodczon und Nieder-Kurzwald in
Schlesien.) 259
Literarische Anzeigen. (Bock, Fr.: Geschichte der liturgischen
Gewiinder des Mittelalters. — Statz. V.: Mittelalterliche
Bauwerke nach Merian. — Die mittelalterlichen Baudenk-
mäler Niedersachsens. — Mittheilungen aus dem Gebiete der
kirchlichen Archäologie und Geschichte der Diöcese Trier.) 262
Jeden Munal erscheint 1 Heft ZU
1 bis 2 Druckbogen mit Abbil-
dungen.
Der Prännmerationsprcii ist für
einen Jahrgang oder zwölf Hefte
nebst Register sowohl für Wien
als die Kronländer und das Anstund
4 tl. C. M. , hei portofrei er
Zusendung in die Krunländer der
öaterr. Monarchie 4 fl. 20 kr. CM.
MITTHEILUNGEH
DER K. K. CENTRAL- COMMISSION
I' r i n u in e r a t i ii n p n überneh-
men halb- oder ganzjährig'
alle k.k. Postänlerder Monarchie,
welche auch die portofreie
Zuaesdnng der einzeloea Hefte
besorgen. — tat Wege ilr&Buch-
tutiili I- sind jlli' Pränumerationen
Dm! ZWtr nur ku dem Preice vou
4 II. au Heu k. k. Hofbuehhindter
W. Braumiiller in Wien zn richte«.
in uwm iii mmm der baii.ik.iim
linier der Leitung des k. k. Scclions-1
Präses der k. k. Central-CommissioD Karl Freiherrn v. Czoernis.
Redacteur: K a r I \Ye i s s.
N* 1.
I. Jahrgang.
Jänner 1856.
Inhalt: Die Aufgabe der Allerthumskunde in Österreich. — Die symbolischen Darstellungen der Klosterkirche zu Neuberg in
Steiermark. — Ausgrabungen am Wienerberge. — Die römische Wasserleitung auf der Schiffswerft - Insel in Altofen. —
Restaurationen. — Notizen. — Literarische Anzeigen.
Die Aufgabe der Alterthumskunde in Österreich.
Die Denkmale des österreichischen Kaiserstaates sind
ein wesentliches Element seines Reichthnms, ein sprechen-
des Zeugniss seiner Grösse und der geschichtlichen Kampfe,
welche sie hervorgerufen haben und unter deren Eintluss
sie gestanden sind. An ihnen bewährt sich der geistvolle
Ausspruch des Grafen Montalembert: „les longs Souvenirs
fönt les grandes nations." Die Erinnerungen, welche sich
an die österreichischen Monumente knüpfen sind alte, weit
zurück in die Geschichte greifende, und auf das Innigste
verweht mit der Grösse der Nationen des österreichischen
Kaiserstaates, die Eins ist mit der Grösse der Monarchie.
Diese Monumente sind wenig gekannt, wenig beschrie-
ben, und nur von Wenigen gewürdigt. Sie sind nicht so
zuganglich, wie die Monumente anderer Staaten. Sie liegen
zerstreut auf einem grossen geographischen Gebiete, unter
Völkern von verschiedenen Sprachen und verschiedenen
Culturstufen. An einigen wenigen Punkten meist im Süden
der Monarchie liegen sie dicht gedrängt, in geringer Ent-
fernung von einander in der Mitte alter Culturvölker. An
anderen Orten wieder vereinsamt, sparsam vertheilt über
weite Flächen oder grosse Gebirgsthäler.
An einigen Strichen haben sie sich erhalten , trotz der
gewaltigsten Ereignisse, die an ihnen vorüberstürmten, an
anderen Orten sind sie von diesen gebrochen, in Schutt und
Trümmer verwandelt worden, wie von einem Orkan, der in
den Waldungen die schönsten Baume bricht, die ältesten
Stämme entwurzelt. An einigen Orten dagegen hat es nie
an einer gewissen Art von Sorgfalt, an einem wenn auch
noch so geringen wissenschaftlichen und künstlerischen
Interesse gefehlt, das sich an sie anschmiegte; an anderen
Orten hat man alle Kirchen und römische Monumente als
Steinbrüche behandelt, Freskogemälde übertüncht, Orna-
mente im Wahne, sie zu verschönern oder durch bessere zu
ersetzen, weggebrochen, kurz, den Vandalismus und die
Zerstörungssucht aus Unwissenheit oder Böswilligkeit bis
zum Aussersten getrieben, und den schönen Ausspruch des
jüngeren Plinius, den wir gern hier in den Vordergrund
stellen, vergessen:
„Reverere gloriam veterem, et hanc ipsam senectu-
tem, quae in homine venerabilis, in urbibus sacra. Sit apnd
te honor antiquitati, sit ingentibus factis, sit fabulis quoque."
Noch aber sind uns demungeachtet viele Denkmale
überliefert worden, deren Erhallung eben so wünschens-
werth ist, als es nothwendig ist, sie kennen zu lernen, um
sie zu erhalten. Denn das wichtigste Mittel, sie zu erhalten,
ist sie der Vergessenheit zu entziehen, ihren Werth an-
schaulich darzulegen, und das Interesse für sie zu erregen.
Gibt es auch viele Menschen, welche alte Monumente gering
achten, wenn sie dieselben mit den leiblichen Augen wahr-
nehmen, so gibt es doch gewiss wenige, welche sie nicht
respectiren, wenn sie zur geistigen Erkenntniss derselben
hingeleitet werden , wenn sie die Erinnerungen der Jahr-
hunderte kennen, welche sich an sie knüpfen, wenn sie
erfahren haben, welch1 grosses, geschichtliches Interesse
sich an diese Erinnerungen reiht.
Noch sind wir aber in Österreich weit entfernt, dem
gebildeten Publikum den Dienst eines erfahrenen Führers
au diesen Monumenten leisten, ihm diese beschreiben und
erklären zu können. Sie sind selbst den Männern vom Fache
nur sehr unvollständig bekannt. Noch weiter entfernt sind
wir, eine systematische Monumentalkunde an der Hand der
Geschichte liefern zu können, in der Weise, wie es den
Franzosen die Werke von Caumont , Bourasse . Merimee
u. A. m. ; den Engländern von Bloxam, Pugin, Britton,
Gully knight u. A. m. : den Italienern die Werke von Selvatico,
Cicognara, Rosini u. .A. in.: den Deutschen ausserhalb Öster-
reich die Werke von Boisseree, Meiler. Pattrich, Kugler,
Lflbke n. A. in.: Blavignac den Schweizern, Schayes den
Belgiern geliefert Indien. An ein System können wir vor
der Hand niclit denken. Es fehlen hiezu die Vorarbeiten. Es
müssen zu einein solchen Werke die Bausteine erst gesam-
melt und zu einem solchen Zwecke erst bearbeitet werden.
Die Aufgabe der österreichischen Alterthumsforscher
muss vorzugsweise auf dieses Ziel losarbeiten, diesen Zweck
vor Augen haben.
Es würde wenig damit gedient sein, wenn man. wie es
manche insbesondere italienische Forscher getban haben,
sehen jetzt an ein System gehen wollte.
Es ist nöthig vorerst zu beschreiben. Eine
sehr einfache Aufgabe! wird Jemand ausrufen — aber doch
eine schwere, werden wir hinzufügen. Es ist nicht .so leicht
ein Monument genau zn beschreiben, und es gibt nicht so
viele gute Beschreibungen, dass man aus der Menge derselben
auf die Leichtigkeit in der Kunst des Boschreibens schliessen
könnte in vielen Fallen kann man eine genaue Beschreibung
nur mit vidier Beherrschung des wissenschaftlichen Stoffes
machen. Nur der, welcher die Wissenschaft und ihren Stand
kennt, siebt auch, was er beschreiben soll. Dinge, die dem
Laien gar nicht auffallen, für diesen gar nicht existiren, haben
für den Kundigen einen grossen Werth; dieser beschreibt
an demselben Monumente Einzelheiten , welche jener gar
nicht an demselben sieht. Es ist in diesem Zweige wie in den
Naturwissenschaften. Es gehört mehr dazu als gute Augen,
um durch ein Mikroskop zu sehen.
In anderen Fallen setzt eine gute Beschreibung die
Beherrschung des historischen Materiales voraus, die nicht
leicht zu erwerben ist, und wieder in anderen, insbesondere
bei Inschriften etc., muss der Beschreibende mit Bube,
Geduld und einer nie sieb abschwächenden Aufmerksamkeit
versehen sein, die nicht Jedermanns Sache ist.
Die Beschreibungen müssen nicht nur genau sein,
wenn sie nützen sollen, genau in Bezeichnung des Materials,
des Fundortes . der Grösse etc., sie müssen auch in der
wissenschaftlichen Kunstsprache abgefasst sein.
welche gegenwartig fast alle Gelehrten adoptirt haben,
und die es macht, dass sieb jetzt insbesondere Deutsche und
Franzosen auf diesem Gebiete so gut verstehen. Jetzt, wo
ein gemeinsames Organ und eine gemeinsame Sprache für
den Verkehr auf diesem Gebiete hergestellt ist, schiene es
mir nicht unpassend, wenn sich jeneKunstfreunde, welche sich
der Aufgabe der beschreibenden Denkmalkunde in diesem
Organe unterziehen, jener Terminologie bedienen würden,
welche 0 tt e in seiner kleineren trefflichen Kunstarchäologie
lies Mittelalters, oder welche Kugler in der neuesten Auf-
lage seiner Kunstgeschichte1) gebraucht, ein Werk, das
'( F6r antike Kumtdenkmnle isl die \">i K. 0. Mü Her in sei ■ Archäo-
logie der K t adoptirle Terminologie eu empfehlen.
sicher in die Hände aller Jener gelangen wird, die sich
mit Kunst beschäftigen. — Nichts aber wäre gefährlicher,
als neue Worte und Termini erfinden, oder dort mit vie-
len Worten umschreiben zu wollen, wo mau mit einem
termimta technicua ebenso kurz als verständlich sich aus-
drücken kann.
In allen Fidlen, wo es nöthig ist, die Beschreibung oder
Erklärung durch Urkunden etc. zu erläutern, die nicht in
Druckwerken niedergelegt sind, ist es wünschenswerth, dass
diese mit dem Wortlaute des Orginals gegeben I der Ort,
wo sie sieh belinden, angegeben werde.
In jenen Fallen endlich, wo das beschriebene Monument
schon in einem andern Werke ungenau beschrieben wor-
den ist, scheint es uns wünschenswerth, dass die betreffende
Literatur angeführt werde.
Es hat bis gegenwartig an einem Repcrtorium für
beschreibende Monumentalkunde gefehlt, insbesondere für
eine grosse Reihe von kleinern, im Einzelnen oft unwich-
tigen, im Zusammenhange aber so interessanten Monumenten.
Sie werden, wie wir nicht zweifeln, in diesem Organe ihren
Platz finden, und desto willkommener sein, je genauer die
Beschreibungen werden vorgei i n werden.
Erst, wenn wir eine auf diese Weise gesicherte Kunde
von Denkmalen erhalten haben werden, erst dann wird es
möglich sein, sie zu sichten, zu ordnen, in ein System zu
bringen, und mit der politischen und Culturgeschichte des
Kaiserstaates in Zusammenhang zu stellen, erst dann wird
eine Monu me n talgeschi ch t c Österreichs möglich
sein. Ist den österreichischen Altertumsforschern der \\ eg
geebnet, zu diesem Zwecke auf eine gegenseitige Verstän-
digung hinzuarbeiten, so haben sie nach unserem Erachten
eine andere Aufgabe, die für sie zugleich eine beilige Pflicht
in sich schliesst. Sie haben den Zerstörungen, den
Verschleppungen, dem Vanda li smus , der Indo-
lenz entgegenzutreten.
Die Gründung der kaiserlichen Commission zur Erhal-
tung der Baudenkmale war ein Beweis der Notwendigkeit,
den Zerstörungen Einhall zu thun, und so weil die Kräfte der
k. k. Central-Commission reichten, war sie auch bemüht.
ihrer schönen Aufgabe nach allen Richtungen zu entsprechen.
Der grÖSSte Schufz, der Monumenten zu Theil werden kann,
ist, die Öffentliche Aufmerksamkeit auf sie zu richten, das
Publikum zu dem Wächter derselben zu machen. Das Pub-
likum ZU diesem Zwecke zu erziehen, ist aber keine Aufgabe
geringer Art. sie isi keine gelehrte Aufgabe, sondern eine
praktische.
Indess bleibt dieser Theil der Aufgabe eines Archäo-
logen sehen ein ei'freulieher. Er wird da öfters Gelegen-
heil babeii zu erfahren, dass man Vorurtheile nicht mit
einem Schlage zerstören kann: er wird häutig mit Schonung,
in seltenen Fällen mit Schroffheit, in allen Fällen am meisten
mit Entschiedenheit und mil der Waffe der Belehrung sein
Ziel erreichen. Am häufigsten werden seine Erfolge belohnt
3
wenn er nicht bloss zu tadeln vermag, sondern wenn er im
Stande ist, auf ein gutes Beispiel, auf gelungene Restaura-
tionen, auf das Benehmen cultivirterer Menschen oder Völker
hinzudeuten.
Diese Blatter werden daher ihre Aufgabe vollständig
erreichen, wenn sie Zerstörungen entgegentreten, den Samen
der Belehrung ausstreuen und jenes Baumateriale für die
Wissenschaft der Alterthumskunde aufspeichern, das gegen-
wärtig entweder noch ganz unbearbeitet daliegt , oder in
tausend Büchern, Journalen und Flugschriften zerstreut ist.
Möchten alle Kräfte sich zu diesem Zwecke einigen,
möchte es ihrem vereinten Wirken gelingen, diesem Organe
Achtung bei den Fachgenossen und Theilnahme bei dem
lesenden Publikum zu erwecken!
Wien im December 1855.
R. v. Eitel berger.
Die symbolischen Darstellungen in der Klosterkirche zu Neuberg in Steyermark.
Im Jahre 1327 führte Herzog Otto der Fröhliche eine
Colonie Cistercienser in Neuberg ein, und machte zu deren
Gunsten sehr beträchtliche Stiftungen und Geschenke. So-
wohl durch diese ansehnlichen Hilfsquellen des Stifters, als
auch durch das von den späteren österreichischen Fürsten
den Cisterciensern bewahrte Wohlwollen vergrösserte sich
das anfänglich kleine und unbedeutende Kloster, und es
wurden namentlich im XV. Jahrhunderte unter dem Schutze
des Kaisers Friedrich IV. sehr bedeutende Bauten an dem
Stifte vorgenommen. Die Stiftskirche selbst wurde laut der
vorhandenen Einweihungsurkunde und der damit überein-
stimmenden, am oberen Gewölbe hinter dem Hochaltare
angebrachten Jahrzahl im Jahre 1471 erbaut. So erhielten
sich Kloster und Kirche von Neuberg durch mehr als vier
Jahrhunderte, bis dasselbe unter dem Abte Erko von Erken-
stein im Jahre 1786 von Kaiser Joseph aufgehoben und in
eine Pfarrei umgewandelt wurde. Besondere geschichtliche
Erinnerungen knüpfen sich nicht an Neuberg. Als das Wich-
tigste ist zu betrachten, dass in diesem Cistercienser-Kloster
die Buhestätte seines Gründers, des Herzogs Otto, dann
seiner zwei Gemahlinnen und Sühne bewahrt wird ').
Von der ursprünglichen Anlage der Klosterbaulich-
keiten ist nur die Kirche und der mit ihr in Verbindung
stehende Klostergang unverändert erhalten.
Erstere, ein Werk des XV. Jahrhunderts , bildet im
Grundrisse (Tafel I, c — /') ein längliches Viereck ohne
Thurmanlage, ohne Kreuzvorlage und mit geradem Chor-
abschlusse. Im Innern ist sie durch 14 Pfeiler in drei gleich
hohe Schilfe getheilt. Das bei sonstigen Kirchenanlagen
gewöhnliche Querschiff ist bei unserem Baue nur durch eine
stärkere Bildung der Pfeiler und durch einen grösseren
Abstand derselben in der Längenrichtung andedeutet.
Den geraden Chorabschluss, welchen mehrere Cister-
cienser-Klöster aufweisen, hat man in neuerer Zeit als eine
Eigenthünilichkeit der Kirchenbauten dieser geistlichen
l) Näheres über die Gründung des Klosters Neuberg enthalten A. J. C ä s a r's
Staaten- und Rirchengesc.hichte, V, 249, und M ar ia n's Geschichte der
österr. weltlichen und klösterlichen Clerisei, VI, 144, dann auf Grund
neuerer Forschungen ein Aufsatz von S eh e ige r in Hormayr's Taschen-
buch, J. 1828, S. 148, und Güth's Herzogthum Steyermark (Wien 1843)
1, 8, 333.
Genossenschaft aufzustellen und den Ursprung auf den
Mutterbau inCitaux zurückzuführen versucht ').
Es kann auch nicht in Abrede gestellt werden, dass
einer Reihe von Kirchenbauten der Cistercienser dieser gerade
Chorabschluss gemeinsam ist. In keinem Falle aber darf man
darin eine feststehende Begel suchen oder hieraus für diesen
Orden eine nur ihm eigenthümliche Bauanlage ableiten, denn
gerade aus jener Zeit, in welcher der Verband der einzelnen
Klöster mit dem Mutterkloster in lebendiger Übung stand
und wenigstens, was das innere Klosterleben betrifft, ein
massgebender Einlluss des letzteren sich geltend machte,
sind Kirchenbauten auf uns gekommen, welche in keiner
Weise von der ihrer Zeitstellung entsprechenden Anlage
abweichen. Zum Beispiel hiefür möge die Kirche des Stifte's
Heiligenkreuz dienen. Auch diese hat gegenwärtig einen
geraden Chorabschluss. Allein das gegenwärtige Presby-
terium ist eine am Schlüsse des XIII. Jahrhunderts vorge-
nommene Erweiterung des früheren Kirchenbaues, und dass
Letzterer in Übereinstimmung mit einer Reihe romanischer
Kirchenbauten mit drei halbrunden Absiden abgeschlossen
war, dafür spricht die ganze constructive Anlage des Quer-
schitTes und der in dasselbe gestellten Pfeiler. Auch zeigt
uns ein in dem Brunnenhatise des Kreuzganges dieses Stiftes
aufbewahrtes Glasgemälde die Bückseite der früheren Kir-
chenanlage freilich nicht als treues Abbild derselben, aber
immerhin mit drei Chornischen.
Das Innere der Neuberger Kirche bietet durchaus nichts
Eigerithümliches dar. Pfeiler, Gurten. Gewölbe, das Masswerk
der Fenster (Taf. I, <j — k). — Alles trägt die Spuren des
seinem Verfalle zueilenden gothischen Styles an sich. Nicht
einmal die Grösse der Kirche, und diese ist eine beträchtliche,
vermag auf den Beschauer irgend eine eindringliche Wirkung
zu äussern. Fast scheint diessmehr oder weniger eine Eigen-
thünilichkeit aller Hallenkirchen zu sein, welche doch von
manchen Seiten her. als den Bedürfnissen der Gegenwart
am meisten entsprechend, anempfohlen werden, litis Haupt-
gebrechen, welches der ästhetischen Befriedigung im \\ cur
steht, liegt bei der Neuberger Kirche in dem Mangel jeder
') Organ für christliche Kunst. Jahrg. 1853, Nr. 1. u. s. f. Springer'!
Handbuch der Kunstgeschichte. Stuttgart lSöö, S. 160.
— 4 —
organischen Gliederung und Abstufung des inneren Raumes,
da derselbe ohne Unterbrechung in gleichförmiger Weise
und dabei auch ohne einen Reiz der Einzelheiten in den
Gliederungen durch die Pfeiler von einem Ende zu dein
andern fortgeleitet wird.
Auch das Äussere der Kirche, wiewohl durch die
ursprüngliche Steinfarbe der Quadern gehoben und theil-
weise reicher örnamentirt, zeigt den oben erwähnten Man-
gel. Die Facade ist durch zwei Gurtgesimse in drei Abthei-
lungen gebracht. Vier Strebepfeiler . wovon die beiden
äussersten über Eck gestellt sind, gliedern die Wandfläche.
Ober dem in der Mitte angebrachten Portale befindet sich
ein Rnndfenster mit einer Fülle gothisehen Masswerkes,
welches jedoch in seiner Künstlichkeit den reinen, unge-
trübten Eindruck ähnlicher Bildungen der früheren Gothik
nicht mehr aufkommen lässt. Zu jeder Seite dieses Rund-
fensters befindet sich ein spitzbogiges Fenster, wovon jedoch
nur mehr das linke sein Masswerk erhalten hat, während
das rechte vermauert ist. Der obere Tbeil der Facade-
fläche, welcher schon einen Tbeil des Giebels in sieli fasst,
ist durch verticale Wandstreifen gegliedert, und jede der
so gebildeten kleineren Flächen mit einem Spitzbogen
geschmückt, der einen Dreipass einschliesst. Die mittlere
dieser Flächen, welche dieses Schmuckes entbehrt, zeigt
eine Säule mit consolenartigem Aufsätze.
Die Nord- und Ostseite der Kirche, beide von Zubauten
frei erhalten, sind dem Inneren entsprechend.
Das Innere der Kirche bewahrt wenig Merkwürdig-
keiten. Erwähnenswert!) sind nur die Bildnisse der Stifter
dieser Kirche, ferner zwei an Pfeiler gestellte kleinere
Altäre aus Holz geschnitzt, am Eingange der Kirche ein auf
Holz gemaltes Bild aus dem XVII. Jahrhunderte, welches
eine Ansicht des Stiftes in seinem damaligen Bestände gibt.
Der merkwürdigste und interessanteste Bautheil dieses
Klosters ist jedenfalls der Kreuzgang (Taf. I, a, b, l-)i),
welcher aus dem XIV. Jahrhunderte stammt. Jede Seite des-
selben ist von Spitzbogenfenstern durchbrochen und durch
entsprechende Gewölbe , deren Rippen auf Tragsteinen
ruhen, eingedacht. Jedoch sind nur zwei Seiten desselben und
zwar jene, welche zum Capitelhause führt, und die an die
Kirche anstossende, reicher geschmückt. In diesen Theilen
m nämlich noch das Masswerk der Fenster erhalten und die
Tragsteine der Gewölberippen des ersten Theilssind durchaus
mit symbolischen Darstellungen geschmückt, welche schon
Scheiger's Interesse in hohem Grade in Anspruch
nahmen und ihn zu dem Ausspruche bestimmten, dass man
bei längerer Betrachtung derselben durchaus nicht glauben
könne, „dass diess zwecklos phantastische Gebilde seien,
es herrsch) zu viel Ordnung, zu siel Wiederkehrendes
nml doch unendlich \ erschiedenes in dem scheinbaren
Gewirre" ').
Die Deutung dieser Sinnbilder selbst aber konnte
Scheiger, gewiss einer der verdienstvollsten Forscher
auf dem Gebiete der österr. Alterthumskunde , nach dem
damaligen Stande dieser Wissenschaft nicht versuchen,
abgesehen davon, dass <Wv sehr verstümmelte Zustand ein-
zelner dieser Vorstellungen schon eine sehr genaue
Bekanntschaft mit derlei Bildungen voraussetzt, um über-
haupt an die Deutung derselben zu schreiten. Auch Wal-
es erst der neuesten Zeit vorbehalten, auf die Quellen hin-
zuweisen , aus welchen diese und ähnliche symbolische
Gebilde ihre Deutung finden können. In der Reihe derselben
nehmen die Physiologen einen hervorragenden Platz ein.
Man versteht darunter jene christlich-symbolischen Thier-
geschichten, welche sich aus der Vereinigung der in der
heiligen Schrift niedergelegten Sinnbilder mit den Thier-
geschichten des Alterthums und den mannigfachen hinzuge-
kommenen Fabeln und Mythen des früheren Mittelalters nach
und nach herausgebildet hatten.
Einer dieser Physiologen aus dem XI. Jahrhunderte,
welcher seiner Vollständigkeit wegen und der Zeitstellung
nach, in der er niedergeschrieben wurde, für archäologische
Zwecke vorzugsweise sich eignet, ist jener, welchen die
Bibliothek des Klosters Göttweig bewahrt und welcher von
dem Verfasser dieses in dem von der kais. Akademie der
Wissenschaften herausgegebenen Archive für Kunde österr.
Geschichtsquellen zum ersten Male veröffentlicht und er-
läutert wurde <)• Auf ihn beziehen sich die in der nach-
folgenden Darstellung angeführten Berufungen.
Kehren wir nunmehr zu den Vorstellungen unseres
Kreuzganges zurück, so müssen wir vor Allem gestehen,
dass dieselbe in überraschender Weise die Behauptung
begründen . dass die mittelalterliche Symbolik keineswegs
nur aus dem Beliehen Einzelner hervorgegangen sei, sondern
aus einer gemeinsamen Quelle geschöpft habe. Damit sei es
jedoch nicht ausgesprochen, dass allen Laien diese Quelle
verständlich gewesen sei. Der Mehrzahl der Zeitgenossen der
Vergangenheit mögen symbolische Darstellungen (dien so dun-
kel gehlieben sein, wie der Mehrzahl der Zeitgenossen unserer
Gegenwart. DieBeziehung« mf welchen ihre Deutung beruht.
waren keineswegs solche, die dem gläubigen Gcmüthe mit der
Fülle jener Wahrheiten und Lehren zuflössen, zu deren Auf-
nahme es stets bereit war. Wohl aber iniigen ihnen kundigere
Deuter zur Seite gestanden oder leichter zugänglich gewesen
sein, als diess in unserer Gegenwart der Fall ist. Mehr und
mehr wird der Versuch, in den Sinn dieser und ähnlicher
Symbole einzudringen, eine eben nicht leicht zu bewältigende
Arbeil des Geistes und der Forschung. Es dürfte daher von
Nutzen sein, für eine Reihe symbolischer Darstellungen, wie
es eben die Xcuhcrger sind, die Quelle ihrer zureichenden
und vollständigen Deutung, welche ihnen unzweifelhaft zu
Grunde gelegt wurde, nachzuweisen.
i) Ho
... 170.
' i Jahrgang 1830, Bd. II, Hefl 3 und i
Selbstverständlich sind die an der Fensterseite ange-
brachten Symbole der vier Evangelisten, der Löwe, Adler,
der Ochs und Engel, jedes mit einem Spruchbande.
Die Darstellung der übrigen als Gurtenträger dienenden
Consölen sind :
f. Der Löwe, welcher mit offenem Rachen vor seinen
Jungen steht. Diese Darstellung findet sich häufig. Einhei-
mische Beispiele sind : Die Deckplatte eines Ciboriums aus
dem XIV. Jahrhunderte, eine Vorstellung des berühmten
Niello-Antipendiums, beide im Stifte Klosterneuburg, und ein
Schlussstein der gothischen Capelle zu Imbach, aus dem
XIV. Jahrhunderte. Von ausländischen Beispielen ausge-
zeichneter Art erwähnen wir nur die Glasgemälde aus dem
XIII. Jahrhunderte in der Kathedrale St. Etienne zu Bourges *)•
Dieser Löwe ist nach der Deutung des Physiologus das
Vorbild der Graberstehung Christi. Von ihm wird erzählt,
dass er sein Junges, welches die Löwin todt zur Welt bringt,
am dritten, der Geburt folgenden Tage durch seinen Anhauch
ins Leben rufe. So habe auch, wie es Jakob prophezeihte, der
allmächtige Vater seinen Sohn, unsern Herrn, am dritten
Tage von dem Tode erweckt.
In diesem Sinne zeigt auch das erwähnte Glasgemälde
zu Bourges in der Mitte die Graberstehung Christi, umgeben
von typologischen Darstellungen, worunter der seine Brut
wachrufende Löwe.
II. Eine zweite Vorstellung zeigt den Pelikan, welcher
sich die Brust öffnet, um mit dem daraus hervorquellenden
Blute seine Jungen ins Leben zu rufen. Von dem Pelikan
erzählt die in dem Physiologus niedergelegte Sage, dass ei-
serne Jungen in hohem Grade liebe. Diese im Wachsthume
begriffen, gerathen mit ihren Altern in Streit und Kampf, in
welchem sie von letzteren getödtet werden. Aber am dritten
hierauf folgenden Tage öffnet sich die Mutter die Brust und
entströmt ihr Blut über die Leichen der Jungen, die hierdurch
wieder ins Leben zurückgerufen werden. Diess wird auf
Christus bezogen, welcher zum Heile und zur Entsümligung
der Menschheit den Opfertod am Kreuze starb, and dessen
der geöffneten Seile entströmendes Blut die Menschheit in
ein neues Leben einfühlte.
Wenige christliche Symbole haben eine so häutige
Kunstanwendung gefunden, wie das Bild des Pelikan. Sehr
sinnig hat die christliehe Kunst über die Dornenkrone
des am Kreuze hängenden Christus das Nest eines Pelikans
mit seinen Jungen angebracht, und auch die Hochaltäre,
an welchen der Opfertod Christi feierlich begangen wird,
mit diesem Sinnbflde geschmückt. In seltenen Fallen wird
der Pelikan überhaupt zum Symbol der Kirche gemacht, w ie
in den Bilderwerken der Vorhalle des Klosters Laach, wo
der Teufel dem Pelikan (das Symbol der Kirche) eine
Schriftrolle, auf welcher die Worte: Peceata /!<n>i<te zu
lesen sind, übergibt. Schnaase (Kunstgeschichte, IV, 1,374)
sieht in dieser Darstellung denAusfluss einer geheimen Oppo-
sition der Laien gegen die Kirche.
III. Eine dritte Vorstellung führt uns den Phönix vor,
') Näheres hierüber in Dr. G. H e i d e r's Werk : Die romanische Kirche zu
Schöngrabern. Wien 1833, S. lfil — 164.
welcher sich selbst dem Feuertode weiht.
Von ihm erzählt der Physiologus, d;iss er iiiich Ablauf
vtiii 500 Jahren sieh in die Berge Libanons begibt, sieh dort
aus dem Holze dieser Berge und verschiedenen Gewürzen
einen Scheiterhaufen bereitet, welchen er durch einen
Feuerstrahl entzündet, den er von einem Sonnenfluge zurück-
bringt. In diesem Scheiterhaufen verbrennt er sich selbst.
Die zurückgebliebene Asche verwandelt sieh am ersten Tage
in einen Wurm, am zweiten Tage in einen Vogel, am dritten
seht dieser als Phönix neugeboren aus der Asche hervor.
Dieser Vogel bedeutet Christum, und die sieh au ersteren
knüpfende Sage ist das Symbol der Auferstehung Christi.
Der Kunstgebrauch dieses Symbols ist ein viel verbrei-
teter, so dass sieh eine auch nur annähernd vollständige Auf-
zahlung nicht bewerkstelligen lüsst.
IV. Auf einer weiteren Vorstellung erkennen wir einen
Hirschen, welcher vor einem Wasser steht, in welchem
sich eine Schlange ringelt. Schon auf den ersten Blick kann
man sich versucht fühlen, diese Darstellung in Zusammen-
hang mit jenen zu bringen , welche seit den ersten Zeiten
der christlichen Kunst, insbesondere auf Taufsteinen, häufig
wiederkehren und mit Bezug auf Psalm 41 . v. 2 ') den zur
Quelle eilenden Hirschen zeigen, das Bild des Christen, der
daran geht , durch ila^ Sacramenl der Taufe ein neues Lehen
zu beginnen.
Auch ist in Wirklichkeit unsere Darstellung nur eine
weitere Ausführung und Modification des im letzteren Symbole
niedergelegten Grundgedankens. Der Physiologus dichtet
nämlich dem Hirschen die Eigenschaft an, die in einer Hohle
gelagerte Schlange durph seinen Anhauch herauszulocken,
welcl r sodann tödtet 1 verzehrt. Die Furchl aber treibt
ihn zu einem Quell reinen Wassers, woraus er trinkt und das
(iii't wieder von sich gibt. Dieser Hirsch trügt nach den
Worten der Physiologen die Gestalt des Büssenden an sich.
der, von dem Gifte seiner Sünden gepeinigt, zur Heilsquelle,
d. i. zur Lehre des Priesters eilt.
Die Kunstanwendung dieses Symbols ist jedoch keines-
wegs so verbreitet, wie die früher angeführte einfachere
Darstellung desselben. Ausser dem Neuberger sind uns nur
noch zwei bekannt, wovon das eine auf einem Taufsteine der
Kirche zu Bünnigheim '), das andere in der Kirche zu Freu-
denstadt '-) im Schwarzwalde sieh vorfindet.
V. Die nächste Vorstellung zeigt uns drei in einem
Schiffe sitzende Gestalten mit Budern in den Hunden. Zur
Seite derselben befindet sich eine Sirene.
Es ist das bekannte Bild der Verlockung zur Sinnlich-
keit. Von den Sirenen sagt der Physiologus: sie seien todtbrin-
gende Thiere, welche vom Kopf bis zur Mitte die Gestalt
eines Weibes, im Übrigen die Form eines Vogels an sich
tragen. Durch süssliineiule Melodien locken sie die Schiffer
an sich, und wenn es ihnen gelingt, dieselben in Schlummer
zu versenken . ergreifen sie dieselben und zerreissen sie.
Von hohem Interesse ist die Nutzanwendung, die aus
diesem Bilde auf christliche Kunstzustände gezogen wird.
So sollen nämlich jene getauscht werden, welche in teuf-
lischen Ergötzlichkeiten oder theatralischen Vergnügungen
sich auflösen oder dem Genüsse einschmeichelnder Musik
sich hingeben. Der Zustand geistigen Schlummers in den
sie dadurch verfallen , gibt sie den Laslern zur Beute
anheim. — Man sieht hieraus, dass unser Physiologus nur
eine besondere Nutzanwendung des diesem Symbole in-
wohnenden Grundgedankens der Verführung zur Weltlich-
keit macht, eine Bedeutung, welche von Piper s) mit grosser
Gründlichkeit behandelt ist.
VI. Der folgende sehr verstümmelte Tragstein zeigt
uns im Mitteltheile ein hirschähnliches Thier, zu
dessen rechter Seite eine sitzende Frauengeslalt , links eine
männliche Figur sich befindet. Es ist diess das Ein-
horn, welches in der christlichen Symbolik einen bevor-
zugten Platz einnimmt. Der Physiologus sagt von ihm
'( i cenraa ad i"nt.-s aquariim, big anima mea ad i.- desiderat Ileus.
■) Kunatblatl 1841, S. 3" I
2) Me ii /. ■■ I . Christi. Symbolik 1. 404.
'i Mythologie I Symbolik der ehriatl. Kmi-i l. :S77 — 399.
— 7
aus , dass es von keinem Jäger gefangen werden könne.
Die Art und Weise es zu fangen, ist daher folgende : Man
führt eine reine Jungfrau an jene Stelle, wo es sicli gewöhn-
lich aufhält und lässt sie dort allein; bei dem Anblicke der-
selben eilt das Einhorn in den Schooss der Jungfrau und lässt
sich von derselben fangen. Dieses Einhorn ist das Symbol
Christi, und seine Gefangennehmung deutet auf die göttliche
Allmacht, die im Schoosse einer Jungfrau Mensch geworden
sei. Auch die übrigen Eigenschaften dieses Einhorns, welche
ihm von dem Physiologus beigelegt werden, erhalten ihre
weitere Deutung in Bezug auf Christus.
Eine Darstellung in ganz gleicherweise, wie die Neu-
berger, zeigt ein Schlussstein der schon erwähnten gothi-
schen Capelle zu Imbach aus dem XIV. Jahrhunderte, und
sie erhielt sich mit mehr oder weniger Abweichung bis in
die Malerschulen der Caracci *).
VIF. Die letzte Vorstellung, welche uns hier besebäftigt,
') Irriger Weise wird in Di dr o n's A n ll a 1 e 8 archeol ogiqii e s I, 76 das
Auftauchen dieser symbolischen Darstellung dem XVI. .I:ihrlmnderte zuge-
schrieben, wahrend doch die oben angeführten Darstellungen das ausge-
bildete Vorkommen derselben schon im XIV. Jahrhunderte nachweisen.
Noch früher hat sieh dieses Stoffes bereits die Dichtung I la'chtigt, wie
diess Wolframs von ESschenbach Percival Vers 14403 n. If. darthut.
führt uns zwei Centauren mit Schild und Schwert
bewaffnet vor. Es ist jedoch aus der Vorstellung selbst,
welche ziemlich gelitten hat, nicht zu entnehmen, ob die
beiden Centauren im Kampfe unter sich begriffen seien, oder
ob nicht etwa ihr Ankämpfen gegen die auf einem benach-
barten Tragsteine reihenweise angebrachten Thiere gerichtet
sei. Letzterer ist so verstümmelt, dass wir darauf verzichtet
haben, denselben in Abbildung vorzuführen.
Die Centauren schildert der Physiologus als Geschöpfe
mit menschlichem Oberleibe, während der untere Theil des
Leibes die Gestalt eines Esels an sich trägt. Diese Doppel-
natur derselben sei ein Sinnbild falscher zweizüngiger Men-
schen von rohen Sitten, die sich den Schein von Frömmig-
keit geben, im Innern aber der Tugend abhold sind.
Kunstdarstellungen sind vielfache vorhanden. Gewöhn-
lich aber ist dieses Thier in einer Reihe mit anderen darge-
stellt, welche zusammen die dem Menschengeschlechte feind-
lichen Mächte darstellen. So z. ß. sehen wir auf einem
Capitäle der Pfeiler des Schiffes der Peterskircbe zu Genf
Centauren, Chimären, Schlangen und andere l'ngethüme
(Memories de la societe d'histoire et d'Archeologie de
Geneve IV, pag. 113). Übrigens ist von Dante der Centaur
auch im guten Sinne als ein Symbol der Doppelnatur Christi
genommen.
Abweichend von der durch unseren Physiologus dem
Centaur beigelegten Deutung fasst sie Piper ») als die Dar-
stellung der wilden Triebe des Herzens — als Dämonen auf,
die auf der Oberwelt umgehen, ein Bild der Versuchungen,
welche das unbewachte Herz treffen. Sie erscheinen mit
Bogen und Pfeil, um anzudeuten die „feurigen Pfeile des
Bösewichts-' (Ephesus VI, 10). In dieser Auffassung sei
diese Vorstellung in eine Reihe von Kunstwerken vom X.
bis XVI. Jahrhunderte übergegangen.
Überblicken wir nunmehr die ganze Reihenfolge
unserer Darstellungen, so müssen wir gestehen, dass unsere
Sinnbilder, die dem Auge des Uneingeweihten als müssige
Spiele einer Künstlerlaune und als blosse Phantasiegebilde
sich darstellen, mil Zuhilfenahme unseres Physiologus Sinn and
Bedeutung gewonnen haben, welche sie als den [lassenden
Schmuck einer gottgeweihten Halle erscheinen lassen. Wir
sehen nämlich in den Sirenen und Centauren die Sinnbilder
der Versuchungen die den Gläubigen immerdar drohen, in
dem zur Quelle eilenden Hirschen die Entsündigung des
Menschen durch die Taufe, in dem Einhorn das Vorbild
der Menschwerdung Christi, in dem Pelikan das treffende
Symbol des Opfertodes Christi, endlich in den Darstellungen
des Löwen und des Phönix typologische Darstellungen der
Auferstehung des Gottessohnes. Auf Schutz and Ausbreitung
der christlichen Lehre deuten die in gleichem Räume mit den
i) Symbolik und Mythologie der christlichen Knnvt I. :>03— 402.
8
angeführten Darstellungen befindlichen Symbole der vier
Evangelisten.
Die Bedeutung dieser Symbole ist eine fasl durch Jahr-
hunderte Feststehende, wenigstens auf dem Gebiete der bil-
denden Künste, welche zu jenen Zeiten ausschliesslich von
geistlichen Genossenschaften geübt wurden. Erweiterungen
und Umgestaltungen machten sich zuerst auf dem Gebiete des
dichterischen Sehüpfens geltend, welches sehen frühzeitig
eine selbstständigere Stellung zu behaupten begann. Ein Bei-
spiel hiefür sind eben unsere Neuberger Darstellungen. Eine
Reihe mittelalterlicher Dichter hat sich dieser Symbole zu
Kunstgestaltungen bedient, ist dabei jedoch von jener stren-
gen Deutung abgegangen, welche ihnen der PhysiologUS
zuschrieb. Der zur höchsten Blüthe gelangte Mariencultus
musste die Dichtkunst bestimmen, sich nach Symbolen um-
zusehen, w eiche geeignet wären die liefen Wunder zu fassen,
mit denen das Lehen Marias durchflochten ist. So geschah
es, dass die früheren Symbole aus ihrer strengen Umrahmung
herausgezogen, und zur Yersinulichung der auf Maria bezüg-
lichen Geheimlehren benützt wurden. Diesem von der Dicht-
kunst gegebenen Anstosse folgten, wenn gleich zögernd,
die bildenden Künste. Mit dem Zeitpunkte jedoch, mit wel-
chem diese in die Hände der Laien übergingen, wurde diese
schon vorbereitete Verwandlung der Symbole auch auf diesem
Gebiete rasch vollzogen. Der Löwe, der Pelikan, der Phönix,
das Einhorn und eine Reihe anderer Sinnbilder, die bisher
ausschliesslich auf Christus bezogen wurden, werden nun-
mehr auf die unbefleckte Empfängnis* Marions angewendet.
Iliebei tritt der nähere Bezug des Symbols zum Gegenstande,
welchen wir in vielen Fällen an unseren Symbolen zu bewun-
dern halten, freilich in den Hintergrund, und es wird zur
Erklärung des Wunders auf dem Gebiete des christlichen
Lebens gerade nur auf das Wunderbare hingewiesen, welches
die Sage au die Erscheinungen des Thierlebens knüpfte.
Beispiele hiefür sind ein Defcnsorium beatae Virginia
in der Gothaer Bibliothek ') und die Darstellungen im Kreuz-
gange der Domkirche zu Brixen.
Dr. G. Neider.
Erklärung der Tafel I.
«. Travee aus «lein östlichen Theile des Kreuzganges mit der
Ecksüule.
h. Grundriss desselben,
e. Grundriss der Kirche.
d. Grundriss des Kreuzhanges.
e. Grundriss des Capitelhauses
f. mit der Josepliicapelle,
g. Grösserer Kirchenpfeiler.
/(. Kleinerer Kireheiipleiler.
i. Sockel des Letzteren.
k. Profil der Gewölberippen der Kirche.
i\ Profil der ßingangsthür in das Capitelhajus.
m. Profil der Gurtträger im Kreuzgange.
n. Profil der Gewölberippep im Kreuzgange.
Ausgrabungen antiker Gegenstände a o. Wienerberge.
Besprochen von Joseph Arnelh.
Im Jahre 1841 entdeckte Herr Alois Miesbach in
seiner grossartigen Ziegelei auf dem Wienerberge, aus der
jährlich 60,000.000 Ziegel hervorgehen, sehr merkwürdige
römische Meilensteine. Es ist bekannt, dass die Römer
durch das ganze Gebiet ihres Weltreichs überall an den
Strassen desselben Steine setzten, worauf die Bezeichnung
der Entfernungen von den grösseren Orten angegeben war.
Vor der Auffindung dieser Steine war nur einer bekannt,
welcher den Namen VINDol a an sich trug, der aber unge-
achtet aller darauf verwendeten Mühe nicht mehr aufzufinden
war. Die mit dem Namen VINDobona bezeichnet gewesenen
Meilensteine vom Wienerberge waren folgende:
1. Von Antoninus Pius aus dem Jahre 143 nach Christi;
2. von Septimius Severus, worauf jedoch der .Name Vindo-
1 a nicht mehr vorhanden; — 3. von Trajanus Decius aus
dem Jahre 249; - 4. vom Sohne des Gallienus. Licinius
Cornelius Valerianus aus dem Jahre 2ü3; dann endlich
.'>. von beiden Licinius, Vater undSohn, aus der Zeit 307 —
323 nach Christi Geburt. Sie rührten also aus der Periode
vom Jahre 143 323 nach Christi Geburl her, und es ist
sehr wahrscheinlich, dass alle in der Nähe der Steine gefun-
denen Gegenstände, welche nichl ein anderes näheres Zeit-
bestimmungszeichen an sieh tragen, dieser Periode ange-
hören. Sowohl die (dien erwähnten, von Herrn Alois Mies-
bach dem k. k. Münz- und Anliken-Cabinetle mit grosster
Bereitwilligkeit überbrachten Meilensteine wie der bei St.
Marx angeblich entdeckte, aber nicht mehr aufzufindende
Meilenstein bewiesen den Ort, WO die römische Strasse vmi
Vindobona bis Aquae Pannoniae, oder von Wien nach Baden
geführt hat. Ebenso bezeichneten die von Herrn Dreher
in Klein - Schwechat ausgegrabenen Meilensteine, welche
den bis dahin auf Meilensteinen völlig unbekannten Namen
KARnuntum aufwiesen, den römischen Strassenzug von
Vindobona nach Karnuntum, oder von Wien nach Petronell.
Ich habe an anderen Orten diese Gegenstände weitläufiger
beschrieben. =)
i) Jakob« I Ukert: Beitraget, 113. Vus diesem führen wir einige dieser
Deutungen nul die Empfängnis* Mariens an. Von dem Löwen luisst es:
., Leo '' I Ug il U proleS slj seil Bre \ :ilrl.
Cur i ii.mii h i'n itu vii | genei aret."
I ml \ Irin Pelikane
„Pellicanus si sanguine animare fetus claret,
i m Christum pure, es sanguine % i ■ l- . • non generaret.11
'I Arneth, Römische Meilensteine. Wien 1843.
— 9
Unweit des Ortes nun, an welchem im Jahre 1841 die
Meilensteine am Wienerberge gefunden wurden, entdeckten
am 7. April d. J. Arbeitsleute des Herrn Alois Miesbach bei
200 Klafter gegen Westen an der von Wien nach Neustadt
führenden Commercial-Strasse , und an 250 Klafter vom
Liesinger-Bache gegen die Stadt Wien zu entfernt, in einer
Tiefe von 2 Fuss ein Grab, welches aus früher an anderen
Orten verwendeten Sandsteinen zusammengesetzt war. Das-
selbe ist 1 Klafter lang, 2 Schuh breit, 18 Zoll tief; in ihm
lag ein weibliches Skelet.
Der von diesen Steinen zusammengestellte Sarg, dessen
Deckel aus einem gesimsartig zugehauenen Steine bestand,
war mit Erde vollkommen angefüllt, die Gebeine sehr zer-
brechlich und meistentheils aus ihrer ursprünglichen Lage
gerückt; in der Fussgegend lag ein zerbrochener Teller,
auf der Kopfseite eine kleine gut erhaltene Schale, zwischen
den Brustknochen eine Fibula von Bronze 4 Zoll lang, 2 Zoll
3 Linien breit, der Bogen 1 Zoll 2 Linien hoch, und zwischen
den Fingerknochen ein sehr kleiner Bing von Bronze. Bei-
läufig in der Mitte des Grabes befand sich eine kleine Schnalle
und das Bruchstück einer Schnalle von Eisen.
Die Fibula ist auch darum merkwürdig, weil im Jahre
1824 gelegentlich der Erweiterung der kaiserlichen Gruft
bei den Kapuzinern in einem ähnlichen, aber von Ziegeln
umgebenen Grabe eine gleichartige Fibula gefunden wurde,
die also beide aus gleicher Werkstätte hervorgegangen zu sein
scheinen. Die Ziegel, welche das Grab bei den Kapuzinern
bildeten, rühren von der X. und der XIII. Legion u.z. von einer
Cohorte Bogenschützen her, welche ihre Stämpel darauf
gedrückt haben. Da eineMünzeHadrians dabei gefunden wurde,
so sind diese Gräber auf jeden Fall aus der Zeit nach Trajan.
Dier Gebeine im Grabe am Wienerberge waren völlig
morsch und zerfallen ; aus ihrer Kleinheit, aus der Formation
ihrer Schenkelknochen und dem geringen Durchmesser des
fiinges dürfte der Schluss gezogen werden, dass das aufge-
fundene Skelet ein weibliches war.
Dieser Fund und seine Objecte sind an und für sich
nicht sehr erheblich, sie werden nur merkwürdig durch den
Ort der Auffindung, wodurch es wahrscheinlich wird, dass die
Person, deren Gebeine aufgefunden wurden, etwa gegen das
Ende der Periode, aus welcher die Meilensteine herrühren,
d. h. aus der Mitte des dritten Jahrhunderts unserer Zeit-
rechnung daselbst begraben worden sei.
Es war auch diese Zeit eine Zeit des Kampfes in ( tster-
reich, eines Kampfes unter einem der ausgezeichnetsten der
romischen Imperatoren, des Decius Trajanus, der durch
Annahme des Beinamens bewies, dass er sich den vielleicht
vorzüglichsten derselben, den grossen Trajanus, zum Vorbilde
gesetzt habe. Dieser Kampf wurde geführt, um das römische
Beich vor dem Übergänge der barbarischen Völker über die
Donau zu bewahren, und so die damals so sehr bedrohten
Gränzen des römischen Beiches zu schützen.
Aus den neu entdeckten Gräbern an der Strasse
zwischen Vindobona und Aquae Pannoniae geht wohl auch
der Schluss von selbst hervor, dass die Römer, die in ihren
Municipien und Colonien so viel Wichtiges ihrer Weltstadt
nachahmten, auch in denselben den Gebrauch annahmen,
ihre Todten längs der Strassen zur Erde zu bestatten, wie
diess die Auffindung so vieler Gräber und der dieselben
schmückenden Monumente an der Via Appia, das Grabmal
der Canilia Metella, Claudia Semne. der Scipionen u. s. f. und
die Gräber-Strasse in Pompeji u. a. m. darthun.
Im künftigen Jahre wird in der Richtung der ange-
zeigten Strasse zwischen Vindobona und Aquae Pannoniae
weiter gegraben. Herr Alois Miesbach gab seinen Leuten
den Auftrag, sorgfältig auf die etwa ausgegrabenen Gegen-
stände Acht zu haben , und so könnte es geschehen, dass
auf dem sonnigen südlichen Abhänge des Wienerberges
mehrfache Spuren aufgefunden werden, dass die Römer, um
ihren Landstrassen ein freundliches und zugleich ernstes
Aussehen zu geben, an dieselben häufig nicht bloss Triumph-
bögen und Tempel, sondern auch, um das Andenken der
Verstorbenen frisch zu erhalten, sowohl das prächtige Grab-
mal des Reichen, wie den einfachen Grabstein des Armen
setzten.
Die römische Wasserleitung auf der Schiffswerft-Insel in Altofen.
Auf das Vorhandensein bedeutender Überreste römischer
Bauwerke in und um Altofen wurde schon von verschie-
denen Seiten hingewiesen, und man unterliess auch nicht
einzelne Ausgrabungen anzustellen, um den Umfang, die
Bedeutung und vor Allem den wirklichen Bestand einer
römischen Stadt daselbst zu constatiren. Die erste wichtige
Ausgrabung fällt in die Zeit der Kaiserin Maria Theresia,
wo die Begierung durch Professor St. S ehönw isner >)
das römische Bad am Florians-Platze in Altofen aufdecken
*) Demselben Gelehrten verdanken wir das interessante Werk: De
ribus Laconici Celdariique Romani. Budae 1778.
rüde-
liess, und bald darauf ein römischer Sarkophag gefunden
wurde. Im Jahre 1802 entdeckte man ein römisches Grab-
mal, und mehrere Jahre später einen Opferaltar Neptuns.
Nach einem zweiten römischen Bade wurden im Jahre 1822
Nachgrabungen angestellt. In letzterer Periode entwickelte
sich überhaupt für Forschungen auf diesem Gebiete wieder
ein lebhaftes Interesse und insbesondere der Schriftsteller
Fr. S chams1) gab über das römische Aquinta sehr wich-
tige Aufklärungen. So lieferte er nähere Anhaltspunkte über
J) Vollständige Beschreibung der k. freien Hauptstadt Ofen in Ungern.
Ölen 1822, S. 0+7— 669.
10 —
den factischen Bestand eines römischen Amphitheaters, Qher
die Ruinen einer römischen Wasserleitung in der Nähe von
Altofen, und versuchte den Umfang der nicht unbedeutenden
Römerstadt zu bestimmen.
Im Jahre 1 S.*;a wurde die k. k.Central-Commissionvon
dem sehr verdienstvollen und an den Altertumsforschungen
sich lebhaft betheiligenden k. k. Baudirector in Ofen Herrn
Men apa c e neuerdings auf die Überreste der römischen Stadt
Amanta aufmerksam gemacht, und von diesem eine bis jetzt
fehlende vollständige Aufnahme der vorhandenen Denkmale,
dann die Anlage eine- genauen Situationsplanesund die Anord-
nung neuer Ausgrabungen auf der Donau-Insel beantragt.
Aus den zugleich vorgelegten Notizen des Oberinge-
nieurs Reitt er war übrigens zu entnehmen, dass das Merk-
würdigste die Bruchstücke eines theils oberirdischen, theils
unterirdischen Aquäductes seien, welcher von der stärksten,
nächst des Pulver-Stampfmühle befindlichen Schwefels asser-
quelle bis in die Schiffswerft-Insel führt. Die Spuren des
oberirdischen Aquäductes bestehen aus einzelnen, mitunter
2 Klafter hohen, ganz mit Schwefelkies bedeckten Pfeilern.
Die unterirdische Wasserleitung, ausserhalb Altofen bei
300" vom Donau-Ufer beginnend, ist 10 bis 20 Klafter breit
und bei öO bis 60 Klafter schliefbar, wo sie sich dann in
verschiedenen Richtungen mit geringerer Breite fortsetzt.
Im Alignement der Hauptrichtung wurde auf der Schiffs-
werft-Insel unter den beiden Altofner Donau-Ufern ein
ebenso construirterGang entdeckt. Auch stiessman auf dieser
Insel auf Gebäude-Überreste und unterirdisches Mauerwerk,
welches stellenweise nur 1 bis 2 Fuss mit Erde bedeckt
ist. _ Die Ziegel, aus welchen die Bauten hergestellt
wurden, sind durebgehends sehr tleissig gearbeitet, 22 Zoll
lang, 11 Zoll breit und l1/, Zoll dick. Sic haben auf der
einen Seite die Aufschrift: „Hadrian", auf der andern
„Cohors V." Besonders interessant sind die mit Flanellen
versehenen Röhren-Ziegel von viereckigem Querschnitte
und aus dem feinsten Töpferlehm angefertigt.
Was die Constructionder obenerwähnten 1 0 bis 15 Fuss
überdeckten oberirdischen Wasserleitung betrifft, so besteht
dieselbe aus kleinen bei 1(1 Zoll dicken und 3 Fuss buch und
rund gearbeiteten Sandsteinsaulchen, welche, bei :! Fuss von
einander entfernt, durebgehends mit Sandsteinplatten über-
deckt sind. Das Fundament ist aus grossen flachen Ziegeln
gebildet, worauf zwischen den Sauleu 3 einzöllige Schichten
lagern. Die unterste zunächst den Ziegeln besteht aus gelbem
Thon, die zweite aus blauem, und die oberste ist ein Cement-
guss aus Ziegelmehl und mit Steingries vermengt. Bemer-
kens« erth ist übrigens sowohl die Fussbodenhöhe der ent-
deckten Gebäude als auch die Decke dieser Wasserleitung,
welche unter dein kleinsten gegenwärtigen Douauwasser
liegen und woraus hervorgeht, dass entweder das Bett des
Stromes sich im Laufe der Jahrhunderte sehr bedeutend
erhöht hat, oder dass zur Zeit des Bestandes der Wasser-
leitung der Fluss ein anderes Bett besass.
Nachdem nun die k. k. Central-Commission im J, 1853
auch in Erfahrung brachte, dass durch diebevorstehenden
Ballführungen der Donau-Dampfschifffahrt die erwähnten
Überreste dieser grossen weitverzweigten römischen Wasser-
leitung einer unvermeidlichen Beschädigune entgegengehen,
so unterliess sie nicht, auf Grund des von dem Herrn Bau-
director Menapace gestellten Antrages, sich bei dem Herrn
Randeisminister für die ungesäumte Aufnahme der römischen
Überreste auf der Donau-Insel bei Altofen zu verwenden,
welcher auch die hierauf bezügliche Weisung an die Statt-
halterei-Abtheilung in Ofen erliess.
In neuester Zeit und zwar im October d. J. hat sich
auf Anregung des k. k. Conservators , Herrn Dr. Haas, das
k. k. Civil- und Militär-Gouvernement in Ungern an die
Administration der Donau - Dampfschifffahrts - Gesellschaft
gewendet, um diese zu veranlassen, die erwähnten römischen
B;'ider durch eine wasserdichte Erneuerung der Steinverbin-
dung, sowie durch eine Umfangsmauer und eine Bedachung
vor der Verwitterung wenigstens in der Weise zu sichern, w ie
solches bei dem Rypocaustum am Floriansplatze in Altofen
der Fall ist, und die gedachte Administration bai bereit-
willigst die unverweilte Vornahme dieser Erhaltungsvor-
kehrung angeordnet.
Restaurationen.
Seitdem die kaiserliehe Regierung die ObsorgS für die Aus den nun vorliegenden Berichten über die In den
Erhaltung der historischen Baudenkmale Österreichs einer Jahren I8S3 und 18S4 vorgekoi neu Restauratioi
besonderen liiezu bestimmten Central-Commission überwies, wollen wir eine Übersicht der in dieser Richtung zurKennt-
wurde auch den Restaurationen eine erhöhte Auf rksamkeit niss der k. k. Central-Commission gelangten Leistungen ver-
zueewendet. In dem Interesse dieser Commission lag es zu- öffentlichen, und haben nur zu bemerken, dass diese (her-
nächst, sich in dieser Beziehung über den Umfang der von den sieht wegen mehreren noch rückständigen Berichten auf
einschlägigen Organen der kaiserlichen Regierung entM ickel- Vollständigkeit keinen Anspruch zu machen vermag. I auch
ten Thätigkeif überhaupt, sowie von Fall zu Fall über die jede Erörterung über die Durchführung der Restaurationen
Nothw endigkeil und die Art und Weise der Restauration eines ausgeschlossen bleiben soll.
Kunstdenkmales die entsprechende I berzeugung zu ver- Wir beginnen in diesem Hefte mit einem der am reich-
schaffen, und eine Übersicht der in einzelnen kronlämleni -len dolirten Baubezirke . und zwar mit dem von
vorgenommenen Restaurationen zu ermitteln.
I. Venedig.
Hierüber entnehmen wir einem tabellarischen Ausweise
des Herrn Baudirectors R o g g i a in Venedig folgende Daten:
AufS taa ts kos ten wurden in den Jahren 1853 — -1854
in Venedig selbst restaürirt:
1. Die Patriarchal-Kirehe von S. Marco,
ein Werk byzantinischen Styles, welches von
mehreren Architekten erbaut, im Jahre 976 ange-
fangen und im Jahre 1071 vollendet wurde, mit
dem Betrage von 14.540 fl.
Die Verbesserungen bestehen in der Becon-
struetion und der Eindeckung jenes Theiles der
Wölbung mit Kupferplatten, an welcher sich die
Mosaikdarstellungen der Apokalypse befinden.
2. Der Dogen -Palast, ein Werk des
XIV. Jahrhunderts, welches gleichfalls von meh-
reren Architekten, darunter von Filippo Calen-
dario erbaut wurde, mit 22.000 fl.
wobei die Bestaurirung des Daches über dem
Bathssaale (sal del consiglio) 6600 fl., äussere
Verzierungen 13.000 fl. und verschiedene drin-
gende Arbeiten im Innern 2400 fl. betrugen.
3. Die alte Bibliothek am Marcusplatze
neben den neuen Prueuratien, im XVI. Jahrhun-
derte von Sansovino und Scamozzi im spä-
teren Benaissance-Style erbaut und gegenwärtig
zur kaiserlichen Besidenz bestimmt, mit . . . 6.700 11.
4. Die Kirche des h. Erlösers im Benais-
sance-Style am Ende des XVI. Jahrhunderts von
Ant. P a 1 1 a d i o auf der Insel Giudecca erbaut, mit 1 4.980 fl.
Bestauration der Kuppel und Eindeckung mit
Kupferplatten.
5. Die Kirche von S. GiorgioMaggior e,
ebenfalls auf der Insel Giudecca im Benaissance-
Style von P a 1 1 a d i o im XVI. Jahrhunderte ange-
fangen und von Vincenz Scamozzi zu Anfang
des XVII. Jahrhunderts vollendet, mit .... 21011.
6. Die Kirche S. Giovanni e Paolo, im
gothischen Style des XIII. und XV. Jahrhunderts
von einem unbekannten Architekten erbaut, mit . 25.800 tl.
darunter verschiedene Restaurationen im Innern,
an der Kuppel und am Dache.
7. Die Kirche Sta. Maria Glori o sa dei
Frari, im gothischen Style des XIII. Jahrhun-
derts von Nicolo Pisa ni erbaut, mit .... 200 fl.
8. Die Kirche des h. Stephan, im gothi-
schen Style des XV. Jahrhunderts von einem bis
jetzt unbekannten Architekten erbaut, mit . . . 3.340 11.
allgemeine Bestauration des Daches und der Decke
über dem Hauptschiffe.
9. Die Kirche des h. Zacharias, erbaut im
XV. Jahrhunderte von einem bisher unbekannten
Architekten, mit 200 fl.
10. Die Kirche von Sta. Maria di Nazaret
degli Scalzi, im XVII. Jahrhunderte von dem
Architekten Ba Idas sare Longhena und G iu-
sepp e Sa'rdi erbaut, mit 25.140(1.
darunter die Bestauration der Facade mit
22.410 fl.
11. Die Kirche von Sta. Maria Assuuta,
im byzantinischen Style von einem unbekannten
Architekten des XI. Jahrhunderts erbaut, mit . 1.400 tl.
12. Die Kirche derSanta Fosca, im byzan-
tinischen Style von einem unbekannten Archi-
tekten des XI. Jahrhunderts erbaut, mit . . . 930 fl.
13. Der Palast Com er, der Sitz der frühe-
ren Provincial-Delegation, im XVI. Jahrhunderte
von dem Architekten Jakob Sansovino im
Benaissance-Style erbaut, mit 1.500 fl.
14. 11 Fond aco tedesco (Niederlage der
deutschen Kaufleute), gegenwärtig der Sitz der
Finanz- und einiger anderen Behörden, im
XVI. Jahrhunderte von Fra Giocondo im so-
genannten lombardischen Style erbaut, mit . . 1.270 fl.
In l'adua wurden auf Staatskosten restaü-
rirt: Die Universität, erbaut im Benaissance-Style
von dem Architekten Sansovino. nach Anderen
von P a 1 1 a d i o und zwar im XV. Jahrhunderte, mit
dem Betrage von 12.650 tl.
InTrevisodie Kirche St. Nicolo, erbaut
im gothischen Style des XIV. Jahrhunderts, mit . 11.850 fl.
Bestauration im Innern und Erhöhung des Haupt-
schiffes.
DieGesammtsumme der auf Staatskosten in den genann-
ten Jahren unternommenen Restaurationsarbeiten in Venedig,
Padua und Treviso betrug 142.910 fl.
Auf Kosten des Kronlandes wurden in den Jahren
1853 und 1854 restaürirt:
In Padua 1. Eine Reiterstatue in Bronze
mit steinernem l'iedestal, ein Werk des Donato
Fio renl in o im XV. Jahrhunderte ausgeführt, mit 250 fl.
2. L'arco Valaresso, erbaut im soge-
nannten lombardischen Style des XVII. Jahrhun-
derts von J. della Scala, mit 1.800 fl.
3. Das Umfassungsgeländer der Pia/, zetta
delle Statue, ein Werk des Will. Jahrhun-
derts, mit 7.500 tl.
In Vicenza der Pälazzo Chiericato,
gegenwärtig das Municipalgebäude und Museum,
erbaut im Renaissance-Style des XVI.Jahrhunderts
von A. Palladio, mit 5.580 fl.
In Treviso das akademische Theater,
erbaut im XVIII. Jahrhunderte von Francesco
Maria Prati, mit 5.000 fl.
Bestauration des grossen Saales und Erbauung
eines neuen Vestibüls.
12 —
I ii Udine: 1. Die HaHen von San Gio-
v a ii 11 i , erbaut im XVI. Jahrhunderte von J. S a n-
s (i v i n o , mit
2. Die Loggia communale, erbaut im gothi-
schen Style, mit
3. DerThurm derChiesa di Castello,
ein Werk des XVI. Jahrhunderts, mit ....
Endlich 4. wurde der städtische Friedhuf, erbaut
imXlX. Jahrhunderte von Valentin Cresa u i , ver-
grössert und hierauf die Summe von 4.000 Q.
3.000 Q. verwendet.
Die nebstbei auf Prouncialkosten ausgeführten Hestau-
700 fl. rationen beliefen sieh auf 31.830 tl.
Die Gesammtsumme aller Restaurationen in dem Kron-
4.000 fl. lande Venedig betrug somit in den genannten zwei Jahren
174.740 tl.
Notizen.
1. (Zwei Fürstengräber im St. Stephans-
dome in Wien.) Der Geschichtsforscher J. Feil halte
schon in seinen „Kritischen Beiträgen" zur Geschichte und
Beschreibung- dieses Domes •) bei Ermittelung der ältesten
in Wien erhaltenen Fürstengräber, nachdem er mit überzeu-
genden Gründen nachgewiesen, dass das Grabmal im soge-
nannten Speisechore nicht dem ersten Stifter Herzoge Ru-
dolf IV.. sondern seinem Bruder, Herzoge Albrecht HI.
(f 1393) angehöre, auf die Beschädigungen hingewiesen,
«riebe dasselbe seit kaum einem Jahrhunderte erlitten.
Während die Randseiten mit der Schrift dein Säulenträger
eines darüber gebauten Betchors zur Unterlage dienen und
die nach den älteren Abbildungen in dem Räume zwischen
den Füssen des Fürstenpaares befindlich gewesene Kirche,
dann der Helm mit Pfauenfedern zwischen seinen Häuptern,
sowie die Mönche aus den Nischen ganz verschwunden sind,
wurden auf dem Sargcckel auch noch eiserne Kloben ange-
nietet, in welche die Stangen des fast täglich in Gebrauch
kommenden sogenannten Speisehimmels und der zwei zuge-
hörigen Fähnchen eingestellt werden.
Sowohl auf diese noch im Jahre 1834 fortbestandenen
Thatsachen als auch auf den Umstand, dass das kunstge-
schichtliche Grabdenkmal Friedrich IV. im Passionschor
dein alle Jahre ZU Ostern aufgerichteten heiligen Grabe
gleichfalls zur Unterlage dient, und dadurch das feine Zier-
werk dieses Monumentes von Jahr zu Jahr immer grös-
seren Schallen erleidet, machte der Conservator von Wien,
Herr A. Camesina, die k. k. Central-Commission neuer-
dings mil dein Ersuchen aufmerksam, sich dafür zu ver-
w enden, dass bei dem Grabmale des Herzogs \ I brec ht III.
der Speisehimmel, und bei dem berühmten Grabe des Her-
zogs Friedrich IV. das dort jährlich aufgerichtete heilige
Grab versetzl werde. — Die k. k. Central-Commission erach-
tete es für das Zweckmässigste, sich direetan Seine Eminenz
den HerrnCardinal-ErzbischofvonWien Bitler von Ii a u s c b e r
zu wenden, um die nöthige Abhilfe in dieser Angelegen-
heil zu i-r« irken. Mit grösster Bereite illigkeit verfügte Seine
Eminenz, dass der Versehbimmel bei dem Grabmale des
Herzogs Albrecht III. alsogleich entfernt wurde, und
'i öaterr. Blätter f. Lit. I Kunst, .1 I8U, S. 1M-1CZ.
traf die Einleitung, die Versetzung des heiligen Grabes bei
dem Denkmale Friedrich'sIV. im commissionellen Wege
auszumitteln.
2. (Flügelaltar zuH eilig en-BlutV.O.M.B.inNie-
derösterreich.) Dieser Altar befindet sich gegenwärtig in einer
an der linken Seite des Presbyteriiinis befindlichen Nische,
beiläufig 9 Fuss über dem Fussboden. Seine Höhe beträgt
12Fuss 8 Zoll. Die Anordnung der Theile desselben ist die
bei Flügelaltären gewöhnliche, nämlich ein Mittelschrein
mit zwei Flügeln und dem Pred eil. Er st er er zeigt
unter einem reich geschnitzten Baldachine in der Mitte die
heil. Maria mit dem Kinde, links einen Heiligen mit einem
Baumstamm, rechts den heil. Johannes den Täufer. Diese
Figuren sind, was ihren Kunstcharakter betrifft, jenen des
Mittelschreines des Flügelaltares zu Maria Laach sehr ähn-
lich, ja bei der heil. Maria treffen wir sogar eine nicht zu
verkennende Ähnlichkeit mit der thonenden Himmelskönigin
zu Maria Laach. Jeder Flügel ist der Quere nach in zwei
Abtheilungen gebracht, deren jede mit kleinen Baldachinen
geschmückt ist. Die Gemälde dieser Flügel zeigen, und
zwar auf der Innenseite: 1. Maria Verkündigung, 2. Ge-
hurt Christi, 3. Anbetung der heil, drei Könige, 4. die
Darbringung im Tempel; an den Aussenseiten der
Flügel: 1. Christus auf dem Ölberge, 2. die Gefangenneh-
mung Christi. Im Hintergrunde dieses Gemäldes erblickt
man eine flatternde Fahne mil dem kaiserlichen Adler auf
Goldgrund, '.'>. die Kreuztragung Christi, ebenfalls mit einer
Fahne, welche drei Kronen auf Goldgrund zeigt, 4. Christus
am Kreuze, zu Füssen Mari; I Johannes.
Der über dem Altarkasten gewöhnliche Aufbau fehlt
unserem Flügelaltare. Man sieht nur einen Aufsatz., auf wel-
chem rechts die heil. Maria, links der heil. Johannes in run-
den Figuren angebracht sind. Die Mittelfigur (wahrschein-
lich Christus am Kreuze) fehlt. Noch sind die Predell-
bilder zu erwähnen. In der Mitte erblicken wir Christus
die Dornenkrone auf das Haupl gedrückt, das Blut aus der
Seitenwunde fliessend, links Maria und die heil. Magdalena
ein Gefäss öffnend, rechts die heil. Johannes und Andreas.
Ill den beiden Ecken des IVedells ist ein viergetheiltes
Wapenschild angebracht, und zwar sehen wir in zwei
13 —
Feldern den rothen Panther im weissen Felde, im dritten eine
Burg mit gelben Zinnen auf schwarzem Felde, im vierten
einen gelben Stern auf schwarzem Felde. Die Zeit der
Anfertigung dieses Altars dürfte gegen das Ende des
XV. Jahrhunderts zu setzen sein. Die architektonischen
Verzierungen, welche am meisten gelitten haben, zeigen
durchweg schon die Überfülle und die Regellosigkeit des
ausgearteten gothischen Styles, die Gemälde hingegen die
Tüchtigkeit einer handwerksmäßigen Kunstübung ; sie sind
in manchen Einzelheiten sogar nicht ohne Reiz und Empfin-
dung. Zu wünschen wäre, dass diesem bis nun wenig beach-
teten Kunstwerke die ihm gebührende Aufmerksamkeit zuge-
wendet würde. Seine Wiederherstellung wäre mit nicht
sehr bedeutenden Auslagen verbunden.
(Vergleiche über diesen Flügelaltar: Tschischka, Kunst
und Alterthum in dem österreichischen Kaiserstaate. Wien
1836, S. 100.)
3. (Aushebung eines Denkstein es inderk. k.
Hofburg zu Gratz.) Als im Jahre 1854 der linke Seiten-
flügel der k. k. Hofburg in Gratz wegen Baufälligkeit ab-
getragen wurde, fand man, wie der Herr Conservator
J. Sehe ige r berichtet, an der Hofseite ziemlich hoch eine
Steinplatte eingemauert, aus deren Inschrift hervorging, dass
Kaiser Maximilian im Jahre 1506 an dieser Stelle die bei
Leibnitz gefundene Asche und Gebeine eines Römers mit
einem unversehrten Glase und einer alten Münze beisetzen
Hess.
Nachdem der Denkstein mit aller Vorsicht abgenommen
wurde, entdeckte man hinter demselben eine Höhlung,
welche ein achteckiges 12y2 Zoll hohes Gefäss von Sand-
stein, mit einem zerbrochenen Deckel von gleichem
Materiale, enthielt. In demselben lagen Bruchstücke eines
rund förmigen Gefässes von grauem, gebranntem Thon,
mit einem länglichen von Feuchtigkeit beinahe gänzlich
angegriffenen Papierblatte, worauf zu lesen war, dass „eine
Gesellschaft, worunter mehrere Hofbediente, namentlich
der Gärtner Wolfgang , der Büchsenmeister Praunauer u. s. w.,
diesen Stein heraufgetragen, haben; dass Hanns Künne,
Christoph von Ingolstadt, Kaspar Palwierer, Meister Erhart
königlicher Majestät Arzt, und Meister Hanns Piflarner, Stein-
metz in Leibnitz, hiebei betheiligt waren, endlich, das
Balthaser Engentlieh den Stein gehaut, und im Jahre 1506
eingesetzt habe".
Weiters fand man eine Bronzemünze erster Grösse von
Antoninus Pius , in ziemlich gutem Zustande, dann Bruch-
stücke von Menschenknochen mit deutlichen Spuren des
Brandes und ein zweites wohlerhaltenes Gefäss, welches
bezüglich des Materiales und der Form dem ersterwähnten
ähnlich war.
Auf Veranlassung des Herrn Conservators wurden die
gefundenen Gegenstände in sorgfältige Aufbewahrung über-
nommen.
4. (Pfarrkirche zu St. Ja ak.) Der k. k. Central-
Commission wurde imJ. 1853 von einigen ihrer Mitglieder die
Mittheilung gemacht, dass die in hohem Grade denkwürdige
romanische Kirche zu St. Jaak mehrfacher Nachbesserungen,
insbesondere aber einer neuen Bedachung bedürfe , wenn
ihrem Bestände nicht Gefahr drohen solle. Sie wandte sich
desshalb an den Vorstand der Statthalterei-Abtheilung in
üdenburg mit dem Ersuchen, den ämtlichen Einfluss auf
die Patronatsherrschaft dieser Kirche in der Art ausüben zu
wollen, dass wenigstens die Eindeckung in vollkommen gutem
Zustande erhalten, insoferne sie der Ausbesserung bedürftig
ist, diese bewerkstelligt, sowie überhaupt nichts unternom-
men werde, wodurch die ursprünglichen Details dieses her-
vorragenden Denkmales romanischer Bauweise beseitigt,
beschädigt oder verändert werden möchten.
Diesem Ansinnen wurde von der Patronatsherrschaft
auch in dankenswerther Weise entsprochen, indem durch die-
selbe sowohl die Eindachung als auch die Hersteilung der
beschädigt gewesenen Bestandteile dieser Kirche und zwar
letztere in einer Weise veranlasst wurde, wodurch der Cha-
rakter dieses Bauwerkes in seiner reellen Ursprünglichkeit
erhalten blieb. Auch für eine stäte sorgsame Überwachung
dieses Kunstdenkmales wurden von Seite der betreffenden
Comitatsbehörde die nöthigen Anordnungen getroffen.
In neuester Zeit war die Pfarrkirche St. Jaak wiederholt
Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit der Kunstfreunde
und veranlasste auch die k. k. Central - Coinmission zur
Aufnahme der Kirche, welche von dem k. k. Professor
v. Eitelberger beschrieben und kunstgeschiehth'ch erläu-
tert in dem Jahrbuche der k. k. Central-Commission ver-
öffentlicht werden wird.
5. (Schlossruine bei St. Lambr echt.) Professor
Tangl in Gratz brachte im 12. Bande des von der kaiseil.
Akademie der .Wissenschaften herausgegebenen Archivs für
Kunde österr. Geschichtsquellen, historische Nachrichten über
die Grafen, Markgrafen und Herzoge von Eppenstejn, worin
unter Anderm erwähnt wird, dass gegenwärtig das alte
Herzogsschloss bei St. Lamprecht bis auf den Thurm um-
gebaut werden solle. Darauf aufmerksam gemacht, wollte die
k. k. Central-Commission die etwa vorhandenen Pläne dieses
alten Schlosses copiren. nötigenfalls berichtigen und er-
gänzen, oder, wenn diess nothwendifr sein sollte, panzneuauf-
O ' CT '
nehmen lassen, umdieselben in ihrem Archive zu hinterlegen.
Aus einem Berichte des Herrn Baudirectors von Steiermark
M. Kink stellte sich jedoch heraus, dass die als „Herzogs-
schloss" bekannten, auf einem erhöhten Gebirgsvorsprunge
in der Nähe des Stiftsgebäudes gestandenen und schon seit
Jahrzehenden zu einer förmlichen Ruine herabgekommenen
Gebäude mit Ausnahme des sogenannten Wartthurms und der
ihm gegenüberstehenden Schlosscapelle bereits ganz abge-
tragen und ihre Grundflächen zu einer Art von Gartenanlage
umgewandelt sind. Der Thunn hingegen, wie auch die im
— 14
gothischen Style erbaute Capelle wurden in einen solchen
Stand gesetzt, dass deren Erhaltung gesichert erscheint.
Die ursprüngliche Anlage des ganzen Schlossbaues vor der
Zeit der Aufhebung des Stiftes, also vor 1786, lisstsich aus
einem im Iiesitze des Stiftes befindlichen Modelle, welches
der k. k. Central-Commission zur Besichtigung übermittelt
wurde, ersehen. Es zeigt sich aus demselben, dass das
erwähnte Schloss nie ein einheitliches Ganzes aus einer
bestimmten Zeitperiode, sondern ein Complex verschiedener,
ZU verschiedenen Zeiten errichteter Gebäude war. deren
keines die Bestimmung eines Herzogsschlosses aufzuweisen
vermag, daher vermuthet werden kann, dass ein solches
unter dieser Gruppe von Gebäuden gar nie bestanden habe.
Aus diesem Berichte stellt sich auch heraus, dass die seit einer
Reihe von Jahren dem gänzlichen Verfalle anheimgegebene
Burgruine zur Gewinnung von Baumateriale benutzt wurde,
und dass die Erhaltung des noch bestehenden Thurmes wie
der Burgcapelle ein Verdienst des gegenwärtigen Abtes des
Stilles Lambrecht sei, welcher dieselben zurückkaufte und
dadurch vor weiterer Zerstörung rettete.
ti. (Die drei Statuen der Heiligen Ignatius,
L u i t g a r d i s u n d C a j e t a n a u f d e r P rager-B r ü c k e.)
Von Seile des k. k. .Ministeriunis für Cultus und Unterricht
wurde im Jahre 1854 die Restaurirung der auf der steiner-
nen Brücke zu Prag befindlichen drei Statuen der Heili-
gen Ignatius, Luitga-rdis un d C a j e t a n in Anregung
gebracht. Im über den Kunstwerth oder die sonstigen
Gründe für die Erhaltung, insbesondere aber über den
Zustand derselben bestimmte Anhaltspunkte zu gewinnen,
wurde das Gutachten des Herrn Conservators J. E. Woeel
in Prag eingeholt, welches folgenden Inhalts war: Die Con-
ception der Bildsäule des heil. Ignatius mit den mannig-
fachen lebhaft bewegten Figurengruppe* und Ornamenten
sei, wenn auch nicht den Anforderungen der strengen Kunst-
kritik entsprechend, doch immerhin bedeutend, und gebore
bezüglich der Ausführung zu den vorzüglichsten Leistungen,
welche die plastische Kunst des Henaissance-Stylos im XVIII.
Jahrhunderte in Böhmen hervorgebracht habe. Die Statue
wurde auf Veranstaltung des Neustädter Jesuiten-Collegiums
durch den Künstler Job. Kord. I' ro k o ff angefertigt und
im Jahre 1711 aufgestellt. Beschädig! seien an der Haupt-
figur ein Pinger der rechten Hand, an einer ornamentalen
Nebenfigur ein Stück i\rr Halskrause, i inem militäri-
schen Embleme zwei Pistolensrhäfle und der obere Rand
eines Schildes. Gleichen Kunstwerth besitze die Statue
des heil. Luitgardis, welche der Abt des Klosters Plass,
Eugen Tyttl, durch den Bildhauer Mathias Braun im
Jahre ITI'i anfertigen liess. An dieser Gruppe sei der
miniere Theil des linken \rmes des gekreuzigten Heilands
und einem als Orm nl dienenden Engel der Kopf und
ein Theil der Brust ausgebrochen. — Mimler bedeutend im
Vergleiche der beiden früher erwähnten Statuen sei jene
des heil. Cajetan. welche auf Kosten des Klosters der
Cajetaner im Jahre 170!* aufgestellt und gleichfalls von dem
Künstler J. E. Prokoff hergestellt worden. Bei dieser
Gruppe sei das Gesicht des Heiligen und dessen rechter
Arm abgeschlagen und ein Engel stark beschädigt. — Auf
Antrag der k. k. Central - Commission beauftragte sodann im
Jahre 18ö4 das Ministerium für Cultus und Unterricht die
Statthalterei in Böhmen zur Restaurirung der drei Statuen.
und stellte die Übernahme der Kosten auf den Studien- und
beziehungsweise auf den Religionsfond in Aussicht.
7. (Pfarrkirche zu Leu tschau in Ungern.)
Durch das k. k. Ministerium für Cultus und Unterrichl
gelaunte die k. k. Central-Commission vor längerer Zeit in
die Kenntniss, dass die schöne, im gothischen Style erbaute
Pfarrkirche zu Leutschau in Ungern, wegen der sehr schlech-
ten Bedachung und Ausserachtlassung jeder Baureparatur;
in einem baufälligen Zustande sich befindet.
Im Interesse der Erhaltung dieses für die mittelalter-
liebe Baukunst sehr beachtenswerthell Denkmales war nun
die k. k. Central-Commission bemüht, im Wege des k. k.
Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten
dahin zu wirken, dass bei der Dringlichkeit der vorzuneh-
menden Bauherstellungen die Baugehrechen von dem in
Leutschau stationirten Baubeamten sogleich erhoben und
die Stadtgemeinde , als Patron dieser Kirche , durch die
betreuende politische Behörde verpflichtet werde, die Restau-
ration dieser Kirche in kürzester Zeit durchzuführen.
8. (Über eine Monslrau/.e und ein Steinbild
in der Kirche zu Jager he rg in Steyermark.) Hierüber
gibt der Herr Conservator Scheiger folgende Erläuterung:
Das Gotteshaus, sowie der (tri Jagerberg selbst, auf einem
Berge liegend, ist mit allen Wehrmauern umgeben. Der sehr
starke viereckige Thurm gehört w ahrscheinlich dem XIII. oder
XIV. Jahrhunderte an. das Schiff der Kirche dem XV., das
Presbyterium ist aus dem vorigen Jahrhunderte. Nur einzelne
Bautheile, z. B. Fenstereinfassungen. Aussenpfeiler und die
Gewölbe, weisen auf die erwähnten altem Bauperioden bin.
Die Monstranze selbst '2 ;!' / hoch. 7 breit und
3 Pfund schwer, ist von Silber und weist in ihren architekto-
nischen, dem Pflanzenreiche entnommenen Verzierungen, so-
wie in den Figürchen und den Buchstaben der zw ei Inschriften
auf den Anfang des XV. Jahrhunderts. Die Inschriften, an
jenem Theile angebracht, au welchem die Monstranze ge-
halten wird, lauten: MARIA HILF VN; dann Weiler unten :
IHSVS. Die Hauptfigur stellt den Heiligen Andreas vor.
rechts dagegen (heraldisch) ist der heilige Sebastian.
links die heilige Jungfrau mit dem Kinde angebracht. Die
iranze Arbeil ist geschmackvoll gezeichnet und fleissig durch-
geführt, an mehreren Theilcn sind einfache, grösstenteils
winkelförmige Zeichen (jene des Werkmeisters?) einge-
graben, (»ben geht die Monstranze in einen Thurm, dieser
— 15
in eine Rose aus, auf welcher sieh Christus am Kreuze be-
findet. Die Erhaltung des Ganzen ist vorzüglich, nur dürfte
das den Halbmond und die Glaser enthaltende Gehäuse in
neuerer Zeit überarbeitet worden sein. Sowie keine Inschrift
auf den Stifter dieses schönen Weihgefässes hinweiset, so
weiss auch das Kircheninventar nichts darüber anzugehen.
Nur eine Sage hat sich erhalten, wornach Jagerberg einst
ein befestigter Edelsitz gewesen ist, dessen Eigentümer
während einer Feindesgefahr eine Monstranze in seine
Schlosscapelle zu stiften gelobt und nach errungenem Siege
auch wirklich gespendet hat.
Hoch am Giebel des neueren Sacristeibaues ist ein altes
Steinbild, wahrscheinlich aus dem XIV. Jahrhunderte, mit
einer halb lebensgrossen Figur und stark erhabener Arbeit
angebracht, das Christus mit der Dornenkrone, Binsenscepter
und Ruth e, und unterhalb in ganz deutlichen gothiscben Buch-
staben die unverständliche Inschrift „doncbylem" besitzt.
Merkwürdig an dieser Figur ist der Umstand, dass die Ruthe
und das Binsenrohr nicht von ihr in den Händen gehalten
werden, sondern hinter ihrem Rücken angebracht erscheinen.
Überhaupt ist die Ruthe in so regelmässige Abtheilungen
gebunden, und mit Ringen derart umgeben, dass sie einem
Pfeilköcher sehr ähnlich sieht. Auch das Binsenrohr kann
bei flüchtiger Beschauung leicht für eine partisanartige Waffe
angesehen werden. Bezüglich der räthselhaften Inschrift, in
der nur der Buchstabe c etwas zweifelhaft ist und vielleicht
/"gelesen werden dürfte, wurden mehrere Slavisten, jedoch
ohne Erfolg, um deren Entzifferung angegangen.
9. (A us gr abu n g v o n B a u s t e i n e n beiSzalavä r in
U ngern.) Aus Anlass eines beträchtlichen Fundes von Silber-
münzen, welcher im Jahre 1854 unweit der Einmündung
der Szala in den Platensee gemacht wurde, erhielt der Herr
k. k. BaudirectorMenapace in Ofen auch die Nachricht, dass
die geistliche Herrschaft in Szala-Apäthi schon vor längerer
Zeit die Ausgrabung der unter dem Schutte befindlichen
Mauern angeordnet, welche der alten, schon vor den Zeiten
des heiligen Stephan bestandenen Festung Szalavär
angehörten. Als Ersterer eine Besichtigung der Überreste
veranlasste, war man leider mit der Ausgrabung der unter
dem Schutte befindlichen Quadern und Ziegelmauern schon
so weit vorgerückt, dass weder die äussere Form des
Gebäudes, viel weniger dessen innere Eintheilung erkannt
werden konnte. Nur einige Geshnsstücke und einige andere
Bruchstücke schön bearbeiteten weissen Marmors wurden
vorgefunden, welche erkennen liessen, dass sowohl das
Gebäude als die Festung sehr kunstvoll erbaut waren. —
Auf einem Thürsturze (4' lang, 12" breit und 7" dick),
welcher an der untern Fläche mit hübschen Basreliefs und
Verzierungen versehen ist, befindet sich folgende tiefge-
schnittene Aufschrift: „Querens invento pulsans." - - Ein
zweites Bruchstück (2' breit, 3' hoch und 6" dick) enthält
eine Hand mit einem Kreuze und Verzierungen, ein drittes
Bruchstück ( 18" lang und breit, 4 dick) einen Engel sammt
Verzierungen; oben die Aufschrift : „f Andreas" und rechts
„Vitam." — Ein viertes Bruchstück (2' 6" hoch, 2 lang.
4" dick) zeigt einen Mann zu Pferd, unterhalb mit einem
Rundstab und Verzierungen; ein fünftes Bruchstück endlich
(21" breit und lang, 4" dick) Fragmente zweier Kreise
nebst Arabesken und oben die Aufschrift : „E. Soluti S.~,
unten dagegen die Worte: „Sub. P.O. Nitu." Die Inschriften
sind tief geschnitten, alles Übrige aber ist erhabene Arbeit.
Die erwähnten Bruchstücke wurden bei der Geistlichkeit in
Szala-Apäthi aufbewahrt.
10. (Miinzenfund zu Tibod im UdvarheMyer
Bezirke.) Über einen zu Tibod im Udvarhelver Bezirke
gemachten Miinzenfund gibt der Director des k. k. Münz- and
Antiken-Cabinettes, Herr Regierungsrath Arnetb, folgende
Erläuterung :
Die erste Partie enthält 186 Consularmünzen aus der
Zeit des Triumvirates, und zwar von 43 — 31 vor Christi;
durchgehends nur mit Mühe erkennbar, darunter Legions-
münzen des Antonius von der Legion II, V, VI, VII, XIII.
XIIII (XIV), XIX, XX, XXI, somit von keiner der selteneren,
die meisten mit Contremarken, aber auch diese ohne beson-
dere Bedeutung, im ganzen wenig brauchbar, weil zu schlecht
erhalten. Sechzehn Münzen dieser Partie sind mit Ausnahme
zweier aus der Zeit des Vespasian herrührender Familien-
münzen, die bis zur Unkenntlichkeit abgenützt sind.
Die zweite Partie besteht aus einer Masse durchge-
hends trefflich erhaltener Kaisermünzen, und zwar von
Vespasianus, 21 Stücke,
D o m i tia n u s 4 Stücke ,
Trajanus, 18 Stücke,
Hadrianus, 21 Stücke,
Antoninus Pius, 162 Stücke, darunter 53 Consecra-
tionsmünzen mit 4 verschiedenen Typen .
Faustina Senior, 53 Consecrationsmünzen mit
6 verschiedenen Typen, und von
Marc An relius, 125 Stücke, darunter 80 vom XVIII.
und XIX. Tribunatsjahre, somit aus der denkwürdigen Zeit
des Partherkrieges 164, 165 n. Chr. Geburt.
Letzterer Umstand gibt reichlichen Stoff zu einer archäo-
logischen Abhandlung über die Verbindung Buropas mit Asien,
worauf Hr. Regierungsrath Arnetb in seinen Schriften, /.. II.
über das Orakel von Dodona, über die Funde der römischen
Goldmüuzsn in Indien, baldig hingedeutet, als den Weg vom
Tigris und Euphrat an die Donau und von den Donauländern
nach Indien, der besonders im II. Jahrhunderte n. Chr. hautig
betreten wurde. Endlich belinden sieh unter den Münzen von
Faustina junior, 84 Stücke,
L. Aur. V er us, <>7 Stücke.
Luci I la Veri, 4 Stücke.
Der Fund umfasst sonach Münzen vom Jahre 43 v. Chr.
Geb. bis ungefähr l<>7 n. Chr. Geb.
— Iß —
Literarische Anzeige.
Grundzüge der kirchlichen Kunstarchäologie des deutschen Mittel-
alters. Ein Auszug aus dem grösseren Wenke des Verfassers.
Vihi II ein rieh Otte.
Mit 118 Holzschnitten. Leipzig Z. O. Weigel, 1855, 8°., S. 210.
Otte's im Jahre 1834 in 3. Auflage erschienenes Hand-
buch der kirchlichen Kunstarchäologie des deutschen Mittel—
;dters ist wohl in den Händen Allel , welche sich entweder
aus Beruf oder Interesse mit Kunst beschäftigen; es
ist auch das einzige bisherin Deutschland erschienene Werk.
u rlihes in umfassender Weise alle Zweige der Kunst und
der mit der Wissenschaft derselben im Zusammenhange
stehenden Kreise gründlich und übersichtlich zugleich behan-
delt. Es verfolgt jedoch zwei Wege, die gerade nicht noth-
wendiff liehen einander laufen müssen. Einerseits soll der
Laie mit den Elementen der Baustyle und der aus demselben
hervorgegangenen Kunstwerke vertraut gemacht werden,
anderseits strebt dieses Werk das Verdienst an, ein Inventar
der in den verschiedeneu Stylgattungen auf uns gekommenen
Denkmale zu sein. In letzterer Beziehung vertritt Otte's
Werk die Dienste eines sorgsamen Wegweisers, aber nicht
jene eines kundigen Erklärers, und die Fülle des so gebo-
tenen Stoffes, so dienlich dieselbe dem Eingeweihten ist,
vermag den Anfänger leicht zu beirren und zu erdrücken.
Dieser Übelstand, wenn mit diesem Ausdrucke die wohlge-
meinte Fülle bezeichnet werden darf, vermeidet oben ange-
zeigtes Werk, das in Wahrheit kein Auszug, sondern viel-
mehr eine neue, und wie uns seheint, sehr zweckmässige
Umarbeitung des grossen Handbuches ist. Aus diesem sind
nur mit einigen Modifikationen die allgemeinen, die ver-
schiedenen Style und ihre gesehichliche Entwicklung behan-
delnden Ahthoilungen beibehalten; diese sind in jeder Bezie-
hung trefflich, und halten durchaus das rechte Mass ein.
Der Charakterisirung jeder Stylgattung ist sodann nicht, wie
in dem Handbuche, ein Denkmalverzeichniss, sondern eine
Reihe TOD ausführlichen Beschreibungen der bedeutendsten
Denkmale dieses Styls, und zwar entnommen den Werken
der anerkanntesten Kunstschriftsteller, nie K u g I e r,
L übke, Quast, (iulil. Förster. I' u t trieb u. s. f. bei-
gegehen. Wir linden diess in hohem Grade belehrend und
praktisch. Denn einerseits erprobt und belebt sich in den
Gedanken des Lesers an solchen Beschreibungen das Ver-
siänilniss des vorausgegangenen allgemeinen Stoffes, ander-
seits sind ihm diese Beschreibungen eben so viele Muster, die
er gelegentlich sehr wohl für eigene Arbeiten sich gegen-
wärtig halten wird. Weitere dankenswert lic Beigaben dieses
Auszuges sind: das Fragenformular zur Aufnahme eines voll-
ständigen Inventariuins der Kunstdenkmale von F. v. Quast,
und das Kirchenregister, welches eine kurze Übersicht des
gesammten deutschen Denkmalschatzes gibt. Wir nehmen
daher keinen Anstand . dieses Werkchen auf das wärmste
anzuempfehlen, überzeugt, dass es dazu dienen wird, die
Kenntniss der mittelalterlichen Kunst und damit auch die
Beachtung ihrer Überreste in weiten Kreisen wach zu
rufen.
Nicht unerwähnt wollen wir lassen, dass Otte in diesem
neuen Werke von dem in seinem Handbuche durchweg ge-
brauchten Ausdrucke: „germanische Baukunst" abgeht,
und dafür nach Schnaase's. Lübke's u. a. m. Vorgang
zu der eine Zeitlaug durch Kuglers Einlluss verpönten
Ausdrucksweise des „gothischen Styls" zurückkehrt. Ein
Einblick in den so eben vollendeten ersten Band der Ge-
schichte der Baukunst von Kugler zeigt uns. dass auch
dieser Gelehrte sich nunmehr hiezu verstanden hat. So dürfte
nun endlich der lang geführte Streit, ob germanisch, ob
go thi sc li zu Ende sein, keine dieser Ausdrucksweisen reicht
zu, um den Ursprung des Styls zu bezeichnen, die übrigen
dem Wesen des Styls entnommenen . wie Spilzhogenstyl
u. s. f. haben durch ihre Einseitigkeit sich nicht einbürgern
können; einen völlig bezeichnenden Ausdruck, wie ihn die
Franzosen durch das Wort „ogival" diesem Style gegeben
haben, lässt die Sprödigkeit unserer Sprache nicht zu; denn
die allerdings wörtliche Übersetzung mit dem Wolle „Ver-
mehr'UngSStyl" dürfte kaum sich des Beifalles erfreuen. Unter
diesen Umständen bleibt nichts übrig, als sieb über irgend
einen indifferenten Ausdruck zu vereinigen, und als solcher
stellt sich das Wort: _go t li i seh" dar. welches durch Jahr-
hunderte im Gebrauche stand, und wobei es Niemanden bei-
fallen wird au die Gothen, als Erfinder dieses Styls zu den-
ken. Ist es doch bekannt, dass wir dieses Wort von den
Wälsehen zur Zeit der Herrschaft des Zopfes übernommen
haben, welche mit dem Worte gotiea, gothique alles Altfrän-
kische, Aussermodegekommene und Barbarische zu bezeich-
nen liebten. So möge denn durch eine Ironie des Zufalles die
Blülhe der mittelalterlichen Architektur mit einem Worte
bezeichne! werden, welches ursprünglich die Bestimmung
hatte, den Abseilen eine!- in ihrem (icschmackc gesunkenen
Zeil an den Schöpfungen ihrer Vorfahren auszudrücken.
II r.
\ii-. Sei I.. k, Hof- und Staat druckerei
Uli. XI' II
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■
Jeden Monat 'erscheint 1 Heft zu
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dungen,
Der Pränumeratiunspreis ist für
einen Jahrgang oder zwölf Hefte
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W. BraHBÜller in \\ iea za r
EBHALTITG DER IWMHliM
Unter der Leitung des k. k. Sections-Chefs und Präses der k. k. Central-Commission Karl Freiherrn V. Czoernig.
Redacteur: Karl We i s s.
N2--2.
I. Jahrgang.
Fi'liruar 1856.
Inhalt: Der alte Kreuzgang des bischöflichen Münsters zu Brisen. — Über die Zeitstellung des Gurker Dombaues.
Sedletz in Böhmen. — Münzenfund zu Rottigel in Mähren. — Notizen. — Literarische Anzeigen.
Die Kirche zu
Der alte Kreuzgang des bischöflichen Münsters zu Brixen.
Von G. Tinkhauser, Regens der fürstbischöflichen Domschule und k. k. Conservator in Brixen.
Die Bischöfe von Brixen hatten in den ersten J;iht'- durch welche jedoch in den Grundlinien keine Veränderung
bunderten ihren Sitz in Säben (Sabiona), an derselben Stelle, geschah. Im J. 1743 wurde die alte Domkirche theihreise
wo noch jetzt auf hohem Felsenhügel über dem Städtchen abgetragen, und genau auf dem Grunde derselben die jetzige
Klausen die alte Kathedrale aus den Trümmern der Siibner schöne Kathedrale im Styl der Renaissance gebaut. Demnach
Burg emporragt. Erst gegen das Ende des 10. Jahrhunderts sind die Grundlinien unsers alten Münsters noch bis jetzt
wurde derselbe nach Brixen übertragen. Hier erhob sieh erhalten, und es fällt nicht schwer, darin das ziemlieh treue
unter Bischof Rieh p recht (956 — 975) ein ordentlicher Bild eines deutschen Münsters ih>v Vorzeit wieder zu linden.
Münster, welcher aber schon im J. 1174 am Vorabende des Der alte Münster zu Brixen war im Viereck aufgeführt.
Osterfestes ein Raub der Flammen wurde. Bischof Bicher den nördlichen Flügel bildete der Dom; an die Vorderseite
(1174 — 117S) begann dann an der nämlichen Stelleden des Doms gegen Westen schloss sich die bischöfliche
Wiederaufbau, weichen sein Nachfolger Heinrich III. Residenz mit der Hofcapelle und anderem Zugehör; an
vollendete. Kaum dass indess ein Jahrhundert verflossen war. den Chor des Doms gegen Osten der Bruderhof, welcher
so brannte der Münster zum zweiten Male ab (13. Jänner mit der alten Taufkirche zum h. Johannes auch den
1234). Aus dem Schutte erhob sich abermals ein neuer südliehen Flügel bildete. In der Mitte liegt der Kreuzgang,
Bau, welcher diessmal so rasch vorwärts ging, dass die und umschliesst den kleinen Hofraum. Im Bruderhof wohnten
majestätische gothische Domkirche am 31. Juli 1237 von die Canoniker, in so lange sie noch ein gemeinschaftliches
Eberhard IL, Erzbischof zu Salzburg, zu Ehren des heil. Leben führten. Auch war die Domschule daselbst und zwar
Apostels Petrus und der Bisthumspatrone Ingenuin und im Erdgeschosse des südlichen Flügels untergebracht.
Albuin eingeweiht werden konnte. Der Brand am Dienstag Die neue bischöfliche Burg wurde beiläufig um das
in der Charwoche des J. 1444 scheint unsern Münster nicht J- I2ti0 gebaut; die alte diente hierauf zu andern Zwecken,
mehr berührt zu haben, denn die grosse Glocke, insgemein und wird gegenwärtig von dem k. k. Bezirksamte und der
die Sext genannt, welche Fürstbischof Georg im J. 1441 k. k. Cameral - Bezirksverwaltung benutzt. Ferner wurde
giessen Hess, erhielt sich unbeschädigt bis 1756, in welchem später die alte Hofcapelle zur Collegiatkirche zu U. L. Frauen
Jahre sie herabfiel. Daraus folgt wenigstens so viel, dass erweitert, und wird jetzt von den Studirenden des k. k.
die Thürme vom Feuer entweder ganz verschont oder Obergymnasiums besucht. Nur der Bruderhof i>t seiner
wenigstens nicht stark beschädigt wurden. Ferners linden früheren Bestimmung im Allgemeinen treu geblieben; ein
wir keine Spur, das um jene Zeit wesentliche Ausbesserungen Theil desselben bildet nämlich noch jetzt das Capitelhaus,
am Münster geschehen sind. Wohl aber zeigen die Rech- wo die Canoniker d<-v Kathedrale ihre Sitzungen halten und
nungen der Domfabrik und andere Urkunden, dass in den das Archiv untergebracht ist; und nur der südliche Flügel
Jahren von 14(30 — 147S mehrere Rauten ausgeführt wurden, wurde dem k. k. Obergymnasium zur Benützung übergeben.
3
— 18
Was sich \ out Münster in Brixen am besten aus der
alten Zeit noch erhalten hat, ist der Kreuzgang mit
seinen merkwürdigen Gemälden und die Tauf-
kirche zum heil. Johannes. Der Kreuzgang diente
seiner ursprünglichen Bestimmung gemäss, wie bei allen
Domkirchen, zn Processionen und war der Begräbnissplatz
für die Domherren und Chorbeneficiaten. Er bildet ein
regelmässiges und gleichseitiges Viereck, und hat auf jeder
Seite vier, und im Ganzen sammt den Eck-Arcaden zwanzig'
Arcaden. Die innere, d. h. die dem Hofraume zugekehrte
Minier wird von romanischen Doppelsäulchen getragen,
deren je drei zu einer Areade gehören. Über diese Säulchen
schwingen sich kleine Rundbögen, durch welche das Lieht
einfällt. Dagegen hat die Oberdecke ein gothisches Kreuz-
gewölbe im einfachen Style der altern Zeit. Wenn dieses
daher auf die dritte Periode unsers Münsters, d. h. auf die
Zeit zwischen dem zweiten und dritten Brande, hinweist
( 12o4 — 1444): so führen die romanischen Doppelsäulchen,
welche mit einem rohgebildeten Eckblatte versehen sind, in
die zweite Bauperiode zurück. Wir werden demgemäss
nicht viel irren, wenn wir annehmen, dass der Kreuzgang,
wie er jetzt besteht, nach dem zweiten Brande, beiläufig um
das ,1. 1180, aufgehallt worden ist. und nach dem dritten
Brande, beiläufig um die Mitte des XIII. Jahrhunderts, die
gothisehe Oberdecke erhalten habe.
Auf Tafel II zeigt A den Grundriss des Kreuzganges
mit der anstossenden Johannes-Capelle. Jl und C gehen die
Ansicht der Säulenstellung in einer Areade sammt einem
Querschnitte derselben. Die au der innern Seitenmauer
des Kreuzganges angedeuteten Strebepfeiler sind zur Befe-
stigung des gothischen Gewölbes gleichzeitig mit diesem an
der alten Mauer aufgeführt worden. Die doppelten Linien,
welche meistens an den äusseren Seitenmauern des Kreuz-
ganges fortlaufen, gehen die gegenwärtige Lage der Grab-
steine. />. /•-' und /•' die Ansicht, den Querschnitt und den
Grundriss des romanischen Portals, welches sieh von der
alten Kathedrale an der nördlichen Seite des Kreuzganges
da, wo dieser unmittelbar an jene sich anschliesst, wahr-
scheinlich aus der /weiten Periode, d. h. vom Baue des
Jahres 1 174 erhalten hat.
Einen besondern Werth gehen unserem Krouzgangr die
Gemälde, welche an den Sei t en niaue rn in den Fehlern
unter den Schildbögei d auf der Oberdecke angebracht
sind. I ti i - meisten gehören dem fünfzehnten Jahrhunderte an.
einige reichen in das vierzehnte zurück. Die auf der
nördlichen Seile, und diese sind die ältesten, dienten zur
\ erzierung >\r- noch erhaltenen Portals der alten Kathedrale, ' )
1 1 Oi.->.-s romanische Portal n ai das1 Hauptportnl, durch " elches iii>' Ki-.nlM.ir
zu den feierlichen Kirchendiensten ihren Einzug hielten, Jetzt bildet es
eine Nische, worin ein Passionsbild aufgestellt ist, i Imissi gemeinhin
„zn U.L.Herrn im Elend." Es stai I, wie erwähnt, wahrscheinlich
aus der zweiten Periode, d. i rom Jahre 1 1 74 her.
die andern aber als Monumente für die Canoniker und Priester,
welche hier ihre Begrübnissstätte gefunden haben. Wegen
dieser zufälligen Kntstehnngsweise vermisst man in den
Bildwerken einen bestimmten Plan und strengen Zusammen-
hang, da sie in den verschiedenen Arcaden und seihst in den
einzelnen Feldern derselben Areade. zu verschiedenen Zeiten
und von verschiedenen Meistern nach dem Wunsche und der
besondern Angabe der Wohlthäter gemalt wurden. Diesem
Fmstande verdankt unser Kreuzgang aber auch einen beson-
dern Vorzug, den nämlich, dass wir darin einen wesentlichen
Beitrag zur Geschichte der mittelalterlichen Malerei von
beinahe zwei Jahrhunderten linden, und Künstler ein reiches
Material zum Studium der Technik und insbesondere der
Farbenlehre erhalten. Denn unsere Bildwerke sind ver-
schiedenartig ausgeführt. Mehrere sind ,,/ fresco gemalt;
die meisten aber mit Temperafarben, und einige der-
selben, wenn auch nicht ganz oder ursprünglich, was schwer
zu bestimmen ist, mit Wachsfärben behandelt, oder
wenigstens mit solchen lasirt oder restauriit worden. So
trocken diese Bilder erscheinen, dennoch erhalten sie bei
einer geringen Reibung mit einem wollenen Lappen und heim
Druck oder beim Reiben mit dem Nagel am Finger auf
den Erhöhungen der Mauer oder der Farben eine mehr
glänzende Oberfläche. Die Farbe ist grösstenteils sehr dünn,
viele nur lasirend aufgetragen. Temperafarben wurden
zweierlei angewendet. An einigen Bildern sind dieselben
mit einem festern Bindemittel, bei andern mit einem minder
fest bindenden ausgeführt. Bei mehreren findet man die
Contouren mit einem spitzigen Werkzeuge schon in nassem
Kalk eingegraben. Die goldenen Verzierungen und Heiligen-
scheine sind mit Gyps eingelegt, nachdem der Mörtel aus
jenen Stellen zuerst ausgehoben worden war.
Was den künstlerischen Werth dieser Gemälde betrifft,
so wissen wir, dass dieselben einer Zeit angehören, in welcher
die Malerei in Deutschland erst aufzublühen anfing. Wir
linden in denselben keine Perspective, und vermissen auch
in den meisten die plastische Abruudung und eine correcte
Zeichnung. Nur in zwei Arcaden. welche von einem italieni-
schen Meister stammen, tritt dem Beschauer eine richtige
nnil kräftige Ahrumlung entgegen, worin (dien die italieni-
sche Malerei des Mittelalters vor der deutschen den Triumph
feierte. Indess liegt in allen noch erhaltenen Bildwerken
unseres Kreuzganges eine Eulw ickelung um Wahrheit und
Irommem Sinne, welche auf das Gomütli des Beschauenden
tief ergreifend einwirken. Vorzüglich ist endlich die Dra-
perie, die lebensvolle Farbenfrische, und auf den Gesichtern,
besonders der Hauptfiguren, der tiefe und innige religiöse
Vusdruck. Mitunter tritt dem Beschauer auch ungeschlachte
Herbheit entgegen.
Endlich habe ich noch eines Momentes zu erwähnen,
welcher für die Symbolik <\r\- mittelalterlichen Kunst von
hoher Bedeutung ist. lös linden sieb nämlich in unserem
Kreuzgange einzelne Gruppen von Bildern, welche zwarnichl
— 19
mit den andern, wohl aber unter sich einen strengen Zusam-
menhang haben. Das verbindende Mittel ist eben die mittel-
alterliche Symbolik. Wollte man eine Classificirung dersel-
ben versuchen, so könnte man sie in biblische Parallel-
bilder, in symbolische und in moralische abtheilen.
Es sind nämlich einige Gegenstände aus dem neuen Bunde
zum Hauptbilde gewählt, und diesem zugleich die Vorbilder
aus dem alten Bunde als Neben- oder Parallelbilder beige-
geben. Andere enthalten Geheimnisse, welche durch Sinn-
bilder (Symbole) aus der Natur und Geschichte erklärt
werden. Wieder andere — und diese sind bei dem oben
genannten alten Portale angebracht — stellen die morali-
schen Hauptleliren des neuen Bundes bildlich dar. Sie sollten
den Eintretenden an den Ernst des Christenthums erinnern,
das sich nicht mit einem leeren Lippendienst begnügt, son-
dern einen Dienst im Geiste und in der Wahrheit fordert.
Benierkenswerth sind auch die Inschriften, die den Bild-
werken beigefügt wurden. Einige derselben bezeichnen das
Jahr, in welchem das Gemälde entstanden ist; andere nennen
uns den Namen des Meisters oder Donators ; die meisten
aber beziehen sich auf die Symbolik der Darstellung und
zeigen die Namen der Hauptfiguren an.
Es ist zu bedauern, dass mehrere Inschriften und theil-
weise auch einige Gemälde von Grabsteinen bedeckt sind,
welche ehedem in der alten Kathedrale sich befunden haben,
nach der Erbauung der neuen aber im Kreuzgange auf-
gestellt worden sind. So sehr diese Monumente insgesammt
der Erhaltung würdig sind, weil sie reichen historischen
Stoff und Schriftproben aus dem XIV., XV. und XVI. Jahr-
hunderte liefern; so ist doch hier nicht der rechte Platz für
sie, indem dadurch der Zusammenbang der Bildwerke ge-
stört und auch die Ansicht des schönen Spitzbogens unter-
brochen wird. Indessen können beinahe alle sehr leicht und
ohne irgend eine Beschädigung wieder entfernt und anders-
wo aufgestellt werden, weil sie mit sehr wenigen Ausnah-
men nicht in die Mauer eingesenkt, sondern völlig frei und
beinahe 1 Schuh davon entfernt, daran befestigt worden sind.
Die Inschriften auf diesen Grabsteinen und im Kreuzgange,
insoweit sie geschichtlichen Inhalts sind, hat Dr. Jos. B esch
gesammelt und veröffentlicht. ') Noch mehr aber hat unser
Kreuzgang durch die unverzeihliche Vernachlässigung
gelitten, welche dieses merkwürdige Monument deutscher
Kunst und frommen Sinnes in der Neuzeit erfahren musste
und noch jetzt erfahren muss. Wie anders dachten und han-
delten unsere Vordem ? Die Domfabriksrechnungen von
') Monument a veteris ecclesiue Brixinensis, Brixinae 1765, I. ."> si/(/.
Diese Grabsteine waren in der alten Domkirehe und in den angebauten
Nebencapellen theils in den Hoden eingesenkt, theils an den Seitenwän-
den aufgestellt. Da die Kirche mit den Nebencapellen abgebrochen wurde,
hat Reseh, um diese merkwürdigen Monumente zu retten, es dahin ge-
bracht, dass sie im Kreuzgange einstweilen an die Seitenmauern angelehnt
wurden. Erst nach seinem Tode kam man auf den unglücklichen Gedan-
ken, dieselben mittelst eines neu aufgeführten Mauerwerkes zu befestigen
(1T8S und 1789). Hei Reseb's Lebzeiten wäre so etwas wohl kaum aus-
geführt worden.
dem Jahre 1460 und weiter herauf melden uns, dass damals
ein Mann eigens dazu bestellt war, jeden l'nrath aus dem
Kreuzgange zu entfernen und die Bildwerke vom Staube
rein zu erhalten. Wie lange diese Iobenswerthe Sorgfalt
gedauert hat, ist mir nicht bekannt ; aber wie es scheint hat
im verflossenen Jahrhunderte Niemand mehr daran gedacht.
Und vollends nach der Säcularfsation des Domcapitels (1803)
musste der Kreuzgang viel Ungemach ertragen. Man baute
am Kreuzgange einen Abort, wodurch der Mauerfrass erzeugt
wurde. Die Dachungen wurden vernachlässigt und das Ge-
wölbe klüftete, oder es löste sich die Farbenschichte ab.
Und dachte man je an Ausbesserungen, so wurde kurzer
Process gemacht. Der nächste beste Maurer überkleckste
die schadhaften Stellen mit Mörtel und bedeckte damit auch
ganze Felder. Erst nach der Restauration des Domcapitels
tauchte wieder einmal, und zwar in den ersten Vierziger-
jabren, ein besserer Geist auf. Man dachte ernstlich au eine
Conservirung und Bestauration. Sie kam aber gleichfalls
nicht zu Stande, weil der dazu Berufene ein sehr geringes
Geschick entwickelte. Eine glücklichere Zukunft rückt jetzt
heran, nachdem die k. k. Central-Commission die nöthigen
Vorarbeiten zur Conservirung unseres Kreuzganges bereits
eingeleitet und in Angriff genommen hat. ~)
Ich beginne nun mit der Beschreibung der einzelnen
Bildwerke. Vorläufig bemerke ich, dass jede Arcade zehn
Felder enthält, welche bemalt sind, nämlich die beiden
Schild fehler (an der iiinern und äussern Mauer) und
acht Felder im g o t h i s c h e n Kreuzgewölbe der
Oberdecke. Die Eck-Arcaden haben, wie es sich von selbst
versteht, die beiden Schildfelder an der äussern Mauer, und
zwar an der Stelle, wo sie eben die Ecke bildet. Es ist auch
zu bemerken, dass nicht auf jedem Felde nur ein Gemälde
angebracht ist. Sehr oft sind auf einem zwei Vorstellungen,
sowie auch auf jenen zwei Feldern der Oberdecke , welche
zusammen die Kappe des Kreuzgewölbes bilden, sich öfters
nur ein Bild findet. Den Anfang der Beschreibung mache
ich beim Thore an der Südseite, von da an zähle ich die
Arcaden im südlichen Flügel gegen Westen, dann im «est-
lichen gegen Norden, weiter im nördlichen gegen Osten, und
so der Reihe nach fort im östlichen Flügel und in dem noch
übrigen Theile des südlichen Flügels.
'-) Die k. k. Central-Commission veranstaltete nämlich durch die k. k. Landes-
baudirection für Tirol und Vorarlberg und einrerständlich mit dem Herrn
k.k. Conservator von Brixen, G.Tink hauser, genaue amtliche Erhebun-
gen über den Zustand des in Präge stehenden Baudenkmales, und li.-ss Mch
einen Kostenübersrhlag der als nothwendig erkannten Restaurations-
Arbeiten vorlegen. Nach demselben erfordert der Kreuzgang eine neue
Bedachung, hrere zerklüftete und beschädigte Gewölbetheile und Hip-
pen sind mit Eisenkeilen fesl anzutreil nid nachher zu verputzen . die
Grabsteine aus dem Kreuzgange fortzuschaffen und im Pfarrkirchliofe
aufzustellen, endlich feldende Mai'mOl'SäuIcheil . sowie ein Capital an der
gekuppelten Säulenstellung wiederherzustellen. Hierüber sind von der
k.k. Central-Commission die weiteren Verhandlungen bereits eingeleitet,
und es steht ein günstiger Erfolg derselben mil Zuversicht zu erwarten.
Ir Red.
3"
— 20 —
Ober dem Eingange des genannten Thores, durch
welches ehedem die Bischöfe zum feierlichen Gottesdienste
in den Kreuzgang und dann in die Domkirche zogen, befin-
de! sich ein Frescogemälde , welches den am Kreuze ster-
benden Heiland vorstellt. Unter dem Kreuze stehen Marin
und Johannes; oben neben demselben zur Rechten und zur
Linken sieht man die Sonne und den Mond in düstere Trauer
gehüllt. Zarte Engelchen fassen unter den Kreuzarmen leicht
schwebend das herabträufelnde Blut des Heilandes auf. Das
Bild ist noch ziemlich gut erhalten. Die Figuren sind gross-
artig und gut gezeichnet, schön gemalt und noch kräftig in
Afv theilweise schon verblichenen Farbe. Unten steht die
Jahreszahl \\\'\- (1475).
Die 1. Area de zeigt im äussern Schildfelde den heil.
Johannes auf Patmos, wie er zur Himmelskönigin mit dem
Kinde aufschauend die geheimen Offenbarungen nieder-
schreibt. Daneben sieht man den Donator in der Chorklei-
dung eines Canonikers knieend und betend. Darunter hat
lies eh eine Inschrift gelesen, welche nun mit einem Grab-
stein bedeckt ist. Diese enthält, dass der Domdecan Bene-
dict Füeger, welcher 1490 gestorben ist, mittelst testa-
mentarischer Anordnung dieses Bild dahin gestiftet hat.1)
Dasselbe ist durch die Länge der Zeit sehr erbleicht, und
die übrigen Gemälde in dieser Arcade sind nun völlig erlo-
schen, --'i dass man von den Vorstellungen beinahe nichts
mehr erkennen kann.
In der 2. Arcade linden wir mehrere biblische Pa-
rallelbilder. I in eine Probe zu liefern, wie diese in unserm
Kreuzgange durchgeführt wurden, will ich hier auch die den
Bildern beigefügten Inschriften folgen lassen. Das erste
Hauptbild zeigt uns die Krönung Christi. Vor dem Hei-
lande kniet der Donator in der Chorkleidung; hinter ihm sieht
St. Johannes <U:v Evangelist als Fürbitter; unten liest man
die Inschrift: „Anno domini M.CCCC. XII0. octavo die mensis
junii ohiit I >rabilis dominus Johannes Sayler de pfaffen-
hofen proponitenciarius. . . . Brixinensis Capellanus capelie
S. Katharine in Runcada. . - . cuius anima requiescal in pace
amen". 2)
!j Annu Domini Millepimo Quadringentesimo Nonagesimo Mensis Octobry
decima nona. Reverendus in \|m>. Pater, vitam dum egit, Be lictus
er, Decretorura Doctor, Decanua Ecclesie Brixinensis, in ulti sue
volnntal I uloj ! i hanc Picturara fieri mandat. Quem dure mortis Incle-
mentia, dam ordiretur, ademil n aamentum patrie singulare. Qui
rpiendidus eloquio illustriffimi Huri, Vuftrie ••( excelfi Senatus Veneti per
afpera bella cruentifTimafque cedes inflaromata probatis teftibus terrigenis
fedulns Caduceal i i > i. Mox 0 reqtüe ademta Romani Re
factus Consul ad Pani :•■ regna miltitur. Illac averfoa itidem Regum
animos caducere < \ ns re tarnen inacta knfti ipetit Fatifcene
artubus tabefcit moribundus, mortemque poeni inda obiit. Is
vixit, et quem dederal Almus Deus in terris Cursum, Fortuna pi
im hanc pofl fe linquens. Qui dum vixit, bene \i\il. Cni perpetuas
praebeanl Nomina fedes. Kl >i>.ii nomen tempus in omne (uum, Resch
Monnm, I. pag. '.::; .'in.
-i Die sehr hantigen Abkürzungen habe ich r, nen, weil wegen
des «hr ' kränkten Ranmea in den einzelnen Feldern nicht nur die
rkommen, sondern auch ganz willkürliche, web
Als Nebenbilder sind beigefügt: a) Apemen, die Con-
CUbine des Königs Darius, wie sie mit der einen Hand diesem
die Krone vom Haupte nimmt und die andere zum Schlage
gegen ihn erhebt (Esdrae 1. III. cap. 4): b) David, u ie
er von Sem ei verhöhnt wird (Reg. I. II. cap. 10):
cjdi'e Gesandten David's, wie sie vom Könige der Ammo-
niter verspottet werden (Reg. 1. II. cap. K>). Unter diesen
Bildern liest mau in den dahin gehörigen Feldern die fol-
genden Inschriften : „Prima figura coronacionis. Sig-
natur illufio, que Xpo in coronacione illata est. olim fuit in
Apemem coneuhina regis proligurata. Apemem coronam
regalein de capite eins accepit et capiti fuo in prefencia
regis ipfius impofuit. Sie Synagoga Xpum Corona fua id est
honore debito fpoliavit. et ipsum Corona fpinea in fuam eon-
tumeliam eoronavit. Apemem regi alapas palmis fuis dedit in
maxillam. quod res libenter fuftinens non indignationem
oftendit in illam. Ita rex celi fuftinuit a iudeis alapas et co-
laphas et tarnen nun oftendit indignacionem aliquam in ipfos.
Rex Darius concubinam Apemem. . . . amavit quod omnia ab
ipfa fibi. . . illata pacienter portavit. Xpus autem fynagogam
multo plus amare . . . a qua tarn immania cum tanta pacien-
cia paciebatur. =
Secunda figura de davit et semey. Filii dei
pncienciain D.(avid) olim rex proliguravit. qui ab iniquo Semey
tanta mala tarn pacienter tolleravit. Semey proiecit in david
lapides ligna et lutum. Gc (inagoga iniecit in Xpum palmas
fpinas et fputum. Semey david virum fanguinum et virum belial
vocavit. Sinagoga Xfun feductorem et malefactorem appella-
vit. Abifay voluiffet semey occidiffe. fed david prohibuit,
Angeli occidifient derifores Xpi, fed ipfe non permifit.
Xps enim venit in mundum pro peccatis noftris mortem pati,
ut nos reconciliaret per fuum fanguinem den patri. Non enim
venit ideo in hune mundum ut aliquos interficeret, fed ut
pacem et concordiam inter deum et hominem conficeret.
Ipfe autem a iudeis non el'l paciliee traelatus. = Olli tantis
regum derifionibus ah eis est inhonoratus. Quapropter ipfum
olim prefigurarunt nuncij ifrael quos Amon rex Amonitarum
lam turpiter dehoneftavit. David mifil nuncios regi amonita-
rum ad rel'lauramlam paeem, quorum vestes ipfe preeidil
ufque ad nates et mediam barbam. Sie deus filium fuum ad
pacem firmandam in mundum deftinavit. quem finagoga de-
honeftavit fputibus barbam ipfius turpiter maculavit. \ ]>■-
venit paeem inter deum et homines reftaurare. quam infra
quatuor railia annorum nullus potuit reformare. Gentiles in
reformacione pacis effundunt fanguinem. Innocentes fueve-
riint effundere libamen. Xps autem effudit . . . aquam fan-
guinem ut en lirmiiis fervemus illam quam ipse fecil pacem.
Gentiles fuderunl fanguinem animalis. Judei autem filii ho-
minis, sie Xps effudit fanguinem et aquam proprij lateris."
ein geübter Leser entziffern kann, Z.H.: pacta (paciencia), ludet ät fli
hola (iodei autem filii hominis), trpit (turpiter), trlm (turritn), t q' !>• eu
pi lim (in quibus eutn pater fnus) etc.
21 —
Das zweite Hauptbild stellt uns in einem Felde der
Oberdecke Christum vor, wie er von zahlreichem
Gefolge begleitet sein Kreuz auf i\en Berg Cal-
varia trägt. Als Nebenbilder dienen : u) Isaak, wie er
als bestimmtes Opfer selbst den Holzbündel auf dem Rücken
trägt; b) die Pächter des Weinberges nach der Pa-
rabel des neuen Bundes, wie sie den Sohn des Herrn tödten;
c) die Weintraube, welche die Kundschafter aus dem
gelobten Lande in das Lager der Israeliten bringen. Unter
diesen Bildern sind wieder erklärende Inschriften zu lesen.
Sie lauten also:
Prima figura. „Hec autem baiolacio crucis Xpi ihu. . .
olim fuit in ysaac filio abraham prefiguratä. Ysaac enim ligna
propriis humeris atlerebat, in quibus eum pater fuus imolare
intendebat. Sic Xps humeris propriis crucis patibulum baio-
labat, in qua gens iudeorum ipfum fufpendere affeetabat. =
Secunda figura. Istud... (figuravit?) Xps in quadani
parabola quando predicando iudeis tanquam figuram propo-
l'uit de viuea. bomo quidam vineam plantavit et eam circum
fepivit et ponens in ea turrim et torcular colonis contulit.
tempore fructimm mifit servos qui fruetus exigebant quos
illi apprehendentes cedebant et interticiebant. quot audiens
dominus mifit alios servos plures prioribus quibus illi fecerunt
sicut fecerunt primis. Ad ultimum mifit eis unicum filium. fi
forte vererentur illum oeeidere. Quem coloni apprehendentes
de vinea eiecerunt. et attrocius eum quam fervos oeeiderunt.
Per vineam iftam fignificatur plebs hulaica. Per VII muros. . .
angelorum cuftodia. Per turrim autem fignificatur templum
falomonis. Per torcular altare bolocausti et oblacionis. Servi
miffi prophete domini fuerunt. Quos illi . . . interfecerunt.
Yfaiam ferrabant. ieremiam lapidabant. Tandem mifit fuum
unicum filium ihm Xpm et interfecerunt iftum attrocius quam
aliquem alium. Patibulum fuum humeris ipsius imposuerunt
et eduxerunt. =
Tertia figura. Ifti olim per duos explöratores pre-
ßgurati erant. qui botrum de terra promiffionis ad defertum
deferebant. Per botrum prefigurabatur filius dei ihs Xps,
qui per hos duos populos de Jerusalem ad locum calovrie est
epuetus. Per botrum illum probant filii ifrael terre pro-
iniffe bonitatem. Per doctrinam Xpi poffumus nos confide-
rare celi fuavitatem. 0 bone ihu doce nos dulcedinem vite
eterne confiderarp .... mereamur in ea in perpetuum
habitare."
Das dritte Hauptbild zeigt auf einer Abtheilung des
innern Schildfeldes die Mutter Gottes mit dem Jesu-
kindlein, vor welcher die h. Katharina mit einer bren-
nenden Lampe betet. In der andern Abtheilung ist St. Mi-
chael zu sehen mit der Wage; auf der einen Schale wiegt
die Seele des Donators weit schwerer, als die Teufelsfratzen
in der andern. St. Michael hält sein drohendes Schwert
gegen diese gezückt. Das Ganze ist ein äusserst zarter
Gedanke, wie der Donator durch die Fürsprache der h. Ka-
tharina, der Patronin seines Beneliciums, und Mariens der
göttlichen Mutter um ein gnädiges Gericht für seine Seele
zum Himmel fleht. Auf diesem Felde lesen wir den Namen
des Künstlers, welcher die ganze Arcade gemalt hat: Jaco-
bus Sunt er pinxit. Vielleicht haben wir hier den Vater
des Lucas Kranach oder einen aus dessen Brüdern oder Ver-
wandten? Bekanntlich hat Lucas Kranach (geb. 147'2 ) -einen
Namen vom Geburtsorte entlehnt. Sein Vater soll Sünder
oder Sunter geheissen haben. Die Gemälde dieser Arcade.
welche mit Ausnahme von zweien noch ganz erhalten sind,
sollen in Temperafarben ausgeführt gewesen sein, wurden
aber in neuerer Zeit von einem unkundigen Restaurator
mit Ölfarben üherlasirt und dadurch sehr beschädigt. Sie
haben insgesammt eine reiche Compositum. Die schönsten
sind die letztgenannten, d. h. die auf dem innern Schild-
felde. Diese haben noch am meisten von ihrer Originalität
erhalten; die Figuren präsentiren sich hier in edler Haltung
und sind voll Ausdruck.
Die III. Arcade ist eine Eck-Arcade und hat wieder
drei Hauptbilder mit mehreren Nebenbildern. Der südliche
Schildhogen zeigt uns das erste Hauptbild, wie Christus
der Gegeisselte von Pilatus dem Volke vorgestellt wird,
und der westliche Schildbogen das zweite Hauptbild Chri-
stum den Gekreuzigten. Beide Bilder sind al tempera
gemalt, und stammen von dem nämlichen Meister. Die ganze
Manier ist eine höchst eigentümliche. Die AfFeete sind mit
dem kräftigsten Ausdrucke in derber Weise gezeichnet. Das
erste Hauptbild hat einige Beschädigungen erlitten . das
zweite ist noch gut erhalten. Dieses ist auch bei weitem
besser durchgeführt. Es hat eine gute Zeichnung, ein sehr
lebhaftes Colorit und eine schone, sehr reiche Compositum
Unten beim Kreuze befinden sich Maria, Magdalena und
Johannes. Engel fassen das Blut auf, welches von den durch-
bohrten Händen des Heilands herabträufelt. Neben dem
Kreuze sind die beiden Schacher in eigentümlicher Verren-
kung an die Kreuze gebunden. Der zur Hechten blickt reuig
und vertrauensvoll zum Heiland auf, seine Seele zieht ein
Engel an sich. Der linke schmachtet im verzweiflungsvolleu
Todeskampfe , seine Seele wird von einer Teufelsfratze
ergriffen. Den Platz füllt eine grosse Menge Volkes und
Soldaten: die heuchlerischen und tückischen Pharisäer
machen sich durch ihre verzerrten Gesichter kennbar. In
dieser Arcade fand sich die Grabstätte und der Grabstein
des Canonikers Ingenuin Brande!, «elcher wahrschein-
lich die genannten zwei Bilder gestiftet hat und am Tl. De-
cember 1448 gestorben ist. ') Als Nebenbilder kommen voi
und zwar zum ersten Hauptbilde: <i) Achior, wie er von
den Knechten des Holofernes an den Baum gebunden wird.
und b) Job. wie er am' dem Düngerhaufen sitzend roi
•( Dieser Grabstein ist in neuerer Z<'it ron Beiner alten stelle rerrflckl
worden. Die Inschrift lautet: Anno dni M.CCCC.XLVIII. die ESI.
inensis decembris i>!ȟt dnus lugenuinus Brendel canonicus ESccles
Brixinensis cuius anima requiesent in pace. Vgl. llcsi-li a. a. 0. I. pas -
num. 33, wo aber das Jahr nicht richtig angegeben i*t.
— 22 —
Satan gepeitscht und von seinem Weibe verhöhnt wird; dann
zum zweiten Hauptbilde: a) Eleazar der Mach abäer,
wie er sieh für sein Volk dem Tode weiht, l>) Absalon,
wie er, mil seinen lockigen Haaren am Aste einer Eiche ver-
strickt, von den Kriegern seines Vaters durchbohrt wird.
Diese vier Bilder sind noch ziemlich gut erhalten, aber
schlechter durchgeführt als die Hauptbilder; sie stammen
auch aus etwas spaterer Zeit und von einem andern Meister,
wahrscheinlich vom oben genannten Jakob Sunter. Eines ist
auch theiiweise übermalt.
Einer noch Jüngern Zeit gehört das dritte Hauptbild an :
Christus wird in das Grab gelegt. Maria, die göttliche
Mutter, welche mit den frommen Frauen herbeigeeilt war,
drückt ihm den letzten Kuss auf das blasse Angesicht; eine
äusserst zarte Darstellung. Als Nebenbilder dienen : a)
Joseph, wie er von seinen Brüdern in die Cisterne gesenkt.
/>) Jonas, wie er von den Schiftern in das Meer geworfen
und vom Fische verschlungen wird. Diese drei Bilder sind
mehr oder weniger übermalt worden, die Vorstellung des
Jonas ist noch am besten erhalten. Vor dem Grabe des Herrn
kniet im Hauptfelde der Stifter dieser Bilder Paul Greussin-
ger, Caplan zu den h. drei Königen, welcher am 2. Februar
1 470 verstorben ist und dahier seine Grabstätte gefunden
hat ')
Die 4. Arcade hat die schönsten und die besterhaltenen
Gemälde, welche einen geistreichen und geübten Künstler
verrathen. Der äussere Schildbogen stellt die heiligen drei
Könige vor, w ie sie dem neugebornen Heilande das dreifache
Opfer bringen. Dieses Bild trügt die Jahreszahl I#vI*A"
(1417) und hat eine reiche, vortreffliche Composition, ist
aber etwas beschädigt. Ganz ausgezeichnete Gemälde sind
auch auf dem innen) Schildfelde. Sie zeigen uns die beiden
Ideale und Vorbilder des christlichen Ritterthums : den heil.
Georg in voller Rüstung zu Pferde, wie er den Drachen im
gewaltigen Kampfe erlegt und die königliche Prinzessin Aja
befreit; dann Gottfried von Bouillon, wie er mit der
Kreuzfahne gegen die Saracencn ZU Felde zieht ; an seiner
Seite einen Bischof, beide zu Pferd und mit Gefolge.
Die acht Felder der Oberdecke enthalten acht grössere
und eben so viele kleinere Medaillons. In den grössern sind
die symbolischen Figuren der Evangelisten und die vier
Kirchenlehrer, in den kleinern acht Propheten dargestellt,
und zwar in der Anreihung, dass jede Kappe des Gewölbes
zu oberst im Scheitel einen leicht schwebenden Engel mit
zart messender und sehr künstlich gefalteter Kleidung, dann
in jedem der zwei Felder mitten ein grösseres und zu unterst
gegen die Spitze ein kleineres Medaillon enthält. Alle Bilder
dieser Arcade sind entweder ursprünglich in Wachsfarben
ausgeführt, oder mit solchen retouchirt oder übermalt wor-
den, was sich schon durch ihren warmen, gemilderten und
eigenthümlich zarten Farbenton wahrnehmen lässt. Die
schwebenden Engel bewundert mau als wahrhaft hehre,
beinahe unnachabmbare Gestalten. Überhaupt sind alle Bilder
in dieser Arcade sehr gut gezeichnet und gemalt, die
Gesichter und Fleischpartien mehr abgerundet, der Ausdruck
ruhig, zart und gemüthlich. Man erkennt leicht den italieni-
schen Meister, und ich glaube seinen Namen in der Ein-
fassung eines Medaillons gefunden zu haben. Dort liest man
nämlich : P. baccar, allerdings einen in der Kunstgeschichte
unbekannten Namen, wenn man nicht den Bartolomeo
Vaccarini darunter verstehen darf, von welchem Ticozzi
in seinem „Dizionario dei pittori" Folgendes meldet: »Vac-
carini Bartolomeo nato in Ferrara circa il 144(1. lasciö nella
sua patria varie pitture, che lo mostravano sufliciente pittore,
onde il Barufaldi lo annoverö tra gli artefici di quella citta.
Mori dopo il 1480.« (Schluss folgt.)
Über die Zeitstcllung des Gurker Dombaues. 2)
Herr v. Quast hat seinen Kunstforschungen in Gurk
eine verhältnissmässig nur kurze Zeit widmen können, und
1 i Die h rorhaudene, aber k mehr leserliche Inschrift meldet : Anno
i Miliriiiiiu i|ii;nli ni^rnti-fiiiHi Si'|>iuagefimo Indiccione terlia die
fecnnda Mi-nsls febraarii "Mit Bonorabili: \ ir dominus Paulus Greussinger
Copellanus Capetle Trium regum, cuius auima requiescal in pace. amen
Resch hat unrichtig menfis Septembris anstatt Februarii gelesen. Monum.
I. pag. 'H. iniiii. 4:;.
-'! Die Be ebreibung des Gurker Domes von Herrn r. Quast befindet sich
in «Ion im rerflossenen Jahre erschienenen „Grnndziigen der kirchlichen
Kunst-Archäologie des deutschen Mittelalters" ^ ■ »n Heinr. Otte, einem
Auszöge ■'ms dem grösseren Werke des Verfassers (Leipzig l"-i 'I'. ".
Weigel) , ii ml wurde in den „Österreichischen Buttern für Literatur und
Kunst- des Jahres 1*;;:;. Nr. il abgedruckt Durch die Letzteren auf diese
ah ich der k.k. Consen ator \ on
Kfirnthen Hr. G. F. * \ nkershofen zu der vorstehenden interessanten
historisch-archäologischen Untersuchung veranlasst, welche in Nr. 243 der
Klagenforter Zeitung \. J, ls:;;i abgedruckt erschie I seinem Inhalte
nach weitere Verbreitung verdient. Der Hr, Verfasser hat übrigens noch
hende Hachv e tes Baudenl I der k. k. ( en
Iral-Commission in \nssiHii gestellt. Die Red.
nur einem so gewandten, theoretisch und praktisch voll-
kommen ausgebildeten, vielfach erfahrenen Architekten und
Kunstforscher war es möglich, in einer nur kurzen /.eil
nebsl den Grundrissen des Domes von Gurk und der unter
dem hoben Chore, dem Querschiffe und den drei Altarnischen
("Apsiden) desselben befindlichen Gruftkirche (Krypta) eine
mi umständliche, und bis auf wenige, nur einem Erinnerungs-
fehler zuzuschreibende, und hliis^ Nebenumstände betreffende,
Abweichungen, so genaue Beschreibung vorzubereiten und
snhin zu liefern. Aid" Forschungen über die Baugeschichte
konnte sieh Herr v. Quasi nichl einlassen: nicht einmal auf
.•ine nähere Prüfung dessen, was ihm diessfalls , wie es
scheint, von Andern mitgetheill wurde.
Die Forschungen ober die Baugeschichte des Gurker
Domes können zwar noch keineswegs als geschlossen ange-
sehen werden, wir besitzen keine Geschichtsquelle, in wel-
cher bestimm! angegeben würde, wann dieser Bau begonnen.
23 —
wie er fortgeschritten und wann er vollendet worden; soviel
kann jedoch schon nach dem gegenwärtigen Stande der
Forschungen ausgesprochen worden, dass das, was Hr. v.
Quast aus dem Baustyle folgert, in welchem der Gurker
Dom aufgeführt erscheint, dass nämlich dieser Bau im
Wesentlichen dem Ende des zwölften Jahrhunderts angehöre,
durch das, was aus den bisher bekannten Geschichtsquellen
für die Gurker Baugeschichte entnommen werden kann, die
Bestätigung dahin erhalte, dass der von dem Hrn. v. Quast
beschriebene Gurker Dom keiner frühern Kunstperiode
angehöre als jener der letzten Decennien des zwölften
Jahrhunderts, somit der Periode des beginnenden Über-
ganges vom romanischen zum gothischen Baustyle; — dass
das minder Wesentliche, welches eine andere Kunstperiode
verräth, einer späteren, aber nicht einer früheren Zeit an-
gehören könne, dass zu den in Gurk vielleicht noch vor-
handenen Hemmahauten der von dem Hrn. v. Quast beschrie-
bene Gurker Dom nicht gehöre und wir in dem Exul
Wido, wenn er ein zur Zeit des Thronstreites zwischen
dem deutschen Könige Heinrich II. und seinem Gegenkönige
in Italien, Harduin von Ivrea, somit im Anfange des eilften
Jahrhunderts aus Italien verwiesener Lombarde sein soll, den
Baumeister nicht erkennen können, wie wir überhaupt
geneigt sind, ihm nur das südliche Seitenportal als sein Werk
zuzuschreiben. — Nach einer in die im Gurker Archive
befindlichen Verzeichnisse der Gurker Bischöfe übergegan-
genen Haustradition hat Bischof Heinrich I. von Gurk im
J. 1174 den Leichnam der Gräfin Hemma aus dem Friedhofe
in die unter den Altarnischen, dem Quersehiffe und dem
hohen Chore befindliche Gruft übertragen. Es wäre nicht
wohl zu begreifen , wie in dem Falle, als schon zur Zeit des
Todes der Gräfin Hemma oder lange vor Bischof Heinrich
die heutige Krypta und die über derselben befindlichen
Apsiden, das Querschiff und der hohe Chor schon aufgebaut
gewesen wären, die Pietät der Gurker Nonnen, der Chorherren
und sofort der Bischöfe einer so langen Zögerung , die
irdischen Überreste ihrer Stifterin und grössten Wohl-
thäterin aus dem gemeinsamen Friedhofe in die Krypta zu
übertragen, Baum geben konnte, besonders da solche Gruft-
kirchen ganz vorzüglich zu den Grabstätten der Kloster-
oder Kirchenstifter gewidmet wurden. Es ist sonach nicht
bloss aus archäologischen, sondern auch aus historischen
Gründen mit Sicherheit zu schliessen. dass weder der Bau
der Krypta, noch der Bau der über ihr befindlichen Apsiden,
des Querschiffes und des hohen Chores einer frühern Periode
angehöre, als der der letzten Decennien des zwölften Jahr-
hunderts. Gilt diese Zeitstellung in Bezug auf die östlichen
Theile des Gurker Domes, so muss selbe noch mehr in
Bezug auf die westlicher gelegenen Theile des Domes, das
eigentliche Mittelschiff, die beiden Nebenschiffe, die Vor-
hallen mit dem Nonnenchore über demselben, und die beiden
Thürme gelten, weil nach altchristlicher Bauregel der Kirchen-
bau mit der Grundsteinlegung im Osten, mit der Herstellung
des Altarhauses begann und so von Osten nach Westen
fortschritt.
Ob Bischof Heinrich den Bau des Gurker Domes
begonnen habe, dürfte aus gutem Grunde bezweifelt werden,
da Bisehof Heinrich der Gurker Kirche nur wenig über
sechs Jahre (4. März 1 1 68 bis 3. October 1 1 74) vorstand, und
schon der Bau der grossartigen Krypta einen längeren Zeit-
raum erfordert haben dürfte. Höchst wahrscheinlich begann
schon Heinrich's nächster Vorgänger, Bischof Roman I..
wenigstens in den letzten Jahren seines Regiments (1 132
bis 1167) nach mehrjähriger Vorbereitung der Werkstücke
den Bau der Krypta , welcher Bau nothwendig dem Baue
der über ihr befindlichen Domtheile vorausgehen musste.
Und Bischof Roman I., einer der thatkräftigsten, ausgezeich-
netsten Gurker Bischöfe, war auch ganz der Mann, welchem
der Entschluss zu einem so herrlichen Kirchenhaue, dem
schönsten Denkmale des frommen Sinnes und der diesem
entsprechenden Dankbarkeit gegen die Stifterin und die
grösste Wohlthäterin der Gurker Kirche zugemuthet werden
darf. Es wird daher aus historischen Gründen für die Zeit-
stellung die Bezeichnung der letzten Decennien des zwölften
Jahrhunderts mit Vorbedacht gewählt, besonders da diese
Wahl auch der von Herrn v. Quast gewählten Zeitstellung im
Wesentlichen nicht zu widersprechen scheint.
Bischof Heinrich, unter dessen Kirchenverwaltung die
Krypta wenigstens so weit hergestellt worden sein musste.
um die Weihe derselben und die Übertragung des Leichnams
der Stifterin Hemma vorzunehmen, starb am 3. October 1174.
und musste daher den Weiterbau seinen Nachfolgern über-
lassen. Welcher von diesen sich an demselben betheilte,
vermögen wir nicht zu entscheiden. Nur über die Zeit, in
welcher der Bau bereits als vollendet angenommen werden
darf, besitzen wir eine beachtenswerthe Andeutung.
Wie Herr v. Quast ganz richtig anführt, werden au der
östlichen Stirnwand des Nonnenchores die beiden Zwickel
zwischen dem grossen Mittelbogen und deren viereckiger
Umfassung jederseits durch das Bildniss eines knienden
geistlichen Würdenträgers mit Spruchhand eingenommen.
Der eine, zur Rechten des Beschauers und somit zur Linken
des Thrones des grossen Königs und Opferlamms, ') hat
die niedere Infel (mitra) auf dem Haupte, der andere, zur
Linken des Beschauers und somit zur Rechten des Thrones,
hat die Infel zur Seite gestellt, ein Umstand, welcher Herrn
v. Quast mit gutem Grunde vermuthen Hess . dass selber
ein gewählter, aber nicht bestätigter Bischof gewesen sei.
Die Schrift auf dem Spruchbande des Letzteren ist schon in
der Art beschädigt und Iheilweise verloschen . die Prüfung
derselben auch durch den in dem Nonnenchore auf derselben
Seite angebrachten Bälgekasten so bedeutend erschwert,
dass es bisher nicht möglich war. den auf dem Spruchbande
') ECCE THRONVS MAGN1 PVLGESOT ItEGIS ET AGNI. So, und nicht
REGNI, v. Qnasl in Otte's Grundzügen S. ::;.
24 —
befindlichen Spruch zu entziffern. Dagegen ist ;hü' dem
Spruchbande des andern, zur Rechten des Besch; rs und
somit zur Unken des Thrones, abgebildeten Widmers mit
der Infel auf dem Haupte wenigstens noch folgendes Spruch-
fragment zu lesen: SIS, MEI Q Q 0 PIA DIE TRIC1
VIRGO MARIA (Memor sis mei quoque o pia Dietrici virgo
Maria. Gedenkeaucb meiner, desDietrich, o fromme Jungfrau
Maria). Der Charakter der Schrift gleichl der vom Herrn
v. Quast mitgetheilten, besser erhaltenen, für ein ungeübtes
luge alier schwerer lesbaren, über den beiden Widmern
befindlichen Inschrift und in der in dem Bogenfelde des süd-
in . rundbogigen Seitenportals, zu dessen Seite die
sbenfalls schon vom Herrn v. Quast mitgetheilte Notiz über
den räthselhaften Exul Wido in die zunächst befindlichen
Quadern gegraben ist. angebrachten Umschrift1), und kann
gar wohl noch dem Ende des zwölften Jahrhunderts
angehören.
Aus dieser auf dem Spruchbande des einen der beiden
Widmer noch lesbaren Schrift, aus der Intel und der sonsti-
gen Bekleidung desselben, dürfen wir wohl mit gutem
Grunde schliessen, dass wenigstens einer der beiden Widmer
ein Bischof Dietrich von Gurk gewesen sei. Die Geschichte
kennt zwei Dietriche, welche der Gurker Kirche vorgestan-
den. Bischof Dietrich 1.. welcher im November des Jahres
I IT!) durch Erzbischof Adalbert II. von Salzburg zum Gurker
Bischöfe geweiht wurde, und im Jahre 1 1 94 sein Amt wegen
Körperschwäche niederlegte, und Bischof Dietrich U., welcher
der Gurker Kirchein den Jahren 1254 und 1279 vorstand.
Wir glauben in einem der beiden Widmer den Bischof
Dietrich erkennen zu sollen.
Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die
Widmung dessinnvollen Gemäldes auf der östlichen Stirn« and
des Gurker Nonnenchores beiden zu den Sturen des
Thrones kniend abgebildeten Widmern angehöre, und dass
diese sonach Zeitgenossen gewesen seien. Nun kennen wir
aber bisher keinen gewählten, jedoch nicht geweihten
Bischof, welcher ein Zeitgenosse de-- Bischofs Dietrich II.
gewesen wäre und in -liehen Beziehungen zur Gurker
Kirche gestanden hätte, dass ihm die Widmung des bespro-
chenen Wandgemäldes in dem Gurker Nonnenchore zuge-
mulhet werden könnte. Einen so gearteten Widmer und
Zeitgenossen des Bischofs Dietrich I. von Gurk erkennen
'i ■;• INTRANTI . RITE . PER . . (Me?) DO . PASCVA . V1TE , .
INTRAT . im . RITE . i VI . DEXTERA . i oll . PIA . MITE (Dextera
■ i- mite. Wer durch mich gehörig; eintritt, 'lfm gebe iHi die Weide
des Lebens. Der tritt hier gehörig »-in. der eine froi i Rechte und ein
mildea Herz hat), in das Bogenfeld ist daa Brustbild Christi sculpirt. Das
Haupl hat den Kxeuznimbus, den rechten Vorderarm erheb! der Heiland
segnen»!, in i d Hand hSIt ei da aufgeschlagene llmli <l<s n< k.
empor, luf dem einen Blatte des anl t zu lesen EG,
auf dem andern HO (Ego som ostium. Ich bin «1er l i Um-
n.s Sil
VM VM
M-hrift scheint ein.* Fortsetzung der ßuchseliriften zu sein. Sonderhnr ist
es, dass dieses Seitenportal schon lange :<« ■ ■ ■ i f.. l.i .hm he ist.
wir aber in Hermann von Ortenburg. welcher nach dem
Tode des Bischofs Roman II. im Jahre 1179 von dem
Gurker Domcapitel unbefugt zum Gurker Bischöfe ge-
wählt, von dem wahlberechtigten Erzbischofe von Salz-
burg Adalbert II. verworfen und durch den im November
1179 zum Gurker Bischöfe geweihten Dietrich I. ersetzt
wurde, anfänglich sich selbst mit Waffengewalt zu behaupten
suchte, im August des folgenden Jahres 1180 aber seinem
Ansprüche entsagte, und mit dem Erzbischofe und seinem
Bischöfe Dietrich ausgesöhnt, neben diesem und auch muh
dessen Abtreten als Archiiliacon der Gurker Kirche urkund-
lich vorkömmt. Im Thronstreite zwischen Hermann um\
Dietrich war der Ort Strassburg ein Raub der Flammen ge-
worden. Wohl mag der eine wie der andere hierüber, einer
gemeinsamen Schuld bewusst, Reue gefühlt und in diesem
Reuegefühle die Widmung gemacht haben. Hermann hat den
unheilvollen Kampf veranlasst, desshalb dürfte wohl von ihm
die Widmung ausgegangen sein, und er desshalb zur Rechten
des Thrones abgebildet erscheinen. Dietrich hat den Kampf,
welcher für Strassburg so verderbend endete . fortgesetzt,
die Belagerung der Feste Strassburg wiederholt, und dürfte
sich desshalb, als am Unglücke Strassburgs mitschuldig,
der Widmung'Hermann's angeschlossen und wohl auch dess-
halb seine auf dem Spruchbande noch gegenwärtig lesbare
Bitte an die fromme Jungfrau Maria dahin gestellt haben, dass
sie auch seiner (mei quoque) eingedenk sein möge.
Es dürfte daher wohl nicht zu gewagt sein, anzunehmen.
d;iss in den mehrbesprochenen beiden Widmern der Archi-
iliacon Hermann von Ortenburg und der Gurker Bischof
Dietrich I. zu erkennen seien, und die Widmung somit
wenigstens nicht nach dem Jahre 1194, als dem Jahre dos
Abtretens des Bischofs Dietrich 1. erfolgt sein könne.
Da sich das gewidmete Wandgemälde in der östlichen
Stirnwand des Gurker Nonnenchores befindet, dieser Nonnen-
chor aber als die über Aen Vorhallen aufgeführte . von den
zweiten Geschossen (\av beiden Thürme Bankirte Empore zu
den westlichsten Theilen und somit mit Rücksicht auf die
erwähnte christliche Bauregel zu den letztaufgeführten
Theilen i\v^ Gurker Domes gehört, so kann mit gutem
Grunde weiter geschlossen werden, dass der Gurker
Dombau, welcher durch den dritten Gurker
Bischof, Roman I., in den letzten Jahren seines
Regiments (1132—1167) nach vielleicht mehr-
j äh ri ger Vo rbe reil U ng de r W e rkst ücke begon-
nen wurde, unter der Kir chenv erwaltung des
Bischofs Die trich I., jedenfalls nicht nach dein
Jahre 1194 vollendet worden sein mii sse.
Dieser Annahme dürfte nicht entgegenstehen, dass Herr
v. Quast in einzelnen Ornamenten des Gurker Ni enchores
die gotbische Formbildung erkannte. Nur die äussere, erste
Vorhalle ist in ihrer Westfi t dureb die Füllmauer (mit
dei Herrn, äusseren, spitzbogigen Hauptportale und den
gothischen Fenstern) abgeschlossen. Diese Füllmauer ist
durch den noch sehr wohl kennbaren Rundbogen des vor-
maligen äussern Hauptportales oder dem Überreste einer
äussern Vorhalle umrahmt und reicht nicht über diesen
Rundbogen hinauf. Au der Westfront der über der ersten
und zweiten Vorhalle aufgebauten Empore, dem Nonnenchore,
ist keine Veränderung durch Umbau wahrzunehmen, und in
selber befinden sich noch, wie es scheint, die ursprünglichen,
rundbogigen, kleinen Fenster. Es dürfte genügen, dass die
Mehrheit der Ornamente den romanischen Charakter verräth,
und das Vorkommen gothischer Formbildungen in Einzel-
heiten der Malerei im Nonnenchore wohl dadurch erklärbar
werden, dass der Gurker Dombau überhaupt schon der
Periode des Überganges vom romanischen zum gothischen
Kunststyle angehört.
Übrigens soll nicht behauptet sein, dass nicht schon
Hemma eine Marien-Kirche in Gurk gebaut, und Erzbischof
Balduin selbe im Jahre 1042 geweiht habe. Eine solche Be-
hauptung würde den klaren Inhalt der von dem Erzbischofe
Balduin über die Hemma-Stiftung errichteten Urkunde gegen
sich haben. Allein die von der Grälin Hemma erbaute Kirche
St. Maria Gurk dürfte wohl nur ein bescheidener Bedürfniss-
bau gewesen sein, welcher dem Denkmalbaue, wie sich als
ein solcher der gegenwärtige Gurker Dom erkennen lässt,
weichen musste. Würde (wie wir nicht fürchten wollen)
eine Zeit kommen, in welcher der Gurker Dom zur Ruine
wird, so fände man vielleicht im Innern der Ruine die
Grundmauern des alten Hemma-Raues.
Von der Weihe einer Gurker Kirche im Jahre 1(17;!
durch den Salzburger Erzbischof Gebhard ist uns aus den
Geschichtsquellen, die uns zu Gebote stehen, nichts bekannt,
und das. was uns Wiguleins Hund in seiner Metropolis
Salisb. (Edit. Ratispou.) Seite 6, worauf sich Seite 818
des fünften Junibandes der Bollandisten berufen wird, er-
zählt, erregt um so mehr den Verdacht eines Missverständ-
nisses, als nach Hunds Erzählung die Kirehenweihe, welche
am 6. Mai (II. Non. Mai) des Jahres 1073 erfolgt sein soll.
der Errichtung des Gurker Risthums und der Weihe des
neuen Rischofs Günther vorausging, da doch das Gurker
Bisthum bereits im Jahre 1071 errichtet, und der neue
Bischof Günther auch schon am 6. Mai 1072 geweiht wurde.
G. F. v. Ankershofen.
Die Kirche zu Sedletz in Böhmen.
(Nach Berichten des k. k. Conservators Franz Benesch und des k. k. Ingenieurs J. Zeltl.)
Das ehemalige Kloster zu Sedletz wurde im J. 1143
von Miroslaw aus dem Hause Wartenberg gegründet, und
war das erste Cistercienser-Stift Böhmens. Unter Horzislaw
aus Waldsassen , dem ersten der 66 Äbte , begann der Bau
der grossen Marien-Kirche. Mönche und Laien wurden bei
demselben verwendet, und die Anlage und Ausschmückung
der Kirche war so umfangreich, dass sie als eines der be-
rühmtesten Bauwerke Böhmens angesehen wurde. Unter
dem Schutze der reichen Privilegien, die dem Stifte von den
Königen Wenzel IL, Johann von Luxemburg und Karl IV.
ertheilt wurden ')' bob sich der Glanz des Stiftes immer mehr,
bis am 25. April 1421 durch die Hussiten Kloster und Kirche
furchtbar zerstört und die unglücklichen Mönche der marter-
vollsten Vernichtung preisgegeben wurden. a) Die berühmte
l) Zu ilen Privilegien des Stiftes gehörte auch das Münzrecht, und dasselbe
prägte auch die numismatisch seltene Münze: „Moiwta Abbat ia Sedle-
censis" aus.
-) Heute noch soll die berühmte Todtencapelle auf dem Friedhofe zuScdlciz
die Kuocheo und Schädel der erwähnten Mönche bewahren. Diese Capelle
befindet sich auf dem grossen Friedhofe, wurde im .1. 16Ü2 aus Quader-
steinen im gothischen Style erbaut, und es knüpfen sieh daran zum Theile
vielfältige Sagen aus dem Mittelalter. In das Innere dieser anter der
Erdoberfläche befindlichen Capelle gelangt man mittelst einer Stiege von
IS Stufen. Auf beiden Seiten des herabführenden Einganges sind Todten-
gebeine, gleichsam Guirlanden bildend, angebracht. In dem, in der Mitte
der Capelle vielfach getheilten Räume sind Pyramiden zwischen hölzernen
Rahmen aus verschiedenen künstlich geschichteten Todtengebeinen errich-
tet, und die Spitze jeder dieser Pyramiden mit einer aus Hol/, geschnitzten
und vergoldeten Krone geziert. Ausser diesen sind noch (i kleinere Pyra-
miden an den Seiten aufgestellt. Die ganze Gewölbsdeckeisl gleichfalls mit
Marien-Kirche war in einen verkohlten Trümmerhaufen um-
gewandelt und erst 33 Jahre später von dem Ahle Theodo-
rich II. mit einem Nolhdache versehen worden. Im Jahre
1699 unter dem Abte Heinrich IV. begann dann die gänz-
liche Restatirirung des gesunkenen Bauwerkes, welche im
J. 1707 vollendet wurde. Nun erhielt sich die Sorgfalt für
eine würdige Erhaltung der Kirche bis zum J. 1784. in
welchem das Kloster aufgehoben und die Kirche wieder dein
Verfalle preisgegeben wurde.
Die Kirche nach ihrer ganzen Ausdehnung von Quader-
steinen erbaut, ist zwischen den aiissersten Grunzen des
Mauerwerkes 48° 3' 6" lang, beim Haupteingange 17":'. ii
und in dem Kreuzschifl'e 21" 0' 0" breit, dann vom Boden-
pflaster bis zum Dachfirste 10° 3' 0" und von dort bis zur
Thurmspitze 27° 1' hoch. Ohne das äussere Mauerwerk
beträgt die innere Länge im Lichten 43" ,'j 6 . die Breite
in t\nn Schiffen 15" 0 0" und jene im Kreuze 20» 0' 0".
Dieselbe isl eine fünfschiffige Basilica, von welcher das
Mittelschiff einem 4" 2' breiten Kreuzgang bildet.
Die zunächst des Presbyteriums im Hauptschiffe befind-
lichen Pfeiler tragen eine schöne al fresco gemalte Kuppel.
Todtengebeinen gezielt, nie Beleuchtung dieser Capelle geschieht durch
8 ovale Fenster. Über der Todtencapelle erhehl sieh die gleichfalls im
gothischen styl.' erbauteAllerheiligen-Capelle, die in der vordem Facade
mit 2 dem erwähnten Baustile übereinstimmenden Thur i versehen isl.
und zu welcher man auf den zu beiden Seiten der Todtencapelle ange-
brachten Stiegen gelangt. Die Red,
26 —
welche, auf 30 schwächeren Pfeilern ruhend, von gothischen,
mit zierlichen Rippen versehenen Gewölbungen einge-
schlossen ist.
Im Mittelschiffe, dem Haupteingange gegenüber, befin-
de! sich der Hochaltar, und über ersterem der grosse Musik-
chor; zwei andere Musikchöre sind zu beiden Seiten des
Presbyteriums, zu denen man auf freitragenden runden Stie-
gen gelangt . angebracht.
Die beiderseitigen zunächst dem Mittelschiffe vereini-
gen sieh in einem uin den Hochaltar führenden Kreuzgang.
Die Decke besteht im Ganzen aus Ol» gleich grossen
Kreuzgewölben, die von 30 schlanken, mit Gurten verbun-
denen Säulen getragen werden, denen lichte Höhe vom
Fussbodenpflaster Ins zum Scheitel der Wölbung 13'/.,"
misst. 106 gothische Fenster beleuchten die Kirche.
Nun der innern Einrichtung sind nur erwähnenswert!)
die Beichtstöhle, welche mit uns Eichenholz i^nt geschnitzten
Arabesken und Figuren verziert sind; dagegen die 13 im
Renaissancestyle gehaltenen Altäre, und darunter auch der
Hochaltar, ohne besondern Werth und uns den verschieden-
artigsten fremdartigen Theilen zusammengesetzt sind.
Das Gemälde des Hochaltars — die Mi lelfahrt Christi.
von Peter lirantl — wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts
nach Hohenmauth um 1000 tl. verkauft und durch Berg-
ler's Bild ähnlichen Stoffes ersetzt. Unter den übrigen zum
Theil werthvollen Altarblättern sind zwei. derh. Luitgard und
die h. Juliana. von P. Brantl, zwei, derh. Bernhard und Be-
nedict, \. Lischka, eines, die 14 Nothhelfer, von Supper
und die übrigen von l!a-ilii und Willmann, letztere
jedoch von untergeordneter Bedeutung. Ein anderes <!<■-
malde. Sedletz's Zerstörung durch die Hussiten, von Skret a,
ist nur mehr in einzelnen Theilen erkenntlich.
Oberhalb der Kreuzkuppel de- Mittelschiffes ist ein aus
Holzwerk zusammengesetzter, eine eueren Baustyle ange-
höriger Glockenthurm angebracht
Ausser der Kirche, und zwar heim Rentamte im Schlosse
des Fürsten Sehwarzenberg, wird eine silberne, stark ver-
goldete, in die Pfarrkirche gehörige und sehr kunstvoll im
gothischen Style gearbeitete Monstranze aufbewahrt; die-
selbe ist 37" hoch, in der Mitte 12" breit und im Gewichte
von 18 Mark, und wird wegen ihrer Schwere nur einmal
im Jahre ZU kirchliehen Kundinnen, nämlich hei dem Frohn-
leichnamsfeste verw endet.
Die Monstranze wurde bei der Plünderung des dama-
ligen Klosters und der Kirche zur Zeit der hussitischen Un-
ruhen in den Jahren 141fl — 1424 der in der Mitte des Hand-
griffes angebrachten und an einem kranzartigen Vorsprunge
eingesetzten Edelsteine beraubt und dann in das Mauer-
werk der vordem Facade der Kirche eingemauert, woselbst
sie erst nach Verlauf vieler Jahre durch Zufall wieder auf-
gefunden wurde. Im Jahre 1810 wurde dieselbe zur Silher-
einlösung nach Wien gesendet, jedoch wegen ihrer vorzüg-
lichen Arbeit und ihres Altertlnnnes zur bleibenden Auf-
bewahrung wieder zurückgestellt.
Im J. ISä4 wurde die Kirche zu Sedletz durch die Mu-
uilicenz Sr. Majestät des Kaisers mit der Summe von nahe
an 12,000 fl. restaurirt. Man hat die theil weise dem Ein-
stürze drohende Decke, sowie das Dach oberhalb des Schiffes
und der Seitenhallen wieder hergestellt, die Verglasung
sämmtlicher Wände und Wölbungen, die Reinigung und
Verkittung der bemoosten Quadern vorgem en; ferner
das Innere der Wände statt der einfachen Kalkliinohe mit
zwei sanften Farbentönen bedeckt, die schadhaften Stufen
vor der Kirche neu hergestellt, und die Einfassung des Fresco-
gemäldes im Hauptschiffe vergoldet. Endlich wurde mit
Zuhilfenahme des Gypses der zerstörende Mäuerfrass besei-
tigt, die Kirche neu gepflastert und um das Äussere der-
selben ('anale geführt, damit die anter dein Erdniveau gele-
genen Hallen vor Nässe bewahrt werden.
Die allgemeinen Wünsche der dortigen Kunstfreunde
richten sich nun auf dieRestaurirung des Innern dieses höchst
heaclitensw erthen kirchlichen Denkmales, die wohl zunächst
durch den Religionsfond und den Patron der Kirche zu
Staude gebracht werden könnte.
H'. S. PETRVS. Eine menschliche Gestalt (der h. Pe-
trus) mit dem Kreuze in der rechten Hand.
Münzenfund zu Rottigel in Mähren.
Beschrieben von Joseph Arnulh.
Im Juli 1853 wurden zu Rottigel in Mähren in einem l. CHVONRADVS. Eine menschliche (ieslall ( der Her
einschichtigen Grabe 7 Stück Silbermünzen, von welchen zog), unter welcher eine Torques.
aber nur 4 eingesendet wurden, dann 4 Stuck Drathschlin-
gen und zwei Bruchstücke von derlei Schlingen gefunden.
Da sich verschiedene Meinungen darüber kundgaben.
welchem Münzherrn die erwähnten 4 Stücke zuzuschreiben
sind, so unterzog ich dieselben einer genaueren I Untersuchung,
der Zufolge ich mich darüber folgenderinassen aussprechen
zu dürfen glaube: 2. und 3. sind dieser eben beschriebenen Münze sehr
ähnlich, nur ist der Buchstabe t] anders gewendet.
V,
— 27 —
4. Aul' der vierten Münze sind die Vorstellungen gleich-
falls denen auf den früheren drei Münzen 'hnlieh; nachdem
aber unter drei Münzen auf zweien das Wort Petrus nicht
mit dem gewöhnlichen P, sondern mit C| geschrieben ist, so
ist wohl wahrscheinlich, dass die vierte Münze ein noch
weniger geübterStämpelschneider wird gearbeitet haben, und
dass sie eben dem Konrad angehöre, den die früheren
beurkunden.
Es fragt sich nun, welchem Konrad diese Münzen zu-
geschrieben werden müssen? Meines Erachtens dem Her-
zoge Konrad, der in Mahren vom J. 1055—1093 regierte.
Ich glaube diesen Ausspruch etwas naher begründen zu
können.
Wenn in irgend einem Lande Münzen mit darauf ge-
schriebenen Namen gefunden werden, so ist wühl die erste
Frage, ob der Name unter den Beherrschern des Lan-
des, in welchen der Fund gemacht wurde, vorkömmt oder
nicht; kömmt der Name vor, so ist wohl die Wahrschein-
lichkeit schon sehr gross, dass die Münze dem Fürsten glei-
chen Namens angehört habe, und es müssen sehr gewichtige
Gründe dagegen sprechen, wenn diess nicht der Fall wäre.
Der Fund wurde in der Nähe von Brunn gemacht. Nun
gab es aber in Brunn im XI. Jahrhunderte einen Herzog
mit Namen Konrad, es ist daher kaum mehr zu zweifeln, dass
die bei Brunn gefundenen Münzen von diesem Herzoge ge-
schlagen worden sind.
Ohne mich in dieser Sache sehr in das Einzelne der
Geschichte des Markgrafenthums Mähren einzulassen, er-
zähle ich nur einige Züge, welche hinreichen werden, die
Behauptung zu rechtfertigen, dass die bei Bottigel im Juli
1853 gefundenen Münzen mit dem Namen CONBADVS und
S. PETBVS vom Herzoge Konrad von Brunn, und auf dessen
Erbauung der Peterskirche auf dem Petersberge zu Brunn
geprägt wurden.
Nach Dubravius erhielt von den vier Söhnen des 1055
verstorbenen Herzogs von Böhmen Brzetislaus, der älteste,
Spitignev, Böhmen, und der dritte, Konrad, das Land um
Brunn. ')
Als Spitignev gestorben , erbte dessen Bruder Wratis-
law II. den Thron von Böhmen, den er als König, wozu ihn
Kaiser Heinrich IV. wegen seiner geleisteten Dienste er-
nannte, seit dem Jahre 108b' zierte. Wratislaw gab sogleich
nach seiner Thronbesteigung seinem Bruder Konrad den
Theil von Mähren, der gegen Deutschland liegt; denn nach
Cosmas3) heisstes: „occidentalem, (Moraviae plagam) quae
est adversus Theutonicos dat Conrado". Konrad hielt es
immer mit seinem Bruder Wratislaw, bis dieser die Söhne
seines Bruders Otto von ihrem Besitze treiben wollte, so
dass Wratislaw vor Konrad's Burg — vielleicht die Burg der
Volkssage, au deren Kusse die Münzen gefunden wurden
— erschien, sie belagerte, bis Konrad's Gemahlin eine so
aufrichtige Versöhnung herbeiführte, 3) dass Wratislaw den-
selben mit Ausschluss seines gegen ihn Aufruhr erregenden
und nach Ungern entflohenen Sohnes zu seinem Nachfolger
ernannte. Wratislaw starb 1093, sein Bruder Konrad folgte
ihm sogleich in der Regierung, die er jedoch nur kurze Zeit
führte und demselben noch im nämlichen Jahre nach 7 Mo-
naten und 17 Tagen ins Grab folgte.
Wenn man unparteiisch die Münzen der 4 Brüder: des
Spitignev, Wratislaw, Konrad und Otto unter einander \er-
gleicht, wird man eine solche Ähnlichkeit zwischen ihnen
linden, wie sie wohl auf dem weiten Felde der Numismatik
von keinem andern Konrad aufzufinden sein wird, woraus
also hervorgeht, dass diese Münzen nur dem Herzoge Kon-
rad von Mähren und nicht einem andern Fürsten dieses Na-
mens zuzuschreiben sind.
Die Münzen, z.B. der Kaiser, mit Namen Konrad, haben
dermassen eine andere Vorstellung und Umschrift, dass die
in Bottigel gefundenen unmöglich unter dieselben zu reihen
sind, wollte mau auch, dein Unwahrscheinlichen zu Liebe,
alle möglichen Gründe zugeben , wie sie nach Mähren ge-
kommen sein könnten.
Zur Erklärung der Bückseite der bei Bottigel gefunde-
nen Münzen S. PETBVS passt meines Erachtens die Stelle
beiBalbinus: *) Conradus nihil memorabilegessit praeterquam
quod Ecclesiam Collegiatam fundavit.-' Sie wurde Collegiata
durch Bischof Theodorich 1290. 5) Hiedurch findet auch die
Münze bei dem gründlich gelehrten Adauctus Voigt ihre Be-
stimmung alsKonradus. 6) Es \\ iirde eher wahrscheinlich sein.
dass diese Münze nicht nach Mähren gehöre, als SEVEBYS
(der Bischof von Prag) darauf zu lesen. Sind diese Münzen
wirklich mährische, so tragen sie durch ihre für die damalige
Zeit grössere Ideendarstellung bei. den Geschichtschreiber
zu bestätigen, der sagt: „Conradus sciebat Theutonicum
linquam. ?) Es ist demnach auf der Vorderseite dieser Münze
ein Kreuz zwischen zwei Altären? oder Thürmen (nicht
aber zwei Köpfen, wie Voigt meint). Auf der Rückseite:
eine Kirche auf einem Berge mit 3 Thürmen geschmückt,
von denen der mittlere höhere ein Kreuz trägt, das zugleich
den Buchstaben T zu bilden scheint.
Sollte es mir durch die Reichhaltigkeit des k. k. Münz-
und Antikcn-Cabinels gelungen sein, den wahren Münzherrn
zu bestimmen, so erhellt daraus, wie erspriesslicb der Ver
kein- zwischen dem Central-Museum — dem k. k. Münz- und
') Historie Buh. L. VII, p. XLIIII: Conrado et Ottoni. Brunnensem et Znoy-
mensem regionem attribuit.
-I Cosmas, Chronicon. Bojoh. ad :t 1Ü61, p. 136, 137.
') Cosmas, I. c. p. 184, wo sie in einer den König sehr ergreifenden Rede
eingeführt wird.
4| Miscell. Regni Boh. I.. VII, e. 2s, T. VII, |>. 10».
^1 Boczek Codex dipl Morav. V. 4t>: St. Petri Bronae in Monte Cundavil
magnih'ce (Herzog Konrad habe die Collegiat-Kirche zu St Peter in Brunn
gestiftet).
r') Beschreibung der bisher bekannten böhmischen Münzen. Pragl771 — ITsT
4 Bände 4". I. p. 288, n. 9, «nd p. 308, n. '.».
7 1 Cosmas, Chronic. B.
— 28 —
Antiken-Cabinete — und den diessfälligen Anstalten in den zum Vortheile der wissenschaftlichen Ehre der Monarchie,
Kronländern sich zeigt, und wie nöthig die billige Berück- des Glanzes der Anstalten und seihst zum materiellen Ge-
sichtigung des Central-Museums bei Funden ist, und zwar winne der Finder.
Notizen.
II. (Hauszeichen von Landleuten bei Mög-
eers und Gaissau in Vorarlberg. Aus einem Berichte
desConservatorsvonBregenzHrn. J.S.Kögl. ') Von Möggers,
einem vier Stunden von Bregenz entfernt liegenden Pfarr-
dorfe gegen das anstosseude bairische Landgerfchl Weiler
zu. steht in der Entfernung einer Viertelstunde mitten in
einem Walde die St. Ulrichs-Capelle , welche, durch
ihre Abgeschiedenheit einen eigentümlichen Kindruck her-
vorrufend, ihr Dasein wahrscheinlich einem vornehmen Ein-
siedler früherer Jahrhunderte verdankt.
Die Volkssage lässt sie vom heil. Bischöfe Ulrich von
Augsburg, der im Jahre 973 starb, geweiht werden. Dage-
gen lautet eine neue Aufschrift am gothischen Spitzbogen
vor dem Altare: „Erbaut 1005 — renovirt 1843." In Folge
dieser Erneuerung ist sie gut erhalten. Unter dem Altare
entspring! eine frische Wasserqüelle, die ausserhalb des
Kirchleins in einen hölzernen Brunnentrog geleitet wird.
Sowohl die Capelle als das Quellwasser werden häufig
besucht.
Wodurch jedoch diese Capelle ein besonderes Interesse
erweckt, sind die Hauszeichen von Landleuten, welche sich
in derselben vorfinden. Öfters schon hörte man nämlich in
1) Im Jahre 18.13 linth* m'Iioii l'rol'rvsor II " in e y e P iu Berlin im „Correspon-
denzblatte 'l«'s Gesammtvereines <I»m- deutschen Geschichte- mul Alterthums-
vereine" die Miltheilung gemacht , «l;is in einigen Gegenden von Scan-
'lina\ ien und Norddeutschland, ja si-llisi in den Niederlanden und Brittanien
gewisse Figuren in der Absicht gebraucht werden , einem Grundstücke
summt ilessen ln-\, cyliflnMi Zuhi'hiir, sowie auch dem zeitweiligen Besitzer
als gemeinsames Wahrzeichen zu dienen. Diese Zeichen , meist aus
eraden Linien gebildet, schliessen sich häufig an das Krt-u/. und an die
Rie n und l"'* lers an <li<- zusammengesetzten oder Binderiemen an, and
gehen in neuerer Zeit auch wohl in einfache Darstellungen \<>\\ Geräthen
über. Dieser Gebrauch , schon im \lll. Jahrhundert in den schwedischen
Gesetzen begründet, scheine, was Deutschland betrifft, dem Erlöschen nahe
zu sein., ! findet sieb nur -li lebendig auf den Bauernhöfen deut-
schen Ursprungs in den Umgebungen von Danzig und KII.mil:. Davon
angeregt brachte Profe Dr. G. <■ ö i h im \ Hefte cIit „Mittheilungen
tlr^ historischen Vereines für Steiermark" einen Aufsatz über „Haus-
und Hofmarken" in Steiermark , dem zufolge im Si ?der von Homeyer
bezeiel ten Marken Bicb solche nur mehr bei den Eisenberg- und
Schmclzwerks-Besitzern zu Vordernberg und zwar urkundlich sc] leit
il XIV. Jahrhunderte vorfinden. In gleicher Weise bestanden sie auch
enerz, alsdorl ooeh bis zum oben geni ten Jahre 162S der Bi b
und die Roheisen-Erzeugnng durch Privatgewerke betrieben wurde. Mil
obiger Notiz lniii.'-'n wir nun solche Haus rken, oder wie man sie
aucli . um diese Gattung prficiser anzudeuten „Familienzeiol nennen
könnte, aus Vorarlberg, und hoffen durch die Aufmerksamkeit der Heri en
Conservatoren nnd Correspondenten bald in der Lage so sein, über diesen
für die historiscl Forscl gen nichl unwichtigen Gegenstand neue
Beispiele :ms leren Kronländern veröffentlichen zu können, um die
Angaben des Prof s ll yer in Berlin tu vervollständigen.
D. Red
Tirol und Vorarlberg von Urkunden in einzelnen Gemeinde-
archiven, wo sämmtliche des Schreibens unkundige Land-
leute anstatt iUn- Unterschrift ihre Hauszeichen und Holz-
marken beigesetzt hätten. Es glückte aher bisher nicht, ein
solches rechtskräftiges Instrument seihst in die Hände zu
bekommen. Nun lieferte obige Capelle. die leider wegen
eines hölzernen Gitters nur in ihrem hintern Theile zu-
gänglich war. einen überzeugenden Beleg. Dort befinden sich
(5 Apostel, die um das Jahr 1(53(1 auf Leinwand gemalt,
nehst den Namen ihrer Spender aus dem Bauernstande zu
Möggers auch ihre Hofzeichen in Wappenform enthalten. Ks
erscheinen nämlich auf den Bildnissen der Heiligen: Thomas,
Simon. Philippus die drei Wappen des Felix Laco (1).
Christian Fo rsters t ei re r V'schwendt (2) und Philipp
w
und auf den übrigen Gemälden der Heiligen: Matthäus. An-
dreas und Jakob die Wappen des Franz F essler (4). dann
das Wappen eines Ungenannten (S) und zuletzt jenes des
Michael Mats (li).
8
Die Wappen stehen im rothen Kehle, mit Ausnahme des
3.. welches im goldenen Felde dargestellt ist.
Einen zweiten Beleg liefert die Pfarrgemeinde Gaissau
am llhein. dem St. gallischen Städtchen llheineck an der
Stelle gegenüber, wo dieser Strom eine fast unnatürliche
Wendung nimmt, und wovon diese Gegend den .Namen Esel-
schwanz führt. Sie gehörte bis zum Jahre 1811 in die Pfarre
Si Johann-Höchst. Die Gegend war einst eine Au. Vier
Schweizerfamilen , .Namens: Lutz, Nägeln, Niedere]- und
Nagel Hessen sich daselbst häuslich nieder. Unterm 29. Mai
I i;:!o bewilligte Abt Pins von St. Gallen der Gemeinde Gaissau,
aus ihren eigenen Mitteln eine Capelle erhauen zu dürfen.
\u das Portal dieses Kirchleins wurde in nachstehender Form
— 29 —
ein Stein zum Andenken gesetzt, worauf folgende Zeichen
eingemeisselt sind :
Als man dieses Kirchlein im Jahre 1761 erweiterte,
kam ein neuer Denkstein mit folgenden Wappenzeichen dazu:
Aus dem Vergleiche derselben mit den Hauszeichen in
Mijggers geht deutlich hervor, dass auch diese als Haus-
zeichen der Landleute zu betrachten sind, welche diese
Capelle erbauen und renoviren Hessen.
12. (Die Gemälde der Spitalskirche und der
Niki askir che zu Znaim.) Der fleissige Forscher auf
dem Gebiete des Altertbums Ritter v. Wolfskron liefert
im Notizenblatte der historisch-statistischen Section der k. k.
mährisch - schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des
Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde (Jahrgang 1855,
Nr. 6) hierüber folgende interessante Beschreibung. Von den
Gemälden der Capelle des Militärspitales bemerkt er, dass mau
darin zwar einer nicht geringen Zahl von Gemälden begegne,
dass jedoch die meisten mittelmässige Leistungen des vori-
gen Jahrhunderts seien, und nur fünf unter ihnen dem Mit-
telalter und zwar dem Ende des XV. Jahrhunderts ange-
hören. Sie sind sämmtlich auf Holz und Goldgrund gemalt,
und stellen Momente aus der Leidensgeschichte des Erlösers
dar. Die vier kleineren , welche sich zu beiden Seiten des
Presbyteriums befinden, haben durchgehends gleiche Dimen-
sionen, nämlich 18" in die Höhe und 11' in die Breite. Sie
sind in die schwarze Holzverkleidung der Wände eingefügt,
in welcher sich noch sechs gleichgrosse und zehn grössere
Bilder (1' 8" ins Gevierte) belinden, welche zwar alle auch
auf Goldgrund gemalt sind, aber dein vorigen Jahrhunderte
angehören, und ohne Zweifel als Ersatz für jene andern
mittelalterlichen Gemälde angefertigt und an ihre Stelle ge-
setzt wurden, welche sich früher in jenen Umrahmungen
befanden. Die besprochenen vier Passionsbilder, welche
a) Christus am Ölberge, b) Christi Gefangennehmung mit
der gewöhnlichen Episode zwischen Petrus und Malchus.
c) Christi Verspottung und d) Christum vor Pilatus dar-
stellen, sind sämmtlich ziemlich wohl erhalten, und bringen
jene Scenen in der bekannten typischen Form . daher eine
nähere Beschreibung der Gruppen entfällt. Die Figuren
in ihnen sind gut bewegt, das Gefälte ist durchdacht und
den darunter liegenden Formen entsprechend, der Ausdruck
in den Gesichtern gelungen und fern von der Überschwang*
lichen Charakteristik, in welche die Kunst jener Zeit so
häufig verfiel. Auch die Carnation. soweit selbe durch Schmutz
und bei etwas mangelhafter Beleuchtung erkennbar war,
schien mir nicht ohne Verdienst.
Einen viel bedeutenderen Kunstwerth hat ein Votiv-
bild, welches sich, freihängend, au der rechten Wand der
Capelle befindet. Es niisst 3' 6" in die Höhe und 2 1 ' in
die Breite, und stellt den Erlöser zwischen den beiden Scha-
chern im Momente des Verscheidcns dar. Die Köpfe der drei
Gekreuzigten, vorzüglich jener des Heilandes, welcher den
tiefsten Schmerz mit dem edelsten Ausdruck der Hingebung
vereint, sind mit wahrer Meisterschaft ausgeführt. Auch ein-
zelne Köpfe der um den Kreuzesstamni gruppirten Figuren,
welche mitunter sehr gelungene Motive in ihren Stellungen
und Draperien zeigen, sind sprechend, namentlich der des
Hauptmanns Longinus; — Johannes und Magdalena genügen
hierin weniger. Die Zeichnung der nackten Figuren ist cor-
rect, die Fleischtöne sind durchsichtig und w arm. Sehr ge-
lungen ist auch der Faltenwurf des Schamtuches, womit die
Lenden der Christusfigur umhüllt. sind, welches höchst natur-
wahr in weichen Linien im Winde flattert. Bezeichnend
für das Alter des Bildes ist — abgesehen von der Technik
an demselben — die Rüstung des Reiters zur Linken des
Heilandes. Sie zeigt nämlich genau, und zwar vorzüglich
durch die abgestumpften wulstigen Eisenschuhe, auf das Ende
des XV. Jahrhunderts, für welche Epoche auch der gesammte
Styl des Gemäldes spricht, welches uubezweifelt unter dem
nachwirkenden Einflüsse der Prager Malerschule entstand,
die bekanntlich unter Karl IV. durch Theodorich ( I 34S bis
1375), Nik. Wurmser von Strassburg (1357—1360),
Kunze und Thoin. von Mutina (Modena) gegründet wurde,
und sich durch die eben herausgehobenen Vorzüge gegen
andere gleichzeitige Schulen Deutschlands vorteilhaft
charakterisirt. •)
Über zwei Gemälde der aus dem XV. Jahrhunderte her-
rührenden St. Niklaskirche heisst es sodann:
„Das Altarbild einer jener Seitencapellen — ein Jesus-
kind mit den Leidenswerkzeugen in einem Korbe — eine
gelungene Copie nach Velasquez, ist ziemlich bekannt, was
jedoch hei einem andern Bilde kaum der Fall sein dürfte,
welches ich vor vier Jahren unter dein Gitterflügel des Sa-
cranientshäuschens entdeckte, welches Meisterwerk der
Steinmetz kunst sich an der linken Seid' des Hochaltars be-
findet. Das Gemälde gehört dem XV. Jahrhunderte an. ist
in Wasserfarben auf Leinwand ausgeführt, und stellt das
Wunder des Mannaregens in der Wüste dar. Obwohl
das Bild, den Dimensionen der erwähnten Gitterthür ent-
sprechend, eine unverhältnissmässige Höhe von 3' 6' /u
einer Breite von nur 1' \" hat. so ist die Gruppe der Figuren
in diesem Räume doch so geschickt gestellt, das- sie nicht
') Vergl. Woccl, Gnmdziij*e der böhm. Uterthumskunde, S. 137 ff.
— 30 —
unnatürlich gedrängt erscheint Links vom Beschauer steht
ein bärtiger Mann mit kurzTerschnittenem Haare, der ein
langes, bis an dieKnöchel reichendes, dunkelviolettes Gewand
(die sogenannte Sehaube) trägt, «reiches durch einen
Gürtel zusammengehalten wird. Die Achseln und die Brust
sind dureh einen weiten Kragen von orangegelber Farbe
verhüllt, dessen Futter lichtgrün ist. und semer Form nach
auf eine an der zwar nicht sichtbaren Bückseite befindliche
Kapuze, Gugel, schliessen liisst. wie sie im XIV. und XV.
Secul. allgemein üblich war. I >ie Ärmel des Gewandes sind bei
dieser und den übrigen vier Figuren massig weit und laufen
gegen die Hände zu etwas enger zusammen. Die schwarzen
Schuhe des Mannes — die der übrigen Figuren sind nicht
sichtbar — haben keine von der Gestaltung des Fusses ab-
weichende Fenn. Mindern schliessen sich diesem genau an.
Vor sich, in der Hohe der Brust, halt jener Mann, der
das Alter von 40 — äO Jahren erkennen liisst. einen Stroh-
korb, in welchem das gesammelte Manna liegt, welches aus
den geöffneten Wolken, durch welche drei Strahlenbündel
brechen, zur Erde fallt. Ihm gegenüher, jedoch etwas mehr
nach vorn, kniet ein Knabe, mit der rechten Hand einen
ähnlichen Korb, der am Boden steht, am Henkel haltend,
während er mit der Linken die Himmelsspeise auflieset. Der
orientalische Typus der Gesichtsbildung ist an dieser Figur
am ausgeprägtesten, jedoch ohne alle Übertreibung, durch-
geführt. Das lockige Haupt ist durch das gewöhnliche spitze
Judenhütlein mit dem aufgestülpten Hände bedeckt, der Hut
ist miniumroth, der Rock dessgleichen und dem eben be-
schriebenen ganz ähnlich, nur ist er hei dem Knaben nicht
gegürtet, daher das Gewand in breiten «eichen Falten zur
Erde fiiesst. Ha der Achselkragen fehlt, so bemerkt man den
Schluss iles Talars am Halse, welcher, einen schmalen Um-
schlag zeigend, gleich einem Hemde Hill einem Knopfe ge-
schlossen ist. Hinter dem Knienden befindet sich ein zweiter
Knabe mit ganz gleicher Kopfbedeckung in dunkelgrünem
Kleide; er ist etwas nach vorn gebückt und blickt nach den
fallenden Körnern. Dem Manne zur Linken gegenüber und
hinter den beiden Knaben steht ein Jüngling, dessen reiches
blondes Haar auf der Stirn kurz geschnitten ist, zur Seite
aber in üppiger Fülle leicht gelockt auf die Achsel reicht.
Die Züge dieses Jünglings sind fein und edel, der Mund
/.war etwas üppig aher |iro|nirlinnirt. Die Augen yrnss und
durch die den Orientalen eigentümlichen fleischigen Deekel
I schön gezeichneten Brauen überwölbt, die Nase leicht
gebogen, das Ganze \ inem lieblichen Oval umschlossen.
In den hocheihobenen Händen hall jener Jüngling einen
Korb empor, seine Stellung I der Ausdruck des Gesichtes
zeigen ein dankbares Entzücken, während im Gegensatze zu
dicer wahrhaft edlen Erscheinung, gegenüber — hinter
dem zuerst beschriebenen Manne — ein /illerer unbärtiger
■lüde mit gierigen Blicken und weit und hastig vorgestreck-
ten Annen, gleichfalls einen Korb hält, um das Manna aufzu-
fangen. Fr tragt eine Idassgelbe Mütze mit rothem t'her-
schlag unil ein Gewand von eben solcher gelber Färbung.
Hiemit glauben wir genug gethan zu haben, um diesem
merkwürdigen Gemälde in der vaterländischen Kunstge-
schichte eine bleibende Stelle zu sichern, während auch für
dessen fernere Erhaltung gesorgt, und dasselbe gehörig
restaurirt wurde, so zwar, dass es jetzt, unter Glas und
Rahmen geborgen, wohl noch ünsern Enkeln Zeugniss gehen
kann von Midirens ehemaligem Kuuststrehen.
1 3. ( E in alte s B a s reli e f im Coli e g i u in J a g e I -
lonicum zu Krakau.) Einem längeren Berichte des Vor-
standes der k. k. liaudirectiou in Krakau Hrn. Dr. Konrad
Schenk I entnehmen wir hierüber folgende Darstellung:
Der Cardinal und Bischof von Krakau, Sbigneus Olesnicki
(geb. 1389, gest. 1435), machte das Gelübde, eine Pilger-
reise zum heil. Grabe zu unternehmen. Durch Staatsgeschäfte
an dessen Erfüllung gehindert, hesehloss er in Folge einer
päpstlichen Dispens in Krakau eine Bursa zu stiften und ZU
diesem Behufe ein eigenes Haus zu hauen, worin Studirende
unter der Aufsicht eines Seniors wohnen , dann freie
Wohnung und Beheizung, sowie auch ärztliche Hilfe und
den Gebrauch einer Bibliothek geniessen sollten. Das
Gebäude wurde mit dein Namen Bursa Jerusalem
bezeichnet. ') Diese fromme Stiftung in den spateren Jahr-
hunderten durch Vermächtnisse bereichert, erhielt sich nun
bis zum Jahre 1841 und überlebte alle anderen Bursen, wel-
che durch die Zeitumstände ihres Vermögens beraubt, sieh
nicht mehr erhalten konnten. In dem genannten Jahre wurde
jedoch das Gebäude ein Raub der Flammen, die Studenten
in das Gebäude zu St. Barbara untergebracht, und die alte
Bursa Jerusalem blieb und war bis zum Jahre 18oo eine
Ruine. Eine alte Votivtafel aus Stein mit einem Basrelief
erhielt sich als der einzige Zeuge der früheren Bestimmung«
Um dieses Denkmal vor dem Untergange zu bewahren, wurde
nun bei dein Umbau des t'ollegiiim Jagolloiiiciiiu die Idee
gefasst, demselben eine dessen würdige Stelle dabei anzu-
weisen. Vis eine solche ergab sieh die dein Haupteingange
gegenüber liegende \\ and des schönen, mit einem Arcaden-
gange umgebenen Hofes. Zwei alte aus der vor längerer
Zeh abgebrochenen Bursa juris peritorum stammende schöne
steinerne Fensterstöcke winden verwendet, um mit diesem
Denkmal ein Ganzes zu bilden. Mit aller Vorsicht wurde das
vorzüglich in der Drapirung schön gearbeitete Basrelief
aus seiner allen Stelle herausgenommen, übertragen und au
die bezeichnete Stelle versetzt) nachdem die dasselbe
Umgehenden und im Style der Zeil entworfenen steinernen
Verzierungen fertig geworden waren. Nun der in gothischen
l) Derlei Bursen gab es übrigens in Krakau sowie in den meisten fitleren
I niversttfitsSÜidten viele. In Kr:ik:iu Iti'sl.in.l utisser ili'l" oliii;t'n Iturs;!
:b eine Bursa pauper Bursa buDgnrorum, Büros philosophorum,
juris peritorum . Bursa Juridien , Smieszkovcana u. s. w. Über die nlten
Bursen der Wiener UniversitSI und deren innere Einrichtung Gndel
111:111 bei II. K i 11 U 's Geschichte der Wiener Unlversitfil 1. Bd, ge
tubchlüsse D. Red,
— 31
Lottern vorhandenen Umschrift wurde ein Gypsabguss ver-
anstaltet, und die wegen ihrer eigentümlichen Schreibart
und den verschiedenen Abkürzungen schwierige Lesung von
dein Professor und Bibliothekar der Krakauer Universität
Dr. Muczkowski übernommen. Ihr Inhalt lautet: „Ad
honorem omnipotentis Dei salutem animarum et reipublice
Profectum Reverendus in Christo pater Dominus Sbigneus
miseracione divina lituli sanctc Prisce sahcte romane ecclesie
presbiter Cardinalis episcopus cracoviensis anno domini
milesimo CCCC quinquagesimo tertio nie fecit.
14. (B y z u n ti nis c h es Cr uci fix zu Miiggers in
Vorarlberg.) Der Herr k. k. Conservator Kögl in Brcgenz
gibt hierüber folgende Beschreibung: Die Kirche zu Möggers
bietet an sich nichts Besonderes; nur die Sacristei verwahrt
ein uraltes byzantinisches Crucifix, das beim ersten Anblick
an die Idee der Gnostiker erinnert. Dasselbe besteht sammt
der Kreuzform hauptsächlich aus Kupfer, mit etwas Zinn
vermischt (also aus Bronze) und ist stark vergoldet. Weil
sich das Lang- vom Querholze getrennt hatte, so machte
Jemand beide Theile dadurch wieder fest, dass er sie mit
einer Platte, worauf I. l\. B. I. steht, rückwärts zusammen-
fügte, und bediente sich dazu eiserner Nagel von grober
Form; ja Christus seihst wurde unter dem Halse und ober-
halb des Schamröckchens schonungslos mit solchen Nägeln
durchbohrt und an das Kreuz befestigt. Woher die vertiefte
Jahrzahl !)8o in arabischen Ziffern rührt, ist nicht bekannt:
sie scheint eine spätere Znthat zu sein. Die Löcher an den
Ecken des Kreuzes, wo einst edle Steine gewesen sein mögen,
wurden mit neuen Rosetten verdeckt. In den Kunstsamm-
lungen Münchens sollen ähnliche Crucifixe aufbewahrt werden.
Literarische Anzeigen.
Die deutsche Glasmalerei. Geschichtlicher Entwurf mit Belegen
von W. Wackernagel.
Leipzig 1855. »• S. ISO.
In der Form zweier Vorträge wird in lebendiger und
sehr anregender Weise Entstehung. Fortbildung und Verfall
der deutschen Glasmalerei behandelt. Der leichte Fluss der
Bede, welcher es nirgends an Gründlichkeit gehrieht, wird
von dem gelehrten Apparate nicht gehemmt. Letzterer ist
in einem eigenen Anhange zusammengestellt. Aber nicht
nur das kunstgeschichtliche Interesse findet seine volle Be-
friedigung, sondern die historische Betrachtung des Stoffes
wird auch für die künstlerischen Bedürfnisse unserer Gegen-
wart fruchtbringend gemacht, indem der Verfasser mit feinem
Kunstgefühle die Gränzen nachweist, innerhalb welcher sich
bei Wiederaufnahme dieses Kunstzweiges zu bewegen sei.
Es ist diess um so wichtiger, je seltener diese Gränzen in
den Schöpfungen unserer Gegenwart eingehalten werden.
Das neueste Beispiel einer Verirrung auf diesem Kunstge-
biete ist das für den Kölner-Dom bestimmte Görrer'sche Vo-
tivbild, von Ainmüller in München, nach einer Zeichnung
Overbeck's ausgeführt. Hier ist das dem Kunstzweige der
Glasmalerei innewohnende Priucip der Einordnung in die
Architektonik gänzlich verlassen, und ein Gemälde ins Leben
gerufen, in welchem das Glas nur die Stelle der Leinwand
vertritt. Wir führen diess nur an, um der Ansicht Wacker-
nagel's mit dem Wunsche auf das wärmste beizutreten . sie
möge in allen Kreisen die verdiente Beachtung linden. Somit
hätten wir diesem schätzbaren Beitrage das wohlverdiente
freundliche Geleite gegeben. Was wir weiter beifügen, soll
dem Werthe dieser Forschung keinen Eintrag tliun, sondern
nur dein Leser zur weiteren Orientirung dienen. Die F rage
nach der Erfindung der Glasmalerei entscheidet Wacker-
nagel zu Gunsten der Deutschen, da in Tegernsee die nach-
weislich früheste Ausübung dieser Kunst zu treffen sei. \\ ir
wären gewiss nicht die Letzten, welche diesem Ausspruche
mit vollem Herzen beistimmen würden , wenn uns nicht der
UmMick auf die fremdländischen Forschungen zur l'eber-
zeugung brächte, dass diese Frage vorläufig noch als eine
offene zu betrachten sei. Aus Levis in Brüssel ls>ü4 er-
schienener Geschichte der Glasmalerei ersehen wir, dass.
wie die Erfindung der Ölmalerei, so auch jene der Glas-
malerei mit Gründen von einigem Gewichte für Flandern in
Anspruch genommen wird, während der gelehrte franzö-
sische Archäologe Texier die Erfindung der Glasmalerei zu
Gunsten Frankreichs auf die Emailarbeiten von Limoges
zurückführt. Auch noch an anderen Versionen dieser Frage
fehlt es nicht, und sie wird auch so bald nicht ihre stichhäl-
tige Lösung finden. Auch eine zweite, damit im Zusam-
menhange stehende Frage nach der Zeit, in welcher Theo-
pbilus seine „Diversarum arfimn schedula" schrieb, deren
zweites Buch zum grossen Theile mit der Glasmalerei sich
beschäftigt, ist noch im Flusse begriffen, und keineswegs,
wie Wackernagel annimmt, mit vidier Sicherheit dahin zu
beantworten, dass dieses Werk bereits im XI. Jahrhunderte
niedergeschrieben worden sei. Diese Angabe stütz! sich auf
Lessing's Forschung. In neuester Zeit wurde jedoch diese
Frage von dem gelehrten Frankreich wieder aufgenommen,
und mit Geist und Gründlichkeit allseitig behandelt. Es stehen
sieh hier vorläufig zwei Ansichten gegenüber, deren jede
aus einer sorgfältigen und bis ins Kleinste gehenden Kritik
des Inhalts dieses Traetatos die Zeil seiner Abfassung zu
bestimmen sucht, li. Hendrie entscheide! sieb für das
XI. Jahrhundert. M. Guichard für das Ende des XII. oder
den Anfang des XIII. Jahrhunderts. Letzterer Ansicht sind der-
malen die anerkanntesten Forscher Frankreichs, wieDidron,
ISourasse. Texier u. a. m. beigetreten, und sie dürfte sonach
:v> —
ohne überwiegende Gründe nicht bei Seite gelassen «erden.
Der Verfasser unseres Werkes hatte, letzterer Ansieht sich
anschliessend, auch der Begründung seiner Angabe, dass
nämlich <lie Glasmalerei eine deutsche Erfindung sei, we-
sentlich gedient. Stammt letztere ans dem \. Jahrhunderte,
und zwar ans Baiern, SO ist nicht wohl abzusehen, wie diese
Erfindung bereits im XI. Jahrhunderte nach den Worten
TheOphU's sich in Frankreich zu jener Höhe und Tüchtigkeit
entwickelt habe, welche er ausdrücklich den Glasmalereien
Frankreichs nachrühmt. Hiefür reicht in der That die vim
Wackernagel angeführte Schnelligkeit der weitem Aus-
breitung nicht aus. wohl aber würde es nicht befremden,
wenn wir in Theophil einen Schriftsteller aus dem Ende des
XII. oder dem Anfange des XIII. Jahrhunderts erblicken.
Eine dritte Frage endlich, welche jedoch mich ganz der
Forschung angehört, und wofür bis nun nur spärliches Ma-
terial vorliegt, betrifft die Ableitung der der romanischen
Kunstepoche eigenthümlichen , nur mit grauschwärzen Um-
rissen und Schatten gezeichneten Glasgemälde von jenen
ornamentirten Glasfenstern, in welchen die Zeichnung eben
nur durch die eingezogenen Bleistreifen gebildet erscheint,
und wovon uns Beispiele aus früher Zeit in der Cistercienser-
Kirehe Pontigny in Frankreich aufbewahrt sind. Doch
wie erwähnt, muss diese Frage erst in das Gebiet der For-
schung gezogen werden, welche, wie aus dem Gesagten
ersichtlich ist, auf diesem Kuiistgebiete noch manches Unge-
löste zu lösen, Manches zu begründen und richtig zu stellen
hat. Hr.
Berichte und Mittheilungen des llterthumsvereines zu Wien.
Band I, Wien, in CoiiimisMuii ilt-r BnchhladluDg Crünill und Mayer 1856.
Nachdem es zu den Aufgaben der k. k. Central-Com-
mission gehört, auf die Gründung historischer und archäolo-
gischer Local- und Landesvereine hinzuwirken, so konnte
dieselbe von dem Inslebentreten des Wiener Alterthumsver-
eines — wenn sie auch darauf keinen Einfluss ge uiien —
mir mit voller Befriedigung Kenntniss nehmen. Sie musste
mit ebenso lebhaftem Interesse das Zusammenwirken jener
Männer verfolgen, welche sieh die Aufgabe gestellt, die
Kenntiiiss der im Erzherzogthume Osterreich vorhandenen
historischen und monumentalen henkmale zu erweitern, und
als deren erste Frucht die hier in Frage stehenden Berichte
und Mittheilungen zu betrachten sind. Wir begegnen darin
mit Vergnügen emer Reihe von Gelehrten und Alterthums-*
freunden, deren Namen in der n issenschaftlichen \\ eil einen
zu guten Klang besitzen, als dass sich nicht mit Hecht sehr
schätzbare und erfindliche Leistunsren erwarten Hessen, lud
wenn man tiefer in den Inhalt des Gebotenen eindringt, so
wird man auch — vorausgesetzt, dass die Anforderungen
nicht über den Kreis der Forschung und der historischen
Specialitäten hinausreichen — auf sehr werthvolle Beiträge
stossen. Wir erwähnen von grösseren Aufsätzen die inter-
essante Abhandlung: „Über Burgen und Schlösser im Lande
unter der Enns" mit einer einleitenden Geschichte des Bur-
genhaues von ,1. Feil und der archäologischen Beschreibung
einiger liilterliurgen und Schlossruinen im Kreise unter dem
Wiener Walde von Fr. 0. Edlen v. Leber, ferner Feil's
Andeutungen über Scheustem im ,1. I8ü5; die Biographien
des Franz X. Einbel und F. O. Edlen v. Leber, dann den
T sc hischka's Nekrolog von demselben Verfasser; ferner
Alb. Camesina's Publicationen über Lauteusack's Ansicht
von Wien im J. lo5<S und über die älteste Ansicht Wiens
vom ,1. 148;}; Joseph Bergmann's Aufsatz über Erzherzog
Maximilian 1. und Maria von ISurgund und deren älteste Por-
träte in der k. k. Ambraser-Sammlung; Frost Birk's „Bild-
nisse österreichischer Herzoge des XIV. Jahrhunderts und
ihrer Gemahlinnen"'; Rudolph v. Ei telh ergers Darstel-
lung einiger altitalienischer Gemälde an der k. k. Akademie
der bildenden Künste, und Joseph Sc hei gor's „Drei Per-
sönlichkeiten des Sebensteiner Ritterhundes auf blauer Erde."
Reich ausgestattet ist übrigens das Werk auch mit Miscellen
über Inschriften, Grabsteine, Münzen und kirchliche Bau-
denkmale des Erzherzogthuins Osterreich und Salzburgs und
mit zwei Berichten über die Restauration des südlichen Por-
tals der Franziskaner-Kirche zu Salzburg und über den Bau
der Giebel am St. Stephansdome, welche von Feil, Eitel-
herger, Denhart. Bodensteiner, Chalaupka,
Lichtenberger und Furtmoser herrühren, ludein wir
noch erwähnen, dass das Werk mit zahlreichen Abbildungen
versehen ist. welche wie jene von Cantesina von grossem
Werthe sind, halten wir es für unsere Pflicht, darauf die Auf-
merksamkeit aller Freunde der Geschichte und des Alter-
thunis zu lenken . in der Überzeugung, dass hei den fort-
gesetzten ernsten und wissenschaftlichen Bestrel gen des
Vereines der österreichischen Literatur in den Berichten
des Alterthumsvereines eine neue, fruchtbare Fundgrube
für die Landes- und Culturgeschichte erwächst, welche die
seit dem Aufhören von Hormayr's Archiv und Taschen-
buch entstandene Lücke wieder ersetzen könnte. W.
(Anfrage.) Der k. k. Conservator Alb. Camesina stellt an
die Goschichts- und Altertumsforscher die freundliche anfrage, ob
sie nicht Auskunft zu geben im Stande sind, in welchem Jahre der
Steinmetzmeister Bonifacius Wolmuet, der im Jahre K>47 in
Wien lebte, '„'rinnen and gestorben ist.
lus 'l.r k. k. Hof- null Staatsdruckerei in Wien.
Jeden Monat erscheint 1 Heft zu
1 bis 2 Drnckbogeb mit Abbil-
dungen.
Der Priinuiiierationspreis ist für
einen Jahrgang oder zwölf Hefte
nebst Register sowohl für Wien
als die Kronlünder und das Ausland
4 fl. C. M. , bei portofreier
Zusendung in die Kronländer der
österr. Monarchie 4 II. 20 kr. CM.
MiTTHEiLUNGEN
DER K. K. CENTRAL- COMMISSION
Pränumerationen überneh-
men halb- oder ganzjährig
allck.k. Postamlrr der Monarchie,
welche auch die portofreie
Zusendung der t-inzelnt-n Hefte
besorgen. — Im Wege des Buch-
IiüuuVIb sind alle Pränumerationen
und zwar nur zu dem Preise iuu
1 fl. an den k. k. Hufbut-hhändler
W. Braumiiller in Wien zu richten.
ZUR EKNUro 11 ERHALTilG DER BÄIIKMM
Unter der Leitung des k. k. Seclions-Chefs und Präses der k. k. Cenlral-Coniinission Karl Freiherrn v. Czoernig.
Redacteur: Karl Weiss.
N2.-3.
I. Jahrgang.
März 1856.
Inhalt: Der alte Kreuzgang des bischöflichen Münsters zu Brixen. (Schluss.) — Über den älteren sächsischen Kirchenbau und insbeson-
dere die evangelische Pfarrkirche von Mühlbach. — Baudenkmale in Meran. — Die mittelalterliche Kirchenthüre bei denKapuzinern
in Salzburg. — Notizen. — Literarische Anzeige.
Der alte Kreuzgang des bischöflichen Münsters zu Brixen.
Von G. T i n kh aus er , Regens der fürstbischöflichen Domschule und k. k. Conservator in Brixen.
(Schi uss.)
In der 5. Arcade finden wir wieder mehrere Paral-
lelbilder. Erstes Hauptbild: Christus ersteht von den
Todten. Nebenbilder: a) Samson, wie er die Thore
der Stadt durchbricht und sie auf einen Berg trägt; b) Jo-
nas, wie er nach drei Tragen aus dem Bauche des Fisches
steigt. Diese Bilder sind übermalt worden. Zweites Haupt-
bild : Christus erscheint den Jüngern, wahrend
Drittes Hauptbild: Christus erscheint der Magda-
lena; die dazu gehörigen Nebenbilder: u) Daniel, wie
er vom Könige in der Löwengrube noch lebendig gefunden
wird, b) die Verlobte im Hohenliede, wie sie
ihren Geliebten findet. Diese Bilder sind ebenfalls alle über-
malt worden. Das vierte Hauptbild findet sich unter drin
Schildbogen der innern Seitenmauer und stellt vor, wie
Magdalena im Grabe ihn sucht. Dieses Bild ist auf Christus die Seelen der frommen Alträter aus
dem äussern Schildbogen angebracht, sehr gut durchgeführt
und auch noch im ursprünglichen Zustande erhalten, ausser
dass der Mauerfrass den untern Theil sehr beschädigt hat.
Es besteht eigentlich aus zwei Abtheilungen , welche aber
sehr gut mit einander sich verbinden. In der einen erscheint
Christus den Aposteln, in der andern zeigt sich das leere
derVurhölle befreit. Auf dem nämlichen Felde ist ein
Nebenbild angebracht, nämlich der ägyptische Joseph,
wie er sich seinen Brüdern zu erkennen gibt. Diese zwei
Bilder sind grossentheils noch gut erhalten, aber die zwei
folgenden Nebenbilder übermalt worden, nämlich Samson,
wie er den Löwen erwürgt, und David, wie er den Riesen
Grab, wo Magdalena trauernd ihren Heiland sucht. Vor dem Goliath tödtet. Der Löwe und Goliath gelten hier für Sinn-
erstandenen Heiland kniet ein Canoniker in der Chorklei- Bilder des Satans. Die ganze Arcade scheint yom nämlichen
düng: daneben steht St. Ulrich, welcher die Seele des Meister gemalt worden zu sein und zwar im J. I.X..A.2
Donators dem Erlöser empfiehlt. Dieser Canoniker ist ohne
Zweifel Johann von Firmian (gest. am 25. Sept. 1471),
dessen Grabstein Besch hier noch gesehen hat1). — Als
Nebenbilder erschienen: a) Buben, wie er seinen Bruder
Joseph in der Cisterne, und b) die Verlobte im Hohen-
liede, wie sie ihren Geliebten auf der Gasse und in den
Strassen sucht. Diese zwei Bilder sind vollständig übermalt.
!) Mnnum. I, pag. 24, num. 44. Dieser Grabstein, welcher jetzt an einem
andern Theile des Kreuzganges aufgestellt ist, trägt die Inschrift: Anno
domini M.CCCC.LXXI. die XXV. mensis septembris obiit nobilis vir das
iohaunes de fmniano eanonicus huius eeclesie brixsinensis, cuius aniina
requiescat in pace amen. Diese ganze Inschrift hat nur gothische Minuskel.
(1472), wie die Jahreszahl im Fehle unter dein innern
Schildbogen anzeigt. Die übermalten Bilder haben eben
durch das Übermalen sehr viel gelitten.
In der 6. Arcade sind die Bilder theilweise zerstört,
theilweise sehr grob übermalt, nur jenes unter dem Schild-
bogen der innern Mauer ist ziemlich gut erhalten. Sämmt-
liche noch erkennbaren Vorstellungen beziehen sieh auf die
geheimnissvolle Geburt der Jungfrau und Gottesmutter Maria.
Die drei Hauptbilder sind nach der Legende des heil. Ilie-
ronymus componirt: Der Hohepriester verschmäht
das Opfer von Joachim und Anna als von unfrucht-
baren unter dem auserwählten Volke gebrandmarkten
34
Eheleuten. — Ein Engel v erkundet dem trauernden
Joachim und dann auch seiner betrübten Gattin
die Geburt Mariens, welche dem Herrn zum bestän-
digen Dienste geweiht werden soll. — Voll Freude
begegnen sich die beiden unter dem goldenen
Thore in Jerusalem und Anna empfing und ge-
bar das Kind. Als Nebenbilder und Symbole dienen:
die Tochter des Jephte, welche für den Sieg des
Volkes Israel dein Herrn geopfert wird; der Trau in des
Königs Astyages, worin diesem die Geburl des Cyrus
von seiner Tochter verkündet wird: die Wurzel Jesse.
aus welcher Äste aufsteigen, worauf sieben weisse Tauben
sitzen, die Gaben des beil. Geistes sinnbildend; endlich der
Tisch der Sonne, welcher von zwei Fischern aus dem
Meere gezogen wird. Zur Verdeutlichung lasse icli die
Inschriften folgen, insoweit ich sie bei den einzelnen Bil-
dern noch lesen konnte.
Summus sacerdos Abyathar sprevit oblacionem Joachim
et Anne .... = Hie annunciatur per angelum utrique
Joachim et Anne natiritas sancte MARIE = Hie
eonveuiunt Joachim et anna. Aniplexantes se mutuo in porta
aurea. et coneepit et peperit Mariam materem domini nostri
Jhesu Christi. = . . . Vepte obtulit . . . pro victoria hostium
l tem)poralium. sie maria (oblata) est pro victoria (ho)st(ium)
infernalium. = Regi astragi monstratum est . quod filia sua
regem Cyrum regeneraret. Joachim nunciatum est. quod filia
sua regem Xpm portaret. Cyrus rex liberavit iudeos de captivi-
tate babilonica. Et Rex Xps liberavit nos de captivitate dya-
bolica. filia ergo regis astragis liguravit mariam. que protu-
lit mundo vitam veram et piam. = Egredietur virga de radice
^ esse et tlos de radice eins ascendet. super quem septi-
formis gracia spiritus saneti requiescet. hec virga est maria
feeundata per celestem rorera. One produxil nobis Xpm
amenissimum Sorem. = Per mensam igitur solis maria est
pulchra figurata. Que vero soli i. e. sui leo est oblata.
Mensa -ulis oblata est in templo solis materialis. Maria oblata
est in templo solis eternalis. Das noch ziemlich gut erhaltene
Gemälde am imicrn Schildbogenfelde zeigt uns den Pro-
pheten Balaam im Streite mit dem Engel, welcher ihm
den Weg verlegt. I»; ben kniet iV-y Donator mit der
Chorkleidung angethan zwischen St. Katharinen und Panta-
leon. Den Bezug des heidnischen Sehers Balaam auf die
Geburl Mariens deute) die Inschrift, welche in diesem Felde
zu lesen ist : Spiritus sanetus eciam nobis Mariam necessa-
riam ostendebat, cum per os balaam ortum eins promittebat.
pr isit enim quod de iacob orietur Stella per quam figura-
batur futura dei cella. balaam populo (srahelitico malediccio-
nem cogitabat, sed spiritus sanetus malediccionem in bene-
diccii m transmutabat. Alle Gemälde dieser Ircade schei-
nen von einem Meister zu stammen. \ns der noch erhalte-
nen Inschrift in einem Kehle der Oberdecke entnehmen wir
den Namen des Donators. Es ist Magister Berthold von
Soltwedel, Canonicuszu U. L. Frauen, welcher am 20. Sep-
tember I R82 gestorben ist und hier seine Grabstatte
gefunden hat ').
Die 7. Arcade hat im äussern Schildbogenfelde ein
schönes Vesperbild al fresco, welches noch sehr gut
erhalten ist. Maria hält den Leichnam Jesu auf dem Schoosse,
davor kniet ein Priester in der Chorkleidung, welchen die
heil. Katharina als Fürsprecherin mit den Händen stützend
hält. Eine nur zum Theil noch leserliche Inschrift nennt
uns den Namen desselben; es ist Gregor Sybar, Canonicus
zu l. L. Frauen, welcher beiläufig um das J. 144(J gestor-
ben ist und hier seine Grabstätte gefunden haben mag. Die
andern Bilder dieser Arcade sind gräulich übermalt oder
völlig erbleicht. Die Vorstellungen, welche sich noch erken-
nen lassen, enthalten lauter Symbole von dem wundervollen
Geheimnisse der jungfräulichen Mutterschaft Ma-
riens. Die Sinnbilder sind die folgenden: der Vogel
Strauss, dessen Eier durch die Sonnenhitze ausgebrütet
werden; der Pelikan, welcher die Jungen mit seinem
Blute belebt: eine Frau, welche zwei nackte Knüh-
lein (Zwillinge) mit den Händen führt, wovon
jedes durch Berührung eine Thür öffnet; die Vestalin
Tuscia, welche in einem Siehe Wasser trägt; der
Löwe, welcher die Jungen durch sein Brüllen zum Leben
bringt; der Vogel Kalander, welcher durch den An-
blick einen Krauken heilt. Zur Erklärung dieser Sinnbilder
gebe ich die noch vorhandenen Inschriften, welche füglich
auch als ein Beitrag zur Symbolik des Mittelalters dienen
mögen.
Si ova strutionis sol exeubare valet, cur veri solis ope
Virgo mm generaret. = Pellicanus si sangwine animare fetus
claret. cur puro ex sangwine virgo uon genera-
ret. = Si tactus mox nati seras (seiras) apperire valet, cur
mater verbi nati Virgo non generaret. = Si cribro virgo
thuscia aquam portare valet, cur proereantem omnia virgo
non generaret. = Leo si rugitu proles suscitare valet, cur
spiritu virgo non generaret. = Kalaiidrius si
facie egrotum (?) sanare valet, cur Xpm salvatorem virgo
uon generaret. In den beinahe ganz verwischten Bildern
scheint mir auf die Fabeln von den Geiern, welche ohne
Manu befruchtet werden, und auf die kappadocischen
Stuten, welche vom Winde empfangen, angespielt /.u
sein. In zwei Feldern der Oberdecke sieht man je einen
Priester in der Chorkleidung abgebildet. Der eine davon ist
Konrad von Neuenburg, Beneficiat zum heil. Oswald, welcher
am 20. März 14'>4 das Zeil liehe gesegnet hat; der andere
Magister Nikolaus Vigessel, Canonicus zu U. L. Frau, wel-
cher am 7. April 1427 gestorben ist -). Wir haben also für
') Ar lomini IXS'i ricesima sepl hria 0 (obiit) venerabilis Magiatei
bertholdua de soltwedel canonicua beate marie Virginia euiua anima
requieacal in paefl amen.
'-'l In tomini M°.CCCC0.XXtV°, riceaimo i menaia marcil obiil in
\|m> i trabilia dominua Chunradua , i < • Newenburg cappellanua saneti
Oawaldi regia, euiua anima requieacal in i amen. — Anno a im
\l".t ri'i'".XXVll". ilii- s..|iiim sis aprilia "liiil ye -nbilis rii
— 35 —
diese Arcade drei Stifter von verschiedenen Zeiten, woraus
erhellt, dass die Bildwerke ebenfalls in verschiedenen Zeiten
und wahrscheinlich von verschiedenen Meistern ausgeführt
worden sind.
Die 8. Arcade ist eine Eck -Arcade und gegen die
Nordseite wegen des Durchganges zur Domkirche durch-
brochen. Das Hauptfeld, welches unter dem Schildhogen
von der convexen Aussenseite des Presbyteriums der alten
Collegiatkirche zu U. L. Frau gebildet wird, enthält mehrere
schöne Bilder, wahrscheinlich in festgebundenen Tempera-
farben ausgeführt: n) Jesus im Ölberg, die drei Jünger
schlummern in einiger Entfernung, vom hohen Himmel
blickt Gott der Vater herab; b) die heil. Dorothea —
eine gar liebliche Gestalt — ihr reicht ein Engelein ein Körb-
chen mit zarten weissen Rosen; c) Simon der Apostel
mit der Säge und einem Buche — eine ernste Figur;
endlich d) die Kreuzabnahme. Diese Gemälde schei-
nen mit einer dünnen Wachsauflösung überzogen zu sein,
und haben sich noch gut erhalten. Nur das letztgenannte ist
durch Einsenkung eines Grabsteins theilweise zerstört wor-
den. Von den Deckenfeldern sind einige zerfressen, mit
neuem Mörtel belegt und dann gräulich mit Farben über-
strichen worden. So viel sich aus dem noch Vorhandenen
abnehmen lässt, waren folgende Bilder angebracht : In dem
1. und 2. Felde zwei Propheten, im 3. und 4. Adam
und Eva am Baume der Erkenntniss; auf den Asten
sitzen die phantastisch personiticirten sieben Haupt-
sünden; im 5. und 6. die christlichen Haupt-
tugenden personificirt ; im 7. und 8. eine symbolische
Darstellung des Bibelspruches: Ein Kriegerstand ist
des Menschen Leben auf Erden. Die vier ersten
der genannten Deckenfelder sind noch gut erhalten : vom
5. und 6. sind noch ein paar der personiticirten Tugenden,
und im 7. und 8. ist nur mehr der schöne Kopf eines Kreuz-
ritters zu sehen, der das Schweisstuch der heil. Veronica als
Standarte trägt mit der Aufschrift: „figura militis
catholici." Die zwei Propheten, welche ober dem Ülberge
angebracht sind, scheinen mit diesem vom nämlichen Mei-
ster zu stammen und zeigen auf einem Zettel die Jahreszahl
I.X.A.A. (1477). Die Deckenfelder 3 — 6 scheinen einem
andern Künstler anzugehören. Nach einer Inschrift im
5. Felde war der Stifter derselben Magister Erhard Zanger,
Pfarrer in Enneberg und Beneficiat zum heil. Laurentius in
Brixen, welcher am 14. September 1474 gestorben ist ').
Magister Nicolaus Vigessel Je slyra (?) Canonicus Ecclesie beate Marie.
Cuius anima requiescat in pace. Amen. Die letztere dieser Inschriften
ist noch jetzt ganz erhalten ; die erstere aber nur theilweise und ist
aus Iteseh ergänzt worden. Monuin. I, pag. 22, nun). 24.
') Die noch erhaltene Inschrift lautet: Anno, doniinij. M.CCCC.LXXIM.
die XIV. mensis septembris. obiit. venerabilis. vir. Magister. Erhardus.
Zanger. in deeretis. lieentialus. Kector. parrochiaiis. eeclesie. in. Eune-
hergs. nee uon. Capelle. santi. Laurencii. site. in ecelia. Brixinensi.
Capellanus. hie. inferius. tumiriatus. emtts. anima. cum. Xpo. requiescat
in saneta. pace. amen.
In der 9. Arcade oder der ersten auf der nördlichen
Seite ist das äussere Bogenfeld wegen des Durchganges zur
Kathedrale durchbrochen; das innere zeigt dm Engel-
sturz. Sieben Engel stürzen rücklings und werden an den
Asten darunter stehender Bäume gespiesst. Oben thront
Gott der Vater in Mitte der treuen Engel. Diess Gemälde ist
von geringerm Werthe und theilweise verwischt. Desto
vorzüglicher sind die Bilder auf der Oberdecke, welche von
dem nämlichen Meister als wie die in der vierten Arcade ge-
rühmten und zwar wahrscheinlich im Jahre 1418 ausgeführt
worden sind. Die fraglichen Bilderwerke sind ebenfalls in
Medaillons angebracht. Jede Kappe des Kreuzgewölbes ent-
hält drei grössere und vier kleinere, die ganze Oberdeeke
also acht und zwanzig Medaillons. Ferner in jeder Kappe
zeigt von den drei grossem Medaillons eines, welches ihr
Mitte einnimmt, das Hauptbild ; die zwei andern enthalten
Neben- oder Vorbilder, und die vier kleinern eben so viele
Propheten, welche auf das Hauptbild sich beziehen. Die
ganze Anordnung bildet ein vollständiges, sinnreich durch-
geführtes Ganze und ist in folgender Weise zusammen-
gestellt :
1. Hau p tili hl: Der Engel brachte Marien die Botschaft
und sie empfing vom heil. Geiste.
Nebenbilder: a) Gott verkündet im Paradies der
Schlange den Fluch :
bj Gedeons Vliess.
2. Hauptbild: Christus der Heiland wird in der Krippe
geboren.
Nebenbilder: a) der brennende Dornbusch;
b) die zwölf Stäbe Aarons.
3. Hauptbild: Die heil, drei Könige vor der Krippe.
Nebenbilder: a) David und Abner;
b) Salomon und die Königin von Saba.
4. Hauptbild: Maria Opferung im Tempel.
Nebenbilder: a) Maria bringt das Kindlein ;
b) Simon und Anna im Tempel.
Diese Gemälde sind sehr schön gezeichnet und gemalt,
die Köpfe der Figuren vortrefflich, die Affecte zart, die
Gesichter voll Ausdruck in Unschuld und Heiligkeit strahlend.
Der geschmeidige Farbenton und die bräunlichen Tinten
verrathen sogleich, dass diese Gemälde mit Wachsfarben
entweder schon ursprünglich behandelt oder Qberlasirl wor-
den sind. Es ist sehr zu bedauern, dass zwei Kappen muh
Mauerfrass beschädigt, und in einer andern die Klflftungen
am Gewölbe von einer barbarischen Hand mit Mörtel belegt
und dadurch einige Partien riiinirl worden sind. Schliesslich
muss ich noch bemerken, dass die Inschrift, welche Resch
in seinen Moniimentis 1, pag. 22. niiin. 23, noch erhalten
hat, wahrscheinlich zu dieser Vrcade, durch welche ehe-
dem der Eingang in die heim neuen Dnmhau abgebrochene
St. Christophorus - Capelle führte, gehört hat. Sie lautet:
Haue picturam fecit fieri dominus Fridericus de Wienna.
5«
— 36 —
Canonicus ecclesie S. Marie virginis. et plebanus paro-
chialis ecclesie in Albeins. A. D. 1418.
Die 10.. 1 1. und 12. Arcade befinden sich in der Nähe
des alten Portals, und haben in soferne zusammenhängende
Bildwerke, als sieh diese auf das Portal beziehen. Das
äussere Schildfeld der zehnten Arcade zur Linken des Por-
tals zeigt uns den Anfang- des Erlösungs Werkes, wie
der Kugel der seligsten Jungfrau die Menschwerdung des
Heilandes verkündet, und das äussere Schildfeld der zwölf-
ten Arcade zur Rechten des Portals zeigt den Triumph.
gewissermassen denSchluss des Erlösungswerkes,
wie Christus von den Todten ersteht. Das äussere Schild-
feld der eilften Arcade aber ist vom obern Theil des Portals
durchbrochen. Diese zwei Bilder sind noch gut erhalten,
kräftig in der Farbe und schön ausgeführt. Der Engel
grüsst Marien in einsamer Kammer als Gottesmutter; der
heil. Geist überschattet sie; in der Höhe schwebt Gott der
Vater vom Regenbogen umkreist; aus seinen Händen schwebt
die Seele Christi , von Engeln getragen, zur Erde herab.
Das andere Bild zeigt uns den erstandenen Heiland, im
Grabe wie in einem Brunnen stehend, mit den Leidenswerk-
zeugen in den Händen und rückwärts an das Kreuz gelehnt.
Daneben auf jeder Seite steht eine andächtig betende Frau
— ich glaube die göttliche Mutter und die Büsserin Magda-
lena. Etwas entfernter ist die heil. Agnes mit dem Lamm.
Wahrscheinlich hat diese hier Platz gefunden als Patronin.
da ihr schon im XI. Jahrhundert ein Altar in der alten Dom-
kirche geweiht war. Die ganze Darstellung und die Armuth
der Technik führen diese Bilder in das XIV. Jahrhundert zu-
zurück. Denn die Heiligenscheine sind zur Elfectuirung einer
Perspective an der obern Seite über die Wandfläche mittelst
eines Untersatzes von Mörtel oder Gyps erhöht; andere
Theile hingegen, wie z.B. die Schnallen am Mantel der
seligsten Jungfrau, in den Mörtel eingegraben. Es ist sehr
zu bedauern, dass der untere Theil der Gemälde, welche
hier wahrscheinlich Ins zum Sockel herabreichen, von den
Grabsteinen bedeckt ist. Man sieht nur mehr einige wun-
derschöne Köpfe darüber herausblicken. Einer nicht Jüngern
/.eil als die beiden genannten Bilder scheinen auch alle
andern in diesen drei Arcailen anzugehören. Sehr inter-
essant sind die Vorstellungen auf den Deckenfeldern der
zehnten Arcade. Sie enthalten in deutlichen Sinnbildern
einen reichen und tief durchdachten moralischen Stoff, und
«erden gewiss sei Vielen, die hierin die Kathedrale ein-
getreten --iuiI. ein Wert der Warnung und Ermahnung zu-
gesprochen haben. Jede der vier Gewölbekappen enthält
eine v • • 1 1 k men abgeschlossene Lehre und zwar in Gegen-
sätzen. Es lohnt der Mühe, die einzelnen Darstellungen
näher zu beschreiben. ■ — Die 1. Kappe zeigt einen
Mann , welcher seine Habe /.um Besten der Mitmenschen
verwendet, und einen andern, welcher vom Geiz geblendel
Schätze auf Schätze häuft. Den ersteren charakterisüi dir
Inschrift: „Ostium. meum. patuit. viatori"; den letztern der
Spruch: „Quid, faciam. quod. non. congregem. fruetus.
meos." Jenen zieht ein Engel zum Himmel auf mit den
Worten: ..jlealus. es. et. heue. tibi, crit."; diesem aberruft
er die Verdammungsworte entgegen: „Stufte, animam. tuara.
ac. nocte. repetivit. ate. = 0,ue. autem. parasti. cuius
erunt."
Die 2. Kappe zeigt einen Bischof, welcher im Acker-
leide des Herrn pflügt, und einen andern, welcher träge auf
den Boden schaut. Von jenem heisst es: „lex. veritatis. fuit.
inore. ejus. = Multos. avertit. abiniquitate. = Domine.
quinque. talenta. lucratus. sum." Von diesem aber: „Canes.
muti. non. valenles. latrare. = Aligant, honera. gravia. et
importabilia. = Doniine. ecce. munera tua. que hahui.
reposita. insudario." Den erstem zieht ein Engel zum Himmel
auf unter den freundlichen Worten: „Intra: ingaudmm.
domini. tui."
In der 3. Kappe wird der biblische Gedanke ausge-
führt: Zwei liegen in einem Bette, der eine wird vom Engel
in den Himmel aufgenommen, der andere aber zurück-
gelassen. Jener spricht: „Oculi. mei, semper. addeum.".
dieser: „Genua, mea. infirmata. sunt, aieiunio." Die nähere,
tief gedachte Erklärung ist im untern Theile der Felder mit
den folgenden Sprüchen gegeben, und zwar zum erstem:
„0 quam honus. et. suavis. est. domine. Spiritus, tuus. Quam.
magna, multitudo. dulcedinis tue"; und zum letztern: „Non.
onmis. qui dicit mihi, domine. domine. intrabit. regnum. Vos
estis. qui justilicalis. vos. coram. hominibus. deus. autem.
novit, corda. vestra."
Die 4. Kappe zeigt uns den bussfertigen Sünder, wel-
cher vom Engel in den Himmel gezogen, und den stolzen
Pharisäer, welcher auf der Erde zurückgelassen wird. Beim
erstem steht der Spruch: „Deus. propicius. esto. michi.
peccatori.", beim letztern: „Non. sum. sicut. ceteri . . .
adultri.", und beim Engel: „gaudium. est. angelis. dei.
super, nun. peccatore." Bemerkenswert) ist in dieser Kappe
die Darstellung des riesigen Levialhan. welcher unter
den Hauptfiguren angebracht ist. Ein Seeungeheuer hält in
seinem Bauche Menschen verschlossen: vom Himmel herab
senkt sich die liuthe mit dem eisernen Haken in die Flnthen:
das Ungeheuer beisst am Köder und wird gefangen; eine
vom Himmel herabreichende Hand schneidet ihm den Bauch
auf. aus welchem nun die befreiten Menschen herausstei-
gen. Den Sinn dieser Vorstellung erklär) der alle Mystiker
Rupert von Deuz , indem er das Erlösungswerk mit einer
langen Fischerruthe vergleicht, welche am Ende mit dem
eisernen Ilaken eine Speise tragend, d. h. den wahren
Gotl im wahren Fleische, in die Flnthen der Welt eingesenkt
worden, um den Levialhan zu fangen, die grosse Schlange,
welche die menschlichen Seelen verschlungen hat (de divin.
olficiis per anui circulimi I. 3, cap. lil). Wollt«* man diese
Erklärung auf unsere Vorstellung des /ollners und Phari-
säers anwenden. s,i wäre sie auf das h. Sacrament der Busse
zu beziehen.
— 37 —
Die eben beschriebenen Bilder der vier Gewölbekappen
sind alle schon vor Jahrhunderten, wie es scheint, mit Tem-
perafarben übermalt worden , nur ein paar wunderschöne
Köpfe mit kraftigen Zügen sind vom alten Originale noch jetzt
erhalten.
Das innere Schildfeld der zehnten Arcade zeigt uns die
heil. Kümmernis mit einer betenden Volksmenge umgeben,
und den heil. Sebastian, wie er mit Pfeilen beschossen wird.
Diese Bilder sind im obern Theile noch gut erhalten, unten
aber vom Mauerfrass beschädigt.
Die Deckengemälde der eilfiten Arcade stellen die
sieben Werke der Barmherzigkeit und die Para-
bel vom reichen Prasser und dem armen Laza-
rus vor. Auch diese Gemälde sind alle, wie es scheint,
schon vor Jahrhunderten und mit Temperafarben übermalt
worden. Das innere Schildfeld ist vom erhöhten Arcaden-
bogen durchbrochen.
In den Feldern des Gewölbes der zwölften Arcade
erscheinen die Patrone der Kathedrale und andere in unse-
rer Diöcese besonders verehrte Heiligen. Sie sind durch
Inschriften kennbar gemacht, welche ich hier, insoweit sie
noch gelesen werden können, in treuen Copien als Schrift-
proben mittheile, weil sie zur Bestimmung des Alters dieser
Gemälde einen sichern Anhaltspunkt bieten. Und ich werde
nicht irren, wenn ich das gleiche Alter für alle drei Arca-
den, die das Portale zunächst umgeben, in Anspruch nehme.
Im 1. und 2. Felde finden sich die Patrone der Kathedrale:
PSTUDS, (ÜI88ti!IlV-&, IWMRVIir und JiDBUUlVS.
Zu unterst im Felde 1 gerade neben dem Portale
erscheint:
KflRRVL" 5RHCFJI . . .
mit gezücktem Schwerte auf dem Throne sitzend, gleichsam
als Hort der Kirche. Diese Vorstellung erinnert an den
grossen Gedanken der Einigkeit zwischen dem Sacerdotium
und Imperium, welchen das Mittelalter anstrebte, aber unter
den Stürmen der Zeit nicht erreichen konnte. Im Felde 3
und 4 finden wir die heil.
piRfninivs und sa^sTmir.
Im 6. und 7. Felde erscheinen drei heil. Frauen: von
den Inschriften konnte ich nur eine lesen, nämlich:
OTILI-L
Im 7. und 8. Felde sind vier heilige Männer angebracht:
von den Inschriften konnte ich nur das nachfolgende ent-
ziffern :
nax, fLomn/.
5IK,B06"jIST- und 15heOBflL()'.
Die Köpfe dieser Figuren sind gut, mit Ausdruck und
in zartem Farbenton ausgeführt, an den Gewandungen er-
kennt man das Wiegenalter der Kunst. — Einige Partien
sind übermalt worden, und in den Feldern 5 — 8 hat der
Mauerfrass namhafte Beschädigungen verursacht.
Das innere Schildfeld zeigt den heil. Alexius
unter der Stiege liegend und drei Märtyrer, welche
ihre eigenen Köpfe tragen. Von den Inschriften konnte ich
nur noch den Namen Experantius lesen. Das erstere
Bild ist übermalt, von letzterm nur der obere Theil noch
erhalten.
In der 13. Arcade, welche wieder Eck-Arcade ist, sind
die Felder alle mit Ausnahme eines einzigen von Mörtel
überkleckst oder mit neuern Malereien überstrichen worden.
Aber dieses einzige Feld (es ist unter dem östlichen Schild-
bogen) zeigt uns ein sehr altes und sehr interessantes Bild,
welches entweder schon ursprünglich in Wachsfarben aus-
geführt oder mit solchen überlasirt worden ist. Es stellt die
heil, drei Könige vor, wie sie dem Heilande das Opfer
bringen. Die Zeichnung lässt Manches zu wünschen übrig,
aber der Ausdruck ist voll Gemüth und Innigkeit, die Aus-
führung äusserst zart und reich. Ausser einigen Klüften
und einer kleinen Partie, welche später al fresco reparirt
worden ist, hat sich das ganze Bild mit seinen frischen und
saftigen Farben noch sehr gut erhalten. Nach der Beschrei-
bung des Besch war unter dem Bilde, wo jetzt Grabsteine
aufgestellt sind, der Donator in der Chorkleidung gemalt
und dabei eine Inschrift angebracht, welche meldete, dass
Conrad Schaller, Beneficiat zur heil. Katharina in der Kathe-
drale, am Vorabend des St. Martins-Tages 1410 verstorben
ist ').
Die 14. Arcade stellt in den verschiedenen Feldern d i e
sieben Freuden Mariens dar, und zwar die Verkün-
digung mit Vorbildern aus dem A. B. (Rebekka und Gedeon),
die Heimsuchung, Geburt, die Huldigung der heil, drei
Könige, Darbringung im Tempel, Wiederfindung Jesu im
Tempel und Krönung Mariens. Alle Felder dieser Arcade
sind sehr beschädigt, theils vom Mauerfrass angegriffen,
theils mit Mörtel überwürfen, theils erbleicht. Nur die Vor-
stellung im äussern Schildfelde, wie Jesus unter den Prie-
stern im Tempel lehrend von Marien und Joseph gefunden
wird, hat sich ziemlich gut erhalten und zeigt ein zartes
Bild. In einem Felde liest man noch die Jahreszahl lVi'.£
(1464). Ferner war hier auch eine Inschrift, welche in den
Monumenten von Besch raitgetheilt wird, jetzt aber von
einem Grabstein verdeckt ist. Diese nennt uns als Stifter
der Bildwerke Johann Gricimola. Canonicus an der Kathe-
drale zu Brisen, welcher am 18. Ausist I 403 gestorben ist =).
1) Ann,. M.CCCC.X. in Vigilia h, Martini obül Dominas C -adas Schal-
ler de Kannenwerch Capellanus sancte Catherine in Ecclesia eathedrali.
Cuius anima cum omnibus fidelibus requiescal in paee. Vmen. —
Monum. 1. pag. 22. num. 19. Resch sagt zwar, diese Inschrift finde
sieh „sul> arcu et imagine Nativitatis Christi.- Allein hier ist sicher
ein Druck- oder Schreibfehler, wie deren mehrere in den n umentis
«Oll Resch gefunden werden. I> das anstossende liild, welches
wirklich die Geburt Christi rorstellt, und wohin also die fragliche
Inschrift nach Resch zu setzen wäre, ist im Felde der Oberdecke,
nicht unter dein Rogen; hat schon eine andere n Schrift
und wurde erst HU4 gemalt Mit dem Bilde der heil. :i Konige
stimmt aber die Jahreszahl 1410 sehr wohl tiberein, es rerrüth sich
offenbar in der Zeichnung und Haltung der Figuren, so wie überhaupt
durch die mangelhafte Technik als eines der altern im Kreuzgange.
2) Anno Domini Millesimo Quadringentesimo I..XIII. Die Will, tnensis
Die Bildwerke der 15. Arcade sind an der Oberdecke
alle zerstört, mit Ausnahme einiger grob übermalter Figuren.
Vom Originale haben sich einige Partien im innen) und bei-
nahe das ganze Gemälde im äussern Schildfelde erhalten.
Dieses stellt die Gottesmutter Marin mit dem
.1 e s ii S k i n dlei n auf dem Throne sitzend vor , zur rechten
Seite die heil. Katharina und die heil. Barbara, zur Linken
zwei Bischöfe, von denen der eine einen Fisch in den Hän-
den trügt (St. Ulrich). Vor den Stufen des Thrones kniet
ein Priester — der Donator — in der alten Chorkleidung.
Die Figuren sind über lebensgross, mit edler Haltung und
•mt gezeichnet: die Malerei scheint in Wachsfarben aus-
geführt zu sein. Unter diesem Bilde befindet sich ein ande-
res als Nebenbild, welches wegen seines Inhaltes interessant
ist. Es stellt nämlich die tiburtinische Sibylle Albti-
iien vor. welche dem Kaiser Augustus im Augenblicke, da
Christus lieberen wurde, denselben in den Armen der Got-
tesmutter bei hellem Tage in einer Vision zeigte. Eine In-
schrift, welche Besch in seinen Monumenlis veröffentlicht
hat, jetzt aber ein Grabstein bedeckt oder das Alter ver-
wischt hat, meldet, dass Johann von Cerwit, Pfarrer in Cöln,
hier am 6. August 1426 die Grabstätte gefunden und Andreas
de Bembis de Freud (?) dieses Bild im .1. 1429 gemalt hat ')•
Die noch übrigen fünf Arcaden (lt> — 20) tragen
kein Gemälde und scheinen auch nie bemalt gewesen zu
sein, indem nach einer Nachricht des Capitelprotokolls vom
.1. 1693 die fremden Krämer im Kreuzgange bis dahin ihre
Waaren feil haben durften, wo die Gemälde und
Gräber aufhören. Wohl aber linden sich in dem Gange,
welcher zwischen der Kathedrale und der alten Collegiat-
kircho auf den Domplatz führt, so wie auch in dieser Kirche
selbst, ferner in der alten Taufcapelle zum heil. Johannes
und in andern Theilen des Münsters noch viele Spuren von
alten Gemälden, welche an mehreren Stellen unter der Tünche
herausschimmern.
Als Anhang lasse ich noch eine kurze Beschreibung
und Geschichte der oben genannten Taufcapelle folgen.
Diese reicht in ein sehr hohes Alter zurück und trägt
ganz den Typus eine« Baptisteriums. Sie ist an den Kreuz-
gang angebaut und durch das einzige Thor mit dem-
selben und der Kathedrale, wie es in den alten Munstern
üblich war, in Verbindung gesetzt. Die Bauart ist die der
Basiliken, ein längliches Viereck mit einer nur wenig aus-
gehöhlten Apside. Eine mit einem hohen Bogen durchbro-
chene Quermauer theilt dieses in zwei ungleiche Theile. Der
grössere bildet das Schilf, in dessen Mitte ein weiter und
tiefer Taufstein angebracht ist, und zwar zur Aufnahme der
Täuflinge bestimmt war. Der kleinere mit der Apside dienen
zur Aufnahme der celebrirenden Priesterschaft und zur Feier
der heiligen Geheimnisse. Der ganze Bau ist im romanischen
Styl durchgeführt. Die achtseitige Kuppel, welche sich vor
der Apside über den Altar erhebt, ist eine leichte und
schwunghafte Partie. Das gothische Kreuzgewölbe wurde in
späterer Zeit über das Schill' gespannt; ursprünglich scheint
dort eine Hache Oberdecke gewesen zu sein. Auf den Seiteu-
wänden sieht man alte Gemälde unter der Tünche hervor-
leuchten und zwar . wie es scheint und von mir wenigstens
an einer Stelle beobachtet worden ist, liegen zwei Farben-
schichten über einander, eine ältere und eine jüngere, und
über diese breitet sich die Tünche. Diese Gapelie diente
auch, wie es überhaupt in den alten Munstern gepflogen
ward, den Domcapitularen als Versammlungsplatz bei wich-
tigen Angelegenheiten. Hier hatten die deutschen und lom-
bardischen Bischöfe, welche an der Seite K. Heinrich's IV.
standen, Papst Gregor VII. abgesetzt und an dessen Stelle
Guibert von Bavenua gewählt (25. Juni 1080). Hier ward
eilf Jahre später unser Bischof Altwin als treuer Anhänger
des Kaisers von Weif dem Altern gefangen genommen. Jetzt
wird diese Capelle beinahe ganz vernachlässigt, da niemand
die Baulast tragen will.
Über den älteren sächischen Kirchenbau und insbesondere die evangelische Pfarrkirche von Mühlbach ')•
Von Fr. Müll it. k. k. Conservator in Schässburj
I
Während in Deutschland die grossartigsten Schöpfun-
gen der romanischen sowohl als der germanischen kirch-
lichen Baukunst den Stiftungen der Fürsten oder dem Eifer
der Geistlichen ihre Entstehung verdanken und die von dem
\,r .■ ti-i i obiil in Xj»i Venerabilia Dominus Johannes dictua Gricimola,
Canonicus Bcclesie Brixinensis. Cuios anima requies'cnt In pace
com :uiiiiNiliiiN . - . Monain. I, pag, 24, num. 42.
'I Doctor egregius Johannes de Cerwit. vir amabiüs i Coloniae Civ.
Rector el providus agendorum omninm. Huiua corpuaculum inferius
hie mb sepultum Anno Domini 1426. VIII. Idus August. Andreas de Bembis
de Freod pixil Uno 1429. Moi I, pag. 22, num. 25. Dieser Johann
ron Cerwil war bis Uli Canonicus iu u". L. Frau in Brixen, in wel-
■ 'I Jahre er, unbekannt aus welcher l rsache, des Canonicatea entsetzt
wurde.
'I Der obige Vnisii/. wurde zwar schon vor längerer Zeit in den in
Siebenbürgen erscheinenden ^Blättern für Geial und Gemüth" (Lief. 24
und 2S) veröffentlicht; d jedoch über die Bauten eines Kronlandea
Ufschlusa tril.i . worüber bis nun sehr vereinzelte Nachrichten zur
Keniitniss des grösseren l'nblicmn.s f;cl:iii[;t sind , und auch die erwühn-
ten Blätter, in welcl r eingereiht wurde, nichl sehr verbreite! sind,
s.i glauben wir eben so sein- dem Verfasser wie unserem Publicum
.■in. 'n Dienst z.n erweism. iinli'iii wir diesen Aufsati i Wieder-
abdrucke bringen. Da derselbe :iu> zwei rheilen, einem -> 1 1 l: <■ inen,
den älteren sächsischen Kirchen! charakterisirenden . und einem
besonderen . die Beschreibung der Pfarrkirche zu Mühlbach enthalt len
be teht, so halien wir. dieser Abtheilung folgend, zur besseren i bersichl
den erwähnten tufsalz mil I I II bezeichnet, und bemerke r,
dass Nummer II In de fichsten Monatablatte folgen wird.
n Red
39 —
Bürgei'stande ausgegangenen Denkmale neben jenen nieist
eine untergeordnete Stellung einnehmen, sind die älteren
Kirchen unseres Vaterlandes, des Sachsenlandes, in ihren
hervorragendsten Vertretern Werke der freien Bürgerhand.
Es ist auch natürlich, dass bei einem Volke, dessen ganzes
äusseres und inneres Leben von der Idee des Bürgerthums
getragen wurde, das vielleicht gerade um dem Druck privi-
legirter Stände zu entgehen, den Schatz der altgermanischen
Gemeinfreiheit in die Hinterwälder des Karpathenlandes
rettete, dieser Grundzug auch in der Architektur zu Tage
tritt. Darum die Burgen auf unsern Bergen Bürgerburgen,
darum die Kirchen in unsern Ringmauern Bürgerkirchen sind.
Die Versuche der deutschen Ritter, sich ein selbstständiges
Leben in unserm Vaterlande zu gründen, scheiterten an der
wohlbegründeten Eifersucht des Königthums und sind, wenn
auch nicht spurlos, doch ohne bedeutenden Einfluss auf Volk
und Land geblieben. Die Kerzer Abtei hätte bei ihrem rei-
chen Grundbesitz und ihrer exemten Stellung auch in archi-
tektonischer Beziehung Nennenswerth.es vollbracht und hat
in der Abteikirche, deren Chor jetzt von der Kerzer Gemeinde
als Kirche benützt wird, ein schönes Denkmal hinterlassen:
allein die damaligen ungünstigen Verhältnisse in Bezug auf
die Stellung der katholischen Geistlichkeit haben ihr
ein frühes Ende bereitet. Der Einfluss des siebenbür-
gischen Bischofs auf das Sachsenland war durch die Wahl-
freiheit und das Recht der Bewohner, den gewählten Geist-
lichen selbst den Zehenten zu geben, zu sehr beschränkt,
als dass es möglich gewesen wäre Kirchen und Capellen
im Lande auf seine Kosten errichten zu lassen. Die
Sorgfalt der Fürsten endlich musste sich zu allen Zeiten
mehr auf die Sicherung des schwankenden Besitzes, als auf
seine innere Ausschmückung richten, und weniger als irgend
eine andere entfaltete unsere Kunst ihre Blüthe am Strahl
der Fürstengunst.
Alle diese Umstände sind von Einfluss auf das ganze
System der älteren sächsischen, besonders kirchlichen Bau-
kunst gewesen. Die Kraft des Bürgerthums war nach zu
vielen Seiten hin in Anspruch genommen , als dass sie sich
in Betreff eines architektonischen Monumentes in gross-
artiger Weise hätte concentriren können. Zunächst wollte
Jeder den eigenen Herd hauen ; dann stellte sich die Not-
wendigkeit heraus, ihn durch den festen Thurm und die
schützende Mauer zu sichern, durch die fleissige Hand seine
Flamme zu erhalten. Der Erwerb war schwer ; nirgend
boten schiffbare Flüsse dem Verkehre eine leichte Strasse,
nirgend die allgemeine Rechtsachtung oder eine starke Re-
gierung die nothwendige Sicherheit. Gar oft wurde mit
eiserner Elle gemessen, und das Leben gedieh, da es fort-
während fast um seine Existenz zu kämpfen hatte, nirgend und
niemals zu jener Freudigkeit, die eine Tochter ungefähr-
deten Wohlstandes und eine Mutter von Unternehmungen
ist, die auf mehr als die Befriedigung des Notwendigen
abzielen. Der Meistersang, das Fastnachtsspiel und der Mum-
menschanz der deutschen Reichsstädte haben in diesem Gau
vor dem starren Ernst des Lebens nicht aufblühen können,
und das Volksfest und das Volkslied trieben nur spärliche
Blüthen. Wo an den uralten Rieht- und Zechtagen die Heiter-
keit sich einmal im Jahre gehen Hess, blieb sie auf kleine
Genossenschaften beschränkt und überschritt in den letztem
nicht die Mauern der Städte. So kam es, dass auch die kirch-
liche Baukunst in unserer Mitte ernster und strenger ge-
blieben ist, als die Jahrhunderte in andern Landein Europa's
es mit sich brachten. War in Bezug auf die weltliche Bau-
kunst, Dauerhaftigkeit und Bequemlichkeit massgebend, so
leitete bei den ältesten kirchlichen Bauten fast nur das bloss«
Bedürfniss. Nirgend die freie heitere Entfaltung des Mutter-
landes, nirgend, selbst in späterer Zeit, auf der Spitze des
schlanken Thurms die offene fröhliche Kreuzblume, sondern
überall auf breiter Grundlage das schwere Dach mit massigem
Knopf als Endziel. Wo im XV. Jahrhunderte endlich die
Kunst einen leichtern Flug zu beginnen scheint, sinkt sie
fast durchwegs auf halbem Wege bereits ermattet zu Boden
Daher neben recht schönen lichten Chorbauten an manchen
Orten jene plumpen düstern Schiffe. — recht eigentlich ein
wehmutherregendes Bild des in seinem freiesten Aufschwünge
unterbrochenen Lehens.
Der deutsche Stamm hatte unter den anjuuischen Kö-
nigen starke Wurzeln geschlagen in der neuen Heimat, deren
Ruhm und Stütze ihn das Königswort nannte. Unter Sigis-
mund trieb er vielverheissende Blüthen. wir rechnen darun-
ter auch die Pfarr- und Hauptkirchen von Kronstadt (138S
bis 1425). von Reps (1400), von Klausenburg (beendigt
1414), von Schässburg (angefangen 142!»). von Schorscb
bei Mediasch (1422), von Hermannstadt (1431) und zahl-
reiche andere ähnliche Bauten. Schöne Glocken und Tauf-
becken überschritten bereits die Gränze des blossen Bedürf-
nisses, wie dieGlocken von Bepsl 402. von Hermannstadt 1417.
Schässburg 1419. Honigberg 1422. Heldsdorf 1431, das
Taufbecken in der Klosterkirche von Schässburg 141 1 ange
fertigt zeigen. Da brachen 1420 zum ersten Male die Türken ins
Land : der Friede entfloh; Hammer und Meissel wurden wieder
Speer und Schwert: man beschleunigte, oft nicht nach dem
ursprünglichen Plane, den begonnenen Kirchbau: wo die alte
Capelle den Einsturz drohte, führte man in Eile ein neues
Werk auf und sah mehr auf Festigkeit denn auf Schönheit.
(Aus dem nächsten Jahrhunderte sind aus der Nahe von
Schässburg u. a. hieher zu zählen die frühere Kirche von
Schweischer 1452, die Klosterlurche von Schässburg 1482
bis 1515 nach Marienburg, — die Kirche von Kaisd 1496,
und Bodendorf 1519.) Nur im Guss der Glocken mehrt sich
mit dem Eifer die Sorgfalt, und es entstanden die schönen
Glocken von Mälmkrug 1400. von Nadesch ') 1470. Fell-
dorf 1496, Kaisd 150(5, Neudorf 1508, die Hermannstädter
') Sic tiüLft die interessante sächische Inschrift: „hell <-,\ Hario berot. \<>
WCCCCLXX •
— 40
Stundenglocken von 1521, und die sein- zahllosen, aber mit
Gewissheit dieser Zeit zuzuweisenden von Zuekmantel, Mal-
dorf, Marktscheiken, Rauthai, die grösste auf der Sehäss-
burger Spitalkirche u. s. w. Damals brauchte mau sie wohl
eben SO oft, um die Gemeinde zum wilden Landsturm als
zur stillen Andacht zu rufen, und ihr Vorhandensein nicht
nur. sondern auch ihre Grösse, ihr lauter klang und ihre
Solidität überhaupt waren durch das praktische Lehen
geboten. Nicht bloss im Orte durften sie gehört werden,
g lern auf der ganzen Markung, um die im Felde Zerstreu-
ten bei der oft ungeahnten Annäherung des Feindes eiligst
in den schützenden Mauern zu versammeln , so wie auch im
Nachbardorf^ um zu Hilfe zu rufen und den Aufstand und
Wachsamkeit weiter und weiter zu pflanzen.
Solchen Einfluss übte das Leben auch auf die kirch-
liehe Baukunst im Sachsenlande und auf Alles, was in
näherer oder fernerer Beziehung dazu steht.
Fehlte nun dem Gesagten zu Folge schon der Wohl-
stand und die Ruhe, um auf diesem Gebiete mehr als
Gewöhnliches zu leisten, so stellte auch das Material an
vielen Orten kunstvollen Bauten fast unüberwindliche
Schwierigkeiten entgegen. Nur wenige Gegenden des Lan-
des besitzen den Sandstein in solcher Härte wie er zu orna-
mentaler Anwendung nothwendig ist. An den meisten Kirchen
iles Sachenlandes finden wir ihn nur spärlich au den Ecken,
den Fenstern und Portalen und hie und da an den Pfeilern
angewandt. Wo man ihn. wie zu der Schässburger Berg-
kirche, wenigstens zwei Tagereisen weit herholen musste.
findet diese Sparsamkeit eine genügende Erklärung. Weichere
Bruchsteine, Geschiebe, besonders aber Backsteine waren
es, worauf man hingewiesen wurde; Material, welches viele
und gerade die kunstreichsten Formen, namentlich der
gothischen Architektur von vorn herein unmöglich macht.
dabei' findet sich z. B. kein einziger Thurm in Sieben-
bürgen, i\>-v in (gothischem) Style ausgeführt wäre;
Daher die grosse Seltenheit schöner Pfeiler und zierlicher
Capitäle: daher die grosse Einfachheit der Fenster und Gie-
bel und die gewöhnlich ärmliche Ausstattung des ganzen
äussern. Hatte die echt antike Baukunst einst das Innere
vernachlässigt und ihre ganze Aufmerksamkeit dem Äussern
zugewandt, so linden wir hier unter dem zwingenden Ein-
fluss des Materials das gerade Gegcntheil. Die Pfeiler, selbst
wii sie verhältnissmässig schlank und leicht erscheinen, sind
sechs- oder achteckig, und ihr Eindruck behält immer den
lieigeschmack des Massenhaften, die Gewölbe erheben sieb
gewöhnlichim Flachbogen und steigen selten zur Erhabenheil
ibs Spitzbogens an; die Fenster entbehren nach Aussen hin
der schmuckreichen Fenstergiebel ; das Mittelschiff steig! sei-
len bedeutend über die Seitenschiffe, nirgends erscheint der
kühne Strebbogen: die kable Wand ist überall unangenehm
vorherrschend; nur ein Thurm, in der Mitte der Facade
angebracht; selbst der Grundriss gewöhnlich zu starr, um
nur einlach genannt zu werden, lud wenn sieb auch die
ganze Sorgfalt auf das Innere coneentrirte, so reichte sie
doch gewöhnlich nicht hin, den Ansprüchen der Ästhetik
im Ganzen auch um- annäherungsweise zu entsprechen. Sie
(heilte in dieser Hinsicht das Schicksal der niederrheinischen
und der Ostseekirchon. bei denen aus denselben Ursachen
dieselbe höchste Vereinfachung aller Details zu Tage tritt.
Am auffallendsten erscheint diese Armuth, wenn sie sieh
genöthigl siebt, die Überbleibsel römischer Bauwerke in
ihren rohen Formen mit zu verwenden, wie dies au den
Kirchen von Galt und Grosspold ohne Zweifel der Fall und
bei dem Portal der Burgkirche von Michelsberg nicht un-
wahrscheinlich ist, und die Sage auch von den Quadern, aus
denen die Hermannstädter evangelische Pfarrkirche erbaut
worden, behauptet. Warum hätte mau auch bei dein grossen
Maugel an dauerhaftem Material die gewiss in nicht geringer
Masse vorhandenen Trümmer römischer Kunst nicht benutzen
sollen; und hat man römische Ziegeln und zugehauene
Steine bei Thorda, Karlsburg. Krako, im Hazeger Tbale, und
selbst in Schässburg als Baumaterial bei Privatgebäuden be-
nutzt, warum sollte man nicht die Reste römischer Portale
in die alten christlichen Kirchen des Sachsenlandes mit ver-
braucht haben ? Dieselbe Erscheinung findet sich in Italien
und anderswo bei den Übergängen aus dem lleidenthume
in das Christenthum, und man wandte häufig selbst in Rom
Baustücke aus antiken Tempeln in oft höchst unpassender
Weise bei der Aufführung der christlichen Basiliken an,
„wobei es noch als besonderes Glück angesehen werden
musste, wenn man, namentlich was die Säulen anbetrifft,
eine genügende Anzahl übereinstimmender Stücke zusam-
menbringen konnte.-' (Kugler. Handbuch der Kunstge-
schichte, p. 329.)
Natürlich blieben indess solche Bauwerke immer man-
gelhaft und unvollkommen und nur da konnte das vollendete
Werk einen befriedigenden Eindruck machen und vollen-
deter erscheinen, wo, wie bei der Kronstädter evangelischen
Hauptkirche, das Material nicht in so kümmerlicher Weise
zusammengelesen werden musste. sondern sich in nahen
Steinbrüchen der kunstfertigen Hand leichter darbot. Wo
diese Benützung antiker Werkstücke sichaufmehr als blosse
Quadern bezog und insbesondere ornamentale Überreste,
z. B. Säulen- und Ibigenlrüimner anwandte, machte die ver-
wandte Form der letzteren die Annahme und längere Beibe-
haltung des romanischen Baustyles nothwendig. Der antike
Bundbogen und die römische Säule konnten nicht wohl als
Glieder germanischer Bauwerke eingeführi werden. \*fr
Übergang aus dem einen in den andern Baustyl, der in
Deutschland im XIII. Jahrhundert erfolgte, fällt bei uns erst in
das XIV.. und die meisten der eben bezeichneten, mit Benü-
tzung antiker Arbeiten errichteten Mon mte gehören da-
her ganz oder theilweise den beiden ersten Jahrhunderten
nach der Einwanderung der beiden Geisa'schen Colonisten
an, so die auch in ihrem Grundriss r anische Burgkirche
viin Michelsberg, der Kirehthurm vor Grosspold und die
— 41
Kirche von Sächsisch-Reen. An der äussern Seite des Sacristei-
fensters der letztem ist über dem Wappen von Reen (die Lilie
und der Stern mit den Buchstaben o. p. r.) die Jahreszahl
1321 und über der Sacristei folgende Inschrift zu lesen:
„Anno dominiMCCCXXX. Construitur. domus. marie. temporn.
nicolai. plebani. curebus. magistrie. thome. patroni. ecclesia."
Eine besondere Schwierigkeit bei der Altersbestimmung
der sächsischen Kirchen bildet ihre Stellung in dem Ver-
theidigungssystem der gesammten Colonie. Die sächsische
Kirche, vorzüglich die Dorfkirche, war nämlich oft schon
ihrer ersten Anlage nach nicht bloss Bethaus, sondern auch
integrirender Bestandteil des Castells, der „Burg". Daher
zunächst ihr gewöhnlicher Platz ein Hügel oder Bergvor-
sprung an der Seite oder in der Mitte des Dorfes, daher
ihre feste Construction, daher ihre engen schiesss chart en-
artigen Fenster, daher ihr oberer Theil oft vollständig zur Ver-
teidigung eingerichtet, daher ihre nächste Umgebung die
häufig doppelte Ringmauer mit den festen Thürmen und Ba-
steien. Der Chor mancher Kirchen, z.B. der in Marktscheiken,
zeigt dieses System sogar in den abwärts gehenden nach
aussen versteckten Schiessscharten; auf andern, z. B. der in
Schweischer, liegen noch die Steine, die den stürmenden
Feind zu zerschmettern bestimmt waren. Alle diese Eigen-
tümlichkeiten modificiren den Baustyl so bedeutend, dass,
wo bestimmtere Angaben fehlen, nur aus ornamentalen Glie-
dern auf die Bauzeit geschlossen werden kann, eine .Methode,
die selten zu absoluter Gewissheit führt. In den ummauerten
Städten allein lassen sich die Terminologie und der Massstab
der Kunst mit grösserer Sicherheit anlegen, obwohl auch
hier die Bauart so inconsequent und der Styl so verwildert
ist, dass die Bestimmung eine schwere wird. Daher kommt
es, dass die Kunstkenner und Freunde der Vaterlandskunde
oft über architektonische Denkmäler, die zu den interessan-
testen des Vaterlandes gehören, und die Zeit ihrer Entste-
hung in ihren Ansichten von einander abweichen. Ist dieses
schon bei den Hauptkirchen von Hermannstadt, Schä.-sburg
und Burzenland der Fall '), so steigert sich die Verwirrung
noch, wo die einzelnen Theile des Gebäudes verschiedenen
Zeiten angehören, wie dies insbesondere bei der evangeli-
schen Kirche von Mühlbach sich trifft.
Baiidenkmale in Meran.
Die Pfarrkirche ist ein schöner gothischer Bau.
Urkundlichen Nachrichten zufolge wurde sie unter Heinrich
von Böhmen, Meinhard's III. Sohne, zwischen 1310 und
133S gebaut. Der Landesfürst und die Bürgersfrau Batlina
Hemelin bestritten die Kosten. Gegenwärtig ist von diesem
Baue nur noch der Thurm übrig, der für den höchsten in
Tirol gilt; er ruht auf einem Bogen, der einen Durchgang
bildet, und steigt in mehreren Geschossen empor. Den
oberen Theil zieren Spitzbogenfenster mit dem schönsten
Masswerk im reinsten Style in den Bogenfeldern und eine
zierlich durchbrochene Gallerie. Im Durchgange unten sieht
man sehr interessante, gleichzeitige Fresken, noch ziemlich
erhalten, obwohl sehr einer Restauration bedürftig und auch
derselben würdig. Auf einer Seite sind mehrere Heiligen-
Figuren dargestellt, auf der andern ein vor einem Kreuze
im Walde knieender Mann, hinter ihm steht ein anderer in
orientalischer Tracht, der auf das Kreuz deutet. Der Styl
dieser Malereien ist der des XIV. Jahrhunderts, und erinnert
an die Gemälde des Thomas von Mutina und anderer ober-
italienischer Künstler dieser Zeit. Die Figuren sind schmal,
die Bewegungen rund, besonders die Haltung der Arme,
die Falten gezogen ; die weichen Köpfe mit schmalen Augen
haben blasse Schatten mit hellen, weisslichen Lichtern, der
Ausdruck ist gering.
Ein späterer Bau ist die Kirche, aus der zweiten
Hälfte des XV. Jahrhunderts, dreischiffig, ohne Querschiff,
Chor und Abseiten aus dem Achteck geschlossen. In den
Bauformen schliesst sie sich den Kirchen Oberitaliens an,
wo der gothische Styl nie zu lebendiger und consequenter
Durchbildung gelangte, sondern fast immer ältere Formen
des romanischen Styles oder sogar antike Elemente ein-
mischte. Sehr interessant ist die Facade, ein Ziegel hau
(wie der Dom von Bergamo, die Kirchen S. Anastasia and
S. Fermo maggiore in Verona), wie solche in den baltischen
Ländern gewöhnlich sind, stufenartig, mit eingeblendeten,
im Flachbogen bedeckten Fenstern, an den Kanten kleine
Thürmchen mit Zinnen; über dem Portale ein schönes
Bundfenster. Durch diese Anordnung bringt die Facade mehr
den Eindruck eines bürgerlichen, städtischen, als eines
kirchlichen Bauwerkes hervor. Im Innern wirken die Säulen.
aus denen ohne Vermittelung eines Capitäles die gratigen
Gewölbsrippen hervortreten, störend und passen, da sie unge-
gliedert sind, wenig zu der gothischen Anlage. Die Fenster
haben reiches Masswerl;, in dem die bekannte der Ausgangs-
epoche des gothischen Styles angehörende Fischblasenfigur
oft wiederkehrt. Die aus der Spitalkirche bieher versetzten
Glasgemälde zeigen in sechs Tafeln die Verklärung Christi,
unten die unbefleckte Empfängniss, zu beiden Seilen den
Stifter und seine Gemahlin, von Engeln der Gottesmutter
gleichsam vorgestellt; darunter die Aufschrift : Anna Grün-
hofer anno dni 1X93 (1493). Die Figuren sind wohl arg
verzeichnet, aber nicht ohne Charakter und Ausdruck, die
Farbengebung ist vortrefflich, tief und kräftig.
Die Kanzel ist ebenfalls im gothischen Style; die
durchbrochen gearbeitete Balustrade der Treppe enthält
') Die erang. Pfarrkirche von Bermannstadl nach Marienburg Geogr ror
1357, nach Mökesch nach oder um 1431 ; die grosse Kirche von Kronstadt
nach Marienburg 1383 oder 1385—1424, nachTrausch, Magazin, 138$ b s
1425: die Nikolaus- oder Bergkirche von Schässburg nach Marienburg
142!»— 1434. nach Neuen 1429 — 149S.
6
— 42
wieder die bekannte Fischblasenfigur. — Noch ist ein die
Kreaztragung vorstellendes Frescobild neben dem Portale
d<T Facade zu erwähnen, im Style des XV. Jahrhunderts,
aber von ziemlich handwerksmässiger Behandlung. — Neben
der Kirche stehl abgesondert eine jener in Österreich so
häufig vorkommenden Grabcap'ellen (in älteren Zeiten
„Karner" genannt), welche in der Periode des romanischen
Styles typisch die Kreisform mit halbkreisförmiger Altar-
vorlage hatten, später aber, den Gesetzen des gothischen
Styles folgend, eine eckige Gestalt erhielten. Die in Hede
stehende ist achteckig, mit einem schönen, sternförmigen
Kreuzgewölbe eingedeckt, dessen Rippen in den Ecken auf
gegliederten Halbsäulen ruhen; die schmalen Fenster sind
spitzbogig; an der Aussenseite ist ein heil. Christoph, —
als S\ iiilnil der Kirche — al fresco gemalt. Unter der Capelle,
welche augenscheinlich ans derselben Zeit herrührt, wie die
Kirche, befindet sieh eine dreitheilige Gruft mit zwei Reihen
kurzer Säulen ohne Capital und geripptem Kreuzgewölbe.
Die kleine Spitalkirche, ein viereckter, dreiseitig
geschlossener Raum ohne Pfeiler, mit einem kleinen Erker-
thürmchen auf der Spitze des Giebels der Westseile, ist
ebenfalls ein Bauwerk des XV. Jahrhunderts (1483 begon-
nen). Bemerkenswerth ist das schöne .Netzwerk , welches
die Rippen der zusammengesetzten Kreuzgewölbe bilden,
und ein ziemlieb plump gearbeitetes Relief im Rogenfelde
der Eingangstliüre. die Trinität darstellend, indem Gott
Vater mit beiden Händen das Crueilix hält, darüber der heil.
Geist in Taubengestalt, zu beiden Seiten die knieenden
Donatoren.
Von hohem Interesse ist in der an altertümlichen Gebäu-
den überhaupt sehr reichen Stadt das sogenannte Keller-
amtsgebäude, der Ort fürstlicher Hofhaltung, unter Rein-
hard II. um die Mitte des XIII. Jahrb. gegründet, einst die
Residenz der Landesfürsten. Hier befindet sich die Capelle.
in welcher die mehr berüchtigte als berühmte Margarethe
Maultas'bh mit ihrem zweiten Gemahle, Ludwig dem Bran-
denburger, im Jahre 1342 getraut wurde. Es ist ein kleiner,
mit einem Kreuzgewölbe bedeckter Raum; an der Wand
sind zwei Heilige gemalt, aber sehr schadhaft. Besser
erhalten, aber aus späterer Zeit sind die Fresken in der
Sacristei, auf grünem Grunde in schwarzen Umrissen,
mit Lichtern gehöht; es sind drei Bilder. Das oberste stellt
zur Verherrlichung der Tonkunsl Tubalkain, den Erfinder
der Musik, dar. daneben kenig David mil der Harfe, als den
grössten Sänger; das zweite. Mann und Frau, die glückliche
Ehe repräsentirend, zu unterst ein laufender Hase, auf dem
eine Schnecke sil/t. mnthmasslich ein Spott auf die Luxem-
burger und der mit ihnen verbündeten kirchlichen Gewalt. Hie
beiden letzteren Rüder sind sehr verwischt und schmutzig;
durch eine zweckmässige Reinigung könnten sie aber bei
weitem deutlicher erseheinen. Die eckigen Bewegungen der
Figuren, die stark gebrochenen Kalten, das lnirgundische Co-
stüme mit Schnabelschuhen u. s. w. sind charakteristische
Merkmale der Kunst des XV. Jahrhunderts. Über dem Fenster
ist ein Ruhurd dargestellt nebst schönen Arabesken. Als
Maler wird ein Christofoi'US von Meran angegeben. Auf der
Thiire sind Engel und Heilige gemalt, ebenfalls im Style
des XV. Jahrhunderts . dabei die sonderbare Inschrift :
ANANISAPTA, welche aber durch Schriftbänder, welche
die Engeln halten, erklärt wird, nämlich: Antidoten Nazareni
Auferaf Necem Intoxationis S.anctificet Alimenta Pocula Tri-
nitas Alma. Diese Inschrift , welche auf Anmieten und
Ringen öfter vorkommt und als zauberkräftig galt, gab zu
verschiedenen hypothetischen Erklärungen Aidass , aber
eine Auslegung aus dem Mittelalter selbst ist mir ausser
hier nicht bekannt und daher um so interessanter, da sie
die Bedeutung der aus den Anfangsbuchstaben des Spruches
zusammengesetzten Formel feststellt. Sie bezieht sieh hier
auf die in diesem Räume bewahrten kirchlichen Geräihe.
als in welchen der Leib und das Blut Christi die Seele vor
dem Tode durch das Gift der Sehlange bewahren und
Segen bringend wirken seil.
Bemerkenswerth ist auch die vortreffliche Täfelung
'der sogenannten Kaiserzimmer mit verwischten Bildern
und sehr gut in Relief gearbeiteten Wappen von Österreich,
Tirol, Braunschweig U. S. «•■ endlich ein grüner Kachel-
ofen aus dem XV. .lalirb lerl . dessen halb erhobene
Bildwerke: Engel mit Wappenschildern, St. Georg, der
österreichische Bindenschild mit dem Stechhelme , der
thronende Gott Vater, unterhalb die Jungfrau, in deren
Seboos sich das Einhorn flüchtet (ein Symbol der Mensch-
werdung Christi) — tlie Rand eines tüchtigen Künstlers
bekunden, denn sie sind vidi Leben und Aninuth. Die
Wappen der Täfelung scheinen den bekannten Herzog
Friedrieb mil i\w Iceren Tasche als denjenigen zu bezeich-
nen, welcher diese Gemächer einrichtete, und der im Jahre
1414 den Papst Johann XXII. auf seiner Fahrt zum Costnitzer
Concil in Meran emling. Ed. I'reihcrr V. Sacken.
Die mittelalterliche Kirch enthüre bei den Kapuzinern in Salzburg.
(Nach einem Berichte des Herrn k. k. Conserrators Süss in Salzburg.)
Wer vor den Eingang in die Kirche der Kapuziner in
Salzburg gelangt, dem wird es bei näherer kundiger Be-
trachtung auffallen, dass an der erst um das ,1. 1600 erbau-
ten und sehr einfachen Kirche sieh eine Tlmre mit Seulp-
turen vorfindet, die nicht nur au sich schön und Qeissig
gearbeitet ist. sondern auch ihrer Behandjung nach einer
weit früheren Periode angehört, als jener, in welche die
Erbauungszeit der Kirche fällt. Zugleich wird sich zeigen.
■»"■WT
15
— 43 —
tlass diese Thiire dem der Bauperiode der Kirche ungehö-
rigen steinernen Portale aus weissem Marmor , worauf sich
üherdies das Wappen des Erbauers Erzbischofs Wolf Diet-
rich befindet, nur angepasst wurde. Dies scheint auf nach-
folgende Weise gekommen zu sein:
Im Jahre 1598 brannte in Salzburg abermals die erst
zwischen 1384- — 1488 wieder erbaute Domkirche ab. Der
baulustige Erzbischof Wolf Dietrich, der schon lange mit
dem Plane der Erbauung einer neuen Domkirche umgegan-
gen sein soll, jedoch kein Freund altdeutscher Kunst war,
zeigte auch keine Lust mehr, den alten Dom wieder aufzu-
bauen, sondern Hess ihn gänzlich niederreissen. Viele der
schätzbarsten und von dem Brande, verschonten Überreste
des Domes wurden nun zerstreut und zu den verschiedensten
Zwecken verwendet. Ein Altar kam in die Kirche Aigen,
andere kirchliche Bestandteile sowohl in das Kioster als in
die Kirche von Nonnberg, und die schönen Tragsäulen der
Kanzel aus rothein Marmor mit vorragenden Statuen der
deutschen Kaiser wurden theils zur Decorirung eines Bassins
in Petersbrunn verwendet, theils in Strassenmauern einge-
setzt, von wo sie erst später — durch die ausgezeichnete Für-
sorge des Hrn. k. k. (Konservators Süss in Salzburg in Bezug
auf die Erhaltung der dortigen ßaudenkmale — ausgeho-
ben, gesammelt und im Landesmuseum zu Salzburg auf-
gestellt wurden.
Als dann im Jahre 1594 Erzbischof Wolf Dietrich die
Kapuziner nach Salzburg berief und im Jahre 1599 das für
sie bestimmte Kloster sammt der Kirche vollendet war, erhielt
auch die noch übrig gebliebene Kirchentbüre des alten abge-
brannten Domes eine entsprechende Verwendung bei der
neu erbauten Kirche, nur dass auch hiebei jener Mangel an
Kunstverständniss und jene bedauerliche Verstümraelungs-
sucht vorwaltete, «eiche sich schon bei den früher erwähn-
ten Kirchenbestandtheilen geltend gemacht hatten.
In der Kirchentbüre befanden sich nämlich 14 Füllun-
gen mit Basreliefs, welche in zwei senkrechte Reihen getheilt
waren. Die zwei obersten Basreliefs stellten diu h. Joseph
und die gekrönte Himmelskönigin Maria vor, die übrigen
12 Basreliefs die zwölf Apostel in ausdrucksvollen Brustbil-
dern und mit fliegenden Bändern, ohne irgend eine Wieder-
holung in den verschiedenen charakteristischen Köpfen. Auf
einem der fliegenden Bänder war die Jahreszahl 1471» ange-
bracht. Ohne Berücksichtigung des Zusammenhanges der
ganzen neu-testamentarischen Darstellung wurden nun, als
man die im alten Dome angebrachte Thiire in den Thürstock
der neuen Kapuziner-Kirche einsetzte, die zwei untersten
Basreliefs abgeschnitten, so dass nur zehn Apostel übrig
blieben, — ein Vorgang, der offenbar das Symbolische der
Figuren zerstört hat.
Als ein Beitrag zur Sculpturkunst des XV. Jahrhunderts
in Salzburg bleibt aber diese Kirchenthiü'e auch in ihrem
jetzigen Zustande jedenfalls von hohem Interesse, daher auch
der k. k. Conservator Süss in Salzburg sich bestimmt fand,
hievon eine getreue Zeichnung der k. k. CentraL-Commission
vorzulegen, welche wir mit der Tafel III der Veröffentlichung
übergeben.
Notizen.
15. (Die Stadtpfarrkirche in S t e i e r.)
Dieselbe ist ein imposantes, gotl'isches Bauwerk, über
30 Klafter lang, 13 Klafter breit, von eigentbümlicher An-
lage. Sie wurde von dem Baumeister des St. Stephansdomes
in Wien, Hanns Buchs bäum >)- in der ersten Hälfte des
XV. Jahrhunderts erbaut und im Jahre 1443 eingeweiht.
Unverkennbar nahm sich der Baumeister die St. Stephans-
Kirche zum Vorbild , was besonders in der Detailbildung
hervortritt. Schiff und Chor sind in eins verschmolzen und
die ganze Kirche besteht aus einem dreitheiligen Baume, der
gegen Osten aus dem Achteck geschlossen ist. — der Mit-
telraum mit drei Seiten, die beiden Nebenräume mit je zwei
Seiten des Achtecks. Sechzehn mächtige Pfeiler trennen
ersteren von den gleich hohen Abseiten, welche um ein
Drittel schmäler sind. Die Gliederung der Pfeiler ist genau
wie im Wiener Dome; sie besteht nämlich bei viereckiger
Grundform des Pfeilers in zwei Bündeln von je drei Halb-
säulen als Dienste für die Bippen der zusammengesetzten
'( Als Baumeister von St. Stephan erscheint Buchsbaura erst U4C; früher
(seit H20) war er Polier.
Kreuzgewölbe von Haupt- und Seitenschiff und zwei Bündeln
von einem starken und zwei schwächeren Gratstäben als
Träger der Hängebügen, welche die Pfeiler einer Reibe mit
einander verbinden.
Die Halbsäulen haben einfache Capitäle mit rieltckigen,
ausgeschweiften Decksimsen, die Glieder der Hängebögen
ziehen sich ohne Unterbrechung herum; einige der Träger
für die Kreuzrippen sind durch Consolen und Baldachine für
Figuren unterbrochen. An den Wänden, an deren Aussen-
seite mächtige, in vier Geschossen aufsteigende Strebe-
pfeiler die Widerlager der Gewölbe bilden, setzen die (le-
wölbsrippen auf Bündel von je drei Halbsäulen auf. Von den
drei Eingängen haben die au der West- und Nordseite Wir-
hallen. Festere ist ein offener Durchgang unter dem Orgel-
ehore, au den Wänden sind mit Wülsten eingefasste Nischen
angebracht, welche steinerhe Sitzbänke enthalten; aus der
zweiten führen zwei Thüren neben einander in das Innere,
daneben auf Säulehen Consolen mit den Figuren der Heiligen
Jacobus major. Elisabeth und Agnes: diese sind trefflich
gearbeitet von lieblichem Ausdruck: die geschwungenen
f."
— 44 —
Leiber und gezogenen Falten bekunden den Styl der Früh-
zeit des XV. Jahrhunderts. In ilem Spitzbogonfelde ilor einen
Thür ist ein Relief, Maria Himmelfahrt, eine schwache Arbeil
von IS 25, überdies sehr beschädigt. Ganz herrlich sind die
hohen, vierlichtigen Fenster mit dem schönsten Masswerk
von mannigfaltig variirten Formen in den Bogenfeldern. Die
hier noch erhaltenen Glasmalereien sind von verschie-
denem Werthe; die beste ist eine Vorstellung des Todes der
h. Maria in grossen Figuren, die ganze Breite eines Fensters
einnehmend. Her Ausdruck der Köpfe ist sehr lebendig und
empfunden, trefflich ist der Schmerz der Apostel, die
andachtsvolle Würde des h. Petrus, d;is sanfte Dahinscheiden
der knieenden Maria charakterisirt. Die Köpfe sind ganz
hell, ohne Färbung, die Schatten bloss schraffirt, die Farben
der Gewänder schön, aber nicht sehr tief. Dieses schöne
Bild gehörl dem Style nach dem Ende des XV. Jahrhunderts
an. Alter ist eine h. Katharina, welche einige Männer belehrt,
oberhalb mehrere Heiligenfiguren grau in grau in gothischer
Architektur. Mehr aus der Verfalls/eil der Glasmalerei im
XVI. Jahrhundert sind 4 Tafeln mit Heiligen und dem Do-
nator mit seiner Familie . endlich eine Maria mit dem Kinde
in der Glorie und ein Crucifix. Die Zeichnung ist manierirt,
die Färbung hlass.
Der starke, sechseckige Quadefthurm stellt an der Nord-
seite der Kirche, ungefähr in der Mille der Kirchenlänge,
iiinl steigt in acht Geschlissen empor.
Eil. Freiherr v. Sacken.
IG. (Der so genannt eH ei dentempel in Znaim.)
Au eine kreisförmige Halle der ehemaligen Markgrafenburg
in Znaim, welche im Durchmesser 20 Fuss und mit ihrer
Kuppelwölbung in die Höhe 27 Fuss misst, schliesst sich gegen
Osten ein halbkreisförmiger kleinerer Raum von IS Fuss im
Durchmesser und 16 Fuss Höhe, welcher gleichfalls überwölbt
ist. und durch eine Bogenöffnung mit der grossen Halle in Ver-
bindung steht. Nachdem keine Urkunden vorgefunden wurden
und auch die Malereien dieser Rotunde nur schwer und un-
sicher zu erkennen waren, hielt man sie lange Zeit für einen
Heidentempel. Wiewohl nun neuere Forschungen, wiejenedes
gelehrtenPittner1),dieUnrichtigkeitobigerBezeichnung nach-
gewiesen hatten. SO scheint man doch in einen neuen Irrthum
verfallen zu sein, indem man diesen Bau als eine Tauf-
cape 11 e betrachtete. Ritter v. Wolfskron sucht, wenig-
stens nicht ohne innere Gründe, diese Ansieht in Nr. 5 des
„Notizenblattes der historisch-statistischen Section der k. k.
mährisch -schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des
Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde" (.1. 1855) zu
entkräften und erklärt den sogenannten Heidenthurm als
eine Hauscapelle, welche der alten Markgrafenburg an-
gehört hahen müsse.
IT. (Die Coi Mida Rechberg in Kärnten.)
Der Herr k. k. Conservator für Kärnten Freih. v. Ankers-
■l Vergl. Bormajr'a Irchii 1821, Nr. 67j 1822, Nr, 71 ; Isis, s. 376 und
die Wiener Jahrbücher 1. Lit. und Kunst, II. I- 21 l 1823), S. 2:t.
hofen wurde im Jahre 1 854 aufgefordert, üher den Bestand
der Georgshütte im Jaunthale nähere Aufschlüsse zu gehen.
Er erklärte jedoch, dass weder ihm noch Anderen, die das
Jaunthal genau kennen, von eine* Georgshütte etwas hekannt
sei. und sprach die Ansicht aus. dass wahrscheinlich unter
derselben die Commenda Rechberg im Jaunthale zu ver-
stehen sei, welche zum St. Georg-Orden gehörte. Freiherr
von Ankersho fen lieferte hierüber folgende Nachweisung :
„Die Commenda Rechberg im Jaunthale wurde von
einem edlen Kärntner, Ladislaus Prayer, im Jahre 14!>5
gestiftet. Sie bestand in einigen Besitzungen und 200 11.
jährlicher Einkünfte. Nach den Bestimmungen des Stifters
sollen in Rechberg so viele Hitler residiren, als mit Aus-
schluss der Dienerschaft von den Einkünften erhalten werden
können. Zum Zeichen der Unterwürfigkeit sollen sie jährlich
100 Pf. Käse nach Millstadt abgehen. Kaiser Friedrich IV.
muss den Rittern in Rechberg Freibriefe auf Eisenbergbau
gegeben haben, weil sein Sohn Kaiser Max I. ihnen mit einer
Urkunde, gegeben zu Innsbruck am 22. Sept. 1515, für den
Fall, als sie auf das ihnen von seinem Vater Friedrich, fern
gratia, ertheilte Privilegium verzichten würden, verspricht,
eine ihm gehörige Pfarre in Steier, Kärnten oder Krain,
welche 257 11. Rhein, geben könnte, dafür abtreten zu
wollen. Nach einer, dieser Notiz von dem vormaligen Jesui-
ten - Superior in Millstadt Nikolaus Coronius beigefügten
Bemerkung wurde das Privilegium zwar zurückgestellt, hier-
für aber nichts erhalten. Im ,1. 1813 vertauschte das Stift
Eherndorf die Pfarren St. Bartolomä in Rechberg und
St. Thomas in Glantschach an die (' ende Rechberg gegen
die Pfarre St. Lorenzen zu Stein im Jaunthale. Mit dem
Stifte Millstadt wurde auch Rechberg im Jahre 1600 durch
die Bulle des P. Clemens VIII. dem ■lesiiilen-Collegium in
Gratz einverleibt."
IS. (Über die römischen Inschriften bei Po-
le tili, Ogradina und die Brücke hei Cz er netz.)
Fängst bemüht, so viel wie möglich die Monumente auf-
zusammeln, welche sieb auf die Donau und die au der-
selben liegenden Fänder beziehen, habe ich meine dies-
fälligen Bitten schon im Jahre 1834 an. in die Gegend
des eisernen Thores gesendete Ofilciere, ferner im Jahre
1853 an Sc. Durchlaucht den Herrn Feldzeugmeister Fürsten
von Schwarzenberg, wie an den Präses der k. k. Commission
zur Erhaltung der Baudenkmale, Herrn Baron Czoernig, um
die Zeichnungen und Abklatschungen. I . derTiberius-Inschrifl
bei Poletin vom Jahre !54 nach Christi, und 2. von jener In-
schrift, Ogradina gegenüber, welche Trajan im Jahre 101
n. Ch. einbauen lies--, gerichtet, und IS. auch um Aufnahme
der örtlichkeil bei Czernetz angesucht, wo nach aller Wahr-
scheinlichkeil Kaiser Trajan die berühmte Brücke über die
Donau hatte schlauen lassen.
Von Sr. Excellenz dein Herrn Grafen Coronini, welchem
Se. Durchlaucht Fürs! Schwarzenberg die Ausführung der
obigen Bitte übertrug, erhielt ich Abklatschungen der zwei
45 —
ersten Zeile» der berühmten Trajans-Inschrift, ferner von
Herrn Beckmann, Bau-Eleven im Ministerium der öffentlichen
Bauten, welcher sich unter den Ingenieurs befindet, die von
obigem Ministerium zur Sprengung der Felsen am eisernen
Thore entsendet wurden, Durchklatschungen hei Poletin und
Ogradina so wie vortreffliche Zeichnungen der Überreste
der Brückenköpfe und der Brücke des Trajan bei Czernetz,
welche der Herr Oberlieutenant Kuppelwieser wie der Herr
Bau-Eleve Beckmann bewerkstelligten.
Da durch die von Herrn Beckmann veranstaltete Dureh-
klatschung der Trajans-Inschrift. welche ursprünglich aus
sechs Zeilen bestand, vier mit Sicherheit gelesen werden,
so ersuchte ich Herrn Beckmann , seine Sorgfalt darauf zu
verwenden, dass auch noch eine Abklatschung der letzten
zwei Zeilen bewerkstelligt werde. Diese in lebendigem
Fels eingemeisselte Inschrift ist so schön, dass eine solche
Schrift ein Kunstwerk genannt werden kann; jeder Buch-
stabe ist von einer Höhe von 1 Zoll 7 Linien. Da die
letzten Zeilen leider der zerstörenden Hand des Menschen
sowohl als dem Anfalle des Regens mehr ausgesetzt sind, so
erklärt sich daraus allerdings ihre starke Verwitterung ;
wenn aber nur hie und da ein Buchstabe herausgebracht
werden kann , so ist die Herstellung der ganzen Inschrift
wahrscheinlich. Nach einigen flüchtig erhaschten Buchstaben
mit genauer Beobachtung ihrer Distanz von einander, glaube
ich die Herstellung dieser so denkwürdigen Inschrift bewerk-
stelligt zu halien, welche ich in dem Jahrbuche ausführlich
mit Zeichnungen darlegen werde.
Zwei Siegesgöttinnen halten die Inschrift , unten steht
eine Gestalt wie Atlas, die sie wie eine Tafel emporträgt.
Vortrefflich ist die in eine gemachte Vertiefung einge-
hauene Inschrift umrahmt; an den Ecken dieses Bahmens
sind Delphine, in der Mitte ein Adler mit ausgebreiteten Flü-
geln, von Eichenblättern umgeben, äusserst sauber en relief
herausgearbeitet.
Von einem Delphine, von einem Adlerflügel und zwei
Eichenblattern hat Herr Beckmann Abbildungen in Gyps mit-
gebracht und sie so wie die Abklatschungen mir für das k. k.
Münz- und Antiken-Cabinet übergeben.
Sobald die Abklatschungen der zwei anderen Zeilen und
der noch bei Poletin befindlichen Inschriften eingelangt sein
werden, werde ich sie so bald möglich mit den Zeichnungen
über die Brücke bei Czernetz der Öffentlichkeit übergeben.
Joseph Arncth.
19. (Der archäologische Verein der Gesell-
schaft des böhmisch enMuseu m s.) Über diesen Verein
entnehmen wir einem Berichte des Herrn Professur Wo cel,
Conservators für Prag, folgende Daten : Der Verein wurde
im Jahre 1841 unter dem Namen „Archäologisches Mu-
seums-Comite" zu dem Zwecke gegründet, um interessante
Alterthümer Böhmens zu sammeln, zu erhalten und bekannt
zu machen. Die damals entworfenen Statuten des Vereines
wurden in der General - Versammlung des böhmischen
Museums im Jahre 1843 bestätiget und nach der Resignation
des Grafen Franz Thun auf die Präsidentschaft des \ ereines,
mit derselben das Mitglied des Museums-Ausschusses Herr
Ritter Johann von Neuberg betraut.
Professor J. E. Wocel und der damalige Custos Hellich
hatten die archäologische Sammlung in den alten Localitäten
des Museums im Jahre 184ö aufgestellt, und nachdem im
Jahre 1846 ein neues Gebäude für die Zwecke des Mu-
seums von den Ständen des Königreiches Böhmen angekauft
wurde, brachte Wocel die seitdem reichlich angewachsene
Sammlung in dem neuen Gebäude in systematische Ordnung.
Den ansehnlichsten Zuwachs erhielt das archäologische
Cabinet im Jahre 1848 durch den Ankauf der Sammlung des
Kreis-Ingenieurs Pachl, wodurch die Anzahl der Alter-
thumsobjeete des böhmischen Museums um mehr als 1200
Nummern bereichert wurde. Der Kaufpreis von 0000 11.
wurde in kurzer Zeit durch Subscriptionsbeiträge herein-
gebracht. Bei der Revision und tlieilw eisen Umänderung der
Museums-Statuten im Jahre 1 So 1 erhielt auch der archäolo-
gische Verein eine andere Organisirung und wurde als Mu-
seums-Section für böhmische Archäologie bezeichnet, deren
Zweck es ist, interessante Alterthümer Böhmens zu erfor-
schen, zu sammeln, vor Verderben zu schützen, durch Be-
kanntmachung derselben den Sinn für ihre historische und
artistische Bedeutung zu beleben, um dahin zu wirken, dass
sie dem Vaterlande, über dessen Vorzeit sie Licht verbreiten,
nicht verloren gehen. Zum Vorstande dieser Section wurde
der Hofrath und Polizei -Director Herr Leopold Sacher-
Masoch , und zum Geschäftsleiter Prof. Wocel gewählt,
welcher seit dem Jahre 1843 bis auf den gegenwärtigen
Augenblick dieses Amt versieht. Die Section, an welche sich
anzuschliessen jedem Mitgliede des Museums freigestellt ist.
hält regelmässig ihre Monatssitzungen.
Vom Museums -Ausschusse wurde zwar die jährliche
Dotation dieser Section auf 200 fl. bemessen; bei den be-
schränkten Mitteln des Museums seihst konnte aber derselben
bloss die Hälfte dieses Betrages aus der Museums-Casse zuge-
wendet werden. Überdiess fliessen von Zeit zu Zeil Beiträge
einiger Freunde historischer Alterthümer in die Sections-
Casse ein, unter welchen besonders Herr Graf Eugen Czer-
nin mit dankbarer Anerkennung genannt werden muss. der
dem Vereine einen jährlichen Beitrag von 100 II. widmet.
Es ist offenbar, dass bei so beschränkten Geldmitteln,
die Section sich iu keine kostspieligen Unternehmungen ein-
lassen kann; doch sende! dieselbe den eifrigen Allerthums-
forscher P. Krolmus alljährlich zu archäologischen Excur-
sionen auf ihre Kosten aus. durch deren Resultate dem archäo-
logischen Cabinete bereits mehrere hundert übjeete gew onnen
wurden. Die Hauptthätigkeit der Section ist dahin gerichtet,
durch Bitten und persönliche Verwendung interessante Alter-
thumsdenkmale vor Zerstörung zu bewahren, ihre Restau-
rirung zu bewirken und geeignete Alterthumsgegenstände
für das archäologische Cabinel /u erwerben, in welcher
— 46
Richtung auch die Bemühung dieses Vereines durch fruchtbare
Erfolge belohnt wurde.
Über Auftrag des Museums-Comite' gab Professor Wocel
im Jahre 184S seine „Grundzüge der böhmischen Alterthuros-
kunde" heraus und verfässte bald darauf seine populäre
Schrift: „Über böhmische Alterthümer und die Notwendig-
keit dieselben vorVerderbenzuschützen," welche in deutscher
und böhmischer Sprache in mehreren lausenden Exemplaren
unentgeltlich im Lande vertheilt wurde. — Die Herausgabe
eines deutschen, der böhmischen Archäologie gewidmeten
Organes unter dem Titel: „Archäologische Blätter" schei-
terte an der Theilnahmslosigkeit des Publicums.
Im Jahre 18S4 unternahm die archäologische Museums-
Sectiou im Vereine mit der matice ceska die Herausgabe der
archäologischen Vierteljahrsschrift „Pamätky archaeologicke
a mistopisni" (archäologische und topographische Denkmale),
«clehe von dem Lehrer an der böhmischen Realschule
K. \V. Zap redigirt und dadurch ermöglicht wird, dass die
matice ceska die Auslagen deckt, und dafür ihren Mitglie-
dern diese Zeitschrift um die Hälfte des Pränumerations-
be träges von 3 fl., also um 1 fl. 30 kr. überlässt.
20. (Rotunde zu Päpocz in der Eisenburger
Gespanschaft in Ungarn.) Hierüber berichtet der
hochw. Abt und k. k. Conservator Herr Dr. Ludwig Birnicz
in Steinamanger Folgendes : „Zu Päpocs in der Eisenburger
Gespanschaft nahe an den Grunzen des Raaber und Wesz-
primerComitats besteht eine Capelle aus Ziegeln, welche eine
Rotunde vorstellt, deren Umkreis kreuz« eise ausgebogen ist.
Die Thüre war gegen Süden und der Altar gegen Norden.
Zwei Säulchen, deren Capitäle mit Blattwerk geschmückt
sind, umgeben die Thüre, und tragen das aus Hohlkehlen
und Wulst bestehende Rundbogengewölbe des Thürsturzes.
Im Bogenfelde ist dermalen keine Verzierung, die vermuth-
lich das öftere, die Antiquität nicht in Anbetracht nehmende,
I bertttnehen dem Auge entzog. Später wurde die Thüre
selbst vermauert, ihr oberer Tbeil in ein Fenster umgestaltet,
und an der Ostseite der Capelle eine neue unpassende Thür
angebracht: es ist aber schon die Verfügung getroffen, dass
die einstmalige Form hergestellt werde. In der innern West-
seite der Mauer ist eine Treppe angebracht, die in das obere
Stockwerk führt, dessen Gewölbe in der Mitte eine vier-
eckige Öffnung hat, durch welche man auf das mit einem
vieleckigen Thürmchen gezierte Dach gelangt. Die noch
bestehenden Fenster sind rundbögig, schmal und abge-
schrägt. Die Capelle hat in Bezug auf die Form und Lage
grosse Ähnlichkeil mit derjenigen, die in unserer Gegend
vor der Kirche in J ä k steht. Sie ist vermuthlich ein Rest
jenes Klosters, das Margaretha von Gerse aus dem Ge-
schlechte Nädosd, die Witwe des Paul Magyar, im Jahre
1363 den Augustiner-Eremiten gebaut hat.
21. (Inschriften in der Ehrenberger Klause
bei Beutle und in dem Caplanhause auf der Höhe
der Fernstrasse in Tirol.) Durch den k. k. lialli und
Custos Bergmann wurde der k. k. Central-Commission die
Mittheilung gemacht, dass in der berühmten Ehrenberger
Klause bei Reute oberhalb des Thores. durch welches der
Weg nach Innsbruck führt, bei der Deinolirung im .1. 1783
ein schlechtes Wohn- und Gasthans stehen geblieben sei, aus
dessen Inschrift hervorgeht, dass Erzherzog Maximilian III.,
Hoch- und Deutsehmeister und Gouverneur von Tirol, im
Jahre 1(500 die erwähnte Klause befestigen liess. Über
der Inschrift befindet sich an der Thormauer das heraldisch
schön gearbeitete Wappen des Erzherzogs aus weissem
Marmor. — Weiters droht auch durch die Übertragung der
Fernstrasse auf die dem Berge Waneck näher liegende Seite
die von dem berühmten Gregor Löffler in Erz gegossene
Inschrift am Portale des Caplanhausos , welche anzeigt,
dass im Jahre 1543 unter Karl V. und Ferdinand I. eine
Verbesserung dieser Strasse vorgenommen wurde, gänzlich in
Vergessenheit zu gerathen. — Um beide Inschriften vor
gänzlichem Verderben zu bewahren, wandte sich die k. k.
Central-Commission an den Herrn Statthalter in Tirol, um
sowohl der ersteren Gedenktafel sanunt orzherzoglichem
Wappen als auch der zweiten Inschrift einen den verän-
derten Localverhältnissen entsprechenden Platz einzuräumen,
und sie dadurch ihrem verdienten Andenken zu erhalten.
22. (Statue des Ritters Christoph Z o p p c I , im
Pfarrhofe zu Raggendorf.) Die k. k. Central-Commis-
sion wurde in Kenntniss gesetzt, dass die in Stein gehauene,
lebensgrosse Statue des Ritters Christoph Zoppel von Hans,
unter welchen der genannte Ort im Jahre 1590 durch Kaiser
Matthias zum Markte erhoben wurde, gegenwärtig in der
Erde eingegraben sieh befindet, und hiedurch gänzlich in
Verfall kommen musste.
Da nun Christoph Zoppel in der Geschichte Österreichs
einen hervorragenden Platz einnimmt und demselben in
neuester Zeit viel Aufmerksamkeit von den Geschichtsfor-
schern geschenkt wird, überdies dieses Denkmal meister-
haft aus Stein gearbeitet und noch gut erhalten sein soll,
so nahm die k. k. Central-Commission die Vermittlung des
Herrn Statthalters von Nieder-Österreich in Anspruch und
bewirkte, dass die obgenannte Statue auf einem geeigneten
Platze au der Kirche aufgestellt und der Nachwelt erhalten
wurde.
'.';'•. (Münzfund zu Kaindorf in Steiermark.)
Bei Kaindorf in der Nähe von Hartberg wurden 876 Stück
Münzen im Gewichte von 25% Loth gefunden, über deren
Werth Herr Regierungsrath Arneth bemerkt, dass diese
Münzen, der Mehrzahl nach in die Regierungszeit des Kaisers
Friedrieh III. fallend, Nieder-Österreich, Steiermark und
Ober-Österreich angehören und nur eine Partie einseitiger
Wiener Pfennige, welche die Münzmeister-Buchstaben II. L.
(Leopold von der Hochstrasse) und II. T. (Hans von Tiren)
aufweisen, aus dem \lll. und XIV. Jahrhundert herstammen,
dann einige wenige Pfennige von Baiern, die von dem Erzbis-
thumoSalzhurg oder dem Bisthume Bamberg ausgegangen sind.
Literarische Anzeige.
Kuglcr's Geschichte der Baukunst mit Illustrationen und Holz-
schnitten. 1. Bd. Stuttgart. Verlag vnn Ebner und Seubert.
1856, S. X, 574, 8.
Wenige Zweige der Kunstgeschichte haben in den letzten Jahr-
zehenden eine so tiefgehende Veränderung erlitten, als die Geschichte
der Baukunst. Wer etwa Hirt's „Baukunst bei den Alten," Sticg-
litz's „Geschichte der Baukunst," Rosenthal's „Geschichte der
Baukunst," Hoppes „Geschichte der Architektur" oder ähnliche bis
auf die letzten Jahrzchende herabgehende Werke über diesen Gegen-
stand zur Hand nimmt, und mit dem vergleicht, was in den letzten
Jahrzehenden Forscher wie Kugler, Sehn aase, Salzen berg,
Lepsius, Minutoli, V ioll et-le-Duc, Pen rose, Layard
und Anderegeleislet haben, der wird die Wissenschaft in ihrem gegen-
wärtigen Stadium fast als eine ganz andere, ganz neue bezeichnen
müssen. Es gibt keine Seite, auf der sie nicht wesentliche tief ein-
greifende Bereicherungen erfahren hätte. Blätter der Baugeschiehte,
welche früher ganz und gar unbeschrieben standen, sind jetzt erfüllt
mit Thatsaehen voller Bedeutung, mit Beschreibungen von höchstem In-
teresse. Wo einst Hypothesen bestanden und zur Aufstellung derselben
der Phantasie ein möglichst grosser Spielraum gegeben wurde, da
finden wir gegenwärtig entweder positive Thatsaehen oder Lücken,
die als solche deutlich bezeichnet, der Forschung und nicht dem Walten
der Einbildungskraft eine Bahn eröffnen.
Fragen wir uns nach den Gründen dieser mannigfaltigen Verän-
derungen, so müssen wir ein Doppeltes ins Auge fassen. Die Verän-
derungen, welche dieser Zweig der Kunstgeschichte in den letzten
Jahrzehenden genommen, beziehen sich theilweise auf den Stoff seihst,
theils auf die Art und Weise der Behandlung desselben. Erslerer ist
bereichert worden durch eine enorme Tbätigkeit von allen Seiten her,
von Reisenden oder Archäologen, Geschichtsforschern und Künstlern ;
er ist bereichert worden durch grossartige wissenschaftliehe Unter-
nehmungen, unter denen die der Franzosen und Engländer in erster
Linie stehen, denen sich einige Unternehmungen preussiseher Ge-
lehrten anreihen. Letztere verdankt ihre Beform dem Aufschwünge
der historischen Wissenschaften und der kritischen Methode der
Forschung. Theosophen, Mystiker, Philosophen haben sich von diesem
Gebiete zurückgezogen und das Feld jenen Männern überlassen,
die sieh in der Anwendung der den historischen Wissenschaften
eigenthümlichen Methode nicht durch die Schlagwörter philoso-
phischer Schulen , nicht durch die Träume und Herzensergiessungen
der Mystiker und Theosophen beirren lassen.
Auf letzterem Gebiete ist es, wo Kugler der Wissenschaft die
wesentlichsten Dienste geleistet hat. Er hat zuerst die neuere histo-
rische Methode in die Behandlung der Kunstgeschichte eingeführt,
ästhetische und philosophische Betrachtungen aus jenen Gebieten
ausgeschlossen, die ihrer Natur nach der Geschichte und nicht der
Philosophie und Ästhetik angehören, und vorzugsweise in das Ge-
biet der Geschichte der Baukunst durch eine verständliche, der Sache
entsprechende Terminologie und klare Anordnung des Stoffes Lieht
und Ordnung gebracht. Dieser Vorzug sämmtlichcr Arbeiten K u g-
ler's tritt in glänzender Weise auf dem Gebiete hervor, auf dem er
vorzugsweise zu Hause ist, und das er so eben selbstständig zu be-
arbeiten begonnen hat.
Der erste uns vorliegende Band behandelt in zehn Abschnitten
das alte Ägypten, die alten Völker des mittleren Asiens , die Phönizier
und die Israeliten, das Pelasgerthum und seine Ausläufer, die Hellenen
seit der Einwanderung der Dorier, die Homer seit Begründung der
Weltherrschaft, die altchristliche Kunst, die Sassaniden, die Hindus.
und endlich den Islam mit den ihm angehörigen Gruppen christlicher
Architektur, d. h. Armenien, die Kaukasuslinder und Russland. Mit
dieser Anordnung hat der Verfasser noch entschiedener und conse-
quenter als es bei seinem Handbuche der Kunstgeschichte geschehen
ist, sich dem Stande der allgemeinen historischen Forschungen aeco-
modirt. Er hat, um die wesentlichsten Veränderungen kurz zu be-
zeichnen, die alten Völker des mittleren Asiens in einer bestimmt
abgeschlossenen Gruppe vor der Baukunst der Phönizier und Israeliten
behandelt. Die Überreste der hellenisch-pelasgisehen Epoche sind in
innere Verbindung mit der Achitektur der Völker des mittleren Ita-
liens oder vornehmlich der Etrusker und den Denkmälern in Klein-
Asien, die uns zuerst Fe 1 1 o ws und Te x ie r erschlossen, gesetzl.
und als ein selbstständiges Glied zwischen den Architekturgruppen
Ägyptens und Mittelasiens eingefügt. Die altchristlichc Kunst tritt
unmittelbar nach der römischen auf, zwischen dieser aber und der
Kunst des christlichen Oecidentes treten die Sassaniden, die Hindus
und die Islamiten auf. Die Hindus insbesondere nehmen eine ganz
andere Stelle ein, als man ihnen früher einräumte. Sie, die fast un-
mittelbar nach Ägypten behandelt wurden, deren Bauten als der Ur-
geschichte menschlicher Culfur angehörig bezeichnet wurden, treten
diesmal bei Kugler, und wie uns scheint mit vollem Rechte, in die
ersten Jahrhunderte altchristlicher Kunst hinein
Dass Kugler die Denkmäler der Inseln des grossen Oceans und
ähnliche Monumente nicht an die Spitze seines Werkes gestellt , über-
haupt in dasselbe nicht aufgenommen hat, hat uns sehr befriedigt.
Wir gestehen , uns mit der Anschauung nicht befreunden zu
können, dass jene Werke, die keine eigentlichen Kunstmomente in
sich umfassen, nur in sieh boffnungs- und zukunftloses Cullurleben in
den rohesten Elementen enthalten, mit der Kunst, die eine Geschichte
hat, in Verbindung gebracht werden können. Die Gränzc zwischen
Culfur- und Kunstgeschichte kann nicht streng genug beobachtet
werden, nicht bloss der Wissenschaft sondern auch der l'onsequcnzen
im praktischen Leben wegen, wo häufig das Interessante mit dem
Künstlerischen verwechselt, und wie in den Sammlungen der verflos-
senen Jahrhunderte die Feder- und Schmucksachen der Insulaner der
Südsee, Elephantenzähne u. s. f. neben Dürer und Rembrandt auf-
gestellt wurden.
Der erste Abschnitt behandelt Ägypten, lue DenkmSler dieses
Landes reichen in die ältesten Zeiten der Geschichte. Sie stehen ver-
einzelt in einer Zeit, deren Blätter sonsl unausgefüllf sind von Nachrich-
ten über Menschen und Menschenleben . Ms ein Räfhsel, dessen Inhal!
selbst erst nach und nach gelöst wird. Die neuesten Forschungen vor-
zugsweise, niedergelegt in der Chronologie der Ägypter von Lc p-
sius und dessen Reiseberichten, Denkmälern und Forschungen, haben
den Glauben auf die fast ungestörte Einheit und Gleichmfissigkeil
ägyptischen Wesens gebrochen. Auch Im ägypli>chen Lehen, in der
ägyptischen Kunst, die einst alsTypus einer st ationären Weltanschauung
gegolten haben, linden wir jetzt Lehen. Bewegung, Fori- und Rück-
schritt. Man kann die Denkmäler jetzt nicht mehr nach ihrer geo-
graphischen Lage von Süden nach Norden betrachten, und nicht mehr
allein dem Zuge des h. Nilschiffes in dieser Richtung Folgen. Die
Kunstgeschichte Ägyptens gliedert sieh jetzt nach den verschiedenen
Dynastien und zerfällt aus dem einheitlichen Ganzen, in dem sie früher
— 48 —
hervortrat, in eine Reihe von Baugruppen. Die Baugeschichte Ägyptens
gewinnt damit an innerem Leben und historischem Interesse, sie ver-
liert aber ihre Geschlossenheit. Die Lücken in der Kenntniss ägypti-
schen Lebens werden jetzt fühlbarer als früher, wo unser Unterschei-
dungsvermögen der einzelnen ägyptischen Stylrichtungen nicht geübt
wurde, unsere Kenntniss nach dieser Beziehung hin mangelhaft war.
Der bruchstückweise Charakter unserer Kenntniss tritt in Kugler's
Werk lebhaft hervor. Er wird jenen Leser angenehm berühren, der
in einem Werke der Art seinen Verstand schürfen, seine Kenntnisse
bereichern will, und sich nicht vor Störungen seiner Phantasien und
Gefühlsanschauungen durch strenge wissenschaftliche Betreuungen
fürchtet. Die aufmerksame und Beissige Benützung von Werken, wie
die Caillaud's, Hoskins, Champollion's, Gau's u. a. m.
in der Geschichte der Baukunst Ägyptens, zieht sich durch das
ganze Capitel hindurch, und ist besonders dankenswert!! in den
nachfolgenden zwei Abschnitten, welche die Völker des mittleren
Asiens, der Phönizier und Israeliten, behandeln. In der ersteren
Partie waren Botta, Flandin, Vaux, Layard, Texier und
Coste Kugler's Führer, in den Partien über Phönizien sind Movers
und Barth mit Sorgfalt benutzt; in der ausführlichen Behandlung
des Salomonischen Tempelbaues weist Kugler vorzugsweise auf
Keil's eingebendes Werk über den Tempel Salomons.
Es ist schon früher angedeutet worden, dass dem Pelasgerlhum
in Verbindung mit den Ausläufern desselben in Kleinasien und
Etrurien ein selbstständiger Abschnitt gewidmet wurde. Archäologen
strenger Observanz , wie die unbedingten Anhänger der K. 0.
M ü ller'schen Anschauung der altgriechischen Zustände, werden
sieb mancher Bedenken nicht erwehren können , wenn sie diese
Partien gewissennassen eingeschaltet linden zwischen Mittelasien
und dem eigentlichen Hellenenthume. Wir meinen aber, dass die
eigentümliche Styl - Verwandtschaft der Bau- und Kunstobjecte
der genannten Völker in Verbindung mit den in Assyrien und Babylon
gefundenen Ornamenten, in denen Niemand ein Vorbild mancher
hellenischer Kunstformen verkennen kann, dazu heigetragen haben,
dass die Ansicht , welche dem Hellenenthume eine vollständige
Autochthonie vindiciren und dieses gewissermassen auf einen histo-
rischen Isolierschemel stellen trollte, immer mehr in den Hinter-
grund treten muss. Das Kunstvermögen An- eigentlichen Hellenen
verliert dabei weniger, als es auf den ersten Blick scheint. Ihr Heraus-
arbeiten aus fremden Elementen und Anlegungen auf den eigenen
Boden wird dadurch nur um so Wunderbarer. Die Illustrationen zu
diesem Capilol erhielten einen besonderen Keiz durch die Mittheilun-
gen des Felsengrabes zu Myra und des Sarkophages, einiger Fels-
Monumente zu Kyana-Jaghu u. a. Denkmäler aus der Reisemappe des
Malers Herrn A. Berg, der vor Kurzem von einer Heise nach Ly-
kien zurückkehrte.
Zu den Abschnitten, welche die „Hellenen seit der Einwande-
rung derDorier" und die „H sr seil Begründung der Weltherr-
schaft" — die auf den engen Raum von I SO Seiten zusammengedrängt
mehr Resultate als ins Detail gehende Zergliederung dieser für die
Kims! so wichtigen Periode enthalten — - seien uns einzelne wenige
Bemerkungen erlaubt Kugler deute! ausdrücklich daraufhin (S.203,
Ann).), dass er in der Begründung und Auffassung der Formen der
hellenischen Architektur einen anderen Weg gehtj als der geistvolle
Architekt K. Böttiger in seiner, besonders Künstlern schwer
zugänglichen „Tektonik der Hellenen". Kugler «eist niehl aus bloss
doctrinären ('.runden die von Vitruv angedeuteten Erinnerungen an
den alten llolzl.au gänzlich zurück, er construirl nicht wie Hittorf
und Sem per aus diu Spuren von Farbenanwendung ein System
einer alles umfassenden Polychromie, und nimm! selbst die Forschun-
gen eines Pe n rose in i t Selbstständigkeit und einer gewissen Vorsicht
auf. Der Reichthum des Stoffes aber für jene Epochen, so wie die
innem Bedeutungen derselben setzten der vollständigen Darstellung
der Baugeschichte der Griechen und Homer in so enge Grunzen
eigentümliche Schwierigkeiten entgegen. Bei dieser Partie setzt
Kugler Leser voraus, die schon im Allgemeinen orientirt und mit
den Formen der wichtigsten Monumente vertraut sind.
Dass Österreich in dieser Abtheilung und in der naturgemäss un-
mittelbar sieb anschliessenden ..Darstellung der altchristlichen Welt"
niehl besser vertreten ist, ist nicht Kugler's Schuld, sondern unsere
eigene. Frankreich bat wenige Jahre nach der Eroberung Algiers
eine archäologische Expedition zur Erforschung des Landes ausge-
rüstet, die ihre Forschungen in dem Prachtwerke „Exploration seien-
tifique de l'Algerie" niedergelegt bat. Kugler entnimmt diesem Merke
sehr interessante Daten, das Prütorium von Laiubäsca (S. 341)
u. a. m. Den altrömischen Provinzen gegenüber, die sich im österrei-
chischen Kaiserstaate befinden, ist Kugler in der unangenehmen
Lage, entweder veraltete Werke, wie es tbeilweise die von Adams
und Cassas über Spalato sind, benützen zu müssen, oder in
vollkommener Balblosigkeit sich zu befinden. Er kennt daher für
die wichtige Bauform der Baptisterien (S. 360) eine Keihe kleinerer
Baptisterien nicht, die sich an der Küste des adriatischen Meeres
grossentbeils erhalten haben — das des Domes von Pola wurde wie
die Kirche S. Michele in monte in den letzten Jahren erst abge-
hrochen und das von Aquileja ist aus Mangel an Bedachung der
Zerstörung preisgegeben — er kennt daher die altcbrisllicben
Überreste zu Verona, Fünfkirchen, die Kirche S. Donato in Zara gar
nicht, einer grossen Reihe anderer Monumente aus dieser und der
römisch-heidnischen Periode nicht zu gedenken, wie die tbeilweise
schon zusammenstürzenden Bögen an der Kerka , die kolossalen
Unterhauten des Palastes in Spalato u. s. f. Wir erwähnen dies
ausdrücklich, weil es Schriftsteller gibt, die ausserordentlich empfind-
lich sind gegen die Vernachlässigung österreichischer Denkmale in
Werken , die ausserhalb Österreich erscheinen, die sich aber über
die Ursachen dieser Erscheinung nicht vollkommen klar geworden
sind.
Die letzten drei Abschnitte bebandeln die Sassaniden . die
Hindus und den Islam mit den entsprechenden Gruppen christlicher
Architektur. In diesen Partien tritt der Reichthum der in den letzten
Jahrzehenden gemachten Forschungen — und unter diesen nimmt die
Salz e n b e rg's eine hervorragende Stellung ein — in denVordergrund,
und zugleich bemächtigt sich jedes Lesers das Gefühl , wie \iel noch
ZU arbeiten ist, wie viele Lücken zu ergänzen sind. — Der zweite Band
wird vielleicht mit Ausnahme einiger Bauten Auicrika's ausschliesslich
die cbrisllieb-oceidentale Kunst, die Bauformen enthalten, die aus
dem Schoosse der romanisch - germanischen Culturbewcgungen her-
vorgegangen, gegenwärtig die Kunstsprache der Weltarchitektur
geworden sind. Auf diesen werden wir nach seinem Erscheinen
natürlich ausführlicher zurückkommen. Mit diesen Zeilen haben wir
das trefflich ausgestattete Werk nicht empfehlen, sondern nur
anzeigen wollen. Einer Empfehlung bedarf ein Schriftsteller wie
Kugler nicht, dessen Wirke Niemand aus der Hand legt, ohne den
Kreis seines Wissens wesentlich bereichert zu haben. Eine Geschiebte
der Kunst bedarf zu seiner Ergänzung einer Kunstlehre. Kugler
spricht die Hoffnung aus. dass es ibm vergönnt sein werde, später
Beiträge zu einer umfassenden Ästhetik der Architektur zu lie-
fern. Kili Wechsel \on solcher Hand ausgestellt, wird vom kunst-
liebenden Publicum niehl bloss aeceplirl, sondern auch präsentirt
w erden.
B. v. Eitelbergcr.
\n der k. k. Hof- und Staats. Iruckcrci in Wien.
Jeden Monat' erscheint 1 Heft zu
1 bis 2 Druckbogen mit Abbil-
dungen.
Der Pränumerationspreis ist für
einen Jahrgang- oder zwölf Hefte
nebst Register sowohl für Wien
als die Kroiiländer und das Ausland
4 fl. CM., bei portofreier
Zuseudung in die Kronlander Her
oster r. Monarchie 4 fl. 20 kr. CM.
MITTHEILUNGEN
DER K. K. CENTRAL- C0MMISS10N
Pränumerationen überneh-
men halb- oder ganzjährig
alle k.k. Postämter der Monarchie,
welche auch die portofreie
Zusendung der einzelnen Hefte
besorgen. — Im Wege de« Buch-
handel» sind alle Präuumerationen
und zwar nur zu dem Preise tod
4 fl. an den k. k. Hofbucbhändler
W. Braumüller in Wien zu nebten.
IM ERF1SCI« (II ERHAITIG «ER BAEDEIMI M
— >i
Unler der Leitung des k. k. Sections-Chefs und Präses der k. k. Central-Commission Karl Freiherrn v. f zoernig.
Redacteur: Rarl Weiss.
NM.
I. Jahrgang.
April 1856.
Inhalt : Zur Orientirung auf dem Gebiete der Baukunst und ihrer Terminologie. — Über die Bestimmung der romanischen Rundbauten mit
Bezug auf die Rundeapelle zu Hartberg in Steiermark. — Über den älteren sächsischen Kirchenbau und insbesondere die evange-
lische Pfarrkirche von Mühlbach. — Notizen. — Literarische Anzeige.
Zur Orientirung auf dem Gebiete der Baukunst und ihrer Terminologie.
Von R. v. Eitelberg er.
I.
Byzantinisch und Romanisch.
Nichts fördert die Klarheit des Denkens und das Ein-
dringen der Wissenschaft in das Leben so sehr, als eine
richtige Terminologie.
Der Laie hat zwar gegen dieselbe ein gewisses Wider-
streben , er iindet sich beengt durch den Zwang, welchen
diese im Sprechen und Schreiben ihm auflegt, wie man das
Gesetz auch häufig nur als Schranke empfindet, bevor man
die Wohlthat erkennt , die in der durch dasselbe gebotene
Beschränkung menschlichen Handelns liegt. Aber bald lernt
er die Vortheile eines präcisen Ausdruckes, einer klaren Be-
zeichnung eines Gedankens kennen und bedient sich ihrer
gerne und leicht.
Jede Terminologie geht aus einem mehr oder minder
berechtigten wissenschaftlichen Denken hervor. Es gibt aber
innerhalb der terminologischen Ausdrücke verschiedene Ab-
stufungen. Es gibt einige, die unumgänglich nöthig sind, um
sich über irgend einen Gegenstand genau auszudrücken,
deren Nichtbeachtung eine Unklarheit des Denkens voraus-
setzt und in uns wieder unklare Vorstellungen hervorrufen;
und es gibt wieder terminologische Ausdrücke, die ent-
weder selbst in die wissenschaftliche Sprache noch nicht
übergegangen, überhaupt nicht festgestellt sind, oder solche,
die ohne Gefahr unter einander verwechselt werden können.
So ist es gleichgiltig, ob man Apsis oderConcha, Gurt-
träger oder Dienst, Tympanon, Fronton oder Giebelfeld sagt,
da in wissenschaftlichen Werken selbst diese Ausdrücke als
gleichbedeutend gebraucht werden. So aber ist es nicht
mehr gleichgültig, ob man von einer Ante, einer Halbsäule oder
einem Pilaster, von einem Rundbau oder Kuppelbau, von einer
Basilica oder Kirche, ob man bei Bauten Ober-Italiens vom
longobardischen oder lombardischen Styl, bei Bauten Frank-
reichs vom romanischen oder normannischen Style spricht.
Unter den Verwechslungen aber, welche bei archäologischen
Berichten in Österreich häufig vorkommen, nimmt keine
eine so bedeutende Stelle ein. als die Verwech sl ung
des Byzantinischen mit dem Romanischen. .Ia
man kann als ziemlich gewiss bezeichnen, dass in neunzig
Berichten unter hundert Alles byzantinisch genannt wird,
was nicht entweder entschieden antik oder entschieden
gothisch ist. Byzantinisch heisst die Markuskirche in Venedig,
byzantinisch das Biesenportale am Stephansdome in Wien,
byzantinisch die Kirche des h. Zeno in Verona, die Bethle-
hems-Capelle in Prag und die h. dreiKönigs-Capelle zuTuln.
Die Volkssprache, die sich mit den Formen der vorgothischen
Bauweise noch weniger befreundet hat, als die Masse der
Gebildeten, geht in dieser Beziehung noch um einen Schritt
weiter und nennt die kleinen Rund- und Tauf-Capellen, die
sich aus der romanischen Bauperiode noch erhalten haben,
römische oder Heidentempel und sieht in den oft fratzen-
haften und abenteuerlichen Gestalten jener Periode nicht
die Anfänge der mittelalterlichen Plastik, sondern die Ober-
reste heidnischen Götzendienstes.
Das Verwechseln des Byzantinischen mit dem Roma-
nischen ist aber auch desswegen von grossem Nachtheil,
weil sich ganz andere Ideenkreise mit dem Ausdrucke „By-
zantinisch- und ganz andere mit jenem „Romanisch" von
;o —
selbst verbinden. Die byzantinische Kunst ist die Kunst des
absterbenden Griechenthums, in der sieb die Überreste und
Traditionen antiker Technik erbalten haben; die romanische
Kunst ist die Kunst der jungen romanisch- germanischen
Völker des Mittelalters, die sich immer mehr von den Bemi-
niscenzen der römischen Kunst zu befreien und selbstständig
hinzustellen sucht. Die byzantinische Kunst ist das Vorbild
für die Kunst der griechischen Kirche, die romanische Kunst
ist die Kunst der katholischen Kirche. Was byzantinisch
ist, weiset auf den Orient; was romanisch ist, weiset auf den
Occident.. Die byzantinische Kunst zeigt in ihrer früheren
Periode Kühnheit der Combinationen, eine gewaltige Con-
struetion, grosse Erfahrung in der Bautechnik und verhält-
nissmässig gründliche Kenntnis der Mechanik und Mathe-
matik. Die romanische Kunst hingegen zeigt in ihren
ersten Elementen technische Unbeholfenheit, geringe Er-
fahrung und massive Constructionen. Hier ist eine junge
Architektur, dort eine alte: die byzantinische Kunst wendet
ihr Angesicht der Vergangenheit, die romanische der Zukunft
zu; diese ist die wahrhafte Kunst der Zukunft im Mittelalter
gewesen.
Die byzantinische Kunst ist im ornamentalen Theile eine
Kunst des äusseren Prunkes. Sie sucht durch Glanz zu
ersetzen, was ihr an Seele und an Leben fehlt. Das Gemüth
geht mit der .lugend und nur jugendliche Völker haben eine
gemüthstiefe Kunst. In Byzanz war weder das Eine noch
das Andere zu Hause. Der Prunk, mit dem der byzantinische
Hof und die byzantinische Kunst auftraten, konnte Staunen
bei den gefürchteten barbarischen Völkern erregen, die von
Osten her einstürmten: sie konnte den blinden Gehorsam
gegen Oben nähren und den geist- und freudelosen Cultus
der orientaliscben Kirche stärken; ihren Werken aber fehlte
Freiheit. Phantasie und Herz. Die romanische Kunst war
in ihren Anfängen eben so unbeholfen in der Construction
wie in dem Ornamente; sie war die Kunst armer Völker im
Verbältnisse zu dem Reichthume, den Byzanz entfaltete; aber
in ihr hatte die Phantasie einen Spielraum ; Gemüth und Herz
fanden in ihr Befriedigung. Es war ein Schaffen von Innen
heraus, keine blosse Geschicklichkeit, keine leere Virtuosität,
kein mühsames Fortschleppen halbverstandener Kunsttradi-
tionen. Über die l'nbeholfenheit der Künstler der romanisch-
manischen Völker mochten vielleicht bizantinische
Künstler lächeln, wie die Gesandtschaften der orientalischen
Kaiser, gewohnt an das stumme Hofceremoniel und den leeren
Prunk des Thrones, den sie repräsentirten, über die Derb-
heil und Einfachheit lächelten, die sie an den deutschen
Kaiserhöfen fanden. Ahn- so gross der Unterschied i-t.
zwischen der weltgeschichtlichen Bedeutung des byzantini-
schen Kaisertumes und zwischen der des deutschen Kaiser-
tbumes zur Zeil derOttone und der Hohenstaufen, so gross
ist auch der Unterschied zwischen der Kunst, welche die
Romanische heisst, und gleichzeitig bestehl mit den Fürsten-
geschlechtern der Carolinger, des sächsischen und Hohen-
staufisrhen Hauses und jener, die an dem Sitze des byzan-
tinischen Kaiserthums blühte.
Bei der Betrachtung jener Kunst des früheren Mittel-
alters, in welches die romanische Bauperiode fällt, wird viel
zu wenig Gewicht auf die allgemeine Lage der Bildung
gelegt, welche jene Zeit beherrschte. Man darf nicht ver-
gessen, dass das Christenthum vom Anlange an ein Element
der Völkerverbindung und nicht der Völkertrennung war.
Die Lehre Christi sollte nach der Absicht ihres Stifters, wie
für alle Stände und Geschlechter, wie für Arme und Reiche,
Sclaven und Freie, so auch für alle Völker aller Zungen die-
selbe sein. Die antiken Religionen waren entweder begränzt
auf bestimmte auserwählte Völker oder in den Händen be-
stimmter Geschlechter und Stände ; sie erzogen kein ethisches
Element für eine allgemeine, völkervereinende Bildung.
Das Christenthum hingegen erzeugte ein Mittel geistiger
Verständigung, bildete auf ethischem Gebiete eine gleiche
Weltanschauung unter den Gebildeten aller Nationen, auf
deren Grundlage später eine Verständigung nicht bloss
materieller Interessen, sondern auch geistiger stattfinden
konnte.
Die Träger dieser allgemeinen Bildung waren vor der
Entwickelung des Bürgerstandes fast ausschliesslich Geist-
liche und vorzugsweise Mönche. Diese bildeten unter
einander im gesammten Occidente eine innigverbundene
Genossenschaft, oder vielmehr eine Reihe solcher Ge-
nossenschaften, in der sich die ersten Elemente der Wissen-
schaft und der Kunst nicht auf speeifisch nationeller, sondern
vielmehr auf allgemein christlicher Anschauung aufbauten
In den Mönchen der damaligen Zeit lebte die Gesinnung
des Abtes Salomo von St. Gallen, der da sagt: „Wahre Cultur
könne nur durch geweckten Kunstsinn erreicht «erden, nur
dadurch könne die schwerfällige Volksmasse der Religion
veredelt zugeführt und in eine wahre Lcbenstbätigkeit ver-
setzt werden." Damals konnte ein Abt Johannes sagen:
„Wer ein Kloster will ohne Weisheit, ist so albern (t;ili
fatuitate laborat), als wer einen lebendigen Fischbehälter
will ohne Wasser.- lud ein Bischof Alto konnte den Grund-
satz aussprechen: „die Unwissenheit ist die Mutter aller Irr-
thümer und vorzugsweise von Priestern zu meiden, die (las
Geschäft des Lehrens unter den Völkern übernommen haben."
Bei dieser Anschauung ist es natürlich . dass die Kunst
ihre erste lleimatb bei den jungen Völkern des Occidentes
in den Klöstern fand, dass dort, während das Handwerk des
Krieges, der Jagd und der ritterlichen Übungen in den höhe-
ren Ständen jener Zeit gepflegt wurde, die Anfänge der
Zeichnenkunst geübt, die ersten Erfahrungen im Bauen
gemacht wurden, und doli sieh die ersten Kiiiisltiaditionen,
deren Resultate wir in den Bauüberresten nachforschen, ent-
wickeln konnten. Es Wäre eine interessante Aufgabe, die
hier kaum angedeutet, geschw eige denn gelöst w erden kann.
ein Bild der Kunst in den Tagen dos aufblühenden Kasten-
wesens zu entwerfen. Es wurde sich zeigen, d;iss der irische
51
Geist der Mönchskunst der damaligen Zeit der natürliche
Ausdruck der poetischen Gestaltimgskraft ist, die in den
jungen Nationen des Occidcntes lebte. Bei jungen Nationen
entwickelt sich wie bei dem einzelnen Menschen die Phantasie
früher als der Verstand. Die Kunst ist desshalb älter als die
Wissenschaft. Es darf daher Niemanden wundern, dass in
jenen Zeiten , wo die Naturwissenschaften kaum geboren
waren, die Philosophie in den Händen der Scholastiker lag, die
Geschichte in einem fast kindischen Chronikschreiben bestand,
und die Meisterwerke des Alterthums nur ein schwaches
Licht auf die dämmernde Menschheit warfen, die Baukunst
sich mit Selbstständigkeit und mit jener geistigen Kühnheit
entwickelte, die in der Phantasie ihren eigenthiimlichen
Boden hatte. Die Bemerkung Macaulay's in seinem geist-
vollen Essay über Milton „die poetische Stimmung muss
in einem roheren Gesellschaftszustande im höchsten Grade
vorhanden sein", bestätigt vollständig die Architektur des
Mittelalters, insbesondere die Mönchs-Architektur der roma-
nischen Bauperiode.
Die Bauwerke jener Periode erhärten aber nicht bloss
diese letzte Bemerkung, sondern sie bekräftigen auch die
Thatsache der Verbindung der Klöster verschiedener Län-
der unter einander. Selbst Jenen, der aus der Kirchen-
geschichte nicht wissen sollte, wie häufig Klostergeistliche
von einem Lande zum andern wanderten, wie mit ihnen auch
die Künste sich verpflanzten, wie häufig von den Äbten eines
Klosters geschickte Künstler von einem andern Orte verlangt
wurden, könnte die Baugeschichte diese Thatsache schla-
gend belehren; dieselben Ornamente, die wir in den roma-
nischen Bauten Ungarns oder Böhmens finden, kehren am
Bhein, in Frankreich und in England wieder. Die baulichen
Anlagen von Kirchen und Klöstern, Kreuzgängen und Dor-
mitorien, Gewölben und Thürmen, Krypten und Tauf-Capellen
ist eine analoge im ganzen Occidente. Sie beruht auf der-
selben Kunstanschauung, auf derselben Bildungsstufe und
wurzelt in demselben Streben.
Das Wandern der Mönche hat für die romanische Bau-
periode dieselbe Bedeutung, die das Wandern der Meister
und Gesellen für die gothische hat. Wie griechische Mönche
in Bussland die byzantinischen Formen fortpflanzten, so haben
schottische Mönche mit ihren Klosteranlagen auch ihre Kunst
nach dem Continente, die Cistercienser ihre Anlagen aus
Frankreich nach dem deutschen Reiche herübergebracht;
die Form, ja selbst die Theilnahme an den Bauten war durch
Klosterregeln festgestellt. Die Klöster zu St. Gallen, Fulda,
Corvey, Hirschau, Cluny, Monte-Cassino waren die Kunstaka-
demien der damaligen Zeit, wie es für die griechische Kirche
lange das Kloster am Berge Athos war. Das war die Zeit,
wo die Regel galt: „non ab infidelibus aut a laicis, sed ab
Ecclesia fundatur Ecclesia."
Diese Thatsache, deren grosse weitgreifende Bedeutung
Niemand verkennen kann, wird getrübt durch die Verwechs-
lung der Ausdrücke Byzantinisch und Romanisch. Wenn man
die Bauten Ungarns. Böhmens, Kärnthens und Niederöster-
reichs, die wir Romanisch nennen, und gegenwärtig auch
von allen Kunstgebikleten so genannt werden, als Byzanti-
nische bezeichnet, so darf sich Niemand wundern, wenn sich
in der Masse der Gebildeten die Meinung entwickelt, die
Ungarn , Röhmen oder Kärnthner hätten ihre Kunst von
Byzanz aus erhalten; ihre Baukünstler wären orientalischen
Ursprungs und die Bauformen und Constructions weisen
wären etwa, wie byzantinische Prunkgefässe und Modestoffe
als Handelswaare herübergekommen. In Wahrheit aber i.-t
die sogenannte byzantinische Kunst, d. h. romanische in
den genannten österreichischen Ländern keine fremde,
sondern eine einheimische, die auf der früher angedeuteten
Weise im tiefen innigen Zusammenhange stand mit dem
ganzen Culturstrome des Occidentes. Die Anerkennung
dieser Thatsache, durch die Adoptirung des Namens Roma-
nisch statt Byzantinisch ist daher nur ein Act der Gerech-
tigkeit gegen uns selbst und unsere eigene Geschichte und
ich hege die feste Überzeugung, dass die Verbindung des
grösstenteils der Länder des österreichischen Kaiserstaates
mit dem Culturleben Mittel- und Westeuropas immer leben-
diger und bestimmter hervortreten wird, je mehr die Bau-
geschichte der in die romanische Zeit fallenden Denkmäler
des Kaiserstaates in Verbindung mit einer kritischen Ge-
schichte der Klöster durchforscht wird.
Die Entstehung dieser beiden terminologischen Aus-
drücke „Byzantinisch", „Romanisch "ist allerdings sehr ver-
schieden. Der Ausdruck : Romanisch ist sehr jung, und jener:
Byzantinisch sehr alt. Der Begriff des Byzantinischen stammt
wie der des Gothischen (letzterer im schlechten Sinne) aus
einer Zeit, wo die historische Kritik noch in den ersten An-
fängen lag und man sich dieser Ausdrücke weniger in dem
Sinne einer geläuterten Wissenschaft bediente, die noch nicht
vorhanden war, als im Sinne der herrschenden Kunstrichtung
des Tages. Wie Raphael in seinem berühmten Rriefe an
Leo X., in welchem er seine Ideen zum Aufdecken des alten
Roms entwickelte, die mehrere Jahrhunderte darauf Napo-
leon wieder aufnehmen wollte, wie Raphael in diesem
Briefe von der gothischen oder deutschen Kunst im Sinne
seiner Zeitgenossen sprach, welche in der römischen Bau-
kunst den allein vollkommenen Styl erkannten, wie Göthe
ebenfalls im Sinne seiner Zeit, die über Gothik nicht viel
mehr wusste als die Zeit Raphael's, unter der Rubrik gothisch
alle synonymischen Missverständnisse häufte, die ihm von Un-
bestimmtem, Unnatürlichem, Zusammengestöppeltem, Aufge-
flicktem, Überladenem jemals durch den Kopf gegangen waren,
so war es auch Vasari vorzugsweise, der in seinem ton-
angehenden Werk: „le vite de* piü eccellenti Pittori, Scul-
torieArchitctti" den Begriff Byzantinisch fixirte und dadurch
den Ideen Ausdruck gab die unter seinen Vorgängern und
Zeitgenossen, Künstlern wie Laien über die Entstehung und
die Anfänge der italienischen Kunst herrschten. Es wurde
vorzugsweise alles Byzantinisch genannt, was vor den Zeiten
7'
des Cimabue und Giotto gemalt wurde, ohne weiter zu
untersuchen, ob diese Gemälde von einheimischen Künstlern
herrühren und in wie weit byzantinische Einflösse wirklieh
stattfanden oder nicht. So wurde auch in den späteren Zeiten
in Beziehung auf Architektur, wie früher erwiihnt, alles By-
zantinisch getauft, was sieh nicht unter die Rubrik desGothi-
sehen einreihen Hess oder mit den Lehren Vitruvs und
mit den Regeln der Architekten der spätem Renaissance
eines L. R. Alberti, Vignolla, Scamozzi, Palladio
und Anderer vereinbaren liess. Und so tief ist der jahrhun-
dertlange Gehrauch des Terminus Byzantinisch mit den
Ideen der alteren Generation verschwistert, dass noch heut
zu Tage jede strengere symmetrische Compositum einer Ma-
lerei, seihst wenn sie von bekannteren italienischen Künstlern
des XIV. und des XV. Jahrhunderts herrühren, der alten Ge-
wohnheit zu liehe, eher Byzantinisch als Altitalienisch oder
Altdeutsch genannt wird, und dass selbst ein so verdienter
Forscher wie Heidelof f, zu dessen Tugenden selbst sein
wärmster Verehrer kritischen Verstand nicht rechnen wird,
bestrebt war. der kunstbeflissenen Jugend die Elemente des
romanischen Styls in seinem „kleinen Byzantiner" ebenso
beizubringen, wie er es mit den römischen Bauformen in
dem „kleinen Vignola" versucht hat.
Der Fehler des unermüdlich thatigen HeidelotT, der
aufgewogen wird durch ein Leben voll Verdienste, ist dess-
wegen keine Entschuldigung für Andere; diese werdenNotiz
nehmen müssen von der geistvollen Kritik, die schon Freiherr
v. Rumohr in seinen „italienischen Forschungen" gegen den
Begriff Byzantinisch auf dem Gebiete derMalerei entwickelt
hat, und von dem Sprachgebrauche aller neueren gediegeneren
Forscher über Architektur, einen C a u in o n t, Kugle r.
Quast, Schnaase, die sich mit gutem Grunde für die be-
stimmten vorgothischen Bauformen des Occidentes, des Aus-
druckes Romanisch, an der Stelle des früher gehrauchten
Byzantinisch bedienen1). Es bezeichnet dieser Ausdruck in
charakteristischer Weise jene Kunst, die unter dem vermit-
telnden und läuternden Einflüsse des Chrisienthums aus der
Verbindung römisch-antiker Elemente mit den Kunstbe-
i) Das französische Comite historique des srts et monumens adoptirtef ol-
■ i ■■ l erminolog i»'
Style littin du V' siecle an XI
Style j " m bii \l siecle el XII'
/ primaire ou ;i lai ttes, MM'
J secondaire ou rayonnant, XIV' siecle
1 ' ™ ) tertiaire ou flamboyant, XV siecle et premiere
( lllmtie du w i
Für den österreichischen Kaiserstaal würde der Ausdruck style latfn
für die bezeichnete Periode nich! rollkoninien passen, da sich in dem-
i 'i »11 nte rorfinden, \*>> der Ausdruck byzantinisch Lrereel»t-
strebungen der neueren Völker sich in nicht unähnlicher
Weise entwickelt hat, wie einige dieser Völker selbst, die
eben desswegen romanische genannt werden, aus der
Mischung römischer Überreste und keltisch-germanischer
Stämme entstanden sind. Die Heimath der romanischen Kunst
ist der Oecident und sind es insbesondere jene Gegenden, die
wie Nord-Italien, Frankreich, England und vorzugsweise die
Rheinlande lange Zeit hindurch Theile des römischen Reiches
gewesen sind. Nach und nach sind die benachbarten Lande
in den Kreis der jungen Kunsttraditionen hineingezogen
worden, insbesondere seit jener Zeit, als Kaiser Karl der
Grosse durch seine gewaltigen Bauanlagen am Rhein zu
Aachen, Nymwegen und Ingelheim zu seinem Ruhme noch
den hinzufügte, der Gründer des romanischen Raustyles zu
sein. Wie sich von Westen her diese Baurichtung nach
Osten und den Donauländern verbreitete, gehört der Ge-
schichte an und eine der interessantesten Seiten derCultur-
geschichte wird einst geschrieben werden, wenn die diesseits
der Alpen gelegenen romanischen Baudenkmale des österrei-
chischen Kaiserstaates als die Stationen der von Westen nach
Osten wandernden Cultur werden bezeichnet werden können.
Es versteht sich von seihst, dass damit das Specifische
der byzantinischen Kunst, der innere Werth ihrer Bauformen
nicht alterirt wird. Im Gegentheile, zur Feststellung des
Einflusses des Orients auf den Oecident, insbesondere zur
Feststellung des Einflusses auf die Donauländer und die
Küsten des adriatischen Meeres ist es noth wendig, das
Byzantinische vom Romanischen zu scheiden, die charak-
teristischen Eigenschaften jeder Kunstrichtung genau zu
bezeichnen und jedem Style sein Recht nach Massgabe der
vorhandenen Denkmale und ihres inneren Kunslwerthes zu
bestimmen. Es versteht sich von seihst, dass damit die
byzantinische Architektur nicht als mit der Romanischen
in gar keinem Zusammenhange stehend bezeichnet werden
soll. Zwischen dem Ryzantinischen und Romanischen besteht
kein Gegensatz, wie zwischen dem Pagodenbau der Inder
und dem Tempelhau der Ägypter, oder zwischen der Bau-
weise der Griechen oder der Mexikaner. Byzantinisches und
Romanisches hasirt speciell im Kirchenbau auf denselben
kirchlichen Bedürfnissen, und stehen sich nur in der Zeit
und in der Art und Weise der künstlerischen Lösung der
gestellten Aufgaben gegenüber. Das Eigentümliche der
byzantinischen Bauweise, ihr Einfluss auf Österreich soll
demnächst entwickelt werden.
fertig;! ist, «rührend der Ausdruck styie latin mir auf jene Moi tente
l».isst. « .' sich entweder römischer Einfluss oder die iltere Btsilieafenn
Dndet.
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— 53 —
Über die Bestimmung der romanischen Rundbauten mitBezug auf die Rundcapelle zu Hartberg in Steiermark1).
Von Dr. G u s t a v H c i il c r.
Unter den romanischen Bauten, welche iihcr das grosse
Gebiet des Kaiserstaates zerstreut liegen, findet sich eine
zahlreiche Gruppe von einer eigenthümliehen Anlage, deren
eigentliche Bestimmung bis auf den heutigen Tag noch nicht
völlig sichergestellt ist. Es sind diess Bundbauten klei-
neren Umfanges mit vorgelegter halbrunder Apsis, aussen
gewöhnlich mit Halbsäulen umstellt, und bekrönt mit dem
Rundbogenfriese und darüber dem Zahnschnitte. Ein mehr
oder weniger reich verziertes Portal führt in das Innere,
welches entweder glatt oder mit Nischen geschmückt ist,
öfters auch noch Spuren einstiger Bemahlung zeigt. Die mei-
sten haben auch einen gewölbten Unterraum, zu welchem
ein schmaler Eingang, oft halb versteckt und schwer zugäng-
lich, führt. Nur ein Theil dieser Bauten dient gegenwärtig
noch kirchlichen Zwecken, viele derselben haben aufgehört
Cultusgebäude zu sein, sie werden entweder als Magazine
verwendet, oder geradezu dem Einflüsse der Zeit überlas-
sen, die ohnehin in den meisten Fällen schonender zu
Werke geht, als der moderne Unverstand. Die Anzahl die-
ser Bauten ist eine sehr beträchtliche, sie dürften, wenn sie
einmal vollständig verzeichnet sind, die Zahl von Hundert
leicht übersteigen, sie weisen im Umfange der romanischen
ßauperiode alle Stufengänge derselben nach, von den ersten
rohen und schweren Formen bis zu dem Glanzpunkte der
reichsten Entwickelung, auch kann man an ihnen sicherer
und bestimmter den Übergang in den gothischen Styl beob-
achten, als an grösseren Bauten, von welchem der Kaiser-
staat nur sehr vereinzelte Beispiele aus dem Übergangs-
style aufzuweisen hat. An Bauten freilich fehlt es nicht,
welche die Elemente beider Style in unvermittelter Weise
neben einander zeigen, allein dieses äusserliche gleichgiltige
Verhalten verschiedener Stylformen zu einander ist noch
kein ckarakteristisches Kennzeichen des eigentlichen Über-
ganges und deutet in vielen Fällen geradezu nur auf ein
Schwanken zwischen zweien in gleicher Weise bereit lie-
genden Bauformen. An Beispielen hingegen eines organi-
schen Durchdringens beider Stylformen, eines innerhalb der
romanischen Ornamentik auftauchenden neuen C'onstructions-
elementes, wie wir sie an französischen Bauten und theilweise
*) Die nächste Veranlassung zu dieser kunstgeschichtlichen Untersuchung
gab eine auf Verlangen der k. k. Central-Commission von der Landes-
Baudirection für Steiermark vorgelegte Aufnahme und Beschreibung der
Baudenkmale in Hartberg. Von den Zeichnungen des k. k. Ingenieur-
Assistenten, Hrn. Leop. K um asser, eine in ihren Einzelheilen und ihrer
Auffassung ausgezeichnete Arbeit, wurden die geeignetsten bei der Tafel
und den Holzschnitten benutzt. Auf die von dem k. k. Baubeamten, Hrn.
Grave, herrührende historische Abhandlung über „die kirchlichen
Gebäude in Hartberg", welche wegen ihrer Heissigen Quellen! iitzung
und ihrer wissenschaftlichen Haltung nicht geringere Anerkennung ver-
dient, gedenken wir hei nächster Gelegenheit zurückzukommen. 0. lied.
auch an einigen deutschen zur Bewunderung wie auch zum
Studium erhalten haben, ist dem Stoffe nach, dessen Über-
sicht uns bisher gegönnt war, Österreich ziemlich arm.
Über den Ursprung und die Bestimmung der
Bundhauten sind die verschiedenartigsten Meinungen ausge-
sprochen worden. Auch muss erwähnt werden, dass sicli
gleiche oder ähnliche ßauanlagen auch ausserhalb Österreich,
in England, Deutschland, besonders zahlreich aber in
Frankreich finden.
Im Vordergrunde der über sie verbreiteten Ansichten
steht jene, welche unsere Bundbauten aus heidnischen
Tempeln herleiten will. Wir haben diese Ansicht nur
anzuführen, nicht zu widerlegen, sie konnte nur bei jenen
zur Geltung kommen, welche weder heidnische noch auch
christliche Monumente je zum Gegenstande aufmerksamer
Forschung genommen hatten, und sich mit irgend einem
Ausspruche zufrieden geben, der sie der Mühe weiteren
Denkens überhob.
Eine andere Ansicht sieht in diesen Bauten Templer-
Monumente. Die Templer haben es dem räthselhaften
Schicksale ihres unglücklichen Ausganges zu verdanken,
dass auch alles Bäthselhafte auf dem Gebiete der christ-
lichen Kunst, welches sich der Deutung entzog, ihnen zu-
geschrieben wurde. Man rühmte ihnen eine eigene Archi-
tektur nach und bezog auf sie alle bildlichen Darstellungen,
welche von den gewohnten irgendwie abwichen. Dieser
langgeübte Unfug hat nunmehr sein Ziel erreicht; mit den
geschichtlichen Aufklärungen, welche uns über den trau-
rigen Ausgang dieses Ordens geworden sind, erwächst für
Jeden, der mit einer solchen Behauptung vortritt, die
Pflicht, hierfür einen genügenden Beweis aufzustellen und
insbesondere nachzuweisen, dass das Monument, an wel-
ches der Name der Templer geknüpft wird, zur Zeit seiner
Entstehung in näherem Zusammenhange mit diesem Orden
gestanden habe. Bis nun ist eine solche Beweisführung
unseren Rundbauten gegenüber nicht versucht worden1).
Die vereinzelte Ansicht eines englischen Archäologen
will in solchen Rundbauten den Typus jüdischer Syna-
gogen gefunden haben, ein näherer Beweis für diese ab-
sonderliche Behauptung wird nicht beigebracht; wir begnü-
gen uns also, diese Ansicht erwähnt zu haben'-).
Am verhreitetsten und begründetesten ist die Meinung
Jener, welche diese Rundbauten mit den heiligen Ceremo-
nien der Taufe, oder mit den frommen Gebräuchen in Yer-
') Über Templer-Besitzungen in Österreich ist zu vergleichen J. Feil's:
Geschichtliche Einleitung zu Heider's: romanischer Kirche zu Schön-
grahcni. Wien 185S. S. !l- 64.
-I Archäologia briltanica. Vol. I und XXIII. S. 7.
34
bindung setzen, welche sieh an das Gedächtniss der
Verstürbe neu knüpfen.
Erste rer Mein u ng wurde jedoch in Bezug auf die
österr. Bauten erst jüngst entgegengetreten, indem darauf
hingewiesen wurde, „dass im XII. Jahrhunderte, mithin in
jeucin Zeiträume, in welchem die Mehrzahl dieser Bundbauten
ins Leben gerufen wurde, die Taufe in Teichen (piscinis),
in welche der Täufling hineinstieg, schon ganz abgekom-
men war. besonders da die Kinderlaufe in dieser Zeit allge-
mein war" ').
Diese Schlussfolgerang weiset uns darauf hin, auf die
Betrachtung der Taufgebräucbe und ihre historische Ent-
wicklung so weit einzugeben, als es die Aufgabe dieser
Blatter gestattet.
In den ersten Zeiten des Christentums wurde die Taufe
ausnahmslos durch Untertauchen des Täuflings (im-
mersio) vorgenommen, und diese Untertauchung geschab
dreimal, den drei göttlichen Personen entsprechend. Diese
Praxis hat die griechische Kirche und selbst in derrömiseben
Kirche der ambrosianische l'.itus (in derLombardie) bis auf
den heutigen Tag unwandelbar festgehalten. In späteren
Zeiten trat an die Stelle der Immersion das Begiessen
(infusio) und endlich das blosse Besprengen (aspersio)
des Täuflings mit dem geweihten Wasser.
Der Umstand, dass in den ersten christlichen Jahrhun-
derten die Mehrzahl der Täuflinge erwachsene Personen
waren, der Eintritt in die Kirche selbst ausnahmslos Unge-
tauften verwehrt blieb, wie auch, dass nur von dem Bischöfe
selbst die Taufhandlung vorgenommen werden durfte, und
diese ursprünglich auf die drei Taufzeiten, die Oslo:'-.
Pfingst- und Weihnachtszeit beschränkt blieb, daher die
Anzahl der zu Taufenden sich mehrte, führte die Notwen-
digkeit der Errichtung eigener bloss für die Taufhand-
long bestimmter Gebäude herbei, welche von Alters
her den Namen Bapt ister ien erhielten.
Die ältesten derselben weisen uns nach Rom, bald
aber erhoben sich mit der Ausbreitung des Christenthums
solche Baptisterien auch ausserhalb Borns an allen Mittel-
punkten christlichen Glaubens. Ihnen lag die von den Tem-
peln entlehnte runde Form fast durchgängig zu Grunde,
daher auch die erste Anlage der Baptisterien von Xocera,
S" Constanza und das bei dem Lateran in Born gelegene
irrthürolich dem Ileidenthume vindicirt wurde Eine spätere
Form der Baptisterien bildete das Achleck. In der ßegel
waren sie in zwei Abtheilungen gesondert, die eine für die
männlichen, die andere für die weiblichen Täuflinge bestimmt.
In dir Mitte stand der Taufbrunnen (piscina oder fons bap-
Hsmalis) von ansehnlicher Grösse und nach Isidorus mit
Stufen zum Hinauf- und Hinabsteigen der Täuflinge. Der
Taufbrunnen selbst vvar mit verschiedenen symbolischen
Figuren, gewöhnlich mit dem Bilde des nach der (Juelle sieb
sehnenden Hirsches, mit der Figur des Lammes, am häu-
tigsten jedoch mit der Darstellung der Taufe Christi durch
Johannes geziert . wie auch die Taufkirchen selbst dem
b. Täufer Johannes zugewidmet waren. Auf die innere Aus-
schmückung dieser Taufkirchen wurde die höchste Sorgfalt
und aller Schmuck an Gold und edlen Steinen verwendet.
So lesen wir von dem Papsti Hilarius, der den Stuhl des
h. Peters am Ende des V. Jahrhunderts einnahm, dass er in
dem Baptisteriitni bei der Basilica Constantins drei Oratorien
erbauen liess zur Ehre des h. Jabannes des Täufers, des
Evangelisten Johannes und des lt. Kreuzes. Die Pforten des-
selben waren von Erz. In demselben sab man eine On\\-
Säule, welche ein goldenes Lamm im Gewichte von zwei
Pfund trug. Den Raum der Taufkirche erhellte eine
goldene Lampe von 12 Pfund Gewicht. Das Wasser in dem
Taufbecken strömte aus 3 Hirschen von Silber, welche
24 Pfund wogen, und über dem Taufbecken hing eine gol-
dene Taube, zwei Pfund schwer ')•
Wie erwähnt, waren solche T a u f k i r c h e n ursprünglich
nur an den Sitzen der Bischöfe vorhanden, welchen
allein das Recht der Vornahme der Taufhandlung zustand').
Nur ausnahmsweise wurde dieses Recht an einige Folie-
giatkirchen und Klöster abgegeben, wie denn auch
mehrere Klosteraulagen, wie z. R. jene von St. Gallen und
Maulbronn, Tauf-Capellen in der unmittelbaren Xähe der Klo-
sterkirchen in sich schlössen. DieRegel aber blieb, dass die
Taufhandlung von dem Rereiche der einem Kloster einge-
räumten Rechte ausgeschlossen blich. So heisst es in der
päpstlichen Bulle vom J. 1 179, womit dem Stifte Kremsmün-
ster sein Besitzthum vom Papste Alexander III. bestätigt
wurde, ausdrücklich: „Sepulturam quoque loci ipsius libe-
ram esse volumus. — Chrisma vero. oleum sanetum.
consecrationes altarium seu basilicarum, ordinationes etiam
monachorum, qui ad sacros ordines promovendi sunt, a
dycecesano suseipiatis episcopo" s).
Der Zeitpunkt, mit welchem das Becht der Tauf-
handlung an die Pfarrkirchen abgegeben wurde.
lässl sieh mit Genauigkeit nicht bestimmen, es ist diess ein
Feld, auf welchem die Kirchengeschichte in Österreich noch
manche ungelöste Frage zu beantworten hat. Auch scheint
es, dass sich hiefür kein gemeinsamer Zeitabschnitt feststel-
len lasse, sondern dass dieser nach den Verschiedenheiten
der Länder auch ein verschiedener gewesen sei, und dass
im Beginne dieses lieclit nicht an alle Kirchen, sondern nur
an einzelne mit Rücksicht auf ihre Lage n. s. f. abgegeben
wurde, welche sodann die eigentlichen Ecclesiae parochia-
lis oiler plebanae biessen. Aus historischen Forschungen ist
ingsberichte der kais. tkademie der Wissenschaften tu Wien, IM. IX,
s. er."
'i B .'s*"': Diclionnaire d Ircheologie sacr^e. Paris 1851. Vol. I, 8. 495.
2) Martene : De antiqu ritib i, I, 13, c.
'i Hagn : Urkundenbucb von Krem i ster. Wien l 5SÄ. (fr 38, 8. 19; gan«
gleichlautend linden wir .Ihm' Formel in der Beatäligungsbulle Papsl
Paschal lt. an das Sl n Göttwi ig i J. 1 105. Siehe Karlin : Saalbuch des
Stiftes Göttweig. Wien 1855. s. 259,
— 55 —
erwiesen, dass die ältesten Pfarren bei weitem ausge-
dehntere Kircli spiele hatten, und dass der eigent-
lichen Pfarrlurche eine Reihe von arideren Kirchen unter-
stand, welchen nur ein Theil der Ausübung pfarrherrlicher
Rechte und somit eine beschränkte Selbstständigkeit zu-
stand <)• Nur die Pfarrkirchen hatten in der Regel das Recht
zur Taufe. Einen Anhaltspunkt für die Zeitbestimmung und
die früher herrschenden Verhältnisse gewinnen wir aus einer
Urkunde der Passauer Kirche um das J. 985, in wel-
cher festgestellt wird, an welche Taufkirchen (ecclesias
baptismales) der Zelient zu entrichten komme 2). Zwischen
den Jahren 1060 und 1070 ertheilte in Folge eines Ver-
trages mit dem Karantaner-Herzoge M a r q u a r d von E p p e n-
stein und Mürzthal der Erzbischof von Salzburg
Gebeliard den Kirchen zu Adriach, Grazlupp,
Piber, Weisskirchen, Aflenz, Lind und St. L am-
brecht das Recht der Taufe, des Regräbnisses und der
übrigen pfarrherrlichen Rechte3). Nach dem Admontner
Saalbuche hatten die Bewohner von Tragöss Taufe, Bestat-
tung und Sündenlosprechung in T r o f a i a c h zu empfangen *).
In einer Urkunde Adalbert III., Erzbisehofes von
Salzburg, an den Abt von Admont vom J. 1195 wurde
zweier Kirchen, nämlich jener auf dem Berge Zoppen (in
Käruthen hei Friesach) und jener zu Mucker nau aus-
drücklich als Taufkirchen Erwähnung gethan, und die Kirche
zu St. Gallen im neuen Walde (in Steiermark) erhielt
im J. 1154 — HGOdas selbstständige Pfarrrecht und wurde
damit, nach Ausscheidung aus der alten Pfarre St. Amand im
Admontthale, zur Taufkirche erhoben 5).
Auch die unter der Rubrik: De censu ecclesiarum im
Jahre 1330 zusammengeschriebenen geschichtlichen Noti-
zen über die Pfarren des Stiftes Kre msmünster geben
den Nachweis, dass nicht allen Kirchen die Ausspendung
aller Sacramente zustand. So war die Kirche in Wels
ausschliesslich auf das Sacrament der Beichte , und die
Kirche zu Tal heim auf das Sacrament der Beichte und
Communion beschränkt 6).
Man ersieht aus diesem Wenigen immerhin, dass in
unseren Gegenden noch am Schlüsse des XII. Jahrhunderts
nicht alle Pfarrkirchen das Becht zur Taufe be-
sessen haben, und dass diess eine Bevorzugung für eine
kleinere Anzahl war.
Von Wichtigkeit ist auch die Beantwortung der Frage,
zu w elc her Ze it die Übung des Un terta uchens
bei der Taufhandlung aufgehört habe und an dessen
Stelle die Infusion oder Adspersion getreten sei. Wenn es
richtig wäre, dass bereits mit dem XII. Jahrhunderte die
Taufe in den Teichen (piscinis) gänzlich abgekommen war,
wie die früher angeführte Behauptung aussagt, so ginge es
wohl nicht an, irgend einer unserer Rundbauten, deren
Entstehungszeit in das XII. und XIII. Jahrhundert zu setzen
ist, die Bestimmung, als Tauf-Capelle gedient zu haben,
zuzuweisen.
Ein näherer Einblick jedoch in die geschichtlichen
Quellen des Mittelalters zeigt die gänzliche Grundlosigkeit
des erwähnten Ausspruches, vielmehr lässt sich die Behaup-
tung erhärten, dass die Taufhandlang mittelst der Immersion
sich bis tief in das Mittelalter herab im Gebrauche erhielt.
Noch in der Mitte des XIII. Jahrhunderts kamen Taufen
mittelst Re Sprengung oder Regiessung nur selten vor.
Das im Jahre 1280 zu Cöln abgehaltene Concil hält die
alte Praxis ausschliesslich aufrecht, indem auf demselben
ausdrücklich die Anordnung ausgesprochen wurde, dass mit-
telst der Immersion zu taufen sei („baptismus per immersio-
nem conferatur") '). Ist die Erneuerung dieses seit Jahr-
hunderten bereits bestehenden Gesetzes auch ein Zeichen,
dass die arideren Taufweisen schon hie und da aufgetaucht
seien, welchen entgegenzutreten man sich bestimmt fand,
so zeigt es doch, dass sich darin noch keine übereinstim-
mende Neuerung kund gab. Es mögen wohl die folgenden
Jahrhunderte hindurch beide Taufweisen neben einander in
Übung gestandenhaben, wie denn auch dasConcil von Ra-
venna aus dem J. 1311 es dem Belieben des taufspendenden
Priesters anheimstellt, die Taufe durch Untertauehen oder
Begiessen vorzunehmen 3). Bekannt ist es übrigens , dass
beispielsweise in Strassburg das Untertauchen erst mit dem
Jahre 1453 gänzlich abkam3), und dass noch das Concil
von Prag vom Jahre 1470 (cap. XXX) den Gebrauch der
Immersion neben dem neueren Ritus der Aspersion aufrecht
hielt *). Hiemit stimmen auch gleichzeitige Kunstdarstel-
lungen überein. So ist auf einem Basrelif an der Porte-
rouge der Notre-Dame-Ki rche zu Paris der Täufling
zur Hälfte nackt in die Taufkufe getaucht, während der ihn
taufende Bischof Wasser über seinen Kopf giesst, zum
deutlichen Beweise der Anwendung beider Taufarten zu-
gleich 5). Wenn es schliesslich gestattet ist, als Gewährs-
mann für das bisher Angeführte auf die Schilderung eines
gottbegeisterten Dichters hinzuweisen, so möge jenes Vor-
falles Erwähnung geschehen, welchen Dante im Purgatorium
(Hölle 36. Gesang) anführt, welcher zeigt, dass man in
dem Baptisterium zu Florenz noch zu seiner Zeil die Täuf-
linge untergetaucht habe
Nachdem aber der Gebrauch der Immersion erloschen,
und das Becht zur Vornahme der Taufhandlung an alle
') Muchar: Geschichte Steiermarks. Gratz ISifi. Bd. III, S. 245.
2) Urkundenbuch des Landes ob der Enns. Wien 1852. I, S. 472, Nr. LVII.
3) Muchar, a. a. 0. S. 21 5.
4) Muchar, S. 2S0.
5) Muchar, S. 258—259.
6) Urkundenbueh von Kremsmünster, S. 369—370.
i) Thomas. S. V1U. 66, und Wetzer: Kirchenlexikon. Bd. 10, Taufe.
'-') Marl : De antiquis eccl. ritibus. 1, 136, c,
ll Sigharl: Die mittelalterliche Runs! iu der Erzdiöcese München-Freising.
1855. S. 79.
->) Klee: Dogmengeschichte. Bd. II, s. I i:>.
•) Didron: Annales Krcheologiques. Vol. V, p. 23.
56
Pfarrkirchen verliehen war, wurden eigene Bauten für die
Taufhandlung überflüssig und an deren Stelle traten im Ver-
laufe der Zeiten die Taufsteine, welche jedoch in ihrer
Form noch immer an die früheren Hund- oder Polygon-Bau-
ten erinnern. Die Synoden von Salzburg und An t w er-
neu verordnen, „dass diese Taufsteine an der linke Seite des
Kircheneinganges aufgestellt und mit Gitter umgeben wer-
den sollen. Das Becken soll aus dauerhaftem Stein beste-
hen und mit einem geschlossenen Aufsatze oder Thurme,
der in der Mitte getheilt oder abgehoben werden könne,
bedeckt sein. Der Schlüssel werde von dein Pfarrer ver-
wahrt." Das römische Rituale (de tempore et loco admi-
nistrandi baptismum §. IV) nennt den Taufstein geradezu
Baptisterium , doch bezeichnet es mit diesem Worte auch
die Taufkirche und erwähnt dann des gewöhnlichen Tauf-
steines als fons baptismatis. „Der Taufstein, heisst es, sei
an einem anständigen Ort, der Gestalt und dem Stofl'e nach
solid, und so, dass er das Wasser wohl halte; er sei gezie-
mend geschmückt, mit Gittern umzäumt, mit Riegel und
Schloss versehen uud so geschlossen, dass weder Staub
noch anderer Unratfa einzudringen vermag. Wo es sich ohne
Schwierigkeiten thun lüsst, werde auf dem Taufsleine das
Bild des heil. Johannes, wie er den Heiland tauft, ange-
bracht- ').
Aus der bisherigen Darstellung dürfte sieh ergeben,
dass einige unserer Rundbauten immerhin als Baptisterien
mochten gedient haben, denn fast alle stammen aus einer
Zeitperiode, in welcher noch, wie wir gesehen haben, die
Vornahme der Taufe durch Immersion, wennaueb nicht aus-
schliesslich, in Übung stand. Auch mochte sich der frühere
Gebrauch, für die Spendung des Tauf-Sacramentes eigene
Capellen aufzuführen, auch dann noch erhalten haben, als
die Immersion aufgegeben wurde. Nicht zu übersehen ist,
dass, nachdem die Kindertaufe allgemein wurde, was bereits
frühzeitig geschah, grosse Wasserbecken, wie sie die alten
Baptisterien zeigen, nicht mehr nothwendig waren, da die
Taufe sogar in gewöhnlichen Taufbecken vorgenommen wer-
den konnte. Damit entfiel auch die Beobachtung mancher
Rücksieht, welche auf die Bauanhige der alteren Baptisterien
Einfluss nahm, und es war gegönnt, ihnen eine einfachere
Gliederung zu neben. Doch muss mit einiger Vorsieht daran
gegangen werden, die Best im in u ng eines Hu n d ha u es
als einer T auf- Cape lle auszusprechen. Vor Allem dürften
hievon alle jene Rundbauten ausgeschlossen bleiben, welche
unterhalb einen gewölbten Gruftraum zur Aufnahme
der Todtengebeine haben. Denn das Concil \ on Auxer re,
welches im .1. 878 abgehalten wurde, sprach im ('; XIV
das ausdrückliche Verbot aus, in einem Baptisterium einen
Verstorbenen beizusetzen, ein Vorhut, welches nur zu Gun-
sten einzelner ausgezeichneter Kirchenfürsten später eine
Ausnahme erlitt, wie z. R. zu Gunsten des Bischofs Guald-
ricusvon Burgund, welcher im X. Jahrhunderte in der
Tauf-Capelle des St Germain-Klosters beigesetzt wurde ')•
Ausser diesem negativen Kriterium wird aber auch die
Beibringung positiver Beweise für die Bestimmung eines
Rundbaues als einer Tauf-Capelle erforderlich sein. Der
sicherste ist die urkundliche Nach weisung, die je-
doch nur in seltenen Fällen möglich ist. Eine beachtens-
werthe Hindeutung auf die Eigenschaft des Bauwerkes ist
das über dem Portale angebrachte Basrelief — bei Tauf-
Capellen also die Darstellung der Taufe Christi durch
Johannes, welche, wie bereits erwähnt, durch das römische
Rituale anempfohlen wurde. Endlich mag auch der urkund-
liche Beweis ausreichen, dass die Kirche, in deren Bereich
die Capelle aufgeführt erscheint, von altersher mit dem
Rechte zur Spendung des Tauf-Sacramentes ausgezeichnet
war und daher bei ihrem ausgedehnten Kirchspiele auch
einer eigenen Tauf-Capelle bedurfte. Wenden wir diese
Grundsätze beispielsweise auf einen der ältesten und interes-
santesten Rundbauten Nieder-Ostereichs, auf die Rotunde
zu Petronell an, so glauben wir sie mit einiger Sicher-
heit als eine Tauf-Capelle bezeichnen zu dürfen. \ or
Allem spricht hierfür das in der Rogeiifüllung des Portals
augebrachte Basrelief, die Taufe Christi durch Johannes,
mit einem Engel zur Seite, >\w das Gewand oder ein Tuch
zum Abtrocknen hält. Ausserdem lässt sich urkundlich fest-
stellen, dass Markgraf Theo bald vo n V o hb urg um
das Jahr 1 140 der Kirche zu Petronell den Zehent schenkte2).
Wir wissen aber aus der bereits angeführten Pa ssaue r
Urkunde v I. '.IS.'I, und erfahren es aus einer Reihe
weiterer von Martene beigebrachter Beweisstellen, dass
das Recht zum Bezüge des /.elients nur den mit dem Tauf-
reehte aiisgetattelen Pfarrkirchen in früherer Zeit zustand :l).
Endlich fehlt der Petronell er Capelle auch der bei der Mehr-
zahl der übrigen Rundbauten gewöhnliche Gruft ran in.
denn die gegenw artig unter der Capelle befindliche Familien-
gruft ist erst neuerer Zeit, und von dem alten Karnorraumo
ganz \ erschieden angelegt.
Unstreitig die Mehrzahl unserer romanischen Bund-
bauten diente jedoch als G r a b-Ca pell enaufdeu Kirchen-
friedhöfen. Dafür spricht die Lage derselben in der Mitte des
die Kirche umgebenden Friedhofes, wie auch der gewölbte,
zur Aufnahme der ausgegrabenen Gebeine besti ile I nter-
rauin.
Unsere Vorfahren waren nicht nur im Leben der Kirche
treu ergeben und sorgsam für ihr Seelenheil, sie Buchten auch
über d.is Ende ihrer irdischen Tage hinaus sieh des frommen
Andenkens der Kirche zu versichern. Zuiii Beweise hierfür
'» Wetzer: Kirchenlexikon. Bd In. Artikel Tnul ti n
i) Bourasse': Dictionn. d Ircheol. I, 193, IMnbillon, Unal. bened. Vol.
■ ". a.
'-') S;i.k.ri : Die römische Stadl Carnuntum. w ien 18S4. 8. 99.
'i Martene: De antiq. eccl. ritib. im l. Bande »n fielen Stollen,
— 57 —
dienen die „S e el ge r ä t h e,-1 Messstiftungen zum Seelenheile
Verstorbener ')> wie auch die seit dem VIII. und IX. Jahr-
hunderte aufblühenden K 1 o s t e r v e r b r ü d e r u n g e n 2),
welche einander gegenseitige Fürbitte für Lebendige, Seelen-
messen und Todtenämter für Verstorbene u. s. w. zu-
sicherten. Urkundliche Belege hierfür anzuführen, ist eben
so überflüssig, als sie zu erschöpfen, unmöglich; wer auch
nur als Laie in der Geschichtsforschung mit den uns über-
kommenen Aufzeichnungen unserer Vorfahren zu thun
gehabt hat, wird die reiche Fülle des hierauf bezüglichen
Stoffes kennen gelernt haben. Aber nicht bloss der Fürbitte
der Frommen sollte die Seele des Verstorbenen anempfoh-
len sein, der allgemeine Wunsch ging auch dahin, die sterb-
lichen Überreste in dem Gottes hause selbst, oder doch
in der unmittelbaren Umgebung desselben geborgen zu wis-
sen. Nur letzterer Wunsch konnte in den ersten Zeiten des
Christenthums in Erfüllung kommen. Denn das Begräb-
niss in der Kirche selbst war strenge verboten, sie
sollte ausser den Reliquien der Heiligen, welche der .Altar-
raum barg, keine sterblichen Überreste umschliessen. Dies
galt in gleicher Weise von den Klosterkirchen, wie auch von
den Kathedralen und den übrigen Pfarrkirchen. In den
Klöstern waren die Begräbnissstütten ursprüglich ausser-
halb der ganzen Bauanlage, d. b. ausserhalb der Clausur,
oft in betrachtlicher Entfernung, so dass die verstorbenen
Brüder auf einem Wagen dahin gebracht werden mussten,
nicht selten auf der Spitze eines Berges im frischen Wal-
desdunkel 3) , in der Mitte desselben erhob sich eine Ca-
pelle. Die Anlage eines Kirchhofes um die Stiftskirche tritt
erst später ein , wie wir aus dem Bittschreiben des Abtes
Odelricus an den Papst Urban ersehen. „Unsere gestor-
benen Brüder, heisst es in demselben, werden nicht in dem
Stiftsraume beerdigt, sondern zur Todten-Capelle geführt,
welche, auf einer Bergesspitze liegend, von dein Kloster
durch einen weiten Weg getrennt ist. Desshalb haben die
Äbte unserer Ordensregel den Wunsch , dass eine Leichen-
stätte um die Stiftskirche angelegt werden dürfe, und, ob-
gleich hierzu die Erlaubniss des Bischofes hinreichen würde,
ziehen wir es doch vor, auf Grundlage Deiner Autorität
vorzugehen" *). Immer noch aber musste dieser Kirchhof
ausserhalb der Clausur sich befinden 5). (Hie mos ordinis
nostri erat, ut peculiare coemeteriuni liaberetur cum sacello
1) Eine Reihe solcher Seelgerälhe aufgeführt in Hagn's Ürkundenbuch von
Kremsmünster. S. 404.
2) Über diese Klosterverbrüderungen und ihre Nekrologien findet man
reichen Stoff in ßergmann's Necrologium Augiae majoris ßrigantinae.
K-arajan's Verbriiderungsbuch des Klosters St. Peter zu Salzburg und
Zapperfs akademischen Vortrag: Über sogenannte Verbrüderungs-
bücher und Nekrologien im Mittelalter — sä'mmtlich in den Schriften
der kaiscii. Akademie zu Wien.
') Martene: De antiquis eccl. rit. IV. S. 767, a.
') Marlene a. a. 0.
D) Eines solehen zur Beerdigung der Klostergeistlichen bestimmten Fried-
hofes mit einer Capelle , wohin der Abt Martin eine Messe stiftete,
erwähnt zum J. 1399 das ürkundenbuch von Kremsmünster Nr. 336.
extra clausuram.) In ähnlicher Weise, nur vielleicht schon
früher, wurden bei den Kathedralen und Pfarrkirchen die
Kirchhöfe um dieselben angelegt, eine Sitte , welche sich
auf dem Ilachen Lande bis auf den heutigen Tage erhal-
ten hat.
Bald aber erwachte in den Gläubigen die Sehnsucht,
in der Kirche selbst beigesetzt zu werden, und obwohl dem
ein ausdrückliches Verbot entgegenstand, so fand man es
doch gerechtfertigt, für hochverdiente Kirchen- oder Kloster-
Vorstände, wie auch für besonders vorragende Wohlthäter
der Kirche einen Grabraum in derselben zuzulassen. Der
Zeitpunkt, mit welchem diese Sitte auftauchte, lässt sich
nicht genau bestimmen. Die Zahl der Begräbnisse in den
Kirchen nahm aber so schnell überhand, dass zuletzt die
Bischöfe mit Strenge dagegen einschreiten mussten.
Kirchen, bemerkten sie, seien zum Gebräuche für Lebende,
und nicht zu Todtenbehältnissen bestimmt; das Vorrecht des
Begräbnisses innerhalb der geweihten Mauern sei für die
Körper der Heiligen vorbehalten und in jenen Kirchen , die
durch die Beerdigung Aller ohne Unterschied, die es verlangt
hatten, verunreinigt waren, solle der Gottesdienst eingestellt
werden '). Das Verbot der Begräbnisse in Kirchen
wurde in Italien, wo diese Sitte am frühesten eingetreten
zu sein scheint, mit Strenge gehandhabt. So oft der Papst
eine schriftliche Erlaubniss zur Einweihung solcher Orte
gab, pflegte er stets die Clausel beizufügen : „si nulluni corpus
ibi constat humanuni'-. Viele Beispiele hievon finden sich in
dem Liber diurnus Romanorum pontilicum, welches bereits im
VIII. Jahrhundert niedergeschrieben wurde =). Diese Ver-
bote vermochten zwar den Gebrauch zu beschränken, aber
nicht gänzlich aufzuheben. In den Klosterkirchen Öster-
reichs wurden bereits im XI. und XII. Jahrhundert die Abte
und Wohlthäter des Stiftes beigesetzt und ebenso mag es
auch in den übrigen Kirchen der Fall gewesen sein. Um
einen Beweis der Gesinnung zu geben, von welcher ein dahin
zielender Wunsch geleitet wurde, führen wir statt vieler
Beispiele die Worte der llelk von Truchsen (30. Nov.
1310) an, der in dem Stifte Kr e in s in ü n s t e r eine Begräb-
nissstätte und ein Jahrtag gegen eine von ihr zum Kran-
kenhause gemachte Schenkung zugesichert wurde: „Ich bau
auch mir von diser zeit, ein fronung vnd ein Wartung des
jüngsten tags, in demselben gotshavs erweit, swo ich in
dem lant. vor meinem shepher in eniv. weit gevodert wird,
das si mich da Deinen schullen. vnd in ierm gotshavs be-
staten 2)." Wir ersehen zugleich aus dieser Urkunde, dass
im XIV. Jahrhundert das strenge Verbot, Frauen, sei es
lebend oder verstorben, in ein Kloster einzulassen , bereits
ausser Übung getreten war, während noch im X1I1. Jahr-
hundert die edle Frau Gisla von Valch enberch. eine
') Lingard: Uterthümer der angelsächsischen Kirche. Breslau l^ir. S. 151.
-'I Herausgegehen pon Garner, p. 93, 97. 99.
*) Ürkundenbuch pon Kremsmünster. S. Ist, IIS.
8
— 38
Wohlthäterin des Stiftes Zwetl, an der Klosterschwelle
desselben begraben werden musste ').
Bei der grössten Ausdehnung des Begräbnissrechtes in
dem Kircbenraume selbst, konnte jedoch nur eine kleine
Schaar Auserwählter sieb dieses Vorzuges erfreuen. Die
Mehrzahl musste ihre Ruhestätte in der Friedhoferde linden.
Aber auch diesem Räume musste zur Beruhigung der Ge-
mütber eine gottgeweihte Stätte eingebaul «erden, und so
linden wir in der Mitte der meisten Friedhöfe eigene Ca-
]iellen gestiftet, die ausschliesslich dem Todtendienste ge-
widmet waren. Wie zahlreich diese Fried hof-Cap eilen
gewesen sind , ersehen wir in Bezug auf Ober-Österreich
beispielsweise aus der Matrikel des Passauer Bisthums
(vom Jahre lt!33) "), wie auch aus der grossen Anzahl der
auf uns gekommenen Bauwerke dieser Art. An den in ihnen
errichteten Altären wurden die zahlreich gestifteten Seelen-
messen gelesen , den Raum derselben erhellte gewöhnlich
ein e\\ iges Licht, auch die Einsegnung der Verstorbenen mag
in früheren Zeiten in demselben vorgenommen worden sein.
Urkundliche Beweise hiefür liegen zahlreich vor.
Was nun die Form dieser Capellen anbelangt, so
belehren uns hierüber ausreichend die zahlreichen Überreste,
nämlich unsere Rotunden selbst. Aber abgesehen davon,
können wir auch aus schriftlichen Quellen den Nachweis
liefern, dass für solche Grabcapellen bereits in früher Zeit
die runde Form gewählt wurde. Von dem vierten Abte des
Ben edicti n er -Kl os ters zu Fulda, dem heil. A e g i 1
nämlich, erzähl) sein gleichzeitiger Biograph, der Mönch Can-
didus: „ecclesiam parvam aedificauit rotundam, ubi
defuneta corpora fratrum sepulturae Iradita requieseunt, quam
ciinilei'ium vocant" 3). Dieser Hau, von dem Mönch Ra-
dio lf geleitet und 821 rollendet, wurde am 22. Jänner 822
von dem Bischöfe von Mainz Hai stolf eingeweiht *).
Eine Ähnlichkeit der Anlage mit unseren Rundbauten
haben auch die in Frankreich zahlreichen, dem Grabesdienste
geweihten Lan fernes des mo rl s auch fa naux genannt.
Es sind dies eine Art hohler runder Säulen, mit einer bis zur
Überdachung führenden Stiege, oberhalb befindet sich bei
einigen ein erweiterter Raum, gross genug, um zwei bis drei
Menschen zu fassen. Den obersten Raum nahm ein ewiges
Liebt, oder eine nur bei gewissen Anlässen angezündete
Lampe ein. Zu Füssen der Säule befand sieb zuweilen ein
Altar, bei welchem religiöse Feierlichkeiten, insbesonders
bei der Beerdigung abgehalten wurden. Bei geringerer Höhe
und grösserem Durchmesser dieser Säulen, mit vorgelegter
Utarnische leiten sie geradezu in die Anlage unserer Rund-
bauten hinüber, daher auch die Rotunden von französischen
Archäologen unmittelbar mit den fa n au x in eine Gruppe zu-
sammengestellt «erden ')• Besonders tritt diese Ähnlichkeit
bei soleben Rundbauten hervor, «eiche gleich jenem in der
Altstadt zu Prag über der Wölbung des inneren Raumes eine
Laterne aufgesetzt haben 2).
Sowohl im Munde des Volkes, wie auch in urkundlichen
Aufzeichnungen weiden unsere G r a h-C ap eil en „ K ar n e r"
( Camarium) genannt. In letzteren können w ir eine dreifache
Bedeutung nachweisen. Bald ist es der Begräbnissplalz über-
haupt, der Camarium genannt wird, bald wird darunter der
Gruftraum der Kirche verstanden, bald legt man diese Be-
zeichnung den auf den Kirchhöfen erbauten Grab-Capellen
bei. Nur mit letzteren haben wir es zu thun. Vielleicht das
älteste Vorkommen dieser Bezeichnung enthielt die Charta
Willelini Acconensis Episcopi vom Jahre lllil, worin es
heisst: „In quo fcoemeterio) praedictus Manso intuitu pie-
tatis Ca rnari u m a d o ssa m ort u o vu m re p o n e n da d e
propria peeunia aedifieavit." In gleicher Bedeutung heisst
es bei Willelmus Thorn. anno 1287: „Capeila in Cimiterio,
quae dicitur Charner, peraeta est." In späteren Zeiten
wird die Anwendung dieses Ausdruckes noch häufiger, wel-
cher sich, wie erwähnt, allenthalben bis auf unsere Zeit
erbalten hat 3).
Hiemit haben wir die uns vorgesetzte Aufgabe erfüllt,
und es dürfte uns gelungen sein, die Bestimmung unserer
Rundbauten sichergestellt zu haben. Nicht unerwähnt aber
dürfen wir es lassen, dass einige wenige derselben , von
ihrem ersten Aufbaue an, weder die ausschliessliche Bestim-
mung als Taufkirchen, noch jene als Grabkirchen erhallen
halten, sondern schon ursprünglich 1' fa rrkir eben gewesen
sind. Die Vermuthung hievon wurde zuerst rücksichtlich
einiger Rundbauten Böhmens ausgesprochen und dabei
bemerkt, dass diese Form für kleinere Landkirchen viel-
fach üblich gewesen zu sein scheine und sieb auch bis ins
XVI. Jahrhundert erbalten habe*). Der urkundliche Beweis
wurde aber erst jüngst und zwar in Betreff der Rotunde zu
Scheiblingkirchen (V.l. W.W.) beigebracht ••). Der Salz-
burger Erzbischof Albrechl II. spricht in einer Urkunde vom
.1. I ISü diese Capelle von ihrer bisherigen Abhängigkeil
zur Mutterpfarre in l'ülten theilweise los. und stattet sie.
jedoch nur mit beschränktem Pfarrrechte aus. Den Brüdern
Wulfing und Wolfkor von Gleissenfeld wird gestattet, für
■i Fräst: Zwctllcr Stiftun buch. S 168, 169.
8) Notizenblatl der k. Akademie der Wissenscharton. III. Jahrgang 18S3
s 459 ir; und 184 196
') Brov , illust. el sanet rirorum Germaniae. Mogunt. IG16.
p. ■>» und
1 > l" »e: iii,- Mathias-Capellebci Kohern an der Mosel. Roblenz 1837, s :;i
'I Siehe hierüber Caumont: C 'sd'antiq. nnm. VI, |>. 343. — Bulle-
tin monumental. Tom. III. — Memoire* de la S ite* des Antiquairea de
l'Ouest. 'I' X. |'. -7S. — Archaeologia britanica, T VI, und Schares;
Histoire de l'Architectur Belgique rom U, p 7ii
aj Ober Rundbauten in Böhmen, rergl. Wocel: Bdbmiache Alterthuma-
kunde. Prag 1845, 8. B8 l Springer: Baukunst des chrisU, Mittel-
alters. II. um 1854, S. 96.
•> ) Weiteres hierüber l"i Ducange: Glossariuni, unter Carnarium, vergl.
.,'h h Seh Her, II. 330.
1 1 Springer :t. a. 0.
&)Feil in den Berichten und Uittheilangen des Alterthums-Vereins zu
Wien, im i. S i>. Note l
59 —
diese Capelle einen Priester zu bestellen, dessen In-
vestitur jedoch dem Salzburger Bisthume zuzustehen
habe. NurdasBegrübniss niederer Diener (servorum)
des Besitzthums darf bei der Capelle vollzogen wer-
den, die Anwohner (Colonne) hingegen jeder Ari
müssen ihr Begräbniss bei der Mutterkirche erhallen.
Auch wird dem Priester das Recht eingeräumt, je
ein Kind am Samstag vor Ostern und Plingsten zu
taufen, alle übrigen Kinder aber müssen der Sitte
gemäss der Mutterkirche zur Taufe dargebracht wer-
den, ausser, sie befanden sich in einem so gefahr-
drohenden Zustande, dass ihre Taufe schlechterdings
nicht verschoben werden kann.
Wir gehen nunmehr auf die Beschreibung der roma-
nischen Botunde zu Hartberg in Steiermark über,
welche sowohl ihrer räumlichen Ausdehnung nach, wie auch
in Bezug auf ihre Erhaltung und ihren architektonischen
Schmuck eine der bedeutsamsten in der Reihe der öster-
reichischen Bundbauten ist.
Sie besteht im Grün drisse (Taf. 4, 1) der gewöhn-
lichen Anordnung gemäss aus einem Rundbau mit zuge-
fügtem Kreissegmente als Baum der Altarnische. Letzteres
ist jedoch nicht, wie häufig bei anderen Bundbauten, bloss
ein Halbkreis, sondern nähert sich dem vollen Kreise. Der
Eingang in diese Capelle liegt nicht in der Axe des Baues,
sondern zu deren Seite, eine Anordnung, welche wir bei-
spielsweise auch an den romanischen Rundbauten zu Mödling
und Tuln in Nieder- Osterreich finden. Der Grund dieser
Abweichung mag theils in den Unebenheiten des Terrains,
wie dies bei der Mödlinger Capelle der Fall ist, theils darin
zu suchen sein, dass man bei Einhaltung der Orientirung für
die Altarnische, sich vielleicht durch Büeksicht auf eine
nebenliegende Kirche bestimmt fand, den Eingang in die
Capelle dieser zuzuwenden ')•
Im Aufbaue (Taf. 4, 3) zeigt sich unterhalb des
kirchlichen Baumes dieser Capelle ein Gruftgewölbe fast in
gleicher Höhe mit ersterem, jedoch mit Ausschluss des
Altarraumes.
Was den äusserenSchmuck des R u n d b a ues an-
belangt, so sehen wir (Taf. 4, 2) die Fläche desselben durch
neue Pfeilerbündel gegliedert, welche manche Besonder-
heiten bieten. Jeder Pfeilerbündel besteht aus drei Halb-
säulen, mit Capitälen -). (Holzschnitt 1.)
1) Heider: die h. drei Königs-Capelle zu Tiiin. Wien 1847.
2) Die mir bekannten Rundbauten Österreichs zeigen an der Aussenseite
durchgehend» nur einzelne, nicht aber in Gruppen gestellte Halbsäulen.
Eine Ausnahme macht nur die Rotunde zu Pulkau (V. U. M. I!.), welche
ebenfalls Min Pfeilerbündeln aus drei Halbsäulen , gleich der Hartberger
Capelle stell! ist. Eine Eigenthümtichkeit der Pulk: r Säulenbündel
ist auch, dass letzlere ganz ohne Capital sind, und sich ohne irgend eine
weitere Bekrönung oder Abschluss-Gliederung unmittelbar in .las Bekrö-
nungs-Gesimse einfügen, und dasselbe gleichsam zu durchschneiden
scheinen.
Auf letzteren sitzt jedoch nicht wie sonst fast ausnahms-
los, der Rundbogenfries auf, sondern er liegt demselben zur
Seite und seine Profilirung setzt sich neben den beiden
Wandsäulen bis zum Fusse des Baues fort. Auch dienen die
Capitäle der Pfeilerbündel dem die Bekrönung des Baues bil-
denden Zahnschnitte und Gesimse nicht als Träger, sondern
letztere beide treten bis zur Mauerflucht zurück, wodurch
eigentlich die ganze Anordnung der Pfeilerbündel wie auch
des Rundbogenfrieses seine architektonische Bedeutung ein-
büsst. Am Fusse des Baues geht kein Sockel herum, die Pfeiler-
bündel setzen sich daher unmittelbar auf der Bodenfläche ab.
Nur einer der Pfeilerbündel an der südöstlichen Seite des
Baues, wo das Terrain tiefer abfällt, hat eine Console, auf
welcher die Halbsäulen mit attischer Basis aufstehen. (Holz-
schnitt 2.)
(HolzschnitI 2)
Die Scheidung des Gruftraumes von dem oberen Ca-
pellenraume ist an der äusseren Wandfläche durch einen
umlaufenden, nur durch die Pfeilerbündel getrennten Rund-
bogenfries angedeutet, welcher ungetrennt auch um die
nicht durch eine Säulenstellung gegliederte Altarnische
umläuft. Ausser diesem Schmucke zeigl letztere nur als Be-
krönung den Rundbogenfries, Zabnschuilt und das Gesims
letztere beide ebenfalls über ersteren bis zur Mauerflucht
zurücktretend.
Das romanische Portal verengt sich von Aussen nach
Innen in 2 Stufen, in deren Ecken Säuleu gestellt sind:
sowohl die Eckpfeiler, wie auch die Säulen sind mit Capi-
tälen in Pflanzenformen, welche in mit Köpfen gezierten
8
— 60 —
Knorren ausgehen, geschmückt, darüber liegt ein gemein-
sames reich gegliedertes Deckgesims, über letzteres setzen
sicli Pfeiler und Säulen in Bogen fort und bilden so die Ein-
wölbung des Portals.
Das Innere des Rundbaues ist durch sieben Halb-
säulen gegliedert (der Anordnung nach und den Gewölbe-
gurten entsprechend sollten es acht sein, allein die Stelle
der achten Halbsäule ist durch das Portal in Anspruch genom-
men); die Capitäle dieser Halbsaiden (Holzschnitt 3) sind
(Holzschnitt 3)
jenen des Purtals iihnlich, über ihnen liegt ein umlaufendes
Gesims, die Kuppelwölbung wird durch acht ebenfalls über den
Capitälen aufsteigende ungegliederte Gurtbänder getragen,
welche in dem Mittelpunkte der Wölbung zusammenstossen,
ohne jedoch einen geschmückten Schlussstein zu zeigen. Das
Innere der Altarnische ist völlig schmucklos, ebenso
auch der Gruft räum, dessen Wölbung, von vier aus der
Bodenfläche aufsteigenden Gurtbändern getragen wird.
Der ganze Hau ist aus Quadern von Muschelkalk ge-
baut, wie er sowohl in Hartberg, als auch in der ganzen
Umgebung häufig vorkommt. Die Höhen der Quadern wech-
seln von 10 bis 12 Zoll, die Langen von 1 7" bis 2 Schuh.
An den Feldern zwischen den Säulenbündeln sind gewöhn-
lich in einer Reihe drei ganze und zwei halbe Quadern ein-
geschaart. Sowohl die Quaderwölbungen, wie auch die Aus-
senseite des Baues sind mich in vollkommen gutem Bau-
zustande, nur die Nordseite letzterer hat an einigen Gesims-
gliedern und Säulencapitälen unwesentliche Beschädigungen
erlitten.
Dem Baucharakter nach stammt dieser Rundbau
unzweifelhaft aus der zweiten Hälfte des XII. Jahr-
hunderts, womit auch eine im Munde der Bürger erhal-
tene Tradition übereinstimmt, nach welcher in früherer Zeit
die Jahreszahl 1J07 über dem Eingange der Capelle zu
lesen war, eine Tradition, welche freilich nicht sehr glaub-
würdig klingt.
\\ as schliesslich die Bestimmung dieses Rund-
baues, welcher gewöhnlich als Karner bezeichnet wird,
anbelangt, so glauben wir mit Berufung auf die vorausge-
gangene Untersuchung kaum einen Widerspruch besorgen
zu dürfen, wenn wir sie als eineG rab-Ca pelle bezeichnen.
Urkundliche Erwähnung derselben und zwar in einer hiemil
völlig übereinstimmenden Weise geschieht erst 1358, wo
Jakob Schuster, Bürger zu Hartberg, nebst anderen frommen
Gaben auch eine Messsliftung derart machte, dass alle Mon-
tage eine heilige Messe für sein Seelenheil in dem Karner
gelesen weiden solle. Auch im J. 1310 stiftete der dama-
lige Stadtpfarrer Michael Kurzbock zu diesem Karner ein
Beneficium simples mit einem ständigen Priester, welcher
die Verbindlichkeit hatte, täglich für den Stifter eine heil.
[Hesse in dem Karner zu lesen s).
Über den älteren sächsischen Kirchenbau und insbesondere die evangelische Pfarrkirche von Mühlbach.
Von Fr. Müller, k. k. Conserrator in Schässburs
II.
Mau kann an der Pfarrkirche von Mühlbach ohne Mühe
4 Theile unterscheiden; Thurm, Schill', Chor und Anbaue,
deren jeder in der Bauart von dem andern verschieden ist.
Diese Verschiedenheil hat in Bezug auf Altersbestimmungen
die widersprechendsten Behauptungen hervorgerufen. Die
Anbaue sahen Alle als den jüngsten Theil der Kirche an;
aber in der Bestimmung, ob Chor oder Schiff älter, gingen
die Ansichten auseinander. In Mühlbach selbst gibt es eine
kleine Pai-tei. die sich gegen die gewöhnliche Meinung für
ein höheres Alter des Schiffes entschied. Von dem Thurm
wurde wenig gesprochen; man sah ihn als zum Schiff gehö-
rig an, und wusste, da sich an dem ganzen Gebäude keine
einzige Jahrzahl vorfand, im Ganzen nichts Sicheres
weder über das wirkliche Alter des Chors, noch des Schilfes
anzugeben. Her Einsender halte Gelegenheit dieses Monu-
ment mehrmals zu besuchen und wagl es, auch seine Ansicht
durch deren Veröffentlichung in diesen Blättern der allge-
meinen Kritik preiszugeben.
Die Mühlbacher evang. Kirche bietet in ihrem Grund-
riss wenig von den übrigen des Sachsenlandes Abweichen-
des. Das Schilf besteht aus einem Mittelschiffe und zwei
merklich niedrigen Seitenschiffen, von denen jenes durch
zwei Reihen plumper Bogen geschieden ist. Es misst nach
Marienburg's , wahrscheinlich ungenauer Angabe (wenig-
stens ist sie in Betreff des Chors falsch), in die Länge 121,
in die Breite 81 Fuss. Fenster und Portale sind im Spitz-
bogen gebaut, während die Gewölbeden Rundbogen zeigen.
Die Fensler sind übrigens in ihren Verhältnissen sowohl als
ihren \ erzierungen ohne alle Schönheit. Es findet sich keine
Spur, dass an irgend einem der Theile des Schiffes, wie dies
in andern Kirchen der Fall, je eine sulide Kanzel angebracht
gewesen. Nach aussen hin wird das Schilf gestützt durch
i)i,r ei chti dei I idl Hai Ibi i ■■. Sti iei mark. Zeitschrift, (ieui I
vi. Jährt ■ I. Kdl. s. :i? und 49
— 61 —
zehn plumpe Strebepfeiler. Die Seitenwände des Mittel-
schifl's gehen etwa 21/., — 3 Klafter über dem Gewölbe
unter das Dach hinaus, sind oben durch ein Kranzgesims
geschlossen und weiter hinab durch eine Reihe im Spitz-
bogen aufgeführter schmaler, blinder Fenster1) verziert,
unter denen ein Steingesims hinlauft. Die Wand ist über
dem Gewölbe mit Ausnahme der steinernen Fensterbügen
aus Ziegeln aufgeführt, die nach innen bloss stehen, nach
aussen aber mit einem festen Mürtelanwurf bekleidet sind.
Über Mittel- und Seitenschiffe geht jetzt ein schwer-
fälliges Ziegeldach herab.
An dem Westende des Schiffes erhebt sich in der
Mitte der Thurm. Er ist viereckig und besteht aus mehreren
Geschossen, die nach Aussen hin durch Gesimse getrennt
erscheinen. Die Fenster sind durch je eine Rundsäule
getheilte Doppelfenster, mit Rundbogen überwölbt, die in
der Mitte auf einer auf den Säulen ruhenden Platte auf-
sitzen. Einige davon sind jetzt zugemauert; eines geht
unter das Dach des Schiffes. Unterhalb des letztern ist das
Gesimse unterbrochen und sind an der Wand des Thurms
deutliche Spuren vorhanden, dass in jener Lücke einst die
Spitze eines Daches ausfüllend eingetreten ist. Das Portal
im Thurm zeigt, von Säulen mit korinthisirenden Capi-
tälen getragene, nach aussen sich ausweitende Rund-
bogen. Die beiden obern Stockwerke des Thurms sind aus
Ziegeln gebaut und das Gesimse unter ihnen hat eine von
den übrigen etwas abweichende Form. Aus den vier Ecken
des mit farbigen Ziegeln gedeckten Daches erheben sich
vier Thürmchen. Die Glocken sind alle aus dem XVIII. Jahr-
hundert. An den Thurm lehnen sich zwei, jetzt als Magazine
benützte Anbaue von offenbar jüngerer Structur.
Im Osten des Schiffes erhebt sich einige Stufen über
dasselbe der Chor, vielleicht das erhabenste Werk dieser
Art in Siebenbürgen mit polygonem Schluss. Er ist 92 Fuss
lang, 81 breit und 50 hoch. Das Gewölbe, von einer doppel-
ten Pfeilerreihe getragen, zeigt in der Mitte den Rundbogen,
über dem Umgang den Spitzbogen und ist ein Gurtgewölbe.
Die schlanken, 11 Fuss im Umfang messenden Pfeiler ruhen
auf achttheiligen Rasen von 2' 6'' Durchmesser und bestehen
aus einer grossen Zahl, hei ihrem Zusammentreffen engere und
weitere Kehlungen bildender Halbsäulehen, die oben durch
ein Rlättercapitäl vereinigt, sich in den Gewölbgurten theil-
weise fortsetzen. Die beiden dem Altare zunächst stehenden
zeigen indess eine abweichende Construction, sind achteckig
und plumper und sollen in neuerer Zeit an die Stelle einge-
stürzter früherer erbaut worden sein. An den beiden, dem
Schiflezunächst stehenden Pfeilern, sowie rings um die innere
Chorwand sind äusserst zierliche Consolen und Nischen-
dächer zur Aufnahme von Statuen angebracht. Wo sich der
Chor gegen das Schiff' öffnet, sind an der Bogenbrüstung
deutliche Spuren vorhanden, dass eine Querloge angebracht
werden sollte, wie sie sich z. R. auch in den Domen von
Hechlingen und Meissen *) findet. Noch sieht man in den
Steinen die Einschnitte für die Brüstung derselben. Eine
dreieckige Galeric in der südw. Ecke ist gleichzeitig mit
dem Chor und wohl für die Aufnahme der Sänger bestimmt
gewesen, die viereckige auf der entgegengesetzten Seite
gehört der Neuzeit an. Das Pflaster besteht aus Quadern,
die von dem in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhun-
derts abgebrochenen Chorundauf herrühren und deren einige
mit Rruchstücken römischer Inschriften bedeckt sind. Der
Altar ist ein Flügelaltar. Das Mittelbild besteht aus Schnitz-
werk auf reich vergoldetem Hintergrunde und stellt den
Stammbaum Jesu dar. Zu beiden Seiten sind auf den Flü-
geln die Verkündigung, die Anbetung der Könige, die Taufe,
die Beschneidung etc. etc. angebracht. Unten steht auf der
rechten Seite das Wappen Sigismund's, auf der linken das
von Mühlbach. Die auf dem Altar befindliche Inschrift lautet :
„Altare hoc erectum anno 1418, renovatum 1081, rursus
1790". Neben dem Altare steht an die Wand gelehnt ein
ziemlich rohes Tabernakel oder Sacramentshäuschen, Sacri-
stei und Taufhecken sind ohne besondere Redeutung.
An den Wänden des Chors sind noch Spuren von
Wandmalereien, Heiligenscheine etc. wahrzunehmen. — Das
Äussere des Chors ist, wenn auch einfacher, doch dem
Innern ziemlich entsprechend. Die zwischen den 30 Fuss
hohen und 41/3 — 5'/3 Fuss breiten Fenstern aufsteigenden
Strebepfeiler endigen in zierliche Spitzsäulchen und tragen
zahlreiche Statuen -) , darunter und darüber Fratzen- und
Thierbilder. Zwischen den Strebepfeilern zeigen sich eben-
falls Wandmalereien, wie es scheint, die Passionsgeschichte
betreffend, mit lateinischen Inschriften wie „Spiritus autem
promtus caro autem etc. etc." Dem Schiffe zu sieht man an
der hochhinausragenden Schlusswand des Chors zwei mäch-
tige Brüstungsbogen , die aber vermauert sind. Wo im
Innern Chor und Schill' zusammentreten, erscheint vielfach
der nackte Stein in einer Weise, welche deutlich auf die
Absicht der Fortsetzung des Chors in einem ähnlichen Schiffe
schliessen lässt.
Die Kirche war der Maria geweiht, deren wundertäti-
ges Gnadenbild (es soll bei einem Erdbeben geweint haben)
früher auch den Altar schmückte, aber durch den Gouver-
neur Kornis nach Klausenburg geführt und durch das jetzige
Mittelbild des Altars ersetzt wurde.
l) Ganz ähnliche Erscheinungen erwähnt Kuglet' i\. a. 0. KS3.
M Guhl und Caspar: Denkmäler der Knust. II. 13. 1. und II. 22, l.
*) „Wer mag der Heilige mil dem Weinstock sein'.'- Wolf Menzel in
seiner ehristl. Symbolik. Regensburg 1854. II, S. 349 führt an: Patron
des Weinbaues i*t der h. Urban, Bischof von Langres im V. Jahrhundert,
der sich einsl während einer Christenverfolgung in einen Weinberg rer-
steckte, seitdem aber selbst Hüter der Weinberge wurde . dieselben wn-
Hagel beschützt, dessgleichen auch noch den Wein im Kidler tor Schaden
bewahrt, her von dem Verfasser dieses Aufsatzes hier bezeichnete Heilige
mit dem Weinstocke dürfte daher als der heil, l'rlian aufzulassen sein.
l). Red.
62 —
Soviel über das Detail dieser Kirche. Über das unge-
fähre Alter, besonders über Vorher und Nachher kann in
Bezug auf Thurm und Chor kein Zweifel mehr obwalten.
Die Conatruction der Fenster und des Portals «eiset den
Thurm vor das XIV. Jahrhundert; was aber über seine bei-
den höchsten Stockwerke gesagt wurde, macht es höchst
wahrscheinlich, dass diese spater aufgesetzt worden und
das vim dem übrigen abweichende Gesimse einst das Kreuz-
eresimse gewesen sei. Damals gehörte der niedrige Thurm
zu einer Kirche, auf welche auch die erwähnten Spuren
eines Daches zwingend hinweisen, und welche muthmasslich
in demselben Styl erbaut war wie der Thurm, nämlich im
romanischen. Diese Kirche kann leicht die älteste, überhaupt
in Mühlbach bestandene, gew esen sein und sogar ins XII. Jahr-
hundert hinaufreichen, denn es ist grundfalsch, dass die im
Norden der jetzigen Kirche noch stehende Capelle die älteste
Kirche gewesen. Jene Capelle ist nämlich rein gothisch und
das XII. Jahrhundert selbst in Deutschland die Blüthezeit
des romanischen Styls . der golhische erst eine Frucht
des dreizehnten. Dass aber bereits im XIII. Jahrhundert in
Mühlbarh eine Kirche gestanden, ist nach einer vom sieben-
bürgischen Bischof Petrus ausgestellten, auch bei Szeredai
Nntizia Cap. Alb. p. o gedruckten, aber um 100 Jahre zu früh
datirlen Urkunde unbezweifelbar. Die erwähnte Capelle mag
ein ßaptisterium oder die Kirche eines besondern Heiligen
gewesen sein; auf den Namen der ältesten Kirche Mühlbachs
überhaupt kann sie keinen Anspruch machen. Das jetzige
Dach des Thurms ist später aufgesetzt, kann aber in seiner
Anlage alt sein, denn Thürinc mit vier Bckthürmchen und
farbiger Ziegelbedeckung erscheinen am Niederrheine im
XIV. Jahrhundert.
Ebenso klar und noch sicherer kann das Alter des
Chors bestimmt werden und Diejenigen befinden sich in dem
grössten Irrthum, die dabei an sehr frühe Zeiten denken.
In drin Gewölbebau dieses Theiles der Kirche erscheint der
Kampf des Spitzbogens mit dem llalbkreisbogen und dieser
Kampf beginnt in Deutschland gegen den Ausgang des
XIV. Jahrhunderts. Schon darnach liesse sich also Einiges
Schliessen und man würde dabei unterstützt durch den I in-
stand , dass Tabernakel ebenfalls um dieselbe schon späl-
gothische Zeit in den Kirchen erscheinen, sowie in der-
selben Periode die Pfeilerbildung den schlanken Charakter
annimmt, der uns hier begegnet. Diese Gründe gewinnen
an Haltbarkeit durch die Betrachtung des Allars und des
auf demselben angebrachten Sigismundischen Wappens, so-
wie der oben bezeichneten Jahrzahl 1418. Insofern nun mit
der Errichtung des Altars so ziemlich der Schlusspunkt
eines Kirchenbaues gegeben ist. bleibt nur die Frage nach
dem Anfangspunkt übrig. Und sind wir auch nicht im Stande
diese Frage vollständig zu lösen, so ist doch ein Fingerzeig
erhallen, welcher dieselbe der Lösung näherbringt. Ein
-issstein des Mittelgewölbes zeigt nämlich das Wappen
der ungarischen Könige aus dem Hause Anjou, die vier Flüsse
und die Lilien. Der Chor ist also begonnen unter der
Regierung der Anjou's, dem Styl nach gegen das Ende
derselben, und unter Sigismund vollendet worden. Aus dein
älteren Hau, au dessen Stelle er trat, wurden wahrscheinlich
jene römischen Werkstücke in das christliche Heihaus ver-
arbeitet. Später, den Schriftzügen nach zu schliessen erst
um 1S00, wurden die Wandmalereien am Aussein des Chors
hinzugefügt. Der Chor entstand also ungefähr um dieselbe
Zeit, in welcher Mühlbach zum ersten Male auf König Sigis-
inund's Befehl ummauert wurde (1387), ein herrliches
Zeugniss der grossen Regsamkeit und des thätigen Gemein-
sinnes, der damals unter den Sachsen wohnte.
Wann aber mag das Schilf entstanden sein, dieses
plumpe, drückende Gebäude voll Winkel und Finsterniss,
das den mit drn schlanken Pfeilern des Chors in freier
Bewegung aufwärts schwebenden Geist so unangenehm
zunickhält? Lange nach dem Chor keinesfalls, da sich
an dem letztern gar keine Spuren davon linden, dass
er je als Kirche für sich benützt worden wäre, was
sonst der Fall sein müsste. Wer aber die Geschichte
Siebenbürgens und Mühlbachs insbesondere nach der
Sigismundischen Zeit in Rechnung bringt, wird schwer-
lich behaupten wollen, dass die Kraft eines schon im
Jahre 1438 geplünderten und verwüsteten Ortes zu einem
Kirchbau hingereicht hätte. Mag er später auch von dem
Aufstand von 1407 weniger berührt worden sein, so seufzte
er doch schon 1473 unter dem Druck des Woiwoden, der
sich die wohlgelegene Stadt vom Konig Matthias für
20.000 Goldgulden hatte verpfänden lassen. 1479 und 1493
rauhten und sengten die Türken wieder im Lande und am
meisten in den südwestlichen Gegenden; wo da Hube und
Freudigkeit hernehmen zum Haue des Gotteshauses. An den
Mauern und Thürmen mögen sie wühl gearbeitet bähen, wie
dies aus den Zeiten des Königs Matthias gewiss ist. Auch irren
diejenigen, die da meinen, die Verwilderung des germani-
schen Styles besiehein der Einengung des innemRaumes, da
gerade eine Erweiterung, nämlich gleiche Hohe des Mittel-
und der Seitenschiffe und ein Zurückkehren zur antiken
Säule und dem römischen, jelzl rohen . Gewölbebau die
spätere Periode bezeichnet. Von alledem findet sich aber
hier keine Andeutung; der Gewölbebogen ist zwar rund
aber nicht römisch. Die Säule erscheint nirgends; das Mittel-
schiff ist, und zwar in der Anlage bedeutend höher als die
Seit« nschiffe geführt sind. So können wir in dem ganzen
Schill' eher einen Anfang als eine Verwilderung des germa-
nischen Baustyls im Sachsenlande seh ind uns die Ent-
stehung der ganzen Kirche etwa in folgender Weise vor-
stellen. Bei dem I nihaii des ältesten Kirchleins blieb der
romanische Thurm stehen, wurde aber erhöhl und gehörte
nun zu einer Kirche, deren Schiff bereits dem germanischen
Style angehörig, noch vorhanden ist. Dieses M ment war
grösser angelegt als es ausgeführt wurde, denn die blinden
Oberfenster sind nicht dazu eingefügt, um unter Dach
63
gebracht zu werden. Als gegen Ende des XIV. Jahrhunderts
das Leben der Sachsen im Allgemeinen in einer gewissen
Gehäbigkeit sich zu bewegen anfing, fassle man den Plan
eines Neubaues, riss aber, wahrscheinlich um wahrend des
voraussichtlich längeren Baues den Gottesdienst keine Stö-
rung erleiden zu lassen , nur den Chor der alten Kirche
nieder und erbaute in etwa vierzig Jahren den jetzigen
Chor, nicht ohne Hoffnung, ihn in einem gleich schönen
Schiffe weiter fortsetzen zu können. Die Zeiten wurden wild;
man verzweifelte an der Vollendung des Werkes, schloss
die dem Schiffe zugewandte Chorseite — das Dach des
Schiffes ist spatern Ursprungs und jetzt natürlich fest an die
Chorwand gerückt — und erbaute in Eile aus Bruchstücken,
die bei dem Chorbau übrig geblieben waren, die Hallen vor
den Portalen des Schiffs. So etwa mag die Entstehungs-
weise der jetzigen Kirche zu denken sein.
Sie ist ein äusserst lehrreicher Gegenstand für das
Studium der altern sachsischen Baukunst und der Einsender
selbst am weitesten davon entfernt, die Untersuchung dar-
über mit der in dem Vorhergehenden aufgestellten Ansicht
als vollständig geschlossen ansehen zu wollen. In der Reibung
der Meinungen entzündet sich der Funke der Wahrheit.
Über den Baumeister der Mühlbacher Kirche weiss die
Geschichte nichts: die Sage nennt den Erbauer der Kron-
städter Kirche auch als Werkmeister bei dem Mühlliaeher
Chor. Weil er aber bei der Grossartigkeit dieser Bauten
nicht im Stande war, beide persönlich zu leiten, musste er
dies Werk in Mühlbach seinem geschicktesten Gesellen über-
lassen. Als er nun einstmals binüberkam von Kronstadt und
der Geselle den Meister herumführte auf den hohen Gerü-
sten und ihm Alles zeigte vom Fuss bis zum Kranz, was er
gemacht, und dieser sah, dass es viel herrlicher sei als was
er selbst in Kronstadt gethan, da ergrimmte er voll Neides
und stürzte den armen Gesellen vom höchsten Gerüste
hinab, dass er in tausend Stücke zerschellte und also die
Kirche unvollendet bleiben musste.
So rankt sich die Sage auch an dem gothischen Pfei-
ler der Mühlbacher Kirche hinan und zündet Leben, wo die
kritische Geschichte nur leere Blätter sieht. Aber der Ge-
danke weilt sinnend auf diesen Steinen, die so laut predigen
von Zeiten, in denen unter dem belebenden Hauche rast-
losen Gemeinsinnes das Leben des Sachsenvolkes Blüthen
angesetzt hat, deren so wenige zur vollkommenen Frucht
zu reifen bestimmt gewesen ').
Notizen.
24. (Baudenkmale in Aussee). Die Pfarrkirche
von Aussee in Obersteiermark ist ein hübscher gothischer
Bau aus dem XV. Jahrhundert; sie bat nur eine niedrigere
Abseite, welche starke, viereckige, durch breitleibige Spitz-
bogen mit einander verbundene Pfeiler vom Schiffe trennen.
Die an den Pfeilern hinauflaufenden halbsäulenförmigen Gurt-
träger, welche die Bippen der zusammengesetzten Kreuz-
gewölbe unterstützen, sind ganz einfach, ohne Capital; der
Eingang an der Südseite ist von rothein Marmor mit zierli-
chem, sich durchkreuzendem Stabwerk auf dianiantirten
Sockeln zwischen der breiten Hohlkehle der Anschlags-
mauern. An der Evangelienseite des Altars ist ein an der
Mauer stehendes Sa er amen thä usche n von dreieckiger
Grundform, im gothischen Organismus sieh aufhauend; die
viereckigen Gitter der beiden Seiten sind mit Laubwerk ein-
gefasst. Es gehört dem XVI. Jahrhundert an.
Interessanter ist die kleine, einschiffige, dreiseitig-
geschlossene Spitalkirche wegen des hier befindlichen
Flügelaltars vom Jahre 1449, den Kaiser Friedrich IV.
errichten Hess. Er besteht aus einem gemalten Mittelstücke
mit doppelten Flügeln, über welchen sich ein einfacher
gothischer Aufsatz erhebt mit den rund geschnitzten Figuren
der Heiligen Georg und Florian. Das Mittelstück stellt die
Dreieinigkeit dar (Gott Vater hält das Crucifix), herum
Engel und die zwölf Apostel. Auf den Flügeln sind Hei-
lige: Jungfrauen, Bischöfe, Märtyrer und Einsiedler gemalt,
gleichsam die Dreifaltigkeit verehrend. Die inneren Flügel
zeigen auf ihren Aussenseiten vier Darstellungen aus dem
Leben Maria: die Verkündigung, Heimsuchung, Geburt
Christi und Anbetung der h. drei Könige, die Innenseiten
der äusseren Flügel aber die Heiligen; Katharina. Barbara,
Gertrudis, Apollonia, Dorothea. Margaretha, Agnes und
Ursula. Wenn daher die inneren Flügel geschlossen wer-
den, so erscheinen in der Mitte die vier Darstellungen aus
dem Leben der h. Jungfrau, zu beiden Seilen die vier Tafeln
mit den Heiligen. Die Figuren sind hei '2 Fuss hoch, die
Zeichnung ist gut, obwohl nicht frei von Verkümmerungen,
das Colorit kräftig mit bräunlichem Localton. Die Kopie
bähen einen ernsten Ausdruck, einige der weiblichen Heili-
gen sind ungemein anmuthig und lieblich, im Allgemeinen
fehlt aber doch die feinere Individualität und der geistige
Adel, welche das grosse Kunstwerk charakterisiren ; es sind
eben nur gute Schularbeilen. Die Attribute der Heiligen sind
sehr gross, die Nimben tellerförmig. Durchgängig zeig!
sieh der Einfluss der v.in Eyck'schen Schule, der damals
auch die oberdeutsche Schule beherrschte, welcher unser
Altar angehört. Auf dem IVedell sieht man von zwei Engeln
') In dein imis eben zugekommenen III. Heil.1 (N. I. I Band) des „Archivs
des Vereins dir siebenbürgische Landeskunde" hat der Herr Verfasser
lies vorslohiMitlen Anf.vitzt's niit-h eine kunstgeschichtliche Abhandlung
über die Schäss burger Bergkirche veröffentlicht. Wir werden in einem
der iiiiehslt'ii Hefte <l;u':uif /.in iickkoi en . um durch Beispiele Über
das Eigentümliche des alteren sächsischen Kirchenbaues weitere Auf-
schlüsse /.n geben. Die Red.
— G4 —
gehalten das Schweisstuch Christi mit seinem Antlitz, unter
demselben die i> Vocale A.E.I.O.U., mit denen Kaiser
Friedrieb [V.AlIes zu bezeichnen pflegte, was sein war; auf
der rechten Seite ist der Wappenschild von Österreich, auf
der linken jenes von Steiermark gemalt; auf der oberen
Leiste des Predells steht: „Maria memento mei 1XX9" in
gothischen Minuskeln.
Alter als dieser Altar noch, ist eine lange Tafel. 2 Fuss
hoch, auf welcher mehrere Heiligenfiguren neben einander
— unter jedem der Name — ■ auf Goldgrund in Tempera
gemalt sind. Das bräunliche Colorit mit verschwommenen
Contouren, weichen, verhlasenen Schatten und weisslichcn
Lichtern, die dicken Nasen, spiessigen Ilaare und gezo-
genen, faltenreichen Gewänder erinnern an die alte Cölner
Schule (Meister Wilhelm und seine Nachfolger) zu Ende des
XIV. Jahrhunderts. Jedenfalls gehört diese interessante
Tafel zu den ältesten Bildern in Steiermark und stammt aus
der Frühzeit des XV. Jahrhunderts.
Ed. Freih. v. Sack en.
25. (Die Ki r ch e i m D o r f e T i r o I) hat zwei Portale
im romanischen Style aus dem XI. oder dem Anfange des
XII. Jahrhunderts. Das eine, an der Faeade, hat auf jeder
Seite eine Säule mit schwerfälligem Blattcapitäl , an dem
auch Vogelgestallten (Eulen) angebracht sind; auch die
Mauerecken der rechtwinklig abgestuften Anschlagsmauern
zeigen plumpe Thiergestalten. Die beiden Säulen sind durch
einen im Rundbogen sieh um das Portal herumziehenden
Wulst verbunden. Einfacher, aber im gleichen Style sind
die Säulen des Einganges an der Südseite. Der Chor hat
gothische Bauformen; das Innere der Kirche ist ganz moder-
nisirt. An der Faeade sind die Reste eines Flügelaltars aus
dem Anfange des XVI. Jahrhunderts aufgestellt, zwei aus
Holz rund geschnitzte und bemalte Heiligenfiguren (Johannes
der Täufer und ein heil. Rischof, Nikolaus?) und zweiTafeln
mit Petrus und Paulus in Relief, gute mit Charakter und der
allen Sculpturwerken dieser Zeit eigenen Tüchtigkeit aus-
geführte Arbeiten. Ed. Freih. v. Sacken.
2G. (Glocke n-I ns ch r i f te n in U n g a r n.) Der k. k.
Conservator des < >fner Verwaltungsgebietes, Herr Dr. Michael
Haas, machte auf eine Mittheilung der „Leipziger illustrir-
ten Zeitung" vom :>. Mär/. 1858 über eine Glocke aus der
Mitte des XV. Jahrhunderts aufmerksam, welch letztere
noch in Seligenstadt existirei I mit gothischen Buchstaben
die Umschrift (ragen soll: „Grex gloriae Christe veni cum
pace" I Heerde des Ruhmes Christi, ki'uiuie in Frieden). Nun
sei aber nach seinem Erachten die Lesung dieser Umschrift
unrichtig, indem sie anstatt: Grex — O res lauten müsse.
Er «eist zur Bekräftigung dieser Behauptung auf drei Glocken
in Ungarn, und Zwar Solche, die um .'in Jahre aller seien als
die gedachte, und welche sämmtlich die Umschrift: „0 rex"
und nicht: grex tragen, wohin auch der Ausgang des Wortes
Christo zeigt. Eine dieser Glocken sei ganz mit dieser In-
schrift bedeckt, das lnisst die genannten Worte wiederholen
sich so oft, als es die Oberfläche der Glocke gestattet. Diese
und die zweite beiludet sich im Neograder Comitate und die
dritte im Eisenburger Comitate nicht weit von der steier-
märkischen Glänze.
27. (Denkschriften dreier r ö in i s c h e r S t e i n e
in Ofen.) Nach einer Mittheilung des Herrn k. k. Conser-
vators Dr. Haas in Ofen wurden zu Anfange des J. 1855,
als man die Fundamente zu einem Wohnhause aushob, drei
römische Steine mit Inschriften gefunden.
Der erste dieser Steine, 3*/a Schuh, ein länglicher
Würfel und mit vorzüglicher, vollkommen gut erhaltener
Steinmetzarbeit geziert, enthielt folgende Inschrift:
DEO . INVICTO.
MITRAE . XC.
IVL . CASTI
NVS . LEG A^G
l'R . PB.
Auf dem zweiten, 5 Schuh hoch, war zu lesen :
DEO ABIMA
Nio . LIREOL
LA . LEO
FRATRIRUS
VOTO . DIC.
Und der dritte Stein, gleichfalls 5 Schuh hoch, trug
folgende Inschrift:
FOBTUNAE
REDUCI
PUBLIUS
cosimis
FELIX VC
LEG AUGG
l'R. l'R.
Di(! Schrift war insbesonders auf dem ersten Steine
sehr kräftig und gut erhalten, so dass sie kaum auf einem
anderen römischen Steine schöner sein kann.
Auf Veranlassung des genannten Herrn k. k. Conser-
vators wurden die drei interessanten Steine im National-
Museum aufbewahrt.
Um nun auch über die Bedeutung der Inschriften
nähere Aufklärungen zu erhalten, wandte sich die k. k.
Central -Commission an den Herrn k. k. ßegierungsrath
.1. Arneth, welcher mit gewohnter Bereitwilligkeit hierüber
folgende Erläuterung vorlegte: -Her Fund über den Herr
Dr. Haas, k. k. Schulrath und Conservator für das Ofner
Verwaltungsgebiet, berichtet, bietet in römisch-archäologi-
scher Beziehung drei merkwürdige Inschriften dar, von
denen die erst,., sehr wohl erhalten, dem Mithras gewidmet
ist. Mithras war den Persern die Pcrsouilicatinn des (Juten,
des erwählten Geistes, der Erste der [zeds, mit der Sonne
angerufen, aber von ihr verschieden, er war Lichtspender.
Monumente sowohl wie Inschriften dem Mithras /u Ehren
kommen bei uns sehr häufig vor. sie beweisen wie der
— 6;
Cultus des Mithras unter Pompejüs dem Grossen nach Rom,
in unsere Gegenden durch die römischen Heere gekommen
ist. Die zweite Inschrift: DEOARIMANIO — ist demAhriman,
der Personification des Bösen, gewidmet. Aliriman, bei den
Persern der Gegensatz des Guten , des Ormuzd , wird nach
dem Zend-Avesta vorgestellt als Schlange, als Schlangen-
drache '): d'e m't Schlangen umwundenen Menschen gelten
auf Mithras-Monumenten als die von Ahriman versuchten.
Ein Monument des Ahriman ist uns nicht bekannt. Bis
jetzt wurden nur zwei Inschriften aufgefunden, die sich auf
Ahriman beziehen; eine befindet sich in Rom2), die andere
wurde gleichfalls in Ofen gefunden.
Der Herausgeber der letzteren, der ungemein fleissige
Katancsich 3) setzt dazu *) : „Numen peregrinum e Germania
duxerit originem, voce e greco et theutonico, Marteus
notante, composita. Nuspiam alias dei hujus mentionem
fieri comperimus." Der gelehrte Mann, dessen Werke gewiss
zu den fleissigsten Arbeiten gehören, hat sich hier offenbar
geirrt; denn das Wort ist in Pehlevi-Sprache und nicht aus
dem griechischen "Apr,g und dem deutschen Mann; also die
Verstärkung des Griechischen.
Es ist daher die neu aufgefundene Inschrift auf
Ahriman gewiss sehr merkwürdig.
Die dritte der in Ofen gefundenen Inschriften ist der
Fortuna Redux gewidmet, eine Gottheit, die auf Münzen
oft, auf Inschriften ebenfalls, jedoch seltener, vorkömmt.
28. (Ein gangst hüre derBibliothek des Col-
legiums Jagelion icum zu Krakau.) Als im J. 1 S18
das am alten Ringplatze von Krakau gestandene alte Bath-
haus, von welchem gegenwärtig nur mehr der Thurm
übrig geblieben ist, abgebrochen wurde, geschah es, dass
nebst anderen Werken alter Baukunst auch ein sehr
schön gearbeiteter Thürstock von Stein sammt der dazu
gehörigen hölzernen Thüre, welche den Eingang in den
Rathssaal schmückten, zerstört zu werden drohte, und nur
durch die unermüdete Sorgfalt des damaligen Baudirectors
Dr. Kremer vor dem gänzlichen Verderben bewahrt wurde.
Der Thürstock lag zerstreut an mehreren Orten in Staub
und Schutt begraben und die Thüre diente untergeordneten
Zwecken in einem Corridor des St. Peter- Gebäudes. Das
ganze Werk ist im Benaissance-Styl gearbeitet. Der Thür-
stock besteht aus weichem, von Pinczow im Königreiche
Polen herrührendem Sandsteine, die edleren Constructions-
theile, wie Capitäle, Knäufe und Säulenfüsse sind aus Kalk-
stein, und die Bosetten, Mascarons aus Alabaster. An vielen
Stellen sind Spuren von Vergoldung sichtbar; die Marmor-
platte im Aufsatze, welche aus Krzezowitzer Marmor ange-
fertigt ist, trägt die mit Gold gemalte, jedoch bereits sehr
verwischte Inschrift: „Ubi charitas et amor, ibi Deus est."
1) Kleukei-, Zend-Avesta. 11, 384, 385.
2) Visconti, Mus. Pio-Cletnent. II, 4, a. Edit. Rom. p. 25, edit. Medial.
3) Istri adcolae I, 432, CCCCXLII.
4) L. c. p. 5G2.
Auf Veranlassung desHerrn k. k. Baudirectors Dr. Schenk]
in Krakau wurde dieses interessante Denkmal im verflosse-
nen Jahre mit der entsprechenden Vorsicht restaurirt und
als Eingang in die inneren Räume der Bibliothek im Colle-
gium Jagellonicum in Krakau bestimmt.
29. (Das Lind w u r m -Denkmal i n K 1 age n fu r t. )
Dieses Denkmal hat die Bestimmung, das Andenken an die
Volkssage, dass sich in der Periode der slavischen Herzoge
an der Stelle der heutigen Stadt Klagenfurt ein Lindwurm auf-
gehalten, die Gegend unsicher gemach! und seinen Tod endlich
durch einen slavischen Herzog gefunden habe. Der Block
wurde in einem der Steinbrüche des nahen Kreuzlierges im
Jahre 1590 nach langer Mühe hervorgehoben und sollte zur
Bearbeitung in eine Hütte der Villacher Vorstadt gebracht
werden. Zehn Pferde, die man davor spannte, rückten den
Koloss in einem Tage kaum I — o Ellen weit und erst nach
Verlauf von 3 Jahren kam er an den bestimmten Ort. Nach-
dem er dort die letzte Meisselung empfangen hatte, brachte
man ihn auf Walzen, und 300 Knaben unter 15 Jahren zogen
feierlich geschmückt unter dem Beifallsrufe der Menge das
Thier, unter dessen Last die Brücke am Villacher Thore
krachte, in die Stadt. Fast eben so grosse Mühe als der
Transport kostete die Aufstellung auf dem Fussgestelle in
dem schon fertigen Becken. Diese erfolgte kurz vor der
Feuersbrunst vom 2. des Brachmonats lliSG, wobei das
Denkmal von Dunst und Rauch geschwärzt und desshalb
später angestrichen wurde. Freih. v. Ankershofen.
30. (Fundorte kel tischer und römischer An-
tiken in Steiermark.) (her derartige Funde gibt der
Archivar am Joanneum in Gratz, Herr E. Pratobevera, in
dem V. Hefte der „Mittheilungen des historischen Vereines
für Steiermark" eine Zusammenstellung der erwähnten Alter-
thümer. Zur näheren Orientirung bemerken wir, dass sich
der Verfasser hierbei nur auf die Benennung der Gegenstände
und die Citation des Werkes in dem sie näher besprochen
sind, oder aber, wenn letzteres noch nicht geschehen, wo sie
aufbewahrt werden, beschränkt hat.
31. (Denkmal der vi er Grafen Es zterhäzy in
Vezekeny.) Einem Berichte des k. k. geheimen Rathes und
Couservators Grafen Keglevich entnehmen wir hierüber
Folgendes: Das Denkmal, dessen Beschreibung ich hier
folgen lasse, ist weder durch seinen Kunst werth- noch durch
Alter ausgezeichnet: — es hat jedoch einen liehen histori-
schen Werth, und bezeichnet die Stelle, an der vier Helden
aus einem der edelsten Geschlechter Ungarns den ruhm-
vollen Tod für's Vaterland starben — nämlich vier Grafen
Eszterhäzy. Es ist eine vierseitige Pyramide, nur zwei
Klafter hoch, unweit lies Dorfes Gross -Vezekeny, im
Barscher Coniitate, auf einem Acker stehend, dessen histo-
rische Daten sich meines Wissens, auf Folgendes beschrän-
ken : Als im Jahre 1G52 die Ottomanen auf ihrem verheeren-
den Zuge durch Ungarn auch die in den Comitaten Neutra
und Bars gelegenen Städte und Dörfer zerstörten und die
9
ÜO —
unglücklichen Einwohner in die Sclaverei schleppten, ergrif-
fen mehrere treue und tapfere Söhne des Vaterlandes die
Waffen und sammelten sich um das im Barscher Comitate
gelegene Dorf Vezekeny. Nach alter Sitte waren es meist
freiwillige Krieger, adelige Grundbesitzer, die sich vereinig-
ten, um das unglückliche Landvolk von dieser schrecklichen
Geissei und dem äussersten Elende zu befreien. — Die
geringe Zahl derErsteren betrug 1000 Reiter und 300 Fuss-
gänger; unter den Berittenen befanden sieh S Eszterhäzy,
alle tapfere, muth volle Krieger. Die Zahl der Türken dage-
gen belief sieh auf 4000.
Der erste Zusammenstoss war von beiden Seiten heftig.
indess durchbrachen die begeisterten Ungern bald die Rei-
hen der Türken und trieben seihe in die Flucht. Die Ungern,
unter Anführung jener acht Eszterhäzy 's, verfolgten pfeil-
schnell die Fliehenden, aber in der Hitze der Verfolgung
trennten sie sich auf ihren weit schnelleren Pferden zu weit
von der übrigen Truppe. Als nun die Türken dieses wahr-
nahmen, kehrten sie schnell um und umzingelten mit über-
legener Macht die acht Eszterhäzy und deren kleines
Gefolge. Doch unsere heldenmüthigen Eszterhäzy erschracken
und zagten nicht, sondern waren bereit viel lieber zu
sterben, als sich feige zu ergeben. Die Gefahr erhöhte den
Muth ihrer Seelen — und machte aus jedem von ihnen einen
wüthenden Löwen. Sie richteten ein schreckliches Blutbad
unter den Feinden an — indessen erlagen die Helden dennoch
der hundertfachen Zahl. Vier der Grafen Eszterhäzy : Lad is-
la us, Franz, Thomas und Casper Helen auch, helden-
müthig kämpfend und mit Todeswunden bedeckt, wiewohl
bald darauf das Häuflein Ungern die weil zahlreicheren Türken
überwand. — Die gefallenen vier Eszterhäzy wurden
sofort in Tyrnay feierlich bestattet. — Nachdem 83 Jahre
seit diesem Vorgänge \erllossen waren. Hess Graf Kmericll
Eszterhäzy, Grosspropst von Gran, zur Verewigung derThat,
auf dem Platze selbst, wo die vier Eszterhäzy gefallen waren,
die erwähnte Pyramide mit folgenden Inschriften errichten.
Auf der ersten Seite steht :
Siste viator lege!
In hoc eampo una die, una es Pamilia Quatvor Heroes invicti
cecidere
La d i-.la ii- ll.Comes Esztoräz (nach der damaligen Schreib-
art) Perpetuus in Fraknä Sarcrätmae Caesareae et Regiae
Apostolicae Majestatis Consiliarius, emeritus Praesidii
Papensis Supremus Capitaneus.
Francis cus VI. Esztoräz oppidi Gyrmathi Supr. Vigilia-
rum Capitaneus
Thomas II. Esztoräz Praesidii Levensis Vice-Capitaneus
Casparus I. Esztoräz Eques auratus.
Auf der zu eilen Seile stelil :
Fatalis Sanguinis Esztorädi Mars Turcicus erravit. Voluii
fatalis esse mm fuit. Oui;< virus quos neeuit, neu totos cx-
tinxit. Hie Ter Gemina Rosa Eszterhäza Efloruil in novam
Purpuram Quatuor Heroum Sanguine Bigata. Ergo Martins
liic Campus est. Quem nee Sola jam habet Roma, Heroiibus
Esferhäziis debet Hungaria.
Auf der dritten Seite:
Hujus tarn invietae hoc Monumentum P. P. Emericus Eszter-
häzy, Vt PraeposItVs Malor CapItVL Strlgonlensls pro
Deblto eIVs aona perLVstrans.
Unter dieser Inschrift befindet sich das Eszterhäzy'sche
Familienwappen. Der Zahn der Zeit hat leider einen grossen
Theil der Inschrift schon unleserlich gemacht, allein das
Wappen ist noch deutlieh (en basrelief) zu erkennen. So
steht nun diese ehrwürdige Pyramide, die der Zahn der
Zeit schon stark benagt hat, in ihrer Verlassenheit düster
da, und erinnert an die Worte Cicero's: „Zerstöre! werden
die Bildsäulen durch die Zeit, die Stürme, die Gewalt und
die Macht des Alters.'- Sie erwartet eine hilfreiche erneu-
ernde Hand, die, hei der Macht und dem Reichthum der
Eszterhäzy'schen Familie, nicht lange sich erwarten lassen
wird, da in dieser Beziehung bereits die nöthigen Einlei-
tungen getroffen wurden.
32. (Das Portal der Dom i n ica ne r k ir che zum
heil. Kreuz in Iglau.) Bitter v. Wolfskron gibt von
diesem Portale folgende Beschreibung in Nr. 3 des Notizen-
blattes der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Be-
förderung der Landeskunde:
Zu den ältesten Baudenkmalen des Markgrafthums
Mähren gehört das Portal der ehemaligen Hominienner-
Klosterkirche zum h. Kreuz in Iglau. welches als einzig übrig-
gebliebener Zeuge jener frommen Stillung des XIII. Jahr-
hunderts ebensowohl den Unbilden der Elemente, als den
noch grösseren der Renovatoren in ernster Würde getrotzt
hat. Dasselbe tritt zwar im Ganzen aus der Wandung des
im neueren Style durchgeführten Hauptgebäudes um '2 7
vor. doch tieft es sich sogleich durch drei rechtwinkelige
Stufen um 3 9" wieder nach innen ein. auf deren jeder eine
Säule sieht, welche über dem darüber gelegten Gesimse je
einen der drei starken Rundstäbe (Wulste) trägt, welche
die Hauptglieder des gedrückten Spitzbogens bilden, womit
der Hau geschlossen ist. und denen gleich« ie bei den Säulen,
liefe Hohlkehlen in der abgeschrägten Wandung entsprechen.
Um das gesainmle Portal bewegt sieh ein einfaches
Sockelprofil, welches aus einer Platte und einer Sturzrinne
(umgekehrter Karnies) bestellt, auf welcher unmittelbar die
Säuleiil'iisse ruhen, die ohne unterlegter Platte gleich mit
einem Wulste begil n . der in eine Einziehung übergeht,
an welche sich ein Rundstab anlegt, worauf ein Bändchen
folgt, womit dieses zweite Profil schliesst. Die Schäfte der
Säulen, welche sieh ohne Verjüngung bis zu einer Höhe von
— 67
6' 6" erstrecken, werden durch ein eigentümliches Capital
gekrönt, welches von unten nach oben genommen, mit einem
etwas kantigen Stabe (1") beginnt, über welchem sich bei
den beiden innersten Säulen ein mit Blätter -Ornamenten
bedeckter Kelch von jonischer Form (!)") erhebt, wogegen
die vier vordem Capitäle anstatt der Kelche halbkugelför-
mige Glieder zeigen, die nach der mir vorliegenden Zeich-
nung des k. k. Ingenieurs Gustav v. Petracek sich untenzu
einziehen und eine Art Hals bilden, der in einer von mir
aufgenommenen Skizze dieses Profils jedoch fehlt, so zwar,
dass dasselbe vielmehr einer etwas in die Länge gezogenen
Halbkugel entspricht, welche gleichfalls mit Blätterwerk
verziert ist. Hierauf folgt, und zwar bei allen Capitälen ohne
Ausnahme, eine durch eine kleine Schräge gebildete Einzie-
hung, an die sich in einem Winkel von 45 Graden ein dop-
pelt so breites gleiches Glied anschliesst, und somit eine Aus-
ladung bildet, welche die Stelle des sonst als Schluss eines
Capitäls gewöhnlichen Plättchens vertritt '). Hierauf folgt
das Gesimse , welches abermals sehr einfach construirt ist,
und aus einem Bundstabe, welcher um einen Zoll über das
Capital vorgreift, besteht, an welches sich eine Hohlleiste
anfügt, welche durch zwei Plättchen von der Breite je eines
Zolles überragt wird, die durch ein Binnchen von einander
getrennt sind.
Jedem Säulenschafte entspricht, wie schon bemerkt
wurde, in der Bogenwölbung ein kräftiger, 6 Zoll starker
Bundstab (Wulst), welcher aus einer platt gedrückten Halb-
kugel (l>" hoch, die Durchschnittsebene, auf der sie ruht,
misst 12") und einem darüber gelegten Rundstabe empor-
steigt, um sich auf der entgegengesetzten Seite in ein glei-
ches Glied herabzusenken.
Die Höhe des Bogens misst im Lichten 5' 6", aussen
aber 9' 1", wornach die Gesammthühe des Portals 14' 10"
im Innern und 18' 5" nach Aussen beträgt. Mit Ausnahme
der Capitälverzierung entbehren sämmtliche übrigen Glieder
des Portals jedes weiteren plastischen Schmuckes, selbst
das Thürfeld unter dem Bogen, welches bei ähnlichen Con-
structionen ein passendes Emblem in erhabener Arbeit zu
enthalten pflegt, ist hier völlig kahl und zeigt nur noch unter
l) Meine Zeichnung- divergirt hier abermals, und bringt die erwähnte allge-
mein übliche Profilirung-. Vgl. Kallenbach. Chronlg-. der Baukunst. Tf. 21,
Fig. 14 und Tat. 27, Fig. 2.
der theilweise abgeblätterten Kalktünche, durch welche bei-
läufig gesagt das ganze Portal verunstaltet wurde, die Beste
eines Freskogemäldes, welche.-, noch leicht zu Tage geför-
dert werden könnte und sollte.
Aus den geringen bis jetzt sichtbaren Fragmenten des-
selben ist weder die Darstellung zu entnehmen, noch viel
weniger lässt sieh das Alter des Gemäldes bestimmen: wie-
wohl es kaum gleichzeitig mit dem Portale entstanden sein
dürfte, da derlei Gemälde auf solchen Bogenfeldern im
XII. bis XIII. Jahrhundert, welchem letzteren unser Bau-
denkmalangehört, nicht leicht nachgewiesen werden könnten.
Leider lassen bezüglich der Bauzeit des Dominicaner-
klosters die urkundlichen Nachweisungen noch immer Vieles
zu wünschen übrig, und schwankt dessen Stiftung zwischen
einem Herrn von Buckstein auf der Herrschaft Pirnitz, aus
dem Geschlechte der Waldsteine im Jahre 1221, und dem
Könige Pfemysl Ottokar I. 1185, f 1230, welcher letztere
jene Fundation auf dem Platze des königl. Schlosses und
Gartens für 150 Ordensmänner gemacht haben, und aus
dessen Schatzkammer auch jenes wunderthätige Kreuz
herstammen soll, nach welchem der Convent und die Kirche
desselben benannt wurde.
Dass jedoch im Jahre 1243 dieses Kloster zum heil.
Kreuze in Iglau bestanden habe, ist urkundlich mit Gewiß-
heit nachzuweisen, da der Bruder Eberhardus de online prae-
dicatorum domus sanete crucis ejusdem loci Prior, zugleich
mit dem Quardian Pertoldus des Minoritenklosters in [glau
die Richtigkeit der Urkunden bestätigen, nach «elcher die
Güter und Kirchen des deutschen Ordens an die Prämon-
stratenscr in Seelau übergingen. — Vgl. d'Elvert, Geschichte
von Iglau. Seite 22. — Wolny, Topograph, v. Mähren. B. V.
— Marzi, Gesch. v. Iglau, Ms.
Nachdem das Kloster sammt der Kirche in den Jahren
1513, 1525, 1551 durch Feuersbrünste verheert wurde,
und der Convent im Jahre 15(J0 durch die Reformation in
seinem Einkommen und au Ausehen grosse Einbusse erlitten
hatte und der Übermacht der Akatholiken weichen musste,
wurden zwar die Brüder nach der Schlacht am weissen
Berge in alle ihre Gerechtsame wieder eingesetzt; doch
mussten sie im Jahre 1781 das Klostergebäude abermals und
für immer verlassen, welches sammt der entweihten Kirche
seither zu militärischen Zwecken benützt wird.
Literarische Anzeige.
Sighart, Dr. J. Die mittelalterliche Kunst in der Erzdiöeese
München -Freising, dargestellt in ihren Denkmälern. Mit einer
Architekturkarte und 7 Tafeln. Freising 1803. 8. S. 2."iti.
Nichts ist geeigneter die Liebe für das christliche Alterthum und
seine reichen Schatze zu wecken, als die Kennlniss derselben.
Und zwar muss diese Kenntniss nicht nur dem Gelehrten zu Gebote
stehen, welcher sich des gewonnenen Stoffes zur Bereicherung und
Befestigung seiner Ansichten bedient, siemuss. soll sie ins Lehen
übergehen und für die Pflege und Erhaltung der Kunstüberreste Frucht-
bringend werden, als ein frischtreibender Keim in die Herzen der
Menge gelegt und mit dem Ichendigen Gefühle für das Heimatliche
grossgezogen werden. In dieser Beziehung vermögen Zusammen-
stellungen, wie die eben erwähnte, das Beste nach beiden Seiten hin
— 68
zu wirken. Wir haben Herrn Sighart als einen Qeissigen und kennt-
nissreichen Forscher des elirislliclienlleiikinalselial7.es in seinen beiden
Monographien über den Dom zu Freisini; ( Landshut lSü->, S. 103) und
die Liebfrauenkirche zu München (Landshut L853, S. 142) kennen
gelernt und die vorliegende Schrift, welche uns mit den Kunstüber-
resten i\ft- Erzdiöcese München-Freising bekannt macht, bestätigt in
item Grade die günstige Meinung, welche durch des Verfassers
frühere Arbeiten hervorgerufen wurde. Von der richtigen Ansicht
ausgehend, dass die mittelalterliche Kunst in näherer Beziehung zur
Kirche, als zum Staate stehe, hat Herr Sighart seiner Untersuchung
nicht das politische Gebiet, also Oberbayern, sondern das kirchliche
Terrain zu Grunde gelegt. Die Erzdiöcese München-Freising ist jedoch
ein Conglomerat der alten Freisinger und eines Theils der alten
Salzburger Diöcese, und dadurch gewinnt vorliegendes \\ erk auch für
die kunstgeschichtlichen Forschungen über Österreich ein bedeutendes
Interesse. Denn den Begriff und die Wesenheit der Schulen, auf dem
Gebiete der Kunst, wie sie im Mittelalter lebendig waren, sind vorerst
nur in grösseren Umrissen richtig gestellt und begründet. Die localen
Modificationen und Verzweigungen derselben sind aber noch Gegen-
stand wachsamer Forschung, und gerade hiefür bringt Sighart einen
sehr schätzbaren Beitrag, indem er bei Betrachtung seines angesam-
melten Stoffes den Einfluss nachweiset, welcher sich von Salzburg
ausgehend über die nunmehr Bayern angehörigen Theile der früheren
Salzburger Diöcese erstreckte. Wir wollen hiefür einige Belege bei-
bringen. Die Stiftskirche in Berchtesgaden, an welcher noch
einige Überbleibsel romanischer Bauweise sichtbar sind, gehört, was
letztere betrifft, noch der ersten Bauzeit an. und stammt daher aus dem
Zeiträume 1 109 — 1 122, wo das Stift durch den Grafen von Sulzbach
' ündet und vom Erzbischof Konrad von Salzburg erneuert wurde.
Auch das Chorherrenstift bei K eiche 11 hall ist eine Schöpfung dieses
Erzbischofes aus dem Jahre 1131). und dieser Zeit geboren noch das
prachtvolle Fortal der St. Zenokirche daselbst, so wie mehrere Säulen
des Kreuzganges an. Auf das Stift St. Peter in Salzburg weisen
die Portale und Sculpturen mehrerer in der nächtsen Nahe der alten
Metropolitanstadi gelegenen romanischen Kirchenüberreste, wie jener
auf dem Petersberge bei Flintsbach, der Stiftskirche zu Taufen.
und der Mariahilfer-Capelle zu Taufen, deren architektonischi
Details einzelnen Bautheilen der St. Peterskirche in Salzburg voll-
kommen gleichen.
Von dem Erbauer der spätgothischen Martinskirche in Landshut.
„hanns stainmezz" erfahren wir aus seiner auf dem Grabsteine
in dieser Kirche angebrachten Inschrift, dass er auch in Salzburg eine
Kirche erbaut habe. Welche Kirche dies gewesen sei . liisst sich nicht
bestimmen. Vielleicht die Franciscaner-Kirche ? Hanns Steinmetz starb,
der Grabschrift zu Folge lV.i'l. Vuch in Bezug auf die Ma lerei und
Bildhauerei treffen wir in diesem Werkchen Andeutungen, die
beachtenswert)) sind. Nach einem Gesammtüberblicke derselben
„scheinen die Kunstwerke Salzburgs und der Umgebung mit einer
fremden Schule ( Prag oder Nürnberg) in geistigem Zusammenhange
zu stehen." wahrend die übrigen Stätten t\vr Kunstpflege, Landshut
und München, sieh nach dem s| ifisch bayerischen Charakter entfaltet
zu haben scheinen, Preising hingegen von Nürnbergs Kunstthätigkeit
influenzirt worden sein mag. Der Salzburger Schule wird eine
Reihe von Altären der Gothik zugeschrieben, und zwar der Altar von
Sondermoning bei Traunstein, die beiden Schnitzaltäre inKa-
\ e 11 1 en, die Altäre zu St. Florian. II ob enb erg In der Streicher-
Capelle bei Schlesing, zu St. Leonhard, St. Kolmann und der
Hochaltar zu Non bei Reichenhall. „Stammen nun diese Altäre
wirklich aus Salzburg, oder » enigstens \ > ■ n Meistern, die dort gebildet
worden, so muss man den Bildschnitzern dieser Schule vor Allein
grosses Lob ortheilen, indem sie in Statuen und Reliefs häutig hohe
Idealität zu erreichen vermochten. Die Malereien dagegen entbehren
der Anninth und Freiheit der Composition, die Gestalten sind zu kurz
und derb, aber charakteristisch, das t'oloril nicht eben zart und sorg-
fältig ausgeführt. Doch lassen sieh zwei t'lassen von Gemälden unter-
scheiden, die einen zeigen Frische und (iluth des Colorits. die andern
haben einen gewissen bläulichen Ton, der dem Bilde sein höheres
Leben und seinen eigentümlichen Beiz nimmt. Es müssen also jeden-
falls zwei Meister oder Epochen dieser Schule unterschieden werden."
Erwähnen wir noch des Umstände: dass ein sehr reiches Glasgemälde
zu Amp er p e I t e n bae h uns als die Frau des Donators Hanns Ligsalz
eine „Katharina Knöllin von Salzburg" namhaft macht, wie auch.
dass der Bischof Ellenhart (f 1078) von Freising ein reichbegü-
terter Graf von Tyrol gewesen sei, der seine neubegründete Kirche
auf dem Doinberge zu Freising mit einer Fülle von Kirchenutensilien,
mit Mess- und Evangelienbüchern, Kelchen. Alben, Humeralien und
Kesülen versehen habe, so dürften wir aus der reichen Fülle des
Stoffes jenen hervorgehoben haben, welcher für uns vom nächsten
Interesse ist.
Erwähnenswertii scheint es uns, dass Sighart's Vorgang bereits in
zwei anderen Diöcesen Bayerns Nacheiferung gefunden hat. Die Bei-
lage zur Augsburger l'ostzeitung bringt seit .Mitte des vorigen Jahn"
eine Reihe fortlaufender sehr belehrender Artikel unter dem Titel:
„Beiträge zur Erforschung christlicher Kunstdenkmäler in der Augs-
burger Diöcese", und mit Beginn dieses Jahres bat sie eine Reihe von
Artikeln: ..Zur Kunstgeschichte der Diöcese Regensburg" eröffnet.
Es wäre im hohen Grade wünschenswert!), dass in ähnlicher Weist
auch anderwärts vorgegangen weide, und aus diesem Grunde begrüssen
wir mit freudigem Gefühle den kund gewordenen Entsehluss des
hochw. Erzbischofs von Salzburg, welcher die Pfarrgeistlichkeit seiner
Diöcese aufgefordert hat. über die Geschichte ihrer Pfarren, sowie
auch über die Kirchenbauten und übrigen Denkwürdigkeiten in den-
selben, verlässliche Erhebungen zu pflegen und hierüber Beriebt zu
erstatten. Wir zweifeln nicht, dass das auf diesem Wege angesam-
melte Materiale einen sehr schätzbaren Beitrag für die Kunstgeschichte
Österreichs bilden wird, durch dessen Veröffentlichung wohl den
Wünschen und Bedürfnissen \ller. welche sich dem Studium der
Culturgeschichte Österreichs widmen, ein im hohen Grade dankens-
werter Dienst geleistet werden dürfte1). Dr. G. H.
>) Es liegt N' Kl des Verordnungsblattes für die Erzdiöcese Salzburg
1 183$ vor, worin die Grundzüge bekannt gegeben werden , nach
■ S dortige Ordinal'ial ilie Heraushalte eüli's solchen historiseh-
statistischen Handbuches beabsichtigt und W it unter Einem ein Schema
1 le-ilt wird, nach welchem die Beschreibung der Pfarren vorzuneh-
men und au das erzbischöfliche Consistorium einzusenden ist. Dieses mit
unerkennenswerther Umsicht ausg beitete Schema umfasst nicht bloss
1 Irin kirchlicher Hinsicht bemerkenswerthesten Daten, sondern
fordert auch die Aufzeichnung aller Ereignisse von Wichtigkeit, tue in
P rre von den frühesten Zeilen her vorgefallen ; das beab'
sichtigte Handbuch soll zugleich einen kurzen Überblick der Localcbronik
ihren. Von kunstgescbichtlicl 1 Interesse ist insbesonders der Ab-
schnitt /.' de« betreffenden Schemas, worin auch den Pfarreien zur Pflicht
1 hi w ird, ausführliche Beschreibungen und Abbildungen der Kircl
und Kirchengerithschaften mit der Bestimmung ihres Alteis und Kunst-
werthes aufzunehmen. Als die k. u. Central-Commission von der Heran
gäbe dieses Handbuches in die Kennt lliss ii-elane/te 11 ml wahrnahm, dass durch
iiisseii 01 wesentlicher Theil derihr gestellten Aufgabe gefördert wird.
hielt sie seh auch für verpflichtet , das Unterneh q, ins., weit hiebe!
die Kräfte der Itegieriuie in Anspruch genommen werden, möglichst zu
unterstützen. I). Red.
der k. k. Hof- und Staatsdrucki rei i-i '■
Jeden Monat erscheint 1 Heft eu
1 bis 2 Druckbogen mit Abbil-
dungen.
Der Prä n u m erati uns preis ist für
einen Jahrgang oder zwölf Hefte
nebst Register sowohl für Wien
als die Kronländer und das Ausland
4 fl. C. M. , bei portofreier
Zusendung in die Kronländer der
österr. Monarchie 4 II. 20kr. CM.
MITTHEILUNGEN
DER K. K. CENTRAL- C0MMISS10N
Pränumerationen ülieroeh-
nien halb- oder ganzjährig
alle k.k. Pnslämler der Monarchie,
welche auch die portofreie
Zusendung der einzelnen Hffte
besorgen. — Im Wege des Buch-
handels sind alle Pränumerationen
uud zwar nur zu dem Preise Ton
4 fl. an den k. k. Horbuchhändler
W. Braumfilkr in Wim iu richten.
IllJU I 1 ,1
— ^c$&3&S®&^ —
Unter der Leitung des k. k. Sections-Chefs und Präses der k. k. Central-Commission Karl Freiherrn v. fzoernig.
Redacteur: h a r 1 Weiss.
m s.
I. Jahrgang.
Mai IU.
Inhalt: Zur Orientirung auf dem Gebiete der Baukunst und ihrer Terminologie. II. — Über Reliquienschreine. — Baudenkmale im Kreise
u./d. Wiener-Walde. -- Decennal-Aufzeichnungen der arebäologisehen Funde in Siebenbürgen vom Jahre 1845 bis 185ü.
Restaurationen. — Notizen. — Literarische Anzeigen. — Berichtigung.
Zur Orientirung auf dem Gebiete der Baukunst und ihrer Terminologie.
Von R. v. Eitelberger.
II.
I>ie l> » ■/. :> 11 < i 11 i « <• li <■ ii B a n f o i' in e ii.
Die Geschichte der byzantinischen Kunst lehnt sich
an drei Mittelpunkte an — Constantinopel, R a v e n n a
und Venedig. Die byzantinische Kunst Constantinopels
knüpft sich an den Namen des Kaisers Justinian, die Ba-
venna's an die Namen der Galla Placidia, Theodorich des
Grossen und des frommen Geldwechslers Julianus; die byzan-
tinische Kunst Venedigs an die Namen der Dogen Pietro
Orseolo, Contarini und Selvo. Der Glanzpunkt byzantinischer
Architektur in Constantinopel ist die Hagia Sophia, in Ra-
venna S. Vitale, in Venedig S. Marco. Die Bauten in Con-
stantinopel und Ravenna gehören der antik- christlichen
Bildung an , jene von Venedig stehen im Centrum des
Mittelalters. Auf die Bauentwickelung der Volker, welche
heut zu Tage den österreichischen Kaiserstaat bewohnen,
hat Venedig seinen grössten Einfluss erst dann genommen,
als es seine byzantinische Epoche hinter sich hatte; Ra-
venna's Einfluss erstreckt sich nur auf die früheste Geschichte
einiger südlicher Länder Österreichs, der Einfluss Constan-
tinopels war nur ein indirekter und wenig nachhaltiger.
Der Einfluss der Kunst, die von Constantinopel auf das
übrige Europa ausgeht, erstreckt sich auf das Gebiet des
mittelländischen Meeres und der anglänzenden Länder, be-
deutender war jener, der sich dem Oriente zuwendete. Dort
fand sich in der gesammten Kunstentwickelung ein mit dem
speeifischen Byzantinismus verwandtes Element vor. Seit
der Erhebung Byzanz's zum Herrschersitze des ost-römischen
Reiches war die ganze Kunst Kleinasiens , Syriens und der
Gebirgsländer nördlich vom Euphral und Tigris fast aus-
schliesslich getragen von der Kunstrichtung, die in Constan-
tinopel ihren Mittelpunkt hatte ; auch die Kunst der Araber
hat einen nachhaltigen Einfluss empfangen von Constanti-
nopel und selbst in späteren Jahrhunderten haben Georgien,
Armenien, Abkhasien die Traditionen byzantinischer Kunst
noch aufrecht erhalten, welche in Byzanz selbst sich nur
mehr mühsam und schwach fortgepflanzt haben.
Nach Westen zu war der Einfluss byzantinischer Kunst
ein mannigfacher und verschiedenartiger, je nach Zeiten und
Verhältnissen. Er ist nachhaltiger und bedeutsamer auf die
Küstengebiete des mittelländischen und adriatischen Meeres,
schwächer und unwirksamer auf die innere Masse der mittel-
alterlichen Culturländer, das deutsche Reich und Frankreich.
Zu jenen Zeiten, wo die byzantinische Kunst in der Hagia
Sophia und in der Kirche S. Vitale ihre Triumphe feierte,
war ihr Einfluss sehr unbedeutend gewesen. Einige Jahr-
hunderte später unter Karl dem Grossen war er mehr ein
anregendes Vorbild als der Ausgangspunkt einer neuen
Kunstentwickelung, die andere Zielpunkte verfolgte und
andere Geistesrichtungen repräsentirte. Als die Kreuzzöge
und das für Byzanz bedeutungsvolle Jahr 1204 den Orient
dem Occidente näher rückten, und dem byzantinischen Ein-
flüsse Thor und Thür geöffnet wurde, war in Byzanz selbst
die Kunst längst schon geistigen Todes gestorben, die neue
Kunst hatte iu Westen ihre Siege gefeiert. Damals standen
schon die romanischen Dome von Speier, Worms und
Mainz, in Frankreich erhoben sich die Kathedralen von Paris,
Laon und Senlis; kaum ein halbes Jahrhundert später, am
10
70
14. August 1248, wurde feierlich der Grundstein zum
Kölner Dome gelegt. Was konnte damals ein deutscher Dom-
Baumeister, was ein Pierre de Monteraut von dem damaligen
ISyzanz lernen. "was die Architektur von dort mehr erwarten?
Ober die byzantinische Kunst sind wir heutzutage
besser orientirt als zu jenen Zeiten, da am Ende des ver-
flossenen Jahrhunderts der Göttinger Archäologe Heyne in
der Comment. Societ. Gott, sein Augenmerk auf die byzan-
tinische Kunst und Literatur gerichtet hatte, und in früherer
Zeit Gyllius (1562), Ducange (1680) und Banduri (1711)
noch in unseren Tagen brauchbare Werke über Constanti-
nopel und byzantinische Geschichte und Literatur geschrie-
ben haben. Wir verdanken diese genauere Keniitniss der
Baudenkmale byzantinischer Kunst und ihrer Hauptsitze in
erster Linie Salzen berg und Quast. Letzterer hat die
altchristlichen Hauwerke von Havenna vom V. bis IX. Jahr-
hundert ( Berlin 1 842 ). ersterer die altchristlichen Bauwerke
Constantinopels (Berlin 1855) einer eingehenden kritischen
Beschreibung unterworfen. Wir sind jetzt nicht mehr auf
Berichte unkundiger Reisender, auf Albumsblätter von
Künstlern und die Nachrichten in den byzantinischen Schrift-
stellern angewiesen. Über die byzantinische Kunst in Vene-
dig sind wir trotz der vortrefflichen Schriften von Cico-
gnara und Selvatico nicht vollständig genügend unter-
richtet. Es fehlen nicht bloss eingehende Untersuchungen
ober die Markuskirche und die Bauten in Muranu und Tor-
cello, sondern auch über Aquileja und den ganzen Kreis der
Denkmäler an den Küsten des adriatischen Meeres. Was in
letzter Zeit darüber veröffentlicht wurde, leidet an dem dop-
pelten Mangel unkritischer Forschung und ungenügender
Aufnahme und Wiedergabe der Monumente.
Nicht so vollständig sind wir über die Ausdehnung des
byzantinischen Einflusses auf die übrigen Küstenländer des
mittelländischen Meeres orientirt. (her Griechenland ')
fehlen noch eingehende Arbeiten und über Sicilien und die
neapolitanischen Küsten erwartet die gelehrte Welt mit Un-
geduld die Publicationen von Hofrath Schulze's hinterlas-
senen Manuscripten. Gegenwärtig sind wir vorzugsweise
auf Duca di Serr adifalco's Werk (Palermo 18;>8)
gewiesen. Auf die Bauten jener Gegenden waren aber nicht
bloss die Byzantiner, sondern auch noch die Araber, die von
Kairwan aus im Jahre 827 Sicilien eroberten, und in Pa-
lermo allein dreihundert Moscheen erbauten, sowie die Nor-
mannen im XI. und XII. Jahrhundert unter Wilhelm I. und II.
von erheblichem Einflüsse. Auch über die Handelsbezie-
hungen mit dem Oriente und Byzauz im Mittelalter, so wie
1 Über byzantinische Bauten in Griechenland i>i verstreutes Materinle in
iler's „Bauzeitung" (Jahrgang ls:;uj. in Blooet's „Exn
Lilique t-n Horee" in der R^rue arch. und in mehreren französischen
i. — Über kleiner -lil byzantinische Kunst-
arbeil es Wissens kein selbsstän-
Brauchbarste u'il.i noch immer Agini rt's bell
Werk, trotzdem dass es langsl bcI in alten seineu Thcilen einer Ergän-
zung uiul Erweiterung bedürfte.
über die Nachrichten von byzantinischen Schriftstellern
eru artet man erneuerte, mit der Denkmalskunde Hand in Hand
gehende Forschungen. Was Scherer über diesen Gegen-
stand spricht, ist nur sehr fragmentarisch, Hüllmann's
gekrönte IVeisschrift (Göttingen 180S) ist noch immer
das Brauchbarste. Beide aber nehmen auf die zahlreichen
kleineren Kunstdenkmäler und Kunstgewerbe, die übrigens
auch ausserhalb des Bereiches dieser Zeilen liegen, keine
Bücksicht. Heide bestätigen die geringe Bedeutung des
byzantinischen Donauhandels vor den Kreuzzügen, bezeich-
nen letztere als den Wendepunkt in den Handelsbezie-
hungen mit dem Oriente, und lassen die Thatsache ausser
Zweifel, dass vor den Kreuzzügen die Verbindungen mit
Mittel- und West-Europa nur sehr lose gewesen, dass seihst
jene mit Venedig, Genua und anderen italienischen Handels-
städten eine wenig constantc, oft unterbrochene war, dass
der Argwohn und die Furcht der griechischen Politik Be-
rührungen mit dem Westen soviel als möglich aus dem Wege
gingen, und dass die beschränkte Handelspolitik Byzanz's
dem einheimischen Kaufmanne den Markt beengte, Verbin-
dungen mit dem Auslande erschwerte, und so den byzanti-
nischen Handel fast ganz in die Hände der fremden Handels-
leute, insbesondere der rührigen und gewandten Bürger der
jungen italienischen Freistaaten überlieferte.
Welche Resultate haben wir nun aus den letzten Un-
tersuchungen über die Baudenkmale in Constantinopel und
Ravenna für unsere Zwecke zu ziehen?
Die Cultur der Zeit Constantin des Grossen und .lusti-
nian's 1. fusst ganz auf christlich antikem Boden. Kirchen-
väter und Philosophen, Dichter und Geschichtsschreiber
schrieben in griechischer oder lateinischer Sprache und
bedienten sich der Kunst- und Redeformen der classischeu
Zeit. In denselben Sprachen wurden die Gesetze verkündet,
in denselben Staats -Verträge abgeschlossen. Die Sprache
der Architektur war dieselbe gewesen, sie war eine Fort-
bildung der Formen, die sie aus der Blüthezeit Griechen-
lands und Borns überkommen hatte. Als Constantin der Grosse
im Jahre :!24 n. Ch. G. „Neu-Rom" mit dem Pfluge be-
kränzte, hatte er keinen andern Gedanken, als die Pracht
und den Glanz der Siebenhügelstadt an der Tiber auf die
neue Hügelstadt am Vorgebirge des goldenen Hornes zu
übertragen. Er entwickelte dort bekanntermassen eine
enorme Bauthätigkeit, so dass kaum die Zahl der Architekten
seinen Intentionen genügen konnte. Hyppodrom und Circus,
Capitol und Forum erstanden in Neu-Rom. Die Bauformen
aber blieben dieselben, wie in Rom, wie im ganzen übrigen
römischen Reiche. Es u urde ch neiler, aber dessw egen nicht
besser gebaut, seine Bauten verGelen in wenigen Jahrhun-
derten und schon zu Justinian's Zeiten war, wie Prokopius
in seinem Werke über die Bauten Justinian's berichtet, eine
Reihe derselben baufällig. Auf unsere Zeilen ist nicht
E ine d e rs e I ben gekommen. So weit aber die Nachrichten
reichen, erscheinen uns die Bauformen als spät-röraische
— 71
ihrem Stylcharakter mich. Die Constantinische Sophienkirche
war eine Basilica wahrscheinlich mit einer Holzdecke, so
wie die anderen von Constantin erbauten Kirchen des heil.
Akacius und Agathanicus; die Begrabnisskirche Constantin's
den h. Aposteln geweiht, war in derselben Richtung erbaut,
mit ausgebildeter Kreuzesform; die Grabkirche in Jerusa-
lem war ein Rundbau — den wir uns wahrscheinlich wie
S. Stefano rotondo in Rom zu denken haben — die Kirche
in Antiochia achteckig mit hohem Mittelschiff, und bezeichnet
durch ihre Abweichung von den anderen kirchlichen Rauten
Constantin's. Die Himmelfahrtskirche, welche Constantin's
Mutter am Ölberge erbaute, hatte, wie leicht erklärlich, einen
unbedeckten Mittelraum, der von Säulenhallen unigeben
wurde. Der römische Säulenbau ist in allen seinen Formen
der Grundtypus dieser constantinischen Bauten. S p e c i f i s ch
Byzantinisches ist in derselben nichts zu finden.
Die byzantinischen Münzen der Zeit hatten noch lateinische
Umschrift, manchmal noch die römische Wölfin; die Säule des
Marcian(450 — 456), die Klosterkirche des Studios „h. Johan-
nes" (463) zeigen den herrschenden spät-römischen Typus.
Bis in das VI. Jahrhundert blieb im Oriente, wie Salzen-
berg richtig bemerkt, der Basilikenbau bei Kirchen vor-
herrschend.
Derspecifisch byzantinische setzte sich erst im VI. Jahr-
hundert gleichzeitig in Constantinopel (unter Justinian)
und in Ravenna fest. Die Kunstbewegung, die durch das-
selbe hervorgerufen wurde, ging innerhalb der christlich-
antiken Welt der spät-römischen Kunstrichtung vor, und war
in seinem hervorragendsten und fruchtbarsten Elemente, dem
Kuppelbaue, nicht unvorbereitet in die Welt gekommen.
Die ganze römische Architektur der letzten Jahrhunderte
war mit Rewältigung grosser Aufgaben beschäftigt, die vor-
zugsweise das constructive Element der Architektur betra-
fen. Während alle anderen Künste von Jahrhundert zu Jahr-
hundert verfielen, der ornamentale Theil der Architektur
immer mehr und mehr in Willkür und geschmackloser Über-
ladung der Formen sich gefiel, schritt die Construction an
den grossen Aufgaben vorwärts, die ihr in Palast-, Tempel-
und Thermenbauten gesetzt wurden. Dort wurde das Kreuz-
gewölbe, dort der Kuppelbau zum ersten Male im grossen
Style und in antiken Formen zur Anwendung gebracht; dort
entwickelten sich die Formen, die wir in der ganzen alt-
christlichen Welt schon vor Justinian in den Raptisterien
finden und die seitdem sich in der ganzen christlichen Ar-
chitektur erhalten haben. Von dem Pantheon in Rom, zum
Kuppelbau im ehemaligen Jupiterstempel zu Spalato ist nur
Ein Schritt; ein zweiter erfolgreicher führte in Constanti-
nopel zum Kuppelbau der h. Sophia und dem zu S. Vitale
in Ravenna. Wir können in Constantinopel einigermassen die
innern Gründe erkennen, welche die Fortbildung der Archi-
tektur auf dem angedeuteten Gebiete erklären und würden in
der Sache noch viel deutlicher sehen, wenn die Gebäude
des ost- und weströmischen Kaiserstaates nach dieser Seite
hin genauer geprüft und die Geschichte der mathematischen
und mechanischen Wissenschaften jener Zeit genauer durch-
forscht worden wäre. Soviel ist gewiss, class die grosse
Bautbätigkeit Justinian's. die sich nicht bloss auf Constanti-
nopel beschränkte, sondern bis zu den äussersten Gränzen
seines Reiches erstreckte, unterstützt wurde durch hervor-
ragende erfindende Geister auf dem Gebiete der Mechanik,
durch Griechen ihrer Geburt nach, die von ihm nach Con-
stantinopel berufen wurden. Wir kennen mehrere solcher
Männer, den Alexandriner Proklos, der die Schiffe der Gothen
mittelst Brennspiegeln, wie Tzetzes beschreibt, verbrannte,
einen anderen Alexandriner Xryses. den Justinian bei einem
gefährlichen Wasserbau verwendete (Prokop. de Aedif.
II. 3) und vor Allen die berühmten Baumeister der heil.
Sophia, den Trallianer Antbemios und den Isidoros aus
Milet. Sie werden alle nicht Architekten, sondern Mecha-
niker genannt (jj.r,y^c-ot6c ist der stehende Ausdruck der
byzantinischen Schriftsteller); sie sollten an das Wunder-
bare grunzende Kunststücke liefern; dass sie Kunstwerke
hervorgerufen haben, ist ihr eigenes Verdienst. Würde das
byzantinische Kunst- und Völkerlehen ein aufblühendes ge-
wesen sein, wie es in jenen Ländern war, wo die romanischen
Dome am Rhein im XII. Jahrhundert, die gothisehen Monu-
mente der Rauschulen Ludwig des Heiligen, Philipp August's
und der grossen deutschen Städte, eine vorschreitende, in
die Zukunft blickende Cultur vertreten, wo an dem Dome
zu Pisa und Sta. Maria del Fiore in Florenz gearbeitet wurde,
so würden die Männer eine neue Ära eröffnet haben. So
aber schliessen sie sich an ein Culturleben an, das nach allen
Seiten hin abschloss, das in Aberglauben und unfruchtbaren
Untersuchungen den philosophischen Geist, in Prunksucht den
künstlerischen begrub. Das grosse Werk des Justinianischen
Rechtsgelehrten Tribonian und seiner Genossen ist ein ab-
schliessendes gewesen; im .1. 529 sind unter Justinian die
letzten Philosophen-Schulen in Athen geschlossen, und der
Simplicius, Damascius, [sidor und Hermias wanderten nach
Persien ; die Dichtkunst beschränkt sich auf das Epigramm
und den Panegyricus und geht nur langsam „zum quantitäts-
losen Verse mit scharfer Begränzung des Tones" im Princip
der modernen Sprachbildung über. Im Jahre ,'i4I unter Ju-
stinian schloss das römische Consulat nach fast tausendjäh-
rigem Bestände.
So wie auf diesem Gebiete Alles eine abschliessende
und alternde Zeit venäth, so auch auf andern. Gesunde
Zeiten erklären das Begreifliche auf natürlich-verständliche
Weise, das ihnen Unbegreifliche durch Mährchen und Mythen,
kranke umhüllen und verdunkeln das Begreifliche durch Mähr-
chen, und das Poetische und Wunderbare durch frostige
Deductionen des Verstandes. Nichts muss aber einem Archi-
tekten klarer, deutlicher und begreiflicher vor der Seele
liegen, als das Constructive. Mechanische, wie die byzanti-
nischen Schriftsteller sagen würden . aber nichts ist in den
byzantinischen Schriftstellern der Justinianischen Zeit so
in*
t z
umhüllt und verdunkelt , ;i I s eben dieses. Die Bauten des
Chryses zur Eindämmung des Euphrat bei Daums erhielten
durch ein wunderbar übereinstimmendes Traumgesichl Justi-
nian's und des Architekten ihre Lösung; der Steinbruch zur
Herstellung von Säulen am Tempelbau in Jerusalem wurde
auf nicht weniger natürliche Weise geoffenbart; ebenso
wurde der mangelnde Verstand des Anthemios und lsiduros
bei Anordnung der Bögen durch den inspirirten Geist des
Imperators ergänzt.
Diese Thatsachen dürften nicht bloss hinreichen, um den
Gegensat/, des Entwicklungsganges der späteren Gultur der
romanisch-germanischen Völker, aus denen der romanische
Haustyl entsprungen ist, in Vergleichung mit den byzantini-
schen zu erklären, sondern auch zwei Erscheinungen innerhalb
des Gebietes der byzantinischen Architektur, ihren abschlies-
senden Charakter einerseits, und ihren stationären Charak-
ter andererseits zu verdeutlichen.
Den Höhepunkt der byzantinisch- justinianischen Ar-
chitektur bildet, wie gesagt, der Kuppelbau. Während der
achtunddreissigjährigen Regierung Justinian's wurde er in
einer Reihe von Hauten ausgebildet. Den Mittelpunkt aller
Hauten repräsentirt die Hagia Sophia (Fig. I ). Der Constan-
Jp*L
Kig. I. Grundriss <I<t Hagia So|>lii;t in Conslantinopel.
tinische Hau ging im Nikaaufruhr i>;52 zu Grunde. Noch in
demselben Jahre begann der Neubau, am 2t>. Dec. .'>;>7 schon
wurde dieser eingefl eiht. Anthemios von Tralles und Isidoros
von Mild wurde zu diesem Haue berufen. Anthemios genoss
des Hufes nicht bloss des einsichtsvollsten Mechanikers seiner
Zeit, sondern auch aller vorhergegangenen; er stand dem
Haue und der malerischen Ausschmückung desselben vor,
wies den Bauenden ihre Arbeiten zu. Ihm zur Seite stand
Isidoros, ein anderer in seiner Zeit berühmter Mechaniker ')-
l) in welchem Verhältnisse wir uns beide Künstler zu denken haben, wird
wohl u'',l-''mim artig nicht mehr festzustellen sein. Kugl e r w irfl die
ob wir uns nie hl etwa Isidoros um- In- füi den künstlerisch decoi
Theil der .\rbeil berufen denken sollen. Ich würde »li. ^<- Frage mit Rück-
sicht auf die Worte <!<■* Prokopius verneinend beantworten. über die
Sophienkirche habcu wir vortreffliches Material in Salzenberg's ausge-
zeichnetem Werke, das schon verarbeite! in Kugler'a Geschichte dei Bau
In wie glänzender Weise diese Architekten ihre Aufgabe
gelöst hahen. ist gegenwärtig Niemanden verborgen. Ihr Werk
blieb für den ganzen Orient ein Prototyp, bis auf unsere
Tage. - - Das Charakteristische der byzantinischen Hauschule
ist das Kuppelgewölbe über einem quadratischen Räume,
getragen von vier grossen Tragbögen und Tonnengewölben ').
Der Kirchenbau unter Justinian beschränkte sich theils
auf diesen Kuppelhau. theils auf den älteren Basilikenbau.
Doch liegen auch Versuche vor, den Langhau der Basilica
mit dem Kuppelbau zu vereinen, wie aus der Beschreibung
der Apostelkirche bei Prokop (a. a. 0. I. 4) deutlieh erhellt :
alle Hauten aber bewegen sich in den Formen der spät-römi-
schen Architektur, in Motiven, entnommen der antiken
Kunst. Das Kreuzgewölbe kömmt nur in späteren Hauten und
untergeordneten Räumen vor, der Glockenthurm gar nicht.
Wie auch die spätere byzantinische Architektur sich immer
verändert, — die Veränderungen beziehen sich nur auf die
Anordnung kleinerer Kuppeln über den Narthex, die constante
Anwendung eines Tambours unterhalb der Kuppel und eines
grossem Schmuckes des gesammten Aussenbaues, der bei
den justinianischen Hauten ziemlich nackt erscheint — über
diese Linie geht sie nie hinaus, und diese Linie ist die
Scheidelinie zwischen der romanischen und byzantinischen
Kunst. Während jene mit jedem Schritt sich von den römi-
schen Reminiscenzen, an die sie sich anlehnt, lossagt, klebt
dieser in jedem architektonischen Gliede die Antike an, seihst
dort, wo sie sich am freiesten bewegt. DasGebälke ist durch-
wegs eine Nachahmung des spät-römischen, und zeigt deut-
lich Spuren des Verfalles in der Proportion und der Profi-
lirung der Glieder; die Säulenordnung lehnt sich an die
römische und korinthische an; das jonische Capital, wo es
vorkömmt, — wir geben hier als Beispiel (Fig. 2) eines der
'
knnvi i. s. Vl'l. in Lübke'a Geschichte der Architektur (S. liS) e m
grösseren Publicum vorl
1 1 Salzenberg charakterisirt den früheren Kuppelbau 8. b* des angeführ-
ten Werkes in i'-L' ler Weise: ..an- Anordnung der byzantinischen Kup-
pelkirchen, welche sich uns den justinianischen Bauten entwickell bat,
und bis in die späteren Zeilen des Mittelalters allenthalben als feststehende
— 73
Capitäle der Marcuskirche, das entschiedene Verwandtschaft
mit den Capitälen der Kirche der hh. Sergius und Bacchus
aus der ersten Zeit Justinian's hat — zeigt nicht minder die
styllose Auflassung als die Art und Weise, wie die Akanthus-
hlätter in den korinthisirenden Capitälen behandelt sind.
Auch das Würfelcapitäl, das am frühesten in der Cisterne
des Philoxenos aus dem IV. Jahrhundert in der h. Sophia
(z. B. den Fenstern des Gynäceums) und in der h. Theotokos,
im Ganzen aber nur vereinzelt vorkömmt, hat in seinen
Ornamenten den Rhythmus und die Motive der Antike. Am
schönsten zeigt sieb die byzantinische Capitälbildung sicher
in jenen die, weder korinthisirend noch sonst eine bestimmte
antike Capitälform nachbildend, das Blatt-, Band- oder Würfel-
ornament in gemessener , von antikem Geiste durchhauch-
ter Form frei behandeln, oder das Thierornament mit in
das Bereich der Capitälbildung ziehen , wie im s. g. Korb-
capitäl. Doch kommen Capitälformen der Art seltener in
Constantinopel als in Ravenna und Venedig vor.
Der Verfall des künstlerischen Geistes in den Bauhand-
werken Constantinopels bei grosser technischer Fertigkeit
wird durch das Sinken der Cultur im Ganzen, die Schnellig-
keit der Arbeit und die Prunksucht erklärt, die in den Bauten
vorherrschte. Man wollte mehr blenden, als durch Geschmack
den Sinn und den Geist läutern. Alle Beschreibungen die
wir von Bauten aus diesen Zeiten haben, und wir meinen
nicht bloss die versicirten des Silentiarius Paulus , stimmen
in diesem Punkte üherein. Bei allen Beschreibungen handelt
es sich vorzugsweise um den Glanz , den die Ornamente
verbreiteten, „dass die ganze Kirche wie mit Schnee über-
gössen scheine" — „nicht von aussen erleuchte der Sonne
Licht das Gebäude, sondern innen erzeuge sich der Glanz —
wo das Gold den Marmor, mit seinem Glänze wetteifernd,
besiegt". Ahnliche Bemerkungen linden wir bei der Beschrei-
bung jedes grössern Gebäudes. Sie werden bestätigt durch
die Illustrationen, insbesondere die Mosaikbilder in Salzen-
berg's Werk. Diese stehen entschieden im Ornamentalen
wie im Figuralischen hinter den ältesten Mosaikbildern des
christlichen Rom in S. Cosma e Damiano u. a. in. und hinter
den Mosaiken in Ravenna, in S. Vitale, S. Nazareo und Celso
zurück. Die Zeit nach Justinian, die Zeit der Ikonnklasten,
war der Kunst nicht förderlich; unter den Macedoniern im
Norm angetroffen wird, ist etwa folgende: Man denke sieh eine Kreuz-
kirche, die Kreuzarme mit Tonnengewölben überdeckt, über der Kreuzung
eine hohe Kuppel mit Tamburin errichtet, und dieses (ianze innerhalb
eines quadratischen Grundplanes, dessen vier Eckräume, in den Winkeln
der Kreuzarme niedriger als diese, mit Kugelkappen überdeckt sind, so
hat man den Hauptbau des Schiffes. Der östliche Kreuzarm isl gewöhnlich
für das Bema verlängert, und sehliesst mit der Hauptapsis ; die beiden
Eokräume nach Osten sind dem entsprechend ebenfalls verlängert, mit den
Nehen-Apsiden schliessend. An der Westseite sehliesst der einfache oder
doppelte Narthex, längs der Breite der Kirche sich erstreckend. Uas Ganze
hat also einen oblongen Grundplan , aus welchem gegen Osten die drei
Apsiden vorspringen, und in welchem das Schill' als Kreuz gezeichnet ist ;
bei kleineren Kirchen ist auch wohl die östliche Verlängerung wegge-
lassen und die drei Apsiden schliessen sich unmittelbar dem quadratischen
Grundplan an, der nur nach Westen durch den Narthex verlängert wird."
IX. Jahrhundert, unter den Komnenen im XI. Jahrhundert
nahm die Kunst einen neuen Anlauf, aber sie bewegte sich
mit den angedeuteten Änderungen in den Gränzen, die ihr
durch Justinian vorgezeichnet waren. Wir sehen diess aus
den Kuppelkirchen des h. Theotokos aus dem IX. Jahrhundert
und des h. Pantokrator aus der ersten Hälfte des XII. Jahr-
hunderts. Stehen die Bauten Justinian's auf jener geistigen
Richtung, die in Rum und Italien herrschte, überllügelte
sie diese in ihren kühnen Constructionen, so war dagegen die
Kunst des Abendlandes im XII. Jahrhundert schon eine neue
Welt geworden, die mit der gleichzeitig byzantinischen am
Festlande fast keine, an Küstenstrichen nur geringe Ver-
knüpfungspunkte halte. In desto engerer Verbindung stand
im VI. Jahrhundert Italien und Byzanz.
Ein anderer Mittelpunkt für byzantinische Kunst wurde
in Ravenna geschaffen. Seit 540 ist Ravenna der Sitz des
byzantinischen Exarchen, seit 553 stand Rom unter der
Oberherrschaft der byzantinischen Kaiser. Rom selbst gibt
nur geringe Anhaltspunkte für den Einfluss der byzanti-
nischen Architektur. Nicht ein einziger Kuppelbau ist in
Rom nachzuweisen, der byzantinischen Einfluss zeigte, nur
sehr unsicher sind die Anhaltspunkte, welche die Bauweise
der Basiliken S. Agnese und S. Lorenz» fuori le mura,
S. Maria und Cosmedin, S. demente und S. Prassede und der
Rundbau S. Stefano rotondo zeigen; — deutlicher sind die
Spuren in dem ornamentalen Theile, vorzüglich im Mosaik
nachzuweisen. Rom kehrte nach dem Verschwinden der
byzantinischen Oberherrschaft zu seinen traditionellen
Formen zurück, für die es im Basilikenbau wie im Rundbau
(S. Constanza und S. Giovanni in tonte) genügende
Vorbilder hatte. Die vorherrschende Bauweise in ganz
Italien blieb die Basilika für Kirchen, der einheimische
Rundbau für Baptisterien. Die Blicke des Freundes byzanti-
nischer Kunst wenden sich nach Ravenna, das seit dem
J. 404 bis zur Herrschaft der Longobarden der Schwer-
punkt Italiens wurde.
Die Geschichte Italiens im V. Jahrhundert ist bekannt;
sie war der Kunst nicht günstig; es war ein Zerstören aller
Verbältnisse. Erst am Schlüsse des Jahrhunderts legte der
grosse Ostgothe Theodorich den Grundstein zu einem Neubau.
Die barbarischen Völker des Nordens, die vor Ruins Mauern
erschienen, brachten nur das Gelüste des Plünderns; wo sie
sich festsetzten, lehnten sie sich an die einheimischen Bau-
verhältnisse an, die Ostgothen in Ravenna. wie später die
Longobarden in Oberitalien oder die Franken in Gallien. Je
schwächer aber Rom wurde, desto mehr stärkte sieh Ra-
venna, und mit und in Ravenna der Einfluss von Byzanz. In
der Zeit vor Theodorich dem Grossen glänzt der Name der
Galla Placidia, der Tochter Theodosius des Grossen. Sie
fand mehrere Bauten aus der ersten Hälfte des V. Jahrhun-
derts vor, Basiliken und Baptisterien. Von ihr stammen die
Basiliken des h. Johannes und S. Crucis und das Monaste-
riuni S. Nazarii et Celsi, die Grahkirche der Galla Placidia
74 —
(gestorben 450). Sämmtliche Bauten zeigen eine freiere
Behandlung der Formen und ein reineres Stylgefühl, als es
gleichzeitig in Rom und Constantinopel gewesen ist. Im
Planschema sind das Baptisterium S. Giovanni in fönte und
besonders die Grabkirche eigenthümlich, in den Formen ent-
wickeln sich byzantinische Kiemente mit neuen, ein klares
künstlerisches Ben usstsein rnanifestirende Formen. Für diese
sprechen die corisequente Anwendung des Rundbogens über
Pfeiler oder Säulen, die hewusste Anwendung der Kreuzes-
form, die einheitliche Durchführung des Säulensystems u.s.f.
Dass dieser Aufschwung unter der Regierung Theo-
dorich des Grossen (493 — 526) fortdauerte, ist begreiflich.
l>as ganze Thun Theodorich's zeigt von klarem und bewuss-
tem Streben und von einer reineren Vorstellung über die
Bedeutung und das Wesen der Kunst, als wir sie vor ihm
bei Constantin dem Grossen und nach ihm bei Justinian
tinilen. Seine Edicte und die Briefe Cassiodor's sind ein
schönes Denkmal der Gesinnungsweise Theodorich's. Ich
hebe hier nur einige wenige Stellen aus den Briefen hervor,
die mir gerade in einem der Erhaltung der Baudenkmale
gcu idmeten Blatte am Platze zu sein scheinen, und in weiten
Kreisen bekannt zu werden verdienen. In einem Schreiben
Theodorich's an den Senator Sabinianu.s lesen wir folgende
Stelle : „Nil prodest initiarei solidare, si valebit praesumptio,
ordinata destruere. lila enim rebusta, illa diuturna, quae
prudentia incipit et cura custodit. Atque ideo non minor in
conservandis rebus quam in inveniendis adhi-
benda cautela est", und in einem anderen Briefe heisst
es: „haec nostra sunt oblectamenta, potentiae imperii decora
faeies, testimonium praeconiale regnorum, haec legatis sub
admiratione monstrantur et prima fronte talis dominus esse
creditur, quäle ejus habitaculum comprobatur." Diese
Worte sind wie die Monumente, inhesondere die Grahkirche
Theodorich's (die heutige Kirche Santa Maria rotonda), ein
laut redendes Zeugniss seines Strehens. Ist letzteres
Gebäude nicht so sehr nach römischem Vorbilde, als im Geiste
römischer Bauweise, so ist doch die Regung eines selbst-
ständigen Kunstgeistes darin so deutlich wahrzunehmen, dass
Quast, Sehn aase und Kugler einstimmig darin die
ersten liegungen germanischen Einflusses erblicken. Wir
heben diess insbesondere heraus, weil es diese Bauten und
San Vitale, von dem wir sogleich sprechen werden, vorzugs-
weisesind, dieauf die Rheinbauten Karl's des Grossen Einfluss
nahmen. Ungleich wichtiger noch als die Bauten Theodo-
rich's sind für uns die Bauten der unmittelbar darauffolgen-
den Zeit, die prachtvollen Werke der katholischen Kirche in
Ravenna, deren Beginn theilweise noch in die Zeil des duld-
samen arianischen Ostgothen hineinfällt, die aber grössten-
teils durch die Frömmigkeit des reichen Geldwechslers
Julianus zur Ausführung kamen. Unter letzteren Bauten
nimmt der Kuppelbau San Vitale und der Basilikenbau San
Apollinare in ('lasse am meisten unsere Aufmerksamkeit in
Anspruch; lezteres Gebäude bal unter allen byzantinisirenden
Basiliken Italiens die meiste harmonische Anordnung des Or-
namentes und eine sehr schöne Auflösung der Capitäle mit
dem viereckigen Kämpfer, der schon in den ravennatischen
Bauten des vorausgegangenen Jahrhunderts vorkömmt und mit
Bewusstsein und Verstand in den gesammten Kirchenbauten
Ravenna's angewendet wurde. Wir theilenunserenLesern nach
Quast ein solches Capital (Fig. 3) mit dem ravennatischen
Kämpfer mit, das besser als Worte die freie Auffassung
des Ornamentes und die Verbindung des Kämpfers deutlich
machen wird. Von grosser Bedeutung ist die Kuppelkirchc
S. Vitale (Fig. 4). Um ihre Bedeutung vollkommen einzusehen,
■^\
Fig. V- Grundrifi Jon S«n Vital« in Rmooi,
muss man sich gewisse Thatsachen vergegenwärtigen. Trotz-
dem dass die bedeutendsten Männer über diesen Gegenstand
schon geschrieben haben, ist die Ansieht populär und vor-
herrschend, dass der Kuppelbau gewissermassen ersi durch
die Hagia Sophia entdeckt wurde. Mehls ist falscher und
unrichtiger. Der Bau der Kirche San Vitale begann mit dem
Jahre 526, der Bau der Hagia Sophia im Jahre 832. Die
Kirche San Vitale wurde daher sechs Jahre früher begonnen
als die Sophienkirche in Constantinopel; von einer Nachbil-
dung kann also keine Heile sein. Auch die Anordnung des
Gr Irisses und des Narthe^ ist eine ganz andere. Der Kuppel-
bau der Sophienkirche erhebt sich über einer viereckigen
I >
Grundlage, jener der Kirche S. Vitale ist achteckig mit ausge-
sprochener Form des Achteckes auch nach aussen. Der
Narthex der Sophienkirche verlängert den viereckigen Grund-
raum, der Narthex der Kirche S. Vitale, die Ardica genannt,
hat eine selbstständige, von allen anderen Bauten abweichende
Form; ebenso abweichend ist das ganze System der Pfeiler
im Innern und Äussern und der Emporen im Innern selbst. In
jeder dieser Kirchen ist eine eigenthüniliche Kunstschöpfung
niedergelegt , wenngleich ausgehend von gemeinsamer
byzantinischer Grundlage. Die Vorbilder für beide Kirchen-
bauten lagen, theilweise wenigstens, in den schon vorjusti-
nianischen Kuppelbauten, den zahlreichen Baptisterien ; für
San Vitale ist vielleicht der um zwei Jahrhunderte ältere
achteckige Bau in Antiochia, den wir nur aus einer Beschrei-
bung des Eusebius kennen, ein Vorbild gewesen. Die So-
phienkirche wirkte nach dem ganzen Osten, die Kirche San
Vitale nach dem Westen ; man braucht nur einen Blick zu
werfen auf den Grundplan von S. Vitale, den allerdings sehr
bestrittenen von S. Ambrogio in Mailand und den der carolin-
gischen Bauten zu Aachen (Fig. 5), Essen und Otmarsheim,
Fig. 5. Der earoliugische Theil <1es Münsters zu Aachen.
um die innere Verwandtschaft dieser Bauten und den Gegen-
satz zu den Constantinopolitanischen (der heiligen Sophia,
hb. Sergios und Bacchos , der h. Theotokos, des h. Panto-
krator, den bekannten griechischen) zu entdecken. Dem
Occidente empfahlen sich die raveunatischen Ziegelbauten
durch die intelligente und klare Anordnung des Plan-
schemas und des Pfeilersystemes.
Mit dem Verfalle Bavenna's tritt auf italienischem Boden
ein Stillstand, theilweise ein Erlöschen der byzantinisch-
ravennatischen Kunsttraditionen ein, während sie am Bheine
beinahe vierhundert Jahre später einer der Anknüpfungs-
punkte der neuen Kunstbestrebungen wurden. Die Geschichte
Italiens vom VI. bis IX. Jahrhundert erklärt wohl deutlich
diese Erscheinung. Occident und Orient schieden sich in
geistiger Beziehung immer mehr und mehr; griechische
Studien verfielen in Italien wie in Gallien und erhielten sich
nur mühsam in einzelnen Klöstern, neue germanische Völker-
stämme, insbesondere die Longobarden, brachten eine innere
Veränderung in dem Grundstocke der Bevölkerung Italiens
hervor. Trotzdem wird Jeder, der nur einmal die wenig
besuchten Küsten des adriatischen Meeres durchwandert und
aufmerksam die Bauformen älterer Gebäude, die vorhandenen
Capitäle und dergleichen geprüft hat, zu der Überzeugung
kommen, dass der Einfluss von Bavenna auf die ganzen Küsten-
städte des adriatischen Meeres ein bedeutenderer gewesen,
als man aus dem gegenwärtigen Stande der Forschung ver-
muthen könnte.
Ein halbes Jahrtausend nach dem Baut' der h. Sophia
und S. Vitale ersteht in der Lagunenstadt des adriatischen
Meeres ein neuer Bau, ein Wunder der Welt wie die heil.
Sophia an Pracht und an Grösse, als der letzte byzantinische
Bau im katholischen Abendlande, und zugleich ein Zeugniss
der Bautraditionen, wie sie sich aus jenen Zeiten noch erhalten
haben. Der Bau von San Marco in Venedig steht aber
nicht vereinzelt an den Küsten des adriatischen Meeres. Die
Fragmente, die wir an S. Marco selbst sehen, führen uns in
eine Beihe von Städten an der Küste des adriatischen Meeres,
nach Altinum, Torcello, Grado, Aquileja, Pola und anderen
Orten, denen diese Überreste entnommen sind. Würde
eine Geschichte der Marcuskirche an der Hand dieser Werke
geschrieben worden sein, so würde der Streit, der unter
venetianischen Schriftstellern lange dauerte, und gegenwär-
tig noch nicht zu einem der Wissenschaft genügenden Ab-
schluss gekommen ist, eine andere Wendung genommen,
und die Frage von weniger Gewicht sein, wie viel und wie
oft Musaicisten aus Constantinopel nach der Lagunenstadt
berufen wurden J). Soviel steht fest, dass dieser Hau einen
speeifisch byzantinischen Charakter an sich trägt und diesen
Charakter im Ornament wie in dem construetiven Theile
ausspricht. Wir geben hier (Fig. tj) als Beispiel eines der
1 1 Die besten Anhaltspunkte finden si«'!i gegenwärtig in s e 1 \ atico's »Sto-
ria della Scultura ei Architettura in Venelia" Venezia ls-47. S. 3:\: Conte
Cicognara's „Storia della Scultura* Prato ls'24. Vol. VII, S. 43— 78,
tnttl für den Reisenden in dem „Guida <!i Venezia" von s i' l \ atico und
Lazarri, Venezia 1852. Ersterera Werke sind die beiden renetianischen
Capitäle entnommen.
76
byzantinischen Capitäie vom der Fagade der Marcuskirche,
das zugleich die früher ausgesprochene Ansicht von der
freieren Entwickelung der Capitälform des byzantinischen
Styles und den Gegensatz zu der Behandlung des Ornamentes
des romanischen Styles. von dem wir demnächst sprechen
«erden, belegen soll. Alier trotzdem ist S. Marco weder
eine Nachahmung von S. Vitale noch der h. Sophia; S. Maren,
(Fig. 7) mit einein griechischen Kreuze, mit Abseiten,
Fi£. 7. Grundrisa \ , m San .Marco in Venedig.
ohne Emporen im Grundplane, mit den fünf Flachkuppeln ')
über den einzelnen Kreuzesarmen und ihrer Mitte, repräsen-
tirt einen ganz anderen architektonischen Gedanken und
weiset eher auf irgend ein Vorbild im eigentlichen Griechen-
land als in Constantinopel oder Ravenna. Noch gegenwärtig
erinnert S. Fosca (ein Bau aus dem XI. Jahrhundert) auf
Toreello an die kleinen Kirchen des h. Philipp, Theodor und
anderer in Athen; noch existiren sehr kleine griechische
Kirchen älterer Zeit in freilieh sehr verkümmerter Form in
den Küstenländern des adriatischen Meeres und Kuppelbauten
in Serbien (angeblich aus dem XIII. .Jahrhundert), die uns
erlauben, auf die Bedeutung und den Umfang byzantinischer
Bauformen in jener Zeit schliessen zu können. In Venedig
seihst fand der byzantinische Kuppelbau nur wenig Nach-
ahmung -) (als äjtestes Denkmal wirdS. Giacometto di Bialto
'i Die Kuppeln von s Marco wurden im lussern sehr wenig wahrgei en
werden, wenn sich nicht über den flachen Kuppeln hölzerne mil Blei
überzogene Kuppeldächer erheben würden, die durch ihre architektoni-
schen Linien eine ganz andere Kuppelconstructi erwarten Hessen, als
man sie im Innern wahrnimmt. Siehe über die [ranze Parallele Quast, a.
1 29, dem wir auch bei ,1+t i liarakteristia Ravenna's gefolgt sind.
*) Destomehr findel man I: Ibauten und Baptisterien im österreichischen
Italien und den österreichischen Küstenländern <l<-s adriatischen Meeres.
Ich führe einige deren auf. um die Aufmerksanikeil auf diese Monu nte
zu lenken, die leichl der Zerstörung Preis gegeben sind, und an denen
Österreich einen grossen sd.ni/. besitzt. Us Baptisterium ist m nei n
on Torcello (1008), Padua (XII Jahrhundert), nach Ginigen *
,1er Mit; .'im mil.' alte Dom von Brescia, das vi ia(1167), Chiavenna,
Aquileja inline Zweifel das älteste), Triest, Pirano (das von Pola wurde
n.r wenigen Jahren .1 ilirl), Rovigno (angeblich aus .lern IX. Jahr-
hundert), Parenzo, Zara (die um Trau und Sebenico sind ans ,1er
Renaissancezeit, das von Spalato ein Hau i eblich dessen
Mausoleum) n. a. m. — als Rund- odei Kuppelbau San Tomnsa in Limine
aufgeführt), ebenso wenig finden sich im übrigen Italien
Nachahmungen. Es mögen in früheren Zeiten ähnliche
Bauten (z. B. die Ahbazia di Corneto in Pola) bestanden
haben, die mit S. Marco innige Verwandtschaft gehabt zu
haben scheinen. Desto interessanter sind die Kuppelbauten in
Frankreich zwischen der Loire und Dordogue (V ern e i 1 h
kennt im Departement der Dordogne allein zwölf); die be-
rühmteste zu Perigneux, die Kirche des heil. Frontinus, ist
gebaut zwischen HTti und 1047. in derselben Zeit als im
südlichen Frankreich sich renetianische Colonien nieder-
liessen; die Kuppelkirche S. Jean-de-C3te in Perigord ist
aus der zweiten Hallte des XI. Jahrhunderts und Sanet
Astier aus der ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts. — Die
Marcuskirche, von der Zeit ihrer Gründung an (um 980,
vollendet 1071) bis zum Falle der Republik, als l'rivat-
capelle des Dogen die eigentliche Staatskirche Venedigs —
die eigentliche Dom- und Patriarchalkirche war bis 1807 die
Kirche S. Pietro die Castello — ist das späteste der drei
am Anfange dieses Artikels bezeichneten Gebäude, welche
den byzantinischen Styl in einer bedeutsamen Weise reprä-
sentiren. Im Süden Italiens. Amalli, Palermo. Cefalu, Salerno
und an anderen Orten mehr, war der arabische Kintluss
mächtiger und nachhaltiger als der byzantinische ') ; im übri-
gen Italien hat er das eonstruetive Element fast gar nicht
und das decorative wenig berührt. Der erste Schritt, den
Italien zur Regeneration seiner Kunst im XIII. Jahrhunderte
machte, war ein Kampf gegen die starren unlebendigen
bei Bergamo (aus dem IX. Jahrhundert) , der früher erwähnte Bau ron
San Ambrogio in Mailand, ein oft umgebauter, vielfach bestrittener Hau
l von Einigen wird er als ein Überrest emer antiken Therme ange
die ehemalige Kirche S. Donato in Zara und e. m. — niese Rund- und
Kuppelbauten verdienton sämmtUch einer tiefergehenden Beachtung (d. h.
ordentlicher Aufnahmen mit Messungen, nicht Muss ä la vue in AquareU-
ninnier. \\ ic es bei vielen nach Italien reisenden Architekten Mode gewor-
den ist), da der Kuppelbau auch in unseren Tagen seine Berechtigung
verlangt. In Wien wurden zwei interessante Kuppelbauten unter nmen,
von dem Architekten Ih. llansei Irsenal und J.Müller in der
Altlerchenfelder Kirche.
1 i lier a rahische Kintluss auf .lie ^an/.e byzantinische Ornamentik
ist nicht gering anzuschlagen. Diese selbst zeigt drei verschiedene
Perioden. In der ersten isi der Einfluss der späteren Intike massgebend;
ein speci6sch byzantinisches Element tritt um sehr schwach hervor. Die
zweite für die Ornamentik wichtigste Periode ist iler Hy/nntinisinus seil
der Bauthäligkeil Justinian's und dem Eintritte Ravenna's in .las Kunst-
leben. In dieser Periode langl sieb an Orient und Occidenl im Byzan-
tinischen zu scheiden, nie Orientale Richtung nimmt ihren Weg nach der
syrischen Küste, nach Armenien , tbkhasien und gien, und kömmt
nach Russland, wo gleichzeitig directo Einflüsse ron Constantinopel aus
uii.l tartarische Einflüsse vom Osten hei auf die Kunstentwickelung statt
linden. In der dritten Periode verlierl ihr Byzantinismus im Occidente
seinen specifiscben Charakter, er leimt si.-t. in Venedig, Vmalii. Sicilien
u a oit.-n an ilas Arabische an und ainalgamirl sich mit ihm in einer
Reihe von Ornamenten, die mil dem Ausdrucke arabisch - byzantinisch
bezeichnet werden, oder er verbindet sieb mil der romanischen Kunst
ankreich, im deutseben Reiche, in der Normandie u. *. i i und wird
v li.-ser endlich ganz erdruckt. Das byzantinische Ornamenl hat in der
letzten Entwickelt! iders Bedeutung für die kleineren 2
der Plastik (kirchliche Gelasse, Schmuck u. s. (.) und die Gewander,
sii. it. • etc. Dieses zu betrachten lieg! uns hier fern. Es genüge diese
Hindeutung.
77 —
Formen, in denen sich die Malerei und Sculptur seit dem
Verfalle der antiken Kunsttraditionen bewegten. Es ist
bekannt, dass die Vorkämpfer der besseren Zeit, die Zeit-
genossen Dantc's, Cimabue, Giotto und Nicolo und Giovanni
Pisano gewesen. Die Regeneration der Architektur hingegen
ging grossentheils vom Norden aus, wo die antiken Traditio-
nen und die byzantinischen Formen einer eigentümlichen
Richtung nicht hemmend in den Weg traten, und in den
germanisch-romanischen Stammen sich in der Architektur
wie in der Poesie der Fond eigener poetischer und künst-
lerischer Lebensanschauimg entwickelte.
In Gallien und am Rheine lehnte sich diese neue Kunst-
entwickelung an die zahlreichen vorhandenen römischen
Bautraditionen und Überreste an, und nicht unbedeutend ist
die Zahl der Monumente, die diese specifisch römischen
Bautraditionen in Frankreich und Deutschland aus den Zeiten
vor Karl den Grossen documentiren. Wir erinnern an den
Trierer Dom und die Porta nigra, die alte Kathedrale von
Beauvais, die Kirchen von Savenieres (Departement Maine-
et-Loire). das Baptisterium St. Jean zu Poitiers. die Bautä-
tigkeit des h. Martin zu Tours und die Bauten des Klosters
Fontanellum (St. Wandrille in der Normandie), anderer
Bauten im ganzen W'esten von Europa (Spanien und Irland)
nicht zu gedenken. Der eigentlich byzantinische oder deut-
licher ravenuatische Einfluss auf denNorden beschrankt sich
auf die Bauten Karl's des Grossen; in dem transalpinen
österreichischen Kaiserstaate würden, wenn mich die Nach-
richten in Hartvici vita Sti. Stephani nicht tauschen, der alte
Bau der Stuhlweissenburger Kirche, von dem gegenwärtig
nur sehr schwache Spuren vorbanden sind, wenigstens in
seiner glänzenden Mosaikausstattung auf byzantinischen Ein-
fluss hinweisen. Im deutschen Norden ist die im Jahre 172'2
zerstörte Marienkirche auf dem Harlungerberge bei Bran-
denburg >) mit ihren Flachkuppeln und ihrer quadraten
Grundlage ein vereinzelt stehendes Beispiel byzantinischen
Einflusses.
Karl der Grosse, mit dein sich die antik-christliche
Welt von der mittelalterlichen entschieden scheidet, war
es, der angeregt von den Bauten Italiens „Meister und
Werkleute dieser Art aus allen Ländern diesseits des Meeres"
(ex omnibus regionibus cismarimis , wie der Mönch von
St. Gallen sagt) d. h. vorzugsweise aus Italien — an Grie-
chenland oder Constantinopel ist, wie Schnaase trefflich
nachweist, nicht zu denken — kommen liess, und in Aachen
„in seinem Vaterlande eine Kirche zu bauen, nach eigenem
Plane, herrlicher als die alten Werke der Römer."
Säulen und Marmor für die Kirche wurden, so erzählt unsEin-
hard, aus „Born und Ravenna" entnommen. Nicht mitSalomon
wetteiferte er, wie Justinian in seinen Bauten, sondern wie
der grosse Theodorich mit dem „ewigen Rom", als ein
grösserer Genius als beide, mit grösseren Erfolgen.
Justinian schliesst eine alte Welt, Theodorich klopft an die
Pforte einer neuen, Karl der Grosse schliesst diese auf, in
Staat und Wissenschaft, in Poesie und Kunst. Jeder Schritt
nach ihm ist ein Schritt abseits der antiken Traditionen . ein
Schritt vorwärts in eine neue Kunstära! — Diese neue
Zeit repräsentirt in de r A r c hi t ek t ur d er r o m a-
nische Styl.
Über Reliquienschreine.
(Mit einer Tafel.)
Von Karl Weiss.
Der Reliquien-Cultus gehört den ältesten Zeiten der
katholischen Kirche an: er ist die unmittelbare Folge der
Lehre von der Verehrung der Heiligen. Schon in den Mär-
tyreracten des Polykarp wird berichtet, dass die Gläubigen
dessen Gebeine gesammelt, sie höher schätzend „als Gold
und die kostbarsten Edelsteine", sorgfältig aufbewahrt und
an dem Orte der Aufbewahrung die Gedächtnissfeier seines
Todes in heiliger Freude gefeiert haben. Eusebius berich-
tet, dass die Heiden zur Zeit der diocletianischen Verfolgung
die Überreste der Märtyrer ins Meer geworfen, damit ihnen
die Christen keine „göttliche Ehre" erweisen könnten. Im
IV. Jahrhundert war der Reliquien-Cultus schon allgemein
verbreitet und hatte bei weitem nicht jene Anfechtungen zu
bestehen, wie die Rilderverehrung. Die leidenschaftlichsten
Iconoclasten waren die eifrigsten Verehrer der Reliquien,
da die bekannte Stelle des alten Testamentes, welche den
Angelpunkt des ganzen Bilderstreites abgab , auf die Iieli-
quien keine Anwendung fand.
Für die mittelalterliche Kunst war der Reliquien-Cultus
von besonderer Bedeutung. Durch denselben erhielt insbe-
sondere die Email- und Goldschmiedekunst einen überaus
reichen Stolf zur Entfaltung ihrer Mittel. An den Schreinen
und Gefässen, welche für die Aufbewahrung der Reliquien
bestimmt waren, übten diese Kunstzweige die mannigfal-
tigste Technik und Ornamentation. Die Anwendung yon
Gold, Silber und Edelsteinen, von Verzierungen in incru-
stirtem Schmelz, in Filigrau und Xiello, in durchbro-
chenen und getriebenen Arbeiten, ferner von ciselirten
figürlichen Darstellungen steigerte den Kunstfleiss und spä-
ter auch das Handwerk zu einer staunciisu erlhen Höhe; die
Reliquienschreine im Münster zu Aachen . im Zither zu
Quedlinburg, in den Domen zu Köln. Mainz. Osnabrück.
Hildeshein] u. s. w., die überaus prachtvollen und zahl-
reichen Reliquaires der französischen Kirchen und Museen
«) Abbildungen s. in Lübke's Geschichte der Architektur S. 2jS uml 230
II
— 78
sind Zeugnisse der hervorragenden Kunstbildung aus den
Goldschmiede-Werkstätten des XL, XII. und XI11. Jahr-
hunderts, «fleht' noch heute die Bewunderung der Sach-
verständigen und Gebildeten erwecken.
Auf welche Weise das BedQrfniss für solche Gelasse
und Behälter heranwuchs und in welchen Formen wir den
Reliquienschreinen in den verschiedenen Abschnitten des
Mittelalters begegnen, wollen wir hier in einigen umrissen
darzustellen versuchen und sodann die Beschreibung, sowie
uiii der Tafel V die Abbildung eines früher in Hallein ge-
wesenen Reliquienschreines geben. In unserer Absicht liegl
es. hierbei einige nähere Anhaltspunkte üher einen der
wichtigsten Bestandteile des christlichen Cultus zu liefern.
welcher in der deutschen Archäologie bisher noch immer
nicht die verdiente Aufmerksamkeit gefunden hat ').
In den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche
hielt man im der Überzeugung fest, dass die Grabstätte
eines Heiligen die würdigste Stelle sei. wo der Altar seinen
Platz einnehmen könne; es wurden daher üher den Grab-
stätten der Heiligen Kirchen und Altäre errichtet. Für diese
Periode wares desshalb noch nicht nothwendig, an besondere
Aufbewahrungsorte der leiblichen Überreste der Heiligen zu
denken, sondern es wurden nur die Reliquien der christ-
lichen Glaubenshelden mit dein Haue der Kirche in einen
bestimmten Zusammenhang gebracht. Erst später, als aner-
kannt wurde, dass an keinem Altare die h. Opferhandluug
verrichtet «erden dürfe, in welchem nicht die Reliquie eines
Heiligen aufbewahrt sei, und da bei der immer grösseren
Ausdehnung der christlichen Kirchen auch an solchen Orten
Kirchen und Altäre nöthig geworden sind, wo sich kein Grab
eines Märtyrers befand, war natürlich die Notwendig-
keit vorbanden. Reliquien zu übertragen und in eigenen
Kästen und Gefässen aufzubewahren. Dieser Vorgang unter-
lag zwar sowohl in der griechischen als in der römischen
Kirche verschiedenen Anfechtungen; er war aber doch zu-
letzt nicht mehr zurückzuweisen, da der Glaube an die
Wunderkraft der Reliquien tief in den christlichen Gemein-
den wurzelte und man den durch Translocation herbei-
geführten Missbräuchen mit den Reliquien durch strenge
Verbote und Vorsichten begegnet zu haben glaubte2). Am
frühesten verbreitel war der Gebrauch der Reliquienschreine
in der griechischen Kirche, und Byzanz dürfte schon lange
1 ) Wir kennen aus Kugl er 's Werken (kleine Schriften, I. u. il.) eine Reihe
interessanter Andeutungen und Beschreibungen ron Reliquienschreinen in
Deutschland, die uns hier auch vun wesentlichem Nutzen waren. II. Otte
in seinem Randbuch der kirchlichen Kunstarchäologie (III. Aufl., Leipzig
|s:;;i erwähnt derselben uur s.-ln flüchtig. Ken ergiebigste» Stoff zu
dieser Darstellung lieferte: Canmont: Abecldaire, l';iris ls.il. —
l) i .1 r o ii 's Annales Brcheologiques und M a r ti u et C B li i e r's Mälangea
d"an i 'ii deutschen Werken haben wir insbesonders auch Fr.
Baudry'i Organ im christliche Kunst, J. 1853a. 1854, benutzt
*» In der griechischen Kirche wej zuerst durch TI losius den Grossen
i. in der lateinischen Kirche durch Gregoi den Grossen (590—604)
das Verbot der Reliquien-Traa local aal estelll tagusti: Denk-
würdigkeiten MM. -77
im Besitze der kostbarsten Gefässe und Behälter gewesen sein,
bevor noch in den nördlicheren Theilen Europa's das Chris ten-
tbum Wurzel gefasst hatte. Den Luxus und die Pracht dieser
Kirchengeräthschaften lernte man in Europa ohne Zweifel
gleichfalls erst durch die griechische Kirche kennen und
zwar zu derZeit, als bei uns die Wallfahrten und dieKreuz-
züge nach dem gelobten Lande begannen und als nach der
Eroberung vonConstantinopel eine grosse Zahl von Reliquien
aus dem Oriente nach Europa gebracht wurden.
Der Ort, wo die Reliquien mit päpstlichen Beglaubi-
gungsurkunden in besonderen Behältern niedergelegt wurden,
war in der Regel der Altar. Es bestand das Gebot, dass
sie entweder in der Altar platte odervorn unter derselben, wo
sich eine länglich-viereckige, gewöhnlich mit einer Mnrmor-
tafel verschlossene Vertiefung (Reliquiengruft, sepulchrum)
befand . aufbewahrt werden sollen. Später, als der Reieh-
thum der Reliquien sich vergrössert hatte, und viele Kir-
chen mehr Reliquien als Altäre besassen, erhielten aueb tue
Reliquienschreine einen Platz im Ileiligthume oder an den
Wänden des Chors.
Die Form und Grösse der Reliquienbehälter war sehr
verschieden. Was die Form anbelangt, so hatten sie am häu-
figsten jene von kleinen, länglich-viereckigen Kistchen, oder
wenn es sich um die Aufnahme des vollständigen Leichnams
eines Heiligen bandelte, jene eines sarkophagähnlichen
Kastens. Seltener wurden die Reliquien in den hohlen Räumen
von Säuleu. welche die Altarplatte stützten, noch seltener in
jenen von hölzernen Figuren gefunden. Doch ist die That-
sache unbestritten, dass sie darin aufbewahrt wurden, wie
Görres in seiner Beschreibung desBlasius-Domes inBraun-
schweig nachweist, wo in den auf fünf Metallsäulen ruhen-
den Altären sich Reliquien in den Säulenschäften befanden,
und wie ausCa umon t's Abceödaire zuerstdien ist, welcher
einer vergoldeten hölzernen Statue der heil, Jungfrau mit
dem Jesuskinde erwähnt, die, noch gegenwärtig zu Tour-
nus befindlich, auf einem mitArcaden gewölbten Stuhle sitzt
und in deren Rücken sich ein Schrank mit Reliquien befand.
Man findet aber auch Reliquienbehälter in der Form kleiner,
herzartiger Fläschchen, von Kreuzen, Obelisken, Monstran-
zen und ovalen Kästen, wie aus K u gl er 's kleinen Schriften
1. und 2. Band und aus Didron's Annales archeologiques
(IV., VIII., IX. und \. Bd.) zu entnehmen ist.
Im XI. und XII. Jahrhundert besassen sie. ans etnaillir-
tem Kupfer otler auch aus Hol/, gefertigt, welches dann mit
Metallplatten belegt war. meist die Form eines Hauses oder
einer Capelle mit doppelter Bedachung, mit Bögen undSäu-
lenstellungen im romanischen Style versehen. Das Dach und
die Wände waren dann gewöhnlich mit fein gearbeiteten
Schmelzwerken — und die Giebelfelder mit der feinsten
Filigranarbeit, nach dem Musler byzantinischer Formen
geschmückt. An den Wänden dagegen wurden häufig Figu-
ren, wie Christus und die Apostel , oder Scenen aus der
Lebensgeschiehte und aus dem allen Testamente abgebildet.
79 —
Christus nimmt gewöhnlich allein eine der äussersten Wände
ein, die Apostel und Heiligen sind auf den Seitenwänden
angebracht. Die aus dieser Periode stammenden Reliquaires
sind auch aus Platten von rothem Kupfer gemacht, auf wel-
chem mit dem Grabstichel zahlreiche Vertiefungen ausge-
graben und wieder mit Schmelzwerken von verschiedener
Farbe ausgefüllt wurden. Wenn das Kupfer auf der Ober-
fläche erscheint, so ist es goldgelb und zeigt architektoni-
sche Verzierungen, den Stängel von Blumen und Heiligen-
scheine von Figuren. Die Figuren springen basrelief-artig
aus der Grundfläche hervor. Bisweilen sind die Kopfe allein
vorspringend und der Körper ist nur durch Umrisse ange-
deutet. — Zu Ende des XII. und XIII. Jahrhunderts nehmen
die Reliquienkästen die Form einer Kirche an, mit Strebe-
pfeilern, Zinnen, Bogen und Thürmen; an den Wänden fin-
det man Nischen und die Bogen und Figuren, welche früher
in Schmelzwerken dargestellt wurden, werden nun in erha-
bener Arbeit dargestellt. Anstatt in Email waren nun die
Figuren in Bronze, Silber und Gold. Die Reliquienschreine
wurden in dieser Periode Meisterwerke der Goldschmiede-
kunst, an welchen das Schmelz werk zur Nebensache gewor-
den ist. Das Gebäude selbst ist häufig gekrönt mit einein
durchsichtig gearbeiteten Dachstuhle. Die Giebel, Säulen und
Bögen, in der Regel im gothisehen Style, sind verschwen-
derisch mit Gold, Silber und Edelsteinen geschmückt. Einen
besonderen Schmuck erhielten sie durch eine reiche ä jour
durchbrochene Bekrönung, die in verschlungenen Thier- und
Laub Verzierungen die Dachfirste und die beiden Giebelfelder
zum Abschlüsse brachte. Die Kammverzierungen überrag-
ten sodann fünf Krystallkugeln in kunstvollen Einfassungen
und sollten dieFrüchte der guten Werke andeuten ')• Ebenso
reich ist die Ornamentik an den Fussgestellen, die oft mit
kleinen Früchten und Kugeln eingefasst wurden. Selbst die
Symbolik war an diesen Miniatur-Kirchen vertreten, wie
diess an dem Reliquienschreine des heil. Potentiell in der
Pfarrkirche von Jouarre in Frankreich beobachtet werden
kann, wo sich unter den Verzierungsgegenständen einige
der Hauptsünden befinden, ein sitzender Alle, wie er eine
Frucht verzehrt, eine menschliche Figur zu einem aufblü-
henden Blumenstängel riechend, ein nacktes Weib, das sich
niederkauernd, mit dem Finger ein Zeichen gibt, Vögel mit
Menschenköpfen und andere phantastische ThiereS). Die
Motive der Darstellungen waren auf den Reliquenschreinen
des XIII. Jahrhunderts dieselben, wie zwei Jahrhunderte frü-
her. Auf der Bedachung war in Pinälen aus Silberblech das
Leben und die Thaten, der Tugendkampf des Heiligen, des-
sen Gebeine derSchrein umschloss, in getriebenen Basrelief-
stücken zur Anschauung gebracht. An den vier perpendi-
culären Seiten der Sehreine war gewöhnlich die Belohnung,
die Apotheose des Heiligen dargestellt. An dem einen Vor-
dertheil, der in Giebelform endigt, sass Christus auf dem
Throne. Die Rechte segnete, die Linke hielt das Evangeh'en-
buch oder es war in seinen Händen auch die Weltkugel.
Zwischen den mit Säulchen umgebenenLangseiten des Schrei-
nes wurden gewöhnlieh die zwölf Apostel oder auch andere
Heilige in ciselirten Stand- oder Brustbildern en relief auf-
gestellt. Oberhalb dieser Säulchen, und zwar in dem Falle,
wenn sich Bogen darauf stützen, konnte man auch in Rund-
bogenverzierungen die symbolischen Thiergestalten der vier
Evangelisten erblicken. Dort, wo auf den Säulen nurirchi-
trave ruhten, waren diese reich ornamentirt.
Die Reliquienschreine der späteren Zeit weisen, soviel
uns bekannt ist, in der Hauptform keine bedeutende Verän-
derung auf. Vorherrschend war bei jenen Behältern, welche
die Form von Kirchen und Capellen erhielten, ohne Zweifel
der gothische, und nur die Ornamentik sowie überhaupt die
äussere Ausschmückung dürfte nun auch jenen Charakter
angenommen haben, der im Allgemeinen in den Bau-
stylen des XIV. und XV. Jahrhunderts anzutreffen ist. Mit
Bestimmtheit jedoch sich darüber auszusprechen, setzt die
Kenntniss einer Reihe von Beispielen aus jener Periode and
ein tieferes Eindringen in die Entwicklung der Goldschmiede-
kunst in Frankreich. Deutschland und Italien voraus, in
welch letzterer Beziehung uns jedoch in diesem Augenblicke
kein gründliches und erschöpfendes Werk zu Gebote steht.
Soviel ist indess bekannt, dass nach dem XIV. Jahrhundert
die Reliquienschreine nicht mehr in so grosser Zahl ange-
fertigt wurden, wie in früherer Zeit , oder dass so bedeu-
tende Summen darauf verwendet wurden, um etwa, wie
diess wenigstens in Frankreich der Fall war. durch den
Besitz von solchen Reliquenschreinen den Eifer zur Wie-
dererbauung von Kathedralen und zur Stiftung von Klöstern
zu beleben i).
Nach dem XV. Jahrhundert hatte auch i]er Reliquien-
cultus, wie bekannt, viel an Bedeutung verloren. Es war eine
Epoche gekommen, in welcher — wenigstens in Deutsch-
land — viel der Zerstörung und Verwüstung preisgegeben,
und der katholischen Kirche mehr an Kunstschätzen genom-
men als zugewendet wurde, lud im XVII. Jahrhundert
war das Verständniss für die Bedeutung von Reliquien-
schreinen so tief gesunken, dass man bei Restaurationen und
Umarbeitungen die widersinnigsten Gegenstände in Anwen-
dung brachte. So geschah es bei dem Reliquienschreine der
heil. Genovefa in Paris, welcher aus dem VII. Jahrhundert her-
rührte.im XIII. Jahrhundert überarbeitet und im XVII. Jahr-
hundert dann reparirt wurde, dass man auf einem Steine
den Mutius Scävola. wie er seine Hand verbrennt,
auf einem zweiten Steine einen Ganymed, wie er \ lern
Adler des Jupiter emporgetragen wird, und auf anderen
Schreineu Venus. Amur u. s. w. fand-).
') Didron, Annales arche'ologiques, VIII, 295.
2) Fr. Baudri's Organ für ehristl. Kunst. J. IS.'iS. S. 131
*) Didron, Annalea archeologiques, VIII, 2;'.';.
2) Didron, Annalea archeologiques , IV, -itil
11
— 80 —
Was die Grosse der Reliquienschreine betrifft, so war
auch diese sehr verschieden und zum Theile abhängig von
dem Umfange der in Frage stellenden Gegenstände der Ver-
ehrung. Man hesass Reliquienbehälter in der Form kleiner
Fläschchcn oder auch von Kapseln, «eiche dann in Holz
oderElfenhein, mit Bemalungen und kostbaren Schnitzarbeiten
gearbeitet waren. Zuweilen linden sich auch kleine Reliquien-
kästchen in Seide mit Ornamentstickeien , in Form einer
kleinen viereckigen Lade und einem dachförmigen Deekel,
welche hiiiiiiy nicht grösser, ja seihst kleiner als ein Fuss in
der Höhe und Länge waren und entweder in der erwähnten
Vertiefung des Altars oder wieder in grösseren Reliquien-
schränken verwahrt wurden. Die grössten Reliquaires hatten
eine Länge von sechs Fuss und eine Höhe von drei Fuss.
Der älteste uns bekannte Reliquienschrein ist jener der
heil, Genovefa in Paris, welcher, wie schon bemerkt wurde,
ursprünglich aus dem Vll. Jahrhundert herrührt und von
dem heil. Aloisius angefertigt sein soll. Die meisten, welche
noch gegenwärtig in den verschiedensten Kirchen Frank-
reichs und Deutschlands vorhanden sind, gehören dem XL.
XII. und XI11. Jahrhundert an.
Zu den vorzüglichsten Reliquienschätzen in Deutschland
gehören jene des Domes zu Aachen aus dem XIII. Jahrhun-
dert und darunter insbesondere jener Karl d. G., der Sarko-
phag der heil, drei Könige im Dome zu Köln, mit 22(>
antiken Gemmen und getriebenen Relieffiguren, mitReliquia-
rien in St. Maria und St. Ursula, dann im Walraff'schen
Museum zu Köln, in den Kirchen zu Deutz. Siegburg
und Sayn, ferner in den Domen zu Mainz. Kaiser s-
werth, Quedlinburg, Soest, Hildesheim. Mar-
burg u. s. \v. Was in Österreich au hervorragenden Reli-
quienschreinen vorhanden ist. darüber fehlen bisher noch
alle Anhaltspunkte, da denselben bisher — wenigstens von
kunstgeschichtlichem Standpunkte aus — noch gar keine
Aufmerksamkeit zugewendet wurde, und wir können nicht
annehmen, dass sich unter den zahlreichen Kirchenschätzen
Österreichs nicht auch eine Reihe solcher interessanter
Erzeugnisse der Bildnerei befinden ')• Wir werden es daher
mit Dank anerkennen, wenn wir durch die Aufmerksamkeit
i\r\- k. k. Conservatoren und durch andere Kunstfreunde
in die Lage gesetzt werden, in diesen Blättern mit Beschrei-
bungen und Abbildungen interessanter Reliquienbehälter in der
Kunstgeschichte des Kaiserstaates eine sehr empfindliehe
Lücke auszufüllen.
Gegenwärtig sind wir, wie Eingangs erwähn! wurde, in
der Lage, die Beschreibung und Abbildung eine-, aus Öster-
reich stammenden Reliquienschreines bieten zu können. Herr
Petz ol dt Maler in Salzburg, übersandte nämlich vor Kurzem
der k. k. Central -Commission einen Aufsatz, betitelt': „Alter-
thfuner in der Salinenstadt Hallein", worin sieh die Beschrei-
bung und Abbildung eines Reliquienschreines befindet,
'l Beispielsweise weisen wir anl <li.' Reliquienscbreioe der St. VeiUkirche
in Prag und ron Kloster-Neuburg hei Wien hin.
welcher mich bis zum Jahre 1S20 in der Stadtpfarrkirche
aufbewahrt, dann mich Salzburg verkauft und von dort im
J. 1S;J7 für das k. k.Lustschloss Laxenburg angekauft wurde.
Die Beschreibung dieses Reliquienschreines ist nach den
Angaben des Herrn Petzold der Hauptsache nach folgende:
„Dieses kunstvoll gezierte Behältniss «rar grossentheils
aus hartem, dunklem Holze und abwechselnd mit Elfenbein
und emaillirter Bronze eingelegt. Nach rückwärts hatte es
die Form einer länglichen Truhe, die aber au der vordem
Langseite mit drei gleich Indien Giebeln verziert war und
die Form eines Trvticons bildete.
Die Truhe mass 2 Schub in der Länge, lö Zoll in der
Höhe und 1 1 Zoll iu der Tiefe. Fünf ihrer Wände waren
nur von hartem Holze und ganz glatt, während die Haupt-
gliederung der Wand mit den drei durchbrochenen Giebeln
aus gegossener Bronze war. weiches mit den tieferen Keh-
lungen mit Email hie und da im Charakter des Opus alexan-
driniun. anderwärts mit grünem Laubwerk auf goldenem
Grunde verziert war. Nach diesen liess Maler Joh. Wurzer
iu Salzburg die beiden beschädigten ausbessern und die
Emailfarben nur mit Lasurfarbe auf silberner oder goldener
Unterlage ersetzen: denn von den drei Giebeln, die über
der Truhe aufstiegen, war nur einer ganz wohl erhalten. In
dem durchbrochenen Dreiecke der Giebeln war je eine reich
verschlungene, runde Rose aus Elfenbein, deren Hauptdureh-
brechung die Kreuzform sehen liess. Stufenartig waren auf
bronzenem Rücken des Giebels abwechselndes Laubwerk aus
Elfenbein angefügt. Eine der obersten blumigen Knorren,
ebenfalls aus Bein, an der Spitze des Giebels liess ersehen,
dass darauf zweifelsohne ein Figürchon gestanden habe. Die
Rahmen der drei Quadratfelder unter <\<.'n Giebeln waren aus
massiver Bronze, oben war ein Seginent-Uogen eingesetzt,
unter dem sich nur iu den beiden Füllungen zur Rechten und
zur Linken je dni elfenbeinerne Bögen auf gewundenen
bronzenen Säulchen mit abwechselnden Capitälchen und
Schäften gestützt, anreihten. ' Auf dem einen bronzenen
mit blumigem Ornamente verzierten Hintergründe dieser
Bögen waren, mehr oder minder wohl erhalten, sechs heilige
Bischöfe, weiss mit faltenreicher Casula angethan, deren
Namen in kleiner Mönchsschrift auf der Fussplatte ciselirt
war. Fünf solcher Namen waren leserlich und hiessen:
S. Amaodus, S. Roudpertus, S. \ italis, S. Beno und S. Appo-
linares. Von dem am sechsten Fussgestell ursprüglich ange-
brachten Namen waren nur die Buchstaben S. \ . zu erkennen.
Die Farbe der Casula war durchgehends weiss, mit goldenen
S; en. Die Köpfe sämmtlich bartlos und ziemlich in der
Physiognomie einander ähnlich. Die Infiiln und Handschuhe
wechselten in der Farbe. Der ungenannte Bischof hatte,
zum Unterschiede von den andern kein römisches, sondern
rin doppell gekrümmtes, griechisches Pastoral, ungeachtet
er eine den andern ähnliche Infu! trug.
Das mittlere Feld war durch ausnehmend reiche Keh-
lung des Bronzerahmens und seiner emaillirten Verzierung
— 81 —
hervorgehoben. In der tiefsten Kehlung war eine reliefe
knospenreiche Ornamentik aus filigraner Bronze angebracht,
woran Spuren von eingesetzten Edelsteinen waren. Anstatt
der drei Bögen der Nebenfelder war ein bronzenes Gitter
mit mandelartiger Kreuzung vegetabilen Gerankes. In Mitte
einer jeden Mandelform waren stets drei Mondessiebeln an-
gebracht. Gegen links zeigten sich Spuren eines Schlosses.
Das Gitter bewegte sich in zwei Angeln, wovon eine nach
oben, die andere nach unten die Spitze kehrte. Sowie bei
den Feldern das Fussgestell der Bögen die Namen der
Bisehöfe aufnahm, so war hier auf Goldgrund das letzte
Abendmahl, aus Elfenbein geschnitzt, dargestellt. Christus
sass frei in der Mitte, auf seinem Schoosse den Kelch und
darüber das Brot haltend. Unter seinem Kleide am Boden
waren ausströmende Wolkenformen angedeutet. Bechts und
links schlössen sich die Apostel an, von denen aber nur die
Brustbilder zu sehen waren , da der reich gedeckte Tisch
den übrigen Theil ihres Körpers verdeckte; die Köpfe waren
ausdrucksvoller, als jene der emaillirten Bischöfe.
Ungeachtet der kleinen Dimension zeichnete sich beson-
ders der Kopf des zur Beeilten des Heilands sitzenden Johan-
nes aus; die Gewandung zeigte durchgehend« byzantinische
Motive. Petrus machte Miene aufzustehen. Am äussersten
linken Ende sass Judas, abgekehrt, mit beiden Händen seine
Haare fassend. Am hängenden Theile des Tischtuches gegen
Bechts waren die Buchstaben O-VS-DEVOI-BE ein-
geschnitten; ein Baum gegen die Ecke von beiläufig 5 bis
6 Buchstaben war ausgefallen. Ist auch mit ziemlicher Be-
stimmtheit anzunehmen, dass die ersten Worte für opus
devoti zu lesen sind, so ist das dritte Wort, gewiss der Name
des frommen Künstlers, schwer zu erörtern ').
Aus dieser Beschreibung wie auch aus der Abbildung
der Hauptansicht dürfte zu ersehen sein, dass dieser
Reliquienschrein einer der interessanteren mittelalter-
lichen Denkmale dieser Gattung war und eine sorgfältigere
Aufbewahrung verdient hätte, als ihm wirklich zu Theil
l) Sollte er etwa BEltTIlAMVS geheissen haben, eiu Käme, der auf einem
uoeh vorhandenen 5 Schuh langen Löwen aus weissem .Marmor, in leider
eben nicht geschütztem Zustande im Hofraume des gräfl. Künhurg'schen
Hauses in Salzburg, eingemeiselt ist ? Alsdann bekämen die oft wieder-
holten drei Mondessiebeln am ßronzegitter des Reliquienschreines auch
eine entschiedene Geltung", indem sie nach Dücker's Chronik als Wappen
des Erzbisehofes Dietmar II. angesehen werden dürften, der von 1025 bis
10 41 regierte. Anderseits möchte ich mit Bestimmtheit jenen Löwen zu
Salzburg, der in seinen ['ratzen eine Tafel mit der Inschrift halt: „Haee
celatura F. Bertami urovida cura est expressa satis deeus. Hunc conjugi
boatis.", für die Stütze einer Säule an der von Kaiser Heinrich II. am Salz-
burger Münster erbauten, sogenannten „gold'nen Pforte" halten, da am
Rücken dieses Thieres noch die Öffnung von der Einlassung der Säule zu
sehen ist. Dass jene Pforte ein derartiges auf Löwren gestütztes Portal zu
jener Zeit gehabt habe, hierüber möge man sich aus meiner Copie nach
einer alten Handzeichnung , den Münster zu Salzburg zur Zeit Kaiser
Heinrieh's IL vorstellend , im Museum Carolino-Augusteum aufbewahrt,
veröffentlicht in meiner Schilderung mittelalterlicher salzburgischer Alter-
thümer (40 Blätter, bei Schön et Neumüller in Salzburg), Überzeugung
holen. Petzold.
geworden ist. Denn wiewohl der erwähnte Beliquienschrein
für das kais. Lustschloss Laxenburg angekauft wurde, so soll
derselbe doch nicht an den Ort seiner Bestimmung gelangt,
sondern wieder in andere unbekannte Hände gekommen
sein. Einen ungleich höhern Werth würde er allerdings
haben, wenn derselbe noch in seiner ursprunglichen Gestalt
vorhanden und nicht in einzelnen Theilen so vernachlässigt
gewesen wäre. Wir wollen jedoch gerne glauben, dass die
vorgenommenen Beparaturen den Eindruck des Ganzen nicht
beeinträchtigt haben. Auf eine Bestimmung des Zeitpunktes
seiner Entstehung einzugehen, ist in diesem Falle, wo das
Kunstobject selbst nicht vorhanden ist, sehr schwierig. So
viel geht übrigens aus der vorliegenden Abbildung hervor,
dass er den ältesten Behältern angehörig, ursprünglich im
romanischen Style gearbeitet und später durch gothische
Giebelverzierungen bereichert wurde.
Zu den fieliquienschreinen im Allgemeinen haben wir
noch zu bemerken , dass sie vorzüglich in den Haupt-
sitzen der Emailmalerei und Goldschmiedekuust des Mittel-
alters, in Limo us in und Limoges, später auch in
Köln, Nürnberg und Augsburg angefertigt wurden.
Ursprünglich in Byzanz heimisch, nahmen diese Kunsthand-
werke ihren Weg nach Venedig, von dort nach Frankreich
und Deutschland und es kann schwer geläugnet werden, dass
noch im XIII. Jahrhundert stark byzantinische Einllüsse auf die
Ausbildung der erwähnten Kunstzweige sich geltend gemacht
haben. Springer <) wenigstens hält bei zwei Gattungen der
Emailmalerei, bei denemaux de niellure (Ausfüllung der ver-
tieften Umrisse durch einen schwarzen Schmelz) und den
emaux cloisonnes (Zwischenfäden aus Gold zwischen den
Farben), welche in Limousin vorzugsweise gepflegt wurden,
das byzantinische Vorbild für unbestreitbar. Den grössten
Namen erwarb sich Limoges in Email und Schmelzarbeiten
und viele kleinere Beliqiuenbehälter, die unter dem Namen
domus, arcula, casa heute noch zahlreich in den Schatz-
kammern der Kathedralkirchen und in Privatsammlungeu sich
vorfinden, sollen aus diesen Werkstation hervorgegangen
sein3). Ob auch in Deutschland während des X11I. Jahrhun-
derts Werkstätten der Email- und Schmelzkunst bestanden,
darüber fehlt es bis jetzt noch an Beweismitteln. Hie Fran-
zosen behaupten, dass Limoges und Limousin die Hauptsta-
pelplätze des Mittelalters für derlei Arbeiten gewesen seien,
und ausser diesen Städten beinahe nirgend solche Werk-
stätten bestanden haben. M. de La bor de bezeichnet in
seinem Werke über die Emails in der Gallone des Louvfe
sogar die Anfertigung dieser Arbeiten als ein fast unbedingtes
Monopol von Limoges. Kugle r dagegen2) bestreitet diese
Ansicht mit Hinblick auf tue am Rhein befindlichen henkmale
dieser Gattung, ohne jedoch, wie er selbst eingesteht, einen
') Handbuch der Kunstgeschichte, Stuttgart 1855, 1 ;>:;.
") Bandri's Organ für cbrisUiche Kunsl . Jahrg. Isö3. 1S3.
3) Kleine Schriften, II. 707.
— 82 —
befriedigenden Nachweis für den Ursprung der von den
Limousiner Arbeiten verschiedenen Emails in Deutschland
beibringen zu können.
Zum Schlüsse wollen wir noch erwähnen, dass dieReli-
quienschreine auch aus dein Grunde zu den wesentlichsten
Bestandtheilen der katholischen Kirchen gezählt werden
müssen, weil sie nicht allein bei Prozessionen häufig herum-
getragen wurden, sondern auch hei Eidschwüren in Anwen-
dunix waren. Im Mittelalter wurden nämlich Eide nur in der
Kirche ante nltnrejn^ und zwar auf Reliquien abgenommen,
und es geschah dann die Ablegung derselben unter den
grössten Feierlichkeiten. In Frankreich hatten sich die
Eidschwüre auf Reliquien his zur französischen Revolution
erhalten '). und die Licentiaten der Pariser Universität
pflegten den Eid his zu dieser Zeit auf den Altar und die
Reliquien des heil. Dionysius ahzulegen.
Baudenkmale im Kreise n. d. Wiener-Walde.
Von Ed. Freiherrn v. Sacken.
I.
Überreste romanischen Stjles.
Die Denkmale des romanischen Baustyls, welcher vom Mittelschiffes und Thiiren rundbogig, unter dem Dachsimse
zehnten his gegen die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts ein Rundbogenfries. Im Jahre 1213 erbaut. (Der Chor und
fast über die ganze damalige civilisirte christliche Welt in der Thurni sind im schönsten gothischen Syle.)
derselben Weise verbreitet war und in Deutschland seine Die Run dca pell e nehen der Kirche mit halbkreis-
vorzügliche Ausbildung erhielt, haben wegen ihres Reich- förmiger Apsis (eine Todtencapelle), ebenfalls aus dem
thums an Detailformen und ihrer tief-symbolischen, mitunter Anfange des XIII. Jahrhunderts, aussen Halbsäulen, unter
rätselhaften Sculpturen ein besonderes Interesse. Wie sich dem Dachsimse der Apsis auch Rundbogenfries und Zahn-
überhaupt der Charakter und Geist einer geschichtlichen Schnittverzierung. Der Eingang mit acht überaus zierlichen
Epoche in der Architektur vorzugsweise ausspricht, so ist Säulchen, welche reich mit Zügen und romanischem Blatt-
es auch hier der Fall, und die Zeit, mit welcher der werk verzierte Capitäle haben; unter der Capelle eine
romanische Baustyl im Zusammenhange steht. — die Zeit der Gruft •).
Kreuzzüge, der grossen hohenstaufischen Kaiser, des
blühendsten Ritterthunis und des hohen Aufschwunges der
deutschen Macht und Nationalität, gehört unstreitig zu den
wichtigsten und anziehendsten der deutschen Geschichte.
Die neueren archäologischen Forschungen haben sich
daher vorzugsweise mit dem detaillirten Eingehen in den
Charakter der romanischen Bauweise beschäftigt und eine
grosse Menge solcher Denkmale bekannt gemacht. Die in
Österreich befindlichen Oberreste sind aber bei weitem
nicht genug bekannt und gewürdigt, und doch sind fast alle
Theile unserer Monarchie sehr reich daran. Es ist gewiss
auffallend, dass im Kreise u./d. Wiener- Wald allein noch
36 mehr oder weniger bedeutende Baureste aus dieser
Epoche erhalten sind, trotz der vielfachen Kriegsunfälle,
besonders der zerstörenden Invasionen der Türken. Die
Denkmale des sogenannten t bergangssty les , — des
romanischen mit .Anwendung von Spitzbogen, — zu Anfang
des XIII. Jahrhunderts sind dabei mitgerechnet und im
Folgenden unter Einem behandelt, da sieh wegen des [nein-
anderschmelzens beider Gattungen und der entschiedenen
Detailbildung, welche der l bergangsstyl vom rein romani-
schen beibehielt, schwer eine so scharfe Trennung machen
lässt.
A s p a n g (Unter-). An der Kirche eine halbrunde Altar-
vorlage ; Fuss- und Dachgesimse zeigen die Gliederung der
romanischen Bauweise. Modernisirt.
Die Runde ap eile neben der Kirche ebenfalls mit
halbrunder Apsis, welche im Innern eine llalbkuppel bildet.
Ganz einfach und ohne Zierwerk. Wahrscheinlich aus dem
Anlange des XIII. Jahrhunderts.
Berch tholdsdorf. Bin Gemach im oberen Stock-
werke der an die Kirche anstossenden Rurg hat ein durch
eine Säule untertheiltes Rundbogenfenster. Die vier Trag-
steine, auf welche die breiten Gewölbgurten aufsetzen,
zeigen die romanische Gliederung und Verzierungsweise.
Brück an der Leitha. Der mächtige viereckte
Wartthurm, aus Buckelquadern erbaut, ist kein römisches,
sondern früh-mittelalterliches Bauwerk, wie die Fenster
he« eisen ; auf den Quadern findet man viele Steinmetzzeichen.
St. Egiden auf dem Steinfelde. Die viereckige
modernisirte Kirche zeigt einige Überreste romanischer
Bauart: am Chore sind zwei phantastische Thierligtiren aus
dem XII. Jahrhundert eingemauert.
Eminerberg (Burg). Die SchloSSCapelle ein ehemals
flach gedeckter viereckiger Raum mit quadratischer Apsis;
au letzterer ein rundbogiges Fenster. An der Nordwand der
Capelle Reste alter Fresken imStyle des XHI. Jahrhunderts«).
Deutsch-Altenburg. Das Schiff der Kirche von
einer flach gedeckten Pfeilerbasilica mit niedrigeren
Abseiten. Die viereckten Pfeiler mit Blattcapitälen und Indien
Decksimsen, durch Bundbogen verbunden. Fenster des
') Organ für christliche Kunst, Jahrg. 18S4, 54.
-') Nlherea darüber: Sacken in den Sittungsber. der philos.-histor. Cl.
der kaie. Akad ie der Wissenschaften, IX. Dd., S. 768.
'i s Scheiger in Hormayr'a Archiv, Jahrg. 1826, .Nr. I.
83
Hai n bürg. Rundcapelle, neben welcher die ehemalige
Pfarrkirche stand, mit Halbsäulen und Rundbogenfenstern
an der Apsis , aus Quadern bei 7 Fuss Mauerdicke erbaut.
Aus dem XII. Jahrhundert.
Das Wiener-Thor, aus Buckelquadern mit zwei
halbrunden, vorspringenden Tliürmen, zwischen denselben
das spitzbogige Thor, zu beiden Seiten desselben gleich-
zeitige Figuren auf Consolen; die Gewölbe im kleinen
Durchgänge durch den einen Thurm spitzbogig, mit starken
Rippen. Wahrscheinlich aus dem Ende des XII. Jahrhunderts.
DasUngerthor, ein mächtiger, viereckiger Thurm aus
Buckelquadern, das Thor im gedrückten Spitzbogen.
Der Thurm der Schlossruine mit einem spitzbogigen
Kreuzgewölbe, dessen Rippen auf Blattcousolen ruhen, und
einem Fenster mit einer Säule, welche eine attische Basis
und abgestumpftes Würfelcapitäl hat •).
Heiligenkreuz. Das Schiff der Stiftskirche
um 1150 erbaut mit schmalen niedrigen Abseiten, fünf
viereckigen, durch Rundbogen verbundenen Pfeilern auf
jeder Seite; die Dienste für die breiten Gurten der rund-
bogigen Kreuzgewölbe stehen auf wulstigen Consolen.
Aussen am Mittelschiffe und am Giebel der schönen Facade
der Rundbogenfries. Die spitzbogigen Portale mit Säulen
in den Anschlagsmauern sind wahrscheinlich aus dem
Anfange des XIII. Jahrhunderts. (Der Chor ist ein gothischer
Rau aus dem XV. Jahrhundert.)
Der Kreuz gang zeigt zwar in seiner Gewölbecon-
struction den Spitzbogen, aber die meist runden Arcaden-
bogen, die Säulchen, welche dieselben bilden, mit ihren
Blattcapitälen und attischen Basen, die Bundfenster über
den Arcadenbogen und alle Details haben die Formen des
spät-romanischen Baustiles , — er ist im blühendsten
Cbergangsstyle (um 1215) erbaut und ein herrliches Denk-
mal desselben ; ebenso das C a p i t e I h a u s, dessen breitleibige
Spitzbogengurte von vier achteckigen, ins Quadrat ge-
stellten Pfeilern mit Blattcapitälen getragen werden, und die
beiden Dormitoren, ebenfalls schon im Spitzbogen
construirt bei romanischer Gliederung; das untere Schlaf-
haus hat 1 0 runde , in zwei Beihen stehende Pfeiler , das
obere 20 von achteckiger Gestalt, alle ohne Capital ~).
Henersdorf. Die Aussenseite der Kirche zeigt die
ältesten romanischen Bauformen: schwerfällige Halbsäulen
mit plumpen Blatt- und Würfelcapitälen, darüber Bundbogen-
und Würfelfries. Auf die flach geschlossene Apsis wurde
der gothische Thurm gebaut. Im Innern ist die Kirche ganz
modernisirt.
II i in b erg. Das Schiff derKirche mit e i n e r Abseite,
welche durch eine halbrunde Apsis geschlossen ist. aus dem
XII. Jahrhundert. Am Hauptschiffe aussen ein ungegliederter
') Über die Monumente von Hainburg s. Sacken, die röm. Stadt
Carnuntum etc. in den Sitzungsber. der philos.-hist. Ci. der kais.
Akademie, IX, S. 780.
2) Vgl. Primisser, Reisenachrichten in einigen Abteien etc. in
Hormayr's Archiv 1822.
Rundbogenfries mit herablaufenden Halbsäulen, welche ab-
gestumpfte Würfelcapitäle haben , an der Abseite mit ihrer
Altarnische ein reich gegliederter Rundbogenfries. — Ihr
Chor aus dem XV. Jahrhundert. — Das Innere modernisirt.
Klosterneuburg. Die Westfacade der Stifts-
kirche zeigt im rundbogigen Portale mit plumpen Säulen,
welche Würfelcapitäle mit eingegrabenen Ornamenten
haben, den hinaufsteigenden Halbsäulenbündeln und Stücken
von Würfelfries, Reste des ältesten Baues zu Anfang des
XII. Jahrhunderts. Auch das Querschiff und ein Theil des
Chores sind aus dieser Zeit. Der herrlicheKreuzgang mit
seinen reichen Gliederungen und Spitzbogengewölben ist mit
Ausnahme der Ostseite, wo die Details noch die romanische
Bildung zeigen, mehr ein friihgothisch.es , als ein roma-
nisches Bauwerk zu nennen ').
Kirling. Die halbkreisförmige Apsis der einfachen
Kirche mit hohem Passgesimse und Halbsäulen, welche
attische Basen mit knolligen Eckblättern haben und die
Umfassungsmauern des Schiffes sind ohne Zweifel aus dem
XII. Jahrhundert.
Lieh tenst ein (Burg). Der untere Quaderbau des
Hochschlosses mit der Capelle , welche aus einem rund-
bogigen Kreuzgewölbe, dessen breite Gurten auf Ecksäulen
ruhen, besteht, mit kleiner Altarnische, gehört der romani-
schen Epoche an. Aussen sieht man den Rundhogenfries
initllalbsäulen, darüber die Würfelverzierung. Die schmalen
Bundbogenfenster von Wülsten auf Basen eingefasst.
Margaretben am Moos. Das Schiff der Kirche
aus dem Anfange des XIII. Jahrhunderts. Die Bippen der
im gedrückten Spitzbogen geführten Gewölbe ruhen auf
Halbsäulcn mit Schneckeucapitälen; auch die von zwei halb-
kreisförmigen Scheidbogen begränzte Halle unter dem
Thurme ist aus dier Zeit.
Die Johann es capelle daneben, ein oblonger Baum
mit einem schönen Arcaden-Fenster mit 5 Spitzbogen,
welche von Säulchen mit Schneckencapitälen und ähnlichen
Basen getragen werden. Die Bogen sind diamantirt, zwi-
schen ihnen romanische Blattverzierungen.
Mödling. Rundcapelle neben der Othmarskirche
(jetzt Glockenturm), mit halbkreisförmiger Ap-is. Halb-
säulen und Rundbogenfries, dessen Schenkel abwechselnd
in Lilien ausgehen, darüber die Zahnschnittverzierung. Das
rundhogige Portal hatte Säulen und reich verzierte Rogen-
friese=). Unter der Capelle eine Gruft.
Neustadt. Das Schilf und die Thürme des Domes
vom ersten Baue um 1200. Hei Spitzbogenconstruction der
Gewölbe mit breiten Gurten sind Fenster undThüren rund-
bogig, die Gliederung der Pfeilergesimse, die Capitäle der
Dienste entschieden romanisch; aussen Rundbogen- oder
gedrückter Spitzbogenfries. Das südliche Portal herrlich,
l) Abbildungen: Eni st und Öse her. Baudenkmale des Mittelalter
Erzherzogthume Österreich, I. — III. Heft, p ,■ i m i ss e r n. a. 0.
2j Pr i rniss er a. n. (1.
— 84 —
mit reichem Stabwerk, Zickzack u. dgl. in den Bogenfriesen
und zwischen den Säulen; die Capitäle von höchster Schön-
heit. Die viereckigen Thürme sind etwas jünger.
Die achteckige Grabcapelle daneben mit Giebeln
über den Seiten, halbkreisrunder Apsis und einem Blattfriese
unter dem Dachsimse derselben (das gothische Schiff ist ein
späterer Zubau) ebenfalls aus dem Anfange des XIII. Jahr-
hunderts. Die Fenster rundbogig.
Das Thor des Hauses Nr. 225 hat vier Säulen mit
ringartigem Capitälabschluss , darüber vier Wulste im
gedrückten Spitzbogen, zwischen denselben Zickzackver-
zierung.
Petronell. Die Pfarrkirche von rein romanischer
Hauart. einschiffig mit quadratischem Chor, aussen mit Halb-
säulen und Rundbogenfries, innen mit einem rundbogigen
Kreuzgewölbe bedeckt, dessen breite Gurte von Ecksäulen
getragen werden. Am viereckigen Thurm auch der Bund-
bogenfries.
Die Johanniscapelle, eine Rotunde mit halbkreis-
förmiger Apsis von alten romanischen Bauformen; der rund-
bogige Eingang bat auf jeder Seite 4 Halbsäulen mit Eck-
blättern an den Basen und cannelirten oder gewürfelten
Capitälen. Ein Gang in der Mauerdicke führte auf das
(fehlende) Kuppelgewölbe '). Aus dem Anfang des XII. Jahr-
hunderts.
P o 1 1 e n d o r f. Die drei S ch 1 OS sthfi r m e aus Buckel-
quadern gehören dem frühen Mittelalter an; sie sind von
quadratischer Grundform. Der viereckige Thurm der Ca-
pe He bat rundbogige Fenster, deren jedes durch eine Säule
untertbeilt war.
Regelsbrunn. Halbrunde AI tar vorläge mit Rund-
bogenfries und Halbsäulen, ein Überrest der alten Kirche.
Scheiblingkirchen. Ro tun de v o u 1 189 mit halb-
runder Apsis; aussen Halbsaulen mit Würfelknäueln, im
Innern ein rundbogiges Kreuzgewölbe mit breitleibigen, auf
Tragstemen ruhenden Gurten, die Altarnische mit einer
Halbkuppel1).
Solen au. Am viereckigen Kirch thurm e der Rund-
bogenfries, dessen Schenkel Lilienenden haben (wie in Möd-
ling), ohne Zweifel ans der Babenberger Zeit. Ein Belief
aus derselben Zeit stellt den heil. Laurentius auf dein Roste
ihn-, eine rohe Arbeit.
Starhemberg. Die .sehr ausgedehnte, höchst inter-
essante Burgruine zeigt an mehreren Theilen romanische
Bauformen, so ein Gemach mit Bundbogenfenster und
Rundbogenfries und der runde, geborstene Thurm, der in
seinem untern Baume eine Rundcapelle mit halbkreisförmi-
ger Altarvorlage enthält, in derselben die Überreste des
steinernen Altares '). Auch findet man viele Steinmetzzeichen
Tb emb erg. Romanische Kirche, einschiffig, aussen
Halbsäulen mit hohen Basen , an der halbrunden Apsis
auch ein Rundbogenfries. Im Innern ist noch ein rundbogi-
ges Kreuzgewölbe erhalten, die bandartigen Gurte ruhen
auf Ecksäulen mit Blatt- und Würfelcapitälen, Das zweite
Gewölbe des Schiffes wurde in neuerer Zeit erhöbt und der
Eingang durch die Apsis ausgebrochen2).
W e i g e I sd ii r f. Die kleine aus Quadern gebaute Kirche
hat stark eingezogene Rundbogenfenster, an der südlichen
Abseite eine halbkreisförmige Altarvorlage; auch sind noch
Theile des alten Gesimses und Fragmente einiger Sculpturen
(Thiergestalten) erhalten.
Wien. St. Johann am Alserbache. Der Thurm.
dessen rundbogige Schalllöcher durch eine Säule mit abge-
stumpftem Würfelknauf und attischer Basis untertheilt sind,
stammt dem Baue nach aus dem XII. Jahrhundert.
Die Westfacade des St. Stephansdomes mit
dem herrlichen Portale ist ein Best des ersten Baues in der
ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts; die schwerfälligen
Halbsäulenbündel , die Bundfenster und Friese, das rund-
bogige Portal, dessen Säuleu prachtvolle Capitäle haben und
an den Schäften . wie auch die Bogenfriese schönes Stab-,
Gitter- und Flechtwerk zeigen, endlich die Sculpturen der
Apostel über den Säulen und des segnenden Christus im
Bogenfelde stimmen damit überein3). Die Thürme an der
Facade mit Spitzbogenfenstern um 12(>0 gebaut.
Das Schilf und Querschiff der Kirche St. Michael
im schönsten Fbergangsstyle, die Construction spitzbogig,
die reichen Details, Capitäle der Halbsäulen u. s. w. roma-
nisch; die Fenster rundbogig. Abseilen niedriger als das
sehr hohe Mittelschiff. Unter Leopold VII. um 1220 gebaut.
Wildungsmauer. Die kleine Kirche ein massiver
Quaderbau mit flach geschlossenem Chor, einschiffig, aussen
reicher Rundbogenfries, im Innern mit rundbogigen Kreuz-
'i Sacken, die römische Stadt Carnuntum >. a. 0. S. 780.
•) Vgl. Feil in den Berichten dea Uterthuma-Vereina in Wien, I. S. 44. —
Scheiger in Honnayr'a Vrchii 1823,8.443.
gewölben.
•) Scheiger in Hormnyr'a Archiv 1826, S. 'in.
-) Keil im l. li:iiuli' ili-r lliM'ichii1 iK's Alterthiims-Vereina in Wien, S. 288.
-1) Vgl. Tschiachka, die Metropolitankirche tu St Stephan, Wien
1S43, und dünilter -lie Uei-tMision von .1. Feil in Schmidl'a öaterr.
Blättern für l.ii. und Kunal 1844, Nr. 18.— Tachischka,
Stephansdom in Wien und seine alten Denkmfiler der Knnsi in 4'i Tn-
feln von Wilder, Wien 1832, — Mclly, dea Westportal des
Domes Au Wien. — Lichnowaky, Denkm. der Bauk, und Bildnei
dea M. A. in üaterr., gez. von .1. Fi scher, 1817.
— 85 —
Decennal-Aufzeichnung der archäologischen Funde in Siebenbürgen vom Jahre 1845 bis 1855.
(Ein Beitrag zu deu „Beiträgen einer Ciironik «1er archäologischen Funde in der österreichischen Monarchie des J. G. Seidl.")
Von M. J. Ackner, Correspondenten der k. k. Central-Commission zu Hamersdorf in Siebenbürgen.
Vor zehn Jahren verfertigte ich aus meinem Tagehuche
üher die in dem zunächst verflossenen Zeiträume vom Jahre
1835 bis 1845 neu entdeckten und mir bekannt gewor-
denen vaterlandisch archäologischen Gegenstände einen
Auszug und übergab ihn zu beliebigem Gebrauche unserm
Ausschusse des Vereines für siebenbürgische Landeskunde,
welcher denselben erst im IV. Bande, 1. Heft 1850, des Ver-
eins-Archives öffentlich herausgab. Inzwischen geht wieder
ein Decennium zu Ende. Die während dieser zehn Jahre
entdeckten altertümlichen Gegenstände und einige, dieselben
betreffenden Ereignisse und Thatsachen habe ich nach der
Zeitfolge ihrer Entdeckung und ihres Bekanntwerdens, nach
dem beschränkten Standpunkte eines Privatmannes, mög-
lichst genau aufzunehmen mich bemüht. Leider müssen wir
hierbei auch Zerstörungen und unersetzliche Verluste früher
entdeckter historisch wichtiger Gegenstände beklagen. Was
neu entdeckt, was theilweise wieder zerstört worden ist,
wollen wir im Nachfolgenden kurz bezeichnen.
1845.
Zuvörderst muss ich die Funde bemerken , welche in
meiner nächsten Umgebung, im Orte meines zeitlichen Auf-
enthaltes, des freundlichen Hamersdorf *), vorgekommen,
woselbst ich gleichsam zum stets wachen Aufseher über die
von Zeit zu Zeit zufällig erscheinenden Alterthümer mich
berufen glaube. Hier besitze und behaupte ich mein Fossi-
lien- und Antiken-Monopol. Jeder Ortseinwohner, ohne
Unterschied der Nation, Sachsen, Walachei), Zigeuner, Alle
sind gewonnen und instruirt und zu meinen diessfälligen
Lieferanten abgerichtet.
Im Frühjahre des vorstehenden Jahres entdeckten auf
dem sogenannten Kaltenbrunner-Berge , einer der höchsten
waldumkränzten Kuppen nördlich von Hamersdorf und Her-
mannstadt, zwei Zigeuner bei dem Graben einer runden
Vertiefung, um Holz zum Kohlenbrennen darin zusammen zu
legen, zwei kleine griechische Bronzemünzen, aus Erythrae
in Jonien herstammend.
Avers : Kopf des Hercules mit der Löwenhaut beklei-
det. Bevers: Köcher und Keule, im Felde die Eule auf
einem Aste — EPT und APISTEAS.
Die zweite ist eine ähnliche , obgleich nicht mit dem-
selben Stempel geprägt.
Um die nämliche Zeit hob ein sächsischer Landmann
unter dem Pflügen in dem oben am Orte ausmündenden, eine
*) In alten Urkunden: Villa Divi Huperti oder Huberti , p oder h mutatur
in in Simplex ; so ward es früher geschrieben und auch vom gelehrten
Joh. Seivert; so ist es auf dem Parochialsiegel eingravirt.
Stunde nördlich hinaufziehenden und von waldumschatteten
Höhen begrenzten Thalgrunde zwischen den Erdschollen
seines Ackers eine kleine Urne heraus, welche mit vielen
Strichen und Punkten verziert und den keltischen Gefässen
nicht unähnlich zu sein scheint. Sie wurde zugleich mit
einer grössern, aus der bekannten Nekropolis im Eichen-
walde zwischen Kastenholz und Girelsau gewonnenen Grab-
urne nach Wien in das k. k. Münz- und Antiken-Cabinet
gesendet. Fast durch jeden heftigen Begenguss werden aus
demselben Thalgrunde, noch mehr aus dessen Nebenthälern
und Querschluchten, mit den gleichen Zierathen versehene
Bruchstücke von den, den Kelten zugeschriebenen Gefässen
herausgewaschen. Häufiger erscheinen indessen doch dar-
unter die Fragmente von römischen Urnen und Geschirren,
welche sich durch eine feinere, fleissiger bearbeitete Thon-
masse und vorzüglich durch eine elegante, edlere Form aus-
zeichnen. Kein einziges Jahr des Decenniums ist verstri-
chen, ohne etwas in dieses Hinsicht geliefert zu haben.
Mehrere Handmühlen aus Basalt sind zum Vorschein ge-
kommen. Sie bestehen aus zwei Theilen, deren einer con-
vex, der andere concav, zusammenpassend und in der Mitte
durchbrochen sind für eine eiserne Axe, um die Steine in
Bewegung zu setzen. Das Basaltgebilde kommt in der Um-
gegend von Hermannstadt nicht vor; erst zwölf bis vierzehn
deutsche Meilen entfernt, trifft man dasselbe hinter Deva im
Westen und hinter Heviz im Osten Siebenbürgens mächtig
anstehend an. Mit dem schlackigen und schwammigen Basalte
aus dem Walde hinter Heviz stimmt die Masse unserer
Handmühlen ziemlich überein.
In demselben Thalgrunde, dessen Berglehnen und Ne-
benthälern führt der glückliche Zufall den Hirten , den
Hütern der verschiedenen Heerden, häufiger noch während
der Bearbeitung des Bodens den Feldarbeitern einzelne
antike Münzen in die Hände. Sehr häufig sind es silberne
und bronzene Münzen von Trajan, Hadrian. von den Anto-
ninen und den kaiserlichen Gattinnen, der Sabina, der älteren
und jüngeren Faustina, und werden mir oft gegen eine entspre-
chende Belohnung und Belobung zur Vermehrung meiner
OD O
Oollection überbracht. Manchmal findet sich auch eine selte-
nere darunter. So zum Beispiel eineMatidia, Trajan's Nichte.
Mutter der Sabina der Gattin Hadrian's. Von jeher förderte
der Zufall im Bereiche von Hamersdorf und vorzüglich in
den mehrgenannten Thalgründen alte römische und grie-
chische Münzen von Erz, Silber und selbst von Gold zu
Tage. Ein Apotheker in Hermannstadt, der Sohn von einem
meiner Antecessoren, besitzt gegenwärtig noch von seinem
12
— 86 —
N ater ein hier in dem oben erwähnten Formenthale ausge-
waschenes Golilstiiek von Alexander dem Grossen , welches
er in einem goldenen Fingerringe so fassen liess, dass beide
Seiten der Münze bequem zu sehen und zu lesen sind. Sie
zeigt auf der Vorderseite : den gehelinten Pallaskopf, auf
der Rückseite: BA2IAES2 AAEX ANAPOT. Die Sieges-
göttin in der rechten Hand einen Kranz, in der linken Hand
den Dreizack haltend (323 vor Chr. Geb.).
Bemerkenswert]) erscheint es, dass noch immer von
Zeit zu Zeit beim Grabmachen für verstorbene Ortsbewohner
auf dem. am Fusse des nahen östlichen Berges gelegenen
evangelischen Begräbnissplatze in Hamersdorf, und zwar
aus einer Tiefe von fünf bis sechs Fuss, alterthüinliche Ge-
schiere, theils ganz, theils bruchstückweise ausgegraben
werden. So spendeten die geöffneten Gräber zu verschie-
denen Malen zwei vollständig und gut erhaltene, sehr eng-
halsige. gehänkelte Krüge aus fleissig gearbeitetem Thone,
gleich der Terra sigillata. stark gebrannt und mit einem
rothen Überzüge versehen, übrigens jenen im vorigen Jahr-
zehend beschriebenen und auch auf demselben evangelischen
Leichenfriedhofe ausgegrabenen und gehäukelten Flusch-
o CT o
clien au Form und Bestandmasse ganz ähnlich, bloss an
Grösse die früheren übertreffend, indem diese in der Höhe
71/, und in der durchschnittlichen Weite 5'/> Zoll messen,
Mährend jene bloss 6 Zoll hoch und 5 Zoll weit sind.
1846.
Als eine merkwürdige und rühinensw erthe Handlung
muss zu diesem Jahre voran bezeichnet werden, dass glück-
licher Weise das von den beiden edlen Grafen Jos. und Samuel
Keinen y durch ihre namhaften Geschenke an Bücher gegrün-
dete und von anderen Vaterlandsfreunden vermehrte sieben-
bürgisehe Landesmuseum wieder einen sehr schätzbaren
Zuwachs erhalten hat. Die verwitwete Frau Gräfin Susanna
Lazär von Gyalakutta, geborne Freiin ven Inczedi, hat
nämlich den Grafen Joseph Kemeny zur besseren und
reichhaltigeren Begründung dieses Museums eine nicht un-
bedeutende Anzahl römischer und anderer Alterthümer,
bestehend aus Figuren von Bronze, Holz und Stein, aus
Töpfen, Vasen, Lampen vonThon und Bronze, Waffenstücken,
anderen Gerätschaften, Bruchstücken, Kleinigkeiten und
Münzen übergeben, unter welchen sich Gegenstände von
hohem Interesse und. wie es scheint, .sogar mit etruskischen
Charakteren versehen befinden. Für Siebenbürgen haben
diese Seltenheiten einen um so grosseren Werth, da sie fast
alle in Thornburg (Thorda), dem ehemaligen Salinae der
Humor, gefunden worden sind, und von hier nach dem mit
Kunst- und Alterthumssinn reichlich ausgestatteten Gyala-
kutta wanderten, wo sich , nebst vielen schönen Gemälden,
auch eine Collection von vortrefflich erhaltenen japanischen
Vasen und Geschirrei I neun grossen chinesischen Ge-
mälden auf Papier aus der alten Zeit befinden. Alte Bücher
hat die patriotische Spenderin ebenfalls für das vaterlän-
dische Museum bestimmt, die aber erst künftiges Jahr dem
belobten Grafen übergeben werden sollen, da sie derzeit
auf verschiedeneu Gütern zerstreut sind. Für das bereits
Übergeben», wie auch für das noch zu Erhaltende wird
das Vaterland der hochherzigen Dame ebenso dankbar sein,
wie jeder Freund der Wissenschaft, der da wünscht, dass
alle Kunst-, Wissenschafts- und Alterthuinsschätze sich recht
bald au einem Orte vereinigen und dem Forscher zu einem
Totalüberblicke Gelegenheit geben möchten; denn nur dann
wird man erst sehen können, wie reich unser Siebenbürgen
an derlei Gegenständen ist. Der für die Förderung dieses
Zweckes unermüdliche edle Graf Joseph Kemeny, welcher
einstweilen die Sammlung und Aufstellung dieser Spenden
in Gerend übernimmt und wissenschaftlich ordnet, bevor
das geeignete Locale dazu ausgemittelt sein wird, verdient
wohl daher in seinem Streben allgemein unterstützt zu
werden.
Nach der am 4. Juni 1846 in Mühlenbach erfolgten
und geschlossenen Generalversammlung des Vereines für
siebenbürgische Landeskunde lud uns eine sich günstig
gestaltende Witterung — eine Hauptbedingung zu glück-
lichen Forschungen unter freiem Himmel — zu Excursionen
in die nähere Gegend des westlichen Vaterlandes ein.
namentlich in die Hunyader Eisenbergwerke, dann nach
Maros Nemet, Vetzel und Deva.
(Bei Gyalär, im Broser Kreise und Vaida-Ilunyader Be-
zirke, sieht man noch Spuren des alten, wahrscheinlich
römischen Eisenbergbaues in diesem mächtigen , uner-
schöpflichen Eisenstoek , welcher mit den Eisenbergen von
Dannemora in Schweden zu vergleichen ist. Hie Bergleute
und besonders ein gefälliger Hutmann erzählten, dass
während der neuen Eröffnung eines Tagebaues und bei dem
Verfolge der Arbeit plötzlich unter der Hand einiger Bergleute
ein Felsstück in einen tiefen Abgrund gestürzt, und dass man
bei dein Fortgänge der Arbeit endlich einen grossen bereits
ausgebeuteten Raum entdeckt und. nachdem man den Grund
erreicht, Skelette von Menschen und Thieren, Gerät-
schaften und Münzen, die deutlich auf die Römerzeit hin-
deuteten, gefunden. Der ursprüngliche Eingang in diesen
Baum sei noch nicht ermittelt worden. So erzählte der
Hutmann und mehrere andere Bergleute. Die Anschauung
dieser Alterthümer ward uns nicht zu Theil, wohl aber der
mehrmalige Anblick uralter Halden und Pingen aus einer
sehr frühen Zeitperiode.
In Maros Neineli begriisslen wir den gelehrten Grafen
Gvulai, durchwanderten in seiner Gesellschaft! dessen am
Palaste gelegenen schönen Garten und betrachteten die
daselbst aufgestellten Statuen. Bareliefs und Inschriftsteine
auf marmornen Platten und Altären, die sämmtlich zwischen
Maros NYunoti und \ei/ei. zum Theil auf den Besitzungen
des Grafen selbst, ausgegraben wurden und wo. nach der
Verbreitung dieser Römerspuren und besonders der Mein,
Grundmauern, die mau sogar bis weit am südlichen Berg-
— 87
abhänge hinauf und bis an das linke Marosufer herab an-
trifft, zu schliessen, hier eine bedeutende römische Nieder-
lassunggewesen sein muss; zumal wenn man noch die Unzahl
der von hier verschleppten gehauenen Quadersteine berück-
sichtiget , womit auf einer langen Strecke das linke Maros-
ufer und die Strasse in die Nachbarprovinz gebaut und be-
festigt worden sind. Dr. Fodor in Deva hat die in diesem
Garten vorfiiidlichen Alterthiimer, welche indessen bedeu-
tenden Zuwachs erhielten, in ungarischer Sprache im Jahre
1844 mit lithographirten Zeichnungen im Drucke heraus-
gegeben und der Versammlung der ungarischen Arzte und
Naturforscher in Klausenburg vorgelegt. Dass derselbe
mehrere Inschriften falsch gelesen und unrichtig ergänzt,
kann der Eingeweihte schon bei Durchlesung des Werk-
chens sich bald überzeugen, ohne noch eine weitere Ver-
gleichung mit den Inschriften auf dem blanken Marmor im
gräflichen Garten angestellt zu haben. Am andern Morgen
führte uns der Graf an den Ort der Alterthiimer selbst, wo
wir bis Mittag Ausgrabungen veranstalten Hessen, jedoch
ausser einigen Bruchstücken von Gelassen, Ziegeln, Glas,
von steinernen Statuen , Särgen , nichts Ganzes und keine
Inschriften fanden. Walachen brachten uns hier ausgegra-
bene römische Münzen und andere daselbst gefundene
Kleinigkeiten, worunter eine bronzene Fibula und ein zier-
licher Esslöfel von Erz sich befand. Früher noch hatte der Graf
eine 6 Zoll grosse metallene Statuette mit dem Phallus und
eine andere, welche einen Priapus vorstellt, von hier erhalten.
Bei der Witwe V a r a d i von Kement oder deren Sohne
in Deva ist eine sehenswerthe Sammlung vorhanden. Sie
enthält nicht bloss naturhistorische, sondern ganz vorzüglich
auch, und zwar hier in dieser Gegend ausgegrabene und
entdeckte alterthümliche und namentlich numismatische Ge-
genstände. An derselben vermisst aber der Sachkenner die
systematische und namentlich bei den alten Münzen die chro-
nologische Ordnung. Die grossen Erzmünzeu von römischen
Kaisern und Kaiserinnen sind sehr zahlreich. Selbst silberne
und goldene Stücke von bedeutendem Werth und Gehalt
fehlen nicht. Der grösste Theil dieser Antiken wurde in
den bereits oben erwähnten Trümmern zwischen Vetzel und
Maros Nemeti, woselbst sich ein römisches Lager von der
jetzigen Landstrasse bis an den Marosfluss mit noch sicht-
barer Umwallung erstreckt, gefunden. Darunter ist unstrei-
tig ein steinerner, mit Inschriften versehener Sarkophag
durch den in ihm gefundenen seltenen Inhalt am merkwür-
digsten. Letzterer umfasste die mit der Asche eines jungen
Kriegers gefüllte Urne und Grabgeschirre, ein bronzenes
Schwert, einen silbernen Harnisch und zwei eiserne Finger-
ringe mit Carneolen, welche eingravirte Figuren darstellen.
Von dem silbernen Harnisch ist leider das meiste in Verlust
gerathen, und gleich bei dessen Entdeckung verstümmelt
und geplündert worden; aber schon aus dem geretteten
Theil — eine Schienbeinbekleidung — lässt sich auf die
Kunst und Schönheit des vollständigen Panzers schliessen.
Der Sarg, aus röthlichem Syenit-Porphyr, liegt im nahen
Varadischen Garten zwischen Obstbäumen, von mehreren
theils aus Marmor, theils aus Sandstein gemeiselten Monu-
menten und Inschrift -Altären umgeben. Am Sarkophage
liest man Folgendes :
C. VALERIVS VRSVS
VK ANN XX C. VAL
ANTESTIVS VETER
EX DECVR. FILIO FECIT.
Diese Collection in Verbindung mit jener des Grafen
Gyulai in Maros Nemeti, deutet auf die Wichtigkeit und
den einstmaligen blühenden Zustand dieser am felsigen Ein-
gänge ins mittlere, gleichsam in das Herz Daciens, längs dem
linken Marosufer, gewesenen römischen Pflanzstadt. Ohne
Widerrede erscheinen die Genannten, mit Ausnahme Weni-
ger, welche in dieser Gegend die Alterthiimer etwa noch
ehren, als die beiden Hauptsammler dessen, was bisher
vorgekommen und noch vorkommen wird in den Maros Ne-
meter und Vetzeler Ruinen.
Auch wurden in diesem Jahre zu Magyar Nadas, im
Klausenburger Kreise und Bezirke, 11 antike Silbermünzen
aus der illyrischen Stadt Dyrrhachium, mit dem Magistrats-
namen: MENI2K0S. — <f>IAÖTA. — ZENJ2N. u. a. ge-
funden (vgl. österr. Rl. f. Lit. u. Kunst, 1S4G, Nr. 136).
(Fortsetzung folgt.}
Restaurationen. )
//. Lomburdie.
Aus dem Berichte der lombardischen Baudirection über
die in den Jahren 1853 und 1854 vorgekommenen Leistun-
gen im Interesse der Erhaltung der Baudenkmale geht hervor,
dass in früheren Jahren ein grosser Theil der monumentalen
Bauten dieses Kronlandes aus Rücksicht auf die Erweiterung
der Strassen zerstört worden.
Erst die Entdeckung des Hercules-Tempels in Rrescia,
welche die Errichtung eines vaterländischen Museums zur
») Vergleiche I. Heft, S. 10.
Folge hatte 2), lenkte wieder die Aufmerksamkeit der Gebil-
deten auf eine sorgfältigere Erhaltung der Kunstdenkmale,
und im Jahre 1840 wurde in Cremona das Rathhaus im Style
und Charakter seiner ursprünglichen Anlage restaurirt. — Die
Stadt Mailand verlor viele ihrer historischen Baudenkmale
durch die Unwissenheit der Restauratoren, welche ohne
2) Irren wir nicht, so geschah diess im Jahre lS2t» hei derselhen Gelegen-
heit, als auch die berühmte Victoria daselbst ausgegraben wurde, üas
Museum der Stadt Brescia gehurt gegenwärtig tu den hervorragendsten
der tombardischen Stallte. D. Red.
12«
— 88
wissenschaftliche Grundlage deren ursprügliche Gestall
entweder verunstalteten oder gänzlich verwischten, bis in
der Zeitschrift: „II Politecnico" des Jahres 1839 eine mäch-
tige Stimme gegen die Urheber dieser Yandalisinen sich
erhob und der bisherigen Übung Einhalt gethan wurde.
Dr. Giuseppe Scrusi benutzte den gegebenen Impuls zur
Gründung eines vaterländischen Museums und eines archäo-
logischen Vereines für Mailand. I>ie Statuten wurden verfasst,
erhielten die Genehmigung der Behörden, und die Stadt-
gemeinde war schein bereit. Localitäten zu diesem Zwecke
einzuräumen, als die Ereignisse des Jahres 1S48 alle die
vorangegangenen Bemühungen vereitelten.
Im November 1854 erstattete der Geolog Edler von
Curioni in der Akademie für Wissenschaften und Künste
einen Bericht, worin er anführt, dass er bei seinem letzten
Ausfluge im Val Trompia der Provinz Brescia die Spuren einer
alten Strasse verfolgt habe, welche das genannte Thal mit der
Val Camonica in Verbindung brachte, und dass einige Thürme
anscheinend römischer Bauart trotz des historischen Inter-
esses, das sie boten, dem Einstürze drohten, welches Schicksal
andere ähnliche Bauten in der Valtelina theilten. Auf Grund
dieses Berichtes setzte die Akademie aus ihrer Mitte eine
Commission nieder, um in dieser Richtung die nöthigen Vor-
kehrungen zu treffen , und den Aufträgen der k. k. Central-
Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenk-
male zu entsprechen.
Über die Restauration des Mailänder Domes bemerkt
der Bericht der Baudirection, dass für diesen Dom eine
jährliche Dotation von 141,150 Lire bewilligt wurde, von
welcher Summe nach Abzug der Ausgaben für den Cultus
im Jahre 1853 106.667 Lire und ebensoviel im Jahre 1854
zur Vollendung und Wiederherstellung dieses imposanten
kirchlichen Bauwerkes verwendet wurden, von welcher
Summe übrigens auch einige innere Baulichkeiten in dem
neueren Gebäude auf dem Platze del Campo santo, an der
Rückseite des Domes gelegen und zu demselben gehörig,
bestritten worden sind.
Von den Restaurationen in den übrigen Orten der Lom-
bardie wird jener an der Abteikirche Chiaravalle in der
Nähe Mailands gedacht, deren Erbauung in das XII. Jahr-
hundert verlegt wird, und zu deren Wiederherstellung von der
Regierung im Jahre 1853 der Betrag von 1847 Lire und
im Jahre 1854 jener von 8781 Lire angewiesen winde.
Auf Kosten des Staats-Ärars hatte man ferner Ausbesse-
rungen an dem Karthäuserkloster zu Garegnano mit einem
Aufwände von 1800 Lire vorgenommen.
Eine von der kais. Akademie der schönen Künste ZU-
•■ammengesetzte Commission machte Vorschläge zur Restau-
ration des berühmten Abendmahls von Leonardo da Vinci ')•
Zur Erhaltung des berühmten Sanctuariums di S. Celso
in Mailand wurde das Vestibüle und das Innere des Gottes-
hauses restaurirt, und hierzu im Jahre 1853 die Summe von
14,038 Lire und im J. 1854 jene von 5604 Lire verwendet
In Co in o hatte man die Wiederherstellung des Marmor-
ptlasters in der Kathedrale mit einem Kostenaufwands von
63,022 Lire und andere Herstellungen an den Altären und
Monumenten mit dem Betrage von 2686 Lire bewirkt.
1 ) rii.-r il.-n .tu ahnten Restauraliunsw-rsuch vnii Leonardo da V i n c i's
Cenacolo im Refectorium dea aufgehobenen Klosters der Madonna delle
Grazie sind wir in der Lage folgende interessante Aufschlüsse zu gehen.
Das berühmte Gemilde zeigte , wie bekt t , schon kurz nach ' ardo
da Vinei's Tode Beschädigungen, so dass es schon damals und seitdem zu
verseliiedeiU'U Zeiten restaurirt und bald mit Ulli- bald mit Temperafarbe
übermalt wurde und nur mehr wenige der jetzt sichtbaren Theile des-
selben von Leonardo's eigener Hand herrühren. Wir wollen nur der
unglücklichsten Restauration v. J. 1726 erwähnen, wo ein gewisser Michael
Angelo Belotti ein besonderes Geheimniss zu besitzen vorgab und das ganze
Bildvön einem Ende zum andern übermalte, seit welcher Zeitdas ganze Bild
ein Ton, wie ein Nebel bedeckt. — Den beklagenswertesten Fortschritt
der Zerstörung machte das Gemälde jedoch, seit zu Anfang dieses Jahr-
hunderts das französische Revolutionsheer aus dein Refectorium eiuen
Stall gemacht hat und die Ausschwitzung des von der Wand eingehauch-
ten Salpeters die dünne Farbenkruste mehr und mehr abstüsst und deren
Abbröokelung zur Folge hat. Alle Kunstkenner stimmen überein , dass
dieses Gemälde in seinem jetzigen Zustande unaufhaltsam und mit ziemlich
raschen Schritten dem gänzlichen Ruine entgegengehe. Unter diesen
Umständen hielt es die kais. Regierung für ihre Pflicht, eine im .1. 18i>2
in dieser Angelegenheit gemachte Eingabe des Präsidenten der Akademie
der schonen Künste in Mailand, Conte Nava, welcher die seit dein Jahre
18-1 gemachten Studien und probeweise ausgeführten Restaurationen
des Gemälde-Restauratenrs Stefano Barezzi als geeignet erkannte, um
demselben die Restauration von Leonardo's Abendmahl zu übertragen, in
nähere Erwägung zu ziehen. Es wurde daher eine aus dem Präsidenten
Conte Nava und einigen compeleuten Akademikern bestehende Commission
zusammengezetzt , welche die Methode Barezzi's einer strengen Prüfung
unterziehen und in deren Gegenwart Barezzi au dem Gemälde einen Re-
stauratioiisvcrsiich anstellen sollte. Nachdem sie sich die Überzeugung
verschallt, dass sich die Arbeit nur auf die Befestigung des Gemäldes
und auf dessen Reinigung mit Ausschluss jeder Restauration durch lliu-
eiiimaleu beschränke, gab sie unterm 19. Juli lSö'3 den protokollarischen
Befund ah. das dem Stefano Barezzi mit Beruhigung unter bestimmten
Vorsichten die Restauration des Gemäldes anvertraut werden könne.
Um hierbei jedoch mit grösster Vorsicht und Aufmerksamkeit vorzugehen,
entsandte Sc. Lxrellenz der Herr Untcrriehtsininister noch \nn hier zwei
ausgezeichnete Kunstkenner, den Custos au der kais. Gcmälde-Gallerie
im Belvedere, Ed. Engerth, und den Hoflnedailleur Böh m nach Mailand,
um ein vollkommen unparteiisches Gutachten über die Restaurations-
Methode des S. Barezzi einzuholen. Auch diese erklärten in Folge einer
vor ihren Augen vorgenommenen Probe, dass die Zweckmässigkeit und
Wirksamkeit der befolgten Methode durchaus keinem Zweifel unterliege
und die Restauration ohne Gefahr für die noch vorhandene Reliquie und
mit Hintanhaltung jeder Befürchtung einer noch grosseren Beschleuni-
gung ihres Verderbens und ihres Unterganges vorgenommen «erden
könne. Gestützt auf diese sachverständigen li theile erstattet!' nun Seine
Excelleuz der Herr Untcrriehtsministrr Gral' Leo Th u u einen Vortrag an
Se. k. k. apost. Majestät, um die allerhöchste Genehmigung unter den
/.wischen dem Präsidenten der Akademie zu Mailand und dem Gcmälde-
Restaurateur st. Barezzi verabredeten Bedingungen und Vorsichten zur
Restanrirung dieses weltberühmten Wandgemäldes zu erwirken und um
den hiefür erforderlichen Rostenbetrag von 2657 tl. !>[ kr. aus dem Ca-
meral-Ärar beatreiten zu können. — Seine k. k. apoat, Majestät geneh-
migten euch unterm 7. Juni L8S4 den Antrag des Herrn Ministers, und
nach den stipulirton Bedingungen dürfte die Restauration von Leonardo
dfl Vinei's Abendmahl im Laufe dieses Summers vnlleudet werden. —
Line Nachricht des in Köln erscheinenden „Organea für christliche
Kunst" (Nr. v. il.j.t aus Mailand über die in Präge Btehende Restaura-
tion bemerkt auch, «lass dieaelba sn weit gelungen sei. „dass das Gemälde
\ im der Figur des Judas nach der Rechten wieder aufgedeckt isl , und so
lest auf der Wand sitzt, dass mau mit der llaud darüber reihen kann."*
D. Red.
— 89
In Bergamo wurde im J. 1853 die aus dem XV. Jahr-
hunderte herrührende CapelleColleoni und in Pavia die Vor-
stadtkirche di S. Salvatore restaurirt, ebenso schritten in
letzterer Stadt die Arbeiten an der Kathedrale rasch vor-
wärts. Die Kirche S. Marino in Pavia wurde auf Privatkosten
mit Ornamenten und Reliefs im Charakter des aus dem
XV. Jahrhunderte herrührenden Bauwerkes geschmückt.
Über allfällig vorgekommene Restaurationen in Cremona.
Mantua, Brescia und Lodi gelangte die k. k. Central-Com-
mission nicht in Kenntniss.
///. Tirol.
Nicht ohne Bedeutung sind einem Berichte des Herrn
Landesbau-Directors Lieben er zufolge die Restaurationen,
welche in den Jahren 1853 und 1854 im Kronlande Tirol
zur Ausführung gebracht wurden.
Es gehören hierher die Arbeiten an der Pfarrkirche in
Natz mit einem approximativen Kostenaufwande von 200011. :
die Umdeckung des Daches mit verschiedenfarbigen
glasirten Ziegeln an der Kirche zu Ter tan und Arbeiten im
Innern der Kirche mit dem Kostenbetrage von ungefähr
2000 fl. ;
die Neuherstellung der Bedachung, die Restauration
der Altäre und des Presbyteriums in der Klosterkirche zu
Sähen;
die stylgemässe Restauration der Stiftskirche in Inni-
chen, welche im Jahre 1846 begonnen und im Jahre 1853
vollendet wurde, und wozu auch der in den Jahren 1853 und
1854 geschehene Bau von vier Seitenaltären und deren Aus-
schmückung mit Gemälden gehört ;
die Renovation des Erkers an dem vom Herzoge Fried-
rich erbauten goldenen Dächleingebäude in Innsbruck,
welches einst die alte Burg der Landesfürsten bildete;
die Beparaturen und Herstellungen an dem kaiserlichen
Schlosse Ambras, wozu von Sr. Majestät dem Kaiser Fer-
dinand eine Summe von 30,000 tl. angewiesen wurde: und
die Restauration des kunstvollen Gitters , welches das
Cenotaphium des Kaisers Maximilian in der Hofkirche zu Inns-
bruck umgibt, mit dem Betrage von 2000 fl.
IV. Die Burg Karlstein und die Karlshofer Kirche in
Böhmen.
Über die Restaurationsarbeiten an der Burg Karlstein
und der Karlshofer Kirche in den Jahren 1852 — 1854 ent-
nehmen wir einem Berichte des Herrn Landesbau-Directors
Wachtel folgende Details:
„Die wesentlichsten Erhaltungsarbeiten der neuesten
Zeit haben im Jahre 1852 und 1853 stattgefunden; sie
haben jedoch , sowie die im Jahre 1854 ausgeführten Her-
stellungen, hauptsächlich die Erhaltung der Mauer-Massen
zum Zwecke, damit dem drohenden Verfalle begegnet werde.
Die auch nothwendige Ergänzung manch1 altertümlichen
Schmuckes muss dem , wenn auch nicht entfernten , doch
späteren Zeitpunkte vorbehalten bleiben, bis der Bestand der
Mauerwerke gesichert sein wird.
Im Jahre 1852 zeigte sich das Dach und der Werksatz
ob der Marien-Collegiatkirche so baufällig, dass es ganz
erneuert werden musste. Da die Bundtrame eingemauert
waren, und eben desswegen in Fäulniss geriethen, so wurde
für eine freie Auflage derselben gesorgt, und zugleich das
umlaufende Gesimse restaurirt. Dem neuen Dache wurde
die alte Form wiedergegeben, und dasselbe mit Schiefer
gedeckt. Die Kosten dieser Herstellung betrugen 3652 fl.
40 kr. C. M.
Nächst der Thurmwächterswohnung zeigte sich die
Hauptmauer beim ersten Burgthore, welche schon einmal
abgerutscht und durch Strebepfeiler gestützt war, neuerdings
gefährdet. Ein Theil derselben wurde unterfangen und sorg-
fältig versichert; dabei war man bedacht, das Mauerwerk im
Einklänge mit dem bestehenden Verputze herzustellen.
Diese und andere kleinere Arbeiten erforderten eine
Ausgabe von 4299 fl. 42 kr. C. M.
Im folgenden Jahre wurde die Hauptmauer nächst der
Thurmwächterswohnung gegen das Abrutschen versichert;
ferner zeigte sich die Notwendigkeit zu einer Neubeda-
chung dieses Gebäudes, was mit Schiefermateriale bewirkt
wurde und wobei dieselben Rücksichten für das alterthüm-
liche Aussehen beobachtet wurden, wie bisher; die Kosten
waren accordirt mit 3105 fl. 52 kr. C. M. Ferner wurde die
Thür Wozilka neu eingedacht, die Hauptmauer der Burg-
grafenswohnung neu versichert, die ehemalige Waffen-
schmiede mit einem Dache versehen und die Rohrdecke der
Marienkirche erneuert, was ungefähr eine Auslage von
5000 fl. erforderte.
Die Restaurationsarbeiten des Jahres 1854 an der
Karlshofer Kirche erstreckten sich bloss auf das Dach über
der Kuppel und an den beiden Thürmen.
Es erschien nämlich nothwendig, einige Bestandteile
des Werksatzes auszuwechseln, und eine ganz neue Blech-
eindeckung vorzunehmen, wofür ein Kostenaufwand von
8276 fl. 18 kr. C. M. erforderlich war."
Notizen.
32. (Die Buinen der ehemaligen Juden-Syna- seihen ist noch nicht sichergestellt. Doch geht aus den in
goge zu Eger.) Die Juden hatten eine sehr ansehnliche Prag befindlichen jüdischen kostbaren Büchern hervor, dass
Synagoge in der Stadt Eger. Die Zeit der Erbauung der- die Gemeinde schon im Jahre 1350 reich war. und die
— 90 —
Chroniken von Eger bestätigen . dass die Synagoge
neben jener von Krakau die bedeutendste ihrer Zeit gewe-
sen i>t ')•
Die Synagoge war aus Bruchstein im Viereck erbaut.
hatte eine Länge von 81 , Klt'tr., eine Breite von 7*/, Kll'tr..
und eine Höhe von 5 Kll'tr. Sie besass eine kunstvoll, stern-
artig geformte gothisehe Gewölbung, die auf einer in der
Mitte stehenden Granitsäule ruhte. Ein in Gestalt eines
Dreieckes geführter Anbau mit abgesonderten Eingängen war
für das weibliche Geschlecht zu seineu Andachtsübungen
bestimmt. Zwei Opfersteine waren au der nordlichen Haupt-
wand eingemauert, alle inneren Mauerflächen dieses Tempels
mit hebräischen Bibelsprüchen beschrieben und die Gewöl-
bungen bemalt.
Nach dem Jadenmorde im J. 135Ü wurden die erwähn-
ten Gesetz- und anderen jüdischen Bücher nach Prag ge-
schafft -). Nach der Abschaffung der Juden in Eger wurde
die Synagoge auf Anordnung des Kaisers Sigismund im
J. 1430 zum katholischen Gottesdienste geweiht, und hat die
Bezeichnung .Maria Heimsuchungskirche" erhalten. Im
Jahre 1408 wurde zu dein Zwecke eine Sacristei ange-
1 ) Ober die Zeit der Erbauung der Synagoge hat zwar die Chronik des be-
kannten Scharfrichters vod Eger , Karl Huss, welcher in dem Brief-
wechsel und mündlichen Verkehr des Ratlies Grüner mit Göthe ausführlich
geschildert wird, bestimmtere Anhaltspunkte gegeben, da jedoch diese
letzteren auf die Entzifferung einer jüdischen nicht ganz klaren Inschrift
sich stützen, so lässt sich auch die Erbauungszeit nicht darnach mit Evi-
denz feststellen. Auf eine annäherungsweise Bestimmung der Baupri i...t.-
nach dem Charakter des Styles und ihrer vorhandenen Iietails konnte man
aber hier kaum eingehen. lt. Red.
") Urkundliche Beweisstellen über das Schicksal dieses Baudenkmales ent-
hält V. Prökl's : „Eger und das Egerhind." Prag 1845. 2 Bde. Übet das
Bestehender oben erwähnten jüdischen Bücher gibt Herr Conservator
Wo ee I in Prag die folgende Nachricht :
Unter den Sandschriften der kais, Bibliothek zu Prag werden zwei
überaus grosse und schwere Pergaiiieuthiiehcr bewahrt, von denen das
eine den Pentateuch, das andere die gottesdienstlichen Gebete und Gesänge
der Juden in hebräischer Sprache enthält. Beide sehr wohl erhaltene
Riesen-Codices sind Überreste der bis zum .1. 1350 zu Eger bestandenen
Jndeugemeinde, wie dieses aus der Aufschrift am letzten Blatte des Penta-
teuchus erhellt: Präsens manuscriptuin uti et alias lex itidein iiiemhraiia-
ceus, cui titulus Maehsnr, reliijuiae sunt illius comrounitatisjudaicae, quae
Olim in regia civitate Egrensi habitabat et anno 1350 a fanaliris tnieida-
batur.
Aul demselben Blatte ist ferner folgende Inhaltsangabe des I odex in
lateinischer Sprache enthalten:
P e n 1 a t e u c h u s
Mebraicus cum Targum seu periphrasi chaldaica interlineari . punetis
rocalibus et accentibus additis , posito tnsuper e regione textus biblici
commentario rabbinicae. Accedunl ad caicem quinque Megillotl mpe
Ruth. Canticorum, Ecclesiastes, Threni Jeremiae et Esther. Mas sci|uiiu-
tnr Haphtaroth.
Am letzten Blatte des zweiten Bandes ist mit derselben — allerdings
neuen — Schrift folgendes notirt:
AI a c h s o r ,
seu lieber precum >t cantionani . maximam partetn rhytmicarum . quibus
Judaci diebns Sabati et aliis festis utuntur.
Diese sorgfältig bewahrten Pergamentbficber liefern somit "-inen unwi-
fbarea Beweis \ ler ehemal gen Existenz einer Synagoge und an-
ichen JFudengemeinde zu Eger, d i nur eine solche konnte sich der-
e Bücher verschaffen. Jeder der Bind.- dürfte wohl einen
Centner schwer sein.
baut, zwei Altäre und ein Musikchor errichtet, und ein Thurm
mit zwei Glocken aufgesetzt. In den J. 1688 und 1U89 war
für nothweiulig erachtet worden, eine Renovation vorzu-
nehmen, und im J. 1817 wegen Baufälligkeit das Dach abzu-
tragen. Als dann im Jahre 1837 wegen unterlassener Ent-
deckung die so schön ausgeführt gewesene Einwülhung ein-
stürzte, ging auch mit ihr die mittlere Säule zu Grande.
Sie wurde, zwar nicht in der ehemaligen Höhe, wieder auf-
gestellt, allein sie stürzte wieder ein, wahrscheinlich weil
der Grund, worauf sie stand, untergraben worden sein mag,
indem mau bei dem Umstände, als mehrere Stücke sehr alter
Ducaten in dem Baume der Kirche aufgefunden wurden,
vermuthet haben mag, dass unter dieser Säule noch ein
grösserer Schatz sich belinden dürfte. Die gefundenen Du-
caten sollen auf höhere Anordnung nach Prag geschafft
worden sein.
Im J. 1854 wurde der Verkauf dieses Platzes mit dein
bestehenden Messnerhause von der Begierung genehmigt.
nur hat das Prager Consistorium angeordnet, dass auf dem
Orte, wo die Kirche stand, ein Crucifix, auf einer Platte
stellend, errichtet werden soll.
33. (Die Wappentafeln der Ritter von Ems zu
Hohenems zu Oberdorf in Vorarlberg.) Der k. k.
Conservator Herr J. Seb. Kögl berichtete im Februar 1S56.
dass er auf dem Fussboden der Emporkirche zu Oberdorf
zwei grosse runde und bemalte Wappentafeln . sowie eine
Gedächtnisstafel als eine weggelegte Waare auffand. Er
stellte hierüber weitere Forschungen an, woraus hervor-
ging, tlass die Wappentafeln dem am 1. Jänner 1536 ver-
storbenen Burkard von Ems und dem am 'ili. Jänner 1549
verstorbenen Christoph von Ems angehörten und anstatt dei
Grabsteine mit einer Umschrift an der Mauer der Schloss-
(apelle zum h. Sebastian befestiget waren, die im Jahre 14l>7
gleichzeitig mit der neuen Burg in Oberdorf erbaut, jedoch
um das J. 182*7 abgetragen wurde; dass dagegen die Gedächt-
nisstafel der am 14. Herbstmonat 1557 verstorbenen Witwe
Hannsens von Hohenems, Sibylla v. Riedheim, bestimmt war,
welche ihr deren Enkel Hannibal, Julius und Alexander.
Herren von Zintzendorf, Erbjägermeister in Österreich, Ge-
brüder, und Hanns. Ulrich von Schiandersberg gesetzt hatten
Da namentlich obige Wappenschilde von der ehemaligen
Ritterschaft Vorarlberg die einzigen sind, weiche noch exi-
stiren, so wandle sieh der Herr Conservator an das k. k.
Bezirksamt in Dornbirn, dass dieselben aufgefrischt und im
Priesterchor der neuen Kirche angebracht werden, welchem
Ansinnen das k. k. Bezirksamt in Dornbirn bereitwilligst
entspracht — In Folge dieser Mittheilung des k. k. Con-
servators Kögl sah sieh der k. k. Rath und Custos des Münz-
und Antiken-Cabinetes Herr Joseph Bergmann veranlasst.
über das Geschlechl der Hohenems derk.k. Central-Com-
missnui folgende interessante Notizen vorzulegen:
Das älteste und berühmteste Geschlecht in Vorarl-
berg ist nach den Grafen von Montfort -Feldkirch und
91
Montfort-Bregenz, und den ihnen stammverwandten Grafen
von Werdenberg-Bludenz und Werdenberg zu Sonnenberg
das der Ritter von Ems, seit 27. April 1560 durch Kaiser
Ferdinand I. Reichsgrafen von H oh en e ms (roman. Altaemps
oder Alterns). Auf die alte hochgelegene Burg, die nun als
Ruine der Wanderer aus der Ferne über dem gleichnami-
gen Markte gewahrt , wurde der gefangene und geblendete
Wilhelm III., der letzte Normanne, Sohn Tankred's, Königs
von Sicilien (f 1194) , auf Kaiser Heinrich's VI. Befehl im
Jahre 1195 gebracht, um hier sein jammervolles Leben zu
vertrauern. — Rudolf von Ems, Dienstmann von Montfort,
der Dichter von Barlaam und Josaphat, Wilhelm von Orlens,
von dem Leben und den Thaten Alexanders des Grossen,
des guten Gerhard etc., starb im Jahre 1234 in Italien,
wohin er wahrscheinlich dem König Konrad IV. auf einem
Zuge gefolgt war. — Eglof und Ulrich von Ems fielen
mit Herzog Leopold III. von Österreich an dem heissen 9. Juli
1386 bei Sempach, Goswin und Ulrich im Appenzeller-
kriege 1405 vor Altstätten.
Berühmte Feldhauptleute und zwei Kirchenfürsten,
Marx Sittich II., Bischof zu Konstanz, der als Cardinal
1595 zu Rom starb, und Marx Sittich 111., von 1612 —
1619 Erzbischof zu Salzburg, der 1614 den Grundstein
zum prachtvollen Dome legte, Mirabell und Hellbrunn baute,
— zeugte dieses Geschlecht im XVI. Jahrhunderte. Jakob
von Ems, König Ludwigs XII. von Frankreich Feldoberst
über 8000 Landsknechte, zog gegen Papst Julius IL, ver-
theidigte Bologna, half die Venetianer schlagen und fiel mit
Gaston de Foix am 8. April 1512 vor Ravenna. Er ruht in
Modena. Dessen Corazin mit purpurrothem Sammt über-
zogen verwahrt die k. k. Ambraser-Sammlung Nr. 69 und
dessen Porträt Nr. 778. Seine Hausfrau Clara von Stadion
schenkte ihm die Söhne Johann und Burkar d, der un-
verehelicht starb. Johann vermählte sich mit Sibylla von
Rietheim oder Riedheini >), welche ihm drei Kinder
gebar: 1) Christoph, der sich mit Martha von Freiberg
verehelichte und am 26. Jänner 1549 kinderlos starb;
2) Anna, die ihre Hand 1535 Hanns en von Zinzendorf,
Erbherrn auf Feistritz, Scharfenegg, Pottendorf etc., reichte
und 1542 starb. Söhne dieser Ehe sind: cc) Hannibal,
mit Hohenemsischem Vornamen, am 16. August 1538 ge-
boren; ß) Julius, geboren am 17. November 1539, der
') Eglof Rietheim zu Angelberg erhielt den 9. August 1455 Ver-
besserung des Wappens , und K o n r a d Riethein) zu Angelberg am
27. September 1590 den Panier- und Freiherrnstand für das
Reich und die Erblande (nach den Reichsadels-Acten).
als Malteserritter starb; 7) Alexander, am 9. Jänner
1541 geboren, Herr auf Weiteneck, welcher als Kaiser
Rudolfs II. Hauptmann gegen die Osmanen stritt, grosse
Proben der Tapferkeit bei der Eroberung von Penon de
Velez 1564 ablegte und im Jahre 1577 auf Corsica an der
Pest starb. Er ist mit Susanna von Volkra der Stifter
der älteren Zinzendorfischen Linie und Ahnherr des bekann-
ten Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, der am 9. Mai
1760 zu Herrnhut starb. — Johann's von Eins jüngere
Tochter 3) Veronica war in dritter Ehe mit dem tiroli-
scheu Edelmann Ulrich von Schiandersberg vermählt.
Somit sind die auf der Gedächtnisstafel genannten Personen
zu genauerem Verständniss beleuchtet. — ■ Dieses edle Ge-
schlecht erlosch mit dem Grafen Franz Wilhelm, der als
k. k. Generalmajor am 5. Nov. 1759 in Gratz starb und
Hohenems kam 1765 an Österreich.
34. (Grabdenkmal zu Kis-Tapolcsän in Un-
gern.) Einem Berichte Sr. Excellenz des k. k. wirk. geh.
Ratlies und k. k. Conservators Grafen Kegle vi ch entneh-
men wir: „In der Pfarrkirche zu Kis-Tapolcsän im Barser
Comitate Ungerns befindet sich das sehr interessante Grab-
Monument eines gewissen Johann Tapolcsäny vom Jahre
1598, welcher ein berühmter Held und Anführer unter
Kaiser Rudolf II. gegen die Türken gewesen ist. Tapol-
csäny war ein Sprössling der alten im Barser Comitate an-
sässigen Familie Tapolcsänyi de Kis-Tapolcsänyi und der
jüngste Sohn des wegen seiner ausserordentlichen Obesität
dem Kaiser und Könige Ferdinand I. aufgefallenen und für
die Sammlung des Kaisers porträtirten Thomas Tapolcsänyi,
eines der wohlhabendsten Grundbesitzers und Eigenthü-
mers der Schlösser Hrussö und Kis-Tapolcsäny im erwähn-
ten Comitate. Mit dem Sohne des durch das Grabdenkmal
verewigten Helden Paul Tapolcsäny erlosch der Mannsstamm
des Geschlechtes. Das Monument ist kunstreich in rothem
Marmor gemeisselt, 1(1 7" hoch und 3' 4" breit und zeigt
in einer Figur, die sich auf ein Wappen stützt, die Gestalt
des Johann Tapolcsäny. Die Inschrift des Grabmales ist
folgende :
HOCCE TAPOLCZANI BELLATOR ATHLET A KUDOLI'HI
C^ESARIS IN TVMVLO MORTE SOPOKVS INEST
ILLE TAPOLCZANI TVRCARVM FVLMEX ET INGENS
SIDVS CHRISTIADVM. MART1S IMAGO DECENS
TEST1S ERIS BOZOK. VEGLES LEVA AGRIA TESTIS
CAPTIVOy TVO TRVX BVDA TESTIS ERIS
TV QVOQVE IAVRINVM QVOl) CVM DEFEXSAT AB HOSTE
TERNVS ERAT SVBTER. CAEDE PERE.MPTVS EQ\ \ 'S
EHEV! PANNONICIS VBI NVNC. VBIFIUVS AC HILLES
HIC IACET HEV TELLVS KANNIBALE ORBA SVO.
— 02
Literarische Anzeigen.
Eine Anleitung; zum
bei Schweizhäuser.
Burekhardl Jacob. Der Cicerone.
Genuss der Kunstwerke Italiens. Base
S. 1112, in Duodez.
Unter allen Ländern, die von Reisenden der Kunst «regen besucht
werden, nimmt Italien den ersten Rang ein. Das ßedurfniss , den
Genuss Italiens durch Führer zu erhöhen, ist in Italien nicht minder
wie im übrigen Europa gefühlt worden. Diesem Bedürfnisse verdankt
die italienische Literatur eine Reihe ganz vortrefflicher Führer
(Uuide). wie Fantozzi's Werk über Florenz, die bei Gelegenheit
der Gelehrten-Congresse verfassten Guide von Venedig, Padua und
Neapel, den Guida di Venezia von Selvatico und Lazarri, vieler ande-
rer Werke nicht zu gedenken. Unter den englischen Guiden hat
seit Jahren sich Murray's bekanntes Werk einen Namen gemacht,
unter den französischen Reisebüehern nehmen Viardot, le Comte und
:t. in. eine mehr oder minder bedeutende Stellung ein; unter den
Deutschen hat trotz seiner Mangelhaftigkeit E. Förster'« Reisehand-
buch den gerechtesten Anspruch auf Anerkennung der kunstlieben-
den Touristen. Ein Werk eigener Art ist J. Burekhardt's „Cicerone."
Weniger handsam als die meisten der genannten Werke, nicht ge-
ordnet nach Städten in alphabetischer Ordnung, wie es bei Förster
der Fall ist, gibt J. Burckhardt eine Übersicht der Kunstdenkmale
nach den Hauptrichtungen, nach Architektur. Sculptur und Malerei in
chronologischer Ordnung, nicht mit der Absicht eines Historikers,
sondern mit der Tendenz, das Verständniss der Kunst Italiens ernste-
ren Reisenden zu erschliessen. Er fusst auf eigene Anschauung und
sc 1 b st stand ige s Urtheil. An manchen Orten lückenhaft, ist er im
Ganzen eines der besten und empfehlungswürdigslen Werke, da sein
l'rtheil von feinem Gesehmacke und umfassender Bildung zeugt. Ein
ganz besonderes Gewicht legen wir auf seine Darstellung der Re-
naissance-Bauwerke, die durch ihn wieder zu Ehren gebracht wurden,
auf die Behandlung der ornamentalen Kunst und der Privat-Arehi-
tektur. — Dem Werke ist ein fleissig gearbeitetes Register bei-
gegeben, das den Gebrauch desselben wesentlich erleichtert.
R. v. E.
Burckhardt L. 1. und Riggenbaeh Ch. Die Dominikaner-
Klosterkirche zu Basel. Mit 8 lith. Tafeln und l Holzschnitt.
Basel 1855. 4. S. 16.
Das Predigerkloster zu Basel, eine Stiftung Bischofs Heiniich
von Thun , wurde im Jahre 1233 gegründet, zum Chor der Kirche
jedoch wurde der Grundslein erst im J. 1261 gelegt, die Kirche selbst
wurde 120!) zu Ehren des h. Dominions geweiht. Das gegenwärtige
Langhaus stammt aus einer jüngeren Zeit. Die ganze Kirche ist sehr
einfach, sie entbehrt fast jeder Verzierung und hat die allereinfach-
sten Verhältnisse. Bedeutender in seiner architektonischen Anlage
ist nur der Chor, welcher mit anderen Kirchen des gleichen Ordens
zu Regensburg. Bern u. a. in., wo die Predigermönche seihst Bauleute
waren, grosse Ähnlichkeit hat. Vorliegende lleissig und mit Klarheit
bearbeitete Schrift gibt eine vollständige Übersicht sowohl des archi-
tektonischen Theiles . wie auch der historischen Daten , welche uns
die mannigfachen Schicksale dieses Klosterbaues enthüllen. Besonders
dankenswerth ist die Schilderung der einzelnen Baubestandllieile des
Klostergebäudes, weil wir dadurch in die Lage gesetzt werden, einer-
seits einen lebendigen Einblick in diess Wirken und Schaden und in
alle geselligen Verhältnisse dieses Ordens zu thun, andererseits aber
eben dadurch im Stande sind, zu beurlheilen, in wiefern das Wesen
dieses Ordens auf die Anlage seiner Baulichkeiten einen bestimmen-
den Einlluss übte. Es ist diess eine in der Kunstgeschichte des
Mittelalters bis nun wenig erforschte Partie. Und doch fällt auch dem
weniger geübten Auge die Verschiedenheit auf, welche beispielsweise
die Kloster- und Kirchenbauten der Dominikaner. Cistercienser und
Karthäuscr an den Tag legen. Aus den Ordensstatuten und dem übri-
gen historischen Apparate wird es der Forschung unzweifelhaft ge-
lingen, diese Verschiedenheiten als etwas, jedem einzelnen Orden We-
sentliches und Eigentliiimliches hinzustellen, und wir Verden dadurch
um die Kenntniss bereichert werden, dass jeder Klosterbau sieh in
regenerischer Weise aus dem Wesen des Ordens selbst mit einer ge-
wissen Notwendigkeit entwickelt habe. Einen schätzbaren Beitrag
hiezu liefert, wie erwähnt, vorliegende Schrift. Die Abbildungen sind
ihrem Zwecke entsprechend, nur mit Rücksicht auf das wenig inter-
essante Detail dieses Kirchenbaues fast zu splendid. Nicht uner-
wähnt dürfen wir lassen, dass das Verdienst der Herausgabe dieses
Werkchens der Gesellschaft für vaterländische Alterthümer in Basel
gebührt, welche bereits früher in ähnlicher Weise die Kirche zu
Oltmarsheim im Elsass und die Barfüsser- Klosterkirche in Basel
veröffentlicht hat.
st atz und Ungewitter: Gothisches Musterbuch. Mit einer
Einleitung \on A. Reichensperger. Leipzig, T. 0.
Weigel, 1856.
Von diesem Werke ist die erste, zwölf Blätter enthaltende Liefe-
rung erschienen. Die einleitenden Worte Beichensperger's suchen in
kurzen Umrissen die Berechtigung der Gothik, der Baustyl der Ge-
genwart zu sein, festzustellen und die Mittel und Wege an die Hand
zu geben, wie in der Schule sowohl, als auch im Leben die Grund-
sätze dieses Baustyles praktisch gelehrt werden sollen. Ein Mittel
hierzu soll das vorliegende Musterbuch bilden. Es ist diess das dritte
deutsehe Werk, welches, im grossartigen Massstabe angelegt, die
Wiederbelebung der Gothik und die Kenntniss der bedeutendsten
Muster derselben zu vermitteln sucht. Es vermeidet hierbei die Fehler
seiner Vorgänger, indem es von jener starren Systematik absieht, in
welche Hofstaedt die gothischen Bildungen zwängte, aber ebenso sehr
die Systemlosigkeit und, gestehen wir es offen, jene Umbildungen zu
beseitigen sucht, welche Heideloff's Ornamentik des Mittelalters in
vielen Fällen zur Schau tragen. Das Werk ist seiner ganzen Anlage
nach auf zwei Theiie berechnet, wovon der erste das Alphabet, Maas-
werkverzierungen in Steinhauerarbeit, geschmiedete Arbeiten jeder
Art. Niello-Platten, Glasmalereien und plastische Ornamente, der
zweite Theil Baldachine, Strebepfeilerentwickelungen, Taufsteine
Kanzeln. Tabernakeln, Altäre, Portale, Gewölbe-Construclionen jeder
Art, dann Holzwerk, als: Chorstühle, Flügelaltäre, Vertäfelung u. a.
enthalten wird, so dass das Ganze ein Gesamintbild der Gothik in
ihrem ganzen Umfange geben soll, wobei der Zweck im Auge behalten
wird, die Anwendung dieses Styles auf die verschiedenen Gattungen
der Kunsthandwerke zur Anschauung zu bringen und somit in gleicher
Weise brauchbare Muster für die Schule zum Nachbilden wie zum
Studium für das Bedurfuiss des Lebens zu liefern. Die dargestellten
Gegenstände sind alten Werken entnommen, und es ist hierbei der
Zeitraum vom Anfange des XIII. Jahrhunderts bis zu dem des
XVI. Jahrhunderts festgehalten. Die Abbildungen sind correct und
klar, die Ausstattung des ganzen Werkes ist im hohen Grade befrie-
digend, der Preis (für eine Lieferung 2 Thlr.) massig.
(Berichtigung.) Bei dem Aufsätze: „Der alte Kreuzgang in dem
bischöflichen .Münster zu Brisen" (11. uii.l III. Meli) sind folgende Druckfehler
zu berichtigen :
S. 20, erste Spalte, Z. 23 von unten I. : MCCCOLXU0 anstatt : M < TCl'-IXII»;
„ 30, zweite „ „ 9 „ oben „ Lex. veritatis „ lex. TeriUtis;
„ 37. „ „ 2 „ „ Kxuperaiitius „ Kxperantius.
Ebenso ist zu bemerken dass in dem Aufsätze : „Über die Bestimmung
der romanischen Itiindlmuten mit Bezug auf die Ittlndrapelle zu llartlierg
in Steiermark" (iv. lieft), s. ::;i. erste Spalte, Anmerkung 1, der Ni lea
Ingenieurs-Assistenten, ron welchem die Zeichnungen über die Bundcapelle
;u ll.H H.im;,' herrühren, nicht Leop. Kumasser — sondern 1,. Kuwasseg
lautet. Dieselbe Namensberichtigung gilt auch für die Tafel IV.
\i der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien.
Jeden Monat erscheint I Heft zu
1 bis 2 Druckbogen mit Abbil-
dungen.
Der Pranumcrationspreis ist für
einen Jahrgang oder zwölf Hefte
aebst Register sowohl für Wien
als die Kronländer imd das Ausland
4 fl. C. M. , bei portofreier
Zusendung in die Kronländer der
österr. Monarchie 4)1. 20 kr. CM.
MITTHEILUNGEN
DER K. K. CENTRAL- C0MMISS10N
Pränumerationen übern t-h-
men halb- oder ganzjährig
alle k.k. Postämter der Monarchie,
welche auch die portofreie
Zusendung der einzelnen Hefte
besorgen. — Im Wege des Buch-
handels sind alle Pränumerationen
und zwar nur zu dem Preise von
4 fl. au den k. k. HofbueMuadUr
ff. rSraiiniüIkr in Wim zu richten.
ZLR EBFORSCHCIG U ERIIALTIIG DER BllBEffilLE
'%T>
Unter der Leitung des k. k. Seclions-Cliel's und Präses der k. k. Cenlral-Commission Karl Freiherrn v. Czoernig.
Redacteur: Rarl Weiss.
N2--6.
I. Jahrgang.
Juni 1856.
Inhalt: Decennal-Aufzeichnungen der archäologischen Funde in Siebenbürgen vom Jahre 1845 bis 18iiö. (Fortsetzung.) — Baudenkmale
im Kreise u./d. Wiener-Walde. (Fortsetzung.) — Die St. Michaelskirche und die Jacobseapelle in Odenburg. — Notizen. —
Literarische Anzeigen.
Decennal -Aufzeichnung der archäologischen Funde in Siebenbürgen vom Jahre 1845 bis 1855.
(Ein Beilrag zu den „Beiträgen einer Chronik der archäologischen Funde in der österreichischen Monarchie des J. (i. Seid!.")
Von M. J. Ackner, Correspondenten der k. k. Central-Commission zu Hamersdorf in Siebenbürgen.
(Fortsetzung.)
1847.
Dieses Jahr war ausgezeichnet durch bedeutende anti-
quarische Funde, bestehend in den mannigfaltigsten und
seltensten Gegenständen und Schätzen des classischen Alter-
thums, welche entweder zum erstenmal und ganz neu durch
Ausgrabungen und glücklichen Zufall entdeckt oder durch
Herauslockung aus der tiefen Verborgenheit, in welche die-
selben durch Private verbannt waren, an das Licht zum
Frommen der Wissenschaft und zum Gemeingute gelangten.
Dazu haben die im Laufe dieses Jahres durch fast alle Theile
Siebenbürgens unternommenen Reisen des Verfassers von
„Dacien" welches in Kronstadt bei Gott erschienen —
man darf es nicht läugnen — viel , sehr viel beigetragen.
Ritter Neigebauer hat sich grosses Verdienst um das
classische Alterthum unseres Landes erworben. Sein Eifer,
sein Enthusiasmus beim Vorgehen auf diesem Felde waren
höchst anregend und belehrend, wovon ich als dessen Be-
gleiter bei einigen der wichtigsten archäologischen Expe-
ditionen im Lande — im Hatzeger und Schyl-Thale, auf
dem Muntscheler Gredischtie, bei der Ausgrabung in den
300 Hügeln der Nekropolis zwischen Kastenholz und Gi-
relsau u. s. w. — mich zu überzeugen hinreichend Gele-
genheit fand. Seine diessfälligen Bemühungen werden auch
geringen Dank abzustatten, da er uns eine leicht zugäng-
liche und so zu sagen vollständige Übersicht über Daciens
Alterthümer verschaffte." Einiges von dem Ergebnisse der
in dieses Jahr fallenden archäologischen Expeditionen, an
welchen ich Theil nahm, und die von Deva aus stattfanden,
möge hier aus dem von mir geführten Tagebuche auszugs-
weise und fragmentarisch bemerkt werden.
Bitter Neigebauer's Ausflug in das Hatzeger Thal, dem
ich und mein Sohn Dr. Fodor, ein Liebhaber der Alterthümer,
dann ein junger italienischer Maler sich angeschlossen,
erfolgte am 4. Juli. Eine halbe Stunde von Deva entfernt,
machte Dr. Fodor, als mehrjähriger Kreis-Physicus in dieser
Gegend wohlbekannt und bewandert, während dem Fahren
bei dem vom Wege in westlicher Richtung befindlichen,
nicht weit entlegenen römischen Steinbruch, auf einen
sichtbar hervorragenden Trachytporphyr aufmerksam. Die
nähere Ansicht und Erforschung desselben ward für die Zeit
nach der Rückkehr aus dem Hatzeger Thal vorbehalten.
Jetzt deutete der orts- und alterthumskumlige Doctor
mit der Hand gegen Osten, auf den am rechten Streilufer
liegenden nahen Ort Petreny mit der Bemerkung, dass sich
daselbst eine römische Niederlassung befunden haben müsse,
welche durch häufig vorkommende Spuren von alten Grund-
iiicht ohne erspriesslichen Erfolg und Nutzen bleiben, was mauern, Deck- und Mauerziegeln, dann durch zahllose Bruch-
selbst sein schärfster und strengster Beurtheiler aus Mainz
Herr Dr. KI ei n in seiner Recension des betreffenden Werkes
(Heidelberger Jahrbücher der Literatur Nr. 41 , 18S4) mit
den Worten einräumt: „Wir schliessen, indem wir allerdings
uns bewogen fühlen, Herrn Neigebauer für die Mühe und
Sorgfalt, die er auf seine Sammlung verwendete, nicht
stücke von Geschirren, Urnen u. s. w.. und zwar Alles nach
der bekannten antiken Form, bewiesen werde. Der Adel und
gemeine Ein- und Anwohner dieses Bereichs kommen nicht
selten in den Besitz interessanter antiker Sachen, welche
unser Doctor, als beliebter Kreisarzt, nicht nur Gelegenheil
und Veranlassung bald zu sehen findet, sondern auch für
13
94 —
seine ärztlichen Bemühungen leicht als Lohn beanspruchen
kann, um sie seiner diessfälligen Collection einzuver-
leiben.
In Vayda-Hunyad waren wir Vormittags zeitig gentig
angekommen, um das auf hohem Kalkfelsen gebaute, derzeit
von Cameralbeamten bewohnte merkwürdige Schloss zu
besichtigen. Eine hohe Brücke mit eisernem Geländer
führt über den Abgrund, wo tief unten die Wellen des Za-
lasder Baches, eines krystallhellon. reissenden Gebirgs-
wassers hinabrauschen, und brachte uns durch ein hohes
Thorgewölbe, unter welchem nach Hohenhausens Behaup-
tung eingemauerte und mich seiner Weise erklärte antike.
mit Basreliefs ausgeschmückte Monumente zu sehen sind, in
das Innere des Schlosses. Hier empfing uns der Administrator
sehr freundlieh und zeigte uns die Anlage und die ganze
Einrichtung des Baues aller Gemächer. Gange. Erker I
Thürme des im XV. Jahrhundert von dem heldenmüthigen
Johannes Munyades. dem Vater des berühmten ungarischen
Königs Matthias Corvinus, errichteten Schlosses. Nachdem
wir mehrere steinerne Stufen emporgestiegen, betraten wir
einen langen Gang mit Rondellen und Erkern. Der Bau
besteht fast ganz, aus Steinmaterial, die einzelnen Theile sind
ungemein fleissig und kunstvoll im gothischen Style ausge-
führt; die Steinart ist ein feinkörniger Sandstein, der in
dichten Grobkalk überzugehen scheint, und wird wohl aus
der nächsten Umgegend herrühren. Her schöne Fussboden
des Ganges ist mit viereckigen, polirten, und rothen Marmor-
platten belegt. Gleich bei dem Eintritte in diesen hohen Gang
bemerkt man auf der ersten oder zweiten Marmorplatte einen
grossen, blank abgeschliffenen Ammoniten (Ammonites Buek-
landi), welcher die obere Jura- oder Oolit- Formation be-
zeichnet und aus dem nachbarlichen Banal oder einem viel-
leicht nahen, uns jetzt nicht mehr bekannten Lager unserer
Beimath entnommen ist. Aus diesem Gange öffnete sich uns
das Portal eines grossen Saales, welcher hoch an den vier
Wänden herum mit Abbildungen ungarischer Könige — von
\ttila angefangen —und siebenbürg. Fürsten ausgeschmückt
war. die jedoch keine geschickte Künstlerhand verriethen,
sondern von denen mehrere wahrhaften Carricaturen glichen,
hoch könnten einzelne Gemälde auch von einem bessern
Meister abstammen; denn im XIV. und XV. Jahrhunderte
kennen wir ausgezeichnete ausländische Maler, welche in
Siebenbürgen arbeiteten; darüber sind zuverlässige Nach-
richten vorhanden, so wie es auch sehr gelungene Kirchen-
und Altargemälde, sogar in den evangelischen sächsischen
Dorfkirchen in unserm Heimathlande beweisen. Unter ihnen
befanden sich seihst inländische nationale Künstler. Aber
hier hat über ilie verblichenen halb erloschenen Portraite der
Dynasten sieh wahrscheinlich ein unberufener Stümper her-
gethan and die Kunstwerke aus Unverstand mit angeübter
Faust verdorben.
Aus dem Forsten- und Königs-Saale oder dessen Por-
trait-Gallerie gelangten wir in verschiedene Abtheilungen,
von denen die Benutzung und der ehemalige Zweck der
Gemächer, wenn auch nur vermuthungsw eise , angedeutet
wurde, in einen sechsseitigen, massiven Thurm. der auf der
westlichen, der entgegengesetzten Seite von dem ostnörd-
lichen, unlängst renovirten und nicht ganz passend, bunt-
scheckig angestrichenen, runden Thurm steht. Der sechs-
seitige Thurm erhebt sich über die Dächer des Schlosses.
W ir stiegen über hölzerne Treppen bis an das Thurmdach
zu den letzten Schussöffnungen. Von diesem Standpunkte
öffnet sich in das mit Dörfern reich besäete Cserna-Thal
eine wunderschöne Aussicht und eine nie gemessene Fern-
sicht bis weit hinüber in die Maros-Ebene, welche westlich
im Hintergrunde von der hohen Kette der Erzgebirge und
den wolkenumflorten Biliarer Alpen begränzt wird. In nörd-
licher Richtung nahmen wir die in Hinsicht der dort begin-
nenden und sicli weit erstreckenden Gosaugebilde noch lange
nicht durchforschte Gegend von Nandor, Klein-Mun-
tschel und Kergesch wahr. Bei Nandor linden sich in
einem Hohlwege sehr viele Beste von Töpferarbeit, die für alt-
römischen Ursprungs gehalten werden, und auf dem Wege
von Hunyad nach Pestesch erscheint ein grosser Theil
des Feldes im schönen Cserna-Thale mit Trümmern alter
Bauwerke, Ziegeln, besonders Dachziegeln, und Scherben
aller Art bedeckt. Dr. Fodor besitzt von dort den aus-
gegrabenen Kopf einer männlichen Statue aus weissem
Marmor in Lebensgrösse, von ausgezeichneter Künstlerhand.
Näher erblicken wir die uns wohlbekannten petrefacten-
reichen Orte von Unter- und Ober-Pest esch; am näch-
sten, fast unter uns westlich, das merkwürdige Rä ko s chd.
mit seinen auffallenden und ominösen, über 15 Zoll grossen
Austern und wunderschön gezeichneten, wie emaillirten.
Neritinen, — vieler anderer schöner t'onchylien nicht zu
gedenken. Und gleich nahe endlich gewahren wir unser
Buitur, den frühesten Fundort und dessen hinter ihm ver-
borgene, von uns entdeckten und oft besuchten wilden und
tiefen Waldgräben, welche immerfort die reichste Ausheule
darboten, wodurch nicht nur der Grund zur eigenen paläon-
tologischen Sammlung gelegt, sondern auch nahmhafte Mii
theilungen an heimische Naturfreunde und au das zu errich-
tende Landesmuseum, dann bedeutende Sendungen nach
Wien. Schönberg, Freiberg im Königreich Sachsen U. 8. w.
bewerkstelligt worden sind.
Nach Erkämpfung der letzten Anhöhe von Oher-S/.ilväs
breitete sich das herrliche Hatzeger Thal vor unseru
Blicken aus: doch bei weite iebt so überraschend schön.
wie von der eingesattelten Berghöhe nächst llatzeg oder
von dem alten Thurm der hohen Kuppe über Varallya. Auch
umsehleierte Qberdiess dermalen die Hatzeger Hochgebirge
und deren erhabenste Spitzen, selbst den Retjesat zum Theil
Nebel I Wolken.
In U nter-Farka diu. der lieblichen Villa desLadislaue
von Nopsa, gewesenen Obergespans des ehemaligen Hu-
nyader Comitates, landen wir die in die Vorderwand jenes
95 —
Altans vor der Villa unter freiem Himmel eingesetzten, zum
Theil eingemauerten und bereits bekannten Statuen, Altäre,
Votivtafeln, Basreliefs u. s. w. noch zwar im Stande, in so
weit sieden Atmosphärilien trotzten oder von denselben litten,
je nach der Beschaffenheit des festern oder minder festen
Marmors, aus dem sie bestehen. Jedenfalls verdienten sie
einen bessern Platz, indem darunter einige der vorzüglich-
sten grossem Inschrift- Tafeln und Werke der Bildhauerei
mit allerlei gehauenen Steinen zu einem Mosaik zusammen-
gewürfelt erscheinen. Viel würdiger, besser beschützt und
auch zweckmässiger zum Anschauen könnten diese wichtigen
Denkmäler der Römerzeit im hohen Säulengange vor dem
Eintritt in den grossen Saal des Gebäudes angebracht werden
und die gegen Mittag gekehrten Aussenwände schmücken. In
dem Verlauf von 1 5 Jahren, seitdem ich diese alten Monu-
mente nicht wieder gesehen, blieben sie leider nicht ohne
Beschädigung.
Dass die walachischen Kirchen zu Zeikfalva (walach.
Streia). Demsus und Ör-Boldogfalva (walach, Sint
Marie) durchaus nicht alt-römischen Ursprungs, wohl aber
zum Theile aus zusammengerafften Bruchstücken zufällig in
der nächsten Umgegend gefundener römischer Säulen. Al-
täre, Marmorplatten u. s. w. aufgeführt worden, dafür sind
evidente Gründe und Beweise vorhanden, auch habe ich
bereits anderwärts mich darüber auszusprechen Gelegenheit
gefunden.
Ausserhalb Demsus, sobald man den Weg nach Varhely
oder Gredistie einschlägt, nimmt ein isolirter Cippus. eine
achtseitige Wegsäule, auf welcher ein Würfel ruht, den
Forscher in Anspruch. Sie ist aus Bruchsteinen zusammen-
gesetzt und mit dem bekannten aus zerschlagenen Ziegel-
stückchen bestehenden Mörtel fest verbunden, nicht aus ge-
hauenen Quadern, wie Hohenhausen angibt; bloss die vier
hohlen Seiten des obern Würfels deuten auf oblonge Stein-
platten, welche vielleicht mit Inschriften und Meilenangabe
versehen waren, die aber herausgehoben und verschleppt
wurden, vielleicht im Grunde der nahen Kirche zu Demsus
liegen.
Varhely, walach. Gredistie, ein armes unansehn-
liches Dorf, im Broser Kreis des Hatzeger Bezirkes, nimmt
den Platz neben und über den weit verbreiteten Trümmern
der ehemaligen Königsstadt Sarmizegethus und nachmaligen
Metropolis zu Ehren Trajans benannten Ulpia Trajana Au-
gusta Dacica ein und ist bloss, weil es von der grössten
römisch -dacischen Buine Siebenbürgens umgeben ist und
seine armseligen Lehm- und Strohhütten auf die wohl noch
manche Schätze verbergenden Trümmerhaufen hinsetzte, zu
seiner Berühmtheit gelangt.
In Gredistie — gebräuchlicher ist der Name sowohl
hei den Ortseinwohnern, als auch unter den Walachen des
Landes überhaupt — finden wir die merkwürdigen, in den
Jahren 1823 und 1832 entdeckten und ausgegrabenen Mo-
saiken, theils mit Erde und Dünger verschüttet, theils gänz-
lich zerstört. Auf den durchaus verwüsteten Stellen, wo
Priamus den Achilles um Hektor's Leiche kniefällig bat, und
wo einst die Gruppe „das l'rtheil des Paris- in dem Schön-
heitsstreite der olympischen Frauen dargestellt war. wuchert
jetzt Gras und wildes Gesträuch, nur hie und dort tritt man
noch zufällig zwischen den Disteln auf farbige zerstreut
und lose liegende Marmorsteinchen. Auch jene Mosaik,
welche von mir entdeckt und unter meinen Augen ausge-
graben wurde, mit der Victoria und den Genien des tita-
nischen Sieges und Triumphes über Dacien, die ich an Ort
und Stelle abzeichnete . ward , wo nicht gänzlich zerstört,
doch mit verderblichem Schutte bedeckt. Eine Fahrstrasse
geht über dieselbe. —
Weiter ergab sich die Wahrnehmung und betrübende
Überzeugung, dass der Sinn für das ehrwürdige Alterthuin
bisher gar nicht geweckt, vielmehr der Zerstörungsgeist aus
Unverstand und Gleichgültigkeit hier noch immer, wie früher,
herrschend ist.
Die vor 15 Jahren im Innern des Amphitheaters an den
runden Wänden und nächst der Arena halbverschütteten
grossen Platten, Sitzstufen. Karniesse, Architrave u. a. in.,
welche sämmtlich aus «lern schönsten salinischen Marmor
gehauen, unsere Aufmerksamkeit und Bewunderung erregten,
sind nicht mehr daselbst vorhanden, vielleicht zu ordinären
Bausteinen verwendet und verschleppt, vielleicht zerschlagen
und verkleinert zu den nahen Kalköfen gebracht und dem
Feuer übergeben worden. Einen vergleichsweise unbedeu-
tenden Gewinn aus dem Brennen des Marmors zu technisch
zwar sehr gesuchtem Kalke ziehend, begehen diese armen
Leute unwissend eine nicht mehr gut zu machende archäo-
logische Sünde, deren Schuld indessen auf Rechnung der
dort hausenden adeligen Besitzer, welche den gebrannten
Kalk abkaufen, und bei denen man doch mehr Bildung und
Sinn für das Alterthuin erwarten kann, zu setzen ist.
Bei unserer Wanderung durch die Gassen des Ortes
verrieth in dem abgelegenen Winkel eines Bauernhofes sieh
unsern spähenden Blicken durch blendende Weisse, ein
Haufwerk in Stücke zerschlagenen Marmors. Wir traten
hinzu. Die mit frischem Bruche zum Kalkbrennen aufge-
häuften Bruchstücke hatte ein unlängst ausgegrabener colos-
saler Säulenschaft, welcher durchschnittlich 28 bis 30 Zoll
mass. hergehen müssen. Einem aus derselben Steinart nach
dem nämlichen Massstabe angefertigten, im Castrum, in der
sogenannten Csetate (walach. Burg oder Festung) liegen-
den römischen Capital, welches vielleicht diesen Säulen-
schaft zierte, steht ein gleiches Schicksal bevor. — Unwill-
kürlich drängt, bei solcher Wahrnehmung, sich die Frage
auf: „Wie kommt es. dass in unserer aufgeklärten Zeit unter
den Adeligen des reizenden Hatzeger Thaies und dieses
classischen Bodens noch kein Verein sich gebildet, wodurch
dem Vandalismus, der fortwährenden Zerstörung' der selten-
sten Alterthümer durch Strafe oder Belohnung, die den
erzielten Erlös aus dein gebrannten Kalke überbietet.
13*
96 —
gesteuert werde? Und warum findet sieb Niemand oder so
selten Einer, der mit Eifer und Sinn an das beantragte
Landesmuseum denkt, um auch in altertümlicher Beziehung
für dessen Ausschmückung aus Siebenbürgens reichster
Fundgrube Sorge zutragen?" Eine rühmliche Ausnahme
machen in dieser Beziehung die edlen Besitzer der Collec-
donen von Gerend, M. Nemeti, Farkadin und Zaam. Die
glücklichen Finder, welche antike Sachen überbringen,
werden von denselben reichlich belohnt und ermuntert, mehr
und weiter zu suchen. Auf diese Weise wurde manches
seltene Altcrthuin erhalten; jüngst erst durch letztern ein
grosses marmornes Piedestal gerettet, auf dem der Rest
zweier mit Sandalen versehener bronzener Füsse in natür-
licher Grösse geblieben; ferner ein kleines Mythras -Relief
aus Carrarischem Marmor, und vorzüglich ein bronzener
stark vergoldeter Junokopf mit dem Diadem, von etwa 4 bis
.'i Zoll tiriis.se und von ausgezeichneter Kunstfertigkeit, der
früheren Menge antiker Gegenstände aus Vürhely nicht zu
gedenken, welche sowohl in Farkadin als auch In Zaam zu
sehen sind; hier wurden auch die zuletzt geretteten auf-
bewahrt.
Mehrere walachische Kinder brachten uns, während
wir in den Gassen Värhely's forschend herumwanderten, ver-
schiedene Münzen von Caracalla, Elagahal, Julia Moesa, Julia
Soaemias und Maximin und boten dieselben zum Kaufe an,
welche wir — obschon von schlechtem Gehalt, wie deren Ur-
bilder, und auch die Umschrift kaum leserlich — zur Aufmun-
terung der Kinder über ihren Werth bezahlten. Desto weither
waren uns die im Castrum selbst von uns aufgefundenen
Gegenstände. Diese bestehen aus verschiedenen Arten drei-,
vier- und sechsseitig geformter, rhomboidal -biseuit — und
Winkelhaken gleich gestalteter, rother Ziegeichen, kaum
'1 Zoll gross, zur Anfertigung einer gröberen, ordinären
Mosaik. Vor anderen zeichnet sich hierbei ein Randstück
mit deutlichem Stempelabdruck von einer grossen, aus feinem
Thone rothgebrannten Amphora aus. welche im Durchmesser,
nach dem gefundenen Segment zu schliessen, wenigstens
18 Zoll, und in ihrer Höhe 25 bis 30 Zoll betragen haben
muss. Die Buchstabenlinien sind radial auf dem starken
Vmphorarande abgedrückt. Sie waren im Stempel regel-
rechl eingeschnitten, erscheinen daher im Abdrucke verkehrt.
Eine ganz vollständig erhaltene, mit faltenreichen lim än-
dern bekleidete weibliche Statue aus weissem Marmor in Le-
bensgrösse, mit Ohrgehängen und Perlenschnur um den Hals,
wovon in der Transilvania I. Bd., 2. Hft. 1833 eine Beschrei-
bung und Abbildung gegeben wurde, wird noch in r bei
Stephan Pogany in Poklisa, so wie sie es verdient, mit Fleiss
besorgt. Zu der damaligen Sammlung von Münzen ist nicht
nur noch eine Anzahl Münzen römischer Kaisei' und Kaiser-
innen von Silber und Grosser/, hinzugekommen, sondern
auch zwei goldene Fingerringe mit geschnittenen Steinen,
ein Intaglio in Carneol, eine n eibliche Figur mit einer Lotus-
blume und ein Intaglio in Onyx mit einer Minerva. —
Eigentümlich war der antiquarische Fund bei einem
diessfälligen Ausflüge in mineralogischer Hinsicht. Feldspath-
kr\ stalle im traehytischen Gebilde hinter dem Devaer Schlosse
zu sammeln. Nachdem ich mit meinem Begleiter bis zur
Mittagstunde viel herumgestiegen und gehämmert, gingen
wir zu einer von den Felsen unfernen schonen Quelle
krystallhellen Wassers hinunter, und als wir hier vergnügt
und zufrieden mit der Mineralienausbeute ausruhten, stieg
urplötzlich über dem Erzgebirge am Goldflusse von den Bi-
liarer Höhen bis zu den Bergen Detunata und Nygrilyaza
eine ausgedehnte dunkle Gewitterwolke wirbelnd auf, die
mit feurigen Blitzen und entsetzlichem Grollen auf Sturmes-
flügeln drohend nahete ; wir sahen uns nach einem Obdache
um. Buchteten in die zerklüfteten Trachytfelsen hinauf in
eine grottenähnliche Vertiefung und warteten das Vorüber-
ziehen des Sturmes ab. Als wir hier nun geschützt sassen
und harrten, fielen meine Blicke auf das vor der Höhle gleich
einem sammtenen Teppiche den graulichen Trachyt über-
ziehende zarte Moos und gewahrten zufällig einen Unter-
schied der grünen Farben ; zwischen dem Hellgrün des
Mooses zeichnete sich ein auffallend malachit-ähnliches, glän-
zendes Grün, der mir wohlbekannte nobilis erugo, aus, und
verrieth, nachdem ich mit dem Hammer das Moos beseitigt,
einen zwischen den Felsenspalten eingeklemmten Frauen-
schmuck, einen bronzenen antiken Ohrring in einer kreis-
rund in sich gekehrten Schlangengestalt.
Während dem erneuerten Ausfluge von Deva in das
Muntscheler Gebirge sahen wir bei Kis-Kalan die Acker
mit Bruchstücken von Ziegeln, vorzüglich Dachziegeln, und
von allerlei Geschirren sparsam überstreut, ferner ein in
der Erde entdecktes römisches Aufgussgewölbe, welches
letztere aus Bruchsteinen mit Kalkmörtel, wie aus einem Stück
bestehend, durch seine Festigkeit der Zeit mehr als ein Jahr-
tausend getrotzt und noch lange Dauer verspricht, falls es
nicht mit Gewalt zerstört wird: endlich sieht mau hier noch
Überbleibsel eines allen römischen Hades. Dasselbe erscheint
in einem daselbst isolirt dastehenden Kalktufffelsen in oval-
runder, beinahe ohr förmiger Gestalt eingetieft und ausge-
hauen. Die Felsart ist von ziemlich dichter und fester Be-
schaffenheit. Der Umfang des Bassins mag 20—28 Schritte
und die Tiefe etwa Hl FusS beiragen, (legen Osten hat das
steinerne Becken einen schmalen Eingang, durch welchen
das Wasser abfliesst, und der an beiden Seiten noch Ein-
schnitte zeigt, um Bretter einzusetzen und das Wasser zum
lladen aufzuschwellen. Die Temperatur des Heilwassers be-
trägt 23 bis 24" It.
Die daneben stellende Itade-Eiiirichlnng von llolziuatc-
rial aus der neuen Zeit, ist dem gänzlichen Verfalle nahe.
Die Besteigung dos Muntscheler Gebirges, auf « elchem
die merkwürdigen Gredistier Schlosstrümmer ruhen, kann
von zwei Seiten, erst nur bis zu den Hütten des kleinen
Dörfchens Neu-Gredistie, nicht ohne Sehn terigkeit und bloss
zu Pferde geschehen: von Norden, auf dem Broser Wasser
97
(Väros-viz) hinauf und von Westen bei Bosorod durch den
Ritider Bach über weitläufige Berge. Wir wählten die west-
liche Seite. Mehrere Edelleute hegleiteten uns; ein aus
19 Pferden bestehender Zug bewegte sich vorwärts; eine
kleine Strecke von Bosorod auf ebenem Pfade bis zum Be-
ginne des Waldes, der rauhen Schluchten und felsigen Ab-
hänge ging es ziemlich rasch, bald aber langsamer, so dass
mehrere Stunden unter Ankämpfimg der oft für Reiter und
Bosse gefahrvollen Steilheit und mühesanier Überwindung
mannigfacher Schwierigkeiten des Pfades verstrichen, bis
endlich der höchste Punkt errungen ward , wo eine schöne
Hochebene besonders Diejenigen überraschte, welche diesen
Pfad zum erstenmal betraten, zumal sie auch eine sehr um-
fangreiche Aussicht über rauhe Felsen -Thäler und wald-
reiche Berge weit rund umher darbot. Die wohlerfahrenen
Edelleute, die uns begleiteten, beschrieben in alterthüm-
licher Hinsicht die von ihnen bei Gelegenheit von Treib-
jagden — auf Bebe, Hirsche, Wölfe, Bären, Luchse und
Wildschweine — oftbesuchten Gegenden und dunkeln
Forste, behauptend, dass in dieser Wildniss beinahe in jeder
Schlucht Mauer- und Dachziegeln und Bruchstücke von Ge-
fässen, und so auch auf den meisten hervorragenden wild-
und dicht-überwachsenen Berggipfeln Mauerüberreste ge-
funden werden. Selbst hier, deutete ein Edelmann, hier
gegenüber in nördlicher Richtung, zwar scheinbar nicht sehr
entfernt, aber doch durch eine ziemliche Strecke der betre-
tenen Hochpläne und dann durch einen tiefen felsigen Ab-
grund von uns getrennt, habe mau auf den Hohen zwischen
alten Buchen and deren Wurzeln weitläufige mit Buschwerk
überwachsene und verborgene Baureste und Grundmauern
wahrgenommen. Diese Wildniss, die einmal bewohnt und
mit Menschen bevölkert gewesen, genauer zu durchfor-
schen, dürfte, nach der Behauptung der Erzähler, kaum drei
bis vier Wochen zureichen; aber dafür, Zeit und Mühe loh-
nend, Manches, was für die früheste Geschichte unseres
alten Daciens wichtig ist, zu Tage fördern. Wir bedauerten,
dass uns dazu nur eine so kurze Zeit zugemessen und ein
grosser Theil derselben durch die Ungunst der Witterung
entzogen worden sei. An der südlichen Abdachung der Hoch-
fläche bemerkten wir mehrere zerstreute, nach Lunkan gehö-
rende Hütten und ein ganz oben auf der Pläne stehendes
kleines Kirchlein, an welchem der Reiterzug dicht vorbei
trabte.
Die wiederholte Besteigung der Ruinen auf dem Mun-
tscheler Gredistie am 12. Juli 1S47 erregte noch immer
eigentümliche Gefühle; aber Vieles ward in den Zeitraum
von zehn Jahren verändert gefunden. Die humusartige Erde,
mit dürren Baumblättern vermischt, hat über der alten Stadt
sich dergestalt angehäuft und war vom Begen erweicht, dass
unsere Bosse an einigen Stellen bis an die Knie watend
hindurchschritten. Nachgrabungen von Berufenen und Un-
berufenen nach Goldschätzen, wie zur Erforschung des
Alterthums haben stattgefunden. Auf allen Seiten sieht man
Löcher und Schanzen, wo gegraben und gesucht, grosse
Quadersteine, die von ihren ursprünglichen Stellen bewegt
und forlgeschoben oder über die nahen Bergabhänge ge-
waltsam weggestürzt worden sind. Der Sturmwind hat nach
seiner Weise gehauset, alte Biesenbiichen niedergeworfen
und die Wege und Stege, welche kaum erkennbar erschei-
nen, fast barricadenmässig verrammelt. Die in einem früheren
Berichte von mir bezeichnete grosse alte Bliebe, welche auf
einer colossalen Porphyrsäule stand unil dieselbe mit ihren
dicken Wurzeln umschlungen hielt, liegt weil hingestreckl
auf dem Boden, dem Moder anheimgefallen. Von diesen Biesen-
buchen haben die meisten 5 — 0 Fuss im Durchmesser und
140 — läO Fuss Länge. Unter diesen Bemerkungen und mit
den über uuserii Reitpfad ausgebreiteten Busehzweigeu käm-
pfend, ritten wir am Teich vorüber bis an die zerfallene
Burgmauer, deren Wälle noch durchaus kenntlich, zum Theil
aber auch noch ganz bis zur Höhe von 6 Fuss erhalten sind
und aus gehauenen Steinen bestehen, welche gegen 2 Fuss lang
und über das Niveau einen Fuss hoch betragen. Sie sind
ohne Mörtel zusammengefügt und bestehen aus einem dichten
festen Grobkalkgebilde mit Fleiss gearbeitet. Die Schloss-
niauer berührt an zwei Seiten, gegen Norden und Süden, den
Thalrand zweier im tiefen Abgrunde rauschender Wild-
bäche, Reu-Alb und Valy-Albe, wo hinab viele Quadersteine
gestürzt worden sind. Der Erdboden erscheint sehr ungleich,
im Ganzen gegen Süden abgedacht, und auch auf derWest-
und Ostseite nicht ohne benützte Terrain-Vertiefungen: nach
der nördlichen Seite erhebt er sich am meisten und höchsten.
Auf der Südseite, wo zwei Säulenschäfte von 21/., Fuss im
Durchmesser aus Syenitporphyr lagen, erkannten wir ein
Thor. Von diesem Thore läuft die Mauer, dem sieh nordlieh
wendenden Thalgrunde folgend, 90 Schritt weit bis zu einer
Vertiefung, in welcher grosse behauene Steine liegen, und
wo ein Keller oder Thurm gewesen zu sein scheint, in
welchem bei den Schatzgräbereien. nach Aussage der auw e-
senden Leute, Menschenknochen und massive eiserne Ketten
gefunden worden sind. Hier scheint auch ein östliches Thor
gewesen zu sein; die Stadtmauer aber zieht sich 200 Schritte
nördlich bis zum Thalrande des Valya-Albe, dem sie dann
westlich folgt. An demselben linden sieh die Reste eines
festen Thurmes, von wo die Mauer noch weiter dein nörd-
lichen Thalrande folgt, so dass dieser Theil derselben
344— 3S0 Schritte beträgt; von hier, wo sie diesen Thal-
rand verlässt, geht sie südwestlich 300 Schritte bis zu dem
Eingänge des Reit- und Fusspfades, auf dem wir gekommen
waren. Von diesem muthmasslichen Thore bis zu dem oben
erwähnten, mit den beiden Syenitsäuleu. sind noch 344 bis
350. also im Ganzen beiläufig 1280 bis 1290 Sehritte. Die
Ermittelung der Strassen und Häuser ist durch planlose,
unverständige Nachgrabungen, besonders der kopflosen
Schatzgräbereien kaum mehr möglich. Südwestlich. 200
Schritte weit von diesem Thore. bemerkt man ein weitläu-
figes Mauerwerk, das ein Zickzack , von Quadersteinen in
- 98
einer Höhe von 1 Fuss und gegen 6 Zoll ohne Mörtel, bildet.
Die inneren Mauern bestehen aus Bruchsteinen. Vor dem
zuvor erwähnten östlichen Thore in der Verlängerung des
Eingangthores 200 Schritte entfernt, liegen viele behauene
Steine und Substruetionen von Gebäuden, woselbst ein
3 Fuss hoher, 2 Fuss breiter Stein gefunden ward, auf
welchem in Relief ein Mann mit der Lanze in der linken
Hand auf eine unter ihm liegende kleinere Menschengestalt
tritt, beide sind unbekleidet; ferner ein3l/2 Fuss langer und
l3/4 Fuss hoher Marmorstein, mit zwei bärtigen Köpfen, über
welchen eine verzierte Tafel, die mehrere Arten von Dolchen
oder geraden und krummen Messern, nebst zwei Rosetten
enthält: endlich auch ein Altar von Marmor, ohne Inschrift.
Bei der. mehrere Schritte östlich von hier sprudelnden Quelle
lag ein kleinerer Altar, auch ohne Inschrift, aus Syenitpor-
phyr. Von hier 70 Schritte nordöstlich, findet sich ein Circus
von 90 Fuss im Durchschnitt. Hingeben von einer 2'/2 Fuss
dicken Mauer von behauenen Steinen, so dass dessen Umfang
1 1 j Schritte hält. An dieser Mauer stehen inwendig 4 Fuss
hohe, 7 Zoll im Quadrat haltende Steine, welche 5 Zoll von
einander entfernt sind. .Mittelst Nachgrabung ward gefunden.
dass die Arena nicht gepflastert gewesen ist. Von hier
80 Schritte südöstlich bemerkten wir am Abhänge des Berges
Heu-Albe einen grossen Bau von gehauenen Quadern, wie
bei der Stadtmauer: so auch vom Circus 80 Schritte nord-
östlich entfernt, einen ähnlichen Bau. bei welchem zwei
Säulenschäfte von zwei Fuss Durchmesser aus Syenitporphyr
liegen.
Südöstlich, unterhalb des erwähnten südlichen Thores,
nächst dem auch schon erwähnten Mauerwerke liegen viele
Quadersteine zerstreut und einige Porphyrsäulen, dabei auch
2 — 7 Fuss im Durchmesserhaltende flach-rundeSteine. Eben
sii wurde auch hier eine 1 1 /4 Fuss breite Marmorplatte ge-
funden, aul welcher eine männliche Gestalt kenntlich ist, deren
Beine in roher Arbeil rollendet, deren Oberkörpertheil erst
angefangen ist. Mehrere Schritte innerhalb des oben erwähn-
ten östlichen Thores lag eine ovale Badewanne, von Syenit-
porphyr angefertigt. Sie ist im Lichten 3 Fuss breit. &i/s Fuss
lang und 2 Fuss I Zoll tief, die Kieke beträgt 7 Zoll; sie
ist inwendig spiegelglatt geschliffen und polirt, aber von
rohen Besuchern schon sehr beschädigt worden.
Bei den oben hrerwähnten Bauwerken ergab die
Ausgrabung häufig stark gebrannte Mauerziegeln von ver-
schiedenen Grössen nn Quadrate, meist viel dicker als die
gewöhnlichen, dagegen wurden die überall zerstreuten Dach-
ein dünner als die gewöhnlichen römischen befunden.
Auf allen Seiten unterhalb der Stadtmauer , so wie bei den
übrigen angegebenen Bauwerken liegen Quadersteine zer-
streut, theils von der Stadtmauer herabgestürzt, theils zu
anderen Bauwerken der Umgebung gehörig. Mehrere von
diesen Quadersteinen sind mit i> Zoll breiten, 15 ZoU tiefen
Rinnen versehen; auch finden aich, ausser den vielen Frag-
menten von Thongefassen, Bruchstücke von Hinnen aas
gebranntem Thone, 1 Zoll stark. 1 Fuss K Zoll im Durch-
messer.
Auffallend ist es . von jenen im Archiv für siebenbürg.
Landeskunde (lid.I. Heft 2, S. 22 v. J. 1844) mit griechi-
schen Buchstaben bezeichneten Quadersteinen nichts mehr
zu linden; dass indessen, was tausend Jahre sich erhielt.
zehn Jahre nicht auslöschen konnten ohne gewaltsames Ein-
wirken. ist klar. Viele Gegenstände, vorzüglich zierlich be-
hauene und mit Inschriften versehene Steine, wurden mühsam
vom hohen Berge nach Bros und in andere Orte geschleppt,
wozu die Anwohner und Bauern der nächsten Dörfer im
Robotdienste ohne Bezahlung gezwungen wurden. Dem zu
entgehen stürzten sie. um sich von einer schweren Last zu
befreien, vielleicht alle irgend bezeichneten Steine über die
Thalränder in den Beu-Albe und Valye-Albe hinunter, welches
ihnen leichter zu bewerkstelligen scheinen mochte, als der
beschwerliche Transport vom Gebirge herab über reissende
Hohwässer in entfernte Orte. Durch diesen unvorsichtigen
Transport-Zwang sind leider viele wichtige Inschriften auf
marmornen Tafeln und Altären zerstört und unersetzlich
verloren gegangen . wovon im Hatzeger Thale noch die
Spuren wahrnehmbar sind.
Zur besseren Übersicht folgt beiliegend eine Übersicht
von den Überresten derAkropolis und der alten Stadt
auf dem Muntscheler Gredistie, woselbst den 1 1. bis 14. Juli
1847 Ausgrabungen und Forschungen stattfanden. Darunter
befindet sich:
a) Die Stelle, wo die Stadtmauer an eine mit behaue-
nen Quadern und mit einer breiten massiven Porphyrtafel
gefüllten Vertiefung stösst. und wo früher, nach Aussage
der nächsten Ortsanwohner, menschliche Gebeine mit schwe-
ren eisernen Ketten gefunden worden sind. Von dieser Ver-
tiefung bis an den Rand des Reu -Albe beträgt die Länge
250 Schritte.
I> ) Eine Ecke der Stadtmauer, welche an den hohen
Thailand reicht und deren schwindelnder Abhang den in
den Abgrund Hinblickenden mit Grauen erfüllt.
<■) Das südliche Thor der Stadt mit den beiden Porphyr-
säulen.
il ) Das Thor von der Westseite (nordwestlich), von wo
wir heraufstiegen.
,-) Eine Ecke der Stadtmauer. WO dieselbe an den
Thalrand des Valye-Albe stösst.
ff Der Ort, wo die tiefe Grube, der grössere inschrift-
leere Utarstein und eine Anzahl grosser Quadersteine, dann
eine Steinplatte mit halberhabenen, aber durch den Zahn der
Zeit sehr beschädigten Figuren, endlich ein grosser Würfel.
bestehend au- ziemlich festem Grobkalk, worauf sich vier
dolchartige Opfermesser von verschiedener Grosse in Basrelief
befinden.
il I Der Circus.
h ) Ein Bau mit grossen Quadersteinen.
i) Das Theater.
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k) Eine Tempelruine mit Säulen.
I) Badewanne aus Syenitporphyr.
m) Das Bad.
n) Der Teich, welcher, wie erzählt wird, mit breiten
Steinplatten gepflastert sein soll, aber gegenwärtig ver-
sumpft, durchaus mit Rohr und Hydrophyten aller Art über-
wachsen ist.
oj Platz der Hütte, die man aus Baumästen und belaub-
ten Zweigen für die Alterthumsforscher errichtet hatte.
Während wir am 12. bis 14. Juli 1847 unter dem
Godian auf dem waldreichen Muntscheler Gebirge in den
Trümmern der alten unbekannten Stadt hoch oben unsere
Forschungen anstellten, hatte, durch unsern Eifer angeregt,
der Waldschafl'er unten, eine Meile nordöstlich vom neuen
Dörfchen Gredistie auf der rechten Seite des Stadtwassers
(Väros vi'z), an einer von Kalkfelsen überragten Berglehne,
Sub Kunun oder Sub Piatra, wo gleichfalls weitläufige
Trümmer einer alten Stadt liegen, auch Nachgrabungen ver-
anstaltet, die mit glücklichem Erfolge gekrönt wurden. Das
Ergebniss bestand in 500 silbernen altrömischen Denaren,
welche ungemein gut erhalten und von denen die meisten
von so scharfem Gepräge waren, als wenn sie erst unter dem
Stempel hervorgegangen wären. Auch sind dieselben wie
von einem Numismatiker, beinahe in ununterbrochener chro-
nologischer Folge, von dem ersten der Cäsaren bis auf Trajan
gesammelt. Die Prägen von Vespasian, Titus und Domitian
kommen indessen am zahlreichsten vor. Bei der , wegen
Kürze der Zeit, nur sehr flüchtigen Betrachtung der einzel-
nen Stücke fand ich nachfolgende Exemplare: Consular-
und Familien-Münzen aus der Zeit der römischen Republiki 48 :
von Julius Cäsar 15; von Octavianus Augustus 10; von
Antonius und Lepidus 2; von Tiberius 3; von der Agrip-
pina 2; von Germanicus 4; von Agrippa 3; von Cajus
(Caligula)ltj; von Claudius 4; vonTitus69; von Domitian 109:
von Nerval 5 ; von Trajan 2. Merkwürdig erscheint es, dass von
Trajan bloss zwei Münzen vorkommen, und auch diese aus
der ersten Zeit seiner Thronbesteigung, da er noch nicht
Dacicus, bloss Germanicus genannt wurde. Eine bedeutende
Anzahl interessanter Kehrseiten entging selbst dem flüchtig-
sten Beschauer dieser Münzen nicht. Auch die Sculpturen:
vom Standpunkte der plastischen Kunst betrachtet, sind aus-
gezeichnet und werthvoll zu nennen. So mehrere Familien-
Münzen und vorzugsweise die Revers von einem Nerva mit
der Venus Callipygos, mit der sogenannten Venus des Cleo-
menes übereinstimmend.
Noch muss bemerkt werden, dass der zierliche Altar
mit einer Inschrift, welcher auch hier in diesem Bereich
an der Sonnenlehne im Valye Aniesche gefunden ward, und
nach dem Wunsche des Fürsten Lobkowitz, welcher damals
die siebenbürgischen Bergwerke besuchte, nach Wien beför-
dert werden sollte, durch dessen mittlerweile erfolgten Tod
aber nur bis Bros gebracht wurde, hier bei dem Eisenhändler
Friedrich Aker , wenn man durch dessen Gassenthor in den
Hofraum tritt, links an einem äussern in die Augen fallenden
Eck des Wohngebäudes halb eingemauert zu sehen ist. Ich
verglich nochmals die Inschrift mit der bereits veröffentlich-
ten und fand Abweichungen von der Urschrift, daher die-
selbe nochmals treu und genau aufgenommen und hier bei-
gefügt wird.
VICTORIA
AVG PBOSA
LVTE IMP
ANTONINI
AVG M SA
TIVS PRIS
CVS LEGSvS
P1VS . PR . PR.
Der gegenwärtige Ausflug führte ferner auf dem Rück-
wege zur Entdeckung eines bis jetzt noch nicht bekannten
römischen Castrums , zwischen Fei- und Also - Värosviz
(Orastiora und Orastia Biakuluj) am linken Flussufer des
Orastiare (Stadtwasser). Drei Seiten der ausgemauerten
Wälle des militärischen Standlagers sind deutlich erkennbar;
die östliche vierte Seite hat der Fluss weggerissen. In der
Umgegend, auch ausser den Mauern des Lagers, findet man
häufige Spuren von Grundmauern, so auch eine Menge Bruch-
stücke von Ziegeln , Gefässen u. s. w.
Die dermalige archäologische Excursion ward endlich
mit dem Besuche des römischen oder vielleicht noch alt-
dacischen, wahrscheinlich von beiden Völkern benützten Stein-
bruches, der, wie bereits oben erwähnt, während des Aus-
fluges in das Hatzeger Thal unsere Aufmerksamkeit erregte,
beschlossen. Südlich von Deva, kaum eine Stunde entfernt,
bildet er einen mächtigen isolirten Stock Trachytporphyrs
von lichtgrauer oder röthlichweisser. homogener Grundmasse,
welche sich durch grosse Zähigkeit. Dichtigkeit und Härte
auszeichnet und an einigen Punkten fast in ein syenitähn-
liches Gestein überzugehen scheint. Der Fels mag wohl, als
ein verborgener Zweig und Ausläufer, mit den bei Deva und
hinter diesem Schlosse emporgehobenen Trachytgruppen im
Zusammenhang stehen. Noch liegen theils tief unten, wo
ein kleiner Bach vorbeifliesst, am Fusse des Stockes von
Menschenhänden abgelöste ungeheure Massen und Blöcke.
theils auch ganz oben mehrere angefangene und bloss halb
ausgehauene riesige Quadersteine, Säulen, Platten u. dergl.
Ich denke kaum zu irren, wenn ich dafür halte, dass auf der
hohen Akropolis des Muntscheler Gebirges einige ähnliche
grosse Platten und Tafeln und Altäre sich linden . n eiche
in diesem Steinbruche angefertigt und hinauf transportirt
worden sind.
184S.
Der bisherigen Gewohnheit und gestellten Aufgabe,
jährlich eine grössere Reise in wissenschaftlicher Hinsicht
nach irgend einer Richtung des Vaterlandes zu unternehmen,
konnte in diesem Jahre wegen der bedenklichen und gefahr-
drohenden Zeitumstände nicht Genüge geleistet werden , und
100 —
durfte sich bloss auf kleinere Ausflüge der nächsten Umgebung
beschränken. Aber seihst von diesen wäre fast einer von unan-
genehmen Folgen für den Alterthumsforscher gewesen, und
derselbe war sein- nahe daran, mit seinen Begleitern als poli-
tisch verdächtiger Herumschleicher gebunden, von den mit
S|iie>»sen bewaffneten l'nplakern nach Hermannstadt deportirt
zu werden. Längst schon nahm ich mir vor, die Koste einer
zwischen Poplaka (Gunzendorf) und Resinaer (Städter-
dorf) auf hohem Gebirgsabhange ruhenden Burgveste aufzu-
suchen. Indessen verdrängten bisher immer noch die ent-
fernteren beschwerlicheren Excursionen die nahen und leich-
teren, und so blieb lange das nächst vor Augen Liegende,
wie es ja häutig im Leben zu geschehen pflegt, unbeachtet
oder aufgespart und unerforscht bis gegen Ende August
obigen Jahres.
Der Weg führt von Hamersdorf neben Hermannstadt,
die Josephs-Vorstadt im Cibinthal, an dem von Giorareu bis
zur Stadt herabkommenden alten, theilweise zerstörten Canale
hinauf in zwei Stunden bis an das Steppendorfer Eichen-
wäldchen. Von diesem wendet sich der Weg links in den
Thalgrund, der uns nach halbstündiger Frist nach Poplaka
brachte. Weiter ist der Weg, besonders im Gebirge, das
nahe am Orte beginnt, nicht mehr fahrbar. Desshalb wurde
inmitten des Ortes angehalten, und sogleich in Begleitung
meines Sohnes nach der angedeuteten buschigen Berg-
höhe rüstig hinangestiegen. Doch würden wir den Punkt
unserer Forschung, durch eine dichte Waldung, tiefe
Schluchten und durch häufig sich durchkreuzende Ge-
birgspfade irre geführt, nur mühsam gefunden haben.
hatten uns nicht aus dem Walde heimkehrende, der Ge-
gend kundige Ortsbewohner zurecht gewiesen und bis zur
gesuchten Stelle begleitet. Wir standen jetzt auf den bei-
läufig dritthalb Stunden von Ilerinannstadt entfernten Über-
resten der hohen luftigen Burg, einem Alpenzweig und Aus-
läufer, welcher sich vom Jesur, dem Cibinsursprung , bis
nach Ilerinannstadt herunter in mannigfachen Biegungen
erstreckt und den obern aufgethürmten Stadttheil an der
Stirne trägt. Die Burg liegt, wie gesagt, zwischen Poplaka
und Hev inaer. doch näher an und hoch über letzteren Ort
und auch auf dessen Gebiet. Von den Burgüberresten hat.
ausser den l'uivv alluiigen. den vielen Gruben, runden und
ovalen Vertiefungen, woselbst die Wohnungen gestanden
haben mögen, äusserst wenig sich erhalten. Die gegen Mit-
tag merklich geneigte (ir Itläehe bildet eine lange, inmitten
stark zosammengepresste elliptische Figur, deren südliche
Längsseite gegen Resinaer und deren nördliche gegen
Poplaka gekehrt sind. Hier ist die Umwallung noch ziem-
lich hoch und mit tiefen in den Thonschiefer eingesenkten
Gräben, 'aber mit moosigem Wurzelwerk durchzogen und
mit kräftigen Eichenstämmen überwachsen, ganz, deutlich zu
wellen. Auf der entgegengesetzten Seite und au >\r\- öst-
lichen Spitze, die wegen ausserordentlicher Steilheil uner-
steigbar erscheint, ist die Umwallung verschwunden. Die
bedeutende Höhe des schroffen zerklüfteten Thonschieloi -
gebildes mag von dem Spiegel des unten rauschenden Ge-
birgsw assers gegen 3000 FuSS messen. Am w estlichen Schei-
telpunkt der Ellipse der verfallenen Schlossruine erhebt
sich eine über vierzig FuSS ansteigende runde Erhöhung,
woselbst ein mächtiger runder Wach- oder Wartthunn
gestanden zu haben scheint. Von Mörtel und Mauerwerk
sind nur wenige Spuren zurückgeblieben. Aber von drei-
facher, starker und hoher Umwallung wurde der Kopf der
Festung von dieser westlichen Seite geschützt. Der Umfang
der ganzen Burg misst über 1200 Schritte und die Breite
70 bis 80 Schritte. Innerlich sind zwei parallel laufende
Reihen Vertiefungen und Gruben erkennbar. Die oberste
Reihe zählt 2(>. die untere bloss 20. Am umfangreichsten
und tiefsten sind die an den beiden Enden sichtbaren.
Da dieser Gebirgsabhang fast ganz aus Urthonschiefer,
der bloss hie und dort dem Glimmerschiefer sich nähert und
seilen in ihm übergeht, zusammengesetzt ist, so konnten
wegen der milden Beschaffenheit der Felsart sehr leicht in
dieselbe geräumige und wohnliche Behausungen gehauen,
eingetieft und zur Aufnahme sowie als Zufluchtsort vieler
Menschen eingerichtet werden. Die schützenden Wohnhüt-
ten des Asyles sind hingst verschwunden, zerbröckeltes Fels-
geröll, mit dünnem Gras und üppigem Moose überwuchert.
erfüllt die Gruben und deutet leise noch auf ihre Stellen bin.
Nur die mächtigen äussern Wälle und Bollwerke sind noch
ziemlich gut erhalten, ein sprechender Beweis von Anstren-
gung und Kraft rüstiger Menschenhände Nachdem wir die
Lage nach der Himmelsgegend mit Hilfe der Magnetnadel
untersucht und bestimmt, den Einfang Umschriften und genau
bezeichnet hallen, forschten wir über den Ursprung der
vorliegenden iVstung. Das licsultat der Untersuchung ist
im „Satelliten," dem Beiblatte der Krönst. Zeitung Nr. 12,
13 und 14. LS50. veröffentlicht worden.
1849.
Ein durch anarchische Zerwürfnisse trauriges, für man-
che vorhandene und gesammelte Alterthünier Siebenbürgens
höchst verderbliches Jahr. Hirnloser und blinder Aufruhr.
Raub und Zerstörung bezeichneten dasselbe. So wurde die
bedeutende Sammlung der merkwürdigsten Alterthümer zu
Luv ed ein Opfer damaliger Volkswuth. und ebenso wurde
auch dasjenige, was Oral' Kemeny seit vielen Jahren mit
Vorliebe, Eifer und mit grossen Auslagen aus der archäologi-
schen lülerwell unseres \ alerlandes gesammelt, zu Gerend
theils eniw endet, Iheils vernichtet, so namentlich 4ihio Stücke
römischer Münzen, welche auf dem linden der einstigen römi-
schen Stadt Salinae, dem heutigen Thornburg, seit den
letzten ;ii> .lahren nach und nach ausgegraben und gefunden
w orden sind.
Die prachtrollen Gebäude des Grafen Gyulai in Maros-
Nemcti und des Ladislaus voii Noptsa in Zaam, deren Villen
101 —
und schöne Lustgärten mit marmornen antiken Statuen, Bas-
reliefs, Inschrift-Altären u. m. A. luxuriös ausgeschmückt
waren, haben eine beklagenswürdige, besonders aber des
Letztern eine gänzliche Zerstörung erlitten.
Manche beginnende und erfreulich wachsende archäo-
logische Sammlung , wie z. B. jene des evangelischen
Gymnasiums in Schässburg, ward von den Bebellen beraubt
und zerstreut; manches kostbare Denkmal, z. B. wie jenes
von Georg Apaffi, dem Vater des siebenbürgischen Fürsten
Michael Apaffi, in Malemkrog ward schmählich ver-
stümmelt.
Nach solchen thatsacb.licb.en Vorgängen und durch die
täglich immer häufiger sich wiederholenden Gerüchte von
fiaub, Brand und Zerstörung musste ich besorgt werden
um meine eigene archäologische Sammlung, die ich mit einer
gewissen Vorliebe, nicht ohne Aufopferung und Kostenauf-
wand seit mehr als vierzig Jahren rastlos zusammengebracht,
und die dadurch mir lieb und besonders auch in geschicht-
licher Hinsicht werth und theuer geworden ist. Was war zu
thun? Meine antike, besonders numismatische Sammlung,
gegen 2000 altrömische und griechische , grösstenteils
silberne Münzen, dazu noch die reichsten und kostbarsten
Gold- und Silberstufen, wurden, dem treuen Schoosse der
Erde vertrauend, bei Nacht und Nebel von mir selbst im
Hausgarten vergraben. Nicht selten kam ich nun aber dadurch
bei dem häufigen Zuspruch der Insurgenten auf dem Pfarr-
hofe manchmal in nicht geringe Verlegenheit, indem meh-
rere von den Anführern der Bebellen von meinen Collectionen
wussten oder gehört , einige von ihnen dieselben wohl auch
gesehen hatten. Diesen gestand ich bei der Nachfrage wegen
meiner „hübschen Sammlung," dass ich die Alterthümer,
aus Besorgniss, dieselben könnten in dieser unfriedlichen
Zeit leicht Schaden leiden, vergraben habe, ohne übrigens
den Ort der Beerdigung selbst genau zu bestimmen.
In dieser höchst bedenklichen Zeit erfreute nichts-
destoweniger sieh mein Museum eines nicht unbedeutenden
Zuwachses: erstlich erhielt ich aus den Trancheen und von
den aufgeworfenen Bedouten während der Belagerung von
Karlsburg durch einen Insurgenten - Officier eine Anzahl
dort ausgegrabener und gefundener römischer Bronze- und
Silbermünzen von den Antoninen , von Severus Alexander,
Maximinus, Gordianus, Philippus u. m. A. Von dem altern
Philippus befindet sich sogar dabei eine Münze mit PRO V1NCIA
DACIA A. I. und mit der V. und XIII. Legion auf Fahnen,
daneben mit dem Adler, der einen Kranz im Schnabel hält,
und mit den Löwen bezeichnet und in Dacien geprägt. Einen
zweiten Zuwachs erhielt mein Cabinet durch den Ankauf
von drei aus Gyps ungemein kunstvoll angefertigten eilf
Zoll hohen Statuetten in altsächsischer Tracht, einen ehr-
würdigen Mann mit vollem Barte, mit der sächsischen Toga
bekleidet, vorstellend, dann eine ältere Matrone und eine
jüngere Frau, beide in Feierkleidern und mit altem gedie-
genen sächsischen Schmuck reich decorirt.
In Folge des bedauerungswürdigen Schicksals des gelehr-
ten und patriotischen Benigni von Mildenberg's — er wurde
nämlich durch die Bebellen während Hermannstadts bekla-
genswerther Einnahme ermordet — ward ein Theil seiner
wissenschaftlichen Hinterlassenschaft an den Meistbietenden
veräussert. Da ich nun wusste , dass Benigni ein grosser
Freund der Alterthumskunde so wie der Wissenschaft über-
haupt gewesen, und viel Alterthümliches in Siebenbürgen
gesammelt und wirklich besass , so trachtete ich dasselbe
nebst anderm werthvollen oryktognostischen Vorrathe, haupt-
sächlich die antiken bronzenen Statuetten — römische und
ägyptische Hausgötter, Laren und Penaten und andere
Figuren — vermittelst Ankauf zu behaupten, damit dieselben
nicht in uneingeweihte Hände gerathen sollten und wieder
zerstreut würden. Die vorhandenen sechs Hausgötter stellen
vor: 1) einen 7 Zoll hohen Kronos mit der Sense in der
rechten Hand, kahlköpfig und langbärtig, unbekleidet, bloss
mit einem schmalen Gewände um den linken Arm gewunden
und mit der Hand haltend ; 2) einen 3 Zoll hohen Neptun
mit langem Barte, unbekleidet, mit der linken Hand einen
Delphin anfassend und mit dem rechten Fusse auf den Kopf
des Delphins tretend ; 3) ein männliches unbekleidetes 3 Zoll
grosses Götzenbild mit dem Widderkopf; 4) ein ähnliches
unbekleidetes 3 '/o Zoll grosses mit dem Sperberkopf; 5) einen
2y3 Zoll grossen nackten Knaben, wahrscheinlich den aufdaei-
schen Inschriftsteinen vorkommenden Bonvs pver PHOSpnoRvs
darstellend; 6) einen 2'/3 Zoll grossen bärtigen Flussgott in
halb liegender Stellung, den rechten Arm um eine Urne
geschlungen. Die andern noch übrigen Figuren stellen vor:
7) einen 3 Zoll grossen Imperator in voller Büstung mit
Helm und Panzer, die rechte Hand hoch an einer Lanze hal-
tend, die abgebrochen ist, die linke Hand am Parazonium;
8) einen 31/» Zoll grossen, gehelmten römischen Legionär
im Waffenrock , mit verstümmelten Händen und Füssen ;
9) eine 4 Zoll grosse ägyptische Mumie mit Hieroglyphen,
aus gebrannter Erde, von grünner Glasur überzogen, deren
unterer Theil verstümmelt ist; 10) ein Bruchstück von einem
rothgefleckten sehr schönen Marmor, dessen blank geschlif-
fene Fläche noch den geringen Best einer griechischen
Inschrift
A
NEr'AAES
ir'
mit fast über zollgrossen Buchstaben enthält.
lSSO.
Die bösen Folgen der verderblichen Schule des ver-
flossenen turbulenten Jahres verpflanzten sich weiter auch
auf das nächstfolgende Jahr. Zu Anfang August dieses Jah-
res ward durch das k. k. provisorische Strafgericht in Maros-
Väsurhely ein Verzeichniss der aus dem reformirten Col-
legium zu l'dvärhely entwendeten Gold-. Silber- und
Kupfermünzen durch die Zeitungen veröffentlicht.
14
102
Darunter befanden sich 12 Stücke von Gold, 182 aus
Silber und 83 von Kupfer oder von Bronze, zusammen 277
Stück Münzen , wobei ein grosser Tlieil altgriechischer und
altrömiscbrr Münzen vorkommt, deren einige auch wohl von
bedeutendein Worthe und grosser Seltenheit gewesen sein
mochten; da aber die Beschreibung derselben nicht von
einem sachverwandten Kenner verfasst worden ist, so lässt
sieb darüber nicht viel entscheiden. So viel scheint indessen
unläugbar, dass sie zum Tbeil dem Zeiträume 330 Jahre vor
Chr. Geb. und zum Tbeil 400 Jahre nach Chr. Geb. anheim-
fallen; in die Zeit Alexander des Grossen und in die Zeit
der römischen Republik, und dann in die viel späteren Zeit-
perioden der (Konstantine. Auffallend erscheint es, dass ersterc
und die letzteren so häufig in Siebenbürgen ausgegraben und
gefunden werden : denn ich bin versichert, dass auch diese
antiken Münzen in der Umgebung von l'dvärhcly, wie früher
häufig und auch erst jüngst gefunden worden sind. Beson-
ders zahlreich erscheinen die kleinen Kupfermünzen. Von
den letzteren zählte die Collection 10 Stücke von Constanti-
nus M., 20 St. von Constantius, Constans, Valens u. s. w.
1851.
Bei dem Strassenbaue in der frühern Zarander Gespan-
schaft, in dem dermaligen Broser Kreise des Halmagyer Be-
zirkes , wurden von den daselbst beschäftigten Arbeitern
nächst dem Orte Guravoy 52 Stück kleine altgriechische
Silbermünzen nebst noch einigen anderen Gegenständen, auch
von Silber, entdeckt. Die Münzen .stammen, ohne Ausnahme
sämmtlich von Apollonia an der illyrischen Meeresküste. Es
sind nachfolgende:
1. Die Präge der Vorderseite stellt das gewöhnliche
Colonialzeichen, die Kuh ein Kalb säugend, vor. Die Kuh
ist links gekehrt, oben steht: EENOKAES.
Auf der Rückseite bekommt das Quadrat (Hosti AlciuniJ
durch die eingebogenen Seiten vier spitzige Winkel mit der
Umschrift: A1IOA XAIPHMOS.
Die übrigen Münzen zeigen alle denselben Typus und
bloss hinsichtlich der Magistratsnamen einige Verschieden-
heit, deren 20 Varianten hier folgen :
2. APIZTÖN ) ( . . Nf>S
3. . . KPATH2) ( . . KS2NOS
4. «MAETIßN) (<I>IA . .
5. IKHN) ( . . BOTAOV
6. KAAAHX) (IIEAAI . .
7. . . MENI2K02 ( . . .
8. . . IMHN) (AAMO . .
9. MENOKA . . ) (KAIPHN02
10. TIMHN) (AAM . . OS
11. ATS . . ) (NIKOT . .
12. riAPMENISK) ( .
13. . . IAAAS) («MAISTIQNOS
14. <I'A VAPKO) (ATSA . .
15. . . SMOS) (KAAAIS . .
16. ATSAN) (N1KOTEAEOS
17. SSJSIKPATHS) ( . . KJ}\OS
18. N1KANAPOS) (ANAP . .
19. MOSKIAOS) ( . . .
20. ... ) (1IEAA10S.
Die nachfolgenden 32 übrigens ähnlichen oder ganz
gleichen Münzen zeigten entweder dieselben Magistratsnamen
oder waren nur schwer erkennbar, oft auch ganz unleserlich.
Die anderen , mit den Münzen zugleich gefundenen
Gegenstände bestehen theils aus einem mittelniässig gros-
sen, mit drei daran gereihten 1 s/4 Zoll langen spitzigen Stif-
ten, welcher beweglich und Ohrgehängen nicht unähnlich,
kunstvoll zusammengeflochten und nirgends gelöthet ist,
theils aus mehreren Bruchstücken einer schmalen gleichfalls
künstlich geflochtenen Kette. Alles ist aus dem feinsten Sil-
ber gearbeitet.
Beinahe um die nämliche Zeit dieses Jahres wurden
auch in Oläh-Pian auf dem nahen Berge des sogenannten
Tekenyel von einer Goldwäscherin 50 Stück kleine grie-
chische Silbei münzen von Apollonia und Dyrrhachium gefun-
den, von welchen ich sieben Stücke für meine Sammlung
ankaufte. Die typische Präge der Münzen ist dieselbe, nur
mit dem Unterschiede, dass die Kuh, welche das Kalb säugt,
auf den apollonischen Münzen meist links und auf den dyr-
rhachenischen rechts gekehrt erscheint. Noch ist zu bemer-
ken, dass auch bei diesen Münzen eine häufige Abwechslung
der Magistratsnamen obwaltet.
Bei demselben Goldseiffenworke in Oläh-Pian trifft
man nicht selten noch fortwährend auf alte römische Pingen
und Goldwäschereien, woselbst nicht nur römisches und
griechisches antikes Silbergeld, sondern auch altes Werk-
zeug und alte Schmucksachen, unlängstsogar eine sehr schöne
goldene Busennadel gefunden worden ist. Letztere gelangte in
den Besitz eines in diesem Jahre dort provisorisch fungiren-
den k. k. Beamten Karl Knöpfler.
In dem Archive für Kunde österreichischer Geschichts-
quellen, Bd. 9, S. 164, 1S53. linde ich meinen derzeitigen
Wohnort, Hamersdorf, von Hermannstadt irriger Weise doch
gar zu weit entfernt versetzt. Derselbe liegt, bloss durch
den Cihinfluss getrennt, nahe an der Hauptstadt Siebenbür-
gens, im Hermannstädter Kreise und Bezirke.
Zu den übrigens treuen tagahen bemerke und ergänze
ich nur, dass nach den in diesem Jahre erfolgten grossen
Wassorllutlion noch einige antike interessante Gegenstände
gefunden worden sind, und zwar: 1. Meinen', theils ganze
Handmühlen, theils Bruchstücke ?on denselben, gewöhnlich
aus Basalt, seltener aus Porphyr. Die Handmühlen bestehen
aus zwei Theilen, der obere Stein ist convex, der untere
coneav. und beide in einander passend, inmitten durchbrn-
rlini für eine eiserne Stange, um die Mahle in Gang zu
bringen. 2. Kinderspielereien aus gebranntem Thone; leicht-
fertige Arbeilen, wie die Sache an sieb, doch immerhin
103 —
Staunenswertes: kleinwinzige Geschirre, Schalchen, Schüs-
selchen, Flaschchen, ein 1 Zoll grosser Bär oder Eber und
dgl. m. 3. Eine vierseitige Pyramide mit einem Querloche
und oben abgestutzt. Sie besteht aus rothgebranntem Thone,
von 6" Höhe und 31/." Weite an der Basis. Der Gebrauch
derselben ist uns nicht bekannt. Mit einer ähnlichen, nur
etwas kleineren Pyramide, welche stark und schwarz gebrannt
und in Beussmarkt von einem dortigen Bach ausgewaschen
worden ist, vermehrte gütigst ein guter Freund meine alter-
tümliche Sammlung. (Fortsetzung folgt.)
Baudenkmale im Kreise u./d. Wiener-Walde.
Von Ed. Freiherrn v. Sacken.
II.
Überreste gothischen Styles.
Von den zahlreichen Ortschaften des Kreises unter dem
Wiener-Walde hat fast die Hälfte gothische Kirchen oder
wenigstens einzelne Theile, welche diese Bauart zeigen.
Freilich sind nur wenige aus der bessern Zeit dieses Styles
zu Ende des XIII. und im XIV. Jahrhundert, wo derselbe sich
in schönster Blüthe entfaltete , sondern bei weitem die mei-
sten gehören der Verfallsperiode der zweiten Hälfte des
XV. Jahrhunderts an, welche Zeit besonders baulustig war,
was sich aus den Verhältnissen des Landes unter der langen
Regierung Kaiser Friedrich's IV. erklärt. Die Bauten dieser
Zeit haben einen ganz eigenthümlichen, allen gemeinsamen
Charakter und weichen meist nur in Einzelheiten von demsel-
ben ab; die Anlage bleibt, wenn sie nicht durch besondere
örtliche Verhältnisse bedingt wird, dieselbe. Das früher übliche
QuerschifF, welches die Kreuzesform derKirche hervorbringt,
verschwindet.und dieKirche besteht bloss aus zwei, meist gleich
hohen Bäumen, dem Schilfe mit gleich hohen Abseiten und
dem dreiseitig aus dem Achteck geschlossenen Chore. Kleine
Kirchen sind einschiffig, nur selten ist das Schilf zweitheilig
mit einer Pfeilerreihe in der Mitte. Die früher organisch
gegliederten, mit Halbsäulen als Träger der Gewölbsrippen
versehenen Pfeiler sind achteckig und die Bippen der meist
zusammengesetzten Kreuzgewölbe , welche mannigfache
Figuren , oft ein ganzes Netzwerk bilden, treten ohne Ver-
mittlung aus den Pfeilern hervor, verlaufen auch ebenso an
den Umfangsmauern, welche dadurch kahl und leer erschei-
nen. Die Gliederung der Rippen ist flach und gratig, mit
breiter Hohlkehle. Die Fenster, deren Gewände wenig
gegliedert sind, haben ein mehr decoratives, als durch geo-
metrische Construction gebildetes Masswerk, in dem die
sogenannte Fischblasenfigur — ein Kleeblattbogen, dessen
verlängerte und gekrümmte Schenkel in eine Spitze zusam-
menlaufen — eine Hauptrolle spielt. An den Thüren werden
oft geschweifte Spitzbogen (sogenannte Eselsrücken) ange-
wendet, die Stäbe durchkreuzen sich und stehen häufig auf
hohen, verzierten Sockeln. Das Laubwerk wird durch
zu eckige, kleinliche Motive überladen und ist conventiouell.
— Die Hauptschönheit der gothischen Architektur, welche
in dem lebendigen Organismus des Ganzen, dem durchgän-
gigen Princip des Aufstrebens und des Auflösens der Massen
besteht und vorherrschend auf construetiver Grundlage
beruht, geht mehr oder weniger in der Verfallszeit verloren,
die Bauwerke werden schwerfälliger und massenhafter, die
Mauerflächen unbelebt und kahl, während sich andererseits
eine gewisse Überladung in der Decoration zeigt. So erhal-
ten auch die Strebepfeiler nur eine einfache Bedachung statt
der früheren Spitzsäulen und die viereckigen Thürme das
hohe Satteldach. Bei dem gemeinsamen Charakter der Kir-
chenbauten dieser Zeit lohnt es sich oft keines detaillirten
Eingehens, besonders bei den kleinen, einfachen, wie sie auf
dem Lande angetroffen werden. Zudem sind die meisten
mehr oder weniger modernisirt, ihrer schönsten Zierde —
der spitzbogigen Fenster mit Stabwerk , der Pfeilercapitäle
u. s. w. — beraubt und durch Zubauten verändert. Man
kann wohl sagen, dass die sogenannten Verschönerungen und
Restaurationen der neuen Zeit mehr an gothischen Denkmalen
zerstört haben, als der Zahn der Zeit; besonders war das
vorige Jahrhundert hierin thätig. Wie sehr wäre es daher
zu wünschen, dass Restaurationen im ursprünglichen Baustyle
und mit möglichster Schonung der noch vorhandenen Über-
reste vorgenommen würden! Bei dem regen Interesse, wel-
ches die Alterthumskunde in weiteren Kreisen gefunden, bei
den grossen Fortschritten, welche die Keimtniss des gothi-
schen Styles gemacht hat und bei dem Umstände, dass
unsere Zeit keinen so ausgeprägten, ihr eigenthümlichen
Baustyl hat, den sie überall anwenden könnte, wie diess in
früheren Zeiten der Fall war, steht es zu hoffen, dass vor-
kommenden Falles das Denkmal als solches in seiner
geschichtlichen und künstlerischen Bedeutung gewürdigt
und die Ausbesserungen von diesem Standpunkte aus vor-
genommen werden.
Die folgende Aufzählung ist keine vollständige, indem
ich manche Denkmale zu sehen noch nicht die Gelegenheit
hatte und gewiss an vielen Orten, wo man es gar nicht ver-
muthen würde, noch Überreste des gothischen Styles vor-
handen sind; ich behalte mir vor, in einem späteren Nach-
trag das Fehlende zu ergänzen ').
') Es werden in demselben unter andcrin hoprochen werden die Kirchen in
Baumgarten, Dreist fit ten, Fürth, Gloggnitz, G um p o I d s-
kirehen, Gattenstein, Bütteldorf, Klamm. Nöstaeh,
104
Altenburg (Deutsch-). Der Chor der Kirche im
reinsten gothischen Style, dreiseitig geschlossen, die Strebe-
pfeiler reich mit Masswerk-Blenden, Baldachinen und Spitz-
thürmchen verziert. Ebenso ein Anbau an der Nordseite und
das mit einer Kuppel bedeckte, zierliche Treppenthiirmchen;
von besonderer Schönheit ist das Daehgesimse. Die reich
gegliederten Rippen der einfachen Kreuzgewölbe ruhen auf
Blattconsolen oder Dreiriertelsätdchen. Der achteckige
T hur in mit Giebeln und Helm aus Quadern zeigt schönes
Masswerk in den Schalllöchern und treffliche Wasserspeier;
auf den Giebelspitzen kleine Figuren . unten viele Wappen.
Chor und Thurm aus dem XIV. Jahrhundert. Etwas jünger
sind die Kreuzgewölbe des Schiffes und die an der Südseite
angebaute Capelle ')•
Aspang. Das im Innern modernisirte Schiff der Kirche
mit zusammengesetzten Kreuzgewölben aus dem XV. Jahr-
hundert.
Baden. Die grosse (26 Klafter lange) Pfarrkirche mit
etwas niedrigeren Abseiten . welche auf jeder Seite durch
fünf, unten viereckige oben achteckige Pfeiler vom Mittel-
schiffe getrennt werden. Die Gewölbsrippen treten ohne
Vermittlung aus den Pfeilerflächen hervor, an den Wanden
ruhen sie auf Consolen. Der Thurm steht in der Mitte der
Kirche ober dem Scheidbogen und hat breite Seitenvorlagen,
welche unten Capellen bilden; die Fenster mit schönem
Masswerk. — XV. Jahrhundert.2)
Die Magdalena-Capelle ein kleiner, viereckiger,
dreiseitig geschlossener Raum mit einfachen Kreuzgewölben
bedeckt.
Berchtholdsdurf. Die prachtvolle, majestätische
Pfarrkirche aus zwei Perioden. Der dreitheilige Chor mit
je zwei Pfeilern auf jeder Seite, aus denen die Rippen der
einfachen Kreuzgewölbe quirlartig vortreten, aus dem Ende
des XIV. Jahrhunderts. Jünger ist das höhere Schiff mit
achteckigen Pfeilern , an deren jedem vier Halbsäulen
hinauflaufen; die Rippen der zusammengesetzten Kreuz-
gewölbe bilden sternförmige Figuren. Treffliches Masswerk
in den breiten Fenstern. An der Westseite ein schönes
Wimberg-Portal und ein Kleeblattfries mit Lilien an den
Schenkeln. — Die grosse Unterkirche ist ganz modernisirt
(1833). Der gewaltige Thurm steht abgesondert östlich von
der Kirche, oben eine Gallerie und Erkerthürmchen an den
Ecken; Satteldach, 1521 vollendet.
Die Martins-C apelle neben der Kirche, vielleicht
die Schlosscapelle der in Trümmern liegenden Herzogsburg,
ebenfalls aus der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts, —
Krambach, M Bnichkirch en, Nennkirchen, Neuhaus,
eh, Po Itsch a ch , Prieglitz, Raach, Rohrbach,
Schotte teil und W i e n e r li er berg.
') S. Sacken in den Sitzungsberichten der philosoph.-histor. Classc der
kais. Akademie der Wissenschaften, IV S 770
• i \. \. Geusau, Histor topograph. Beschreibung »1,-r html
St.idi Baden. Wien 1802 Mayer, Miscellen fiber Baden, 'i Bde.
Wien 1819.
ein oblonger, dreiseitig geschlossener Raum, dessen herr-
liche Fensterrosen und schön gegliederte Gewölbsrippen
beachtenswert sind.
Die Spitalkirche mit schlankem Giebelthürmchen,
einschiffig, mit zusammengesetzten Kreuzgewölben liedeckt;
leider sind die Spitzbogenfenster bis auf vier vermauert;
diese aber zeigen schönes Masswerk. Aus dem Anlange des
XV. Jahrhunderts.
Bromberg. Der Chor der Kirche mit Strebepfeilern
und schönen Kreuzgewölben noch aus dem XV. Jahrhundert.
Brunn am Gebirge. Kirche aus dem Anfange des
XVI. Jahrhunderts (1519) mit niedrigeren Abseiten und zu-
sammengesetzten Kreuzgewölben, deren Rippen zierliche Ver-
schlingungen bilden, bedeckt. Der Thurm, unten viereckig,
oben ins Achteck übergehend und i. J. 1S53 recht entspre-
chend ausgebaut, ruht auf vier Pfeilern am Ende des Schifies.
An der Südseite des Schiffes eine schöne Eingangshalle mit
geschweiftem Wimberg ober der Thüre und reich verschlun-
genen Gewölbsrippen.
Ebenfurth. Der Chor und die dreiseitig geschlossene
Sacristeicapelle mit dem Johanniterkreuz in den Schluss-
steinen zeigen die Formen des spät -gothischen Stvls;
Rippen ohne Dienste.
Ebergassing. Die Schlosscapelle mit schön geglie-
derten, auf Consolen an den Wänden ruhenden Gewölbsgurten.
Ebreichsdorf. Quaderbau, einschiffig, mit Halb-
säulen, aus denen die Rippen der zusammengesetzten Kreuz-
gewölbe hervortreten; an den Ansätzen immer ein Wappen-
schild. Anfang des XVI. Jahrhunderts.
Edlitz. Befestigte Kirche aus dem XV. Jahrhundert
Das Schiff ist ein Quadrat, dessen 4 Gewölbe ein in der
Mitte stehender achteckiger Pfeiler trägt; die Rippen ent-
springen aus seinen Seitenflächen ohne Vermittlung, an den
Wänden ruhen sie, auf Consolen. Die Fenster ohne Füllung;
an derNordseite im Innern eine Steingallerie um den gegen-
überliegenden Eingang, über dem auch eine Pechnase an-
gebracht ist. zu verthohligen. Der schmale Chor in einfachen
Formen ; an seiner Nordseite der unten vier- oben acht-
eckige Thurm mit Helmdach aus Hohlziegeln ').
Feistritz. Einschiffige Kirche mit schönen Fenslern
in den gewöhnlichen spät-gothischen Bauformen, 1821
ganz renovirt.
Grinzing. Die Kirche ein dreiseitig geschlossener
Raum ohne Trennung von Chor und Schiff; die Rippen der
einfachen Kreuzgewölbe an den Wänden aus Halbsäulen
entspringend. Die Gallerie des Orgelchores und einige
Fenster mit schönem Masswerk. Der Thurm an der Nord-
seite quadratisch, 'dien achteckig.
Hainburg. Im Dechanthofe ein ewiges Licht, —
eine achteckige Säule mil einem Aufsatze, dessen Nischen
mit Kleeblatt- und geschweiften Spitzbogen bedeckt sind.
i Berichte 'l>-. Mterthums-Vereina in Wien, I. S. 157.
— 105
darüber die vierseitige Pyramide, an den Ecken Fialen. Aus
dem XV. Jahrhundert.
Heiligenkreuz. Der hohe Chor der Stiftskirche ein
quadratischer Raum mit vier Pfeilern, welche ihn in drei
Abtheilungen bringen; Halbsäulen mit Capitalen ohne Blatt-
schmuck laufen in Bündeln zu dreien als Träger der
reichgegliederten Gewölbsrippen hinauf; ähnliche an den
Wänden. Die hohen Fenster mit schönen Glasmalereien.
1295 eingeweiht.
Die neuneckige Brunns tu he des Kreuzganges ein
früh-gothischer Bau (1285) , die Gewände der mit dem
reinsten Masswerk geschmückten Fenster, reich gegliedert;
die Gewölbsrippen laufen in der Mitte in eine Spitze zu-
sammen. Besonders schön sind die giebelförmigen Blenden
unter den Fenstern ')•
Heiligenstadt. Die alterthümlich aussehende, befe-
stigte Kirche mit achteckigem Thurm an der Südseite hat
ein Schiff mit niedrigeren, schmalen Abseiten ; bis auf die
zusammengesetzten Kreuzgewölbe der südlichen Abseite und
die des Chores , welche an den Wänden auf Halbsäulen
ruhen, modernisirt. Aus dem Anfange des XVI. Jahrhunderts2).
Himberg. Chor der Kirche mit drei Seiten des Acht-
eckes geschlossen, aus dem XV. Jahrhundert, modernisirt.
Hitzing. Einschiffige, modernisirte Kirche mit acht-
eckigem Thurm und Spitzbogenfenstern ohne Füllung, aus
dem XVI. Jahrhundert.
Kirchberg am Wechsel. Die malerischen Ruinen
der um 1400 erbauten Wolfgangskirche; das Schiff wurde
durch zwei in der Mitte stehende Pfeiler in zwei Räume
getheilt, an den Wänden Dreiviertelsäulchen mit zierlichein
Laubwerk, Engelsbüsten, dem Pelikan und Wappen an den
Capitalen, rückwärts der breite Orgelchor; an der Nordseite
eine niedrige Capelle, der ganzen Länge des Schiffes nach
und mit demselben durch 3 Bogen communicirend, dreiseitig
geschlossen, mit zusammengesetzten Kreuzgewölben, an den
Wänden auf Consolen ruhend. Der Chor mit dreiseitigem
Abschluss hat schöne Fenster. Die beiden Pforten mit
Halbsäulen, guten Reliefs, eine mit einem geschweiften
Wimberg umrahmt, sind sehr schön. Spuren der alten Be-
malung. An der Westseite zwei siebeneckige Treppenthürm-
chen, um auf den Chor zu gelangen. Gewölbe und Pfeiler
sind eingestürzt3).
Kirchschlag. Schöne Kirche aus dem XV. Jahr-
hundert, das Schiff mit gleich hohen Abseiten , achteckigen
Pfeilern, an welchen die mit schönen Blattcapitälen verse-
henen Dienste hinauflaufen mit herrlichen Fenstern. —
Daneben eine Grabcapelle , ein viereckiger , dreiseitig
geschlossener Raum, mit zusammengesetzten Kreuzgewölben
bedeckt.
Klosterneuburg. Der Kreuzgang , ein früh-gothi-
scher Bau (1270 — 95), besonders die Nord- und Südseite
und das neuneckige Waschhaus. Die reich gegliederten
Gewölbsgurten von Bündeln schlanker Wandsäulchen getra-
gen, deren Capitäle mit einzelnen, meist der Natur nachge-
bildeten Blättern und Zweigen geziert und mit niederen,
polygonen Deckplatten versehen sind. Die hohen Fenster,
mit einfachem Masswerk, an dem der Rundstab vorherr-
schend ist.
Die ausgebildet gothische Freisingercapelle ( 1392
bis 1409) in Form eines rechten Winkels; die Wandpfeiler
mit Dreiviertelsäulchen besetzt, welche in der Mitte Consoleu
bilden, darüber schöne, kuppelartige Baldachine; die Capi-
täle mit doppeltem Laubkranz, die Fenster mit dem schönsten
Masswerk aus Drei- und Vierpässen bestehend.
Die unvollendeten Thürme der Stiftskirche in ihrem
Unterbau im schönen gothischen Style mit Nischen und Bal-
dachinen an den Strebepfeilern, 1 395 angefangen.
Der Doppel -Erker der alten Burg. Zwei viereckige
Fenster mit reichem Stabwerk, unterhalb schöne Blenden
von Masswerk (häufig die Fischblasenfigur) in zwei Reihen;
im Innern zusammengesetzte Kreuzgewölbe auf Consolen an
den Wänden ruhend , auf den Säulen des Eingangsbogens
die 4 Evangelisten und der Engelsturz. Es ist ein herrliches
Denkmal bürgerlicher Architektur des XV. Jahrhunderts.
Die Thomas-Capelle daselbst, ein kleiner Baum mit
einfachen Kreuzgewölben, am hohen Fenster, dessen schönes
Masswerk im Jahre 1835 auf vandalische Art weggeschlagen
wurde und mit Baldachin versehen ').
Ewiges Licht, eine schlanke Säule, sechseckig, mit
Reliefs von 1381.
Die Martinskirche in der untern Stadt mit einein
schönen Portal und sich durchkreuzenden Stäben, darüber
ein geschweifter Wimberg, im Innern ganz modernisirt,
1421 angefangen. Der viereckige Thurm mit schönen Ver-
zierungen von 1360.
L ichten wörth. Das Schiff mit niedrigen) Abseiten
und achteckigen Pfeilern ist Ruine; das Querschiff und der
Chor mit einem schönen Fenster noch erhalten, an den Con-
solen der Gewölbsrippen symbolische Darstellungen. Aus
dem XIV. Jahrhundert.
Margar ethen am Moos. Chor der Kirche aus dem
XV. Jahrhundert, flach geschlossen, die Gewölbsrippen an
den Wänden auf Consolen ruhend: ohne Strebepfeiler.
') Pri misse r, Reisenachrichten über Denkmale der Kunst in den örster.
Abteien in Hormayr's Archiv 1821, S. 438. — Heider, Eitel berger
und Hieser, Mittelalterliche Kunstdenkmale des österreichischen
Kaiserstaates, 1. und 2. Lieferung- .
2) A. v. Bergenstamm, Beiträge zur Geschichte des Dorfes Heiligen-
stadt. Wien 1811.
3) S. Feil in den Berichten des Alterthums-Vereins in Wien I. S. 291.
») Sc hniiill - Wiens Umgel gen I. S. 210. — Ernst und Öscher,
Baudenkmale des Mittelalters im Erzh. Österreich. 1—3 lieft. — Male-
rische Ansichten des Sülles Klosterneuburg. Gezeichnet und gestochen
von den Brüdern Rein hold, erläutert von F. Tschischka, — l'ri-
m isser in llurmnyr's Archiv 1821. S. 432.
100
Mauer. Der Chor in den einfachen Formen des spüt-
gothiachen Styles.
Mödling. Die Othmarskirche, angefangen 1454 , ein
hoher, majestätischer Bau; die achteckigen Pfeiler des
Schiffes sind mit Halbsäulen an den Kanten besetzt; die
wenig vortretenden Flügel des Querschilles sind von unglei-
cher Breite; die Pfeiler setzen sieh im Chore fort (2 auf
jeder Seite), den Ecken des dreiseitigen Abschlusses ent-
sprechend. Gewölbe und Pfeilercapitäle modern. — Unter
der Kirche eine geräumige Unterkirche mit Spitzbogen-
gewölben und Fialen am Eingang. Auf dem hohen Dache ein
Dachreiter.
Die Spitalkirche mit Giebelthürmchen , einschiffig,
mit zusammengesetzten Kreuzgewölben bedeckt, hat schönes
Masswerk in den Fensterfüllungen und an der Gallerie des
Orgelchores. Aus dem Ende des XIV. Jahrhunderts. ')
Muthmannsdorf. Chor spät-gothisch mit einem
zierlichen Sacramentshäuschen an der Wand, mit einem ge-
schweiften Wimberge. Die Gewölbsrippen einer Capelle
an der Südseite ruhen auf phantastisch verzierten Consolen.
An der Sacristei die Jahrzahl 1497 3).
Ne us t a d t. Querschiff und Chor des Domes im spät-
gotischen Style (1449 — 1487) aussen mit Spitzbogenfries,
die reich gegliederten Kippen theils auf halbsäulenförmigen
Diensten, theils auf Consolen ruhend; in den Flügeln des
Querschiffes sind Capellen mit Emporen eingebaut, die Brü-
stungen mit Masswerk geschmückt.
Die Kirche des Neuklosters von 14ö3, das Schill*
mit gleich hohen Seitenschiffen, achteckigen Pfeiler, an den
Gewölbsrippen viele Wappen. Ein sehr hoher, grandioser Bau.
Die Cap eile der Burg auf dem langen, mit gedrück-
tem Spitzbogen bedeckten Thorwege erbaut (1449 — 14t!0),
mit zwei Reihen runder Pfeiler, das Mittelschill' doppelt so
breit als die gleich hohen Abseiten; ohne besonderen Chor-
raum; dir Gewölbsrippen ohne Dienste, in und um die
Schlusssteine zahlreiche Wappen. Um die ganze Kirche
zieht sich eine Gallerie auf Tragsteinen ruhend, die Brüstung
mit Kleeblattblenden, auf beiden Seiten neben dein Altare
mit Oratorien. Die Reste der allen Do pp elc apelle (jetzt
Stiege), ein längliches Viereck, halbrund geschlossen, am
Spitzbogenthore Baldachine; in den Ecken sechs Köpfe als
Träger der Gewölbsrippen. Die untere Capelle, durch eine
Treppe mit der oberen in Verbindung, ein quadratischer
Baum, im Schlusssteine die Jahreszahl 1378 s). Mehrere
Säle der Burg mit Spitzbogengewölben und Wappen-
schildern von 14'SS und 1455.
Die Kap uz inerki rc he, ein längliches, dreiseitig ge-
9chlossenes Viereck, die Fenster mit schönem Masswerk,
an der Xordscite ein hoher Vorbau mit einem Spitzbogen.
in demselben Zackenverzierung. Im Innern modernisirt. Aus
dem XIV. Jahrhundert.
Die ehemalige Peterskirche (jetzt Magazin) aus dem
Ende des XIV. Jahrhunderts mit schönen Fenstern und Strebe-
pfeilern.
Das Wiener- und das Neunkirchnerthor ziemlich
in ihrer ursprünglichen Gestalt, ersteres von 1488, dabei
ein steinernes Wachhaus von 1489; letzteres mit Eckthürm-
chen und einem kleinen Vorwerke von 1442.
Die Denksäule vor der Stadt, — die sogenannte
Spinnerin am Kreuze — ein <35' hohes, zierliebes Bauwerk
aus dem Sechseck construirt, in drei Geschossen aufstei-
gend, unten mit drei Vorlagen, welche oben Nischen bilden;
reicher liguralischer Sehmuck. Aus dem Ende des XIV. Jahr-
hunderts ').
Penzing. Einschiffige Kirche aus dem Ende des
XIV. Jahrhunderts, ganz modernisirt. Sehr beachtenswert!)
ist ein Blindfenster mit trefflichem Masswerk.
Petronell. Capelle an der Südseite der Kirche, ein
längliches Viereck mit zwei Kreuzgewölben, in den Ecken
Consolen mit Engeln, in den Schlusssteinen der Pelikan und
der Löwe, seine Jungen anhauchend. Aus dem XV. Jahr-
hundert.
Pottendorf. Die Schlosscapelle dreischilllg, die
Bippen ohne Vermittlung aus den Pfeilern vortretend , im
Chor halbsäulenförmige Dienste an den Wänden. Aus dem
XV. Jahrhundert.
Pottenstein. Die Mariencapelle ist der Chor der
ehemaligen Kirche, spät-gothisch , von den gewöhnlichen
Formen.
S c h w a d o r f. Chor der sonst ganz modernisirten Kirche
aus dem XV. Jahrhundert.
Sebenstei n. Das Schill' der Kirche, ein fast quadra-
tischer Bauin, dessen zusammengesetzte Kreuzgewölbe zwei
achteckige Pfeiler tragen. Die Bippen mit zahlreichen Krin-
geln ohne Dienste. Der dreiseitig geschlossene Chor hat ein-
fache Kreuzgewölbe und hübsche Fenster -).
Sievering. Die aussen alterthüinliche, im Innern ganz
modernisirte Kirche mit dreitheiligem Schill', einfachen Fen-
slern und zwei hübsehen Eingängen und mit sich durchkreu-
zenden Stäben. Der viereckige Thurra an derNordseite sehr
massiv.
St. Veit. Der Chor der Kirche mit seinen einfachen
Kreuzgewölben vom Baue von 1433, darunter eine Art
Crypta (jetzt verschüttet ) mit Spitzbogengewölben, von einem
Pfeiler in der Mitte getragen3).
1 1 s ., i ■ .. ii k . Geschichte und Topographie dea I. f. Marktes Mödling.—
Schmidl, a. a 0. III, 8.2SS. — Pr imiss er , a. a. O. S. 439.
»)S. Scheiger in Hol i krehir 1823.
1 1 Böheim, <li-' Burg />* Wiener Neuatadt in den Beitragen zur Lande
künde Österreichs ■> d. Enns, IV. s. 1.
i) Scheiger in Honnayr's Archn L823, Nr. 63— 88 und 1826', Nr. I. —
Böheim in den Beitr. z. Landesk. I, S. 96. — Arneth, die alte Slnle
bei Wiener-Neustadt, Wr. Jahrb. d. Lit. Bd. I.. Vn/.. III.
--) s. Feil i ii den Ber. desAlterlh. Ver. in Wien, I, S, 208 IT.
>) Die gothischen Kirchen Wiens: St. Stephan, Maria am Gestade, St. Au-
gustin, St. Michael (Chor), Hinoriten, St Silvator, nenn Chore dei
Engel, die deutsche Ordens- und Hofburgcapelle, St. Johann, St. Ruprecht,
Frunciscaner, die Kreiu.gänge der Dominicaner und Schotten, endlich die
Ötteiibura"
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107
Winzendorf. Einschiffige Kirche mit einfachen
Kreuzgewölben ohne Dienste an den Wänden , die Fenster
ohne Masswerk. Spät-gothisch ').
Wir flach. Befestigte Kirche, früher zweitheilig, jetzt
ohne Pfeiler mit modernen Gewölben, ohne Trennung von
Chor und Schiff, dreiseitig geschlossen; zwei Fenster mit
plumpem Masswerk. Aus dem XV. Jahrhundert.
Die daneben stehende Sebastianscapelle ganz
einfach mit dünnen Gewölbsrippen, deren Ansätze an den
Wänden mit Wappenschildchen verkleidet sind , an einem
der niedrigen Strebepfeiler die Jahreszahl 1493. Die
Fenster des dreiseitigen Abschlusses mit einfachem Mass-
werk.
Die St. Michaelskirche und die Jakobscapelle zu Ödenburg. )
(Tafel VII.)
Unter den kirchlichen Baudenkmalen Ungarns aus der
spät-gothischen Zeit zieht die Pfarrkirche zum h. Michael in
Ödenburg durch die Grösse der Anlage, die Solidität des
Baues wie auch durch eine verhältnissmässig noch sorgsam
bewahrte Stylreinheit unsere Aufmerksamkeit auf sich. Sie
ist ein Quaderbau aus dem letzten Viertel des XV. Jahr-
hunderts, der ausserhalb dem gegenwärtigen Weichbilde der
Stadt auf einer kleinen, die Umgebung beherrschenden An-
•liöhe liegt.
Über den Zeitpunkt der Erbauung stehen uns zwar —
da bei dem grossen Brande im Jahre 1681 die Stadt den
grössten Theil ihrer historischen Schätze eingebüsst bat —
keine urkundlichen Belege zu Gebote, doch wissen wir aus
Bonbardi's Topographia Magni Begni Hungariae (Viennae
1750)3), dass Kaiser Friedrich III., der Ödenburg von Elisa-
beth, der Witwe des ungarischen Königs, als Pfand erhielt,
die Michaelskirche erbauen Hess. Ebenso sind an verschie-
denen Theilen der Kirche die Jahreszahlen der Erbauung
eingegraben, und zwar a) an der hinteren Seite der Kirche
von aussen auf einem Bande: 1482; b) ober der aus der
Sacristei in die Schatzkammer führenden Tbüre, dann auf
einem Schilde in der Mitte der Sacristeiwölbung gleichfalls
die Zahl 1482; c) in der über der Sacristei gebauten Schatz-
kammer in der Mitte der Wölbung das Jahr 1483; endlich
d) auf der den Chor tragenden Wölbung mit grossen Zif-
fern: 1489.
Wie der Grundriss auf der beifolgenden Tafel (Fig. 1)
zeigt, besteht die Kirche aus drei Langschiffen, einem Kreuz-
schiffe, dann einer Vorhalle und dem Chore. Die Vorhalle
schliesst zugleich die Thurmanlage in sich.
Mittel- und Seitenschiffe sind mit gothiscben Kreuz-
gewölben, welche verzierte Schlusssteine haben, eingedeckt.
Denksäule auf dem Wienerberge werden in einem besondern Aufsalze be-
sprochen werden.
1) Scheiger in Hormayr's Archiv 1826. Nr. I.
2) Die beiliegende Tafel und der Holzschnitt Nr. 2 wurde nach Aufnahmen
des Ingenieur-Assistenten Herrn Joh. Petsehnigg angefertigt, welche
der k. k. üaudirector Herr F. Menapace der k. k. Central-Oommission
Yorlegte. — Bei der nachfolgenden Beschreibung verdanken wir einige
werthrolle Notizen dem hochwürdigsten Herrn Abte und Conservator
L. Birnicz in Steinamanger und dem Herrn F.Storno in Ödenburg'.
D. Red.
3) Dort heisst es pag. 100: Princeps omnium est faniim Divi Michaelis Arch-
angeli honoribus Frideriei Caesaris pietate a Fundament» escitatum.
Die Trennung der Mittelschiffe von den Seitenschiffen wird
durch je vier runde Säulen bewerkstelligt. Die Säulen sind in
der Längenrichtung durch gothische Bögen mit einander
verbunden, deren Gliederungen sich ebenso wie die Gurten
der Kreuzgewölbe an der Bundung der Säulenschäfte ab-
setzen. Nur für die Transversalgurten des Mittelschiffes sind
an der Wandfläche oberhalb der Säulen kleinere Halbsäulen
als Träger angebracht. In den Seitenschiffen dagegen
sitzen sowohl die Transversal- als die Quergurten auf Trä-
gern, und zwar gegen das Mittelschiff zu auf kleineren
Säulen (Holzschnitt 1), die an den grossen Säulen in der
(Holzschnitt Li
Capitälsböhe angebracht sind , an der Fensterseite auf Halb-
säulen, welche bis auf den Boden der Kirche hinabreichen.
Der Baum des Querschiffes umfasst nur die Breite
des Langschifl'es und trennt sich von demselben bloss durch
gegliederte Pfeiler, welche hier an die Stelle der Säulen
treten. Den Abschluss der Seitenschiffe über das Querschiff
hinaus kennzeichnen Emporen an den Rückwänden des Quer-
schiffes, welche gegen dieses hin und den Chorraum offen
sind.
An das Querschiff schliesst sich sodann der Chor ( Taf.YH,
Fig. 2). der aus zwei Kreuzgewölben gebildet und dreiseitig
108
aus dem Achteck geschlossen ist Unter den Fenstern des
Chors and zwar an den drei Ähschlussseiten läuft eine Gal-
lerie mit spitzbogigen Arcaden. (Holzschnitt 2.)
(Holzschnitt 2.)
An der rechten Seite des Chors befindet sich die Sa-
cristei, welche, wie der Grundriss zeigt, durch ein Stern-
gewölbe eingedacht ist; üher ihr ist der Raum der Schatz-
kammer. Beide scheinen Theile eines älteren Baues zu sein,
denen zur Zeit der Erbauung der Michaelskirche ihre
gegenwärtige Einwölbung und sonstige Gestaltung gegeben
wurde. An dem Westende der Kirche erhebt sich der
Wusikchor mit einer im gothischen Geschmacke verzierten
Brüstung.
Üher das Äussere der Kirche (Taf. VII, Fig. 3) gewährt
die hier gegebene Ansicht die erforderlichen Aufschlüsse.
Bemerkenswert!) dürfte insbesondere der Aufbau des Thur-
mes sein mit seinen in den oberen Theilen befindlichen kranz-
arligen Gallerien, dann der Kundbogonfries an dein Lang-
und Kreuzschiffe, und die Rundlmgonfenster an dem erwähn-
ten Sacristeiraume , welche ihrem ganzen Charakter nach
auf Überreste eines romanischen Baues schliessen lassen.
Am Äussern der Kirche sind endlich auch Spuren von Fresco-
malereien vorhanden, von denen sich jedoch nur eine ein-
zige Vorstellung und /.war jene über der vordem Eigangs-
thüre des rechten Seitenschiffes erhalten hat, «eiche Christus
am Kreuz, Maria und .lohannes, dann eine knieende schwarz-
gekleidete männliche Figur mit einem Spruchbande zeigt,
dessen Inschrift jedoch schon erloschen ist.
Die innere Einrichtung der Kirche hatte unter jenen
politischen und religiösen Umgestaltungen des XVII. Jahr-
hunderts ZU leiden , welche viele Bauwerke ihres ursprüng-
lichen Schmuckes beraubt haben. Die Hauptursache der
Wegschaffung aller ursprünglichen Altäre mag wohl die Re-
formation gewesen sein. Denn bis tief in das XVII. Jahrhun-
dert hatten die Protestanten die Kirche inne und gestalteten
natürlich das Innere derselben nach ihren Bedürfnissen um.
AU hierauf die Katholiken die Kirche wieder zurückerhielten,
waren neue Altäre nothwendig, welche in verschiedenen
Zeiträumen angeschafft wurden und von denen zwei dieser
neueren Seitenaltäre und die Kanzel mit verschiedenfarbigem
Marmor im Geschmacke der Renaissance reich ausgestattet
sind. Einer der ältesten Altäre ist jener aus dem Jahre 1077
mit geschnitztem Säulenwerk und Statuen der Heiligen. Ober
der Jahreszahl lesen wir folgende Überschrift: „Petrus Ka-
lecsy et Diaconus Mosoniensis Soproniensis in Honorem
Set. Trinitatis et B. ML V. nee non S. Joannis Baptistae hoc
altare F. F. MDCLXXVH."
Unter den kirchlichen Gefässen, welche erwähnt zu
werden verdienen, belinden sich zwei kunstvolle altertüm-
liche Kelche, ein zierlich gearbeitetes Crucitix mit der Auf-
schrift: „Frater X cristofforus X rab X 1X92". Die zur Zeit
der Erbauung der Kirche (1489) gegossene Glocke wurde
in Folge eines Sprunges 1836/7 umgegossen.
Auch an Grabmälern ist die Kirche ziemlich reich.
Eines derselben ist nahe bei der Hauptthür aus rothem Mar-
mor mit Wappen, an allen vier Bändern sind Überschriften,
aber nur die Zahl 1X81 ist lesbar; ein anderes rührt aus
dem Jahre 1558. — Von Aussen umgeben die Kirchmauer
und den Hof 27 theilweise mit schönen Wappen verzierte
Grabsteine aus den Jahren 1595, 1631, 1G43, 1074 und
1081, mit deutsehen Überschriften; unter anderen der
Grabstein des Thomas Edlen v. Nagy, der bei der Belage-
rung der Stadt Kaniza t'ommissärdes romischen Kaisers war;
ein anderer vom Jahre 1037 bezeichnet das Grab des Michael
Starzer van Starzing, Bath und Agenten Sr. Majestät
des Kaisers Ferdinand II., bei der türkischen Pforte.
Der gegenwärtige Bauzustand der Kirche ist ziemlich
befriedigend. Der hochwürdige Herr Pfarrer legi ein grosses
Interesse für die gute Instandsetzung der Kirche und ihrer
Umgebung an den Tag und Hess im Jahre lS;>i> mehrere
Restaura tions - Arbeiten ausführen, das ungleichförmige Ter-
rain um diese Kirche wo der alte Friedhof bestand abgraben
und planiren, die hohe Umfangsmauer sammt dem Einfrie-
dungsthore, endlich die zu Zeugkammern benutzten Zu-
bauten abtragen, um den religiösen und künstlerischen Kin-
druck des Gotteshauses zu Indien.
Volle Anerkennung verdient der im Innern der Kirche
neu hergestellte gothische Altar, welcher im verflossenen
Jahre zu Ehren der unbefleckten Empfängniss Maria im
Wege einer Sammlung errichtet und nach einem Entwürfe
des Herrn F. Storno in Odenbiirg, eines gebildeten Kunst-
freundes, ausgeführt wurde.
Dem XIII. Jahrhunderte gehört die dem heiligen
Jakob geweihte Grab capcl I c an. welche sich in der
unmittelbaren Nahe der Kirche . auf dem Baume des hier
früher bestandenen Friedhofes befindet. Sie zeigt im Grund-
risse ein regelmässiges Achteck, 1 eine dreiseitig aus dem
Achtecke geschlossene Chornische, welche sich jedoch nicht
unmittelbar an den Hauptbau anschliesst, sondern einen Qua-
dratraum, der ans einer Seite des Vohteckes gebildet wird.
109
zur Vorlage h.it. Wir treffen daher in diesem kleinen Baue
alle Bestandteile einer organisch gegliederten Kirche, den
Hauptraum, das Presbyterium und die Chornische nachge-
bildet. Der Eingang in diese Capelle, welche in ihrer Orien-
tirung der Stellung der Michaelskirche entspricht, liegt nicht
in der Axe des ganzen Baues, sondern weicht (gleichwie
bei den früher erwähnten Grabcapellen zu Tuln, Modling und
Hartberg) *) von dieser Bichtung und zwar in der Weise ab,
dass er sich der Michaelskirche zuwendet. Dieser Eingang,
sich von aussen nach innen verengend, ist einfach gekehlt
und im gedrückten Spitzbogen geschlossen, in dessemBogen-
felde sich eine interessante, noch ganz den Charakter romani-
scher Bildungsweise aufweisende Sculpturdarstellung befin-
det (Holzschnitt 3), nämlich in der Mitte ein ornamental
(Holzschnitt 3.)
behandelter Baum, dessen Stamm am Grunde von zwei dra-
chenartigen Gestalten benagt wird, ohne Zweifel eine symbo-
lische Hinweisung auf den Lebensbaum des Paradieses, von
weichemaus derTeufel seine Verführungskünste an dem ersten
Älternpaare zur Geltung brachte, und wodurch des Lebens
Mühen und der Tod über das Menschengeschlecht herein-
gebrochen sind, eine nicht unpassende Darstellung auf einem
kirchlichen Baume, der eben die Bestimmung hat, den from-
men Gebräuchen zu dienen , mit welchen die aus dem
Leben Geschiedenen zur Buhe gebracht werden. Im Übri-
gen ist die Aussenseite dieses Baues nur durch einen ein-
fachen Sockel und durch Lisen geschmückt, welche rah-
menartig jede Seite des Achteckes umfassen; ohne Zweifel
dürfte ursprünglich der sogenannte Zahnschnitt und ein
Rundbogenfries den Abschluss nach oben gebildet haben.
Dem Eingange in die Capelle gegenüber befindet sich der
nunmehr verlegte Grufteingang.
Reicher geschmückt ist das Innere dieser Capelle. In
die 8 Ecken des Hauptraumes, in die Ecken des der Nische
angelegten Quadratraumes, wie in die Ecken des dreiseitigen
Chor-Abschlusses sind Halbsäulen gestellt, deren attischer
Euss auf einem Untersatze steht und deren romanische Ca-
pitata Pflanzenformen zeigen. Über das umlaufende Deck-
gesims erheben sich einfach gegliederte Gurten, welche in
Schlusssteinen sich vereinigen; jener des Hauptraumes zeiyt
den sogenannten Hexenfuss , jener des Quadratraumes Blatt-
ornamente.
Jede Fläche des Haupt- so wie des Quadratraumes ist
durch eine gothisch eingewölbte Nische geschmückt, erste-
rer wird bloss durch ein Fenster erleuchtet, die Fenster des
letzteren sind in neuerer Zeit umgestaltet worden. Jedenfalls
verdient diese Capelle als das älteste Bauwerk Ödenhurgs
unsere volle Aufmerksamkeit und es wäre zu wünschen, dass sie
dem kirchlichen Dienste wieder zugewendet würde, während
sie gegenwärtig nur zur Aufbewahrung von allerlei Geräth-
schaften dient, die leicht anderwärts untergebracht werden
könnten.
Notizen.
35. (Ein interessanter Fund in Maria-Zeil.)
Aus den vielen Beschreibungen der denkwürdigen Gnaden-
kirche in Maria-Zeil, die leider alle, vom archäologischen
Standpunkte aus betrachtet, als höchst ungenügend aner-
kannt werden müssen, ist dennoch genügend bekannt, dass
diese Kirche und namentlich ihre Schatzkammer einen bedeu-
tenden Beichthum an geschichtlichen und Kunstmerkwürdig-
keiten bewahrt.
Dieser Beichthum hat in neuerer Zeit eine nicht unwich-
tige Vermehrung durch eine Pergamentrolle erhalten, welche
bei Gelegenheit jener Bestaurationen aufgefunden wurde, die
der um die Alterthümer der Kirche unermüdet besorgte
Pater Superior und Dechant Jakob Pauer daselbst an den
Votivgemälden vornehmen Hess.
Diese Rolle, 14 >/3 Zoll hoch und 11 Zoll breit, enthält
in tüchtiger, wenn gleich etwas skizzenhafter Zeichnung und
l) Vergl. Heider's Aufsatz: „Über die Bestimmung der romanischen Rund-
bauten mit Bezug auf die Rundcapelle zu Hartberg" im April-Hefte S. 39.
in Wasserfarben gemalt, eine altarähnliche Architektur, deren
Obertheil das jugendliche Bildniss Kaiser Karl's VI. (zur
Zeit der Anfertigung König von Spanien) in goldenem
ovalen Rahmen zeigt, "ehalten von zwei weiblichen Fi-
guren, der Religion im blauen und der Hoffnung im grünen
Gewände.
In der Mitte ist ein Papierblatt, 7 Zoll hoch und 3 ',4 Zoll
breit, aufgeklebt, mit drei chronographischen Inschriften, von
Karl selbst verfasst und eigenhändig geschrieben. Dieses
Blatt umgibt ein Goldrahmen, rechts davon (heraldisch) sieht
man unter einem Bogen Karl, die heilige Communion empfan-
gend, links unter einem ähnlichen ihn im gleichen Gewände
(einem rolhen Leibrocke) ein Crucifix der ober einem Altare
schwebenden Gottesmutter mit dem Kindlein überreichend.
Auf beiden Darstellungen erscheint im Mittelgründe ein Manu
im blauen Leibrocke und wachehaltende Krieger (ersterer
wahrscheinlich ein Cavalier aus Karl's Gefolge, die Soldaten
ebenfalls aus demselben), ganz vorne Zuschauer.
IS
110 —
Unter dem Papierblatte ist auf dem Pergamenl unter
einer Krone und zwischen zwei lorbeerumkränzten Posaunen
ein über einer Stadt emporfliegender Adler, den Flug gegen
die Sonne gerichtet, in deren Mitte ein L ersichtlich ist;
rechts und links davon 4 symbolische Darstellungen.
Die Zeichnung und Ausführung aller der erwähnten,
theils mit Bleistift, theils mit der Feder gezeichneten Dar-
stellungen, deren Farben mit Gold erhöht sind , zeigt einen
über die Manier seiner Zeit nicht erhabenen, aber tüchti-
gen Künstler, und besonders ist das Bildniss Karl's (mit
Allongeperrücke, Harnisch und dem goldenen Vliess) ge-
lungen.
Nachstehende Inschriften enthalt dieses merkwürdige
Blatt : Das Bildniss Karl's hat die Umschrift : Carolus III D. G.
Hispan. [ndiarumque rex, Archidux Austriae. Aetat: 18.
Auf dem aufgeklebten Papierstücke erscheinen mit stark
vergilbter Tinte und fester Schrift, die aber bezüglich der
Uncialbuchstaben wenig Zierlichkeit hat, drei Chronogralica :
I.
Slae Marlae aDCeLLas
orbls Reglnae
II.
aD ulspanlae Coronas
DIsCeDens
III.
LeopoLDI Caesarls eX
ELeonora NeobVrga proLes
gratVs eX Voto DICas et sa-
Cras CaroLVs neX. m./p. 15 Sepbris
Die Zahl 15 erscheint in der letzten Zeile in das Manu-
propria verflochten.
Die zusammengehörenden Inschriften über den zwei
Seitendarstellungen lauten :
„Carolus III rex Hispahiae declaratus ad Cellas Marianas
Crucißxi ae D. Matris dolorosae ac Angelor : Simulacra, es
auro et Gemmis elaborata, Voti causa eil subjeetis Chrono-
graficis propris marte, manuque dicabat. MDCCI1I. 15. Sept."
Jene unter diesen Darstellungen :
..llaec Aug:"" Lmperatrii D. Leopoldi R. I. Vidua et
Regum Mater sie ornari jussit dum cum Seren :mi' Prolibus I.
Elisabetha, II: Maria Anna. III Magdalena Archiducibus Aust :
et Ser"" Elisabetha Principe de Wolffenbüttel Destinata
Carolo III Sponsa, ad Cellas Marianas Vota sua deponeret
19* Augusti MDCCVH."
l ber der Kinne am unteren Theile des Blattes steht:
„Symbolum regium" und der Wahlspruch dieses Symbols
(des oben beschriebenen Adlers) lautet: „Patrum virtute,"
wodurch sich das in der Sonnenscheibe befindliche L, als
auf Kaiser Leopold 1. deutend erklärt.
Rechts und links unten sind vier „Symbola Mariana"
angebracht, nämlich: Moses. Josua u. s. w. mit passenden
Bibeltexten.
Die Geschichte dieses höchst denkwürdigen Blattes ist.
v ie sich zum Theile aus den Inschriften selbst ergibt, fol-
gende:
Am 1 1. September 1703 wurde Kaiser Leopold's des
Ersten zweitgeborner Sohn Karl in Wien in feierlicher Ver-
sammlung des geheimen Halbes und des Hofes als Konig von
Spanien unter dem Namen Karl III. proelamirt. wobei Kai-
ser Leopold selbst und der erstgeborne Sohn Joseph (damals
römischer König) auf die Erbschaft nach König KarPs II. von
Spanien Tode Verzieht leisteten.
Der kaum achtzehnjährige Erzherzog säumte nicht,
nach dieser Proclamation die Heise in sein neues Königreich
anzutreten. Doch wusste er, dass er dieses eigentlich erst
zu erobern habe, täuschte sich über die Schwierigkeit der
Lage, welcher er entgegenging, nicht, und pilgerte, so sehr
die Abreise dringend erscheinen mochte, mit seinem Gefolge
nach Maria-Zeil, um liier Heistand und Segen für sein gros-
ses Unternehmen zu erbitten. Hier opferte er nun ein kost-
bares achatenes Kreuz, mit goldenen und silbernen Figuren,
den Erlöser, die schmerzhafte Mutter Gottes und mehrere
Engel darstellend und mit Diamanten und Smaragden ver-
ziert. Die Zeichnung dieses Kreuzes, welches die Schatz-
kammer noch gegenwärtig bewahrt, ist auf dem Pergament-
blatte, auf welchem es der Erzherzog mit beiden Händen
gegen die ober dem Altare schwebende Gnadenmutter erhebt,
deutlich erkennbar, obwohl das ganze Kreuz sanunt Posta-
ment hier nur wenig Linien lang erscheint.
Als im Jahre 1707 des Erzherzogs Mutter, Kaiserin
Eleonora, mit ihren Töchtern, den Erzherzoginnen Elisabeth,
Anna Maria und Magdalena, und mit Karl's Braut, der Prin-
zessin Elisabeth von Wolfenbüttel, zu Maria-Zeil war, liess
sie zur Erinnerung an ihres Sohnes Pilgerfahrt dieses Blatt
malen. So schwer es ist, dasselbe einem bestimmten unter
den bekannten Malern jener Zeit zuzuschreiben1), so dürfte
doch mit Gewissheit angen men werden, dass die Arbeit
durch einen im Gefolge der Kaiserin mitgekommenen Maler,
oder noch wahrscheinlicher schon früher in Wien angefer-
tigel worden sei. So könnte es von Velbert von Allen, Kai-
ser Joseph's I. Maler und Kammerdiener, von Peter Freiherrn
von StrudI, Kammermaler unter Leopold I. und Joseph I.. von
Anton Bertoli (Disegnatore tli Camera), von dem Kammer-
maler Anton Negelein, selbst von Jakob von Schupper, spä-
ter Director der Akademie der Künste in \\ ien. herrühren.
Eine ziemlich nahe Vermuthung aber sprich! für die
Verfertigung des Blattes durch Franz Stampart. — Dieser
erhielt (nach J. E. Schlager's Materialien zur österreichi-
schen Kunstgeschichte, herausgegeben im .1. 1850 durch
die kais. Akademie der Wissenschaften) im «I. 1707 aus der
Hofcasse »wegen Ein kleines Portrait der Herzogin von
') Ein Vergleich mit analogen Arbeiten jener Künstler, eu welchem leider
,l..iii Schreibei dieser Zeilen die Gelegenheil fehlt, könnte vielleicht
entscheiden.
111 —
Wolfenbüttel" 50 fl. — „vor zwei kleine Portrait" 90 fl. —
1711 „wegen für Ihre Königl. Maystet (Karl III.) gelieferte
verschiedene Malereien" auf die in der Jahresrechnung von
1708 befindlichen Documente, worunter der „Keys. Befelch"
2070 fl. — und im selben Jahre „wegen eines andern für
A. H. gedachte Königl : Spanische Majestät K. Carl verfer-
tigten Portraits" 48 fl., endlieh 1712 „wegen Eines von
Miniatur verfertigten Klein. Keysl : portraits" 48 fl. — Das
vorletzte dieser Portraits könnte unser Blatt gewesen sein.
Dass es als „für" König Karl gemalt, angeführt erscheint,
widerlegt die Vermuthung nicht, da in den damaligen Hof-
reehnungen eine strenge Wahl der Ausdrücke nicht vor-
herrscht; und dass es erst später gezahlt wird, widerspricht
der Annahme ebenfalls nicht, da wir in jenen Rechnungen
auf sehr viele verspätete, oft an die Erben der Künstler er-
folgte Zahlungen stossen. Auch nicksichtlich des Kreuzes
selbst mag hier die Vermuthung ausgesprochen werden, dass
es von dem kaiserlichen „Kammergoldschmidt" Johann
Kanischbauer aus Hohenried verfertiget sei, der 1717 das
von Karl VI. nach Maria -Zell verlobte goldene Kind und ein
eben dahin verlobtes silbernes Crucifix, ersteres um 1222 fl.,
letzteres um 1200 fl. „Macherlohn" und 600 fl. an kleinen
Ausgaben lieferte, — welche Arbeiten ihm gewiss nur in
Anerkennung früherer Leistungen übertragen wurden.
Es wäre undankbar, diese Zeilen zu schliessen, ohne
ein Wort des Dankes für den im Eingange erwähnten hoch-
würdigen Herrn Dechant in Maria-Zeil auszusprechen, der
dem Unterzeichneten sogleich nach der Auffindung der Rolle
die detaillirtesten Mittheilungen hierüber zusendete , und
sogar die Besichtigung derselben , welche sonst eine Reise
nach Maria -Zell erfordert hätte, in der liberalsten Weise
ermöglichte.
Würden die Conservatoren unseres Vaterlandes , von
denen viele durch anderweitige Rerufsgeschäfte in ihrer Thä-
tigkeit ohnehin beschränkt, in der Ausübung ihrer Pflicht
sich mit Mühe bewegen , auf diese Weise öfter unterstüzt,
käme ihnen, wie von der Seite dieses würdigen Priesters,
liebevolle Theilnahme und freundliches Vertrauen entgegen,
statt verlegener Kälte und die schlecht verhehlte Angst, etwa
durch einen eifrigen Conservator zu einer Auslage aufgefor-
dert zu werden, so wäre deren Ehrenamt zugleich ein Freu-
denamt und ihre durch vereinte Kräfte unterstützten Leistun-
gen hätten schnelleren Erfolg und grössere Tragweite!
J. Scheiger.
36. (Zur Beschreibung der evangelischen
Pfarrkirche von Mühlbach in Siebenbürgen.)
In dem II. und III. Monathefte der „Mittheilungen" brachten
wir unter dem Titel : „Über den älteren sächsischen Kirchen-
bau und insbesondere die evangelische Kirche zu Mühlbach"
einen Aufsatz von dem k. k. Conservator Herrn Friedrich
Müller in Schässburg, den wir einem frühereu Jahrgange
der in Siebenbürgen erscheinenden „Blätter für Geist und
Gemüth etc." in der Absicht entnahmen, um über den
Charakter der mittelalterlichen Bauwerke eines Kronlandes
des Kaiserstaates saehgemässe Aufklärungen zu geben, aus
welchem bisher noch verbältnissmässig wenig in weitere
Kreise gedrungen ist. Nachdem schon der Druck des Auf-
satzes vollendet war, erhielten wir ein Schreiben des Herrn
Verfassers, worin er uns — leider zu spät — benachrichtigte,
dass er eben mit Benützung der seit der ersten Veröffent-
lichung gemachten kunsthistorischen Studien, den in Frage
stehenden Aufsatz einer Umarbeitung unterziehen wollte und
bei dem Umstände, als nun derselbe neuerdings abgedruckt
erscheint, den Wunsch aussprach, wenigstens einige Ergän-
zungen und Berichtigungen seiner Beschreibung der Mühl-
bacher Pfarrkirche nachzutragen. Zugleich übersandte er
uns einen Grundriss der erwähnten Kirche, welchen wir hier
wegen des nicht unbedeutenden Interesses dieses Baudenk-
malesfür die siebenhürgische Kunstgeschichte im Holzschnitte
veröffentlichen.
L*
Grundriss der evangelischen Pfarrkirche von ßfühlbach in Siebenbürgen.
Was die gewünschten Ergänzungen und Berichtigun-
gen der Beschreibung der Kirche anbelangt1), so ist nach
Angabe des Herrn Verfassers Folgendes zu bemerken: Hie
Länge des Mittelschiffes beträgt im Lichten gemessen 93 5 :
seine Breite 55' 10". Nach jeder Seite durchbrechen die
Wand vier in gewöhnlichem Spitzbogen überwölbte, im Ver-
hältnisse zu ihrer Höhe sehr weite Fenster, deren Krönung
mit Maas werk (Vierpass u. a.) ausgefüllt ist. Auch das nörd-
liche und südliche Portal (jenes 3' 7" weit, 7 8' hoch:
dieses 3' 9-5" weit, 7' 10" hoch) sind in demselben Bogen
geschlossen; die vor dieselben später angebauten Hallen
haben getäfelte Decken. Sowohl das Mittelschiff als die
Seitenschiffe zeigen Kreuzgewölbe mit Gurtung; doch sind
die Traveen in jenem nicht wie in diesen durch Quergurten
getrennt. Die Schlusssteine im Mittelschiffe sind ganz flach.
in dem südlichen Seitenschilf in Bösen und dreistrahlige
Sterne ausgebreitet, im nördlichen gar nicht vorhanden.
Die Gurten sitzen auf massiven und rohen Tragsteinen an.
die Arcadeupfeiler sind ungleich stark, viereckig und ohne
alle Gliederung. — Das Portal im Thurin ist 5' S" weit
und 6' 5" hoch. — Bezüglich der zwei Anbaue an dem
') Vergleiche April-Heft der „Mittheilungen" S. 60.
13*
— 112
Thiirni , welche jetzt als Magazine benützt werden, kommt
noch zu erwähnen, il;iss der nördliche ein enges und über-
wölbtes Fensterchen, der südliche ein etwas weiteres mit
einer Füllung — ähnlich der an der Kirche in Heiligenstadt
von Otte in seinem llandbuchc S. 1 1 !• bezeichneten —
hat. In letzterem befindet sich auch ein Altar mit Masswerk-
Sculptur an der Vorderseite. Wenn erstere auch nicht gleich-
zeitig mit dem Thurme sind, so mögen sie doch nicht weit
hinaufreichen, da jene Füllung dem frühgothischen Style an-
gehört. Die beiden westlichsten Vorbaue gehören dem laufen-
den Jahrhundert an. Von dem Chore bemerkt der Herr Ver-
fasser, dass er im Lichten 8(i 1 0 ' lang, 43' 2" breit und
50 hoch ist und das Gewölbe, von zwei Reihen von je vier
Pfeilern getragen, ein gegürtetes Kreuzgewölbe zeigt. Die
Pfeiler ruhen nicht auf Polygonen . sondern achtseitigen
Basen von 2' 6 Durchmesser: die zwei dem Altar zunächst
stehenden Pfeiler sind gleichfalls sechseckig, jedoch ohne
Gliederung. — Bezüglich der vorhandenen Spuren eines
Leitners an der Stelle, wo sich der Chor gegen das Schiff
zu öffnet, ist zu ergänzen, dass man nicht nur in den Steinen
die Einschnitte für die Brüstung, sondern auch gegen die
Seitenschiffe bin — auf schlanken Säulen von nur 1' Durch-
messer die Überreste dieses Lettners mit ganz vorzüglich
gearbeitetem Masswerk und vier Bogen, wovon zwei gerad-
linig, zwei im geschweiften Spitzbogen schliessen, erblickt.
— Von dem Wappen, welches sieh links an der unteren Seite
des Flügelaltars befindet, heisst es, dass dasselbe jenes von
Mühlbach (der aufrecht stehende Löwe mit offenen Tatzen)
sei. — Die Sacristeithür ist im Kleblattbogen geschlossen.
Die Mauerstärke im Chor beträgt 3'. am Thurm 5'. — Das
gegenwärtige Dach des Thurms ist ltiti'2 — lf!G4 aufgesetzt
worden, nachdem das frühere durch Ali Pascha's Türken und
Tataren 1G01 mit dem grössten Theile der Stadt abge-
brannt war (Unterwälder Capitularmatrikel), es kann aber
in seiner Anlage alt sein. — Bei der Betrachtung,
welche der Herr Verfasser über die Erbauung des jetzigen
Chores (S. C3, 1. Spalte) anstellt, bemerkt derselbe am
Schlüsse: „An der nördlichen Chorwand glauben wir in
einem von aussen wohl sichtbaren, senkrecht gehenden
ü>satzenocb die Spuren des alten Chorschlusses zu erkennen.
Dieser Chor stand dann auch zu der Länge des Schiffes in
besseren^ erliältuisseals der jetzige, entschieden zu gedehnte.
Auch wird durch diese Ansichl allein erklärlich, wie die
Kirche jetzt mit dem Chore fast an die Ringmauer stösst,
während auf der entgegengesetzten Seite der Thurm noch
ziemlich weit davon entfernt ist. dadoch bei der Ebenheit des
Terrains anzunehmen ist, dass das Gotteshaus ursprünglich
in die Mitte des Bauplatzes gestellt wurde. Der Raum zwi-
schen dem jetzigen Chor und dem Thurm konnte unmöglich
durch ein proportionirtes Schiff ausgefüllt werden. \.- lag
also im Bauplane nichl allein, das Schiff später auch abzu-
tragen, sondern auch den Thurm, und hätte man am Beginne
des Neubaues das alte Gebäude vollständig abgetragen, dann
wäre auch der Thurm eine spätere Anlage als der Chor,
und dagegen streitet nicht weniger als Alles."
37. (Kirche und Flügelaltar zu A 1 1 - B i e 1 i t z in
Schlesien.) Ein an die k. k. Central-Commission gerich-
teter Bericht des Herrn Vorstandes der k. k. Baudirection zu
Krakau. Dr. Sehen kl, enthält folgende Beschreibung der
Kirche und des Flügelaltars zu Alt-Bielitz :
Die erste Gemeinde im jetzigen Herzogthume war
Teschen selbst, entstanden im Jahre 810, die zweite Ge-
meinde soll Alt-Bielitz gewesen sein.
Wenn die Nachrichten des Pfarr-Inventariums der Stadt
Bielitz richtig sind . fällt die Einführung des christlichen
Cultus zu Bielitz in jene Zeit, wo das Wellehrader Bisthum
nach Olmütz übertragen wurde, nämlich in das XI. Jahr-
hundert. Im J. 1131 dürfte eine hölzerne Kirche errichtet
wurden sein, 113S(?) das Presbyterium der gegenwärtigen
Kirche entstanden sein, welches dann jedenfalls die erste
gemauerte Kirche im Herzogthume Teschen war.
Nach weiterer, jedoch nichl verbürgter Tradition wurde
die Erweiterung der Kirche durch den Zubau des Kirchen-
schiffes schon im Jahre 1230 vorgenommen, der Thurm
jedoch erst im Jahre 1315 zugebaut.
Die Kirche ist im gothischen Style erbaut, einschiffig
und mit einem gemauerten ziemlich hohen Thurm von alter-
thümlichem Charakter versehen, der mit einer kegelförmigen
Thurmhaube gedeckt ist. Der interessanteste Theil des
Gebäudes ist unstreitig das Presbyterium, ursprünglich die
Kirche selbst, welche erst später durch Zubau des Kirchen-
schiffes vergrössert wurde.
Wenngleich dieses Presbyterium nicht durch grosse
Dimensionen imponirt, indem der Bau zu den kleinen sei-
ner Gattung gehört, so muss mau sich doch an den edlen
Verhältnissen erfreuen, die ihn auszeichnen. Namentlich ist
das Gewölbe mit musterhafter Sorgfalt ausgeführt, die selbst
aus der viele hundert Jahre allen oftmaligen Tünche heraus-
sieht. Schlanke Bippen zieren dasselbe, zwischen welchen
Schilder äusserst fieissig ausgewölbt sind.
Den Schluss der Kippen bildet das in Relief gearbeitete
polnische Wappen aus Stuck oder Stein. So wie ursprüng-
lich, ist das Gewölbe des Prcsbyteriums noch jetzt mit grel-
len Farben gemalt, und sind in der Malerei und zwar um
das polnische Wappen mehrere kleinere angebracht. Es hat
den Anschein, als ob diese .Maierei mit Benützung der
ursprünglichen Zeichnung wiederholt erneuert worden wäre.
Die Form der Fenster ist ein schmales Rechteck, welches
vielleicht erst später aus dem ursprünglichen Spitzbogen
gebildet wurde. Die Glasmalereien derselben soll ein Erz-
priester von Bielitz leider vor einigen 30 Jahren entfernt,
und durch das gegenwärtige eingezogene weisse Glas ersetzt
haben. Vor dem uralten Flügelaltare befindet sich ein Grab-
stein mit der Inschrift _tn odpocziwa Jan Katerla1- und der
historisch bedeutsamen Jahrzahl H>48.
113
Rechts vom Altare stehen sehr alte schön geschnitzte
Blinke, man möchte meinen, in denselben die nämliche Hand zu
erkennen, welche die schönen Steinarbeiten fertigte, die sich
in der St. Aegidius-Kirche im Ende der Utika Grodzka zu
Krakau befinden. Auf derselben Seite befindet sich eine mit
Farbe angebrachte Schrift, wovon der eigene Name noch in
den ursprünglichen jedoch aufgefrischten Schriftzügen aus-
geführt ist. Ich gebe dieselben in ihrer Form wieder; die
Inschrift lautet: 1H6&DO fundavit Anno 1135. Der Name
scheint unzweifelhaft echt zu sein.
Die linke Seitenmauer des Presbyteriums ist mit einer
Episode der Passion bemalt, die Malerei ist jedoch unkünst-
lerisch und jüngerer Zeit angehörend.
Rechts vom Altare befindet sich ein enges überwölbtes
Gemach mit einem kleinen Fenster ; es ist die Sacristei. Sie
enthalt nichts von besonderem Interesse.
Das Kirchenschiff ist viel spater und zur Erweiterung
des Gebäudes erbaut, obwohl von aussen mit ähnlichen Pfei-
lern wie das Presbyterium versehen. Dasselbe entbehrt des
Gewölbes, welches durch eine einfache Bretterdecke ersetzt
wurde. Die Fenster gleichen jenen des Presbyteriums , und
unter dem Chore stehen ebenfalls hölzerne geschnitzte Stühle,
ähnlich jenen des Presbyteriums.
Was den im Presbyterium befindlichen Flügel -Altar
anbelangt , so scheint zwar derselbe ersterem nicht an Alter
gleich zu kommen und insbesonders gehört die Einrahmung
einer spätem Zeit an , doch haben die Gemälde unstreitig
ein hohes Alter und wurden von vortrefflicher Hand aus-
geführt.
Sie sind durchaus auf Eichenholz und Kreidegrund
gemalt, die Glorien sehr gut und stark vergoldet. Der Altar
besteht aus einem ungefähr 6 Fuss hohen und 6 Fuss brei-
ten Mittelbilde, darstellend : die Madonna, verehrt von dem
heiligen Stanislaus und Nikolaus. Die Köpfe sind sehr
sprechend, jene der Madonna ausserordentlich zart und
lieblieh.
Die beiden Flügel sind zur Hälfte getheilt, jeder ent-
hält innen und aussen zwei Bilder. Sämmtliche 8 Bilder
stellen das Leben des heiligen Stanislaus vor, und zwar das
untere Bild rechts die Ermordung des Heiligen durch den
König Boleslaus, das andere Bild die Heilung eines Kranken,
das untere Bild links die Erweckung eines Todten, das
obere die Wohlthätigkeit des Heiligen. Von aussen ist
das obere Bild rechts die Darstellung der Legende, nach
welcher die Vögel den zerstückten heiligen Leib wieder
zusammensetzen, das untere stellt die Heiligsprechung dar,
das obere Bild links zeigt die Zerstückelung des Heiligen,
das untere sein Begräbniss.
Sämmtliche Gemälde sind, wenn auch nicht von der
Schönheit des Mittelbildes , doch mit Charakter und guter
Färbung gegeben und lassen durchweg die in alter Zeit so
oft vorkommende Vernachlässigung richtiger Perspective
erkennen.
Unter den Flügelbildern und auf dem Altarstocke auf-
stehend, befindet sich in kleineren Rahmen eine Reihe gut
gemalter Apostelküpfe. Ober dem Flügelaltar sind sauber
geschnitzte gothische Ornamente angebracht.
Der ursprüngliche Altarstock seheint in der Refor-
mationsperiode zu Grunde gegangen zu sein, da der gegen-
wärtige die Jahrzahlen 1565 et 1598 ersehen lässt, in
welche Jahre die Einführung des Protestantismus in Bielitz
fällt, 1560 war diese Kirche wirklich in den Händen der
Protestanten und kam erst im Jahre 1630 wieder an die
Katholiken zurück, nachdem sie schon im Jahre 1447 den
Rang der Pfarrkirche verloren hatte und zu einer Filiale
der Pfarrkirche der gegenwärtigen Stadt Bielitz gewor-
den war.
Auf dem Altarstocke stehen zwei Inschriften, und zwar
eine: „Hoc opus paratum est per me Joannem de Polum
campanatorem Bilicensem anno Domini 1565."
Die zweite ist deutsch und lautet: -Augustinus Bartge
bin ich genannt alles thuet stehen in Gottes Hand. 1598."
Kanzel und Taufstein sind spätem Ursprunges , letzterer
lässt die Jahrzahl 1660 ersehen.
Auf dem Kirchenthurme hängen 3 Glocken, wovon die
grösste, 18 Centner schwer, im Jahre 1605, also zu einer
Zeit gegossen wurde, wo der Protestantismus waltete.
38. (Steinerner Behälter für das h. Öl im
Seethale zu Salzburg.) Im Mai 1S54 machte der k. k.
Conservator für Salzburg Herr Süss an die k. k. Central-
Commission die Anzeige, dass sich vor der Kirchthür im
Seethale ein ausgehöhlter Stein aus Gneiss umgestürzt als
Sitzbank befinde, und legte zugleich eine Beschreibung des
Steines vor, welche die fürsterzbischöfliche Expositur auf
seine Veranlassung eingesandt hatte. Aus dieser Beschrei-
bung war zu entnehmen, dass der Stein, am Eingänge der
Kirche ruhend, aus einem Blocke von Granit kunstlos ge-
meisselt ist. Er bildet ein längliches Viereck mit einem
dreieckigen Vorsprunge von 7 Zoll Länge, in dessen Mitte
eine runde Höhlung von 7 Zoll Tiefe und 5 Zoll Durchmesser
angebracht ist, welche, in der Voraussetzung, dass man einen
alten Taufstein vor sich hat. zur Aufbewahrung des h. Ölea
gedient haben mag. Die Länge des ganzen Steines, d. h.
mit dem erwähnten Vorsprunge, beträgt 41/» Schuh, die Breite
2 '/2 Schuh, die Höhe 2 1/2 Schuh. In der Mitte des
länglichen Viereckes ist eine Höhlung derselben Form, und
zwar 34 Zoll lang, 19 Zoll breit und 13 Zoll tief, rings-
herum ein Falz, offenbar um einen sehliessenden einfachen
Deckel darauf anbringen zu können. Aus letzterem im-
stande wollte nun eben der Berieht der kirchlichen Expo-
situr im Seethal folgern, dass es sich hier um einen Tauf-
stein handle, da die Synode von Köln im J. 1281 bezüglich
derselben verordnete, dass sie wohl bedeckt und gut ver-
schlossen seien, damit Niemand daraus das heilige Wasser
schöpfen und zu abergläubischen Dingen missbrauchen
114
könne, was übrigens auch nicht dem Alter dieser Seel-
sorgestation entgegen sei, da Vierthaler I. Theil, S. 13ti,
schon für das .lala- 1401 einen „Niklas Pfarrer zu
Sand Johannes am See bei Klauseck in LungaV aufführt.
Doch werden in dem erwähnten Bericht einige Zweifel Dicht
unterdrück wegen der viereckigen Form der Höhlung „da
in der Antwerpuer Synode des J. 1610 die Vorschrift ge-
geben war: „Es lapide solido sit fons, ne ex eo aqua cffluat,
sit(]iie figurae rotundae et latitudinis circiter duorum pedum"
und sich auch in der Pfarrkirche Bilk bei Düsseldorf ein Tauf-
stein, der aus der Zeit vor dem X. Jahrhundert herrührt,
beiludet, der zwar an seiner Aussenseite achteckig, inwendig
aber rund ist. Um nun hierüber das ürtheil eines in dieser
Frage competenten Gelehrten zu vernehmen, wandte sich
die k. k. Central-Commission an den Herrn k. k. Konserva-
tor Dr. Kandier in 'Priest . welcher auf Grund der vorge-
lebten Zeichnung die Erklärung abgab, dass der bei Seethal
im Lungau entdeckte Stein unzweifelhaft ein zur Aufbe-
wahrung der heiligen Öle bestimmter, in der ältesten Form
ausgeführter Behälter sei, und zwar entweder aus einer Ple-
benalkirche, oder einer selbstständigen Taufcapelle, oder einer
gemeinschaftlichen Blebenal - Todtenstätte. Er erwähnte
ferner, dass selche Behälter ursprünglich entweder in einer
Blebenalkirche oder Taufcapelle an der rechten Seite des
Hauptschiffes eingemauert wurden, welche mit einem hölzer-
nen oder metallenen Thürchen versehen waren, deren Angel
und Riegellöcher noch zu sehen seien. Solche Behälter waren
in den Kirchen aus dem VI. Jahrhunderte gebräuchlich und
zwar an den Mauern der Seitenschiffe der Kirche in den
Pastophorien angebracht, für das heil. Öl, für das h. Brot
und für sonstige verbrauchbare heilige Sachen bestimmt,
keineswegs zur Aufbewahrung des Allerheiligsten. Die
Form der ältesten Behälter ist von jener des Lungauer
Steines nicht wesentlich verschieden; die ältesten haben
eine längliche, im oberen Theile einen dreieckigen Timpanus
mit Delphinen, mit dem Kreuzbilde und mit sonstigen Deco-
rationen verzierte Form; solche alte Behälter findet man in
Ravenna. Torzello. Parenzo u. s. w. — Dass dieser Lun-
gauer Stein kein Taufstein sei. geht aus dem hervor, weil
die ältesten Taufsteine, welche nur bei den bischöflichen
Kirchen zu suchen sind, alle sechseckig und zwar aus sechs
Marmortafeln zusammengestellt waren. Die Taufsteine der
Blebenalkirchen , die im XI. Jahrhunderte häufig wurden,
hatten eine viereckige Form und bestanden aus einem ein-
zigen Steinblocke.
39. (Salzburgische Künstler aus dem Mit-
telalter.) Der Maler Herr G. Petzold aus Salzburg ge-
langte durch die Güte des Novizen -Directors des Benedic-
ünerstiftes Set. Peter in Salzburg P. Amandus düng in die
Kenntnis-, eines im XII. Jahrhunderte begonnenen nekrologi-
schen Verbrüderungsbuches, das wie sich Herr Petzold
selbst überzeugte — eine Reihe von Künstlernamen enthält.
Das Buch ist mit charakteristischen figürlichen Contourzeieh-
nungen in schwarzer und rother Farbe geziert. Im Interesse
fernerer Kunstforschungen theilte der genannte Künstler
der k. k. Central-Commission die Namen dieser mittelalter-
lichen Künstler mit. Sie lauten:
Gerold us pictor. (Aus dem Anfange des XII. Jahr-
hunderts.)
Udelricus pictor. (Aus dem Anfange des XII. Jahr-
hunderts.)
Richerus, campanorum fusor. (Aus dem XII. Jahr-
hunderte.)
L'lricus incisor, (Aus dem Ende des XII. Jahrhdts.)
Eberhard us vitrarius laicus. (Aus dem Ende des
XII. Jahrhunderts.)
Iscingrinus, laicus, qui fecit altar: Set. Mariaein
eccl. Set. Petri. (Aus dem Anfange des XIII. Jahrhunderts.)
Dieser Altar stand in dieser Klosterkirche noch in der
ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts vor der Stufenreihe,
welche aus dem Mittelschiffe zur Apsis des Hochaltars führte,
und hinter welchem ein Zugang zur Krypta niederführle.
Walehum, Monetarius. (Aus der Mitte des XIII. Jahr-
hunderts.)
40. (Neu entdeckte Überreste einer römi-
schen Colonie im Thale Ternava bei Agram.)
Einem uns zugekommenen Schreiben des k. k. Conservators
für Croatien Herrn Ivan Kukuljevie" ddo. 22. April ent-
nehmen wir folgende interessante Nachricht:
Eine Viertelstunde vom Pfarrorte Markusevec bei
Agram entfernt , liegt gegen Osten in einem länglichen
Thale das kleine Dorf Ternava. Dasselbe ist nördlich von
Gebirgen begränzt, über die mau nach Zagorien fährt, südlieh
mündet es in die Hauptstrasse, die von Agram nachWarasdin
führt, und hat in der Kerne in gerader Richtung vor sich das
Dorf Sritarjovo, welches, am rechten l'fer der Save gelegen,
ebenfalls einstens eine römische Colonie war1).
Von einer römischen Ansiedlung im Thale Ternava
hatte bis nun die gelehrte Welt gar keine Ahnung, und es
wäre diess der Geschichtsforschung noch lange unentdeckt
geblieben, wenn nicht ein schlichter Bauer (Namens Rocic",
lies: Rotschitsch) beim Ackern seines Feldes auf eine Mauer
gesiossen wäre, neben welcher derselbe einen breiten Canal
aus den schönsten römischen Quader -Ziegeln erbaut fand.
Nach der Aushebung dieser Ziegeln, die mit einer halbkreis-
förmigen Verzierung begränzt. in verschiedener Grösse
aufgefunden wurden, grub der Kigenlhümer weiter, und
sliess überall auf Mauern. Im Schutte fand er auch eine
ewige Lampe, die er aus l'nkenntniss zerbrach.
Ich besichtigte genau den Fundort, und fand, dass sich
die Mauern in der Erde einige hundert Schritte weit nach
1 1 Hin bill es für des »lte Andantoriuni, and bei daselbst vor vielen Jahren
römische Mterthümer und Inschriften gefunden.
— 115
allen Richtungen ausdehnen. Südlich und nördlich stösst man
sogar auf sichtbare Spuren einer römischen Strasse, und in
der nordwestlichen Richtung, auf der linken Seite der Strasse,
erhebt sich ein steiler, mit einer grossen Fläche versehener
Rerg, der mit Überresten alter Mauern und mit Schutt ganz
besäet ist. Das Volk nennt diesen Rerg Gradisc'e') und
erzählt, dass liier, sowie unten in Ternava, einst eine Juden-
stadt (Zidovski varos) sich befand2). Es scheint jedoch aus
der Construction der noch sichtbaren Mauern, dass dieser
Rerg im Mittelalter neuerdings befestigt und mit einem
grossen Schlosse versehen war, obwohl bis nun noch in
keiner Urkunde von diesem Schlosse eine Erwähnung ge-
funden wurde.
In der nächsten Umgebung von Ternava sind bereits
viele römische Münzen von Gratianus, Constantinus, Constan-
tius u. s. w. gefunden, die sich nun im National-Museum zu
Agram befinden.
Welch ein Ort zur Zeit der Römer auf diesem Platze
stand, konnte ich in dieser kurzen Zeit noch nicht ermitteln;
zieht man jedoch das Itinerarium Antonini , das Itinerarium
Hyerosolimitanum und die Tabula Peutingeriana zu Rathe, so
konnte man mit einer Wahrscheinlichkeit behaupten, dass
hier die Mansio Lentolis, auch Lentulum, Lenturum und Len-
tudum genannt, unter den Römern stand , und dass die Strasse
bei Ternava dieselbe ist, die von Pettau über Aquaviva, ad
Populos, Tovia, Dolivo, Sonista, Pyrri (Piretis) und weiter
gerade nach Sirmium, seitwärts aber rechts nach Siscia
führte. Nimmt man weiter in Berücksichtigung, dass die bei
Ternava sichtbare römische Strasse in einer gleichen Rich-
tung mit dem Orte Kasina (Cassina) liegt, wo ebenfalls be-
deutende römische Alterthümer ausgegraben wurden, und
dass sich weiter oben im Gebirge die Spuren einer römi-
schen Strasse finden, die über Zagorien nach Pettau führte,
so könnte man beinahe mit Gewissheit die Mansio Lentolis
hieher setzen, da auch jene Lage, die ihr die Peutingerische
Tafel gibt, der Lage von Ternava ziemlich entspricht.
41. (Ein alter Thurm in Te sehen) Teschen,
eine der ältesten Städte Schlesiens, hat am westlichen Theile
eine Anhöhe, in deren Mitte das neue erzherzogliche Schloss
sich befindet. Am obersten Theile des Hügels prangt maje-
stätisch ein alter Thurm, den Casimir, Lesko's 111. Sohn,
Herzog in Polen, im Jahre 810 n. Ch. G. erbaut haben soll.
Am oberen Teile des Thurmes sind die sogenannten Fall-
schirme an jeder Ecke und in der Mitte angebracht, um die
anstürmenden Feinde durch herabgeworfene Steine vom
Eindringen abzuwehren, daher auch der Thurm aus der
Ferne oben breiter als unten erscheint. Das Mauerwerk ist
noch ganz gut erhalten.
Literarische Anzeigen.
Dr. Gustav Heide r, Prof. R. v. Eitelbergcr und Architekt
J. Hieser: „Mittelalterliche Kunstdenkmale des österreichischen
Kaiserstaates." I. Lief. Stuttgart. Ebner und Seubert, 1856.
Die Kunstdenkmale des österreichischen Kaiserstaates sind nicht
unbedeutender als jene der übrigen Länder Europas, sie repräsentiren
die verschiedensten Zweige der Kunst-Epochen , welche in der vor-
christlichen wie in der christlichen AVeit zur Geltung gelangt sind.
Die Denkmale der classischen Periode waren auch bis jetzt schon viel-
fältig Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen; seit Winkel-
mann's Wiederbelebung der Antike wurden mit besonderer Vorliebe
auch in Österreich alle Bestrebungen gefördert, welche die Kenntniss
der classischen Kunslsehätze vermehrten. Nur die monumentale Kunst
der christlichen Zeit, so reich und mannigfach auch ihre Producte sind,
fand bisher eine verhältnissmässig sehr geringe Beachtung. Es fehlte
zwar nicht an Versuchen in einzelnen Kronländern um die dortigen
Kunstwerke zur Anschauung zu bringen, aber diese erfüllten thcils
nicht die Anforderungen, welche immer neue und geläuterte For-
schungen auf dem Kunstgebiete zu stellen berechtigt waren, theils
») Lies: Gradischtsche.EinOrtwo einst ein Schloss stand, von Grad=Schloss.
2) Diese eigentümliche Benennung gibt das provinzial-croalische Volk
allen Orten, wo einstens die Römer gesessen. Versteht es vielleicht durch
das Judeuthum die vorchristliche Zeil?
trugen sie solch ein provincielles Gepräge, dass sie kaum in weiteren
Kreisen Anklang linden konnten. Ein kunstgeschichtliches Bild des
gesammten Kaiserstaates nach dieser Richtung mangelte aber bis
jetzt, und ein Werk, welches sieh die Aufgabe gestellt hätte, dasselbe
anzubahnen, war schon lange der lebhafteste Wunsch aller Kunst-
freunde. Vorstehendes Unternehmen der Herren Dr. Heider. Prof.
R. v. Eitel berger und Architekten Hieser ist nun bemüht, diesem
Bedürfnisse zu begegnen. Wie schon aus dem Prospecle zu ersehen
war, wollen sie ein Bild der mittelalterlichen Kunsldenkmale des ge-
sammten Kaiserstaates geben, und ohne sich an eine chronologische
oder provineielle Anordnung zu halten, aus allen KronlSndern das
Bedeutende und minder Bekannte geben. Den Abbildungen werden
besondere Aufnahmen zu Grunde gelegt, die milbigen historischen
und antiquarischen Erläuterungen in einfacher, allgemein verständ-
licher Sprache gegeben und nichts unterlassen, was nicht bloss auf den
Gelehrten, sondern auch auf die Geistlichen und Laien, die Künstler
und Kunstfreunde anregend und nutzbringend wirken könnte. Niemand
wird in Abrede stellen können, dass die genannten Herausgeber zu
solch einem Unternehmen besonders befähigt sind. 11 e id er und Eitel-
beiger haben in der Reihe der Kunslgelehrten Deutschlands schon
vielfache Verdienste sieh erworben, Hieser durch ausgeführte Bauten
und seine Studien über die mittelalterlichen Bauformen sich einen
ehrenvollen Namen erworben. Alle Drei beseelt gleicher Eifer für das
Gedeihen des Werkes, und das grosse Vertrauen, welches die Mini-
sterien selbst in ihre Leistungsfähigkeit durch eine lebhafte Unter-
stützung und Förderung setzen, bildet zugleich die Bürgschaft, dass
HG
sie alle Anstrengungen machen werden, um das Werk zu einem glück-
lichen Abschlüsse zu bringen. — Das erste eben erschienene Heft
der Mittelalterliehen Kunstdenkmale des österreichischen Kaiser-
staates" beginnt mit dem Stifte von Heiligenkreuz. Der Text ent-
hält vorläufig eine historische Einleitung von J. Feil mit Andeutun-
gen über die Eigentümlichkeiten der Satzungen des Cistercienser-
Ordcns in Bezug auf Bau und Hinrichtung der Klöster und Kirchen
dieses Ordens. Wer die Arbeiten dieses Forschers kennt, wird im Vor-
aus wissen, dass sie mit einer Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit
in Bezug auf die Benützung der Quellen abgefasst sind , welche auch
den strengsten Anforderungen zu genügen im Stande sind. Hiebei
kommt noch der Umstand in Betracht, dass es bis jetzt an einer ähn-
lichen Darstellung gänzlich gemangelt hat und wir in den inneren Or-
ganismus eines Ordens Einsieht erlangen, welcher in der Geschichte
der Klöster sowohl in Deutschland als in seinem Mutterlande, in
Frankreich, einen hervorragenden Platz einnimmt und die Darstellung
dieses Organismus auch für das Verständniss derBau-Anlage von derlei
Klöstern von grösster Wichtigkeit ist. Die Baugeschichte von Heiligen-
kreuz selbst haben wir in dem 2. Hefte zu erwarten. — An Abbil-
dungen bringt das vorliegende Heft den Grundriss des Stiftes, die
vordere Ansieht der Stiftskirche mit ihrer eigenthümlichen romanischen
Gliederung, dann eine perspektivische Ansicht des Kreuzganges und
eine Tafel mit farbigen Glasfenstern aus dem Brunnenhause. Diese
Abbildungen lassen mit Zuversicht erwarten, dass es hier nicht auf
eine ehablonenartigc Behandlung des Stofl'es, sondern auf eine durch
Treue, Charakteristik und Geschmack sich auszeichnende Auffassung
der Kunst-Ohjecte abgesehen ist. — Nach diesen Andeutungen bedarf
das Werk wohl keiner Empfehlung und wir wünschen nur, dass es in
den weitesten Kreisen Eingang und Beachtung findet. Der Preis jedes
einzelnen Heftes ist sehr massig gehalten, wenn man die bedeutenden
Kosten in Anschlag bringt, welche solch' ein Unternehmen in Anspruch
nehmen. — Zu besonderem Danke müssen endlich alle Kunst- und
Alterthumsfreunde Österreichs dem Verleger verpflichtet sein, wel-
cher dem Unternehmen bedeutende Mittel zuwendet und dasselbe mit
ausserordentlichem Geschmacke ausstattet. Zu beklagen bleibt es
aber nur, dass wir keinem der österreichischen Buchhändler diesen
Dank abzustatten in die Lage gesetzt wurden. K. W.
A. Reichensperger: „Vermischte Schriften über christliche
Kunst-, Leipzig 185G. 8. 586 S. nebst 8 Tafeln Abbildungen.
Der Inhalt des vorliegenden Buches ist zumeist während eines
längeren Zeitverlaufes theils in periodischen Schriften, theils in Bro-
schürenform veröffentlicht worden, und schliesst sieh ergänzend und
Einzelnes liefer begründend zwei früheren Schriften des Verfassers:
„Die christlich-germanische Baukunst und ihr Verhältniss zur Gegen-
wart" (2. Auflage, Trieri852) und „Fingerzeige auf dem Gebiete der
kirchlichen Kunst" (Leipzig 18:;:;) an. It eich cns per ger's Name ist
mit allen in Deutschland lebendig gewordenen Bestrebungen zur
Wiederaufnahme der kirchlichen Kunst des Mittelalters enge ver-
knüpft, er ist einer der rüstigsten und unermüdlichsten Vorkämpfer
dieser Richtung, der mit seltenem Freimuthe und mit einer Ausdauer,
die nur aus einer tiefbegründeten Überzeugung hervorgehen kann,
gegen alle Verkehrtheiten auf dein Gebiete der kirchlichen Kunst mit
äeharfen Waffen ankämpft. Alle seine Aufsätze sind daher mehr oder
weniger polemisch, es ist ihm nicht bloss um die Erveiterung des
kunstgeschichtlichen Stoffes zu thun, sondern insbesondere darum,
durch dieselbe auf die Ausrottung von Irrthüiucrn hinzuwirken und
allenthalben das Bessere anzubahnen. Die Erziehung der künstleri-
schen Jugend auf Akademien, die Berührung der Kunst mit dem Lehen
durch Kunstvereine und Museen, die Ausübung der Kunst, insbeson-
dere der Architektur durch die hui eaukralischen Organe des Staates,
im Gegensatze zu der durch die mittelalterliche Bauhütte vermittelten
Thäligkeit unserer Vorfahren, die Restauration geschichtlicher Bau-
denkmale, die Baubestrebungen unserer Gegenwart, und vieles An-
dere, was auf das künstlerische Leben der Neuzeit Bezug nimmt, ist
Gegenstand eingehender Kritik, verbunden mit Vorschlägen zum Neu-
baue der morsch gewordenen Verhältnisse. Vorwiegend linden wir diese
Richtung in den Abhandlungen, womit dieses Werk beginnt und in
den „zerstreuten Aufsätzen", wobei wir jedoch, um nicht missver-
standen zu werden, daraufhinweisen müssen, dass Reichensperger
nicht bloss in raisonnirender Ästhetik sich bewegt, sondern durchweg
eine reiche Fülle kunstgeschichtlichen Stoffes beibringt, für deren
Eröffnung dankbar zu sein wir alle Ursache haben. Unter der Abthei-
lung: „Kunstliterarisches" linden wir eine Reihe Anzeigen von Wer-
ken, die sich vorzugsweise mit der christlichen Kunst beschäftigen.
Die Aufnahme dieser Besprechungen in den Inhalt dieses Buches
sucht der Verfasser in nachfolgender Weise zu rechtfertigen: „Die
Beherrscher des literarischen Marktes sind bekanntlich durchweg (?)
der christlichen, insbesondere der kirchlichen Richtung nichts weni-
ger als hold; demnach arbeiten denn auch unsere Zeitungen und Zeit-
schriften fast ausschliesslich für jene Bildung, welche vor einigen
Jahren dem „ewigen Juden" nachlief, und jetzt dem Tom Pouce, den
Azteken und sonst irgend einer Missgeburt Beifall klatscht; die Er-
zeugnisse des modernen Pinsels, das Ballet und die Oper figuriren
allein unter der Rubrik: Kunst, oder bilden für sie doch jedenfalls
deren Culminationspunkt. Alles, was nicht zu dieser Fahne schwör!,
oder gar dagegen ankämpft, wird systematisch ignorirt. Denen nun,
welche solcher Strömungsich nicht unbedingt hingeben wollen, wird
es, denke ich, erwünscht sein, durch die gedachten Artikel eine sum-
marische Kennfniss von demjenigen zu erhalten, was in neuerer Zeit
zusammengetragen und aufgebaut worden, um einen Damm gegen die-
selbe zu errichten." Mit diesem Vorhaben scheint uns aber das unter
der Rubrik: „Kunstliterarisches" Gebotene nicht ganz im Einklänge
zu stehen, denn manche dieser Anzeigen tragen denn doch zu sehr
den Stempel flüchtiger Besprechung, als dass ihr Wiederabdruck mit
dem Vorbedachte eines damit zu erreichenden Zweckes gerechtfertigt
erschiene, andererseits dürfen wir nicht in Abrede stellen, dass die
Summe des Besprochenen nicht im Entferntesten mit dem Reichtbum
dessen im Einklänge steht, was in neuerer Zeit auf diesem Gebiete
geleistet wurde, so dass der Leser wohl kaum hieraus die in Aussicht
gestellte „summarische Kenntniss" erlangen dürfte. Den Sehluss dieses
Werkes bilden die bekannten Reden, welche Reichensperger in
den Jahren 1852—1853 in der preussischen Kammer zum Besten der
Kunst und ihrer Schöpfungen hielt und Berichte in Didion's : „Annnies
areheologiques" über Kunst und Archäologie in Deutschland. Schliess-
lich dürfen wir das Wohlwollen nicht unerwähnt lassen, welches Rei-
chensperger für die literarischen Kunstbestrebungen des Kaiser-
staates in dem Artikel: „Artistisches aus Österreich" kund gibt. Wir
wünschen sonach diesem Sammelwerke, welches durch Stoff und Form
gleich anregend wirkt, die verdiente Beachtung und Verbreitung. Die
Ausstattun" jst, wir Alles, was die Firma T. O.Weigel an derSlirne
trägt, ausgezeichnet.
II.
\u- der k. I;. Hof- und i ickerei in Wien.
Jeden Monat erscheint 1 Heft zu
1 bis 2 Druckbogen mit Abbil-
dungen.
Der Pranumeratiunspreis ist für
einen Jahrgang- oder zwölf Hefte
nebst Register sowohl für Wien
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österr. Monarchie 4 fl. 20kr. CM.
MITTHEILUNGEN
DER K.K. CENTRAL-COMMISSION
n
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men halb- oder ganzjährig
alle k.k. Postämter der Monarchie,
welche auch die portofreie
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besorgen. — Im Wege de* Buch-
handels sind alle Pränumerationen
nnd zwar nur zn dem Preise tod
4 fl. an den k. k. Hofbuehbäudler
ff. HrauiniillfT in Wien zu richten.
Ukiuii
unter der Leilung des k. k. Sections-Chefs und Präses der k. k. Central-CommissioD Karl Freilierni v. Czoernig.
Redacteur: Karl Weiss.
N2--7.
I. Jahrgang.
Juli 1856.
Inhalt: Zur Orientirung auf dem Gebiete der Baukunst und ihrer Terminologie. Von R. v. Eitelberger. — Übersieht der kirchlicheil Bau-
denkmale in Kärnten. Von Gottlieb Freib. v. Ankershofen. — Decennal -Aufzeichnung der archäologischen Funde in Siebenbürgen
vom Jahre 1845 bis 1855. Von. M. J. Ackner. (Fortsetzung.) — St. Kümmernuss. Von Jos. Bergmann. — Die Unterbauten des
Diocletian'seheu Kaiserpalastes in Spalatro. Von B. v. E. — Der gothische Brunnen in Kuttenberg. Von K. W. — Notizen.
Zur Orientirung auf dem Gebiete der Baukunst und ihrer Terminologie.
Von R. v. Eitelberger.
III.
Der romanische Baustyl im Vcrhältniss zu den anderen Baustilen des Mittelalters.
Sulpice Boisseree war, wenn ich nicht irre, der dieser Aufgaben der Traditionen der Kunst, der Einsieht in
erste in Deutschland, der sich des Ausdruckes „romanisch" die construetiven Elemente, in Mechanik und Geometrie und
für eine Reihe von Baudenkmalen des Mittelalters bedient in die gesammte Technik bemächtigt, ist sie von selbst schon
hat, für die es entweder an einer anerkannten gemeinsamen auf einen Standpunkt gerückt, der mit dem Bildungsgange der
Bezeichnung mangelte, oder die man theils byzantinisch. Menschheit im Grossen im innigeren Zusammenhange steht,
theils in verschiedenen Ländern verschieden bezeichnete, als ihre Schwesterkünste : Sculptur und Malerei. Diese sind in
Man nannte und nennt theihveise noch die älteren Bauten Form und Farbe, in Costüme und Gerätschaften vielfach an
in England altsächsisch, angelsächsisch, die jüngeren, roma- das gebunden, was unmittelbar im Volksleben vorliest und
nisch; in Frankreich byzantinisch, normannisch; in Italien können ganz und gar nie über dasselbe hinaustreten. Die Ar-
nach den verschiedenen Ländern byzantinisch, lombardisch, chitektur entwickelt Formen und Ideen, die über ein einzelnes
arabisch-normanisch u. s. f. Gegenwärtig hat mau mit sehr Volkslehen hinausgreifen. Schon die Tempel-Architektur der
geringen Ausnahmen die Einzelnamen fallen gelassen, und Griechen und die Monumental-Architektur der Römer hat
dafür den Ausdruck „romanisch" adoptirt. diese Mission erfüllt: sie hat (".riechen und Römer Qber-
Was man mit dieser Bezeichnung gewonnen hat. liegt dauert, obwohl die religiösen Grundlagen derselben wenig
klar vor. Man hat damit vorerst eine allgemeine Bezeich- allgemeine uml wie alle Natur -Religionen viele locale und
nung für eine Reihe von Monumenten gewonnen, die der rein-nationelle Elemente in sich schlössen. Das Christenthum,
christlich-mittelalterlichen Culturentwickelung des Oecidcn- das seinem Wesen nach völkerbefreiend und die nationeile
tes angehören; man tritt damit der Ansicht entgegen, als Schranke durchbrechend, wirkte, hat von Anfang an der Ar-
wäre die mittelalterliche Architektur bloss die Frucht des chitektur eine höhere Mission zugewiesen, die \ lieser
nationalen oder individuell -künstlerischen Geistes, als habe auch erfüllt wurde. Schon dieser allgemeinen Grundlage
es im Mittelalter kein allgemein verbindendes und allge- wegen, welche die ganze mittelalterliche Architektur im
mein bildendes geistiges Medium gegeben. Dieses letztere Christenthume I in der nicht auf Bedürfnisse eines ein-
Resultat, wenn auch scheinbar nur ein negatives, ist gerade zelnen Volkes berechneten Organisation der katholischen
für die Architektur des Mittelalters von hohem Belange. Wenn Kirche erhielt, konnte das nationelle Element nicht so in den
irgend eine Kunst, so ist es die Architektur, welche die Gemein- Vordergrund treten, wie es bei den Ägyptern, den Griechen
samkeit geistiger Bestrebungen auf einem über dem rein- oder Römern der Fall war, und desswegen auch kann man
nationalen, stehenden Standpunkte darthut. Indem sie in bei keinem der Baustyle des Mittelalters , weder beim roma-
Kirchenbauten Bedürfnisse der Gesellschaft befriedigt, die tischen noch gothischen . noch der früheren innerhalb des
über localen Elementen stehen, indem sie sich zur Lösung Mittelalters stehenden Renaissance von Nationen in dem
IG
18
Sinne ausgehen, wie es öfters gescheuten ist. Der romanische
Styl ist so wenig das Producl der künstlerischen Thätigkeil
der Angelsachsen oder der Normannen, der Pranken, der
I gobarden oder irgend eines einzelnen Volksstammes, als
der gothische Styl specifisch nur der Stylausdruck der Deut-
schen, oder der Franzosen oder der Engländer ist. obwohl
;dle diese Nationen die Erfindung desselben für sieh als aus-
schliessliches Eigenthum beansprucht Indien. Der romanische
Baustyl wie der gothische, gehört demComplex der Na-
tionen an, die vorherrschend romanisch -germanischen Ur-
sprunges, Träger der Culturentwickelung im .Mittelalter und
zwar vorzugsweise in jenem Fache gewesen, in welche die
Entwicklung dieser Style stattfand : für den romanischen Styl
ist diese Epoche begränzt durch Karl den Grossen und den
letzten Sprossen des Geschlechtes der Hohenstaufen. — Aller-
dings hat das nationale Element auf die Entwickelung und
die Formen des r anischen Baustyles Einfluss gewonnen.
und das Angelsächsische, Normanische, Italienische, Deutsche
tritt in denselben mit grösserer oder geringerer Deutlichkeit
hervor. Aber diese Verschiedenheiten sind dem Grundtypus
des romanischen Styles gegenüber das, was die Mundarten
einem Sprachstamme gegenüber sind. Durch jene wird
dieser nicht abgeschwächt, sondern er erhält nur Vielseitig-
keit, Beweglichkeit, Leben, und so verleihen die verschie-
denen localen oder landschaftlichen Formen des romanischen
Styles diesem seinen Beichthum au Ideen und seine Fülle
der Ornamentik. Mit dem Bezeichnen der gemeinschaftlichen
Merkmale in dvr allgemeinen Bezeichnung „romanisch" soll
daher auch nichl gesagl sein, als ob die allgemeine Kunst-
und Weltanschauung, welche ihm zu Grunde liegt, ab-
schwächend auf die Nationen gewirkt hat. Im Gegentheil,
diese sind dadurch gebildet, gehoben, mit neuen Impulsen
zu frischer Thätigkeit versehen worden.
l'm den romanischen Baustyl gehörig zu würdigen,
nniss mau sein Verhältniss zu den anderen christlichen Bau-
shirn bestimmt in das Auge fassen, insbesondere das zur
altchristlichen liasilica, zum byzantinischen
Kuppelbau, und /.um gothischen Style.
Di!' altch ristliche liasilica hat zuerst den roligio-
s.-n Bedürfnissen einer gegliederten Gesellschaft des Christen-
thuins und der Kirche Ausdruck gegeben. Wie diese selbst,
insoferne sie auf das göttliche Wort begründet sind, unver-
änderlich sind, so hat auch der romanische Styl sich in
seinen Können an das anschliessen müssen, was in der Basi-
lica schon ausgebildet, sich als Tradition im gesammten
Kirchenbau erhalten hat. Er halle die christliche Kirche
nicht erst zu erfinden, sie war schon da gewesen. Er hatte
nur fortzubilden, und dort Neues zu schaffen, wo neue Be-
dingungen zu erfüllen vorlagen, und die Bauweise sich diesen
neuen Bedingungen gemäss andern musste. Daher die grosse
Verwandtschaft des romanischen Styles vorzugsweise des
früh-romanischen mit der Basilica und insbesondere dort, wo
er sich, wie in Italien und Gallien, aus den Traditionen
römisch-antiker Bautechnik herausbilden musste. Wirwerden
spater, wo wir über die liauforinon des romanischen Styles
detaillirter sprechen wollen, Gelegenheit haben, eine Beihe
von Beispielen anzuführen, welche die Verbindung der Ba-
silica mit den romanischen Kirchen, und die Verwandtschaft
der Bautechnik und der Bauformen in beiden Stylen nach-
weisen. Trotzdem aber geboren die Basilica und die roma-
nische Kirche zwei verschiedenen Epochen der Weltge-
schichte an : die altchristliche Basilica ist mit dein byzanti-
nischen Kuppelbau die Bauform der altchristlichen \ öiker
vor und unmittelbar nach der Völkerwanderung, der roma-
nische Styl ist die Bauform der Völker des oecidentalen
Mittelalters; die Basilica stellt mitten in der römischen Ball-
technik und in den römischen Stylformen; der romanische
Styl emaneipirt sich Schritt für Schritt von diesen, und gibt
den Kunstbestrebungen der jungen mittelalterlichen Völker
einen neuen lebensfrischen Ausdruck.
Das Verhältniss des byzantinischen Styles zum
romanischen ist in kurzen Umrissen jüngst erörtert worden.
Die Bedeutung des byzantinischen Styles kann nicht so hoch
angeschlagen werden, dass man ihm den romanischen ge-
wissermassen unterordnen konnte, noch ist er so tief zu
setzen, dass man ihn, wie ein französischer Archäolog ge-
than. nur als „romain degenere", betrachten könnte. Dege-
nerirt-römisch ist im Ost-Römischen nur seine Ornamentik,
seine Mosaiken und Wandgemälde, thoilw eise seine Balltechnik :
im Constructiven hat er ein neues fruchtbares Element in
i\t-n Langbau der Basilica hineingebracht — die Kuppel. An
einzelnen Punkten insbesondere in Ravenna hat er sich auch
in den ornamentalen Tbeilen in so weit emaneipirt, dass die
Bezeichnung „romain degenere" auf ihn nicht passt. Wenn
man wie es de Yerneilh thut. das byzantinische geogra-
phisch abgränzt, und unter byzantinische Bauten jene ver-
steht, welche seil .lustinian dortigebaut wurden. WO byzan-
tinische Kaiser regierten und byzantinische Civilisation
herrschte, SO wird von selbst die ganze occidentalische katho-
lische Welt des Mittelalters aus dem Umfange des Byzanti-
nismus ausgeschlossen.
Für uns ist der Gegensatz des Romanischen mit
dem Gothischen hei w eiiem von grösserer Wichtigkeit,
als der des Romanischen mit dem Byzantinischen; da handelt
es sich um Bekämpfung einer Beihe von Vorurtheilen, die
sieh in unseren Ländern unter Künstlern und Laien, Ge-
lehrten und Ungelehrten festgestellt haben.
Der romanische wie der gothische Styl sind die Frucht
desselben in ununterbrochener historischer Continuität wirken-
den Gedankens, sie sind das Resultat der Kunstbestrebungen
derselben Völker, gleicher Religionsanschauungen, gleicher
krichlich er Institutionen; ihnen liegt, wieSchnaase sieh
ebenso geistreich als richtig ausdrückt . ein gern ei nschaft-
I ich es K u n s i i i| e a I zu Grunde.
\\ enn sieh unterden Architekten der Gegenwart /.» ei Par-
teien belinden, von denen die Eine für den allein-kirchliehen
119
romanischen Styl, und die Andere für den allein-christlichen
gothischen Styl schwärmt, so charakterisirt diess die Archi-
tekturzustände unserer Zeit; diess sollte aher Niemanden den
richtigen Einblick in die wirkliche historische Entwicklung
dieser Style trüben. Jeder Partei- Standpunkt einer Zeit
trübt das historische Urtheil — in der politischen Geschichte
nicht minder, als in der Kunstgeschichte. Niemand wird es
dem verdienten Architekten Hübsch verargen, wenn er in
seiner Begeisterung für den altchristlichen und romanischen
Baustyl in einem gothischen Bau „nicht mehr einen durch
Mauern geschlossenen Bau sondern ein Glashaus sieht,
worin sich sämmtliche zwischen den Pfeilern befind-
liche Wandflächen in lauter Fenster verwandelt haben »)" und
Niemand wird bei einem Künstler wie Pugin, der ein
ganzes grosses und reiches Künstlerleben der Gothik gewid-
met hat, in Staunen gerathen, wenn er die Gothik allein fin-
den kirchlich berechtigten, constructiv-rationellen Styl hält.
Jeder Architekt fonnulirt sich in unseren Tagen sein künst-
lerisches Glaubensbekenntniss nach seiner besten individu-
ellen Überzeugung, bei der er sowohl von seinem subjeetiven
Geschmaeksurtheile, als auch von dem Verhältnisse der An-
forderungen seiner Zeit an die Kunst geleitet wird. Hübsch
findet letztere vollkommen befriedigt in einer entsprechenden
Anwendung des vor -romanischen Styles; Schinkel und
Bötticher modificirten das Griechische für das XIX. Jahrhun-
dert; Pugin, Heideloff und Andere sprechen in dem-
selben Sinne für die Gothik, wieder andere sind mehr oder
minder geschmackvolle Eklektiker geworden. Die Kunst
früherer Jahrhunderte kann mit dem Massstabe moderner
Kunstanschauungen nicht gemessen werden. Viele Gothiker und
viele Anhänger des romanischen Styles haben auch entweder
das ausschliessliche Vorrecht auf Kirchlichkeit oder wenig-
stens die Kirchlichkeit par excellcnce für ihren Styl in An-
spruch genommen, obwohl die Kirche sich nie für einen
bestimmten Baustyl ausgesprochen, in Kirchen aller Styl-
richtungen ihre Mysterien feiert, und der Papst seit Jahr-
hunderten in der Peterskirche pontificirt, welche die Anhän-
ger aller dieser genannten Baustyle als ihrer subjeetiven
kirchlichen Anschauung widerstreitend und gebaut in einem
für die Kirche unpassend gewählten, um nicht zu sagen un-
kirchlichen Baustyl halten. Die Gothiker wie die Anhänger des
romanischen Styles appeliren endlieh an das Nationalitätsgefühl.
Engländer sprechen von englischen, Viol le t-le -Due und
einige Franzosen vom französischen, Deutsche aller Gauen
vom germanischen Styl, wenn sie den gothischen meinen;
in der Normandie hält mau den romanischen Styl für einen
normannischen, einige deutsche Architekten für einen rein-
germanischen, einige italienische für einen norditalienisch-
lombardischen. Und doch ist diese Appellation au ein aus-
i) „Die Architektur und ihr Verhaltniss zur heutigen Malerei und Seulnlur."
„S. 88. Pugin ,,les vraies prineipes de L'architecture chretienne."
schliesslicb.es Nationalitätsgefühl ebenso unrichtig, als die
ausschliessliche Besitzergreifung eines dieser Style im Namen
der Kirchlichkeit und des Kathulicismus.
Dieser Kampf der Meinungen in unseren Tagen einer
kränkelnden, hoffentlich der Genesung entgegenschreitenden
Architektur berührt die gesunde Entw ickelung der Ar-
chitektur des Mittelalters nicht. Obgleich die romanische
Baukunst vorzugsweise von Mönchen und Clerikern getrieben
wurde, so ist es doch Niemand im Mittelalter eingefallen, die
romanische Baukunst als „theokratisch ihrem Ursprünge
nach" im Gegensatze zum gothischen zu bezeichnen, wie es
der genialste und hervorragendste Schriftsteller Frankreichs
auf dem Gebiete der mittelalterlichen Architektur gethan hat,
und obwohl die gothische Baukunst vorzugsweise von welt-
lichen Baumeistern geübt wurde, so hat ihr im Mittelalter
desswegen Niemand eben so wenig einen weltlich-nationalen
Charakter beigemessen, als man ihr einen vorzugsweise reli-
giösen Charakter desswegen beilegte, weil sie, wenigstens
in Frankreich, mit der religiösen Begeisterung der ersten
Kreuzzüge und der Zeit Ludwig des Heiligen zusammenfiel.
So wenig die Architekten des Mittelalters Doctrinäre nach
dieser Richtung hin waren, so wenig waren sie Theoretiker und
Doctrinäre in ihrer Kunstübung selbst. Sie waren durch keine
Schultheorien und Handbücher beirrt; ihre Schule war der Bau,
in der Hütte war Lehre und Übung Eines. Sie hatten keine
neue Architektur zu entdecken und fanden einen Schatz von
Traditionen aller Art vor, die sie nur fortzubilden hatten, der
ihnen in Allem und Jedem zu Gute kam. Sie waren nicht bloss
Künstler in dem Sinne, wie sich in unserer Zeit der Gegen-
satz zwischen Künstler, Baumeister und Ingenieure festge-
stellt hat ; sie hatten von der Architektur denselben hohen
und umfassenden Begriff, den die Griechen und Römer hatten
und den Vitruv ausspricht, wenn er sagt: ..Emu et ingeni-
osum esse oportet et ad diseiplinas docilem; et ut literatus
sit, peritus graphidos, eruditus geometria et optices non
ignarus, instruetus arithmetica, historias complures noverit,
philosophus diligenter audiverit, musicam seiverit. medicinae
non sit ignarus." Sie kannten die Architekturzustände be-
nachbarter Länder, und waren durch Zunft- und Kastengeist
weniger beherrscht, als man es in unseren Tagen , in denen
man die Kunst des Mittelalters als Sache des Local- oder
Stammgeistes betrachtet wissen will, in der Hegel glaubt.
Es ist daher gar nicht im Geiste des Mittelalters und seiner
Werke, wenn man den romanischen Styl vom gothischen
durch eine weite Kluft trennt: denn im Mittelalter gränzten
sie enge an einander, und gingen langsam in einander über,
der romanische Styl ist nur die Vorstufe des
gothischen, und in Vielem — nicht in Allem und
Jedem; denn manches hat die Gothik lallen gelassen, was
eine spätere Zeil entweder aufgenommen hat. oder wieder
aufnehmen wird — ist in der Gothik das zur Erfül-
lung und Vollendung gek o in m e n , was i m R o in a-
n i sc hen nur angedeutet ist.
IG'
120
Es ist daher gar nicht im Geiste des Mittelalters,
wenn man, um die Geheimnisse der um» iderstehlichen Schön-
heit und Grösse mittelalterlicher Bauten nachspürend, sich
in theosophische Anschauungen oder lern' Gefühlssch wär-
mereien verliert, und der künstlerischen und technischen
Aufgaben vergisst, zu deren Lösung der Architekt und eben
nur der Architekt berufen war und ist. Ls ist endlich gar
nicht im Geiste des Mittelalters, wenn man auf den leben-
digen Fluss der Kuustideen des Mittelalters keine Rücksicht
nimmt, und ein System des romanischen oder gothischen
Styles bloss nach Einer Gruppe von Bauwerken /.. IJ. bloss nach
den rheinischen romanischen Domen, oder den französischen
gothischen Bauten hinstellt, und nicht auf die Variationen
aller Art Rücksicht nimmt, die theils aus der, in einem be-
stimmten Bau zu lösenden Aufgabe, theils aus landschaftlichen
Bautraditionen etc. hervorgingen.
Im rumänischen Style vorzugsweise müssen die Ein-
flüsse, denen die Baukünstler einzelner Länder ausgesetzt
waren, ins Auge gefasst werden. Die Phantasie der
Völker, welche den rumänischen Styl pflegten, war be-
wegl und Eindrücken leicht zugänglich ; sie war die Phan-
tasie junger in ihrem Bildungsprocesse befindlicher Völker.
1)iC Völker des Südens von Europa, der Küstenländer des
mittelländischen Meeres waren dem Einflüsse des Orientes
ausgesetzt, der während der Epoche des romanischen Styles
mehr durch die glänzenden Bauten der welterobernden Araber
als durch die der Byzantiner auf sie wirkte. In Sicilien und
in .Neapel, in Venedig, Pisa und im Florentinischen ist daher
wie in Süd-Frankreich ein mein- oder minder mächtiger und
nachhaltiger Einfluss vom Oriente aus wahrnehmbar ').
*) Der Einfluss der Araber auf den Occident ist niehl gering anzuschlagen.
Insbesondere in der Ornamentik und in den Zeichnungen zu Stoffen, etc.
war der Einfluss desselben ein nachhaltiger, und \ ieles w ml noch gegen-
wärtig byzantinisch gen: t, w :i. höchst u ahrscheinlich besser als arabisch
bezeiel i w erden könnte. Was aber Vio 1 le t-1 e-D u c in seinem meister-
haften Dictionnaire ins ■ de l'architecture etc. Tom. I, p. L19und l'-U
bewegt, diesen Einfluss bis auf die Zeiten Kaiser Karl des Grossen zurück-
zuführen, schein) mir unbegreiflich. Kr erzählt, Karl der (O-osse habe -um
seinen Priestern, Mathematiker I Architekten das Zeichnen zu lehren,
nothwendig Professoren aus Byznnz, Damascus oder Cordova I n
lassen, und di i chen Samen, in den Occident unter Völker hinein-
geworfen, die inj ■ : nes Genie hatten, musate '-in.- Kunsl hervorrufen,
d»' wedei i ii noch orientalisch, die aber, von diesen zwei Ursprün-
gen ausgehend, einen neuen s,, lebenskräftigen Stau irzeugen mussten,
dass er durch zwei Jahrhunderte seine Reste bis zu jenen Gegenden bin
ausbreitete, aus denen er hervorgegangen ist." Das Verhältniss Kaiser
Karl des Grossen zum Orient beschränk) sich auf einige wenige Gesandt-
schaften, die er aus Byzanz und von den Arabern empfangen, auf di G
nke »ml Prachtstoffen, Leuchtern, Uhrei -1 einem Elephanten, auf
i nicht«. Durch solche Geschenke aus dem Orient . durch die Stoffe
die als Handelswaare häufiger nach dm eide ka n, wurde dei
Sinn für Ornamentik, die Lust des Nachahmeng geweckt, aber die Archi-
tektur als solche erhielt dadurch keine Impulse, im späteren Mittelalter
freilich, und bei einigen wenig kritischen französischen Geschichtsschrei-
bern hal das Verhältniss Kaiser Karl des Grossen /um Oriente gri
I lischere Propositi in angenommen, und es ist bekannt, dass sich
dieses bis zu einem Kreuzzuge Kaisei Karls gesteigert hat. Bei dem
"' ">" St. Gallen findet sich aber davon kein,. Spur. Einhard, dei
in seinen Jahrbüchern .las Verhältniss /.um Oriente am ausführlii
In Frankreich, am Rheine, dem altrömischen Gallien,
in England muss der Einfluss römischer Bautraditionen be-
sonders im früh-romanischen Style ebenso in Erwägung
gezogen werden, als in einem grossen Theile der Länder
Deutschlands und Österreichs der gänzliche oder theilweise
Abgang antiker Hauten und Hautraditionen von Bedeutung
ist. Im österreichischen Kaiserstaate überhaupt ( mit Ausnahme
der jenseits der Alpen gelegenen Kronländer ) war die
römische (ullur nie so mächtig gewesen, als in Gallien
und England; nördlich der Donau war sie gar nicht vor-
handen; es sind diese Länder seihst in die nccidentaliseh-
christliche Culturbewegung erst spät eingetreten. Als Karl
der Grosse in Aachen den noch heute bewunderten Münster
berichtet, erwähn) ebensowenig etwas von einem Kreuzzuge, als von Pro-
fessoren aus Coiduva und Damascus; erst im XI. Jahrhundert linde! sieh
in der Chronik des Benedict von St. Andreas die Erzählung von dem
Kreuzzuge Karl des Grossen und von der „Karl's-Strasse". In den Mo-
numenten aus der Zeit Karl des Grossen liegt gar kein Inhaltsj I
um arabische Killflüsse nachzuweisen. \ 'iollel le-llue . der in diesen
Dingen ausschliesslich französischen Geschichtschreibern folgt . schein)
Karl den Grossen mehr als einen Franzosen, als einen Deutschen zu be-
trachten. Kr geht bei seinem im architektonischen Theile sicher unüber-
troffenen Werke von dem französisch-nationalen Gesichtspunkte aus, mit
dem man. wie mit jedem bloss nationalen Standpunkt in der Geschichte
dei- Uaukiiiist des Oeeidentes nicht ausreicht. Ki- betrachtet mit Vitel und
anderen Franzoseo die liothik als die Reaction des national-französischen
Geistes, gegen den älteren gallo-römischen , und kommt nur in einige
Verlegenheit dort, wo er die grosse Ausdehnung mu\ den systematischen
Geist des i anischen Styles anerkei i iss, wie er in Speier, Main/
und Worms, in den älteren kölnischen und sächsischen Hauten auftritt.
Allerdings halle die Baukunst Frankreichs «ine Epoche . wo sie gallo-
lomisch im eigentlichen sinne des Wortes gewesen ist. und der in Gallien
begreiflicher Weise Traditionen der römischen ßautechnik gefolgt ist.
\lo-i- schon mit derGründung der grossen Klöster von Cluny und anderen
grossen Mittelpunkten von Kunstleben ist eine Heaetion gegen das rein
gaUo-römische eingetreten, die man nicht bloss als eine t! kratisi he. son-
dern auch als eine kirchliche und nationale anerkennen muss. Man kann diese
meist von Klöstern ausgehende Regeneration der Kunst nicht bloss als
eine Summe byzantinischer, arabischer und römischer Einflüsse betrachten,
mau muss das neue Element in derselben, die Berechtigung eines
künstlerisch-systematischen Ganzen, das zu dem Ausdrucke
„Styl" berechtigt, anerkennen, und .lies,- Regeneration im geschicht-
lichen Zusammenhange mit dem deutscheu Reiche und mit England be-
trachten. Wir weiden auf diese Fragen, in so weil sie durch Yiollel-lc-
Duc neu an I sind, ausführlicher in jenen Artikeln zurückkomn
welche die löithil, behandeln . und die Ansichten dieses heiwor-
i .senden Schriftstellers eingehender den Lesei n dieser Blätter mitlheilen.
Was den Einfluss vom Oriente her mit dem arabischen Styl betrifft
citiren wir das licsume der Ansichten V i 1 c t's (im Journal des Savanls
18S3, p. 277), auf das sich Viollel-Ie-Duc bezieht, rollständig: „Pour
tont resiimcs cn terminant. nous m- orayona pas qu'en France il y ail
jamais eu, s proprement parli r, une architecture byzantine, c'est-ä-dire,
une famille de monuinents entierement coneus batia et decores ä Porien-
tale; mais nous crayons , que POrienl a exerce1 sur nos artistes et Mir
notre architecture decorative une iuflueoce d'ifbond presque insensible
|i|s,|irail \. sie.-le. puifl BCtive et |iei issaille. i|uoiijlle partielle el incolll-
plete, d.llls les ,|eu\ sn-eles siii\aills. i [| 11 ucilcc . <|lli HC seiiaee el ne
disparait que devanl le grand mouvemenl tont national du Mll. siede,
devanf cette reaoti le l'eapril europeen et septemtrional manifestee
si claii eineill datls Pari II all. als du lelnjis tili Sl. I. Ollis-. — llic loiuloi inen
die Viollet-Ie-Duc -ms dei Karotingischen /.--ii bringt, /.. lt. Capitäle von
Saint-Me \. der Krypta von St. Etienne d'Auxerre (II. p. 483,881),
sind ohne atle byzantinische oder orientalische Kl tte, und nicht
schwache Versuche spät-römische CapiUH-Formen wiederzugeben.
— 121
baute, wie wenig Ansätze christlicher Cultur waren diesseits
der Alpen in diesen weiten Gebieten der heutigen Monarchie
vorhanden an «eiche sich ein fruchtbarer architek-
tonischer Gedanke hätte anknüpfen können? Einer der
ältesten Mittelpunkte des Christenthuins und der Architektur
war in Österreich ohne Zweifel Salzburg. In späterer Zeit
sind es die Klöster geworden, jedoch weder in so früher
noch so umfassender Weise, wie es in Cluny, Fulda,
Corbey, Rcichenau, St. Gallen u. a. m. der Fall war*).
Schliesslich inuss bemerkt werden, dass der Ausdruck
„romanisch" bei Bauformen eine andere Bedeu-
tung bat, als derselbe Ausdruck bei Sprachfor-
men. Der Baustyl wird nicht romanisch genannt, weil sich
romanische Völker vorzugsweise, dabei betheiligt haben. Im
Gegentheil , es waren dieselben germanischen oder mit
germanischen Elementen stark vermischten romanischen
Völker, bei welchen am meisten und am besten im roma-
nischen Style gebaut wurde und bei denen später der go-
thische Styl florirte. Das eigentliche Land der treibenden
Ideen in der Architektur des früheren Mittelalters war das
Stammland Karl des Grossen, das Land zwischen dem Rheine
und der Seine. Italien ist später Herrin und Vorkämpfern] der
gesammten Kunstbewegung geworden. Es blieb in den Jahr-
hunderten der Herrschaft des romanischen und des früh-
gothischen Styles vorzugsweise in der Architektur, der
Basilica und antiken Traditionen treu. Der Ausdruck „ro-
manisch" ist wie der Ausdruck „gothisch" eine wissen-
schaftliche Fiction, der man sich gerne lögt, ohne dabei
in Gefahr zu kommen, die Gothen und die romanischen
Völker für die eigentlichen Erfinder dieses Styles zu halten.
Man mag den Ausdruck für „rationalistisch" erklären, aber
mir scheint, dass sich jene, die ihndesswegen verwerfen, mit
dem von ihnen empfohlenen Ausdruck „gallo -romanisch"
ausserhalb Frankreichs keine und selbst innerhalb Frank-
reich wenig Freunde erwerben werden. Der Ausdruck ..ro-
manisch" deutet sehr gut auf den antik-römischen Styl, der
im romanischen besonders in der Ornamentik und in den älte-
sten Zeiten auch in der Technik vorhanden war, wie der An-
druck „gothisch" auf das germanische Element deutet, das
sich in demselben kundgibt. Die römische Architektur hat
au der Wiege des romanischen gestanden, und bei ihm
Pathenstelle vertreten.
Übersicht der kirchlichen Baudenkmalle in Kärnten.
Von Gottlieb Freiherrn v. Ankershof en.
Die nachfolgenden Übersichten, mit denen ich dem
Kunstforscher das zu leisten wünsche, was dem Geschichts-
forscher durch vorläufige Urkunden-Verzeichnisse geleistet
wird, können auf Vollständigkeit keinen Anspruch machen,
da ich nur solche Bauwerke aufnehmen konnte, die ich aus
eigener Anschauung kenne, oder worüber mir Mittheilungen
vorliegen, denen ich vertrauen zu können glaube. Nach
Massgabe des Erfolges der fortgesetzten Forschungen werden
Ergänzungen folgen.
I. Romanischer Styl«
1 . Die Abteikirche des Benedictine r-S t i f t e s
St. Paul im Lavantthale bildet eine dreischiffige Pfeiler-
Rasilica mit Kreuzschiß', einer Krypta unter dem hohen
Chore und drei Absiden. Sie ist von West nach Ost orientirt,
und besitzt zwei die Vorhalle und das Hauptportal in der
Westfronte tlankirende, viereckige Thürme. Das Kloster
von Engelbert II., Grafen von Sponheim-Lavanlthal , im
Jahre 1083 gestiftet, nahm die erste Mönchscolonie aus
t) Ich erwähne (Hess ausdrücklich, um bei der Zeitbestimmung eines roma-
nischen Monumentes in Ermanglung- urkundlicher Nachrichten bloss nach
den Baufomen zur Vorsicht zu mahnen. Viele Bauformen treten bei uns
später auf als am Rheine, in Schwaben, in Frankreich; an vielen Orten
hat bei uns der romanische Styl länger gedauert . als in den genannten
Ländern, wo die Gothik schon in voller (lliithe war. während bei uns im
romanischen Style gebaut wurde. Auch dort, wo urkundliche Nachrichten
über einen Hau vorhanden sind , muss der Charakter des Baustyles selbst-
ständig und in Verbindung mit ähnlichen Hauten bestimmt werden. Stim-
men Urkunden und Bauformen zusammen, um so besser, — wo nicht,
muss jede für sich behandelt werden.
Girsau auf, ein Umstand, der auf die Bauweise von Einfluss
gewesen sein mag. Die erste Kirchenweihe fand durch Erz-
es o
bischof Thiemo von Salzburg am 4. December 10D3 Statt.
Die Vollendung des Baues dürfte in die letzten Decennien
des XII. Jahrhunderts zu setzen sein. Dahin deuten die mit
Würfel-Capitälen abwechselnden Kelch- und Blätter -Capi-
täle und das Eckblatt auf den Basen der Halbsäulen, welche
den Arcaden-Pfeilern an den beiden Seitenflächen angesetzt
sind, um einen, dem breitleibigen Arcaden - Bogen anterge-
spannten schmälern Bogen zu tragen. Das Hauptportal hat
den gedrückten Spitzbogen, das Seitenportal den Rundbogen.
Die Kloster-Annalen erwähnen zum Jahre 1307 eines am
Palmsonntage (11. April) stattgehabten verheerenden Bran-
des, der sohiunigen Herstellung eines gewölbten Chores und
einer Kirchenweihe; zum Jahre 1414 wird aber angeführt,
dass die Kirche mit einem schönen Gewölbe versehen worden
sei. Das Langhaus, mit Ausnahme des letzten östlichen Qua-
drates, hat das Netzgewölbe, das genannte letzte Quadrat;
das Kreuzschiff und der hohe Chor haben das Kreuz-
gewölbe ohne Kippen, die Absiden das Kuppelgewölbe.
2. Der Gurker Dom ist gleichfalls eine dreischiffige
Pfeiler-Basilica mit einem hohen Chore, einem Querschiffe
ohne Ausladung in Kreuzarme und drei Absiden. Die Ne-
benschiffe setzen sich Indien dein hohen l'hmv fort und
münden in das Querschiff. Die Orientirung ist von Westen
nach Osten. Das Hauptportal, in der Westfront von zwei
viereckigen Thurinen llankirl. hat den Spitzbogen und ist in
eine Fallmauer, durch welche die östliche Öffnung einer nun
I 22
nichi mehr vorhandenen äusseren Vorhalle geschlossen w urde,
eingesetzt, und somit ein späterer Umbau. Das Seitenportal
in der südlichen Umfangmauer und das zweite reichverzierte
Hauptportal zwischen der ersten und zweiten inneren Vor-
halle haben den Rundbogen. Die erste innere Vorhalle und
der ober den beiden inneren Vorhallen erliante alte
Nonnenchor bieten einen seltenen, villi denen, welche die
Kostenverwaltung beim Domcapitel leiten, leider nicht be-
achteten Reiehthum au sinnvollen. typologischen und sym-
bolischen Wand- und Deckengemälden romanischen Styles.
— Ilemina, im .Jahre 1015 bereits Witwe des älteren
Grafen Wilhelm von Friesach, seit dem Jahre 1036 kinder-
los, ist die Erbauerin einer Kirche S. Maria Gurk und 1042
Stifterin des Nonnenklosters in Gurk. Die erste Kirchenweihe
geschah durch Erzbischof Balduin von Salzburg am 15. Aug.
1042. Die Gründerin Ilemina starb 1045. In das J. 1071
fällt die Errichtung des Bisthumes Gurk durch Erzbischof
Gebhard von Salzburg. Am G. März 1072 wurde die Er-
richtungsurkunde ausgefertigt. Im J. 1074 fand die Über-
tragung der Leiche der Stifterin Hemma aus dem gemeinen
Friedhofe in die Krypta Statt. Die Vollendung des gegen-
wärtigen Dombaues fallt in das letzte Decennium des XII. Jahr-
hunderts, die Weihe eines Kreuzaltars in das Jahr 12 IG. die
Überwölbung des Langhauses, nach den im Domstiftsarchive
befindlichen Hauverträgen in die Jahre 1589 bis 1591.
3. Die sogenannte alte Pfarrkirche zur h. .Maria
M a g d a I e n a in G u r k östlich an dem Armen-Spitalgobäude,
war die letzte Wohnung der Gurker Nonnen. Eine ein-
schiffige Landkirche mit dreiseitig abgeschlossenem Chore.
Das Schill' hat eine Hache Decke gehabt, der Chor bat das
gedrückt spitzbogige Kreuzgewölbe, die Kirche im Äusseren
das Ansehen einer Scheune, und wird gegenwärtig auch als
solche verwendet. In einer von dem Papste Alexander III.
dem Propste Roman II. und dem Capitel ertheilten Schütz-
end Confirmations-Bulle vom 5. März 1169 wird sie als
St. Maria Magilalena-Capello erwähnt.
4. In der durch I). II. A. Müller entworfenen Karte der
mittelalterlichen Kirchenarchitektur Deutschlands wird die
Kirche des vormaligen Nonnenstiftes Sand Georgen am
Lüngsee (östlich von St. Veit und südlich muh Krepfelde)
als ein romanischer Hau bezeichnet. Da seit meiner letzten
Anwesenheit in St Georgen bereits 4 Jahre verflossen sind, ich
dazumal den Baudenkmalen meine Aufmerksamkeit noch
nicht widmete, so kann ich nach eigener Anschauung kein
l'rtheil über den Baustyl der Abteikirche von St. Geor-
gen abgeben. Die nachfolgenden bisher bekannten Behelfe
für die Baugeschichte deuten jedenfalls auf einen in der
zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts erfolgten .Neubau hin.
Wichburg, die Witwe des Grafen Ottwin von Lurn
und Pusterthal, stiftete um d;is J;dir lllilil das Niiunenklosler
in St. Georgen am Lüngsee und ihr Bruder Hartwig, Erz-
bischof von Salzburg, nahm die erste Kirchenweihe vor. Jahr
und Tag sind in der bei dem kärntnerischen Geschichts-
vereine befindlichen Originalnotiz nicht angegeben. Mit einer
an die Gläubigen der Salzburger, Aquilejer und Gurker
Diöcese gelichteten Hülle ddo. Yitorbij 1 ) Kl. Juny Pontili-
catur turanno Torcio (31. Mai 1257) verleiht Papst Ale-
xander III. Allen, welche zum Neubaue des wegen hoben
Alters verfallenen Münsters von St. Georgen (de novo repa-
rari monasterium ipsurum) (Abbatissae et conventus mona-
sterii Saudi Georgij iuxta Krapfuelt O. H. H.) (nimia velu-
slate consumptiim) Heiträge leisten würden, einen vierzig-
tägigen Ablass.
5. Die Stiftskirche der vormaligen Prämonstraten-
ser Propstei H. M. V. in Griventhal östlich von
Völkermarkt, zwischen Heunburg und dem Markte Grillen
(die Generalstabskarte von I. 0. und Illyrien bat den ur-
sprünglichen Namen Oberndorf) ist eine dreischiffige Pfeiler-
basilica ohne Krypta. Die Seitenschiffe setzen sich zu beiden
Seiten des halben Chores als Capellen fort und schliessen
geradlinig ab. Der Chor hat geradlinigen Ahsehluss. Grosse
aber angenehme Einfachheit im Inneren und Äusseren
eharakterisiren den Bau. Statt des gewöhnlichen Glocken-
turmes wurde ein Dachreiter über dem Chordache für das
Chorglöckchen angebracht. Eine Erinnerung an die Periode
des Überganges oder des frühgothischen Styles ist nicht vor-
handen. Haupt- und Seitenportal sind viereckig ohne Ein-
schrägung. Die Westfronl hat den Renaissance- Giebel. —
Das Kloster wurde durch den Bischof Eckbert von Hainberg
im Jahre 1236 gestiftet. Die erste Mönchs-Colonie soll aus
dem fränkischen Prämonstratenser - Kloster Vessera oder
Vescera (Ussermann Ep. Wirgeb. p. 486) gekommen sein.
Den Kloster- und Kirchenbau soll der fünfte Propst Konrad
II. im Jahre 1251 vollendet (?) , die Kirchenweihe Bischof
Gerborl von Lavant im Jahre 1271 vorgenommen haben.
6. Die Stiftskirche des vormaligen Augustiner-Chor-
herrenstiftes Eberndorf im Jaunthale, südlich von Völker-
markt, bildet eine dreischiffige Pfeilerbasilica. mit dreischilfi-
ger Krypta unter dem Ouerschifl'e und einem ( 'bore. Letzterer
dreiseitig abgeschlossen, ist wahrscheinlich ein Umbau im
gothischen Style vom Jahre 1506. Das nördliche Nebenschiff
wurde nun in ruiidbogige ('apellon-Nisehen . das südliche in
die Ungrad'sche Capelle umwandelt. Der viereckige Glocken-
thurm mit rundbogigen Schallfenstern steht neben der süd-
lichen Langseite. Sie wurde durch den Patriarchen L'dal-
ricb I. von Aquileja mit den Gütern eines Grafen Chaceünur,
welchen der Patriarch „apud S. Marie ecclesiam Jim in
proprio suo allodio Dobrendorf sepelire fuit", dotirt. Die
dortige major ecclesia, welche <\r\- Patriarch daselbst er-
bauen liess. war durch den Hischof Hiwin von Cone ordia
geweiht. Die L'rk le über die Stiftung, den Kirchenbau
und die Weibe erscheint muh Jahre 1106 ausgefertigt.
7. In die romanische Stylperiode gebort (nach den
historischen Daten) die Stiftskirche der vormaligen Cister-
cienser- Vbtei Viktring bei Klagenfurt, n eiche ebenfalls eine
dreischiffigc Pfeilerbasilica ohne Krypta und mit einem
123 —
Querschiffe bildet, dessen ursprüngliche Kreuzarme nun durch
angebaute Capellen ersetzt sind. Ein von Westen nach
Osten langgestreckter Bau, welchem aber in neuester Zeit
wegen Baufälligkeit im Westen 30 Klafter mit dem alten
Hauptportale der alten Vorhalle, dein Brüder- und Musikchor
über demselben abgenommen wurden. Der gedrückte Spitz-
bogen zeigt sich über den Durchgängen der Seitenschiffe
und in den Scheidebögen zwischen dem Langhause und dem
Querschiffe. Ausserdem herrscht der Bundbogen in den Ar-
caden und Fenstern. Die Aussenwand, welche die gegen-
wärtige Überwölbung des Hauptschiffes überragt, zeigt die
kleinen, rundbogigen Fenster und lässt auf eine frühere flache
Decke des nun in der Tonne gewölbten Hauptschiffes schlies-
sen. Der nur eine Stufe über das Querschiff erhöhte Chor
ist dreiseitig abgeschlossen und wahrscheinlich ein späterer
Umbau im gothischen Style. Die Glasmalerei in den drei
Chorfenstern, welche zum Theile noch Glasmosaik und unter
anderen auch das Wappenschild der Erolzheimer hat, die
schon in dem XIV. Jahrhundert urkundlich vorkommen, ge-
stattet, auf einen Chorbau im XIV. Jahrhundert zu schliessen.
Der Thurm ist dem nördlichen Nebenschiffe angeltaut, muth-
masslich ein späterer Bau statt des früheren Dachreiters mit
dem Chorglöckchen. — Das Kloster wurde durch Bernhard
Grafen von Sponheim-Lavantthal und die Gattin desselben
Kunegund 1242 gestiftet, und zuerst durch Cistercienser aus
Villars, im April 1142 colonisirt. Hierunter auch conversi
barbati diversis artibus periti. Erzbischof Eberhard U.
von Salzburg — consecravit victoriense monasterium —
zwischen 1200 und 1202.
II. «ioUi isolier Styl.
1. Zu Maria Saal, nördlich von Klagenf'urt, sind be-
merkenswerth :
a) Der sogenannte Heidentempel an der Südseite
des Friedhofes, ein runder, aus zwei Geschossen bestehen-
der Centralhau (ältester Bau) mit einem unteren und oberen
achteckigen Säulenumgange im gedrückten Spitzbogen über-
wölbt und mit spitzen Arcadeubögen (ein späterer Zubau). Der
geschweifte Spitzbogen (Eselsrücken) über dem östlichen
Portale und das Keutschacher Wappen (Bube) auf Consolen
in der östlich angebauten Halle deuten auf das XV. Jahr-
hundert als die Zeit der letzten Zu- oder Umhauten. Ur-
sprüngliche Widmung als Taufkirche (Centralhau), spätere
Umstaltung in eine h. Grab- oder Tempelcapelle. worauf
auch das Steinrelief an der äusseren Seite der Brüstung des
oberen Umganges (Kreuztragung und Veronica mit dem
Schweisstuche) deuten dürfte.
b) Der Dom, welcher der gothische Umbau einer älte-
ren romanischen Basilica ist und einen erhöhten Chor ohne
sichtbaren Krypta-Eingang besitzt. Am dreiseitig abgeschlos-
senen Chore und am Hauptportale der Westfront zeigt sich
der reine gothische Styl. Dagegen Merkmale des romanischen
Styles an der südlichen äusseren Langseite und an den rund-
bogigen einfachen und gekuppelten Fenstern der das Haupt-
portal flankirenden Thürme aus verschiedener Bauzeit.
Eine Marienkirche wurde durch den Chorbischof Mo-
dest (c. 780) geweiht. Die ecclesia sancte Marie ad Caran-
tanam (civitatem Karantanerpfalz, Karnburg) 861. — Synode
in der ecclesia sancte Marie ad Carantanem 027. — Domus
dei, que est consecrata in honore heute et sancte dei geni-
tricis Marie. Ubi Goteberdus choriepiscopus praeesse dino-
scitur 945. — Zehentverhandlung des Erzbischofs Gebhard
von Salzburg ad Mariam in loco, qui dicitur in Zol. c. 1060.
Bisheriger gänzlicher Mangel an Quellen zur Bauge-
schichte erschwert die Zeitbestimmung des Baues. Der
letzte charakteristische Umbau dürfte muthmasslich dem Ende
des XIV. oder Anfange des XV. Jahrhunderts angehören.
c) Eine Friedhofslaterne im spät-gothischen (Zier-)
Style.
2. Die Pfarrkirche St. Ruprecht bei Völker-
markt ist jedoch nur in Bezug auf die kleine, der südlichen
Aussenwand im gothischen Style angebaute Capelle, welche
gegenwärtig den Functionen der Charwoche gewidmet ist,
hieher gehörig. Die Pfarrkirche und der Glockenthurm
haben den Styl einer romanischen Landkirche.
Errichtung eines Collegiat-Capitels bei St. Ruprecht
durch den salzburgischen Erzbischof Eberhard fällt in das
Jahr 1231.
3. Collegiat- und Stadtpfarrkirche Maria
Magdalena in Völker markt. Ursprünglicher, frühgo-
thischer Bau mit Erinnerungen an den romanischen Baustyl
(ruiulbogiges Hauptportal, zwei massenhafte, viereckige
Thürme zu den beiden Seiten des Hauptportals in der West-
front, geradliniger Zwischenbau).
So viel ist bekannt, dass die Erwerbung des Baugrundes
am 10. October 1240, die Übersetzung des Collegial-Capitels
von St. Huprecht in die heutige Stadt Völkermarkt in den
J. 124S— 1263 stattfand. Die letzte Restauration wurde
nach dem Brande vom J. 1830 unternommen.
4. Pfarrkirche im Griffenthal (Oberndorf). l'm-
bau einer romanischen Landkirche, Hallenkirche mit rund-
bogigem Hauptportale. Die ecclesia Oberndorf bestand be-
reits vorder Stiftung der Marienpropstei im Griffenthal, und
wurde dieser einverleibt 1236.
ö. Der Dom zu St. Andrea im Larantthale. Er
trägt im Grundrisse die Merkmale einer früheren rumäni-
schen Kreu/.hasilica. Die spätere Iberwölbung ist kennbar,
und daher auf eine frühere Ilaehe Decke zu schliessen. Der
Dom wurde jedoch durch spätere Cm- und Zubauten bis
zur Styllosigkeit umformt.
Die Kirche S. Andreae ad lahantam bereits vor S90
nach Salzburg gehörig. Vermehrte Dotation unter dem
Pfarrer Wernher 114.'). Stiftung eines Collegiat-Capitels
durch den Salzburg. Erzbischof Eberhard II. 1212. Errich-
tung des Bisthums durch denselben 12 IS. Zweckwidrige
— 124 —
und unschöne Bauumstaltangen unter dem F. 1!. Georg
Stobäus von Palmburg 1584—1618*).
6. Stadtpfarrkirche in Wolfsberg. Gothischer
Umbau einer älteren romanischen, dreischiffigen Pfeilerbasi-
lica. Ober dem rundbogigen Hauptportale die Jahreszahl
1XA8 (1478).
7. Die äussere Pfarrkirche von St. Leonhard
im Oberlavantthale. Ein instructirer Bau, der als Muster
eines in weil abstehenden Perioden fortgesetzten Umbaues
einer ursprünglich romanischen Kirche gelten kann. Sie ist
dreischiffig mit Arcaden-Abtheilung. Im nördlichen Licht-
gaden des die Nebenschiffe überragenden Hauptschiffes sind
randbogige Fenster, in der Umfangswand des nördlichen
Nebenschiffes langgestreckte Fenster im früh-gothischen
Style. Das Hauptportal in der Westfacade ist spitzbogig, un-
ansehnlich, auffallen il klein, schmal, uneingezogcn. Im südli-
chen Lichtgaden des Hauptschiffes sind kleine Blindfenster,
Kreuzfenster und Rosetten mit Glasmalerei. In der Wand des
südlichen Nebenschiffes breite und langgestreckte Fenster,
theilu eise mit fünf Lichtöff igen, mit reitdien Füllungen und
im Masswerke die Fischblase. Die Kirche besitzt ausgezeich-
nete Glasmalereien; das Seitenportal reichgezierte Spitz-
giebel. Dem ersten Ecke des dreiseitigen Chorflusses ist
ein Strebepfeiler vorgesetzt mit reich verziertem Thürmchen
und an der äusseren Fläche ein zierlicher Tragstein als Un-
tersat/, für eine Marienstatue mil zierlichem Baldachin. Glas-
malereien sind in einer Fülle, wie in keiner andern kärntne-
rischen Kirche vorhanden, wenn auch manche durch soge-
nannte Kunstfreunde ausgebeutet wurden.
Erzbischof Adalbert von Salzburg \ ertauscht am 27. Juni
021 an Grafen Alhorich eine Saline bei Admont und den
dritten Theil der dort gelegenen salzburgischen Güter gegen
eine für Salzburg näher gelegene Hube hei Gamanaron mit
einem Schmelzofen und dem Hechte zum Erzgraben (Anhang
zur Juvavia S. 132, Nr. 13). Papst Innocenz III. bestätiget
dem Bischöfe Eckbert von Bamberg in Künden ecclesiam
S. Leonardi in Gamanare (Archiv f. Geschichte, 1828,
S. 720). Stiftung und Erbauung des Leonhard-Altares 1320.
Hanns Schmitzberger, Steinmetz in St. Leonhard. verfertigte
1645 das Friedhofthor (Seitenportal), die zwei zu demsel-
ben führenden Treppen, und die Treppe zum neuen Hoch
altare und das Pflaster. Umfassendere Restaurationen unter
den Vicedomen Rudolf von Stadion (1631— 1642) und Va-
lentin Yoyt von Reineck (1642- l(Jöl).=)
8. Liebfrauenkirche in Hohenfeistritz. Eine
Votiv- und Wallfahrtskirche, welche muthmasslich als ein
ursprünglicher Bau im gothischen Style des XV. Jahrhunderts
anzusehen ist.
1 1 li Tangel'c „Reihe der Bischöfe fon Lavant«. S. 243.
'-'( Ans den Notaten des fleissigen Notizensammlera si Jcxa i f ala Pfarrer
zu St. Margaret bei Wolfsberg am 25. December 1827).
9. Maria Weitschah ob Hüttenberg. Eine Votiv-
und Wallfahrtskirche. Der Erbauer war Leonhard, Erzbi-
schof von Salzburg, 1 4i»ö -lölü.
10. In Friesach sind anzutreffen:
a) eine Dominicanerkirche, in dem charakteri-
stischen Styl dieses Ordens erbaut. Abtretung des Baugrun-
des für Kirche und Kloster 1251;
h) eine De u t s c h e-R i 1 1 er-0 rd e ns-Kire h e. Deut-
sche Ordensritter in Friesach bereits 1230:
r ) liieher gehört auch die Kirche Hol lein, ein Fi-
liale der Stadtpfarre. Die grössere Glocke mit der Jahres-
zahl 14GS;
i/ ) die Kirche auf dem Petersberge. Umbau
einer durch Gräfin Hemma, der Stifterin von Gurk (-j- 1045)
aufgebauten romanischen Kirche;
e) die Seminarkirche mil romanischem Kreuzge-
wölbe und Säulen mit Würfel-Capitäler. Wurde den Domi-
nicanern zwischen 1217 und 1246 eingeräumt. Nachdem
die Dominicaner in das gegenwärtige Kloster übersiedelten,
wurde die jetzige Seminarkirche an die von Greuth bei Neu-
markt in Obersteier nach Friesach übersiedelten Cistercien-
ser-Nonnen am 1. Mai 1258 für l.'iO Mark Silber überlassen.
Die letzte Äbtissin Katharina Payer -j- 1(500. Auflassung
des Klosters 1 ßOS ;
f) C o 11 egi a t- u n d S ladt [i f a r r k i r c h e. Rein go-
thischer Styl im Chore. Der ursprüngliche Baustyl der Kirche
wurde dagegen durch die nach den wiederholten verheeren-
den Bränden erfolgton Restaurationen unkennbar gemacht.
Der südliche, nicht restaurirte Thurm hat den romanischen
Styl. Eine Friesacher Kirche wird bereits im Jahre W'25
urkundlich erwähnt.
11. Coli egi at- und S la d t p fa rrk irehe St. Nico-
lai zu Stras'sbu rg im Gurkthale. Nur noch im Ausseien
zum Theile der gothische Styl erhalten. An der Westfront
und im Inneren häufige Spuren des Waltens der Renaissance-
Willkür.
Eine Capelle S. Nicolai bestand bereits 11(10. Die Er-
richtung des Collegiat-Capitels wurde angeblich durch Bi-
schof Georg von Gurk 1331 ins Werk gesetzt. Fundations-
ii ii i f Confirmations-Urkunde des F. I!. Ernsl von Gurk. datirt
Strassburg am Erchtag oach St. Michaelstag 30. Septem-
ber 1432. Aufbau der gegenwärtigen Coüegiat- und Stadt-
pfarrkirche durch den F. IL Johann Schallermann c. i4(!0.
12. Lieding hei Strassburg. Eine dreischiffige
Krypta mit gedrücktem Spitzbogengew ölbe ohne Rippen. Der
über derselben erbaute, dreiseitig abgeschlossene Chor im
reinen gothischen Stj le des \|\ . Jahrhunderts ist ein augen-
fällig späterer I mbau. Die Werkstücke sind demselben
Steinbruche entnommen, wie die zum Gurker Dombaue. Das
Langhaus isi einschiffig, äusserlich sind die kleinen rundbogi-
gen Fenster bemerkbar. Das kleine Portal rundbogig mit roher
Sculptur (eine menschliche Halbfigur zwischen dem symbo-
lischen Drachen und Löwen im Bogenfelde), ausgezeichnete
125
Glasmalerei in den Chorfenstern von Touristen und Kunst-
diletanten wenig beachtet und desshalb gut erhalten. Die
Witwe Imma , eine Besitzvorfahrerin der Gurker Henuna,
erlangt am 11. Juni 975 von König Otto II. das Markt-,
Münz- und Zollrecht für den Ort Lubtenga, wo sie den Bau
eines Münsters begann (in loco, qui dicitur Lubtenga in pago
gurctbal et in comitatu Raloldi comitis, ubi jam praedicta
Vidua monasterium construere incepit). ') Die Kirche
St. Martin in Lubedingcn kommt unter den Kirchen, für
welche Erzbischof Balduin von Salzburg der Grafin Henuna
am 6. Jänner 1043 Pfarrrechte abtrat, vor. Als Gränzpfarre
des Gurkerbisthumcs erscheint sie 1131.
13. Die Abteikirche von Ossiach. Stiftung des
Benedictinerklosters durch die Eltern des Patriarchen Poppo
von Aquileja am Ende des X. oder im Amfange des XI. Jahr-
hunderts. Unter Abt Leonhard periit tutum Coenobium mi-
serrimo et calamitosissimo incendio : ipsa die St. Leonardi
a. D. 14842). 1500 Dominica, quinta mensis Septembris
quae fuit dominica ante nativitatem B. Mariae Virginia Eccle-
sia (huius) monasterii B. M. V. in Ozziaco practeritis annis
penitus exusta (Exceptis istis altaribus videlicet summum
altare B. M. V. altare St. crucis, St. Martini, St. Galli.
St. Joannis Evangelistae, S. Nicolai, cripta cum suis alta-
ribus, quae hac combustione intacta permanserunt) et nunc
denuo efundamento erecta consecrata est a Beverendo
in Christo patre dd. Erhardo dei et apostolice sedis gratia
Epc. Laventino 3).
14. Stadtpfarrkirche St. Jakob in Villach.
Eine Hallenkirche, die durch zwei Säulenreihen dreitheilig
geworden ist. Aus Terrain-Bücksichten von Nordwest nach
Südost orientirt. Der, der nordwestlichen Hauptfacade vor-
gesetzte, und mit dieser durch eine kleine Vorhalle verbun-
dene Glockenthurm hat in dem untersten Geschosse, welches
jedem Erdleben widerstand, den romanischen Rundbogen-
fries und Ecklisenen. Die Grundform lässt auf eine ur-
sprüngliche dreischiffige, breite romanische Basilica sehlies-
sen mit einer Haupt- und zwei Nebenabsiden. Die urkund-
liche Erwähnung eines Schlosses und einer Kirche in Villach*)
geschieht im Jahre 979. — Papst Innocenz III. bestätiget
am 24. December 1203 dem Bischöfe Ekbert von Bamberg
ecclesiam S. Jacobi de Villaco in Kärnten 5). Die Pfarrer
von St. Jakob in Villach wiederholt Arehidiacone der Diö-
cese von Aquileja. Nach einer Localsage erfolgte am zweiten
Sonntage nach Ostern des Jahres 1286 (28. April) die Ein-
weihung durch einen Patriarchen (Raimund von Aquileja?).
Durch ein Erdbeben wurde am 25. Jänner 1348 der Einsturz
der Kirche herbeigeführt1)- Katharina Pfalzgräfin in Kum-
ten , Gräfin von Görz und Tirol ist die Erbauerin der Ca-
pelle, betitelt: Todesangst Christi und Joseph, 14G2. Am
31. Jänner 141 7 starb Gg. Leyninger von Hardekh. Stifter der
Allerheiligen Capelle; im Jahre 1484 Baltisar von Beisbriach
zu Stobeisdorf, welcher auf seinem Grabsteine der Stifter
der Pfarrkirche genannt wird. Er dürfte jedoch nur der
vorzüglichste Beförderer des Wiederaufbaues gewesen sein.
Über dem unansehnlichen Hauptportale ist die Aufschrift:
„anno 1551 Jar hat Christ. Hasenberger lassen machen das
Thor"2). Der Einsturz dos Chores (Presbyteriums) erfolgte
im Jahre 1784. Die neue Überwölbung desselben im Jahre
1785 s). Der gegenwärtige Bau dürfte daher in seinen Haupt-
theilen dem XV. Jahrhundert angehören. Die nordwest-
liche Front mit dem Bundfenster über dem Portale und dem
Rundbogenfenster über jenem dürfte noch ein Rest des
ursprünglichen romanischen Baues sein. Die letzten Restau-
rationen fanden 1845 bis 1847 Statt.
15. Minoritenkirche in Villach (nun Militär-
Magazin). Einführung des Minoritenordens in Villach durch
den Bamberger Bischof Heinrich 1242—1257.
16. Pfarrkirche St. Stephan bei Finkenstein
1472. In disem Jar ist St. Stephans Khircb in Bastal gepaut
worden durch Meister Jerg Steinmzer in Ciagenfurt ').
17. Markt kir che St. Herrn agor im Gitschthale
1394 dem Benedictinerstifte Arnoldstein einverleibt. Die
Sage bezeichnet denselben Balthasar von Weisbrach, welcher
der Stifter der St. Jakobskirche in Villach genannt wird,
als den Erbauer der gegenwärtigen Kirche.
18. Filialkirche St. Helena am Berg ober Gra-
fendorf. Angeblich durch die Pfarrgemeinde Grafendorf
im Jahre 1474 erbaut.
19. Pfarrkirche St. Maria in Kötschach. Ein-
weihung 1452. Grosse Glocke mit der Jahrzahl 1453. Nörd-
licher Anbau vom Jahre 1518.
20. Filialkirche St. Andreas in Laab. Angeb-
licher Bau vom Jahre 1516 durch Bartlmä Vierthaler.
21. Pfarrkirche St. Jakob im Lesachthaie.
Angeblicher Bau vom Jahre 1523.
22. Pfarrkirche St. Lorenz im Lesachthaie.
Am massiven Glockenthurm die Jahrzahl 1474.
23. Servi ten kirche in derLuggau im Lesach-
thale. Im gothisirenden Style. Gründung 1515. Einweihung
1) Siehe mein Handbuch z. Gesch. d. Herzog, von Kärnten II, Nr. 14 der
Regestenabth. S. 16.
2) Ann. Miless. mon. Ossiac. p. 85.
3) Des Abtes Zacharias Gröblacher annales Ozziacenses im 7. Bande des
Jahrg. 1851 des Archives f. Kunde österr, Geschichtsquellen.
4) Reseh, Annal. Sabin. 111, p. 635.
5) Hormayr's Archiv f. G. 1828. S. 720.
*) A. d. 1348 in die com ersionis beati Pauli, hora resperarum, universalis
motus terrae terribilites emersil et in unn loco velienu-iitior :ic crudeüor
extitit, sicut in V i 1 1 a c o ciritate evidenciua fuit ostensum. Nam cum in
ecclesia causa devoHonis li ines ibidem * renissenl . eadem hora quo
impetu mota est terra, Btructuris que corruentibus Bimu] interierunt,
(Annal. Novimont in Per/.. M. G. h. IX. |p. Ii74.)
2) ich entnehme diese Notizen dem mit anerkennenswerthem Fleisse geführ-
ten Tagebuche des vormaligen Apothekers in ViUach und gegenwärtigen
Bürgermeisters von Klagenfurl Herrn Ferdinand Ilauser.
') Mittheilung des fieissigen Correspondenten für das Decanal Villach Hm.
Johann Raupl, Dechant und Stadtpfarrer in Villach.
4I Gröblacher a. o. v. .1. 1472.
17
— 12(5
am 20. August 1836 durch den Weihbischof Ton Aquileja,
Daniel von Rubeis.
24. St. L e o n h ar d s kir che b e i S achsenb \i r g i m
Oberdrauthale. An einem Tragsteine des Musikchores
die Jahrzahl lK\8 ( I47S) und das Steinmetzzeichen V-
28. St. Martin zu Obervellach im Müllthale
einschiffig. Wandpfeiler als Stützen dos Netzgewölbes.
Muthmasslich verschiedene Bauzeiten his herab in das
X\ I. Jahrhundert. Die Kirche St. Martin apndVeluz c. 10(!2.
2G. Heiligen-Blut im Möllthale. Ursprünglich
gothischer Bau. Werkmeister Hanns Huber zu Sigmunds-
kron bei Botzen 14s;). Hoher gothischer Hauptaltar. An der
Bückwand: „andere J;>hr andere War spricht Wolfgang
Haller, der hal das Werk vollendet MCCCCCXX- Jahr.«
27. Vormalige Stiftskirche in Milstadt. Stiftung
dos Benedictinerklosters St. Salvator am Ende dos XI. oder
im Anfange dos XII. Jahrhunderts. Am 27. März 1122 über-
nimm! Papst Calixl II. die ihm von dem Pfalzgrafen Engel-
bert, dosson Ahnen d;>s Kloster gestiftet, übertragene Schutz-
herrlichkeit über das Salratorkloster in Milstadt. Einführung
des St. Georgen Bitterordens 1409. Die Ortssage bezeich-
net den ersten Hochmeister Johann Sibenhirter als den Er-
bauer der gegenwärtigen Stiftskirche (?). Denkwürdige
christliche Symbolik in den Sculpturen am Seitenportale,
welches aus der Kirche in den Kreuzgang führt.
28. M a r i a-W ö r th am W ö rth e r s e e l> e i K 1 a g en-
furt. (i ) Pfarrkirche; eine sechssäulige Krypta. Der
Chor ülier derselben im früh-gothischen Style. Das Haupt-
portal in der südlichen Langseite rundbogig in Abstufungen
eingezogen mit in «1 i (> Ecken eingesetzten Säuichen. Eine
Kirche der heil. Märtyrer Primus und Felician, welche in
loco, i|ui vulgo Werl vocatur, conservata micat im Jahr 891.
Angebliche Stiftung eines Collegiatcapitels durch Bischof
Abraham von Freising c. 978—979. Im XII. und XIII. Jahr-
hundert erscheinen wiederholt Pröpste von Werd in Ur-
kunden. Dotirung der Decanatspfründe durch den Magister
und Propst von Wert. Heinrich, 1279. Muthmasslich war
damals die Blüthezeit des Capitels,und daher geschah wahr-
scheinlich auch damals der Aufbau dos jetzigen Chores
als neuer Capelle über der Crypta der h. Märtyrer Primus
und Felician. Das Reliefbild mit dem Steinmetzzeichen "|*
und der Jahrzahl 1840 in einer Nische der inneren Kirehen-
waud dürfte sich wohl nur auf eine kleinere spceielle Lei-
stung beziehen.
b) Die kleine u\\i\ unansehnliche Marien cape 1 1 o
«östlich von der Pfarrkirche mit spitzbogigen Fenstern
wurde durch obigen .Magister und Propst Heinrich, somit um
1279 erbaut. (Der zweigeschossige Rundbau östlich von
der Pfarrkirche mit dem Beinhause im untern Geschosse und
der Grabcapelle im obern wird wohl zu voreilig für den ülto-
st"ii Hau gehalten und ist ein bei den kärntnerischen Land-
kirchon heinahe regelmässig vorkommender Karner oder
Karelier, welcher in einem zu alten Zeiten gleichmässfgen
Typus aufgebaut erscheint.)
29. Helenenkirche auf dem Helenenberge.
Filiale der Pfarre Ottmanach. Eine Capelle montis Sancte
Elene fdie Ecclesie in Otmaniach vor 12Ö4 durch die Vor-
ältern des Orlolfus de Osterwiz gestiftet. Der gegenwärtige
Bau ohne Zweifel ein Umbau der altern Kirche.
30. Von denselben Vorältcrn wurde vor 1254 die
capellain Strewnberg filia ecclesie in Prewarn (Pro-
jern unter Karlsberg) erbaut. Sie verräth noch den primi-
tiven Bau und nach diesem dürfte daher der primitive Bau
der lloleneneapelle heurtheilt werden.
Decennal- Aufzeichnung der archäologischen Funde in Siebenbürgen vom Jahre 1845 bis 1855.
( Hin jStMtriiu zu 'l<'n . Iifiiiü^cii cinor Chronik der archfio logischen Funde in der österreichischen Monarchie <l<'s J. ü. Seidi." »
Von ?.I. .1. Ackner, Correspondenten der k. k. Central-Commission zu Hamersdorf in Siebenbürgen.
i Foi tsetzung i
is:; 2.
Ein im verflossenen Monate April in Thornburg
( Alt-Torda ) bei dem Strassenbau gefundener Schatz, gegen-
wärtig in dem k. k. Cameral-Zahlamte zu Hermannstadt unter
den Depositen in Verwahrung, besteht aus einer Unzahl
meist kleiner und « eniger grösserer alter Silbermünzen, drei
Pfund 19% Loth im Gewichte. Ein zwei Mass haltender
irdener Topf war damit bis zum obern Rande voll gefüllt.
So viel eine flüchtige Durchsichi dieses Geldes, während
einer kleinen Stunde bemerken lies*, gehören dieselben dem
\lll. und XVI. und dem Anfange des XVII. Jahrhunderts, und
zwar am meisten der habsburgisch- österreichischen Dynastie.
so wie mehreren ihr zugehörigen oder angrenzenden Pro-
vinzen, wie Böhmen , Polen, Ungarn, Slavonien, Serbien.
Siebenbürgen u. s. w. an. Mehrere sind auch aus i\vn Gauen
des deutschen Reichs. Gross ist die Anzahl der kleinsten
Geldsorte von ungarischen Königen: Andreas, Carl I.. Hu-
bert, Ludwig [., Maria, Tochter des Letzteren, Albert u. m.a.
Von den grössern Geldstücken bemerken wir aur ein Exem-
plar, einen Zweigulden -Thaler von dem siebenbürgischen
Fürsten Sigismund Bathori aus dem Jahre 1898 und vier
Thaler gleicher Grösse von dem König und Kaiser Ferdi-
nandus UI. (ohne Jahrzahl). Mit diesen Münzen fand mau
zugleich das silberne Gehäus einer alten Londoner Sackuhr
127 —
und vier wallnussgrosse Hafteln von wenig ausgezeichneter
Filigranarbeit mit rothen unechten Steinen.
Wiewohl nun der Inhalt dieses Fundes nicht zu den
antiken Gegenständen des classischen Alterthums gezählt
werden kann, und am wenigsten zu den fabelhaften „Schätzen
des König Darms", wie der Correspondent des „Magyar
hirlap" bemerkt hat, so dürften diese Münzen denn doch
hinsichtlich einer numismatischen Sammlung für Ungarn und
Siebenbürgen nicht ohne Belang sein, und bei genauerer
Durchsuchung einer so grossen Menge kleinen Silbergeldes
manche interessante Ergänzungsstücke für dieselheu sich
darbieten.
Eine genauere Angabe und Beurtheilung der Münzen
konnte hier jetzt nicht ermittelt werden; dazu war die Zeit
zu beschränkt und der Exemplare zu viele, und was hiebei
ganz besonders hinderlich, war der dunkelgrüne Kost,
welcher sie dergestalt umhüllte, dass man auf den meisten
kaum einen Buchstaben wahrnehmen und deutlich zu er-
kennen vermochte. Zum Theil waren die Geldstücke dutzend-
weise zusammengebacken und gleichsam aufeinander ge-
kittet. Um die Aufschriften und Embleme der Münzen zu
sehen und dechilTriren zu können, müsste vorerst das Silber
mittelst einer Säure vom Rost und Grünspan befreit und
gereinigt werden.
Den 26. Mai dieses Jahres überbrachte mir Sava Theo-
dosia, eine Frau von Walachisch-Neudorf am Alttlusse,
87 Stück Silbermünzen, meist 1 und 3 Groschenstücke, mit
dem Wunsche, ihr dieselben käuflich abzunehmen. Obgleich
nun dies Geld nicht aus dem classischen Alterthumc stammt,
aber doch mehrere Autonom-Münzen von Hermannstadt und
vorzüglich von unserm siehenbürgisehen Kronstadt und da-
runter grösstenteils Prägen siebenhürgischer Fürsten sich
befanden, so glaubte ich doch dieselben, nachdem ich die
Überbringerin entsprechend entschädigt, meiner numisma-
tischen Collection einverleiben zu sollen. Angeblich wurde
dies Geld zufällig im Altflussufer nächst Walachisch-Neudorf
(Noa) entdeckt. Dasselbe besteht in den nachfolgenden
Stücken :
1. STEPHAN D. G. REX PO. M. D. L. Das mit der
polnischen Krone gekrönte Haupt Steph. Bathori's. — GROS.
ARG. TRIP. M. D. L. 1582. Das Bathorische Wappen mit
3 Drachenzähnen, daneben Reiter u. s. w.
2 — 4. Ähnliche, bloss mit der fortlaufenden Jahrzahl:
1583, 1584 und 1585.
5— 15. SIG. III. D. G. REX PO. M. D. L. Sigmunds
gekröntes Haupt. — GROS. REG. POL. 1608—1610.
Adler und Löwe.
16—18. STEPH. D. G. HVN. TRAN. P. ET. SIC. CO.
Bärtiger Kopf des Stephan Bocskai. — GBOS. ARG. TRIP.
REGNI. HVNGAR. 1605. Drei Schilder: im ersten das
ungarische, im dritten das siebenbürg. Wappen, im mittlem
ein Löwe. Zwei andere ähnliche, bloss 1606 und 1607.
19—23. GABRIEL. D. G. PRIN. TR. E. S. C. Brust-
bild im Harnisch des Gabriel Bathori. — GROS. ARG. TI1IP.
REGX. TRANSYLVAX1AE III. Das Bathorische Wappen-
sebild, darunter: CIBI. 1609. (1610, 1611, 1612.)
24-29. GAB. BATIK). D. G. PRIX. TRAN. 1610.
Der Fürstenhut. — GROSSVS REGNI TRÄNT. Adler.
30.— 40. Ähnlich, bloss 1611.
41.— 56. Gleiche Präge, bloss 1612.
57.-67. Ähnlich, bloss 1613.
68.— 87. DEVS PROTECTOR NOSTER. Einköpfiger
Adler mit ausgebreiteten Flügeln. — - GROSS. CIVITA
BRASSO 1613. Die Krone über einer Baumwurzel.
Mehrere der vorstehenden Münzen Kronstadts und
besonders auch Gabriel Bathori's vom Jahre 1613 sind aus
äusserst schlechtem Silber: einige derselben bloss mit Silber
plattirt und einige ühersilbert, deren Matrix aus Kupfer oder
Eisenblech besteht.
Zu Anfang Juni dieses Jahres feierte der Verein für
siebenbürgische Landeskunde seine General -Versammlung
in Bros, Villa S. Ambrosii in den Urkunden genannt, welches
in dem westlichen Theile des Landes zum classischen Boden
gehört und wo die Alterthümer und Niederlassungen der
Römer schon häufiger als in östlichen und nördlichen Theilen
Siebenbürgens vorkommen. Die Liebhaher des Alterthums
freuten sich im Voraus, zumal sie auch auf der Fahrt bis
dahin und wieder zurück Gelegenheit fanden, die unter
dem sogenannten „Walde" am Fusse der südlichen Gränz-
gebirge befindlichen 15 alten deutschen Burgen und Burg-
trümmer zu beobachten.
Die mir bereits wohlbekannte und gut geordnete numis-
matische Sammlung des Senators Loreni zu Bros hatte
unlängst aus dem Bereiche dieser Gegend einen Zuwachs
von vier seltenen und vorzüglich gut erhalteneu Münzen
erhalten; die erste eine Consular-, die anderen Kaisermün-
zen, besitzen folgende Aufschrift:
1. PETILLIVS CAPITOLINVS. Ein Adler mit ausge-
breiteten Flügeln auf dem Blitz- oder Donnerstrahl stehend.
— Jupiter-Tempel des Capitols mit sechs Säulen, oben am
Gipfel mit Statuen geziert, auf den Seiten des Tempels
steht links ein S und rechts ein F. — Übrigens gehört die
Familie Petillia zu einem alten Geschlechte, von dem Einer
am genannten Tempel einmal einen religiösen Dienst beklei-
det hahen mochte.
2. IMP. CAES. AVGV. COMM. CONS. welche Bezeich-
nung auf einer Tafel geschrieben steht; ausserhalb dersel-
ben: S. C. RVPVS lllVIli.
I. 0. M. S. P. Q. R. V.otum S.usceptum PRo S.alute
IMP. CAE QVOD. PER. EV.m li.es P.ublica IN. AMP.liore
ATQ.ue TRAN.quilHore Statu Est. Die Schrift umgibt ein
Kranz von Eichenlaub.
Der Sinn der Inschrift ist nach Suetonius Cap. 23 lie-
kannl: August weihet nach der durch die Germanen erlit-
tenen Niederlage des Varus dem capitolischen Jupiter
17*
128 —
ausgezeichnete Spiele, um das Reich wieder in günstigere
Umstände zu versetzen. Die Prägezeit fällt in das Jahr 16
nach Christi Gehurt.
3. CAES. AV6VS. Der Imperator auf dem Triumph-
wagen mit einem Viergespann im schnellen Laut'.
s. P. Q. I!. PAREN. AVGV. CONS. SVO. Ein Scepter
mit dem Adler; Obertheil von einer Toga im Lorbeerkranz.
4. IMP. CAES. CLOD. PVPPEENVS. Bärtiger Kopf des
Puppienus mit der Strahlenkrone.
AMOR MVTVVS. AVGG. Zwei rechte Münde in einan-
der geschlungen.
Die Münzen von den beiden Kaisern. Balhienus und
Puppienus gehören in das Jahr 238 nach Chr. Gehurt und
sind selten, denn nur wenige konnten geprägt werden, da
deren Regierung kaum Ins ins dritte Monat reichte.
Naeh der reichen Lorenischen Münzensammlung finden
wir hier noch ähnliche, jedoch nicht wissenschaftlieh geord-
net, so wie einige andere antike Sachen, namentlich hei
Dr. Lessai sehenswerth. Dessen Colleetion besteht, ausser
etlichen seltenen Medaillen des neueren Zeitalters, meist in
einer Anzahl römischer Familien- und Consular- Münzen,
vorzüglich byzantinischer Kaiser in Gold und dann auch
mehrerer antiker goldener Ringe, mit tief und hoch geschnit-
tenen Steinen. Darunter zeichnen sich aus: 1) ein Triumph-
zug mit neun Figuren, in Heliotrop vortrefflich gearbeitet;
2) ein römischer Legionär mit der Lanze und sonstiger
Feld- und Kriegsrüstung dargestellt; 3) eine gehelmte weib-
liche Figur, mit der Rechten auf ein Schiffsruder gestützt,
im linken Arm ein Füllhorn haltend; 4) eine weihliche Ge-
stidt (Hygiea), in der Rechten eine Schale, zu welcher sich
eine Schlange erhebt, in der Linken einen Lorbeerkranz
tragend. Der Besitzer erlaubte Siegellack-Abdrucke von
den antiken Gemmen zu nehmen, welches uns nur von den
IntaghVs, nicht aber von den Cameen oder erhaben geschnit-
tenen Steinen gelang. Dr. Lessai besitzt, ausser dem Ange-
führten, noch einige hei Romos, eine Stunde östlich von
Bros, vor Rinf Jahren gefundene alte bronzene Gegen-
stände, \oii welchen (las Meiste und Wichtigste nach Rest in
in das ungarische National-Museum geliefert worden ist. Die
rückstandigen Sachen bestehen aus mehreren grösseren und
kleineren Armringen und dann aus einer 20 bis 24" langen
Kette, deren Bestandteile nicht runde oder Ovale Glieder.
sondern mannigfache Verzierungen in beweglicher Zusam-
mensetzung sind. Da von letzteren nichf Alles beisammen ist,
so fallt es auch schwer zu bestimmen, was es eigentlich vor-
stellen mag. Vielleicht ein Bruchstück von dem Schmuck
eines Legions-Adlers oder eines andern militärischen Zei-
chens oder bloss der Theil eines Pferdegeschirres.
Über die deutschen Burgen unter dem „Walde" mit Aus-
nahme der Kirchencastelle, wollen wir hier vom Westen
n Osten angefangen, nachfolgende Andeutungen geben '):
l) Die Luge der Burgen wird hier M.>ss einfach und kurz angegeben, mit
dem Vorbehalte, in der Folge auch das Geschichtliche und die etw« Bich
1. Unstreitig beginnen die Bürgerburgen bei Bros und
nebst dem zu seiner Zeit stark befestigten Kirchencastelle
war auch die westliche Kuppe über den nahen Broser
Weinbergen, wie schon der ungarische Name Varhely,
Schlossberg, andeutet, mit einer Burgfeste gekrönt. Yergl.
„Denkwürdigkeiten von dem alten Varos und dem neuen
Bros."
2. Zwei Stunden südlich von hier, bei Sehe sei unter
dem Gebirge, liegen Trümmer einer zweiten Burgfeste und
zwar mit einem noch erhaltenen gothischen Portale. Dieser
gegenüber tragt eine Berghöhe, Kukuis genannt, noch Grund-
inauern eines r leu Thurmes.
3. Westlich von Deutsch-Pien (Villa Vulcani in alten
Urkunden) gegen Csora wird an den sich erhebenden Berg-
abhangen eine Burg angegeben, aber unbestimmt, ob noch
sichtbare Trümmer oder bloss die Benennung eines Burg-
platzes geblieben sind.
4. Besser hat sich die von der Stadt Mühlbach, 2'/2 Stun-
den in dem südlichen Gebirge hei Szäszcsor (Kleinsach-
sen ) gelegene Burg erhalten. Über einem Felsenkegel auf der
linken Seite des vorbeirauschenden und Goldsand führenden
Mühlbach- oder Sehehesch- Flusses, dem genannten Dorfe
gegenüber, ragen überraschend die graulich -schwarzen
Überreste der Ringmauer, eines runden, ziemlich hohen
Thurmes und mehrere zerfallene Mauerwerke empor.
o. Mitten zwischen Mühlbach und Reussmarkt, von
jedem 1 8/4 Meilen entfernt, jedoch von der Laudslrasse
gegen das Gebirge ansteigend, bei Reich au, linden wir auf
manchen Landkarten Siebenbürgens das Zeichen einer Burg-
ruineangegeben ; weiter ist bis jetzt noch davon nichts bekannt.
6. Bekannter ist das feste Kirehensehloss bei Relling
und
7. die starke Burg bei Cr wegen.
8. Eines der stärksten deutschen Schlösser, mit zwei-
facher hoher Ringmauer, jenes von Gr 0 S spold, wurde im-
liingst abgetragen und zerstört; doch ist noch daselbst ein
isolirter, trotziger und felsenfester Thurm stehen geblieben,
zum Andenken an die verhängnissvolle Vergangenheit.
Diess sind die deutschen Burgen „unter dem Walde".
Die südlich und südöstlich gelegenen gehören /.um llcrmaun-
städter Bereich, I zwar
((. die Trümmer der alten Burg von Szelistie sind
mehr von diesem Gebirgsorte hinauf in der Schlucht bei
Tiliska zu suchen und /.u sehen.
10. Naeh urkundlichen Angaben linden wir bei dein
zwei Meilen von llerniannstadt westlich entfernten Dorfe
Orlat gleichfalls eine Burgfeste, so wie eine dorl gewesene
sächsische «.nsiedlung, unter dem Namen Winds b er g (Mens
Cibinii ). Der nächste Berg, em abgerissener Theil des nahen
Urgebirges nächst dem Orte, auf dem linken Ufer i\^a vor-
beifliessenden Cibinflusses, wo jetzl die Kalkbrüche des
daran knüpfenden Sagen di Grundrisse und landschaftliche Ansichten
derselben /« liefern.
— 129
schönsten weissen Urkalkes eröffnet sind, wird als Burgort
bezeichnet. Überreste davon sahen wir keine mehr.
11. Die Burgtrümmer zwischen Poplake und Resi-
n ar haben wir bereits oben im Jabre 1848, wo wir dieselben
besuchten und beschrieben, angegeben.
12. Die von Hermanustadt zwei Stunden südlich ent-
fernte , auf einem steilen Gneisskegel hoch aufgethiirmte
M ichaelsberger Burg schaut kühn in die Thäler herab,
und wird vonHermannstadts Bewohnern gern und häufig be-
sucht, indem sie durch einen der Freude und den Volksfesten
gewidmeten Eichenwald hinführend, eine der reizendsten
Partien mit ihrer ganzen Umgebung darbietet.
13. Bei dein von Hermannstadt 2 »/, Stunden gleichfalls
südlich gelegenen schönen, ja in Hinsicht seiner herrlichen
Lage vielleicht schönsten und anmuthigsten Gebirgsort und
Markte H e 1 1 a u, finden wir drei Stellen, zum Theil mit noch
ziemlich kenntlichen Schlossruinen bezeichnet, deren erste
auf dem bekannten sogenannten Götzenberg liegt, über dessen
Gipfel, nach Marienburg's Geographie zu Tröster's Zeiten die
Burgtrüinmer sich noch befunden haben sollen. Der zweite
Platz wird auf einem bewaldeten Auslaufer des Götzenberges
gezeigt, der erst sattelförmig sich vertieft, dann zur kegelför-
migen Spitze sich erhebt und bald in steiler Abdachung im Thal
des sogenannten Heltauer Hinterbaches verschwindet. Diese
Kuppe wird die Biesenburg (Hünenburg) genannt. Vom
Fusse derselben führt ein verfallener und verwachsener Fahr-
weg in schneckenartiger Windung hinauf. Die Ringmauern
der Burg sind bloss noch an den wallförmigen Erhöhungen
des Bodens sichtbar; alte Leute in Heitau erinnern sich, noch
Mauerüberreste gesehen zu haben. Von der dritten Burg-
stelle endlich, auf der mit Weinreben bepflanzten ßergspitze,
welche in der Hügelreihe zwischen Heitau und dem Orte
Westen sichtbar emporragt und von den Anwohnern mit dem
verwandten Namen „Höngbrig" bezeichnet wird, ist bis noch
nichts bekannt, ausser der Sage von den drei brüderlichen
Riesen, welche die zwei letztgenannten Hünenburgen mit
dem Schluss auf der sogenannten Landeskrone bei Talmesch
in einen mythischen Zusammenhang bringt. Vergl. Transil-
vania, Beiblatt zum Boten Nr. 70, 1844.
14. Die hohe malerische Schlossruine mit ihrem stolzen
Namen der „Landeskrone" bei Talmesch, die wir rück-
sichtlich ihrer Erforschung, Ausmessung und Beschauung wie-
derholt bestiegen haben, lieferte uns den Beweis, dass ihre
Ersteigung, wenngleich eine mühsame, durch die weite Fern-
sicht in das Cibin- und Altthal sowie durch den nahen
Anblick der riesigen Hochalpen, höchst genussreich und stets
eine lohnende ist.
Noch haben wir zwei hohe Bergschlösser, welche mehr
entfernt von der Reichsgriinze gleichsam als Reserven die
Umgebung Hermannstadts überwachten , u. z. :
15. das Bergschloss von Burgberg und
16. endlich das Bergschloss bei Stolzeburg zu er-
wähnen.
1853.
Im Interesse der Kunst und Wissenschaft war es die
höchste Zeit, für die Erhaltung der Alterthümer unseres
\ aterlandes ämtlich Sorge zu tragen. Daher erregte schon
die am 31. December 1850 zum Zweck der Erforschung
und Erhaltung historischer Baudenkmale allerhöchst geneh-
migte Errichtung einer Central-Commission in Wien, so wie
die Bestellung von Conservatoren in den einzelnen Kronländern,
eine ungemein freudige Theilnahme bei den Freunden der
Alterthumskunde.Noch mehr wurde im Jahre 1853 diese freu-
dige Theilnahme im Grossfürstenthume Siebenbürgen ge-
steigert durch das energische Vorgehen Sr. Durchlaucht des
Herrn k. k. Militär- und Civil-Gouverneurs FZM. Karl Fürs)
zu Sehwarzenberg und die eindringlichen Aufforderungen an
alle weltlichen und geistlichen Behörden und wissenschaft-
lichen Vereine zur diessfälligen thätigen Mitwirkung, „damit
die werthvollen antiken Denkmäler des Vaterlandes erhalten
und die Gelehrten des In- und Auslandes durch ihre Bekannt-
machung in den Stand gesetzt würden, sie zu erläutern:
zugleich aber auch in dieser Weise der Vorwurf kaltsinniger
Gleichgültigkeit gegen die ehrwürdigen Überreste der Vor-
zeit, welcher den Bewohnern dieses Landes oft und nicht
immer mit Unrecht gemacht worden ist, zum Schweigen
gebracht und in allen Schichten die Aufmerksamkeit auf die-
selben hingeleitet, und mit ihrem Verständniss auch der Sinn
für ihre Schonung und Erhaltung geweckt und gepflegt
werde."
Zugleich wünschten Se. Durchlaucht, „dass dein k. k.
Cabinet in Wien die Gelegenheit verschafft werde, diejeni-
gen archäologischen Stücke, die ein allgemeines geschicht-
liches oder kunsthistorisches Interesse haben, zu erwerben,
und durch die Aufnahme in das Central -Museum des öster-
reichischen Kaiserstaates. ihrer Bedeutsamkeit gemäss, zum
allgemeinen zugänglichen Gemeingute der Wissenschaft zu
machen". Diese dankenswerthen Vorkehrungen, durch
schriftliche, zum Theil auch persönliche und mündliche Auf-
forderungen, blieben nicht ohne Erfolg. Aus allen Kreisen
und Bezirken gingen darauf bezügliche Lieferungen und
Berichte ein. Durch hohe Genehmigung Sr. Durchlaucht des
Gouverneurs von Siebenbürgen wurde mir von den meisten
dieser antiquarischen, zwar nicht immer ganz schulgerechl
gegebenen Berichte und Einlieferungen, Einsieht zu nehmen
gestattet. Wir bezeichnen diese archäologischen Funde nach
der Reihe, wie sie zur Kenntniss der Landesstelle gelangten
und wie sie im Vorbeigehen flüchtig botrarlitel werden
konnten, in Nachfolgendem :
Von Alparet, Wal. Olpretu. des Deeser Kreises und
Semesnyer Bezirkes, wurden vom Landmann Rusz Vas/.i-
lica aus Alparet, heim Pflügen eines dem Grossan Silimann
gehörigen Ackers, silberne Schmucksachen im Gewichte
von 1 Pfund 15 Lotb eingeliefert. Sie bestanden aus zwei
silbernen Ketten, einem spiralförmig gewundenen Sillier-
drathe und mehreren von demselben abgehauenen Frau-
130 —
menten u. s. w. Aus der Geschichte wissen wir zwar, dass
im Jahre I43t> während des siebenbürgischen Bauernauf-
standes unter König Sigismund von Ungarn bei Alparet eine
Schlacht vorgefallen ist: allein oh diese Sachen von dortoder
aus einer Lindern Zeit herstammen, lässt sich nicht entschei-
den. Auf keinen Fall aber kann man dieselben auf altrüini-
schen Ursprung zurückführen: sie verrathen zu geringen
Geschmack und zu wenig Kunstsinn.
In Valäszut zwischen Klausenburg und derArmener-
stadt, Szamosujvar, am kleinen Szamosfluss, landen in die-
sem Sommer, nach einem heftigen Regengüsse, Kinder aus
Fejerd, einige antike Sachen aus Bronze, welche von dem
k. k. Münz- und Antiken-Cabinete um den Preis von 20 fl.
C. M. erworben wurden. Diese Fundstücke sind: 1) eine
bronzene Patera <i im Durchmesser, in ganzer Länge sammt
dem Stiele o; t (12=V) messend. Die Scheibe ruht auf
dem Rücken und dem Geweih eines liegenden Hirsches von
ganz guter Arbeit: der gekrümmte Stiel, 2" 6'" lang, endet
in einem netten Widderkopf. " Dieser Stiel, der uns einer
Lyra mit drei Saiten ähnlich schien, war in Hermannstadt
bei der Einlieferung unversehrt und muss nur wahrend des
Transports nach Wien verbogen wurden sein. Audi hielten
wir hier die Sache für einen metallenen Spiegel oder Spie-
gelhalter, doch werden wir uns nun wohl zur „Patera" halten
müssen; 2) ein Beschläge von Bronze, 1" hoch, auf der
einen Seite geschlossen. Die Randleisten , zwischen denen
ein Zickzack als Verzierung geht, laufen aus in Entenköpfe,
von denen 2 erhalten, 2 weggebrochen sind; 3) das bron-
zene Beschläge eines einem Csakany ähnlichen Hau -Instru-
mentes, mit einer Scheibe, deren Mittelpunkt sich zum Sta-
chel zugespitzt; 4) mehrere bronzene Streitbeile und soge-
nannte Kelle; 5) ein Armring von Bronze, mit gegen einan-
der laufenden vertieften Streifen verziert, u. s. w.
Im Anfani;' August dieses Jahres fand zu Tibod. im
Udvarbilyer Kreis. Franz Török in seinem Hofe 826 silberne
römische Consular- und Kaiser- Münzen. Sie lagen 7 Fuss
tief unter der Knie in 2 Gelassen von ungebranntem Thone
und waren durch die häufigen Regengüsse, die' im Juli statt-
gefunden hatten, herausgewaschen. Auf Befehl Sr. Durch-
laucht lies Herrn (ioiiverneurs wurden dieselben au die
k. k. Central-Commission in Wien geschickt, und von dieser
an das k. k. Münz- und Antiken-Cabinet zur näheren Prü-
fung abgegeben. In J. G. Seidl's Chronik der archäolog.
Funde ete. S. 130 und 137 sind sie genau bezeichnet; doch
fand ich bei wiederholter Durchsieht dieser .Münzen, nachdem
dieselben von Wien zurückgek tnen, einenS. Vitellius, der
bei der Beschreibung ausgeblieben ist.
Am 12. September entdeckte Georg Kiss, aus Batza
im Kreise Dees, bei dem Zusammenscharren des untersten
Tbeiles eines Düngerhaufens einen Ducaten in Gold und
16 Thaler sowie mehrere kleine verwitterte Silbermünzen, von
welchen, obgleich ol archäologischen Werth, doch einige
Stücke für die Hofsammlung angekauft wurden.
Den 3. December d. J. gruh der Landmann Krestan
Kretjun, aus Szaszarma im Kreise Bistritz, einen Brunnen
aufseinem Grundstück, wobei er eine Anzahl aller Silber-
münzen fand, von welchen einige serbische, slavouische und
ungarische von dein k. k. Münz- und Antiken-Cabinete für
25 Gulden angekauft wurden.
In einem Berichte des Bislritzer Kreises und Leehnitzer
Bezirkes an die Statthaltern, worin die Sachen ungenau und
nur sehr allgemein angegeben sind, linden sich folgende bei
\\ ermesch ausgegrabene Gegenstände : 1) ein antiker bron-
zener Stierkopf; 2) ein römischer Adler aus Bronze; 3) ein
zweischneidiges 2 langes, 2,/Y' breites Schwert, dessen
Grill' und Klinge gleichsam wie dunkelgrün lackirl erscheinen:
4) die Hälfte einer römischen Sturmhaube von Bronze;
5) zwei bronzene Statuetten 0" hoch, römische Hauspenaten
vorstellend, derzeit in Verwahrung des Paul Gross, Predi-
gers zu Bistritz. Die vier vorangenannten Antiken besitzt der
Graf Paul Bethlcn. — Gleichzeitig wurden aus der Samm-
lung des Grafen Franz Bethlen mehrere aus dieser Gegend
herstammende Fundstücke mitgetheilt: 1) ein Türkis mil
eingravirter Inschrift: Ego sum Flagellum Joris contra per-
verses Christianos — soll in einem goldenen Bing gefassl
gewesen sein; 2) ein dacischer Fahnenkopf von Bronze:
3) mehrere Waffen und Pferdegebisse von Bronze; 4) dess-
gleichen grössere und kleinere Statuetten und eine bedeu-
tende Anzahl römischer Münzen. Auch wird in diesen Be-
richten über vielleicht sehr interessante und wichtige Bare-
liefs und Grabsteine mit Legenden im Garten des Grafen
Adam Vass zu Zagendof (Szäsz Csöge) am Sajofiuss, nur
oberflächlich und flüchtig hinwe^geeilt.
Höchst erwünscht kam die Entdeckung eines betracht-
lichen Schatzes zu Bog esch do r f ( Hermannstädter Kreise-
und Medvischer Bezirk) bei dem beabsichtigten Bau eine
neuen Yolksschulgebaudes für die dortige evangelische Ju-
gend ; zumal die Schul- und Kirchencassen der evangelischen
Glaubensgenossen gewöhnlich arm und in bedrängter Lage
und bei dergleichen Bauunternehmungen nur zu oft in Geld-
verlegenheit gerathen. Die Insassen Johann Schenker und
Peter Schebesch fanden nämlich, als sie beschäftigt waren.
behufs der Erbauung dieser Schule eine baufällige Ring-
mauer wegzubrechen, die der evangelischen Kirche zum
Schutze gegen feindliche Anfälle gedient, in einer zuge-
mauerlen Schiessschai'te derselben ungefähr s hoch über
der Knie in zusammengenähten Linnenlappen einen 7 Pfund
14 Loth schweren Schatz, bestehend aus 2,'i77 Silbermün-
zen, im Schätzungswerthe von 113 11. 20% kr. C. M. Die
u ackeren Finder, höchlich erfreut, durch Zufall einen so nam-
haften Beitrag zu dem projeetirten Schulbaue gefunden zu
haben, machten keinen Hehl aus ihrem Funde, der nun den
gesetzmässigen Weg nahm und auch dem Mim;:- und
Antiken-Cabinete zur Einsichtnahme zuging. Die Münzen
dieses Fundes reichen vom letzten Viertel des XVI. bis zu
Ende des \\||. Jahrhunderts. Es sind ungarische, sieben-
— 131
bürgische und polnische, vom Mathias II. (1G08 — 1619),
Leopid I. (1656 — 1705), Gabriel Bethlen (1613—1629),
Sigismund III. (1587—1632) und Johann Casimir (1648
bis 1668). Vergl. Seidl's Chrom, S. 138, 1854.
Den Beschluss der mir bekannt gewordenen Funde
dieses Jahres machen zwei römische Inschriften, welche ich
von einem Professor des evangelischen Gymnasiums in Schäss-
burg, angeblieh von Szent Mihäly im Udvarhelyer Kreis
und Bezirk, erhielt, ohne nähere Angaben. Ich gebe die-
selben hier, wie ich sie bekommen habe.
1) I. 0. M. 2) i. 0. M.
TVETTIVS C. IVL. 1VLIA
— EVERVS . WS PRAEF.
PRAEF. CoHI CoHIin HISP
EO DOM RoM.
VS V. S L. M.
LM.
1854.
Mittelst Zuschrift der k.k. siebenbürg. Statthaltern vom
10. April 1. J., wurde ich für den Zweck der entsprechenden
Benützung bei der Sr. Durchlaucht dem Herrn Militär- und
Civil-Gouverneur gewidmeten archäologischen Karte von
Siebenbürgen, auf die bei Klausenburg im Bacser Unter-
bezirke befindliche sogenannte Trajanstrasse, mit dem Bei-
fügen aufmerksam gemacht, dass sich dieselbe am Nädösfluss
durch diesen ganzen Unterbezirk über Bäcs, M. Na dös,
M. Särd, ü. Köblös gegen M. N. Sombor ziehe, eine
starke Klafter breit, mit grossen viereckigen Steinen gepfla-
stert, jedoch an den meisten Stellen in der Ebene schon
mehrere Fuss hoch mit Erde bedeckt sei. Gleichzeitig wird
von dort angegeben, dass beim Steinwerfen in der Ebene
zwischen Közeplak und Zutor ein starkes, sich weit ausdeh-
nendes Mauer-Fundament entdeckt worden sei, welches die
Spuren der dort gelegen „sein sollenden Stadt Zuthor
enthalten dürfte."
Aus einer Mittheilung der k. k. Central-Commission für
Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale entnehmen
wir, dass einige ihr eingesendete Gefässe, welche zufolge
Zuschrift des evangelischen Pfarrers A.C. in Bistritz beim
Ausheben der Gruben zum Setzen veredelter Obstbäume
gefunden worden sind, wenn gleich ohne imiern Werth,
doch dadurch ein Interesse gewinnen, dass sie die gleiche
Zeichnung an sich tragen, welche man von dem Strande der
Ostsee bis in das südliche Europa hinab an den altertüm-
lichen, den Gelten zugeschriebeneu Gelassen vorfindet, und
daher von dem k. k. Münz- und Antiken - Cabinete zur Auf-
bewahrung übernommen worden sind. Gleichzeitig, während
dem Ausgraben der irdenen Gefässe, fand man auch eine
goldene Kette, wie es heisst von plumper Arbeit, aus neun
Ringen, von dem mittlem grössern angefangen, nach beiden
Seiten an Grösse abnehmenden Ringen bestehend. Die Gold-
kette war indessen, bevor noch der Conservator in Bistritz
von dein Funde Kenntniss erhielt, vom Finder an das k. k.
Münzamt in Karlsburg abgeschickt und für 15 Ducaten in
Gold und Einem Gulden C. M. eingelöst und eingeschmolzen
worden. Auch diese Notiz wurde mir durch die hohe Statt-
halterei mitgetheilt zur entsprechenden Benützung bei meiner
archäologischen Karte Siebenbürgens und dein dazu für die
k. k. Central-Commission bestimmten Commentar, und ich
wurde zugleich veranlasst, ein Paar alte Urnen aus der Um-
gegend von Hamersdorf nächst Hermannstadt und aus der
Nekropolis zwischen Kastenholz und Girelsau für das k. k.
Münz- und Antiken-Cabinel zu senden.
Merkwürdiger war der in den Bergwerken wm Y e-
respatak bei Abrudbänya (auch Altenburg and Gross-
Schlatten genannt) entdeckte, aber leider durch anverzeih-
liche Unvorsichtigkeit verunglückte Fund römischer Cerat-
tafeln. Zu den 22 im Gange stehenden Goldbergwerken ist
im Laufe dieses Jahres die Erschliessung eines neuen Guld-
lagers versucht worden, wo man beim Eintreiben des Stollens
in den Berg wider Verinuthen auf einen alten Stollen stiess,
der ein Römerstollen gewesen, und bei einem feindlichen
Einfalle der Barbaren absichtlich in Eile verlassen zu sein
scheint, da er mit Holzstämmen verbarricadirt und so geschickt
verschüttet war, dass sein Eingang niemals erkannt worden
ist. Nach Wegschaftüng des mit Schwefelblüthe überzoge-
nen Holzes fand man auf dem Boden zerstreut einige Dutzend
Tabulas cereas und einen aus dem Felsen gehauenen Feuer-
herd, worauf noch Asche und Kohlen lagen. Von diesen
Tafeln sind dem Pester ungarischen National-Museum 9 Stücke
eingesendet worden, aber in einem Zustande, dass es nicht
wahrscheinlich ist, man werde aus der römischen Cursiv-
schrift einen Sinn entziffern. Denn es waren diese Tafeln
den ungeschickten Händen eines gemeinen Menschen anver-
traut worden, um sie abzuscheuern und vom Staub zu rei-
nigen, der dann ganze Zeilen ausgelöscht und obendrein die
Unvorsichtigkeit begangen, die nass gewordenen Tafeln auf
dem Ofen zu trocknen, wodurch das Wachs sich abgeblät-
tert hat. Die noch übrigen 12, den Massmann'sehen ähnlichen
Cerattafeln, welche der Statthalterei eingesendet wurden,
haben wir im kläglichsten Zustande, bevor dieselben noch
an die k. k. Central-Commission nach Wien abgeliefert wor-
den, mit Bedauern betrachtet. Ohne Zweifel mochten jene
römischen Bergleute oder Goldgrubenbesitzer durch Hinter-
lassung dieser Tafeln ihr Eigentumsrecht an dieses Gold-
bergwerk erhärten und ausser Zweifel setzen, falls es ihnen
selbst oder ihren Nachkommen geglückt wäre, in das Land
zurückzukehren, was aber nicht geschah.
In den westlichen Erzgebirgen dieses Kronlandes, vor-
züglich in den Bergrevieren von Zalathna, Offenbän] a,
Abrudbänya und Yeresp a t a k bleibt die Aussicht auf
noch manche Entdeckungen dieser Art fortwährend offen.
Spuren eines lange verlassenen untergegangenen altdacischen
Bergbaues, welcher kunstgerecht geführt ward, uralte Gruben.
Schachte, Pinyen und Stollen, grosse Halden, Erzschlacken und
132 —
montanistische Werkzeuge liegen als beredte Zeugen einer
geregelten Thätigkeit vor Annen, oft da, wo kein Bergbau
getrieben und man sich auch nicht erinnert, dass je einer dort
betrieben worden wäre. Siebenbürgen, das reichste Gold-
land in Europa, ist noch lange nicht von diesem edlen Me-
talle erschöpft, obschon daselbst, soweit die Geschichte
zurückreicht, immer auf Gold gebaut worden ist. Audi alle
Flüsse, Bäche, Rinnsale und seihst diejenigen Wasser, welche
durch Regen entstehen, führen Gold. Die jährliche Aus-
heilte wird im Durchschnitt zu 2i>00 Mark angenommen,
wovon die Hälfte durch Goldwäschereien gewonnen und wo
nebenher 5000 Mark Silber beimAusscheiden erhalten werden.
Nächst diesen Bergwerken, auf der Strecke zwischen
Karlsb urg und (! ross-Eny ed. spendete das Ackerfeld aus
seinen aufgewühlten Fundien durch einen guten Freund für
meine archäologische Sammlung einen kleinen 2" messenden
bärtigen \ugur von Bronze, mit einem Lorbeer bekränzt,
hallt unbekleidet, bloss mit der kurzen Chlamys um den
Schultern, und mit verstümmelten Händen und Füssen.
Ausser dem Bezeichneten ergaben sich in diesem Jahre noch
folgende Funde: 1) mehrere Streitkeile und Streitäxte von
Serpentin, Presnit und schwarzem Kieselschiefer, im Rette
der Bäche von Csörgid und Reussmarkt, vom Wasser heraus-
gewaschen und dem Bachufer entrissen, besonders zeichnet
sich dabei eine beschädigte Streitaxt durch angebrachte
Verzierungen, welches sonst seltener der Fall ist, aus; die
Masse ist Presnit. Diese schätzbaren Funde verdanke ich
der Güte meiner Freunde, den Herren Wilhelm Low und
Carl Simonis, Beamten der k. k. Landesstelle in Hermann-
stadt; 2) ein bauchiger Topf von grauer stark gebrannter
Erde, bl/>" hoch und 4" durchschnittlich weit, angefüllt bis
zum Rande mit römischen Silbermünzen und zu Gergesch-
dorf ausgegraben. Ihre Anzahl ist nicht bekannt geworden.
doch sollen sie sämmtlieh vom Kaiser Constantius (Fl. Jul.
Val.) mit unbedeutender Abänderung der Präge herrühren.
Von diesem Fluide bekam ich bloss ein Exemplar und die
Scherben des alten Topfes; 3) eine Anzahl ähnlicher auf
der östlichen Gränze Siebenbürgens gefundener Münzen des-
selben Kaisers Constantius kaufte ein Officicr des 37. k. k.
lnf.-ligts.. während des Marsches über den Tülgyes - l'ass
beim Übergang in die Moldau, einem dort ansässigen Was-
chen ab. und ertheilte mir davon Nachricht: 4) eine Berich-
tigung: der alte Tbiirm s/k Stunden von dem jetzigen so-
genannten rothen Thurm abwärts am Altstrome . dessen
Hälfte oder vielleicht nur ein Drittheil noch hoch empor-
ragt, das Übrige, von den Altllnllieii unterwaschen, zusam-
mengestürzt ist. trägt nach meiner Ansicht den Typus des
römischen Altherthums an sich. Das Mauerwerk besteht aus
Bruchsteinen, das Bindemittel oder der Mörtel ist mit kleineu
Ziegelstückchen vermischt. Doch hat der Thurm im Laufe
der Jahrhunderte durch neue Baue manche Zusätze und Ver-
änderungen erlitten. Die kreisförmige Rundung des Tbiirmes
betrug beiläufig 21 Klafter, der Durchschnitt 7 Klafter. Vom
Thurm am Fusse des Berges, wo die Strasse von Hermann-
stadt nach der Walachei hinläuft, zieht sich eine starke noch
ziemlich hohe Mauer gegen 50 und mehr Klafter an der
steilen Gebirgslehne hinauf. Die grauen Überreste sind jetzt
dadurch, dass ein neues Gebäude vor denselben aufgeführt
wurde, theilweise bedeckt und in Schalten gestellt. Dass
der alte Bau des Römerthiirmes von den Allllussw eilen nicht
ganz verschlungen worden, wie mau mich fälschlich berich-
tet und ich im Commentar über meine archäologische Karte
Siebenbürgens angegeben, habe ich in diesem Jahre mich
vom Gegentheile autoptisch zu überzeugen Gelegenheit ge-
funden. 5) Noch einige zum Schlüsse dieses Jahres ent-
deckte Alterthümer aus den hiesigen, habe ich aus den durch
meine nahe Anwohnorschaft monopolisirten Fundgruben
von Hamersdorf, bestehend in drei Gross -Erzmünzcn des
Hadrian, Antoninus Pins und Philippus sen., durch den zwei-
ten evangelischen Schullehrer erhalten ; durch denselben
kam mir auch ein kleines Töpfchen 3 hoch und 2 '/^ durch-
schnittlich weit, aus dem llaiiptthalgrundo des Ortes . und
vom evangelischen Leichenfriedhofe ein viereckiges Schüs-
selchen zu, dessen eine. Seite 31/»" und dessen Tiefe 1 '/4"
misst. Beide letztere sind von grober Arbeit und dem Feuer
stark ausgesetzt gewesen.
(Schluss folgt.)
St. K ü m m e r n u s s.
Von Joseph Bergmann.
Schon im Märzhefte (S. 37) der „Mittheilungen" wird
in des Conservators Tinkhauser trefflicher Beschreibung
lies alten Kreuzganges des bischöflichen Münsters zu Brivn
der heiligen Kümmernuss, von einer betenden Volks-
menge umgeben, erwähnt, ohne dass der gelehrte Herr Ver-
fasser irgend eine nähere Aufklärung über dieselbe heige-
M.lu'ldung des SANCTVS KVMERNVS aus Vorarlberg der
k. k. Central -Commission zusandte, erhob sich die Frage
was es mit diesem auffallenden Namen für eine liew ainltniss
habe. Die hierüber angestellten Nachforschungen wollen wir
hier zur Veröffentlichung bringen :
In den „Acta Sanelorum Jillii. Tom. V. Anherpiae
fügt hätte. Als nun später der Hr.k. k. Consemtor Kögl die MDCCXXVH. in Fol., pag. ."in 7(1 wird über die heilige
— 133 —
Wilgefortis in ausfuhrlicher Breite Verschiedenes beige-
bracht. Die Legende findet mainn belgischer, deutscher, franzö-
sischer und lateinischer Sprache abgefasst. In möglicher Kürze
geben wir Folgendes: Nach Einigen ist die heil. Jungfrau
Wilgefortis die Tochter eines noch heidnischen Königs
von Portugal, der mit dem Könige von Sicilien Krieg führte
und von ihm besiegt wurde. Als Preis verlangte der Sieger
des Besiegten Tochter Wilgefortis, die auch Liberata <), En-
tropia oder Regentledis genannt wird, zur Ehe. Sie wies
diese Verbindung mit der Antwort zurück, dass sie keinem
andern als dem Gekreuzigten (Crucifixo) sich vermählen
wolle. Beide, Vater und Brautwerber, hierüber betroffen,
Hessen sie einkerkern, um sie von ihrem Vorsatze abzubrin-
gen. Sie bat Gott, sie körperlich so zu entstellen , dass sie
keiner mehr zur Ehe begehre. Die Jungfrau ward nun
bartig und der Vater wähnte, diess sei durch Zauberkünste
geschehen. Sie antwortete: „fern wäre alle Zauberei, ihr
Bräutigam am Kreuze habe zur Bewahrung der Jungfräu-
lichkeit ihr einen Bart wachsen lassen". Der erzürnte Vater
drohte ihr, wenn sie nicht ihrem gekreuzigten Bräutigam
entsagte und seine Götter anbetete, mit der Kreuzigung, sie
verblieb aber standhaft und ward ans Kreuz geschlagen.
Da man ihren wahren Namen nicht wusste, wurde sie (wie
es daselbst heisst) von den München wegen ihrer jungfräu-
lichen Standhaftigkeit Virgo fortis und im Französischen
Vierge forte genannt. — Der Name Wilgefortis ist so
wenig portugiesisch, als je ein König von Portugal mit einem
König von Sicilien Krieg geführt hat, sondern des Wortes
erste Hälfte verräth germanischen Ursprung. Man vergleiche
Wille, Willi gis und das lateinische fortis, das wäre
etwa die Willensstarke?!
Nach einer andern Erzählung soll diese Wilgefortis
oder St. Kumme rnu ss die Tochter eines Künigs in Schott-
land und von solcher Schönheit gewesen sein, dass jeder, der
sie nur ansah, sich in sie verliebte. Der Vater wollte sie mit
einem Fürsten vermählen, die fromme Jungfrau aber bat aus
Liebe zur Keuschheit um einen Bart, der ihr alsbald ellen-
lang wuchs. Der erzürnte Vater liess sie ans Kreuz heften,
an dem sie schmerzvoll ihren Geist aufgab. Ein armer Schu-
ster pflegte vor ihrem Bildniss mit einer Geige Musik zu
machen, welche der h. Kümmernuss so wohl gefiel , dass sie
ihren goldenen Pantoffel vom Fusse fallen Hess. Allein da er
den Pantoffel verkaufen wollte, ward er als Kirchendieb an-
gehalten und zum Tode verurtheilt. Der Unglückliche ver-
langte als letzte Gnade, dass man ihn nur noch vor dem Bild-
niss der Heiligen vorbeiführen möchte. Nach erhaltener Er-
laubniss nimmt er sein Instrument und spielt das nämliche
Stück noch besser als das erste Mal, die heilige Jungfrau
lässt nun auch den zweiten Pantoffel fallen. Der Schuster
ward darauf wie recht und billig, in Gnaden entlassen.
Abbildungen. — In dem vorgenannten Werke Acta
Sanctorum, p. 59, ist dir heilige Wilgefortis, daselbst
auch Ontcommera1) genannt, so abgebildet, wie man sie
in einigen Kirchen Belgiens sieht, Dämlich wie Christus
bärtig, gekrönt und mit langem Gewände über einem
niedern Altare, vor dem ein Mann kniet und die Geige
spielt, ihr linker Fuss ist ohne Schuh (oder Pantoffel),
der auf dem Altare neben einem Kelche liegt, woge-
gen am rechten Fusse die Beschuhung noch zu sehen ist.
Dasselbe ist, wie der Verfasser des lateinischen Aufsatzes sagt,
dem sogenannten S. Vultus in Lucca entnommen -). Seite CO
ist St. Wilgefortis als eine ans Kreuz geheftete Jungfrau
mit einem Krönlein auf dem Haupte, überkreuzten und blu-
tenden Füssen (somit ohne Schuhe) und ohne Bart dar-
gestellt, über ihrer rechten Hand schwebt die Taube als
Sinnbild der Jungfräulichkeit; unten erblickt man aber nicht
den musicirenden Mann, und liest „S. Wilgefortis alias
Ontcommera." So abgebildet sah die h. Kümmernnss
der erwähnte Verfasser im Jahre 1722 im Beginnen- Spital
zu Mecheln, wo sie die Jungfrau der Kranken und Be-
kümmerten genannt wurde. Hiese Ontcommera ward in
den Landkirchen von Brabant, in Löwen. Waerle u. s. w.
verehrt.
Die k. k. Schatzkammer in Wien verwahrt ein Mess-
gewand, welches zum Orden des goldenen Vliesses gehört
und aus dem Jahrhundert der Stiftung dieses Ordens (1430).
somit aus den Niederlanden herstammt. Auf demselben sieht
man nach des Herrn k. k. Conservators Albert Camesina
gefälliger Mittheilung gestickt die h. Jungfrau Kmnmer-
n uss, die Krone (als königliche Prinzessin ) auf dem Haupte,
stehend und das heilige Kreuz haltend.
Nach Prag wurde ihre Verehrung durch einen belgi-
schen Kaufmann im Jahre 1G84 eingeführt. Auf S. Gl! der
vorerwähnten Acta Sanctorum ist sie nach der im dortigen
Kapuzinerkloster befindlichen Abbildung in prachtvollem,reich
mit Perlenschnuren besetztem Gewände und ausgestreckten
Armen am Kreuze dargestellt. Ihr Antlitz gleicht dem Volto
Santo in Lucca; unten zur linken Seite kniet ein ihr auf
der Violine vorspielender Mann , vor dem der eine Schuh
liegt, indess der andere deren Fuss kleidet.
') Liberata oder richtiger Liberatrix, quod :i moerore et sollieif inline
liberal. Ihr Fest ist bei den Bollandisten auf den 20. Juli gesetzt.
>) Ontcommera, so latinisirt die on kumber, ohneKummernnss,
woraus man K ü in in e r n u t s oder K ii in in e r niss abgekürzt Imhen will.
*) Dieses Volto Santo oder hölzerne Crucifix, welches vom heil. Ni-
kndemus verfertiget sein soll, i--t das vornehmste Heiligthum in der Dom-
kirche zu Linea. Dessen Leih ist (im Jahre 1730) mil einem damastenen
oder sammtenen goldgestickten Rocke bekleidet und trfigl statt der
Dornen- eine kostbare goldene mil Edelsteinen besetzte Krone auf dem
Haupte. Vergl. Keyssler's neueste Reisen etc. Hannover 1731. Theil l.
;i43. — nie allen .M ii n /. rn von Lucca, Ducateo und Groschen, haben die
Umschrift „s. VVLTVS" seil. Christi, tat der Vorderseite gewahrt man
das h iiili g '• Antlitz des Erlösers mit langem Haare und einer Zacken-
kröne-, auf der Kehrseite häufig den h, Martin, den die Luccheser zu ihrem
Schutzheiligen erwählt haben. Auf einem vierfachen Groschen des k. k.
Münz-Cabinets in Wien sehen wir auf der Vorderseite den bärtigen ■ ge-
krönten Heiland in ganzer Fi 511 r und langem Gewände ans Kreuz.
geheftet
18
134 —
Audi in Tirol ist die Sage von der St. K imune r-
n n ^s verbreitet. Sie war nach derselben eines Königs Toch-
ter roll Schönheil und Liebreiz, die aber jede Bewerbung
um ihre Hand abwies und eines Tages zu Gott flehte, dass
er alle Gefahr der Sünde von ihr entfernl halten möge, auch
auf die Gefahr hin, ihre Schönheit zu verlieren. Sie wurde so-
gleich unbändig wie ein Wild des Berges und konnte durch
kein Mittel bezähmt werden. Der jähzornige Vater, voll
Grimm über «Ins unglückliche Ereigniss, jagte die Jungfrau
hilflos in die Wälder hinaus, wo sie verlassen wie eine Wahn-
sinnige und von Gotl Geschlagene umirrte. Sie wurde haarig
am ganzen Leihe und bekam um <l:is Kinn einen dichten
Bart, mehr als spannenlang. In diesem Zustande gräulicher
Zerrüttung fingen sie die Jäger ihres Vaters auf und führten
sie heim. Hort wurde sie in einen liefen Thnrm geworfen,
wo sie in langem Ellende verkümmerte. Ein seliger 'Tod
löste ihre Qual und die Gewissheii des Himmels verklärte
ihre letzten Züge. Das tirolische Volk hüll ;in dieser Er-
innerung fest; an mehreren Orten findet man sie abgebildet,
wie /.. IS. in einer Capelle zuKastelrutl mit einem hingen
Barte. Der gemeine Mann nennt noch die Oswaldscapelle am
gescheibten Thnrm zu Bozen zur Ji. Kummernuss"1).
Der k. k. Conservator für Vorarlberg Herr Kögl über-
schickte ddo. Bregenz um 28. März die Abbildung von
St. kumernus zu Hank weil, die auf dessen Veranlassung
aus dem Gebeinhause in die St. Michaelscapelle übertragen
wurde. Das Bildniss aus Holz geschnitzt,4' lang und rücksicht-
lich i\r\- Kreuzesarme 3'4"breit, wie der hier gegebeneHolz-
schnitl zeigt.isl unverkennbar die Gestalt des von Schmerze"
und K u in m er gebeugten Erlösers, bärtig, mit hingen herab-
hängenden Haaren, nur trägt das Haupt keine Dornen-, sondern
eine mit Zierraten geschmückte und mit Steinen besetzte
Krone; um die Mitte des Leibes hängt das Schamtuch, (»heu
auf dem Querholz liest man „SANCTVS — KVMERNVS",
welche Aufschrift wie das Kreuz wohl aus neuerer Zeil sein
dürfte. Auflallend ist das deutsche Nennwort weiblichen Ge-
schlechtes mit dem lateinischen Beiworte Sanctus im männ-
lichen Geschlechte, entstanden entweder aus (Jnkenntoiss
der Sprache oder aus dem Gedanken an den Heiland. Diese
Auffassung entnehmen wir dem Calendarium chronologicum
des gelehrten österreichischen Jesuiten Anton Pilgram,
Wien 1781. wo es S. 174 heis,h KUMERNISS, sie. nescio
qua de causa, vocalur S. Wi Ige f ort i s mihi incugnita. cujus
imagines in multis templis conspiciuntur cruci affixae,
coram qua musicus genuflexus fidibus lud it. Besonders
bemerkenswerth ist i\i.'r Schlüss: ..Nun sunt vero nisi ima-
gines crueifixi Salvatoris, quarum prototypon ex Palaestina
allatum pia eultorumsuorum simplicitas miro vestitu ornavit".
Ganz oben am Kreuzt', wo gewöhnlich I. N. It. 1. zu stellen
pflegt, ist das vierfeldige Wappen der unseres Wissens nun
erloschenen Familie von Grenzing1) zu Strassberg ange-
bracht, die — wie Herr Conservator Kögl schreibt — dieses
Kreuz vor etwa zwei Jahrhunderten auffrischen liess.
Der Herr Pfarrer Kulme zu Hank weil berichtet, dass
am 14. September 1831 ein 75jähriges Weib Namens
Kummernuss Zamer, aus dem Bregenzerwalde herstam-
mend, daselbst beerdig! worden sei. Im Bregenzerwalde und
im angrenzenden Walserthale seil man ehedem diesen Namen
öfters gehraucht und gehört haben.
Die Legende der Jungfrau , welche zur Rettung ihrer
Keuschheit vom Himmel einen Hart sich erbittet, reicht in
die ersten christlichen Jahrhunderte hinauf. Nach der christ-
lichen Kunstsymbolik und Ikonographie ( vom Herrn v. Ra-
dovitz), Frankfurt am Main 1830. S. 12. werden darge-
stellt: S. Paula Barbata, als eine Jungfrau mit einem
langen Harte. I "in den Nachstellungen der Männer zu ent-
gehen, halle sie den Himmel darum angefleht; so auch
Sta. Galla von Rom, in Ordenstracht mit einem Harte.
Sie war die Tochter des römischen Consuls Symmachus und
nach kurzer Ehe Witwe. Vergebens suchte man die junge
Galla zur zweiten Ehe zu bereden. Ein Hart fing an ihr
schönes Gesicht zu verunstalten. Sie ging in ein Kloster
und starb im Jahre 804.
') Die Stadt Boze id ihn , r.B. W c b e r. Bozen 1849, S. 268.
■ ) Daniel v. Grenzing, Fordern Hauptmann in Ungarn, war erzh -
licher It.iUi ""'I Stadt- \i mann zu Feldkirch und starb 1647; sein Brudei
JOhi Christoph war Jcsniten-Provinzial in Oberdeutschland und
Hol ii. gestorben als Generalrisitator n\ Wilna am IS. April lt>3!l.
dessen gleicl nigerNeffe(l iel's Sohn) that nls Sladtpfarrci (von
I6S2 — 1664) daselbst riet füi -l., ^ l re seiner Pfarrkirche, war dann
Canonicua i Domscotasticua in Chur, wo er 1666 starb, u. s, «. — Du:.
Wappen der Familie von Grenzing ist al bilde! in Gabriel'a Bucelini
(eigentlich Buzlin aus Diessenhofen in Thurgnu, der als Stift VVc
ten'scher Prior zu St. Johann in Feldkirch hocbbetagl im J, 1681
Rhaetia sacra et profane etc. rhu.,.' 1660, pi . ili.'i.
1o *-»
Die Unterbauten des Diocletianischen Kaiserpalastes in Spalato.
Unter allen Bauwerken, welche die österreichische
Monarchie aus den Zeiten der Römer besitzt, ist keines,
das in so hohem Grade die Aufmerksamkeit der Alterthums-
freunde, der Geschichtsforscher und der Gebildeten über-
haupt verdient, als der Palast Diocletians in Spalato. Wahrend
die Kaiserpaläste am Palatin in Trümmer zerfallen, in ihren ein-
zelnen Bestandteilen kaum mehr erkannt werden, die Sitze
der Karolinger, die Kaiserhurgen der Hohenstaufen bis auf
wenige Üherreste verschwunden sind, steht der Palast Diocle-
tians ') in grossartigen Überresten, — ein unvergängliches un-
vergleichbares Denkmal der Bauthätigkeit und der Kunstrich-
tung, welche die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts
n. Chr. G. beherrschte. Die exceptionelle Stellung, welche
dieses Monument unter den anderen Monumenten ähnlicher
Art aus der Kaiserzeit einnimmt, sichert ihm auch eine ganz
besondere Würdigung und Aufmerksamkeit jener Personen
und Behörden, welche mit dem Schutze desselben betraut
sind. Da diessmal, wenn ich nicht irre, das erste Mal von
diesem Monumente oder vielmehr Monumenten-Complexe in
diesen Blättern die Bede ist, so dürfte es am Platze sein,
auf einige Punkte aufmerksam zu machen, welche die Erhal-
tung des Monumentes betreffen.
Der Diocletianische Kaiserpalast gebort nicht Spalato,
nicht Dalmatien, er gehört der ganzen gebildeten Welt an.
Alle Fragen, die bei der Restauration desselben in Betrach-
tung kommen , müssen von e i n e m über das L o c a 1-
interesse erhabenen Standpunkte aus gesche-
hen. Würden bei der Restauration dieses Monumentes die
gewöhnlichen Localinteressen den Ausschlag geben, so
würde dieses Denkmal in einer fieihe von wenigen Jahr-
zehenden durch Anbauten und Veränderungen aller Art so
umgestaltet werden, dass wohl verhältnissmässig nur wenige
Spuren davon sichtbar sein würden. Der gegenwärtige
Zustand des Palastes zeigt deutlich genug, wohin es führt,
wenn eben diese Localinteressen ausschliesslich berück-
sichtiget werden. Die Porta aurea, eines der pracht-
vollsten Denkmale der Architektur der römischen Kaiser-
') Manchen Lesern dürfte es nicht unwillkommen sein. /,u erfahren, dass
Diocletian im 1. Mai 305 seine Würde und Macht feierlich tu Nico-
medien niederlegte, sich aufsein Landgut Lei Salona (SstXuViai), den
heutigen Palast in Spalato, zurückzog und daselbst neun Jahre leide.
Der Geburtsort des Kaisers war Dioclea (AoxXsoc, Docleatae, nach Reichard
jetzt Dognidolatz) in der Nähe Salona's, nach Zonaras Salona. — Eine
kritische Geschichte Diocletian's ist noch nicht geschrieben, so wün-
schenswert eine solche wäre. DasBeste bleibt noch immer Tillemont's
histoire des Emp. T. IV. Par. 1724. und Gibbon's unübertroffenes Werk
über die Geschichte des Unterganges des römischen Reichs. Auch die
Alterthümer Salona's und insbesonders der Diocletianische Palast * er-
langen eine neue sorgfältige Untersuchung, wozu die trefflichsten Vor-
arbeiten durch die höchst gewissenhaften Aufnahmen des k.k. Consei-vators
Herrn Andrich geboten werden.
zeit, ist unter Schutt begraben. Die ganze Meeresseite des
Palastes ist durch eine Heilte von kleinen unbedeutenden
Häusern verdeckt, wodurch der Ruin dieses Theiles des Pa-
lastes eingeleitet wird; der Peristyl der Kirche selbst ist
theils umbaut, theils durch seine Umgehung dem Be-
schauer entzogen; — kurz, wenn nicht bei der Restauration
dieses Monumentes Gesichtspunkte höherer Art festgehalten
werden, so wird dieses selbst in seinen schönsten Theilen
gefährdet sein. Die Restauration dieses Kaiserpalastes
würde auch im wohlverstandenen Interesse der Einwoh-
ner von Spalato seihst liegen. Es ist nicht zu zweifeln,
dass bei dem zunehmenden Verkehre in Dalmatien und bei den
grossen Veränderungen, welchen die nördlichen Länder der
Balkan-Halbinsel entgegen gehen, die Bedeutung von Spa-
lato wachsen und die Aufmerksamkeit der Heisenden gerade
auf diese Stadt gerichtet sein wird. Was könnte Spalato
dem Reisenden Grösseres und Anziehenderes bieten, als den
Anblick des vollständig restaurirten Palastes , der , n ie
gesagt, in der Welt nicht seines Gleichen hat?
Die Bedeutung dieses Monumentes ist auch den ver-
schiedenen Regierungen, unter deren Herrschaft Dalmatien
gestanden ist, nicht entgangen. Die Verordnungen der Re-
publik Venedigs (le ducali) aus den Jahren 1774. 1781
und 1782, welche sich in dem Statthalterei-AreMve Dal-
matiens befinden, bezeugen, dass dieses Gebäude als unbe-
dingtes Eigenthum der Regierung aurgefasst wurde. Ein
weiterer Beweis, dass dieses Eigenthum als Staatseigentum
angesehen wurde, liegt darin, dass im Jahre 1701 ein um
einem Privaten usurpirtes Magazin von dem Promeditore
generale easveueto Amjclu Diedo als Staatseigentum
reclamirt wurde. Diese Reclamation wurde von der öster-
reichischen Regierung im Jahre 1804 bestätiget, und bei
dieser Gelegenheit ist aufgetragen worden, mit grösster
Genauigkeit zu erheben, uli und welche andere dem Staats-
ärar gehörige Güter in der früheren Zeit in Dalmatien gegen
das Eigenthumsrecht des Staates in Hände von Privaten
übergegangen sind, um das Eigenthumsrecht des Staate-;
sellisi revindiciren zu können.
Während der Herrschaft der Franzosen in Dalmatien
vom Pressburger Friedas bis 1813 wurden von Seite des
französischen Gouverneurs Vorschläge im grossen Mass-
stabe gemacht, um den Palast von Spalato von aDen Seiten
blosszulegeu und das Gebäude seihst herzustellen. Ins-
besondere Marschall Maiinout war es, der diese Angele-
genheit anregte, und nur seiner Abberufung durch die
Kriegsereignisse ist es zuzuschreiben, dass der grossartige
Plan der Wiederherstellung nicht zur Ausführung kam. Ms
Dalmatien 181 1! wieder an Österreich fiel, war die Auf-
merksamkeit der Regierung in Folge der langen Kriegsjahre
18*
— 136 —
vorerst mit Lösung anderer Fragen beschäftigt, als es jene
sind, welche sich auf Alterthümer beziehen ; aber schon unter
der Regierung des Kaisers Franz wurde dieser Gegenstand
in umfassender Weisein Angriff genommen und wurden Anord-
nungen getroffen, «eiche insbesonders die Restauration des
heutigen Domes, des ehemaligen Jupitertempels, bezweckten.
Seil dem Zusammentreten der k.k. Central-Conunission
erhiell die Frage der Restauration des Diocletianischen Pa-
lastes eine erhöhte Bedeutung, da, wenn irgend ein Denk-
mal der römischen Kaiserzeit, dieses die Aufmerksamkeit
derselben auf sieh ziehen musste. In diesem Momente sind
es die Unterbauten des Palastes, mit denen sich
die genannte Commission beschäftigt. Es liegt über die-
selben ein Bericht des k. k. Conservators And rieh mit
Detailaufnahmen vor, aus denen wir das Interessanteste
unseren Lesern mittheilen wollen.
Die vom k. k. Conserrator Andricb untersuchten
Unterbauten liegen an der Süd-(Meeres-)seite des Palastes,
und scheinen eine grosse Ausdehnung gehabt zu haben. Auf
ihnen steht Alt-Spalato, d. h. jener Theil von Spalato, der
sich innerhalb des Palastes befindet. Holzschnitt 1 zeigt den
untersucht wurde. Der Holzschnitt 2 bringt einen Durch-
schnitt nach der Linie AB, wodurch die bauliche Construc-
tion vollkommen klar wird. Dieser Unterbau hat eine lichte
Breite von 8°. eine Lange von 16°, eine lichte Midie von
3° 3 4" und ist durch vier massive Pfeilerpaare gewisser-
massen in drei Schilfe getheilt. Line Reihe von Communi-
cationsthüren an der Schmal- und Längenseite setzen ihn
mit anderen bis jetzt uiumtersuchten Localitaten in Ver-
bindung.
Die Pfeiler sind quadratisch (jede Seite 8' 3" (i ). und
tragen die massiven Kreuzgewölbe, welche im mittleren
Baume über einer quadraten Grundlage, in den Seitenräumen
über Parallelogrammen ausgeführt sind. Die Seitenmauern
sind theils aus gehauenen Steinen, theils aus Bruchsteinen
und Ziegeln (opus incertum et lateritium). Die Thfire,
welche in der Mauer verzeichnet ist, hat eine Höhe von
6' 2" und eine Breite von 2' 8"; der Thürsturz ist entlastet,
indem der aufliegende Stein über dem Sturze segmentartig
ausgeschnitten ist. In der Mauer sind stellenweise Fenster
angebracht, welche mehr eine Luft- als eine Lichtcirculation
bezweckten. Sie haben eine entsprechende Grösse (li 8
Höhe, fast 3' Breite), und sind mit einem doppelten Bogen
aus Ziegeln gedeckt, welche sich auf durchgehende Ziegel-
bänder stützen.
Die Gewölbe sind theilweise aus Ziegeln, theil« eise aus
Tufstein ausgeführt, die Gewölbfüsse durchgehende aus
Ziegeln, das Auflager der Gewölbe aus Hausteinen, deren
einfach profilirter Abacus etwas vorspringt. Trotzdem
dass seit dem Baue des Palastes mit seinen Unterbauten
mehr als anderthalb Jahrtausende verflossen sind, befinden
sich Gewölbe und Pfeiler in sehr gutem Zustande.
Die Unterbauteu sind vollkommen sichergelegt gegen
das Eindringen von Meereswasser und daher auch ganz
trocken. Sie waren ursprünglich wahrscheinlich Depots und
Magazine aller Art (nf die Bedürfnisse des kaiserlichen Pa-
lastes. Diesem Gehrauche sind sie im Laufe der Jahrhun-
derte durch die Unwissenheit und den Unverstand der
Menschen entfremdet und bis zur Höhe von 3° mit Schutt
angefüllt worden, wie es die punktirte Linie im Holzschnitt ;'•
(Holzsi hnitl 3.)
zeigt, der einen Theil des unterirdischen Baues im Längen-
,, ucbnitt i.) schnitte gibt. Schlecht gebaute Canäle aus den zahlreichen
kleinen Häusern fähren gegenwärtig durch dies,- Unter-
Grundrisseines und zwar des grössten unterirdischen Rau- hauten: Feuchtigkeit und Unrath aller Art sammelt sich in
mos. der vnii dem genannten Conservator im Jahre isöl den Schuttmassen . und so sind diese Räume, welche den
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(Holzschnitt 2.)
Einwohnern Nutzen bringen können, dieQuelle von Schaden,
die Stütze der Unreinlichkeil, die bekanntermassen in
keinem Kronlande der Monarchie mehr als in Dalmatien zu
Hause ist. Es würde nicht sehr grosse Auslagen machen,
um diese Räume zu reinigen, sie in gute Magazine zu ver-
wandeln, und zugleich die Einwohner der grössten und
zukunftreichsten Stadt Dalmatiens auf eine zweckmässige
gesundheitsfördernde Canalisation zu weisen. Spalato wird
in wenigen Jahren von der Wiederherstellung eines andern
antiken Gebäudes, der Wasserleitung, Nutzen ziehen.
Gegenwärtig leidet es empfindlichen Mangel an Trinkwasser ;
die Einwohner behelfen sich mit aqua rjrossa (Cisternen-
wasser). Jedoch wird in diesem Augenblicke die alte Wasser-
leitung restaurirt, welche sich in einem solchen Zustande
befindet, dass ein grosser Theil derselben wieder practicabel
und ein herrliches Gebirgswasser in so reicher Fülle die
Brunnen von Spalato wird füllen können , wie an wenigen
Orten Italiens, und in jedem Falle an keinem Orte Dalma-
tiens. Oer Nutzen daher, den Spalato an der Räumung und
Wiederherstellung der Unterhauten des Palastes erhalten
würde, ist sicher nicht geringer anzuschlagen als die Wieder-
herstellung der Wasserleitung. Es ist gar nicht zu zwei-
feln . dass die Bemühungen zur Herstellung der Unter-
bauten dieselbe allseitige Unterstützung im Lande selbst
finden werden, welche mau von dem allseitigen geweckten
Interesse und einer gesteigerten geistigen Cultur zu erwarten
berechtigt ist. Von diesen ist es auch zu erwarten, dass
der Palast selbst in allen seinen Theilen, so wie die
gegenwärtig fast obdachlosen Alterthfimer des Spalatiner-
Museums, geschützt und erhalten werden. Alle Bemühun-
gen, welche vom Mittelpunkte der Monarchie aus oder
von Behörden und vereinzelt stehenden Personen ausgehen,
würden in ihren letzten Resultaten erfolglos bleiben, wenn
die Einwohner seihst nur ihr egoistisches Interesse im Auge
behalten und die allgemeinen Interessen gering anschlagen.
die sich an Monumente des Alterthums knüpfen. B.v. E.
Der gothische Brunnen in Kuttenberg.
(Tafel VIII.)
Der reiche Formensinn in der deutschen Architektur werke angewendet. Seitdem nicht mehr Mönche allein mit
des XIV. und XV. Jahrhunderts beschränkte sich nicht bloss künstlerischem Geiste das Bauhandwerk pflegten, sondern
auf Kirchenbauten, sondern ging auch auf weltliche Ge- in den zur Blüthe gediehenen Städten auch Laien dem Slu-
bäude über. Neben den kirchlichen Anlagen wurde der go- dium der Architektur und Steinmetzkunst sich hingaben,
thische Styl auf bürgerliche und andere öffentliche Bau- dachte man nun. wie früher hei den Burgen, auch hei ihn
138 —
Rathhäusern und anderen öffentlichen Gebäuden, an eine
künstlerische Ausschmückung, und belebte die Plätze mit
Denkmalen verschiedener Gattung.
Von diesen Bauwerken der Gothik sind jedoch — we-
nigstens in Österreich — verhältnissmässig wenige auf uns
gekommen. Die weltliche Architektur unterlag mein- als die
kirchliche localen Einflüssen, sie war abhängig von dem
Wachsthum und dem Verfalle der einzelnen Städte und es
fehlten ihr zumTheile auch die Mittel, um sich in so reichem
Idasse zu entfalten wie auf kirchlichem linden.
Unten den Städten in Österreich — mit Ausnahme jener
der italienischen Kronländer — welche noch in unseren Ta-
gen hervorragende Werke mittelalterlicher Baukunst auf-
zuweisen imStande sind, nimmt die Bergstadt Kuttenberg
in Böhmen einen der ersten Plätze ein, und für ihre ge-
schichtliche Bedeutung unter den Luxemburgern und den
nachfolgenden Königen, dann während der hussitischen Glau-
benskämpfe, sowie für ihre frühere Wohlhabenheil zur Zeit
ihres blühenden Bergbaues sprechen noch heute zahlreiche
monumentale Werke.
Neben den interessanten kirchlichen Baudenkmalen
dieser Stadt halten sieh auch weltliehe Bauwerke ans dem
XV. Jahrhundert erhalten, welche die Auf rksamkeit der
Kunstfreunde in Anspruch zu nehmen berechtigt sind.
Wir verweisen nur auf den wälschen Hof und den Bischof-
sitz, die schon wiederholt Gegenstand der Beschreibung
und Abbildung gewesen und wollen mit der beiliegenden
Tafel \ III nun auch auf den alten Brunnen aufmerksam
machen, der eine Spezialität unter den gothischen Baudenk-
malen in Österreich ist und ein Zeugniss der vielseitigen
Bauthätigkeil dieser Stadt abgibt.
Wie aus dem Grundrisse A ZU ersehen ist. wurde der
Brunnen aus dem Zwölfeck gebaut und besitzt gegenwärtig
eine Hohe von 4" ö '/,,'. Die Ansieht ß zeigt die einzelnen Seiten
abgetrennl durch pfeilerartige Mauervorlagen, welche in der
Mitte eingeschrägt und durch Säule terbrochen sind.
die arcadenförmig die Mitte des ganzen Baues umziehen.
Oberhalb der Säulen treten die Pfeiler wieder in gleicher
Stalle mit den unteren Theilen vor. und werden von Balda-
chine d Fialen gekrönt. Jede ein/eine Seile ist mit
einem geschweiften Spitzbogen — dem sogenannten Esels-
rücken — geschmückt und zwei in der Mitte jedes Bogens
angebrachte Pfosten verzweigen sieh im Bogenfelde zu ver-
schiedenartigem Masswerk, worunter jedoch die Fischblase
die vorherrschende Form bildet, ausserhalb jedes Spitz-
ns ist die Mauerfläche noch durch blätterartige Verzie-
rungen belebt. Am Sockel einer jeden zweiten Seite des
Zwölfecks war ein steinernes Becken angebracht, in welches
sich das aus einer Röhre ausströ inli' Walser CTgOSS,
Im Innern des Brunnenhauses sieht ein Wasserreservoir,
von welchem früher sechs Röhren nach Aussen hin das
Wasser ableiteten.
So eigenthiinilieh und interessant nun auch dieses Uau-
uerk ist. so scheint doch die Stadt gegenwärtig demselben
wenig Aufmerksamkeil zuzuwenden, — und zwar wahr-
scheinlich aus dem Grunde, weil sie nicht weiss, dass sie
an diesem Brunnen ein Monument besitzt, von welchem Ins
jetzt in Österreich kein zweites ähnliches Beispiel bekannt
ist. Denn das Brunnenhaus scheint noch manch anderen
Schmuck gehahl zu hahen, den derselbe entbehrt, seitdem
er dem Verfalle preisgegeben ist. So ist fast unzweifelhaft, dass
derselbe an i]v\- Stelle des gegenwartigen flachen Xothdaches,
früher ein steinernes Dach, welches oben mit einer Statue
geschmückt war, besass; ferner deuten die Baldachine au den
Pfeilervorlagen an. dass unter denselben Figuren standen.
Ebenso leiden von den sechs steinernen zur Ansamm-
lung des Wassers bestimmten Becken vier sammt ilvn nö-
thigen Wasserauslaufcn, und die Eingaugsthüre in das Innere
des Brunnenhauses ist ein Provisorium, welches nicht im
Entferntesten mit dem Charakter des Bauwerkes über-
einstimmt.
Was nun die Zeitbestimmung des Kuttenberger Brun-
nens anbelangt, so deutet zwar schon der geschweifte Spitz-
bogen und die häufig wiederkehrende Fischblase auf eine
dem Verfalle der Gothik angehörende Bauperiode, es gibt
aber auch die auf einer Seite des Bauwerkes angebrachte
Jahrzahl 1407 hierüber die erforderliche Auskunft.
Nachdem nun der Zeitpunkt der Erbauung dieses Uau-
werkes genau bestimmt werden kann, so drangt sich die
weitere Frage auf, von welchem Meister tU'r Baukunst das-
selbe herrührt. Hierüber fehlen uns aber leider positive An-
haltspunkte. Wir wissen nur aus einem Bruchstücke der Kir-
chen- und Bauchronik vonSedletz I Kuttenberg ')■ dass die
letztere Stadtgemeinde den Prager Architekten Mathäus
Rays ek, welcher sich in kürzester Zeit durch seine ge-
schickte Leitung des Thurmbaues heim Königshofe in Prag
einen sehr geachteten Namen erworben . nach Kuttenberg
berief, um den Bau der grossen und berühmten Barbara-
kirche zu übernehmen. Raysek folgte auch dem Rufe und
begann im Jahre 1481! den Hau. Wie lange Raysek in l\ut-
tenberg verw eilte und wann er gestorben, isl his jetzt unbe-
kannt, und die Spuren seines Wirkens lassen sich nur bis
zum Jahre 1493 verfolgen. Möglich isl es nun allerdings,
dass auch d^v Kuttenberger Brunnen von Raysek erbaut
wurde, überhaupt wenn mau berücksichtigt, dass Raysek als
ein sehr sinnreicher und erfinderischer Kopf geschildert
wird, der eigentlich das Steinmetz - Nandu erk nicht erlernt
hatte und ohne Rücksicbl auf die vorhandenen Kunsttradi-
tionen seiner Phantasie ungehinderten Spielraum Hess. Denn
; h der Kiiltenlicrger Brunnen sprich! für das Werk eines
erfinderischen Kopfes, der mehr das Decorative als Con-
struetive der Gothik vor Lugen gehahl hat. K. W.
' i Vergl. „III ustrirte Chronik v. Böhmen". 1834, II. lti?
131»
Notizen.
42. (Die Dorfkirche zu Mariasdorf und Han-
ner sdorf im Eisenhurger Comitate Ungarns.) Der hoch-
würdige Abt und k. k. Conservator Dr. Ludwig Bit nitz in
Steinamanger lieferte hierüber folgende Beschreibung:
Die Kirche zu Mariasdorf ist ein aus Sandstein auf-
geführter, von West nach Ost gerichteter, einschiffiger go-
thischer Bau. Das Sanctuarium hat einen polygonen Ab-
schluss und ist spitzbogig überwölbt. Zur Beeilten des Hoch-
altars, auf der Nordseite der Kirche ist ein, in die Mauer
eingelassenes, auf einer kleineu Säule ruhendes, in der Form
eines geschmückten Spitzthürmchens emporragendes Sacra-
menthäuschen, dessen unteren viereckigen hohlen Theil ein
Gitterthor schliesst. und das untere Gesims folgende einge-
grabene Jahrzahl 1X83 trägt. Das Schiff ist breiter als das
Sanctuarium. hat gleichfalls eine spitzbogige Überwölbung,
getragen durch Bündel von je drei schlanken Wandsäulen.
Am Westende des Schiffes ist der Sängerchor angebracht,
spitzbogig unterwölbt, und in der Mitte des Schiffes auf zwei
Säulen mit niedrigem viereckigen Fusse ruhend. Die Säulen
haben keine Capitäle, aber einen Schaftring, und dieGewölbs-
Bippen entspringen unmittelbar aus dem Schaft. Besonders
hervorragend ist die Südseite der Kirche und ihre Haupl-
thüre. Die Südseite zieren einfache Strebepfeiler und zwei
bis zum obersten Gesimse der Kirche reichende polygone
Treppenthürme, einer nahe am Westende des Sanctua-
riums. der andere nahe von dem des Schiffes in die Mauer
eingelassen, und fast zu drei Viertel vor derselben stehend.
Die Fenster an der Südseite sind breit, durch zwei abge-
schrägte Steinpfosten in drei Abtheilungen getrennt, mit
einem Spitzbogen gewölbt, und mit durchbrochenen Fül-
lungen verziert. Au den Ecken des Sanctuarium-Absclilusses
sind gleichfalls Strebepfeiler angebracht, und zwischen diesen
sind drei schmälere und nur in zwei Theile gelheilte, übri-
gens eben so, wie die an der Südseite mit Masswerk ver-
zierte Fenster, von denen das Nördliche dermalen vermau-
ert ist. Ein, aus einem abgeschrägten Wulst bestehendes
Gesims zieht sich horizontal bei jeden der Fenster des Sanc-
tuariums in rechten Winkel abbiegend und dessen unteren
Theil einfassend, um das Gebäude und dessen Strebepfeiler
herum. An der Nordseite der Kirche sind weder Fenster
noch andere Verzierungen. — Die Haupthüre, wie aus den
Bruchstücken zu folgern ist, war ehedem mehr geschmückt.
Die dermalige Verzierung fängt an beiden Seiten mit Säulen
an, doch weder deren kelchartiges mit horizontalen Knoven
geziertes Capital . noch der gleichsam einem abgestutzten
Kegel und unterhalb diesem zwei Cylinder mit kleineren und
grösseren Durchmesser bildender Fuss deuten auf eine
Künstlerhand hin; nach diesen folgen Hohlkehlen und Wülste
die sich über die Thüre hinaufziehen und in Spitzbogen zu-
sammen laufen. Das Bogenfeld ziert ein aus Sandstein ge-
meisseltes Bildwerk, das zwei an einander geleimte Schilde
und einen zwischen diesen hinau fragenden Rosenstock vor-
stellt. Auf dem rechten Schild ist ein Einhorn, auf dem linken
ein sich rechts aufrichtender Löwe. Das untere (ie-ims des
Bogenfeldes trägt die in Abbildung hier folgende Überschrift.
*flD?fc**fe
Wie es die Bauart und die vorerwähnte Jahrzahl darthut,
wurde die Kirche im XV. Jahrhundert gebaut.
Die zweite Kirche ist die katholische zu Hanners-
dorf (Sämfalva) im Eisenburger Comitat. Diese ist ein im-
Bruchstein und hie und da vermischt aus Ziegeln errichtetes,
ebenfalls gothisches Gebäude, aber weit einfacher als das
vorerwähnte. Die Ostseite des Sanctuariums ist polygonisch,
sowohl dieses als das Schiff ist mit Spitzbogengewölben ab-
gedeckt. Zur Rechten des Hochaltars ist in der Mauer eine
viereckige, mit einer Gitterthür verchlossene. sonst unge-
zierte Höhlung als einstmaliges Sacramenthäuschen. Der
Hauptthüre einfache Verzierung besteht aus einigen, eben
über die Thüre in einem Spitzbogen sich vereinigenden Hohl-
kehlen und Stäben. Die Südseite des Schiffes und die Ecken
des Sanctuariümschlusses haben einfache Strebepfeiler.
Fenster au der Südseite sind breit und in drei Theile getbeilt,
die drei an den Schluss des Sanctuariums sind schmäler und
in zwei Theile getbeilt. übrigens sind sie alle mit Spitzbögen
gedeckt, und die Bogenfelder mit durchbrochenen Füllungen
geschmückt. Hier ist besonders zu erwähnen die Thürge-
wandung der Sacristei, deren Pfosten aus einzelnen vier-
eckigen, gut ausgehraunten Ziegeln besteben, und heu eisen,
dass man im Mittelalter auch mehrere Fuss lange, sehr
glatte und feste Ziegel zu brennen wusste.
43. (Glasmalereien zu Ebnit und Lot bis in
Vorarlberg.) In einem Berichte des k. k. Conservators
J. Kögl war die Notiz enthalten, dass in der sehr hoch und
fast einsam gelegenen Pfarrkirche zu Ebnit sieh vier be-
malte Glasscheiben mit Wappen befinden, wovon zwei dem
Geschlechte von Ems. eines der Familie v. Freiberg zu
Hohenfreiberg und Eisenberg und das vierte der Sibylla
v. Ried he im angehören dürfte. Hieran knüpfte nun der
k. k. Ratli und Custos Herr J. Bergmann, Mitglied der
Central-Commission , folgende Bemerkung :
..Wenn auch in früherer Zeit Ritter von Ems mit
Fräulein von Freyberg, wie der tapfere Marcus Sitticus 1.
(f 1533) mit Helena von Freyberg vermählt waren, so
möchte ich glauben, dass das Wappen, das auf der Glas-
scheibe in der Pfarrkirche des hochgelegenen, winterlichen
140 —
Ebnit neben dem der Sybilla von Riedheim erscheint, der
gleichzeitigen Martha von Freyberg, Christofs von Ems
Gemahlin, angehöre".
Zu einer zweiten Notiz über eine ausgezeichnet schöne
Glasscheibe mit dem Wappen des Hanns Litscher in der
Pfarrkirche zu Röthis lieferte derselbe Geschichtsforscher
der Redaction folgende interessante Nachweisung Ober das
Alter des Ortes Röthis und das Geschlecht der Litscher.
„Die Villa Raute na oder Rautines, das heutige
Röthis hei Rankweil im vordem Churwalhengau, erscheint
zum ersten Mal in Vergabungs-Urkunden aus der Zeit des
Kaisers Karl des Dicken für das Kloster St. Gallen in den
Jahren SS2 und 883. Die Litscher gehören zu den älte-
sten Geschlechtern Feldkirchs. Ulrich Litscher starb nach
dem Necrologium Curiense daselbst am 20. Februar 1373
und seine Hausfrau Elisabeth am 28. September 1374. —
Salomon Litscher erhält nach Angabe der Hofkanzlei-Acten
den 13. November 14S9 den Freiherrnstand mit der Ver-
einigung des Breisacher'schen Wappens. Es war näm-
licli Johann Ulrich Litscher, wahrscheinlich dessen Vater,
mit Dorothea von Breis ach vermählt. — Joseph Lit-
scher war Fähnrich der Feldkircher Mannschaft, als diese
unter dem Hauptmanne Othmar von Pappus im Frühling' 1508
nach Trient zur Rettung Tirols gegen die Venetianer und
Franzosen zog. — Im XVII. Jahrhundert linden wir Phi-
lipp Litscher von Ransenbach in Spanien, vielleicht in
Kriegsdiensten, und seinen Sohn Johann Baptist mit
einer Spanierin und seine Tochter Helena mit Johann
Baptist Osorio verehelicht. Später hatte den schonen Sitz
oben in dem Dorfe zu Röthis Anton Frey v. Schönstein,
kais. Postmeister zu Lindau.
44. (Die alte Glocke in Nieder vintl.) Der be-
kannte tirolische Geschichtsforscher Dr. Besch bemerkt
in seineu Monumentis II, 28. dass sich in Niedervintl eine.
Glocke befinde, deren Inschrift Buchstaben aus dem XIII. Jahr-
hundertzeige. Diese Nachricht schien Tinkhauser wichtig
genug, um ihr im Vertrauen auf die genaue Kenntniss alter
Schriften, «eiche sich Dr. Besch, durch das Copiren vieler
Tausende von Urkunden aus verschiedenen Archiven erwor-
ben, einen Platz in seiner Diöcesanbeschreibung einzuräumen.
Auf Veranlassung des Herrn Prof. Messmer in Brixen erstieg
indess der k. k. Konservator Tinkhauser im Jahre 1835 den
Thiiriii von Niedervintl, um die fragliche (Hocke zu unter-
suchen. Hiebei fand derselbe nun, dass diese Glocke schon
einen neuern Hau mit ziemlich weiter Ausschweifung nach
unten hat, dass sie etwa 3 Schuh im Durchmesser und eben
so viel in der Höhe misst und die Inschrift aus der Mitte des
XIV. Jahrhunderts herrührt. Vorne sieht man das Bildniss
der seligsten Jungfrau Maria mit dem Jesukindlein. Daran
5D 'IS RITA. DLFTJRS
'UVS-. TILL RR. HOT.
Maria hilf uns aus aller not.
Ganz gleiche Buchstaben hat auch der Grabstein des
Herrn Rudolf V. Katzenstein im Kreuzgang zu Brixen (ge-
storben 13.'i 2 ).
43. ( G e w ö 1 b s s t e i n aus d e r K i r e h e z u C h w a I-
kowitz in Bö Innen.) Wir geben hier die Abbildung einer
von dem k. k. Ingenieur l'izek in Königgrätz eingesand-
ten Zeichnung, welche als ein Gewölbschlussstein bezeichnet
ist und mit Rücksicht auf die ausgesprochene Bestimmung
seiner Form nach sehr eigentümlich gestaltet ist. Derselbe
machte bis zum Jahre 1694 den Gewölbeschluss au der
St. Egidy- Kirche zu Chwalkowitz im Königgrätzer Kreise
und wurde nach Erbauung der neuen Kirche als eine merk-
würdige Seltenheit erhalten und in einen Pfeiler der Epistel-
seite am Äussern der Kirche ungefähr eine Klafter von der
Erde abstehend eingemauert. Derselbe ist von gelblich-rother
Farbe 2' 8" hoch, unten 9" und in der Mitte 1' 8" breit:
reiht sieb folgende Inschrift:
An der äusseren flachen und sehr breiten Seite steh!
die rohe und senkrecht sehr vertiefte Schrift mil der Jahr-
zahl 1304 nebst einigen anderen Buchstaben am unteren
Theile dos Steines, die aber so undeutlich geworden sind,
dass nur mehr der Anfangsbuchstabe tll (M) zu lesen ist.
Vu9 .1er k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien.
.I.'iliii Monat erscheint 1 Heft zu
1 bis 2 Druckbogen mit Abbil-
dungen.
Der Pranumcrationspreis ist für
einen Jahrgang oder zwölf Hefte
nebst Register sowohl für Wien
als die Kronlander und das Ausland
4 fl. C. M., hei portofreier
Zusendung in die Kronlinder der
österr. Monarchie 4(1. 20kr. CM.
MITTHEILUNGEN
DER K. K. CENTRAL- KOMMISSION
Pränumerationen ubf rneh-
men halb- oder ganzjährig
altek.k. Poslämterder Monarchie,
welche auch die portofreie
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besorgen. — Im Wege des Jim h_
buidell lind llle I'i .miitiierationea
und zwar nur zu dem Preise vou
4 II. an den k. k. Hofbuchh jndler
W. Braumüller in Wien iu ruhten.
ERIIILTI \li DEII IUI I\MIHI
Herausgegeben unter der Leitung des k. k. Seclions-Chefs und Präses der k. k. Central-Commission Karl Freiherrn v. Czoeroig.
Redacteur: Karl Weiss.
m 8.
I. Jahrgang.
\iii|lhl IMi
Inhalt: Kirchliche Baudcnkmale des Mittelalters zu Völkermarkt. — Übersicht der romanischen Baudenkmale in Böhmen. — Die gothische
Kirche Maria am Gestade in Wien. — Decennal-Aufzeichnungen der archäologischen Funde in Siebenbürgen vom Jahre 1843
bis 18öö. — Notizen. — Literarische Anzeigen. — Berichtigung.
Kirchliche Baudenkmale des Mittelalters in Völkermarkt.
Von Gottlieb Freiherrn von Ankershofen.
Obschon es keinem Zweifel unterliegen dürfte, dass die
römische Heerstrasse, welche von Celeja nach Juvavum
und Orilabis führte und die Orientsstrasse mit der Donau-
strasse verband1), durch das Jauathal und sofort über
Völkermarkt und den Kreutzerhof nach dem Zollfelde,
der Stelle Virunum's, führte2), so haben sich doch bisher
in Völkermarkt keine römischen Denkmale finden lassen.
Dieser Mangel dürfte wohl daraus zu erklären sein, dass sich
die Mension oder Mutation zwischen Colatio und Virunum
in Juenna befand, dessen Standort in der Umgegend der
heutigen Dörfer Pod-Jura oder Jaunstein, Globesnitz, St. Ste-
phan, Ober- und Unter-Loipach, 1 1/3 Stunde südlicher von
Völkermarkt zu suchen ist und für letzteres sonach jeden-
falls nur eine kleinere römische Niederlassung angenommen
werden kann.
Das hie und da vorkommende Gentiforum ist eine will-
kürliche Übersetzung des deutschen Namens Völkermarkt
und ebenso unstatthaft ist die Herleitung des Namens von
einem urkundlich nie vorkommenden s) Geschlechte der Völkl,
obschon dieselbe bereits dem Mittelalter anzugehören
scheint*). Die bisher annehmbarste Herleitung dürfte die
von dem slavischen „velko vez" (grosser Markt) sein5), und
!) Sii'he das meinem Bandb. d. Gesch. Kärnthens beigegebene Segment der
Peutingerischen Strassenkarte.
2) Siehe die meinem Handbuche beigegebeue Strassenkarte.
3) Unrest erwähnt in der Erzählung des Kampfes der steirischen Landleute
wider Herzog Albrecht I. (1291 und 1292) eines Volk l's von Puchl,
eines Dieners des Stubenbergers (Jacob! Unresti Chron. Carinth. bei Mahn
in der Collectio Monum. I, S. 514).
4) Dye Volkl, die dy Stat Volklmarekt erhebt habn von erst; und nach [n
genanndt ist. (Unrest a. a. 0. S. S30.)
5) Ambras Eiehhorn's Beiträge zur älteren Geschichte und Topographie des
H. Kärnthens II, S. 143.
diesemnach hätte Völkermarkt seine erste Bedeutsamkeit
schon in der slavischen Periode erhalten.
Urkundlich kömmt Völkermarkt zuerst in dem Tradi-
tionenbuche des Stiftes St. Paul vor. Demselben zufolge
befand sich unter den freivererblichen Gütern des Grafen
Engelbert, Stifters von St. Paul und Sohnes des Grafen
Sviostvind, des ersten inKärnthen sesshaften Sponheimers ' ).
das praedium apud Volchenmareht. bestehend aus
dem Markte und einem Stadelhofe. Nach dem Tode des
Grafen Engelbert ( tOJlö) fiel dieses praedium '-) seinen beiden
Söhnen, dem Bischöfe Hartwig von Regensburg und dem
Grafen Bernhard in der Art zu. dass der Stadelhof und die
eine Hälfte des Marktes3) Hartwig, die andere Hälfte des
Marktes aber Graf Bernhard erhielt. Als sieh Graf Bernhard
verehlichte, überliess ihm sein Bruder. Bischof Hartwig, den
diesem zugefallenen Antheil am praedium apud Volchenmareht,
Dämlich die Hälfte des Marktes und den Stadelhof unter der
Bedingung, dass dieser abgetretene Antheil nach de rhen-
Iosen Hinscheiden des Grafen dem Kloster St. Paul zufallen.
die Grälin Wallide jedoch für ihre Lebensdauer im Genüsse
des Gutes bleiben soll. Graf Bernhard und dessen Gattin.
Grälin Kunigund, deren Sohn Bruno in das Kloster von
St. Paul eintrat*), sicherten, wahrscheinlich zur Zeit dieses
') Ti'udperl .Neu^arl Ilisfmi; sterii 8. Pauli (Klagenforti typis Joannis
Leon. 1848) l. Iah. geneolog.
'-') Neugart o. a. 0.
3) Praedium apud Volchenmarckt, ridelicet medietas eiusdem fori et eurtis
stabularia.
4) N'eugarl a. a. (I. I. S. .'i. Kr wurde der zweite AM und erscheint als sol-
cher urkundlich bereits im Jahre 1115. (Siehe meine Urkunden-Regesten
zur Gesch. Kärnthens, Nr.CXCII, im Archive Im- die Kunde österreichischer
Geschichtsquellen.)
19
— 142
Eintrittes, dem Kloster St. Paul für den Fall, dass sie erben-
los sterben sollten, die ihnen gehörige Hälfte von Völ ker-
markl (dimidiam partem Volchenmarcatus) dem Kloster
St. Paul zu ' ). Als GrafBernhard, ohne Hoffnung, einen weiteren
Erben zu erhalten, im Jahre I 147 den Entschluss fasste, sieh
dem Kreuzzuge des König Konrad III. anzuschliessen, erlangte
der St. Pauler Mit Wernberr von dem Grafen Bernhard
und der Gräfin Kunegund die Zusicherung des ganzen
Marktes in folgender Weise, dass das Kleister der Gräfin
den Stadelhof nebst fünfzig Marken in das unbesebränkte
Ki"enthiini ülierliess. das gräfliche Paar dagegen dem Kloster
ausser der demselben durch den Bischof Hartwig vorbehal-
tenen Hälfte des Marktes auch noch die dem Grafen gehö-
rige Hallte nebsl zwei kleinen Höfen und zwei Hüben am
20. April 1147 in der Art zusicherte, dass die Gräfin für
ihre Lebensdauer im Genüsse des ganzen Marktes blieb2).
Eine Viertelstunde ausser der Stadt Volkermarkt, in
geringer Entfernung von der Hauptstrasse, befindet sich die
Pfarrkirche zumheil. Ruprecht. Sie war bis in die
Hälfte des Mll. Jahrhunderts die Pfarrkirche für Völker-
markt, welches sich, mündlichen Überlieferungen zufolge,
einst weit über die heutige Stadt. Vorstadt und St. Ruprecht
hinaus nördlich bis an den sogenannten Strutziggkegel er-
streckt haheii soll8). Die Sage setzt den Hau der heiligen
Ruprechtskirche in die Zeit der Christianisirung Kärnthens
durch die Sendboten des salzburgischen Erzbischofes Virgil.
Ich will nicht in Abrede stellen, dass in dem heutigen
St. Ruprechl schon zu jener Zeil eine Kirche gebaut worden
sei; allein die damaligen Kirchenbauten waren unter den
Verhältnissen jener Zeil wohl nur Nothbauten, wahrschein-
lich Holzbauten, und die meisten der dazumal erbauten Kir-
chen dürften in den Religionskriegen nach dem Tode des
Herzogs Gettimar zerstört worden sein1). Auch die Kirchen.
welche unter dem Chorbischofe Theodorich erstanden-').
dürften nur dem nächsten Bedürfnisse genügt und spätere
Cm- und Neubauten erfahren haben. So viel glaube ich
jedoch aussprechen zu dürfen, dass die St, Ruprechtskirche
bei Völkermarkt, ungeachtel t\t'\- mannigfachen Zuhauten und
zum Theile störenden Restaurationen nach der Zeit, den
ursprünglichen Bau einer der früh-romanischen Stylperiode
angehörigen Landkirche erkennen lasse.
Sie isl einschiffig (Fig.I) mit aus dem Schiffe schmäler
hen ortretenden, geradlinig abgeschlossenem Chore. Da über
diesem, vielleichtin späterer Zeit, der Glockenthurm aufgebaut
wurde, so ist der Chorumfang äusserlich nicht sichtbar. Das
l) Traditionenbuch des Stiftes St. Paul, Nr. l\. Honnayr's Archn für Gesch.
u. s. w. 1820, s. 30S, Nr. XCIV.
'-'I Traditionenbuch >"m St. Paul, Nr. VII. Hormnyr's trchii für Gesch. L821,
14 . ind 370, Nr. 131. Eichhorn a a. 0 S 1 19, Nr. 1.
') Es verde ih gegenwärtig einige <o Istncke um St. Ruprecht nach
rormaligeii Güssen, \\ !•■ / Bi isplele die „Bleigasse" genannt,
■>> Siehe mein Handbuch II. S. 1 13.
'I Siehe in Handbuch S. 340, n. ».
Schiff hatte Ins in den Anfang der zweiten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts eine Ihiche. wahr-
scheinlich getäfelte llol/.ilecke.
Durch die Überwölbung sind
die alten, rundbogigen, klei-
nen, schmalen, schiessschar-
tenarb'g eingezogenen Fenster
über das Gewölbe zu stehen
gekommen und daher nur mehr
von aussen oder vom Dach-
boden aus sichtbar. Der Chor,
über welchen , wie bemerkt
wurde, der Thunu aufgebaut
ist, hat das Kreuzgewölbe, das
Schlussfenster den Kleeblatt-
bogen. Dieses gehört ohne
Zweifel ebenso, wie die in
der südlichen Umfangsmauer
des Chores befindliche, im ge-
schweiften Spitzbogen ( Ksels-
fFig. i.) rücken) überwölbte Nische,
zu den späteren Umbauten. In dem Chore stand ursprünglich
ein kleiner Altar, welcher später durch einen unter dem
Scheidebogen zwischen dem Chore und dem Schilfe vor-
gerückten neuen Altar ersetzt wurde, welcher den genannten
Scheidebogen ausfüllt, und zu beiden Seiten Eingänge in
den verlassenen Chor hat ').
Das Hauptportal in der Westfront hat den Rundbogen,
die Wandung ist in drei Stufen eingezogen, die Pfeilerecken
haben keine Vorsätze und die Pfeiler einfach gegliederte
Kämpfer. Her Thürsturz liegt wagerecht auf und bildet
durch das Aufliegen auf den innersten Kämpfern den platten
Kleeblattbogen. Im Bogenfelde befinden sich sculpirte Rosen
und breitblätterige Blumen und über dem Portale ist ein
I! lfenster angebracht Das Seitenportal in der südlichen
Umfangsmauer hat den geschweiften Spitzbogen. An die süd-
liche Umfangsmauer ist im früh-golhischen Style eine kleine
Capelle gebaut, welche früher als h. Grab-Capelle verwendet
wurde und nun als Sacrislei benutzt werden soll. Her vier-
eckige, massive, zur Kirche in keinem Ebenmasse stehende
Thurin hat im ersten Geschosse den gewöhnli-
chen romanischen Rundbogenfries, im zweiten
Geschosse aber arcadenartig gereihte, rund-
bogige Mauerblenden. I>as Thurmdach fehlt,
weil eine neue Bedachung in Angriff genom-
men W lll'ile.
Auf der Nordseite der Kirche befindet sich
im Friedhofe ein kleiner Rundbau mit konischem
Dache (Fig. II). Kr hat den Rundbogen in
' ) Die aul dem Grundrisse ersichtliche Scheidemauer wurde ersl in der neue-
sten Zeil l swar nach mei • Anwesenheil in St, Ruprechl aufgeführt
Dieser Zwischenbau mag dadurch veranlass! worden sein, weil man beab-
itete, den leeren Chor statt des früher an der Nordseite des Thnrmes
— 143 —
Thüren und Fenstern und das romanische Kreuzgewölbe.
Ihm ist nach Osten zu eine Michaelscapelle angebaut. Sie
hat im Gewölbe den gedrückten Spitzbogen, die Fenster
sind spitzbogig, und haben breite Laibungen ohne Ver-
glasung. Unter dieser Capelle befindet sich als Unterbau
ein Ossarium, dessen Thüre und Fenster aber gegenwartig
durch Schutt verdeckt sind. Eine Fortsetzung des Ossariums
unter dem Rundhaue ist nicht anzunehmen. Die Ortsbewoh-
ner halten diesen Rundbau für den ältesten Kirchenbau, wo-
gegen jedoch zu bemerken ist, dass sich ähnliche Rund- und
Achteckbauten bei den meisten kärnthnerischen Landkirchen,
in deren Friedhöfen, bald auf der Nord-, bald auf der Süd-,
bald auf der Ostseite mit und ohne Ossarien, ein- und zwei-
geschossig in einem gleichmässigen Style aufgeführt finden
lassen, und daher weder über ihre Bauzeit '), noch über ihre
ursprüngliche Bestimmung ein allgemein gültiges Urtheil ge-
statten.
Die St. Ruprechtskirche war, wie ich bereits bemerkte,
ursprünglich die Pfarrkirche für Völkermarkt und mehrere
Pfarrer erseheinen urkundlich als Archidiacone von Salzburg-).
Die Einkünfte der Pfarrpfründe waren bedeutend und
die Seelsorge forderte eine grössere Anzahl von Seelsorgern.
Desshalh schuf Erzbischof Eberhard II. von Salzburg im
Jahre 1231 bei St. Ruprecht ein Collegiatcapitel von zwölf
Chorherren und einem Propste3).
Wenige Jahre nach dieser Stiftung, in dem Zeiträume
zwischen den Jahren 1237 — 1239, überliessAbt Leonhard von
St. Paul dem Herzoge Bernhard von Kärnthen einen Rerg in
Völkermarkt zum Aufbaue eines Schlosses4). Dieser Aufbau
einer Herzogsburg musste dem Markte eine neue Bedeut-
samkeit geben, es musste sich die Zahl der Anwohner ver-
bestandenen und bei der letzten Restauration des Thurmes weggeräumten
Zubaues als Saeristrei zu verwenden. Man soll jedoeh von diesem Vor-
haben abgegangen sein und nun die alle Seitencapelle regelmässig- als Sa-
cristei benutzen.
l) Wenn es aueh richtig ist, dass, besonders in slavischeu Landschaften , die
Rundform für kleine Landkirchen vielfach üblich war, so kann jedoeh avis
der Rundform allein noch kein Schluss auf ein holies Alter des betreffen-
den Rundbaues gezogen werden, weil sich jene Vorliebe noch bis in das
XVII. Jahrhundert erhalten bat, (A. II. Springer's Baukunst des christlichen
Mittelalters. S. '.Mi; Aprilheft der Mittheilungen öS.)
a) Eichhorn a. a. 0. S. 152.
») Eichhorn a. a. 0. S. 181, Nr. II. Eichhorn glaubte, das» in St. Ruprecht
schon früher ein Collegiatcapitel bestanden habe, aber in Abgang gekom-
men sei. Allein Erzbischof Eberhard erwähnt eines solchen früher bestan-
denen Collegiatcapitels nicht , was er doch ohne Zweifel gelhan haben
würde, wenn es sieb nur um das Wiederaufleben eines früher schon be-
standenen geistliehen Institutes und nicht um eine neue Stiftung gehandelt
hätte. Wie es zu dieser gekommen , ist in der Urkunde deutlich genug
ausgesprochen. Eberhard fand bei seiner Kirehenvisilation die seelsorg-
lichen Geschäfte zu ausgedehnt für den Pfarrer als einzelne Person, und
da die Einkünfte für den Unterhalt einer grösseren Anzahl von Seelsor-
gern hinreichten, schuf er das Collegiatcapitel in St Ruprecht.
■>) Der Gegenstand eines am 10. Februar 1239 zwischen Heinrieb von Tra-
berg und dem Kloster von St. Paul geschlossenen Vergleiches war unter
Anderem auch die Beschwerde des Ersteren, dass Abt Bernhard dem Her-
zoge Bernhard einen Berg in Völkermarkt zum Aufbaue eines Schlosses
gegeben habe, wodurch dem Traberger das Vogteirecht daselbst entzo-
gen worden sei. (Eichhorn a. a. 0. S. 153.)
grössern, der Gewerbfleiss gesteigert, und hiedurch die
Wohlhabenheit der Bürger erhöht werden. So konnte es
geschehen, dass durch die neuen Ansiedlungen in dem .süd-
lichen Markttheile, der heutigen Stadt, gleichsam ein neuer
Markt erstand, dass dieser neue Markt bald durch überwie-
gende Wohlhabenheit der bedeutendere Ortstheil wurde und
sich daraus der Wunsch ergab, die Marktpfarre mit dem
dabei gestifteten Collegiatcapitel in diesem neuen Markt-
theile zu haben. So viel ist wenigstens geschichtlich nach-
weisbar, dass sich die Bürger von Völkermarkt an den Abt
des Klosters St. Paul, welches ohngeachtel der Abtretung
des Grundes zum Aufbaue des herzoglichen Schlosses den
bedeutendsten Grundbesitz in Völkermarkt gehabt haben
dürfte, wendeten und um die Abtretung des zum Aufbaue
einer Kirche und der hiezu noch weiters nöthigen Bauobjecte
erforderlichen Baugrundes baten. Abt Hartwig von St. Paul
trat auch wirklich den Bürgern gegen die Bezahlung von
IS Mark Denar mit Einwilligung seines Capitels die erfor-
derlichen Baugründe in seinem, wie er sagte, neuen
Markte Völkermarkt (in nostro novo foro Volchinmarkt)
ab, um darauf eine Kirche zu bauen, den Kirchhof herzu-
stellen, und auch die für den bei der Kirche befindlichen
Clerus bestimmten Wohngebäude aufzuführen. Diese Bau-
gründe übergeben die Bürger dem Propste Ulrich, dem
Decane Albrecht und dem ganzen Capitel von St. Ruprecht,
und da die über diese Acte am 10. October 1240 errichtete
Urkunde1) auch von dem Erzbischof Eberhard gesiegelt ist.
so kann angenommen werden, dass dazumal der Erzbischof
als Stifter und Diöcesanbischof auch in die beabsichtigte
Übersiedelung des Capitels von St. Ruprecht nach \ ölker-
markt gewilligt habe.
Wann diese Übersiedelung wirklich -tatl hatte, ist
jedoch nicht bekannt. Sie musste jedenfalls durch die Zu-
standebringung der nöthigen Kirchen- und Capitelgebäude
bedingt sein. Über dem Hauptportale der gegenwärtigen
Stadtpfarr- und Capitelkirche in Völkermarkl liest man zwar
die Jahrzahl 124S; allein diese Jahrzahl wurde erst bei der
letzten Restauration nach dem Brande vom Jahre 1830 über
das Portal gesetzt und zwar, wie der Herr Capitel - Dechant
versichert, aus keinem anderen Grunde, als weil man in
Völkermarkt dafür hält, dass die genannte Kirche im
Jahre 1248 erbaut worden sei. Es mag allerdings gleich
nach der Überkommung der Baugründe zur Vorbereitung des
Baues und sohin auch zur Bauführung geschritten werden
sein; allein es ist nicht anzunehmen, dass ein so bedeutender
Bau. wie der der Völkermarkter Pfarrkirche ist. in ach!
Jahren vollendet worden sein sollte. Wirklich erscheint auch
das Capitel zu St. Ruprecht noch im Jahre 1248 urkundlich
als bestehend-). Indessen dürfte der Kirchenbau und der
V) Eiehhorn's Beit. II, S. 183.
2) Am 7. Nov. 124S vergällte Heinrich von Giefenstein „eugain unam in
Fryngestorf ecclesie » aneti Ruh er ti in Volk e n m a re h — in prae-
sentia illustris ducis Bernhardi, astanUbus ibidem llberto Decano, Alberto,
19'
144
Bau der Capitelwohüungen noch vor dem Jahre 1263 so
weil gediehen sein, dass die I bersiedelung möglich war,
weil in diesem Jahre Propsf Ulrich bereits als Ulricus de
Volchenmarcht Praepositus et Archidiaconus die bei Völker-
markf erbaute Augustinerkirche weihte und nebst aller
Stiftungsherrlichkeit und Gerichtsbarkeit den Augustinern
übergab, ohne dass in der hierüber ausgefertigten Urkunde ')
des Capitels oder der Chorherren von 8t. Ruprecht weiters
eine Erwähnung geschieht und die Urkundenaussteller sieh
ausdrücklich Ulricus miseratione divina de Volkinmarkt Prae-
positus et Karintie Archidiac is ac universi canonici
eiusdem loci nennen.
Auf dem Vorplatze der als Stadtpfarr- und Capitel-
kirehe in Folge der erwähnten Übersiedelung des Capitels
von Sanct Ruprecht nach der heutigen Stadt Völkermarkt
aufgeführten und der heiligen Maria Magdalena geweih-
ten Kirche befindet sich noch gegenwärtig als Erinne-
rung an den vormaligen Friedhof die alte Friedhofslaterne
mit der Jahrzahl 1477. Das Lieht wurde iu den achteckigen
Stützpfeiler eingesetzt und in die über Eck gestellte, gothi-
sche Laterne, in deren Lichtülfnungen noch gegen« artig l'ber-
reste farbiger Glasscheiben zu bemerken sind, aufgezogen.
Die Flächen des Stützpfeilers haben Dreipässe als Ornamente.
Die im früh-gothischen Style2) aufgebaute Kirche hat
drei Schilfe (Fig. IM). I)as Mittel- oder Hauptschiff ragt über
die beiläufig halb so breiten Nebenschiffe empor. Dasselbe
wird von den Nebenschiffen durch Pfeilerarcaden geschieden.
Die spitzen Arcadenbögen stützen sich auf je drei achteckige
Pfeiler. Die Rippen des flachgespannten Netzgewölbes des
Hauptschiffes gehen von pilasterartigen Wandverstärkungen
aus, die sich auf die im Zwickel der Arcadenbögen ange-
brachten Consolen stützen. Die Nebenschiffe haben das im
Spitzbogen gespannte Sterngewölbe, die Rippen stützen sich
auf der Seite des Hauptschiffes aufConsolen, welche an den
Arcadenpfeilern angebracht sind, gegen die Umfangsmauer
Lamberto, Hartwico, Viperto, Magistro Heinrico C:irm nicis eiusd e ra
ecclesie. — Eichhorn a. a. 0. S. 185 und 186.
1 1 Die Augustiner wurden in Volkermarkl durch Herzog Ulrich >«n Kärathen
im Jahre Vltv.; eingeführt (Ulricus Dei gratia DuxKarinthie Dominus Car-
niole — Fratres lleremitarum Ordinis S. Augustini — apud forum
nostrum Volchenmarchl collocamus). Den /- Aufbaue der
Kirche 1 der Wohngeh le, dann zur Anlage der Gärten nöthigen
Gr Ibesiti löst« ein Bürger von Volkermarkl Johann Schwach (Joannes
dietna Infirmus) von dem Stifte St. Paul ein und übergab selbe dem Her-
zoge. Die herzogliche Urs le hal das tetum Volchenmarchl anno
M.CCLXIII. III. Kalendus Januarii. — Jene » lern Propsl «I Irchidia-
c Ulrich über die Kirehenweihe and die kirchliche Obergabe an den
lugustinerorden hal aber das Datum i , M.CCLXIII. (Eichhorn a. a. 0.
s. i>7 iihI I^V) inirrli Killer ,lc)sc|ih li. wurde das Kloster aurgehoben
und die Güter desselben bildeten ein /. Religionsfonde gehöriges unter
dem Namen Auguatinergüll in Volkermarkl bekanntes Gut.
In neuerer Zeit wurde dieses an einen Privaten veräussert, welcher die
Kirchengebäude ih'IinI dem Thurme niederreissen Hess. In Folge des
künstlich bewirkten l msturzes des massiven Thurmes wurde der Name
Augustinergüll gegebe I der N i Gul Th a rm Fell zur Geltang
gebracht
2) Nur die I hur and die gradlinige Verbindung derselben erinnern an den
n mischen su i.
(Fig. III.)
zu aber auf pilasterarlige Wandverstärkiitigeii. Das nördliche
Nebenschilf setzt sich als Dreifaltigkeitscapelle, das südliche
als Frauciicapelle wie halbe Chorumgänge fort. Die in den
Nebenschiffen angebrachten langen Fenster «erden durch
Steinpfosten in zwei Lichtöffnungen getheilt und die Umrah-
mung schliesst im .spii/.on Kleeblattbogen ab.
Aus dem Hauptschiffe tritt man über drei Stufen in den
Chor. Dasselbe hal das Netzgewöibe und ist dreifach ge-
brochen abgeschlossen. Die Gewölberippen gehen von pila-
sterartigen Wandverstärkungen aus.
Die Vorhalle im Innern zwischen den beiden Thürme-
pfeilern ist auffallend klein. Da die über ihr befindliche Em-
pore für den Musikchor einen zu engen Raum darbot,
wurde eine zweite höl/.enie. auf zwei hölzernen Rundpfeilern
ruhende Empore angereiht. Durch diesen unschönen Zubau
wurde der Eindruck, welchen der Einblick in das durch eine
gefällige Ebenmässigkeif sich auszeichnende Innere der
Kirche ausserdem machen würde, wesentlich beeinträchtigt.
Das Hauptportal in der Westfront isi von zwei vier-
eckigen Thürmen flankirl und bat den Rundbogen. Die
Wandung i>-i in drei Abstufungen eingezogen, in die Ecken
— 145
sind Säulen, am Schlüsse consolenartige Tragsteine einge-
setzt. Auf den letzteren liegt wagerecht der Thürsturz. Die
Gliederung des Thorbogens, welcher auf den Capitälen der
Pfeiler und Säulen ruht, besteht aus abwechselnden Rund-
stäben und Hohlkehlen. Das Bogenfeld ist unausgefüllt. Die
Thürme sind durch einen geradlinigen Zwischenbau ver-
bunden. Von dem südlichen Thurme erübrigt nur mehr das
unterste Geschoss. Die höheren sind bei dem am 4. Decem-
ber 1690 stattgehabten Erdbeben herabgestürzt und nicht
ferner aufgeführt worden. Das ursprüngliche Äussere des
Thurmrestes und das des nördlichen Thurmes wurde bei
der letzten Restauration nach dem Brande vom Jahre 1830
durchweg durch einen mit dem Baustyle der Kirche nicht
harmonirenden Verputz, wie z. B. durch des Anbringen des
romanischen Bogenfrises in einer Weise verändert, dass in
dem Falle einer längeren Ausdauer des Verputzes und wenn
sich die Kennzeichen der Neuheit verlieren, spätere Forscher,
wenn sie mit der Baugeschichte nicht bekannt sind, leicht,
wenigstens für den ersten Anblick, irre geleitet werden
können.
Die äusseren Strebepfeiler sind in drei Abschrägungen
eingezogen und bis unter das Dach fortgesetzt. Der nördlichen
Umfangsmauer sind sieben, der südlichen wegen der dem
südlichen Nebenschiffe angebauten Capelle zwei Strebe-
pfeiler vorgesetzt. Der Chor ist auch äusserlich dreiseitig
abgeschlossen und den Ecken sind Strebepfeiler vorgestellt.
Das eine der beiden Spitzbogenfenster der dem süd-
lichen Nebenschiffe, wahrscheinlich erst später, angebauten
Capelle hat in seinem Masswerke die Fischblase.
Die Seitenportale der beiden Nebenschiffe haben den
Spitzbogen. Die Gliederung der Wandung besteht aus Rund-
stab und Hohlkehle und setzt sich ohne Zwischenglied in den
Thorbogen fort. Das Kirchendach gehört der neuesten
Zeit an.
Über den Standort des herzoglichen Schlosses in Völker-
markt mangeln gegenwärtig noch genauere Angaben. Nach
der Meinung einiger Ortskundigen soll selbes auf dem östlich
gelegenen, von der Stadt durch den Mühlgraben geschie-
denen. Berge gestanden haben. Andere weisen nach dem
westlichen Lilienberge, Andere nach dem StrutzigkogeL
Auf allen diesen Anhöhen linden sich Spuren alten Gemäuers,
allein in so unbedeutendem Umfange, dass wohl nur auf
Wachthürme und nicht auf eine Burg oder auf ein Schloss
gefolgert werden kann. Das gegenwärtige, städtische Cassen-
gebäude verräth im Innern ältere Rauten, und auch der an-
der Stadtmauer vortretende, mit der Kaserne in Verbindung
stehende Rundthurm >) gehört dem Mittelalter an. Da jedoch
das Castrum Völkermarkt nach der urkundlichen Angabe
auf einem Berge lag, so dürfte es bis auf weitere glaubwür-
dige Aufschlüsse überflüssig sein, sich in blossen Muthmas-
sungen zu ergehen.
Übersicht der romanischen Baudenkmale in Böhmen.
Von Dr. Erasmus Wocel.
Im Verlaufe eines Zeitraumes von 14 Jahren, wo ich sämmtlichen hier angeführten Bauwerke übernehmen kann.
mit der Untersuchung und Erforschung der Alterthumsdenk- und diejenigen welche ich nicht persönlich kenne, mit einem
male Böhmens mich beschäftigte, gelangte ich zur Kenntniss Stern (*) hervorgehoben habe.
einer bedeutenden Menge von Kirchenbauten, die insge- Allerdings sind gar viele der hier angeführten Kirchen-
sammt durch ihr Alter , zum Theil auch durch ihre Sculp- gebäude unscheinbar: ihre historische Bedeutung ist aber
turen und Kunstformen bedeutsam erscheinen, und allerdings unverkennbar, und das um so mehr, da dieselben als die
geeignet sind, die Aufmerksamkeit und den Schutz der ältesten monumentalen Denkmale des christlichen Cultus in
k. k. Central-Commission in Anspruch zu nehmen. Ich will Böhmen auch in religiöser Beziehung höchst beachtenswerth
es hier versuchen ein gedrängtes Verzeichniss der erscheinen. Es sind zumeist arme Dorfkirchen, und eben
Kirchen des romanischen Styles in Böhmen zu ihre Armuth und die abgelegene Lage derselben war die
entwerfen, indem ich mir eine ähnliche Übersicht der viel Ursache ihrer Erhaltung: denn die grösseren und reicheren
zahlreicheren Kirchenbauten des gothischen Styles in Böhmen
für eine andere Zeit vorbehalte. Es sind mehr als hundert
Kirchen , die hier angeführt werden , von denen mehrere
bereits beschrieben und zum Theil auch abgebildet wurden.
Kirchen- und Klosterhauten des XL, XII. und XIII. Jahrhun-
derts wurden theils durch den Sturm des Hussitenkrieges
niedergeworfen, theils war eben der Reichthum derselben
die Veranlassung zu ihrem völligen Umbau und zur Vertil-
Itie Andeutungen, wo solche Beschreibungen und Abbildungen gung ihres ursprünglichen Raustvlos. Dessenungeachtet
zu linden sind, werden an den betreifenden Stellen angeführt. stellen sich viele dw noch erhalleneu Raulen dieser Art. wie
Viele Baudenkmale dieser Art habe ich persönlich unter- z. B. die Kirchen zu Zäbof, St. Jakob, Podwinec, Tismitz,
sucht; die meisten aber lernte ich bloss aus der Beschreibung Potworow u. s. w.. als Beweise eines bedeutsamen Kunst-
der Herren Seelsorger wie auch der Studirenden kennen, strebensdar; ihre Formen und Ornamente, wiewohl meistens
deren Aufmerksamkeit ich auf diese ehrwürdigen Denkmale nach dem Muster der deutschen, zumal sächsischen Kirchen
des Alterthums zu lenken nicht unterlasse, daher ich auch
nicht die Verantwortung für die richtige Bezeichnung der t) Wagner'« Album für Kärnthen s. 97.
140 —
des romanischen Slyles gebildet, weisen doch viele Eigen-
thömliehkeiten und merkwürdige Details, und nehmen dess-
halb das Interesse des vaterländischen Kunstforschers in
hohem Grade in Anspruch.
Nicht unerwähnt darf endlich bleiben, dass sich noch
eine viel bedeutendere Anzahl von Kirchenbauten des roma-
nischen Styles in Böhmen birgt, und dass die hier angeführten
nur dm kleineren Teil derselben bilden. Als ich im J. 1844
meine Grundzüge der Alterthumskunde schrieb, kannte ich
bloss zwölf Kirchen dieser Art in Böhmen, und seit dieser
/.eil gelangte ich, meistens wohl durch Zufall, zur Kenntniss
von fast hundert Baudenkmalen des romanischen Styles in
meinem Heimathlande. Eine systematische Durchforschung
Böhmens in dieser Richtung würde meiner Überzeugung
nach zu höchst bedeutenden Ergebnissen führen. — Ich
lege somit dieses wiewohl höchst unvollständige Verzeich-
niss vor, mit der Bitte, dass dasselbe als ein Beitrag zur
monumentalen Statistik I Isterreichs entgegengenommen, und
in Betracht der Umstände, unter wehdien es entstand, mit
Nachsicht beurtheilt «erden möge.
A Ihre cht itz, Dorf. Budw. Kr. Kirche mit romanischem
Thurme.
Alt-ßunzlau. Die weitläufige Crypta unter der Collegiat-
kirche des heil. Wenzels. Der ältere Theil der Crypta
oder vielmehr der Unterkirche ist höchst wahrscheinlich
die kleine vniii heil. Wenzel um das Jahr 930 erbaute
Kirche des h. Kosmas und Damian; der westliche neuere
Theil derselben scheint aber die daran gebaute Crypta
iU'\- vom Herzog Wratislaw I. im Jahre 1046 gegründeten
St. Wenzelskirche zu sein.
*Boz (Klein-B.), Dorf, Pilsn. Kr. Pfarrk. mit roman. Resten.
"Brada, Dorf bei Jicin. Romanisches Kirchlein.
Budin, Stadt. Leitm. Kr. Kirche am Friedhof, mit romani-
schen Motiven. Darin alte Gemälde.
'Brozan, Leitm. Kr. Dorfkirche, Übergang vom romani-
schen zum gothischen Styl. Darin ein merkwürdiger
uralter Taufstein.
"Bukowsko, Dorf bei Wesseli im Budw. Kr. Romanische
Kirche mit einem Thurm mit li Ibogenfenstern und
Säulchen, an dem sich die Jahrzahl MCXXXXV befand.
Die Kirche soll aber im J. 18S3 abgetragen worden sein.
*Charwatec, Dort' im Rakon. Kr. Romanische Kirche, die
im Jahre IlMlii eegriindel sein soll (?).
Oaslau. Im Thurm der gothischen Decanatkirche einige
Reste des ursprünglichen romanischen Styles dieses
Kirchenbaues. Die Sacristei der Kirche ist durchaus
rumänisch, und scheint das älteste Gotteshaus der Stadt
gewesen zu sein.
•Cecelitz, Dorf bei Melnik. Der Kirchenthurm romanisch.
Celakowitz, Stadt im Prager Kr. An der Aussenseite und
am Thun ler Decanatkirche gewahrt mau deutliche
Kennzeichen des ursprünglichen rumänischen Baues.
welcher iu späterer Zeit bedeutende Umänderungen
erlitten hatte.
Cestfn, Dorf im Taborer Kr. (Domäne Sternberg). Kirche
mit romanischem Portal.
Chotieschau (Chotysany), Dorf hei Wlasim, Tab. Kr. In
neuerer Zeit renovirte Pfarrkirche, die aber in der halb-
runden Apsis den ursprünglichen r anischen Typus
bewahrt. (Pamätky arch. I. 266.)
*Dolau. Dorf im ehemaligen Rakonitzer Kreise (Domäne
Ki-itz). Uralte Kirche, halbrunder Chorschluss. Die
von Sehaller (Seh. Topograph., Rakon. Kreis. S. 14:5)
erwähnten Sculpturen sind vernichtet.
Doxa n, Leitm. Kr. Die merkwürdige Crypta mit romani-
schen Säulen der im Jahre 1144 gegründeten Stifts-
kirche.
Eger. Der untere romanische Theil der bekannten Doppel-
capelle.
Georgsberg bei Randnitz. Die romanische Rundcapelle
des h. Georg am Gipfel des Berges.
*Hoch- Aujezd, Dorf hei Opotschno im Königgr. Kreise.
Kirche mit romanischen Elementen.
*H ne w ko w i co , Dorf, Caslauer Kreis. Der Kirchenthurm
romanisch.
Holubitz, Dorf hei Tursko im Prager Kr. Kirche im Rund-
bogenstyl. Beschrieben in Wocel's archäolog. Reise vom
Jahre 183 1. Abgebildet in Schmitt's Baualterthümern
in Böhmen.
Hostiwar, Dorf hei Prag. Das Presbyterium halbrund.
*Howofowitz, Dorf, Präger Kr. Uralte Kirche mit roma-
nischen Elementen.
* Hr u sitz (Hrusice), Dorf im Prager Kr. (Domäne Kammer-
burg). Im Jahre l<Si>;> schlug ein Blitzstrahl in die .Mauer
der Kirche, und entblösste das alte, bis dahin vermauerte
Portal, welches von romanischen Säulen und reich ge-
zierten Rundbogen gebildet wird und die grösste Ahn-
lichkeil mit dem schönen Portal von Zäbof weiset. Im
Tympanum des Portals gewahrt man zwei Basrelief-
gestalten im geistlichen Gewände, von denen die eine ein
grosses Kreuz, die andere einen Stab und ein Buch
hält: weiter oben befanden sich Charaktere, welche man
für das A und Q halten könnte, höher noch sind drei
Kreuze in einem Wappenschilde sichtbar. Da Hrusitz
vor Zeiten dem Kloster Sazawa gehörte, SO könnte man
vermuthen, dass jene Gestalten im Bogeufelde die heiligen
Cyril und Melliud darstellen. — In meinen Händen be-
findet sich eine Zeichnung des Portals; zur genaueren
Erforschung dieses sehr interessanten Denkmals müsste
man Untersuchungen an Ort und stelle vornehmen.
'Kainenitz. Dorf bei Jesenitz im Prag. Kr. Die Kirche seil
romanische Beste enthalten.
Koci. Dorf hei Chrudfm. Die Kirche dieses Dorfes ist zwar
kein Denkmal des r anischen Slvlcs. wird aher hier
dessw egen angeführt, w eil sie zu den interessantesten und
— 147 —
ältesten Holzbauten Böhmens gehört. Die Kirche und
insbesondere der mit einem bis zum Boden herabrei-
chenden Duelle versehene Tluirm entspricht der Zeich-
nung in Otte's Kunstarchäologie S. 7. Über dem gothi-
schen Eingange der Kirche ist die Jahrzahl 1397 sichtbar.
Auf dieses merkwürdige Baudenkmal wäre die Aufmerk-
samkeit um so mehr zu richten, da es von der Neue-
rungssucht bedroht zu sein scheint.
Kopanina, Dorf hei Prag. Romanische, halbzerstörte Kirche.
(Seit kurzer Zeit umgebaut; oh einige Reste der alten
Anlage, deren Lithographie ich zugleich einsende, ge-
bliehen sind, ist mir nicht bekannt.)
Kondrac, Dorf bei Wlassim, Tabor. Kr. Kirche mit
zwei romanischen Thürmchen. Besehrieben und abge-
bildet in den Pamätky archäol. I, S. 476 und in
Schmitt's Baualterthümern in Böhmen.
'Kostelee am Kreuz, Dorf, Prag. Kr. Kirche im
Rundbogenstyl.
Kowary, Dorf, Prager Kreis. Pfarrkirche im romanischen
Styl, die an der Stelle der alten Herzogburg Budec
erbaut ist.
*Krcin, Dorf, Königgr. Kr. Kirche, die im XII. Jahrb.
gegründet wurde (?).
*L anschau (Lanzow), Jitschiner Kr. Romanische Kirche.
Li b can, Dorf, Königgr. Kr. Kirche mit romanischen
Resten. Beschreibung in Wocel's kunstarchäologischer
Bereisung Böhmens im Jahre 1851.
Li bis, Dorf, Kaurimer (jetzt Prager) Kreis. Kirche des
Übergangsstyls, mit merkwürdigen Fresken und einem
Flugehalter. Beschrieben und abgebildet in den Pamätky
archäol. I, S. HS.
Liebshausen, Dorf, Leitm. Kr. Die Pfarrkirche, ein sehr
bedeutender romanischer Bau. Beschrieben in meiner
kunstarchäologischen Reise.
*Liteö, Marktflecken, Prager Kreis. Die Pfarrkirche mit
romanischen Resten.
*Malotitz, Dorf, ehemals Kaurimer (jetzt Caslauer)
Kreis. Kirche mit romanischen Resten.
* Mar kl bei Neu-Bistritz im Bud weiser Kreise. Verödete
Capelle im romanischen Styl.
Mechnejov, Dorf, Taborer Kreis (Domäne Sternberg).
Romanische Kirche mit einem T liurme. Das im ursprüng-
lichen Style wohlerhaltene Gebäude wurde in neuerer
Zeit mit einem Kalkanwurfe bedeckt und weiss ange-
strichen. Beschrieben in Zap's Pamätky archäol. I, 223.
Mohelnice, Dorf an der Iser, Bunzlauer Kreis. Romani-
sche Kirche und Thurm, Beschrieben in meiner kunst-
archäologischen Reise 1851.
M ü hlh au s en (Milevsko), Tab. Kr. Romanische dreischilTige
Rasilica des ehemaligen Prämonstratenser Klosters, eines
der ansehnlichsten Denkmale des romanischen Styles in
Böhmen.
*Ncchwalice, Dorf, Prager Kreis. Romanische Kirche.
Nudwojowice, Dorf bei Turnan, Bunzlauer Kreis. Kirche
des Übergangsstyls; in derselben ein alter Flügelaltar.
"Obienitz, Dorf auf der Domäne Chlumetz im Tab, Kr.
Kirche des Übergangsstyls.
*01branio witz, Dorf auf der Domäne Wotitz im Tab. Kr.
Kirchenthurm romanisch.
*Ofech (Wofech), Dorf. Piager Kr. Die Kirche soll Reste
des Rundbogenstj Is enthalten.
*Petrowitz, Dorf bei Schüttenhofen im Piseker Kr. Alte
Kirche, der Thurm romanisch.
Per toi titz, Dorf im Caslauer Kreise. Der Kirchenthurm
romanisch.
Planian, Markt im Caslauer Kreise. Die Pfarrkirche mit
romanischen Überresten.
*PIzenec, Dorf im Pilsner Kreise. Roman. Rundcapelle.
(Gegenwärtig ein Pulvermagazin der Bergleute.)
Podwince, Dorf bei Jung-Bunzlau. Kleine aber überaus
reich gezierte, wohlerhaltene romanische Kirche. Abge-
bildet in Schmitt's Baüalterthümer in Böhmen. Beschrieben
in meiner kunstarchäologischen Reise.
Poi'ic, Dorf an der1 Sazawa im Taborer Kreise. Besitzt zwei
Denkmale des Rundbogenstyls, und /.war die Pfarrkirche
mit einer Krypte und die im ursprünglichen romanischen
Styl wohlerhaltene Kirche zu St. Peter und Paul. Beide
Kirchen sind abgebildet in Schmitt's Baüalterthümer aus
Böhmen.
Prag. Die St. Georgskirche am Hradschin. Rundcapelle am
Wysehrad, Rundcapelle in der Postgasse, Rundcapelle
am Friedhufe bei der St. Stephanskirche. Das Presby-
terium der alten St. Johannskirche auf der Altstadt
(Rückseite des Hauses Nr. 203). Der Chorschluss der
sonst durchaus erneuerten Kirche der Vorstadt Smichow.
Das Innere der St. Peter und Paulskirche am ^ ysehrad
enthält bekanntlich interessante Reste des romanischen
Styles.
Prosik, Dorf bei Prag. Kirche mit romanischen Über-
resten. Beschrieben von Zap im Actenbänd der königl.
böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften vom Jahre
1851 — 1852, Seite 38. Abgebildet in Schmitt's Baü-
alterthümer.
Psar (Psäry). Dorf hei Wlasim, Taborer Kreis. Kleine
Kirche mit halbrundem Chorschluss (Pamätky arch.
I. 2G4).
*Rajsko, Dorf im Piseker Kreise. Kirche mil romanischen
Resten.
*Recitz, Dorf, Caslauer Kreis. Romanische Kirche.
*Repy, Dorf, Prager Kreis. Romanisches Kirchlein.
*Rohanitz, Dorf im Königgrätzer Kreise. Kirche mit Re-
sten des Rundbogenstyls.
Rudig, Dorf, Saatzer Kreis. Merkwürdiger rumänischer Bau.
Beschrieben in meiner kunstarchäologischen Reise.
*Schwe iss i ng, Dorf, Pilsn. Kr. Pfarrkirche mit romani-
schen Resten.
148 —
"Sedletz. Dorf bei Sedlcan im Tahorer Kreise. Kirche im
Rundbogenstyl.
'Seli In ii. Dorf bei Kaden, Saatzer Kreis. Romanische
Kirche, enthält alte Gemälde.
"Skalitz, Dorf bei Ondfejow im Prager Kreise. I>;is Pres-
byterium der Kirche romanisch. Thiergestalten (symbo-
lische?) in der Aussenseite der Kirchenmauer.
'Skofitz, Dorf auf der Domäne Mireschau im Pilsner
Kreise. Romanische Kirche.
Skwrüo w , Dorf auf der Domäne Zäsinuk im Caslanor Kreise.
Romanische wohlerhaltene Kirche mil einem Thurme.
"Slabetz, Dorf im Prager Kreise. Uralte, jedoch in neuerer
Zeil renovirte Kirche. Zu Schaller 's Zeit soll sich auf
einem Steine der Aussenmauer die Jahrzahl MCIX be-
funden haben. Der Stein ist aber nicht mehr vorhanden.
*Sluha, Dorf im Prager Kreise. Kirche im Rundbogenstyl.
Sobesin, Dorf zur Domäne Sternberg gehörig, aber im
Caslauer Kreise liegend. Die Apsis der Kirche halbrund,
der Thurin romanisch. Beschrieben in Zap's Paruatky
archäol. 1. <>. lieft. S. 264.
Soutitz, Dorf im Caslauer Kreise. Die Kirche in neuerer
Zeit umgebaut . der Thurm aber noch wohlerhalten,
romanisch.
*Srbec, Dorf im Präger Kreise. Alte Kirche mit romani-
schen Überresten.
"Srbice, Dorf auf der Domäne Chudeuitz im Pilsner Kreise.
Uralte St. Veits-Kirche. (Soll im XII. Jahrh lert er-
baut worden sein. )
Stodulky, Dorf im Prager Kreise. Kirche des Übergangs-
styls. Abgebildet in Schmitt's Baualterthümer in Böhmen.
'Stochow, Dorf im Prager Kreise. Kirche mit romanischen
Überresten.
St. Jako b. Dorf im Caslauer Kreise. Sehr interessante, wohl-
erhaltene romanische Kirche mit lebensgrossen Basrelief-
figuren an der Aussenseite. Durch die im Jahre 1846
in der Kirche seihst aufgefundene Urkunde wird das
Jahr der Einweihung des Altars ( 1 Dil ) bestimmt. Meine
historische und kunstarchäologische Beschreibung der
Kirche nebsl dem Facsimile der erwähnten Urkunde ist
im Casopis cesk. Museum 1N47 enthalten. Abbildungen
dieser Kirche befinden sieh in den .archäologischen
■
Blättern und in Schmitt's BaualterthQmern.
Tejn eher Rowensko, Dorf, Bunzl. Kr. IS anische Kirche.
•Tendrazitz, Dorf im Piseker Kreise. Der Kh'chenthurm
romanisch.
Tepl im Pilsner kreise. Die dreischiffige, mit einem Quer-
seliill'e versehene Collegiat- und Pfarrkirche ZU Maria
Verkündigung, «eiche am Schlüsse des XII. Jahrhun-
derts erhaut wurde, stellt sich als ein interessantes
Denkmal des Übergangsstyles dar. Die Aussenseite der
Kirche, mit den heulen ;in die Facade sieh anschliessen-
den Thürmen ist grösstenteils in ihrer ursprünglichen
Gestali erhalten; die Absiden der Seitenschiffe sind
halbrund, das Mittelschiff hat einen polygonen Chor-
schluss. Dieser ansehnliche Tempel (die Länge des-
selben beträgt 204 Kuss) ist wohl das grösste Ins auf
unsere Tage erhaltene Baudenkmal des XII. Jahrhun-
derts in Böhmen.
Tetin. Dorf im Prager Kreise. Die St. Katharina-Capelle,
welche im Jahre Ol I von der heiligen Ludmila gegrün-
de! sein soll.
Töschen, Dorf bei Dauba, Bunzl. Kr. Roman. Kirchlein.
'Tozitz, Dorf hei Beneschau im Tahorer Kreise. Kirche
mil romanischen Überresten.
Tfebeschitz (Trebes'ice) , Dorf im Tahorer Kreise.
Romanische Kirche mit halbrundem Chorscblusse (Pa-
mätky arch. 1, 265).
Turnau, Stadt. Bunzlaner Kreise. Romanischer Thurm an
dem Franciscanerkloster.
Tis mi tz. Dorf bei Böhmischbrod im Prager Kreise. Die Kirche
dreischiffig, mil drei Apsiden und zwei Thürmen; wie-
wohl stark renovirt, gehört sie doch zu den bedeutend-
sten Denkmalen des romanischen Styl s in Böhmen. Die
Abbildung derselben findet man in Schmitt's Baualter-
thümer in Böhmen-
'Viertel, Dorf auf der Domäne Kaut im Pilsner Kreise.
Etwa V* Stunde von diesem Dorfe entfernt isl die
St. Wenzelsca|ielle. welche höchst wahrscheinlich zum
Andenken t\cs vom Herzog Bretislaw im Jahre 1040
erfochtenen Sieges erbau! wurde.
*Waclawitz, Dorf im Königgrätzer Kreise. Die Kirche ist
nach dein Zeugnisse der Urkunden im XII. Jahrhundert
erhaut worden.
° Wal t irsche. Dorf im Leitmerilzer Kreise. Kirche mit
romanischen Überresten.
Weisskirchen (WlineVes), Dorf im Bunzlauer Kreise.
Kirche mit romanischen Resten. Die Abbildung derselben
in Schmitt's Bauallcrthi'unern.
MVititz. Dorf hei Böhmischbrod im Prager Kreise. Uralte
Kirche; die gemalte llol/.decke derselben wurde im
Jahre 1858 zerstört.
MVisker. Dorf im l.unzlauer Kreise. Uralte Kirche, soll
romanische Beste enthalten.
\\ nlryhy (Otryby), Domäne Sternberg (jedoch im Cas-
lauer Kreise). Das Preshylerinin der Kirche romanisch.
Beschrieben in Pamätky archäol. I. 2G3.
W'rhno. Dorf hei Melnik. Das Preshyteriinn der Kirche
romanisch.
Zabonosi, Dorf bei Planati im Caslauer Kreise. Kirche mit
r anische n Besten. Beschrieben in Painatky archäolog.
I. Th. 277.
Zäho i-, Dori'im Caslauer Kreise (Eisenbahn-Station /.» ischen
Kolin und Pfelautsch). Eine der interessantesten roma-
nischen Kirchen in Böhmen, mit einem schönen Portale.
Eigentümlich ist die Construction iles Thurmes, welcher
auf den vier, das Mittelgewölbe der Kirche stützenden
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5
— 149 —
Säulen ruht. Im „Casopis cesk. Museum" vom ,1. 1846 Zdechowilz, Dorf bei Pfelaurf, Kirche mit romanischen
findet man die von mir verfasste ausführliche Beschrei- Resten.
bung dieser Kirche und die von Herrn Bergmann entwor- Zelkowitz (Schelkowitz), Dorf im Leitmeritzer Kreise.
fenen Zeichnungen des Portals, des Grundrisses und des Wohlerhaltene romanische Rundcapelle. Beschrieben in
Durchschnittes derselben. Die Abbildung des Portals be- meiner archäologischen Bereisung vom Jahre 1851. Ab-
findet sich in Schmitt's Baualterthümern. gebildet in Schmitt's Baualterthümern.
Die gothische Kirche Maria am Gestade in Wien.
(Mit zwei
Von Karl
Die gothische Kirche Maria am Gestade in Wien gehört
zu jenen Denkmalen mittelalterlicher Baukunst in Wien,
welche schon wiederholt Gegenstand kunstgeschichtlicher
Studien waren. Sie ist kein Bau. der durch Reinheit des
Styles, durch constructive Mannigfaltigkeit und eine entspre-
chende Vertheilung der Baumverhältnisse Beachtung ver-
dient. Sie repräsentirt im Langhause eine Periode der Gothik,
in welcher bereits die Traditionen der Blüthezeit dieses
Baustiles verklungen waren, sie hat ferner schon vielfache
Verunstaltungen und störende Neuerungen erhalten. Aber
sie bleibt immerhin nicht ohne Interesse in einzelnen Thei-
len, wie in dem Aufbaue des Thurmes, der Gestaltung der
beiden Portale des Schilfes, dem Musikchore und einzelnen
Gliedern des Baues.
Um nur eines Werkes zu erwähnen, das über die Kirche
Maria am Gestade mit ziemlicher Ausführlichkeit in architek-
tonischer Beziehung handelt, verweisen wir auf des Fürsten
von Lichnowsky unvollendet gebliebeneu Denkmale der
Baukunst in Österreich '), worin mit derselben die Reihen-?
folge der Bauwerke eröffnet wurde, welche dieser verdienst-
volle Geschichtsforscher und Kunstfreund bildlich darzustel-
len und zu beschreiben beabsichtigte. Es ist aber eine
bekannte Thatsache, dass weder das Werk des Fürsten
Lichnowsky noch die Arbeiten anderer Schriftsteller den
Gegenstand möglichst erschöpfend darstellten, sondern dass
namentlich über die Zeit der Erbauung der Kirche grelle
Irrthümer und Widersprüche aufgenommen wurden. In eine
architektonische Beschreibung dieses Bauwerkes wurde dage-
gen von den uns bekannten Schriftstellern beinahe gar nicht
eingegangen oder sie dürfte kaum den Anforderungen ent-
sprechen, welche in unseren Tagen an die Beschreibung
eines Bauwerkes gestellt werden.
Denn zu der Zeit als die der Kunstgeschichte eine
grössere Beachtung widmenden Gelehrten in Österreich, wie
Hormayr, Lichnowsky, P r i m i s s e r . T s c hi s c hk a
u. s. w., Excursionen in die heimathlichen Klöster unternah-
i) Denkmale der Baukunst und Bildnerei des Mittelalters in dem österreichi-
schen Kaiserstaate. Gezeichnet \on und unter .1 os. Fi seh e r, Prof. an
<lrr kais. Akademie der bildenden Künste . gestochen von verschiedenen
Künstlern. Deutsch uurl französisch beschrieben und auf eigene Kosten
herausgegeben durch Fürst Eduard Lichnowsky. Wien 1817. (ie-
drttckt bei Aut. Strauss.
Tafeln.)
Weiss.
men, stand man in Deutschland selbst erst an der Schwelle
der Wissenschaft, welche beute zu so ausserordentlicher
Bedeutung gelangt ist, und die nun in die Kunstformen des
Mittelalters einen Einblick gewährt, von welcher man in frü-
herer Zeit, wo noch die Anschauungen Winkelmann's den
massgebendsten Eintluss ausübten, keine Ahnung besass. Wir
machen diese Bemerkung vorzugsweise aus dem Grunde,
weil wir noch öfter auf mittelalterliche Bauwerke des Kaiser-
staates, worüber schon Untersuchungen angestellt wurden,
zurückkommen werden. Denn dieselben können — zum Tbeil
ohne Schuld der Verfasser — ebenso wenig mehr genügen,
als die Schilderungen, welche noch zu Anfang dieses Jahr-
hunderts im Allgemeinen über die geistige Verwilderung des
Mittelalters verbreitet waren. Über die verschiedenen Bau-
formen der letzteren Periode und deren stufenweise Ent-
wickelung zu einander hatte man zu Anfang dieses Jahr-
hunderts in Deutschland nur schwache unbestimmte Anhalts-
punkte und noch in unseren Tagen bestehen hierüber so
unklare und zum Tbeil auch so falsche Vorstellungen, dass
sich zum Tbeil nur daraus der pietätlose Vandalismus und
die verfehlten Anschauungen über die eigentliche Aufgabe
der Alterthuinskunde erklären lassen.
Was nun die Berichtigung der historischen Irrthümer
und Widersprüche über die Zeit der Erbauung der Kirche
Maria am Gestade anbelangt, so steht eine solche von dein
bewährten und insbesondre in der Localgeschichte Wiens
gründlich unterrichteten Geschichtsforscher Nenn Joseph
Feil in einem der nächsten Hefte dieser Monatsschrift zu
erwarten, daher wir auch nicht weiter darauf eingeben, son-
dern davon nur insoferne Notiz nehmen, um vom kunst-
geschichtlichen und speciell archäologischen Stand-
punkte aus dieselben zu widerlegen.
Es galt bisher nämlich als unzweifelhaft, dass die Kirche
.Maria am Gestade verschiedene Bauperioden besass und dass
zuerst das Langhaus, dann später dw gegenwärtige Chor
angebaut wurde. So sagt Lichnowskj ausdrücklich, dass
das Langhaus der alle vom Jahre ll.'i4 und der Chor der
nach dem Jahre 1400 ausgeführte Theil sei. Eine Broschüre.
betitelt „Geschichte der Kirche Maria Stiegen in Wien",
welche bei Gelegenheit der Übergabe der Kirche an den
Orden lies h. Liguori im ', »hre 1 82 1 im Drucke erschienen
10
150
iiimI aus Archival - Documenten des Stiftes Schotten, der
Stadt Wien und der ehemaligen Passau'schen Consistorial-
kanzlei gezogen wurden, sucht nachzuweisen, dass scnon
gegen die Mitte des XIV. Jahrhunderts eine Capelle daselbst
bestand, welche um das Jahr 1388 vergrössert uml erwei-
tert wurde. Dieselben Angaben finden wir auch in Hor-
mayr's Geschichte von Wien und in dessen Archive wie-
derholt. Tschischka endlich behauptet, auf neue For-
schungen gestützt . tliis-; die ganze Unterkirche l>is zu den
Stuften, die das Schill' von drin Chore trennen, seilen vor
dem Jahre 1oö7 bestanden und am 2. Juni L5!'4 Meister
Michel Weinwurm, herzoglicher Baumeister, den ersten
Grundstein zum gegenwärtigen Chore gelegt habe.
Betrachten wir vereist die
in Frage stehende Kirche in
ihrem jetzigen Bestände.
Aus dem Grundrisse i Fig. I)
ist zu ersehen, dass der ganze
Bau eine sehr unregelmässige
Gestalt besitzt. Abgesehen von
dem Missverhältnisse der Länge
zur Breite des Schiffes, stört
insbesonders der Winkel . in
welchem das Letztere zum Chore
steht . uml die Unregelmässigkeit
der Anlagen heider Hauptbe-
standteile, iiiis der allerdings
unzweifelhaft hervorgeht, »Liss
die ganze Kirche nicht mich
ei n e in Plane und in e i n e r
Periode entstanden ist. Kin An-
bau au dem einen sehen bestan-
denen Theile hat jedenfalls statt-
gefunden. Für den Sachverstän-
digen dürfte aher kaum die Wahl
mIiu ankend sein . ob zuerst das
Schiff oder der Chor aufgebaut
wurde. In Übereinstimmung mit
allen Beispielen von gothischen
Bauwerken kann das Schill' nicht
i ; i I \ er dem XV. Jahrhundert,
/•pio | ! mithin nur in einer Periode
gelernt und verschiedene Willkürlichkeiten und Ausartungen
als ein Product der Verflachung der Formen und der Dishar-
monie der Theile eingerissen waren.
Der Grund riss zeigt ferner, dass das Schill' der Kirche
mit fünf Sterngewölben überspannt ist. die dein Aufrisse des-
selben entsprechend zu beiden Seilen auf sieben Wand-
pfeiler mit fünf Traveen — drei grösseren und zwei kleine-
ren — gestützt sind. An der Xordseite des Schiffes und
zwar gegen den Chor zu befinden sich hei zwei Traveen
capellenartige Aushaue. Ebenso ist denselben gegenüber au
der Xordseite bei dem grösseren Travee ein derartiger Aus-
hau, welcher aher — wahrscheinlich durch Terrainvcrhält-
nisse herbeigeführt — im schiefen Winkel verschnitten ist
und das Unregelmässige des ganzen Baues noch mehr
erhöht.
Die Gewölbe sind im gedrückten Spitzbogen gespannt,
die Gurten des Netzwerkes hängen flach gegliedert, ziem-
lich tief herab, und die Diagonal- und Quergurten entsprin-
gen frei und ohne Yermittoliing von Gurtträgern aus den
eckigen Wandpfeilern, ohne jedoch bis an den Sockel der
Pfeiler herabgeführt zu sein: sondern sie sind — ein charak-
teristisches Merkmal der Spätgothik — an der unteren
Hälfte der Pfeiler abgekröpft, während die an den Kckge-
wölben auslaufenden Gurten sich schon in der oberen
Hälfte des Schilfes auf ornamental behandelten Thierköpfen
absetzen.
Die grösseren Traveen sind aus Doppelfenstern und
zwei Schildbogen mit einer zwischen denselben eingeschlos-
senen kleinen Tonne gebildet. Durch die im gedrückten
Spitzbogen construirten Doppelfenster war der Aufbau eines
Mittelpfeilers in den grösseren Traveen nothwendig, so dass
eigentlich, wie schon erwähnt, jede Langseite des Schilfes
aus sieben Pfeilern besteht. Nur dort wo die Capellenanbaue
bestehen, ist natürlich der Mittelpfeiler entfallen. Wir geben
hier die Profilirung des Mittel- und Hauptpfeilers sammt dem
Fensterprofile von einem der erster« ahnten Traveen ( Fig. II ).
woraus zugleich ersehen werden kann, dass dieselben ziem-
lieh reich gestaltet und mit grösseren und kleineren \\ nisten,
zwischen denen wieder liefe Linkehlungen mit breiten Kehl-
leisten gegliedert sind, abwechseln. An den Hauptpfei-
lern jedes Travee sind in der Höhe, wo die Gewölbe-
gurten absetzen . zu beiden Seiten der letzterwähnten
(Fig. IM
entstanden sein, in der man sei Werke der von ihren Glieder capitälartige Consolen, auf denen Figuren unter
organischen Grundsätzen abgewichenen Gothik ke sn den mit Fialen gekrönten Baldachinen angebracht sind
— 1S1 —
- 1
■13
III.)
(Fig. III). Derselbe Schmuck befindet sich
an dem Mittelpfeiler jedes Travel*. Auch
an diesen sind derlei capitälartige Consolen
mit Figuren und Baldachinen. Jedoch be-
sitzen diese noch die Eigentümlichkeit,
dass oben, an der Stelle, wo sonst gewöhn-
lich die Gurtträger angebracht sind, ein
fratzenhafter Thierkopf in ornamentaler
Behandlung sieh wie ein Hand um die
zwei Rippen legt, welche, aus dem Netz-
werk des Gewölbes entspringend, bis zur
Mitte dieses Pfeilers sieb fortsetzen. Die
Pfeiler ruhen auf eckigen eannelirten Sockeln,
und sind mit ersteren durch Rundstäbe und
Hohlkehlen in Verbindung gesetzt.
Auch die Profile der Fenstereinrahmung
(Fig. IV)1) sind tief und breit, und wechseln
ohne ein besonders hervortretendes Merk-
mal zwischen den gewöhnlichen Gliedern.
Schildbogen (gegen das Schill' zu) sind aufgehängt, so dass
dieselben drei Bogen vorstellen. Die Flächen oberhalb der
♦
(Fig. (V.)
Der Raum der Glasfenster ist gegenwärtig grösstentheils ver-
mauert. Nur die an den Abschluss des Langhauses auf der
Westseite anstossenden zwei kleinen Traveen besitzen noch
die ursprünglichen Fensteröffnungen, woraus zu ersehen ist,
dass die Fenster durch zwei gegliederte Pfosten in drei
Theile geschieden, das Masswerk der Bogen im Drei- und
Vierpass construirt und dessen Füllungen mit Glasgemälden
ausgestattet waren. Zur Beleuchtung des Schilfes wurde
übrigens an der Nordseite noch eine zweite Fensteröffnung
belassen, die jedoch nur Ins zu den Schenkeln des eigent-
lichen Hogens reicht und jedes ornamentalen Schmuckes
entbehrt.
Aus der Zeit, wo noch sänimtliche Fenster das Kirchen-
schiff erhellten, dürften auch die doppelten, übereinander
gestellten arcadenförmigen Gallonen stammen . welche die
untere Fläche einzelner Traveen beleben, im Spitzbogen
gegliedert sind, deren Stäbe bis auf den Boden herab-
reiehen und nur an einzelnen Stellen von steinernen Sitz-
bänken verdeckt sind, die zwischen den Pfeilern angebracht
sind.
Der Musikchor (Fig. V) ruht auf einem Tonnengewölbe
mit eingewölbten Schildern. Die Anlaufspuncte der drei
') Für die Holzschnitte Fig. IV, VI und VII gilt der hier folgende Massstab :
(Fig. V.)
Letzteren, so wie die Brüstung des Chores sind mit Mass-
werk geschmückt.
Unterhalb des Musikchores und zwar zu beiden Seiten
der Eingangstbürc sind zwei schmale, die ganze Mauerdicke
ohne irgend eine Profilirung durchbrechende Fenster ange-
bracht. Zu beiden Seiten führen kleine, im Spitzbogen
gebaute Thüren auf den Musikchor.
Die Stirnwand des Langhauses hat in der Mitte ober-
halb des Chores ein hohes breites Fenster, das noch seine
ursprüngliche Gestalt besitzt, daher auch durch zwei geglie-
derte Pfosten in drei Theile geschieden ist und dessen
Masswerk aus einem Drei- und \ ierpass gegliedert ist. Die
Füllung der Letzteren besteht gleichfalls aus Glasgemälden.
Die schon erwähnten Anbaue gegen das Presbyterium
zu gehören gleichfalls der Periode an, in der das Schiff
erbaut wurde. Sie besitzen das Netzgewölbe mit tief her-
abhängenden und schmal gegliederten Gurten, welche an den
Pfeilern auf ornamental bebandelten Thierköpfen aufsitzen.
Der grössere Capellenanhau au der Nordseite des Schiffes
hat au der Hauptwand und an den beiden Seitenwänden
kleine schmale Fensteröffnungen mit stabartigen Einrahmun-
gen, von denen das Fenster der Krstoren gegenwärtig mit
farbigen Gläsern ausgefüllt ist. Ein zweiter schmaler \nhau
an der Nordseile steht mit der Kirche nicht im Zusammen-
hange und ist daher auch auf dem Grundrisse Fig. I nicht
ersichtlich. Auf der Südseite und zwar in dein Winkel,
welcher durch den Anbau des Schilfes an das breilere Presby-
terium entstanden ist. befindet sich die Anlage des Thurmes.
Ein ziemlich schlanker, jedoch nicht bis an das Ge-
wölbe hinauf reichender Bogen fuhrt in das Innere des
etwas erhöhten Chores, von welchem wir behauptet
haben, d ass er unzweifelhaft der ältere Theil der Kirche
ist. Der Chor1), dreiseitig aus dein Achleck geschlossen,
>) Vergleiche die beiliegende Tafel IV
SO
152
zerfällt, ohne Einrechnung derApsis des Chorabschlusses, in Spitzbogen, die wieder in zwei kleinere, in Nasen auslau-
drei gleichgrosse Travees mit einfachen, im Charakter der femle linken ahgetheilt sind. I >;is Masswerk derselben ist
frühgothischen Periode gebauten Kreuzgewölben und Schluss- grösstenteils edel und verständig aus dem Vierpass con-
steinen, worauf die Symbole der vier Evangelisten in Stein struirt und in den Zwischenräumen mit Giasmalereie
gehauen sind. Die Gewölbgurten, breiter und flacher als
jene in dem Gewölbe des Langhauses, sind birnenförmig
profilirt (Fig. VI) und entspringen unmittelbar aus den auf
(Fig. \l I
eckigen Sockeln ruhenden Wandpfeilern. Die Pfeiler treten
ziemlich stark hervor und besitzen tue im Holzschnitte
(Fig. VII) ersichtliche ProGlirung. In der Mitte der
(Fig. VII. I
Pfeiler sind die Rippen abgesetzt und in der dadurch ent-
standenen Einsenkung freistellende Säulen mit römischen
Capitälen errichtet, auf denen Figuren unter Baldachinen
und Spitzsaulen stehen, die hart unter dem Abschnitte der
Rippen angebaut sind. Aus der Art und Weise jedoch, wie
die Säulen und Figuren — abweichend von jener im Lang-
hause — an den Pfeilern eingeschoben und die Gurten ab-
gesetzt wurden, unterliegt es keinem Zweifel, dass die
Gewölbgurten als Dienste sich an den Pfeilern bis auf dem
Sockel der letzteren fortsetzen, die Gurten mithin in der
.Mitte der Pfeiler und zwar wahrscheinlich zur Zeil der
Erbauung des Langhauses abgeschlagen und in die dadurch
entstandene Einschrägung die Säulen sammt den Figuren
und Baldachinen eingestellt wurden.
Zu den interessantesten Details der ganzen Kirche dürf-
ten die breiten und im schlanken Spitzbogen gebauten Chor-
fenster gehören. Eine kräftige, aus Rundstäben und Kehlen
reich gegliederte Einrahmung bildet den gemeinsamen Bogen.
Drei profilirte Pfosten (heilen die innere Fläche der Fenster
und erscheinen zugleich als die Schenkel zweier grösserer
len ge-
schmückt. Die Fenster des Chores sind durrhgohends geöff-
net; die Pfosten sitzen auf breiten in schräger Abdachung
hervorspringenden Mauerleisten auf. Wir geben hier eines
der Fenster auf der Südseite des Thores, welches sich am
meisten durch den edlen Charakter des Masswerkes aus-
zeichnet (Fig. VIII). Unter denselben befinden sieh zur
(Fig. VIII.)
Ausfüllung der leeren Wandfläche Triphorien mit ge-
schweiften, auf dünnen Säulen gestützten Spitzbögen. Diese
Triphorien können daher nicht dem ursprünglichen Haue
angehören, sondern sind ebenfalls Neuerungen einer spä-
teren Zeit, wie die Säulen mit den Figuren und Baldachinen
au den Wandpfeilern des Chores.
An den Chor schliessen sich ferner zu beiden Seilen
Zubauten, und zwar auf der Nordseile die neue Sacristei
mit den .Xehengemäehern, dann gegen das Schilf zu die alle
Sacristei mii dem Aufgange ZU der an der liogeniillnung des
Chores errichteten steinernen Kanzel , an der Südseite ein
Oratorium sammt Aufgang, dann ein Portal. Von diesen Zu-
bauten gehört nur das letztere der ersten Bauperiode, tue
übrigen so wie auch die Kanzel einer späteren Zeil an.
i Schluss folgt.)
— 153
Decennal- Aufzeichnung der archäologischen Funde in Siebenbürgen vom Jahre 1845 bis 1855.
(Ein Beilrag zu den „Beiträgen einer Chronik der archäologischen Funde in der österreichischen Monarchie des .1. (i. Seidl." I
Von M. J. Ackner, Correspondenten der k. k. Cenlral-Commission zu Hamersdorf in Siebenbürgen.
(Schluss.)
1855. zeichnet wird; 3) Galba 2 St.: 4) Otho 1 St; 5) Vitellius
Am 26. Februar 1. J. kam ein romanischer Landmann zu 3 St. ans zwei verschiedenen Prägen; 6) Fl. Vespasiänus
Broos in ein dortiges öffentliches Local, zeigte eine altrö- 29 St. verschiedener Typen, darunter 13 mit der sitzenden
mische Silbermünze vor und verlangte 10 Kreuzer C. M. Roma und 1 St. mit Judaea capta; 7) Titos Vespasiänus,
dafür. Als er sah, dass man ihm das geforderte Geld äugen- 8 verschiedene Prägen; 8) Julia, Tochter des Titas, 1 St..
blicklich auszahlte, theilte er mit, dass er über hundert welches sehr gut conservirt und namentlich den Kopfputz
solcher Münzen, jedoch nicht bei sich habe. Man forderte und das Haarnetz der schönen Römerin deutlich erkennen
ihn auf, diese zu bringen, und er versprach auch diess zu thun. lässt; 9) Domitianus 5 St., verschiedene Typen.
Indess erschien er nicht, und man brachte in Erfahrung, dass „Diess Verzeich'niss, bemerkt der Beschreiben beweist,
er diess alte Geld für 18 fl. C. M. an einen Juden verkauft dass man in Siebenbürgen mitunter sehr interessante römi-
habe. Die Kunde allarmirte natürlich Alle, denen alte Münzen sehe Münzen (und ebenso auch altgriechische) findet; die
nicht Bruchsilber, sondern historische Gegenstände und oft Schmelztiegel der vaterländischen Gold- und Silberarbeiter
Denkmale von der grössten Wichtigkeit sind, und veran-
lasste das k. k. Kreisamt zu Nachforschungen. Durch die
Localpolizei wurden auch aus der dritten Hand die Münzen
ermittelt, und dem k. k. Kreisvorsteher, Statthaltereirath
von Thienemann, zugestellt.
Aufgefordert durch letztem, gelang es dem als Numis-
maliker rühmlichst bekannten Brooser Magistratsrath, Joseph
Loreni, diese Münzen, deren Gewicht etwas über 30 Loth
beträgt, mit Ausnahme von 1 1 Stücken, zu bestimmen.
Da es nicht ohne Interesse sein dürfte zu erfahren, was
für Münzen der walachische Bauer angeblich bei dem Vul-
kaner Gebirgspässe gefunden und nach Broos auf den Jahr-
markt gebracht habe, so folgt hier auch deren Specilicirung
nach Senator Lorenfs Angabe. Es sind nämlich fürs erste
24 Gattungen Consular-Münzen aus der Zeit der römischen
Republik (100 Jahre vor Ch. Geb.) als wichtig für Samm-
lungen. Diese Münzen beziehen sich auf nachfolgende römi-
sche Familien: l)Aemelia 2 Stücke; 2) Antonia 13 Stücke:
3) Caecilia 1 Stück; 4) Calidia 1 St.: 5) Calpurnia 1 St.:
6) Cassia 1 St.; 7) Claudia 1 St. ; 8) Cornelia 2 St. (davon
eine mit Libertas); 9) Cossutia 1 St. ; 10) Crepusia 1 St. :
würden aber, wenn sie könnten. Mittheilungen über eine be-
deutende Menge solcher Münzen machen . welche sie nur
seit dem Jahre 1800 verschlungen haben, lud es wäre,
diesem modernen Vandalismus gegenüber, zu wünschen.
wenn die politischen Behörden ermächtigt würden alle der-
gleichen Funde, die aber unbedingt eingeliefert werden
müssten. ungesäumt bar bezahlen zu können".
Am 22. März 1855 fand im Nordwesten Siebenbürgens
Kenderessi Andras aus Akos zwischen Akos und Dobra,
im Kreise Szilagy Somlyo, am J'fer des Kräsznaflusses eine
Goldspange 5>/z Loth schwer, deren genauere Beschreibung
uns nicht bekannt geworden ist. Sie wurde von dem k. k.
Münz- und Antiken-Cabinete für ein dem Finder ausbezahltes
Honorar von 200 Gulden C. M. erworben. Da ich dieses
kostbare Fundstück zu sehen keine Gelegenheit fand, so
wandte ich mich, um vielleicht etwas mehr darüber zu er-
fahren, an die k. k. Statthalterei. allein auch im dortigen
Berichte fand ich diesen Fund nur im Allgemeinen ange-
deutet. —
Der k. k. Conservator und Pfarrer in Fogaras, Herr
Mökesch, hat diesen Sommer Forschungen und Ausgra-
11) Durmia 1 St.; 12) Fonteia 1 St.; 13) Furia 3 St.1): billigen bei Galt und lleviz angestellt, über deren Erfolg er
14) Hosidia 2 Stück: 15) Julia 1 Stück; 16) Junia 3 Stück; vielleicht seihst an die k. k. Central -Commission Bericht
17) Licinia 1 St.; 18) Manlia 1 St.; 19) Martia 1 Stück: abstatten dürfte. Aus einigen seiner Mittheilungen erfahre
20) Plaetoria 3 Stück in zwei verschiedenen Prägen:
21) Poblicia 1 St.; 22) Tituria 1 St.: 23) Vibia 2 Stück:
24) Volteia 1 Stück.
Was zweitens die Münzen der Cäsaren betrifft, so sind
von denselben 9 Gattungen, nämlich: 1) vom Octavianus
Augustus 2 Stücke; 2) vom Tiberius Nero und dessen Bruder einen 1 '/V tiefen,unter der Erde mit schonen, breiten Back-
Germanicus 1 Stück, welches als sehr schälzenswerth he- steinen gepflasterten und mit rohen Bruchsteinen eingefassten
Gang entdeckt, welchen er 120 Schritte verfolgte und der
, ... . . angeblich in weiterer Ausdehnung noch lausende von Klaf-
') Mit verschiedenen Ivpen : Jam Caput bifrons et barbatera s Caput Cervis D
spicis coronatum. lern betragen möge. Die weitere Ausgrabung wurde jedoch
ich. dass er von dein zwischen Galt und lleviz gelegenen
bekannten römischen Castrum in ostnördlicher Richtung
180 Schritte entfernt, viele auf einen daselbst gewesenen
Begräbnissplatz deutende Bruchstücke von Urnen und Grab-
gefässen gefunden; (122 Schritte w eiter in derselben Richtung
154
durch die Bestellung des Ackerfeldes, womit die Eigenthümer
an diesem Platze der archäologischen Forschung beschäftigt
waren, für diessmal verhindert. Die schwarzen und stark
gebrannten Blauerziegel haben die regelmässige Quadratform,
deren eine Seite 14 bis 15" und deren Dicke 3" misst. Sie
erscheinen meistens gestempelt mit ZAGA oder SAGA, der
erste Buchstabe ist in keinem Abdrucke ganz deutlich. Auch
wurden nebst vielen Bruchstücken von Gefässen ungewöhn-
lich grosse Dachziegel von 20" Länge und 14 Breite aus-
gegraben, welche entweder denselben Stempel oder mit der
Hand und den Fingern in die weiche Thonmasse eingedruckte
Kreise, Kreuz-und Parallellinien, ;ds Verzierung, wahrnehmen
lassen. Der Gang oder Fusssteig nimmt seine mit Backsteinen
gepflasterte Richtung, nach etwa 3üO Schritt entfernten
nassen, versumpften Plätzen, wo, nach Ansicht des Conser-
vators, der hier mit Fleiss angelegte Gang zu den Thermen
geführt bähen soll. Reiche Quellen triebaren Wassers spru-
deln auf der entgegengesetzten Seite näher am Altflusse etwa
'270 Schritt nordwestlich vom Castrum. Im Orte Heviz selbst
fand der Conservator auf dem Hofraume des Grafen Her-
zen/ei den bereits schon vom lütter Neigebaur in seinem
„Dacien" erwähnten 3'/.,' Indien 2 y2' breiten und 6" dicken
Sandstein, welcher höchst wahrscheinlich von der bei Galt
über den Altlluss führenden und gebauet gewesenen Brücke
herrührt, dessen Inschrift, nach dreimaligem Waschen mit
einer Bürste, ziemlich deutlich hervortrat, deutlicher und
vollständiger als Neigebaur dieselbe gegeben, und. wie hier
unten folgt, sich jetzt darbietet:
MC KUMYS
A?G PO.VEM
EREX SVMPTBCL
GAL . .N Ml» .
Einen ziemlich schön geinnuten grossen Altar von
Sandstein, 4 2" hoch, 2' 3 breit und %' 3 dick, mit dem
kleinen Reste seiner in sechs Zeilen bestandenen, aber jetzt
beinahe erloschenen Inschrift, habe ich bei meiner eiligen
Dundireise von Ki stadt nach Schässburg im Edelhofe des
Grafen Kaluaki zu Heviz abgezeichnet Der Altar stellt
Indien einem Hadbrunnen unter freiem Himmel und bat die
hier folgenden noch kennbar erhaltenen Werte:
EXAF
VSL ....
Aus dem nämlichen Functionsbezirke übersendete mir
der genannte k. k. Conservator eine Anzahl daselbst und in
der Umgegend zerstreut gefundener und von Privaten ge-
sammelter antiker Münzen zur Besichtigung und Untersu-
chung, eb darunter nicht etwa eine seltene zur Aufhebung
für das k. k. Münz- und Antiken-t'abinet geeignete sei? Sie
bestehen in 44 Exemplaren römischer Kaiser-, 3 Consular-
Müuzen und aus dem Bruchstück einer griechischen Münze.
Darunter ist keim' seltene. Die wenigsten stammen aus der
frühern blühenden Kaiserzeit, die meisten aus der spätem
Periode, dem Verfalle des römischen Reiches und byzanti-
nischen Herrschern angehörig.
Aullallend ist es. dass in allen Theilen Siebenbürgens
nicht nur lange vor der Eroberung Daciens durch Trajau
bereits 4 — T Jahrhundert vor Chr. G. geprägte Autonom-
münzen vnu den griechischen Städten des illyrischenKüsten-
reiebes und von den Inseln des ionischen Meeres vorkommen,
sondern auch lange nach dvr Preisgebung Daciens durch
den Kaiser Aurelian. selbst aus der spätesten byzantinischen
Kaiserzeit und des oströmischen Reiches Münzen von
schlechtem Gehall und Kunstwerth ungemein häufig gefun-
den werden. Daraus lässt sich mit ziemlicher Sicherheit
schliessen, dass der Verkehr Daciens mit den illyrischen
Hafenstädten Dyrrhachium und Apollonia, und von da ab-
wärts mit den Inseln Kork) ra . Thasus u. m. a. sehr
frühe schon, und dann aber auch viel später mil Byzanz, au
den Küsten des l'onlus eiixiuus 1 an den Isterufern herauf.
stattfand, wozu unstreitig die reichen edlen Erze im Herzen
des alten Goldlaudes reizten und Anlass gaben. Einen Beweis
besonders für den spätem orientalischen Verkehr liefern
zum Theil auch die Münzen, deren Beschreibung im .Nach-
folgenden gegeben w ird :
Vorderseite.
Rückseite.
Anmerkung.
1. Kopf Mithradatcs des Grossen?
2 Doppelkopf <l«-s unbürtigen Janus; zwi-
schen F iind *.
:;. Kopf der gehelmten Pallas, rückwärts °.
\. VRRS ROM Vgehelmter Kopf der Roma.
5. Tl. CLAVDIVS CAESAR AVG. 1'. M.
TR. I'- IMP. PP. Kopf des Tinei-ins.
BA2IAESZ MlOPAAATOT.Adler mit dem
Kranz im Schnabel.
Silbernes Bruchstück. Mithradatcs König in
1'.. niiis 1 t:\ — lii:! vor Chr. Geb.
Silberne Consularmünze aus der römischen
Republik.
Silberne Consularmünze aus der römischen
Republik.
Bronze. Vus der Zeit Constantin d. Grossen.
Bronze von 1. Grösse. 10 Jahre nach Christi
i.. inii'i.
C. FONT. ROMA. Dreiruder mil rudernder
Mannschaft.
Q. CVRT. ROMA. Die Siegesgöttin im Vier-
gespann.
Wölfin den Romulus und I!'1 s säugend.
Oben zwei Sterne, ( astor und Pollui
vorstellend, unten : ESTS.
LIREIiT\S \\i.\sl \ Eine stehende Fi.
gur mil ausgestreckten Händen, in der
Mitlo: s. C.
— 155 —
Vorderseite.
6. IMP. CAES. VESPAS. AVG. TU. P. COS.
III. Kopf Vespasians belorbeert.
7. IMP. TITVS VESP. AYG. P. M. Tl{. P.
COS. . . Kopf mit <lcr Strahlenkrone.
8. IMP. CAES. NERVA. TRAIAN. AVG.
GERM. P. M. Trajans Kopf.
9. IMP. NERVA TRAIANVS AVG. GER.
DACICVS. Trajans belorbeerter Kopf.
iO. IMP. TRA1ANO AVG. GER. DAC. P. M.
TRP. COS. VI. P. P. Kopf des Trajan
mit Lorbeern bekränzt.
11. HADRIANVS AVG. COS. III. Kopf des
Kaisers mit dem Lorbeer.
12. HADRIANVS AGVSTVS. Haupt des Kai-
sers mit dem Lorbeerkränze.
13. Ähnlieb.
14. AVRELIVS CAESAR AVG. P. II. F. COS.
II. Marc. Aureis Kopf.
15. LVCILLAE. AVG. M. ANTONINI F.
Kopf der Lucilla.
16. LVCILLA AVGVSTA. Kopf der Lucilla.
17. IVLIA AVGVSTA. Kopf der Julia Domna.
Gattin des Sept. Severus.
18. MAXIMINVS PIVS AVG. GERM. Belor-
beerter Kopf des Kaisers.
19. IMP. GORDIANVS PIVS FEL. AVG.
Belorbeerter Kopf Gordians III.
20. IMP. M. 1. PHILIPPVS AVG. Kopf des
alteren Philippus belorbeert.
21. IMP. PHILIPPVS AVG. Belorbeerter Kopf
des jüngeren Philippus.
22. GALLIENVS AVG. Haupt des Gallienus
mit der Strahlenkrone.
23. PROBVS P.F. AVG. Kopf mit der Strah-
lenkrone.
24. IMP. CC. VAL. DIOCLETIANVS P. P.
AVG. Haupt Diocletians mit dem Lor-
beerkranze.
25. MAXIMINVS NOB. CAES. Das Haupt
Maximins mit dem Lorbeer.
Rückseite.
Anmerkung.
FORTVNAE REDVC1. S.C. Fortuna stehend,
in der Reeliten das Steuer, in der Linken
das Füllhorn.
AEQVITAS AYGVST. Die Gerechtigkeit
stellend, in der Rechten die Wage, in der
Linken die Lanzen.
abgeschliffen.
SPQR. OPTIMO PRINCIPI. Trajan zu Ross
mit der rechten Hand die Lanze auf den
unterliegenden Dacier werfend.
ARAB. ADOVIS. S. P.Q.R. OPTIMO PRIN-
CIPI. Weibliche Figur, in der Hand einen
Zweig, in der linken ein Rohr, unten der
Vogel Strauss.
FELICITAS AVGVSTI. Felicitas sitzend, in
der Rechten eine Schale haltend.
SALVS AVGVSTI COS. III. S. C. stehende
weibl. Figur labet aus der Schale eine
vom Altar sich aufrichtende Schlange.
CONCORDIA. S.C. Concordia.in der rech-
ten Hand die Schale, in der linken das
Füllhorn.
VENVS S. C. Die Göttin, eine Victoria in
der rechten Hand,, in der linken eine
Lanze.
PIETAS. Pietas stehend vor dem Dämmen-
den Altar, die Rechte ausgestreckt, die
Linke mit dem Rauchfasse.
IVNO. Die Göttin stehend, in der rechten
Hand eine Schale, in der linken . . .
SALVS AVGVSTI. S. C. Salus sitzend, mit
der rechten Hand aus der Schale eine
vom Altar sieh aufrichtende Schlange
labend.
VICTORIA AETER S. C. Victoria stehend,
in der Rechten einen Schild, in der Lin-
ken einen Palmenzweig. Auf der Erde
sitzt ein Gefangener.
PROVINCIADACIA AN. I. Dacia stehend
zwischen dem Adler und Löwen, in der
rechten Hand ein gekrümmtes Sehwert,
in der linken die Fahne, worauf: D. F.
PAX AETERNA S. C. Sitzende Figur. In der
rechten Hand einen Palmzweig, in der lin-
ken die Lanze.
APOLLINI CONSER. Ein Ccntaur.
MARTI PACIF. Mars schreitend, in der rech-
ten Hand einen Zweig, in der linken Lanze
und Schild, unten P. Q. R.
GENIO POPVLI ROMANI. Genius stehend,
In der rechten Hand die Schale, in der
linken das Füllhorn, worunter: II T lt.
SACRA MONET. AVGG. CAESS NOSTR.
Weibl. Figur stehend, in der rechten
Rand die Wage, in der linken das Füll-
horn, luden : A. P.
Br. 2. Grösse. 70 Jahre nach Chr. G.
Br. 2. Grösse. Vom Jahre 79 nach Chr. G.
Br. 2. Grösse. Vom Jahre 98 nach Chr. G.
Br. 2. 104-110 nach Chr. G.
Br. 1. Grösse. 112-113 nach Chr.G.
Br. 1. Crosse. 119—138 vom Jahre Chr.
Br. 2. Grösse. 119—138 vom Jahre Chr.
Br. 2. Grösse. 144 nach Chr.
Br. 1. Grösse. 169 nach Chr.
Br. 2. Grösse. 169 nach Chr.
Br. 3. Grösse. 21 1 nach Chr.
Br. 1. Grösse. 237 nach Chr.
Br. 1. Grösse. 244 nach Chr.
Br. 1. Grösse. 249 nach Chr.
Br. 1. Grösse. 249 nach Chr.
Br. 3. Grösse. 239 nach Chr.
Br. 3. Grösse. 281 nach Chr.
Br. 2. Grösse. 305 nach Chr.
— laß
Vorderseite.
Rückseite.
Anmerkung.
20. IUI'. C. M.A. MAXLMINNS 1'. F. \U\.
GENIO POPVL1 ROMANI. Genius stellend.
Ifr. 2. Grösse. 303 nach Chr.
Haupt mit dein Lorbeerkränze.
in der rechten Hand die Schalet in der
linken das Füllhorn.
27. COSTANTINVS NOB CAES. (Vulgo
SAC. Mi IN. VRB AVGG. CAESS. N. N.
Br. 3. Grösse. 303 nach Chr.
Chlorus). Haupt des Chlorus mit dem
Moneta stellend, in der Rechten die
Lorbeerkranze.
Wage, in der Linken das Füllhorn Ii. T.
28. IMP. CONSTANTINVS AVG. Constanti-
SOLI INVICTO COMITI. Sol stehend, die
Hr. 3. Grösse. 313 nach Chr.
nus Haupt mit dem Lorbeerkränze.
Rechte erhebend, in der Linken eine Kugel
haltend. Im Felde H. S. unten: P. L. C.
29. CONSTANTINVS AVG. Haupt belorb.
PR0V1DENTIAE AVG. Prätoriura l). N.
Rr. 3. Grösse. 320 nach Chr.
30. Ähnlich.
CONSTANTIN1 MAX. AVG. VOT. XX im
Lorbeerkranz.
Br. 3. Grösse. 320 nach Chr.
31. CONSTANTINVS [VN. N. C. Haupt mit
GLORIA EXERCITVS. Zwei militärische
Br. 3. Grösse. 320—337 nach Chr.
dem Lorbeerkranze.
Figuren stehend mit der Lanze, inmitten
eine Fahne, unten: S. M. S. P.
32. FLIVL GONSTANTINVS. NOB. CAES.
Lorbeerkranz, in welchem VOT. XX.
Br. 3. Crosse. 337-301 nach Chr.
Kopf mit der Strableokrone.
33. 1). N. CONSTANTIVS IJ. F. AVG. Kopf
CONCORDIA M1LITV.M. Ein Krieger im
Br. 3. Grösse. 361 nach Chr.
mit Diadem 1 Perlen, zurück: A.
Waffenrock stehend, in der rechten und
linken Hand Fahnen haltend mit dem
Zeichen des Kreuzes, im .Mittelfeld III.
unten : ASIS.
:U. Ähnlich.
FEL TF..MP REPARATIO. Ein Legionär
durchbohrt mit der Lanze einen feind-
lichen Heiter, unten: S. M. N. A.
Rr. 3. Grösse. 301 nach Chr.
35. D. N. FLCL. [VLIANVS. P. F. AVG. mit
VOT. MVLT. XX im Lorheerkranze, unten:
Br. 3. Crosse. 303 nach Chr.
gehelmtem Haupte.
SIRM.
36. D. X. IOVIANVS. I'. F. AVG. Des Kai-
VOT. .MVLT. X. unten: AS1SC.
Br. 3. Grösse. 304 nach Chr.
sers Haupt mit Diadem aus Perlen.
37.1». N. VALENTINIANVS. 1>. F. AVG.
GLORIA ROMANOROM. Legionär im Waf-
Br. 3. Grösse.
Valentinians des älteren Haupt mit dem
fenrock, in der linken Hand die Fahne, mit
Diadem von Perlen.
dem .Monogramm Christ, schlepp! einen
auf die Knie gestürzten Gefangenen an
den Haaren mit sieb. Mittelfeld: S. 1».
unten: BSISC.
38. Ähnlich.
SECVRITAS REIPVBLICAE. Siegesgöttin
schreitend mit ausgestreckter rechten
Hand, in der linken einen Palmzweig; im
im Felde P. II. unten: ASIST.
Rr. 3. Grösse. 304 303 nach Chr.
39. ähnlich, fasl dieselbe Präge.
40. Ii N. VALENTINIANVS 1VN. P. F. \\ G.
SECVRITAS REIPVBLICAE. Die Victoria
Rr. 3. Grösse. 373—302 nach Chr.
Kopf mit Diadem von Perlen.
Vorwurfs schreitend.
11. D. N. GRATIANVS P. F. AVG. Kopf mit
GLORIA ROM VNORVM. Der Imperator im
Br. 3. Crosse. 292 nach Chr.
Diadem von Perlen.
\\ affenrock, in der linken Hand eine Stan-
darte, worauf das Monogramm Christi, mit
der rechten Hand einen Gefangenen an
den Ilaaren nach sich ziehend : im Mittel-
felde: R. P. unten: ASISCA.
12. lt. N. THEODOSIVS P. F. AVG. Kopf
VOT. \ MVLT. X\ im Lorbeerkranz.
Br. 3. Crosse. 3711-303 nach Chr.
mit dem Diadem m>u Perlen.
43. Ähnlich.
VICToRIA AVGG. Die Siegesgöttin schrei-
Rr. 3 Crosse.
14. D V UtCADIVS P. F. AVG. Kopf mit
tend.
VIRTVS EXERCITVS. Der Imperator, in
Diadem von Perlen.
der rechten Hand die l anze, in der linken
das Schild haltend, wird ioii der Sie
göltin gekrönt.
15. D. Y MW nie. N.P.AVG. Brustbild des
INNO K. Wf Oben: f unten: P.
Hr. 2 Grösse. S82 602 nach Chr.
Kaisers, in der Rechten die bekreuzte
Wellkugel, in der linken Hand dasScep-
ter iini dem Adler.
— 157 —
Drei von den mir überschickten Münzen konnten nicht
regelrecht beschrieben werden. Die erste war ein verschlif-
fenes 5 Soldistück von Andreas, dem venet. Dogen , und die
zwei andern zeigen bloss das Bild MarcAurel's mit unleser-
licher Aufschrift. Übrigens sind mehrere von den oben be-
schriebenen alten Münzen dergestalt abgenützt und verwischt,
dass dieselben bloss von einem geübten Auge und durch
Vergleich mit besser erhalteneu von demselben Stempel ent-
ziffert und gelesen werden konnten.
Nach dem am 25. August erfolgten Schlüsse der diess-
jährigen General-Versammlung des Vereines für siebenbür-
gische Landeskunde zu Kronstadt, kehrten wir auf weniger
befahrenen Umwegen wieder nach Hause zurück, bei welcher
Gelegenheit wir auch Malmkrog berührten, einen Ort, den
man wegen des schönen Apathischen Denkmals von jeher
gerne besuchte. Ich kannte dasselbe bereits seit früheren
Tagen, hörte aber, dass es im verhängnissvollen Rebellen-
tumult (1848 und 1849) sehr gelitten. Um mich davon zu
überzeugen, fuhren wir hin, kamen spät an und mussten in
Malmkrog übernachten. Am Morgen gingen wir in die evan-
gelische Kirche, bis wir den Schlüssel von der Capelle des
Apaftischen Grabmals aus der gräflich Betblen'schen Familie
erhielten. Ausgezeichnet fanden wir in der evangelischen
Kirche die mit reich vergoldeter Umfassung zierlich ge-
schmückten Gemälde der Flügelthüren des Altars. In der-
selben Manier angefertigte Altarblätter in Ol sieht man häutig
in unsern protestant. Kirchen Siebenbürgens, nicht nach ihrem
Werthe besorgt und geachtet; sie stammen wahrscheinlich
aus dem XV. und Anfang des XVI. Jahrhundert, wenigstens
die meisten, von inländischen deutschen Künstlern, und zeigen
von hoher Kunstfertigkeit und einem geläutertem Geschmacke.
Diese Altargemälde unserer Kirchen verdienten wohl eine
genauere Erforschung und Beschreibung, bevor sie noch
ganz verdorben, beseitigt und neueren, denselben an Kmist-
werth weit nachstehenden, Platz machen müssen. Die
Frescomalereien aus der Passionsgeschichte des Heilandes
an den Chorwänden dieser Kirche stehen dem Altarkunst-
werke an Werth weit nach.
Von der erhaben liegenden evangelischen Kirche stiegen
wir auf die entgegengesetzte Anhöhe bis zur Capelle, mit
dem schönen, von seiner Gemahlin, gebornen P et ky. ihrem
1634 verstorbenen Gatten, Georg Apaff i, dem Vater des
Fürsten Michael Apaffi I. errichteten Monumente, unstreitig
dem kostbarsten im ganzen Laude, einen grossen Sarko-
phag von grauem Marmor vorstellend, aufweichen) Georg
Apaffi in Lebensgrösse und voller Rüstung liegend, ruhet;
ihn umgeben kunstvolle Arabesken und sinnbildliche Figuren
mit seinem Famüienwappen, halb erhaben, ausgehauen. An
den vier Seiten des Sarkophages sieht man eine Menge an-
gebrachter Inschriften. Eine der Seiten stellt G. Apaffi's
drei Knaben, der eine todt, und die zwei andern um ihn
kniend dar. Diese sind mit dem Vater hier begraben worden.
Jede Ecke des Denkmals hat eine ausgehauene, symbolische
Statuette. Auch <J. Apaffi's Gemahlin, welche dieses Mo-
nument errichten lioss, liegt hier begraben.
Der Anfertiger dieses plastischen Kunstwerkes, Flias
Nikolai, war ein llennannstädter Bildhauer (Andere halten
ihn für einen Schässburger), welcher, ein Autodidakt, ohne
vorausgegangene Erlernung der Regeln der Kunst, sich zu
solcher Meisterschaft emporgeschwungen, und ein Werk
darstellte, welches der damaligen Zeit nach, in jeder Hinsicht
schon und vortrefflich genannt werden kann. Derselbe Bild-
hauer Elias Nikolai soll auch etliche Grabsteine der Su-
perintendenten zu Iiirthälni. /.. I!. Georg Theilesius, Chri-
stian Barth und Lucas Hermann, angefertigt haben.
Aber, wie schändlich hat der wahnwitzig-tolle Rebellen-
sturm auch hier gehaust und seine Zorstörungssiichl ausge-
übt! Eine beklagenswürdige Misshandlung und Verstümm-
lung hat dieses schöne, einzige Denkmal unseres Vaterlandes
von dem neuen Vandalismus erlitten. Mit eisernen Werk-
zeugen und Lanzenspitzen wurden au der Hauptfigur Nase,
Bart, die Hand mit dem Schwertgriff zertrümmert, allen
Statuetten und Figuren am Sarkophage die Köpfe und Hände
u. s. w. beschädigt oder weggeschlagen. Mit Indignation
und gerechtem Schmerze verliessen wir das Apaffi'sche
Grab-Deuktnal in Malmkrog.
In einem Gymnasial-Programm (Annales Gymnasii Gr.
Cathol. maioris Blasiensis pro anno Scholast. MDCCCLY etc.),
welches der Canonicus und Gymnasii Director, Tim. Cipa-
riu, herausgegeben, enthält gleich die Bückseite des Titel-
blattes die Abschrift von römischen Cerattafeln aus einer alten
Römer-Goldgrube nächst Abrudbänya herstammend, welche
der griecbiscb-iinirte Herr Bischof, vom A. Diacon. Simeon
Baliut erhalten, an das dortige Gymnasium übergab. Sie be-
stehen aus zwei lichteneu noch sehr gut conservirten Blättern.
Das Büchlein enthält einen Kaufvertrag in doppelter Ab-
schrift, dessen zweite Abschrift wegen des fehlenden Blattes
nicht ganz ist. Die Form der Buchstaben ist die römische
Cursivschrift und gleicht jener auf den Wachstafeln, welche
daselbst gefunden und J. F. Massmann in seinem Libellus
aurarius herausgegeben hat. jedoch viel eleganter und mehr
complicirt.
Eine genaue Beschreibung mit den auf diesen Tafeln
verborgenen Sinn verspricht Herr Cipariu vielleicht ein
andersmal geben zu können und zu wollen. Der Text vmi
zwei Blättern wurde in nachfolgender Weise angegeben:
ÜASIVS BREVCVS EM1T MANCIPIOQVE V.CCEPIT
PVERVM APALAVSTVM SIVE IS QVO AI. 10 NOMINE
EST NE. GRECVM APOCATVM PRO VM IN n\ \i;\n
X(-)C DE BELLICO ALEXANDRI FR. M. VIBIO LONGO
K\ M PVERVM ANNVM TRADITVM M. MVRTIANO IDQVE
SOLVTVM ERRONEM FVGITIVM CADVCV M NON ESSE
PRESTARI ET SIQVIS EVM PVERVM QDR
PARTEMVE QVaM QVIS EX EO EVICERIT Q. \l.
EMPTOREM S. S. EVMVE AD Q.EA RES PERTINEBIT
Vit FRVI HABERE POSSIDEREQ LICEReT
TVNC QVANTVM II» ERIT QVOD ITA EX EO EVIC
TUM FVERIT
!1
lös
TP PRO l'i: DAS1VS BREVCVS DFP
BELLICVS ALEXANDR1 1 1» FIDE SVA ESSE
[VSS1 1 \n:i\s LONGVS
PROQVE EO PVERO Q. S. S. EST PRETIVM
EIVS X6C ACCEPfSSE ET HABERE SE 1UX1T
BELLICVS ALEXANDRI AB DASIO BREVCO
ACT KARIABLEG MUS XVII KAI. IVNIAS
HVFINO ET QVADRATO COS
Monitum ad Tabulas ceratas.
Linea 4 et HJ. literae X8C tantura ob defectum typo-
i'init ita redditae sunt, in originali enim duae priores videntur
esse XD, Linea transversali conjunctae, atque denarios DC
denotare.
Linea vero penultima loco S in origine esl litera ad
formam G proxime accedens, atque GEM1NA significare
\ idetur.
Nach meiner brieflichen Aufforderung, um einige nähere
Auskunft und Angaben über diese Wachstafeln und das Auf-
finden derselben, erklärte der Besitzer, dass er über den
bezüglichen Fund erst selbst noch einen umständlichen Be-
richt vini dem Spender erwarte . welchen er sodann sowohl
der k. k. Central-Commission in Wien als auch mir nüt/.u-
theilen gedenke, und er beschränke sich daher einstweilen
nur zu melden, dass er so glücklich gewesen, auch das
letzte vermisste Schreibtäfelchen der fraglichen Cerattafeln
zu erhalten, wodurch er in den Stand gesetztsei, den letzten
Tlieil des Inhaltes besser zu verstehen, indem mehrere
Wörter, die im ersten Texte nur mit einzelnen Buchstaben
bezeichnet, hier vollständig geschrieben wurden wären: auch
sei er so glücklich gcwe-.cn. noch luvte Bruchstücke von
Wachstafeln zu erhalten, die aber leider sämmtlicb last er-
loschen; drei Stücke davon machten ein vollständiges Exem-
plar, die übrigen aber bildeten nur Überreste von vier andern
Exemplaren, deren eines wahrscheinlich nur aus einem Täfel-
chen bestanden und mit grossen schönen Uncial-Buchstaben
beschrieben gewesen. Da hievon nur die eine Hälfte vor-
handen sei. SO könnte man nur noch folgende Werte lesen:
ERAN1 II P
)MMiVA\
Die anderen Tafeln aber wären alle mit der bekannten
römischen Cursivschrift bezeichnet.
Da nun Herr Tim. Cipariu, wie derselbe sich in
einem freundschaftlichen Schreiben an mich ausdrückt, mit
der Zeit alle diese Tafeln mit einem Commentar herauszugeben
gedenkt , so muss mau wohl diese Herausgabe geduldig
abwarten.
Auf mein früher vorausgegangenes freundschaftliches
Ansuchen, erhielt ich durch die Güte des Bistrilzer Stadt-
pfarrers und k. k. Conservators , Herrn Traugott Müller.
über die dortigen altdeutschen Burgen, mit dem Versprechen
in der Folge auch das damit verbundene Geschichtliche und
Sagenhafte derselben nachtragen zu wollen, folgende Nach-
richten : dass 1 ) bei Bistrilz. '2 ) bei Ungersdorf, 3) bei Szeret-
falva (Beussen) das Schloss Balvanos, 4) bei Ida, 5) bei
Passbusch und 6) bei Burghallen, mit entschiedener Gewiss-
heit, alte Burgen gestanden haben, deren einmal stallgefun-
denes Dasein die noch sichtbaren Ruinen beweisen. Zweifel-
haft aber bleibt es. ob Mettersdorf und Waltersdorf auf ihren
sogenannten „Burgbergen auch wirklich Burgen oder hlos^
Wachtthürme gehabt haben?"
Mit dieser Gelegenheit wurden noch angezeigt zwei
Fundstücke von minderer Wichtigkeit. Eine bei Fiddvär im
Frühjahre etwa ;> tief in der Erde auf einem Hügel in Ver-
bindung mit einem runden steinernen Streitkolben entdeckte
kupferne Streitaxt wurde dein evangelischeu Gymnasium in
Bistritz vom Conservator offerirt.
Den steinernen Streitkolben betrachtet der superstitiöse
walachische Finder als vermeintlichen Talisman und will
denselben um keinen Preis verabfolgen lassen. Ich habe den
Herrn k. k. Conservator um flüchtige Abzeichnungen der
zwei letztgenannten Fundstücke ersucht.
Notizen,
4l>. (Die evangelische Kirche zu Herrn au u-
s iiiili in Siebenbürgen.) *) Als zu Anfang des XV. Jahr-
hunderts die in Hermannstadt bestandenen vier Capellen nicht
mehr zureichten, dem religiösen Bedürfnisse der Bevölkerung
zu genügen, fasste man den Plan, die ihrer günstigen Lage
nach am meisten geeignete und urkundlich schon vor dem
Jahre I ;!:>7 bestandene Mariencapelle in eine grössere Kirche
umzugestalten. Nach einem raschen Entschlüsse wurde im
1 » Mii Benützung der Broschüre : „Die Hauptktrche der ■ len Glau-
bensgenossen, Vugsburgischer Confession, in Hermannstadl Eine Fest-
ierlichen Wiedereröffnung des baulich hergestellten Gottes-
hauses am ersten Pfingstfeste 1855 nach zweijähriger l uterbrechung des
Gottesdienstes. Verfassl ion .1. l.. Neugeboren. Montagprediger an
llauplkirche." Hermannstadl I8SS.
Jahre 14i!l der Grund zur jetzigen Pfarrkirche gelegt und
in den Neubau die Capelle der heiligen Jungfrau Maria der-
gestalt eingeschlossen, dass dieselbe durch Abtragung der
westlichen Mauer das Presbyterium der erweiterten Kirche
wurde. Au der nördlichen Seile der Capelle wurde die neue
Sacristei angebaut, da die alle auf der südlichen Seile den
veränderten religiösen Bedürfnissen nicht genügte. Vollendet
wurde iinless der ganze Ball der Kirche erst nach einer
Reihe von 4li Jahren, so dass ersl im Jahre 1471 die Ein-
weihung der Kirche und zwar unter demselben .Namen, den
die Capelle geführt halte, vorgenommen wer. len k le.
I in den in seinem Unterbau schwachen Thurra zu stützen,
winde durch die Munilicenz eines Bischofs zu Ende des
159 —
XV. Jahrhunderts an der Westseite des Domes noch ein
Zubau — die sogenannte neue Kirche — gemacht, so dass
der Dom erst seit dein Anfange des XVI. Jahrhunderts die
äussere Form besitzt, in welcher man ihn noch gegenwärtig
erblickt.
Der Styl der Kirche ist der gothische und die Ausfüh-
rung des Baues kann zierlieh genannt werden. Die Länge
des ganzen Gebäudes betrügt 234 W. Fuss, wovon 58 Fuss
auf das Presbyterium, 25 Fuss auf das Kreuz, 75 Fuss auf
das Mittelschiff, 3G Fuss auf den Unterbau des Thurmes
und der Rest von 40 Fuss auf die neue Kirche kommen. In der
Breite dagegen misst die Kirche 78 W. F., wovon 3(5 auf das
Mittelschiff und 21 auf jedes der Nebenschiffe kommen, wobei
noch zu erwähnen ist, dass der nördliche Flügel des Kreuzes
um 16 Fuss noch hinausreicht. Der Bau erhebt sich etwa bis
zu 55 oder 56 Fuss über den Boden des Friedhofes, worauf
derselbe geführt wurde, und er wird, die Pfeiler au dem
Presbyterium und an der Sacristei mit eingerechnet, von
21 höheren und 12 niederen Strebepfeilern zusammenge-
halten, von welchen die ersteren in Folge ihrer bedeutenden
Höhe ein sehr schlankes Ansehen haben. Ein imposantes
Dach auf der Südseite mit sieben Giebeln vollendet das
Ganze. Die südliche Seite des Domes ist der vorwiegend
interessantere Theil desselben. Hier erheben sich über den
Mauern zwischen den schlanken Strebepfeilern des Schiffes
als Sinnbild einer der sieben vereinigten sächsischen Städte
oder, wie Andere wollen, als Sinnbild der sieben vereinigten
sächsischen Stühle, an deren Spitze Hermannstadt stand,
sieben Giebelmauern, welche mit steinerneu Kreuzblumen
geziert waren. An dieser Seite ist die oben erwähnte sehr
schöne, aus Quadern erbaute Halle über dem Eingänge, deren
Mauerwerk die Höhe der Hauptmauer hat und mit zwei
grossen, tief herabreichenden Fenstern versehen war, die
aber später um ein Drittel vermauert wurden, um an der Süd-
seite der Halle eine Sonnenuhr anbringen zu können; hier
befindet sich das zierliche, an der Kirchenwand und einem
Strebepfeiler angelehnte Thürmchen mit der Wendeltreppe,
das oben um 10 F. höher als die Hauptmauer getrieben ist; hier
ist auch noch als Reliefbild der betende Heiland im Garten
Gethsemane; hier befindet sich endlich mich auf dem östli-
chen Strebepfeiler des Schiffes die Figur eines sitzenden
Hundes. Noch muss des schönen Laubwerkes über dem öst-
lichen Spitzbogen der Halle, der schönen Krone über den
Eingang und der verzierten und gekrönten Nischen in dem
sehr geschmackvoll ausgeführten Portale erwähnt werden.
Die Nordseite der Kirche bietet eine andere, bei Wei-
tem minder ansprechende Ansicht dar. Die nördliche Mauer
des Schiffes erhielt kaum die halbe Höhe, da über dem nörd-
lichen Seitenschiffe keine Gallerie angebracht worden war.
Auch die Halle der nördlichen Pforte, wenn gleich ebenfalls
von Quadern erbaut, erhielt weder die Höhe noch die Vollen-
dung der südlichen Halle, obgleich das steinerne Portal
nicht minder geschmackvoll ausgeführt ist als dort. An der
Westseite der Kirche ist ein Portal in dem edelsten Baustyle,
welches an Höhe jene beiden auf der Süd- und auf der Xoril-
seite übertrifft, und dessen sehr in Detail ausgeführte \ er-
zierungen leider stark gelitten haben. Von besonderer Schön-
heit sind an beiden Fenstern die Obertheile der Haupt-
fenster.
Was nun das Innere des Domes betrifft, so überrascht
dasselbe durch die Grösse und Kühnheit des Baues. Die
Kirche ist kreuzförmig angelegt und in drei Schilfe getheilt.
Das Mittelschiff wird durch zwei Beiheu von Pfeilern von
den beiden Seitenschiffen getrennt. Die Zahl der Pfeiler in
jeder Reibe ist sechs, die an der südlichen Seite in ihrem
oberen Theile freistehen und von denen die spitzen Haupt-
bögen bis zu einer Erhebung von 48 oder 4(J Fuss über dem
Fussboden der Kirche hinaufreichen. Die Seitenschiffe bilden
Arcaden vuu etwa 20 Fuss Höhe und über dem südlichen
Seitenschiffe erhebt sich eine geräumige Gallerie. die sieh
bis über die Halle ausdehnt und vormals ununterbrochen bis
an das westliche Ende der neuen Kirche reichte, gegenwärtig
aber an dem Tbunue durch eine Mauer in eine östliche und
eine westliche Hälfte getheilt wird. An der nördlichen Seite
unterliess man es. die Gallerie aufzuführen, wahrscheinlich
weil der Ausbau zu kostspielig gewesen sein würde.
In Bezug auf die Ausschmückung der Kirche ist ZU
erwähnen, dass ausser dem Hauptaltare im östlichen Theile
des Presbyteriums nicht weniger als 24 Yotivaltäre vor-
handen waren. Die nördliche Wund der Presbyterismus über
dem Eingänge zur Sacristei wurde durch ein grosses Wand-
gemälde, das die Kreuzigung des Heilandes darstellt, geziert.
Johannes Rozenäw beendigte dasselbe im Jahre 1445. also
noch vor der Vollendung des angefangenen Neubaues.
Ebenso stammt das schöne eherne Taufbecken aus dem
Jahre 1438. Auch Wandgemälde befanden sieh an den beiden
Wänden rechts und links vom Presbyterium, wie die an eini-
gen Stellen abgelöste Tünche den Beweis geliefert lr.it.
Eine bedeutende Umwandlung erfuhr jedoch das Innere
des Domes, als die Bevölkerung Hermannstadts zum prote-
stantischen Glauben übertrat. Nun wurde der Koni ZU einer
evangelischen Kirche umgestaltet, aus diesem Anlasse die
Nebenaltäre entfernt und nur der Hauptaltar mit dem Bild-
nisse des gekreuzigten Heilandes bis zum Jahre 1720 bei-
behalten. Überdiess wurden im Laufe der Jahrhunderte und
zwar gegen Ende des XVI. Jahrhunderts neue Chorstühle
von Eichenholz verfertigt und geschmackvoll, wenn gleich
nicht im Einklänge mit dem Baustyie der Kirche, verziert.
Im Jahre 1672 weihte man eine neue Orgel ein. 1684
WUrdeÖ neue Kirchenthüren verfertigt. 1679 eine kleinere
Orgel der Kirche zum Geschenke gemach! und 1720 der
früher bestandene Hauptaltar mit einem grossen, in vier
Felder abgetheilten neuen vertauscht.
Demjetzl lebenden Geschlechte der Hermannstädter evan-
gelischen Gemeinde blieb es vorbehalten, eine Hauptrepa-
ratur des im Laufe der Jahrhunderte schadhaft gewordenen
31'
160 —
Domes vorzunehmen. Zu diesem Behufe trat schon im
Jahre 1847 ein Verein zur inneren Verschönerung des
Gotteshauses zusammen. Nach jahrelanger Unterbrechung
wurden endlich im Jahre l8o'2 im Wege der Sammlung
6609 ll. zu diesem Zwecke aufgebracht. Her Frauenverein
stellte Ende des Jahres 1852 die Summe von 3560 B. zur
Verfügung, während schon früher einige patriotische Ge-
meindeglieder die Summe von 1800 II. 57 kr. offerirt hatten.
Im Jahre 1853 wurde mit den Reparaturen im Innern der
Kirche begonnen, jedoch Ende des Jahres 1854 erlitten
dieselben wieder eine Unterbrechung, nachdem die dispo-
niblen Gelder erschöpft waren. Im Jahre 1855 war mau
genöthigt eine neue Sammlung einzuleiten, um die seit zwei
Jahren geschlossene Kirche endlich eröffnen zu können.
47. (Alte Ho Izs chn-itz werke in der Pfarr-
kirche zu Hohenems). Hierüber liegl der k. k. Central-
Commission folgender Bericht i\i^ k. k. Conservators Kögl
in Bregenz (Vorarlberg) vor: „Das einst im Süden Deutseh-
lands sii berühmte Rittergeschlecht von Ems auf Hohenems
besass unterhalb seiner sehr hoch gelegenen Felsenburg
Alt-Eins1) einen grösseren Sitz oder Schloss zur Beschir-
mung des Strassenzuges, der Vorhof genannt.
Nachdem der teste Mann Ulrich von Ems dein Kaiser
Ludwig dem Bayer alle Rechte auf den Vorhof zu Ems im
Jahre 1 3;)0 aufgegeben . und als ein Lehen des Reiches
zurückempfangen hatte, erlaubte der Kaiser, den .Vorhof
erweiter id ihn mit Mauern und Grüben, umgehen zu
dürfen, auch räumte der Kaiser ihm und dem Flecken zu
Ems alle jene Rechte und Freiheiten ein. wie sie die Reichs-
stadt Lindau bereits geniesse.
Unfern dieses Vorhofes stand eine alte Capelle da, und
in dieser (und nicht in der Burgcapelle auf Alt -Ems) hatte
das Edelgeschlechl seine erbliche Begräbnissstätte.
Nachdem der Marktflecken Hohenems oder Ems um
das Jahr 1 4HS von der Mutterkirche in Lustenau ausge-
nfarrt worden, und eine eigene l'arochie erhallen hatte, SO
baute Graf Jakob Hannibal von Hohenems, ein Sohn Wolf
Dietrichens und Clara von .Medieis. als ein würdiger Neffe
der kunstliebenden Medicäer, an die Stelle der alten Capelle
im Jahre 1558 eine Pfarrkirche hin, die theils er seihst
noch, vorzüglich aber dessen mit Hortensia Borromea
erzeugter Sohn Kaspar prachtvoll ausschmückte. Kaspar
und seine erste Gemahlin El loraFreiin von Welsberg ver-
ehrten dem Gotteshause im Jahre 1595 zwei kostbare, -h
vorhandene Kelche mit Zugehör. Zur Aufbewahrung des
Cardinal-Hutes seines Onkels des heiligen Carolus Boro-
maus - Hess Kaspar ein kostbares Kästchen verfertigen.
Im Jahre 1604 stiftete Kaspar zur Pfarre in Hohenems eine
Aushilfe „und Frühmess" und eine Katecheten -Pfründe mit
1 1 Es ist wohl zu rken, dass a II hier nichl unser deutsches & 14 . sondern
das i anische a lto (hoch daher Hohenems) ist. daher die nun auch
erlosch« römische Linie cI>t Duchi ili v l Icmps oder \ I temsden Kamen
l; , . in
\ orbebalt des Patronatsrechtes. Im Mannsstamme erloschen
seine Nachkommen im Jahre I75it. Das heutige sehr schöne
Gotteshaus in Hohenems wurde im Jahre 1796 vollendet und
im Jahre 18(11! vom Weihbischofe in Konstanz. Ernst Maria
Ferdinand Grafen von Bis*singen-Nippenburg, zu Ehren obi-
gen Familien-Heiligen eonsecrirt. Aus der allen Pfarrkirche
übertrug man sehr kunstreich gearbeite Werke in
den neuen Tempel, die auf dem noch immer provisori-
schen Hochaltäre von ohen herab also zu schauen sind:
Christus, am Kreuze; die Verkündigung Marions: die
Geburt Jesu; die Krönung Mariens; die Anbetung und Opfe-
rung der Weisen.
Alle diese plastischen Darstellungen sind meisterhaft
aus Holz geformt, alter im kleinen Massstabe, daher sie nur
in der Nähe einen Kunstgenuss gewähren. Leider nahm
seither der Wurmfrass allenthalben so sehr überhand . dass
sie vor einigen Jahren schon mit Kreidefarbe übertüncht
werden mussten. Bei der vorletzten Darstellung bemerkt
man rechts und links die hölzernen übermeisselten Bildnisse
des Stifters und der Frau Stifterin mil ihren Wappen in gar
kleinem Massstabe. Würde man das sehr complicirte Wappen
der Gemahlin keimen, so wäre man dem Zeitpunkte der Ver-
fertigung dieser Bilder nahe. Auf dem Hochaltar erblickt
man auch das in Ol gemalte Bildniss des Kirchenpatrons, das
die Stelle eines Altarblattes zu vertreten scheint. Es soll
dieses nach einem Familien-Portraite , das die Grafen einst
im Palaste verwahrten, angefertigt wurden sein.
Ans der alten Pfarrkirche Wurde in das neue Gotteshaus
ferner übertragen, und zwar auf den vordersten Steinaltar
rechts:
|)ie allerheiligste Dreieinigkeit, und auf dem links die
Grablegung Christi. Beide Haupt-Reliefs (hocherhabene
Arbeiten) sind verhältnissmässig gross und ihrem Bestim-
mungsorte ganz angemessen. Sie .sind aus weissem Mergel-
schiefer gearbeitet und voller Kunst. Auf der letztge-
nannten Darstellung bemerkt man am Sarkophage Christi die
Jahrzahl 1610 und zu Unterst das Monogramm uX* das zu
entziffern ich nichl im Stande bin. Die Anfertigung beider
Stücke fällt demnach in die Regierungszeil des obgenannten
Grafen Kaspar.
Betrachte) mau auch die ins neue Gotteshaus über-
setzten Familiendenkmale, so dringt sich die Vermuthung
auf, Graf Kaspar dürfte hier eigene Bildhauer, wahrschein-
lich aus dem Vaterlande seiner Mutter, jahrelang beschäftig)
halten."
48. (Über ein merkwürdiges Crucifix in
Krisen), welches im byzantinischen Style gearbeitet ist,
legte der k. I. Conservator in Brixen, Herr Regens G. Tin k-
haus er, unterm 28. April folgenden Bericht der k. k. Central-
Commission vor : „Dieses Crucifix befand sich im Besitze
einer seil Jahrhiiinlerlen in Brixen ansässigen und eins) reich
begüterten Familie, und ist nicht sowohl wegen des Uters
161 —
als wegen der Zartheit und Feinheit der Arbeit von höch-
stem Interesse. Ich suchte es in meine Hände zu bringen, um
es Seiner kais. Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzher-
zoge Karl Ludwig zu präsentiren, von welchem ich angewie-
sen bin derlei Gegenstände zu sammeln und an die Kammer
einzusenden. Das Crucitix misst ohne die Handhabe, welche
eingesetzt und Weggenommen werden kann, 3l/2 Zoll in der
Höhe und 2'/4 Zoll in der Breite, d. i. in den Armen. Die
Vorder- und Rückseite ist vollständig mit sehr zartem Schnitz-
werk belegt, und der Kern des Stammes und der Arme aus-
gehöhlt, so dass durch die feinsten Öffnungen das Licht auf
beiden Seiten durchschimmert. Das Material besteht aus
Cornel-Kirschbaumholz (cornus mascula). Der Styl reprä-
sentirt den ausgeprägtesten Byzantinismus mit all' seinen aus-
getrockneten Figuren und Skeleten. Die Hauptvorstellung
ist auf jeder Seite von vier anderen umgeben, welche damit
in Verbindung stehen und wovon zwei in den Armen und
die anderen zu oberst und zu unterst im Stamme angebracht
sind. Die Vorderseite zeigt die Taufe Christi. Engel
schweben zur Seite des Heilands, oben öffnet sich der
Himmel beim Scheine des Regenbogens; es ist als ob die
Stimme des himmlichen Vaters herabtönen würde über
den eingebornen Sohn, der nun seine Sendung als Friedens-
fürst beginnen soll. In den Armen ist David, der König und
Prophet, rechts und ein anderer Phrophet links angebracht.
Die Bilder oben und unten im Stamme zeigen in jedem Felde
einen betenden Mönch. Oberhalb des Hauptbildes findet sich
auf einem Bande die kaum lesbare Inschrift: 1BAHTI-IS
(r, B«7rr!?!c). Auf der Kehrseite zeigt das Hauptfeld
Christum den Gekreuzigten, mit Maria und Johannes
und einer Menge des schaulustigen Volkes. Von den Neben-
feldern trägt das zur Rechten das Bildniss des Kaisers Con-
stantin, das zur Linken das Bildniss der Kaiserin Helena:
oben und unten im Stamme sind wieder betende Mönche an-
gebracht. Über dem Hauptbilde steht auf einem Bande die
Inschrift: HSPwSISIW (V, faupwfft? r8 [xfs«f8]).Deii Hinter-
grund bildet auf allen Feldern der beiden Seiten eine Reihe
von rundbogigen Fenstern und Afcaden, welche in drei Stock-
werken auf einander liegen und in regelmässiger Gliederung
mit Kuppeln schliessen. Weil der Kern von innen ausgehöhlt
ist, so schimmert, wie schon erwähnt, durch die engen Fenster
und Arcaden das Licht durch. Die Arbeit ist sehr fein und
mit grosser Sorgfalt durchgeführt. In allen Theilen ist der
Charakter byzantinischen Styles so vollkommen ausgeprägt,
ihiss man beim ersten Anblick ein mehr als tausend Jahr alles
Exemplar byzantinischer Kunst vermuthen möchte. Das
Crucifix dürfte aber kaum vor zwei hundert Jahren an-
gefertigt sein, da das Holz noch zu frisch und in der Farbe zu
gut erhalten ist, als dass es ein höheres Alter beanspruchen
könnte. Bekanntlich hat aber die byzantinische Kunst in der
griechischen Kirche sich bis jetzt immer mü bigotter Ängst-
lichkeit gleich erhalten. Ich vermuthe daher, dass dasselbe
aus slavischen Gegenden herstammt, wofür auch die Inschrift
spricht, «eiche rings um das Kreuz mit einzelneu und ver-
schlungenen Buchstaben läuft, die dem sogenannten Cyrilli-
schen Alphabete angehören und von mir nicht entziffert
werden konnten."
49. (Die neuesten altert hüm liehen Funde zu
Laibach.) Sollte rücksichtlich der Lage des alten Aemona
noch irgend ein Zweifel obwalten, so sind die unlängst auf
dem „deutschen Grunde" zu Laibach, an der Westseite der
altertümlichen Stadtmauerreste gemachten Funde ein Beweis
mehr zur Behebung des Zweifels. Herr Debeuz, dessen
Haus Nr. ST nächst der Triester Linie unmittelbar an die
„alte Mauer von Aemona" angebaut ist. hat im März iL .1.
auf seinem, rückwärts des Hauses gelegenen Terrain meh-
rere Erdarbeiten wegen Herstellung eines Gartens vor-
nehmen lassen, wobei auch ein Theil der alten Mauer
und Thurmreste aufgedeckt und tiefer ausgegraben wurde.
Hierbei hat man in der obern Schichte zu nächst viele
Reste von Kohlen angetroffen, was einen Beweis von ge-
waltsamer Zerstörung der alten Stadt, sei es im .1. i'.'t'l
durch Attila, oder später durch andere rohe Horden, zu lie-
fern geeignet ist. Die weiter aufgewühlten Mauerreste deu-
teten auf eine doppelte Zeitperiode des Baues:
denn während das aus runden Steinen mit viel Mörtel aufge-
führte Gemäuer der einstigen Thürme sich ganz zu Stein
verhärtet zeigte, bestanden die Zwischenmauern grössten-
teils aus Bruchsteinen, unter denen selbst ein abgebro-
chener Inschriftstein aufgefunden wurde. Dieser Umstand
dürfte zur Bestätigung der Nachricht dienen, dass die von
Attila zerstörten Stadtmauern von Aemona durch den grie-
chischen Exarchen Narses im Jahre 5S6 wieder aufgebaut
worden sind '). Bei tieferer Aufräumung des Schuttes kam
an der Aussenseite der Ringmauer eine Lage über einander
stehender behauener Steine zum Vorsehein. welche ganz das
Ansehen des obersten Mauerkranzes oder Mauergesimses
hatten, und Spuren von einstiger Verbindung mittelst eiser-
ner Klammer an sich trugen; sie scheinen in solcher Ver-
bindung vom obern Rande der Mauer herabgestürzt und
sich in Folge dessen senkrecht aufgestellt zu haben. Weiter-
hin wurde an der Ringmauer ein alles gemauertes und ge-
wölbtes Grab aufgedeckt, welches eine Klafter im Gevierte
hatte, und ein Menschen- und ein Pferdegerippe nebst Thrä-
nenfläschchen und Todtenumen und einer Goldkette enthielt.
Da nach älterer römischer Sitte die Leichen verbrannt « urden,
und sonst bei den Römern Lieblingsthiere nicht beigegeben
zu werden pflegten, so dürfte das besaute Gerippe irgend
einem, bei Aemona gefallenen Barbarenführer gehört haben,
dessen Leiche sainml der seines Streitrosses in einem altern
römischen Grabe beigesetzl «urden.
Her wichtigste Kund isi jedoch ausser verschiedenen
römischen Münzen, worunter eine vom Kaiser Trajanus,
nebst dem schon angeführten, noch ein zweiter Römerstein,
') Siehe hierüber mein ,. Aivl.h im- ilic l.ini.lo^vselucliU' von Kniin- ivtl l
s. 99, und II. 171 ip s r. — dann Linhurl I. 308.
[62
welcher zugleich den Namen Aemona enthält. Er wurde
in der Nähe der ersteren, jedoch entfernt vom vorbenannten
Grabe und an der Aussenseite der Mauer angelehnt gefunden,
ist am obern Ende mit einem Gesimse gekrönt, am untern
jedoch abgebrochen, und inisst in dieser Gestalt hei 2' in
der Länge und 1' in der Breite. Der erstere, mitten in der
Mauer gefundene Inschriftstein ist hingegen am obern
Ende abgebrochen, und übrigens mit dem ersteren gleicher
Form, nur weniger lang. Die Schrift beider Steine ist nicht
gleichartig, scheint sich jedoch gegenseitig zu ergänzen; sie
lautet bei dem /weiten:
DIANAE
AVG. SACR.
INMEMOR
TVELLIONES
In ii I VIRET
AVG. EMON
Iruil VIRAQ
. . ~ PAREN
bei dem ersten dagegen :
Iinil MH AOML
AVG. PARENT
EYTICHVSET
PERIGENES
LIB.
Die Erklärung dieser Inschriften bietet übrigens keine
Schwierigkeiten dar. nur die vierte Zeile in der zuerst ange-
gebenen Inschrift Lässt sich schwerer lesen, enthalt jedoch
allem Ansehen nach den eigenen Namen des Mannes, zu dessen
Andenken der Stein gesetzt worden, wornach man auf
T. VELLI. ONES (imi Onesidori oder Onesiphori) denken
könnte. Demnach lautet die eislere Inschrift: „Diauae Au-
gustae sacrum, in memoriam Tili Vellii Onesimi (Onesiphori,
Onesidori), Seviri et Augustalis Emonae, Seviri Aquilejae,
lugustali l'arentiae- ; und mit Beigabe der anderen: „Euti-
chus et Perigenes Liberti". Der Ausdruck Sevir ( lnul vir)
bedeutete einen Stadtbeamten, einen von den sechs Aus-
schussmännern des Stadtrathes, denen die Verwaltung der
stadiischen Angelegenheiten anvertraut war: der Name Augu-
stalis (so viel als Augustorum Caesarum Flamen) bezeichnete
einen Priester der vergötterten römischen Kaiser. Solche
Würden bekleidete der vorbenannte T. Vellius Onesimus
nicht nur zu Aemona sondern auch zu Aquileja und Parentia
(Parenzo); zu seinem Andenken ist das eine Denkmal als
Votivstein irgend einer Gottheit von seinen Freigelassenen
Eutichus und Perigenes gesetzt worden. her verdienst-
volle heimathliche Geschichtsforscher Pfarrer Hitzinger
hat die obigen Sieine in der bezeichneten Weise zu erklären
versucht. Eine andere Lesart der vierten Zeile würde natür-
lich auch den ganzen Sinn wesentlich modiheiren, wesshalb
ich diese Inschriften an den gelehrten Epigraphisten, Pfarrer
Richard Knabl in Gral/, zur Erklärung übersendet habe.
Dr. II. Klun.
SO. (Ein Stein mit türkischer Aufschrift in
Alt-Ofen.) Has in l'esth erscheinende „Csaladköny ve" ( Fa-
milienbuch) brachte von Joh. Bepicky folgende nicht un-
interessante Mittheilung: In Alt-Ofen befindet sich im Spitale
der Schill'sw erl'te ein rother Marmorstein , nahe heim Thor
rechts eingemauert, welchen Herr Franz Kubinyi junior
in meiner Gegenwart sammt der Aufschrift abzeichnete. Die
Aufschrift lautet in türkischer Sprache von Wort zu Wort
also :
1. Takhtgjahi Üngürüsz bimesel ii kal'ai hemta
Etil her neski dürer nnislahkem gjdhi nasif.
2. Ilasreli paschai Kaszim szahi'bi nam ü m'adilet
tM vesiri niuhte'si I daveri thali'i miinil'.
;}. Kal'ai Budine revnak verdi jäpti kullei
01a elthali khndaje masher ol säti sehen'!'.
4. 'Avni hakkle söjledüm Szi'dki bunun-tarikhini
Vak'aa 'ltahrfr Ii sene 1078.
Kullei kat'e müschabihdir hu binjadi lathif.
Die deutsche Übersetzung davon lautet:
1. Die unvergleichliche Residenz und nicht geringere
Festung Ungarn's
Gestaltete zierdevoll jenen festen Platz, gleich einem
Perlenkranze.
2. Seine Hoheit. Kassini Pascha, Herr des Ruhms und
der Gerechtigkeit,
Jener würdevolle Ve/.ir, jener mit erhabenen Eigen-
schaften begabte Statthalter.
3. Er hat der Festung (Heu Glanz verliehen, er liess
diesen runden Thurm aufhauen.
Möge dieser edle Charakter zum Gegenstand der
Gnade Gottes werden!
4. .Mit Geiles Hilf,, saute ich Szi'dki dieses Chronograuim
her.
Geschrieben im Jahre 1078 (10(57).
Dem Gipfel des Kaukasus gleicht dieses anmuthsvolle
Gebäude.
Von diesen Doppelversen folgen 1 bis IS auf dem
Steine nach einander, wo sie dann von den übrigen durch
die dazwischen angebrachte Verzierung getrennt werden.
Die Buchstaben sind nicht eingravirt, sondern erhaben. Die
im letzten Verse enthaltene Jahrzahl bezeichnet nach der
Zahlenbedeutung der arabischen Consonanten das hame-
danische Jahr 1077 (nach unserer Zeitrechnung l(itiil).
Der runde Thurm wurde also in diesem Jahre erbaut, der
Stein jedoch erst im darauffolgenden fertig, was aus der
seitwärts angebrachten Bemerkung ersichtlich ist. Wahr-
scheinlich war dieser Stein i itern Theile lies Thurmes
eingemauert, woher er dann nach mehreren Widerwärtig-
keiten auf seinen jetzigen <>n gelangt ist.
;;i. (her Plafond des Rittersaales im I. f.
Schlosse Gol degg zu Salzburg.) Die k. k. Central-
Commission gelangte durch den k. k. Conservator Süss zu
Salzburg in die Kenntniss, dass der historiscl I heraldisch
1G3
interessante Plafond des I. f. Schlosses Gold egg durch die
Schadhaftigkeit des Saaltractes Gefahr laufe zu Grunde zu
gehen. Da nun aus den Verhandlungen hervorging, dass
keine Aussicht auf eine neue Eiudachung des Saaltractes
vorhanden sei, so stellte die Central-Commission an das hohe
k. k. Finanzministerium den Antrag, den Plafond an das
Salzhurger Landesmuseum unentgeltlich abzutreten. Mit
Erlass vom 5. Juli, Z. 22190, hat nun das h. k. k. Finanz-
ministerium der Central-Commission eröffnet, dass Se. k. k.
apost. Majestät mit a. h. Elitschliessung vom 18. Juni 1856
genehmigt haben, den genannten Plafond des 1. f. Schlosses
Goldegg unentgeltlich dem Landesmuseum zu Salzburg zu
überlassen.
52. (Die Inschrift auf dem Denkmale der
Ehrenhergerklause bei Reutle in Tirol.) Indem
Märzhefte der „Mittheilungen" Notiz 21, wurde des Wappens
und der Inschrift in der berühmten Ehrenhergerklause
erwähnt, woraus hervorgeht, dass Erzherzug Maximi-
lian III., Hoch- und Deutschmeister und Gouverneur von
Tirol im Jahre 1G09 den erwähnten Engpass befestigen
liess. Nachträglich wurden wir in die Lage gesetzt, obige
denkwürdige Inschrift ihrem vollen Inhalte nach zu veröffent-
lichen. Dieselbe lautet:
SER . . . S MAX . HILIANVS
ARCHIDV . . . AVSTRIAE . . ET:
DVX . BVRGVNDIAE. ETc COM"
TIROL1S. ET. SVPBEM. ORDI.MS
THEVTONICI MAGISTER. ETc
HANG ARGEM ET PROPVGNA
ACVL™ AD PATRIAE. REIPVBL.
COMMOD™ RESTAVRARI AC
EMVNIRI CVRAVIT AN. S MDCIX.
Literarische Anzeigen.
Dr. C. Schnaase: Geschichte der bildenden Künste. Fünfter
Rand, erste Abth., 1. Haltte, mit 57 in den Text gedruckten
Holzschnitten. Düsseldorf. Verlagshandlung von .1. Buddeus.
1856. (S. 312, 8.)
Es bedarf wohl keiner speeiellen Rechtfertigung, warum wir
in diesem Organe ein Werk anzeigen, das niclit speciell die Geschichte
der Architektur, sondern die der gesammten bildenden Kunst vor
Augen bat. Der Zusammenhang, in welchem die einzelnen Künste
unter einander stehen, ist zu allgemein anerkannt, als dass wir zur
Rechtfertigung etwas anderes anzuführen hätten, als eben diese all-
gemeine Anerkennung und die Thatsache . dass es vorzugsweise die
Conservatoren zur Erhaltung der Baudenkmale sind, die diesen Zu-
sammenhang nachspüren, die verschiedensten Riehtungen und Zweige
der bildenden Künste kennen zu lernen. Der vorliegende Band hat aber
für diese Blätter eine ganz besondere Bedeutung, da er die Entwi-
ckelung der gothischen Architektur enthält, und in höchst geistvoller
Weise die gothische Architektur in Frankreich, Belgien und England
erörtert. Die Stellung, welche Frankreich in der Entwickelung der
gothischen Architektur einnimmt, tritt liier in so ferne zum ersten
Male in seiner vollen Bedeutung auf. als diessmal in einem deutschen
Werke am umfassendsten die gothischen Monumente Frankreichs
erörtert werden.
Solche Erörterungen, wie die, welche Dr. G. Schnaase in seinem
Werke liefert, sind am meisten geeignet, das Versländniss für die
Formen der gothischen Kunst von jenen Hemmnissen zu befreien,
welche in missverstandener oder übertriebener Vaterlandsliebe und
poetischer Schwärmerei begründet sind. In neueren Zeiten, nachdem
man sich von dem nationalen Hyperenthusiasmus für dieGothik cinan-
cipirt hat, bat man mehrfach untersucht, woher die Anhänglichkeit
der Deutsehen für die romanische Kunst komme, und warum sich ver-
hä'ltnissmässig so spät der gothische Styl im deutschen Reiche ein-
gebürgert hat. Schnaase erörtert diese Frage am Schlüsse des vor-
liegenden Bandes mit Geist, und erklärt diesen im XIII. Jahrhundert
in Deutschland vorhandenen Zug nach romanischen Formen theils aus
dem Mangel eines politischen Centralpunktes , wie ihn unter Ludwig
dem Heiligen Frankreich gehabt hat, theils aus dem herrschenden Indi-
vidualismus und der Richtung auf das Einzelne, dann aus dein Mangel ge-
meinsam organisirter Bestrebungen, welche zu einem durchgreifenden
neuen System im deutschen Reiche hätten führen können, wie sie es
in Frankreich hervorgerufen haben, und endlich aus der „grossen und
entschiedenen Anhänglichkeit für die romanische Form, von der man
sich ungern trennte, und da. wo man Verbesserungen Raum gab, soviel
wie möglich von ihr zu retten suchte." — Der gothische Styl ist
Schnaase nicht ein Erzeugniss rein germanischer, sondern der aus
Romanen und Germanen gemischten Nationen. Er wiederstrebte dem
auf einfachere Verhältnisse und Formen gerichteten Sinne der Dcut-
schen. Die Entstehung der Gothik in Frankreich fällt mit einer Ver-
nachlässigung der classischen Literatur zusammen, während in
Deutschland diese nicht so gänzlich vernachlässigt, und die Verbin-
dung mit Italien, die den Sinn für die ruhigeren Formen des romani-
schen Styles begünstigte, immer aufrecht erhalten wurden, Mil
Spannung sehen wir der zweiten Hälfte dieses Bandes entgegen, die
uns die Entwickelung der deutschen Gothik bringen wird.
Für den österreichischen Kaiserstaat speciell hat in diesem Bande
der Bericht über die Thätigkeit und d;is Ski/, z e n l> u c h d e s A r c h i-
tekten Yilars de Honneeourt noch eine besondere Bedeutung.
Dieser Architekt lebte in der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts.
Sein Skizzenbuch ist in der Bibliothek von Paris ;>l> Mantiscript ent-
deckt worden. Bisher hatten wir von demselben bloss Kenntniss aus
der Revue archeologique (Jahrg. 1849) und der Förster'scben Bau-
zeitung. Der Pariser Architekt Herr Lassus ist mit der Herausgabe
des Faesiinilcs beschäftigt. Schnaase berichtet einiges aus eigener
Anschauung. Bei einer Studie \.>r dem Triforiuin von Bheiins
führt er an, dass. als er sie gemacht habe, er nach Ungarn entsen-
det wurde Qestoie mandes en la tierre de hongriequant io Ic portais
par co lamai io miex); an einer anderen Stelle erwähnt er des Auf-
enthaltes in Ungarn, der lange Zeit (maintjor) gedauert habe. Diese
Sendung nach Ungarn wird mit der heil. Elisabeth, Schwester des
litt
Königs Bein von Ungarn, in Verbindung gebracht, welche den Dom-
bau in Canibrai , an dem Vilars gearbeitet hat, reichlich unterstützt
hat. Seitdem man auf die Ruine vonSzämbeb im Ofner Gebirge auf-
merksam geworden, hat man in dieser Kirche französischen Einfluss
erkannt iiikI sich dieses Architekten und seiner Reise nach l'ni;;irn
erinnert. Ich werde diesen Bau bei einer anderen Gelegenheit erör-
tern und begnüge mich diessmal nur mit der einfachen Hindeutung.
— Wir empfehlen unseren Lesern auf das Lebhafteste das ganze achte
Buch Schnaase's, welches die Zeit der Entstehung und Ausbildung
des gothischen Styles behandelt. R. v. E.
Dr. Hermann Mcynert: \U\- Herz König Rudolph 's I. and
die Habsburger Grufl des ehemaligen Klosters zum heil. Kreuz
in Tnln. Ein Beitrag zur Monumental -Geschichte des durchl.
Uauses Habsburg. Wien 1856.
Die vorstehende Broschüre enthält eine Geschichte dos be-
kannten Frauenklosters zu Tuln, ilus von König Rudolph I. nach der
Schlacht am Marchfelde im Jahre 1280 gegrüudet und im Jahre 1281
eingeweiht wurde. In der speciellen Absicht des Herrn Verfassers lag
es, den Nach« eis 7.11 liefern, dass in der Gruft der Kirche das Herz des
König Rudolph'sl. und die Leichname von 17 Mitgliedern des Kaiserhau-
ses beigesetzt gewesen und deren Spuren theils durch den letzten
Braml vom Jahre lT.'i'i. theils durch den modernen Vandalismus zu
Anfang dieses Jahrhunderts verloren gegangen seien. Herr Ur. Her-
mann Mevnert war zur Herausgabe dieser Broschüre vorzugsweise
durch einige aufgefundene Doeumente in den Archiven des k. k. Mini-
steriunis des Innern und des k.k. Finanzministeriums über den Zustand
des Frauenklosters zu Tuln nach dem Brande vom Jahre 1732 ver-
anlasst worden, und stiizte seine Beweisführung auf einige Kloster-
berichte , die sich zu Tuln vorgefunden, ferner auf die mündliche
Tradition noch lebender Personen. Er beschränkte sich überhaupt
auf jene Localquellen, welche nach dem letzten Brande noch übrig
geblieben sind. Was bereits altere Schriftsteller, wie Hergott in
seiner Taphographia in Bezug auf die zu Tuln befindlichen Grabstät-
ten von Mitgliedern des hahshiirgischen Herrscherhauses und insbeson-
dere rücksichtlich des angeblich dort beigesetzten Herzens König
Rudolph's I. behauptet hatten, blieb von Herrn Dr. Meynerl gänzlich
unbeachtet.
Unter diesen Umständen mosste obige Broschüre einiges Auf-
sehen nicht nur in literarischen , sondern auch in jenen Krei-
sen erwecken, die unmittelbar bei der Conservirung eines bisher
unbekannten „habsburg'schen Ahnensaales" beiheiligt waren. Wenn
der Beweis hergestellt worden wäre, dass im I'Yauenklnsler zu Tuln
wirklich so kostbare Reliquien ZU Grunde gegangen sind, ohne dass
bis jetzt der leiseste Versuch zu deren Wiederauffindung gemacht
wurde, so wäre allerdings ein Grund zur Klage gegen jene Organe
vorhanden gewesen, die directe berufen sind, über die Erhaltung der
Ersteren zu wachen und dieselben vor Unbilden jeder Art zu
schützen.
Eine Widerlegung der von Herrn Dr. Meynerl gemachten Anga-
ben liess jedoch nicht lange auf sieb warten. Herr Ed. v. Hess ver-
öffcntlichte in den „Österreichischen Blättern f. Liter, u. Kunst"1)
eine Anzeige der vorstehenden Broschüre, worin nicht nur gegen die
eitirten Quellen des Verfassers, sondern auch gegen seine unwissen-
schaftlichen und oberlläehliehen Behauptungen gründliche Einsprache
erhohen und mit schlagenden Argumenten der Werth der ganzen
Arbeit auf ihr e,eliöriu'cs Mass zurückgeführt wurde. Wir machen dar-
auf aufmerksam , und bemerken nur, über die beiden Hauptmomente
der historischen Beweisführung, dass nach der Kritik des Herrn
v. Hess weder die Sage späterer Zeiten über die Beisetzung von
König Rudolph's I. Herz einen stichhaltigen Grund besitzt, noch auch
die Annahme — nach dem heutigen Stande lies urkundlichen Mate-
riales — richtig ist , dass ausser dem Grabe der Nonne Euphcmia,
eine der Grabstätten von Mitgliedern des habsburgischeo Kaiserhauses
zu Tuln jemals bestanden habe1 ). Was nun die Bezeichnung dieser
Broschüre als „Beitrag zur Monumentalgeschichlc des durchl. hahs-
biirgischen Kaiserhauses" anbelangt, so haben wir erwartet, in der-
selben doch einige nähere Andeutungen über den Bauzustand und den
architektonischen Charakter des Klosters und der Kirche anzutreffen.
Denn in einer Monumentalgeschichle sollte doch am wenigsten eine
Darstellung des Monumentes seihst fehlen und zwar im vorliegen-
den Falle um so weniger, als sowohl das Kloster wie die Kirche von
kunstgeschichtlichem Interesse ist. Her Herr Verfasser beschränkt
sich jedoch nur auf die dürftigsten Notizen und hat es nicht einmal
derMühe werth gehalten, den Grundriss der Kirche zu veröffentlichen,
den schon Hergott in seiner Taphographia abgebildet hat. Erbat
sich ebenso wenig darum gekümmert, ob nicht über die verschiedenen
Bauperioden, welche die königliche Stiftung des XIU. Jahrhunderts
in Folge der wiederholten Brände ohne Zweifel durchgemacht hat,
einige Andeutungen vorhanden sind. K. W.
*) tu Bezug auf die angebliche Beisetzung \on Koni- Rudolphe Nerz
in Tuln können wir zur Entkräftung dieser Behauptung Doch folgenden
Beleg liefern. Herr Dr. Mevnert stutzt seine Angabe, wie sei
erwähnt, zum Theile auf ilie mündliche Tradition und hat in der Wie-
ner Zeitung nachträglich noch einige Umstände angeführt, welche seine
Behauptung begründen sollen. Wie k nl es nun, dass iveder VA ei skern
in seiner Topographie (Wient770) nochMarinn in seiner Geschichte
der öster. Clerisei (Wien 1787, VI1IJ dieser (heueren Reliquie mit keiner
Sylbe erw ahnen ? Marfan I ei kt noeti an der Stelle, w o er die Geschichte
des Frauenklosters /n Tuln behandett, in einerNote, dass seine Quelle
ein ..v Orte selbst eingeschickter umständlicher Bericht der Mutter
Prinrin M. Michaels Riedlin sei-. Er erwähnt sodann such der
sechszehn königlirl Kinder aus dem Mause Habsburg, welche in der
Gruft begraben liegen, dagegen der goldenen Kapsel mit König Hu—
dolnh's Her/, wird keiner Sylbe gedacht.
t) Beilage zur Wiener Zeitung Nr 2S u, 26.
( Be richtig uug. ( In dem tufsatze des Juliheftea „Übersicht der kirch-
lichen Baudenkmale in Kärnthen" siu.l folgende Druckfehler zu berichtigen:
S. 131 erste Spalte Zeile 40 statl Engelbert II. lies Engelbertl.
, 121 /weite _ .. ii „ Giraau .. Hiraau.
.. 122 erste .. .. 19 . 10 . - II 74.
„ 12'i „ „ „ 4u Lungsee Längsee.
.. IM erste _ . 25 „ 1242 „1142
.. 123 zweite .. , letzte .. 1218 - 1228.
. |2S erst.- _ , 7 Raloldi Ratoldi.
. 123 zweite _ ., .IC. „ Laab Laas.
. 126 „ - .. 26 Orlolfus - Ortolfus.
\ ns der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in W ie
.Teilen Monat erscheint 1 Heft zu
1 bis 2 Druckbogen mit Abbil-
dungen.
Der PrinnmeratioDapreia ist für
einen Jahrgang- oder zwölf Hefte
nebst Register sowohl für Wien
als die Kronländer und das Ausland
4 fl. C. M-, hei portofreier
Zusendung iu die Kronländer der
usterr. Monarchie 4 fl. 20kr. CM.
MITTHEILUNGEN
DER K. K. CENTRAL- COMMISSION
Pränumerationen überneh-
men halb- oder ganzjährig
allek.k. Postämter der Monarchie,
welche auch die portofreie
Zusendung der einzelnen Hefte
besorgen. — I in Wege des Buch-
handels sind alte Pränumerationen
und zwar nur iu dem Preise tob
4 I. an den k. k. Hofbucbhäodler
W. Braumüller in Wien zu richten.
ZUR EIIFlUinii II) EMAITIG «EIS BA1IKMM
Herausgegeben unter der Leiloag des k. k. Seclions-Chel's und Präses der k. k. Cenlrul-foiiiiuission Karl Freiherrn v. Czoemig.
Redacteur: Huri Weiss.
N* 9.
I. Jahrgang.
September 1856.
Inhalt: Der Richardsbogen in Triest. — Die Schässburger Bergkirche. — Alterthümer in Steiermark. — Die golliiselie Kirche Marin
am Gestade. — Die kirchlichen Gebäude zu Hartberg; in Steiermark. — Ober die Baudenkmale des Krakauer Verwaltungs-
gebietes. — Notizen. — Literarische Anzeigen.
Der Richardsbogen in Triest.
Von Dr. Peter Kandier, k. k. Conservator für das Küstenland.
Der Richardsbogen in Triest wurde bisher von den
Uneingeweihten für ein unbedeutendes Erzeugniss des
Mittelalters gehalten. Er ist auch in ähnlicher Weise
wiederholt , und zwar von den Beschreibern Istriens,
Prospero. Petronio und Manzioli, wie auch von Irenes
della Croce gegen das Ende des XVII. Jahrhunderts bespro-
chen worden, und lieferte in der neuesten Zeit Zeichnern
und Dichtern Stoff.
In der nebenstehenden Abbildung gebe ich den Bogen
in seiner ganzen Gestalt (Fig. I) mit Inbegriff auch des
jetzt vergrabenen Theiles, welcher aufgedeckt, unter-
sucht und seinein ursprünglichen Zustande nach aufge-
nommen wurde.
Er hiess und heisst noch heut zu Tage „Arco di Ric-
cardo", wie die Einen behaupten, zu Ehren des „Be Carlo",
nämlich Karl des Grossen, aufgeführt bei Gelegenheit seines
Triumph-Einzuges in Triest — ein Ereigniss. das, beiläufig
gesagt, niemals stattfand ; Andere bringen denselben iu Ver-
bindung mit Richard Löwenherz, König von England, seiner
Bückkehr aus Palästina und seiner Gefangenschaft: allein
dieser ist nie in Triest gewesen; wieder Andere wollten die
Benennung von dem „Bicario" ableiten, welcher zur Zeit
der Patriarchen-Herrschaft von Aquileja oberster Criminai-
und Civilrichter war; ja man ging so weit, ihn für einen
Bogen jener Wasserleitung zu halten, welche in der Nähe
und weiter unten vorüberzog.
Allein der Bogen spricht von selbst und offenbart sich
als ein Bömerwerk aus den Zeiten des Verfalles der Kunst,
wofür insbesonders die willkürliche Bildung des Capitäls an
der hier deutlicher dargestellten Säule (Fig. 2, s. nächste S.)
sprechen dürfte, und nach meiner Ansicht stammt er aus der
(Kig. t)
106
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unmittelbaren Zeitfolge nach Septimius Severus; er ist
weder mit Legenden, noch mit Merkmalen oder Zierathen
geschmückt, welche ge-
eignet wären, ihm ein
linderes Gepräge zu ver-
leihen ;ds d;is einer ein-
fachen Pforte: er ist eben
so wenig ein Ehren-, als
ein Trauer- oder Sieges-
denkmal. Er ist nicht
einmal der Bestandtheil
eines städtischen Gebäu-
des, etwa ;ds Eingang;
denn beide Facaden sind
gleich bearbeitet und
nicht zur Grundlage \v;is
immer für eines Ueber-
baues oder einer Krö-
nung bestimmt, denn in
der Höhe steht er ab-
geschlossen und vollen-
det da. Auch stand er
nicht isolirt, wie es bei
Ehrenbogen der F;dl ist;
denn man bemerkt in den
Seitenwänden das frühere
Bestehen einer in gleicher Dicke mit dem Bogen fortlaufenden
Mauer. Auch für irgend einen Platz oder ein Forum kann
man ihn nicht halten, wegen des hierzu ungünstig beschaf-
fenen, steil abschüssigen Terrains.
Ich halte ihn für das Denkmal eines alten Stadtthores,
und zwar aus nachstehenden Gründen. Triest war keine
Stadt römischen, sondern altern Ursprungs, erobert und zur
Colonie gebildet. Die allezeit ehrwürdigen -Überlieferungen
besagen, dass sie mauerumzogen war. und ich glaube es.
Nicht die ganze Stadt pflegte man bei Gründung einer Co-
lonie in letztere einzubeziehen , sondern die neue Colonie,
die adelige und herrschende Stadt wurde mit Mauern ivid
Thoren versehen, nicht sowohl zum Schutze als vielmehr
zur Abgränzung der Colonie. Diese Gepflogenheit von innern
Mauern und Thoren erhielt sich auch durchs Mittelalter
fort, und selbst später. Beispielshalber erwähne ich nur
Ancona und Pirano, anderer nicht zu gedenken, in welchen
Unterabtheilungen mittelst Mauern und Thoren vorkamen.
Triest war ohne Weiteres eine alte Colonie, viel älter als
die Gäsiirischen und als die so häufigen Julio-Augusteischen,
welche die Bewunderer des republicanischen Roms nicht
für Colonien gellen lassen wollten.
In den auf Cäsar's Tödtung folgenden Bürgerkriegen
hielten Venetien und Istrien, deren Regierung dem I». Brutus
anvertraut war, zur Republik. Pola und gewiss auch Triest
fielen der soldatischen Wuth zur Heute; Augustus liess dann
im Jahre ',V1 n. Chr. beide wieder aufleben und erweitern.
denn neue Colonien konnten da, wo alte vorbestanden, nicht
eingeführt werden ; wohl aber konnte eine Erweiterung der
letztern staltlinden, und ich glaube, dass zur Zeit, wo August
Triest mit Mauern umgab (32 n. Chr.), er auch dessen
Flächenraum über die ursprünglichen 75.000 Passus
(römisch) hinaus erweiterte. Das alte Thor blieb unan-
getastet, wegen der Ehrfurcht, die man ihm zollte, jedoch
nicht mehr mit Thorflügeln, sondern als einfache Pforte,
und durch Alter hinfällig geworden, wurde es dann in jener
Form wieder hergestellt, die noch heut zu Tage sichtbar ist.
Die Beibehaltung der alten Thore, auch wenn sie durch Er-
weiterung der Stadt und Anlegung neuer Thore zwecklos
geworden, kommt häufig vor: auch dauert oft die Benennung
„Thor" fort.
Ich zweifle nicht, dass Triest einen, wenn auch be-
scheidenen Palast besass, in welchem der Kaiser seinen
Aufenthalt aufschlagen konnte ; alle Colonien hatten einen
solchen, ich weiss, dass man die Paläste in den Colonien
über eines der Stadtthore aufführte und au die Stadimauer
lehnte; allein der Palast stand nicht bei dem Richardsbogen,
weil diese Gegend weder die edlere ist, noch die beste
Aussicht geniesst. Die Gestaltung des Bogens schliesst, wie
gesagt, das Vorhandensein eines Palastes vollkommen aus.
Diese öffentlichen Paläste wurden das ganze Mittelalter
hindurch beibehalten: auch in dieser Provinz des Küsten-
landes bezeugte das Vorhandensein von einem Paläste
des Markgraf-Patriarchen den hohen municipalen Rang der
betreffenden Stadt; Capodistria, Pirano, Parenzo, selbst
Montefalcone hatten einen solchen Palast: in Triest be-
fand sich derselbe auf den Stadtmauern am Platze, seewärts;
er wurde aber in den bürgerlichen Unruhen von 14tiS be-
schädigt, so dass Friedrich III. im Jahre 1471) nicht wie
sonst in demselben seine Wohnung beziehen konnte, bis er
später von Maximilian I. wieder hergestellt . endlich im
Jahre 1690 durch eine Feuersbrunst verzehrt wurde.
Ich kenne nicht die Geschichte der Topographie Wiens
um ein l'rlheil zu wagen, doch weise ich auf eine Thalsache
hin. Der kaiserliche Palast zu Wien ist offenbar über einem
Stadteingang gelegen und wahrscheinlich an die Mauern
gelehnt gewesen, welche jetzt an diesem Punkte verstell!
sind. Ich bezweifle nicht, dass auch der kaiserliche l'alasl
von KARNVNTVM über einem Thore auferbaul und an die
Stadtmauern gelehnt war: und ich behaupte noch dazu:
an der Landseite gegen SABABIA, nicht gegen die Donau,
aus leicht begreiflichen Gründen.
Und von Carnuntum muss ich hervorheben, dass der
daselbst noch heul zu Tage sichende Bogen mit dem Tricsler
„Arco di Riccardo" nichts gemein bat. Der Bugen vonCar-
ilum ist ohne Weiteres ein COMPITVM, ein QVADRVVIVM
an dem Kreuzwege, welchen die von Carnunliitn nach Saba-
ria gehende Strasse mit derjenigen bildet, welche längs der
Donau fortläuft, ohne in die Stadt zu führen. In vielen
Gegenden herrschte und herrscht noch heutigen Taues im
1G7
gemeinen Volke eine abergläubige Scheu vor Kreuzwegen,
die sich nur durch religiöse Mittel beruhigen liisst, indem
man an solchen unheimlichen Stellen Heiligenbilder und
Capellcn errichtet und im Vorübergehen betend ein Kreuz
schlägt.
In den Rhein- und Donauprovinzen war der Cultus der
DII.TRIVII und QVADRVVII sehr häufig. Das COMPITUM von
Carnuntum war ursprünglich gewiss heidnisch und erst spä-
ter dem christlichen Cultus geweiht. Als die Stadt nach
ihrer Zerstörung wieder aufgebaut wurde, stellte man auch
den Bogen wieder her, mit Benutzung des erstbesten Mate-
rials, das bei der Hand war, seien es nun Altäre, archi-
tektonische Fragmente oder sonst etwas. Das Compitum von
Carnuntum befand sich immer ausserhalb der Stadt.
Einen andern Bogen gibt es in unserer Nachbarschaft,
und zwar den von Fiume, den ich auch für ein ausser
Gebrauch gesetztes Thor halte. Der Maassstab und die Ver-
hältnisse der Öffnung weisen auf die schönen Zeiten der
Kaiserherrschaft; zwar erlaubt der Zustand des Bogens kein
sicheres Urtheil, doch gehört er nicht in die erste Kaiser-
zeit, wie man vermuthet. Man erzählt auch , dass eine Le-
gende darauf gewesen sei, und zeigt den Apograph davon ;
ich kann jedoch diese Muthmassungen nicht für wahr, ja
nicht einmal für wahrscheinlich annehmen.
Zur Zeit der römischen Republik war Fiume ein Ca-
stellum, und zwar das äusserste an dem Walle, welcher zwi-
schen dem Nanos und Quarnero gezogen war ; dieses Castell war
nicht selbstständig, sondern von einem benachbarten abhän-
gig. Es nahm eine Oberfläche von 7500 Passus römisch ein;
es war viereckig, mit Mauern umgeben und von einer Ab-
theilung Soldaten besetzt, welchen die Bewachung dieses
Gränzpunktes oblag. In zweiter Linie stand wieder ein
Castell. und sowohl dieses als jenes . Dämlich das CASTRVM
oder CASTELLVM und die CASTRA wurden nach dein SINVS
PHLANATICVS benannt. Die Lage von Fiume war vortueil-
haft. es beherrschte die einzige Küstenstrasse dos heutigen
croatischenLittorals, es lag am Meere und bot einen günsti-
gen Hafen für den Canal der Fiumera; es gab und gibt noch
Elemente genug, aus jenem Castell etwas besseres ZU machen.
Durch Vorrückung der Reichsgränze bis au die Donau
verlor der Japidenwall alle Wichtigkeit: es entwickelten sich
andere und günstige Verhältnisse. Höchst dürftig sind die
Überreste der Römerzeit im heutigen Fiume, so dass das
Vorhandensein eines Bogens befremdet; allein jene Dürftig-
keit erklärt sich aus den Zeiten, in welchen Fiume ein äus-
serstes Castell war. Zeiten, aus denen Legenden selbst in
grossen Centralpunkten selten vorkommen , und in der spä-
tem Zeit wo sich die militärischen Legenden vervielfältigten.
hatte Fiume keine militärische Wichtigkeit mehr . und war
niemals Colonie oder etwas dergleichen.
Aber die Erinnerung und Verehrung jenes Castell-.
dauerte fort, welches zur Kaiserzeit über die ursprüngliche
Umfangmauer hinaus erweitert worden war, und es erhielt
sich ein gewisser Cultus für jenes Thor, welches, nunmehr
zwischen Gebäuden eingekeilt, später hergestellt wurde,
nicht durch Soldaten, sondern durch Bürger. Denn wäre
Fiume unter Trajan oder dessen ersten Nachfolger ein
Gränz-Castell geblieben, so hätte man ohne Zweifel durch
Soldatenhände Werke von solcher Dauerhaftigkeit aufgeführt.
welche bis in unser Zeitalter hineinragen würden: Beweis
dessen der englische Wall , in welchem ein Castell von
geringerer Oberfläche als jenes von Fiume . eine mehrere
Meilen lange gemauerte Wasserleitung besass. Überhaupt
strotzen alle jene englischen Castelle von alten Denkmälern.
Die Schässburger Bergkirche in Siebenbürgen.
Von Friedrich Müller, k. k. Conservator in Schiissburg').
Die Phasen des geistigen Lebens von Deutschland haben
ziemlich rasche Nachwirkung erzeugt in der fernen Colonie
von Siebenbürgen. Der Übergang des romanischen Bau-
styles in den gothischen erfolgte hier im XIV. Jahrhun-
derte. Die Baudenkmale des XV. zeigen letzteren ohne Aus-
nahme , vollständig soweit er das Innere betrifft, verstüm-
melt in seinen Erscheinungen am Äussern. Hier fehlten fast
durchgängig Strebebügen und Fenstergiebel ; auch Thurm-
und Strebepfeiler ermangeln der künstlerischen Durchbil-
dung und der Chor ist selten mehr als dreiseitig geschlossen.
Aus der Reihe sächsischer Kirchen verdient die Schäss-
burger Bergkirche eine vorzügliche Erwähnung.
Sie war die Pfarrkirche des Ortes vor der Reformation.
') Im Einverständnisse mit dem Herrn Verfasser nach einem grösseren Auf-
sätze im „Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde'*. Nene
Folge, I. Bd., 3. Heft. (Kronstadt 1855.)
Die Ordensgeistlichkeit besass drei Kirchen: die Kloster-
kirche der Dominicaner, der h. Jungfrau gewidmet (die
heutige Pfarrkirche), und zwei Nonnenkirchen der Domini-
canerinnen und Franciscanerinnen. Diese ist UTA den
Katholiken eingeräumt worden '). jene in unbestimmter Zeit
in Privatbesitz übergangen. Neben der Pfarrkirche bestan-
den bereits in früherer Zeit die Spitalskirche des h. Anton )
und die Siecbhofskirche zum h. Geist. Die älteste Kirche
der Stadt überhaupt aber mag die Capelle gewesen sein,
welche nordwestlich von dem Pfarrhofe, auch damals, also
auf den höchsten Punkt der Stadt, gestanden hat. Rings um
') Originalurk. im Aren, der Schfissb. eräug. Pfarrkirche Nr. 33/818, init-
getheilt vom Prof. Karl Fabritius in der Sitzung des Schüssb
Zwangsvereins für sieben Landesk. vom 7. Mai 1851.
-) Auf einem Deckiiegel derselben wurde die Jahrzahl 1464 gelesen, nie
Sacristei der jetzigen Spitalskirche ist um hohen Aller.
108
sie baute man den Pfarrhof und spater den Predigerhof und
die Schale. Heute sieht man nur die Stützmauern noch: doch
ist die Bezeichnung des Platzes „auf der Capelle" geblichen
und man erzählt noch allgemein, dass man hei Nachgrabun-
gen daselbst auf Grundmauern der Kirche gestossen ist.
Nach zweihundert Jahren mochte das in Eile aufge-
führte Gebäude schadhaft geworden sein und die vermehrte
Bevölkerung und der erhöhte Wohlstand auf ein umfang-
reicheres Gotteshaus Anspruch machen. Auch waren Her-
mannstadt, Klausenburg, Kronstadt bereits vorangegan-
gen mit grösseren Kirchenbauten; allenthalben räumten die
alten Capellen den Platz: manche, wie die der li. Jungfrau
in Hermannstadt, wurden in die neue Kirche eingebaut. Der
Ehrgeiz ward rege und verbrüderte sich, ein allezeit mäch-
tiger Hebel in Verbindung mit dem religiösen Bedürfnisse.
Zum Bauplatz wählte man nicht den Standort der alten
Capelle — dieser wäre zu beschränkt gewesen für ein
grösseres Werk — sondern die höchste Spitze des Berges,
auf dessen unterster Terrasse die Oberstadt von Schässburg
liegt. Jene Spitze erhebt sich 256' über das Bachthal und
streicht wie der ganze malerisch aufsteigende Berg in der
Bichtung von Osten nach Westen. Damals war sie noch
von Wald bedeckt, und kaum durch mehr als eine niedrige
Mauer mit zwei Thfirmen in das Befestigungssystem der
Stadt eingeschlossen. An einem Eichenbalken an dem
Kirchendachstuhl soll der Spruch gelesen worden sein:
„Hier bin ich gewachsen, hier hat man mich angebaut,"
und die Sage erzählt geradezu , das ganze Dach sei aus
Holz gearbeitet, welches an der Stelle der jetzigen Kirche
gefällt worden ist.
Der Plan des neuen Gotteshauses wurde mit Umsicht
und Sorgfalt entworfen. Der sprechendste Beweis hiefür
liegt in dem hier beigefügten Grundriss (Fig. 1). Die
Länge des ganzen Gebäudes hat im Lichten 156'. Davon
kommen auf das Schill' 101' 6". auf den Chor 54' 6 ". Dieser
nimmt also ein Drittheil der ganzen Länge ein. Das Schilf
gliedert sich in drei Theile: in den Unterbau tles Thurmes
(29' lang, 34' breit), den Unterbau der Orgel (16' 6 ") und
das eigentliche Schiff (56). Durch zwei Reihen von Pfeilern
wird es in ein Mittelschiff und zwei Seilenschilfe abgetheill.
Diese letzteren setzen sieh, den Thurm gleichsam umfas-
send und an dem Ganzen festhaltend, zu beiden Seiten die-
ses fort und hören zugleich mit ihm auf. Die ganze Breite
des Schilfes beträgt 60'. wovon 30' auf das Mittelschilf und
je 15' auf die Seitenschiffe fallen. Jenes ist demnach gerade
so breit als diese zusammengenommen. Der Chor ist drei-
seitig geschlossen; seine Breite beträgt 23' 8", gerade die
Hälfte des Baumes, der zwischen dem Choranfang und dem
Altar liegt, und wenigstens für das Auge des Beschauers
den Chorschluss bildet. Die Pfeiler, deren je drei, vom
Kern aus gemessen 16' von einander abstehend, die Seiten-
schiffe von dem Hauptschiffe trennen, sind achteckig und
haben bei einem Durchmesser ron 3' 8 bis dahin, wo die
Gewölbegurten ansitzen, eine Höhe von 30', sind also genau
so hoch als das Mittelschilf breit ist. Die ganze Hohe des
Gewölbes beträgt im Mittelschiff und im ("bor 44' 6", so viel
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als die Breite des Mittelschilfes und eines Seitenschiffes
zusammengenommen, in den Seitenschiffen 4(1' 7". Diese
sind also nur um weniges niederer als das Mittelschiff; für
das-Auge verschwindet der Unterschied fast ganz. Der Chor
ist ohne Pfeiler, an seine Südseite schliesst sich die Saeristei.
Die Art uuil Regelmässigkeit dieser Verhältnisse ver-
leiht dem ganzen Innern ein ernst majestätisches Gepräge,
und wenn die Stärke der Pfeiler auch etwas schwer er-
scheinen mag, so wird doch der Bindruck der Schwerfäl-
ligkeit verminderi durch die rerhältnissmässige Höhe der
Seitenschiffe.
— 169
In der ganzen Anlage offenbart unsere Kirche den
gothischen Baustyl, wie er sich in Deutschland, beson-
ders in den baltischen Gegenden und den Marken und in
Holland ausgesprochen hat, überhaupt überall, wo die
Phantasie durch den Ernst des Schaffens gemässiget wurde.
Dieser Ernst, diese Regelmässigkeit waren der naturge-
mässeste Ausdruck der derben kernig-ehrenhaften Gesinnung
der frühern sächsischen Markmänner im Osten des Karpa-
thenlandes ')■
Der Chor ward vielleicht auch darum eingezogen, um
die Strebepfeiler, die hier in Folge der Bodenverhältnisse
stärker sein mussten wie am Schiff, nicht in fast gleiche
Linie mit dem letzten treten zu lassen, wodurch das Äussere
jedenfalls viel schwerfälliger und einförmiger geworden
wäre. Dass sie überhaupt vorhanden sind , ist schon Zeug-
niss des gothischen Styls. In drei Absätzen steigen sie,
sieben an der Zahl, am Chor empor und endigen in Kreuz-
blumen 2), von denen jedoch die meisten dem Sturm der
Zeiten und der Hand ungeschickter Erneuerer gefallen
sind.
Vier von den Strebepfeilern , die östlichsten, haben
eine Basis von 7' Tiefe und 5' 3" Breite, die übrigen sind
unter 5' tief und 3' 3" breit. Die massigere Construction
der ersten wurde dadurch herbeigeführt, dass hier der
Boden sich senkte und einen festeren Unterbau verlangte.
Dadurch und durch die Anlage einer Gruft unter dem Chor
kam es auch, dass selbst die Umfassungsmauern am Chor
stärker werden mussten als am Schilt' (dort 3' 6". hier 3'
3"). Dieses wird gestützt von vierzehn Strebepfeilern mit
einer Basis von 4' 4" bis 5' 3" Tiefe und 3' 8" bis 3' 11"
Breite. Sie sind auch, wenn nicht ohne Gliederuug. so
doch ohne allen Schmuck. In einem derselben, welcher
eben desshalb auch viel breiter ist, führt eine sehr schöne,
zur Hälfte doppelte steinerne Wendeltreppe über 45 Stufen
auf das Dach.
Die Gruft, welche dem Princip germanischer Archi-
tectur nicht entspricht, ist in den sächsischen Kirchen
Siebenbürgens allgemein eingeführt und bis gegen Ende
des vorigen Jahrhunderts gebraucht worden. Vornehme
besonders wurden in ihnen beigesetzt. In unserer Kirche
führte eine Treppe vor dem Taufstein, anhebend in einen
schmalen Gang, zu dessen beiden Seiten die Öffnungen
sich befanden, in welche die Särge geschoben wurden.
Täfelchen bezeichneten die Namen der also Begrabenen.
War eine solche Öffnung voll, so ward sie vermauert;
waren es alle, so öffnete man die erste und schaffte die
Toilten daraus in das „Beinhaus", ein Gewölbe am Ende
jenes Ganges, welches durch zwei schmale Öffnungen dem
') Kuglers llamlli. der Kunstgeschichte, 586 — 590.
~) Solche sind auch die von Mökesch a. a. 0. S. 17 für Kronen und Syiu-
hole der vereinigten sieben sächsischen Städte erklärten Zierathen auf
den Fenstergieheln der Hennannstädter eräug. Pfarrkirche.
Licht den Zugang gestattet. Die Verwandten zogen es
indessen in solchen Fällen gewöhnlich vor , ihre Todten
auf dem Gottesacker zu begraben. An der Schässburger
Bergkirche stört die Gruft im Innern gar nicht , da der
Chor kaum um eine Stufe über das Schiff gehoben werden
durfte.
Das ursprüngliche Gewölbe mag im Spitzbogen aufge-
führt gewesen sein. Dem entspricht besonders die Arehi-
tectur der Fenster. Diese sind . einige an der Thurmfacade
und an der Sacristei angebrachte kreisrunde oder gerad-
linige ausgenommen, durchaus im Spitzbogen geschlossen.
Fünf finden sich am Chor, sechs Hauptfenster am Schiff
Jene sind ausserordentlich schmal: ihre Weite beträgt, das
östlichste ausgenommen, nur */,a der Höhe (2' 26 j; doch
wird diese Erscheinung gemildert durch eine zwei Fuss
breite Schräge der Umfassung, die im Innern nach unten
zu bereits in einer Höhe von 8' 6" über den Boden beginnt
und fast gleiche Höhe mit dem Gewölbe erreicht. Von den
Fenstern am Schiff haben fünf gleiche Verhältnisse: ihre
Weite verhält sich zur Höhe wie 1:4-2 (4' 6": 19' 4");
das sechste über dem nördlichen Eingange befindliche ist 7
weit und 13' hoch und macht einen wahrhaft imposanten
Eindruck. Zur Erleuchtung der unter der Orgel befindlichen
Räume sind zu merklichem Schaden des Äussern zwei
kleinere Fenster angebracht, deren eines demnach unter
ein Hauptfenster, welches nur die oberen Räume erleuchtet.
zu stehen kommt. An der Facade sind zu beiden Seiten
des Thurmes je ein und zwei runde oder spitzgewölbte
kleine Fenster ohne Schönheit und Symmetrie angebracht.
Was das architectonische Detail anbelangt, so lag, wie
schon bei der Erörterung des Grundrisses erwähnt worden,
im Plane nicht zierlicher Schmuck. Dieser beschränk! sich
fast nur auf Fenster. Portale und Strebepfeiler am Chor.
An den letzteren sind Statuen angebracht mit einfachen Con-
solen, und von sorgfältig gearbeiteten Baldachinen überdeckt.
Vier sind noch vorhanden: eine kniende und zwei
aufrechtstehende männliche Figuren, ohne alle Attribute,
wahrscheinlich Apostel und Maria mit dem Jesukinde, Die
Fensterverzierungen sind zum Theil von hoher Schönheit.
Das Mittelfenster im Chor und das breite üher dem Nord-
eingange sind sich darin ähnlich, die übrigen entsprechen
sich nach den Seiten. Alle sind durch Stäbe oder Säulen in
2 — 4 Felder abgetheilt und in ihren oberen Räumen von
Rosetten und anderem Schmuck erfüllt, worauf der Künst-
ler besondere Aufmerksamkeit verwandt zu Italien scheint.
Die Portale zeigen noch eine reiche Gliederung: Das
Hauptportal nach Westen zu (Fig. 2,s. nächste S.), 12' hoch
und 7' weit, zeigt die bei Kirchen germanischen Styls gewöhn-
liche Form, den Spitzbogen, .schräg nach aussen zu sich
erweiternd und vielfach eingekehlt. Ohne monumentalen
Schmuck steigen die zahlreichen Halbsäulchen empor, wie ans
der vorstehenden Profilirung zu ersehen ist (Fig. 3. s. näch-
ste S.). Nach ähnlichem Gesetz sind die beiden anderen
170
(Fig. 2.)
gebaut, gegen Süden und Norden, (loch weder von denselben
Grössenverhältnissen noch im Spitzbögen geschlossen. Das
nördliche misst 12' 4" Höhe
bei 5' 7 Weite, das südliche
9' Höbe bei 4' 8" Weite.
Jenes zeigt die edelsten Ver-
hältnisse und zeichnet sich
durch eine gewisse Schlank-
heit und Freiheit vortheil-
liaft aus. Ein einfaches Basa-
inenl läuft um die ganze
Kirche herum, ebenso wie
nicht minder ein einlaches
Gesims in einer Höbe von 10'
4" unter dem Dach hin. Vor
den Portalen sind Hallen an-
gebracht, von denen übri-
gens nur die südliche älter
und durch einen ausgezeich-
net schönen Rundbogen am
Eingänge geschmückt ist.
Nicht minder einfach gehalten ist das Innere. Die
Pfeiler sind ohne Capitäle . die Gewölberippen setzen un-
mittelbar an sie an und breiten sich pal-
menartig nach allen Seiten hin aus. Die
Bogen unter dem Orgelbau sind nach dem
Gesetze der Cannellirung angelegt, und
nur der in der Mitte, an dessen Stelle
früher ziemlich ungeschickt zwei Bögen
if'S- 3) standen, von ganz neuer Construction und
aus weniger solidem Material e (Backsteine) gearbeitet.
Der grossartigste Schmuck der ganzen Kirche ist der soge-
nannte Triumphbogen, der sich da erhebt, wo Chor und
Schill' an einander stossen. Bei gleicher Breite mit dem
Chor erreicht er beinahe die Höhe des Mittelschiffes. Von
viereckiger Basis aus steigen birnenförmige Halbsäulen zu
beiden Seiten kühn hinauf, werden in einer Höbe, die
dem Ansatz der Gewölberippen im Schiff ziemlich gleich ist.
von einem zierlichen Blattcapiläl unterbrochen und schlies-
jen '-ich dann zum Spitzbogen. Das Gewölbe ist nur im
Chor älter, doch auch hier nicht ohne wesentliche Er-
neuerung. Es war ein äusserst künstlich combinirtes Gurt-
gewölbe, dessen Bippen von schlanken Halbpfeilern ausgin-
gen, welche in einer Höhe von 8' 6" — 10' Ober dem Boden
auf einem einfachen Gesims ruhen. Die Kanzel endlich
wurde an dem Mittelpfeiler der nördlichen Reihe angebracht.
ganz aus Stein gearbeitet und in einfach schöner Weise,
ähnlich den Fensterverzierungen, ausgeschmückt.
An dem Thiirin ist eine künstlerische Hand am wenig-
sten zu erkennen. Schwer erhebt ersieh 34' breit über dem
SVestende der Kirche and steigt, kaum durch einige Gesimse
in Stockwerke gegliedert, in gleicher Breite bis zu 70' <>"
Höhe an. Dort beginnt schon ein Vordach, das in einer
^H
u
Höhe von 90' 6" — 104' die kleineren Glocken (die grösste
hängt 70' hoch) uinschliesst und 26' höher, also im Ganzen
130', in einen mächtigen Knopf1) endet. Das ist äusserst
niedrig, wenn man bedenkt, dass das Kirchendach über
dem Chor 28', über dem Schill' 83' 6" sich erhebt, also
kaum um 32' unter der Spitze des Thurmos bleibt. Auch ist
dieser wie ohne Gliederung so ohne Schmuck. Nur die im
Spitzbogen gewölbten Schallfenster zeigen einiges jetzt ver-
fallenes Stabwerk. Vielleicht mochte man nicht an dieser,
feindlichem Geschoss und Anfall am meisten ausgesetzten
Seite sich mehr Mühe machen, als gerade unumgänglich
nöthig war; vielleicht war man auch müde geworden des
langen Baues, als man au dem Thurm. dem letzten Tbeil
lies Werkes anlangte, und eilte zu Ende zu kommen. Bei
nur 30' breiter Basis erhebt sich der Bistritzer Thurm (vol-
lendet 1519) zu einer Höhe von 252' 27".
Das Material des Baues besteht überwiegend aus ge-
brochenen Sandsteinen; nur an den Pfeilern, den Fenstern,
den Ecken und dem Basament sind auch behauene Sand-
steine verarbeitet von einer Gattung, die am wahrschein-
lichsten auf Persany oder Klausetiburg als Bruchort hin-
weist. Wie viel tausend Fuhren wird das erfordert haben?
Wahrscheinlich benutzte man auch Steine von den Umfas-
sungsmauern der alten Pfarrcapelle. die dem Bauplatze am
nächsten lagen.
In Folge aller dieser Hindernisse rückte das Werk so
langsam vor, dass erst 1480 an die Errichtung der Kanzel.
1483 an die Wölbung der Fenster im Schilf geschritten
werden, und erst 1488 der Opifex Jacohus Kendlinger de
Sanct Wolfgang das Werk für rollendet erklären konnte.
Selbst diese Vollendung übrigens betrifft mehr nur die
Maurerarbeit und vielleicht das Dach . als die innere Ein-
richtung; denn die nördlichen Thürflügel sind erst 1495,
die Stühle im Chor erst 1523, die südlichen Thürflügel
erst 1525 ausgefertiget worden. Diese Angaben werden
sämmtlich durch Inschriften an den einzelnen Bautheilen be-
stätiget.
Das neue Gotteshaus war die frühere Pfarrkirche, die
„Capelle" , dem h. Nikolaus gewidmet, einem Märtyrer,
der in Siebenbürgen besondere Verehrung genossen zu
haben scheint. Sein Fes! fällt nach .Missalien aus dem An-
fange des XVI. Jahrhunderts auf den 5. December. Nicht
nur sind nach ihm eine Menge grösserer und kleinerer Orte
genannt (Szent Miklos . Kolos . Clausenburg, Ciosdorf.
Kallesdorf), sondern noch eine grössere Anzahl von Kirchen
Und Capelleu war ihm geweiht (im liiirzenland allein vier)
und Geistliche nannten sich gern nach seinem Namen. In
den Verzeichnissen der Burzenländer Pfarrer, welche
') BU zu 104' wurde im Innern gemessen. Eine Winkelmessung er^nli als
Resultat L30 08'. Es isl interessant, <l:ivs auch :nt diesem Tlllirme wir :in
dem Mühlbacher sich Gesimse and Borgfiltig ausgearbeitete Schaufenster
finden, welche g< Mi irtig unter das Kirchendach fallen. Wie dort,
deuten sie auch liier darauf hin, <l;»ss 'las Dach einsl niedriger angelegt
war, und *ler Thurm viel freier stand.
— 171
Trausch im Magazine III. veröffentlicht hat, erscheinen im
XV. Jahrhunderte zwölf Pfarrer dieses Namens. Wo eine
neue Kirche an die Stelle einer früheren trat, behielt man
wohl auch gern die Widmung bei. Dass aber die frühere
Schässburger Pfarrkirche diesem Heiligen gewidmet gewe-
sen, liisst sich aus der Inschrift der Glocke sehliessen,
welche 1419 für sie gegossen wurde; sie lautet: S. Nico-
lai ora pro nobis. Glocken und Kirchen aber hatten gern
denselben Schutzpatron.
Die Wandmalereien erfüllten, dem auch in Deutschland
herrschenden Gebrauche gemäss, ausser den Gewölben be-
sonders die Brüstungsmauern über den Chorsitzen '). Wann
sie entstanden, ist nicht zu bestimmen, jedenfalls vor 1544.
Selbst ihre Stoffe sind nur ungenau bekannt. Als am
17. December 177G die Ausbesserung der Bergkirche und
besonders der Gewölbe in dem Consistorium zur Sprache kam,
stellte diese Malerei sich als vorzüglichstes Hinderniss ent-
gegen, da sie „als Antiquität betrachtet" erhalten zu wer-
den verdiente und doch im Falle der Benovirung nicht ge-
schont werden könne. Das Consistorium beschloss endlich,
da „die gemalten Gegenstände selbst beinahe von keiner
Erheblichkeit sind, indem sie meistenteils jene Handwerker
und Künstler, welche einst an der Kirche gearbeitet, nebst
ihren Tauf- und Zunamen darstellen", dass „bei Beparirung
der Kirchengewölbe die Malerei durchaus cassirt und das
ganze Kirchengebäude inwendig ausgeweisst, vorher aber
dennoch zum etwaigen Andenken besagte Malerei copirt
und die Inschriften in Abschrift genommen werden solle" 2).
Was dem Consistorium damals unerheblich schien,
würde für uns jetzt von hoher Wichtigkeit sein, da sich
die angeordneten Abschriften und Copien nicht nur nirgends
finden, sondern auch gar nicht angenommen werden kann,
dass dem Beschluss des Consistoriums in dieser Hinsicht
überhaupt Folge geleistet worden sei.
Wann die Einweihung der neuen Kirche erfolgte,
ist schwer zu bestimmen, jedenfalls vor 1511, also noch
vor der vollständigen Einrichtung derselben, da in dem
genannten Jahre bereits eine Priesterweihe durch den Suf-
fragan des Weissenburger Bischofs darin vorgenommen
wurde 3).
Der schönste Schmuck der Kirche ist das Sacraments-
bäuseben rechts vom Altare, ein besonderes Gotteshaus fin-
den Leib des Herrn nach der Ansicht der katholischen
Kirche, hier so schlank und zierlich, dass auch heute noch
!) Kugler a. a. 0. G2G.
2j Ältestes schiissburg. Consistorialprotokoll 72.
*) „Anno virginei parlus 1511 dei doininico, quo canitur diunium officium
Esto mihi Ego Johannes de patiskonia ex dyocesi Wratislautensi sus-
cepi ni-ores (kann minores oder maiores heissen) ordines venerabilem
dominum Johannein Episconum N. pro tunc suffraganeum Albensem
in Eeelesia parochiali beatissimi pairis Nicolai in Segeswar patroni,"
schreibt der Geweihte auf das Deckblatt, eines Hissale, welches unter
„Quart 296" noch in der Schässburger Bibliothek aufbewahrt wird.
Ein anderes Missale, wahrscheinlich einst im Besitze derselben Kirche
und ebendort aufbewahrt, ist ein Veuetianer Druck von 1504.
der Blick gern aufwärts eilt mit den mehr und mehr ver-
sehwebenden Formen, die selbst in ihrer Spitze der irdi-
schen Sehnsucht keine Vollendung, keinen Abschluss ge-
währen, sondern bedeutungsvoll weiter zeigen nach oben.
Seine Grundform ist viereckig; auf einem Fusse, der in
der Mitte kaum 7" Durchmesser hat. ruht das eigentliche
Häuschen, mit einer Seite an die Wand gelehnt, auf den
drei anderen von eisernem, bleiernem und silbernem Gitter
geschlossen. 6' 9" hoch. An den Ecken steigen Fialen
empor, die Seitenflächen sehliessen nach oben und unten
in zierlichen Spitzbügen mit Krappen und Kreuzblumen.
Unmittelbar über dem Häuschen setzen zierliche Säulchen
das Viereck in ein Sechseck ablösend an , und führen den
luftigen Bau in demselben Styl 5' 2" höher; hier beginnt
der letzte Absatz, wieder Säulen 3' 2" hoch, die endlich in
eine viereckige Pyramide ausgehen, deren Schluss in einer
Höhe von 24' durch eine offene Kreuzblume gebildet wird.
Siebenbürgen besitzt kein Werk der Detailsculptur von
ähnlich leichter Construction und vollendeter Ausführung.
Der Name des Meisters ist nicht bekannt, er wurde nicht
angebracht an dem Werke selbst, damit nicht menschlicher
Stolz auch in solcher Nähe des Höchsten zu prunken scheine.
Jedenfalls gehört das Ganze der letzten Bauperiode an und
bildete im Kleinen einen Ersatz für den geschmacklosen
Tlnirm i).
So hatte man fast hundert Jahre lang gebaut (1429 —
1525) und endlich erreicht das Ziel der Arbeit. Sieben
Könige, dreizehn Bisehöfe, acht und zwanzig Woiwoden
und zehn Sachsengrafen a) hatte der Bau überdauert. Keiner
der Gründer erlebte dessen Ende, keiner konnte begraben
werden an dem Orte des Friedens, der sich unter dem Chor
der neuen Kirche dem müden Pilger erschloss.
Die Kirche ward , als die ganze Stallt protestantisch
wurde, dem katholischen Gottesdienste geschlossen und
verlor zu gleicher Zeil ihren Charakter als Pfarrkirche. Die
Doniinicanerkirche, bequemer gelegen für die Bewohner
der Stadt, die sich im Thale immer mehr ausbreitete, trat
an ihre Stelle; das schöne Taufbecken wurde damals wohl
in diese versetzt; bloss die Glocken blieben ihr. welche der
Sage nach während der Dauer des Baues auf dem nahen
Goldscbmiedthurm gehangen wurden. Von da an wurde sie
lange hindurch wenig benützt, nur von geringer Sorgfalt
gewartet, dem Einfluss der auf den Höhen rauberwirkenden
Stürme preisgegeben, die an der Schönheit ihres Äusseren
nagten. Nur wenn man neue stille Bewohner hinabsenkte
in ihre Gruft, öffneten sieh ihre Hallen und schlössen sich
wieder hinter den Trauernden. In ihrem Innern fügte sich
bald Leichenstein an Leichenstein. In Leichensteinen allein
offenbarte sieh noch die Hand sächsischer Künstler. Einige
davon sind noch vorhanden; sie sind jetzt im Innern der
') Kugler a. a. 0. 534.
-| Nach Eder, erste Anleitung zur Kencitniss Siebenbürgens; A. \ t »g.,
Hermi stadl 1S28.
172 —
westlichen Wand eingemauert, links vom Eingang. Der
älteste ist von IS76, der jüngste von 1647.
Von der Vollendung der Kirche his auf die neuesten
Zeiten herab hat jedes Jahrhundert derselben seine Spuren
aufgedrückt. Im Jahre 1 i>97. als kaum die Kirche ein Jahr-
hundert gestanden, beraubte sie ein Sturm ihres Daches.
1704 verlor sie durch einen Oberfall der Kurutzeu in Folge
eines Brandes Thurra und Glocken. 1700 haute man die
Halle vor dem Portale ohne Kunstsinn und zum Nachtheil
des schönen darüber befindlichen Fensters. 1777 wurde
eine grössere Reparatur im Innern und Äussern der Kirche
vorgenommen. Einige Jahre später ging man auch an die
Herstellung eines würdigen Altars. In neuester Zeit hatte
das Erdbeben vom Jahre 1S38 eine bedeutende Restauration
nothwendig gemacht.
Also steht die Schässburger Bergkirche heute da. eine
Schöpfung des nach äusserer Offenbarung ringenden reli-
giösen Geistes unserer Vorfahren.
Alterthümer in Steiermark.
(Aus Berichten des k. k. Conservators Jos. Scheiger in Gratz.)1)
Die Spital kir che von Aussee enthält einen nicht
uninteressanten Flügelaltar und mehrere mittelalterliche
Denkwürdigkeiten.
Auf dem Wege zwischen Brück und Mariazeil
zeigen mehrere Wegsäulen schöne Holzsculpturen des XIV.
und XV. Jahrhunderts, darunter nahe am bekannten Brandhofe
die sehr kindliche Darstellung des heiligen Dionysius, der
seinen Kopf im Arme, einen zweiten aber auf dem Halse trägt.
In Maria zell harrt die Schatzkammer, welche, ab-
gesehen von dem pecuniären Werthe des hier Aufbewahr-
ten, eine Menge wahrer Schätze der Kunst und des Alter-
thums an Kirchengewändern von sehr hohem Alter, Schnitz-
werken und sogar Waffen besitzt, auf eine wissenschaft-
liche und künstlerische Beschreibung. Unter den Votivbil-
dern sind mehrere der Reinigung und Ausbesserung ebenso
würdige als bedürftige. Wegen zweier derselben, der Be-
lagerung von Brunn durch die Schweden im Jahre 1046
und jener durch diePreussen im Jahre 1742. verwendete ich
mich gleichzeitig an den Herrn Dechant von Mariazeil und
erzielte auch das gewünschte Resultat.
Die Klosterkirche und das ehemalige Kloster von Xeu-
berg bewahren eine solche Menge von bisher noch nicht
genügend gewürdigten Denkmalen des Mittelalters, dass
eine diessfällige intensive Forschung sehr lohnend wäre.
Noch weniger bekannt ist die kleinere Pfarrkirche, gegen-
wärtig nur zum Leichengottesdienst verwendet, welche als
ein zwar einfaches, aber bis jetzt ziemlich unberührt erhal-
tenes Bauwerk (dem übrigens in neuester Zeil durch Ver-
wahrlosung schnelles Zugrundegehen droht) einer Herstel-
lung bedürftig und würdig wäre. Ich fand in einem Neben-
gebäude derselben ziemlich versteckt einen dem heiligen
Oswald gewidmeten Flügelaltar von guter Arbeit des
>) Diese Berichte lind das Resultat einiger Ausflüge, welche der Ben
Conservator zu verschiedenen Zeiten nnternomi ind der k. k. Cen-
tral-Commisjion Torgelegt hat Wir halten die Bemerkung nicht im
überflüssig, dasi dieselben nur einzelne Theüe von Steiermark umfassen,
'■ "'""' '''"''" Anaproch auf Vollständigkeit zu machen, nur den Zwei l,
1,1 "• ■"' einc rieil,e >"" Knnatdenkmalen anfmerksaui /.. machen,
welche er»t einer tiefer eingehenden Würdigung bedürfen. Die Red.
XV. Jahrhunderts, der mit sehr geringen Kosten zu reinigen
und herzustellen wäre. Auch der Hauptaltar vom Jahre 1631,
eine Madonnenstatue von Holz und guter Arbeit, einige
hübsche gemalte Scheiben, Kirchenstühle von 1526, In-
schriften u. s. w. tragen dazu bei, die Besichtigung und
Untersuchung dieser Kirche interessant zu machen.
Die Ruinen der für die Geschichte Österreichs so merk-
würdigen Burg Cilli gehen durch Vernachlässigung dem
Untergange entgegen, doch sind Verhandlungen im Zuge.
In der Stadt Cilli besichtigte ich die Pfarrkirche mit
ihrer herrlichen . einen sehr reichen Baustyl der schöneren
Zeit zeigenden Seitencapelle mit 12 in Holz geschnitzten
Aposteln, interessanten Grab- und andern Inschriften u. s. w.
An der Kirche sind römische Denksteine, mit lobenswerther
Sorgfalt und durch Gitter geschützt, angebracht.
Römische Alterthümer sind übrigens sehr häufig in der
Stadt zerstreut und über sie wurden bisher manche mit-
telalterliche Beste gänzlich übersehen.
Interessant war es mir, an einem Hause das A. E. I.
0. V. ganz in der Buehstabenform der fridericianischen
Periode, aber mit der Jahrzahl lo30 zu linden.
Das Rathhaus bewahrt einige römische Bronze-Alter-
thümer und Münzen, eine sehr interessante alte Abbildung
der Stadt und des alten Stadtrichterschwertes, welches ge-
gen die Gewohnheit, zu solchen Repräsentationswaffen aus-
gezeichnet schöne Exemplare zu wählen, eine Scharf-
richterklinge und einfachen Grill' hat. Der römische Mosaik-
fussboden ist wieder zugeschüttet und auf diese Weise
einstweilen gegen weitere Beschädigungen geschützt. Der
hochwürdige Herr Abt von Cilli, welcher bezüglich der Er-
haltung römischer und mittelalterlicher Denkmale eine wirk-
lieh seltene Sorgfalt zeigt, liess mich wiederholt versichern,
dass er denselben in der ehemaligen Miunritcukirchc voll-
kommen gesichert unterbringen werde.
An diese Notizen knüpfe ich jene über einen Ausflug
nach den Ruinen des Klosters Saiz. Die sehr einsame und
abgelegene Lage dieser einstmaligen, im XI. Jahrhundert
gegründeten Karthause mag dazu beitragen, dass sie so
173 —
wenig gekannt ist, obwohl sie noch gegenwartig eine kleine
Stadt von Ruinen bildet, mit allen Perioden der Baukunst,
allen Graden der Erhaltung. An ihren sehr starken und am
besten erhaltenen Befestigungen bemerkte ich einen sehr
interessanten Beleg zu der Vorsicht unserer Vorfahren in
ihren Schutzwerken. Eine der Hauptfronten des Klosters ist
gegen einen waldigen Berg gerichtet und von diesem Hin-
durch einen schmalen Weg getrennt. In dieser Fronte be-
findet sich auf eine weite Strecke kein einziges gegen den
Wald gerichtetes Schussloch , da solche Öffnungen der Ge-
fahr ausgesetzt wären, den im Walde sich anschleichenden
feindlichen Schützen als Ziel zu dienen. Wohl aber sind
häufige ganz schief in die Mauer geschnittene Schusslöcher
zur Bestreichung des Mauerfusses und Grabens vorhanden,
und dieBeschiessung des Waldes ist den in den entfernteren
Thürmen und Vorsprüngen angebrachten Schusslüchern
überlassen.
Die Ruine der Hauptkirche (XIV. Jahrhundert) ist eine
der schönsten unserer Länder, die kleine achteckige Gruft-
kirche (XV. Jahrhundert) beinahe unverletzt erhalten, wird
es jedoch, da das Dach beschädigt ist, nicht lang bleiben.
Einen zweiten Ausflug richtete ich nach Pettau in der
Voraussetzung, dass in einer an Römerdenkmalen so reichen
Stadt, dem alten unlöblichen Gebrauche gemäss, höchst wahr-
scheinlich die mittelalterlichen bisher weniger berücksichtiget
worden sein dürften.
Auch erschien meine Voraussetzung an Ort und Stelle
gerechtfertigt. Schon das Rathhaus bot an seinem Stadt-
richterschwerte, mit den Namen der Bürgermeister seit 1606
bezeichnet, aber viel älter, seinem Gerichtsstab von 1555,
u. s. w. mehreres Interessante.
Das Sc bloss Oberpettau enthält ausser einer Menge
von römischen Steinen, auch mehreres Mittelalterliche, und
vorzüglich schöne Gemälde, ist aber besonders durch seine
Wehrhaftigkeit als Festung im neuern Sinne des Wortes
anziehend, wie wir überhaupt in Steiermark viele alte, aber
noch in der neuern Zeit nach den Grundsätzen der Bastions-
befestigung erweiterte Burgen finden.
Die Hauptpfarrkirche endlich ist in Bezug auf ihren Bau
und auf ihren Beichthum an Grabdenkmalen u. s. w. eine
der denkwürdigsten Kirchen des Landes. In ihrer Tauf-
capelle befindet sich ein ziemlich einfacher Flügelaltar des
XV. Jahrhunderts mit 9 guten Gemälden, beschädigt, aber
leicht herzustellen.
Im Presbyterium finden wir an einer Sacristeithüre, des
XV. Jahrhunderts vorzügliche Schlosserarbeit.
Aber meine Erwartungen wurden hauptsächlich durch
40 Chorstühle von 1446 übertroffen. Da jeder derselben ein
Vordertheil, eine Rücklehne, ein Seitentheil (das zweite zum
nächsten Stuhle gerechnet) und ein Dach hat; da jeder die-
ser Theile aber ebenso schön gedachtes als fleissig und rein
ausgeführtes, architektonisches, halberhobenes oder durch-
brochenes Schnitzwerk von hartem Holze hat. so zeigt sich
dem Beschauer auf 160 Tafeln, jede in der Grösse einiger
Quadratschuhe, ein Album gothischer Ornamentik, wie wohl
selten ein ähnliches vorkommen ,na£- Leider ist die ursprüng-
liche Holzfarbe durch eine dunkle Ölfarbe ersetzt, leider
sind von den Ornamenten, besonders von den durchbroche-
nen, schon manche abgesprengt oder sonst beschädigt. Diese
Beschädigungen werden in trauriger Progression zunehmen,
in nächster Zeit den Verlust vieler Bruchstücke herbeiführen,
und so von Jahr zu Jahr eine Herstellung erschweren und
vertheuern.
Ich wandte mich daher an den Herrn Dechant und
Hauptpfarrer mit dem Ersuchen, um Einschreiten wegen
Erhaltung dieses Kunstwerkes, welches dem ähnlichen
am Stephansdom in Wien an Grösse und wegen des
Mangels an figuralischer Darstellung nachsteht . aber in Be-
zug auf architektonische Ornamente allen anderen bekannten
in Österreich vorgeht.
Sehr wichtig war mir die Notiz, dass ein Töpfer in
Pettau von diesen Verzierungen manche copirt, und zu Vor-
bildern von Verzierungen au Öfen u. s. w. benutzt habe.
Von Pettau begab ich mich nach dem Schlosse Wurm-
berg, einem der grössten, wohlerhaltensteu und höher gele-
genen des Landes. Sein Inneres birgt einen reichen Schatz
von Ölgemälden des XVI. und XVII. Jahrhunderts . nament-
lich schätzbare Darstellungen von Trachten und Familien-
bildnissen, einen sehr tiefen Brunnen, mit einem Ausgange
unter der Erde, einige Bruchstücke von Stein-Basreliefs aus
der Periode zwischen 1500 und 1600. einen Narren und eine
Närrin und eine Gruppe von sich Balgenden darstellend mit
etwas derb natürlichen Enzelnheiten, mehrere Wappentafeln
u. s. w.
Sehr interessant sind fünf alte eiserne Geschütze, deren
eines der frühesten Periode ihrer Erfindung nach angehört
und daher eine der grössten Seltenheiten bildet, indem nur
wenige Zeughäuser mehr Geschütze aus dem XIV. Jahr-
hunderte bewahren. Ein zweites ist gleichfalls von sehr
hohem Alter, die übrigen gehören der ersten Hälfte des
XVI. Jahrhunderts an.
Die vor dem Schlosse stehende Pfarrkirche hat sebens-
werthe Grabdenkmale aus der Reformationszeit und Römer-
steine. Unter den Grabsteinen ist ein sehr schön gearbeiteter
eines Ritters von Siergenstein , dessen Harnisch im bürger-
lichen Zeughause in Wien aufbewahrt wird.
Höchst interessant ist die grosse. 1491 gebaute Pfarr-
kirche des Marktes Gröbming, wenn gleich ihr Bauwerk
viele Spuren des Verfalles der späteren golhischen Baukunst
zeigt, und eine Restauration, die mehr den Kostenpunkt als
die Schönheit im Auge hatte, besonders an ihrer Aussenseite
Manches verdorben hat. Einige gute Grabgemälde und wohl-
erhaltene Grabsteine (meist der Familie Mosheim) wären der
Reinigung werth. Diess gilt besonders von einem Gemälde:
die Anbetung der Hirten, mit dem Malerzeichen M. G., auf
dem grossen architektonisch eingerahmten Grabdenkmale
•>:t
— 174 —
Christoph Poliers zum Aigen und seiner vier Frauen aus dem gung als Restauration erforderlich. In dieser Beziehung
XVI. Jahrhunderte. setzte ich mich gleichzeitig mit dem Herrn Pfarrer in das
Bin alter Betstuhl mit fünf Sitzen ist eine merkwürdige Einvernehmen.
Arbeit des XV- Jahrhunderts , da der grüsste Theil seiner Die Kirche in St. Georg nächst Rottenmann enthält
Verzierung, statt erhaben, ganz flach, in einer Art mehr- ebenfalls einen Flügelaltar, dessen Besichtigung ich aber
farbigen Holzmosaik ausgeführt ist. Das ganze Werk ist ein- noch flüchtiger vornehmen musste, und daher nur bemerkte,
fach, aber gut erhalten. dass er dv\- /.»eilen Hälfte des XV. Jahrhunderts angehöre
Der Hauptschatz der Kirche ist der grosse . meines und ziemlich beschädigt sei.
Wissens aoeh nicht abgebildete Flügelaltar. Abgesehen von Dagegen traf ichin der Spitalkirche zu Rottenmann
seiner bedeutenden Grösse und von seiner schönen (wenn einen Betstuhl, den ich für eines der bedeutendsten Alter-
gleich der Bauzeit gemäss in einzelnen Theilen etwas über- thü r des Landes halte. Er ist zweisitzig, von sehr schöner
ladeuen) architektonischen Verzierung, unterscheidet ihn Anordnung und mit sehr gut ausgeführtem Schnitzwerke,
von vielen seines Gleichen der Umstand, dass die Mittel- an der Rückwand die Namen: Fridericus und Eleonora, den
darstellung aus S ta tue n besteht, die Scilentafeln aber Bas- Reichsadler und das portugiesische Wappen, dann die
reliefs statt der sonst üblichen Gemälde enthalt. weitere Aufschrift: Jesus, Maria. Anna. A. E. 1. 0. L'.. anno
Der Sockel des Altargebäudes ist durch ein neueres domini 1514, endlich den Buchstaben W, wahrscheinlich
werthloses Bild verstellt, wie auch der Altartisch von neuerer, ein Meisterzeichen, tragend.
unbedeutender Arbeit ist. Die figuralischen Darstellungen Das Ganze ist gut erhalten, Ins auf den Obertheil,
beginnen unten mit zehn in zwei Reihen über einander gesteh- welcher gänzlich seines Schmuckes herauhl. eine kahle Fläche
ten Aposteln. In der dritten Reihe stellt der segnende Salvator zeigt. Es ist dieses Werk sogar seit seinem Entstehen noch
zwischen zwei Aposteln, ganz oben ist Christus am Kreuze mit keiner Farbe angestrichen.
zwischen den Schachern, dann Maria und Johannes. Wenn es schon befremdet, ein solches kaiserliches
Die Basreliefs auf den Flügeln enthalten die Geisselung, Denkmal in einer kleinen ärmlichen Kirche zu linden, so
die Dornenkrönung, die Kreuzabnahme und die Auferstehung. befremdet das Datum der Verfertigung (so lange nach dem
Die Gewänder der Figuren und der Grund auf den Basreliefs Tode Kaiser Friedrich's) noch mein-.
ist Gold, und das Fleisch hat die Naturfarbe. Köpfe und Ich habt1 mich au den Stadtpfarrer von Rottenmann um
Bekleidung sind besonders schön gedacht und ausgeführt, die Auskunft verwendet, oh nicht fehlende Bruchstücke des
Einige Theile der Ornamentik sind besonders reich und Obertheiles in einer Rumpelkammer, auf dem Dachboden
zierlich. Der Erhaltungszustand des Ganzen ist ein guter zu u. s. w. vorgefunden werden können, sowie um Mittheilung
nennen, nur die Rückseiten der Flügel sind mit neuen über die Entstehung dieses Werkes, und «erde über den
schlechten Gemälden bepinselt. Im Ganzen ist mehr Reini- Erfolg seiner Zeit weiter berichten.
Die gothische Kirche Maria am Gestade in Wien.
(Mil zwei Tafeln.)
Von Karl Weiss.
(Schluss.)
Einen besonderen Schmuck besitzt die Kirche an den Einen ungleich günstigeren Eindruck als das Innere
alten Glasgemälden, welche theils in den Fenstern des macht die Aussenseite der Kirche. Abgesehen davon, dass
Chorabschlusses, theils in einigen Seitenfenstern des Pres- dieselbe— bis auf den Thurm - von dm in der jüngsten
byteriums, dann auch auf der Westseite des Schilfes ange- Zeil vorgenommenen Restaurationen grossenllieils verschont
bracht sind. Wegen ihrer Wichtigkeil für die Kunstge- geblieben und desshalb auch der ursprüngliche Charakter der
schichte und um die typologischen Darstellungen einer aus- Farbentöne, wie sie durch den natürlichen Einfluss der Zeit
führlichen Besprechung würdigen zu können, gedenken wir erzeugt wurden, sich erhallen hat. treten insbesonders die
auf dieselben in einem besondern Aufsatze speciell zurück- ungünstigen Verhältnisse der Bauanlage durch die Capellen-
zukommen, daher wir hier nur im Allgemeinen bemerken, anhaue gedeckt, weniger störend hervor. Auch springen
dass die Hauptvorstellungen in den Fenstern des Chorab- hier vor Allem die beiden eigentümlichen Portale des Lang-
schlusses das Lehen und Leiden Christi nebst an di 'reu hauses und der Thurm in die \ugen.
biblischen Darstellungen in je 21 abgetheilten Feldern Di,. Gestalt des am Westende der Kirche gelegenen
umfassen ') Hauptportales ist aus der beiliegenden Tafel \ zu entnehmen.
Die Seitenflächen des tief eingehöhlten Einganges haben
'' ' K« der CUsgemSIde wurden vor Im- reisug Jahren in den ;m (||i|. |n|t(,n| M.i)||(. UuUr sockelartijre, mil ".ethischem
sogenannten Aufnahmsaaal «i«'s Ritterschloasea zu Laxenburg versetzt.
Hoi mayr'a Archii .
1820 p i- Masswerke verzierte Mauervorlagen, in der obern Hälft«
Maria am Gestade
Taf:X
.
Haupt portal
— 175 —
Nischen und über denselben Baldachine, welche von Spitz-
säulen gekrönt sind. In den Nischen befanden sich in
früherer Zeit ohne Zweifel Figuren , so dass die Flächen
ziemlich belebt gewesen sein müssen. Über das eigentliche
Portal ist ein flaches und geripptes Kreuzgewölbe gespannt,
das nach aussen hin die Form eines im geschweiften Spitz-
bogen aufgebauten Baidachines besitzt und mit Kreuzblumen
und knorrigen Zierathen geschmückt erscheint. Die Ein-
gangsthür ist im Kleeblattbogen geformt. Im Tympanon sind
in Stein gehauen rechts eine uns unbekannte männliche
Figur, links Christus mit dem Lamme. Ähnlich in der Form
ist das Portal an der Südseite des Langhauses. Auch hier
wird das tief eingeschrägte Portal von einem gewölbten
Baldachine überspannt. Nur sind die Seitenwände von Rund-
stäben unterbrochen , welche oben in Spitzbogen auslau-
fen. Jede der beiden Seitenwände ist abermals von einem
die ganze Breite einnehmenden gothischen Baldachine
bekrönt. Ein Doppel-Portal , welches sich aber von den
zwei genannten vollständig unterscheidet, ist an der
Südseite des Chores unter einer kleinen später zugebauten
Vorhalle gelegen. Jeder der zwei Eingänge läuft im Spitz-
bogen zusammen, die tief eingeschrägte Gewandung ist mit
parallel laufenden Rundstäben und Hohlkehlen bedeckt, wel-
che von Capitälen unterbrochen und auf polygone Sockel
gestützt sind. In jedem der zwei Bogenfelder sind Steinsculp-
turen angebracht, deren eine die Krönung der h. Maria, die
zweite gleichfalls die h. Maria vorstellt, wie sie als Schutzfrau
in den Falten ihres Mantels die Seelen der Verstorbenen birgt.
Von ganz besonderem In-
teresse ist der Thurm (Fig.
IX), welcher auf der Südseite
im Winkel zwischen dem
Schilfe und dem Chore ange-
legt wurde. Der Grundform
nach hat derselbe sieben Sei-
ten und fünf Etagen sanunt
dem Helme. Die Flächen der
untersten zwei Etagen sind
schmucklos und nur auf drei
Seiten von schmalen gothi-
schen Fenstern unterbrochen.
Reicher geschmückt ist schon
das dritte und vierte Stock-
werk. Inter dem Gesimse
läuft ein spitzbogiger Fries
mit verticalem Stabwerk zu
beiden Seiten der gothischen
mit Masswerk geschmückten
Fenster. Am reichsten eesrlie-
dert ist die oberste Etage.
Die breiten im geschweiften
Spitzbogen erbauten Fenster
besitzen reich prolilirte Lei-
bungen. Zu beiden Seiten jedes Fensters treten zum Theil
aus der Mauerfläche Spitzsäulen hervor und anter dem
Gesimse des Stockwerkes ist gleichfalls eine friesartige Ver-
zierung angebracht. Oberhalb dieses Stockwerkes läuft um
den ganzen Thurm eine Gallerie mit stark hervortretenden
Spitzsäulen . dessen durchbrochene Brüstung gothisches
Masswerk im Drei- und Vierpass besitzt. Ober diesen fünf
Etagen ist nun die vielbewunderte Helmdecke <\<-- Thurmes
aufgebaut, deren Bekrönung nicht, dem Charakter des Bau-
styles entsprechend, in eine spitze Pyramide ausläuft, sondern
die Form einer aus Blättern und Zweigen verschlungenen
Kuppel oder — wenn man will — auch eines geschlossenen
Blumenkelches annimmt. Der ganze Helm ist durch-
brochenen und phantastisch gegliederten Ornamenten zusam-
mengesetzt und nur von sieben pfeilerartigen, mit Knorren
geschmückten Stützen getragen. An der Bekrönung des
Helmes ist eine Kreuzblume angebracht.
An der Aussenseite der Kirche ist noch besonders die
Facade bemerkenswerth, deren Portal wir bereit- bespro-
chen haben. Sie zerfall! in drei Felder. Im unteren bildet
das Portal mit dem Baldachin (Tafel JQdas charakteristisi in'
" Kennzeichen. An dasselbe schliessen sieh zu beiden .Seiten
pfeilerartige Mauervorlagen mit schmalen spitzbogigen Fen-
stern. Das mittlere Feld ist durch das hohe und breite
Stirnfenster unterbrochen, dessen Gewandung mit Rund-
stäben und Einkehlungen abwechselnd profilirt ist. Die
Mauerflächen zu beiden Seiten des Fensters bedecken
Lisenen, die (dien durch Kleeblattbögen verbunden sind.
Das oberste mit Kreuzblumen geschmückte Giebelfeld ist
zu beiden Seiten durch massiv geformte Wimperge geschützt,
welche an der Fronte durch eine Gallerie verbunden sind.
Die Fläche des Giebels bat in der Mitte eine runde Fenster-
öffnung und zu beiden Seiten abermals Lisenen, welche
nach oben aufsteigend durch Kleeblattbögen zusai en-
geschlossen sind. Aul den Flächen zwischen den Lise-
nen sind noch Consolen, worauf früher Figuren standen, und
an dem untern Abschlüsse des Giebels Wasserspeier zu be-
merken.
Das Äussere der Seitenwände der Kirche besitzt
gleichfalls mehrere auffallende Merkmale. Der Südseite des
Schiffes fehlen die Ausladungen der das Gewölbe stützen-
den Strebepfeiler. Die Wandflächen, an der. wie schon
bemerkt, auch jede Fensteröffnung mangelt, sind an der
Stelle der Pfeiler nur durch lisenenartige Streifen unter-
brochen, zwischen denen sich die Profile von Fenster-
einrahmungen sanunt Pfosten belinden. Zwei dieser Mauer-
streifen besitzen oben unter dem Gesimse gothische Ver-
zierungen mit dem Tndorhogen und einein Wimperge. An
der Nordseite des Schiffes dagegen treten Strebepfeiler —
wenn auch schwach und roh— hervor. Sie habenjedoch nur
den Charakter einlacher Mauervorlagen, oben mit einer ein-
fachen Abschrägung, und der übliche Giebel fehlt. Es ist
wahrscheinlich, dass an der Südseite des Schilfes die
23»
— 1715
Strebepfeiler nur «regen der beengten Raumverhältnisse
w egbleiben mussten. Das Dachgesims besteht einfach aus
Wülsten und Einkehlungen, ebenso sind die hoben Mauer-
sockel ohne besondere Ausstattung.
In einem besseren Geselnnaeke ist seilen das Äussere
des Chores in Ausführung gebracht. Abgesehen davon, dass
die breiten, schön gegliederten Fenster durchgehends
geöffnet sind, treten auch die Strebepfeiler kräftiger und
breiter aus den Wanden hervor und die Giebel sammt der
dreifachen Abschrägung weisen auf einen edleren Charakter
des Styles hin. (Vergl. das Fenstertrav£e auf Tafel I.V.
Fig. U.) l'nter dem Dachgesimse sind noch zu beiden
Seiten des Spitzbogens eines jeden Fensters kleine runde
Öffnungen mit dem Vierpass als Masswerk bemerkbar.
Nach den im Jahre 1820 vorgenommenen Messungen
sollen Schiff und Chor zusammen eine Länge von 36° besitzen,
das Schiff mit den Capellenanbauten eine Breite von 10°. der
Chor eine Breite von 6°. ersteres eine Höhe von 10°, letzte-
rer eine Höhe von 12°. Der Thurm der Kirche misst eine
Höhe von 30°.
Vergleichen wir nun Schiff und Chor in ihrer archi-
tektonischen Anordnng, um die Behauptung zu rechtfertigen,
dass das Schiff später als der Chor erbaut worden ist. Wir
haben gesehen, dass der Chor einfache mit Schlusssteinen
versehene Kreuzgewölbe, das Schiff dagegen Netzgewölbe
besitzt; dass die Gewölberippendes ersteren an den Wand-
pfeilern ursprünglich bis auf den Sockel herabreichen,
während sie bei dem letzteren schon von allem Anfange
durch eingesetzte Figuren und Baldachine unterbrochen wur-
den, wir haben ferner gesehen, dass am Chore die Strebe-
pfeiler kräftig hervortreten und mit Abschrägungen und
Giebel versehen sind, während sie am Schiffe nur schwache
und rohe Mauervorlagen bilden; dass das Seitenportal des
Chores durch zwei schlanke Spitzbögen, die beiden Portale
des Schiffes dagegen durch einen im geschweiften Spitz-
bogen gebauten Baldachin ausgezeichnet sind; wir haben
endlich wahrgenommen, dass das Masswerk der Fenster im
Schiffe sich durch seinen decorativen Charakter und seine
Nüchternheit, jene-, der Fenster im Chore dagegen durch
grössere Mannigfaltigkeit und eine verständige Auflösung
auszeichnen.
Die Kreuzgewölbe sammt den aus den Pfeilern unmit-
telbar in die ersteren übergehenden Rippen gehören aber
der Blüthezeil der Gothik, die Netzgewölbe sammt den au
der Mitte der Pfeiler abgeschrägten Bippen der Spätgothik
;in. Als ferner der gothische Baustyl noch strenge an den
construetiven Normen festhielt, standen die Strebepfeiler
— oben w eniger, unten mehr her\ ortretend — gewöhnlich im
Verbältnisse zur Stärke der Seilenmauern , und sie wur-
den durch eine entsprechende Gliederung ausgezeichnet;
das Masswerk der Fenster war gleichfalls strenge nach
construetiven Gesetzen gegliedert und die Form eines
geschweiften Spitzbogens kam nichl zur Anwendung.
\\ enn aber irgend ein Theil des Schiffes für seine der
zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts angehörige Erbauung
spricht, so ist es das Hauptportal mit dem Baldachine und das
demselben entsprechende Seitenportal des Schiffes. Mau
bat dasselbe bisher wegen seiner Originalität und Neuheil
in der Form bewundert; dagegen dürfte auch keine Ein-
wendung zu erheben sein. Die Originalität allein sichert
aber einem Bauwerke nicht den Anspruch auf Bedeutung.
sie muss auch im Einklänge mit der Reinheil des Styles und
den Gesetzen der Schönheit stehen, wodurch der Charakter
eines Baustyles bedingt ist. Die Originalität quand memo
in der kirchlichen Baukunst ist überhaupt ein L'nding. sie
kann insbesondere bei gothisehen Bauten nur in Einzelhei-
ten wie in der Ornamentik, der Prolilirung oder dem Mass-
w erk angestrebt werden, die Grundformen und Hauptlinien
des Styles dagegen können nicht verändert werden. Man
hat zwar auch im Mittelalter, ungeachtet die Bauhütten eine
bestimmte Diseiplin einzuhalten suchten, wiederholt auf
Neuerungen hingearbeitet, wir besitzen noch beute zahl-
reiche Baudenkmale, denen nicht Eigentümlichkeit abge-
sprochen werden kann, aber in allen Fällen, wo sie nichl
im strengen Einklänge mit dem Wesen des Styles stehen,
welchen sie repräsentiren, kann man darauf mit Sicherheit
zählen, dass solche Bauwerke einer Bauperiode angehören,
worin der repräsentirle Styl seinem Verfalle entgegenzueilen
anfing. Diese Behauptung findet nun auch specielle Anwen-
dung bei den Haupt- und Seitenportalen der Kirche Maria
am Gestade. In der Blüthezeil der Gothik findet man bei
den mit besonderer Sorgfalt behandelten Portalen regel-
mässig als Grundform den Spitzbogen in schlanker, frei auf-
strebender Gestaltung. Um eine Abwechslung in den Ein-
zelheiten zu erzielen, beschränkte sich die Phantasie der
Baumeister auf die Anordnung der einzelnen Glieder in der
Vertiefung, auf die Mannigfaltigkeil der Sculpturen und ins-
hesonders auf den Bilderschmuck in dem Giebelfelde. Dem Bau-
meister der beiden in Frage stehenden Portale genügte aber
nicht mehr die Gliederung des eingeschrägten Spitzbogens,
sondern er spannte über denselben ein flaches, gedrücktes
Gewölbe, welches mit einer gewissen Schwerfälligkeit Ober
dein ersteren hangt und auf dein Portale lastet. Bei dein
Anblicke desselben kann man sich nicht des Gefühls erweh-
ren, den die Uberladenheit und die unorganische Beifügung
einzelner Glieder an einem Bauwerke hervorrufen. Man be-
merkt es. dass es dem Ba eister einzig und allein um einen
decorativen Schmuck ebne einen construetiven, dem Geiste
des Styles entsprechenden Sinn zu thun war. Wir stehen
bei den Portalen des Langhauses der Kirche Maria am Ge-
stade am Beginne des sogenannten „Zopfes" in der Gothik.
Dieselbe Erscheinung wie bei den Portalen wiederhol!
sieb bei dem Thurme, jenem Theile der Kirche, der am
spätesten zugebaul wurde. Auch dieser entbehrt nichl der
Eigenthümlicbkeit, jedoch einer solchen, weicher mit dem
Wesen des gothisehen Styles unvereinbar ist. Die Helmdecke
— 177
mit ihrer reichen feindurchbrochenen Gliederung löst
sich nicht in eine schlanke pyramidenartige Spitze, sondern
in eine siebentheilige Kuppel auf, eine Form , welche hart
an das XVI. Jahrhundert streift , und von einem Baumeister
des XIV. oder in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts
kaum versucht worden wäre.
Die Frage nach den Baumeistern der Kirche hat bisher
vielfach die Kunstfreunde beschäftigt, ohne dass jedoch die-
selbe gelöst werden konnte. Schon Primisser hat in
Hormayr's Archiv (XII. Jahrg., S. 4(5) auf Hauser und
Pilgram hingewiesen, von denen der Erstere zwischen
1359 — 1400, der Letztere zwischen 1407 — 1433 lebte.
Beide sind bekanntlich die hervorragendsten Förderer des
Stephansdomes. Es ist aber nach den neuesten Forschungen
nicht wahrscheinlich, dass weder der eine noch der andere an
dem eigentlichen Baue der Kirche beschäftigt war. Denn es ist
so ziemlich gewiss, dass zwischen den Jahren 1357 — 1393
an der Kirche nichts gebaut wurde. Dagegen steht es ur-
kundlich fest, dass am 2. Juni 1394 Meister Michael Wein-
wurm den Grundstein zu dem gegenwärtigen Chore gelegt
und bis zum Jahre 1418 gelebt hat '). Da nun das Schill"
der Kirche viel später und zwar jedenfalls über das J. 1433
hinaus erbaut worden sein dürfte, so entfällt wohl jeder
Grund zu Primisser's Annahme, abgesehen davon, dass Pil-
gram, dem Vollender des Stephansdomes, Bauformen, wie sie
an dem Schilfe der Kirche vorkommen , kaum zugeschrieben
werden können. Die Frage nach dem Erbauer der Kirche
Maria am Gestade muss daher theil weise noch immer als
eine offene angesehen werden, da wir nicht einmal wissen,
wie weit der Antheil des erzherzoglichen Baumeisters
Michel Weinwurm an der Kirche reicht.
Bemerkenswerth ist im Innern der Kirche ein im gothi-
schen Style ausgeführter Weih Wasserkessel, in wel-
chem die Jahreszahl 1490 eingehauen ist. Ferner ein altes
eingemauertes Sacra ments hau sehen mit der Aufschrift:
Ecce panis Angelorum factus cihus Viatorum — vere. Be-
sonders reich war noch im J. 1820 die Kirche an Grabstei-
nen, von denen der älteste das Datum: 11. Mai 1316 trug,
und mithin einer Periode angehörte, welche vor den Bau
der gegenwärtigen Kirche fällt. Die Inschriften der 55 vor-
banden gewesenen Grabsteine sind in Böckh's Broschüre
„Geschichte der Kirche Maria Stiegen in Wien" ver-
zeichnet.
Als die Kirche Maria am Gestade, im J. 1820 in die
Obsorge der Congregation der Redemtoristen überging,
wurde an derselben eine Bestauration in grösserem Mass-
stabe vorgenommen. Dieselbe war bedingt durch den bekla-
genswerthen Zustand, in welchen sich die Kirche seit ihrer
Entweihung im J. 1809 befand. Abgesehen von der Bau-
•) Berichte u. Mittheiluugeii des AI terthumsver eines zu Wien, I. '291.
fälligkeit einzelner Theile der Kirche, hatte man das Innere
derselben ihres ganzen Schmuckes beraubt — um sie als
Magazin verwenden zu können. Beispielsweise erwähnen
wir nur, dass ein Theil der vorhandenen Kirchengeräthe
im öffentlichen Versteigerungswege verkauft wurde.
Bevor daher die Kirche auf Befehl Seiner Majestät des
Kaisers Franz I. der in Osterreich hergestellten Congregation
der Redemtoristen übergeben wurde, stellte sich die Not-
wendigkeit einer umfassenden Restauration dar. Nachdem
jedoch die Abhaltung des Gottesdienstes vorzugsweise für
die in Wien anwesenden Böhmen bestimmt war, so sollte
ursprünglich die niederösterreichische Landesregierung, als
Patron der Kirche, nur die Restauration des Thurmes auf
sich nehmen, die innere Herrichtung und Ausschmückung
der Kirche dagegen theils der Congregation selbst, theils
der Provinz Böhmen überlassen werden. Der Kaiser bew il-
ligte die Restauration des Thurmes mit der Summe von
56,978 tl. W. W.; für die Ausschmückung des Innern war
die Summe von 55,453 fl. W. W. beantragt. Um indess die
Eröffnung der Kirche nicht zu verzögern, bestritt zuletzt
die niederösterr. Landesregierung auch einen grossen Theil
der Restauration des Innern der Kirche. Die Arbeiten began-
nen im J. 1817 und wurden im J. 1820 vollendet. Später,
als die Vermögensumstände der Congregation sich bedeutend
besserten, nahm diese selbst bedeutende Verschönerungen,
wie die Erbauung neuer Altäre und der Kanzel, an dem Baue
vor, und es ist das rühmliche Bestreben derselben hervorzu-
heben, dass sie dabei immer eine stylgemässe Restaura-
tion im Auge behielt und nach und nach aus der Kirche
Alles zu entfernen bestrebt war, was mit dein Charakter t]f>
Baues nicht im Einklänge stand. So kam es, dass unter den
gothischen Kirchen Wiens jene von Maria am Gestade die
einzige ist, welche auch mit gothischen Altären geschmückt
ist. Wir lassen natürlich hiebei die Frage bei Seite, ob die
hiebei angewandte Gothik auch eine edle und reine ist
und nicht zu viel unter der Hand des Diletantismus
gelitten hat.
Interessant sind auch die Versuche, welche bei dieser
Kirche gelegentlich der Benovirung angestellt wurden, um
die alte Glasmalerei nachzuahmen. Es wurden nämlich zwei
Fenster auf der Südseite des Chores nach Zeichnungen des
Künstlers Schnorr v. Karolsfeld theils gemalt und
gebrannt, theils aus gebrannter Glasmosaik angefertigt. Als
Vorstellungen wurden hiezu gewählt die Bilder der böhmi-
schen Schutz- und Landesheiligen: 1) des heil. Johann
von Nepomuk; 2) des heil. König Wenzel; 3) des heil.
Joseph, und 4) des heil. Liguori als Bischofs und Stifters
der Congregation. In einer Scheibe ist auch der kaiserliche i
Adler, umgeben von dem ungarischen, böhmischen und öster-
reichischen Wappen, in einer zweiten Scheibe das Emblem
der Redemtoristen angebracht.
178
Die kirchlichen Gebäude zu Hartberg in Steiermark. ')
Von Heinrich G mve, technischem Beamten iU's k. k. Minist
Dil' Stadt Hartberg, im Bezirke gleichen Namens an >l<-r
Lafnitz gelegen, zähl! gegen« artig drei Gebäude, in « eichen
Gottesdienst gehalten wird; diese sind: die Pfarrkirche, die
Klosterkirche der Kapuziner und dersogenannte Karner oder
Kamerthurm -).
Der Karner, dem heil. Michael und Ulrich geweiht, hat
seine gründliche Würdigung schon in Seile ;>!> und 60
dieser „Mittheilungen" gefunden, woselbst Dr. Neider auch
die Abweichung des Portales von derAxe des Baues motivirt
hat. Wir wollen sonach hier nur noch auf die sonstige Regel-
mässigkeit des Grundrisses dieser Rotunde hinweisen. Nur
bei dem Portale und dem Ansätze der Apsis überschreiten
die Entfernungen der anliegenden Pfeilermittel den bei den
übrigen Pfeilerbündeln gleichen Abstand ihrer Mittel, was
wohl der beste Beweis für die schon ursprünglich beabsich-
tigte Lsenabweichung des Portales ist.
Zu bedauern i*t nur. d;iss durch das Ausbrechen der
diesem Baustyle geradezu widersprechenden Fenster, das
Überweissen des inneren Mi rwerkes und den Anbau der
pfarrlichen "Eisgrube und des Schulhauses (17'Jt!) dieses
mon entale Werk verstümmelt wurden ist.
Die Pfarrkirche hesteht ans einem gothischen Mittelbau
und einem im toscanisclien Style ausgeführten Zubau. Das
Äussere der Kirche ist gleichfalls toscanisch, der obere Theil
des Thurmes aher jonisch ausgestattet. Diese Kirche soll
llilit gebaut worden sein (die Glaubwürdigkeit dieser Sage
beleuchten wir später); jedoch hesteht von diesem Haue
nichts mehr als höchstens das Fundament. Eine urkundliche
Erwähnung der Stadtpfarrkirche linden wir erst 1310 in der
ältesten bekannten Hartberger Stiftung; in besagtem Jahre
am Jakobstage bestätigen nämlich'Herzog Friedrich und der
Magistrat von Hartberg, dass Leopold, herzoglicher Capellan
und Pfarrer zu Göss, nebsl noch Anderem ein ewiges Lieht
am Katharinenaltar der Stadtpfarrkirche gestiftet habe *).
Die liall/.eil des golhisehen Mitteillaues, der aus dem-
selben Muschelkalke*) wie der Karner hergestellt ist, glau-
ben wir in das XV. Jahrhundert verlegen zu müssen.
Die verwüstenden Einfälle derUngarn unter Albrechl I.
viin Habsburg mögen schon an den Bestand der I 199 erbau-
ten Kirche gerüttelt haben. Im XIV. Jahrhunderte litt Hart-
berg se arg, dass man in diese Zeil die Umgel g der Stadt
mit Mauern setz! ■'■).
M Vergl. das Aprilhefl der Mittheilungen s. :;:;, Anm. 1.
*) Muchar and nach ihm der ebenfalls schon verstorbene Joseph Herzog in
seiner „Kurzgefassten Geographie des Herzogthums Steiermark," Gratz
l^:ii, schrieben Rilschlich „Karcner".
3) Dr, Macher*s „Geschichte ron Hartberg." Steiermfirkische Zeitschrift.
Neue Folge, VI Jahrg., I. U.U. S. 36.
i) Dies isl »-in weisser, wri.-li.-i, dm Kintlüssen der Wiücriini; trotzender
Stein, I brich! sowohl in Hartberg selbst, wie in der ganzen Umgegend.
■I Di Macher >. :. 0. S. 35
eriums liir Handel, Gewerbe «ml öffentliche Bauten in Wien.
13:50 (latein. Urkunde ddto. St. Johannistag) nah der
La ml tvs fürst der treuen Stadt Hartberg, um ihrer Dürftigkeit
abzuhelfen, die Freiheil, in seinen Landen ungehindert und
ohne Mauth mit ihren Waaren Handel zu treiben1). Die
Kriegswehen und die häufigen Einfälle der Ungarn in der
ersten Hälfte dieses Jahrhunderts machten jedoch die Be-
mühungen dieses Regenten, >\^n gesunkenen Wohlstand zu
liehen, zu vergeblichen. Rudolph der Sinnreiche schrieb
bedeutende Abgaben aus. die Unzufriedenheit des Volkes
nahm zu; unter Leopold den Biederben (auch den Frommen),
der sich oft ausser dem Lande aufhalten iniisste. griffen die
Raubritter in den steiermärkischen Landen um sich, trat
Hungersnoth ein. und hielt die Pest ihre reiche Ernte.
1382 zeigte sieh diese Krankheit in der Gegend um Hart-
berg und raffte wahrscheinlich in der Stadt seihst viele
Menschen hinweg. 1392 zogen die Steiermärker unter Wil-
helm Grafen von Cilli, 1396 unter Herzog Wilhelm dem Ehrgei-
zigen selbst den von den Türken bedrängten Ungarn
zu Hilfe.
Unter Ernst dem Eisernen gestalteten sich die Ver-
hältnisse etwas besser, der erste Einfall der Türken erstreckte
sich nicht bis in diese (legend. Überhaupt nahm Hartberg
in der ersten Hüllte des XV. Jahrhunderts fortwährend an
Wohlstand zu; und in diese Zeit setzen wir die Erbauung
des initiieren gothischen Theiles der Stadtpfarrkirche.
1431» brannte die ganze Stadt ah-). Bei diesem Brande
wurde jedenfalls auch die Kirche arg mitgenommen und man
musste zu einem Neubaue schreiten: auch der Styl der
Kirche selbst zeigt uns. dass seihe in die Yerfallzeit guthi-
scher Bauten gehöre. Auch die Stiftungen in der Sladt|ifarr-
kirche «eisen auf diese Bauzeit hin: wir linden nämlich
solche Stiftungen in den Jahren 1313, 1358, 1360, 1368,
1406, 1412, 1417 und dann erst wieder 144«. 14S0, 1452
ii. s. f. verzeichnet»).
Sil wohlhabend, als wir Hartberg in der ersten Hälfte
dieses Jahrhunderts sehen , so schnell brachten die sieben-
ziger Jahre tU>n Wohlstand wieder herunter. In diesen
Jahren, in welchen die Steiermark durch Heuschrecken,
Hunger. Seuchen. Ungar id Salzburger zu leiden halte.
verarmte obige Stadt so -ehr. das- sie verödete; daher
gab Kaiser Friedrich 1478 der Stadl das Privilegium
(ddto. Graz am Pauli Bekehrungstage), dass Jedermann,
der die verödeten Häuser wieder aufbauen wolle, dazu
berechtig! sein, und von .Niemanden darum angefochten
i) Dr. Macher a. n. 0. S. :!.:.
>) Dcsshalb verlieh Herzog Friedrich an- Jüngere (ddto. Greiz, Mittwoch
vor si. Margarethentag) den Hartborgern, ehe er nach PalSstina abreiste,
einen Jahrmarkl auf den Kollmannstag. Dr. Macher a. a. 0. S. 38.
<l Dr. Macher a. :. 0, S. 36 37, 10, 02 1 63,
70
werden soll1). 1487 belagerten die Ungarn unter Wilhelm
Peinkirchner diese Stadt längere Zeit, ohne sie jedoch ein-
zunehmen. 1812 wurde der grösste Theil der Stadt aber-
mals durch eine Feuersbrunst zerstört, daher Kaiser Maxi-
milian (ddto. Erhartstag 1512) erlaubte, zur Fastenzeit einen
Jahrmarkt zu halten, und durch 0 Jahre auf einen Theil der
ihn gebührenden Abgaben verzichtete, unter der Bedingung,
diesen Nachsichtsbeitrag auf die Erbauung der Häuser zu
verwenden. 1516 (ddto. Mittwoch vor St. Veit) wurde
dieser Nachlass auf weitere zwei Jahre ausgedehnt2). 1529
machten die Türken ihre ersten Einfalle in diese Gegend,
gelangten aber erst 1532 bis vor Hartberg; nachdem sie am
7. September zu Reitenau gelagert, zogen sie gegen die
Stadt Fardfondar (vermuthlich Hartberg), legten an die
Thüre der Kirche, in welche sich die Einwohner flüchteten,
Feuer und verbrannten sie sammt deren Familien. Am
9. September waren die Türken schon in der Nähe des
Schlosses Mayrbofen an der Feistritz, und zogen dann über
Gleisdorf nach Gratz. Im Rückzuge der Türken scheint
Hartberg verschont geblieben zu sein. 1592 erlitt die
Stadt eine abermalige Feuersbrunst, das Feuer brach
im Pfarrhofe aus, und es brannten der pfarrliche Meier-
hof, 2 Stadtthürme, der Pulverthurm und 30 Privat-
häuser ab3).
Wenn wir, wofür die Wahrscheinlichkeit spricht,
Fardfondar als die Stadt Hartberg betrachten dürfen, so
hat die Kirche abermals Schaden genommen: an eine Re-
stauration war in diesen trüben Zeiten nicht zu denken,
ebenso wenig war ein Zubau thunlich. aber auch wegen der
geringen Einwohnerzahl nicht nöthig.
Obwohl Hartberg im ersten Jahrzehend des XVII. Jahr-
hunderts in beständiger Gefahr wegen Einfällen der Ungarn
schwebte, scheint sich diese unglückliche Stadt doch noch
von den Schlägen vergangener Zeiten in etwas erholt zu
haben. 1619 scheint Hand an die Kirche gelegt worden zu
sein, da am 13. November d. J. eine neue von Christoph
Tubler in Gratz gegossene Glocke auf den Stadtpfarrthurm
gezogen wurde*).
Die nun folgenden traurigen Jahrzehende unterbrachen
mehr oder weniger jede gemeinnützige Arbeit. 1621
schwebte Hartberg in Gefahr von den Ungarn überrumpelt
zu werden; nun folgten sich Einquartierungen (1621 italie-
nische, 1672 spanische, 1683 einheimische Truppen), ausser-
ordentliche Steuern und Zwangsanleihen. Nachdem die
Pest schon über 50 Jahre in der Umgegend gewüthet, brach
sie 1679 in Hartberg selbst aus. Aus diesen Zeiten ist für
uns bemerkenswerth , dass 1662 die grosse Glocke über-
gössen und um 48 Ctr. 60 Pf. schwerer gemacht wurde.
(Wegen zu wenig zugesetzten Metall kam 1671 derGloeken-
giesser in Process ')•
Von Feinden blieb die Stadt nunmehr verschont; 1683
rettete sie der Geschichtschreiber Valvasor vor den Türken
und den ungarischen Rebellen; 1704 wagten sich letztere
nur bis an die Grat/.er Vorstadt von Hartberg.
Viseber bat uns das Bild der Pfarrkirche aus diesem
Jahrhundert aufbewahrt *). In dieser Gestalt blieb sie ver-
muthlich bis zum Brande am 7. März 1715. wo sie jedenfalls
bedeutend gelitten hat: es winde nämlich nicht nur die
Stadt bis auf 13 Häuser ein Raub der Flammen, sondern es
brannten selbst Stadtthürme und der neben der Kirche ste-
hende Uhrthurm ab. Der Brand war so gross, dass noch
bis heutigen Tages ein Bittgang um Abwendung eines ähn-
lichen Unglückes abgehallen wird2).
In Folge dieses Brandes trug der damalige Schutzherr
der Stadt, Joseph Karl Reichsgraf von Paar, Erbland-Post-
meister, Ritter des goldenen Vlieses etc.. den Bürgern auf
(ddto. Wien den 10. April 1715). die neuen Gebäude mit
Ziegeln zu decken und die feuergefährlichen Okonomiege-
bäude ausserhalb der Stadt zu errichten; auch verprach er
selbst zu kommen und den Schaden tragen zu helfen*).
Unter diesen Verhältnissen bekam die Stadt ein ganz anderes
Ausseben: und es war den Bürgern wohl darum zu tl ihr
Gotteshaus in den entsprechenden Stand zu stellen: und
bald machte die anwachsende Bevölkerung auch eine Ver-
größerung der Kirche nothwendig.
Nachdem 1751 der Calvarienberg erbaut war, wurde
1756 ein Zubau zur Kirche bewerkstelligt Bei diesem Baue
cassirte man den Kircbtburin und umstaltete den Uhr- oder
Stadthurm5) zu diesem Zwecke. Das Mateiiale dieses
Thurmes sind Ziegeln, mit den oberwähnten Muschelkalkstein
verkleidet.
DieserThurm bietet darum so viel Interesse
d a r, w eil e r f ü r d e n sc h ö n s t e n d e s g a uzen L a n d e s
gehalten wird6). (Der Thurm der Stadtpfarre zum beil.
1) Dr. Macher a. a. 0. S. 39.
2) Dr. Macher a. a. O. S. 41 und 4'i.
') Dr. Macher a. a. 0. S. 48.
4) Dr. Macher a. a. O. S. 02 und 63.
') Dr. Macher a. a. O. S. (Vi und 63.
2) <;. M. Vischer's „Topographie Ducatus Slyriae." ICSI.
3) Dr. Macher a. a (l. S D'.l.
4| Dr. Machera. a. O. S. 69.
M Dieser Thurm soll früher freigestanden haben und bei einer Belagerung
oder bei Annäherung des Feindes mit 1 Route, d. i. mit 10—15 Mann zur
Beobachtung der feindlichen Schaaren besetzt norden sein. Ein unter-
irdischer Gang führte vormals in südöstlicher Richtung ins Freie.
"t Unter vielen Quellen führen wir an: Handbuch des geographischen Wis-
sens von Cannabich, Liltrow, s<nn r, Wi er und Zeune. Güns 1834,
I. Band, S. 202. — .1. Herzog's kurzgefasste Geographie des Herxogthuma
Steiermark. Graz 1854, S. 47. — A. .1. Caesar in seinen „Annales, Duca-
tus Styriae," Graecii 1773, sagl Tom. I. fol. .-vi:;: „Eccleaia vetua paro-
chialis insigniter refeeta, ac turri elegantissima Ornate est, ex baeradi-
tate praeeipue defuneti an. 1158. Decani el Parochi Hartbergeusis."
Hier liegt offenbar ein Druckfehler ror, da es auf derselben Seite weiter
oben heissi : „Der Hartherger Kirchensprengel wurde jedenfalls schon im
XII. Jahrhundert hergestellt, da 1187 ein Pfarrer Ulrich vorkömmt. —
Es liegei s zu wenig Daten vor, um diese 3ahrahl zu berichtigen
i Dr. Macher, derCaesar auch benützte, übergehl diese Stelle gani i. jeden-
falls aber dürfte sie wenigstens um 500 Jahre zu nieder sein.
— 180
Blut in der Herrngasse in Grata ist nacli dem Hartberger
Thnrrae gebaut.)
Durch die Cassirung des allen Kirchturmes und des
daran anstossenden kleinen Vorbaues, und der Instandsetzung
des Uhrthurmes verlor die Kirche ihren Haupteingang, weil
die Bauart und Beschaffenheit des Thurmes die Herstellung
eines entsprechenden Einganges nicht räthlich machte.
1838 wurde die Kirche renovirt, wobei jedoch der
Baustyl keine Änderung erlitt1).
Ehemals umgab der Friedhof die Pfarrkirche, seit 1782
ist er jedoch ausser die Stadt verlegt.
Die jetzige Ansicht der Stadtpfarrkirche zeigt uns das
Titelblatt der „Steiermärkischen Zeitschrift", neue Folge,
VI. Jahrg.. 1. Heft. Grat/. 1840.
Die Anregung zu einem Klosterhau geschah schon
1609. Der Magistrat Hartberg war nämlich Vogt über die
Beneficien am Karner und am Wallfahrtsorte Maria am
Lebern. 1375 ersuchte er den Erzbischof von Salzburg, den
Herrn Stadtpfarrer Waidaeher als Beneficianten daselbst zu
confirmiren, was auch geschah, wogegen der Stadtpfarrer
einen Revers ausstellte, den Willen der Stifter zu erfüllen.
Sein vierter Nachfolger jedoch, Elias Ilenrici. Ferdinande
Hofcaplan, weigerte sich das Lehen vom Magistrate zu
nehmen, und stellte nicht nur keinen Revers aus. sondern
begegnete der magistratlichen Deputation auch äusserst grob.
Richter und Rath übergaben daher am 1. October 1609 die
Vogteiherrschaft dem damaligen Pfandinhaber von Hartberg,
Freiherrn Rudolph von Paar gegen die Verpflichtung, ..ein
Kloster zu bauen aus eignem Säekel, was Ordens Ihro Gnaden
gefällig"2), welche Verbindlichkeit er aber nicht erfüllte.
Wegen vielen rückständigen Steuern wurde Hartberg
unter dem Eigenthümer Julius Freiherrn von Paar von den
Landständen durch den Landmarschall Wolf Rudolph Grafen
\. Saurau 1644 u. f. sequestrirt 1654 erhaute dieser Graf
das Kapuzinerkloster; er übergab am 22. August dem Ma-
gistrat 150 IL, von deren Interessen der Stadtpfarrer wegen
des Treid-Zehends vom Acker vor dem Gratzer Thor, auf
welchem das Kloster erhallt Worden, entschädigt werden soll.
Im Jahre 178.') wurde das Kloster aufgehoben . die Bürger
baten um Belassung desselben, wurden jedoch abgewiesen.
Später wurde es wieder zahlreich besetzt; 1840 war aber
nur 1 Priester neben dem Quardian*).
Das Kloster tritt uns wie fast alle Kapuzinerklöster mit
einer anspruchslosen Einfachheit entgegen. Die Einwölbung
der Kirche besteh! in einem Tonnengewölbe, welches durch
mehrere kleine Schilder unterbrochen ist. Der Anlauf des-
selben ist nur mittels! einer kleinen wenig vorspringenden
Platte' von den Pfeilern getrennt.
l'm das Gesammtbild der kirchlichen Gebäude zu ver-
rollständigen, erwähnen wir noch eines in Hartberg befind-
lichen thiirinartigeu l'apellchens, welches der Tradition nach
einst ein Judentempel, den Protestanten zum Gotteshause
gedient haben mag. Der plumpe Bau, nach Dr. Macher1)
altgothisch (?). ähnlich dem derKirchengebäude im IX. und
\. Jahrhunderte*), lässt auf ein hohes Alter schliessen. Ob
dieses Capelichen wirklieh eine Synagoge der .luden (die erst
1 496 gänzlich aus Steiermark vertrieben wurden ) war. konnte
Dr. Macher nicht ermitteln, da keine Denkmale oder Schriften
eine Spur geben , dass in Hartberg jemals .luden gewohnt
haben sollen.
Kin Blick auf die Kircheiigeschichte von llarlberg
belehrt uns, dass schon vor dem Karner und der Pfarrkirche
ein, gottesdienstlichen Handlungen gewidmetes Gebäude
bestanden haben inuss.
798 wurde die Hartberger Gegend der geistlichen Ge-
richtsbarkeit des Erzbischofs Arno von Salzburg unterzogen,
welcher vormuthlich auch hier die Zehenten einführte.
1157 kommt ein gewisser Echinger als Pfarrer vor3). 1170
ertheilte derErzbischof von Salzburg als Besitzer desZehentes
um Hartberg, dem Probste Leopold zu Voran den Drittel-
zehenl in den Pfarren Hartberg, Waltersdorf und
Feistritz. Auch werden Pfarrer (plebani) in diesen Orten
erwähnt4). 1187 wird eines Udalricus, Pfarrers (plebani)
von St. Martin in Hartberg Erwähnung gethan, welcher mit
seinem Bruder Reinbert. Pfarrer zu St. Martin von Leibnitz.
dem Stifte Admont die Plärre Liestnich in St. Micbaelen
schenkt 5). 1194 nahm bekanntlich der Hartberger Pfarrer
den Bann von Leopold dem Tugendhaften; diess war wahr-
scheinlich der 1187 angeführte Pfarrer Ulrich, da 1201
wieder ein Ulrich als Pfarrer erscheint.
Es kommen sohin vor der Erbauung der obbemerkten
Gotteshäuser schon Plärrer vor: folglich muss auch eine
Kirche bestanden haben. Wir glauben in dieser ersten Kirche
einen heidnischen Tempel sehen zu sollen.
Dass Römer in dieser Gegend gehauset haben, beweisen
die aufgefundenen Münzen 6), plastische und andere Denk-
male 7). und ganze Gruppen von Grabhügeln (luinuli), die
Dr. Macher im Jahre 1847 öffnen Hess s): und zwar dürfte
' i In-. Machei >. a. 0 S. 7:s.
1 1 Dl . Hachei ■ a. 0 S. SO
') Kr. Macher a. a. O. s. 64 and 66.
i i Geschichte der Stadl Hirtberg. Steierm. Zeitschrift, Nene Folge, VI. Jahr-
gang, I. Heft, S. 4!i.
i Da wir 'li,- hier berührte Capelle nicht seihst gesehen, so müssen wir uns
begnügen, aur auf sii< aufmerksam an machen, um vielleicht einen un-
serer Leser tu reranlassen, dieselbe einer nähern Würdigung in unter-
tiel Wir können die Bi kung nicht unterdrücken, dass die Angaben
des Baustyls und der Bauieil sich geradezu widersprechen.
'•\ Steiermirkische Zeitschrift. Neue Folge, vi. Jahrgang, I. Heft, 8, :12.
'i Annales Ducatoa Btyriae de \. I. Caesar. Tome I. fol. 696.
■I Ibidem, fol. 729 .-i 8SS.
"1 .1. A.Caesar, Steiermfirkische Geschichte, 3, Bd. - Mittheilungen ii
historiscVen Vereines Rii Steiermark, VI. lieft, S. 11.
1 Siehe Cazius, Griter, Kindermann. — Huchar'a Geschichte iron Steier-
mark, I. Bd., s 3S0 ; III. Bd., S. S96. — Steiermirkische Zeitschi ift. Neue
Folge, I. Jahrg . - Heft.S.lZS Mittheilungen des historischen Vereins
füi Steiermark 11. Heft, B. 69 u. II\. 8. 128 1 126,
9) MuchiVs Geschichte ron Steiermark, V, s. (86. - Mittheilungen des
histoi ischen \ ereins i"i Steiermark, II. Heft, S. 107 11. II'.
— !81 —
die Herrsehaft der Römer in dcv Hartberger Gegend in den
Jahren 34 bis 29 v. Chr. begonnen haben.
Die Völkerzüge im V. Jahrhundert zerstörten nieder
alle gewonnene Kunst und Cultur. Das VII. Jahrhundert
brachte die Avaren , deren Herrschaft der siegende und
taufende Karl erst im Jahre 791 ein Ende machte. 7 Jahre
spater (798) linden wir schon, wie oben bemerkt, die Hart-
berger Gegend der geistlichen Gerichtsbarkeil untergeordnet.
Unter Karl dem Dicken verheerte Grantibold diese Gränz-
gegend, was dann die vom Kaiser Arnulph gegen Grantibold
zu Hilfe gerufenen Ungarn unter Ludwig dem Kinde fort-
setzten. Ob die Magyaren diese Gegend schon nach der
Sehlacht am Lech (955) oder erst nach der Niederlage im
Jahre 1053 räumten, ist nicht ermittelt.
Diese dem Aufblühen der Cultur nicht geneigten Zu-
stünde machen es sehr wahrscheinlich , dass kein Kirchen-
bau vorgenommen wurde, und dass man in den kurzen Zeit-
abschnitten, die einen ungestörten Gottesdienst zuliessen,
einen vorhandenen Heidentempel ') benutzte.
Eben so spricht für diese Meinung der Glaube der
ersten Christen; man nahm nämlich die Worte Johannis in
seiner Offenbarung -), wo er von einer ersten Auferstehung
nach 100U Jahren spricht, wörtlich, und hoffte mit Beginn
des XI. Jahrhunderts auf die Wiederkunft Jesu Christi.
Diess war auch eine Hauptursache , warum für bestehende
christliche oder christianisirte Kirchenbauten nichts geschah,
noch weniger aber ein neuer Bau in Angriff genommen « urde.
Die Kirchenbauten in der Nähe ron Hartberg datiren
daher alle aus dem XU. Jahrhunderte ( Dechantskirchen 1161,
Vorau 1163), darum entstand der Karner erst im MI. Jahr-
hunderte, und darum gewinnt die Sage an Glauben, dass die
Pfarrkirche erst 1199 gebaut winde.
Über die Baudenkmale des Krakauer Verwaltungsgebietes.
(Nach einem Berichte des k. k. Landesbaudirectors Dr. Schenkel in Knikau.)
Obwohl Galizien gerade in der interessanten Periode Ein Prachtbau ist die Marienkirche mit ihrer ;iu-~. -
eines reineren und bestimmteren Baustyles dem ehemaligen reu edlen Form und den vielen Kunstdenkmalen im Innern,
unter welchen als bedeutendstes Werk der geschnitzte
Hochaltar von Veit Stoss hervortritt. Die Kirche ist wohl-
gebietes Krakau wenig zu finden, das Vorhandene von dem erhalten, hat wenig gelitten, und verspricht noch in ihrem
Zahne der Zeit hart angegriffen, nothdüii'lig oder gar nicht gegenwärtigen Stande lange Dauer. Das Kunstwerk des Veit
erhalten, oder wohl gar durch unkünstlerischen Einfluss Stoss ist bereits einiger Verbesserung bedürftig und es
Königreiche Polen angehörte, so ist doch leider von monu-
mentalen Bauwerken in den sechs Kreisen des Regierungs-
entstellt.
Hier hat durchaus mehr das Gebot der Nothwehdig-
keit als der Kunstsinn gewaltet und oft schonungslos ver-
nichtet, was später Interesse geboten hätte.
Dagegen ist Krakau selbst reich an Werken der Bau-
kunst und kann für den Archäologen eine wahre Fundgrube
interessanter Forschungen sein, die zwar der grosse Brand im
Jahre 1850 sehr beeinträchtigte, wovon aber doch so viel
wäre zu wünschen, dass diese nur unter wahrhaft künst-
lerischem Einflüsse stattlande.
Die ehemalige freistädtische Baubehörde nahm auf die
vorbenannten Bauten wie auf alle übrigen Kirchen gebüh-
renden Einfluss, während des Bestandes der gegenwärtigen
k. k. Baudirection ist nichts vorgekommen.
Die Kai hedralkirche am ehemaligen königl. Schlosse
ist gleicherweise noch in gutem Zustande und birgt in sieh
übrig blieb, um Bände mit merkwürdigen Daten füllen zu wahrhafte Schätze alter Kunst. Aul' sie, so wie auf das an
können. Selbst Hui
neu.
die leider
•h
zu grosser sich merkwürdige Schlossgebäude nimmt gegenwärtig die
Anzahl dastehen und wegen Mangel an Fond noch länger Civil-Baubehörde keinen Einfluss. Letzteres ist durch seine
der Stadt ein unheimliches Bild geben dürften, bieten Gele- militärische Bestimmung und Wichtigkeit der Kunstpflege
genheit, Studien zu machen. entrückt; doch selbst in dem nach neuerer Kriegskunst for-
Was bis jetzt an Privatgebäuden restaurirt worden, hat tificirten Werkgürte] ist es noch ein imposantes und wohl-
zum grösseren Theile die eigenthümliche Form der früheren erhaltenes Gebäude.
charaktervollen Bauweise verloren.
Das flache Land bietet fast nichts, was der Erwäh-
nung werth wäre.
In Krakau sind es vorzüglich die Kirchen, die in ihrer
besonderen Bauweise den Forscher anziehen, in ihnen ist
besonders der abendländische Cultus zu erkennen, mit sehr
geringem Einflüsse des Ostens. Vorherrschend ist der gothi-
sche Styl, hie und da tritt der romanische auf. die grösste
Zahl hat der Renaissancestyl für sich.
Dessgleichen befinden sieh die übrigen Kirchen von
minderem Kunslu eithe in gutem Stande, bis auf die Domini-
caner-, Dreifaltigkeits-, Franciscaner- und St. Franciscus-
Kirche, «reiche
Flammen wurden.
Kirche, «reiche bei dem grossen Brande ein Rauh der
') Uns oberwähnte thurroarlige Capelichen müssen wir ausser unserer Be-
trachtung lassen, da, wie schon bemerkt, die Angaben nicht glaubwürdig
scheinen.
'-') XX. Cnpitel, Vers '■! bis T.
[82 —
Letztere beiden Kirchen befinden sieh in Restauration,
zwar nichi unter Anleitung der Baubehörden, jedoch unter
zweckmässiger Beaufsichtigung der letzeren.
Bei der Franciscuskirche wurde seit dem Brande
im Jahre 1851 ein neues Dach aufgesetzt, im Jahre 1852 die
Wölbung im correspondirendengothischen Style erneuert, das
Innen' verputzt, die störendenAnbauten wurden entfernt, die
Fenster mit schönem steinernen Masswerke verziert . mit
gefSrbtem Glase mosaikartig versehen ; «Ins Hauptthor ward
in der westlichen Fronte dem Hochaltare gegenüber ausge-
brochen, dem ganzen Bau entsprechend verziert, und der
Fussboden neu gepflastert.
Das Presbyterium behielt ganz seinen schönen gothi-
schen Styl, der barocke Styl des Schiffes wurde bei der
Restauration so viel wie möglich beseitigt, und musste dem
romanischen Style weichen, wodurch zwar keine vollkom-
mene Übereinstimmung, doch ein besseres Ansehen gewon-
nen wurde.
Die Kosten der Wiederherstellung des Gotteshauses
wurden durch Sammlungen bedeckt, und die Kirche ihrer
Bestimmung wieder übergeben.
Leider ist die Hauptfronte noch Ruine, und die Kirche
selbst von Ruinen umgeben.
Bei der Dreifaltigkeitskirche ist die Restauration
noch nichl so weit vorgeschritten, denn noch fehlt die gänz-
lielie Anfertigung des Daches, noch die Wiederherstellung
des eingestürzten Gewölbes im Schiffe, bloss die geborstenen
Pfeiler wurden in kühner Weise unterfangen, und im Pres-
byterium die Fenster erneuert. Von aussen wurden einige
Giebel in entsprechender Form aufgeführt.
Eine Zierde dieser Kirche wird das Glasgemälde
llülmer's aus Dresden sein, welches frommer Sinn einem
Fenster der Kirche spendete.
Die Restaurations-Arbeiten bei beiden Kirchen gesche-
hen unter der freiwilligen Leitung der Herren Doctoren
Kremer und Zebrawski.
An der Katharinenkirche am Kasimir, auch einer
sehr schönen, im edlen Style des Mittelalters erbauten Kirche,
wurden auf Grund von Sammlungen Restaurationen vor-
genommen, die jedoch noch nicht ganz durchgeführt sind.
Das einzige Gebäude von eigentlichem monumentalen
Werthe, auf dessen Bau die Baubehörde gegenwärtig Ein-
fluss nimmt, ist das sogenannte C o 1 1 e g i u m Jagelloni-
f- ii in . in welchem die kostbare jagelionische Bibliothek
untergebracht ist.
Dieses Gebäude wurde zu Ende des XIV. Jahrhunderts
unter dem Könige Wladislaus Jagiello zu dem sogenannten
Collegium museo bestimmt. Es enthielt Früher Hörsäle und
Wobnungen der Professuren, hatte jedoch ursprünglich
nur geringe Ausdehnung, und wurde erst in späterer Zeil
erweitert.
Im Jahre 1838 bewilligte der Landtag des gewesenen
Freistaates eine namhafte S le in Jahresraten, mit welcher
das mittlerweile in Verfall gekommene Gebäude zweck-
mässig wieder hergestellt werden sollte.
Ks hatte inzwischen seine ursprüngliche Bestimmung
verloren und war zur Bibliothek geworden, die ebenerdigen
unbeheizbaren Gewölbe waren nunmehr nichts anderes als
Aufbewahrungsorte für Baumaterialien und Haus-Erfordernisse.
Erhalten blieb bloss die Wohnung des heil. Johannes
Contianus, die beim \olke eine hohe Verehrung geniesst, und
einer Capelle gleichgehalten wird , so wie mehrere Woh-
nungen des Universitäts-Baumeisters und der Diener.
Bei der Restauration des Gebäudes, die unter der
Leitung des damaligen l'niv orsitats-Jiauineisters Kremer
begann, wurde an dein interessanten Style des Mittelalters
erhalten SO \iol wie möglich, und es entstanden die schönen
Bibliotheks-Bäume und ein Theil der äusseren Ansicht mit
der neuen Kindockung.
Gegenwärtig ist der Gartenflügel in Hau, womit auch
die bereits früher begonnene Restaurirung des viereckigen,
von Arcaden eingeschlossenen llofraumes verbunden ist.
Dieser Bau wurde im Herbste 1853, jedoch nur mit geringer
Leistung, begonnen, im Jahre 1854 trotz der schwierig-
sten Bauverhältnisse mit aller Anstrengung fortgesetzt, ein-
gedeckt, und das Dach mit Zink verkleidet, und sollte im
Herbste des Jahres 1855 beendet sein. Dieser Theil wird
noch Bibliotheks-Räume, Ubicationen zur Manipulation und
die Wohnung für den Bibliothekar umfassen.
Schon früher war es üblich, die bei Privat- und öffent-
lichen Hauten ausser Verwendung k Lenden historisch
oder künstlerisch merkwürdigen Sculpturen, um sie zu
erhalten, an den äusseren von dem hervorragenden Dache
geschützten Wänden der den llofrauni unigehenden vier
grossen Mauern anzubringen, diese löbliche I Innig wird
auch jetzt fortgesetzt, und wurde namentlich vor einiger Zeit
ein sehr merkwürdiges Basrelief, nämlich eine Votiv-Tafel,
betreffend die Gründung der Bursa Jerusalem, an geeignetem
in die Augen fallendem Orte angebracht und mit der ent-
sprechenden Steindecoration umgeben.
In den Gewölben dieses liehäildes wird eine seltene
Merkwürdigkeit, das steinerne Götzenbild des Svantevit,
gefunden in dein Gränzflusse, w elcher Russisch-Podolien von
Galizien scheidet, seit dem Jahre 1851 aufbewahrt. Es bat
eine Höhe von circa 8 Imiss. und ist sehr gut erhalten.
Erwähnt muss noch der am Hauptplatze gelegenen
grossartigen Tuch halle werden, einem sehr altertüm-
lichen, jedoch durch Flickwerk sehr entstellten Gebäude,
welches in nächster Zeit einer Restauration bedarf.
Wie verlautet, will sich die Stadt Krakau an die k. k.
Bau-Direction wenden und den Antrag zur Restauration
ansprechen, welchem Wunsche man bereitwilligst entgegen-
kommen und auf das Wiederaufleben der früheren Gestaltung
hinwirken wird.
Bei dieser Gelegenheil glaube ich erwähnen zu sei-
len . dass sich zu Krakau ein urchäolog iseber Verein
— 183 —
gebildet hatte, der es sich zur Aufgabe stellte, alle Dieser Verein, durch namhafte Spenden kunstliebender
merkwürdigen Denkmale der Sculptur und Baukunst zu Privaten unterstützt, hat im Jahre 1850 und 1851 nicht
erforschen, in ihrer Reinheit zu bewahren und vor Unbedeutendes geleistet, erlahmte jedoch, nachdem er im
dem Untergange zu sichern, womit auch verbunden sein Jahre 1 852 seinen Vorstand verlor, der der jeweilige Rector
sollte, das Aufgefundene zu untersuchen und zu he- raagnificus war, welche Würde in diesem Jahre aufgehoben
schreiben. und durch einen Curator ersetzt wurde.
Notizen.
53. (E i n e A n s i c h t des D o g e n p a I a s t e s zuVene-
dig aus dem XIV. Jahrhundert.) M. de Caumont's
„Bulletin monumental" >) entnehmen wir, dass der englische
Gelehrte Parker in einer Nummer des „National Miscellany"
hei Besprechung verschiedener Werke des M. Ruskin auch
einige Reflexionen über den Dogenpalast zu Venedig ange-
stellt hat. Parker führt nämlich die Behauptung Ruskin's an,
dass der Dogenpalast ein grosses unermessliches Ganzes,
das Resultat eines originellen, von einem einzigen Künstler
geschaffenen Planes und zwar nicht allein nach dem Plane
und den Details, sondern auch in Bezug auf den Styl der
Architectur sei, so dass alle gothischen Bauten Venedigs,
welche dem herzoglichen Palaste gleichen, Copien davon
sind. Dieser Ansicht trat nun Parker entschieden mit der
oachstehenden Beweisführurg entgegen. Er sagte :
„Wir haben dieses Monument sorgfältig an Ort und
Stelle studirt, wir haben mit der grössten Aufmerksamkeit
den Plan geprüft, welchen M. Ruskin mit einer lobens-
werten Sorgfalt und Genauigkeit gegeben hat und wir haben
aus dieser Prüfung den Schluss gezogen, dass der Dogen-
palast keineswegs das Ergebniss eines einzigen Planes, einer
und derselben Idee ist, dass er im Gegentheile zwei ver-
schiedene Bauperioden repräsentirt, von denen eine mit der
andern verbunden ist. und die sich von einander doch
wesentlich unterscheiden. Wir gehen es gerne zu, dass die
beiden grossen über einander gestellten Bogengänge der
ursprünglichen Zeichnung angehören und dass sie. obwohl
in einem entfernten Jahrhundert erbaut, als zwei Construe-
tionen eines einzigen Gedankens betrachtet »erden können,
mit der Bestimmung, das Gebäude ahzuschliessen, einerseits
gegen die Meeresseite, andererseits gegen den Marcusplatz.
Aber der ganze Theil des Monumentes, welcher sich ober-
halb der beiden Bogengänge erhebt, gehört sicherlich einem
anderen Plane an, einer anderen Ideenordnung, einer anderen
Epoche. Es ensteht derselbe in einer flachen Mauer ohne
(Mauerband) Gesimse oder Verzierung, welche deren Kahl-
heit aufhöhe. Die Fläche dieser Mauer ist mit Marmortäfel-
chen von verschiedenen Farbentönen bedeckt . deren Farbe
aber im Allgemeinen analog ist mit jener der Mauersteine.
Diese Täfelchen sind in Rechtecken geschnitten, wie die
') 3. Serie, Tome V 'l'l Vol. de la Collectiöo Nr. 1' p. Gii.
Mauersteine, sie sind jedoch ein wenig hervortretend, und
indem sie der Architekt auf der äusseren Fläche der Mauer
mit einer gewissen Symmetrie vertheilte. wollte er augen-
scheinlich seiner Construction das Ansehen einer Mauer
geben, welche verziert oder aus Backsteinen geschnitten
ist. Die Offnungen der Fenster haben keine Regelmässig-
keit und nur den Zweck, den Bedürfnissen des Inneren
des Palastes zu genügen. M. R uski n betrachtet diese Eigen-
tümlichkeit als wichtig und bedeutend und hält diese Ein-
theilung für ein Verdienst. Was uns betrifft, legen wir nicht
viel Gewicht darauf. Wir suchen nicht Einförmigkeit in den
gothischen Denkmalen, es erscheint uns daher die Abwesen-
heit dieser Einförmigkeit keineswegs als ein Verdienst.
Sind aber diese grossen flachen Mauern ohne Ausladui
auch ein Verdienst? Besteht darin der gute Styl der gothi-
schen Kunst? Findet man hier den Geist des XIV. Jahrhun-
derts? Wir können es nicht glauben. Unserer Meinung
nach hat diese Bauart alle Charaktere des XVI. Jahrhundi
und scheint uns nur inspirirt von der entarteten Kunst die-
ser Epoche."
Wenn wir nun diesem Ausspruche eine- hervorragenden
Kunstkritikers auch das verdiente Gewicht beilegen, so scheint
uns doch weit wichtiger die eigentliche Stütze seiner Behaup-
tung. Er fand nämlich in einem Manuscripte der Bibliothek
zu Oxford (Ms. 261, Bibl. Boldleene) einen gegen Ende des
14. Jahrhunderts gezeichneten Plan, welcher das Monument
so darstellt, wie es in dieser Epoche bestand. M. de Caumont
gelaugte durch Parker in den Besitz der Platte, und (heilte
daher auch den Plan in seinem Bulletin monumental mit. Da
nun derselbe für uns in Österreich von speciellem Inten
ist, reproduciren wir denselben hier möglichst getreu
(Fig. 1. s. nächste S.), da er nicht allein ein sehr bestimm-
tes Bild seiner damaligen Gestall gibl . sondern auch ein
sehr merkwürdiges Probestück der Zeichenkunsl des
XIV. Jahrhunderts ist. Das „Bulletin monumental" knüpf)
zugleich an denselben folgende Bemerkung:
„In dieser Zeichnung bietet die obere Partie des her-
zoglichen Palastes, wie mau sieht, einen ganz verschiedenen
Anblick von jenem, welchen die entsprechende Partie' des
jetzigen Gebäudes gewährt: — was man immer von der
Genauigkeit der Zeichnung halten mag. ist es unmöglich
anzunehmen, dass der Künstler ein dem heutigen ähnliches
184 —
Monument vor Augen hatte. Man kann daran die zwei über
einander gesetzten Arcaden des jetzigen Gebäudes wieder
erkennen, aber
was die obere
Parthie be-
trifft, kann man
nicht die min-
deste Ähnlich-
keit zwischen
den beiden Con-
structiönen fin-
den, indem M.
P a r k e v auf
diese Weise
zeigte, dass der
Palast von Ve-
nedig im XIV.
Jahrhunderte
nicht das ge-
wesen ist, was
'' 's' {,) er heute ist,
machte man den Sehluss, dass das allgemeine System des
M. Ruskin. welches alle gothischen Bauten Venedigs als
Copien des herzoglichen Palastes betrachtet, keine Basis
mehr habe und daher die Probe einer aufmerksamen und
ernsten Prüfung nicht vertrage."
54. (Die alten Wandgemälde in der Gisela-
ca pelle zu Veszprim.) Zu den interessantesten und zu-
gleich ältesten Denkmalen kirchlicher Baukunst in Ungarn
gehört die Giselacap eile in Veszprim. Dieselbe wird
als ein Bau des alten Domes betrachtet, der zur Zeit, als
Stephan der Heilige die Stadt zu einem Bischofsitze erhoben,
begonnen und im J. 1099 consecrirt wurde. Ein beson-
derer Antheil an dem Gedeihen des Werkes wird, nach
einer Sage, deren auch Bischof Ran ol der in seinem Werke
„Elisabeth Herzogin von Baiern" (Wien bei Seidel 18U4,
p. lil) erwähnt, der Königin Gisela von Ungarn zugeschrie-
ben. In welchem Verhältnisse indess dieGiselacapelllezu dem
alten Dome stand, kann gegenwärtig ohne Untersuchung
der Fundamente nicht mehr festgestellt werden. Diese ist
aber aus dem Grunde nicht ausführbar, weil die Capelle ein-
geklemmt zwischen modernen Gebäuden steckt und mich
vor «cnigen Jahren kaum frische Luft geniig besass, um sie
vor den Einflüssen der Feuchtigkeit zu verschonen. Erst
der gegenwärtige höchst verdienstvolle Bischof unterzog sie
einer Reinigung I Restauration. In dem vor Kurzem
erschienenen Jahrbuche der k. k. Central-Commission lenkte
Herr Professor R. v. Eitelberger gelegentlich seines
„Berichtes über einen archäologischen Ausflug mich Ungarn"
and speciell über die kirchlichen Baudenkmale Veszprims,
neuerdings die Vufmorksamkeil auf diese Capelle. Er gibt
-iuiiiut dem hier im Holzschnitte mitgetheilten Grundrisse
folgende Andeutungen über die Gestall der Capelle:
(Fig. 1.)
„Die Capelle (Fig. 1) selbst ist klein. Ihre Länge ist
etwas über 42 Schuh, ihre Breite über 10'/. Schuh, ihre Höhe
12 Schuh 8 Zoll.
Sie ist mit drei
einfachen rund-
bogigen Kreuz-
gewölben über-
deckt . welche
auf einfachen,
mit einer Nische
und einem Blalt-
ornamente ver-
sehenen Conso-
len ruhen. Die
Profile der Gur-
ten sind einfach
abgefasste Vier-
ecke undsämmt-
lich von gleicher
Stärke und Pro-
filirung. Nur
die Scheidegur-
te zwischen dem
ersten Kreuzgewölbe, welches den Altarraum überdeckt,
tritt stärker hervor, wodurch der für den Altar bestimmte
Baum einem Quadrate näher kommt. Die Gurten wie die
Gewölbekappen waren ursprünglich bemalt, doch ist von
der allen Bemalung dieser Theile nichts mehr zu sehen."
„Bei der Restauration im verflossenen Jahrhundert, in
dem man kein besonderes Verständniss für die Kunstforinen
des Mittelalters hatte, wurden diese Theile mit sehr nüch-
ternen Ornamenten bedeckt. Von der Ornamentik des Ge-
wölbes ist nichts übrig geblieben als die mit Basrelief ver-
zierten Bosettcn, welche sieh in der Mille der Quergurten
und der Diagonalrippen belinden. Es sind deren fünf, und
zwar im Altarraume eine segnende Hand mit einem .Nimbus
umgeben, in der .Mille der grösseren Quergurte ein Lamm
mit der Fahne. Das Kreuz au der Fahne i -.1 gleichschen-
kelig und hat sowohl je an den vier Ecken als in der Mitte
einen Nagel . wie man es in byzantinischen Kreuzen ans
jener Zeit findet und wie sie in Ungarn sehr beliebt gewesen
sein mögen. Der Kopf des Lammes sowohl als das ganze
Lamm ist mit einem Aureole umgeben. Der Kopf ist gegen
den Altarraum zugewendet; die Rosette ist bei weitem die
grösste, sie bat [*/, Schuh im Durch sser. Die drille
Rosette zeigt einen in seinen Schweif sieh beissenden Dra-
chen, umgeben von einem romanischen Blattornamente; die
vierte Rosette zeigt ein einfaches Blattornament, die fünfte
eine einer Böse ähnliche Verzierung."
Was aber dieser Capelle einen besonderen Werft ver-
leiht sind die Gemälde auf den Wandflächen zwi-
schen den Scheidebögen der Gewölbe, da es
bekannt ist. wie wenig Gemälde aus dem Mittelalter auf uns
— 185
gekommen und wie verschiedenartig der innere Werth die-
ser Überreste ist. Sie sind für die Kunstgeschichte von
grösstem Interesse, weil sie uns allein ein richtiges Bild
von der Zeichnungskunst und den Fortschritten der Malerei
im Mittelalter zu liefern im Stande sind. — Auf jeder der
genannten Wandflächen beßnden sich je zwei Apostel in
Lehensgrösse über 5l/2 Schuh. Am besten erhalten sind die
Figuren auf den zwei ersten Wandflächen auf der linken
Seite vom Eingange aus. Wir verdanken der gefalligen Mit-
theilung des Herrn Prof. v. Ei t elb erger eine Zeichnungs-
pause dieser beiden Figuren, welche wir hier auch im Holz-
schnitte (Fig. 2) mit aller Treue wiederzugeben versuchen
(Fig. 2.)
und knüpfen daran die Beschreibung dieser beiden, sowie der
übrigen Figuren an den Wandflächen, wie sie Herr v. Eitel-
berger in dem Jahrbuche der k. k. Centräl-Commission
veröffentlicht hat.
„Der erste Apostel ist ohne Fussbekleidung und ohne
Bart, eine jugendliche Gestalt. Die rechte Hand erhebt sich
vor der Brust wie zum Segnen, die linke Hand hält eine Bolle.
Er ist bekleidet mit einer Tunica und einem Pallium. Die
Tunica, von blauer Farbe, geht bis an die Knöchel, das rothe
Pallium ist nach Art einer Toga über die linke Schulter
geworfen, unter den rechten Arm hindurchgezogen, so dass
der rechte Arm und die Schulter unbedeckt bleiben.
Der zweite ältere Apostel zeigt eine ältere bärtige
Gestalt, die Haupthaare sind gescheitelt und fallen nach
rechts und links gegen das Ohr. Die rechte Hand segnet
ebenfalls, die linke hält eine Bolle. Über den Knöcheln sind
deutlich Spuren einer Fussbekleidung, Tunica und Pallium
zeigen andere Motive, als an der vorhergehenden Gestalt.
Die Tunica ist rothbraun, das Pallium blau. Auch die Apo-
stelgestalten an der nächsten Fläche sind ziemlieh gut erhal-
ten. Es steht wieder eine unbärtige, die rechte Hand gegen
die Brust zu haltende Gestalt neben einer älteren bärtigen
Gestalt, deren linke Hand in den Mantel eingehüllt ist. Beide
Figuren sind bekleidet, beide w ieder ohne alle weitere Sym-
bole, die Farbe der Kleider, so weit sie deutlich erkennbar
ist, ist wieder vorherrschend blau und roth. Diese vier Apo-
steltiguren haben einen in einer Art Stuccaturarbeif ange-
führten Nimbus, der ursprünglich ohne Zweifel vergoldet war.
Die Figuren sind laug und gestreckt (7 — 8 Kopflän-
gen), die Bewegung der Finger steif, ebenso die der Fasse.
Das Colorit ist lebhaft, hellere Farben waren aufgesetzt, der
Fleischton röthlich, die Gesichtsfarbe vorherrschend gelb-
lich, doch ist die Zeichnung des Kopfes, die Behandlung des
Faltenwurfes, wenn auch conventioneil und typisch, nicht
ohneVerständuiss. Der Hintergrund zeigt keine Spuren einer
Vergoldung.
Die anderen acht Apostel, so wie Maria und Johannes
an der Altarwand haben nur wenig Spuren alter Zeichnung
und alten Colorits. Sie sind im verflossenen Jahrhundert
nicht bloss übermalt. Maria und Johannes neu gemalt worden,
sondern man hat ihnen auch die bekannten Apostelattribute
in die Hand gegeben."
Abgesehen von dem hohen historischen Werthe. wel-
chen diese Capelle besitzt, indem sie durch ihre Bezeichnung
die lebhaftesten Erinnerungen an die fromme und geistig
ausgezeichnete Fürstin festhält, tritt dieselbe durch die
Wandgemälde in die Beihe der merkwürdigsten Überreste
der mittelalterlichen Kunstsehöpfungen, welche nebst den
Wandgemälden in Fünfkirchen mit ihren römischen antiken
Elementen und jenen am Nonnberge in Salzburg mit den
Merkmalen deutscher Kunst aus den Zeiten der Karo-
linger, eine besondere dem XII. oder XIII. Jahrhundert ange-
horige Kunstepoehe repräsentiren.
SS. (Der Münzfund in Stein.) Am 17. April I. .1.
sind bei der Erdaushebung für den Bau des k. k. Bezirks-
amtsgebäudes in der Stadt Stein (bei Laibach), welchen die
Gemeindevorstehung besagter Stadt ausführen lässt. in einem
irdenen Topfe, 2 Fuss unter der Bodenfläche an 300 — 400
Silbermünzen gefunden worden, wovon jedoch leider der
grössere Theil sogleich in viele Hände kam, und für den
Augenblick arg zerstreut worden ist. Viele Münzen waren
wegen ihrer starken Legirung mit Kupfer so sehr vom Oxyd
ergriffen, dass sie in kleine Blättchen zerfielen, andere sind
durch ungeschickte Behandlung beim Beinigen unkenntlich
gemacht worden. Der Umsicht des dortigen Bezirksvor-
stehers Herrn Florian Konschegg gelanges, an 1Ti>.
darunter 84 wohlerhalten, an sich zu bringen. Exemplare
jeder Sorte sind vom Genannten der hohen k. k. Landes-
regierung übersendet worden, her Professor Ben- Va I entin
Konschegg ist in den Besitz einer beträchtlichen Menge
gelangt, und hat dieselbe dem historischen Vereine für Krain
übergeben.
Der ganze sogenannte „Schatz" bestellt, nach der
Zahl der Geldstücke geschätzt . in guten zwei Dritteln aus
Aquilejer Münzen. Schwindler vertreten ist das Triester,
Görzer und Tiroler Gepräge. Es sind Soldi und Denari.
1SG
Hier folgen sie in chronologischer Ordnung:
I. Triester-Münzen.
.1. Bischof Volricus oder Ulricus von Triest,
erwähl! am 12. April 1227, 9tarb 1253, er war anno 1245
bei dem allgemeinen Concilium zu Lyon.
1. Amts: Volricus Ep. Der Bischof sitzend im Ornal
mit Krummstab und Buch.
Revers: Civitas Tergestum, ein Altar mit der zwischen
zwei Sternen aufgerichteten Lanze des heil. Sergius. — Davon
sah ich uur ein Stück.
li. Aus der Sedisvacanz vom Jahre 1253.
2. Avers: Ci vi tas Tergestum; eine Kirche. — Re-
vers : Sanctus Justus. Der Heilige zwischen zwei kleinen Thür-
men stehend. — Drei Stücke haben sich bis jetzt vorgefunden.
( '. A r I o n g u s von V o ci s l> e r g 0 der V oi t s b e r g.
Ein Steirer, wurde von Papst Alexander IV. 12K4 ab-
gesetzt, von Papst l'rliau IV . 1262 wieder bestätiget.
3. Avers: Arlongus Ep. Der Bischof sitzend im Or-
nat, den Krummstab in der Rechten, das Buch in der Linken.
Revers: Civitas Tergestum; ein Halbmond, darüber
ein Stern. — Davon gibt es mehrere Exemplare.
4. Ganz gleich mit der obigen; im Reverse ein Lamm
mit dem Kreuze. ■ — Ist mir nur ein Stück vorgekommen.
II. Münzen der Patriarchen von Aqnileja.
A. Patrjarch Gregorius von Montelongo,
regierte von 1252 — 1273.
.'i. \vers: Grogori Electus. Der Patriarch stehend
ohne Insignien.
Revers: Civitas Aquilegia; zwei stehende Figuren.
zwischen beiden ein Kreuz. — Nur wenige Stücke wurden
gefunden.
(i. Avers wie oben; Revers die gleiche Umschrift mit
der \ origen, mit einer Lilie.
T.Avers : G regoriä Pa. Der Patriarch sitzend im Ornat
mit dem Kreuzstab in der Rechten, dem Buche in der Linken.
Revers: Aquilegia; ein Kreuz . aus dessen Winkeln
Stäbe mit Kleeblättchen hervorragen.
s.Avers wie (dien; Revers mit einer Lilie zwischen
vier RöVchen.
9. Avers ebenso; Revers ein rechtsblickender Adler.
11. I' a I ria rc li II a i m u ml d e I la T 0 IT e vo m ,1a li re
1273— 1299.
10. Avers: Raimundü Pa. Der Patriarch sitzend
mit Kreuzstab und Buch.
Revers: Aquilegensis; ein Kreuz, in den oberen
Schenkeln desselben zwei Schlüsseln, in den unteren zwei
I härme. — Mehrere Exemplare.
I 1. Avers ebenso; Revers zwei Lilien gekreuzt.
12. Avers: Raimundü Pa. Die Madonna mit dem
Jesuskinde am linken Arme; Revers ein Adler, stehend,
link- sehend. — Nur wenige Exemplare.
13. Avers: Raimundü Pa. Der Patriarch sitzend
wie Nr. Dt.
Revers: Aquilegensis; ein vierzackiger Thurm.
( . Patriarch Petrus de Gera von 1299—1302.
14. Avers: Petrus Patra. Der Patriarch sitzend
im Ornate mit Kreuzstab und Buch.
Revers: Aqui legensis; ein Adler mit dem Familien-
wappen auf der Brust. — Wurden viele Stücke gefunden,
sie haheu aber zweierlei Präge.
I). Patriarch Otto Bonus de liazzi vom Jahre
1302—1315.
15. Avers: Otto Bonus Pa. Zu den Füssen des im
Ornat sitzenden Patriarchen ein Adler; Revers: mit einem
zweit eidigen Wappenschilde.
16. Avers: ebenso, ohne den Adler zu den Füssen des
Patriarchen.
Revers : Über dem Wappenscbilde die obere Hallte
eines Adlers mit ausgebreiteten Fittigen.
Die meisten der gefundenen Münzen sind von Otto Bonus;
jede von diesen zwei hier beschriebenen Arten kommt in
zwei deutlich von einander unterschiedenen Geprägen vor.
III. Münzen der Grafen von Tirol,
MeinhardH. Graf von Tirol und Giirz, Her-
zog in Karnthen anno 1295.
Von diesen Tiroler Münzen scheinen recht viele ge-
funden worden zu sein; mir sind bereits 10 Stück vorge-
kommen. Man unterscheidet an ihnen dreierlei Präge hei
gleicher Umschrift und gleichem Wappen.
17. Avers: Ein achtschenkeliges Kreuz, zwischen den
vier längeren Schenkeln Ale-in-ar-du.
Revers: Co nies Tirol mit einem Adler.
18. Eine andere einzelne Münze von Tirol konnte bis
jetzt nicht entziffert werden. Sie ist dem Anscheine nach
den oben beschriebenen Solidis von Meinhard täuschend
ähnlich, allein d e r A dl er ist auf de rA v ersseitemitde r
L' m schrift: F red e r i c u s I. P. — De r R e v e r s t r ä g l
das ach tsch en k el i g e K r e u z mi I f o I g e n den s c b w e r
leserlichen Buch stallen zwischen den vier
längeren Schenkeln OK. ES. PA. VR. Wahrschein-
lich ist es Friedrich mit der leeren Tasche.
IV, Münzen der Grafen von Görz,
19. Heinrich 11. Graf von Giirz und Tirol.
Herzog von Karnthen: er regierte von 1304 1323, und
war der Vater der M a r g a r e t h a M aul t a s c h.
Avers: llenric. Comes Coric. Das zweifeldige
sehräggetheilte Wappen von Giirz ; im oberen Fehle ein
Löwe, das untere Feld ist gestreift.
Revers: Moneta de Luonze; eine sechsblätterige
Böse. — Ist mir nur ein Stück zu Gesichl gekommen.
Es waren demnach, so viel bisher in Erfahrung ge-
bracht worden ist, neunzehn verschiedene Sorten von
Geldstücken in jenem Topfe. Sie sind in vier verschiedenen
Ländergebieten geprägl worden, stammen von neun Poten-
taten her. und ihre Altersdifferenz beträgt in den äussersten
Extremen kaum hundert Jahre.
— 187 —
Literarische Anzeigen.
Lübke \V.: Geschichte der Architectur von den ältesten
Zeiten bis auf die Gegenwart. Mit 174 Holzschnitt-Illustrationen.
Leipzig 18.35. 8. S. 387.
Auf dem Gebiete der Forschung »bei- die Entwickelung der Ar-
chiteciur ist in den letzten Decennien eine solche Umgestaltung frü-
herer Ansieliten eingetreten, und eine solche Bereicherung des
Stoffes zugewachsen, dass die wenigen zusammenfassenden Darstel-
lungen, die aus der jüngsten Vergangenheit noch in die Tage unserer
Gegenwart hereinreichten, den gegenwärtigen Anforderungen nicht
genügen konnten. Dass demungeachtet erst jetzt durch Kugler und
Lübke gleichzeitig an eine neue Bearbeitung der Architecturge-
sehichte (mit Ausschluss der übrigen Künste) geschritten wurde,
liegt nicht sowohl darin, dass hiefür nicht ein Bedürfniss gefühlt
wurde, als vielmehr in der Schwierigkeit der Aufgabe, die zu lösen
war. Wir glauben daher alles Lob mit dem Ausspruche erschöpft zu
haben, dass wir in dem vorliegenden Werke eine vollkommen gelun-
gene Lösung dieser Aufgabe erhalten haben. Wir gewinnen aus der
Lcctüre dieses Werkes eine eingehende Übersieht der verschiedenen
Entwicklungsstufen der Architectur. deren jede auf die eigenthüm-
lichen ihr zu Grunde liegenden Elemente zurückgeführt, und in ihrem
Formenreichthum dem vollem Verständnisse eröffnet erscheint, wah-
rend der Fluss der Darstellung dem Leser den inneren geistigen Zu-
sammenhang der einzelnen Epochen stets vor Augen hielt und in
lebendiger Weise versinnlicht. Lübke hat sich mit diesem Werke als
den feinen Kenner und den scharfen Kritiker der Architecturformen
bewährt, als welchen wir ihn aus seiner „Darstellung der mittel-
alterlichen Kunst in Westphalen", und seiner „Anleitung zur mittel-
alterlichen Kirchenbaukunst", zwei Werken, die sich des unge-
teiltesten Beifalles zu erfreuen hatten, bereits kennen zu lernen Ge-
legenheit hatten. Was uns vor Allem in dieser Darstellung der Archi-
tccturgeschichte im hohen Grade angezogen hat, ist die klare über-
sichtliche Anordnung des reichen Stoffes, deren Schwierigkeit nur
jener ermessen kann , dessen Studien in eingehender Weise den
mannigfaltigen Erscheinungen des geistigen Lehens der Vorzeit zu-
gewendet waren. Ein zweiter Vorzug dieses Werkes ist einerseits die
schwungvolle, das Interesse des Lesers durchweg feststellende Dar-
sfellungs weise , anderseits die selbstständige Kritik, welche der Ver-
fasser bei der Darstellung der einzelnen Bausysteme vorwalten liess.
Er hat sich dabei durchaus einen objeetiven Standpunkt, unbeirrt
von den einseitigen Tendenzen unserer Gegenwart, zu wahren ge-
wusst, wofür ihm alle jene zu danken verpflichtet sein müssen, denen
es um die Erforschung der Wahrheit zu thun ist, wogegen aber
Lübke auch die Angriffe aller jener zu gewärtigen hat, die den ge-
schichtlichen Stoff in der Regel nur zur Erhärtung ihrer suhjeetiven
Tendenzen gebrauchen und sich bei Betrachtung des ersteren aus-
schliesslich hievon leiten lassen. Wir stimmen daher vollkommen der
kritischen Würdigung des romanischen nnd gothischen ßaustyles wie
auch der Erörterung der Frage bei, ob durch die Wiederaufnahme
der Gothik der Trieb unserer Zeit nach Gestaltung eines ihr eigen-
tümlichen Baustyles zur endlichen Lösung gebracht sei, wie wir
auch es anerkennen, dass Lübke den Vorurtheilen gegenüber, welche
seit langer Zeit gegen alle Leistungen der Renaissance-Periode sich
erhoben haben, nach Burkhart's Vorgange, auch den Werken dieser
Stylentwickelung gerecht zu werden sucht. Wenn wir auch schliess-
lich die Hoffnung des geistreichen Verfassers auf eine neue Blüthe der
Baukunst nur in dem Masse theilen, als wir in unserer Zeit die
Keime einer solchen Blüthe zu erkennen vermöchten, so stimmen
wir ihm doch in dem vollkommen hei, dass der geistige Inhalt unserer
Zeit durch blosse Nachahmung von Stylarten, die ihre vollständige
geschichtliche Entwickelung durchlebt baben, nicht zu erschöpfen
sei. Auch auf den Gebieten des Schaffens hat die Kritik ihr Hecht
sich errungen; während auf einer Seite die romanische Baukunst
ihre Vorfechter gefunden bat, an deren Spitze Hübsch steht,
welcher den begonnenen Streit , ob „romanisch" ob „gothisch" mit
der ganzen Schärfe geschichtlicher und praktischer Gründe aufge-
nommen hat und fortzuführen gedenkt, stehen auf der anderen Seite
die Absolutistcn der Gothik und verdammen Alles, was sich nicht
der Wiederaufnahme dieses Styls fügen will, wobei sie diese Frage
der Kunst zur Frage des religiösen Glaubens erheben und, durch
diese Anknöpfung unterstützt, ihre Gegner zum Schweigen zu Inni-
gen suchen. Wir werden diese Frage bei einer sieh ergebenden Ge-
legenheit umständlich erörtern, und wünschen nur, unsere Leset
durch das Studium des Lübke'schen Werkes, welches wir ihnen
auf das Wärmste empfehlen, zur eingehenden Thcilnahme an dieser
schon zu lange schwebenden Frage vorbereitet zu finden. Die Aus-
stattung dieses Werkes ist vorzüglich, insbesondere verdienen die
zahlreichen Illustrationen volle Anerkennung. Dr. G. H.
Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst.
Herausgegeben von F. v. Quast und II. Otte. Erster Band.
Leipzig T. 0. Weigl. 1856. Erste Lieferung. 46 S. ftuarto mit
drei Kupferstichen und Bolzschnitten.
Die Freunde der Kunst des Mittelalters haben bisher schmerz-
lich ein Organ vermisst, welches einen Mittelpunkt für die deutschen
Forschungen auf diesem Gebiete in ähnlicher Weise zu bilden unternom-
men hätte, als es für Frankreich D i d r o n's „Annales archeologiques"
sind. Seitdem deutsehe Kunst und deutsches Lehen des Mittelalters
ein Gegenstand ernster Forschungen geworden ist. mussten sieh die
Freunde der bildenden Kunst in die verschiedensten Organe der
Presse flüchten, um ihre Ansichten und Forschungen, ihre Hoffnun-
gen und Wünsche in denselben niederzulegen — und zu begraben.
Nur Wenige konnten sich aus der fast allgemeinen Vergessenheit
herausretten, und erst in der jüngsten Zeit ist es deutschen Buch-
händlern gelungen, diese Literatur jenseits der deutsehen Sprach-
grenzen zu verbreiten. Aber trotzdem — wie schwer ist es In diesem
Augenblicke noch, von dem was auf dein weiten Gebiete mittelalter-
licher Kunst und Archäologie geforscht wird, vollständige Kcnntniss
zu erhalten, wie häufig und mit wie grossem Hechte beklagen sich
österreichische Forscher, dass ihnen die Leistungen norddeutscher
oder rheinländischer Kunstfreunde so schwer zugänglich sind, oder
dass ihre Leistungen den ausser-österreichischen deutschen Gelehrten
unbekannt gebliehen sind? Wir halten es daher für einen wesentlichen
Gewinn der deutschen Literatur, dass sich zwei Männer, wie der
königlieh preussische Hauralh Herr v. Quast und der Pastor Herr
Otte vereint haben, ein gemeinsames Organ für Forschungen und
Entdeckungen auf dem Gebiete der Archäologie und Kunst des Mit-
telalters zu gründen.
Nach dem Inhalte des ersten Heftes wird dieses Organ einen Cen-
lialpunkt für dieses Gebiet von wissenschaftlichem Stand-
punkte aus bilden. Die Ehre, zuerst den christlichen Standpunkt
— und für mittelalterliehe Kunst ist in diesem falle nicht ein allge-
mein-christlicher, sondern der spe ei fisch katholische der
allein berechtigte — in einer Zeitschrift geltend gemacht zu haben,
gebührt zweifelsohne Itaudri's, „Organ für christliche Kunst", wel-
ches seit einer Reihe von Jahren mit «armer Oberzeugung und prak-
tischem Erfolge nach dieser Richtung hin wirkt. Her wissenschaft-
liche Gesichtspunkt dagegen ist noch bei keinem Unternehmen so
1 88 —
bestimmt und entschieden in den Vordergrund getreten, als es bei der
eben gegründeten Zeitschrift der Fall ist Und eben uns diesem
Grunde begrüssen wir dieses Organ mit besonderer Freude, weil
;mcli Kritik und wissenschaftliche Behandlung der Sache in diesen
Diciplinen vorzugsweise Noth thut.
Das erste uns vorliegende Hell bringt zwei Abhandlungen von
E.v. Quast und Dr. Wattenbach, Quast berichtet über die
höchst interessante Münsterkirche in Essen. In diesem Baue, welcher
uns verschiedenen Zeitperioden seiner gegenwärtigen Gestalt nach
herstammt, ist vorzugsweise ein Achtecksbau von Bedeutung, der
offenbar den Münster zu Aachen zum Vorbild hat, aber nicht wie die
Kirche des Jungfrauenklosters zu Otmarsheim im Elsass eine Copie
des Aachener Originales ist, sondern »li i- Formen der Karoling'schen
Schule mit Freiheit künstlerisch fortbildet. Dieser Essener Bau ge-
hört seinen ältesten Theilen dem zehnten Jahrhundert an, und es ist
ein wesentliches Verdienst der v. Quast'schen Untersuchung, diesen
Punkt in der Bau-Chronologie festgestellt zu haben. Die gesammte
Ornamentik an diesem genannten Bau, wie die des Aachener Münsters
(7!Hi — S04J und der Otmarsheimer Kirche aus dem XI. Jahrhundert,
zeigt römische ( nicht byzantinische) Vorbilder und Motive.
Die Abhandlung von Dr. Watten bach behandelt die Congre-
gation der Schottenkirchen in Deutschland. Die Redaction dieses
Blattes hat sieh, wie wir wissen, vorbehalten, einen grösseren Aus-
zug der trefflichen Arbeit dieses hervorragenden Forsehers, der aus
der Pertzischen Schule hervorgegangen ist, mitzutheilen.
Ausser diesen Abhandlungen werden unter der Rubrik „Mannig-
faltiges" kleinere Aufsätze, Berichte über Zerstörungen und Erhal-
tung diu- Denkmale, über literarische und Vereins-Publicationen ge-
hracht. Ks wäre sein- zu wünschen, wenn insbesondere die Vereins-
Literatur mit möglichster Vollständigkeit gegeben und auch auf die
Mittheilungen englischer und französischer Vereine ausführlich einge-
gangen würde.
Unter diesen kleineren Aufsätzen ist der über die Baptisterien in
Deutschland der interessantere. Was über dem ChorabschluSS der
Cistercienserkirchcn gesagt wird, ist unvollständig, ebenso unrich-
tig ist diese an anderen Orten ausgesprochene Ansicht Otte's, dass
den symbolischen Darstellungen der Cistercienser eine marianische
Deutung zu geben sei. Herr v. Quast bringt endlich auch eine
Beurtheilung des I. Helles der „Mittheilungen", und beleuchtet bei
m Anlasse die Ansieht des Unterfertigten über die Aufgabe einer
„Moni sntalgeschichte Österreichs" theilweise in einem Tone, der
denselben sein- befremdet hat, und mehr in den Zuschauer der Ber-
liner Kreuzzeitung als in ein wissenschaftliches Organ passt. Herr
v. Quast mag sich über einen Punkt beruhigen, den nämlich, dass
es dem Unterfertigten nicht einfällt „eine eigene national-öster-
reichische Kunst über das ganze weile Ländergebiet, vielleicht bis
zum schwarzen Meere" zu spannen. Auch ist zwischen einer „Monu-
inentalgeschichtc Österreichs" und einer „national-österreichischen
Kunst-, die Herrn v. Quast gespensterartig vorschwebt, ein grosser
Unterschied. Dass erstcre nichl einen centralisirenden Charakter
hat, sieh ,,n die localeEntwickclung der einzelnen Ländergruppen an-
schliessen muss, in ihren transalpinen Monumenten von der deutschen
Kunst, in den cisalpinischen Monumenten Von Italien und denen des
adriatisehen Meer.s und der griechischen Kirche vom Osten abhängt,
ist ohne Zweifel. Wie gross oder gering der deutsche, italienische
oder byzantinische Einfluss in den Moni nten der österreichischen
Monarchie ist, ist gegenwärtig nach dem Stande der österreichischen
Monumentalkunde nur in wenigen Kronländern festzustellen. Diesen
Obelstand zu beseitigen, ist es, was wir „der Zeit überlassen" müs-
sen, und wir wollen hoffen, dass die von der k. k. Central-Commission
gegründeten Organe in wenigen Jahren ein reiches Material dem For-
scher darbieten werden.
Die Ausstattung des Werkes ist vortrefflich. Die Angabe der
Zahlen in den Kupfertafeln wohl nur durch Zufall ausgeblieben. Wir
empfehlen das Unternehmen auf das Lebhafteste den Kunst- und
Alterlhmnsfreunden. Der Preis für einen Jahrgang, welcher sechs
Hefte uml'asst, ist II) Thaler. It. E. V. E.
Legis-Glückselig Dr.: der Prager Dom zu St. Veit.
Geschichtlich und kuiisUtrchünlngisch dargcstclll. Mit UTableaux
nebsl kleineren Lithographien und Vignetten. I Bd. IV, 107.
Prag uiiil Leitmeritz 1855. Druck und Verlag von i . U. Medau.
Tüchtige und mit dem richtigen Verständnisse gearbeitete Mono-
graphien über die bedeutenderen mittelalterlichen Bauwerke des
Kaiserstaates gehören noch immer zu den frommen Wünschen der
österreichischen Kunst- und Alterthumsforscher. Wahrend die her-
vorragendsten Dome In Deutschland bereits historisch und architek-
tonisch erklärt und erläutert wurden, enthehren die meisten Dome
.los Kaiserstaates noch immer einer kunstgeschichtlichen Würdigung,
und diejenigen, welche sie bisher gefunden, befriedigen nicht
die bescheidensten Anforderungen. Wir verweisen als lieispiel auf
den Wiener St. Stephansdom, über welchen zwar schon wieder-
holt Monographien erschienen, von denen aber nur Dr. Melly's
Beschreibung und Erklärung des Westportales von entschiedenem
kunsthistorischen Werthe ist. — Mit um so grösserer Erwartung
blickten wir daher auf das Erscheinen der geschichtlichen und
kunstarchäologischen Darstellung des „Prager Veitsdomes" von Dr.
Legis-Glückselig. Dieses imposante und reich ausgestattete
Bauwerk des XIV". Jahrhunderts gehört bekanntlich jener interes-
santen Gruppe an, welche mit der Barbarakirche in Kuttenberg und
dem Chore der Kolliner Decanatskirche klar ausgesprochene
Merkmale innerer Verwandtschaft besitzt, und ander man in Be-
zug auf die Anlage vielfache Anklänge an die l'ägenlhundichkcilcn
der französischen Gothik bemerkt haben will. Ks wäre mithin bei
einer Monographie über den Prager Veitsdom die Gelegenheit ge-
boten gewesen, auf diese Behauptung naher einzugehen und die über-
wiegenden Merkmale der deutschen Gothik, wie diess namentlich aus
den l'rolilen der Gewölberippen und Pfeiler nachgew iesen n erden kann,
hervorzuheben. Wenn wir diess in der vorliegenden Monographie ver-
missen, so soll damit nicht der sonstige Werth der sehn erdienstlichen —
als Frucht jahrelanger Forschungen zu betrachtenden Arbeit ge-
schmälert werden. Vor Allem heben wir die Qeissige historische Dar-
stellung hervor, wodurch manche schwankende Angaben über die
Zeitbestimmung einzelner Theiie des Baues und der au dem Dome
beschäftigten Baumeister richtiggestellt wurden. Interessant sind
Fi r die Untersuchungen über die beiden Domwerkmeister, über
die Wenzelscapelle und über die muthmassliche Form des Domes,
wenn er nicht bloss lii ■uchslück gebliel sondern nebsl dein Chore
.Hieb das Langhaus gebaut worden wäre. Weniger befriedigt hat uns da-
gegen der Abschnitt über den ..neuen" Thurin. womit die Frage über
den eigcnlhüinlichcn Unterbau ihrer Lösung nicht näher genickt wurde.
Nebsl der eigentlichen Darstellung enthält das Werk noch zehn
sehr interessante Beilagen, worunter sich Aufsätze über die Fürsten-
grüfte des Domes, über Peter Arier de Polonia , über den jerusa-
lemiscbcn Leuchterfuss, über das Musivgcmälde an der Aussenseite
des Domes, über die Staffcleigcmülde und sonstige Kunstgegen-
stfinde desselben u. s. w. befinden und von dem Beissigcn Studium
des Denn Verfassers ein ehrenvolles Zeugniss geben. Wir haben
daher auch rollen Grund, (las \\ erk allen Kunst ii .■ len zu empfehlen,
und hätten nur gewünscht, dass die Kunstbeil. igen mii grösserem
Geschi ke so wie mit mehr Genauigkeit in den Details und mehr
Correclheit in der Zeichnung ausgeführt worden waren K. \\ .
[ei k. k. Hof- und Staatsdrucki rci in W ii n
Jeden Monat erscheint 1 Heft zu
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dungen.
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W.Brauraiilkr in Wieu zu rieht«.
ZUR ER«« ID ERHALTIIG DER BllMKMH
Heraussegeben unler der Leilung; des k. k. Scclions-Chcl's und Präses der k. k. CentEal-Commission Karl Freiherrn \. Czoerniff.
Redaeteur: Rarl Weiss.
m 10.
I. Jahrgang.
IT
Inhalt: Charakteristik der Baudenkmale Böhmens. — Berieht üher eine Reise von Brixen nach Iniehen und in das Thal Täufers in
Tirol. — Die gothische Monstranze der Domkirche zu Pressburg. — Notizen. — Literarische Anzeige. — Bibliographie.
Charakteristik der Baudenkmale Böhmens.
Nach den bedeutendsten Bauwerken zusammengestellt von Bernhard Grueber, Architekten und Professor der Baukunst.
Vorwort.
Die Architecturgeschichte Böhmens erseheint noch
sehr lückenhaft und stellt nach dem allgemeinen Ürtheile
in keinem Verhältnisse zu den Fortschritten, welche die
heutige Geschichtsforschung nach allen Seiten hin errungen
hat.
Die Ursache dieser Vernachlässigung liegt theils in
geographischen und sprachlichen Verhältnissen, theils in
dem Umstände, dass die Kunstübung durch ausserordent-
liche Verhältnisse mehrmals gänzlich unterbrochen und fast
ohne allen Übergang in eine andere Richtung hineingedrängt
worden ist. Rechnet man hinzu, dass ein grosser Theil der
in Böhmen beschäftigten Künstler von jeher aus Ausländern
bestand, dass viele derselben das Land nach vollendeter Ar-
beit wieder verliessen , ohne eine Schule zu gründen oder
sonstigen Einfluss auf anderweitige Bauten auszuüben; so
lassen sich die Schwierigkeiten begreifen, mit denen der
Bearbeiter einer böhmischen Kunstgeschichte zu ringen hat.
Es scheint jedoch , als sollte das Versäumte in Bälde
hereingebracht werden. Seit einigen Jahren gibt sich in
allen Theilen des Landes ein reges Interesse für monumen-
tale Bauwerke kund, welches durch Errichtung der k. k.
Central-Commission für Erhaltung und Erforschung der
Baudenkmale wesentlich gesteigert wurde. Man forscht nach
Styl und Erbauungszeit und sucht sich auf alle Weise mit
dem künstlerischen und geschichtlieben Werthe der Denk-
male bekannt zu machen.
Dass solche vereinzelte Untersuchungen nicht immer
befriedigende Resultate liefern, darf weder befremden, noch
abschrecken. Es ist auf dem Lande äusserst schwer, ja oft
unmöglich, sich die zu derartigen Studien nöthigen Bücher
zu verschaffen. Obendrein bringen selbst die gediegensten
unserer neuen kunsthistorischen Werke nur sehr dürftige
Nachrichten über Böhmens Denkmale, so dass für den gege-
benen Fall nur selten Belehrung aus diesen Büchern ge-
wonnen werden kann.
Seit fünfzehn Jahren das Land in allen Richtungen
durchreisend, hatte ich Gelegenheit, die bedeutendsten
Denkmale durch eigene Anschauung nicht allein kennen zu
lernen, sondern auch zu studiren und ganz oder, theilweise
aufzunehmen. Auf solche Weise entstanden die vorliegenden
Blätter, welche nicht im Entferntesten einen Anspruch auf Voll-
ständigkeit machen, sondern die ursprünglich nur bestimmt
waren, den Eifer angehender Kunstfreunde zu beleben und
diesen einige Anhaltspunkte bei allfälligen Untersuchungen
zu verschallen. Alle genannten und geschilderten Bauwerke
habe ich selbst untersucht und die betreffenden Zeichnun-
gen angefertigt; natürlich konnten in den Bereich dieser
Charakteristik nur solche Kunstobjecte gezogen werden,
welche die im Lande zur Geltung gekommenen Riehlungen
repräsentiren oder einen Abschnitt des Kunstlebens be-
zeichnen.
Ob mir je so viel Müsse wird, meine reichen, in allen
Gegenden des Landes angestellten Vorarbeiten zu einer ei-
gentlichen „Geschichte der Baukunst in Böhmen" zu ver-
einigen, kann ich noch nicht bestimmen. Freuen würde ich
mich, zu einem solchen Unternehmen mindestens denAnlass
gegeben zu haben.
Kutteuberir, im August 18ÖG.
25
190
I.
Alter ihm! >i.> I <!<*■' Ilauilf iikmalr Böhmens.
obwohl in vorchristlicher Zeil verschiedene Völker-
schaften nach einander das damals sehr rauhe Böhmerland
bewohnten, scheint doch keine derselben bleibende Bau-
werke errichtet zu haben. Grabhügel und Frdwälle. wie sie
über die ganze Erde hin verbreitet sind und von aHen Volks-
stämmen aufgcthürmt wurden, erscheinen als die einzigen
Reste ältester Bauthätigkeit,
Diese Denkmale jedoch können unmöglich in den Kreis
unserer Betrachtungen gezogen «erden, da sie einerseits
niela als eigentliche Bauwerke gelten, und andererseits die
Erforschung dieser Urtypen menschlichen Schaffens neben
Grossem Zeitaufwan.de auch ungewöhnliche Mittel voraussetzt.
Aller Wahrscheinlichkeit nach haben die ('zechen,
welche das Land nach den Markomannen in Besitz nahmen,
die Kunst Gebäude aus Stein aufzuführen, erst nach An-
nahme des Christenthums sich eigen gemacht. Man wird
daher mit Sicherheit annehmen dürfen, dass alle Gebäude,
«eiche sich innerhalb der Grenzen unseres Landes vor-
linden, erst oach Einführung der christliehen Religion ent-
standen sind.
Auch aus den ersten Jahrhunderten des Chrislonlhiinies
besitzen wir keine Baudenkmale, deren Alter nachgewiesen
werden konnte: vielmehr scheint der bei allen slavischen
Stämmen beliebte Holzbau in diesen Gauen noch lange bei-
behalten worden zu sein, nachdem die Nachbarvölker bereits
zum Steinhau vorgeschritten waren.
Diese Vorliebe für Holzcoustruclioiicii blieb in Böhmen
bis in die neueste Zeit heimisch und rief manche Eigentüm-
lichkeiten hervor, welche auf den Steinbau übertragen wur-
den und hier einen heachtcnswerthen Moment in der Kunst-
geschichte des Landes bilden.
\us dem Gesagten ergibt sich nun das höchste Alter,
welches irgend eines der bestehenden Baudenkmale an-
sprechen kann . von selbst, und der Übergang von dem
zehnten in das eilfte Jahrhundert wird die Griinzlinie für
unsere Forschungen bezeichnen.
Fs sei hieniit nicht in Abrede gestellt, dass hie und da,
namentlich in einigen Burgen, Grundmauern von höherem
Alter vorkommen mögen, allein da solche Theile weder cha-
rakteristische Merkmale an sieh tragen, noch Urkunden oder
sonstige Beweise eines so hohen Alters aufgefunden werden
können, werden derartige Behauptungen immer sein- gewagt
bleiben.
Im Laufe der angegebenen Zeit (seit dein eil ften Jahr-
hunderte) haben in Böhmen und den angränzcmlcu Ländern
nur drei verschiedene Baustyle geherrscht, <\m\ zwar:
". der romanische oder Rundbogenstyl,
//. der gothische oder Spitzbogenstyl und
c der Renaissancesty] oder die wiederhergestellte
griechisch-römische Bauweise.
Alle bierlands vorkommenden Gebäude werden also
einer von diesen drei Bauarten angehören, wenn sie nichl
zwei oder wohl alle drei Style au sich vereinigen. Bei
grösseren Kaliwerken ist dies letztere oft der Fall, je nach-
dem ihre Erbauungszeit in verschiedene Epochen hinüber-
greift. Der am einzelnen Theile sich zeigende Baushl bietet
in der Hegel sodann den zuverlässigsten Anhaltspunkt , um
Alter und Fortschritte dieser oder jener Baupartie bestimmen
zu können.
Zwischen jeder dieser Bauarten findet natürlich ein
vermittelnder Übergang Statt, so zwischen der romanischen
und gothischen, wie zwischen dieser und der Renaissance-
periode.
Der romanische Baustyl, welcher sich in allmählichen
Übergängen aus der altrömischen Architectur entwickelte.
verpflanzte sich von Italien aus durch Frankreich über alle
Lander der damaligen katholischen Welt. In jenen Bezirken,
welche das Herz des grossen fränkischen Reiches biMeten.
rundete sich die neue Bauweise, etwa im Anfange i\cs zehn-
ten Jahrhunderts, zu einem entschiedenen Style ab, und
diesen Ländern gebührt die Ehre, diesseits der Alpen die
ersten christlichen Monumente errichtet zu haben. Die wei-
tere Verbreitung der Baukunst fand in der Richtung von
Westen nach Osten Statt, wesslialb auch dieselbe Entwick-
lungsstufe in den nördlichen und östlichen Ländern verbält-
nissmässig später eintrat.
Wenn auch in den Grundbedingungen allenthalben
übereinstimmend, hat sich doch der romanische Styl in
jedem Lande besondere Modifikationen in den Detailformen
angeeignet, so dass nationale Merkmale angegeben werden
können. Fs ist daher nothwendig. die eonstrueliven Fle-
mente hier in Kürze anzugehen, da wir uns die übersicht-
liche Betrachtung eines ganzen Landes zum Ziele gesetzt
haben.
Die romanische Architectur ist ein Gewölbesystem, dem
der Rundbogen zu Grunde liegt. Nicht allein alle zu gewin-
nenden Räumlichkeiten, sondern auch die einzelnen Oll'nun-
gen der Thiireu und Fenster werden mit halbkreisförmigen
Bogen überspannt, wesslialb der Name Rundbogenstyl
auch als gleichbedeutend mit romanischer Styl ge-
braucht wird.
Fürden Kirchenhau wurde die alte heidnische Itasiliea-
fiinn beibehalten, wornach eine längliche, rechteckige Halle
durch Säulen in mehrere Gänge eingotheill wird. An den
beiden Langseilen der Halle wurden sodann Flügelbauten
angefügt, um dem Kirchenplan die Gestalt des Kreuzes zu
verleihen.
An der Altarseite, welche regelmässig gegen Osten zu
stehen kam. wurde endlich fnv den Altar ein besonderer
halbrunder Abschluss, Allerheiligstes oder Tribüne genannt.
vorgetragen. Anfänglich erhielt nur der Mittelgang (das
Hauptschiff) eine Tribüne, späterhin auch die Nebenschiffe.
Das Hauptschiff hat gewöhnlich die doppelte Breite je eines
— 191
Seitenschiffes, und die Fitigelbauten halten gleiche Weite
mit dem Hauptschiffe, so dass alle einzelnen Gewölbeäbthei-
lungen quadratische Fel-
der bekommen. Um das
Jahr II Oll erreichte der
romanische Styl seinen
Blüthepunkt und der Kir-
chenbaU hielt im Allge-
meinen das folgende,
Fig. 1 bezeichnete Sche-
ma ein. dessen Erklärung
heinahe selbstverständ-
lich ist.
A. Das Hauptschiff.
Biß. -Die Seitenschiffe;
( Hauptschiff und Sei-
tenschiffe bilden zusam-
men das Langhaus.)
( '. Die Vierung des
Kreuzes.
I). Die Kreuzarme.
( Vierung und Kreuz-
arme bilden zusammen das
Querhaus oder Kreuz-
Schiff.)
(Fig. 1.)
E. Das Presbyterium, Chor oder hoher Chor.
F. Das Sanctuarium oder die Apsis, auch Tribüne,
Concba oder Allerheiligstes genannt.
(Presbyterium und Apsis sind in grossen romanischen
Kirchen gewöhnlich erhöht und es befindet sich eine
Unterkirche oder Krypta unter diesen Theilen. Die Krypta
diente gewöhnlich, um die Reliquien des Heiligen, dein die
Kirche gewidmet war, aufzubewahren.)
H H. DieThürme, gewöhnlich am Westende, dem
Sanctuarium gegenüber.
Mit dieser Grundform hat der romanische Basiliken-
bau in eben dem Grade seine höchste Ausbildung erreicht,
wie die antike Kunst in Aufstellung des Peripteral-Tempels.
So wie der Dipteros und Pseudodipteros nur als unwesent-
liche Zugaben oder Ausstattungen des Peripterös angesehen
werden dürfen, ebenso erscheinen auch die verschiedenen
runden und polygonen Tbürme, die Mittelkuppeln und Dop-
pelchöre nur als Bereicherungen des romanischen Normal-
planes. Alle grösseren Stift- und Stadipfarrkirchen wurden
nach diesem Plane erbaut, und nur die Kathedralen erhielten
m der Regel noch zwei östliche, neben dem Presbyterium
angelegte Thürme, manchmal auch einen Kuppelthurm über
der Kreuzvierung als besondere Auszeichnung. Diese letztge-
nannten Bildungen kamen indessen in Böhmen gar nicht, und
die Basilikenform überhaupt nur selten vor; häufiger erschei-
nen einschiffige Kirchen in verschiedenartiger Ausstattung.
Die Pfarrkirchen der Dörfer wurden meist einschiffig
gehalten, wobei aber die Kreuzform und Gewölbeeintheihmg
nach dem Basilikensysteme zu Grande liegt. Der einzige
Thunn bildet sodann gewöhnlich die Eingangshalle und
steht an der Westseite, der Apsis gerade gegenüber. Die
Emporkirehe über dem Eingange fehlt in Böhmen nie und
selbst in den Schlosscapellen und anbedeutendsten Filialen
sind diese anderwärts seltenen Ausstattungen regelmässig
vorhanden. Die Capellenbauten haben weder Thunn noch
Kreuzanlage und bestehen regelmässig aus dein llaiiptraume
(Schiffe), der Apsis und der Vorhalle.
Neben diesen, siininitlich dem Basilikensysteme ange-
hörenden Grundformen wurden in jener Periode auch kirch-
liche Gebäude errichtet, deren Plan entweder nach dem
Kreise oder einem regelmässigen Polygon gebildet ist und
welche man Centralbauten zu nennen pflegt. Bauten dieser
Art zeigen selten grössere Ausdehnung und haben in der
Regel eine untergeordnete Restimnuing. Sie dienten theiU
als Taufhäuser (Baptisterien), theils als Friedhofcapellen;
auch mag es vorgekommen sein, dass von armen Gemeinden
solche Bauten hloss der Wohlfeilheit wegen als Pfarrkirchen
errichtet worden sind. Die Anordnung von Centralbauten
findet sich in Böhmen häufiger als in irgend einem der west-
lichen Länder Europa 's.
Die künstlerische Behandlung und Ausführung der ein-
zelnen Theile betreffend, zeigt sich der romanische Styl als
Massenbau, der namentlich im Innern einen schwerfälligen,
düsteren Charakter an sich trägt. Wie der kreuzförmige
Grundriss nach den sechs Seiten des Würfels gebildet ist,
so sind auch die Hohenmasse nach kubischen Verhältnissen
angenommen. Auf diese Weise erhielten die Gebäude nur
massige Höhenausdehnungen, und die Mauern , welche be-
stimmt sind schwere Gewölbe zu tragen, erscheinen im
Verhältnisse zur Höbe sehr dick, l'm diese frühzeitig er-
kannte Schwerfälligkeit zu mildern, wurden die Mauern
regelmässig mit Streifen (Lisenen) eingefasst, welche etwa
3" vorspringen und also vertiefte Felder einfassen. Unter
den Häuptgesimsen und Stockwerksabtheilungen geben diese
Lisenen in eine Reihe von halbkreisförmigen Vorlägen über
und bilden den sogenannten romanischen Fries (s. Fig. 2).
Diese Friesverzierung, das
gewöhnlichste und untrüglichste
Kennzeichen des romanischen St\-
les, kömmt in Böhmen weder häu-
fig, noch in reiner Kreishihlung
vor, sondern sie erhielt gegen
unten hin gewöhnlich eine Ver-
längerung, was schon eine Annä-
herung zur Gothik bedeutet.
Die Einfassungen der Thü-
ren und Fenster sind im \\ in-
kel von 4.')" abgeschrägt und bilden also Nischen, in
welchen je nach Grösse und Wichtigkeil der Kirche oft
Säulen eingeblendet sind. Diese kleinen Säulen haben nie
über (>" und auch nur seilen üher 9" Durchmesser und sind
(Fig. 2.)
— 192 —
oft gewunden oder mit Ornamenten verziert. Dabei er-
scheinen die Fensteröffnungen auffallend klein, besonders
schmal, daselbst in Kirchen ersten Ranges die Fenster kaum
•2 lichte Breite messen. Das Würfelcapitäl endlich mit dem
entsprechenden Eckblatte am Fusse der Säule gehör! nicht
allein zu den wesentlichen Merkmalen der romanischen Pe-
riode, sondern bezeichnet selbst innerhalb des Stylverlaufes
gewisse Zeitgränzen; so kömmt z. B. das Würfelcapitäl im
westlichen Deutschland weder am Anfange noch am Schlüsse
der Periode vor, indem früher das korintbisirende, späterhin
aber das kelchförmige Capital gebraucht wurde.
In Böhmen gelangte das Würfelcapitäl beinahe zur
ausschliesslichen Geltung und wurde unzweifelhaft noch im
Anfange des vierzehnten Jahrhunderts angewendet.
Eine reiche Abwechslung der Capitälformen, wie man
sie in Frankreich, Deutschland und Kugland findet, kömmt
in Böhmen nicht vor. wo die Bauten nur auf die iiusserste
Notwendigkeit beschränkt blieben.
II.
<;eograi>l>is<,l'<k Vertlicilung der Denkmale.
Böhmen ist ein abgerundetes Land wie kein zweites.
das, so zu sagen, um seine Hauptstadt herum gruppirt worden
ist. So wie nun von ältester Zeit au die Hauptstadt Prag
der Sit/, aller geistigen und politischen Bestrebungen war,
ebenso fanden auch die künstlerischen Richtungen daselbst
ihren Mittelpunkt und verbreiteten sich von hier aus über
die untergeordnete Gegend. Daher linden sich auch die be-
deutsamsten und zugleich verschiedenartigsten Monumente
in Prag und dessen nächster Umgebung, wenn auch hier die
grössten Zerstörungen Statt fanden. Die Vertheüung der
Denkmale über das Land darf man sich indessen nicht ganz
gleichartig denken, und der Osten Böhmens, der alle Anzei-
chen einer früheren Cultur trägt, hat auch die Mehrzahl alter
(folglich romanischer) Bauwerke aufzuweisen.
Wenn mau aus dem Mittelpunkte Prag eine Bogenlinie
zieht, die nördlich bei Leitmeritz beginnt und über Jung-
bunzlau, Bidschow, Pardubitz, Ledetz gegen Süden bisMühl-
hausen fortgeführtwird, so liegen innerhalb dieses Bogens die
meisten und gut erhaltenen Werke r anischer Kunst, wie:
Weisskirchen bei Melnik, Yinec Altbunzlau, Nudwowitz,
Lanzau, Prosek, Tismitz, St. Jakob, Zabof, Chrudim, Hru-
schitz, Kundratz, Mühlhausen u. A. — Hin entsprechender
Bogen, den man durch das westliche Böhmen ziehen wollte,
Würde kaum die Hälfte der genannten Werke einsehliessen.
Hie Gränzbezirke (Egerland ausgenommen) sind durchaus
arm an romanischen Bauten, und die beiden grossen Gebiete
des Böhmerwaldes und Riesengebirges haben nur wenige
Reste aufzuweisen. Die Monumente des Egerlandes, ohnehin
schon durch Abbildungen und Beschreibungen hinlänglich
bekannt, tragen durchaus deutsches Gepräge und können
liier, wo es sieb um eine Schilderung böhmischer Kunst-
weise handelt, nicht in Betracht gezogen werden.
Besondere Stylausbildungen und individuelle Auflas-
sungen geben sich in der romanischen Periode nirgends kund.
Die Anlagen sind nur auf die iiusserste Notwendigkeit be-
rechnel und Mangel an Erfindung, wie Formenbildung wird
allenthalben ersichtlich.
Ganz anders verhält es sich mit der gothischen Bauart.
sowohl dem Wesen als der Verbreitung nach. Die gothi-
schen Bauten sind zwar ziemlich gleichmässig über das ganze
Land hin ausgclheill. jedoch fallen der südlichen Hälfte Böh-
mens die interessantesten Werke zu. Auch geben sich hier
nicht allein verschiedene Richtungen, sondern auch die Kin-
fiüsse hervorragender künstlerischer Persönlichkeiten kund.
Obenan steht die St. Bartholomäuskirche in Kolin (das
Schill'), der älteste gothische Bau im Lande, welchem nord-
deutscher Kinlhiss nicht abzusprechen ist. Die Ornamentik
erinnert vielfach an Halberstadt und Magdeburg, wenn ich
sie auch freier und plastisch höher durchgebildet nennen
möchte. Mit diesem Bau haben nur die alle Synagoge und
die Agneskirche zu Prag einige Verwandtschaft.
Mit dem Prager Dome beginnt die ältere Hauptrichtung,
die sich durch den Koliner Chorbau gegen Osten und Süden,
durch die .schönen Kirchen von Schlan und Pilsen in nord-
westlicher Richtung ausbreitete. Im südlichsten Thcile Böh-
mens bildete sich unter mächtigen Dynasten eine eigene
Schule, deren Sitz Krumau war und welche sich mehr au
die von Wien und Krems ausgehende Kunstrichtung anlehnte
als an die Präger Schule. Die besten Werke dieser Schule
sind die Kirche zu Krumau mal der Kreuzgang desPiaristen-
klosters zu Budweis ; ihr Einfluss ist bis in die Gegend von
Sobieslau zu erkennen. Nun folgt die rein czechische Schule,
deren Hauptwerk die St. Barbarakirche zu Kuttenberg ist ( die
Anlage dieser Kirche jedoch ist älter und gleichzeitig mit
der zweiten Gründung des Prager Domes angenommen
worden). Der einheimischen Schule sind die meisten Kirchen
auf dein Lande und in den kleinen Städten, sowie auch die
verschiedenen Stadtthore, Brunnen und Privatgebäude zuzu-
schreiben.
Die eigentliche Renaissance gehört nur Prag an und
ist auch hier nur durch wenige Beispiele vertreten. DerZopf-
styl aber, und zwar der formloseste, plumpeste, bat seine
Repräsentanten in zahlreichster Fülle überall und an allen
Orten ausgesäet.
Kin Gürtel von Holzbauten umzieht längs der Grunzen
hin das ganze Land. Im Erzgebirge und den angränzonden
westlichen Districten findet man den deutschen Fachwerk-
bau, Während sieh \om Biesengebirge aus bis in die Gegend
von Chrudim und Deutschbrod der Blockverband hinzieht,
und je nach Örtlichkeit bald deutschen, bald slavischen Cha-
rakter annimmt Im Böhmerwalde endlich, etwa vonKlentsch
bis Witlingau und herein ins Kund bis Budweis. werden die
Einflüsse der Alpenbauarl ersichtlich.
Sehr beachtenswerth sind noch die schönen Städte-
plätze in Böhmen, Ringe genannt . eine Eigenthümlicbkeit
193
der slawischen Orte. Den schönsten dieser Ringe, welcher
ringsum mit Laubengängen umgeben ist, besitzt wohl Bud-
weis. Auch Gitschin, Beraun, Czaslau und viele kleine Orte
erfreuen sich schöner Ringplätze.
III.
Romanische Bauwerke in Böhmen ltOO his
nach üioo-
Während die Rheingegenden, Westphalen und das alte
Sachsenland mit Denkmalen romanischer Kunst fast über-
deckt sind, und alle deutschen Gauen zahlreiche Werke aus
dieser Periode aufzuweisen haben, erscheinen in Böhmen
die rundbogigen Formen nur als Seltenheit.
Diese Thatsache ist allen Forschern aufgefallen und
hat verschiedene Meinungen hervorgerufen , welche zu
prüfen oder nur zu wiederholen kaum möglich wäre. So
gewiss es nun einerseits ist, dass noch bei Weitem nicht
alle derartigen Monumente bekannt und noch weniger durch-
forscht sind, ebenso unbestritten wird es bleiben , dass die
noch anzuholTenden Funde (unter Zurechnung aller denk-
baren Zerstörungen) den obwaltenden Mangel nicht ver-
decken können.
Böhmen hat imVergleiche mit den Nachbarländern nie-
mals zahlreiche romanische Bauwerke besessen, und zwar
wird die Ursache dieses Mangels weniger in der späten Ver-
breitung des Christenthums zu suchen sein . als vielmehr in
dem Umstände, dass die Kloster hier, neben der altherge-
stammten herzoglichen Gewalt und der schon bestehenden
Landeseintheilung, nicht jenen vielseitigen Einfluss aufCivi-
lisation und Kunst gewinnen konnten wie anderwärts. Wäh-
rend die Klöster Corvey, St. Gallen, TegernseeJ, Nieder-
alteich und andere wahre Schulen und Pflanzstätten der
Künste zu nennen sind, scheint es in Böhmen an solchen
Mittelpunkten künstlerischer Thätigkeit gefehlt zu haben 1).
Das grösste Hinderniss aber, welches dem höheren
Aufblühen der Architectur entgegenstand, war das schon
erwähnte lange Festhalten am Holzbau, und durch diesen
Umstand kann der Mangel an alten Gebäuden genügend er-
klärt werden.
Alle bisher bekannten romanischen Bauten zeigen nur
massige Dimensionen. Die meisten derselben sind sogar klein
zu nennen und tragen alle Zeichen des Provisoriums an sich.
Die Formenbildung erseheint in auffallendster Einfachheit,
welche oft in Bohheit übergeht; auch die technische Behand-
lung der Einzelheiten ist unvollkommen und schwerfällig.
Der eigentliche Basilikenbau ist nur durch wenige Bei-
spiele vertreten und diese haben im Laufe der Zeit ihre ur-
sprüngliche Form grösstenteils verloren.
*) Die Klöster waren eigentlich im ausschliesslichen Besitze aller Kunst-
übung, und der Kirchenbau wurde his in die Mitte des XIII. Jahr-
hunderts nur von der Geistlichkeit betrieben. Erst gegen Ende dieses
Jahrhunderts, also mit Beginn der gothischen Periode erscheinen
die weltlichen Baumeister.
Der Umstand, dass alle in Böhmen vorkommenden Ba-
siliken wiederholt (und wie es scheint oft ohne Noth) schon
in frühester Zeit überbaut worden sind, kann als Zeichen
angesehen werden, dass die hier üblichen, allzu dürftigen
Formen von jeher keinen rechten Anklang, wenn sie auch aus
Bequemlichkeit lange beibehalten worden sind , im Volke
finden wollten. Von den meisten Basiliken haben sich nur
einzelne Theile erhalten, z. B. zu Alt-Bimzlau und Doxan.
Hie und da kann die alte Anlage nur durch nähere Unter-
suchungen ermittelt werden, wie diess bei der St. Peter-
und Paulskirche auf dem Wyssehrad der Fall ist. Ziemlich
erhalten sind die kleinen Basilikenbauten zu Prosek and
Tisnitz, beide einfache Dorfkirchen von Capellengrösse,
dann die Pfarrkirche zu Mühlhausen, welche erst in neuerer
Zeit etwas überbaut wurde.
Da diese Blätter keine Aufzählung aller vorkommenden
Gebäude enthalten sollen und können, wurde zur Begründung
der Charakteristik von jeder Gattung eines der wichtigsten
Monumente ausgewählt. Als geeignetster Bepräsentant des
böhmischen Basilikenbaues darf die St. Georgskirche
auf dem Hradschin zu Prag um so mehr aufgestellt
werden, als sich einerseits viele der hier vorkommenden
Fälle durch diesen Bau erklären lassen und anderseits der-
selbe zu den bekanntesten Denkmalen gehört.
Die St. Georgskirche hat , wie Fig. 3 zeigt , drei
Schilfe und
ist mit zwei
Tbürinen .
Kreuz Vor-
lage und
Krypta ver-
entsprichl also
den Anforderungen de-
romanischen Basiliken-
baues.
DieThürme stellen an
der Ostseite der Kirche
neben den Seitenschiffen
und bilden die Kreuzform,
die W estseite hingegen ist
grösstenteils dureb eine
] zoplige Facade entstellt.
Gegen Norden liegt ein
(Fig. 3.) ".. ,-
geräumiger Kreuzgang,
» o ct ct-
der zwar modernisirt wurde, aber die ehemaligen Dimen-
sionen noch erkennen lässt.
Die Kirche bat folgende Hauptmasse, welche alle im
Lichten genommen sind :
Die ganze Länge beträgt 140 Wiener Fuss. wovon auf
das Presbylcriuin mit der Apsis 34 und IOC auf das Lang-
haus entfallen,
Nur der östliche Theil der Schilfe ist ursprünglich und
ruht auf Pfeilern, während an der Westseile die alte Anlage
194 —
mit einer neueren Empore von 53' 6" Länge überdeckt
wurden ist. 1 'nter dem l'roshv teriiini ist die Krypta befind-
lich, welche genau die Masse des oberen Kirchentlieilos
einhält und von sechs Säulen unterstützt wird. Sie ist dem
heil. Nikidaus geweiht und wird gewöhnlich St. Nikolaus»
capelle genannt.
In dein noch alten Theile des Hauptschiffes von 52' 6"
Lange stehen drei freie Pfeiler auf jeder Seite, wovon die
beiden hintersten rund und mit gesimsartigen Capitälen be-
deckt sind.
Die Breitenmasse verhalten sieh also:
ganze Breite des Langhauses 44' 6",
Breite des Mittelschiffes . . . T>J 6",
Pfeilerstärke 3',
Breite des Seitenschiffes rechts 7',
Breite des linken Seitenschiffes 0'.
Bei diesen Massangaben ist wie bei allen Vermessungen
alter Hauten zu bemerken, dass sie ein vermitteltes Ergeb-
nis enthalten. Abweichungen von mehreren Zollen bis zu
einem Fuss erhält man mit jedem neuen Ansätze des Mass-
slabes. An diesen Unregelmässigkeiten sind zum Theile die
unvollkommenen Messinstrumente der damaligen Zeit, zum
Theile die Senkungen und Verschiebungen der Mauern
schuld , auch die oftmalige Tünche hat hie und da Mass-
unterschiede von mehreren Zollen hervorgebracht, was bei
kleineren Bäumen wohl zu beachten ist.
Es messen also die Seitenschiffe zusammen und mit
Einschluss der Pfeiler so ziemlich die gleiche Weite mit
dem Hauptschiffe, und das Vorhältniss des Langhauses wird
nach Abzug der Vorhalle durch ein Bechteck von zwei Oua-
draten gebildet gewesen sein.
Die Pfeiler sind quadratisch, 3' stark und 9' hoch , sie
sind mit Kundbogen verbunden und tragen die ebenfalls 3'
dicken Längenmauern, an welchen sich keine Pflaster oder
sonstige Verstärkungen von den Pfeilern aus hinaufziehen.
Das gegenwärtige Gewölbe im Hauptschiffe ist zwar im Rund-
bogenstyle erbaut, aber dennoch spätere Einschaltung. Die
Gewölbekappen stimmen in ihren Spannweiten durchaus
nicht mit den tragenden Pfeilern überein, sondern greifen
darüber weit hinaus. Aus dieser Einrichtung, wie auch aus
der geringen .Mauerstärke lässt sich abnehmen, dass das
Schill' ursprünglich nicht gewölbt sondern mit einer Ilachen
Holzdecke versehen war.
Es hat also schon in der romanischen Zeit ein grosser
Umbau dieser Kirche und zwar in Folge eines Brandes statt-
gefunden, bei welcher Gelegenheit die Thurme angebaut und
die Gewölbe des Hauptschiffes sammt den über den Seiten-
schiffen befindlichen Emporen errichtet wurden sind. Liese
zweite Bauperiode fällt gegen Ende des zwölften Jahrhun-
derts und ist durch die vorkommenden Würfelcapitfile, diu
Eckbossen der Säulenfüsse und die Art der gekuppelten
Fenster deutlich bezeichnet.
Da nun zwischen den älteren Theilen und diesen spä-
teren Bauten kein sehr grosser Stylonterschied bemerkbar
wird, dürfte die erste Anlage der jetzt bestehenden Kirche
etwa in das erste Viertel des zwölften Jahrhunderts zu
verlegen sein.
Aller Wahrscheinlichkeit nachstanden fünf freie Pfeiler
auf jeder Seite des Schilfes, so dass die beiden erwähnten
Rundpfeiler die Mitte des Langhauses bezeichneten. Ein
Querschiff von gleicher Breite mit dem Hauptschiffe schloss
sodann die Kirche an der Abendseite ab, und dieses Quer-
schiff bestimmte zugleich die Grösse der Vorhalle und der
darüber liegenden Empore. Diese Annahme wird durch
Obereinstimmung aller Masse und auch durch einige Grund-
mauern bestätiget, welche sich in dem neuen Anbaue rechts
({\i-v St. Nepomuk - Capelle) finden und die mit dieser Ca-
pelle keinen Zusammenhang haben.
Solche westliche Querschiffe linden sich in mehreren
Kirchen des Bonedictinerordens, namentlich in Fulda, dann
zu St. Jakob und St. Eineran in Regensburg. Der noch er-
haltene westliche Theil der St. Eineranskirche bietet nicht
allein hinsichtlich der Anlage, sundern auch in Bezug auf
Technik vielfache Ähnlichkeit mit dem ältesten Theile der
Präger Georgskirche.
Die Seitenschiffe von St. Georg sind schmäler und
niedriger als üblich angeordnet, weil hier, als in einer Klo-
slerkirche oberhalb der Abseiten dun hgehends Emporen
angebracht werden mussten. Von'diesen Emporen, welche
längs des Hauptschiffes mit gekuppelten Fenstern nach Art
eines Laufganges versehen waren, hat sich die linke Seid'
ziemlich vollständig erhalten. Die rechte Seite hingegen.
so wie die ganze westliche Hälfte des Langhauses sind so
überbaut, dass nur mit Hilfe einiger Durchbrechungen die
alte Form ermittelt werden konnte.
Auffallend und zugleich höchst charakteristisch er-
scheint der gänzliche Mangel an Laubwerk und überhaupt
aller ornamentalen Ausstattung. Weder in der Kirche noch
in den verschiedenen Capellen und Anbauten kömmt eine
Spur von eigentlicher Ornamentik vor und selbst die gegen
aussen erhaltene Apsis des Hauptschiffes ermangelt des fas|
unausweichlichen Rundbogenfrieses.
Der Porlieus an der Südseite mit korinthischen Säulen
und allerlei Ornamenten (welche vielfach an romanische
Bildung erinnern) wurde erst im vorigen Jahrhunderte er-
richtet. Der Eingang unter diesen Porticus ist zwar rund-
bogig, aber wiederhol! überbaut und gehört gleichfalls zu
den neuesten Reparaturen, welche die Kirche erfahren hat.
Das Relief im Bogenfelde über dieser ThQre Btellt den beil.
Georg zu Pferde dar, wie er den Drachen bekämpft. Dieses
Bildwerk scheint etwa um l.'illll entstanden und in die da-
mals erneuerte Thtlre eingefiigf wurden zu sein, wobei die
allen Masse so gut als möglich beibehalten wurden.
Die Figur des heiligen (i g und auch das Pferd
zeigen Leben und gute Verhältnisse und sind zum Theile
195
der berühmten Heiterstatue von Klussenbach (auf dein Dom-
platze) nachgebildet. Die auf diesem Relief vorkommenden
Trachten so wie die Burg im Hintergründe (mit Schiess-
scharten reichlich ausgestattet) setzen die obige Entste-
hungszeit ausser Zweifel.
Die Säulen der Krypta und der erwähnten gekuppelten
Einporfenster sind mit Würfelcapitälen von einfachster Form
versehen; diese, nebst wenigen Ge-
simsen , bilden allen Schmuck des Ge-
bäudes.
Wir geben liier mit der Fig. 4 ein
Gesimse aus der Apsis, mit den weiter
folgenden Figuren 5 und (3 eines der
Würfolcapitäle und ein Capital aus dem
.
(!•'''!
(Fi-. 5.)
Schiffe von St. Georg und mit
der Fig. 7 die Anordnung der
Kuppelfenster in den Em-
poren.
Das Kirchenpflaster liegt
vier Stufen unter dem Niveau
des Platzes und sieben wei-
tere Stufen führen in die
Krypta hinab. VierzebnStufen
über dem Boden des Kirchen- (Fig. i.)
sebiffes liegt das Presbyterium und aus diesem führen noch-
mals fünf Stufen in den höchstgelegenen Theil. die Lud-
millacapelle.
Die Thürme sind viereckig und unverjüngt bis unter
das Dach, welches durch steile Helme von besonderer Zier-
lichkeit gebildet wird. Die Helmpyramide setzt oberhalb des
Traufgesimses in das Achteck über, wobei die abgeschnitte-
nen Ecken wieder mit kleinen Pyramiden ausgefüllt sind.
Diese Helme gehören bereits dem gothisehen Style an und
sind bis zur höchsten Spitze sorgfältig von Ziegeln aufge-
mauert.
Bemerkenswerth ist ausserdem an diesen Thürmen,
dass sie bei symmetrischer Anordnung ganz verschiedene
Grössenverhältnisse aufweisen. Der linke Thunn ist bedeu-
tend schmäler und auch etwas niedriger gehalten als der
rechte. Im rechten Thurme befindet sich eine geräumige
Capelle mit halbrunder Apsis, wahrscheinlich nicht der äl-
testen Anlage angehörig. Der Vorbau, in dessen Hauptmauer
sich die Treppe durchwindet, ist zwar romanisch, aber spä-
teren Ursprunges. Offenbar wurde diese Capelle erst später-
hin mit dem Thurme überbaut. Der linke Thurm überspannt
den Kreuzgang mit einer offenen Halle und ruht an der
einen Seite auf zwei Pfeilern. Diese Eigentümlichkeiten,
zu denen noch die absonderliche Stellung der Thürme selbst
kommt, machen es mehr als wahrscheinlich, dass die Kirche
in ihrer ersten Anlage keinen Thurm gehabt bat.
Die Apsiden der Seitenschiffe sind zwar im Innern
noch kenntlich, gegen aussen jedoch ganz überdeckt. Auf
drei Seiten ist die St. Georgskirche mit Capellen und An-
bauten aufs reichlichste umgeben und es mag mit dem
Gesanmitplan des Klosters von jeher etwas unregelmässig
ausgesehen haben.
Von allen Anbauten bleibt die St. Leudmillaeapelle (s.
in der Fig. 3 die Bezeichnung «) unstreitig die merkwür-
digste. Diese Capelle liegt an der Südseite des Presbyte-
riums, hat mit diesem beinahe gleiche Grösse und ist mit
einem fünfseitigen Chorschlusse aus dem Achtecke versehen.
Die Anlage darf als gleichzeitig mit dem erwähnten zweiten
Kirchenbau, also um die Mitte des zwölften Jahrhunderts
angenommen werden, wie die Unterbauten beweisin. Der
Obertheil dieser Capelle aber ist entschieden gothisch mit
geflissentlich beibehaltenen romanischen Reminiscenzen. Die
eingebrochenen grossen spitzbogigen Fenster gehören, so
wie auch die Fenster der Apside der spätgothisehen Zeil
an. Diese Fenster nebst den festungsartigen Böschungen,
welche den Grundbau der Ludmillacapelle umgeben, wurden
erst nach dem Brande von 1541 eingesetzt, weil gerade die
Ostseite und die Thürme damals sehr gelitten hatten. Spuren
wiederholter Brände sind überhaupt an allen Theilen der
Kirche sichtbar: sogar die Gewölbe der Krypta wurden
einmal zusammengedrückt, woher sich deren Erneuerung
schreibt. An der ganzen Kirche hat sich kein ursprüngliches,
noch im Gebrauche befindliches Fenster erhalten, noch we-
niger findet sich irgend eine Spur des alten Hauptgesimses.
Auch die Anlage der jenseits des Kreuzganges gelege-
nen St. Anna- oder Mariencapelle mit ihrem, dem heiligen
Martin gewidmeten Vorhause, gehört noch dem zwölften
Jahrhunderte; diese Tbeile wurden aber im Jahre 1(573
durch Fürstin Mechtilde von Eckstein total oiodernisirt.—
Halten wir dieser, nur vom kunsttechuischen Stand-
punkte aus angestellten Untersuchung die geschichtlicher)
Daten entgegen, so finden wir beide in vollkommener I bec-
einstimmung.
Herzog Wratislaw gründete im Jahre 912 tue St.
Georgskirche und besetzte sie mit Chorherren. lioloslaw der
Zweite verwandelte das Stift in ein Frauenkloeter nach der
Begel des heil. Benedict um, und seine Schwester Milada
oder Maria ward 1)71 erste Äbtissin dieses Klosters, das
später zu einer gefausteten Abtei erhoben wurde.
Ein Baumeister Mirobog, welcher den ersten Bau her-
gestellt haben soll, darf unbedingt zu den fabelhaften Per-
sönlichkeilen gerechnet werden, mit denen man die Kunst-
— 19f> —
geschieht«' so gerne auszustatten beliebte. In der Stittungs-
zeit gab es weder Baumeister von Fach, noch «erden über-
haupt Namen genannt, da die Kunst nicht vom Individuum
sondern von der GesamnUheit des Clerus ausging und aus-
gehen sollte.
Oh der erste Hau ein Holzbau gewesen sei. ist unbe-
kannt Spuren davon haben sieh nicht erhalten. Die Worte
der Chronisten „incoeptum est opus ecclesiae anno 912 et
absolutum anno 913", lassen nur einen llol/.hau vermulhen.
(Vgl. Hagekund Haromerachmidt.) ("her A^n weiteren Ver-
lauf des Kirchenbaues und die Anlage des jetzigen Bestandes
fehlen zuverlässige Nachrichten und nur die wiederholten
Brandunglücke, welche die Stadt betroffen, geben einige
Anhaltspunkte. In den Jahren 1001 und 1142 verheerten
Crosse Feuersbrünste i\en Hradschin und der letzte Brand.
welcher durch den Markgrafen Konrad II. von Mähren ver-
anlasst war. legte namentlich das ganze Klostergebäude
samnit der Kirche in Asche. Herzog Wladislaw II. stellte
Kirche und Stift (zwischen 1130 — 1170) wieder her, und
dieser Zeit gehört bei weitem der grössere Theil des ge-
genwärtigen Gebäudes an. Als Meisler dieses Baues wird
Lapicidarius WernheruS oder Werwerius genannt, der auch
die Leiche der heil. Ludmilla wieder unter dem Schutte auf-
gefunden haben soll. Ob derselbe dem geistlichen Stande
angehört habe, ist nicht bekannt ; der Name lässt auf deut-
schen Ursprung schliessen.
Da nun unsere Kirche nach übereinstimmenden Nach-
richten in „kurzer Zeit" hergestellt wurde, ist anzunehmen,
dass die alten Grundmauern wieder benützt werden konnten
und somit ergibt sich ziemlich sicher, dass die Apsiden mit
dem untersten Theile des Langhauses dem Bau vor 1142
angehören. Die Thürme hingegen und der ganze Obertheil
der Kirche mit den Gewölben und allen alten Anhauten sind
von Herzog Wladislaw hergestellt worden.
Hierdurch finden sich die beiden durcheinandergescho-
benen romanischen Bauanlagen erklärt und es bleibt nurübrig,
auch über die alleren Kirchentheile einiges Licht zu erhalten.
Es ist bereits gesagt worden, dass Anlage und Technik
der Georgsfcirche eine nahe Verwandtschaft zu dem alten
Theile der Finmeranskirche in Begenshurg beurkunden.
Nun linden wir ferner, dass die Prinzessin Milada, die Mit-
stifterin des Klosters, in Begenshurg ihre Bildung erhalten
und von da (wahrscheinlich aus dem St. Emeran incorpo-
rirten Stifte Obermünster) die ersten Benedictiner nach
Prag eingeführt haben soll. Halten wir diese I mstände zu-
sammen, so lässt sich ein fortwährender Verkehr zwischen
diesen Klöstern kaum bezweifeln. Da nun die Bauzeit des
fraglichen Kirchentheils in Begenshurg durch die erhaltene
Inschrift: „Abbas Beginward hoc fore jussitopus" documen-
tirt ist und Beginward von 1040 — 1064 dem Kloster vor-
stand, wäre auch das Aller jener Theile der St. GeOrgS-
kirehe annähernd bestimmt, welche den Brand von 1142
überdauert haben.
Obwohl fast jede Äbtissin durch einige Neuerungen in
den Stiftungskirchen sich auszuzeichnen strebte, blieb doch
die Kirche, wie sie Herzog Wladislaw hinterlassen, im We-
sentlichen unverändert, bis die Fürstäbtissin Sophie von
llelfenherg ums Jahr 1020 den un verhältnissmässigen Jung-
frauenchor aull'idiren liess und liiednreh mehr als die Hälfte
der Kirche verhaute. Nachdem einmal die Bahn gebrochen
war, folgte Fürstin Mechlilde Schönweiss von Kekslein.
welche ihrem ominösen Namen entsprechend von 1070 — ■
1000 alles Bestehende nach Möglichkeit übertünchen, herab-
putzen und sogar die alten Inschriften und Maiereien üher-
weissen liess. Um das Unglück voll zu machen, liess endlich
Domdechant Ludwig Steyer im Verein mit der Äbtissin
Fürstin Pieron von Gallianö in den Jahren 1717 bis 1722
eine St. Nepomukcapelle in den südwestlichen Kirchenflügel
hineinbauen, bei welcher Gelegenheit die gegenwärtige
zoplige Hauptfacade entstand.
Das Baumateriale aller alten Kirchentheile besteht aus
dem bekannten Prager Mergelstein ( Plänerkalk, Opuka, auch
Wopuka genannt), der in regelmässigen horizontalen Schich-
ten von je 4 — 7" Höhe aufs Sorgfältigste mit Hammer und
Pickel zugerichtet und gefügt ist.
Es ist unmöglich, besseres Mauerwerk zu sehen als
dieses, auch der angewandte Mörtel ist von solch trefflicher
Beschaffenheit dass er dem Feuer vollkommen widerstehen
konnte.
Die Ludmillacapelle ist aus gewöhnlichen Bruchsteinen
mit Quadereinlagen erbaut, die erwähnten Böschungen an
dieser Gapelle und am rechten Thurme sind mit Ziegeln
vorgelegt; auch an den späteren Einbauten zeigt sich der
Ziegel als das gewöhnliche Materiale.
Bei der hohen Würde, welche dieses Gebäude unter
den Kirchen des Landes einnimmt, ist dasselbe verhältniss-
mässig arm an bedeutenden Werken der Plastik und Malerei.
Höchst merkwürdig sowohl für die Geschichte des
Baues, wie in künstlerischer Hinsicht, ist ein wohlerhaltenes
Belief, gegenwärtig über einer Thüre im Kreuzgange ein-
gemauert. Dasselbe ist nach Art der alten Altarbilder drei-
feldig und zeigt im Mittelhilde die Krönung t\vr heil. Maria.
in den Feldern zur Rechten und Linken die Stifter des
Klosters, (wahrscheinlich) Boleslav II. und Milada. beide
in knieender Stellung mit Spruchtafeln in den Händen.
Diese Spruchtafeln enthalten nur ein Gebet, ohne Jahr-
zahl und ohne Namen.
Die Himmelskönigin "-it/.t auf einem Throne oder Posta-
mente, das mit Bundbogen und kleinen Würfelcapitälen ver-
ziert ist und zu ihren Füssen knieen zwei Benedictincrinnen.
Die Behandlung Ist zwar hart aber nicht ohne feines Kunst-
gefühl und einen gewissen Natursinn, der den Sculp-
turen jener Zeil sonsl nichl eigen ist. Aus einer am Bande
angebrachten Inschrift gehl hervor , dass Äbtissin Hertha
die Stiflerin oder Urheberin dieses Kunstwerkes sei. Diese
Schrift, deren Schlussworte zerstört sind, lautet:
197
MARIA .PRIfllA .3BbA f AVQ .MARIA . GRACIA . PL&NA . DNS.
Ta.CVM.fRaHRTA.ABRA.se zerstört, FV, (hier bricht
die Zeile ab.)
Auf dem andern Steine:
vNCTH.RöGIS.0aiSa.ReRG.TVI.PÜT0.
RUX.RSGIS.PRA zerstört.
Äbtissin Bertha wird in zwei Urkunden des Papstes
Eugen III. genannt und zwar 1145 und 1151. Es ist also
unter ihrer Regierung das Kloster nach dem Brande von
1142 wieder aufgebaut worden. Näheres über die Abkunft
und das Leben der Äbtissin ist nicht bekannt; allem An-
scheine nach war sie eine Anverwandte des Herzogs Wla-
dislaw.
Was das höchst interessante Belief betrifft, besteht
solches aus Prager Mergelstein und wurde also ohne Zweifel
in Böhmen verfertigt. Augenscheinlich hatte es die Bestim-
mung eines Grabsteines und zugleich Altares über Milada's
Grab. Bei welcher Gelegenheit es seiner alten Stelle ent-
rückt und im Kreuzgange eingemauert wurde , dürfte nach
den hundertfältigen Reparaturen schwerlich festzustellen
sein. Auf alle Fälle haben wir hier das älteste der bekannten
mittelalterlichen Sculpturwerke Böhmens vor uns, das sich
nicht allein durch hohen Kunstwerth auszeichnet, sondern
das auch durch sein documentirtes Alter für die Kunstge-
schichte im höchsten Grade wichtig ist. Es wird nicht ge-
wagt sein, wenn man dieses Werk einer Frauenhand zu-
schreibt.
Das sehr zierliche Grabmal der heil. Ludmilla, eine
Thumba aus feinem Mergelstein gemeisselt, gehört dem
fünfzehnten Jahrhunderte an und zeigt eine reiche, von allen
Übertreibungen freie gothische Ornamentik. Auf jeder Lang-
seite stehen fünf Heiligenstatuetten zwischen Masswerken,
auf der Deckplatte ruht die Figur der Heiligen in Lebens-
grösse. Die Kopfseite der Thumba ist durch einen Altar
verbaut; die entgegengesetzte Seite blieb glatt und zeigt
Spuren von Bemalung. Das Denkmal ist 6' 3" lang, 4' breit
und sammt den Stufen 5' hoch; es steht in der Mitte der
Ludmillacapelle. Zwei fernere Sarkophage . gleichfalls
Tlwmben, stehen im Schiffe der Kirche und decken die Ge-
beine Wratislaw's und Boleslaw des Frommen. Beide Denk-
male sind äusserst einfach und nach den daran befindlichen
Gesimsen eher später als gleichzeitig mit dem Monumente
der heil. Ludmilla ausgeführt ')•
Nebst Obigem ist noch der kleine Altar der heil, drei
Königein der Krypta beachtens werth , ein hocherhabenes
Belief in feinem Sandstein. Die Figuren zeigen mehr Bewe-
gung und bessere Zeichnung als die Statuetten aniLudmilla-
denkmal und mögen im Anfange des fünfzehnten Jahrhun-
derts gefertiget worden sein.
Die verschiedenen steinernen Altai tische in der Krypta
und den Apsiden sind alt, von einfachster Form, und es dürf-
ten mehrere noch vor der Zeit Wladislaw's gefertigt worden
sein, also dem ältesten Bau angehören.
Bei den zahllosen Einbauten und Änderungen, wodurch
in der Georgskirche beinahe jedes Jahrzehend bezeichnet
wird; bleibt es fast unbegreiflich, dass der strenggothische
Styl des dreizehnten Jahrhunderts nicht in einer einzigen
Linie vertreten ist: ein Beweis, dass unmittelbar nach dem
Rundbogenbau die späte Gothik folgte.
Wir haben diese Kirche mit Vorbedacht viel ausführ-
licher behandelt, als es für eine Charakteristik nothwendig
erscheint: allein der Gegenstand erforderte einerseits die
genaueste Erörterung und andererseits sollte ein Beispiel
aufgestellt werden, welche Punkte man bei Untersuchungen
besonders zu berücksichtigen habe. Die Erklärung der St.
Georgskirche schliesst eine Menge von Einzelfällen in sieh.
daher wir im Nachfolgenden um so kürzer sein dürfen.
Die durch ihre Doppelkrypta berühmte Collegiatkirche
St. Cosmas und Damian, auch S t. Wenzelskirche in Alt-
bunzlau, ist zwar grösser als die Georgskirche, aber auch
viel roher und zugleich um etwa 30 bis 50 Jahre jünger.
Nur die Krypta ist romanisch ; die Kirche wurde zu wieder-
holten Malen überbaut und zeigt nur hie und da noch Spuren
von hohem Alter. Die Krypta wird durch zwei an einander
liegende gleichseitige Quadrate von je 40' Breite gebildet
und jedes von 16, bis zusammen 32 runden Säulen unter-
stützt. Das östliche Quadrat wird in der ganzen Breite mit
einem halbkreisförmigen Chore umzogen, dessen Gewölbe
noch von zwei besonderen quadratischen Pfeilern getragen
wird. Alle Säuleu sind 1' dick, 6' hoch, haben Würfelcapi-
täle und Eckblätter an den Basen, nur in der westlichen Ab-
theilung kommen zwei verzierte Capitäle vor. Alle übrigen
sind Würfel von rohester Form, denen sogar die Deckplatte
fehlt und die nicht einmal mit
dein Meissel. sondern nur einem
Hammer bearbeitet worden sind.
Die Arbeit ist die roheste, wel-
che ich je gesehen, und erinnert
beinahe an keltische Denkmale.
In dieser Krypta war der
heilige Wenzel begraben, ehe
er im Dome zu Prag beigesetzt
wurde. In Fig. S erblicken wir
ein Würfelcapitäl der beschrie-
benen Unterkirche.
') Thumben nennt m.ui liegende , jedoch über den Boden aufgemauerte,
mit einer Deckplatte versehene Grabmale , welche nur für vornehme
Personen errichtet wurden. Auf der Deckplatte wurde oft das Bild—
niss des Begrabenen in Lebensgrösse abgebildet.
(Fig. 8.)
Häufiger als die Basiliken
kommen in Böhmen kleinere Kir-
chenbauten vor. Besonders zahl-
reich sind die 1! u n d c a pol Ion
vertreten, welche schon seit län-
gerer /eil die Aufmerksamkeit
— [98
(Fig. 9.J
der Kunstforscher beschäftigen. Man war bisher geneigt, diese
Bauwerke, deren oftmaliges Erscheinen allerdings etwas Räth-
selhaftes an sich trägt, orientalischen oder altslavischen Ein-
flüssen zuzuschreiben, jedoch fehlt eine genaue Untersuchung.
Alle diese Rundbauten, so viele deren bisher bekannt
geworden sind, zeigen diegrösste Einfachheit, die sich nur
denken lässt, sie sind sich untereinander so ähnlich, dass
mau annehmen möchte, alle seien
nach einem und demselben Plane
ausgeführt und die vorkommen-
den Abweichungen seien nur
Suche des Zufalles.
Wie der folgende Holzschnitt
Fig. 9 zeigt, bestimmt ein Kreis
von beiläufig 20' Durchmesser
die Grösse des Kirchenraumes;
an diesen schliesst sich eine runde
Apside an. welche etwa die Hälfte
manchmal auch nur ein Drittel des
Kirchendurehniessers weit ist. Der
Hauptraum ist mit einem Halbkup-
pelgewölbe, die Apside mit einer
Nische überdeckt und eine kleine
Laterne krönt die Kuppel. Die
Höhe des Gebäudes ist gleich
dem Kreisdurchmesser und die
Laterne erhall ein Drittel desselben zur Höhe und Weite.
Das Gesimse besteht nur aus einem vorgeschobenen Steine.
woran jede Gliederung, seihst ein Kehlstoss fehlt. Nicht ein-
mal die Eingänge, welche regelmässig den Apsiden gegen-
über liegen, sind profilirt und nur an den Apsiden seihst
erscheint manchmal der Rundbogenfries. Die Laternen oder
kuppclthiinncheii sind mit Kuppelfenstern geschmückt,
deren Säulen Würfelcapitäle zeigen, sonst fehlt jede Art
von Verzierung
Fügen wir aoeh hinzu. dass die Dächer etwas unter
dem Winkel von 4K Graden bleiben . wird jeder Zeichner
im Stande sein, nach dieser Beschreibung eine solche Ca-
pelle vollständig zu construiren.
Nicht-, desto weniger machen diese Bauten auf den Be-
;chauer im ersten Augenblicke einen befremdenden Kin-
druck, besonders wenn er an die in Italien. Frankreich und
Deutschland vorkommenden Centralbauten denkt. Bei näherer
Betrachtung findet man jedoch, dass aller Unterschied in
der Ausstattung liege und der befremdende Eindruck nur
durch die übertriebene Einfachheit hervorgerufen werde.
W ollte man die meisten der italienischen oder deut-
schen Centralanlagen ihres Schmuckes entkleiden und sie
auf das möglichst kleinste Mass zurückführen, bliebe genau
•ine solche Capelle ohne, wie deren innerhalb der Mauern
Prags drei zu sehen sind. Aber auch ganz in derselben
Form und Grösse, wie diese Prager Capellen, linden sich
Anlagen in den verschiedensten Gegenden Deutschlands.
Als Beispiele können die Itauten zu Drücbelte inWestphalen,
Steingaden an der Tiroler Gränze und Altenfurt hei Nürn-
berg genannt werden; eine vierte solche Capelle steht bei
Vilshofen in Unterbaiern an der Donau. Die beiden letztge-
nannten Heispiele stimmen bis auf die geringsten Kleinig-
keiten mit den böhmischen Hundbauten überein. woraus sich
ergibt, dass diese Art von Gebäuden nicht specielles Eigen-
tliniii irgend eines Volksstammes seien.
Ks bleiben noch Zweck und Alter dieser kleinen Kir-
chen zu untersuchen.
liier Stiftung, Erbauung oder Einweihung dieser Ca-
pellen fehlen alle und jede Nachrichten und zwar überall:
ein Umstand, der wohl zu beachten bleibt. Taufhäuser dür-
fen wir in keinem Falle vermuthen; diese führen stets den
Titel des heil. Johannes des Täufers . dem keine einzige
dieser Capellen gewidmet ist. Über den verschiedensten
Titelheiligen kommt die Thatsache vor, dass mehrere dieser
Gebäude schon im vierzehnten Jahrhunderte als Pfarrkirchen
aufgezählt werden, wie die Capellen von Holuhitz, heil. Kreuz
in Prag und Sehelkowitz.
Dieser letztere Umstand belehrt uns, dass wir nicht
jedesmal Leichen- und Gräbercapellen vor uns haben. Ge-
bäude dieser Art waren zu keiner Zeit zugleich Pfarrkirchen.
Heilige Grabescapellen aber, die allerdings in Böhmen vor-
kommen, werden auch also genannt.
Die aaturgemässeste Erklärung dieser Rundcapellen
wird also ganz einfach dahin lauten, dass man sie als blosse
Interimsbauten annimmt. Man bedurfte für die Kirchenbücher
und werthvollen Einrichtungsstücke einen gesicherten Ort
und errichtete einstweilen, vielleicht neben der bestehenden
Holzkirche eine Rundcapelle, welche zugleich als Glocken-
thürmchen dienen musste.
In grosseren und reichen Gemeinden wurde dann die
Capelle später umgebaut, und so geschah es, dass nur in
zurückgekommenen, verarmten Orten oder in abgelegenen
Gegenden solche Denkmale sich erhalten haben. Die Prager
Capellen lag! hcmals vor der Stadt Und die genannte heil.
Kreuzkirche wurde erst spät zu einer Friedhofskirehe gemacht,
nachdem sie aufgehört hatte eine eigene Pfarre zu sein.
Byzantinischen oder überhaupt orientalischen Einfluss
kann man gerade an diesen Hallten am allerwenigsten ge-
wahren. Die meisten tragen gar keinen Styl an sich, sondern
beurkunden nur die Dürftigkeit der Gemeinde, welche sie
errichtete. Die byzantinische Baukunst hingegen zeigt immer,
seihst wo sie in einfachster Weise auftritt, einige Osten-
tation von Reichthum, und zwar zumeist m Anordnung der
Vorhalle.
Einschiffige Kirchen kommen in Böhmen verhält-
nissmassig am häufigsten vor und zeigen gewöhnlich eine
reichere Ausstattung als die Basiliken und Rundbauten.
Ein Rechteck von anderthalb oder zwei Quadraten bil-
det den Grundriss, an den sich gegen Osten die halbrunde
191»
Apsis anschliesst. Die Empore über dem Haupteingange,
also an der Westseite, fehlt niemals.
Die kleine Kirehe in Zabof hat die bestdurchgeführten
ornamentalen Details aufzuweisen, welche wir im Lande
^äs^XfK^^r 4i3^~^W^~^*bJ linden, wovon
^Ir^rtnintfK^lte st. Galluskir-
(F;g- 100 chezuPofican
der Suzawa kommt sogar eine Krypta vor . wahrscheinlich
das einzige Beispiel , dass eine einschiffige Kirche auf
diese Weise ausgestattet ist.
Alle diese Capellenbauten überragt an Alter und ge-
schichtlichen Erinnerungen das Kat harinenk los te r zu
Tetin, der berühmten böhmischen Herzogenburg, wo die
heilige Ludmilla ums Jahr 927 den Martyrertod starb und
der fromme Wenzel seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
( >b diese Capelle noch dieselbe sei , in welcher die Leiche
der heil. Ludmilla beigesetzt war. ehe sie nach Prag in das
St. Georgskloster übertragen wurde, liisst sich bei der Ein-
fachheit des Gebäudes, das nur in seiner Grundform einige
Anhaltspunkte bietet, nicht entscheiden.
Der Grundriss (Fig. 1 1 ) besteht aus zwei
Quadraten, von denen das grössere (21'
weit) das Schiff, das kleinere (nur 14'
breit) aber den Chor bildet. Der Chor ist
rundbogig überwölbt und das Schiff mit
einer flachen Holzdecke versehen. Die
Empore fehlte auch hier nicht, wie die
Überreste eines alten Stützpfeilers be- (f.r-ii.)
weisen. Eigentümlich ist, dass sowohl das Schiff wie der
Chor sich gegen Osten hin verjüngen, so dass der Grund-
riss einer doppelt abgestumpften Pyramide gleicht. Der Ein-
gang war an der Nordseite rundbogig, aber sonst ohne
Auszeichnung; in der Wand hinter dem Altare steht auch
ein altes Bundbogenfenster von 6" weiter Öffnung. Das Ma-
teriale ist marmorartiger Bruchstein der unmittelbaren Nähe.
Bei dem Umstände, dass die St. Katharineneapelle im Jahre
1788 aufgehoben und beinahe 60 Jahre lang als Schüttboden
benützt wurde, gingen begreiflichermassen alle Einzeln-
heiten zu Grunde; sicher ergibt sich nur dieses, dass wir
hier die alte Tetiner Schlosscapelle vor uns sehen.
Als ganz eigenthümliche Erscheinung verdient noch die
bekannte Capelle zu P od vi nee oder Vi nee erwähnt zu
werden, welche ganz im Gegensatze zu den bisher angeführ-
ten Werken aufs reichste mit Verzierungen ausgestaltet ist.
Ein Quadrat von nur 18' im Lichten bildet den Grund-
riss; gegen Osten liegt ein Sanctuarium, fünfseitig aus dem
Achtecke. Der Eingang befindet sich an der Nordseile und
führt in die Vorhalle, über welcher die unerlässliche Empore
sich befindet. Die Treppe dahin ist in die südliche Umfas-
sungsmauer eingebaut. Ein gewaltiger Pfeiler von 5' Stärke
unterstützt die gewölbte Empore und beeng! das eigentliche
Kirchenschill' in solch auffallender Weise, dass dafür nur
ein Baum von C> Länge übrig bleibt. Nur die Gewölbe der
Vorhalle (also unter der Empore) sind ursprünglich, das
Gewölbe über dem Sanctuarium und der Empore gehören
einer Neuerung an. welchenacb einem Brande vorgenommen
werden musste. Seltsamer Wei.se ist das äusserst kleine
Schill' nicht gewölbt und zeigt auch keine Spuren, dass hiezu
ein Gewölbe bestanden habe. Em vorgebauter Porticus, von
einer freien und zwei Halbsäulen auf jeder Seite getragen,
ziert den Eingang, in dessen» Bogenfelde ein Crucifix und
zwei ilaneben auf dem Boden liegende Heiligenfiguren sicht-
barsind. Die Empore bildet eine besondere, durch eine
Mauer vom Kirchenraume abgeschlossene Oberkirche für
sich, aus welcher mau nur durch zwei kleine Fenster und
einen sonderbaren portalartigen, aber nur 3' breiten Bogen
in das Schilf hinabsehen kann. In allen Ecken, sowohl im
Presbyterium wie auf der Empore, stehen Wandsäulen mit
Würfelcapitälen.
Die senkrechten Profilirungen sind flach und nach go
thischer Weise abgefasst, das horizontale Gesimswerk
äusserst derb und im Verhältniss zu den kleinen Dimensionen
der Capelle unbegreiflich schwerfällig
Es seien hier nur einige der gröbsten Verstösse gi
alle Proportion angeführt. Auf dem gewundenen, am Fusse
6 und oben nur 5'' starken Säulchen des Porticus ruht ein
Bundstab von 13 Durchmesser, der als Fortsetzung dieser
Säulen den Thürbogeu überspannt. Ferner stellt in der
Empore ein Wandpfeiler von »> Breite und einem Vorsprung
von 3'. während die Wandfläche, welche verstärkt werden
soll, nur 5' misst. Der Sockel an dem Bogen ebendaselbst
hat eine Midie von I ,'i . die W'andsäulen aber, welche auf
diesem Sockel ruhen, sind nicht einmal einen Fuss hoch.
Die Deckplatten auf den Capitälen sind viel höher als die
Capitäle selbst und die meisten Gliederwerke erscheinen
in verkehrter Anwendung.
Die Rundbogen an den Friesen sind bedeutend über-
höht, mit Kehle und Stäbchen profilirt und darüber zieht
sich der keilförmige Zahnseliinlt
F\y^T^mr^ (Fl'g- l2)hin- DieWürfelcapitäle
' " ' -""■ sind mit Laubwerk und Verschlin-
l'J'-iil-'fl-S:"' ■Ji;n-eii \ersehon: aber die Orna-
mente scheinen nur angelegt zu
sein, so Mach wurden sie auf den
Stein hingezeichnet oder einge-
ritzt
Das ganze Bauwerk ist von
trefflichen Quadern aus Sandstein
errichtet, welcher in i ittelbarer
Imstand legt die Vermutbung nahe,
dass in den Steinbrüchen die Vorarbeiten zu einem grössern
Bau eingeleitet waren , welcher jedoch unterblieb. Darauf
benutzte man die bereits vollendeten Theile zum Hau diesei
26«
Näh.
(Fig. 12 i
»rieht. Dieser
200
Capelle so gut als es gehen wollte. Daher dieser Überfluss
an Ornamenten, diese fielen widerstrebenden Einzelheiten
und in'cli unvollendeten Theile an einem Kirchlein der
kleinsten Gattung. Auf der Empore sind Bautheile einge-
mauert, die gar nicht zur Kirche gehören.
Nichts desto weniger macht das Äussere einen unten
Eindruck, was zunächst den Verhältnissen des Sanctuariums
zuzuschreiben ist. Auch treten die Felder der Details an der
Aussenseite weniger hervor als im Innern, welches begreif-
lichermassen sehr verstellt und ungeordnet aussieht.
Die Capelle von Podvinec ist gegenwärtig zur Dechan-
teikirclie von Jungbunzlau eingepfarrt, soll aber ehemals
eine eigene Pfarrkirche gewesen sein. Sonstige Nachrichten
oder Urkunden über die Erbauung fehlen: aber nach den
vielen gothischen Anklängen, die an allen Theilen des Ge-
bäudes zu sehen sind, fallt die Errichtung aller Wahrschein-
lichkeil nach bereits in das vierzehnte Jahrhundert. Alter
dürfen wir dieseCapelle, deren ursprüngliches Chorgewölbe
gotbische, stark profilirte Hippen hatte, in keiner Weise
halten, da sie eigentlich schon dem Übergangsstyle ange-
hört.
Ilauser und überhaupt Privatgebäude romanischen
Styls haben sich in Böhmen nicht erhalten: die in einigen
Burgen vorkommenden älteren Theile gehören theils der
Übergangsperiode, theils der vollendeten Gothik an.
Das Materiale welches in ältester Zeit benützt wurde.
ist der Bruchstein, wie ersieh zunächst auffinden Hess. Die
Bruchsteine wurden sowohl roh als in lagenmässiger Abar-
beitung mit dem Hammer angewandt: alle Gewölbe aber
bestehen ans rauhen Bruchsteinen, und Ziegel scheinen eist
im vierzehnten Jahrhunderte üblich geworden zu sein.
Zum Schlüsse dieses Artikels sei noch bemerkt, das*
die Hauten von Egor einen durchaus deutscheu Charakter
au sich haben und in keiner Weise der böhmischen Kunst-
schule beigezählt werden dürfen. Die phantastischen Ge-
bilde welche in der Schlosscapelle von Eger vorkommen.
und nach denen häufig die mittelalterliche Kunst Böhmens
beurtheilt wurde, stehen nicht im entferntesten Bezüge zu
dieser. Die Egerer Sculpturen reihen sich sowohl hinsicht-
lieh der Richtung wie der Technik zunächst den spätroma-
nischen Werken in Regensburg und Bamberg an. Im Innern
des Landes würde man vergebens nach derartigen Erschei-
nungen suchen.
Wenn auch die romanische Periode weder in nume-
rischer noch in künstlerischer Hinsicht jene reiche Ausbeute
gewährt, wie wir sie in England , Prankreich und Deutsch-
land finden . so verdienen die Denkmale Böhmens nichts
desto weniger ein eben so hohes, vielleicht grösseres In-
teresse als in jedem anderen Laude. Einerseits stehen sie
in engster Beziehung zu der Heligious- und Culturgeschichte
des Landes und anderseits sind diese Denkmale bisher eben
so wenig bekannt geworden, dass jeder neue Fund als eine
Bereicherung der Landesgeschichte angesehen werden darf.
Es kann daher die Untersuchung und Erforscl g aller
romanischen oder romanisch scheinenden Monumente den
Kunst- und Geschichtsfreunden nicht genug aus Herz ge-
legt werden.
(Die Fortsetzung im nächsten Hefte.)
Bericht über eine Reise von Brisen nach Inichen und in das Thal Tanfers in Tirol.
(Iniehen, Niederdorf, Pereha, Gaus, Taufers, Prelau, St. Martin, Weissenhach und Luttach.)
Von Georg Tinkbauser, k. k. Conservator für den Brimer Kreis.
Das sogenannte Oberland im Pnslerthale bildet unstreitig
eine der schönsten Gegenden von 'lind. Ober Niederdorf
beim Weiler Grätsch beginnt die weitgedehnte Hochebene,
wo sich beinahe 4000 Fuss über die Meeresfläche die
Wasserscheiden, und theils dem adriatischen, theils dem
schwarzen Meere zufliessen. Die breite Thalsohle wird links
und recht'' von freundlichen Bergesabhängen begränzt, wo
sich einzelne Gehöfte ausbreiten und Nadelholz mit frischem
Grün bis zum Scheitel der Berge wuchert. Am Fasse der
nördlichen Thalseite liegt das freundliche Dorf Doblach.
Die schölle Kirche und einige alte Adelsitze überragen die1
übrigen Gebäude I i -hen sich von weitem bemerkbar.
Gegenüber auf der anderen Seile schlängelt -ich die neu-
gebaute Sii;isse durch das Höhlensteiner Thal nach Ampezzo
und Belluno. Den höchsten Punkt der Ebene bezeichnet ein
thurmhoeb aufragendes Kreuz, welches von der Ferne dem
Wanderer entgegensieht. Das Ganze bildet eine grossartige
Landschaft, wo im Winter gefahrdrohendes Schneegestöber
wüthet und eiskalte Winde heulen, im Sommer aber die
reinste Bergluft die freier athmendeBrusI stärkt, und blumen-
reiche Matten im Wechsel mit dem saftigsten Grün der Wal-
dungen das Auge erheitern. Am östlichen Ende dieser
Hochebene liegt der Markt I nie heu. Man liiulel hier statt-
liche Häuser, einen regen Verkehr mit dem nahen Italien.
und im Sommer viele Fremde , welche das nahe gelegene,
dureb seine Heilquellen bekannte Wildbad beliehen. Das
freundliche Entgegenkommen der Bewohner macht den Auf-
enthalt um so angenehmer und hat in mir unvertilgbare
Erinnerungen zurückgelassen. Insbes lers dem Freunde
der vaterländischen Geschichte und des Alterthumes wird
hier reichlicher Stell' geboten. Del1 Name des Ortes erinnert
au das alte Aguntuin *) — die stelze Hügelstadt,
if Iniel Intichingen, Intica, dieses aas Aguntum durch
Weglassung der Vorsylbe, und Iguntura null Steufa aus dem rhätisclien
A e li ii n u
201
welche noch im VI. Jahrhundert in hoher Bliithe .stund '),
aber um das Jahr CIO im gewaltigen Kampfe der Bojoaren
und slavischen Wenden von diesen wüste gelegt worden ist.
Römische Meilensteine und andere Denkmale, die man hier
ausgegraben, erinnern an die Zeit der römischen Herrschaft.
Südöstlich und ganz nahe heim Markt erhebt sich ein sanft
aufsteigendes Hügelland, welches den Vorsprung des Berg-
rückens bildet, der das Thal Sexten vom Hauptthale trennt.
Dieses hügelige Terrain , welches angenehme Spaziergange
im Schatten des Nadelgehölzes und eine weite Fernsicht
über das freundliche Thal bietet, wird im Munde des Volkes
insgemein die Burg genannt, und soll der Standpunkt des
alten Aguntum sein. Bekanntlich gewannen die Bojoaren die
Oberhand über die Wenden und Tassilo, der unglück-
liche und letzte Herzog des bojoarischen Herr scher Stammes,
stiftete an der Stelle des alten Aguntum ein Benedictiner-
kloster, damit die Mönche den verwüsteten Boden wieder
bebauen und den angränzenden Slaven das Evangelium pre-
digen sollen. Das Kloster erhielt ein reiches Besitzthum und
wurde im Jahre 816 den Bischöfen von Freising als Com-
mende übergeben. Später, nämlich um das Jahr 1141, wurde
es in ein Collegiatstift umgewandelt, an dessen Spitze ein
Propst stand. Die Bischöfe von Freising behielten das welt-
liche Besitzthum (die Herrschaft Inichen); den Canonikern
aber wiesen sie bestimmte Benten zur Dotation an. Der
weitgedebnte Bezirk an beiden Ufern der Rienz, vom Trist-
ner- bis zum Abfalterer-Bach mit dem Comitat Cadober,
gehorchte nun den Bischöfen von Freising. Auf einem Hügel
des Inichberges, an der nördlichen Thalseite, thronte die
stolze Hab er bürg; hier hauste der Freising'sche Haupt-
mann; den Blutbann aber führten mächtige Vögte. Die spä-
tere Geschichte des Stiftes und der Herrschaft Inichen
berührt uns nicht mehr, nachdem wir bei der Zeit angelangt
sind, aus welcher das schöne und merkwürdige Baudenkmal
stammt, das wir zunächst betrachten werden. Dieses ist die
romanische Stiftskirche zu Inichen. Eine genauere
Beschreibung davon werde ich nachtragen: daher kann ich
mich hier mit einigen allgemeinen Umrissen begnügen.
Dieses Bauwerk besteht aus einem Mittel- und zwei niedri-
geren Seitenschiffen, über welche sich die Kreuzesarme noch
weiter hinaus erstrecken. Jedes Schiff endet mit einer halb-
kreisförmigen Apsis. Das Ganze ist im romanischen Style
durchgeführt, noch gut erhalten und in neuester Zeit mit
Geschicklichkeit und Aufwand restaurirt worden. Der grosse
Thurm an der Fronte, welcher, soweit das Mauerwerk reicht,
zu den höchsten des Landes gehört, wurde im XIV. Jahrhun-
dert, und zwar nach den noch vorhandenen Inschriften in
den Jahren 1321—1326 aufgeführt. Zur selben Zeit scheint
*) lade Valentin! benedicti templa require
Norica rura petens, ubi Birrus vertitur uiulis;
Per Drarum ilur iter, qua se castella supinant,
Hie m o n t a n a seitens in c o 1 1 e 6 u p e r b i t A g u n t u s.
Aus Venantius Fortunatus.
auch die neben dem Thurme anliegende Vorballe gebaut
worden zu sein. Sie repräsentirt ein schönes Werk im
gothischeu Style. Eine spätere Entstehung hat der auf der
Vorhalle liegende Musikchor und die neben der Vorhalle
angebrachte Capelle. wo sich der Taufstein befindet. Die
Krypta, welche ehedem den Unterbau des Priesterchores und
der Vierung bildete, wurde unglücklicher Weise bei der
neuesten Restauration entfernt. Jetzt sieht man nur mehr
die Säulen und Capitäle, welche das Kreuzgewölbe der-
selben trugen, und einige andere behauene Steine. Diese
Bautheile verrathen ein sehr hohes Alter. Die Säulen haben
den attischen Fuss und tragen entweder Würfel- oder der
korinthischen Form nachgebildete Capitäle. Sowohl die einen
als die anderen sind in der rohesten Form bearbeitet und füh-
ren auf die Zeit zurück, wo die romanische Kunst noch in
der \\ iege lag. Aus einer späteren Periode, und zwar wahr-
scheinlich aus der Mitte des XII. Jahrhunderts stammt das
Gebäude der Kirche. Die geschmackvoll gegliederten Pfei-
ler, die schön aus einem Steine gehauenen vielseitigen Säu-
len und das Eckblatt an den Pfühlen verrathen eine vorge-
rückte Ausbildung des Styles. Die Capitäle . meistens von
etwas gedrückter Form, tragen eine ziemlich reiche Orna-
mentik, theils mit antiken Motiven, theils mit phantastischen
Thiergestalten oder Iconographien. Merkwürdig sind die
Würfel-Capitäle an den beiden Wandsäulen der Westseite.
Sie haben eine ovale Bundimg und sind wie mit einem
Schuppenpanzer umkleidet. Unter den drei Portalen verdient
das an der Westseite, so wie auch das gegen Süden mehr
Aufmerksamkeit. Beide haben eine bedeutende Einschräguns
und fallen in mehrere westwinkelige Ecken mit darauf ste-
henden Cylindern ab. Das erstere ist grossartiger und bat
eine reichere Gliederung; das letztere aber merkwürdiger
wegen des Bogenfeldes, das ein in Stein gearbeitetes Relief
enthält: Christus sitzt auf dem Thron, ihn umge-
ben die Symbole der vier Evangelisten (Adler.
Engel, Stier und Löwe) nach den bekannten Versen:
Quatuor haec Dominum signant animalia Christum:
Est bomo nascendo, vitulusque sacer moriendo,
Et leo surgendo, coelos aquilaque petendo.
Nee minus hoc scribas animalia et ipsa figurant.
Auf den Seitenpfeilern des Thores, welche zur Woh-
nung des Propstes führen, sieht man zwei aus rothem Sand-
stein gehauene Löwen, auf deren Bücken je ein attischer
Säulenfuss angebracht ist. Im Garten der Propstei sind noch
zwei schöne romanische Capitäle vorhanden. Ohne Zweifel
trugen jene Löwen ein Dach, welches vor dem Westportal
angefügt war. bevor die Vorhalle gebaut worden ist. Die
oben genannten Capitäle scheinen Theile dieses Baues ge-
wesen zu sein. Die Spuren des Vordaches, welches selten
an deutschen Kirchen, desto öfter aber bei den lombardischen
zu sehen ist. entdeckt man noch jetzt am Westportale. Die
Stiftskirche hat im Verlaufe der Zeit zwölf Altäre erhalten.
welche nach den verschiedenartigsten Mustern gebaut waren.
202
Diese wurden bei der Restauration alle entfenri und dafür
fünf neue aus Hol/, aufgestellt, nämlich der Hochaltar in der
Apsis des Presbyteriums, zwei kleine Seitenaltäre in den
niedrigen Nischen der Seitenschiffe, und zwei von mittlerer
Grosse in den Kreuzannen. Sämmtliche sind im romanischen
Styl sehr schön gebaut und mit reichen Goldwerken ver-
ziert. Composition und Ausführung stammen von Joseph
Stauder aus Inichen, «eichen das Vaterland als ausge-
zeichneten Künstler und uneigennützigen Biedermann hoch-
achtet und ehrt. Die Seitenaltäre in den Kreuzarmen zeigen
anstatt der Gemälde zwei gut geschnitzte und reich vergol-
dete Reliefs. Das eine, vom Bildhauer Renn aus Imst, stellt
die heil. Familie, das andere, von einem unbekannten Meister
im Jahre lliii'i verfertigt, die Sendung des h. Geistes vor.
Renn hat auch alle Statuen und Figuren geliefert, welche
auf den Altären und in der Brüstung der Kanzel angebracht
sind. Die Altäre in den Nischen der Seitenschiffe halten sehr
gute Gemälde von Kranz llellweger. Auf dem Hoch-
altar erhellt sich in einer Nische das wunder thätige
Crucifixbild, welches seit Jahrhunderten der Gegenstand
hoher Verehrung ist. Die Sage bezeichnet es als eines von
den dreien, welche Herzog Tassilo auf der Jagd gefunden
haheii soll. In der That. sowohl das Oucilix als auch die da-
nehen stehende Statue der Gottesmutter scheint aus dieser
Zeit zu stammen. Man erkennt daran sogleich den byzanti-
nisch-romanischeu Charakter. Das liild ist mit vier Nägeln
am Kreuzesstamme befestigt; die neben einander gestellten
Füsse stutzen sich auf einen Tritt, welcher die Gestalt eines
Menschenhauptes hat. Christus trägt nicht das gewöhnliche
Lendentuch, sondern einen von den Lenden herabfallenden
Schurz, wie mau es bei den ältesten Crucifixen findet. Ein
von Augenzeugen verfertigter Berieht, dessen Original im
ehemaligen Capitelarchrve zu Inichen aufbewahrt wurde, mel-
det von einem wunderbaren Ereignisse, welches sieh heim
Brande im Jahre 14K5 mit diesen beiden Bildern zugetragen
hat. Am Tage nämlich nach dem Brande, welcher beinahe
den ganzen Markt zerstört und auch die Stiftskirche sehr
beschädigt hatte, d, i. am 17. October, da eben eine be-
trächtliche Menge Volkes anwesend war. bemerkte man an
denselben blutigen Schweiss, welcher aus dein dürren und
angebrannten Holz hervorbrach und über die Glieder und
Gewände- herabrieselte. Dasselbe ereignete sich bald darauf
wieder am Tage nach Allerheiligen. Die Brandmale werden
noch jetzt bemerkt . und die Verehrung, welche man wegen
dieses Ereignisses gegen das Crucifix hegte, dauert noch jetzt
fort. Doch wir verlassen nun dieses Bauwerk, welches eines
der ältesten und interessantesten in Tirol ist, und kehren
zurück nach Niederdorf, wo wir auf kurze Zeit Einkehr
nehmen müssen, liier linden wir das kleine St. Anna-
Kirchleinauf dem Friedhof neben der Pfarrkirche, welches
auf einem niedrigen Hügel der nördlichen Thalseite sich
erhebt imil drei sehr schöne Altarbilder von dem berühmten
Tiroler Maler Martin Knoller zeigt Dieses Kirchlein geht
in ein sehr hohes Alter zurück und scheint ehedem eine roma-
nische Do|i|ielca)ielle gewesen zu sein. Im untern Stockwerke
bemerkt man noch jetzt ein romanisches Portal aus Stein,
welches aber eingemauert ist; in der Altarnische des ohern
Stockwerkes zeigen sich deutlich drei ebenfalls vermauerte
romanische Fenster. Um das Jahr 15(10 wurde diese Capelle
erneuert, im ohern Stock mit einem zierlichen gothischen
Gewölbe versehen und am 18. November desselben Jahres
vom Brixner Weihbisehof Konrad eingeweiht. Die Rippen
sind aus Stein gemeisselt. In diesem Kirchlein bestand ehe-
dem eine Bruderschaft, welche dasselbe auch hei baulichen
Würden erhielt. Aber unter Kaiser Joseph II. wurde die
Bruderschaft aufgehoben, ihr Vermögen eingezogen und das
Kirchlein geschlossen. Seit dieser Zeit ist es vernachlässigt
und es geht dem Verfalle entgegen. Indessen würde eine Re-
stauration mit geringen Kosten sich ausfuhren lassen und
dieselbe auch reichlich lohnen. Man dürfte nur die Seiten»
wände etwa durch Streben befestigen, damit das Gewölbe
wieder feste Stützpunkte fände und in die drohenden Klüf-
tungen des Gewölbes kleine Eisenkeilchen einsenken . damit
das Ganze Zusammenhang und Halt gewänne. Dieses Kirch -
lein ist daher einer thätigen Sorgfalt der geistlichen und
weltliehen Kirchenvorstehimg angelegentlich zu empfehlen.
Es würde durch eine glückliche Restauration der freundli-
chen Ortschaft als alte Zierde wiedergegeben und jene Stätte
ferner noch erhalten, wo sich die frommen Vorfahren so oft
im den Festen der Bruderschaft zu wechselseitiger Erbauung
und gemeinsamen Gebete versammelt haben.
Von Niederdorf abwärts führt uns der Weg nach Brun-
eck. Bevor wir daselbst anlangen, ladet die Expositur-
kirche in Fercha zu einem Besuche ein. Wir linden hier
wieder einen schonen Bau im gothischen Styl, welcher noch
ganz erhalten ist. Nur hat die modernisirende Manie der
verflossenen Jahrzehende den ganzen innern Theil mit einer
Tünche überkleckst. Hinter dem Hochaltare liest man in der
Hohe an der Mauer den Namen des Baumeisters: „Anno
Domini M.V.XXV. (1525) Jahr hat der Ersmu weis
Maister Ansam Mayr auss dem Ried diesen K i r-
chenbaw vollendet." Dabeisteht das Monogramm ">{?.
Auf dem Gewölbe des Presbyteriums und des Langhauses
sind mehrere Wappenschilder gemalt. Darunter findet man
die von Osterreich. Görz, Stift Neustift und mehreren edlen
Geschlechtern des Landes Es ist zu wünschen, dass dieses
Gotteshaus, welches eines der schönsten unter den noch
erhaltenen gothischen Landkirchen ist. einer zweckmässigen
Restauration unterzogen werde.
Viele angenehme Genüsse bietet der Besuch des Thaies
Taufers, welches von Brunecken über H> Stunden lang
sich gegen Norden zieht. Nicht nur erheitert der mannig-
fache Wechsel der Landschaft, sondern man findet hier auch
SO Vieles von allen und neuen Kunstwerken, wie kaum irgend
in einem andern Thale Tirols. Gleich beim Eingang in das-
selbe sieht man im Dorfe Gaiss die uralte Pfarrkirche,
— 203
deren romanische Grundform und Aussenseite in das XI. oder
XII. Jahrhundert zurückführen. Sie hat drei Schilfe und,
wenn ich mich noch recht erinnere, auch drei Apsiden. Von
den sehr schmalen romanischen Fenstern sind noch Spuren
erhalten. Der ganze Bau hat aber ein armliches Ansehen.
Im Verlaufe der Zeit sind mancherlei Verandeningen und
Reparaturen ausgeführt worden. Wahrscheinlich in den
ersten Üecenuien des XIV. Jahrhunderts wurden die gothi-
scheu Gewölbe über die drei Schiffe gelegt; und in den
Jahren 1729—1731. dann 1803—1804 bat die Kirche die
jetzige modernisirte Gestalt von innen erhalten.
Ein anderes merkwürdiges Baudenkmal am Eingange in
dieses Thal ist die Exposi t urkirche zu Mühlbach,
1 Stunde von Gaiss, ziemlich hoch auf dem nord- östlichen
Gebirgsabhang gelegen. Sie ist um das Jahr 1517 gebaut
worden und, wie man mir meldet, mit Geschmack durchge-
führt und auch noch gut erhalten. Die weite Entfernung
von der Thalstrasse und der ziemlich beschwerliche Weg
hinderten mich, dieselbe zu besuchen und genauer zu be-
trachten, so eiidadend auch der Anblick aus der Tiefe gewe-
sen ist.
Hinter dem Dorfe Gaiss sieht man auf einem niedrigen
Steinhügel die Ruinen des alten Schlosses Neuhaus. Da-
neben steht ein Kirchlein aus neuerer Zeit und weiter oben
am Bergabhange eine Capelle, bei der einst eine Einsiedelei
bestanden hat. Das Thal verengt sich nun. Die Strasse
gleitet auf ebenem Boden bei Uttenheim vorbei. In der
Sohle wuchert der Erlenwald, links und rechts erheben sich
steileBerge und hoch oben an der westlichen Thalseite drohen
auf jähem Felsen die Trümmer des Schlosses Uttenheim
dem Einstürze. Daneben steht die St. Valentius-Capelle, welche
nun ebenfalls verlassen ist. Aber bald kleidet sich die Landschaft
wieder in das Festgewand. Die Thalsohle erweitert sich zu
einer beträchtlichen Fläche, deren Rand von den vier Dörfern
Mühlen, Sand, Morizen und Kamaten umgürtet wird.
Die ganze Gegend wird gemeinhin mit dem Namen Täu-
fers bezeichnet. Auf dieser Ebene erhebt sich die gothische
Pfarrkirche zu U. L. Frauen Himmelfahrt, wie ein
gewaltiger Riese in Mitte der vier Dörfer emporragend. Die
Aussenseite ist aus gemeisselten Granitsteinen zusammenge-
fügt: im Innern schliesst sich das hohe Spitzbogengewölbe
im kühnen Schwünge ohne stützende Säulen über die weite
Halle zusammen. Der Bau dieses Werkes begann schon vor
1503 und wurde im Jahre 1527 vollendet. Das Hauptportal,
einfach aber grossartig, ebenfalls aus gemeisselten Steinen,
trägt au der Spitze die Aufschrift: Mariahilf 1515. Zu
oberst in der südlichen Seitenwand liest man von innen:
„Dieses wirdigeGotts haus ist 1 527 d u r c h V a 1 1 1 n
Winkhler Stainmetz zu Pfalzen erpaut worden."
Die Arberg'sche Capelle an der nördlichen Seite der Kirche
scheint von einem andern Meister und zwar aus früherer Zeit
zu stammen. Der ganze Bau ist sehr gut erhalten. Von den
alten Altären sieht man zwar nichts mehr, auch das hohe,
sehr künstlich aus Sandstein mit feiner durchbrochener Arbeit
gemeisselte Sacramenthäuschen hat schon vor langer Zeit
seinen Platz neben dem Hochaltare auf der Evangelienseite
verlassen müssen, und wurde ausserhalb der Kirche im
Freien aufgestellt, wo es nun der gänzlichen Zerstörung ent-
gegengeht; aber der jetzige Decan und Pfarrer Joseph
Seyr verwendet sehr grosse Sorgfalt für die Erhaltung der
Kirche. Es thut einem so wohl , wenn man beim Eintritt
Alles so reinlich gehalten und das Ganze so schonend be-
handelt sieht. Dieser würdige Mann hat auch mehrere neue
Werke angeschafft. Darunter sind von grösserem Kunst-
werth eine Kanzel aus Holz im gothischen Styl von Joseph
Stauder, ein Crucifix in Mannesgrösse von Franz Nissl
aus Fügen, zwei Statuen, den guten Hirten und die unbefleckte
Gottesmutter vorstellend, vom bekannten Bildhauer Joseph
Gasser aus Pregraten. endlieh zwei Gemälde auf den gegen-
überstehenden Seitenaltären im Presbyterium . nämlich die
h. Familie vom Venetianer CosrueDusi und die Einführuni;
des h. Bosenkranzes von Franz Hellwege r. l'nter den
altern Gemälden verdient die Himmelfahrt Mariens auf dem
Hochaltare — eine von Joh. Henrici gut ausgeführte
Copie des schönen Originals auf dem Hochaltare in der Pfarr-
kirche zu Bozen ■ — genannt zu werden.
Wir wandern nun tha! einwärts weiter fort. Die weite
Ebene verliert sich in drei Thäler. Das eine läuft gegen
Norden (Arnthal), das andere windet sich gegen
Westen (Mühlwalder Thal) und das dritte senkt sich in die
östlichen Gebirgsschluchten ein (Beinthal). Die beiden letz-
teren bieten in Beziehung auf alte Baumonumente nichts
Sehenswerthes; das Ziel meiner Beise wies mich also in das
Arnthal, welches eigentlich die Fortsetzung des Hauptthaies
ist. Bevor man in dasselbe eintritt, führt die Strasse durch
eine enge Schlucht, welche von der Felsenburg Taufers
beherrscht wird. Hier hausten einst die Herren von Taufers,
reiche und gefürchtete Bitter, welche ehedem unmittelbar
dem Reichoberhaupte unterstanden und über mehrere Vasal-
len geboten. Ich habe die alterthümliche Veste schon oft
besucht , aber dessen ungeachtet konnte ich mir das Ver-
gnügen nicht versagen, bei dieser Gelegenheit sie wieder in
Augenschein zu nehmen. Die Thürme und Wohngebäude
ragen im Walde auf einem halb bewachsenen Steinhügel
hoch empor, um welchen sich in mehrere Winkel die
Ringmauern ziehen. Die einzelnen Werke wurden /.u ver-
schiedenen Zeiten aufgeführt, einige erst gegen das K.nde
des XV. Jahrhunderts, andere schon im XII. oder noch früher.
Der älteste Theil ist offenbar jener, welcher au dem Indien.
nun halbzerfallenen Thurme sich anschmiegt. Hier linden wir
noch die Kammern für die Waffenknechte mit den alten
Kaminen: nur sehr spärliches Licht fällt durch die schmalen
romanischen Doppelfenster ein. Die Säulchen, welche die
Fenster abtheilen, sind schön geformt, mit achtseitigem
Schaft, Würfelcapitäl und dem attischen Fuss. Im näm-
lichen Theil ist auch noch jetzt die Burgrapellc , welche
204 —
aber mancherlei Umbauten und Zuthaten erhalten hat. Im
Hofraume erhebt sieh das weitläufige Herrschaftsgeblude,
welches ans neuerer Zeit stammt, und jetzt beinahe ganz
verlassen ist. Man sieht daran noch die aus Stein geineis-
selten und schön gearbeiteten Fensterrahmen. Der griisscre
Tlieil des Schlosses liegt in Ruinen: der noch erhaltene
dient armen Leuten zur Wohnung. Mit Wehmuth verliess
ich diese Statte, welche so ernst an die Vergänglichkeit
jeder irdischen Grösse mahnt. Die Glocke der Capelle ver-
kündete eben mit lauten Schlagen die neunte Stunde Vor-
mittags: klaglich hallten die Trauertöne durch die leeren
und dunklen Räume, als ich die steile und halbzerrissene
Treppe herabstieg.
Der Weg führt nun nach Luttach und von da durch
das Arnthal nach St. Martin, St. Johann, Steinhaus
und dann weiter bis zur Klamm , wo das Thal den Namen
Pretau annimmt. Ich heschloss, noch an diesem Tage die
Kirche in Pretau zu besichtigen und nach Steinhaus zurück-
zukehren, um am folgenden Tage mit Müsse St. Martin und
das Nebelthal Weissenbach besuchen zu können. Hinter
Steinhaus gestaltet sich die Gegend zu einer sehr freund-
lichen Landschaft. Der Weg schlängelt sich in leichter Stei-
gung beinahe 2 Stunden lang durch die fruchtbare Thal-
sohle: rechts und links breiten sich über die Berghänge,
Felder und Wiesen, welche oben von grünen Waldungen
umsäumt sind. Über die westliche Thalseite zerstreuen sich
mehrere kleine Ortschaften und viele Einzelnhöfe, welche
die Gegend beleben und sich zu den zwei Gemeinden Sanct
Jakob und St. Peter vereinen. Die Kirche zum h. Jakob
erhebt sich eine halbe Stunde hinter Steinhaus auf einem
Hügel und beherrscht den grösseren Theil des Arnthales.
Einen überraschenden und majestätischen Anblick gewährt
die Kirche zum heil. Petrus. Sie sitzt kühn am Rande
einer Felsenwand, welche steil in schwindelnder Höhe auf-
steigt. Heide Kirchen bieten in Beziehung auf Alterthum
nichts besonders Merkwürdiges; desshalb habe ich mir den
beschwerlichen Weg dahin erspart. Hei St. Peter verän-
dert sich plötzlich die Landschaft. Am Fusse des Felsens.
auf dem die Kirche emporragt, beginnt eine sehr enge Felsen-
schlucht, welche eine der merkwürdigsten in Tirol ist und
desshalb gemeinhin die Klamm genannt wird. Hier nun
beginnt das Thal Pretau. Der Thalbach walzt sich in
rascher File brausend durch die Schlucht über Steine und
Felsentrfimmer, welche von der Höhe herabstürzen; daneben
windet sich der schmale Weg hart au der Felsenwand vor-
bei, welche in aufeinander geschichteten Tafeln mehrere
Thttrme hoch emporsteigt und besonders zur Regenzeil den
linstern Pfad bedroht. Der Engpass dürfte eine Viertel-
stunde lang sein, dann erweitert sich wieder das Thal und
zieht bis zum Krimler Tauern und der Dreiherrspitze hin.
In dieser Indien Alpengegend haben sich zwei gothische
Kirchleins erhallen, das eine zu St. Valentin, beiläufig in
der Mitte des Thaies, das andere in Heiliggeist, fast
am Fusse des Krimler Tauern. Ich habe nur die erstere
besucht, welche auch die Seelsorgerkirche für das ganze
Thal ist. Sie wurde um das Jahr 1Ö89 aufgeführt, später
verlängert und des Rippenwerkes entblösst. Die Bauart verräth
schon die Ausartung des gothischen Slyles. Die Rippen
dienen nicht zur Sonderung der Gewölbekappen , sondern
sind nur mehr zur Bildung verschiedener Figuren als Zier-
raten dem Gewölbe angefügt. Der jetzige Curat. Herr Franz
Weber, hat sie, so viel als möglich war und die Mittel hin-
reichten, wieder restauriren lassen. Die alten, zum Theil
vermauerten Fenster wurden wieder hergestellt, aber anstatt
des ehemaligen Mass- und Stabwerkes aus Stein musste man
sich mit der jedoch ziemlich gut nachgebildeten Einfassung
aus Holz begnügen. Die alten Hippen wurden mit Farben
nachgebildet, dann zwei neue Seitenaltäre im gothischen
Styl aufgestellt; der Hochaltar und die Kanzel mit gleicher
Bauart werden nächstens erwartet. Man muss die Bemühun-
gen des Herrn Curaten dankbar anerkennen; und wenn die
geringen Mittel beengende Schranken setzten, so erscheint
das Bestreben nur um so lobenswerther.
Auf dem Heimwege besuchte ich auch das gothische
Kirchlein zum h. Martinus in Arm. Dieses hat ganz
die gleiche Bauart wie das zu St. Valentin in Pretau, so dass
es nicht nur aus derselben Zeit, sondern auch vom nämli-
chen Meister zu stammen scheint. Jedoch ist der Bau leichter
und mit mehr Aufwand ausgeführt. Der Fronbogen und die
Wandsäulen sind aus Tuffstein gemeisselt; das Rippwerk
war ohne Zweifel aus dem nämlichen Materiale, ist aber
schon vor längerer Zeit herabgesehlagen worden. Die Kanzel.
aus einer steinartigen Paste gebildet, hat eine sehr schöne
Form. Dieses Kirchlein hat die widrigsten Geschicke erfah-
ren. Es wurde unter Kaiser Joseph II. in Folge der neuen
Pfarreinlheilung geschlossen und dem gänzlichen Verfalle
preisgegeben. Jedem Ungemach der Vernachlässigung und
Zerstörung war es durch mehr als ein halbes Jahrhundert lang
ausgesetzt, bis der jetzige Pfarrer. Herr Christoph von Etzen-
haum. es wieder herzustellen begann (1846). Und er löste
seine Aufgabe mit vielen Opfern und seltenen Kunstsinn.
Auch die Gemeinde trug das ihrige bei. Bedachung. Kirchen-
sttthle und Altar wurden neu hergestellt . und der Thurin
wieder mit einer Glocke versehen. Am 4. November 1847
vollzog der Herr Dccan von Taulers unter Assistenz aller
Seelsorger des Thaies feierlich den Act der Benediction.
Das Rippenwerk ist zwar nur mit Farben nachgebildet, aber
im Ganzen hat das Kirchlein durch die Restauration ein sehr
freundliches Ansehen gewonnen. Anstatt der drei Utäre,
welche im Verlaufe der Zeil aufgestellt worden sind.
stehl jetzt nur mehr ein einziger im Presbyterium, und zwar
ganz frei und im gothischen Styl ausgeführt. Dieser Gedanke
ist offenbar aus einer sehr glücklichen Wahl entsprungen;
er entspricht der ursprünglichen einfachen Bauart und ver-
leiht dem Kirchlein einen feierlich ernsten Ton. Nicht minder
glücklich war auch die weitere Anordnung, dass die Tafeln
205
der zwei alten Seitenaltäre im untern Theile des Schiffes zu
beiden Seiten etwas über die Stühle erhöht in die Mauer
eingesenkt worden sind. Sie bilden Reliefvorstellungen von
ansehnlicher Grösse, und sind aus Marmor im Style der auf-
tauchenden Renaissance gemeisselt — immerhin interessante
Monumente der Vorzeit. Beide Altäre wurden im Jahre 1580
aufgestellt, und zwar, wie die Inschriften lauten, dereine
von llieronymus Schüssler, Pfarrer in Arn, der andere von
Hans Pfarrkircher, Verweser des Bergwerkes am Rottenbach.
Von St. Martin eilen wir nun in das hochgelegene
Seitenthal Weiss enb ach, welches bei Luttach in die
westliche Seite des Hauptthaies eingesenkt ist. Der Weg
dahin führt in jäher Steigerung neben dem Bache, welcher
sieh über aufgeschichtetes Gestein brausend herabwälzt.
Sobald man nach 3/4 Stunden die Höhe erreicht hat, öffnet
sich die freundlichste Alpengegend. In geringer Entfer-
nung steht, von wenigen Häusern umgeben, ein gothisches
Kirchlein, schön gebaut und gut erhalten, d. h. noch nicht
durch unverständige Hände modernisirt. Nur die Innenseite
ist mit einer Tünche überstrichen, die aber dem Gebäude
keinen Schaden gemacht hat. Dieses Kirchlein wurde um
das Jahr 1479 gebaut. Die Bögen und Wandsäulen sind aus
Stein gehauen, das Rippwerk aber aus Ziegeln gebildet. Im
Presbyterium sieht man noch den alten gothischen Altar frei
aufgestellt, ein sehr merkwürdiges, mit reichem Schnitzwerk
verziertes Kunstwerk. Im Kasten sind vorne drei freistehende
Figuren, der Hintergrund aber ist in Relief gearbeitet.
Vier kleine Engel mit lieblichen Gesichtern halten den
Teppich, welcher das Ganze abschliesst. Die beiden Flügel
haben ebenfalls Figuren in Relief. Alles ist sehr schön gear-
beitet und mit Ausdruck durchgeführt. Aber bei weitem das
Vorzüglichste ist der Aufsatz, welcher in durchbrochener
Arbeit mit Stäben und Laubwerk drei Nischen bildet. In der
mittleren und höheren hängt Christus am Kreuze , in den
Nebennischen ist die Gottesmutter Maria und der Lieblings-
jünger Johannes. Der ganze Altar ist noch gut erhalten;
nur steht vor dem Sockel desselben ein neues Tabernakel
sammt Zugehör; aber dieser ist ohne Beschädigung des
Altars angebracht worden und kann leicht wieder entfernt
werden. Neben dem Altare zur Evangelienseite steht ein
Sacramentshäuschen und in der zunächst angebrachten
Mauernische ein Altarschrein. Fuss und Haupttheil des ersteren
sind aus Marmor gemeisselt , der ziemlich hoch emporra-
gende Aufsatz aber in durchbrochener Arbeit aus Holz
geschnitzt, wieder ein schönes Monument, das seinen Mei-
ster sucht. Es ist noch unbeschädigt, aber mit einer weissen
Tünche derart überkleckst, dass das sehr feine Schnitzwerk
an mehreren Stellen unkenntlich geworden ist. Eine sehr
schöne Arbeit ist auch der kleine Altarschrein, welcher nicht
mehr als 1 % Fuss in der Breite und beinahe eben so viel
in der Höhe misst. Die Mitte desselben stellt die Geburt
Christi in Hochrelief vor. Im Vordergrunde erscheint
Maria und der Nährvater Joseph. Das Christuskind liegt in
einem reichgefalteten Zipfel des Kleides der Gottesmutter,
welchen vier Kindlein mit schüchterner Ehrfurcht und Freude
tragen. Im Hintergründe zeigen sich Engel und Hirten mit
der Heerde. Der eine Flügel zeigt die heil, drei Könige,
der andere den Kin d ermord. Die Figuren sind in Halb-
relief geschnitzt. Wenn mir ein Urtheil erlaubt ist, so
möchte ich den Altar und den Altarschrein für Arbeiten des
bekannten M i c h a e I Pacher aus Bruneck erklären, wel-
cher als Maler und Bildhauer einen berühmten Namen sich
erworben hat. Wer kennt nicht den schönen Altar zu St.
Wolfgang im Salzkammergut? Von dem nämlichen Pacher
hat sich noch ein Altar in der Pfarrkirche zu Griess bei
Bozen erhalten, und ein Altarschrein, welcher ehedem in
der Pfarrkirche zu Bozen gestanden, jetzt aber im Besitze
des Inspectors der k. Glasmalerei-Anstalt Hrn. Max Ainmüller
zu München sich befindet. Dieser Altarschrein stellt eben-
falls die Gehurt Christi dar und ist in Ernst Fö rster's
Denkmalen der deutschen Baukunst, Bildnerei
und Malerei, Bd. I, Abth. II. S. 17 besprochen und abge-
bildet worden. Unser Altarschrein in Weissenbach ist aber
diesem so ganz ähnlich, dass man den einen Meister kaum
verkennen kann. Zudem stimmt die Zeit genau überein ; die
Kirche in Weissenbach wurde eben in den Jahren gebaut,
aus welchen die obengenannten Werke Pacher's stammen.
Wenn die Angaben Förster's richtig sind, so wird auch
meine Vcrinuthung gegründet sein.
Unser letzter Besuch gilt der Kirche in Luttach.
Diese erhebt sich an der Ausmündung des Weissenbacber
Thaies auf einem Hügel, um welchen sich ein Theil der
Häuser des kleinen Dorfes schmiegt. Diese Kirche hat die-
selbe Bauart wie die in Weissenbach und wurde um das Jahr
1496 wahrscheinlich vom nämlichen Meister aufgeführt.
Jetzt ist sie des Bippenwerkes beraubt und an der Front durch
einen Zubau verlängert, sonst aber gut erhalten. Sehens-
werth sind mehrere Statuen und Schnitzarbeiten vom oben
genannten Bildhauer JosefGasser, und zwar aus verschie-
denen Perioden seines Künstlerlebens. Die besten darunter
sind: ein grosses Crucifix, die Mutter Anna mit
der kleinen Maria, und Joseph mit dem Jesus-
kindlei n.
Die sämmtlichen oben angeführten Kunstwerke älterer
Zeit stammen, mit Ausnahme der Stiftskirche in Inichen I
der romanischen Doppeleapello in Niederdorf, aus dein Ende
des fünfzehnten oder Anfang des sechzehnten Jahrhunderts.
Dieser Zeit gehören überhaupt die meisten Bauwerke an,
welche in Tirol aus der gothischen Periode sieh erhalten
haben. Wir finden diess namentlich im Unterpusterthale.
Auch sind uns von dieser Gegend und aus dieser Zeit die
Namen einiger Meister bekannt , welche auf eine gewisse
Bliithe des Kunstlebens schliessen lassen. Wir nannten oben
berühmte Namen, als: Mich. Pacher aus Bruneck. Valen-
tin Wink ler aus Pfalzen bei Bruneck. Ein würdiger Schüler
des Letzteren mag Aesam Mayr aus dem Ried, wieder in
21
— 206 —
der Umgebung von Bruneck, gewesen sein , welcher 1525 Siegmund von Stegen bei Brun< k vollbrachte 1592
die kirdie in Percha erbaut hat. Wolfgang Schott, den Bau der gothischen Kirche zu Moos bei Niederdorf.
Maurer von Brauneggen, ward berufen, um den sogenannten Somit wäre bier mich ein kleiner Beitrag zur Kunstgeschichte
weissen Thurm in Brixen zu „erpessern" (1591); Meister Tirols geliefert worden.
Die gothische Monstranze der Domkirche zu Pressburg.
(Mit einer
Von Karl
Der Gebrauch der Monstranzen in der katholischen
Kirche fällt mit der Einführung des Frohnleichnamsfestes,
das ist mit dem Zeitpunkte zusammen, wo man in feierlichen
Triumphzügen den Leih des Herrn in Gestalt der geweihten
Hostie durch die Strassen trug. Diess geschah seit dem
Anfange des XIV. Jahrhunderts, als auf dem Concilium zu
Vienne im Jahre 1311 die Abhaltung der Frohnleichnams-
feier allgemein angeordnet und damit der katholischen Kirche
eines ihrer prachtvollsten Feste gegeben wurde.
Mit Bücksicht auf die eben erwähnte erhabene Bestim-
mung ist es erklärlich, das die Monstranzen den grössten
Reichthum in ihren Formen, in den Dimensionen und ihren
Verzierungen bieten und für das Kunsthandwerk des Mittel-
alters ein höchst ergiebiger Quell der Gestaltungskraft gewe-
sen sind. Was aber besonders wahrgenommen wird, ist,
dass bei keiner Gattung von kirchlichen Gelassen in der
ersteren Zeit das t structive Element in solcher Reinheit
sich entfaltete, als bei den Monstranzen. Erst in späterer
Zeit, als die Architectur des Mittelalters selbst unter dein
Einflüsse der decorativen Behandlung litt, änderte sich auch
hierin der Geschmack , und die Ornamentik überwucherte
den harmonischen und stylgemässen Aufbau der Formen.
Eine kunsthistorische Würdigung der Monstranzen, wie
überhaupt der meisten kirchlichen Gelasse war in früherer
Zeit kaum möglich, da dieselben in den verschiedensten
Orten zerstreut und nicht gekannt, eine Übersicht der ver-
schiedenen Charaktere nicht gestatteten. Erst in neuerer
Zeit, als in Frankreich, Belgien und zum Theile auch in
Deutschland Museen angelegt wurden, in denen die selten-
sten und interessantesten Kirchenschätze gesammeil und
aufgestellt wurden, kam man in die Lage auch diesem
Zweige <\<-r Archäologie die verdiente Aufmerksamkeit
zuzuwenden ').
'j Vorliegende Darstellung machl keinen Anspruch auf eine erschöpfende
kunstgeschichtliche Würdigung des Gegenstandes. Es schien ui
den gegenwärtigen Zwei die ron l'Abbe Godnrd
: i d'Archäologie sacree", von v. Kugler in seinen
„kleinen Schriften", \<>ii Dr. I J * > < • f. Im seinem „Katalog über die im erz-
ii Museum zu Cöln befindlichen mittelalterlichen Kunst
stünde mit kunslhislorischen Notizen" I Anderen niedergelegten
Resultate der bisherigen For cl gen, theils die durcl sere i
Anschauung gcwonni'in'ii Erfahrungen in eine zusammenhängende l her-
stellt zu brin^i'u . il;i wir fiiif s.iii-ti.' in .li-n uns bekannten archäolo
giachen Werken Deutschlands noch nicht angetroffen hal
Tafel, )
W ei ss.
»
So wissen wir nun durch die Forschungen französischer und
deutscher Gelehrten, dass die ersten Monstranzen aus einer
einfachen, mit einem Glase besetzten Büchse bestanden.
welche mit einem Kreuze gekrönt war und auf einem im
Allgemeinen ziemlich niedrigen Kusse ruhte. Erst in der
zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts nahmen die Monstran-
zen die Gestalt des in der iiliithe gewesenen golbischen
Styles an ; sie wurden thurmförmig als Tabernakel in der
Weise behandelt, wie die gothische Architectur die Sacra-
mentshäuschen formell behandelte, um gleichsam damit im
Kleinen den Ort anzudeuten, worin die Gläubigen sich ver-
sammeln, um Christum anzubeten. In dieser, noch das
XV. Jahrhundert umfassenden Periode zeichneten sich die
Monstranzen durch das Bestreben ans, sich nach der Höhe
auszudehnen, und bewahrten in ihrer Construction jenen den
Gesetzen der Gothik entsprechenden Aufbau, den wir oben
als einen eigonlhüiulichcn Vorzug dieser Gattung von Kir-
cbengelassen hervorgehoben haben. Im XVI. Jahrhundert
linde) .sieh dagegen bereits ein Wechsel in der Gestaltung.
Es ist entweder die golhiselie. thiirniarligo Form bereits mit
einer der Renaissance angehörenden Ornamentik stark ver-
mischt, oiler an die Stelle i\ry ersteren wurde ein freies,
nach oben breit sich entfaltendes Pllanzeuornaineul auf-
gestellt, wobei sieh die Vermuthung aufdrängt, dass der
Künstler die Idee vom Baume der Kirche oder des Lebens,
der inmitten des Paradieses geflanzt war, zu Grunde gelegt
habe. Am häufigsten kam aber die noch heute gebräuchliche
Sonnenform in Anwendung, nach dem Ausspruche „in sole
posuit tabernaculum suum", und in dem Masse als früher die
Dimensionen in die Höhe gingen, in eben demselben gingen
sie nun in die Breite.
Die Monstranze ist aus drei Theilen zusammengesetzt:
aus dem hisse, dein Stiele und dem Tabernakel. Her FuSS
besass in der ersteren Epoche meisl die Form einer sechs-
oder auch achtblättrigen Kose, seltener jene eines ( tvales. Hie
obere Fläche der Hose, durch ihre Form schon in verschie-
dene Felder getbeill. war häutig durch reiche (Ziselierarbeit
ausgezeichnet und enthielt biblische oder symbolische Dar-
stellungen. Her Stiel, theils i'iinil und theils eckig, war in der
Regel mit einem Knauf versehen und entweder mit Orna-
menten geschmückt oder mit ciselirten Heiligenfigürchen
versehen. In einzelnen Fallen traf es sieh auch, dass anstatt
de Stieles überhaupt Figuren angebracht waren, welche das
PrefsburfS
TafXI.
AteHür^
■
— 207
Tabernakel trugen. Eine solche Monstranze beiludet sich
in einem französischen Cistercienserkloster, wo eine Jung-
frau in der Hand den Tabernakel hält, welcher die heiligen
Gestalten des Abendmahles einschliesst. Ebenso diente zu
Marseille die Statue der heil. Jungfrau als Monstranze bei
feierlichen Umzügen. Der grösste Reichthum der Formen
war aber in dem Tabernakel entwickelt. Wir haben schon
erwähnt, dass er in der Blüthezeit der Gothik durch seine
Architectur besonders ausgezeichnet war. In harmonischer
Gliederung finden wir auch Pfeiler, Strebebögen, Spitzbögen,
Baldachine , Fialen und Masswerk in Form eines Thurmes
oder einer Capelle vertheilt ; unter den Baldachinen standen
Figuren und die feine durchbrochene Arbeit sammt der
schlanken und zierlichen, frei nach oben aufstrebenden Ge-
stalt inachte einen ausserordentlich günstigen Effect. In der
Mitte des Tabernakels befand sich der durchsichtige Kry-
stall zur Aufnahme der geweihten Hostie. Die Lunula, das ist
die einer Mondsichel ähnliche Vorrichtung, worin die Hostie
befestigt wurde, führte auch die Bezeichnung Melchisedek
zur Erinnerung an den Patriarchen, welcher dem Abraham
entgegen kam und ihm Brod und Wein überbrachte.
Die Monstranzen wurden aus verschiedenen Stoffen
angefertigt, je nach den Mitteln, welche der Kirche zu
Gebote standen. In den Kathedralen findet man Monstranzen
von Gold, Silber und vergoldetem Silber, in den ärmeren
Kirchen begnügte man sich mit Schaugefässen aus Kupfer,
Zinn und Messing.
Für die Grösse der Monstranzen war keine Beschrän-
kung auferlegt. Man findet welche von 1 bis 5 Fuss Höhe.
In dem Verhältnisse zur Grösse stand auch das Gewicht.
Dieeinstens in derNotre-dame zu Paris gewesene Monstranze,
welche eine Höhe von 5 Fuss hatte, und aus vergoldetem
Silber bestand, wog 300 Mark Silber. Nur bezüglich des
Raumes worin die Hostie ausgestellt wurde, bestand die Vor-
schrift des vierten Concilium von Mailand, dass er durch-
sichtig und zwar aus einem Glaskrystaile zu bestehen habe.
Wiewohl die beweglichen Schätze der Kirche in allen
Ländern am meisten unter den ernsten Ereignissen gelitten
haben, welche auf religiösem wie auf politischem Gebiete
imLaufe der Jahrhunderte vorgefallen sind, indem theils durch
fanatische Verwüstungen, theils durch Raub und Plünderung,
theils durch Massregeln der welllichen Macht die kirchlichen
Schatzkammern gelichtet wurden, so haben sich doch in
Deutschland, Frankreich und Belgien noch viele ausgezeich-
nete Monstranzen aus den verschiedensten Perioden erhalten.
Auch in Österreich bestehen noch mehrere der seltensten
Beispiele dieser Art, und von den uns bekannten der gothi-
schen Periode wollen wir nur der Monstranzen zu Sedlctz
in Böhmen', zu Prüglitz und Klosterneuburg in
Nieder - Österreich , zu Cilli und Marburg in Steiermark
und zu Pressburg in Ungarn erwähnen.
Die gothische Monstranze zu Sedletz — vielleicht unter
denen in Österreich sowohl bezüglich ihres architek-
tonischen Aufbaues als ihrer ornamentalen Durchbildung
die prachtvollste — wurde von den Herausgebern der „Mit-
telalterlichen Kunstdenkmale des österreichischen Kaiser-
staates" in dem kürzlich erschienenen 2. Hefte veröffentlicht.
Diesem Prachtstücke am Werthc zunächst dürfte die
gothische Monstranze der Domkirche zu Press-
burg kommen, welche mit Zustimmung des Herrn Präses
der k. k. Central-Commission Karl Freih. v. Czoernig auf
meine Veranlassung nach einer zu diesem Zwecke angefer-
tigten Photographie auf der hier beifolgenden Tafel XI
bildlich dargestellt wurde, wozu das bochwürdigste Dom-
eapitel zu Pressburg mit grösster Bereitwilligkeit die Hand bot.
Auch in der Architectur ist die gothische Monstranze der
Domkirche zu Pressburg jener zu Sedletz in Böhmen nicht
unähnlich, nur mit dem Unterschiede, dass der Tabernakel
der ersteren breiter in der Anlage und überladen in den einge-
fügten Gliedern, der Stiel unverhältnissmässig hoch aufgebaut
ist, während die Sedletzer Monstranze weit schlanke:', edler
und zierlicher in den Formen, weit glücklicher in den Verhält-
nissen des Tabernakels zum Fusse und Stiele componirt ist.
Der Fuss der Pressburger Monstranze ist achttheilig
und auf der oberen Fläche reich mit Ciselirarbeiten an-
stauet. Jedes Feld hat eine abgesonderte, aus dem Leben
und Leiden Christi entnommene Vorstellung, und zwar i>t
zu sehen: a^ Maria mit dem Jesukinde: h) die h. drei Könige:
c) das heil. Abendmahl; d) die Gefangennehmung Christi:
c) der Kreuzgang Christi; f) die Abnahme Christi vom
Kreuze; //^die Auferstehung: h ) das himmlische Jerusalem.
Dem Fuss entsprechend ist der mit einem Knaufe ver-
sehene Stiel achteckig und ziemlich reich ornamentirt,
der Knauf selbst durch gothische Glieder ausgezeichnet
Das Tabernakel, aus dreiTheilen bestehend, ist im Style der
späteren Gothik gearbeitet, und reich mit Strebepfeilern.
Strebebögen, Baldachinen, Fialen und Ornamenten geziert.
Der mittlere — hochemporragende Theil hat die Gestalteines
achtseitigen Thurmes mit breitem omamentirten Basamente.
Der Platz für die Lunula ist nicht, wie bei der Sedletzer
Monstranze, cylinderförmig , sondern rund mit spitzigen
Bändern und erinnert an die Sonnenform, welche später die
Monstranzen angenommen haben.
Die Höhe der Pressburger Monstranze ist 3 Fuss G Zell.
ihre Breite 1 Fuss 3]/s Zoll, sie ist mithin noch grösser als die
Sedletzer und vielleicht die grösste. welche in Österreich
besteht.
Die Monstranze wurde aus Silber gearbeitet und vergol-
det, und hat ein Gewicht von 13 Pf. daher >ie auch beimFrohn-
leichnahmsfeste , an welchem sie noch heute im Gebrauche
steht, dem Pontilicanlen von zwei Priestern vorgetragen wird.
Auf dem inwendigen Theile des Fusses i> t die Jahreszahl
der Anfertigung: 1 ,*i I 7 angebracht. Der Name des Meislers .so-
wie die Kosten dieses Pracbtgefässes sind unbekannt: an letz-
terem tragen wohl die Zerstörungen Schuld, denen das Archiv
des I) capitels in früheren Jahrhunderten preisgegeben war.
— 208
Notizen.
S6. (DiePfarrkirche zu Mills tat t in Kärnten)
beschreibt der hochw. Herr Pfarrer Georg Potutschnig in
Millstatt in folgender Weise:
Unter den ZU Millstatt befindlichen alten Baudenkmalen
verdient nur die Pfarr- und ehemalige Stiftskirehe erwähnt
zu «erden. Sie ist gegen das Ende des XV. Jahrhunderts
unter Johann Siehenhirter, ersten Hochmeister des St. Georgs-
ordens, erbaut worden , misst mit Einbegriff der Vorhalle
IT:1)' in der Länge, öS' in der Breite, und hat an der Front-
oder Eingangsseite zwei liehen einander stehende gleich hohe
Thürme.
Sehens« erth ist auch die rechter Hand des Presbyte-
riunis hie/u gebaute, mit der Hauptkirche in Verbindung
stehende liebliche Domitians-Capelle, in der die Reliquien <}<■<
h. Domitian, dr^ Gründers der Kirche zu Millstatt. in einem
zierlichen Glasschranke auf dem Altare der öffentlichen Ver-
ehrung ausgesetzt sind, und auch sein lebensgrosses , in
Stein gemeisseltes Standbild mit der Umschrift: „Beatus
Domitianus dux Noricorum Fundatpr hu jus ecclesiae lauda-
hilis vir" zu sehen ist. Zu den alten Denkmalen i\vv Kirche
gehört unter andern ein an der äusseren Kirchenmauer,
linker Hand der Kirchenthüre. befindliches Frescogemälde
von 12' Höhe und 18' Breite, das jüngste Gericht darstel-
lend : der obere Theil desselben, durch ein Schirmdach ge-
schützt, prangt h in lebendiger Farbenfrische, auch am
unteren Theile ist jene Seite, welche die Seligen darstellt.
noch gut ersichtlich, während die phantasiereiche Darstel-
lung des Tartarus und der demselben anheim Gefallenen
schon sehi' gelitten hat.
Ein anderes noch gut erhaltenes Frescogemälde aus der
Zeit der Georgsritter sieht man ober dem Eingänge in den
Friedhof; es stellt den Weltheiland in Mitte der Heiligen
Domitian und Georg stehend vor. St. Georg ist im festlichen
Ritter-Ordenskleide abgebildet.
In der Vorhalle, d. i. dem überwölbten Räume zwischen
den beiden Thürmen, gewahrt man ein altes, auf Leinwand
gemaltes grosses Bild : „die öffentliche und feierliche, in Hei—
■•< •in einer zahlreichen Versammlung von Zuschauern aus
dem geistlichen und Laien-Stande vorgenommene Besich-
tigung der unter dem Millstätter Benedictiner-Abte Chri-
stoph am 27. Juli 1441 von Johann V. Bischöfe von Gurk,
zum letzten Male erhobenen Reliquien des heil. Domitian,
dann seiner Ehegattin und Kinder, darstellend".
Mit der Vorhalle steht rechter Hand die Taufcapelle in
Verbindung, wo man ein altes gutes Altarbild und ein sleine-
nes Taufbecken sieht , an dessen hölzernem Thürdeckel acht
kleine Bilder, Symbole der Vergänglichkeil des menschlichen
Lebens, gemalt sind. Linker Seite der Vorhalle befindet sich ein
anderes Gewölbe, in welchem man eben nichts Merkwürdiges,
ausser in einer Ecke des UauergesimseS einen in Stein
geinoissellen Luvten sieht, unter dessen Antlitz ein schöner
weiblicher Kopf hervorlugt, wahrscheinlich andeutend.
dass die lütter des St. Georg-Ordens mit dein Löwoninutho
eines Kriegers auch christliche Frömmigkeit, Liehe und
Sanftmuth verbinden sollen.
Endlich steht man in der Vorhalle auch dem eigent-
lichen Kirchen-Portale gegenüber; dasselbe ist aus weiss-
graueni Kieselsteine, der Grosso der Kirche entsprechend, in
schöner Form gemeissell und besteht aus fünf an jeder Seite
iUxv Kirchenmauer hervortretenden Säulen, über welche sich
eben so viele Rundbogen in progressiver Höhe und Ausdeh-
nung spannen. Am oberen Theile der Säulen sind verschie-
dene Fratzenbilder zu sehen. Das Portal ist gegenwärtig
theils mit grauer, theils mit weisser Tünche überzogen, jedoch
nicht verunstaltet.
hie Kirche ist in ihrem Innern durch zehn mächtige
Pfeiler in drei Schiffe gelheilt, enthält ein sehr geräumiges
Presbyterium, einen grossen Musikchor und nehst dem Haupt-
allare noch neun Seitenaltäre. Derllauptaltar, aus Holzsculptur
und vergoldet, hat ein vom Maler Bartel in Obervillach im
Jahre 1826 gemaltes grosses Altarbild, dvn Weltheiland mit
allen Heiligen darstellend. Der Fussboden der Kirche ist
durchaus mit weissen und blauen Quadersteinen belegt, und
an dem Obergewölbe sind überall, wo sich die Hippen des
Gewölbes durchkreuzen, kleine Schilder zu sehen, aufweichen
die Wappenbilder aller jener adeligen Familien, die zum
Baue dieser Kirche Beiträge geleistet haben, in Fresco ge-
malt sind; man zählt deren 148.
Ferner befinden sich in der Kirche in zwei einander
gerade gegenüber stehenden kleinen Capellen die Grab-
monumente der zwei ersten Hochmeister lies Georgenritter-
Ordens und zwar in der Capelle an der Evangeliumseite der
Grabstein „Johann Siehenhirters ", des ersten Hochmeisters,
mit der Umschrift: „Mir leit der Hochwürdig Fürst und Herr
Johann Siehenhirter von Gottes Gnaden der Erst Hochmei-
ster Sankt Georgehordens, gestorben nach Christi Geburt
1S0S den 10. Herbstmonat". Siehenhirter ist auf demselben
in Lebensgrösse und im Ordens -Talare abgebildet. In der
Capelle an der Epistelseite erblickt man den Grabstein des
zweiten Hochmeisters „Johann Geiman von Geilsbach" mit
der Umschrift: „Hir leit der hochwürdig Fürst und Her Her
Johan Geiman zweit Hochmeister des Ordens. Stifter der
ewig Messe und Lichts dieser Capelle. gestorben im 1833
Jar, dem Gott gnad". Geiman ist auf diesem Steine in
Lebensgrösse ganz gewappnet und auf einen Löwen stehend
abgebildet.
In der Mitte der Kirche, an einem Pfeiler befestigt,
steht die Kanzel, ein schönes, seinem Zw ecke entsprechendes
Bauwerk, zwar nur von Holz, doch mit glänzendem Ala-
basterlack überzogen, mit vergoldetem Schnitzwerk nnd
— 209
Engels-Statuetten geziert. Die Kanzel ist das letzte Inventar,
welches die Jesuiten der Kirche beigeschafft haben, denn sie
wurde ein Jahr vor der Auflösung' des Ordens verfertigt.
Der Kreuzgang, welcher vom Stiftsgebäude in die
Kirche führt, war einst mit mehreren Fresken geschmückt;
doch jetzt, da er seit Decenriien theils zum Kuhstall, theils
zur Wagenremise und Rumpelkammer benutzt worden, sieht
man da nur noch ein kleines Madonnenbild mit dem heiligen
Kinde und zwei musicirenden Engeln. Bemerkenswerth ist
übrigens noch die Pforte, durch welche man in die Kirche ge-
langt, weil sie mit Stein-Seulpturen geziert ist, durch welche
der Baumeister die Bezwingung des Heidenthums durch die
christliche Religion in allegorischen Bildern dargestellt zu
haben scheint. Vor der Pforte stehen nämlich zwei 9' hohe
steinerne Säulen, von welchen die rechtseitige auf dem
Kopfe eines urkräftigen, mit einem starken Schnurr- und
Kinnbarte versehenen Mannes ruht, den eine ihm zur Seite
stehende weibliche Figur am Schnurbarte hält; die zweite
Säule trägt ein Mann, welcher mittelst einer um seine Brust
geschlungene Kette von einer hinter ihm stehenden Frauen-
gestalt festgehalten wird, er krümmt sich unter der Last,
indem er seine Hände auf die Knie stemmt und mit weit offe-
nem Munde ächzt. An der steinenen Thürverkleidung sind
gleichfalls zwei Statuen ausgemeisselt und ober der Pforte
sieht man eine auf einem Greif reitende weibliche Person.
Sämmtliches Sculpturwerk ist zwar nur von mittelmäs-
sigem Kunstwerthe, würde sich jedoch schöner darstellen,
wenn es nicht mit Kalk übertüncht wäre.
Im Stiftsgebäude selbst befindet sich durchaus nichts
Merkwürdiges, ausser zwei Römersteine, die in dem Thor-
gewölbe, welches vom Markte in den Stiftshof führt, einge-
mauert sind; an dem einen liest man die Inschrift: IMP.
CAES. C. VIBIO AFINIO GALLO YEL DVMINO VOLV-
S1ANO AFINIO AVG. ORDO TEVR. DEVOTVS NVMINI
MAIESTATI QVE EIVS. An dem andern, ohne Inschrift, ist
ein Mann in liegender Stellung abgebildet, der sich mit dem
Obertheile seines Körpers erhebt, indem er sich mit der
rechten Hand an den Boden stemmt, wo mehrere Steine
liegen, während er die Linke mit drei ausgestreckten Fin-
gern, gleich einem Schwörenden, in die Höhe hält. Seine
Kleidung besteht in einem talarähnlichen, bis an die Knö-
chel reichenden Bocke mit zierlichem, über die Schultern
herabhängendem runden Kragen, einem Wehrgehänggürtel,
hohen Schuhen und einem runden hohen Czako ohne
Schirmdach mit drei langen gerade stehenden Federn.
57. (Ü b e r e i n e zu A 1 1 o f e n g e f u n d e n e S t e 1 e.)
Dem 3. Bande des „Magyar- es Erdelyorszäg Kepekben"
(Ungarn und Siebenbürgen in Bildern), herausgegeben und
redigirt von Franz Kubinyi und Emerich Vahot, entneh-
men wir folgende Erklärung des Dr. Johann Erdy über
eine Denksäule in Altofen.
Als man sich im Jahre 18152 in Alt-Ofen zum Aufbauen
des Hauses Nr. 206 in der Minutengasse anschickte, führte
man auf einigen Wägen vom Felde auch die Steine herein,
die man dort zu diesem Zwecke zusanimengehäuft hatte.
Auf den Äckern nämlich findet man, je tiefer man gräbt
und pflügt, desto mehr Stein«-, zuweilen ganze Mauern. Dort
sind auch die Trümmer des ehemaligen Aquintum oder
Aquincum begraben. Unter den erwähnten, vom Felde heim-
gebrachten Steinen befand sich auch das Bruchstuck eines
mit ägyptischen Hieroglyphen beschriebenen Kalksteines,
dessen erhaltener Theil ganz unversehrt und schön ist und
man kennt ihm nur das eine an, dass er schon einmal einge-
mauert war. Dem ßauinspector Johann Schiller haben wir
es zu verdanken, dass dieses, seines Fundortes wegen aus-
serordentlich merkwürdige Denkmal nicht aufs Neue einge-
mauert wurde. Er selbst brachte es am 17. Decemher 1 852
von Alt-Ofen ins ungarische National-Museum. Dieses Denk-
mal führt den Namen stych, Stele. Stela, was 90 «riel heisst
als Säule (columna, cippus), und ist ein allgemein gebrauch-
tes Kunstwort zur Bezeichnung solcher Denkmale, auf die
im Alterthume astronomische Beobachtungen, merkwürdige
Begebenheiten, Erfindungen u. s. w. aufgezeichnet wurden.
Am 21. Februar 1853 habe ich die Alt-Ofener Stele
im Originale und abgezeichnet der ungar. Akademie u.rge-
legt, wo auf mein Verlangen angeordnet wurde, die Zeich-
nung solle einer näheren Untersuchung wegen an die kön.
preussische Akademie abgeschickt werden. Da ich jedoch
auf diesem Wege zu keinem erwünschten Resultate habe
kommen können, und überdiess im ungarischen National-
Museum noch mehrere, der Alt-Ofener ähnliche und bei
uns unbekannte Stelen bewahrt werden, so hatte der kön.
Bath und Director des Museums. Hr. Aug. Kubinyi die
Zeichnung von der Alt-Ofener sowohl als auch von den übri-
gen, im Ganzen von 6 Stelen nach Berlin dem Gelehrten
Bichard Lepsius zugeschickt, der am 28. Decemher 1853
in Bezug auf die Alt-Ofener Stele sich folgendennassen
äusserte. „Dieselbe ist nur das kleine Bruchstück einer
grösseren Aufschrift, aber den Hieroglyphen nach zu ur-
theilen, älter als die übrigen. Es ist sehr wahrscheinlich,
dass sie aus Memphis, der Heimath der grossen Pyramiden,
herstammt, und in die Zeit der 4. — 7. marathanischen Dy-
nastie gehört. Die Aufschrift bezieht sich auf eine Privat-
person, deren Name sich jedoch nicht erhalten hat. Dieses
Denkmal ist ohne Zweifel in späteren Zeiten aus Ägypten
gebracht worden." So viel sagte Lepsius über die Alt-Ofner
Stele.
Nicht nur die Erwähnung der ägyptischen Religion in
Aufschriften, sondern auch mehrere Denkmale derselben
sind in Pannonien und Dacien schon vorgekommen. Im un-
garischen National-Museum werden als Schätze bewacht :
jene Opferkanne und Schüssel oder Becken, welch«' in der
Umgegend des Marktfleckens Egyed im ödenburger Comi-
tate aus einem Hügel ausgegraben wurden. Auf der Kanne
ist der Gottesdienst der Isis von Golddrath ausgelegt und sie
ist ein ähnliches Werk wie der höchst seltene Tisch der Isis
— 210
in Turin. Und wenn wir nun fragen: wie sind diese, auf die
ägyptische Religion Bezug habenden Denkmale nach Pan-
nonien und Dacien gekommen? so gibt uns auf diese Frage
die römische Geschichte beruhigende Antwort; denn in der
römischen Zeit war die Verehrung der ägyptischen Isis
nicht nur in Rom, sondern auch in den Provinzen desselben
verbreitet
Die Alt-Ofener Stele jedoch gehör! nicht in die römi-
sche Zeit. Denn Christus ist im Jahre Tj4 nach Roms Er-
bauung geboren, und somit ist das römische Jahr 7;>;5 das
erste vor Christus und das darauf gefolgte Jahr T.'i4 das
erste nach Christus; die Alt-Ofener Stele indessen gehurt.
wie Lepsius behauptet, in die Zeit der 4. his 7. ägyptischen
Dynastie, welche nach Bunsen von ;>2'29 — 2i>07 vor Christus
regiert hat.
58. (Ein Taufbecken aus der Dechantei-
Kirche zu Tabor in Böhmen.) Wie wir einem der
k. k. Central-Commission im Jahre 18j4 vorgelegten Berichte
des k. k. Baubezirkes Tabor entnehmen, befindet sich in der
Decanatskirche daselbst das hier abgebildete, sehr interes-
sante Taufbecken (Fig. 1 ). Dasselbe soll aus der Kirche der
im Husitenkriege zerstörten Stadt Austj (jetzt Alt-Tabor)
herrühren und im Flusse Bugnitz aufgefunden worden sein.
Das mit gothischen, jedoch roh gearbeiteten Verzierungen
geschmückte Wasserbecken wird von drei Füssen getragen;
ober den Verzierungen lauft um das Becken die nachstehende,
crhalien gearbeitete Inschrift, die jedoch hie und da
beschädigt ist. Am Rande des Beckens sind zwei Mönchs-
köpfe angebracht, von denen einer herabgebogen ist. Der
ganze Taufkessel ist 2 Fuss 10 Zoll hoch und hat (dien 2 Fuss
Durchmesser. Er ist aus Zinn gearbeitet und besitzt zwar
gegenwärtig gleichfalls einen zinnernen Deckel, der jedoch
(Fig. 1.)
als eine Zuthat der neueren Zeit zu betrachten ist. Über (las
eigentliche Alter desselben fehlt jede Andeutuno-, [ndess
deutet die pocalförmige Gestalt mit der gothischen Glie-
derung in dem Charakter der Schrift ziemlich klar auf das
14. Jahrhundert, da sich ähnliche Beispiele in den Kirchen
Siiddeutsehlands und der sächsischen Lande wiederholen.
Literarische Anzeige.
Mittelalterliche Kunstdenkroalc des osterr. Kaiserstaates. Heraus-
gegeben von Dr. G. Beider, Prof. \. Eltelberger und Architekten
.i. Mieser, n. Lieferung. Stuttgart, Ebner and Seuberl 1856.
I. Texl S. 21—54. Vier Tafeln und 22 Holzschnitte.
Von diesem Werke, dessen 1. Lieferung wir in dem Juni -Hefte
der „Mittheilungen" besprochen haben . lieg) uns nunmehr das 'i. Hefl
vor, welches in seiner äusseren Ausstattung si <li seinem Vorgänger
vollkommen würdig anschliessi ja, nach unserem Dafürhalten den-
selben i anchen Beziehungen weil übertrifft. Insbcs lere gewinnen
wir im hr ans den auf Tafel IM dargestellten Travees aus dem
Innern der Kirche, wie auch aus den zahlreichen in den Text gedruck-
ten Holzschnitten ein vervollständigtes Bild der ganzen Kloster-
anlagen, welche in ihrer Erhaltung und in dem Reichthume der in
derselben ausgeprägten Kunstformen unstreitig zu den interessante-
sten des gesammten Cistercienser-Ordens gehören. Von dem durch
Gründlichkeit ausgezeichneten Gelehrten J. Feil folgl im
es Heftes der Schluss der historischen Einleitung, welcher
die Gründnngs- und Baugeschichte der Abtei Heiligen-
kreuz umfasst, und mit einem ausserordentlichen Aufwände von
Wissen, so wie mil Benützung von theilweise neuen Quellen ausgear-
beitet wurde.
Worauf wir überdiess einen besonderen Werth in Bezug auf den
nächsten /.weck des Werkes legen, isi die Baubeschreibung des Heraus-
bers Herrn Hr. Gustav Heide r, welche wir in ihrer Ar) als mustergiltig
anerkennen müssen, indem dieselbe einerseits ein auch dem weniger
Eingeweihten vollkommen verständliches Bild der Klosteranlage und
ihrer Einzelnheiten entwirft, anderseits aber auf Grund einer durch
\ ielseitige Forschungen gewonnenen \ ertrautheil mil den Kunstformen
des Mittelalters und der ehr logischen Bntwickclung derselben in
Frankreich. Deutschland und Österreich die Dan/eil der einzelnen
Theile vollkommen sicherstellt, und dadurch eine Reihe von Irrthü-
iiicrn beseitigt, welche in den bisherigen topographischen und histori-
schen Welken ulier diese-, Slil'l » r rhrei I el Waren. Nach den Angaben
des Verfassers datirl das Langschiff der Kirche in Übereinstimmung
mil den historischen Aufzeichnungen aus der '2. Hälfte des 12. Jahr-
hunderts. „Hat sich auch um diese Zeit", bemerk! der Herr Verfasser,
..anderwärts der r amseiie sivl schon zur reichsten und edelsten
211 —
Blüthc entfaltet, so ist es doeli begreiflich, dass sein oft nur verein-
zeltes Vordringen nach Osten nicht mit jener Schnelligkeit erfolgte,
welche den auf engere Glänzen gestellten Baugruppen einen gemein-
samen, diese Entwickelung bezeichnenden Charakter aufdrückt, wobei
auch die dem Cistercienser-Orden pflichtgemäss auferlegte Einfach-
heit im Baue seiner Gotteshäuser nicht ausser Acht gelassen werden
darf. So athmet unser Bau durchgehends noch jene Strenge und Ein-
fachheit, welche besonders in den Rheinlanden, Weslphalen und
Sachsen die romanischen Bauten des 11. Jahrhunderts kennzeichnet.
Nur in einzelnen Baugliedern, beispielsweise in den hie und da ange-
brachten korinthisirenden Capitälen und den gedrückten Spitzbögen
der beiden Eingangsportale macht sich der Zug der neueren Zeit
geltend. Einen durchweg düsteren, ernsten Charakter trägt das
Langsehift' der Kirche an sich. Seine unverhälfnissmässige Länge und
Höhe (erstere beträgt, wie erwähnt, zehn Quadrate, während die
meisten romanischen Bauten deren nur acht aufweisen), der Mangel
eines hervorragenden decorativen Elementes an den Scheidewänden
des Mittelschiffes, die eng gestellten, schweren und ungegliederten
Pfeiler, die schweren Gurten der Kreuzgewölbe, Alles diess weist
auf die erste Periode romanischer Kunstweise. Dazu kommt noch,
dass der gothische Erweiterungsbau durchaus unorganisch und ohne
Rücksicht auf den Charakter der vorgelegten Räumlichkeiten ange-
fügt erseheint, und er trägt, indem er in Hallenform der Breite des
Quersehift'es folgt und in sich selbst keine Abstufung des Raumes
enthält, nur dazu bei, den düsteren, beengenden Eindruck des Lang-
hauses zu erhöhen."
Den gothischen Erweiterungsbau, der zugleich den Chor der
Kirche bildet, setzt der Herr Verfasser, in Widerstreit mit den histo-
rischen Zeugnissen , welche dessen im J. 129S erwähnte Einweihung
berichten, mit Berücksichtigung seines architektonischen Charakters
in den Schluss des 14. Jahrhunderts, obgleich in den Geschiehts-
quellen dieser Abtei sich durchaus kein Anhaltspunkt für diesen spä-
teren Neuhau findet. „Wenn wir trotzdem", heisst es, „als Zeitpunkt
der Erbauung dieses Kirchenraumes den Schluss des 14. Jahrhun-
derts angeben, so leitet uns hiebei der ausgesprochene Charakter der
einzelnen Bauglieder, wie auch der Gesammteindruck der ganzen
Halle, welche auf eine schon mehr entwickelte und eher dem Verfalle
zugehende als noch mit den Anfängen der Entfaltung ringende Bau-
periode hinweisen. Es muss daher, um nicht den anderseits sicher-
gestellten Gesetzen der Chronologie mittelalterlicher Bauwerke in
offenen Conflict zu gerathen, angenommen werden, dass der aus dem
13. Jahrhundert stammende Chorbau in Folge von Ereignissen, welche
wir nicht kennen, durch einen Neubau, den gegenwärtigen Chor,
ersetzt worden sei, und es dürfte bei dieser Annahme der dem
Kloster zugesprochene Ablass vom J. 1323, sowie das beträchtliche
Vermächtniss der Königin Elisabeth vom Jahre 1328, vielleicht auf
die schon damals fühlbar gewordene Notwendigkeit eines neuen
Chorbaues bezogen werden, obgleich in beiden Fällen der eigentliche
Zweck dieser Begünstigungen nicht näher ausgesprochen ist".
Auch eine andere und eben in neuester Zeit vielfach angeregte
Frage, nämlich jene über den geraden Chorabsch I uss der
Cistercienser- Klöster und den Grund dieser abweichenden
Anordnung erörtert der Herr Verfasser zwar nur in kurzen Umrissen,
jedoch auf umfassende Forschungen gestützt, welche seinem Aus-
spruche ohne Zweifel das Recht auf Beachtung geben. Auf diese
Eigentümlichkeit seheint nach seiner Ansicht der Mutterbau von
Citeaux, des Ordenshauptes, dessen Chor geradlinig geschlossen war,
von Einfluss gewesen zu sein. „Dass diess aber keine feststehende
Gewohnheit wurde, dafür spricht der unmittelbar folgende Kloster-
bau von Anirvaux (aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, der
seine ganze Anlage genau dem Mutterkloster Citeaux entlehnte , mit
Ausnahme des Kirchenchors, der in einem mit einem Capellcnkranze
umgebenen Vielecke abgeschlossen war). Doch sind der Beispiele des
geraden Chorabschlusses so viele, dass sich auf die Vorliebe dieses
Ordens für Nachahmungen seines Hauptklosters sehliessen lässt. l'm
nur einige Beispiele anzuführen, erwähnen wir aus Frankreich:
Pontigny (1114), Vaux de Sernav (1128) und Fontenay bei Mont-
bard; aus Deutschland Marienthai bei Helmstadt (113g)— 1146),
Loccum bei Minden (1163), Marienfeld in Westphalen (1185— 1222 |,
Riddagshausen bei Braunschweig (1273), Maulbron (12. — 14. Jahr-
hundert). Dobberoo bei Rostock u. a. m. Auf engbegränztem Gebiete
finden sich auch in Osterreich drei Cistercienser-Klöster, und zw;.r
ausser Heiligenkreuz noch Lilienfeld in Niederösterreich und Neu-
berg in Steiermark ' ), welche nach Osten zu geradlinig abgeschlossen
sind und ausserdem noch die Eigentümlichkeit haben. dass nach der
Breite des Mittelschiffes kein Chorausbau vortritt, sondern der eigent-
liche Chorbau im Innern entweder durch Stufen, oder wie in Lilienfeld
durch eine Säulenstellung von der übrigen Halle getrennt erscheint."
In Bezug auf den Kreuzgang, der durchweg dem entwickelten
Romanismus mit gedrückten spilzbogigen Kreuzgewölben angehört,
unterscheidet der Verfasser einen alleren Thcil . welcher die West-
seite und zwei ansfossende Travees der Nordseile nmfassl , deren
Capitäle in Kelchform gebildet sind, während die Säulencapitäle der
übrigen Theile die überhangenden ßlattformen des späten Roma-
nismus aufweisen. Doch glaubt der Verfasser aus solchen untergeord-
neten decorativen Verschiedenheiten bei durchwegs gleicher con-
struetiver Anlage auf keine bedeutende Baulücke sehliessen zu sollen,
daher angenommen werden darf, dass dem ganzen architektonischen
Charakter nach die Zeit der Erbauung des Kreuzganges der Ausgang
des 12. und die erste Hälfle des 13. Jahrhunderts sei. Er schliesst
sich sonach dem Portalbaue der Kirchenfacade an, mit welchem er
auch, was den Baucharakter anbelangt, einige Ähnlichkeit an sieb
trägt. Die an dem südlichen Flügel des Kreuzganges sich anschlies-
sende Brunnenhalle , ein gothiseher aus dem Neunecke gebildeter
Bau, soll auf die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts, von den beiden mit
dem Kreuzgange zusammenhängenden Dormitorien, das untere auf die
erste Hälfte des 13. Jahrhunderts, das obere auf den Ausgang des
14. Jahrhunderts hinweisen.
Den bedeutendsten Kunstüberresten nicht bloss unseres Kloster-
baues, sondern überhaupt des ganzen Mittelalters zähl) der Herr Ver-
fasser die gemalten Glasfenster bei, mit welchen zum Theile
die offenen Räume des Kreuzganges und die Mehrzahl der Fenster des
Kirchenchors und der Kirchenhalle geschmückt sind. Erstere gehören
sowohl ihrer Technik wie auch dem Kunstcharakter der Ornamentik
nach durchaus noch der romanischen Kunstepoche, und zwar der
ersten Hälfle des 13. Jahrhunderts an, und geben einen glänzenden
Beleg für den Formeureiehthum und den durchgebildeten Geschmack
dieser Kunstperiode. Nach der Meinung des Herrn Verfassers dürften
diese Fenster ursprünglich für den romanischen Titeil des Kirchen-
baues bestimmt gewesen und erst in späterer Zeit in den Kreuzgang
übertragen worden sein.
Ausser den zwei erwähnten, der Abtei Heiligenkreuz angehören-
den Tafeln, und den 22 in dem Texte der Baubeschreibung vorkom-
menden Holzschnitten , enthält das vorliegende Hell noch zwei Tafeln.
auf deren eine die gothische Monstranze zu Sedletz eines der
prachtvollsten kirchlichen Schaugefässe aus Österreich — und auf
deren zweiten der gothische Wandschrank in der Pfarrkirch
— eine ganz eigenthümliche und seltene Steinsculptur — dargestellt
ist. Die Zeichnungen zu beiden Tafeln von dein Mitherausgeber des
Welkes, Herrn Architekten J. Hieser herrührend, zeigen von
ausserordentlichem Geschmacke so wie einem feinen künstlerischen
Geiste, und sind auch mit vollendeter Technik ausgeführt worden.
. . K. W.
') Vergleiche Im Jänner-Hefte der „Mitlheiluogeu" Dr. Beider'« Aufsatz:
Über die symbolischen Darstellungen im Kreuzgange iler Kloslerkirche
za Neuberg-.
212
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malerei, Mosaik, Arbeit in Eisen. Unter Mitwirkung der bedeutend-
sten Architekten Frankreichs und anderer Länder. 1. 2. 3. Lieferung,
sind erschienen. Das Werk erscheint in 200 Lieferungen in Quart.
Jede Lieferung enthalt 2 Tafeln und ' 2 bis 1 Bogen Text. Monall.
erscheinen 2 Lieferungen. Preis einer Lieferung 16 Ngr. Leipzig
bei T. O. Weigel. 185&
De G alem be it. Memoire sur les peintures murales de l'eglise Saint-
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Geck, H., Die Abteikirche zu Meiden. Historisch und architekto-
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K ii is er grab er. die, im Dom zu Speier, deren theilweise Zerstörung
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nach geschichtlichen Quellen und Acten des vorm. fürstbischöflichen
Speier'schen Archivs. Mit Urkunden u. 1 (lith.) Tafel. 49 S. Karls-
ruhe; Braun, geh. neu. 12 Ngr.
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V i <> Not. le Duc, Dictionnaire rais de l'architecture francais
XL au XVI. siede. Tome II. Arts-Chapiteau. Paris 1856. 8 Mil
Holzschnitten. 8 Thlr.
(Der 1. Band erschien 1853 54 u. kostet 7 Thlr.)
Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst. Herausgegeben
von l'. v. Quast ii. II. «nie. I Bd, I. u. 2. Heft. 6 Hefte bilden einen
Band. Leipzig, T. 0. Weigel. 1856. Preis desselben in Thlr.
Aus der k. k. Eof- and Staatsdruckerei in Wien.
Jeden Monat erscheint 1 Heft zu
4 hts 2 Urin I, bog . ii mit Mil.il-
dungen.
Der Pränumerationsprein ist für
einen Jahrgang oder zwölf Hefte
nebst Register sowohl für Wien
als die Krunl ander und das Ausluud
4 fl. C. M., hei portofreier
Zusendung in die Kronländer der
osterr. Monarchie 4(1. 20 kr. CM.
MITTHEILUNGEH
DER K. K. CENTRAL- C0MMISS10N
Pränumerationen überneh-
men halb- oder ganzjährig
■He k.k. Postämter der Monarchie,
welche auch die portofreie
Zusendung der einzelnen Hefte
besorgen. — Im Wege des Buch-
handels sind alle Priatunerationeo
und zwar nur zu dem Preise Ton
4 fl. an den k. k. Hofbuchhändler
W. Braiimüller in Wien zu ruhten.
ZUR iFOKMIG III ERHALTLTO DER BAIIIEARMALE.
Herausgegeben unter der Leitung des k. k. Sections-Chefs und Präses der k. k. Cenlral-Commission Karl Freilicrrn v. Gzoernig.
Redacteur: Rarl Weiss.
m ii.
I. Jahrgang.
November Nil).
Inhalt: Charakteristik der Baudenkmale Böhmens. — Die Fresken des Martine, di Udine, genannt Pellegrino da San Daniele, in der
Kirche des heil. Antonius zu San Daniele in Friaul. — Die St. Gertrudskirchc zu Kloslerneuburg. — Die Sfadtpfarrkirelie
zu Wels in Oberösterreicli. — Über die Vollendung des Gurker Dombaues. — Das Baptisterium zu Coneordia bei Portogruaro
in der Provinz Venedig. — Bericht über einige ßaudenkmale Croatiens. — Notizen. — Literarische Anzeige.
Charakteristik der Baudenkmale Böhmens.
Nach den bedeutendsten Bauwerken zusammengestellt von Bernha rd Griicber, Architekten und Professor der Baukunst.
(Fortsetzung.)
IV.
Die Übergangsperiode in Böhmen ums Jahr l.tOO.
In den westlichen Ländern Europas macht sich schon
im zwölften Jahrhundert ein Streben bemerkbar, den allzu-
schweren und gedrückten Formen des romanischen Styles
mehr Leichtigkeit abzugewinnen. Neben allerlei Versuchen
wurde zuerst der Rundbogen umgewandelt und durch einen
aus zwei Kreistheilen bestehenden Spitzbogen ersetzt.
Die Aufnahme des Spitzbogens geschah zuerst aus tech-
nischen Gründen, weil die romanischen Gewölbe stets qua-
dratische Räume bedingen und ihre Schönheit verlieren,
sobald sie anders gestaltete Flächen überdecken sollen. Die
Erfindung des Spitzbogens aber darf aller Wahrscheinlich-
keit nach im hohen Alterthume gesucht werden, daher ein
einzelner Spitzbogen ohne andere Kennzeichen
nicht mit Bestimmtheit als mittelalterlich oder
gothisch betrachtet werden kann. Es ist also zwi-
schen der vereinzelten Form und dem durchgeführten Ge-
wölbesystem ein Unterschied zu machen: letzteres charak-
terisirt nur die gothische Architectur.
Diesem Streben entsprechend wurden die Fenster er-
höht und erweitert, wobei das System der alten Kuppelfenster
beibehalten ward. In -dem Masse, als die Durchbrechungen
umfangreicher und die Mauern höher gehalten wurden,
machte sich aber das Bedürfniss eines grösseren Wider-
standes geltend, und es entstand der Strebepfeiler, eine an
der Aussenseite des Gebäudes angebrachte Verstärkung.
Wie die Kreislinie durch den Spitzbogen aus dem Ge-
wölbeband verdrängt wird , oben so trat das Polygon (vor
allen das Achteck) an deren Stelle in der Gesammtanlage.
Die Thürme wurden theils vom Grunde aus achteckig erbaut,
theils setzten sie aus dem Quadrate ins Achteck über; oben
so erhielten die Apsiden eine vieleckige Gestalt und wurden
gewöhnlich aus drei oder fünf Seiten des Achteckes geschlos-
sen. Einen besondern Reichthum wusste mau an den Rund-
fenstern (Radfenster oder Rosetten) zu entwickeln . welche
oft die ganze Rreite des Mittelschiffes einnahmen und rad-
förmig mit verschlungenen Stabwerken verziert wurden.
Die runde Säule verschwindet gleichfalls aus dem
Innern und es werden Bündelpfeiler angewandt, welche aus
wechselnden Rundstäben und Flächen zusammengesetzt sind.
Diese Erscheinungen kommen indess weder gleichzeitig
noch an einem Bau vereint vor, im Gegentheile wird die
romanische Eintheilung und Gliederung durchaus beibehal-
ten und die Neuerungen erscheinen oft nur als zufällige
Abweichungen. Eine bestimmte Ord lg ist in den Über-
gangswerken eben so wenig erkenntlich als sich ein bestimm-
ter Zeitraum für den Verlauf angeben lässt. In Deutschland
fällt die Übergangsperiode grösstenteils in die erste Hälfte
des dreizehnten Jahrhunderts.
In manchen Gegenden, namentlich in Franken und
Westphalen erreichen die Übergangsformen einen Indien
Grad künstlerischer Vollendung, welchen die darauf folgende
Gothik nicht immer einhält. Die Dome vun Paderborn, Bam-
berg, Bonn und Gelnhausen, dann insbesondere die ausser-
ordentlich schönen in ganz Deutschland vorhandenen Krouz-
gänge (welche meist der Übergangszeit angeboren) bewei-
sen, dass die Künstler jener Zeit bereits auf sehr richtigem
28
214 —
Wege «raren. Das viel künstüöhere gothische System ver-
drängte indess allenthalben diese Richtung, so dass im Ganzen
die Übergangsbauten nur als vereinzelte, ofl sehr glückliche
Versuche anzusehen sind. Die östlichen Gegenden Deutsch-
lands haben eine späte und kurze Übergangsperiode.
In Böhmen, wo die Architektur keine Entwickelung
durchgemacht hatte und wo der bereits vollendete Styl
immer als etwas Bestehendes angenommen worden ist.
konnte eine eigentliche Übergangsperiode nicht stattfinden.
Das einzige vollständige und grössere Werk dieser Art, die
Dechanteikirche zu Eger, kann aus dem schon erwähnten
Grunde nicht zu den böhmischen Bauten gezählt werden und
sei desshalh nur kurz erwähnt. Anlage und Detailbehandlung
dieser schönen Kirche stimmen aullallend mit den späteren
Theilen des Bamberger Domes überein und jene Eigentüm-
lichkeiten, welche wir an den romanischen Bauten Böhmens
kennen lernten , sind dieser Kirche vollkommen fremd. —
Das gegen Ende des dreizehnten oder im Anfange des vier-
zehnten Jahrhunderts erbaute Schilf der Bartholomäuskirche
zu Kolin (eigentlich frühgotisch) zeigt Übergangsformen;
auch in den rherresten des gegenwärtig in ein Magazin ver-
wandelten St. Agueskloster in Prag haben sich einige Gewölbe
mit schönen kelchfÖrmigen Capitälen und Bippenprofilen er-
halten, welche dieser Richtung angehören (Fig. 13, 14, 15).
(Fig. 13.) (Fig. H.)
Die St. Agneskirche wurde von der
Prinzessin Agnes, einer Tochter Premisl
de Ersten, unter dein Namen St. Salvator
im Jahre 1233 gestiftet und noch in der
ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts
erbaut. Es war mit dieser Kirche ein Spi-
tal und Stift für arme Fräulein nach der
Regel der heiligen Clara verbunden, wess-
halb die Bauten eine durcheinander geschobene Eintheilung
zeigen.
Man kann daher über das Ganze um so weniger urlhei-
len, als die lliissiten im Jahr 1420 einen Theil des Klosters
zerstörten und der übrig gebliebene Theil durch einen spä-
teren Brand und seine dermalige Benützung als Magazin viel-
fache Umwandlungen zu erleiden hatte. Der noch bestehende
Best von St. Agnes zeigt eine einschiffige aus dem Achteck
geschlossene Kirche von HO' Länge und 24 Breite, wovon
36' auf die zwei Quadrate des Schilfes entfallen. Die
Wölbungen sind aus dem gleichseitigen Dreieck gezogen
und mit sehr schön prolilirteu Rippen versehen. Diese Hip-
pen ruhen auf Wandsäulen von 11" Stärke, deren Capitäle
den Hauptschmuck des Kirchleins ausmachen. Tlniren und
Fenster sind herausgebrochen und überall fällt alte und neue
Barbarei in die Augen. Die Capitäle zeigen die mannigfal-
tigsten Bildungen, reich ausgestattet mit Blattwerken und
Thierverschlingungen, wie derlei in Ehrach, Gelnhausen, St.
Sebald in Nürnberg u. s. w. vorkommen. Die technische
Behandlung aller Bautheile zeigt einen hohem Grad von
Vollendung, als wir an den romanischen Arbeiten kennen
gelernt haben. Die Capitäle von St. Agnes (offenbar Copieu
auswärtiger Muster) erscheinen in Böhmen als vereinzeltes
Beispiel einer solchen Behandlung des Blattornamentes,
welche in Deutschland nicht selten getroffen wird.
Bei derBartolomäuskirche in Kolin. einem höchst merk-
würdigen Bau, muss man vor allen Dingen zwischen Schiff
und Chor unterscheiden. Der Chorbau wurde nach einem
Brande im Jahre 13G0 begonnen und 137S am S. October
eingeweiht. Baumeister war Peter (Arier) von Gmünd, wie
eine gleichzeitige Inschrift beweist, welche Meister Peter
an der Linie, wo der Neubau beginnt, eingegraben hat des
Inhalts:
Incepta . est . hec . Strukture . chöri . sub . anno .
dnl . n^. cec . lft . pjy . klij . febril . temporibus .
Serenissimi . prineipis . dni . Karoly . dei . gfa .
imperatoris . romanno, . 7 . regni . boheme .
per petr de gemudia . Lapicidari . . .
Der innere Chor dieser Kirche ist 60, das Langhaus
100, und der ganze Bau im Lichten mit Einsehluss der Ca-
pellen und des Umganges 190 Fuss lang.
Das Langhaus ist dreischiffig und hallenartig angelegt
mit beinahe gleich hohen Gewölben ; das älteste derartige
Beispiel im Lande. An der Westseite stehen zwei Thürme
von quadratischer Grundform, welche am Beginne der Dach-
linie in das Aehleck umsetzen; zwischen den Thürmen be-
findet sich der Haupteingang und über diesem eine geräu-
mige Empore. Leider ist die West- oder Ilauptfacado.
welche einst durch ein herrliches Radfenster von LS' Durch-
messer geziert war. in Folge verschiedener Unfälle entsetz-
lich zerstört und zuletzt flach überput/.t wurden: sie bietet
dermal einen sehr traurigen Anblick, und nur wenige Reste
gehen Kunde von der allen Herrlichkeit. Vier Pfeiler auf
jeder Seite theilen die Schiffe ein: auf den beiden hintersteil
etwas verstärkten Pfeilern ruhen die Thürme und die durch
die ganze Kirchenbreite gezogenen Empore. Die Breite des
Langhauses beträgt 68' 6 . wobei das Mittelschiff 21' 6",
215 —
jede der Abseiten 13' und die Dicke eines Pfeilers 5' 6"
betragen. Eine Vierung aus der Breite des Mittelschiffes,
jedoch ohne vorspringende Querflügel , gränzt an den Chor
an, und 1 6' hohe , nur 2' breite Spitzbogenfenster (ohne
alles Stabwerk) erleuchten die Halle. Die Strebepfeiler sind
bogenförmig aus dem Grunde herausgebaut, so dass man
liings der Hauptmauer unter den Streben durchgehen kann.
Die Thürcn, wie die ganze Westseite überhaupt zeigen ro-
manische Anlage, eben so die Pfeiler im Schilfe, welche
durch ein Quadrat, mit vier Wandsäulen in der Mitte und
vier Halbsäulen an den Ecken, gebildet sind. Die Eingänge
hingegen und die Gewölbe sind frühgothisch: die Thürpro-
file bestehen nur aus einer Abwechslung von Kehlen und
Riundstäben, wobei der Cirkel immer in die Absehrägungs-
linie eingesetzt ist.
Den höchsten kunstgeschichtlichen Werth erhält dieser
Bau durch eine seltene Ornamentik , an welcher die Erlin-
dung eben so bewunderungswürdig erscheint, wie die Aus-
führung (Fig. 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22).
(Fig. 16.)
(Fig. 17.)
(Fig-. 20.)
(Fig. 19.)
Die Schlusssteine der
Wölbungen, die Thürge-
winde und insbesondere
die Capitäle der Wand-
säulen zeigen eine Pracht
und Mannigfaltigkeit der
Decoration, welche um so
mehr Staunen erregt, als
gerade in diesem Bezüge
die böhmische Architectur
sehr dürftig bedacht ist.
Die Ornamente tragen
durchgehends den gothi-
schen Charakter, aber in
einer selbstständigen und
kräftigen Behandlungs-
weise, welche den schaf-
fenden Künstler und kei-
nen Copisten verräth. .Ne-
ben den bekannten Moti-
ven: Weinlaub, Epheuund
Distelblätter, dann Bösen,
Lilien und einigen anderen
Blumen, erscheint beson-
ders (las Eschenblatt in
glücklicher Durchbildung.
Nur ausnahmsweise kom-
men zwischen den hun-
derten von vegetabilischen
Verzierungen einige Ei-
dechsen und Köpfe vor;
jedoch im Bogengewande des Hauptein-
ganges sind musicirende Engel unter sehr
alterthümlieheu Baldachinen angebracht.
Auch bemalt war einst dieses Gebäude im
Innern, und an mehreren Stellen sind nach
Beseitigung einer dicken Kalkkruste ziem- -T-y
lieh richtig gezeichnete Heiligenbilder zum lF,t'- '--■)
Vorschein gekommen. Einige Stücke von alten Glasmalereien
beiinden sich noch in den Fenstern, darunter eine Christus-
figur und der Tod der heiligen Jungfrau; Werke des vier-
zehnten Jahrhunderts von grosser Farbenpracht.
Über die Gründung und Erbauungszeit des alten Kir-
ehentheilcs von Koliu fehlen zur Zeit noch die näheren Daten.
Eine Sage, welche die Gründung in das Jahr 1310 verlegt,
entbehrt in hohem Grade der Wahrscheinlichkeit, da gerade
in diesem Jahre die Wirren zwischen Heinrich von Kärnthen
und Johann von Luxenburg stattfanden. Vielmehr möchte
ich den Bau einem der vielen deutschen Baumeister zuschrei-
ben, welche durch Wenzel den Einäugigen ins Land gezo-
gen wurden und die auch unter Ottokar dem Zweiten bei
seinen Anlagen vielfach beschäftigt waren.
Der neben der Bartholomäuskirche stehende isolirte
Glockenthurm, welcher gewöhnlieh als gleichzeitig mit dem
Schill'«' angenommen wird,
ist nach einer erhaltenen In-
schrift von den Koliner Bür-
gern in der Mitte des sech-
zehnten Jahrhunderts erbaut
worden.
Öfter als an kirchlichen
Gebäuden kommen die Lber-
gangsformen in den grösseren
Burgen vor, wie in N e u h a u s,
Kunetitz, Kru m a u und
Kl ingen borg.
Bedeutende und ziem-
lich erhaltene lieste zeigen
die Ruinen (Fig. 23) von
28'
(Fig. 2A.)
— 21ü
Klingenberg an der Moldau, wo nebst einer Capelle auch
ein eigentbflmlicher fünfseitiger Kreuzgang (von zwei Stock-
werken) zu sehen ist Kreuzgang und Capellen sind bemalt,
und die Gemälde in der Capelle dos heil. Wenzel gehören
der Erbauungszeil nach etwa der Mitte des dreizehnten
Jahrhunderts an. Das Hauptgemälde stellt das Fegefeuer dar;
die Cnntouren sind in den nassen Kalk eingekratzt und ohne
Schatten nur mit einer Tinte ausgefüllt, wobei nur die drei
Farben, gelb, roth und schwarz vorkommen.
Ähnlich behandelt, doch minder roh zeigen sich die
einzelnen Heiligenfiguren im kleinen Chor der Capelle.
welche trotz ihrer geringen Dimensionen auch eine Einpor-
kirche hat. Die Malereien an den Gängen aber schreiben
sich aus dem fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert
und tragen viele Anzeichen der Nürnberger Kunstschule an
sich. Die Burg ist aus Granit erbaut, bei feineren Hautheilen
aber wurde der Prager Mergelstein benützt. Das Ziegel-
pflaster in der Capelle. obwohl nicht gleichzeitig mit dein
Bau, verdient alle Beachtung; die Ziegel sind von unver-
gleichlicher Harte und mit verschiedenen Bestien in erha-
bener Arbeit geschmückt.
Nur flüchtig sei hier des sogenannten Markomanen-
Thurmes in eben dieser Ruine gedacht, dessen nähere Unter-
suchung einer besonderen Abhandlung werth sein dürfte.
Die obige Benennung ist neu und wurde erst vor einigen
Jahrzehenden in Umlauf gesetzt, obwohl es nicht unwahr-
scheinlich ist, dass sowohl die Römer wie die Markomanen an
diesem Punkte ein Castell angelegt haben. Die Grundmauern
des fraglichen Thurmes zeigen starke Bossagen: in der
Höhe von etwa 7 Fuss werden die Bossagen flacher und es
erscheinen zahlreiche Steinmetzzeichen, eine Art Majuskel-
schrift, wobei dieselben Zeichen sich häufig wiederholen.
^>^<l\f J©
(Steinmetzzeichen in Klingenberg.)
Wenn auch von besonderer Form, deutet der Gebrauch die-
ser Zeichen auf das vorgerückte Mittelalter hin, wo dieStein-
metzzeichen bekanntlich eine Controle, wie viele Steine
dieser oder jener Geselle bearbeitet habe, bilden sollten.
Nach meiner Ansicht fällt die Erbauung dieses Thurmes
eher in das vierzehnte als dreizehnte Jahrhundert, da einer-
seits die Steine sehr wohl erhalten sind, und zweitens, weil
ähnliche Steinmetzzeichen auch am Cntertheile des (neueren
und ausgehallten) Kleinseitner Brückonlhurinos angetroffen
wurden, welcher schwerlich Ober das vierzehnte Jahrhundert
hinausragt.
Der gotliische Baustil in Böhmen.
Diese gothische Bauweise , obwohl sie aus der roma-
nischen Kunst hervorging und alle Elemente derselben bei-
behalten hat. zeigt so viele und solch auffallende Kennzei-
chen, dass es seihst dem ungeübtesten Auge leicht wird,
gothische Formen von allen übrigen zu unterscheiden.
Als Hauptmerkmal wird gewöhnlich der Spitzbogen
angesehen, wesshalh auch die Bezeichnung Spitzbogen-
styl als gleichbedeutend mit „gothischer Styl" aufge-
nommen wurden ist.
Viel wesentlicher als der Spitzhogen erscheint der
Strebepfeiler als Grundbedingung des gothischen Systemes.
Die Stellung der Strebepfeiler correspondirt mit den Pfeilern
der Schilfe, indem der Druck von diesen letzteren abgeleitet
und auf die Streben übertragen wird. Bei Kirchen mit nie-
drigen Seitenschiffen ziehen sich die Strebepfeiler oft als
erhöhte .Mauern oder gesprengte Bogen üher die Seiten-
dächer hin bis an die Wände des Hauptschiffes fort, um
diese zu unterstützen.
Im Innern der Halle ziehen sich von den Pfeilern und
Wandpfeilern aus weit vortretende Bippen in der Wölbung
hinauf und bilden ein festes Netz, welches allen Druck auf
die Streben hinleitet. Zwischen diesem Rippennetze, welches
anfangs kreuzförmig, späterhin aber in allerlei Polygon- und
Sternformen beschrieben wurde, schaltete man die Wand-
flächen der Gewölbe ganz leicht aus freier Hand ein.
An die Stelle der romanischen halbrunden Apside er-
scheint im gothischen Bau ein geräumiger Chor, welcher mit
dem Mittelschiffe gleiche Höhe und Weite einnimmt und
regelmässig mit einem Vielecke abgeschlossen wird. Obwohl
das Achteck am häufigsten als Chorsehluss gehraucht wird,
kommen doch auch das Sechs-, Sieben-, Neun-. Zehn- und
Zwölfeck vor.
Nicht selten erhielten auch alle Schiffe gleiche Höbe,
und Kirchen mit solcher Einrichtung werden Hallen-
kirchen genannt.
Von allen Kennzeichen aber ist keines dem Laien so
leicht begreiflich, als die gothischen Mauerwerke, die als
Geländer, Fensterfüllungen und Figurenblenden in tausend-
fältiger Anwendung getroffen werden. Das Masswerk, sowie
überhaupt die Aufnahme geometrischer Figuren und Ver-
setzungen in die Architectur kömmt zwar schon in der
romanisch-byzantinischen Periode vor. erreicht aber in der
Gothik den Gipfelpunkt. Diese Vorliebe für geometrische
Bildungen trug das meiste zum frühen Verfall des Styles
bei, indem der gothische Bau nur allzuoft in leere geome-
trische Spielereien ausartete.
Mit den Masswerken sind die Pyramiden oder Fialen ver-
bunden, schlanke Aufsätze, welche die Strebepfeiler oder sonst
vorragende Bautheile krönen. Masswerke, die aus zusammen-
gesetzten Zirkellinien hestehen, nennt man Pässe, so: Drei-.
Vier-, Sechspass, nach Anzahl der vorkommenden Kreise.
Fügen wir dieser gedrängten Schilderung noch bei,
dass die Kirchenschiffe, den zu Grunde liegenden Chorpoly-
gonen entsprechend, die verschiedensten Höhen und Brei-
tenverhältnisse aufweisen, so dürfte das Vorstehende genü-
gen, um zur Befrachtung der Denkmale seihst überzugehen.
— 217
Allgemeine Ausbreitung gewann die gothische Bauart
in Böhmen erst im vierzehnten Jahrhundert unter der Re-
gierung des Königs Johann von Luxemburg (1310 — 134G),
und bis zu dieser Zeit scheint der romanische Styl vorherr-
schend geblieben zu sein. Ein höheres Alter (als rein gothi-
scher Bau) dürfte die berühmte Synagoge in Prag
ansprechen, ein zwar kleines, aber ganz im unvermischten
Style durchgeführtes Gebäude, gewöhnlich Alt- und Neu-
Sehul genannt.
Ein Rechteck von 45' Länge und 27' Breite (lichten
Masses) wird durch zwei in der Mitte aufgestellte Pfeiler
in sechs gleiche Felder abgetheilt.
Die Pfeiler sind achteckig , 2' 9"
stark, und lassen unter dem Gewölbe
auf jeder Seite eine Console vor-
treten, aus denen die Gewölbrippen
entspringen. Den Pfeilern entspre-
chen Wandsäulen von 9" Durch-
messer, die aber erst in der Höhe
von 6 Fuss aus der Wandtläche
vorspringen und aufKnäufen ruhen.
Der Eingang befindet sich an der
Langseite, zeigt eine schöne Pro-
filirung und im Bogenfelde eine
Arabeske von Weinlaub. Sowohl
der Thürbogen, wie alle Gewölbe-
linien sind aus dem gleichseitigen
Dreieck beschrieben. Das Gebäude
war ursprünglich ohne Strebe-
pfeiler ; diese sowie die Giebel
und sonstigen Anbauten gehören
späteren Zeiten an. Manche Eigen-
thümlichkeiten dieses Bauwerkes
mögen allerdings durch Ritus
und Verhältnisse vorgeschrieben
gewesen sein; allein abgesehen
von allen Eigenthümlichkeiten
spricht sich in den Detailformen der
Charakter der letzten Hälfte des 13.
Jahrhunderts aus (Fig. 24 u. 25).
In den Ornamenten findet sich einige Verwandtschaft
mit den Koliner Arbeiten, aber die romanischen Elemente
sind in der Synagoge vollkommen abgestreift.
Unter König Johannes Regierung lebte und wirkte
einer der thätigsten Kunstfreunde, welche Röhmen je gese-
hen: der Bischof Johann von Druzic. Bischof Johann hatte
in seiner Jugend viele Jahre am päpstlichen Hofe zuAvignon
verlebt und berief nach seiner Rückkehr von dort den Bau-
meister Wilhelm, durch welchen er nebst vielem andern
die bischöfliche Residenz in Prag, dann die Rrücke und das
Augustinerkloster in R au dnitz erbauen Hess. Letztgenannter
Bau hat sich grösstenteils erhalten und wurde nach einer
in der Kirche angebrachten Inschrift im Jahre 1330 vollen-
(Fig, 24, 25.)
det. Diese Kirche Kl dreischiffig mit niedrigen Abseiten,
hat auf jeder Seite fünf freie Pfeiler und einen langen, aus
dem Zwölfeck geschlossenen Chor. Das Mittelschiff hält
29', die ganze Kirche öS' in der Breite und sanmit der Vor-
halle 180' in der Länge. Die Detailbildung verräth eher
süddeutschen als französischen Einfluss; namentlich erscheint
die Profilii'iing mager, mit flachgezogenen Kehlen, wie sie
nur an den Bauwerken der Bettelorden vorkömmt. Der
Kreuzgang, zwar sehr ruinös, erhielt sich ohne alle Neuerun-
gen und Übertünchungen in alter Gestalt.
In diesem Gange kömmt eine Erscheinung vor,
welche wir als Beweis anführen, dass die romanischen
Formen in Böhmen noch bis ins vierzehnte
Jahrhundert sich erhielten und selbst der franzö-
sische, in einer ganz andern Kunstrichtung erwachsene Bau-
meister sich dersel-
ben nicht ganz zu
jjEt&s§S^ \ — ^r J_ entschlagen getraute.
J^j# \K\ * In dem l'ntertheile
der grossen Spitzbo-
- _ genfenster des Gan-
ges sind nämlich nach
romanischer Weise
geformte, aber spät-
— gothisch profilirte
=■ Kuppelungen ange-
. bracht (Fig. 26) und
mit dem gothischen
(Kg 26.) Masswerk der dar-
über befindlichen Bogenfelder zu einem sehr befremdlichen
Ganzen verbunden worden. Die Gleichzeitigkeit aller Theile
ist sowohl durch die Steinfügung, wie durch das in jedem
Gewölbe angebrachte Wappen des Bischofs Druzic Vollgültig
documentirt. An französische Kunstbildung erinnert in Raud-
nitz nur ein aus kleinen Spitzbogen gebildetes Capital, das
sich zuerst in den Werken des
Meisters Wilhelm findet, aber bald
darauf häufig angewendet wurde.
Zu den interessantesten Werken
jener Zeit gehören die Kirchen
von Nimburg und Koniggrätz.
(Fig. 27 u. 28.)
Einen neuen Abschnitt in der
Baugeschichte des Landes bezeich-
net die Erbauung des heil. Veits-
Domes in Prag, dessen Grund-
steinlegung durch König Johann in
Beisein seiner Söhne Karl und Jo-
hann am 28. November 1344 vor-
genommen wurde. Als eigentlicher Urheber und Förderer
dieses Riesenwerkes darf mit allem Rechte Karl der Vierte
angesehen werden, indem dieser Fürst schon vor seinem
Regierungsantritte als Markgraf von Mähren sehr vieles für
218 —
den Dum iiml die Erhebung des
Prager Bisthums zu einem Erzstifte
gethan halte.
Die Bauthätigkeit dieses Re-
genten, dessen grosse Eigenschaf-
ten nur in Böhmen vollkommen
begriffen werden können, war
grenzenlos. I nter seiner Regierung
wurde die Altstadt von Prag um-
gebaut und die Neustadt nach
einem grossartigen Plane angelegt;
(Ki«r. 28.) es entstanden das Universitätsge-
häude, die Moldaubrücke und fast unzählige Kirchen, Stifte
und gemeinnützige Anlagen, welche Karl des Vierten Namen
für alle Zeiten in Rühmen unvergesslich machen.
Der Entwurf zu unserem Dome rührt von Matthias
von Anas her, welchen König Johann zu diesem Zwecke
berufen hatte und der dem Baue von der Gründung an bis
1352 (etwa sieben Jahre lang) vorstand. Der Plan scheint
bereits in der ersten Rauzeit auf Hindernisse gestossen und
bedeutende Änderungen erlitten zu haben, wessbalh nur die
Hauptverhältnisse dem ersten Entwürfe zugeschrieben wer-
den dürfen.
Meister Matthias, dem augenscheinlich mehr der Köl-
ner Dom als die französischen Kathedralen vorschwebten,
scheint nämlich einen siebenseitigen Chorschluss( wie in Köln)
beabsichtigt zu haben und alle Hauptmasse der Prager Kirche
BOFuss.
23
100
bestätigen, dass unser Meister nicht allein obiges Vorbild
genau studirt habe, sondern aucli nachahmen u ollte ( Fig. 2'J).
Man betrachte diese Yergleichung :
Breite des Mittelschiffes von einer Pfeileraxe
zur andern (in Küln wie in Prag) ....
Breite eines Seitenschiffes gleichfalls von der
Pfeileraxe bis zur Mitte der gegenüber-
stehen .Mauer (hier wie dort)
Ganze Breite der drei Schiffe (hier wie dort) .
Weite durch alle fünf Schilfe im Lichten der
Kirche (hier wie dort) 14ö „
Anzahl der Pfeiler im Presbyteriutt ( hier wie dort ) 1 4.
Anzahl der Pfeiler, welche den Polygonschluss
bilden (hier wie dort) 8.
Alle diese Hauptmasse und Verhältnisse, welche nach
gotbischen Grundregeln den ganzen Bau bestimmen, fanden
wir in Küln wie in Prag vollkommen gleich und nur in den
Längen zeigt sich einiger Unterschied: so hält die Länge
von der Axe des Pfeilers am Polygonscblusse , bis zur
Axe des Pfeilers der Vierung in Köln 102 Fuss, während
dieselbe Entfernung in Prag 107 Fuss misst.
Auch die Schlusscapellen sind in Prag tiefer als in
Küln; sie messen in letztgenannter Kirche 22. in Prag
27 Fuss.
Dieser Unterschied in den Längenmassen schreibt sich
aber nur daher, dass der Chor zu Küln siebenseitig aus dein
Zwölfeck geschlossen ist, während der Prager bei gleicher
Pfeilerstellung einen fünfseitigen Schluss aus dem Neuneck
(jedoch nicht ganz regelrecht) erhalten hat. Diess scheint
eine Abweichung vom ursprünglichen Plane zu sein, welche
erst während des Baues eintrat und welche verschiedene
Unregelmässigkeiten der Capellenstellung verursachte. Vom
Präger Dome wurde nur der (bor aufgeführt . welcher
späterhin mit einer provisorischen Mauer an der Stelle, wo
die Vierung und das Querschiff beginnen sollte, abge-
schlossen worden ist. Dieser Chor wurde im Jahre 1385
unter der Regierung König Wenzel des \ ierten durch den
Erzbischof Johann von Prag eingeweiht, worauf erst sieben
Jahre später (1392) der Grundstein zum Langhaus« durch
eben diesen Künig gelegt wurde. Der Ran scheint aber
nicht mit grossem Eifer betrieben wurden zu sein, und
wurde bald darauf in Folge der religiösen und bürgerlichen
Wirren gänzlich eingestellt. Im Jahre 154] brannte ein
hülzener Nothbau. den Wenzel IV. als interimistisches Kir-
chenschiff hatte aufführen lassen, ab. worauf Ferdinand I.
den beschädigten Thurm eindecken und den Bauplatz so
ziemlich in der Weile abrunden liess, wie man denselben
heute siebt. Es haben zwar in späterer Zeil allerlei Versuche
stattgefunden, den Bau wieder aufzunehmen und zu vollen-
den, aber jedesmal haben ungünstige Zufälle diese Bestre-
bungen vereitelt.
Die Anlage ist. wie wir schon gesehen, eine fünf-
schiffige; die inneren Seitenschiffe umgeben den Altarraum
mit einem offenen Gange und die äusseren bilden den
Capcllenkranz. Die Capellen setzen sich auch in der geraden
— 219 —
Richtung der Kirche fort, so dass die Seitenschiffe nur an
einer einzigen Stelle als freie Halle erscheinen. Durch diese
gleichfalls nicht im alten Plane liegende Einrichtung erhält
das Innere ein verlängertes unabhängiges Aussehen und
man vergisst , dass man nur den Theil eines Ganzen vor
sich habe.
Vielleicht hatten die alten Meister eine Ahnung von
dem künftigen Schicksale ihres Werkes und suchten dess-
halb dem Chore die möglichste Unabhängigkeit zu geben,
auf dass im Falle der Nichtvollendung derselbe ein Ganzes
bilde. Die projeetirte Länge der Kirche im Liebten ist
(soviel sich aus den Grundmauern entnehmen lässt) auf
S00 Fuss, die Breite durch das Querbaus auf 186 Fuss
gleichfalls im Lichten angenommen , so dass die Kreuzarme
nur um etwa 20 Fuss über die äusseren Seitenschilfe vor-
springen sollten.
Der künstlerische Charakter dieses merkwürdigen
Gebäudes, welches trotz mancher Unregelmässigkeiten und
seines unvollendeten Zustandes einen hohen Hang unter den
Kathedralen Europa's einnimmt, kann nur an der Aussen-
seite, und zwar aus dem östlichen Standpunkte richtig beur-
theilt werden. Zum Glücke gewährt ein ziemlich freier
Raum an dieser Seite die nöthige Übersicht. Von diesem
Standpunkte aus wird die alte Anlage am klarsten erkennt-
lich und die Abweichungen oder unpassenden Einschaltungen
sind dem Gesichte grösstenteils entrückt.
Der Anblick ist majestätisch und wird durch den un-
übertrefflichen Ton des Sandsteines, aus welchem der ganze
Dom erbaut ist, aufs höchste
gesteigert.
Bei näherer Be-
trachtung entgeht
allerdings nicht .
dass die Capellen
etwas zu breit an-
geordnet sind, und
desshalb der aus
ihnen emporstre-
bende Chor eini-
germassen mager
erscheint. Spät-
. so.) gothische Formen
kommen überall , selbst am Kuppelhau vor,
der doch aller Wahrscheinlichkeit nach dem
Meister Matthias zuzuschreiben ist. So sind
z. B. die unteren Fenster mit Bogen bekrönt,
welche nicht aus der Kämpferlinie beschrieben
werden (Fig. 30) ; die an der Basis 2 Fuss
Durchmesser haltenden Fialen verjüngen sich
ferner bis zu einem Durchmesser von 3 Zollen
(Fig. 31), was natürlich ein dürftiges Ansehen
hervorbringt. Von sehr grosser Schönheit und
nobler Ausführung sind die Strebepfeiler, welche (Fig. 31.)
in doppelt übereinander angebrachten Bugen über die
Seitenschiffe hinziehen (Fig. 32). Der Thurm, welcher
unerklärlicher Weise neben dem schon begonnenen Kreuz-
arme rechts hingestellt wurden ist. gehört zu den reinsten
und consequentesten Theilen der Kirche und verräth
(Fig. 32.)
(so weit er fertig ist) durchaus die Manier des Meisters
von Gmünd, gewöhnlich Peter Arier genannt. DiesemKünst-
ler darf überhaupt der süddeutsche Charakter beigemessen
werden, welchen unser Dom so unverkennbar ausspricht. Der
Obertheil des Chores gehört der spätesten Gothik an und
wurde erst nach Ariers Tode, ganz abweichend von dem
Plane der beiden ersten Baumeister, aufgestellt.
Im Innern ist das Wirken dieser beiden Künstler nur
bis zur Höhe des Laufganges über den Seitenbogen zu
erkennen: alle Chorfenster sind späteren Ursprunges und
die Gewölbe wurden (wahrscheinlich aus Sparsamkeit) um
etwa 3 Fuss zu tief gesetzt, wodurch sich der grosse
Übelstand ergab, dass die Rippen der Wölbungen in die
Fensterbogen einschneiden. Nur die Seitenschiffe undChor-
capellen haben Kreuzgewölbe; das Mittelschiff zeigt ein
Netzgewiilhe. welches im Polygon mit einem halben Stern
— 220 —
abschliesst. Die Pfeiler der Halle lr.ilien einfaehe Gliederung
von Rundstäben und liefen Kehlen, ohne viele Zwischen-
glieder, und sind mit einein einfachen kraftigen Soekel ver-
sehen. Die 125 Fuss hohe Halle würde einen noch viel
grossartigeren Eindruck hervorrufen, wäre sie nicht allzu
buntscheckig und geschmacklos im vorigen Jahrhundert aus-
gemalt wurden.
Was das in dieser Kirche hefolgte Bogensystem betrifft;
so kann man sagen , dass gar keines eingehalten wurde. Es
erscheinen an den Fenslern und in den Füllungen neben
einander Hache und steile Spitzbogen, Rundbogen, Stich-
und geschweifte Bogen, am seltensten aberzeigt sich die
aus dem gleichseitigen Dreiecke gezogene Form.
Zu der Sacristei wurden zwei Gewölbeabtheilungen
des äusseren linken Seitenschiffes benutzt und es ist folglich
dieser Bautheil spaten- Einschaltung. Im höchsten Grade
malerisch, gehört diese Sacristei mit ihren zwei herabhän-
genden Schlusssteinen und einem äusserst reichen Gewölb-
netze zu den interessantesten Erscheinungen, welche man
sehen kann. Nicht minder eigentümlich zeigt sich die be-
rühmte St. Wenzelscapelle, gleichfalls eine Einschaltung,
welche aber schon von Karl dem Vierten im Jahre 1347
angeordnet worden ist. Diese Capelle wurde ganz gegen
allen Plan in den in das Querhaus bestimmten Baum hinein-
geschoben , so dass die Hauptmauer darüber gesprengt
werden musste. Wenn es ja noch eines Beweises bedürfte,
dass bereits Meister Matthias seinen Plan abgeändert habe,
und die Kirche verkürzen wollte, würden wir hier die
Belege finden. An und für sich betrachtet hat
diese fapelle sehr edle Verhältnisse und die
bestgearbeiteten Details , welche am Dome
vorkommen; sie wurde im Jahre 13G7 vom
Erzbischof Johann eingeweiht, und scheint so-
wohl der Zeit wie der Geschmacksrichtung
nach, grösstenteils ein Werk des Arier zu
sein. Der Prager Dom besteht, wie wir aus
dieser Beschrei-
bung ersehen, aus
einer Menge von
Einzelheiten ; das
Gebäude ist stück-
weise entstanden
und nur der Chor-
schluss hat ein-
heitliche Haltung.
Die ersten Meister
Matthias und Peter
arbeiteten so ziem-
lich im gleichenGei-
ste . scheinen aber
(Fig. :u.) sehr viel durch die
zahlreichen Baudirectoren gehindert worden zu sein. Nach
dem Tode des Arier wechselten die Werkführer schnell
(Fig. 33.)
hinter einander und manche derselben waren unfähig, einem
solchen Baue vorzustehen.
Wir geben hier im Holzschnitt (Fig. 33) ein Detail
aus der Bauperiode des Peter von Gmünd und ein zweites
( Fig. 34) aus der letzten Hauzeit des Domes.
Der Prager Dom führt uns das Schicksal der meisten
grossen Bauunternehmungen im Lande recht deutlich vor
Augen. Alle wurden verkümmert, weil man im Anfange zu
vieles erreichen und alles Bestehende übertreffen wollte;
dann entsetzte mau sich im Verlaufe der Ausführung vor den
zu solchen Unternehmungen notwendigen Summen und
ging plötzlich zur äussersten Sparsamkeit über.
Dieser Schilderung haben wir noch einige Worte über
den grossen Bogen beizufügen . der am Thunne angebaut,
so auffallend in die Luff hinausragt, und der als Wahrzeichen
von Prag gilt. Diese Partie gehört mit den Chorcapellen
zur alten Aidage und bezeichnete den Schluss des Quer-
schiffes, unterhalb sollte der südliche Haupteingang ange-
bracht werden, welcher zwar gegen aussen vollendet, dann
aber wegenErrichtung der Wenzelscapelle vermauert wurde.
Dieser vermauerte Eingang, der einzige alte Porlalhau.
welcher am Dome vorkommt, zeigt eine auf drei Bogen
ruhende Vorhalle von sehr einfacher Anordnung. Statt des
sonst an Portalen üblichen architektonischen und plastischen
Schmuckes wurde hier in dem Fehle über dein Bogen ein
Mosaikbild (aus Glasstiften) angebracht, welches Karl IV.
zwischen 1369 und 1371 verfertigen liess.
Der fragliche grosse Bogen hätte das Hauptfenster dos
Querschiffes bilden sollen, die daran flach eingehauenen
Masswerke aber, und die galerieartigen Decorati n dürfen
zu den monströsesten Bildungen der gothischen Verfallzeil
gezählt werden, und wurden wahrscheinlich von einem der
Steinmetze aufgestellt, welche nach dem Brande von UJ4I
die Reparaturen zu vollführen hatten. Der eben genannte
Portalbau, welcher offenbar noch dein Meister Matthias zu-
zuschreiben ist, lässl uns zwischen der Manier dieses
Künstlers und der seines Nachfolgers Arier den Unterschied
linden. Der französische Meister zeichnet einfach mit flacher
Profilirung und möglichster Vermeidung alles Laubwerkes
(er besetzt nicht einmal die Krönungsbogen und Pyramiden
mit den üblichen Eckblumen oder Bossen) ferner gebraucht
er wenig Masswerk, welches obendrein niemals ganz correel
entworfen ist; daher Laben äeine Arbeiten ein monotanes
linirtes Aussehen. In solcher Weise siiol die Cap eilen und
der Portalhau gehalten.
Arier dagegen profilirt tief, i1-! sich eines glänzenden
Detailvortrages bewusst und dabei ein Freund der Mass-
werke, wie alle deutschen Baumeister. Er macht sich nichts
aus einem Verstoss gegen den Gesammtplan, wenn er den
beabsichtigten Detaileffecl erreicht, daher darf man ihm die
Wenzelscapelle' mit dem Thurme und die Strebepfeiler zu-
schreiben. Es ist möglich, dass auch die Sacristei von seiner
Hand herrühren, da er sie auch in Kolin auf dieselbe Weise
22
angeordnet hat , wahrscheinlich aber dürfte dieser Theil
nebst den Capellen an der Langseite dem Wirken des Andreas
Kutlik, Domherrn und magister fahrikae 1380, zuzuschrei-
ben sein.
Ein zweiter wichtiger Bau, unter Karl IV. Regierung
begonnen und von Peter Arier in allen Tbeilen durchge-
rührt, ist der schon erwähnte C h o r der Bartholomäus-
kirche zu Kolin; ein Werk, welches auf die kirchliche
Afchitectur im Lande grossen Einfluss übte. Arier (oder
wie er sich selbst unterzeichnet, Peter von Gmünd) hatte
die Aufgabe, einen Chorbau an die schon bestehende hallen-
artige Kirche anzufügen und musste also nach den Regeln
der Gothik, wenn er seine Seitenschiffe mit den schon
bestehenden in gleicher Höhe halten wollte, das Mittelschiff
bedeutend erhöhen. Nun war aber unser Meister ein Con-
structeur sonder Gleichen, der hier, wo er ganz unbehindert
schaltete, seine Talente ins gehörige Licht setzen wollte.
Er versuchte an diesem Chore förmlich alle Träger auf das
mindeste Mass zurückzuführen und so gab er der Halle eine
Leichtigkeit und Höhe, wie in der Art kein zweites Beispiel
bekannt ist. Bei nur 21 Fuss lichter Breite erhielt das Mittel-
schiff 100 Fuss Höhe; ein Verhältniss, welches selbst die
wegen ihrer Schlankheit berühmten Hallen von Ulm und
Landshut bei weitem übertrifft. Die Seitenschiffe umziehen
den Mittelraum und werden mit einem Capellenkranze abge-
schlossen. Der Chor ist vierseitig aus dem Achteck, aber
nicht in gewöhnlicher Weise (das Achteck auf die Spitze
gestellt, wodurch in der Mitte hinter dem Altare eine freie
Säule zu stehen kommt). Der Capellenkranz wird durch
fünf Seiten des Zehnecks gebildet.
Die Capellen scbliessen einfach aus drei Seiten des
Sechsecks mit dreifelderigen Wölbungen: dreieckige Ge-
wölbekappen zeigt
auch der Umgang,
aber die geraden
Joche haben Kreuz-
gewölbe. Bei der
grössten Einfach-
heit zeigt sich die
höchste Eleganz des
Masswerkes (Fig.
3o), wenn auch Ar-
ier die späteren Bil-
dungen, z.B.Fisch-
blasen - Ornamente
nicht eben ver-
schmähte. Ein De-
tail von dem Chor-
baue des Domes
(Fig. 38.) folgt hier im llolz-
30.) Bei allen Vorzügen dieses Chor-
baues ist doch Arier nicht zu entschuldigen, dass er auf
den bestehenden Bau nicht die mindeste Rücksicht nahm.
schnitte (Fig.
sondern denselben durch den
wunderbaren Effect seines Wer-
kes in jeder Weise zu ver-
nichten strebte. Dass er diesen
Zweck nur zum Theil erreichte.
ergibt sich aus derBeschreibung
des Kirchenschiffes, und so ste-
hen diese beiden, ein Gottes-
haus bildenden Rautheile um er-
blinden neben einander : beide
gleich bewunderungsw iirdig .
aber sich gegenseitig abstossend.
Im Chore bedauert man , Arler's
Kirche nicht vollständig über-
sehen zu können, und im Schilfe
muss man den Unfall tief bekla-
gen, der uns um die zweite
Hälfte des genialen alten Ge-
bäudes gebracht hat.
Arier war auch der Er-
bauer des Altstädter Räthhauses
(Fig. 36.) un(] ^(.j, pragCT Brücke, die er
mit Stichbogen von circa 70' Spannung construirte. Der
Grundstein wurde 1357 gelegt und unser Meister war also
gleichzeitig an vier Bauten ersten Ranges: der Brücke, dem
Dome, dem Bathhause und der Koliner Kirche beschäftigt.
Das durch den Chor dieser letztern Kirche gegebene
überraschende Beispiel fand viele Nachahmer, und die unge-
wöhnlich schlanken Kirchenhallen , welche man in Böhmen
häufiger als in jedem andern Lande trifft, dürften zumeist
durch Arier hervorgerufen worden sein.
Welche Theilnahme Peter von Gmünd an der Er-
bauung der Karlshofer Kirche gehabt, ist bisher noch
nicht ermittelt worden. Karl IV. stiftete diese im Achteck
angelegte und mit einer Kuppel überwölbte Kirche im Jahre
I35S (Fig. 37),
legte alier erst
im Jahre 1377
eigenhändig den
Grundstein. Von
den Hussiten zer-
stör! und wieder-
holt überbaut, hat
sich nur das In-
nere , nämlich
Kuppel und Chor,
im alten Zustande
erhalten. Die in
ihrer Art einzige
Kuppel missi 72
(Fig. 37.) ;', im geraden
Durchmesser des Achteckes und Tbl in Arv Diagonale, wo-
bei die Mauern nur 3 Imiss breit sind, aber an den Ecken
29
— 222 —
von Strebepfeilern (gleichfalls :$ Fuss breit und 0 Fuss über
die Ecken vortretend) unterstütz! werden.
Es gehört also ilii' Karlshofer Kuppel zu den Construc-
tionen ersten Ranges, welche in Anbetracht ihrer leichten
Fundamente vielleicht eben so viele Bewunderung verdient,
als Brunneleschis Bau in Florenz. Ein reiches Sternge-
wölbe uns festen Rippen, dessen Diagonale durch einen
Halbkreis gezogen ist. hat diese Kuppel mehrere Feuers-
brünste ausgehalten, ohne dass irgend ein bedeutender
Schaden ersichtlich wäre. Die Vorlüge der Hippen beginnt
schon in der Höhe von IS Fuss. aber sehr unmerklich, so
dass das i>4' hohe Gewölbe als Haches Segment von unten
uns erscheint.
An der Ostseite des achteckigen Kuppelbaues lehnt sich
ein 30' langer Chor an mit sechsseitigem Abschlüsse. Obwohl
der fleissige Sammler I) la bats ch dem Arier diesen Hau
(ohne Angabe der Quelle) zuschreibt, möchte doch nur der
Plan und die Angabe der Construction von ihm herrühren: die
Ausführung der Hippen mit abgekappten Stäben deutet auf
eine spätere Zeit. Die Stabwerke in den Fenstern, zwar go-
thisch , aber sehr plump und formlos, scheinen Nachahmungen
der früheren zu sein, welche bei der im siebzehnten Jahr-
hundert vorgenommenen Reparatur eingefügt wurden. Ob
das Äussere je ganz vollendet gewesen und welche Form die
Dächer ursprünglich hatten, ist nicht bekannt: die gegenwär-
tige Bedachung nebst der Brüstung wurde nach den Bränden
von 17öS und 17.'i7 im Zopfgeschmacke jener Zeit aufgestellt.
Die Lebensgeschichte des Meister Peter ist trotz sei-
ner vielen Werke noch immer in grosses Dunkel gehüllt,
und der ihm beigelegte Name Arier (welchen Heinrich
Otte wohl richtig als Abkürzung von Parier erklärt) hat
obendrein zu vielen Missverständnissen Anlass gegeben. So
fuhren mehrere Schriftsteller den Peter von Gmünd und
den Arier als zwei verschiedene Personen auf und schreiben
dem letztem nur die Brücke zu. In einer Inschrift zu Kolin
wird der Künstler „Peter Brandy" genannt, an andern
Orten erscheint er als Arleri de Polonia, wahrend er sich
selbst in der Kühner Kirche : Petrus de Gemiindia einzeich-
net. Mit eben demselben Namen erscheint er auf der
Inschrift, welche König Wenzel über die Gründung des
Langhauses am Dome setzen liess, wo es heisst: „ —
sub directore fabricae pragensis Wenzeslao de Radecz Ca-
nonici) pragensi et PetTO de Gcinunil. fabricae praefatae
magislro."
Bei der allgemeinen Baulust, welche zumeist durch
Karl IV. angeregt wurde, erhoben sich in allen Theileu des
Landes grossartige Bauwerke und man bestrebte sich auf alle
Weise, das Versäumte nachzuholen. Die St. A nna-Ki r ch e .
die grossen einschiffigen Hallen von Apollinare und
Maria-Schnee in Prag, dann die Hallenkirche des Beue-
di cti nerklosters Einaus in Prag mit dem grossartigen
Kreuzgange (dem schönsten und geräumigsten im Lande,
der auch ganz in alter Weise mit Wandmalereien geschmückt
ist) und vor allen die heil. Geistkirche in König-
grätz sind Werke des XIV. Jahrhunderts. Die zuletzt-
genannte Kirche, dermal Kathedrale, wurde durch die Köni-
gin Elisabeth, Witwe Wenzel III., schon im Jahre 1302
gegründet unter dem Namen heil. Geistkirche, jedoch in den
Hauptmassen nicht vor Milte dieses Jahrhunderts vollendet.
Von allen grösseren Kirchen ist diese die schmälste, indem
das Mittelschiff nicht einmal volle 20 Fuss zur Breite hat.
Trotz dieser Beengtheit des Baumes erscheint «Iki-
Innere majestätisch und sogar geräumig, was eben so sehr
t]rv verständigen Anordnung, wie der vorzüglichen Gliede-
rung zuzuschreiben ist. Die Hallen der Emporkirche und des
Chores sind äusserst graeiös und gehören zu den besten
Schöpfungen, welche die gotbische Baukunst in Böhmen
hervorgebracht" hat. Das Gebäude ist, so wie alle Bauten,
in Königgrätz von Ziegeln errichtet: ein Umstand, welcher
zu Zeilen der Königin Elisabeth noch so auffallend war.
dass die Stadt wegen des rothen Ansehens der Ziegelbauten
„Oerweny-Hradok" (die rothe Burg) benannt wurde. Die
Thiirnie und das Äussere wurden wiederholt überbaut.
(Der Schiusa im nächsten Hefte.)
Die Fresken des Martino di Udine, genannt Pellegrino da San Daniele, in der Kirche des heil. Antonius
zu San Daniele in Friaul.
Von II. v. E itel I) er Rcr.
Die Geschichte der bildenden Kunst und insbesondere
der Malerei Italiens zu Ende des XV. und Anfangs des XVI.
Jahrhunderts bietel eigenthümliche Erscheinungen dar. An
allen Orten des mittleren und oberen Italiens treten Talente
jeder Art und in einem Masse hervor, so dass es schwer
macht, sie zu ordnen, die Verdienste jedes Einzelnen entspre-
chend zu würdigen und die Beziehungen der Künstler unter
einander und zur damaligen Gesellschaft deutlich darzulegen.
Mau geräth in dieser Epoche leicht in die Gefahr, ungerecht
gegen einzelne zu werden, und zwar umso leichter, als
äussere Umstände selbst nicht wenig einflussreich auf das
Schicksal und die Leistungen mancher Künstler geworden und
nicht wenig dazu beigetragen haben, ihren Huf entweder in
alle Welt zu verbreiten oder umgekehrt in die engen Gränzen
eines kleinen Städtchens einzuschliessen. Insbesondere jene
Künstler, die in der Nähe von grossen Mittelpunkten reichen
Kunstlehens gelebt haben , ohne in diese selbst vollständig
hineintreten zu können, sind von diesem Schicksale hart ge-
troffen worden, und werden erst jelzl, wo die Forschung über
bildende Kunst mehr in das Detail geht und einen sicheren
223
Standpunkt gewonnen hat, von dem eine Überschau über
das Ganze und ein Einreiben des Einzelnen in dieses mög-
lich ist, aus der Dunkelheit mehr und mehr hervorgezogen.
So ist es mit M a 1 1 e o C i v i t a 1 e aus Lucca, mit M o r e 1 1 n und
1{ omanin aus Brescia geschehen, so wird über kurz oder
lang das Verdienst von Pordenone in höherem Grade ge-
würdigt werden, als es bis jetzt geschehen ist. Diese Zeilen
haben die Aufgabe, die Aufmerksamkeit auf einen anderen
bisher wenig gekannten Künstler zu lenken , der, wie Por-
denone in Friaul gebürtig, ein Schüler Giovanni Bellinfs,
ein Zeitgenosse Tizians war, und mit Pordenone und
Giorgione1) zu den ersten Frescomalern der
venetianischen Schule gehört.
Die Fresken dieses Künstlers befinden sich in der
kleinen Kirche des heil. Antonius zu S. Daniele, einem
Städtchen am Tagliamento in Friaul, sind theilweise zer-
stört, theihveise aber noch so vorzüglich erhalten, wie es
bei wenigen Fresken der Fall ist. Es sind in der letzten
Zeit Versuche gemacht worden, diese Fresken, welche der
Stolz Friauls sind und die schon Vasari in der Biographie
»Pordenone's und anderer Maler Friauls," der die Leistungen
der venetianischen Künstler mit dem eifersüchtigen Auge
eines Florentiners behandelt, molto eccelenti nennt, zu
erhalten. Die Ursachen der Zerstörung sind localer Natur.
Die Kirche des heil. Antonius, gebaut im Jahre 1470, ein-
schiffig mit einein polygon abgeschlossenen gewölbten Chor
(das Schilf der Kirche ist mit einer einfachen Holzdecke
versehen) liegt an einem Abhänge, so dass der Chor höher,
der Eingang tiefer liegt. Die Feuchtigkeit des Bodens drang
in die Mauer des Chores ein und zerstörte einen Theil der
dort vorhandenen Wandgemälde. Um den erhaltenen Theil
zu conserviren, wurde ein kleiner Canal zur Ableitung der
Feuchtigkeit gegraben. Der längere Aufenhalt, den der
Künstler in S. Daniele nahm, gaben ihn. wie der Ruf, der
sich an die daselbt ausgeführten Fresken knüpfte, den Bei-
namen da S. Daniele, in den Urkunden wird er immer
Magister Pellegrinus de Utino (auch Magister Peregrinus)
genannt, und Udine scheint sein eigentlicher Geburtsort
gewesen zu sein. Sein Vater war der Maler Giovanni aus
Udine. Sein Taufname war Martin, aber Giovanni Bellini,
dessen Schüler, wie erwähnt, er war, gab ihm den Bei-
namen Pellegrino, weil er, wie Vasari erzählte, urtheilt,
dass er einst „nelT arte veramente raro" «erden würde.
Die älteste Urkunde, die wir von diesem Künstler
finden, ist vom Jahre 1493; sie findet sich in dem Werke
des Conte Maniago rStoria delle belle arti in Prinli"
(Venezia 1819, S. 208). Sie enthält eine für die Zeit sehr
bezeichnende Bittschrift des Pellegrino an den Luogotenen-
te ') und die Communitä von Udine um die Stelle eines
sogenannten Portoniere. Er verpflichtet sich darin um den
Preis von 23 Ducati jährlich, die Wappen der Luogotencnti.
und der Communitä mit dem heil. Marcus und die
Standarten zu malen, und wenn es nöthig ist, die vorhan-
denen zu restauriren, so wie alles, was zu was immer für
eine Zeit bei Festlichkeiten nöthig sein sollte, und „in con-
tinuis temporibus essere obligatissimo et paratissimo ali
servicij comuni et particolari, cosi de'ricchi, come de
poveri, con ei pocho et debil suo ingegno, che Dio per
sua gratia le ha concesso, et non per alchun so merito".
In dieser Urkunde nennt er sich Pelegrin „fiol del quondam
Magister Baptista depentor"; in dem diesen Act einleitenden
Protokolle der Commune wird er als ein _probus juvenis"
bezeichnet.
Im Jahre 1497 war Pellegrino schon in San Daniele
in der Kirche des heil. Antonius beschäftigt. Ober dem
Propheten Daniel in den Fresken dieser Kirche lesen wir
die Inschrift: PEREGR1NVS PINXIT und unterhalb desselben
die Jahrzahl 1497. In demselben Jahre vermählte er sich
mit der Tochter eines Magister Daniel Portuarius von S. Da-
niele, Namens Helene. Seine Thätigkeit an diesen Fresken
war eine zu verschiedenen Zeiten unterbrochene; im Jahre
1513 '-) von neuem fortgesetzt, wurden sie erst im Jahre
1522 vollendet. Sie wurden mit 460 Ducati bezahlt, wie
wir aus der Urkunde wissen, und nicht mit 1000 Scudi . wie
Vasari berichtet. In der Zwischenzeit war Pellegrino viel-
fach für verschiedene Orte seines Vaterlandes beschäftigt,
wie wir aus den von Maniago angeführten Urkunden ersehen :
für die Kirche S. Maria in Vallc zu Cividale malte er eine
Tafel des heil. Johann im Jahre 1501 um 125 Ducati. im
Jahre 1512 für zwei Goldducati einige Figuren zur Verzie-
rung eines marmorenen Grab -Denkmales des Andrea Tre-
visan in Udine. im Jahre 1519 malte er die Orgelflüge] des
Domes zu Udine „tali arte — wie sieh die Urkunden im
städtischen Archive ausdrücken — et excellentia, quod aequari
sine dubio poterunl picturae cuicumque, vel preclarae,
quae in Italia reperiri potent." In dem für diese Gemälde
') Von Pordenone linden sich Gemälde, Fresken und Ölgemälde in Treviso
und an vielen Orten in Friaul, in Pinzano, San Daniele, Valeriano,
Spilimbergo , S. Martino di Valvasone, Udine u. s. I".. darunter Werke
von grosser künstlerischer Bedeutung. Die Kenntniss dieser Gemälde
verdanke ich der freundlichen Mittheilung des Conte Giuseppe Uberto
Valentiiiis. Ein höchst beachtenswertes Fresco-Gemälde von Giorgione
ist im Monte di Pietä in Treviso. — Bei dieser Gelegenheit bemerke
ich, dass ich auf meiner kurzen Heise in Friaul, auf deren Resultate ich
noch zurückzukommen denke, in einer Kirche zu S. Gemona ein schönes
wohlerhaltenes Votirgemälde der Augsburger Schule vom .lahre 15(13
fand.
») Die Republik Venedig li.--s Friaul durch einen Logotenente verwalten,
der in Udine seinen Sit/, hatte.
2).Aus den M iscripten des Bibliothi In- ( ollula citirl Haniago, S. 810,
folgende Urkunde: 1513 , 'i(i. Juli. S. Daniele in Ecclesia
knlonii praesentibus etc [bique eonstitutus Ser Hieronimus de
Venusuis Camerarius Venerandae Fraternitatis Sancli Antonii et alii con-
fratres deputati plures tertia parte, ibi ad son campanae •■ solito
congregatl: ubi quidem post maturam consultationem determinenles ad
landein Dei ei ilivi Antonii ornare ejus capelani picturis humanuni
animum ad divinum eultum alicienübus, cum talcm compositio-
ii i' in ei concordiuiu cum eximio ....
•i'.l '
2'>4
angefertigten Contracte verpflichtet sich der Maestro Pelle-
grino anter Anderem, die nothwendigen Farben gut und in
hinreichender Menge selbst zu Hefern und vorzugsweise „azori
lini oltramarini a judicio ili pictori periti." Nach Vollendung
des Werkes behielt sich die Comniuno das Hecht vor, (las
Werk durch erfahrene unverdächtige Maler prüfen zu lassen,
um eu entscheiden, ob es das ausbedungene Honorar von
140 Ducati werth sei. Diese Beurtheilung fand am 19. No-
vember 1821 wirklich Statt, und in einer Commission, zu
der sieben Abgeordnete beigezogen wurden, wurde ein-
stimmig entschieden, dass es diesen Preis verdiene, und
dass diess Werk „vaglia assai et assai piü per esser cosa
exeellente, et laudabile secondo la nostra consideration et
juditio per conscientia." Aus demselben Jahre besitzt die
Galerie der k. Akademie zu Venedig ein mit dein Namen
des Künstlers und der Jahrzahl versehenes Gemälde, vor-
stellend die Verkündiguno' Maria. Zehn Jahre später, im
Jahre 1529, malte er um 100 Ducati ein Gemälde für die
Confraternita di Madonna Santa Maria in Cividale, das sich
bis auf unsere Tage in der Kirche S. Maria dei Battuti
daselbst erhalten hat.
Ausser diesen Gemälden, von denen wir urkundliche
Nachrichten haben , und die sich grösstenteils erbalten
haben, bat Pellegrino noch mehrere andere gemalt, welche
Vasari und Gir. Renaldis <) aufführt , eine Judith im Hause
des Messer Pre Giovanni u. a. m., die aber spurlos ver-
schwunden sind. Aus den letzten zwanzig Jahren seines
Lebens sind uns keine Werke bekannt, sei es , dass zufällig
aus dieser Zeit sich keine grösseren Arbeiten erhalten ha-
ben, sei es, dass, wie es bei manchem Künstler der Fall ist.
die besseren Lebensverhältnisse die Lust zum Produciren
lähmten. Seine günstigeren Vermögensverhältnisse bezeugt
die Nachricht, dass seine Tochter Laura , vermählt mit
einem Ser G. B. Maniaco, einem Bürger in Udine, am
'i.'i. November 1548 eine casa dotale verkauf) hat, welche
sie zu San Daniele in dem Borgo S. Francesco besass, wie
es scheint, nicht lange nach dem Tode ihres Vaters, des
Malers Pellegrino. Sein Tod fällt wahrscheinlich auf den
HJ. April des Jahres 1548. Pellegrino hallo viele Schüler,
unter denen die Friauler Luca Mon verde und Basli-
anello Florigorio hervorragen, und ein Fnbenannler grie-
chischer Abkunft, der. wie Vasari sagt, eine sehr schöne
Vortragsweise hatte und der Manier Pellegrino's folgte. Er
honorirte seine Schüler nach derselben Autorität reichlich.
Pellegrino's künstlerische Thätigkeil erstreckte sich
nicht, wie die letzten ( 'ominentaioren Vasari's*) behaupten,
auf Niellen.
■l In dem seltenen Werk.' „nella pittura Friulana saggio -l-iri li
Monsignor conte Girolamo de Renaldia, canonico della metropolitana dl
Udine«. Udine 1798, 4.. s. 17.
*) Ducheane, Essai sur les niellrs. I'mis 1816. s. 69. Partsch, Die
Kapferstichsammlnng ilcr k Hofbililiothek. Wien 1884, \ asari N., Li
Monier, Bd. IX, S. 29, A 4.
Vasari erzählt, dass Pellegrino von den Herzogen von
Ferrara besonders begünstigt war. Oh sich Werke von ihm
daselbst erhalten haben, ist mir nicht bekannt. Lanzi ver-
muthet , dass seine Werke mit den Arbeiten Dosso Dossi's
und anderer Forraresern verwechselt wurde.
Heu Höhepunkt der Kunstentwickelung Pellegrino's bil-
den ohne Zweifel die Fresken in San Daniele und das Öl-
gemälde in der Kirche S. Maria dei Battuti in Cividale '). Eine
ästhetisch -kritische Analyse dieser Werke ist hier nicht am
Orte; es seien mir nur einzelne Andeutungen erlaubt.
Es ist sicher eine auffallende Thatsache, da Hafael in
einem Udineser Künstler Giovanni de Nanni detto de'Reca-
matori eine so vorzügliche Hülfe fand. Es war nicht bloss
ein Zufall, der dem grossen Hafael einen so tüchtigen Künstler
in Giovanni de Udine linden liess, der es verstand, so schnell
in die Stylrichtung des grossen Urbinaten einzugehen. Die
Richtung Rafael's fand Anklänge bei den Künstlern, die, von
der Schule Giov. Bellini's ausgebend, das Element der
Zeichnung, das Streben nach Formenschönheit, kurz eine
strengere Stylrichtung in anderer Weise ausbildeten, als
es bei den anderen grossen Schülern Giov. Bellini's der
Fall war, welche, wie Giorgione und Tizian, die Kunst der
Malerei in so glänzender Weise fortbildeten. Unter den Friu-
Laner Künstlern, die in strengerer Weise Zeichnung und
Form durchbildeten, stellt Pellegrino Giovanni da Udine
nicht allein da. Vor ihm gab es mehrere Friauler. bei denen
sieh, wie bei der Padnauer Schule, das der Formenschönheil
zugewandte Element entwickelte, und nach ihm waren es
einige seiner Schüler, die theilweise andere Wege gingen,
als die grossen Coloristen der Venetianer Schule.
Unter alT den Friauler Künstlern dieser Richtung
(Pordenone ging andere Wege) war aber Pellegrino der
geistreichste und bedeutendste. In seinen ersten Werken
oft noch trocken und hart, ist seine Formenschönheit, seine
Erfindungskraft in seinen späteren Werken, den erhalteneren
Theilen des Ölgemäldes in Cividale (insbesondere des heil.
Sebastian und des heil. Michael) eine überraschende; ein
Theil der Fresken zu S. Daniele aber — wo die Technik
seiner Geistesrichtung in noch höherem Grade zusagte als
bei den Ölgemälden — gehört nicht bloss zu den schönsten
in der Zeichnung, sondern auch zu dem Vollendetsten, »a-
man in Fresco überhaupt zu sehen vermag.
Der Anblick des Theiles der Fresken, wo in einer santa
conversazione die Heiligen Sebastian. Cromazius und Rochus
') Mit diesem Urtheile stimm! Selvatico in der eben erschienenen popu-
lären „storia dell ti di disegno" Venezia 18S6, II. Bd., s. $04 über
IN heissl daselbsl „Pellegrino da s;mi Daniele, artista reramente mara-
vigüoso, ili »"»ii per apprezare il valore grandissimo bisogna portarsi
nella terra da lui acelta a dimora, ore aranzi anchora alenni freschi
di im rigore »• <li una bellezza «li tinte e ili toui, da meritar la päd alta
amuiirazione. Ha il s apolavoro *• nella chiesn die S. Maria <l'-i Battoti
:i Cividale dei Friuli, in una tavola 'li gran mole, *>*<• sla figurata la Ver-
güte attorninla da \;ui<' Sante, le quali hanno irst«* si \ive si helle >• ben
che difficilmente si possono trorar migliori in altro piltore
contemporaneo "
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stehen, ist ein überraschender; trotz ihrer ruhigen gemes-
senen Haltung scheinen sie wie lebend aus der Wandfläche
heraus zu treten. Auch die anderen durch die Feuchtigkeit
theilweise schon angegriffenen Gemälde lassen noch in ein-
zelnen Zügen die VortrelTlichkeit des Künstlers erkennen.
Da aber glücklicherweise ein Theil des Gemäldes vollkommen
erhalten, die anderen Theile in ihren Hauptzügen noch wohl
erkennbar sind, so erlaube ich mir mit diesen Zeilen die
Aufmerksamkeit aller derer auf diese Werke hinzulenken,
die glauben, dass mit ihrer Erhaltung den Künstlern der Ge-
genwart ein wirklicher Nutzen, den Laien ein nicht unbedeu-
tender Kunstgenuss gesichert wird. Die Gemälde Pellegrino's
in S. Daniele sind figurenreich, und stellen die Kreuzigung
Christi mit den beiden Schachern, Christus in der Vorhölle,
die Anbetung der Magier und, nebst Scenen aus dem Leben
des heil. Antonius, eine Reihe von Geschichten aus dem Leben
Christi und viele einzelne Heilige dar.
Das Ölgemälde in der Kirche S. Maria dei Rattuti ist
in sechs Abtheilungen. In der Mitte ist die Madonna mit
dem Jesukinde thronend, zu ihren Füssen die vier heiligen
Jungfrauen von Aquileja, Tecla , Eufemia, Erasma und Do-
rothea, mit dem Rochus und dem heil. Donat, dem Schutz-
patron von Cividale ; ein Engel spielt zu den Füssen
Mariae eine Cither. Auf den beiden Seitentafeln sind die
erwähnten Heiligen Michael und Sebastian. Die anderen
dazugehörigen Tafeln sind verloren . wie die alte Umrah-
mung in Holz, und die andern Arbeiten Giovanni da Ldine's,
welche einstens in dieser Kirche waren. Die Gemälde
sind in Ol auf Holz gemalt.
Wien im October 18S6.
Die St. Gertrudskirche zu Klosterneuburg.
(Mit einer Tafel.)
Auf der Strasse von Wien nach Klosterneuburg nahe
an dem Eingangsthore des oberen Theiles der letztgenann-
ten Stadt erblickt man rechts ein einfaches schmuckloses
Kirchlein , inmitten eines abgeschlossenen Gartenraumes,
das schon durch die Eigenthümlichkeit seiner Anlage einiges
Interesse erweckt.
So viel aus den dürftigen urkundlichen Nachrichten zu
entnehmen ist, war dieselbe einst zum Gottesdienste des Pilger-
Hospitiums bestimmt, welches ursprünglich die von Leopold
dem Heiligen gegründeten weltlichen Chorherren des Stiftes
Klosterneuburg in der ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts
errichtet hatten, um die nach dem Oriente wallenden Kreuz-
fahrer beherbergen und beköstigen zu können *). Da das
Letztere ausserhalb des eigentlichen Stiftsraumes gelegen
war, so wurde auch ein eigener Chorherr aus ihrer Mitte
bestellt, welcher über das Hospitium die Aufsicht führte.
Als später die Kreuzzüge ihr Ende erreichten und
die Pilger immer seltener wurden, nahm das Stift in das
Hospitium auch alte gebrechliche Leute auf, die unter Aufsicht
eines Chorherrn, der nun den Namen „Spital m eis ter"
(hospitalensis , hospitalarius) erhielt, verpflegt wurden,
und seit diesem Zeitpunkte erhielt die Kirche ohne Zweifel
den Namen „Spitalkirche," wiewohl sie im Grunde genom-
l) Bei einer Schenkung eines Weingartens, welche zur Zeit des Probates
Hartmann unil zwar zwischen 1133 — 1136 Adaibert der Diacon machte,
ist bereits das Hospitium betheiligt, und Maximilian Fischer —
in seinen Anmerkungen zu dem „Codex Traüdiunum ecclesiae Colle-
gialae Claustro neoburgensis , — bemerkt, dass das Spital sammt
seiner Kirche schon in den ersten Tagen des Stiftes erbaut und
zu Ehren des heil. Gotthard ein Altar errichtet worden sei
(Fontes rerum austriacarum. herausgegeben von der historischen Com-
mission der k. Akademie der Wissenschaften , II. Abtheilung: Diploma-
taria et acta, IV. Band, p. 102 und ISO. Vergleiche auch bezüglich des
dem h. Gotthard gewidmeten ersten Altars M. Fischer, Merkwürdige
Schicksale des Stiftes und der Stadt Klosterneuburg, II. Bd.. Beilage
Nr. SS).
men nach der zuletzt vorgenommenen Weihe den Namen
der heil. Gertrudskirche zu führen hat 1).
Nebst dem Gebäude der Verpflegung alter Leute
bestand daselbst in der Mitte des XIV. Jahrhunderts auch ein
eigenes Krankenhaus (Infirmaria) für Stiftsgeistliche, die
wegen contagiöser Krankheiten nicht in dem allgemeinen
Schlafhause der Chorherren belassen werden konnten 2),
und bei dieser lutirmerie erbaute man eineCapelle zu Ehren
der heiligen Barbara und stellte einen eigenen Weitpriester
dabei an, der täglich den Kranken Messe lesen musste.
Unter den seit den ersten Decennien des XVI. Jahrhun-
derts in Österreich sich wiederholenden Einfällen der Tür-
ken litten zwar auch das Stiftspfründenhans und die lutirmerie
sammt der Gertrudskirehe, welche theils in Brand gesteckt,
theils ausgeplündert wurden, aber sowohl das Siechenhaus
als die Gertrudskirche für die Laien wurden wieder herge-
stellt, und nur die lutirmerie sammt der Barbaracapelle auf-
gehoben und für die erstere im Garten des Stiftes ein Haus
gebaut.
Nach dem zweiten Vordringen der Türken nach Klo-
sterneuburg und ihren sich daran knüpfenden Verwüstungen
scheint die Kirche der heiligen Gertrud einer bedeutenden
Restauration unterzogen worden zu sein, welche jedoch auf
den ursprünglichen Charakter derselben keinen Einfluss ge-
nommen haben kann, weil derselbe an ihr noch heute klar
ausgesprochen ist.
Sie zeigt im Grundrisse (Taf. XII, a) ein oblonges
Viereck, an welches sich als Chorraum ein von der gewöhn-
lichen romanischen Apsis abgegränztes Quadrat anschliesst.
Das Schill' dieses Kirchleins wird, und zwar an der Südseite
M Als Capelle Saneta Gertrudis Hospitftlis in Neunburga erscheint sie
zuerst in einem uns mitgetheilten Ablassbriefe für dieselbe rom Jahre
1313. «elidier noch gegenwärtig im Stifte aufbewahrt wird.
2) Fi sc her M., Merk w. Schicks, d. Stiftes u. d. Stadt Klosterneuburg, I, S38
22i> —
vim drei, an der Nordseite von zwei halbrund geschlossenen
Fenstern erleuchtet, welche sich nach der Mitte zu von
innen und aussen in einer Schräge verengen, sonst aber
keine Gliederung aufweisen; der Chorraum wird von drei
Fenstern erleuchtet, wovon zwei an den Seitenwauden des
Quadrates, eines in der Längenaxe des Baues an der Apsis
angebracht sind. Dior Fenster, unzweifelhaft erst später in
ihre gegenwärtige Gestalt gebracht, zeigen gothische Formen
und entsprechendes Masswerk, und sind alle drei gleich
gebildet (Fig. 1 )■ In das Kirchlein führen gegenwärtig
zwei Thüren, wovon die
eine an der Nordseite
zunächst dem Chor-
raume, die zweite an
der Südseite zu Anfang
des Baues angebracht
ist. Letztere dürfte erst
,to;i neuerlich ausgehrochen
sein , aber auch die er-
stere, im Spitzbogen ge-
schlossen mit einfacher
schmuckloser gothischer
Gliederung, stammt nicht
aus der Zeit der ersten Bauanlage. Aussen ist nunmehr das
ganze Kirchlein mit Mörtel beworfen und weder Sockel
noch Gesims deutet auf ein hohes Alter. Nur der Thurm,
welcher sich über dem Quadrat des Chorraumes erhebt (Taf.
XU, b), mahnt in seinem schweren Aufbaue an die romanische
Zeit, für welche die unterhalb seiner Bedachung angebrach-
ten Doppelfenster ein sicheres Zeichen abgeben (Fig2u. 3).
'
( Fig. 2. 1
Die Capitäle der in der Mitte des Fensterraumes angebrach-
ten Säulen sind verschieden und zeigen die Würfelform, ohne
vorragende Orna-
mentik; über dem
Capital liegt eine
breite sieh ausla-
dende Deckplatte
als Träger der bei-
den Abschlussbogen.
Von aussen sind nur
mehr drei Fenster
sichtbar, indem das
(Fig. 3.) vierte w eslliche ver-
mauert und von dem steilen Dache des Kirchenschiffes
verdeckt ist.
Auch das In v der Kirche zeigt wenig Schmuck. Die
meisten Gesimse sind neu. nur die beiden Eckgesimse au
dem Eingange in den Chorraum stammen noch aus der ro-
manischen Periode und bestehen aus einem Rundstabe mit
darüber gelegter Deckplatte. Zu Seiten dieses Eingangs
befinden sich zwei Nischen mit Heiligengestalten, ebenfalls
neuerer Abstammung. Auch die (lache mit Verzierungen im
Geschmacke der Renaissance geschmückte Decke des Sein lies
ist natürlich jüngeren Ursprungs, jedenfalls war aber dieser
Baum schon ursprünglich flach eingedeckt, wie diess einer-
seits aus der nicht sehr bedeutenden Mauerdicke, aus dem
Mangel jeder einer Gewölbsdecke entsprechenden Baum-
gliederung im Innern und Äussern, vorzugsweise aber aus
dem Umstände geschlossen werden niuss , dass die fast bis
an die Decke reichenden Fenster für den Ansatz eines
Tonnen- oder zweier Kreuzgewölbe durchaus nicht situirt
sind. Ob aber diese ursprüngliche Decke irgend ein ver-
ziertes Tafelwerk aufgewiesen oder ob dieser Schiff-
raum vielleicht bloss das Gebülke des ursprünglich jeden-
falls niederen Daches gezeigt habe, können wir nicht bestimmt
aussprechen. Das Quadrat des Chorraumes ist kuppelartig,
die Apsis mit einer halben Kuppel cingow iilht. Erslere Ein-
weihung ist neueren Ursprungs wie das im Innern des Thur-
mes blossliegende Ziegelgew iilbe zeigt. Wir erwähnen
auch des Umstandes, dass der Kirchen- Thurm von innen
keinen selbstständigen Zugang hat. man gelangt in densel-
ben gegenwartig durch eine kleine schwer zugängliche
Thüre, welche sich gegen den Dachraum des Schiffes öffnet.
Der interessanteste Theil im Innern i\i-f Kirche ist der
am Westende derselben aufgebaute Chor, welcher auf zwei
halbrund überwölbten Pfeilern (Taf. XII, c) ruht. Anden
Wänden der minieren Öffnung sind romanische Halbsäulen
angebracht, der Puss derselben zeigl die attische Basis mit
steiler Gliederung und verziertem Eckblatte, das Capital
reich verschlungene Pflanzenornamente mii Thiergestalten,
eine sorgfältige nicht sehr erhobene Arbeit (Taf. XU, d).
Wir haben es bei diesem Aufhaue gewiss nicht mit einem
Musikchor ZU thun, dessen Anordnung weder dem Zwecke
des Kirchleins . noch auch ihrer Zeitstellung entsprechen
würde, eben SO wenig ist die Yorinulhung begründet, dass
227
dieser Chor erst später aufgebaut worden sei, bei welchem
Anlasse die erwähnten romanischen Halbsäulen als Überreste
eines andern Baues hierher versetzt worden seien, für diese
Vermuthung gibt der Aufbau des Chores keinen Anhalts-
punkt — vielmehr müssen wir annehmen, dass diese
Kirche ursprünglich und zwar an ihrer Westseite mit den
eigentlichen Hospitalräumen in Verbindung gestanden habe,
und dass von diesen aus unmittelbar der Eingang in die
Kirche gewesen sei. Aus dem ersten Stockwerke führte sodann
der Eingang unmittelbar in die erwähnte Gallerie — eine
Anlage, welche eine Reihe auf uns gekommener, demselben
Zwecke dienender Baulichkeiten aufweist. Wir erinnern
beispielweise an die Spitaiskirche zu Salzburg. Als später
diese anstossenden Gebäude abgebrochen wurden, mögen
die gegenwärtigen Seiteneingänge, welche, wie bereits er-
wähnt, späteren Ursprungs sind, angebracht, und die beiden
von dem Hospitium einführenden Thüren verlegt worden sein.
Von der erwähnten Infirmerie und der damit in Verbin-
dung stehenden Barbaracapelle sind noch Gebäudetheile
vorhanden; sie werden gegenwärtig als Magazine verwen-
det. Von der Capelle insbesondere haben sich die Kreuz-
gewölbe, sowie die im gedrückten Spitzbogen erbauten und
prolilirten Fenster erhalten.
Hr.
Die Stadtpfarrkirche zu Wels in Oberösterreich.
Von Dr. Ed. Freiherr v. Sacken.
Wels, das Ovilabis derRümerund der Fundort vieler
römischer Alterthümer, erscheint urkundlich schon im frühe-
sten Mittelalter. Es war im VIII. Jahrhundert der Sitz der
Grafen des Traungaues und „in Castro Weles" vergab 776
Graf Mac he Im von Lambach das Gut Pulsing an Freysingen.
Im XI. Jahrhundert kommt es in einer Urkunde als Markt
vor und gehörte dem Kloster Lambach , dann dem Bisthume
Würzburg, von dem es Herzog Leopold VII. kaufte. Um 1150
scheint Wels schon eine Stadt gewesen zu sein '),denn 1 ICO
finden wir schon einen Stadtrichter und Bürgermeister; 1222
nennt es Leopold VII. ausdrücklich eine Stadt.
Bei dieser Bedeutung von Wels war hier ohne Zweifel
schon in früher Zeit eine steinerne und bedeutend grosse
Kirche; denn bis auf Bischof Altmann von Passau (um 1080),
der so grosse Verdienste um die innere und äussere Kirchen-
einrichtung Österreichs hat, waren in Oberösterreich meist
hölzerne Kirchen. Der Sage nach wurde schon zur Zeit des
heiligen Ruprecht, um 700, in Wels eine Kirche zu Ehren
der Heiligen Georg und Mauritius erbaut. Urkundlich kommt
eine „Capeila ad Welas" im Jahre S88 vor, wo Kaiser
Arnulf dieselbe sammt allen dazu gehörigen Gütern und Er-
trägnissen seinem Hofcaplan Zazko schenkte.
Die gegenwärtige Kirche reicht zwar nicht in eine so
frühe Zeit zurück, aber der Unterbau und ein Theil der Um-
fassungsmauern gehört jedenfalls dem frühern Mittelalter an.
Die älteste Kirche warvermuthlich eine flach gedeckte Basilica
mit erhöhtem Mittelschiffe und bei einem späteren Erweite-
rungsbau blieb man dieser Form einigermassen getreu, Hess
auch einzelne Theile der Umfangsmauern, vielleicht auch die
Pfeiler stehen. In ihrer jetzigen Gestalt stellt sich die Kirche
in den Haupttheilen als ein Bau aus der ersten Hälfte des XV.
Jahrhunderts dar. Das Mittelschiff ist bedeutend höher als die
beiden Abseiten, so dass es eigene Fenster über den Pult-
dächern derselben hat, und wird von einfachen, viereckigen
l) Eine Urkunde v. .1. 1 128, in der es so genannt wird, ist offenbar unrichtig
datirt.
Pfeilern ohne Kämpfer, die durch Spitzbogen mit einander
verbunden sind, getragen. Die Rippen der einfachen Kreuz-
gewölbe ruhen auf Halbsäulen ohne Capitäle, welche aber
nicht bis herablaufen, sondern ober den Pfeilern auf Consolen
stehen. Die flach geschlossenen Abseiten sind ebenfalls mit
einlachen Kreuzgewölben bedeckt, deren Rippen ohne Ver-
mittlung aus den Wänden hervortreten. Dasselbe findet bei
dem hohen, weiten Chore, der wie gewöhnlich dreiseitig aus
dem Achteck geschlossen ist, Statt.
Von hohem Interesse ist das uralte, rundbogige Haupt-
portal. Es hat in den Anschlagsmauern auf jeder Seite zwei
starke Säulen mit abgestumpften Würfelcapitälen von plumper
Form. Von den Säulen (Fig. 1),
dem Eintretenden zur Linken , hat
die vordere einen Schaft mit einge-
schnittenen Windungen, die andere
eine vertical herablaufende Zick-
zackverzierung und Flechtwerk.
Die hohen Decksimse über den
Capitälen ziehen sieh auch über die
Mauerecke zwischen den Säulen
hin; diese hat die Kante eingeblen-
det und Halbkugeln in der Einblen-
dung, ihr Capital bilden zwei Adler.
(Fi?. i.) welche einen Menschenkopf zu
zerreissen scheinen. Die Säulen rechts haben glatte Schäfte,
an der Mauerecke zwischen ihnen sind zwei hinauflaufende
Thiere (Katzen), deren oberes einen /.wei-
theiligen Schwanz hat. ausgehauen. Ober den
Säulen ziehen sich die im Rundbogen ge
führten Wulste herum. Am Thürstocke ist
rechts eine äusserst roh gearbeitete Maske,
links ein hinauflaufendes, fratzenhaftes Unge-
thttm, das sich umsieht . angebracht (Fig. '-).
Diese Ungeheuer symbolisiren, mit Bezug auf
die Apokalypse, die bösen Mächte, welche
(Fi". 2.) ausser die Kirche gebannt sind und den Ein-
— 228
tretenden erinnern sollen, vor ihnen auf seiner Hut zu sein.
Der Einfacheit und Rohheit der Sculpturen und der Glie-
derung der Gesimse nach dürfte dieses Portal wohl ins
XI. Jahrhundert zu setzen sein.
In den drei ort FUSS Indien Fenstern des Chnrschlusses
besitzt die Kirche herrliche Hoste alter Glasmalerei. Die
Fenster sind dreitheilig, in den Bogenfeldern mit einfachem
Masswerk versehen, und prangen von (dien Ins unten im
schönsten Farbenschmucke '). Das Fenster auf der Epistel-
seite enthält Darstellungen aus dem a Iten Test am e nte; in
den unteren drei Reihen T Propheten (zwei Tafeln sind
Hindern) unter Baldachinen stehend, jeder bat einen Streifen,
auf dem sein Name steht. In der Hand: die Köpfe sind schön
und ausdrucksvoll. In der vierten Reihe sind in der Mitte die
drei Könige des alten Hundes dargestellt, rechts „Salomo"
auf dem Throne, das Scepter in der Hand, vor ihm steht die
Mohrenkönigin „regina" von Saba, links David und Saul
gekrönt, Schriftbänder in den Händen. Die fünfte Reihe
zeigt Muses heim brennenden Dornhusche, die Geburt
[saaks und das Opfer Melchisedeck's; die sechste und
siebente Reihe Tugenden und Laster: „Superbia,"
.■in Schwert in der Brust, — „felicitas" (?), — „prudentia",
— „abstinentia", die Hand vor den Mund haltend. — „casti-
tas.- Oberhalb erblickt man architektonische Verzierungen.
Das Fenster der Evangelienseite stellt das neue
Testament dar in dem Baume des Lebens. Der
ganzen Länge des Fensters nach steigt ein Baum empor, um
dessen Stamm sich die Schlange windet, rechts steht Eva,
links Adam: die verschlungenen Zweige bilden Liinetten,
welche die Passionsgeschichte enthalten: den Ölberg,
Judaskuss (der Verräther hat ein schwarzes Gesicht, die
Soldaten haben Pikelhauben und Ringelpanzer), Christus vor
Pilatus, die Geisselung, Dornenkrönung und Kreuztragung. In
der Mitte des Hauines ist die grosse Hauptlünette : Christus
am Kreuze — die Vollendung des Erlösungswerkes, der
Sieg über die Schlange, welche sich unten hinaufwindet.
Der Stamm des Kreuzes wird hier, entsprechend einer alten
Tradition, vom Baume des Paradieses gebildet. Vortreff-
lich ist der Ausdruck des leidenden Erlösers, Maria sinkt
heim Kreuze vom Schmer/, gebrochen zusai eii. Johannes
ist tief ergriffen, — es ist ein liild voll Empfindung. Cm diese
DarsI 'liuiig. welche den Centralpunkf des Ganzen bildet,
sind vier kleinere Liinetten mit den Büsten der Propheten,
welche besonders Christum verkündeten: auf den Spruch-
1 1 Sehr dankenswert!] ist die Restauration dieser Glasmalereien , welche in
den Jahren 1840 und IS41 von dem nochw. Herrn Pfarrer I den Herren
Coperatoren mil grosser Umsicht und :»us<1: rndem Fleisse rorge-
i neu wurde. Es hatte sich auf den Glasscheiben eine Kruste gebildet,
welche der Lauge, selbsl «I Scheidewasser widerstand und die
hochw. Herrn Hessen sich die grosse Muhe nieM \erdriessen . die s< in-i-
ben anszulösen und mit Schabeisen die Kruste vorsichtig wegzunehmen,
wodurch die Gläser wieder die ursprügliche Schonheil der Farbe und die
Transparenz erhielten . welche eine s<> herrliche Wirkung hervorbringt
s Husealblatt, Linz (841, Nr. 33
händern steht: llic ate vulneratus est. - — ■ hie [icccata nostra
portavit (2 Male). — hie moesti sanantur. Oben ist die Fort-
setzung der Erlösungsgeschichte in den aus den Asten dos
Baumes gebildeten Feldern : Die Kreuzabnahme, Grablegung,
Vorhölle, Auferstehung. Christus mit Magdalena im Garten,
endlich die Himmelfahrt; im Masswerke als Spitze des
Ganzen das Lamm mit der Fahne.
Das Mittelfenster ') ist viertheilig; in der Mitte, die
ganze Breite des Fensters einnehmend, — also gerade über
dein Altare. — ist das Abendmahl Christi dargestellt von
sehr guter Anordnung. Judas hat als Verräther wieder ein
schwarzes Gesicht, zwei Kugel halten obenSchriftstroifcn zur
Erklärung. Unter dieser Hauptvorstellung sieht man die vier
Evangelisten schreibend, darübersteht: „Adjuvat orantes
patronus Johannes aterque" und einfache Arrhiloctiir. Der
Obertheil des Fensters ist Darstellungen aus dein Lehen der
beiden Johannes, der Kirchenpatrone, gewidmet. 1. Johannes
der Ev. steht betend, vor ihm Christus der ihn segnet:
2. er entkräftet in Gegenwart des Kaisers Domitian das
Gift in seinem Becher: '<>. er segnet knieend den Olkessel. in
dem er 4. gesotten wird, ohne Schaden zu nehmen. Ober
diesen Bilden ist Architectiir, dann folgt: 1 . die Geburt Johan-
nes des Täufers. — Elisabeth hält das Wickelkind auf den
Armen ; — 2. der Heilige in der Wüste mit dem Lamm,
zu dessen Vorehrung er auffordert; ;?. die Taufe Christi;
4. Johannis Enthauptung. Das Masswerk im Bogenfelde des
Fensters enthält das Antlitz Christi, die Symbole der Evan-
gelisten sowie die tief bedeutsamen des Erlösers: den
Pelikan, der mit seinem Blute die Jungen nährt, und den
Löwen, der seine Jungen zum Lehen erweckt.
Diese Glasgemälde sind ebenso ausgezeichnet durch
die sinnige Wahl und Anordnung der Vorstellungen, als
vortrefflich in der Ausführung; sie bekunden einen tief
denkenden Künstler von feiner Empfindung und tüchtigem
Studium, denn die Bewegungen der Figuren sind lebendig,
die Köpfe voll Ausdruck, die Zeichnung fast durchaus sehr
gut. Sie sind ziemlich frei von dem in der Glasmalerei
dieser Zeit herrschenden Typus, die Charakteristik, z. B. der
bei dem Abendmahle sich besprechenden Apostel, der beim
Kreuze hinsinkenden Maria u. s. w., ist tiefempfunden; die
Gewänder zeigen eine freie Behandlung. Ebenso sind die
Ornamente und architektonischen Verzierungen sehr schön;
vor allem aber muss die leuchtende Pracht der dunklen
Farben bewundert werden, in welcher Beziehung Oberhaupt
die Periode am Schlüsse dos XIV. und zu Anfang des XV.
Jahrhunderts alle folgenden weit übertrifft.
Die Kunst der Glasmalerei wurde in Oherüstorreich
stark geübt und zu einer hohen Stufe der Vollkommenheit
gebracht. Durch die Nähe von Baiern, wo die Glasmalerei
zu Ende des X. Jahrhunderts schon in Anwendung kam (zu
*) Durch sehr zweckmässige Aufstellune; eines i n . niedrigen Alleres
isi dieses l-Ynsier, d:is durch den frühem barocken Hochaltar ver-
stell) » ar. n ieder ganz sichtbar.
229 —
Tegevhsee) vielleicht auch erfunden wurde, mag sie sich schon
in früher Zeit nach Oberösterreich verpflanzt haben. Wenn
auch keine so alten Erzeugnisse mehr auf uns gekommen
sind, so bezeugen doch die trefflichen Glasmalereien von
Wels, St. L e o n h a r d, S t e i e r, K r e in s m ü n s t e r, Salz-
burg u. st. 0., welche zu den besten Werken dieser Art in
Deutschland gehören, dass schon eine längere Kunstübung
vorhergegangen sein müsse. Besonders dürfte Kremsmünster,
um welches sich die Cultur eines bedeutenden Theiles des
Landes gruppirt, hierin thätig gewesen sein; unter dem Abte
Friedrich von Aich (1273 — 1315) lebte der Laienbruder
Her wick, der die Stiftskirche mit Glasgemälden schmückte
und ein vorzüglicher Meister in dieser Kunst genannt wird.
In der Halle des an die Westseite der Kirche ange-
bauten Thurmes, durch welche man zum Portal gelangt,
sind sieben Gvabmäler der Familie Polheim aus der von
dieser Familie 1230 gestifteten, jetzt aufgehobenen Mino-
ritenkirche hieher versetzt '). Das Grabmal Bernhardts,
Bischofs von Stuhhveissenburg (-J- 1508), ist eine Tumba,
auf welcher das Bild der Verwesung — ein Leichnam mit
Todtenschädel, der von Kröten, Schlangen und Eidechsen
verzehrt wird — dargestellt ist. Dabei sieht man ein aufrecht
stellendes, grosses Belief: Christus am Kreuze, Engel fangen
das Blut aus seinen Wunden auf, zu beiden Seiten Maria
und Johannes von schmerzlichem Ausdruck, unten das rit-
terliche und bischöfliche Wappen, bei denen der Verstor-
bene als Bitter in der Rüstung und als Geistlicher im Pluviale
kniet. Es ist eine sehr tüchtige Arbeit, lebendig und geist-
voll in der Ausführung. Die Tumba des Freiherrn Cyri-
acus von Pol hei in (■[■ 1533) zeigt den Verstorbenen in
einer cannelirten Rüstung mit aufgeschlagenem Visier, in
der Beeilten eine Fahne, ebenfalls sehr gut und lebendiu.
Ebenso sind die Grabsteine Weickhard t's (f 1551),
Wolfs (f 1559), Andreas, „dreier Rom. Kaiser getreuen
Bathcs" (f 1589) und Sigm u nd's (f 1(322). deren jeder
das lebensgrosse Portrait des Verstorbenen in voller Büstung
darstellt, tüchtige Arbeiten und auch wegen der verschie-
denen Harnischformen interessant.
Noch muss eines römischen Grabsteines erwähnt
werden, der aussen au der Kirche eingemauert ist und die
Büsten des verstorbenen Ehepaares in ziemlich roher Arbeit
zeigt, aus später Zeit. Vortrefflich dagegen, und wahrschein-
lich aus der Zeit der Antonine, ist gegenüber der Kirche ein
rundes Hautrelief; es stellt die Büste eines Mannes dar. in
der Hand eine Bolle haltend, zur Seite seine Frau, welche
die Hand auf seine Schulter legt. Die Köpfe sind sehr leben-
dig und ausdrucksvoll. Dieses Denkmal würde jedem Mu-
seum zur Zierde gereichen.
Über die Vollendung des Gurker Dombaues.
Von J. Freiherrn v. Ankershofen.
In meinem im Februarhefte dieser Mittheilungen 2)
veröffentlichten Aufsatze über die Zeitstellung für den Gurker
Dombau habe ich die Vermuthung ausgesprochen, dass der
Bau noch vor dem Ende des XII. Jahrhunderts vollendet
worden sei. Seit jener Veröffentlichung sind mir zwei Ur-
kunden des Gurker Archives bekannt geworden, welche,
wie ich glaube, keinen weitern Zweifel übrig lassen,
dass der Bau des Gurker Domes noch vor dem Anfange
des XIII. Jahrhunderts vollendet gewesen sei und für diese
Zeit nur noch ein Theil der inneren Ausstattung erübrigte.
Mit einer jener Urkunden bestätigte Bischof U 1 s c h a I k
von Gurk dem Chorherrnstifte in Gurk am 23. August des
Jahres 1218 die demselben von seinen Vorfahren verliehe-
nen Rechte und Besitzungen nebst den zu Gunsten des
Stiftes gemachten Stiftungen. Unter diesen Stiftungen wird
nun ausdrücklich einer Stiftung des Bischofes Walt her
erwähnt =), vermöge welcher dieser ein Gut bei Gunsdorf
an der Mur, welches er mit Einwilligung des Markgrafen
*) Die Inschriften sind in den Berichten des Wiener Alterthumsvereines
I, S. 30(5 vom k. k. Hauptmann L. Furtmoser publicirt.
2) S. 22 bis 25.
*) — inconvutsa servari decernimus. Privilegium etiam confirmationis Wnlt-
li-i i super liis omnihus , nee non et actum ejus, scilicei c lercium pro
praedio, quod apud Gunsdorf joxta Muran a duobus fratribus, videlicet
Winthero et Götfrido de Cronowe, ministerialibus Heinrici Marchionis
llyslriae, pro eentum ae X mareis comparatum , privilegioque Marchionis
Heinrich von Istrien von den Brüdern Winther und Gottfried
von Cronowe (Kronau). Ministerialen des Markgrafen, für
hundert und zehn Mark erkauft hatte . dem Chorherrn-
stifte mit der Bestimmung abtrat, dass für ihn ein Jahrtag
gehalten werde und an das Nonnenkloster jährlich zehn
Pelze zu dem Ende abgegeben werden sollen, damit, sobald
der über dem Thore des Münsters westlich
zwischen den Thürmen begonnene Bau eines
Altarcs vollendet sein würde, auf diesem Altare
wöchentlich eine Seelenmesse für Bischof Walther gelesen
werde.
Dem Altare. auf welchem die Seelenmessen für Bischof
Walther gelesen werden sollten, kann nach den urkund-
lichen Andeutungen nm\ mit Rücksicht auf die Örtlichkeiten
über dem Kirchenportale und in dem westlichen, zwischen
den Thürmen befindlichen Bautheile, kein anderer Platz
angewiesen werden, als in der durch den Bälgekasten leider
rolioralum, Gurcensibus canonicis ad ipsius agendum Anniversarium con-
tulil, lt e c e in q u e pellicia in elaustro SOrOTlbuS a n n u a I i in
inde dari constituit, ea ratione, nt cum perfectuin
l'ui'i'it altare super ja um am i tasterii ad oeeid entern
iuter tu r res, omni septimana semel super ipsum altare
in i s s ;i pro il e tu n e l i s in e o in m e in o r;i t i o n e in i p s i u s ccle-
bretur. .Nee non et confirtnationem ipsius Waltheri super praepositura
in valle S. Mariae Gyriove ef reliqua in ipsius Cyrographo suli titulo
confirmationis coniprehensa.
30
230 —
sehr verstellten Nische, welche sich in der Mitte der östli-
lichen Schlusswand des über den beiden innern, durch das
innen' Hauptportal geschiedenen Vorhallen aufgebauten,
durch die Neiden Thürme Qankirten Nonnenchores befindet
und über welcher das Bild der thronenden Maria mit dem
Christuskinde und die Bildnisse der beiden Widmer ange-
bracht sind. Da nun der Nonnenchor zu den westlichsten
und somil zu den letztaufgefuhrten Theilen des I »eines
gehört, so ist es klar, dass zur Zeit, als der Hau des Altares
im Nonnenchore begonnen wurde, der Hau dieses Nonnen-
chores und somit auch der des Domes bereits vollendet
gewesen sein müsse.
Walther war dem Bischöfe Ekkehard, welcher noch am
14. April 1200 urkundlich verkömmt1), in demselben Jahre
1200 nachgefolgt»). In den Jahren 1201 und 1202 erscheint
er mich als Electus s) ; am 26. Mai 1203 aber urkundlich
lierritsals Bischof von Gurk*). Zuletzt erscheint er urkundlich
im Jahre 1213. und dieses Jahr wird von der Salzh. Chronik
als das Todesjahr des Bischofes Walther angegeben5).
Wann innerhalb des Zeitraumes von 1200 bis 1213
Bischof Walther den Jahrtag und die Seelenmessen gestiftet
habe, ist aus den bisher bekannten Quellen für die Gurker
Geschichte mit Bestimmtheit nicht zu ermitteln und es kann
daher auch nicht mit Bestimmtheit die Zeit angegeben wer-
den, in welcher der Bau des Altares im Nonnenchore , auf
welchen die Seelenmessen für Bischof Walther zu lesen
waren, als bereits begonnen angenommen werden müsse.
Da jedoch Bischof Ulschalk in seiner Confirmationsurkunde ')
zuerst einer Confirmationsurkunde Walther's, dann der
Stiftung des Jahrtages und der Seelenmessen und zuletzt
der durch Bischof Walther am 26. Mai 1203 erfolgten
Bestätigung der Rechte des Gurker Capitels auf die Praepo-
situra in valle Sancte Maria Gyriow (Geyrach in Untersteier)
erwähnt . und anzunehmen ist, dass Walther die zuerst
erwähnte Confirmationsurkunde erst als bestätigter und
geweihter Bischof ausgefertiget, somit auch die später
erwähnte Jahrtags- und Messenstiftung bereits als bestätig-
ter und geweihter Bischof, jedoch vor der zu letzt
erwähnten Confirmationsurkunde vom 26. Mai 1203 gethan
habe, so muss auch angenommen werden, dass der Bau des
Nonnenchores, in welchem die Aufrichtung des Altares,
worauf die Seelenmessen für Bischof Walther zu lesen
waren, und somit auch der Domhau bereits vor dem Jahre
I 203 vollendet worden sei.
Dass es sieh in den ersten Decennien des XIII. Jahrhun-
derts nur mehr um die kirchliche Ausstattung im Innern
des Gurker Domes gehandeil habe, geht auch aus einer
andern Gurker Urkunde hervor. Dieser Urkunde zufolge
opferte Propsl Otto von Gurk am Feste der Einweihung des
Kreuzaltares in Gurk im Jahre 1216 zwei Mausen, welche
er von dem Capitel für 40 Mark Friesacher Öffentlicher
Münze übernommen hatte, auf dem Kreuzaltare, damit die
Altarweihe von dem ganzen Capitel jährlich am Maria-
Lichtmesstage gefeiert werden solle. Aus dieser Bestim-
mung geht klar hervor, dass die Weihe des Kreuzaltares am
2. Februar 1216 vorgenommen wurde, und dass daher der
Hau dieses Kreuzaltares schon vor dem 2. Februar 1216
begonnen habe und der Theil des Domes, in welchem der
Kreuzaltar aufgebaut wurde, schon früher vollendet gewesen
sein müsse. Nun können wir aber dem Kreuzaltare im
Gurker Dome keinen andern Platz anweisen, als den am
Schlüsse des Mittelschiffes zwischen den beiden Krypta-
eingängen an der Schlusswand, über welcher sich der
Herrnchor erhebt, wo sich auch gegenwärtig der von Donner
auf Bestellung des Propstes Franz Anton (l?lö — 1744)
für den Preis von 3000 fl. gegossene Kreuzaltar befindet.
Fs würde schon dieses Vorkönnnniss dahin deuten, dass das
Langhaus, in dessen Mittelschill' der Kreuzaltar zu stehen
kam, schon vor dem Jahre 1210 aulgebaut gewesen sein
müsse, wenn es sich auch nicht schon aus der Messon-
stiftung des Bischofes Walther ergeben würde, dass auch
der Bau des westlichen, letzten Haiitheiles . und somit der
ganze Dombau wenigstens schon vor dem 2(i. Mai 1203
vollendet gewesen sei.
Das Baptisterium zu Concordia bei Portogruaro in der Provinz Venedig7).
In Concordia, einem kleinen Dorfe, das auf den Ruinen
der gleichnamigen römischen Colonie erbaul wurde, steht
*) Siehe meine Urkiindcnre^esleii im 14. Bande des Archires für die Kunde
oslerieirliisili.-i !.»■ i-liirlil M|iicllen Nr. ;J83.
-| Kkrhiirilus (iiiici'iisis i'piscd|ms nhiil et nii sueeedil Waltherus abbas de
Tisintin i tnnalea S. Rudberti Salisburg. v. .). 1200 in Pen Hon. Germ.
hist. S. S. IX. p. 77'.l|
•) liegeM.-n Nr. 603, 606, 607.
') Ebendaselbst Nr. 627.
i Waltherios Gorcensifl episcopus obiil Annal. Salisb., z. .1. 1213 bei Perz,
|.. 780
••I Siehe Note 2.
*) Nach einem an ']!•• k. k. Central - Commission in italienischer Sprache
sai i Zeichi ngesundten \nfs:il/.e des Moiini^nm' t.iovanni
Huschietti, ' ticus an der Kathedrale tu I lordia. D. Red.
neben der Kathedrale eine Capelle, die in Form eines grie-
chischen Kreuzes erbaut , seil acht Jahrhunderten als Bap-
tisterium (Baptisterii ecclesia) verwendel wird. Sie umfassl
einen Flächeninhalt um 08-47 Ouadrat-Melres. ist halbkreis-
förmig aus Ziegeln aufgebaut, mit Dachziegeln gedeckt und
mit breiten Marmorquadern gepflastert. Innen ist sie getüncht
und zum Theil auch al Fresco bemalt; an der äussern Mauer
fehlt dagegen die Tünche SO wie jede andere Eigentüm-
lichkeit, da einige au der Wand ausgehöhlte .Nischen nicht als
solche angesehen werden können.
Aus den Documenten des Capitular-Archivs geht her-
vor, dass das llaplisteriuin von Bischof Hoginpolo. der
gegen Ende des M. Jahrhunderts zur Zeil II rieh's I..
231 —
Patriarchen vonAquileja, gelebt hat, begründet worden ist. Es
kann daher als fast gleichzeitig mit dem berühmten in Ruinen
liegenden Baptisterium von Aquileja ') angenommen werden,
und von der Bevölkerung des Ortes wird es auch gleich
jenem2) die Heidenkirche (la chiesa dei pagani) genannt3).
Abgesehen von den in dem langen Zeitlauf unvermeidlichen
Beschädigungen der Malerei, ist das heilige Gebäude seit den
im Jahre 1842 stattgehabten Restaurationen noch ziemlich
gut erhalten.
Wie aus dem hier folgenden Grundrisse Fig. 1 zu ent-
nehmen ist, führt gegen Westen eine Thür in den ersten
rechtwinkeligen 9-30 Quadrat-Metres umfassenden Flügel;
derselbe hat ein fla-
ches Dach : seine
nördliche Mauer ver-
bindet ihn mit der
Saeristei der Kathe-
drale, welche ehemals
an der Innenseite
mit Frescomalereien
und Inschriften ge-
schmückt war, von
denen jedoch nur
mehr wenige Spuren
(Fig. l.)
übrig sind. Aus iWu letzteren lässt sieh übrigens noch
entnehmen, dass sie als Arbeiten aus dem XI. oder XII. Jahr-
hundert zu betrachten sind. In dieser Vorhalle ist »echts auf
dem Boden das Grabmal des oberwähnten Prälaten und
Gründers, ein rohgearbeitetes Monument aus Steinplatten
aus Istrien, auf dessen Deckel folgende Inschrift zu lesen ist:
+MKLE NOPCIRE PSVL RECINPOTO SVBM€
+T€RRA FIT €T PVLVIS PVL?ER F/ICISIeIMO
+ ASPICIENS TVMVLV TAISERENNJO SNSPICECELVM
+AD DNM CELI DIC MISERERE SIBI
+ DIC QVS SALWSERIT NISI CVI 1TETVÄISERERIS
+ SALVA PLASMA TVÜ N REPVTANS MERITVM
+OBIITV Uli lüVS NOV SPERANSIEOC^SALVSFAC
SPERANTES I SE.
L
VT SIT
€I-RE
QVIES
CLAfTlA
BAPTIS
TAIHÖ
Durch eine zweite Thür, welche der ersteren gegen-
über angebracht ist, gelangt man auf dem Atrium über eine
Doppelstufe in das Innere der Gapelle. Dasselbe umfasst
einen von vier Wanden eingeschlossenen Baum von 43-S5
Quadrat-Metres ; in der Mitte darin befindet sich das Tauf-
') So eben wird iilier Anregung der Central-Commission die Restauration
dieses berühmten ßaptisteriurns von Anqnileja eingeleitet. A. d. Red
2) Nicht eigentlich das Baptisterium, sondernder daranstossende Raum,
welcher die Verbindung mit der Kathedrale von Aquileja herstellt . wird
die „Chiesa dei pagani" genannt. A. d. Red.
ä) Bertoli, Antiq. Aqnilej. p. 401; de Rubels, de ritih. aqnileji cap. '•£?.
p. a?2.
hecken, von einer kurzen Säule getragen, deren innere
Höhlung mit dem Aquäduct communicirte, welcher sicherlich
zur Zeit, als die Taufe noch durch Eintauchen Statt fand,
zur Entleerung eines grösseren Taufbeckens (alvens
baptesimalis, Piscina) benützt wurde, von dem aber bis jetzt
keine Spur aufgefunden werden konnte. An den Wanden ist
keine Ausschmückung bemerkbar, mit Ausnahme eines al
Fresco gemalten Bischofs an der rechten Seile des Winkels
im Südwesten.
Dagegen ist die 9*50 Metres über dein Boden erhabene
Kuppel ganz mit alten Fresken bedeckt, welche, ausser einer
Guirlande aus Laubwerk und Blumen in den Zw ischenräumen
der Fenster, die Gestalten von acht Heiligen in dem untern
Umkreise und das Bild des Erlösers mit einem Engel und
zwei Seraphen an der Wölbung darstellen. Diese Gemälde
scheinen jener Periode anzugehören, in der das Wieder-
erwachen der schönen Künste fallt. Sie sind ziemlich gut
erhalten und nur an den acht erwähnten Heiligenbildern
sind einige Beschädigungen wahrzunehmen.
Der östliche Flügel, der sich zwei Stufen über dem
Pflaster des vierseitigen Inneren erhebt, bilde! ( Fig. 2 ) einen
halbrunden Chor von
S62 Quadrat-Metres
Flächeninhalt. Er hat
eine Halbkuppel über
einem Fenster, unter
welchem sich ehe-
mals ein kleiner Altar
befand, der. wie es
(Fig. 2.) der alte Gebrauch
in den Baptisterien mit sich brachte, und wie aus der ober-
wähnten Grabinschrift des Bischofs Reginpoto hervorgeht,
dem h. Johannes geweiht war. Die ganze mit vier Nischen
cannelirte Wand dieser Halbruudung ist mit Fresken in einem
doppelten Style geschmückt. Ein Theil ist sehr roh . den
Gemälden in der Krypta und dem Chore der Patriarchal-
basilica vonAquileja entsprechend1); dir andere Theil ist
in besserer Manier mit dem Datum lö;!ö und offenbar aul
älteren Arbeiten ausgeführt.
Die beiden anderen Flügel springen im Halbkreise nach
Si'ulen und Norden vor, jeder missl 5*0 Quadrat-Metres. Sie
sind über dem Boden in der Höhe des erwähnten Chores
erhoben, ebenso mit einer Halbkuppel über einem engeren
Fenster und mit Nischen in den Wänden versehen, die jedoch
jedes künstlerischen Schmuckes entbehren.
Das Baptisterium zu Concordiä hat, wie nach dieser Dar-
stellung niehi zu bezweifeln ist. sowohl in religiöser als künst-
lerischer Beziehung einen hohen Werth. Nebst seinem hohen.
auf acht Jahrhunderte hinaufreichenden Aller und der guten
Erhaltung verdient die Eigenthümlichkeil der Architectur und
der Charakter der alten Fresken besondere Aufmerksamkeit.
!) Bertoli, Antiq. Vquilej. pp. 364, 369, 370.
30*
23'i
Bericht über einige Baudenkmale Croatiens.
Von Johann y. Kukuljevic., k. k. Conservator für Croatien.
Im Königreiche Croatien gehörl das Warasdiner Co-
inii;it nicht mir zu den fruchtbarsten und bevölkertsten, son-
dern es ist auch eines der reichsten an alten Baudenkmalen.
K- hat zwar auch dieses Comitat, gleich den übrigen öster-
reichischen Theilen Croatiens, von den früheren fortwähren-
den Streifzügen der wilden Osmanen viel gelitten, allein da
ihre Herrschaft daselbst nie einen festen Fuss fasste, so
blieb hier so manches Denkmal unversehrt, während im süd-
lichen Theile des Landes, in Türkisch-Croatien und au der
Gränze Bosniens, die alten Baudenkmale, besonders die dem
christlichen Cultus geweihl waren, bis auf den Grund zer-
stört w urden.
Ausser den gut erhaltenen alten Schlössern Warasd,
Ludbreg, Bukovec, Rasmja, Trakostjan, Kle-
uo vnikund mali Tabor, bekränzen die von Ost nach West
sieb dehnende Bergeskette des Warasdiner Comitats folgende
Ruinen: Kop reinitz (Koprivnica), Küvar. Vingrad,
Kreutz, das uralte Königsschloss und Gränzfestung gegen
Ungarn, Kalnik, Reka, Canjevo, Grehen, Melen,
Bela, Ivane c, Kamenica, Jalsevnik, Vinie,a, Ko-
niar, Gotalovec, Osterc, Be lec, Lo hör. Krapina.
Komor. Kostel und Cesargrad, mit den Schlössern
der Murinsel: Strigovo, Lapseina, Catcovec,
Turnisde und Legrad. Ich werde diese säinmtliehen
Schlösser und Burgruinen, nebst den übrigen von ganz
Croatien und Slavonien an einem anderen Orte ausführlicher
besprechen, und will hier bloss jene Baudenkmale erwähnen,
die ich auf einem eigends zum Zwecke der Erforschung
gemachten Ausflüge im Warasdiner Cumitate flüchtig besich-
tigen konnte.
1. Mein erster Besuch galt dem Pfarrorte Macinec
im Cakathurner Bezirke, in welchem man die alte Pfarr-
kirche niederzureissen und nach einem gemachten Plane
ganz neu aufzuhauen beabsichtigte. Es war mir bekannt,
dass diese Kirche zu den ältesten des Comitats zählt, daher
widmete ich ihr vor allem meine Aufmerksamkeil. Ich fand
w irklieb den Chor und den Thurm <\vv Kirche ( einstens bloss
eine Capelle zum Pfarrorte Nedelisde gehörig ) im gothischen
Style erbaut, Schiff und Sacristei M im XVIII. Jahrhunderte
zugebaut, zu der Zeil nämlich, als man im Jahre 1789 da-
selbst eine Pfarre stiftete. Dieser zugebaute Theil isl nun
ganz haufällig und die Kirche brauch! fürwahr eine gänz-
liche ßenovirung. Allein der alte Chor und der Thurm, von
festem Materiale gebaut, sind in gutem Zustande und be-
nöthigen bloss eine neue Bedachung nebsl unbedeutenden
Reparaturen.
her sechseckige Chor der Kirche mit einem Kreuz-
gewölbe, dessen Gewölbsgurten an den Wänden auf Conso-
leu ruhen, trägt die Zahl I.Ä.AA (14S5?). Diese Inschrift,
von einem Engel getragen, ist auf einem Knaufe angebracht,
während die übrigen mit Wappen-Schildern und Figuren
geziert sind. Das einst spilzbogigo Fenster ohne Füllung isl
nach oben vermauert und bildet nun von aussen ein Viereck,
während von innen noch die ursprüngliche Form sehr deut-
lich ZU sehen ist. An der andern Abseite des Chores isl die
Wand durchgebrochen, und die neue ebenfalls baufällige
Sacristei angebaut.
Ich verwendete mich hei der hohen k. k. Statthaltern.
so wie auch beim k. k. Warasdiner Coinilats-Amle dafür.
dass dieser gothische Chor, nicht wie es im Plane stand,
mit den übrigen Theilen der Kirche niedergerissen, sondern
in seiner ursprünglichen Form hergestellt und dem Körper
der neu zu erbauenden Kirche als eine Capelle angeschlossen
werde, zugleich machte ich den Vorschlag, anstatt des
neuen, laut dein Baupläne von Holz zu erbauenden Kircli-
thurmes, den alten gemauerten Thurm auch bei der neuen
Kirche zu belassen. Der Erfolg dieser Vorschläge hängt
mm von weiteren höheren Anordnungen ab.
2. Nedelisce, im Cakathurner Bezirke, mit einer ein-
schiffigen Pfarrkirche im spätgothischen Style (erbaut um
das Jahr 14(50 >'). Der dreiseitig geschlossene ("bor ist
mit einem Kreuzgewölbe versehen . dessen zehn Hippen
mit Diensten an der Wand auf Consolon ruhen. An das
Schiff der Kirche , dessen Gewölbe acht Halbsäulen tragen,
sind in der neueren Zeit zwei Capellen angebaut. — Die
vier Fenster des Chores sind sonderbarer Weise nicht spitz,
sondern rundbogig, was diesem Theile der Kirche das An-
sehen eines romanischen Baues gibt. Hinter dem grossen
Altar ist ein rundes Fenster ohne Füllung angebracht, und
das Schill' der Kirche (wahrscheinlich später zugebaut) hat
zwei viereckige Fenster.
An der rechten Abseite des llochallares helindel sich
ein schöner, im rein gothischen Style erbauter Taufetein.
Er bildet die Form eines hohen schlanken Brunnens mit
schönen architektonischen Ornamenten geziert. (Hier dem
in der Mitte angebrachten zweiflügeligen Sehreine, in
welchem man einstens das heilige Dl aufbewahrte, stehen
auf Consolen unter Baldachinen drei Statuen des Erlö-
sers, der heiligen Jungfrau Maria und des heiligen Johannes
Evangelisten. Dieser Taufslein gehört unstreitig zu den
schönsten Baudenkmäler der ganzen Murinsel, und ich werde
eine Zeichnung desselben der k. k. Central-Commission
vorlegen.
i| Vor 80 Jahren waren daselbsl noch schöne Chorstühle mil Schnitzwerk
und der Jahrzahl 1 169.
2.33 —
Am Äusseren der Kirche sind Strebepfeiler angebracht
und das Dachgesims des Chores ist in den Ecken mit Figuren
geziert. Im inneren Räume der Kirche befinden sich die
Grabmonumente zweier croatischer Edelleute, und zwar des
edlen Wolfgang Dragae von Pleternice, gestorben im Jahre
1578, und des edlen Jünglings Matthias Cernko, geb. 1374,
der im Anfange des XVII. Jahrhunderts im Kampfe mit den
Türken auf dem Schlachtfelde blieb. — Die neuen Fresco-
malereien des Chores und des Schilfes sind im Jahre 1814
von Alois Belli aus Mailand verfertigt worden, haben aber
keinen besonderen Kunstwerth.
3. Pomorje, im Bezirke von Strigovo (Stridau). Ein-
schiffige Pfarrkirche mit einem Chore im späthgothischen
Style. Die 10 Gewölbsrippen, an der Wand auf Consolen
ruhend, sind mit Schildern geziert, in deren einem die Jahr-
zahl IS.L18 und in zweien die Namen Jesus und Maria ein-
geschnitten sind. In den drei oberen Schlusssteinen, eben-
falls mit Schildern geziert, sieht man das Johanniter-Kreuz,
wesshalb man vermuthet, dass diese Kirche einstens dem
Johanniterorden gehörte. An der rechten Seite des Hoch-
altars befindet sich ein im gothischen Style erbauter Tauf-
stein oder vielmehr Schrein, in welchem man das heilige Öl
aufbewahrte. Er steht weit hinter jenem von Nedelisc'e zu-
rück. Die vier Fenster des Chores mit Spitzbögen haben ein
schönes Masswerk in den Füllungen. An die rechte Abseite
des Chores ist im Jahre 1777 die Sacristei angebaut. Das
Schiff ist ebenfalls ein Neubau.
4. Strigovo (Stridau), Bezirksort. Einschiffige neue
Pfarrkirche mit einem alten Chore im späthgothischen Style.
Das Kreuzgewölbe mit seinen acht Bippen ruht au der Wand
auf Diensten, deren Knäufe theilweise mit Sculpturen versehen
sind. In den Schlusssteinen sieht man die gemeisselten Köpfe
des Erlösers und der heil. Jungfrau Maria. Von den einstigen
vier gothischen Fenstern sind noch zwei geblieben, sie sind
mit schönem Masswerke geziert. An der rechten Abseite des
Chores ist in neuerer Zeit die Sacristei und der Kirchthurm
angebaut.
In demselben Pfarr- und Bezirksorte befindet sich auf
einer Anhöhe die schöne, im vorigen Jahrhunderte erbaute
Kirche des heil, Hieronynms, zu dessen Geburtsstätte einige
Gelehrte diesen Ort stempeln wollen. Obsie nun ihre Behaup-
tung gegen Dalmatienjstricii und Süd-Croatien geltend mächen
werden, ist eine Frage, welche noch in der Schwebe bleibt.
Die schöne Frescomalerei der besagten Capelle ist von
dem reich begabten Fresco-Maler Johann Ranger aus
Tirol, der als Ordensbruder im croatischen Pauliner-Kloster
Lupaglava die grösste Zeit seines Lebens zubrachte und
im Jahre 1753 daselbst starb.
5. Warasdin. Der viereckige Thnrm der im neueren
Style erbauten Pfarrkirche trägt die Jahrzahl 1494, bat
ein hohes spitziges Dach, und ist am Sockel mit der Statue
des Andreas Jacetic, Burgcaplan in Burenberg und Stadt-
pfarrer von Warasdin. geziert. Das alle Schloss Varasd,
welches in den Urkunden bereits im XII. Jahrhundert er-
wähnt wird, gehörte im XIV. Jahrhunderte der Familie
Bebek. Im XV. Jahrb. besassen es die Grafen v. Cilli, nach
ihrem Absterben fiel es an die Witwe Ulrichs von Cilli,
Katharina von Brankovic*; später an den Herzog und Hau
von Croatien, Johann Corvin; sodann bekamen es die Frei-
herrn von Ungnad und im XVI. Jahrhundert kam es durch
eine Ungnad an die jetzigen Besitzer Grafen Erdödi. Es isl
noch sehr gut erhallen, bat vier runde Fenster und einen
viereckigen Thurm. ist mit den Wappen und Inschriften
der Br. Ungnad und Grafen Erdödi versehen und besitzt
ausser einer obern neuem, auch eine untere viel ältere
Burgcapelle, beide im gothischen Style erbaut Die untere
ältere, auf welcher der breite viereckige Thurm ruht, ist
ebenfalls viereckig, mit einem Kreuzgewölbe versehen, des-
sen Rippen mit Diensten bis an den Boden laufen. Auf beiden
Abseiten sind steinerne Balustraden mit architektonischen
Ornamenten, die auf Consolen ruhen. Jetzt dient leider diese
Capelle zu einem Keller. Vor wenigen Jahren sah man im
Saale des Schlosses die rundbogigen Fenster noch mit
Glasmalereien aus dem XVI. Jahrhundert geschmückt, jetzt
sind diese Gläser verschwunden; nur eine runde Glasplatte
mit dem Ungnad'schen Wappen befindet sich im National-
Museum zu Agram.
<!. R eine ti nee im Warasdiner Bezirke. Pfarrkirche
im spätgothischen Style, um das Jahr 1490 von Johann
Corvin dem Jüngeren erbaut. Einst war daselbst ein Kloster
der Johanniter oder nach Anderen das der Conventualen.
Nachdem sich im 16. Jahrhunderte die Ordensbrüder vor
den Türken flüchteten, blieb das Kloster und die Kirche
verödet. Im Jahre 1039 siedelten sich daselbst die Francis-
caner an, und erhauten ein neues Kloster; allein im Jahre
1790 wurden auch diese aufgehoben, und nun bewohnt das
neu repa'rirte Kloster der Ortspfarrer. Der Chor mit drei
Abseiten hat ein schönes Kreuzgewölbe, gestützt auf das
kahle Widerlager. Die zwölf Gewölbs-Bippen mit Diensten
ruhen an der Wand auf Consolen. Die drei Schlusssteine
sind mit Schildern geziert, in denen ein Pelikan mit seinen
Jungen, ein Wolf und drei Löwenköpfe mit zwei Sternen
(gleich dem dalmatinischen Wappen) ausgehauen sind.
Das eine Schiff, an welches in späteren Zeilen zwei
Capellen angebaut wurden sind, ist ebenfalls mit einem
Kreuzgewölbe versehen, dessen Rippen mit Diensten anfacht
runden Wandsäulen ruhen. Die oberen sechs Schlusssteine
sind mit Rosetten geziert.
Im Chore befinden sich nebst einem runden, auch vier
hohe, schmale Spitzbogenfenster mit der Fischblase im Mass-
werk. Das Schill' der Kirche hat bloss ein gothisches Fen-
ster an der linken Seitenwand; an der Stelle der übrigen
ist der Eingang zu zwei neuen Capellen durchgebrochen,
an der rechten Seitenwand befindet sich der Klostergang,
daher die ganze Seile ohne Fenster ist. Um der Kirche
das nöthige Licht zu verschaffen, hat man später anstatt
234
der alten gothischen . drei Fenster im Rundbogenstyle
ober dem Eingangsthore durchgebrochen. Die neue Capelle
des heiligen Anton Ton Padua, von der gräflichen Familie
Patacid gestiftet und dotirt, ist mit trefflicher Stuccatur-
Arbeit und schönerFresco-Malerei geziert; daselbst befinden
sich aneli zwei schöne, uns weissem und rothem Marmor ver-
fertigte Grabmonumente des Balthasar und Bartol Grafen
Patacid mit Sculpturen in erhabener Arbeit.
Die Sacristei unter dem hohen Thurme ist ebenfalls im
gothischen Style erbaut und mit einem Kreuzgewölbe ver-
sehen . dessen Gewölbs-Gurten auf der Wand ruhen. Die
Thor der Sacristei mit dem Spitzbogen führte in den unteren
finsteren Klostergang, dessen Fenster und Thiiren ebenfalls
mit Spitzbogen geziert waren, bevor mau die neuen Repara-
turen unternahm und die Fenster theils vermauerte, theils
\iercckig bildete.
Von aussen ist die Kirche im Rücken des Chores und
auf der linken Seitenwand von acht Strebepfeilern mit ein-
facher Bedachung unterstützt. Der ('bor bildet ein Sechseck
und der schöne von gehauenem Stein erbaute Thurm ist
viereckig. Ober dem Portale der Kirche sieht man ein aus
Stein gemeisseltes Johanniterkreuz eingemauert, welches zu
der Vermuthung führt, dass daselbst zuerst die Johanniter
wohnten.
7. Vini ca. im Warasdiner Bezirke. Hier stand noch
vor einigen Jahren eine alte, im gothischen Style gebaute
Pfarrkirche; sie wurde aber von der Neuerungswuth unser's
Jahrhunderts, gleich vielen anderen im Kronlande Croatien,
bis auf den Grund zerstört, und eine ganz neue aufgebaut.
— Zum Glück Hess man die Denkmale, die sich in der alten
Kirche befanden, in die neue übersetzen und rettete dadurch
einige der schätzbarsten Monumente des Vaterlandes.
Vor allem verdient eine Erwähnung das Grabmonu-
ment des berühmten ungrisch-croatischen Geschichtsschrei-
bers Nikolaus Jstvanfy, der liier mit seiner Gattin Iva
die ewige Ruhe fand. Er war der Besitzer der croatischen
Herrschaften Vinica,' Klenevnik und Pankovec; man glaubt
er habe in ^ inica seine berühmte Geschichte geschrieben ')•
Die Inschrift des Grabdenkmales . welches er seiner Gattin
und sieh selbst setzen liess, lautet also:
M. I). C. III.
D.O. M.
aVDOLPHO II. IMI'. CAES.
AV6. PIO. I'.
Mt (M. ISTVANFI. PAULI F. REGNI.
VNG. PROPALATINVS. HAC.
CVRA POSTEROS LEVARE
VOLENS. SIBI ET ELISAB. BOT.
DE BAiNA. CONIVG1 PIENTISS.
POS. VT OV1 XXXV. AMPLIVS.
VNNIS l'OMVM TINSIMK
'I Ich besitze in meiner KandschrifteDsamnilung seine mit eigener Hand ge-
niachen Loh- und Gelegenheitsgedichte; am Schlüsse
belinden .i<-ii rerschiedene \ rkungen in lateinischer und oroatischei
Sprache.
VIXKHV.NT. VNA KTIAM
QVIESCANT. VNAQVE RESVRGANT.
ANNO CHRISTI SERVATOR
MDXCVH.
Vl\ I TE SVPERSTTTES MORTALITATTS HEMORES;
NICOLEOS IAi ET HIC (HAUE SOCIATVS ELISE.
QV1 VT IM.AUDAVIXKRESl.MVL, SIMM. Ef (E nVIESCVNT.
SICQVE ETIAM POST FATA PIO AMPLECTVNTVR AMORE.
Auf einer andern weissen Marmorplatto folgt smlau:
IHS. XPVS
DEBVERAS SVPERESSE HIV MEA DVLCIS ELISA
TANTA FIDES INTE. TANTA KYIT PIETAS,
SED OVIA LEX STAT 1NEVITAHII.IS EIII'.V !
GONDERIS HIC. ET E<;0 Mi IX TVB FATA SEQVAR.
VIXIT ANN. 1.VIII. M1NVS MENS. DVOB. DIEB. X.
In derselben Kirche befindet sich auch das Grabmonu-
ment des Edlen Franz Kerze r von Radovan, und des hel-
denmüthigen Banus von Croatien, Benedict vonThurocz
(Thurovetz) [f 1616], dessen Bildniss in National-Kleidung
und Rüstung in Lebonsgrüsse, aus dem feinsten weissen Mar-
mor gemeisselt, sammt dessen Wappen auf der linken Seiten-
Wand des Chores angebracht ist. I'uter dem Hilde sieht mau
folgende Inschrift :
REGNORV.M TVTELA TltlVM BANVSQVE POTENTIS
ILLTRII ET PATRIAE HIC CVRA SALVSQVE IACET.
TV1VS SI ROSSET CONPLECT1 SAXEA HOLES.
VIRTVMTES, PVLCHER QVA FORET ISTE LAPIS.
Aus der alten Kirche versetzte man hieher auch einen
gothischen Taufstein mit spitziger Bedachung, deren Kanten
mit Krabben oder Knallen verziert sind.
Als eine seltene Erscheinung dürfte man es betrachten,
dass sich in dieser Kirche nebst den Denkmalen des christ-
lichen Mittelalters, auch ein römischer, im Orte Vinica aus-
gegrabener Momimentalstei il folgender Inschrift befindet :
FIRMIA. L. F.
SCARBENTI
NA. AN. XXXV.
II. S. !•:.
Q. < KSKUNI VS.
IVSTVS III..
H. F. C.
Eine Viertelstunde v Orte Vinica entfernt, liegt in
Ruinen das grosse Bergschloss, dessen Veste und hohe
Mauern mit den drei runden Thiinneu im XIII. Jahrhunderte
als Gränzfestung gegen Steiermark und das deutsche Kaiser-
reich dienten. Es gehörte einstens zur Grätsch ifl Zagorten.
Im Jahre 1398 schenkte es Könie, Sigismund dein Grafen
Hermann von Gilli und Zagorien. Nach dem absterben der
Grafen von Cilli kam es zuerst an die Witwe Ulrich's von
Cilli, Katharina von lirankovie . sodann im Jahn' 1463 an
den berühmten Feldherrn und lianus Jean Vitovec, von
diesem übernahm es König Matthias und sein Sohn Johann
Ciii'vin, i\cv es an die Familie Gjulaj übertrug. Als lleiralhs-
n'iit Gel es spüier an die Familie Both von Banja und an die
Turocz von Ludbreg, in deren Besitz dasselbe im XVII,
Jahrhunderte eine Ruine w urde.
235 —
8. Krizovljau, im Warasdiner Bezirke. Eine Pfarr-
kirche mit sechseckigem Chore im gothischen Style. Die
Wölbung ruht auf acht Wandsäulen. Die Fenster haben
Spitzbogen, gegliederte Gewände und Masswerk. Von aussen
6 Strebepfeiler mit einfacher Bedachung. Der übrige Theil
der Kirche ist in der neuern Zeit zugebaut. Die Facade mit
schönen Bildwerken geziert.
9. Lupaglava, im Bezirke Ivanec. Die Kirche mit
dem einstigen Pauliner-Kloster gehört unstreitig zu den
schönsten Baudenkmaleti des Warasdiner Comitats.
Das Kloster wurde um das Jahr 1400 von Hermann
Grafen von Cilli und Zagorien, spater Banus von Cröatien,
(HOS) gestiftet und die Kirche im Jahre 1415 geweiht. Im
Jahre 1481 hatten die Türken auf einem ihrer Streifzüge
das Kloster verbrannt, und zugleich die Kirche beschädigt
und geplündert; allein schon im Jahre 1491 wurde dieselbe
sammt dem Kloster vom Herzog Johann Corvin restaurirt und
der äussere Baum mit Wällen und Thürmen befestigt. Im
Jahre 1593 belagerten die Grafen Peter und Jobann Dras-
kovic das Kloster , und beschädigten es an vielen Stellen,
wurden aber später, nachdem sie die Streitigkeiten mit den
Ordensbrüdern geschlichtet hatten, Wohlthäter des Klosters.
Im Jahre 1640 erhob man den niedern Kirchthurm um
einige Klafter. Im Jahre 1656 bis 1 G63 wurde das ganze
Kloster bedeutend erweitert und vergrüssert und es zählte
damals in seinen Bäumen zwei und sechszig Ordensbrüder ').
Im Jahre 1672 verlängerte man das vordere Schiff der
Kirche um einige Klafter, und zierte im Jahre 1711 die neue
hohe Facade der Kirche mit eilf Statuen, zugleich wurde
auch der Kirchthurm abermals um einige Klafter erhöht.
Nachdem im Jahre 1789 der Pauliner-Orden in Cröatien
aufgehoben wurde, fiel Lupaglava unter die ungrische Kam-
mer und wurde später an das sehr karg dotirte Cosmaer
Domcapitel verschenkt. Dieses verpachtete im Jahre 1853
die grossen bedeutend vernachlässigten und beschädigten
Bäumlichkeiten des Klosters an das k. k. Ärar, welches daraus
ein Strafhaus für Cröatien und Slavonien machte.
Die schön im gothischen Style erhaute Kirche ist ein-
schiffig. Der Chor mit drei Abseiten hat ein hohes Kreuz-
gewölbe, dessen Bippen mit Diensten auf zehn Wandsäulen
ruhen; die drei Schlusssteine sind mit Wappen der Grafen
von Cilli geziert. Das Kreuzgewölbe des älteren Theiles des
Schilfes ruht mit seinen Bippen auf sechs Wandsäulen. In den
später gebauten Theilen, ober dem Orgelchore, sind an den
Enden der Bippen spitzige Knäufe angebracht; der Orgel-
chor ruht auf vier runden Säulen.
l) In Lupaglava wurde bereits im Jahre 1303 ein Seminarium für dieOrdens-
geistlichen errichtet. Im Jahre 1582 eröffnete man daselbst öffentliche
Schulen für Landeskinder und führte im Jahre lGo'li auch die philosophischen
Studien ein. Dieses Kloster beherbergte zu allen Zeiten Gelehrte und
Künstler von verschiedensten Fächern und man zählte es zu den ersten
den ungrischen und eroatischen Provinz. Als man es aufhob, war darüber
in ganz Cröatien eine allgemeine Klage.
Die Spitzbogenfenster sind mit Masswerk, darunter die
Fischblase vorherrscht, versehen. An der linken Seitenwand
des Schilfes haben im X\ II. und Will. Jahrhunderte die gräf-
lichen Familien Ratkay, Draskovic und Patacic drei Capellen
anhauen lassen.
Von aussen hat der Chor die Form eines Sechseck'-.
Sechs Strebepfeiler mit platter Bedachung unterstützen die
Kirchenmauer von der südlichen und östlichen Seite, von
der westlichen stosst an die Kirche das grosse zweistöckige
und im Quadrat gebaute Kloster. Der Thurin hat eine Höhe
von 22 Klafter.
Sehenswert!) sind in der Kirche die schönen frischen
Frescogemälde, in den Jahren 1737 und 1742 von dem Or-
densbruder Johann Ranger ausgeführt, und historsich
merkwürdig sind die Grabmonumente der Wohlthäter des
Klosters und der Kirche. Vor allem verdient Erwähnung
das Grabmonument des Herzogs und Banus Johann Corvin,
dessen Gemahlin Beatrice von Frangepan, als er im .1. 1504
in seinem Schlosse Krapina starb, seine sterblichen Oberreste
hierher übertragen Hess. Ein Jahr darauf wurde auch sein
einziger Sohn Christoph, der letzte aus dem Geschlechte
Corvin's, daselbst neben seinem Vater begraben. Im J. 1630
hat man ihre Gräber geöffnet und durchsucht, die Särge
wahrscheinlich ihrer Schätze beraubt, die marmorne Platte
mit der Inschrift und den im Basrelief ausgehauenen Bild-
nisse des Herzogs, welche ursprünglich vor dem Hochaltar
die Gruft deckte, ausgehoben und in die rechte Seitenwand
des Chores eingemauert.
Die Inschrift dieses Monumentes lautet:
ANNODOMIN'I MILLESIMO QÜINGENTESMO QYARTO.
OCTOBRIS DUODECIMA DIE, HORA VNDECIMA NOCTURNALJ.
HEROS VLTIMOS DIES IOANNES CORVIXl'S CLAYSIT EXTRE-
MOS.
SVB EREMO CORPVS AD CLAVSTRYM LEPOGLAYA TVMVLARK
1VSS1T.
ASPICE REM CHARA.M, BIN! HING INDE CINGYNT GLORIOSAE
Y1RG1NIS ARAM.
DVX IOANNES ET FILIVS EIVSCHRISTOPHORVS.QÜIBVS AUSINI
GAVDIA TRIXA.
DVM LIGVIT TVA DVM VIGVIT 0 IOANNES PORTESTAS,
FRAVSLANTVIT, PAX IN REl '.NO 1STO TYI TEMPORE FIKMAEYIT.
REGNVM ATQVE HONESTAS.
Ausser diesem Monumente befinden sich in dieser
Kirche noch folgende marmorne mit Inschriften und Rasrelief
gezierte Grabdenkmale. Im Chore der Kirche das Denkmal
des Joe hau Petew, Herrn zu Bela, Cerje und Ivanec, mit
seinem Wappen (f 1671). Im Schilfe der Kirche, rechts.
das aus schwarzem Marmor errichtete Monument von Peter
Paul und Katharina Ceskovic (-[- 1656 — 1709) ;ms dem Ge-
schlechte Donic. welches zu den Zeiten der Religionskriege
aus Böhmen nach Cröatien eingewandert war und mit dein
neuen Wappen auch den neuen Namen Ceskovid erhielt. Inder
Capelle der heiligen Dreifaltigkeit steht das schöne Mauso-
leum des Ladislaus Patacic (-]• 1TH') ans weissem Marmor
mit dessen Bildniss in Basrelief, und in der Capelle des
236
heil. Joseph das des Obristen Grafen Sigmund Ratkay,
f 170'.'.
In den Räumen des einstigen Klosters sind sehenswerth
die sehe n Frescogemälde , die das grosse und kleine Re-
fectorium, die Bibliothek und die Apotheke zieren, und ausser
mehreren Scenen ;uis dem Leben des heiligen Paulus und
Augustins, der Eremiten, und uns dem neuen Testamente,
viele Portraits der Wohlthäter des Klosters darstellen. Es
[sl für die Geschichte des Klosters interessant, namentlich
diejenigen zu erwähnen . deren Bildnisse sieh daselbst be-
finden. Ich will sie daher im Kurzen anführen.
Im kleinen Refectorium befinden sieh in Lebensgrösse
al fresco gemalt folgende Portraits: Hermann v. Cilli,
Johann ('ervin. Beatrice r. Frangepan, Br. Ste-
phan Orehoci, Graf Franz Keglevid, Br. Gabriel
Gottal, Graf Ladislaus und Theresia Pataciö,
Stephan Graf Draskoviö, Emerik Graf Erdödi.
Sigmund Graf Ratkay und Anna Sophia Stipsic.
Im grossen Refectorium: Paul Iva no-tid, General— Vor-
stand der Paüliner; Fürst Emerich Eszterhäzy, Bischof
von Waizen und Agram; Franciscus, mit dem Beinamen
V ins: Cun ii Silentiarius, Herzog Johann Cor vi n
mit seiner Gemahlin, Hermann Graf von Cilli lind Za-
gorien; Benedictus II.. Provinzial der Pauliner; Lucas
Felix; Stänislaus Opovius; Georg Cepelenji,
Missionär und Märtyrer; Martin Borkovic-, Bischof von
Vgram; Gaspar Malecic, Prior der Paüliner; Heinrieh
T e i s s, Märtyrer als Missionar: .1 o h a n n Z a k o I y . Bischof
von Canad. In der Apotheke: II i ppokrates, Theo fräst es,
Aristoteles und Galenits nebst anderen auf die Heil-
kunde Bezug hahenden Gegenständen.
Im einstigen Bibliothekszimmer befinden sich theils auf
Leinwand mit Ölfarben . theils al fresco, nebst mehreren An-
sichten. Landschaften und allegorischen Bildern, folgende Por-
traits: LadisläusGrafNadasdi, Bischof von Canad; Franz
Gaspar Malecid, General-Prior des Ordens: Johann
Kris to I or e c General-Prior ; Fürst E m erichEszte r h ;i z y,
Bischof von Canad und Agram; David Johann l'izzetti,
Domherr von Agram; Joseph Mikonovic, Domherr zu
Aeram; Milinaric: Zanie Coctko, Domherr von Casma ;
Max Verhovac und Joseph Galyof, Rischöfe von
igram; GrafBartol. Patacid u. s. w.
Ihr erwähnten Gemächer des einstigen Klosters werden
wegen ihrer Kunstgegenstände von der jetzigen Behörde
der neuen Anstalt mii besonderer Sorgfalt und im besten
Zustande erhalten.
10. Tra kost jan, im Bezirke Lance Dieses alteBerg-
sr-hlo^-., auf der Spitze eines Indien Berges, von Hügelland
rings umkränzt und au dem Ursprünge der Bednja, die hier
einen See bildet, gelegen, gehörte im \l\. und XV. Jahr-
hunderte den Grafen von Zagorien. Zu Ende des XV. Jahr-
hunderts schenkte es Johann Corvin der Familie Gjulaj,
nach dem Absterben dieser Familie kam es aus den Fiscal-
Händen im Jahre 1569 au die gräfliche Familie Draskovid.
Im Jahre I <>.'>! wurde das ScHloss durch Banus Nikolaus
Zrini belagert und wahrscheinlich schon damals bedeutend
beschädigt, später lag es beinahe durch ein Jahrhundert in
Ruinen.
Der jetzige Besitzer des Schlosses. Georg Graf Dras-
kovic, k. k. F. M. L., verwendete eine grosse Summe auf
die Herstellung dieses Schlosses und er dürfte bereits im
Laufe dieses Jahres die hohe Freude gemessen, das majestä-
tische Schloss, von welchem seine Familie das l'rädicat
führt, in der alten Würde und Pracht zu sehen.
Nach einem in Gratz gemachten Plane lässt der edle
Graf im echten Kunstsinn das alte Schloss ganz nach dem
ursprünglichen Style aus den Ruinen wieder erstehen: die
Spitzbogen-Fenster und die Thore mit den schönen Verzie-
rungen, die festen Thürme und Zinnen, die Cinlängsniaiiern
mit den Schiesslöchern, die Warte und die Zugbrücke, der
schöne Rittersaal, geschmückt mit den Rüstungen und Bil-
dern des Mittelalters, die herrlich eingelegte Hecke der
Gemacher, die Zimmer-T hüren mit dem mittelalterlichen
Beschlägen, mit einem Worte Alles in diesem erneuerten
Schlosse versetzt einem in die schöne alte Zeit des Bitter -
thums, und der Besucher hat nur einen und denselben
Wunsch mit dein Wiederhersteller des Schlosses, dasselbe
nämlich nach Jähre langer Arbeit in seiner Ursprünglichkeit
recht bald zu sehen, um es den interessantesten Schlössern
des Österreichichen Staates beizählen zu können.
II. Krapina, Bezirksort, mit einer zweischiffigen
Pfarrkirche im gothischeu Style erbaut; der Chor verlor vor
wenigen Jahren das alte Kreuzgewölbe, dessen Rippen auf
der Wand auf .spitz auslaufenden Consolen ruhten, und erhielt
eine neue kuppelartige Wölbung. Es sind jedoch von der
alten Wölbung noch die Rippen mit Diensten und Knaulen
erhalten, zwei der letzteren sind mit dem Christuskopf und
dem Namen Maria geziert. Das ältere breitere Schill' t\n-
Kirche ist vom Chore durch einen breiten Spitzbogen, der
auf zwei \\ nmlsüiilen ruht, getrennt. Das Kreuzgewölbe
dieses Schilfes hat acht Bippen, die an der Wand ruhen und
in spitzige Knäufe emiigen. Das Atrium unter dem Orgel-
chore ruht auf zwei runden Säulen und ist mit einem Kreuz-
gewölbe gedeckt, dessen sechs Rippen mit Diensten an
der Wand auf Consolen sich stützen. Zwei dieser Consolen
sind mit Wappen-Schildern geziert . von welchen eines das
altillyrirische Wappen mit Neumond und Stern enthält; die
Schlusssteine sind mit Rosetten und Schildern versehen . in
dem initiieren steht die golhisehe Inschrift : „in horis erew i."
Das linke, neue und schmälere Schiff, verbunden mit
der alten Kirche durch den geschmacklosen Durchbruch der
Seitenwand, hat ebenfalls ein Kreuzgewölbe, dessen einfach«
Bippen an der Wand auf Knäufen ruhen. Der Chor der
Kirche wird durch drei runde und ein langes Rundbögen-
fenster erleuchtet. Im neueren Schiff sind ebenfalls zwei
Rundbogenfenster. Aus dem Chore führt eine kleine Thür
— 237 —
in die mit Kreuzgewölben versehene Sacristei, ober wel-
cher der viereckige alte Kirchtburm steht. Das Äussere der
Kirche hat fünf Strebepfeiler mit einfacher Bedachung.
Ober dem privilegirten Marktflecken Krapina, steht in
Ruinen das uralte Schloss gleichen Namens , einstens der
Hauptsitz der Grafen von ganz Zagorien. In den Urkunden
geschieht dessen bereits im XII. Jahrhunderte Erwähnung,
und es gehörte damals als Gränzfestung gegen die Deutschen
zu den Verwaltungsschlössern der jeweiligen Herzoge und
Banus von ganz Slavonien. Im XIII. Jahrhunderte kommt es
unter dem einfachen Namen „Gastrum Zagoriae" vor und
wurde in den Kriegen mit dem böhmischen Könige Ottokar
vom Banus Heinrich von Giissingen diesem Könige über-
geben, durch den Friedenstractat von 1271 aber der un-
garischen Krone zurückgegeben. Im Jahre 1347 erhielten
die Ortsbewohner vom König Ludwig I. schöne Privilegien
und wurden in ihren Rechten den Bürgern einer könig-
lichen Stadt gleichgestellt. Das Schloss verwalteten damals
königliche Castellane und hatten nur das Recht in drei
Fällen über die Ortsbewohner zu Gericht zu sitzen, und
zwar im Falle eines Diebstahles, einer Gewalt und eines
Mordes, in allen übrigen Fällen richtete der von der Gemeinde
gewählte Richter. Im Jahre 1353 besass das Schloss mit
königlichem Rechte der Bruder des Königs Ludwig I.,
Stephan, Herzog von ganz Slavonien. Nach seinem Tode
fiel es wieder an die Krone, bis es im Jahre 1399 von
König Sigismund sammt allen Schlössern der Grafschaft
Zagorien an Hermann Grafen von Cilli verschenkt wurde.
Auf diese Art überging das Schloss auf ewige Zeit aus den
königlichen in Privathände. Im Jahre 1422 vergiftete
daselbst Graf Friedrich von Cilli seine erste Gemahlin
Elisabeth von Frangepau und heirathete drei Jahre später
die schöne Veronica von Desenic aus Zagorien, deren
trauriges Ende geschichtlich bekannt ist. Nach dem Abster-
ben der Cilli fiel das Schloss an die Witwe Ulricb's von
Cilli, Katharina von Brankovic, die es um das Jahr
1457 mit ganz Zagorien an ihren Hauptmann Ja n Vitovec,
Banus von Croatien, gebürtig aus Böhmen, verkaufte. Diesen
Kauf bestätigte zu Gunsten desselben Vitovec im Jahre 1459
Kaiser Friedrich, und im Jahre 1463 König Matthias Cor-
vinus, der es aber im Jahre 1489 mit ganz Zagorien an
sich wieder riss, und später seinem natürlichen Sohne
Johann Corvin schenkte. Derselbe Johann hielt als
Herzog von ganz Slavonien grösstenteils in diesem Schlosse
seinen Sitz und starb auch daselbst den 12. October 1504.
Durch dessen Witwe Beatrice von Frangepau kam das
Schloss an ihren verschwenderischen Gemahl G e o r g Mark-
grafen von Brau den bürg, der es im J. 1523 sammt dem
Schlosse Koste! in Zagorien au Peter Keglevic. Banns
von Zajce. und an Michael Imbrekovic verkaufte. Bei
der Theilung des Kaufes fiel die Hälfte der Herrschaft sammt
dem Schlosse Krapina dem besagten Imbrekovic' zu. um!
durch dessen Tochter Katharina an ihren Gemahl Luka~
Sekely Freiherrn von Fridau. Im Jahre 1610 wurde das
Schloss von Friedrich Baron von Sekely an Johann Ke-
glevic verpfändet, und seit dieserZeit blieb es Ins heute im
der gräflichen Familie Keglevic.
Von dem einstigen herrlichen Schlosse steht nur noch
ein Theil des Wuhngebäudes, welches von der äusseren
westlichen Seite dreistöckig, und von der innern östlichen
nur einstöckig ist, da die zwei andern unterirdisch sind. Zu
ebener Erde ist ein gewölbter Gang, der auf 8 Quadrat-
Säulen ruht. Die äusseren dickeren Schloss-Mauern. in deren
Mitte sich zwei grosse Höfe befinden, sind beinahe gänzlich
eingefallen, nur ein Theil der Wandmauer in der Höhe von
mehreren Klaftern ragt senkrecht über dem Orte empor,
jeden Augenblick drohend, über die Dächer der Häuser
hinabzustürzen. Durch das südliche Thor mit den verfalle-
nen viereckigen Thürmen, die mit den Wohngebäuden in
Verbindung standen, kommt man aus dem äusseren grösseren
Hofraume in den zweiten innern Hof, in welchem sich ein
im Felsen durchgehauener gemauerter Gang befindet, der in
früheren Zeiten entweder zu Gefängnissen, oder, wie die
Tradition sagt, zum Schlosskeller verwendet war; durch die-
selbe Öffnung konnte man auch zum oberen Theile der Schloss-
mauern gelangen, die mit runden Thürmen befestigt waren
Es scheint, dass die Schlossmauern einstens auch mit
jenen zwei Thürmen oder Castellen in Verbindung standen.
die auf der gegenüberliegenden westlichen Seite des Ortes und
FlussesKrapina auf zwei Anhöhen erbaut waren und die Namen
Psari und Sabec führten. Diess gab auch den Anlass zu der
poetischen Volkstradition: dass bei dem Orte Krapina drei
Schlösser standen, aus denen in uralten Zeiten drei Brüder
Ceh, Leb und Meli , die Stammväter der Böhmen. Polen
und Bussen, auswanderten und drei gösse slavische Reiche
stifteten. Mit Stolz nennen daher die Bewohner von Krapina
ihren kleinen Marktflecken die Wiege und d^n Stammsitz
des ganzen grossen slavischen Volkes.
Notizen.
59. (Der Erlass des Hochwürdigsten Bischo- dem Grunde nicht vorgebeugt werden konnte, weil hei der
fes von Brunn zur Verhinderung von Zerstö- Bauaufnahme und in den Bauverträgen unterlassen wurde aul
rungen alter Baudenkmale). Bei dem Erweiterungsbau den Werth dieses Baudenkmales aufmerksam zu machen. Als
einer Kirche geschah es, dass ein romanisches Portal die k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung
abgebrochen und zerstört wurde und dieser Zerstörung aus der Baudenkmale in die Kenntniss dieses Vorfalles gelangte,
31
— 238 —
machte sie höheren Orts die erforderlichen Sehritte, um zu
bewirken, dass künftig in allen Fällen, wo es sieh um das Ab-
brecheo oder den Umbau alter Kirchen, Pfarr- oder Unter-
richtsgebäude handelt, jedesmal der Aufriss des alten Gebäu-
des und eine Zeichnung seiner etwa merkwürdigen Theile bei-
gelegt und darauf besonders aufmerksam gemacht werde. An
eine Weisung, welche diessfalls an sämmtliche Statthaltereien
von Seite des h. k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht
erfloss, knüpfte nun der hochwürdigste Bischof von Brunn
einen Erlass an den Diöcesanclerus, dem wir folgende Stelle
entnehmen :
„Wir können nicht umhin, dieser Massregel die sorg-
samste Beachtung zu wünschen und unsern ehrwürdigen
Clerus zu erinnern, wie das Interesse für kirchliches Alter-
thum und Kunst bei ihm doch am meisten rege gedacht
werden müsse und wie Niemand mehr als ihm der Sinn
für Erhaltung jener altchristlichen Denkmale zieme. Es
widerspricht den kanonischen Vorschriften, wenn Umbauten
an den Kirchen vorgenommen, Änderungen ihrer innern Ein-
richtung getroffen, Inventarstücke veräussert, Monumente
einer früheren glaubenskräftigeren Zeit hinweggeschaft
werden , ohne dass die kirchliche Behörde von dem diess-
tä lügen Vorhaben in Kenntniss gesetzt und um ihre Zustim-
mung angegangen wurde. Nur dem Übersehen dieses wesent-
lichen Umstandes so wie der Berathung mit Leuten, denen
der Sinn für christliche Kunst und die Kenntniss des kirch-
lichen Alterthums abgeht, ist es zuzuschreiben, dass unter
dem Titel von „Restaurationen" oft wahre Verunstaltungen
von Kirchen und kirchlichen Denkmalen vorgenommen
werden, und so manches kostbare Bild, manches ehrwürdige
Überbleibsel alter Kunst unter den Händen unberufener
Restauratoren dem Verderben anheimfällt."
60. (Legio XI Claudia. — MELVSI INFERIOR
Castellura Abritanorum. — AISTMVTH König der
Germanen.) Der Besuch Seiner Excellenz des Hr. Minister
Freiherrn von Bach in der alten Metropole derVeneterund
[strer, welche in der Blütbezeit des römischen Kaiserreiches
nur dem riesigen Rom in Italien nachstand, in der Patriarchen-
stadt Aquileja, veranlasste die Verificirung der Legende eines
Centurio's der Legio XI. Claudia, Pio Fidelis, welcher
zu Ende des III. oder zu Anbeginn des IV. Jahrhunderts starb.
Diese Legende verdient zur Kenntniss genommen zu werden.
D. M. S.
VW.. LONGINIANVS
VIMT. ANNOS. M.V.
MII.ITAVIT. OPTIO. LEG.
ä. Clav. ann. x. v. centvrio
ORD. W\. VI. NATVS. IN.MEÄ\S1
INFER. CASTELL. ABRITANOR
Diis Manibus sacrum
Valerius Longinianus
mit annoa quadraginta quinque
militari! optio Legionis
XI Claudiae anuia quindeeim, Centurio
Ordinarius annis sex, natu- in Mclusi
inferiore Castello Abritanorum.
Der Centurio Ordinarius (qui in proelio primos ordines
ducit), welcher durch sechs Jahre diese Stelle bekleidet zu
haben, und durch fünfzehn Jahre Optio (Capitain-Lieutenant)
gewesen zu sein schien, war im Alter von 24 Jahren in die
Militia eingetreten; und wir fügen hinzu, dass er durch einige
Jahre in irgend einem fremden Auxiliar-Corps gedient, und
sodann das römische Bürgerrecht erhalten habe; welchen
Dienst, als in Eigenschaft eines Fremdlings geleistet, er nicht
zu erwähnen befand. Und nachdem die in das römische
Bürgerrecht aufgenommenen Soldaten den Namen Gentilitium
von jenem Kaiser annahmen, der es ihnen ertheilte, so ist
es am Platze anzudeuten, dass er das Bürgerrecht von Aure-
lian oder Probus. oder Diocletian oder Maximian erhalten
haben muss, welche sämmtlich Valerier waren. Auch die
Form der Buchstaben ist von dieser Zeit des Verfalls.
Dieser Valerius Longinianus ist nicht der einzige in
Aquileja, der an die Legio XI. Claudia erinnert; denn man
besitzt auch Nachrichten über andere.
D. M.
AVREL1VS FLAVINVS
OPTIO LEG XI CLAVDIAE
ANNORVM XXXX QVI
MII.ITAVIT ANN. XII1I. ET
OPTIO ANN. X. PüSYIT
TITVLVM DE SVO ASTAN
TE CIVIBVS SVIS
IMPENS1 XX
(Aus dem Steine.)
AVRELIVS SVÜ
T S. MILEX. I.E
NIS XI CLAVDIE
(Aus Bcrtoli A. d. A.)
AVUEI.IVS. DIZO. MILEX
LEG. XI. CLAVD. V1XIT
ANN. XXVII. MILIT. ANN
QVINOYE. OBITVS. IN
MAVIIETANIA. BENE
MEHENTI. CIVES. ET
COMMANIPVLI. DE. SVO
FECERVNT
(Aus Bertoli.)
\ iL. AVI.VCKNTIVS ? LEG
XL CL. MILITA. GREGALES
ANN. XIIII. ET. CENTVRIO
ANN. III. VIX. ANN. XL
ET. MEN. V.FECIT
MEMORIA . I KATER
(Aus Bertoli.)
IIII.IVS 1VSTINIYS EQVIS LEG
XI CL P F Q VIT VNNOR XI.VII ET
MII.ITAVIT MVNIFKX ANNIS VI EQVES
WMS Uli Mll.l I \ VI I IN CORTE
I ST \TV POSTERIORE EX PLVRIS
MACI is DERISVS. IPSIVS IN IPSO
TITVLO Xil
(Aus anrichtiger Handschrift.)
239
D. M. VAL.
QVINEVS. DES
CIS. EQVILVM
LEG. XI. CL. C1VES
(Aus den Wiener Juhrbücliern. )
M. D. M. PR
ONIVGIS. PIENT
BANAF > COH V
XL CL. P. F. PHA
A. SECVNDIN
(Aus unrichtigem Munuscripte.)
Es liegt Grund zur Annahme vor, dass Aquileja die
Station zwar nicht der ganzen XI. Legion, doch einer Ab-
teilung derselben gewesen sei. Ich wäre geneigt die Auf-
stellung eines Theiles der XI. Legion in Aquileja dem Probus
zuzuschreiben , indem er ihn von der untern Donau zurück-
zog, wo er mit Grundbesitz betheilte Soldaten zur Verthei-
digung des Limes ansiedelte. Um die Zeit der NOTITIA utri-
usque Imperii , hatte ein Sarmatencorps unter einem Prä-
fecten seinen Standort zu Cividale, welches Corps ich nach
der Nomenclatur des Alterthums NVMERVS SARMATARVM
und dessen Commandanten ich EXARCHVS nennen möchte ;
allein in der Verfallszeit verwirrten sich Namen und Dinge.
Die Legionäre waren eben so gut Fremdlinge wie die Sold-
truppen; denn das Bürgerrecht reichte an und für sich gewiss
noch nicht aus, um einen Barbaren zum Legionär umzuschauen.
Dieser Valerius Longinianus, welcher weder Erben
noch Freunde hatte, denen er die Sorgfalt um sein Grab
hätte anempfehlen können, sagt, in MELVSI INFERIORE, einem
Castelle der ABRITANER, geboren zu sein. Vergebens würde
man den Namen dieses Castells oder dieses Volkes bei Geo-
graphen von classischem Rufe nachsuchen. Aber der Anony-
mus von Ravenna, welcher so vernachlässiget, vom Grafen
Pellegrino Rossi so arg mitgenommen, von mir jedoch sehr
hochgehalten wird, bietet uns Anhaltspunkte und wie ich
glaube verlässliche. Diese Abritani werden von dem Anony-
mus im Periplo als in der Bosphorania sesshaft erwähnt,
in der Gegend des heutigen Kertsch; in der Geographie
scheint er von MELVSI SVPER. dort zu erwähnen, wo er
MYLYSIMON nennt (oder welche bessere Leseart man sonst
vorschlagen wolle). DieLösung der Frage, auf welchem heu-
tigen Terrain die zwei MELVSI standen, überlasse ich den Rus-
sen, eingedenk des Ausspruches eines berühmten Mannes, dass
in solchen Dingen die Eingebornen besser Auskunft wissen
als jeder Fremde. Wenn ich es erlebte, den Anonymus in einem
verbesserten Texte zu sehen, so würde ich es versuchen,
den Schlüssel zu dessen Verständniss zu geben , und zu
zeigen, wie in der Geographie jenes Mönchleins die Materia-
lien ausgezeichnet, und aus autoritätsvollen alten Quellen
geschöpft sind , und wie sie zur Kenntniss der alten Geo-
graphie sowohl bekannter als unbekannter Provinzen dienen
können. Das alte England ist über alle andern europäischen
Provinzen von dem Anonymus mit so erschöpfender Vollstän-
digkeit behandelt , dass es kaum etwas zu wünschen übrig
lässt. Im Anonymus herrscht ein System, ihm selbst mibe—
wusst, der in seiner Unwissenheit Jenen ähnlich ist, die
fremdes Wissen, welches sie weder begreifen noch würdi-
gen können, für eigene Waare ausgaben.
Es genüge vor der Hand an einem aquilejesischen Steine
die Echtheit der Materialien des Ravennaten zu beweisen.
Wir heben hervor, dass die Legende Accente habe, denen
keinerlei Werth und Bedeutung beizumessen ist, und dass
der Stein des bosphoroiiisehen Soldaten für andere gesehrie-
ben war, dann aber die Schrift verlöscht wurde, jedoch nicht
in der Art, dass alle Spuren vertilgt worden wären. Ich
gebe das römische Mass des Steines an: Höhe 2' 2", Breite
2' 7"; es scheint mir, dass für römische Denkmale auch
römisches Mass passend sei. —
Da ich schon im Sehreiben bin, beliebt es mir meine
Memoiren des bei Wien Geseheneu nachzuschlagen. Da i-t
die Rede von einem Solchen der etwas mehr war als bloss
fremder Söldling, nämlich von einem REX GERMANORVM,
welcher durch Zwang oder durch eigenen Willen römischer
Bürger geworden und zu Carnuntum gestorben war. Es ist
diess ein gewisser AISTOMODIVS, welcher von Septimius Se-
verus das Bürgerrecht erhielt. Ich finde in meinen Schriften die
Notiz verzeichnet, bei demCorrespondenten der k. k. Central-
Commission Herrn Widter zu Klein-Schwechat die unver-
dächtige Marmortafel gesehen zu haben, worauf die Legende:
SEPT. AISTOMODID
REG GERM
SEPTIMII PHIL1PPV
ETHELIOÜORV
FRATRI INCOMPAR
Septimis Aistomodio
Regi Germanorum
Septimii Pliilippus
et Heliodorus
Fratri incomporabili.
Diese Tafel stand ehedem auf dem Grabmale, welches
jenem Könige von seinen zwei Brüdern errichtet wurden
war: auch diese waren römische Bürger mit dem Beinamen
Philipp und Heliodori; während der König hingegen, stolz
auf den nationalen Namen der entweder durch die. wenn auch
unglücklichen Waffen, oder durch den Schimmer der Krone
Glanz erworben hatte, sich Ustomodius nennt, einName, der
nach Abstreifung der lateinischen Formen Aistmuth zu sein
scheint; was übrigens die in deutschen Dingen Bewanderten
entscheiden mögen. Septimius Severus . welcher die Ger-
manen bekriegte, wies diesen neugeschaffenen Septimiern ein
Asyl, oder wenn man will ein glänzendes Exil in Carnuntum an.
Von welcher Gegend Deutschland«, war dieser Aistmuth?
Welche wären die deutschen Zunamen für Philipp und lle-
liodor, im Falle dass diese Übersetzungen ihres deutschen
Namens seien? Dr. Peter Kandier
61. (Nekrologische.-. ) Am 15. Octoberd.J. starb zu
Kis Tapci lesiin Se. Excellenz Herr Job. Graf Kegle-
vich-Buzin, k. k. w. geheimer Rath und Kämmerer.
.11'
240 —
Oberstmundschenk des Königreiches Ungarn, Gutsbesitzer
im Bacser Comitate und Conserrator für das obere Press-
burger Verwaltungsgebiet Ungarns.
In letzterer Eigenschaft hat die k. k. Central-Commis-
siiui zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale den
Verlust eines .sein- eifrigen Organes zu beklagen. Beseelt
von der wärmsten Liehe und Pietät für den reichen Sehnt/.
der historischen und Kunst- Denkmale seines Vaterlandes.
unterzog sieh Graf Keglevich in seinem schon vorgerückten
Alter mit aller Aufopferung von Zeit und Midie der ihm als
Conserrator gestellten Aufgabe, und seinem Wirken ver-
dankt aueh die k.k. Central-Commission nicht nur die Erfor-
schung sondern auch die Erhaltung mehrerer wichtiger Bau-
denkmale. Von den verschiedenen Beweisen seiner Regsam-
keit erwähnen wir nur, dass er zuerst die Aufmerksamkeit
auf die romanische Kirche St. Jak. welche für die Kunst-
geschichte Österreichs von grösster Bedeutung geworden
ist. lenkte, ferner, dass er bei Sr. Eminenz dem Herrn Cardinal-
I'rimas von Ungarn die Restauration der Kirche St. Ben od ek
in Antrag brachte und durch seine Verwendung die Restau-
ration des in historischer Beziehung interessanten Denkmales
der vier Grafen Esterliäzy in Vezekäny erwirkte. Wir
schliessen uns daher mit herzlicher Theilnahine der Trauer
um den Verlust dieses seltenen Kunstfreundes an. — Ausser
dem Genannten sind der k. k. Central-Commission in kurzer
Zeil noch zwei Conservatoren durch den Tod entrissen wor-
den. Am 115. Juni starb nämlich der Conserrator für den
Runzlauer Kreis Herr V. Ruczizka, Kaufmann und Fabri-
kant in Jungbunzlau, von welchem sehr schätzenwerthe Be-
richte über die Kirche zu Winetz an der Iser, «las ehemalige
Cistercienser- Kloster zu Münchengrätz , die Mohelinger
Kirche und die Filialkirche zum heil. Wenzel in Seytschin
in Böhmen vorliegen, und am 30. August starb der Conser-
vator fürVorarlberg Herr D.S. Kögl, Lehrer an der Real-
schule zu Rregenz, auf dessen schätzbare Leistungen wir
in einem der nächsten Hefte zurückkommen werden.
Literarische Anzeige.
Essenwein A. : Norddeutschlands Bacfcsteinbau im Mittelalter.
Karlsruhe in CommiSSion bei J. Veitli. Folio. 24 Seiten Text
und 36 Tafeln.
Die Baukunst des Mittelalters geht bei ihren Gebilden von dem
Grundsätze aus, dass Hauen — C o nst r u i ren sei; sie gibt dess-
holb ein Constructionssystem, welches sie im Ganzen und in seinen
einzelnen Theilen so anordnet, dass ein künstlerischer Eindruck her-
vorgebracht wird. Die Entwickelung der Baukunst bewegt sieb also
in den Grunzen der Entwickelung der Constructionssysteme, mit
welchen die Formenhildung immer Hand in Hand ging. Die Construc-
tioTi isl aber stets bedingt von dein dazu verwendeten Materiale, und
so zeigt die mittelalterliche Baukunst ganz andere Gestaltungen im
Holzbaue, andere im Ziegelbaue, andere endlieb im Steinbaue.
Im romanischen Style war das System des Kirchenbaues
eben sowohl im Steinbau, wie im Ziegelbau — ein Massensystem.
ein System von Maoern, über welche anfangs die Holzdecke, später
die Gewölbedecke gelegt wurde. Mit dem Gewölbebau aber tritt ein
Zusammenziehen der Last der Decke und zugleich des von dem
Gewölbe ausgeübten Seitenschubes auf einzelne Punkte ein. Der
Steinbau benützte diess, um im gothi sehen Style das Construc-
tionssi stein als ein vollständiges Pfeil er syst ein zu gestalten, d. h.
alle Masse auf jene Punkte zu vereinigen, welche die Träger der Last
sind. Es ist (Hess vorzugsweise dem Wesen des Steinbaues ange-
messen, dessen Bautbeile sieb in grossen Stücken zur Verfügung
stellen, und deren Schwere ein System bedingt, wobei die einzelnen
Theile sich gegenseitig das Gleichgewicht ballen.
Der Backstein jedoch kömmt in kleineren Stücken zur An-
wendung, die Construction ist darauf hingewiesen, eine Anzahl dieser
kleinen Stücke zu Massen zusammen zu kitten, es ergibt sieb sonach
für den Backsteinbau eine Architectur in Massen — ein Mauer-
s\ stein, gleich dem romanischen Baustyle. Der Backsteinbau behielt
daher auch im gothischen Style den Totalcharakter des romanischen.
Nicht minder wesentlich und von dein Constructionssysteme in
steter Abhängigkeit gestaltet sieb der Kinlluss des Materiales auf die
Gliedern n ge n und die einzelnen Bautbeile.
Da diese Im B aeks t einbaue aus einzelnen kleinen Stücken
bestehen, so ging man darauf aus. sie so zu gestalten, dass nicht
viele Formen nöthig wurden — es ergab sieh als,, eine periodische
Wiederkehr aller Einfassungsglieder. Da es des Fugenverbandes
wegen zum Baue nöthig ist, dass alle Steine gleiche Grösse haben, so
gab es in dieser periodischen Wiederholung stets Hauptabtheilungen,
die den durch die (ir.isse der Steine gebildeten Absätzen entspre-
chen, wo sodann jede dieser Abtbeilungen besonders für sieh geglie-
dert ist, wobei, da die Grössse der Ziegel niebt bedeutend sein
kann, auch kleinere und minder ausladende Gliederungen, als heim
Sleinbauc, zur Anwendung kommen inussleii.
Ein Gleiches galt für die Ornamentik, auch diese musste in
Können gepassl werden, es lag also nahe, manchmal einen reichen
Schmuck von Ornamenten anz einen, die aus einer oder mehreren
Formen gepresst, sieh regelmässig wiederholen und die Flächen der
Mauerwerkes bedecken. Die Ornamente durften aber, da sie aufs
Auspassen berechnet sein mussten, keine grosse Ausladung und
keine (Jnterarbeitung haben — sie mussten sehr flach sein. Auch
bierin lag es demnach nahe, sieh den im romanischen Style gegebenen
Formen anzusch Hessen.
Ein weiterer Punkt, der in Betracht kommt, ist die Farbe.
Zeigt der Steinbau im romanischen Style häulig die Anwendung des
Farbenwechsels im Materiale, welche im gothischen Style aufge-
geben werden musste, weil er die reiche Formgestaltung der ein-
zelnen selbstständigen Pfeiler gestört hätte, so war im Ziegelbau
während der gothischen Periode eine solche Farbenwirkung um so
passender, weil sie vorzüglich und oft weil mehr als das Hache
Ornament im Stande war, die Mauermassen zu beleben. Zudem war
eine solche Farbenwirkung sehr leicht zu erzielen, indem man ein-
zelne Steine vor dem Brennen mit einer farbigen Glasmasse überzog
und diese glasirten Steine mit den gewöhnlichen abwechseln Hess,
zugleich aber auch einzelne Theile mit Verputz Überzog und bemalte.
so dass sich auf diese Weise ein reiches Farbenspiel über diese
Gebäude ergOSS.
Wenn also der Backsteinbau in der Zeit des gothischen Styles
sich dem Systeme des Sleinbaues niebl ansehloss. sondern vielmehr
den alten Typen treu blieb, so müssen wir die Ursache darin suchen,
dass die Werkmeister in richtiger Auffassung der Eigenschaften des
Materials, demselben auch allseits Rechnung trugen.
Diese bisher entwickelten Ansichten linden wir in dem Hingangs
erwähnten Werke von Essenwein dargelegt, und zwar anter
Vorführung einer grossen Reihe von Kunstbeispielen aus der liack-
stein-Archifcolur Norddeutschlands, wo dieselbe häutig in Erman-
gelung geeigneten Steinmateriales in Anwendung kam und eine
eigentümliche Entwickelung genominen hat. Dieses Merk isl somit
nicht bloss ein sehr beaehtenswerlber Beitrag für die Kunstgeschichte
des Mittelalters, sondern auch für den ausübenden Architekten von
hoher Bedeutung, indem in der Arebiteelur unserer Gegenwart nur
zu häulig das Wesen des Bauens und der Kinlluss des Materiales auf
die Construction und Form unbeachtet bleibt. Dieses Werk aber zeigt
dem Architekten, wie die aus Backstein herzustellenden Theile
geformt sein müssen, um dein Materiale zu entsprechen: denn wenn
auch manche Rohheiten dieser Bauweise nicht in Abrede zu stellen
sind, so ist sie doch von Handwerkern ausgegangen, die nicht durch
mannigfache Einflüsse und Studien entfern! liegender Formen verbil-
detwaren, sondern mit einfachem schlichtem Sinn aus ihrem Materiale
gerade das machten, was ihm angemessen war.
Die dem Werke beigegebenen Tafeln umfassen alle Bautbeile,
die Mauerflächen, Gesimse, Thürcn. Fenster. Pfeiler, (iewolbe,
Strebepfeiler. Giebel, Thürme u.s. f., sie sind dem Zwecke voll-
kommen entsprechend gearbeitet Ein Aufwand grösserer Mittel
hätte sie für das Auge des Kaien vielleicht bestechender gemacht,
für den Zweck der Belehrung, und diese suchen v\ir in Bolchen
Speciniwerken, reichen sie vollkommen aus.
GH.
Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in W ien.
Jeden Monat erscheint 1 lieft 7.11
1 Ins 2 Druckbogen mit Abbil-
dungen.
Der PrüDumeratioospreis ist für
einen Jahrgang oder zwölf Hefte
neliBt Register sowohl für Wien
alsdie Kronländer und das Ausland
4 fl. C. M., bei portofreier
Zusendung in die Krontünder der
osterr. Monarchie 4(1. 20 kr. CM.
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DER K. K. CENTRAL- C0MMISS10N
Pränumerationen überneh-
men halb- oder ganzjährig
alle k.k. PuliaterderHoiarehie,
velefae auch die portofreie
/.(ist-uiluog der einzelnen Hefte
besorgen. — Im Wege des Buch-
handels sind alle Pränumerationen
und zwar nur zu dem Preise von
\ fl. au deo k. k. Hofbuchhändler
W. Braumüllrr in Wien zu richten.
m niuiG i\d ekii ilti \i. der ii\i iieikii ile.
Herausgegeben unter der Leitung des k. k. Seclions-Chefs und Präses der k. k. Central-Gommissioo Karl Freiherrn v. Czoenrig.
Redacteur: h a r 1 Weiss.
m 12.
I. Jahrgang.
Decemlier IMS.
Inhalt: Charakteristik der Baudenkmale Böhmens. — Ein archäologischer Ausflug nach Feldbach , Fehring und Perilstein in Steier-
mark. — Die Kirche und Rundcapelle zu Deutsch-Altenburg in Niederösterreich. — Über den Bau und die Einrichtung der
Cistereienser-Klöster und Kirchen. — Notizen. — Literarische Anzeigen.
Charakteristik der Baudenkmale Böhmens.
Nach den bedeutendsten Bauwerken zusammengestellt von Bernhard Grueber, Architekten und Professur der Baukunst.
(Sehluss.)
Etwa bis zum Jahre 1380 wurden die meisten grossen Benesch von Latin erbaute zwischen 1480 und
Bauten im Lande von Künstlern ausgeführt, welche theils 1502 auf dem Hradschin in Prag den Wladislaw'schen Saal,
aus Frankreich, theils aus Deutschland berufen worden dessen vielverschlungenes Netzwerk zwar kunstreich, aber
waren. Bei der grossen Bauthiiligkeit unter Karl IV. bildete auch geschmacklos genannt werden darf. Einen reineren
sich aber allmählich eine einheimische Architecturschule, Geschmack hat er in der Dechanteikirche zu Latin einge-
welche im Ganzen an den durch den Dombau gegebenen halten, einer grossartigen Halle, welche Benesch um das
Motiven festhielt, denselben aber ein eigentümliches Ge- Jahr 1520 erbaute.
präge zu verleihen wusste. Hauptwerke dieser spätem Ungleich bedeutender erscheint Matthias Reis ek aus
gothischen Periode sind die Brückenthürme und die Teyn- Prostejov (Prostiegow), der sich ohne eigentliche Anleitung
kirche zu Prag, die Kirchen zu Kuttenberg, laslau, zum Architekten ausgebildet hat. Beisek war Rector an der
Klattau, Laun, Bakonitz, Slavetiu, Brüx und Teynschule in Prag und hatte sich die Würde eines Bacca-
an anderen Orten. laureus erworben; der Name Beisek wurde ihm wegen sei-
Die Eigentümlichkeiten der späteren böhmischen Bau- ner Gewandtheit im Zeichnen beigelegt. Er vollendete 1477
meister treffen wir zum grossen Theile schon in den den vom Künig Wladislaw durch den Meister Wenzel be-
Werken ihrer Lehrer und Vorbildner an, als welche die drei gonnenen sogenannten Pulvertburm und verschaffte sich
Meister: Wilhelm von Avignon, Matthias von Arras durch diesen Bau einen solchen Namen, dass er zum Bau-
und Peter von Gmünd angesehen werden müssen. Die meister der bereits begonnenen St. Barbarakirche in Kutten-
Manier der beiden Franzosen mag durch den Puritanismus, berg erwählt wurde.
der von den Bettelorden ausging, vielfach bestimmt worden Die St. Barbarakirche in Kutten borg theilt das
sein: der Meister von Gmünd aber liess seiner Phantasie Schicksal des Präger Domes, sie ist unvollendet geblieben ;
gerne den Zügel schiessen und suchte ungewöhnliche es fehlen die ganze Westseite sammt der Verhalle und den
Effecte. Daher diese übermässige Strebsamkeit in die Höhe, Thürmen. Das Haus ist fünfschiffig, ohne Kreuz vor läge oder
diese Lust an auffallenden Formen, welche sich in der höh- Querschiff, aber mit einem Umgange um den hohen Chor
mischen Gothik neben einer sonderbaren Magerkeit der und dem entsprechenden Kranze von acht Capellen ver-
Detailbildungen geltend machen. sehen. Der vollendete Theil misst 186 in der Laune und
Die hervorragenden Talente der neuen Schule sind 102' in der Breite (im Lichten); das Mittelschiff bält von
Benesch von Laun und Matthias Reisek, dann die Achse zu Achse 34 Fuss. Nach den vorhandenen Substruc-
Kruniauer Meister Stanko und Kreschitz. Alle gehören tionen war die ganze Länge auf 300 berechnet. Der innere
dem fünfzehnten Jahrhundert an, ihr Wirken greift jedoch Chorschluss ist fünfseitig aus dem Neuneck, der Capellen-
zum grössteh Theile in das folgende hinüber. kränz aber nach einer seltsamen Gewölbetheilung sechsseitig
32
242
aus dem Zwölfeck construirt , so dass bei den Capellen
ein Pfeiler in die Mitte der Kirche fällt. I >i«- äusseren
Seitenschiffe sind niedriger als die innern, und schliessen
mit dem zweiten Gewölbjoche vor dem Chorpolygon ab, die
innern Seitenschiffe erheben sich zur Höhe von 43 und
oberhalb derselben befindet sich eine Emporkirche, welche
dasganze Langhaus umziehen sollte. Diese Einrichtung, wo-
durcb die Barbarakirche sich von allen grossen Kirchencon-
structionen unterscheidet, verbindet die Vortheile derHallen-
kirche mit dem alten Basilikensysten il bringt bei näclitlicher
Beleuchtung einen zauberhaften Effecl hervor. Die Capellen
mit dem Umgange sind mit besondern Dächern eingedeckt,
so dass der Chor sich hoch und frei an der Ostseite erhebt.
Die Chorgewölbe sind netzartig in geraden Linien.
ähnlich wie im Prager Dome gestaltet; eine ganz besondere
Bildung aber zeigen die Gewölbe im Schiffe und in den
Emporen, deren Rippen sich vielfach durchschneiden und
abwechselnd vier- und sechsfelderige, aus Kreislinien gezo-
gene Sterne bilden. Dabei wickeln sich die Rippen in sonder-
baren Spirallinien von den Pfeilern ab, so dass die Rippen
des Mittelgewölbes in den Seitenschiffen, die der Seiten-
schiffe aber im Mittelschiffe entspringen und rund um die
Pfeiler herumlaufen. An den Fenstern linden sich Motive
der englischen Gothik; gedrückte, geschweifte und Tudor-
bögen nehen einander, wobei die Felder manchmal mit
Masswerken durchflochten sind. Um nun die Eigentümlich-
keiten zusammenzufassen, müssen wir die drei Mittelschiffe
des Langhauses als eine Hallenkirche bezeichnen, an welche
sieh rechts und links Seitengänge anlehnen; das Presbyte-
rium aber ist ein einschiffiger Bau, welcher sich über den
I mgang und den Capellen in fast unabhängiger Weise
erhellt. Man darf bei Beurtheilung dieses Gebäudes nicht
an auswärtige Bauten denken und Vergleichungen mit der
französisch-rheinischen Schule anstellen, es will ganz allein
t'i'w sich li brachtet und studirt sein. Schade, dass das Innere
durch Kalktünche entstellt worden ist; eine entsprechende
Reinigung wurde die Schönheil der Linien wesentlich
liehen.
Korinek, der Kuttenberger Chronist, erzählt, dass die
feierliche Grundsteinlegung der Barbarakirche im Jahre
14s:j stattgefunden hat, fügt aber hinzu, dass die Kirche
wenigstens um 130 Jahre älter sein müsse. Diese letztere
Vngabe ist indess etwas übertrieben, wie sieh aus folgenden
Date -gibt. In den vom Erzbischof tatest um das Jahr
1358 angelegten Errichtungsbüchern kommt diese Kirche
ih nicht vor, aber in den Jahren Li.sti und [393 wurden
Messen dahin gestiftet und eine päpstliche Bulle von I4(il
empfiehlt in der üblichen Weise die I nterstützung des Kir-
chenbaues. Diese Daten mit dem Charakter der ältesten
Kirelieiiilieile verglichen, ergeben ziemlich sicher, dass die
Kirche unter der Regierung Wenzel des Vierten um 1390
begn n worden sei. Der Umstand, dass viele Details,
namentlich die Pfeiler-Construction, der Umgang und die
Capellenverhältnisse offenbar ;ms dem Koliner Chorbau ent-
lehnt sind, lassen ver then, dass der erste' Plan von einem
Schüler des Peter von Gmünd herrühre.
Dieser erste Plan war aber nicht fünfschiffig entworfen
wie die gegenwärtige Kirche; noch weniger sollte eine
Hallenkirche errichtet werden. Der erste Plan hatte eine
bedeutende Kreuzvorlage und nur drei Schiffe; die äusseren
Seitenschiffe wurden später angehängt, oder vielmehr, es
wurde die angefangene Kreuzvorlage in Seitenschiffe um-
gewandelt. Diese allmählichen Änderungen sind genau am
Gebäude nachzuweisei d diesen Wiamlornngen sind auch
die ausserordentlich vielen Fehler zuzuschreiben . welche
am Chorbau vorkommen.
Die Grundsteinlegung Nein Jahre I is;i geschah, als
das Schiff fortgesetzt werden seilte und Magister Reisek die
Bauleitung übernahm. Diesem ist die Umwandlung des
Schiffes in eine Hallenkirche beizumessen, ein allerdings
kühner Gedanke, der aber doch die Gesammtharmonie
ausserordentlich beeinträchtigte. Reisek führte den Mau bis
1502 oder 1505; nach ihm werden noch mehrere Meister
Hanns. Johann, Benedict und Niclas gern t. bis im Jahre
1548 die Arbeiten ganz eingestellt wurden. Korinek hal
seiner Chronik auch einen Grundriss der St. Barbarakirche
beigefügt, wie sie hätte werden sollen, mit Angabe, wie weil
der Bau ausgeführt worden ist. Dieser Plan, der kaum fünf-
zig Jahre nach der Einstellung des Baues gefertigt worden
ist. tragt hei aller Formlosigkeit der Einzelheiten die sicher-
sten Anzeichen, dass er einem echten Baurisse entnommen
worden ist. Diesem Plane gemäss hätten 1 3 Pfeiler auf jeder
Seite, zusammen 26 Pfeiler, das Mittelschiff getragen. Dazu
kommen S Chorpfeiler, 4 auf jeder Seite, w eiche den Umgang
bilden. Die Westseite wäre sodann mit zwei Thürmen und
einem, wie es scheint, vorgetragenen Portalbau abgeschlossen
worden. Ausgeführt wurde die Kirche nur Ins zum siebenten
Schiffspfeiler, an dessen Stelle im Jahre 1548 eine Noth-
inauer errichtet und der Bau wenigstens vor der Hand
gesichert wurde.
In der Ausführung kann man drei verschiedene Epochen
genau unterscheiden. Die erste mnfassl den Chorbi ml
den Untertheil der Pfeiler im Hauptschiffe von 1390 Ins /.um
Ausbruche der Unruhen, die zweite die Anlage der äusseren
Seitenschiffe, von beiläufig 1483 bis 1505, die dritte endlich
das Aufstellen der Emporen und Gewölbhallen, von 1505
bis zum Einstellen des Baues. Der Chor zeigt zwar die auf-
fallendsten Unregelmässigkeiten und Verstösse, aber auch
die schönste Gliederung und die am besten durchgebildeten
Theile. Die arbeiten nach 1505 zeigen sich regelmässiger,
sind aher ungleich roher durchgeführt . und die allzu künsl-
lichen Gewölbe haben schon frühzeitig sehr gelitten. Am
allen BaU sind die '/'wische auern von lirilchsleineu ausge-
führt und nur die Streben, Pfeiler und Fenster von behauenen
Uliadern: der neue Thoil aher zeig! durrhgehonds Uuador-
mauerwerk , wozu Sandstein aus der unmittelbarsten
243
Nähe benutzt wurde. Wir geben hier (Fig. 38, M) , 4(1
und 41 ) einige Details der Barbarakirche mit Bezug auf die
verschiedenen Bauperioden der Kirche.
j In der St. Bar-
barakirche linden
sieh viele alte Holz-
schnitzereien, woran
Kuttenberg über-
haupt reich ist.
Kuttenberg ist das
böhmische Nürn-
berg, eine d ur c h-
aus alterthümliche
Stadt, wo liehen
vielen alten Kirchen
auch Privatgebäu-
de, Brunnen und
andere Denkmale
sich erhalten haben.
Das steinerne Haus
in Kuttenberg wie
die übrigen älteren
Bauwerke nähern
sich oft der nürn-
bergischen Bau-
weise und gehören
fast sämnitlieh dem
vorgerückten fünf-
zehnten Jahrhun-
derte an. —
Als zweitgröss-
tes und sehr bedeu-
tungsvolles Werk der spätgothischen Schule erscheint die
Hauptpfarrkirche Maria Himmelfahrt am Teyn in
Prag, welche in ihrer jetzigen Gestalt im Jahre 1407 von
den deutschen und böhmischen Kaufleuten gegründet und erst
durch König Podiebrad gegen 14(50 vollendet worden ist.
Die Teynkirche soll schon vom Herzog Böfiwoy gegen
Ende des neunten Jahrhunderts angelegt worden sein.
wurde wiederholt zerstört und erstand jedesmal wieder im
verschönerten und vergrösserten Massstabe. Da die ganze
Kirche aus rauhen Bruchsteinen mit eingelegten Quadern
erbaut ist. lässt sich nicht genau sagen, ob und welche Theile
ein höheres Alter haben, als die oben genannte Bauzeit; boeb-
alterthümliches Mauerwerk, wie an der Apsis von St. Georg
oder der St. Marlins-Capelle auf dem Wissehrad kömmt hier
nur au einigen Substructionen vor. Die Anlage ist in Anbetracht
der späten Bauzeit ungewöhnlich einfach, die Detailbildung
correct und ohne alle Überladung, so dass es wahrscheinlich
wird, die ganze Ostseite gehöre, wenigstens in den Funda-
menten, der Zeit Karl IV. an. Die Grundform zeigt ein drei-
schiffiges Langhaus ohne Vierung und ohne Kreuzvorlage,
welches in der Länge 19ö und in der Breite 9'i' im Lichten
misst. Vier freie Pfeiler
(heilen die Schifte ''in. wo-
bei das Hauptschiff voii
\ili<i- zu Achse 41 '■•
hält. Zwei besondere ver-
stärkte Pfeiler an der
\\ estseite tragen die \ or-
(Fig. 39.)
(Fig. Vi I
(Fig. ii i
halle mit der Empore und unter-
stützen die beiden Thürme. Diese
sind von quadratischer Grund-
form, steigen senkrecht auf bis zur
Giebelhöhe des Mittelschiffes, wo
die Mauern mit einer Gallerie
abschliessen und die achteckigen
Helme ohne sonstige Vermittelung
beginnen. Die Helme sind von aus-
gezeichnet schöner Form und mit
einem doppellen Kranze kleiner
Thürmchen umgeben (Fig. 4'i).
Die Helme der Teynkirche wurden
wiederholt nachgeahmt, z. B. i'i
Pardubitz und an der Stephans-
lurche in Prag.
Der Chorschluss besteht aus
vier Seilen des Achteckes, so dass
ein Pfeiler in der Mitte hinter den
Hauptaltar zu sieben kommt, eine
in der zweiten gothischen Periode
beliebte Anordnung. Di«' Seiten-
schiffe hingegen schliessen aufge-
u öhnliche Art mit fünf Seilen des
Achtecks ab und sind mit einfachen
Kreuzgew ölben überdeckt.
Das Mittelschiff und die West-
seite verratben den neuesten
Ursprung (abgesehen von der
32°
244
Renovation des Jahres 1714). Im Jahre 1679 entzündete
nämlich ein Blitzstrahl den Dachstuhl über dem Hauptschiffe,
wobei sämmtliche Mittelgewölbe sammt der Chorschluss-
wölbung einstürzten. Die Wiederherstellung geschah im
Jahre 1714 und dehnte sich über das ganze Mittelschiff
aus. natürlich im Geschmack jener Zeit, wesshalh nur die
Pfeiler noch theilweise die alte Form erkennen lassen.
Die Teynkirche zeigt im Gegensatze zu den langen
und schmalen Kirchen Böhmens eine ungewöhnliche Breite
im Verhältnisse zu ihrer Länge. Die Westseite mit den
Thürmen, welche erwiesenermassen in der zweiten Hälfte des
fünfzehnten Jahrhunderts errichtet wurde , erinnert sehr
an die St. Lorenzkirche von Nürnberg, nicht allein durch die
schlanken Thurmspitzen und den hohen Giebel, sondern auch
in ihren Gesammtverhält-
nissen. Interessant ist gleich-
falls die Gestaltung derKnor-
H^ reu, wie wir diess hier in
einem Beispiele (Fig. 43)
zeigen. Bemerkenswert ist
noch das baldachinartige Monument , welches Magister
Reisek dem utraquistischen Bisehof Luzina auf Anordnung
des Prager Magistrates im Jahre 1 494 errichtet hat. Es ist
diess wohl die schwächste Arbeit Reisek's und zumeist
durch das daran angebrachte Wappen und zwei Inschriften
der Halerbruderschaft merkwürdig.
Eines der letzten Werke, welches noch im eigentlich
gotlüschen Style aufgeführt wurde, möchte wohl die Dechan-
teikirche in Blatt na sein, grösstenteils dem siebzehn-
ten Jahrhundert angehörig. Der aus dem Achtecke geschlos-
sene Chor ist älter und niedriger als das Langhaus, welches
durch drei runde Säulen (von 36' Höhe und 2' 6'' Durch-
messer) in zwei Schilfe eingctheilt ist (Fig. 44). Der Chor
h=
._ kO V ~^
(Fig 44.)
wurde um 1530, die Schiffe etwa 90 Jahre später vollendet
Do- Länge des ganzen Hauses beträgt 150', wovon 100' für
das Schilf. 50' für den Chor genoi m sind; die Breite des
I. ghauses hält 22' die des Chores 2(> . Absonderliche For-
men zeigen die Wölbungen der beiden Schiffe; diese sind
nach einer parabolischen Linie beschrieben und bestehen aus
kleinen rautenförmigen Kappen, aber ohne Rippen (Fig. 45).
Diese Bildung scheint echt slavisch
und kömmt auch in den Burgen
von Karlstein und Meissen. dann in
Mähren und Ungarn vor. Der Chor
hat Sterngewölbe mit Kippen, nach
einem stumpfen Spitzbogen gebil-
det. Eine auf Tragsteinen vorge-
baute Gallerie an der linken Seite
des Presbyteriums enthält sohl)
sonderbare Hasswerke von rohe-
ster Art. dass wir die Zeichnung
eines Feldes beigefügt haben
(Fig. 40). Das Materiale ist sprö-
der Granit, der als Bruchstein
(Fig 46.) mit Quadereinlagen verhaut wurde.
Dem ungefügen Materiale müssen viele der abnormen Detail-
bildungen zugesehriehen «erden, denn die Kirche macht
trotz der rohen Ausführung einen unglaublichen Effect und
verräth die Hand eines talentvollen Künstlers, dessen Name
jedoch unbekannt ist. Zweischiffige gothische Kirchen kom-
men im Süden Böhmens öfter vor, so die zierliche Maria-
kirche in Gojau und ilie Pfarrkirche in S obies I au. welche
ganz ausnahmsweise einen rechteckigen Chorschluss zeigt.
Regelrechterund feiner gegliedert darf man allerdings
die Arbeiten der Krumauer Meister Sta n ko und K res c hitz
nennen, als die der innero böhmischen Schule; aber sie
haben auch minder bedeutende Aufgaben zu lösen gehabt,
Das bedeutendste Werk, die Maria -Himmelfahrtskirche in
Kr u mau misst 130' in der Länge und 50' in der Breite.
Der Chor ist SO' lang und 25' breit; eben so weit ist auch
das Mittelschiff. Vier freie Pfeiler auf jeder Seile (heilen
das Langhaus in drei Schilfe, der Chor ist einschiffig und
aus dem Achteck geschlossen. Die Pfeiler zeigen in ihrer
Längenstellung abwechselnd achteckige und aus vier Halb-
kreisen zusammengesetzte Grundformen, halten nur 3' 3"
im Durchmesser und sind mit Figuren und wunderschönen
Baldachinen decorirt. Das Schiff ist schlank, ohne jene hoch-
strebenden Verhältnisse zu zeigen, welche wir als Aus-
zeichnung der cechischen Schule genannt haben. Gleiche
Anordnung und dieselben Grössenverhältnisse mit derKrum-
auerkirche zeigt auch die Piaristenkirche in Budweis, de-
ren Wandpfeiler mit besonders schönen Capitälen geziert
sind. In derselben Durchbildung zeigen sich die meisten
Kirchen der Südspitze Böhmens, wo in der ersten Hälfte
des fünfzehnten Jahrhunderts eine bedeutende Kunsttbätig-
keit herrschte. Ihrem Charakter nach gehören diese Bau-
werke nur halb der cechischen Schule an : der von den
Donaugegenden herübergedrungene Einfluss ist weder in
der Anordnung noch in den Details zu verkennen.
Von allen Werken dir späthgothischen Schule sind die
Leistungen im kleinen Genre am meisten gewürdigt worden,
und in diesem Gebiete wurde in der That Ausgezeich-
netes geschaffen. Obenan sieht derBrückenthurm in der
24.1
Altstadt Prags, ein wegen seiner Leichtigkeit und treff-
lichen Steinarbeit bewunderungswürdiges Gebäude, erbaut
im Jahre 1451. Alle Maaswerke und Gliederungen sind hier
frei vorgetragen (Fig. 47) und ruhen nur
auf den Hauptgesimsen , durch welche
Anordnung die quadratische Masse ober-
halb des Bogens ein äusserst leichtes
durchbrochenes Ansehen gewinnen. Etwas
einfacher, aber eben so glücklich ange-
ordnet erscheint der vollendeteKleinseitner
Brückenthurm, welcher jedoch auf alten
Fundamenten ruht.
Wir geben liier zugleich eine Reihe von Steinmetz-
zeichen, die sich theils an dem Kleinseitner Brückenthurm
V
/
A
A
theils au dem Brückenthurm der Altstadt
>
h
vorgefunden haben.
Noch viel älter sind die Mauerreste des nebenanstehen-
den südlichen Thurmes, welche dem zwölften Jahrhunderte
(ihrer Construction nach) angehören.
Das schon genannte „steinerne Haus" in Kuttenberg
hat zwar manche Änderungen erfahren, lässt aber die alte
Pracht noch erkennen. Die Facade, 31' breit und 75' hoch,
ruht auf zwei schlanken Bögen, unter denen eine freie Halle
befindlich war. Am Mittelpfeiler zieht sich das Postament
eines freien Erkers hinauf, neben welchem auf jeder Seite
nur ein Fenster steht. Der steile Giebel prangt in reichem
Schmucke von Sculpturen und Wappen und ist mit Kriech-
blumen oder Bossen eingesäumt. Die Blattwerke, sowohl am
Erker wie im Hauptgesimse, zeigen süddeutsche Bildung und
sind reiner ausgeführt als die Ornamente Beisek's. Kr um au,
Latin, Taus, Klattau, Schlau, Leitmeritz, Pilsen
und noch mehrere Orte haben gelungene Werke der spät-
gothischen Profan-Architectur aufzuweisen.
VI.
Übergang zur Renaissance (nach I530)*
Wir haben gesehen, dass der romanische Baustyl sich
in Böhmen sehr lange erhalten hat, nachdem derselbe in den
Ländern ringsum längst aufgegeben war. Dieselbe Erschei-
nung zeigt sich aber wieder in viel auffallenderer Weise am
Schlüsse der gothischen Periode.
Während Kaiser Ferdinand I. im Jahre 1534 durch
den italienischen Baumeister Ferrabosco das berühmte Lust-
haus, Belvedere genannt, im Präger Schlossgarten im Re-
naissancestyl auffuhren liess, hielten alle böhmischen Meister
noch beinahe ein volles Jahrhundert an der Gothik fest. Die
Kirchen von Laun, Sla vetin, Meluik. Blatt na,
Tabor, Briix, Czaslau und viele andere wurden um
dieselbe Zeit und wohl noch später entweder vom Grunde
aus neu erbaut oder in umfassender Weise restaurirt.
Natürlich konnte es nicht fehlen, dass nicht einige
Elemente der neuen Richtung, welche sieh am Belvedere
in so glänzender Weise aussprach, in die Gothik mit ein-
gemengt wurden. So entstand um die Mitte des sechzehnten
Jahrhunderts eine gemischte Richtung, welche, die gothi-
schen Constructionen festhaltend, den decorativen Theil der
Renaissance in sich -aufnahm und die an Privatgebäuden
sich oft sehr glücklich äusserte.
Reispiele dieser Art sind seilen und meist auf dem Lande
zu finden; so z. B. ein Herrenhaus in Bensen, 1580, dann
ein Theil der Schlösser Kruman, Blatt na und Smecna.
Erscheinungen dieser Art sind naturgemäss und finden sich
an allen Orten; eine zweite Art späthgothischer Bauübung
kömmt nur den höhmischen Landen zu.
Es wurden nämlich noch im achtzehnten Jahrhunderte
zwei gothische Kirchen erster Grösse erbaut, die Cistercien-
serkirche zu Sedletz und die Stiftskirche in Kladrau.
Die Behandlung ist ganz absonderlich, halb Copie und auf
Tradition fussend , zur anderen Hälfte aber willkürlich
mit Vermengung aller Elemente.
An beiden Kirchen sind zum Theile alte Fundamente
benutzt worden, welcher Umstand im Verein mit den neu
verschärften Klosterregeln zur Einhaltung des gothischen
Styles geführt hat.
Die Kirche zu Kladrau wurde von Kilian Dinzen-
hofer entworfen und zum grossen Theile auch ausgeführt.
Dieser Bau zeigt sogar eine Kuppel und macht einen höchst
grossartigen Eindruck, was freilich zumeist der materiellen
Grösse (die Kirche misst über 300 Fuss an der Länge I zu-
zuschreiben ist.
Die Sedletzer Kirche ist gegen aussen so einfach, als
nur möglich gehalten, gleichfalls über 300' lang und 100
im Lichten weit. Diese Kirche hat fünf Schilfe und diebeiden
Seitenschiffe umziehen den hohen, aus dem Achteck con-
struirten Chor, Wenn das Äussere bei übermässiger Nüch-
ternheit doch im Ganzen ziemlich correel erscheint, und mit
Ausnahme der westlichen Facade für ein Werk des fünf-
zehnten Jahrhunderts gelten könnte , finden sich im Innern
desto mehr Cflriositäten.
In den Seitenschiffen stehen toscanische Säulen, aus
denen (und zwar noch unterhalb der Capitäler) gothische
Rippen entspringen. Diese Bippen tragen und umschliessen
wieder römische Gewölbe u, s. w.
Der Chor verrälh allerdings noch alte Anlage, ob jedoch
mehr als die Gründe bei dem gegenwärtigen Mau benutzt
worden sind, ist nicht zu entscheiden.
24« —
VII.
I»cr KeiiaissaiK'tvstjl.
(XVI u. XVII Jahrhtiudei-t.)
Der edlen Renaissance gehört nur ein einzigesder in Böh-
men aufgeführten Bauwerke an. nämlich das schon erwähnte
Lusthaus des Kaisers Ferdinand I.. unbestritten das vortreffli-
chste Werk dieser Art. welches Deutschland aufzuweisen hat.
Kin offener, von jonischen Säulen getragener Gang,
sechs Säulen in der Fronte und dreizehn in der Langseite,
umzieht eine Hallo, welche sich als Pavillon im obern Stock-
werke über ilem Säulengange erhebt. Die Grundanlage ist
also die eines antiken sechssäuligen Peripteraltempels. Reiche
Galleriegeländer krönen die Bogenstellungen, deren ausser-
ordentliche Zierlichkeit nicht genng bewundert werden kann,
wenn auch unser rauhes Klima bei dieser Anordnung nichl
gehörig bedacht worden ist.
Die Ausfuhrung aller Einzelheiten, besonders der Or-
namente, erscheint fabelhaft gediegen: umso mehr, wenn
man die gleichzeitigen rohgegliederten gothischen Knuten
betrachtet. Der Architekt Ferrabosco hat sieh Bramante's
Logen /.um Vorbilde genommen, und dieselben in allen
Theilen im höchsten Grade glücklich durchgeführt.
Der obere Pavillon darf aber nichl mehr diesem Künst-
ler zugeschrieben werden, sondern wurde später in einer
ziemlich schwerfälligen dorischen Manier aufgesetzt. Der
Säulengang ist lüS lang, 68 breit und in allen seineu
Theilen aus besonders feinem Quadersandstein erbaut.
Zwischen diesem Hau und dem nächsten bedeutenden
Werke der l!en;iiss;iiiee. welche Prag besitzt, liegt beinahe ein
volles Jahrhundert. Die Waldstein'sche Loggia wurde
um 1630 durch den Mailander Marini. den Erbauer des
Waldstein'schen Palastes , errichtet. Inder Loggia ist die
gute italienische Schule noch vorwaltend, welche aber bald
verschwinden seilte. Nun gelangte die spät-italienische
Richtung, von Borromini und Ivara ausgehend, zur alleinigen
Geltung; Italiener bemächtigten sich aller Kunstübung und
kaum einzelne Werke ragen über die Fluth der allgemeinen
Mittelmässigkeit empor.
Nur wenige Kirchenbauten dieser baulustigen Zeit
zeigen schöne Verhältnisse, wie z. I!. die Kreuzherrenkirche.
cm Kuppelbau von Luragho a Feri intworfen und
1 688 vollendet, dann die Salvatorkirche von Kanka und die
Nikolauskirche von Ki I ia n Din zenho f e r, beide erst im
rückten achtzehnten Jahrhunderte erbaut.
Glücklicher als im Kirchenbau zeigen sich die Archi-
tekten der spätem Renaissance in der Anordnung von Pa-
lästen, deren Prag viele I sehr gelungene enthalt.
Obenan steht das gräflich Clam-Gallas'sche Pa-
lais, welches Fi-cher von Kr lach im Jahre 1712 aus-
führte. Dieses Gebäude verbindet mit einer noblen Anordnung,
eine treffliche Detaillirung und wird an künstlerischem Werthe
von keinem Baue des siebzehnten und achzehnten Jahrhun-
derts übertroffen, fernere derartige Pajastbauten sind das
gräflich Nostitz'sche Haus auf dem Graben (von Dinzen-
hofer) mit einer sehr schöner Treppe, das imposante
gräflich Thun'sche Haus in der Spornergasse, von Luragho,
und das guf eingeteilte Krwein Nostitz'sche Palais auf
der Kleinseite.
Die Reinheit der Detaillirung aber, welche sich am
Bclvedere ausspricht, wurde von keinem aller späteren Bau-
meister wieder erreicht. Nach 1750 zeigte sich ein gänz-
licher Verfall der Architectur, sowohl in künstlerischer wie
in technischer Hinsicht: ndie Formen und schlechte Aus-
führung sind regelmässig mit einander verbunden. Noch
muss bemerkt werden, dass nur in Phil:' der Renaissancestyl
sich zur künstlerischen Bedeutung erhob; die Bautenauf dem
Lande blieben meist unter der Mittelmässigkeit und nur die
\\ erke der Jesuiten machen hiervon eine rühmliche Ausnahme.
Alle aufgeführten Renaissancebauten gehören der Stadt
Prag an.
VIII.
Der Holxltau.
Schon in der Einleitung dieser Blätter wurde hervor-
gehoben, dass der Holzbau in Böhmen vorzugsweise beliebt
war, und lange beibehalten worden ist. Es gingen zwar alle
nordischen Völker vom Holzbau aus. und im frühen Mittelalter
wurde beinahe ausschliesslich in diesem Materiale gearbeitet :
aber nur in einigen Gebil'gsländern, wie in .Norwegen, der
Schweiz, dann in Schlesien und Böhmen erhob sich die
Holzconstruction über den Nothwendigkeitsbau.
In Deutschland kommen zwar auch schone und kunst-
reiche Holzbauten vor. welche jedoch ihrer Construction
nach nicht als solche angesehen werden können. Die Riegel-
wände und Fachwerke mit all ihren oft überraschenden
Detailformen, welche in einem grossen Theile von Deutsch-
land üblich sind, bilden nur ein Ersatzmittel für das (heuere
Steinmauerwerk und haben nur diesem Grunde ihre Anwen-
dung zu \ erdanken.
\)fi- Holzbau in Böhmen geht wie jede eigentliche Holz-
construction vom Blockverbande aus und unterscheidet sich
von der Alpenbauarl durch höhere Stockwerke, spitzwinke-
lige Dächer und schmälere Häuseranlagen. Die östliche
Hälfte von Böhmen ist besonders reich an Holzbauten und mau
wird kaum durch ein Dorf oder durch eine Shell Jassiren.
wo mau nichl einige kunstreiche Gebäude dieser Art sieht.
An den Wohnhäusern wird man auch einen ziemlich
bedeutenden Unterschied /w i sehen deutschen und slavischen
Einrichtungen gewahr. Die deutschen Häuser sind mit stei-
len Giebeln versehen und geschlossen; auch fehl! nur selten
ein erkerartiger Vorbau an der Langseite, worin sich ent-
weder die schönen Einrichtungsstücke oder ein Webestuhl
befinden. Die schönsten Gebäude dieser Art linden sich am
Pusse des Riesengebirges in der Richtung von Hohenelbe,
Arm I Trautenau ; sie gehören meist dem siebzehnten
Jahrhundert an und viele sind ganz mit Schnitzereien bedeckt.
247
Die slawischen Gebäude (Fig. 48) zeigeil an der
Gassenseite eine offene Halle, über welcher im obern Stock
eine Stube befindlich
ist. Wo mehrere Häu-
ser ;m einander gereiht
sind, wird ein Lauben-,
gang gebildet, welche
schöne Einrichtung
nicht allein in den
Städten, sondern auch
in vielen Dörfern zu
sehen ist. Die Häuser
sind hing und schmal,
an der Giebelseite mit
kleinen Halbwalmen
versehen und ziemlieh
(F'S- *s.) regelmässig um einen
rechteckigen Platz ("den Hing) aufgestellt. Das Holzwerk
ist nicht immer, wie in t\^r Schweiz, rein abgezimmert und
an einander gefügt, sondern oft nur grob behauen, wobei
die Lücken mit Moos, Thon u. dgh ausgestopft
werden. Man trifft noch manche auf diese Weise
construirte Kirchen und Capellen : besonders
häufig aber sind hölzerne Glockentürme
(Fig. 49). deren beinahe jedes Dorf einen auf-
zuweisen hat. Diese Thürme zeigen alle mög-
lichen Formen und Indien, auch wenn sie einer
späteren Zeit angehören, stets eine alterthüm-
liche Gestalt beibehalten. Am häufigsten er-
scheint ein einfacher, oben gabelmässig getheil-
ter Balken, der mit einem Dächlein bekrönt ist.
dann kommt ein aus zwei ode"r mehreren Bal-
ken errichtetes Gerüste, arti-Fuss'e mit einem
kleinen Vorbau zum Schutz für die Seile und
dein Glöckner versehen: die Glocken hängen dabei wieder
im Freien, nur von einem Dache geschützt. So gebt es fort
in allerlei Abweichungen
bis zum grossen Glocken-
turm, von denen sich in
der Stadt Pardubitz eines
der grossartigsten Hei-
spiele erhalten hat. Ein
sehr alter Glockenturm
(einem romanischen Mu-
ster nachgebildet ) findet
sich neben der St. Georgs-
kirche in Pfaslawic bei
Turnau (Fig. SO). Auf
einem steinernen Funda-
mente, welches sich aber
nur unbedeutend über
den Boden erhebt, ruhl
der achteckige, aus <ye-
(lug. 4'J.j
(Kig. r.u.)
waltigen Stämmen gefügte Unterbau des Thurmes. Inder
Höhe von .'> Fuss setzt das Achteck mittelst eines steilen,
'21 Fuss hohen Daches in das Quadrat um, steigt nun in
senkrechter Linie bis zur Höhe von ;;ii Fuss an und schliesst
mit einem pyramidalen Dache, Die Georgskirche, zu welcher
dieser Tlnirin gehurt, wurde im vierzehnten Jahrhundert
erhaut. Über den Thurm seihst linden sich keine Nach-
richten, doch wird derselbe aller Wahrscheinlichkeit nach
gleichzeitig mit der Kirche errichtet und jedesmal in der
alten Weise reparirt worden sein. Ahnliche Thürme, fast
alle von gleicher Ausdehnung und Höhe, sieht man in d
Gegend nicht selten, sie stehen öfter isolirt neben dem
Kirchengebäude als in Verbindung mit demselben, und es
gibt sogar Orte, die einen Glockenturm, aber keine Kirche
haben.
Die Holzbauten in der «estlichen Hälfte Böh us sind
minder charakteristisch: durch das Erzgebirge zieht sich
der deutsche Fachwerkbau und im Böbmerwalde werden be-
reits die Einflüsse derTiroler Holzconstructionen ersichtlich.
IX.
Überblick.
Entwickelung und Culturgang der böhmischen Archi-
tectur zeigen sich in Vergleichung mit den deutschen .Nach-
barländern durchaus eigentümlich.
Die romanische Kunst erscheint nur als Vorbe-
reitungsstufe und erhebt sich nirgends zu wahrhaft künst-
lerischer Midie. Rohe dürftige Formen, die Technik ver-
hältnissmässig höher entwickelt und sich nur in den einfach-
sten Aufgaben bewegend. Der romanische Styl wurde
spat angenommen, aber aus Bequemlichkeil länger als
irgendwo beibehalten, ohne höhere Bildung zu gewinnen.
Künstler dieser Periode sind : die Ahle Bozetechus
und Reginhardus von Sazawa, Wernherus und Magi-
ster J a c o b u s.
Eine Übergangsperiode fehlt so zu sagen gau/.lich.
Deutsche Baumeister unter Wenzel I. führen verschiedene
Bauwerke aus.
Der gothische Styl zeigt zwei verschiedene Rieh-
tungen und Perioden:
Erste Periode: unter Johann von Luxemburg und
Karl IV. Eingewanderte Künstler, aus Frankreich I Deutsch-
land berufen, verpflanzen den gothischen Styl nach Böhmen
null bilden eine Kunstschule. Es entwickelt sich eine unge-
messeneBauthätigkeit, wie der Dom- und Brückenbau zu Prag
aufweiset. Meister dieser Zeit sind: Wilhelm vonAvignon,
Matthias von Ar ras, Peterrvon Gmünd, Hermann von
Tachail. Heinrich Zeyil en (Leyilen ). Andreas Kodlik u. a.
Bürgerliche und religiöse Wirren führen eine gänzliche
Unterbrechung aller Kunstübung herbei. Nach Beilegung
der Unruhen bildet sich eine national-böhmische Schule.
Zweite Periode: Einheimische Künstler führen
unter dem König Podebrad und Wladislaw viele und gross-
— 248 —
artige Bauten in eigentümlich gothischer Richtung aus.
Nochmaliger grosser Aufschwung. Erbauung der Teyn-
kirche in Prag, der Brttckenthürme und der St. Barbara-
kirche in Kuttenberg. Künstler: Magister Wen/. I,
Kweton, (Jenes von Laun, und Matthias Reisek.
Gleichzeitig mit der einheimischen Schule im Süden
des Landes eine besondere Richtung, deren Sitz in K nun au.
Meister: Stanko und Kreschitz.
In Folge des ausgebrochenen dreissigjährigen Krieges
zweite allgemeine Unterbrechung und Einführung des Renais-
sancestyles.
Renaissance. Anfangs ausserordentlich glänzend am
Belvederebau. Baldige Abnahme und Verflachung. Die
Kunstübung geht grösstenteils von den ins Land gerufenen
Italienern aus. Nur im Palasthau wird besseres geleistet. Es
bilden sieh zwar einheimische Talente, jedoch Originalität
und künstlerisches Streben können nur selten durch-
dringen.
Baumeister der Renaissance: Ferrabosco, für sich
allein ohne Schule dastehend, spater Marini, Scamozzi,
der Franzose Miseron, Orsi , Mohr, Kauka, Dinzen-
hofer, Fischer von Erlach, Luragho, Paliardi
und Andere.
Ihre höchste Blüthe hat die böhmische Arrhitoctur im
gothischen Style erreicht und nur in dieser Weise würde
wahrhaft Grosses geschaffen. Correcter und reiner erscheint
der Styl in den Werken der ersten eingewanderten Meister,
auch ist hier die Ausführung gediegener: dafür zeigt die
einheimische spatere Schule grössere Originalität und ein
durch und durch eigentümliches Gepräge.
Eine detaillirtere Schilderung des späten lionaissanro-
oder in Böhmen richtiger „llaarzopfstyles" schien hier um
so mehr überflüssig, als die Einflüsse dieser traurigen Kunst-
periode noch in unserer Gegenwart überall ersichtlich sind.
Bei weitem die Mehrzahl dt'v Handwerker arbeitet nur im
verdorbensten Zopfgeschmacke, dessen verflachte, rohe
Formen jede Willkür zulassen und wo man mit einem
Schimmer von Künstelei alle Gebrechen zu venlecken wähnt.
Selbst Dinzenhofer, der begabteste Künstler dieser
Periode , dessen grosser Anordnungssi nn überall durch-
leuchtet, bat sieb in seinen Detailbildungen nicht über die
Mittelmässigkeit erheben können.
Ein archäologischer Ausflug nach Feldbach, Fehring und Pertlstein in Steiermark.
Von J. Scheiger, k. k. Conservalor.
Ich lege mit Nachstehendem die Resultate eines im
September d. J. unternommenen Ausfluges in das Raabthal
vor. dessen Hauptmotiv die Untersuchung der Tabors
(Kirchencastelle) von Feldbach lind Fehring, eines
interessanten Grabsteines im lezteren Orte und des
Schi osses Pertlstei ii war.
Das Presbyterium der Pfarrkirche in Feldbach ist ein
moderner Bau , und nur das gothische Schiff zeigt ziemlich
einfache Formen des XIV. Jahrhunderts, überdiess istErsteres
links mit einer längs der ganzen Wand hinlaufenden Gallerie
und rechts mit einem sehr niederen, wahrscheinlich älteren
Seitenschiffe versehen. An den scheibenförmigen Schluss-
steinen des Letzteren siebt man einen Christuskopf und einen
durch wiederholte Kalktünche sehr verunstalteten Engel
mit einer Schriftrolle.
An der Aussenseite der Kirche ist von weissem Marmor
das stark erhoben gearbeitete Grabdenkmal Wolfgang
Zwickbefs. ständischen Verordneten (-f 1882), seine und
seiner Frau ganze Gestalten zeigend, nicht ohne Kunstwertb.
Innerhalb des Einganges ist rechts ein gut gearbeitetes stei-
nernes Wappenschild mil Stern und Winkelmass, gegenüber
der Grabstein eines Rathsbürgers von Feldbach, Michael
Stei nhoisl, aus dem XVI. Jahrhundert, von unbedeutender
Arbeit, eingemauert.
Sehr interessant sind die den ganzen Umfang der
Kirche mit einem bedeutenden Zwischenräume umgebenden
Befestigungswerke. Als solche erscheinen sie bei genauer
Beschallung, obwohl im Laufe der Zeit ihre Gräben ver-
schüttet, ihre Schussscharten grösstentheils in Fenster ver-
wandelt wurden. Wenn gleich von ziemlich hohem Alter, sind
sie doch in geraden Linien aufgeführt und nirgends ein run-
der Thurm sichtbar. Übrigens bestehen sie nicht aus eigent-
lichen freistehenden Wehrmauern oder Wällen, sondern aus
einer fortlaufenden Reihe von Wohngebäuden, welche gegen
den Hof zu sehr einfache offene Gallerien haben. An einem
dieser Gebäude, welches noch die alten zierlichen steinernen
Fensterstöcke hat, sind zwei Steintafeln eingemauert. Wäh-
rend auf deren ersterer (in Folge einer Dachausbesserimg
gerade mit Mörtel halb bedeckt) nur die Worte: Christian.
pae und die Jahrzahl 1447 zu lesen waren, zeigte
die andere ganz deutlich die Worte: Emulator huj dorn voce
pia pettt iinTi ave maria, daneben die Buchstaben e. I. 9. und
die Jahraahl 1474.
Eine im Baustyle und in der Eintbeilung ganz
ähnliche Befestigung umgibt die Kirche von Fehring,
welche übrigens in architektonischer Beziehung wenig inte-
ressant erseheint und nur in der mit der Jahrzahl tili
bezeichneten Mariencapelle golhische Formen des XIV. Jahr-
hunderts zeigt, so dass jene Jahrzahl sich auf ein früheres.
nun leider verschwundenes Kirchlein beziehen dürfte.
I t;is Kirchencastell ( früher, wie ähnliche Bauten. Tahor
genannt) in Fehring «eist durch sein tüchtiges rundes lioll-
werk auf ein höheres Alter und scheint noch in neuerer Zeit
für wichtig gehalten worden zu sein, da es ein, wahrscheinlich
249 —
aus dem XVII. Jahrhunderte herrührendes wohlerhaltenes
Thor hat, an welchem noch die Löcher für die Zugbrüchen-*
ketten ersichtlich sind. Die Gräben sind auch hier ver-
schüttet, und selbst der Zusammenhang der Umfassung durch
Niederreissen eines Theiles unterbrochen.
Diese Castelle, deren ganz ähnliche auch in Sieben-
bürgen vorkommen, hatten offenbar die Bestimmung, heim
Annahen des Feindes (hier der Türken und später der Mal-
contenten) die Bevölkerung des Marktes als Citadelle aufzu-
nehmen. Daher die Menge kleiner Wohnungen, daher, um
den in enge Bäume eingepferchten Bewohnern wenigstens
frische Luft zu gönnen, die offenen Gallerien. Aus diesem Grunde
auch der bedeutende freie Baum zwischen der Kirche und den
Defensionscaserneii (wie ich diese Castelle nennen möchte).
In dem gegen Ungarn zu sich öffnenden, nicht durch
natürliche Hindernisse geschützten, üherdiess sehr frucht-
baren , daher heuteversprechenden Baabthale war die
Besorgniss stärker als in anderen Gegenden, daher diese
Kirchencastelle und die starken Befestigungen der vielen
Schlösser, deren Krone die Bieppersburg bildet.
Eine Hauptmerkwürdigkeit der Kirche in Fehring bildet
das in der Mariencapelle daselbst eingemauerte rothmarmorne
Grabmal Berchtold's desTruchsessen von Emerberg1),
eine vorzügliche, besonders fleissig ausgeführte Bildhauer-
arbeit. Über 9 Schuh hoch und mehr als 4 Schuh breit,
zeigt dieses Denkmal das lebensgrosse Bild des ernsten kräf-
tigen Mannes im vorgerückten Alter mit ausdrucksvollen
Zügen und starkem Vollbarte. Vollständig gerüstet, nur das
Haupt mit einem sonderbar geformten, selten vorkommenden
Hute bedeckt, trägt er einen weiten faltigen Mantel, am
Halse durch ein Kleinod zusammengehalten, — in der Beeil-
ten führt er die Streitfahne: auf dem laugen Schwerte mit
sehr einfachem Grille, welches durch ein kurzes Riemchen
mit Sehnallen au der Rüstung befestigt ist, ruht die linke
Hand; an der Rüstung linker Seite sieht der ebenfalls mit
Buckeln besetzte Griff des Dolches hervor.
Unter den mit kräftigen Räderspornen bewaffneten
Füssen liegt der Hund, das bekannte Symbol der Treue,
neben ihm erblicken wir das Emerherger Wappen mit dem
Bügelschöpfeimer, gekrönt von dem geschlossenen Helme.
über dem wieder der Eimer als Helmzeichen sich erhebt,
und darüber ein Blätterhusch. Links zeigt ein zweites
Wappen im Felde und als Helmzierde den nach rechts ge-
wandten springenden Hirsch.
Der Umstand, dass das Bitterbild unter dem Haupte ein
Kissen hat, begründet die Vermuthung, der Grabstein sei
ursprünglich liegend angebracht gewesen. Die Tradition,
nach welcher wirklich der Stein früher in der Mitte der
Capelle auf einer Tumba lag. bestätigt diese Vermuthung, so
i) Über das historisch interessante Geschlecht der R in e r h e r g werden wir
in einem der nächsten Hefte einige sehr beachtenswerthe Nachweisungen
vom Herrn k. k. Halbe und Custos .1 o s e |> h i: e rg m a n u verölten Hieben.
Ii. Red.
wie der Umstand, dass die um die Grabtafel laufende Inschrift
auswärts gestellt ist, daher nur dann ohne tue grösste
Schwierigkeil gelesen werden konnte, wenn es möglich war,
von allen Seiten um das Denkmal herum zu gehen. Wäre
hierdurch die Frage über die ursprüngliche Stellung der
Grabplatte nicht unwiderleglich entschieden, so gäbe es
Gründe zum Zweifel. So /.. I>. ist die Kahne hinter dem
Kissen rollend dargestellt, eben so der Hantel, was eigent-
lich nicht sein kann, wenn der Ritter darauf liegt.
Bei näherer Besichtigung der Rüstung stösst man auf
einige schwer aufzuklärende Anstände. Dieselbe hat z. R.
einen aus fünf Schienen krebsartig zusammengesetzten, um
den ganzen Leib laufenden Waffenschurz, der vorne nur
wenig ausgeschnitten ist. Mit diesem angethan, konnte man.
wenn gleich die Schienenfügung einige Beweglichkeit ge-
stattet, nicht reiten, und doch hat der Ritter die Sporen an
den Füssen. — Auch die Handschuhe sind, so wie der Mut von
höchst seltener Form, sie decken nämlich nur die hallte Hand
bis zu den ganz ungeschützten Fingern und scheinen nicht
Riech, sondern Leder anzudeuten.
Ferner fehlt auf dem Denkmale der Helm, der Bonst
gewöhnlich neben der Figur, wenn sie das Haupt nicht damit
bedeckt hat, irgendwo angebracht wird. Ähnliche Anomalien
kommen übrigens auf Grabsteinen um so früher Zeit häufiger
vor als später, und zeigen, dass die Künstler jener Periode,
so fleissig sie auch das kleinste Beiwerk durchführten, den-
noch der Freiheit der Phantasie bisweilen keine Züge) an-
legten.
Der Erhaltungszustand des Monumentes ist ungeachtet
der Einwirkung von fünfthalb Jahrhunderten ein trefflicher,
nur die Umschrift: „Hier liegt begraben der edl herr bereh-
told truchsäsz von Emerberg der gestorben ist da man zalt
nach christi gepurt tausend vierhundert und im dritten," i^t
gegenwärtig wegen der ungünstigen Beleuchtung und dess-
halh schwer leserlich, weil sie auf der abgeschrägten Fläche
iles Randes angebracht, am oberen Theile nur umgekehrt,
unten aber, dem Roden sehr nahe, nur von einem am Boden
Liegenden gesehen werden kann, und auch theilweise durch
die Kalktünche der Mauer verunreinigt ist. Ich lasse hier
(siehe Fig. 1 der nächsten Seite) eine mit ziemlicher Treue
gearbeitete Abbildung dieses Denkmals folgen, die icb der
Gefälligkeit des pensionirten erzherzoglichen Concipisten
Herrn F. W. Fink verdanke.
NaheauFehriug liegt das sehensw erthe. wenig bekannte
Pertlstein (richtig Berchtholdsstein), der Sage nach von
jenem Rerchtold von Emerberg gebaut, dessen Grab den
Stoff zu den obigen Zeilen lieferte. In massiger Hohe be-
deckt es die Kuppe eines langgestreckten Hügels in einer
Seitenschlucht des Raabthaies, und gehört zu den älteren,
grösseren und hesser erhaltenen Schlössern des Landes.
obwohl sein ältester Theil. die ursprüngliche Berchtoldbnrg,
viele Umstaltungen erfahren hat und gerade gegenwärtig das
ganze Schloss wieder „restaurirt* « ird. In einer der schmalen
:::
250 —
Seilen des Schlosses liegt das neuere Hauptthor, an dein
die Zugbrückenrollen noch sichtbar sind, von einfacher Ar-
chitectur, — ober demselben /.»ei Wappen und eine Inschrift
religiösem Inhalts, in welcher das
Jahr 1ÖS2 als Bauzeit und Adam
\ ii n Leu g bei in li sammt seiner
Gemahlin Helena, gebornen Weis-
se neck, als Herstoller genannl
« erden. Noch böber ragl eine
alte Pechnase zur perpendiculären
Verteidigung hervor, während
die Flankirung durch ein sehr
spitzwinkliges, festes, dreiecki-
ges Bollwerk mit drei Reihen von
Schussscharten, deren eine später
in Fenster verwandelt wurde, er-
zielt w ird.
Durch das Thor treten wir in
einen geräumigen, besonders lan-
gen Hof, in dessen Glitte ein gros-
ser uralter Nussliaum steht, unter
dessen Schatten oft geprediget f3jp
wurde, so lange ein Beneficiaf im -iP^^Äy
Schlüsse bestand, weil die kleine
Kirche die Zahl der Gläubigen
nicht zu fassen vermochte.
Auch der tiefe Brunnen mit
dem Schöpfrade fehlt nicht. Die
rechte Seile des Hufes wird von
einer langen, auf einfachen Bogen-
reihen ruhenden Gallerie begränzt,
deren Hauer gegen die Aussenseile
nun vermauerte Schussscharten hat.
War schon der weite Hof,
dessen linke Seite eine Reihe von
Wohngebäuden umschliesst, ein sehr erwünschter Raum,
um sich zu ergehen, wenn gefährliche Zeitläufe das Schloss-
thor gesperrt hielten, oder um zur Musterung I Übung
der Besatzung oder seihst zum Ringelrennen (für Turniere
ist dieser Theil der Gebäude zu neu) zu dienen, so gewährte
vollends die geräumige breite Gallerie bequem Gelegenheit
zum Lustwandeln hei schlechtem Weder.
Neben dem Thore links sieht die alte Burgkirche. Sie
sei sogenannt, weil sie für eine Capelle beinahe zu gross
erscheint. Ihr einfacher Hau trägt den Charakter des XIV.
oder XV. Jahrhunderts. Das Masswerk ans den Fenstern
ist verschwunden. Die Eingangsthüre ist ein Viereck, an
den oberen Ecken durch Viertelbogen unterbrochen. Im
Presbyterium zeigt der Gewölbeschlussstein ein Kren/ und
die segnende Hand. Hechts neben dem Altar ist statt des
Sacramentshäuschens eine mit der Erbauung gleichzeitige
Nische mit Verzierungen, die dem Steinmetz nicht viel Ehre
machen. Der Hochaltar aus neuerer Zeil hat ein unbedeu-
tendes Altarblatt, die Taute Christi. Eine hübsche Arbeit
ist eine Steintafel links von demselben, erhoben geii/.t, mit
Goldschrift und dem Lengheimb 'sehen Wappen, die auf die
neuerliche Cousecration der Kirche
durch den Bischof Marcus vonSee-
cau im Jahre ltjllt! Bezug hat. Die
beiden Seitenaltäre sind etwas älter
als der Hauptaltar und von einer
besseren Architectur des XVII. Jahr-
hunderts, die Gemälde ebenfalls
ohne grossen Werth. Interessanter
sind die Grabdenkmale.
Jenes des Herrn Wol f vo u
Lengheim b ..des löblichen steu-
rischen Allels im Feldlager vor Cani-
scha gewesen Fondrieh- (f llilll)
und seiner Gattin Sofie von Saurau
(-{• ltilltl) mit ihren drei Kindern
ist aus weissem Marmor und sehr
ileissig gearbeitet, diese fünf Per-
sonen in stark erhabener Arbeit
darstellend. Wem es zur Last liegt,
dass dieses mächtige, mit archi-
tektonischem Schmucke umgebene
Werk bis auf die Gesichter, die
weiss blieben, schwarz heinall und
gefirnisst wurde und somit einen un-
beschreiblich tragikomischen Kin-
druck auf den Beschauer macht,
konnte ich nicht erfragen !
Von einem tüchtigen Meisler
ist ein ülg aide auf Kupfer, über
vier Schuh breit und hei fünf Schuh
hoch . die Bildnisse des Herrn
Adam von Lengheimb „der
hochlöblichen Landschaft in Steier geuester Kendrioh zu
Pferd und Erhöher dieses katholischen Gottshauses" (-J-HJ49)
und jenes seiner Gattin Maria Elisabeth von Sladl mit ihren
vier Kindern vorstellend.
Wie die Inschrift zeigt, hat die treue Gattin dieses
Denkmal für ihren verstorbenen Gatten und für sich an-
fertigen lassen. Es ist eine arge Impietät, dass Todesjahr
und Tag unausgefüllt blieben, und diese Impietät ist leider
keine seltene. lugeachtet der entschiedenen Neigung
unserer Yorlährer, für ihre oder ihrer Angehörigen Grab-
denkmale oft prunkend und verschwenderisch zu sorgen,
sind die Beispiele unausgefüllter Daten auf Grabdenk-
malen nicht seltei) und dem Schreiber dieser Zeilen aus
der Periode vom XIV. bis in das WIM. Jahrhundert nicht
wenige vorgek neu
Geschmacklos und mit dem eklen Gerippsch ck der
barocken Kunstperiode verziert ist das Grabmal des Grafen
Georg \d;,m (•;• 1712).
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jj
,
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AIut nicht nur die Herren des Schlosses haben ihre
Ruhestätte in seiner Gruft und ihre Denksteine in der Burg-
kirche gefunden, sondern auch mehrere ihrer treuen Diener.
So linden wir einen R. D. Jos. Vollius, auf dessen Grab-
stein die tausend Gulden, die er auf das Schlossbeneficium
im XYI1I. Jahrhundert stiftete, erwähnt sind, — eine Er-
wähnung, die auf seinem Bilde in einem der Gemächer des
Schlosses wiederholt wird, wo auch von seinem unter
den Dornen von Fehring (?) (f 1758) erfolgten Tode die
Hede ist.
Auch die Verwalter Adam Köflersee (f 164t») und
Georg Christof Reitter (-J- 1702) liegen hier begraben; des
Letzteren Grabtafel enthält ein hübsches Wappen mit dem
heiligen Georg zu Pferde.
Noch ist des steinernen Taufbeckens mit zwei Wappen,
der Jahrzahl 1397 und der Buchstaben W. v. L. z P u. K.
S. F. v. L. g. F. v. S. (Wilhelm von Lengheimb zu Pertl-
stein und Kopfenstein, Sotie Freiin von Lengheimb, geborne
Freiin von Saurau), und eines sehr hübschen in Holz ge-
schnittenen heiligen Sebastian 's aus dein XVI. Jahrhundert
zu erwähnen, endlich der Freske am Schlüsse des Presbyte-
riunis gegen das Schill", welches uns Karl Grafen von Leng-
heimb mit seiner Familie vor der Himmelskönigin kniend
zeigt. Das Bild ist vom Jahre 17(18.
Von der Kirche an dem linken Tract bis zum Mittel- und
llochschloss (wenn dieser Ausdruck bei dem ziemlich glei-
chen Horizonte erlaubt ist) folgt eine endlose, zum Theil
chaotische Reihe von Zimmern, Sälen, Gängen, Treppen und
anderen Räumen, zwei kleinere Höfe umschliessend, hie und
da eine Spur des ältesten Baues zeigend, aber meist „restau-
rirt" oder in der „Restauration" begriffen. Mittel- und
Hoch-, oder eigentlich Kernschloss waren von dem neueren
Vorschlosse durch Gräben mit Zugbrücken getrennt, wie die
noch vorhandenen Thore deutlich zeigen. In diesen Räumen
linden wir durch die Sorgfalt des gegenwärtigen Besitzers,
der das Sehloss aus der eigentlichen Ruine in brauchbaren
Zustand brachte, sehr wohl erhaltene, theilweise sehr inte-
ressante alte Einrichtungstücke, aber vorzugsweise sehr an-
ziehende Gemälde. Die gewöhnlichen Zierstücke alter Schlos-
ser, z. B. die vier Welttheile, unbedeutende Gemälde des.
XVII. Jahrhunderts und gute Schlachtstücke der gleichen
Zeit fehlen nicht: sehenswertber sind die Ahnenbilder. Unter
ihnen linden wir die bereits erwähnte Freifrau Sofie von
Lengheimb mit einem grossen Mumie und mit dem gleichen
Attribute, einen Ritter, G. L. V. S. , lebensgross in einem
höchst sonderbaren Costüme aus gelb und schwarz gestreif-
tem rauhen Stolle mit Schwert. Dolch aus Buzogary und
spanischem Cylinderhut.
Auf einem Gange befindet sich eine Inschrift aufSchloss-
Restaurationen von 1638 und 1643 Bezug nehmend. Die
Aussicht vom grossen (ganz modernen) Balcon ist herrlich.
— ich wage keinen Versuch, sie zu schildern, — kann aber
nicht unterlassen zu bemerken, dass, wer zweifelt au der
Pracht von Steiermarks flacheren Gegenden und nicht glaubt,
dass sie einen Vergleich mit seiner erhabenen Alpennatur
aushalten, von diesem Punkte das herrliche Raabthal, — die
stolze Rieggersburg betrachten möge.
Ein Gang um das Sehloss durch die Schluchten, die es
theilweise unigeben, und am Fusse seines Gemäuers zeigt an
vielen Orten die Spuren des ältesten Quaderbaues, die sorg-
same Vertheidigung durch vorspringende Thürme, durch
runden Ausbau und aus hundert verschieden geformten, für
Armbrüste, Doppelhaken und grobes Geschütz bestimmten
Scharten.
Au einer Stelle der rechten Langseile sind fünf mäch-
tige Steinkugeln von ungleichem Kaliber (die sechste ist
ausgefallen und wird im Schlosse aufbewahrt) in unregel-
mässiger Zusammenstellung, wie sie eben angeprallt sein
und Scharten im Gemäuer ausgeschlagen haben mochten, ein-
gemauert, das Denkmal einer Belagerung im XV. Jahrhundert
Die Kirche und Randcapelle zu Deutsch- Altenburg in Niederösterreich.
Vom Konservator Dr. Kd. Freiherr v. Sacken.
(Mit ei
An der Stelle, wo die bedeutende römische Stadt Car-
n un tum stand, der Hauptwaffenplatz in Ober-Pannonien
seit Marc Aurel, welcher hier drei Jahre residirte. um die
Kriegsoperationen gegen die Quaden am jenseitigen Donau-
ufer zu leiten, erhoben sich im Mittelalter drei Orte: Pe-
Ironell, an der Stelle der römischen Civilstadt, Deutsch-
Altenburg, nahe bei dem römischen Castell erbaut, und
IIa in bürg, an der äussersten Gränze der Befestigungs-
werke. Alle drei sind nicht nur als Fundorte zahlreicher
römischer Alterthümer, sondern auch wegen der ßaudenk-
male aus dem Mittelalter merkwürdig. So ist in Petronell
die Pfarrkirche und eine grosse Rundcapelle aus dem XII.
Jahrhundert , in Hainburg ein Stadtthor aus wenig jüngerer
ner Tafel.)
Zeit, eine Rotunde und einzelne Theile des alten Schlosses
ebenfalls aus dem XIII. Jahrhundert bemerkenswerte Be-
sonders interessant aber für die Geschichte der Architectur
ist die Kirche von Deutsch-Altenburg. Urkundlich er-
scheint dioer Ort, der seinen Namen wahrscheinlich von
dem benachbarten Römercastell erhielt, im MI. Jahrhun-
dert im Besitze der Ritter von Dörr, einer [ränkischen
Familie. 1213 erbauten Alban und Johann von Dörr die
Pfarrkirche, stifteten einen Priester dazu und Hessen in ihr
die Familiengruft anlegen '). Friedrich von Dörr erscheint
als Begleiter Herzoo Leopold iles Glorreichen auf dessen
1 1 w i m; . ,ii. Schaupl, iles niederösterr. Melstl, p. 270. Enenkel, Collect. II
33'
— 252
Kreuzzuge 1218. Diese Familie, deren Glieder wiederholt
auf der Ritterbank beiden niedi-österfeichischen Landtagen
sassen . trat im XVI. Jahrhundert /.um Protestantismus
über iniil starb im Jahre 1<>I;> aus.
Schon Mm weitem zieht die auf einer felsigen Anhöhe
.•im Ufer der Donau gelegene Kirche durch ihr alterthüm*
liches Aussehen die Aufmerksamkeit auf sich (s. Taf. NIM. b).
Sie ist offenbar '.ms zwei Bauperioden und das Schiff der
bei weitem ältere Theil; es ist das einer flachgedeckten
Pfeilerbasilica. Die Abseiten sind fasl um ein Drittel
schmaler und niedriger als das Mittelschiff, dessen mit rund-
bogigen Fenstern über den Dächern der Abseiten versehene
Hauern auf jeder Seite von fünf massiven, viereckigen Pfei-
lern getragen werden (s. d. Grundriss Taf. XIII, a). Diese
haben hohe, wie der attische Säulenfuss gegliederte Sockel
und Capitäle, welche sieh um ;dle vier Seiten ohne Unter-
brechung herumziehen, woraus hervorzugehen scheint, dass
die Bedeckung des Schiffes ursprünglich flach (aus Balken-
werk bestehend) war , denn sonst müssten an den Pfeilern
Träger für die Gewölbsgurte hinauflaufen, wovon aber weder
■.in ihnen noch an den Mauern des Mittelschiffes eine Spur zu
sehen ist. Dass halbsäulenförmige Dienste angebracht waren,
welche ober den Pfeilern absetzten — ähnlich wie in Heili-
genkreuz — ist bei der geringen Höbe des Mittelschiffes
nicht wahrscheinlich, bei den Abseiten aber ganz unstatthaft.
bei welchen Qberdiess der Mangel von Wandpfeilern für eine
ursprünglich flache Bedeckung spricht. Die Pfeilercapitäle
bestehen theils aus einer Reibe von schweren, oben knospen-
artig umgebogenen Blättern, darüber eine zweite Reihe von
ähnlichen mehr schneckenförmigen, theils aus sogenannten
Pfeifen, mit einem ringförmig geschlungenen Bande darüber:
alle haben buhe, reich gegliederte Decksimse und sind durch
Rundbogen mit einander verbunden. Auch die Fenster der
Umfassungsmauern und die Eingänge sind rundbngig . letz-
tere von mehreren ohne Unterbrechung sich herumziehen-
den Wülsten eingefasst. Unter dem Dachgesimse des Mit-
telschiffes läuft der für die Rauten romanischen Styles so
charakteristische Rundbogenfries mit der Zahnscbnittver-
zierung über demselben bin. Alle Merkmale zusammenge-
fasst stellt sich das Schill' — mit Ausnahme der gothischen
Kreuzgewölbe, welche dem Anfange des XV. Jahrhunderts
angehören dürften — als ein liau aus der Schlussperiode
des romanischen Styles dar und ist ohne Zweifel ein Rest
der im Jahre 1213 erbauten Kirche. Für diese Zeil isl
freilich die Hache Bedeckung ungewöhnlich und manche
Details erscheinen etwas alterthUmlich , allein bei Land-
kircheo erhielten sieh die einmal gangbaren Formen oft
ziemlich hinge über die Zeil hinaus, wo sie bei grossen Bau-
werken sei iieuci gewichen waren, zudem war die
Balkendecke minder kostspielig als Steingewölbe.
Der Chor ist im reinsten gothischen Style erbaut und
besonders im äussern mim schmuckem Ansehen (Taf XIII, b).
Kr ist bedeutend höher als das Schiff, dreiseitig aus dem
Achteck geschlossen und hat als Widerlager seiner Spitz-
bogengewölbe weit vorspringende Strebepfeiler, die in fünf
Geschossen organisch emporsteigen; Die beiden untersten
Abtheilungen sind glatt, die dritte mit Spitzbogenblenden
und Masswerk nach Art der Fenster an gothischen Kirchen
verziert: das vierte Geschoss hat Nischen und schöne Balda-
chine, unter denen wohl einst Figuren standen, das fünfte
besteht aus einem achteckigen Spitzthurine mit Säulchen an
den Ecken; leider fehlt die Ryrainidenbokrüuung. An der
Nordseite befindet sich ein Zubau, wie der Flügel eines
Querschiffes, seine Giebelwand ist mit Spitzbogen geziert:
in der Ecke zwischen diesem und dem Schiffe stehen zwei
Treppenthürmchen . deren eines mit einer gemauerten
Kuppel und Fialen an den Ecken versehen ist. Besonders
schön ist das Kranzgesimse, in dessen breiter Hohlkehle ein
Stab fortläuft, um den sich Laubwerk, Rh n und Trauben
leicht herumschlingen. Die Bogenfelder der Fenster, ohne
Zweifel ursprünglich mit reichem Masswerk versehen, sind
vermauert. Ein an der Südseite befindlicher Eingang, von
einem Wimberge eingefasst. hat einen geradlinigen Sturz.
Die Rippen der einfachen Kreuzgewölbe, von reicher Glie-
derung und eigentümlich elastischem Schwünge, ruhen auf
einzelnen, mit krausem Blattwerk verzierten Consolen, deren
einige sich unten als Dreiviertelsäulcheii fortsetzen und in
die Wand verlaufen, wodurch freilich der untere Theil der
Umfassungsmauer etwas kahl erscheint.
Der lebensvolle Organismus, den dieser Theil der
Kirche besonders am Äussern zeigt, die reiche und ge-
schmackvolle Detailbildung bezeugen ihn als ein Werk, wo
die gothische Architectur noch in ihrer Blüthe stand, aus dem
Anfange des XV. Jahrhunderts stammend.
Ungefähr aus derselben Zeil ist der achteckige Thurm
an der Westseite, dessen Gestalt fast romanische Remi-
niscenzen zeigt. Wie bei Thürmen dieses Styles, sind über
den Seilen Indio Giebel angeordnet, zwischen denen das
ganz aus Quadern gemauerte Helmdach emporsteigt '): «las
Massenhafte, Schwerfällige dieser Hauptform steht in Wi-
derspruch mit der gothischen Detailbildung, den Strebe-
pfeilern an den Ecken, dem Profile der Giebel (aus Schräge
und Hohlkehle gebildet) und den spitzhngigon Fenstern.
An vier Seiten sind in spitzem Winkel vorspringende
Mauervorlagen, oben mit Giebeln und Kreuzblumen ange-
bracht, die andern vier Seiten haben sehr hohe Schalllöcher,
deren eines in einem Kleeblattbogen treffliches Masswerk
enthält. Vuf den Giebelspitzen reiten kleine Figuren, — einer
mit einer Zipfelmütze, die Glocken in den Händen halten; au
den faulen der Giebelschenkel sind Irell'lich gearbeitete
Wasserspeier. Der Thurm enthält bloss ein l.'il'u-s hohes
Gewölbe, in welches drei Tluiren mit hohen Kleeblattbögen
bedeckt führen : über diesem is| er ganz hohl, ohne Gebälke,
l) Ähnlich sind die Thiir von Wi Neustadt, die Körner in Palkau,
Zellerndorf u. s. w.
— 253
selbst ohne eiserne Stangen. Durch eine jetzt vermauerte
Thttre gelangte man auf den alten Orgelchor. Sehr merk-
würdig sind die an den Strebepfeilern ausgehauenen Wappen
mit schweren Fasshelmen, wie sie im XIV. Jahrhunderte
von den Rittern getragen wurden, oder alten Stechhelmen
bedeckt.
Zweimal kommt das auch au den Strebepfeilern des
Chors angebrachte Wappen der Ritter von Dörr vor; beson-
ders auffallend ist eines, welches einen doppelten Löwen
mit einem gekrönten Kopfe enthält. Etwas jüngeren Ur-
sprunges als der Thurm und Chor ist die an die südliche
Abseite angebaute Capelle, welche durch eine viereckige,
von einer kantigen Säule unterteilte Öffnung mit der Kirche
communicirt; das flache Profil derGewölbsrippen deutet auf
die Verfallszeit der Gothik. Die zierlichen kleinen Spitzbogen-
blenden an den Schlussmauern der Abseiten dagegen sind
wahrscheinlich zur Zeit, als der Chor erbaut wurde, der
Gleichförmigkeit wegen angebracht worden.
Südlich von der Kirche, auf dem dieselbe umgebenden
Friedhofe steht eine dem heiligen Leonhard geweihte Ca-
pelle, ein Rundbau mit halbkreisförmiger Apsis gegen
Osten, ganz aus Quadern erbaut; es ist eine Todten-
capelle, wie sich ähnliche in Österreich sehr zahlreich
finden, meistens aus dem XR. und XRI. Jahrhunderte und
typisch von der angegebenen Grundform, welche wahr-
scheinlich in einer Nachahmung der heiligen Grabkirche
zu Jerusalem ihren Ursprung hat. Rei der durch die Kreuz-
züge erweckten Regeisterung für die Grabesstätte Christi
mochte es passend erscheinen, das Messopfer für die Ver-
storbenen in einem Gotteshause darzubringen, dessen Gestalt
an die Kirche des heiligen Grabes erinnerte und die Gebeine
in einer solchen beizusetzen *). Die von den Kreuzzügen
heimgekehrten Ritter scheinen oft solche Capellen gebaut
zu haben, da sie sich gerade an vielen Orten linden, wo
adelige Geschlechter ansässig waren, von denen einzelne
Glieder als Kreuzritter vorkommen. Bekannt ist es, dass
Herzog Leopold VH. nach seiner Rückkehr aus dem ge-
lobten Lande zu Klosterneuburg eine solche Capelle (die
sogenannte Capella speciosa) nach dem Muster und zum
Andenken der heiligen Grabkirche erbaute. Und so dürfte
auch die in Deutsch-Altcnburg ihren Ursprung dem Ritter
Friedrich von Dörr verdanken, der den Herzog auf seinem
Kreuzzuge begleitete; wenigstens stimmt der Baucharakter,
welcher auf die erste Hälfte des XIII. Jahrhunderts als
Erbauungszeit weist, mit dieser Vermulhung überein.
Der Durchmesser des runden Hauptraumes beträgt
26 Fuss, der der Apsis 9 Fuss; an der Aussenseite des
ll Oiiss diess die gewöhnliche Bestimmung solcher Capellen war, wenig-
stens derjenigen , unter denen sicli eine Gruft beiludet , bezeugt der
oft dafür vorkommende Name Carnero oder Ossariunt, die Stiftungen \ • ,ti
Seelenmessen, die mitunter bis jetzt bestehen (alle haben einen Altar)
und andere Umstände. Siehe die ausführliche und sehr gründliche
Abhandlung von Dr. Heider im April-Hefte der Mittheilungen, S. 5Ü ff.
ersteren laufen vier Halbsäulen hinauf, denen die Capitäle
fehlen : ihre attischen Rasen mit knollenartigen Eckver-
bindungen treten aus dem ebenso gegliederten Fussücsimse
vor, das sich in einer Höhe von 2 Fuss über dem Roden um
die ganze Capelle herumzieht. Das Kranzgesimse ist erst
in neuerer Zeit aufgesetzt: ohne Zweifel war unter demselben
ursprünglich ein Rundbogenfries mit Zahnschnitten darüber
angebracht . wie diess au der Apsis der Fall ist. wo er
sehr zierlich gebildet erscheint mit Raulen in der Hohl-
kehle. Von den drei Halbsäulen am Altarraume haben zwei
Blattcapitäle mit Schne-
cken, die dritte (in der
Mitte) läuft nur bis zu dein
hier angebrachten Rund-
bogenfenster hinauf und
setzte sich über diesem
nicht fort, wie der ununter-
brochene Fries beweist
Von besonderer Zier-
lichkeit ist der Eingang
an der Westseite ; zu bei-
den Seiten befindet sieh
eine freistehende Säule,
— jene dem Eintreten-
den zur Linken mit ge-
wundenem Schaft — mit
einem sehr schönen aus
Blattwerk und diamantir-
ten Bändern bestehendem
(Fig. t.) Capitäle. Das Capital der
Säule rechts zeigt der Holzschnitt (Fig. 1). Die Deckplatten
sind ebenfalls verziert und der reich gegliederte Decksims
diente wahrscheinlich Figuren zum Fussgestelle. Der Vor-
bau, in dem sich der Eingang befindet, wurde wohl nur
desswegen angebracht, um denselben reicher ausstatten zu
können: in den rechtwinkelig abgestuften Anschlagsmauern
stehen auf jeder
Seite drei \ 8
schmückt, auf
hohen Sockeln.
So hat die er-
ste Säule rechts
ein Capital von
verschlungenem
Blattwerk und
einen schuppig
*'riS *■) verzierten Pfuhl
der Basis initWulsten an den Ecken, — die zweite und dritte
ein verschiedenartig mit blattartigen Zügen und Rautenbändern
geschmücktes Capital: erstere einen achteckigen Schaft und
Basis mit Schnecken (Fig. 2). Die vorderste Säule zur
2 04 —
Linken zeig! ein Pfeifencapitäl (Fig. 3), die zweite ein mit
Akanthusblättern verziertes Capital und achteckigem Schaft,
die dritte hat Rautenbänder und Schnecken. Die Mauer-
> üi'lillllll ecken zwischen
den Säulen, an
den Kanten mit
leinen einge-
blendeten Siiul-
ehen verziert.
haben ebenfalls
mit Blatt- oder
Flechtwerk ge-
zierte Kämpfer,
(Fig. .».) darüber geglie-
derte Decksimse , so dass sie mit den Säulencapitälen ein
fortlaufendes Ganzes bilden. Ursprünglich zogen sich über den
Säulen wohl Wulste im Halbkreisbogen herum , die gegen-
wärtigen Rundbogen rühren aber, wie auch das Dach und das
schmucklose Innere der Capelle (die Gewölbe sind nicht
mehr vorhanden) von einer durch den Geschieh ts-Professor
Wikosch i. .1. 1823 veranstalteten Restauration her.
Diese iniiss als ein nachahinungswürdiges Beispiel angeführt
werden, denn wenn sie auch mit geringen, bloss durch eine
Sammlung unter den Schülern Professor Wikosch's bei-
geschalVton Geldmitteln in ganz einlacher und bescheidener
Weise ausgeführt wurde, so rettete sie doch dieses schöne
Denkmal vor weiterem Verlalle, denn ohne dieselbe würden
wir es nur in einem sehr kläglichen Zustande kennen. Es
verdient iliess um so grössere Anerkennung, als in jener Zeit
die Kunstdenkmale des Mittelalters nicht so hoch geachtet
und gewürdigt wurden als jetzt.
Noch muss angeführt werden, dass sich unter der
Capelle eine Gruft befindet, daher über ihre Bestimmung
als Todtencapelle wohl kein Zweifel sein kann; diese ist
ohne besondere Bauformen, ihr Gewölbe wird in der Mitte
von einem ganz, einfachen, achteckigen Pfeiler gestützt.
Über den Bau und die Einrichtung der Cistercienser- Klöster und Kirchen.1)
Die vom später heilig gesprochenen Benedict (geh.
um 480 zu Nursia in Umbrien, f 21. März 543) um 515
entworfene Ordensregel, in dem von ihm gestifteten
Mönchskloster Monte Cassino zuerst eingeführt, diente
allen im IX. — XI. Jahrhundert entstandenen mönchischen
Vereinigungen als frommer Leitstern; zu ihr bekannte sich
namentlich der Cisterci enser-0 rden.
Dieser Orden insbesondere verdankt seineu Ursprung
dem frommen Kifer des h. Robert, ersten Abtes des Klosters
zu Molesme (Molismum), der 1098 in reformatorischer
Richtung gegen die zu Molesme eingerissene Verderbtheit,
in einem unwirklichen nur mit Dornen und Gehölze bewach-
senen, durch ein Flüsschen bewässerten Thale von Citeaux
(Cistercium) für 20 Mönche das erste Cistercienser-Kloster
(ursprünglich Neukloster, Nomon Monasterium genannt)
gründete, und auf Befehl des P. Urban II. 1099 nach Mos-
leme zurückberufen die weitere Pflege der neuen Pflanzung
seinem Schüler Alberich als zweitem Abte überliess, der
die Regel des h. Benedict in ihrer ursprünglichen strengen
i| Vorsl.'litMiili'i- Aul'vit/. ist ein Vus^u^ <lcr interessanten Abhandlung , wel-
che der Geschichtsforscher Herr Joseph Feil in dein ersten Hefte der
\ ins wiederhol! besprncht'ut'ii „Mitii-hlffi-lirlii'n Kunstdenkmale des
üsterr. Kaiserstaates" (herausgegeben ron Dr. G. Heider, Prof. Rud.
v. Eitelbe rger und .1. HieserJ als einen Theil der historischen
Einleitung zu der Beschreibung und Darstellung des Ciatercienser-Stiftes
Heiligenkreuz veröffenUichl hat. Die Gediegenheil der Arbeit, wie
auch <li<" Wichtigkeil des Gegenstandes rerdienl -lit* grösste Verbreitung
und bal uns desshalb veranlasst , darauf licsomlers zurückzukommen.
Wegen Mangel an Raum konnten wir uns nur auf allgemeine I mris i
beschränken und auch auf eine specielle Anführung der reichhaltigen
Quellen nichl eingehen. Zum besseren Verständnisse bemerken wir übri-
- i ingeführten Jahrzahlen , sich grösstentheils
auf den Zeitpnnkl der gefassten Beschlüsse der Ordenscapitel beziehen.
I>. Ilod.
Geltung einführte. Der dritte Abt Stephan setzte unter Zu-
stimmung der zusammenberufenen Brüder 1108 — 1109
einige mit der Regel des h. Benedict im Einklänge stehende
Bestimmungen fest, welche, vorerst nur für das Kloster zu
Citeaux bestimmt, öfter mit der um 11 Jahre späteren und
bereits auf die weitere Verbreitung des Ordens absehenden
s. g. Charta charitatis verwechselt wurden.
Stephan stiftete noch 4 Cisterciensor-Klüster, 1113 La
f e rte ( Firniiiim) im Sprengel von Chalons, 1 1 1 4 P o n t i g n y
(Pontignyacum) in jenem von Ouxerre, 1115 Clairvaux
(Clara-Yallis) und Morimond (Morimundum) beide im
Sprengel von Langres. deren Vorsteher, als jene der vier
ersten Tochter-Klöster, zum Mutter-Stifte Citeaux den später
gegründetenCistercienser-Abteien gegenüber (nämlich 1 1 IS:
Pruly. La Cour Dieu, Trois Fontaines und Bonnevaux ; 1119:
Uouras. Fontenai, Cadorin und Mazan) einen gewissen Vor-
rang behaupteten, liei solcher Ausbreitung des Ordens war
Stephan darauf bedacht, alle diese einzelnen Ordenshäuser
zu gleichartiger Disciplin und strenger Aufrechthaltung der
Ordensregel durch ein gemeinsames Hand der Observanz
zu vereinigen, und dieses Bestreben liegl der sogenannten
Charte der christlichen Liehe (charta charitatis) zu Grunde,
welche Stephan nach sorglichen Berathungen mit den Äbten
und Brüdern der erwähnten Klöster um] mit deren Zustim-
mung zu Stande gebracht und der päpstlichen Genehmigung
unterzogen hat. welche Satzungen (capitula et constitu-
tiones) Papsl Calixt II. unterm 23. December 1119 auch
wirklich für in 'Währende Zeilen bestätigte. Diese Charte
der Liehe ist nun das Grundgesetz des Cistercienser-Ordens
(fundamentum ordinis), auf welches hei den Beschlüssen
der Generalcapitel zu Citeaux fortan hingewiesen wurde.
— 255 —
Dasselbe handelt jedoch nur von den persönlichen
Rechten und Pflichten, ohne sachliche Anordnungen in
Bezug auf den Bau oder die Einrichtung der Klöster und
Kirchen des Ordens zu berühren. Eine reichere Fidle archäo-
logischen Stoffes bieten dagegen einzelne Bestimmungen
der Beschlüsse der Generälcapitel.
In Bezug auf die Gründung eines Cistercienser-
Kl osters galt anfangs strenge die Ordensregel Benedictes.
Nach derselben sollte ein Kloster wo möglich so gebaut
werden, dass es alles für den nöthigen Unterhalt Erforder-
liche, nämlich Wasser, Mühle, Garten, Bäckerei und Werk-
stätten für die Handarbeiten, innerhalb seiner Mauern um-
schliesse, daniitdie Mönche nicht genöthigt seien, den Bereich
des Klosters zu überschreiten. Wenn ein Kloster gestiftet
werde, sei sich vorerst behufs der hiezu ausersehenen Örtlich-
keit von Seite des Landesherrn oder anderer weltlicher Gros-
sen, sowie von Seite des Bisehofes der Zustimmung zu ver-
sichern, dasselbe aber entfernt vom Sitze weltlicher und
geistlicher Höfe anzulegen. Ferner müsse das Kloster, bevor
es von den Mönchen bezogen wird, vom Stifter mit dein zur
Deckung des Unterhaltes und der Bekleidung der Religiösen
erforderlichen Einkommen ausgestattet sein. Diese Satzun-
gen fanden bei den Cisterciensern nicht nur strenge Anwen-
dung, sondern der dritte Abt zu Anievaux, Fastred, wies in
offenbar übertriebener Askese darauf hin, dass die ersten
Klöster absichtlich in sumpfigen , abschüssigen Thälern er-
baut wurden, damit die Mönche öfter erkrankend stets den
Tod vor Augen haben , um nie sorgenlos zu leben. Ebenso
wurde jene Anordnung Benedictes festgehalten, welche die
Zahl der Brüder für jedes neu errichtete Kloster auf zwölf
und den Abt als dreizehnten beschränkt und auf späte-
ren Generalcapiteln diese Zahl als Minimum einer Kloster-
bruderschaft bezeichnet hatte, um längerhin als solche
bestehen zu können.
Was die Bauanlage und den L in fang der
Klöster mit ihren Betkirchleins anbelangt, so folgte der
Cistercienser-Orden, die Armuth als Nährmatter seines Be-
standes an die Spitze stellend, anfangs strenge diesem Ge-
bot und prägte den Stempel desselben auch in der kümmer-
lichen Form bei der Ausstattung seiner Bauwerke aus. Durch
diesen Grundsatz und das Gebot der strengsten Clausur für
die Mönche selbst, sowie durch die in erster Zeit zusammen
auf dreizehn bestimmte Anzahl derselben, waren dann auch
schon überhaupt die Anlage und der Unifang der einzelneu
Bestandteile der ältesten Klöster bedingt, welche in Bezug
auf den Cistercienser-Orden das den Karthäusern als Hegel
vorgezeichnete Zellen-System zu Anfang völlig ausschlössen
Die Bestandteile waren zumeist in folgenden Rich-
tungen angelegt. Den nördlichen Theil beherrschte die
Kirche in solcher Art, dass der den Hochaltar umschliessende
Theil nach Osten hin gerichtet war. An der entgegenge-
setzten westlichen Seite der Kirche war der Eingang in
dieselbe. Das Dormit ori um , und unterhalb demselben
das Capitelhaus, lagen gegen Osten. Nächst der Kluster-
pforte, gegen Westen, lag die Fr ernd e n s t u be (cclla
kospitum), damit die Ankömmlinge nicht Anlass hätten, die
inneren Klosterräume zu betreten. Gegen Süden hin war das
Refectorium und unterhalb demselben die Küche angebracht,
beide so weit als möglich vom Kirchengebände, namentlich
vom Chor entfernt. Das Novizen- und Krankenhaus
waren, gleichsam ein zweites Kloster, von den oben genann-
ten Räumlichkeiten abgeschieden.
Die Kirche sollte schon nach der Ordensregel hins-
ein Bethaus (daher auch meist nur Oratorium, seltener
ecclesia oder basilica genannt) sein, und zu keinem andern
Gebrauche dienen. Die Klosterbrüder sollten nach der Be-
endigung des Gottesdienstes die Kirche stets in ^rösster
Stille verlassen, damit jene nicht gestört werden, die auch
noch später daselbst beten wollten. Der Besuch der Kirche
war in der Hegel Laien nicht gestattet, am wenigsten dein
weiblichen Geschlechte. Die Überschreitung dieses öfters
eingeschärften Verbotes wurde stets am Abt und Convenl
bestraft (1192 u. 1193): und zwar nicht bloss, wenn Wei-
ber die Kirche, sondern auch nur das Kloster, selbst wenn
es neu erbaut war (1194), betreten hatten, wovon nur zur
Zeit der Einweihung einer neuen Klosterkirche durch neun
Tage eine Ausnahme gestattet war (1157). Ausserdem war
der Zutritt auf das Strengste untersagt und so lange Frauen
im Kloster sich aufbieten, durfte kein Gottesdienst gehalten,
und mussten die Altäre abgeräumt werden. Der Abi , mit
dessen Zustimmung dieses geschehen, wurde seiner Würde
entsetzt, der Mönch, der es ebne Wissen iWs Abtes vermit-
telte, ausgestossen (1193).
Wenn also die Betkirchleins des Cistercienser-Ordens
ursprünglich nur für die beschränktere Anzahl der Kloster-
gemeinde und \'t\i den seltenen Besuch geistlicher Gäste
bestimmt waren, so ergibt sich schon dadurch der geringere
Umfang der hierfür gewidmeten Räumlichkeit. Die Aus-
stattung des Bauwerkes und der inneren Kirche war seilen
nach der Ordensregel auf die schmuckloseste Einfachheit
beschränkt, und dieses Gebot durch viele Capitelbesehliis.se
eingeschärft.
In dem zum täglichen und nächtlichen Gottesdienste
bestimmten Gebäude sei alles entfernt, was gegen die grund-
sätzliche Armuth des Ordens, an Hoffart oder Überfluss ge-
mahnen könnte: daher alle goldenen und silbernen Kreuze
zu beseitigen und durch bemalte hölzerne zu ersetzen seien.
In der Kirche hänge nur ein silberner Candelaber. Ausser-
dem durften nur kupferne oder eiserne Weihrauchfässer,
nur Messkleider u. s. w. aus Baumwollen-, Leinenstoff oder
Tuch ohne Gold und Silber gebraucht werden, nur leinene
Messhemden und Kragen (amictus), nur silberne und wenn
möglieh vergoldete Kelche . Sielen und Manipeln nur von
Tuch ohne Gold und Silber, Altartücher nur aus Leinwand
ohne Malerei: die zur Bedienung des Altars bestii teu
Trinkgeschirre ohne Gold und Silber, kein Mantel. Pluvial
(cavpa), keine Dalmatik oder Tunik sollen zur Anwendung
kommen (1109).
Diese Grundregeln der Mutterabtei Citeaux wurden auch
in den Töchsterklöstern aufrecht erhalten, auf den General*
capiteln bei vielen Anlassen in Erinnerung gebracht, und
bei besonderen Vorkommnissen folgerichtig ausgelegt und
mndificirt. Wir wollen diese besonderen Bestimmungen
zunächst der Zeitfolge nach in Übersicht bringen und sodann
zu allgemeinen Folgerungen übergehen.
Vor Allem soll vorangeschickt werden, dass im Cister-
cienser-Kloster die Verehrung der beil. Gottes-Mutter eine
bei vielen Anlässen überwiegend hervorgehobene Richtung
des Cultus der frommen Klosterbrüder bildete (1187 und
1184: 1244 u. s. w.) und dass alle Kirchen des Cister-
cienser-Ordens zu Ehren der h. Maria als Schutzfrau »los
Ordens eingeweiht werden mussten.
Dass auch der architektonische Schmuck vermieden
war und die Wände des Kirchengebäudes so viel als möglich
kahl gelassen werden mussten, ist schon aus dem ganzen
(niste der Ordensregeln und Statuten abzuleiten.
Steinerne Glockent hürme waren strenge unter-
sagt; der Gebrauch kleiner Glocken jedoch bis zu dem
Gewichte von 300 Pfd. gestattet. Die Zeichen zu den ver-
schiedenen gottesdienstlieben Verrichtungen wurden vor
dem allgemeineren Gebrauche der Glocken auch durch Hör-
nerruf, durch Schläge auf Holztafeln und durch menschliche
Laute gegeben.
Dass schon bei der ältesten Anlage der Cistercienser-
Kirohe der Chor besonders unterschieden werden musste,
geht ans vielfachen einzelnen Statuten bestimmt hervor.
Der Hochaltar musste gegen Osten bin liegen und
dessen Stelle schon hei dem Ausstecken der Masse für den
Hau eines neuen Klosters zuerst bestimmt werden. Wurde
,],■]■ Altartisch von dieser Stelle entfernt, so musste die
Kirche neu eingeweiht werden. Dass aber in einer solchen
Kirche mehrere Altäre zulässig waren, geht nicht nur schon
aus der Unterscheidung des Hauptaltars als solchen hervor.
sondern wird nach einzelnen Statuten insbesonders voraus-
gesetzt.
Wh- überhaupt auffallend gefärbte Tücher nicht ge-
braucht werden durften, 90 war es insbesonders auch ver-
boten, seiden ler bordirte Altart 0 eher zu gebraueben.
Sculpturen und Gemälde, mit Ausnahme eines
Salvatorbildes, waren zwar in allen Klosterräumlichkeiten
strenge untersagt. Dagegen durften bemalte hölzerne Kreuze
gebraucht werden.
Die Fenstergläser mussten weiss, ohne Kreuze
und unbemalt sein. Das Verbot scheint aber nicht allent-
halben genau beachtet worden zu sein , denn sehen das
Generalcapitel v. .1. 1182 befahl, dass innerhalb zweier
Jahre alle Glasgemälde zu entfernen seien. Eine ausdehnende
Interpretation, welche das Verbot bloss auf die bunten Glas-
malereien beziehen machte, scheint es erklärlich zu machen.
dass in Cistercienser-Klöstern , wie z. B. zu Heiligenkreuz
in (Isterreich altere Glastafeln verwendet wurden, die wohl
weiss, aber doch mit schwarzer oder grauer ornamentaler
Zier bemalt w aren.
Bilder und Wandgemälde waren, wie erwähnt
(1134), als der alten Ehrbarkeit der Ordensdisciplin zu-
wiederlaufend, verpönt Dieses Verbot wurde in der ersten
Hälfte des XIII. Jahrhunderts noch öfter eingeschärft (1204,
1231, 1242). So durften namentlich auch keine Wappen«
scbilde in den Kirchen aufgehangen «erden (1203).
Wenn es überhaupt im (leiste der Ordensregel lag,
dass alle Räumlichkeiten des Klosters, sobald das /.eichen
zur Complete gegeben war. zur Nachtzeit beleuchtet seien,
SO war dieses auch in Bezug auf die Kirche der Fall, und
nur sehr arme Klöster mochten die Kirchenlaterne im
Dormitorium verwenden. Auf dem Generalcapitel vom Jahre
1152 wurde es freigestellt, dass, wo es sein konnte, in der
Kirche sowohl bei Tage als zur Nacht eine Lampe brenne:
deren mehrere anzuzünden, wurde als hollartig bezeichnet
(vanitatem aliquatenus redolere videtur; 1196J.
Begräbnisse in der Kirche durften anfänglich nur
Königen, Königinneu und Bischöfen gestattet werden. Im
Capitelhause, <\^\- Begräbnissstätte der Abte, mochten jene
dann beerdiget werden, wenn sie es wünschten (1 1Ö2, 1 180).
Ausserdem durften nur die Stifter eines Klosters innerhalb
demselben, jedoch keineswegs in der Kirche oder im Capitel-
hause. beerdiget werden, und nur ausnahmsweise solche.
welche auf dem Wege erkrankt und. in diesem Zustande ins
Kloster aufgenommen, darin gestorben waren, und auch nur
dann, wenn zugleich das Kegrälmiss ohne grosses Aufsehen
oder ohne grosse Gefahr nicht verweigert werden konnte.
Diese Nöthigung musste aber im nächsten Generalcapitel
dargelegt werden (1157, 1 HKS. 1219). Ein Abt, welcher
eine Frau in seiner Kirche beerdiget halte, wurde hart be-
straft ( 1 193). Das Generalcapitel vom Jahre 1194 ver-
ordnete, dass die Grabsteine in den Cistercienser-Klöstern
ganz eben, das ist ohne erhobene Sculpturen 11. dgl. in i\i-n
Boden gefügt werden . damit sich die Darübergehenden
nicht daran stossen ( eiiiiei/iie/itiir lernte, ne sii/t o/feiit/ieti/n
tranaeuntium; Il94y, daher ohne Zweifel die im weiteren
Umfange beobachtete Sitte, die Inschriften, Wappen u. s. w.
auf Grabsteinen vertieft einzugraben. L'm die Mönche stets
an deu Ernst th'ü Todes ZU erinnern, musste in den ältesten
Zeiten entweder in der Kirche oder im Kloster ein offenes
Grab an die Hinfälligkeit dieses Daseins mahnen.
Orgeln und Musikchöre waren in den Cister-
cienser-Kirchen vor dem vierzehnten Jahrhunderte nicht zu
linden. Nur im gemeinschaftlichen) ungekünstelten Gesänge
worden die Psalmen u. s. w. abgesungen.
Ganz den Satzungen des Ordens entsprechend, war
auch die äusserste Einfachheit in den Kirchengeräthen
geboten, wie bereits oben angedeutet , und dieses Gebot
rltei- erneuert werden ; dasselbe war auch in Bezug auf
257
Messgewänder und den übrigen Ornat für gottesdienstliche
Verrichtungen vorgezeichnet (1134, 1185 u. s. w.).
In Bezug auf die Abhaltung des Gottesdien-
stes wird bemerkt , dass dieser, mit Ausnahme der Sonn-
und Festtage, für welche besondere Anordnungen bestanden,
regelmässig zu sieben verschiedenen Stunden des Tages
und der Nacht (horae diurnae genannt) stattfand , deren
Vertheilung sich nach der Verschiedenheit der Tageslänge
in den einzelnen Jahreszeiten richtete. Man unterschied die
Matutina, die Prima, Tertia, Sexta, Nona. die Vesper und
das Complete (cumpletorü tempmj. Die Festsetzung der
Zeit für diese einzelnen Andachtstunden war auch in den
einzelnen Klöstern nicht gleich.
Opferstöcke oder Sammelbüchsen bestanden
nicht, sie wären übrigens in den Kirchen schon wegen des
seltenen Besuches derselben durch die . der Regel nach
gänzlich davon ausgeschlossenen Laien nutzlos gewesen.
Aber auch dort, wo solche am Eingange einzelner Abteien
angebracht waren (trunci oder gazaphilacia genannt),
mussten dieselben zu Folge Capitelbeschlusses vom Jahre
1204 als eine Art unschicklicher Bettelei entfernt werden.
Ohne dass es durch ältere Klosterregeln oder Statuten
ausdrücklich geboten erscheint , linden wir • gleichwohl in
den meisten älteren Klöstern und namentlich in allen öster-
reichischen Cistercienser-Klöstern einen sogenannten Kreuz-
gang (ambitus , porticus , cireuitus , mittelhochdeutsch
Kriucegunc) , so genannt, weil in diesen den Unbilden der
Witterung nicht ausgesetzten Räumen eine gewisse Art von
Bet- und Bittgängen unter Vortragung- des Kreuzes statt-
gefunden haben. Nur darf bei der dem Cistercienser-Orden
gebotenen Pruuklosigkeit in allen gottesdienstlichen Ver-
richtungen , und bei dem Ausschlüsse des Volkes von den
Klostermauern hierbei nicht auf das Gepränge öffentlicher
Processionsfeierlichkeiten gedacht werden. Den Cistercien-
sern war bloss vorgeschrieben , dass bei den in gehöriger
Ordnung vorzunehmenden Processionen vor dem Kreuze
zwei weiss gekleidete Mönche mit Wachslichtern voran-
schreiten sollten (1226).
Diese Kreuzgänge wurden so construirt, dass ein
Hallengang in vier gleichlangen Absätzen einen viereckigen,
meist zu einem Gärtchen benützten Raum umschloss, welchem
zugekehrt sich breitere fensterartige Bäume mit Bogen-
stellungen und Bosenfüllungen öffneten . welche Fenster-
räume, ursprünglich frei, bald zum Schutze des Bauwerkes
selbst und der den Kreuzgang betretenden Mönche gegen
die empfindlichen Einwirkungen der Elemente in kälteren
Zonen mit Glas ausgefüllt wurden.
Die eine dieser vier Seiten schliesst sich dem Lang-
hause der Kirche an, mit welcher eine Thüre die Verbin-
dung herstellt. Nach anderen Seiten stand der Kreuzgang
mit den inneren Klostertheilen in Verbindung, so dass die
Mönche aus diesen durch den Kreuzgang in die Kirche
gelangen konnten. Jede einzelne dieser vier Hallen des
Kreuzganges hatte ihre besondere Bestimmung. So wurden
in einer der vier Langseiten täglich bestimmte Capiteln
aus den Kirchenvätern u. s. w., und, nach bestimmter Ver-
theilung der einzelnen Abschnitte, die Ordensregel des heil.
Benedict wenigstens viermal des Jahres vor den versam-
melten Brüdern vor dein Abendgebete gelesen, daher dieser
Gang auch öfter der Lesegang (lectioj genannt wurde.
In einer andern dieser Hallen wurden von den Kloster-
brüdern am Donnerstage in derCharwoche (Coeiia Domiiti )
den Armen die Füsse gewaschen. Im Kreuzgange herum-
wandelnd. erbauten sich die Mönche durch Lesung frommer
Bücher, wie ihnen diess für die nicht dem Gottesdienste und
der Arbeit gewidmeten Stunden geboten war (51. 'i). Hier
war später auch der Begräbnissort der verstorbenen Kloster-
Brüder; überhaupt aber wurden in diesen Hallen auch häufig
feierliche Umgänge mit Gesang und Vortragung des Hoch-
würdigsten gehalten. Wenn nun auch kein Ordensstatut
die Anlegung eines Kreuzganges, zumal in bestimmter Form,
als wesentlichen Bestandteil einer Cistercienser- Abtei
bezeichnet , oder überhaupt in Bezug auf die Art der Ver-
wendung desselben zu gewissen frommen und häuslichen
Verrichtungen etwas Näheres bestimmt, so linden wir gleich-
wohl dessen Errichtung in diesen Klöstern schon in frühester
Zeit, und da kein Beschluss eines Generaleapitels dagegen
Einsprache erhob , so muss die Anlage desselben als dem
Geiste des Ordens entsprechend angenommen werden.
Ein Brunnenhaus, nämlich eine an der Mitte einer
Seite des Kreuzganges angebaute Halle mit einem fortan
sprudelnden Wasserquell, finden wir in den drei ältesten
Cistercienser-Klöstern des Erzher zogt hums Österreich, näm-
lich zu Heiligenkreuz, Z w e 1 1 und L i 1 i e n f e 1 d. Sie
sind durchaus erst später zugebaut worden, so das Brunnen-
haus mit der Wasserleitung und dein steinernen Wasser-
becken zu Zwetl erst um 1327; jenes zu Lilienfeld mit
seinen bleiernen Wasserbecken um die Mitte des XV. Jahr-
hunderts. Die Anlage solcher Brunnenhäuser mochte, als
mit der Ordensregel des heil. Benedict im Einklänge stehend,
von den Generalcapiteln nicht beanstandet worden sein,
denn jene bestimmt : ein Kloster sei wo möglieh so anzu-
legen, dass alles Nöthige, namentlich auch Wasser inner-
halb des Klosters sich befinde, damit die Mönche nicht
genöthiget seien, desshalh die Klostermauern zu über-
schreiten (vagandi form).
Das Capitelhaus (Ciipituluiit. CapitoUan auch </<»-
»ins capituli genannt) meistens an eine und zwar an der
der Kirche entgegengesetzten Seite des Kreuzganges ange-
baut, war derjenige Ort. wo zunächst der Abt vor den rer-
sanimelten Brüdern, welche sofort das Capitel bildeten,
die wichtigeren Diseiplinar- und andere Angelegenheiten
des Klosters, soferne diesen die Kenntnissnahme derselben
nöthig oder ein Beschluss von deren Zustimmung abhängig
war, verhandelte. Hier wurden auch bestimmte feierliche
Handlungen, namentlich die Abtenwahl, vorgenommen, und
34
288 —
hier war auch die, gewissen ausgezeichneten Persönlich-
keiten zugestandene Ruhestätte.
Im Capitelhause süssen die Brüder zur Winterszeit
nach der Beendigung des nächtlichen Gottesdienstes heim
Lampenscheine zur erbaulichen Lection versammelt. Das
Capitelhaus war endlich auch der Ort, wo die Brüder und
Conserven wöchentlich einmal (1252) einem älteren Spiri-
tual, und wenigstens 2 — 3 Mal des Jahres dem .Mite (1233)
ihre Sünden bekannten. Hier wurden spater auch die Lei-
chen der verstorbenen Klosterbrüder his zur Beerdigung
beigesetzt, was früher in der Kirche geschehen musste
(1207, 1242); hier wurden endlich auch die Novizen ein-
gekleidet und dann zur Ablegung der Profess aufgenommen:
die letztere seihst hatte in der Kirche stattzufinden. Übri-
gens befand sich im Capitelhause stets ein Altar und zwar
öfter in einem capellenartigen Ausschusshaue. Hier wurde
auch in späteren Zeiten zu Ostern das heil. Grab errichtet
und vor demselben Tag und Nacht hindurch gebetet. Seit-
dem Papst Benedict IV. den bereits üblich gewordenen
Eintritt der Frauen in die Kreuzgänge strenge untersagt
( I 742), wird diese Feierlichkeit in die Kirche vorgenommen.
Das Schlaf haus (dormüorium, und nach diesem
\\ orte auch Dormenter) war überhaupt der in den Klöstern
zur nächtlichen Ruhe bestimmte Ort; bei den Cisterciensern
und allen der Regel des heiligen Benedict unterworfenen
Abteien aber, wo das den Karthäusern eigentümliche Zellen-
system ursprünglich nicht zugestanden war, der. sämmtlichen
Klosterbrüdern sammt dem Ahle gemeinschaftliche Schlafsaal.
Die dem Schlafe gewidmete Zeit war eine sehr beschränkte.
Nach der Beendigung des nächtlichen Gottesdienstes durften
die Brüder nicht mehr schlafen; sie waren dann, wie erwähnt,
zur Winterzeit im Capitelhause versammelt, um nach Belie-
ben sich durch die Lesung frommer Schriften zu erbauen;
der Habit musste aber so geordnet sein, dass es sichtbar
wurde, wenn einer der Mönche etwa wieder einschlief; im
Sommer konnten sie auch andere Klosterräume zu gleicher
Erbauung betreten, jedoch nur in Gemeinschaft, nicht ver-
einzelt.
Das Dormitorium bildete also einen der wesentlichen
Bestandtheile eines Klosters, vor dessen Ausführung ein
Kloster nicht bezogen werden durfte (1134). Nicht nur
die Klosterbrüder, mit Ausnahme der Kranken und jener,
welche bestimmte Dienste zu verrichten hatten, sondern
auch der Abt mussten ursprünglich im gemeinschaftlichen
Dormitorium schlafen, und zwar nahm des Abtes Bett die
mittlere Stelle ein, zumeist an der Mauer; er war auch
zunächst berufen, das Zeichen zum Aufstehen zu gehen.
wenn die Stunde des nächtlichen Gottesdienstes heran-
gerückt war. Das Dormitorium und der Eingang zu demsel-
ben musste die ganze Nacht hindurch erleuchtet und in allen
Cistercienser-Klöstern nach einerlei gewohnter Form gebaut
werden. Hin Abt, welcher hierin Abweichungen zuliess,
wurde schwer bestraft, und musste selbes innerhalb dreier
Jahre jener Bauweise gemäss umbauen lassen, widrigen-
falls nach Ahlauf dieses Termines nie und nimmer Jemand
dort schlafen durfte. Als Papst Benedict XII. sogleich
heim Antritte des Pontificates unter andern durchgreifenden
Massregeln auch die allmählich von der alten Strenge abge-
wichenen Mönchsorden durch Zurückführung auf ihre heil-
samen Ordensregeln diesen gemäss reformirte, und den
jungen Mönchen insbesondere die Gelegenheit zum Besuche
der Universitäten erleichterte, bemerkte er in der an den
Cistercienser-Orden unterm 12. Juli 1334 erlassenen Bulle
insbesondere, dass er mit Misslieben vernommen habe, wie
gegen die Satzungen, welche den Mönchen ein gemein-
schaftliches Dormitorium vorzeichnen, in einigen Klöstern
unter verschiedenen Vorwänden besondere Kammern ausser
dem Krankenhause der Mönche, ja im Dormitorium selbst
eingebaute Zellen als Schlafstätten benützt werden. Er
erneuerte demnach das Verhol, in abgesonderten Kammern
zu schlafen. In den Dormitorien durfte sofort keine Zelle
mehr erbaut, und die bereits errichteten mussten binnen
drei Monaten niedergerissen werden. Doch mögen die
Prioren und Subprioren mit Zustimmung des Abtes inner-
halb des Schlafhauses eine Zelle haben. Diese Bestimmung
wurde auf dem Generalcapitel vom Jahre 1439 mit dem
Beisatze erneuert, dass kein Ordensmann auf Pflaumen-
polstern oder Leintüchern schlafen dürfe, und dass die den
Prioren und Subprioren gestatteten besonderen Kammern
fürderhin nicht durch Thüren und Biegel den Eintritt aus-
schliessen. Dass übrigens in den Dormitorien der Cister-
cienser zugleich kleinere Capellen angebracht wurden, wie
dies-- anderwärts geschah (in dormitorio dbsida in orien-
tali parte mirifice construeta, in ea altare etc.). darüber
findet sich keine sichere Bestimmung. Ein kleiner Altar
mochte dort immerhin angebracht sein, zur Erbauung hei
den stillen Naehtgcbeten der Mönche, die dort ihre Schlaf-
stätten hatten.
Der gemeinschaftliche Speisesaal war gleich
dem Dormitorium ein wesentlicher Bestandtheil eines Klo-
sters. Er wurde llefectoriuni (im deutschen auch Tiefender,
Revent: Refat seihst Rebedir, Rebenthal, Rebenthier,
Robenier, Remptorei sogar Referent verunstaltet) genannt.
Jener Mönch, dem die Sorge für dieses Gemach und den
Tisch zustand , hiess Befectuarius.
Wie durch die Ordensregel alles w as Sinnenlust erregt.
auf das äusserslc Bedürfniss angewiesen und in Allem den
Mönchen gleichartige Gemeinschaftlichkeil vorgezeichnef
war. so erstreckte sich dieses Gebot insbesondere auch auf
den Genuss der Nahrungsmittel und auf die Einrichtung
und Bestellung des gemeinschaftlichen Tisches. Zweimal
des Tages zu speisen, nämlicb zu Mittag und etwas weniges
zu Abends, war durch die Hegel des heil. Benedict zuge-
standen. Dieses Gebot wurde bei den Cislercieiisern so
strenge aufrecht erhalten, dass Jünglinge in einem Alter,
wo der dreimalige Genuss von Speisen in einem Taue
— 259
gewissermassen Bedürfniss war, nicht in das Kloster auf-
genommen werden durften , und Äbte die dieses gethan,
strenge bestraft wurden, wesshalb das 18. Lebensjahr zum
Eintritte in die Klostergemeinschaftvorgezeicb.net war( 1157).
In kälteren Himmelsstrichen bestand und bestellt noch
in den meisten Cistereienser-Klöstern ein eigenes Win ter-
und Sommer-Refectorium.
Die allgemeine Klosterküche, zu unterscheiden
von der besonderen Küche des Abtes für die Gaste, musste
begreiflicherweise dem Rcfeetorium möglichst nahe, jedoch,
wie früher bemerkt, von der Kirche soweit als möglich
entfernt untergebracht sein. Der gesammte Küchendienst
musste in Gemässheit der Ordensregel (315, c. 35) unter
wöchentlichem Wechsel von den Brüdern versehen werden,
wovon nur Krankheit oder die Verwendung für anderwei-
tige, dem Kloster nützliche Beschäftigungen eine Ausnahme
begründete.
Die übrigen noch innerhalb der Clausur belindlichen
Bestandteile eines Klosters waren theils nach den statua-
rischen Bestimmungen, theils nach besonderen Verpflich-
tungen folgende: die Prälatur, Wärmestube und die Schreib-
stuben (seriptoriu), das Archiv, das Bibliotheks-Zimmer, die
Kleiderstube, der Kerker, das Krankenhaus der Mönche und
Laienbrüder, die Spitalkirche, die Badestube, das Novizen-
haus und das Pfortengebäude.
Ausserhalb der eigentlichen Clausur befanden sich: die
Gaststube, die Krankenstube für Laien, die Viehställe, die
Mühle und das Backhaus, die Werkstätten, der Klostergarten,
die Klosterschenke und die Begräbnissstätte.
Das Krankenhaus der Mönche und Laien
(inßrmaria auch inflrmitorium), nicht zu verwechseln mit
dem Laienspital (hospitale), musste an einer abgelegeneren
Stelle des Klosters angelegt und, im kleineren Massstabe
mit den wesentlichsten Bestandteilen eines solchen ver-
sehen, gewissermassen ein Kloster im Kleinen bilden.
In Verbindung damit stand die Spitalkirche, dazu
bestimmt, dass die kranken Mönche, soweit es ihr Zustand
gestattete , alle täglichen gottesdienstlichen Stunden im
Gebete mitfeierten, und dieselbe war in so naher Verbindung
mit der Krankenstube, dass die Siechen in ihren Betten
mitbeten und mitsingen konnten.
. Das Novizenhaus bildete gleich dem Siechenhause
ein Kloster im Kleinen mit besonderen Speise-. Wasch-
und Schlafzimmern und mit besonderer Küche.
Die Gaststube befand sich neben der Klosterpforte
und gleich der Krankenstube für Gäste ausserhalb der
strengen Klosterclausur.
Ein besonderer Begr ab nisssort (coemiteriwn)
bestand für jene, die nicht innerhalb der Kirche, des Kreuz-
ganges oder des Capitelhauses des Klosters selbst begraben
werden durften , daher namentlich für die im Kloster ver-
storbenen Gäste und Taglöhner, für die verstorbenen Laien-
brüder, endlich für jene zwei Freunde oder Familiäre des
Klosters, welchen sammt ihren Gattinnen ausnahmsweise
eine Grabstätte zugestanden werden durfte. Anfangs befand
sich der den Ordensbrüdern gemeinschaftliche Ort der Bube
ausserhalb dem Kloster in einem umschlossenen und ge-
weihten, meist mit einer Grabcapelle besetzten, freien,
Baume, später wurde er innerhalb der Klostermauern in
den vom Kreuzgange umfangenen Baum, noch später in den
Kreuzgang selbst versetzt.
Notizen.
62. (Joseph Sebastian Kögl. k. k. Conser-
vator zu Bregenz, und dessen literarische Lei-
stungen.) Joseph Sebastian Kögl, am 8. Februar
IS03 zu Vils in Tirol geboren, machte den damals üblichen
halbjährigen Cursus in Innsbruck, besuchte dann durch zwei
Jahre das Gymnasium zu Hall und legte hierauf zu Brixen
die Lehrerprüfung ab. Erst diente er als Lehrer der obern
Knabenclasse zu Beute durch acht Jahre, darauf an der
k. k. Kreishauptschule zu Brixen durch sechzehn Jahre und
an der k. k. Unterrealschule zu Bregenz durch sechs Jahre.
Im Jahre 1853 wurde er zum Conservator zur Erforschung
und Erhaltung der Baudenkmale in Vorarlberg ernannt. In
Folge einer Verkühlung, die er sich in den diessjährigen
Bitttagen bei einem heftigen Begenguss zugezogen hatte,
kränkelte er an der Lunge, besuchte das Bad zu Cannstadt
bei Stuttgart, wo er am 30. August IS5G starb.
Wenn auch Kögl wenige Schulstudien machte, so er-
warb er sich durch Fleiss und rastloses Streben in seinen
Verhältnissen nicht geringe Kenntnisse und war auch lite-
rarisch thätig. Wir können von ihm nachstehende Arbeiten
namhaft machen: u) Einige Notizen Ober den Pfarrbezirk
Breitenwang ') in Tirol, mit einer Ansicht der Festung
Ehrenberg von A.Falzer. Füssen 1830. kl. 8". ^Geschicht-
lich-topographische Beschreibung über das k. k. Grünz-
ehemals Freiungsstädtchen V i 1 s. Mit einer lithographir-
teu Ansicht. Füssen 1831. <•) Kurze Geschichte der
Entstehung des Decanates Breitenwang, aller geistlichen
Pfründen und Gotteshäuser etc. Mit einer statistisch-tabel-
larischen Übersicht. Küssen 1834.
Während seines Aufenthaltes in Brixen verfasste Lehrer
Kögl. von Sr. Excellenz dem um sein Vaterland hochverdien-
ten k. k. Appellationsgerichts-Präsidenten Baron di Pauli
v. Treuheim (•[- 1830) aufgemuntert und vom Nestor der
') In einer Banernhütle /.» Breitenwang starb am :!. Deeemhci- 1137
Kaiser I. n l ha r auf seiner Heimreise sus Italien.
34'
260 —
tirolischen Genealogen, dein mehr als neunzigjährigen Cano-
nicus Stephan v. Meyrhofen unterstützt, mit rastlosem
Fleisse ein Lexikon des lebenden und erloschenen Adels von
Tirol, dessen Drucklegung aber aus mehreren Ursachen unter-
blieb. Kögl widmete dieser Arbeit viele Jahre und fugte sei-
nem umfangreichen Manuscripte, das unseres Wissens der
nun verstorbene Alois Röggl, Prälat zu Wüten, an sieh
brachte, die bezüglichen Wappen in Federzeichnungen bei.
Im Drucke erschienen von den erloschenen und dem
Bereiche der Geschichte anheimgefallenen Geschlechtern :
d) die Grafen von Tirol und ihre nächsten Erben, in
Chmel's Notizenblatt für österreichische Geschichte und
Literatur, Wien 1843; r) zwei alphabetische Reihenfolgen
von erloschenen Adelgeschlechtern Tirols, wovon die erste
23, die zweite 22 Geschlechter enthalt, mit den Abbildun-
gen ihrer Wappen auf zwei gut lithographirten Tafeln, in der
Zeitschrift des Ferdinandeums, Bd. XI und XII. Innsbruck
1845 und 1846.
Ferner fünf genealogische Tafeln von tirolischen
Adelsgeschlchtern, als: f) der v. Fei dt hu ms; g) der v.
Freundsberg zu Strassberg und St. Petersberg, Frei-
herr zu Hindelheim (erloschen am 1. November 1586);
li ) der Herren von Gr eif e nst ein; i) der Vogte
v. Matsch. Grafen von Kirchberg (erloschen mit Gau-
denz am 24. April l!jfl4, ruht auf Marienberg); k) der
Edlen v. Voigtsbergund Pfeffersberg mit den Neben-
linien von Latzfons, Barbian und Dachgrub. Diese sind im
V. Bande (1850) des von der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften herausgegebenen Archives für Kunde öster-
reichischer Geschichtsquellen enthalten. Kögl, der 1880
an die k. k. Unterrealschule nach Bregen z kam, fand sich
auch in diesem ihm bisher fremden Ländeben Vorarlberg
bald zurecht und widmete demselben seinen Fleiss und seine
Feder. Er schrieb : l) Hohenbregenz (St. Gebhards-
berg ) mit seinen Fernsiebten. Eine erweiterte Skizze mit
einem Anhange: Die Orts- und Gebirgshöhcn Vorarl-
bergs (nach der Zusammenstellung des Dr. Michael
Stotter), Bregenz 1852.
Aus diesem erwuchs auf Grundlage der historischen
Publicati :n des Unterzeichneten über Vorarlberg von Kögl
ein ausführlicherer Wegweiser unter dem Titel: vi) „Burg
Hohenbregenz auf dem St. Gebhardsberge bei Bregenz,
ihre Geschichte und ihre unvergleichlichen Fernsichten, mit
lies lerer Rücksicht auf das rochtseitigo Rheinthal. Mit
lithographirter Abbildung der Göttin Epona, einem Stamm-
baume der Grafen von Montforl zu Bregenz. Pfannberg
und Tettnang, und einem Anhang über die Orts- und
Gebirgshöhcn Vorarlbergs, 12"'.°, S. 106. Lindau beiSettner,
IS,S6.U Kleinere Aufsätze historischen Inhaltes von Kögl
sind hin und wieder in den Boten für Tirol und Vorarlberg
eingerückt worden.
Von demselben erschienauch anonym: Katholisches
Gebetbuch zum nützlichen Gebrauche nachdenkender
Christen mit verschiedenen Betrachtungen und Unterwei-
sungen. Innsbruck bei Felizian Bauch. 1854.
Endlich hatte er eine Weltgeschichte für Schulen
ausgearbeitet Wenn sie auch den Anforderungen, die man
an ein solches Buch stellt, nicht entsprochen hiitte, so gibt
sie doch ein schönes Zeugniss von dem uucniiüdeten Stre-
ben des Mannes . der bei kleinem Gehalte eine sehr zahl-
reiche Familie zu ernähren hatte. Sicherlich wäre Kögl bei
gründlichen Studien und in anderen Verhältnissen ein tüch-
tiger Geschichtsforscher geworden.
Josep h B er g man n.
63. ( K a u f- u n d V e r k a u (±-\ e r i r a g e in er s e c b s-
jährigen Sklavin vom Jahre CXXXIX der christl.
Zeit r ech nu n g. g e fu n d e n in den da ki sehen G o 1 d-
gru bcn.) Das trajanischo Daeien war glücklicher als andere
Provinzen in der Erhaltung römischer Denkmale . die mit
Handschriften versehen sind: ich meine nicht solche von Stein
und Metall, die auch anderwärts häufig vorkommen, sondern
die hölzernen Doppeltafeln, welche mil geschwärztem Wachse
überzogen und worauf die ISuchstaben mit eisernein Griffel
eingeritzt wurden, ähnlieh den heutigen Schiefertafeln, weiss
auf schwarz. Mehre solcher Doppeltäfelchen wurden in den
Goldbergwerken vorgefunden, welche ihren wohlerhaltenen
Zustand physischen Einflüssen verdanken, nur wäre es zu
wünschen, dass sie sich in den Händen der ersten Finder
(dien so gut erhielten.
Die Schrift auf solchen Doppeltafeln isl römisch current.
jedoch von zweierlei Form, wovon man eine die Schön-
schrift, die andere gemeine Schrift nennen möchte, zum
Unterschiede von den militärischen Doppeltafeln, welche aus
Erz und mit Quadrat -Lettern beschrieben sind. Solcher
Handschriften begegnet man bisweilen auf Backsteinen . aus
Laune der Figulener; zu Aquileja sah ich einen mit sehral-
firten Quadrat-Lettern. Es isl bekannt, dass in SAVARIA und
in Österreich welche vorgefunden wurden, welche die Schrift-
foraa der mit Wachs überzogenen Tafeln tragen.
Massmann war der erste, welcher solche Monumente
allgemein bekannt machte und deren Version in moderner
Schrift herausgab: nun kommt mir eine Monographie vor.
welche den Dr. Johann Erdy. Mitglied der königl. ungari-
schen Akademie und Custos i\c< dortigen Allerlhiuns-Mu-
seiuii. zum Verfasser hat. (Pest 1856.)
Zwei Doppeltafeln sind es. die er veröffentlicht und
commentirt, beide Mm grosser Wichtigkeit, beide feierlich)
Urkunden; die eine über den Verkauf einer Selaviu, die
andere über ein Gelddarlehen. In letzterer glaube ich die
Andeutung von dem Bestände zweier römischer Münz-Wäh-
rungen wahrzunehmen, das gemeine und dasjulische Pfund
und das Verbal tniss zwischen beiden. Es genüge für beute
von der Tafel zu reden, welche den Verkaufeines sechs-
jährigen Mädchens betrifft, das zum Gewerbe der SCORTEL-
LARIAE gehörte (nicht etwa der Buhlerinnen, denn schon
261 —
das Alter beseitiget gänzlich diesen Verdacht), sondern zu
jenem Handwerk, welches sich mit Verarbeitung von Leder
und Fellen zu Kleidungsstücken beschäftigt. Sic wurde um
CCV Denare verkauft.
Der Handel wurde im Jahre CXXXIX der christlichen
Zeitrechnung geschlossen; Käufer war ein gewisser MAXI-
MUS mit dem Vaternamen BATOS, ohne weiters ein PANNONIER
oder DALMATIER; Verkäufer ein gewisser DASIVS Sohn, (k's
VERZONIVS, seiner Nation ein PIRVSTER aus der Gemeinde
CAVERITIVM; was im nördlichen Theile des heutigen Alba-
niens gelegen wäre. Das Jahr ist durch Angabe der Consule
bezeichnet. Auf einerTafel sind die Siegel von sieben Zeugen
eingeprägt.
Im Vertrage wurde nicht ausser Acht gelassen, die ver-
bürgten Eigenschaften aufzunehmen; nicht zum Stehlen
geneigt, nicht zum Beschädigen, nicht zum Entfliehen, nicht
zum Herumirren, und es wurde auch für den Fall der Evic-
tion vorgesehen.
Allein der Text ist an und für sieh klar genug, so dass
es keiner Commentarc bedarf; nur erlaube ich mir eine
Leseart vorzuschlagen, die von der bereits veröffentlichten
einigermassen abweicht.
„Maximus Batonis puellam nomine Pessime sive ea quo
alio nomine est, aimorum circiter plus minus sex, empta
scortellaria, emit maneipioque aeeepit de Dasio Verzonis
Piruste ex Kaveretio, denariis dueentis qtrinque."
„Illc puellam suam esse, furtis noxisque solutam, fugi-
tivam erraticam non esse, praestari. Quod si quis illae puel-
lae partem ex eo quis evicerit, quo minus Maximum Batonis
quove ea res pertinebit habere possidereque recte liceat tarn
quanti il In puella empta est, tarn peeuniae .... taliter pariter
dari fide promisit Maximus Batonis, fide promisit Dasius Ver-
zonis Pirusta ex Kaveretio."
„Proque ea puella quae supra scripta est denarios du-
centos quinque aeeepisse et habere so dixil Dasius Verzonis
Maximo Batonis
Actum Karto. XIII. Kai. Apriles
Tito Aelio Caesare Antonino Pio II. et Bruttio Praesente
II. Coss." Dr. P. Kandier.
64. (Römische Denkmale.) Der Priester Giovanni
Zanella hat drei interessante Denkmale des römischen
Altcrthums von Trient an sich gebracht und in der Thal
auf eine sehr gelehrte Weise erläutert, die es wünschens-
werth macht, dass sowohl die Denkmale als die Erläuterung
der Öffentlichkeit übergeben werden. Das erste Denkmal
besteht aus einem Gelübdestein, der den männlichen Schick-
salsgöttern zu Ehren, vielleicht in einem Tempel zu Vezzano
errichtet war. Es scheint, dass die christliche Kirche auf
den Ruinen des heidnischen Tempels erbaut wurde.
Das zweite Denkmal ist ein von L. Calventius Fir-
mus der Minerva gewidmeter Altar, auf dessen Vorseite der
Name des Widmenden, auf den Seitentheilen allerlei Sinn-
bilder des Priesterthums und der Minerva en relief dar-
gestellt sind; dieser Stein wurde zu Tovo gefunden, wo
wahrscheinlich ein Tempel der Minerva war.
Das dritte Denkmal ist dein in der Monarchie so häufig
vorkommenden Mithrasdienste gewidmet; es enthält
fünf verschiedene Bilder der Einweihung in die Hysterien des
Mithras. Auf der andern Seite sieht Mitliras in seiner phrygi-
schen Bekleidung, die rechte Hand erhoben, auf einem
Felsen, wie es scheint. Dieser Felsen ist entweder eine
Anspielung auf die Vetra genetrix des Mitliras. oder auf die
Berge, auf denen in Persien dem Mithras vorzüglich geopfert
wurde. jus. Arneth.
65. (Zwei Flügelaltäre zu Ogrodczon und
Nieder-Kurzwald in Schlesien.) Ein Bericht des
k. k. Landesbaudirectors in Krakau, Herrn Dr. Sehen kl.
enthält folgende Angaben über zwei Flügelaltäre, welche
sich in der Kirche des 1 Meile von Teschen entfernten
Dorfes Ogrodczon und in dem unweit liielitz gelegenen
Dorfe Nieder-Kurzwald befinden.
Der erstere dürfte bereits aus der kleinen hölzernen
Kirche in die unter meiner Amtswirksamkeit in Schlesien in
Bau genommene und bereits bei meinem Scheiden aus
Schlesien im Mauerwerke ausgeführte neue Religionsfonds-
kirche. da sie mittlerweile fertig geworden seinmuss, über-
tragen sein. Er ist bei weitem kleiner als jener zu Alt-Bie-
litz *)> die Gemälde sind nicht von jener vorzüglichen Hand,
doch für die Kunst immer von hohem Interesse. Leider hat
dieser Altar sehr gelitten und namentlich wurde das auf
dem Hauptbilde in eigener Tafel noch stehende Gemäldi .
den gegen den Himmel auffahrenden Erlöser darstellend,
wahrscheinlich, weil die Kirche die Aufstellung wegen der
geringen Höhe nicht zuliess, entzwei gesägt. Der oben
Theil seheint zu fehlen. Sämmtliehe Gemälde sind derPassion
entnommen, theilweise gut colorirt und fleissig gearbeitet.
Die langgestreckten schmalen Körper sowie die mangelhafte
Perspective deuten auf hohes Alter.
Der Flügelaltar zu Nieder-Kurzwald steht an künst-
lerischer Ausführung jenem zu All - Ifielit/. nahe, leider
scheint er von einem Unberufenen zum Theile restaurirt
und vieles an den schönen Gemälden verdorben zu sein.
Er ist beinahe sc gross wie jener zu Alt-Dielit/. jedoch
passen die Flügel nicht mehr zusammen, da das Mittelbild
wahrscheinlich einen neuen Rahmen erhielt. Die Flügel
stehen nun für sich, unbeachtet, theilweise verdorben in der
Kirche umher.
Sämmtliehe Tafeln sind aus Eichenholz, die Malerei
ist auf Kreidegrund mit vieler und guter Vergoldung aus-
geführt. Das Mitlelbild stellt die Mutter Gottes mit dem
göttlichen Kinde, dem Erzengel Michael und dem heiligen
Martin dar, und ist vortrefflich gemalt, auch am besten erhalten.
M Vergl. Juni-Hefl der „Mittheilungen" s. 1 12.
262
Auf einem der Flügel ist die heilige Barbara im Tem-
pel, dann (Ins Begräbniss dieser Heiligen, auf dem anderen
ist der Tod der heiligen Katbarina und jener der heiligen
Barbara dargestellt Zwei andere Flügel enthalten die
Geisselung und Kreuzigung Christi, dann Christus am Kreuze
und die Grablegung dargestellt. Sie siml sämmtlich von
guter Hand. Ein Pfarrer Namens Neu mann soll im Jahre
1774 die Kirche restauriri haben; unter dem grossen Bilde
stehen die beiden Chronostichon :
„Opera [gnat II. neUMann LoCI paroChl FUnData«
iii<!
„AC postea eJl's lterl'M stl'Dlo CoLoi-ata."
Man glaubt die Gemälde waren aus Krakau gekommen,
und gibt an, dass sie im Jahre 1422 enstanden seien.
Literarische Anzeigen.
Bock Fr.: Geschichte der liturgischen Gewänder ilcs Mittel-
alters. Mit einem Vorworte von Dr. Georg Müller, Bischof von
Münster. Bonn 1856. I. Band, I. Lieferung. 8°. S. 121 und XIX
Tafeln Farbendruck.
Nicht nur für die Geschichte der Kunst sind die tüchtigsten
Kräfte der Gegenwart in der regsten Weise lhatig. auch die Kunst-
Archäologie, «reiche lange vernachlässigt wurde, findet bereits ihre
Vertreter. Wir sprechen nicht von jenen Sammelwerken, welche
gleich der Kunst-Archäologie Otte's keineswegs die Aufgabe haben.
die Wissenschaft durch die Resultate selbstständiger Forschungen
zu bereichern, und ihren Zweck vollkommen erfüllen, wenn sie
von dein bisher zu Tage Geförderten nicht Umgang nehmen, sondern
von Werken, welche einzelnen Zweigen der christlichen Alterthums-
wissonschaft eine gesicherte historische Grundlage zu bereiten su-
chen. In die Reihe dieser Bestrebungen tritt das oben angeführte
Werk in der rühmlichsten Weise ein. Es stellt sich die Aufgabe, die
Entstehung und Entwickelung der kirchlichen Ornate und Para-
mente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und
rituelle Bedeutung nachzuweisen. In welcher Art dieser Nachweis
geliefert werden soll, darüber gibt uns das vorliegende erste Heft
genügenden Aufschluss, und wir sprechen es mit Befriedigung aus,
dass die archäologische Litcrarfur keines Landes sieh eines Werkes
rühmen kann, welches in gleich gründlicher und eingehender Weise
diesen Stoff behandelt.
Den Inhalt des ersten Heftes bildet die historische Darstellung
der Weberei von Seiden und Goldstoffen im Mittelalter, mit beson-
derer Berücksichtigung der Gewebe zu gottesdienstlichen Zwecken.
wobei dir Verfasser wesentlich drei Hauptperioden unter-
scheidet.
Zur ers t en En I wi ck e 1 u n gsepoch e der Seidenmanufaetur
gehören jene meist kostbaren Gewebe, die von den Tagen des Just i—
nian bis 7u den Zeiten der HohenstaufVen im Dienste der Kirche ange-
fertigt wurden. Griechen. Araber. Perser und Indier sind um diese
Zeit in dem alleinigen Besitze der einträglichen Kunst, aus der Roh-
seide reiche Gewebe anzufertigen. Diese Periode kann als die
orientalisch-byzantinische bezeichnet werden. Die Stoffe
derselben waren, ins., weit sie in alten priesterlichen Gewfindern noch
zu unserer Anschauung gelangt sind, ineist sehr schwer und dicht
gewebt, und in der Hegel ohne Muster; nur in der Wahl der Farbe
bei liturgischen Ornaten herrscht gewöhnlich die gelbe, grünliche,
rothe und Purpurfarbe vor. Kommen in diesen alten Stoffen Dessins
vor, so sind es In der Kegel mathematische Figuren, Polygone oder
Kreise, die zuweilen zusammenhängende phantastischeThierbildungen
einfassen. Selten erscheinen in diesen Seideng, .wehen Brochirungen
in Goldfaden; sind jedoch Dessins in Gold ersichtlich, so sind sie in
der Regel gestickt und nichl eingewebt.
Die zweite Periode der Seidenmanufaetur umfassl den
Zeitraum vom Antritte der Regierung Kaiser Friedrich's I. bis zu dem
Zeiten Kaiser Karl's IV., also 1152—1347. Es war diess die Zeit, wo
die Kunst des Wehens dessinirter kostbarer Zeuge bei den Arabern,
Mauren, und Saracenen ihren Höhepunkt erreicht hatte, und die
zur Bliithc gelangte Seidenmanufaetur in den Städten Italiens: Pa-
lermo. Lucea, Floren/. Mailand u. s. w., als Rivalen den Sic,' über
ihre muslimischen Conourronten und Lehrmeister davon trug. Dieser
interessante Zeitabschnitt der mittelalterlichen Seidenindustrie kann
mit einem allgemeineren Ausdrucke als der arabisch-italieni-
sche bezeichnet werden. Die Seidenzeuge, früher meist einfarbig,
werden jetzt, wo die Kunst des Webens sich bedeutend entwickelt
hatte, in der Regel vielfarbig, das Gewebe selbst wird leichter
und zarter, die Zeichnung beweglicher und schwungvoller und
meist in Gold brochirf.
Die dritte Periode der Seidenmanufaetur füllt den Zeit-
raum von Kaiser Karl IV. bis auf Karl V. (1519), ein Zeitraum, in
welchem der Einlluss der orientalischen Vorbilder hinsichtlich der
Fabrication, der Farbenwahl und Muster in den oeeidentatischen
Seidenzeugen erloschen ist, und in welchem sieh die volle Einwirkung
germanisch-christlicher Formenbildungen auf die seitherigen roma-
nischen Ornamentationen geltend macht, daher auch diese Periode
die germanisch-romanische benannt werden mag. Die Stoffe
derselben verschmähen es. den Beiz des früher so beliebten „best iahe"
geltend zu machen und ziehen es vor. ein eigentümliches reines
Pflanzenornament einzusetzen. Was die Textur betrifft, so herrscht
in diesen reichen Stoffen meistens das Damastgewebe vor; auch
schwere Sammtstofl'e mit geschnittenen Dessins waren sehr an der
Tagesordnung. Durch die reiche Brochirung werden die Stolle in der
Regel sehr schwer, und nicht geeignet, einen (Messenden wellenför-
migen Faltenbrucli zuzulassen.
Mit dem Aufkommen der heidnischen Kunstformen in
Italien ging dort der Typus der bisher traditionellen Kunstweise, wie
in allen Zweigen der Kunst, so auch in der Weberei nach und nach
verloren, und schon in der letzten Hälfte dos\\ Jahrhunderts
zeigen die Rorentiniscben Seidengewebe eine nicht unmerkliche Hin-
neigung zu der elassiselion Antike. Das breite \kanlhnsldatt und der
übrige Blfitterschmuck findei in meist missverstandener Auffassung in
den italienischen Geweben des XVI. Jahrhunderts seine immer wie-
derkehrende Vertretung, und in dem zweiten Viertel dieses Jahr-
hunderts verschwinden auch in den Seidengeweben diesseits der
tlpen allmählich die letzten Reminiscenzen der angestammten
manischen Ornamentationswcise, an deren Stelle jedoch keine
eigentümlich neue Kunstweise tritt, vielmehr artete sie gleich
nach ihrem Entstehen aus und wurde eklektisch, d. h. sie imitirte
mit mehr "der weniger Glück byzantinische, arabische, persische
hu ,1 ägyptische Formen, mit welchen korinthische, etrurische und
— 2G3
römische Pflanzenornamente wechseln. Je reicher hei dem Schlüsse
des XVII. Jahrhunderts die Seidengewehe in Bezug auf Materiale und
Farbenhäufung, namentlich zu liturgischen Zwecken wurden, desto
gcist- und phantasieloser werden sie in Hinsieht der Wahl und An-
häufung regelloser und schwulstiger Dessins.
Mit diesen Andeutungen, welche nur in den äussersten Um-
rissen den interessanten Inhalt der 1. Lieferung anzugehen suchen,
müssen wir uns begnügen und erwähnen nur noch , dass die Detail-
behandlung durchgehends auf den eingehendsten Forschungen beruht
und so viel des Neuen und Anregenden bringt, dass nicht nur der
eigentliche Archäologe, sondern eben so sehr der Geistliche, der
Kunstlbrscher , wie auch der Industrielle aus der aufmerksamen
Leetüre dieses Werkes wesentlichen Nutzen schöpfen wird. Die
beigegebenen 19 Tafeln in Farbendruck, welche in historischer Auf-
einanderfolge getreue Stoffmuster bieten, sind trefflich ausgeführt,
das Werk selbst trotz seiner glänzenden Ausstattung sehr billig.
Der Umfang des ganzen Werkes ist auf zwei Bände Text mil
110 Abbildungen im Farbendruck berechnet.
G. H.
istatz V.: MittelalterlicheBauwerkc nachMerian. Mit einer
Einleitung von A. Reichcnsperger. 1. Heft. Text S. 22 und XII
Tafeln Abbildungen. Leipzig, J. 0. Weigel 1856.
Das vorstehende Unternehmen soll, dein Prospecte zufolge,
zunächst den Zweck haben, der Unkenntniss der Merian'schen Topo-
graphien zu begegnen, und die Architekten, welchen die vaterlän-
dische Kunst und deren Wiederbelebung am Herzen liegt, auf die
reiche Fundgrube hinzulenken, welche die Merian'schen Prospecte
darbieten. Zu letzterem Behufe hat es Herr Statz unternommen, die
interessantesten mittelalterlichen Architecturgruppen im vergrößer-
ten Massslabe und mit solchem Detail ausgestattet, wie
es der Geist des betreffenden Styles erfordert, wie-
derzugeben. Das vorliegende erste Heft beginnt mit der Einleitung
von A. Reichcnsperger, worin er dem Leser eine sehr anregende
Schilderung der Verhältnisse und Leistungen der Merian'schen
Künstlerfamilie und damit im Zusammenhange eine Übersieht der
mittelalterlichen Topographie bietet. Wir nehmen diess mit
grossem Danke auf, weil wir darin eine Bereicherung des geschicht-
lichen Stoffes erhalten haben und hätten nur gewünscht, dass der
geschätzte Verfasser sich des polemisirenden Tones begeben hätte,
womit er fortwährend gegen Feinde der mittelalterlichen Architectur
zu Felde zieht, welche bestimmt am wenigsten dort zu suchen sind,
wohin Reichensperger's Pfeile sich richten. Die Kritik der mittel-
alterlichen Baustyle zu blossen Gunsten des Einen oder des Andern
zum Schweigen zu bringen , dürfte kaum gelungen und gewiss
nicht von Nutzen sein. Auch dürfen wir nicht verschweigen, dass bei
der Strenge , welche Reichensperger in der Regel an die Leistungen
der modernen Architekten und zwar mit vollem Rechte in Anwendung
bringt und bei der hohen Bewunderung, welche er mit nicht minde-
rem Rechte den Kunst-Überresten der Golhik zuwendet, die Vorliebe
nicht wohl erklärlich, wenigstens nicht gerechtfertigt erscheint, mit
welcher er sich den Entwürfen Statz's seit langem zuwendet. Es
war uns befremdlich, dass den trefflichen „Fingerzeigen" nicht Ab-
bildungen noch vorhandener mustergiltiger Cultusgegenstände , an
welchem kein Mangel ist, sondern Entwürfe des Herrn Statz beigege-
ben waren. Nicht minder hat es uns in Erstaunen gesetzt, dass, wenig-
stens dem Prospecte nach, das „Gothische Musterbuch" nicht durch-
gehends an das Vorhandene sich anlehnte, sondern auch die Aufnahme
eigener Entwürfe der beiden Herausgeber. Stalz und Ungewitler,
vermuthen licss. Es mag Kreise gehen, welchen die Arbeiten dieser
beiden Architekten als mustergiltig erscheinen, doch dürfte eine
solche Ansieht auch begründeten Wiedersprach erfahren. In keinem
Falle aber mag es angehen, mit Umgehung des bestehenden Formen-
Schatzes, wie er sieh in zahlreichen Überresten in der reichsten Fülle
nachweisen lässt, Muster zu erfinden. Gleiche Bedenken knüpfen sich
an das vorliegende Unternehmen. Wer Merian kennt, weiss, dass es
ihm wahrlieh nicht um genaues Detail, sondern eben nur um die le-
bendige Auffassung der gesammten ConGguration zu Uran war; in den
Kirchen und Thürmen, wie er sie gibt, können wir in manchen Fällen,
wo uns der Vergleich noch geboten ist, kaum die Muster erkennen.
In den meisten Fällen musste er sich bei dem eingehaltenen Massstabe
mit einem im kleinsten Massstabc gegebenen Umrisse begnügen, und,
wie erwähnt, liegt der Werth dieser Ansichten aber nur in dir i,i—
sainmtauffassung. Eben diese aber tritt in dem vorliegenden Wirke
in den Hintergrund, es hält sieh an Details, und da diese natürlich
in der gegebenen Form nicht genügen, tritt Statz's Restauration
hinzu. Wir haben es daher in der Hegel wieder mehr mit seinen
Entwürfen, als mit Abbildungen bestandener Bauten zu thun. Diess
aber macht nach unserem Ermessen dem Wcrthc der Arbeit einigen
Eintrag, da es gewiss nicht unmöglich, wenn auch mit grösseren
Schwierigkeiten und Mühen verbunden gewesen wäre, für alle
Gruppen der Architeeturtheile noch bestehende Muster vorzuführen.
Einem solchen Unternehmen würden wir unbedingten Beifall zollen,
während der Werth des Gebotenen uns als ein beschränkter erscheint
Schliesslich bemerken wir, dass der Umfang des Werkes, auf
12 Hefte berechnet ist.
i. II
Die mittelalterlichen Baudenkmäler Niedersachsens. Heraus-
gegeben von dem Architekten- und Ingenieur-Verein für das
Königreich Hannover. I. lieft. Hannover, Karl Rümpler 1846, 4".
:14 Seiten und VIII Tafeln.
Schon Dr. L. Puttrich hat in seinem Werke: „Denkmale des
Mittelalters in Sachsen" auf die Thatsache hingewiesen, dass sieh in
den sächsischen Ländern, wo das frühzeitige Schaffen christlicher
Bauwerke weniger wie am Rhein unter dein Einflüsse der römischen
Kunst geschah, die ersten charakteristischen .Merkmale unverküm-
mert germanischen Geistes finden. Sachsen war daher auch schon
wiederholt das Feld sehr interessanter und wichtiger archäologischer
Forschungen — eine reiche Ausbeute für das Studium der mittel-
alterlichen Kunst. Puttrich's obenerwähntes Werk umfasst aber
nicht den ganzen Umfang des allen Sachsenlandes, sondern über-
schreitet die Gränzen des jetzigen Sachsens nur bis zum Harze. CS
hält sich also etwa in dem Bereiche der alten obersäehsisehen Länder.
Über die Denkmale der niedersäebsisehen Länder aber, welche haupt-
sächlich aus dein Königreiche Hannover und dem Herzogthume
Braunschweig bestehen, ist ausser dem angefangenen Merke desBau-
inspectors Mithof noch nichts Wesentliches durch bildliche Dar-
stellung veröffentlicht worden. Da nun ferner durch W. Lübkc's
Werke eine ausgezeichnete und gründliche Darstellung der Kunst-
denkmale Westphalens geboten wurde und dadurch die Grunze der
niedersächsischen Länder im Westen und Süden durch Beschreibung der
Kunstdenkmale erreicht ist. hat sich der Architekten- und Ingenieur-
Verein für das Königreich Hannover zur Pflicht gemacht hat. die in
seiner unmittelbaren Nähe liegenden allen niedarsächsiseben Bau-
werke in einer übersichtlichen Darstellung /u pubjiciren. Die Darstel-
lung der Bauwerke wird in Grundrissen, Durchschnitten, geometri-
schen und perspectivischen Ansichten geschehen, und jedes derselben
mit historischen Notizen begleitet sein. Das erste vorliegende Heft ent-
204 —
httlt: 1) die Kirche des Klosters St. Godehardi in Hilde she im,
eine langgestreckte, dreischiffige Basilice mit einer organisch mit der
Kirehe verbundenen Doppel-Thurmanlage im Westen, einer reich und
eigenthümlieh gestalteten Choranlage im Osten und einem aus 3 Qua-
draten bestehenden Querschiffe vor dem Chore, "i) Die Kirehe des
Klosters zu St. Hiehael in II i I (I es he i in, eine doppelchorige
Pfeiler- und Säulenbasiliea mit zwei an beiden Enden des Langschiffes
befindliehen und völlig gleichen Querschiffen, an deren Nord- und Süd-
seiten früher unten achteckig und oben rund gebildete niedrige
Thürine standen, mit viereckigen Thürmen über den beiden Vie-
rungen und einem mit Plastik und Malerei ausserordentlich reich
lusgestatteten Innern. 3) Die Kirche zu Wallenhorst bei
Osnabrück in Westphalen, eine der Übergangsepoche angehö-
rende dreischiffige Kirche, mit einem Thurme in viereckiger Grund-
form vor dem Mittelschiffe im Westen , einem an den Thurm
slossendeii Querraume . einem Chore in quadratischer Form und
mit geradem Abschlüsse. 4) Die Klosterkirche zu Fredels-
loh, eine dreischiffige Pfeilerbasilica mit einem Kreuzschiffe und
mit Absiden an dem über das Letztere hinaus um ein Quadrat
verlängerten Mittelschiffe und an den beiden Kreuzflügeln, mit qua-
dratischen Doppelthürmen vor den Seitenschiffen der »estlichen Ab-
irrSnzung. — Die sämmtlichen Aufsätze und Zeichnungen hiezu hat
der Bauinspector Herr 0. W. Hahn in Hannover geliefert. Aus der
skizzirlen Angabe des Inhalts dürfte schon zu entnehmen sein, dass
• lieses Werk ein wichtiger und sehr interessanter Beitrag für die
Architecturgeschichte Deutsehlands zu werden verspricht, und dass
dasselbe die grösste Beachtung undTheilnahme verdient, wenn anders
die folgenden Hefte mit demselben Verständniss und derselben Klar-
heit in der Auffassung wie das vorliegende zur Veröffentlichung
gelangen. Wir empfehlen daher auch unsern Lesern das Werk als ein
zum Studium und zur Belehrung sehr anregendes Unternehmen.
K. W.
Mittheilungen aus dem Gebiete der kirchlicher) Archäologie
und Geschichte der Diöcese Trier. Herausgegeben von dein
historisch-archäologischen Vereine. 1. Heft. Trier 1856. 8°. S.IN
Trier ist das älteste Bisthum diesseits der Alpen und wegen
seines Allers immer hochgefeiert unter den Kirchen Deutschlands; die
historischen und archäologischen Studien linden daher in seinem
Bereiche einen überaus reichen Stoff zur Durehforschuug, wenn auch
im Laufe der Jahrhunderte Verwüstungen über sein Gebiet, nament-
lich über seine ehemalige Metropole, wie über keine Stadt von
Gallien, und seihst nicht über Rom ergangen sind. — Um für diese
Forschungen die Kräfte zu rereinigen, wurde auf Wunsch des Herrn
Bischofs von Trier ein Verein gegründet, und in den oben angezeigten
Mittheilungen beginnt derselbe die Veröffentlichung des Ergebnisses
seinerbisherigenThätigkeit. Dieselben enthalten nachfolgende Aufsätze,
welche theils dem Gebiete der Geschichte, der Liturgik und der
kirchlichen Literatur, theils dm eigentlichen Baudenkmalen gewidmet
sind: lj Über die Unterhaltung der Kirchengebäude, von Dr. Lader.
2) Beiträge zur Geschichte der allen Liturgie dcrTricr'sehen Kirche.
3) Allgemeine Geschichte derTrier'schen Liturgie. 4) Die allgemeinen
Gebräuehe der heil. Messe in der Tricr'schen Kirche, 3) Bemerkungen
über die Entstehung des Tricr'schen Ordo Missae. ti) Die Stiftkirche
zu Pfalzel. 7) Merkwürdige Bestätigung einer Märtyrersage. 8) Die
Titel der ältesten Kirchen zu Trier, verglichen mit denen zu Rom.
:t) Nachtrag zur Geschichte des heil. Paulinus, von Schmitt. 10) Das
Siegel des Pauliner- Klosters Adalbero. 11) Literarhistorische Ent-
deckungen, von Prof. Marx. 12) Aus dem Trier'schcn Dome. 13) Line
Urkunde der Abtei Metllach. 14) Die sogenannten römischen Bäder
zu Trier, von Freiherrn de Koisin. 14) Berieht über den Verein und
iie Vereinssitzungen. 18) Statutendes Vereins. Von besonderem In-
teresse für die Zwecke unserer Blätter ist der vorerwähnte Aufsatz
des Barons de Koisin, in welchem der Nachweis versucht wird,
dass die sogenannten römischen Bäder zu Trier der
Oho r- u n d K r e u ■/. c o n c h e n a n 1 a g e i n d e r K i r e h e Sa. M b r i u
in Köln zum Vorbild gedient haben. Nach der bisherigen,
besonders von dem Franzosen Herrn Vitet vertretenen .Meinung sollen
drei mit einander verbundene Conchen ohne Zwischensetzung anderer
i nieder morgenländischen Ursprungs sein. Die St. Mariakirche zu
Betlehem , St. Jakob und St. Johann zu Jerusalem bieten nach ihm
.lie wesentlichen Kennzeichen dieser architektonischen Gattung dar.
Als Muster des Abendlandes seien die Kölnischen Kirchen St. .Maria am
Capitol, des Apostels St. Andreas u. a. in., anzuerkennen. Allein schon
Herr von Quast bemerkte in seinem Aufsatze zur Chronologie der
Gebäude Kölns (Jahrbuch des Vereins von Alterthuinsfreunden im
Rheinlande, X. IS47. S. 189 u. s. f.), dass er es vorziehe, eine örtliche
Tradition statt einer Nachahmung sehr ferner Gebäude anzunehmen,
da sich hierauf die vielfache Anwendung in einem Orte' und dessen
Nachbarschaft nicht leicht erklären Hess. Herr von Quast ist daher der
Meinung, dass neben der so eigentümlichen Anlage von St. Gereon
auch noch eine oder mehrere christliche Kirchen aus römischer Zeit
in Köln vorbinden waren, welche in der wesentlichen Anordnung das
Vorbild derjenigen Gebäudeelasse bildeten, die gegenwärtig noch
bestehen.
Auch Dr. K. Schnaase hatte in seiner Geschichte der bil-
denden Künste im Mittelalter (IV. Bd. 2. Abth. S. 121—122) schon
die Behauptung aufgestellt, dass die von Konstantin erbaute Basiliea
zu Bethlehem auf die Capitolskirche keinen Einfluss gehabt habe, da
die Technik des Mauerwerks und aller Details, die Pilaster und Con-
solcn des Ausseren, die Säulen des Inneren, die Würfelcapiläle, die
Form der Basis dein rheinischen Style des 11. Jahrhunderts entspre-
chen, und dass viel wahrscheinlicher das ältere Gebäude der Capi-
tolskirche selbst oder andere römische oder carolinische Bauten zum
Vorbilde dienten.
Auf die Annahme des Herrn von Quast gestützt, weist Baron
deRoisin auf den Vergleich der Umrisse der römischen Bäder zu
Trier und der Capitolskirche zu Köln hin. deren Ahnliehkeil im hohen
Grade auffallend ist, wobei noch zu bemerken ist, dass die grösste
Apsis dieser Bäder von aussen betrachtet mit ihrer doppelten Pen-
slerreihe und ihren Nebentheilen ein Abbild der äusseren Choranord-
nung der romanischen Kirche am Rhein darbietet. Er glaubt daher
zu ilem Schlüsse berechtigt zu sein, dass dem kölnischen Vorbilde
entweder die Tricr'schen Bäder selbst oder eine diesen nachgebildete
Trier'sche Kreuzkirche als Muster und Prototyp gedient habe, und
dass die im Abendlande zur Anw endung gekommene Kreuzconchenan-
lage keineswegs aus dem Oriente herübergeholl worden, sondern echt
römischen Ursprungs, also echl romanisch sei. <l. 11.
Aus der k. k. Hof- und Staat ei in Wien.
REGISTER
der
in diesem Bande angeführten Personen . Orte und Nachen.
Abkürzungen! B. = Burgen; F. = Flügelaltar; 6. = Gothischer Styl ; (ir. = Grabmal; I. = Inschriften; M. = Münzen: Hai. = Malereien ;
RA. = Römische Alterthümer; lt. = ({omanischer Styl; Rest. = Restauration; f. = Obergangsstyl.
A.
Aachen. R. 75.
Ackner, M. J. 85, 93, 126, 153
Aismuth König. 238.
Akropolis in Siebenbürgen. 98.
Alberich Abt. 254.
Alhrechtitz. R. 141).
Alparet. RA. 129.
Altarschrein in Weisscnbacb. 205.
Altbunzlau. R. 146, 197.
Altenburg (Deutsch-). R. 82. G. 104,251.
Altert hums verein in Wien. 32.
AI terthumskunde in Osterreich, Auf-
gabe der. 1.
Altofen. 9. I. 162. Stele 209.
Ambras. Rest. 89.
Amphitheater, röm. zu Gredistie. 95.
Andrich, Fz. 136.
Ankersbofen. Gottl. F. v. 22. 44, 121,
141, 229.
Apaffi Gr. 157.
Apaffi, Mich. Gr. 101.
Apoll onia, Verkehr mit Dacien 154.
Archäologische Funde in Siebenbürgen
in d. .1. 1845 bis 1855. 85, 93, 126,
153.
Archäologischer Verein d. böhm. Mu-
seums. 45.
Arier, Pet. 219, 221.
Arn etb, Jos. 8, 26, 45, 261.
Arras, Math. v. 218,241,247..
Aspang. G. 104.
Aspang. R. 82.
A ussee. F. 172.
Avignon, Willi, v. 241, 247.
B.
Blies. 131.
Baden. G. 104.
Baplis te rien, deren Entstehung und
Charakteristik. 54. Brixen. 38. Petro-
nell. 56. Concordia. 230.
Basel. R. 92.
Basilica, die altchristliche. 118.
Batza. M. 130.
Baumeister Böhmens. 246.
Benedict beil. 254.
B e n e s c h , Fz. 25.
Ben e seh v. La un. 241, 247.
Benigni v. Milden her g. 101.
B e ns e n. 245.
Berchtoldsdorf. R. 82. — G. 104.
Bergamo. Rest. 89.
Bergmann, Jos. 89. 91, 132, 138, 260.
Bergwerke alte in Siebenb. 131. 132.
Betstühle. Rottenmann. 174. Gröbming.
173.
Bibliographie. 212.
Biblische Pararel lb i I der. Brixen. 19.
Bielitz (Alt-). G. F. 112.
Bistritz. R. A. 131.
Blatt na. G. 244, 245.
Bock, Franz. 262.
Bogeschdorf. M. 130.
Bobinen: Übersicht der roinan. Kircheu-
bauten. 145. Charakteristik der Bau-
denkmale.189. Alter im Styl. 190. Geo-
graph. Vcrtlieilung. 192. Romanische
Bauten. 193. Obergangsstyl. 213. Gotbi-
schc Bauten. 216.
Böhmisches Museum. 45.
Boz (Klein-). R. 146.
Bozetechus Abt. 247.
Brada. B. 146.
Brescia. 87.
Brixen: Kreuzgang, Taufkirche, Symbol.
Darstellungen. Mal. 17. Crucifiz. 161.
Bromberg. G. 104.
Bros. M. 127.
Brozan. R. 146.
Brück a. d. Laitb.,. lt. 82.
Brunn am Gebirge. G. 104.
Brunnen, gotb. in Kuttenberg. 138.
Brün ner Bischof. Erlass. 237.
Buch sbaum, H. 43.
Bud in. R. 146.
Bud weis. G. 244.
B ui t u r. 94.
Bukowsko. R. 146.
Burkhardt, L. A. und Riggenbach,
Ch. 92.
Burkhardt, Jos. HcrCicerone. 92.
Burgberg. B. 129.
Burgen : Sei. Lambrecht. 13. Siebenbürgen.
93, L28, 158. Böhmen. 215. Croatien. 232.
Burgruinen: St. Lambrecht. 13.
Bursa, Jerusalem. 30.
ByzantinischesCrucifi \: Möggers. 31.
Byzantinischer Styl. Charakteristik.
49, 69. Verhältniss zum Romanischen
Styl. 118.
C amesina . A. 12
Caslau. R. 146.
Caumont. 18.
Öecelitz. lt. 146.
Celakowitz. It. 1 16
Ceratt a fein , röm. in Mahnkrog. 157. Dac
Goldgruben. 260.
Cestin. R. I4li.
Charwatec. R. 146.
Chiararall e. 88.
(borst üble. Pettau. 173.
C ho ti esc ha u. R. 146.
< h » a I k .i n i t /.. Schlussstein. 140.
Cilli. G. 172.
Cistercicnscr 1! a ul ch. Neuberg. 3. Ein-
richtung der Klöster u Kirchen. 254.
35
260
Citaux. 234.
C zizek, Ingenieur. 140.
Clai rvaux. 854.
C 1 a in m - G a 1 1 a s'sches Palais in Prag. 246.
Co in o. Kcst. 88.
Concor dia, Baptisterium. 230.
Cons tantinopel. 69. Hagin Sophia, 72.
Coim in. Familie. 235.
Cremona. liest. 87.
Cru tifix in Brixen. 160.
Crypten: St. Georg in Prag. Mödling. 83.
Ciuk. 122. Klienulorf. 122. Ossiach.
I2Ö. Altbunzlau. 146. Poric. 147, 193.
Csora. 128.
Curioni, Kill. v. 88.
I).
Dacien: Verkehr mit Dyrrhachiuni und
Apollonia. 184. Goldgruben. 260.
I) e m s us. O.'i.
Dioc le t i a n's Palast in Spalato. 133.
Dinzenhofer, Eil. 24:i. 246, 248.
Dolan. R. 146.
Doppelcap eilen: Neustadt. 106. Eger.
214.
Doxan. R. 146.
Dyrrhaehium, Verkehr mit Dacien. 154.
E.
Ebenfurth. (1. 104.
Eber g as s in g. G. 104.
Ebcrhardus vi I rar ins laicus. IIa.
Eberndorf. I!. 122.
Ebnit. 139.
Eb reichst! o rf. G. 104.
Edlitz. G. 104.
Eegiden. It. 82.
Eger. Dechanteikirche. 21, 146, 200, 214,
Judensj nagoge. 89.
Ehrenberger Klause. Inschriften. 46.
163.
Eitelberger.Rud. v. 1,48, 49,69, 113,
117, 135, 149, 163, 223.
Em e rberg, R. 82.
Emerberg. Gr. 249.
Ems zu Hohencms, Ritter v. 90.
Erdy. Dr. Joh. 201.
E iscnwein, A. Norddeutschlands. Ilack-
steinbau. 240.
E st erh dzy. Denkmal. 65.
F.
Farkadin (Unter-). RA. 94.
Ferrobosco. 846, 248.
Febring. G. 248
Feil, Jos. 12. 854.
Feisl ritz. G. 104.
Feldbaeh. G. 248.
Fischer v. Er lach. 2 '»6, 248.
Flügelaltiire: lleiligcnblut. 12. Aussee.
63. Ilt-Biclitz. 113. Mahnkrog. 155.
Set. Georg. l?i. Wcissenbach. 205.
Ogrodczon in Niederkurzwald. 261.
Fr e scogemälde ,alt e. Brixen. 18. Hieran.
41.Vesprim. 184. San Daniele in Friaul.
222. Lupoglava. 236.
Finkenste in. G. 123.
Fo dor, Dr. 87.
Friaul, San Daniele. Mal. 222.
Friesach. G. 124.
Gais. U.202.
Gaissau. Hausmarken. 28.
Galt. RA. 153.
Garegnano. 11. 88.
G ;i ss er, Jos. 203, 203.
Georg, Set. am Lungsee. lt. 122.
G corgsberg. R. 146.
<; e r ol dus , pictor. 1 14.
G ewö 1 beschlussst ei n e. Chwalkowitz.
140.
Giselacape He in Vesprim. 184.
Glasmalereien: Meran. 41. Sleicr. 44.
Rbnif. Lothis. 139. Wels. 228.
Glocken in Ungarn. 64. Niederrintl. 140.
Gmünd, Pet. v. 241, 247.
Gojan. G. 244.
Golde gg. Plafond des Rittersaales. 162.
Goldgruben, daeische. 260.
Gothisehe Bauwerke: Neuberg. 3.
Leutschau. 14. Sedletz. 13. Meran. 41.
Steier. 43. Aussee. 63. Im Kreise u. d.
Wiener-Walde Ni cd erö sterreichs.
103.Alt-Bielitz.113.InKarnthen.123.
Mariasdorf. Hannersdorf. 139. Völker-
markt. 141. Wien (Maria am Gestade).
149. Rermannstadt. 138. Schässburg.
167. Gröbming. 171. Erakau. 181.
Percha. 202. Mühlbach. 203. Täufers.
203. Set. Valentin. 204. Martinus in
Arm. 204. Weissenbaeh. 203. Luttach.
203. Millstatt. 208. Charakteristik der
goth. liaiilen Böhmens. 216, 247.
Wels. 227. In Croalien. 233. Feld-
baeh ii. Fehring. 248. Deutseh-Altcn-
burg. 233.
Grabcapellen, romanische. 36, 38.
Meran. 42. Hartberg. 59. Wr. Neu-
stadt. 84. Ödenburg. 109. Maria Saal.
123. Saiz. 173.
Gräber, römische. 9.
Grabmale. Malmkrog. 155. Wels. 229.
Ncdelicin. 232. Vinica. 234. Lupoglava.
233. Feldbach. 248. Fehring. 248. Pcrl-
stein. 248.
Gr nfendorf. G. 123.
Gralz- Denkstein. 13.
Grni e, Heinr. 53, I7S.
Gredisti e. Mosaiken. 95.
Griventhal. It. 122. G. 123.
Grinzi ng. G. 104.
G rö b in i n g. G. 173.
Gross-En \ e cl. It.\. I ■'•'!
Grosspold. B. 128.
Grueber, Bernhard. 189. 213. iil
Guravoy. M. 102.
Gurk. It. 22, 121,229.
G yalar. 86.
Gyn lai. Gral'. 87.
II.
Haas. Dr. 10. 64.
Hainburg. Rundcapelle. 82. G. 104.
II allein. Reliquienschrein. 80.
II a in in c r s d o r f. 85.
Hannersdorf. G. 139.
Hartb er?;. Grabcapelle. 39. R. 178.
Haus z eich e n: Möggeis und Gaissau. 28.
Heider, Dr. Gustav. 3, 16, 32,33, 115,
116, 187, 263, 264.
II el enenberg. G. 126.
Heiligenblut (V. 0. M. I!.). F. 12.
G. 126.
Heil i g enkr e n z. lt. 83. G. 105.
Heiligenstadt. G. 103.
II eil weger, Frz. 202. 203.
Meltau. It. 129.
Henersdorf. R. 83.
Henri ei, Job. 203.
Her mag or (St.). G. 123.
Hermannstadt. G. 185.
II c'\ i z. A. 133.
Hieser, Jos. 1 15.
Himberg. R.83. G.105.
Hitzin g. G. 103.
II n r w k ow ice. R. 146.
Hoch-Aujezd. I!. 146.
Hohen ems. Holzschnitzwerke. 161.
Hohenfeistritz. G. 124.
Holubitz. lt. 146.
Holzbau in Böhmen. 247.
Hol z seh ni f zw er k e, alte: Salzburg. 146.
Hohenems. 160. Steiermark. 172. Ini-
chen. 202. Luttach. 205.
Hostiwar. It. 146.
Howorowi l /.. It. 146.
Ilrusilz. II. 146.
I.
Inichen. It. 89. 200.
Innsb r ii i- k. SO.
Inschriften, röin. Poletin, Ogradina,
Czernctz. ii. Ofen. 64. Siebenbürgen.
133. Croaticn. 832. Iquileja. 238.
Is c i n g r in us, I a i c n s. 114.
Ist vanfy. 234
.1.
.1 a kob, Set. (Tirol |. 204.
Jakob, Set. (Böhmen) II. 148.
.1 i c n Im s Mag. 247.
Ja gerb e rg. Monstranze. 14.
K.
Kain dorf. M. 46.
Kamenitz. II. 1 16.
Kandier, Dr. P. 165, 238, 260.
K anz ein, gothisehe. Meran. II,
207
Karl der Grosse. Einfluss byzantinischer
Bauten. 77.
Karl VI., Kaiser. Bilduiss zu Mariszeil. 109.
Karls bürg. RA. 132.
Karl stein, Burg. 89.
Karner, denn. Bedeutung. 38.
Kärnthen: Charakt. der kirchl. Bamlenk-
male. 121.
K a u k a. 246, 248.
Keczer, Frz. v. 234.
Keglevich, Graf. 65, 91, 239.
Keltische Alterthümer in Steiermark. 65.
Kemeny, Joh. u. Sam. Graf. v. 86.
Kirchschlag. G. 105.
Kirchberg am Wechsel. G. 105.
Kirling. R. 83.
Kis-Kalan. RA. 96.
Ki rche nc asteil e in Steiermark. 248.
Kis- T ap o 1 c z a n. Gr. 91 .
Kl ad r au. G. 245.
Klagenfurt. Lindwurmdenkmal. 65.
K 1 a 1 1 a u. G. 245.
K 1 a u s e n b u r g. 131.
Klein, Dr. 93.
Klein-Muntschel. RA. 94.
K lingenberg. B. 215.
K loste meu bürg, Gertrudskirche. 225.
G. 105. R. 83.
Köblös. 131.
Koci. R.146.
Kodl ik, Andr. 247.
Kögl, Jos. S. 28, 31, 91, 160,240, 259.
Kolin. Ü. 214. G. 221.
Kondrac. R. 147.
Königgrätz. G. 217, 223.
Kupanina. R. 147.
Korinek. 242.
Kosteletz am Kreuz. R. 147.
Kötschach. G. 125.
Kowary. R. 147.
Krakau. 30, 65, 181.
Krapina. G. 236. Burg. 237.
Klein. R. 147.
Kresehitz. 241, 244, 247.
Kreuzgänge: Neuberg. 4. Brixen. 1«.
Heiligenkreuz. 73.
Krizovlj an. G. 235.
Kroatien. Baudenkmale. 232.
K r ii mau. Burg. 215, 245. G. 244, 245.
Kugler's Geschichte der Baukunst. 47.
Kukuljevic, J. 114.232.
K u m m e r n u s s , Set. 37, 1 32.
Kunelitz. B. 215.
K ii ttenberg, goth. Brunnen. 137. G. 241.
Steinernes Haus. 245.
K u e I o n. 247.
L.
La ab. G. 125.
Laferte. 254.
Laib ach. BA. 161.
La n s e Ii au. R. 147.
I.amlir echt, Set. Burgruine. 13.
L a u n. G. 24ö.
Lavanthal. Set. Paul. R. 121. Set. Andrä.
123. Set. Leonhard. 124.
Legio XI. Claudia. 238.
Legis-Glückselig, D. Her Prager Dom
Set. Veit. 188.
Lei t nie ritz. 245.
L engheimb, W. v. 250. — A. v. 250.
Leonardo da Vinci. Restauration des
Abendmahles. 88.
Lesachthal. G. 125.
Lessai, Dr. 128.
Leu tschau. G. 14.
Libcan. B. 147.
Libis. R. 147.
Lieht enst ein. It. 83.
Liehtenwört. G. 105.
Liebs b ausen. R. 147.
Litern R. 147.
L o reni, Gust. 127.
Lothis. 139.
Liibke, W. Gesch. der Architectur. 187.
Luggau. G. 125.
Lüngsee. Set. Georg. 122.
Lupoglava. Mal. 235.
Luragho a Fermo. 246, 248.
Luttach. G. 205.
M.
Mac i nee. G. 232.
Mailand. Rest. 88. S. Celso. 88.
Male mkro g. 101.
Malereien: siehe Frescogemälde u. Ölge-
mälde.
Malotiz. R. 147.
Mar garet hen a in AI o o s. lt. 83.
Marini, Arehit. 246,248.
Mark LR. 147.
M aros Nemeti.RA. 86.
M arti no di Udine. 222.
M a r t i n u s in A r in. G. 204.
Ma ria Saal. G. 123.
Margarethen am Moos. G. iOä.
Mariasdorf. G. 139.
Mari a Weitschach. G. 124.
AI aria Wörth. G. 126.
Maria Zell. 109, 172.
Mass mann, lli'iur. F. 260.
Mauer. G. 100.
Mec h n ejo v. B. 147.
AI el u s i I n f e r i o r. 238.
AI e na [>a ce. F. 10.
AI er.an. Baudenkmale. Mal. 41.
AI e v n e r t. Dr. H. Das Herz König Rudolph's
zu Tuln. 164.
Michaelsberg. Ii. 129,
Ali es b Sl C h, Alois v. 8, 9.
Millstatt. G. 126.
Mi 1 1 statt. G. 208.
Mise ro n. 248.
AI it I e I a 1 1 e rl ie h e K iinsld 0 nkniale
iles österr. Kais er Staates. HS,
•210.
M 5 dl i ng, R. 83. G. 106.
Möggers: Hausmarken. 28. Crueifix. 31.
Möbel nice. R. 147.
Mohr. 248.
Monstranz en: Ingerberg. 14. Sedletz. 2t».
Pressburg. 206.
AI o r i mond. 234.
Müh lb ach. G. Ol), 111, 203.
Mühlhausen. R. 147.
Müller, Frd. 38, 107.
AI un tscheler -Gredistie. 95
Muthmannsdorf. G. 106.
Münzen, rüm. 8, 13, 15, 26; siehe: Ar-
chäolog. Funde in Siebenbürgen. 99.
Mittelalt. 46. Stein. 185.
Nädös. RA. 131.
Nandor. RA. 94.
N a t z. X'J.
Nechwalicc. R. 147.
Nedelisie. G. 232.
Neigebauer „Dacien". 93.
Neuberg. Kirche und Kreuzgang. 3, 172.
Neubaus. B. 203, 215.
Neustadt (Wiener-). R. 83. G. 106.
Niederdorf. II. 202.
Niederkurz wald. F. 261 .
Ni ede v in t 1. Glocke. 140.
Nikolai, Elias, Bildhauer. 157.
Nim bürg. G. 217.
Nost itz'sehes Palais in Prag. 24li.
N u d w oj o w i c e. R. 147.
O.
Oberdorf. Wappen. 90.
Oberpettau. G. F. 173.
Obervellach. G. 126.
Obienitz. R. 117.
0 e il e n b u r g. G. Mich. Kirche und Jakobs-
capelle. 107.
Ogrodezon. F. 261.
Ölb eh älter im Scethale Salzburgs. 113.
Ölgemälde, alte. Znaim. 30. Wurm-
berg 173.
Olah-Pian. RA. 102.
Olbra mowi I z. R. 147.
Ör-Boldogfalva. RA. 9S.
Ofech. 11. 147.
Orlat. RA. 128.
Orsi. 248.
Ossiach. G. 125.
Österreicb u. d. Enns: Roman, u
thische Kirchenbauten im Kreise u. d.
Wien. Walde. 82, L03
Otte, IL 16. IS7.
P.
P acher, Mich. 20S.
Padua. Rest. II.
Paliardi. 248.
Papocz. R. 46.
Parker. 183.
:::;•
268
P;iul, St. im Laranthal, R. 121
Pavia. Host. 89.
Peltegrino da San Daniele. 222.
Penzi ii i;. G. 106.
Percha. G. 802.
Porti stein. 1!. 249.
Perlollitz. lt. 147.
Pestesch. 94.
Peter, St. 204.
Petreny. RA. 93.
Petronell. R. 84. 106.
Pe t r o tri tz. R. 147.
Petzold. G. 80, 114
I'hysiolo gus. 4
Pilsen. G. 245.
Planian. R. 147.
Plzenec. R. 147.
Pod winec. H. 147.
Podwinec. R. t99.
Pomorje. G. 233.
Pontigny. 254.
Poplaka. B. 100. 129.
Poric. lt. 147.
Portale: Tirol. 64. Iglau. 67. Oedenburg.
109. Wien (Maria am Gestade). 175.
Schässburg. 169. Millstatt. 209. Wels.
227.
Pottendorf. R. 84. 106-
Pottenstein- G. 106.
Prag: Karlshoferkirche. 89. R. 147. St.
Georg. 193. St. Agnes. Ü. 215. Syna-
goge. 217. Yi'itsdoni. 217. Karlshofer-
kirche. 221. St. Anna. Apollinare. Maria
Schnee. 222. Tcyokirche. 243. Brücken-
thürme. 244. Waldsteinsche Loggia.
'iiii. Palais der Grafen Clamm-Gallas,
Nostiz u. Tkun. 246.
Pfaslowilz. Holzbau. 247.
Pressburg. Monstranze. 206.
Prosik. 147.
Psar. R. 147.
Q.
Quast, F. r. 187.
R.
Raggendorf. Statue. 46.
Rajsko. R. 147.
Räkoschd. 94.
Ranger, Job. 233, 235.
Randnitz. (i. 217.
Rarenna. 69. San Vitale. 74.
Rechberg. Ordens-Commende 44.
Reditz. II. 147.
R egel sbrunn. R. 84.
Reginha rdus, Abt. 247
Reichau. B. 128.
I! <■ i cli e nspe rger, A. 92, 116.
It e isek, Matth. 241, 247
Reitter, Ober-Ingenieur. 10.
Reliquienschreine. 77. Hallein. 80.
Relling. B. 128.
Remetinec. G. 233
Renai ssance-Styl in Böhm. 245,246, 247.
Repy. It. 147.
Rescb, Ür. Jos 19.
Resinaer. 100 —129
Restaurationen: Provinz Venedig. II.
St. Jak. 13. Prag. 14. Leutschau. 14.
Brixen. 19. Lombardie. S7. Tirol, Burg
Karlsein und Karlshofer Kirche. 89.
Reu tt e, Inschriften. 4ti.
Richerus, eampanorum fusor. 114.
Riggcnbaeb. Cb. 92.
Robert. 254.
Robanitz. R. 147.
Rom an ischer Sty 1. Charakteristik. 49,
117. Dessen Verhältniss zum byzanti-
nischen und gothischen Styl. 1 18.
Romanische Bauwerke: Kreuzgang in
Brisen. 17. Gurk. 25. Hartberg. 59.
Statistik der romanischen Bauten im
Kreise u. d. Wiener-Walde in Nieder-
üster reich. 82. Charakteristik der
romanischen Bauten von Kärnthen.
121. Übersicht der nun. Kirchbau-
ten in Böhmen. 145. Charakteristik
der romanischen Bauten vonBöhmen.
193, 247. Niederdorf. 202. Gais. 203.
Dauer der rom. Bauten von Böhmen.
217. Klosterneuburg. 225. Deutseh-
Altenburg. 253.
Römische Colonien. Siebe Archaol.
Funde In Siebenbürgen. 92 u. s. w.
Römische Alterthümer: Wienerberg. 8.
Altofen. 9. Laibach. 161. Triest. 165.
Steiermark. 65. Tricnt. 261.
Holt enmann: Betstuhl 174.
Rottigel i M. 26.
R ozena \v. Job. 1 5y
Ruezizka. V. 2 4n
Rudig. B. 147.
Rundbauten, romanische: deren Bedeu-
tung.52, 54. Altenburg. 82. Aspang.82
Hainburg. 82. Mödling. 83. Petro-
nell. 84. Scheiblingkirchen. 84. Papocz.
46. MariaSaal. 123. Völkermarkt. 142.
In Bobinen. 197. Deutsch - Altenburg.
253.
s.
Sahen. Rest. SU
Sachsen | Nieder-). Baudenkmale. 263.
Sachsonburg. G. 126.
Sächsischer Kirchenbau (älterer). 38.
Sacken, Ed. Treib, v. 41, 44, 103, 251.
S ramentshäuschen: Aussee. 63.
Schässburg. 171. Taufers. 203. Weis-
senbach. 205
Sa i /.. Karthause. I 72
Salz bürg. Kirchenthüre. 42. Goldegg. 162.
Salzburg'schc Künstler aus dem Mittel-
alter. 114.
San Daniele. Fresken. 223.
SiSrd RA 131.
S c ■■< mozzi. 2i*
S c b a in s , Fr. 9.
Schässbu ig. <;. 167.
Sehe i b li n gskirc ben. R. 84.
Scheiger, .1. 13, 14. HO, 172.
Sebeukl, Dr. 30, 65. 261.
Schlau. R. 148. G.245.
Scbnaase, Dr. C. Geschichte der bilden-
den Künste. 163.
Schö n w isn er. St. 9.
Schott, W. 206.
Scrusi, Giuseppe 88.
Schwarzenberg, Karl Fürst zu. 129.
Sehweissi n£. lt. 147.
Sebesel. 128.
S ebenstein. G. 106.
Sedlctz, R. 148. G. 25, 245.
Seethal. Ölbehälter. 1 13.
Siebenbürgen: Sächsischer Kirchen-
bau. 38. Mühlbach. 60. Archäologische
Funde in il. .1. 1 845 bis I S55. 85. Schäss-
burg. 167.
Sievering. G. 106.
Sighart, Dr. J. Mittelalter!. Kunst der
Erz-Diöcese München-Freisingen. 67.
Skalitz. R. 148.
Skoritz. 11. 148.
Skvrnow. li. 14*.
Slabetz. R. 148.
Sluha. R. K. 148.
Smegna. B. 245.
Sobesin. lt. K. 14s.
Sobieslau. G. 244.
Solenau. R. 84.
Sombor. RA. 131.
Sontitz. R. 148.
Spalato, Diocletian's Palast 135.
Srbec. R. 148.
Srbiec. lt. I4S.
Stanko. 241, 244, 248.
Starhemberg. 84.
Stal z u. Un gc w i 1 le r.G ethisches Muster-
buch. 92.
St atz, V. Bauwerke mich Merian. 263.
Stauder. Jos. 202. 203.
Stegen. Sigm. v. 206.
Sleier.G. 43.
Steiermark: Keltische unil römisch,
Denkmale. 65. Mittl. Alterthümer. 172.
Steinheisl, Mich. 248.
S tei n nie tz /.c ich cn in Prag. 245.
Steinsculpturen : Fürstengräber in
Wien. 12. Statuen a. d. Prager Brücke.
14. Jagerberg. 14. Krakao. 30. Raggen-
dorf. 40. Alteste Scnlptur In Böhmen.
197. Inichen. 201. Millstatt. 209.
Stele, im,,,. Altofen. 209
Stephan, lbt.254
stiig,,, o. G. 2:::t.
Stochow. li. 148.
Stodulky. It. I4S.
Stolze hur- 129.
Storno. F. 108.
S I i'n s s h ii i'u' •'■ 124
2t>!) —
Stre-wnberg. G. 120.
Sun t er, Jakob. 21.
Süss, V. 113.
Sy in hol i sehe Darstellungen :Neuberg. 35.
Brixen. 19. Wels. 227.
Synagoge in Prag. (1. 217.
Szalavär. Bausteine. IS.
Szaszarma. HA. 130.
Szäszcsor. B. 128.
Szelistie. B. 128.
Szent Mihiily. I. 131.
T.
Tab or. Taufbecken. 210.
Tabors. 248.
Tachau, Herrn. 247.
Talmeseh. B. 129.
Tapolcj any, Joh. Ol.
Taufbecken. Tabor. 210.
Tau fers. 0. 203.
Taufsteine, deren Einführung. 36.
Taus. 245.
Tejn. B. 148.
Tenipera-G e m ä I >l e: Brixen. 18.
Tendrazitz. H. 148.
Tepl. R. 148.
Ternava, röm. Colonie. 114.
Ter tan. Best. 89.
Teschen. Thunn. 115.
Tetin. R. 148, 199.
Thernberg. R. 84.
Thornburg. M. 126.
Tbuu'scbes Palais in Prag. 246.
Thurocz, Benedict v. 234.
Tibod. AI. 15, 130.
Tinkhauser, G. 22, 160, 200.
Tis mit z. B. 148.
Tö seilen. R. 148.
Tozitz. R. 148.
Traja nsstrasse. 131.
Trakostjan. 236.
Trebeschitz. B. K. 148.
Trevis o. Best. 1 1.
Trient. RA. 201.
Tri e r-Diöccse. Archäol. Mittheilungen. 264.
Triest. Richardsbogen. 163.
Türkischer Stein in Altofen. 102.
Tu in au. li. 148.
U.
Udelricus. pictor. 1 1 4.
Udine. Best. 12.
Udvarhely. M. 101.
Übergangsslyl: Mühlbach, 61 : in Böh-
men. 213.
Ulricus, ineisor. I 14.
Ungewitter. 92.
Ur wegen. B. 128.
V.
Vaccarini, Barth. 22.
Valaszut. 130.
Valentin, Set. G. 204.
Va I y e Aniesehe. 99.
Varadi v. Kement. 87.
Varhely. BA. 93.
Vayda-Hunyad. B. 94.
Veit (Set.). G. 106.
Venedig. 11, 69, 72. San Marco. 76. Do-
genpalast. 183.
Venedig, Provinz: Concordia. 230.
Vcrespatak. 131.
Vertrag (Kaufs- und Verkaufs-) einer
Sclavin. 261.
Vesprim. Giselacapelle. Mal. 184.
Vicenza. Rest. 11.
Vietring. H. 122.
Viertel. R. 148.
Villaeh. G. 125.
Vitovee, Jeao. 234.
Völkermarkt. G. 123, 141.
Vulkaner Gebirgspass. 153.
w.
Wackernagel, W. 31.
Waclawitz. II. 148.
Walachisch-Neudorf. M. 127.
Wal eh um, nionetarius. 115.
W a 1 ds t e i n'sche Loggia in Prag. 246.
Wallirsehe. R. 148.
W .i im mI : B. G. 233.
Wasserleitungen, römische. Altofen. 9.
Weigelsdorf. R. 84.
V, eiss, K. 32, 77. 116. 137, 140. 174.
206, 212, 263.
W eissen ba c h. '• 205.
\\ eisskirchen. R. 148.
Wels. G. 227.
Wenzl Mag. 248.
W er nb er us, Abt. 247.
Wie,,. St Stephan. 12. St. Michael
Maria am Gestade. 140.
\\ e a erbe rg. RA. 8.
W ildu n g sm a u e r. B. 84.
Wilgefortis. 133.
Windsberg. I'.. 128.
W i n i. end ort'. <;. 107.
Winkler, Valentin. 20S.
Wirf lach. G. I<>7.
Wisker. R. 148.
Wititz. II. I4S.
Woccl, K. 4:;. I 13.
Wolfsberg. G. 124.
Wolfskron, Ritter \. 20. 44.
Wotryby. R. I4S.
Wrbno. R. 148.
Win- mberg. Mal. 173.
/. ahoi-. R. 148. 199.
Za -end ort'. 130.
Zanella. G. 201.
Zdeehowitz. B. 148.
Zeikfalva. RA. 93.
Zeitschrift für christl. Archäologie. 187.
Zelkowitz. I!. 148.
Zett I, Jos. 25.
Z e y d en. Heinr. 247.
/. nuini. Spitals- und Niklaskirch
Hauscapellc. 44.
Zobonosi. R. 148.
/. wirk hol. W. 248.
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